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GESCHICHTE
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SCHWÄBISCHEN MÜNDAßT.
O. Ott 0^8 Hof-Buchdruckerei in Darmstadt.
EDUARD SIEVERS
IN
FREUNDSCHAFT UND DANKBARKEIT
GEWIDMET.
aESCHICHTE
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DER
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SCHWÄBISCHEN MÜNDART
IM
MITTELALTER UND IN DER NEUZEIT
MIT TEXTPROBEN
UND EINER
GESCHICHTE DER SCHRIFTSPRACHE IN SCHWABEN
DARGESTELLT VON
D-^ FRIEDRICH KAUPPMANN
PRIVATDOZENT AN DER UNIVERSITÄT MARBURG.
STRASSBURG.
VERLAG VON KARL J. TRÜBNER.
1890.
O. Otto^s Hof-Buchdruckerei in Darmstadt.
EDUARD SIEVERS
IN
FREUNDSCHAFT UND DANKBARKEIT
GEWIDMET.
VORWORT.
Salve duicis patria
Suavis Suevorum Suevia !
Wohl werden auch Sie, hochverehrter Freund, wenn
Sie die geschichte unserer mundart entgegennehmen wollen,
gerne des schönen landes und treuen Volkes gedenken, in
dessen mitte Sie kurze aber fruchtbare jähre gewirkt haben.
Mit dem gruss an die heimat verknüpft sich mir so die
erinnerung an die Tübinger lehrzeit, die erinnerung an jene
im leben des einzelnen so wichtigen augenblicke, wo mit
einem schlage die aulfassung der thatsachen sich verändert
und der sichere hört des wissens sich zu sammeln beginnt.
Die allgemeinen kategorien der denkthätigkeit lassen sich
bekanntermassen nicht wie das a-b-c an den fingern her-
zählen, sie sind in steter entwicklung; der fortschritt des
individuums wie der Wissenschaft kommt nicht sowohl in
ihrer erfassung als vielmehr wesentlich in der klarheit über
die einordnung der Vorstellungen in die verschiedenen
kategorien zum ausdruck. So genügt es also keineswegs
dem ruf der masse nach konstatirung der erfahrungsthat-
sachen zu gehorchen, so lange das ergebniss neuer be-
obachtung nicht allseitig in Wechselbeziehung zum bereits
erworbenen gesetzt wird, kann von wissenschaftlicher
leistung nicht die rede sein. In diesem sinne ist die
folgende darstellung gedacht. Ich habe es mir angelegen
Vm VORWORT.
sein lassen, unbekanntes oder versäumtes material zur ver-
anschaulichung meiner behauptungen herbeizuschaffen, ich
habe mich bemüht, jede einzelnheit erfahrungsgemäss sicher
zu stellen und in den richtigen Zusammenhang einzuordnen:
bei der arbeit ist mir mehr und mehr jede einzelne
form ein symbol des gesammtlebens geworden. So möchte
ich meine geschichte der schwäbischen mundart gerne als
beitrag zur historischen anthropologie Schwabens betrachtet
wissen.
Die spräche mit den äusserungen ihrer lebensformen,
von Wortschöpfung, Wortbildung, Wortschatz u. s. w. ganz
abgesehen, ist eine ausserordentlich ergiebige quelle für
die erkenntniss der untergegangenen menschheit. Durch
die psychologische begründung des sprachlebens, wie sie
uns von Hermann Paul gegeben worden ist, sind uns
unsere ahnen viel vertrauter, ihr Seelenleben ansprechender
geworden. Wie der kreislauf des blutes auch durch ihre
körper seinen gesetzmässigen weg gegangen, so hat der
luftstrom in ihren schallbildenden organen sich zum sprach-
laute gebrochen, so hat die sprechthätigkeit ihre phantasie
angeregt und so haben auch ihre anschauungen und Vor-
stellungen in der mechanik des selbstbewusstseins ihr
wundersames spiel getrieben („analogiebildung**) und das
dunkle rätsei der Umsetzung des gedankens in die schall-
bewegung des lautes hat auch in den vergangenen Jahr-
hunderten bestanden. Die Übereinstimmung der elementaren
lebenskräfte ist für den geschichtschreiber nicht bloss
methodologisch fruchtbar.
Nach dem bilde, das meine darstellung von der ent-
wicklungsgeschichte des schwäbischen lautbestandes gibt,
werden die ansichten der principienwissenschaft über die
allgemeinen faktoren des lautwandels wesentlich zu modi-
ficiren sein. Paul sieht die eigentliche Ursache der Ver-
änderung in der gewöhnlichen sprechthätigkeit, bei welcher
dem einzelnen immer ein bestimmtes mass individueller
freiheit bleibe. Die bethätigung dieser individuellen frei-
heit wirke zurück auf den psychischen Organismus des
sprechenden, zugleich aber auch auf den Organismus des
VORWORT. IX
hörenden. Durch die summirung einer reihe minimalster
Verschiebungen in den einzelnen Organismen ergibt sich
dann als gesammtresultat die Verschiebung der usuellen
lautbildung. Diese Verschiebung könne aber nicht wohl zu
stände kommen, ohne dass das Individuum beeinflussung .
von andern individuen erfahre. Die hauptperiode dieser
beeinflussung sei die zeit der Spracherlernung im kindlichen
alter, die Vorgänge bei der Spracherlernung seien die
wichtigsten Ursachen für die ^sprach Veränderung. Der
akt der Sprachübertragung von einer generation auf die
andere, nächstfolgende, wird für die lautverschiebung
verantwortlich gemacht. Die consequenz ist eine immer-
währende ununterbrochene kleine und kleinste Verände-
rung in der erzeugung der mundartlichen laute; nach
generationen summiren sich diese kleinsten grossen zu .
einer akustisch und psychisch fassbaren Umwandlung. \
Eine solche aulfassung ist fremdartig, schon deswegen,
weil sie die einzelnen Vorgänge isolirt und die laut-
erzeugung zu sehr in das Interesse des Individuums rückt.
Die lauterzeugung ist ein psychophysischer Vorgang.
Sie ist allein abhängig von der function der sprachorgane
und deren Wechselbeziehung zum bewusstsein. Über-
einstimmung der lauterzeugung oder mit andern werten
eine in sich überstimmende bei allen angehörigen gleich-
massige mundart ist nur denkbar bei identischem bau und
identischer function der organe. Da nun aber so viel
wir wissen, die sprachorgane des homo sapiens auf der ganzen
erde ein und dieselben sind, kann die Verschiedenheit der
sprachen hur auf Verschiedenheit der function derselben
beruhen, kurz die Verschiedenheit der muskel- und
nerventhätigkeit involvirt die unterschiede der
mundarten nach ihrer rein lautlichen seite. Wir
können nur behaupten, identische lauterzeugung hänge von
identischer function der die schallbildenden und schall-
modificirenden körper beherrschenden organe (muskeln) ab.
Soweit die identität der muskelfunction reicht, ziehen wir die
grenzen einer mundart, eine lautveränderung ist nur denk-
bar, wenn in den functions Organen eine Veränderung
X VORWORT. .
eintritt. Weiter darf meiner meinung nach die vorsichtige
abstracto deduction nicht gehen, die beobachtung des that-
sächlichen sprachlebens hat das letzte wort. Fernere be-
stätigung oder Widerlegung erwartend, wage ich die auf
meinem arbeitsfeld gewonnenen resultate auszubeuten, in
der holfnung, damit auf andern dialectgebieten die beobach-
tung anzuregen.
Ich habe §§ 141. 193 in chronologischen tabellen zu-
sammengestellt, wie sich die (nach der schriftlichen Über-
lieferung) vollzogenen lautveränderungen auf die Jahrhun-
derte verteilen. . Die betr. zahlen kann ich samt und son-
ders nicht als der datirung der thatsächlichen ereignisse
entsprechend halten, sondern glaube nicht bloss, dass die
ausätze um grössere Zeiträume zu spät, sondern auch, dass
die verschiedenen lautveränderungen einander noch viel
näher zu rücken sind, so dass in einer reihe von Jahrhun-
derten eine allmähliche aber radicale Umwandlung der laut-
erzeugung sich vollzogen hätte, die sowohl für consonan-
tismus als vocalismus eine Verschiebung der articulations-
stellen und articulationsarten mit sich gebracht. Die Ur-
sache hiefür haben wir nach dem vorhin bemerkten in einer
Veränderung der muskel- (und nerven- ?) function zu suchen.
Einzelne muskeln, vormals wahrscheinlich mit strafferer
energie thätig, haben an Intensität der Spannung verloren,
andere gewonnen, muskelstränge, die vordem in activität
gewesen, sind ausser dienst gesetzt und haben ihre function
an andere abgegeben, folglich sind die passiven organe wie
kehlkopf, zunge, kiefer und lippen anders dirigirt worden.
In solchen vergangen spielt sich die lautgeschichte ab, sie
bringt weder fortschritt noch verfall , naturgesetze können
durch culturbegriife nicht einmal erläutert , geschweige
definirt werden. Nun geht aus §§ 141. 193 hervor, dass
seit dem 14. jh. überhaupt keine Veränderung der laut-
bildung nachgewiesen werden kann, mit andern werten,
dass seit 5 Jahrhunderten der schwäbische laut-
stand sich überhaupt nicht mehr verändert hat;
und ich bezweifle nicht, dass die Stabilität desselben in
noch ältere zeiten zurückreicht. Dieses merkwürdige er-
VORWORT. XI
eigniss der Sprachveränderung darf nun aber nicht isolirt
gehalten, sondern muss in den Zusammenhang der stammes-
geschichte gestellt werden. Wir wissen, dass der Schwa-
benstamm im dritten Jahrhundert aus seinen nördlichen
Wohnsitzen in die Neckargegenden eingewandert ist. Was
liegt näher als mit dieser Veränderung des Wohnsitzes die
Veränderung der mundart zu combiniren? So meine ich
denn und wage zu behaupten: unter dem veränderten
himmel, bei verändertem luftdruck, unter gänzlich anderen
boden- und lebensverhältnissen hat sich (in Darwin'schem
sinne) die physikalische function der sprachorgane den neuen
Verhältnissen im lauf der Jahrhunderte angepasst, soweit,
in strengster auflfassung, identische function der betr. organe
vordem vorhanden gewesen, soweit dieselben äusseren fac-
toren gewirkt haben, hat sich dann auch dieselbe mundart
von der nachbarschaft abgesondert. Ins detail diese hypo-
these zu verfolgen, ist nicht möglich, für mein begrenztes
wissen steht derselben nichts im wege und ich betrachte
sie vorerst als eine schöne bestätigung der weltansicht von
der entstehung der arten (mundart, stamm). So lange die
äusseren bedingungen für unser volksieben die-
selben sind und bleiben ist nicht einzusehen, dass
die mundart sich verändern, die function der aus-
übenden Organe wechseln könnte. Die ansieht von der
fortwährenden Verschiebung der lautbildung bei der Über-
tragung der lautform von generation zu generation hat
vorerst die erfahrung gegen sich. Möchte doch meine dar-
legung der lautveränderung und ihrer Ursachen recht ein-
dringlich an weiteren mundarten geprüft werden.
Sicher ist jedenfalls auch für den strengsten schrift-
gläubigen, dass seit Jahrhunderten die articulations st eilen
eingenommen sind, welche die mundart heute zeigt, meine
darstellung bringt hiefür mathematisch zuverlässige Zeug-
nisse in menge. Fraglich könnte nur noch sein, ob auch
die articulations a r t von heute seit Jahrhunderten existirt,
die Zweifel können aber schon deswegen nicht bestehen,
weil ich gerade die innersten merkmale der articulations-
arten (wie verlust des stimmtons, accent, melodie) im
Xn VORWORT.
Zusammenhang uralter Veränderungen habe feststellen
können. Im ganzen ist der nachweis des alters der mund-
art wohl der erste im Zusammenhang gegebene, doch vgl.
Germ. 25,jl7. Noreen, Grundriss der germ. philologie I, 431.
Weinhold, Die deutschen in Schlesien s. 214, von den an-
schauungen Adelungs Wörterb. d. hd. mundart. s. VI. VIII.
Magazin II, 2, 32 nicht zu reden.
Die mechanische erklärung der lautverschiebung
schliesst in sich eine mechanische deutung der laut-
gesetze. In der Verständigung über diesen begriff hat
es seitdem immer an ausreichendem, thatsächlich beob-
achtetem material gefehlt. Namentlich ist durch einen
schon in sich unmöglichen kosmopolitischen Standpunkt
Verwirrung gestiftet worden. Ich lege jetzt in meiner
darstellung eine reihe von sog. lautgesetzen vor, die für
jeden unbefangenen klarheit in das problem bringen wer-
den. Die schwäbische nasalirung ist ein Vorgang, der
sämtliche in betracht kommende fälle betroffen hat, ein
lautgesetz, für welches keine einzige ausnähme beizubringen
ist, in allen (bekannten) fällen ist, wie ich annehme im
12. Jh., in der Verbindung von vocal und nasal nasenresonanz
des vocals eingetreten. Es ist mir auch gelungen § 16
dieses gesetzes in seinen folgen auf die Ursache zurückzu-
führen. Wenn ich mit der annähme recht habe, dass die
nasalirung der vocale auf einer historisch eingetretenen
contraction des musculus glossopalatinus beruht, kann ver-
nünftiger weise kein mensch an der ausnahmslosigkeit des
gesetzes und seiner mechanischen deutung zweifeln. Genau
dasselbe gilt von dem Wegfall der lippenrundung bei ö und
ii (§ 140,1), von dem quantitäts- (§ 122) und dem assimi-
lationsgesetz (§ 192), die beiden letzteren aufs engste zu-
sammengehörig. Aber wenn in diesen beiden fällen die
historischen belege für die gesetzmässigkeit stark decimirt
sind, lässt sich an ihnen besonders instructiv lernen, dass
im sprachleben nicht bloss mechanische kraft und Wirkung
sondern auch psychische bewegungen sich damit zu unlöslicher
einheit verbinden. Vermöge des mechanischen Vorgangs
der muskelbewegung constituirt sich ein lautgesetz aus allen
VORWORT. XIII
lautformen, bei deren erzeugung die betr. muskelbewegung
beteiligt ist. Diese beteiligung setzt aber vollständige
identität sämmtlicher sprachelemente voraus, wo
diese identität nicht vorhanden, darf von vornherein der
eintritt des lautgesetzes überhaupt nicht erwartet werden.
So entstehen vielfach, selbst bei einem und demselben wort
nicht bloss sogenannte satzdoubletten, sondern eine viel-
leicht unendliche reihe verschiedener formen, durch deren
existenz der statistische nachweis des lautgesetzes insofern
gefährdet ist, als durch die concurrenz des bewusstseins
und der gedächtnisskraft nicht alle formen gleich lebens-
kräftig sind. Die sog. analogiebildung besagt folglich nichts
anderes, als dass im verlauf der sprechthätigkeit die menge
des gedächtnissstolfes reducirt und ohne erkennbare regel
bald die eine bald die andere form von dem günstigen loos
der erhaltung betroffen wird. Die mechanische gesetz-
mässigkeit der lautbildung und lautveränderung (lautgesetz)
kann nicht streng genug von den sekundären bewusstseins-
functionen geschieden werden, aber einem durch innere und
äussere gründe gewährleisteten lautgesetz seinen gesetz-
mässig mechanischen charakter bestreiten zu wollen, weil
eine bald grössere bald geringere masse von wortformen
dagegen zu sprechen scheint, nur weil man die Verschieden-
heit der bedingungen nicht bedacht hat, heisst die grund-
lagen des sprachlebens verkennen.
Die sog. hd. laut Verschiebung möge zur Illustration
dieser ansichten beigezogen werden. Im voraus sei be-
merkt, dass dieser process nur provinciell verfolgt werden
kann, dass jede einzelne mundart denselben selbständig und
eigenartig durchgemacht hat. Es trägt durchaus nicht zur
klarheit bei, wenn man sich hierzu des bildes von der
Wellenbewegung bedient. Um zum verständniss dieser er-
scheinung zu gelangen, wäre in erster linie erforderlich, die
constitutiven sprachfactoren derjenigen periode zu kennen,
die als mutterschoos der folgenden zu betrachten ist.
Zweitens ist es unzulässig, wo es sich um die erklärung
handelt, die Verschiebung einer geringen zahl von consonanten
zu isoliren oder gar jeden einzelnen consonanten für sich
XIV VORWORT.
ZU betrachten. Schon die gleichzeitigkeit der belege z. b.
für die ahd. monophthongirung und anderer vocalischer er-
scheinungen sollte daran gemahnt haben, dass in jenen
grauen zeiten Veränderungen über die hd. stamme hinge-
gangen sind, deren Zusammenhang nicht auf ein paar con-
sonanten eingeschrumpft werden darf. Methodologisch em-
pfiehlt es sich daher, den bereich eines sog. lautgesetzes
von vornherein möglichst umfassend zu nehmen (z. b. assi-
milation § 126. § 194), und die Schicksale einzelner laute
auf die triebkraft einer wurzel zurückzuführen, deren safte
sich mannigfach am lebensbaum der spräche verzweigen.
Die Veränderung in der activität z. b. der zungenmuskulatur
involviert nicht bloss eine Verschiebung in der articulation
der consonanten sondern auch der vocale. Beim heutigen
stand unseres wissens ist es völlig ausgeschlossen, dass wir
in die geheimnisse der phonetischen processe eindringen,
welche zur radicalen Umwälzung unserer hd. muttersprache
geführt haben, aber es kann uns vorerst auch genügen,
den weg, der zum ziele führt, in der perspective zu
haben. Besonders wichtig scheint nun aber schliesslich,
was ich § 168 über accessorische Wirkungen (sandhi-
erscheinungen ; pf- aus /-) behauptet habe. Es bedarf
also vielfach eindringender Voruntersuchungen , dass wir
gewisse demente erst abziehen müssen, um die
producte zu erhalten, die als directe schöss-
linge des lautgesetzes zu betrachten sind.
Ausser diesen hypothetischen erörterungen , die ich
als unwillkürliche reflexbilder meiner arbeit gebe, habe
ich wenig hinzuzufügen. In der behandlung des quellen-
materials war es besonders interessant in den ältesten
denkmälern, den glossensammlungen des 10. — 12. Jahr-
hunderts zu verfolgen, wie sich verschiedene schichten
sprachlicher ablagerungen über einander geschoben haben.
Die chronologische sende wird, auf weiteren gebieten ver-
folgt, viel zur klarheit in der auflfassung der überlieferten
ahd. sprachformen beitragen. Die auswahl des handschrift-
lichen materials ist eine zufällige. Ich habe ausgenützt, was
mir auf der Stuttgarter öffentlichen bibliothek an sicheren
VOUWORT. XV
schwäbischen texten des mittelalters zur hand war ; manche
verdienten eingehendere besprechung, zu der ich hoffentlich
bald müsse finde. Die Urkunden des Stuttgarter Staats-
archivs habe ich, wie man meinen könnte, stiefmütterlich
behandelt — die rechtfertigung wird meine darstellung selbst
bringen. Die zusammenhängenden denkmäler localer her-
kunft liefern weit wertvolleres material als die früh in der
formel erstarrten Schriftstücke der kanzleien, eine erfahrung,
die sich seit einiger zeit auch bezüglich anderer probleme
geltend gemacht hat. Dass ich mich stets mit peinlicher
.strenge an die überlieferten formen gehalten, braucht nicht
• erst bemerkt zu werden; bezüglich der Urkunden war für
mich Paul, Germ. XX, 86 massgebend.
An neueren dialectformen habe ich gesammelt, was
ich erreichen konnte, und gebe mich der hoflfnung hin, alle
lautschattirungen der schwäbischen mundart sei es an
diesem oder jenem orte verzeichnet zu haben. Einzelne
Unebenheiten der darstellung, die vielfach sehr schwierig
gewesen ist, bitte ich zu entschuldigen.
Was ich über flexionserscheinungen und thatsachen
der Wortbildung gesammelt habe, ist in die lautstatistik
verwoben, ich glaube nicht, dass ich eine wissenswerte
thatsache aus diesen gebieten versäumt habe. In diesem
sinne habe ich mir erlaubt meine darstellung als geschichte
der schwäbischen mundart zu bezeichnen, wenn ich auch
mundart vorwiegend in dem specifischen sinne des wertes
genommen habe und sehr viel mehr darunter verstehe als
mein buch bringt. Soweit flexionslehre und Wortbildung
in das gebiet der syntax fallen, bin ich an ihnen vorüber-
gegangen, weil es für die probleme des satzbaues und der
satzfügung an den grundlegenden principien der geschicht-
lichen entwicklung fehlt, auf die mein augenmerk stets
gerichtet war. Ich kann aber auch nicht verschweigen,
dass, so viele texte ich gelesen habe, es mir unmöglich
wäre, ein einziges datum z. b. für den verlust des ein-
fachen Präteritums beizubringen.
Unter herzlichem dank an E. Sievers, dessen um-
sichtige Sorgfalt ich bei der correctur zur seite haben
XVI VORWORT.
durfte, sowie an die beamten der kgl. öffentlichen bibliothek
und meinen stets willigen freund, Herrn Archivassessor
Dr. E. Schneider in Stuttgart, schliesse ich mit dem
dringenden wünsch, dass von Seiten der fachgenossen auf
andern dialectgebieten ähnliche Studien zur geschichte unserer
muttersprache angeregt und unterstützt werden möchten.
Marburg i. H., November 1889.
Friedrich Kanffmann.
^
QUELLEN.
KaatfmanDf Fr., Geschichte ü. Schwab. Mundart.
U
Wirtembergisches ürkundenbuoh herausgeg. von dem kgl.
Staatsarchiv in Stuttgart. Stuttgart 1849—1889. 5 Bde.
Fürstenbergisches Ürkundenbuoh. Tübingen 1877—85. 5 Bde.
ürkundenbuoh der stadt Augsburg herausgeg. von Chr. Meyer.
Augsburg 1874—78. 2 Bde.
Ulmisohes ürkundenbuoh im auftrag der stadt Ulm herausgeg.
von F. Pressel. Erster Bd. Stuttgart 1873.
Urkunden von Bebenhausen in der Zeitschrift f. gesch. des
Oberrheins 14, 205. 15, 85.
Urkunden von Engelthal ebenda 16,122. 17,85. 18,110.
Sammlung altwürttembergischer Statutar- Rechte heraus-
geg. von A. L. Reyscher. Tübingen 1834 (Alpirsbaoh, Anhausen,
Balingen, Bebenhausen, Blaubeuren, Böblingen u. a.).
Alemania, Zeitschrift für Sprache, Litteratur und Volkskunde des
Elsaszes, Oberrheins und Schwabens herausgeg. von Dr. A. Bir-
linger. Bd. I— XVII, 1. 2. Bonn 1874—89. Enthält texte aus
den verschiedensten Zeiträumen.
Pactus et Lex Alamannorum Mon. Germ. Leg. V, 1 ed. K. Leh-
mann. Hannov. 1888. Die deutschen Wörter s. 169 f. und bei
Graff, Diutiska I, 334 ff. hss. 8.-9. jh.
Deutsche glossen aus Weingarten (A) ed. Graff, Diutiska 11^
40 f. 8.-9. jh.
Augsburger glossen Ahd. gl. I. IL Germ. XXI, 1 ff. Ende des
10. jh.
Prudentiusglossen (A) aus Augsburg ed. Steinmeyer Zsfda. 16,3.
79 ff. Ahd. gl. II, 478 ff. a. 1012-1014.
Schenkungsurkunde von Augsburg ed. Massmann , Die deut-
schen abschwörungs-, glaubens-, beicht- und betformeln vom 8.
bis 12. jh. Quedlinburg und Leipzig 1839. s. 62. 189. a. 1070.
Zwiefalter glossen Ahd. gl. I, 299 ff.; 11, 49. hs. 11. jh.
Schlettstädter glossen ed. Wackernagel Zsfda. V, 318 ff. Ahd
gl. I. IL hs. aus dem ersten viertel des 12. jh.
Weingarter Reisesegen MSD* s. 11. 282. hs. 12. jh.
n*
XX QUELLEN.
Prudentiusglossen (B) aus Stuttgart Ahd. gl. II, 489 flF. hs.
12 jh.
Meinloh von Sevelingen (bei Ulm) MSF. s. 11 ff. 2. hälfte des
12. jh.
Heinrich von Rugge (bei Blaubeuren) MSF. s. 96 ff. urk. a. 1175
bis 1178. Er. Schmidt: Reinmar von Hagenau und Heinrich
von Rugge. (QF. IV.) Strassburg 1874. H. Paul Beitr. H, 487 ff.
St. ülrichsLeben ums jähr 1200 in deutsche reime gebracht von Alber-
tus, herausgeg. von J. A. Schmeller. München 1844. (Augsburg).
Gottfried von Neifen ed. M. Haupt: Die lieder Gottfrieds von
Neifen. Leipzig 1851. - W. Uhl: Unechtes bei Neifen. Göt-
tinger Beiträge zur deutschen Philologie IV. Paderborn 1888.
Urk. a. 1234-1255.
Ulrich von Winterstetten (bei Biberach) ed. J. Minor: Die
leiche und lieder des schenken Ulrich von Winterstetten. Wien
1882. Urk. a. 1239 (1241).
Schwäbisches Verlöbniss M8D« s. 246. 622 ff. hs. 13. jh.
(Augsburg).
Zwiefalter Benedictinerregel (ZBR) cod. theol. et phil. 230 in
4P der kgl. öff. Bibliothek in Stuttgart, hs. 13. jh.
Deutsche Predigten des 13. jh. herausgeg. von F. K. Gries-
haber. Stuttgart 1844. s. 83—91. hs. mitte des 13. jh. ; vgl.
Beitr. XIV, 518.
Das Stadtbuch von Augsburg, insbesondere das stadtrecht vom
jähre 1276, herausgeg. von Ch. Meyer. Augsburg 1872.
Der Schulmeister von Esslingen MSH. II, 137 — 140. Urk. a.
1279—81. Germ. XXXIII, 51.
Alb recht von Haiger loch MSH. I, 63. a. 1295 erschlagen.
Deutsche Franciskanerregel des 13. jh. herausgeg. von A. Bir-
linger. Germ. 18, 186 ff. (?).
Weingarter Predigten cod. ascet. 86 in 4° der kgl. Hofbibliothek
in Stuttgart. Vgl. Mone, Anz. VII, 393. Wackernagel: Alt-
deutsche predigten s. 258 ff. F. Pfeiffer: Altdeutsches Übungs-
buch 8. 182 ff.
Die hs. enthält ferner : de signis misse, de tribus impedimentis.
sermo de mortuis. über die sieben todsünden. 14. jh.
Nota der statt zu Horuw herkommen ed. L. Schmid: Ge-
schichte der Pfalzgrafen von Tübingen. Tübingen 1853. Ur-
kundenbuch s. 247 ff. mitte bis ende des 14. jh. Ebenda s. 499 ff. •
Herrenberger Erneuerung a. 1383.
Lehenbuch, Graf Eberhard des Greiners von Wirtemberg ed. Schnei-
der, Vierteljahrshefte 1885 s. 113 ff. a. 1363—1392.
Deutsche Reichstagsakten ed. Jul. Weizsäcker u. a. Bd. I-IX.
a. 1376-1431.
QUELLEN. XXI
Cod. theol. et phil. 54 in 4° der kgl. öff. bibl. in S,tuttgart a. 1391
im kloster Reute geschrieben, enthält:
1) Dis sint du zehen gebott die der ewig gott gebotten ha^t.
2) Hie vahet an ain tractat von dem erwirdigen hohen sacra-
ment des fronliches.
3) Stammtafel der priester und könige des alten Testaments
bis auf Christus.
Cod. theol. et phil. 72 in 4°*: Hie vahet an Adams buch. a. 1400.
Von derselben hand :
Cod. theol. et ph iL 74 in 4**: Hie vahet an das buch von den
hailigen altvätern.
Tristrandts G-eschiohte cod. palat. 346 fol. in Heidelberg. Wahr-
scheinlich a. 1403 geschrieben. Liohtenstein, Eilhart von Oberge.
(QF. XIX) s. XI f.
Cod. bibl. 28 in 4» der kgl. Hofbibliothek, enthält ein Deutsches
Psalterium (voran geht eine underwysunge geistlicher menschen),
a. 1417 in Reutlingen geschrieben.
Cod. theol. et phiL 45 in 4^ enthält: 1) Dis buch saget von den
zehen hotten gottes. 1423 finitus est iste über. Cappellanus
altaris sancte anne in ecolesia parrochiali böblingen siti. qui
me scribebat iohannes flötzer nomen habebat nacionis de malms-
haim. 2) betrachtung vor der non. 3) ain nütz lere. 4) aus-
legung des auszugs nach Egypten. 5) Merkent hie vsserlesnun
gaistlichun warnung: Betli Schulmeister in der samlung ze Rüt-
lingen.
Ein schoen alt Lied vonGrave Friz von Zolre dem Oettinger
und der Belagerung von Hohen Zolren (herausgeg. von Lassberg
1842). a. 1423 geschrieben, verf. Conrad Silberdrat aus Rott-
weil.
Cod. bibl. 33 fol. Hie vahet an die ordenunge mit episteln vnd
ewangelien durch das iar. "Wer diss buch findet sol es pfaff
petern von wyle geben, a. 1426.
Cod. theol. et phil. 144 fol. Die XXIV alten oder der guldin tron der
minnenden sei ains demütigen brüder otten von passöwe. Scrip-
tus est liber iste per me petrum rappen vel rümellin de herren-
berg. a. 1427.
Cod. poet. et phil. 23 fol. Vocabularius latino-germanicus scripsit
F. Victor Nigri de Veldkirch Mon. Wibling. a. 1442. Vgl. hiezu
cod. poet. et phil. 27 (Spengler Scolaris Stfitgardia).
Cod. theol. et phil. 17. Incipit historia ecclesiastica. Daniel de
Bondorf scripsit hunc librum. a. 1445.
* So lange nichts bemerkt, befinden sich die handschriften auf
der kgL öff. bibliothek in Stuttgart.
XXII QUELLEN.
Die Chroniken der schwäbischen städte, Augsburg 2 bde.
(= Die Chroniken der deutschen städte 4. u. 5. bd.). Leipzig
1865. 1866. Glossare von M. Lexer.
Cod. breviar. 55 in 4^ gebete von verschiedenen bänden a. 1447.
Cod. poet. et phil. 29 foL Vocabularius (deutsch lateinisch) des Jaoo-
bus Troinger. Completus est liber iste scilicet vocabularius seu
abcdarius per me Johannem Werner de Urach ordin scti Bene-
dict! in Zwifelten. a. 1448.
Cod. theoL et phiL 18 in 8^ a. 1448 enthält l) gespräoh zwischen
raeister und jünger 2) von dem sacrament des frohnleichnams
3) leben der altväter.
Das goldeneSpielvon Meister Ingold herausg. von E. Schröder.
Strassburg 1882 (Elsäss. Litteraturdenkm. III). hs. a. 1450 in
Augsburg geschrieben.
Cod. bibL 35 foL Deutsc'hes Plenarium aus Ulm stammend, auf
der Innenseite des deckeis der eintrag : mein sun kristofel Zeller
ward geboren . . 1450 . mein tochter petternella Zellerin . . 1452.
Ausser dem plenarium enthält der starke band vielerlei erbau-
liches ; am ende von zweiter band einen p salter mit gebeten.
Cod. breviar. 51 in 4^ Wildberg. a. 1454? enthält 1) passion 2) ge-
bete von verschiedenen bänden.
Cod. bibl. 18 in 4^: deutscher psalter; geschrieben von Math. Böb-
linger a. 1455.
Hermann von Sachsenheim: Mörin, der goldene Tempel, Jesus
der arzt herausgeg. von E. Martin (Lit. Ver. no. 137) Tübingen
1878. Sprachliche Sammlungen s. 40 — 45.
Otto Rulands Handlungsbuch fUlm 1442 — 1464) herausgeg. von
K. D. Hassler (Lit. Ver. no. I, 4) Stuttgart 1843.
Cod. herm. 24 fol. der kgl. Hofbibliotheck in Stuttgart: Nicolaus de
Lyra psalterium Germanice; Weingarten 1470.
Liederbuch der Clara Hätzlerin (a. 1471 zu Augsburg ge-
schrieben) herausg. von C. Haltaus. Quedlinburg und Leipzig
1840.
Heinrich Mynsinger: von den Falken, Pferden und Hunden, her-
ausgeg. von K. D. Hassler (Lit. Ver. no. 71). Stuttgart 1863.
a. 1473 von der Clara Hätzlerin goschrieben.
Ein Spiel von St. Georg herausgeg. von B. Greiff. Germ. I, 165 ff.
Augsburg 1473?
Cod. med. 15 foL : de naturis rerum. Petrus königschlacher rector
soholarum et prothon'r opidi wallsee transtulit hunc librum de
latino. a. 1475.
Cod. breviar. 12 in 4°: gebete (aus der familie Waldburg -Kirchberg
stammend) vgL Uhland, Volkslieder s. 1035. a. 1476.
Cod. t h e o L et phil. 63 foL : Von den XXI V alten . geschrieben von
QUELLEN. XXIll
Jörg wölfflin von röttenbach seinem „besondern guten gündern
peter rieder von Oberndorff**. a. 1477.
Niclas von Wyle Translazion (von K. Fyner Esslingen 1478 gedr.)
herausgeg. von A. v. Keller (Lit. Ver. no. 57) Stuttgart 1861.
Weiteres in cod. palat. germ. 101 zu Heidelberg.
H. Nohl: Die spräche des Niolaus von Wyle. Heidelberg, diss.
1887.
Hans Schneiders historisches Gedicht auf die Hinrichtung des
Augsburger Büfgermeisters Schwarz a. 1478, herausg. von C.
Hofmann, Sitzungsber. d. Münch. Akademie 1870, I, 500 ff. Eben-
da weiteres von v. Liliencron. Vgl. ferner:
Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder herausgeg.
von L. Uhland. Stuttgart und Tübingen 1844. (u. a. Val.
Hoirs hs.)
Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13.— 16.
jh, gesammelt und erläutert von R. v. Liliencron. 4 bde. Leip-
zig 1865 — 1869; vgl. auch Deutsches Leben im Volkslied um
1530. Stuttgart 1885 (= Deutsche Nationallitteratur hrsg. von
J. Kürschner, 13. bd.).
Cod. poet. germ. 3 fol. der kgL Hofbibliothek in Stuttgart enthält:
1) Pontus und Sidonia (bl. 88 beginnt ein zweiter Schreiber, der
sich am ende Johannes gegenscbriber zu Geislingen de TJlma
, uennt).
2) Friedrich von Schwaben. Am schluss die reime :
Das buch nam ain endt
* Da man zalt die zit behenndt
Von Cristj gebuct MCCCC vnd LXXVIII jar
Da ward das buch vollent gar
An dem pfingstaubent das gesohach
Da man den monat mayen scheinen sach
In der nünden stund
Hab ich gerett mit meinem mund
Johannes Lebzelter gegenscbriber am zell zu geislingen.
Heinrich Stainhöwel: Aesop (ca. 1480 von Joh. Zainer in Ulm
gedr.) herausgeg. von H. Österley (Lit. Ver. no. 117) Stuttgart
1873. Vgl. H. Karg: Die. spräche H, Steinhöwels. Heidelberg,
diss. 1884.
Des schwäbischen Ritters Georg von Ehingen Reisen nach
der Ritterschaft herausgeg. von F. Pfeiffer (Lit. Ver. no. I, 2)
Stuttgart 1842.
Cod. thebl. et phil. 284 fol. enthält die „gesohiohten vnd Offenba-
rungen der säligen junokfrovven sant Mechthilt" a. 1487.
Cod. Camera 1. 1 fol.: von den puren geschafften von beger des hoch-
gebornen hern her Eberharten grauen zu Wiertemberg vnd zu
Mimppelgartt etc. des eitern gar sohlecht getütscht durch den
XXIV QUELLEN.
erwirdigeii hninrichen Apte des gotzhus Schussenrieth ordes
von premonstranr gaistlioher recht lerer, a. 1491.
Cod. theol. et phil. 148 in 8°: deutsche Benedictinerregel. Voraus
geht ein kalender. a. 1500. *
Ordnung der Schmidzunft zu Ulm vom jähr 1505 ed. Seuffer
Vieteljahrsh. 1884 s. 265. 1885 s. 59.
A. V. Keller: Erzählungen aus altdeutschen Handschriften (Lit. Ver,
no. 51) 8. 204. 222. 324. Stuttgart 1855.
0. Schade: Satiren und Pasquillen aus der Reformationszeit. 2. ausg.
Hannover 1863 (bd. I no. 5. a. 1525. bd. II no. 14 a. 1521).
* Weitere undatirte, dem 15. jh. angehörige hss., welche ich be-
nützt habe, sind:
cod. theol. et phil. 50 in 4°: „die allerschönste rede von wirdin-
kait des hailigen sacramentz".
cod. theol. et phil. 66 in 4^ regeln über den verlauf des gottes-
dienstes.
cod. theol. et phil. 68 in 4° auslegung des buches Hiob; am
schluss : Ich stürb denn / ich wayss nit wen / ich fär / ich wayss
nit war /.
cod. theol. et phil. 11 fol. arzneiregeln; erbauliche tractate.
cod. bibL 22 in 4P: deutsches evangeliarium.
cod. theoL et phil. 184 fol.: Die XXIIII alten. DesgL no. 286 fol.
cod. theol. et phil. 195 fol. 1) das buch genant der Beleal. 2) Hanns
von Montauilla.
cod. theol. et phil. 236 in 4°: deutsche Benedictinerregel.
cod. med. 5. fol.: inventorium oder collectorium cyrurgie.
cod. med. et phys. 29 fol.: von ausgebrantten wassern und kreut-
tern. von dem härm u. a.
cod. breviar. 56 in 4^: gebete an Maria,
cod. theol. et phiL 19 in 8» enthält geistliche stücke, bl. 27*» ff.
von ainem gaistlichen krutgärtlin; vgl. auch IJhland Volkslieder
s. 1038.
cod. breviar. 27 in 8^ gebetbuch.
cod. poet. et phil. 30 fol. deutsch-latein. vocabularius. Vgl. no. 49
in 40.
cod. poet. et phil. 69 in 4^: deutscher p salter ; Elblin von Eselsberk
(d. i. Hermann von Sachsenheim?),
cod. theol. et phil. 5 in 8^ erbauliche tractate.
cod. theol. et phil. 11 in 8°: Yon den siben lotsten werten vnsers
lieben herren; gebete.
cod. ascet. 207 in 4^ der kgl. Hofbibliothek in Stuttgart: episteln.
predigten ; eine zweite hand : von wahren tugenden. von der
beichte; Unterschrift: Schwester Irene von O^gelspüren.
cod. ascet. 78 fol. der kgl. Hofbibliothek in Stuttgart: sermones
materna lingua.
QUELLEN. XXV
Cod. a 8 e t. 87 in 8** der kgl. Hofbibliothek in Stuttgart enthält einen
gesundheitskalender ; regel der Schwester sant Ciaren ; erbauliche
stücke, a. 1522.
Urkunden zur Geschichte des schwäbischen Bundes 1488
bis 1533 herausg. von K. Klüpfel (Lit. Ver. no. 14. 31) Stuttgart
1846. 1853.
Rotweiler stadtrecht a. 1545, vgl. A. Birlinger, Sitzungsber. d
Münch. Akademie 1865, II (anhang). Herrig*s Archiv 38, 307.
312. 40, 223.
Zimmerisohe Chronik herausg. von K. A. Barack. 2. verb. aufl.
Freiburg i. B. und Tübingen 1882. a. 1566 abgeschlossen. Über
die spräche bd. IV, 340 ff. Alem.'XV, 79 ff.
Reirachronik Herzog Ulrich*s von Württemberg und seiner nächsten
Nachfolger (bis 1571 reichend) zum ersten mal herausg. von E.
V. Seckendorff (Lit. Ter. no. 74). Stuttgart 1863.
H. J. Breuning*s von Buohenbach Relation über seine sendung nach
England im Jahr 1595, mitgeteilt von A. Schlossberger (Lit. Yer.
no. 81). Stuttgart 1865.
Heinrich Julius Herzog von Braunschweig: Dramen herausg. von
L. HoUand (Lit. Ver. no. 36) Stuttgart 1855. s. 74. 138. 304.
455. 747.
Der Winckalheyrath ed. A. Bartsch Alem. XVII, 69. 184. ende
des 16. jh.
cod. a 8 c e t. 66 in 4°. Die hs. stammt aus dem Kloster St. Peter in
Weilheim (sub Castro Teck) und enthält zu anfang eine deutsche
Chronik des klosters, dann lateinische stücke und schliesslich
eine deutsche Benedictinerregel. a. 1595.
Reisen und Gefangenschaft Hans Ulrich Kraffts, aus der
Originalhandschrift (1616 vollendet) herausg. von K. D. Hassler
(Lit. Ver. no. 61). Stuttgart 1861.
Schwäbische Einladung zu einem Fastnachtsscherz a. 1617
DM VII, 488. Alem. XI, 49. Dazu ^ein schwäbisches lied der
schwäbischen bauren bei einem fürstlichen aufzug von G. R.
Weckherlin vgl. Gödeke's ausg. s. 327 f; ebenda „Von dem
Schwaben Hans Lätzen".
Comödien von J. R. Fischer: Letste Weltsucht vn Teuffelsbruot
Ulm 1623.
Des Teuffels Tochter die h. zahlwuoherey. Kempten 1624. Vgl.
Bolte, Alem. XV, 97 (Der schwäbische dialect auf der
bühne).
Zwei alte Lieder in oberschwäbischer Mundart aus einem
um 1633 gedruckten flugblatt, mitgeteilt von F. Stark. DM IV,
86—114. Vgl. ferner VI, 232. Uhland, Volkslieder s. 990. Alem.
Xn, 177.
XXVI QUELLEN.
Geistliches Volkssohauspiel im Schwarz walde (Schiltaoh
a. 1654), herausg. von E. y. Eausler Germ. XTT, 206 ff. Beachte
auch die Schauspiele von J. M. Gall (1658 1672), von denen
Bolte Zsfda. XXXII, 5 ff. berichtet.
Schwäbisches Hochzeitsgedicht aus Augsburg stammend Alem.
VIII, 84. (Origines Pomeranicae von M. Rango, Colb. 1684).
Klag eines schwäbischen Bauren ed. Bolte, Alem. XVI, 33.
ende des 17. jh. Weiteres Alem. II, 159. 265. IX, 118. XVI,
239. DM Vn, 411.
Dialectproben finden sich ferner in Adelungs Mithridates (1809). Radlofs
spräche der Germanen (1817). Firmenichs Völkerstimmen.
Frommanns Deutschen mundarten und anderen Sammlungen.
An dialectdichtern kommen in Betracht: J. V. Sailer (1714—1777),
K. B. Weitzmann (1767—1828), G. F. Wagner (1774—1839),
J. Nefflen (1789 — 1858), Dreizier, Rapp, Seuffer, Knapp, Grim-
minger, K. und R. Weitbrecht; vgL F. Pfeiffer, Zur Litteratur
der schwäbischen mundart DM I, 242 ff. H. Fischer: Über den
schwäbischen dialect und schwäbische dialectdichtung. Viertel-
jtthrsh. 1884 s. 130 ff.
Altere schwäbische Literatur hat v. Stalin, Wirtembergische gesohichte
I, 617. II, 756 ff. III, 754 zusammengestellt. Vgl. ferner:
Ph. Strauch: Pfalzgräfin Mechthild in ihren literarischen be-
ziehungen. Ein bild aus der schwäbischen Literaturgeschichte.
Tübingen 1883.
INHALT.
I. Phonetik. Seite
Allgeraeines §1—10. . . . 1
Phonetische Beschreibung der
Einzellaute § 11 - 27 . . . 4
A. Die Sonoren § 12-22.
1) Die Vocale.
a) mit Nasenver-
8chlus8§ 12—15 4
b) Nasalvocale
§ 16--18 . . 8
2) Halbvocal j § 29 . 9
3) Die Liquiden § 20
bis 21 9
4) Die Nasale § 22 . 10
B. Die Geräuschlaute
§ 23—27.
1) Labiale § 25 . . 12
2) Dentale § 26 . . 12
3) Gutturale § 27 . . 13
Vocaltabelle 14
Consonantentabelle .... 15
C. Diphthonge § 28—30. 15
Die Einzellaute als Satzele-
mente § 31—42 .... 17
Artioulationsbasis § 32 . 17
Ein- und absatz § 33—34 17
Quantität § 35—37 . . 19
Accentuirung § 38—40 . 20
Satzmelodie und Sprech-
tempo § 41 .... 22
Silbentrennung § 42 . . 23
Constitutive Faotoren § 43 . 24
IL Stammheitliche Vorbe-
merkungen. Seite
Stamragrenze § 44 .... 25
Stammname § 45—48 ... 26
Schwäbische Sprache (alem.
gruppe) § 49—51 .... 30
Merkmale aus den Nachbar-
dialecten § 52 33
Gliederung der schwäb. Ma.
§ 53 ........ 36
Grammatische Yorarbeiten § 54 38
m. Lautstatistik.
Erster Teil: Vocalismus.
Die Vocale der Mundart § 55 41
Quellen § 56 41
Cap. I: Die Vocale der Stamm-
silben § 57—88.
mhd. a, ä § 58—61 ... 42
mhd. e, e § 62—72 ... 49
mhd. i, I § 73—77 ... 63
mhd. 0, ö § 78—80 ... 69
mhd. u, tl § 81—83 ... 74
mhd. ö, o § 84. 85 . . . 78
mhd. ü, iu § 86—88 ... 80
Cap. II : Die Diphthonge § 89
bis 98.
mhd. ai § 91—93 .... 87
mhd. ou § 94 92
mhd. öü § 95 95
mhd. ie § 96 97
mhd. uo § 97 98
XXVIII
INHALT.
mhd. üe § 98 101
Übersicht der Entsprechun-
gen § 99 103
Cap. III: Die Vocale der
Nebensilben § 100-122.
1) In der Wortcomposition
§ 101. 102 105
2) Ablautserscheinungen in
Stammsilben § 103 . . 106
3) Die Ableitungs- u. Fle-
xionsvocale § 104- 110 109
-i § 105 .... . 109
-e § 106-108 ... 112
-5 § 109 115
-e§ 110 (Svarabhakti) 116
4) Die Endsilbenvocale der
ahd. und mhd. Periode
§ 111-117 121
5) Syncope § 118-122 . 136
Cap. IV : Die Geschichte des
Vocalismus § 122 141 . 146
1) Umlaut § 123 126 . . 146
2) Quantität § 127— 132 . 153
3) Nasalirung § 133—135. 160
4) Diphthongirung § 136
bis 139 165
5) Qualitätsveränderung
§ 140 170
6) Chronologie § 141 . . 171
Zweiter Teil: Consonan-
tismus.
Allgemeines § 142 ... . 173
Cap. I : Statistik der Geräusch -
laute § 143—158.
1) Labiale § 144 148
b § 144 174
p § 145 176
ph § 146 179
f § 147 180
pf § 148 181
2) Dentale § 149-- 153.
d § 149 183
t § 150 186
th § 151 180)
s § 152 190
s § 153 192
3) Gutturale § 154-158.
g § 154 196
k § 155 197
kh § 156 201
ch, h § 157. 158 . . 202
Cap. II: Die Lautverschie-
bung § 159 - 179.
L Die Dentalen § 160-166 208
a) Tennis § 160-161 208
b) Media § 162 . . 212
c) Reibelaut |) § 163 214
IL Die Labialen § 167- "
172 220
a) Tennis § 167-170 220
b) Media § 171-172. 228
III. Die Gutturalen § 173--
179 232
a) Tennis § 1731175— 232
b) Media § 174/ 179 237
Cap. III : Statistik der Sonor-
laute § 180—191.
j § 180-182 . . . 252
w § 183 256
1 § 184. 185 ... . 257
r § 186—188 ... 259
m § 189 262
n § 190. 191 ... . 265
Consonantenassimilation . . 269
Chronologie der Consonanten 272
Schlussbemerkung .... 273
Anhang. Die Schriftsprache 275
Textproben 315
Heutige Mundart. . . . 346
Nachträge 352
Register 353
L PHONETIK.
ALLGEMEINES.
§ 1. Der satz ist nicht bloss die wichtigste, sondern
fast auch die einzige erscheinungsform der lebenden mund-
art. Einzelne Wörter existiren gewöhnlich in der funktion
von Sätzen (wortsat^, soweit nicht, wie etwa beim sprechen
lernen der kinder, auch der isolirte wortkörper sein dasein hat.
§ 2. Das Schriftbild des Satzes: drkfQ^xtqk^strt-
rgkoksnita = der kneclit hat gestern roggen geschnitten, ge-
nügt nun keineswegs die, allein massgebliche, gesprochene
form desselben kennen zu lernen; denn derselbe satz kommt
je nach Situation mit ganz verschiedener klangwirkung zu
gehör (mundartliche rhetorik). Man vergleiche z. b drkfdq'9\'l
tq' I ke'strt \ ri/ka \ ksni'td als nachdrückliche bekräftigung
des aufgestellten behauptungssatzes , mit firhd^'d\tqkeistrt\
ro'kdksni'td im sinne des einfachen berichtes oder aber mit
besonderer hervorhebung des Subjekts (der knecht und kein
anderer) drkfdq'd\tqkestrtro:kdksmtd ; wenn die tatsache der
tätigkeit angezweifelt wird : drkfd^\fq'k^strtrQ:ksnitd, ebenso
kann jeder einzelne begriff gegen alle übrigen besonders
zur geltung gebracht werden. Gänzlich verschieden ist die
klangfarbe des satzes bei verwunderter frage: drkfdq'oxtq-
keistrt ro'k9kmi:t9? Diese Veränderungen lassen sich auch am
einzelnen wort erkennen : wi'lqlm (Wilhelm) als antwort
auf die frage nach dem Namen lautet wesentlich verschieden
KawfPrtiftnn, Dr. Fr., Geschichte d. schwäb. Muudart. 1
2 I. PHONETIK.
von dem als vocativ gerufenen un'lqdm! Die obigen „sätze*
sind als einheitlich zu betrachten wie das einzelne „wort**.
§ 3. Die lautzeichen (buchstaben) sind stets dieselben,
wechselnd ist nur die Verteilung des nachdrucks (ictus
durch *, nebenictus durch : ausgedrückt, nachdruckslose silben
bleiben unbezeichent) und eine gewisse musikalische
modulation verschieden in der höhe und in der d a u e r.
§ 4. Jeder satz hat mindestens einen, meist mehrere
hervortretende icten, um die sich die weniger nachdrück-
lichen teile der rede gruppieren. Danach zerfällt der satz
gemäss der anzahl seiner icten in gruppen, die Sprech-
takte genannt worden sind, vgl. Sievers Phonetik ^ s.
205 flf. In unserem fall (§ 2) besteht die erste satzform
aus 5, die zweite aus 2, die dritte nur aus einem einzigen
Sprechtakt u. s. w. Die innere gliederung der takte ist
variabel; teilweise fällt der takt mit dem zusammen, was
wir woi-t nennen wie im ersten beispiel, teilweise besteht
er aus mehreren Wörtern, wie in den übrigen. Die taktein-
teilung wechselt nicht nach phonetisch -grammatischen,
sondern nach rhetorischen bedürfnissen.
Anm. Den icten vorausgehende, selbst nicht nachdrückliche teile
der rede, sind als a u f t a k t e zu betrachten, z. b. dr in dr kfde'dxf, oder
dr kf9^x in dr kfdeBxfq' (s. o. § 2).
§ 5. Nicht das wort, sondern der takt ist somit die
phonetische einheit. In folge von intensitätsverschiedenheit
der hervorhebung ergibt sich eine abstufung innerhalb des
taktes. In dem takte: drh9q'dxtqke:strt unterscheiden sich
einerseits dr, tq und kestrt von kt9q'd\ an nachdruckstärke,
andererseits aber auch unter sich selbst, indem ke:s etwas
mehr nachdruck zu haben pflegt als dr. tq und trt ; diese
sind nachdruckslos, k^:s hat nebenictus, hdq'd\
den hauptictus; ebenso verhält sich ro' gegen ksni: und
kd, td ; kt9^'d\ rp* sind stark, k§:s ksni: mittelstark, die
übrigen schwach.
§ 6. Gemäss dieser abstufung gibt es nachdrucks-
grenzen, welche einzelne teile des taktes gegenseitig ab-
trennen und so entsteht die s i 1 b e ; in dem takte drktQq'dx-
tqk^:ätrt sind die einzelnen silben: dr kfs^x tq kfs trt.
ALLGEMEINES. 8
§ 7. Durchaus verschieden von dieser auf den druck-
verhältnissen der exspiration beruhenden abstufung ist die
musikalische modulation, wenn man drkfQq'ax-
tqkeistrt ro'k9ksni:td z. b. mit der verwunderten frage dr
kfQ^xfqk^.'strt rokdksni'.td? vergleicht. Auch im aussage-
satz macht sich ein Wechsel des (musikalischen) tons nach
höhe und tiefe geltend:
P^ in der frage:
Den tiefsten ton tragen die nachdrücklichen kf9q'9\ rp*,
den höchsten k^:s ksni:^ etwas tieferen dr tq trt ks t9.
Der ictus ist vom ton, die tonsilbe von der exspira-
torischen silbe zu scheiden, und wie wir starke, mittel-
starke und schwache silben kennen gelernt haben, finden sich
hierhochtonige, mitteltonige und tieftonige silben,
wobei zu beachten ist, dass keineswegs die exspiratorisch
starke silbe mit der musikalisch hochtonigen zusammenfällt.
§ 8. Eine dritte vergleichung des akustischen ein-
drucks der silben ergibt die verschiedene dauer derselben.
kt9^9\ dauert im aussagesatz merklich länger als ksniy k^s;
diese selbst wieder länger als fq trt rQ ks td die abstufung
ist auch eine quantitative nicht bloss exspiratorische
und musikalische, und man unterscheidet lange (fo^^x),
halblange (fcfs) und kurze silben.
§ 9. Innerhalb der silbe, die einem Wechsel des nach-
drucks, der betonung und der dauer ausgesetzt immer noch
ein mannigfaltiges ist, hebt sich ausser den pausen ein
lautendes von einem oder mehreren mitlautenden elementen
ab; das erstere ist der sonant, die letzteren bilden die
consonanten der silbe z. b. in k'td^Qx ist ^sonant, ky fd,
dj X, sind die consonanten ; in trt ist r sonant, die beiden /
die begleitenden consonanten.
§ 10. Aus diesen elementen , (sonant , consonant,
pause), baut sich die silbe, der takt, der satz, die spräche
auf; sie sind die einzellaute und als solche die kleinsten
phonetischen grossen. Sie unterscheiden sich von einander
i*
4 I. PHONETIK.
wie die einzelnen silben, nach klang, nachdruck, betonung
und dauer.
PHONETISCHE BESCHREIBUNG DER EINZELLAÜTE.
§ 11. Einteilung: Abgesehen von ihrer function
bei der silbenbildung (sonanten und consonanten) zerfallen
die laute der mundart in die beiden gruppen der sonoren
und der geräuschlaute. Die ersteren sind stets stimm-
haft, die letzteren überwiegend stimmlos, nur bei wenigen
ist stimme und geräusch verbunden wie bei (j) i\ l.
Anm. Als stimmlose sonore (vgl. Sievers' 72 f. 175 anm. 6.)
pflegt man jetzt die homorgane aspiration vor vocalen aufzufassen
(A-laute) z. b. Im (hier) wäre in stimmloses i mit gehauchtem einsatz
-f stimmhaftem i •\- 9 aufzulösen.
A. DIE SONOREN.
1) DIE VOCALE.
a. MIT NASENVERSCHLUSS.
§12. Vocale höchster zungensteUung:
a. Vorderes gebiet: die i -laute.
Die seitliche Zurückziehung der mundwinkel ist fast
unmerklich ; die vorderzunge liegt breit vorgeschoben hinter
den untern schneide- und eckzähnen, die ganz wenig hinter
der linie der oberzähne zurückstehen ; der mittlere zungen-
rücken bildet die enge, die sich vom untern alveolenrand
bis zur höchsten höhe des harten gaumens hinzieht, so dass
nur eine sehr beschränkte ausflussöflfnung bleibt. Dies die
artikulation für das äusserst geschlossene i in den diph-
thongen di und ui, mit etwas geringerer Spannung der zunge
wird das lange l gebildet, während beim kurzen offenen i
die zunge schlaffer wird, was eine Senkung derselben und
geringe erweiterung der ausflussöflfnung zur folge hat. Die
von Winteler K. M. s. 97 beobachtete rinne am hinteren
Zungenrücken wird beim offenen i noch tiefer ausgehölt.
b. Hinteres gebiet: die w-laute werden mit ge-
ringer vorstülpung der lippen gebildet; diese sind sich bis
A. DIE SONOREN. 5
auf einen elliptischen spalt (ca. 3 mm. breit) genähert, der
durch heben des Unterkiefers entsteht. Mit der Zurück-
ziehung der zunge scheint auch die geringe rückwärtsbe-
wegung des Unterkiefers zusammenzuhängen; die Zungen-
spitze liegt am zungenbändchen (ebenso Winteler s. 98)
ziemlich compact, der zungenrücken gegen den weichen
gaumen, die engenbildung schliesst mit dem gaumenbein
ab. Die zunge ist nicht so straff gespannt wie bei i und
demgemäss die enge nicht so ausgeprägt. Dem äussersten
i steht das äusserste u in 9U gegenüber, beim langen ü
wird die Spaltöffnung der lippen etwas breiter, die sich
•^eim offenen kurzen u noch mehr vergrössert (ca. 0,5 cm),
gleichzeitig erfolgt allmähliche abflachung des hinteren
Zungenrückens.
Anm. 1. 9u als interjeotion zum ausdruck des sohmerzes (in
höchster Steigerung inspirirend gebildet) bricht mit einem bilabialen iv
ab; ganz ähnlich geht in 9i (als negation, namentlich bei kindern) das
äusserste / in (langgezogenes) i über, zuweilen mit starkem reibegeräusch,
um den eindruck des trotzes zu machen.
Anm. 2. Der kehlkopf steht bei u kaum merklich niedriger
als bei /.
Anm. 3. Es ist darauf zu achten, dass u je nach Umgebung
mehr oder weniger offen klingt; so ist u in bukt (rücken) weniger
offen als in tsukr^ auch zwischen luft und lust macht sich ein leiser
unterschied bemerkbar.
. § 13. Vocale mittlerer Zungenstellung:
a. Vorderes gebiet: die g-laute: Von der Stellung
für i ausgehend, nehmen die lippen die ruhelage ein, gleich-
zeitig senkt sich der Unterkiefer. Die Zungenspitze liegt
abwärts gebogen hinter den unterzähnen, die zungenmasse
ist schlaffer geworden, der im hinteren mundraum liegende
rücken leicht verflacht und etwa um ebensoviel wie der
Unterkiefer gesenkt, die engenbildung endet unmittelbar
hinter den alveolen ; zungenfläche und gaumendach begrenzen
einen röhrenförmigen communicationsweg. So entsteht das
geschlossene lange e. Beim kurzen e senkt sich der Unter-
kiefer nebst Unterlippe etwas mehr, die zunge ist noch um
einen grad schlaffer, der canal zwischen zunge und gaumen
6 I. PHONETIK.
etwas weiter geworden; der laut ist derageraäss offener als
die lange (mittleres e).
b. Hinteres gebiet: die o-laute: Die elliptische
lippenöflPnung ist in verticaler richtung etwas weiter als
bei M, die vorstülpung unterbleibt; die zunge senkt sich
von der u-stellung aus, was eine leichte hebung der Zungen-
spitze im gefolge hat. Von dem langen geschlossenen ö,
unterscheidet sich die kürze o durch eine horizontale er-
weiterung der lippenöfitoung (mittleres o).
§ 14. Vocale tiefster zungenstellung:
a. Vorderes gebiet: die ^ (a)-laute: Die länge f
wird mit eclatanter seitlicher auseinanderziehung der mund-
winkel gebildet, Unterkiefer nebst Unterlippe senken sich,
gegen e, um eine stufe, so dass die zahnreihen beinahe 1 cm.
auseinanderstehen, die erschlaffung der zunge geht gleich-
falls weiter, die zunge flacht sich ab und senkt sich, so
dass der räum zwischen gaumen und zunge sehr breit wird.
Bei der kürze ^ macht sich kein unterschied der artikulation
bemerkbar.
b. Mittleres bis hinteres gebiet: die o-laute:
a im diphthongen ae ist merklich verschieden von den übrigen
a-lauten. Die beiden klangfarben entsprechen der i- resp.
M-basis Wintelers, man hat sie auch als helles und dumpfes
a geschieden. Um von dem letzteren auszugehen, so ver-
weise ich über das verhalten von kiefer und lippen auf q,
der Unterkiefer steht um ganz wenig weiter zurück. Die
zunge ist in ihrem hinteren teil gegen den weichen gaumen
hin leicht gehoben und zwar die zungenränder mehr als
die mitte, so dass je nach dauer oder energie der articulation
eine bald mehr bald weniger tiefe mulde entsteht; die
Zungenspitze berührt die unteren alveolen. Das helle a in
ae, dessen existenz wohl nur durch die Verbindung mit e
bedingt ist, hat diese muldenförmige gestalt der zunge nicht
und die Wölbung der zunge reicht etwas weiter nach vorne
(aber nicht mid-back).
A n m. Süddeutsches a ist bereits von Storm richtig als low-baok
erkannt, vgl. Sievers' s. 95. 98. Das mitteldeutsche a Vietor's ist von
dem weniger ofifenen (mittleren) schwäb. wesentlich verschieden.
A. DTE SONOREN. 7
c. Hinteres gebiet: die Q-laute: Die höhe der
Zungenwölbung ist dieselbe wie bei , q und a, die unter-
scheidenden merkmale geben die lippen- und zungenarticu-
lation ab. Die Unterlippe schiebt sich vor, nicht ganz so
stark wie bei ö, die Öffnung zwischen den lippen ist, seitlich
wie nach der höhe. (ca. 1 cm.) gegen ö erweitert, zunge
in compacter masse möglichst zurückgezogen; die zungen-
fläche zeigt eine tiefer als bei a ausgehölte muldenform,
die Zungenspitze steht hoch. Der kurze laut ist offener als
die länge.
Anm. 1. Durch eine coronale aufbiegung der Zungenspitze lässt
sich die klangfarbe immer mehr verdunkeln, so wird ein '$' gebildet,
das als interjektion mit der bedeutung des abweisens verwendet wird.
Anm. 2. Die lippenrundung bei palataler vocalarticulation ist
weggefallen ; unter den e, i-qualitäten vereinigen sich demgemäss auch
die etymol. ö, t/-laute. Es ist indessen hervorzuheben, dass die mund-
art in einem bestimmten falle die rundung resp. energische vorstülpung
der lippen noch verwendet, wenn nemlich dieselbe als geste wirken
soll; so ist lippenrundung bei dem meist inspirirend gebildeten p*
der fuhrleute (zuruf an die pferde stehen zu bleiben), und als auf-
munternde geste energische vorstülpung bei *j«* („vorwärts!") üblich.
Das wesentliche ist hier die lippentätigkeit als geste, die zu
der regelmässigen vocalarticulation hinzutritt.
§15. Reductionsvocale. „Eine bestimmte vocal-
stellung wird nicht eingehalten, daher denn auch das laut-
product keine besondere Verwandtschaft mit einem bestimmten
vocale hat.** Sievers ^s. 173. Ich unterscheide im schwäb.
drei klangfarben (m, a, e-basis) : 1) In der Verbindung r +
consonant treten in satzpause gleitlaute hörbar hervor z. b.
sardk (sarg), damit identisch ist 9 in den diphthongen 9i
und 9U ; der laut gehört dem hinteren gebiet an, die zunge
steht beträchtlich höher als bei a, doch niedriger als bei u
(ohne lippenrundung): 2) ein deutlich a-haltiges d das sich
vor r entwickelt : mi9r mir, Q9t ort u. a. 3) 9 als rest der
mhd. endung -e(w) ; wahrscheinlich liegt ein lässig articulirtes
e zu grund. Der laut ist offener als 1, geschlossener als 2,
andererseits aber auch quantitativ verschieden.
8 I. PHONETIK,
b. NA8ALV0CALE.
§ 16. Nach den Untersuchungen von Czermak, Wien,
sitzungsber. XXIV, (1857) s. 4 flf. ist festgestellt, dass sich
das gaumensegel bei der bildung der „reinen vocale** keines-
wegs gleichmässig verhält, sondern dass verschiedene grade
des nasenverschlusses sich constatiren lassen. Der weiche
gaumen hat für jeden vocal nicht nur eine bestimmte
Wölbung, sondern erleidet auch verschiedene Spannung,
wonach der verschluss der nasenhöhle am straffsten ist bei
i und w, dann folgen o, e, a. Damit hängt zusammen, dass
im Schwab, nasalirte i, u zu. e ö geworden sind, indem zu-
nächst ein weniger fester verschluss der nasenhöhle, eine
lockerung der muskelspannung eingetreten ist, vgl. Czermak
s. 8. (im alem. wo im allgemeinen straffere muskelspannung
herrscht, sind nasalirte T ü bewahrt). Dazu kommt ein
weiteres. Beim öffnen des nasenverschlusses zieht der musc.
glossopalatinus , der vom vorderen gaumenbogen in die
zunge verläuft, das velum nach vorwärts. Die contraction
dieses muskels hebt die zungenwurzel (vgl. Winteler s. 16),
was auf die entsprechenden Zungenstellungen für reine
vocale eine verschiedenartige Wirkung ausübt. Vocale mit
tiefster zungenstellung (wie q q) erfahren in folge dessen
bei Öffnung des nasenverschlusses erhöh ung, vocale mit
höchster zungenstellung (wie i u) erniedrigung des
timbres, d. h. offene vocale werden geschlossener, ge-
schlossene offener; im ersten fall tritt eine hebung, im
zweiten fall Senkung der zunge begleitend ein, beide
formen sind das mechanische resultat der
bewegung des gaumens egels, die eine Zurückziehung
der zunge im gefolge hat.
§ 17. Das Schwab, kennt danach nur ä e ö nebst ^,
unter denen sich sämtliche einfache vocalqualitäten vereinigen.
i + nas. > e (+ nas.) ; u + nas. > p (-f- nas.) ; die offenen
laute ^ Q werden zu den geschlossenen ^ p. vgl. ßent' kind,
hont' hund, hqt er hat (mhd. hat) aber hont sie haben
(mhd. hänt); fTrn^m vornehm (mhd. vürnaeme) etc.
A. DIE SONOREN. »
§ 18. Wenn Storm engl. Phil. s. 37 vermutet, die
Öffnung der nasenhöle sei bei den süddeutschen nasalvocalen
nur eine schwache, so trifft dies für das schwäb. nicht zu.
Gaumensegel nebst Zäpfchen haben die Stellung wie beim
ruhigen atmen , das Zäpfchen liegt leicht auf der zunge
auf. Der grad der nasalirung ist demnach ein sehr hoher.
Bei der kürze macht sich die nasenresonanz akustisch
weniger geltend als bei der länge vgl. den dünn und den
diesen.
A n m. Meine beobachtungen haben dasselbe ergeben, was Storm
8. 38 über die französischen nasalvocale sagt (von dem verschiedenen
vocaltimbre abgesehen). Bell, Visible Speech s. 47 nimmt eine „guttural
contraction" an, von Sweet erläutert als „oonträotion of the pharynx** ;
Handbook s. 211 zieht Sweet dies zurück, und setzt gleichfalls nur
„a greater lowering of the uvula*^ an.
2) HALBVOCAL j.
§ 19. Die Zungenstellung hat dieselbe höhe wie bei 6,
nur articulirt ein etwas weiter zurückliegender zungenteil,
die transcription g {=^ consonant. ^) wäre demnach gleichfalls
berechtigt ; es fehlt jede spur von reibegeräusch, doch tritt
es zuweilen bei nachdrücklichem jq (ja) begleitend ein.
Anm. Nicht identisch mit dem halbvokal j ist i als zweiter
component des diphthongen aj[, § 12 anm. 1.
3) DIE LIQUIDEN.
§ 20. Zur bildung der 1-1 ante zieht sich die zunge
ihrer längenaxe nach zusammen, die Zungenspitze steht
höher als die übrigen teile und berührt aufgebogen die
hinteren oberzähne; der exspirationsstrom streicht an den
Zungenrändern (laterale exspiration) und zwar (individuell
verschieden) teils auf einer teils zu beiden Seiten. Die
klangfarbe ist durch den folgenden oder vorangehenden
vocal bedingt, das timbre des isolirten lautes ist neutral,
doch dem gutturalen character näherstehend als dem pala-
talen.
Anm. In der Verbindung dentaler oder gutturaler verschluss-
laut + 1 entwickelt sich ein lateraler reibelaut, da die zunge noch
während des verschlusses die l-stellung einnimmt, durch welche der
luftstrom hindurchstreicht, ehe die stimmhafte 1-bildung beginnt
10 I. PHONETIK.
§ 21. Die r-laute. Sie entstehen entweder durch
Schwingungen der vorderzunge oder des Zäpfchens, die
erstere bildungsweise ist aber so gut wie allgemein.
1) Das Zungenspitzen -r: Die zunge ist gehoben,
vorne dünn verflacht und schwingt im vorderen teile, in-
termittirend stark rollend hinter den oberzähnen.
2) Das Zäpfchen -r; Die hinterzunge ist gehoben, so
dass das Zäpfchen leicht aufliegt, die Schwingungen desselben
bringen das intermittirende geräusch hervor. Es ist eine
reihe von schattirungen bis zum x-ähnlichen reibelaut hör-
bar; in der regel ist der laut stimmhaft.
Anm. Die 1 und r laute kommen sowohl in sonan tischer als
in consonantischer function vor. (vgl. auch bereits Schmeller,
ma. Bayerns s. 111 anm.)
4) Die NASALE.
§ 22. Zu einer Verschlussbildung an den lippen (m),
hinter den oberzähnen (n), oder am harten oder weichen
gaumen (fo) tritt Öffnung und resonanz des nasenraums,
(vgl. § 16); die laute sind stets stimmhaft. Das nähere
§ 25-27.
Anm. n und m fungii^en als sonanten wie als consonanten.
B. DIE GERÄÜSCHLAÜTE.
§ 23. Die laute entstehen im ansatzrohr teils durch
verschluss- teils durch engenbildung und zerfallen danach
in verschluss- und reibelaute.
Anm. So lange der verschluss dauert tritt pause ein; da die-
selbe bei sämmtlichen verschlusslauten in identischer weise nur nicht-
lautend sein kann, ist deren Verschiedenheit auf die dem verschluss
vorausgehenden übergangslaute (die durch die Verschiedenheit des je-
weiligen resonanzraums bedingt sind) zurückzuführen.
§ 24. Die verschluss- und reibelaute (stimmlos) haben
das gemeinsame, dass die geöffnete Stimmritze ein exspirations-
strom passirt, der im mundraum hemmung erfahrt. Nicht
mehr für die reibelaute wohl aber für die verschlusslaute
ist dieselbe nach dem grad der muskelspannung der ver-
schlussbildenden Organe abgestuft, dem zufolge eine mehr
oder weniger energische explosion erfolgt, die nach ihrer
Intensität messbar ist. Es sind im schwäb. dialect zwei
B. DIE ÖERAUSCHLAUTE. 11
intensitätsstufen bei den verschlusslauten zu unterscheiden :
1) mit energischer muskelspannung — fortes, 2) mit geringer
Spannung — lenes. Bezüglich der reibelaute haben bereits
Fulda und Nast im Teutschen Sprachforscher I, 159 flf.
die Sachlage richtig erkannt: „t hat keine grade/ s. 159.
„Wer hört den unterschied zwischen den rosen und den
grossen?" s. 161.
Anm. 1. Der versuoh mit der Wassersäule in einer glasröhre
von 7 mm. durohmesser ergab bei den lenes ein sehr constantes steigen
des Wassers um ca. 1 ' 2 ^^ i während die explosion der fortes ca.
2V2 cm. Steigung zeigte. — Über die Unterscheidung von lenes und
fortes ist Winteler Eer. ma. s. 21 ff. zu vergleichen nach dessen defi-
nition der unterschied ein vorwiegend quantitativer wäre, indem nach
8. 27, „die articulationen, welche lenes erzeugen, in demselben augen-
blick wieder aufgegeben werden, in welchem sie ihre culmination er-
reicht haben. Bei der Bildung der fortes verharren die Sprachwerkzeuge
fühlbar in ihrer culminationsstellung'*. Dasselbe gilt für den schwäb.
dialect. Es muss aber dazu genommen werden, was Winteler s. 28
beifügt, dass der unterschied zwischen lenes und fortes „in der em-
pfindung eines verschiedenen nachdrucks in der exspirations- und arti-
culatiousmusculatur^ begründet liegt. Die verschiedene Quantität bei
lenis und fortis ist nur eine mechanische folge der entsprechenden
muskelspannung.
Anm. 2. Definitive werte lassen sich für die einzelnen conso-
nanten so wenig als für die vocale aufsteUen; es ist sehr zu beachten,
dass die articulation, namentlich was energie der muskelspannung betrifft,
stets von dem Wechsel der psychischen affecte des satzinhaltes ab-
hängig ist. Mildzärtliche Stimmung wird den gesammten oonsonantis-
mus auf geringere articulationsspannung reduciren, energisch los-
brechender affect hat straffere muskelspannung im gefolge — psycho-
physische prozesse von mechanischer gesetzmässigkeit. Das zärtliche
Uomhidhle (komm bübchen) im munde der mutter (auf hohen noten ge-
t» ,^> ^»«
sprechen)
[ r wird sehr bedeutend schwächer articulirt
•i r-
als das höhnisch mit verhaltenem zorn drohende Hotn | pid \ pl^.
^=h
^ 1^ Diese natürlichen mittel der volksmässigen rhetorik
(vgl. § 2.) verdienen die grösste beachtung.
Anm. 3. Yon Wichtigkeit ist der zuerst von A. Heusler, der
alemanische Consonantismus in der mundart von Baselstadt s. 2i ff.
12 I. PHONETIK.
aufgestellte begriff, „neutraler^ laute: „treffen zwei oder mehr stimm-
lose laute zusammen, so erhalten ihre articulationen eine gewisse mitt-
lere intensität, kräftiger als die der lenis, etwas schwächer als die der
fortis. In der schrift ein besonderes zeichen für sie zu verwenden geht
aus praktischen rücksichten nicht wohl an, obgleich es wünschenswert
wäre .
§25. 1) Labiale: a) Verschlusslaute: die
lippen schliessen sich labio-labial, wobei die Oberlippe etwas
energischer zu articuliren pflegt als die untere, bei kürzester
dauer des verschlusses und hauchloser explosion entsteht
lenis b, die mit p bezeichnete fortis hat nur wenig an-
dauernderen und etwas energischeren verschluss. Eine ge-
hauchte fortis (aspirata) tritt selten in fremdwörtern, im
sandhi und in satzpause auf: p\ In absolutem anlaut ist
die articulation der lenis um ein minimum gespannter als
intervokalisch ; p in sVj sp ist umgekehrt etwas reducirt,
ohne mit anlautendem b zusammenzufallen (neutral).
b. Reibelaute: 1) beim/ sitzen die oberzähne auf
der Unterlippe, der Unterkiefer liegt zurück , und es ent-
steht zwischen den lippen eine sehr schmale Öffnung etwa
wie bei u,
2) Durchaus verschieden davon wird w stimmhaft,
rein bilabial, in der regel ohne geräusch gebildet; (vgl.
Ickelsamer bei Müller, quellenschriften s. 128 w, wie
man in ein hayss essen bläst) der Unterkiefer schiebt sich
vor; häufig wird nur eine ganz flüchtige Stimmmodulation
hörbar, die von der beschaflfenheit des folgenden vocals ab-
hängig ist. Winteler s. 32.
c. Der labiale nasal m hat bilabialen lippen ver-
schluss.
A n m. In der Verbindung pf wird durch vorausnähme der /-ar-
ticulation auch p labiodental gebildet.
§26. 2) Dentale: a. Verschlusslaute: die
Zungenspitze articulirt postdental für lenis d und fortis t;
aspirirte fortis t' ist selten in fremdwörtern, und tritt in
satzpause und sandhi ein.
b. Reibelaute: 1) bei s bleiben die lippen in der
ruhelage, der Unterkiefer schiebt sich vor, so dass sich die
6. DIE GERAUSCHLAUTE. 13
zahnreihen leicht berühren; die vorderzunge liegt ziemlich
flach hinter den untern eck- und Schneidezähnen ; der mittel-
linie der zunge entlang befindet sich eine leichte rinne; die
grösste enge ist an den obern alveolen.
Anm. Die africata ts entsteht meist bei combinirter articulation,
wonach t mit dem zungenblatt postdental und s bei gleichzeitiger
krümmung der zunge nach abwärts gebildet wird.
2) Bei s (seh) stülpt sich die Unterlippe nach vorwärts.
Die zahnreihen verhalten sich wie bei s, dagegen steht der
Zungenkörper höher, die engenbildung findet am harten
gaumen statt, die Zungenspitze ist stark zurückgezogen, die
rinne der zunge um etwas energischer als bei s,
c. K a s a 1 : der dentale nasal n unterscheidet sich von
den verschlusslauten nur durch die nasen-resonanz.
§ 27. 3) Gutturale: Die mundart unterscheidet
palato-velare (vor oder nach vokalen des hinteren gebiets)
und palatale (vor oder nach vocalen des vorderen ge-
biets) verschluss- und reibelaute : lenis g, fortis k, aspirata JP,
reibelaute x, x. Das timbre ist abhängig von den übergangs-
lauten. In einem falle wie gäf9dwq'9k\kt .... {k\k bedeutet die in
den i- verschluss fallende pause) gehe hinweg, ich . . . ist der
verschluss des k deutlich palato-velar (dunklere gleichlaute)
dagegen die Öffnung zum i rein palatal, so dass velarer
verschluss mit palataler Öffnung entsteht: während der
pause hebt sich die vorderzunge zum harten gaumen nach
vorwärts resp. im umgekehrten falle senkt sich die zunge
gleichzeitig mit der contraction für die palato-velaren, es
findet palataler verschluss und palato-velare Öffnung statt.
Vgl. di'konde'n (dick und dünn).
a. Verschlusslaute. 1) Palato-V elar e: Die
zunge ist ihrer längsaxe nach contrahirt, womit wohl zu-
sammenhängt, dass eine ziemlich starke Wölbung entsteht,
bei der die zungenränder tiefer liegen als die mitte, die
lösung des verschlusses erfolgt auf der grenzstelle zwischen
hartem und weichem gaumen.
2) P a 1 a t a 1 e : Der verschluss findet am harten gaumen
statt, bei der färbungsprobe ergibt sich gegen die palato-
14
I. PHONETIK.
Velaren ein abstand der explosionssteilen von ca. 1 cm.; die
zunge ist breit im vorderen mundraum gelagert, wie bei
den vocalen des vordem gebiets.
b. Reibelaute: Im gegensatz zu den verschluss-
lauten besitzt die mundart, 1) rein velares x (arA-laut),
2) palato velares x nach «<, 8) palatales x; der abstand der
engenbildungsstelle für palatales x (zcÄ-laut), von der für x
ist beträchtlicher als bei den verschlusslauten, sie liegt an
«
der Wölbung des harten gaumens. In fällen wie qdxis
eichenes (velarer einsatz, palataler absatz), nimmt die vorder-
zunge während der x-articulation an der lautbildung teil,
so dass die ausflussöffnung an palataler stelle mündet.
c. Nasale: Der articulationsabstand für palato-
velares resp. palatales fo stimmt mit dem der verschlusslaute
überein.
Vocal-Tabelle.
Zung. stellg.
Vord
geschl.
ereR g e
mittl.
biet,
offen.
Hinteres ge
geschl. mittl.
biet,
offen.
hoch.
W/ t
1
mittel.
2
•
f
9
nieder.
^?
ä ä
«(0
Gerundete vocale.
hoch.
(9)u Ü
u
mittel.
Ö
m
m
nieder. !
?
?
B. WE GERAÜ8CHLAUTE.
15
Consonanten-Tabelle.
Artic. stellg.
Verschlusslaute
(stimmlos).
Reibelaute,
stimmhaft, stimmlos.
Nasale.
(stimmhaft.)
Liquiden.
Haute, r-laute
labiale
b p (p^)
w
m
Labio
dentale
P(f)
f
Dentale.
d t (f)
s s
11
i '
r
Palatale.
// k ^
X
19
Palato-Velare
g kP
X
f9
r
Laterale.
]
{tl kl)
Anm. Entsprechend den nasal vocalen (§ 16) hat die mundart auch
nasalirte consonanten. Sie finden sich nur in unmittelbarer nach-
barschaft von^ nasenresonanz, welche auch die timbres der verschluss-
und reibelaute des mundraums leicht afficirt; die articulationsstellen
bleiben fest: vgl. z. b. kfBUdl^ genug; witn willst du ihn: epmidf nicht
müde; ri9Xii9 rechnen u. s. w. Die exspiration für den betreffenden
verschluss- oder reibelaut teilt sich in mund- und nasenstrom (bei ver-
schlusslauten ist nur die explosion nasal) der letztere in einheitlicher
Verbindung mit dem exspirationsstrom für den nasalen consonanten
(tl f9 m).
C. DIPHTHONGE.
§ 28. Die absoluten werte, welche für die einzellaute
aufgestellt sind, gelten nur bedingterweise für lautcomplexe,
indem sich in der Verbindung die articulationsstellungen
nähern,
§ 29. Die diphthonge zerfallen wie die einfachen
vocale in 1) reine, 2) nasalirte.
1) reine diphthonge: ae ao in ; 9i 9ii ; ^ io q9 uq [es).
2) nasalirte diphthonge: de ab; 09 &,
Sämintliche reinen diphthonge kommen nasalirt vor
und sind in diesen vier typen vereinigt nach den § 16 f.
entwickelten gesetzen.
§ 30. 1) ae^ aoy ui. Was die ersten componenten
betrifft, so vgl. über ae § 14 b, a in ao ist das gewöhnliche
(mittlere) a; für offen u in ui ist die engenbildung leicht
16 I. PHONETIK.
nach vorne verschoben. Die zweiten componenten ent-
sprechen am nächsten den betr. geschlossenen längen, nur
scheint die zunge nicht ganz so straff zu sein. Der weg
der zunge zur bildung von ae ist vorwärts und aufwärts,
der Unterkiefer hebt sich allmählich; bei ao dagegen wird
die zunge gespannter und schiebt sich nach hinten aufwärts,
doch in sehr geringem abstand, häufig wird die zungenlage
dieselbe bleiben und werden nur die lippen für o functioniren.
ui entsteht durch Verschiebung des gewölbten zungenrückens
in der weise, dass die w-wölbung sich verflacht und die
Vorderzunge die höchste Wölbungsstelle übernimmt, der
Unterkiefer senkt sich leicht.
2) 9ij QU, Über 9, vgl. oben § 15, über i und u vgl.
§ 12 a. und b. Für oi schiebt sich die zunge aus guttu-
raler articulation nach einer »high-front-stellung** der ab-
stand der componenten ist der grösste. Dies hat zur folge,
dass die übergangslaute bei diesem diphthongen eine wichtige
rolle spielen; ziemlich deutlich scheint mir ein offenes 9
anzuklingen. Für 9u kommt ausser der lippenthätigkeit
nur die hebung der hinterzunge nach aufwärts in betracht.
Anm. Nach Sievers ^ 98 wäre 9 high-back-narrow, nach meiner
beobachtung ist es entschieden offener als das armen, e,
3J id, V3; (^, qd. Die zunge bewegt sich für io diagonal
nach rückwärts und es findet eine merkliche Senkung des
Unterkiefers statt. Bei u9 senkt sich die zunge vertical,
der Unterkiefer macht die bewegung mit und die lippen
öffnen sich. Von ^ zw d ist die bewegung ähnlich wie bei
19, nur dass die zunge schon für ^ tiefer steht. Für qd ist
characteristisch die energische Zurückziehung der Unterlippe,
die bewegung der zunge ist sehr minimal nach vorwärts
gerichtet. Auch die 9-laute der vier diphthonge sind paar-
weise verschieden. Während 9 in ^, q9 nahe an a anklingt
als eine Zwischenstufe zwischen 9 (in 9i 9u) und a ist das 9
in i9 U9 von derselben klangfarbe wie 9 für mhd. 'e{n) vgl.
oben § 15.
Anm. 1. Auf diese letztere gruppe von diphthongen bezieht
sich die beobachtung von Sievers^ s. 143, 199, dass die süddeutschen
ta, U9 etc. zum grossen teU zweisilbig seien. Sie sind entschieden
C. DIPHTHONGE. 17
zweisilbig in takt- oder satzpause, aber ebenso entschieden einsilbig
im taktinnern; vgl. Äi-a aber Äm/rr (hier-hiesig) ; bu-? aber budbd (hübe:
buben) ; q-^ aber q9le (ei : eilein) etc.
Die nasalirten diphthonge geben zu'keinen besonderen bemerkungen
anlass ; die nasenresonanz gilt für beide componenten in gleicher weise.
Anm. 2. Über die quantitäten der einzelnen componenten vgl.
§ 35 f. Die ersten componenten der reinen und nasalirten ae, ao, ui^
9i\ 9u sind kürzer als die in ^, idy U9 und diese kürzer als q in qd.
die erste gruppe hat hochtonige zweite componenten, die namentlich in
pausastellung dehnung erfahren, aber auch im taktinnern länger
sind als die den silbengipfel tragenden vorausgehend'en
s n a n t e n.
DIE EINZELLATJTE ALS SATZELEMENTE.
§ 31. Die diphthonge haben zur functions- oder com-
binationslehre übergeführt, welche die attribute der
einzellaute zu untersuchen hat, die sich mit ihnen bei
der bildung von silben, takten und Sätzen vereinigen.
Anm. Alle Veränderungen des lautwandels im weitesten sinne
werden erst in der (grammatischen) lautlehre besprochen werden, hier
kommen nur die formalen categorien in betracht.
§ 32. Die articulationsbasis. Die lippentätig-
keit ist im schwäbischen lebhaft, aber nicht energisch; die
mundöffnung (kieferabstand, mundwinkel) im durchschnitt
sehr beträchtlich; der Unterkiefer steht auffallend hinter
dem Oberkiefer zurück, die horizontale Vorwärtsbewegung
desselben ist im ganzen gering; die anspannung der zunge
ist mittleren grades, die Verbreiterung derselben überwiegt
die zusammenziehung ; das gaumensegel ist in reger tätigkeit,
überhaupt das hintere gebiet des mundraums bevorzugt;
wie bereits Mor. Rapp, Physiologie I, 171 „die mundart der
Schwaben dem allgemeinen character nach guttural" ge-
nannt hat.
§ 33. Vocalein s at z. In der gewöhnlichen rede
ist durchweg der leise einsatz üblich, d. h. „erst nach-
dem die Stimmbänder zum tönen eingestellt sind, setzt die
exspiration ein" Sievers 130 f. Den festen einsatz kennt
die mundart als eines der mittel emphatischen nachdrucks;
das dem vocale vorausgehende knacken im kehlkopf ist
sehr deutlich. Schon Kapp, Physiologie der spräche I, 166,
Kauffmanii, Fr., Oeschichte d. schwäb. Muudart. 2
18 I. PHONETIK.
267 hat als beispiel dafür die negation a* V* : (entschiedenes
„nein**) angeführt, bei geschlossenem mund als 'm''m: zu
transcribiren , der erste • einsatz ist im gegensatz zum
zweiten fortis. Derselbe ist namentlich leicht bei jeder
verwunderten, nachdrücklichen, vocalisch anlautenden frage
zu beobachten z. b. 'l? (ich?) u. a. Den gehauchten
einsatz („die exspiration beginnt bei noch geöffneter
Stimmritze**) hat die mundart bei ä:ä', bei geschlossenem
mund 'm:m' als bejahungsinterjection, sie ist identisch mit
'ä'ci : was das substrat anlangt, der unterschied der bedeutung
beruht nur auf der Verschiedenheit des einsatzes,
vgl. Heusler a. a. o. s. 126.
Vocalabsatz: In takt- oder satzpause pflegen aus-
lautende vocale auszuklingen, und zwar ist im schwäbischen
je nach aflfect der leise oder stark gehauchte absatz üblich ;
vgl. kendle (kindlein) oder Q interjection der Verachtung u. a.
§ 34. Ein- und absatz der consonanten. Während
die Spiranten nur mit leisem ein- und absatz zur Verwen-
dung kommen, ist der eintritt des festen einsatzes bei
verschlusslauten an bestimmte etymologische bedingungen
(assimilationsvorgänge im sandhi) geknüpft, wird aber häufig
auch hier vernachlässigt. Das nähere in der grammatischen
darlegung. „Man erkennt blos den ansatz, den die zunge
nimmt um es (neml. ^lials syncopirten artikel) hervorzubringen,
an der grösseren entschiedenheit, mit welcher in diesem
falle der anfangslaut des wertes vernommen wird.** Schmeller,
Ma. Bayerns s. 91. 98. Vgl. 7fi die tage, 'k^ gegeben,
'j)ötid9 gebunden, doch daneben durch ausgleichung dqk, g^,
höndd u. a. Gehauchter absatz ist bei den verschluss-
lauten am takt- oder satzende die regel; vgl. 9 sak^pfl
(ein sack äpfel) mit 09 sak (ein sack) u. a. ; die lenis geht
in diesem fall in die aspirirte fortis über (/q'ldo79gti'9( (geld
und gut) oder: d^'rqkq'lt (der hat geld).
Anm. Diese aspiration betrachte ich als rein mechanischen
Vorgang. Bei der beschafFenheit unserer vocalbildung, vermöge welcher
folgender consonant nicht derselben silbe angehört, vielmehr eine neue
silbe mit dem consonanten anwetzt, kann die Öffnung des verschlusses
nur eine gehauchte sein. Durch die aspiration ist aber v^iederum die
fortisqualität bedingt.
QUANTITÄT.
19
§ e35. Quantität. Für die beurteilung der quan-
titäten ist von grösster bedeutung die Stellung des Wortes
im satze. Der sonant einer und derselben silbe hat eine
wechselnde Zeitdauer, je nachdem dieselbe im satzinnern
oder am satzende steht, Sievers s. 222.
§ 36. Die Quantität der vocale. Im schwä-
bischen sind 6 verschiedene' grade der Zeitdauer leicht zu
unterscheiden. Die geringste dauer hat der stimmton bei
dem 9-laute (vgl. § 15) in sar^U (sarg) und von hier auf-
steigend wächst dieselbe bis zu den überlangen vocalen.
Dazwischen sind anzusetzen lange, halblange, kurze
und halbkurze vocale. Die langen vocale des schwäbischen
entsprechen ungefähr der schriftdeutschen länge in satz-
pause, die übrigen quantitäten erhält man durch allmähliche
Verlängerung (überlang) oder kürzung.
überlang.
früxt frucht.
Uts kirsche.
mext möchte.
sä sagen.
kräk krank.
fql voll.
hlqp blau.
kurz.
umlle wollen adj.
hritr brett.
dr^sd dreschen.
hajL9 backen.
häml hammel.
bot' böte.
hqC hat.
färo fahren.
lang.
jüg9t Jugend.
hir9 bimen.
wehr welcher.
hädd baden.
kräkdt krankheit.
Mtöh gestohlen.
qh9f abend.
halb kurz.
gu'güU kuckuck!
bi: (go'f) bei gott!
e ich.
^räp herab.
halblang.
9Ü
kromf)lr9 kartoffeln.
äxtse 18.
mitäg mittag.
ä's (d9gnnts) als ganzes.
.90/
Q9 ei.
überkurz.
a a: nem.
ö: {wa'9) weh !
;^: ifq') ja ja.
arb9t arbeit. sar9Jc,
Anm. Zahlenmässig liesse sich das Verhältnis, wenn wir über-
kurz mit 1, halbkurz mit 1,5 etc. bezeichnen, ausdrücken: 1 : 1,5 : 2 : 2,5
: 3 : 4. d. h. die Zeitdauer für die überlänge ist etwa 4 mal so gross
als für die überkürze. T. Tobler im Appenzell. Sprachschatz s. XXVII
unterscheidet kurz, sehr kurz, mittellang, lang, sehr lang (mittellange
dauer ca. Vsv lange ca. ^/^ secunden.) In Schlesien länge : kürze wie
1 Sj,: 1 (Ztschr. f. d. phil., IV, 830 flF.).
2*
20 I. PHONETIK.
§37. Quantität der consonanten. Lange con-
sonanz ist im schwäbischen (im gegensatz zum aleman.)
auf verschlusslaute beschränkt; zudem sind sich fortis und
lenis merklich genähert vgl. § 24. Lange verschlusslaute
entstehen ferner durch etymologische Veränderungen (syn-
cope), doch machen sich auch in diesen fällen ausgleichungen
geltend. Das hauptgebiet der dehnung von dauer- und ver-
schlusslauten steht unter dem zwecke des nachdrucks
vgl. imperative wie kom (komm!), laof, niax, sfr^/i etc.
Beitr. II, 564.
ACCENTÜIRÜNG.
§ 38, Der accent ist teils exspiratorischer (ictus),
teils musikalischer (ton) beschaflfenheit ; die erstere beruht
auf der energie der exspiration, die letztere stellt die tonbe-
wegung der stimme dar. Vgl. §§ 5 ff.
§ 39. Es ist eines der wesentlichsten merkmale des
schwäbischen wie alem. überhaupt, dass die ictussilben
d. h. die expiratorisch starken silben den schwach ge-
schnittenen accent tragen, der stark geschnittene ist
nur als rhetorisches hülfsmittel üblich.
Anm. 1. Damit steht das § 36 entwickelte quantitätsystem in
Zusammenhang, in sofern die als kurz resp. lang, überlang bezeich-
neten Silben unter dem einfluss dieses accents sich (gegen die mhd.
stufe) gedehnt haben, vgl. Sievers s. 197. Ferner ist damit die er-
klärung gegeben, warum das schwäbische das sogenannte „Winte-
lersche Silbenaccentgesetz" (Sievers s. 196) nicht kennt; und ebenso
liegt hier die Ursache für den svarabhakti-vocal d in argm^ (arm) etc.
vgl. Sievers 197. 198, wonach durch den schwach geschnittenen accent
eine „Verschiebung der silbengrenze*" bewirkt wird.
Anm. 2. Während das bühnendeutsche in nominaler composition
z. b. marktpl^tz auf dem ersten glied den stark geschnittenen, auf dem
zweiten den schwach geschnittenen accent mit herabgesetzter expirations-
energie (sog. nebenton) verlangt, fällt diese Unterscheidung im schwä-
bischen weg; die beiden silben unterscheiden sich vielmehr nur ganz
minimal nach dem grade der exspirationsstärke, schwach geschnittenen
accent tragen beide.
§ 40. Die betonung bewegt sich innerhalb sehr
geringer intervalle, so lange die rede den ruhigen conver-
sationscharacter bewahrt und zwar gilt als durchgreifendes
gesetz, dass die schwach geschnittene, exspira-
ACCENT. 21
tori sch - starke ictussilbe den tiefton trägt, der
zu der mittelstarken resp. schwachen silbe hin zu einer
etwa 2 töne höher gelegenen note aufsteigt : slflb (schiflflein) ;
in dem momente, wo die musikalisch höher betonte silbe
einsetzt hat der ton seine höchste höhe erreicht (die auf
den ictusvocal folgenden consonanten haben demgemäss
höheres timbre), um im verlauf derselben wieder rasch zu
sinken. In fallen des auftakts z. b. mmmä' (mein mann)
setzt das m von mde hoch ein (sehr deutlich in der tonhöhe
von m in mä' verschieden), der ton sinkt und bleibt fast
ganz eben. Die betonungs weise ist demnach nur gradweise
von einem fragend gesprochenen sägen? verschieden (vgl.
Mor. Rapp, Physiologie I, 172.).
Vereinigt sich dieser steigend-fallende ton auf einer
und derselben silbe, so kann zweifei entstehen, ob nicht
zweisilbigkeit vorliegt, wie faktisch in werten wie drdm,
sdrdU, kirlx etc. (vgl. § 39 anm. 1), unter dieser betonung
die svarabhaktivocale in satzpause entstanden sind. Andere
durchaus analoge falle sind 'rfdl't (er fällt) ; V ßöfht (er kommt)
wie sie, noch zuweilen, auch bei uns gehört werden. Voll-
ständig identisch mit dieser betonung ist die der schwäbischen
diphthonge di, du. Der erste component d trägt den (musi-
kalischen) tiefton bei schwach geschnittenem silbenictus,
der ton steigt auf seine höchste höhe bei einsatz des i, u
um dann wieder zu fallen : wqU ist ebenso wie fdlX Körnt etc.
Endlich ist, in weniger ausgeprägtem masse, diese „zwei-
gipflige** betonung bei den überlangen vocalen die regel:
jq; früxt; ent (ernte) u. a.
Anm. 1. Die „halblangen'^ vocale sind in mittelstarken silben
unter einfluss des (musikalischen) hochtons entstanden (§ 36). Die
„überlangen^ haben sich in folge des tongesetzes aus den langen in
satzpause entwickelt.
Anm. 2. Die tieftonigkeit der ictussilben gibt der mundart den
character tieferer Stimmlage im gegensatz zu den norddeutschen mund-
arten. Vgl. Kräuter D. M.< VII, 329.
Anm. 3. Das wesen der schwäbischen betonung ist bereits von
M. Rapp, Physiol. I, s. 172 f. richtig erkannt. „Das mittlere Schwaben
1 Die deutschen mundarten. Bd.I-VII, hrgeg. v. From-
manu.
22
I. PHONETIK.
spricht zuverlässig mit keiner oder doch kaum bemerkbaren modulation.
Geht man südlich so wird man alsbald jene eigentümliche modulation
wahrnehmen, die lebhafter und kecker wird, je mehr man sich der
Schweiz nähert Bewegt man sich dagegen von dem angegebenen
punct aus nördlich, so wird man im Übergang zum rheinpfälzischen
dialekt eine von jener verschiedene aber eben so markirte modulation
hören, ein mehr weichliches wiegen der stimme, eine sanft abrollende
Senkung, unbestimmt musikalisch etwa
das andere etwa
M. Vn, 329.
Q
m
zu bezeichnen, während
(vgl. IV, 262) lautet vgl. auch Kräuter D.
SATZMELODIE UND SPRECHTEMPO.
§ 41. Satzmelodie und Sprechgeschwindigkeit der mund-
art sind die wichtigsten mittel der volksmässigen rhetorik.
Die abstufungen gelten der grossen mannigfaltigkeit der
Stimmungen und affecte.
a. Satzmelodie d. h. Wechsel der tonhöhen im Satz-
zusammenhang.
Die ruhig berichtende erzählung bewahrt den mit dem
ersten ictus einsetzenden tiefton in ebener gleichmässig-
keit auf allen stärkeren silben, die intervalle zu den schwachen
Silben bewegen sich als maximum innerhalb der beiden
nächsthöheren noten z. b. 1) ausgangs Februar ist der Neckar
herausgekommen : 9:usgäfdsfe'bruwar \ isdrn^krrdusköimd
dagegen 2) und da haben sie halt
müssen springen und laufen : ondqhöntsehalpmidSdspre'idS
■0f9 I
ontla
^
oder 3) es ist über drei
fuss hoch gewesen : süi'br \ drdi \ sWdhaoksdJb T~f T f f^^^
4) und das alte mütterchen gehört auch dazu : ondesalpmrdtrle\
I
d^sßaerta'odrt8U9
m
m
^
SPRECHTEMPO. 23
b. Sprechtempo: Im allgemeinen muss das tempo
als langsam bezeichnet werden.
Satz 1 hat mit geringer pause nach dem ersten Sprech-
takt eine dauer von 3 secunden. Satz 2 dauert dagegen
mit pause nur 2 secunden. Satz 3 gleichfalls 3 secunden.
Dagegen satz 4 nimmt 5 secunden in anspruch, wobei die
beinahe eine secunde anhaltende pause nach dem ersten
Sprechtakt eingerechnet ist. Weitere beispiele : öndqiss
le'pksäe \ önddwu'r^m> \ önddkra'p und da ist ein löwe gewesen,
und ein wurm und ein rabe = 4 secunden. nqhdbnimiosd
dll'bldihd dann habe ich müssen dableiben = 2 secunden.
öndabneshe'mo tq'rfsieiodtn und ohne das hemd dürfe sie nicht
heim = 3 secunden. dqisdsoldaksde | d^ris^:fträn9wa'srgäi99\
mqn^hqpä'ddkend || öndqsendrdimq'dleksde di9hönda'oha:dd( || ön-
dö'onedofö \ hod^mguddensa'okfah \ önd'^rqtrnqshe'mdden"
twent' da ist ein soldat gewesen, der ist öfter ans wasser
gegangen, wo man hat baden können; und da sind drei
mädchen gewesen, die haben auch gebadet, und eine davon
hat ihm gut ins äuge gefallen (gestochen) und der hat er
dann das hemd entwendet = 17 sec. ( || pause von ca. 1 sec.)
SILBENTRENNUNG.
§ 42. Regelmässig wird im Satzzusammenhang (vgl.
§ 5 f.) gebunden, d. h. einfache consonanz zwischen zwei
vocalen gehört stets zur zweiten silbe (lenis wie fortis):
ro'k9 roggen, l^bi-kon-daot lebendig und todt. bde-ni (bin
ich) u. s. w. Auch mehrfache consonanz wird zur folgesilbe
gezogen: ra'-sdaß rasttag, sta'-pfl^ß stadtpflege, mi-tnaxt
mitternacht, wV-ksaet (hat der) wirt gesagt, woi-psbif weibs-
leute, weiber u. a. In der wortcomposition, wird aber häufig
die Silbentrennung nach grammatischen rücksichten geregelt.
Anm. Die art der Silbentrennung ist abhängig von der art des voka-
lischen (und consonantischen) ein- und absatzes, zum andern von der be-
schafFenheit des silbenictus. Der mangel des Spiritus lenis (vgl. Vietor
8. 188) und der sch'wach geschnittene acoent sind für die schwäbische
manier ausschlaggebend, die folge ist ein „spalten^ der Wörter, wie es
an der bekannten stelle des Renner (v. 22218) von Hugo von Trimberg
heisst: Swäbe ir Wörter spaltent.
24 I. PHOJiETIK.
§ 43. Die constitutiven factoren der laut-
b i 1 d u n g , vgl. § 32. Die laute nebst ihren attributen, wie
sie im vorstehenden besprochen sind, müssen in der physiolo-
gischen Constitution der Sprachwerkzeuge ihre begründung und
erklärung finden. In den ersten kinderjahren werden die
einzelnen laute erlernt ; sobald für dieselben feste bewegungs-
gefühle sich entwickelt haben, findet eine reflexartige,
jedenfalls unbewusste reproduction derselben bei jedweder
sprachäusserung statt ; das bewegungsgefühl ist durch den
nervenapparat dem bewusstsein vermittelt, indem die be-
wegungen der lauterzeugenden organe feststehende empfin-
dungen hervorrufen. Diese bewegungen nebst begleitenden
empfindungen wiederholen sich unbewusst in stets identischer
weise. Diese identität ist der ausdruck einer psycho-phy-
sischen gesetzmässigkeit.
Der druck, unter dem bei aflfectloser rede der exspirations-
strom von den lungen ausgetrieben wird, ist im schwäb.
dialect nieder, messungen, so weit ich sie anzustellen
vermochte, sind § 24 mitgeteilt. Im vergleich mit md. mund-
arten erscheint das Sprechtempo langsam; die musculatur
des kehlkopfs wirkt mit geringer energie (daher der stimm-
lose consonantismus), wie dies ferner aus der tatsache der
kleinen tonintervalle und des schwach geschnit-
tenen accents ersichtlich und bestätigend gilt dasselbe
von den muskeln des ansatzrohrs, denn nur bei herabgesetzter
activität wird umfang und beschaflfenheit der schwäbischen
fortes, sowie das fehlen der gerundeten vocale des vorderen
gebiets begreiflich, wie wir auch in diesen Verhältnissen
die treffendste erklärung der schwäbischen nasalvocale
finden.
IL STAMMHEITLIOHE VORBEMERKUNGEN.
§ 44. S tammesgrenze. In den jähren 250 -275 n.
Chr. geb. durchbrechen die Alemannen (von Baumann,
Forschungen z. d. Gesch. XVI s. 223 ff. mit den Semnonen
identificirt, die ursprünglich an der Spree sesshaft gewesen
sein sollen) den römischen grenzwall und nehmen die Neckar-
gegenden (Decumatenland ; über die ältesten bewohner
Württembergs vgl. Paul Friedrich Stalin, Geschichte Württem-
bergs I, 1 s. 3 ff. Gotha 1882) in besitz [barbarus Nicer
Panc^. 170, 9), an der obern Donau sitzen Juthungen,
{pars Alantannorum nach Amm. Marcellinus XVII, 6, 1.) die
mit dem jähr 430 verschwinden, vgl. Baumann s. 230 ff.
An ihrer stelle treten Alemannen und, gleichbedeutend,
Sueven auf, die aber offenbar von den Sueven Ariovists
(Caesar, belh gall; vgl. auch Strabos notiz IV, 6, 9 die Donau
entspringe in der nähe der Sueven) zu unterscheiden sind :
regio illa Suauorum ab Oriente Baibar os habet , ab
occidente Francos ^ a meridie Burgundzones, a septm-
trione Thuringos , quibus Suavis tunc iuncti aderant etiam
Ältmanni ipsique Alpes erectos omnino regentes Jordanes
de or. act. get. cap. 55. (indessen soll diese geographische
notiz nach Baumann s. 239 f. späteres einschiebsei eines
copisten sein) Cap. 12 lässt er die Donau in Alamannicis arvis
entspringen, wie Ausonius epigr. V, 3 mediis Suebis, Nach
der sog. schlacht von Zülpich a. 496 wurden die mittleren
Neckar-, Kocher-, {Francorum legibus subjacet urk. a. 1024),
Jagst- und Taubergegenden, die späteren diöcesen von Worms,
Speyer und Würzburg zum Frankenreich gezogen und ver-
loren ihren alemannischen namen ; die Franken dringen bis
in die gegend von Calw, Leonberg, {Heimbodesheim [Heims-
26 11. STAMMHEITLICHE VORBEMEKKÜNGEN.
heim] in conpnio Franciae et Älemannlae a. 965 Mon. Germ.
I, 627) Marbach, Murrhard {siluam circa monasterium Mur-
rehart . . . in pago Mtirrechgowe et Chogengonwe . . . per con-
ßnia Francorum et Sueuorum a. 1027 Mon. Boica 31, 304),
Ellwangen. Das Frankenland, zu welchem der nördliche
teil von Württemberg gehörte, erscheint unter den namen
Francia Teutonica, Austrifrancia, am häufigsten
Francia orientalis, weiter östlich Franconia.
Die ostgrenze der Sueuen bilden Lech und Wernitz: super
Lechum ftuvium qui Alemannos et Baioarios dirimit. a. 787.
in fines Alamannorum et Beiweriorum ad flumen^ quod
appellatnr Lech Mon. Germ. SS. I, 173. 43, u. a. hinc
iteriim ad flumen Werima in vadum Rintgazza hinc ad
fontem^ ubi due provin ctae diuiduntiir Sueuia
quidem et Franconia urk. von 1053, bei v. Stalin I, 222
anm. 4. Nach Gerhards Vita Oudalrici liegt Augsburg
in provincia Alamannorum Mon. Germ. SS. IV, 387. 399.
401. Baumann a. a. o. s. 245 ff. Die nördl. grenze zog,
Feuchtwangen und Ellwangen einschliessend, auf dem Welz-
heimer Wald hin, weiterhin fiel die grenze der herzogtümer
mit der des späteren bistums Constanz zusammen: Murrhard
gehörte zu Würzburg, Marbach war bereits speierisch,
Dizingen zwischen Constanz und Speier geteilt, Heimsheim
und Hirschau {monasterium Hirsaugia situm in provincia
quae dicitur theutonica Francia a. 1075 Mon. Boica 29, I,
191) speierisch; an der Oos treffen Constanz und Strass-
burg zusammen und diesem flüsschen folgt die grenze zur
Murg an den Rhein; einen detaillirten grenzlauf mit an-
gäbe der nördlichsten Ortschaften des alemannisch ge-
bliebenen württembergischen landesteils, nach der kirchlichen
abgrenzung des Augsburger und Constanzer sprengeis findet
man bei Paul Friedrich Stalin a. a. o. s. 65 f. anm. West-
wärts greifen die Alemannen aus bis an die Vogesen und
den Jura, südwärts bis zum St. Gotthard.
§ 45. Stammesname. Der name des landes war
Alamannia, doch damit bereits seit dem 4. jhd. Suevia
zusammengeschmolzen , vgl. Baumann s. 242 ff. Aus der
fülle der von Baumann beigebrachten Zeugnisse seien her-
II. ST AMMH KITLICHE VORBEMERKUNGEN. 27
vorgehoben: bei Gregor von Tours bist. Fr. II, 2 Suebi
Id est Alurnanni, geograph von Ravenna IV, 26
patria Suavorum quae et Alamannürimi patriae ähnlicb bei
Paulus Diaconus bist. Langob. II, 15. III, 18. Suauia
que nunc Älamannia dicetur Fredegar contin. c. 23 quia
mxti Älamannis Sueui partem Germaniae ultra Dannbium,
partern Eaetiae inter Alpes et Histrum partemque Galtiae
circa Ärarim ohsederunt, antiquorum vocabulorum veritate
servata ab incolis nomen patriae derivemns et Älamannia m
vel Siieviam nominemiis. N am cum duo sint vo ca-
bula unam g entern significantia priori nomine
nos appellant cir cum po sitae gentes, quae Lati-
num habent sermonem^ sequenti usus nos nuncu-
pat Ba rba rorum. Walafr. Strabo, Monum. Germ. II, 3.
(vor a. 837) vgl. dazu die glosse Alamannu^ suab Ahd. gl.
II, 391, 52. 520, 37. 550, 52. Otto von Freising hat
dann bereits Mon. Germ. XX, 357 f. die definition: Qtiare
quid am totam Teutonicam terram Alemanniam dictam putant
omnesque Teutonicos Älemannos vocare solent, cum illa tantum
provincia id est Suevia. a Lemarmo fluvio vocetur Aleiminnia
populique eam inhabUantes solummodo vocentur Alemanni.
Soweit unterschieden wird, sind die Alemannen mehr auf der
Westseite den Rhein hinauf, die Sueven mehr östlich und
im Binnenlande gedacht, vgl. Z eu ss. Die Deutschen und ihre
Nachbarstämme s. 316.
Anm. Im namen Alemanneu scheint es mir doch am zutreffendsten
mit bezug auf die bekannte steUe Agathias 1, 6 ^vyxXvSe'g elmv ay&Qüj-
71 Ol xal fiiydSfg, xai tovto SvvaTai avioig i^ fmavvfiCa (nach AsiniuS Qua-
dratus ca. 250 n. Chr.) den ausdruck der Gesammtheit zu sehen,
vgl. Uhland, Schriften VIII, 15, ff., die von Baumann s. 224 ff. vor-
getragene deutung aus alah + man ist unzulässig, vgl. Alem. YII, 261 ff'.
Sueven sind die schläfrigen, vgl. Wackernagel Zs. f. d. A. VI, 260.
Uhland a. a. o. s. 73 ff., 58 ff. Zs. f. d. A. XXXII, 407 ff.
Literatur: C. F. v. Stalin, Wirtembergische Geschichte 1, 115 ff.
Uhland, Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage VIII, 3—23.
Birlinger, Alemannia I, 88 ff. Weinhold, Alem. Gramm, s. 3 ff. Bau-
mann, Schwaben und Alamannen, ihre herkunft und Identität in den
Forschungen zur deutschen Geschichte XVI, 217 ff.
§ 46. Heute ist der Alemannenname nur noch „histo-
rische erinnerung", von rein ethnographischem Standpunkt
28 II. STAMMHEITLICHE VORBEMERKUNGEN.
aus wäre die bezeiclinung Schwaben auf die Elsässer
und Nordschweizer auszudehnen. Das Elsass war
jedoch schon unter den Merowingern vom übrigen Alemannien
losgerissen und zum selbständigen herzogtum erhoben worden
vgl. Alesadones Fredegar IV, 37 (erste nennung des namens) ;
seitdem steht Alsatia dem stammlande gegenüber: so unter-
scheidet denn z. b. Seifried Helbling III, 210 flf. IV,
739 flf. Elsäzen , Swäb und Rtnfranken, Der Breisgauer
Mathias von Neuenburg ist der erste, der Schwaben durch
den Schwarzwald begrenzt sein lässt und die Rheinale-
mannen als Rhenenses zusammenfasste , später „Obef-
rheiner" ; auch Jak. Wimpfeling, epistola de inepta
et superflua verborum resolutione in cancellis 1503 unter-
scheidet in Helvetia id est Alsatia et in Germania ultra'
rhenana, quarmn partes y sunt Ortonavia et Brisgowia;
von den Suevi ist erst fernerhin die rede, Vierteljahrs-
hefte X, 45 flf. Birlinger, Alemann. Sprache rechts
des Rheins s. 205. Die Alemannen in der Schweiz süd-
wärts bis Zürich u. St. Gallen wurden bis ins 15. Jahr-
hundert zu den Schwaben gerechnet, wie es auch ihrem
eigenen stammheitlichen bewusstsein entsprach. Allein seit
der gründung des schwäbischen bundes, dessen spitze sich
besonders gegen die eidgenossen richtete, war der Schwaben-
name zu einer politischen bezeichnung ausgeartet, mit der
die „Schwizer" nichts gemein haben mochten. Es ist also
eine „schmälerung des schwäbischen stamm-
gefühls** eingetreten, wie es Baumann genannt und a. a.
0. s. 254 flf. durch Zeugnisse belegt hat. Constanz rechnet
Hermann von Sachsenheim in der Mörin 5695 zum
Schwabenland; im gegensatz zu Basel.
Als das eigentlich schwäbische kernland gilt nach
heutigem Sprachgebrauch nur Württemberg, und es ist dies
auch insofern berechtigt, als sein anteil an schwäbischem land
und volk numerisch der grösste und das schwäbische element
hier zu dominirender, selbständiger entwicklung gekommen
ist. Und diese entwicklung war mächtig genug sogar die an-
wohnenden Franken sich zu einem guten teil zu assimiliren,
so dass heute die südlichsten bewohner des alten fränkischen
II. STAMMHEITLICHE VORBEMERKUNGEN. 29
herzogtums sich als Schwaben betrachten und allüberall
unter diesem ehrennamen (vgl. Zs. f. d. A. VI, 259 flf.) cursiren;
ein bezeichnendes characteristicuni ist schwäbische kirchen-
schul- und amtssprache in diesen landschaften, von der auch
die mundart nicht unberührt geblieben. Der politische ver-
band hat das stammheitliche element überwältigt. Die
grafen und herzöge von Württemberg haben sich in nord-
westlicher richtung ausgedehnt; während Öhringen, Kün-
zelsau, Mergentheim, Crailsheim, Gerabronn, Gaildorf dem
fränkischen kreise verblieben, im westen reichte der
schwäbische kreis bis Karlsruhe — Bretten — Wimpfen (schwä-
bische reichsstadt) , von da ging die grenze durch die
altwürttembergischen ämter Neuenstadt und Möckmühl,
trennte die hohenlohischen fürstentümer ab, schloss die
reichsstadt Schwäbisch Hall ein, die grafschaft Limpurg aus
und umfasste noch die probstei Ellwangen und die Öttingi-
schen herrschaften (im süden wären noch Vorarlberg sowie
Lichtenstein einzurechnen). Im grossen ganzen deckt sich
heute der bereich des Schwabennamens mit dem umfang
dieses alten schwäbischen kreises; Calw, ursprünglich auf
fränkischer seite, liegt bereits für das mittelalter „in Swaimi
laut" vgl. MSH. II, 98. Koethe, Reinmar von Zweters. 179.
219; aber Ladislaus Suntheim in seiner „Chronicken"
berichtet „die von Haylprunn vnd Wyrnpffen wellen nit Stvaben
sein'', Vierteljahrshefte 1884 s. 127.
§ 48. Scheidet man vom alten schwäbischen kreis im
nordwesten die fränkischen Stammesangehörigen aus, so bliebe
für die schwäbische mundart ein auch historisch be-
gründetes festes gebiet, das ausserhalb Württembergs den
bair. kreis Schwaben-Neuburg (bairisch Schwaben) einbe-
zieht. Mundartlich ist dasselbe aber nur zum teil einheitlich.
Ein südlicher streifen, den wir nach dem vorgange Hebels
als alemannisch bezeichnen wollen, hebt sich durch wesent-
liche merkmale ab (§ 52, 3) ; für eine entwicklungsgeschicht-
liche Untersuchung ist in erster linie ein einheitliches
element erforderlich. Unser territorium ist demnach nörd-
lich von der Frankenlinie begrenzt, umfasst Württemberg
südwärts bis zum anklingen alem. besonderheiten, von ost
30 11. STAMMHEITLICHE VORBEMßRKUNGEN.
nach west zieht es sich vom Lech bis an die landesgrenze
gegen Baden, vgl. die der abhandlung Baumanns beige-
gebene karte. Der steile nordabhang der Alb trennt das
schwäbische Ober- und Unterland, mit einem schul-
terminus zuweilen [Mor. Rapp, A. Birlinger] auch als Nieder-
schwaben bezeichnet. Das erstere wird ebenso natürlich
durch die Donau in Alb und Oberschwaben geteilt; die
Schwarzwälder, bewohner des oberen Neckartals bilden
in landesüblichem Sprachgebrauch eine vierte gruppe für
sich. Auch sprachlich heben sich die Unterländer, Schwarz-
wälder, Albbewohner und Oberschwaben gegenseitig ab, teils
im Wortschatz, teils in lautformen; selbständige gesetze
lassen sich aber für keine der gruppen aufstellen, so dass
etwa von entsprechenden unterdialecten geredet werden
könnte. Vorstehendes meist nach v. ßümelin. Das Kgr.
Württemberg II, 1 s. Iflf. Stuttgart 1884.
§ 49. Schwäbische spräche. Soweit im mittelalter
von swcebisch als Sprachbezeichnung die rede ist,
kommt ihm gleichfalls die weitere bedeutung des stamm-
namens zu, so im Kenner des Hugo von Trimberg v.
22218 (s. 0. § 42), bei Heinrich dem Teichner: künde
erz nhunin swcebisch machen nach der lantsprach uf und ah
(vgl. Paul, gab es eine mhd. Schriftsprache? s. 14). MSH.
m, 56 (vgl. Zs. f. d. A. VI, 258): daz arider rat dir
swcebisch melt^ din Diutisch ist uns ze drcete (auf den Marner
bezogen), weiteres bei Wackernagel, Literaturgeschich te-
s. 158 anm. 7. A. Socin, Schriftsprache und dialecte s. 108.
116. 180. 281 flf. 326 ff. 536. Birlinger A. S. s. 205. Mit dem
beginn der grammatischen reflexion wird der schwäbische dia-
lect in unserem heutigen sinne gefasst, so bei Felix Fabri, Niclas
von Wyle, Aventin, Fabian Fragk, Ickelsamer, Meichssner,
Hieronymus W^olf, Wolfgang Lazius, Konrad Gessner, Albert
Ölinger, Sebastian Helber, Scioppius, Schottelius u. s. w., wie
aus den im verlaufe der darstellung mitgeteilten notizen zu
ersehen ist.
§ 50. Im gegehsatz zum schriftdeutschen wird die
schwäbische ausspräche bereits ausgangs des 15. jahrh. als
besonders plump angefochten, ausser den unten folgenden
II. STAMMHKITLIOHE VORBEMERKUNGEN. 31
belegen (§ 53. 139 u. a.) von Jakob Wimpfeling, bezüglich
der ausspräche des lateinischen (vgl. auch Alem. II, 278 flf.),
Idoneus Germanicus 1497 : exprimatur vocalis quaelihet suo
simpliciac discreto sono non tamquam duae sint instar diphthongi
neque more halantum acute nimis ut Suevi et Catti Cherusci-
que aiit iit Maguntiaco Francofnrtiaeque et Hassiae finitimi
solent. Inde enim perpetuus error^ inde fit ut nonnuUi Ger-
manorum alioquin docti a barbaris praecipue Suevis praecep-
toribus seducti nomen hoc „causa^ sine diphthongo et „casus^
cum diphthongo tum pronuntiare tum scribere videantur\
ceteraque multa invertunt ut „lego legis^ et similia quae non
per e vocalem sed per alienam quandam diphthongon ai ml ei
rusticissime ridiculosissime expriwunt] weiteres Alemannia XII,
44 flf. Johannes Altenstaig (aus Mindelsheim) im Voca-
bularius (Argentor. 1509) : secundum nostram Ihiguam^ qui a
quibusdam rüdes crassilingues et duriloqui Sueui dicimur et
judicamur et habemur; vgl. ferner Kluge von Luther bis
Lessing s. 52 flf. J. H. Meichssner, handbüchlin (Tübingen
1538) bl. V.: Aber am Byn vnd in den landen da die
spraachen etwas subtiler vnd. mit ringerer arbeit vsszusprechen
sind etc. Unnd dwyl in allen teutschen landen an keiner art
die sprach so reyn das nit etwas missgebruchs darinn ge-
funden werd^ so ist zu raten, das man guter exemplar war
neme, wie man deren yetzo vil im truck findt Vgl. auch
Alem. IV, 151. Feste Zeugnisse für eine auch in Schwaben
geltende schriftdeutsche ausspräche liegen in der Zimmeri-
schen chronik vor: mit dem selbigen Spannier macht des
graven von Zimmer diener einer^ ein kleine alts knechtle hiess
Hans Kolb gleich hunt Schaft^ wiewol jener wenig deutsch^ diser
aber kein a^idre sprach dann sein Schwebisch konte, ähnlich III,
417, 32. II, 367, 28. Direct unterscheidet unser landsmann
Hieron. Wolf die pronunciatio elegans der gebildeten von
den crassissima vitia der mundart; im übrigen s. Burdach,
Die Einigung der neuhochdeutschen Schriftsprache s. 13 f.
§ 51. Die ältesten notizen über suevische spräche stehen
bei Tacitus, Germ. cap. 43. 45. Marsigni et Buri sermone
cultiique Snevos referunt; von den Aestiern: ritus habitus-
que Suevorum , Hngua britannicae propior. In historischer
32 IL STAMMHEITLICHE VORBKMEKKrNGEX.
zeit gliedert sieh das suevisch-alemannisehe territorium
sprachlich in vier mundartengruppen: hochalenian-
nisch (innere Schweiz), nieder alemannisch (nordwärts
vorgelagert, mit dem schwäbischen und elsässisclien über-
einstimmend in der Verschiebungsstufe von anl. k-, inl. -kk-,
vgl. Winteler Ker. Ala. s. 60. Heusler s. 51 ff.: mit dem
hochalem. in der nicht -diphthongierung von mhd T, ü, in,
das südliche Baden, den stidrand Wüi-ttembergs, die Boden-
seegegenden, Allgäu und Voralberg in sich begreifend ; von
Baumann als rhein- und südschwäbisch bezeichnet a. a. o.
s. 277), schwäbisch, elsässisch. Die schwäbische gruppe
grenzt sich folgendermassen ab: Im Osten scheidet der
Lech oberhalb Augsburg bis zum einfluss in die Donau als
alte stammesgi'enze schwäbische und bairische mundart
(rechts etdk, links ui uih = euch; rechts /,<?, links ist = ist
u. a.), grenzorte sind fernerhin nordwärts Monheim, Öttingen,
Dürrwangen, Dinkelsbühl ; gl. Weinhold, Bair. Gramm, s. 5.
Die nordlinie gegen das alte Frankenland biegt west-
wärts um und zieht sich etwa über Dankoltsweiier (unter-
halb Ellwangen) nach Haid, Frickenhofen , Kudersberg,
Poppenweiler, Ludwigsburg, Gerlingen, Döffingen, Alt- und
Neu-Bulach, Simmersfeld, Schwarzenberg an die landesgrenze
gegen Baden (näheres bei P. F. Stalin a. a. o. s. 65 f. anm.
Alem. 11,270). Die westgrenze gegen das alem. Sprach-
gebiet fallt mit der politischen grenze Württembergs bis
nach Schramberg zusammen ; kennzeichen des schwäbischen
bilden hier vorzugsweise die diphthongirten mhd. i, ü, in.
Die südgrenze geht von Schramberg nach Kottw^eil,
Wehingen, Tuttlingen, Waldsee, Leutkirch, Kempten vgl.
die detaillirten angaben bei Baumann a. a. o. s. 264 ff.
(nebst karte); ganz Voralberg sowie das oberste Lechtal
(Walser), ebenso das quellgebiet der Hier sind alem.; das
weitere Lechtal sowie das Thannheimer tal schwäbisch.
Hauptkennzeichen ist wiederum vom wertschätz abgesehen
der stand der diphthongirung und die in folge der schwä-
bischen nasalirung eingetretene Veränderung der vocalarti-
culationen, im consonantismus die bewahrung der etym.
langen reibelaute.
II. STAMMHEITLICHE VORBEMERKUNGEN. 33
Anm. 1. Die vorstehend angegebenen grenzlinien sind provi-
sorisch, eingehendere resultate sind von den karthographischen arbeiten
H. Fischer's und G. Wenker's zu erwarten. — Die ansieht, wonach
dialectgrenzen überhaupt nicht existiren , wonach es nur grenz-
linien einzelner lauterscheinungen gebe, eine mundart sich erst um-
grenzen lasse, wenn eine überwiegende majorität zusammenfallender,
gleichbegrenzter lauterscheinungen constatirt sei, was nach seitheriger
erfahrung nur sehr vereinzelt zutrifft — diese ansieht lässt ausser acht,
dass die characteristisohen merkmale einer mundart viel weniger in den
einzelnen lauten, als in constitutiven factoren wie accent, be-
tonung, quantität u. a. liegen, die nur viel zu wenig erforscht sind. Die
nordlinie gegen die rhein- und ostfränk. dialecte (alte Stammesgrenze)
wird sich auf grund der wort- und satzmelodie in ihrem alten ver-
laufe herstellen lassen vgl. angaben in den oberamtsbeschreibungen
wie Backnang 8. 62: Übergang ins fränk. zwischen Murr und Lauter;
„grenze so scharf, dass man in einem ort noch ganz die Schwab, in einem
V2 stunde entfernten andern ort die annähernd fränk. Sprechweise findet**.
Besigheim s. 40: „Schon bei Bietigheim treten einzelne spuren der
feinen singenden fränk. mundart hervor**. Welzheims. 43: „Die ma.
hat etwas jüdelnd singenden ton, der fränk. anklang ist**. Hall s. 43:
„ Südwestl. schlägt das sohwäb. merklich vor**. Gaildorfs. 40: „Die ma.
nähert sich im südl. teil mehr der schwäb**. Öhringen s. 43: „Die ma.
unterscheidet sich durch singende weichere betonung wesentlich vom
Schwab.** Ludwigsburg s. 36: „Die ma. verrät in Markgröningen
und Bissingen leise spuren des fränk.** Marbachs. 53: „In den wald-
orten macht sich fränk. Sprechweise geltend**. Leonberg s. 30: „Die
ma. nimmt in den grenzorten etwas vom Pfälzerdialect an**. Vaihingen
8. 32: „Leichter Übergang ins fränk. bez. pfälz.** Nagold s. 43: „Die
ma. nähert sich im osten dem breiten Unterländer dialect, im übrigen
Verwandtschaft mit dem fränk.** etc. Auf diesem altfränk. boden ist im
übrigen in folge des politischen Übergewichts schwäb. laut- und wert-
schätz mächtig eingedrungen (fränkisch-schwäbischer misohdialect, vgl.
Brackenheim s. 90: „Die schwäb. ma. ist durch den Übergang ins
pfälz. gemildert**. Crailsheim s. 120: „An der südgrenze ist einfluss
des schwäb. zu verspüren; die katholiken sprechen mehr schwäb. als
die evangel.**); vgl. H. Fischer, Vierteljahrshefte 1881, s. 132 f. Rapp
DM. II, 104.
Anm. 2. Die Schwaben im ausländ halten in der regel
zäh an ihrer heimatlichen art und spräche fest, dies scheint besonders
zu gelten von den schwäbischen colonien in Westpreussen, die in den
jähren 1770 — 80 eingewandert und sich auf 13 orte in den kreisen Kulm
und Thorn verteilen.
§ 52. Merkmale aus den nachbardialecten.
1) Aus dem angrenzenden R hein fränkisch: Das hervor-
stechendste ist die auf zweigipfliger (fallend - steigender)
Eaufißnann, Fr., Geschichte d. schwäb. Mundart. 3
34 U. STAMMHEITLICHE VORBEMERKUNGEN.
Silbenbetonung beruhende sog. „singende" Sprechweise, die
sich in vocal. nachschlag von i oder u geltend macht: JfZ^
klee, e*sl esel, b^s böse ; bro^'d brod, Ao"/ hof, bo"dd boden u. a.
i und u bleiben vor nas. intakt : Haelbrunn Heilbronn, gspund
gesponnen, kmd kind etc. ; i vor r > d* : kärich kirche, härs
hirsch, wärt wirth e; > a: wall weit, spdk speck, drak dreck ;
mhd. f, iu ist durch ae, mhd. ü durch ao vertreten: waet
weit, maos maus; mhd. ou >> ä: fra frau, bäni bäum, i
gldb ich glaube; derselbe laut für mhd. ei: wach weich,
fias fleisch ; g nach vocal, r und /istreibelaut: drächd tragen,
säch9 sagen, bärch berg, ilchd (schwäb. ilgo) lilien; ebenso
b: awdr aber, mor hawd wir haben, wie swalwd schwalben;
nd > nn, Id "> II: kinn^r kinder, wälhr wälder, hemmor
hemder etc. ; vgl. die back, Oberamtsbeschreibung von Heil-
bronn s. 60 ff. Mergentheim s. 137 ff. Neuen-
bürg s. 42. Neckarsulm s. 115 ff.; vgl. auch Alemannia
XVI, 69. 157.
2) Aus dem ostfränkischen: über betonung s. u. 1) ;
a erscheint als q in glqs, dql, hqlt, qrm; vor nas. q oder u
mön (mann), küm kämm, lüm lamm, strichweise auch diph-
thongirt: mau mann, sound sand etc.; mhd. t^o > ou, um-
laut $i : moutr mutter, fouss fuss, pl. feiss ; mit dem letzteren
ist mhd. diphth. ie zusammengefallen: h^i hier, d^ib dieb;
mhd. ei > a: fläs fleisch. Diminutivsuffix sing, -li, plur.
'lieh: madli, plur. madlich mädchen, häffdli pl. häffdlich kleiner
topf etc. ; ausl. -i in sunndi sonntag, Iqbdilehtsig; 9gii9ti frü
eine gute frau; alti laet alte leute; zu beachten it für ist;
härld grossvater, fräh grossmutter. — Für mhd. I, iu, ü, g
und b gilt dasselbe wie u. 1). Oberamtsbeschreibung von
Crailsheim s. 120 ff. Mergentheim s. 137 ff. Künzelsau
s. 133 ff. D. M. VII, 389 ff.; vgl. auch dialectprobe D. M.
III, 533 (Öhringen).
3) Aus dem angrenzenden alemannischen: Die
wesentliche differenz zwischen schwäb. und alem. liegt eines-
teils in der gesteigerten druckstärke der exspiration
(straffere muskelspannung),andernteils in der mannigfaltigeren,
grössere intervalle umfassenden betonung (modu-
lation) des letzteren, factoren, welche den lautstand scharf vom
U. STAMMHEITLICHE VORBEMERKUNGEN. 35
Schwab, abheben. Mhd. ^, ü, iu nur ausl. und vor vocalen diph-
thongirt; ö e bewahrt (?), lippenrundung bei ü^ ö nebst zuge-
hörigen diphthongen wenigstens strichweise. Nasalvocale
finden sich, aber ohne die charakteristischen Veränderungen
des timbres wie im schwäb.: gst (mhd. gesm) gewesen part.
(Tuttlingen - - Spaichingen — Wehingen — Rottweil— Schram-
berg; in Oberndorf, Schömberg bereits ksm), dieselben verlieren
sich indessen gegen süden, und sind z. b. schon im angrenzenden
Allgäu nicht mehr vorhanden: ba bahn, tsts zins, sü schon,
ftwi bein(Birlinger A.S. s. 104f.). Schliesslich sei auf die be-
wahrung velarer gutturale in der nachbarschaft palataler
vocale im alem. hingewiesen. Die ursprüngliche, organische
Zusammengehörigkeit des schwäb. und alem. wird im folgenden
wiederholt zu tage treten (für die ältere zeit ist z. b. das stadt-
buch von Schaflfhausen 14. jh. Alem. V, 1. 201. VI, 228 oder
die Kemptener chronik. Alem. IX, 186. X, 29 von interesse).
Vgl. Uhland, Schriften zur geschichte der dichtung und
sage Vin, s. 11 flf. Baumann a. a. o. s. 261 flf. Ober-
amtsbeschreibung von Spaichingen s. 110 flf. Obern-
dorf s. 79. Rottweil s. 107. Tuttlingen 154 flf.
Ravensburgs. 27 f. Leu tkirchs. 44. Laup heim s. 39.
Anm. Die älteste mir bekannte gegenüberstellung des alem.-
schweizerischen und schwäbischen findet sich bei Felix Fabri
(Baumann s. 262): mos enim est in Suitensium locutione^ ut^ ubicuvque
Suevi utuntur a ipsi dicunt e et tibi Suevi habent e Suiceri habent /,
ut in plurimis. Die hauptstelle ist bei Eonrad Gessner, Mi-
thridates fol. 37 : Nach mitteilung des pater noster in lingua germanica
communi vel heluetica folgt: Hute (der Schweizersprache) et Suevica
in plerisque similis est^ nisi quod pro u vocnli longa profert au et pro
i longo enunciat ei et pro diphthongo ei habet aliquando ai, pro ü vero
eu pro a in verborum infinitivis ponit d?, in quibusdam contra. Verba
quaedam plenius effert ubi nos consonante aliqua vel syllaba äbjecta
syncopen facimus cum alibi tum in plurali numero; et in iisdem ubi
Helvetii d vel t addunt, ipsi omittunt, Verbum habeo aliter formanU
Äphaereses quaedam faciunt, ubi nos plene proferimus et pauca quaedam
voccbida prorsus a nobis diuersa habent cum alia tum rerum praesertim
substantiva ut animalium quorundam stirpium etc. Daran schliesst sich
eine liste von schweizerwörtem denen sueuis et aliis quibusdam germanis
usitata gegenüberstehen, um die hervorgehobenen unterschiede zu illu-
striren. Ferner bei "W". Lazius a.a.O. hodiernam Helvetiorum lacusque
Bodmanici accolarum linguam habere cum veteri Suevorum similitudinem,
3*
36 U. STAMMHEITLICHE VORBEMERKUNGEN.
Nam quo nostra tempesiate Suevi in Ehaetia ac Wirtemhergia idio-
mate utuntur^ Älemannorum fuisse crediderim^ qui et ipsi Suevorum gens
una fuerat^ sed rudior paulo ac magis silvestris barbaraque, Eqüidem
hodie Suevorum Ungua, qua in RhetHs ac Wirtembergia homines
passitn utuntur^ mangnanimitatem quandom veterem iUatn gentis ac
plane virilitalem demonstrat: adeo voces verbaque omma ex irno pectore
cum 8onu8 vehementia ac emphasi quadam singulari efertintur, VgL
Baumann a. a. o. s. 262.
4) Aus dem angrenzenden bairischen: die betonungs-
weise ist von der des alem. Sprachgebiets principiell ver-
schieden und nähert sich der fränk., indem beide hohe
Stammsilbenbetonung zeigen (fallende, nicht steigende Inter-
valle); so erklären sich wohl auch eine reihe lautlicher
Übereinstimmungen mit den fränk. dialecten: mhd. a>q:
mqkst magst, grqd gerade ; mhd. ei > ä: ändr einer, tsäfd
zeigen, wast weisst; davon verschieden 5^f, set, gset (mhd.
seist, seit, geseit) sagst, sagt, gesagt etc. mhd. au
> ^: frQ frau, k<^9 kaufen, glQb glaube; mhd. ^, iu > (le:
hlaem bleiben, glae gleich; laet leute, daets deutsch; mhd.
ü > ao: haos haus, bao9 bauer ; mhd. ö> ou: hoiich hoch,
strou stroh. Assimilation von -gen ::> {g)f9 : saogfd schauen,
bi9fd biegen, gs^ segnen; labial + en> m: g^n geben, dm
(mhd. üfn) auf den; vocalisation von / > i: hqjß hals, sui
schule. Diminutiva auf -Z: hissl bisschen, bladl blättchen.
es ihr, eidk euch. Schmeller, Die Munda. Bayerns, München
1821. Oberamtsbeschreibung von Ellwangen s. 176 flf.
Neresheim s. 86. Bavaria II, 2, 812.
Anm. Eine interessante vergleichung des schwäbischen
mit dem bairis oh -österreichischen findet sich bei Wolf gang
Lazius (1557) de gentium aliquot migrationibus etc., vgl. Socin Schrift-
sprache und Dialecte s. 267 f. Aventinin seiner baierisohen Chronica
vom jähr 1526 — 1533 (Frankfurt 1566): a es sprechen diesen ersten
buehstaben die Baiern also auss dass er mehr dem o gleich ist denn
dem rechten a so die Schwaben und Wahlen reden. Die Bauren auff
dem land vud ulmerischen Schwaben gemeiniglich sprechen die fünff
r^ff^r gar grob at4ss dass auff das o lautet, Konr. Q^essner,
Mithridates bl. 39: Bauarorum lingua Sueuicae similis est, sed etiam
crassior, ut audio: crassissima in Äustria uel aliqua eins parte.
§ 53. Innerhalb des schwäbischen gliedert sich die
mundart in eine grössere östliche und eine kleinere west-
liche Hälfte nach der entwicklungsform des alten diph-
IL 8TAMMHEITLICHE VORBEMERKUNGEN. 37
thongs ai: westlich der linie Ludwigsburg, Stuttgart, Nür-
tingen, Tübingen, Gromaringen, Burladingen, Stetten ist
derselbe zu <?9, östlich zu q^ geworden ; die grenze fällt nach
H. Fischer, Zur Geschichte des Mittelhochdeutschen s. 5
anm. 1 ungefähr mit der aus dem 13.— 16. jh. bekannten
zwischen den beiden Constanzer Archidiaconaten Schwarz-
wald und Alb zusammen; vgl. ausserdem ders, Über den
schwäbischen Dialect und die schwäbische Dialectdichtung,
Vierteljahrsh. 1881 s. 139 flf. Innerhalb der östlichen hälfte
teilt sich das bairisch- schwäbische (auch ostschwäb.
genannt) ab, die linie geht dem lUertal entlang, lässt Ulm
und Gmünd links, Aalen, den südöstl. teil des Oberamts
Gaildorf und Ellwangen rechts und trifft im Oberamt Crails-
heim auf die Frankenlinie, vgl. Fischer am letztgen. ort
s. 133 f. Oberamtsbeschreibung von Neresheim s. 86.
Crailsheim s. 120. Ellwangen s. 184.
Die lautverhältnisse sind behandelt von Birlinger im
Augsburger Wörterbuch in den einleitungen zu den einzelnen
buchstaben, sowie in der oberamtsbeschreibung von Ell-
wangen s. 184 — 199. Besonders bemerkenswert sind: ä
> ao gemeinschwäb. q (z. b. dao da) ; & > ^, ö > Qd, -rm,
-rn < -rd [arg arm, würo wurm, kqr9 kom etc.) u. a. Be-
züglich des Wortschatzes sei auf aftermontag Aalen, ober-
amtsbeschreibung s. 148 Ellwangen s. 176, hingewiesen.
Das gebiet des westschwäbischen umfasst eine
durchaus einheitliche mundart, mit landschaftlichen schat-
tirungen, die bunt aber nicht durchgreifend genug sind um
„dialectgrenzen** festsetzen zu können. Auf den grenz-
gebieten machen sich merkliche Übereinstimmungen mit den
nachbarmundarten fühlbar; es gilt dies im besonderen für
das „schwarzwaldschwäbisch** (schon Zim. chron. II, 367,
28 sprücht er uf sein guet schwär zweldisch), das bis in die
nähe von Tübingen hin einzelnes mit dem alem. gemein
hat. Birlinger Ks. Zs. 15, 191 flf. nennt das land von der
Alb bis zum Schwarzwald und von Rottweil bis an die
fränkische grenze Niederschwaben, welches er in alt- und
neu - württembergisch scheidet; jenes spricht kw^, dieses
ksdß (gewesen), jenes du, dieses ddu etc. ; auch im Augsburg.
38 n. STAMMHEITLICHE VORBEMERKUNGEN.
Wörterbuch s. IV nimmt er die Wasserscheide des Neckar
und der Donau als Sprachgrenze, ohne tatsächlich begründete
anhaltspuncte.
Anm. Der folgenden darstellung liegen die lautformen und
satzverhältnisse der mundart von Horb zu grund , mit der ich seit
jähren in folge verwandtschaftlicher beziehungen meiner familie ver-
traut geworden bin. Meine heimat ist Stuttgart, dessen mundartlicher
typus in vielen einzelheiten abweicht; das wichtigste ist, die in unsem
nordlicheren strichen noch weitergehende erschlaffiing im spannungs-
gefühl der muskelthätigkeit. Um das specifisch südschwäbische zu
treffen, muss ich straffer articuliren. Horb ist ein kleines württem-
bergisches oberamtsstädtchen mit etwas über 2000 einwohnern; unter
48 ** 26', 43" 26" 21' Ö" in den vorbergen des Schwarzwalds am Neckar
gelegen. Es gehörte zum alten Nagoldgau, war bischöflich-constanzisch,
fiel 1805 an Württemberg, früher war es hohenbergisch und seit 1381
österreichisch gewesen. Über römische nied^rlassungen vgl. das kgr.
Württemberg I, 148 f. Die bevölkerung ist beinahe durchweg katholisch,
der ackerbau spielt die haup trolle, wenn auch seitdem Horb eisen-
bahnknotenpunct geworden, das gewerbe grösseren aufsohwung ge-
nommen hat, band in hand gehen hiermit beeinflussungen des idioms
von norden her, welche gerade im handwerkerstand fruchtbaren boden
finden. Im übrigen vgl. Beschreibung des oberamts Horb, herausge-
geben vom topographisch-statistischen bureau. Stuttgart 1865. Das
Kgr. Württemberg III, 302 ff. — Was mir teils persönliche er fahrung,
teils vorliegende druckwerke an schwäbischen dialectformen lieferten,
ist möglichst vollständig verzeichnet, so dass ich hoffen kann, sämmt-
liche schwäbischen lautschattirungen vereinigt zu haben. Wenn für die
betrachtung der sprachzustände von ganz besonderem werte ist, die
idiome einzelner gesellschaftskreise gesondert zu halten, so ver-
stehen wir unter mundart gemeinhin die Umgangs- und Verkehrssprache
der bäuerlichen gesellschaft, deren eigenart eben in unreflectirter nach-
ahmung beruht und im directesten gegensatz zur „gewählten" spräche
steht. Aus bäuerlichen kreisen stammt denn auch mein material in
erster linie, die angestammte mundart ist in denselben so lebenskräftig
als je und, wie wir versichern können, von äusserst stabilem character.
§. 54. An grammatischen arbeiten über den
schwäbischen dialekt sind mir folgende bekannt geworden:
Schwäbische Idiotismen in den „Beiträgen zur
critischen Historie der deutschen Sprache** 1737. Bd. 5,
s. 277 — 86, weiteres im Journal von und für Deutschland
1785—89.
F. K. Fulda und J. Nast: Der teutsche Sprach-
forscher. 1. und 2. theil. Stuttgart 1777.78.
II. 8TAMMHEITLICHE VORBEMERKUNGEN. 39
J. C. Adelung: Milthridates II, 204 flf. (woselbst wei-
tere ältere Literatur).
H u p f e 1 d : Über den historisch-grammatischen Werth
der besseren deutschen Volksmundarten. Jahrb.
f. Philologie und Pädagogik 9, 361 flf. (1829).
Geyler: Die deutsche Declination mit Rücksicht auf
den schwäbischen Dialect. Reutlingen 1835.
J. C. Schmidt: Schwäbisches Wörterbuch. 2. aufl.
Stuttgart 1844.
D. Kuen: Oberschwäbisches Wörterbuch der Bauem-
sprache. Buchau 1844.
M. Rapp: Grammatische Übersicht über den schwä-
bischen Dialekt. Physiologie der Sprache I, 171.
IV, 118. vgl. DM. II, 102.
F. Lauchert: Lautlehre der Mundart von Rottweil
und Umgegend. Progr. von Rottweil 1855.
J. Hang: Darstellung der schwäbischen Laute und
Biegungsformen nach dem Dialect von Wurm-
lingen bei Rottenburg a. N. Magazin für Päda-
gogik 1860. s. 202.249.
L. Th. Knaus: Versuch einer schwäbischen Gram-
matik für Schulen. (Mundart von Nellingsheim
bei Rottenburg). Reutlingen 1863.
Fr. Reiser: Beiträge zum schwäbischen Sprachschatz.
Progr. von Hechingen 1864.
A. Birlinger: Die Augsburger Mundart. Augsburg
1862. — Wörterbüchlein zum Volksthümlichen
aus Schwaben. Freiburg 1862. — Schwäbisch-
Augsburgisches Wörterbuch. München 1864. —
Die Sprache des Rottweiler Stadtrechts. Sitz-
ungsberichte der Münchener Akademie 1865. IL
vgl. Herrigs Archiv 38,309; weiteres in Ks. Zs.
XV. XVI.
M. Joch am: Die (bairisch-) schwäbische mundart,
Bavaria II, 2, 812.
L. Bau mann: Schwaben und Alemannen. Forschungen
zur deutschen geschichte. XVI, 261.
40 II. 8TAMMHEITLICHE VORBEMERKUNGEN.
A. V. Keller: Die mundart in „Das Kgr. Württem-
berg" II, I, 166, vgl. DM. I, 131. DM. II, 467.
Tübinger programme von 1845, 1854.
H. Fischer: Über den schwäbischen Dialect und
die schwäbische Dialectdichtung. Vierteljahrs-
hefte 1884 s. 130 flf. vgl. ferner Zur Geschichte
des Mittelhochdeutschen Prgr. von, Tübingen 1889.
A. Vogelmann: Aus dem wertschätz der EUwanger
mundart. Vierteljahrshefte 1886, s. 154, 247.
1887 s. 40. Vgl. Magazin für Pädagogik 1886,
1887.
F. Lauchert: Die ältere Sprache von Messkirch
Alem. XV, 79 flf.
Reiches raaterial in den Oberamtsbeschrei-
bungen (herausgegeben vom kgl. statistisch,
typographischen bureau), deren hauptsächlichste
bereits genannt sind.
IIL LAUT STATISTIK.
ERSTER TEIL.
VOCAIJSMUS.
§ 55. Die vocale der mundart sind:
1) einfache a) reine vocale: ü, u; g, g; Q, q;
ä, a; f, ^/ 6, ^/ t, %', d,
b) nasalirte vocale: 3, o; ä, ä;
ai * . •
2) diphthonge a) reine diphthonge: ae, ao, ui;
oi, du; 14^, Q9, ^, id, (qe), ^,
b) nasalirte diphthonge: de, ab;
^, 09; (ofe).
§ 56. Ausgehend von der anschauung, dass während
der ahd. und mhd. sprachperiode eine ausgebildete
Schriftsprache nicht vorhanden gewesen (vgl. den an-
hang), sondern dass die landschaftlichen diflferenzen in der
spräche der einzelnen denkmäler zum ausdruck gekommen
sind, wird die Untersuchung auf die lautform basirt
werden, welche die zu eingang verzeichneten literarischen
denkmäler des Schwabenlandes (eventuell Alemanniens) ^
aufweisen. Es ist anzunehmen, dass die mundartlichen
Verschiedenheiten zwischen alem. und schwäb. vor 1200
noch nicht in der schärfe wie heute entwickelt waren.
^ Im folgenden kurz mit ahd. mhd. bezeichnet.
42 III. LAÜTSTATISTIK.
Anm. Die discussion über die existenz einer mhd. Schrift-
sprache kann noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Die
historische erforschung der einzelmundarten hat als eine ihrer vor-
nehmsten aufgaben zu prüfen, ob sich die betr. laut Verhältnisse zwang-
los auf die sprachformen, wie sie in mhd. epoche für die betr. ört-
lichkeit supponirt werden , zurückführen lassen ; und die möglichkeit
„negativer Instanzen'^ muss oflFen bleiben. In erster linie wird festzu-
stellen sein, welcher 1 a u t w e r t den buchstaben der ahd. und mhd. Sprach-
denkmäler zu vindiziren ist; vgl. den anhang: Die Schriftsprache.
CAP. I.
DIE VOCALE DER STAMMSILBEN.
§ 57. Die Stammsilbe entspricht im allgemeinen der
exspiratorisch starken ictussilbe. Da die starken silben
wesentlich andere nachdrucks- und tonverhältnisse haben
als die mittelstarken und schwachen silben, dürfen die
vocale der letzteren nicht damit confundirt werden. Die
ictussilbe hat den schwach geschnittenen accent
und ist tief ton ig; gemäss der Übereinstimmung des
Schwab, mit dem alem. wird diese accentuirung bereits in
ahd. und mhd. periode geherrscht haben.
Anm. Im folgenden wird zunächst eine constatirende Über-
sicht der entsprechungen der stammsilbenvocale gegeben; die durch-
greifenden lautverschiebungen (quantitätsgesetze , nasalirung etc.)
werden unten im Zusammenhang behandelt.
A.
§ 58. 1) mhd. ä ist als a erhalten in: saf (mhd. schadet
'> schal nicht schdt, gelat nicht gelät^ie in den ausgaben;
z. b. Neifen 12, 29 (Haupt). 51, 16. 19. Hätzlerin 59, 12
was schatt das dir. Benecke zu Iwein 2190. Lachmann
zu Iwein 2190. 7654.); sarpf (mhd. scharpf) scharf; nardf
(mhd. narreht) närrisch; hakd inf. (mhd. hacken); gatdr (mhd.
gater, ahd. gataro) gitter; fatr (urk. 1298 vatter. Fürsten-
berg, urk. I, 289 a. 1284 etc.) vater; ratz (mhd. ratz, ratze)
ratte; Kapf (davon das denominative ahd. chaphen, mhd.
kapfen) eine höhe mit umsieht; stapft tmhd. staflfel, stapfei)
Staffel; haspl (mhd. haspel); aJcst (mhd. ackeß) axt; saldd
I. TEIL. VOCALISMÜS. 43
(mhd. schalten) stossen, schieben; *nap hinab; 'rap herab;
tsaph (mhd. zappeln) ; kfald gefallen, 3. sg. kfalt gefällt vgl.
Mörin 2597 gevalt: bald, 3148 gevelt; snarxh (mhd. snar-
cheln) schnarchen; garbd (mhd. garben pl.) fruchtgarben ;
krap (mhd. rappe -^- partikel ge- wie in kstqrU storch, kstqr
staar, kswqlmle schwalben u. a., vgl. unter k) rabe; makf
mhd. maget) magd; ßapl (mhd. kapelle, mlat. capella); kspas
spass ; kjakf (mhd. gejaget) gejagt u. a.
2) Bei folgendem nasal {n, m, td) entsteht kurzer
nasalvocal ä: anf (mhd. ande schmerz) sehnsüchtig; kämpf
(mhd. hanef, hanf); äfol (mhd. angel); händfids pl. (mhd.
hanenvuoz, dagegen Mynsinger s. 78 haanenfuss) hahnenfuss
(unkraut); hämpfl handvoU; nämd (mhd. name, namme) namen;
häml (mhd. hamel); räntsd (mhd. rans) ranzen, wanst; spänS
(mhd. spannen); l^äm kämm; sränf (mhd. schranne) bank;
wämds (mhd. wambes) wamms ; ciän (mhd. tanne) ; i s^awf (auch
inf. ständd) ich stehe, vgl. Hätzlerin 76, 23 ich stand u. a. ;
gä'td^ inf. gehen (mhd. gangen) ist aus Gmünd bezeugt u. a.
§ 59. 3) mhd. ä ist zu d geworden: AäZ, hah (mhd.
hal) Widerhall, widerhallen; kräs (mhd. gras); dak (mhd. tac);
wagd (mhd. wagen); abr (mhd. aber); saf (mhd. schade, schad
in unsern denkmälern sehr häufig) schaden, häs (mhd. hase) ;
gäbl (mhd. gabel) ; fädd (mhd. vaden) ; wöxf (mhd. naht) aber
tsnaxtsd abends ; ksläxf (mhd. geslaht) weich , lind ; praxf
(mhd. praht) pracht; asl (mhd. ahsel); äs (mhd. ahse);
kwäs9 (mhd. gewahsen); fläs (mhd. flahs) gada (mhd. garten);
wäd9 (mhd. warten) ; swäts (mhd. swarz) ; madr (mhd. marder,
mader); käd9 karten; äs (mhd. ars), etc.
4) In der nachbarschaft von nasalen tritt ä ein: mä
(mhd. man); fcä (mhd. kan); gas (mhd. gans); bräf (mhd.
brant) brand ; krM (mhd. kranc) ; däts tanz ; änS (mhd. ane)
grossmutter; läm (mhd. lam) matt, abgestanden (von ge-
tränken), lahm; kräpf (mhd. krampf); däpf (mhd. dampf);
äpl lat. ampulla; analog: fiäs (mhd. nase, bei Ulr. Kraflft
s. 116 nansen; ebenso näsowois neugierig in tadelndem
sinne, vgl. Zamcke, narrenschiflf s. 461, 47); säf (mhd.
sant) sand, in Tuttlingen noch neutr.; näxt (s. o.
näxt) nacht; i mä (mhd. ich mac), d9U mäst du magst etc.
44 m. LAUTSTATISTIK.
Anm. 1. In den einzelbelegen für den eintritt dieser
dehnung herrscht auf dem schwäb. dialeotgebiet grosse Verschieden-
heit. Südwärts von Horb gegen das alem. hin treten die kürzen immer
häufiger auf, so dass z. b. Rottweil : mal? (meiere), wa(j9 (currus), adly
badd^ gahly hasd^ magd^ sagd^ slagd^ wasd u. a. hat vgl. Lauchert S. 3;
Birlinger A. 8. s. 45 f. ; andererseits dehnungen ; sältd, alte, gärhd, bälf,
ärbdt (arbeit), wärm (aus Trossingen), Birl. s. 46 f. Besonders häufig
gedehnten vocal hat das ostschwäb. (bair.-schwäb.): hau, f äs (fass),
säis (satz), räJs raXiG^hand, JSämr, vgl. Birl. augsb. wb. s. 3, säJS s&dk^fäl
fall, markt markt, Jiäm kämm, Ellwangen, oberamtsbeschr. s. 185; die lieder
von 1633 D. M. IV, 86—114 schreiben saackh sack, haals, baart, kaalh,
hacilb u. a. vgl. D. M V, 405. Weinhold al. gr. s. 34. 78. Zim. Chron.
haab, iiberfaal, unfaal^ zufaal, u. a. ; dagegen nammen (masc. name),
vgl. Mörin 4053 stamm \ namm ebenso all : zcdl 859. lag : sack 2941.
tal :fall 4043. Fürstenberg. urk. I, 268 nammen a. 1280. Engeltal urk.
a. 1416. 1421 u. ö. Breuning s. 35 Äaa^/i (gebüsch als umzäumung),
Beimchronik: waal 126. haab 157. haan 157. baan 1. 53 u. ö.
Mynsinger s. 57 ains haanes. s. 49 orhaan (auerhahn), danach § 58, 2
haanenfuss, Hätzlerin: tragen : fragen : clagen 15, 77. ^q haanen
22, 56. haan 260, 52. Dagegen nabel : zabel (imp. zapple) 263, 349.
Anm. 2. NiclasvonWyle, Translationen s. 351 f.: ain yet-
klicher consonant gezwifaltiget über schlecht vnd gibt siner stimme zu
ain stercke vnd ist ain gross vnderschaide wo er ainig steet vnd wo
zwifaltig: disen brief las ich lass, an dinenh of hoff ich ze kommen,
V s vnd V 8 V 8 s trurigem herzen, ich s a c h daz din s a c hh wolt gät werden,
min m i n n vnd liebe, in disen Schriften ir mercken mügen den vnder-
schaid diser werten hof hoflF, las lass, vs vsz, sach sachh, minn min.
vgl. auch Nohls. 17ff. Kolross, Enchiridion (bei Müller, Quellen-
schriften s. 78) : baad (bad neutr.), ofenloch : oflFen, hoflF : hoof, stilt : ge-
stillt, still : löfiTelstil, sparren : sparen, farren : faren.
§ 60. mhd. €L hat im schwäb. mannigfache entsprechung:
mhd. abend > (^hdf (Horb), aoUt (Baar, östl. Schwaben) ; mhd.
jämer> y^mr, das denom. jaemSrd weist auf ein ydbmr, wie
ab regelmässig in gab stob Im sich findet (gän, stän, län);
beachte mö: maö (mhd. mäne) mond. In der regel wird
angenommen, mhd. ci sei zu q geworden, es gilt dies aber
nur sehr bedingterweise. Um alle heutigen lautgestaltungen
zu erklären, genügt diese annähme nicht. Auch Birlinger
A. S. s. 54 ist der Ansicht, dass „ao früher allgemeiner in
gebrauch gewesen ist, weil man seine spuren immer wieder
trifft". Was nun die denkmäler und Urkunden anlangt, so
wird in denselben der fragliche laut durch a, a^, o^, au, ou,
seit dem 15. jh. auch ä,ä 6,ö wiedergegeben, vgl. Weinhold
I. TEIL. VOCALISMUS. 45
al. gr. s. 85. 52. 89. Denkm.^ 480 zu Tobiassegen 119. Paul
mhd. gr.^ § 112. Ich führe aus den von Horb stammenden
Urkunden an: hmit 1317. anspraurh {anspra^ch 1330). haut
1323. ha^'n, na^ch, a^n, wahren 1327. ha^'n a^n. wa^r, ia"r 1333.
hami. traurn, haur. vaiilandes. aun. verstaute haunt, waur.
iaur 1335. im Herkommen von Horb: rmät. Unissen. avn,
aiibentz, havn, stavn. mavss, geihavn. r/avn. schauff. Weil
urk. 1295 gra^fe. haH, a^n. ja"r. Reutlingen urk. 1307 a"ne.
1310: awie. haut, gaun, staut, rout. suavgers (sehwager).
Engeltal urk. 1388: äo'w. ra^'t. hö'nt. nm^ss.ga't. a^n, gd"nt.
sta'nt, begann, a^ent. staH, ha^'t. iva'rhait, 1383: alWr, ja'r,
a^n, anspra^'ch, ga'^nt. 1397 : gaH und go'"n, 1430 : nauch.
haut, gaut, laussen, m aussen, Itöl iha^'t, ga^'n. bra'^chwisen, ge-
laussen, aubend, 1513: strauss. etc. etc. Durch die, wenn auch
seltenere graphische Übereinstimmung mit altem ou ist für
diese Schreibung der diphthong ao gewährleistet : a^ch = auch
1481 ; eine Urkunde vom jähr 1368 schreibt zwar 2e koufent,
aun ohne, staut (mhd. stät), haun (mhd. hän), hcmt (mhd. hat),
getaun; dagegen 1397 k6"ffen, ho^'n, ga't. o^'ch. go^nd, ja'r.
1398 ö"ch. go^nd, go^'n. u. s. w. Weinhold s. 90 kennt gro'^f.
schlo^'ff, m&'ss. Danach glaube ich, dass sich unter bestimmten
quantitätsbedingungen mhd. ä im seh w ab. auf dem
ganzen gebiet zu ao entwickelt hat.
Anm. Auf dieses ao beziehen sich die ao atv bei Schade,
Satiren und Pasquille II, 120, 11: ich hab in (prof. Lemp in Tübingen)
zwar wol kent vor XXIIII jaren, lebt er noch der alt sophist mit den
wirtenbergischen vocalen au , ai , ei^ ao, aw, («ein schöner
dialogus** a. 1521?) vgl. auch bd. I, 31 hernach : gach^ s. 30 gauch:auch^
s. 36 schaf : ahlaf (ablauf).
§ 61. Der heutige stand ist nun folgender: In Horb
(wie auch gemeinschwäb.) ist 1) in einsilbigen Wörtern von
der form mhd. ä + n dJb mit nasalirung eingetreten : *tdb
(mhd. getan); lab (mhd. län); stob (mhd. stän); gab (mhd.
gän, die ö-formen sind die allein gültigen; MSF. 183, 13
kann demgemäss unmöglich in einem Jugendgedicht ßugges
stehen, wie E. Schmidt a. a. o. s. 59 will); hob (mhd. hän);
ab (mhd. äne) ohne, mdb (mhd. mäne) mond; rdb (mhd. rän
reimt auf wolgeta^'n Hätzlerin 111, 50, doch vgl. Beitr. XIII,
46 m. LAÜTSTATISTIK.
216) schlank; ebenso jao (mhd. ja) in der gegend von Göp-
pingen, Germ. 30, 124 f. vgl. dazu Arkiv f. nord. Filologi III,
237 jo reimt auf so Tristrant 15* und findet sich sonst
wiederholt, doch auch /a: nauch-^ cod. bibl. 35 ;V; cod.
theol. 240 jau,
2) ein- und mehrsilbige Wörter von der form mhd. ä
~\- m, n erscheinen mit o: jdmi' (mhd. jämer) heim weh;
sömS (mhd. säme) samen; kröm, krbmtS (mhd. kräm) daneben
krab[m) kramwaare (in der bedeutung von reisgeschenk
cod. phil. et theol. 74); Sm (mhd. äme, urk. Tübingen 1436
am, mlat. ama) ohm als mass für flüssigkeiten ; mdnef (mhd.
mänot) monat: spö (mhd. spän) span, kströmt gestreift (zu
mhd. sträm streif).
Anin. 1. vor nasal ist in den Schwab, denkmälem reichlich ver-
treten vgl. urk. 1365 geton. gont. on aber ebenso koff' (kauf). 1391 begon.
1399 on. 1483 hon. verston. hond. abston. 1488 gefon. 1510 Ion. Mörin:
Ion, ston. geton, hon. argwon. A e s o p : geton. mon. (mond). hond. gon.
arkwon. bronberstuden. Reimohronik: vergon. verston. hon. jomer.
Zim. Chronik: somen. Ion. etc Über den diphtliong. wert dieser
Schreibung vgl. unter ö; vielfach auch mit den anm. 5 erläuterten, über-
gesetzten puncten z. b. Tristrant: bestön neben beston. gon etc.
och : ouch geton : getön : geta'n etc.
3) In allen andern fallen entspricht q (oder q):
a) Qbdt (mhd. äbent) abend ; blqp, grqp, Iqp (mhd. bläw-,
gräw-, law-) blau, grau, lau; hqk9 (mhd. hake) haken; gqf,
stqf, Iqf (mhd. gät. stät, lät) ; brqxf (mhd. brächt) gebracht;
mqs (mhd. mäse) fleck; blqtr (mhd. blätere) blatter, blase;
d^p9 pl. (mhd. täpe) finger, band; klqftr (mhd. kläfter)
klafter; n^xpr (mhd. nächgebür) nachbar; spqf {mhd. späte
adv.) spät; wqfo (mhd. wäfen) wappen: swqp (mhd. Swäp)
Schwabe; $dr(mhd. äder) ader; Qtr (mhd. näter) natter (zu
dem Schwund von n vgl. qdem neben nqddm (mhd. ätem)
athem ; ast neben nast ast, etc.) ; kr(ld9 (mhd. geraten) glücklich
ausfallen; etc.
Anm. 2. Nach horb.-schwäb. mäksSnid^ ^Imägd vgl. Hartman der
Slmage; Kunen des Slmagen Ulm urk. 1312. Slmag. magsam, magsuH
cod. med. 5; ölmagen cod. med. 15; erweist sich die ansetzung von
mhd. mäge, ahd. mägo mohn als unrichtig, dem worte gehört a, vgl.
Beitr. VIT, 517.
b) ursprünglich langes q {= mhd. ä) wurde in einigen
I. TEIL. VOCALISMUÖ. 47
proklitisch gebrauchten Wörtern zu q gekürzt : ^'o (mhd. ja) ;
nq (mhd. nä) nachher, dann ; hqs, hqf, (mhd. hast, hat) ; clq
(mhd. da) da; hq (mhd. hä) interj. ; Jqkdle (dim. zu mhd.
jäkob).
Anm. 3. Im alem. ist q die Vertretung von mhd. a: h^hdr
haber, swqrz schwarz, hqrfis barfuss etc. ; während mhd. ä als ö er-
scheint; dg da; ip ja; slöfd schlafen: köt steht: krös Strasse etc. D.M.
VII, 454.
Anm. 4. Auf schwäb. boden gelten im ganzen die obigen auf-
stellungen. Oberhalb Rottweil in der Baar herrscht ao, ab vgl. Spai-
chingen oberamtsbeschr. s. 112: gaubd, aubdd, gaud^ laud, staud,
gaü^d^ hau^d, lßu^d\ wie dies auch den oberschwäb. liedern von 1633
eigen ist z. b. jauhr jähr, graufa, Stickelberger s. 29 ff. Das hauptge-
biet dafür ist aber heute das ost.-schwäb. In dem „coUoquium spon-
sorum" Alem. VIII, 84 f. steht: laun, haun^ dernau, daunmU haut; so
auch jetzt : dernao, jaor^ spaot, swaohd^ staot^ laof^ gaot. vgl. Birl. Ausgb.
wb. 8. 5. Bavaria II, 2, 821. D. M. VII, 391. Der herzog von Braun-
schweig hat in den (gemeinschwäb.) partien des bauern Conrad die
Schreibung hoat hat, schwoager schwager, haiin (mhd. hau), laun (mhd.
län) in den letzteren fällen auch ou, wobei oa wahrscheinlich q transcri-
biren soll, so dass ausgangs des 16. Jahrhunderts die entwicklung als
beendet erscheint. Über au für ä in andern mundarten vgl. Zs. f. d. ph.
III, 343 ff. DM. in, 92.
A n m. 5. Ausser den bereits gegeben en belegen (§ 60) nenne ich aus
Urkunden von Ulm: 1295 gra*'ve, 129ß haut. aune. nauch, 1298 gitauv,
haunt, aune. nauch. 1299 nauch, darnauch. staut, 1S02 graufe. grauf(lma\\
aber auch grave. graven und dazu vgl. umgekehrte Schreibung wie z. b.
laffen (laufen) wie straffen a. 1430 Beichstagsakten IX, 462. Zahlreiche be-
lege im Lehenbuch des grafen Eberhard. Georg von Ehingen
hapt 8. 25 (haupt). Augsburg 1283 raut, 1295 gefraugt, 1300 gefrouget,
1331 gelattzzen. ISMhaut. 1335 ßtaun. 1342 laut 1345 strauzze. strauzz etc.
In der Augsburg, chronik von 1126 — l^^b jaur, grauf, dau, baubst,
sprauchen, aubentirig, wau, praucht. aubent. gaun etc., vgl. Lexer,
glossar zu band IV, s. 360; in der chronik von 1368—1404 findet sich
zuweilen statt au (für a) ä in der hs. A (s. u.). Der Augsburger
Schneider reimt geschaut : rät, wie laun : getaun ; vgl. ferner bei
Ingold rab (raub) 27, 19. weyrach 29, 5 {rauch 29, 6 ebenso rauch
räche 30, 18. 53, 32). laffen (laufen) 72, 17 part. gelaffen 43, 30, viel-
leicht auch zam zäum 60, 11 und sonst zahlreiche au = ai strauff,
schauffhürt, plausst, fraugt, verlaussen. taun (gethan) etc. vgl. Schröder
ausg. s. XII. Zahlreiche belege bietet Mynsinger und das lieder-
buch der Hätzlerin: entschlauffen, vgl. schlaujfen : erchauffen 48,
17 sa^'men (und ebenso pa^m 91, 207. ra^chuas 212, 265. geta*'n. aubent.
da:gratv 206, 9. gelauffen : wa^ffen 263, 325. zäun : straun:ta''n (gethan)
262, 216. gach : ga^ch (gauch) : na^ch 5, 39, vgl. v. Lilienoron,
48 III. LAUTSTATISTIK.
Volkslieder 11, 132 flf. 303 ff. Noch in der S oh m i d z u n f t von Ulm 1505 :
claurlich» thoun (gethan). haut, gestraufft, laussen, aubent, gaun. wauffen.
In diesem Zusammenhang erklärt sich auch, was Wimpfeling über
die ausspräche von caiisa und casus tadelt vgl. oben § 50.
Hermann von Sach senheim in der Mö rin : u. a. houn. getoun.
braucht, kraum, haut, staut. gauL oun. goun. Swaub, hernauch : Auch
(Aachen) 2353. getoun : tvoun (wän) 2379. moun (mond) 3254. da : graw
^lQ5.:blaw^ßSl,daw :blaw 2191. Qte. In SteinhöweTs A,eso^ ilausseitt.
haut, getaun, schauf. laust, aussen, oun, staun, wau, zuogaub. schmauch,
kaut (kät koth) s. 165. häutigen s. 55. r autgeh. haust, getoun, ploun,
gnaud etc. Im spiel von St. Georg: rauch, autem. fauhen. wauffen.
aun (neben oun^ an^ on). raut : gelaubt 189. kristenglaben : beraben 181.
urlab 179. lafft 176. laffent 175 etc. Reimchronik: hernach : auch
s. 2, 86. pfaltzgraf : auch s. 5. volbracht : auch s. 19. Lindaw : da s. 52.
Lauf en ', straffen s. 154. die Fautten : geraten s. 159. Aus Buland
vgl. haun, haut, {tauffel) etc. ferner kafft neben kaufft (gekauft) s. 2. 4.
ach (auch) s. 6. Ägspurg^ Äugspur g s. 7. sam s. 17: sawm s. 16 etc.
Zim. Chronik IV, 344: aubent, aucht, gauben, grauf etc. Mone,
Schauspiele II, 136 erlaubet : aubet. Die ältesten belege liefert der
schwäbische Schreiber inGrieshabers predigten bl. 73* ff. (vgl. Beitr.
XIII, 469. XIV, 518 i.):haut. haun. genaud. staut, waur. aun. gaun. staust,
faucht, straus. ungaus, iaur, wau, rautent, lau u. a. ; auffallend ist, dass au
auch wiederholt für ä begegnet : auremmut, arenmüt s. 83. 85. gestaunden
8. 85. fauren gelaussen s. 87. 89. berenhaurt s. 87. rochfaus s. 88. — fas
8. 87. staut, gauden; auf lautlicher Übertragung beruhen wahrschein-
lich die prät. sing: gaub, baut, vgl. bauten, saus. Im übrigen ist auf
diphthongirung von Ö zu verweisen.
Dass au für ä nicht specifisch auf das schwäb. beschränkt ist,
ergibt sich aus "Weinhold § 52 z. b. Mone Schauspiele I. 143 ff. (aus
einer St. Galler hs. des 14. jhds.) I, 273 ff. II, 131 ff. Gute frau Zs. f.
d. a. II, 385 ff. Walther von Rheinau's Marienleben, Niclas von Wyle u. a.
Der ursprüngl. thurgauische Wolfdietrich D VII hat frage : Bouge.
wäge : oge (äuge), räche : gouche u. a. (Heidelberger hs. no. 373) DHbIV,X.
vgl. auch Steinmeyer Altdeutsche Studien s. 65 ff.
In den von mir benutzten schwäbischen handschrif ten
findet sich au für ä sehr häufig: Tristrant: laut. wau. o^n haust,
berautten : kemnautten. laussen : straussen. begaut : bestaut etc., doch
auch stachen : brauchen, vahten : gedauchten. cod. phil. et theoL
54 : auss (prät. ass). na^delstich. sla^ff etc. no. 72: ia^mertal. ga^n.
ga^st. «*n. da", na^ch etc. vgl. auch Sant päls (Paulus) cod. ascet.
78 u. ö. Aus dem vielfach verbreiteten usus a : ä zu. reimen (worüber
der „Anhang" zu vergleichen) erklären sich reimbindungen wie Mörin:
nacht : braucht 425 stat : haut 599. braucht : macht 1137 Swaub : hab
1771. bestaund:and 1929 (vgl. and:land 2416). was : auss 2793. bass :
auss 3897. ähnl. im Hed von Zolre. Im Tristrant gehören die-
I. TEIL. VO0ALI8MUS. 49
selben offenbar der ursprünglichen, niederdeutschen fassung an: geta^n :
man. man : hän, kan : hän. nacht : hedaucht. In älterer zeit sind diese
reime auf unserem gebiet spärlich, vgl. Mein loh man : getan 13, 23,
28. In den zweifellos ächten stücken yon Bugge findet sich kein
derartiger reim , hän : kan 103, 33. erkan : stän 103, 36. naht : gedäht
109, 19. man : hän 109, 34 sind wahrscheinlich elsäss. Ebenso wenig
gesichert ist bei Neifen: gar : klär (vgl. Uhl s. 74); min : dahin
ist zwar nach der mundart correct (doch vgl. Uhl s. 108 ff.) ebenso
kindeltn : hin beim Schulmeister, doch trifft dies nicht zu bei min ':
sin : hin : in 12, 83. In der Zim. ohron. ich hin : ein IV, 239, 41.
fein : hin IV, 243, 17 u. a. worüber § 77. (im übrigen vgl. Weinhold al.
gr. s. 383. Lachmann zu Iwein 2112. W ilmanns Zs. f. d. a. 16, 119 u. a.)
Graphisch ist noch zu bemerken, dass neben au, a^ auch formen
wie a, ä ausserordentlich häufig sind, meist vom umlaut ä (d. i. e) unter-
schieden, so z. b. im Tristrant, woselbst « bezeich nung für umge-
lautet a, a = rtM,a* ; vgl. "Weizsäcker Deutsche Beichstagsakten I,
LXXVII : die beiden puncte in schräg von links unten nach rechts oben
aufsteigender richtung sind aus e entstanden ; sie kommen auch in wag-
rechter richtung vor, gewöhnlich ohne durchgeführten unterschied von
derbedeutung der schrägen richtung. s. LXXIX: ** in a** o** löst sich in
dieselben schrägliegenden puncte auf. Vgl. Fürstenberg. urkb. s. XV f.
Germ. VI, 478 f. Vgl. im Tristrant: trur.hsäss. stättiglich: adv. spät,
kämen: ind. prät. kämen, län : ergän, wau : tvä. waur : war, braucht i
brächt etc. indessen wird von bl. 58 ab ä durch a* ersetzt.
Anm. 6. Unter gewissen quantitätsbedingungen hat sich auch
mhd. ä + n ZM ab entwickelt: habf hanf, hdöfd den hanf einernten
(Balingen und anderwärts, vgl. DM. VII, 336) ; daneben auch h^f^ hdfd
und hämpf; gdbs gans, sdoß^ sanft, rdbft ranft Birl. Augb. Wb. s. 342.
DM. VII, 32 ff. 333 ff.
E.
§ 62. Das Schwab, besitzt an e- lauten: ^ e q q e e.
Besonders wichtig ist die Scheidung zwischen f und ? (ge-
schlossenes und offenes e). Über die orthographische be-
zeichnung der beiden lautfarben in ahd. periode vgl. Braune
ahd. gram. § 28 anm. 2; im mhd. Weinhold al. gram.
§§ 12 flf. Ohne bezeichnung des umlauts sind noch : Altstadt,
Mothqri 752. Harinperti 758. Nortstati 760. Uuintharius
763. Äkipert 786: Ekipert 786. Agino 786: Ekino 786.
Ragingaerus 769 : Reginbald 786. Agineshaim, Ackiolt IIQ.
Warilandi 772. Hariman 773. Agylolfus, Rugynolftis 776.
Kauffmann, Fr., Geschichte d. schwäb. Muadart. 4
50 III. LAÜT8TATI8TIK.
Isanhario, Asthari, IIQ, Uuassingun 786: Ekilolf 786.
Uarioldus 806; doch bereits Herifrido 771 u. a. Die Urkunden
schreiben meist e für beide laute, selten findet sich ae:
Augsburg 1277 laesent, saehent, saelben. raehte. gaehen,
laeben. zaehenden, 1282 waerden, liektmaesse. 1298 gaeltz, saelh
u. a. Gomaringen 1300 sa'hent. la'sen. gega'ben. Ulm
1428 (Reichstagsakten IX, 205 u. a.) we*rben. tee^rd^n. be-
gehrten. 1427 mhenne*hten, vgl. Nohl, Niclas von Wyle s. 35.
Schmeller, St. Ulrichs leben s. XXI. Für die ahd. zeit wird
(offenes) ^ in all den fallen angesetzt, für die idg. e (sogen,
gebrochenes e) zu erschliessen ist, während der geschlossene
laut dem aus a entstandenen, umgelauteten e zuerkannt
wird. Die reime der mhd. dichter bestätigen diese an-
setzung im grossen und ganzen, wenn sich auch eine reihe
von modifikationen bemerkbar macht. Für die mundart ist
nun aber vollends nicht mit dieser einfachen regel auszu-
kommen, da sehr häufig q als umlaut von a und e an stelle
von ä erscheint.
§ 63. Die frage ist behandelt von Franck Zs. f. d. a.
25, 218—225 und von Luick Beitr. XI, 492—517 ; vgl. Beitr.
Xm, 393 f. 588. XIV, 163. Während der letztere immer noch
davon ausgegangen ist, dass die Verschiedenheit der klangfarbe
durch die folgende konsouanz bedingt sei, wonach gewisse
gruppen den offenen oder geschlossenen laut „begünstigen^,
hatte bereits Frank darauf aufmerksam gemacht (s. 224 f.),
dass die Chronologie des umlauts in betracht zu ziehen
sei. Braune hatte beitr. 4, 540 ff. (vgl. auch ahd. gram.
§ 27 anm. 2) festgestellt, dass auf obd. gebiete gewisse
konsonanten und konsonantenverbindungen den umlaut
verhindert haben. In späterer zeit ist hier eine
jüngere umlautung eingetreten, (daher auch vielfach
in den betr. föllen obd. noch a geschrieben wird, vgl. Wein-
hold in Wackemagels altd. pred. s. 463) und während die
erste umlautsperiode ^ ergeben hatte, war das resultat des
jühgern lautwandels f. Diese beiden perioden. sind
sehr streng zu scheiden. Von besonderem Interesse sind
hier die Ortsnamen, ich nenne aus dem württemb. urkunden-
buch : Cachinga (Gächingen) I, 407 a. 760. Hahingun I, 34
I. TEIL. V0CAL18MUS. 51
a. 786. (H^chingen); Sparewaresekke II, 399 dagegen Sper-
weresecche III, 477 a. 1192 (Spqrberseck) ; N allingin 11, 252
a. 1188 flf. (Nqllingen) ; Marcheiingen I, 160 a. 861 (Mqrk-
lingen); Schalkalingin I, 373 a. 1127 (Sch^lklingen) ; Arcingin
1225 etc. etc. ; vgl. Birlinger A. S. s. 51.
Anm. 1. Dieselbeu Urkunden, welche ae für ß bezeugen , geben
e der zweiten umlautsperiode gleichfalls durch ae wieder vgl. Augs-
burg 1284 aelliu. wihennaechten. 1286 aekker. Ulm 1310 ägker. Tü-
bingen 1293 aejfcfc^rw. Horb 1^21 ägkern, 1345 oaker. Ulm 1410 wägen,
rate. usw. vgl. bei Mynsinger: ?5<^^w. waschen, äschen (asche) ebenso
gärstinmel. pällen n. 8L. Keller, erzählungen 324,25 fläschen (flasche)
doch Zim. ohronik: ßeschen. deschen (iasche). eschen (asche). Be-
sonders wichtig ist die aufzeichnung des stadtrechts von Augs-
burg a. 1276: almcehtigen. geschcefde. schcedelichen. wcelhisch, gcerbtiu,
bceche. mcegeden, ncephe, rucentel, hcefen ; lauter umlauts fälle , in denen
heute der offeqe laut gesprochen wird, vgl. ebenda für e: wcerhent,
vergcezzen. wcerdent, enpfmlhe, gebrcesten. raht. antwcerk. Icederer,
lodcewber. lasbendik, staslent. scelber, spreechen, geschcehen, gewcesen^
nceben, kcßrn. goersten u. a. Mit demselben zeichen wird auch der um-
laut von ä wiedergegeben: tcete, brceche, phlcege, nceme, stcete u. a. Da-
gegen vergleiche man die Schreibungen : eltesten. hete, reden, hebent. weih,
setzet, sieht, erbenne, becken. schenket, zwelf. gesten. wellent, gemerket,
secken. scheffel. ephel, tregt, gense, meltu, a. [ganz vereinzelt reht.knehte.
gelten ] und ebenso für g": herren. herschefie. mer. lehen. sele ehalten. In
der Zwiefaltcr Benedictinerregel: alrstercstiu. eltrin. gisterkit.
hrenki. sieg (piagas), serpfir, giselbe (ungenta). erzini (medicamina).
geste. epphil, di ermirne (pauperiores) u. a. Weingarter predigten:
tcegelich. almcehtig. vceterlich : nezze, zwelf etc. ce auch in gestcetiget.
sundcere, genceme. "Wie auf andern dialectgebieten finden sich auch
bei uns einige ei für e: Zwiefalter glossen: flozsceif (wegen
scif:scef^). sceinchit, breindon, brotbeiccerin. Weingarter glossen:
scehicha : scenchun, (ebenda speteir serotinus. herißuhtigei desertores.)
cheistiga. cheilla, in eillente, Schietstädter glossen: ingeiltist.
heirberg, cheimph, weige ; vgl. auch trnhtsaizo u. a. Zs. f. d. a. V, 522 ;
in Grieshabers predigten sailig.
Anm. 2. Seit dem 14. jh. begegnet ö für ^ sehr häufig z. b.
urk. 1301 gehöht (gehabt). 1307 schofel. 1336 schöffel, scheffel. 1314
Urt, (hart) 1338 zwölf. 1380 zwölf. 1420 öwiges. 1426 owenklich, zwölff.
1480 ivölche, 1501 wollen, schöffel. wölcher u. a. Engeltal urk. 1433
tröschen, 1488 söchs. vierzöhen. Herkommen von Horb: swöster.
Augsburger chronikvon 1126—1455: h'örtzog. schlöge. niör. stöUen.
ödel. umbkört. schnöe. Doch auch örtrich, Wirtenbörg ; vgl. Lexer im
glossar IV, 367. Glatt durchgeführt ist der unterschied bei Ulr.
Kr äfft: öltern. votier, m'öer (mare). unerwörf. erz'ölU, gögen. sötzen.
4*
52 IH. liAUTSTATISTlK.
rödlich, fnötzyer. wölchetn. höth. wolle, dosto. klopper. nnh zohen uhre.
kotiin (kette), roden, zwölf, hoste, untter dössen. lögtt. gefoss. hörberg,
erlödigt. lödig schwöater. kössel schöpfen, holder, hörbst. hördt (hart),
durchweg an stelle von heutigem ^ ; vgl. auch f Olsen cod. phil. et
theol. 68.
Dieser gebrauch ist in vollständiger Übereinstimmung mit Seb.
Halber, syllabierbüchlein ausg. von Boethe s. 18 f. „Die dritte (aus-
spräche des ß) ist etwas dicker und langsamer dan die erste weise, und
findet sich in denen Wörtern, welliche von andern werten herkommen,
die an stat des e ein a gehabt, weliches e in etlichen landen mit ihrem
ae geredt und geschrieben oder wie ir oe ausgesprochen wird** (d. i.
offenes und geschlossenes umlauts e). Von den folgenden beispielen
treffen für den schwäbischen dialekt nicht alle zu, doch z. b. unteV ä:
kleglich. fehig. Schwebin. sehet zen u. a. „volgen exempeln das ausge-
sprochene oe anlangend*^: schwertzen. kreftig. schmeler. erger. herter.
helder. stecken usw. vgl cepfel oder epfd s. 23.
§ 64. Da nun bereits in der ersten umlautsperiode
in analogen fällen der umlaut keineswegs gleichmässig unter-
blieben ist, sondern die denkmäler Schwankungen aufweisen,
sind wir berechtigt, bei einer mundart, welche die beiden
e-laute scheidet, nach dem heutigen bestände den da-
maligen umfang des umlauts zu erschliessen, und diese
resultate haben (möglicherweise) als Charakteristika des
altschwäbischen zu gelten.
§ 65. 1) Geschl. e, vgl. die belegsammlung § 63:
a) h^rt (ahd. herti, got. hardus) hart; ebenso gert (ahd.
gardea, kertia bei Braune ahd. gram. § 210) gerte; epfl
(ahd. ephil Ahd. gl. I, 550, 44. den 6pfel [sg.] Mörin 1987)
apfel, äpfel; psetse besatz; weh wollen vgl. beitr. IX, 563 flf. ;
U^^t (ahd. gihebit) gehabt vgl. Beitr. IX, 520 ; bet (ahd. betti,
got. badi) bett ; geltsQf nicht trächtige schafe, vgl. Graflf I,
197. Schmeller I, 903 f. Kluge etym. wörterb. s. 109.
Schmid schwäb. wörterb. s. 217. Birlinger A. S. s. 51.
DM. II, 345; sm^ltsd (ahd. mhd. smelzen) schmelzen; b^sr,
b^st (ahd. be;;iro, be;;ist) besser, best; st^kd (ahd. stecken,
got. *stakjan) stecken ; f^M er fällt ; s^H (got. sakkus, mhd.
sac, segge) sacke; beldr comp, zu bald, früher, dazu das
abstractum beide frühe zeit, Aesop s. 129 noch: daz du
beider gaust (rascher); w^tsd (ahd. wezzen, vgl.- got. hwass
scharf) wetzen ; ^rgr comp, zu arg ^= schlimmer ; tsw§lf (ahd.
I. TEIL. VOCAL18MU8. 53
zwelif, got. twalif) zwölf; starke abstractum zu stark, die
stärke; herbst (ahd. herbist, ags. hserfest) herbst ; tserd {dihA,
zerren) zerren ; w^te (ahd. wetti) pferdeschwemme ; gelt (ahd.
gellita, mlat. galeta) gelte, vgl. wassergelt cod. poet. 30;
gelten cod. ascet. 78; h^l (ahd. hcUa) hölle; s^lfd (ahd. sce-
liva, mhd. schelfe) schale von fruchten ; smekd (ahd. smekken)
schmecken, riechen; k'^d^h (causativ zu knall, Aesop s. 129
mit der knellenden gaisel) knallen; h^fd (ahd. heflfo) hefe;
hijc (ahd. becko) bäcker; bletr (ahd. bletir, bletir ZBR.)
blätter ; est (ahd. esti) äste ; U^lbr (ahd. kelbir, vgl. Braune
ahd. gram. § 27 anm. 2) kälber; kr^ftd (ahd. krefti) kräfte;
^rp (ahd. erbi) erbe; kwerm^ (ahd. wermen) warm machen;
kretsd (mhd. *geretzen, vgl. ratzen mhd. wb. II, 1, 584)
kratzen ; dexr (mhd. decher) dächer ; ebenso f^sr fasser (nach
analogie von blat: bl^tr) ; eltr (ahd. eltiro, vgl. Braune a. a. o.)
älter; se frkelcb (mhd. erkelten) sich erkälten, ebenso
k^lde (ahd. kalti, *kelti, mhd. kelte : zelte Lanzel. 8541 W.)
kälte u. a.
b) Dehnung ist eingetreten (vgl. nieer. heer Ehingen
s. 13. 22; bei Niclas von Wyle: reeden. weeren. meer, heere.
zeer, Nohl s. 22 f.) in : ern (ahd. ero, vgl. airin Braune § 26
anm. 4) hausflur; ber (ahd. beri) beere; ege (ahd. egi) in-
standsetzung des ackers ; sreß (mhd. schrege, vgl. schrägen)
schräg; brefr, br^f^> zu brav, comp, braver, abstract. „brav-
heit" ; ä'regd anrühren, vgl. Aesop s. 238 anzeregen, Zarncke,
Narrenschiff s. 463, 152 ; pflegl (ahd. flegil, mlat. flagellum)
flegel; lep (ahd. lewo) löwe, vgl. Beitr. XII, 207 ff.; hebd
(ahd. hoffen) heben, halten : ich heb dich nit Aesop s. 46. den
hasen nit heben mochtent s. 118; über die schwache flexion
vgl. Ritter von Stauffenberg anm. zu 669. 777 (Jänicke;
Altdeutsche Studien. Berlin 1871); leg9 (ahd. leggen) legen;
ts^h (ahd. Zellen) zählen; klesr gläser (vgl. oben zu f^sr);
uest (ahd. wehsit) wächst; elent (ahd. elilenti) elend; smelr,
smele (ahd. smelir; smali mhd. smele) schmäler, schmalheit;
web (ahd. wellen) wählen; her (ahd. heri) heer; swero (ahd.
swerien) schwören; seid (ahd. schellen) schälen; sleß (ahd.
slegi) schlage; det (mhd. dert, vgl. Flore 1451 dert: erwert.
Gute frau 1850.2940. Grimm, Gram. P 141) dort, Mörin
54 111. LAUTSTATISTIK.
4958 u. ö. dort (doch nie im reim, vielmehr dort : ort 4995
u. ö.); Tristrant dort, cod. phil. et theol. 78 dort,
Anm. Über daneben bestehende kürzen in denselben Wörtern,
vgl. Birlinger A. 8. s. 52; DM. VII, 181 ff.; Laudiert s. 6.
§ 66. 2) ümgelautetes a erscheint dagegen als
q in folgenden fällen (vgl. die belege § 63):
a) g^rbo (ahd. garwen, vgl. Braune a. a. o.) gerben;
h^rbl Barbara; ß^tr Katharina (urk. 1353 kcetrinen); hqrp
(mhd. harwer, herwer) herb; d^s (ahd. darft) darfst; f^td
(mhd. vasten) fastenzeit; h^xl (mhd. hachel, hechel) hechel,
nebst ableitungen hqxh, h^xhr; ^9 (mhd. asche, esche) asche;
w^d (mhd. waschen, weschen) waschen, aber wes (ahd. wesca)
Wäsche; ^arf (mhd. ehte, w^, echt : brecht Mörin 3039 echt:
gebrecht 2831) acht 8, vgl. Weinhold al. gr. s. 307. Grimm
Gram. 1, 279 (neudruck) ; b^ (gegen ahd. behhi) bäche ; bqlR
(ahd. palgi) bälge; m^xtix (ahd. mahtig) mächtig; n^xto
(ahd. nahtim, mhd. nehten) dat. pl. — nachten = vergangene
nacht ; ql^ (= ahd. alliu, nicht = elliu) alle, ebenso ^s =
mhd. alle; durchaus ; u. a. Hierher gehört wohl auch erb9t
arbeit, (vgl. Joh. Schmid, idg. vocal. II, 479) vgl. erbet
Fürstenberg. urkb. I, 319 aus dem 14. jh. erbeit in der Stutt-
garter hs. des Marienlebens von Walther von Rheinau
(a. 1388) u. ö.
b) Mit dehnung: b^s (ahd. basa; basen, hassen im Her-
kommen) base; flqse (mhd. vlehsin) flächsern; klqxtr (mhd.
gelohter) gelächter; dbm^xtix ohnmächtig, vgl. aumechtig cod-
poet. 30; n^xf {mhd. neht Mörin 3032) vergangene nacht,
vgl. Weinhold al. gr. s. 240; n^gdle (mhd. negelln cod-
poet. 30 u. ö.) nelke (zu nagel); wqg9 (mhd. wägen vgl.
urk. Augsburg 1283 uf wcegennen [vgl. 1282 gadem: plur.
gaCihmer]. Reutlingen 1310 u. a.) pl. von wagen; ebenso
wqgiQ9r wagner; Af/war (mhd. havensere) topf er; gqd9 gärten;
tsw^l (ahd. dwahila) handtuch u. a.
Anm. 1. Unter diese kategorie mit ^, ^ fallen alle Wörter mit
sogenanntem angelehntem umlaut. So ist* es zum morphologischen
prinzip geworden, den plural vom sing, durch umlaut zu unterscheiden •
döM: d^fS [Augsb. chron. 5, 481 tag, Germ. 17, 90], vgl. wald pl.
tväld (Balingen), näm : nem9 name, namen (ostschwäb.) und solche
I. TEIL. V0CALI8MUS. 55
bildungen haben dann auch zuweilen alte umlaute verdrängt, so dass
^ an stelle von ^ getreten ist: iläJS: §l&^ aber auch sl^JS; b^ bäche:
ahd. behhi vgl. hierzu Germ. 34, 112 ff.
Femer weisen fast alle diminutiva auf -le (mhd. -/tn) ^ als um-
laut auf. Hier konnte der umlaut erst eintreten, nachdem in den meist
dreisilbigen Wörtern der mittelvokal durch assimilation zu i geworden
war, vgl. Braune a. a. o- anm. 4; vgl. oben n^gdle nelke: nagel, da-
gegen dim. neg9le kleiner nagel ; hr^gle : kragen ; fl^dle : fladen :
8aJS : dim. stiele aber plur. s^^ u a.
c) Mit dieser annähme, dass die zweite umlautsperiode
a zu § gewandelt hat, steht besonders im einklang, dass
der erwiesenermassen spätere umlaut von a ein f ergeben
hat (mhd. Schreibung ae, se). So auch in der mundart: st^t
(mhd. staete, ahd. stäti) langsam; li^R (mhd. Isege) ab-
schüssig; nqxe (mhd. nsehe, ahd. nähl) nähe; w^ (mhd.
wsere, ahd. wäri) wäre; dqxt (mhd. gedäht) gedacht, nach
dem indicat. verwendeten optat. prät. ; zq (mhd. zsehe, ahd.
zähi) zähe; rqs (mhd. r8e;e, ahd. rä;i) scharf; hqs (mhd. hae^e)
kleidung ; h^lef9§ (ahd. hälingun) heimlich ; kl^p (mhd. lä, Isew
bei Pfeiffer, mystiker I, 283. läwekait cod. phil. et
theol. 54; ahd. läo, läwer) lau (umlaut, weil alter u-stamm,
vgl. Noreen anorw. und altisl. gramm. § 334 anm. 1) ; ebenso
mit der partikel ge- gebildet, ist gqdr zu mhd. äder (ahd.
*giädiri > geäder Hätzlerin 180, 43) geäder, speziell das
adersystem am handgelenk ; ß^s (lat. cäseus) ; s^lix vgl. z. b.
myn vatter sdlig Engeltal 1416; r^dix (mhd. raetich, ahd.
rätih aus lat. rädix) rettig; g^ (mhd. gaehe, ahd. gähi) jäh;
SM?fr (mhd. swaere) schwer ; ' Zfr (mhd. laere) leer ; l^kl (urk.
1430 lägel u. ö.) kleines fasschen, vgl. ain legellen mit wasser
cod. phil. et theol. 74; u. a.
Anm. 2. Reime wie kale (quäl) : sHe, hSre : wdere, sSre : wdBre,
swdBre wie sie auf alem. gebiet vorkommen (z. b. Walther von Rheinau
vgl. Yögtlin s. 25 28) sind mir auf schwäb. boden nicht begegnet, im
Heidelberger Tristrant gehören dieselben offenbar der ursprünglichen
fassung an : her : wer (wäre) u. a.
Anm. 3. Die Verbindung -öBJ- in den verben mhd. sdSjen, nuBJen^
ndßjen^ drdBJen, wajen, hnsjen säen, mähen, nähen, drehen, wehen,
krähen hat sich zu 'aee- entwickelt. Für das alem. sind die ^'-formen
zu grund zu legen, wie sich aus der erhaltung des j als g^ k ergibt.
Es ist unter steigender betonung *s^ß entstanden, dessen Stammsilbe
sich zu diphthongischem ^t mit Verkürzung des sonanten entwickelt hat
56 III. LAÜTSTATISTIK.
vgl. Weinhold, mbd. gram. § 90. j war nur Vor folgendem vokal
möglich, nicht im prät. oder pari prät. So heute noch im schweizerischen.
Winteler s. 76. 165 schreibt m&'J9 mähen aber hmäJty vgl. cod.
b i b 1. 22 8&get : geaaH, Im alemann. (vgl. ^tickelberger Ma. von
Schaffhausen s. 32) lauten die formen : m^ijd, n^ij^, tr^J9j w^jd^ chr^iJ9^
anderwärts maijd^ naij9 ; maJ9, najd, wie im alem. ^i = -egi- erhalten
geblieben, so auch hier.
Demnach haben wir in schwäb. sa^edj maep^ tra^p, kra^p na^
die fortsetzung der antevocalischen f/ zu erblicken. Die präterita lauten
ks^t^ km^ty ^tr^ty "kr^^ fcwfl^* etc. doch ist associativisch der diphthong
eingedrungen: ksaet^ kmaef^ wie auch umgekehrt die Infinitive etc. den
einfachen laut aufgenommen haben: sf*9, mfä*, trlf9^ nlf9^ kr^9. Da
intervocal. ./ vor hellen vocalen (wie alem.) zu g geworden ist, sollten
die e-formen *8aeg9^ *tnaeg9 etc. lauten ; unter deren Voraussetzung die
part. prät. ksäekt (gesät), kmaekt (gemäht), traekt (gedreht), kraekt
(gekräht), ki9aekt (genäht) entstanden sein müssen, vgl. Knaus s. 33.
Birlinger, A. S. s. 112. DM. VII, 391.
Die entwicklung des diphthongs ^i stimmt mit der von -ei- aus
-egi- überein. In der Zim. ohron. seien^ dreien; im stadtrecht von
Rotweil s. 36 segen (säen). Übermaigte. Mörin nit kregt der han,
kr et du henn 5200. Tempel dreyen : weyen. Aesop aeyen (säen)
8. 106. geseyet s. 206. weyet s. 190. kreyen s. 197. getreyt s. 271. neyen
8. 333. I n g 1 d wäget (weht) 13, 33. R e i m c h r o n i k getreht (ge-
dreht): geaeidt (gesagt) 145. trewstul (drehbank) s. 146 (bezügl. etv
vgl. § 71 u. a.). Hätzlerin durchwäht : durchsträt (-streut) s. 234.
gedraigunga (tornaturas) bereits in den W e i ng. g 1 o s s e n. Handschriftlich :
cod. phil. et theo 1. 54 geseigete. geseiget: inf. sägen (säen), no. 68
säwten (säten), cod. b i b 1. 22 säget, seigent. cod. med. 5 imper. neye
u. a vgl. unter j,
§ 67. Die nasalirung hebt den unterschied
zwischen offenem ^ und geschlossenem e dahin auf, dass
q + nas. mit erhöhung des vocals in gleicher weise e als
resultat ergibt, wie e + nas. a) pf^ndle (mhd. phantlln und
dim. von phanne) kleines pfand und kleine pfanne; brerw
(mhd. brennen oder brinnen? in älterer zeit hat auf unserem
gebiete das starke verbum vielfach gegolten z., b. brinnen:
sinnen: mmwen Winterstetten28, 59; ich brinneW eingart,
pred. prät. bran. cod. phil. et theol. 68: prinnet no. 74
brinnen u. ö. dazu in der heutigen mundart part. prät. bröno) ;
defdb (mhd. tengele, vgl. ahd. tangol hammer) hämmern
(speziell sicheln und sensen); hendl (junge pluralbildung zu
handel) streit; h^mdf{sihd, hemidi) hemd ; h^ko (ahd. henken) ;
I. TEIL. VOCAUSMÜS. 57
heml pl. zu hammel; denis (mhd. tennine; neutr.) tannen;
tsetn9 (mhd. zesemen, vgl. Fürstenberg. urkb. I, 317 a. 1293 —
94. zemen cod. phil. et theol. 72. zesäwen no. 74. tzemen
cod. med. 29. zerrten cod. breviar. 55 u. cod. ascet.
78) zusammen; swmts (mhd. swenze) schwänze; s^ sem^
(mhd. Schemen) sich schämen; e'wdr^s Andreas, vgl. St, Aendres
Ulm 1297. Tübingen 1297. Enderes cod. theol. 5; u.a.
b) ges (mhd. gense) gänse; ene (mhd. ene) grossvater,
vgl. min eni sälig urk. 1461. Herkommen: eny, enny und
anen, gen. enis oder anen, aenes und anen; eni oder anen in
Herrigs archiv38, 211. äni Zim. chron. IV, 7, 33. Be-
achte hierzu (nach Burdach, Einigung der nhd. Schrift-
sprache s. 3) bei Friedrich Riederer, spiegel der waren
Rhetorik a. 1493: „als in diesem land Brysgow sprechen wir
grossuatter , vnd übern schwarzwald enp, [Hier sprechen
wir dochterman : in etlichen landen sprechen sie ayden]" ; ksekt
(mhd. geschenkt); dekd denken; beachte auch die formel
sde'ktmr kdJbm ich erinnere miöh kaum noch u. ähnl., worüber
Z a r n c k e , Narrenschiff s. 445, 28 zu vergleichen ; shrethbt
es riecht brandig; emf {mhd. empt urk. 1383 ämf, part. des
verbum geemdet, vgl. mhd. wb. H, 21, zu ämät gehörig)
zweites heu; medix (mhd. msentac z. b. Tris tränt u. a.
maentac aus *mänintac) montag; jriwen^ (mhd. verwenen)
verwöhnen; fTmem (mhd. fürnaeme) vornehm; heU (mhd.
benke) bänke; irekd (mhd. trenken); dei^fd (mhd. dempfen);
heüix (mhd. hentschüch, so Eilh. Tristr. H. 4638 flf. mit
hentschüchen Ruland s: 22) handschuh(e) ; spe (mhd. spsene)
späne; me^ (ableitung von mhd. äme ohm?) irai, bereits Ulm
1298 imin; ymy ymmi im Lehenbuch; ßeimchron.
s. 64 (falsche Transskription?) u. a.
§ 68. Die lautverhältnisse des schwäb. führen zu der
annähme, dass die regel von den umlauthindernden kon-
sonanten für dieses teilgebiet des obd. dahin zu modifi-
z i r e n ist , dass , wie obd. überhaupt vor r + kons, (nicht
-rt/;), germ. h Schwankungen auftreten, dieser Wechsel sich
auch auf [hfjy hs, l -\- cons., {hh — germ. k?) erstreckt, vgl.
uermr : dqrs (darfst) : hqrp ; slext (ahd. slehit) : tsw^l (ahd.
dwahila); mext (ahd. mahti oder mohti? möchte): n^xt; uBst
58 in. L1ÜT8T1TI8TIK.
(ahd. wehsit): fl^se flächsern; P^lhr (ahd. kelbir): ^le (ahd.
alliu) s. 0.; vgl. femer Scardngas 791: Scercingas 785. 805.
817. 843. Hertinc 842. Die Ursache dieser Unregelmässig-
keit ist darin zu suchen, dass meist durch systemzwang
sich im einen fall der nicht umgelautete vocal gehalten
hat, während bei andern kategorien der umlaut eingetreten
ist. Bezüglich des umfangs bildet das altschwäb. die mitte
zwischen dem obd. und dem fränk. gebrauch.
Anm. Analogische umlaute der späteren zeit sind die conjunotiv-
formen: tneeht (machte) Mörin 1542. 2436. plur. meehten 3156. 4532.
es sehet (schadete) 2693. ich segt 4145.
§ 69. Auch in den entsprechungen für mhd. e (= idg.
e) herrscht in der mundart durchaus keine einheitlichkeit.
Der für die mhd. zeit vorauszusetzende lautwert ^ setzt sich
in der mundart fort, während aber für das e der zweiten
Umlautsperiode keine weitere entwicklung sich konstatiren
lässt, tritt für e auch diphthong. ^ auf, was zu der annähme
führt, dass schon im 12. jahrh. e und ^ (aus a) verschieden
gewesen sein müssen.
1) e ist zu ^ geworden: kfo^xf (mhd. kneht); g^l
(mhd. gel) gelb; l^dr (mhd. leder) leder; n^bl (mhd. nebel)
nebel ; sw^ß (mhd. swevel) schwefel ; w^ß (mhd. wec) weg ;
sm^r (mhd. smer) schmeer; m^l (mhd. mel) mehl; s^gis
(ahd. segansa, seges cod. poet. 30) sense; s^/ (ahd. schef,
vergl. Lauchert s. 8) hülse der erbse; g^b9 (mhd. geben)
geben ; st^ (mhd. ster) widder ; s^xtsß (mhd. sehzec) sechzig,
ebenso s^xts$ 16 ; d^ (mhd. der) ; f^dr (mhd. veder) feder ;
b^r (mhd. ber) ; w^br (mhd. websere) webei* ; w^{r)tix (mhd.
werctao) Werktag ; l^bd (mhd. leben) leben ; kl^gd (mhd. ge-
legen) gelegen ; kr^bd (kreben H ä t z 1 e r i n 85, 60) rückenkorb ;
st^e (mhd. sterre) cas. obl. stern; ts^x (mhd. zeche) zeche;
h^r (mhd. her) her adv., die sonst rein alem. form har ist
bei Winterstetten 3, 68 im reim zu gevar belegt, doch
vgl. bei demselben her : ger 8, 63; ^bd (mhd. eben) eben;
st^U (mhd. stec) f. stiege ; n^bd (mhd. neben) neben u. a. Vgl.
bereits in der Mörin eass wir, ob das hescheach 4204 {all-
meachtig 6039 ist Schreibfehler?); Tempel freamde tnear
289; vgl. Mörin mear (mähre): hear (her) 523. Iiear : mer
I. TEIL. VOCALI8MU8. 59
1845. wear : swer 847. wer : wear 1295. (/er : hear 917. wear :
her 1699. mear : gefer 1773. entemear (Zeitungsente ?): s«<?er
2197; die entwicklung des a-lautes vor r ist dem vor i in
pausastellung analog (§ 75, anm.), doch beachte die willkür
der Schreibung. Der diphthong ist direct bezeugt durch
Hieronymus Wolfa. a. o. s. 322: nee scribat Wirtebergi-
cus meat pro hydromelite. s. 323 : ea Sueuicus diphthongus
est plus mear. aliter certe sonat quam cum dico der vnser etc.
2) mhd. e ist als q erhalten: a) sqrp (mhd. scherbe)
Scherbe ; br^f (mhd. bret) brett ; ^pis (mhd. etewa;) etwas,
ebenso ^pr (mhd. etewer) jemand; sqlcb (mhd. schelten)
schelten; s^lp (mhd. selp); qs9 (mhd. e35en) essen; ksqso
(mhd. gese^jen) gesessen; h^lf9 (mhd. helfen) helfen; m^kf
(lat. mercatus, vgl. Zarncke, narrenschiflf s. 300, 118. Augs-
burg. Prudentiusglossen mercat forum, urk. 1482 merckf-
prunen) markt; hqtb (mhd. betelen) betteln; h^l (mhd.
hei) hell; fl^k9 (mhd. vlecke) fleck, kleines dorf; ivqftsR
(mhd. wefse) wespe; l^ftsU (mhd. lefse) lippe; spqß (ahd.
spec) speck; Rqk (mhd. kec, quec) kühn; g^dd (mhd. gelten)
gelten; l^td (mhd. lette vgl. Walther von ßheinau leiten:
knetten 101, 6. 48. lätten bei Mynsinger s. 66 f.) letten,
lehm. Gehört hierher l^ts schlimm, verkehrt, vgl. lez und
übel Mörin 2884. letz hand (linke) Zim. chron. ?
b) r^p (mhd. rebe) rebe; U^fr (mhd. kevere) käfer;
fsi? (anord. ertr) erbsen; f^sd (ahd. fesa) kom (dinkel) u. a.
Erst im 15. jh. begegnen reime wie mer (mähr) ; her Mörin
5819. recht : brecht 1637. 1827. Hätzlerin: geäder:leder
180, 43. her: war 184, 91. beger:tmr 184, 133. lär : her
261, 146; weiteres u. 1); § 72.
3) mhd. e, erscheint als ^ vgl. Beitr. XIII, 393 f. XIV, 163,
wo gezeigt wird, dass hier eine art um laut vorliegt, wonach i
der ableitungssilbe (^ zu ^ gewandelt hat; vgl. Paul, Beitr. XU,
548 f. : a) su-^str (got. swistar, mhd. swester z. b. Hartmann von
Aue, Gregorius 449 f. swester : vester) s. auch Grimm Gram.
I, 280 (neudruck) vgl. ahd. swister, in der mischform (suffix-
übertragung) swestir dürfte ^ entstanden sein vgl. Flore
242 vester : geswester (geschwister) ; g^strt (got. gistra-)
gestern vgl. Grimm a. a. o. ; f ist wahrscheinlich von der
60 III. LAÜT8TATI8TIK.
ableitung ahd. gestrig schwäb. gestrix auf das simplex über-
tragen, vgl. ostschwäb. ^^s^ia? gestern ; s^ks (got. saihs) sechs
(ebenso sehst sechster), aber s^xfsß, s^xtse s. o. ; vgl. im
stadtrecht von Augsburg 1276 sehs aber scehzik, sceh-
zehen, Ulr. Kr äfft söchs. söchsfe aber, sechzig; das ge-
schlossene f in seks führe ich auf die alte i-declination des
Zahlworts (vgl. ahd. sehsim, sehsiu = schwäb. sekse) zurück;
vgl. dazu die heutigen flectirten ^m9 sekse slhdne röm (un-
gefähr zwischen 6 und 7 uhr) etc. und die urk. sehse 1296.
1336. sibeniv 1307. niini 1389 u. a. ; vgl. Birlinger A. S. s.
176 f.
b) l^dix (anord. lipugr, mhd. lidic vgl. Fürstenberg,
urkb. I, 218 (a. 1265). 268. 270) unverheirathet; ^d (got.
ibns) eben, flach, ebenso ehme ebene (ahd. ebani, ebini) ; ep
(as. ef, mhd. obe?) wenn, ob.
Anm. Schwankend als fremdwörter im dialect sind A^/m, h^Uiiy
(got. hilms) heim, je nach distrikt (vgl. Grimm a. a. o. I, 279), zu be-
achten ist indessen cod. phil. et theol. 54 halm heim einer glocke.
Ebenso s^lm zu mhd. schelme? Nach Notkers indrascantin rinde Graff,
sprachsch. V, 264 liegt für dr^ neben dr^h (mhd. dreschen) dreschen
alte Stammabstufung zu gründe, beachte das schwache part. prät. Hr$st
gedroschen ; über wUr welcher vgl. Beitr. XI, 496 ; vgl. auch ^tlix aus
mhd. Stelih; be89 neben b^89 besen aus ahd. besimin zu nom. sg. he^
samo, dazu pfbrsix (aus persicum) pfirsich vgl. pf ersieh cod. med.
15. cod. poet. 30. Die reime west (wusste) : est (äste) Hätzlerin
183, 9. west : gest 194, 7 erklären sich wohl aus dem opt. prät. west
(aus ahd. w'4sti\ vgl. Mörin 2269 west : best vgl. ich wisti gern; ich
westi gern cod. theol. et phil. 11.
§ 70. In der Stellung vor nasal wurde ? > ^,
^ > ^ erhöht: a) rhd^ (mhd. regenen) regnen; nem^, n^mS
(mhd. nemen) nehmen; gen^ (mhd. genen) gähnen; dem (mhd.
dem) dem u. a.
b) br^mS pl. (mhd. breme, vgl. bremen oder fliegen
cod. phil. et theol. 74) bremen; n^ (mhd. nen für
nemen) nehmen; g^ (mhd. gen für geben) geben; ebenso
sß (mhd. sehen) sehen; ksß (mhd. geschehen) geschehen;
tsß (mhd. zehen) zehn; d^n (mhd. den, alem. dien) den;
w^m (mhd. wem, wiem) wem u. a. Hierher gehören die
zahlreichen ie der denkmäler für e vor nasal , z. b. urk.
1. TEIL. VOCAUÖMÜS. 61
niemen 1295. 1298 etc. 1427. 1439. 1488 ; wiem 1439. 1483.
(Lienhart 1489.); Aesop niement s. 4. dienen s. 5. wiem
s. 52. Georg ivien 174. Hätzlerin wien s. 135. mem
s. 171. Bereits im Schwab, verlöbniss niemet. Hand-
schriftlich: Tristrant häufig niemen inf. nebst zugehörigen
formen, dien, wien. (Für den dat. pl. dien liegt bekannt-
lich alte diphthongirung auf alem. boden voraus, vgl. Braune
ahd. gram. § 287 anm. 1, i.). Inf. niemen auch cod. phil.
et theol. 54 u. a. cod. breviar. 55: sienhen (sehen), diem
niemen u. a.
Anm. 1. Es ist eine der allgemeinsten Wirkungen der Schrift-
sprache auf die mundart, ^ durch ^ zu ersetzen; andererseits scheinen
die einzelnen gegenden vielfach abzuweichen, so finden sich in der
Oberamtsbeschreibung von Balingen weitere ^ : f^ld^ f^l^ s^/a,
stedrbd^ g^ldd^ s^ldd^ ir^fd^ sn^dJS^ dbl^edl^ u. a. Der Wechsel- ist dem
der verschiedenen quantitäten in verschiedenen landschaften vergleichbar
§ 59 anm. 1.
Anm. 2. Aus Balingen und Tuttlingen melden die oberamtsbe-
Schreibungen s. 136. s. 163, dass ^ durch ja vertreten ist (accentver-
schiebung, vgl. in Basel tsddjöddre zu St. Theodor Heusler, der alem.
kons. s. 89, Joder (in Vorarlberg) DM. 17, 324 anm.): hjcnLr becher,
jähr jemand, jabds etwas, jassd essen, jagrt (mhd. egerte), jadepfl erd-
äpfel, vgl. Birlinger A. S. s. 61. Vgl. auch jeassa (essen), jeanstle
(ernstlich) aus Ehingen (0. A. Riedlingen) Alem. II, 206.
Anm. 3. Zu § 69, 3 bemerke ich, dass '4 als q resp. p erhalten
ist in: n^k (mhd. nest) nest; hrqkhaft (zu mhd. bresten) zerbrechlich,
drkwqste der bewusste ; ebenso in den fremdwörtern fqst (lat. festum)
fest, r^sf rest.
Anm. 4. Verallgemeinerung der Stammform vor folgendem i
weisen auf: hih bellen, vgl. prät. pilten cod. pal. 101; frwlsh ver-
wechseln; hrit brett (nach dem plural hritr ahd. *britir^ nicht brefir
wie Paul Beitr. IV, 415).
§ 71. Mhd. e. Dieser laut ist durch kontraktion aus
germ. ai entstanden, im auslaut und vor Ä, r, w; vgl. noch
Utialgaero, [Liutgqrus), Ämalgoer, Maerolt 758. Ragingaerus
Rihgaerio 769. Otgaer 782. Gaersoinde 797. Gaerhart 805.
Das Schwab, hat dafür e (q) oder ae. Die laute e und f
(also sele, sqle) verteilen sich so, dass der geschlossene laut
dem katholischen Süden , der offene dem evange-
lischen Norden eigen ist, doch hat auch dieser eine
anzahl ^ bewahrt. Da der diphthong ae auch für altes eü
62 III. LAÜTÖTATI8TIK.
{hae, gae = heu, gau) erscheint, wird ahd. mhd. e sich zu
?* und dann weiter zu ae entwickelt haben, vgl. die bei
Weinhold al. gr. §§ 36. 89 verzeichnete Schreibung e
für öu.
§ 72. 1) Mhd. e ist schwäb. durch e vertreten: omße^^,
obKerQ (mhd. keren) um-, einkehren; beKe'rd (nordschwäb.
i^ifra) bekehren; est (mhd. erst), nordschw. erst^ ^rst erst;
were mehrere; ^r (mhd. ere), nordschw. fr ehre; Urd, ler9r
(mhd. leren, lersere), nordschw. Iqrd, Iqror lehren, lernen
(weitverbreitet auf alem. gebiet), lehrer; ser (mhd. sere),
nordschw. sfr sehr; ^ (mhd. e) ehe, nordschw. ?*, f* sU;
(mhd. sele), nordschw. s^l seele, so auch die reime Ure:he'
gere Hätzlerin 9, 19. begeren : merm 21, 49. bekcerst
Grieshaber pred. s. 87.
2) ae liegt vor in: aest (mhd. erst) erst; sae (mhd. se)
See ;/r^/aen5 (mhd. verlehenen), lehnen, entlehnen; aealtd{m\id,
ehalten) dienstboten: eehalten urk. 1483. Aesop s. 220 u. ö.;
stae (mhd. siehe), schiebe dazu slaedbliidst schlehenblüte ; wae
(mhd. we) weh; mae (mhd. me) mehr; klae (mhd. kle) klee;
haedrk (mhd. *herlin) geistlicher herr, pfarrer, vgl. Wacker-
nagel, altd. pred. s. 339 ; sael (mhd. sele) seele, namentlich
in beteuerung; ae/Eva; Uaert (mhd. gelert) gelehrt, gelernt;
tsae (mhd. zehe) zeh. Diese lautform bezeugen bereits die
reime der ßeimchronik hew : mer (1. me > mae) 108. Za-
bergew : see (> sae) 138 ; vgl. auch dem heutigen wae (wehe)
gemäss bei Hieron. Wo If (a. 1578, R. v. Raumer ges. sprachw.
sehr. s. 322) auwai auwai pro imb ouce,
Anm. 1. Rapp DM. II, 107 führt den nordschwäb. ^-laut für
mhd. e auf den einfluss sächsischer prediger der reformationszeit zu-
rück; doch vgl. anm. 2: ostschwäb. p. Winteler s. 124. Es verhält
sich die sache so, dass nordschwäb. in ictussilbe e zu ^ geworden, in
nebensilbe die alte qualität bewahrt ist vgl. öefS^rd : S'mk&^ Aus der
fremde sind aber sicher eingedrungen formen wie warcit : gelai't (gelehrt)
Mörin 5731 (heute noch in der Umgangssprache) ; unbetvart: unhekart
Tempel 843. verkart cod. pal. 101. karthi, kart prät. neben keri
cod. phil. et theol. 45 (zweimal ist mir die Schreibung kort
begegnet).
Anm. 2. Aus dem fastnachtsscherz DM. VII, 488 führe ich
an: airwirdiga^ haira^ gotssail, laira^ Paiter, mau Die oberschwä-
I. TEIL. VOCALISMÜS. 63
bischen lieder haben: aunsailig^ graetfa (Grethe), ebenso Weokherlin
8. 327, aehvolk eheleute. Auch beim Herzog von Braunschweig hair
herr, varairet verehrt, einkaere einkehren u. a. — Auch das collo-
quium sponsorum Alera. VIII, 84 hat gelairt ; es stimmt dies aber nicht
zum heutigen Sprachgebrauch, indem ostschwäb. 6 zu ^ geworden ist,
vgl. Schmeller, Ma. Bayerns s. 47, 193. Birlinger Augsb. wb. s. 180:
hl^ klee, sqala seele, m^a (mhd me) u. a ebenso Ellwanger ober-
amtsbeschreibung s. 187. In der Baar (Trossingen) herrscht ^: ft
(mhd. e) ; tnet (mhd. me) und ebenso an der nordöstl grenze gegen das
bair.-fränk. : r^h reh, §n^i schnee, f/ar ehre etc. vgl. DM. VII, 392.
Anm. 3. In der Stellung vor nasal zwei beispiele: mhd. wenec
Schwab, whtix; mhd. zwene schwäb. zw^ zwei.
Anm. 4. Mhd. e ist wie e behandelt in den Wörtern : fdlbkr (ahfeSstr)
fenster, kspdtit gesipensty drd^ schnauben (vgl. Alem III, 70 f), haSbke
verbalabstractum zu henken, ddlbk9 denken, ntcEbs mensch (Baar) u. a.;
ostschwäb. gdts gänse (sg. gäös),
Anm. 5. Die stufe e , ei ist in den denkmälern zu belegen, ich
verweise namentlich auf Waags darsteUung der Orthographie der
Yorauer handschrift Beitr XI, 81 ff. a. v. steU., vgl. auch noch z. b.
leir für Idre im gedieht von der siebenzahl 4, 9 Denkm.' 455 Braune,
ahd. gram. § 43 anm. 7. Kögel, literaturbl. 1887, sp. 108. ,
In ZBR: eiwigon 2\ leir ich2}\ hin keire 2\ leiren (docere) 10\
eirren (priore) 20**. 55**». 58^. 59*» 60*; dasselbe besagt offenbar e bei
Grieshaber bL 73» ff. geleit: leti. (vgl. dahdme u. a.) ebenso hehirt,
aehöbn, gelUren. gehirent\ neben meir, urk. 1426 seilen. Gehört hierher aus
den jüngeren Prudentiusglossen clehibere (1. ohleibere)? doch vgl. DWb.
5, 1068. Schietstädter glossen heirro. Diese lautentwicklung
scheint mir die wiederholte Schreibung e für «i, öü zu erklären
J.
§ 73. Die mundart unterscheidet kurzes (offenes) und
langes (geschlossenes) i, es kommt nicht nasalirt vor; i +
nasal wird vielmehr zu e.
§ 74. Mhd. ^ist 1) als i erhalten: britr (ahd. *britir)
pl. bretter, auch sg. schwäb. Wif, dim. britle, vgl. wegen
derhritternen wand Zim. chron. IV, 11, 20. pritt, pritter 36,
17. 18 ; bil9 (mhd. bellen) mit Übertragung von i (aus 2. 3.
sg. präs. vgl. bilt Ingold 27, 4); rifld (mhd. riflfeln) durch-
kämmen (hanf); smite (mhd. smitte) schmiede; gipso (ahd.
*giwisön, intens, zu ahd. gewön) athem holen; miäte (ahd.
mistina) misthaufen; tnp (mhd. rippe) rippe; Hirbe (mhd.
64 111. LAÜTSTAT18T1K.
kirchwThe) kirchweih; ksmisd (mhd. gesmijjen) geworfen;
triso (mhd. wizzen), dazu part. kwist vgl. gewist Zim.
chron. ; wirf f {mhd, wirfet) wirft; sixl (mhd. sichel); hits
(mhd. hitze) ; sif (mhd. schif neben schef, so auch in unsern
denkmälern z. b. cod. ascet. 78) schiff; ilgg (lat. lilium)
lilien; ßitsle (mhd. kitzelin) zicklein; klitsix (zu mhd. gliz)
glänzend; rikle (zu mhd. rihe, gerigen mhd. wb. II, 703,
riccilin Ahd. gl. I, 404, 12 ff.) kleiner sträng (garn oder
seide u. a.); UrU (mhd. birke) u. a.
2) Dehnung ist eingetreten in Ur (mhd. bir) bime;
ksvxt (mhd. geschichte); pllhd (mhd. beliben) geblieben; Ml
(mhd. zil) ziel, auch termin z. b. für den Wechsel der dienst-
boten Ygl. Zarncke, Narrenschiff s. 304, 28 ; fix (mhd. vihe)
vieh ; ms (mhd. wise) wiese ; wif (mhd. wirt) ; wldd (mhd.
wide) sträng aus geflochtenen weiden, vgl. cod. poet. 29:
widböm oder und vnd rüttd da rnan körb mit machet oder
reben bindet; Osthoflf M. ü. 4, 97 f.; slb9 (mhd. siben)
sieben; hms (mhd. gewiss); tstl (mhd. zil); wikf (mhd. wigt)
wiegt, hat gewicht; sm^f (mhd. smit) schmied; tsfrtdd (mhd.
vride) zufrieden; si (mhd. s^) sie; spib (mhd. spiln) spielen;
tsibl (mhd. zibele, cod. m e d. 5 ziblen ; lat. caepulla) zwiebel ;
psls (mhd. beschi?) betrug, vgl. Zarncke, Narrenschiff s. 446;
wijh (mhd. wifele) mit der nadel verweben; tslfr (mhd.
.^ifer) geziefer; IHs (mhd. kirse, lat. ceresia) kirsche; gTXtr
(pl. zu mhd. gibt) krämpfe ; i gib (mhd. ich gibe) ich gebe ;
Kifd (mhd. kifen) kauen, vgl. Kluge etym. wb. s. 168.
A n m. Länge wie kürze werden in der regel durch i wieder-
gegeben, sehr häufig durch y z. b. urk. 1412 wysen, wys, by. antonyen,
1431 dryssigosten, 1439 wythwen. ynniemen. 1474 mystens, mystes. 1488
hy» wysen (wiesen), myn, 1510. fry, verlyhen. wys. wyter, zyt. vlyss.
Meichssner im handbüchlein beschränkt ^ auf die länge und Gott-
sched, Deutsche sprachkunst (1757) berichtet s. 37: in Schwaben
lehret man die knaben jt, ey, zeit sagen. Ganz vereinzelt ist unter
einfluss der reichskanzlei ie geschrieben worden: urk. 1460 wiesan*
1464 wiesun; Niclas von Wyle: siebenden, fried, spiele Nohl
s. 22 f. doch findet sich diese Schreibung bereits im Augsb stadt-
recht von 1276 neben i: geschrieben, geliehen, begrie/en. nieden; sowie
in St. Ulrichs leben, vgl. Schmeller, ausg s XXI f.
§ 75. 3) Vor nasal a) trmko (mhd. trinken); f^r
(mhd. finget); den (mhd. da inne) drinnen; sent (mhd. sind
I. TEIL. VOCALISMUS. 65
sent Aesop s. 358. Ruiand s. 2); hendr (mhd. hinder)
hinter; lenf (mhd. linde vgl. Ulm 1430 D. Reichstagsa. IX,
486 Und oder herte) weich, geschmeidig; wetort (mhd. win-
garte) weinberg ; bretdd (mhd. bringen) ; frsenf (mhd. schindet)
er schindet; dr henddro vgl. Aesop s. 80 hinderen = arsbake;
spem (mhd. spinnen) spinnen; slem (mhd. schlimm, bei ülr.
Kr äfft schlem),
b) Ice (mhd. kin) kinn; ts§ (mhd. zin) zinn; en (mhd.
in) ihn; em (mhd. im) ihm; u. a.
Anm. 1. i vor r wurde in pausasteUung zu ?V in midr (mhd.
mir, wir) mir, wir ; didr (mhd. dir) ; idr (mhd. ir) ihr, vgl noch Bir-
linger Augsb. wb. s. 242 f. ; im Zusammenhang der rede er&cheinen mlr^
dir, Ir^ vgl. Beitr. XI, 304 ; Grimm gr. I, 294. Diese erscheinung ist
sehr alt vgl. ZBR. ier 26% 42*, 57", 61«. Grieshabers pred. dier.
wier. Weingarter pred. wier, cod. h e r m 24 dier. cod. b r e v.
55 mier. dier. cod. ascet. 78 hr, dier. urk. Ulm 1281 ier. 1303 tvier.
Aesop ierem s. 4 u. ö. ain gyer (geier) s. 184. Mörin dir : vier
1131. Ehingen mier, tvier häufig. Ingold wier 32, 2. Georg-
spiel: ir: schier 175. dir : schier 181. St. Ulrichs leben mir :
schier 93. 542. wir : schier 536. Hätzlerin dir : zier 60, 20. mir:
schier 131, 47 Zim. chron. schier: mir IV, 214, 22. hier ^ pier {hirne^
mhd. bir), danach bierenbaum. hierensiil cod. brev. 15 hierenmost.
Formen wie stiem (stirne). gebiert in cod. med. 15 (vgl. ebenda alem.
würm = wirra wärme), wiert, gebiert, veriertt. begierd. stierbt. cod.
cameral. 1. bezeugen den einfluss des benachbarten alem.; dürfen nicht
als Schwab, gelten.
A n m. 2 i für ai im sg. prät. der ablautenden verba der /-reihe
beruht auf Übertragung von den pluralformen und ist bereits zu beginn
des 15. jh. nachweisbar vgl Trist rant zwain : schin (leuchtete) bl. 65*.
doch zwain : schain 66*. begriff ll'\ cod. theol. et phil. 17 ritt
(neben rait^ no. 185 belib. traib. u. a.
§ 76. Mhd. 7 wurde zu oi diphthongirt , vor nasalen
wird oi zu de. a) boi (mhd. bi) bei; sraio^- (mhd. schrien)
schreien, weinen; wpwfj"f (mhd. wlhen nachten) Weihnachten;
tvdido (mhd. Wide) korbweide s. o. § 74, 2 ; rQitr (mhd. riter)
sieb; hdiro (mhd. hien) heiraten; foi^ (mhd. iTt) er liegt, da-
nach auch inf . bigo liegen ; foitix (mhd. vTrtac) feiertag ;
ic9il (mhd. wile) zeit, auch als conjunction, aber noch in der
alten bedeutung von „während, solange" z. b. woil sedq
gqs9 hoonf so lange sie hier gegessen haben ; raisix (mhd.
rlsech) dürre zweige, reis; khio (mhd. klle) kleie; gdit, goist
Kauffmann, Fr., Qeschichte d. schwäb. Mundart. 5
66 111. LAÜT8TAT18T1K.
(mhd. glt, gist) er gibt, du gibst ; fdigl (mhd. viel, lat. viola)
Veilchen; bdü (boigl) (mhd. bil, bihel) beil; sdit (mhd. schit)
scheit; dixd eichen von gefässen vgl. yche urk. 1438. ycher
im Herkommen; spdiLd (mhd. spTwen) speien; hilix (mhd.
iTlachen, Ahd. gl. II, 480, 78 vgl. leylach bei M y nsinger)
leintuch ; bdiTc (mhd. bige, beig Zim. chron. II, 472, 23)
strues ; Sdi imp. (mhd. si) sei, bis imperat. ist aus Aalen be-
zeugt, vgl. ulmisch biss cod. bibl 35. cod. herm. 24. cod.
asjceit. 78; kswdi (mhd. geswie) Schwägerin; Hdid (mhd.
gehien) 1) gereuen, 2) werfen vgl. Germ. 16, 78; tsdit (mhd.
zit) zeit fein., in Wein gart. pred. u. a. fem. neben neutr.
b) ksab (mhd. gesln) gewesen; snabcb (mhd. sniden)
schneiden; wob (mhd. min) mein; hdet (mhd. hinte) heute,
hM (mhd. hiute), Ulm 1407. 1409 (D. Reichstagsa. VI, 206.
463) hütbitag, jetzt meines wissens nur noch in der Schweiz
lebendig, in Tuttlingen hitie den heutigen tag über;
läene mhd. iTnin) leinen ; krdena (mhd. grlnen) weinen ; ^näe
mhd. hinin) hinein; uäe (mhd. wIn) wein u. a.
Anm. 1. Belege für die diphthongirung gehen in Augs-
burg bis ins ende des 13. jahrh. zurück: urk. 1283 meins. meinem,
meinen, Zeiten, hey, freylich, beleihe, Seybot. Seyfrid. seinem, 1283 leit,
seit, 1283 geit. sein, vreitage, 1285 meinem, 1285 die weil, 1288 seindt,
seiner, leichen, villeichU zeit, dreyen. sei. herein, drey. bei. erleiden, be-
weiset, 1288 Schreiber, 1295 güetlein. Im 14. jahrh. nehmen die belege
sehr stark ab z. b. 1345 wil. lip, min, sin, belib. Dagegen widerum
Augsb. chron. von 1126 liib Jcingreich, seim, bey, zeyt, reich, weil,
streyt, weyben, schreybt, geyt. wein, Sweytzer u. a. Horb urk. 1460 zeyit,
weytter, geweist, weisen, frytag. 1463 zeyt, zeytten, weys, weisen, 1464 leyt,
geyt neben git. lit. weys. tveysen. 1464 weyss. zeytt. 1465 weyss. 1477 bey,
1478 weysen. steyglin, 1481 zeyten. meine, meiner, drey. seyend, 1477 weyse,
etc. vgl. Germ. 24, 76. (a. 1472). Nach der mitte des 15. jahrh. findet sich
zuwehen y t ij geschrieben: wyter. zijt. Stets ist aber der neu ent-
standene diphthong" orthographisch von dem alten ni geschieden, vgl.
inj. H. Meichssners handbüchlin (Tübingen 1538) bl. V, bei
Müller s. 160 : im land zu Swaben schreibt man die ueisen hern vom
Raut haben die waisen pfleger geordnet . . item. ains. zway. ailffe.
zwaintzige. Wolf gang Lazius de gentium aliquot migrationibus etc.
1557 (Socin, Schriftsprache und dialecte s. 267 f ): quando ei diphthongo
Suevi utuntur, Austriaci ai loco illius usurpant diphthong^m.
Anm. 2. Anlässlich der form ÄrsdS (part. prät vgl. bei "Wolf-
gang Lazius a. a. o. nee illud ignorandum est, Suevos ac praecipue
interiores clausa finali uti gsyn pro eo, quod exteriores gewesen dicunt ;
I. TEIL. VOCALI8MC8. 67
vgl. Birlinger A. S. s. 191 f.) ist zu bemerken, dass dieselbe nur noch
im Süden des schwäb. Sprachgebiets gilt (so auch DM. lY, 99), im
norden herrscht kw^ gewesen. Ob in der älteren zeit gesln dem ge-
samtgebiet des alem. zugehört hat, ist nicht mehr festzustellen, da die
form viel seltener auftritt, als ihre heutige Verbreitung ahnen lassen
könnte, und sie in der regel gewesen neben sich hat und zwar überwiegend,
vgl. im Lanzelet was gesin 1325. 2789. 4307. 4925. 5701. 6821.
Niclas von Wyle hat gewesen (wohl schriftsprachlich) daneben gesin
308, 10.; ebenso Ehingen gesin s. 2: gewesen s. 7. Georgspiel öfter
gsein. Reimohronik int gesein (^«etn): wein. s. 3 vgl. s. 9. hert'
zogin : gsin s. 14. Rhein : gsin, s 14. gewesen : gelesen s. 5 u. ö.
Auch in einer augsburg. hdschr. des 15. jahrh. gesin. neben gewest
Germ. 13, 76. Urk. 1327. 1365. etc. gewesen. Rottweil 1400 (Deutsche
Reichstagsa. 17, 138) gewesen sind. Engeltal 14SS. sig gesin. Mone
Schauspiele I, 288. 290. 299. 302 u. a. gesin dagegen 290 gewesen : ge-
nesen, Winterstetten bin gewesen : erlesen 19, 25, dagegen bei
Walther von Rheinau was gesin : guldin 88, 33. : din 100, 14 etc.
Handschriftlich : c o d. ph i 1. e t t h e ol. 54:j /«/ gesin. war gesin. : wter
gewesen, no. 68: ist gesin \ was gesin: hin gewesen,^ ist gewesen, no. 72:
war nit gut gesin. das der mensch allain wer gesin : ist gewesen, wcer
gewesen : wcer gesin (in einem satzpaar), no. 74: was gewesen: wär^ hin
gesin. cod. theol. et phil. M. ist gesin. no 184: wer gesin: wer
gewesen, sölt gewesen sin*, was gesin. no. 195: ist gewesen: were gesein.
cod. ascet. 78 sig gesin : werest gewesen. So auch in dem alem.
(nicht schwäb.) Ritter vonStauffenberg was gesin : sin. gewesen :
genesen. Aus all diesen belegen ist klar ersichtlich, wie wenig verlass
auf diese flexionsformen in frage der heimatsbestimmung ; Jänicke^s
versuch den Wolfdietrich D Niederschwaben zuzuweisen (DHb IV,
IX) ist folglich unstatthaft.
c) In der Verbindung mhd. f + s hat sich nasaldiph-
thong entwickelt in folgenden fallen: labs (mhd. lise) leise,
ungesalzen vgl. DM. VIT, 357 f. leins cod. poet. germ. 3.
linse leniter bereits in ZBR 16*; vgl. ferner Mone Schau-
spiele II, 206 2ewh: linss 563 (15. jahrh.); Keller er-
zählungen leinss 325, 17. Zim. Chron. leins; dagegen Mörin
Its: Felis 3057. Hätzlerin reys : leys 18, 16. weiss : leys 20,
4; hslich.: Tristrant: lyns\ däesl (mhd. *dTsel neben dihsel
vgl. Braune ahd. gramm. § 154 anm. 4; Beitr. VII, 196)
deichsei; tsabsle (mhd. zTslin vgl. zinslin Zim. chron. III,
366, 25. DM. VII, 343.) zeisig; so nun auch tsabstix (mhd.
zTstac) Dienstag vgl. DM. VII, 379, Andresen Zs. f. d. a.
30, 415 flf. Germ. 19, 428 ff. Tuttlingen tsoistik, Urk. sehr
häufig cinstag z. b. Entringen 1298. Horb 1482 etc.,
5*
68 III. LAÜTSTATISTIK.
Lehenbuch. Horb 1533 zeynnstag. [die ostschwäb. benen-
nung ist aftrme'tix vgl. aftermontag urk. Augsburg 1342.
Schmidzunft von Ulm 1505. cod. bibl. 35: aftermäntag],
(Vgl. noch cese eisen bei Birlinger A. S. s. 105. 106 wie
ynsen cod. poet. 30). Die Nasalirung ist nur in diesen
isolirten nom. eingetreten; in andern i + s enthaltenden
Wörtern mit mehr oder weniger ausgedehnter sippe ist sie
nicht zu konstatiren, doch vgl. des eis wie schon cod. poet.
30 bis : isenknit. cod. ascet. 78 ynss\ ich nehme an, dass sie
sich nur in geschlossener silbe entwickelt hat, daher in
Horb niemals dese eisen, nicht r des ix (vgl. oben a), sondern
nur roisix (danach auch ra/s), stets ivdisagd etc. (siehe die
reime bei Schmeller I, 1513).
§ 77. In einzelnen unten näher zu erörternden fallen
ist mhd. t wie / behandelt und diphthongirt worden: fM
(mhd. vil) viel; mrei^ imi (?) Marie; ebenso fey bei Birlinger
A. S. s. 62 vieh. Häufiger ist diese erscheinung bei folgen-
dem nasal: bde (mhd. bin) ich bin; fdef (mhd. finf) fünf;
hde hin, dahin, caputt, vgl. cod. ascet 78 : der sehne afj dem
veld schmutzet . . das ist ein zaichen das der winter hin sy;
/delo (aus lat. femella, mhd. vimel) die weiblichen hanf-
stengel ausraufen; Idieso (mhd. linse) pl. linsen; tsdes (mhd.
zins) zins; bdes (mhd. bin?) binse; fdestr (mhd. vinster)
finster; kwdest gewinnst, gewinn; gehören hierher wdibld
{ygljfdele; mhd. winden, Aesop s. 71 winheln, Mynsinger
s. 60 wynhelt) wiehern; bdele biene (mhd. bin)?
Anm. 1. Im falle der pro- oder enclise wuicde stammhaftes %
zu e geschwächt: ^ (mhd. ich); m^ (mhd. mich) u. a.
Anm. 2. Das ostschwäb. kennt die diphthongirung alter kürzen
nicht, vgl. EUwanger oberamtsbeschr. s. 187. Grosse ausdehnung hat
dieselbe in Balingen: tcdbtr winter, trdtkd trinken, hcSbddld himbeeren,
icabkl Winkel, tcdSikd winken, hdSbkd hinken, iäitk fink u. a. Oberamts-
beschr. s. 139. 148. — fei uff beim Herzog ^on Braunschweig. In den
liedern von 1633: teil viel; aus den Urkunden: feimf= fünf 1528.
zeinsst 1528. 1530 = zinst; 1536 zeinss bn'ejfflift, zeinsf, lb44 feufijfft 5.
cod. theol. 146 feuH^Urnusif. etc.; bei Haselberg finden sich die reime
p/eil: Zeil (^ ziel) 55, 56. ril (1. teil): senl {= säulen) 355, 356. Vgl.
in der Zim. chron. bein (bin), heitt (liin). rri7 (viel) I, 18, 5. III, 135,
15. Zeil (ziel) IV, 218, 23. ich bin : ein IV, 239, 41. fein : hin IV, 243 17.
I. TEIL. VOCALISMÜS. 69
0.
§ 78. Mhd. 0, ö erscheint in der mundart als p, ö, g,
9i Qi Q^i ^^1 ^'
1) Mhd. ö ist als g bewahrt; hgf (mhd. böte) böte;
^pf (mhd. got); hgh (mhd. holn) holen; mgkl (mhd. mocke)
kindername für kuh ; mgst (mhd. most) ; spx (mhd. schoche)
heuhaufen; frsgp9 (mhd. verschoppen) verstecken; ksgldd
(mhd. gescholten) ; wglfl (mhd. wol veil) wolfeil ; tsggd (mhd.
gezogen) gezogen; hgs (mhd. bosche vgl. rösenbosch cod.
theol. 5.) busch; frsrgko (mhd. erschrocken); dglaordt
(mhd. *tolöroht) taub; rgs (mhd. ros) pferd, nordschwäb.
wird das pferd gotd genannt, die bezeichnung phärit z. b.
cod. phil. et theol. 72 ist selten, dagegen bei Mynsinger
allgemein; hgpfo (mhd. hopfe) hopfen; tsgpfo (mhd. zopfen)
die haare kämmen vgl. Schmeller II, 1145; klgts9 (mhd.
glotzen) stieren; hgko sitzen; pswp^9 (mhd. besnoten) knapp;
hgldr (mhd. holder vgl. DM. II, 48. cod. med. 5) hol-
lunder; trgfo (mhd. getroffen); ebenso klofo (gelaufen) vgl.
geloffen Aesop s. 71. gloffen Reimchron. s. 138. geloffen
Keller, erzählungen s. 224, 9 (a. 1524). verloffen urk. 1438.
Tristrant: entloffen; krgf {mhd, krote, die krotten Aesop
s. 263. krot cod. phil. et theol. 74.) kröte; ^^ps mund vgl.
Schmeller I, 952; gpst (mhd. obe;) obst; ngdo noten u. a.
2) mhd. Ö' ist gelängt worden in: föl (mhd. vol)
voll; wöl (mhd. wol) wohl; dgp\ döb9 (mhd. da ob, obene)
droben; klös9 (mhd. gelosen vgl. Grimm gr. I, 856 [Neu-
druck]) gelesen, Jan icke zum Ritter von Staufenberg 675
weist gelosen in v. Liliencron, histor. Volkslieder I, 13, 69
a. 1298 nach (die änderungen Haupts oder des herausgebers
I, 13. 20 sind unbegründet), die o-stufe (= l son.) ist
dieselbe wie z. b. ags. dropen Beöw. 2981 gegen sonstiges
ags. drepen vgl. Sievers Beitr. X, 283, vgl. nhd. gepflogen,
ahd. gehellen: mhd. gehollen, mhd gelechen: gelochen vgl.
Beitr. VII, 110. gebrosten cod. phil. et theol. 74; kstöb (mhd.
gestolen) gestohlen; ödr (mhd. oder); fökl (mhd. vogel); hgs
(mhd. hose) hose; döh (mhd. toi, ahd. dola kanal) mistjauche;
70 III. LA.UTSTATI8TIK.
?/ (mhd. Oven) ofen; frströblt (mhd. strobelen) part. prät.
struppig; ß^x (mhd. koch); s^l (mhd. sol) sohle; tröß
(mhd. troc) trog; döxtr (mhd. tochter); kföxts (mhd. ge-
fochten); hQf (mhd. hof); böi^, börfd (mhd. boden) boden;
h^l (mhd. hol) hohl u. a.
3) Nasalvocal ist eingetreten in der Stellung vor
M, m: a) fom von dem ; kfdöm^ (mhd. genomen) genommen ; ofdjcl
onkel u. a.
b) fö (mhd. von); mit vorwärts wirkender nasalirung
nd (mhd. noh) noch.
4) In meist einsilbigen Wörtern entwickelte sich
mhd. ö vor r zu Q9 (analogisch auch auf mehrsilbige über-
tragen?). Der Übergang des geschlossenen zum offenen q-
laut wird auf rechnung des r zu setzen sein, vgl. Vietor s.
203 f. Heusler, Alem. cons. s. 86. ßQ9n (mhd. körn); mQ9n
(mhd. mome vgl. morn und übermom cod. ascet. 78 u. ö.)
morgen; dqsr (mhd. tor) thor (in Urkunden auch tair ge-
schrieben, weil ai gleichfalls qd ergeben hatte); hq9n (mhd.
hörn); tsqdn (mhd. zom); Qdt (mhd. ort); cbfqdr (mhd. da
vor) aber im Satzzusammenhang fqr, fqr vor ; frjqdro ge-
gohren (mhd. gejesen ist neubildung, ahd. *gijoran); wqsrd
(mhd. worden); kswqdvd (mhd. gesworn) geschworen; stqorR
'(mhd. storc) storch; bqdvdr (zu mhd. born) bohrer; fqdddVd
(mhd. vordem) fordern u. a. Da sich in andern durchaus
analogen Wörtern diese diphthongirung nicht findet, so ist
anzunehmen, dass sie nur unter bestimmten tonbedingungen
eingetreten ist und für die einzelnen fälle doppelformen
anzusetzen sind, die spurweise noch erhalten (vgl. oben fqsr,
fqr), meist aber zu gunsten der einen aufgegeben wurden.
So sind zu beurteilen: sqrß (mhd. sorge); bqrU (mhd. bore)
borg; kqrp (mhd. korp) korb; hqrp (mhd. horwe) Horb;
mqrgd (mhd. morgen); kstqrbd (mhd. gestorben); frwqrgst
part. prät. (mhd. erworget) erstickt u. a. vgl. Birlinger
Augsb. wb. s. 357.
Anm. 1. Im sog. nieder (nord)-schwäb. ist dieser lautwaodel
nicht eingetreten, hier ist p auch vor r geblieben: korp Hgrp sgrJS
horP. mgrgd tsgrn hördv sigrx u. a. — Im Baier. hat sich o in dieser
Stellung zu a weiter entwickelt. — Dem in der Balinger gegend für ^
I. TEIL. V0CALISMÜ8. 71
eintretenden ja (vgl. § 70 anm. 2) entspricht wa für qd vgl. wanSfd
Ordnung, ivargl orgel, dwarf dorf, ebenso in folge der identität der
laute wnlfe (aus q9lfe mhd. ailf) elf, wai9r eier.
Anm. 2. Schon die obersohwäb. lieder von 1633 DM. IV, 86 ff.
schreiben soarga^ moarga^ foadra^ doarff. Dasselbe bedeuten Schrei-
bungen wie rair (vor). sa/r<7 (sorg) cod. breviar 55 vgl. unter wo, ai,
§ 79. Die entsprechungen für mhd. ö aus germ. au
(vgl. Automarus 752. 758. Autmanno 772. Aoto, Aotahar 769.
Otger 782 u. a. Lex. Alam: morthtaudo. morttodo) sind
folgende :
1) Es erscheint ö in: flöts floss ; so (mhd. so) so;
hötsiU (mhd. höchzTt) hochzeit; frö (mhd. frö) froh; fröhixnäm
(mhd. vrönlTchnam) frohnleichnam, der nasal ist lautgesetz-
lich geschwunden, vgl. Birlinger A. S. s. 107 ; u. a.
2) Vor nasalen als o : krö (mhd. kröne) ; bo (mhd.
böne) bohne; lö (mhd. lön) lohn; frö (mhd. vröne) frohn-
dienst.
3) Als ao: a) aostdrs (mhd. östern) ostem; flaots s. o.
flöts \ (jraos (mhd. grö;) gross; üao (mhd. vlö) floh; aar
(mhd. ör) ohr; sraodd (mhd. schroten) schroten; strao (mhd.
strö) stroh; laos (mhd. lös) loos; raof (mhd. röt) roth; braof
(mhd. bröt) brot; raosQ (mhd. rösen) pl. rosen; lao (mhd.
lö) gerberlohe; frao (mhd. frö) s. o.; traostl (danach mhd.
dröstel) drossel; slaos (mhd. slöje) schlösse; blaos (mhd.
blö;) bloss; raor (mhd. rör) röhr; naof (mhd. not) not;
^raos^ (mhd. tröst) trost; daof (mhd. tot) tod; hao (mhd.
hö) hoch, danach auch haotsiJS s. o. hötsik; klaostr (mhd.
klöster), kloster; in Balingen u. ostschwäb. noch kfdaof
(mhd. genöte) oft. u. a.
b) vor nasal als ab : sab (mhd. schöne adv. zu schoene)
schon; kr ab vgl. oben krö kröne; lab (oben lö) lohn u. a.
§ 80. Auch mhd. Ö* erscheint diphthongirt : a) frfraord
(mhd. erfrorn); frlaorg (mhd. verlorn) verloren; es kann
keinem zweifei unterliegen, dass diese formen auf die ver-
lorenen präterita ^fraor (mhd. vrös, vrör), ^frlaor (mhd.
verlos, verlor) zurückzuführen sind.
b) dabrdi (mhd. donret) donnert ; dabstix (mhd. donres-
tac) donnerstag; weitere belege siehe unten anm. 1.
72 III. LAUTSTATISTIK.
Anm. 1. Schon in ahd. periode findet sich für ö auf bairischem
gebiet die Schreibung o* vgl. Denkra.* 545. 582. 616., Weinhold bair.
gramm. s. 103, mhd. gr. s. 83, Braune ahd. gramm. § 45 anm. 5., Beitr. XI,
123. 143. 153. An dieser letzten stelle meint Waag „lautliche bedeu-
tung sei kaum anzunehmen**, dem ich mich nicht anschliessen kann.
In den Urkunden von Horb finde ich 1424. 1427. 1465 sto^'sst] 1435 ab-
gelo^aet, no*t\ 1511 clousters, stoussent. ousterhalden; 1528 lou^ssung;
1535 lousung ; 1544 routen^ groussen^ umgekehrt häufig koffen kaufen ; 1334
vnlougenbere, 1335 vnlogenhar \ vgl. Ulm 1295 gekofet. kofe. 1296 ver'
kopheU 1297 verkaufet, etc. etc. a. 1431 (Reichstagsakten VIII, 621) d^r von
Cölne houpiman und unser liopiman die baide am gemainer houptman. Der
Wechsel der Schreibungen beweist den diplithongischen wert des buch-
staben o (vgl. die zahlreichen o", ow), der auch über die Schwab,
grenzen hinausreicht z. b. in der Weingar ter Liederhand-
schrift: Meinloh: o^ge neben o<7^ wie grossen^ vrowen, Rugge: zober-
liste. In der Reimchronik lau ff en : koffen. Ich halte diese Schrei-
bung für durchaus den lautlichen prozessen angemessen, ö hat sich
zu o" und dann gemeinsam mit altem mhd. ou zu ao entwickelt vgl. die
unten folgenden übereinstimmenden Zeugnisse. Der herzog von Braun-
schweig schreibt noch lous^ groussen^ aber naut ; Weckherlin s. 327 f. :
graussa^ schaun, fraw (el)enso aw = auch), straw, ratvt^ brawt', ebenso
im Fastnachtsscherz DM. YII, 488: schaun, awra\ in den liedern von
1633: kaont (kommt), schaont (schont), vaon (von), saond (sont =
sollen); fraoh fro u. a. Belege aus älterer zeit sind ausserordentlich
häufig vgl. Grieshabers pred. gebo^'t. ferbouU Wn, Wnen, lo^nunde.
gro^ssen. do^t. do^de. do*r, dorren, o^ren (doch auch irrtümlich auf
kurzem o: o'^fne, goH), Urk. Esslingen 1291 fro^^nhove. 1292 gro^'z.
Bo^nlanden ebenso wie ko^fenne, o^ch. 1295 clo"stirs. fro^nhoves, braute.
Weil 1295 notdürftig. Reutlingen 1310 clouster. toud. Beben-
hausen 1309 lo^'si. Engeltal 1417 lo^'s. 1421 clouster. toud. grouss,
oustertag. 1433 bo^nen. 1483 houhen.
Nach § 61 anm. 2 ist ä vor nas. häufig o geschrieben, wofür
ausser au (vgl. § 61) auch o" erscheint, wir haben demnach lautlichen
zusammenfall der diphthongirung von ä und ö zu constatiren ; vgl. urk.
Engeltal 1421 la^'n (masc. lohn). 1417 ho^'n (= hän). ho^nt, etc. und
sind berechtigt für die einfachen Schreibungen ä, ö gleichfalls diph-
thongische ausspräche anzusetzen. Schneider reimt demgemäss nat
(noth): rat : hat. auch : flach (floh), rot : not wie geschaut : rat vgl.
§ 61. Im spiel von St. Georg krön : getan 178 etc. schon :
krön 179. gan: schaun : getan 187. vergat : tod 181 rat : tod 183; ebenso
Zim. Chronik hat : not IV, 217, 46, ebenda loti (lassen): schon.
In der Morin: houn (hän): schon 55. hon : schoun 1585. houn: schoun
1971.: doji (ton) 446. not : gedrot (gedräte) 270. krön : getoun 345. 2019.
vgl. geton 671. 761. stoun : schon 1293. Hätzlerin: don (ton) : Äa^n
30, 41. fro : da 226, 43. mon : don 264, 23. Reimchronik schon:
vergon s. 3. u. a.
V . .
I. TEIL. VOCALISMÜS. 73
Wie a", au für ä so ist auch ou für ö nicht auf Schwaben im
engeren sinn beschränkt vgl. in den alem. von M o n e herausgegebenen
Schauspielen I, 287 schob's : f/ross. I, 293 gross .'blo^'s. I, 295 lo^n :
mo^n (mond, mäne) ebenso I, 298 empfa^n : lo^n (län). spa^t : braut (hrot)
I, 301. ferner toud : nout II, 131 fif. toud : rout II, 139. daneben toud :
}iot; fod : nout v. 307. 341.
In der Mörin: heschowt : drout (drohte) 667. toudt : nott 749.
toud : rot 817. zoch : roch (rauch) 4965. gouch : ouch 1481. 2207. da-
gegen goch : ouch 183. 1171. 1329. goch : zoch 329. 1667.: hoch 3363.
dagegen ouch : zoch 1427.: hoch 3551. loff : kouff 1623. ousterspü 2860.
gestoussen 5467. 5471. gross: stous 5503. beachte frow (frau): strow
(stroh) 5805. Tempel: droust 333. froust 1135 (trost). toun : krön
945. ton : hon 1001. In Steinhöwels Aesop sehr häufig: houch
8. 6. 97. stoussest s. 52. stousset, floug. schotiss s. 62. gebout s. 68.
schous 8. 139. du tourl s. 193. halbtoulten s. 215. schamrout s. 241.
y?oi/cÄ 8. 257. groussen s. 265. «o«f s. 283. 5roM^ s. 312. bloussem s.
322. houchzytlich s. 351 ; die lautliche identität mit dem alten diph-
thong bezeugen die Schreibungen aur (ohr) s. 225. 256. auren s. 238.
265. 268. daneben ouren s. 346. in der Reimchronik noth : Vaut s.
144. siraw (stroh) s. 159. Handschriftlich: Tristrant: boushait,
zo"ch. grouss. flous wie loub. etc. o^ren cod phil. et theol. 50.
"Wie ä a für a" (§ 61 anm. 4), so findet sich neben den erwähnten
Schreibungen ö, 6 z. b. bei Niclas von Wyle, in Steinhöwels Aesop
(vgl. err outet s. 60. errötet s. 81. gokelman s. 70. kbjfen s. 42. bom
8. 78) Tristrant: not. emböt. gross, louss : gross u. a. (dagegen
wolt. sölt. schönsten u. a.), von bl 54 ab verschwindet ö, dafür tritt o"
ein : gro^s, noH. to^d. doch am schluss wieder ög (äuge) wie ören. Dass
diese puncte aus übergesetztem e entstanden sind, belegen noch die
Weingar ter predigten brösmo . schSze. hoch. verstSzen. brStis. cod.
phil. et theol. 72 lo^n. kro^n. blo^ssen wie to^ff (taufe), cod.
med. 15. froust. oustnortwind. schoitss. toud etc. Besonders interessant
in cod. theol. et phil. 146: hauch, auren. clausterlüt. clauster.
austern. hauffart (ebenso wie haupt. auch. etc. naudleti. nadeln u. a.).
Anm. 2. Im bair.-schwäb. ist die entsprechung für mhd. ö (wie
ou) q9 vgl.: qdr ohr; c?(^af tod ; rqdf roth; brqdt brot u. a. (ebenso q9lS
äuge). Birlinger Augsb. wb. s. 360. Ebenso im EUwangischen z. b.
krq? stroh vgl. die oberamtsbeschreibung s. 188. Das alem. dagegen
scheint das alte (vorauszusetzende) qu bewahrt zu haben : stqusd (mhd.
stöben), rqutwU (mhd. Rotwil) Rottweil, 7*qut, qustdrd ostern u. a. vgl.
Birlinger A. S. s. 85 fif.
Anm. 3. Vgl. auch die schwäb.-latein. naos für nos, naosfr für
noster bei Fischer Hechinger latein in den Viertel Jahrsheften 1885,
8. 232 ff.
74 III. LAÜTSTATISTIK.
u.
§ 81. Die entsprechungen für mhd. u (ü) sind: u, ü,
9H, (w, ö, ö. Es gelten folgende regeln :
1) mhd. u ist u geblieben : sust (mhd. sus) sonst ; ruti9
(mhd. rutschen) hinabgleiten ; rupfd (mhd. rupfen zu raufen)
ausraufen ; stupfl (mhd. stupfel) stoppeln ; wule (mhd. wullTn)
wollen; sulf (mhd. schulde) schuld; triikd (mhd. trucken,
trucken brott cod. phil. et theol. 54) trocken; ruke (mhd.
ruggin) aus roggen ; sukd (mhd. schucken) stossen ; buhl
(mhd. buckel) rücken, ähnl. bildung buH =- ausbiegung,
buckel; snpfa (mhd. supfen) schlürfen; butsd (mhd. butze);
nus (mhd. nu?) nuss; krukd (mhd. krukke) krücke; tnt^
(mhd. truhe) truhe; dul (mhd. tule, mhd. Wb. III, 11 lat.
(mone) dula vgl. cod. poet. et phil. ain tul monedula)
dohle; hutsl (mhd. hutzel) getrocknete birne; fuks (mhd.
vuhs) fuchs; Icutld (mhd. kutel, vgl. Bezzenbergers Beitr.
X, 300) gedärme; duft (mhd. tuft) thau, reif; mustr (lat.
monstrum) ; nustr (lat. [pater] noster) u. a.
2) mhd. ü ist gedehnt worden; dür (obd. mhd. dur)
durch; dün (mhd. turn, turne cod. theol. et phil. 195)
türm; stüp (mhd. stube z. b. cod. theol. et phil. 54.)
stube; s/üxtd hopfenranken, -stengel vgl. Schmid schwäb.
Wb. s. 467 f. (ahd. *sluchti- idg. slqti- im ablautsverhält-
nis zu griech. IsnTog schlank , zu schlingen gehörig vgl.
schlunchta ast aus dem Oberinnthal DM. III, 319); Jüf
(mhd. Jude) Jude ; früxt (lat.fructus) frucht ; ^klüf (ags. clufe)
Stecknadel vgl. Schmeller I, 1327 ; tsüpr (mhd. zuber, Augs-
burg urk. 1282. zuber, zuberlin cod. poet. 29. zuber cod.
med. 5.) vgl. Kluge etym. wb. ; ruf (mhd. ruf, Sievers-
Tatian schreibt fälschlich ruf) kruste einer wunde, kratze;
lüge (mhd. lue, lüge) lüge; süxt (mhd. sucht); düsf (mhd.
durst); mts (mhd. schürz) schürze; liüts (mhd. kurz) u. a.
3) Vor nasalen tritt Senkung zu ö o ein: a) höfdr
(mhd. hunger); dönii (mhd. däundnen [urkundl.] vgl. ahd.
undenän) drunten, ebenso önd, dagegen ondd (mhd. unden)
unten; Icömt Mönf (mhd. kumst, kumt) kommst, kommt;
I. TEIL. VOCALISMUS. 75
sö^k9 (mhd. schunke, schunken Zim. chron. I, 13,35 im
ablautsverhältniss zu schinken ; tröffdr (mhd. wunder) ; pönd9
(mhd. gebunden); kföndd (mhd. gefunden); kspröfOd (mhd.
gesprungen), analog. bröf99 gebracht Weinhold al. gr. s. 390 »
bröntsd pissen vgl. brunczet Aesop s. 46. harnend oder
brunezend cod. med. 15. krom (mhd. krump) krumm; sön
(mhd. sunne, der sunn Mörin 422. Tempel 912. (die
sunn Mörin 441. 1691) der sunne cod. theol. 5.) sonne;
prön9 (mhd. brunne) brunnen; Im (mhd. lunge); sömpf
(mhd. sumpf) u. a.
b) sd (mhd. sun) söhn; pföf {mhd. pfunt) pfund ; dröm
(mhd. drum) langes stück vgl. Kluge etym. wb.; u. a.
Anm. Belege für diesen lautwandel sind zahlreich und gehen
weit zurück: Zira. chronik IV, 343 gefonden, brojinen. gonst. komer,
kont Schaft, kromm, somm^rl son. Reimchronik oninersitet s. 13.
onordntmgen s. 26 ebenso oiirecht, oncristenlich. kom : vmb vnd vmb.
8. 18. ebenda vernommen : jungen : gesungen s. 21. sonntag. s. 18. bronen
8. 53 u. ö. Ulr. Kr äfft: klumppen^ klomppen, sonn envnder gang, vmb
aoiisfen. R u 1 a n d : raitong. Ehingen gewonnen, s. 20. Hermann von
Sachsenheim im Tempel übenvonden : stunden 587. son : davon 625
demnach sind als orthographische versuche aufzufassen Mörin darvonx
des kaysers suon 5276. davon : suon 5359. stuond. (stunde) : verwund 693.
: pfund. 5759. (über sun : tuon vgl. unter u6). In Steinhöwels Aesop:
sonder s. 5. wonder s. 41. der sonnen s. 46. überwonden s. 59. 71.
cerwondet s. 248. wonsch s. 254. mondrer (munterer) s. 297. sower
8. 343. sond. s. 348. Hätzlerin chomen: die stummen S9^ Sl. chomm :
stumm 132, iS9. fr um en:vernomen 133, 229. Spiel von St. Georg:
kommer. kompt: Schlund (1. kont.) 185. vgl. Mone, Schauspiele I, 143 ff.
II, 134. Urkundlich: im Herkommen: kompt. konntschafft, urk. 1365
uachkumen. 1326 nachkomen. 1412 novchkomen. etc. 1372 tun kont.
1348. 1416 u. ö. donrstag (sonst durnstag). 1417 ingenummen. 1421
kummen. 1439 from. 1497 sonntag etc Alem. XIII, 282 fif : belonong.
bildong. ordnong. vernonfft. verwondern. hongrigen. gesonden u. a^
Handschriftlich: inf. part. prat. kumen. cod. phil. et theol. 54.
ebenda kument :koment. kümet. no. 72 benumen :vernomen. cod. bibl.
33 son. cod. bibl. 22 sö^n. sun. cod. theol. 5'kumen, volkümenhait:
volkumenhait : körnenden, no. 63 part. prat. kumen. volkomosten : vol-
kumen. sonnen : sunnenglast. no. 144 din glick din wonn. sunn:
sonnen, cod. m e d. 5 wond. wonden. sonnen, sonnenwirbel (wegwart,
gira solis). cod. breviar. 55 son. kumen (part. prat.). cod. ascet.
78 kroffi : krufn. kompt :kumpt. sunnen vffgang : vnd der sonnen nider-
gang u. a.
§ 82. Mhd. ü wurde im schwäb. diphthongirt und
76 III. LAUTSTATISTIK.
erscheint als 9u vgl. Kolross, Enchiridion, Müller, quellen-
schriften s. 70): Es würt aber euch in Schwaben vnd sunst
an vilen orten das au gebracht, da an etlichen enden allein
das u geschryben wirt. Ickelsamer, Teutsche Grammatica
(Müller a. a. o. s. 141. 129 anm. 57): Hie zu Augsburg
(al. die Swaben) nennet man (den buchstaben w) in den
teutschen schälen fast ungeheuer als awawau ungereimbt
zwar genug, wie wol ich disen kauderwelschen namen also
versteh , das es drey u sein auf grob schwäbisch (oder
mehr Wirtembergisch) au genennet.
1) ddu (mhd. du) du, vgl. Osthoflf M. U. 4, 272 f. 351,
Birlinger A. S. s. 183; sdu (mhd. sü) schwein; krduf {vcAiA.
ki'üt) kraut; hdu^ (mhd. hüs) haus; pdur (ahd. gibüro) bauer;
sduhr (mhd. süber) sauber; krousik (zu mhd. grüs grausen)
adv. sehr, stark; stroiis (mhd. strü;) blumenstrauss; fow/a
(mhd, hüfe) häufen ; duxfaldo (zu mhd. ücht vgl. urk. 1351 in
der vhtat bidem stige) vgl. Birlinger K. Zs. XV, s. 203 anm.;
niQuk^iiqsf (ags. mücga häufe) obstansammlung von kindem
vgl. Birlinger a. a. o. s. 271 ; hotist (mhd. büsch) wulst zur
unterläge beim tragen auf dem köpf; s9hI (mhd. sül, saul
Zim. chron.) säule; krotcbo (mhd. gerüwen) klagen u. a.
2) als (W vor nasalen: kabin (mhd. küme) kaum;
hrcu) (mhd. brün) hrsiun ; ßabm (mhd. phlüme) flaum; eben-
so ddomd (mhd. düme) daumen; pflabmo (mhd. pflüme)
pflaumen; rdbmo (mhd. rümen) räumen, doch vgl. unter ou.
So ist wol auch zu verstehen hön: busün {hob: posdJb) Mörin
5035. zon (zäun > tsd/b) Aesop s. 335. hron (braun > hrdb)
Ruland s. 20. Reimchron. s. 53. hont (kaum) cod. phil.
et theol. 45. 17. u. ö. dem lautwert von o entsprechend
§. 80 anm. 1.
3) In einzelnen fällen scheint mhd. ü durch u ver-
treten zu sein: uf (üf) (mhd. üf) auf, nebst ableitungen wie
'nuf hinauf, Wuf herauf; ebenso in den ableitungen von
mhd. ü; aus wie dus draussen; 'us9 aussen, neben dus = w;,
wie 9uf = üf ; so erscheint auch neben d9ii du du. Dieser
Wechsel beruht auf ablautserscheinungen, indem üf, ü; etc.
sich in pro- oder enclitischer Stellung zu uf, u; schon sehr
I. TEIL. VOCA.LISMÜS. 77
früh verkürzt haben, und auf diese verkürzten formen sind
die obigen nicht-diphthongirten zurückzuführen.
A n m. Was die zeit des eintritts dieser diphthougiruDg
betrifft so vgl. unter * § 76 anm. 2. Aus dem Augsb. urkunden-
buch constatire ich: 1280 ouz. housfrotoen. tousent. 1283 hüs. 1283
hmvs, hawses. hawen, tawsent, (mhd. ou == au) 1283 Mülhausen. tausenf,
1283 ouz, house, hus, ouf, ouz, huse. botven, tousent. 1284 tausent (sonst
ü). 1284 howen, howe, gehowen, tousent, 1285 tousent, 1285 auskörnen,
tousent. 1286 sichhous, housfrowen, ouf, ouz, tousent, 1286 houses, house,
ouf geben, tousent, 1288 haussfrau. aussetzigen, hatiss. avss. herauss.
verbauen (durchgeführt). 1290 drouzz. ouf, 1300 ouf. nachgebouren.
moiir. geboiiwen. darauf, mourer. stainhous ; und mit diesen formen
durchaus übereinstimmend im Schwäbischen Verlöbniss (13. jh.)
ouzvart. ouf und wie oben /ms, so zun^ ze gelütenne ; bereits in den
Augsburger glossen trout amicus , truoton. huofon acervatim.
huoffon{e (exaggerans Denkmäler- s. 586. XXVII). Im verlaufe nehmen
die diphthonge sehr rasch ab z. b. 1345 gotzhus, bowen. bowe. 1345 hus.
anbatven. murer etc. Engeltal 1416 ouff. Horb 1481 haws. auf,
§ 83. In der Stellung vor nasal wurde mhd. ü, meist
in einsilbigen Wörtern, wie ü zu ab gewandelt: cSbs (mhd.
uns), cu)sr (mhd. unser) in der Baar u. ostschwäb. umge-
lautet des, desr; ndb (mhd. niwan: nun wie newsere: nur
vgl. Paul mhd. gramm.^ § 337 anm. 2) nur, Schmeller I,
1707. 1749 f.; Icdbst (mhd. kunst); ddbst (mhd. dunst);
ddbstix (urk. 1293 dunstage) donnerstag; brdbst (mhd. brunst);
ferner in dem präfix un- vgl. : dbyqsd, (wtrönkd ohne gegessen,
ohne getrunken zu haben, ungedrunken Grieshabers
pred. s. 86. vngaz Weingart. pred. vvgessen vnd vn-
truncken cod. po et. germ. 3;cu)tstfr (mhd. unzifer) Ungeziefer;
d()klW Unglück; äblcosto Unkosten; abkraf ungerade, abkwis
ungewiss u. a. , vgl. urk. Engeltal 1416 a^ngevärlich,
Mörin ounbewart 1701. oungessen 5079. {ongerumptes 1716);
mmkdlisprdb (schweiz. rtmnkdlibrü, Bachmann s. 26 f.) dunkel-
braun ; gehört hierher auch wdotso jammern (vgl. muts name
für katze)? kspdbst (mhd. gespunst) gespinnst; dbsliH (mhd.
unslit) unschlitt.
Anm. 1. Die entwicklung des präf. un- ist schwer zu verfolgen,
da offenbar sehr früh lautliche anlehnung an die präposition „ohne**
eingetreten ist vgl. ohue gesseu, ohne geredt, ohne ersucht, ohne genadet
Zim. chron. angessen, antrinketi in der maget kröne v. 44. on-
cristenlich, onrecht. onot^dnungen Reimohronik s.26. onzallichen
78 UI. LAUTSTATISTIK.
cod. breviar. 12. onküschen. onwiaseuhait. onsubre, ouzänipte, onedel.
ontrü. cod. med. 15. onivüsent, onbekuut, a^uzuganklich, a^nstrauffen-
lieh, a^n wider sprechenlich cod. breviar 55.
Anm. 2. ivurj wüst, wüt werde, wirst, wird sind formal die
unumgelauteten optat. prät., welche präseutische function angenommen
haben: vgl. du wurst Keller, erzählungen 206, 23. 29. Reim-
chronik wüst s. 117. vriwur s. 110. 180. u. ö. f«;ttr^ bereits "im Her-
kommen, wurde : bürde bei Winterstetten 1, 9 (nebst Minors
note). Für woche erscheint schon mhd. wuche Schwab, wnx ; vgl.
Stickelberger s. 48 ; wüst = wüsste bei Birlinger Augsb. Wb. s. 417.
Hätzlerin last : gewest 91, 1 89.
Anm. 3. Aus dem Bai r. -Schwab, verzeichnet Birlinger
Augsb. wb. s. 842: 8s9r unser, kost kunst, brdst neben brdbst ^ z5f^
zunft u. a. Danach sind die im Schwab, neben db bestehenden formen
mit S^ also dns uns neben cEbs^ ISonst neben ISdbst etc. nicht auf einfluss
der Schriftsprache zu setzen. Auch im ellwangischen sind die diphthonge
nicht üblich, Oberamtsbeschreibung s. 187. Grosse ausdehnung haben
dieselben dagegen in Balingen und Umgebung stdbpf strumpf (vgl.
Kluge etym. wb.); /aojo' lump; fdök9 funken; ddb^kl dunkel; trdbkd
getrunken; ßäbjcl kunkel u. a. Oberamtsbeschr. s. 147. Damit ist zu
vergleichen der reim trauncka: gwauncka getrunken, gewunken
jn den liedern von 1633, die danach in der gegend von Balingen zu
lokalisiren sind, doch werden auch aus Aalen formen wie käök9 (mhd.
gehunken) gehinkt, kwdbkd gewinkt berichtet. — aunser findet sich
auch beim Herzog von Braunschweig, Weckherlin schreibt gaunst gunst,
aunsern unsern.
0.
§ 84. Das Schwab, kennt im gegensatz zu einzelnen
gebieten des alem. diesen laut nicht. Weinhold al. gr. s.
19 f. 75. 77. belegt den wandel von ö zu e bereits aus dem
13. jahrh. In den denkmälern des 15. jahrh. erscheint
umgekehrt nicht selten ö für etym. e. Die entwicklung des
lautes ist in die der 6-reihe übergetreten.
1) Der Umlaut von mhd. o erscheint danach als ^:
s^xle (dim. zu schoch) heuhaufen ; reJc (mhd. rocke) ; ktdepfle
(mhd. knöpfelin) dim. zu knöpf; heltsle dim. von holz; /c^xe
köchin ; b§de botin ; fr^s (mhd. vrösche) ; b(:kle (mhd. böcke-
lin) böcklein, ebenso pl. b^k bocke; ksp^f (mhd. gespötte)
gespött u. a.
2) Dehnung des vokals hat ? ergeben: ^fd (zu mhd.
1. TEIL. VOCALISMÜS. 79
Oven) Öfen ; §1 (mhd. öl) öl ; hele (ahd. holi) höhle ; hef pl.
zu mhd. hol'; fekl pl. zu vogel u. a.
Anm. 1. InGrieshabers pred. geherent. geheren. ferner urk.
Augsburg 1288 neten (nöten). geherf, Horb 1301 gehöbt (gehabt).
1314 hirt, hirent, litigs Silber. Ulm 1308 hirent, vor 1465 hefen neben
höfen, Hätzlerin hörest: cherest 26, 6. dem horsten: ersten 133, 195.
mer: hör 135, 119. erlöschen 132, 87: leschen 135, 129. Lex er glossar
zu den Chroniken 4, 367 : kepfen, seidner, kelen. 5, 451 : hecher, gehert.
zersieren, Ehingen eil (öl) s. 20. krenen s. 9. herner 8. 22. Mörin
kerb (körbe) 2947. Aesop: wollest, öwig, löwen, verköret, störkere,
Keller' 8 erzählungen: beser 223, 9. besewicht 325, 30. zepf (zöpfe)
328, 2. Mone 8chau8piele II, 131 fF. erleset, erlest, ä^äcä^^w (höchsten).
Schneider hert (hört), remisch, besser (böser), ülr. K rafft:
gelest, I n g o 1 d : naslecher 12, 22. recken 67, 30. R e i m c h r o n i k : sehen,
nennen: kennen (können). Breuning wöw/^ s. 9. Zim. chronik IV,
343: ablesen, bese, dechterle, geherig, gekrent. heher. heren, lecher. sehen,
zersteren; umgekehrt: böst. köttin. dp fei. schörpfe etc. handschriftliche
ö für e häufig imTristrant verdörbie. dort, gesellen : wollen, ergötzen .
setzen, vgl. in derffern cod. theol. et phil. 63. bese geschwer cod.
med. 5. sehen, schenes. pessen cod. med. et phys. 29. u. a. vgl. § 63
anm. 1. An umlautsbezeichnungen nenne ich: urk. 1292 woelueli. hoerent.
1293 hSfe. 1307 vSgt. U30 Srter. 1483 s^w. sSne. Lehenbuch: dSrfer
dörflin, tShtern. hSltzer. Ingold hSltzer. dSchtern. Aesop bock: dry
bök 8. 186. etc.
3) Vor r ist ein diphthongisches 69 entstanden: faf
örter; w^otle wörtchen; mpsl mörser und mptl mörtel (zu
lat. mortarium); heonle hörnchen u. a.
Anm. 2. In diesem letzteren fall wäre nach § 78,4 ^ zu erwarten,
e ist jedenfalls unter dem Einfluss von 1) entstanden. In Wurmlingen
bei Rottenburg und Balingen ist ^d üblich vgl. Hang s. 211.
§ 85. Umgelautetes mhd. q ist durch e, e, ae, de ver-
treten :
1) JSerix (mhd. gehoerec) was man leicht hören kann,
reichlich, eine andere bedeutungsentwicklung liegt vor in
Aesop s. 345, wo es von einem narren heisst: do er aber
etliche tag gehörig waT, gewesen = vernünftig (hören und
verstehen), ganz ebenso heute noch ; Kert (mhd. gehoert)
gehört ebenso her9 hören; hexr (mhd. hoeher) höher; fö
(mhd. köl neben köl vgl. kol cod. phil. et theol. 74)
kohl u. a.
2) Vor nasal: se, senr, sest (mhd. schoene, schoener,
schoenest) ; l§ (mhd. loene) löhne.
80 III. LAUTSTATISTIK.
3) Der diphthong erscheint in denselben Wörtern
JSaert (gehörig), geseidt (gesagt): ^eÄ^r^ Reimchronik s. 159
haero hören (dagegen in Horb nicht Jcaerix); haexr höher
baes (inhd. boese); üaetsd (vgl. mhd. vloejen) flössen
luesd (mhd. loesen) lösen; Icraest Cmhd. groejest) grösste
flae (mhd. vloehe) flöhe; blaef (mhd; bloede) blöde, faden-
scheinig ; raede (mhd. roete) röte ; naedix (mhd. noetec)
nötig; raesto (mhd. roesten) u. a. Schreibungen wie die
hlowden jungfrowen cod. phil. et theol. 68 sind selten.
Anm. 1. Da sowohl e als der umlaut von mhd. ou den diph-
thongen ae ergeben haben, ist nicht auszumachen, ob mhd. oe zu e ge-
worden und dann die diphthongirung eingetreten ist, oder ob ae
direkt an das oben § 79 anm. 1 erschlossene o" anzuknüpfen ist; das
letztere halte ich für wahrscheinlicher.
4) Der nasalierte Diphthong de findet sich in sde^
sdenr, ^äest vgl. oben 2.
Anm. 2. Im ß a i r. - S c h w ä b. ist das korrelat von mhd. 02 >> ^ :
r(pt rot comp, r^tr röter; htpx hoch comp, h^xr höher; ßq? floh
pl. fl^ u. a. vgl. Birlinger Augsb. wb. s. 36?. EUwanger oberamts-
beschr. s. 188.
Anm. 3. hairstu (hörst du), hair (höre) u. a. beim Herzog von
Baunschweig ; ghairat im Fastnachtsscherz ; hair^ gehairt in dem hoch-
zeitsgedicht Alem. VIII, 84 f. gegen die heutige mundart, vgl. § 72 anm. 2.
u.
§ 86. Analog dem Übergang von mhd. ö > e (§ 84)
ist mhd. ü in der gleichen Weise wie i gewandelt worden.
Weinhold al. gr. s. 25. 76 belegt, dass bereits im 13. jahrh.
in den denkmälern ü zu i geworden war. Die entsprech-
ungen sind demnach:
1) Mhd. ü ist als i erhalten in: fir (mhd. vür) für; ihr
(mhd. über) über; kliU (mhd. gelücke) glück; trihnd (mhd.
trückenen) trockenen; bisdle (mhd. büschel) büschel; kriU
(mhd. gerüste) gerüst; hite (mhd. hütte) hütte; fih (mhd.
vüllen) füllen; dirkd türken; tipflt (zu mhd. tupfen) getupft;
ditle (zu mhd. tutte, dim. tüttelin) weibliche brüst; mikdle
(vgl. Bachmann s. 48 f.) ein bischen; mitsdle (mhd. müt-
schelin) kleine mutschel; hdits (— kein nütze vgl. Zim. chron.
1. TEIL. VOCAL18MÜ8. 81
s. IV, 230, 29: wo haut und har kain nutz ist, da wurt
kain guter beiz) nichtsnutzig ; sifix (mhd. *süflfec) was leicht,
angenehm zu trinken ist; dir (mhd. dürre) dürr; u. a.
Anm. ürk. 1337. 1427. 1437 etc. suben, 1439 zwüschent. 1464 gilt.
1501 verkinden, Ehingen: herßllet s. 6 iber. vszgerist (-gerüstet)
8. 10. Her. vir s. 11. hoff gesund s. 14. gebürg s. 15. hiniber 8. 20. hibach
8. 28. Aesop: würde, würU imp. würff, fünaternus. schwümen (schwi'
mend). tusch, tinglig bekimerst. verkvipffe, frimkait. Morin: Über: zwiber
318. wirt: hürd 365. wirt: gebürt, 5399. Keller, erzählungen: zind
325, 29. finden: anzünden 325, 31. Mone, Schauspiele II, 131: sind,
sinden: binden. Christ: brist (brüste), iber. glick, II, 136 enzind,
Schneider: verkinden, gelickes. Augsburg, chron. von 1126 — 1445;
kingreich: kinig, kürchen, schult, fül (viel). Zirch, püchsenschitzen.
Ingold: glickrad 13, 9. wirffei (häufig), ülr. Krafft: iber, tusch,
gespritzt, glüdern. tvüchtigen, schückt schüff, früsche. brigeh geblindertt.
erzirnet, Reim ehr onils.: glickh: geschieht, firstinen, geschitz: nitz
(nütze) Breuning: schüff. wüllkommen. schückte, gewüsse. Zim.
chron. IV, 344: hünder. hürte. kürche, müsthaufen. schüfflin, 343: an-
zinden, binin. blindem, dick (tücke). erfillen, erwinscht, ibel, kibel,
sind etc. Handschriftlich : cod. phil. et theol. no. 45 : vermüst (ver-
mischt), no. 68: bürdin: birdinen. w irischen: wünschen, fir sich, birg
(bürge), cod. med. 5: schissel u. a.
2) Gedehntes ^ ist eingetreten: ftre (mhd. vürhin)
vorwärts; tbrse (mhd. über sich) aufwärts; ktbl (mhd. kübel);
nnle (mhd. mülin) mühle ; ibl (mhd. übel) ; slrg (mhd. schürn)
schüren ; stwd (mhd. stürn) stöbern ; dir (mhd. tür) thüre ;
fllkl (mhd. vlügel) flügel; bist (mhd. bürste); frtstnS (mhd.
erzürnen) zornig machen u. a.
3) Wie mhd. i ist ü vor nasal zu e, e geworden:
a) tsendd (mhd. zünden); sem^re (mhd. sümmerin Herrenb.
Ern. 1383 simry, sümri; vgl. ceina l mmberi (Steinmeyer
liest sumber) in den Weingarter glossen, simeri bereits
im Lehenbuch) simri; kemix (mhd. kümin, kümel) kümmel ;
denf (mhd. dünne) dünn ; sprefo (mhd. sprünge) ; u. a.
b) bene (mhd. büne) bühne; se (mhd. süne) söhne;
ß^nix (mhd. künec) könig.
4) zum dipthong de ist ü entwickelt in: wdes (mhd.
ich wünsche); brdestix {mhd. hrünstec) brünstig: vgl. mabstr
münster bei Birlinger Wb. z. volkstüml. s. 68; in Balingen
Eauffimanii, Fr., Geschichte d. schwäb. Mundart.
82 III. LAÜTSTATISTIK.
u. a. stdibpf Strümpfe; Icaeftix künftig; in der Baar und
ostschwäb. des (mhd. unsich) uns, ebenso o^s^ unser u. a.
§ 87. Die länge von mhd. ü bilden die lautzeichen
mhd. iu oder ti, ü, ui, die häufig auch an stelle der
etymol. kürze verwendet werden, vgl. z. b. Fürstenberg,
urkb. I, 289 a. 1284 sivne (söhne), kivnden (künden). Fivrsten-
berch. livzel, gebivrte wie -ee stivre, gebivttet, verlivzet, ßott-
weil 1400 (D. Reichstagsa. IV, 137) uinser. früntlich, üwer.
uns, künig, üch, bedtirfent, kurfürsten, getrümnt. 1409 (a.
a. o. VI, 626) fründe, iwern. übel. iuch. etc. etc. In Gries-
habers ^^redigten sünde, künc, fürchten wie lüt leute; andrer-
seits wiurcin. Lehenbuch: drw (3). nun, fünf, stürbe, schiur:
schwr (scheuer), hüser, über, lüt, Lied von Zolre: uiber, luif-
zel, huibscher, luit (leute). huiser, vinsz (uns), zuicht u. a. In
denselben sind zwei etymologisch durchaus verschiedene
werte zusammengefallen: 1) ist mhd. iu Vertreter des Um-
lauts von ü, 2) setzt mhd. iu den alten diphthong iu fort,
der nach bestimmten gesetzen mit mhd. ie wechselt, z. b.
mhd. hiuser (pl. zu hös) häuser; liuchten leuchten zu liecJd
licht u. a. Für die entsprechungen des mhd. iu ergeben
sich auf dem gebiete des schwäb. auffallende diflferenzen.
In Horb ist:
1) Mhd. iu (= ahd. iu) durch l vertreten: str (mhd.
schiure, ahd. sciura) scheuer; fir (mhd. viur, ahd. fiur)
feuer; k'mp (mhd. kniu, kniuwes, ahd. kniu) knie, davon
näkmbh (mhd. *kniuwelen, ahd. kniuwilön) niederknien ; zu
inf. fridrd : mi frlts (3 sg. präs. mhd. vriuset, ahd. friusit
vgl. chiesent: chiusist Schletstädt. gl.) mich friert es;
tsU (mhd. ziuhet, ahd. ziuhit) 3. sg. präs. er zieht; slf {mhd.
siudet, ahd. siudit) 3. sg. präs. siedet; Itkf (mhd. liuget,
ahd. liugit) er lügt; krib9 (mhd. geriuwen, ahd. geriuwan)
gereut part. prät. ; spr^r (mhd. spriuwer, ahd. spriuwir; Sgl.
spriv Pr u d. gl. : pl. spriuir S c h 1 e t s t. gl.) spreu,
spreuer, folglich muss dri (mhd. driu, ahd. driu) drei als
neutr. erklärt werden.
A n m. Zu einer zeit, da bei den übrigen längen in der Schreibung
der diphthong längst durchgeführt, begegnen noch 1530 urk. stüer, seh Her-
I. TEIL. VOCALI8MÜ8. 83
2) Mhd. tu {= ahd. iu, ü) ist wie mhd. l zu 9i diphthon-
girt: dtp (mhd. iuw, ahd. iu) euch, ebenso dibr euer; bif
(mhd. liute, ahd. liuti) leute; ddidr (mhd. tiure, ahd. tiuri)
teuer; n9ip (mhd. niuwe, ahd. niuwi) neu; hdi9r (mhd. hiuwer
urk. Tübingen 1304) in diesem jähr; krdits (mhd. kriuz,
ahd. chruzi) kreuz; ksdiftsdt (part. prät. zu mhd. siuften,
ahd. süftön) seufzen ; ktdoisle knüstchen (dim. ; *knüs in gram-
mat. Wechsel zu mhd. knür) ; br9i9r (mhd. briuwe, briuwaere
?u ahd. briuwan) bräuer; IdidQ (mhd. liuten, ahd. lütten)
läuten (von mhd. liden = leiden nicht verschieden; aus
diesen und ähnl. Veränderungen erklären sich auch die nach
analogie der ^-reihe abgeläuteten klit9 geläutet wie gelitten ;
ksid gescheut ; kri9 gereut, 'tis9 getäuscht u. a.) ; bire (mhd.
liure , ahd. Iura) schlechtes getränke ; oi auch in dem
sekundär gedehnten mr spdits man spürt es (mhd. spürn,
ahd. spuren, vgl. in der Zim. chron. inf. speuren, ich speur
IV, 232, 31). Bei wortformen, in denen umgelauteter und
nicht umgelauteter vocal neben einander bestehen, ist durch-
weg a* üblich: hdisr (pl. zu mhd. hüs) häuser; uidis (pl. zu mhd.
müs) mause, dim. mdisle auch als kosenamen für kinder, so
bereits meisle Zim. chron. III, 366, 35; bis (pl. zu mhd.
lüs) lause; krdidr (pl. zu mhd. krüt) kräuter; Ä^i^ (pl. zu
mhd. hüt) häute u. a.
3) Vor nasal tritt nasalvocal ein und mhd. iu
ergibt ab, wie mhd. i + nas : frdet (mhd. vriunt) freund ;
nde (mhd. niun) neun nebst ableitungen; raes (mhd. riuse,
ahd. rüsa, vgl. rüns od* körblin da man visch mit vacht cod
poet. 29) reuse mit spontaner nasalirung wie bei f + s
§ 76 c.
4) Progressive nasalirung zusammen mit Ver-
kürzung des vocals hat mhd. sniuzen schneutzen zu sn^ntso
und mhd. niwihtes (> *niutes > *nüts, im Allgäu die un-
flectirte form nint, nünt neben nünz DM. IV, 5) nichts zu
nents gewandelt (vgl. cod. phil. et theol. no. 72. 63 : nüncz.
urk. Dornstetten 1400 nüntz. Engeltal 1421 nuntz. nüntzit.
Horb 1442. Reutlingen 1310 nivtes. nütes); ältere formen
sind nivzenit 1302. nihtesniht u. ähnl.
6*
84 m. LAÜTSTATISTIK.
Anm. Als ältere Schreibung begegnet ^{< Augsburg urk. 1280
Beurer, Eülentaler, geziüge, 1283 trew. gezewgen, leut. 1283 gereut,
[bedeu], 1284 Eulentaler. 1288 treuesten. leith (4 mal = leute). ge-
zeugen. 1291 Heuser, 1294 neunzigesten. 1299 naeun. Ulm 1287 gezeug.
1297 leut etc. Augsburg 1345 fi'&r. stiur. Idten. geziug. Augsb.
chron. von 1126 — 1445 teuschen landen, steur. Reytlingen. leut.
hüsser (häuser), Lexer glossar s. 368 hreicz leid (leute). Zim.
chron. umbzeint. freintltch. feir (feur). leit. their u. a. umgekehrt eulen.
reuchlich. schleuchen. steugen etc. urk. 1481 freuntschafft. trewn. 1501
leittet (läutet), leitten (leuten). 1513 zeugknus. 1513 amptleit. 1533 von
neuwem eta cod. med. et phys. 29: feichtikait. /eichte, seibertf»
leitteret. beteitt. deitsch. Aesop s. 39 heut. üch. veruntruwen. rütet.
§ 88. Das gemeinschwäb. hat mhd. iu teils wie
in Horb als di bewahrt, teils aber abweichend zu ui oder u
entwickelt. Auch in Horb selbst tritt ui auf, ist aber nur
im munde der geringen protestantischen bevölkerung
üblich, wie sich ui auch über den ganzen (protestantischen)
Norden und Bairisch-Schwaben (überhaupt westlich der Isar
nach Schmeller, Ma. s. 59, 260) erstreckt: sui (mhd. siu)
sie (horb. si); dui (mhd. diu) die; Ictdui (mhd. kniu) knie;
tsuix (mhd. ziuh) ziehe, imperat. ; fuidr (mhd. viur) feuer;
suidr (mhd. schiure) scheuer; nui (mhd. niuwe) neu; drui
(mhd. driu) drei ; luikst (mhd. liugest) du lügst ; nuist niest ;
uidr euer, wie uix euch u. a. Nasalirt ist das oberschwäb.
noets nichts, vgl. um nuytz cod. brev. 55. naintz cod.
theol. 146.
ürk. 1295 Luitfrid. 1310 huit u. a. ui ist besonders
im Spiel vom hl. Georg und bei Mynsinger (d. h.
ostschwäb.) vertreten, vgl. im ersteren: trui oder vier 172.
mrluirt 174. 175. huit 175. 179. 180 u. ö. ich verluir
176. verluirstu 184. fluichstu 186. beschluisst 188. daneben
auch eu vgl. gebuit, gepeilt, gebeutest; ich gepuit: leut 188.
Mynsinger: zuicht. empßuigt. truift. trui. drui. fluigt.
fruindtschaft. fluisset, stuibt. verluirt. fuir neben fewr^ vgl.
ferner Lexer glossar zu den chronikeri 4, 395: juir. tuiffel.
bezuigen. tuirin. zuig. (Mone Schauspiele I, 178 flf. II, 137 if.
205). Ebenso in dem gleichfalls ostschwäbischen cod.
theol. etphil. 195: druihundert: die drey Indien, zui-
het. fluisset. nuisset aber leute. cod. med. et phys. 29:
tzuich. tzuicht. guiss. fuir. nuiset. fluisset. suid. verluist. schvib.
I. TEIL. VOCALI8MU8. 85
fliiigen (plur.) dagegen teutsche. feichtikait ; ebenso fear, ßeust.
scheub, treuf u. a.
In Rottenburg nebst Umgebung (z. b. Nellingsheim,
siehe Knaus) heranreichend bis in die nähe von Horb (Er-
genzingen , Sulzau, Eckenweiler, Remmingsheim, Bieringen
u. a.) und andererseits bis Balingen und den westlichen
rand Hohenzollerns herrscht abweichend ü: üp euch, übar
euer; nüp neu; lükst lügst; kmlbe knien; drü drei neutr. ;
tsüxt zieht; für feuer; sür scheuer; sprübdr, Ksprür (sprüwer
cod. phil. et theol. 54) spreuer; frlürt (ZBR. verlivsit)
verliert; kfoüp knie; sfrürd me es friert mich; sfrdrüst me
es verdriesst mich u. a; nasalirt nönts nichts.
Anm. 1. Was die denkmäler betrifft, so spricht der Schwab,
bauer beim Herzog von Braunschweig huit heute, lüi0 lügt, froindt,
freund. Weckherlin hat als Stuttgarter : suij sie, dt4y die, uyare euere,
froindly freundlich, froind freunde; die Lieder von 1633 nuintz^ von
nuham von neuem, sonst durchweg ui\ In den von Birlinger DM. V,
259 veröffentlichten stücken findet sich: ztich ziehe in Nr. 1, dagegen
im zweiten (aus Rohrdorf bei Horb stammend) dri drei, drimql drei-
mal. Vgl. Seb. Hell^er, syllabierbüchl. ed. Roethe s. 31 f. Volgen
Wörter mit jenem ev wellliches sonst also eu gedrucket wirdt: an dessen
stat etliche nach irer aussprach nur u vnd Uta haben . . . die bei den
gemeinen Donawischen auf jre eigne weis ausgesprochen werden, gleich-
sam oi bei mererem teil, bei andern ui : daher dan vorzeiten nit allein
Leutbrand, Theudrich, Theudwald etc. sondern auch Luitbrandus, Luit-
baldus, Luitfrid gedruckt worden.
Anm. 2. In ahd. zeit erscheint die Schreibung ui für den an-
setzenden Umlaut von ü, vgl. Braune ahd. gr. § 42 anm. 1, vereinzelt
auch für den diphthong. laut, ebenda § 49 anm. 2. Noch seltener
tritt schon in den ältesten quellen ü auf: zuhit bei Kögel, über das
Keron. Glossar s. 22, häufiger in der späteren zeit s. Braune a. a. o.
anm. 1. Aus dem würtemb. TJrkundenbuch führe ich folgende Schrei-
bungen an: Riutilinga 790, 824. Rutelinga 961. Rutilingen 1245 Reut-
lingen; Nuihusen 1122. Nivinhusin ca. 1130 Neuhausen bei Urach;
Niurtingen 1046. Nuirtingen 1228 Nürtingen; Griubingaro 861. Griu-
bingen 1184. Gruibingen 1209. 1241 Gruibingen bei Göppingen ; Nuin-
burc 1101 Neuburg bei Ehingen; Stiuzzelingun 797. Stuzzilingen 1116.
Stüzelingin 1185. Stuiszelingen 1242 Steusslingen bei Ehingen; Tufen-
huluwe 1152. Tiufenhulwe 1183. Tuphenhuliwe 1234 Tiefenhülen bei
Ehingen; Puron 850. Biurron 1130. 1251 Beuren bei Sigmaringen;
Luitgardis 1145 u. a. "Weingarter glossenB: siula. zuimlli. ruimun.
stuirnagele : stiuruodera. riusa (gurgustium). fuilnissida. gluira (vinacia).
gizuiga. dahshuiten bezeugen den zusammenfall von -iu- und if-uml. ;
86 III. LAUTSTATISTIK.
ebenso Schietstädter glossen: mivsi. hivfFun, hivffiltrun. ziunin.
nuiar (Steinmeyer liest niuuar). P r u d. gl : heristuiron (stipendiis). Die
betr. laute sind zu keiner genauen fixirung gekommen.
Anm. 3. Abgesehen von der lippenbeteiligung entspricht der
zustand in Horb dem alem. für feuer, drü drei, chnu knie aber ndü
neu, öü euch u. a. vgl. Stiokelberger s. 40 f. Rätselhaft ist der ge-
meinschwäb. optat. prät. hrlxt^ pl. brixfdt, brauchte, brauchten.
Anm. 4. Aus den Urkunden von Horb gebe ich folgende Formen:
drüzehen hundert, drü. dii die. gezüge zeuge, lüte leute 1305. crüces
1347. drivzehen 1348. züg 1358 (zeuge), nüntzig neunzig 1394. schüren
(scheuer) 1389. nüntz (nichts) 1442. fründe 1456. schüren (scheuer),
creütz 1481. leitten (leuten) 1501. stüer (steuer), schüer (scheuer)
1530 u. a. —
KAP. II.
DIE DIPHTHONGE.
§ 89. Der diphthong ist die Verbindung eines sonan-
tischen mit einem konsonantischen (sonoren) element, in
engerem begriff werden darunter die Verbindungen zweier
vocale befasst. Für den sonantischen componenten des
diphthongs bestehen durchaus dieselben grundbedingungen
wie für jeden stammsilbenvocal derselben quantität und
qualität, nicht aber für den konsonantischen bestandteil,
der unter ganz andere exspirations- und tonverhältnisse
gestellt ist. Demgemäss ist auch die lautliche entwicklung
dieser letzteren eine total verschiedene gewesen. Am besten
würden sie mit den vocalen mittelstarker oder schwacher
Silben zusammenbehandelt, an deren besprechung ich auch
die allgemeinen erörterungen des lautwandels derselben
knüpfen werde.
§ 90. Die diphthonge der mhd. periode , die dem
heutigen bestände des schwäb. zu gründe liegen, sind: ai
(eij, oii nebst umlaut öü, ie, uo, üe.
Anm. Unter öü vereinige ich die seh r stark wechselnden tran-
scriptionen des umlauts von mhd. ou, vgl. Weinhold mhd. Gram. s. 88.
..JiÜ
I. TEIL. VOCALISMUS. 87
EI.
§ 91. Mhd. ei schliesst sich an das aus germ. ai ent-
standene ahd. ei an, über dessen lautwert Braune a. a. o.
§ 44 anm. 1 zu vergleichen ist. Mit der zeit hat sich die
lautverbindung weiter entwickelt, wie sich dies auch aus der
schriftlichen wiedergäbe erkennen lässt ; vgl. aus dem würt-
temb. urkundenbuch : üuicohaim 763. Laimavga. Tailo 769.
Agineshaim 770. Ailingas 771. Hoolzaim. Laibolfi. Loup-
haim. 778. Althaim. 785. Reothaim. Diripihaim. Haimo 786.
bereits Rihheil 778. Ceizman 782. Lantheida 790. Dirboheim
791. Steinharte 797. Uualaleicho 797. Muliheim. Teiningas
817. Ortleib 868. Dorinhein. snesleiphi 1099 etc. etc. Lex
Alam: haistera hanti. laiti, laidi, laitihund. nasthait; in den
alten glossen aus Weingarten: heimprunc. gipreitit. kazueiot.
einwigi. gipeitit. uuaganleisa. (e in helison). Augsburger
glossen: beinseggon. kileiti. kiuuoneheit. kisceidenne etc. (e
in helisont. uuechi. stengeiz damula). Prudentiusglossen:
eittriga. heiza. ceinun. seiton etc. doch bereits ainuigen.
laidaz. spaichone (und e in semigun (nectaream). urtelda.
eginis. mestrot. vuechi). Zwiefalter glossen: erdleim,
veiziti. heigr. einhumo etc. aber waidiburigi. zaichin (und
widerum e in helisont auguriamini). Weingarter glossen:
anchweiza: anchwaiza. traip. ain. cainun. staingaizen u. a.
rehgeiz, beinberga. geilla. segilseilen u. a. ei und ai unge-
fähr in gleichem verhältniss (e in stainmezila, stainmezelen :
staimaizelen. suezanch. foUestentero : follaist. unrenez);
Schletstädt. glossen: laider. maist. greiflfonten. raitrihtil.
marhstaine. stainen. aiche. aichillon. gaizza. tubstain, wohl
als jüngere formen, neben den älteren einwigi. zagaheit.
heiger. reib, gneit u. a. (e in egkinent (uindicent). cennint
(acuunt). hetirero, daneben auch a: wezcistan. tagewada.
follast u. a. Zsfda. V, 322.) In den jüngeren Prudentius-
glossen überwiegt gleichfalls noch ei: keiselon. seiton.
pemeindon. zeinnon. leich u. a. dagegen laichin. (e in clennan
gracili). Weingarter reisesegen: heim, heiligin; dagegen
im Schwäbischen Verlöbniss überwiegend ai: ain. ainer.
88 III. LAUTSTATISTIK.
aigen. waide. swaige. Entsprechend in den Urkunden : Eichil-
berg 1215, Aichilberg 1232 ff. Raidenwang 1236. Stainhulwe
1247. Heigirlo 1225, Haigerloch 1237. Staeinhouen 1241.
Hornstaein 1252. Steiga 905. Speichingas 791. Spaichingin
1222. Mulhiheim 817, Mulhaim 1241. Vuisinstaig 1228.
Haigingen 1208. Aicheim 1143. Aichaim 1150. Kirchain 1200.
Staine 1209. Westirhein 1101. -hain 1236. Aichain 1187.
Danach ist der Übergang von ^ < {ai resp.) ae mindestens
noch ins 11. jahrh. zu setzen. Parallel mit diesem Wechsel
der qualität scheint eine quantitätsveränderung gegangen
zu sein. Notker schreibt ei d. h. kurzen sonanten, während
die Schwab, entsprechung q9 auf ein gelängtes äi (üe?), vgl.
ei Germ. I, 444 f. zurückgehen muss.
Anm, 1. Die sohreibung ai ist in den denkmälern schwäbischer
herkunft constant. Schon in ZBR. gibt es kaum eine ausnähme:
maister. arhait, trachait. aische. airiich, hailic gaist. claine. stain. gehrait,
ujaisdv. haize, laiter etc. Erst im Lehenbuch und bei Hermann
von Sachsenheim begegnen ei neben a«, ay vgl. M ö r in heiss : bayss
417. verlaich : bleich 1119. iraib : bleib 2211; im Tempel ist g/' fast
allgemein: meisterlich, bescheiden, heiden doch aingebornen 755. wais
580 ; im Jesus wiederum ai. Noch in der Z i m. c h r o n. ai fast immer
für et, einzelne ei neben ai aber bereits in urk. von Ulm 1295 eigen,
Stokheim, 1S02 gileideguf. Augsb. Stadt r. von 1276 eins^ ains. gemein-
liehen, eit^ maineide. In der späteren zeit gilt ei für den aus I ent-
wickelten diphthongen. Die hs. des Georg von Ehingen hat sonst
nicht bekannte ä neben allgemeinerem ai : hochmäster^ hochmaister.
hailtum, hältum. tagräsz. kläder. gehäss. hädisch. eingetäU. rasigen,
bäd. arbät. vortäl. brät vgl. ä für -egi- § 93.
Anm. 2. Von Wichtigkeit sind folgende Zeugnisse : Seb. Helber,
syllabierbüchl. ed. Roethe s. 24 f: Der diphthong ai oder (£f ist gemein
denen Landen, die ich hab Donawische genennt. Nun erstlich : "Wan
die Donawischen (Baierisch-Österreichisch und Schwäbisch) nach irer
Landen aussprach die nechstvolgende wort mit ei schreiben, so wollen
sie etwas anders damit anzaigen, als wan sie dieselben also mit ai
schreiben und drucken laib. glaich. waichen. waise etc.
J. Kolross, enchiridion 1530 bei Müller, quellenschriften s. 69:
ai oder mit dem zwifachen und langen y ay; vnd werden der glyohen
Wörter mit den ay fürnamlich in Schwaben geschriben, dann in andern
landen würt gemeinlich ey für ay gebrucht.
Niclas von Wyle 1478 bei Müller, quellenschriften s. 15 f.
80 haben sich vnser vätter vnd dero altfordern in Schwa'^ben ye weltfi
her bis vf vns gebrucht in Irem reden vnd schriben des diptongons ai
für ei burgermaister schribende nit hurgermeister, nain vnd nit nein^
I. TEIL. VOCAU8MÜ8.
89
flaisch vnd nit fleisch etc. Aber yetz garna'ch in allen schwebischen
cantzlien der harren und stetten schribent die schriber ei für ai^ hurger^
meister sprechende vnd nit hurgermaister^ wysheit vnd nit wyshait : daz
ain grosse ynnütze endrung ist vnsers gezüngs dar mit wir loblich
gesündert wa^'ren v on den gezüngcn aller vmbgelegnen
landen das vns yetz laidet vnd fremdes liebet. Ich bin bürtig von
Bremgarten vss dem Ergöw: vnd hab mich anefangs als ich herus in
Swa'ben kam grosses flysses gebruchet, dz ich gewonte ze schriben ai
für ei. Aber yetz were not mich des wider ze entwenen, wo ich anders
mich andern schribern wölt verglychen, das ich aber nit tun vnL Vgl.
Zarncke, 8eb. Brant's NarrenschifF s. 273 f. 275 f.
T. Tobler, Appenzell. Sprachschatz s. 32 anm. (Rhenenses
eyer : Suevi ayer). Konrad Gesner, Mithridates s. 37 (a. 1555)
Sueuica pro diphthongo ei habet aliquando ai. Albert Ölinger
(Strassburg 1574) bei Socin a a. o. s. 259 ei vel ey hujus diphthongi
loco Suevi utuntur ai vel ay. Namentlich zu beachten unser landsmann
HieronymusWolf de orthographia Germanica ac potius Suevica
nostrate (Augsburg 1578) bei von Baumer, Gesammelte sprachwissen-
schaftliche Schriften s. 324: ai est suevica diphthongus ut ainer^ cras-
siores Suevi ita pronunciant, ut haud sciam an scribi posait fortassis per
Ort, aliquo modo exprimi potest oamer (1. oaner), vgl. Burdach, Einigung
der nhd. Schriftsprache s. 4 anm. 6. s. 11 f. anm. 15.
§ 92. Mhd. ei (= ai, Oe) erscheint als q9 (qe), vor
nasalen als od (de):
1) gq9sl (mhd. gaisel) peitsche; slqopfd (mhd. slaipfen)
schleppen, schleifen; sprqdte (verbalabstr. zu mhd. spraiten)
ausbreiten; sqopf (ahd. saipfa) seife; wqdS9 (mhd. wai;e)
Weizen; tswqd (mhd. zwai); Iqdtr (mhd. laiter) leiter; wqds
(mhd. wai?) ich weiss; strqen (mhd. straich); godst (mhd.
gaist); ^(?^s (mhd. flaisch); A(?^.99 (mhd. hai?en) heissen; hlqdf
(mhd. klait) kleid; dqdU (mhd. taic) weich vom obst, teig;
qds (mhd. ai?, ayss cod. poet. 29.) geschwür; Iqep (mhd.
laib) laib; frtlqdddt (mhd. erlaidet) entleidet; qd (mhd. ai)
ei; dqol (mhd. tail); fqdl (mhd. fail) feil; AjZq^x (ahd. keleich
Beitr. IX, 336. glaich cod. poet. 29. cod. med. 5) ge-
lenk u. a.
2) Vor nasal: no9 (mhd. nain); Hodr (mhd. kainer)
keiner; modn (mhd. maine) ich meine; Ao5, hoim (mhd. haim);
st^ (mhd. stain); mn (mhd. aim) einem; lodm (mhd. laim)
lehm; /oawa (mhd. lainen, lainet sich cod. med. 15) lehnen;
rod (mhd. rain) rain; kinodf (mhd. gemainde), klod (mhd.
IV
90 III. LAUTSTATISTIK.
klaine) klein u. a., daneben hat eine andere, schwache vocal-
stufe existirt vgl. urk., 1296 klinnen und grossen^ dem Schweiz,
chli entsprechend; ain clin lyden cod. phil. et theol. 68.
clinen, clin und gross no. 11.
3) Vor folgendem vocalischem anlaut ist mhd. ei (äe)
zu qee geworden, wobei mit e der stimmhafte übergangs-
laut bezeichnet wird (= j): qd (ai), plural. qeeer (mhd. aier);
mqeeor (mhd. maier); rqeed (mhd. raie) reihe, reigen; mqeea
(mhd. maie) Mai nebst ableitungen: mqee^kefr maikäfer;
mqeesbl^amle maiblümchen u. a.; bqeeor (mhd. baier) Baier.
In qee9ry m qeeer, bqeedr kann auch e fehlen und an seine
stelle tritt leise gehauchter absatz von e: q^or, ntqedr, hq^dr.
Auf einem grossen striche des Ostens (§. 53) ist mhd.
ai durch qe vertreten , vor Nasalen de : tswqe, sqef (s. o.
sq^pf), gqesl, wqetsd (s. o. wq9S9), Iqetr, tvqes, gqest u. a. ebenso :
noe, ßoenr, Koem, stoe, loemS (mhd. leime) s. o. IS^m, r^ etc.
vgl. auch Birlinger Augsb. wb. s. 248 (oi), EUwanger Ober-
amtsbeschr. s. 189 (äe); es ist nicht daran zu denken, dass
qe gegen qd auf rechnung des schriftdeutschen ae = mhd.
ei zu setzen wäre, vielmehr liegen hier verschiedene ton-
stufen vor.
Anm. 1. Auch der Herzog von Braunschweig läset seinen
Conrad oinmäl (= gej sagen; ebenso bei Weckherlin: koin, elloin^
moinet (einmal oam in Fastnachtsscherz); ebenso den heutigen bair.-
schwäb. Verhältnissen entsprechend im Hochzeitsgedicht Alem. VIII,
84 f. : moynung, ivois, schulthois. — Einfluss der Schriftsprache liegt
wohl in dem nicht rein mundartlichen JSqesdv kaiser vor.
Anm. 2. Für die Chronologie dieses lautwandels ist von In-
teresse, dass in einer Urkunde von 1441 fair (4 mal), fairmals vor-
mals, 1460 mehrfach tair = tor geschrieben wird, vgl. tair im stadtreoht
von Villingen Fürstenb. urk. I, 316 ff., da nach § 78,4 die lautverbin-
dung o 4- r gleichfalls zu q9 geworden ist („umgekehrte Schreibung")
— bereits 1293 jair (d. i. JQBr) jähr, vgl. § 78 anm. 2. Ebenso sind
die yftti für wo" bei Weinhold al. gr. s. 83. Birlinger A. 8. s. 67 (wo
auch weitere belege für ai = qd vor r), Birlinger Augsb. wb. s. 362 f.
zu beurteilen, uo -}- nas. ist gleichfalls wie ei -f nas. zu o5 geworden ;
Birlinger wittert „niederrheinisehes gepräge", vgl. Lobgedicht des buch-
händlers Haselberg aus Reichenau auf die Stadt Cöln in den Annalen
des bist. Vereins für den Niederrhein XLIV, s. 171 (Nörrenberg).
Weitere Belege sind Ingold tayrhait (torheit) 54, 20 und ebenso zu
beurteilen /rniw/ßi6 (= frön-) 52, 8. raycÄ(roh) 63, 2. urk. Augsburg
I. TEIL. V0CALISMÜ8. 91
1405 tainprost neben iumprost D. Keiohstagsakten II, 662 f. Bereits 1326
urk. haint (d. i. hoent) 3. pl. präs. haben; 1340 hain, hain wir. gehain,
ich hain^ ygl. haint cod. herm. 24. Häufiger sind diese Schreibungen in
der Heidelberger Tristranths: sain (auhne), taind (thun). raym
(rühm), staind (mhd. stuond), vgl. Engeltal 1421 tain (thun).
Anm. 3. Mhd. ei (ai) erscheint in qlf elf, hqlgd heiligenbilder
als q^ aus q9 reduziert.
§ 93. So Übereinstimmend in den normalisirten aus-
gaben mhd. texte die Schreibung von mhd. ei, einerseits =
germ. ai, andrerseits ^ ahd. -egi- durchgeführt ist, so streng
sind beide laute gerade auf schwäbischem boden gesondert
zu halten. Dem secundär aus -egi- entstandenen diphthonge
entspricht nicht qd (= germ. ai) sondern ae : säest ^ säet,
ksaet (mhd. seist, seit, geseit) sagst, sagt, gesagt; traest,
traet (mhd. treist, treit) trägst, trägt; aedqks (ahd. egidehsa,
mhd. eidehse) eidechse; maedle (mhd. meitlin) mädchen,
mqdle ist aus fremder, fränk. mundart eingedrungen, vgl.
bereits in der Zim. chron. und den alten Volksliedern mediin,
Anm. 1. In den Schwab, denkmälern ist dieser diphthong denn
auch von dem altern consequent geschieden, indem derselbe
allgemein nicht durch ai (vgl § 91), sondern durch ei,(aei), sehr
selten ai widergegeben wird, vgl. ZBR vf gleit leitust (posuisti) doch
auch gilait, vorgisait, urk. Ulm vorgeseifen, 1293. 1295. 1297. Augs-
burg 1295 sofßiY ich. gesaeit, saeiten. Reutlingen 1307 leitan, Horb
\2^b widerlait 1305 unversait Horb 1338 angeleit. 1383 seitfen; im Her-
kommen seytt, (aber ze layd etc.); Ulm 1428 beseif, D. Reichstags-
akten IX, 158; seit s. 134. seit s. 205. Augsburg 1429 seit a. a.
0. s. 339. In den Weingarter predigten ei in seit, treit, angeleit,
gegen ai in hailigen etc. (sait bei Pfeiffer in no. XII ist druckfehler,
dagegen steht in der 2 predigt saite; seist, treist. geleit : ain etc. cod.
phil. et theol. 54 no. 68: gelegt, verseyt, no. 72: geleit. seit, no. 74:
geseit. leiten, cod. bibl. 33: seit. etc. cod. po et. et phil. 23: treit.
cod. theol. et phil. no. 11: geseyt {: gesagt), no. 45: seit, geseit,
leiten no. 144: seit, geleit. no. 184: legt, geleit, treyt. seit, cod.
herm. 24: treist, seit, cod. med. 15: geseit etc. Im reim gebunden,
aber in der Schreibung auseinandergehalten sind die belege
aus cod. a s c e t. 86 : frazhait : saeit cod. b r e v i a r. 55 : tret : herait.
miltikait : geseit, frashait : widerseit (ebenso andere substant. auf -hait').
torhait : vertret, etc. treit, seit. cod. ascet. 207: treitt. geseyt. u. a.
Lied von Zolre: geleit, seit. u. a. (nur unter sich reimend)
Mörin: leit (legt): ayd 379. aid: fUrgeleit 1911. seit : underschaid 3511.
5625. geseit .-geleit 5547. In dem liederbuch der Hätzlerin sind
wiederholt die betreffenden Wörter nur unter sich gereimt: trait : gesait
92 III. LA.ÜT8TATI8TIK.
4, 31 gesait : gelait 64, 2. gelaitt : saitf 113, 5 (doch gesaii : laidt 90,
163. anlaitt : gemait 262, 243), vgl. auch die Schreibung a (§ 91, anm. 1)
gesätt : irätf 170, 209 ebenso bei Mynsinger trätt. s. 5. 90. geiaid
(jagd) s. 89; bei Ruland getadingt s. 12. vgl. dazu Fischer, Zur gesch.
8. 16 f. Weinhold, bair. gram. s. 54. In Griesh abers predigten
73 IF. furgehit. geleit. (aber hailegun etc.), gewöhnlich indessen Wi.
ges^t. situn; in dem ostschwäb. cod. bibl. 35 sei. tret, ebenso cod.
theo 1. 5. Im Georgsspiel: du tratst: er haist. 181. gesait :lait
1 83, aber gelait : gesait 185. treit 182. Reimchronik seidt : hinge-
leidf s. 472 sowie die übrigen § 66 anm. 2 aufgeführten belege, vgl*
handschriftlich Tristrant: geleit : heclait. ebenso geseit \ maid, geseit:
clait (klagt). Das problem behandelt im Zusammenhang H. F i s c h e r ,
Zur geschichte des mittelhochdeutschen, progr. von Tübingen auf den
7. märz 1889. Die betr. formen mit g sind vor dem 15. jh. selten, be-
achte Keimchronik s 190 glegt : erschreckht, cod. med. et phys.
29: gelegt, sagt. legt, tregt.
Rugge bindet im abgesang 96, 25 ff. treit: seit; zudem durch
satzpause von dem in derselben Strophe sich findenden sdelekait : gerait
getrennt, so wenig "wie bei Meinloh von Sevelingen findet sich
eine directe bindung -egi- zu ft, diese thatsache entscheidet ohne
weiteres gegen Erich Schmidts versuch Reinmar 184, 18 ff., woselbst
sich leit : bereit : seit finden, Rugge zuzuweisen (Reinmar von Hagenau
und Heinrich von Rugge s. 59 f.), vgl. auch 191, 31 breit : leit : seit a.
a. 0. s. 68 f. Gottfried von N e i f e n reimt seit : geleit, dagegen in
dem gedieht 23, 8 ff . (Haupt) hingeleit : dasf leit unter lauter rühren-
den reimen; Uhl, Unechtes bei Neifen s. 178 ff. hält das lied 38, 26
für unecht, bestätigen könnte dies der reim heide : meide : reide^
ebenso treit : gemeit 43, 27 (Uhl s. 137 ff.), doch findet sich auch an
anderer stelle reide : meide. Winterstettens leiche binden die ver-
schiedenen ei nicht, dagegen in den liedern: arebeit : treit. 18, 28.
25, 3. herzeleit : treit 24, 23 kleit : treit : her zeleit 26, 6. breit:
hleit : an sich geleit : ist geseit 22, 5. breit : kleit : treit 38, 7. verseit :
treit : leit : kleit 63, 29. leit : breit : geseit 67, 8 doch auch geleit : verseit
31, 33, man vergesse aber hiebei nicht, dass Winterstettens reime auch
sonst von der mundart abweichen; angeleit : breit : kleit etc. beim
Schulmeis ter.
ou.
§ 94. Mhd. ou (germ. au), dessen lautwert für unsere
gegenden als qtt anzusetzen ist, hat sich zu ao gewandelt
(vor nasalen zu ab), in der Verbindung ou + m ist dm
(öm) entstanden. Die Schreibung ou ist durchaus die regel;
ostschwäbisch au: Augsburg urk. 1280 kaujfft. Auspur ger.
oucK 1282 auh. Baumgarte. Ulm 1295 auch, kauffes. 1297
I. TEIL. V0CALISMU8. 93
rauft. 1299 kauf enne. auch, ebenso Augburger stadtrecht
von 1276, Hat zier in etc. vgl. Kolross, enchiridion
(Müller, quellenschriften s. 70): doch schrybt man an vil
enden (vnnd sonderlich in Schwaben) au da andere
tüdtschen ou schryben. Die älteste form des diphthongs
ist au: Laimaugavvilare 769. Linzgauuia 771. Uuolalaup
778. üuitigauuuo. Linzgauginse. Auuuo 790. -gauuue
805. 817. 820. Laubia 820 u. a. doch schon Louphaim 778.
-— gouwe 938. Hohenouwa 938. Loufen 1003. Die alten
glossen aus Weingarten: zaupargascrip. Augsburger
glossen: ni uircoufa. bitrouch. armbouch. zoubar. glouuar.
wie e für ei, so begegnet hier bereits pinpom (= ou), Pru-
dentiusglossen: touuegun. ovgivanvn. Zwiefalter-
glossen: choufscalg. armbouga. troumrechare. soum.
surougker. in loubin. heribo'^chan ; mit v (wie o" für uo)
pvchinin (nutibus). firzvbirota (fascinauit), beachte strvmin
l hellestromin. Dieselbe Orthographie in Weingarter
glossen B: suomare. gesuomi. chuofan. lüba. halsbuch,
armbfich. sagabüm; sons iou: houbet. wechelterboum. arm-
pouga. louba. bego^golota. o^'csalbe (al. ogilsalbe); o für ou
bieten ferner die Schietstädter glossen: chofit. tokina.
hobit; umgekehrt folougi (al. fologi) raritatem; im übrigen
ou: firlouginta. choufan. ougpente etc. Im Weingarter
reisesegen bereits frauwi; im Schwäbischen Verlöb-
nis: frovwen und ebenso ou für ü vgl. § 82 anm. Fernerhin
wird die Schreibung o% o für ou sehr häufig, so dass volle
Übereinstimmung mit etym. ö herrscht, vgl. § 80 anm. 1.
z. b. cod. phil. et theol. 54: och erloht, hobt, no. 68: hopt.
no. 72: (/lobend, no. 74: (/loben; häufiger ist ö, 6 z. b. cod.
theol. et phil. 17: husfrö. ögen: ogen (ebenso töd, bloss,
gross u. a.).
1) ao (mhd. euch) auch; haobo (mhd. houwen) hauen;
00 (mhd. ouwe) au, vgl. Innaop urkundl. Immenouwa u. a.
Imnau ortsn. ; aoK (mhd. ouge) äuge; Uaofd (mhd. koufen)
kaufen; laofd (mhd. loufen) laufen; hlaobd (mhd. gelouben)
glauben; frao (mhd. vrouwe) frau; saop (mhd. schoub)
Strohbüschel; slaof (mhd. sloufe) schleife; daop (mhd. toub)
taub; daogd (mhd. tougen) taugen u. a.
94 lll. LAUTSTATISTIK.
2) böm (mhd. boum) bäum, ebenso bdwol baumwolle,
davon abgeleitet böwile aus baumwolle gemacht, vgl. bonwol
bei Ulr. Krafft; tr^m (mhd. troum vgl. tram, tramet cod.
med. 15) träum, davon das vorb. irbmS träumen; s^m (mhd.
soum) säum; tsom (mhd. zoum, zom im Herkommen) zäum;
hieher gehört auch ström (vgl. mhd. stroum, ahd. stroum,
anord. straumr) ström, welche lautform in die Schrift-
sprache gedrungen ist; möglicherweise ist ebenso rü, rSm
rahm zu beurteilen nach ags. ream, mhd. roum, danach
müsste mhd. rame als „umgekehrte Schreibung" gelten, da
€i -f- nas. gleichfalls zu 8 geworden war (vgl. auch die
Schreibung sträm für ström Beitr. XI, 300. Augsburg 1429
Reinstrüm, Reinstram (D. Reichstagsakten IX, 339), vgl.
sümig Ulm 1423 (ebenda VIII, 264); stram häufig in der
Keimchronik des Küchlin städtechron. 4, 333 flf. strum
(ström): ^un in Hetzen hochzeit, Lassberg, Liedersaal III,
404, 245. Weinhold s. 79 hame^ zam). Ferner ist in der
mundart mhd. ü H- m mit ou + m zusammengefallen: dSn^S
(mhd. düme) daumen; pfl^m (mhd. pflüme, lat. prunum;
mhd. phlüme, lat. pluma) pflaume, flaum; frsdmS (mhd.
vorsOmen) versäumen; rdm^ (mhd. r^ men) räumen; söm
(mhd. schOm) schäum; [alem. bair.-schwäb. gdm5 (mhd.
goumen) hüten] . Alle bisher genannten Wörter haben neben
dem langen vocal kurz p, also böm, söm^ dönt§^ pflöm^ pflömSj
frsöm^y dusrömdj söm [gömo] u. a. Diese kürzung ist sekun-
där. Weinholds, al. gr. s. 43. 50 aufgestellte meinung, germ.
au sei auch vor m wie vor den dentalen zu ö geworden,
ist durch die Überlieferung nicht gestützt und erklärt die
heutigen zustände nicht, denn gerade dann wäre ab zu er-
warten.
Ich glaube vielmehr, dass die reduktion des diph-
thongen ganz dieselbe ist, wie wenn mhd. a + nas. durch
dö neben g vertreten ist; der grund dafür wird sich bei
den quantitätsgesetzen ergeben.
Anm. 1. Unter diesen gesichtspunkten sind die Yon Grimm
Gr. I, 298 (neudruck) gesammelten reime w f m : om + w zu be-
trachten; so erledigt sich auch die Schreibung schoum für schüm u. a.
vgl. Weinhold mhd. gr. s. 72. 76.
I. TEIL. VOCALISMUS. 95
Anm. 2. Auch im alem. ist diese eigenartige entwicklung ein-
getreten, vgl. Stickelberger s. 55. PfeiflFer, Freie forschung s. 124.
Anm. 3. Im ostschwäb. (bair.-schwäb.) ist mhd. ou (auch yor
nicht-nasal) zu q geworden, vgl. Birlinger Augsb. wb. s. 361 ; Bavaria
II, 2, 816; EUwanger oberamtsbeschr. s. 189.
Anm. 4. Der nachweis dieser reducirten formen ist mit Schwierig-
keiten verknüpf^, weil nach § 80 anm. 1 der lautwert von ö resp. ä
nicht einheitlich bestimmt ist. Sicher scheinen mir zu sein folgende
belege aus Steinhöwels A e s o p , in welchem etym. ö besonders häufig
durch ou vertreten ist (§ 80 anm. 1), die hierhergehörigen fälle aber
mit o geschrieben werden: som (imp. säume) s. 41. böm s. 78. nestbom
8. 95. schomend (schäumend) s 99. getromet s. 47. versotnnus s 54.
sontet s. 321. zom s. 143 = zam s. 129, doch auch träum, getraumet.
boum Zu beachten sind die reime bei Mono, Schauspiele II, 134
(a. 1494) sümen :kummen. komen : samev (säumen), fürkumen : versumen^
welche in o zusammenfallen, vgl. urk. 1421 summen. 1501 versumpt, 1510
ongesompt ; und in der Reimchronik vernomen : somen (säumen)
III. komen : somen 115. In der Mörin wird nach tromen 3245. zom
5211, kraum : träum 483 vielleicht als krdm : tr^m zu interpretiren sein
(vgl. § 61, 2), mit kürze: kumm (kaum): tum 5457, vgl. Aesop s. 314
kom (kaum). Dasselbe gilt eventuell für Hätzlerin 29, 40 tra^m :
nam gaum, vgl. chomt : versa^mbt 252, 53. tra^mbt (rtäumte) 6, 13. sa^m
(imper.) 20, 59. dämmen 25, 8. pa^m 91, 207. zäun : straun (ström):
ta^n (gethan) 262, 216. Ehingen s. 27 dornen (daumen); bei Ruland
8. 16 satvm: 17 sam. Ingold 60, 11 zam. Georgspiel sampi 187;
belege für bom sind ausserordentlich häufig, z. b. urk. a. 1483 stellbom,
1544 Qpffelbom, bierbom. Zim. chron. bom, pom. obrummen I, 137,9.
Gleichbedeutend sind wohl auch die Schreibungen im Tristrant:
somen prät. samte, sumnus ; daneben räumen : rumen.
OU.
§ 95. Mhd. öil vertritt den umlaut von ou, das teils
ererbt (= germ. au), teils erst durch die westgerm. konso-
nantendehnung aus au + i entstanden ist (wie in mhd. höü^
göü u. a.). Es ist anzunehmen, dass qü zu qi geworden
und von da aus sich zu dem heutigen ae gewandelt hat;
an dieser entwicklung haben auch die mhd. qi anderen Ur-
sprungs teilgenommen, vgl. § 66 anm. 2. § 93.
1) daefe (mhd. *töüfe, ahd. toufi, vgl. tseuffin Augsb.
stadtr. s. 244. 259. Zim. chron. kindteufete. teuf, teufe,
inf. deufen.), taufe vgl. fiapf9 (mhd. töüfen) taufen; straehe
96 III. LAÜT8TATI8TIK.
(mhd. ströuwe) streu; Uaefr (mhd. köufer) käufer; fraet
(mhd. vröude) freude; gehört hieher kraele in der formel
ikä ßo3 kraele mae (d. i. ich kann nicht mehr) und ist zur
deutung Aesop 1. 48. 258 die füsslein krolet (pedes per-
tractet) anzuziehen? hae (mhd. höu, ahd. houwi, got. hawi)
heu ; davon abgeleitet haebdt zeit der heuernte, vgl im hdtret
vnd in der ärnd Engeltal 1421 ; gae (mhd. göu, ahd. gouwi,
got. gawi) gau, gäu vgl. Reimchronik 138 Zabergew:
see (d. i. sae § 72), Jiew: mer (l.mae) s. 108. saexd (mhd.
schönchen, causat. zu schiuhen) scheu machen, ebenso ver-
balabstr. saexe; traebo (mhd. dröuwen) drohen, Reimchronik
geseidt: getreit (gedroht) s. 168, wie gleidt (gelegt): zerstreivt
s. 165; geseilt : verdeuit (verdaut) Keller, Erzählungen 224,
28; baeks abgeleitet von baok9 (ags. beacen, ahd. bouhhan)
trommeln, pauken; raebr (mhd. röubeere) räuber; fraele
mhd. vröuwelin).
2) Vor nasalen tritt nach analogie von § 94, 2 ?
ein: bem sgl. hörn (mhd. böume, bein, pem bei Lexer glossar
zu den Chroniken 5, 451); sem (mhd. söume) pl. zu süm säum;
tshn (mhd. zöume) zäume, abzemmen Zim. chron. I, 293, 11;
trem (mhd. tröume); die zugehörigen verba pflegen da-
gegen nicht umzulauten.
An TP. Wie o Vertreter von oh (§ 80 anm. 1), so wird für öü
häufig o geschrieben, vgl. zu den belegen aus der Reimchronik: zer-
ströt : gefröt s. 159. Aesop: gö. göu. s. 38. erzogen s. 53: bezöuget
8. 161. lögnettn s. 46 (urk. 1334 lögete). sögen (säugen) s. 117. iunkfrölin
8. 299. Mör in: öglin (äuglein) 2327. verdöwet : ei^fröi (1. verdöut : er-
fröut mit Martin) 2641. Ehingen: fröd (freude) s. 11. zöcht (zeigte)
8. 12. gezögt s. 13. Zim. chron: frölin IV, 216, 18 al. frötclin; f roden
IV, 218, 3 ol. freud, leignen. Im liederbuch der Hätzlerin ent-
sprechend der lautentwicklung von ä (vgl. § 61, anm. 4) erfrät. erfreuf,
fräden {reuden. fräen : dräwen 17, HS./räeii: in dem mayen 183, 19.
zersträen zerstreuen, vgl. durchwäht \ durchsträt s. 234. Ingold: «w-
gel&blich (unglaubUch) 25, 20. 30. lAffel (läufer) 37, 26. Georg-
spiel: uugeläbig s. 190. ö ist aus 6 entstanden vgl. Weingarter
predigten: /rdrf«. cod. phil. et theol. 54: frSd. glöhig. no. 72:
fröd. u. a.
I. TEIL. V0CALI8MUS. 97
IE.
§ 96. Mhd. ie geht teils auf ahd. B, teils auf ahd. eo, das
mit iu in Wechsel stand, zurück. Bereits im anfang der ahd.
Periode sind wahrscheinlich beide diphthonge zusammenge-
fallen. Die entsprechungen der mundart sind demnach:
1) mhd. ie ist zu id geworden: fbxf (mhd. viehte)
flehte; fiontl (mhd. vierden teil) viertel, ebenso ^r vier;
sidx (mhd. siech) siech; bi9r (mhd. hier) hier; stier (mhd.
stier) ochse; liddrlix {mhd. liederlich z. b. cod. theol. et
phil. 54); liop (mhd. lieb) lieb; hi9 (mhd. hie) hier; li9X9
(ahd. liohhan, mhd. liechen) die flachsstengel aus dem
boden rupfen, vgl. Alem. II, 265; Zi^xf (mhd. liecht) licht;
§i9r (mhd. schiere) beinahe; kridhd (mhd. griebe) reste von
ausgeschmolzenem speck; tsi9x (mhd. zieche, ahd. ziaha aus
griech. ^^7x17) bettüberzug; briof (mhd. brief zu lat. brevis)
brief; didf) (mhd. dieb); biogd (mhd. biegen); siodd (mhd.
sieden) ; si9, did (mhd. sie, die; si9fc9 (zu mhd. schiec) schief gehen.
2) Vor nasal ist mhd. ie zu ^ gewandelt: n^m3f
(mhd. nieman) niemand; n^n^ (mhd. nienen, vgl. Weinhold
al. gr. s. 240 f.) nirgends ; ß^ (mhd. kien) kien ; d^nS (mhd.
dienen) dienen. Das alter der nasalirung lässt sich nach
den Schreibungen ie vor nas. für etym. ^ § 70 bestimmen.
A I) m. 1. Nordschwäb. ist für sidkd (s. 0. 1.) sfäikd üblich ; eben-
so wenig klar ist mir die nasalirung in dem formelhaften h^tsd^ dfSts9
(diesseits, jenseits) einiger nachbarorte von Horb, in Tuttlingen h^ts^
deSts\h^ts9 möchte ich am ehesten auf mhd. *hiezuo (vgl. Verbindungen
wie hie ze heime u. a.) zurückführen mit ^spontaner" nasalirung, fi^t89
(= mhd. *da zuo) hat sich ihm nach rein „lautlicher** analogie ange-
glichen (vgl. ahd. hinont^ enont^ in der Zim. ehr on. hienzu^ hiendurch;
in Balingen he^nd, de^nd^ Rot t weil Ä^na, dqiid),
Anm. 2. Über ta aus 1 vor r vgl. § 75, anm. 1.
A n m. 3. ddJbst dienst kann nicht auf mhd. dienst zurückgeführt
werden; ob ein ahd. mhd. *diuni8t, *diunst (oder nicht vielmehr denst
vgl. demüetic) vorauszusetzen ist mit altem suffixablaut (0 : f), ist nicht
sicher, deinat = gedient findet sich auch in dem coUoq. spons., AI.
VIII, 84 f. Aesop 8. 64 denstbarkeit neben dienatbar, denst Mone,
Schauspiele I, 143, cod theol. et phil. 5. Vgl. nordschw. d^nst.
Anm. 4. Nur noch restweise kennt die mundart: idts (mhd.
ietze) jetzt und Mr (mhd. ieder) jeder. EeUer im Kgr. Württemb. II,
1, 168 bemerkt: „in einzelnen eigennamen spricht das volk noch das
Kauffmaim, Fr., Oesohiohte d. sohwäb. Mundart. 7
98 ni. LAÜT8TATISTIK.
alte ie : idtdhurg^ idldJidusen*^ (officielle Schreibung dieser Ortsnamen je-).
198^9 (officielle Schreibung Jesingen).
Anm. 5. Die älteste form des diphthongs ist eo: Deothado,
üuolßeoz 752. Theotbald 769. Deotperdi 771. Teotperga 776. Deot-
uino 778. Deothoh 782. Reothaim 786. Leodrahach 786. Deotingun 786.
TeoUngas 792. Teotinga 793. Deoto 797. Deoihurgo. Deotperti 802.
Deotlind 803. Theothart 839. Theotpert, Theoterat 868. u. a. [«* in Teu-
tolfo. Teutrude. Teuteario 772. Teutberto 773]. Die alem. tu- regel
(Braune ahd. gram. § 46) vor /, u oder labial resp. guttural gilt auch
fürs schwäbische: Liutgerus 758. Liutrades 769. Leubo. Leupagde 772.
Leutberto. Leutpaldo, Leubino 773. Liuphilda, Liupuuara. Liutolfi 786.
Riutüinga, Liutberti. Liutprandi 790. Liubilo, Liuparai 797. Herliup
809. Manaliub 838. Für die entwicklung des aus e entstandenen diph-
thongs ist das material der natur der sache nach spärlich, vgl. Welandi
772, im folgenden sind die fälle nicht mehr zu scheiden. Weingarter
glossen: liupliho aber uuinileod. Augsburger glossen: h'ub,
fleozze, cheosinte. in cheolon (trieribus). hintergriogigi (tergiversatione).
niot ; auffallend ei für ie : neiron ; e in eringrez. Prudentiusglossen:
miose, iouvederemo, liubi. Zwiefalter glossen: stiufmüter. tiuffi,
liuba(?) aber neorin. eringreez (\, -greoz?). steokila? meoter? hiweoroia.
firmeotton neben uirmietton (locauerunt), ebenso jüngeres ie in chielon ;
beachte zeagal. In den späteren Weingarter glossen wohl durch
Schreibfehler (s. o ) missenezen abutamur ; merkwürdig ist aber die
fernere Übereinstimmung mit den Augsburg, glossen in ei für ie :zeirda.
steinzun (1. steizzun). greizin, speigela. cheil. zeigah breiuelin (vgl. ou^
0" für uo derselben hs.); rietachil (saliunca). spienent. chieL under^
brieuida, dienestman ; aber hundeßiuga. Besonders stark vertreten ist
eo noch in den Schietstädter glossen: uuinileod, cheosindo, u co,
fleozze. theochscenchil. uzsheoth. eowederhalba, neorin. deozzinU fleod.
irJceozzinU reotachil u. a. daneben io : dionot piost (lac novum). liodir-
sazo, einfeori, umbifiort (circumferantur J ? vgl. Zsfda. 5, 322. ie:
wiegun, hinderchriegi (tergiversatio). rietgras. mies, thiech u. a. stief-
muter aber stiuphater, kilitibe. liublicho, tiuffer sttSo: vntießiv furch,
chiesent. chiesin : chiusist, lancsiuht ; e in pitrekin. widirchregi. Noch im
Augsburger stadtrecht von 1296: diupstal. diuppinne. diublirh.
diubiges, aber diebe neben diube. Urk. 1326 stuf muter, düpstal: diep
cod. theol. et phil. 54. diepstal no. 74 u. a. Die Zwischenstufe io
ist sehr selten : Stiozaringaz 776. Diotinco 786 neben Diadoldo, Dietolfo,
Thiotfrid, Thiotburuch 838 ; schon 834 Rietheim. Thietinga 882. Dietfurt
1099. Diezenhaldun 1100.
UO.
§ 97. Mhd. (ahd.) uo ist die diphthongirung von
germ. ö, die lautung im schwäb. ist t^, nasalirt p^.
I. TEIL. V0CALISMU8. 99
1) fiids (mhd. vuo;) fuss, aus dem (alten) konsonan-
tisch flektirten dat. pl. mhd. vuojen ist gebildet fudsndt
fussende am bett; tsu9 (mhd. zuo) zu; tswud fem. (mhd.
zwuo, vgl. ZBR. zven brüder : an mite odr zvo, zven röche vnd
zvo cappin. Georgspiel s. 176 zwico töchter, Aesop s. 51
zivuo suw. Mörin 1928 rwo: zwo 2363 darzuo: zwuo) zwei
fem.; krudbd (mhd. geruowen) ruhen; mu9tr (mhd. muoter)
mutter; dndst (mhd. tuest) thust; k'tQueU (mhd. gnuog) genug;
wudr (mhd. wuor) wehr (ablaut wör-, war- ; alter os/es-stamin
vgl. wier Schmeller II, 980 f. u. a.); hudh9 (mhd. buoben)
buben; studl (mhd. stuol) stuhl; ^r?^^^ (mhd. guot) gut; fudtr
(mhd. vuoter) futter; sw9X9 (mhd. suochen) suchen; wudst
(mhd. wuost) ungeordneter häufen; hludst (mhd. bluost) blute;
rtws (mhd. ruo;) russ ; svjd (mhd. schuo[ch]) schuh; volks-
etymologisch ist aömudSd (un + müsse) ameisen umgedeutet
vgl. aumais cod. poet. 30.
2) Vor nasal : dg9 (mhd. tuen) thun ; Moom (mhd. bluome)
blume; hod (mhd. huon) huhn.
Anm. 1. Nach den eigennamen im würtembergischen urkunden-
buch ist bezüglich der Schreibung des diphthongs im altschwäb. fol-
gendes festzustellen:
In der 2. hälfte des 8. jhs. ist o nachweisbar : Rotmurtdus, Rot-
perto 752. Mothari 752. Rotperii 758. 785. Rodulfo, Roding 773. OdaJ-
harfo 778. hoba 786. 799. 802. {Rodpret, Rodker noch 842.) Kurze zeit
findet sich hierauf oa : Hroadbertus 763. Roadharto. Moathelmus 769.
Hroadhoh 778. Toromoatingun 786 {Tormuatinga 793. Dormuotinga
1056). Oadaluuart Roadhohi Roadhelmus 817. Hartmoati 838 und noch
vereinzelter einige wo: üotmar 770? Ruodolfo 772, dazu wohl auch
Boutmanno. Huoldrich 769? Buoso 786. (Hruodininga 836 vereinzelt).
Die gewöhnliche form ist aber ua bereits im 8. jh. ; Tuato 770. Rua-
dirigo llS. Hruadoni 782. Ruadker 786. Ruadprehfi 791. Ruadger 792.
Ruatfridi, Ruatmanni, Hruadher?'. Uadalhart. üadalrih 797. RtiaiJiart 802.
Ruadin gus S02. 803 Buachihorn 839. Äwae^jof'W 868 etc. Indenglossen
aus Weingarten (Ahd. gl. II, 82 ff) 8.-9. jh. : sohungo. mis-
sauorum. uuotenter. ungavwi. arhrorta. Die aus dem ende des 10. jh
stammenden Augsburger glossen Germ. 21, 1 ff zeigen bereits
uo.'ircJmolant. zuoquemo. argluoit etc. doch cruannosafe (virides sationes) ;
uo ist durchgeführt in den gleichfalls aus Ausgburg stammenden P r u-
dentius glossen (1012 — 14) Ahd. gl. II, 41S : gruoni, huohc etc.
Zwiefalter glossen (11. jh.) Ahd. gl. I, 299 t : gluolphanna, stiuf-
muter, muma etc. doch beachte tuilla. tuillilin (heute dudh) : aber auch
7*
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100 m. LAÜT8TATI8TIK.
noch gitua. Weingarter flössen (12. jh.) Ahd. gl. I, 303: chuales.
missituiij gewöhnlich fuoter, zithhuoch. ühsina etc. ; hier finden sich auch
häufigere ö^ = uo : ho^hcstuhon. frouyes (antelucani). gö^tes. stoH etc.
vgl. urk. Rot weil um 1099: BoHmannus. Vlo^rin, Vö^zin. Bo''dolfus,
Chö^no. O^dalricus. Cho^nradus. Büchhahc. Schlettstädterglossen
(12. jh.) Ahd. gl. I, 727 ff: kinüg. h'tuost, flük (aratrum) etc. (doch
auch woaffanti limphatico more), wiederholt noch ö vgl. Zsfda. V, 321
gnokint suppetunt. pflogis. stonte. spunniprodir^ ua in tuahhon. dua.
miiatirra, u. a. Prüden tius glossen (12. jh.) Ahd. gl. II, 489 ff:
uohaldan. huota u. a. Weingarter reisesegen (12. jh.) MSD^
s. 11: guotiii. Schwäbisches Verlöbniss (13. jh.) MSD- s. 246:
hantscuohe. stuol. huot, etc., weiterhin wird meist ü geschrieben, vgl.
Weinhold s. 90; ebenda aus dem 16. jh. belege für ue, doch schon
Ulm 130S gesuech et, ungesuechet «;i^r (mhd. wuor) wehr. ülr. Krat'ft
zue, stuel. fness neben tuoch, rhuo. modern, zuo. Zim. chron. uo
seltener, häufiger ue. Zuweilen finden sich auch noch die formen o**
z. b. ZBR gero^chind, galten und ebenso wiederholt in dem fem. des
Zahlworts zwei z. b. Ulm 1307 zwo" (1. zwuo so z. b. in der Augsb.
chron. u. a. siehe oben). Weckherlin schreibt noch gnuog, luog^ kuo^
verduot u. a., ebenso die lieder von 1633. Auffallend ist die nicht
seltene Schreibung o für uo vor nasalen, z. b. tun : son (sühne
vgl. sain § 92 anm. 2) Hätzlerin 149, 133. Ingold : plomen
20, 16 neben plümen 20, 18. Georg spiel roni s. 188, ebenso Reim-
chronik s. 128, ebenda blom. thon, rhom (ruhm); ähnl. bei ülr.
Krafft. Ich nehme an, daas diese Schreibung auf monophthon-
gischer ausspräche beruht, wie sie wohl im Zusammenhang mit der
kanzleisprache sich verbreitet hat und z. b. auch heute noch in sog.
gebildeterer dialectform üblich ist. So erklären sich reime und Ortho-
graphie der Mörin : sun :tuon (d. i. sS : tS) 789. stuond (stunde) : ver-
wund 693. stuond : pfund 5759. stund : tuond 3063. dar von : des
kaysers suon 5276. 5359; auch Hätzle rin ^ww : wow 285, 17 dazu
die Schreibung thon (thun) bei Ehingen s. 5. 8 u. ö. ; urk. 1479 tond
(thun) u. a.
Anm. 2. Für die Chronologie der nasalirung sind von Wich-
tigkeit die „umgekehrten Schreibungen" ai für uo vor nasal, da ai +
nasal in der gleichen weise wie uo -|- nasal od ergeben musste (also
thg^ = htwn = haim) ; daher die reime :Hätzlerin tun : hain (heim)
252, 83. Reimchronik plüm : als ich main s. 49. hlom : allnin s. 52.
honihaim s. 108. thaim (dorn) : dahaim s. 111. Tristrant: taind:
bestund, tun : raym ; vgl. bereits im Lehenbuch hunstiur = hainstiur,
tun : haim : gemain v. Lüiencron, Volkslieder III, 195. Siehe oben § 92
anm. 2.
I. TEIL. VOCALISMÜS. 101
ÜE.
§ 98. Der umlaut von mhd. uo ist im schwäb. zu i^,
vor nasal zu ^ geworden:
1) im/f (mhd. gerüefet) gerufen; mids (mhd. müe;e) er
müsse; M9 (mhd. küe) kühe ; fti^xr (mhd. büecher) bücher;
ni9xtr (mhd, nüechtern) nüchtern; Mdxle (mhd. küechelin)
küchlein ; pi9d9 (mhd. behüeten) behüten ; sni9r (mhd. snüere
schnüre; misdr (mhd. müeder) mieder (mhd. muoder: müeder
wie oben §97,1 wii9r : wier) ; fria (mhd. früeje) früh; tm9st
(mhd. wüeste) wüst, hässlich vgl. Zarncke, Narrenschiflf
s. 407, 58; cod. theol. et phil. 195: das sind gar wüst
leute; pri9 (mhd. brüeje, flaischbrü Aesop s. 221.) brühe;
kridbix (mhd. gerüewig) ruhig; "prrd (mhd. brüel) flurname;
Ici9fr (mhd. küefer) küfer; driss (mhd. drüese) drüse; hni9s
gemüse; hli9 (mhd. blüejen) blühen; mbf (mhd. müede)
müde ; in folge des Zusammenfalls im präsensvocal bei verben
wie si9S9 (schiezen) und hi9S9 (büezen) konnte auch zu
letzerem ein part. prät. hQS9 (gebüsst) gebildet werden u. a.
2) Vor nasal: kr^ (mhd. grüene) grün; /?^r (mhd.
hüener) hühner; {hßn^ tönen, heute, wie es scheint, nicht
mehr lebendig geht auf mhd. *hüenen ahd. *huonen, die nicht
zu belegen sind, zurück, es steht im ablautsverhältnis zu
lat. cano und zeigt dieselbe stufe wie mhd. huon huhn vgl.
Kluge, etym. wb. s. 126 f.).
Anm. 1. Die Urkunden geben den umlaut durch ü, ü wieder:
Esslingen 1292 hünre. 14S0 fürend^ ebenso 1440 etc. ie für üe urk.
Augsburg pfriendt 1288. folluierend 14:^%. gieter, gietern, widerriefen
vor 1465. Engeltal wiest 1483. gietter (mhd. güeter) guter, mieh
(mhd. müeje) mühe 1513 ; und 1530 als „umgekehrte Schreibung" füertel
fmhd. viertel), abgiieng (abginge), vgl. Weinhold s. 88. 90.
Sehr beliebt ist in älterer zeit die Schreibung we, 'ä für die um-
lautsform von wo, so z. b. in der Mörin: mess. fuess. pf ruend : tuond etc.
Ruland: füssen. behüten etc. Vgl. hierzu Seb. Helber, syllabier-
büchl. ed. Roethe s. 33 f. : Jene Wörter, die ihren Ursprung haben aus
den Wörtern, welliche mit ito oder ue gedruckt werden, die werden von
Donawischon und Höchst Reinischen mit üe (d. i. üe) ausgesprochen
vnd gleich wohl nit allzeit also sonder auch also ü gedrucket. Analog
der Schreibung für uo (§ 97 anm. 1), begegnet ö für üe vor nas. :
102 in. LAUTSTATISTIK.
Hätzlerin plömlein 9, 17. 36, 13. 19: plümelein 76, 44. grönem 15, 58;
der reim grdne : schöne 82, 7 (bekanntlich häufig bei Hans Sachs z. b.
Keller V, 178, 7) bestätigt schriftdeutsohe monophthongische aus-
spräche (vgl. § 97, anm. 1). Georgspiel kontier (kühner) s. 185.
Mynsinger grönen 41. ^rön 42. Ehingen stönde s. 8. Vgl. Reim-
chronik grenes (grünes) s. 53 neben griens s. 54. Ruland grien
s. 17,20. grins. 26. Handschriftlich bereits Tristrant sön
m • ■
(sühne), k'önen; kün. versünen : küne (ebenda komer kummer).
Anm. 2. Belege für entrundung des diphthongs sind in den
denkmälem häufig: zuerst in Grieshabers pred. : riement s. 87. 90,
ferner im Lehenbuch : afi% dem grienen donderstag ; in den Augs-
burger Chroniken von 1126 — 1445 (vgl. Lexer glossar): fiessen.
gieter, hieltet, p/r »end^ (bereits urk. 1288.). rierig. grien, miest. stiend.
schlieg etc. Ingold: kienlich 27, 17. Georgspiel: riefet, miessen.
betriebt, fiessen. kie. mieterlein. Hätzlerin umgekehrt rümen (d. i.
riemen) : nyemant 218, 33 (vgl. niemen Ruland s. 19). Bei dem Augs-
burger Schneider: sich fiegt : kriegt, wiet (wütete) : geriet, gietter.
In Keller's erzählungen s. 222 ff (a. 1524) gefOegt : kriegt, embietten:
Metten. Mone, Schauspiele II, 131 ff (a. 1494): gemiet. behiet, griess.
brieder. fiess. betriepten. rierent. biecher. fiessen : schliessen. verfierer.
Aesop: züfiegen s. 64. Met s. SSS. Mörin: gestHel : kiel 813. gestielt:
kiel 863 schlueg : krieg 4531. Mynsinger: vf den hyetten s. 94.
Ehingen mie. gieter, mieste. betriebt, ieben. verviegt (verfuegen). frie-
ling. gemiet. verhiet. miessig. brieder. fieren. siessisten. frie. unriewiger.
geschüebt : fischschiepen. Ulr. Krafft: grienen, gefüel. auffhUelt. lüesz.
miessen. miede, tiechlein. Reimchronik: brieder. hie : prie. etc. Z i m.
Chronik riefen, riewig. brie. fieren. Meten etc. etc. Handschriftlich:
Tristrant: biess ich 76*. kienhait 127". miessent. biechern. ain wiest
eilend wyss cod. t h e o 1. et p h i 1. 68. versien (versöhne). Meter (hüter).
der siben rief (rnio) cod. breviar 12. tiechern. Metten cod. med. 5.
cod. breviar. 55: ich fier. pliempt. betriepten. sies. giettich. bliemlen.
grien, c o d. m e d. 15 : gemiet. gemietes. c o d. m e d. 29 : kieltet, piecher,
trieb, glieget (glüht) u. a.
Anm. 3. Nach den opt. prät. der 6. ablautenden classe wie
farn : für: füere (vgl. noch in Tuttlingen grilöb. taüös. triiöJS s. ober-
amtsbeschreibung s. 162, woselbst weitere opt. prät. anderer ablauts-
reihen, vgl. auch Birünger A. S. s. 193 Weinhold al. gr. s. 389) sind im
ostschwäb. auch Optative schwacher verba gebildet worden, vgL sieJS
sagte, miex machte. Der älteste beleg ist schied (schadete) bei
Schade, Satiren und pasquillen I, 31, 143.
I. TEIL. VOCALISMÜS. 103
ÜBERSICHT DER ENTSPRECHUNGEN.
§ 99. Von dem heutigen bestände der mundart aus
vereinigen die schwäb. stammsilbenvocale im einzelnen
folgende laute der mhd. periode:
a — mhd. ä § 58, 1.
ä - mhd. ä + nas. § 55, 2.
a = mhd. ä § 59, 3.
ä — mhd. ä -^- nas. § 59, 4.
e = mhd. e (aus a) § 65, 1, a. mhd. e § 69, 3. mhd.
ö § 84, 1.
e = mhd. e -j- nas. § 67, 1. a. mhd. e + nas. § 70,
a. mhd. i -{- nas. § 75, 3, a. mhd. ü + nas.
§ 86, 3, a. mhd. iu + nas. § 87, 4.
e = mhd. e (aus a) § 65, 1, b. mhd. e § 72, 1.
mhd. ö § 84, 2. mhd. « § 85, 1.
e -= mhd. e ^- nas. § 67, b. mhd. B • nas. § 72,
anm. 3. mhd. e -h nas. § 70, a. mhd. i +
nas. § 75, 3, b. mhd. oe + nas. § 85, 2. mhd. ce
-h nas. § 67, b. mhd. ü + nas. § 86, 3, b.
mhd. öü + nas. § 95, 2.
q = mhd. e (aus a) § 66, 2, a. mhd. e § 69, 2, a.
f - mhd. e (aus a) § 66, 2, b. mhd. ce § 66, 2, c.
nebst anm. 2. mhd. e § 69, 2, b.
i = mhd. i § 74, 1. mhd. ü § 86, 1.
t = mhd. i § 74, 2. mhd. ü § 86, 2. mhd. m § 87, 1.
-: mhd. § 78, 1.
= mhd. rf- nas. § 78, 3, a. mhd. u -h nas. § 81,
3, a. mhd. o?/ + nas. § 94, 2.
ö = mhd. § 78, 2. mhd. ö § 79, 1.
= mhd. ä 4- nas. § 61, 2. mhd. o + nas. § 78,
3, b. mhd. ö + nas. § 79, 2. mhd. u + nas.
§ 81, 3, b. mhd. ou + nas. § 94, 2.
Q = mhd. ä § 61, 3, b. mhd. o§ 78, 4.
Q — mhd. ä § 61, 3, a.
u — mhd. w § 81, 1. 83, anm. 2. mhd. w § 82, 3.
ü = mhd. u § 81, 2. mhd. iu § 88.
104 m. LAUTSTATISTIK.
di = mhd. % § 76, a. mhd. i § 77. mhd. iu § 87, 2.
du =•- mhd. w § 82.
aQ = mhd. a § 61, 1, anm. 3. mhd. ö § 79, 3, a. 80,
a. mhd. ou § 94, 1.
ao = mhd. a + nas. § 61, 1. a + nas. §561 anm. 5.
mhd. ö -\- nas. § 79, 3, b. 80, b. mhd. ü + nas.
§ 82, 2. w + nas. § 83.
ae = mhd. B § 72, 2. mhd. c» § 85, 3. mhd. öü
§ 95, 1. mhd. ei {-egi-) § 93. mhd. -cej- § 66
anm. 2.
ae = mhd. e + nas. § 72 anm. 4. mhd. l -\- nas.
§ 76, b. mhd. t {+ s) § 76; c. mhd. i + nasal
§ 77. mhd. ce + nas. § 85, 4. mhd. ü + nas.
86, 4. mhd. iu + nas. § 87, 3.
19 = mhd. i (+ r) § 75 anm. 1. mhd. ie § 96, 1 nebst
anm. 4. mhd. üe § 98, 1.
q9 = mhd. o (+ r) § 78, 4. mhd. ai §^92, 1.
09 = mhd. ai + nas. § 92, 2. mhd. uo + nas. § 97, 3.
'^9 = mhd. e § 69, 1. mhd. ö § 84, 3.
^ =^ mhd. ^* -h nas. § 70, b. mhd. ie + nas. § 96,
2. mhd. üe + nas. § 98, 2.
ea = mhd. ö {+ r) § 84, 3.
qe = mhd. ai § 92, 3.
oi^ = mhd. ai + nas. § 92, 3.
U9 = mhd. wo § 97, 1.
ui = mhd. iu § 88.
KAP. III.
DIE VOCALE DER NEBENSILBEN.
§ 100. Von der entwicklung des vocalismus der ictus-
silben ist die der nebensilben d. h. der mittelstarken
und schwachen silben streng geschieden (§ 5 f). Ausser
der diflferenz an nachdruck und quantität, besteht auch
eine solche der betonung (§ 7. 40). Daraus folgt, dass
aus ursprünglich identischen qualitäten ein der klangfarbe
nach gänzlich verschiedener laut entstehen musste, wenn
I. TEIL. V0CALISMU8. 105
in nebensilbe die nachdrucksverhältnisse niedriger, die quan-
tität geringer, der musikalische ton höher war als in
ictussilbe. Der hochton der nebensilbe ist in der mund-
art, was man gewöhnlich nebenton genannt hat, derselbe
ist nicht an eine bestimmte stelle des wertes fixirt, sondern
wechselt je nach der gruppirung der exspiratorischen icten
im Satzgefüge.
1) IN DER WORTCOMPOSITION.
§ 101. Es ist bereits § 39 anm. 2 hervorgehoben,
dass der erste teil einer nominalen Zusammensetzung den
ictus trägt, dass aber der „nebenton" des zweiten glieds,
weniger ausgeprägt an nachdruck als an tonhöhe, davon
wesentlich verschieden ist. Es ist unrichtig, wenn Wein-
hold al. gr. s. 288 von einer „überhaupt vorhandenen
neigung" spricht, den „zweiten compositionsteil zu be-
tonen".
§ 102. Vom heutigen bestände aus zerfallen die com-
posita in zwei categorien je nachdem der zweite bestand-
teil in seiner beziehung zum betr. selbständigen^wort be-
wahrt geblieben, oder dem gedächtniss das bewusstsein
der Wortfügung entschwunden ist. In markplats marktplatz
ist dem Sprachgefühl die composition geläufig und es be-
steht enger anschluss an das simpl. plats. Es ist dagegen
unmöglich, ein wort wie fidntl viertel, in seine bestandteile
vierden teil zu zerlegen, ftdutl wird vielmehr aiseinheitliches
wort empfunden. Für die sprachgeschichtliche beurteilung
ergibt sich daraus, dass die rein lautliche entwicklung der com-
positionsglieder nur in diesem zweiten fall eingetreten, dass
für die erste categorie die entwicklung des simplex mass-
gebend gewesen ist. Die zweite categorie ist demnach hier
auszuschliessen, für sie gelten die gesetze der stammsilben-
vocale vgl. : hämfuds (mhd. hanenvuo?) .unkraut gegen hqrfis
(mhd. bärvuo?) barfuss; W9inext Weihnachten gegen fäsndt (mhd.
vasnaht) fastnacht ; mitäU mittag gegen medix (mhd. mentac)
montag u. a. ; ebenso hat sich durch anlehnung an dalc ge-
halten waedalc (mhd. wetage) eig. schmerz, jetzt zum fluch-
106 III. LAUTSTATISTIK.
namen geworden; kdusiid hausschuh gegen h^tsix (mhd.
handschoch) handschuh ; hopfdgatd hopfengarten gegen w^m-t
(mhd. wTngarte) weinberg; /as^^to/f fastenzeit gegen haotsik
(mhd. höchzTt) hochzeit; snitlaox (mhd. snitelouch) Schnitt-
lauch gegen k'tdöblix (mhd. knobelauch) knoblauch, bei Bir-
linger A. S. s. 87 schlittla (= Hith) Schnittlauch); brabher
(mhd. brämber) brombeere gegen qrpr (mhd. ertber) erd-
beere u. a.
Weitere composita sind: hä'klato (mhd. hac einfrie-
digung und latte); ^'Iskmäx (mhd. alle; und gemach) eig.
sehr bequem, allmählich; (/e'ltsqf nicht trächtige schafe;
fTrspritse Feuerspritze; ba'tsdsmeltsr bezeichnung für einen
Verschwender; he'hJtetmn haltekette vorn an der deichsei;
e'lmägd (mhd. ölmagen) eig. ölmohn, mohn; im'sbdm (mhd.
wisboum) wiesbaum; q'woil (mhd. alle wTle) synon. ^'Ibof
immer; t'brtswqrx (mhd. übertwerch) quer; ra'otene (mhd.
röttennin) von der rothtanne; krö'mbir (mhd. *grundbir)
kartoffel; mi'speTol mistgabel: sw ufö kl nhu; JSw klftidr {mhi.,
goukelvuore volksetym. umgedeutet); q'sdkrq aschgrau;
uq'trlqdx9 (zu mhd. weterleich blitz) wetterleuchten; mwä-
k9tnus muskatnuss ; mä'gowae magenweh ; kro'nowlf kronen-
wirt; me'dtson^pl märznebel; Uidbridstr QT^i^ kuhmilch nach
dem kalben, vgl. Kluge etym. wb. s. 30. Schm. I, 1215;
db'tstfr (mhd. unzifer) Ungeziefer ; ßdmbef^2imnhQii; öL'brtsw9ilc
(mhd. aberzwTc) nebenzweig; lq'9drhös lederhose u. a.
In der zweiten categorie alter composita ist das
Schlussglied vollständig in die entwicklungsreihe der suffix-
ableitungen (§§ 104 ff) übergetreten; den process dieses
Vorgangs erläutert Paul, Principien der Sprachgeschichte ^
291 ff.
2) ABLAU rSERSCHEINUNGEN IN STAMMSILBEX.
§ 103. Innerhalb des Sprechtakts (§ 4 ff) gruppirt
sich um die starke ictussilbe eine anzahl nebensilben, die
teils aus ableitungs- und flexionssilben, teils aus Stamm-
silben bestehen, welche vermöge ihrer syntaktischen be-
ziehungen sowohl als nachdrückliche wie als schwach
^
I. TEIL. VOCALISMUS.
107
accentuirte Satzteile fungiren, die sog. en- und procliticae.
Dieser Wechsel in nachdruck und betonung beeinflusst die
lautform dieser Wörter und es entsteht ein lautwechsel der
mit dem sogenannten ab laut wesensgleich zu sein scheint.
Im Schwab, sind zwei gruppen vorhanden ; die eine charak-
terisirt sich durch einen Wechsel der quantität, ohne Ver-
änderung der vocalstellung, in der zweiten ist neben quan-
titativer differenz auch eine qualitative Veränderung einge-
treten. Die gebräuchlichsten falle der mundart sind:
1) a.
nä : nap hinab.
i? : k ja.
'ra : 'rcip herab.
nq : nq (mhd. nä) dann.
was : wa was.
mq : mq (mhd. wä) wo.
abr : ahr aber.
fqr : fqr vor.
wldr : widr wieder,
üf : uf auf.
wider.
tbr : ihr über.
foifo von u. ähnl.
(jl^ : gK (mhd. gen inf.)
wQl : wol wohl.
so : so so.
b.
ndb : ng noch (mhd. noh)
Iq : /(/ (mhd. lä) lass imp.
ndp : no (mhd. nun) nur.
n9us : dus (mhd. hinü;
da ü;)
hob : hqst, hqf (mhd.
hän hast), pl. hönf.
c.
mi9 : me mühe (mhd.
tsue : tsu, tso zu.
müeje).
mi9s9 : mes9 müssen. muds : mo[mr] muss (man).
mudtr : mgtr mutter. ]Sgd{n) : Uon kein.
mj9{n) : mon ich meine. gudde : god9 guten (morgen,
abend).
Durch b) wird das alter dieser erscheinung bezeugt,
wonach bereits vor der periode der diphthongirung ein
Wechsel zwischen länge und kürze bestanden haben muss;
in c) ist reduction des diphthongs eingetreten.
2) T : i : e ich. ^r : ^r : 9r\r er.
midr : mir : mdr, mr, ms sid, ^ : se : s sie.
mir, wir.
108 m. LAÜT8TATI8TIK.
mT : mi : me mich, d^ : d^s : dg : s das, es.
dos : ons : ^s, is uns. m : hn : dtn : m ihm.
rfaw : du : da : d du. t9r(a), fr9 : 9ra : r^ ihr dat.
sg. f.
di9r : dir : d^r : dr dir. m : §n : 9^ n ihn.
dt : di : de dich. ^e : ew : Sne, ne, n ihnen,
iar : ir \ dr : r ihr. ö^^ar, dfr : d^ : dr, da der.
dix :ia:{i ~ i und = d) euch, d^m, dim : d^m :em :m dem.
5icÄ : se sich. d^w, d&i : dfn : da(w) den.
p^^w : en : 9n : 9, n ein, d^ra , dfra : dqr : dr der.
einen. dat. sg. f.
o^m : em9 : dme : mo einem, did, dl : de : d9, dd : d die.
(^dro : 9r9 : rd einer (fem.)
dq : dq : dd (dr) da.
Die erste columne enthält die nachdrücklichen, die
zweite die nebentonigen, exspiratorisch mittelstarken,
die dritte (vierte) die unaccentuirten formen; die differenz
zwischen Schwund des vocals und 9-stufe wie in m9r : mr,
dor : dr, d9 : d u. a. beruht auf einem unterschied von ton
und nachdruck, der bedeutend geringer ist als der abstand
von den nebentonigen bildungen, streng genommen darf
nur die Schwundstufe auf (absolute) nachdruckslosigkeit zu-
rückgeführt werden.
Anm. 1. Die enclitischen formen waren bereits in mhd.
zeit reducirt : z. b. gruoz : tuoz (= es) Rugge 109, 2. 4. iwanger :
swanger Neifen 17, 19. wirs (pejus) : mir« (= mir es), :dirs Flore 1164
(anderes in der anm.). 5802. genähen: vähen (= vähe in) 4276; vgl.
Sommer zu 812 Lachmann zu Jwein 2112. 5428. kusten (= ihn): brüsten
Erec 5756. tnüoter : hüoter {— ir) 10119 em. von Lachmann, hruder : zu
dir Mone, Schauspiele II, 199 (15. jh. Donaueschingen j. muter : tut dir
Hätzlerin 260, 35. Grieshabers predigten: wies (wi« es), er
welJz (woUe es), ins (ihnen es), wenners (wenn er es), sis (sie es).
ingeganen (ihnen entgegen). *o fall em (ihm), cerförteni; beachte ferner
des wasser s. 89 des kindelin s. 85. dest (das ist) s. 85. Urkundlich
habe '\Q\i des (für das seit 1282 gefunden, vgl. noch dermit 1295. sime
(si ime) Schwab Verlöbniss; MSD-' 238. 611.
Anm. 2. Bereits in der Zwiefalter bene dictin err egel
iSt die reductiori des diphthoiigs bei dem unbestimmten artikel ain
nachweisbar vgl.: an wenec (paululuni). ans andirn. am andern, aniec-
licher. an vihe. an wrm nit an mensche, an glori. an salter, an lietkerze.
1. TEIL. VOCALlSMÜß. 109
als an vater. ani mazze winis, an anderz (aliud), ä cappun vnd a roch,
ä matte vnd ä vilzi. au eltirn (seniorem). ä gast, ä ewart; ebenso nah-
anauder, underanander. Vgl. urk. vnder anander 1283 Tübingen. 1284
mit anander, uf enander. 1292. 1293 mit enandir. zu anander 1299.
mit anänder 1305. anander 1339. mit anander 1350. mit enander 1430;
ebenso im Herkommen von Horb. Die Schreibung en^ an für ain
habe ich in Urkunden seit 1270 wiederholt getroffen. Dass diese a, e-
Schreibungen den reducirten vocal d wiedergeben, wird unten gezeigt.
Treffende belege liefert die schwäbische partie in Grieshabers
predigten: am man sin kint (einem) s. 89. an dages anar hrediye.
ans dages. foram alter, an engel. an gelichntist. an gelichsner. am
iegelichen sunder. an ander kunc. an Urkunde, an kint ald an man.
dest (das ist) an schoen spruch s. 85 (ganz 'ebenso heute im dialect) ;
vgl. handschriftlich: enander cod. theol. et phil. 54. 74. 17. 144. cod.
bibl. 28. u. a.
3) DIE ABLEITÜNG8- UND FLEXIONSVOCALE.
§ 104. Dass hierunter auch einzelne isolirte compo-
sita zu behandeln sind, wurde § 102 bemerkt, ausserdem
fallen hieher die mittelstarken und schwachen formen der
en- und procliticae § 103 und die zweiten componenten der
diphthonge § 89. Die endsilbenvocale des schwäb. sind : ^,
P, 6, 9y 9.
Anm. Die nebensilbenvooale der lehn- und fremdwörter der
mundart bleiben unberücksichtigt, — Ganz vereinzelt habe ich in Horb
a der endung bei sehr ausgeprägtem nebenictus in Sulfats Obstschale
(mhd. schelve) gehört, gemeinschwäb. ist auch hier durchaus s^Jfdts
vgl. sohäluetz l hülse cod. p o e t. 30. Im bair. - schwäb. sind nach
Birlinger Augsb. wb. s. 358 Superlative auf -ost erhalten ? : zobergost zu
Oberst, untergost etc. vgl. auch A. 8. s. 160.
§ 105. i der endung erscheint vor palatalem -s -s -x (k) :
1) für mhd. i in der ableitung -is = mhd.-isch, vgl. :
sw^bis (mhd. swaebisch) ; wichh^rgis württembergisch ; prdisis
preussisch; jidis (mhd. jüdisch); hqrbsris in der art von
Horb u. a.
Anm. 1. Teilweise liegt sicher mhd. -esch zu grund {stväheschen
im Schwäb. Verlöbniss), doch vgl. Weinhold al. gr. s. 226 f.
2) für mhd. ^ im flect. neutr. singularis des Suffixes
-m : httQxis (mhd. *buochin;) buchenes (sonst bu9xe) ; ebenso
denis zu mhd. tennm, swdenis zu mhd. swinin, wulis zu mhd.
wullin wollen u. a. Ebenso im genetiv von eigennamen
auf -le (mhd. -lin) : sqrßis {hsiis etc.), raehlis (sonst sqt\tl^,
110 111. LAUTSTATISTIK.
raebl^) u. a. Nordschwäb. ist auch vor s durchweg e üblich.
Da nun in der mundart von Horb z. b. auch gebratenes
> prqtis (vgl. bachas, baches gebackenes in der Zim. chron.)
lautet, darf i nicht als directe fortsetzung von mhd. T be-
trachtet werden, sondern i muss unter dem einfluss von
s secundär aus ^, 9 entstanden sein.
Anm. 2. Die vorliegende lautform setzt die bekannte mhd.
regel voraus, wonach -e hinter liquiden und nasalen in nebensilbe synco-
pirt wird, vgl. aus ZBR dat. sg. aigem: fem. aiginr\ im Augsburg,
stadtrecht von 1276: llnirn (leinenem), aichim. offem; Chroniken
5, 472: schweinis. rinderis. Analog zu den zahlreichen dat. sg. mim
(meinem) die aUerdings auf unserem gebiet nicht nachweisbaren,
wohl aber im benachbarten alem. häufigen procUtischen mis (meines)
z. b. Weingarter liederhs. Aesop: mit güldim saffel s. 93. vmb
empfang es guot s. 353. Mynsinger: mit zerlauffem speck s. 69.
mit sueinym smaltz s. 73. alsvils siveihis speks s. 72. Reimchronik:
aiges loh s. 106. seide wat Schade, Satiren I, 31, 139. haidisch :
hädinisch Ehingen s. 17. 21. u.a. Handschriftlich: mit vf gespannem
gemüt, von gestolem gut cod. theol. et phil. 54 (ebenda staininü
herczen). cod. med. 15: mit gesottem wasser. mit guldin huchstahen.
cod. theol. 5: an zwain stninen taffein, cod. ascet. 78: sechs stainy
gelten oder staininü vass u. a.
3) / der 2. sg. optat. seltener indic. der verbalflexion
ist auf dieselbe weise zu deuten : komist kommst, maxist
machst, rqxniH rechnest, gamst gehest; hoHs holest,
hetist hättest, wP^rist wärest, wistist wüsstest, dqdist thätest,
sotist solltest u. a. ; daneben syncopirte formen ; vgl. die
nichtsyncopirten optat: sollst, ivölist, sigest, lebest, würkest,
verdienest, machest, niemest u. a. cod. theol. et phil. 63.
144. lehist, würkist 184. nemist, sigist. bekenist: bekuntist. ver-
sumist u. a. cod. ascet. 207.
4) auch in s^gis sense (mhd. segense) vgl. seges cod.
poet. 30 ist i aus ß, 9 vor s entstanden und ebenso werden
bqrfis barfuss (vgl. paräfuozzi Schletst. gl.); suldis (mhd.
schultheije) zu beurteilen sein, in welchen werten die diph-
thonge zunächst zu e, 9 reducirt wurden (vgl. oben § 103
en mhd. ein u. a.). In mhd. etewa^, abeläT, wurde a, ci zu
e, 9 geschwächt (vgl. nordschwäb. (^ks^ qp9s) und es entstand
gleichfalls i : epis, aplis wie auch die enclit. form von mhd'
I. TEIL. VOCAL18MU8. 111
uns ZU is wurde, ebenso in dem isolirten genet. mu9tr
gotis (mutter gottes).
Anm. "Weitere isolirte genetive sind die adverbialen: sjqrs,
sdäks drlmql im jähr, am tag dreimal; altertümlich ist ferner n^nts
Iqdts kein leid. Sonst hat sich gen. -s nur noch erhalten in posses-
sivischen Wendungen wie srö'sdtvits kristle Christian des rosenwirts
söhn, alcrditswxtsdöiitr die tochter des kreuzwirts; ilSaer shfkd SndresUs
andkqdrlis m^dle ich gehöre der tochter der Anna Katharina der
tochter des bäckers Endres u. a. In Tuttlingen wie sfatrs so auch
smotrs. In Balingen sollen diese gen. formen nicht üblich sein statt
sfo'gtsbud > drfogibud, dhurgdm<pstrmari^ dkarlekarle u. a.
5) Nicht weniger unursprünglich ist i der ableitung
'ix (die in Horb mit -ilc wechselt). Mhd. risech reis ist zu
rdisix, mhd. latech zu ladix lattich geworden ; ?/o in mhd. hent-
schuoch, hendtschuch Heidelberger Tristrant. Zim. chron.
III, 581, 9. händtschuch Breuning s. 49. handschuh wurde
wohl zu 0, 9 reducirt und dieses letztere durch den folgenden
palatal zu i gewandelt > hentsix^ ähnl. kfQöhhx aus mhd.
knobelouch knoblauch; ein analoger Vorgang ist für -tach <
'dix, {'dik) anzunehmen in den \^ ochentagsnamen : medix,
tsäesdix, dabsdix, froidiv etc. sowie den ableitungen Jmdix
feiertag, l^tix lebtag und ganz entsprechend ist mhd. Mach
lein- tuch durch bilix vertreten. Eine eigentümliche über=
tragung dieses suffixes hat stattgefunden bei haots/x, haofsilc
(vgl. hauzig Alem. VIH, 84 mhd. hohzit) ; kswistrix (mhd. ge-
swistride urk. 1334. 1352. 1368 dagegen Blaubeuern 1381
geschwisterige (Statutarechte s. 309), vgl. Weinbold al. gr.
s. 224.) geschwister, geswistertig kind cod. poet. 29. ge-
swistrit cod. breviar. 51, die nebenform gewistergit im Her-
kommen. Fürstenb. urkb. I, 319. cod. breviar 56.
cod. poet. 30. Ebenso die gefettrig [pfettreich III, 136, 24)
Zim chron. von mhd. geveteride ; dbUiH (mhd. unslit) un-
schlitt ; und zweifellos hat sich die productivität dieser
ableitung auch auf die sonst unerklärlichen rtiü'six musik,
krdnix chronik etc. erstreckt; vgl. ferner § 157 anm. 3.
Durch diese beispiele ist auch die richtige auflfassung
der adjectiva auf -ix, -ik (mhd. -ic) festgestellt: suldix
(mhd. schuldic) schuldig; l^hix (mhd. lebig cod. med. 15,
neugebildet vom verb. l^ho) lebendig; fedix (mhd. vertic)
112 III. LAÜT8TATI8TIK.
fertig; grdusix (mhd. grüsic); kwtxtix (mhd. gewichtic)
schwer an gewicht ; ledix (mhd. ledic) ledig, unverheiratet ;
lustix (mhd. lustic) lustig; sißx süffig; klitsix (mhd. glitzic)
glänzend u. a. Die suffixform -ec ist mir nur ganz verein-
zelt begegnet ; der auslautende consonant wird bei der laut-
verschiebung zur besprechung kommen. Ebenso ist ix
(mhd. iuch) euch als enclitische form zu erklären (aus *9x)
s. 0. § 103, 2. Für die entstehung aus o + x sind be-
sonders vom belang formen wie Jcirix kirche, mihr milch,
lerix lerche, kflix kelch u. a. wenn damit solche wie aroß
arg, saraE sarg, arsm arm, b^roß berg u. a. verglichen
werden, vgl. § 15.
Anm. 1. t in 2, 3, 4 ist merkmal des südsohwäb. ; gemein-
Schwab, ist e (2), 9 (3. 4) übUoh.
Anm. 2. Auch in fremdwörterli ist vor s der reductionsvokal
zu i geworden, vgl. hrisi'ldspt (brasilienspähne) fernambukholz, tSmis
Thomas u. a.
§ 106. Schliessendes -w der nebensilben ist geschwun-
den, demnach geht schwäb. e der endung zurück:
1) auf mhd. e in nern^ nem^ (mhd. nimme Mörin 3012
aus niht me) nicht wieder ; ausserdem die nebentonige form
des mhd. inf. gen gehen, die als g^, {ge) in präpositionaler
proclise erhalten ist (s. o. § 103) z. b. geba'cb um zu
baden u. a.
2) auf mhd. -em der flexion, die folglich auf unserem
gebiet auch in mhd. periode e- qualität bewahrt hatte,
demnach lautet auf e:
a) die 1. pl. opt. wie ind. präs., die bekanntlich sehr
früh durch eine form vertreten sind (vgl. Braune § 307
anm. 6. Weinhold al. gr. s. 337. 340 f.) z. b. mir Höm^ wir
kommen (ind. u. opt.), ebenso g^he, gafoe, wis^, dt^fe (dürfen),
w^l^ (wollen), hqh^ (haben), analogisch auch sdi§^ (seien, sind)
u. a.
b) der dat. pl. der pronominalen flexion (teilweise
auch in die nominale gedrungen): /o/^ (dat. pl. den vollen),
blende (blinden), graose (grossen), gudde (guten), bti9X9n^
(buchenen), l^bix^ (lebendigen), di3f^ (tiefen) u. a. Diese
I. TEIL. V0CAL1ÖMU8. 118
charakteristische endung ist an die dativformen der pro-
nomina neu angetreten, die demnach lauten: rfewe, cleane
{den betonte form, denen im Herkommen; Schade, Satiren
I, 35, 301. Zim. chron. etc.; {ene (wie nhd. ihnen).
A n m. e der 2. sg. opt. pras. ist nach § 104, 3 zu i geworden.
§ 107. 2) a) mhd. -T, -i: ßirbe (mhd. kirchwl) kirch-
weihe, jaM'be Jakobi (jakobustag), geo'rge Georgi, made'ne
Martini, jüne Juni, jüle Juli und danach analogisch auch
jöä'ne Johannis, mixe'le Michaelis, vgl. ferner e im diphthong
qe = mhd. ei § 92, 3.
b) mhd. iu der endung ist mit ^ zusammengefallen
und heute gleichfalls durch e vertreten: w) im nom. sg.
fem. der adjectivflexion : graose (mhd. gröziu) grosse, g^le
gelbe, giode gute, bluddixe blutige etc.
ß) im nom. acc. pl. neutr. derselben flexionsweise und
von hier aus auf masc. und fem. übertragen (vgl. den zu-
sammenfall mit dat. pl. § 106, b) : fdefe, qxte, tswelfe (mhd.
finfiu,*ehtiu, zweifln) fünf, acht, zwölf etc. als Zeitangabe;
dbsdre unsere , haese böse , krdusixe schreckliche, dbgudde
ungute, verdorbene, Äaoxe hohe u. s. w.
Anm. Durch Übertragung ist diese endung auch an stelle
von (nom. acc. pl.) mhd. -en der schwachen flexion getreten : graose wie
de graose y de graeste die grossen, grössten u. s. w. Nach Schmeller,
Ma. Bayerns s. 55, 231. 32 zwischen Lech und Inn noch beim neu-
trum sechse, bei maSc. u. fem. sechs etc. ebenso goudd. goud (Nab).
§ 108. c) -e vertritt heute mhd. -m (über den schwund
des nasals vgl. § 105, 2.)
a) der stoffadjectiva : sdide (mhd. sTdln) seiden, ß^se
(mhd. vlehsln) flachsen, ki^se (mhd. glesln) gläsern, hiltse
(mild, hülzln) hölzern, wule (mhd. wullln) wollen u. v. a;
ebenso die heutigen substantiva : gulde (mhd. guldin) gülden,
setmre (ahd. sumbrin) simmeri.
ß) der diminutiva auf -lln: fraele (mhd. vröüwelrn)
fräulein, fegole (mhd. vögelin) vöglein, kmtle (mhd. kindelTn)
kindlein, bqxle (mhd bechelTn) bächlein, pfentle (mhd. phenne-
lin) pfännchen, kleine pfanne, mentle männchen etc. etc.
Anm. 1. Dass die bekannte Vorliebe der mundart für diminutiv-
büdungen in alte zeit zurückreicht, bezeugen formen wie siechteglin
(zu siechtagc krankheit) cod. breviar. 58; bei Winterstette :
Kauffmann, Fr., Geschichte d. schwäb. Mundart. 8
114 III. LAUTSTATISTIK.
helgelin 19, 17. müeterlin 21, 10. liedelin 27, 29. fröudeltn 56, 34. min-
nerlin 65, 37 u. a.
d) ebenso ist ausl. mhd. -in zu -e geworden in den
adverbialcompositis mit -hin, welche die anlautende aspira-
tion verloren haben (folglich ist in a) u. ß) zunächst quan-
titätsreduction eingetreten): fire (mhd. fürhin) hervor, nq^e
(mhd. nächhin) hernach, düre (mhd. durchhin) hindurch, äbe
(mhd. abhin) hinab, vgl. abhin urk. 1428. cod. theol. et
phil. 195: XVII staflfel abhin bas ist die krippe, äne (mhd.
anhin) dahin, vorwärts, dufe (mhd. üfhin) hinauf, ebenso
duse hinaus, usshin urk. 1483. Alem. VIII, 197, dene hinein
u. a. vgl. Schmeller I, 1516. Ma. Bayerns s. 175. 396 f.
Weinhold al. gr. s. 291. Zs. f. d. ph. IV, 380. DM. VI, 348.
e) es ist demnach nicht zu entscheiden, ob in den
femininen ableitungen mhd. -iw, m, (vgl. Weinhold al. gr.
s. 441.) an deren stelle die mundart gleichfalls -e zeigt, ur-
sprünglich mhd. kurzer oder langer vocal vorauszusetzen ist :
frdende (mhd. vriuntin) freundin, kenixe (mhd. kunigin) königin,
ßste (mhd. vürstin), h^de (mhd. bötin) botin, wtde (mhd.
wirtin) ebenso Ic^^xe köchin, pdire bäurin, milxdre milchfrau,
henthre händlerin u. v. a. Jedenfalls ist nom. sg. -inne
(wie z. b. bei Neifen und Winterstetten durch den reim
gesichert) nicht dem dialect gemäss , vgl. künigin : bin
Neifen 40, 25. vogellin: min: künigin 52, 25 (vielleicht
unecht). Winterstetten: sin: trostaerin 7, 24. 25, 30.
trostaerin: schin 8,81. din: trostaerin 46, 14. Auch beim
Schulmeister : (sinne : triutaerinne gegen) fin: min: mai-
staerin; vgl. den Anhang.
A n m. 2. Die plurale lauten : frdend^nSi freundinnen , T?ex5n?
hSntl9rn3i u. 8. w. vgl. anm. 2. § 110, 4.
f) mhd. 'in {-m ? vgl. Braune ahd. gr. § 213 anm. 3.)
nicht -en bildet folglich die grundlage für : lüge (ahd. lugin,
lugina, mhd. lugin, gewöhnlich lugen) lüge, miste (mhd,
*mistin) misthaufen, inTle (mhd. mülin) mühle, Icuxe (mhd.
kuchin) küche, ßise (mhd. küssin) kissen.
Anm. 3. Die endungen mhd. -en : -in sind als satzdoppel-
formen zu fassen. Die plurale lauten gleichfalls auf -^n^ : lüg^n^f
mist^nSi, mlWr^^ ku^n^ (ebenso analog, stub^nd stuben) etc. und es ist
demnach nicht ausgeschlossen, dass -e des Singulars nach analogie der
I. TEIL. VOCALI8MU8. . U5
unter e) aufgeführten feminine entstanden sein könnte; vgl. luginen
Reimchronik s. 84. Zim. chron. (ebenda analog, prugginen).
g) die endung -e zeigen auch die von adjectiven oder
Verben gebildeten abstracta : /aes^re (ahd. vinstri, mhd.
vinster, vinsterin) finsterniss, starke stärke, raede röte, haee
höhe, giode gute, hrqdde breite, swexe schwäche, daefe taufe,
straebe streu, sprqote das ausbreiten, endrtste am anfang
vgl. Ulm 1430 (D. Reichstagsa. IX, 490) in der erstin,
psetse besatz an einem kleidungsstück u. a. In der mhd.
literatur erscheint in der regel an dieser stelle -e als aus-
gang, mit dem die heutige form nicht identisch sein kann.
A n m. 4. Ursprünglich lautete der nom. sg. -i (/), gen. dat. acc.
8g. "In, bei den von verben abgeleiteten Substantiven auch nom. sg.
-w. Der nasal ist analogisch in den nom. sg. eingeführt worden. Die
bei den mhd. dichtem auftretenden -ß-formen sind das resultat der
abschwächung des nominativischen -l, i; vgl. Paul mhd. gr.^ § 126
anm. 3.
h) da ausl. -x in nebensilbe geschwunden ist, wird
a) mhd. 'lieh gleichfalls zu -le : frgile (mhd. vrTlich)
freilich; hdde (mhd. hainlich) heimlich, traulich; wqrle {mhd.
waerlich) fürwahr (vgl. umnderbarli Zim, chron. u. a.). Im
gegensatz zum bair. dialect ist auf unserem gebiet (wie bei
-m > in s. u. c.) hier sehr früh Verkürzung eingetreten,
vgl. die reime bei Winterstetten : ich: sich: mich: gerich:
ungemenlich. ich , dich : minneclich ; dagegen entwichen :
herzeclichen u. a. Schulmeister : dich: sicherlich u. a.
vgl. den Anhang.
ß) ebenso haben sich in enclitischer Stellung ent-
wickelt : e (mhd. ich) ich ; se (mhd. sich) sich und in den
Zusammensetzungen firse (mhd. für sich) vorwärts; hentrse
(mhd. hinter sich) rückwärts; ibrse (mhd. über sich) auf-
wärts (vgl. Winteler s. 137) ; de dich, me mich.
y) aus en- oder proclitischer function müssen auch
net (mhd. niht) nicht, et (mhd. iht) nicht erklärt werden.
§ 109. Schwab, -e der endung entsteht aus -e bei
vorangehendem nasal, vgl. Idene (mhd. iTnTn) leinen (§ 108,
c, «); kr^ne (mhd. grüeniu) grüne (§ 107, b) u. a. (in der regel
nicht besonders bezeichnet); ^we gross vater vgl. Zim. chron.
äni, eni ; enw imi (vgl. Ulm 1298 imin kornes); ausserdem
8*
116 m. LAUTSTATISTIK.
findet es sieh als ableitungsvoeal des Suffixes mhd. -ine,
ing > hd und da diese suffixfonn vermöge der überzahl der
falle mhd. -unc, -ung verdrangt hat, auch an dessen steUe :
(llbe*r<f Tübingen, shmrh^ Sigmaringen, donha^ Donningen
etc.; pfbi^ (mhd. pfenninc) pfennig; ic^isets (mhd. wTsunge)
Weisung ; q^pief9 Ordnung, klqadefd kleidung, mo^neto meinung,
s^fsef9 Schätzung, frisietQ frühling etc., aus den älteren denk-
mälem weiss ich diese suffixübertragung nicht zu belegen.
Anm. 1. Zu beachten ist, dass auch e für f sich findet unter
bestimmten bedingongen der satzfugung, wenn z. b. f (= ich) an ein
auf nasal ^ndigendes wort sich anschliesst: hdtne bin ich, tc^ne wenn
ich u. a., doch ist hier der gebrauch schwankend, häufig tritt in dieser
Stellung analogisch nasenyerschluss ein, was auch für ^ aus -e in IcStne^
kre9ne etc. gilt
Anm. 2. Wie die bewahrung des nasals beweist, ist mhd. -i/«*,
'Unc >> h9 nicht als ableitnngs- sondern als compositionsteil ent-
wickelt (wie 'Saft^ 'f^fit ''^ ^- »•)» so dass heute immer noch neue Zu-
sammensetzungen gebildet werden können. — mhd. -unc ist auch im
alem. durch -it? ersetzt worden vgl. Stickelberger s. 57.
§ 110. 9 als endsilbenvocal ist nach dem phonetischen
werte § 15 besprochen; es vertritt
1) mhd. -enibaxQ backen; Qhf abend; qadGUx (mhd.
ordenlich) ordentlich; Mra bimen, blrdböm bimbaum vgl.
birenboum Aesop s. 224. 327; gäcb garten; haoba hauen;
jüg9f Jugend; 8ag9f (mhd. sagent) sagen 2. 3. pl. präs. ;
krQd9 geraten; nach analogie dieser flexionsformen sind
auch Veränderungen in die anomala eingedrungen z. b. haant
(statt hont) sie haben (mhd. hänt) u. a; inf. gän gehen,
part. prät. getün (gethan) in cod. med. 5 deuten auf inf.
^ga-en (statt gän), geta-en (statt getan) und stellen umgekehrte
Schreibung dar (vgl. § 97 anm. 2), letzteres entspricht
heutigem 'fo3 gethan; slbd sieben; tsl^s9f {mhd. ze lesenne,
ze lesende) zu lesen ; truk9 trocken ; ebense ist ^em zu -a
geworden in brae89le dim. zu brosamen (mhd. brösemlTn
vgl. die alten todemlich, vntodemlich cod. phil. et theol. 72.
todemig, vntödemig no. 74.); vortonig 9W(^K hinweg vgl.
ZBR. inwecga (discede). Nasalirt ercheint -9 bei voran-
gehendem nasal: seiQ^ singen, n^m^ nehmen, köinS kommen.
Ken^ kennen, frtwSnS verwöhnen, tsemS (mhd. ze semen)
zusammen u. a.
I. TEIL. VOCALI8MU8. 117
2) mhd. -e, das durch folgende consonanz gedeckt ist :
ddbrdt (mhd. donret) donnert; Uoht (mhd. geholet) geholt;
nardf [m\iA, narreht) närrisch; 9s (mhd. e;) es; dbsdre {mhA-,
unsere) ; hisdle (mhd. büschelin) büschel ; haebot (mhd. heuwet)
zeit der heuernte; psoßnS flect. (mhd. besoffen-) besoffener
(nasal, wegen des folgenden nasals); waddf er wartet;
h^tldf er bettelt (mhd. betelet) ; kVifdrdt geliefert u. s. w.
3) auch andere ableitungsvocale wie -diphthonge sind
in dieser Stellung unterschiedslos zu 9 geworden vgl. : snä'nf
einander; omö'l einmal; widn^ wie ein; ^rbdt arbeit; dlödnik,
dlÖ9 allein ; kräkdt krankheit ; wqr9t Wahrheit ; f9ulk9t (mhd.
fülighait) faulheit ; kwön9t gewohnheit u. v. a. ; ho9m9f
(mhd. haimuot) heimat, das alter dieser abschwächung wird
aufs treffendste belegt durch hainmat cod. theol. et phil.
63: haimat lio, 184: haimhait no. 144, einerseits die Schrei-
bung -a-, andererseits die einsetzung des suffixes -halt ist
nur denkbar, wenn beide in 9t zusammengefallen waren;
oonwts (mhd. ne waiz wä ze?) irgendwohin; /(^fofe dim. zu
Jakob; än9le dim. zu Anna; rfater (mhd. däbi) dabei u.
ähnl.; in sih9n9nabtslz u. ähnl. ist 9 reduction von und (mhd.
siben und niunzig); gotlö'b9däf9k gott lob und dank; m9
(mhd. man) man indef. ; d9 enclit. form von du ; fasn9f
fastnacht; ferner die Ortsnamen auf- heim z. b. alt9 Alt-
heim bei Horb ; pbidls9 Pleidelsheim ; dq9rn9 Dornhan (-han
aus-haim ; -a- als reductionsvocal wie oben) u. a. ; 'opf9
Hopfau bei Sulz etc. etc. Dasselbe gilt für die vollen
vocale der ableitung und flexion in ahd. und mhd. periode,
wie sie § 111 ff dargestellt sind z. b. n^n9 nirgends (mhd.
nienan, niena), öm (mhd. undnan) unten, brQX9t (mhd.
brächet) zeit der brache und ebenso beruhen zweifellos
nichtsyncopirte participia wie frtsQ9xn9t, hnax9t^ *tden9t,
frwändht etc. auf den mhd. verzaichenot, gemachot, dienet,
verwandelet (resp. -ut).
4) von besonderem interesse ist -a-, das unter be-
stimmten bedingungen des Satzzusammenhangs mit e wech-
selt (vgl. § 106 ff.) Während mhd. buochin zu schwäb.
hiw'x^ geworden ist, tritt in den flectirten formen, in denen
sich die accentuirung verschoben hat, 9 ein : bii9X9n^ buchene.
118 lU. LAUTSTATISTIK.
ygldSne goldene; K^x^m köchinnen (sg. Kex^); frc[bn<lSn3
freundinnen zu frdende; mist^^io misthäufen zu sg. miste;
lügSnS lügen zu sg. lüge; Jcls^fulr kissen sg. Jcis^; vgl. auch
qle alle aber (^hwql allemal, ^hwdil alleweil, immer u. a.
5) secundär ist 9 entstanden als svarabhakti zwischen
r + cons. : urdlc arg, star9Jc stark, wurdm wurm, Hurom
stürm, warSm warm, herdhst herbst, he^rsp herb, nqri^f nerv;
betr. des Übergangs in i vgl. § 105.
Anm. 1. Svarabhaktientwioklung ist in den ostschwäb. denk-
mälern reichlich nachweisbar; ich führe an: urk. Ulm 1270 keren (kern).
Augsburg 1328 helem. 1337 kerens. 1345 kef-en, Stadtrecht von 1276
sturen- gloggen. Chronik von 1426—1445 Ulem. steren. turen, koren
(vgl. Lexer, glossar 5, 451: garen, goren, keren palcm. irarent. zoren),
Ingold: geren. zoren, deren. Hätzlerin: hören, zoren. geren: Eren
90, 141. diereii (plur. diernen. 279, 13. 22). begeren : morgenstern 27,
34. koren : verloren lö^ 4. ich erzüren : zürnet 90, 104. 107. hiren. doren.
Aesop: turen. geren. deren, hören, koren. Ruland: Ulem. czwirens
(zwirn). Tristrant: zoren. geren u. a. vgl. anm. 2.
Eigenartig ist svarabhaktientwioklung bei anlautender doppel-
consonanz: ZBR kevethe (seruos). kiniwe (genibus) Urk. Ulm 1282
zewige. zewene. 1293 zetvei. 1296 zetvainzeg. Ulm 1297 ziwelph. 1298
zietva. ziewan (2). verafeUn (frevel). 1302 Phelunsteten (al. Phlunsteten).
1303 Pherunsfeten. 1305 beriefe, berief, zewolfbotfen. schelahter (slahter)-
gescheriben. zewen. 1305 bet^^f. keloster (kloster). 1318 zewai. berief.
\S26 zewSlf. \S2Q zewai. teiving (zwing), ent ze wuschen, zetcene. Engel-
tal 1318 berief. H'orb n\b pheleger. Bei Ingold geling 12, 33:
glingen 9, 30. 13, 1. Hätzlerin: gelatt (glatt) 136, 190: comp, ge-
letter 180, 23. Im Tempel des Herrmann von Saohsenheim: gelancz
666; bei Niclas von Wyle carenick (chronik) s. 221, 14. In der heu-
tigen spräche besteht hiefür kein anhaltspunct, doch verweise ichauf cÄ^rM^
kraut, welches Stalder, Landessprachen der Schweiz aus dem spraoh-
verwandten Thurgau nachweist; vgl, ferner Braune ahd. gramm. § 69
anm. 5.
Ob die svarabhaktientwioklung der denkmäler die ältere Vor-
stufe der jüngeren perioden darstellt, kann nicht bewiesen werden, ist
aber wahrscheinlich vgl. L e x, A 1 a m : buric. zuruft (neben zurf). marach
(neben march). Wirt. Urkbuch: Beffindoraf. doraphe. Operindoraf.
Entinesburugo 769. Sedorof. Wildorof 786. Tdromoatingun 786 (:Tor-
muatinga 793). Berachtcozus. Pirihteloni 785. Perahtoltus 790. 791.
Berahtolti 797 (vgl. Bertoltipara 782). Dorinhein 1099.
Augsburgerglossen: haruc (nemus) : harca (nemora). chulupt
(emunctoria). giuuerpf: giuuerafon. in furihcn. durih. halibe. anakifo-
I. TEIL. VOOALI8MÜ8. 119
lohnen, sorigsamiu : soreosamiu. garauuaren. ubirgarauui. marauui. araki.
blauarauuero. spirdirinte. phuluYuili. dureoh. duuerehi (per oblioam).
Prudentiusglossen A: harephan. areger, durec. durich.
svarama. eittir : eittriga.
Zwiefalter glossen: karauua darama. waraf. garawi. sna-
rachin. palawig. durich. waidiburigi. gelewi. weuel.
Weingarter glossen B: gecheneteniu (1. ohn-). gadimili.
durich. pesima.
Prudentiusglossen B: soarefi. hulusun (siliqua). arigu. anl. :
garabinti (exsoulpens). carazot. pechananter.
Schietstädter glossen: furihtit, forihton. milichi. duris
(vgl. in den Prudentiusglossen B thuresa). kariwiren. gikarawan.
stariche. suerimen. berige. sarapphiu. thuerahes. (induerich). falauuu.
t'alaua. araki. marawi. bifalah. ubirkarawi. farawono. scilaf. kiwaremit.
Anm. 2. Vor dentalen ist r syncopirt worden, doch liegt die
Stimmtonentwicklung zu 9 zwischen r + cons. zeitlich vor der syncope.
Im ostschwäb. nemlich ist im gegensatz zum westen des schwäb.
gebiets auch in der Verbindung r -^^ n d entstanden, n aber nach
allgemeiner regel abgefallen: T^i^rd körn (westschwäb. Wq9n)^ ts(pr9
zorn, hlt-d hirn, sttrd stirn, gäf-d garn, ^r^ra gern, dq9r9 dorn, i^ra kern etc.;
vgl. Schmid Schw. wb. s. 397. Birl. Augsb. wb. s. 367, bis nach Vorarl-
berg vgl. DM IV, 325; belege aus alter zeit siehe anm. 1. Das ostschwäb.
hat anscheinend die form des nomin., das westschwäb. dagegen die der
obliquen casus, in denen keine svarabhakti eintrat, verallgemeinert, vgl.
anm. 1. Die erscheinung ist im übrigen sehr alt, vgl. bei Braune ahd.
gr. § 69 anm. 4: choron körn, hören hörn u. a. Allgemein schwäb.
ist fiw'd mhd. türm, turn (daneben dün aus den cass. obl.).
Anm. 3. Gleichmässig mit den endsilbenvocalen haben sich die
zweiten componenten der mhd. diphthonge ie^ uo, üe^ in nachdrucksloser
Stellung zu d entwickelt >> /a, wa ; aus ai ist (vgl. § 92) teils qe (ebenso
Oll ><^o), teils qd geworden, je nach dem nachdrucksgrade, unter welchen
/ zu stehen kam. Vgl. ebenso ostschwäb. ea (aus qi\ q9 (aus qu). Sehr
merkwürdig ist, was über ähnliche dinge im südschlesischen G. Waniek,
Zum vocalismus der schlesischen mundart (Bielitz 1880) s. 12 berichtet:
z. b. ou wechselt mit 9u bei einem und demselben werte, je nachdem
dasselbe im satze einen schwächeren oder stärkeren ton hat z. b. roufe
rdHs<( rote rosen (nicht weisse), rdute rousa (nicht tulpen) u. a.
Anm. 4. Zum Wechsel zwischen formen mit a und mit syncopi-
rung desselben (z. b. arß : erfdle) vgl. den abschnitt „syncope**.
Anm. 5. In einsilbigen Wörtern mit der auslautsverbindung
vocal + r hat sich bei pausastellung ein a gebildet, das mit den vor-
ausgehenden vocalen zum diphthongen resp. triphthongen verschmölzen
ist. Das alter dieser erscheinung geht aus §§ 78 anm. 2. 92 anm. 2
hervor: mi$r wir, mir, didr dir, idr ihr; (pr er, w^r wer, d^ der
120 m. LAUTSTATISTIK.
(doch sind diese wegen ^ = c zweifelhaft); dq^r thor, fqdv vor,
analogisch auch in frjq9'i^ gegohren, bqdrdr bohrer ; p9U9r (pl. p9ur9)
bauern , s9U9r sauer (mhd. stlr) , '^tmet't (mhd. gettlrt) gedauert,
mdudr (aber mduroi') mauer; raodv röhr; ddim' (mhd. diurej theuer,
(comp. d9ir9r theurer); m^r meer, tvfdr wehr waor waar (auch für
vieh gebräuchlich), fa9r imp. fahre ; U9r uhr etc. ; doch ist zu beachten,
dass von den flectirten formen der einfache laut häufig eingedrungen, er
ist in str scheuer, fir feuer zur regel geworden. — Die lautgruppe u9
in U9r uhr ist von ua aus mhd. wo z. b. wudr (mhd. wuw) nicht ver-
schieden, die laute sind überhaupt mit den diphthongen i9, ^, q?, ea zu-
sammengefallen und auch d9i9r (mhd. diure) ist von W9t97' (mhd. wlher,
lat. vivarium) lautlich nicht zu trennen, vgl. die reime bei Haupt, "Wien,
sitzgsber. 71, 141 f.
Anm. 6. Diese selben diphthonge mit a als zweitem compo-
nenten bleiben unverändert, wenn ein -9 der flexion antritt: tsi9 (mhd.
ziehen I> ^sia-a), frtdr (mhd. früejer) comp, früher, de TSid (mhd. küejen)
den kühen, fsu9 (mhd. schuohe) die schuhe, trqd (mhd. reihen) die
reihen pl, vgl. Winteler] s. 116. Die silbengrenze liegt in diesen
fällen (vgl. § 30, 3) zwischen dem ersten und zweiten componenten,
die assimilation von a + a >> a ist ebenso wie die von consonantgruppen
zu beurteilen.
Anm. 7. Was die Schreibung der denkmäler betrifft, so findet
sich beim Herzog von Braun schweig für 9 ^ a geschrieben:
zieha ziehen, dussa draussen, hieta hüten, saga sagen, zessat zu essen,
zuweilen auch e: varairet verehrt, aunser unser, kairet kehret u. a.
Auch Weckherlin hata: da den^ liebar lieher ^hipschahiihsche^luogat
luget, mar encl. wir, wellat wollen, hsoffa besoffen etc. ebenso bei J o h.
Rud. »Fischer und in den liedern von 1633: DM IV, 86 ff. soarga,
moarga, foadra, äbromma, lainlacha, pfeiffa, -o s. 96 ff. u. s. w.
und damit stimmt auch A 1 e m. II, 159 ff. sowie das hochzeitsgedioht
Aiem. VIII, 84 f.: neaba neben, saga, lieba^ wera, koma^ einmal
(häufig Alem. 13, 282 ff.) in dantzo wie auch zuweilen bei Weckher-
lin hayro neben hayra herren, gschtöckot : gschtöckat^ blöckot, ditlo über-
haupt im schliessenden refrain vgl. in der oberamtsbeschreibung
von Horb s. 46. „Ein singender ton begleitet die frage und eine starke
dehnung die vorletzte silbe des Schlusswortes, wie auch beim gesang
die letzte Strophe meistens mit anhängung eines o oder a am letzten
wort sehr gedehnt wird.** Ich konnte nichts näheres darüber in er-
fahrung bringen, diese manier scheint nicht mehr üblich zu sein, doch
vgl. bei Winteler, Eerenzer ma. s. 229: ein o wird beim rufen einer
person dem nennenden werte angehängt: fatdr-o mudtdr-o tis-o (Mat-
thias). Es sind dies die letzten reste des interjectionellen mhd. -ä, das
an imperative, seltener an Substantive und adverbien angehängt werden
konnte vgl. hilfa. wäfena, neina bei Gottfried von Neifen (vgl. Haupt
zu 8, 3). Winterstetten: läza. htera. wäfena, Aesop: losaknab
I. TEIL. V0CALI8MUS. 121
8. 49. 61. (vgL retta io retta io Decam. s. 128). Hätzlerin: wacha
31, 16. 40. m(yrda 192, 80. richta 219, 22. schencka 261, 163. lega 261,
164. Metza 260, 32. vgl. bei Seifrid Helbling XIII, 130 f. (nebst
anm.): laza rumbelieren, daz ist ein swcBhisch krie (vgl. auch I, 455 ff.)-
Nach B i r 1 i n g e r Augsb. wb. s. 342 u. a. soll im bair.-schw»
bisweilen reines a für -en gesprochen werden. Wie schon § 15 bemerkt
ist der laut stark a-haltig.
4) DIE ENDSILBENVOCALE DER AHD. UND MHD. PERIODE.
§ 111. Während Behaghelin dem aufsatz „Zur frage
nach einer mittelhochdeutschen Schriftsprache" Basel 1886
(festschrift der Universität Basel zum Heidelberger Jubiläum)
die behauptung vertreten hat, dass im schwäb. dialect, wie
überhaupt innerhalb des alem. Sprachgebiets die ursprünglich
quantitätslangen ahd. endsilbenvocale ä, T, ö, ü noch in die
mhd. Sprachperiode hinein ihre articulationsstellung bewahrt,
nicht wie die kurzen zu e geworden seien, habe ich in den
Beiträgen bd. XIII, 464 if. nachgewiesen, dass bereits in
ahd. Periode (bei Notker) Wechsel der quantität für die
fraglichen endsilbenvocale bestanden hat, demgemäss eine
beträchtliche anzahl derselben von der abschwächung zu
-e gleichfalls betroffen werden musste; wie denn auch in
den denkmälern in der regel „volle" endvocale neben „ge-
schwächten" auftreten, soweit dieselben nicht allgemein
-e -formen zeigen. Ich behandle hier die geschichte der
endsilbenvocale im Zusammenhang.
§ 112. Ohne spuren in der späteren spräche hinter-
lassen zu haben, sind die Ortsnamen formen auf -as
(vgl. darüber Beitr. XIV, 115 flf.) ausgestorben: Duringas
752. 786. Ailingas 771. Burichingas 773. Stiozaringaz 776.
Scercingas 785. 805. 817. Scarcingas 791. Tunningas 786.
Speichingas 791. 802. 803. Teotingas 792. Äldingas 802.
Potingas 802. Teiningas 817. Thanchingas 846; daneben
begegnen gleichbedeutende formen auf -a nach Kögel wohl
richtig pluralgenitive des namens der bewohner mit aus-
lassung von marca, villa, heim u. dergl. (Beitr. XIV, 114):
Meringa 790. Riutilinga 790. in pago Purihdinga 791. Ein-
deinga 793. Tormuatinga 793. 1056. Faffinga 793. Hruo-
122 m. LAUTSTATISTIK.
dininga 836. Bissinga 861. 904. Thietinga 882. Phisgina
(l, -ingu) 1005; dagegen Pachinchoua 758. Patinkova 838.
Hardhusa 882. 994. (Talahiisun 786. Nuihusen 1122) sind
dat. sg. Ferner Dirhoheim 791 gegen Diripihaim 786.
Uuicohaim 763 dagegen Britihaim 782. Die heutigen bil-
dungen beruhen auf den offenkundigen dat. plur.: Deo--
tingun 786 (vgl. oben Teotingas 792. Thietinga 882).
Hahingun 786. Uuassingmi 786. Mereingun 786. Toromoa-
tingun 786 (oben -m^a 793. 1056). Pisingun 786 (oben
Bissinga 861. 904). Stiuzzelingmi 797. Vuahhingun 817 später
-m, -e/^ z. b. Homessingin, Cimberm 1099. Plochingin 1157.
Arcingin 1225 etc. Plochingen 1146. Griuhingen 1184. 6rr?«-
bingen 1241, Nuirtingen 1228. Zimmeren 1246. Cimmirn 1251
etc. Diezenhaldun 1100. Purrom 786 : Purron 850 : Burrun
1163. Biberburgun 708. Frumaron 838. — Vgl. femer die dat.-
locative : Altstadi 752. Nordstati 760 , pluralisch Erfstetim
805; m obor ostin doraphe 769 dagegen ohne flexion des
nomens : Operindoraf 769. Obarindorf 782 (Beitr. XIV, 105 flf).
-i/^ als gen. sg. schwacher decl. steckt wohl in den ersten
gliedern von Beffindoraf 769. Perihtilinpara 786 (vgl. J5er-
toltipara 792. Perahtoldespara 792. Bertoltespora 803). Essin-
dorf 797. Taugindorf 805. Heistilingauue 805 (ebenso Agines-
haim 770. Bammesauua 790. Entinesburugo 769 mit starker
flexion). Nom. sg. auf -o ist reich vertreten in koseformen
wie TaiZo 769. Twa^o 770. LewZ^o 772. jffmYo 778. jffeimo.
Loi^^o. PwoZo. ^Mo. J5woso 786. Pefeo. Pß^^7o 797. LmfteVo 797
(Baldila 790;. 5o«o. Po/o 802 Pwarfo 839; vgl. auch i?eY^a
i?^Z Hildiberga 776. Die fem. ;ö-stämme enden auf e: Lew-
/;a^rf6; (d. i. Arr/(/e). Teutrude 112, Blitilde 112, 773. Foi^
Zmc?^ 772. 773. Trudlinde 772. 773. Rigtrude 773; wohl mit
lat. endung Lantheida 790. Teotberga 116, Deotburga 802.
In elsäss. urk. begegnen im 8. jh. häufig -kildis, -lindis,
-trudiSj -gardis etc. (Socin Strassburg. stud. I, 253) bei
uns Liupreclis 1129. Lnitgardis 1145. Livgardis 1299. Lm^-
gardis 1300.
§ 113. In den Glossensammlungen ist der Sachver-
halt folgender:
Die alten glossen aus Weinsrarten zeigen in unbe-
I. TEIL. VOCALI8MÜ8. 123
tonten silben widerholt a: zaupargascrih, za piuuerienne,
apuhera, farsüzzana (scisso). ungauori. ungareh. ungaliho:
gilih. kastaldis. kauuahsti, kahalote, kazueiot, kafrumita.
katretan. kaieritiu aber auch kiriban, kisehanlih, gipreitit.
arhrorta. aruuintot az. ö der ableitung in crimmor (sevius).
kahalote, kazueiot, mahont, aruuintot gegen topentes, in-
fraget, pisaget. In den Augsburger glossen ist gi- ki;
uir- allgemein, ebenso irchuolant, irdiges aber arpalctos:
irbelgen : erhalc, argluoit, ar begegnet neben -er im nom. sg.
masc. der adjectiva: ungeglagotar. glouuar, caragar, houi-
rohtar. gectilosar (lasciuus). surougar, ebenso cullentar neben
chullenter Zf. (coriander) ; femer in den conjunctiven : ni
uircoufa (non ueniet). niguuina {non expetat). durheleitta (lus-
tret). neozamas. grabas; ebenso für e : firmeldat. altat (anti-
quatur); für ö : gizuirnat doch vgl. kimarchot. gilabot. giia-
gotemo. forscont, gibezziron. etc.; sowie dunclor, suntigosto.
Die abschwächung der endungen bezeugen die«- Schreibungen:
lopin aber kilobot, inphahin. guuinnint biscerigin. kitribiner.
bidenchin, suntirikiz. In den Prudentiusglossen sind ge-^
er-, fer- (z. b. f ermeldet) in überwiegender majorität, gi-, ir-,
fir-, zir- sind seltener, doch beachte / in grimmin. ritzinte,
skabit. eittir wie auch in kuoti. liubi. slafß (socordia), gruoni.
Neben den -ow formen: ros garton, clibon (l^^^is). polzon. seiton
(fidibus) ist 'Un häufiger : cheminatun, ceinun. slingun. scuzelun.
rintun. cholpun. gertun. ovgivanun. farhurnun; ebenso in den
adj. touuegun. semigun (nectaream). Das comparativsuffix -ör
ist abgeschwächt in areger (nequior) vgl. zaten : zaton. kiringi-
lichez: laidaz. Zwiefalter glossen: ki-, gi-, fir-, ir- neben
er-; undirn. galstir. wochir. subir. stiiirnagile aber zeagal.
atimblast. neorin. ubirladinen. gramn (canos). in loubin.
wingartin. wrdin. tragabetti mit goldo bilegit. tuchari^ fol-
gari : luginare^ troumrechare, hamirslagare u. a. tiufß, chor-
bili vel ceinnili aber in der chülin. a- vocal in ni kiwitpreit-
tan (von vulgarent). wisant. o : puozwirdigora. furiburtigor.
uirmietton, firmeotton (locauerunt). chunnizalon (genealogiis).
latton vel sparron. chielon. crafphon. inf. werdon, u: in tro-
gun. brecitun. fesun. scuzzüün.
Weingarter glossen B: neben gewöhnlichen gi-, ir-,
124 III. LAUTSTATISTIK.
fir- wiederholt ge^\ reginboga. grimmir, hazist. dra^f (tornauit).
dichi: dicke (silvas). in der uestin : ueste. unvesti, durri, churd^
unsemftL dechi u. a. polstari : polstare. chellari. bechare.
hauanare, chancelare. morsare. e: demo hersten sto^lsazen.
in demo garten, wechelterboum. wafenhus. apheL hinnenfure,
werdent, plasent, slaffen, durichstachen, gesteren unde egesteren.
derhez, unrenez: kibrachotaz, o : lattono.pispoteton, biuilton, tuni-
chost, fladon. bo^^hcstabon, pluotigon. phellole : phellala. phawon.
ti: truhun (capselam). scibun, müstascun, phlanzun, scenchun,
chragun. spizprattm. cainun, spaichun, flozzun. carrun, ueU
gun. uuagun. mugunneze; beachte kalstruntes (incantantis).
a hat sich ausgebreitet: uorasagintar, atam (athem). etagas
(de nocte). büchamaren : treschamaran, capitulan (capitulis).
chöufan (commutationibus). wisanthan (bubalis). bisprachont:
bisbrachant. flihtast, firmanat, spottant, ladata. anatatan,
firflochate. winsat. zeinna?i. irrostogata, irnarrast, wer da (conj.).
werdat. wurda, holzwercha (dat. sg.). chorba, stuola, pesima,
spiliwiba (gen. pl.). fneriminona, agolheian (rhamnum).
Schlettstädter glossen: gi- ki-, ^i(r)-, ir-, fir- fast
allgemein; einzelne ga- noch erhalten: ungascowotes. unga-
licho, kafrumit. kepetanaz: unkidriuez (infidum). a: gikara-
wan, irchuolant. grawa epphila. lindista, williga, vnreina,
vnkilimphlicha. vnbiwollina, hinnan. intwonagen.firsuika^e sonst
kistatoge. machoge. hartat, pisuarat, gimagat. vfcapphante,
bignadata. loscatost. kistillaton u. a. Zs. f. d. a. V, 322 ; da-
gegen hat i grossen umfang gewonnen : manigfaltikiz. magit-
heit, ßrlouginta. ethisweo. kistilUn {com^ßoner e). plasin (inflare)
deozzint. helfint u. a. bitrokin. ankin (aculei) sg. ango, sporin.
sihin elin, hasin, nestin, steinin. takin, atinzuhti (spiramenta).
eidim (gener), pluomin, picherin, farin, piscerigin. takisterne,
danchis, zi andirero tvis, zisamine, kitraginiz, rotiz, bitunkiltir,
etc. e: gakicen (in den Weingart, gloss. irgaccizan), unter,
kelesuht: khelasuht. wrfzabel, hirte. stukke, casewazzer. kigra-
binez, stillez. werdent. u. a. o : grimlichor, gnadigor, kidiginor,
forihton (prät.). trukinot, clagot, machont etc. ekidehson,
cheuon, aichillon, strazon, ewizzigon, purigon, zohirost. kise-
mino (concilvd), hello (erehi), kiscelitocestinnun(molles castanee).
cleino scappare (tenuia uellera). kisippoto (confederatas). u :
I. TEIL. V0CALI8MUS. 125
aggun (spicula). mandilun. twahillun, keuun. ivarzun, uivilun,
eichillun. phannun. scepfarun (parce). ravvetun (requierunt).
In den jüngeren Prudentiusglossen ist ge , ke- bereits
das gewöhnliche, gi- selten, ebenso i der endung: finfcen-
iarigin, laichin, e häufiger: schefscalchefi, handegen. iure,
deinen daneben clennan (gracili) ; ebenso u : undarznltun,
kellun, pha7i7iun; dagegen o: keiselon, seiton, zeinnon, kevon.
heristuiron, cholbon, poroton, pemeindon. stecchelon: stecchelen
(confragosa) u. a. Im Weingarter reisesegen ist ^,
so gut wie allgemein, endungsvocal : sendi. undi, engili,
gisundi. gisendi, ofßn. bislozin. wagidor, wafindor. gnetin,
sandi. Vlrichis. hindir. hobi. nebin. wonis, alsi, fridi, weri.
frauwi, heiligin, Cristis. ßngirin. funvi, e: segen. Umgekehrt
findet sichi überhaupt nicht im Schwäbischen Ver-
löbniss, von den vollen ableitungen resp. flexionen: guldin,
Swabin. vingerlin. genadich, kuniges. schillinch. phennich,
getaniu. elliu, triwon : triwe abgesehen , sind alle vocale zu e
geworden: mineme, werdent, frovwen. voget. enphahei. Swebemie.
siben, swabeschen, in Swaben. wette, stuotwaide. steten, enge gen.
aigen, gnaden, sprichet, ziweren, sime (si ime). hüte (heute).
gewinnent u. a.
§ 114. Reich vertreten ist -i in der ZBR: herzin,
vatir, vatirs. gewafin, zum erstin. werchin, weckind, horint,
habint, cristinhait, ladind. varin, erhabin, zallir. vorhsamir,
brüdir. nadil, twahil. tauil, hosin, cappin, der ersti grad,
disi selbe, alli steti (omni loco). alli stund, di gidanki, ih dahti,
tündi sint. sehs salmij salmin. der sehte salmi^ sahne, di trosti,
(solatia). sorgi alrgroste, alrswarsti sacche, sacchi, als langi
(tamdiu). der bettl (lectorum). der nouici; besonders charac-
teristisch vor -s: gütis, todis, gotis, sarphis, munsteris. dis
vatirs, dis closters, rehtisten. gerihtis, dis herrin, cristis, dienist,
gaginwartis, vlaischis, gilustis. widerlonis. gibetis. iungist. immis.
nahtis, bannis, winis. nidis. zornis. Weingarter pre-
digten: brotis. gotis. gebetis, guotis, flaizschis, fürnamis.
irbarme. vbir. ainin. sinlm. minnestin, lebit, ladite, wizzin etc.
etc. doch überwiegen hier bereits die e-formen (vgl. auch
Alem. V, 98). Grieshabers predigten : strichist, sclügist.
geltist. gebist. brcechtist, hetist. cod. phil. et theol. no 54:
126 III. LAÜT8TATI8TIK.
wärist, wissist, gebist, neben lebtest, schäczest, wärest, ebenda
tättiitätte, lägi; vgl. die syncopirten möht. müst. s6lt, wölt,
opt. präs. ivelli, steli oder robeti, güti, höhi^ lengi^ tieffi^
braiti, no 72: gegni (gegend). gütti, sterki. masslaidi, cod.
bibl. 35 optat. präs.: vorwesy, anbetty. hütty, etc. etc.
Urk. sehr häufig z. b. Uhn 1297 u. früher. Urk. 1368
drissigisten, 1438 hundertisten. drissigisten, 1358 liehtmiss,
Augsburg er glossen: lop gen. lopis, f ollist (supple-
mentum); in der Augsburg, urk. von 1070 sinis. wibis,
proidste, Zwief alter glossen: wtbis u. a.
Möglicherweise beruht ZBR u für ö auf demselben gründe:
leitust, vürtust, d&tnütmt, obrustiv, zwainzi gustun, hundertusten,
minnut, horsamtit. widerut, aiscut, ofßnut, bezzirut, spotut, woltun,
hortun, saztun, gevragetun, minnimt. gerunt, scouhund. segenunt.
wandilunt, inf. wandelun, dienun. minnun etc. (vgl. Beitr. XIII,
470 f.), dagegen stets part. präs. -ende : vlüchende. minnend,
aiscend. wandlend, dienend u. a. ebenso die optat. präs.
bezzirei, segenei, volgei, irvollei, dienein, segeneigen, ah-
teigeyi u. a. Zu beachten sind die ^-formen : inf. dienen, aiscit.
gert, begerne, gedient^ gedienet, gesegint (inf. segenun). gibezzirt
neben gibezziriit, uazzun: giuazzit. gibannut: gibanntim
u. a; ebenso dat. pl. wahtun (neben wahtin), ahslun. vastun,
wilun, turun, selun. ougun (ougen). orun, eltrun, ewartun,
wortiin ; übereinstimmend auch gen. dat. sg. : zungun, scerun,
der andrun, vier dun, vunftun, sehstun feri, wocchun etc. aber
ebenso im masc. neutr. : hundertustun (neben -en). minrun
alter (iuniore etate). zim anderun male; sowie bei den adv.
anderwanun, sunderlingun, allenthalbun. Ganz ebenso ist
der Sachverhalt in den von Grieshaber herausgegebenen
Deutschen predigten des 13. jhrts., in denen von
fol. 73a bis zur sechstletzten zeile von 77a (vgl. Grieshaber
I, XVII) ein anderer Schreiber thätig gewesen ist als auf den
übrigen blättern, dessen sprachformen dem schwäb. dialect
zugehören: begerust, geschaudgudust, dancut, machut,furdrunt,
redunt, machutun, dienun, mangelun, ich betun vn wachun, etc.
(Beitr. XIII, 469), doch ebenda lo'nen, dienen, in der hailigun
messe, in der altun e (neben in der altin ^), umgekehrt ans
manlus (einstmals). In den Urkunden: 1253 gevestenut.
I, TEIL. VOCALI8MU8. 127
1281 frowen Annun. 1281 vervestinun, 1287 hattiin, 1292
mntun. hatun, sahen und hortiin. 1293 hatun. saztun. 1305.
1315 hatun, 1295 manun. 1296 machvn. giordenut, gidingut,
1307 tirkundun, 1325 geuertigut, 1287. 1292 genadun, in der
vastun. 1293 wisun, 1287 ^e c?ew hailegu^, 1292 herrun, wasun,
1293 herrun, 1302 sunnuntage, 1315 Judun, mrtinnun, herrun,
etc. 1283. 1327. 1330 kirchun, 1330 itfarmw Magdalenun,
1341 obervn kirchun. jegrinun, 1351 gassun. 1362. 1365
wisun, 1383 batstubun. 1435 badstuben noch 1431 verzaichnut,
1438 mittun, 1439 frowun egenantun, 1449 dieselbun. Im
Augsburger stadtrecht von 1276: beschadegut, ge-
lichut, pyrün (bimen). samenun, vigun, geltun. schuldigut.
Doch ist sehr häufig in den urk. auch o geschrieben:
Augsburg, stadtr. von 1276: geschadegot, tagot. unver-
wandelot, ürk. 1287. 1292. 1293. 1315 geurkundot. geuestenot.
1296 erbon. garton. herron. wison, egerdon. 1298 herron.manode.
ahtoden. 1301 gesamnoter. 1302 herron. 1303 erftow. 1305 /wss-
tapphon, 1315. 1320 gedingot. 1318 besseron. geuertigot. 1330
drisigosten. 1341 ^e hindrost. manode. 1354 gewerot. gevertegot.
ermanot. 1358 fünfzigosten. nutzlichost. loblichost. 1362 ww^<e-
ZicÄos^. 1364. 1412 oftros^. 1420 zwaintzigosten. 1430. 1437.
1439 gewei'ot. 1460 sechzigosten. 1488 nützlichosten. Wein-
garter predigten als seltene formen : gelovbton mit den hirton
retton (redeten), opherton. införton. nidrunt. bredigunt. dienunt.
dievoUun maze. Im Herkommen von ^orh ibegegnote. zwaynt-
zigosten, gesegnot. hindrosten. Reichstagsacten IX, 315.
439. 505. 621. a. 1429 brachot. verzaichnoten. gehaimosten.
sichrost. SteinhöweTs Aesop: gesamnot s. 159. 179; die ad-
jective glaczot s. 153. ekot s. 158. zi^ikot s. 183. flechtot s. 316.
monoten (monate) s. 228: monet s. 81. u. a. Bei Ruland
Verrechnott s. 18 neben gerechnett, funftigosten (!) s. 23.
Im Georgspiel: gesegnot s. 180. 189. gesamnot s. 189.
Ingold: obrost. gedichtod. lernot. betrachtost. ungeordnote
( : ungeordneter), machot ( : machet), betrachtot ( : betrachtet),
petot ( : petetj. verdatnpnot. gewaldigot. wonoten ( : wonen) etc.
beachte ich reichsnun 13,5 : ich han gereichsnot 13,6 : ich wil
reichsnen 13,8. Zahlreich bei Niclas von Wyle (Nohl
s. 74. 81. 83), beachte namentlich auch -ost in den titulaturen,
128 111. LAUTÖTAT18T1K.
Translationen (lit. Ver. no 57) s. 353 ff. Noch Hierony-
mus Wolf (a. 1578) a. a, o. s. 322 verlangt: nee Suevus
(seribat) summum infimum obergost. undergost (vgl. § 104
anm.) Handschriftlich: Tristrant: jagote: sagote neben
jagte: sagte, cod. phil. et theol. 45: schnödosten, pingoteuy
gepingot : geplnget, wisosten, begegnot, süssosten : süssesten, cod.
phil. et theol. 50: der oh*est vnd der wirdigost. no 54: ob-
rosten, nidrost: nidrest. no 184: wundrot: wundret: wundert.
das aller edlost mensch: das edlest mensch etc.
Anm. Wiederholt begegnet syntactisch falsche Verwendung voller
cndungcii z. b. c o d. p h i 1. e 1 1 h e o 1. 45 : nom. sg. sin hailigun sit (seite).
ilie andrü alle : die yüttü menschen, cod. b r e v i a r 55 : du gewaltigun Itün-
geny. rainü magt^ t4sserw6lte?i muier. du raine vsserweltin müf.ter. vofi
diner göttlichon öwigü wishait. in den ivag diner tieffi endlosun grund-
losun min. band der vätterlichy yüty. die vnmässigon Swigü min (nom.
8g.). von dinr göttlichü Swigü Wirtschaft, du vnzalten schar (nom. sg.).
§ 115. Von anfang an gehen neben diesen volleren
vocalformen e seltener i-schreibungen, besonders bemerkens-
wert ist aber, dass seit beginn des 14. jhdts. in den schwäb.
Urkunden als allgemeiner endungsvocal a erscheint : 1315.
1318. 1359. 1362. acc. pl. vrowa. 1327 gehortan. mit allan
rehten. wisan. waidan. schivran. gartan. vertigan. vertigate.
an offenan whten. zwischant. hochan. swestran. hettan. eigenan»
1330 vertigan. 1333 vroivan. viertal. gewerat. z& disan ziten.
zema^ianne. bürgan. manat. den corgeschribenan. baidanthalp.
aller haiig an tag. 1336 ennant. woclian. ze mittavasten. der
selan. 1337 von imseran uegen. 1345 wisa. 1347 allan iran.
gewerat. froivan. hettan. inan. vertigan. offenan. geuertigat,
ze schadiganne. 1348 allan. vesan. uertigan, ich globan
(gelobe). 1351 ich lehan. 1352 tochtran: 1350 tohteren. 1354
vertigan. gevorderat. vnseran. 1359 froivan. mit inan, hettan.
iran. 1362. allan den. geiverat. vertigan. frowa (acc. pl.)
kouftan. allan. der selan. frowan (nom. pl.). den frowen,
mutschla (acc. pl.). den selan. 1365 allen iran. zu disen zitan.
geiverat. vertigan. 1367 gewerat. hettan. frowan. ze mananne.
inan. 1368 kovftan. 1400. von vnsra wegen. 1412 vesa : vesan
1348. 1420 strestran. 1426 weran. ir fordran. 1430 vesan.
1438 schwestran. 1460 ze naht und mornatz (morgends,
vgl. 1430 mornendes). wiesan 1467 geschwestran (dat. pl.)
1. TEIL. VOCAX.ISMÜS. 129
Herkommen: dezglichcm. die mülina^ mülinan, wülinen.
Herrenberg. Ern.: wisan, midinan, alle uochan; vgl. auch
bei Niclas von Wyle: felsan, tvisan . imtwan . solan . selan .
glosan, mainant. a^tmande, Ruland: dutzat (dutzend) s. 7. 27
neben duzet, dafflun (tafeln) s. 8. 27. in ainam feslin s. 27
Noch in der Zim. chron. (Barack IV, 342): hebamma. henna.
hochzeiterna. kindpetterna (daneben auch -ne, ebenso neherne.
kellenie), ahar. altar, ana, bachas, sammat, verharraf. wammas
etc. etc. Breuning: Bleydelsa (Pleidelsheim) s. 4. 5, ebenda
Micha feldt; vgl. § 110 anm. 6.
Winterstetten: Anne.danne, ZBR. : vnze in dosfra,
ostra acc. pl. von ostra (von ostrun daneben^, in ostro. ivahta.
sela. hohina, sihta (latera). wunda. im slaffa (in somno).
Grieshabers predigten: kircha, mugga. viga, brosema.
swalwii etc. etc. (vgl. dazu die nom. pl. reban, wisan, selan.
vroivan in der hl. Cecilia Zsfda. XVI, 165 flf., woselbst
auch dat. acc. pl. -aw), dagegen bl. 73' flf: ferscmahatun. Unat,
comant. f&i^ hindan. clainaden. gefolgan. foram alter (vor dem)
etc. Lehenbuch: von allen rütinan. das viertal, in dri
monaden^ sehr häufig monat (aus mänot) handschriftlich,
z. b. Tristrant; vgl. Alem. VIH, 185 flf. Urk.: undenan.
imdnan 1398. 1412. 1413. obnan 1398. 1412. 1413. obnen
1427. hinnan 1283. von dannan 1431. danon 1305. dannen
1307 etc. etc. Augsburg, stadtrecht von Vll^ : dannan:
dannen, swannan, hinnan, innan: innen, hindan, Ingold:
aussen und innan 14, 5. ussan 17, 31. obenan, obnan : obnen.
Weingarter predigten: wannan, von dannen, ferner die
analogieform dennan cod. theo 1. et ph iL 54. 72. 74. wennan
no. 74. dennan no. 17. kan:von dan Winterstetten 25,
33. cod. theol. et phil. 45: schwestran : schwestren, ieren
gespilan (dat. pl.). zwo layttran, mit den schulteran, acc. die
tvundan, mit beschlossen türan, inf. bessran. inf. wiklun: prät.
wikloten, rneman, imp. 2. pl. niewant (nehmt), cod. theol.
et phil. 54: zwo hailig wittwan (nom. pl.): mttwe7i, von
mtwan, die mdgdan : von den mdgden. vmb beschaiden sachan,
no. 68: vnder all bürdina: alle birdinen, no. 72: all die
wundan : all wunden, von dannan, obnan, inf. richsnant
richsnet, swestran, tusent weltan, töhteran (voc. pl.). no. 236
Kauffmanu, Fr., Qeschichte d. schwäb. Mundart. 9
130 m. LAÜT8TATI8TIK.
von den ostran : ostra : ostern, no. 63: swestran, alle die edlan,
no. 5 : hosen worfen vn werckan, inf. neman (nennen), dienat.
Iren arm an seien, hupler vfi kuplarin. sübnarlaig lüt (siebner-
lei). die andarn. mit büchan, cod. bibl. 35: gen. pl. der
brosman, die Scharon, monat, sin wundan, vor ^frain wochan,
von hinan im reim auf sinnen, von vnsran vinden, durch die
audran, cod. herm. 24: bezaichnatt, monat, cod. med. 15:
gen. pl. der muttra, die versena. näta (plur. zu nath). die
gampen oder tieffena des tr assers. cod. breviar. 55: ain
nüwan spra'h in to'gnar warhait, ain lutrar brunn, an dinan
to^d, din hailiyan gaist. inf. koman, regnan, in die tvundan
ainer hailigun linkan hand, gemachat, in sinen hailigan tieffan
wundan. der hailigan zu)ölffbotten, aller dinr vnmässigon,
miltun, vätterlichan, getrüwen, erbarmhertzigun güty, min wunda
(acc. pl.) : aller diner wundan, die göttlichan miltun erbärtn-
hertzigwn gütti. zu dem waren göttlichan friden. ze t^erhütanU
ze niemant, die lieben hailigan. von den hailigan sacramentan,
in der alten e vnd in der nüwan e. erwach all begirda mins
hertzen. die seligan sera})hin.
Charakteristisch ist in den seitherigen beispielen Wechsel
der formen mit und ohne auslautend -n vgl. § 135. Dieses
fehlt regelmässig beim gen. pl. in ZBR. (vgl. Beitr. XIII, 478
ff.): der wahto. lietmottino. vespero. sculdo. siecho selo, rüto. uasto,
lezzo, der selbo tagzit (earundem horarum). der gotlicho scriflU
(diuinarum scripturarum). der ovgo {oculorum), menscho, dul-
tindo. merro. wissago hailgo, hailigo, der dri salmo, der eltro^
siecho, durstigo, altho. mislicho. andro, anno, richo, botho, nidndo.
liswurko. edilo. ewarto. phafo (dagegen der phafin),namo. In
den Weingarter predigten: der brösmo (acc. hrösmen), siner
genadon, wimdon : witndin. die sela, Urk. : 1292 unserrer
herbo vn nahchomendo, 1293 der herro, erbo, nahcomendo, 1296
der vorgenanto, burgo, 1296 vnserre erbo, 1318 der bürgo neben
der bürgen^ burgon, 1360 frowa gen. pl. iena (irgendwo) cod.
theol. et phil. 74. swero ding od' vnmuglicho (acc. pl.) cod.
theol. et phil. no. 236. cod. breviar. 55: mit diner gründe
loso ebermd. Hier erwähne ich (vgl. Beitr. XIII, 488. Wein-
hold al. gr. s. 166) auch Ulm 1428 (Reichstagsacten IX, 206)
daz iemans andro. 1431 (s. 505) als ieman andro, vgl. a.
I. TEIL. V0CALI8MÜS. 131
1407 (IV, 160) ieman andre. IX, 207 a. 1428 furo (Horb 1399
fürohin), IX , 208 ieczo, a. 1483 dero neben deren, z. b.
Aesop s. 184. Ebenso ieren vil (ihrer viele) ; iro, (-o wie
-en bezeichnen nur -9) iro hegirden cod. .med. 15, ebenda
dero kains, desto, die gewöhnliche, in unsern denkmälerh
sehr häufige form ist dester z. b. Tristrant; cod. phil.
et theol. 54.
§ 116. Am misslichsten steht es um die entwicklung
von ahd. -F, da, wie bereits ausgeführt, unsere quellen mit
dem i-zeichen besonders freigebig verfahren sind. Zu den
oben gegebenen belegen vgl. ZBß: gehorsami. gewonlichi. vili,
gedulti, süzi, demüti. 2urni, stati. snelli, höht, krenki, strengi.
grozzi, trunkini. lancsami, kuchi, sattL tvihi, uraisi, rothi.
hittri, uollikomini. phistri (pistrino) ; conj. prät. virhancdi
(permiserit) wie gabi (dederit). du hulfi, abliezi, underwichhe.
bisehi, endungslos geruht 28** (dignaretur). In den u r k. 1292.
1293 liebt, 1296. 1326 ehafti. mähtin, gewaltzami, ioirdi, 1305
liebi. müli, wurdi, weglast, 1298 schaidgetti (schadete), theiten
(thäten) ,schadegeti, 1299 duhte, 1315 woltin, müstin, 1317
müli, mohtin, bockeli, 1318 vertigetint, 1326 lihsenfti, gehor-
sami, hantfesti, stäfi. 1330 bockeli, 1341. müli, 1335 gütlifi
1365 gütli, müli, 1358. rnüli, 1425 segmüli, 1449 mülin, gütlin,
gütli. 1488 Ziegelhüttin, 1412 äckerli. söltin. 1464 nach der
längi, 1465 lengi. alli die, userwelti tochter, möchti, 1333 tcet
vnd nit laisti, 1335 gehorty (indic). getruwti, lögete (leug-
nete), sölty, sölt. 1365. 1367. fögti, zugi, neme. 1327 verti-
gate: ahgiengi, 1330 bedorfetin, 1337. 1347 vertigati, wurdi,
weri, kceme, tetin, brechin, wolten u. a. 1460. 1487 schütti
(Schütteberg bei Horb). Rottweil 1400 (ßeichstagsacten)
IV, 138): tdti. mohtind, müstind, erwaltind, kusind, hetti d,
abträtind, gelobtind, wdrint, enpfundint. wurdint, getrüunnt,
vernemint. Grieshabers predigten (bll 73* flf): wcerin,
heitutin, gebist. wärist, brächtist. welti , ebenso indic. ISti
(legte), rochti; vgl. an grossi schar, mini o^gen. In den
Weingarterpredigten bereits : die huntle, in der wüste,
von siner vngehorsame, liebe, vinstre. lüge. cod. theol. et
phil. 50: des brösemlis, cod. med. 5: mit tüchlen. bliemlen.
cod. med. 15: schwini füsse: swine ßaisch. no. 29: leine,
9*
132 III. LAÜTSTATISTIK.
leines ; seides tüechlin. äderle. negelen. plettten, spitden, cod.
breviar. 55: maria unser mittlere vnd vfiser für Sprecherin.
cod. poet. 130: wengly .o^rläply, fünstly (faustchen), tüttli.
enkli, webschiffli, rökly, küssi, büni. müli, kuchi. jockele. cod.
ascet. 78: lieby: liebin: liebe pl. liebenan. Im Herkommen
opt. begegnote: begegnoti, wundeti, gehorti, misshandletint. be^
dunckti^ beduchti, machtin, begerti. fordreti, schickti, begegnotin,
mülin, walkin, trennckin, kämy u. a. Steinhöwels Aesop:
die kürczy s. 6. trägi s. 39. becki (becken) s. 39: behn
s. 55. scherpffin s. 40. zwai klaini knäblin s. 42, vgl. die
märlnn s. 4. wie mit roten fenlun Mörin 3263. (Weinhold
al. gr. s. 236) vor kelty s. 44. bürdy s. 48. ain kuchi buob
s. 49. /ier schwiny füss s. 50. schenki (geschenk) s. 66. höhy
s. 71. klainy s. 72. lieby s. 75. türi s. 76. misty s. 80. kelty
und gefrüri s. 91. trübseli s. 94. füchslin, welffly s. 95.
schöny s. 98. vily s. 99. rossdekin, vor müdy, bürdy s. 143.
helly (die helligkeit) s. 152. ödy s. 164. blössy, schwäri, grössy
s. 165. fremdy s. 168. megeri s. 220. müli,, mül s. 225. lügi-
lüg s. 241. sünly (söhnchen) s. 229. mw, ery (von erz)
s. 271. Ebenso irdin, irdy, wüstin, uüsti s. 304; vgl. auch
öbrist, grössist, müssist, berürist, da seibist u. a. Hätzlerin:
mit ärmlen (ärmchen) 5, 19. 14, 50 u. ö. {ärmlein 19, 60)
ärmlin 20, 2. hörnlin 11, 94. diernlin 14, 3. hembdlin 15, 59.
wänglin 23, 43. fräivlin 23, 82. prüstlen 21, 9. plümlen
29, 53; 'lin mit -len häufig wechselnd 37, 67 flf. Ruland
s. 11 zwai aichene feslin, Mörin: kuche (küche) 3790. ain
schlauffle (schläfchen) 3027. seckle 2479. ain tvile 4080. da-
neben pfülhlin 3040. bettlin 3062. stüblin 5822. Die plurale
entsprechen den altoberdeutschen -liu: urk: 1365 gütltv,
ZBR: bücliv, gabiliv, dagegen Weingarter glossen: gadi-
mili, sm/or/^^? (murenulas). grubeliv ,breiuelii4 ,chusseliu, Schiet-
städter glossen: wickiliu neben fukilili, haimili, c o d . t h e o 1.
et phil. 54: drü stücklü. die brieflü, turte/tüblü : sg. turtel-
tühli. trophein, no. 72 : drü stüklü, fünklü : sg. stükli. würmli,
töhterlü, knäbelü, no. 74: hündlü, no. 184: tüchlü; dagegen
z. b. no. 11: plur. zeltlin, kürhlin, cod. med. 15: drü kämerli,
die vässli oder fläschli, pilleli. klainer tierli flaisch. Mörin:
renklü 2351. bluewlü 3389. 4598. berlü 3339. 3911. 4878
I. TEIL. V0CAL1SMU8. 133
11. a. (vgl. Martin zu 2351). Analog bei Ingold: allüding,
starkü yediild, seinii äugen, gelertü kraft, seinü wort, ge-
leichii lieb, heiligü e. grossä ding (anderü lüt!). Bereits bei
Winterstetten beide : beide, vgl. Minor's note zu 6, 18.
In der deutschen Franciscanerregel des 13. jhdts. :
durnahtti gruntvestin. unersamiu Wirtschaft, andriu, ehaftigiu,
elliu, schedelichiu, disi geschrift s. 194. geturri neben geturre
(opt. prät.), im übrigen nur der ewigon fröiide s. 186. inf.
hezzeron s. 193 (sonst -^-); manot, manoden s. 190. 191. ahtode
s. 191. Beachte bei Niclas von Wyle nom. fwüte:cas. obl.
mülin. hüte : hülin, burdin, bürde: plur. bürden, kettin pl.
ketten (Nohl. s. 48 f). Zim. chron.: fendli, glöcUi, güeti.
liebi, tnüli, vinsteri, waichi, sogar noch keltin. weitin : weite.
wie hilzin (hölzern), dagegen : dierle : dierlin. heusle. schwes-
terle. weible etc. beschliessere, liebhabere. spitelmeistere. kuche
u. s. w.
Zum abschluss dieser Übersicht gebe ich aus dem mir
zugänglichen urkundenmaterial belege für e (?*)- formen:
1281 brüder. Alhusen. dez selben huses. tügen kunt. allen,
sehent oder horeut lesen, der erberen frowen. gevertiget. ze
Wingarten. mit sinem willen, stcete. belibe (opt. präs). herren.
gebürte. 1287 tvien kunt. der erberen heren. gotes. baidinthalp.
waren vn stünden. 1292 in den dorferen. des selben gutes,
aigenlich. die edelen herren. 1293 i7i echeren. nachomenden.
1295 den herren. Bebenhusen. ze koufenne. Altingen, hof-
steten, äkkern. wisen. bin gewert, die selben herren. vortnales.
geltes, messes. 1296 allen ir nachkamen, von minen vornanten
herren. wem (gewähren), sehse vnde nunzeg iar. vor sant
marien magdalenen tag. wisen. mit wasen. gehügede. haten.
opt. soll vn mohte. in wisen. gottes. tusent. 1296 gottis. namin.
ansehint. horint. lesin. künden vnde firiehin. dir trühsazze.
mirtinn. tohtir. von kemnatin. ainmäticlih. habin gebin. vnsir
rehte aigin. agkir. mit allir. ehafti. horit, sehzig. silbirs. die
vorginantin. habint. vnsir aigin. gottishuse. zi Wingartin.
der erwirdigen herin. abbit. vnsir rehtin erbin. solin. gütis.
des gottishusis. sinir rehtir erbon. insigil. an disen offin brief.
haissit. zwelfhundirt. warin. vnsir. odir. 1298 die wisen
maister. mit werken, den herren. sehzech, lötigez siWer. rehtez
134 III. LAÜTSTATISTIK.
aigen. an wisen, wasen, hewert, erben, mähten, gezaichent.
nünzek, 1305 erben, drgssig. boten, der vorgenanten muli.
clagen, opt. prät. kömin. horten. 1317 in oberen düschzen
landen, giselschaft. gezügnist. 1314 den vrotven. gewert, die
vrowen. mohten. geirren, mit guten trüuen. gehenkit. 1322 ver-
tigen. ze bürgen, vertigente were. manen. 1326 von gottes
genaden, allen graven, phaffen. in allem Swaben (in ganz
Schwabenland), ze ordenenne. sinen botten. bi siner genossene
(genossin). ze kilchen. den riehen, armen, disü vorgeymntü
gut. von allen sälden (vgl. Wirtemb. urk. 1 , 290 flf).
1327 mit guten tri^wen. mohten. ze vertigenne. 1347 kirchen.
1348 miner elichen Wirtinnen. Agnesen. erben, den frowen.
gewert, geirren. 1350 tohteren. 1353 Kcetrinen miner tohter.
1362 kirchen. weri. den frowen. in derselben obrvn samenunge.
Livggen selgen miner vorgenanten svester. 1398 die Knobiochin.
1412 Wernher. Wernherin. habin. möhtin. gelobin. trilwen. ver-
tigen. erbettln. 1459 krutgärtlin. 1481 gen. pl. schüren, erben.
1483 der haiigen junkfroen. gewert, erben, vertigen. begertin
opt. m eren etc. etc.
§ 117. Die geschicke der endsilbenvocale, wie sie
im vorstehenden dargelegt sind, bedürfen kaum der erläute-
rung. Beitr. XIII, 495 ff. ist ausgeführt worden , dass die
Orthographie der denkmäler nur unter der annähme gesetz-
mässig entwickelter doppelformen sachgemäss sich erklären
lässt. In einer und derselben form hat in ahd. periode
langer und kurzer flexionsvocal bestanden (vgl. Notker's
machöta, machota etc.), die quantitäten wechselten je nach
Satzrhythmus (Verteilung der nebentöne : ma'chö : ta : ma'-
chota); die flexionsformen mit „vollen" vocalen entsprechen
den ahd. längen, die „geschwächten" vocale vertreten die
kürzen. Dass die vollen vocale auch in mhd. sprachperiode
existirt haben, beweisen die reime der dichter, für unsere
territorien kommt allei^dings nur bei Heinrich von Rugge
verwandelot: rot MSF. 107, 13. 14 in betracht. Wir dürfen
annehmen, dass dieser reim der ausspräche congruent ge-
wesen ist. Die mannigfaltigkeit der Schreibungen, wie sie
uns seit dem ende des 13. jhdts. begegnet ist, kann aber
unmöglich in dem sinne aufgefasst werden, dass die vollen
ik
I. TEIL. VOCALISMUS. 135
endvocale als o, u, a, i, die geschwächten als -e gesprochen
worden wären.
Die seit dem 11. jhdt. in den glossensammlungen auf-
tretenden -a für ältere vocale verschiedenen timbres (s. o.)
leiten offenbar eine ähnliche Veränderung des nachdrucks-
losen endsilbenvocalismus ein, wie die auffallend damit zu-
sammenfallenden -ades beginnenden 14. jhdts. Die auffassung
jener älteren ^a ist um so mehr erschwert, als wir umge-
gekehrt im lauf der Jahrhunderte eine entwicklung älterer -a-
vocale in der richtung auf -i hin verfolgen können (vgl.
ga-.'gi- u. a.)
Es ist anzunehmen, dass im 10. jhdt. nachdruckslose
vocale volleren timbres je nach Verschiedenheit der musi-
kalischen tonhöhe, wie sie rhythmus und melodie der ge-
sprochenen spräche involviren, in ihrer klangfarbe gegen u,
i, resp. (musikalisch tiefer) gegen a hin verschoben worden
sind; die i- und u- timbres sind offenbar das resultat des
nunmehr sich geltend machenden tongesetzes (§ 40). ml
12. jhdt. mag dann die definitive Veränderung eingetreten
sein, welche zum heutigen stand geführt hat. So sehe ich
denn in der buntheit der Schreibungen des 14. 15. jhdts.
einerseits die traditionelle Orthographie längst unterge-
gangener sprechformen, aus der periode überkommen , da
die „vollen" vocale noch gesprochen wurden, anderer-
seits moderne versuche den neu entstandenen endungsvocal
-5, resp. -e wiederzugeben. Die zahlreichen a- Schreibungen
sind aus dem a-haltigen timbre des reductionsvocals zu er-
klären. Speciell für die feminina ist plural. -a, -an nicht als
fortsetzung eines ahd. -ä zu betrachten, da die flexion nicht
mehr die starke gewesen sein kann, gerade für das alem.
Sprachgebiet sind namentlich die schwachen verwandtschafts-
wörter characteristisch, vgl. noch später: alle mütern Aesop
s. 273. die döchtern Ingold 17, 22. acc. all müttren cod.
theol. et phil. no. 188. u. a., wie heute miotdrd, dex-
tdro. So konnten denn nun auch willkürlich die -on -un,
-an, -in, -en etc. unter sich confundiit werden, nachdem sie
sämtlich in der sprechform o zusa^.^^mengefallen waren.
Typische beispiele geben die belege aus cod. breviar. 55.
136 Ili. LAUTSTATISTIK.
-e wird sehr häufig traditionell noch -i geschrieben. Dass
die Schreibungen der aussprachsfonn nicht congruent ge-
wesen sind, habe ich Beitr. XIII, 500 flf. daraus ge-
schlossen, dass ahd. -öw nur im gen. plur. durch -o wieder-
gegeben worden ist, nicht in den etymologisch gleichwertigen
fällen, war doch, wie sich unten ergeben wird, die nasalirung
der endsilben bereits vollzogen; vgl. in Grieshabers
predigten (Weinhold, al. gr. s. 311) dristo d. i. heute
Schweiz, dristd bei Stalder, landessprachen s. 225, rf/'i-
stun cod. theol. et phil. 236. drei/stet cod. theol. 146,
das Verhältnis von dristo zu dristunt ist offenbar dasselbe,
wie bei dem in unsern Urkunden häufigen Wechsel zwischen
yec2o : yeczunt (wonach letzteres nur eine schreibform wäre),
vgl. im Lehenbuch des grafen Eherhart: iez, ieze, ietzent,
ietzo, cod. breviar. 55: yetzun, cod. theol. 146: yetzeit,
5) SYXCOPE.
§ 118. In zahlreichen l3elegen fehlen der heutigen
mundart compositions-, ableitungs- und flexions-vocale, die in
mhd. Periode noch überliefert sind, z. b. h^f mhd. hende
bände, mu9tr mhd. muoter mutter; nqxpr mhd. nächgibür
nachbar etc. Das schwinden dieser vocale (syncope, ab-
sorption) stellt eine weitere stufe der reduction dar, indem
nicht bloss die specifische klangfarbe (wie bei a), sondern
die articulation überhaupt wegfällt. Es ist dies nur denk-
bar, wenn die betr. vocale annachdruck auf dennullpunkt
sinken, was in erster linie von der geschwindigkeit des Sprech-
tempos abhängt. Wintelers. 119 hat schon daraufhingewiesen,
dass etwaige hochtonigkeit den schwindenden laut nicht zu
schützen vermag, und wir haben auch für das schwäb. nach
der allgemeinen tonregel hochtonige lautung der schwachen
Silben vorauszusetzen. Der eintritt der nachdruckslosigkeit ist
an kein formulirbares gesetz gebunden. So wandellos der
hauptictus fixirt ist, so schwankend ist die rein rhetorische
abstufung innerhalb der Sprechtakte, was nebenictus und
nachdruckslosigkeit betrifft, und es gilt der satz, dass jede
nicht exspiratorisch starke silbe (vor oder nach dem
ictus stehend) ihren sonanten verlieren kann.
1. TEIL. VOCALI8MÜ8. 137
Anm. Die näheren bestimmungen über die verschiedenen grade
des nachdrucks und deren vei'wendung sind Sache der rhetorik.
Mehr oder weniger nachdrückliehe hervorhebung von nebeiisilben ist
eines der wirksamsten mittel den Seelenstimmungen sprachlichen aus-
druck zu verleihen. Affekte, die ein bewegtes, rasches Sprechtempo
involviren, veranlassen eine weitgehende reduction der nebensilben,
während eine behagliche ruhe oder zärtliche ergüsse sehr wirksam
in langsamerem rhythmus die nebentöne ausprägen und die etymolo-
gischen nebensilben bewahren. Auf keinem gebiet ist der Zusammen-
hang zwischen der psychischen gcsammtanlage eines Stammes und seiner
spräche so deutlich zu erkennen als eben hier. Die sogenannte schwä-
bische „gemütlichkeit**, die der fremde namentlich auch aus der spräche
heraushören will, beruht hauptsächlich ausser der modulation der Stamm-
silben auf der aucentuation der nebensilben. Vgl. insbesondere den § 119
anm. 2. 3. besprochenen Wechsel, z. b. a bisle ein bischen hat in der
regel einen ganz andern rethorischen effekt als ?bisdh, (bitsdlej ; gdimraod'
bisle (gib mir auch ein bischen} im tone der eutschiedenheit, mit dem
der anspruch einer rechtmässigen forderung zum ausdruck kommt,
gegen gdimdraodbisdle als zärtliche bitte. In ersterem fall bildet der
satz einen einzigen Sprechtakt mit dominirendem ictus auf gdi- oder ao,
im letzteren wird das tempo beinahe schleppend und es entstehen die
Sprechtakte gdimdv \ ao*d \ bisdle, die zugleich eine musikalisch viel
mannigfaltigere tonreihe entwickeln. Graphisch Hessen sich die nach-
drucksverhältnisse so darstellen 1) _i . ^ _ i . _ 2)j. i ji i _i i i. Vgl.
analoges bei Winteler s. 213. 179. 216 anm. zu 3, 2.
§ 119. 1) Ausnahmslos ist das ungedeckte mhd. -e der
flexion unmittelbar nach oder vor der ictussilbe geschwunden:
ibax (mhd. bache) ich bache; 'nap hinab, 'rap herab (mhd.
hin abe, her abe); fast (mhd. vaste) fast; krap (mhd. *ge-
rappe) rabe; sdt {mhd. schade) schaden; mexf {mhd. mehte)
möchte; srelc {mhd. schrege) schräg; ges (mhd. gense) gänse;
(l07n (mhd. demel dem; säe (mhd. schoene) schön; nqx (mhd.
nähe) nah; herf (mhd. herte) hart; h^l (mhd. helle) hölle;
Icirx (mhd. kirche); fix (mhd. vihe) vieh; wis (mhd. wise)
wiese etc. Beachte die pronom. dative : mdem (mhd. mime)
etc., aber 9m9 einem (mhd. aime z. b. urk. 1296.) u. a.
Anm. 1. Scheinbare ausnahmen ergeben sich beim nom. sg. der
schwachen flexion (mhd. -e) z. b. dr rukd (mhd. rucke) rücken; wqdsd
(mhd. weize) weizen. Diese haben ihr -a aus den cass. obll. (^-enj;
andere wie dr Öf (mhd. oven) ofen, dr bot der boden u. a. haben -a
nach analogie von sät (cass. obll. sädd) schaden u. ähnl. aufgegeben.
2) beim ausgang -er, -el ist r, l son. entstanden:
a) akr (mhd. acker); fatr (mhd. vater); habr (mhd.
138 III. LAUTSTATISTIK.
haber) haber; wendr (mhd. winter); Kqfr (mhd. kevere,
kever) käfer; hhakr (mhd. henker); britr (mhd. briter)
bretter; stikr stücke, h^tr betten, hidxr bücher u. a.
b) liapl (mhd. kappel) kapelle; stapft (mhd. stapfei)
Staffel; häml (mhd. hamel) hammel; änipl (mhd. ampel, lat.
ampulla) lampe; pft^kl (mhd. vlegel) flegel; s^kl (mhd.
Schenkel); bisl (mhd. büschel) u. s. w.
Anm. 2. In nicht nachdrucksloser Stellung bleibt -9 erhalten
vgl. z. b. tmpdile dim. kleine lampe ; bi'hile dim. zu biU; ü^dirle dim.
zu Äf/r, aber auch 1t(tfrU^ ^mplp^ qkrl$ zu acker, hisle gegen hi's9:le^
bits9:le ein bischen u. s. w.
3) ganz entsprechend haben sich entwickelt :
a) alte composita auf -teil, -feil, -voll, -viel vgl. : hampfl
handvoU, wpw/?^ mundvoll ; arfl armvoU; ^rif/ drittel; ßdnil
(mhd. vierntail, abgeschwächt viertal m:\i. 1333. 1421); wolü
(mhd. wolveil) wohlfeil; soft so viel; widft wie viel.
b) alte (jetzt nicht mehr als solche gefühlte) Zusammen-
setzungen, deren zweiter bestandteil -r enthielt: nqxpr
(mhd. nächgibür) nachbar; jompfr (mhd. juncvrou) Jung-
frau, Jungfer; emr (ahd. iomer, mhd. immer) immer; ic^iort
(mhd. wTngarte) Weinberg; tsübr (ahd. zubar, zwibar vgl.
Kluge etym. wb. s. v.) zuber; 09mr (ahd. einbar, mhd. aim-
ber) eimer vgl. Kluge a. a. o. s. v. Ausserdem fallen hier-
her die ableitungen auf -beere ^ so weit der dialect sie
kennt: Ulm 1428 (D. Reichstagsacten IX, 205) erbre bott-
schaft^ ebenso 1431 (a. a. o. s. 643) erbern botten; dafdkpr
(mhd. dancbsBre) dankbar; Icpspr (mhd. kostbaere) kostbar
und ebenso die nom. agentis auf mhd. -cere (resp. -er):
snmdr (mhd. snTdaere) Schneider; mf(/r (mhd. madsBre)
mäher, mähder ; sudstr (mhd. schuochsutsBre) schuster u. a.
Anm. 3. Auch hier gilt, was in anm. 2. vermerkt wurde, vgl.
arfl: ^'rfdle; fidnß : fidncldle ; jompfr : jo'mpf9:rd^ jompfrle, jo'mpfdwle ;
tvS''i9d:rdr weingärtner: w^rfctc,
Anm. 4. r, l ohne vorausgehenden vocal finden sich häufig;
ich nenne: Augsburg, chron. 5, 451. 468: kitl, eitl. schdffl. acheffl,
ainr. deifl (teufel). Aesop: s. 53 hünr. Möriu: tninr. ainr. (sie
spilnd. welnd), Jesus: edl 59. Ruland: vetr. andr, hundrt. burgr,
mistl. patrtiostr, püntl. unsr. Zim. chron: kachl, capl, erml, seinem
enikln (enkel) IV, 253, 11. mangU handln. Die seit dem ausgang des
I. TEIL. VOCALISMÜS. 139
15. jhdts. häufigeren Schreibungen wie czaln, zaichn. hahn. güldn. glichn.
gebn. etc. weisen auf einfluss der Orthographie der allgemeinen reichs-
geschäftssprache. Wechsel der Schreibung, wie z. b. Rottweil 1400
(D. Reichstagsakten IV, 138 f.): der untren und der obren stett: des
ohern noch des nidern bundes. Aesop: s. 202 murmle n : s. 268 murmeln
(vgl. gesamelt, samelt). Mörin: 5960 gesegnet : segent b9Sl. Ruland:
s. 7. dafflen : tafeln s. 19 beruht gleichfalls auf sonantischer funotion
der betr. consonanten.
4) Vor andern consonanten ist e (auch als reduction
vollerer vocale oder diphthonge) gleichfalls syncopirt worden :
mqrkf (mhd. merket, lat. mercatus) merkt; daesf (mhd.
diunist?) dienst; dr sest (mhd. schoenest) der schönste; emf
(mhd. ämät, üemet) zweites heu; fiontl (mhd. vierdentail)
viertel; sudstr (mhd. schuochsutaere) schuster; ksaff (mhd.
geschaffet) gearbeitet; makt (mhd. maget) magd; akst (mhd.
ackes) axt; opst (mhd. obe?) obst; saf (mhd. schadet)
schadet (3. sg. präs. ind.); ^/s (mhd. alle?) durchaus; slexst,
slexf (mhd. slehest, slehet) schlägst, schlägt; aokst August
(monat), vgl. urk. ougeste 1302. ze mitten ougsten 1323;
haek^t (mhd. hoehest) höchst ; nqksf (mhd. naehest) nächst ;
lerst (mhd lerest) lehrst, lernst; brhdf [mhA, bringet) bringt;
frsenf (m\ii. verschindet) schindet (3. sg. präs. ind.); liost
kostet; km^lt gemeldet; frklqdtd verkleidete, vermummte;
sndet schneidet; dist dürstet; krixt gerichtet etc, über diese
syncopirungen vgl. Pfeiffer, Freie forschung s. 188 ; wefd (mhd.
wenec) wenig; herbst (mhd. herbest) herbst; wirft (mhd.
wirf et) er wirft; kmfs (mhd. kein nütze, vgl. Schmeller I,
1776) wertlos; hieher wohl auch gotsik (mhd. gotes einzic)
gesteigertes einzig; kfrqkf [vcA\A, gev raget) gefragt; konst,
Jcönf (mhd. kumest, kumet) kommst, kommt ; mWst (mhd.
mainest) meinst ; ndetsk (mhd. niunzec) neunzig u. s. w.
Anm. 5. Die syncope ist hier fest, abgesehen von den formen
der Verbalflexion 2. 3. sg. präs. ind. und part. prät. Hier ist durchaus
Wechsel zwischen syncopirten und nicht syncopirten (-a) bildungen zu
constatiren : saßsf, safst; safdf, saff; ksafdt^ ksaft ; kfrqkf : kfrqgdt ;
konst : komist ; kostdt : kost usw, doch ausschliesslich slexst, sl^f, Cp«f,
brSfdf, wirf ff wodst u. a. Im übrigen bevorzugt der Schwarzwald gegen
das nördl. Schwaben die nichtsyncopirten formen; auch hier wirken die
rhetorischen Schwankungen des nachdrucks, doch vgl. § 110, 3. AUge-
140 JU. LAUTöTATlSTIK.
mein hat sich im schwäb. hStndf (mhd. hemede) hemd mit a gehalteo,
aber wohl nur durch veruUgeraeiiicrung.
§ 120. Dieselbe syncope ist 1) bei den vorsatz-partikeln
</e,' he- und der präposition mhd. ze eingetreten. Sie fun-
giren im Sprechtakt teils als auftaktglieder, teils aber wie
jede andere nebensilbe im taktinnern, vgl. z. b. pi'dt^got
behüte dich gott : (j(jp i'ole gott behüte dich.
a) hduaH (mhd. genuoc) genug; kföndd (mhd. gevunden)
gefunden; kldö (mhd. gelän) gelassen; kstöb (mhd. gestoln)
gestohlen; hivixf (m\\i, gewichte) gewicht; ks§l (mhd. ge-
selle) gesell; kutr (mhd. gehuder) etc.
M) psetse (zu mhd. besetze) besatz; ps9is9 (mhd. be-
schT^en) betrügen; piodo (mhd. behüeten) behüten; psondrs
(mhd. besunder) besonders; psofj (mhd. besoffen) betrunken.
c) tsföl (mhd. ze voll) zu voll ; tsl^sdt (mhd. ze lesenne)
zu lesen ; tsqrp (ze Horwe) in Horb ; tse^itd (mhd. ze ersten)
zuerst; tsfrldo (mhd. ze friden) zufrieden.
2) ebenso haben sich die mit Am-, her-, hie-, dar-
zusammengesetzten präpositionaladverbien entwickelt, so-
bald sie den ictus auf dem zweiten bestandteil tragen :
a) mit hin-: 'nap, 'nuf, 'nous, 'nae, 'aä, 'nom, b) mit her-:
'rap (rab cod. med. 5), 'nif, 'ndus, 'rm, Wöm, c) mit hie-:
'liso, 'en9, 'ono (hie undnen), d) mit da-: dorw, dQbd, dem,
(aber dd'hid da hinten), e) mit dar-: drdür (mhd. dar durch),
drn^^hdf, dren, drä, druf; und diesen formen analog f) die
syncope des artikels: däno die grossmutter, twqrdt die
Wahrheit, tösd die hosen, tfqte die fettigkeit ; 'tqH die tage;
'tidr die türe, 'piioba die buben; doch auch formen wie 'tJcb
die kühe , 'tgas die gasse (neben 'kas, kas, gas) etc. s aus
duz z. b. swasr das wasser, s^9ts das hertz, ensbef in das
bett; ebenso tsöm (mhd. zuo dem), bdim (bi dem), nqxm
(nach dem) a. ähnl. sind nur mittelst assimilation des ver-
schlusslauts und folgenden dauerlauts zu gunsten des letz-
teren zu erklären.
Anm. 2. Im nördl. schwäb. sind die Zusammensetzungen mit
da- nicht erhalten, durch Ausgleichung ist vielmehr allgemeines dr-
eingetreten: drondd^ dröbd, drSud n. s. w. — Der entwicklung von dar:
dr geht die von mhd. ver :fr ganz parallel: frsdufd^ frJSaofd^ frfraord,
frrakdi'dt u. s. w.
I. TEIL. V0CALI8MUS. 14 1
§ 121. Zeitlich am ältesten ist die syncopirung der Par-
tikel ge- vor Sonorlauten (vgl. Braune ahd. gram. § 71. 77):
Augsburger glossen: guari (= giwari). ni guuinna
(von expetat).
Weingarter glossen B: gobide {— ga-obide)
coloniam. zantwurta (in presentiam). padeguant, gnoT,,
Prudentius glossen B: kebanoto.
Schlettstädter glossen: ungrade, gnaden, gnada,
gnokint, kunterskeitot.
Schwäbisches Verlöbniss: gnaden, ziweren (ze-).
hit iuch (bitte).
Mit dem beginn der denkmäler aus mhd. epoche
heben auch die belege für die Verkürzung der wortformen
an, so dass wir in den syncopirungserscheinungen eines
der hauptunterscheidungsmeikmale zwischen ahd.
und mhd. lautstand zu erkennen haben. Lachmann hat zu
Iwein 6514 gezeigt, dass in Hartmanns spräche dreisilbige
präterita, deren erste silbe lang ist, in der mitte gerne ge-
kürzt werden ; auf die Schreibweise der handschriften dürfe
man sich dabei nicht berufen (s. 539 anm.) : merte^ fihte,
machte^ erbarmte, herbergte, erledegte, trürte, warnte, borgten
und viel ähnliches; nach kurzer silbe: (felobte, sigte^ sagte
anm. zu 7764; clagte, tagte, bejagte, behagte ; lebte, swebte,
strebte anm. zu 617. Vor vocalen sei die „verschlin-
gung des auslauts" sicher, ist aber wie die oben gege-
benen belege beweisen, bereits ahd., (vgl. auch Braune
ahd. gram. § 61.): volget ich, erzeiget er, minnet allez, dise
ungelernet arbeit ; vgl. zu 7438 sorg ich, minn ich, zu 7764
wcen ich, rät ich, fuort er, wlst in etc. etc., umb in, und er,
an iuch., an Ire, an alle, an angest etc. (zu 5081), värend
isty volgend ist, varend ist, frumend ist, baz dann ir etc., ze
wizzen ist, ze sagenn ist (zu 7438). Ohne sprachliche begrün-
dung sind dagegen weitere regeln, wie z. b. die 7764 ent-
wickelte einschränkung der kürzung vor einsilbigem vers-
schluss : järnert in. uwgest ist. ntohtens e u. a, ebenso unbe-
gründet die Zulassung des hiatus in Wörtern „deren Ver-
kürzung auffiele". Vor consonanten (vgl. auch zu 192)
142 111. LAUTSTATISTIK.
könne man zweifeln, ob vleget oder vUgte, volget oder volgte^
sorget oder sorgte zu schreiben sei: die volle Schreibung
volgete, machete^ minnete oder der zugehörigen pluralformen
sei streng zu meiden, vor folgendem vocal schwinde -e
der ableitung: volgten als u. a. — Die bekannten Verkür-
zungen gevangen (cod. herm. 24 acc. pl. die gevangen:
die gevalnen, vgl. § 105, 2 anm.) statt gevangenen, ver-
borgest statt verborgenen etc. bedürfen sprachgeschichtlich
keiner specialregel. Hierher fallen ferner die in der anmerkung
zu 6518 aufgestellten bezzerten, handelten^ zmvelten, ver-
loiigeiiten, entwäfenten, rechenten, wechselten 7212 (hs. D
wehslten) ; in der anm. zu 83 wird pjingsten (oder pfingesten)
zugelassen etc. Weiteres bei Haupt zu Erec 7703. Pfeiffer,
Freie Forschung s. 121 flf. Jänicke, Zsfda XVI, 403 u. a.
§ 122. Aus der fülle des materials unserer denk-
mäler möge folgendes namhaft gemacht werden: Rugge
behuot (behütet): guot 99, 28. vgl. 100, 33. 104, 16. Gott-
frid von Neifen: hat bekleit : leit, wenden : senden : senden
(= *senenden). verwiint: kunt, ist si gestalt: gewalt u. a.
Während Neifen imp. belip: tvip, trip: lip reimt, ist nach
Minor zu 1, 13 bei Winterstetten imperat. twinge (nicht
ttfinc, doch vgl. 15, 13) die beliebte form; laze : straze :
maze, scheide: leide, fliehe: schlehe u, a.,, bei demselben: wip:
vertrip^ vgl. auch 11, 48. muot: ist behuot; beachte Gtiote:
Uote:muote 9, 101 dagegen (als alte nominative) üot:Gtwt:
tuot 14 , 171 , wie kint : Götelint 14, 182. tat : vervat : rat:
stat 12, 111: vervahet : versmahet 62, 33. ich han mich ver-
pfliht: niht 59, 16. u. a. ZBß: red, stund, div stim. der
bot, div gnad, mit gWb, künc (regi). sun (filios). di wind,
alle tag, den vrid, dem mund, got (deo). di weg, di sund, im
gebet, zi dem grund, zim tohd, dir vierd, d^ end. von der
sach. ze himel, der nivnd, die sieg, di hend, gimaind. and
erd (in terra), der stet, vor der sach, sorg, der vngetriv. von
ursach, bild (exempla). der gart, vnserm. iuwren. inkain
(nullum). von aiginr boshait. dat. sg. aigem, gen. ubilr sach
oder müsiger red, dlm (tuo). von inrem, kaim (nulli) neben
kaime, uz aim. vnder aime. wirt gelait. ueckind. wende (exi-
stimantes). sprechend, ufzestand, wandlend. leir ich. andenc
I. TEIL. V0CALI8MÜS. 143
(intende). werd (fiat) , überhaupt in 3. sg. opt. anseh (aspi-
ciat). Sprech, underlig: underlige, anleg, inpfah. iveL gilvh, bith.
geb. zua (lauerit). stand, vind, niez. trag, scaf, bidurf,
uirlies: uirliese. hab; doch auch fnug: muge, ezze, bisehi,
wurJce, slaffe, interbe. lebe, haize. züladi, hingange. Ferner glatte
(geladen), stifthe (edificauit). gebrait (laxantur), gebraitin, ge-
horth, gido^t (digesti). berait hat, kort neben horit, sazt,
stummet. Itcbid (promittit) ; gilupth (promiserit). gedemüt.
ih höht, vfgeriht, santh (misit). gisante. arbait (laborat). ih
tet, giscant, werd bihüt, gibet (oretur). bitraht, giunht, zallir,
dich (saepe). an wenc (modice). iez (jam). zwar, wolt got,
dan (tunc). samztac. trur gehen (contristent). bezzren, ersam-
liest, hohster, ammit: amtin, bilgrin etc. Urkunden: 1281
gelobt, irm svn, süln, 1295 gelopten, 1296 gehept, gib ich, tag,
gericht (dat. sg.). ze gezaichent, do man zalt, 1296 dem abf.
1298 apt: 1287 abbete. 1292 abbet, 1298 ze wissend, gezai-
chent, 1289. 1293. 1307 u. ö. gevestent : gevestneten 1293. 1293
bezaichent, gepfent, 1296 gerett, von der bet, gib ich, vf der
burc, 1287 gelatte, 1296 solt vn mohte, wcer (wäre). 1299 er
verschuld es denne, 1296 dorf, manot (dat. sg.)? 1305 ih
vergih, uf anderm gut, 1317 stcet blibe. 1299 mit mim, 1310
aim, 1314 het (hatte), ze ainem kovf. 1277. 1323 sogtan, 1326
zerkiesende, zenphrömden, 1341 haiigen. 1362 haiigen, selqen,
1348 herhsthünr, genzklich, 1354 dem pfaf, opt. abgieng,
stürb. für, ze Horw, 1359 der gart, 1412 bewent, 1465 Mar-
gret, gemelter weyss. 1486 gemelten, 1488 bemelten, obgemelter,
1483 sant Agten etc. etc.
Herkommen: gerett, hingericht ist, gelüt (geläutet) wirt.
SteinhöweTs Aesop: erdicht, redt, redten, ritt (reitet).
getött, ver schult, gesitt, entrüst, zuogerichten sessel s. 59. ver-
wüten (verwilderten) s. 156. findt er, bindt, Mörin: sei:
Michahel 357. heiss (opt. präs.) : baiss 417. pflag : zag 469.
ich wen: capiten 491. geziert: selbviert 623. Ion : oun (ohne)
1047. geschickt: prät. blickt 1053. der mag (magen) : tag
2555. ir gebiet: schiedt 5163. du tuost: huost (hustete) 5565
etc. Hätzlerin: in fräden seüfftz , in trauren lach: unge-
mach 57, 2. der unnter mit seiner kelt: gestelt 72, 1. die deck
84, 24. leng 243, 16; vgl. Tempel: ir guet (gute): blüt 357.
144 III. LAUTSTATISTIK.
vol guet: gemüt 533. Ingold: sterk, kelt, lieh. Mynsinger:
der mag, der schad u. a. Vgl. cod. poet. 29: krepfel od'
pfankäch, lehk&ch, hlüm. glock, schlang, stuk. bett. funck oder
ganayst (letzteres auch cod. poet. 30 u. ö.). woch. bettziech,
käst oder lad, schaid, schaid. steck oder pfal, geschirr. gass,
lock, wingart, reb, rät oder gert u. a. cod. pret. 30: nak.
nas, dd'm (daumen). ripp, ruck (rücken), gig l fidel, supp. b&b,
muk. rayp, schnepf, swalb, barb, kreps, carpff, krott. weftz,
schneck u. a. c o d. m e d. 15 : der hüst. der mag, die kelt, nach
leng vnd nit nach der höhi u, a. Vor vocal und sonorconso-
nanten war bereits ahd. die partikel ge- reducirt worden
(s. o.), auf demselben Standpunkt steht noch ZBR: glo'b,
glaith, garnen, glatte. gWfen, gtoiche, go^git. gluste, vf gleit,
guislic. glesin, gendot, gvisse, gahtut, gvonlichun. gnad, girrut.
gnami. gnuhsamir. gwmien. glichez. guandn, guangadin, gualt,
u. a; ebenso be-: der humid (personarum). bnomin, bar-
munge; dagegen vgl. cod. b i b 1. 28 ; gnan. glich, griht, gdaht,
gbüt. ghorn, guangen. gburtlichen, btrüht, bgert, bhüt. Vielfach
fehlt nun aber ge- auch vor verschlusslauten: ZBR: werd
gert, iverd geben, ginget, kundit, tritrit, ko^fth, gangin, bosi-
mt, dienut. Die annähme, dass hier ge- im consonantenan-
laut assimilirt sei, ist ausgeschlossen wegen particip. prät.
wie: bat lopht. werdin vraget, uf wegin, worden, ingegin-
lo'fin. anhraht, sprochin, lerit, wihet, so ist auch im verlaufe,
wo namentlich in den Urkunden sehr häufig part. prät. wie
braht. komen. gangen, geben, kauft, clagt auftreten, nicht aus-
zumachen, ob participialbildung ohne ge- oder syncope an-
genommen werden soll: vgl. z. b. urk. 1350 burte. 1383
gburt, 1479 ptirt (ahd. mhd. burt. geburt gegen Paul Beitr.
I, 296). hotten neben gebot coA, phil. et theol. 45. no. 144;
da er gaiselt, gekrütziget ward, cod. herm. 24: als ain klaid
das die schaben fressen haint. Noch 1488 part. prät. fallen.
So auch in der Mörin: zeit, brochen, clagt, brauten 2810:
gebrauten 2493. Bei R u 1 a n d : borgt, kauft, schickcht. ü 1 r.
Kraft: komen, hlihen. griffen, zogen. Z i m. c h r o n : hachen.
funden, starben, trafen, trunken, hild (gebildet), vgl. in dem
Augsburg, stadtrecht von 1276: ain gcerbtiu hut.
L e X e r im glossar zu den Chroniken 4, 375. 5, 459 : bataen.
I. TEIL. VüCALISMÜS. 145
bracht, prennt. prochen, deckt, funden, gangen, gössen, kauft,
klaytt. kriegt, tauft, trihen. zigen, zogen etc.
Die syncope ist im Satzzusammenhang erfolgt, dem
Schicksal der schwachen silben im innern der werter entspre-
chend, vgl. iirk. 1277. 1323 sogtan, 1296 gnanten, 1488
gschafft. In Steinhöwels Aesop: giverb s. 34. ungstalt
s. 338. M ö r i n : gstalt 2969. Tempel: ghürch 894. ghott
1060 (zweifellos keine sprechformen). Augsburger Schneider:
gfangen, gstift. g schlecht, Keller, erzählungen: gfüllt 324,
25. gschehen 326, 12. Ruland: gwand, g warn Ischneider,
gschickt, gschechen, gschrihen. gnomwen.gwin, lleimchronik:
gfufiden, gsein. gsotten, gschitz, Zim. chi'onik: gschwindt.
Analog ist die syncope von ze : da z Sevelingen (zwei-
mal) urk. Ulm 1297; vgl. zemen (zusammen) cod. theol.
et phil. 72. Walther von Rh ein au (Stuttgarter hs.
a. 1388) 49, 39. 108, 17. 112, 43. u. ö. Kulan d: cz Schpir.
cz Nerenberg, cz Franckfurt, cod. theol. et phil. 17:
Zwirf.zburg. Schneider: zwegen. Syncope des ar-
tikels: vor vocal bereits ahd. (vgl. Braune ahd. gram.
§ 287 anm. 2) ZBR: ((nd erde, and erd, iml twahil (in palla).
Murin: dioelt 3458. dwecken 3458. Georgspiel: d'tor 172.
Reim Chronik: and sonnen 167. dschell. 81. daus (draussen).
Zim. chron.: dgens. dwett, dbenk, dweil, dstupflen. dnarren.
dinnen (drinnen), daussen, doben , ebenso hausen, hussen
(bei Hans Sachs: dwarhait, dhitz, taschen, packen u. a.
daussen, nab, nauss, rab, rein etc.); vgl. ferner nauss (hinaus)
Keller, erzählungen 222, 29. 223, 29. Reimchronik
s. 160. Zim. chron. IV, 231, 40.
Für die syncope von be- sind die belege noch dürf-
tiger: seit beginn des 14. jhdts. werden die hU in bleiben
allgemeiner: bllbe urk. 1317. 1326. bliben 1327. Mörin:
man psliess (beschliesse) 2072. Schneider: pschissen,
pschlossen u. a. pschuht v. Liliencron II, 3, 4 Reim-
chronik bston 168; vgl. auch MSD2 s. 611.
Anm. 1. Kolross sagt in seinem enohiridion (Müller s. 79):
zu dem ersten geschieht die kürtzung von wegen des rhymens.
damit die rhymen glyche zaal haben (zu latin syncopa) bsohähen.
bschorn. zsüohen. hrab. zmachen. warn (werden), ghretth (geredet).
Kauffmaim, Fr., Geschichte d. schwäb. Mundart. 10
146 III. IAUT3TATISTIK (gESCHICHTE).
gsungen. £8 geschiciit aber disse kiirtzung nit allein mit den rhymen
sonder auch ...in andrem schryben vnnd reden: bsohnitten.
bschriben. vnbsähcn. vnbschiiitten. vngstalt. vngschaffen. vnbholffen.
gwünscht. gstopfft für gestopffet. gbett für gebettet, geschütt für ge-
schüttet eto.
Seb. Helber, syllabierbüchlein ed Roethe s. 15 f.: ob gleich
wol nit gefunden worden einfache Wörter die anfiengen von Bd. bh.
bn. bs. bsohl etc. jedoch wirdt inn reimschriften vnterweilen jenes e
nit geschriben oder gedruckt, welliches zum ersten b in gantz ge-
schribenen Wörtern gehört : vnbdacht. vnbnomen. vnbsunnen. ymbhegt.
wolbschriben etc.
Anm. 2. Der umgekehrte Vorgang, dass Silbenvermehrung im
wortkörper durch anfügung neuer lautelemente einträte , ist nur in
folge analogischer processe wirklich geworden. Typisches beispiel hie-
für sind die unter einfluss der flexion der schwachen verba gebildeten
starken präterita auf -e, die sich auf schwäb. boden allerdings nur
spärlich nachweisen lassen und durch die gemeinsprache eingeschleppt
sind, vgl. Ehingen: hielte, begäbe, tvarde. belibe. gabe\ noch in der
Zim. chron. : bewise. bafe. anname neben starb, sprach etc. cod.
theol. et phil. 17: schwüre u. a.
KAP. IV.
DIE aESCHICHTE DES VOCALISMÜS.
1) UMLAUT.
§ 123. In einer reihe von einzelfällen weist die
mundart umgelauteten wurzelvocal auf, in denen das
gemeinschriftdeutsche von heute den umlaut nicht kennt;
eine andere serie unterscheidet sich dann umgekehrt durch
das fehlen des umlauts.
a) tshnd (mhd. ze semen, zemen so z. b. bei Walther
von Rheinau, Schweizer Minnesängern u. a. vgl. § 67, a)
zusammen mit alter suffixabstufung gegen mhd. ze samen,
ahd. zi samane, zisamine, zesemene Graff VI, 35 f.); *tqxf
gedacht nach dem prät. d^xt dachte gebildet, welches formell
optat. prät. ist (vgl. nhd. dätichte); qxt, qxte acht (mhd. ehte
aus aht umgelautet, vgl. Beitr. XIII, 394. Braune ahd. gram.
I. TEIL VOCALI8MÜ8. 147
§ 271 anm. 4; urk. cehte 1298 u. ö.); qls durchaus scheint
ahd. allis (neben alles) zu entsprechen, wenn nicht beein-
flussung von Seiten des Stammwortes, welches Schwab, q
verallgemeinert hat, anzunehmen ist; medix montag (mhd.
mentac, maentac: aus mhd. maenin, ahd. mänin mond ge-
bildet?); emt zweites heu, im mhd. bestehen die formen
ämat und üemet, deren letztere i- ableitung voraussetzt,
welche auch in die erstere eingedrungen zu sein scheint,
wenn der umlaut nicht, wie im Schweiz. Idiotikon I, 213
angenommen, aus dem verbum emds übertragen ist; ein
ähnlicher Vorgang will mir auch für das rätselhafte qrbdt
mhd. erbeit, arbeit; drbeit cod. phil. et theo 1. 74;
erbeü in der alem. Sant Cecilia Zsfda XVI, 165 ff. Vir-
ginal u. a. vgl. § 66, a.) am wahrscheinlichsten werden:
ahd. verb. arbeiten, mhd. arbeiten, erbeiten, die aus dem
skand. erfidi zu erschliessende alte suffixabstufung liegt zu
ferne; g^r (mhd. gar) gar, durchaus adv.; ich vermute, dass
der umlaut aus dem nicht mehr erhaltenen adj. mhd.
gerwe (aus dem elsäss. in adv. Verwendung bekannt)
ins zugehörige adv. gedrungen, wie im adverbialen hqrt
(mhd. harte : adj. herte), sowie bei f^ in der Verbindung
fqs g^r beinahe, fast gar (mhd. vaste: adj. veste), nur bleibt
im letzteren fall die ^^ qualität unklar (vgl. väst DM IV, 94),
wenn dieselbe nicht an g^r angeglichen. Über das ganze
hd. Sprachgebiet verbreitet sind die umgelauteten ^9 (mhd.
asche, esche, vgl. äsch, dschen cod. phil. et theol. 72.
17. etc. etc.) asche; fl^sQ (mhd. vlasche, vlesche) flasche;
tqsd (mhd. tasche, t esche) tasche, zu denen sich im schwäb.
noch bqs neben bäs (mhd. base) base und b^r neben bq9r
(mhd. bare, baere) bahre gesellen (ebenso nhd. espe neben
mhd. aspe, schwäb. aspd); mir ist das wahrscheinlichste, dass
qs9, ffqsOj tqs9 pluralfortnen sind (vgl. tqlc: täk u. a. § 66 anm.),
ebenso f\st9 fastenzeit, man hat nicht nötig auf ahd. */as-
tinna nach and. faatunnia (Kluge nom. statnmbildungslehre
§ 150) zu schliessen ; auch Icel kohl mag ursprünglich die
kohlköpfe bezeichnet haben; vgl. alem. bri9dr bruder sing.
Den unilautsvocal in bqs führe ich auf eine ehemalige kose-
form mit dim. -i zurück, vgl. Schweiz, bäsi Winteler Ker.
10*
148 III. LAUTSTATISTIK (gESCHICHTB).
ma. s. 177 f ; dem schweizerischen häsi entspricht dimin. mi
> ene gross vater gegen fem. äfi9 grossmutter, vgl. masc.
d^te pathe, fem. dph pathin (in cod. theol. et phil. 30:
tötti, totte); mhd. baere mag alter jö- stamm gewesen sein
(vgl. dazu MSDenkmäler s. 315); ostschwäb. nes nase ist
unklar.
Diesen Substantiven steht eine anzahl umgelauteter
verba gegenüber: w^s9 (mhd. waschen, weschen) waschen,
dqrf9 (Reimchron. Zim. chron. derffen, ülr. Krafft
ich derfe, 3. pl.; inf. derffen) dürfen, swqtsQ (mhd. swetzen,
swatzen, Aesop s. 197 schweczen. yeschwecz) schwatzen,
debd toben. Die erklärung ist hier einfacher, man vergleiche
ahd. wesgistii (lavas), wesg mich (imp.) Graff I, 1080, nehme
dazu die möglichkeit eines secundären umlauts im flect.
particip gimiascaniii, so kann die umlautsform nicht mehr
auffallen (subst. wts wasche muss fern gehalten werden), vgl.
z. b. geuesrhen cod. theol. et phil. 68. ich wasch cod.
bibl. 28. zu weschende cod. bibl. 22. u. a. Auf den (mor-
phologischen) umlaut in der 2. 3. sg. präs. ind. führe ich
auch dqi'f9 (zu darf), debo (2. sg. debst aus tobist) zurück,
während swqtso als erst mhd. jüngere denom. bildung von dem
grundworte mhd. swatz (geschwätz) an ähnl. muster sich
angelehnt hat; qrfl aus arfl (arm voll) nach dim. qrfdle; ^H
sg. apfel nach dem plural (s. o. § 65, 1), ebr pos. comp.;
ebrst superl. oberst nach superl. oberist (neben oberöst). Mit
umlaut erscheint fast durchweg in unsern denkmälern
kemeltier (kameel) Aesop s. 188. (camel, kameltier s. 268).
Mörin 496. Hätzlerin 280, 304. cod. theol. et phil.
74. 195. cod. bibl. 35. cod. ascet. 78 u. ö. Bereits in
der schwäbischen partie von Grieshabers predigten
nachweisbar: dest an schoen spf-iich s. 85. des kindelin s. 85.
des wasser s. 39. cod. ascet. 86: spilman sin dest vnreht
lebin; aus älterer zeit kaum beizubringen, (vgl. § 103 anm. 1.
von zweifelhaften fällen genetivischer construction abge-
sehen) ist die umgelautete form des als neutr. des artikels.
Der umlaut gehört der ersten ahd. umlautsperiode an,
wie die qualität beweist, offenbar in der alten Verbindung
thaz ist > theist u. a. (Braune ahd. gram § 287 anm. 1 vgl.
I. TEIL. VOCALISMUS. 149
oben (lest) entstanden; des (artikel) Hesse sich auf pro-
clitisch diz > des zurückführen, vgl. § 108, a.
§ 124. b) Der um laut fehlt in einer grossen zahl
von Wörtern mit ii in der Stammsilbe. Die mhd. betr. ent-
sprechungen sind im allgemeinen unsicher: mtilcüiege, mücke;
h'uJc krücke ; bruJc brücke ; hiJc daneben hike lücke ; stilfs
(mhd. sülze, sulze) sülze ; ruko der rücken, und danach tsruß
(zi rugge gl. Sletst.) zurück; btito bütte; vgl. auch die nach
§ 88 allerdings nicht ganz sicheren, aus Balingen (oberamts-
beschr. s. 137) gemeldeten dtir türe, büsto bürste (gemein-
schwäb. di9r, blst)^ dürr dürr, murp mürb (gemeinschwäb.
dir, niirp), ferner h(1c locker, stuk stück, nuts nütze; lüg^
lüge (verdankt vielleicht ü mhd. lue neben lügin), ßuxe
küche, stiipß Stoppel, pfulbd pfühl, trtfkd trocken. Eine zweite
categorie bilden die schwachen verba: drukd drücken,
rupfo rupfen, slupfd schlüpfen, stipfd süpfen, nippen, bukd
bücken (Aesop s. 57 büket sich); s^rti/^/a strupfen, klustd ge-
lüsten, wt/to nützen ; biäsd ^wizen, /w/;/^ lüpfen. Balingen:
sürd schüren, füxtd fürchten, stürb stürbe, fürn& vornehm.
Dieselbe entwicklung bei briiddo brüten, (in Spaichingen blüdt
blutet) wtiold wühlen, sono säumen, romd räumen; göno
gönnen; klaoho glauben, kaofo kaufen; slaof (mhd. sloufe)
schleife, wie bei Ulr. von Winterstetten erzougen : tougen 1,
6. u. a. vgl. Paul mhd. gram.^ § 40 anm. 3. fcusd inf. küssen
bewahrte ii wohl unter dem einfluss von Icus. Über gulde,
diddd, stddix u. a. vgl. Paul a. a. o. anm. 2. Das fehlen des
Umlauts in beispielen wie ssnl : sduh säule, säulen ; sdii, sdubd
sau, Säue u. a. spqt spät; slqff schläft, Iqsf lässt, staosf
stösst, /"ö/f fällt u. a.; beruht auf ausgleichung ; promiscue
werden gebraucht Midi: Icudl adj. adv. kühl; Icoxdr köcher
entspricht mhd. kocher, ahd. chohhar neben chohhari,
u) Lachmann zu Iw. 1017 hält für die spräche Hart-
manns ein umgelautetes stücke für „regelrechter" , da sich
nicht nachweisen lasse, dass er stucke gesprochen habe, wie
Gottfried von Strassburg, Ulrich von Türheim oder Konrad
{ich rucke, uf den rucke), vgl. ferner die anm. zu Iwein
1615. Wie allgemein angenommen wird, unterbleibt der Um-
laut von u vor Id, It und schwankt vor nas. + cons., der
150 III. LAUTSTATISTIK (gESCHICHTE).
nicht-eintritt desselben beruht in diesen fällen offenbar auf
einer morphologischen Übertragung, vgl. bei Ulrich von
Winterstettenbünde: füfide.'sündelO, 4:1, b4, llnehensunge:
iunge : suunge 21, 9. 44, 18. fündind : kündind Mone, Schau-
spiele I, 143 ff., doch ist ein sicherer beleg für lautlichen
process ostschwäb. des, desr (uns, unser etc. Birlinger A.
S. 8. 183.), vgl. urk. Augsb. 1337. 1343. 1345 etc. ins. in-
Sern, Die erklärung hat von dem acc. pl. iinsih auszugehen, der
sich auch noch in enclitischem s^ (aus unsi'h) erhalten hat,
z. b. mr wele se uf dd w^kwaxd (wir wollen uns auf den weg
machen) u. a. Vgl. über sich aus unsich Paul, principien ^ s. 196.
Im grossen ganzen gelten die oben gegebenen un-
umgelauteten formen für das obd. Sprachgebiet über-
haupt, der umlaut der Schriftsprache hat seine heimat in
Mitteldeutschland, wo, wie ich mit andern annehme, der
umlaut in seiner weiteren ausdehnung (auf ö, o, u) viel
früher eingetreten ist als in Oberdeutschland. Nun sind
aber bereits § 86 ff. fälle nachgewiesen, in denen umlauts
il > / auch innerhalb unserer grenzen vorliegt, einige der
beispiele sind allerdings in sofern nicht beweiskräftig, als
sie lehnwörter aus der gemeinsprache sein können, oder
den umlaut allgemeineren morphologischen principien ver-
danken ; ganz sicher sind ßr, ihr, dir, Icfdits ( : nuts), sifix,
mile u. a. sowie die umgelauteten d^S; dibS9r uns, unser in
der Baar und den östl. gegenden.
Anm. 1. loh bemerke, dass in unsern denkmälern, welche den um-
laut bezeichnen (vgl. § 87), heute nicht umgelautete werter ohne das
Umlautszeichen begegnen, i. b. im Lehenbuch: /«Sit/, stürbe, vber :
sfuk\ Rottweil 1400: ififiser. ütis. hedtirfent: wm stuck ze stuck,
suheu 5ff/cAr Reiohstagsa. IV, 137. Handschriftl. Tristrant: f&r, küng,
f-üst, gehest sfiki'b : erwürb. /find, tür, küssen, kust : brüst, trukt. wurden,
das stuck, die luck, tutick, fugett (lüge), rucke : ntgelücke etc. etc.
ß) so werden wir darauf geführt, innerhalb des flexions-
systems die factoren zu suchen, von denen der eintritt des
umlaut s abgehangen. Vorweg fallen die ahd. ableitungen
auf -iw, bei welchen auf unserem boden die Schwächung
zu -€w früher eingetreten sein muss, als die umlauts-
periode (dass die Schreibung der denkniäler nicht mass-
gebend ist, geht aus § 116 hervor), vgl. ISuxe (aus coquina),
I. TEIL. V0CALI8MUS. 151
läge (aus lugin) ; bei den /a- stammen wie ruk9 rücken,
stü^ stück, adj. dürr, mvrp etc. war ableitendes -j- in
den obliquen casus vorliterarisch geschwunden, eine
Umlautswirkung konnte demgemäss nur vom nom. acc. sg.
ausgehen, die in unserem dialect durch die majorität der
nichtumlautenden formen paralysirt wurde (ahd. rucki, gen.
ruckes, dat. rucke etc.). Lautlicher eintritt des umlauts ist
auf obd. gebiet völlig ausgeschlossen bei den stark resp.
schwach flectirenden femininen jö- stammen, wie hruR, muJc
(nom. sg. ahd. hrucka etc.) ; es ist mit keinerlei Schwierig-
keiten verknüpft werte wie hite hütte, send sünde als im-
portirt zu betrachten, truka neben trocken, stupft neben
Stoppel (ahd. tnickin mit suffixablaut zu Hrockan) beruhen
entweder auf syncopirten formen (ahd. truchnaz) oder auf
suffixausgleich (ahd. trucchenez wie trokkenen Graflf V, 512,
vgl. Österreich, drikn trocken, schwäb. verb. trikfdd trocknen,
trüknen Aesop s. 188). Auch bei den verben nach
erster schwacher classe (got. -jan) wie druko, kaofd etc.
war lautlicher umlautsprocess nur in 2. 3. sg. präs. indic.
und in der unflectirten form des part. prät. (ahd. drucchit,
gidrnchit Graff V, 253 f.) möglich, da ableitendes -/- längst
nicht mehr existirte. Folglich ist auch eine form wie laxd
(ahd. lahhen) lachen einspruchsfrei und Pauls bedenken Beitr.
VII, 117 anm. gegenstandslos.
Anm. 2. Die präs. pluralform c^ea;«^ (thun) ist formell optativisch,
aber schon früh in indic. Verwendung nachweisbar, vgl. pfrüend:tuond
Mörin 5471. tJnienhei Schade, Satiren 1, 29, 97. Mw(/ cod. theol. et
phil. 54. diead cod. med. 29.
Anm. 3. In der heutigen spräche ist umlaut bei der 2. 3. pers.
Sg. präs. nicht üblich, der vocal der 1. pers. ist festgehalten z. b. falst^
falt fällst, fällt ; hrqdisU hrqddt brätst, brät u. s. w. (§ 124, b).
§ 125. Nach den eben entwickelten thatsachen sind
sämtliche §§ 66. 84 f. 86 flf. 95. 48. aufgeführten umlauts-
wirkungen zweiter periode zu beurteilen: nur ist es
ausserordentlich schwierig im einzelfalle gerade die mass-
gebenden formen nachzuweisen. Es darf als weitreichender
gesichtspunct festgehalten werden, dass die Zusammenge-
hörigkeit mit andern gruppengliedern im flexionssystem
die ausbreitung des umlauts begünstigen musste. Ich meine
152 III. LAÜTSTATISTIK (gESCHICHTE).
SO. Für den jüngeren umlaut in g(^rhd (ahd. garwen) braucht
nicht bloss die lautliche möglichkeit desselben in gariwist,
garimty gegariwit etc. zu bestehen, sondern der gerade die
verba erster classe mit e:a in Stammsilbe eng zusammen-
schliessende sog. „rückumlaut" der präteritalformen, konnte,
wenn ich es so nennen darf, einen morphologischen trieb
zu gunsten der umlautsformen wachrufen und es ist charac-
teristisch, dass die oben benannten Jan- verba ohne alten
umlaut der präsensformen, vom „rückumlaut" ausgeschlossen
waren. Die psychologische empfindung, welche ein substant.
geloBze (benehmen) neben dem verbum geläzen (sich be-
nehmen) begleitete, setzt sich leicht in einen sprachlichen
(innerhalb der Wortbildung tätigen) trieb um , welcher die
analogen verbalsubstantiva wie klaef (das hin- und her-
laufen, vgl. Augsb. chron. 5, 460 geleiif), kl^xtr gelächter
(ahd. lahter) u. a. durch umlaut characterisirt.
§ 126. In der ersten hälfe des 8. jhdts., wenn nicht schon
früher, wurde a vor folgendem ^, / zu e umgelautet; einzelne
consonantverbindungen scheinen den process, gehemmt zu
haben (§ 68). Erst mit dem beginn des 10. jhdts. erfolgte die
umlautung dieser restirenden formen vor i (nicht vor /), die
qualität des neuentstandenen vocals war offene (^), wie bei
dem jetzt gleichfalls umgelauteten <x > f ; zu derselben zeit
werden ti (> ü) o (> ö) ou (> öü) uo (> üe) '4 (> e) betroffen
und die analogischen Übertragungen eingeleitet. Möglicher-
weise hängt mit dieser umlautungsperiode die abschwächung
der endsilben- i organisch zusammen, wie dies bereits Denkm.^
s. XXXII vermutet worden ist. Der umlaut beruht auf einer
Verschiebung der vocalischen articulationen gegen die arti-
culationsstellung von i hin, man stellt sich demgemäss den
Vorgang am einfachsten als eine anticipation der i-articulation
vor; ein assimilationsprocess, der mit dem regressiven der
consonanten in unserer mundart wesensgleich ist, indem stets
der folgende den ausschlag gegeben hat. Jene ältere, vor-
literarische Umlautsperiode, welche nur einzelne a- laute
erfasst hat, in gleicher weise durch / wie durch / bedingt,
ist vielleicht mittelst mouillirung der folgenden consonanten
zu erklären, die (wahrscheinlich nur obd.) beschränkung auf
I. TEIL. VOCALISMÜS. 153
a beruht möglicherweise auf der differenz der musicalischen
tonhöhe, wenn dieser vocal damals den tiefsten eigenton im
vocalsystem gehabt hätte.
Anm. Die verschiedenen erklärungen des umlauts verzeichnet
E. von Borries: Das erste Stadium des /-umlauts im germanischen, diss.
von Strassburg 1887, s. 73 fF.
2) QUANTITÄT.
§ 127. Die quantitäten des schwäb. sind § 35 f. dar-
gestellt. Hier soll ihre historische entstehung untersucht
werden. Was den zeitlichen eintritt derselben betrifft, so
vermag ich den bisherigen ansichten nichts erhebliches hin-
zuzufügen. Aus der 2. hälfte des 15. jhdts. liegen directe
Zeugnisse für die geltung gelängter vocale vor, vgl. § 59
anm. 1. 2. § 65, b. Das wichtigste ist die diphthongirung
ursprünglicher kürzen, welche länge erfordert, ehe die-
selbe stattgefunden hat (§§ 76. 77. 83. 86, 4.); ich glaube,
dass die ansieht, welche die dehnung der ictussilben im 13.
jhdt. als vollzogen betrachtet, mit den thatsachen am besten
sich vereinigt, vgl. Sommer zu Flore 43. Wilmanns Zsda.
16,119. Steinmeyer altdeutsche Studien s. 84 ff. Haupt,
Wiener Sitzungsberichte 71, 134 ff u.a. Die stammsilbenvocale
des mhd. pflegt man nach Quantität in lange und kurze ein-
zuteilen ; unter der schwäb. überlänge sind z. b. blqp (mhd.
bläw-) wie föl (mhd. vol) zusammengefallen (langer wie
kurzer vocal) und länge zeigen jügot (mhd. jugent) wie
öhdf (mhd. abend); ebenso vereinigen sich unter der halb-
kürze bof (mhd. böte) und hqf (mhd. hat) u. a; andererseits
ist die entwicklung von mhd. völ > föl eine ganz andere
gewesen als die von mhd. böte > bof.
Für die ausbildung der quantitäten ist von bedeutung
1) die Stellung des wertes im Sprechtakt (§35) 2) die
beschaffenheit des exspiratorischen und musika-
lischen accents (§ 38 ff.). In dem Satze drhä'fisf&l der
hafen ist voll, verteilen sich die quantitäten umgekehrt bei
der fügung fölisdrhä'f oder aber foHsdrhäf. Der schwäb.
schwach geschnittene silbenictus verträgt sich nur mit
offener silbe, „weil für das ende des vocals der exspirations-
154 111. LAUTSTATISTIK (gESCHICHTE).
druck stark herabgesetzt, im nächsten moment aber für
den consonanten wieder erheblich verstärkt werden muss**
(Sievers). Ferner eignet der schwäb. betonung tieftonigkeit
des staninisilbenvocals mit zur folgenden neben-
silbe aufsteigender betonung. Diesen accentuations-
formen ist genügt in der Stellung föUsdrhäJ d. h. fo" lis-;
anders aber am satz- resp. taktende: drhäpsföl. Hier
schliesst die silbe mit /o, der antretende consonant -/ leitet
eine weitere silbe ein, die ohne sonanten ist, so dass
-/ sonantisch zu fungiren und gleichzeitig den hochton zu
tragen hätte, es entsteht demgemäss Jo- 7. Daraus hat
sich eine silbe mit zweigipfligem accent (fol) gebildet, die
als solche überlang sein muss.
Schliesst die silbe mit verschlusslaut z. b. mhd. tac >
daß resp. daß, so bleibt der process derselbe, nur fällt die
sonantische function des consonanten, die unwesentlich ist,
weg: im taktinnern wäre da- k- zn erwarten, in taktpause
entwickelt sich aus da- ß > driß; dasselbe gilt für die
Spiranten: kläs beruhtauf AW- 's; näxt auf nä- 'xf u.s.w.
(vgl. Paul, Beitr. IX, 110.)
Anm. 1. Zur entwicklung eines gestossenen accents wäre nur
noch fester glottisverschluss zwischen vocal und consonant erforderlich,
dieser ist aber nicht eingetreten, vielmehr schwingen die Stimmbänder
weiter und darin liegt die physiologische Ursache der diph-
thongirung, vgl. unten § 128 anm. u. a.
Demnach stelle ich die regel auf: Jeder mhd. ictus-
vocal hat sichinpausastellung zu überlangem vocal
(mit zweigipfliger betonung) entwickelt. Da im satzinnern
diese dehnung organisch nicht eintreten konnte, ist quanti-
tativer Wechsel bei denselben Wörtern vorauszusetzen.^ Dieser
Wechsel, der in seltenen fällen wie foL /öl noch geblieben,
ist meist zu gunsten der länge aufgehoben, diese auch im
taktinnern eingeführt; hier ergab sich nur die reduction
* Ein sehr treffendes beispiel aus dem munde einer älteren frau
in Horb, das sich unter meinen aufzeichnungen findet, ist : 9 kn'xfsmqis
krixt ; Jcrixt bedeutet nemlich geradlinig verlaufend (die werte geben die
definition, vgl. cod. med. 15: gerichts oder gestracker wyse)^ in dem
mehrsilbigen krichtes (d. i. gerichtetes) ist der kurze vocal erhalten,
der in der satzpause zu l gedehnt erscheint.
I. TEIL. VOCALISMÜS. 155
des überlangen vocals zum langen, indem der hoch-
ton zur folgenden nebensilbe fiel. So sind zu beurteilen:
mä (mhd. man) mann; kräs (mhd. gras) gras; was (mhd.
wa;) was; kr af {mhd. gerat) gerade; däJS (mhd. tac) tag;
gär (mhd. gar) gar, sehr; slak (mhd. slac) schlag; häl (mhd.
(hal wiederhall ; kräp (mhd. grab) grab ; ern (mhd. ern) haus-
flur ; her (mhd. ber) beere ; el (mhd . öl) öl ; n^xf {mhd. neht) abends ;
Ä:sa^(mhd. gesang); net, et (mhd. nicht, icht); ?a^ (mhd. lanc)
lang; fer(mhd.bir)birne;/er (mhd. vür) für; kwTs {mhd. gewis)
gewiss; tsU (mhd. zil) ziel; smtf {mhd. smit) schmied; wöl
(mhd. wol) wohl; Köx (mhd. koch) koch; süp dim. stble
(mhd. schup) schub; fttle {mhd. vüdelin dim. zu vut) hintern;
^rö^'(mhd. troc)trog; öp (mhd. ob); fqr.fqdr (mhd. vor) vor;
r/wr (mhd. dur) durch; früxt (mhd. vruht) frucht ; ruf (vgl. ahd.
hruf) ausschlag; düff (mhd. duft); tsüxf {mhd. zuht); süxf
(mhd. suht) krankheit; tröm (mhd. trum) ende; so (mhd. sun)
söhn; fp (mhd. von); von nä, rä hinab, herab aber z. b. in
Balingen: abdmho von bäum herab, ahdrlq9tr von der
leiter herab u. v. a.
A n m. 2. Man lasse sich durch eine anzahl scheinbarer beispiele
nicht verführen, dehnung des vocals auf conto folgender consonanten
z. b. r, «, X zu setzen. Die gewichtigen ausnahmen würden unerklär-
lich bleiben.
§ 128. Die mhd. kürze hat (wie ich glaube) ihre
dauer nicht gewahrt, sondern ist um ein minimum gelängt
worden zur halbkürze, was gleichfalls durch den schwach
geschnittenen accent veranlasst ist, vgl. oben § 39 anm. 1:
haxd (mhd. bachen) backen; nardf {mhd. narreht) närrisch;
saldd (mhd. schalten) stossen; kfah (mhd. gefallen); seb
(mhd. schein) schälen; semd (mhd. Schemen) sich schämen;
kiekt (mhd. geleget) gelegt ; j^dosmql jedesmal ; kjakt (mhd.
gejaget) gejagt; kslagd (mhd. geschlagen); nänid {mhd. name);
fatr (mhd. vater); garhg (mhd. garben) garben ; akst (mhd.
ackes) axt ; hämpß (mhd. hantvoll) ; händfids (mhd. hanen-
vüe;e) hanenfuss, unkraut; h^p (mhd. beten) beten; eje
(mhd. elliu) alle ; gqsd (mhd. gezzen) gegessen ; hqddU. (mhd.
hetelTn) kleine ziege ; A<^r^ (mhd. herwe) herb ; ^s (mhd.
alle?) durchaus; trefdkd (mhd. trinken) trinken; tsem9 (mhd.
156 III. LAÜTSTATISTIK (GESCHICHTE).
zesemen) zusammen; hem9f (mhd. hemede) hemd; l^edom
(mild, keten) kette; w^Je (ahd. wetti) schwemme; smekd
(mhd. smecken) schmecken, riechen; l^exe köchin; hritr
(ahd. *britir) plural zu brett; klili (mhd. gelücke) glück;
sitsd (mhd. sitzen); ksnito (mhd. gesniten) geschnitten ; hite
(mhd. hütte) hütte; wolfl (mhd. wolveil) wohlfeil; podo
(mhd. geboten) geboten ; tsogo (mhd. gezogen) gezogen ; truk9
(mhd. trucken) trocken ; dede, dodd (mhd. töte , tote)
pathe, pathin ; wule (mhd. wullin) wollen ; km)m9 (mhd. ge-
nomen) ; döno (mhd. däundnen) drunten etc.
Anm. Vor -r und in den Verbindungen r + cons. hat sich der
aufsteigende stimmton der in pausa sich bildenden nebensilbe zu 9
entwickelt, wie oben fd -7, so dq 'r 2> dqdr^ fq9r etc. ; ebenso ä -'rm >•
<if§in^ sardk^ JSirix. etc. vgl. § HO, anm. 4: der sonant der Stammsilbe
ist demnach kurz geblieben; die ostschwäb. ära arm, wäi-d warm be-
ruhen auf einheitlichem arm, wärm^ vgl. § 130.
§ 129. Durch das syncopirungsgesetz (§ 118 ff) ist
eine grosse zahl früher mehrsilbiger Wörter zu ein-
silbigen geworden. Ein teil davon zeigt dieselbe längung,
wie ursprünglich einsilbige, ein anderer ist in der reihe der
mehrsilbigen geblieben, s. o. § 128. Es ist anzunehmen,
dass für die nichtgelängten teils die form im taktinnern,
teils die im flexionssystem herrschenden mehrsilbigen formen
massgebend gewesen sind, vgl.z.b. söf (mhd. schade) schaden;
l(m), pl. emd (mhd. imbe) immen; klüf (mhd. gluve) Steck-
nadel; fic (mhd. vihe) vieh ; wis (mhd. wise) wiese; sreU
(mhd. schrege) schräg; mext (mhd. mochte) möchte u. v. a.
Dagegen: fast (mhd. vaste) beinahe (ist in pausastellung
kaum denkbar); krap (mhd. *gerabe, *gerappe) rabe; herf
(mhd. herte); hei (mhd. helle) hölle etc. etc, ; eine regel ist
hier nicht zu erkennen, doch überwiegen im schwäb. die
formen mit langem vocal.
Es ist nicht möglich alle einzelfälle zur besprechung
zu bringen. Ich mache noch auf folgenden allgemeinen ge-
sichtspunct aufmerksam : länge des vocals in mehrsilbigen
formen bei mhd. kurzem stammvocal kann nur auf aus-
gleichung beruhen und zwar 1) innerhalb der flexion 2) inner-
halb etymologisch zusammengehöriger gruppen, z. b. wal
I. TEIL. VOCALISMUS. 157
(mhd. wal) aufwallen beim kochen, dsLUSichfrweb (z. b. die milch
aufkochen lassen) nordschw. frueb. Die erste^categorie ist in
der nominal- und verbalflexion von besonderer bedeutung ge-
worden, die letztere in der Zusammensetzung und ableitung:
scLgd sagen, lädo laden, badd baden, färo fahren, legd legen,
Md (mhd. schilhen) schielen etc. haben die länge von den
einsilbigen formen wie saß, läf, hat etc. erhalten, in ninid
nehmen, kbm9 kommen u. a. sind dagegen die gelängten
beseitigt oder überhaupt nicht entwickelt worden, vgl. den
interessanten gegensatz sisäd es ist schade : satnents es
schadet nichts u. ähnl. ; wozu die sehr zahlreichen belege
für der schad (subst.) z. b. cod. theol. et phil. 54. etc.
Wenn es düre (= mhd. durchbin) neben dür {= dur, durch)
heisst, stammt ü von der einsilbigen form, vgl. giß gift :
gtftix giftig, wit wirt und danach wtde wirtin, dagegen Jcöx
aber ]cfxe,
§ 130. Durchaus schwankend verhält sich die mund-
art in Wörtern von der form mhd. kurzer vocal + con-
sonant + ableitung -el, -er, vgl.: fcapl (mhd. kapel) kapelle;
stapf l (mhd. stapfei) Staffel; akr (mhd. acker); fatr (mhd.
vater); gatr (mhd. gater) gitter; hämpfl (mhd. hantvoll);
Mämr (mhd. kamer) kammer; häml (mhd. hamel) hammel;
ämpl (mhd. ampel) lampe; dagegen apr (mhd. aber); mäkr
(mhd. mager) mager; häpr (mhd. haber) haber; w^tr (mhd.
weter) wetter; dagegen Icqfr (mhd. kever) käfer; swqß
(mhd. swevel) schwefel; Mekl (mhd. kegel) kegel; Jcesl (mhd.
ke55el) kessel; slenkl schlingel; hpokr (mhd. henker); heml
(mhd. himel) himmel; befol (mhd. bengel) bengel; wetitr
(mhd. winter) ; dagegen pflekl (mhd. vlegel) flegel ; fetr
(mhd. jeder) jeder; sekl (mhd. Schenkel); e^kl (mhd. enkel);
bist (mhd. büschel); sixl (mhd. sichel); spitl (mhd. spitel)
hospital ; slisl (mhd. slüj^el) Schlüssel ; dagegen tpr (mhd.
über) ; ktpl (mhd. kübel) kübel ; pn^kl (mhd. prügel) ; ßtkl
(mhd. vlügel) fiügel; rpl (mhd. übel) übel; Isipl (mhd. zibel)
Zwiebel; mokl (mhd. mockel) name für kuh; dagegen ötr
(mhd. oder); föjd (mhd. vogel); döxtr (mhd. dochter) tochter ;
stitpfl (mhd. stupfel) stoppel; hufsl (mhd. huzel); Icükl (mhd.
kugel) kugel; tsüpr (mhd. zuber) zuber; höfor- (mhd, hunger)
158 111. LAUTSTATISTIK (gESCHICHTE).
u. s. w. Im ostschwäb. Mmr kammer, hämr hammer, häml
hammel, heml himmel. Folgte auf den kurzen vocal doppel-
consonanz, atfricata oder durch die westgerm. consonanten-
delinung geschaffene lange fortis, so ist die längung nicht
eingetreten, während die belege mit inlautender lenis
schwanken; so auch die beispiele mit nasal -j- cons. wie
k^kr (auch hekr) gegen sekl {smkl), e^kl {mkl) häpfl neben
hämpfl, tretr neben whitr. In all den fällen, in denen ener-
gischer einsatz der folgenden consonanten erforderlich war,
machte sich die folgesilbe wirksam geltend, weshalb die
dehnung unterblieb , während für die Wörter mit lenis
oder nasal + cons. einsilbigkeit gegolten hat ; innerhalb
des Satzgefüges musste die kürze sich halten.
§ 131. Es ist eine weitverbreitete ansieht, dass die
quantitätsverhältnisse eines der hauptmerkmale zur
Unterscheidung des schwäb. und alem. abgeben. Dem ist
nicht so. Das entwickelte gesetz von der dehnung der
einsilbigen wortformen in satzpausehat als allgemein
alemanisch zu gelten, eine differenz gQg&n das alem. be-
steht nur darin, dass dasselbe in weitrem umfange zu
gunsten der kürzen ausgeglichen hat, vgl. auch
Baumann Forschungen XVI, s. 262 f.
A n m. Auch innerhalb dea schwäb. ergeben sich hervorstechende
differenzen in der entwicklung der quantitäten, vgl.§59
anni. 1. So hat namentlich das ostschwäb. den gedehnten vocal die Ober-
hand gewinnen lassen, weist aber andererseits eine reihe von fällen
auf, in denen der alte Wechsel sich erhalten hat. Ich fähre aus der
Bavaria II, 2, 814 fi*. an: säts^ stnälts^ sif, grlf^ 8täl; aus Birlinger
Augsb. wb. s. 3: ftäx, näs, /äs, s. 241: /ts, dis^ brtf (hrettj; s. 130
bläf^ hWIr, (blatt, blätter); s. 342: lön, frös^ höß^ stoß, r(JÄi h^lts u. a,;
s. 416: lüsf^ fcmsf (gcmeinschwäb.), klüst^ bvüM^ stüJS^ mulSu, a. Aus der
oberamtsbeschroib. von E 11 w a n g en : älf plural alte^föli volle, JtOpfi l^pf,
hals : hals, bäx, säJS, fäl, Mäm (kämm), s^rix, bis, pflf, Srit, flüs^ lüft,
lüst, büs s. 185. rök, hölts fröst, kröt s. 188. Auch in der Baar,
gegen das alem. Hprachgebiet hin, ist der Wechsel zu belegen: vgl.
(jlp gib, aber gimdr gibmir, gibdm gib ihm ; häs : hasd oberamtsbeschr.
von Spaichingen s. 111. Aus Tuttlingen oberamtsbeschr. s.
153 ff. führe ich an : blr : bird birne : birncn ; dlk dick ; käl, dSti, gifl
(gemeinschwäb ), lüft, und so auch in den oberschwäb. lieder von
1633: saackh, haals, looch, laatz, baart, kaalb, haalb u. a. Man ver-
l. TEIL. VOCALISMÜS. 159
gleiche nun dazu auch Zusammenstellungen wie Winteler s. 77 tF. Der
auffaaeung von Heu sie r, der alem. consonantismus in der mundart
von Baselstadt, Strassburg 1888 s. 36 ff. kann ich mich nicht anschliessen,
wie ich dies in Victors Phonetischen Studien II, 33 begründet ha))e.
§ 132. Das quantitätsgesetz erhält eine directe be-
stätigung durch kürzung alter längen, welche in den ersten
componenten der diphthonge (§§ 137. 138) sowie in mehr-
silbigen wortformen eingetreten ist: uqrle (mhd. wserliche)
wahrlich, fürwahr; ivm^'t (mhd. wTngarte) weinberg; gämr
(mhd. gän wir) gehen wir; lame (mhd. lä mich) lass mich; ueid
(mhd. wenec) wenig. Hieher gehört ferner die reduction der
diphthonge in hqUp (aus mhd. hailigen > ^hqolgo) bilderbogen,
hqlgdpfie^gr heiligenpfleger ostschwäb.; ailj\ vgl. ZBR ailphte,
urk. 1295 adf > (?//(elf); {hqlaos heillos bei Birlinger A. S.
s. 65); tswäntsk (mhd. zwainzig) 20, zwantzig ist mir zuerst
begegnet bei Ulr. K rafft s. 420, ebenso ivas^ uast, wast
weiss, weisst in Balingen ; nqyie (= mhd. nächhin) nachher,
hinterdrein (gegen n^x); kfrqkt (mhd. gefräget) gefragt
(gegen frqlc); möglicherweise sind so zu erklären huso
(mhd. hie ü;en) aussen, dusd (mhd. da ü;en) draussen,
fuxtse 15, fuxstß 50, (dazu fuß der fünfte) und endlich gehören
hieher (vgl. § 94) : hutn, som, domo, pßomdy frsomo, ousrgmd,
sömf S0IH9, flom, {pflpm). Siehe Winteler s. 120 f. s. 84.
Kräuter Alem. V, 194. Stickelberger s. 52 flf.
Anm. 1. Über kürzung in der pro- oder enclise vgl. § 103.
Für die kurzen vokale der nebensilben ist § 36 kürze angesetzt , die
der heutigen alem. -Schweiz, (wohl auch mhd.) entspricht. Lange vocale
werden in zweiten gliedern von compositis in der regel zu halblangen
8. § 36, füge dazu noch uilpr^t (mhd. wiltprsete) wildbret (^ in 6r^f
brett ist wenig kürzer), in der regel tritt aber die quantität des Sim-
plex ein.
Anm. 2. In diesen Zusammenhang ist auch der Wechsel zwischen
^ und q {= mhd. e § 69 f.) zu stellen, vgl. qpis (mhd. etewaz) etwas,
esd (mhd. ezzen) essen, aber re9xt (mhd. recht), g^l (mhd. gel) gelb
U.S.W. In Spaichingen, oberanitsbeschr. s. 111: l^ddr^ aber 8(^y9s
Sense; ich halte ^ wiederum für pausenforni, die auf längung von q
beruht.
160 III. LAITT8TATI8TIK (oESCHICHTE).
3) NASAUKUXG.
§ 133. Nasalvocal in der Verbindung vocal -j- nasal
ist eine reciproke oder nur regressive assimilationserschei-
nung, d. h. die Senkung des gauniensegels tritt bei bildung
der vocalstellung ein, es bleibt aber die möglichkeit, dass
der nasale versclilusslaut entweder erhalten bleibt oder seiner-
seits total assimilirt wird (durch Wegfall des zungen- oder
lippenverschlusses) z. b. kräR krank : äfdkd nacken u. s. w.
1) intervocalisch bleibt der nasal stets erhalten : onänt
einander; ä^e {= nihd. anhin) voran; siväm (mhd. swanen)
pl. schwane; Mne (mhd. kan ich) kann ich; änom (mhd.
an im) an ihm; und (mhd. ane) grossnmtter; hemdf (mhd.
hemede) hemd; frtuend verwöhnen; bene (mhd. büne) bühne;
sene (mhd. schoeniu) pl. schöne; d^Jce sg: pl. de1ciyn9 etc.
s o. § 110, 4 ;a//3 Altheim : 97i (dtdincfv ein mann aus Altheim etc.
vgl. Heusler, alem. cons. §128; j'owr (mhd. jämer) jammer;
smm (mhd. sämen); //o//^ . (mhd. bönen) pl. bohnen u. s. w.
Dasselbe gilt auch ursprünglich für den Satzzusammenhang,
vgl. § 135; in den oberschwäb. liedern DM IV, 86 ff. inf.
schieban vnd sddachta. ah goaslan as wie u. a.; heute in
der regel ohne den nasal, doch beruht hierauf das soge-
nannte hiatus- n; Paul, prinzipien s. 97.
2) auslautendes -m ist nach analogie der fälle, in
denen es inlautend wurde, gewahrt z. b. läm (mhd. lam)
lahm, matt; böin, söm^ irom, tsdm u. a. wie die plurale
betn, sem^ tseni u. s. w. (doch auch flo flaum, in Balingen:
iS, so, trdy tsS); kram (mhd. kräm) kram, vgl. krorndf-^ öm
(mhd. äme) ohm vgl. eme,
3) im silbenauslaut ist der nasal nach langem oder
gelängtem vocal assimilirt worden: a) se (mhd. schoene)
schön; bö (mhd. böne) bohne; söbqoro samentragende hanf-
stengel (*sämborn); medix (mhd. msentac aus maenintac),
montag; rd (mhd. räm) rahm u. a. b) mä (mhd. man) mann;
wäst (mhd. wanst); swä (mhd. swan) schwan; Jcä (mhd. kan)
kann ; gas (mhd. gans) gans, bräf (mhd. brant) brand ; krälc
I. TEIL. V0CALI8MUS. 161
(mhd. kranc); gäts (mhd. ganz); däts (mhd. danz);
(mhd. bank); sd^ (mhd. sand); Adf (mhd. hand); kräpf (mhd.
krampf) ; blod (mhd. bluome), dim. hledle (blüemlTn) blümchen
(Balingen) ; frtwef verwöhnt ; ges (mhd. gense) gänse ; deli
(mhd. denke) ebenso deht (mhd. *gedenkt) part. prät. ge-
dacht; tse (mhd. zin) zinn; Jze (mhd. kin) kinn; sb (mhd.
sun) söhn, plural se söhne; ß (mhd. von) von; no (mhd.
nun, niwan) nur u. a.
4) wo die dehnung nicht eingetreten (vgl. § 127 ff),
ist der nasal geblieben: mänd (pl. zu mä) männer; kämpf l
(neben häf) handvoll; rantsd (mhd. rans) bauch, sack; pfentle
(mhd. phentlin) kleines pfand {vgl, pfäf^tsind); hentl händel
(vgl. häf hand) ; lenf (mhd. linde) zart, geschmeidig ; denf
(mhd. dünne) dünn ; Jcgtist^ Jcdnt (mhd. kumest, kumet) kommst,
kommt (vgl. Jcäbsf kunst); pdnd9 (mhd. gebunden), vgl. bäf
band u. s. w.
Anm. Hier wie bei den quantitäten finden sich landschaftliche
differenzen; von interesse ist der aus Ellwangen stammende Wechsel:
tcäf wand aber wenf wände (winde), höf hund, plural. Äonf hunde ober-
amtsbeschr. s. 185; ebenso in Balingen (Baar) oberamtsbeschr. s. 134:
wäf wand, häf hand, swäts schwänz, aber wSnf, Ä^wf, stvBnts etc. Doch
ist in der regel eine form massgebend geworden.
§ 134. In wenigen vereinzelten fällen ist nasalvocal
progressiv (bei vorangehendem nasal) entstanden: imä{ß), dou
mäst (die ältere form mäht hat sich lange gehalten, doch
findet sich bereits ZBR du mahs. cod. med. 5: mahstu; vgl.
machst: nacht, machtu cod. theol. 19. du macht : machtu:
magst cod. ascet. 78 ; s. auch Weinhold al. gr. s. 391), 9rma(^)
ich mag, du magst, er mag, auch inf. megd mögen; näs
nase und abgeleitet nesld näseln; strichweise auch nä^si
nacht (vgl. Birlinger A. S. s. 48. in Spaichingen nWd)]
in 7}lnts (mhd. *niuts) nichts und snentso (mhd. sniuzen),
nehme ich an, dass bei der kürzung der alten länge n sich
aus e entwickelt hat (vgl. ne"t in Spaichingen), um so
leichter als für -t dentaler verschluss erforderlich war; nö
noch; snaedd (mhd. sniden) schneiden; me mehr; dr me wq'9t
der mühe wert; nedr nieder bei Birlinger Augsb. wb. s. 242.
Ich glaube, dass diese erscheinung in einer älteren periode
Kanfihnaim, Fr., Geschichte d. Schwab. Mundart. 11
162 Jll. LAUTSTATISTIK (GESCHICHTE).
allgemeiner gewesen und bis auf diese wenigen isolirten reste
durch ausgleichung beseitigt worden ist, da diese progressive
nasalirung wahrscheinlich nur in einsilbiger wortform mög-
lich war.
Anm. In Idilix (mhd. lllach, llnlach letzteres noch ood. theol. et
phil. 45, vgl. Haupt zu Erec 345) leintuch mag assimilation von -nl-
>> // eingetreten sein. Im übrigen ist in unbetonter silbe -n yoU-
ständig (ohne nasalvocal hinterlassen zu haben) geschwunden, ygl. -a
aus 'en, -^ aus -In u. s. w; auf diese weise ist auch der proclitische
artikel accus, sg. masc. den zu d^ geworden: dqd r9itr jenen reiter
u. a. Über die spontane nasalirung in der Verbindung f + « vgL § 76 c ;
ferner Schmeller, Ma. Bayerns s. 116, 554. Vereinzelt findet sich auch
^8 es, esl esel in Balingen, ebenda drdJbsd (mhd. drcBsen) schnauben..
Dagegen ist mir aus der lebenden mundart keine entsprechung für ur-
kundliche formen wie künschy, künsche cod. ascet. 78. funst, fünsHy
cod. poet. 30 u. a. bekannt. Dieselben sind in unsern schwäbischen
denkmälern auch yerhältnissmässig selten, und specifisch alemannisch;
doch reimt bei 8 a i 1 e r gabst (gunst) : fdiist (faust) ; weiteres bei Bir-
linger A. 8 s. 105 ff. Nasalvocal ist nicht eingetreten, wenn
der nasal erst durch jüngere zusammenziehung an den silbenvocal
gerückt ist, wie in ßdntl (mhd. vierden tail) viertel, frtlaend entlehnen
(vgl. mhd. lehnen); dagegen müssen seh^ ksfh sehen, geschehen (das-
selbe besagen urkundlich senken^ geschenhep, die sehr häufig sind) aus
mhd. sen, gesehen entstanden sein.
§ 135. Wichtige belege für den schwund des nasals
in schwachen silben sind bereits bei besprechung der
end Silben vocale §§ 115. 116 gegeben. Das grundgesetz, wo-
nach vor vocalen der nasal bewahrt bleibt, gilt auch hier,
(vgl. bete botin pl. hetma u. a. § 133, 1) und es ist wohl
möglich, die vielfachen Schreibungen mit ausl. -n unter an-
lehnung an dieses gesetz der gesprochenen spräche ent-
standen zu denken; über schriftsprachliche formen wie liahi,
czaichn u. a. vgl. § 119 anm. 4. Die Orthographie ist
gerade in diesem puncto mit verliebe von der ausspräche
abgegangen, was zu den absonderlichsten formen geführt
hat. Weil eben in unbetonten silben -n längst nicht mehr
gesprochen wurde, die Orthographie aber in einer gewissen
scheu vor demselben, es peinlich festgehalten hat, glaubte
die ängstliche Schreiberseele es je besser zu machen, je
zahlreichere n sie den endungsvocalen anhängte : vgl. un-
formen wie appentöck (apotheke), appendeck (auch bei Heusler,
I. TEIL. VOCALISMUS. 163
alem. cons. s. 109 f.) bei Hermann von Sachsenheim;
Mone, Schauspiele II, 184. 192. 198. cod. breviar. 55. u. ö;
hemmentter (hemden) : hemedter ülr. Kr äfft s. 283. Myn-
singer: knorrent: knorref (aus -eht). wirdinkait, ötmnkait,
sdlinkait, stätinkait, süssinkait; ahtenden (8) (vgl. ahtendfeil:
ahteteil, ahteil im Lehenbuch), ierin d'ren, genaigtin o^ren
(acc. pl.) cod. phil. et theol. 50. no 144: vocat. minnenden
3el: minnendi sei, cod. ascet. 78: prät. volgentend, spottenten,
ströffenten, cod. theol. et phil. 11: gnedenclich. Im 12. jh,
haben bereits formen wie unliuminthaftigen Prudentius-
glossen A: unliumithafte (infames) Zf.: mammiti Wein-
garter glossen gegolten.
An reimen ist bei der vorwiegend prosaischen Über-
lieferung nicht eben viel beizubringen, vgl. Weinhold al. gr.
s. 347. 378. Doch beachte Rugge: vertriben : belibe 100, 35
(Paul, Beitr. II, 512) wie stunde: gebunden 101, 27; bei
Winterstetten: herze : smerzen (nicht smerze, wie Minor
schreibt) 5, 78 vgl. 7, 28. 9, 121. 12, 92. 16, 50. Es
dürfen hier auch aus dem verwandten alem. gebiet die be-
kannten reime, wie z. b. aus der Virginal: 3. sg. präs.
minnet: ir gewinnent 119, 3. part. gegrüezet: ir müezent
330, 3. ir wizzetit: 3. sg. izzet 381, 8. angezogen werden.
Hätzlerin: schawen: frawe 168, 11. überwinden: vinde
179, 27. wiche : schlichen 194, 27. geuerte : gerten 201, 9. er-
hangen: lange 203, 11. alle : empf allen 263, 293 (Metzen
Hochzeit), cod. ascet. 86: schäme: namen, shnden : sinde.
ginennet: irchennint. Urk. aigellich (sonst aigenlich) 1298. inf.
phende 1305. geunne 1340, ebenda part. beschehe, in dem
zehende iar. 1. plur. habe 1325. drizehehundert, von Mieringe
(Mühringen) 1336. drizehundert 1348. an dem vorgeschribenne
gut 1314. sant Martistag 1368. 1463. aiges insigels 1340. vol
gelades mistes 1485 (weiteres über diese letzte categorie § 105,
2 anm. Weinhold alem. gr. s. 169.) ZBR: werki (operibus).
mittrahinne, salmi (nom. pl.). kunig. bilgiri: bilgirin, kuchi. kussi
müli. pßstri. Herkommen: niemat (niemand). Horb 1315:
komet (3. pl. präs.). Mörin: gewauppet 3319. verleuget 8b7 ,
verlocket 893, er leuget, loeget 1741. 2754. 2013. 2473: ich
11*
164 III. LALTT8TATI8TIK (gESCHICHTE).
leugnen 5924. ain will 3384; wile 4080. Aesop: von danne
s. 64. (ebenso nime z. b. cod. theol. et phil. 72: nienan?)
dere (al. deren) s. 277. seide wat Schade, Satiren I, 31,
139. zini (von zinn) Augsb. chron. 5, 488. Mynsinger:
grosse, höche, kelte: keltin, lenge: lengin. p'aite. vaisste: vaisstin.
nagele (nelken): nägelin. Ulr. Kr äfft: tuechle. mitt vnsern
miede pferdtt s. 11. die nasse Haider s. 343. kuchegeschürr
s. 282. stainle. seckle. knöpfte. gelttU. brittle. glesle, schiffte^
Zim. chron.: durchtrunge. hinkomme, sie were, wurde, richte,
dierle: dierlin. heusle. kneble, schwesterle. weible. wegele etc.
beschliessere. hebhahere. hochzeiter e. spitelmeistere u. a. cod.
theol. et phil. 54: kälblin: ain büschelli. bettlin: lempli. Uni
gewand: ain härm hemd. no. 72: vf^ der misti (misthaufen).
krippli. tröpheli. körnli. müterli. tübeli: tübelin, phßdsterlin.
fürin swert. no. 74 : wässerli. menschli. weder Uni noch toülMn.
mättli vs binsen geflöhten. Zweifellos sind ursprüngliche
Verschiedenheiten wie z. b. cod. theol. et phil. 17:
der füry himel vnd ist fürin an dem gesteht lautgesetzlich
gewesen; doch ebenda liny cappen vnd dar vnder stehlin
gewand. cod. poet. et phil. 23: fäderküssi (kissen). fölkli.
cod. theol. et phil. 63: le^nly: krönlifi. kindlin. no. 144:
krönlin: krönli: des krönlis. der fürin hymel (: füre in no.
286). der guldi mund. no. 184: daz krönlin: des krönlis.
cod. med. 5: Uni tiich: schefßn (vom schaf) leder. ain wylin,
bainlin: des bainlis. cod. breviar. 55: hüff mir das ich
also verhüti rieht vnd endin min leben, liebin^ liebi. du raim
usserudtin mütter. cod. ascet. 78: du kindlü: kindly: das
kindlin. lemlin: lemlis. liebin : lieiy. keltin. Abstracta wie ^i^in,
sterkin werden noch im 15. jh. sehr häufig geschrieben, z. b.
cod. theol. et phil. 68. Beachte ferner: der haidesch tnaister
cod. theol. et phil. 72, eheiidsLrichsnetyrichset:in£.richsnan.
no. 74: haideschen. no. 17: des morges. cod. bibl. 28: be-
zaichet ist. coA.. poet. et phil. 23: ains küngs pfalatz (ge-
wöhnlich pfallentz, so cod. poet. 30). cod. theol. et phil.
63 die Optative präs : uir schlaffen, wachen^ essen, tringken^
sitzen y ligen: wir stände, wir gange; ebenso daz wir erkenny
und minne. wir schwimm y. daz wir komy cod. breviar. 55.
cod. poet. 29: küchimaiste^'. cod. bibl. 35: aubet (abend),
cod. med. 15: tuget. cod. poet. germ. 3: venoappet (ge-
I. TEIL. V0CALISMU8. 165
wappnet), cod. breviar. 51: auhefmäl, cod. ascet. 207;
haideschen. zwirot : zwirend u. a. Vgl. ferner aus dem 15. jh.
Alem. XIII, 282 flf: wanna (= wannen), von wanna, rosokrancz
(rosenkranz). balmobourn (palmenbaum). gedenk mensch dz
du aescho syest vnd widerumh zu aescho werdest, mit hetto,
fastOy singen vnd lesen, mit grossen frbdo, in die höhe der
sonno. morgogauben. morgostern, sonnoschin. Dagegen halte
ich die z. b. aus der Mörin bekannten dat. pl. ohne -n
für die allgemeine pluralform (nach nom. gen. acc.) : mit
claider 643. mit süben sqil 1179, vgl. 975. 1401. 2539. 3421.
3904.
Spätestens im 12. jhdt. ist die nasalirung der endsilben
eingetreten, siehe bereits St. Galler Glaube und Beichte MSD-
s. 222 flf. 598. In Stammsilbe bezeugen dieselbe zahl-
reiche Schreibungen seit dem 13. jhdt., es kann keinem
zweifei unterliegen, dass in beiden Stellungen nur ein
und derselbe process wirksam gewesen. Während das schwäb.
mit dem alem. noch darin zusammengegangen ist, dass in
schwachen silben die nasenresonanz wieder aufgegeben
wurde, ist es charakteristisch durch die nasalvocale in ictus-
silbe von demselben unterschieden.
4) DIPHTHONGIRUNG.
§ 136. In der geschichte des schwäb. vocalismus ist
die diphthongirung älterer einfacher vocale das wich-
tigste ereigniss. Es sind sämmtliche etym. langen
vocale von diesem process betroffen worden, nicht bloss
i, ü, in, sondern auch ä, ^, ö. Der Vorgang ist jünger als
die dehnung kurzer vocale, da wenigstens einige derselben
die diphthongirung mitgemacht haben. Die belege weisen
auf eine besondere entwicklung kurzer vocale in der Stellung
vor nasal, und so werden wir anzunehmen haben, dass gleich-
zeitig mit der nasalirung im 12. jhdt. dehnung kurzer nasal-
vocale unter den § 127 flf. dargelegten bedingungen einge-
treten ist. Vereinzelte beispiele erweisen, dass auch vor
auslautender liquida die dehnung früher erfolgte, als vor
den geräuschlauten. Sehr wichtig ist , dass diese ältesten
166 III. LAUTSTATISTIK (GESCHICHTB).
dehnungserscheinungen dem gesammtgebietdes alemannischen
Sprachstammes gemeinsam sind, doch zweigt sich das schwäb.
in den weiteren Schicksalen der gelängten vocale ab, vgl.
W. Staub : Ein alemanisch-schweizerisches lautgesetz DM VII.
Anm. Im Schweiz. -alem. ist die diphthongirung von I, ü, iu an
die Stellung vor folgendem vocal gebunden, vgl. Winteler s. 122 ff.
Stiokelberger s. 49 ff. u. a.
§ 137. 1) Bislang ist den vielfachen orthographischen
zeugen der diphthongirung von ä, e, ö kein gewicht beige-
legt worden, wogegen die entwicklung der mundarten streitet.
Der process mag folgender gewesen sein (§ 127 anm. 1).
In taktpause wurde die länge zur überlänge gedehnt, die
kehlkopfbewegung während der zweigipfligen betonung (§
127) ist bei der Zeitdauer des überlangen vocals (§ 36)
nachhaltig genug, vermittelst des Zungenbeins eine mit der
hebung des kehlkopfs gleichzeitig erfolgende hebung des
Zungenrückens zu veranlassen d. h. die aufsteigende tonbe-
wegung auf dem (offeneren) grundvocal setzt sich in den
homorganen geschlosseneren vocal um (vgl. die vocal-
tabelle s. 14) : lös > los- > /ö"s > lous (heute laos, wie mhd.
laufen > laofd u. s. w.), ebenso d > W*, ao; ? > e*, ei. Im
verlaufe hat sich die ausgleichung nach den mehrfach be-
sprochenen richtungen hin (vgl. § 129) geltend gemacht.
Mit der statuirten entwicklung der diphthonge in pausa-
stellung ist aus dem schlesischen zu vergleichen: dr
mQn ei grouss: der grosse mQn bei Waniek a. a. o. s. 43.
s. 26 f.
Anm. Mhd. ä ist im gegensatz zu den älteren belegen heute
bis auf wenige isolirte fälle (vgl. § 60 ff.) durch q vertreten. Dass nur
die länge (nicht die über länge) sich zu q entwickelt hat, ist durch
die entsprechung von mhd. ai, äi (vgl. Germ. I, 445. Waokemagel,
Literaturgesch. * s. 155 anm. 3) > ^ bewiesen. Reduction des diph-
thongen ao einerseits (vgl. in Ellwangen auch ^iS^ äuge, /^9 laufen
u. a.) und Weiterentwicklung der nicht diphthongirten einfachen l&nge
ä (nicht o) mögen im verein mit den sich anschliessenden ausgleichungen
zur Verallgemeinerung von q beigetragen haben, vgl. noch doppelformen
wie mdb (mhd. mäne) mond, in nächster nachbarschaft von Horb ntd.
Damit ist gegeben, dass keineswegs sämmtliche aus älterer zeit über-
lieferten aUj a^ etc. (für ä) diphthongischer ausspräche entsprechen, in
I. TEIL. VOCAL18MÜ8. 167
weitem umfang hat bereits vor Jahrhunderten die ausspräche q gegolten,
wofür die Orthographie allerdings kein besonderes zeichen einge-
führt hat.
§ 138. 2) Dass i, ä (iu), u gleichfalls von dieser diph-
thongirung betroffen worden sind, liegt schon in der natur
der Sache begründet. Es ist bereits § 12 hervorgehoben,
dass die zweiten componenten in 9^, 9u die äussersten quali-
täten darstellen, zu den geschlossenen »*, u, ü ist dem-
nach ein diphthongisches dement mit noch convexerer zungen-
wölbung getreten : i' u" ü'^- Man beachte die akustische Ver-
schiedenheit der für ä, e, ö erschlossenen componenten, jene
fallen mit diphthongischer geltung nur schwer ins ohr und
es hat in alter zeit offenbar dasselbe gegolten, was über
heutige diphtongirung von Z, ü, ü^ aus der Schweiz berichtet
wird (DM VII, 199), im übrigen vgl. Mor. Rapp, Physiologie
I, 189.
Anm. Ausgangs des 13. jhdts. (vgl. oben §§ 76. 82. 87.) herrschen
die diphthonge bereits in Augsburg, wie dies von Baumann, Forschungen
XVI, 269 f. beobachtet und für die nachbarorte gleichfalls nachgewiesen
worden ist. Merkwürdig bleibt nur die thatsache, dass die diphthonge
im laufe des 14. jhdts. wieder verschwinden, um erst in der zweiten
hälfte des 15. jhdts. zubleibender geltung zu gelangen; Weinhold,
alem. gr. § 84 86 ff. Die nahe liegende Vermutung, jene frühperiode
beruhe auf dem einfluss benachbarter bairischer orthographieschulen, ist
gewiss zutreffend und fernerhin zu erwägen, dass gerade im ostschwä-
bischen also in nachbarschaft der bair. grenze, die diphongirung bereits
im 14. jh. platz greift, vgl. Baumann a. a. o. s. 270 ff. Die annähme
des letzteren, zwei Jahrhunderte lang habe die neuerung mit der alten
Sprech weise gerungen , ist in keinem fall spraohgeschichtlich
fassbar ; es versteht sich von selbst, dass diese bildliche ausdrucksweise
nur für die schreibgewohnheit zulässig ist. Wenn es richtig
wäre, dass die neuen diphthonge wie heimatlose unter der ägide der
reichsgeschäftssprache über die bair. - österreichischen grenzpfähle
gewandert, bis bald da bald dort eine kanzlei sich ihrer angenommen,
bis sie von der kanzleistube aus in der Volkssprache heimatsberechtigt
geworden, dann allerdings wäre ein ähnliches schwanken auch fn der
lebendigen spräche nicht undenkbar. Dieser allgemein verbreiteten
ansieht widerstreiten aber folgende thatsachen : 1) Unsere schwäbischen
diphthonge ai, 9w, ui sind in ihrer lautung vollständig von den bair.-
österreich. ae, ao (aus mhd. i, fw, ü) verschieden; bei einer Verpflan-
zung aus dem osten wäre übereinstimmende lautform erforderlich. 2) Das
gebiet unserer diphthongirung ist in sich vollständig einheitlich, es
168 m. LAÜT8TAT18TIK (gESCHICHTE).
^ibt keine Sprachinseln, das abgelegene dörfchen ebenso wie die an
der heerstrasse gelegene stadt spricht die diphthonge seit Jahrhunderten;
bei den anerkannt engen yerhältnissen des mittelalterlichen Verkehrs
kann derselbe unmöglich der träger dieses „modeartikels" gewesen
sein und umgekehrt gerade an der vielbefahrenen verkehrsstrasse des
Oberrheins werden bekanntlich die alten vocale bis heute gesprochen.
3) Unsere mundart hat auch ä, e, ö diphthongirt. Diese thatsachen
werden aufs beste illustrirt durch die von Hermann Fischer,
Yiertelj ahrshefte 1885 s. 229 ff. angezogene ausspräche des latein im
Schwabenland des 15. jhdts., die unter dem titel ,,Heohinger latein^
sprichwörtlich geworden ist. Wir hören von einem curiae württember-
gicae cancellarius crassae pronunciationi assitetus: ceilsissimua et eüu-
atreissimus noster prainceips einteilleixeit undBrassicanus, institutiones
grammaticae 1510 tadelt naos pro noa^ deies pro dies, quei pro qui.
Jakob Wimpfeling im Carmen heroicum 1495 wünscht, dass die
schlechte ausspräche der latein lernenden Jugend ausgemerzt würde
(u. a. vocales tanquam diphthongos), noch Eonr. Gessner, Mithri-
dates fol. 42 sagt: non habent illi germani inferiores tarn frequenter
diphthongos ei et au pro i et u longis, quibus Sueui Bauari et alii
plerique germani abundant, adeo ut inepti quidam etiam latine ueinunt
et ausum pro uino et usu dicere audeant. Man ersieht hieraus, wie
allgemein im volke bereits vor ausgang des 15. jhdts. die diphthonge
gelebt haben und H. Fischer hat bereits a. a. o. s. 234 den schluss
gezogen: jene ausspräche zeigt an, dass damals ein widerstreit zwischen
der Schreibung des deutschen und seiner ausspräche in Schwaben vor-
handen gewesen ist. Es handelt sich also nur noch um die frage, wie
weit zurück die entstehung der diphthonge anzusetzen ist.
Im ostschwäbischen ist um 1470 (vgl. cod. palat. 101.) die diph-
thongirung vollständig durchgeführt. So auch im liederbuch der Hätz-
lerin, bei Mynsiitger wie bei Ingo Id. Allein noch in der S oh m id-
zunft von Ulm 1505: dri/. ze sin: sein, rychen. dessglychen. lyhen : hyhen,
wyse : weiss, wyeiss, ysen. flyss. schlyffen : schleyffstain, murer : mauret'
huss. au ff. gotzheüsern. getrewlichen. gebeut, nuwer : neuw : ernt/iyert. Vgl. in
dem gleichfalls ostschwäbischencod. theol. etphiL \^bi tausche
teutsche. schreyhen, villeucht, saumpt, zeyt. hy, tausenf, üch: euch, vind.
meins. sein, fründ, wysen. drey, leut. auff u. a., dagegen ist die diph-
thongirung durchgeführt in dem ostschwäb. cod. med. et phys.
29 : saurampfer. grausenliche, aus. Tcreutter. prauchen, fleissiclich, fuir»
auff. feichtikeit. sein, speiben. seibertt. leitteret. guiss, nuisef, teutsche.
speis, suittet. eissen. treibt, pleyvarb. neues, tzeucht u. a, während die
Zim. Chronik noch zahlreiche belege für monophthongische Ortho-
graphie liefert, vgl. auch "Weinhold alem. gr. s. 84 f. 86 ff. Nach
all dem ist ersichtlich, wie irrtümlich die bekannte datirung der Augs-
burger Chroniken, welche die Veränderung des sprachtypus gerade auch
mit bezug auf die neu entstandenen diphthonge um 1500 ansetzen, vgl.
Birlinger Augsburg, wörterb. s. 247. Socin, Schriftsprache und dialeote
I. TEIL. VOCALISMUS. 169
8. 177. Handschriftlich begegnen wir einzelnen diphthongirten formen
bereits im anfang des 15. jhdts. : Trist rant: pein 3*. rifalein\kindelin
^'^.'.miii b^. rahmen das lanäß^'. mein, sein 148*. mcÄ 149". meinen aid 149*.
weyssen (zeigen). Besonders auffallend ist aber laymd (leumund) als
isolirte form, vgl. cod. theol. et phil. 68. {lümd no. 74.) laind
cod. ascet. 78. Ferner liegen diphthonge vor in Steinhöwels Aesop,
bei Ehingen, Kuland, Hermann von Sachsenheim u. a. Kurz
für die lautgeschichte ist aus dem schreibgebrauch gar nichts zu ge-
winnen, er wird uns dagegen später die etappen für das vordringen
der Schriftsprache innerhalb unserer grenzen liefern.
Äussere Zeugnisse fehlen; nach analogie bekannter neuerer Wort-
spiele dürfen wir wohl auch in den werten : hesser ist ga^n in das wainhus
denn in das winhus im c o d. t h e o 1. e t p h i 1. 72 diphthongische ausspräche
vermuten, das wichtigste argument scheint mir jedoch in der entwick-
lung von mhd. iu zu liegen (§ 87 f.). Die diphthongirung dieses vocals
muss eingetreten sein, ehe ü und i zusammengefallen waren, wofür die
Zeugnisse noch ins 13. jh. reichen, und so haben wir denn thatsächlich seit
ausgang des 13. Jahrhunderts eine fortlaufende reihe von belegen für
die existenz der diphthonge. Merkwürdig ist nur die consequenz
der monophthongen Schreibung im gegensatz zu den reichen belegen
für diphthongische ausspräche von ä, J, die sich nur bei einem con-
ventioneilen übereinkommen der schreibschulen begreifen lässt. Immer-
hin ist festzuhalten, dass die erste phase der diphthongirung von I, ü,
fi (s. o.) von ganz anderem akustischem wert gewesen ist als die von ä,
e, ^, was gewiss auf die monophthongische Schreibung einfluss geübt hat.
§ 139. 3) Da nach der Wirkung des quantitätsgesetzes
auch alte kürze zur überlänge in pausastellung ge-
dehnt wurde, ist die diphthongirung auch bei etym. kurzen
vocalen eingetreten, doch spärlich zu belegen: fdil (mhd.
vil) viel ; i spdirs (mhd. spürn) ich spüre es, und von da
auf das verbum überhaupt übertragen sp9ir9 spüren, vgl.
§ 87, 2; Birlinger A. S. s. 70 führt noch ein ganz analoges
deyr dürr (mhd. dür) an und s. 62 fey vieh. Wohl aber
ist in der Stellung vor nasal diphthongirung häufiger: hdbf
hanf; dmkd denken; fabf (mhd. vünf) fünf; fdeh (mhd. vim-
len, lat. *femellare) die weiblichen hanfstengel heraus-
ziehen ; etc. vgl. §§ 61 anm. 5. 72 anm. 4. 77. 80 anm. 1.
83. 86, 4 . Es entspricht nicht dem Sachverhalt, wenn Staub
DM. VII, 18 fif. diese diphtongirung vor nasal auf rechnung
der folgenden Spiranten setzt, da sie ebenso vor verschluss-
lauten belegbar ist (vgl. z. b. a. a. o. s. 380 f) und eben nur auf
dem allgemeinen quantitäts- und nasalirungsgesetz beruht.
170 111. LAUTSTATISTIK (GESCHICHTE).
Wie nun aber bei ö, e, ö nur vereinzelt gedehnte längen
der diphthongirung verfallen, die mehrzahl monophthongisch
geblieben, i, ü dagegen durchweg diphthongirt worden sind,
so ist in Horb in einer anzahl von beispielen mhd. in gleich-
falls monophthongisch; die numerische diflferenz kann also
nicht wesentlich sein vgl. § 87.
Anm. Die neu entstandenen diphthonge sind wesensgleich mit
den überlieferten ou, ai^ du, ei, mit welchen sie der ausgeprägte musi-
kalische neben ton auf dem zweiten componenten (im gegensatz zu uo,
ie, He) verbindet.
5) QUAL1TÄT8VERANDERÜNG.
§ 140. Während die mhd. kurzen vocale a, e, e, i, o, u
(von dehnung, einfluss der nasale, der r-laute, diphthon-
girung abgesehen) keine qualitätsveränderung erfahren
haben, wenn auch leichte Verschiebung der articulations-
stellen eingetreten sein mag, sind dagegen:
1) mhd. ö, ü in allen Stellungen zu e, i geworden d. h.
die function der lippen (rundung, vorstülpung) ist bei ener-
gischer Zungenwölbung weggefallen. Die frühsten belege
fallen ins 13. Jahrhundert.
2) die diphthonge wesentlich verändert worden, über
die zweiten componenten vgl. § 110, anm. 3.
a) e in ei {== e, -egi-) hat sich, wie durch cei (§ 66, anm.
2) bewiesen wird, durch ^i (vgl. ostschwäb. qd) hindurch zu a
> ae gewandelt, und in dieselbe entwicklung ist mhd. öü (=
mhd. oe, öü) getreten (s. o.);
b) in ou (= mhd. ö, ou) ist nach entrundung durch
QU hindurch (vgl. ostschwäb. q9) a geworden > ao ;
c) a in ai (mhd. ei) ist wie ö zu ? geworden ;
d) 9i, 9u gehen auf l\ w" zurück (§ 138).
Alle diese Veränderungen müssen noch dem 13. jahrh.
angehören. Die gemeinsame Veränderung besteht
demnach sowohl in ictussilbe als auch in nebensilbe (-e
früher i-, jetzt a-haltig) in erweiterung der mund-
öffnung (Senkung des Unterkiefers), der eine abflachung
des Zungenrückens (^ > a, a > q, i, u :> d) parallel
geht; gewiss hängt auch die entrundung von o > a, u
I. TEIL. VOCALI8MÜ8. 171
> 9 damit zusammen. Der letzte grund der Veränderung
liegt aber offenbar im musikalischen element (vgl. §139anm.)
resp. in den kehlkopfbewegungen. Die nebentonigen zweiten
componenten sind den ursprünglichen werten näher geblieben
-/ > -e, 'U > -p, die äussersten -/, w, in di, du haben sogar ihre
timbres bewahrt, die auf anderer tonstufe gesprochenen
ostschwäb. qd (aus qu) ^ (aus ^i) zeigen bei der weiter-
gehenden reduction der zweiten, ursprünglichere lautform
der ersten componenten in Übereinstimmung mit i9, ud
(mhd. ie, uo). Die Veränderungen des ansatzrohrs bei den
ictustragenden tieftonigen componenten stehen folglich in
(nicht mehr aufzuhellendem) Zusammenhang mit der ton-
bildung.
Anm. In der richtung dieser andeutungen ist m. e. sowohl die
merkwürdige Verschiebung von i^ > 9t, u" >> 9«, als auch die noch
weniger fassbare entwicklung von u >* mi, resp. ü (§ 88) zu suchen.
ui : ^, duiü verhalten sich bezüglich der lippentätigkeit gerade umge-
kehrt; ü erscheint aus iii monophthongirt.
6) CHRONOLOGIE.
§ 141. Die frühesten belege der verschiedenen quali-
täts- und quantitätsveränderungen im vocalismus ergeben
folgende Übersichtstabelle:
VII. — VIII. jh. Umlaut von a > e; diphthon-
girung von Ö > oa^ ua; e > ea,eo;
monophthongirung von ai ^ e
(im ausl. etc.) ; aw > ö (vor dentalen).
IX. — X. jh. eo > iOj ie; ua > wo.
X. jh. Umlaut restirender a > ^; ö > f,
^' > e, > ö, w > ü, ou > öü, uo
> ile; angelehnter umlaut. Tonge-
setz. Reduction kurzer endsilben-
vocale (-a -i -w timbres). Syncope.
XL jh. ei > ai (resp. ae),
XII. jh. Nasalirung Quantitätsverän-
derung.
172 III. LAUTSTATISTIK (gESCHICHTE).
XII. jh. Diphthongirung und qualitätsver-
änderung von ä ';> ao (resp. ö > $)
e -> ae (resp. ^i > ae) ö > ao (resp.
ou > ao) ; l > 5/, m > wf (?), ä > ^m.
Reduction schwacher endsilbenvo-
cale (> 9).
Entrundung von ö > ^, ü > L
ZWEITER TEIL.
CONSONANTISMUS.
§ 142. Auch für die historisch-statistische betrach-
tung zerfällt der mundartliche consonantismus in die zwei
natürlichen gruppen :
1) Geräuschlaute (stimmlose verschluss- und
reibelaute) p, b^ f; t, d, s, s; g^ i, x, x nebst den
entsprechend combinirten aflfricaten und aspiraten.
2) Sonorlaute/, w, l, r, m, n, f9.
Articulationsform und articulationsgebiet der ersteren
haben in der sogen, hochdeutschen lautverschiebung funda-
mentale Veränderungen erfahren. Das resujtat dieses lautpro-
zesses liegt in den heutigen consonantstufen vor. Der ur-
sprünglich stimmhafte palatale reibelaut 3 ist unter gewissen
bedingungen zu halbvocal. j, das ursprüngl. halbvocal. w zu b
geworden : die beiden einzigen fälle, in welchen die gruppen
in einander übergegriffen haben. Die Veränderungen der
sonorconsonanten sind sonst nur accessorischer art gewesen.
KAP. 1.
STATISTIK DER GERÄÜSCHLAÜTE.
§ 143. Mit der einschränkung , welche § 24 anm. 2
gegeben ist, soll der etymologische bereich der articulations-
gebiete dargestellt werden:
174 III. LAUTSTATISTIK.
1) Labiale: h, p, p, /, pf,
2) Dentale: d, t, f, s, (ts), s, (fs).
3) Gutturale: g, k, Je, x, x, (h) (je nach palataler,
palato-velarer oder velarer articulation).
1) LABIALE.
B.
§ 144. Die stimmlose lenis b findet sich an- und in-
lautend und vertritt:
1) mhd. b: bde (mhd. bin); baes (mhd. boese); bax9
(mhd. bachep) backen ; bof {mhd, böte) ; bigof (mhd. bigote) Ver-
sicherung, im sinne von wahrlich, fürwahr ; bu9 (mhd. buobe)
bube, junge ; hos (mhd. bosche) husch ; bene (mhd. büne) bühne,
oberer boden ; bu9xe (mhd. buochln) von der buche, buchen ;
döbd (mhd. da oben) droben; mirhqhe (mhd. wir hebeien optat.)
wir haben ; halbd (mhd. halben prädicativ) zur hälfte ; $öf f (mhd.
abend) abend; klaobe (mhd. gloube ich) glaube ich; ddn^hd
(mhd. da eneben) daneben; ^'bdt (mhd. erbeit) arbeit; tribd
(mhd. getriben) part. prät. getrieben ; f^ddrdbis federbüsche;
braesdle (mhd. br^semlin) dim. zu brosamen; bngl (mhd.
brügel) prügel; hlqdxe (mhd. bleiche) platz zum wäsche-
bleichen; tbrse [mhA, über sich) aufwärts ; br^kld (mhd. breglen)
braten, schmoren ; bludst (mhd. bluost) blute. Ebenso für syn-
copirtes be- (vgl. § 120, b) : brlxf (mhd. berichtet) beige-
legt; hbibd (mhd. beliben) bleiben; blä'tdd (mhd. belangen)
Sehnsucht haben u. a.
Anm. 1. Das in den älteren denkmälern die regel bildende swebel
z. b. od. med. 5 ist durch sw^fl ersetzt (gramat. Wechsel), doch
sw^hl^ sw ^blheltslehei Knaus s. 10; vgl. schwebelheltzlin Keimchron.
8. 145. schwebelhölzle Zim. ohron. IV, 8, 14.
2) inlautend w: hi'bt (mhd. nordschwäb. wi'wl), bi'bile
(ui'wile) dim. (vgl. mhd. interj. wT bei Winterstetten
ahi : owi, Schulmeister si : ouwi) in der kindersprache
schmerz einer wunde, vgl. o be Hätzlerin 8, 18 u. ö.;
oibdre (mhd. iuweriu) euere pl. , ebenso dp euch u. a. ;
haob9 (mhd. houwen) hauen, hacken; b9ub9 (mhd. büwan)
bauen; S9ub9 (mhd. süwen) säue, schweine; kru9h9 (mhd.
n. TEIL. CONSONANTISMÜS. 175
geruowen, vgl. Lachmann zu Iw. 3643) ruhen; straebe (mhd.
ströuwe) streu; kwaebdrdt (wohl mhd. *geweweret) part.
prät. dem schmerz ausdruck gegeben, gejammert; Icirbe (mhd.
kirchwlhe. Augsb. stadtr. von 1276. Zim. chron.: kir-
weilie) kirchweihfest ; farbd (mhd. varwen) pl. färben;
hqrp (mhd. Horw, Horb zuerst bei Ladislaus Suntheim,
Württemb. Vicrteljahrsh. 1884 s. 125 flf.) ; 'aebef (mhd. höu-
wet) zeit der heuemte; ndibe (mhd. niuwe) pl. neue; n&'kfddibd
(mhd. -kniuwen) hinknien; daebe (mhd. döuwe) Verdauung,
daebo verdauen; spdibd (mhd. spTwen vgl. prät. sg. spüwete
cod. theol. et phil. 74. spien oder kotzen cod. poet. 29)
speien; Mqp (mhd. kläwe) klaue; kfd^ genau vgl. Kluge
etym. wb.^ s. 110; pfulb9 federkissen (mhd. pfulwe).
Anm. 2. In g{9l ist die mhd. nominativform verallgemeinert
(gel) wie auch in blq grq^ Iq^ neben hlqp blau etc., die form der obliquen
casus ist nicht erhalten. In hu9 (bube knabe Augsb. stadtr von 1276.
hub. büben Ingold 60, 2. bub uel leker (sourro) cod. poet. et phil.
23), rä (herab), wÄ (hinab dagegen ist ausl. ft geschwunden, in folge von
nssimilationsprozessen im sandhi; vgl. agietig nrk. 1354. agangen (abge-
gangen) Ruland 1. 17; "Weinhold bair. gram. s. 130. Ebenso ist m.
e. für den verlust von b in den alten glst, glt gibst, gibt inf. g'^n geben
u. a. von der imperativform gip auszugehen (vgl. Bedecke zu Iwein 1597),
heute gdist. gdit. 1. sg. gini gebe ich. inf. geli vgl. widergent (reddunt),
inf. gen. zigendi. git ZBR. gen urk. 1293. 1338. 1398 etc. git 1338 etc.
geist. geit Zim. chron. etc. etc. Die analogen Vorgänge bei muoz laz u. a.
§ 152 anm. 1. Dieselbe erklärung hat jedenfalls auch für hän etc. (gegen
haben) zu gelten vgl. ZBB,han, hant. etc. etc. Unklar ist mir der wohl allge-
mein angenommene Zusammenhang zwischen s^l jener und s^lp\ die be-
deutungs Verschiedenheit macht Schwierigkeit, vgl. ondrsplrdwdil unter-
dessen ; an sedldtn b^rlS an jenem berg, s^hinöl damals, s^lt dort ; Ver-
wendungen wie dd wqesiqse9l (du weisst ja selbst) sind nur aus dem
ostschwäb. bekannt (westschwäb. s^lbr). In Balingen blsbd wisbaum.
Anm. 3. Dieser lautwandel ist auch für ^pis (mhd. etewaz, *etbaz)
etwas vorauszusetzen, ebix (mhd. ewec) ewig ist mir aus Horb nicht be-
kannt, wohl aber aus der umgegendund südwärts bis Spaichingen. Tutt-
lingen oberamtsbeschr. s. 155 hat bereits tv : ewic, pfulw9^ eutcdr etc.
Anm. 4. Bereits im Augsburg, stadtrecht von 1276 ist
der Übergang von w "> b vollzogen, vgl. gcerbtiu. graben füches. ein-
varbes. ze smerbe, furben, Urk Augsburg 1331 witiben, 1333
witih, 1 337 nimm elbs. Reutlingen 1 307 Tiubingen. Engel-
tal 1388 Tübingen". Tüwinger. 1490 erbsen, 1496 Steynhülb. Lehen-
buch: Sperbersegge, Hätzlerin: roaenuarber 74, 18. milben 136,
176 III. liAUTÖTATISTIK.
165. Mynsinger tnelimelbs 71 (ygl. anm. 1). schwalben 95; ebenso
A esop: mel 174: melbs 312. schwalb lOß. färben 8. 4. witib s 49. Fremd-
artig (bair.) sind: 8*ryiwar s. 146. bald (d . i . wald) s. 230. Mörin:
erwarb warb 2135. farbigarb (gar) 2209. IJlr. Krafft: rüebiger
s. 343. rüebig 346. vnriebigen 346. Zim. chronik: riebt gclich.
melbig, bleib (blei) IV, 200, 9: p/^/g HI, 621, l4. In den Urkunden
ist b auffallend selten belegbar, vgl. 1441 iriibn, 1460 gerüplich: 1510
geruwiklichen, 1649 ebige, gerüebiglichen, 1499 ledergerwer, Horb 1510.
1513. 1528. 1530 etc.: Horw 1412. 1488. etc. 1514. Wo ; ^ro Keller,
erzählungen 206, 8. bloen 18. ploen 24. 30.
Handschriftlich : Tristrant: schwalben, färb, mit meXb, cod.
poet. 29: varwe da mit sichfrowen verbend, cod. bibl. 35: roavarben
u. ö. cod. med. 15: hunges vnd melbs, farbn, cod. poet. germ. 3:
rube (ruhe), cod. med. et phys. 29: milben, lab (lau), speiben, varb,
gelb, plabs tuech, "Weiteres bei Birlinger A. S. s. 138 ff. Weinhold alem.
gr. s. 120.
3) romanische media b und tenuis /) in fremdwörtern:
a) trTbuf tribut, budi'/c bude; b) abä'f apart; de'bo depöt;
bosf post ; hasi'oro passieren, sich ereignen ; 9 bar ein paar ;
babVor papier; bqpst (mhd. bähest) pabst; barTora parieren;
^labo'leöNapoleon ; 6a roA:^^ perrücke ; badö' pardon ; abo^tlsLjßostel;
ebenso vor consonanz : hr^is preis, der ausspräche nach mit bf'ois
(mhd. brise) einfassung z. b. am hemde, identisch; bredik
predigt; breborUr,^ präpariren; blafs platz; blQl^ plage; zu
Diarbl (aus marmor) vgl. von marbel cod. theol. et phil.
195. nmrmuJis Ahd. gl. I, 223.
Anm. 5. Urk. 1291 bedagogo (Zs. f. gesch. d. Oberrh. 14, 116).
Herkommen: ze betiy bene : pene. brobst, banier. Xeso^ : bavian
47 vgl. § 147,0. u. a, Ulr. Krafft: abodeckher s. 345 etc. etc. Hand-
schriftlich : Tristrant: briss, brissf (preisst^. c o d. a s c e t. 86: hriester,
cod. thool. et phil. 72: bulfer^ ebenda belczrSk: dd port soll be-
slosscn bleiben, no. 74: b^ihnbo^m. buluer, cod med. 5: bappir vl.
V. a. Weinhold, alem. gr. s. 118.
§ 145. Die unaspirirte fortis p ist aus älterem doppel-
laut hervorgegangen:
1) =^ PIK W> als resultat der westgerm. gemination von
/> vor w, /, t\ i (vgl. Beitr. XII, 504 ff.): a) vor n: krapd
(mhd. gi^ rappon vgl. rapp, rappen Aesop s. 98, 128.) pl.
rabtMi: ht.^p^^ (mhd. sohuoppon) schuppen: hö^ta (mhd. häppen)
II. TEIL. CONSONANTISMUS. 177
pl. hippen; dqpo (mhd. täpen) pl. pfoten; n9up9 launen, grillen ;
sopd Schoppen (hier, wein etc.), dim. s^ple; supd (mhd.
suppe); kyddup9 kuorren (zu mhd. knouf gehörig); lap9 (mhd.
läppe) läppen; snupdt schnupfen bei Mynsinger schnup-
pen neben schnupflfen s. 54; stömpo der stumpf (Balingen
frstdeplt verstümmelt, vgl. urk. Reutlingen 1810 Stumpen,
bestumbeln verstümmeln); so auch in dem nicht mehr er-
haltenen, mit grammatischem Wechsel gebildeten fem. die
wülp (wölfin) Aesop s. 262. ain wtdpinnen cod. theol.
et phil. no. 74; wämpd wanst, dikwämpdt dickbäuchig
(vgl. mhd. wampe : ahd. wamba Weingarter glossen, dieser
form entspricht wamme bei Walther von Rheinau [Stuttg.
hs. a. 1388], -p- beruht auf westgerm. gem.). An verben ge-
hören hierher : frsopd (mhd. verschoppen, verschoppet, ver-
schopte Niclas von Wyle [Nohl s. 54 f.] vgl. gelobt: züge-
schopt bei Schade , Satiren und pasquillen I, 33, 250. ver-
schoppen cod. poet. 29. verschoppet cod. med. 15.) ver-
stecken; stgp9 (mhd. stoppen vgl. verstoppe Aesop s.
113.) stopfen; gömpQ (vgl. mhd. gumpe) am brunnen
wasser pumpen; s^ps schief Beitr. XII, 535 flf; spen9w^d
(vgl. spynnenwepp Ingold 32, 18. Mynsinger s. 87.
spinnenweppen R e i m c h r o n. s. 160. ahd. spinnunuueppi
Ahd. gl. n, 364, vgl. weppilich Zf.) spinnweben.
b) vor l: dipl (nach der redensart Odtn d9 dipl hq9r9)
dummkopf (mhd. tübel zapfen, pflock); tsaph (mhd. zappeln);
trapd, trapl (?) treppe, stufe; dopbt (vgl. mhd. doppeln
paschen) doppelt; baph schwätzen; bqpl einfältiger mensch ;
so auch in fremdwörtern : Icapl (mhd. kappel) kapelle; ämpl
(mhd. ampel, lat. ampulla, vgl. ampellen cod. theol. et phil.
54. no. 68: in der amplen. cod. poet. 30: ampel) lampe.
c) vor r: Mep9r9 (zu mhd. klappern); slapr eine sorte
Walderdbeeren ;
d) vor ;; rip , rip9 (mhd. rippe, ripp Aesop s. 101.)
auch als Schimpfwort für ein hässliches weib ;
e) roman. geminate in Icap, liap9 mutze.
2) Assimilationsproduct : a) ^pis (mhd. etewaz) etwas
§ 144 anm. 2 ; ^pr jemand (mhd. etewer).
KaufTmarn. Fr., Gosrhiolilo <1. schwüh. Mui.dart. 12
178 lU. LAUTSTATISTIK.
b) anlautend (zuweilen noch mit anl. 'gesprochen): p^tdf
(mhd. gebetet); pot9 (mhd. geboten); pZoaw^^ geblümt ; patot
(mhd. gebatet) genützt; paxd (mhd. gebachen) gebacken;
p9ur (mhd. gebür) bauer, fem. p9ire (mhd. gebiurin) bäuerin.
Doch tritt vielfach analogische Veränderung des anlauts zu
gunsten der lenis b nach den etym. verwandten formen
ein, z. b. bdut, auch stark l9U9 (in Aalen) gebaut. Das-
selbe gilt im satzsandhi : saläpgs salatbüschel ; hqdperd
(ahd. heidebere Schiets t. gl. haidber cod. poet. 30),
ebenso ^pird kartoflfeln (aus erdbir?), in Horb gewöhnl.
krömbtr (aus grundbir); hqpäddi neben h(^ad9t hat gebadet;
hraopeindm brot bei ihm neben braohoi-; sQpq'tQ (mhd. solt
beten) sollte beten neben »pi^'fo; br^taft zerbrechlich ent-
spricht gebresthaflft urk. Engeltal 1421. cod. breviar. 55
u. ö ; e'pdindm (mhd. ihtbi im) nicht bei ihm u. s. w. Ersparung
tritt ein beim zusammenstoss identischer articulationen
z. b. d^alpfönf ein halbpfund u. a. Gerade in diesem fall lässt
sich zeigen; wie alt assimilationen dieser art sind, vgl. urk.
Ulm 1275 drihalphu7it, Augsburg 1298 halphunt, Fürsten-
berg, urkb. I, 291 a. 1287 drivzehenhalphnnt. Ebenso kosper
(mhd. kostbar) cod. theol. et phil. 45. cospar cod.
med. 15. cod. breviar. 55 wie heute JcgSpr; dem heutigen
qrpr (erdbeere) entspricht erp d. i. erper in cod. med. et
phys. 29.
3) vor den stimmlosen reibelauten s, s, h und / wird
neutrale qualität gesprochen (§ 24 anm. 3) : wdipshit Weibs-
personen ; her pst (mhd. herbest) herbst, h^rpstQ Weintrauben
einernten; tstüpiddd die stube hüten; bbipdetQ bleib heute
da ; a'pßodorQ abfüttern ; a'pfoddgrafierd abphothographiren,
so auch in pf § 148.
Das hauptgebiet bilden composita mit be-. dessen e syn-
copirt worden ist (§ 120, b) : ps^tse fem. besatz ; ps9is9 (mhd.
beschi^en) betrügen ; piddo (mhd. behüeten) behüten ; psöndr
(mhd. besunder) abgesondert; pspf9 (mhd. besoffen) be-
trunken; p^p (mhd. ge-haebe) fest anschliessend; ps^
(mhd. besehen) part. prät. besehen ; psr9i9 (mhd. beschrfen)
berufen; psqrijd besorgen; pstab gestehen, bestehen; pinot»
II. TEIL. CON80NANTI8MÜS. 179
ärmlich, elend (wahrscheinlich mit mhd. snoede ärmlich ver-
wandt) vgl. Lexer mhd. wb. I, 221 etc.
Anm. Derselbe lautwert gilt für anl. p' in fremdwörtern und
ausl. -/)*, das mit inl. -6-, -p- wechselt § 146.
4) analog in der Verbindung sp: sprqdU (mhd. spreite)
ausbreitung; ftrsprits (mhd. sprütze) feuerspritze ; qspr
(franz. esparcette) eine kleesorte vgl. Schweiz. Idiot. I, 571
f.: kspas spass; kspTlf (mhd. gespielt); vgl. dagegen sbest
das beste, nach dem muster von hesf u. a.
Ph.
§ 146. Aspirirte fortis p findet sich, von den erschei-
nungen im satzsandhi abgesehen : 1) im absoluten (takt-)
auslaut als Vertreter intervocal. lenis oder hauchloser fortis:
hlqbe (mhd. bläwe): hlqp blau; döb9 : dop droben; Innaop
(mhd. Immenouwe) ortsn. Imnau ; 'nap (mhd. hinabe) gegen
na'hönu'f hinab und hinauf; 9r^ opt. er habe : h^br habe
er; kr(tp: krapd raben; w9ip : umbr weiber; i klaopiklaobi
glaube ich; tri9p (mhd. trüebe) trübe; farpifarbd färben;
stüp (mhd. stube) : stübd stuben ; vgl. noch röm pönstompde
rümpf und stumpf hin, d. h. total verloren.
2) in fremdwörtern: pahrst palast; paol Paul; pqr-
tslä porzellan; posabnS posaunen; paM pack, packet; pulf
pult (masc.) etc.
3) in folge der syncopirung von vortonig be- bei fol-
gendem A- SiTÜaut : pi9tegpt behüte dich gott, vgl. Denkm.-
s. 611; pqp (aus mhd. *beh8ßbe, wofür aber nur gehsebe
belegt zu sein scheint, vgl. Schweiz. = Jcand behend Stalder,
landessprachen II, 84) fest anschlieösend ; penlc gehänge;
paltd behalten. Im benachbarten alem. und bair. schwäb. ist
hier eine art assimilation eingetreten, wonach der kehlkopf-
spirant zum (homorganen) lippenspiranten geworden ist:
pfüdtd behüten, pfaltd behalten (vgl. die ganz analoge er-
scheinung der /%reihe im Schweiz k^LÖrd gehören (aus Icörd)
u. a. bei Bachmann s. 36) ; ebenso im bairischen nach Wein-
hold bair. gram. s. 29. 124.
12*
180 in. LAUTSTATISTIK.
F.
§ 147. An- in- und auslautend, sowohl altem f (lenis
wie fortis) als dem aus p entstandenen entsprechend :
a) fqdr (mhd. vor); ftaots (mhd. vlö;) floss; pil (mhd.
vil) viel; fabstr (mhd. vinster) finster; flMeke fest nach
beendigung des dreschens (aufhängen der dreschflegel) ; fix
(mhd. vihe) vieh; fr^g9 (mhd. vrägen); fl^ (mhd. vlecke)
dorf; kfala (mhd. gevallen); tfrüxt A\q frucht; tsfQl (mhd.
ze vol) zu voll. Besonders productiv ist in unserer ma. das
präfix fr- (mhd. ver-) gewesen vgl: frbarrro erbarmen;
frofd erhoffen; fpdisd zerreissen; frtrim zertrennen; fr-
slnpfd sich verstecken; frts^U erzählen; frttms^ erwischen;
frsfgx9 erstochen ; frlaobd erlauben ; frsdifd ertränken ; frsl^d
verschlafen (vgl. Sommer zu Flore 7437); frJcömd begeg-
nen u. a.
b) daefe (mhd. töufin) taufe; /ae/(mhd. vinf) fünf; qlf^
qlfe (mhd. ailf) elf; rifld (mhd. riffeln) hanf durchkämmen ;«<?o?/lf
(mhd. wol vailj wohlfeil ; kvi^ft (mhd. gerüeft) gerufen; uf
(mhd. uf) auf; laofd (mhd. loufen) gehen, laufen; äafe
(schaffe ich); wirf (imp. wirf ; d^J (darf); h^fd (helfen);
fqlfte die hälfte ; frfraord erfroren ; aoMfr Ungeziefer ; fuft
der fünfte, über fucts^, fuxtsk vgl. Beitr. XII, 512; l^fts9
(mhd. lefse) lippe u. a.
c) in fremdwörtern für anl. rom. v, inl. rom. b und
V (vgl. Alem. II, 280): f^rs vers; salfef (ital. salvietta)
Serviette; n^-fd nerven; lijdrd (liberare) liefern; fisidi'9r9
visitieren, vgl. visentieren cod. poet. germ. 3. Ferner
Safoy. Brafant a. 1431 D. reichstagsa. IX, 585 (ebenda
s. 621 pulver), Saphoye, Safoye, Sauoye bei Niclas von Wyle
(Nohl s. 55). Fenedig bei Ehingen s. 12. Ruland s. 19.
Naffera (mhd. Navarra) Ehingen s. 17. bulffer cod.
theol. et phil. 11.
Anm. 1. / in dusks^fldt abgemagert zu mhd. serwen entkräftet
werden, ist unbekannten, wohl volksetym. Ursprungs, ygl. Schmeller II,
324, grammatischen Wechsel zeigt sr9uf pl. sr9uf9 (mhd. sohrQbe)
schraube, siehe Birlinger A. S. s. 143 f.
Anm. 2. Für germ. / wechseln / und v (doch letzteres selten
vor cons.) regeUos bereits in ältester zeit vgl. Wirtt. urkb.: fische
763. 778: vische 786. Volcamanno 772. Visculfo 778, sonst über-
II. TEIL. CONSONANTISMÜS. 181
wiegend f. Inl. : Pachinohoua 758. Patinhova 838. Agylolfus. Rag^nulfus
776. Laibolfi 785. Dietolfo 786 etc. Hamulfrid eto 773: Ghisalured
805. Uuoluolt 792. 797. Weingarter glossen A: fara. infraget,
kafrumita : piuange. missauorum. zuiualtez. ungavori. navigo. Augs-
burger glossen: biualgen. uiualtra. biuilta. kiuollistit : follist. cheuon.
piuengida : pifahen. feldganc etc. Prudentiusglcssen A: sceliua.
misseuarua. uergeltend : fermeldet. ovgivanun. hanttavala. uirra. fiurgota.
zesameneferit u. s. w. ; beachte tufstein : tubsteina. Zwiefalter
glossen: fertika. veiziti. folpüzza. fesun. cheuar. ualuer. weual. uogu-
Iseris. fasge u. a. Weingarter glossen B: unvesti. geuazodes.
uelgun. ueltganga. uirdowita. uel. uili. uehest. uiront. uersina. uaren-
temo. uora. wazeruaz. weuele. ouane. hauanares. filz, fuoter. flihtast.
fruoja. firmusti. follaist. flegil. fuilnissida u. a. Schlettstädter
glossen: fiho. vingiri. volgunga : folgungo. fol : uol. wulvina. cheuon.
plauaruer. pifangan. prustfanin etc. Prudentiusglossen B: finf.
lozfaz. felsino. umbifart. unuertigen. kevon. ziclouene. Weingarter
reisesegen: fünf: funvi. vor. Im Schwäbischen Verlöbniss:
fri : vri. von. vollen, ouzvart. invart. vurbaz. ze vrummenne. frowen. ze
hove. vogel. vingerlin. bevilhe. So nun auch weiterhin in den denk-
mälern aus mhd. periode, vgl. ZBR: vrumcliche. vride : frid. vragen.
uristunge. uliende, ulais. vlizziclig. vunfzigust. uunui. hohuart u. a.
häufig ist w geschrieben (vgl. im Schwab, verlohn, wolwerde): erwllen.
wrbringen. wrhten. wurwesen. wunwen. wolkomin. wirzernd u. a. vgl.
Weinhold, alem. gram. s. 125 anm. Grieshabers predigten: frede.
dafon. for. forcht. fürchten, fftr. faters. ferdient. fliessen. finden : vinden.
Weingarter predigten: vlaiz. gi vrömidint. uielen. voller gevüret.
vinger. fivre. fröde. furben. des wolfes. Herkommen: friden für.
versigelt, uolgent. anfange, funden. souil. visch. uordern: fordreti:
fron wag. flaisch veruallen : verfallen. fayl:vail. vass : fass u. a.
Urkunden: Liehtenvelt 1281. in velde 1292. 1296: mit felde
1296. uries. vrilich. vrihait. festenunge 1296. brieve. wolfeu. hove. vaz-
naht. Valien, vogt. vest. brief 1298. viumf 1302: fivnften 1305. vier 1307.
fier 1327. 1335. fiinf 1314. 1348. fierzig 1348. faissen 1362. fierndail
1368: vierndail 1463. fordran 1426. vlyss 1510 etc.
Man erinnert sich der worte des Niclas von Wyle (vgl.
Müller, quellen Schriften s. 15): ir vil schrybent das wort flyss durch
ein V daz na'ch vnderwysung der ortographie durch ain f vnd nit durch
ein V recht geschriben werden mag danne daz v geet niemer in orafft
ains f im folge dann ain vocal, sust so oft ain oonsonant hin na^ch geet
80 belyps es am v vocalis. (Ebenso in Köln. schryflFtspiegel , bei
Meichssner u. a.)
Pf.
§ 148. In pf vereinigen sich eine reihe im gründe
gleichartiger entwicklungen :
182 III. LAUTSTATISTIK.
1) anl. für p- in fremdwörtern, inl. für westgerm. -/>/)-:
a) pßömo pflaumen ; pfäna pfanne ; pfänf pfand ; pfnf
pfeife; />/(>wif pfund ; pfits pfütze; pfql pfähl; pßtf^ü pflüg;
nmpflömpft hineingefallen (kräftig) ; pflömhef flaiimbett
vgl. pflum federn cod. med. 15 (lat. pluma).
b) a) rupf 9^ ropfd (mhd. rupfen, ahd. ropfön Ahd. gl.
U, 18. beropflfet Aesop s. 258.) ausraufen; sarpf (mhd.
scharpf) scharf; ßopf (mhd. köpf); kfdopf (mhd. knöpf),
dim. hd§pße klöse (in Horb auch statt des nordschwäb.
sp(itsl9); tsQpf9 (mhd. zopfen) die haare kämmen und
flechten ; stupfd (mhd. stupfen) stupfen, stechen ; Hapf (mhd.
kapf) hoher punct mit aussieht; supfd (mhd. supfen z. b.
cod. med. 15) intensiv, zu saufen.
ß) westgerm. gem. -pp- vor ;, l, n: strq9pf9 (mhd.
streifen, streipfen) abstreifen ; slqdpfd (got. *slaipjan) schleifen;
hrpfj (mhd. schreflfen, schröpfen) schröpfen ; düresLupf9{m\iA,
slupfen) durchschlüpfen; sttip;fl (mhd. stupfel Aesop s. 95.
cod. poet. 30) Stoppel; stapfl (mhd. stapfei cod. theol.
et phil. no. 11: staflfel cod. theol. et phil. 195) Staffel,
treppenstufe; snipfl^ (mhd. snipfen) klein zerschneiden vgl.
snefh KM Winteler s. 237 ; 'opfd (mhd. hopfe) hopfen ; sapf
(mhd. sehapfe) sehöpfgefass ; krapfd (mhd. krapfe) gebäck;
hH'pf (mhd. snepfe); ^q^pf (mhd. seife; seipfe), doch findet
sich -/)/- nur im südwestsehwäbischen, sonst s^e/, sodf.
2) inl. und ausl. für /' nach vorangehendem m : hampf
(mhd. hanf), däpf (mhd. dampf) : stenipß (mhd. stempfei,
Stempel vgl. gostemphet im Augsb. stadtr. von 1276.
stempfei cod. poet. et phil. 23. gestempfte gerst cod.
med. 15.); stön»pf (mhd. stumpf) adj. stumpf ; /pm/j/ (mhd.
fünf) meist in der kinderspraehe: ^tmpfl^ (mhd. schimpfen)
spielen.
Die Schreibungen sind vielfach ungenau vgl. z. b. bei
Mynsingor: dampf: Umfrig: tempffefi u. a.
3) die inlautverbindung -w(r- ist zu -wp/- geworden:
hämprl (mhd. hantvol): ompfnlxt und die frueht; ämpfeior
an die tinger, auch an dem tinger: ^mpi'rhreHf sind ver-
brannt : iimproHTMt^iH und von weitem. Ebenso kf > pf vgl.
inni'n\Hi > io^Hpn^ {^iHmpn\iM ist mir nur zu band aus dem
II. TEIL. CON80NANTI8MU8. X83
aleni. ritter von Staufenberg 1055 hs. anf. des 15. jhdts.).
Ferner im sandhi -tf- > pf: epfdil {eU fdiT) nicht viel ; pfids
die füsse (d-f) ; pfrao die frau.
Anm. 1. Sehr häufig sind die bekannten: enphrotnmet (ent-
fremdet) urk. 1298 Bebenhausen, enpßel Aesop s. 85. enpf allen Tris-
trant. empflog Hätzlerin u. s. w. vgl. Zs. f. d. ph. II, 254. HI, 316.
Zuerst in den Augsb. gl. inphahin, vgl. in der ältestenAugsb. Urkunde
vom jähr 1070 (bei Massmann, absohwörungsformeln s. 189) Gumpret:
Cundpreht urk 802. embem im Herkommen etc. hünpet (kindbett)
Zim. chron. schampere Aesop s. 343. hinper kraut Hätzlerin
68, 15 ; dagegen noch wintpra^n 220, 69.
4) pf erscheint an stelle von anl. /-: pflekl (mhd.
vlegel) dreschflegel;jo/76Wif (mhd. er-vlemmen) leichtgeröstet.
In anl. p- steckt wahrscheinlich die partikel ge- wie in pfqtsa-
kend (vgl. ahd. diu yiuassce [ligamenta] Ahd. gl. II, 200.
cod. med. et phys. 29: pind in mit ainer kindes fetschen
wol z&) Wickelkind aus lat. fascia (got. faskja, mhd. vasche
binde), bair. fätschen Schmeller 11,^ 779, Schweiz, fäsch^ f ätsch
auch gfäsch Idiot. I, 1097. Ks. Zs. XXII, 136 ; in der helle
pfresMörin 3212; pfetreich{d, i. gf ettrig gevatterschaft mhd.
geveteride) Zim. chron. III, 136, 24; vgl. pfetter, pfetterin
gevatter im Wolfdietrich D VI (hs. ac : göte, götin hs e.) ;
pfand fahne; pfloz floss bei Schmeller, Maen s. 93, 454.
pfrau ischt da Stalder, landessprachen s. 76; i d pfröndi
(in die fremde) s. 291. i pfremde s. 313; pfar farre wie
cod. theol. et phil. no. 72: wild als ain pharr, vgl.
Mannhardt Mythologische Forschungen s. 61 anm. 1. Aus
Altheim (bei Horb), Eutingen und Tuttlingen u. a.
orten, kenne ich pfil9s füsse, ebenda pfa;9r, fem. fardri
frau pfarrerin (oder fanne^i?). In El Iwan gen fländ: ge-
meinschwäb. pflen9 (mhd. weinen). Weiteres bei Birlinger
A. S. s. 144 flf.
Anm. 2. Das hauptgebiet für anl. pf- an stelle etymologischer
f-laute' ist heute das bairisch-österreiohisohe, ygl. Weinhold, bair. gram.
8. 132 f.
2) DENTALE.
D.
§ 149. Die stimmlose lenis entspricht mhd. d (aus p)
und t (aus d) und wird gesprochen :
184 III. LAÜTSTATISTIK.
a) anlautend: det (mhd. dert) dort; d9u (mhd. du)
du; sddbrdt (mhd. donret) es donnert; d^U pl. tage; dönd
(mhd. da undnen) drunten; dür (mhd durh) durch; dhdU
(mhd. tengelen) hämmern, domd (mhd. düme) daumen; daefe
(mhd. töufin) taufe; ddesl (mhd. dihsel) deichsei; denf (mhd.
dünne) dünn; d^ darfst; doluordt (mhd. toi-) taub; du9s
(mhd. tuest) thust; daisf die axt; dmtle die mühle; drnt^bdf
(mhd. dar eneben) daneben;
b) inlautend: qeddlix (mhd. ordenlich) ordentlich;
stadl (ostschwäbisch) scheuer (mhd. stadel); sndedd (mhd.
sniden) schneiden) ; mdd (mhd. widen) weiden ; tsend9 (mhd.
zünden) leuchten ; li9dmx (mhd. *liederich ?) liederlich ; kläde
(mhd. geladen); (/ulde (mhd. guldin) gülden; böd9 (mhd.
boden) boden; hföndd (gegen mhd. vunden); hend9r9m (mhd.
hinter im); Wunders (mhd. werdent ir ez) werdet ihr es;
^raodd (mhd. schroten) aushauen ; waedCLgdf (zu mhd. weta-
ge) verflucht; krqdd (mhd. geraten) gelungen, gediehen;
Uida (mhd. liuten) dat. pl. leuten; aehald9 (mhd. ehalten)
dienstboten; fedix (mhd. vertec) fertig; göLdd dim. gedle
(mhd. garten) gärtchen; kendrse (mhd. hindersich) rück-
wärts ; saldd (mhd. schalten) schieben ; vgl. auch ableitungen
wie dw9ib9de das freien, verbalsubstantiva wie plural. tragddd
trachten, kox^dd gerichte u. a. Birlinger A. S. s. 148. Wein-
hold al. gr. s. 208 f.
c) in fremd Wörtern: dün türm; ;wcfo Juden; dätS9
tanzen; dirk9 Türken; dele (aus agnus dei)medaille Schmeller
1,2 53 ; Icä'nden9 kantine ; sä'ndarmd gendarmen ; d^o depöt ;
budi'ß boutique; bändi'da banditen; adB's adieu; cMfl teufel;
du'tswit (mhd. tout de suite) sogleich, schnell etc.
d) als übergangslaut zwischen dentalen consonanten:
a) spendl (mhd. spinnel) wie nhd. spindel; pfendle
dim. zu pfanne (mhd. pfenlin, pfendlin cod. med. etphys.
29, vgl. bründlü [brünnlein] cod. ascet. 207.); mendle
dim. zu mann; dagegen Ic^Ie dim. quendelein (vgl. mhd.
quenel). Balingen: A7idl dim. zu Anna,
(i) dende (mhd. dünne) pl. dünne; ts^td» (mhd. zeinne)
korb (got. tainjö) ; srändd (mhd. schranne); JSand9 (mhd.kanne.
II. TEIL. C0NS0NANTI8MÜS. 185
[doch ahd. chanta] kandel Erec 3496 etc.); ii? der Baar ISend^
können; n^mets (mhd. flect. niemannes) nieAiand, ebenso in
den flectirten infinitiven : tslq9s9f {mhd. ze lesenne) zu lesen;
t^afdf (mhd. ze schaflfenne) zu schaffen (über den ausfall
von n vgl. § 110, 1). Belege hierfür sind zahlreich. ZBR«
ze beraitend (: ze scafen). ze ahtend. ze gehorsamend. ufzi-
gand etc. etc.
y) maetirt^dgd (mhd. minwegen) meinetwegen, bezügl. t
vgl. § 150, 3; ömTr9twil0 (mhd. um iren willen) vgl. vmb
irent willen im prosaroman von Tristrant und Isalde (ed.
Pfaflf) 195, 14. 199, 18. vmb seinent willen 12, 1. u. a.
S) frtlaend (mhd. verlehenen, Heusler s. 109 ver-ent-
lehenen?) entlehnen, ausleihen; frtwend {mhA, verwenen) ver-
wöhnen ; friwi^d (mhd. verwischen) erwischen ; frtldb (mhd.
Verlan) verlassen; frtlaop (mhd. verloufen) entlaufen, fehl-
gehen; frilqddd (mhd. verleiden) entleiden; übertragen in
frdönaerd verunehren. Vgl. Winteler s. 48.
^) ilQstle dorsche (dim. zu mhd. torse) Balingen; wohl
auch (Iraostl (mhd. dröschel) drcssel, doch vgl. mhd. drostel.
l) dÖHdrslqxtix, döndrm^six (mhd. donre-) Steigerungs-
wörter; vgl. Herndr aus carnarium bei Schmid wb. s. 311.
?;) räntsd (mhd. rans) wanst; vgl. die Schreibung ^ws^,
finstu (mhd. findest) cod. theol. et phil. no. 17; Iqafts^
(mhd. lefse, lefczen Aesop s. 225) lippen; wq9ftsgd wespen
(vgl. wefczen Aesop s. 211. wefzen. wefzennest Zim.
chron.); vor s: mentsd menschen, kwentst gewünscht u. a.
d) möglicherweise ist unter analogen bedingungen wie
bei den vorhergehenden fallen im Satzzusammenhang -t ent-
wickelt bei: ^t (mhd. erne) ernte; n^hdt (mhd. eneben)
neben ; snst (mhd. sus) sonst ; hdust (mhd. büsch) bausch,
wulst ; ändrst (mhd. anders); büst (mhd. burse vgl. burst
Zsfda 16, 438) bursche ; yestrt (mhd. gester) gestern ; l^lxf
(mhd. iTch, lycht in der Schmiedezunft von Ulm 1505)
leichenbegängniss ; sfaoff schleife für schläufe (mhd. sloufe)-
Anm. 1. An älteren belegen für diese entwicklungen kann
ich folgendes beibringen: Augsburg 1288: khünden (können).
\
186 III. LAUTSTATISTIK.
aiiderstwo. 1295 vmb sunst. 1296: ze wissende, ze gezaichent 1298: ze
köpfende etc. cod. theol. et phil. 54: ze koment. ze uersfinend. Im
Augsburg, stadtrecht von 1276: umbesust. sust. einest. VgL
dann ferner L e x e r , glossar zu den Chroniken 5, 451 : Andlin. Andlein.
günden. künden, kornschrand. Mynsinger: ünstlit s. 29. ämdgesellen
(schnitter) s. 94; aber gern : ern Mörin 4221. ärnd Engeltal 1421.
Herkommen: niemant. schrandon. sust. Mörin: künden 364.
gunden 965 u. ö. kant, kantten 5096. 2831. Ruland: kanttengiesser
s. 34. 35. meintwegen. seintwegen. s. 12. 13. Ehingen: dar nebent
s. 8. Aesop: selbest s. 41. akst s. 160. günden s. 48. günder s. 43.
vergündet s. 90. gundent s. 217. vergünden s. 218. kündent 271. 72.
die indersten rät s. 181. minder s. 201; vgl. Reim Chronik 8. 144:
erinnert: verhindert. Ulm 1431 (Deutsche Reichstagsa. IX, 620): erin-
dert sölte sin worden. Reimchronik: ain mendlin s. 49 u. ö. fendlin
8. 50. u. ö. (Decamerone s. 551 nündlcin nönnchen). Ul. Er äfft
khinden s. 14. Zim. chronik: donder (Bopfingen 1431, Deutsche
Reichstagsa. IX, 547 dunderstag). kenden. fendli. mendle. sohranden.
burst (bursche) II, 581, 3. 607, 4. kante, kanten, umb sust IV, 218, 27
(vgl. sonst IV, 221, 8. umbsonst IV, 232, 9). mentsch. wantscht.
Ulm 1428 (Deutsche Reichstagsakten IX, 158) mentsohen. a. a. o. s. 206:
cristanmentschen. sunst: lust Hätzlerin 221, 51. Handschrift-
lich: Tristrant: günden. inf. sust, sunst. niemant. Hierher gehören
wahrscheinlich auch die abstracta auf -nüst, dem heutigen -niss ent-
sprechend, die anscheinend in der unflectirten form -t angenommen
haben vgl. cod. theol. et phil 54: ainer vinsternüst : in der vinster-
nisse. zügnüst etc. cod. bibl. 22: bis zu der ernde vnd in der zit der
erne. cod. theol. et phil. 63: günder (gönner). kündent (können),
cod. breviar 55: kinden ald wissen, cod. a sc et. 78: mentsch: ain
jeglicher mensch das zä dem himelrich wil komen der mfis etc.
Weiteres bei Weinhold alem. gr. s. 140 f. 145 f. 349.
Anm. 2. Durch falsche abtrennung im Satzzusammenhang ist -t
abgefallen bei dmalSAie magd ; inf. ßrxd aus part. kfirxt gefürchtet; raeh
rösten, raes (aus roest = roestet) gut geröstet, ebenso rao^ (mhd. röst)
rost ; fas fast, hos hast, tvods weisst etc. Wahrscheinlich beruht auf
ähnlichen sandhiprozessen (vgl. § 155, 6) der sohwund von d in der
flexion von „werden" y^\,\iwür. inf. w^rd. part. tvq9rd'^ das alter dieser
formen bezeugt Hätzlerin 133, 219 werdenigeren (gern), inf. trer«,
part. worn^ häufig im Decamerone.
T.
§ 150. Die unaspirirte fortis vertritt:
1) tt, dd als resultat der westgerman. consonanten-
dehnung: smite (mhd. smitte, Aesop: schmitte s. 158.
Hätzlerin: Schmitten 146, 68) schmiede; sprqdid (ahd.
II. TEIL. CON80NANT18MU8. 187
*spreittT) das ausbreiten ; latd (mhd. latte) latten ; hit^. (mhd.
hütte); h^tdlt (dim. zu mhd. hatele) ziege; tsotld (mhd. *zot-
teln, zoten) schlendern, synon. trofb; h^th (mhd. betein)
betteln; hitla (mhd. kutel) kaldaunen; d^ie masc, dota fem.
(mhd. tote) pate, patin; hr^to (mhd. *krette, kratte) korb;
wetd (mhd. wetten) wetten ; trete (mhd. wette) pferdeschwemme;
t\te (mhd. vet) pl. fette; hlut^ pl. blute (mhd. blutt) bloss
vgl. Beitr. XII, 535 flf. u. a.
In consonantischer Umgebung wird meist neutrale
qualität gesprochen, wie in tri (mhd. driu) drei; trekd (mhd.
trenken) tränken etc.
2) Assimilationen, a) It in wi'taii (mhd. wilt du
vgl. du wilt ZBR, du wilt: schilt Winterstetten 19, 1.)
du witt cod. ascet. 87. willst du; soti (mhd. solt ich) opt.
sollte ich vgl. Weinhold al. gr. s. 895 ; we-td (mhd. weit
in) opt. wollte ihn; g^tau gelt du?
b) bt in opt. prät. von haben; z. b. h^tis hättest,
h^tdt hättet; und part. prät. K^I gehabt (vgl. gehept urk.
Ulm 1293; urk. 1301 gehöbt, 1436. 1440. 1453 etc. gehept.
gehet neben gehept Zim. chron.); vielleicht auch s^lt (aus
mhd. selbt?) dort.
c) gt in sotd (mhd. so gitän, urk. 1323 sogtan) solch,
flectirt masc. sotdr, fem. sote, neutr. sotis,
3) ge -\- anl. d-, t- (selten noch mit 't) : töfdkt (mhd. ge-
dunket) getunkt; /ra/?^ (mhd. getrapt) getrabt (geräuschvoll
einhergehen) ; tob (mhd. getan) gethan ; trlbd (mhd. getriben)
getrieben; noch seltener bei Substantiven oder adjectiven
durch Verschmelzung des artikels: *töm^ die daumen; Hrikdne
die trockenen; *ttbcf9r die Tübinger; '^mfe die türmchen etc.
4) assimilationen im sandhi: hqtdurdt hat gedauert;
hqt^r hat der; hqteH hat die QggQ; na'tab hinabgetan;
raotenis rottannenes ; sentsCLÜ sind bezahlt vgl. sen czalt bei
Ruland s. 2.
Anm. Vgl. bereits handruhin (al. hanf-dr-) maniois "Weing.
gl. i n geiltist (AAmnahis). inched in (reBpondere) Schletst. gl. gebrotten en
(ans'hroci-) Prud. gl. B.
5) an exspirations-intensität wie -dauer zwischen lenis
und fortis liegend:
188 III. LAUTSTATIÖTIK.
a) in den Verbindungen f (§ 151), /.s (5^ 152), t^\ Icr^tsix
schwammig, nicht consistent ;hetsfx (mhd. hentschuoch) hand-
schuh ; wTtsaff (mhd. wirthschaft) ; geltsQf nicht trächtige
Schafe (§65, l,a); tsiardd die stangen;
//: tfäsndt die fasnacht; tw: tumbr die weiber, (ausser-
dem § 149, d, y.)
tl: bqtl9id^ abendgebetläuten : eHixe (mhd. etelTche) einige
vgl. noch § 149, d, d\
b) st : ddbstix (mhd. durnstac) donnerstag; fdestr (mhd.
vinster) finster; Jconstao kommst auch; w^s/^f Nordstetten ;
Stupf l (mhd. stupfel) stoppel; straebe (mhd. ströuwe) streu;
seste schönste ; fistlixr fürstlicher ; ebenso st in liQ^stef heisst
nicht ; wq9st^r weiss er ; fyraistodm zerreist einem ;
ft: fuft{e) fünfte; hri9ftm9lioldt (mhd. gerüefet) gerufen
und geholt;
ht: in Satzzusammenhang hrldkt bekommen, ätsxekt
angezeigt, fYr.kte todte pl. ;
x^: släxt9 hopfenranken (§ 81, 2); näxtiif nacht auf;
xt: ksijcld (mhd. geschichten) ; mexti möchte ich.
Anra. Wie allgemein auf alem. boden, ist in der 3. pl. prät.
nach analogie der indic. präsensformen -t angetreten ; den ältesten beleg
bietet spieneni (intenderunt) der Weingarte r glossen. ZBR: s hhr.
tatint etc. etc. Im 15. jhd. dringen die gemeinsprachlichen formen
ohne ausl. -t ein, vgl. z. b. im Aesop: 3. pl. präs. bedürfen, tragen,
stellen. werflFen. müssen : müssendt. tötend, schwygent. redent. lebent etc.
3. pl. prät. : fürten, hetten. sandten, erhörten, mainten. frassen. zerrissen,
waren, kamen, giengen. besorgten, hetten: warent. sacztent. hettent.
fiengent. griffent. beschowtent. fundent. sprachent. lachtent. sahent.
maintent u. a. 2. pl. imperat. : wellen, werden, fliehen, keren. merken ;
vgl. auch warumb kriegen ir : beschirmend, behaltend etc. cod. b i b 1.
35: sächent : gesächen. gehorten, giengen. fanden, kament. vielent.
tagten, brauchten, kertten. u. s. w. da die vogel singe vn die plumen
springe vnd die priindlü klinget vnd die bächlü rinnent cod. ascet.
207; vgl. Weinhold al. gr. s. 344.
In der 2. sg. präs. ist der antritt von -t noch nicht vollzogen
(vgl. Weinhold al. gr. s. 334. 340. Braune ahd. gram. § 306, anm. 4)
in ZBR: rCiws. inphluhes : vliest. züniniis. widergibis. anvahist. du has :
hasdu. du bis. waisdv; ebenso wenig in den opt. antwurtes. gangis, und
den pluralformen : 1. pl. varin. garnen. vragen. horin. biten. 3. pl.
begrifen. redin. geben u. a. Auf schwäb. gebiet ist auch an die 3.
sg. wois das -t der regelmässigen verba angetreten, vgl. bereits Mein-
loh von Sevelingen: alremaist: er waist 14, 23; belege sind sehr
II. TEIL. CON80NANTI8MÜ8. 189
häufig doch mir erst seit dem 15. jh. zur hand, vgl. Mörin 2423 u. ö.
Schade, Satiren I, 29, 77. Reimchronik s. 150 u. ö. Zim. chron.
Handschriftlich: Tristrant: das waist crist etc. ürk. Ulm 1414 (D,
Reichstagsakten VII, 272).
Für das 15. jh. sind als durchgangs formen für die jüngere fest-
setzung der 2. sg. prät (die bekanntlich westgerm. aus dem optat.
entlehnt ist, mit anderer vocalstufe als 1. und 2. pers.) formen auf -t
charakteristisch, die offenbar nach dem muster der präteritopräsentia
gebildet sind (vgl. du mäht etc). : Mörin: du gebt, trurikt. giengt.
iruegt, sprecht, fund, heztvengt u. a. (Martin zu v. 539) ; bereits
Tristrant: du sacht, cod. theo 1. et phil. 72: du ßühd (flohest),
no. 74: wa wert du (warst), kämd, cod. bibl. 78: du viengd, cod.
breviar 12: du empfälcht. trugt, sprächt, b^idu gebärde, auseht, kempt,
51 : du esst, sprächt, legd, stund, giengt. fundt. vielt. gäbt, anseht,
enpfiengt. cod. theol. et phil. 63: du wert (warst) no. 144: ward,
cod. breviar. 55 : empfiengl. trugt, geberd, erzüyt. bestund etc. Vgl.
Birlinger A. S. s. 195 (woselbst weitere literatur.) "Weinhold al. gr, s. 342.
Th.
§ 151. Tenuis aspirata erscheint auslautend für inl.
lenis und fortis oder im sandhi:
a) bgf (mhd. böte); dodnt (mhd. tuont) 3. pl. thun; fwf
(mhd. ernde) ernte; könst (mhd. kumest) kommst; hert{m\iA.,
herte) hart adv. ; jüget (mhd. jugent) Jugend ; näxf (mhd.
nacht); ksaef (mhd. geseit) gesagt; mf (mhd. wirt masc. und
mhd. wide) wirt, weide; önt (mhd. und); SM/f (mhd. schulde);
w^f (mhd. wilt) willst; U^f {mhA. gehebt) gehabt; alt {mkA,
alt) alt; hat (mhd. haut) hand; ksuenf (mhd. geswinde)
schnell ; qhdf (mhd. abend) abend ; tspqf (mhd. ze späte) zu
spät; swüf (mhd. smit) schmid; säf (mhd. schade) schaden;
/j/öf (mhd. pfunt); sndif {mhA. snidet und sniet) schneidet
und schneit; sdudpmrä'nf (zu mhd. ande) ich habe Sehnsucht
nach u. a.
b) fäntAie hand; feml die hämmel; fidf die hufe pl. ;
f4ft9 die hälfte; tQ^f9 die hopfen; fqrhdr die einwohner
von Horb; önfdef xmA heute; senfalf sind halt; (iÜ9 nicht
hier; krmstudt grösste hut; walfqm waldhorn; rqfai^s rat-
haus. In schwachen silben fällt die aspiration weg.
c) in gelehrten fremdwörtern : fe thee ; Ütl titel ; fel^'kf
dialekt u. a.
190 111. lAUTSTATIÖTlK.
Anm. Die frage nach der herkunft dieses aspirirten lautes
«in Übereinstimmung mit der schriftdeutachen ausspräche) ist sehr
schwer zu beantworten. Dass derselbe bereit« im 16. jahrh. gesprochen
wordenTsei, ist möglich, darf aber nicht aus dem unzulänglichen
nachweis Alem. II, 280 geschlossen werden. Ich vermute, dass unsere
schriftdeutsche aspirirte ausspräche von anl. f aus Niederdeutschlaud
stammt (f = hd. ts).
s.
§ 152. In dem s- laut, mittlerer Intensität, ist mhd.
8 und ; zusammengefallen:
a) dbs (mhd. uns); haes (mhd. boese); gq^sl (mhd. gaisel);
H^S9 gelesen § 78, 2; »ust (mhd. sus) sonst; S9uh9 (mhd.
süwen) Säue; ksde (mhd. gesin) gewesen; s^ffis (mhd. segense)
sense; kwäsa (mhd. gewahsen) ; äsl (mhd. ahsel) Schulter;
morks9, naxfsa morgens, abends; wtshöm (mhd. wisboum);
fasn^t (mhd. vasnaht) fastnacht; kwTs (mhd. gewiss); fqr89
(mhd. versen) ferse ; psofa (mhd. besoffen) betrunken ; prips^
übertünchen. Ebenso in der affricata ts vgl. (§ 150, 5 a) ; ts^'
(mhd. zaehe); tsQga (mhd. gezogen); swqfsa (mhd. swetzen)
schwatzen ; 'actsiH (mhd. högezit) hochzeit; m§t8 (mhd. merze)
März; ßdrt8li (mhd. vierzec) vierzig; h§lt8le (mhd. höizlln)
dim. zu holz; axtsB (mhd. ahtzehen) achtzehn; Uüts (mhd.
kurz); swats (mhd. swarz) schwarz; in^tsJc (mhd. metzige)
Schlächterei; tsue, tswua, tswq» (mhd. zwene, zwuo, zwai);
tsirql (mhd. twehele) handtuch; iswilix (mhd. zwiih Augs-
burg, stadtr. von 1276. zwen zwilichin seck Mörin 4802.
zwilch cod. poet. 30.) zwilchtuch; gnts, gnisix etc. (mhd.
git, gitig) geiz vgl. gycz Aesop s. 289, doch reimt im Schau-
spiel von Schiltach (a. 1654) noch geit:2eit; bratsU, hratslt
vgl. prastlen (ostschwäb. hra^th) neben pratzlen in der
Zim. chron. pratzlett cod. med. 29; icäts9 (mhd. wancze
cod. bibl. 28) wanzen; t8wqtsJi zwetsche; tsUipne^ (mhd.
ze Iibe nemen) zu sich nehmen ; isdaot zu todt ; tsakr (mhd.
ze acker) zum acker; vi^tsa (ahd. rezzön) ablautsform zu reitzen;
brqtsef (ahd. brezita) bretzel; hlqts (mhd. blez) läppen;
frtswatsld verzweifeln (vor Ungeduld). Ebenso im Satz-
zusammenhang: hqtsi hat sie, öntsi und sie; tsae die see;
mit8dem mit seinem; wttkBus Wirtshaus; in ranfs» (mhd.
11. TEIL. CONSONANTISXUS. 191
rans) wanst ist -t- übergangslaut vgl. § 149 d. ??; in fsire'fQ]c9
syringen ist der syncopirte artikel fest geworden, vgl. tsüsan
dim. tsüs^le Susanna, so auch dc'tiW Ottilie (vgl. Weinhold al.
gr. s. 142) ; dipsdeke ipsdecke, plafond. Fernersldi/9ts schleife auf
dem eis; selfits (mhd. schelve) fruchtschale vgl. § lOi anm.;
ji^mets niemand ist ursprünglich genetiv (aus mhd. nie-
mannes) jetzt aber für alle casus verwendet, wie schon Zim.
chron. : niemandts als nom. IV, 203, 40; als acc. IV, 242, 44.
b) mhd. 5: Äf5 (mhd. hae5e) kleidung; dus (mhd. da
u?) draussen; wqdsii (mhd. waissen cod. theol. et phil.
72) weizen ; der alte Wechsel zwischen westgerm. t : ft
spiegelt sich in gqi^s ziege: git sie junge ziege; hHS9 beissen:
hitsle, hisle bisschen; qpis (mhd. etewa?) etwas; rfs (mhd.
rae;e) scharf, unvergohren von most und wein ; rfms^(mhd.
drT;ec) dreissig; g^s9 (mhd. ge;;en) gegessen; gqsle (dim.
zu mhd. ga55e) gässchen; suldis (mhd. sculthei;e) schult-
heiss; tfQ9sf (mhd. wai; + t) 3. sg. weiss; sref99t (mhd. e;
regnet); ^wqtr das wetter; in9s man es; 09s eins, erste zahl
beim zählen, sowie oos^fswäntsk 21 etc. vgl. urk. ains vnd
drissig 1367, ains vnd nünczig 1391, dagegen ainen vnd
zwainzig pfennig 1333.
Anm. 1. ^ ist geschwunden in Wortfügungen wie ww^mr, mSmr
fmuoz man) vgl. die alem. wir mun. si munt (Eggenliet) Birlinger A.
S. B. 190 ; lame (laz mich) z. b. lamegdb (Inss mich gehen) aber stets las-
hldihd^ lasgdb. In Grieshabers predigten : lau mich. Ru g g e nie :
verlie 100, 15. hie : lie 105, 16. (spricht gegen Er. Schmidt a. a. 0.
8. 70 lie^ : stie^ 194, 23), beiWinterstetten: la mir, la mich: laz
e^ 21, 19 u. a. Ebenso in o'aiw», 09W9f.s- irgendwohin aus naizwa, naizwa
ze (= ne waiz wä) vgl. nayssma (irgendwo) cod. theol. et phil.
68. naisswas, naiswan Zim. chron. naiswan urk. 1473. neisman
Reim chron. s. löS (neizwie, neizwaz im Lanzelet, Erec u. a. Haupt zu
Erec 7990). Weinhold al. gr. s. 301. DM. III, 217 : anl. w- ist im
Satzzusammenhang zur vorausgehenden silbe gezogen ; (der umgekehrte
Vorgang hat zu formen wie nast ast geführt). Wie Schwab, gtv^ (an
der oberen Hier gw^dnd) gewesen zu erklären ist, weiss ich nicht;
getoen bereits L i e d e r s a a 1 1, 615, 3 ; vgl. ferner Seh melier, Ma. Bayerns
8. 147 f. 356 anm.
A n m 2. Das im grammatischen Wechsel mit r stehende 8 ist in der
mhd. Periode nufgegreben worden : /rtara (mhd. friesen), frlidrd (Verliesen),
noch ZBRverlivsit. Ehingen: verlieren, erfriern : jubiliern M ö r i n 2179
appcliern : verliern 2403. Tempel 530 Verliesen. Tristrant: verlöss
192 111. LAUTöTATlöTlK.
im reim ; im innern des vorses verlor; so auch inf. Verliesen : verlieren, vnr
verlieren cod. theol. et phil. 45. inf. verlieren cod. theol. et phil.
no. 54. 74 u. a irrt» (warj hat sich lange gehalten, (auch sind neubil-
düngen im plural erfolgt vgl. wir, sie tcaaen neben waren Augsb. chron.
5, 479. DM. VI, 407, 22. cod. med. 5 sie wassent : wareni.) war
bei Ehingen s. 14. Die ursprünglich nur dem fem. zugehörigen, dann
aber auch ins masc. eingedrungenen -rr- formen bei dem zusammen-
gesetzten pronomen dieser (vgl. Grieshabers pred. in dirre weit : disem)
sind aufgegeben, vgl. aus Balingen und Tuttlingen: d%89rp/ar der
vorige pfarrer. dlsddält übermorgen Birlinger A. S. s. 185.
r
8.
§ 15B. s vertritt mhd. seh (ahd. sc) und mhd. s vor
t, p, w, ly m, n und nach r (in diesem falle auch für
mhd. 5):
1) ps9is9 (mhd. beschl^en) betrügen ; Slf (mhd. sehütt)
getreidemass, korb (vgl. Schmeller II , 488 f. s. schoett)
sox (mhd. schoche) heuhaufen; saf7)/(mhd. scharpf) scharf;
frsopd (mhd. verschoppen) verstecken; s^rmaus (mhd. scher)
maulwurf; sir (mhd. schiure) scheuer; sr9i9 (mhd. schrien)
weinen; kwdest (mhd. gewünscht); ftps (mhd. besehe) busch;
frsrgh (mhd. verschrocken) erschrocken ; st9r (mhd. schiere)
beinahe; dras was zum dreschen ausgebreitet liegt; fiänf
(mhd. geschide) schlau, verständig; ksqkat (mhd. scheckeht)
bunt; gos (mhd. gosche) mund u. a.
2) a) siöd (mhd. stain); aosf^rd (mhd. östem); gukist
(mhd. guckest) schaust; most (mhd. most); miste (mhd.
misten) misthaufen; sust (mhd. sus) sonst; bist (mhd. bist);
is{t) (mhd. ist); wi9st (mhd. wüeste) hässlich. Ebenso vor
-k in dem fremwort mu'skdtnus muskatnuss; = 5 in samstix
(mhd. sam;tac) samstag. s ist bewahrt, wenn die Verbin-
dung 'St' nicht ursprünglich: drsekst (vgl. noch urk. 1292
sehtehalbe. sehst 1296 sehsthalb 1421. etc.)
b) spret99 (mhd. springen) laufen ; sprits (mhd. sprütze)
spritze, aus Ellwangen und Brackenheim wird ein
etym. wohl gänzlich verschiedenes stritsd spritzen belegt
vgl. Birlinger A. S. s. 126; spi^f (mhd. späte) adv. spät;
t^spr wilder klee; kspas spass; fi^spr (mhd. vesper) nach-
mittagsgottesdienst , vesperbrot.
II. TEIL. CONöONANTISMÜS. 193
c) swänd (mhd. swane) schwan; kswenf(m\iA, geswinde)
schnell; swqp (mhd. Swäp) Schwabe;
d) slenkl schlingel; slqdpfd (mhd. sleipfen) schleifen;
üae'd (mhd. slehen) Schlehen; sfowx (mhd. slüch) schlauch;
e) smite (mhd. smitte) schmiede; smeltsd (mhd. smelzen)
schmelzen; ßsmisQ (mhd. gesmijjen) geworfen;
f) sndedd (mhd. sniden) schneiden; snald (mhd. snalle)
schnallen pl. ; snarxh (mhd. snarcheln) schnarchen ; snudr (mhd.
snuor) schnür, kordel;
g) u) ibrse (mhd. über sich) aufwärts ; firse{{ür sich) vor-
wärts; *endrse (mhd. hindersich) rückwärts; öndrse (mhd.
under sich) abwärts ; vgl. Zim. chron. undersich übersichlll,
105, 34 wie heute tsöndrsetsibrse (das untere zu oberst, durch-
einander), ebenda hündersich. übersieh. H ätz 1er in: deine
äugen würff nit über sich 251, 86. Mynsinger: über sich
sehr häufig s. 5. 7. 22. 34. 63. 79. 86. 88 etc. vndersich
s. 56. 64. hinder sich s. 68. 91. Ingold: hinder sich
27, 19. über sich 84, 7. Niclas von Wyle: under sich
28, 17. Aesop s. 264: für sich nit hinder sich (vgl. auch
obsig, niedsig DM VI, 400). Handschriftlich: Trist ran t:
under sich, hinder sich. cod. med. 15: hinder sich. cod.
breviar. 55: under sich u. a. Zur bedeutungsentwicklung s.
Paul, principien^ s. 195 f. Zarncke, Narrenschiflf s. 317, 4.
witrshmsr die einwohner von Wittershausen ; ebenso tshnrswärar
von Sigmarswangen; psöndrs besonders; wditrs weiter; Msd
(mhd. kirsen) pl. kirschen ; üsl Ursula (ausfall von r s. u.)
ß) w^udrs werdet ihr es; ändrs (mhd. andere?) anderes;
his (mhd. hirj) hirsch; qsg (mhd. grdf. erjen, andd. erit u.
a.) erbsen.
3) assimilation von 5 -f- sCt)\ doufris (mhd. fri?;est)
du frisst; wq'dsdb weiss schon u. a.
4) In der Verbindung ts:
a) \xihetsix[m\{A. hentschuoch) handschuh, durch compo-
sition entstanden ; ebenso im sandhi : tstäiQ9 die stangen ;
Rauifmann, Fr., Geschichte d. schwab. Mundart. 13
194 III. LAÜTSTATISTIK.
tseste die schönsten ; tf<ulf die schuld ; tspQf{mhd, ze späte) zu
spät; nach syncopirung des ableitungsvocals in (hits deutsch.
b) mhd. 'tsch-: rutsd (mhd. rutschen) vgl. stainrutsche
cod. poet. germ. 3; bitsch (mhd. butsche) wassergefäss ;
mutsl, plur. mulsld (die muttschelfresser Reimchron. s. 81.
mutschel Zim. chron. mutschellen Germ. 17, 89. mutschla
urk. 1362. mutschein cod. poet. 29.) gebäck; d^tse tappen
vgl. tättschet er her u; in Motzen hochzeit Lieder-
saal III, 413, 576 vgl. tascht Hätzlerin 262, 282; giits
pl. gutsd kutsche (gutschen Breuning s. 5. 15); gduts9
schaukeln (gautschen Zim. chron. II, 464, 8. in Balingen
gaetsd,)
c) aus sk: pf^tsd (mhd. fascia vgl. Weinhold, bair.
gram. s. 163) wickel § 148, 4; r^tsd (mhd. retschen Zim.
chron.: ahd. raskizcin scintillare Schietstädter glossen)
schwatzen, raisonniren, vgl. auch Zarncke, Narrenschiff s.
375, 16. Beachte smatsko schmatzen aus mhd. smackezen
u. a. vgl. Winteler Beitr. XIV, 455 ff. Weitere etym. un-
klare formen : tswqtskd zwetschen , b^tsnas durch und durch
nass, gleichbedeutend pfletsnas; frtqts9 durchprügeln, zu-
sammendrücken ; gehört hierzu vertökzen bei Seifrid Hel-
bling XV, 410. tökzen : weckzen (= watsb?) XV, 235? vgl.
Schmeller'^ I, 489. ostschwäb. frdetsld verschwenden; dets,
dots (vgl. DM III, 11, 10.) plur. kuchen; pßats unförm-
licher läppen, tuch; bletsd (vgl. DM III, 11, 22) krautblätter
u. a.
Anm. 1. Unklar ist mir auch die Herkunft des -/- in dr Iftst
(mhd. leste z. b. bair. lest Schroeller, Ma. Bayerns s. 159, 6883 der
letzte, im Herkommen: letzten, letzsien; wahrscheinlich ist das substan-
tivum diu letze (abschied >) von einfluss gewesen, vgl. an der letz (= zu-
letzt) Augsburg 1430 (Deutsche Reichstagsakten IX, 490). Ulm 1426
a. a. 0. VIII, 493 leiste. 1427 a. a. o. IX, 125 zuletsie, Augsburg
1428 (s. 205) leiste', 1430 (s. 492) lesten, (s. 486) letzate, Bop fingen
1431 (s. 586) lest, Ul m 1431 (s. 614) leiste, T e m ji e\ b61 : dei' lest : gest.
Handschriftlich: Tristrant: zuletst, cod. herm. 24: zu dem
leisten, cod. b r e v i a r. 55 : testen, leisten,
Anm. 2. Über die entstehung von s aus sk wird unten gehandelt.
Die entwicklung von s^ > st ist für den inlaut früh bezeugt, wenn, wie
ich glaube, Notkers tvunsta neben wunscta (wünschte); mista neben
miscta (mischte), wista neben wiscla (wischte) u. a. nur unter dieser
II. TEIL. CONSONANTISMÜS. 195
annähme befriedigend zu erklären sind, vgl. avLGhßrmusti (al. firrausketin)
attrittiö Weing. gl. Dafür spricht besonders, dass gerade diese Schrei-
bungen äusserst zäh sich in unsern aufzeichnungen gehalten haben.
Bekannt sind aus alem. dichtwerken z. b. Lanzelet: gemisten 163. wunste
270: wünschte 1114. vleisfe 1174. hriuste 1927. wws/g (wischte) 2208 vgl
kün steil : ivnnsten 3151 W. u. a. wunst : wünschen cod. theol. et phiL
54 ; bereits im Lehenbuch einen wald heizzet der Vorschst, Vgl. noch
in der Mörin: aist (heischt): allermaist 3151 vgl. Anz. XI, 108?
lascht 4214. hübsche : hübst e 2223, allerhübste 2189. Hätzler in: pr^-
ivunst 279, 31. erwunst : prunst 132, 125. wüst (wischte) 128, 71. ge-
mist 148, 94. Mynsinger: vermist : vermischet, ungelest s. 66. west:
wescht cod. med. 29. Bei Steinhöwel: lest, ungelest, gemist (Karg
s. 29); Niclas von "Wyle (Nohl s. 60): zulefscht (so auch cod. med.
5). gemaiiescht. gespenscht. Zim. chron: gelest, gemüst (gemischt).
wünst. erwüst. Vgl. ferner urk. 1293. 1295. 1303. 1314 u. ö. gaisch-
h'chen, 1305 gaischelichen. Dasselbe besagen wohl Schreibungen wie
gaislicheti ZBR (öfter), gaischlichen bereits in Grieshabers pred.
8. 87. 90, ebenda /^s^^. gaischlich cod. theol. et phil. 5 u. ö. Urk.
1423 ern schlicher, Hätzlerin: vast : tascht 262, 281. vast : erlascht
in Kellers erzählungen 326, 1. Ruland: faschten s. l, bat er noschter
%. 2, mischtlin s. 2. 5. 6. Ingold: mischt 40, 29: mist, verluscht 50,
23. Reimchronik: gerischt (gerüstet): gemischt s. 92. 93.: ist s.
113. tausch ', f anseht s. 148 (vgl. füst i getuscht Mörin 3575). nascht
8. 118 (ast). Zim. chron.: bischtum, angelascht. Vgl. ferner hand-
schriftlich Tristrant: lischte 7*. lischt neben listj ebenso leste (löschte) :
weste (wusste) ; doch auch enwüschten (wussten nicht) : list(7i (heute
nicht reimend). Schwaben sind demnach wol auch mit den werten
Albert Ölingers (bei Socin a. a. o. s. 279) gemeint: s apud Hel-
vetios et alios effertur sicut seh : fasten, stand, fürsten legunt faschten,
schtand, fürschten etc.
Urk. 1287 schweher, 1288 schwehren, 1295. schwere, schweren,
1308 geschlcehte, 1326 schlahte, 1327 abschlahen, 1285. Stoltzhirsch : 1295
Stolzhirs, Engeltal 1421: anderschwa^. 1467 geschwestran. Ferner
Ulm 1431 (Deutsche Reichstagsakten IX, 614. 620): anschlege, an-
schlahen. slachen, verschlossen, swärnüsse. ratslagunge, anslags, Ver-
stössen, Herkommen: uerschwigen, abschlahen. schaiden, Hätzlerin:
schmaragkt 220, 37, ebenso schmaragien bei Niclas von Wyle.
schmaragd Aesop s. 176. schmarackh bei Ulr. Krafft s. 123.
Mynsinger: hirschhorn s. 76 : hirsshorn s. 77. instlit (unschlitt).
mustgatnuss, Ingold: muschgatlin. anderschwa, ersch (er es) 53, 33.
dirsch (dir es) 68, 23. Ehingen: perschonen s. 8. Jschpanien s. 12.
16 u. ö. Damaschgo s. 13. Ruland Schpir (Speiei) s. 2. Aesop
hirs : hirsch s. 168. flaisch: gaist Alem. 14, 113 u. a. Weiteres bei
Weinhold alem. gr. s. 155 ff.
13*
196 lll. LAÜTSTAT18TIK.
3) GUTTURALE.
G.
§ 154. Die lenis (palatovelar und palatal) findet sich
nur an- und inlautend, der alten media entsprechend (über
y > y siehe unten):
1) anlautend: a) gäts (mhd. ganz); gae (mhd. göu)
gäu; gi^f {mhd, gät) geht; gab (mhd. gän) gehen; gäfd imp.
geh ; ggf (mhd. got) ; gulde (mhd. guldin) gülden ; g9td pl.
goil (mhd. gül) gaul, gäule ; gad9 (mhd. garten) ; gqdsl (mhd.
gaisol ; gaf9 (mhd. kaffen, vgl. gaffen Mone Schauspiele I, 160,
485, nachgaffer Hätzlerin 49, 3. gaffen cod. ascet. 207)
u, H.
b) gi'strt (mhd. gestern); ges (mhd. gense) gänse; gilf
(uilul, gilt); g{'>> (mhd. gen) geben inf.; g^dle dim. gärtchen;
gt^r gar (vgl, }5 l'*^^^); 9^S9 (mhd. gezzen) gegessen; g^§t9
(lulul. gorsto) u. s. w.
2) inlautend: bei der Stellung zwischen vordem und
hintorn, oth^r hintern und vordem \ocalen ist für die ex-
ploHionsstollo stets der folgende vocal massgebend:
a) /%«>/ (mhd. jugent) ; tsgg9 (mhd. gezogen) ; aoge
(\\\\\i\, ougen) pl. äugen; mügd (mhd. magen); frqgd (mhd.
V ragen); fnvqrgd (mhd. erworgen) ersticken; kridgo be-
konuuen; ömegm (mhd. umbegän) umgehen ; l9ig9 liegen; erg9r
comp, ärger; kstlg^ (mhd. gestigen) gestiegen; bigof hei
gott; /Nr(/(lr cigarre; .sö/zöf/y^fe^ Sonntagabend ; liq'rggf (mhd.
hörro got);
10 /V^'^f^ ^^^^ ^^^'» beinahe; ege instandsetzung des
ackors; sägi sage ich; s^^gis (mhd. segense) sense etc.
A n ui. Die iiif. sä sagen, ^rä tragen, slä schlagen, ebenso part.
\Hdi. 'ttu getragen, kslä geschlagen, ferner imä^ {ddu mäimt) ich mag sind
mir nicht ganz klar. Ich vermute, dass auch hier -g bei auslautstellung
im sutzi&uäaunuenhang in folge von assimilationswirkung geschwunden
int (wie in ostaohwÄb. ktJttd genug), vgl. die analogen fälle § 152 anm. 1.
IMi» tiUou mhd. liat^ llt (aus ligist, ligit) entsprechen den heutigen dd
/tiiii/^ 'thit du liegst, er liegt und haben auch die kürzere form part.
[niii. k'i^j gelegeu uach sich gezogen.
II. TEIL. CONSONANTI8MU8. 197
K.
§ 155. Die fortis k (unaspirirt) wird gesprochen:
1) für mhd. -kk- (gemeingerm. wie westgerm. gemi-
nation) :
a) lokd (mhd. locke) locken pl. ; bgkmgqds (mhd. boc)
bock (und gais); rokd (mhd. rocke) Spinnrocken; fl^kd
(mhd. vlecke) flecken, dorf; ätokömhod (mhd. stoc) stock
(und bein); rik^le, rikle (dim. zu mhd. ric) heftel faden;
buk9 pl. aufbiegungen, dazu bukl rücken; bik» (mhd. bicke)
hacke vgl. bikl; dr^k, abgeleitet drqkix (mhd. drec); drukd
(mhd. trucken) trocken; hek9 (mhd. henken); frsroka (mhd.
erschrocken); lak (vgl. ags. wlaecce) lau [die werte ver-
halten sich in noch nicht aufgeklärter weise wie hacken:
hauen, keck: lat. vivus, engl, black: blau u. a.]; äluk9 (mhd.
slucken) schlucken ; V^^ sitzen ; käqkH {mhd, scheckeht) bunt-
scheckig; spejc^ spqkix (mhd. spec) speck, adj. speckig; §lqk9
(mhd. slecken) nebst ableitungen (wie sl^kdr, äl^ix) naschen,
vgl. Zarncke Narrenschiflf s. 405, 77., ämuk9 (mhd. smucken)
anschmiegen ;
b) baok9 (mhd. bouke vgl. boucker trommler Mörin
2368) pl. kesseltrommeln siehe Zarncke, Narrenschiff s. 464, 7,
inf. baeke trommeln; broka (mhd. brocke) brocken; mQkdUy
mokl tdazu mokix unbeholfen) kindername für kuh; bakd
(mhd. backe) backen, wangen; §t^k9 (mhd. stecke) stecken;
ts^kd (mhd. zecke) zecken pl. ; ^w^to (mhd. snäke) schnaken;
nakdt (mhd. nacket) nackt; ostschwäb. drali (mhd. tracke)
drache, gemeinschwäb. drax (vgl. Birlinger A. S. s. 111),
letzteres aus den denkmälern nicht belegbar; gukd (mhd.
gucken vgl. Zarncke, Narrenschiff s. 317) schauen; klilc (mhd.
gelücke) glück ; dike (mhd. dicke) pl. dicke ; frrekd (mhd.
verrecken) verenden ; dokd (mhd. tocken) pl. puppen ; frsrekd
(mhd. verschrecken) in schrecken setzen; stuk (mhd. stucke)
stück ; akr (mhd. acker) ; drnkd (mhd. drucken) drücken ;
stek9 (mhd. stecken) einstecken; sak, pl. sek (mhd. sac);
k^c (mhd. kec) mutig; ruk9 (mhd. rucken) rücken; sefrrakoro
(zu mhd. rac straff?) sich abmühen; wikd (mhd. wicke) fem.
wicken ;
198 m. LAÜTSTATISTIK.
2) für mhd. gg (daneben gleichwertige Schreibung M) ;
tn^ukonqst versteckte obstansammlung (dazu se rnuho sich
regen ?) ; roko (nihd. rogge, rocke) roggen ; klokd (mhd. glocken,
cod. theol. et phil. 54 gloken) pl. ; snqkd (mhd. snecke,
snegge) Schnecken pl.; h9uk9 pl. eulen, habichte etc. 3 ur-
sprünglich in grammat. Wechsel zu w, vgl. huwenloch (heute
hduk^lox) urk. 1305; h^kd (mhd. haken); slenkl schlingel
vgl. schlankl vagabund DM. V, 203. II, 186, 19 ; rukd (mhd.
rucko; rugge) rücken ; nwkd (mhd. mucke, mugge) pl. müeken;
ätdkd (mhd. anke, ancken H ä t z 1 e r i n 146, 96) genick, nacken
(vgl. got. halsagga) ; frmurkl9t (zu mhd. murc morsch) zer-
knittert u. a.
Anm. 1. Ob hqhs hexe aus dem älteren hazzesa resp. aus hag-
gazussa der glossen hervorgegangen, weiss ich nicht, vgl. hektz Aesop
8. 326 (lehnwort?).
3) inl. nach consonanz für westgerm. k: drmkd (mhd.
trinken) ; dqrkh (mhd. torkeln) taumeln ; döfdkd (mhd. tunken)
eintauchen; rn^rkt (mhd. merket) markt; mark9 (mhd. marke
pl. marken; Icdbkl {mhd. kunkel z. b. cod. theol. et phil.
54. 72) kunkel am Spinnrad; öidke (mhd. unke) unken;
sihdk9, part. ksö^dkd (mhd. sinken) ; kräk, kräkdt (mhd. kranc,
krancheit); stecke (mhd. sterke) stärke; qwerk (gegen ahd.
äuuirihhi, äuuirchi vgl. mhd. werc) werg; w^rU (mhd. werc)
werk; dekd (mhd. denken); stqrlS {mhA. storc, cod. poet. 30.
cod. med. 15: storck storckn.) storch; dato (mhd. talgen?)
kneten, vgl. dalkdt was sich kneten lässt, klebrig, weich,
weichlich; ebenso milk (milch, in Spaichingen und ander-
wärts vgl. Birlinger A. S. s. 109).
Anm. 2. k (unaspirirt) ist, wie ersichtlich, auch aus der alten
lautfolge 'kh- in -kheit entstanden. Die Substantive auf -kdt sind im
dialekt äusserst^ selten, ausser kräkdt krankheit, wäre nur f9ulk9t
faulheit (mhd. vüleoheit) zu nennen ; die von Paul Beitr. VI, 556 flf,
gezogenen Schlüsse sind demnach auch von dieser seite nicht gut be-
gründet; vgl. fernerhin Ks. Zs. XXII, 119. Zarncke, Narrenschiffs. 316.
In Grieshabers predigten bl. 73* ff. : rehtekait. ungestüemkait.
haremherzcekait. ZBR. : wie krankait (daneben kranchait) so gitikait,
rainekait. muzzikaiU lutirknit. wirdikait, zithikait, giturstikait, seltener
hlüchait, statichait wie swachait. Hierher gehören auch namen wie
Dürnkein, Horkein. Hepfikein im Lehenbuch.
4) anl. Ä- vor consonanz doch mit reducirter, neutraler
II. TEIL. CONSONANTISMÜS. 199
intensität : kfd^ext (mhd. kneht) ; k^ox9 (mhd. knoche) ; k^i9
(mhd. knie) dazu kmhld knien; kr9uf (mhd. krüt) kraut;
kldd (mhd. kleine); klae (mhd. \i\e); kldid (mhd. klie) kleie;
klqftr (mhd. kläfter); kröm (mhd. krumb) krumm; klqdf
(mhd. klait); kl^dhd (mhd. kleben) u. a.
5) dieselbe reducirte fortis ist aus g, sowie synco-
pirtem ge- vor r, l, m, ^, w, s, s, / entstanden (über H
vgl. § 156, 2) :
a) kräs (mhd. gras); kru9b9 (mhd. geruowen) ruhen;
Ä:w/^ (mhd. gerüefet) gerufen; kräf {mhd. gerade) gerade und
grad (gradus); kr^ (mhd. grüene) grün; kru9p (mhd. gruobe)
grübe ; krömhtrd (mhd. grundbirn) kartoffelii ; krdusilS (zu mhd.
grüs) grausig, Steigerungsadv. ; krap (mhd. *gerappe) rabe ;
b) klqdx (mhd. gelaich) gelenk; klös9 gelesen; klad9
(mhd. geladen) ; kldb (mhd. gelän) gelassen ; kloß (mhd. glocke);
kldi (mhd. gelich) gleich; klaohd (mhd. gelouben) glauben;
klüf (mhd. gluve) Stecknadel; klentr (vgl. glender Hätz-
lerin 194, 38) geländer.
c) kmidf (mhd. gemüete) gemüth; kfnaxH (mhd. ge-
machot, gemachet) gemacht; kmoat (mhd. gemaint).
d) kf9u9JSj kf9u9 (mhd. genuoc) genug ; k'tdömd (mhd. ge-
nomen) etc.
e) kwis (mhd. gewiss) ; kwas9 (mhd. gewachsen) ; kunxtiU
gewichtig u. a.
f) ksde (mhd. gesin) gewesen; ksaet (mhd. geseit) ge-
sagt; mqrksd morgens; gqrksd würgen vgl. gorgsen cod.
poet. 30; ksdiftsdt (mhd. gesiufzet) geseufzt; ks^ (mhd. ge-
sehen) sehen, das Sehvermögen bezeichnend, vgl. z. b. ZBß:
daz otige nit gesah vn nit or gehorth; Mynsinger s. 52. 55:
erpUndet ist vnd nit gesicht. so wirt er gesehen, cod. theol.
et phil. 54: so gesehent zehen menschen; ksmkd (mhd. ge-
sunken); ebenso ksä'fr, ksa'feire Xaver.
g) ksTxf (mhd. geschichte); ksria (mhd. geschrien);
ksnarxldt (mhd. gesnarchlet) geschnarcht; ksl^fd (mhd. ge-
släfen); kstöb (mhd. gestoln); kspas spass; ksdcdt (zu mhd.
scheckeht) scheckig ; kspll (mhd. gespil) gespielin, kameradin;
h) kferf (mhd. geverte) bespannter wagen; hfab (mhd.
ge Valien); kfrqgot (mhd. gevräget) u. a.
200 111. LAUT8TATI8T1K.
Anm. 3. ge- resp. dessen Vertretung ä:- begegnet wiederholt bei
Wörtern, welche in der älteren spräche nicht mit diesem präfix nach-
weisbar sind, vgl. oben hrap^ hspaa (vgl. der gspass. die gspäss Germ.
17, 87. 89), kstqr staar, ksfqrk storch, kspatz^ ksp^isle spatz, Sperling;
ksw^lmle schwälbchen (hat bei vogelnamen ge- die bedeutung des za-
sammonseins in schwärmen?); kr^l (mhd. ringel), ksw^ndl Schwindel,
ksaft saft, kspird spüren, ksm^kd schmecken; ksprür spreuer (in Ba-
lingen), ebenda kfurfuds der vorderfuss (mhd. vürvnoz), ksn^l schnell;
kkeif steif. Vgl. auch an fremdwörtern : kspatsidrd spatzieren, kÜnidr»
geniren, kstudidt'd studieren, ksläf sklave. Die entstehungsweise ist mir
nicht klar, vgl. aus der älteren spräche: mit dem glinggen, mit dem
gerechten fAs Mynsinger s. 34. 65. Ingold: glingen Seiten 9, 30
u. ö. den rechten f&ss 12, 34. die gerechten glider 12, 35. ebenda die
glingen : linggen 13, 5. Hätzlerin: mit der glinggen 277, 85 ff. cod.
bibl. 35: so wisse nit die glink hand waz die gerecht tQ. zft der rechten
siten vnd zi\ der gelinken, cod. med. 15: zu der gerechten oder lincken
syten; cod. theol. et phil. 195: zu der linken vnd zu der gerehten
hand\ vgl. glenga Alem. 8, 84. Hierher gehört doch wohl auch
glencz (lenz, frühling) Aesop s. 179. Augsb. ohron. 5, 468 u. a. im
glenz urk. 1466. cod. ascet. 87. cod. poet. 29 (ver glentz), Her-
mann von Sachsenheim, Tempel: diner gnauden glentz. Sowohl
die belege für glink^ gerecht als die für glentz sind fast ausschliesslich
ostschwäbisch.
6) die volle fortis entsteht im Satzgefüge durch assi-
inilationen wie : k/q9bt (mhd. geklebt), SLUch mit kl^;sta'h9^xt
stadtkneeht; siH7kf9(i.;)Xf schmiedgeseil ; maksab magd ge-
wesen ; klcksae gelegt gewesen ; icelkfaioH weit genug ; aokfah
äuge gefallen ; lmk^l^ mitgeben u. a. Vgl. bereits gl. K. kihan-
kriß'cm (; kihantcreifon) Ahd. gl. I, 266; ZBK: wir glö'fin
(eurritur). ivir gisant (dirigitur). tcir gangin. a^er gebin;
ebenso wir hraht (offertur). haigisant ( = heige?) direxerit.
A n m 4. Ebenso erklärt sich vercket (fertigte aus *fertget) bei
Ehingen s. 16. 17 neben ahgefertigt s. 25. vercken neben vertigen
Engeltal 1488, ./>rAv fertigen ist heute ostschwäbisch und im be-
nachbarten alem. besonders verbreitet. Dasselbe gilt für das ostschwäb.
mickten (mittwoch) urk. Augsburg a. 1412. cod. bibl. 35, heute mikt9.
(Tür die orklärung ist von dem vielfach belegten midichen mittwoch
z. b. Augsburg urk. 1295. mitchun 1334 auszugeben (in -/en, -<9 steckt
vieUeicht die redueirte form von tag) ; kein aus dehein ist offenbar des-
selben Ursprungs. Neben Lutgardis 1300 bereits 1297 lAvggart, 1299
Livgardis. Wahrscheinlich beruht auf demselben process Siugarten
1316. wie heute stu^'^rt aus Sfuotgarten (Stuttgart) assimilirt, vgL Inder
Chronik des Ladislaus Suntheim 1^1498 — 1503 entstanden) Stuoigardia
in teutsoh Stuogartten i^Wfirttemb. Vierte^jahrsbefte 18S4, 8. 121).
11. TEIL. CONSONANTISMUS. 201
Kb.
§ 156. 1) Germ, k:
a) im silbeiianlaut wie silbenauslaut vor oder nach
gutturalem voeal herrscht palato-velare Verschlussöffnung:
Jcaofd (mhd. koufen) kaufen; Mönt (mhA, kumt) 3. sg. präs.
kommt; lern (mhd. kuo) kuh; üo^^r (mhd. kainr) keiner;
lii^n (mhd. körn) ; Hopf (mhd. köpf); stqrH (mhd. storc)
storch; daiQÜ (mhd. dank); falß (mhd. valke); marJc (mhd.
marke) mark; kräM (mhd. kranc) krank; stark (mhd. starc)
stark. Ebenso in fremdwörtern wie : ISapl (mhd. kappel)
kapeile; kämr (mhd. kamer) kamraer; Map (mhd. kappe)
mutze; Jcüts (mhd. kurz) u. a. Für altes ku- in JiqH (mhd.
kec) mutig; k^le quendel dim. (mhd. quenel); k^kd quecken,
Unkraut.
A n m. An belegen für die entwicklung von qu sind anzuführen :
Augsburger glossen: quecbrunni. zuoquemo. acquemon. Wein-
garter glossen: biquam. Schietstädter glossen: unterquemo
inchedin (respondere). ueltchenela (serpillum). kenula (serpilla). cherdir.
quirnilberi (corna». Prudentiusglossen B : chenu (anus). Ich halte
die formen mit erhaltenem w nicht für dialectgemäss, sondern fremd-
wortlich oder wenigstens rein orthographisch ; wie im alem. dialekt
überhaupt (vgl. Weinhold. alem. gr. s. 185 f. Braune ahd. gram. § 107
aiim. 2) ist dasselbe in alter zeit geschwunden, näheres vermag ich nicht
festzustellen. Formen mit qu wie queckhsilber bei Ulr. Krafft gegen
coksilber bei Mynsinger s. 26. Tcocksüher s. 43. 50. 82. quenuel oder
künlin s. 49. erquicket Hätzlerin 138, 54: erkuck 287, 4. erkickt en
Aesop s. 43. keklich s. 44, erküket s. 128 gegen erquicken Mörin
4647. quintlin Aesop s. 314 qult Mörin 2112. queit Hätzlerin
50, 16: quitt 58, 10. 193 (heute 1t i f\ sind eindringlinge aus der ge-
meinen Schriftsprache des 15 jhs. ; der dialect kennt offenbar nur Ji, Be-
achte ferner das chit^ kit (das heisst) cod. ascet. 86. kecksilbet' (: queck-
s*76er cod. med. 5). erkuken cod. poet. 29. qvatemher cod. bibl. 35.
Vgl. auch elsäss. TS^ltd^ Schweiz. JSiltj kiltgang, in dem Münsterthal gweltd
spinnstube DM IV, 12, dazu ahd. chwiltiwerch urk. 817. Graff IV, 654.
b) innerhalb einer silbe mit palatalem sonanten findet
palatale explosion statt: Hirhe (mhd. *kirwe) kirchweih;
Kelte (mhd. kelte) kälte; Hqpn (mhd. kerne) kern; Hisd (mhd.
kirsen) pl. kirschen; kern (mhd. kennen); kis (mhd. küe)
kühe; Heddm (mhd. ketene) kette; Hendle (mhd. kindelin)
kindchen; mp^k imp. merke; drhdJS imp. trinke etc.
2) anlautend als Vertretung von ge + Ä-; a) Hoid (mhd.
202 III. LAUTSTATISTIK.
gehlen) werfen; Itoht (inhd. geholet) geholt; ufJcQufot (mhd.
ufgehüfet) aufgehäuft; Icaebot (mhd. gehöuwet) heu einge-
heimst; JSaert (mhd. gehoert);
b) Met (mhd. gehebt) gehabt; Jcilfo pl. gehilfen; lÜBddf
(mhd. gehüetet) gehütet etc.
3) auslautend a) = etym. g: «) fröH (mhd. vräge);
ludJi (mhd. luog) sieh imp. ; ardü (mhd. arc) arg ; kfdwl
(mhd. genuoc) genug; hurH (mhd. burc) bürg; w^Jt (mhd.
wec) weg; daß (mhd. tac) tag; tsi^lS imp. zieh;
ß) sreH (mhd. sehrege) schräg; IqH (mhd. laege) ab-
schüssig; h(>t'li (mhd. berc) berg; h^W (mhd. beige) bälge;
sUM (mhd. siege) schlage; fedilc (mhd. vertec) fertig; tsw9iR
(mhd. zwTg) zweig; metsR (mhd. metzige) Schlächterei;
b) =^ etym. kk, gg : a) salc (mhd. sac) sack ; stuM (mhd.
stucke) stück; gulc (mhd. gucke) schau; kloJS (mhd. glocke);
ß) dicß (dicke) dick; kliH (mhd. gelücke) glück; seit
(mhd. secke) pl. sacke; ^<^S (mhd. kec) mutig; r^^pl. rocke;
sp^ (mhd. spec) speck u. a.
Ch.
§ 157. Nach § 27 sind 3 verschieden gelegene rei-
bungsstellen zu unterscheiden, die laute entsprechen im aus-
laut germ. ä, inl. westgerm. -M-, im übrigen verschobenem
'k nach vocalen:
1) 6axa (mhd. bachen) backen; lax9 (mhd. lahhen);
klqdx (mhd. gelaich) gelenk; ^«(Jxf (mhd. naht) nacht; r^xt
(mhd. reht) recht ; sox (mhd. schoche) heuhaufen ; st^x (mhd.
siech) Schimpfwort; duo^ (mhd. tuoch) tuch; brl^xf (mhd.
bräht) gebracht; stqrox (mhd. storech) storch; äxtse (mhd.
ahtzehen)18; tnix, truxd {mhd. truhe, vgl. druhi Prud. gl.
A. truhun Weing. gl. B. truch : spruch Mörin 1197. vier
truchen, trüchlin Aesop s. 304) Beitr. XII, 524; *t9X9 (mhd.
hüechen?) klingen.
2) slüxt9 hopfenranken (vgl. § 81, 2); touxo (mhd.
wuchen) pl. wochen ; hroux^ (mhd. brüchen) brauchen ; sfotiXL
(mhd. slüch) schlauch; fuxtse, fiixtsß 15, 50 vgl. Beitr. XU,
512; /mxf (mhd. vrucht).
II. TEIL. C0NS0NANT18MUS. 203
3) 'etsix (mhd. hentscliuoch) handschuh; n^xe (mhd.
naBche) nähe ; rtxto (mhd. richten) ; sqxle dim. zu sox heu-
haufen; ftx (mhd. vihe) vieh ; Hirx (mhd. kirche); slext (ahd.
slehit), die einsilbige, heutige form ist aus alter syncope zu
erklären, vgl. bei Aesop schlechst s. 52. schlecht s. 56.
schlecht Ingold 21, 25. Hätzlerin 146, 58. 169, 82. 86.
schlöchst Georgspiel s. 186 u. a.) schlägt; klqxtr (mhd. ge*
lehter) gelächter.
Anm. 1. Ausl. -g entspricht x in ;axf jagd (aber jagd jagen,
ostschwäb. kjaext gejagt ; in BaUngen, Tuttlingen^aiica jftgen, imp. jaix) ;
sowie in den nord- und nordostsohwäb. (Ellwangen, Neresheim vgl.
Fischer Zur gesch. s. 16.) dr^Xt, s^xt trägt, sagt (3. sg. präs.). Die ad-
jectivendung -ig zeigt in Horb schwanken, die Verschiebungsgrenze
scheint hier den nördlichsten punkt erreicht zu haben: suldix^ suldi%
schuldig; tsdidix^ tsdidiJS zeitig; kr^usix^ krdusiJS grausig. Analog in den
Wochentagen: mtdiXy medik montag; ddostix, daostil^ donnerstag etc.,
sowie in folge von Übertragung in den adjectiven auf 'lieh : ^lik ehr-
lich; nadirlik natürlich etc. neben -lix-^ vgl. histliker Ahd. gl. I, 306,
53. quekilik I, 318. 12 (?)
Anm. 2. ch vor s in auslautstellung ist lautgesetzlich ge-
schwunden vgl. daesl (ahd. disla : dihsala) deichsei; w^st wächst, daher
wohl auch gewuohs : suoss M ö r i n 2835 ; wlsh wechseln vgl. verwichsein
urk. 1430 (Boitr. VII, 195) ; äsl (mhd. ahsel) Schulter; 6ts büchse; hudkähd
buchstaben vgl. bereits ZBR; cod. theol. etphil. 54 büstaben; n^std
nächste vgl. Mörin 3706 zuom nesten. Ruland nest s. 27. 28; ebenso
h5st höchst cod. theol. etphil. 72; w;äs wachs vgl. was im Augsb.
stadtrecht von 1276. /ass (lachs) Mörin 3724 ; ^äs flachs ; ös, ösa ochs.
Ebenso in unbetonter silbe vor -t\ net^ et nicht; nit urk. 1293. 1305.
1327. 1333 etc. \it in der bedeutung „nicht" in Grieshabers pred.
Fürstenberg. urkb. I, 253 a. 1276 (Achalm), cod. theol. et phil. 7^
Aesop s. 58 waist du itt? vgl. s. 60. 106]. Ferner im suffix -ohty
-eht > 9t vgl. dikaordt mit dicken, tauben obren, gleichbedeutend
dglaordt', drqkdt schmutzig, in stärkerer nebensilbe ist x erhalten z. b.
ddts^xt einzeln vgl. urk. Weil 1295 ainzeohtigü. ainzehteolich (gleich-
bedeutend mit ainlizzig Reutlingen 1310). einzseht Augsb. stadt-
recht von 1276. Ygl. bei Myn Singer: felset. knorret. Zim. chron.:
langoret. Aesop s. 153: glaczot. cod. poe t. et phil 23: drieggecht.
dry winkellecht. no. 11: ain torete red. cod. p o e t. 29 : winckelet. ecket,
vgl. Birlinger A. 8. s. 152. Weinhold, al. gr. s. 210 f. Gehört hierher
holen : beuelhen Tristrant 6**? Den Schwund von -h nach /belegt
der reim holn : beuoln Mörin 3031. Aus proclitischer Verwendung ist
nq (mhd. nach vgl. Zarncke, NarrenschifF s. 293, 1) nachher zu
erklären , ebenso no noch , dö doch , wie die bekannten ao auch,
wi, dl, % (mich, dich, ich), sc sich. In der alem. nachbarschaft (z. b.
204 III. LAUTSTATISTIK.
S p a i c h i n g e n) ist -cÄ- auch in ictussilbe vor t syncopirt, vgl. r^t recht,
no^ nacht, icin^d9 Weihnachten, bU9 beichten (in Tuttlingen letzteres
kathol. ; bixt? evangel.). strqa plur. str^ streich in Balingen (und
weiter südwärts) erklärt sich wahrscheinl/ch als lautgesetzliohe form in
der oomposition vgl. ühertiia (übortuch): hua Alem. II, 266; ebenda
dheü (die bauche) ; gemeinschwäb. ist kldi gleich, sogleich. Weiteres bei
Birlinger A. 8. s. 124.
Hierher gehört ferner der schwund von x in der ableitung 'lieh
(§ 108, h), gemcinschwäbisch nur in frdile freilich ; w^rle wahrlich, sonst
aus dem ostschwäbischen bekannt : r^dle redlich ; ^ndle endlich ;
frhqrmle erbärmlich; fäkale (aus feinlich) adv. fein; westsohwäbisch
(wenn überhaupt acht volksthümlich) -fe. Vgl. ostschwäb. hBntS9: west-
schwäb httsin handschuh.
Anm. 3. Analogische Umbildung liegt jedenfaUs vor in den
bubstantiven: ISSmix (camlnuni) kamin vgl. Ahd. glossen I, 606. 721
chumich ; ebenso ktfmix kümmel (aus cuminum, bereits Mynsinger
kümich s. 55. cod. med. 5 kumich); haofsix, haotsik hochzeit; dbsliR
unschlitt ; lautlichen grund hat x in ^six ossig (aus *atecum für aoetum)
und in H^ßx (mhd. kevige aus cavca) käfig; kcfit Rotw. stadtrecht s. 53
ebenso kemit (kamin) Hcrrig's Archiv 38, 341. cod. poet. 29 (kemit od
bachoflfen).
§ 158. Der ursprüngliche reibelaut ist anl. vor vocalen
zum hauchlaute ^*J geworden, der von dem gehauchten
einsatz der vocale nicht verschieden ist, vgl. § 33:
1) *rie (mhd. hin) ; 'ol9 (mhd. holen) ; ^ämpfl (mhd. hantvol) ;
'us9 (mhd. hie u^en) hier aussen; 'obm (mhd. hairo) ; *ia (mhd. hie)
hier ^= in dieser stadt, diesem dorf; ä^eha abheben; Strao-
Htte strohhütte; dq'önd da drunten; ae'alde (mhd. ehalten)
dienstboten; sixU'eke fest nach beendigung des frucht-
schneidens; semdt das hemd.
2) in unbetonter silbe ist h geschwunden (vgl.
Weinhold al. gr. s. 195) d. h. leiser einsatz des vocals ein-
getreten : übe (aus mhd. abhin) hinab , vgl. urk. 1467 gen
Egelstal abin etc. § 108, d; ma'di/d^ Mathilde; fftrarf Eber-
hard; hräkat (vgl. kranckait. schalckafften cod. herm. 24
u. ö.) krankheit; fndckdt faulheit; wqrdt Wahrheit; ktvdnst
gewohnheit u. a. Weiteres in ZBR: innertalb. uzertalb.
allentalbun. menschait etc. Namentlich im Satzgefüge:
m9rmdkse9 wir haben gesehen u. a.
II. TEIL. CONSONA.NTISMÜS. 205
3) intervocalisch ist -A- schon sehr früh geschwunden:
s^ (mhd. sen) sehen ; ks^ (mhd. gesehen) geschehen (ebenso stf
3. sg. sieht ; Ä;sff geschieht) ; das eindringen des n in die Stamm-
silbe (vgl. die sehr häufigen Schreibungen wie senhent 1318.
ansenhent 1333. se}fhent 1335. 1338. 1358. aasenhent, verienhen
1348. vergenhent, senhent 1391 beschenken 1453 u. a. Hand-
schriftlich: senken cod. theol. et phil. 11. geschienhen no.
17. besckienhen ist, geschienckn. besienchn [über ie § 70, a]
cod. med. 5) zeugt für das alter der heutigen formen; ich
fasse die urkundl. Schreibungen als contaminationen aus der
sprechform sen (aus sehen) und der überlieferten schrift-
form sehen etc.
Anm. 1. *^depfl kartoffel (Geislingen) vgl. ahd. herdfiur Ahd.
gl. I, 302, 32 (neben erdfuir) sind composita mit herd (erde); h ist
volksetymologisch in ''äntw^rJS aus antwerk mach hand) vgl. ant^
wercke urk. 1299. antwerc (arte) ZBK. Furstenb. urk. I, 317. cod.
theol. et phil. 54. 72. handwerk (kriegsmaschine) Augsb. chron. 5,
463. hantwerk im heutigen sinne cod. med. 5. Jac. Grimm, gram. I,
156 f. anm. aischen noch urk. 1405 (D. Reichstagsa. II, 735); ich
nisch Georgspiel s. 187, dagegen (wol aus der reichssprache) a.
1426 a. a. o. VIII, 493 haischet. haischen, 1428 a. a. o. IX, 185 haischen.
1430 s. 438 gehaischet. vgl. haischet cod. theol. et phil. 72. cod. med. 15 ;
doch bereitsAhd. gl.I,573, 13expetitgihe8chot. eiscot. Vgl. cod. breviar.
12: so aisch mich vnd haiss mich komen. Wolfdietrich D VII,
54, 4 nebst anm. woselbst heischont a. 1275 aus Freiburg nachgewiesen.
In Ellwangen soll noch qeh gesprochen werden. Urkundliche
Schreibungen auch auf unserem gebiete wie onore, hedeficiis, hacolahus,
Hisinberto 773. harboni7ise 785. Anshelm, Hanshelmini 785. hihidem,
eredis, eredum, hactum, ic (= hie) 786. apeat (habeat) 797. helaho
Zf. (tragelafum) Ahd. gl. I, 366, 9. 367, 13. his (glacies) Schletst. gl.
hobi Reisesegen. ZBR. : huns (nobis) hähtend. gihath ; umgekehrt ertiu
(dure). helffenbaininen cod. th e o 1. e t p h i 1. 184. helffand o o d. m e d. 15.
u. a. (vgl. Weinhold al. gr. s. 193. Beitr. VII, 126 anm.) erkläre ich
aus der Verschiedenheit deutscher und romanischer ausspräche unter
der annähme, dass der vooaleinsatz bei etym. anl. h- weniger stark ge-
haucht als im deutschen gewesen, seltenere spätere formen wie herbo
(eben) 1292. haigenshaft 1293 sind wohl ohne belang. Damit dürfen
aber die Schreibungen her- für präf. er- nicht zusammengeworfen
werden, die auch auf unserem boden als fremdlinge vom Rhein her(?)
seit der mitte des 15. jhdts. begegnen: z. b. 14S3 herkouffeh. herpuwen.
herwachsn. herbetten (urk. 1412 erbettln) \ Mörin: hersluog 1019. her-
loben 1595. herdaiichte 1773. herbermt, 2049 u. ö. Ehingen hat es
besonders häufig: herloben, herhnob. herschlagen, herfarnen. herlangen.
206 III. LAÜTSTATISTIK.
herobern. herlaupt. herfarnng, hersehossen. Zim. chron. : hermessen.
Handschriftlich: cod. theol. et phil. 11: herhören, no. Q^: her-
schlagen, cod. broviar. 55 (zweite hand): herlossev. herhöre, hei"
frSwen. her werbest. Ferner Holtzmann, der grosse Wolfdietrich (hs A)
s. X. Schade, Satiren und pasquillen. III, 239. John Meier, Jolande
8. 47. Jac. Grimm, gram. I, 188. 487. Birlinger A. S. s. 117; vgl. be-
reits Ahd. gl, I, 714, 27 herbarmida?
Anni. 2. h zwischen yocalen ist sehr früh hauohlaut geworden
resp. geschwunden, vgl. Weinhold, al. gr. s. 196 ff. ZBR. : weler, welen^
weliVy svele^ sioelr (daneben urk. weiherlag etc.) formen, welche bereits
ahd. nachweisbar sind, vgl. Braune ahd. gram. 292 anm. 1. Beachte urk.
Teuteario 772. Homessingin 1099. Honburc 1099. Hohenouua 938:
Honowe 1206. 1219. Honbei'c 1217. ßhlot : keßelofero Prud.gl. B. Femer
ZBR.: bischit (contigerit, euenerit): i/scī (perveniat) ; uliehen : vliest]
im silbcnauslaut ist -ch bewahrt: nahuolgen (inavolgen^. heschiht.
bisiht. uorhte, bihtim. liht. reht. naht, lahter. marhte. gimarht etc. Die
Schreibung mit // ist in diesen fällen bis um die mitte dos 15. jhdts,
sehr verbreitet: urk. rehte. bishah ebenso -lih, -bah 1296. sehzech,
rehtez. braht. mähten, sehte (8). nsehsten 1298 etc. schlahte. wehsei.
beschiht. rihten 1326. sehzehen. reht. möhten 1337. tohteima 1885. reht
1348. 1351 noch 1412 reht. uffzerihten. Engeltal 1433: wehst, flahs.
wehsei. rehten. sehsten: sechsten tail. fnihten.
h ist umgestellt in der Schreibung: egidesha W e i n g. gl. B.
huosal (1. uohsal). gelesuth (1. suht). Schletstädt. gl. : chneth. Schwä-
bisches Verlöbniss immer rethen. rethe. Zwiefalter Beue-
dictinerregel: kenethe (knechte), vorth. gerithe. reth. slathunge. slath.
lieth. bedruth. washe (proficiat). nishnit. sesh. haten = ahten. gihat
(consideretur) u. a. vgl. Weinhold. alem. gr. s. 137.
Sehr häufig ist v«c/i, vichs urk. 1421 etc.; bei Aesop: vich, fich-
knecht s. 168; infolge von ausgleichung bei Neifen und Winter-
st etten: höisö, dagegen bei Winter st etten reht: erspeht, spehen:
jeheti vgl. Weinhold al. gr. s. 198 f. In Schreibungen wie zechen'
den (10) urk. 1296 : zenhen : zenhenden 1318, vgl. zen 1297. ich rer^
ziehe 1296 : verzihe 1298 u. a. ist -ch- ohne lautliche bedeutung ; ortho-
graphisch übertragen von der auslautstellung, vgl. z. b. bei Aesop:
beschicht. : beschehen^ beschechen, geschechen] ebenso enpfaehen. Myn-
singer: röche ayr s. 56. czächen taig s. 66.
In ZBR stehen auch dur neben durh (vgl. Braune ahd. gram.
§ 154 anm. 3), nit für nicht; in unbetonter satzstellung ist h geschwunden:
inertalh. usertalb. allentalbun, menschait u. a. [Doch beachte liet
(lumen). liete aber auch liech. wrtend (timentes). u/ritend. brat, virmt^
die doch vielleicht lautliche bedeutung haben vgl. § 157 anm. 2.] Dieser
process scheint bereits vorliterarisch eingetreten zu sein, urk. Schrei-
bungen der ältesten zeitun werden sich nicht anders deuten lassen,
vgl. BliHlde 772. 773 (aus-hilde). Matildeo 1129. 3faÄ^j7M 296 dagegen
Liuphilda 786. Hoolzaim 785. Eicheim 1129 (sonst heim). Pirihteloni
11. TEIL. C0NS0NANT18MUS. 207
785 : Piriteloni 786. Perahtoldespara 792 : Bertoltespara 782. 803. Perah-
toldes : Peratoldi 805 ; ebenso in den zahlreichen compositis auf -hert
neben -berhi, -hreht (die unter anlehnung an das simplex sich gehalten
haben): Imnherto 769. Isanhert 792: Isanpreht 802. 805. Ruadprehti
791. Ruadpert 868. Wolfberti 769. 778: Uolfbreht 791. etc. eboemie
Prud. gl. B. (vgl. ebihouui. ebhouue Augsb. gl.) ebenda poseite. Vor
s fehlt h in giuasota (coma) Prud. gl. A. vgL phasreidi (capillatura)
Zf. haseneta (1. hahs-) Weing. gl. B. Ferner chirwahti (st. chirh- encenia)
Weing. gl. B. vgl. chit'uimrtu Ahd. gl. II, 342. Ebenso ist ch geschwun-
den in kirwyh cod. theol. et phil. 66. kirwichin cod. poet. 29;
analog in dem ostschwäb. und alem. mit (milch) z. b. gaissmil
cod. med. 15 (aus milich, kirich). tswil zwilch. Hiatusfüllend : ir-
hluhit Weing. ^l.'B.drahanti Prud. gl. B. ZBK: tuhe. scrihit, sco^hunL
sihen (: sien sunt), niderstro^hit ^ strohit: stroit. vihint, vrihim u. a.
Anm. 3. In früher zeit ist h an auslautend -t getreten (vgl.
Weinhold alem. gr. s. 139). Prud. gl. A: agath. (gispizhtiu?). Zwie-
falter glossen: inchebisoth. firroth (ferise)? gruoth. toboth. ersmith
(erarius)? verimüthi. Weingarter glossen B:houbeth? chebesoth.
proth. unwilloth. huberlith lal. uberlit operculum). halswerth. zithbuoch.
(wisanthan?) Schietstädter glossen: rath. blath. uzskeoth. gart-
leoth. fneschoth. uerith (navigium); doch auch thunst. thiuffi. Zwie-
falterBenedictinerregel: durfth. glaith. laith. zith. maisterscefth.
rath. nith. gehorth. scriftli. biraith. gibiuth. -tath. santh (misit). noth.
bihüth. güth. lufth. ko'fth. giwalth. gilupht : gilubd. lopth. sith. bith.
hüth. Seltener auf den in laut übertragen: luthun. uasthen. hivthe.
stifthe. strithend. gebothin. demuthi. kunfthi. zwelfthe. luthiri. sithe.
liuthe. dulthe. althin. Dasselbe besagen wol: tohd. scrifht. lopht (per-
misit). wunfhte: wunfte. senhfti; nach p: loph.
ZBR kennt /i auch in reichem masse als d eh nun gsz eichen (vgl.
Jac. Grimm gram. I, 372. Weinhold al. gr. s. 199 u. a.) vielleicht von th
aus, das mit ht wechselte (oder waren formen wie anvaht, anvah
massgebend?) vgl. ziht. zihte. sihta (latera). raht(e). ohre. eh (he), mfiht.
anliht (incumbit). huhte. ehre (here. erhe). vrih (libera). hozihten. ihle
(hile). noht. gibt (dederit). gilaht. toht (vgl. oben tohd).
Zur zeit der deutschen Urkunden scheinen diese Schreibungen
nicht mehr üblich gewesen zu sein, doch vgl. Bebenhausen 1309 aith
(eid). Nunmehr tritt die Ä-setzung bei formen des verbums thun auf:
1295 inf. thün. 1298 thün. theitin, besonders characteristisch aber erst
für das 15. jh.: 1483 thun. 1488 thünd. bisthumb. thün cod. med. 5.
29. cod. cameral. 1 (ebenda auch thier). cod. theol. 240. (ebenda
furstenthüm). cod. brev. 51. In der Zim. chron. dann auch: thal.
thatt. their. thier. thurn neben thun.
Es ist nicht unmöglich, dass sich in th der usus der älteren zeit
(vgl. th für d § 162) fortsetzt, es scheint aber die vorwiegende be-
sohränkung auf auslautsstellung doch die aspiration der auslauten-
den tenuis (wie in heutiger sprociiform) anzudeuten.
208 III. LAUTSTATISTIK.
CA.P. II.
DIE LAUTVERSCHIEBUNG.
§ 159. Beträchtliche zeit vor dem auftreten unserer
Schriftdenkmäler hat sich in eigenartiger abstufung inner-
halb der Volkssprache der hochdeutschen stamme jene merk-
würdige Veränderung des consonantensystems zu vollziehen
begonnen, vermöge deren an stelle von verschlusslauten reibe-
laute (oder alfricaten) und umgekehrt; an stelle stimm-
hafter stimmlose consonanten getreten sind und in deren
weiterem verlaufe sich eine reduction der exspirations-
intensität ergeben hat. Im folgenden soll ein bild
der consonantenstufe unserer älteren und ältesten denk-
mäler gegeben und der einzelne typus in beziehung zum
heutigen lautstand gesetzt werden. Ich bemerke gleich zu
eingang, dass es für die beurteilmig der Orthographie sehr
wichtig wäre, festzustellen, ob sich die Orthographie auf
schwäbischem territorium als natürliche ausdrucksform der
schwäbischen laute, oder ob sie sich in den verschiedenen
Perioden unter dem einfluss verschiedener nicht schwäbischer
Schreibmuster entwickelt hat, wonach die buchstaben
überhaupt nicht direct mit den schwäbischen lauten ver-
glichen werden könnten. Die aufgäbe ist jedenfalls, die
Orthographie vorerst von der schwäbischen lautgeschichte
aus aufzuklären.
I. Die Dentalen.
§ 160. a) Tenuis. Von den zweifelhaften formen
des P a c t u s und der Lex A 1 a m. litus, letus höriger (neben
lisa, lesa); taxaca, tataga (von R. Schröder zu ahd. zascön
rapere gestellt); vielleicht auch niinofledus^ minoßidus klein-
besitzer (wenn fledus einem ahd. fle^i entsprechen sollte),
sind unverschobene tenues nicht mehr zu belegen, vgl. be-
reits im P a c t u s : stelzia, in der Lex : zuruft , zurf^
zurfo, curffodi (anord. ödaltorfa. ags. ödelturf) ; markzand.
Die Schreibung c für die verschobene alfricata ist
häufiger zu belegen (sowohl vor hellen als dunkeln vocalen) :
urk. Scercinyus 785 ff. 843 ; noch 1099. 1251 Cimberin, Cimmirn
II. TEIL. C0NS0NANT1SMU8. 209
1246 Zimmeren. Hoolzaim 785. Ceizman 782. Stmzzelingun
797. Stiozaringas 776. Linzgauuia 771. Sctizna 771. Uuolf-
leoz 752. Berahtcozus 785.
Weingarter glossen A: zaupargascrip. za, zalliche,
zuiualtez, Jcazueiot, az. Dagegen: farslizzana. spriuzzant.
uuezzistein.
Augsburger glossen: ein. cinsare leidicit. bicellen.
cuge (ductu) aber auch zuo. kizuvirnetemo. zoubar. giziuc.
gesgizita. flanzara. polz. trizzigiarigmo. lauuiz uuazzer. uzzen-
prast. etc. Dagegen chezila. iizcome. ezichfaz. guz. binuz
PrudentiusglossenA: celtin. ehucilot. ceinun. cuispaU
tigemo. cuibiziken. zaten. zanga. hazasa.nezen : nazta. gispizhtiu.
torrezit. smelzit holz, ritzinte, roz {= rotz) dagegen rozzeger;
ebenso giscliz (discidium). stoz. floz. laidaz. hismizena. aga-
leizer. flizigo. firuuazeno. Heuzelun ; dagegen aruzze.
Zwiefalter glossen: hicihti. hecigin. ceinnili, zeagal.
zouher. zuo. thohizunga. polza. filz. blez. scitwrz. gremizunga.
muniz. churbiz. puozwirdigora. chezila : chezzila. veiziti. lozfaz.
füzdruho. vzinspanin. pinizze. hornuzza. folpuzza. angweizzo.
hürrulazza (prostituta). steinbozzilo. scuzzilün. in chozzen
(penulam).
Weingarter glossen B: ein. cinsare. cisamin. cainun.
churci. suntscace (peculio). giziuchaften. zeinnan. zuht. irgic-
cazan. spizpratun. filz, phlanzim. neze. büza, anchweiza. chur-
beza, chezil. hazist. wazeruaz. geuazodes. geslizunge. gisuozte. gnoz,
reiz (scribebat). scripmezere. gibezerunga. mandalnuz. underlaz.
derbez. floszun; dagegen bizzOy magebiscede (tortura) al. -biz-.
ginoscaft (ßozskefz aus s corrig.) ; man vergleiche dazu Otfrids
so uuas so. so was ser. so was ses. so uuas siez Kelle II, 367.
Schlettstädter glossen: gakicen. zehonta l ceohonta
(reficientes). cir-. phephir celtin. chucilonde. chnorcin (nodis)
zagaheit. wrfzabel. zuigta (uellit). phlanzara. emizzigon.
ubermezziki. fleozze. deozzint. gaizza. agaleizzi. chezziles etc.
trifeorscozan (triquadrum). trizigiarikimo. drozinta. scenkiuaz.
kipüztiro. raskizcin (scintillare).
Prudentius glossen B: finfcen chinnecene. citigen.
uilekezalemo. zuhtigen. churzlicho. plezlicho. carazot (1. ehr-).
bozzon. hazzesa. kecozenum. lozfaz. uurmazig.
Kaufibnann, Fr., Qeschichte d. schwäb. Mundart. 14
210 III. LAUTSTATISTIK.
Noch im Schwäbischen Verlöbniss: gecimbere.
In der Zwiefalter Benedictinerregel begegnet
dann bereits s für den reibelaut (neben z, zz^ selten se):
was, weis (quod). das, bis, dis. hassen, wissag. vlissiger,
wisze. Für die alfricata neben regelmässigem z auch c z. b.
hercen, Grieshabers predigten: fas^ fasse, lies, us. hies.
haist. es, dis, drisec, wasser, wissen, gro^ssen u. a. ürk. 1265
(Fürstenberg. urk. I, 218 flf) das. heiscen, wiscenüich, schtdt-
heisce, gesescen (vgl. die analogen Schreibungen in Weing.
gl.B.). 1267 kniebüz: kniebüs (Kniehis), 1272 samstage, 1280
swas, dis, schultheisse, 1281 sessehaft. mwendig. Messen. 1295
swas. messes, das, 1296 besessen, wissende, dis, haissit, ginos,
1305 fösstapphon, drissig etc. etc. Umgekehrt 1284
verliuzet, 1285 Walterez, Sifridez, geltez, 1295 waz (war).
des gütez, 1296 allez rechtes, waz, 1298 allez dez rechtem, dez
gottezhus. Eberhartez, vaznaht etc. etc. Etwa gleichzeitig
erscheinen nun auch belege der Verschiebung von ahd. tw-
'>ZW': ZBR: zwa (lauet). gizwahnen: twailla, twahil; aber
gizuengit, Augsb. stadtrecht von 1276 noch twanchsal.
hantweheln (chron. 5, 464 hantzwehl)-^ im Lehenbuch Zwerhen
berge. Mynsinger s. 68 übe^-zwerchs u. a. urk. 1427 über-
zwerchen, cod. med. 5 überzwerch. Die gewöhnliche Schrei-
bung der älteren zeit ist tw-, in Schietstädter glossen
kituang neben kiduing, pidvinkit, induerich: durihtuerihi,
thuerahes; daneben aber auch bereits zuingint,
§ 161. Die lautliche taxirung der Schreibungen ist
sehr erschwert. Ohne weiteres klar sind die c- Schreibungen,
welche anl. und inl. an stelle älterer t- resp. -tt- die aflFricata(^s-)
bezeugen ; dass dieser lautwert auch für z nach consonanten
gilt, bestätigt chnorcin der gl. Seiest. Zweifelhaft bleiben
demgemäss 1) inl. -zz-, -z- in fallen wie wezzistein, hazzesa
(hazasa)^ rozzeger u. a. Dass -zz-, -z- den lautwert der
alfricata darstellen können, beweisen chozzen (penulam) Zf.
nezen Prud. gl. A. neze Weing. gl. B. hazzesa, hazasa muss,
wenn auch reibelaut nicht unmöglich ist, unentschieden
bleiben, um so mehr als nach ags. hsejtesse assimilation
vorausgegangen ist, vgl. ahd. haggazusstm Ahd. gl. II, 706.
Für wezzistein, rozzeger darf wohl sicher nach den jüngeren
II. TEIL. C0N80NANTISMUS. 211
formen aflfricata angesetzt werden, leidicit Augsb. gl. gakicen
Schletst. gl. sind für torrezit, irgiccazan {l. irgaccizan) Weing.
gl. ausschlaggebend (Braune ahd. gr. § 159 anm. 4.), bei
geraiczet in cod. theol. et phil. 54. raiczh cod. med. 15
ist die affricata durchgeführt, den Wechsel zeigen noch ge-
raisst : geraitzet cod. bibl. 28. raissend : raitzend cod.
theol. 5. raitzung: raiss^^ cod. asc et 207. glissent : gliczent
cod. theol. et phil. 68. waissen (weizen) no. 72. cod.
bibl. 22. waiSy waissenmel cod. poet. 30.
2) ausl. 'Z, KögeFs behauptung (Literaturblatt für
germ. und rom. Philol. 1887 no. 3) -t sei (wie -p, -k) in
auslautstellung zur affricata verschoben worden, hat auf
andern dialectgebieten vieles gegen, auf unserem boden
nichts für sich. Einmal fehlt die Schreibung -c, die in-
lautend in scace Weing. gl. B. erscheint.
Nach meinen ausführungen Beitr. XII, 512 ff ist im
silbenauslaut etymologisch lange consonanz gekürzt worden,
wonach wir ahd. ausl. -5 (d. i. reibelaut) erwarten sollten
und ich wüsste nicht, was einer Schreibung guz (fususio)
neben struz (strutionem), sloz neben floz den reibelaut bei-
zulegen entgegen wäre. Doch halte ich die frage damit
nicht für erledigt, nehme vielmehr an, dass in einem falle
wie scaz : scace (vgl. Notkers biz : bizze u. a. Braune ahd.
gram. § 160 anm. 4) schon frühzeitig die affricata auch in
die auslautstellung gedrungen ist, so in roz Prud. gl. A.
blez Zf; vielleicht ist sie auch in floz bereits aus dem
verbum {floetzen) wie in der heutigen spräche [flaots] fest
geworden, wie dieser process in den bekannten von Kögel
angezogenen schweizerischen wortformen in grösserem um-
fang sich abgespielt hat. Auslautend -t ist überhaupt unver-
schoben auf unserem gebiete in antlit, welches bis ins 16. jh.
als normal form zu gelten hat, die form mit Verschiebung
ist offenbar durch die gemeinsprache importirt: antlit cod.
theol. et phil. no. 54 (daneben anilicz), no. 68. 72. 74. 63.
240. cod. poet. 29. cod. herm. 24. cod. med. 29. cod.
breviar. 51. antlüt cod. bibl. 18. cod. ascet. 78. cod.
poet. 30. cod. med. 15: antlüt plur. antlitter, antlitz in
cod. theol. et phil. 11. antlütz cod. bibl. 35 (neben antlüt)\
14*
212 m. LAUTSTATISTIK.
ein reim wie antlüzze: nüzze bei W int erste tten kann
demnach unmöglich der mundart gemäss sein.
Anm. st^ ^^ /^ i^ sind unversohoben. Bezüglioli des letzteren
ist zu beachten: Sohletstädter glossen: unkidriuez {inSLdLum)\ da-
gegen später sehr häufig try (3). trit (3.) z. b. cod. theol. etphil
11. no. 17: erdränkt. drübsal. verdraih, endran; als ain drüwer her (treu).
drü, drihen. cod. med. 15: drinken. cod. poet. 30: dro'm, dranh,
droben, dröglin. drinker, drihe^u dropfe, drurig. drub, drucken (trocken)
u. a. § 166.
3) Für den inlaut ist das regellose schwanken zwischen
5r, zz beachtenswert, besonders characteristisch ist die fast
allgemeine z- Schreibung nach langem wie kurzem vocal in
Weing. gl. B. im gegensatz zu Zf. und Schletst. gl. Was
den lautwert betrifft, so glaube ich nach dem stand der
dinge im benachbarten niederalem. {qss9 ejjen mit langem
reibelaut), dass auch im schwäb. -t- ursprünglich zu einer
langen reibelaut fortis wurde, deren articulationstelle viel-
leicht etwas mehr gegen die alveolen verschoben war als
bei dem rein dentalen s- laute; der unterschied der arti-
culationsstellen kann aber nur sehr gering gewesen sein;
bedeutender war die quantitätsdifferenz (vgl. Braune
ahd. gram. § 160). Für diese auffassung ist besonders
geltend zu machen, dass die frühsten belege für -s- Schrei-
bung im auslaut auftreten, (Weinhold alem. gr. s. 153),
wo quantitative reduction eintreten musste vgl. bei Neifen:
gras : naz : daz 48. 19 ff. Winterstetten: döz : kös : gröz :
genöz: blöz 3, 17.
§ 162. b) Media. In ältester zeit bestehen t, d
neben einander (vgl. Denkmäler- s. XVU); in den glossen-
sammlungen ist die Verschiebung zu t die regel, d ist sehr
selten, wird aber in den jüngeren quellen, stetig anwachsend,
häufiger. Wirtemberg. Ukb. : Godafridus : Gotefridus.
Automarus, Canstat 708. MotharL Alfstati : AUsfadi 752. Nort-
stati 760. Erfstetim 805. Autumaro 758. Tailo. Aotahar 769.
Autmanno Tri, Oder 786. Roadharto. Fateri (?). LantuM 769.
Harfher 771. Rathergane Tri: Radhergane 782. Baturihc 778.
Bertolti 782. Perahtoltus : Perahtohii 791. Perahtoldespara 792.
Althaim 785: Aldifigas 802. Tahihusun 786. EmhiUlSe. lAuphiU
II. TEIL. CONSÖNANTI8MÜ8. 213
da. Plitilde 773. HiltihreU 797. Hütirlh 806 Lantheida 790.
Uualtharii 797. Steinharto 797. Taugindorf 805. Ldutpold
(etc.) 838. Hartmoati 838. Theoterat, Ortleib 868. Thietinga
882. Deotingun 786. Teotingas 792. Theotinc 805 etc. Da-
gegen die Schreibung mit rf; Duringas 752. 786. Wichardo
769. Valdulfo 773. Hildiberga sive Hitta 776 (vgl. Lep^'^'^
koseform zu Livggart, beide beisammen urk. 1362). Diadoldo:
Dietolfo 786. Uiialdram, Ludimar (?) 786. Hanoldtis 806.
Hardhusa 882 u. a. Vgl. auch die lateinischen: eteßciis
797. Langobartorum 806 dagegen: pradis, peditus, inlusdro
752. capud, rogidi, pedimus 776. repedit. dradicione, adque
785 u. a.
Lex Alam. /aiYi, toedi, laitihund, hantig händig henti.
mmihtaudo, morttodo, tautragil?
Weingarter glossen A: gipreitit, topentes. katre-
tan. imotenter. skuntan. aruuintot.
Augsburgerglossen: kiuntirsceitoter. tuncli (caligine) :
dunclor. gichnetin. hinter, altat. kistatoge. herter. kitigi. potiscaf.
lentipraton. kinotit. stmtigosto. suntirikiz. gitarnti. piscoltin etc.
Geminirt: petti (thori).
Prudentius glossen A: rosgarton. touuegun. zaton.
gertun. ateile. rintun. otaga. snitelouc. anigiteta etc. Doch
sind die wiederholten t- aus p § 165 zu beachten. Bereits
vndvr.
Geminirt: eittriga. eittir. gotopeti (pulvinar).
Zwiefalter glossen: fertika. schafhirti. scolti. hintir.
giwntan. lantfrida. unkientoten. plintirce. sitoloso. tuchari.
witihoppha. tuilUlin. brotbeiccerin. gitua. gota. militou. tarn
(dammula). toboth.
th: thobmmga. wermüthi. d: lendibraton. undir. linda.
niulendin,
Geminirt; kiwitpreittan. kirottaz. firmeotton. betti. latton.
Weingarter glossen B: tobezunga. rotemo, tuchiL
harten, gisoten. witehopha, antwurta. turila. snitelin. tageroti.
irbutes (alferes). butila. protpechan. poten. petelunge. pluotigon.
tinctihorn (atramentarium). notigunga. j
•"*
214 III. LAÜT8TATI8T1K.
th : houhefhloc/i, wirth, proth, zithhuoch. unwiUoth. über-
lith, wisanthan.
d: damUi (vgl. tarn ZfJ. sculda. underlaz, hindet.
niulende, simdirbare. himdesfliuga, wurda (würde), sundiriga.
Wendelstein, gebundelin,
Geminirt : spratttin (regulam). Uttigaerda, mitti: mitüa-
golichemo, vgl. pispoteton: spotten, betichamerare,lattofio,hutta.
Schlettstädter glossen: takisterne, turnt, bitunkiltir,
ünterquemo, hantprahti, ougpente, herti, ratfraga. kitigi, todr-
leod, truhtsaizo, kituost, tiuffer, stiuphater. stiufmüter. choronte'
chosonte, tobonte. tokina (o = oii), otakkar. creta (kröte)'
petahus, pletir, zi trenchin trip (potum age).
th: uzskeoth, uerith. rath, Math, tliunst, thiuffi. ethistceo,
d: sculdig, arwindot. chucilonde. iuchilonde. claffonde:
claffontero, zuizzirondiu. cheosindo, hinder. dobend. scindüun.
Geminirt: slegibatta. kiscntta, chutte (agmine). pette.
Prudentius glossen B: eteilo. citigen, seiton. sluntan.
hantfaz, hotibetpant, partunberc (Apennin), snitelinc. lutro.
tuten, ture, huota, ingetuo. unuertigen, garabinti (exsculpens).
d: handegen, undarzaltun. dribit.
Geminirt: gebrottenen,
Weingarter Reisesegen: sendi. hindir. undi. gisundi.
(sigidor. wagidor, wafindor?) sandi (St.). gidan. Daneben
mit, got. gut. guotin. Dagegen im Schwäbischen Verlob -
niss: getaniu. hüte, steten, hantscuohe. munt. gewaltigen, stuot.
swert. huot. antwurtet.
d : imde.
Geminirt: wette. : wete, erwete, bit iuch (bitte euch).
§ 163. Für die historische betrachtung muss hier
gleich die Verschiebungsstufe von p angeschlossen werden.
c) Reibelaut p.
Wirtemberg. Urkb: Gofefridus 708. Deothado 752.
Beffindoraf. Operindoraf. oborosten doraphe 769. Obarindorf
782. Sedorof. Wildorof 786. Odalharto 778. UadaUiart.
Uadalrih 797. Ruadolf 797. Ruadingo 778. Uruadoni 782.
Ruadprehti 791. Riiadger 792. Ruadker 786. Roding.
Rodulfo 773. Rodperti 785. Hruadheri 797. Ruadcunt.
Ruadmmjtl^ 809. Dagegen: Rotmundus. Rotperto 782. Rot^
II. TEIL. C0NS0KANT18MÜS. 215
perti 758. Ruatfridi, Riiatmanni 1^1, Ruathart 802. Drudr
hert, Hadumar 782: Trudbert 806. Adalbert 786. Hadu-
bertus 763. 802. Deotperdi 771. Deothoh 782. Dietolfo, Dia-
doldo, Diotingo 786. Deoto 797. Deotburga. Deotbertus 802.
Deotlind 803. etc. Baldmunt 778. Paldeberti 790. Regiribald
786. £aMe7a. PaW 790. i^rirfm^ 786. Amulfrede 772. Hm-
/ndo 771. Wolffrido 769. Heidcauue 805. 817.
Die Schreibung ^ä findet sich: Theotbald 769. Theothoh
778. Theotinc 11%: Dheotinc 805. Dheotuuic 809. Theotberti
817. Theotnand. Theothold 827. Theotpert 868. Thiotburuch.
Thiotfrid 838. Theothart 839. Theotmarus 846. Theotpert.
Theoterat 868. Thietinga 882. Rothfrid 813. Rothwilo 1158.
Thrutberti 191: Trutbertiis; zu beachten Thalahaim 176.
Dieselbe ist demnach die jüngere und offenbar gleichwertig
mit ^, ausser den bereits genannten in : Trudolfo. Teutrude»
Teutolfo. Tetiteario (nach Teutonicus ?). Triidlinde 772. Tnd-
/mrf^ (1. Trud-). Rigtrude. Teutberto 773. Teotperga 116.
Teotingas 792. Geroldistorf 1099.
Lex Alam: morthtaudo. zand. Weingarter glossen
A: odo. uuerde, uuiderort. uuinileod. Augsburger glossen:
erdchegil, -phuir. diccho, ßrmeldat. dinc. irdiges. drisgiufili.
bidenchin, baidi, dar, hegidriisi. deckest. Jcidiomotit.
th; thistiles, aber auch ithslahtigi. ithslaht. t in magit-
heide. trizzigiarigmo.
Geminirt: feddah.
Prudentius glossen A: distilin neben tistil. drubi.
umbedrangont, dana. dara. uuidahe. o^alden. f ermeldet, durich.
iouvederemo. dicchi.
t: uvAxrt (wurde), tulten. tanches. torrezit.
Zwiefalter glossen: erdleim, -fiur. durich. pilidpurch.
waidiburigi. innadirL innodili. westnordroni. in kidulte. derrest.
darama, fledermus. gundfano. bisundan. redinondi. goldo. füz-
druho. droa.
th: thinge, aber auch thobizunga; \ gl. thornstuda neben
tornstuda. ersmith.
t: atimblast. brutgeba.
Geminirt: fetdacha.
216 JII. LAÜTSTATISTIK.
•
W eingarte r glossen: durri. loider, dahiner, dienest
gedraigunga, dagegen truhun, dechi, danche, dichi. pildebuoch.
erdephil, federach, padeguant. uburguldes. demo. dinchuse,
dicke, dtirich. dwerwen (obliquis). dehsala, handruhin (hantdr-).
gidulti. hulda. drati (tornauit). goltsmide, loerda. ladata,
t: atam. triskelin, trester? ertpruste,
Schlettstädter glossen: kidningetc, {§ IQO). heidebere,
dingman: tincman. hegidrüsi, todleod. dionot. liodirsazo, deoz-
zint, duris (anord. ags. |)urs). dorf, decchest, danchis. dreschot.
dreskimge, baldi, piliden, durihdihan,
t : trizvinilingo, trifeorzcozan. trizigiarikimo. pitacte.
magitheit,
th: theochscenchil, gartleoth thiganheit (emeritum). thone-
wengi. thunst. manoth, u. a. (vgl. § 158 anm. 3), aber ebenso
thruenti (fidus). thuruh : durih. thuerah : durihtuerihi.
Geminirt: cleddun,
Prudentius glossen B; kedigenin, anchunden, uuida.
leides, uohaldan. dolest. tverdent. drahandi.
th: mit then listen, thuresa.
Geminirt: cletto.
Deutsche glossen (XIL jh.) Diutiska II, 71 f: tharre
(torrorium).
Weingart er Reisesegen: dir. dich. diz. du. daz.
fridi. Schwäbisches Verlöbniss: da. der. dem. den. des.
waide. oder, gedinge. widembuoche. werde, gitldin. muntadele.
t: mit ten. golt. [th = ht: rethen. reihe), mit ten auch
in den Weingarter pred; ebenda von ten vnden. cod.
herm. 24: haust tu. waist tu.
§ 164. Dass bereits bei beginn der urkundlichen be-
lege der reibelaut zum verschlusslaut geworden war, geht
nicht bloss aus der überwiegenden majorität der d- resp.
t- Schreibungen, sondern ganz eclatant auch aus den erst
später anwachsenden ^Ä-formen, deren nicht spirantische
geltung durch den Wechsel mit t sicher gestellt ist, hervor.
Die von Braune gegeben^ datirung, wonach das alem. den
Umsatz von th zu d in der zweiten hälfte des 8. jhdts.
vollzogen habe (ahd. gram. § 167 nebst anm. 2.), trifft
nicht zu, um so weniger als das (nicht eben sehr umfang-
II. TEIL. CON80NANTISMU8. 217
reiche) material unserer Urkunden, die namensformen, bei
denen sich eine historische Schreibung zähe festzuhalten
pflegt, die Verschiebung als abgeschlossen zeigen; t für th
als Schreibfehler zu betrachten, wie Braune a. a. o. anm. 9
will, kann ich mich nicht entschliessen.
§ 165. Um die wende des 7. und 8. jhdts. oder noch
früher mag die Verschiebung des reibelauts erfolgt sein.
Zu dieser zeit muss aber die Verschiebung der westger-
manischen media vollzogen gewesen sein ; andernfalls wäre
die Verschiedenheit in der schriftlichen widergabe der resul-
tirenden laute nicht zu begreifen. Dass der heutige zustand,
wonach etym. d und p nicht mehr zu scheiden sind, noch
nicht geherrscht haben kann, ist ohne weiteres klar; dass
der buchstabe d nicht mehr den stimmhaften verschlusslaut
darstellte, lehren nicht bloss die t sondern auch d im schwä-
bischen latein vgl. pradis. peditus. dradicione, inlusdro u. a.
(s. o.) Man möchte danach acustische gleichwertigkeit des
roman. t mit schwäb. d vermuten. Es fragt sich, wie sich
dazu altschwäb. t verhält, th darf nicht verleiten eine aspi-
rirte tenuis (wie heute in der schriftdeutschen Umgangs-
sprache) vorauszusetzen, da ja th in der regel das zweifel-
los unaspirirte d vertritt. Es bleibt demzufolge nur die
annähme einer qualitativen Verschiedenheit, dass d einen
weicheren, t einen härteren laut bezeichnete. Die mannig-
fachen vertauschungen der beiden zeichen seit der ältesten
zeit lassen ahnen, dass die diflferenz nicht gross gewesen
sein kann, namentlich scheinen die lautqualitäten in der
Stellung vor consonanz vollständig identisch zu sein vgl.
Hartker. Rotmundus : Hardhusa, Ruadmundi, u. a. Ich bin
der ansieht, dass noch in ahd. periode einö weitere Ver-
schiebung etwa im 9. u. 10. jh. (vgl. Kögel Beitr. IX, 313) statt-
gefunden hat, welche nicht auf nt >nd, It >ld und ähnl.
eingeschränkt zu werden braucht, vermöge welcher that-
sächlich auch in den übrigen Stellungen t und d in (heutiger)
lenis zusammengefallen sind, vgl. tuncli neben dunclor in
den Augb. gl. tistil neben distil in den Prudentius gl. A.
Fiirentouua 875 : Furindave 1228. Tuzzilinga 888 : Duzelingen
1181. Tuwinyin 1092; üuingen 1139. Muntingu 854: Mun-
218 III. LAUTSTATISTIK.
dingen 1208. Truhtolfinga 949; Trtihdoluingen 1161, doch
umgekehrt Dagoluinga 793: Tagelfingen 1113 u. a. Der-
selben Verschiebung mag auch eine reduction der geminirten
laute zur heutigen fortis zugehören, wie der Wechsel der
Schreibung zwischen t und tt z. b. in den Weingarter
glossen andeutet, beachte auch Schreibungen wie nohturfte
ZBR. noturft urk. 1310, sowie die analogen k: kk, g : gg^
b: bb, wie sie unten folgen.
§ 166. Diese Vorgänge vorausgesetzt, ist die Über-
lieferung in den jüngeren denkmälern verständlich, vgl.
Rugge: behalde: bezalte: walde: fnanigvalde 110, 27. mnter:
Ämrf^r bei Wintersteten 7, 23. Inder Z wie f alter Bene-
dictinerregel zeigt sich einerseits reduction alter geminate
in er bitet. wirbiten wie gesotin, andererseits doppelschrei-
bung in gibotten, zitte^ offenbar entstanden aus dem tiber-
lieferten Schriftbild (z. b. bitten) im gegensatz zu der aus-
sprachsform {biten) und danach auf die überlieferten schrift-
formen mit einfachem t übertragen. Hier die ersten Vor-
boten der seit dem 13. jh. wuchernden schreibmanier,
vgl. urk. 1281 Vetters, 1284 gottes, vatter, stette. bette, 1287
steften. 1293 gottes, bette, etc. etc.; beachte bereits 1298
livtte, wortten, 1314 zinsttag, 1319. 1348 stette (mhd. stsBte)
u. a.; ganz vereinzelt ist 1276 goddis. godde Ftirstenberg.
urkb. I, 252 f. Eine besondere lautliche bedeutung hat die
doppelschreibung nicht, wie dies Heusler alem. cons..s. 37 zu
begründen sucht. Dass auch für den auslaut keineswegs eine
strenge regel bestanden hat, mögen aus der grossen fülle von
material folgende formen belegen : ZBR: mund: munt, tohd.
vierd, end, irvtdlend, sprechend etc. ahtod: ahtot, sculd, red,
hend. wort, kint, nnlt, brant. wirt, wirt, gnat, lit, brot. u. a.
Den lautlichen zusammenfall von d und t bezeugen: ZBR:
waisdti, bekerd. bisihd. (ritte (tercium). muten neben munder,
totin. Vgl. urk. Ulm 1277 dohterman. dag, 1292 T&nowe,
1296 tusent, Reutlingen 1296 dage, dagen, Hausen 1297
iar und dak, samsdag, dag. Bebenhausen 1309 der eldest,
dün, dag, 1327 dochterman. 1336 trisecke (30). dache (tag).
1368 fierntail: 1463 vierndail, 1402 gutem dage,
Grieshabers predigten bl. 73* flf: doH. des dodes.
.u
II. TEIL. CON80NA.NTISMÜ8. 219
alle dage. dräc. det, do^genhuch. rlchdum, tritendach: driten dac.
duent^ gedaun, dun, diefel. Schon in den Weingarter pred.
ist wie später betivten die regelmässige form; dot^ dotsünd: tot-
sünd. tvas düstu. cod. theol. et phil. 45: dochter, zwölffden
cod. theol. et phil. 50: dot, daneben: t&ncz cod. theol.
et phil. 54. Augsb. chron. von 1126 — 1445: toneret,
dötten (taten). Lexer, glossar 4, 366. 5, 450: drat, drenken,
dett. dochter, dinth (tinte). dod. deifl, dieff. Mörin: endrüwen.
endrü. dunckel, Tempel: dürne (türme). Spiegel: turnen:
dummen, drurens, dal. dag. dieff. drug. Aesop: track:drack
s. 5 (drache). gelichtet: gedichtet s. 5. betütte s. 6. techern
s. 106. 250. det s. 170. turst. tiech s. 202. tubphm: dubphus
(taubenhaus) s. 336. tröivorten s. 90. fröwen (drohen) s. 130:
gedretten s. 142. trometen: drometen s. 249, vgl. Augsburg
1405 (D. Reichstagsa. V, 660) pßffern und dromattern. dür-
hütern. Ruland: schribdafel s. 1. dafflen s. 7. dochterman:
tochterman s. 25. diwt s. 14. tuczet s, 15: ducet s. 23.
Ehingen: et ins dails s. 3. disch. dürkisch s. 7. deglichen
s. 12. dochter s. 13. dantzen s. 15. dotten s. 23. duochs.2%.
Dunnisz (Tunis), dod s. 26. Dätschland (das adj. ist mir aber
in unsern denkmälern fast nur mit anl. t- begegnet z. b.
Ulm 1430 (D. Reichstagsa. IX, 437) : uff sant Johanns bap-
tisten tage genant in Tütsche sunnu enden, cod. theol. et
phil. no 17: gen tütschland: dützschenlanden. no 195: tütsche.
teutsche. cod. med. 29: teutsche (deitsch). cod. ascet. 207:
ttUsch etc. etc. Doch urk. 1317 in oberen duschzen landen
(vorderösterreichisch synonym mit Obroswabeti 1314, in
obern Swaben Augsb. urkb. I, 313 a. 1336). Ingold:
tochter: döchtern. det. dönt^ dönent. Georgspiel: dochter:
töchter. H ä t z 1 e r i n : getroschen 49, 47. trynn (drinnen) 63, 3.
tannen : dünnen s. 171. Schneider: drew. det. dieffel. vndat.
drinckt. driben. dot. Mynsinger: daig s. 76. duncken
s. 95 etc. (vgl. auch Nohl, Niclas von Wyle s. 57). Zim.
chron: dag. dat. daub. dauschen, dechterle. disch. dodt. dor.
gedraumet u. a. Handschriftlich: Trist rant: ^^5^ew.
truckt. tumm. timck (dünke). Beachtenswert ist die in unsern
denkmälern ziemlich constante Schreibung lach (dach z. b.
cod. theol. et phil. 54. 74. 240 u. a. tachfenster cod.
220 III. LAÜT8TATI8TIK.
poet. 30. cod. ascet. 78, vgl. Winterstetten 37,27.
Ebenso tusent (1000) cod. theol. et phil. 72. dussent cod.
bibl. 22. dusent cod. theol. et phil. 17. diisent: tusent no. 63.
cod. phil. et theol. 68: try (3). dochteren, cod. theol.
et phil. 11: ich tere (dörre), no 17: dag: tag. dar. ver-
ducken, du (imper.). das maist dail, dochter, no 63: d&'gen-
bück, dugend. däglich, no 195: den tulmätschen. cod. med.
5: tiech, diech (schenkel). cod. poet. SOdiech, Weiteres bei
Weinhold, alem. gr. s. 141 f.
IL Die Labialen.
§ 167. a) Tenuis. Wirtemb. Urkb.: a) Unter den
Ortsnamen findet sich anlautend /- an stelle vom heutigen
pf-: Faffinga 793 (Pfäffingen). Frumaron 838 (lat. pruna).
Frunstet 842. Dagegen Pphliimor 1227 (Pflummern). Phora
(Pfohren) 856, ebenso Phisgina (Fischingen) 1005.
(i) Beffindoraf, Operindoraf, doraphe 769. Apfalaga 769.
Obarifidorf 782, Sedorqf, Wildorof 786. Sedorf. Essindorf
797. Erfo 786: Erfstetim 805. snesleiphi, snesleifi 1099.
Augsburger glossen: a) gluotphanna. rostphannun
erdphuir, phal, fellol (palliolum). inphahin: antfanchlich. fian-
zara. phuluvuili, phetinare,
ß) uuafan, werfenne. anagivurfido, craffon, craffilin, cof-
philin,
y) crof, potiscaf. ruoph, unarph, gitmerpf: gimierafon.
Beachte: grephti, chulupt: cluft der Zwiefalter glossen. In
der Augsburg, urk. (Massmann s. 189) a. 1070: phruonde.
PrudentiusglossenA: citerpfin {plectrum). harephan.
saphes (saft). slaffi (socordia). irscaffaner.
Zwiefalterglossen: a) erdfiur. gluotphanna.
phedimi, vgl. phasreidi (capillatura).
ß) schafhirti, kiscaffoten, choufscalg. choppha. chrapMn,
crajphon. tmtihoppha, stiufmüter, ziwrfidi, tiuffi. mdir-
chramfero. chiffun. äffen, affaltirinen, opphirfaz. bisoufüt.
y) slaf, gelph, crof. warf: waraf. flozsceif (l.-scef). rif
(pruina).
Weingarter glossen B.: a) phant. phister. pheUole.
phawon, rostphanna. phlanzun. pfederare, pfosotin.
11. TEIL. CON80NANTI8MUS. 221
ß) zerwurjes. irro'fent, affma, wafenhus. choufent. ciphun.
offani, slaffen. cefmanna, stampha. sarpho, senaphes, scurpha
(exentera). Beachte: sHphta, stiphtit (machot). trophizunga.
cappho (gallus) aus lat. cappo verschoben, opher, stoupha,
witehopha, aphel. erdephil. schafestalla,
y) croph. warf, chramph, uz wirf. uf. scef, genoscaft,
Schlett Städter glossen: a)pharafrid {equ\is),phuluili.
phlanzara. phannun, phorzeich, phat, pliephir. phala, phaiti.
phant, flegil: pflegil. flük: flükis, pflogishoubit (dentatia).
flumo (pruna).
ß) inphahit. uuirßt: zirwirphit: undirworphina, helfint:
kiholfan. Hu ff er. graiffonten. choufan. claffonde. dorj. harfphari.
epphila. skepphin. inslupphit. scepfarun. stamphon. stiuphater.
stiefmiiter. wipphon. oppher. skephili. woaffanti. wipphila.
vfcapphante. fichepfile apphol. gilimphlicho. sarapphiu.
y) naph: napphe. chobf.
Prudentiusglossen B. : «) phannun.
ß) uuiphelon. scarefi. harfa. schef scalchen, trutscefte.
y) uuof.
Schwäbisches Verlöbniss: enphahet. phennich.
scaphe. scharpf. auf. herschepte gegen trutscefte der Prud.
gl. B vergleicht sich mit chulupt der Augsb. gloss.
§ 168. Kögel, Beitr. IX, 317 flf. hat die ansieht aufge-
stellt : im alemanischen, wenigsens in St. Gallen, ßeichenau,
Murbach habe die anlautende aflfricata eine weitere Verschie-
bung durchgemacht, indem sie zur reinen spirans / vorge-
rückt sei; die wiederum begegnenden pf können in alem.
denkmälern nicht dem dialekt der Schreiber angehören,
welcher lautwert den zeichen ph beizumessen sei, wissen
wir noch nicht. Braune (ahd. gram. § 131 nebst anm. 4)
beschränkt „die weitergehende Verschiebung des pA, pf zu
/" wesentlich auf den hochalem. dialekt. Das niaterial für
das altschwäbische ist leider dürftig, allein es ist von vorn-
herein festzuhalten, dass anl. pf- erst in den aus dem XII.
jh. stammenden Weingarter glossen in pfederare. pfosotin
neben überwiegendem anl. ph- und ausserdem nur noch in
den Schlettstädter glossen neben / in ßük: püogis und ganz
entsprechend flekel: püegil auftritt, im letzeren fall liegt
222 III. LAÜTSTATISTIK.
etym. /- (lat. flagellum) zu grund. Noch in Rugge's
leich (MSF. 98, 18) haben die herausgeber Inf. Hegen
(neben pflegen 102, 14 u. a.) der Benedictbeurer hs. stehen
lassen, ebenda 98, 38 fiu= pfui. Dabei halte man sich
gegenwärtig, dass unsere denkmäler inlautend wiederholt
(mit phf pph wechselnd) die Schreibung pf verwenden. In
der Zwiefalter Benedictinerregel, um die ent-
wicklung der Orthographie zunächst weiter zu verfolgen,
finden sich: pßngistin, pf runde, pfistri neben phingisten.
phründ. phaün, wie neben zahlreichen inphahin etwas selte-
ner inpf angin, inpholhin: inpfolhen, sarphis neben serpfir.
Mit dem ausgang des 13. jhdts. wird in den Urkunden
anl. pf häufiger, ph hält sich aber noch bis ins 16. jhdt.
Z. b. 1298 pfafe, 1293 gepfenf, pfandunge, pfinchswochen.
1302 pfunde, Pfenninge neben phiinde, 1307. 1309 pfunde,
Pfeffer, 1310 pfund, 1327 pfarre aber phunt. phenninge, en-
phangen, 1347 pfafe, püegern, 1559 pfleger, 1345. 1362
pfaffe etc. Vgl. 1314 philip, phaphen, 1326 phaffen, geopherot.
phleger, phantsatze. Noch 1421 Engeltal vro^nd (pfründe)
Zs.f. gesch. d. Oberrh. 16, 124. Aus dem 15. 16. jh. stehen mir
dann auch einige belege Yonpf für etym. / zur Verfügung;
pflegel wie in den Schlettstädter glossen so in der Mörin
des Hermann von Sachsenheim v. 5138, ferner (elsäss.) Zsfda.
V, 415, 53 pflegel (tribula). Dichtungen des 16. jhdts. (her-
ausgegeben von E. Weller, lit. Ver. no. 119) s. 2 ca. a.
1510. Schade, Satiren und pasquillen: in der göttlichen
müle V. 209. 213. im neuen Karsthans ü, s. 9, 33. 12,
32. 14, 16. III, 178, 5. 281, 13. Zim. chronik. ÜI, 225,
30. cod. theol. et phil. 23 pflegel (tribula), no. 27 /tejreZ,
no. 29. 30 pßegel. Analoge fälle sind: pfarre (farren)
Herrigs archi v 38, 332 aus Rottweil. cod. theol. et phil.
12: wild als ain pharr {{sLvre), nütz als ainphärit, cod. poet. 30:
p/öfrr stier, co d. m e d. 15 : pfiffhalter (ahd. uiualtra) papiliones.
Hätzlerin 252, 18 vf meres pflüt. Unland s. 23sandPfilipp$'
tag, Niclas von Wyle s. 277, 16 zu aim pfenster hervs.
Schade, Satiren und pasquillen II, 6, 29 uf pflaum/edem
vgl. flun Birlinger A. S. s. 100. urk. a. 1315 in den
phufzehenden iar, Schweiz, pümmend (fundamentum) wie bei
IL TEIL. C0N80NANTISMUS. 223
Walther von Rheinau u. a. pfündmunt, Ahd. gl. II, 327
pfragenara (mhd. vragner). Weiteres bei Weinhold bair.
gram. § 128 s. 131 flf. alem. gram. § 157. Dass diese Schrei-
bungen der ausspräche gemäss waren, erheben die § 148 ge-
gebenen belege aus der mundart über allen zweifei. Polg-
lich kann heutiges pf- aus vorausliegendem /- entwickelt
sein.
Der annähme p sei überhaupt im silbenanlaut zu f
(nicht pf') verschoben worden, letzteres nicht eine reduc-
tion aus älterem pf, stehen die zahlreichen ph- entgegen,
deren lautwert mit /?/- identisch sein soll. Dass ph zu-
weilen auch mit / gleichwertig gewesen sei, ist zugestanden ;
gellt für unser gebiet aus den oben gegebenen materialien
schlagend hervor, von anderem abgesehen zeugen unsere
häufigen -^^>Ä- sehr deutlich, wgl, ferner doraf : doraphe. erd-
phidr (sulphur vocatur) : erdftiir, grephti. stiphtit. phasreidi u. a.
Nach dem stand der dinge wäre es vorsichtiger^ in
der älteren zeit im allgemeinen ph =^ f zu setzen, die Ortho-
graphie der späten Weingarter glossen lässt bereits ahnen,
dass ph die affricata darstellt; hier fehlen namentlich die
'Pph' und treten bereits einzelne pf- auf. Wenn es mög-
lich wäre, nachzuweisen, warum in der ferneren entwick-
lung etym. p - durch /- hindurch in fast allen fällen zu
/;/- geworden, für etym. /- nur in einzelnen fällen pf- ein-
getreten ist, könnte man es erst wagen, die alte ansieht
zu stürzen und für den silbenanlaut die Verschiebung von
p > f anzusetzen. Sehr belangreich ist in dieser frage der
stand der Verschiebung in heutigen ostfränkischen dialecten,
in denen anl. f neben pf- besonders hervortritt. Allgemein
ist /- in fiaum (lat. pluma), schwäb. flöm neben pflöm u.
a., vgl. Franck, Anz. f. d. a. XI, 19.
Vermutungsweise darf an folgendes erinnert werden:
Bekanntlich finden sich nicht bloss in mittel- und rheinfrän-
kischen, sondern auch in oberdeutschen denkmälern unver-
schobene^, die wie Kögel Beitr. IX, 312 meint, nur „aus
einer vorläge fränkischer herkunft stehen geblieben sein
können". Braune ahd. gram. § 131 anm. 2 sieht darin
unvollkommene Schreibung für ph.
224 111. LAUTSTATISTIK.
In Pa ist [) 7 mal verschoben, 4 mal geblieben; in
Kb kommen unverschobene p vor in werten, die sonst die
Verschiebung mitgemacht haben : phlanzare neben planzunka
etc. 8:8. Voc. St. Galli: pin, plastar, portun. pharra. pha-
lanza. fhiogreost. In Ka 4 mal unverschoben, in der Bene-
dictinerregel findet sich weder ph noch pf, die einzigen
belege sind funt, farra (Beitr. I, 420). In den Murbacher
Hymnen ist entweder p zu f verschoben (fade) oder unver-
schoben (pech etc.). Weiteres bei Weinhold alem. gram.
§ 157. Zu pant bei Notker ist noch zu vergleichen pant
Ahd. gloss. I, 318, 41. plaster I, 350, 16. I, 558, 18. 617,
37. plumari neben phlumari I, 421, 56. plamun : phlanzun
II, 193, 18. etc. vgl. Franz die lat.- roman. elemente im
ahd. s. 12 flf. Weinhold alem. gr. s. 117. Braune ahd.
gram. § 133 anm. 1 ; unverschobene p in den schwäb. denk-
mälem und in der mundart § 144, 3 nebst anm. Es ist
nicht ohne weiteres abzuweisen, dass die Schreibung ph-
gleichfalls den unverschobenen laut vertritt, wie bereits
Kögel a. a. o. s. 313 f sich gefragt, ob es nicht, wenigstens
in fränkischen gegenden, eine tenuis mit nachstürzendem
hauch ausdrücken sollte.
Auf diese thatsache, dass teilweise in denselben Wörtern
innerhalb desselben dialectgebiets verschobener und unver-
schobener laut nebeneinander existirten, musste hier hin-
gewiesen werden. Wenn, wie ich glaube, die verschiebungs-
stufe von anl. p- nicht pf- sondern /- gewesen, kann eben
darin ein fingerzeig gesehen werden, wie es gekommen ist,
dass die ent Wicklungen von etym. /- und etym. p- nur in ver-
einzelten fällen in jüngerem />/- zusammenfielen. Ich
sehe in dem anlautenden pf- eine compromissbilidung aus
anl. p' und anl. /-, nicht in dem sinne wie Kögel a. a. o.
dieselbe auf dem pergament sich vollziehen lässt, sondern
als ausgleichungsprocess in der gesprochenen rede, fant
neben pant > pfant, Dass die anl. pf aus etym. anl. /-
auf sandhierscheinungen beruhen, geht aus § 148 hervor;
gewiss kommen dieselben auch für etym. p- in betracht und
bilden eine zweite quelle für heutiges /)/-.
Ich glaubte diese Vermutungen über die geschichte von
II. TEIL. CONSONANTISMUS. 225
anl. pf- nicht zurückhalten zu sollen, hier will ich nur noch
daran erinnern, dass bis in die heutige spräche sich einzelne
/ = lat. p gerettet haben : Schweiz, feich = lat. panicum
DM VII, 335 (oder fenicium? vgl. Graflf, ahd. Sprachschatz
III, 526); facht (neben pfacht), fachte, facht er u. a. (aus lat.
pactum) Tobler, Appenzell. Sprachschatz s. 173. finnig,
fenJcQl, fad bei Winteler Ker. ma. s. 43. 83 f. Wie die
Schreibung p/-, ist die aflFricata im silbenanlaut für voraus-
liegendes p eine jüngere erscheinung, sie ist mitunter auch
für etym. /- eingetreten. Die tenuis ist entweder zu /-
oder überhaupt nicht verschoben (lehnwörter), diese dpppel-
formigkeit meist in der lautcontamination pf- aufgehoben
worden. Sowohl etym. f- als auch /- aus p- hat sich im
Satzgefüge (folge von assimilationsprocessen vgl. ent- fähan
> empfähen u. a.) zu pf- gewandelt. Ich nehme an, dass
im 12. jhdt. diese Verschiebungen zur ruhe gekommen sind,
in der mhd. periode scheint der stand der dinge wie heute
gewesen zu sein.
§ 169: Inl. 'PP' (über dessen herkunft vgl. Beitr.
XII, 504 flf) ist zu pf geworden, die gewöhnliche ältere
Schreibung der altschwäb. denkmäler ist -pph-. Vielfach
ist noch der Wechsel zwischen einfacher und doppelter
consonanzan der Verschiebungsstufe zu erkennen: snesleifi,
snesleiphi urk. 1099 gegen heutiges verb. sloqpfo schleifen.
craffon, er off Hin : chraphin, er afphon vgl. Beitr. XII, 525
(heute krapfd); aßaltirinen: aphel^ erdephil ; apphol, epphila,
(.ph- = ^/ noch in cod. theol. et phil. 54: enphahet,
opher. schöpher, geophfren.). Ebenso ist vielleicht in naph:
7iapphe gesetzmässiger Wechsel zu sehen; vgl. crof, croph
gegen ehohf nach den inlautsformen, älteres *ehof steckt
vielleicht in chofphüin, -pph- zeigt auch durchweg oppher,
opphirfaz ; dass der in den ältesten denkmälern belegte
Wechsel (vgl. noch ZBR offrei 43**. cod. bibl. 28 offrent
das Opfer) zwischen -ff- und -pf- auf lat. oflferre resp.
*obferre beruhe, ist sehr unwahrscheinlich, vortrefflich
fügen sich sämtliche formen zu lat. operare (nach Wacker-
nagel), vgl. oprod neben opfrodon Em. gloss. bei Wüllner,
das Hraban. glossar s. 91 f.
Kauffmann, Fr., Geschichte d. schwäb. Mundart. 15
226 UI. LAUTSTATISTIK.
§ 170. a) Audi hier bestätigt sich demnach Kögels
ansieht nicht, wonach ausl. -p zur affricata hätte werden
müssen (s. § 161) vgl. potiscaf, slaf, scef. rif. uf. uuof
u. a; nach dem früher erörterten kann es folglich keinem
bedenken unterliegen, den einfachen reibelaut auch in
formen wie: ruoph, croph. naph zu erkennen.
b) intervocal. wird nach kurzem vocal in der regel
ß (/pA. ph) geschrieben: irscaffaner, nach langem vocal f:
uuafan, choufent, seltener ff': greiffonteti. tiuffi, hisouffit u. a.
und ph in stoupha, scaphe u. a. in ZBR ist / durchaus das
gewöhnliche : gewafin, begrifen. anrüfent, laufende, scafendn.
keifende, scafend, scüfen, scaßt, grifit, sarfiu etc. Ebenso aus-
lautend: vf. Serif th, sraf, refsut. umWf, bischof etc. ff: slaffe
(somno). qffenan, waffin: wafin, bigriffen, offinun. griffü.
Anm. hidurfen ll^.Sl^ 4Q\ zwelfe IS* (zwelui 24») in Überein-
stimmung mit giworfen. helfind, {scafendn : scauendn) eto. in ZBR bezeugen
bereits den lautlichen zusammenfall von etym. / und dem aus -^p- ent-
standenen. Vgl. auch neben lefesen : leuesn, leues, reuessend :rejfisut^giref-
sut, slevclic (tepide) etc. in Übereinstimmung mit umnven (5) neben
vunfzigtist, hrieue, zuiuil, urk. 1295 hrieffe. Herkommen: zu hoffe,
hofe u. a. Im allgemeinen ist aber doch die Schreibung intervocal.
-«-, ausl. -/festgehalten z. b. urk. 1295/ro'wÄOMea;:/ro*'«Äo/. 1292 hrievei
hrief 1295. 1296 etc. 1298 hrieve, Jwve. wolfen. hrief. 1327 fronhof:
widemhöve; vgl. auch bei Walther von Rheinau brief : lief 217, 21
etc. etc. Noch Zim. chron. hofihove, neben an hoffen.
Dass die Schreibung -ff- nichts anders als -/- (also nicht etwa
fortis gegen lenis) besagt, bezeugen parallelen wie urk. hrieffe 1295:
ufertdag 1299.
c) eine ähnliche controverse, wie für die verschiebungs-
stufe im anlaut, gilt für die Stellung nach liquiden (und
nasalen). Zweifellos ist einfacher reibelaut entstanden bei
svarabhaktientwicklung, die bereits vorliterarisch ein-
getreten ist: doraf^ doraphe; dorof. harephan, uaraf. scarefi;
die Verschiebung ist genau dieselbe wie zwischen vocalen
vgl. senaphes,
Affricata ist überliefert in : giuuerpf neben giuuerafon,
citerpfin. sarpho (Weingart, glossen B) wie sarapphiu (gegen
scarefi Schlettstädter glossen) und scharpf (Schwab. Ver-
löbniss).
f: dorf. Erfo, uerfenne. anagivurfido, ziwrfidi. zer-
II. TEIL. C0NS0NANTISMÜ8. 227
Wurfes, uuirßt, helfint, kiholfan, mdirchramfero, uzunrf. harfa,
ph ; uuarph. gdph, stampha, scurpha, chramph. tvirphit (neben
wirfit), undirworphina. stamphon, gilimphlicho, fph ; harfphari,
Affricata nehme ich in anspruch 1) für die folge
-m/-, -mph', da hier jedenfalls verschiebungsproduct -p/- ent-
standen, bei der lautfolge m +/lippenverschluss eingetreten
ist. Die auch in schwäb. mundart begegnende Schreibung
-nf' z. b. cisaminachunfta Weing. gl. B. besagt zweifellos
dasselbe, z. b. kenfo neben kempfo^ -nf^ ist nur schrift-
sprachliche auflösung der lautfolge -wp/-, vgl. infahan
(intfahan), impfahan (bei Braune ahd. gram. § 126 anm. 1
gegen § 123 anm. 1). ZBR: schimflihtiu, Wfsdnpfi, scun-
flihti. senfte, widerkenfe (rebellio). cod. theol. et phil.
74: kanpf solt kdnphen. urk. 1302 viumf {h): 1305 fivnften,
1314 fünf Qic, Weingart, pred.: /ti^?»/. inpfromidit. Singular
ist die Schreibung enuand (empfand) cod. theol. et phil.
54. entpfintlichait. entpfahen cod. med. 15.
2) für die formen von scharpf, sarpf, ebenso mit svara-
bhakti sarapphiu, für welche ich Beitr. XII, 505 etym. -pp-
nachgewiesen habe, der Wechsel zwischen p und pp ist durch
scarefi, belegt; über gelph s. a. a. o. s. 505. 518. harfa,
harephany harfphari a. a. o. s. 525.
Soweit aflfricata von der Überlieferung nicht direkt,
wie in scharpf bezeugt ist, kann ich sie nicht anerkennen,
sehe also in der Schreibung ph, ebenso wie in /, den ein-
fachen reibelaut. Der annähme, dass ursprünglich p nach
liquiden zum reibelaut / verschoben worden sei, steht die
Schreibung giuuerpf entgegen, denn citerpfin ist ein com-
positum citer- pfin , für welches bei Graflf III, 339 eine reihe
wechselnder Schreibungen belegt sind, pfin ist aus -phone
entstellt, vgl. mhd. antiphin (antiphone), wie häufig in der
Zwiefalter Benedicitinerregel. giuuerpf wird nach den be-
legen bei Graflf I, 1039 nicht der ausspräche gemäss sein,
wie schon giuuerafon derselben hs. beweist. Wenn nicht
giuueraf zu lesen ist, möge auf muuuerpf talpa Ahd. gloss.
I, 354, 31. muuuerf I, 355, 28 hingewiesen sein. Pa, K',
K** zeigen pf nach r nur für etym. -pp- f sarpf, helpfa) ;
W" entweder svarabhakti oder/, seltener ph\ Hymnen. nur
15*
228 III. LAUTÖTATISTIK.
fj Benedictinerregel /, zweimal ff. Die Schreibung -p/- ist
ein charaeteristikum fränkischer Orthographie
(Tatian. Otfrid VP nicht F), für Isidor hat bereits Braune
ahd. gram. § 139 anm. 4 den laut wert von pf als (bila-
biales ?)# erkannt (vgl. ferner Beitr. IX, 159. VII, 118);
in Hrab. gl. uuerphan^ unerfant aber elpfantpeinum (!) bei
Wüllner s. 17 f. scharpff : gewarff Mörin: 5887 beweist
nichts , es ist scharf zu lesen, wie aus dem reim scharpff:
bedarffSbOb u. ö. Hat zier in 42, 3 hervorgeht.
Die Verschiebung von p nach Z, r zu / ist also nicht
durch pf hindurchgegangen, sondern der heutige stand ist
zugleich auch der ursprüngliche.
§171. b) Media. Die Schreibung wechselt zwischen
b und p, ohne dass eine regel sich aufstellen Hesse, wie es im
allgemeinen bei der dentalen media im gegensatz zum
alten reibelaut möglich war: Wirtemb. urkb: a) an-
lautend: Biberburgum 708. Pachinchoua 758. Beffindoraf
769. Foio 770.802. Blitüde 772: Plitilde 773. Burichingas,
Benzone 773. Bertoaldus 776: Perahtoltus 791. Baturihc
778. Bertoltipara, Buchilesperc 782. ßritihaim 783. Beracht-
cozus 785. Perihtüinpara, Petärale, Purrom, Puolo 786.
Bt4oso 786. Purihdinga 791. Baldila, Paldeberti. Pald 790: Bald-
mimt IIQ. Paldeberti 809. Berahttoldi, Pebo, Bernuuic. Petilo,
Pertilo 797. paumariis 191, Potingas 802. Bollo, PertoUes-
. parii 802 : Bertoltespara 803. Pertfrid 806. Pabo 838. Pines-
darf 843: Binzdorf 1246. Purron 850: Burrun 1163. Pisin-
gun 786. Bissinga 861 : Pissinga 904:, Blochingin 1146: Plochin-
gin 1157.
/5/) inlautend: 1) intervocalisch: ifadwp^r^ws 763.
786: Haduhert 782. Operindoraf 769; Obarindorf 182. 783.
oborostin 769. Ekipert 771. Leubino, 773. Ebarhart 116.
Eborini. Chnniberti. Laibolß 785. Hiltiperto. Diripihaim. Heri-
perti. Akipirt, Sikibert, Neribert 786. Eburinbah 786. Ebur-
hardo 790. Paldeperti 790. Dirboheim 791. Hugiberti. Pebo
797. Nibalgauge. Laubia 820. Pafto 838.
2) nach stimmhafter consonanz : Harinperti. Uual-
perti 758. Älbuvvimis. Isanberto 769 : Isanpreht 802. Lutinbah
II. TEIL. C0NS0NANTISMU8. 229
769. Uualpetii 771. Ermenherto, Hamulhero 11^, Reginhald,
Uuolperto, Huunperti 786. Ämalberto 790.
3) nach stimmloser consonanz: Rotperto 752. Rot-
perti 758 : Rodperti 785. Fiscbahc 758. Rihbold, Hroadbertus
763. Entinesbiiruga 769. Theotbald 769. Wolfberti 769. Deo^
perdi 771. Ratbergane 112, Leidpaldo. Radbergane, Leutberto
113, Teotperga 776. Uualdbert, Luolfbert 778. Lantbert
782. Rihperti 786. Asbrant 786. Hartberti, Ruadprehti 791.
Uuitberti 191, Liutbert 797. Trudbertus, Thrutberti 797. 2>eo^
bertus. Ratbertus. Deotburga 802: Thiotpuruch 838, Cundpreht.
Deotperti 802. Ratbertus, Rihbertus, Ricpret 803. Suuind-
preht 805. Helidpreht 809. Ruadpaldi 817. Rodpret 842.
Ruadpert 868.
/) auslaute nd: Uuolalaup 778. Louphaim 118.Liuphilda,
Lhipuuara 786. Herliup 809 vgl. Leupagde. Leubo 772. Liuplih
778. Manalinb 838, Uuolfleip 80h: Uuolfleibi 820. Ortleib 868.
Assimilirt: Hupertus 772. 773. 797 vgl. Hugiberti
797. Liutprandi 790 : Liuprandus 1255.
Geminirt: ^iio 786. Lupponis 790.
Dieselben Schwankungen spiegelt das schwäbische
latei n wieder vgl. stibidatione 708. 758 (in derselben urk. als
isolirte ausnähme ovitum = obitum). 60^0 (= pago). deperem
771. nebutes, nebotes {= nepotes) 776. nunhcubantes 785.
bresbyter 790. a/?ea^ (= habeat) 797. culbabilis, scribsi 797.
Der laut war demnach sicher stimmloser verschluss-
laut, unaspirit wie die romanische tenuis ; in den folgenden
glossenbelegen überwiegt anl. p, so häufig wir auch i ge-
schrieben finden; letzteres ist intervoc. besonders beliebt.
Lex. A 1 a m. raupa : rauba. morgangeba, stuba. pul\slac,
balcbrust, bar, buric ; möglicherweise steckt in bisont neben
tiesont (vgl. wisant Zf.) noch ein letzter rest ursprünglich
spirantischer geltung des 6-zeichens. Über rfrappo desPactus
vgl. Beitr. XII, 526.
Weingarter glossen Aiheimprunc, piuange, zaupar-
(jascrip, piuuerienne, liupliho, apuhera. gipreitit, ampaht, to-
penfes, kiriban.
Augsburger glossen: innipurro (vernaculus).
pinpom, prtist, peri, palla, prunna. potiscaf, pret, preiti, petti.
230 UI. LAÜTSTATISTIK.
pleh, lentipraton, prustpein : chinnibeini, polz, para, pezzira:
gibezziron, pouga : armhouga, giporgenen. uualhapuh. drupüin
(acinum). upirlit: ubirgarauui, arpalctos. Dagegen bintiz,
beinseggon. bla, baldi, burigen, bidenchin. pifahen etc. fir-
Hut. gilabot, übida. giuueban, grabas. gioborota. labol. cor-
bilin. halibe. ebono. naba. stabon, zoubar, ebihouui: ebhouue.
Hub: kiliupti. Ferner anacleip, lop wie lopis. lopin neben
kilobot: lobare.
Prudentius glossen A: pere. pinesug, plauue. goto-
peti. polz, pose, pruc (paludes). cholpun. stap u. a. bete-
bura (sacellum). blehc, boUon, arsbdli. durecboront. bleccina,
labal, liubi, tubsteina etc.
Zwiefalter glossen: puttiküare (1 sceinka). nikimt-
preittan, ptwztvirdigora. pilidpuoh, pinizze. plintirce (cecutiat).
polza, kiplümoter, püchinin, palawig, rephuon, bitrokiniv,
atimblast. arrnbouga, ubirladinen. liuha. kiunsuhirit, thobizunga.
waidiburigi, umbihang, lendibraton, kitubila, hahich. bcLsa,
blez, bara, heribo^chan. brotbeiccerin (paniticas). brutgeba, unb'
garauui, hintkalh etc.
Geminirt: weppilih.
Weingarter glossen B: pildebuoch, armpouga. pi-
trugi, padeguant, pinezen, selpoum. polstare. pasa, plasent,
pli, proth, prustweria, protpechan, putilin, tepicha. spizpratun,
poten, purgen, prunia. pluotigon, halsperga, pesima, prant,
para etc. chorp, lop, bechare, bäza, irbluhü, bolz, butila,
bo^hcstabon, halsbouch, beinperga, gebundelin, biquam. bruoch,
gibure, gibranta, houbeth, wamba, halba, unsubire, uhermorgene,
unbzeirda, spiliwiba, uzßrtriben etc.
Schlettstädter gl o&8en:pifangan,kepetanaz.purigo,
kiparido, petahus. parafuozzi, pirit pluomin, paldi, kipüztiro,
piliden, pletir, ougpente, piost (lac nouum). kiripan. prustfanin.
pret etc. ubir, baldi, belliz l pera, wrfzahel, tobonte, ribent W-
sprechin, lobin, bal, irburient, tubstain, clobilouch, blauaraero:
plauaruer u. a. ausl. : ewederhalb, scelb l dreb (fomice). Hub-
licho, reib, picleiptiu aber kiliubti, trip (age).
Geminirt: kisippoto, cleino scappare (tenuia uellera).
PrudentiusglossenB; pinesug a, pemeindon. pinzina.
IL TEIL. CON80NANTI8MU8. 231
poseite. plezUcho. praton, poroton, htdpoumine, houbetpant.
partunberc (Apennin), bechare. gebrottenen, bolz, bolzon, bozzon,
cholbo, ehoeuue. imbiz. umbihanga, skebit, zegebiniv etc. An
stelle des geminirten lautes: gilubui (medicamenta).
Weingarter reisesegen: bislozin, hobt (= obe).
nebln.
Schwäbisches Verlöbniss: palemunt (nit geht
voraus), bemlhe, geborn. vurbaz, widembuoche. habe, siben.
Swaben etc. Swab, Swabh, ob. herschepte,
Anm. Braune ahd. gram. § 139 anm. 7 sieht in 'schepte und
analogen fällen ungenaue Schreibung für 'pht d. i. -ß» Dafür spricht
chulupt der Augsburg, und trutscefte der Prud. gl. B. maistersce/th etc.
der Zwief. Bened. regel. — Vielleicht ist p vor verschlusslaut
überhaupt nicht verschoben worden, wie dies jedenfalls für t in den
bekannten prät. satte gesät (z. b. Erec. Flore. Gute Frau vgl. Lach-
mann zu Iwein 583) angenommen werden muss; es entsprechen für p
die intslupta, scaptin bei Otfrid V, 10, 26. I, 9, 8. stoptun Hildebrands-
lied 65 (?).
§ 172. Anl. p- neben b bleibt auch in mhd. periode
bestehen. Zwiefalter Benedictinerregel: propist.'brobist,
(p- ist geschwunden in salter, salm), hvpit (capite): ho^bit.
Im auslaut: hvp. gip. lip. liplich. hat lopht (permisit). lop,
loph (laus) : lob, aplaz. werdi gihapt (teneatur). vzertalp :
allentalhun etc. Inlautend wie anlautend ist b durchaus die
regel: interbe, vblen, gebe, leben, bin, brüdir. berge, büze.
biwert, bedunkii, inblasunge.imhiz. sibende. gilubed (sponsionem).
allerliebste, bot, bredege, ab. divbstal. urlob, urlop. ib (si). trUh-
zürne u. a.
Geminirt: abbit, upig.
Dagegen urk. Augsburg 1283 pecken (bäcker). pro-
thus. purgaer, purchgraven, prot, prichet. peckenknechte. 1299
hecken. Ferner 1305 prisgöu, 1315 gelobet: 1295 gelopten. 1291
(Zeitschr. f. gesch. d. Oberh. 14, 116) bedagogo, 1296 abt:
1292 abbet: 1298 apt. 1296 gehept. 1292 gap. 1287 baidü-
halp: 1335 baidanthalb : 1347 mmdehalp. 122ß babstes, urlup
etc. etc. In der späteren zeit, noch 1483 puwe. erpuwen
u. a., möglicherweise wieder unter dem einfluss der Ortho-
graphie der reichsgeschäftssprache vgl. Ulm 1430 (Deutsche
Reichstagsakten IX, 391): gepuret. hochgeporen. a. a. o. 438
232 III. LAÜTSTATISTIK.
verpimden, s. 484 pund, s. 491 prufent, a. 1431 s. 615 pinden,
gepimden, Augsburg 1430 a. a. o. s. 399 pottschafft, 1431
s. 612 pumeister, pottenlon, s. 613 pett (bitte); doch auch
schon 1388 (a. a. o. II, 46 f) pitten. polten, prande, 1390
(a. a. 0. II, 358) prief, prewhnecht. Für das ostschwäb.
ist überhaupt wie bereits in ältester zeit (vgl. Augsb. gl.)
anl. P' characteristisch vgl. cod. palat. 101: prächen
(aber bräder), pin. die kund pilten. pa^m, pett, plind u. a.
cod. med. et phys. 29: prauchen, gepett, piechern,
plettlen. plütt, pesser, perg. pringen, poden u. a. Weinhold,
bair. gram. s. 124 (einfluss bairischer Orthographie?). Her^
kommen: befte, pene^ ben (poena). brobst. banier, badstvh.
gepunden, gepület, geprust (mangel). becken, diepstat-, tisch-
panck, Aesop: pinen, plümen. bavian, belcz, puren, purisch
s. 48. 55 (wahrscheinl. aus geburen) vgl. in Kellers erzäh-
lungen aim pauren 324, 4. paur 324, 27. bloen 206, 8. 18:
ploen 206, 24. 30. Mörin: plon 4887: blon 4936. Ehingen
blatz s. 20: platz s. 23. Hätzlerin zeigt wiederum zahl-
reichere p: verpunden, pringt, pald, püd. plick, prästlen.
pleiben. gepain. plüd, prunnen, plümen neben baradeis, Baris.
Weitere Zeugnisse für Augsburg bei Lex er chroniken 4,
361 flf. Ruland: bater noschter s. 2. ain bar (paar) etc.
Noch in der Zim. chron. bapeir, bilger, bocken, bracht,
bulver, bleib (blei) IV, 200, 9 pleie (plumbea) HI; 621, 14;
ebenso paur, pruck, pei u. a.
III. Die Gutturalen.
§ 173. Die Untersuchung hat festzustellen, ob die
Verschiebung der tenuis sich ursprünglich auch auf den
anlaut und die gemination erstreckt hat, und wie dieselbe
im einzelnen bei der media verlaufen ist.
a) Tenuis:
Wirtemberg. urkb. «) anlautend: Canstat 708. Cunzo
763? Chnuz 771. 786. Cherilo 776. 778. Chuniberti 785. Karlo
797. Chrezzingu7i, Crezzingun, chuuiltiuuerch 817. Chiriheim
764. 960. 974: Kirihheim 1003. 1007. 1059. Ckilicheim 1092.
Chiricheim 1122: Kyrcheim 1215. Nunchilcha 1120. Karamanni
817. Karaman 838. Kern 838. Chunibret 839. Chunibeäi
II. TEIL. C0N80NANTISMÜS. 233
846. Chresbach 1075. Cho^no. Cho'nradus, Chinzechun 1099.
Kinzichun (5 mal). Kaltobrunnin (2 mal). Cünradi, Cüno
1125 — 1127. Kirichperch. Kiricperch 1 129. chernin 1 129.
Custordingen 1142. Kuonradtis 1126 — 79. Cünradus 1183.
Conradtis. CaHiwil 1220. Chirichberk 1116: Kilhberg 1237.
Kücperch 1240. Kilperc 1246. Clinginstain 1255: Glingen-
stain 1220. Keminata 1258.
/!:?) inl. geminirt: Neccarum 708 (2 mal), Isehhepurc
793(?). Gundachar, Gundachri 110. Cundachar 191? Fuccone
778. Buchilesperc 782: Bukelsperc 1179. Hacco 797. 834:
Hakonis 820. jPr/ct?Ao 797. 805 (?). Becchiandi 809. Ä^cHw-
Aeirf 797 (?). Oiokar. Erakar. Nekkargauue 861. Ueccenhtisa
902. Uekkenhusa 905. Stecchendenberc 1099. Botinakkir 1116:
Botenacher 1173. Stokka 1229. Weckinst (lin, Wechinsteine 1241.
Sfokerius 1253: Stocharius 1254: Storkariiis 1255. I'ecÄ:^
1232: TecÄö 1249: TeccÄß 1227: TeA;Ä:rA^ 1251.
/) inl. nach c o n s. : Scalcomannus 769. Folhrato. Fran-
chorum 771. Volcatnanno 772. Volcamaro 773. Marhdhala
776. Francorum 778. 786. 792. 797: Franchorum 778. 782.
785. 790. 797. Franghorum 790. Erchanberti 790. Erchan-
iired 797. Ercanpoldo 191, Marahtale, Folcholtespara. Antar-
marhingas 805. Genchinga. Ercanberti 806. Antiwarchingun,
Marahtale, chuuiltiuuerch 817. Imldanc, Marcfrid 838. Folcha-
rat, Staracholf 8d9. Starcholf 1125, Thanchinga. Thanchingas
846. mar CO. Dancholf, Folcmar, Erchendrud, Thenka 861.
Marcheiingen 861. Maracha, Erachanharti, Hunidanc. Dancmar
868. Schälkalingin, Schelkaliiig 1127. Twnschalkingen 1258.
Frankenhoiie 1152: Franchenhouen 1155. Marcwardus 1116.
1125. 1129. Marchwardi 1126—79. Marquardus 1253. Fo/c-
marus, Marquardus 1258. Blankenstain 1228.
J) inl. und ausl. nach vocal: Pachinchoua 758. i?iA-
fcoZrf 763. Takarichi, Huolderich 769. Bihgaerio. Waltrihho
769. Gundachar, Gundachri 770. Cundachar 797. Ebrachar
827. Bigtrude 773. Bihheil. Hadarico 778. Fiscbahc, Baturihc
778. Ä/A/>er^i 786. ÄÄinÄc 786. UtuUirih 790. Bihpertus,
Sigurihi 791. Bihpert, Helmrich 792. Uadalrih 797. Bihhart,
Bihbertus 802: Bihhart, Bichart, Bihbertus, Bicpret 803.
Paldarih 838 u. a. auf -n'A. Bihchinbah. Buachihorn 839.
234 III. LAUTSTATISTIK.
Erachanharti. Bachahold. Orfa/richo 868. Kirichperch: Kiric-
perch 1129 u. a.
Das zeichen h ist demgemäss mit der einen ausnähme
Folhrato 771 nur nach vorangehendem vocal verwendet,
im übrigen gehen die verschiedenen kategorien durch-
einander.
P actus: niarcha, caucha. Lex Harn: marchzand^
markzand^ marczan. marach, march. siniscalc. mariscalc,
-scalch.
Weingarter glossen A.: chuminti (conquestus).
zallirhe. liiipliho, gilih, ungaliho. mahont.
Augsburger glossen: «) zuoquemo. acquemon.
querbrunni, uircoufa. craffon, crafßlin. crouuiL gicastot, ano-
giclebis, crof, caragac. criffa. chriffoiu corbilin. cof philin, claffon,
uzcome, anacleip. clagon, clagoL cliuua, aacambi: achambi,
cullentar: chullentar, kanali. Dagegen: chuninlihes (l. vhuninc-),
chulupt (emuncturisi). chezila, chella: kella, erdchegü, gichnetin,
chornhus, cheuor, cheosinte. irchuolant, chttenon. chebisod.
chneht, cheolon, chinnibeini, churi, bichomint, kichos. chamer a.
chreftigo, chredemin (scatere). zuochrese (subrepat). urchunde.
mdargregilinimo (ostinato). ungeglagotar (inlamentus) : clagon.
giglenchis (conseris). hintergriogigi, (tergiveratione) vgl. hin-
derchriegi gl. Seiest.
ß) sakkari, locca, quecbrumii, floccon: floccho, facla:
fachüa. gihacta (percussi). diccho. blicchi (fulmina). secchü
(sacculum). anagibicchit: anagipichant (inpetunt). stacchü,
sacchinten (statt hs. succhinten exigentibus) vgl. sach-
chinten gl. Selestad. prunniroche (torace). itiruchchit (rumi-
nat) ? deckest (operies). stechon (sudes) ?
y) fjitrancta: gitrunchenemo, ttmcli, dunclor. hinter'
skrenclicho. stenchit^ stinchen. auuirchi, ßruuirchen, penchi
(fulchra d. i. fulcra). danche. bidenchin. kimarchot. kitrenchit,
et) chuninlihes, pleh^ plech, kisprah, ezichfaz. irrechido.
feddah. kimachar, gimacho, uualhapuh, bisprechin. kihileiches
u. a. Vgl. furihen, durih. anakifolohnen u. a. mit germ. Ä.
II. TEIL. CONSONANTISMUS. 235
Prudentius glossen A: «) clingelonten, deinen,
clibon, gicrinnoter carcare, clobelouc, ercrachchota , dagegen
cheminatun. chamari. chucilot. chelcha, chelli. vnchruL cholpun,
ß) dicxhi.
y) mercat (forum), tranchus, tanches, scalch. schenchit.
6) kiringilichez, herlihora. lustlicher, ciiolichi. blehc. huohc,
rihisocht. vuechi. leih, spaichone, helliloch. Gleichwertig sind
jedenfalls : snitelouc, c/obelouc, pruc (paludes), vgl. durec :
durich. lo^^c (flamma) siehe Weinhold, bair. gram. s. 180. 190.
Zwiefalter glossen: a) chulin, chouf. chunig-
licher. uochunnilinga, churbiz, chielon, chorbili. chullinter.
choppha, chezila. chellili, chraphin, cheuar chezzile, kichnet
(massa). mdirchramfero etc. cru/t crof. clager, crafphon, calc.
quitilonda. hinikalh. Beachte zeltgegil (paxillum: zeltchegil
Graflf IV, 362).
ß) brotbeiccerin (panificas). secchil. ßoccho,
y) scalg, falcho, storJc. calc. sceinchit (propinat). fleisg-
marchat,
S) kimachida. mih. rechare, durichstichit. puoch. bruoch,
heribo^^chan l zaichin. wochir. fetdacha. habich, tuchari. lericha
u. a.
Weingar ter glossen B. : «) chorp. chragun, chiel.
gechenetenu (^^gechn-). chanzelare. chrowil, cheziL chume^
linge. churci. chramph. firchoufit. chellari, chumin, urchunde,
u. a. Dagegen: uochcalwer. croph. crotmla, casewazer. ciphun,
crostila, carrun. curbez: churbeza. cappho (gallus),. kinnezan.
ß) dechi (decke), intdechenter. dichi. protpechnn, luchun,
irgaccizan (hs. irgiccazan).
y) sceincha. scenchun (pincerna). holzwercha, werchmeister,
hinderscrenchiger, marchato {laQYCdiio,) uurcida? torcla, danche,
chalche: gichalctiu, ualcha, scinchun (tibie). Gehört hieher
anchweiza : angweizzo Zf . ?
ö) gibachanan. buoch. tuchil, loch, bechare. durichstachen ,
ho^^hcstabon. manliha: manliche.
Schlettstädter glossen:«) cheuon. chiesin. piche-
rin, chunni. chouf an. cherdir (viscarium). chorn, choronte. kant
236 IIX. LAÜT8TAT1STIK.
l uirchoßt. chumen, chusM, churl, chutte, cheimph (athleta).
chuolL kichos, züchrese, hinderchriegi, chrumbinaso. chra,
chnorcin. chneth (knecht). hichnata : bignatata? cholbon :
külbon. chicherun : klcherra (cicer). cheuun : keuua. casi-
wazzer, kimdinne kamera. cestimm (castanee). unterquemo,
guirnübere : inchedin (respondere) von anderer hand. claffonde^
claffofitero. clobüoiich, clagot^ bidagoter cleino, cleinimo. cliua,
cleo, cleb. deddun, pideiptiu, creftiloser, creftidicho. creta,
gräfliche, crtift (cripta)?
ß) decchest, zuopiccho: anagipicdnt, rocchen, ßocchizin,
inlocchon, screcchot, iukchit: iucchinti: iuckilonde. sachchinten,
steccho: stechche, stekkin, sechil (sacculum). gismachen. wicküiu:
wicchiliu, Otakkar. pracchin — brackin, stukke. hantzukilinga,
gakicen. pitacte (tegeret).
y) kiniarchot, danchis, uuanchiliger. kitrenchit, theoch-
scenchiL pidenchin. stinchen. kistorchenen. marhstaine. auur-
china. scenchil. scenkiuaz: scenchiuaz, bitunkiltir, slegimelc,
melckubile: ci melechctdjilin : milichi,
d) aich, aichillon, sich, mich, machont, ungalicho. tveolichi.
stariche, etc. etc. wecchilter (iuniperi) vgl. z. b. wechüter-
boum Zf.
Prudentius glossen B. : «) cheva: kevon, chubolo,
anchunden. chinnecene. churzlicho. chust, chenu (anus). chirit.
(gemit). cholbo, chella, pechananter, chleibere (hs. dehibere),
clegon, clennan (gracili), deinen, cletio, zidouene, clobelouch,
inknehta. carazot (aus er-).
ß) Stechelen: stecchelon. iuchit. stucun (crustio).
y) auurcha. tvintrunchenen: tranchtis, kescalchta, schef-
scalchen, marcat,
ä) sticket, giuuich (cede). gilochitemo, laichin, leich.
Schwäbisches Verlöbniss: chuniges: kuniges,
chuorichen, chuozal. chorter. canzelare. buoche. ich (^nach:
nah) u. a.
Die mannigfaltigkeit der vorhandenen formen, kann
erst im Zusammenhang mit der ^^-Verschiebung beurteilt
II. TEIL. CONSONANTISMÜS. 237
werden. Ohne Schwierigkeit der deutung ist die Verschie-
bung von inl. k nach vocalen, wobei nur hervorzuheben ist,
dass nach dem zeugniss von formen wie schwäb.: r^9xt
(recht), wie w(^h' (weg) u. a. die im heutigen alem. noch
bewahrte velare articulation (vgl. alem. /x, schwäb. ix ich
u. a.) für verschluss- wie reibelaute auch für unser gebiet
vorauszusetzen, die Verschiebung ins palatale gebiet in der
nachbarschaft palataler vocale jüngeren datums ist.
§ 174. b) Media. Gemeinwestgerm, ist dieselbe jeden-
falls spirantisch gesprochen worden, nur in der gemination
und in der Verbindung -ng- herrschte verschlusslaut. Es
muss in erster linie festgestellt werden, wann und wie
weit die Verschiebung zum verschlusslaut erfolgt ist, die
beschaflfenheit des letzteren kommt erst in zweiter linie in
betracht.
Aiim, 1. Für -»(9^- begegnet widerholt -^^- : siggulos l%b, sigculis
797. Conniggas 798 : Conninga 797. liggen (= linken) Griesh. predigten
I, 23; vgl. Zsfda. 20, 158.
Folgende Schreibungen sind zu constatiren:
Wirtemb. urkundenb.: a) anlautend: Gote/ridus,
Godafridus 708. Lutgqrus, Uualgaero 758. Gramavvi 769.
Cotannivvi, Ragingaerus 769. Gundachar 11^, Cozherio, Hart-
ker 771. Callo. Grinberto 11^: Grimberto 776. Cartdiuha. Cund-
poldo, Rammackeuiii 11^, Liuzcauuia 11^, Ceizman, Otgaer
782. Berachtcozus. Nandgeri 785. Kericho, Cundoloh 786.
Rtiadker. Otker, Linzgauginse 786. Ceroldus, Gerolto. Helmcoz
786. Cozbertus. Geraldo, Uuittgauuuo 790. Gersinda 790. Keha-
sinda 791. Cimdhartus. Ruadger 792. Keilo 797. Heidkauge.
Cundachar 797. Gaersoinde, Nandhker 797. Cundvni. Kagan-
hart, Kerboldus 802. 808. Cundpreht Nidger. Otget^ 802. Crua-
ningun, Ghisalured, Cundhart. Gaerhart 805. Genchinga,
Älpker 806. Mahtcunde. Uuiligund. Ruadcunt 809. Gerluirti
817. Kisalfridi. Kisalmari. Cundpaldi. Utiolfcoz, Heidcauue
817. Nibalgauge 820. Cundpret. Heriger 834. Keroldo 838.
Cotalinde, Gerhart 838. Cunthart. Germunt. Ctindram 839.
Kaganharti 846. Giindwino. Gnmoldi 856. Grinbingaro. Uua-
lahgrim. Otgrim. Gunderun. Gundrud. Adalgund, Engilgart,
Giselmunt. Gisalharf, Gerhart. Gozbert. Gozhelm. Giselpert,
238 in. LAUTSTATI6TIK.
Gerumnt 861. Cofesilegim, Kisalperfi. Cozpert. Heriger 868.
Kerhart, Hiltigero 882. Gebehardu Geroldistorf. Gotefridus,
Gerboldus. Gisifigin. Guntrammtis. Grünen Widechen 1099
etc. etc.
ß) geminirt: Ackiolt 770. Ecchiardo 790: Eghiharti
790: Ecchihart 805. Eccho, Eckihart 834. Eggihart 861.
Egehart 868. Taneccho 1099: Tannegga 1116. Crauinegge
1092. Äwy^e 1175: /?<«ä:^ 1181: i?t«;cAe 1192. ifeccA« 1204.
Ekke 1229. Sperweresecche 1192: -^ri^ 1251: -e^r^e 1251.
y) in- und auslautend: Magulf us 708. Duringas
752. ffwi^. Uuicohaim, Uuigahaim 763. Äpfalaga, Entines-
hurugo. Takarichi 769. Ragingaerus. Wichardus. Fastranc
769. Burichingas, Willamundincas 772 : Willimundingas 773.
Haghico. Radbergane, Roding 773. Agylolfus, Ragynulfm
776. Theotinc 11^, Sighiman 782. Woldregi 785. Loncobarto-
rum 785. Ekino, Ekllperti, Reginbald 786. Rekinhüt Akipert.
Sikibert, Sikirihc 786. Agino, Ekilolf. Ekibert Nagaltuna 786.
Ratinh 790. Reginbertl 790. Reginharti, Reginfrid. Sigurihi,
Uuinburc 791. Aginone. Uuicharfo 792. Hugiberti 797.
Hartuuic, Bernuuic, Rantuuic 797. Kaganhart. Uu^golf. Regin-
heri 802. Uuagingas. Ratific 802. Uuago. Sembinuuanc. Agi-
nonis. Reginoldi. Reginger: Hugibold 805. Fagund, Dheotuuic.
Palduuic, Uuillihurc, Reginhardi, Meginhardi 809. IngoUesuuis.
Uuicharii 817. Taukindorf. Sikiharti. Reginbaldi 817. Eküolfi
820. Sigiram 838. Reginfridi. Egina. Rantuuich, Thiotpuruch,
Hiltipuruch. Bernmiicus 838 : Bernuuigus, Meginfrid, Sigihert,
Reginger^ Reginhard 839. Kaganhart. Egilharti, Egüberü
846. Engilgart 861. Sieger, Sigimar, Reginger 868. Regln-
lert 882; dagegen Reinwin. Reinboto 1099. Meingoz 1129.
Sigeboto 1253: S^6o^Ao 1258. Isenburk 1191: Isenburch 1246
u. a. Vgl. auch /?aco 773. 785. 792. rocamY 785 u. a.
Anm. 2. In ältester zeit begegnen vereinzelt die Schreibungen
-a^- für -««- : Leupagde, Wolfagde, Ägde, Ähalagde 772. Volfagde,
Lobehagde, Janogde? 773. (Elsässische Orthographie? ygL Strassburger
Studien I, 226.)
Von anderem zunächst abgesehen ergibt sich, dass in
der zweiten hälfte des 9. jhdts. im anlaut die Schreibung
g in bedeutender majorität die oberhand gewonnen hat.
II. TEIL. CON80KANT18MUS. 239
Inlautend bilden von anfang an i, c die ausnahmen. Die
seltenen gh : Ghisalured 8U5. Haghico 778. Sighiwon 782
sind auf die Stellung vor i beschränkt Wir beobachten über-
haupt, dass c, k nur sehr selten vor den primären palatal-
vocalen e, i (characteristikum einzelner vielleicht fremder
Schreiber) gesetzt worden sind: Kebasinda 791. Kisalfridi,
-mari, Taukindorf. Sikiharti 817. Ekino, Ekilperti 786. Re-
kinhilt, Akipert. Sikipert. Sikirihc 786. Ekilolf, Ekiiert 786.
Eküolfi 820. Das normale ist durchaus -g-,
P a c t u s : caucha. Lex A 1 a m : uuirigild, uueregeld
vgl. urk. vveregeldos 786. vveregeldo 817. morgangeba^ -gheba,
pulislac^ -lach, palcprust. buric, tautragiL
Weingarter glossen A. : kelt. ga-^ ka-, gi-, ki-,
heimprunc, crimmor (sevius) dagegen piuangan vel pisaget.
uuaganleisa. infraget, fhologo. einmgi, navigo. sohunga.
Augsburger glossen: et) ki-, gi-, ge-, argluoit,
grinan l glilon, glouuar. gluotphanna. glostat, germizzunga,
gastivissi, gerno. grephti. grintila. grabas. grint guz, ungigurtit,
feldganc. goculari (maleiicus). Dagegen: cruannosate (uirides
sationes). cabolrind (circinno).
ß) ruchilingun.
y) giiagotemo. gelegen trogon, trugi, suntigosto, ingagen.
bitrogen, gislagan. nagal, negiL egalun, igil, irbelgen, mago,
uuagan. niunouga, ringa, erdchegil. carugar, irdiges (inpe-
trabis). gidigino. lugi, magitheide. ßrsegiter, trizzigiarigmo,
kiduving etc. bitrouchin (fefellit cum), (irmbouch (braciale) :
pouga. antfanchlich. rudich (inpetiginem). kinuhsarnen (steht
wie in den Schlettstädter gloss. und ZBR gnulisamir für
kinühtsamen). Dagegen: simtirikiz. uncitikemo, araki. haruc:
harca (nemus, nemora). secoton (secuerunt). dinv : dingonti.
arpalctos, erbalc sich: irbelgen. gilancsamot. giziuc, feldganc,
Prudentius glossen A: gi- fast allgemein, fe- sehr
selten: kiringilichez. g- die regel, ausnahmen: cuoUchi. kuoti,
kirit.fronakelt. cuibiziken. (;'^^^'oc(portenta). scKzilinc, Ebenso in
den Weingarter glossen B: g allgemein, nur: kizalo.
kibrachotaz. kalstruntes (incantantis). kiahter. firkebin, crepil
(paxillum).
240 III. LAUTSTATISTIK.
Beachte buch (bug). huorlinch. oster fmsginch. dinchuse,
uzganch, ouchsiimger (euidens). halsbouch, armbouch: arm-
houc, slac. ursprinc,
Geminirt: in gewikin (in competis). mugun: muggun,
einougen,
Zwiefalter glossen: a) gremizzunga, gelph. grawin.
grefti, gigleifta, grasiwrm. gumhrer. gullin (tinniebant). brut-
geba, wingariin, gelewi u. a. Aan/wt«(? ; (^aram Ai- allgemein:
gimaht (uitalia). gitua, giuntan, kebile, unkikurtiv. kerno, kifti.
crint : grindila,
(i) surouger (al.- ougker), unkiwikkin,
y) fertika: enstigiv: ahunstiga, bitrokiniv. kisegiti, antse-
gita: sekitin (retulerint). bilegit. ekisen (monstra). undiruigi-
Iota (interrasilem) vgl. Jac. Grim. gram. I, 157 : underuihilot,
vgl. kefielotero, fihlot Prud. gl. B. fokilon (aucupio): uogu-
heris, steika, neiki, ubirmorkine. steokila, felka, zuobrunkini,
thinge, hamirslagare. chuniglicher, trogiin, annbouga, waginare,
heigr, folgari, becigin, kibagta (perussi). puozwirdigora, waidi-
burigi. hagan, kislagon, umbihang, palawig u. a.
Schlettstädter glossen: «) ga-, ka-, ke^, gi-^ ki-,
girrit, graiffonten, grimlichor. gelt, gnadigor, galm. ingeiltist.
gaizza, gartleofh, ungrade, gnokint, wolga (age). uzgat. gekaro'
won, keront, kelesuht (al. khela-), kahi, forebikoumit. kitigi,
irkeozzint, clesinen (uitreum).
ß) wegkin, wekkinten (motantibus), weht, kiwekita ; wecke
(cuneis). piualkint (vendicant)? zi rugge, egger inch (gurgulio).
girigge (serta). aggun (spicula).
/) dinghus, dingman: tincman, manigfaltikiz, stungta
(impulit). zuigta (uellit). sorgsami, langsami: lancsiuht. taga.
fogil, slegibatta, darin gegine: inkekin. egila, egidehsa: ekidehson,
riutsegensa, hegidrusi, hekitulnn, egisliclia, kiiegit: iagont:
iakon, firsekiter. ubirseklt, bilekito, ratfraga, degen. zagaheit,
magitheit, kinüg, kiziug. sculdig. ougsunig. kitigi: übermezziki,
trizigiankimo, cleblrik kitriigida: trukinot (mentitur). taki-
Sterne, iunkistin. ankin : ango, ubirfenkida, bidvinkit: kiduing,
kituang, prinkinta, piuankiniu, vingiri, volgunga, kidwngin,
kifuokida, bitrokin. akileizzi: agalelzzi. heikira: heiger, irhu-
kita. araki. trok, Hük (aratrum) : pflogis, tolc (uleus).
11. TEIL. C0NS0NANTI8MÜS. 241
Prudentiusglossen B: ke,ki: ge, gi, kalsterare, kei-
selon, kebanoto,
ingiltet. zegehiniu, garabinti (exculpens). citigen. un-
uertigen, zuhtigen, finfceniarigin, zunga, bihiigit, intsigilta.
arigu, uurmazig, handegen, hantSlagota, zagele. urspring.
umbihanga, berc, snitelinc. Beachte anelit {= ligit).
ImWeingarter Reisesegen ist g allgemein (doch
funfzic), ebenso im SchwäbischenVerlöbniss ausser :
schillinch, genadich. Geminirt: egge.
§ 175. Die sprachgeschichtliche beurteilung dieser
ältesten Schreibungen ist ausserordentlich erschwert. Was
zunächst den anlaut betrifft, so wird es nach den urkund-
lichen formen, den fast alleinherrschenden ^-Schreibungen
der Augsb. und Weingarter gl., für ausgemacht gelten können,
dass die k- der übrigen jüngeren glossenhandschriften ihrer
älteren vorläge entnommen und restweise sich der Um-
setzung in moderneres g entzogen haben. Im 10. jh.
wurde bereits anl. g- geschrieben; für den in laut bilden die
Zwiefalter und Schlettstädter glossen mit zahl-
reichen k neben dem sonst regelmässigen schwäb. g merk-
würdige ausnahmen, die vielleicht auf ursprünglich nicht-
schwäbische vorläge zurückweisen, vgl. die zahlreichen inl.
k in bair. denkmälern, der ahd. St. Galler Benedictinerregel
und in K** (Kögel, über das Keron. glossar s. 110). Im aus-
laut ist die Schreibung -ch für Augsburger und Weingarter
glossen gleichfalls characteristisch, -c findet sich nur in Zf.
nicht, -k ist eine besonderheit der Schlettstädter glossen.
§ 176. Zur feststellung der lautwerte für verschoben
k und g ist als von einem festen puncte von der verschie-
bungsstufe der betr. geminirten laute auszugehen. So-
wohl für 'kk' als -gg- begegnet die Schreibung -cch-, vgl.
blicchi, diccho, floccho, decchest u. a. wie Ecchiardo, Ecchi-
hart. Taneccho u. a. Auf keinem dialectgebiet kann aus
'99' > ^^^ (d. i. ^eh) geworden sein, die Übereinstimmung der
bezeichnung ist nur erklärlich, wenn -cch- = kk = gg gewesen
ist (auch auf fränk. boden vgl. MSD 2 s. XXV. 293. Tatian 88, 7.
Braune, ahd. gram. §§ 143 anm. 2. 149 anm. 7. Holtzmann
Kauffmann, Fr., Geschichte d. schwäb. Mundart. Iß
242 III. LAUTSTATISTIK.
altd. gram. I, 266. 272. 273. Strassburger studien I, 235 f).
Dass dies thatsächlich der fall, beweisen mir vollends die
parallelschreibungen -cc-, -kh-, -k-, resp. -gg^ -cg- (vgl. auch
mhd. reime zwischen gg und kk bei Jac. Grimm, gram. I,
374). 'Cch- hat also sicher auf unserm boden den wert
eines verschlusslautes ; nach den oben verzeichneten Schrei-
bungen darf schon für die älteste zeit identität von -gg-
und 'kk- statuirt werden: in beiden fällen trat lange guttu-
rale verschlussfortis ein.
Nun findet sich aber auch -cA- vgl. Botinakkir: Roten-
acher. Tecke : Tecche: Teche, deckest Augsb. gl.: decchest,
Schlettst. gl. dicchi Prud. gl. A: dichi Weingart. gl. B
u. a. Auch hiefür wird nach dem obigen dem ch der
wert eines verschlusslautes beizulegen sein, doch ist zu be-
achten, dass wahrscheinlich in alter zeit noch vielfach
doppelformen bestanden haben, die jetzt beseitigt sind,
vgl. facta: fachila Augsb. gl.? Es ist z. b. an sich un-
möglich, für formen wie sechil, achar, deckest u. a. ajBEri-
cata resp. verschlussfortis zu erweisen, nach den regeln
über den eintritt der westgerm. consonantendehnung war
in denselben der einfache reibelaut regel, die heutige lau-
tung kann nur aus andern zugehörigen formen übertragen
sein [achar : akkres etc. ; für die ch- Schreibungen bei Ot-
frid, die ebenso aufgefasst werden müssen vgl. Holtzmann,
altd. gram. I, 274). Die möglichkeit der geltung von ck
als verschlusslaut betrachte ich doch als erwiesen. Polglich
ist dies ohne Schwierigkeit auch auf den etym. k- anlaut zu
übertragen. Dafür sind geltend zu machen 1) der durch-
gehende Wechsel der Orthographie zwischen ck-, c-, seltener k-,
2) die allgemeine Schreibung cl-, wofür nicht
ein einzigesmal ckl- begegnet. Diese merkwürdige
Sonderstellung ist bereits für das fränk. gebiet von Wil-
manns-Nörrenberg Beitr. IX, 385 anm. 1. hervorgehoben;
sehr häufig ist auch er- neben cAr-, dagegen bildet ckn- wieder-
um die regel. Es ist undenkbar, dass etwa kl- hätte unver-
schoben bleiben können, vielmehr liegt hier ein sehr treffendes
merkmal für die allgemeine Verschiebungsstufe, das mit
allen andern zusammen unwiderlegliche beweiskraft dafür
\
II. TEIL. CONSONANTISMUS. 243
besitzt, dass anl. ä:- auf unserem gebiete unverschoben
geblieben ist. Hier kann gleich angeschlossen werden,
dass diese Schreibung c/- auch die Verschiebungsstufe von
anl. cj- sicher stellt: vgl. ungeglagotar : clagon Augsb. gl.
umgekehrt clesinen (uitreum) Schlettst. gl. cruannosaie
(uirides sationes) Augsb. gl. u. a. Die anlaute müssen schon
in dieser alten zeit sich so nahe wie heute gewesen sein
(neutraler verschlusslaut § 155, 4. 5).
Nachdem diese Positionen gewonnen, bleibt vorerst nur
noch für inl. h nach cons. die Verschiebungsstufe festzustellen.
k ist in dieser Stellung zum reibelaut vorschoben,
wenn svarabhakti-entwicklung stattgefunden hat,
ohne dieselbe ist k erhalten. Vgl. u. a. Marcfrid:
Marahtale. slegimelc (Jac. Grimm, gram. I, 150 anm. 158.
Sievers, Beitr. IX, 212): milichi. werc: werah. calc: calah.
siarc: starah etc. stor'k: gemeinahd. storah; stqrlc hat nicht
bloss die heutige ma, sondern ist auch durch Steinhöwels
Aesop sto?'k. storken s. 111. 126. Herman von Sachsen-
heim, Tempel storcken: morcken 583 bezeugt vgl. Germ.
17, 80 storken, Augsb. chron. 5, 459 storggen, Zim. chron.
stork u. a. Nach n ist in allen fällen ch = k; letzteres ist
wiederholt geschrieben. Nur für den hochalem. dialect gilt
auch hier die Verschiebung von -Ik, -rk, -nk > -Ich, -rch,
-nch; in den fällen mit germ. oder westgerm. -Ikk- etc. ist
-Ikch' etc. entstanden, im niederalem. und schwäb. sind
beide categorien in Ik etc. zusammengefallen.
In- und ausl. nach vocal ist k zum reibelaut ver-
schoben, wie dies die Schreibungen ch, h (auffallend selten
-M-) darstellen.
Anm. 1. Die Verschiebungsstufe anl. Jc-^ inl. -kk-, -Ik, -rk^ -nk
intervocal. und ausl. -ch hat seitdem als merkmal fränkischer dialecte
gegolten vgl. Braune ahd. gram. § 143. Aus Heusler der alera. cons.
s. 51 ff. (wozu die Verschiebungsstufe in K** bei Kögel, über das Keron.
glossar s. 83 ff. au vergleichen ist) geht hervor , dass mit dem schwäb.
auch das elsäss. und niederalem. zusammentrifft. Die seitherigen an-
nahmen lassen sich nur für das hochalem. aufrecht erhalten. Vgl. Bach-
mann, Schweiz, gutturall. s. 16. 40. Winteler, Ker. ma. s 50. 60 f. DM.
YII, 333 ff. u. a. Braune ahd. gram. § 144 anm. 4. Holtzmann altd.
gram. I, 270.
16*
244 III. LAUTSTATISTIK.
Anm. 2. Nirgends tritt so klar wie bei dieser fc-verschiebung
die bedeutung der Orthographie hervor. Die von Eögel über das
Keron. gl. s. 71 gegebene directive trifft meines erachtens nicht das
richtige, weil unsere handschriften vorwiegend copien sind. Sie stellen
meist kreuzungen zweier verschiedenen einflüsse während der schreib-
thätigkeit dar : der Schreiber steht teils unter dem zwang eines fremden
schreibusus, behält eine Orthographie bei, die in anderem district mit
ganz andern lautverhältnissen ihie heimat gehabt (für unser territorium
hat jedenfalls St. Gallen das vorbildliche muster gegeben), teils wirkt
das natürliche streben in der eigenen zunge zu schreiben, die an dem
fremden zeichen haftenden fremden laute zu vermeiden, und die indivi-
duelle Schreibung bricht durch. Eine dritte möglichkeit ist gewiss auch
eingetreten , dass nemlich einzelne Wörter in fremder lautung aufge-
nommen worden sind (lehnwörter; dialectmischung), nur lassen sie sich
meist nicht mehr constatiren und vom stammheitlichen material sondern.
§ 177. Für die Verschiebung von g ist bereits inl.
'k' fortis im geminationsfalle und anl. verschlusslaut, wenig-
stens vor consonanz, festgestellt und auf eine Unterscheidung
zwischen g vor hellen und dunkeln vocalen hingewiesen
§§ 174. 175. Dass die letztere berechtigt ist, geht daraus
hervor, dass vor i der nebensilbe g geschwunden ist, urk.
seit dem 11. jh. nachweisbar, die glossen zeigen -egi-,
-eki-, -igi jedenfalls in überlieferter Schreibung gegen die
ausspräche. Beachte indessen anelit der Prud. gl. = anliht
ZBR. Urk: Reinwin, Reinhoto 1099. Meingoz 1129. Sibotho
1258. Vgl. ferner Ahd. gl. I, 328, 29. 852, 28. 331, 14. 390,
26. 420, 40. 699, 49. 706, 36. II, 135, 70. Otfrid P gileiti
I, 11, 33. V, 20, 108. Dieselbe entwicklung ist in den
optat. formen der ursprünglich schwachen -ön verba einge-
treten vgl. machoge u. a. § 182. In alter zeit haben be-
reits abgeschwächte formen wie machege , machegi (Beitr.
XIII, 471) bestanden, und darauf beruhen die fälle der
ZBR: müdei. volgei. segenei. masei, irvolleL temperei, hezzirei,
rüwei, plur; dienein [ahteigen, segeneigen nach den singu-
laren); doch ist nicht ausgeschlossen, dass optat. ohne -i-
resp. -g- entwicklung (vgl. Braune ahd. gram. § 310) zu
gründe liegen: machoe > machee^ machei. Dazu kommen die
widerholten -gh- vor i, die sich aus andern gebieten leicht
vermehren lassen, vgl. Weinhold, Isidor ausg. s. 87 f. Socin,
Strassburg. Studien 1, 194 ff. Henning Vocab. St. Galli s. 131 flf.
Kögel, Beitr. IX, 803.
II. TEIL. C0NS0NANTISMÜ8. 245
Ich nehme an, dass palatales g vor i sich überhaupt
länger als reibelaut gehalten, und später als vor andern
vocalen sich zum verschlusslaut verschoben hat. Diese
Verschiebung hat auch der zweite palatale reibelaut /; der
vor hellen vocalen mit etym. g vollständig identisch ge-
wesen, mitgemacht, aber erst, nachdem derselbe vor guttu-
ralen vocalen, in welcher Stellung er zum unterschied von
g gleichfalls palatale articulation bewahrt hatte, (vgl. ags.
-^od gegen "^eoc u. a.) zu / geworden war. Der palatale
reibelaut existirt heute noch in der endsilbe -ix und vor
cons. wie in sext^ jaxt u. a. § 157 anm. 1. 2. Vor i in
schwacher silbe nach palatalvocal ist dieser reibelaut ge-
schwunden: lU aus ligit wie bicht aus biiiht, higiht, vgl. auch *
brtdle dim. zu Brigitte (Tuttlingen). Dagegen vor i in
ictussilbe ist sowohl für/ als für ^ stimmlose verschlusslenis
eingetreten, wie bereits in älterer zeit für g vor den übrigen
vocalen sowohl im an- als im inlaut ; der Wechsel zwischen
g und k der Schreibung, wird jetzt um so mehr begreiflich, wenn
für g noch spirantische ausspräche gegolten hat. Möglicher-
weise erklärt sich so auch die auffällige Schreibung -g- in (nhd.
feige ficus) uigeffli: ficheffele Ahd. gl. I, 481, 18 (lapastes
caricae) Augsb. Vgl. gl. figono (caricarum) Ahd. gl. I, 394,
6. 404, 20. ficus »n 711, 13. 787, 33. ßgboum Otfrid H,
7, 64 : fichboum. Grieshaber's predigten II, 39. fichboum : ßg-
boum Ahd. gl. I, 516, 57. uuilda ficpovma, al. uich- Ahd.
gl. I, 439, 7. 600, 19. 634, 50. 672, 56. Ich glaube, dass
im silbenauslaut spirantische ausspräche in der ältesten zeit
allgemein gewesen, erst allmählich nach den inlautsformen
auch im ausl. verschlusslaut sich festgesetzt hat, vgl. arm-
bouch : pouga Augsb. gl. ebenda bitrouch : bitroginuvirdit
(fallitur). riidich. Prud. gl. A: buch, halsbouch, armbouch, ouch-
siunger und jedenfalls besagt, was wahrscheinlich noch
viel weiter auszudehnen ist, c in derselben hs. (§ 173
getroc, armbouc. slac) dasselbe. Man erinnere sich der
zutreffenden formen: wech Lanzel. 414, ebenda krac: slac
4775. burch : durch 5523, vgl. Pfeiffer Freie forschung s.
416. Dagegen scelige: sige 4569. Iwein mach 4098 (vgl.
Lachmanns anm.) Armer Heinrich 1264. 1274. sweich: be-
246 111. LAUTSTATISTIK.
streich, pflach: geschach Iwein 3473. 4431 (Paul Beitr. I,
375. 382. 539). Der Wechsel zwischen -ix und -ik beruht
gleichfalls auf der Verschiedenheit der silbenstellung vgl.
palawig: fertika Zf. sculdig : manigfaltikiz etc. Schlettstädt-
gl. Danach ferner formen wie clebirik resp. kitigi etc.
Nach n ist aber zweifellos auch im ausl. verschlusslaut
[aspirirte fortis] gesprochen worden.
§ 178. In den späteren denkmälem ist der heutige
zustand überwiegend auch in der Schreibung ausgeprägt
vgl. ZBR: kunc, kunt. kamen, kuscht, bikeret. kint, kurze,
kuchi. kornin. cappun, acust: achtist; mit svarabhakti in
kenethe (seruos). kiniwe {genihus) : kniv. Dagegen chor. wüle-
kur: willichur. inkain, {in)kaine , inkaim etc. sind bereits
sehr häufig, vgl. urk. 1292 dikains, dikainer. 1296. 1298
dekainen neben kainer 1287 dechainiv; noch 1530 dekain,
werke: werchhi, gedenke, bedunkit. gisterkit: stercher, kranken
neben einmaligem kranchin 36*. trinkindn etc. neben trinchins
39^. merchit, merchind, c im auslaut: alrstercstiu: ster-
chirm. wercman. gidanc. volcs. kranc. Stets closter. claine,
clainstem^ clainem etc. clagen, auch crone. crist criege neben
kraft, krankait. knistungi. Geminirt; weckind, dicke: dich,
dicche. erscrocchen. : irscrecht, screchunge (terror). accher:
acher (vgl. urk. 1297 accer. 1310 aker). zu locchunt; für ch
in : wocchen. siecher, sücchen, bricchit. iocche u. a. roc neben
rocA, röche, rocche ist zweideutig, da -c auch -ch vertritt
vgl. zaichens: zaicnunge. sprac: sprah, noc (adhuc). väztüc.
gesac. sie: sih, ic: ih, declac (lena). büc (codicem). bückamer,
bücliv. mugelic^ vrauillic, unverzaglic, gemainlic etc. Demge-
mäss auch sicher mit reibelaut: hailic. bedahtic. gaginwertic,
unwirdic. manic, vberic, hohvertic. sculdic vgl. ainich neben
ainic, underlich (suhisiceat). wider war tichiu; widerwartic, doch
auch -g: hovertig, üppig, hailig. wirdig. trurig. scuMicgen
etc. wissag : wissah : wissach : wissac, munich : tnunic:
munih. og : oh. dog (tamen). degan (decanos) : dechini
(decanias), folglich strig (laqueum) = strix, ebenso sind
wahrscheinlich die analogen fälle bei Notker (Braune,
ahd. gram. § 144 anm. 4) zu deuten. Spätere Schreibungen
wie unglig (z. b. Aesop s. 60) bezeichnen aber sicher den
II. TEIL. C0NS0NANTI8MUS. 247
verschlusslaut. Danach scheint es, dass auch c neben g in
wec: weg, swaic: swigh (silui). tac: tag, mac: mag: mach
noch unverschobenen reibelaut darstellen; nach n ist ausl.
-c die regel : ganc, dinc, gienc : giench, gisanc : gisange. anuanc.
G eminirt: rucgen. Übereinstimmend lauten in Grieshabers
predigten: wirdic. gencedic. hailic dac: dach (tag), drisec,
mac u. a. dinc, gienc, künc: künige. ganc etö. Ebenso anl.
h- : kindelin, ker etc. gegen clainer. clainaden, clamm, cranc,
creft, cnet (knecht) u. a., die nicht schwäbische masse hat
häufiger anl. wie inl. nach cons. ch (chom : kom. wolchen,
volch. merchen etc. aber claget). Für ausl. -gr gleichfalls
-cÄ: gelobich, mach, zornech, spizzich: spizzige.künech: künege.
mrdech hihtich, lach, lach: lack, phlach: phlag, manech:
manger, wech, berch etc.; ebenso dinch, ganch u. a. Wein-
garter predigten: cham, erchüle, gedenchen. chlaidern,
erchennnit, chd'ft, chrumben : irkennent, clage, verkiesen, kinthait,
chaizer: kaiser, charchcer : karcher.
Im Augsburger stadtrecht von 1276 für -g:
trüch, geswaich, tach: tage, wech: wege, dinch, manich:
dürftige etc. (im Lehenbuch: burch, burchgraben: burk-
lehen : bürg). Ferner kauflüte, kumt, kamphe. kirchen.
schenket, anhenken etc. gegen chunt, chomen, bechante, chint.
chom: körne; beachte clagen, clager, klainen: chlainer, mit
historischer Schreibung, die sich in Augsburg und Ulm
(urk. 1294 chunt: kunt) unter dem einfluss bair. Orthographie
(vgl. Weinhold bair. gram. s. 186) sehr lange gehalten hat,
vgl. noch aus den Augsburger rechnungen D. Reichs-
tagsakten II, 358 flf (a. 1390—1405): chomen: kamen.
Chüntzelman: Küntzelman, a. 1417 (a. a. o. VIT, 330) ver-
chünden: verkündent. Im liederbuch der Hätzlerin ist k-
durchaus die regel, doch beachte : ich bechenn, chain. ver-
chünden. chinder, chomen, chauffen, chofn kofn vnd chofn
behennd 192, 95 etc., dagegen auch hier clagen, claffern,
clainen, dingt, clopff, claidt, creften. So auch bei Mynsinger:
ciain, clainer, clawen, clafter, clug, dar, clee, clopffent. cluft.
crafft doch chomt. chainer, erchennen. Ebenda kalch, kaum
gleichwertig kalg Aesop s. 71 sowie balg s. 231: balk
s. 220. zuken: zugt s. 220, vgl. verdegt Ehingen s. 11.
248 III. LAUTSTATISTIK.
Zim. chron. heglich =keklich Aesop s. 44. Bei dem XJlmer
ßuland: chauff, cluiuffen: kauffen, schickn: schikchen:
schikhen, geschickt: schickcht, vermerkt: vermerkht: vertnercht,
markcht. ausschenkchen. Handschriftlich: Tristrant:
dag. clainet, ciain. Das ostschwäb. anl. cä- ist besonders ver-
treten in cod. pal at. 101: chündig, chaiser, chainen, cham.
chreüter, keuschait, kranckhait, ka^m. claine. clüg. henckt u. a.
cod. theol. et phil. 54: chron: krön, verflekkent, smakkes,
schuldik : zornig, dink : ding, no. 68. clayder, clagen, duntg
dich (dünkt) ebenso sengt (senkt); geminirt tracken drachen
(verschoben -cA- ist mir in unsem denkmälem nirgends
begegnet), no. 74 : clagent : klainü, leketen, gedrukket. keklich,
cod. bibl. 28: amhlig{g), strigg, erkigg mich; ebenso du
mugg (fliege), cod. poet. et phil. 23: hauggen (hacken).
Ii7ig hand, lingsitig, drieggecht, cod. theol. et phil. 11:
schickest: geschigt. ruckin mell (roggenmehl). no. 17 : dag,
claid. ciain.
Ausl. -g erscheint im stadtrecht in der regel als
'k: mak: mag. schuldik-, schuldic: schuldich, totslach: tosdac:
toislak. honik: honiges, drizzik. zmfeltik, ledik: ledic. scehzik:
scehzigen. tak: tages. burkreht: hurchreht: hurcreht, wenik,
diuhik: diuhigez u. a. Vgl. noch in den Weingarter pre-
digten: manich. buortich (gebürtig), künic: künige, ledich:
ledic (sowie auch essig: essich Aesop s. 54. 55. keffic käfig
s. 174) ; anl. k- wechselt auch hier mit ch- : kumet : chume etc.
Herkommen: bekante. karren, korhern etc. costen,
ciain. cläger. beclagen. kranck. knecht; im stadtrecht von
Rotweil ist dagegen die Schreibung kh- üblich: khinder,
khünftig, oerkhünden; vgl. bei ülr. Krafft: khomen, khinde,
khundt schafft, starckh. zuruckh. fleckhen. volckh. In der Zim.
chron. ist k, c allgemein, doch an einzelnen stellen noch
chraft, chron, chundig [ebenso fremdartig sind auch: aug^
äugen, zaichten. megte (möchte). scherchen\ dagegen sarch
wie arich (arg), gefetterich neben -g; zu beachten dag, claffer,
clafter u. a.
Anm. Siehe Harsdörfer bei Schottelius ausführl. arbeit s.
206 (vgl. 8. 214): nonnuUi literam c tanquam peregrinam in ch aeh et
peregrinis vocibus tantum retinendam existimant in pure germanicis
II. TEIL. CON80NANTISMÜ8. 249
vero k substituunt et sie nostro quidem judioio reote scribunt Cantzeley,
concert etc. perperam vero clagen. dar, caal loco klagen klar kaal etc.
Aus dem ur kund e n mat e r ial führe ich auf: kvnt, clage,
gecleget, werche. chovfen, geurkundot 1287. ze chovfende, nah'
chomendo. vrchunde: geurkundot, march 1292. edieren, nah-
comendo 1293. ze kovfenne, verkaufet, dkkern 1295. künden,
agkir 1296, vgl. aker 1351. 1362. oeker 1345. äckerli 1412.
acker, achker 1483 etc. agger 1427. nachkomen, closter 1296.
schenche 1296. shenke. gehenket, ze kd'ffene. akker 1298. kranch,
werken, ko^'fende, ko^fe, marke, cekern 1298. erkennen, Main
1298. dtmcket 1299. Chünrat 1303 (sonst A-). dunche. kunt-
Schaft 1305. chovfende, kvnt, choufe, kint, verchoufen. chsters
1315. nachcomende : nachomenden, kinder 1315. hockeli 1317:
högkeli 1330: hokli 1336. i^efer {Nekers 1413). cÄamer, ,
chaine 1318 : A;am 1322. nahkomen, erkiesende, kur. he-
krenken, dekainer: dehainer, dikke, verstrikken 1326. werke,
ägkern 1327. kernen 1333. burchart. nachkomen 1338. kupfer-
smit 1358. crwces. kirchen, karfritage, dvnket 1362 etc. Für
^ sind nur die auslautsformen bemerkenswert*: Ulm: shuldik.
vierzek. ztveinzek. geziuk, gerwik 1270. Hedewik, geziuch 1275.
tak: tage, ahzik. dink 1289. tach, nünzeg 1294 u. a. Dahs-
berc 1292. zewainzeg, nünzeg 1296. -ig'. 6wrc. tag 1296. ^ajr.
-6wr^ 1298. ewich: künftigen, kriec, nunzec 1298. nivnzech
1296. wirfenberch. mack (; macA 1293 vgl. macA^ dw .* du
machst, magst Aesop s. 63. 64. 69. zwergs = zwerchs
s. 184). gezivch 1298 : gezivgen 1296. ledic. mac, trisecke (30).
dacke (tage) 1302. zwainzek. drizek 1307 : drisig 1335. drissig.
fierzig 1348. /erfijr 1314: Wie 1317. zinstage: tak 1347,
Pfennig, tag. ansprächig 1333: ^aA;. ansprdchik 1337. kilberg.
tag 1338 u. s. w. Nach w ; hornunc 1296. öfiwcA 1298 : dmi
1330. schillinch 1307. /ancA 1352. 1365. agieng 1354. wwder-
gfanjr 1427 etc.
Geminirt: roggen 1295. 1307. 1337. 1338. 1348 etc.
egge 1298. 1334 etc. Elzun der gugglerinun. Liuggart 1362,
brugg 1413 u. a. vgl. ruggen Mynsinger s. 43, ebenda
schnäggenhüser. vieregget s. 47. hauggen (= A^fe) wie
roggenkorn s. 63. Zim. chron.: rugken, ruggen. wegken.
(Aesop ruken s. 101 wie inf. weken s. 113). feurwerggen.
250 HI. LAÜT8TATISTIK.
Vgl. Seb. Helber, syllabierbüchlein (Koethe s. 7): ge-
doppletes g lautet wie k: hag-gen, eg-gen. rog-gen. hurg-graf.
hug-geL hinwegg.
Verschlusslaut hat im ausl. jedenfalls gegolten in hin-
wegk (Herkomen) vgl. hinwegk: dreck Hätzlerin 136,
163; ferner hierher gehörig tag: smag (geschmack) Mörin
431. gesmukt: gesagt 3879. tag: sack 2941. schalk: balg
589: halck 1000. arck: marck 6073. Dass im ausl. nach
-w- der verschlusslaut auch auf unserem gebiet selbstän-
dige geltung lange bewahrt hatte, beweisen reime wie
Rugge lanc: gedanc MSF 102, 25. sanc: gedanc 99, 35.
Neifen: sanc: danc, umbevanc: kranc. Winterstetten:
sanc: kranc, dinc : sprinc: sine: twinc : winc, sanc: blanc u. a.
Mörin: langk : dangk 115. danck : gesanck 579. kranck:
sanck 1159: sangk 3716. danck: cZawcÄ: 3895. junck: trundc
4839 [trunck: hunck honig Germ. 17, 88). danck: ganck 5439
u.a. Z i m. c h r n. lang : blank. Aus der heutigen spräche
wüsste ich nur noch das aus Balingen bezeugte läktmlig
als bestätigung beizubringen.
8 179. Für die Verschiebung von sk liegt der stand der
Überlieferung, wie folgt: Wirt. Urkb. : fische 768. 778.
7Si\: ßsco 785. frischiga 758: frisginga 763. 770. 778. 782:
friskinga 802. 813. Scnzna 771. Visctdfo 773. Fischahc 778.
Scrutolf 790. Scarcingas 791 etc. Phisgina 1005. Schamem
1127.
Augsburger glossen: faske (fomenta). kimishit.
hinter skr enclicho. skine. gimisgen. fronisgen. forsgonti: forS'
cont, erscar, biscerigin. kiscuntido, kiuntirsceitoter. potiscaf,
gesgizita (oscitauit). drisgiufili. unruisgi, gesgizunga. inhurS'
gldo, shcerrunga. schimbi (erugo). schelta. scherot.
Prudentius glossen A: skabit, scuzelun.. scdiua.
ivscaffaner. ersceinnen, scalch u. a. schefichit; beachte gisdiz
(discidium).
Zwiefalter glossen: kiscaffoten, scdti. scerm'
scumda. scarsah, müstascofi, scuzzilün. scultsücho. scitivrz,
scalg. nuoskin, fasge (malagma). fleisgmarchat. Schimon
(scurris).
II. TEIL C0NS0NANTI8MUS. 251
Weingarter glossen: müstascim. scibun. scenchun.
scef. suntscace. scripmezere, sciytchiin. scencho triskelin. oster-
frusginch.
Schlettstädter glossen: sculdig, sceozzin . scenchil.
scenkiiiaz, scip, scilaf (uncus). kiscoltan, scepfanm etc. skä-
phili (untres), kunterskeitot. chuski etc. bischerit, fneschot.
dreschot: dresktmge. losgen (delitescere). fasge: faske (tempe-
ramenta).
Prudentius glossen B: scarefi. skebit. seiboten :
skibahfen. gescalchta. scalchen, trutscefte.
Schwäbisches Verlöbniss: hantsctiohe, scaphe.
scaz, scharph, schillinch herschepte. Swabeschen,
Z B R : scrigind, scüf, sceltwort. besco^de. scafendn. scül.
hescaidenhait. irscrecht. maisterseefth, scare. scerun. gescriben.
scrifth, mennesc, menscen. unmensclich u. a. ualsce : falsgen :
valshen, tisgis, tisgen : tische , tissche, gemisgiz (mixtum).
Dagegen: aische. mennische: mennish: menschen, mensh, men-
nisliCy mennes ebenso iilais: ulaische. beschiht. schimpf lihtin,
schundnd, bischirmen. irschine, wischin, schäme, bischof, himel-
scher vgl. noch wasscin : wassche. aischut : aisschut. Urk.
1270 Ullm: aigenshafte. bishoffes. shafenne. shuldik. 1293
shriber. 1296 bishah. 1298 shenke. 1298 menslih. 1315 shaffun.
shuUhaiz; noch 1314 gescriben. vorgescribenne.
Ein vergleich mit den denkmälern aus verwandten
dialecten (vgl. z. b. Braune ahd. gram. § 146. Weinhold alem.
gr. 158 flf.) ergibt als die natürlichste annähme, dass in der
Verbindung sk die Verschiebung des gutturals gleichzeitig
mit der 4- Verschiebung nach vocalen eingetreten ist; ich
nehme mit Braune a. a. o. an, dass zunächst sx entstan-
den. Dieser lautwert ist bald durch seh, sg (g als spirant
bereits § 177 nachgewiesen) bald durch sc, selten sk dar-
gestellt worden. Zur zeit, als s vor l m n w (vgl. § 153)
zu s geworden, ist dieser Übergang auch in der gruppe sx
erfolgt > sx, möglicherweise hängt das verklingen von x
mit dem von ch (§ 177) zusammen.
252 III. LAÜT8TATI8TIK.
CAP. ra.
STATISTIK DER SONORLAUTE.
J.
§ 180. 1) Anlautend: jüg9f {mM. jugent) Jugend;
Jöf9 (mhd. jung) jung; ßmr (mhd. jämer) Jammer, heimweh;
/qr (mhd. jär) jähr; jüdokrudp (flurname); jqj^' (mhd. ja ja)
verstärktes ja; ja:s.f (mhd. jaget) jagd; /fir (mhd. jeger)
Jäger; jast (mhd. *jast, synon. gest) das aufbrausen, in Ba-
lingen auch j^sf; frjqoro (mhd. *verjorn, dafür vergesen)
ausgegohren; jüxtsk9 juch! schreien u. a.
2) inlautend: ßiiß' (franz. coyon, cujon Zim. chron.
II, 531, 35 u. ö.) Schimpfname.
3) anlautend aus ahd. mhd. silbischem i ent-
standen in : jedr (ahd. iowedar, mhd. ieweder, ieder) jeder;
Jets (mhd. ieze ZBR, ebenda bereits ieiz [wie urk. öfter]
neben iezo, Augsb. 1299 yezo später yezunt) jetzt. Wann
diese lautveränderung eingetreten ist, vermag ich nicht
genau festzustellen, da die Schreibungen nicht verlässltcli
sind; trotz des regellosen Schwankens zwischen i und y
werden z. b. im Herkommen yeglicher, yeman. yetweder,
yeder (wie yenen). M ö r i n : yecz. ye, yemen. yetlich. yeder-
man u. s. w.; vgl. auch urk. 1490 yedes, if etlichen cons. i
bezeugen; zur vorsieht mahnt der reim: nye : ye vnd ye
Hat zierin 280, 141. ye tieffer vnd ye tieffer cod. theol.
et phil. 68, doch ebenda nye,
Anm. Die alten formen idts jetzt, i9dr jeder sind gleiohfalls
noch heute erhalten, ausserdem kommen ^ts jetzt, edr (vgl. urk. 1298
eder) jeder vor; siehe auch § 96 anm. 4. Ich nehme an, dass diese
formen ohne anl. -j- sich in nachdrucksloser satzstellung gebildet haben,
aus der heutigen spräche ist nachdrucksloses q neben jq unter dem
ictus directer zeuge z. b. s^ndqnon^iq (sind ja doch nicht da) u. a.
Ebenso scheint g vor t, e geschwunden zu sein vgl. schwäb. ilgd^
bei Hebel jilyd (wie im thüring. DM II, 500; mhd. gilge), schwäb. ips
{ipsr^ ipsd) zu mhd. gips (lat. gypsum) gips ; hä'ns^ü (Hansjörg^ -georg)
aber j^fS Georg; Balingen: ^rd gähren (mhd. jesen); dagegen
Jä^a jäten; in den von Birlinger herausgegebenen Yolksliedern
s. 13 uf eand wisd auf jener wiese.
§ 181. Vor primären palatalvocalen ist ; zu g geworden:
II. TEIL. C0N80NANTISMUS. 253
1) anlautend: gqr9 (mhd. gern) gähren vgl. oben
part. prät. frjqdvd, dazu gist (mhd. gist) synon. mit jast,
2) inlautend: ilgd (aus mhd. giligen) lilien; o'tilgd
Ottilie (Germ. V, 374); metsJc, mf.tskr, rnetsk9 (mhd. metzie,
metzige; metzier, metziger; metzien, metzigen) schlacht-
raum, schlächter, schlachten; [Jcsaekt gesät, kmaekt gemäht
u. a. § 66 anm. 3]. Analoge bildungen sind: S9iftsk9 seufzen;
hlüskd blitzen, klitskd glitzen, smatskd schmatzen (beim essen),
krabtskd ächzen vom holz u. a. YgLplitzgetKuQ^h, chron. {blitzken
Walther von Rheinau 72, 20). blitzge cod. poet. 30 plitzgen
Zim. chron.; ebenda pfutzken III, 121,10. statzget (stottert)
IV, 252, 10, vgl. Aesop s. 38 ain Überträge Zungen^ darumb
er ser staczget ; iuchtzgen H ätz 1er in 262, 205. Zarnke,
Narrenschiflf s. 399, 19. juchtzen Mörin 3371. gatzgot (von
der henne) Ingold 44, 22 heute gaksk9] dem heutigen
gqksk9 (rülpsen) entspricht gichsgen cod. poet. et phil.
no. 23, vgl. gichzen no. 29. f9ig9le (aus mhd. vTjellin, dim.
zu lat. viola) veilchen, ebenso oberschwäb. b9igl (aus mhd.
brjel, blgel) beil.
Anm. 1. Weckherlin hat noch jgri7<7« lilie (mhd. gilge. cod. med.
5: rosen vnd gilien^ ebenso cod. breviar. 55), verherger (zu mhd.
verhergen, ahd. -herijen) verheerer.
Anm. 2. Vgl. noch brqtsgg (niederschwäb.) neben hrqts9t9
bretzeln (brecitun Zwief. gl. ; bröstzcen Augsburg, stadtrecht von 1276).
Ipftsgd lippen; wp/tsgd wespen; offenbar angelehnte formen vgl.
Winteler Beitn XIV, 465 ff.
§ 182. Es ist bereits unter g (§ 177) bemerkt worden,
dass die beiden ursprünglich identischen palatalen Spiranten
(nicht erst wie Braune ahd. gr. § 115. 118 anm. 3 meint
nach jüngerer entwicklung) etym. g undj vor e und i entweder
geschwunden oder in demselben palatalen verschluss-^ zu-
sammengefallen sind. An material aus der älteren periode
gebe ich: Wirt. Urkunden b.: Uuintharius 763. Linz-
gauuia 11\. 11%, Teutearlo 112, Isanhario 778 {lAsthari 778.
Mothari 752. Hariman 773. Hruadheri 797 etc.). Harloldus
806. Laubia 820. Laimaugavvilare 769. Linzgauginse 790.
Nibelgauge 820 {Leupagde 772).
WeingarterglossenA: za piuuerienne. kaieritiu
254 111. LAUTSTATISTIK.
(confecta) vgl. kageritm (facta) Schlettstädt. gl. Ahd. gl.
n, 93, 50. 91, 1. 85, 7. 97, 1. 105, 3.
Augsburger glossen: kistatoge, loboige. ßrsuigoge.
ahtogen. intuuonagen, hur igen, erburigent, irhurigint (eflferunt)
wie wa'uHbnrigi (urbes mansionum) Zf. biscerigin, vgl. giiago-
temo (venatu).
Prudentius glossen A: iagonte.
Zwiefalter glossen: heigr l lericha.
Weingarter glossen B: prustweria, prunia, vgl
primige Ahd. gl. I, 536, 32. heriunga. cherio (scopabo) vgl.
chergo Alid. gl. I, 602, 38. fruojay frouges (antelucanum)
Ahd. gl. I, 557, 39. gedraigunga (tornaturas). purgen (vades)
vgl. Ahd. gl. I, 537, 6. 540, 20. 22. 562, 4 u. a. gigeten
werdent (purgabuntur) , dagegen vssgeyetten cod. theol. et
phil. 45.
Schlettstädter glossen: iagont, iakon : kiiegü
uuart (vgl. zu dieser form urk. 1307 degt klagt), heiger,
heikira (ardea?). kistatoge. ahtogen. ßrsuikage. machoge : keroien
(vcrsemus). piscerigin, irburient (eflferunt). purigo, pistieriginte
(contostaiido). uninkaltoi (inpunitas). stia (ouile).
Deutlich sind die älteren formen mit inl. -i-, Inl. g ist
ofltenbar den Schreibern der betr. glossensammlungen gleich-
zeitig. Wenn die ersteren sich im verlaufe lange gehalten
haben, liegt entweder traditioneller schreibgebrauch oder
die gerade im vorliegenden falle auf allen dialectgebieten
herrschende ersparniss vor, wonach der übergangslaut zwi-
schen / und e etc. nicht zur darstellung gekommen ist, obwohl
er gesprochen wurde, vgl. bei Not k er ferien : verigen, eben-
so wie in Grieshabers predigten sundien (sündigen).
sun<lie7i o^gin u. a. ZBR: ahteigen. ordineigen, scrigind^ scrige,
scriget, bliges (plumbi). wir sigen (simus). tage (vgl. dieg
Zarncke, Narrenschiflf s. 315, 24). mügit (afficimur), müge
(inquiotet), mügen, virgehit (pronunciet). bigehende, bigend;
begeh In, bigiht (confitebitur). Weingarten predigten:
schergin, Urkunden: ich vergiche 1296. 1298. 1305 etc.
vergehen 1302. 1338 etc. tügen 1281 : tvien 1287, vgl. die
zahlreichen bredier : brediger z. b. 1320. 1347 predier. 1348
bredier : 1335 prediger, friges 1305. 1322. vrigen. tüge.
II. TEIL. CONSONANTISMUS. 255
vigent 1326. genner (januar) 1298 (ebenso Augsburg 1284).
frügen 1330. aiger 1336. fügen, inaiger, sigin 1412. tügen,
maigerinne, metzge, maiger 1426. oyger, wiger 1442 etc. Vgl.
noch Esslingen 1292 sante Gergen tag : Gorien tag 1338.
1295 zwayger. Herkommen: sig- metzger, gener : yenen^
ebenso Mörin genem 2003. genes 3646. genen 4284: yen
party 2297. yenem 4887. jener 4971. Letztere formen über-
wiegen durchaus als gemeinsprachlich, sehr selten sind
solche ohne anl. cons. : urk. 1413 ensit. 1496 ennend (Reut-
lingen 1310 iennend), möglicherweise gehören diese einem
andern dialect (benachbartem alem.), doch vgl. § 180 anm.
Rotweil, stadtr.: segen (säen), übermalgte, cod. theol. et
phil. 54 prät.: sägte, sägetend. nägeii, naget, später oder f rüger.
hlügend. glügenden. optat. sige. no. 72: gesäget, blügent. ich
schrige. no. 74: m>e (mühte), der alt vigent. cod. bibl.
22: säget (prät. sa^'test du. gesa^'t). vssgetten. getten das vn-
krut MS. cod. ascet. 78: getten. glüegend. cod. theol.
et phil. 17: magestat. letzgen (lectiones). no. 63: sigest (sei-
est) u. ö. cod. herm. 24: mit dem mnd angewäget. cod.
med. 29: glieget (glüht), cod. theol. 240: in ir bliegenden
jugent. in giener weit. cod. breviar 55: hlügenden. cod.
theol. 146: vergehen, vergicht. Mörin: nit kregt der han,
kret die hemi 5200. ewangelig : sivilg 2179. als man gicht
3042. grogiern 4891. Aesop: meczig s. 53. meczg s. 54.
meczger s. 117. wa man meczget s. 131. ahtüge s. 64. Hätz-
lerin: giligen : vertiligen 76, 6 u. ö. Ingold: wäget 13, 33.
Mynsinger letzgen s. 63. Ruland sandt Gilgen tag s. 8.
sand Jörgen tag s. 10. 22, nebenformen Joii, Jorig, Jörg.
Vgl. noch gichtig Herrigs archiv 38, 335 u. a. Weiteres
bei Weinhold, al. gr. s. 182 flf.
j ist vor nicht primär palatalen vocalen anl. in alter
zeit zu y geworden : vgl. iagon. iahen : gehen, ia^'mer etc.
etc. (davon ausgehend vielfache ausgleichungen). Vor e, i
ist Verschiebung zum verschlusslaut erfolgt (ausnähme [?]
genner januar, so auch cod. ascet. 87. cod. theol. 146)
vgl. ver gehen f gichtig etc. Unter nicht bekannten bedingungen
ist g vor i geschwunden, vgl. gif gen > ilgs.
Inlautend ist z überhaupt nur intervocal. (-nj- -rj-
256 111. LAUT8TAT18T1K.
nach kurzem vocal sind zu -nij- -rij- geworden, vgl. Lach-
mann zu Iwein 8131) erhalten, auch in diesem fall ist vor
e, i verschlusslaut eingetreten: pluogentiu (florentia) Ahd.
gl. I, 465, 27; in gedraigunga Weing. gl. B ist -aig- nur
unter einfluss der zugehörigen verbalformen zu erklären.
Zwischen / und endungs-e ist j als übergangslaut zu be-
trachten (vgl. bliges. aiger etc.), der zu g geworden, aber
nach den zugehörigen einsilbigen wortformen auf unserem
dialectgebiet durchgängig aufgegeben worden ist (anders im
alem.). Die reime bei Neifen meigen : leigen (wenn sie
auch 11,6 ff. mit eigen : erzeigen nicht gebunden sein
sollten, vgl. Uhl s. 25 f.) ; heigen : reigen : zweigen; meige :
manigerleige sind demnach jedenfalls dem dialect gemäss,
jedoch wahrscheinlich -g- ohne phonetische geltung, da die
thatsächlich beweisenden reime für g als verschlusslaut fehlen,
vgl. Winterstetten reigen : leigen. meigen : reigen : zteeigen,
A n m. Der Basler Kolrossim Enchiridion (bei MüUer, quellen-
Schriften s. 68) sagt: / vor den e würt zum dickermal gljch einem
g das lind gesprochen würt als Jesus, ieger etc. s. 75: Jesus. Jerg.
iegeTr Jericho, es würt das h zwüschen zwei t artlioh gesohriben in
den Worten, do das erst i zum halben g würt: Jhflg. Jhilgenwurtzsl,
So das lang y zwischen zween stimbüchstaben gesetzt würt;, so thut es
ein % vnd ein halb g\ meyer, heyer. Schleyer, eyer. säyen. mdyen etc.
w.
§ 183. Anl. hu- ist mit w- zusammengefallen; te findet
sich nur in etym. anl au t: wawi'tdu (mhd. wa; wilt du)
was willst du; tvit (mhd. wirt); w^sÜ {mhA. wec) weg; i€(j999
(mhd. waisse) weizen ; wae (mhd. we) weh ; wilr (mhd. welher)
welcher von beiden ; wdin^xt Weihnachten ; wun (mhd. wuche)
woche ; W(^f (mhd. wert) werth ; wetsd (mhd. wetzen) ; wa'e^
dägdt (zu mhd. wetage) verflucht; frtwend (mhd. ver-
wenen) verwöhnen; tswud (mhd. zwuo) zwei fem.; tsic^ll
zwetsche; fertihn^r fertig werde; a'kwtsht abgewechselt;
tsemrswäfdr die be wohner von Sigmarswangen; frtoQrgst
(mhd. erworget) erstickt; mistwäg9 mistwagen; kstaent {mhd.
geswinde) schnell; ^wqrlc (ahd. äwirchi) werg u. a.
A n m. 1. Übergang in by m siehe §§ 144. 188. Assimilation Hegt
vor in ^'wdil immer (aus mhd. elliu wlle, elwlle). Balingen ober-
amtsbeschr- s. 140: tr in wän^ Ordnung; waier eier; wargel orgel;
II. TEIL. CüNSüNANTISMUS. 257
wflfe elf. w vertritt cons. Q wie ./ con8. ^ in ja = ^d (§ 70 anm. 2)
vgl. jassd (aus edssd) essen wie walfe (aus qdlfe) elf (sog. accentver-
schiebung).
Anm. 2. Als ursprünglich in grammatischem Wechsel zu htv
stehend, begegnet w für späteres h der zugehörigen formen in: ungisewiner
(invisus). pi^ewiniu (spectata) Schlettstädter gl., ebenso ungiseuner
(invisus) Augsburger gl. dtverwen (obliquis) W e i n g. gl. nah"
winchi (propinquitate) ZBR, vgl. Ahd. gl. I, 433, 9. Möglicherweise ist
von solchen mustern aus iv eingedrungen in: blitwettden rosen cod.
theol. et phil. 68 u. ähnl. (regelmässig ist -g- § 182), Wein hold
alem. gr. s. 128.
L.
§ 184. 1) In consonantischer function:
a) anlautend: «) lab (mhd. län) lassen; Iqts (mhd.
letze) verkehrt (vielleicht ist mhd. lerz link damit zusammen-
gefallen vgl. § 188); lero (mhd. leren) lehren, lernen; leß
(mhd. laege) schief; lQ9tr (mhd. laiter) leiter; bito (mhd.
liuten) läuten ; ldes9 (mhd. linsen) linsen ; Itiodr (mhd. luoder)
Schimpfwort ; lep (mhd. lewe) löwe ; lös (mhd. los) imp. höre
(ostschwäbisch) u. a.
Anm. 1. Altes ///- (vgl. l(ptr^ Iditd, l^p') ist in der articulation
von altem l- nicht verschieden.
ß) i^^Qp (mhd. bläw) blau ; pftöim (mhd. pflumen) pflau-
men; fiaots (mhd. vlöz) floss; pfleU (mhd. vlegel) dresch-
flegel; klöso gelesen (s. § 78, 2); klö9 (mhd. klaine) klein;
tlatd die latten (mhd. latte); tbif die leute (mhd. Hute);
frtlaeud (mhd. verlehenen) ausleihen ; tsldes (mhd. ze iTse) zu
leise ; slaoft (mhd. e; loufet) es läuft , slqdpfs (mhd. slaipfen)
schleifen; slaeobludst (mhd. slehenbluost) schlehenblüte ;
kslq/o (mhd. gesläfen) geschlafen; Icsläxt (mhd. geslaht)
mild, zart u. a.
b) in- und auslautend: qdddlix (mhd. ordenlich)
ordentlich; wdßld (mhd. winden) wiehern; hraesdle (mhd.
broesemlTn) dim. zu brosame; pfentle pfandchen und pfänn-
chen; detoh (mhd. tengeln) sensen, sicheln hämmern; rifld
(mhd. rifeln) hanf durchkämmen; stupflo (mhd. stupfein)
stoppeln; tsaph (mhd. zabeln, zappeln) zappeln; snarxld
schnarchen, vgl. schnarchln cod. med. 15; ßiofestrle ienster-
chen zum kuhstall ; sämb (die ältere form samnen ver-
schwindet im 15. Jh.; schon im Herkommen samlen,
Kauttmann, Fr., Geschichte d. sc^hwäb. Mundart. 17
258 III. LAUTSTA.TISTIK.
saniblen, urk. 1423 samlen. cod. ascet. 78 samten, cod.
theol. et phil. 68 samlet: samnen no. 74. no. 17 besamelt
cod. poet. 29 samlen) sammeln; gleichzeitig schwindet auch
ald - oder urk. 1299. 1302. 1327. 1330 etc. aide 1296.
1314. alder 1287. 1292. 1293. 1315. 1334. older 1358.
1359; vgl. ald noch im 15. jh. Ulm 1430 (D. Reichstagsa.
IX, 437). cod. breviar. 55 u. a.; ja sogar noch Zim. chron.
z. b. I, 206, 4. Alem. XV, 85; es entspricht dial. ol D. M.
VI, 409. oder bereits urk. 1295. 1296. ader 1298. Auf
Schwab, gebiet ist küche (Birlinger A. S. s. 89 flf.) för
kirche verschwunden, das benachbarte alem. z. b. Spai-
chingen (oberamtsbeschreibung s. 112) hat kilge-, vgl. bei
HieronymusWolfa. a. 0. s. 322: scribat Heluetius templum
chilch, Sueuus klrcli. cod. ascet. no. 86 hat kilhe, chilche,
cod. theol. et phil. 54. li.kilchen, ebenso no. 63. 144: kirchen
no. 184. 286 (vgl. § 186, b). 'üdld übereilen vgl. hudlen Zim.
chron. ebenda hürchlen > 'irxla röcheln u. a. kfab ge-
fallen; salahos salatbusch; vpwoil (mhd. eile wlle acc. sg.)
immer; mltis (mhd. schulthei5o) schulthciss; frSemht (mhd.
verschimmelet) verschimmelt; ksql9t (mhd. geschellet) ge-
läutet; dglaorot (zu mhd. dol) taub; g^l (mhd. gel) gelb.
Anm. 2. In fremdwörtern ist l aus r entstandon („lautdissimi-
lation** vgl. Braune ahd. gram. § 120 anm 1): bftlhi'9r9 barbieren, sal-
fV% snlfdne't Serviette, taschentuch, zu w^sl (mhd. mörsel) mörser vgl.
mbd. mörtel (aus mortarium); ebenso Wurmlingen u. a. (ortsn.) aas
Vurmeringum seit dem 12. jh. (vgl. Uhland, Germ. I, 304 ff. Bir-
linger A. S. s. 88 f.). Gelegentlich auch hurfl pulver; vgl. franeÜ^
kr y stier bei Schmeller Ma. Bayerns s. 113. Zu marml marmor vgl
ahd. marmulis (marmoris) Ahd. gl. I, 228. cJSrpel (körper) Aesop
R. 297. korpeJ Zim. chron. ebenda halbieren^ balbirer; merael.
Anm. 3. Die form ^^r keUer (mhd. k§r) vermag ich nicht so
erklären, vgl. bei Niclas von Wyle kerr ^ gen. des helrs, Zim.
chron. ker ^ keer cod. cameral. 1. as ist alte nebenform von ah,
wie heute, so as urk. Ulm 1303. cod. breviar 55 u. ö.
§ 185. 2) In sonantischer function: ätapfl (mhd.
Staffel, stapfei) staflfel, danach wohl trapl (mhd. trappe)
treppenstufe ; äsl (mhd. ahsel) schulter; ddesl (mhd. dlhsel)
deichsei; qrß arm voll; ßontl (mhd. vierden tail) viertel;
hämpfl handvoll; slenkl schlingel (scheltwort) ; tvglfl (mhd.
wol vaile) wohlfeil; häinl (mhd. hamel) schafhammel; Ml
II. TEIL. CONSUNANTISUUB. 259
(mhd. kUbel) ktlbel ; misieial (mhd. mistbengel) mistgahel ;
hisl (mhd. bUschel); sjJ// (mhd. sö vil) so viel; wiaß (mhd.
wie vil) wie viel; fpfl (mhd. epfel) apfel, äpfel; durml (mhd.
turmel) schwindet); tsöndl (mhd. zundel) zimder u. a.
A n m. I Die im nordachw. die rege) bildenden part. prät. d?r»lf
(gehämmert), H»f6?( (gesohnälieit), Amji/fl gezappelt J, tsupßl (gezopft),
trötlt. (faul au etwas herum liantierün), fffti/ (kegel gespielt), bellt {ge-
bettelt), Hiixl> (auf jemand sticheln), Hillt (gesohattelt) u. a. sind im
Sehnarzwald in der reget nicht sjncopirt: MHiat, kitixlat, tsupßal,
dftafoi etc. (§ 119 snm. 5).
A n m. 2. ABSimilationen und eingetreten bei ireSnt (nihd. weint)
pl. wollen, vgL die älteren sun (sollen) urk. 1305. gont 1326 n. a. son
Orieshabers pred. nun. »unl Weingarter predigten. pi/»il
(mild. *elwile) immerfort, u/it, u>ff, spf u. a. TgL § 150.
R.
g 186. 1) In consonantischer function: a) an-
lautend: ri^xt (mhd. rSht) recht; rlxh {mhd. rihton)
richten; rütta (mhd. riusen) reusen (vgl. § 87, 3); rd (mhd.
rüm vgl. § 94, 2) rahm; rps (mlid. ros) pferd; raitr (mhd.
riter) sieb; r^rfa (mhd. rSden) sieben; rats (mhd, ratze)
ratte; brif (mhd. bret) brett; drJ (mhd. driu) drei; sirufhe
(mhd. *ströuwin) die streu ; sprqats (mhd. spraiten) aus-
breiten ; sraia mhd. schrien) weinen, part. prät. ksris ge-
weint; kräs (mhd. gras); kfrqgat (mhd. gevräget) gefragt;
tritka (mhd. trucken) trocken; tsfrtda (mhd. ze vride) zu-
frieden ; kriabix (mhd. gerüewic) ruhig ; krütle dim. zu
Christian ; mrsüe, mnile dim. zu Ännamaria etc.
Anm. I. ursprünglich anl. Ar*-, tcr- sind Ton altem r- nicht
unterschieden; vgl. noch ojk. Wolfhranmo 783. 771. Hroadbertug
763. Hramberfus 778. Hroadhoh. Sroadberlo 778. Eruadoni 782.
Hrammunc. Hrundheri 797. HniailMmja 886.
b) in- und auslautend: 6ira (mhd. bim) bimen;
sdäbrat (mhd. ez donret) es donnert; üfttr (mhd. durh) durch;
fire (mhd. fürhin) vorwärts; nar.)t (mhd. narrelit) närrisch;
snrpf (mhd. scharpf) schaif; &lr (mhd. schiure) scheuer;
w/r/(mhd. wirf) imperat. ; mrj-kt (ahd. merkat) markt; ßartsS
(mhd. vierzehen) vierzehn; ftpdara (mhd, ve dem) pl. fedem;
storäk (mhd. storc) storch ; kirU (mhd. kirche), diu aleni.
17*
260 III. LAUTÖTATISTIK.
form kilche ist in älterer zeit wiederholt überliefert z. b.
iirk. Tübingen 1293: Mchsazze der kilchun vgl. § 184, b.
c) syncope einer vorausgehenden silbe ist eingetreten
bei: rä, rap; röm; rm ; r9us ; rlp; ruf; rS her-ab, -um,
-ein, -aus, -über, -auf, -an, die zuweilen noch mit voraus-
gehender kehlkopfexplosion als rest des geschwundenen
vocals, meist aber ohne dieselbe mit vollständiger syncopirung
gesprochen werden (vgl. § 120, 2).
d) unbekannten Ursprungs ist r in: i duar ich thue,
imperat. duor thu, vgl. Zim. chron. tur uf IV, 239, 31.
opt. prät. dier, d(^r (thäte) pl. dire, d^e. Vielleicht ist in
Verbindungen wie di0r9, didrd (thu ihr, thäte ihr) falsch ab-
^'ettMlt worden (dtior^, vgl. fälle wie wqr9 [w^r-a] wäre ihr)
oder ist es sog. „hiatustilgendes" -r- wie häufig im bairi-
Hi*.lu>n dialoct nach mustern wie unir i werde ich, würde
irh (vgl. § 149 anm. 2) u. ähnl.
A um. 2. Über diphthonginingserschoinungen vor r vgl. §110
Uli 111. 5. K 1 1 w H n g II stdpf^ Balingen stcSbpfyh RfcSbpf strumpf, strumpfe
oiiUprioht mhd. fffnmf)/ : zwdlff paar stimpff Breuning s. 49 vgl.
Hohiiiollor, mu. Bayerns s. 141 (synon. mit strumpf = unteres stück
tlnr lioHo): .^;>.>i\«.> gegen gemeinschw. spr9i89 (mhd. sprlze) splitter
litt wohl uiiior oinÜuHS von mhd. spiz splitter entstanden (in Ell wangen
ipittt' liuhtl. Hpöltor] splitter).
{{ !S7. 2) In SO nautisch er function: se^Wr selbst
V.V.I. boroits Z H K si selber (se ipsum). im selber (sibi);
iUKHr (mhd. unser); britr (mhd. *briter) pl. zu brett; feior
(miImI. vingor) linger; hentrse (mhd. hinder sich) rückwärts;
HOHdfrliw (uihd. wunderliche) eigensinnig; nqxbr (mhd. näh-
).irlMir) nachbar; fmiawr (mhd. zuo mir) zu mir; 6^Wr (mhd.
Iiphb^r) comp, zu bald, früher; kl(^ftr (mhd. kläfter) klafter;
i'^ttdrwf^/^ (mild, under wege) unterwegs; snabdr (mhd. snTdaero)
Mihnoidt^r; {hf ob er: ^'brao ob er auch; Vf hat er: \tr9^ii
\u\{ K^v oinon ; drulj der acker; nqdrqdnt nach der ernte:
(/^/r.*<7 dt^rzoit. unterdessen; i ft/c^f ich blättere : i bl^'tremdibm
/i\ilt''ndr irh blättere in meinem kalender; w/raufihr; rSQ'f
IM" snillo ; /)vv; A*^(mhd. verrecket) tot; fyri'sa (mhd. *verri;;en)
zoniHrti^u ; ffrak9r9t abgeschunden; ebenso ffripsd mit gips
iUirrstit^irlu'U, wie /V"/raora erfroren, /rZ^rf^ ertragen, frsenf
II. TEIL. CONSONANTISMUSi 261
Anm. 1. Das indef. man lautet in Horb tw», daneben, wie nord-
schwäb. allgemein, mr, mdr ebenso nedmr niemand, horb. nidmd.
Während im letzteren fall nordschwäb. vielleicht beeinflussung von qpr
(mhd. etewer) jemand vorliegt, wird mr für md sich durch vielfache
syntactische berührung des indef. mit mr^ mdr = wir erklären. Un-
bekannt ist mir, wie sich dnänd und dnändr (einander) verhalten, schon
1313 (Herenberg. Ern.) mit enand. cod. med. 5 mit ainand (Sie-
vers vergleicht seih : selbr).
A n m. 2. Zu der erscheinung ^hf : ebrao sind mhd. Schreibungen
wie iindr einander^ undr ir, lastr und schände^ sinr amien u. a. (Sommer
zu Flore 181. Lachmann zu Iwein 6514) zu vergleichen.
§ 188. r ist geschwunden vor dentalen conso-
nanten (Birlinger, Volkstümliches s. 73): Kq9n (mhd.
kerne) kern; l^qdn (mhd. körn); tsqdn (mhd. zorn); w^nf
(mhd. wernt aus werdent) werden 3. pl.; ebenso fidntl
(mhd. vierden tail, urk. fierntail 1368. 1463) viertel;
ste,9nle (zu mhd. sterne) sternlein; dßfq'dnd (mhd. da vorne)
vorn; dm (mhd. turne) türme; frJcmdt (mhd. erkirnet?)
verkirnt [hustenreiz] ; ddbstix (mhd. durnstage urk. 1317.
dunstage 1293) donnerstag; nq'stef Nordstetten (vgl. urk.
1347. 1488 Norstetten); go^st (mhd. gerste) gerste; est
(mhd. erst) erst; hmt (mhd. burs) bursche; qs9 erbsen
vgl. ärsen Horb urk. 1399. ersen Engeltal 1433. ersan cod.
med. 15. erussan urk. 1352? daneben erwessen 1336. ärtves
1430 (mit alter suffixabstufung vgl. skand. ertr); /cis9
kirschen (mhd. kirsen) im benachbarten alem. (z. b. Ravens-
burg u. a. vgl. Birlingei AS. s. 96) kriasa; faitic (mhd.
vTrtacl feiertag; 'et (mhd. herte) hart ostschwäb., in Horb
stets 'ert ; mMs (mhd. merze) März ; kstUst (mhd.gestürzet)
gestürzt ; stiäts (mhd. swarz) schwarz ; clef (mhd. dert) dort ;
f/at9 (mhd. garten); wät9 (mhd. warten); wU (mhd. wirt);
q^t (mhd. ort) ; mq9n (mhd. morne) morgen, vgl. morn : zorn
Mörin 823. 2593; iv(>,dt (mhd. wert) werth; /of (mhd. vort)
fort; hütd (mhd. hurt) bürden u. a.
Anm. 1. Der Schwund des r bei d(^?J'd dürfen, et/^a/ ich darf etc.
stammt, wie der umlaut beweist, aus der 2. sg. pras. d(ps du darfst,
eine form, für welche einwirkung von 2 sg. darst (von türren) anzu-
nehmen ist. Zu beachten ist wohl urk. Burchat (zweimal) neben Bur-
cJiart urk. 1814 u. ö. icl'lt : cjält bereits bei Winter st et ten 51, 60.
Vgl. bezüglich des alters der erscheinung die reime bei Otfrid
<ir}ion :korn II, 14, 109. wort : f/iscniatiot IV, 19, 9. in'darort {tvidaroi
262 III. LAUTSTATISTIK.
I, 11, 21 V; im reim III, 8,7 P. I, 22,29 P) reimt 4 mal auf nöt^ 2 mal
auf gebot ^ 1 mal auf hört ; imbot : w<yt*t I, 13, 2 ; Tgl. Zsfda. 16, 120.
Anm. 2. Reduction alter doppelconsonanz Dach langer silbe
begegnet u. a. auch in dem compositium orinya Augsb. gl. Diutiska
II, 71. Weingarter glossen. Analog sind für /: das müUn (maul-
thier) M o r i n 2952 u. ö. ain will (weilohen) 3384. setz dich ain weyle
Keller, erzählungen 326, 20.
M.
§ 189 m fungirt in der regel als consonant, seltener
sonantisch :
1) consonantisch: a) anlautend; medix (mhd.
msentac) montag; mqdu (mhd. mome) morgen, am folgen-
den tag; most (mhd. most, lat. mustum) (apfel)most;
mv/dtr (mhd. muoter) mutter; muskdf (mhd. muskät) muskat;
merkf (mhd. merket) markt; mlle (mhd. mülin) mühle; m^tS9
(mhd. merze) März; meul (mhd. mül) mund; smite (mhd.
smitte) schmiede; Ä:smis9 (mhd. gemizzen) geworfen ; tstnita'k
(mhd. ze mittage) mittags etc.
b)in- und auslautend: pßömg (mhd. pflumen)
pflaumen ; döma düngen Schmeller wb. I,^ 509 ; jdmr (mhd.
jämer) jammer; äomu9S9 (mhd. ämai;e) volksetym. ameise;
semd (mhd. Schemen) schämen; pflömbef (mhd. pflumbette)
bett mit flaumfedern; ßömist (mhd. komest) du kommst;
'odm (mhd. haim) nach hause; mdmues (man müo;) man muss;
loVshem (mhd. wisböume) wiesbäume; n&m^ (mhd. nieman)
niemand; frsömt (mhd. versumet) versäumt; lodmkruidp (mhd.
laimgruobe) flurname Leimgrube; mitotm (mhd. mit aime)
mit einem; d^m (mhd. dermo) därme, gedärm; durimlix
(mhd. turmlTch) schwindlig, slämpdre nachlässige Weibsperson
vgl. Schmeller wb.' 11, 503 f.; lömp (mhd. lumpe) lumpe,
hader, davon lömpy pl. lömpd Schimpfwort, verb. Jm%p9 un-
ordentliches leben führen u. a.
c) mhd. w erscheint als m: m^ (mhd. wä) wo; mtdr^ mr
(mhd. wir) wir; kswqlmle (mhd. swelwelTn) schwalben; ma
(mhd. waz) bei Birlinger, A. S. s. 99; qoniQ (mhd. nai^wä)
irgendwohin (§ 152, anm. 1) vgl. Weinhold, alem. gram.
s. 132. Die belege für wir treten verhältnissmässig selten
und spät auf, hauptzeuge ist Ehingen: ffaben mir.
II. TEIL. CONSONANTI8MÜ8. 263
haben mir, kamen mir, fären mir. wurden mir, vnd mir,
mir zugen, mir begerten, wie mir, er mier, daz mier, Dass
die enclitische Stellung bei vorausgehendem -n des ver-
bums (vgl. z. b. w^rsmr wären wir, semr sind wir u. a.)
für den lautwandel erforderlich gewesen ist, zeigt noch
schön beiNiclas vonWyle 336, 31 1: daz wir aber
. , . so finden mir, cod. theol. et phil. no. 11: werdent
mir : werdent mr, Aesop s. 204 mir gänd. Dazu bei
Fabian Fragk (Müller, quellenschriften s. 108): Die
Franken und Schwarzwälder haben in jrem schreiben wie
auch im reden diesen sonderlichen misbrauch, dass sie das
m für w setzen; ebenso bei Konr. Gesner, Mithridates
fol. 40\
Anm. 1. In JS^tdtn (mhd. keten) kette, pl. TSftdmd (vgl. noch faoldm»
lat. Vota bei Birlinger, Rotw. stadtrecht s. 68) erkläre ich -w auf
analogischem wege: nom. sg. gaden (aus gadem): fleot. gademe = keten:
*keteme, ferner ts^sdtn pl. ts^sdmd dim. ts^sdmle fasern (mhd. zesem, zesen).
Ausl. mhd. -m ist zu -n geworden (vgl. anm. 4) z. b. gaden^ vaden^
bodeii, besen (mit besemen cod. breviar. 51),' dagegen dim. : f^d9mle fädchen,
b^ddmle, b^sdmle (Balingen), rlsdnid Sommersprossen Winteler s. 74. Vgl.
auch e (imme) pl. emd, blöd (bluome) pL blödmd dim. biedle blume.
d) assimilationen: a) mhd. -mp-, -mh- ist zu -m
geworden: kröm (mhd. krump) pl. kröme krumm; röm, nöm
(mhd. herump, hinump) herum, hinum; seldömd (mhd. da
umbe) da drüben, ömdsiist (mhd. umbesus) umsonst; dorn
(mhd. dump) dumm; semdre (mhd. sümbrTn) simmri, mass für
fruchte; emd (mhd. imbe) immen.
Anm. 2. Z^'R.: ammet. amtin (vgl. amman Ulm 1281; „umge-
kehrte" Schreibungen sind wahrscheinlich urk. 1293 Ulm imber (immer).
1297 nimber), um, darum, umhals in, umwelze. incrummit, bikummirt,
Tcumirt neben umbi, der tumbe. urk. 1305 darumme, Aesop s. 5 hat
Steinhöwel noch krump aber krümet, s. 40 um Unschuld: s. 56 umb
Unschuld, s. 45 unhekümert. s. 81 lamp. lemlin. lemplin. s. 221 lemmer,
Mörin4417 tumikumm. Hätzlerin schreibt bereits die überschüssigen
b in tra^'mb 67, 21. reichtumb 89, 22; vgl. auch schymert : gezymbert
180, 5. Handschriftlich: Tristrant: tumm : darvmb cod. theol. et
phil. 11 : sim dufner mut. cod. bibl. 35 osterlamp im reim auf lichnam.
ß) m für n vor labialen: 'ämpf (mhd. hanf); wemo
(mhd. wenn man); webmr (mhd. wellen wir) wollen wir;
d(mn (mhd. *dTnme, dmeme) deinem u. ähnl.; eino (mhd.
264 III. LAÜT8TAT1STIK.
aineme) einem; wiQl (mhd. ainmäl); mämo f {mhd, manmSt)
flächenmass = was ein mann mähen kann.
/) für -71(1' vor labialen: hrämplats brandplatz; krom-
btr (mhd. grundbirne) kartoflfel; ömpfrüxt und die frucht;
ämpfefor an die finger; hämpfl (mhd. hantvoll) eine band-
voll; am (mhd. *andm). föm (mhd. *vondm), em (mhd. *in-
dm); se7nr (mhd. sind wir); hömr (mhd. häntwir) haben wir;
gdbmr (mhd. gäntwir) gehen wir; ämorkss am morgen; em-
br(^x (mhd. in die brach) u. a.
A n m. 3. Den ausfall von m in ^fl, ^fdle (dim. zu armvoU) weiss
ich nicht zu erklären. Assimilation liegt bereits vor in staimaizelen :
staintnezelen Weing. gl.
2) m wird sonantisch gebraucht: ufm (mhd. uf
im, uf dem) auf ihm, auf dem . . ; wirf ms imp. wirf es ihm
u. ähnl.
A n m. 4. Ausl. -m war in alter zeit zu -« geworden (vgl. B i r -
linger A. S. s. 99 ff. Weinhold al.gr. s. 172 f.) und ist danach wie
dieses geschwunden : vgl. urk. Dorinhein 1099. Westirhein 1101. 1236.
Aichain 1187. Kirchain 1200: Durrchain 1284. Durnkain 1291. Dal-
hain 1295. StainJmin 1302. AltJiain 1330. 1358 >> altd\ dagegen in der
flexion ist -m- bewahrt z. b. 9n alidfn»^' bewohner von Altheim u. a. Be-
sonders häufig im Lehenbuch: Ilorkein, Ilepßkein. Hainshein, Ost'
hein. Talhein, tiahsenhein, Kyrchein. Hohenhein, Dürnkein. Vgl. ätinzuidi
(spiramenta) Schlettstädter glossen, ferner die gleichfalls gemein-
alem. formen aus ZBK. : nan, annan (accepit). kon (uenit). hainlicher
(secretius). hainliches urk. 1314. kan (kam) Fürstenberg. urkb. I, 268 a.
1280. urk. Wileheln 1295. Wolf ran 1288. 1302. {^Bilgrin (?) 1302. Aesop
8. 189). Öhain 1299. laingruhe 1433 vgl. N eifen kan:gran 14, 25. varni
am Winters tett en 44, 18. arniersparn Schulmeister, turn im
Herkommen; Georgspiel: hain : stain s. 180. Mörin: an : gran
125. arn i farn 5515 u. ö. ciain i hain 2053. haim inain 5913. Hätz-
lerin: warm : erfaren 169, 65. ciain ihayn 221, 45. vaden 279, 14 da-
gegen prosem (gen. pl.) 277, 114. 162. cod. theol. et phil. 23 vaden
: fedmen. Aesop s. 160 bodem; ebenso urk. 1310. Morin 6060 besem.
(Wolf diet rieh B: arn:varn, warm: bewarn, frum: sun» tuon:ruom,
vaden: laden, sagen :gaden DHb III, LIX ; nach s. LXIX bair. ?) Tris-
tränt: hain, und sonst häufiger fälle wie gran : man. c o d. a s c e t. 86 rum :
getmi. cod. theol. et phil. 54 hain. Iminlichait, aHen. Die heutigen
'o9 heim, ^odlix heimlich, traulich setzen wahrscheinlich /lotn, hainlich
voraus, vgl. ddaam (daheim). Ebenso beruhen die ostschwäb. är9 (arm)
wär9 (warm) wie das gemeinschwäb. dürd (türm) auf den unflectirten
arnj warn, dum etc., die sich im verlauf nach dem eintritt der yocal-
dehnung zu aren, waren , duren entwickelt haben.
II. TEIL. CONSONA.NT1SMU8. 265
N.
§ 190. 1) Als consonant: a) anlautend: nqxe
(inhd. naelie) die nähe; noxe (mhd. nächhin), comp, nqre (aus
mhd. näher hin) vorwärts; nod (mhd. nain) ; nidxtr (mhd. nüech-
ter) nüchtern; n^bl (mhd. nebel); tsnaxts^ abends; snabdo
(mhd. smden) schneiden; ksnitd (mhd. gesniten) geschnitten;
snqksmql das nächste mal u. s. w.
b) inlautend: pfentle dim. zu pfand, pfanne; doonf
(mhd. tuont) pl. präs. thun; hmtsix (mhd. hentschuoch)
handschuh; wdijiqxt (mhd. [ze] wThennechte) Weihnachten;
swänd masc. (mhd. swane) schwan; öntrudidr flurname USiter-
weiher; senore Schwiegertochter (mov. feminin zu mhd. sun);
fäsrntt (mhd. vasnaht); händßds (mhd. hanenvüeze) unkraut;
mitduo (mhd. mit inen) mit ihnen; sthdnQndetslc 97; rqxno
(mhd. rechenen) rechnen; kr^ne (mhd. grüeniu) pl. grüne;
bene (mhd. büne) oberer boden im hause, mansarden;
frsenf (mhd. verschindet) schindet 3. sg. präs.; ra'otenis
(mhd. rottennlnez) von der rottanne; g^oW^ne (mhd. guldiniu)
pl. goldene, goldige; mäm (mhd. mannen) männer; frertnd
hart machen u. a.
Nach § 135 ist ausl. -n geschwunden, im Zusammenhang
des Satzes ist es vor folgendem vocal erhalten geblieben : 'opfs
hopfen: 'opfdne^nt hopfenernte; lömp9 lumpen: lömpdnarhddd
lumpenarbeiten; kömd gekommen: könwnis gekommen ist;
dofd davon : fön^m von ihnen ; do besto dqol den besten teil :
(/y bestdnä'dqdl den besten anteil; ibde ich bin: bdeni bin
ich; idu9 ich thu: dndni thu ich; M kann: Käne kann
ich; idb ich habe: 'dbni habe ich (mhd. hän); o bu9
ein bube: onqdt ein ort, one^a ein essen, dndbklilc ein Unglück
etc. Nach solchen mustern wird -n- auf fälle übertragen, in
denen es etymologisch nicht vorhanden gewesen ist (vgl. Paul,
principien der Sprachgeschichte- s. 97): bditidm bei ihm;
tsudnond zu ihnen; söno so ein; mqnts wo ich es; widni wie
ich; wi9fi9 wie ein; mqnrse wo er sie; /warn mag ich; ksTni
sehe ich; (joindms gib es ihm; sländn schlag ihn imp. etc.
Doch kommen daneben die etymologischen formen: bdidm
bei ihm, .sä9 so ein, mq Js wo ich es u. s. w. vor. Beachte fälle
266 ^II. LAÜT8TATISTIK.
wie: db sdinüt du seiest; wr, se soine wir, sie seien; mr tsione
opt. wir ziehen; friorwr früher; metwr mehr. Vgl. dazu tuon
ich Mörin 4139 u. ö. ich tuon es 4471: ich tuon doch 5250.
Hätzlerin ich tu: frü 19, 8. ich tu: zu 85, 44. 89, 7. das
t&n ich 89, 32. 91, 178. ich tun nur 19, 17. ich t& recht 136,
206. ich tu an in dencken 146, 92. XJrk. 1407 (D. Reichstagsa.
VI, 207) das tun aber ich von mir selb, Zim. chron. thun
ich IV, 241, 45. urk. ich tun 1295. 1296. 1305 etc. t&n ich
1298. (Lachmann zu Iwein 2112. 3581. Haupt zu Erec 4968
9348). nähner näher im Herkommen.
Handschriftlich: ich tun cod. theol. etphil. 54 wie
tän ich, no. 74: tun ich. cod. breviar 12 ich ermanendich
und danken dir, cod. ascet. 78 ich sagen üch u. ö. Win-
ter stet ten 34, 19 ich tarnen und reijen : meijen. Wein-
hold al. gr. s. 334. 364.
Aus ähnl. Verbindungen haben sich festgesetzt: nast ast
vgl. Zim. chron. nast^ pl. nest I, 318, 5. n^hr eber (Tutt-
lingen). Über analoge erscheinungen in anderen mundarten
vgl. DM V, 451 if. VI, 400, 3. VII, 21 anm. 2. Wie femer
qddm neben nqdam athem, so qtr (aus näter) natter; ost-
schwäbisch: neue, näno grossvater, grossmutter; vgl.
Birlinger A. S. s. 103 f.
Anm. 1. Ursprünglich anl. hn ist von anl. n- nicht yersohieden,
z. b. nusd nüsse.
Anm. 2. Nach syncopirung des vorsilbe hin- (vgl. her- § 180, o)
sind die bildungen entstanden: nä% nap hinab, na^ (hinan) hin, not
hinein, nuf hinauf, nom hinura, nibr hinüber, die zuweilen namentlich
bei emphatischer hervorhebung noch mit anl. spiritus lenis (kehlkopf-
explosion) gesprochen werden: 'w-.
Anm. 3. Über den Schwund des nasals in starken und schwachen
Silben und die nasalirung der vocale vgl. § 133 ff. Das verhältniss
von faef fünf zu fuxtse. /uxisJc^ resp. fuft, fuftse, fuftak (cUtz fuftail
Herrenb. Erneuerung 1383. fuffczehetithalh urk. 1380) ist aus vorhisto-
rischen lautgesetzen zu erkennen, vgl. Beitr. XII, 512. In fat89n9tk,
fa.sdHuetle (ital. fazzoletto vgl. Alem. III, 184) taschentuöh erklärt sich
n wahrscheinlich aus volksetymologischer anlchnung an nase, vgl.,/W2^-
leilin. fatzenetUn. fatzuneile Zim. chron.
c) d s s i m i 1 a t i n e n : a) inaop ortsn. Imnau (mhd.
Immenouwe) ; ß) -ndn- ist zu -//- geworden : se'n^ sind noch ;
önö (mhd. und nach) und dann; ebenso ön^ (mhd. undenan,
II. TEIL. CON80NANTI8MÜS. 267
undnen) unten, clön§ drunten (mhd. da undnen), 'ön3 (mhd.
hie undnen) hier unten, so muss auch ddend dahinten aus
dahindnen (urk. undnan 1389. undnen 1436. hindnen 1465
u. a.) als analogiebildung erklärt werden, vgl. 'entrse (mhd.
hinter sich) rückwärts, öntrumdr flurname, nordschwäb.
'endd hinten, önd9 unten etc. In fcönst, kont 2. 3. sg. präs.
kommst, kommt ist vor den dentalen -s-, -t- der labiale
nasal m dental geworden: kunt (3. sg.) bereits in Zwie-
falter Benediktinerregel. Fürstenberg. urkb. I,
291. a. 1285. Reutlingen 1307. cod. theol. et phil. 54.
72. 74. cod. bibl. 35. Dieser Vorgang ist allgemein ale-
mannisch, vgl. swanden (zu swemmen) Lanzelet 7520. 7659,
wie bei Walther von Rheinau runden, Sünder, schirnde,
kunt : stund (vgl. Voegtlin s. 3), ebenso ist nanntest genannt
zu nemmen (nennen) zu erklären, vgl. urk. nemmet 1305.
1365: benant 1314: benempte 1348 u. a. nannte cod. theol.
et phil. 74 u. a. , von welchen formen aus sich all-
mählich -w- verallgemeinert hat. Wie stund ikummt Mörin
3939, so hand : alle sand 1895, doch auch gemeinsprachlich
alle samt : ampt 1975; vgl. Schade, Satiren und pasquillen
II, 360 flf. Hätzlerin hannd : allesamlt 267, 267. Georg-
spiel alle sant : erkant s. 173. Reimchronik alle sannd:
lands, 82; im Wolfdiefrich B: (DHb. III, LIX. LXIX) sa7nt
: zehant : hant : gewant u. a. sant cod. theol. et phil. 17,
auch noch streckenweise in der heutigen spräche mitsäntmn
mit ihm. 2Ü gutem livnden (leumund) Ulm 1431 (D. Reichs-
tagsa. IX, 614).
Der lautwandel ist aber nicht specifisch oberdeutsch,
vgl. z. b. an der Nab. : ich kum^ du kinst,, er kint bei
Schmeller, Ma. Bayerns s. 117.
Anm. 4. Über assimilation vor labialen und gutturalen vgl. §§
189. 191. - Entwicklung von -rn- § 188. -nl- ist wahrscheinlich in Idilix
aus llnlacheu leintuch (cfr. lilachen Ahd. gl. II, 488, 78), qlf aus ailf,
(ainlif urk. 1459 u. ö. ailif 1352) zu -//- > -l- assimilirt; für ql/' Hesse
sich aber auch auf analogiewirkung von tsw^lf recurriren, vgl. z. b.
Augsburg 1418 (D. Reichstagsa. VII, 368) ztvischen aiUjen und zuolifen,
2) sonantisches n: se 'öntn sie haben (mhd. hänt)
ihn; 'öntsn haben sie ihn; mitn mit ihnen; aniß an ihnen,
ihn; ufn auf ihn u. s. w,
268 III. LAUTSTATISTIK.
Anm. 5. Die präterita hrecrnt fmhd. gereohent), tsoBXvt fnihd. ge-
zaichent), fr^ertnt (mhd. *verhertent) , kw9i8ni (weiss angestrichen),
tn'hif (mild, getrückentj, getrocknet u. a. sind nordschwäb. Horb : irikidH^
lYertnM. krexudt etc. (§ 185 anm. 1). Diese bildungen mit ableitendem
'U sind sehr beliebt z. b. frltdiLUd (mhd. verlechen) vertrocknen; iich
tvaidneu Aesop s. 272. Tris tränt: verclagnen : yedayeu u. a. vgl
S c h m 1 1 e r , Ma. Bayerns s. 425.
§ 191. Der gutturale nasal w erscheint vor den gut-
turalen consonanten g, k, /?, im silbcnanlaut nach g, k; in-
und auslautend ist -ng durch ^9 vertreten; den zusammen-
fall dieser lautverbindung mit dem gutturalen nasal be-
legt auf verwandtem gebiet die Schreibung tranküssin (d.
i. wangeküssin) Lanzelet 836, vgl. cod. theol. et phil.
10: wangkussi.
1) sleh)kl Schlingel; (//riaAv? (mhd. trinken); 'et9b) (mhd.
henken): abgeleit. subst. mke, 'nakr: dreidgqlf trinkgeld;
ksm^k.f (mhd. gesunken);
ebenso im Sandhi: in^kibl handkübel; Ö99gä9' und
gar; 'o'rÄ'sacf haben gesagt; tseugau/ zu ende gegangen etc.
2) kijfijk (mhd. genuoc) genug: hoönto (mhd. genomen);
hjetxf (mhd. kneht): trihaot (mhd. getrtickenet) getrockent;
kiJül knall :
vgl. dazu Angnes urk. 1292. resingnavi Ullm 1254 u. a.
:X) guhif (mhd. gegangen), imper. gar) (mhd. gang) gehe;
kspritij.t (mhd. gesprungen), imp. sprcu lauf: ebenso rem
regnen :
doch hlhnuHg (Balingen) : ln)}ic}ifu' lang^veilig (gemein-
sclnväb.). ebenso das durch ioinpfr vorausgesetzte mhd.
it(nvfroi( : ein im heutigen alem. dialekt noch erhaltener
Wechsel ^spiegelt sich in cod. med. 15 limg, Iwigefizlunck,
iuHvkiN wieder.
In der Verbindung )>-!-/ stellt sich als übergangslaut
gutturale explosion k ein: f nhÄi jmhd. bringt): fätdkt (mhd.
*vangtl taugt:
viil. eine sehreibung wie /<(//#/ </ÄV urk. Engeltal 1421,
die ilen häutigen urk. l'lm 1294 kuint»t'tig. 1295 henempt.
Trist rant: hnnpsf yih»h,u>sfii etc. etc. durchaus analog ist.
II. TEIL. CONÖÜJS'AJSTIISMUS. 269
Anm. 11 ist auf alem. gebiet von der 3. pl. auch in die 2.
pluralis sämmtlicher tempora eingedrungen, vgl. im S c h w ä b. V e r -
löbniss: ir gewinnent. werdent. ZBK. : 3 pl. prä8. widersagend, wider'
gent (reddunt). werdent. ztwhint. hietent. wellenl: 2. pl. horint. loufcnt,
hahint.'^anrufent, im p erat: horint. bihfunt. 2. pl. prät. ir sahint. zu-
namint. wurfint etc. etc. imperat. 2. pl. .sagent mir Tristrant.
s'^hrihend. vergessent cod. theo 1. et phil. 54, vgl. Wein hold al. gr.
8. 338 f. 346 u. a. Ebenso beim verbum substantivum ir sijnt (seid)
Aesop 8.65. ir sU : lU bei Neifen 42, 11. 20. /r tnoi : hochgemuot
4,5. 15 (unecht nach Uhl s. 169). kint : sint bei Winterstetten 14,
169. tV sin^ Weingar ter pre d. Tristrant 11'. cod. theol. et
phil. 74. cod. bibl. 27.
Consonantenassimilation.
§ 192. Die Sandhierscheinungen der mundart be-
herrscht ein umfassendes, bereits aus den Veränderungen
des vocalismus bekanntes gesetz, das nicht in einzelne, etwa
für consonanten und vocale verschiedene prozesse aufge-
löst werden darf. Der schwach geschnittene accent, der
unsere vocalartikulation bestimmt (§ 39) und die spaltende
Silbentrennung im gefolge hat (§ 42), erzeugt im innern der
Sprechtakte stets offene silben (§ 127) und hat in takt-
pause zur dehnung etymologisch kurzer vocale geführt
(§ 127). Diese selben Vorgänge, prägen sich beim consonan-
tismus auf eigenartige weise in den sandhierscheinungen aus.
Silbenanlautende consonantenverbindungen im innern der
Sprechtakte erleiden combinirte articulation. Ausschlaggebend
für das resultat der sprechformen ist stets der schall-
kräftigste consonant (Sievers Phonetik § 26 f.) d.h.
der unmittelbar dem vocal benachbarte. Da wir nun in der
mundart im taktinnern stets offene silben haben, consonan-
tenverbindungen also niemals eine silbe schliessen, sondern
dieselbe eröffnen, gibt es nur regressive, niemals pro-
gressive assimilation der consonanten; d. h. eine lautfolge
(schematisch) -aWc«- kann im schwäbischen vermöge seiner
constitutiven sprachfactoren niemals zu -r/7/a-, muss viel-
mehr zu -a-dda- werden {-dda aus -Ida silbenanlautend).
Dieses gesetz der regressiven consonanten-
assimilation im taktinnern ist ausnahmslos;
270 III. LAUTSTATISTIK.
es findet sich im schwäbischen kein einziger fall, bei welchem
der auf den vocal folgende consonant den ausschlag gegeben
hätte. Dieses gesetz ist anscheinend gemeinalemannisch und
eines der wichtigsten merkmale gegen Franken (vgl. § 52).
Weil im taktschluss vermöge der Verschiedenheit der
aussprachsbedingungen die consonantenartikulationen selb-
ständig bewahrt bleiben: wukfard : kfarduüt (wird gefahren,
gefahren wird), u. ähnh, entstehen im sprachmaterial eine
Unzahl von wortdoubletten, mit welchen sich das gedächtniss
auf verschiedene art abfindet (analogiebildungen). So hört
man vielfach sprechformen wie wütkfarQ, bei denen wie in
der Wortcomposition etymologische zusammenhänge die
mechanische sprechform umkfärd zerstören.
Belege aus alter und neuer zeit für die assimilations-
erscheinungen sind bereits unter den einzelnen consonanten
gegeben, im folgenden sollen die verschiedenen formen noch-
mals zusammengestellt werden:
A) verschlusslaute:
du^Jcddtmk tut keinen zug. bloibe'dq bleibe nicht da.
rPksde rede gewesen. smiktQqoxt schmidknecht.
sta'pflqlc stadtpflege. 'aepfl köpf kissen (vgl.ho^'ptpfulb
cod. poet. et phil. 30).
sof sollte. gqtou gelt du (nicht wahr?).
ma'ksm magd gewesen. mdele'mdekd mein längstes
denken.
hefeskf. befestigen. tsli9xgdb (wörtl.) zu licht gehen
(spinnstube).
be'klqQffo bett gelegen. gudklöras gut gelungen; gut
geklungen.
'qtdurdt hat gedauert. \tswud hat zwei.
Uisksß kiste gesehen /ra^V9Ä:sa^ verheiratet gewesen.
misgähl mistgabel misbml mistbengel.
w9iki9U9ß weit genug. mikäme'l mit kameel.
staksrie stadt gewesen. starksde stark gewesen.
träßqrp tragkorb. trefdgqlf trinkgelt.
e'b^sr nicht besser. 'qpüddt hat gebadet.
scndrm sind drei. aokfidd äuge gefallen.
U. TEIL. C0NS0NANTI8MÜÖ.
271
frsteHaldd versteckt gehalten.
äf9§ß^f angst gehabt.
d^ddfö thäte davon.
hiks^ leute gesehen.
gqbis geht bis.
qpis etwas.
B) dauerlaute:
mipmax9 mitmachen.
epfQÜ nicht viel.
sempfrbrent sind verbrennt.
ämpfefQr an die finger.
äfdstömbä'td angst und bang.
'ömb^b hund bellen.
'qpmd hat man.
öwois und mause.
senq sind nah.
emetsQ im märz.
mdgür und gar.
'äfdß^f band gehabt.
dr'efdksde drinn gewesen.
dmndedd ausschneiden.
ist ist sie.
^s^^f es steht.
sdi es sei.
fris du frisst (aus fri'^7,est)
tstudkrt zu Stuttgart.
(2M?^27 allweil.
fdildit viel leute.
ks^dnd geschehe ihnen.
mdn man ihn (-wa dn).
mikf9Öm9 mitgenommen.
'qdakst hat die ackst.
tsrußömd zurückgekommen.
fraeksdib freude gewesen.
stitdkrt Stuttgart.
fimitl viertel (aus fierdenteil).
embrQx in die brach.
pß9s die füsse.
ömpföwditdm und von weitem.
bra'ohgindm brot bei ihm.
emite in die mitte.
kembef kindbett.
dudpms tut man.
ömq und wo
önq und nah, vgl. öiid unten
(aus mhd. undnen).
ömhis und bis.
mgqf und geht.
tsefdgäfdd zu end gegangen.
'odwksaet haben gesagt.
asnae als schuce.
mu9sm muss sein.
r9usu9xe aussuchen.
desi'f dieses schiff.
KS Saatfeld (aus mhd. e;;isch).
tsem9rh99 zu Sigmaringen.
kqdr keller (?).
firdiir feuerreiter.
widlep wie ein löwe (: wid 9 Up).
de ßid den kühen etc.
Ursprünglich ist das resultat der combinirten conso-
nantenartikulation fortis gewesen, wie auch heute noch in
zahlreichen fällen. Es muss indessen festgehalten werden,
dass vielfach nach analogie der sprechformen im absoluten
anlaut oder in consonantenverbindung lenis resp. neutrale
qualität eingedrungen ist.
272 lll. LAUTSTATISTIK.
Anm. Ferner soll noch besonders darauf aufmerksam gemacht
werden, dass sogenannter ^consonantenausfall*^ wie z. b. r vor dentalen
consonanten (§ 188) mit den sandhierscheinungen durchaus wesensgleich
ist. Solch besondere regeln beruhen, wie schon ihre ausnahmen be-
weisen (beachte namentlich ^^t neben ^^'t hart) nur auf willkürlichen
dispositionen und neigungen des gedächtnisses, durch welche der
umfassendere, gesetzmässige lautprozess zuweilen verdunkelt wird. Für
den letzteren ist allein massgebend , dass die ihn constituirenden pho-
netischen factoren in Wirksamkeit sind, ohne von psychologischen ein-
flüssen gestört zu werden.
Chronologie der Consonanten.
§ 193:
VI. jh. f-, d- Verschiebung (§ 160).
VII — VIII. jh. Verschiebung von k nach vocal (§ 173)
und s (§ 179).
Verschiebung von ;>>/*(§ 168).
6 > 6, p (§ 171).
p>d {% 164).
vor gutturalen vocalen wird:
volares j an- und inlautend zu g^
palatales z ^u ; (§ 175. 177).
stimmtonverlust der medien.
VIII. jh. h verliert das reibegeräusch, schwindet
intervocal. und in nebensilbe (§ 158).
VIII. — XII. jh. regressive assimilationserscheinungen
(§ 148 anm. 1. 192 u. a.).
entstehung von anl. pf- (§ 168).
IX. — X. jh. reduction von t- > d- (§ 165).
reduction der doppelconsonanz zur länge
(fortis).
entstehung der palatalen consonanten
(§ 173. 154 ff.).
? > 5 {§ 160).
X. jh. palatales ^ (= ;) vor palatalen vocalen
in ictussilbe > g,
schwindet zwischen palatalen vocalen
in nebensilbe (§ 177).
II. TEIL. COH8ÜNANT1ÖMU8. 273
sx >sx:>s (§ 179).
st; sw-, slr- etc. > ät; sw-, äl- etc. -r$
> rs (§ 153).
XI. jh. ausl. -w > w (§ 189 anm. 3. 190, 3).
XII. jh. tw>zw {§ 160).
XIII. jh. w :>h intervocalisch und nach liquiden
(§ 144. 2).
-wn- > nd" und ähnl. (§ 149, d).
-mh' > mm (§ 189, d).
-ng- > »9 (§ 191).
XIV.— XV. jh. ausgleichung des grammatischen wech-
seis bei »verlieren" u. a. (§ 152 anm. 2)
ie > je (§ 180, 3)
M7>m in „wir" und ähnl. (§ 189, c).
Es ist schwierig, diese mannigfaltigen Veränderungen
unter allgemeinere begriffe zusammenzufassen. Doch wird
es möglich sein, mit hilfe der § 140 für die vocalischen
Veränderungen erschlossenen erweiterung der mund-
öffnung (Senkung des Unterkiefers, abflachung des zungen-
rückens) auch consonantische Veränderungen wie ä: > x;
p > f begreiflicher zu finden. Damit hängt wohl aufs
engste die Herabsetzung der exspirations- und arti-
culations-intensität zusammen, vermöge welcher t zu rf,
die älteren doppellaute zu einfachen geworden sind {kk > k,
mm > m etc.) und ohne weiteres fallen darunter assimila-
tionserscheinungen wie palatalisirung ursprünglich velarer
laute, entwicklung von j und g u. a.
Schlussbemerkung.
§ 194. Seit dem 13. bis 14. jh. ist keine principielle,
gesetzmässige Veränderung im schwäbischen lautbestande
nachweisbar. Die mundart erscheint demgemäss im wesent-
lichen seit 5—6 Jahrhunderten in der form constituirt, wie
sie heute gesprochen wird. Wenn auch im einzelnen, nament-
lich was von der Orthographie nicht dargestelltes oder dar-
stellbares betrifft, diflferenzen noch bestanden haben mögen,
die erst die folgenden Jahrhunderte verwischt haben, wenn
Ivuullinutin, Fr., Gi>8('hiehU> «i. scliwüb. Muiidurt. ]^^
274 11. TEIL. CONSONANTISMUS.
auch erst im verlaufe der jüngsten perioden ausgleichende ana-
logiewirkungen gewirkt haben, so haben dieselben jedenfalls,
wie die mundartlichen denkmäler zeigen, im laufe des 15.
jh. ihr spiel vollendet. In den letzten 4 — 5 jh. hat folglich
eine continuirliche, constante Sprachüberlieferung von gene-
ration zu generation stattgefunden.
ANHANG.
DIE SCHRIFTSPRACHE.
18*
Niclas von Wyle, stadtschreiber von Esslingen,
später zweiter kanzler des grafen Ulrich von Württemberg,
aus dem Aargau eingewandert, wagte es noch in den letzten
tagen seines lebens (a. 1478) gegen gewisse neuerungen
der Orthographie, wie sie in Schwaben einzudringen be-
gannen, öffentlich seine gewichtige und erfahrene stimme
zu erheben. Mit dem eigensinnigen festhalten an dem ge-
brauch der altvordern, wie sie gerade den Schweizer charac-
terisirt, und mit dem ängstlichen localinteresse des schwä-
bischen stamradünkels erklärt er sich gegen die änderungen,
die ,in allen cantzleien der herren und stetten" platzgreifen.
Seine gründe sind höchst dürftig. Die änderung sei zum
einen unnütz und zum andern bringe man eine stammheit-
liche eigenart zum opfer, wenn man statt -ai-, wie es in
Schwaben immer brauch gewesen, jetzt -ei- zu schreiben
anfange (§ 91 anm. 2). Bei anderer gelegenheit (Müller,
quellenschriften s. 15) eifert er gegen die „rinischen" formen
fjeet steet, welche die stockschwäbischen gaut , staut aus
den Schriftwerken verdrängen.
Dieses erste zeugniss eines guten beobachters für die
Umbildung einzelner lautformen der schwäbischen gemein-
sprache, in der zweiten hälfte des 15. Jahrhunderts ist für
uns um so massgeblicher, als dasselbe gleichzeitig durch
Untersuchung der druckdenkmale in vollem umfang be-
stätigt wird.
Von diesem festen puncto aus führt der blick rück-
wärts, in die zeit, da die literarische production in deutscher
spräche stümperhaft und armselig, fort und fort als bar-
278 ANHANG.
barisch bemäkelt, einzig getragen von den anforderungen
der kirche in deren aschenbrödeldienst ihre unentbehrliche
existenz fristete. Jahrhunderte lang vermochte die römische
spräche die hegemonie sich zu wahren, die die römische
kirche seit dem beginn ihrer mission in Deutschland be-
gründet hatte.
So lange das gefürchtete regiment der kirche im volke
jede lebensregung im banne hielt, war ein aufschwung der
literatur in der muttersprache nicht zu erwarten. Es hatte
lange gedauert, bis im ritterstande dem pfaflfentum ein rivale
erwacht war, der zum ersten mal die alleinherrschaft der
kirche im öffentlichen gesellschaftsleben bedrohte und dann
auch siegreich die ausserkirchlichen Interessen der laienweit
in ihre rechte einsetzte.
Offenbar hängt es mit dieser socialen revolution zu-
sammen, wenn seit der mitte des 12. jh. stetig anwachsend
eine deutsche literatur in fluss kommt, anfangs beschränkt
auf die modernen cirkel des rittertums, bald aber auch die
bürgerlichen kreise ergreifend, allerdings im ganzen kaum
so fruchtbar als die schreiblust der klöster.
Es war aber ein ganz besonders wichtiger fortschritt,
als seit der mitte des 13. Jahrhunderts auch die kanzleien
der Städte, der fürsten wie des kaisers deutsche geschäfts-
sprache einzuführen wagten. So konnte es nur noch eine
frage der zeit sein, die lateinische buchsprache allmählich
auf die exclusiv gelehrte literatur einzuschränken, vollends
als die Schriftstücke der kaiserlichen kanzlei in einer all-
mählich gleichmässigeren Orthographie von einem ende des
reiches bis zum andern cursirten und durch den stetig sich
hebenden buchhandel die erzeugnisse der einen provinz allen
andern zugänglich wurden. So kam es in langsamer ent-
wicklung zu einem ausgleich der deutschen Schriftsprache,
das übergewicht der mitteldeutschen reformationsliteratur
lieferte den einschlag: mitte des 18. jh. besitzt Schwaben
die heutige gemeinsprache.
Die ältere literatur ist in ihrer sprachform durchaus
provinziell gefärbt. Daher empfiehlt es sich, die ausbildung
unserer Schriftsprache in den einzelnen provinzen gesondert
DIE SCHRIFTSPRACHE. 279
ZU verfolgen, was aber seinerseits erst möglich ist, wenn
die entwicklungsgeschichte der lautform übersehen werden
kann, da die schriftform in keiner periode der Sprachent-
wicklung ohne die lautgeschichte verständlich ist.
Die älteste periode deutscher auf Zeichnungen (glossen,
namen der Urkunden) in Schwaben bis zum beginn zusammen-
hängender denkmäler im 12. Jahrhundert erlaubt keinen
gesammtüberblick , um zu erkennen, wie weit die schrift-
form der schwäbischen Schreiber von fremdem Vorbild ab-
hängig, wie weit sie traditionell (nicht der ausspräche con-
form) gewesen sein möchte.
Die thatsache der abhängigkeit steht ausser zweifei.
Es kann nach §§ 175 flf. keinem bedenken mehr unterliegen,
dass die bezeichnung der gutturalen verschlusstenuis mit den
zeichen des Spiranten eine concession an hochalem. schreib-
usus gewesen ist. Die möglichkeit der Übertragung ist schon
durch die vielfachen besitzungen z. b. des klosters St. Gallen
auf schwäbischem territorium erwiesen (stiftungs-, schen-
kungsverträge u. a.). Femer wird der traditionelle character
der aufzeichnungen sicher gestellt 1) durch die allgemeine
Übereinstimmung der Orthographie unserer denkmäler, 2) durch
die wiederholt hervorgehobene, sprachgeschichtlich wichtige
thatsache, dass unsere glossensammlungen des XL XII. jh.
ein gemengsei von sprachformen darstellen, die ganz ver-
schiedenen entwicklungsperioden angehören. Die wortformen
sind teils mit der ehrwürdigen Schreibung der älteren vor-
läge übernommen, teils in eine der sprechform des Schreibers
näherliegende Orthographie umgesetzt worden. Im grossen
ganzen geht aus unserm material deutlich hervor, dass die
tendenz der Orthographie in der ältesten zeit vorwiegend
conservativ gewesen ist, die Schreibung sich also bereits
sehr weit von der ausspräche entfernt hat. Dazu kommt
schliesslich, dass das schwanken der Orthographie in der
widergabe des qu- lautes (§ 156 anm.) am ehesten aus einem
bestreben sich erklären Hesse, die plumpe sprechform des
dialects einer eleganter klingenden schriftform zu opfern,
dass also bereits in ahd. periode eine Verschiedenheit der
ausspräche nach gesell Schaftskreisen geherrscht haben könnte.
280 ANHANG.
die natürlich, wenn die auflfassung der g'W- Schreibungen
das richtige trifft, sich noch weiter auszudehnen hätte und
an der überraschenden gleichmässigkeit der Orthographie
der vocale eine weitere stütze fände. Aber es lässt sich
kein sicheres argument dafür ausfindig machen, dass unge-
fähr die spräche der herrschenden klasse mit der archaischen
Schreibung der denkmäler übereingestimmt, die spräche des
Volkes dagegen, gerade so wie heute, in der lautentwicklung
fortgeschrittener gewesen wäre. Wahrscheinlich ist ein
solcher zustand, da eben zu allen zeiten die anerkannte
Wirkung der schritt auf die ausspräche gegolten haben wird
(„nach der schrift sprechen") ; der kreis der betr. über dem
dialect stehenden gesellschaftssprache darf aber jedenfalls
nur wenig über die den literarischen Interessen nahe stehen-
den individuen hinaus gezogen werden.
Dialectisch d. h. provinciell ist diese Orthographie und
sprechform auf alle fälle gewesen, nur werden grade des mehr
oder weniger crassen (je nach einfluss der schrift) existirt haben ;
wie ja die Orthographie in einzelfällen besonders deutliche
fingerzeige für die beschaflfenheit der Volkssprache gegeben hat.
In mittelhochdeutscher periode ist das quellen-
material für die frage nach einer über das spec. landschaft-
liche hinausreichenden Sprech- und schriftform bedeutend
mannigfaltiger und ergiebiger. In erster Knie wertvoll sind
die reime unserer schwäbischen minnesänger von Meinloh
von Sevelingen (bei Ulm) bis auf den ca. ein Jahrhundert
jüngeren dem namen nach nicht sicher bekannten [Hein-
rich] Schulmeister von Esslingen.
Die fragestellung spitzt sich dahin zu, ob in den liedem
durch gewisse reimbindungen eine sprechform voraus-
gesetzt wird, die mit der heimatlichen, in der geschicht-
lichen erörterung für die betr. epoche erwiesenen, nicht
übereinstimmt. Die wichtigsten categorien bilden: 1) die
reimbindung der etym. und phonetisch verschiedenen mhd.
ei (§ 93). 2) die reime zwischen langen und kurzen vocalen
derselben articulationsstellung (§61 anm. 4). Vorweg sei
daran erinnert, dass die eindringendsten Untersuchungen über
den Sprachgebrauch und die reimtechnik der minnesänger
DIE SCHRIFTSPRACHE 281
ergeben haben, dass reinheit des reimes strengstes kunst-
princip gewesen ist.
1) Es wurde bereits von H. Fischer, zur geschichte
des mittelhochdeutschen (Tübingen 1889) s. 6 f. angedeutet,
dass auf grund von reimen wie heide : meide Neifen 38,
26 u. ähnl. eine art gemeinsprache für die mhd. dichter
anerkannt werden muss, da eben nicht daran gedacht
werden darf, dass der unterschied der klangfarbe vom dich-
ter hätte vernachlässigt werden können. In schwäbischer
ausspräche sind reimbindungen dieser art, dies dürfte durch
meine Untersuchung festgestellt sein, zu allen zeiten unrein
gewesen. Wenn rein reimende dichter dieselben zugelassen
haben, kann dies nur folge eines Zugeständnisses an die
reimgewohnheit bei dichtem sein, denen in ihrer mundart für
die beiden -ei- identische ausspräche eigen war. Ich habe
§ 93 gezeigt, dass diese reime auf schwäbischem boden erst
auftreten, nachdem eine längere periode der kunstübung
verflossen und die Stilistik der dichtungsgattung ausgebildet
war; unsere ältesten minnesänger (Meinloh, Heinrich von
Rugge) bleiben in diesem stücke der mundart getreu.
2) Wohl aber reimt Mein loh getan: man 13, 23. 26
und 14, 15. 17 gewan: län, wenn diese änderung der hand-
schriftlichen Überlieferung zulässig ist. Bei Rugge sind Aän ;
kan 103, 31. 33. enkan: stan 103, 36. 38 (Paul Beitr. II,
494. 511. 527). naht: gedäht 1109, 19. 21 (Paul a. a. o. II,
494) in hohem grade zweifelhaft und wahrscheinlich Rein-
mar anzurechnen (für dessen lieder reime wie län : an 189, 9
sicher gestellt sind); Neifen hat gar: klär (Uhl s. 74) u. a.
vgl. § 61 anm. 4.
Die nächstliegende erklärung ist doch wohl die richtige,
dass nämlich in den höfischen kreisen nach der schrift ge-
sprochen wurde, dass die Wandlungen, welche ä in der Volks-
sprache durchgemacht hatte (§ 60 f) perhorrescirt wurden
und in folge dessen nach eintritt der vocaldehnung (§ 127 ff.)
Übereinstimmung herrschte. Es ist aber gewiss nicht zu-
fällig, dass der procentsatz an hierhergehörigen reimen bei
unsern dichtem so ausserordentlich gering ist. Rugge dürfen
solche reime wahrscheinlich gar nicht aufgebürdet werden,
282 ANHANG.
Meinloh und Neifen sind mit je einem (resp. zwei belegen)
die einzigen zeugen. Vergleicht man sowohl in bezug auf
die ei-reime, als auf die bindung von a : ä den sprach-
und reimgebrauch der schwäbischen liederdichter mit dem
Hartmanns von Aue, der beide categorien zugelassen hat
(Erec 241. 1605. 3305. Iw. 2668. 5522, Lachmann zulw. 2112.
5522), so bietet sich hier eine handhabe, vermöge der nun
definitiv Hartmann ausserhalb Schwabens im engeren sinne
(Obernau) localisirt und schwäbische mundart ihm abge-
sprochen werden muss; auch Vri^n: ich sten Iwein 4184 (vgl.
Lachmanns anm. zu 2112) ist bei einem Schwaben des 12. jhdts.
nicht möglich; das prät. liez (z. b. Iw. 362. 1066) lautet bei
den Schwab, dichtem lie [liez : stiez MSF. 194, 23 darf
nicht mit Erich Schmidt, s. 70 Rugge zugeschrieben werden].
Damit ist nun aber auch alles erschöpft, was sich aus unsern
dichtem für eine gebildetere, über den dialect hinausreichende,
mit nichtschwäbischer ausspräche übereinstimmende sog.
gemeinsprache der ritterlichen gesellschaft beibringen lässt.
Durch einzelheiten wie antlüzze: nüzze Winterstetten 8,
68 (unschwäbisch nach § 161, 2) wird mein resultat sehr
treffend gestützt. Dass unsere dichter für sprachformen
nicht verantwortlich gemacht werden dürfen, die ihnen nur
infolge der unkenntniss moderner herausgeber aufgepfropft
worden sind, versteht sich von selbst. Rugge' s leich zeigt
in MSF eine merkwürdig buntscheckige form, weil man
sich noch nicht entschlossen hat, die sprachformen der Bene-
dictbeurer handschrift der mundart des dichters zu opfern. Man
tilge ferner get 101, 14 (ergätilat 98,8), die e- formen sind
nach § 61 in schwäb. denkmälern nicht zulässig, die heraus-
geber sind gerade in diesem stücke sehr lax gewesen, vgl.
bei Neifen 38, 25 stänt : Stent 50, 36. 36, 14. stet 33, 32.
37,14. stat 43, 27. 40, 25. Winterstetten 6, 16. stan 46,
22. ich Sien Winterstetten 5, 87. 16, 33. 17, 83. 22, 11.
schal 96, 3 (gegen sol 99, 4. 100, 16 u. ö.). Unmöglich ist
niet: siet 101, 28 gegen niht : siht 105, 3. 109, 24. 27 u. a.
Ich weiss wohl, dass durch Meinloh 's niet: liep 11, 6. niet:
schiet 14, 6 gegen niht : siht 12, 36 niet auch für unsern
dialect erwiesen wird , aber eine form siet ist nicht nach-
. DIE SCHRIFTSPRACHE. 283
weisbar, so wenig als tränt Neifeln 25, 11. In fallen
wie flegen 98, 18 (vgl. fiu 98, 38): pflegen 102, 19.
pflac 103 , 25 war gleichmässigkeit angebracht, nimet :
zimet 98, 21. 104, 19 gegen nimt 101, 19. behalde : be-
walde etc. 110, 27 aber solte : wolte 109, 22 u. a. Doppel-
formigkeit ist vielleicht in diesen wie in andern fallen
dem dialect gemäss: bluot (: tuot), bliiete (: güefe) Neifen
34, 2. 3 u. ö. iewer mE (; wB), iemer mere (; sere); gewesen:
gesm (§ 76 anm. 2). har Neifen 45, 2 ist wohl nur aus
der alem. handschrift stehen geblieben, bei Winterstetten
ist gevarihar 4, 50 {her: ger 8, 63 u. a.) ebenso singulär
als Neifens schm : geswin 37, 8 vgl. Im (liegen) : sin Vir-
ginal 491, 9. 499, 2. Ebenso halte ich in der Volkssprache
reime wie ir sU : llt Neifen 42, 11, 20 vgl. ir sint Winter-
steten 14, 185. 31, 35 u. a. kint: sint 14, 169 (in der Vir-
ginal ir sU:lU: wtt neben ir sint: kint, Mint wie ir wizzet :
3. sg. izzet 381, 8 gegen ir Uent: underwilent u. a.) ir tuot:
hochgemuot 4, 5. 15 (vgl. Uhl s. 169) für unmöglich (§ 191
anm.); ferner herze: smerze Winterstetten 5, 78 gegen
herzen : smerzen 7, 28 vgl. 9, 121. 12, 106. twinc 15, 13 gegen
twinge (vgl. Minor zu 1, 13). vertrlp 10, 34. verrmde 11, 48
u. a. Quote: muote 9, 101. Uot: Guot: tuot 14, 171. vervät 12,
111 : vercähet 62, 33. munde: kund e Rugge 102, 28 u. a. gegen
künde : sünde : bünde Winterstetten 10, 42. ich tanzen unde
meijen 34, 19: ich lebe 42, 30 u. a. vertnben: belibe Rugge
110, 35. stunde: gebunden 101, 27 (Paul, Beitr. II, 512). herze:
smerzen Winterstetten 9, 121 u. a. sind dagegen viel-
leicht dialectisch und beruhen auf dem schwund von ausl.
-n in der mundart (§ 110). Bemerkenswert ist die doppel-
formigkeit bei den adj. adv. auf -lieh:
Bei Neifen: rJche : helfecliche 11, 18. minnecliche : rlche
13, 16. winneclichen : entunchen 7, 3 vgl. 39, 27. minneclichen:
geliehen 34, 22 (ühl s. 126 ff.), inneclichen : wichen 39, 30.
froiUlennche : genwdecUche 43, 6. fröudenrich : minnencHch 37,
21. eigenliche : fröudenrlche 50,2 u. a. (vgl. Uhl s. 117. 187.
Bartsch, Iiederdichter2 zu XXXVI, 77).
Winterstetten: mich : gerich : ungemenlich 4, 24. 8,
85. 14, 185. grimmeclichimich 23,29. 26,14. mich iwiamec^
284 ANHANG.
lieh 41, 63. ich : sicherlich 49, 17. fugentrich : zühieclich 8,73.
dich : minneclich 10, 37. mich : minnedich 16, 35. 17, 81.
37, 22. 46, 19. sich : vröudenrich 10, 38. ich : minneclich 12,
101 vgl. 29, 47. lieplich:ich 16, 47. mich : vesteclich 18, 21.
entwichen: herzeclichen : minneclichen: tougenlichen 16, 39 vgl.
48, 48. minneclich :sceldenrich: 16, 59. tugeniriche: herzecliche
17, 77. minneclich: inneclich 24, 31. geltch: vröudenrich 25,
20. minnecUche: geltche 33, 38 vgl. 33, 9. gelich : r^ch : minnec-
lich 36, 74. gelzch : vremdeclich : rieh 4:7 , 19. Schulmeister:
dich : sicherlich MSH II, 137, 2. sich : grittsenlich : mich
138, 10. schamelich : mich etc. 140, 16.
Ferner kiiniginne : minne Neifen 18,8. 20,34. künigin
:hin 41,18. vogellin: nun : künigin 52,29. Winterstetten:
kiiniginne : inne : sinne 2, 36. trcestcerinne : brinne : minne
Neifen 27, 10. Winterstetten 2, 39 vgl. 5,85. sin7ie :
troßstoerinne 31, 55. troistcerin : schln 8, 81. sm : troestcerin
25, 30. dm : troestcerin 46, 14. minne : meistcerinne 8, 92.
megcerinne : sinne 61,35. Schulmeister: sinn e: triutcerinne
139, 18. srhm : gesln etc.: meistcerin 140, 16.
N e i f e n 46, 20 : sin : diu vogellin. Winterstetten:
diu vogellin : pTn 45, 4 vgl. elliu vogelli 59, 5 (hs). Schul-
meister: klndel'm : hin 138, 10. dienerin : shefeli St. Cecilia
(Zs. 16) v. 205; zahlreichere belege in der Virginal (DHb).
Der lieutigen mundart sind in all diesen fällen die
formen mit kurzem vocal gemäss. Es ist gewiss nicht zu-
fällig, dass Neifen die bei Winterstetten geläufigen adj.
adv. auf -lieh meidet (vgl. Lachmann zu Iwein 5522), er
Jässt nur die flectirten formen zu, bei denen die länge des
suffixvocales lautgesetzlich ist. Man wird die mannigfaltig-
keit der adverbiaJbildung -lieh, -liehe, -liehen nicht der mund-
art zuschreiben dürfen, vielmehr an band des materials bei
Winterstetten und dem Schulmeister die form auf -lieh als
die mundartliche anerkennen, die übrigen auf traditionelle
reimbindungen zurückführen ; ebenso bei den movirten
femininen -inne, -in, der einheimischen mundart gehört ver-
mutlich allein -in zu. Dass eine pluralbildung vogellm (statt
Dogelliu) der alem. dialectgruppe fremd ist, hat Braune ahd.
DIE SCHRIFTSPRACHE. 285
gram. § 196 anm. 3 längst festgestellt, die mundart hat
im 12. 13. jh. nur ein diminutivsuffix -/t, le (sg. wie plur.)
gekannt, vgl. die materialien § 116.
Es kann nach dem gesagten nicht mehr bestritten
werden, dass in die schriftliche form der mundart unserer
schwäbischen dichter laut- und wortformen eingedrungen
sind, die auf einen ausgleich mit dem sprachlichen material
anderer landschaften hinweisen. Aber die hinterlassenen
spuren sind sehr gering. Wir können nur noch ahnen, dass
die tendenz vorhanden war, von der geschriebenen spräche
fernzuhalten, was im vergleich mit auswärtigen literarischen
erzeugnissen den Vorwurf des dialectischen zu erleiden ge-
habt hätte; dies gilt vielleicht auch für die vollen endungs-
vocale, vgl. Beitr. XIII, 464 flf.
Diesem bestreben wurde die heimatliche lautform so-
weit geopfert, dass reime zugelassen waren, die in der
mundartlichen ausspräche nicht dem künstlerischen prinzip
reiner reimbindung entsprochen hätten.
Es scheint, dass die schwäbische dichtersprache des
13. jh. hauptsächlich von elsässischen mustern abhängig
gewesen ist; jedenfalls darf unser dialectgebiet nicht da-
runter verstanden werden, wenn man von der "schwäbischen**
grundlage einer mittelhochdeutschen literatursprache redet.
Wir werden die sprachlichen zustände am besten ver-
stehen, wenn wir auch für diese periode die natürliche an-
nähme festhalten, dass neben der dialectischen sprachform
der kleinen leute eine gesellschaftssprache vorhanden ge-
wesen sei, welche bis zu einem gewissen grade durch die
Schrift normalisirt wurde. Wiederum ist die gleichmässig-
keit der Orthographie dieser annähme günstig.
Man hüte sich aber sehr, diese schriftliche form etwa
mit der zu identificiren, in welche moderne herausgeber
unsere dichter gesteckt haben. Bei dem geringfügigen mate-
rial einer schwäbischen literatur höheren stils sind wir,
da in Schwaben geschriebene handschriften fehlen, auf die
reime angewiesen, aus denen die einzelnen merkmale der
Schriftsprache entnommen werden müssen. Auch für die
286 ANIIAJ^O.
spätere zeit, so namentlich für das 14. jh. fehlen uns durchaus
massgebende literarische denkmäler. Man möge nicht vor-
schnell aus dem greifbarer mundartlichen typus Schlüsse
auf eine sog. Verwilderung der sprachlichen form ziehen.
Derselbe hängt damit zusammen, dass niederere Volks-
schichten (kloster-, und bürgersleute) die literatur in die
hand bekamen. Die bessere tradition des 13. jh. kann nicht
zu gründe gegangen sein, denn als im 15. jh. die literatur
wieder von geistern erweckt wurde, die über die grenz-
pfähle der provinz hinaus zu wirken verstanden, bricht die
in gewissem sinn edlere form der spräche in ihren dich-
tungen durch.
Es ist von der grössten Wichtigkeit festzuhalten, dass
für die existenz einer von der mundart sich loslösenden
bücher- und gesellschaftssprache nicht denkmäler befragt
werden dürfen, die aus kreisen stammen, welche dieselbe
überhaupt nicht zu erfassen vermochten, oder infolge eng
begrenzter localer zwecke nicht zur darstellung brachten.
Darunter fällt die ganze masse der localen Urkunden und der
sog. Volksliteratur, die für die kenntniss der localen sprach-
formen ebenso ergiebig als für die frage nach der existenz
einer sog. Schriftsprache unfruchtbar sind. Für die letztere
hat man sich stets an literarische denkmäler höchsten stils
zu wenden ; oder wenigstens an solche, die sowohl für das
in- wie das ausländ berechnet sind. In diesem sinne werden
wir im verlaufe die entwicklung der Schriftsprache in
Schwaben seit dem 15. jh. verfolgen.
Wie heute, sind im ganzen poetische darstellungen
sprachlich conservativer als die den neuerungen zugäng-
lichere prosa.
Man halte sich aber für das folgende gegenwärtig, dass
es sich um Veränderungen handelt, welche nur die Orthographie
betreffen, für die aussprachsformen der lebendigen volksmund-
art kommen dieselben nicht in betracht. Diese letztere ist
streng dagegen abgeschlossen, die aus fremden dialectge-
bieten eindringenden schriftformen berühren die in ihrer
entwicklung zur ruhe gekommene Volkssprache nicht mehr.
Es ist, wie gesagt, fast nutzlos, wenn man ausbeute
ÜIE 8CHRIFT8PKACIIE. 287
für die geschichte der Schriftsprache in den localen geschäfts-
urkunden und in der massenhaft sich steigernden, den prac-
tischen anforderungen des tages dienenden literatur suchte.
Diese niederen sorten sind, wie meine darstellung auf jeder
Seite gezeigt hat, in einer verhältnissmässig sehr überein-
stimmenden schriftform abgefasst, in der wir jedenfalls die
wenig straffe, aber doch schulmässig erlernte, gegen mundart-
liche oder wie wir heute sagen würden, phonetische versuche
nicht verschlossene Orthographie der schwäbischen land-
schaft widerzuerkennen haben. Alle diese denkmäler zeigen
eine sprachliche form, die nicht, wie man oft oberflächlich
gemeint hat, mit der dialectischen ausspräche übereinstimmt,
sondern das gros der Schreibungen geht in einer seit Jahr-
hunderten überlieferten form, es sind immer nur einzeln-
heiten, die uns die Veränderungen der mundart erkennen
lassen.
Von einer Schriftsprache in diesem sinne, die zu allen
Zeiten vorhanden gewesen, handeln wir nicht, sie ist in
ihrer entwicklung in der lautgeschichte zur besprechung
gekommen.
Seit dem 15. jh. häufen sich progressiv die anzeichen,
dass allmählich auch für Deutschland eine allen pro-
vinzen gemeinsame form der geschriebenen
spräche erstanden ist, die dank dem geregelten diploma-
tischen verkehr der provinzen und dem seit erfindung der
buchdruckerkunst immer wichtiger werdenden buchhändle-
rischen vertrieb der literarischen erzeugnisse in den einzel-
nen gebieten ihrem heutigen bilde stetig näher kommt. Für
die schwäbischen landesteile von Württemberg werden wir
dies im folgenden darzustellen haben.
Seit der zweiten hälfte des 13. jh. werden die Ur-
kunden deutsch abgefasst. Das lateinische hält sich zäh
daneben als geschäftssprache, bis in der kanzlei Ludwigs
des Baiern (1314 — 47) die muttersprache entschieden den
Vorrang gewinnt, namentlich seitdem die geistlichkeit nicht
mehr zur ausfertigung der öffentlichen Schriftstücke heran-
gezogen wurde, sondern nach dem muster der italienischen
kanzleien das notariatswesen zu selbständiger berufstätigkeit
288 ANHANG.
sich entwickelte. Die Luxemburger haben dem rühmlichen
Vorbild Ludwigs gehuldigt; in der Prager kanzlei herrscht
unter Karl IV das deutsche vor.
Die deutschsprachliche bewegung hat hier an dem
vom notar zum kanzler aufgestiegenen Johann von 01-
mütz einen ganz hervorragenden Vertreter gefunden (A.
Benedict, Bibliothek der mhd. Lit. in Böhmen III), der sich
um die ausbildung einer consequenten Schreibung in der
kanzlei besonderes verdienst erworben hat. Wenzel und
Sigismund haben sich im wesentlichen derselben, ange-
schlossen. Es konnte nicht ausbleiben, dass im verkdir
mit dem reiche bald auch die fürstlichen und städtischen
kanzleien mit der böhmischen Orthographie vertraut wurden
und so zeigen denn bereits die Urkunden des schwäbischen
Städtebundes (a. 1385) formen wie doran, einnemen, sein (sind).
zeit. heAvt (D. Reichstagsa. II, 492), die mit der spräche der
kaiserurkunden übereinstimmmen. Von einzelheiten abge-
sehen ist für dieselben, schwäbischem lautstand gegenüber
besonders characteristisch, dass ausser der im osten längst
auch in der schrift zum ausdruck gekommenen diphthon-
girung der älteren ^, ü, tu, Augsburg a. 1388 (DR II, 46)
bereits die concession gemacht hat, dass au = a, vermieden
wird, welches allerdings in späteren Schriftstücken wieder
auftaucht, aber stets spärlich bleibt. Ebenso spärlich sind
(wie zuweilen auch in den kaiserurkunden selbst) formen
wie f runden, herus (DR II, 358) a. 1390 u. a.; man vgl. DR
II, 358. VI, 715. VII, 327. 330. 331. VIII, 114. 133. 269. IX,
48. 308. 312. An K. Sigismund a. 1429: heiligen, gagenwor-
tikeit; kein au = ä, ebensowenig s. 326. 329. 338 an den Erz-
bischof von Mainz, dagegen s. 334. 357 an Ulm: aubend. nauch
a. 1430, ohne an s. 463. 4 au s. 399 an Konrad von Hall.
Ulm steckt noch a. 1430 tiefer in der localen Orthographie
DR IX, 484. 486 u. a. und so ist nicht zu verwundern, dass
im internen verkehr (Urkunden des Schwäbischen Bundes)
noch zu ausgang des 15. jh. in Ulm neben der reichsge-
schäftssprache (z. b. a. 1488) grob mundartliche aktenstücke
einliefen, wie z. b. der von Hans Ehinger aus Nürnberg a.
1491 eingesandte bericht I, 104 flf; vgl. auch I, 16 gegen I,
DIE SCHRIFTSPRACHE. 289
21. 27. Ich betrachte zusammenfassend als Wirkung der
kanzleisprache, dass 1) au für ö, ou für o resp. o für ou
so gut wie völlig aus der schwäbischen Orthographie ge-
tilgt, 2) die neuen diphthonge, die längst in der Volkssprache
vorhanden waren, in die Orthographie aufgenommen, 3) ei
neben seltenerem ai zur bezeichnung des alten diphthongs
der f-reihe verwendet und 4) öu durch eu wiedergegeben
wurde, so das für heute und freude derselbe diphthong
eingetreten, wie analog e« = r = ai, au "~ u = ou. Damit
waren wesentliche züge einer Schriftsprache geschaffen.
Im letzten drittel des 15. jh. war indessen die bedeu-
tung der kanzleisprache für die entwicklung unseres ge-
meinsamen Schriftdeutsch vom buchdruck überflügelt. Ich
vermag kein argument aufzufinden, welches dazu berechtigte
der kanzlei Maximilians oder gar des kaisers person selbst
irgend welchen massgebenden einfluss beizulegen. Bereits
war die moderne Schreibung der diphthonge in die Schrift-
werke eingedrungen : bei Ingold, im liederbuch der Hätzlerin
und bei Mynsinger sind sie fast allgemein, Hermann von
Sachsenheim, Ruland, Ehingen zeigen mehr oder weniger
reichliche belege; man wird doch nicht ernstlich geglaubt
haben, dass die diplomatischen aktenstücke noch zu einer
zeit für die gemeinsprache hätten in betracht kommen können,
nachdem bereits in den hervorragenden druckwerken seit
beginn der 60 er jähre des 15. jh. ein unvergleichlich wirk-
sameres organ für dieselbe geschaffen war.
Auf schwäbischem boden wurde in Augsburg die
erste presse errichtet, der erste druck verliess dieselbe im
jähr 1468. Es ist sehr zu beachten, dass die ältesten drucker
durchweg als „Schreiber" bezeichnet werden, also vor errich-
tung ihrer anstalten wahrscheinlich notare gewesen sind,
wodurch direkte Verbindung zwischen canzlei- und druck-
sprache hergestellt ist. Aus Reutlingen ist nach Augsburg
der „Schreiber" Günther Zainer (1468 — 1478) eingewandert,
und Schreiber ist Johann Schüssler (1470 — 73) wie Johann
Bäumler (1472 — 93) gewesen; der letztere hat vermutlich
Zainers druckerei übernommen. Ausser Jod. Pflanzmann
KaülTmaua, Fr., Geschichte d. scihwäb. Muudait. 19
290 ANHANG.
kommt für uns namentlich Anton Sorg (1475 — 92) und Johann
Schönsperger (1481 — 1524) in betracht. Johann Otmar
druckt von 1498—1501 in Tübingen, seit 1502 in Augsburg;
sein söhn Silvan Otmar hat sich neben Heinrich Steiner für
die Verbreitung der lutherischen reformationsliteratur ganz
besonders verdient gemacht. Die erste presse in Ulm wurde
1470 errichtet (Joh. Zainer. Conr. Dinckmut u. a.), in
Reutlingen 1482 (Joh. Otmar), vorübergehend bestand eine
solche in Esslingen (1473), von wo Conr. Feyner nach
Urach (1481) übersiedelte, in Blaubeuren 1475 (Conr.
Mancz), in Stuttgart 1486 (vorübergehend), in Tübingen
1498 (Joh. Otmar, Thom. Anshelm, Ulr. Morhart, Osw. und
Georg Gruppenbach), vgl. Stalin: Die buchdrucker des
XV. jh. in und aus Würtemberg und Schwaben. Würtb.
Jahrb. 1837 s. 131. Zapf: Augsburgs Buchdruckergeschichte.
Zwei Theile. Augsburg 1788. 1791. Mezger: Augsburgs
älteste druckdenkmale. Augsburg 1840. Hassler: Die
buchdruckergeschichte Ulms. Ulm 1840. K. Steiff: Der
erste buchdruck in Tübingen. Tübingen 1881.
Augsburg hatte auch den ersten eigentlichen buch-
händler in Deutschland, den viel gefeierten archibibliopola
Joh. Rynmann aus Ohringen („deutscher nation namhaftester
buchführer"). Seine verlagsartikel lieferten teils Augsburger
teils Basler und Hagenauer pressen und gewiss ist nicht
weniger wichtig zu erfahren, dass die einheimischen drucke-
reien ihre gehilfen vielfach von auswärts (namentlich Strass-
burg) bezogen haben oder dass ein einflussreicher mann wie
Thom. Anshelm zuerst in Pforzheim gedruckt und später sein
geschält von Tübingen nach Hagenau verlegt hat. Wir wissen
auch, dass vielfach Tübinger gelehrte in Hagenau und Strass-
bürg haben drucken lassen, es ist nur zu verwundem, dass
Nürnberg so wenig in diesen geschäftsbeziehungen hervortritt.
Für die zweite hälfte des 16. jh. muss schliesslich an die
Frankfurter messe erinnert werden. Der Augsburger Dr. Georg
Willer ist der erste gewesen, der seit 1564—1592 (jährlich
zweimal) messcataloge ausgegeben hat — kurz das gedruckte
buch, der neue handelsartikel, der im 16. jh. eine solch un-
geheure rolle gespielt und den fortschreitenden interessen
DIE SCHRIFTSPRACHE. 291
des tages gedient hat, ist die heimstätte der neuen spräche,
die Urkunde wird im formelwesen immer mumienhafter.
Die schwäbischen pressen des 15. jh. liefern neben
theologischer literatur hauptsächlich belletristik (Volks-
bücher), weniger geschichtliche und naturwissenschaftliche
werke, seit dem 2. decennium des 16. jh. übernehmen die
literarischen erscheinungen der gegenwart weitaus die
führung: Augsburg im dienste Luthers, Tübingen für die
katholische sache (Dietenberger. Emser. Eck) — Schwabens
typographische industrie bietet so ein verkleinertes Spiegel-
bild der bewegten reformationszeit, die, wie wir sehen wer-
den auch für unsere gemeinsprache einen Wendepunkt bildet,
indem seit dem auftreten Luthers bis auf Gott-
sched alle weitern neuerungen der spräche aus
Mitteldeutschland importirt worden sind.^ Dieselben
sind nicht von solch umwälzender bedeutung gewesen, wie
man es sich gerne vorgestellt hat, denn die schwäbische druck-
sprache war lange vor der reformation zu schönem ziele ge-
langt, so dass in einer ausgäbe der predigten Taulers a. 1508
bemerkt werden konnte: neulich corrigirt und gezogen seind
zti den merern teil auf gut verstentllch Au g spur g er sprach,
die da unter aridem teutschen zungen gemeiniglich für die
ver stentlichste genommen und gehalten wird (Mezger s. 3).
Es war irrtümlich (vgl. Paul, Beitr. XII, 558 ff.) die Unter-
schrift der ältesten bibeldrucke : nach rechter gemeinen teutsch
(6. Zainer 1473 — 75); nach rechtem gemeynen teutsch {Q, Zainer
1477. A. Sorg 1480); nach rechter vnnd gemeyner teutsch
(H. Schönsperger 1487. [1490?]); fiach rechtem warem ge-
meynen teutsch mit vleiss gegen dem lateinischen text gerecht-
uertiget (H. Otraar 1507. S. Otmar 1518) auf eine durch
das beiwort „gemein^ zum ausdruck gekommene deutsche
gemeinsprache zu beziehen, oder wie Nast, Litterarische
^ Ich verweise für das folgende auf die bekannten darstellungen
desselben Gegenstands von Fr. Zarncke, Narrenschiff s. 273. Kluge,
Von Luther bis Lessi^g 2. aufl. Strassburg 1888. Edw^. Schröder
Gott. gel. Anz. 1888 s. 260 ff. Die aufstellungen dieser gelehrten sind,
wie sich zeigen wird, wesentlich zu modificiren. Ich bin in der gün-
stigen läge gewesen, umfänglicheres material benützen zu können.
19*
292 ANHANG.
Nachricht von der hd. Bibelübersetzung (Stuttgart 1779)
s. XXVII darauf, „dass der schweizerische dialect der Züricher
Bibel in der ältesten Augsburger in das gemeine Teutsch
abgeändert worden". Dasselbe ist vielmehr nichts anderes
als Übersetzung des lateinischen vulgaris. Die fassung in
der Otmarischen Bibel ist nahezu synonym mit der in öinem
lateinisch - deutschen psalter (Augsb. a. 1499. E. Ratdold)
lautenden: cum apparatu vulgari pro more germanorum con-
cinniter adiuncto oder psnlterium cum apparatu vulgari pro
more harharico translatum. Man erinnere sich auch, dass in
den lat.-deutschen Vocabularien vtdgo, vulgaris und teutotiicus,
vernacuhis promiscue gebraucht werden z. b. im Vocabu-
larius des Joh. Altenstaig (Arg. 1509): latine dicitur
morbus teutonice siechtum, totidem vulgo sovil ; tantundem
teutonice gleich so viel, Ders. im opus pro conficiundis epistolis
(Hagenaw 1512) fol. 113: primo considerandum non oritnia
latina nostro sermoni germanica vel vulgari quadrare passe,
sunt autem multi qui arationes c anfing er e canantur ex ser-
mone vulgari. dies daminicus . , quem vulgares dicunt inepte
suntag, materna lingua, maternum idioma , . non satis latine
sed vernacula lingua u. a. Die bibelunterschriften besagen
folglich nichts anderes als Übersetzung in die deutsche
muttersprache, wobei der zusatz recht, war sich auf die
sorgfältige arbeit der correctoren bezieht, einen zuverlässigen,
richtigen deutschen text herzustellen. Die äussere gram-
matische sprachform ist der landschaft angepasst.
Um den typus dieser landschaftlichen büchersprache
kennen zu lernen, sei zunächst auf die zu eingang citirten
Worte des Niclas von Wyle erinnert, der uns belehrt,
dass zu jener zeit rheinische formen {geet, steet) und -ei
für -«^- eingedrungen seien. Wir haben keinen grund an
seinen werten zu mäkeln und werden zweifellos als lieimat
dieser neuerungen orte wie Strassburg und, Mainz zu be-
trachten haben, gerade mit dem Elsass hat ja lebhafter
geschäftsverkehr bestanden. Diese neueren -e- bei den
Verben y, gehen , stehen'' im gegensatz zu dem schwäbischen
a (s. 282) und -ei- an stelle dps früher allein herrschen-
den -a/- (§91 f.) sind mit beginn des buchdrucks be-
DIE SCHRIFTSPRACHE. 293
reits so gut wie eingebürgert. Der älteste mir zu ge-
siebt gekommene scbwäbiscbe druck {Chronik der keiser
und pähste [feblt bei Hain, vgl. dessen no. 4992] Günth. Zainer
ca. 1470) hat ein (neben ain), keyser, geteilt, frümkeit, meinen,
zeichen etc. und ebenso gen, sten, stet (neben gond). Im übrigen
ist der druck schroff mundartlich mit der bemerkenswerten
ausnähme, dass au für a und volle endungsvocale (edlosten,
sterckosten, mülin. lengin) sehr spärlich vertreten sind. Unser
text schreibt ouch (och, auch), loub. gloubten {globen, kofft),
hat die alten längen rychen. ziten, tusent, brutlouff, flüsset,
tütsche u. a. Im übrigen treten die merkmale der Augs-
burger drucksprache deutlich hervor: ausgleichung im sg.
und pl. prät. der ablautenden verba der i-reihe: erschin.
verschin, trib, vertrib. belib, beschrib, zahlreiche -ei- daneben :
schneid, beleib. vertreyb u. a.; beachte ^rw^en : zohen. fluhe : flöhe,
sonst hülfen, stürben, entrunnen etc. plural vielfach mit ausl.
4: warent : waren (sg. wa'^). wurdent, liessent, ebenso 2. 3.
pl. präs. legend, sprechent, singend vnd sagend. Bald ver-
schwinden die rückumlautenden : erivalt : erweit, verdarpten.
zalt. stackt u. a. Zahlreich sind die nach analogie der
schwachen verba auf -e auslautenden starken präterita:
sähe, reyte. flöhe, zohe, käme; im übrigen ist die obd. syn-
cope reich vertreten : die eltest, ein kirch. ein ßam. der nam,
in sine hend. ein schöne brück, stuck (stets u nie ü), die
vorgemelten, frid. beid. jud. fröd (freude) u. a. ; nur ver-
einzelt begegnen anomale formen wie nachte (nacht), iare
(jähr), u neben o vor nasal: sun pl. süne, frum : from,
sonne; ebenso a:o vgl. one, monat {:manet). wanden (wähn-
ten), aber wa (wo) ; an einzelnen formen sind für lange
zeit charakteristisch: obs (obst). zwen : zwü : zwey. verre,
sust. geschach. gesach. tracken (drachen). betütet (bedeutet);
anl. p- wie plüt. puren, — nusSy nüss : mnsternuss. geuanck-
nüss. gelegt etc. (nur noch einmal leit. gyt), immer het, hetten
(hatten). Die Unterscheidung zwischen etym. u:ü, i:ie (nie-
mals formen wie geschrieben u. ähnl.). ü : ü ist streng gewahrt.
Die umlaute sind correct bezeichnet: büchlin, süssen (gegen
gütten. für etc.). schöne, böser, dörffer, gäben : geben, bdbsten.
durchdchter : durchecJiter, tnüUn. fründ u. a.. Dagegen der
294 ANHANG.
mundart gemäss rucken, mit truckem fuss. brück, stuck, wurd.
Was die Orthographie betrifft, so sind doppelschreibungen
im ganzen massvoll verwendet, z. b. die bekannten gütten.
cappittel. Besondere aufmerksamkeit verdienen die lang an-
haltenden lannd (land), hunndert (hundert), die mit dem ge-
brauch der reichskanzlei übereinstimmen, in der letzteren
scheinen aber die schribenn, sterbenn etc. der drucksprache
nicht besonders beliebt gewesen zu sein; umgekehrt hat
unsern pressen die in der kanzlei übliche kürzung -n =
en {willn. sachn. hoffn etc. ein sehr instructives kenn-
zeichen!) nur wenig behagt.
Die Hystori Eusebij von de grosse küng Alexander
(Hain 785) a. 1473 bei Joh. Bämler in Augsburg gedruckt,
zeigt bereits einen grossen fortschritt. Die diph-
thonge sind durchgeführt (wie in dem gleich-
zeitigen liederbuch und Mynsinger von der hand der
Hätzlerin) und dies gilt von nun ab für alle erzeugnisse der
Äugsburger pressen. Statt i > ei, ey, ey. ü > au, aw,
iu > ßw, eil, ew, eih. ei (ganz vereinzelt ai); stets au, also
gegen die mundart orthographischer zusammenfall von mhd.
i, ei; ü, ou; iu, öii. Die augsburg. zoren (zorn). geren (gern).
steren (stern) halten sich, o für ä bleibt auf die bekannten
fälle wie on. monat beschränkt, neben sust tritt sunst auf,
syncopen wie verschult, redten, geredt neben verkünndet,
nit neben nichtt, du tregst, 2. 3. pl. seind, geen, hegeen, steet,
besten (einmal stast du); erschyn, schryb : schreib , graiff;
anl. th beim verbum thün, vndterthan; clagen; anl. p- häufig;
beualch, sach, vich, geschieht, geschach : geschechen. ziechen,
czechen; auffallend selten bleiben Schreibungen wie hör (heer).
frömd : fremd, köret (kehrt), man halte sich ferner worte
wie dester (desto), erdpide. dürren, törsten. scharpff u. a.
gegenwärtig; volle endvocale sowie au für a sind beseitigt.
Diesen sprachlichen typus bewahren die drucke Bäumlers,
so weit ich sie gesehen habe: ^
a. 1475 Das buch der natur (Hain 4041)
Von Ordnung der gesuntheit (Hain 13738)
(hier schlauffen schlafen). '
a. 1476 Gut nüczlich lere vnd vnderweysung (Hain 10006),
DIE SCHRIFTSPRACHE. 295
1) hystori des ktinigs Appoloni.
2) geistlich menschen Spiegel.
3) ein nüczlich ler vfi predig wie sich zwey müsohen in d5
saoramet der heyligen ee halten Süllen.
4) Processus iuris.
Beachte: fraue* beschaue, paue, gepauet. würde, plur. mülen, ge-
funde, unuogtpar, stewrper, gibt, gesagt, beschleust, sind, zorn : zore.
steen. geen etc.
a. 1477 Buch der kunst. dardurch der weltlich mensch mag geyst-
lich werden (Hain 4036).
Beachte: wo, on, nichcz. dhein, lafft (läuft), verschlinden, würm
vnd iracken. hirsch, erfröüet, ich gib, schwebet vfi bech, die genad, klagen,
erwSlt u. a.
a. 1482 Regimen sanitatis (Hain 13743).
a. 1488 Die vierund zweinczig guldin harpffen (Hain 11852).
Beachte: tregt. legstu. sind : sein (3. pl.). lassen. 3. sg. lasst aber
melt (malt), feilt, fert, gesäet, es schadet, schüt (schüttet), würd. würken.
verdürb. pürdin : piirde. etwas. Staffel, der tauff. aussre (äussere).
versäumet, geen (gan), steen.
Günther Zainer zeigt in Steinhowers Spiegel des
menschlichen lehens von dem hochwürdigen Rodorico von
hyspania a. 1475 (Hain 13948) durchaus dieselbe sprach-
form, nur dass einige au für a zugelassen worden sind :
staut, sprauch : spräche, haubst. anbei u. a., dagegen on. arg-
won. Im übrigen druckt auch er die neuen diphthonge,
(ausnahmen: f runde : freunden, nüw : nemve), ferner ei (ganz
selten ai), au. geen. sten {gan, stast du vereinzelt), zoren,
keren^ geren. thün, gethan. geytig. stapffei : Staffel, dar, cley-
der : klugen, hohe : höchin : höhl. Öhr ist, kürtzist. tunckel.
eyschet. gelick : gelück. öst (äste), schörpffin. wunderbar,
danckber. mit erschrockem hertzen. mit offen äugen, gen. pl.
der gefangen : gefangnen, einfleusset, beschleussest etc. umlaute
d (e). 6. ü. ü.
Noch eine stufe moderner sind die drucke von Anton
Sorg. A. 1478: Der sele, trost (Hain 14582); krenczlein,
püchliif, in merkwürdiger Vereinzelung nur in diesem druck
formen wie billeich, schwarleich. zornigkleich neben wellt-
licher, lobliche, künigin. honig. hole : holen : hölin. lass vnns
beijd allein rechen, hausfrauen, rüen. geen^ gan. lernot und
schreib, ritt : regt, mör, hör, schöpffer, kössel^ ebenso gepürg,
mülch, lüicz. grünet (grünt), nur. tracken. töchteren : töchter
296 ANHANG.
(starke flexion ist schriftsprachlich), thor. thier etc. eischet.
r&ffen etc.
Die a. 1480 erschienene Summa Johannis (Hain 7369)
teilt alle neuerungen, bringt kein au für ö, wohl aber noch
trärn : bäum : außäff. on. monat, won. vnderton. wo, steen,
geen. obersten, thoren, ich hab, mL haben, prennen, verkündet :
vindt, erdtrich u. a. Auffallende archaismen oder bawarismen
in einzelnen drucken sind gewiss auf gehilfen und correctoren
zurückzuführen.
Mir haben ferner vorgelegen:
a. 1480 Cronica von allen keysern vnd künigen (Hain 9793).
a. 1481 Von der kindtheit vnd dem leiden vnnsers herren Jhesu
Christi . auch von dem leben Marie seyner lieben muter
(Hain 4058).
a. 1482 Das buch der alttuäter (Hain 8605).
Beachte : versönen, sSne : münch, maur : mauer, autem (athem).
die saül (saule). das wang u. a.
a. 1483 Von der liebe gottes (Hain 4062).
Beachte : hoff ich. weicliprune, vil lieher weder ich vor tan hob
(als ich zuvor gethan habe), so ich für in bitten
hin etc.
Conciliumbuch geschehen zu Costencz (von Ulr. Beiohen-
taler. Hain 5610).
Beachte : leüte wie freüd. vereinzelt au = ä. ferner montag,
monat, on. dömit. dohin. niderost, obrost, lernoten,
gewapnot, ausshin, überhin-, äbhin^ vorhin, einhin,
zu der gelincken seiten, die äschen. sunntag : sonnen-'
tag etc. [alem.]
Formalari, darinn begriffen sind allerhand brieff (Hain
7261).
Orthographia lert welicherley brief man schreybt das man
mag wissen weliche wörtter vnd an welliche end man die
darein mit den merern büchstaben sol schreiben vnd die
pauss virgliere das man es dester bedeütlicher müg lesen
des vnderschaidenlicher vn bas verstau (al. versteen^.
Von ausgebrannten wassern (Hain 14532).
a. 1484 Die vierundzweinczig guldin harpffen (Hain 11850).
Beachte: lüge : lüg : lügen : lügin. säumen (samen).
Die himelstrasse (Hain 9898).
Beachte: hüchlein : heüslin. neuen, thün, thür. zorn : czoren.
DIE SCHRIFTSPRACHE. 297
a. 1490 Buch der leben der natürlichen maister (Hain 4125).
Beachte : hier zuerst geycz, jr seyt, ich heysch, thureii, zoren,
thon thorlich, thüth, vingerlin. peyhel (beil) etc.
Regimen sanitatis (Hain 13745).
a. 1491 Formalari vnd teütsch rethorica wie man briefen vnd reden
8ol (Hain 7264).
Ich getrau ich wSl es eiich in eym yecklichen teütsche send-
brief^ der anders vnser landsprach ist zaigen, freüntlich :
freiiitlich. schwören, rüen, treuen^ pauen. witih. stadel.
heyrat. am gelegnosten etc. -os/-, -ist-, -est-, häufig in den
titulaturen. zwen, zwü, zway u. a.
Im folgenden gebe ich von einem kleinen abschnitt
die lesarten der ausgäbe des Formalari von 1483, denen
ich die Varianten der ausgäbe von 1491 gegenüberstelle; es
ist aber hervorzuheben, dass die jüngere aufläge sparsamere
druckeinrichtung zeigt; durch ( ) soll angedeutet werden,
dass die betr. lesarten nicht allein gültig sind.
ivil{l) : ivlll. sen[n)d[t)hrieff : sendbrief. heschehen :
geschehen, etwen : etwan. fünff : fünj. gewannt : gewandt,
wann : wenn, wenn : wann, gemachet : gemacht, denn
{dann) : dann, nit : nichtt. sölen : sollen, die rede : red. geschrifft :
geschrift. liget : ligt. meldunge : meldnng. beriert : berürt. wa :
wo. pittung : bitttmg. heisset : helsst. bitte : biten. dartimb :
daübe, bitet : bit. thün : tun. geren : gern, hat : hatt. vorderti :
vodern. geplümt : geplünipt, verwandelt : verwandlet, künnen :
Jcennen. dester : dest. wörtfer : worter. ner meiden : meiden, ivar-
czü : warzü. leret : lert. bekennt : erkennt, notturftige : notürftige :
was : w^. ze : zu. gesamelt : gesarhlet. weliche : wölliche. ver-
stan : versteen. verwechsselten : verwächssloten. bedeiitung : be-
deütimge. sind : seind. darüb : daüb. czü : zu. nicht : nit. zu:
czü. nemen : nämen. gemacht : gemachet, besint : besynnt. besser :
joessern. sol : soll etc.
Ein und dieselbe buchsprache herrscht auch bei den
übrigen Augsburger druckern. Man vergleiche: Von der
kintheit nnd von dem leiden vnsers Herren Jesu Christi a. 1494
gedruckt bei Hans Schaur zu Augsburg (Hain 4060),
oder die älteren drucke von Hans Schonsperger z. b.
Herbariiis^ von aUerhandt kreüteren a. 1496 (Hain 8955),
beachte namentlich: säcklein. treüblein. klMzlein. heübtlein.
298 ANHA^NG.
Das Buch der cron'ich a. 1496 (Hain 14511): kirchlein, stet-
lein, freülein, erf reich, erdtrich. geyczig. Seb. Brant's Recht-
buch in zwei ausgaben a. 1497 und 1500 (Hain 3729. 3730),
beachte : mögen, solich : söUch. gegönt : gegünt. geyczikeyt, nur.
gewonnen u. a.
Ausserhalb Augsburg's ist der entwicklungsgang genau
derselbe gewesen, nur dass die drucker von Ulm, Blau-
beuren, Esslingen, Urach, Reutlingen in der sprachform
um ein paar jähre zurückbleiben. Job. Zainer von Reut-
lingen druckt in Ulm a. 1473 StainhoweFs Von den sin-
rychen erlüchten wyhen (Hain 3333) mit a", o" (neben a,
o) und lässt die neuen diphthonge nicht zu, die dagegen
bereits in dem demselben jähr angehörigen Regiraensani-
tatis (Hain 13737) auftreten, in welchem auch e^ gegen ai die
regel bildet, daneben aber Provinzialismen wie" tracken,
glencz. nünly. geseit. lyt u. a. ^ Der ca. 1480 von ihm ge-
druckte Stainhowelsche Äesop ist in der geschichtlichen
darstellung reichlich benutzt.
Conr. Mancz in Blaubeuren, bei dem a. 1475 Albrecht
von Ybe's: Ob eim man sey zu nemen ein elich wib oder
nit, erschienen ist, hat bereits zahlreiche diphthongirte
formen, ei neben ai, ay, au für ä sehr selten, ausserdem
on. hot. Beachte ferner; «^^r.s^«;/ neben gan^ imp. gee^ prät.
gienge. gösse, starhe etc. und dialektische formen wie
antlüte. gietig. hieszen, beriefft. Die modernen : erseüffcze-
erquickt, son, sones, sone; söne, sönen gehören vielleicht der
ostfränk. mundart des Verfassers an. Im Buch der byspel
(Hain 4028) hat Conr. Feyner noch fast durchgehend die
^ Auf die frage nach der herkunft der Biblia aurea, die
M. Ilgenstein : Untersuchungen über die früheste buchdruokergesohichte
Ulms im Centralblatt f. bibliothekswesen 1884 8.231. 313 dem Joh. Wiener
in Augsburg zuschreiben will, wage ich nicht einzugehen, weil ich die-
selbe nicht gesellen habe. Der deutsche Vegetius (Hain 15916) ge-
hört jedenfalls nicht nach Augsburg, hier sind formen wie wouffen,
gehroücht. gesirouj[fet um 1475 weder nachweisbar noch denkbar, da
nun dieselben auch in der Biblia aurea begegnen (vgl. Kluge a. a. o.
s. 31 , Hassler s. 41 j, dürfte auch für sie, wie ich mit Schröder an-
nehme, Ulm als dnickort alleinige gewähr bieten.
DIE SCHRIFTSPRACHE. 299
einfachen längen ; vereinzelt au neben a (so auch gat. verstat.
gon, beston) wie tröm: tröumen^ löugnen dagegen eij ou, a.
1477 geht aus seiner Esslinger presse die berühmte SteMa
Meschiah von Peter Schwarz mit den ersten hebräischen
lettern hervor, in welcher bereits die neuen diphthonge
durchgeführt sind, es fragt sich aber, wie weit hier der Würz-
burger Professor die band im spiele hatte, er sagt am
ende ausdrücklich: hitt alle drüker herren das sich keiner
nnderstee diss buch czu drücken, on einen der das corrigir
in jüdisch vnd in deüczsch. Formen wie Juden, stück, büchern.
licht, fried, czavhernoss etc. sind unschwäbisch. Doch hat
Feyner in seinem Der heiligen leben (2 bde.) Urach 1481
(Hain 9974) gleichfalls diiB diphthonge; ei: ai. au: ou. -miss.
geen, steet: gon, ston. briefflin: kindlein. prät. schry: schrey,
belib: be'eib. erschin: erschein, ergriß', schwig ; läge. sähe. käme,
verstünde, versönet : münich, nur; man beachte namentlich die
doppelschreibungen : beeten., beetest, gebeeten, eeren, wee,
Schnee, seer u. a. thor, thorwart, thuren.
Ebenso in Ulm bei Conrad Dinckmfit, dessen undatirter
druck von Stainhowels Von künfftiger pestilenz noch alter-
tümliches gepräge trägt, das aber bald abgestreift wird z. b.
Plenari a. 1484 (Hain 6733) aicei, ey. diphthonge {ilch:euch.
gytig. win). geen, geet: gon^ gat wie steet: stat. wo, montag.,
afftermontag. sontag: suntag ; beachte zoren. witib. erkückt.
3 pl. sind: seind: sein.
Von demselben haben mir vorgelegen:
a. 1485 Erklerung der zwölff Artikel des Cristenlichen
glauben 8 (Hain 6668).
Hier der älteste beleg für die taiiff^ Schwab, bekanntlich
stets masc.
Buch der weissheit (Hain 4033).
a. 1486 Cronigk (von Thora. Lirer. Hain 10116. 10117).
a. 1487 Herbarius (Hain 8952).
Der sündigen sele Spiegel (Hain 14950).
Die guldin bull (Hain 4080) a. 1484 gedruckt in Ulm
bei Lienhard Holl zeigt denselben sprachlichen tvpus,
um so charakterischer ist, dass in der 1493 bei I
zu Ulm gedruckten Stifftungsurkunde des
300 ANHANG.
zum Ainsidel im Schainbuch (Hain 15083) noch eine statt-
liche zahl nicht diphthongirter i, w, ü ferner ou, ai neben
den neueren steen^ geen; son, sonntag^ sommer etc. bewahrt
sind, ein schlagendes zeugniss für die unmassgebliche for-
melsprache der kantzleien, die in Joh. Hei. Meichssners
Handbüchlin (Tüb. 1538) zur anschaulichen darstellung ge-
kommen ist. Sie hat sich von der volkstümlichen spräche
weit entfernt, wie ein blick in den 1498 bei Hans Schäflfler
in Ulm gedruckten Kalender belehrt (Hain 9798). Mit der
mundart des Verfassers hängt der conservative lautstand
in dem a. 1492 von Hans Otmar zu Reutlingen gedruckten
Ciprianns von den zwölff nrissbrüchen diser weit zu teutsch
trunsjerirt von dem gelerten und fürsichtigen N, Amman vn
vogt zu Messkirch zusammen.
Von besonderem belang ist für uns die Verbreitung der
vorlutherischen Bibelübersetzung, in deren dienst ge-
arbeitet zu haben, ein besonderer ehrenkranz für die Augs-
burger drucker geworden ist. Aus den reichen schätzen der
Stuttgarter öffentllichen Bibliothek haben mir vorgelegen:
1) [ca. 1473] bei [Günther Zainer].
2) [ca. 1475] bei [Jodocus Pflanzmann] vgl. Hain 3131.
3) 1477 bei [Günther Zainer].
4) 1477 bei Anton Sorg.
5) 1480 bei Anton Sorg.
6) 1487 bei Hanns Schonsperger.
7) 1490 bei Hanns Schonsperger. (Erster Theil.)
8) 1507 bei Hanns Otmar.
9) 1518 bei Siluan Ottmar.
Aus dem ersten capitel der Genesis folgen unten
textproben der einzelnen ausgaben, die wohl das anschau-
lichste bild von der entwicklung der schwäbischen druck-
sprache vor der einwirkung der reformationslitteratur
geben werden. Während die älteste Bibel noch vereinzelte
an =^ ä aufweist {schniff. rauch, gelaussen), fehlen dieselben
vollständig in der zweiten, deren augsburgische heimat
schon durch die bekannten gerecht, gelinck (recht, link)
ausser frage gestellt wird; die Zainer'sche Bibel von 1477
liat auch noch ganz vereinzelt i^chauf, schlauf und auch die
DIE SCHRIFTSPRACHE. 301
ältere Sorg'sche ausgäbe hat schlauff^ daneben noch Schrei-
bungen wie verJcafft : verkaufft. zersfrät ; 14:80 schauf. Dagegen
seit der Schonsperger'schen Bibel ist mir kein einziges au
mehr begegnet.
Ich mache nochmals auf den zusammenfall vou euch
und freüde aufmerksam und ausser den bereits besproche-
nen merkmalen der Augsburger drucksprache auf das neben-
einanderbestehen von er anbet^ angezünt, verküntten^ dürst:
verkündete, schadet u. a. Schon in der ältesten Bibel neben
rüwet: rüet, rue, gebauefi, blüen. Woher die bereits bekannten
2. sg. prät. wie du gabst, sprachest etc. stammen, vermag
ich nicht zu constatiren. Neben der mundartlichen schwachen
flexion töchtern, müttem kommen die stark flectirten müter
töchter auf, beachte fälle wie maur: mauer^ feür: feüer u.a.
Während die obd. don (ton), tunckel (dunkel), tunken (tau-
chen), tach (dach), tracken (drachen) zäh bewahrt sind; ist
th' in thün nebst ableitungen, thüre^ thor, thier, thurtn fast
allgemein. In der Bibel von 1487 begegnen die ersten dim.
-lein, versönet; aber immer noch halten sich sun : sün
(söhne), erkücken, geytig und unumgelautete 3. sg. säumt,
inf. verlaugen, ausserste, nit : nicht, nähnen (sich nähern),
part. gewaschen, eyschen, kämelthier, verr (fern) u. a., wäh-
rend in der 3. pl. präs. und prät. -t allmählich aufgegeben
wird {sehent : sehen,, hettent : hetten) und gleichzeitig auch
2. pl. präs. und imp. wie fraget, erkennet häufiger wer-
den, bei Hans Otmar sind die älteren formen fast
verschwunden. Sehr merkwürdig ist dagegen die rück-
läufige bewegung dieses druckers, der zu der längst auf-
gegebenen Scheidung zwischen ai, ay für den alten diph-
thong und ei (^ mhd. i) zurückgekehrt ist; bei ihm ver-
lieren sich denn auch die letzten ze und zu, cz& gelangt
zur alleinherrschaft, lange hält sich in seiner presse die dop-
pelschreibung in beeten gebeet u. a. Sein söhn Sil van
Otmar bleibt den traditionen seines vaters getreu, auch
er unterscheidet ai, ay : ei, ey, druckt anpeeten etc., dialec-
tisch saul : schriftsprachlich seul, seülen, witwe^ Staffel : harpffe.
Von anderen einzelheiten abgesehen mache ich noch auf die
in den Otmar'schen Bibeln häufiger gewordenen ganfzn,
802 ANHANG.
unrein, gefalhi, habn neben nerdemij hörenriy andernn etc.
aufmerksam.
Mit der letzten Augsburger Bibel (1518) sind wir be-
reits an der schwelle der reformationsperiode an-
gelangt. Gerade Sylvan Ottmar hat wie kaum ein anderer
süddeutscher drucker zur Verbreitung der Luther sehen
Schriften beigetragen. Bereits 1518 erscheint bei ihm Luthers
auslegung des 109. psalms. Es ist hier nicht unsere auf-
gäbe den colossalen Umschwung zu verfolgen, den der
sprachgewaltige reformator in der stilisirung unserer mutter-
sprache inaugurirt hat, man hat mußiner Überzeugung nach
bisher, wenn von der bedeutung Luthers für die neuhoch-
deutsche Schriftsprache die rede gewesen ist, zwischen den
geradezu einzigen Verdiensten Luthers um die heutige satz-
construction und satzfügung und den auf ihr gerechtes
mass zurückzuführenden einflüssen seiner specifisch mittel-
deutschen 1 a u t f o r m nicht streng genug geschieden. Für
die letztere fehlte den wenig grammatisch angelegten Zeit-
genossen durchaus der blick. Die einzelnen hochdeutschen
landschaften waren sich in ihrer drucksprache bereits sehr
nahe gekommen, als Luther's Schriften ihren flug durch die
lande nahmen und daher erklären sich die für uns heutige so
merkwürdig auseinandergehenden ansichten der grammatiker
über die heimstätte des besten Deutsch. So findet bekannt-
lich Fabian Frangk (Orthographia 1531) das emendirteste
und reinste deutsch in kaiser Maximilians kanzlei, in „dr.
Luther's schreiben neben des Johann Schonsberger von
Augsburg druck", was doch vernünftigerweise nichts anders
besagt, als dass in Wittenberg, Augsburg und Wien ein
und dasselbe Deutsch herrsche. In diesem bereits vor dem
auftreten Luthers in Augsburger, Nürnberger und Strass-
burger drucken sehr gleichmässig gewordenem Deutsch
herrschten noch mannigfache, aber keineswegs erhebliche
schattirungen (man denke z. b. an das nürnberg. der- = er-)
und es ist characteristisch, dass der ostmitteldeutsche
Frangk sich gerade auf Schonsperger berufen hat. A. 1523
erschien bei diesem : Das hüch des Neuen Testaments Teütsch,
Mit schönen figuren, nachdem bereits Silvan Otmar vor
DIE SCHRIFTSPRACHE. 303
t
ihm einen nachdruck der Lutherischen Übersetzung hatte
ausgehen lassen. Weitere ausgaben von Otmar folgten,
Schonsperger hat dieselbe nur noch einmal 1524 unter dem
titel Jesus, Das Neue Testament Teutsch in getreuem ab-
druck seiner früheren ausgäbe aufgelegt. Wie kommt es,
dass Frangk den viel thätigeren Otmar mit stillschweigen
übergangen hat? Der grund liegt darin, dass Schonsperger
viel mehr von der lautform seiner Wittenberger vorläge
abhängig geblieben ist als Otmar, der seine schwäbische
drucksprache auch in lutherschen texten consequent durch-
geführt hat. Schonsperger druckt ey^ sogar geschrieben^ be-
schrieben, behielt Luthers eltisten, ärgisten und was ganz be-
sonders auffallend, rüge (neben rüiie) bei. Davon bei Otmar
keine spur. Ich teile im folgenden Varianten der betr.
ausgaben mit (Matth. 13. Joh. 6. I Tim. 5. apocal. schluss),
indem ich den lesarten Schonspergers die von Silvan Otmar
das neu Testament (1523), dem auch die zahlreichen Versal-
buchstaben des ersteren fehlen, gegenüber stelle:
eyne : aim, verkauffte '. verkauffet, kauffte: kaufft. gleich: geleich,
suchte : sucht, da : do. hätte : hef, fahet : facht, worde : wordfl, v/er : gestat.
zeenklappen : zänklaffen. vollendet : volendt, treyh : trih, Hesse : Hess,
steif g : stig. alleyne •* allain. bette : beetete, war : was. leyd : litte, den : dann,
nachtwache : -wach, spiignüs : gespenst. redte : redet, nicht : nit. antwort :
antwortet, herre : herr, schrey : schry, -gläubiger : -glaubiger, schifften :
schiffeten. leiitie : teilt, das gnntze land : -gantz-. tvarden : wurden, gnüg :
genüg, nem : nenie. vnter : vnder. sovile : souil. mafl : männer, samleten :
samelten. übrig bliben : über bliben. wurde: war den, thatithet. sieisy.
nemen : erhaschen, mächten : machten, entweych : entwich, selb : selbs, jen-
halb '.jhensit. zwentzig : zwaintzig, nah bey das schiff: nach zum schiff,
daselbs : daselbst, gesseti : geessen, sah: sähe, f unden : fanden, jn : Jnen,
sucht :]süchef. eltisten : eltesten, schelte : schilt (imper). die müttere : mü-
teren, witwe : wittib, wolthan : wolthon. angnem : angenem, gebett : gebeet.
zeilgnüss : zeügknuss. füss : fasse, than : gethon, lere : leer, dröschet : treschet,
straffte : straff, hende : hend, selber : selbs, trincke : irinck. weines : weins.
ich koffte : ich körn, balde : bald, helt : haltet, bette : beet. versigele : versiegle
(druckfehler?). nahe: nach, ende : end. der leiste : letst. haussen :her-
aussen. küme : körne, vmb sonst : -sunst. steend : steen (3. pL). dauon : dar-
uon. gnad : genad.
So hat denn auch Schonsperger neben seiner characteristisch obd.
Orthographie : verschlungen, schweffei. uerkündigen (vor Luther im schwäb.
nicht üblich), hatten : hätten, threnen. auffersteung. mit der tauff (schwäb.
Diasc.) u. a.
804 ANHANG.
•
Allein zur lösung der frage, in wie weit die lutherische
literatur die schwäbische buchsprache umgestaltet hat, sind
die Schönspergerschen drucke nicht brauchbar. Sie stehen
nicht wie die von Silvan Otmar und später die von Hein-
rich Steiner innerhalb der tradition des landes und sind für
dieselbe nicht massgebend geworden. Auch Otmar hat be-
reits im ersten nachdruck linck (statt ge-), adoptirt prät. war
(statt was), bleibt aber consequent bei ai (z. b. 8. sg. waissi)
gegen ei ~ F. Weitere nachdrucke von ihm sind:
1519 Ausslegung teütsoh des Vatter vnsers für die ain-
feltigen layen Dootor Martini Luther Augustiner zu Witten-
berg. Nit für die gelehrten.
1520 Ausslegunge des heyligen Vater vnsers.
Die zehen gebot gottes.
Beachte : geitz, liedlein^ erquicken, ir seyt ; zu fraind, fraittdlich
(hier und später) ist an die übereinstimmende Schreibung
bei In^ol^ fraind 26, \%. fr amtschaft 12, 29 zu erinnern,
vgl. Schröder ausg. s. XII.
Ain kurtze form der zehen gebot D.M. L.
„ ^ „des glaubens.
„ „ „ „ vatervnsers.
Ain Sermon von dem neüwen Testament.
Der zehen gebot gotes ain schöne nützliche Erklerung. Item
ain predig von den siben todsünden. D. M. L. .
Ain Sermon von dem haiigen hochwirdigen Sacra-
ment der Tauff.
Neben fem. die tauff auch der etc. beibehalten.
Ain Sermon von dem Sacrament der Buss.
Ain Sermon von dem hochwirdigen Sacrament des
hailigen waren leichnams Christi.
Ain gute trostliche predig: von der wirdigen beraitung
zii dem hochwirdigen Sacrament.
Ain Sermon von dem wücher.
Ain trostlichs bftchlein Doc. Martini Luthers Augu-
stiner in aller widerwertigkait ains yeden christglaubigen men-
schfi neulich geteütscht durch Mag. Georgium Spalatinum.
Beachte : leichtern, lindern (inf.J. geforcht : gefurcht pl. prät.
starben.
1521 Ausslegunge des hayligen vatter vnsers.
[1522-23] Das neu Testament.
1523 Das neu Testament, mit gantz nutzlichen vorreden vnd der
Schweresten örter kurtzer aber gute ausslegung.
bl. 3** folg.: Hienach seind die schweren ausslendischeu Wörter
DIE SCHRIFI'SPRACHE. 305
wie man die nach vnserm teiitschfi versteen sol nach Ordnung
des Alphabets gesetzt.
Nach dem Vorgang des Baslers Petri ist dessen verzeichniss in
Oberdeutschland nicht bekannter specif. mitteldeutscher Wörter
in Luthers Übersetzung aufgenommen worden, jedoch mit kleinen
Veränderungen. 1 Besonders verwunderlich ist nun aber, dass viel-
fach an der betr. stelle das md. wort gar nicht im texte steht z. b
Luc. 8. Marc. 5. empfind, empfand (nicht fühlen), Math. 14,
Marc. 6. gespenst nicht spügnüs, 2. Cor. 11 schlecht nicht alher,
Math. 18 erdhidung. Luc .21 erdbidem, Apocal. 8 erdhidmung nicht
erdbeben u. a.
1525 Ain Sermon auff das Euangeli Johannis am VL
Hier zuerst leügknen; formen vne jr esset, trincket, werdet
sind inzwischen allgemein geworden.
Bei Jörgen Nadler zu Augsburg erscheint 1520
Ein kurze form dz Pater noster zu versteen vnd zu beten,
für die jungen kinder im. Christen glauben . Doctor Martini
Luther . Augustiner, Bei Hans Froschauer 1520 Die
zehen gebot gottes und 1522 Vom eelichen leben, wo zum
erstenmal die lutherischen yhm. yhr etc. verstehest, gehet,
ehe. ehelich in Schwaben auftreten, die rasch gemeingut
der schwäbischen drucksprache geworden sind; beachte
ferner fruchtbar, dürfen, plur. kinder u. a.
^ Der von Kluge, Von Luther bis Lessing 2 s. 84 ff. gegebene ab-
druck nach Steiner 1531 (Ottmar 1523 scheint ihm nicht bekannt
gewesen zu sein) ist nicht ganz genau. Ich gebe kurz die wichtigeren
Varianten Ottmars: alber : nervi seh, fantesfisch, atifall : züfall, loss. be'
fragen : zwUrechtig. bereuen fehlt, betüngen : tungen. hlehen : -sein, darb:
'leyden fehlt, empören : erheben, nufrür machen, enkamen : entranen,
enlich ', gleich, erregen: auffrur, fahr : ferligkait, sorgklich. finantzer:
new findiger, feil: versaumnusa. freien : eelich werden gehorchen : -sein,
gelindigkeit : gütig, senfff. milt, gerücht : leümde. gesteupt : mit rütten-.
getilmmel: vngesiüm. gichfpriichig : gichtsichtig, grentz : gegent, hauchen:
blasen, half t : halb, hügel : güpffel kerich : fäger. klufft: kling, krufft,
hiile, kündig : erfaren. lerman : auffiauff, liechtstar : leilchter. malmen :
zerknischen. Ottergezicht : nater-. pfal : -flaisch. rasseln : raspeln, rilst-
tag : abent. schaubrot]: gewicht, schnaubet : anschnaufft, schnür : sonssfraw,
Splitter : + spelf, spügniss : gespenst. stächet : eysne spitz an der Stangen,
steupen : streichen, tadlen : straffen, thränen : zehern, f riestern : frSber,
[l, überraicht]. übertäubet : dempfet, verschmachten : fehlt verkamen, un-
verruglichkeit : fehlt unerst&rlich. ausgerottet : ausgereüt, weiland : etwen.
Von kleineren orthogr. Verschiedenheiten wie ai, ay für ei u. a. ist ab-
gesehen.
Kautfiuumi, Fr., Geschichte d. schwäb. Mundart. 20
806 ANHANG.
Was ain Hee vn(l Sie bedeutet wird man am Lech damals
so wenig wie heute verstanden haben , ist aber trotzdem
beibehalten.
Von Heinrich Steiner hat mir als frühester druck
vorgelegen: Das Allte Testament Deutsch 1527. Hier sind
yhm. yhnen, ehre, gehen etc. fast recipirt, auch getümmel.
grentze, gehorchen, töchter. rahen, sogar semnet, verkeufft. gc
dechtnis. vynsternis. von ferne u. a.
Lehrreich ist ein vergleich mit dem Wittenberger druck: (I
kön. 9) Wittenberg hatte : Augsb. hett, kotiig : kümg. erscheyn : erschiv.
yhm : jm. war : was jch habe : jch hab. gepett : gebett. vber : ober, ge-
höret : gehört, für : vor. geheyliget : gehailiget. daselbs : daselbst, sollen :
sollen, alletvege : allweg. vater : vatter. gepotten : gebotien. helltist : hal-
test, nicht : nit. yhr : ir, gehet : geet. Gottern : Göttern, werde ich : würd
ich. vnter : vnnder. volcher : völcker. gethan : gethon, sie : sy. veter : vätter.
furete : fürete, zwentzig : zwaintzig. tennen bewm : thännen beüm. da
do, stedte : stett. sind : seind. bruder : brüder. denn : dan, gewonnen : ge-
wunnen, verbrandi : verprent. wüsten : wüste, ivagen : wägen (plur.J. wo-
zu : war zu. hirschafft : herr-. erauff: herauff. yhr : ir .gebawet : gebawen.
1 528 erscheint bei demselben Das Neüwe Testament, Recht grünt-
lich teutscht. Mit schönen vorreden vnnd der schweresten örteren
kurtz aber gut ausslegung. Vnd Register etc. Darzu der vss-
lendigen wörter auff vnser teütsch anzaygung. fol. 3^ f. Anzei-
zung ausländischer worter auff hochdeutsch (d i. oberdeutsch).
Die md. züstossen. zubrechen (^^ zer-), geheymnis. beheif-
nis : -71US, welche aufgenommen sind, haben nur kurze frist
gehabt, dagegen können jetzt bereits : mehr, jhn etc. gehen,
verstehen, aufferstehimg. ruhe. prät. war als eingebürgert
gelten. Dazu stehen die mundartlichen antlit. verschland.
weifdent. werdent in schroffem gegensatz, zumal sonst md.
elemente wie trache- die schlänge, schweffei. fleyschern (adj.)
zugelassen sind. Die Propheten alle Deüdsch D. Marl.
Liith. 1535, welche bei Steiner gedruckt worden sind, haben
ein auch für die sprachlichen zustände interessantes gegen-
stück an Alle propheten nach Hebräischer sprach verteütschet.
Gott erlös die gefangenen. Gedruckt zu Augspurg durch
Siluanum Ottmar 1527. (Hätzer - Denck*sche Übersetzung)
vgl. die textprobe. Einen krönenden abschluss findet die
fruchtbare thätigkeit der Augsburger drucker in der ge-
samtausiJfabe Heinrich Steiners: Gottes wort bleibt
DIE ÖCHRIKTSPKACHE. 307
ewig. Biblia das ist die gantze heilige schriflft Deudsch.
D. Mart. Luth. 1535. (Zwei Theile). Am schluss: gedruckt
vnd vollendet in der Kaiserlichen Stat Äugspurg durch
Heynrich Steiner / in verlegunge Maister Peter Aprellen /
Pergameter ' Am XVI. Februarij Anno M. D. xxxv. Eine
probe des druckes folgt unten im anschluss an die vor-
lutherischen Bibeln. Das wichtigste ausser den bereits her-
vorgehobenen ergebnissen ist der umstand, dass Heinrich
Steiner, offenbar unter dem einfluss der Wittenberger drucke,
wieder zu dem früheren brauche zurückgekehrt ist, wonach
ei, ey die regel bildet, aiy ay nur gelegentlich mit unter-
läuft.
Die grosse menge lutherischer Schriften hatte nicht ver-
mocht die altgewohnte Schreibung ü oder die eingebürgerte,
streng correcte umlautsbezeichnung zu verdrängen, u furo
ist zwar in Steiner'schen drucken zuweilen anzutreffen, aber
die lutherischen u, o in der geltung von ü, ü, 6 sind nirgends
nachweisbar. Vom wertschätz abgesehen ist folglich die
innere form der spräche sehr wenig in der reformations-
periode verändert worden. Am nachhaltigsten hat das mass-
volle verhalten Steiners, der den mittelweg zwischen Ottmar
und Schönsperger eingeschlagen, gewirkt. Die Bibel von
1535 kann im grossen ganzen als typus der schwäbischen
drucksprache auf decennien hinaus gelten, man hat nur die
feminina auf -nis abzuziehen, die vorerst nicht durchge-
drungen sind. Bezüglich des auslautenden -e mögen die
syncopirten formen im gegensatz zur vorlutherischen zeit
zurückgegangen sein, der Sachverhalt ist in folge der bunt-
heit der Schreibungen und der zahlreichen auch md. syn-
copirungen (z. b. der glaub u. a.) sehr schwer festzustellen.
Der sicherste gewinn sind die formen gehen, stehen, ehe,
mühe, jhn. jhm jhr u. ähnl. Dazu ei,, Umlautsformen wie
leugnen, gleubig. prät. tvar, hatte (das aber noch lange mit
het, hette kämpft), erquicken, fern. Weitere erwerbungen
sind nicht nachweisbar, man betrachte von dieser seite
einen profan druck wie z. b. Albrecht von Eyb bei Heinrich
Steiner 1540. Diesen errungenschaften vermochte auch die
katholische presse sich nicht zu entziehen. Es" ist nicht
20*
308 ANHANG.
verständlich, wie 1525 in Tübingen Luthers Ermammge zum
frid, auff die zwölff Artikel der hawrschafft in Schwaben ge-
druckt werden konnte, da wir eben sonst nur von katho-
lischen Presserzeugnissen wissen. Uns interessirt hier in
erster linie: Das gantz neu Testament so durch den Hoch-
gelehrten L. Hieronymum Emser verteütscht / mit sampt
seinen zugefügten Summarien vnd Annotationen über yegk-
lichem capitel angezeigt ,' wie Martinus Lutther dem rechten
text (dem Hussischen exemplar nach) seins gefallens / ab
vnd zu gethan / vnnd verendert hab / etc. Getruckt zä
Tübingen 1535 (corrigirt von Joh. Dietenberger). Die
lutherischen gehen, stehen, mühe, ruhe, gedächtnis. ferne, vet'-
kündigen, ja sogar zureiss, zurissen {= zer-), vom wertschätz
ganz abgesehen, bestätigen auch von der formalen seite die
abhängigkeit dieser durch den herzog Georg von Sachsen
inaugurirten ausgäbe vom lutherischen texte.
Die beiden läuterungsprocesse, welche die schwäbische
Schriftsprache innerhalb eines Jahrhunderts durchgemacht, zu-
erst nach dem muster der reichskanzlei, und nunmehr unter
dem einfluss der Wittenberger drucke haben nicht tief in die
gestaltung der formellen sprachformen eingegriffen, so dass
wir umgekehrt berechtigt sind, der schwäbischen drucksprache
einen hervorragenden anteil an der constituirung unserer heu-
tigen Schriftsprache zuzugestehen, wenn es sich auch noch
nicht übersehen lässt, wie weit der einfluss z. b. der Augs-
burger druckwerke im norden, westen und osten gereicht hat.
Dieser einfluss muss aber vor die reformationsperiode, also
etwa rund um 1500 gesetzt werden: in der zweiten hälfte
des 16., im ganzen verlauf des 17. und 18. jh. verhält sich
Schwaben Mitteldeutschland gegenüber rein receptiv. Zum
bilde unserer heutigen schriftsprachlichen form fehlen aller-
dings nur noch kleine züge: 1) u für ü; 2) ie für z; 3) einfüh-
rung des umlauts in fällen wie schwäb. brück (brücke), zurück
(zurück) u. a. ; 4) beseitigung von -nus, welches durch -nis
zu ersetzen ist; 5) diminutivbildung auf -cA^w. Die bereits
begonnene festsetzung der ausl. -e greift allmählich weiter,
so dass in Schwaben die Schriftsprache von ca. 1550 — 1750
vollends zur ausgestaltung kommt. Ich habe um chrono-
i)IK «CHKlFTöPRACHE. 309
logische ansätze zu erhalten eine stattliche zahl schwäbi-
scher druckwerke der verschiedenartigsten gattungen auf
der kgl. öflf. bibliothek zu Stuttgart eingesehen, manches
gerade der nationalliteratur angehörige, was ich gerne be-
nutzt hätte, war mir daselbst nicht zugänglich, ich musste
also mit unvollständigerem material arbeiten als in den
vorausgehenden perioden.
Die schreibüttgeö ü =^ üe, ü; 6-, ä halten sich bis
tief ins 18. ja bis ins 19. Jh., während die spec. obd. ü im
laufo des 16. jh. aus unseren denkmälern verschwinden.
Schwanken der Orthographie zwischen ö und u begegnet
in der reformationsliteratur häufig genug. Zuerst finde
ich die ü vollständig beseitigt in den Sieben bücher von der
PürstÜchm Würtembergischen Hochzeit des durchleuchtigen
Hochgebornen Fflrstötl Vild Herrn Herrn Ludwigen Hertzogen
zu Wurtemberg . . . erstliöh Ifl Latein beschriben durch
2^icQdßmum Fischlinum in Teutsch Ver« oder Reimen trans-
ferirt durch C. Christ. Beyerum von Speir [präceptor in
Ohringen]. Tübingen 1578. Der heimat des Übersetzers ge-
mäss sind hier eine reihe mitteldeutscher elemente (z. b.
zahlreiche ie =^ i) vertreten, welche der schwäb. gemein-
sprache voraus sind, während die übrigen mir bekannten
drucke vom ende des 16. jh. in ii für ü mit dem genannten
fast übereinstimmen. Die Leichenpredigt von Bidembach
auf Brentz (Tüb. 1570) zeigt noch ü, dagegen die Osiander-
schen predigten (Tüb. 1585. 1596) sind davon frei. Ebenso
die in Schwaben gedruckten werke von Thomas Birck, seine
Adlerspredigt (Tüb. 1590) und sein Hexenspiegel (Tüb.
1600) ^ Ganz vereinzelt findet sich ü noch bei Jacob
Fri schiin; Drey schöne vnd lustige bücher von der Hoheit
Zollerischen Hochzeit, Augsburg 1599; so dass mit rund
1600 der abgang von ü angesetzt werden darf. Ein sehr
gutes bild des damaligen sprachzustandes gibt Geogii
Heni schür Teutsche Sprache vnd Weisheit. Thesaurus lin-
^ Thom. Birck spricht in seiner Letzen Predig (Speyer 1602) s.
10 ff. ausdrücklich als Verfasser derselben, und erzählt an dieser stelle
die interessanten Vorgänge vor und während des druckes, vgl. Sievers,
Boitr. X, 199 ff.
310 ANHANG.
gvae et Sapientiae Germanicae Pars prima. Aug. Vind.
1616.
Die ersten -ie-, welche ein gleichmässiges verhalten der
schwäbischen drucke einleiten, treten mit beginn des 17. jhdts.
auf. So in den verschiedenen sog. Badenfahrten Herzog
Friedrichs (Tüb. 1602. 1603): viel dieser. Ein altes Bad-
buch vnd historische Beschreibung von der wunderbaren
kraflft vnd würckung des wunderbrunnen vnd heilsamen
bads zu BoU (Stutgarten 1602) von dem gelehrten Joh,
Baudinus „erstlich lateinisch beschrieben, anjetzo aber ins
Deutsch gebracht durch M. D. Forter" vgl. gliedmassen.
vielen, diese, erwiesen, beschrieben, fried. sieben, getrieben etc.
Ebenso bei Joh. Oettinger: Warhafte historische be-
schreibung der fürstlichen hochzeit . . . so . . Herr Joh. Fri-
derich hertzog zu Würtemberg . . mit . . Frewlin Barbara
Sophia Marggrävin zu Brandenburg . . . gehalten hat. Stutt-
gart 1610. Rodolf Weckherlin (rWwm/ Stutgart 1616)
und Sebastian Wieland (Urach 1626. Der Held von
Mitternacht Heilbronn 1634) etc. etc.
Im jähre des grossen friedensschlusses 1648 erschien
in Augsburg unter dem autornamen Gioi. Alemanni ein
Hauptschlüssel der Teutschen und Italiänischen Sprache. Die
Vorrede, unterzeichnet Joannes Güntzel, civis Noriber-
gensis, erzählt: die Teutsche Sprache sei im verlauf der
letzten 800 jähre je länger je mehr geläutert worden,
namentlich habe die buchdruckerkunst sich um unsere hoch-
deutsche spräche grosse Verdienste erworben, so dass die-
selbe keiner andern spräche nachstehe, wie das jetzt alles
durch die hochlöbl. Fruchtende Teutsche Gesellschaft
ans liecht gesetzt werde. Aber gleichwohl haben sich in den
letztvergangenen 30 jähren bei dem beharrlichen kriegszu-
stand wie in kleidung, essen und trincken so auch in unsere
deutsche spräche viel ausländische missbräuche eingeschlichen,
so dass man kaum die hälfte ohne dolmetscher verstehen
könne. ^ Nachdem Opitz in nicht weniger epochemachender
1 Hoohdeutschland reicht für unsern gewährsmann nördlich bis
zum Thüringer-"Wald , der Südosten weiche stark von der „teutschen
redensart" ab von der kayserl. kanzlei abgesehen, ebenso der Mittel-
niK SCHRIFTSPRACHE. 311
und fruchtbarer weise als Luther für die moderne ausge-
staltung des deutschen stils anregung gegeben, wurde die
freie entwicklung besorgnisserregend durch die ausländerei
beengt, die gerade in Süddeutschland willige und eifrige
huldigung gefunden hat. Um so wohltuender ist das steigende
interesse, das in Schwaben sich gerade jetzt der vaterländi-
schen geschichte zugewendet hat. Die Chronica von Joh.
Ginschopff (Tüb. 1630), Mart. Zeiller' s Chronicon
parvum Sueviae oder kleines schwäbisches Zeitbuch (Ulm
1653), Narc. Schwelin: Würtembergische kleine Chronica
(Stuttg. 1660) u. a. sind in der muttersprache geschrieben,
die auch historische ereignisse der gegenwart ins volk
getragen hat, wie M. Esenwein's Lobspruch der weitbe-
rümten Vestuyig Hohen-Twiel und Hohen-Twielsche Hochzeit
(Tüb. 1650). Hier begegnet nicht nur bereits der reim
liebt : gibt (wozu ich z. b. aus Weckherlin's gedichten
[Deutsche dichter des 17. jh. 5. Bd. Leipzig 1873 ed. K.
Goedeke] keinen beleg beibringen kann), sondern nunmehr
auch zurück: glück mit umlaut, so dass also mitte des 17.
jh. diese weitere etappe erreicht ist. Wie weit man es
nunmehr in Schwaben gebracht hat, zeigen die Ulmer
drucke von E. Gu. Happel's romanen: Der Ungarische
Kriegs-Roman (Ulm 1685. 1688). Der Teutsche Carl (Ulm
1690), oder ferner die ächten Zeitstücke von J. M. Erhard
Mitleydens- Warnungs- und Trost-Zeilen (Stuttg. 1701). Der
unter dem Haus Oesterreich . . . allzeit sigende römische Adler
(Stuttg. 1705). Trauer- und Trostgedicht auf . . . Wilhelm
III (s. a.). Würtembergische Pyramide (s. a.). Dass es
im lande aber auch kreise gegeben, die sich sei es aus
princip sei es aus Unbildung den mitteldeutschen, unter
dem geruch des protestantismus gehenden sprachlichen
einflüssen widersetzten und in der provinziellen tradition
stagnirten, möge man aus stücken wie Himmlische Nach-
tigall, singend die gottselige begirden der bussenden
heiligen und verliebten seel. In Hoch Teutsche Sprach
rlioiii bis zur Mosel. Er unterscheidet in der darsteUung drei bezirke
1) Hochdeutschland (Nürnberg). 2) Strassburgisch oder Schweizerisches
Rovi(u-. 8) Meissnisch.
312 ANHAKG.
Übersetzt . . durch J. Ch. Hainzmann Weingarten 1683
oder Vineu ftorens ac fructißcafts Weingarten 1725 lernen.
Die protestantische literatur steht hoch darüber. Zum
vergleiche ist sehr gut geeignet G. C. Rieger: Die
würtemhercjische Tabea oder das merkwürdige äussere und
innere Leben und seelige sterben der weyland gottseeligen
Jungfrauen Beata Sturmin (Stuttg. 1732. 2. aufl.), wo denn nun
auch die abstracta auf -niss wie erkäntnis, gedächtniss
herrschen.^ Man halte dazu die bereits auf der schwelle
der neuen zeit stehenden Schwäbischen Gedichte von G. J.
Duttenhofer (Erstes Stück. Ulm und Leipzig 1751), in
denen vollends die mitteldeutschen mddgen. liedgen, näsgen
u. a. begegnen, so sind wir um die mitte des 18. jhdts.
am ziele angelangt. Der hitzige kämpf der katholischen
Opposition ist von Kluge, Von Luther bis Lessing- s. 128 flf.
anschaulich geschildert, Georg Litzel der Verfasser von „der
undeutsche Katholik" (Jena 1730) stammte aus Ulm. Mit
Weitenauer's Zweifel von der deutschen Sprache (5. verb.
aufl. Augsburg und Freyburg i. B. 1778. Mit erlaub-
niss der obern) capitulirt die letzte schanze, wenn es
hier s. 13 f. heisst: „Eine seite Deutschlands hat sich eine
geraume zeit her beflissen, die muttersprache zu mildem,
und durch beysetzung einer grossen anzahl leichter silben
dieselbe gelinder zu machen. Die andere seite ist bey der
alten strengheit geblieben und hat sich nicht entschliessen
wollen, die kurzen worter ihrer vorfahren zu verlängern.
Die klagen werden täglich erneuert" und s. 23 f : „Woher
entspringt dieser unversöhnliche hass wider das unglück-
liche -e? Von der Religion ist es schwer zu begreifen,
wie man sie in die rechtschreibung eingemischet. Dieten-
berger in seiner bibel hat es tausendmal, ohne deswegen
protestantisch zu werden".
* Ein zu Schwab. Gmünd 1737 erschienenes Orthographisches
Schulgärtlein von S. M. Moritzi verlangt y^-nüss nicht -w»s**. — Für die
grauenhafte verwelschung der höheren gesellschaftssprache ist typisch :
Adeliches Briefbuch zum gebrauche Junger Herrn von Adel Augs-
burg 1751, welches s. 405—482 (4-8paltig) eine Verdeutschung der
ausländischen Wörter enthält.
DIE SCHRIFTSPRACHE. Sl3
Was an der egalisiruttg unserer Schriftsprache, um
liie mitte des vorigen Jahrhunderts noch fehlte, hat neben
dem aufschwung des literarischen Verkehrs zwischen norden
und Süden die emsige, fleissige leistung der grammatiker
gebracht Gottscheds name muss in ehren genannt wer-
den. Gewiss ist, um einzelnes anzuführen, der in Schwaben
immer schwankend gebliebene gebrauch in den ablauts-
vocalen der starken präterita, die auch bei uns seit Luthers
Zeiten vertretene md. bildung der 1. sg. präs. ind. wie ich
werde etc. (obd. ich wird), die ausgleichung bei den verben
der iu- reihe (giessen etc.) zu gunsten von ie, die tilgung
von -e im präteritum der ablautenden verba (sah nicht
mehr sähe etc.) durch seinen eingriff Vollends entschieden
worden. Schwaben selbst hat die grammatischen Unter-
suchungen zur pflege unserer Schriftsprache lebhaft auige-
nommen und in dem triumvirat von Fulda, Nast (vgl. Alem.
III, 61 ff.) und Hang philologen besessen, die selbst einem
Adelung zu opponiren wagten, und ungerechter weise heut§
viel zu wenig bekannt sind. Fulda und Nast arbeiteten zu-
nächst eifrig an dem von Hang herausgegebenen schwäbi-
schen Magazin von gelerten Sachen (Stuttg. 1774 ff.) mit
(man vgl. z. b. Erinnerung an die teutschen Sprachlehrer
1775 s. 205 ff.), bis sie 1777 ein eigenes organ begründeten:
Der teutsche Sprachforscher allen Liebhabern ihrer Mutter-
sprache zur Prüfung vorgelegt. (Erster Theil Stuttg. 1777.
Zweiter Theil Stuttg. 1778). „Klopstock, Lessing und
Wieland zu besonderer Prüfung empfohlen."
Man muss ihnen manchen Provinzialismus zu gute
halten, so z. b. ihren Widerspruch gegen die längst in der
Orthographie eingebürgerten „unächten" ie, ihre laxe be-
handlung verschiedener, sprachgeschichtlich zulässiger mög-
lichkeiten u. a., aber ihre, namentlich Nast's, weit über die
zeit hinausreichenden grammatischen und phonetischen kennt-
nisse zwingen uns hochach tungab, und befähigten diese männer
selbst die heilsame, wenn auch despotische tendenz Gott-
scheds und Adelungs in tolerantem sinne abzuschätzen.
Die bedeutung jener philologen geht am deutlichsten
hervor aus den Sätzen des Prof. Hang (an der Q^rlsakademie)
314 ANHANG.
über Teutsche Sprache, Schreibart und Geschmack zu der in
höchster Gegenwart Seiner herzogl. Durchl. den 4. dec. da-
rinnen vorzunehmenden öffentlichen Prüfung seiner zuhörer
(Stttg. 1779). Hier lautet die these 42: Teutsche Gesellschaften,
schöne Wissenschaften, wie auch Nationaltheater sind eine
beförderung der Muttersprache. 44: Die Teutsche Sprache
hat alle erfordernisse zu einer vollkommenen Sprache und
unter den Lebendigen die ältesten Urkunden. 49 : Die an-
hänglichkeit an die Muttersprache ist eine Unterhaltung
des Patriotismus, der einheimischen Religion, der Gesetze
und Sitten.
Im verzeichniss der respondenten steht auch der name
Schiller.
rEXTPKOBEN.
1. Cod. theol. et phil. 230 (ZBR). XIII. jh.
Wie slaffen di munich
Quomodo dormiant monachi.
Sund'lingü i sundUingen bettin si slaffen di
INGYLI per singulos leotos dormiant lec
bettistet nah maze d' wandilunge nah
tisternia p modo conuersationis secundum
d' sazzunge ds vat's ie' si nemen Ib er mag wMri
dispositionem abbis sui accipiant. Si potest fieri
si alle 1 ain' stat slaffen ib ab' di vili
omnes inuno loco dormiant . si aut* multitudo
nit hengit . zehl od* zwainzig mit dn eltren di vb'
non sinit deni aut uiceni cum seniorib; qui sup
si sorcsam sien r'wen. An lietk'ze emizlic in d' selbvn
eos solliciti sint pausent. Oandela iugiter ineade
Celle brinne vnzi morgin. Ingisloffl sie slaffen vn gurtet
cella ardeat usq ; mane. Yestiti dormiant et cuncti
mit gurtilü od' saillin vn di mezz' ir zir sitvn ir
cingulos aut funib; et cultellos suos ad latus suü
nit si habin so si slaffint de nit liht dur dn slaffe
non habeant dum dormiunt ne forte p somnü
si wMn wundut slaffind. vn de biraith sihe di munich
uulnerent dormientes et ut parati sint monachi
alliwec vn gitä di zaiche . an twal ufstand si ilen
semper et facto signo absq; mora surgentes fe.stinent.
vnd* an and' sih wurkomin zi w'ke gotis mit all' doh
inuicem se preuenire ad opus dei cum omi tame
swari vn senfti Di iung'n brüd'
grauitate et modestia . Adolescentiores fratres
bi sih nit habin di bette sund' uirmischet mit dn
iuxta se non habeant lectos s; permixti cü se
eltirn ufstandi ab' zim w'ke gotis vnd' and' sih
niorib; surgentes uero ad opus dei inuicem se
mazziclic scunden dur d' slaffer insculd
modorate cohortent ppter somnolentor, oxcusatione
318 TKXTl'KOBEN.
2. urk. 1292.
Wir von gotes genadun margeraue Hainrich von Bvrgow veriehen
an disem brieve allen den in lesent alder horent lesen daz Berhtolt der
dash von Dahsbero der vnser diensman ist ze chovfende gap vmbe vier-
zcger vfl sehtehalbe maroh Silbers mit vnsere willen den erberen herrun
abbet Eberhart vn der samenunge des closters Zviwltvn allez daz gut
daz er aigenlich hate besezen in den dorferen ze E. vfi ze B. bi der
Tünowe ez sie so in holze alder in velde in wasun vü in zwien vfl do
der selbe B. die aigenshaft des selben g?tes vfgap in vnser hant alse
er durh reht solte daz wir do die selbun aigenshaft santun (?) bi
brvder B. de phister aine br&der der selbun samenunge durh die bete
des selben B. v. D. vn durh got vfl durh die liebi die wir hatun zV den
selben hVun de vorgenante goteshuse zviwltvn imer me ze hende vfi
ze bisizende aigenlich ane alle vnser widervorderunge vfl ansprah vfi
unserrer herbo vn vnserer nahchomendo vn uuch des selben B. vfi siner
erbo vn siner nahchomendo . . .
3. urk. 1296.
Ich Hainrich von Rvthi vergiche öffentlich an disem brieue vnd
tun ovch kvnt allen den die in sehent oder hörent lesen daz ich minen
erbaeren lieben herren dem abt vnd dem conuent ze Wingarten vnd
allen ir nachkommen han gegeben minen zehenden ze Stainibaoh in
dem dorf baidv klinnen vnd grozzen ze dorf vnd o'^ch ze velde den ich vnd
mine vordem von dem riebe ze rechtem lehen han in stiller wer maeng<'
iar gehept vnd r^welich besessen vnde dar vmme han ich von minen
vornantcn herren enphangen drv vnd zewainzeg phunde genaemer
costenzer phenninge die ich in minen nuzze gewendet han als ich hie
vergiche an disem brieue. Ich verziehe mich o^ch baidv vvr mich
vnd alle min erben allez rechtes vnd aller ansprach die ich oder si
maechtin gehan an dem selben zechenden. Wir sint o^ch dez vorge-
nanten zechenden rechte wern nach rechte an allen steten da si ange-
sprochen werdent ez si an gaistlichem oder an weltlichem gerioht . vnd
daz allez staete belibe von mir vnd von minen erbon so gib ich minen
lieben herron dem abt vnd dem conuent ze aimme warn urkvnde disek
brief ze gezaichent mit niimme insigel. Diz geschach ze Wingarten in dem
closter do man zalt vnsors xpc gebiirte zwelf hundert iar vnd sechse
vnde nvnzeg iar an de dvnrstage vor sant marieu magdaleuen tag.
4. urk. 1298.
Wan menslich gehugede kranch ist vnd die liute schiere v^gessent
suas si vnder ainander werbent so lerent vns die wisen maister das wir
v^schriben allez daz wir vnd' ain ander mit werken vurbringent. Da
von so tun ich Ulrich von kungezegge ze wissend allen den die disen
brief sehent lesent oder horent losen das ich den erbaren herren dem
TEXTPROBEN. 319
apt vnd der samenüge dez gotzhuzes ze Wingarte han gegeben ze
köpfende nach rehtem ko^^fe vmbe aine vud sehzech marke lÖtigez
Silber min rehtez aigen ze Habchmöze an äkern an wisen an wasser an
holze an wasen vnd an zwie mit allem dem daz dar zu hßret gebwens
vnd vngebuwens wie ez si genant mit allem dem rehte alse ez mine
vordem vnd min vatter herre Ulrich aigenlich an mich hat braht. Ich
vergihe o^'ch an diesem brieue daz ich daz v jrgenante Silber han bewet
in minen nuz . ich v'zihe mich vnd alle mine erben allez dez rehtez suie ez
si genant daz ich od* mine erben mähten gehan an dem vörgenantero
gute ze Habchmöze vnd binde mich vnd o'^ch mine erben daz wir dez
selben gutez sulen werer sin nach reht an allen stetten sua daz gotzhuz
ze wingarten an gesprochen wirt ez sie an weltlichem od* gaistliche
gerihte. Dar vber gibe in disen brief ze vrkünde gezaichet mit minem
wäre insigel. Dize geschach do man zalte von gots geburte zweit"
hundert iar vnde sehte vnd nünzek iar an dem nsehsten dunrstage vor
dem zwelften tage.
5. urk. 1314.
Alle die disen brief gesehent od' gehörent lesen künde ich Her-
man der kro^'wel vnd virgihe daz ich mit rat gunst vü willen miner
briider burchardes vn hainriches han verkoufet vn gegeben ze ko^^fende
mit aigenschaft vn aliu minun rehte die ich het od' haben mohte an
daz gut ze Alidorf da der vrie uflFe sizzet vn buwet den erbaren vn
gaistlichen vro^wen der . . priorinun vnd der samenunge des closters
ze kirchp'g ze ainem rehte ko^'f vmbe fiinf phunt guter haller der ich
von inen gewert bin gar vnd genzelich vn in minen nutze komen sint.
vn sol o^ch des wer sin vn gen menlich vertigan für ain ledig aigen
swer die vro^wen vmme daz gut ansprichet daz vor benempte mit ge-
rihte aide ane* gerihte gaistlichem aide weltlichem sus od' so. Ich han
o'^ch vti baide min brfider Burchat vii Hainrich den vro'^wen von K. daz
vor benempte gut mit vnseren banden uf gegeben vn mit gewalt ge-
antw'rtet rehte vn redelich vii verzihen vns an diesen brieue gemainch
all' aigenschaft aller der rehte vn aller der gerihte gaistlicher oder welt-
licher hainliches vii offenliches rates vn gemainliche aller dinge da mit
wir die vorgenempten fro^'wen von K. an dem vor gescribenme gftt
mohten geirren aide beswern mit werten aide mit wercken ....
6. urk. 1348.
Ich Cvnrat früt ain bürg' vö Horwe v'gihe vn tun kvnt allan
den disen brief ansenhent lesent od' hörent lesen daz ich mit gvtem
willen vii mit gvnst miner elicher wirtinne fro Agnese vö Bvtelspach
vii aller vns' erben vü aller der die darzu notdürftig waren reht vii
redelich haben geben ze koflfenne den ersame frowen der priolinv von
dem convent gemainlioh des closters ze kilpberg bredier ordens vnser
gvt ze Bvtolbrvnne dar du ob genät min eliohv wirtine ze hainstvr zPi
320 TF.XTPROBEN.
mir braht vü daz da buwet d* sewer vö B. vfl giltet iaergelich ewiges
vnd stetes geltes fvnf malt* vesan, zwai malt* rogg horw* messes vfi
ane . . dritzenhen Schilling hall* die sol man gen vf sant martins tag
allü iar vii zwai herbst hvnr vfi haben in vfi allen iren nach kvme daz
selb vor benempte gelt gegebe vmb drissig ph^vnd gvter hall* pheninge
der wir von in gewert sin vfi in vnsern nvtz kvme sint vfi genzklich vfi
sol man in daz vor benempte geld iergelich antwurten gen Horwe in
des closters hus ane allen iren schaden wir v*ienhen och daz egenant
gut für reht aigen vfrihten u*tigan vn v'stan nach d* stat reht ze Horwe
von all* mengelichen wie vfi wa sin not ist od' wirt ane alle geverde
vfi daz wir noch kain vnser erbe sv an dem vorgeschriben gelt niem*
gesvme noch geirren svn in kain wise weder sus noch so so bezvge die
hiebi waren . . . vn daz diz als wa'^r vfi stette belibe darv henk ich . .
v*gihe vn globan vf den ait . . an . . aubet do man zalt . drvzenhen
hvndert fierzig . . ahtoden jar.
7. urk. 1362.
Ich Ulrich von Hochdorf ze Utingen gesessen vergihe vnd tun
kvnt allan den . . vmb daz m alter roggen geltes Horwer messes daz
ich jergelich gibe vnd geben sol vz minem zehenden ze vtingen durch
der selan willen in die obrvn samenunge ze Horwe hinder des haiigen
criices kirchen daz selbe malter roggen geltes kovfte L^gge selge min
svester div in derselbe samenunge was ze ainem rehten selgerete ir
selbes sele vnd unsers vater selgen sele mit ir aigen phen von den
aht maltern div hie vor die frowa von Kilperg kouftan vmb Albrecht
den hvller selgen von dem ich do denselben zehenden ze lehen hette
vz sinem tail vnd vz allan sinen rehten derselben aht malter roggen
galt Livggart selge min svester div vorgenant daz ain durch got vnd durch
der selan hailes willen also vnd mit solchem gedinge daz ich vnd min
erben ob ich nicht weri daz selbe malter roggen geltes vz dem egenanten
zehenden mit allan rehten iergelich vnd ewiklich geben sollen den frowen
in derselben obrvn samenvnge ze Horwe an dem karfritage iergelich
vnd svUent die frowan denne mvtschla dar vmb kovfen als vil si damit
vergelten mvgent vnd svllent die mvtschla denne geben durch der selan
hailes willen armen Ivten vnd wa si denne dvnket da ez den selan aller
nvtzlichost si ze ainem rehten selgerote mines vater selgen vnd Livggen
selgen miner vorgenanten svester ....
8. cod. ascet. 86. XIV. jh.
Div buch sagent vnt hant gischriben.
Ez sint groze vnt vbele sünde sibene
diu Schrift haizzet si etswa.
vicia . Septem principalia.
siben alaster . sprichet daz
div vordriston noch mahtin baz
TKXTPKOBEN. 321
nit Imizen. wen si ain vrspriiic
sint alles vbles vnde alliu dinch
div noch sint ze vbele chomin.
hat Yon in vrhap ginomin.
Lucifer mit sinen ginözin
wart von himelriche verstdzin.
Adam ouch ze ieglicher wis.
vnde Eva müston daz paradjs
rvmon mit yil grozir schäme.
die ir selben svnde namen.
sint gehaizen superbia.
Luxuria auaritia . gula.
ira. accidia vana gloria
superbia spricht höchvart
wil. vn ist niht wirsir noch nien wart.
höchvart wil sich seibin furzvchen
vn ie den andrn driichen.
höchvart laidir vil giwaltes hat.
si ist in armir alse in richer wat.
Luxuria spricht vnkvscher gilust
vnd ist gar der sele verlust.
swie wol si dem libe tvge.
so ist inhain svnde diu wirs müge.
die sele vfi so ri'^wich seze.
siv ist rehte des tivels neze.
er vahit vil der seien mite,
vnkvscher gelust hat blinden site
si de daz er ane laitin si.
er gat in das fivr e da bi.
Auaricia sp*ohet gitehait
vn ist daz ir beste wishait.
daz si ieman vngerne ihtis gewert
vnde allez me vnde me gert.
swie vil ir g^tis immer gischiht
so chan gitichait maze niht.
Gula daz sp'ch; frazhait.
vnde ist alse div schrift sseit.
ir reht ist daz si allez zivil
vnde ane maze ezzin wil.
noch nihtis so grözze ahte hat.
so daz dem bvch wol bi gat.
Jra div svnde haizet zorn.
wsere diche gvt v'born.
emzic zorn ist nieman gvt
wan er ni'^wan vbil tdt.
Kauffraann, Fr., Geschichte d. schwäb. Mundart. 21
322 TEXTPROBEN.
vfi so er ie dioher chvmet.
so er laider ie miuder frvmit.
Accidia ist alsus ginant.
vrdrvze die selben irchennint.
meenich wip vnd man.
wan si wont in vil nahen allen an.
vrdrvze lat chvme
ieman wol t^n . daz der sele frvml
sol. Swa der sele vbil ane gischiht
da ensvmet nieman niht.
Yana gloria haizet also wol.
vppic ere wan sv ir sol.
vnde wil nah ir wize volgfn.
der müz die sele varn lan.
si gert ni^'wan der weite rvm.
vmbe allez daz si chan getvn.
vpic gvlliohe missehillet niht harte.
von hohvart si hant ain arte.
Yon disen hovbhaftigen svnden.
komint alle ho^bhaftige svnde.
9. cod. theol. et phil. 54. a. 1391.
Der junger: ich wiste gern wen danczen vnd geselleschaft an
essen vnd an trinken todsünd wäri sider man sunderlich du zwai werch
an dem firtag tribet. Der maister: du solt wissen das der lerer mit
dem guldin mund also sprichet wa tknoz sint da ist der tüfel die
bösen gaist die fröwent sich in tA,nczen vnd all ir diener ha^nt frod mit
in doch so solt du wissen wen es todsünd ist das denn dieser vier
Sachen ainü da mfiss sin du erst ist ob ain gaistlich oder ain weltlich
es war wan von böserung vnd ergerung so mag es todsünd sin du
ander ist wen es geschiht zu den ziten so man gebunden ist by gottes
dienst ze sind du drit ist so man das tätti an gewihten stetten du vierd
sach ist wen man es tätte mit bösen vnd verlavssenen geuerden es
möht ain mensch in sölicher ainueltiger siebter mainüg tun das es im
nit sünd war den allain täglich ü schuld nun will ich dir och sagen
von essen vnd von trinken du solt wissen wen ain mensch sich mit
vbermässigem essen oder trinken mit fliss füllet das ist totsünd ob er
trunken wirt beschiht es aber vnwissenklich a^'n fürsaoz vnd man den
lust allein a^ n arg mainung tut so ist es nit totsünd ... du solt wissen
das etlich maister sprechent es sige vmb gaistlich gut reht als umb ain
lieht wa das in ainer stuben ist so gesehent zehen menschen oder me
von dem lieht als wol als ob ain mensch allain in der stuben w&r wan
dar vmb das die andern vss der stuben ga^nd so wirt es nit dester
lichter in der stuben.
du solt wissen zu dem ersten wa^ zwai menschen vnder aine
TEXTPROBEN. 323
Sternen sint geborn oder gelich vermischuug der element in der natur
lia' nt oder die seien gelich sint in leblichait vnd i wesen oder zu ainem
geliehen lo^n hörent in ewiger sA^likait du menschen müssent zu en-
ander von natur genaiget sin ob si sich enander nümer gesehen. Ynd
wa"" die vier Sachen minre oder me ist da ist och minre oder me natür-
licher naigung zwüschent den menschen es mainet ain maister das du
menschen du da gehörent in ainen kor in ewiger sälikaii die mÄssent
von natur me naigung haben ze samen denne andrü menschen ... so man
an dem geriht mit dem rechten geriht aine menschen töttet vnd das
ist nit sünd me es ist lonber so man es tütt durch der gerehtkait willen
vnd nit anders zu dem andern ma 1 so man es durch libes not ainen
menschen ert6ttet als ob man mich ertötten wölti in aine wald vnd ich
min leben ze schirmend ainen totti der mich tötte wölti das war mir
nit sünd möht aber ich gefliehen vnd es nit tätti mer in ertötten wölt
so war es totsünd möht ich mich also geweren das ich in nit toti
des war ich gebunden möht ich aber dero kaines tfin so möht ich in
a'^n sünd ertötten min leben ze schirmend wölte aber ieman mir min
gut niemen vnd ich ioch wäre ain weltlich mensch dar vmb solt ich
nieman ertötten vnd sölt es alles mit gut verlieren e ich es werte mit
kaines menschen tot es war denne das man mir niemen wölt von des
mangels wegen ich sterben müst das ze schirmen möht ich wol aine
menschen ertötten zu dem dritten ma'^l wirt ain mensch ertött von ge-
schiht als ob ich ain gloken lute vnd der halm herab viel von dem
lütent ich och ainen mensche ertotti das war och nit totsünd . . tat
aber ain mensch ain vnzimlich werch als so man sohüsset vber ainen
weg da menschen gewon sint ze ga^nd wirt da ain mensch erschossen
das ist totsünd ob man och ainen stain wirfet ab ainem hus oder ab
ainem tach vnd die lüt gewon sint ze gend an der gassen.
10. cod. theol. et phil. 72. a. 1400.
merk so du ainen weg ga'st da"^^ vil tier hin gegangen sint an
Aem huffslag bewiset sich ain phärit an dem andern fussstaphen be-
kennest du ainen hunt oder ainen wolf vnd also bekennest du an dem
füsstritt du tier die du nit siliest alsus gemainlich lühtet das bild
gottes in allen dingen vnd creaturen Aber sunderlich lüchtet das bild
gottes in dem menschen wan nach dem bild gottes ist der mensch ge-
schaffen nit na^ch persönlicher gelichait sunder na'ch ainer gelichait
des füssstaphens der iunger : vsser diser äntwürt gedenk ich des Wortes
das sanctus paulus sprichet. Der sun in der gothait sy ain bild des
vatters des bewise mich.
du waist wol das Saturnus gibet träkait, Mars blfit vnd enzündet
zorn Venus fröd die ding ha^'t der mensch von den planeten nit en-
phangen mer des menschen leben war gancz gezieret gewesen mit
tugenden das er mit voller wishait der Sternen herr war gesin vnd
wissest das allü element mit im wärint versumpt gesin das den menschen
das für nit hetti gebrent noch kain messer nit hetti versnitten vnd wan
21*
824
TEXTPROBEN.
er itel rafn was dar vmb wärend im allü ding rain gewesen als in der
alt vatter büoh sta't geschribcu das paulua der abt vergiftig wünu in
sin hant nam vnd im kainen schaden ta^'tend da fra^getend in die
bräder wie er das vm got verdienet hett do sprach er wissend brftder
wer rain ist dem sind allu ding vnderta'n als dem ersten menschen in
dem paradise das er das gebott gottes vbergieng.
11. cod. palat.
Der küng gieng von den herren
in zoren vnd wolt schlauffen gon
do fand er vor sinem bet ston
den kiinen try stranden
er het vmbefangen
die klingin die er kust
vnd zwang sie zu sin er brüst
gar myneglich
do ward der künig fraisglich
vnd stund ser vnfrow
zu trystranden sprach er so
dis ist ain bös minnen
wie mag ich es überwinden
an miner weltlichen er
tund ir mir also gro^'ss ser
mit üwer valschen liebin
sid niemen an des anderen wibe
mit recht sol haben laids noch liebs
icht
ich wolt es gelouben nicht
da es mir gesagt ward
hett ich geloubt vff der fart
so hett ich recht geto'^n
ir sind ain vngetriiwer man
rument bald den hoff mir
got lob sprechent ir
das ir behaltend den lib
sölich küssen macht sölich nid
nun wenn ich das zway hertzen
gewunnen nie so gro^'ssen schmer-
tzen
als do sich die vil lieben
80 unbesprochen schieden
vnd ain ander miden selten
als try Str. nun wolt
ziehen vss dem land von dan
mit sorgen kam er gegan
346. a. 1403.
für sin herbergen
vor laid möcht er sin gestorben
im ward an dem hertzen we
in ducht das er nimerme
überwind ritt er von daunen
auch was das wib gefangen
mit gar grossem laid
sie laugen aber baid
das sie nichtz enbissen
do ward dem küng ze wissen
das tr. siech war
das ist mir vnmär
sprach der küng rieh
sid er ungetrülich
an mir getan hat
nun mag es o'^ch werden raut
das dise zway nit sterben
mögen sy nun wider erwerben
das sie ain ander nie sehen
raut nun wie mag das gesohehon
wie wirt in des landes büs
ich wen brangenen müs
sie ze samen bringen
es clagt die küngine
ir maid dis gro^sse pin
vnd tet ir irn ja^'mer schin
vnd ir gro^'sse schwer
vnd sagt ir sölich mer
ob sü in nicht schir sech
wunder an ir geschech
do must brangenen gan
als sü dick hett vor getan
na^ch herr tristranden
kam dar gegangen
lyns rürt sü an die tür
kurnewal stund da für
für den herren sü gieng
FJ -. .
TKXTPROBEN.
325
miimeglich er sie enpfieug
tristrand der siech man
brangenen fraugen began
wie behabt sich die frow min
übel durch den willen din
haut sü dich besprochen
vnd wer gerochen
an den nideren
die ir manig schwär
vnd gro^ss laid ha^nd geta^n
so wer ir siechtum verga^n
Tristrand do antwurt
mit züchtigem wort
nun sagt miner frowen
durch niemans tröwen
will ich sye nit lenger miden
wer will der mag es niden
ich will sie noch hinnacht sehen
ob es nimmer mag geschehen
ine irem bo^mgartten
darjnn mag sie min wartten
wann in dem brunnen
lob kumpt gerunnen
durch die kemmena^tte
so gang sie gar dra^tte
vnd wart ains sponss daby
daran gemaulet sy
ain crütz mit fünff orten
wan ich sie mit den wortten
besprechen laider nit mag
es sy nacht oder tag
wann sü das crütz find
so bin ich by der lind
du by dem brunnen sta^t
der durch ir kemna^tten ga^t
das sag du der frowe min
vnd haiss sie gesund sin
sü sagt ir frowen so
des ward die küngin frow
vnd hies ir ir essen geben
do kam ir wider das leben
von der gro^ssen a'^macht
brang. hett bra'^cht
ain tranck der ir lieb was
da von sü ze band genas
von der lieben botschaft
komen sie zu mitternacht
in den bomgartten zesamen
mit fröden vnd mit gamen
vertriben sie die sorgen
12. cod. bibl. 28. a. 1417.
Do sich absolon dauidz svn bi dem ha^r erhieng an eine ast vti
dauid vrab in vil gerftffet do machet er dise ps zu got das er sich vber
in erbarmet. Do ich anrftffet / do erhört mich got miner gerehtkait
iminer betrftbnüst haust du mir gewütet / Erbarm dich vber mich vn
erhör min gebet / kinde' der mensche war vrab sint ir swärs hertzen wa^'r
vmb habent ir liep vppikait vn siichent lugi / vnd wissent won got ha^'t
gewundt sine haiige / der h'r erhöret mich weil ich ruff zu im / zvrnet
vil sündent nit wz ir sprechent i üwerm hertzen vn i üver hainlichait
werdent ir gepingot / oifrent dz opfer d' gerehtikait vn hoffent i got /
nianig sprechent w' zaiget vns die guten / bezaichet ist vber vns dz
lieht dins antlütz h'r du ha^'st gegeben fröd in mine hertze von der
fruht sins korns Öles vn wines sint si gemeret / jn dem frid in dem
solbon schlaff ich vnd rüw /wan du li'r sunderlich in d' hoffnung ha^st
du nnch bestritgot.
Minü wort mit den oren empfah h'r v'nim mine rüff / hör zu d^
stiine mins hertze min kvng vn min got / won zu dir bett ich got frü
erhör min stime / frü sta^n ich zu dir vn sihe won nit got wellent die
missta t du bist / noch nit wonet bi dir der böss / noch belibent die
326 TEXTPROBEN.
vngerehte nit vor ding ogen ; du ha^st gehasset all die wiirkent miss-
tavt vTl v'lüsest all die redent lugi.
h'r in dine grim straff mich in dine zorn kestge mich / Erbarm
dich vber mich won ich bin siech hail mich h'r won betrübt sit allü
mini gebain , vn min sei ist betrübt / gar uast svnd* du got vncz wahin /
wid'ker hV vn erlöss min sei erlöss mich durch din erbarmhertzkait /
won nit ist in dem to^d / der din gedenk , vö in der helle der dir
beken / ich hab gearbait I minem süfzen / ich wasch all naht min bett
mit mine zehern min legerstat ich befüht / betrübt ist vö dem zorn min
o^g ich hab gealtet vnd' mine vinde / wichet von mir all die würkent
missta^t won got ha^t erhört die stini mins wainens erhört ha^t got
min flehen / der h*r ha^t empfange min gebett Si werdent sich schäme
vfi werdet betrübt schnell all min vind si werde bekeret vn werde sich
erschame gar schnellecklich.
h*r min got I dich hoff ich löss mich vö allen mine durchechte*n
vnd erlöss mich / daz nit etwen begriff alz an lew min sei won niemä
ist der wid'koff noch der hailmach / h' min got ob ich dz hab geta'n
ob mista^'t ist in mine henden / ob ich ha^'n wid'gegeben den wider-
gobenden min bösin ich val billich vö mine vinde cital / Der vind läge
min sei vn begriff vn vertret in die erd min leben vn min er zerfür er
in den stob / erstand got in dine zorn vn erhöch dich I den enden mine*
vind / vn erstand h'r min got in dem gebot dz du haust gebottö vfi du
samnnug dez volkz wirt vmbgebon dich / vn dar vmb gang wid* I die
höhi / der h'r riht dz volk / riht h're nach miner gerehtikait vfl nach
miner vnschuld vber mich / vertzeret wirt du schalkait der sünd vn
vffrihtest den rehte / forsch ent du hertze vn die lende got / gereht min
helff vö got d' erlöset du gerehte herczen / got riht* gereht* starker vn ge-
dultig* wie wirt er zvrnet all tag / Allain ir w*dent bekeret sin / swert
ha^t er bloss sine bogo ha^'t er gespannen vfi ha^'t in berait / vn in
dem ha'^t er beraittet du vass dez todz sinü phil ha^'t brinend gemachet
/ Sich er havt fürbraht vngerehtikait vn ha^t enpfange schmeroze / vfi
havt geborn missta^t / Er vff tett die grub vn viel in die grub die er
gemachet hett wid* keret wirt sin schmercz I sin hopt vil i sin schaitel
sin mistat wird abstige / Ich bekefi got nach sin' gerehtikait vn sing
dem name gotz des höhsten.
13. cod. theol. et phil. 144. a. 1427.
(vgl. no. 19.)
Der aller erst alt lert dich minnenden sei vff dich selb' dz du
vor an betrahteu solt vor allen dinge wailan du kome sigist wer du
ward in diner müter lib was du worden bist wz du noch werden müst
CS antwürt dir des erste* alten 1er vfi spricht got het dich gemachet
US äschcn zu einem vnu'nüuftige* mensche vnd best dich selber nit .
gemachz den von gnade in schuld vnd vö der monschait wider vin ze
fl,scli vfi darus redet hugo in dem dritten buch vö der sei vi] spricht
TEXTPROBEN. 327
gang in din hertz vll schctz dich selber wSnan du kome* sigist wie du
lebest WZ du wirkest wie vil du lones vMienest od* sünde^ machest ob
du taglich zu nemest od' abnemest mit was gedenken din hertz tag yü
naht bekümert sigy mit w^ begirde din gemöt gevange sigy wie dick
du vö dem bösen gaist bekort wirst vn vö der weit betrübt vn vö dine'
aigen lip gelitte wirst vn wen du dich vö innen vn usnan betrahtest.
so bistu dir selb' vnu'fange zu götlichem erkenne vor dir selb' vn mäht
got niem' erkennen wen du dich selber nit wilt erkenö nach dem mäht
du niemer begriffen den der ob dir ist wen du nit enwaist wer du bist
wan der erst vn fürnemest spicgel got ze hertzen sehen ist dz der
mensch sich selber such? vn vindet wer er sigy dis sprich^ hugo vö
sant Victor vnd hill3 mit im richard' vö dem schöwenden leben. Es
ist vil besser vn nüt^' dz der mensch lern sich selber erkenne' denne
dz er wissen wil der himel lo'ff der krüt' kraft der edeln gestain
würken der tier natur der meschen sitten vn wis vn tun vn län aller
dingen sach künne vn wissen will vn himelrich vn ertrich wise erspüre
will wan vil mesche wissent wil sachan die sich selber nit wisset noch
erkennet vii doch sich selb' erkene vn wissen ist der hoste' kunst
ainy.
14. cod. theol. et phil. 17. a. 1445.
Kling Ciinrat ward erweit vnd gebot aine hoff gen Spir dar
kamen etlich fürsten vii etlich nit er gebot allem rieh das sie nach
der pfat richten er gebott allen den vögten die vber gotzhüser
vögt worin dass sy nit me wen ir recht neme darnach schied sich der
hoff ze regenspurg was ain byschoff hies Hainrich vnd was ain gut
man. Er wass dess ku'ngss ra'^'tgeb der riet dem küng das er forderte
das sper vnd die Cron an den hertzogen von bayern der hett es in
siner gewalt. Er besant in gen regenspurg der hertzog dett als ain
drüwer her er antwürt das sper vnd die Cron. Der küng dancket im
des der byschoff von regenspurg vnd der hertzog ritten vff den hertzogen
von bayern vnd verlug'ten den küng vnd sy daten im vnrecht wefi er
hett dem rieh wol getan. Der gebott dem hertzogen vngnedencklichen
ze hoff den er nit mocht gesüchen. Er dett in in die acht vnd ver-
daut im das land mit der fürsten vrtail Er wert sich ain wil vnd rait
gen Schwaben in das land er stift roh vnd brand. Der küng besamelt
sich der hertzog entwaich dem rieh gen Sachsen Er empfalch das land
lüppolten der was sin dienstman der brach sin drü am hertzogen hain-
rich von payern Der starb ze Sachsen in dem land Gott lies in ander
siner sünd engelten wefi er hett nit wider das rieh getan wie wol er
sich wider das rieh satzt Der liertzog lüppolt von Schwaben satzt sich
wider den küng da er in wolt dannen driben wolff der hertzog ward
syglos er entran selber kom Lüppolt gewan ain ander samlüg er facht
aber mit im er ward siglos er entran koin danne lüppold kam zu dem küng
vnd clagt im sin vngemach vnd sin schade» Er sprach ich rieh dich
328 T£XiPUOBi!;ii.
8ol ich leben küng Cünrat hett sin samlung ze haylbmfien. Er besass
winsperg wolff hett des willen erwölt in dann^ driben Er gewafi ain
samlu^ er wolt die bürg ledigen er facht mit dem kdng das rieh für-
draff der wolff ward sygloss die sine wurden das maist dail erschlagen
und gefangen das was gericht er endran selb kom. Der küng gewan
im winsperg an vnd ander sin festin der stritt was zwischen w^olffen
tnd lüppolten ymb das hertzogdüm ze schwachen Von den zitten was
ain haindenscher küng der hies sangwin by dem lag ain statt hies
roas Tnd was ain grossü statt da wäre cristen jn vnd was aiii ertzbistü
dar schlaioh der küng haidensch an dem hailigen abend ze wichefiech-
ten an mitter nacht do man mettin sang do ain her die erste letzgen ze
mettin lesen solt vnd er sprechen solt. do gab im gott in sine sin ynd
mat das er sprach die haiden sind hie inder statt wer genesen wel
der wer sich der maister sprach du lisest vnrecht er las aber das selb
vnd zd dem dritte mal hies in der maister dennen ga^'n vnd hies ainen
andern dar ga^n der las fürsich als vor im stund geschriben Sy sprachen
der vorig wer vnsinig Er sprach des werdet ir wol jnnen. Da der by-
schoff über altar kam vnd Cristmess anhub da drungen die herren die
hayden zä den düren in vnd erschlugen die Cristan gar dem byschoff
schlugen sy das hopt ab das es vff den altar viel das blut zu der kir-
chen vs ran. Sie giengen in die statt vnd erschlügen wib vnd kind
Sy zunten die statt an du verbran gar Da füren sy dännen wider haim.
Die engel von hymel kamen vnd enpfiengen die Cristen sei. Also hatt
das buch ain end das vns gott sinen segen send amen.
15. cod. breviar. 55. a. 1447.
Sich in das antlit dins kündes das dir gehorsam was biss in den
to'^d vnd urtail dar yn all min missita^t vnd erbarm dich über die drü
stuk der cristenheit über mich vnd über all sünder vnd über all gut
lüt vnd über all globig selä ym fegfür o du warü sichrü züv'siht tu
vff die port dinr erbermd vnd erlös die hant miner frünt vn der den
ich sin sünderlich schuldig bin die din gna^d bevange ha^t in dem feg-
für wan an dir allain stat ir fröd vn all ir zu versieht verschwain mit
dem flamen dfner vätterlichü min all ir schuld vn zerbrich in allü irü
baut vfi erlöss sy von ir grossü pin vnd laus vns vll sie dir yetz vn
yme' öwenklich enpfolhen sin o du ufFbrehender sun der obrostu clar-
hait du bist der weg du warhait vnd das lebe büt die hend dinr er-
bermd mir vfi air cristehait die vns fürin über das gewild diss mores
in dem wir schwiniy das wir uss den tobenden welle aller tötlich'
ho^ptsünd vfi V88 alP irung geriht werdin hin uff den waran weg des
öwigen lebes ach du vnschuldiges lemlin nim hin vnser schuld vn erkik
vns von dem tovd der sünd durch din' hailigä vrstendi wille ach du
aller wolgesprochost' her' vfi maister von dem allü warhait vnd wis-
hait d' altu vfider nüwä e ussgesprohen worden ist bis mit mir by
in minepi leben mit din' wishait vnd iji miue werte mit din' war-
TBXTPROBEN. 329
halt o du aller edelest^ y^süner mensch liehen künnes vers&n mich gen
dem himelriohesen vatter lutlich vfi mach min gebett loblich vfi en-
blös din öwiges wort in mir das ich allü dig zu dem beste ker^ das an
mir Yollbraht werd ewenklich din göttlich er o du hohgelopt' wiser
artzat aller wundä miner sei vnd durch alle die minclichu ussflüs dins
Yatterlichen hertzen so v^hail her din^ sei schmertze o du alP richost'
erlöser der pfand des öwigen to^des erlös mich von mine siinden yfi
von allen bösen bilden vn hafte frylich vnd bezall all ml schuld für
mich o du aller rehtoster rieht' lebendiger vn tovder du gewaltiger
strenger reher aller ding gna^denklich vnd erlös mich dins strenge
zornigg vrtails erbarmhertziclioh.
16. cod. bib. 35. e. a. 1450.
Gelobt sy vnser herr got von ysrahel wan er gesach vD tet erlösen
sin Volk und er rihtet vif das hörn sins hailes in dauides hus »ins kindes
als er spricht dur der hailigen munt die von anegeng sine pfeten sint hail si
von unsran vinden vfl von aller der haut die vns hassoten ze tünd er-
bärmd mit unsran vordem vnd das er gedenk sines hailigen vrkünds
den ayd den er swur abraham vnserm vatter das er sich vns gebe das
wir im dientin aun vorht vn er vns von der haut vnser vind erlost in
der hailikait vn . . vor im fille vnser tag und du kind solt haissen ain
pfet des höhsten du solt gan vor gotes antlüt das du im ainen weg
machotist vnd ze gebent die kunst des hailes sinem volk ze vergend
vnser siind durch die audran vnsers herren erbermd in der er vns von
der höh in gesach als fruge erliuhte den die in den vinstrin vnd in
dem schatten des todes sitzent vff ze rihtent vnser fuss in den weg des
frides amen.
17. cod. herm. 24. a. 1470.
Selig ist der man der nit abgieng in den raut der vng litten, das
ist sälig ist der da vest staut in guten werben vnd da von nit en-
gaut wan die bösen zu raut gand wie sy in werderbent an dem libe vnd
an der sele als die Juden vnd haiden die z& raut giengent wie sy cris-
tum vnsern heren vnd sin nachvolge' verdarptint vnd sin gute werck
wider iren bösen vind Ain ander glose Er spricht Sälig ist der man
das ist hailig ist der man der da nit volget dem raut der vngäten da^
ist den falschen vnd den vnglöbigen wan vnglob kumpt von verkerter
lere wer sich da von züchet der wirt sälig vnd hailig an den hymel-
schen eren hie mit säligem geding vnd dort mit hymelschen fröden-
Zum dem andren maul der mensch der da böse vnd verkerte ler dick
höret der wirt da mit bestricket da von sprichet er der an der sünder
weg nit gestanden ist. Das ist der falsche lere nit haut gehörtt wan
by dem ston ist betüttet die steetikait der bedachtnüsse Also wirt der
mensch von böser lere stet vnd vest an bösem globen dar von spricht
künig salomon lieber sun din hertz ensol nit des bösen wybes schand
bcgeren dz du von jrem wincken nit gefangen jwerdest. By dem buspn
830 TEXTPROBEN.
wibe ist ketzerlich ler betütet der sol uiemend begeren zu hörent noch
zftlosent "Wan ir wortt sind so linde dz ain faltig lut da von in vnge-
loben gefangen werdent vud werdent eweklioh also verlorn Dar vmb
sprich et Salomon begriffent vns die clainen füchsse dz sy vns nit den
wingarten vmbgrabint. Die klainen füchsse dz sind die kätzer die ciain
vnd wenig gelert sind vif die ere gottes vnd die den edlen wingartten
dz ist die hailig cristcnhait mit irler dick vmbgrabint dz manig edel
winstocke verdorent vnd sy v^rerdend glich den abgehowe winstooken
die da von verdorrent sind vnd werdent geworffen in dz ewig für mit
ain ander.
Vatter vnser der du bist in den hymeln gehayliget werd din
nam zu kom vns din rieh din wille werd als in dem hymel vnd jn der
erden. Gib vns hütt vnser täglich brott vnd vergib vns vnser schulde
als wir tünd vnsern Schuldner vnd nit verlait vns in bekorüg sünnder
erlöss vns vö übel Amen.
Gegrüsset siestu maria vol gnauden Der her ist mit dir du bist
gesegnet vnder den frowen vnd gesegnet ist die frucht dins libs jhus
cristus Amen.
Ich gloub in gott vatter almächtigen ainen Schöpfer hymels vnd
der erde vnd in jhü oristtl sin aingebornen sun vnsern heren der en-
pfangen ist von dem hayligen gayst geboren von der jückfrowen marien
der magte. gelitten haut, vnder pötio pylato gecrütziget getött vnd be-
graben er ab für zu der helle an dem dritten tage er erstftnd von dem
tode vff für zu den hymeln sitzen zr. der rechte band gots des vatters
almähtigen dar nach küiifftig ist zu richten die lebenden vnd die totten
Ich gloub jn den hayligen gaist den hayligen cristenlichen touff ge-
meinsami der hayligen ablaus der sünden vferstendung des flaysohes vnd
des ewigen leben. Ere sy gott dem vatter vnd dem sun vnd dem hayli-
gen gayst als es was in dem beginne vnd nun vnd allwegen in der
ewikait der weite.
18. cod. breviar. 56. a. 1475.
(vgl. no. 17.)
Vatter vnser der du bist in den hymeln gehailigt werde dein nam
zu kum vns dein rych dein wil geschech als jm hymel vfl vff dem erdt-
rich gib vns hüt vnser teglich brot vergib vns vnser schuld als vnd wir
vergebe vnsern Schuldner* vn* für vns nit jn die Versuchung sunder er-
löss vns vor vbel amen.
Gegrust syest du maria vol gnade der her ist mit dir du bist ge-
segnet jn den frauwen vn* gesegnet ist die frucht dins lybs jhs /ps
amen, ich glaub jn got vatter almechtigen schöpffer hymelrichs vn* ert-
richs vfi jn jhm /pm sin eingeborne* sun vnser* herre' der empfange* ist
von dem hailige' gaist gebovn vss maria der junkfravwe' gelitte* vndet
pontio pilato gecrütziget starb vn* begrabö er ab für zv der helle an
dem dritte dag widerumb vfferstünd von den dotten er für vff zu den
hymeln da sitzet er zu der rechte gotes allmechtige vatters dannc er
TEXTPROBBN. 331
künftig ist zu rioht€ die lebendigen vn* die dotten joh glavb jn den
hailigen gaist die hailigen kristenlichen kirchen gemainschaft der haili-
gen Vergebung der siind wideruferstendUg des flaisch vQ das ewig
leben amen.
19. cod. theol. et phil. 63. a. 1477.
(vgl. no. 13.)
loh Jörg wölfflin von röttenbach hon dis buch geschriben minem
lieben vnd getrüwen vnd besonndern gäten gündern peter rieder von
Obemdorff der im selbs fürgesetzt het gott vn siner liebe raüter maria
vnd allen gotteshailigen zu diennet vnd uss disem buch 1er ze niemefi
dem got krafft vnd sterky vnd vernufft verlih vnd geben wolle zu aller
zitt dis alles ze volbringen als die vier vnd zwaintzig alte in disem bftch
gelert hond da mit er den hohen guldin trön in dem ewigen leben be-
sitzen müge amen, nun hab ich den genaüte petter gebetten oder nach
sinem ende wer dis buch jnn hatt das sy gott für mich bitten wollend
Dis buch ward geschriben als man zalt von gottes geburt dusent
vierhundert sübentzig vnd süben jar. Nun merk in dem jar do
dis buch geschriben ward warend wild löff jm land gorss krieg myshel-
lung vnfrid vnd vntrüw jn der weit vnd ward der hertzog von burgunne
herschlage vfi vor im vfi nach jm vnd mit jm vil tusend tusent menschen
zu töd erschlagen vnd galt ain malter roken xxx ßh ain malter vesen
XIV ain viertal kohl v ßh. Maria hilff uns.
Der aller erst alt wiset dich minnendi sei vff dich selber das du
voran betrachten solt wannen du kume sigest war du wollest wer du
sigest wer du wert in diner möter lip was du worden bist vn was du
noch werden mfist es antwurt dir des ersten alten 1er vfi spricht got
hat dich gemacht uss eschen zu ainem vernüftige menschen vfi best du
dich selber nit gemachet denne von gnaden in schulden vfi von der
menschait widervmb ze eschen worden vn dar vss redet sant Hugo jn
dem buch der sele vn sprichet gang in diu hertz vn schätz dich selber
von wanne du kumen sigest wie du lebest was du würkest wie vil du
lones verdienest oder sünden machest ob du däglich zu niemest oder ab
nemest mit was gedencken din hertz bekümert sige mit was begird diu
gemünd geuanen sige wie dik du von des bösen gaist bekört wirst vn
von der weit betrie . . . vn von dinem lip gelitten wirst vn wafi du
dich von jnnen vn von usnen nit betrachtest so bistu dir selbe' vnver-
jangen zu götlichem erkönnen von dir selber vn mäht den nymer be-
griffen der ob dir ist wenne du nit enwaist wer du bist wan der erst vfi
der fürnemest Spiegel got ze hertzen sehen ist das der mensch sich
selber such vfi och vinde wer er sige dis spricht Hugo von sant Victor
vfi hillet mit jm Richardus von schowendem leben es ist vil beser vn
nützer das der mensch lerne sich selber erkennen den das er wissen wil
der himel lölfen oder der krütter kraft oder der edUin stain würken vn
der tyeren natur wann vil menschen die wissend vn erkennend vfi wend
doch sich selber nit erkennen.
332 TEXITKÜBKN.
20. cod. theol. et phil. 236. XV. jh.
(vgl. no. 1. 21. 22.)
Wie die münche sullend släffen.
Die iDuiiche sullend alle sund^ an sunderlichen betten slafen das
bettegewand sullend sy nemen nah der maze der wonunge und nah des
aptes ordnunge mag es sin so sullend si alle an ainer stat släffen ist aber
das es du menige niht verhengit so suUen si zehe oder zwainczig mit
den eitern die vber sy sorgsam sin rüwen Es sol ain lieht brinnen in
der selben celle vncz früe boclaidet sül si slafen vnd gegürtet mit
giirtelen oder mit sailen vnd sullend niht messer ze den siten han so si
slafend dz si in dem slafe nit wund werden vnd dz die münche alle zit
sin berait so si die zaichen horind so sülIen si gehes uf stän ynd ilen
sich an ander vürkomen ze gotesdienst doch mit maze vnd aller gedigen-
hait die jungen brüder süUend niht bi ainander bette haben sund^ si
sullend mit den alt^en gemischet sin So si ze vns's herren dienste vf
stand so süUend si sich ain ander weken meziclich vmbe. die enschuldi-
gunge der tregen vnd der slafer.
21. cod. theol. et phil. 146. a. 1500.
(vgl. no. 1. 20. 22.)
Die münch sullend al an sondre bötten schlaffen also das ain yet>
lieber allain lige das bötgewand sollend sy empfahen nach der mas oder
vile der wonung vnd nach ordinung des abbt mag es gesein so schlaf-
fend sy alle an aine' stat ob aber das nit möcht gesein vö der menige
vnd vile der lirüder stillend zelien oder zwitzig ie mit den eitern
oder aber ligen die so sorg vber sy haben es sol ain liech an derselben
stat emsiglichen brinnen bis zu tag die münch sollend beklait schlaffe
vnd begürdtet sein mit gurtten oder sailern vnd sullend die messer 'nit
an yn han so sy schlaffend das sy in dem schlaff villücht nit verwundet
werden vnd das die münch alle zyt berait seyend so das zaichen vff ze
wecken geschech so sollend sy behend vffsten vnd eylen wie sie ain
ander für cylen das ist das ain ietlicher zfi dem gotesdienst eyle das er
der erst sy doch mit aller zuch vnd beschaidenhait die iügen brüder
sollend nit by ain ander bet haben sonder sy sollend ligen vnd einge-
mist sein mit den eitern dar vm so sy zu dem gotz dienst vffstend so
sollen sie ain ander beschaidenlich vff wecken dar vm das kainer der
trag vnd schläfferig seye sich entschuldigen möge.
22. cod. ascet. 66. c. a. 1585.
(vgl. no. 1. 20. 21 )
Ein icder Bruoder sollt in einer besondern Zell vnd Beth schlaffen,
vnd dz betth gewand nach d' weiss des ordens, vnd nach dem Geschafft
seines abts empfahen. Wan es sein kan, sollen sie all an ainem orth
schlaffen : wan es aber von wegen vile d' brieder nitt sein kan, sollen
zehen od' zweinzig bey den eltesten schlaffen, die fleissig sorg für sie
haben solloii. Yiul iji (Tsclben zell soll stets oin liccht brinnen, bis zft
TEXTPROBEN. 888
morgens. Sie sollen in den klaiden, vnd mit gürtelnn od' stricken vmb-
gürtet schlaifen vnd sollen keine messer an d' selten haben, wan sie
schlafen, auf dz sie nit villeicht im schlaff v'lezt werd'. Die münch
sollen auch allzeit berait sein, so man ds zaichen gibt, dz sie ohn v'zug
aufstehn vnd eylen einer dem and'n zuo dem dienst gottes fürzukommen,
doch mit aller dap ferkelt vn zucht. Die jungen brüder sollen ihre beth
nit bey ain anderen haben, send' zwischen die eitern ingetheilt sein. "Wan
sie aber zu dem dienst gottes aufstehn, sollen sie sich vnd' einand'
messigklioh ermanen vnd aufmundern, von wegen d' schläfferigen ent-
schuldigung.
23. cod. theol. et phil. 19. XV. jh.
bl. 27^ ff. Von aynem gaistliohen krutgA, rtlin.
Ain zartes vines krutgärtlln
Do der junkfröwen kind küpt mit luat darin
Vnd ich wil hie beschriben
Das es vns müss beleben
Aller tugend frucht mit künscher zucht
Wer da well haben ain volkomes leben
Da wil ich guten rät zä geben
Der berait mit flyss das hertze sfn
Und mach darvss ain krutgärtlin
Vnd säge das mit tugenden vol
So geschieht im ewenklichen wol
Stätikait sol die mur sin
So nypt dir niemand die wurtze din
Rechter gelob ist das tor
So beschliissest du alle din vient davor
Das gärtlin düng mit diemüttikait
So wachsent alle tugent hoch vn brait
Zum ersten soll din arbait sin
Das du pflantzest zway krütlin
Wartest du der mit flyss wol
Si machent dir dine garte vol
Min sei sy dir ain pfand
Last du ains das ander verdierbt zu band
Das erst ist gottes lieb
Die behüt vor dem dieb
Das ander den eben cristan din
Die wöllent ye by ander sin
Wa dir der aines abgät
Das ander kain stund bestät
Der andern wurtzen waz der ist
Darfstu mit kainer lyst
Besunder pflantzen noch sägen
Sy wachsent selber by disen zwainen
384 TEXTPROBEN.
Nu wil ich fiirbas sprechen
Diser gart hat grossen gepresten
Ob nit ain krut dar inne stät
Des wurtzel nymerme vergät
Sid ich hän v'numen
Daz es sy vss dem hymel kumen
Vnd ich wil dir sagen mere
Din gart hat sin lob vnd ere
Ich wil dir es nefnen vberlut
Jhesus ist selber dns krut
Es ist genempt die wärhait
Alle tugent es ziert vnd klait
Himel vnd erden müssend v'gän
Ee die wärhait nit belyb stän
Din wurtzgart bedarff nit mere
Wiltu das jhesus darin kere
Ain anders ist daz hat als tugetliche art
Das och tragen sol diser gart
Ich sag dirs mit wahrem gemüt
Es wil sin in stäter hflt
An weihe statt ich ymer kum
So such ich den h'ren Jhesum
Maria es zum ersten vand
Vnd satzt es in ir wurtzgartenland
Es ist von fruchten also rych
Es ist den hailigen engein gelich
Da got daz krut in maria v'nam
Zu band er von hymel kam
Vnd noch in aines yeden hertzen kumpt
In dem wurtzgarten er es v'nympt
Das krut ist die kunschkait genant
Von den engein ist es wol erkant
Vil lüt haben t das vToren
Die haben das best nit vss erkorn
Dise Verlust sy dir laid
Vnd nym an dich die rainikait
Vnd setz sy an die Belbcii statt
Da künsclikait zä stan pflag
Sy ziert alle den garten din
Vnd ob du v'loren hast das krütlin
Der junckfröwlichen rainikait
Das sol dir ymer wesen layd
Noch ain schönes krutlin
Solt du setzen zu forderst in den garten din
Das hat gar ain zarten namen
TEXTPROBEN. 335
Es haisset junckfröwliche schäme
Vnd hast du daz nit in dem garte diu
So mag kiinschkait nit kumen darin
Vnd noch ain krütlin mästu hän
Sol der iungkfrowen kind jhs in dinen garten gän
Das ist in dem stryt gut
Vnd hat vm dich v'gossen mänig Wut
Wen vmb dich ist v'gossen sin blöt
Lass es by dem wege stän
Da du es stäte mügest hän
Wen du es ha'^st in diner hend
So sind alle dine vfnd geschont
Du solt mich eben mercken
Es haisset gaistliche stercke
Mit dem du den tüfel überwinden machst
Der an vicht din flaysch tag vnd nacht
Es ist vberwinden genant
Setz es in ain gayles land
Wan ich wil dich es geweren
Zu volkomenhait machtu sin nit enberen
Es haisset ain krut der gerech tikait
Das diser gart billich trait
Des sayg vil vnd ege
Vnd vil barmhertzikait darin mege
Es wurd anders dick vnd zu gail
Daz es villicht nit werd din hail
Ain krut haisset miltikait
Das setz vnder die beschaidenhait
So ich dir warhait sagen sol
Es stät in dem garten niena als wol
Noch ist ain anders krütlin
Das ziert allen den garten din
Das haisset gut ebenbild
Vnd schmecket also wol
Des setz dinen garten vol
Noch waiss ich ain ander krütlin also zart
Das hat so tugcntliche art
Winter vnd sumer grünet es gelfch
Von fruchten ist es also rych
Was man davon bricht
Es hat ir dester minder nicht
Du solt es wyt layten
Es pfligt sich zu brayten
Es ist guter will genant
Es ist erlüchten lüten wol erkant
838
TKXTF»ROBEN.
Sie pflegen es in die weit zu geben
Vnd köfFent damit das ewig leben
Noch ist ain krut so ture
Es gelich dem füre
Niement es v'gelten mag
Es hat einen honigksamen schmack
Vil lüt 68 nit erkennent
Doch wil ich dir es nemen
Inniges gebett ist es genant
Wol im dem es ist bekant
Das soltu setzen in den garten din
Da tugent fruchtbar inne sin
Nun ist ain anders krütelin
Das pflantz och in dem garten din
Das hab ich vernumen
Des wurtzel ist vom hymel komen
Das hat gar lieb jhesus orist
Des diser gart aygen ist
Also das er dar in nit kiime
Wen er der wurtzen dar ine nit verneme
Ich wil dir es nemen
Das du es mügest erkenne
Du solt nit affterkosen noch nach spechen
Sunder sich dich selber an
So lästu ain yegklichen vor dir gän
Gottes sun jhesus crist
Der diss garten ain maister ist
Der sehe dar jn gern ain krut
Das ist genant Vber lut
Gehorsam die von dem platen gät
Vnd mit der wärhait bestät
Die hat ain vind scharpff vnd sure
Die zwingt dez mentschen nature
So bringet sy frucht also vil
An mäss vnd an zil
Ich liab es hervaren in der warhait
Gehorsam ist ein edel klaid
Wan gehorsam hat einen süssen wind
Das sy dem aygen willen ist vind
So bringt sy in dem garten din
Vin frucht an sunder pin
Beharret sy vnd hat scharpffen wind
So bistu sicher gottes kind
Wer gott aine söllichen garten machen kann
Es sy frow oder man
TEXTPROBEN. 337
Dem wirt berait ain gart
Gar vin vnd gar zart
Da er ymer wonet inne
Nach wünsch aller siner sinne
Da helff vns jhs xpt
Von daz das er ainer jungkfrowen kind ist
Das yns das selb müsse geschechen
So sollend ir all amen jehen
Hie hat das krutgärtlin ain end
Gott vns in daz gärtlin nach rosen send
Das gärtlin sy üch gegebn
Maryen der jungkfrowen kind send vns sinen sogen.
Amen.
O we wir begerten nit anders dan war ain müUstain als brait als
alles ertrich vnd vmb sich als gross das er den hymel allenthalben an-
rurte Vnd kam ain klain vögellin ye über hundert tusent jär vnd byss
ab dem stain als gross als der zehend tail ist aines hirss körnlins vnd
aber über hundert tusent jär so vil also daz es in zehenstund hundert
tusent järe als vil ab dem stain geklubet als ain gantzes hirsenkörnlin
ist wir armen begerten nit anders den so des staines ain ende war das
och vnser ewige marter ain ende hett vnd das mag nit gesin. Sich das
ist der jamerssang der nach volget den fröden dieser zyt.
24. cod. ascet. 78. XV. jh.
Das himelrich ist gelich ainem man der sautt guten sämen vff
sinen acker vnd do die lüt schlieffen do kam sin vind vnd sät rattn vff
den acker vnder den gutii samen. Do nun der gät sam vffgieng do gieng
och der ratt vff darvnder. do nun das des herrii knecht sachn do giengfl
sie zu jm vnd sprachen her' sättestu nit gütn samen vff dinen ackker
wä her kompt den der ratte Er sprach das haut recht ain mensch
getan der min vind ist. Do sprachn die knecht h're wiltu so gangen wir
vnd getii den ratten vss oder den bösen säm. Er sprach des sind ir
nicht tun wan wen ir den bösen sämen vss zugnd so zugend ir villicht
den guten öch vss dauon land es under ainander vffwachsen wan
wen der schnit kompt so sprich ich zii den Schnittern rüttnd den rattn
vnd das vnkrutt von erst uss vnd bindent es zesamen ain bischelu
das man es verbreil aber das gut körn das samlent mir zesam vnd legend
das in min schür das sind die wort des hailign ewä.
25. Formalari gedr. bei Ant. Sorg 1491.
Ir wisst wol das die leüt vil vnd mangerlej miteinand* z& hädlen
haben vnd das yecklichs land auch yeckliche herrschaft vn stat besunder
freyheit recht vnd alter redlicher herkömen gütte gewonheit habent.
Vnd w^ vmb ein sach in eym land recht ist das ist in einem andern
Kauffmann, Fr., Geschichte d. schwäb. Mundart. 22
338 TKXTFROBEN.
land nit recht, dessgeleichen auch in stete darüb in wellichem land
vnd in wellicher stat einer einen brief schreiben will da er ist od*
will sein der mag nit ein guter Schreiber da sein er wiss dann die
lantrecht daselbst vnd statrecht. wz auch die leüt miteinanderibegynnend
od' gegen einand' hädlett das sol geschehen nach des landes herr-
schaft od' statrechte da sy sässhaft seind. Es war dann das sy irer
handlüg beding gege einander heten tropflfen vnd fürnämen mit wilkur
dann mit wilkur bedingt man land vnd stetrecht doch wie ein sach
fürgenomen wirt es sey nach lands recht od' nach einer herrschaft
recht, od' nach einer statrecht od* mit wilkurter beding also soll es der
Schreiber vermercken. vnd d' vermerckung vnd begreiffung ein concept
machen mit söllichcn artickeln vnd in söllicher form als man dann
vmb söllich sache daselbs ze machen vormals gepflogen hat. vnd nit in
ander noch frömbder weiss vn das beid teil die sach berören hören
lassen was zeuil war das sol er abthün. vnd was zu wenig war das sol
er hinzu seczen. Darnach sol er das selb concept lauter vnd ordenlich
nach einand' als es sein soll auf birment od' bapir wie man dann das
haben will ingrossiern das heisst ein beleiplich brief schreiben darjn
nu verkert werd auch soll er nach eym guten formulari achten: darjnn
von wellicherley sach wegen nach des landes recht od' d' stetreohten
brief ze machen formen vinden müg. vnd sich dessellben behelffen
darmit mag er die leüt nach jr noturft versorge, vnd jm selbs ein gut
lob machen vnd behalten.
Bibeln.
26. Günther Zainer Augsburg 1473—75.
In dem anfang beschüff got hymel vnnd die erd. ab* die erd wz
lere vnnd eytel. vnd die veinsternuss wäre auf de antlütz des abgrunts
vn d' geist gottes warde getragen aüflT die wasser. Vnd got d' sprach
Es werde das liecht. Vnd das liecht ward gemachet, vnd got der sach
das liecht das es gütt ward vnnd er teylet das liecht von d' veynster.
vnd das liecht hiess. er den tag. vnd die veinster die nacht. Vfi es
ward abent vnd morgen eyn tag. Vnd got der sprach. Es werde das
firmament i mitte der wasser vnd tayle die wasser von den wassern.
Vnd got machet das firmament vnd teylet die wasser die do waren
vnder dem firmament von den die do waren ob dem firmament. vnd es
ward also gethan. vnnd got hiess das firmament de hymel. vnd es ward
der abent vnd der morgen der ander tag. vnd got sprach aber. Es
sullen gesamlet werden die wasser die vnder dem hymel seynd an eyn
stat. vnd erscheyne die dürre, vnd es geschach also. Vnnd got hiess
die dürre das erdtreich. Vnd die samungen der wasser hiess er die
möre. Vn got sach das es was gut. vnd sprach. Die erde bringe
gronendt kraut das do bringe den säumen, vnnd 6pfelböme holtz das
do bringe die frücht nach seym geschlecht dez same sey in im selbs
aufl' der erde, vnnd es ward gethan also. Vnd die erd furbracht gro-
TEXTPIIOBEN. 339
nend kraut ynd bringend den säumen nach irem geschleoht. vnd das
holtz bringend die frucht. vnd eyn yegklichs hett samen nach seyner
gestalt. ynnd got der sach das es was gät ynd es ward abent ynnd
der morgen der dritte tag. Ynd got der sprach. Es sullen werden
die lieohter in dem firmament des hymels. ynd teylent den tag ynnd
die nacht, ynd seyen in ozeiohen ynd in zeitten ynd in iare das sy
leichtent I dem firmament des h3rmel8 ynd erleychtS die erde. Ynd es
ward gethan also. Ynnd got machet czwey grosse lieoht. das grösser
lieoht das es yorwäre dem tag. ynd dz mynner das es yorwäre der
nacht.
27. Jod. Pflanzmann Ausgsburg 1475.
In dem angang besch&f got den himel yfi die erde, wafi die erde
was eitel ynd lere, ynnd yinster waren auff dS antlitz des abgrundes
yfi der geist gotz ward getragen auff die wasser Yn got der sprach
Es sol werden das liecht Ynd das liecht ward, ynd got d' sach das
liecht das es ward gät ynd er teilt das liecht yon der yinster. ynd das
liecht hiess er den tag, ynd die yinster die nacht Ynd ed ward abent
ynd der morgen ein tag Ynd got d' sprach Es sol yestigkeit werden
in mitten der wasser. ynd das sy teil die wasser yon den wassern Yfi.
got macht die yestenkeit. yfi teilte die wasser die do waren ynder der
yestenkeit yon den die do waren ob der yestenkeit ynd es geschach
also. Ynnd got der hiess die yestenkeit den himeL ynd es ward abent
ynd der morgen der ander tag wafi got der sprach die wasser die do
sein ynder dem himel die werden gesamelt an ein stat ynd die dürre
erschein yfi es ist geschehen also Yfi got der hiess die dürre der erden,
yfi die samnung des wassers hiess er dz mere Ynd got der sach das
es was gut. yfi sprach die erde bring grAnss kraut yfi mache somen.
ynnd das öpffelbömin holtz mach früoht nach seinem geschlecht des
som sey in im selbs auff der erde Yfi es ist geschehe also Yfi die erd
bracht gr&nss kraut yfi bringt den somen nach irS geschlecht, ynd das
holtz macht den wücher ynd ein yeglichs het somen nach seinem bild
Ynd got d* sach das es was gät. yfi es ward gemacht abent ynd d*
morgen d* drit tag. Yfi got sprach liecht werdent gemacht in der
yestenkeit des himels ynd teilent den tag ynnd die nacht ynd seind in
zeichen yfi in zeit ynd in iare dz sy leuchten in der yestenkeit des
himels yfi erleuchten die erde Ynd es ward gethü also Yfi got macht
zwei grosse liecht. das merer z& leuchten das es yor wer dS tag. yfi
das minner ze leuchten das es yor wer der nacht.
28. Günth. Zainer Augsburg 1477.
In de anfage besch&ff Gott himel ynnd erden. Aber die erde
WZ lär yfi eitel, ynnd die ylsternuss waren auf dem antlütz des ab-
grunts ynnd der geyst gottes ward getragen auf die wasser. Ynd got
der sprach. Es werd das liecht. Ynnd das lieoht ward gemacht ynd
22*
340 TEXTPKOBEN.
got d' sach das Hecht dz es gut ward, vnd er teilt das Hecht von der
veinster. vund das Hecht hiess er den tag. vnd die veinster die nacht.
Vnd es ward abent vn morgen eyn tag. Vnnd got der sprach. Es werd
dz firmament in mitt der wasser vnd te}le die wasser von den wassern.
Vnd got machet das firmament vnd teylet die wasser die do warn vuder
de firmament vö den die do waren ob de firmament. vnd es ward also
gethan vnd got hiess dz firmament den hymel vnd es ward der abent
vnd der morge der ander tag. vnd got sprach aber. Es sollen gesamelt
werden die wasser die vnder dem hymel seiud an eyn stat vn erschin
die dürre, vnd es geschach also vnd got hiess die dürre das ertrich. vn
die samungen d' wasser hiess er die mör Vnd gott sach das es was
gut vnnd sprach. Die erde bring gronend kraut das do bring den
Samen vnd öpflFelbame holtz das do bring die frucht nach sei geschlecht
des same sey in im selbs auf der erd. vnd es ward gethan also Vnd
die erd fürbracht gronend kraut vnd bringend den same nacli irem
geschlecht vnnd das holz bringend die fiücht. vnd eyn yegklichs het
Samen nach seiner gestalt. Vnnd got der sach das es was gut. vnnd
es ward abent vnd der morgen der drit tag. Vnd got d' sprach. Es
sollen werden die liechter in dem firmament des hymels vnnd teylent
den tag vn die nacht vnd seyo in zeychen vnd in Zeiten vnd in iare dz
sy leichtent in dem firmament des hymels vnd erleichten die erde.
Vnnd es ward getan also. Vii got macht zwey grosse Hecht das grösser
Hecht das es vorwär dem tag. vnd das minder das es vorwar der
nacht.
38. Anton Sorg Augsburg 1477.
In dem anfange bescliüflF got hymel vnd die erd aber die erd
WZ lere vnnd eytel vnd die vinsternuss waren auff dem antlütz des ab-
grunts vnnd der geyst gotes warde getragen auff die wasser. Vnnd
got der sprach. Es werde dz Hecht. Un dz Hecht ward gemachet
vnd got der sach das Hecht das es gut ward vii er teylet das Hecht
vö der veinster. vnd das Hecht hiess er den tag vii die vinster die nacht.
Uli es ward abet vnd morgen ein tag. vii got der sprach. Es werde
dz firmament in mitte der wasser vn tayle die wasser von den wassern.
Und got machet das firmament vnd teylet die wasser die do waren
vnder dem firmament von de die do waren ob dem firmament. vnnd
es ward also gethan. vnnd got hiess das firmament de himel. vnd es
ward der abent vn der morgen der ander tag. vnnd got sprach aber.
Es Süllen gesamlet werden die wasser die vnder dem himel seind an
ein stat. vnd erscheine die dürre, vnd es geschach also, vn got hiess
die dürre das erdtreich. Unnd die samungen der wasser hiess er die
möre. Und got sach das es was gut vnd sprach. Die erde bringe
gronendt kraut das do bringe den säumen vnd öpfelbfime holtz das
do bringe die frücht nach seym geschlecht des same sey in im selbs
auff der erde, vnd es ward getluiu also. Und die erd fürbracht gronend
TEXTPROBEN. 341
kraut vnd bringend den säumen nach irem geschlecht vnd das holtz
bringend die frücht. vnd ein yegclichs hett samen nach seiner gestalte.
Und got der sach das es was gut vnnd es ward abent vnnd der
morgen der dritte tag. vnnd got der sprach. Es süllen werden die
liechter in dem firmament des himels. vn teylent den tag vn die nacht,
vnd seyen in zeichen vnd in zeytten vnd in iare das sy leichtet in
dem firmament des himels vnd erleuchten die erde, vnd es ward ge-
than also. Und got machet zwey grosse Hecht, das grösser liecht das es
vorwäre dem tag vnd das mynner das es vorwäre der nacht.
30. Ant. Sorg. Augsburg 1480.
In dem anfäge beschüf Got hymel vn erden aber die erde was
läre vn eitel, vnd die vinsternuss wäre auff dem antlücz des abgrunts
vil der geyst gotes ward getragen auf die wasser. Vnd got der sprach.
Es werd das liecht Vnnd das liecht ward gemacht, vnd got d* sähe
das liecht dz es gut ward, vn er teylt das liecht vonn der vinster.
vnnd das liecht hiess er den tag. vnd dye vinster die nacht. Vn es
ward abent vn morgen eyn tag. Vnnd gott der sprach. Es werd dz
firmament in mitt der wasser vnd teyle die wasser von den wassern.
Vnd gott machet das firmament vnd' teilet die wasser die do wäre vnd'
de firmament von de die do wäre ob de firmament. vnnd es ward also
gethan und got hiess das firmament den himel vnd es ward der abent
vnd d' morge der ander tag. vnd got sprach aber. Es sollen gesamelt
werden die wasser die vnder dem hymel seind an ein stat vn erschin
die dürre vnd es geschach also vn got hiess die dürre das ertrich. vfi
die samunge d' wasser hiess er die mör vnd gott sähe das es was
gatt vnnd sprach. Die erde pring gronend kraut das do bring den
samen vnd Öpfelbäme holcz das do bring die frücht nach sei geschlächt
des same sey in im selbs auf der erde vn es ward gethan also. Vnd
die erd fürbracht gronend kraut vn bringent den samen nach jrem
geschlächt vnnd das holcz bringend dye frücht. vn ein yegklichcs hette
samen nach seiner gestalt. Vnnd got der sähe das es was gut. vnnd
es ward abent vnd der morgen der dritt tag. Vn got d' sprach. Es
sollen werden die liechter in dem firmament des hymels vnd teilent den
tag vnd die nacht, vnd seyen in zeichen vnd in zelten vnd in jare dz
sy leichtent in dem firmament des hymels vnd erleichtent die erde.
Vnd es ward getan also. Vn got macht zwei grosse liecht das grösser
Hechte das es vorwär dem tag. vnd das mynder das es vorwär der
nacht.
31. Hanns Schönsperger Augsburg 1487.
In dem anfang hat got beschafft hymmel vnd erde Aber die erd
WZ oytel vn lär. vn die vinsternuss waren auff de antlicz des abgrUdes.
vn der geyst gottes schwebet oder ward getrage auf den wassern. Vn
got der sprach. Es werde dz liecht Vn dz liecht ist worde. Vn got
342 TEXTPROBEN.
sähe dz liecht das es gut was. vnd er teylet das lieobt vö der vinster-
nuss vfl das liecht hiess er den tag. vil die vinstemuss die nacht Yii
es ward abent vnd morgen ein tag. Yn got der sprach. Es werde dz
firmamet in dem mittel der wasser. vn got machet das firmament vnd
te"let die wasser die do waren vnd* dem firmament von dene die do
warend ob dem firmament. vn es ist also geschehen, vn got hiess dz
firmament de hymel vn es ist d* abent vli d* morge d* and* tag
werde, vn got sprach aber Es sülle gesamelt werde die wasser die vnd*
dem hymel sind an ein stat. vnd erscheine die dürre vfi es ist also
geschehe Vnd got hiess die dürre das erdtrich. Vnd die samlunge der
wasser hiess er die möre. vnd got sähe das es was gut. vnd sprach
die erde gepere grünend kraut das do bringe den same. vfi die öpffel-
baum das holcz dz do bringe die früoht nach seinem gesohlächt. des
same seye in jm selbs auff der erde, vnd es ist also geschehen vnd
die erde bracht grünend kraut vnd bringende same nach irem geschlächt.
vnd das holcz bringend die frucht. vnd ein yegkliches het samen nach
seiner gestaltt Vnd got d* sähe das es was gut. vfi es ist abent vnd
der morgen d* dritte tag worde Vnd got der sprach Es süllen werde
die liechter in dem firmamet des hymels. vnd teylte den tag vnd die
nacht vnd sein in zeychen vnd in Zeiten vnd in tag vnnd in jare. das
sy leüchtten in dem firmament des hymels vfi erleuchten die erde Vnd
es geschach also Vnd got machet zwey grosse liecht. das grösser liecht
das es vorwäre dem tage vnd das minder das es vorwäre d* nacht.
32. Hanns Schönsperger Augsburg 1490.
In de anfang hat got beschaffen hymel vfi erde aber die erde
was eytel vfi lere, vfi die vinstemuss wäre auf de antlicz des abgrüds
vnd d* geyst gotes schwebet od* ward getrage auf de wassern, vfi got
d* sprach. Es werde dz liecht. Vnd das liecht ist worden, vnd got
sähe das liecht das es gut was. vfi er te' let das liechte von der vinster-
nuss. vfi das liecht hiess er den tag. vfi die vinstemuss die nacht. Vnd
es ward abend vfi morgen ein tag. vnnd got der sprach. Es werde
das firmament in de mittel d* wasser. vfi tey le die wasser von den wassern.
Vfi got machet dz firmament. vnd teylet das wasser. die do waren vnder
de firmament von de die do wäre ob dem firmamet. vnd es ist geschehen
vfi got hiess das firmament den hymel vfi es ist der abent vfi der morge der
ander tag worden vfi got sprach aber. Es süllen gesamelt werde die
wasser. die vnder de hymel seind an ein stat vfi erscheyne die dürre,
vfi es ist also geschehen, vfi got hiess die dürre dz ertrich. Vfi die
samnügen der wasser hiess er die mÖre. vnd got sähe dz es was gut.
vnd sprach. Die erde gebere grünent kraut, daz do bringe den samg
vnd die Öpffelbaum . dz holcz . das do bringe die frucht nach seim ge-
schlechte . des same sey in ime selbs auff d* erde . vfi es ist also ge-
schehen . vfi die erd bracht grünendt kraut . vfi bringende samen nach
de geschlächt . vfi das holcz bringend die frucht . vfi ein yegkliches
het samen nach seiner gestalt vfi got der sach dz es was gut . vfi es
TEXTPROBEN. 343
ist abent vn der morge der dritt tag worde . Vü got d* sprach es süllen
werden die liechter in dem firmament des hymels . vn teylte den tag
vn die nacht . vnd seind in zaichen vn in zeyten vii in tag vn in jare •
das sy leüchtg in de firmament des hymels vii erleuchte die erde . vnd
es geschach also . Vnnd got machet zwey grosse liecht . dz grösser
Hecht das vorwere de tag . vnd das minder dz es vorwere der nacht.
33. Hanns Otmar Augsburg 1507.
In dem anfang hat gott beschaffen hymel vn erden Aber die
erd was eytel vn lär vnd die vinsternuss waren auff dem antlütz des
abgrunds . vn der gayst gottes schwebet oder ward getragen auff den
wassern . Vnd got der sprach . Es werde das liecht . vnd das liecht ist
worden . Vnnd got sähe das liecht das es gät was . vnd tailt das liecht
von der vinsternuss . vn das liecht hiess er den tag . vnd die vinster-
nuss die nacht Vii es ward abent vnd morgen ain tag . Vnd got sprach.
Es werd das firmamet in dem mittel der wasser . vnnd tayl die wasser
von den wassern . vnd got machet das firmament vnd taylet die wasser
die da waren vnder dem firmamet von den die da waren ob dem fir-
mamet . vü es ist also geschehen . vii got hiess das firmament den hymel
vnd es ist der abent vnd der morge der ander tag worde vnd gott
sprach aber. Es sollen gesamelt werde die wasser die vnder dem
hymel sind an ain stat . vfi erscheine die dürre . vnd es ist also ge-
schehen. Vnd got hiess die dürre das ertrich Vnnd die samlung der
wasser hiess er die möre . vnd got sähe das es was g&t vnd sprach.
Die erd gebere grünend kraut das da bring den samen vii die öpffel-
baum . das holtz das da bring die frücht nach seynem geschlecht . des
samc sey in im selbs auff der erde . vnd es ist also geschehen . vnd die
erde bracht grönend kraut vn bringed den samg nach irem geschlecht,
vnnd das holtz bringend die frucht . vnd ain yegklichs het samen
nach seyner gestalt . Vnnd got sähe das es was gut . vnd es ist abent
vnnd morgen der dritte tag worden . Vnnd got sprach . Es sollen werden
die liechter in dem firmament des hymels . vn teylten den tag vn^die
nacht . vnnd seynd in zaychen vnnd in zeyten vnd in tag vnd in jare.
das sy leuchte in dem firmament des hymels vnd erlüchten die erden.
Vnd es geschach also . Vnd got macht zway grosse liecht das grösser
liecht daz es vorwere dem tage . vnd das mynder das es vorwere der
nacht.
34. Sylvan Otmar Augsbnrg 1518.
In dem anfang hat got beschaffen himel vn erden Aber die erd
was eitel vii lär vnd die finsternuss waren auff dem antlütz des ab-
grunds / vnd der gayst gottes schwebet oder ward getragen auff den
wassern. Vnnd got der sprach . Es werd das liecht . Vnnd das liecht
ist worden . vnd got sähe das liecht das es gut was / vnnd tailet das
liecht von der finsternuss : vü das liecht hiess er den tag / vnd die
344 TEXTPROBEN.
finsteriiuss die nncht . Vnd es ward abent vn morgen ain tag vnd got
sprach . Es werd das firmament in dem mittel der wasser / vnd taile
die wasser von den wassern / vnd gott machet das firmament / vnd
tailet die wasser die da waren vnder de firmament von den die da waren
ob dem firmament . vnd es iat also geschehen . vnd got hiess das fir-
mament den hirael . Vnd es ist der abent vil der morgen der ander tag
worden / vnd gott sprach aber . Es sollen gesamelt werdfi die wasser
die vnder dem hymel seind in ain stat / vnd erschein die dürre . vnd
es ist also geschehen , vnd got hiess die dürre das erdtrich / vnnd die
samlung der wasser hiess er die mör . vnd got sah das es was gut /
vil sprach. Die erde geper grünend kraut / das da pring den samen
vnd die Apfelbaum / das holtz daz da pring die frücht nach seinem ge-
schlechte / des sam seye in jm selbs auff der erd . vnd es ist also ge-
schehen . vnnd die erd pracht grünend kraut vii pringend den samen
nach irem geschlächt / vnd das holtz pringend die frucht / vnd ain yegk-
lichs het samen nach seiner gestalt Ynd got sähe das es was gut . vnd
es ist abent vn morgen der drit tag wordn vnnd got sprach. Es sollen
werden die liechter in dem firmament des himels vnd tauten den tag
vnd die nacht / vnd seind in zaichen vnd in Zeiten / vnd in tag in jar /
das sy leuchten in dem firmament des himels vnd erleuchten die erden
vn es geschah also . vnd got machet zway grosse liecht / das grösser
liecht das es vorwär dem tag / vnd das minder das es vorw§.r der
nacht.
35. Alle Propheten nach Hebräischer sprach verteütschet. Gott erlös
die gefangenen. Gedruckt zu Augspurg durch Siluanum Ottmar im M.
D. XXVII.
Jesaia Das XXXII. Capitel Nim war / ain künig wirdt regieren
nach der gerech tigkait / vnd die fürsten werden selbs nach dem rechten
herrschen / Er wirdt yederman wie ain züflucht vorm wind / vnd ain
winckel vorm platzregen / Wie wasserbäch in der dürre / vnd wie ains
grossen schrofen schatten / in aim trucknen dürstigen land. Der sehenden
äugen werden sich nit abwenden / vnd der hörenden oren werden auf-
losen. Der gäben hertz wirdt die kunst versteen / vnd der lurgkenden
zung wirdt fertig vnd deutlich reden. Man wird keinen narren meer
Gnediger Herr haissen / vn kainen kärgling eerenreyoh / daü der narr
wirdt narren werck tandten / vnd sein hertz wirdt vbel thün. Sich wirt
er heuchlerisch stellen / vnd mit dem Herrn irrthumb reden / Nemlich :
das er des hungerigen seel aussmergle / vnd dem durstigen das tranok
entziehe. Oh wie hat der karg so bÖsen werckzeüg / er nimpt jm imer
args für / wie er den eilenden mit verlogner täding verderb / vfl den
armen / so er rechtsprechn soll. Der Gnädig herr aber wirdt jm gnad
fürnemen / vnd darauff verharren.
TEXTPROBEN. 345
36. Die Propheten alle Deüdsch D. Marth. Luth. M. D. XXXV (Steyner).
Sihe / es wirt ein künig regieren / gerech tigkait an zurichten/
vnd Fürsten werdenn herrschen / das recht zu handthaben / das yeder-
man seyn wirt / als einer der vor dem wind bewaret ist / vnd wie einer
der vor dem platz regen verborge ist / wie die wasser beche am dürren
ort / wie der schatten eines grossen felsen im trucken lande . Vnnd der
sehennden äugen werden sich nicht blenden lassen / vnd die obren
der Zuhörer werden aufmercken / vnd die vnfürsichtigen / werde klug-
hait lernen / vnnd der stammelden zunge wir£ fertig vnd reinlich reden.
Es wirt nicht mehr ein narr Fürst haissen noch ein geitziger herr ge-
nennet werden / Denn ein narr redet von narhait / vnd sein hertz gehet
mit vnglück vmb / das er heuchlerei anrichte / vnd predige vom Herrn
yrsall / darmit er die hungerigen seelen ausshüngere / vnd den durstigen
das trincken weere / Denn des geytzigen regiern ist eytel schaden /
denn er erfindet ducke zu verderben dye eilenden mit falschen werten
/ wenn er des armen recht reden soll / Aber die Fürsten werden Fürst-
liche gedanoken haben / vnd drüber halten.
37. Gottes wort bleibt ewig. Biblia / das ist / die gantze heilige schrifft
Deüdsch. D. Marth. Luth. getruckt zu Augspurg durch Heynrich Steyner
M. D. XXXV.
Am anfang schüff Gott himel vnd erden / Vnnd die erde war
wüst vnd leer / vnd es wäre finster auff der tieffe / vnd der geist Gotes
schwebet auff dem wasser.
Vnd Gott sprach / Es werde liecht / Vn es ward Hecht / vnd
Gott sähe dz liecht für gut an / Da scheidet Gott das liecht vom finster-
nis / vnnd nennet das liecht / Tag / vnd die finsternis / Nacht / Da ward
auss abent vnd morgen der erst tag.
Vnnd Gott sprach : Es werde ein feste zwischen den wassern / vnd
die sey ein vnderscheyd zwischen den wassern / Da machet Gott die
Feste / vnd scheydet das wasser hunden / von dem wasser droben an
der Festen / Vnd es geschach also / Vnd Gott nennet die Festen / Himel /
Da warde auss abent vnd morgen der ander tag.
Vnd Gott sprach / Es samle sich das wasser vnder dem himel /
an sondere örter dz man dz trucken sehe / vn es geschach also / Vnd
Gott nennet das trucken Erde / vnnd die samlung der wasser nennet
er / Meere / Vnd Gott sähe es für gut an.
Vnd Gott sprach: Es lasse die erd auff geen grass vnd kraut
das sich besaame / vti fruchtbare beüme / da ein jeglicher nach seiner
art frucht trage / vnd hab seinen eigen samen / bey jm selbs auff
erden / Vnd es geschach also / Vnd die erde Hess auff gehen / gras vnd
kraut / das sich besaamet / ein jeglichs nach seiner art /vnd beüm die
da frücht trugen / vnnd jren eygen samen bey sich selbs hetten / ein
jeglicher nach seiner art / Vnd Got sähe es für gut an / Da warde auss
abent vnnd morgen der dritt tage.
346 HEUTIGE MUNDART.
Ynd Gott sprach: Es werden liechter an der Feste des Himels
/ vn scheyden tag vnd nacht /vnnd geben zeychen / mon den / tage vnd
jar / vnd seyen liechter an der Festen des himels / das sie soheyne
auff erden / Vnd es geschach also / Vnd Gott macht zwey grosse liechter
/ Ein gross Hechte / das den tag regiere / vnnd ein klein liecht / das die
nacht regiere.
HEUTIGE MUNDART VON HORB UND UMGEGEND.
em 'aebdt dq 'ömr d möl m kspas
klffaret, dq 'ömr emd pmr dn 'ae-
wäga ömKdit ön d^ 'ömr dofir d fqsle
bidr kridkt, W9il dqr tserst ksaet 'qt ^ wel
o9n nährend wen Ö9n des dqt.
d nmkt did iU d möl ndus bdi dr näxt
•
tsm Irdm poiir önd des 'önt did budbd
ksej r/io budbd sende kstlgd en Ird älqf-
Uämr önd 'önt tr sld^dic9x önd sbet
•
kfQÖmci ön 'önts änn wqdktsaegr böndd
did makt did i§ en fyl^gdaet ßöm9 wdil
si Jcöd bet mae Ret 'qt önd wqdst net
m^s nä Uömdn i§t. am mqrgd is des em
gäntsd fl^kd röm Köm9 ön 'qtq midsd des
Idediid/ önts bet wldr oh ön snqkät
jqr wurdes ä dr fäsndt käpUt,
s ist d mql 9n jö^r bu9 tsu9n9r9 'ötsix
dqr bu9 is d9b9i ksdJb bis am tswelfe ön 'qt
*ö9m weh b9i dqr9 'otsik 'önt S9m ksaet
qr sol dq bhibd dr kreitätrqsgq9ät Ren tsu9
n9m Jcom9 ön nq 'qtr ksaet ^ sot
näo Uöm5 fr wel 9 laes9. fr iä fQt önd
iä Tcöm^ bis uf kreitstrqs önd is ufr ufn
§uufögl trqtd ön dqr 'qt nö rrrrr kmaxt
dr bu9 iüt tsem9 ksöfoko önd iM fierts^
däk kräk wq9r9 fir di9 starke mqnr dQ k§fqt.
HEUTIGE MÜNDART. 347
'qst9uua'derdlditd?'äetsmitä'lc \ ämalbdtrV \ 'qpmdnendrö'n-
ddrd Uirxklit^ \ nqäonidq'xt \ dsmextd'ö'tsiksde \ ahrn^iämdrwi-
drense'rsKömd \ dsdijqfq'^ts \ nqdbni9wnlelcq'rx9t \ nqqpmdnen-
drö'bdrdUirxdöbd \ d^gra'os \ glp'käfäi99l9it9 \ nc^dbnikMksae-
tsudmaemnqxpr \ tdtspre'ntsbdidbsdend \ idtsla'ofndb \ wä' sddfrlao-
pKä^t I mi9rmi9S9klnemr^t*9ustsu9 | dasmrwq'dst \ mqsgilt ||
tvidmrdqna^eUdmdt \ ufd9mq'rkplatsnuf \ßrsrq'f9MS \ iäfa§g^'rn^-
momaedq \ asdealtfTr§pritsedend \ öndnö^bärmä" \ nqdbnidd^ta'-
ki9^dxkfrqg9t \ mqbre'ntsdmao? nqqtrksaet \ emVlegqsledönd \
jetsn^m9ti9rtswendbkäwend^n§l9'uyiKar9 \ ömpfärdtmitwe'ntr'
gasnä \ nqw^iidr§kl9'ise9 \ mrsendäbr^gänfsufddbrä'mjplatsUömd \
nqsmd9bürwd' ibrtsuBnisKömd I öndidö^ksa'et \ ker9tndbwidrö'm
siätq'Usdiis \ riqödntmtrddkard^tji'oldb \ öntsendwidrfo'f | önfödn-
t^'xt I wasd^reaomVrnödqönd \ dsqtjqdö'Mdtvq9f\ nqsaetmdekä-
mdra'f 1 7mrdreidkeli9bren§op9bi9r \ Önd9§na'psdrtsu9 \\ nQsemr-
mit9nändenle'bdnde \ önt'ödiiddbsrq'bdbrökqsd j mqmofe'tik^aesenf
I miteom \ noabnikscvef \ dd'u \ Köm \ j^tswelmrgä'o \ suStwämr-
'ö'dmlcömd I öntodntnentskäa'fet \ nqäq'ltddaos9i*dwdibr || nQsemr-
widrtsömdq'drndus \ dje'dräsdeqrbdt \ önodnöksa'fdt \ fa'sgarbis-
tsömbqtUitd \ dasm^rtndrdebrqxfo^nt | wasmrs^hmüäkfrsö'mt-
'ödnf jl nqsemrö'dm |1 nq qpmdew9ibksaet \ gqltsqklaobebre'nt*i9 !
jqjq' 1 'dbneksa'et \ \snentsKe'rf? iklaobddbiklg'laordf \ mq'^qts-
dembrenf? 'gtsekfrqg9t \ n^äoniksa'et \ emvlegqsle \ bndrmVle-
sqldönd \ bdidrö'nddro \ wmädenä'gäfdd? 'qtsekfrqgdt \ wawqds
deni'ddugäs \ ibdejqe'tdbdiksde \ ' amodqrfdeaofrq' gd \ jftswqdädo \
iwilne'ntsmaewisdfodr \ nqqteskswqtsdnhdUet
Hast du auch hören läuten? heut mittag am halb drei hat man in
der unteren kirche geläutet, dann hab ich gedacht, es könnte eine hochzeit
sein, alsdann ist mir wider in den sinn gekommen, es sei ja fastenzeit,
dann habe ich eine zeit lang gehorcht, dann hat man in der oberen
kirche droben die grosse glocke zu läuten angefangen, dann habe ich
gleich gesagt zu meinem nachbar, jetzt brennts bei uns drinnen, jetzt
lauf nur, was du laufen kannst, wir müssen gleich in der richtung aufs
rathaus, dass man weiss, wo es gilt, wie wir dahinein kommen auf den
marktplatz hinauf, vor's rathaus, ist fast gar niemand mehr da als die
alte feuerspritze drinnen und einige männer. dann habe ich den stadt-
kneclit gefragt, wo brennt's denn auch? dann hat er gesagt im mühl-
gässchen drunten, jetzt nehmt ihr beide nur schnell diesen schlauch-
wageu und fahrt damit die wintergasse hinab, dann werdet ihr es gleich
348 IIKUTIGK MUNDART.
seilen, wir sind aber nicht ganz bis auf den brandplatz gekommen,
dann sind einige weibor zu uns gekommen, und die haben gesagt, kehret
nur wieder um, es ist alles aus, dann haben wir den wagen stehen
lassen, und sind wieder fort und haben gedacht, was tun auch wir noch
da unten, es hat ja doch keinen wert, dann sagt mein kamerad, wir
trinken lieber einen schoppen bier und einen schnaps dazu, dann sind
wir mit einander in den löwen hinein und haben unser abendbrot gegessen,
als wir fertig waren damit, dann habe ich gesagt, du, komm, jetzt
wollen wir gehen, sonst, wenn wir heim kommen und haben nicht ge-
arbeitet, da.in schelten unsere weiber. dann sind wir wieder zum thor
hinaus, ein jeder an seine arbeit und haben noch geschafft, fast gar bis
zu betläuten, damit wir wieder hereingebracht haben, was wir an diesem
mittag versäumt haben, dann sind wir heim, dann hat mein weib ge-
sagt, nicht wahr es hat, glaube ich, gebrannt im dorf? ja ja habe ich
gesagt, hast du nichts gehört? ich glaube du bist tdub. wo hat's denn
gebrannt? hat sie gefragt, dann liabc ich gesagt im mühlgässchen
bei der mühle dort drunten bei der unteren, wie ist es denn ange-
gangen? hat sie gefragt, was weiss denn ich? du gans, ich bin ja nicht
dabei gewesen, ha man darf dich auch fragen, jetzt weisst du es
schon, ich will nichts mehr wissen von dir. dann hat das gespräch ein
ende gehabt.
dqwärdsolda't \ flf;9i'iseffränswa'srgafd9 | mqmd'qpäd^K&nd \
öndqsendrdim^'dleksffe \ di9 omda'obäd9f \ öndö'dnedßfb \ 'qtBm-
gudücnsa'okf(d9 \ öndiidrqtrnqse'mddmtwmt I jetsodqdrdidm^dle-
ä'kwärtH \ hifier9'usmt\ öndqqdio-hie mqse'mdlcfqWqt j di9*qtäfäf9d-
srd'id I nqqd i9mi9s9dq'hl9ib9 !| 7iqisdf^9rspldätfi'rfjä'Kf9 \ 9usdembo'S '
mqn9rsixfrste'Ualt9\t \ önqlsa'et \ wqrömasesr9'i? nqsaetseirn-
e'm9tf^Hr9 \ öndcu)nedesem9tprfsiefo'9W. | nqsolsemite'mgdö \
Öndq9riüels%9'ir9 \ öndqo97itsefsfVH9ße'ndH'ef || Jetsqtq9r9m^lmi9s9-
fo'f I ondqqtsit§li'sJ9ksti9xt \ nqqtsi9nslidprobi'9rt \ ondhdka'std^
nufkmrfxt \ mqseni'9näKöyn9nis \ öndqisTr9'em9drhdksde \ öfitsi^
'qfnqdesem9dä'tsög9 | öndisfo'rt \ endi9klesesta't [ öndendq9restat'
iSir9fatrrfge'i9ksm || jetsmqnq9rö'9m1com9nis \ isßÖ9fra'omaedQ \
j^tsqt^9rd^'xt \ q97'la'of I bisrdi9klesesta'tfenf \\ di9kendrqtret9'
kQ'stdo !j gq'lfqtrl^e'f \ wa'srbr9uxfqf \ q'l9w9il \ j^tsqtrsefe'rti-
kmaxt I önqtnqde'xt \ qdrmi9sdmjed9pr9isdjbiü9'ipm) \ jetsqtralsO'
kr a' 9 st i mdkämdurenwa'lf \ ö)idwi9n9rdqw9'itrlconf \ dbkf^ren-
drmi'te ] sitrendrfq'rne \ 9?'o'sl9ig9 \ mqda' oksaeist \ öndqis9le'p
HKLTIGE MU^•l)AlM^ 849
ksae I onddwu'rdm önddhap \ öncli^olnijtniiQriörcliSiii'ii^ \ cm-
desro's \ mqsid^mä'ksed'Ö9nt \ qt^drlepkwö'fok^ \ drsolKb'md i
ontsQl\lfddq'dld \ j^U^qtrkura'sekfast \ öidksaetsömlep \ dd'ufris-
(j^9nflq9s I ontsusdrkra'p \ onddiidudsgqdnä' yd \ önoemwu'rdm \
'qtrgq'drixsgqd \ jetswdilddusoe'riixdqslfqs \ welemidrdirqinsge'e \
drlepqtdq'rduskrupft \ de'swudrgudköms \ wendduwa'esd ludst
ddmextistsosta'rks(iß\widle'p\nqieri'drs \ didq'r \ drkra' pqksäet
alsoöndv \ gibdirdfq'ddr \ mqxtiHdufli'dgd \ ivykra'p \ soberi'dr
didfq'ddr | öndrwu'rmqksaet \ öndigibdidvdfu'ds \ mpHstdusg-
klu'esäe , widwii'rdm \ a<^rürd^nfu'dsä | öndqrsolsgudptwä'rcf
rwqrsbrd'ux9 \\ jetsqtrkldididfq'dd^'äkrekt \ önfqtnqksa'et | jtts-
mextefii'dgdkend \ ondqistrkflö gd j ompfbwditdmsUrdidklesestu't
öndqqtrsixgbdnä'ksetst \\ jetsisäbrndödklcrefie | e'fneioksde \ als-
vicns I 'qtre'dursekena | riqqtrd^xU'mextsQkldesdewidndwu'rdm \
öuqrtitsrnä' \ öndoöndqtrnqsdewd'ipksed \ ondidtswudswe'stdrd \
didse/ispatsi'drdgäido \ emdgä'td \ bntsmwdipistrd'uriksae |i jets-
'qtrdq'xt \ jetsmextedkra' psdJe j enmogdbUkisrdesksu'e \ önt^qtsix-
saemtvdibtifdä'slksetst j ondqqtsisä' okwist | wäsdesi'st \ ^drqtslrd-
säöenda' ürdndeksri9kef[ Öntsiqtenqnii hdömd \ enirdslq'fkämdr
bndirdswestdrdodntsixkwö'nddrdt \ wdiirksridqtkrä' j krä' \ krä'
nqödiitsidq'xt \ sgqpisqbesidnoni'dkert \ jetsödntra swestdrdd^sndm-
fa'trksadt \ j ets qtqdrksaet | dq'gmextr \ a'osed \ jetsqtsdeivd'ip-
ksaet I nodesgn'9t \ etsteist9tidimmmfatrfq'9r\ asme'ns \ jetsq-
tq9rfatrenrb'n(kfidrt \ jej:sqtr9fdkfrq'g9t \ wi9alsodi9stademkfa''
l9di9r'hi'kfalemsdb j äbrs9ikoMq'9rdq | mq7n9n9'uske?i \ 'a'^tq9r-
fatrksaet \ desfpmeklix \ dam9dq9dq'9rii9muiax9kä \ ondqqtr-
ksaet ivili'(j9s \ n9'usmax9 ] jetsaetrwenrde' sken \ fiqdqrfrsixqpis-
9'nsbd9 Ijetsqtrsixalsodfxt \ etsmextidi9ste'rkewi9lep \ rlxtik ' nem-
trensa'ts \ Ö7islextmit.sdenedats9}i9lo'xn9us \ Öritsoqtrnqdr9'ilexr-
n9uskslä I jetsqtralsoksaetwasrwe'l9iüel | saefra' owelrwidr J önd-
q9rkema'erndwedrq9r.
Da war ein soldat, der ist öfter an ein wasser gegangen, wo
man hat baden können, und da sind drei mädchen gewesen, die haben
auch gebadet, und eine davon hat ihm gut ins äuge gestocJten und der
hat er dann das henid entwendet, jetzt hat er auf die mädchen ge-
wartet bis sie heraus sind, und da hat die eine, welcher das hemd ge-
fehlt hat, die hat zu weinen angefangen, dann hat sie müssen da blei-
ben, dann ist der soldat vorgegangen, aus dem gebüsch, wo er sich
versteckt gehalten iiat und hat gesagt warum sie weine, dann sagt sie,
850 HEUTIGE MÜKDAKT.
ihr hemd fehle ir, und ohne dieses hemd dürfe sie nicht nach hause,
dann solle sie mit ihm gehen, und er wolle sie heiraten, und da hahen
sie zwei kinder gehabt, jetzt hat er einmal fort müssen, und da hat
sie die Schlüssel gesucht, dann hat sie einen Schlüssel probirt und einen
schrank aufgemacht, an welchen sie niemals gekommen ist, und da ist
ihr hemd drin gewesen, und sie hat dann das hemd angezogen, und ist
fort in jene gläserne stadt, und in dieser stadt ist ihr vater regent ge-
wesen, jetzt als er heim gekommen ist, ist keine frau mehr da, jetzt
hat er gedacht, er laufe bis er die gläserne stadt finde, die kinder hat
er in kost gethan. geld hat er gehabt, so viel er gebraucht hat, allezeit,
jetzt hat er sich fertig gemacht und hat dann gedacht, er müsse um
jeden preis sein weib haben, jetzt ist er also gereist und kam durch
einen wald und wie er hier weiter kommt, ungefähr in die mitte, sieht
er in der ferne ein pferd liegen, welches todt gewesen ist, und da ist
ein löwe gewesen und ein wurm und ein rabe, und die haben mit ein-
ander gestritten um das pferd. wie sie den mann gesehen haben, hat
der löwe gewinkt, er soll kommen zu ihnen und soll teilen helfen jetzt
hat er oourage gefasst und sagt zu dem löwen du frisst gern fleisch
und zu dem raben und du thust gern nagen, und dem wurm hat er
geäder gegeben, jetzt weil du so ehrlich getheilt hast, wollen wir dir
etwas geben, der löwe hat ein haar ausgerauft: das wird dir zu gut
kommen, wenn du wünschen thust, du möchtest so stark sein wie ein
löwe, so berührst du dies haar ; der rabe hat gesagt also und ich gebe
dir eine feder, möchtest du fliegen wie ein rabe, so berühre diese feder
und der wurm hat gesagt und ich gebe dir einen fuss, möchtest du so
klein sein wie ein wurm, so rühre diesen fuss an, und das soll er gut
bewahren, er werde es brauchen, jetzt hat er gleich die feder ange-
rührt und hat dann gesagt jetzt möchte ich fliegen können; und daist
er geflogen und von weitem sieht er die gläserne stadt und da hat er
sich oben hin gesetzt, jetzt ist aber nur eine kleine Öffnung gewesen,
als mensch hat er nicht durch sie gekonnt, dann hat er gedacht, jetzt
möchte ich so klein sein wie ein wurm, und dann rutsche er hinab, und da
unten hat er dann sein weib gesehen und die zwei Schwestern, sie sind
spatzieren gegangen, im garten, und sein weib ist traurig gewesen, jetzt
hat er gedacht, jetzt möchte ich ein rabe sein, im augenblick ist er es
gewesen, und hat sich seinem weib auf die schulter gesetzt und da hat
sie schon gewusst, wer das ist, er hat es ihr schon in die obren hinein
geschrien gehabt, und sie hat ihn dann mitgenommen in ihre schlaf-
kammer und ihre Schwestern haben sich gewundert, weil er geschrien
hat kra, kra dann haben sie gedacht so etwas haben sie noch nie ge-
hört, jetzt haben die Schwestern dies ihrem vater gesagt, jetzt hat er
also gesagt, den möchte er auch sehen, jetzt hat sein weib gesagt, nun
das ist gut, jetzt stellst du dich meinem vater vor als mensch, jetzt hat
der vater ihn herumgeführt in der ganzen stadt, jetzt hat er ihn ge-
fragt, wie die stadt ihm gefalle, sie gefalle ihm schon, aber es sei kein
HEUTIGE MUNDART. 351
thor vorhanden, wo man hinaus könne, ha, hat der vater gesagt, das
ist nicht möglich, dass man hier ein thor hinaus machen kann, und da
hat er gesagt will ich eines hinaus machen ; jetzt sagt er, wenn er das
könne, dann dürfe er sich etwas ausbitten ; jetzt hat er sich also gedacht
jetzt möchte ich die stärke wie ein löwe, richtig, nimmt einen -sprung,
und schlägt mit seinen tatzen ein loch hinaus, und so hat er noch drei
löcher hinausgeschlagen, jetzt hat er also gesagt, was er wählen wolle,
seine frau wolle er wieder, und er könne mehr noch als er.
NACHTRAGE.
Die älteste schwäbische Phonetik stammt von Nast
im Teutschen Sprachforscher (2. teil. Stuttg. 1778)
s. 33 ff.; Anatomie der Buchstaben.
s. 77 ff. : Vom Ton oder Accent in unserer Sprache.
Vgl. auch Schwäbisches Archiv 1775 s. 443 ff. 548 flf.
Zu § 45 vgl. noch v. Schubert: Die Unterwerfung der
Alamannen unter die Franken. Strassburg 1884.
Birlinger: Die namen Alamannen, Schwaben etc.
Alem. XVI, 257 ff.
A. Riese: Die Sueben. Rhein. Museum N. F. 44,
831 ff.
Zu § 51. A. Frickhinger: Die Grenzen des fränkischen
und schwäbischen Idioms. Beiträge zur Anthropo-
logie und Urgeschichte Bayerns VIII, 4.
Zu § 54: Untersuchung der schwäbischen Mundart.
Schwab. Magazin 1774, 2, 67 flf.
Grundriss zu einem würtembergischen Idioticon ebenda
s. 195 ff.
Schwäbisches Idioticon im Schwäbischen Archiv
1790 s. 324. Vgl. 1793 s. 238.
Wagner: Der gegenwärtige Lautbestand des Schwä-
bischen in der Mundart von Reutlingen. Festschrift
der kgl. Realanstalt zu Reutlingen zur Feier der
25 jährigen Regierungszeit Sr. Majestät des Königs.
Reutlingen 1889.
Zu §63: Bohnenberger: Schwäbisch q als Vertreter
von a Germ. 34, 194 S,
Zu § 145 a: Vgl. virscoppot Lex. Alam. 117, 20.
Zu § 186 anm. 1. Vgl. hrevavunt, refavunt Lex. Alam.
126, 32.
Zu § 300 ff. W. Walt her: Die deutsche Bibelübersetzung
des Mittelalters. Erster Theil. Braunschweig 1889.
REGISTER.
Die zahlen beziehen sich auf die §§. a = anmerkung. s. = seite.
rt- laute 14. a\ ä, a 60. 61 a 5.
80 a 1. 137 a. s. 288 flf.
Accentverschiebung 70 a 2. 78 a 1.
ai 91 flf. 92»a 2. ä = ai 91 a 1.
Alamannen 44. 45. 46 (name). 52,
3. 61 a 3. 66 a 1. 2. 67, b. 75 a
1. 80 a 1. 2. 88 a 3. 94 a 3. 105 a
2. 109 a 2. 131. 134 a. 136 a.
157 a 2.
o/rf, alder (oder) 184, b.
Altenstaig, Joh. 50. s. 292.
antliti 161, 2.
Assimilation 110 a 6. 144 a 2. 152 a
1. 154 a. 155 a 4. 192 u. a.
Auftakt 4 a.
Aventin 49. 52, 4 a.
Baar 60. 61 a 4. 83 a 3. 88 etc.
Bairisch - Schwäbisch siehe Ost-
schwäbisch.
Betonung (musikalisch) 40. 41. 43.
51a 1. 52, 1. 3. 4. 117. 127.
Bewegungsgefühl 43.
his (imp.) 76.
brinnen 67.
Buchdruck (Bibeln) s. 289 flf.
Character der Mundart 32. 40 a 2.
42 a. 107 a 1. 118, a.
Clin (klein) 92, 2.
Collequium sponsorum 72 a 2. 85 a 3.
Gomposita 101. 102.
Gonsonanten 9. 11 etc. 242. (nasa-
lirt) 27 a.
(umlauthindernd) 68.
cons. f 19. 70 a 2.
cons. 78 a 1. 183 a 1.
Constitutive sprachfactoreii 43.
51a 1.
Diminutiva 108 a 1. 116. 135.
Diphthongirung 60 ff (ä). G6 a 3.
i-aj-). 71 f. (e). 76 f. (i). 82 f.
(ü). 85, 3 (oe). 86, 4 (^0- 87 (iH).
75a 1. 78, 4. 84, 3. UOa 5.
128 a (vor -r).
Allgemeines 127 a l. 136 ff. s.
293 flf.
Doppelschreibung 59 a 1. 55 , b.
166.
e- laute 13. 14. 17. 62 ff. 84 ff.
-ec, ig 105, 5. 157 a 1. 177.
ei 72 a 5. 93. 177. s. 280 ff.
Einzellaute 10. 11.
Enclise 103.
Endungen, volle 104 a. 110, 3. 111 ff.
ene^ äni 67.
Fabri, Fei. 49. 52, 3 a.
Fortes 24. 192.
Fragk, Fab. s. 302.
Franken 44. 47. 51 a 1. 52, 1. 2. 192.
354
KEfilöTKK.
(Jan, siäu 61. s. 277. 282.
ge- 58. 65. 120 fif. 155, 5.
gelincky gerecht 155, 5 a 3. 8.
300 flP.
geiz 15'2, a. s. 295 ff.
gelart 72 a 1.
gelose)} (gelesen) 78, 2.
Genetiv 105, 4 a.
Geräuschlaute 11. 143 ff.
gesin (gewesen) 76 a 2.
Gessner, Konr. 49. 52, 3 a. 52, 4 a.
91a 2. 138 a.
Gesten 14 a 2.
//-laute 11 a. 158. s. 305 ff.
Harsdörfer 178 a.
Ilelber, Seb. 49. 63 a 2. 88 a 1.
91a 2. 98 a 1. 122 a 1.
Horb 53 a.
/-laute 12. 17. 30. 70 a 4. 73 ff.
86 f. 105. 113 ff. ie für i 74 a.
-ig 8. -ec.
Ickelsanier, Y. 82
-/// 105, 2. 108. 110, 4. 135. s. 284.
Interjection 12a 1. 14a 1. 2. 33.
Kehlkopf 12 a 2. 43. 137. 140.
Kiefer 12 ff. 32. 140.
k'ilche (kirche) 184, b.
Kolross 59 a 2. 82. 91 a 2. 94. 122
a 1. 182 a.
Kürzung 132. 137 a.
lach (ags. wlcocce) 154 a.
Lateraler reibolaut 20 a.
Lazius, Wolfg. 49. 52, 3 a. 52. 4 a.
76 a 1. 2.
Lenes 24
letz 69, 2. 184 a.
letzte 153 a 1.
-lieh 108 h. 8. 283 f.
Lippen 12 ö*. 32. 140, 1.
Moichssner, J. IL 49. 50. 70 a 1.
8. 300.
Modulation (musikalisch) 3. 7. 24
a 2. 118 a.
Mundart 51 a 1. 53 a
Muskelcontraction 16. 24. 43. 52, 3.
53 a.
Nachdruck 3. 5. 24 a 1. 2. 39 a 2.
Nasalirung 16 ff. 27 a. 43. 58, 2.
59,4. 61. 67. 70. 72. 75. 76 b. o.
78, 3. 79, b. 80, b. 81, 3. 82, 2.
83. 85, 2. 4. 87, 3. 4. 88. 92, 2.
94, 2. 95, 2. 96, 2, a 1. 109 a 1.
133 ff. 158, 3.
Neutrale laute 24 a 3.
Niclas von Wile 49. 59, a 2. 74 a.
91 a 2. 147 a 2. s. 277. 292.
Niederschwaben 48.
fiüncz 87, 4.
o-laute 13. 14. 17. 61 a 1. 78 ff.
81, 3. 82, 2. 94.
für uo vor nasal 97 a 1.
Obersohwäbische Lieder 88 a 3.
ö 14 a 2. 84 f.
^ o' 61 a 1. 80 a 1. 94.
— OK 9.) a.
— iie vor nas. 84 a 1.
Ölinger, Alb. 91 a 2.
Orthographie 61 a 5. 62 ff. 72 a 5.
74 a. 76 a 1. 80 a 1. 81 a. 82, 2.
87. 91 a 1. 93 a 1. 94. 95 a. 98
al. 110 a 7. 124 a 1. 135. 138 a.
147 a 2. 153 a 2. 158 a 2. 174 a 2.
176 a 2.
Ostschwäbisch 53. 59 a 1. 61 a 4.
72 a 2. 76, c. 79, 3. 80 a 2. 83 a 3.
85 a 2. 88. 92. 93 a. 94 a 3. 110,
5 a 2. 131 a. 157 a 2. 158 a 2.
Pausen 9. 23 a. 41. 127. 137.
pf aus ;/ 146, 3.
Präteritum 75 a 2. 80 a. 98 a 3.
122 a 2. 150 a.
qu 156 a. s. 279 f.
Quantität 3. 8. 24 a 1. 30 a 2. 35
—37. 39 a 1. 40 a 1. 59 a 1. 2.
65, b. 91. 127 ff. 158 a 3.
Reductionsvocale 15. 30. 39 a 1.
107 ff. 117.
Reichskanzlei 74 a. 97 a 1. 119 a 4.
138 a. 172. 8. 287 ff.