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GESCHICHTE
DEK
SLAWISCHEN
SPRACHE UND LITERATUR
NACH
Yy ALLEN MUNDARTEN
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PAUL JOSEPH SAFAßlK.
ZWEITER ABDRUCK.
PRAG, 1869.
VERLAG VON FRIEDRICH TEMPSKY,
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O patria salve liugua, quam suam fecit
Nee bumilis uraquam, nee superba Überlas,
Quam non subactis civibus dedit victor,
Nee adulteravit inquilina contages;
Sed casta, sed pudica , sed tui iuris,
Dilecta priscae fortitudinis proles !
HUGO GUOTIUS.
808555
ftnicit von Koinr. iX-'.e.y In f'r-i
Vorbericht.
Die Vortheile, die eine zweckmässio; eingerichtete Beschäfti-
gung mit der Geschichte der Literatur gCAvährt, sind so ein-
leuchtend und anerkannt, dass eine Aveitläufige Auseinander-
setzung derselben an diesem Orte ganz überflüssig wäre. Sie
üfi'net den Blick des jungen Studirenden und des angehenden
Gelehrten in das unermessliche Gebiet menschlicher Wissen-
schaft und Kunst, flüsst Achtung für fremdes Verdienst und
das Bestehende ein, bewahrt gegen jede krankhafte Einseitig-
keit, jeden Dünkel, und weckt und fördert eine fruchtbare,
auf das gesellschaftliche Leben übergehende Theilnahme an gei-
stigen Bestrebungen des edleren Theiles- der Menschheit. Wenn
die politische Geschichte der Vorzeit ein Gottesacker ist, in
welchem der verweste Staub der Ahnen oft der keimenden Nach-
zeit zum fruchtbaren Boden dient : so ist die literarische ein
Spiegel, der die labyrinthischen Wege des Entwickelungsgan-
ges menschlicher Geistesbildung vor Augen stellt, und den rech-
ten Pfad mitten durch jene finden lehrt.
Ist nun aber der Einfluss der allgemeinen Literaturgeschichte
auf die Ausbildung des Geistes einzelner Menschen und hiemit
auf den Gang der Wissdtischaften imd Künste überhaupt gross
und wohlthätig ; so ist der Einfluss der Sprach- und Literatur-
geschichte seines eigenen Volkes auf die Erregung einer x&Cfitän-
digen Natioualliebe, Belebung der literarischen Betriebsamkeit,
Tefedlung des Gemüths und hifinit auf den Fortgang der Na-
tionalhteratur selbst nicht minder mächtig und folgenreich.
Daher ist es für den Literaturfreund Pflicht, seine Muttersprache
und ihre Schicksale vor allen andern genau kennen zu lernen.
Denn gleich wie dem Besuch fremder Länder die Bekanntschaft
mit der Heimath, und dem Bebauen des fremden Gartens die
Pflege des eigenen vorausgeht; eben so muss auch die literari-
sche Gf.'ictesthätigkeit, wenn sie tief wurzeln und gesunde, das
Volksleben heilsam kräftigende und veredelnde Früchte tragen
soll, von der Muttersprache ausgehen.
iv
Ohne das Beispiel derjenigen Völker anzuführen, bei wel-
chen das Studium der Geschichte der vaterländischen Literatur
mit dem der Sprache selbst Hand in Hand geht, und jenes die-
sem weder an Vollständigkeit, noch an Gründlichkeit nachsteht,
ohne ferner auf die nachhaltigen Folgen dieser weisen Einrich-
tung aufmerksam zu machen, will ich nur bemerken, dass auch
bei uns Slawen seit ungefehr einem Menschenalter, als dem Wen-
depunct unserer gesammten Volksthümlichkeit, das Bedürfniss
eines gründlichen Sprachstudiums immer fühlbarer, und das
Bestreben, es durch zweckmässige Lehrbücher zu befördern,
immer sichtlicher wird. Nicht zwar, als wäre tiberall das er-
wünschte Ziel entweder mit gleicher Reinheit beabsichtigt, glei-
chem Eifer erstrebt, oder mit gleichem Gltick erreicht. Denn
noch immer haben einige Stämme keine angemessenen Sprach-
bücher über ihre Mundart, mehrere keine Geschichte ihrer Li-
teratur, und noch immer ist das Studium der Muttersprache
und ihrer Literatur von den meisten höhern Lehranstalten un-
ter den Slawen gänzlich ausgeschlossen. Wie viel würde für die
Vervollkommnung der slawischen Gesammtsprache gewonnen
werden, wenn, ausser einem zweckmässig berechneten und nach
einer festen Stufenfolge durch verschiedene Classen der Volks-
schulen fortgeführten Schuhmterrichte in derselben, auf allen
im Herzen slawischer Länder belegenen Gymnasien, Hochschu-
len und theologischen Lehranstalten die slawische Sprache und
Literatur nach ihrer wissenschaftlichen Gestalt und im Geiste
eines in sich abgeschlossenen Systems, so wie mit gründlicher
Darstellung ihrer Geschichte vorgetragen würde. Was in den
slawischen Provinzen unserer Monarchie — in deren Schoosse
unter dem beglückenden Scepter ihres glorreichen Regenten
bekanntermaassen sieben slawische Nationen, die der Böhmen,
Polen, Slowaken, Serben, Slovenzen, Kroaten \md Russniaken,
allen Angaben zufolge an Zahl die Hälfte der österreichischen
Staatsbürger ausmachend, die Früchte dauerhafter Ruhe und
die unschätzbaren Vortheile fortschreitender Civilisation gemes-
sen — für die Emporbringung der (-ultur slawischer Landes-
mundarten höheren Ortes geschehen ist, verdient dankbare An-
erkennung ; aber über die Früchte der Anstalten dieser Art
kann die Nachwelt richtiger entscheiden, als es von Zeitgenos-
sen zu erwarten ist.
So wie jetzt die Sachen stehen, bleibt der höher strebende
slawische Jüngling, in dessen Brust durch Zufall oder Fügung
die Sehnsucht nach tieferem Erfassen seiner Muttersprache er-
wacht ist, lediglich auf Selbsthilfe, eigenes fortgesetztes beharr-
liches Studium gewiesen. Jis ist aber ein beachtungswerther Zug
in dem Nationalcharakter des Slawen, dass derselbe, einmal
zum höheren geistigen Leben erwacht und in der Ueberzeugung
erstarkt, dass zufolge des weisen Naturgesetzes der Polarkräfte
der Nationalitäten, als der Grundbedingung jeder selbständi-
gen Volkscultur, nur in der Muttersprache wahrhaft schöne
Sprach- und Gcietesvollendung zu erringen ist, weit entfernt
in dem harten Kampfe mit zahl- und namenlosen Hindernissen,
oft Gegenbestrebunoen aller Art den Muth zu verlieren, viel-
mehr an dem erkannten Kleinod der angestammten Sprache und
Volksthümlichkeit nur nm so fester hält, und am Ende den
Sieg davon trägt. Dieser tief wurzelnden Nationalliebe des Sla-
wen, die nur tückische Arglist oder neidische Selbstsucht leug-
nen kann, dient zum voUgiltigen Belege die durch unzählige
Thatsachen erhärtete Bemerkung, dass seit einem Menschenalter
und darüber alle slawische Mundarten, selbst diejenigen, die
fern vom Glänze des Hofes und der Grossen nur noch im Hause
Gottes und in der Hütte des Landmanns fortleben, ohne äus-
sere Begünstigung, in Folge jener innerji belebenden Kraft,
in stillem, aber desto sichererem Fortschreiten begriffen sind.
Der gute Saamen , den hochherzige , vaterländisch gesinnte
Schriftsteller aussäen, findet schon seinen weichen, befruchten-
den, dankbaren Boden, und obwol auch der Freund von der
Nachtseile nicht müssig ist, Unkraut dazwischen zu streuen,
so erhebt sich doch das Herz zu der tröstlichen Hoffnung, dass
der grosse Tag der Ernte mit der Scheure für den Weizen und
dem Feuer für das Unkraut nicht ausbleiben wird.
Von diesem Gesichtspunct des Privatstudiums, als des ein-
zigen Erhaltungs- und Belebungsmittels der slawischen Natio-
nalliteratur in den meisten von Slawen bewohnten Ländern, und
von der Ueberzeugung, dass den mühsamen Weg der Selbstbe-
lehrung in Sachen der Muttersprache, den ich in jungen Jahren
angetreten habe. Hunderte von nahen und fernen Stamm- und
Sprachverwandten wandeln, ausgehend, entschloss ich mich ge-
genwärtigen Grundriss der Geschichte der slawischen Sprache
und Literatur nach allen Mundarten, als Leitfaden für Studi-
rende und überhaupt als Hilfsmittel für junge Literaturfi'eunde,
herauszugeben. Seit der Zeit, als zuerst der Wunsch nach tie-
ferem Erforschen der slawischen Muttersprache in mir rege
ward, und ich die Nothwendigkeit einsah, Behufs jenes Zwe-
ckes nicht nur die angeborne Mundart, sondern auch die ver-
wandten, nach und nach in den Kreis meiner Beschäftigung
zu ziehen, war ich gewohnt, aus allen diesen Gegenstand be-
treffenden, oft sich zufällig darbietenden, oft mühsam hervor-
gesuchten Büchern, das Nöthigsfce zu excerpiren, um mir so
den gänzlichen INlangel literarischer Hilfsmittel, insbesondere
eines das fortgesetzte eigene Studium anregenden und erleich-
ternden Handbuchs der allgemeinen slawischen Literaturge-
schichte wenigstens nothdürftig zu ersetzen. Da ich aber in
meine Materialiensammlung ausser der literarischen auch die
politische Geschichte und Ethnographie der vSlawenstämme mit
aufgenommen und das Ganze mehr als Aggregat denn als Sy-
stem behandelt hatte , so entstand bei der Herausgabe die Noth-
wendigkeit, die verschiedenartigen Bruchstücke zu sichten, das
Ueberflüssige w^egzuschneiden, die Lücken auszufüllen, und alles
nach einem festen Prinzip zu einem zusammenhäno-enden Gan-
zen zu verarbeiten. Das Prinzip aber, welches mir hiebei, als
VI
Endzweck der Arbeit, zur Richtschnur diente, war keineswe-
ges, für gereiftere slawische Gelehrte ein Handbuch zu liefern —
eine Anmassung, von der ich fern bin — obwol das Bedürf-
niss eines solchen Werkes am Tage liegt, und desswegen Hrn.
Linde's panslawischer Literaturgeschichte rascheres Fortschrei-
ten zu wünschen ist — sondern lediglich den angehenden sla-
wischen Literaturfreunden, vorzüglich Studirenden, einen Leit-
faden an die Hand zu geben, mittelst dessen sie sich auf dem
Gebiet der slawischen Literatur zu rechte finden, und den Weg
des eigenen Studiums bequemer fortsetzen könnten. In dieser
Hinsicht behielt das Werk manches von der urspriinglichen
fragmentarisch- aggregativen Form, was nach dem strengen Ge-
setz des Systems anders hätte gestellt werden oder ganz wegfal-
len müssen. Dieses geschah, ungeachtet es manche Wiederho-
lungen veranlasste , aus dem Grunde, um auf diese Art die
Schriften bequemer verzeichnen zu können, in denen der Lern-
begierige w^eitere Belehrung über das im Buche selbst kaum
Angedeutete zu suchen habe. Wer es aus Erfahrung weiss,
von welch d^iem kleinen Kenntnisskreise das Studium eines sich
selbst bildenden Slawisten ausgeht, wie beschränkt gewöhnlich
die literarischen Hilfsmittel junger Studirender sind, und zu
Avelchen Erweiterungen des Wissens die mittelst der ijücherti-
tel — oft zufällig — erlangte Bekanntschaft mit den Quellen
und Hilfsmitteln des Berufs- oder Lieblingsstudiums nach und
nach führt, der wird auch bei abweichender Ansicht über Be-
handlung und Ausführung wenigstens der Absicht Gerechtig-
keit vt'iederfahren lassen. Dieses Andeuten der Sache und An-
zeigen der Quellen oder Hilfsmittel wurde auch ausserdem im
ganzen Werk durch die Ueberfülle des Stoffs geboten, sonst
würde es unmöglich gewesen seyn, einen solchen Vorrath von
literarischen Notizen auf einem so beschränkten Raum zu ge-
ben, was doch vor Allem beabsichtigt wurde. Dem zufolge
sind mit strengster Rücksicht auf Raumersparung die Notizen
selbst möglichst zusammen gedrängt, die Büchertitel abgekürzt
angeführt, ohne desswegen ihren Gebrauch zu erschweren, und
überhaupt bei dem Ganzen eine innere und äussere Oekonomie
beobachtet worden, wie sie der oben ausgesprochene Zweck zu
erheischen schien. Den grössten Schwierigkeiten, folglich auch
den meisten Ermässigungen, war das Gesetz gleichförmiger
Kürze bei der Behandlung der Specialliteraturen einzelner Stäm-
me unterworfen. Den in unserer Monarchie einheimischen sollte
ursprünglich eine verhältnissmässig grössere Ausführlichkeit zu
Theil werden; allein diese Berechnung wurde theils durch den
Reichthum einiger benachbarten Schwestern, theils durch den
Mangel an ausreichenden Hilfsquellen über mehrere einheimi-
sche Mundarten, namentlich über die windische und kroatische,
theils endlich durch das Bestreben, hier einige Garben von ei-
gener Ernte aus nahen, aber weniger gekannten Gegenden Sla-
wiens niederzulegen, beinahe ganz vereitelt. Die Quellen, die
ich gebraucht habe, sind überall, wo es thunlich war, ange-
VII
geben. Ausser den j^enannten wurden noch viele Monofi^raphien,
schriftlicho und mündliche Mittheiluno-en .«achkunditjer Freunde,
Zeitschriften, Recensionen u. s. w. benutzt. Ich habe das in
meinen Plan passende meist wörtlich daraus entlehnt, wesshalb
sich das Ganze dem Kenner als Ao:ci:i"f'i2,i^t fremder \Veltenbruch-
stücke erweisen wird, zwischen denen die Nebelflecke eip;cner
Schöpfunp; der Beachtuns^ entschwimmen möchten ; aber bei
dem leitenden Grundsatz, den ich befolgte, Avar es mir weni-
ger darum zu thun, wer was «gesagt, als vielmehr, wie er es
gesagt hat, und ich wollte lieber Wahres und Gutes mit frem-
den, als Falsches und Schlechtes mit eigenen Worten geben.
So sehr ich aber auch bemidit wnr, durch sorgfältige Be-
nutzung der mir zu Gebote stehenden Hilfsmittel das Buch sei-
ner Bestimmung gemäss zum Handgebrauche für Selbstlernende
zweckmässig einzurichten : so gestehe ich doch, dass ich nach
wiederholtem Durchsehen das Ganze in seiner gegenwärtigen
Gestalt nur für einen mangelhaften Versuch halte. Diese Man-
gelhaftigkeit findet theils in der Beschaffenheit der Arbeit, theils
in der Entbehrung mehrerer Plilfsmrttel, theils in der Beschränkt-
heit der Kräfte, theils endlich in Lebens-Zeit- und Ortsver-
hältnissen ihre Erklärung und vielleicht auch einige Entschul-
digung. Ueber letztere hier zu sprechen, würde dem nicht
nützen, der nicht mehr zu denken gewohnt ist, als ihm seine
Bücher sagen; unter den Hilfsmitteln bedaure ich am meisten
Hrn. Jungmann's Geschichte der böhmischen Literatur erst wäh-
rend des Druckes meines Buchs und zum Theil nach demsel-
ben erhalten zu haben. Bei alle dem hoife ich, dass der noch
so unvollkommene Versuch für seine Zeit den angehenden Li-
teraturfreunden, denen es um Erleichterung ihres Studiums zu
thun ist, innerhalb der Gränzen seiner Bestimmung, als vor-
bereitender Entwurf, einige Dienste leisten kann.
Viele dürfte es befremden, dass ich mich bei Abfassung
der gegenwärtigen Schrift der teutschen Sprache, und nicht
lieber einer slawischen, namentlich der angestammten Mundart
bedient habe. Dazu bewogen mich zwei Ursachen. Die erste
war ein blosser Zufall, der es mit sich brachte, dass die Schrif-
ten, aus denen ich die meisten Materialien meines Werkes Be- ■
hufs eigenen Gebrauches zusammen trug, beinahe alle teutach '
waren. Die zweite war der Wunsch, das Buch allen Stndiren-
den und Literaturfreunden der verschiedenen slawischen Stäm- J
me unserer Monarchie gleich lesbar zu machen. Nun aber weiss i
ich aus Erfahrung, dass die Verschiedenheit der Mundarten,
Buchstaben und Orthographien unter den Stämmen eine Schei-
dewand bilden, die selbst unter Hunderten von Gelehrten kaum
einer durchzubrechen Muth oder L'ist genug hat. Das Geständ-
niss ist leider betrübend, aber wahr. In Berücksichtigung die-
ser vorwaltenden xmd, wie ich glaube, gegründeten Absicht
darf ich hoffen , dass Sachverständige die stylistischen und
sprachlichen Gebrechen dieses Buchs mit Schonung beurtheilen
werden. Gleiche Nachsicht muss ich für den Umtausch der kyril-
VIU
lischcn Schrift gegen die lateinische bei dem russischen und serbi-
schen Abschnitt in Anspruch nehmen, indem der zu spät ge-
fasste Vorsatz, Jedem das Seine zu lassen, nicht mehr ausge-
führt werden konnte. Das böhmische Schreibsystem wurde
gewählt, weil es unter allen lateinisch-slawischen, trotz der
vielen, oft mikrologischen Einsprüche wider die Accent-Schnür-
kel, wirklich das einfachste und consei|uenteste ist.
Von der Nichtigkeit des Stückwerks menschlichen Wissens
zu sehr überzeugt, als dass der Plagegeist literarischen Ehrgei-
zes je die Seele beschleichen könnte, werde ich zwar jede wol-
gemeinte, die Wissenschaft und hiemit das geistige Leben för-
dernde Zurechtweisung und Aufdeckung der Mängel dieses
Lehrbuchs mit Dank aufnehmen ; aber auch jedes grund- und
zAvecklose Absprechen, das weder mir nützen, noch der Wis-
senschaft frommen kann, unberücksichtigt lassen müssen. Möch-
te diesem Buche irgend ein stimmberechtigter Kenner als Be-
urtheiler zu Thcil werden, der, vom Geiste echter National-
liebe beseelt, sich der Mühe unterzöge, dasselbe Blatt für Blatt
zu prüfen, und die materiellen Fehler in einer öffentlichen
Zeitschrift zu berichtigen. Dann würde ich nicht anstehen,
der erste seine Beurtheilung meinen Lesern als eine nothwendige
Zugabe aufs dringendste zu empfehlen. Möchte endlich, durch
die Unzulänglichkeit des gegenwärtigen Versuchs bewogen, ir-
gend ein slawischer Gelehrter ein vollkommneres Handbuch
recht bald an seine Stelle treten lassen.
Schliesslich muss ich, einem angenehmen Pflichtgefühl fol-
gend, Sr. Wohledelgeb. Hrn. Martin v. Hamuljak, Rechnungs-
Officlalen bei der kön. ungr. Statthalterei, meinen innigen
Dank für die mir bei der Correctur der Bogen willig und aus-
daurend geleistete Hilfe öffentlich bezeugen. Ohne seine Wach-
samkeit würde das Werk unter den obwaltenden Umständen
unmöglich den Grad der Correctheit erreicht haben, den es
wirklich erreicht hat. Einige, durch die Natur solcher Arbei-
ten herbeigeführte Berichtigungen und Zusätze bitte ich vor
dem Gebrauche des Buchs an wehörifjem Orte einzuschalten.
Neusatz am 17. Dec. 1825.
Der Verfasser.
Vorwort des Herausgebers.
Das Werk, von welchem ich hiemit einen zweiten unver-
änderten Abdruck publicire, erschien im Jahre 1826 zu Ofen
(aus der Universitäts-Buchdruckerei) auf Pränumeration, und
in einer kleinen Anzahl von Exemplaren, die überdies zum
grössten Theil innerhalb Ungarns blieben; es war daher bald
vergriffen und äusserst selten geworden. Der Verfasser be-
zeichnete in der Vorrede sein Werk nur als ersten unvollkom-
menen Versuch, und sprach den Wunsch aus, Jemand Anderer
möchte etwas besseres liefern : eine neue Ausgabe , deren Be-
dürfniss bald fühlbar wurde , hätte aber bei der einzigen Ge-
wissenhaftigkeit und Strenge des Verewigten gegen sich selbst
nur ein ganz neues Werk sein können , und dazu hatte er bei
dem mächtig aufstrebenden Gange seiner Studien keine Zeit.
Von einer begonnenen neuen Bearbeitung desselben Gegenstan-
des, nach ganz anderem ungleich ausgedehnterem Plane , na-
mentlich mit ganz vollständiger Bibhographie, wurde nur jener
Theil fertig, welcher die südslawischen Dialekte (mit Ausschluss
des alt- und neu-bulgarischen) behandelt, und auch diesen zu
publiciren konnte sich der Verfasser nicht entschliessen; der-
selbe ist erst 1864 — 65 von Herrn Jirecek herausoeo-eben wor-
den, und übertrifft allein an Umfang die ganze Literaturge-
schichte vom Jahre 1826 um mehr als das Doppelte. Zu einem
blossen neuen Abdrucke der letzteren verweigerte mein Vater
noch in den letzten Jahren seines Lebens ganz entschieden
seine Zustimmung.
Es könnte als Mangel an Pietät erscheinen, dass ich nun
selber thue, wozu mein Vater seine Einwilligung^ verweigert
hatte, und eine vor mehr als 40 Jahren erschienene Schrift aus
dem Gebiete der seitdem so mächtig aufgeblähten slawischen
Studien unverändert abdrucken lasse. Indess die Thatsache
X
selbst, dass ein solcher Abdruck noch heute noth thut , sagt
mehr als alle weiteren Gründe, und zum üeberflusse kann ich
mich auf eine mündliche Aeusserung berufen, welche mein Vater
(ungefähr um das Jahr 1858) gegen mich that: „Das Buch ist
nur ein erster Versuch, aber aus den Quellen geschöpft, und
zum einleitenden Studium noch immer nicht zu entbehren, denn
es ist seitdem nichts besseres erschienen."
Es verstand sich von selbst, dass der neue Abdruck nur
ein ganz unveränderter sein konnte, denn Anmassung und Im-
pletät wäre es erst gewesen, durch oberflächliche Aenderungen
und Zusätze den Schein einer neuen Bearbeitung hervorzu-
bringen. Wohl aber schien es zulässig , einiges aus den zahl-
reichen schriftlichen Bemerkungen im Handexemplare meines
Vaters aufzunehmen. Letztere enthalten: 1) Titel von Bü-
chern und Handschriften, nach dem J. 1826 erschienen oder
bekannt geworden; 2) sachliche Zusätze, Excerpte au^; Autoren
usw. ; 3) Berichtigungen aus den beiden Recensionen von D o-
browsky (Wien. Jahrb. Lit. XXXVH, 1-28) und Band-
tkie (Hall. Lit. Zeit. 1827 Nr. 181—182). Ich habe nun den
Haupttext (S. 1—490) nach Berichtigung der Druckfehler (auch
nicht angezeigter) buchstäbhch ungeändert gelassen, so dass der
Abdruck Seite für Seite, Zeile für Zeile, das Original wiedergibt;
von den schriftlichen Zusätzen habe ich einen kleinen Theil
(kenntlich durch vorgesetzte Sternchen) den „Zusätzen und
Berichtigungen" des Originales einverleibt, welche dadurch von
4 Seiten auf 19 Seiten angewachsen sind. Das Register (S. 495
bis 510 des Originales) bheb bis auf wenige hinzugekommene
Namen und (wegen der neuen Zusätze) korrigirte Seitenzahlen
ungeändert, das Pränuraeranten-Verzeichniss (S. 511 — 524 des
Originales) fiel natürlich weg. Aus den handschriftlichen
Zusätzen habe ich aufgenommen: 1) von Büchertiteln nur wis-
senschaftliche , weil die schöne Literatur nicht gleichmässig
«renu«- nachiretraffen ist , und mit Ausschluss der südslawi-
sehen, weil diese in der 1864 publicirten neuen Bearbeitung
ungleich vollständiger verzeichnet sind; 2) sachHche Noten alle;
3) aus den beiden Recensionen gezogene Bemerkungen nur
äusserst wenige, weil aus den abgedruckten Beispielen hervor-
geht, dass der Verfasser mit der Kritik nicht überall einver-
standen war. Dass ich hiebei einige kräftige Aeusserungen,
xr
die nie für Leser bestimmt waren , weo'liesd , wird , wir den
Verewigten kannte, gewiss nur in seinem Geiste gehandelt fin-
den. Wichtiges habe ich nichts übergangen, eher liilttc noch
einiges von den neuen Zusätzen wegbleiben können.
Nöthiger wäre es wohl gewesen , für diejenigen , welche
aus vorliegendem Werke ihre erste Kenntniss der slawischen
Literatur schöpfen werden , die Hauptpunkte anzudeuten , in
denen die Forschung seit 1826 fortgeschritten ist, und die be-
treffenden Quellen anzugeben. Aber diese Aufgabe liegt so
weit ausserhalb meines Kreises, dass ich mich begnügen muss,
bloss die späteren Arbeiten meines Vaters aufzuzählen, welche
hieher gehören. Im 3., von Herrn Jirecek 1865 herausgegebe-
nen Bande der gesammelten Werke meines Vaters findet der
Leser 81 Abhandlungen in böhmischer Sprache, in den Jahren
183-1 — 1858 (grösstentheils in der böhmischen Museumszeitsohrift)
publicirt, von denen sich 4 auf -Geschichte und Geogrnpliie, 3
auf Mythologie, 3 auf Rechtsgeschichte, 14 auf Bibliographie, Li-
teraturgeschichte luul Philologie , 7 auf Sprachforschung und
Sprachvergleichung — durchaus auf slawischem Gebiete —
beziehen. Ausserdem sind noch zu nennen :
Für älteste Geographie, Ethnographie und Geschichte:
Slowanske starozitnosti Prag 1837, neuer Abdruck 1862,
deutsche Bearbeitung Leipzig 1842 — 44.
Für Ethnographie und Statistik, sowie für Klassifikation
und Charakteristik der Dialekte:
Slowansky narodopis , Prag 1840 — 1843, in 3 Auflagen
(mit Sprachkarte).
Für Bibliographie und Literaturgeschichte :
Uebersicht der slowenischen Kirchenbücher u. s. w.
(Wien. Jahrb. Litt. 1829, Bd. IV, Anz. 1—35) und:
Uebersicht der vorzügl. sehriftl. Denkmäler älterer Zeit
bei den Südslawen (ebd. 1831, Bd. LIU, Anz. 1-58;;
endlich: Geschichte der südslawischen Literatur (abge-
schlossen um das J. 1833), herausgeg. von J. Jirecek,
Prag 1864—65 in 3 Abtheilungen. (Enthält vollständig
beide vorhergehenden Aufsätze.)
Für Philologie :
Serbische Lesekörner, Neusatz 1833 ; Jihoslovanske pa-
mdtkj, Prag 1851 ; Hlaholskö pamatky, ebd. 1853 ; Gla-
xn
goHtische Fragmente, ebd. 1857; Ursprung und Heimat
des Glagolitismus ebd. 1858; älteste Denkmäler der böh-
mischen Sprache, gemeinsam mit F. Palacky, Prag
1840. (Hierin vergleiche p. 86—90 die Vertheidigung
dessen, was im vorliegenden Werke p. 399 über Lech
gesagt ist, gegen Dobrowsky's Kritik in Wien, Jahrb. Lit.)
Ich war während des Druckes anderweitig so erschöpfend
beschäftigt, dass ich nicht im Stande war, die Aushängebogen
nochmals zu lesen; indess habe ich die Korrekturen so gewis-
senhaft gemacht, dass ich glaube, der neue Abdruck werde
korrekter sein als der alte.
Und Du, Hoher, Unvergesslicher, dem alles selbst ge-
schaffene zu unvollkommen schien, um es mehr als einmal zu
bieten, der reich genug war, stets nur neues zu bringen, zürne
mir nicht, wenn ich das thue, was du nicht mochtest ! Es ist
Dein Licht, das ich will wieder leuchten lassen, die belebende
Wärme Deines ersten bliihenden Mannesalters , noch nicht ge-
reift zur Vollendung des Lebensmittages , aber auch nicht ge-
dämpft durch den Ernst und die Resignation des Lebensnach-
mittnges, die ich wieder will wärmen lassen. Mögen sie leuch-
ten und wärmen und Zeugniss geben von Dirl
Prag, 2. März 1869.
Adalbert Safarik.
INHALT.
EINLEITUNG.
Seite
§. 1. Abstammunfy, Wohnsitze u. Thaten der alten Slawen. 1
§. 2. Religion und Sitten, Cultur u. Sprache der alten Slawen 11
§. 3. Slawischer Volksstamm im dritten Jahrzehnt des XIX.
Jahrh. 19
§. 4. Slawischer Sprachstamm zu Anfange des XIX. Jahrh. 27
^. 5. Character und Cultur der Slawen im Allgemeinen. 43
§. 6. Schicksale und Zustand der slawischen Literatur im
Allgemeinen. 59
§, 7. Uebersicht einiger Beförderungsmittel der Literatur
unter den ölawen. 70
ERSTER THEIL.
Südöstliche Slawen.
Erster Abschnitt.
Geschichte der altslawischen Kirchensprache und Literatur.
§. 8. Charakter der altslawischen Kirchensprache. 81
§. 9. Kyrills und Methods Herkunft, Beruf und Mission. 85
§. 10. Verhältniss der altslawischen Kirchensprache zu andern
slawischen Mundarten. 96
§. 11. Schicksale der altslawischen Kirchensprache und
Uebersicht einiger Denkmäler derselben. 119
Zweiter Abschnitt,
Geschichte der russischen Sprache und Literatur.
§. 12. Historisch- ethnographische Vorbemerkungen. 134
§. 13. Charakter der russischen Sprache. 138
§. 14. Epochen der russischen Literatur. Erste Perlode: Von
der Gründung des russischen Reichs bis zur Allein-
herrschaft Peters des Grossen. Erste Abtheilung:
Von Rurik bis auf Wladimir. J. 850—989. ' 145
§. 15. Zweite Abtheilung: Von der Einführung des Chri-
stenthums bis zur Besiegung der Tataren. J. 989-
1462. 148
XIV
Seite
§. 16. Dritte Abtheilung: Von der Besiegung und Vertrei-
bung der Tataren bis auf Peters des Grossen Al-
leinlierrschaft. J. 1462—1689. 152
§. 17. Zweite Periode: Von Peter dem Grossen bis auf un-
sere Zeiten. Erste Abtheilung: Vom Anfange der
zweiten Periode bis zur Thronbesteigung EUsa-
beths. J. 168y— 1741. 159
§. 18. Zweite Abtheilung: Elisabeths und Katharina's IL
Regirungszeit , oder von Lomonosow bis auf Ka-
ramzin, J. 1741 — 1796. 164
§. 19. Dritte Abtheilung: Das Zeitalter Alexanders, oder
von Kavainzin bis auf unsere Zeiten. 174
Dritter Abschnitt.
Geschichte dcj- Sprache und Literatur der S/aivoserben
fjriecliisclien Ritus.
§. 20. Historisch- ethnographische Vorbemerkungen. 191
§. 21. Charakter der serbischen Sprache. 201
§. 22. Schicksale der serbischen Sprache und l^iteratur. 205
§. 23. Uebersicht der neuesten serbischen Literatur. 216
§. 24. Sprache und Schriftvvesen der Bulgaren. 223
Vierter Abschnitt.
Geschichte der ^pi'uchc und JLderatar der kathollöchen Slawo-
serben [Dalmatiner, JJosnier^ Slaivonier) und der Kroaten.
§. 25. Historisch-ethnographische Vorbemerkungen. 226
§. 26. Sprach- und Stamm Verwandtschaft der Dalmatiner
und Kroaten. 235
§. 27. Charakter der Sprache der Dalmatiner und Zweige
der dalmatisch-kroatischen Literatur. 236
§. 28. Ursprung und Schicksale der glagolitischen Literatur
der Dalmatiner und Kroaten. 237
§. 29. Schicksale der Sprache und Nationalliteratur der
Dalmatiner und Ragusaner. 247
§. 30. Sprache und Schriftwesen der katholischen Bosnier. 262
§. 31. Sprache und Schriftwesen der katholischen Slawonier. 262
§. 32. Schicksale der Sprache und Literatur der Kroaten. 265
Fünfter Abschnitt,
Geschichte der windischen Sprache und Literatur.
§. 33. Historisch- ethnographische Vorbemerkungen. 271
§. 34. Charakter der windischen Sprache. 274
'§. 3ö. Schicksale der windischen Sprache und Literatur. 275
XV
ZWEITER THEIL
Nordwestliche Slawen.
Erster Abschnitt.
Geschichte der böhmischen Sprache %md Literatur.
Seite
§. 36. Historisch-ethnographische Vorbemerkungen. 289
§. 37. Charakter der böhmischen Sprache. 296
§. 38. Epochen der böhmischen Literatur. Erster Periode
erste Abtheikmg : Von der Einwanderung der
Cechen in Böhmen bis zur gänzhchen Ausrottun n-
des Heidenthums. J. 550—1000. ' 300
§. 39. Zweite Abtheihmg: Von der gänzhchen Ausrottung
des Heidenthums bis auf Kg. Wenceslaw IV. oder
bis auf Huss. J. 1000-1410. 307
§. 40. Zw^eiter Periode erste Abtheihmg: Vom Anfange des
Hussitenkrieges bis auf die Verbreitung der ßucli-
druckerkunst in Böhmen, oder bis auf Ferdinand
I. J. 1410-1526. 31^
§. 41. Zweite Abtheilung: Von der Verbreitung der Buch-
druckerkunst in Böhmen bis auf die Schlacht am
weissen Berge. 3- 1526—1620. 330
§. 42. Dritter Periode ers^e Abtheilung: Von der Schlacht
am weissen Berge bis auf Ks. Joseph H. J. 1620-
1780. 352
§. 43. Zweite Abtheihmg: Von Ks. Joseph H. bis auf
unsere Zeiten. J. 1780—1825. 357
Zweiter Abschnitt.
Geschichte der Sprache vnd Literatur der Slowaken.
§. 44. Historisch-etlmographische Vorbemerkungen. 370
§. 45. Charakter der slowakischen Sprache. 375
§. 46. Schicksale der slowakischen Sprache u. Literatur. 379
Dritter Abschnitt.
Geschichte der polnischen Sprache und Literatur.
§. 47. Historisch-ethnographische Vorbemerkungen. 396
§. 48. Charakter der polnischen Sprache. 409
XVI
Seite
§. 49. Allgemeiner Ueberblick der literarischen Cultur in
Polen und der Beförderungsmittel u. Hindernisse
derselben. 41 1
§. 50. Epochen der polnischen Literatur. Erste Periode :
Von der Einführung des Christenthums bis auf
Kazimir den Grossen. J. 964 — 1333. 417
§. 51. Zweite Periode: Von Kazimir dem Grossen bis auf
Sigismund I. J. 1333—1506. 419
§. 52. Dritte Periode: Von Sigismund I. bis zur Eröffnung
der Jcsuitenschulen in Krakau. J. 1506 — 1622. 425
§. 53. Vierte Periode : Von Sigismund III. bis auf Sta-
nislaus Augustus, oder von dem entschiedenen
Uebergewicht der Jesuiten bis zur Wiederbele-
bung der Wissenschaften durch Stanisl. Konarski
J. 1622—1760. 438
§. 54. Fünfte Periode : Von St. Konarski bis auf unsere
Zeiten. J. 1760—1825. 449
Vierter Abschnitt.
Geschichte der Sprache und Literatur der Sorben oder
Wenden in den Lavsitzen.
§. 55. Historisch-ethnographische Vorbemerkungen. 479
§. 56. Sprache und Literatur der Sorbenwenden in der
Oberlausitz. 483
§. 57. Sprache und Literatur der Sorbenwenden in der
Niederlausitz. 485
§. 58. Sprachüberreste dos Polabischen oder Linonisch-
Wendischen. 487
Zusätze und Berichtigungen. 491
Blattwciser. 510
E i u 1 e i t u 11 ff.
Abstammung, Wohnsitze und Thaten der alten Slawen.
Das Erste, was bei der Betrachtung der slawischen
Völker die Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, ist die
ungeheure Ausdehnung dieses, durch verschiedene Na-
men und Wotmsitze in zahlreiche Aeste und Zweige
getheilten, und nur durch das bedeutsame Band einer
gemeinschaftlichen, wenn gleich in meiirere Mundarten
aufgelösten Spraclie an einander geknüpften Volksstaui-
mes, der gegen 50 - 60 Millionen stark, beinahe halb
Europa und ein Drittheil von Asien besetzt. Nächst den
Arabern, die einst von Malaka bis Lissabon herrschten,
sagt Schlözer, ist kein Volk auf dem ganzen Erdboden
bekannt, das sich, seine Sprache, seine Macht und seine
Colonien so erstaunlich weit ausgebreitet iiätte. Von
Ragusa am adriatischen Meere, nordwärts bis an die
Küsten des Eismeers, rechter Hand bis an Kamcatka
in der Nähe von Japan, und linker Hand bis an die
Ostsee hin, trifft man überall slawische Völkerschaften,
theils herrschend, theils andern Völkern dienend an. Es
ist demnach leicht einzusehen, dass der üeberblick der
Lebens- und Bildungsmomente eines so weit verbrei-
teten Volks Schwierigkeiten eigener Art unterworfen
ist, und eine Geschichte dieses Völkerstammes im Gan-
zen, wie sie das Gemälde der Menschheit fordert, so
1
lange ein frommer Wiin.scli bleiben niuss, bis die Spe-
cialgeschicbten der einzelnen Yolkszweige gebörig bear-
beitet, und die dunkeln Regionen der slawiscben Vor-
zeit durcb fortgesetzte, vereinte Bemübungen der vater-
läudiscben Forseber einigermassen, so weit diess nämlicb
bei dem füblbaren Mangel an sicheren einbeimiscben
Quellen möglieb ist , aufgebellt seyn werden. Mancbes
Hübmlicbe bat in dieser Hinsiebt die neueste Zeit ge-
liefert; allein das meiste bleibt nocb der Zukunft übrig
zu tbun^).
Die ältesle Gescbicbte der Slaw^en ist, wie die Ge-
scbicbte aller Völker, in ein undurcbdringlicbes Dun-
kel gebullt. Je weiter zurück man auf den Gefilden der
Vergangenbeit diesen grossen Völkerslamm mit Forscber-
blick verfolgt, um so sparsamer wird das Licht. Erst
um die Mitte des V. Jabrb. nach Chr. fängt es an zu
dämmern. Was sich aus den leberlieferungen der aus-
wärtigen Schriftsteller mit Zuziehung der historischen
Conjecturalforscbung über die ältesten bekainiten Slawen
ergibt, ist ungefebr folgendes:
Die Slawen stammen aus Indien, so wie die Ger-
manen, ihre ewigen Nachbarn, aus Persien; wie diess
die Vergleicbung der slawiscben Sprache mit der altin-
dischen oder Sanscrila, und der teutschen mit der per-
sischen augenscbelnTicIi beweist. Die Zeil ibrer Einwan-
derung nach Europa, so wie die Lrsacben derselben,
lassen sich nicht angeben ; doch ist es einleucbtend, dass
diess mehrere .Jahrbunderte, wo nicht ein ganzes Jabr-
tausend vor Chr., wahrscbeinlicb wegen üebervölke-
rung, geschehen is<^}. Verfolgt man die Spuren der Sla-
') Hier sind vor Allem zu nennen, die Bemühungen der kais. russ.
Akademie, der freien (Jesellseh. zu Moskau für russ. Geschichte und Alter-
thümcr, der Warschauer jielehrten Gesellsch., der kön. Gesellsch. der Wis-
senschaften zu Pra,i;, ferner der Forscher und Sammler: Mascov, Banduri.
Lucius, Jordan, Dobner, Stritter, Gercken, Möhsen, Anton, Taube, For-
tis, Sulzef, TTossIgnöTi, Gatt(n-er, Gebhardi, Schlözer, Voigt, Pelzel, Na-
ruszewicz , Boltin , Raic, Kolhitay, Dobrowsky, Potocki , Sapieha , Graf
Musin - Puskin, Rumjancow, Ewers , Krug, Lehrberg , Adelung , ;Kö]Ppen,
Wichmann, Karamzin, SuroAviecki, ^laiewski, Czaykowski, Gr. O^nnski,
Lelewel , Chodakowski u. a. m. -) S. vSchleoels Sprache u. Weisheit der
Indier, Ileidelb. 808. (Avomit zu vcrbiiMen Jahrb. "d. Lit. VIIL Bd. S19.
S. 454.) Hammers Fundgruben des Orients, II. Bd. S. 459. Th. P. Adelung
rapports entre la langue russe et la langue sanscrit, S. P. 88L 8. TT. S.
wen bei den onropäisclien Schriftslcllcrii, so schcirjcii
sie zur Zeil Flerodots, im V. Jaiirh. vor Chr., ihre
Wohnsitze schon bis znin Isler (der lioiitii^en DonauJ
ausgedehnt zu lial)en ; wofern näinlicli die Krovvyzen,
deren dieser Vater der Geschichte erwähnt ^), eins
mit den heutigen Kriwizen oder Kriwicen in Rnssland
sind. Aber die ersten Schriftsteller, die der Slawen ans-
driicklich erwähnen, sind der Mönch Jordan nach dem
J. 552, der Senator Proko])__nu J. 562, der Protector
Menander nach dem X oÜ4^ und der Abt .Johann von
Biclaro, gest. ()20. denen w ir Alles, was wir über der
Slawen Wohnsitze, Sitten und Thaten aus dieser Periode
wissen, zu verdanken haben ^}. Spater herab verflech-
ten die meisten, aber freilich nur ausländischen Schrift-
steller, namentlich die byzantischen, und unter diesen
vorzüglich Constantinus Porphyrogeinietus (gest. 959),
denn die inländischen fangen erst mit Nestor nach dem
.1. 1056 an^), die Geschichte der Slawen in die Er-
Maietvski o stawianach. Warsch. 816. B. J. Rakowieckl Pi'awda ruska, W.
820.%Z4^S. Presl Krok, Prag 821. 1. Hft. S. 65—81. Kar am: in l%%ov\]a
ross. gosudarstwa, 1. Bd. A. Murrau Historv of the European languages.
Edinb. 823. 2 Bd. 8. J. Leleivel Dzieie starozytne Indyi, W. 823. 8. J. Klap-
roth Asia polvglotta, Paris 823. 4. — A. Frencel de origg. linguae Sorali.
Budiss. 693. hielt die Slawen für Hebräer luid iiu-e Sprache für hebräiscli.
welcher Ansicht sich auch noch der sonst kritische Hurich (Bibl. slav. p.
250. 251.) zu nähern scheint; J. Pi'<eatoyis de orig. 1. Slav. Yitteb. 697.
S. Dolci de illvr. 1. vetust. Yen. 754 (dagegen H. F. Zanetti cp. in iliss.
de illvr. 1. vetüst. Eh.), F. M. Appendmi. de pra?st. et vetust. I. illyr.
Rag. "^806., Graf Sorao in den Denkschriften der celtischen Akademie, Par.
808. S. 21 — 56., Tatiscew russ. Gesch. 1. Th. Schnttgen de orig. russ.
Dresd. 729 , Georai Besch. d. Nat. in Paxssl. 799. u. a. gehen noch weiter,
sprechen von Slawen beim babylonischen Tliurmbau, leiten alle slaw. Mund-
arten aus der thracischen Sprache und vom Jajjhet her, ihnen ist das ganzf
rhracische. scytische und getische Alterthum IHawisch . worüber vorzüg-
lich Schlözers "Nestor 1. u. 2. Th. und Dobrowskvs Slowanka 2 Th. S. 94—
111. nachzulesen sind. ^) lY. 49. Weiter geschieht derselben Meldung bei
Strabo YII. 318. 319. Plinius lY. 12. Steph. Byzant., Const. Porphyr, und
Nestor. M Ueber die classischen Stellen des Jordan fde gotor. orig. c.ö.
23), Prokop (de hello goth. L. III. c. 14.). Menander und Biclar vgl. F.
Durich bibl. slav. p. 4. ss. 12. ss. 28 — 33. 269 — 392, Schlözers Nestor
II. Th. S. 72 — 74., I)obrotv;^kvs Slawin S. 196 -- 212, 288 — 297, Slo-
wanka 1 Th. S. 76 — 84. ■') Die Quellen der ältesten Gesch. der Slawen
sind: 1.) auswärtige und einheimische Historio- und Chronographen, Ge-
schlechtsregister, Kirchenbücher: 2.) alte Münzen: 3.) Denkmale unter der
Erde; 4.) Aufschriften; 5.) Gemälde; 6.) Yolksgesäuge ; 7.) eigenthchc
rrkuuden und Diplome. - Zu den ältesten ausländischen Schriftstellern,
die der Slawen erwähnen, sind zu rechnen (ausser einigen über die Thra-
keu, Scvthen, Heneten, Yeueten, Sarmaten. Waräger u. s. w. zerstreuten
und hieher zu ziehenden Nachrichten bei Hei;odot^O v. Chr., Strabo 26
Zählung der Tliateii anderer Völker immer mehr und
mehr. Aus ihren Berichten ergibt sich, dass die Slawen
initer verschiedenen Stammnamen im VI. und VII. Jahrh.
bereits den ganzen Norden und Osten von Europa über-
fluthet, und sowol mit den angränzenden, als auch mit
den ankommenden Völkern öftere Kriege geführt haben.
Sie werden unter den Namen der Slawen, Anten, Ve-
neten, (Heneten), Winden, und Sarmaten von den
Schriftstellern dieses Zeitalters angeführt^); von denen
aber nur der erste anerkannt einheimisch, die drei fol-
genden ohne Abrede fremd und nur geographisch von
den Ausländern auf die Slawen übertragen, der letzte
n. Chr., Mela 48, Pliiiius 79, Tacitus 97, Ptoleraaeus 161, Ammianus
Marcellinus 379, Moses Chorenensis 460, ferner bei den morgenländischen
Schriftstellern, vorzüglich Arabern), die schon genannten Jordan, Prokop,
Menander, Joh. v. Biclaro, die Script, bist. Byzant. von Zosimus 460 bis auf
Phrantzes 1481, Ditmar Bisch, v. Merseb. 976 — 1018, Adam v. Bremen
1076, Helmold Priester in Bosow bei Lübeck sammt s. Fortsetzern 1170,
Aeneas Sylvius 1405 — 64 u. a. m.; inländische Schrift, sind: Nestor Mönch
in Kiew 1056 — 1111, Sylvester Bisch, in Perejaslawl gest. 1124, Cosmas
Dechant in Prag 1045 —1125, Mart. Gallus in Polen 1109 — 1138, Diocle-
ates Presb. in Dalm. um 1170, Vinc. Kadlubek Bisch, in Krakau gest. 1223,
Daniel ICrzb. in Serbien um 1245, .Johann Pop in Nowgorod um 1230, Bo-
guplialus Bisch, in Posen gest. 1253, Jaroslaw Strahoviensis um 1283, Da-
limil um 1315, Michas Madius ein Dalm. um 1330, Petrus Zbraslawiensis,
ein Böhme um 1335, Johannes Polonus um 1359, Pulkawa de Tradenin ein
Böhme um 1374, Joh. Dlugosz ernannter Erzb. in Lemberg 1415 -^;;^1480,
Wenc. Hajek ein Böhme gest. 1553, Math. v. Miechow 1456 — 1523, Mart.-
Cromer 15^^ — 89, Math. Stryikowski Dbiiiherr in Littauen gest. 1582 u. s. \y.
Unter den släw. Münzen reichen die russ. mit slaw. Schrift bis in die Zei-
ten Wladimirs (gest. 1015) , und Jaroslaws (gest. 1054) , die pohi. bis
Boleslaw I. Chrobry (992 — 1025) hinauf; Serbische werden (muthmass-
lich von Muntimir 880 — 890) von Uros (1122 — 1136), Steph. Dusan
(1336 — 1356), und Brankowic (1428 — 1457), 26 an der Zahl, in dem
k. Wiener Antiken-Cabinet aufl)ewahrt. Die Akad. d. Wiss. in S. Petersb.
besitzt in ihrer Kunstkaramer einen Schatz von alten russ. Münzen ; S. Ka-
binet Petra W., S. P. 800. 3 Bd. — Neu-Russland, vom Dniepr an, west-
wärts bis nach Polen und Ocakow hin, am grossen und kleinen Ingul und
um den Schwarzwald, ferner das südliche Sibirien ist vorzüglich reich an
unterirdischen Denkmalen. Aber auch andere slaw. Länder bieten manches
Interessante in dieser Hinsicht dar. Ueber die obotritisclien Alterthümer un-
ten. — Die älteste slaw. Inschrift ist auf dem Steine von Tmutorokan auf
der Halbinsel Taman vom J. 1068. Unter den Glockeninschriften ist die
vom J. 1341 im Jurikloster in Lemberg die älteste ; in Böhmen kommt
die erste vom J. 1437 vor; in Russland fing das Glockengiessen 1346 an. —
Die ältesten Denkmale der Malerei sind bei den Russen in dem ostromir-
schen Evangelium vom J. 1056, im Sbornik 1073, und in der M. Himmel-
fahrtskirche zu Kiew 1073. — Ueber die Volksgesänge unten §. 13. Anm. 1.
Die älteste russ. Urkunde ist vom J. 1128. Serbische (vom J. 1302 in der
Abschrift) vom J. 1348 in dem Metropolitan-Archiv zu Karlowic ; böhm.
Stiftungsbriefe und Privilegien fangen erst mit 1386 an. ") Die grösste
aber zweifelhaft ist. Die Slawen sasseii seit nndciikliclicn
Zeiten, schon geraume Jahrlninderte vor Christi Geburt,
in dein europäischen Sarmatien, weltlies sich von dem
Verwirrung brachto in die älteste slaw. (Teschichte die Menge und Zwei-
deutigkeit der Namen hinein, unter denen die slaw. Stämme von den aus-
ländischen Chronographen angeführt werden. Wenn es gleich einleuchtend
ist, dass ein so grosses Volk, von jeher in mehrere Stämme getheilt, auch
mehrere Namen geführt habe, so sieht man doch, dass gar viele dersel-
ben irrig und mit Unrecht, gewöhnlich geographisch, den Slawen beigelegt
worden sind, wie es mit den Wjnden (Slowenci) in Krain, Böhmen (Ce-
chowe) in Böhmenheim, lUyriern (Srbi) im alten Illyricum der Fall ist.
Daher ist füi' den slaw. Gcschichtsgelehrteu die Erörterung der P^age: wie
haben sich die slaw. Stämme selbst genannt, und wie sind sie von den Aus-
ländern genannt worden? unerlässlich. Was die Namen Heneten, Wette-
ten, Weneden, Wenden, Winden, Vandalen u. s. w. anbelangt, so schei-
nen sie insgesammt mit dem Worte Anten verwandt, und auf die Slawen
nur geographisch übertragen worden zu seyn. Jordan, der gewöhnlich allerlei
Benennungen zusammenrafft, nennt die Slawen Weneten, welchen Namen
Prokop nicht kennt, weil er sie da fand, wohin Tacitus seine teutschen
Weneden versetzte. Eben diess gilt von dem Namen Anten, der sich schon
im VII. Jahrh. verloren. Vgl. Dobrowskys Slawin 202 — 203. Die Slawen
selbst nannten sich von jeher Sloivane, Slorrene. Die Bedeutung dieses
Namens ist in dem Worte slowu, sloivim heissen, reden, appellor, loquor,
und in slowo Wort, Rede, deren Wurzel slu mit der Bildungssylbe ju,
sluju dem Griech. ttlvm {% geht in slaw. Sprachen oft in s über: KugSia
srdce, Siiia deset, yXvnvg sladky) und dem Lat. cluo, clango entspricht,
und woraus durch den gewöhnlichen Uebergang des o in a bei den Iterati-
ven, slavnm celebro, glorifico, slawa gloria, entstanden ist. Es ist dem-
nach gleichgültig, ob man den Eigennamen Slorvan, Slaive, mit slowu
und slowo, od. mit slaivim und slawa vergleicht ; denn beide sind im
Grunde eins: aber die ältesten einheimischen Geschichtschreiber und Dich-
ter, Nestor, Dalimil , Pulkawa, Palmota u. m. a., die Böhmen, die Slo-
waken, die südlichen Slawen in Ki-ain, Kärnten und Steiermark, die Dal-
matiner, die Slawonier, ja die Russen und Serben selbst bis ins XVTI.
Jahrb., stimmen in der Sprech- und Schreibart : Sloivane, und des Beiworts
slowenesk , slowensky jazyk (jezyk) ganz überein , und noch heut zu
Tage nennt sich die Mehrzahl der slaw. Stämme nicht Slatviani, sondern
Slowane, Slowaci, Slotvenci, zum Beweis, dass die Sprech- und Schreib-
art : Slaive st. Slowan, slawisch st. slowenisch, abermals den Ausländern,
namentlich den Byzantinern, Lateinern und Teutschen zuzuschreiben sey
(so machten sie 'ms~^\forawa Marahania, March, Orawa Arva, Slowak
Slawak, Chorivat Krabat, <jost gast: Kelagast, Radegast u. s. w.), von
denen sie erst 1665 in die' Kirchenbücher der Russen und Serben, und zu
den Polen kam, wo sie nunmehr vorherrschend geworden ist. Die slaw.
Stämme nannten sich selbst S]owane, Slowenci, Slowaci, weil sie einerlei
Sprache redeten, und sich gegeriseitig "verstehen konnten; so .wie sie den
fremden Völkern die Namen Niemec (stumm , namenlos) , Cud (fremd,
wild) , Wlach (fremd , auswärtig, cf. wall, wäl) beilegten. Die bei den
Griechen und Römern übliche und von diesen zu den Franzosen fortge-
pflanzteTTeHerhafte Schreibart: ZKlaßrjvbg, Z&Xccßr}v6g, Sclavani, Sclavi,
Esclavons, ist durch die Veränderung des o in a und Einschiebung des
epenthetischen x, d- entstanden. Vgl. Schlözers Nestor Th. ü. S. 75.
Dobrowskys bist. krit. Untersuchung, woher die Slawen ihren Namen er-
hallen haben , im 6 Th. d. Abb. e. Privatgesellsch . in Böhm. Prag 784.
S. 263 — 298. Eb. Slawin S. 14 — 16. Eb. Gesch. d. böhm. Lit. (818) S.
41. ff. Durich bibl. slav. S. 3—28.
Ausflusse der Weiclisel bis zu den karpatischen Gebirgen,
von da bis zum Ausflusse des Dniepers, längs den Ge-
staden des asowisehen ^Jee^es bis zum Don, und von da
aufwärts bis zum weissen Meere und Arcbangel erstreckte,
dort an den Küsten der Ostsee naeb den Teutscben,
deren Wobnsitze sie eingenoiiunen, Wenefeti (Heneten,
Winiden, Winden), bier an der Donau und dem asow-
sclien Meer von den Byzantinern, wabrscbeinlicli naeb
einer griecbiscben Umgestaltung des Wortes Henet,
Wend, Anten genannt^}. Die an der Ostsee sitzenden
Slawen wurden durcb ihren Bernstein zuerst {\^n Pliö-
niciern , und als dieser ein wielitiger Handelsartikel
ward, in der Folge auch den Griechen bekamit. Sowol
längs der Ostsee von Lübeck an. als auch auf den vor-
züglichem Inseln des baltischen Meers hatten sie See-
städte erbauet. Den südlichen Slawen hingegen mögen
die Gothen, die sich 250 in Dacien und an dem Pontus
Euxinus niederliessen, die erste Veranlassung zur Erwei-
terung ihrer Wohnsitze gegeben haben. Eine zweite,
nocb bessere Gelegenheit ergab sich initer K. Aurelian
(270), der Dacien, welcbes sieb von der Donau zwi-
scben der Theiss und der Aluta bis zu den Karpaten und
bastarnischen Alpen erstreckte, freiwillig aufgab, und
die römiscben Colonisten jenseits der Donau nach Mösien
übersetzte. Nicht minder konnten sie unter Probus 280,
und Diokletian 295, nach der Entvölkerung Daciens ihre
Gränzen erweitern. Wirklich finden wir nach der
wahrscheinlich 276 — 282 verfertigten Peutingerschen
Charte um diese Zeit die Venados Sannatas bis an die
Ostseite der bastarnischen Alpen, d. i. bis an die Ost-
und Nordgränze des heutigen Siebenbürgens vorgerückt,
und mit den an der Donau wohnenden Slawen unter
der von nun an gewöhnlichen ßenenninig Sarmatae
limiganles vereinigt. Auf die Bitten dieser Sarmaten
'') Gegen die AuiialniiC der frühesten Wohnsitze der Slawen am
mäotischen See, am obern Dniepr und der obern Wolga {Dobroivsky Gesch.
d. böhm. Lit. S. 9 nach Plinii Mist. Nat. P. 1. L. 6. c. 7. Aussage von
den Serben) streitet die grosse Zahl der slaw. Stämme und die Volks-
menge, die gewiss, nach so vieh-n Kriegen und nach dem Ausrotten od.
Umschmelzen der meisten Stamme, z. B. in Teutschland, Ungern, Dacien.
u. s. w. XU urtheilen, damals kaum geringer seyn konnte, als jetzt.
fintenialiiii Constuntln 332 einen Kriegszng gegen die
Gotlien; nach dessen glilckliclier Beendigung sich die
tridierhin von den Sarmaten gegen den Feind bewaflne-
ten Knechte gegen ihre Herren empörten, nnd die Aus-
wanderung von 300,000 nach Nord-Ilalien, d. i. dem
lieuligen südlichen Kärnten, Krain und Kroatien, und
zu den Victofalen, einem markomannischen Stamm ger-
manischer Herkunft in Dacien, unter Tiberius (20) hie-
her verpllauzt, bewirkten. Als unter Constantin II. (337)
vermisclite Heerhaufen von Sarmaten und Ouaden in
Pannonien und Mösien einbrachen, und dieser darüber
über die Donau ging, und das Land der Jazygen und
Quaden verheerte, so kamen unter den Gesandten, die
um Frieden baten, auch Sarmaten aus Dacien, und wur-
den von dem Kaiser selir glimpflich behandelt. Er Hess
sie im Besitz ihrer Ländereien, und gab ihnen einen
König, züchtigte hingegen die sein Gebiet beunruhigen-
den Sarmaten zwischen der Donau und der Theiss und
an der Aluta, und gebot ihnen , sich weiter ins Land
zurückzuziehen. Allein kaum war die Ruhe hergestellt,
als im J. 351), in welchem der K. Constantius seine Win-
terquartiere in Sirmium hielt, sich neue Schwärme der
vor einem Jahre gegen die karpatischen Gebirge hinauf
verwiesenen Sarmaten zeigten, und von diesem zu Rede
gestellt, sich zwar anfangs friedfertig stellten, aber bald,
bei einer Unterredung in Acimincum (dem heutigen
Peterwardein) »nierwartet mit dem Feldgeschrei : mar
ha, mar ha! tödt' ihn! *) auf den Kaiser eindrangen,
jedoch von den römischen Legionen niedergemacht wur-
den. Unter Valentinian I. und Valens (364), wo die
Gränzprovinzen des römischen Reichs durch die Jazygen
und Ouaden sehr hart mitgenommen wurden, waren
auch die Sarmatae limigantes 374 in Mösien eingefallen,
wurden aber durch den Statthalter Theodosius in ihre
*) Obgleich ha dem serb. Acc. ga vollkommeu entspricht, so scheint
doch auch hier die gewöhnliche Umgestaltung des o in a Statt gefunden
zu haben. Das Feldgeschrei wäre demnach gewesen : mor ho, und dieses
gäbe einen Wink, den Stamm, der damals die Gegend von den Karpaten
südlich herab zwischen der Donau und Theiss beherrschte, etwa in den
heutigen Slowaken wieder zu finden.
8
Grällzcn zurückgejagt. Um das J. 373, als sich die Hun-
nen zu verbreiten anfingen, unternahm Winithar, der
Ostgothen König, einen Feldzug gegen die Anten oder
Slawen; sein Angriff wurde aber diesmal zurückgeschla-
gen. Bei einem zweiten Einfall nahm er ihren König
Box oder Booz (Boz?) sammt seinen Söhnen und vielen
Vornehmen gefangen, und liess sie ans Kreuz heften. Er
selbst wurde von dem Hunnenanführer Yalamir bekriegt
und durchbohrt. Im .J. 430 traten die Slawen an der
Donau in ein Bündniss mit den Römern gegen die Ue-
bermacht der Hunnen. Als Attila 450 mit seinem Heer
nach Gallien aufbracli, waren unter den Hilfsvölkern.
welche seiner Faluie folgten, auch Slawen, blieben übri-
gens bei allen Lünderzerrüttungen inid Verheerungen
dnrch die Hunnen ungestört in dem Besitz ihres Gebie-
tes. Nach Attila's Tode besetzten die Gepiden Dacien.
die Gothen Pannonien, die Sciren und Alanen Nieder-
Mösien und einen Theil des Landes zwischen der Donau,
der Theiss und der Aluta; worauf die Slawen aus die-
ser letzten Gegend in das Land an der Donau und Drau
um das Schloss Martenna (heut zu Tage Marburg) zu
ihren Stammverwandten in Krain und Kroatien auswan-
derten. In dem Kriege gegen die Gothen 472 standen
die Vorsteher der Slawen den Sueven-Königen mit ihren
Hilfstruppen bei ; sie wurden aber besiegt, und der
j 8jährige gothische Prinz Theoderich überfiel sie 473,
tödtete ihren Vorsteher, und entriss ihnen die kurz zuvor
von ihnen eroberte Stadt Singidunum (Belgrad). Um
diese Zeit waren die Slawen in Krain den Gothen zins-
bar, kamen aber bald unter die römische Regierung.
In den J. 534—545, 547 ff. ersciilugen die an der Do-
1 nau wohnenden Slawen den von .lustinian aufgestellten
I Gränzpräfecten , machten inigestraft in das römische
Reich mehrere Einfalle, und unternahmen einen Kriegs-
zug über Thracien inid lllyrien bis in die Gegend von
Adrianopel und ßyzant, von wo sie aber zurückgeschla-
gen wurden. Sowol jetzt, als auch schon früher, mö-
gen sich die südlichen Slawen längs der Donau bis an
ihre Mündungen, und von da längs dem Pontus Euxi-
nus bis zum Dniester nach und nach ausgebreitet haben;
9
während die nördliche» Slawen noch iininer längs der
Weiciisel, als ihrer westlichen Gränze, wohnten. Die
Slawen, Hunnen und Awaren machten nun wegen der
Unthätigkeit und Schwäche der byzantischen Kaiser öf-
tere Einfälle in die Provinzen dieses Reichs. Eine Zeit
lang standen jetzt die südlichen Slawen unter der Bot-
inässigkeit der Awaren. Auf Befehl des Awaren-Cha-
gans brachen sie 584, beiläufig 100,000 Mann stark, in
Thracien ein, worauf sich ein Krieg zwischen dem kais. >'^'
Feldherrn Priscus und den Slawen entspann, der von
593 bis 597 mit abwechselndeui Glück fortgesetzt w urde. / ^^
Im J. 620 wurde die Macht der Awaren durch Heraklius j^^^ ,'
gebrochen. Unter ihm (ülO — (341) beginnt auch fnr/^//^'
die Slawen eine neue Wanderungsperiode. Nach dem
J. 610 zog ein Theil derselben, unter fünf Brüdern und ,
zwei Schwestern, wie die Chronisten erzählen, aus dem v,^/ .;
nördlichen Kroatien nach Dalmatien herab, und besetzte V«^'.
den Landstrich von dem Cettina- Flusse bis über Istrien /^
hinaus. Ostwärts von diesen Kroaten nahmen die Serben, ^ .
beinahe um die nämliche Zeit vom Norden in diese Ge-
genden eingewandert, ihre Wohnsitze. Ihre Stämme
führten verschiedene locale Namen. Um diese Zeit treten
in Böhmen, Mähren, Schlesien und der Lausitz verschie-
dene slawnsche Stämme unter den Namen Cechowe, Mo-
rawane, Slezäci, Luzicane zum erstenmal in der Ge-
schichte auf. Ostnordwärts von ihnen, an beiden Ufern
der Weichsel, wohnten die Polen, und weiter hinauf
zahlreiche slawische Stämme, späterhin unter dem Ge-
schlechtsnamen der Russen begriffen. Zur Zeit des Con-
stantinus Porph. waren diese schon den angränzenden und
den entlegenen Völkern durch Handel, den sie zu Was-
ser und zu Lande nach Bulgarien und Thracien hinein
führten, hinlänglich bekannt, und hatten nach Adam
von Bremen und Helmold den grössten Theil des heuti-
gen Länderraums schon inne. Zwischen den Russen und
Polen , von der Russe bis zu der W^eichsel, längs der
Ostsee, finden wir um diese Zeit die Preussen (st. Po-
russen, so wie Reussen st. Russen); Avestwärts von ih-
nen aber, oberhalb der Polen, von der Weichsel bis
zur Elbe, wird der grosse und mächtige Volksstamm
\\^'^.
10
der Slawen von den Chronisten Winiden, Winulen,
Wenden genannt. Anf sie folgten die Pomoraner (Po-
meraner). Die Gränzen Poineraniens waren gegen Nor-
den die Ostsee, gegen Osten die Prenssen, gegen Westen
die Oder, gegen Süden die Polen. Zwischen den Wen-
den, Pomcranern und Polen sassen die Wilzen , Luiti-
cier, aucli Weletabi genannt, die gleichfalls in mehrere
Stämme getheilt waren. Noch wohnten zwischen der Elbe
und der Oder verschiedene slawische Völkerschaften,
als die Lenbnzi, Wilini, Stoderaner, Ilavellaner (He-
veller), Brizaner, Lingonen, Warnawi; Jiamentlich sas-
sen in dem heutigen Meklenburg inid Schwerin die Obo-
triten, an welche am Ausflüsse der Elbe, in dem heu-
tigen Oldenburg, und an der Ostsee die Polaben stiessen.
Zuletzt besassen noch die Slawen mehrere Inseln der
Ostsee, unter denen die vorzüglichsten das heutige Fe-
mern und Rügen. Auf dieser letzten wohnten die Raner
iukI Rugier. — Die fndiesten Wohnsitze der Slawen in
Europa wären demnach nach Seb. Frank ziemlich genau
so bestimmt: „Totum tractum, sagt er, illarum provin-
ciarum , incipiendo a Pento Euxino Constantinopolim
versus ultra et a magno tlumine Rha, hodie Volga di-
cto, ab Oriente ita in occidentem, meridiem versus in-
ter magna Sarmatica montana interque Carpaticos mon-
tes, totum tractum montium Bohemicorum ex una parte,
ex altera vero parte septemtrionem versus inter littus
Pomeranici inaris et inter Balticum fretum usque ad Al-
bim deorsum longe lateque Slavi occuparunt" ; oder
nach Schlözer: „In dem Dreieck zwischen der Donau
und Theiss bis an die Karpaten, und über dieses Ge-
birge hinüber bis nach Schlesien hinein , und von da
per immensa spatia; ihre Brüder aber, die Anten, dehn-
ten sich ostwärts durch die ganze Moldau und Walachei
bis ans schwarze Meer aus."^)
') Seb. Frank de iioiiiinili. .^olltium a Tacito et Ptolem. relatis.
Schlüzer's Nestor Th. 11. ö. 77. — Üeber die früheste Periode der Slawen
sind zu vgl. J. Ch. Jordan de origg. Slavicis, Vindob. 745. f. Popowü-
Untersucliungen vom Meere, Frankf. u. Lpz. 1750. 4. .7. S. Assemani Calen-
daria eccl. univ., Rom. 755. VI. Voll. 4. J. G. Stritteri memoriac populo-
rum ad Danubium etc. e Script, bist. Byzant., Petrop. 771—78. III. Voll.
4. (Der 2tf Bd. bandelt ausschliesslich von Slawen.) Gercken's Vers, in
11
§. 2.
Religion und Sitten, Cultur und Sprache der alten Slawen.
Obschon uns beistimmte «md ins Einzelne gehende Nach-
richten über die ältesten Slawen in Bezng auf ihre Re-
ligion und Sitten, ihre Cnltnr und Sprache gänzlich ab-
gehen; so ist es doch keinem Zweifel unterworfen, dass
sie gleich von der Zeit ihres Bekanntwerdens in Europa
an, so weit nämlich die Geschichte auf die Spuren ihres
frühesten Lebens einiges Licht zu werfen anfängt , bis
zu ihrer Bekehrung zum Christenthume zu Anfang des
IX. Jahrb., zwar Heiden, aber keineswegs so roh wa-
ren, dass sie in die Classe der barbarischen Völker zu
stehen kämen, vielmehr sich auf einer Stufe der natio-
nalen und zeitgemässen Bildung befanden, die ihnen
auch nach unseren jetzigen Begriffen eine Stelle in der
Reihe der cirilisirfen Völker anweist.
Die slawische Mythologie erinnert auffallend an In-
dien; allein zur Zeit ist dieser ohnehin schwierige Ge-
genstand noch nicht mit der gehörigen Kritik in seiner
ganzen Ausdehnung bearbeitet worden^). Zu den vor-
züglichem Gottheiten der heidnischen Slawen gehören:
Biet Bog, der weisse oder gute Gott, Cernohnif, der
der ältesten Gesch. der Slawen. Lpz. 771. 8. Gatterers Eiul. in die syn-
chron. Universalhist. Gott. 771.' 8. GebhardPs allg. Welthist. 51- r Th.
Halle 789. Schlözer's allg. Nordgesch. (in der allg. Welthist. der 31. Th.)
Halle 771. 4. S. 332—334. Eb. Nestor, luss. Annalen, Götting. 802—09-
•5 Th. 8 F. Rühs Gesch. d. Mittelalters (böhm. v. AV. Hanka, Prag 818.
12.). J. Potocki fragments historiques et geographiques sur la Scythie; la
Sarmatie et les Slaves, Braunschw. 796. 4. Dobrox'sky üb. d. ältesten Si-
tze der Slawen in Europa (in dem Vers, einer Landesgesch. von Mähren).
Olmütz 788. 8. J. F.. A. v. Schivabenau . die ältesten bekannten Slawen
und ihre Wohnsitze, (im Hesperus 1819.) Karamzin istorija rossijskago go-
sudarstwa, 2te A. S. Petersb. 819. Ir Bd W. Suroujecki sledzenie po-,
czatka narodöw slowiaiiskich Warsch. 824. 8.
•) J. Görres Mythengesch. der asiat. Welt, Heidelb. 1810 8. sagt von
der Religion der alten Slawen : „Daher wird es begreiflich, wie jene sla-
wischen Völkerschaften, die in den frühem Jahrhunderten von jenem
Stamme (der Hindu) sich gelöst, und nach dem östlichen Europa hin vor-
gedrungen, so vielen Orientalism in ihrem religiösen Cultus zeigen konn-
ten. Den Gegensatz des guten und bösen Princips finden wir personificirt
bei den Wenden, Sorben und Obotriten. Echt orientalisch zusammenge-
setzte Symbolik zeigen uns die Bilder der Rugier, die Saxo Grammaticus
beschreibt. Swiatowid, lichtglänzend, vor allen in Arkona im gemeinsa-
Uu^S jrf^
42
schwarze oHer böse Gott, Cväo innrskojc, Meerwinider,
eine Art Tritoiien, Cur bei den Russen, was der Ter-
minus bei den Römern, Did^ Didilia, Gottheit der Ehen,
Diu-!, der Ar^e, (der indisclie Dew) bei den Russen,
Domnwifje d/nchy, Hausgötter, Genien, bei den Böhmen
Setek, Sotek, Skrjfek, Dvhynja und Gorynja, nacli nis-
sischen Erzählungen Heroen, Jm/abaha, als ein scheuss-
liches, hageres Weib mit Knochenfüssen vorgestellt,
Kascej, Koscpj, ein lebendiges Skelett, Knochenmann,
der Mädchen und Bräute raubte, Kikimora, ein fürch-
terliches Gespenst, Lada, Leda, die Göttin der Liebe
und aller Liebesvergnügungen, LpI, Lelja, der Liebes-
gott, Lesie, Waldgottheiten, griechische Satyren, Mor-
jana, Moiena^ {Marzaiui), der Tod, die Todesgöttin
(im Indischen heisst Mar arm auch der Tod), Oslad\
Gott der Gastmale , P^r?///, (bei den Slowaken Parntn,
daher paromovä stiela, Blitz) der Donnergott, Poleljuy
Gott der Ehe , Sohn der Lada , Porewit, Porenut, bei
den Obotriten, vielleicht eins mit Prowe, Gott der Ge-
rechtigkeit bei den wagrischen Slawen, Radegost, {Ra-
degast) der Schützer der Gastfreiheit bei den Obotriten,
Rugewity bei den Karantanern, Rusalki, Nymphen und
Najaden, Sewana, bei den Polen Göttin der Wälder,
Surtatorrid, Swatount der Allsehende in Arkona ver-
ehrt, Tri()lau\ wahrscheinlich Beiname eines dreiköpfi-
gen männlichen Gottes, des Trimurti der Indier, Wila,
men Tempel der slaw. Völker verehrt; sein kolossales Bild mit vier Häup-
tern auf vierfachen] Halse nach den vier AVeltgegenden geordnet ; mit ge-
schornem Bart und Ilaare ; in der rechten ein aus vielen Metallen zusam-
mengesetztes Trinkhorn, in der linken den Bogen, neben ihm Sattel, Zaum
und Schwerdt, drei hundert Pferde und eben so viele Krieger seinem Dienst
geweiht, vor allen ein weisses Pferd, das er selbst in Schlachten ritt, und
das wahrsagend Auspicien über Krieg und Frieden gab. Dann bei den Ka-
rantanern Ilugewit mit siebenfachem Antlitz, sieben Schwerdter an einem
Gehänge an seiner Seite, das achte gezogen in seiner rechten, der Gott des
Krieges und der Stärke ; weiter Porewit mit fünf Häuptern, aber ohne
Waft'en; endlich Porenut mit vierfachem Antlitz, ein fünftes auf der Brust,
mit der linken auf der Stirne, mit der rechten das Kinn berührend; alle in
ihrer Zusammensetzung auf die Sonne und die vier Jahrszeiten, die sieben
Planeten und die fünf Elemente deutend, beweisen frühereu Verkehr mit
persischen u. indischen Mythen, und die directe Verwandtschaft des Slawen-
stammes mit dem Hinterasiatischen." Auch die (Jewohnheit der slaw.
■ Weiber, sich mit der Leiche ihrer Männer auf den Scheiterhaufen zu werfen,
\weist auf Indien hin.
^ Mm ^^tj^^ JftCuxM *^> ...^ 13 ^yu^rn
bei den siidlicheii Slawen, was Kiisaiki bei den Küssen,
Wolchw , Wolcliowec, Zauberer, Weles, Wnlos, der
Gott des Viehes, Ziwu, (^Shra) die Göttin des Lebens
bei den Polaben, verwandt mit dem indisclien Schiva
u. s. w. Krodo /und Flinfz sind keine slawische Gott-
heiten. Unter allen waren Permi, der Donnergott, biely
Bog, der Geber alles Guten, cerny Bog, der Schö-
pfer des Bösen, in welchen sich ganz der persische Dua-
lismus kund thut, und Swiatowid, der Allsehende von
Arkona auf der Insel Kügen, die höchsten Gottheiten.
Die Namen gadanija , die Wahrsagungen , Koliada,
Koleda, ein Fest, vorzüglich durch Geschenke gefeiert,
Kupalo, das Johannisfest, der Sonne zu Ehren wegen
der Sonuiiersonnenwende, Trizna, eine Feier zum An-
denken der Verstorbenen, u. s. w., beziehen sich offen-
bar auf Gebräuche und Feste der damaligen Zeit. Den
Gottesdienst versahen die Priester, (in den urältesten
Zeiten unfehlbar zugleich Vorsteher des Volks, wie diess
das bei den Slawen in zwiefacher Bedeutung noch übli-
che Wort Kntaz, Knez (Kuji-e) Priester, Fürst, be-
zeugt), in den hiezu erbauten Tempeln und in gehei-
ligten Hainen. Gewöhnlich wurde dabei geopfert {zertwii,
übet, Opfer), und geweissagt {trestec, gadac Wahrsa-
ger). Sie verbrannten ihre Todten und stiiiuiiten dabei
Klaglieder an. Einzelne Spuren bei Nestor scheinen aji-
zudeuten, dass die alten Slawen mit der Idee der Un-
sterblichkeit, wenn gleich den sinnlichen BegrüFen der
damaligen Zeit angemessen, bekannt waren. Den Eid
Qprjsulw, kljütbii) kannten und ehrten sie. ^j
-) Vgl. Kayssarows Vers. e. slaw. Mythologie. Gott. 804. 8. Do-
browskrjs Slawin S. 401—416. Durich bibl. slav. p. 338—351. — üeber
die obotritischen, zwischen den J. 1687 — 97 in Prilwitz von dem Pastor
P>iedr. Sponholz gefundenen, und der Sammlung des Groszherzogs von
Meklenburg-Strelitz einverleibten (verdächtigen) Denkmäler, worunter
sich Abbildungen von Gottheiten und andere slaw. Alterthümer betiaden,
vgl. A. G. Hasch die gottesdienstlichen Alterthümer derObotriten aus dem
Tempel zu Rhetra am Tollenzersee, Berl. 771. 4. und J. Potocki voyages
dans quelques parties de la Basse-Saxe pour la recherche des antiquites
Slaves ou Vendes, Hamb. 795. 4. Altei-'s Miscellen 8. 226 fF. Dobrovjskys
Slowanka Th. II. S. 170 — 176. H. R. Schröter's Friderico - Francisceum,
oder Grossherz. Alterthümersamml. aus der altgerm. u. slaw. Zeit Mekleu-
burgs zu Ludwigslust (Abbild, u. Text) 823.
i4
In Iliiisiclit auf ilir politisches Leben isi es keinem
Zweifel unterworfen, dass so wie die Indier bereits
niebrere Jahrliiinderte vor Christi (icbnrt im Besitze ei-
ner hohen eiiiheimischen Cnltiir waren, auch die Slawen
nach ihrer Einwanderung nach Kuropa, mehrere Jahr-
hunderte vor Christi Geburt, ein gebildetes Volk gewe-
sen, Städte gehabt, ein patriarchalisches Leben geführt,
und daher auch leicht eine Beule anderer, in Wildheit
und Barbarei versunkenen nomadisirenden Völker, der
Giothen, Hunnen und Awaren geworden sind. Als be-
ständige Nachbarn der Griechen, die ihre Colonien bis
zum schwarzen Meer ausdehnten, haben sie sich fasf
gleichzeitig mit denselben, wenn gleich auf eine cigen-
thümliche Weise, cultivirt. Die ältesten Schilderungen
der Slawen sind von Prokop (5()2), K. Mauritius (582—
602), K. Leo (886—911)^). Nach jenem hatten sie
eine demokratische Verfassung, eigene Gesetze und Re-
ligion, wohnten in schlechten Hütten und änderten ihre
Wohnsitze noch oft, führten den Krieg meist zu Fuss
mit Schilden und Wurfspiessen bewaffnet, waren lang
^) Vgl. Frokop ilc bello guth. L. III. c. 14. Manritii Strategicon
L. IL c. 5. Leonis Imp. de bcllico apparatu, lat. a Jo. Checo, Basil. .595.
12. A. F. Kollar amoeiütates hist. Hung., Vindob. 783. 8. Striifer's Gesch.
der Slawen in Schlözers allg. nord. Gesch. S. 351. /. Raic istoria raznych
slawen^kich iiarodow, Wien 7iM— 95. 8. Ir. Bd. C. V. "§7Ti. ff. /. Fotocki
fragments historiques 2i' Bd. S. 103 ff. Durich bibl. slav. p. 28 — 33. 259—
392. Dthl^uwdkj/s Slawin, S. 196—212. irSTlilowanka Th. I. S. 76-84. —
Zwar haben mehrere, vorzüglich ausländische Schriftsteller den Slawen nicht
nur alle frühere Cultur abzusprechen, sondern auch ihren redlichen Cha-
rakter zu verdunkeln gesucht. Sie führen z. B. an, dass Prokop sie an der
Donau als noch nicht ganz an Ackerbau gewohnt sch'ldert, Bonifacius im
VIII. Jahrh. die Slawen in Deutschland var/os nennt, Prokop. Ditinar und
Ilelmold Züge der Grausamkeit und Treulosigkeit von ihnen erzählen u. s.
w. Allein dem ist nicht so. Von einzelnen Stämmen mag diess immerhin
gelten, unbeschadet der Cultur anderer ; denn gewiss waren alle. Stammt
hierin einander nicht gleich. Den ganzen Vorwurf hat schon Möller (von
der hist. Grösse, im teut. Mus. Lpz. 781. 2. Bd.) gewürdigt, in dem er sagt:
„Nie würden unsere tapfern Vorfahren, die ehrlichen Slawen, den Namen
der treulosen in der Gesch. erhalten haben, wenn andere, als Dänen.
I'ranken und Sachsen, als Hclmold, Arnold u. Adam v. Bremen, ihre Gesch.
verzeichnet hätten, deren Interesse es war, sie zu ernieTIngen, zu bekehren
und unterwürfig zu machen." Die christlichen Missionarien, Griechen und
Lateiner, haben alles, was sie uns von den heidnischen Slawen gemeldet,
verunstaltet. So beschuldigten die griechischen Mönche eben so wie die la-
teinischen die Cechen, Dulebier und Drewlier in Wolynien u. Polesien der
chelosen Wildheit, weil sie die Sitte der Vielweiberei, die dort herrschte,
als eine regellose Ehe ansahen.
4^;^,A,Ju Cef fTTc^^ Or^
lind starki^lioriri;;^ mit hloiidcMi llaaroii; liorlliclikoit uliiio
Tücke und Bosheit, Mar ein llauptzn^ in ihrem Charak-
ter; nach den zwei andern liebten sie die Freiheit so
sehr, dass sie auf keine Weise zur Dienstbarkeit oder
zum Gehorsam gebracht werden konnten, waren vor-
züglich tapfer, und konnten Beschwerlichkeiten, Hitze
und Kälte, Blosse und Mangel leicht ertragen; gegen
Fremde ungemein gütig und gastfrei, behielten sie ihre
Gefangenen nie in Knechtschaft, sondern entliessen sie
nach einer gewissen Zeit; sie lebten vorzüglich von der
Viehzucht und vom Ackerbau; die Weiber waren den
Männern ausserordentlich treu, oft starben sie freiwillig
bei ihrem Tode; ihre W' äffen waren Wurfspiesse, Schil-
de, Bogen und Pfeile. Im Krieg hatten sie nicht nur
Fussvolk, wie Prokop berichtet, sondern auch Reiterei,
wie Constantinus Porph. P. IL c. 31. ausdrücklich bezeugt.
Ausser den von Prokop genannten Waffen führten sie
auch das Schwert und die Schleuder Qprak) mit. Dass
unter ihnen von jeher ein Unterschied der Classen statt
gefunden habe, folglich der Stand der Edlen (Knjaz,
hojar, zupan, pan, sleclitic) dem der freien Männer
{(howjek, Ijudt) entgegengesetzt war, abgesehen von
der Knechtschaft der Unterworfenen oder Unfreien {roh.
rab), leidet wol keinen Zweifel. Eben so ist es klar,
dass sie durch Gesetze, deren Spuren selbst Jaroslaws
Rechtsbuch oder die sogenannte Prmvda ruska enthal-
ten mag, wenn es gleich schwer, ja unmöglich seyn
möchte, sie einzeln nachzuweisen, regirt wurden, wie
diess die Geschichtschreiber des VI. — XII. Jahrb. aus-
drücklich und einstimmig behaupten. Selbst die Namen
der Städte {grad von graditi umzäunen), als Siargrad
Aldenbnrg (Oldenburg), Nowgorod, Notvjetunum, Kiew,
Vineta^), Arkona, Sniolensk, Gernigow, Pskow, Izborsk
u. m. a. weisen auf eine bedeutende Stufe der Civili-
sation hin. Viele interessante Nachrichten über ihr häus-
liches Leben, ihre Wohnungen. Nahrung, Bekleidung.
*) Die Existenz dtT Stadt Vineta auf der Insel Wolin, die Herder
das slaw. Amsterdam nennt, wollten Rumohr 1816, imd Lewezovj 182o
zweifelhaft machen. Helmold, meinen sie, schreibt sie durch Irrthnm für
Jitmne d. i. Jidin.
16
Gebräuclie und Sitten, finden sich bei den alten Chro-
nisten zerstreut , die zuerst Anton, hierauf die Hrn.
Karanizin und Rakowiecki vollständig gesammelt und
zusaininengestellt haben.
Demnach war Tapferkeit mit Friedensliebe verei-
nigt ein hervorstechender Zug in ihrem Charakter, und
Herder schildert sie eben so schön als treffend, wenn
er sagt: „Trotz ihrer Thaten waren die Slawen nie ein
unternehmendes Kriegs- und Abenteuervolk wie die Teut-
schen; vielmehr rückten sie diesen stille nach, und be-
setzten ihre leergelassenen Plätze und Länder. Allent-
halben liessen sie sich nieder, um das von andern Völ-
kern verlassene Land zu besitzen, es als Colonisten, als
Hirten, als Ackerleute zu bauen und zu mitzen ; mit-
hin war nach allen vorhergegangenen Verheerungen, Durcli-
und Auszügen ihre geräusclilose, fleissige Gegenwart den
Ländern erspriesslich. Sie liebten die Landwirthschaft,
ehien Vorratii von Heerden und Getraide, auch man-
cherlei häusliche Künste , und eröffneten allenthalben
mit den Erzeugnissen ihres Landes und Fleisses einen
nützlichen Handel. Längs der Ostsee von Lübeck an hat-
ten sie Seestädte erbauet, unter welchen Vineta auf der
Insel Rügen (richtiger Wolin) das slaw. Amsterdam war;
so pflogen sie auch mit den Preussen, Kuren u. Letten
Gemeinsciiaft, wie die Sprache dieser Völker zeigt. Am
Dnieper hatten sie Kiew, am Wolchovv Nowgorod ge-
bauet, welche bald blühende Handelsstädte wurden,
indem sie das schwarze Meer mit der Ostsee vereinig-
ten, und die Producte der Morgenwelt dem nord- und
westliclien Europa zuführten. In Teutschland trieben
sie den Bergbau, verslanden das Schmelzen und Giessen
der Metalle, bereiteten das Salz, verfertigten Leinwand,
braueten Metii, pflanzten Fruchtbäume, cnid ftilu-ten nach
ihrer Art ein fröhliches musikalisches Leben. Sie waren
mildthätig, bis zur Verschwendung gastfrei; Liebhaber
der ländlichen Freiheit, aber unterwürfig und gehorsam,
des Rauhens und Plüiidcrns Feinde.'' Indess halfen den
Slawen ihre Friedensliebe, ihr stilles häusliches Leben
nicht gegen die Unterdrückung von aussen; sie waren
es vielmehr, welche sie derselben am meisten ausgesetzt.
17
Danini sagt auch Herder weiter: ,,Da sie sich nie um
die Oberherrschaft der Welt bewarben, keine kriegs-
süchtigen erblichen Fürsten unter sich hatten, und lie-
ber steuerpflichtig wurden, wenn sie ihr Land nur mit
Ruhe bewohnen konnten; so haben sich mehrere Na-'^^-^^"'"
tnnieii, am meisten aber die vom teutschen Stamme, '
an ihnen hart versündigt. Schon unter Karl dem Gros-
sen gingen jene Unlerdrückungskriege an, die ofi'enbar
Handelsvortheile zur Ursache hatten, ob sie gleich die
christliche Religion zum Vorwande gebrauchten ; denn
den heldenmässigen Franken musste es freilich bequem
seyn, eine fleissige, den Landbau und Handel treibende
Nation als Knechte zu behandeln , statt selbst diese
Künste zu lernen und zu treiben. Was die Franken an-
gefangen hatten, vollführten die jachsen ; in ganzen Pro-
vinzen w^urden die Slawen ausgerottet oder zu Leibei-
genen gemacht, und ihre Ländereien unter Bischöfe und
Edelleute vertheilt. Ihren Handel auf der Ostsee zer-
störten nordische Germanen : ihr Vineta nahm durch
die Dänen ein trauriges Ende, und ihre Reste in Teutsch-
land sind dem ähnlich, was die Spanier aus den Peru-
anern machten. Unglücklich ist das Volk dadurch wor-
den, dass es bei seiner Liebe zur Ruhe und zum häus-
lichen Fleiss sich keine dauernde Kriegsverfassung ge-
ben konnte, ob es ihm wol an Tapferkeit in einem
hitzigen Widerstand nicht gefehlt hat. Unglücklich, dass
seine Lage unter den Erdvölkern es auf einer Seite den
Teutschen so nahe brachte, und auf der andern seinen
Rücken allen Anfällen östlicher Tataren frei liess, unter
welchen, sogar unter den Mongolen, es viel gelitten,
viel geduldet."^)
Sprachüberreste aus der ältesten Periode der Slaw^en
sind w^ol, emzehfe bei ausländischen Schriftstellern zer-
streute Wörter , meistens Eigennamen , ausgenommen,
keine übrig ^). Eben darum ist das Urtheil über die
Beschaffieidieit der damaligen Mundarten sehr schwer;
*) J. G. Herder Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit,
Higa u. Lpz. 791. lY. Bd. Sechsz. R. lY. Slawische Völker. «) Eine Samm-
lung und kritische Beleuchtung der ältesten slaw. Wörter findet man bei
I>urich bibl. slav. p. 114—184, 211-258.
18
clocli liegt es am Tage, dass ein so weit ausgebreiteter
Volksslainiii bereits im grauesten Alterthume mehrere
Dialekte gesprochen habe. Die ganz nahen zwei Stäm-
me, die Prokop nnd andere Griechen besser kannten,
und mit den Namen Slawinen und Anten belegten '),
mögen zwar damals ^üllig einerlei Sprache geredet ha-
ben, allein diess lässt sich von entfernten Stämmen,
z. B. dem Lechischen an der Weichsel, oder dem Cechi-
schen an der Moldau in Böhmen nicht behaupten. Es ist
wahrsclieinlicii, dass die Slawen eine Buchstabenschrift
aus Indien iin'tgebraclit haben; aber die Schriftkunde,
die, wie natürlich, nur wenige besessen haben mögen,
musste wol durch die ewige Wanderschaft unter so
vielen Stämmen der Slawen bald verloren gehen, und
es ist ungewiss, ob von diesem Uralphabet etwas auf das
kyrillische übergegangen sey, oder niciits. Dass die ur-
alten Gesänge, die erst in der neuesten Zeit bei den
Böhmen und Russen glücklich entdeckt, und bei den
Serben gesammelt worden sind, durch ilu-e Originalität
und Gediegenheit auf eine viel frühere geistige Bildung
der Nation hinweisen, als man gewöhnlich bis jetzt an-
zunehmen sich für berechtigt hielt, das ftdlt wol jedem
in die Augen, der diese Denkmale, deren viele ihrer
Abfassung nach in die heidnische Periode gehören, und
die wir an einem andern Ort ausführlicher beschreiben
werden, näher kennen lernte. Denn sowol diese kost-
baren Ueberreste der Poesie, als auch der Umstand, dass
die Sprache der kyrillischen Bibelübersetzung schon das
Gepräge einer niciit geringen Vervollkommnung und ei-
nes grossen Wortreichthums trägt, deuten auf eine Pe-
riode hin , zu deren Vorbereitung Jahrhunderte erfor-
derlich seyn dürften. Wie weit sich aber diese Sprach-
und Geistesbildung erstreckte, das zu erforschen bleibt
^) Prokop wnsste von der Sprache der Slawinen und Anten nicht
anderes zu sagen, als dass sie sehr l)arharisch (aTf;i;i/ö}? ßccgßagog) wäre.
Damit wollte er eben nicht sagen, die slaw. Sprache sey nicht so gebildet,
biegsam und wohlklingend, als die griechische, sondern sie sey den Grie-
chen unverständlich. Denn die Griechen nannten wol alles , was nicht
griechisch war, barbarisch, etwa so, wie die Slawen alle fremde Völker
Cud, Wlach, Niem, im Gegenstatz der Slowane, Völker von einerlei S^n-a-
che (slowo). Mit dem Worte Cud bezeichneten sie Völker finnischer, mit
Wlach gallischer und italischer, mit Niem aber besonders teutscher Abkunft.
19
n anderer vaterländischeii Gelehrten i
heinigestellt. *^j
den Bemühungen anderer vaterländisehen Gelehrten an-
§. X
Slawischer Volksstamm im dritten Jahrzehend des XIX.
Jahrhunderts.
Etwa um die Mitte des Vll. Jaiirh., mit dem .1. 679,
hörten die Wanderungen der Slawen auf, und vielleicht
mn dieselbe Zeit, oder auch schon fridier, wurde der
erste Versuch gemacht, die Slawen zum Christenthum
zu bekehren. Dieser Versuch gelang zwar zu Anfange
des IX. Jahrb., sowol im Süden als im Westen voll-
kommen, aber nicht ohne grosse Veränderungen im In-
nern der Stämme selbst. Die zwei grossen slawischen
Reiche Gross-Kroatien und Gross-Serbien, beide im Nor-
den der Rarpaten, verschwanden schon zu Anfange des
VI. Jahrb., zum Theil von den Franken, zum Theil von
den Gothen und Awaren unterjocht. Eben so wurden
die mit dem Namen der Wenden von den Ausländern
bezeichneten Slawen, die im~VI. Jahrb. in die von den
Gothen und Sueven verlassenen Wohnsitze an der Elbe
einrückten, und hier unter den Namen der Pomeranier,
Luititzen, Wilzen, Weletaben, Obotriten, Sorben u. s.
w- wohnten, nach einem grausamen Vertilgungskriege
von den Franken und Sachsen bezwungen, und entwe-
der ausgerottet, oder germanisirt. Ihre Sprache erlosch
schon im ^V. Jahrhundert. Die übrigen nordteutschen
Wenden wurden im X. Jahrb. von Teutschlands Königen ^,, ,'
aus dem sächsischen Stamme bis über die Elbe gedrängt, *^j^^7^'
und die Markgrafschaften Meissen, Lausitz und Brändein- ''
^
'&
-^
^) Ausser den schon angeführten Schriften von Kayssaron\ Durich,
Potocki, Dobrou'sky \\. s. w. vgl. K. G. Antons erste Linien eines Ver-
suchs über der alten Slawen Ursprung, Sitten , Meinungen u. Kenntnisse,
Lpz. 783—89. 2. Thle. 8. Karamzin istorija ross. gosudarstwa, Ir Bd,
und ganz vorzüglich /. B. BakonAecki prawda ruska, czyli prawa W. X.
Jaroslawa AVladymiro-wicza , Warsch. 820 — 22. 2 Bd. 4. 'ein Hauptwerk,
dessen Ir Bd. ganz der Einleit. gewidmet ist, und das Beste über die Ge-
bräuche, Sitten, Religion, Rechte und Sprache der alten slawischen Na-
tionen efithält. W. Stiroiviecki Äledzenie poCzatku narodow sl'owianskich,
Warsch. 824.
2*
20
bürg errichtet. Dagegen erhielten sicli die Cechen in
Bölunen seit dem VI. Jahrh., und bildeten lange unter
eingcbornen Fürsten ein Königreich. Diejenigen Sla-
wen, die sich in Steiermark, Kärnten und Krain nie-
derliessen, unterjochte schon Karl der Grosse, und so-
wol er als auch spätere Kaiser gründeten hier teutsche
Markgrafschaften. Swatopluks grosses mährisches Reich
zerstörte der teutsche Kg. Arnulph und die Magyaren
am Ende des IX. Jahrh. Die südlich der Donau von den
aus Gross-Kroatien und Gross-Serbien eingewanderten
Slawen gestifteten Königreiche Kroatien , Slawonien,
Dalmatien, Serbien, Bosnien und Bulgarien, durchliefen
im steten Wechsel des Glücks und beständigen Kampf
mit den Griechen , Ungern , Venetianern und Türken
eine Periode von 3 — 800 .Jahren, bis sie zuletzt zum
Theil an das Haus Oesterreich, zum Tlieil an die Türken
verfielen. Langsam entwickelten sich Polen und Russ-
land zu selbstständigen Staaten, und letzteres schwang
sich binnen einer kurzen Zeit zu einer Höhe empor,
die Bewunderung erregt. Die Zeit, die alles ändert,
hat also auch diesen grossen, über halb Europa und
ein Drittheil von Asien ausgebreiteten Völkerstamm bin-
nen einem Jahrtausend beinahe bis zur Unkenntlichkeit
verändert. Es ist aber dem Forscher des Slawenthums
unumgänglicii noth wendig, sich mit dem gegenwärtigen
Bestand der Stämme, bevor er das Gebiet des geistigen
Anbaues eines jeden betritt, in geo- und ethnographi-
scher Hinsicht bekannt zu machen. Es ist natürlich, dass
das Merkmal, wornach der Unterschied und die Anzahl
der Stämme bestimmt wird, nicht nur die geographische
Lage allein, sondern ganz vorzüglich die grössere oder
geringere Verwandtschaft der einzelnen Zweige unter-
einander ist. Diese aber wird wiederum nicht sowol
auf dem Weg der Ti^adition und Geschichte über die
Abstammung, indem letztere oft schweigt, crstere aber
irre führt, als vielmehr durch philologische Erforschung
und Vcrgleichuiig der Mundarten ftcr bestehenden Stäm-
me gefunden , Avornach nicht sowol diejenigen , die
entweder ehedem nel)en einander gewohnt haben, oder
noch jetzt wohnen, eben darum auch der Abstamminig
21
Dach einander am nächsten verwandt sind, sondern viel-
mehr diejenigen, deren Sprechart und Sitten mehr mit
einander übereinstimmen. Noch sind die ßewoliner Knss-
lands, Polens, Galiziens, Böhmens, Schlesiens, der bei-
den Lausitzen, Mährens, des nördlichen T'ngern, Sla-
woniens, Kroatiens, Unter - Steiermarks, Unter - Kärn-
tens, Krains, Dalmatiens , Bosniens, Serbiens, Bulga-
riens u. s. w. entweder ganz oder zum Theil Slawen, und
noch sprechen die von den östlichen Ländern am adria-
tischen Meere bis zu den Ufern des nördlichen Eismeers,
und von der schwarzen Elster an dem rechten Eibufer
bis zu den Inseln des russischen Nordarchipels an der
Westküste von Amerika wohnenden 20 — 30 slawischen
Völker und Völklein insgesammt slawisch; aber der
Unterschied eines Böhmen und eines Russen, eines Po-
len und eines Serben, ist der Abstammung und Spra-
che nach nicht minder gross, als der geographisciien
Lage, der Landeshoheit und der Religion nach. ^}
') Die ältesten Geschichtschreiber , die der Slawen erwähnen , un-
terscheiden bereits mehrere Stämme, und führen sie unter verschiedenen
Namen auf. So kennt Prokop im VI. Jahrh. die Slawineu^ u. Anten. Später
herab werden immer melirere genannt, und so wie sicH ihre Zahl vermehrt,
wird auch ihre Unterscheidung und Bestimmung schwieriger. Naniens-Ver-
wandtschaften reichen nicht aus, sonst müssten die Serben in Serbien und
die Sorben in der Lausitz die nächsten Stammverwandten seyn, was sich
nicht erweisen lässt. Die gegenwärtigen Wohnsitze führen gleichfalls zu
keiner Bestimmung; denn so wären die Polen und Russen näher mit ein-
ander verwandt, als die Russen und Serben, dem nicht also ist. Wenn
man bedenkt, dass schon im ^^11^ Jahrh. Kroaten und Serben, die in die
entvölkerten Provinzen des byzantischen Reichs über die Donau wanderten,
»als zwei Stämme von einander genau unterschieden werden, so darf man
die nördlichen Serben in Meissen und in der Lausitz, als Nachbarn und
nächste Geschlechtsverwandte der Cechen, mit den südlichen Serben nicht
vermengen. Man darf diese, wenn sie gleich ehedem auch i©_Hß.r.d.en_ an
dy}_Kar£aten_ Sassen^ nicht von jenen unmittelbar ableiten. Sie konnten
sich auch damals nur mittelbar berühren, weil zwischen ihnen noch andere,
nämlich die lechischen Stämme lagen. Die Kroaten imd Serben trennten
sich zwar schon im VU. Jahrh. von den Slawen, die in Roth- und Klein-
Russland zurückgeblieben sind, und auf die erst später der Name Russe
übergegangen ist; aber ungeachtet dieser langen Trennung von beinahe
1200 Jahren sind sie mit den Russen der Abstammung nach näher ver-
wandt, weil sie beide zur einen Ordnung gehören, als die Lechen oder Polen,
die ihrer Sprache nach nicht dahin gehören können. Auf diese Art können
also die südlichen Serben nicht von den Sorben in der Lausitz, weil diese
mit dem lechischen Stamme viel näher verwandt sind, abstammen, unge-
achtet sie einerlei Namen führen. Noch weniger können die Serben, yne
einige meinten, aus Böhmen^ nadr_Serbien eingewandert seyn, wenn auch
Constantinus PorphTnlcEt ausdrücklich sagte, dass sie ehedem im Norden
über Ungern hinaus gewohnt haben, weil diess gegen die Sprachverwandt-
22
Unverkennbar reihen sich alle slawische Völker-
schaften nach gewissen constanten Merkifjalen der Spra-
che, die auf eine früiiere geographische Verbindung die-
ser Stäiniiie hindeuten, an zwei Ordnungen an, welche
Adelung unter der willkührlicTieiii' und zweideutigen Be-
nennung Aiitischer und Slawischer^ die Hrn. Dobrowsky
und Kopitar aber unter dein richtigem Ciassennamen
südöstlicher und nordöstlicher Hmiptast aufFühren. Zur
ersten Ordnung gehören als Zweige die Russen u. Russ-
niakeu , die Bulgaren, Serben, Bosnier, Dalmatiner,
Slawonier , Kroaten und W inden in Krain , Kärnten,
Steiermark und dem westlichen Ungern; zur zweiten
aber die Böhmen, Mährer, Slowaken, Sorben-Wenden
in der Lausitz, und die Polen samnit den Schlesiern.
A.) Südöstlicher Hauptast.
Zweige.
I. Russischer Stamm.
1. Russeji. Die Russen bilden die Hauptmasse der
Bevölkerung des europäischen Russlands, und nehmen
das ganze mittlere Russland, die Binnenprovinzen zwi-
schen Ilmen- und Belozerosee, an der Düna, Wolga,
Moskwa und Okka, und die Gouvernements am Don ein,
sind aber ausserdem durch das ganze Reich, auch den
asiatischen Theil desselben, zerstreut, und unter den
übrigen Völkerschaften ansässig. Dass diese Masse von
etwa 32 Mill. Menschen ein Aggregat mehrerer Stämme
und Stammfragmente sey, ist leicht zu errathen, und die
Geschichte bestätigt es ; wenn gleich eine genetische De-
schaft ist. Eben so können die heutigen Böhmen od. Cecheu nicht eine
Colonie und Abkömmlinge der Kroaten seyn, wie es dem böhm. Meister-
sänger Dalimil, Weleslawin, Jordan und 'Papanek schien, so wenig die
Kroaten von Böhmen abstammen können, wie ahttere behauptet haben, weil
sie nicht zu einer, sondern zu zwei Sprachordnungen, der Kroate zur er-
sten, der Böhme zur zweiten gehören. Die Einwendungen Engels u. a. da-
gegen sind unerheblich und schon längst widerlegt worden. Wol aber sind
die Gränzen der dermaligen Wohnsitze der Stämme, ja bei einigen, na-
mentlich den Kroaten u. Russniaken, auch jene der Sprache, so in einan-
der verschoben, dass man auf eine erschöpfende Classification Verzicht lei-
sten, und sich mit einer Approximation zufrieden stellen muss. S. Do-
browshjs Lehrgebäude der böhm. Sprache, Prag 809. 8. S. VI — VII. Eb.
Gesch. d. böhm. Liter. S. 31. 34. und vgl. §. f. Anm. 2.
23
dnction der einzelnen Beslandlheile besonders schwer
seyn dürfte. Die Kosaken in den Stattludlerscliaften von
Klein-Russland am Bog, dem untern Dniepr, am untern
Don, am schwarzen und asowsclien Meer u. s. w., sind
zum Theil Abköiniidinge der Russen, also geborne Sla-
wen, zum Theil aber der Sprache und Religion nach rus-
sische Cerkasscn und Tataren. Die Letten in Kurland,
und die Litauer in Wilna, Grodno , Bialystok mit let-
tischer Sprache, sind, wenn gleicli manclie, z. B. Ilasse,
sie für einen unkenntlich gewordenen Zweig des Slawi-
schen erklären, richtiger mit Gatterer und Dobrowsky,
entweder für einen eigenen, oder einen finnisch-scythi-'^"
scheu Yolksstamm ziT^Tialfen. Audi die serbischen Co-
lonien in Ekaterinoslaw haben sich bereits russisirt. Die
Russen sind insgesammt dem griechischen Ritus zugethan.
2. Russniaken (Ruf/ieneii, Kletn-Rnsseji). In Klein-
Russland, Polen, Galizien, Bukowina, ferner im nord-
östlichen Ungern, gegen 3 iMill., alle morgenländischen
Ritus, und zwar zum Theil Griechisch-Katholische (ins-
gemein Unirte genannt), zum Theil Nicht-Ünirte.
II. Serbischer Stamm. Hieher zählen wir die Bul-
garen, Serben, Bosnier, xMontenegriner, Slawonier und
Dalmatiner. ^J
1. Bulgaren, in dem ehemaligen Kgrch. Bulgarien, y
jetzt türkischer Provinz Sofia- Wilajeti, zwischen der Do- j^jy
nau, dem schwarzen Meer, dem Balkangebirge und Ser-
bien. Die hier ansässigen slawischen Stämme haben sich
mit den angeblich von der Wolga 679 eingewanderten
Bulgaren in Sprache und Sitten amalgamirt. Ihre Zahl
mag sich auf 600,000 belaufen, wovon bei weitem der
grössere Theil griechischen Ritus, und nur ein kleiner
Theil katholisch ist.
-) Diese Slawen werden, mit Ausschluss der Bulgaren, gewöhnlicli
Illyrier genannt. Allein die Namen: Illyrier , Illyrien, sind durch Ge-
hrauch und Missbi-auch so vieldeutig geworden, dass es unmöglich ist, ei-
nen bestimmten Sinn mit denselben zu verbinden, wesshalb ich mich ihrer
lieber gänzlich enthalten habe. Die alten Illyrier, ein stammverwandtes
Volk der Thracier, deren Abkömmlinge die heutigen Albaneser sind, wa-
ren ohnehin keine Slawen. Sonst werden bald die Dalmatiner und Slawo-
nier , bald diese und die Serben, bald aber und vorzüglich seit der Bil-
dung des neuen Kngrchs. Illyrien, alle südliche Slawen, selbst die Kroa-
ten uud Slowenzen nicht ausgenommen, so genannt.
i
24
2. Serben. Diese hatten ursprünglich das Kgrch,
Serbien, jetzt türkische Provinz Serf-Wilajeti, zu bei-
den Seiten der Morawa, zwischen dein Tiiiiok, der Drina,
dem Häinus, der Sawe und der Donau , inne ; sind
aber schon sehr früh, und vorzüglich zu Ende des XVII.
Jahrb., in grosser Anzahl nach dem östreichischen Sla-
wonien und Südungern ausgewandert. Räczen werden
sie von den Ausländern genannt, weil ein Theil dersel-
ben an dem Flusse Raska sitzt, der ehemals das Land in
Serbien und Rascien theilte. Das türkische Serf-Wilajeti
zählt gegen 800,000, Ungern, mit Ausschluss von Sla-
wonien, 350,000, also beides 1,150,000 Serben. Sie
bekennen sich sämmtlich zur griechischen Kirche.
3. Bosnier. Sie bewohnen das Land zwischen der
Drina, Verbas, Sawe, Dalmatien und der Fortsetzung
des Hämus. An der Zahl ungefehr 350,000 christlicher
Oüu crc Religion sowol nach dem abendländischen, als nach dem
c^x«.tA/ niorgeuländischen Ritus. Gar viele derselben sind nach
^-irpcnri und nach zum Islam übergegangen, behielten jedoch bis
auf die neuesten Zeiten ihre slawoserbische Sprache.
o/vv - 4. Montenegriner (Crnogorci). So heissen die sla-
(-(fcnru^ wischen Bewohner des Gebirges Montenegro in der tür-
lüc^ kischen Provinz Albanien, welches sich von der Seeküste
mrr ' bei Antivari an gegen Bosnien hin erstreckt. Von den
Türken nie ganz bezwungen, sind sie auch heut zu Tage
noch ein freies Volk unter einem Bischof, ungefehr
60,000 an der Zahl (nach Sommieres 1812 nur 53,168),
ohne Ausnahme Christen nach dem morgenländiscli. Ritus.
5. Slawonier. Die Bewohner des Kgrclis. Slawonien,
sowol des Provincial- als des iMilitär-Gebiets, welches
an Kroatien, und mittelst der Drawe, der Donau und
der Sawe an Ungern, Serbien und Bosnien gränzt, und
zu welchem auch das Hgthm. Sirmicn zwischen der Bos-
sut, der Donau und der Sawe, als Theil desselben, ge-
hört, gegen ^ Mill., bekennen sich zum Theil zum la-
teinischen (253,000) , zum Theil zum griechischen
(247,000) Ritus.
6. Dalmatiner. Längs dem adriatisclicn Meere,
zwischen Kroatien, Bosnien und Albanien, in den vier
Kreisen des Kgrchs. Dalmatien : Zara, Spalatro, Ragusa,
syn
25
Cattaro, gegen 300,000, mit den unter der ßothmüssigkeit
der Türken stellenden 80,000 Dalmatinern in der Land-
scliaft Herzegowina, 380,000, wovon ungefehr 70,000
griecliischen, die übrigen aber lateinischen Ritus sind.
III. Kroatischer Stiunm. Das jetzige, von dem al-
ten Kroatien des Constantinus Porpli. verschiedene,
Kngrch. Kroatien, zwischen Steiermark, Ungern, Sla-
wonien, Bosnien, Dalmatien und dem adriatischen Meer,
enthält in dem Provincial- und Militär-Gebiet , (den
kleinen türkischen Antheil im Sandschak Banjaluka mit
30,000 £., und die Colonien in Ungern mitgerechnet),
ungefehr 730,000 slawische Einwohner. Hievon sind
174,000 griechischen, die übrigen lateinischen Ritus.
IV. Windischer Stamm (Slotvenzen'). Die in den,
ehemals unter dem Namen Inneröstreich begriffeneu,
Herzogthümern Steiermark, Kärnten und Krain, wovon
letztere jetzt das Kgrch. Illyrien bilden, ferner im west-
lichen Ungern an der Mur und Rab wohnenden Slawen,
werden im Inland Slotverizi, im Auslande Winden ge-
nannt. Ungefehr 800,000, sind sie, bis auf einige we-
nige Protestanten in Ungern, sämmtlich der katholischen
Religion zugethan.
B.) Nordwestlicher Hauptast.
Zweige.
I. Böhmischer Stamm.
1. Böhmen (^Cechowe), 2. Mähr er. Das zwischen
Sachsen, Schlesien, Ungern, Oesterreich und Baiern lie-
gende Kgrch. Böhmen und die Markgrafschaft Mähren
zählen ungefehr 3,700,000 slawische Einwohner, wovon
2 ^Mill. auf Böhmen, und 1,200,000 auf Mähren kom-
men. Ausser 100,000 Protestanten sowol H. als A. C,
sind sie insgesammt katholisch.
IL Slowakischer Stamm. Die Slowaken besetzen das
nördliche Ungern^ und zwar die Gespannschaften Tren-
cin , Turotz , Arva , Liptau und Sohl ganz , Neitra,
Zips , Säros , Bars, Zemplin, Gömör und Hont aber
der grössern Hälfte nach, ausserdem durch das ganze
Land zerstreut, mit vielen Abweichungen in der Mund-
26
art. llire Anzahl belauft
iiiigefeiir l- katholisch, und
III. Polnischer Stamm
Polen, in den 1772, 1793
leibten Provinzen, in den
sich auf 1,800,000, wovon
.j protestantisch ist.
, In dem eigentlichen Kgrch.
und 1795 Russland einver-
preussischen Herzoirthümern
Posen und Schlesien, in dem österreichischen Kgrch. Ga-
lizien und in dem Freistaat Krakau, in allem etwa
10,000,000. Eine kleine Anzahl, etwa | Mill. Prote-
stanten ausgenommen, der Masse nach kalhol. Religion.
IV. Sorben-Wendischer Stamm, Ueberreste der al-
ten Soraben und anderer slawischen Stämme in den
preussisch-sächsischen Markgrafthümern Ober- und Nic-
der-Lausitz, stellenweise auch in Brandenburg. Unge-
fehr 200,000 Protestanten und Katholiken. ^)
^) Es wird nicht uuzweckmässig seyn, die sännntlicheii Zweige in
dreifacher Hinsicht, als Stammverwandte und Landsassen, als Unterthauen
und als Religionsverwandte unter eine allgemeine TJebersicht zu bringen.
I. Die Slawen als Stammverwandte und Landsassen.
A) Südöstlicher Hawptast, B.) NordivestUcher Hauptast.
1. Russischer Stamm: I. Böhmischer Stamm:
1) Russen 32,000,00 1) Böhmen 2,500,000
2) Russniaken 3,000,00 2) Mährer 1,200,000
Summa 35,000,000 Summa 3,700,000
n. Serbischer Stamm :
1.) Bulgaren 600,000
2.) Serben 11. Slowakischer Stamm:
a.) in Ungern .... 350,000 Slowaken 1,800,000
b.) in der Türkei . . 800,000
3.) Bosnier 350,000
4.) Montenegriner . . . 60,000 III. Polnischer Stamm:
5.) Slavonier 500,000 Polen:
6.) Dalmatiner: a) im Kgrch. Polen . 3,500,000
a) in Oesterr. Dalm. . 300,000 b) in den russ. Gou-
b) in der Türkei . . 80,000 vernements .... 1,500,000
c) in Galizien und
Summa 3,040,000 Oester. Schlesien . 3,000,000
m. Kroatischer Stamm: d) in Preussen . . . 1,900,000
Kroaten: e) in Krakau .... 100,000
a) in Oesterr. Kroatien
und westl. Ungern 700,000 Summa 10,000,000
b) in der Türkei . . . 30,000
Summa 730,000 ly. Sorben-Wendischer Stamm:
IV. Windischer Stamm: Sorben-Wenden .... 200,000
Winden: '
a) in Steyermark . . . 300,000
b) in Kärnthen .... 100,000 ^ . i , , ,
c) in Krain 350,000 Gesammtzahl der slaw.
d) in Ungern . • ■ • ■ 50,000 ^rdbewohner^^^Europa^^^^^^^^^
Summa 800,000
27
§• 4.
Slawischer Sprachstamm zu Anfange des XIX. Jahrhunderts.
So wie ein jedes grössere Volk aus mehreren einzel-
nen, durch das Band gemeinschaftlicher Abstammung
verbundenen Geschlechtern besteht, eben so ist auch
die Sprache desselben als das Aggregat von verschiede-
neu Sprecharten zu betrachten. Dass demnach auch die
Sprache der Slawen, eines so weit verbreiteten Volks,
nothwendig in mehrere Mundarten gespalten seyn muss,
leuchtet Jedermann ein. Al5eF~iiicht so leicht ist es, die
Anzahl dieser verschiedenen Mundarten zu bestimmen,
und sie auf eine gomeinschaftliche Quelle zurückzufüh-
ren. Die älteste, und trotz der durch unsern hocliver-
dienten Sprachforscher, Hrn. Abbe Dobrowsky, begrün-
deten besseren Ansicht, auch heut zu Tage noch hie und
da herrschende Meinung ist die, dass wol alle jetzigen
Mundarten der slawischen Sprache Töchter einer einzi-
gen ürstamm - Mutter , einer slawoslaw ischen Matrix
seyn mögen; und dass diese diejenige unter den Slawi-
nen seyn müsse, welche unter allen die ältesten Denk-
male der Ausbildung und des Anbaues aufzuweisen habe.
II. Die Slawen als Unterthanen.
I. Ritssland:
1) Russen 32,000,000
2) Russniaken in Kleiu-
Russland u. Polen . 2,260,000
3) Polen:
a) im Kgrch. Polen . 3,500,000
b) in den russischen
Gouvernements ._ 1,500,000
Summa 397260^000
n. Oesterreich :
1) Böhmen u. Mährer . 3,700,000
2) Slowaken 1,800,000
3) Polen in Galizien u.
Schlesien 3,000,000
4) Russniaken in Gali-
zien u. Ungern . . 740,000
5) Serben.
a) in Ungern .... '350,000
b) Slawonier .... 500,000
c) Dalmatiner . . . 300,000
6) Kroaten 700,000
7) Winden 800,000
Summa 11,890,000
III. Preussen :
1) Polen in Posen, Schle-
sien und Preussen .
2) Sorben-Wenden . .
Summa 2,050,000
1,900,000
150,000
IV. Türkei :
1) Bulgaren 600,000
2) Serben 800,000
3) Bosnier 350,000
4) Dalmatiner .... 80,000
5) Kroaten .... . . 30,000
Summa 1,860,000
V. Montenegro 60,000
VI. Sachsen:
Sorben-Wenden .... 50,000
VII. Krakau :
Polen 100,000
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no,.
~r ifr
28
Nun ist es wol wahr, dass diese unter allen Slawinen
am frühesten cultivirte Sprache, deren Ueberreste wir
besitzen, keine andere sey, als diejenige, deren sich Ky-
rillus und Methodius im IX. Jahrli. bei ihren Ueber-
setzungen bedienten, und die noch bis auf den heutigen
Tag, freilich nicht ohne grosse Veränderungen, in den
Kirchenbücliern der Slawen des griechischen Ritus vor-
handen ist. Auch mag es erweisbar seyn, dass sie zu
jener Zeit bei den an der Donau wohnenden Slawen,
etwa den Bulgaren, oder Serben, oder Slowenzen, oder
Slowaken, oder Mährern, denn für alle sind Gründe da,
als eine lebende Sprache im Gebrauche war. Allein es
wäre sehr übereilt, wenn man hieraus schliessen wollte.
IM. Die Slawen als Religionsverwandte.
I. Ch-iechischgläubige. Translatum 34,725,000
1) Russen u. Russ- c) Bosnier 250,000
niaken 33,000,000 d) Montenegriner . . 60,000
2) Serben : e) Slawonier .... 247,000
a) Bulgaren .... 575,000 0 Dalmatiner . . . 70,000
b) Serben in Serbien 3) Kroaten (Serben in
und Ungarn . . 1,150,000 Kroatien) . . . . 174,00o
Latus 34,725,000 Summa 35,526,000
II. Römisch - Katholische und Unirte Slawen.
1) Böhmen u. Mährer 3,600,000 Translatum 16,525,000
2) Slowaken 1,300,000 7) Slawonier 253,000
3) Polen 9,5C0,000 8) Dalmatiner .... 310,000
4) Russniaken .... 2,000,000 9) Kroaten 556,000
5) Bulgaren 25.000 10) Winden 785,000
6) Bosnier .... ._. 100^00'< 11) Sorben-Wenden . . 50,000
Latus 16,525,000 Summa 18,479,000
III. Protestanten.
Augsb. und Helvet. Conf. Translatum 1,100,000
1) Böhmen 60,000 5) Sorben-Wenden . . 150,000
2) Mährer 40,000 6) Winden in Ungern
3) Slowaken 500,000 (Slowenci) . . . . . 15,000
4) Polen .^ 500,000 Summa i;265r0OO
Latus 1,100,000
Ausser den hier genannten Stämmen mögen noch einzelne Ueberreste
und Colonien der Slawen in Teutschland, Siebenbürgen, der Moldau und
Walachei und weiter hinein in der Türkei leben ; allein ihre ohnehin
geringe Anzahl ist theils nicht leicht auszumitteln, thcils gehört ihr De-
tail nicht in diese Uebersicht. Dass übrigens bei allen diesen Angaben nur
eine der Wahrheit so viel als möglich nahe kommende Rundzahl angenom-
men worden ist, bedarf kaum der Erinnerung. Genauere Angaben gehö-
ren in die Statistik ; uns sind Zahlen nur Nebensache.
29
dass sie in diesem Jalirli., oder auch ein paar Jalirli. frü-
her, die allgemeine Sprache des ganzen slawischen Völ-
kerstamms gewesen sey. Demi auch zugegeben, was
zw^ar nnwahrscheinlich ist, dass diejenigen Zweige, wel-
che Bulgarien, Serbien, Bosnien und Pannonien inne
hatten, damals völlig einerlei Sprache geredet haben; ^
so lässt sich dies.^'Tön den entferntem, z. B. dem Cechi-
schen an der Moldau und dem Lechischen an der Weich-
sel, keineswegs behaupten. Die beinahe gleichzeitigen,
ja einige derselben in ihrer ersten Abfassung noch vor-
kyrillisclten böhmischen Ileldengesänge in der Königin-
hofer Handschrift und das Fragment von der Libusa be-
weisen zur Genüge, dass die böhmisclie Mundart um
diese Zeit der altslawischen Kirchensprache zwar viel
ähnlicher, als jetzt, aber doch wiederum in Stoff und
Form auch schon von ihr verschieden war. Wollte man
solche Spuren weiter verfolgen, so würde sich zeigen,
dass die ältesten vorhandenen russischen und serbischen
Handschriften der biblischen^üßiier schon einzelne gram-
matische und orthogräpliische Verschiedenheiten enthal-
ten , die wol ihren Hausmundarten , aber nicht der
ursprünglichen altslawischen Kirchensprache eigen sind,
und dass demnach letztere schon im grauesten Alterthum
von jenen beiden verschieden gewesen seyn müsse. Das
jetzt sogenannte Altslawische mag demnach, wie unten
bemerkt werden soll, als der am frühesten cultivirte
Dialekt der slawischen Gesanniitspraciie und Eigenthum
der gelehrten Priesterkaste der noch heidnischen Slawen,
die ältesten Wort- und Biegungsformen enthalten ; aber
die unmittelbare und nächste Quelle aller übrigen slawi-
schen Dialekte ist es nicht ; diese haben sich nicht aus
ihm, sondern neben ihm gebildet, und der Ursprung
sowol des Altslawischen als auch der übrigen Mund-
arten ist in entferntem Zeiten zu suchen. Die Böhmen
und Polen nahmen das kyrillische Alphabet nie ganz an;
weil sie nicht durch orientalische, sondern durch römi-
sche Priester zum Christenthum bekehrt worden sind.
Wie würde man auch nur die auffallend grosse Verschie-
denheit des Altslawischen aus dem X — XII. Jahrh. und
des Böhmischen oder Polnischen aus dem XI— XIII. Jahrh.
30
sonst erklären können, wenn man nicht mehrere Mund-
arten schon vor Kyrillus und Methodius annähme? Bin-
nen 2 — 3 Jahrhunderten ändert sich keine Sprache so
sehr, als diess bei den genannten der Fall ist ^). Frei-
lich war ursprünglicli der Unterschied der Dialekte weit
geringer: der Spraclistamm war noch nicht in so viele
Zweige getheilt : aber selbst in den ältesten Zeiten müs-
sen schon nach Verschiedenheit der Hauptstämme we-
nigstens zwei Hauptmundarten statt gefunden haben,
die sich nach gewissen innern, constanten, einem je^
den der vorhandenen Dialekte gemeinschaftlichen Kenn-
zeichen leicht bestimmen lassen. Späterhin sind durch
die Länge der Zeit, durch immer weitere Entfernun-
gen, durch Verkehr und Nachbarschaft mit andern Völ-
kern, wobei es an Anlässen entweder zur Aufiiahme
fremder Wörter, oder zu Nachbildungen nach andern
Sprachen nicht fehlen konnte, die slawischen Mundarten
dergestalt von einander abgewiclien , dass sich viele
derselben gegenwärtig fast nicht mehr ähnlich sehen.
Die zwei Hauptmundarten zerfielen bald in mehrere Un-
terarten, diese wiederum in Varietäten, und so erwuchs
die Anzahl der slawischen Dialekte zu einer erstaunli-
chen Grösse. Ein jeder derselben trägt €las Gepräge der
Zeit, und leicht sieht man es ihm an, welches Volk er
zum Naclibar gehabt habe. Aber dessen ungeachtet ist
der Unterschied der zwei Hauptstänune , und folglich
auch der zwei Hauptmundarten noch immer unverkenn-
bar, und wenn gleich an eine systematische Classi-
fication aller slavA^schen Dialekte sammt ihren Varietä-
ten bei dem Mangel an Idioticis und der Verschmelzung
^) Schon Eginhard, Karls des Grossen Schreiber (f 839) , nennt
unter den Völkern, die Karl bezwang , Wcletaben, Soraben , Abotriten,
Böhmen; er legt ihnen aber nicht einerlei, sondern nur eine ähnliche
Sprache bei. Sein gewählter Ausdruck: lingua quidem paene f>imiles, deu-
tet oö'enbar auf Verschiedenheit der Mundarten hin. "Wenn daher Prokop
im J. 562 von den ihm bekannten slaw. Stämmen der Slawinen und Anten
sagt : una est utrisgue (Slavenis et Anfis) lingua, so ist diess ganz je-
nem gleich, wenn Aeneas Sylvius um das J. 1457 von den Böhmen (Hist.
Boh. c. 1) schreibt, dass sie einerlei Sprache mit den Dalmatiern redeten
(strmo genti et T)alm,ati.?. wnu.f>). Jener konnte damit nur sagen, dass die
Slawinen und Anten einerlei Sprache, aber nicht einerlei Mundart rede-
ten, und dieser, dass die böhm. Sprache eine slaw. Mundart sey, so wie
die dalmatische es ist.
31
der einzelnen hier niclit gedaclit werden kann, so ist
es doch leicht, sie alle unter zwei Ilanptordnnngen so
zu hringen, dass jedem eine bestimmte Stelle angewie-
sen, die Uebersicht des Ganzen, und das AuflTassen des
Einzelnen möglichst erleichtert wird. Nach mehreren
vorangegangenen, auf unhaltbare Gründe gebauten Ver-
suchen, die slawischen Dialekte genetisch zu classificiren,
von Gesner, Megiser, Valvasor, Assemani, Dolci, Po-
powic, AiiiöH u. a., bahnte zuerst Ilr. Dobrowsky den
Weg zu einer richtigen Stellung der Classen ^J. Nach
ihm zerfallt die ganze slawische, oder besser sloweni-
sche Sprache im weitesten Sinne in Idiome zweier Ord-
nungen, der Ordnung A. und der Ordnung B.
-) Gesner, Megiser, Valvasor, Assemani, Hosiiis, ganduri, Katan-
^csics, Frisch, Popowic, Anton u. a. stellen Ordnungen u. Classen der slaw.
"VoTRer ii. ihrer Mundarten, ein jeder nach seiner Ansicht, auf, ohne dass
auch nur einer von ihnen das Wahre getroffen hätte. Valvasor brachte 13
slaw. Vaterunser auf, und gab zu der falschen Verniuthung Anlass, dass
es 13 slaw. Mundarten gebe. Dolci spricht von mehr als 20 Mundarten der
illyrischen Sprache, wo er doch nur die geringen Varietäten der Dalma-
tisch-Bosnischen Mundart im Sinne hatte. Assemani träumte von bi inahe
unzähligen Dialekten, in welche das Altslawonische sich getheilt habe. Ho-
sius (1558), der den Unterschied der südlichen (illyrischen) Dialekte u.
des Polnischen bemerkte, u. Banduri, der die Slawonier, Kroaten, Bos-
nier, gerben u. Bulgaren den Böhmen u. Polen gegenüber stellte, rückten
schon der Wahrheit näher, wenn sie sich gleich in nähere Bestimmungen
nicht einliessen, od. in denselben fehlten. Popowic stellt 2 Ordnungen auf:
die Wendische, wozu nach ihm das Windische in Krain u. das Wendische
in Xordteutschland gehört, und die Slawonische, zu welcher er das Böh-
mische, Polnische, Russische u. IlljTische od. Dalmatische mit dem Kroa-
tischen zählt. Katancsics stellt die Gattungsnamen: Illyrisch, mit dem Ser-
bischen, Bosnischen, Dalmatischen, Kroatischen, Windischen, u. Sarma-
tisch, mit dem Polnischen, Böhmischen, Mährischen und Russischen auf.
Anton bringt die slaw. Sprachen unter 4 Ordnungen: 1) Norisch, als a)
Kussisch, b) Böhmisch, 2) Serbisch a) Polnisch, u) Kassubisch b) Ser-
bisch selbst a) in der 0. Lausitz, ß) in der N. Lausitz, y) Polabisch,
3.) Illyrisch nach seinen Stämmen, a) Serbisch, b) Chrwatisch u. s. w.
4) Slowisch od. Windisch, a) in Krain, b) in Kärnten u. s. w. Schlözer
(allg. Xord. Gesch. S. 332 ff.) zählt 9 Species auf: russisch, polnisch,
böhmisch, lausitzisch, polabisch, windisch, kroatisch, bosnisch u. bulga-
risch. Das Altslawische hält er für eine todte Mundart. — Eine richtige,
auf die sorgfältigste Prüfung aller Mundarten gegründete Classification hat
erst Hr. Dobrowsky aufgestellt, die auch von Adelung in s. Mithridates Th.
n. S. 610 ff. und andern benutzt worden ist. Vgl. Durich bibl. slav., pag.
265—271. Dobrowskys Slowanka Th. L S. 159—195. Eb. Lehrgebäude
der böhm. Sprache, Gesch. der böhm. Liter., Instit. linguae slav., Vorr. u.
Einl., Adelung' s Mithridates a. a. 0. Wiener allg. Lit. Zeit. 1813. Aprilhft.
N. 34 ff. — Die spätem Bemerkungen der Hrn. Wostokow u. Kopitar über
dieselbe, dass sie nicht durchaus, namenthch beim Russischen u. Slowaki-
schen, Stich halte, ändern die Sache im Ganzen nicht. Es mag immerhin
wahr seyn, dass die Russen, die Hr. Dobrowsky zur Ordnung I. rechnet,
als Russen lieber posysi, Buaaran, und neben nmima schon vor Alters
32
Die Kennzeichen,
gen bestimmen lassen,
A.
1. pa3 : paspi.
paß GH
paOoma
pacniy
2. H3 : H3j];amH
3. .1 epentheticum.
KOpaöAB
3eMAa
nocmaBAeH
4.
CaAO, EpHAO
i^paBH.vo
' MOAHinHCa
5. nemH, Moiii,H
neni;, moiü;
6. 3Bi&3;T;a, i];B'Ein
7. mx (mofi)
8. neneA
9. nniHii;a
cnijj];eHeii;
10. /T;ecHffli;a
nach denen sich beide
sind folgende:
B.
Ordnun-
roz
wy
roziim
rowen
robota
rostu
wydati
korab '^ X
zemTa
postawen
d epentheticum
sadio, kridlo
prawidlo
modliti se
peci, moci
pec, moc
gwiezda, kwiet
ten
popel
ptak
studnica
prawica
nmoKa u. noch jetzt auch nmaxa u. nmamna sagen, was sich dem ninaK
der Ordnung II. wol nähert, auch haben die Russen das grobe 1, was die
Südslawen (diese haben doch dafür ein o?) und selbst die Böhmen nicht
mehr haben, mit den Polen gemein ; daher die Russen eher zur Ordnung
II. gehören würden, wenn sie noch ein polnisches rz hätten; auch mag es
scheinen, dass die Russen ihrem Hausdialekt nach ursprünglich ein Stamm
der Ordnung II. sind, aber durch den Einfluss des Kirchenslawisch sich in
die Ordnung I. herübergeschoben haben : allein sind die 32 Mill. Russen
nicht ein Aggregat mehrerer Stämme, unter denen einige ursprünglich der
Ordnung II. angehören können, und besteht die russische Gesammtsprache
noch jetzt nicht aus mehreren entschieden verschiedenen Hauptmundarten,
und diese wiederum aus mehreren Untermundarten, unter denen einige sich
der Ordnung II. nähern, während die übrigen der Ordn. I. folgen ? — Der
Slowak scheint sich auch wegen seines raz: razsocha, rab, rastem ; sc:
scastje, scuka , jascer ; et : pject , muoct st. pesci, mo.ici : ja : chodja,
widja ; g: ligotaf sa, gagotaf ; r od. rj st. rz : rjeka, kridlo u. s. w.,
in die Ordn. I. zu verlaufen : allein weder der Unterschied des \ und I, h
und g, noch des r und rz, darf als blosses Merkmal der Einzelmundarten,
zum Kennzeichen der Ordnung erhoben werden , und die übrigen Ab-
weichungen und Ausnahmen heben die Regel nicht auf. — Oder sollten
derlei Abnormitäten wol eine Hermaphroditenclasse zwischen A. u. B. be-
gründen V
33
Alle slawische iMmulaiten, so viel iliicr luMitc ge-
scliriclx'ii oder »cspiocIuMi wcrdoii, lassen sich, wenn
man sie nach den angei^ebenen Merkmalen initersnclit,
iniler diese zwei Ordnungen bringen. Zur erslcni wer-
den sich ohm^ weil eres bekennen 1) der Russe, 2) der
Serbe und mit ilnn der Bnlgar, der Bosnier, der Dal-
matiner und der Slawoiüer, 3) der Kroat und 4) der
Winde oder Slowen in Krain, Kärnten, Steiermark u.
Westungern, d. i. die Zweige des südöstlichen Stammes ;
zur zweiten aber 1) der Böhme sammt dem iMährer,
2) der Slowak, 3) der Ober-Lausitzer Wende, 4) der
Nieder-Lausitzer Wende, und 5) der Pole sammt dem
Schlcsier, oder die Zweige des nordwestlichen Stammes.
Hieraus ergibt sich von selbst folgende Tafel der slawi-
schen Mundarten:
SLAWISCHER SPRACHSTAMM.
Ordnuni/eti. j iMtnidarfeti. Unffirarten.
1. Altslawisch.
L 13 1 (a^ Grossrussisch.
1/. Kussisch. )|<Lri • I D • 1- I
' <h) Kl. russisch, Kussniakisch.
(c) Weissrussisch u. s. w.
A.
B.
Va) Bulgarisch.
|3. Serbisch. <!)) Serbisch, Dalmatisch,
/ Bosnisch u. s. w.
[4. Kroatisch.
5. Slowenisch ia) 0. Krainisch.
od. Windisch, jb) II. Krainisch.
- „.., . , Ca) Böhmisch.
1. Böhmisch. >, i n,.., . ,
(b) Mährisch.
i2. Slowakisch.
13.. Sorbisch in der 0. Lausitz.
4. Sorbisch in der N. Lausitz.
I \a) Grosspolnisch.
5. Polnisch. b) Kleinpolnisch.
/c) SchJesisch u. s. w.
34
Es ist iiäinjicli das (irossnissische, Kleiiirussische
(Russniakische), Weissnissische eine Unterart (Dialekt?)
des Gesamintrussischen, so wie wiederum das Suzdali-
sche, Oloneckisclie, Nowgorodsclie n. s. w. Varietäten
dieser Unterarten sind. Das Bulgarische ist eine Unter-
art des Gesannntserbischen ; dahingegen sind das Dalma-
tische, Bosnische, Slawonische u. s. av., lun- Varietäten
des eigentlichen Serbischen. Eben so zerfällt das Slowe-
nische oder Windische und das Pohlische in mehrere
Sprecharten , die man nacb Belieben Unterarten odei-
Varietäten (Dialekte sind es nicht) neinien kann. Das
Slowakische bildet eine eigene Mundart, wenn gleich
die Slowaken seit .lahrhunderten aus triftigen Gründen
sich in der Literatin* an die Böhmen angeschlossen ha-
ben. Hieraus ergibt sich von selbst, welche von diesen
Völkern einander leichter verstehen. In der Regel ver-
stehen einander diejenigen am leichtesten, die ihrer Ab-
kunft nach, ohne auf ihre jetzige geographische Lage
Rücksicht zu nehmen, näher mit einander verwandt sind.
Der Kroate wird also seinen nächsten Sprachverwand-
ten, den Krainer, viel leichter verstehen, als den Rus-
sen, aber diesen noch immer leichter, als den Böhmen,
der Russe einen Serben und Slawonier leichter, als den
Polen, ungeachtet dieser jetzt des Russen Nachbar ist ;
denn die Völker der ersten Ordnung verstehen sich ge-
genseitig weit leichter, als iigend eins der zweiten Ord-
nung, und diese wiederum sich unter einander leicliter,
als irgend eins der ersten Ordnung. Aber selbst die
einzelnen Minidarten der zwei Ordnungen sind mit ein-
ander bald mehr bald weinger verwandt. So sieht z. B.
das Sorben - Wendische in der 0. Lausitz dem Win-
dischen in der Nieder-Lausitz sehr ähnlich; und den-
noch nähert sich ersteres mehr dem Böhmischen, letz-
teres aber de?ii Polnischen. Das Altslawische erhielt aut
der Tafel den ersten Platz, weil es früher als das Rus-
sische ui\d Serbische cultivirt worden ist, das Polabische
aber, welches ehedem von den L\'berresten der Obotri-
ten In Lüneburg gesjirochen wurde, als nuinnehr völ-
lig ausgestorben, gar keinen. Das Kassiibische in Pom-
mern ist eine blosse Abart des Polnischen.
35
Sicht man auf den (ieliait der .slawischen Gesaiiniit-
sprache, inii sie inil andern zu vergleichen, oder ihrem
Ursprünge nachzuspüren , so ha( sie zuvörderst , vv^ie
sclion oben beinerkl \\ orden, zwar eine aullaJJende Aehii-
iichkeit in einzelnen Wörtern mit der altindischen Sans-
kritasprache; alJein, wenn gleich ihr asiatischer Ursprung
unverkennbar ist, so ist doch ihre ganze jetzige Einrich-
tung, gleich der lateinischen, griechischen und teutschen
Sprache, mit denen sie auch die grösste Verwandlsciiaft
hat, europäisch^). Sie unterscheidet drei Geschlechter,
sie hat die Pronomina possessiva zu förmlichen Adjecti-
ven ausgebildet , sie setzt die Präpositionen nicht nur
den Nennwörtern vor , sondern bildet vermittelst der-
selben zusammengesetzte Verba. Dem Lateinischen konnnt ^-
sie aber dadurch näher, als dem Griechischen oder Teut-
schen, dass sie den Gebrauch der Artikel nicht kennt.
Den .Axtikel haben nur germanisirende Mundarten, o^er
richtiger gesagt , germainsirende Schriftsteller in den
beiden Lausitzen, in Krain , Kärnten und Steiermark
angenommen. Man verwendet dazu das demonstrative
') Slawische Wurzeln , umsichtig mit griechischen , lateinischen u.
teutschen verglichen , tiudet man in Dqbroxvskvs Entwurf zu e. allg. slaw.
Etymologicon, Prag 812. 8. Eb. Slowanka Th.'l. S. 27 — 5J. Instit. liu-
guae slav. P. 1. Nächst ihm haben sich um die slaw. Etymologie 'verdient
gemacht die Hru. Linde u. Siskoiv. Auch Hr. Rakoiciecki stellt in s.
Prawda ruska Th. IL die Elemente der slaw. Sprache auf eine originelle
Weise dar. Hiernach ist es ausgemacht, dass die slaw.. griech., lat., und
teutsche Sprache aus einer ( "rquelle geflossen, od. wenigstens, dass so lange
(Triechen. Römer n. Teutsche in Eiuopa gewesen, auch die Slawen hier
gewolyithaben_müssen. Doch ist, ungeachtet der vielen gemeinschaftlichen
WurzeIsyTnBeTK"dIe Verwandtschaft dieser Sprachen nicht so gross, dass man
mit Levesque die Lateiner für eine alte slaw. Colonie ansehen könnte.
(JleicHwol will auch noch «oIaric~~(i^öii.)^ slawenstwowawsij, Ofen 818.-M,^<Ui^j. C
8.) die lat. Sprache gonz aus der slaw. ableiten. Diejenigen, die das Slaw. J. iT
als eine aus dem Griech. entstandene Sprache darstellen, haben sich er- "
stens diu-ch die kyrillischen Buchstaben, die den griech. ähneln, zweitens
durch die beträchtliche Menge von griech. Wörtern, die man in die slaw.
Kirchenbücher aufnahm, täuschen lassen. Ausser Gelenius, dessen Lex.
symphonum Bas. r)ö7. 4. den ersten Versuch von Vergleichungen ähnlicher
Wörter aus der lat , griech., teutschen und böhm. Sprache enthält, uu J
Martinius, der ebenfalls in s. etyni. Wörterb. der lat. Sprache slaw^ Wör-
ter häutig auf lat. und griech. Wurzeln zurückgeführt hat, haben Verglei-
chungen der slaw. Mundarten mit andern europäischen Sprachen, vorzüg-
lich der teutschen, in den neuern Zeiten augestellt: Temler, Soryo, Sol-
tau, Ihre, Frisch. Adelung, W. Whiter (Etymologicon universale, t;am-
bridge 811. 2 Voll. 4.), Berndt (Verwandtschaft der germ. u. slaw. Spra-
chen, Bonn 822. 8.). die Ungenannten in /lern Tripartitum. Wien 820.
ff. 4. Voll, quer 4. u. a. m.
36
Pronomen ten, ta, fo, Krainisch fa, ta, to. In Rück-
sicht der Vocale hat die slawische Sprache keinen weiten
llinfiing. Sie kennt kein ä, ö, ü. Hingegen hat sie ein
doppeltes /, närnlich ein feineres (böhin. nnd pol. i,
niss. ize)^ nnd ein gröberes (böhm. und poln. y, russ.
jery), biti schlagen, byti seyn. Sie hebt selten mit ei-
nem reinen a , nie mit einem e an , sondern gibt dein
a oft, dem e immer den Vorschlag j: jajf' Ei, jasfi
essen, jesf ist, est. Das o im Anfange sprechen zwar
die meisten Stämme rein aus, wie in oko^ aber der Lau-
sitzer Wende spricht wo, das auch der Böhme in der
gemeinen Redesprache tliut, wenn er gleich in seiner
Schriftsprache das reine o noch immer beibehält: on
er, für woti. Der Kroate spricht wieder den Vocal u
nie rein aus, sondern setzt ihm ein v vor: vuho Ohr,
für nho (ucho^. Bemerkens werth sind die vielerlei Be-
stimmungen des i, wenn es wie j ausgesprochen wird.
Es dient den Vocalen nicht nur am Anfange, sondern
auch nach verschiedenen Consonanten zum Vorschlage:
biel od. bjel weiss, miaso od. mjaso Fleisch, niem od.
njem stumm. Nach Vocalen bildet es Diphthonge: daj,
sfoj. Wenn es nach gewissen Consonanten verschlungen
wird, so mildert es die Aussprache derselben : kon (für
konj^ Pferd, bud' sey, verkürzt aus budt, jesf (^^iirjesti)
ist, griechisch i(^i. Daher wird des verschlungenen i we-
gen der russische Infinitiv mit dem mildernden Jer' be-
zeichnet. Die Slawen lechischen Staiiunes verändern in
diesem Falle das t in c: dac, stac. Nur der Slowak
spricht es meist hart aus: ivolat, chodit für wolaii^ cho-
diti. In Rücksicht der Consonanten langt der Slawe mit
den Lippenlauten Wj Jb-V ^"^' ""*^ entbehrt in ursprüng-
lich slawischen Wörtern den Laut f. Man vgl. tvru mit
ferveo, bob mit faba, bodu mit fodt'o, perii mit ferio,
planten mit flamma, piscala mit fistula, piesf mit Faust
u. s. w. Selbst wenn er fremde Wörter aufnimmt, ver-
ändert er oft das /". Aus Farbe machte der Böhme bar-
wUy aus Stephan Sfepan. Seine (i Sibilanten s, 2, .9, «,
c, i\ inilerscheidet er genau, und liebt sie so sehr, dass
er nichl nur seine drei (iiirgellaute g (od. /«), e/i und k
soFidern auch d und /, nach bestiiiniiten Regeln in ana-
37
log^e Sibilanten vcrwaiidctt. Man wird also aucli zima
mit hiems, wezu mit velio, zrno Qzerno) mit graiuim,
irati mit ygcca, syr mit rypog, ples^i (plece) m\i TcXärai,
jucha mit ji/s, eist mit castus vergleichen dürfen Eben
so leieti mit liegen, zlato mit Goldy srdce (seräcr) mit
xagdia Herz cor, cerketo mit Kirche. Unter den drei
Gnrgellauten (</, fA, A) gilt sein glagol entweder fiir
g (^yäii^ci)', oder fiir h nach Verschiedenheit der Mund-
arten. Für gouifi, gorUy glmra, grad u. s. w. spricht
der Böhme, Mähre und Slowak honiti, hora^ hlawa^
ftrad, an die sich der Oberlausitzer Wende anschliesst.
Betrachtet man den Sylbenbau in Wörtern , die aus
mehreren Consonanten bestehen, so wird man finden,
dass der Slawe melrrere CoiLsonanten lieber vor, als nach
dem Vocal verbindet. Man vergleiche brada mit barba,
Bart, breg Ufer mit berg, mleko mit Milch, Igati mit
lügen, prase mit porcus, strach mit Furcht u. s. w. Da
dem Griechen die Consonantenfolge sl in dem Worte
Slowan fremd war, so nahm er sich die Freiheit ein x
oder ^ dazwischen einzuschalten: 6xkaßr]v6g, a^kaßös.
Der Niedersachse, Schwede, Däne, Engländer sprechen
und schreiben richtiger Slawe für Sclawe. (Vgl. §. 1
N. 6.) Da l und r zwischen zwei andern Consonanten
der Sylbe Haltung genug g'^ben, und zugleich Stellver-
treter der Vocale seyn k'jnnen, so sind Sylben ohne
Vocale, wie wlk, srp nic'/it ungewöhnlich. Doch schal-
tet man hier in neuern Mundarten das euphonische o
oder e gern ein: wölk, serp, oder bildet das l in u um:
wuk, pun serbisch für wlk, pln. In der auf quantitirende
Prosodie gebauten V^rskunst sind in solchen Sylben
die Halbvocale / urid r immer für Vocale zu nehmen:
twrdy, tcjtr, zwei.sylbig. Vergleicht man die verschie-
denen Abänderun^s- und Abwandlungsformen der sla-
wischen Wörter mit den Formen der griechischen, la-
teinischen und t^eutschen, so ergibt sich, ausser dem oben
Bemerkten, dp^ss die slawischen Declinationen, eben weil
sie des Artik.els entbehren, und ihn durch angehängte
BiegungssyL'ben ersetzen, vollständiger sind, als im Grie-
chischen Mnd Teutschen. Für den Singular hat der Slawe
7 Casus^ für den Plural aber nur 6, indem der Nomi-
38
nativ zngleicli den Vocativ vertritt. Im Dual lassen sieh
nur 3 Casus unterscheiden, der Nominativ, Genitiv und
Dativ, indem hier der Acciisativ dem ersten, der Local
dem zweiten, und der Sociativ oder Instrumental dem
dritten gleicli ist. Ungeachtet der vielen Casus unter-
scheidet der Slawe an den weiblichen Nennwörtern im
Plural den Accusativ nicht vom Nominativ, da es doch
der Grieche inid Lateiner tinni. Den Teutschen trifft
dieser Vorwurf doppelt, indem er auch den männlichen
Accusativ dem Nominativ gleich macht. Die Adjectiva
werden im Slawischen, da sie einen unbestimmten und
best i null teil Ausgang haben, nach zweierlei Muster ge-
bogen. In der Steigerung der Adjective , welche ver-
mittelst des angehängten tj oder sij geschieht, vertritt
im Altslawischen der Comparativ auch den Superlativ.
Neuere Mundarten bilden den S«iperlativ, indem sie dem
CoJiiparativ die Partikel naj vorsetzen: najtnevsij, böh-
misch ueymensj. Da der lateinische Ausgang issimiisf aus
si und mns zusammengesetzt ist, so floss die Sylbe si
aus derselben altern Quelle, aus welcher das slawische
si entsprungen ist. Durch die Endsylben i/, e.si^ et, im
Plural em, ete, uf, oder tu, isi, it, Plur. itn, ite.
tat werden die Personen im Präsens bezeichnet. Im Prä-
terito aber nach Verschiedenheit der Formen durch och,
e, Plur. ochoiHy oste, ochu; iech, ie, Plur. iechom^
teste, lechn; ich, i, u. s. w. ach, a, u. s. w. Endigt sich
die Stammsylbe auf einen Vocal, so bekommt die erste
Person nur ein ch\ dach, pich, obiich, indem da, pi,
obu, schon die 2te und 3te Person bezeichnen. Im Plur.
chnm, ste, chu: dachot/i, pwhom , otttichom , daste.
piste, obttste, dachu, pichii, ohuchu. Periphrastische
Präterita verbinden das HilfsvNort jesin, jesi, jesf mit
dem Participio activo praeterito: kopal jesui' ich habe
gegraben. Wird ffiech damit verbiniden. se entsteht das
Plusquamperfectum : kopal Inecji ich hatte gegraben.
Wird aber bych damit verbunden, so erhält man das
Imperfectinn des Optativs: hopalhy, er würde graben.
Das einfache P^uturum ist entweder das primitive Verbum
selbst, wie hudu ero, fiam, oder es wird vermittelst
WM gebildet: hodmi, oder aber vermittelst einer Präpo-
3!)
sitiuii: ohuju, izuju. Has periplirastisclie besieht aus dem
Iiirinitiv iHid dem llilfsworl ötiäu oder choscii: budu ko-
patt; in einigen neuem Mundarten auch budu kopal.
Allein hudu kopal Ist eigentlicli das Futurum exactum
anderer Sprachen, und cntspriclit dem lateinischen Fu-
turo des Conjunctiv. Das Passivum wird entweder mit
sid {se) umschrieben: spasel sia salvabitur, oder man
verbindet die Ililfswörter mit dem Participio passive;
spasen byst', spaseu budet. Üa es dem Slawen an ite-
rativen und frequentativen Formen nicht fehlt, so konnte
er gar leicht das Verbum soleo ich pflege, entbehren.
So ist bywati das Frequentativum von byti; und nositi,
lainati sind Iterativa von nesu, lomiti. Die Adverbia
quaiitatis werden meistens vermittelst je gebildet: po-
dobnie. Fast eben so der Lateiner: caste, pleno. In der
Fügung (Syntaxis) nähert sich der Slawe mehr dem
Griechen und Lateiner, als dem Teutschen. In der Wort-
folge hat er viel Freiheit. Die verneinende Partikel ne
{jiie) setzt er dem Verbo vor, selbst wenn schon eine
andere Verneinung im Satze steht. In negativen Sätzen
gebraucht er den Genitiv anstatt des Accusativs. Nur die
ersten vier Zahlwörter betrachtet er als Adjective, alle
übrigen als Substantive, daher nach ihnen das regirte
Wort im Genitiv stehen muss: osm sot Qset) 800. Un-
ter den Partikeln, die dem Nennworte vorgesetzt, und
vermittelst welcher auch zusammengesetzte Verba gebil-
det werden, sind o, m, iv, wy, po, na, za, s (am),
ob, ot (^od^, tz, WZ Qivoz), bez , pro, pre, prt, pod,
nad, raz {roz), pred wahre Präpositionen; nur radi,
dielia (dlia) sind Postpositionen. *)
Die slawische Sprache hat unverkennbar viele gute
Eigenschaften und Vorzüge, die unter den Ausländern
vorzüglich von Schlözer gewürdigt worden sind (s. Nestor
Th. III. S. 224). Ich zähle hieher ihre artikellose Decli-
nation und pronomlose Conjugation, ihre reinen festen
Vocalendungen, ihre durchgängig bestimmte, vom lo-
gischen Ton der Wörter unabhängige Quantitirung der
Sylben, woraus ihre Singbarkeit in der Oper und An-
wendbarkeit auf allclassische Versmasse von selbst er-
*) Nach Dobrowskys Gesch. d. böhm. Lit. S. 14. ff. 24 ff.
40
tbli^jcii, loriicr ihren i;n)s«cii Würlreiclithum, die Meiigv
\u\i\ .^lamiigfaltigkeit der Eiiizellaute mid ihrer Verhiii-
dimj^eii, znlelzt ihre Syntax ^). Mil welcher Genanij»-
keil «ind Feinheit sie vermittelst einiger wenigen einCa-
ehen Laute, die zu ßiegungssylben bei den Declinationen
und Conjugationen verwendet werden, überall die En-
dung, die Zahl, die Person, das Geschlecht, die Zeit
und die Art initerscheidet, ohne die schle|)[)enden Pro-
nomina zu Hilfe zu nehmen, braucht dem, der sich nur
einigermassen in ihr iimgesehen, nicht erst bewiesen zu
werden. Um sich von ihrem Wolklang zu id)erzeugen.
muss man sie im Munde der^^iationalen hören. Freilich
sind sich hierin nicht alle StämnTe und Mundarten gleich,
und zwischen der Annuith des Serbischen und dem Voll-
und Krat'tklyng des Russischen oder Böhmischen ist ein
grosser Unterschied; aber darum dari* der slawischen
Sprache nicht gleich, wie es leider nur zu oft geschehen
ist und noch geschieht, der Vorwurf „nrspriitnflichfr
Schroffheit und erstickender Kakophonien" ^envdchi wer-
den. Denn Wolklang und weibische Weichheit der S[>ra-
che sind zwei ganz verschiedene Dinge. ^) Allerdings
herrschell in den meisten slawischen Mundarten, die
serbische ausgenouniien, die Consonanten vor ; betrach-
■') Welcher der reinste slaw. Dialekt in der weiten Slawenwelt seyn
möchte, ist vielfältig gefragt worden. Diesen zu tindeii würde gar nicht
schwer scyn, wenn uns die Geschichte ein slaw. Volk zeigte, das stets
in seinem Ursitze geblieben, niemals gewandert, nie mit andern sich ver-
mischt, nieinals unterjocht worden od. andere unterjocht hätte. Allein we-
der die Karjiaten noch die Crnagora, weder Russland noch Bosnien liefern
solche slaw. Aborigines; überall spriclit die Geschichte laut von Zügen u.
Kriegen der Slawen von Ragusa bis an die Buchten des Eismeers, von der
Elbe bis an die Irtisch. Alle jetzige slaw. Dialekte sind also nicht mehr
giinz rein; denn Nachbarinen haben sie zum Theil gebildet, zum Theil
verbildet. Die Gräcismen der altslaw. Kirchensprache, die Turcismen der
serbischen , die (iermanismen der böhmischen und polnischen , und die
Tatarismen, Sueonismen, die von I'eter dem Grossen eingeführten Germa-
nismen, Gallicismen u. s. w. der russischen, wiegen einander gewiss auf.
Am wenigsten dürften aber diejenigen Dialekte rein seyn, die am längsten
unter unslawischer Herrschaft gestanden. Um so erfreulicher ist es zu sehen,
dass der besonnene und umsichtige Purismus auch unter den Slawen, vor-
züglich^ den Russen, Bolen u. Böhmen frische Wurzeln schlägt, und gol-
dene Früchte verspricht. Möge er in keinem IJcbermass, in unseligem zu
viel oder zu wenig sündigen! — \g]. Dobrotrskiis Slowanka Th. II. S. 2lH.fi'.
''') Kein Slawe darf über seine Sprache klagen , wie z. B. Herder,
Jenisch, Schiller (im Vorworte zu d. Ueb. d. JEn.) über die teutsche. Selbst
Göthe seufzt : — — — — — Ein Dichter iviir^ ich geworden ,<\
Hätte die Sprache sich nicht unüberwindlich gezeigt. \
41
ie( mau iihcr die Sprin-lic pliilosopliiscli, so orsclioinen
die C'oiisoiianleii, als Zeiclien der V()rslelliiiij;en und Be-
griffe, lind die Vocale als blosse Träj^er im Dienste dei-
Consonanten, in einem jjjanz andern Lichte. Je mehr
Consonanten, desto reicher ist die Spraciie an BegrilTen.
Exempla sunt in promtu. Der Wollaut der einzelnen
Sylhen ist alsdann nur partiell uiid relativ; der Wol-
klang der ganzen Sprache aber inniier durch den Wol-
laut der Perioden, der Wörter, der Sylhen und der
Einzellaute bedingt. Welche Sprache besitzt inni alle
diese vier Elemente des Wolklangs in gleichem Masse?
Zu viele Vocale tönen eben so übel, wie zu viele Con-
sonanten; gehöriger Vorrath und Wechsel von beiden
vollendet erst den harmonischen Klang. Selbst harte Syl-
hen gehören zu den nothwendigen Eigenschaften einer
Sprache ; denn auch in der Natur gibt es harte Töne,
die der Dichter nicht anders, als mit harten Sprachlau-
ten malen kann. Die Härten im Slawischen, über die
von Ausländern so vielfältig geklagt wird , kommen
demnach entweder einzig und allein auf die Rechnung
ungeübter und geschmackloser Schriftsteller (denn kein
Nationale von gesunden Sinnen wird je Tham's: sfrc
prst skrz krk, so wenig wie ein Teutscher Voltaires
Waldberghofftrahkdikhdorf sprechen oder schreiben) ;
oder sie sind lächerliche Irrthümer der des Slawisclten
unkundigen Leser (z. B. Schulzes und .Jean Pauls im
Polnischen), die den Klang mit den Augen, nicht mit
den Ohren auffassen. Denn allerdings hat in einigen
Mundarten die Bezeichnungsart der einfachen Laute durch
mehrere Buchstaben (z. ß, szcz, szkrz im Poln. für das
altslaw. m, niKp; sc, skr) für den des Lesens unkun-
digen etwas Abschreckendes, welches für den Kenner
der Aussprache verschwindet ^). Die reine und be-
stimmte Vocalisirung, die es nicht der Willkühr des
Sprechenden idjerlässt, Vocale, wie im Teutschen, Fran-
') Ueber den Wolkhuig der shiw. Sprache im Allgemeinen und der
poln., böhm., slowak. u. serb. in's Besondere, vgl. Din-ich bibl. slav. pag.
40 — 47. S. Potocki's pochwaly, mowv i rozprawy (Warschau 816.) B. II.
S. 376. ff. Dobrowskvs Slowantca Th. IL S. 1 — 67. J. Kollar's myslenky
0 libozwucnosti reci ceskoslowenske, in PresVs Krok, Hft. 3. S. 32 — 47.
J. (Japlovics Slawonien u. zum Theil Kroatien, Pesth 819. Th. I. S. 230—235.
42
zösisclien und Englisclioii, aiiszuspreclioii oder auch ans-
ZMslosscii. ist ziigleicli l rsaclie der gleichsairi geiietiscli
und a priori, wie bei den Griechen, ansgeschiedenen
Ouantität der Sylben, wodurch die slawischen Spraclien
ziu' Xaclihildung der altclassischen Versinasse vorzüglich
geeignet sind, werui man gleicl« gestehen muss, dass diese
Saclie bis jetzt in den meisten Mundarten vernachläs-
sigt oder mit zu wenig Einsicht l)etrieben worden ist.
Jede slawische Sylbe ist nämlich schon ihrer Natur nach
entweder kurz oder lang, indem jeder Vocal im Slawi-
schen eine doj)pelte, kurze oder lange, Dauer hat. Diese
natürliche Schärfu?ig (Verkürzung) und Dehninig der
Sylben ist aber, wie bei den Griechen, unabhängig von
der grannnatischen Hebung oder Senkung derselben, oder
mit andern Worten , der prosothsclie Ton, die Quan-
tität, ist durch die Natur der Aussprache, die längere
oder kürzere Dauer des Vocals selbst, und nicht durch
den grammatischen Accent begründet. Dieser letzlere
kann sowol auf prosodisch langen, als auf kurzen Sylben
liegen. Beispiele der vollendeten Versification nach die-
sen Grundsätzen haben erst neulich die Böhmen aufge-
stellt; indem ehedem sowol diese, als auch die Russen
und Polen, nach dem germanischen Grundsatz des lo-
gisch-grammatischen Tones ihre Prosodie geregelt, nnd
selbst die serbischen Dichter, bei sonst gerechter Be-
rücksichtigung des natürlichen Zeitverhalts der Vocale.
die Position vernachlässigt haben ^). Aus der Vereini-
gung der Vocalendinigen und der hieraus entspringen-
den Mannigfaltigkeit des Reims mit den vollendeten For-
men der Versknnst ergibt sich die Bedeutung der sla-
wische?! Sprache für die höheren Künste der Musik, des
Gesanges und der Dichtinig. Die grosse Anzahl der ein-
fachen Grundlaute im slawischen Alphabet und ihre man-
nigfache Verbindung, welche den Mund zu einer fndieii
vielseitigen Ausbildung aller zum Sprechen nöthigen Or-
') Vgl. J. Ehnera ii K. Brodzivshiego rozprawa ft nietrycznosci i
rytmicznosci iezyka polskiego, Warsch. 810. A. A. Wostokow opyt o rus-
kom stichoslozeiiii, 2tc A. S. Pct. 817. 8. Pocatkowp ceskeho bäsiiictwj.
Prcssb. 818. 8. S. Hnewkov/ikeho /.lomkv o ccskeni bäsnictwj, Prag 820. 8.
J. Jungmanna Slowesnost, Prag 820. S" XXVI. ff. J. S. Preslo Krok. Ht't.
2. S. 1—32, 141—163.
43
gaiio zwiiig:en. maclicn es bcgrciflicli, wie es den Sla-
wen möglich wird, diejenige Fertigkeil in andern Spra-
chen zu erlangen, die man an ihnen bewundern muss,
lind die dem Franzosen, Teiilsclien und Magyaren, de-
ren Sprachen an Grundlanten ärmer sind, nie oder nur
selten gelingt. Der Reichthum der slawischen Sprache
hat seinen Grund in der grossen Anzahl der Wurzel-
silben, deren llr. Dobrowskv bloss in dem Altslawischen
1605 zählte, und diese wiederum in der Menge der Con-
sonanten. Ueber die Bildsamkeit der Wurzeln, Gefügig-
keit der Zusammensetzungen u. s. w., können die Gram-
matiken der einzelnen Mundarten die triftigsten Beweise
abgeben. Die slawische Syntax ist rücksichtlich der Ver-
einigung der grössten Bestimmtheit in der gegenseitigen
Wortabhängigkeit mit der ungezwungensten , freiesten
Wortstellung fast beispiellos.
%. 5.
Charakter und Cultur der Slawen im Allgemeinen.
Wenn man bedenkt, wie viel Erfahrung und Men-
schenkenntniss, welch' eine Selbständigkeit der Ansiebt und
des Urtheils dazu gehört, um den Charakter eines Volks
der Natur und Waiirbeit getreu zu zeiciinen, ohne aus
Unkunde, überspanntem Patriotismus, oder aus Rosmo-
politisnius, entweder an dem fremden, oder an dem ei-
genen eine Ungerechtigkeit zu begehen und ihm weh zu
thun ; so sollte man aus religiös-moralischer Scheu sich
aller dergleichen Urtheile lieber ganz enthalten, oder
nur mit der grössten Besonnenheit , liiisicht und Be-
scbeidenbeit zu Werke gehen. Gleichwol zeigt es die Er-
fahrung, dass in dem ganzen Bereich der Schriftstellerei.
so Aveit sich die Menschen- und Länderkunde erstreckt,
die Sprecher der Oeflfentlichkeit und Berichterstatter an
dieselbe, nichts mit einer grösseren Eil- und Leichtfer-
tigkeit zu behandeln pflegen, als gerade die so schwie-
rige Menschen- und Völkercharakteristik. Nur gezwun-
gen und schüchtern, um dieses Urtheil an der bisher
vorzüglich von Ausländern versuchten Charakteristik der
44
Slawen zu erhärten, wage ich es, hier einige Worte
über eine mir heilige Sache, nach ineinem besten Wis-
sen «nid Gewissen, niederzuschreiben.
Der Slawe, der ein über die vaterländische Ge-
schichte , Erdbeschreibnng , Ethnographie, Statistik u.
s. w., in einer fremden Sprache geschriebenes Bnch zur
lland nimmt — inid wie viele thun diess täglich?
mnss es mit gerechter Angst nnd ßesorgniss thini, in-
dem er gleichsam im vorans gewärtig seyn mnss, das
Volk, dem er angehört, darin beschimpft zu sehen:
zwei Drittheile der in diese Fächer einschlagenden Werke
enthalten, wenn sie der Slawen, gleichviel ob insge-
sammt , oder nur der einzelnen Stämme , erwähnen,
nichts als Entstellung und Herabwürdigung ihres Natio-
, [ nalcharakters. Keinem Volke unter der Sonne ist je diese
\ lieblose Behandlung zu Theil geworden. Seit der Zeit,
wo die Hunnen, Gothen, A waren, Franken , Magyaren
u. s. w«, sich über die harmlos dem Ackerbau u. Handel
obliegenden slawischen Völker gestürzt und sie znm Theil
zertrümmert haben, pflanzt sich der Flass und die Ver-
folgung aus dem Leben in die Schriften, und ans den
Schriften in das Leben fort, und es ist nicht der Mangel
an gutem Willen der Schriftsteller der Nachbarvölker
Schuld daran, dass nicht zu Anfange des XIX. Jalirli.
die Scenen eines Karls des Grossen, Heinrichs des Vog-
lers, Heinrichs des Löwen, Albrechts des Bären, Al-
mus, Arpad, Zoltan u. s. w., für die Slawen erneuert
werden. Vollständige Belege dazu zu liefern liegt ausser-
halb des Zwecks dieser Schrift; einzelne Rosen u. Blu-
men für die Dornenkrone aufzufinden ist eben nicht
schwer. *)
1) Um nur einiges anzuführen, so macht schon J. P. Z/udwig die Sa-
tzung der goldenen Bulle K. Karls IV., in welcher den Söhnen aer Chur-
fürsten neben andern gebildeten Sprachen auch die Erlernung der slawi-
öclii'u em])fohlcn wird, lächerlich, „indem , sagt er (Erläut. d. gold. Bulle,
l''i-kf. u. Lpz. 752. 1. S. llKi), ein Cliurprinz od. Churfürst sich geschämt
haben würde, wenn ihm einer nachsagen sollen, dass er Zeit und Pleiss
auf diese Knechtsprache gewendet, absonderlich, da die Wenden zu den
Zeiteji Karls IV. bereits in einer solchen Verachtung gewesen, dass man
solche gleich den Knechten und Hunden gehalten." — Taube in s. Be-
schreibung von Slawonien spricht von der Vielweiberei der Slawonier, und
lässt ihre Kinder im Winter nackct herumgehen. — Der Graf Telekii (Rei-
geb. 79-1) kennt in ganz Slawonien nur drei gemauerte Städte u. Markt-
45
Sollte man nach den von unwissenden oder partei-
ischen Heisebeschreihern und Ethnograplien aiifgeslelllen,
nun so allgemein verbreiteten und lief wurzehiden (irund-
zügen eines Charaktergemäldes der Slawen sich niclil
versucht fidden, dieses Volk aus der Classe der sell)sl-
ständigen , civilisirten Völker auszumerzen , und den
Barbaren oder wenigstens Halbbarbaren zur Seite zu
stelTeli? — Das sey ferne von uns ! Die göttliche Vor-
sehung, die unter Myriaden Blättern gleichwie unter
Millionen von Menschen nicht zwei sich vollkoiiuiien
gleiche geschaffen, hat noch viel weniger zwei sich voll-
kommen gleiche Völker geschaffen; und dieselbe allwal-
tende Macht, die den Ehizelmenschen mit dem Haupte
gegen das Himmelslicht emporgerichtet, und mit den
Hecken; auch die Dörfer verdienen, meint er, diesen Namen nicht. —
Hacquet sagt in s. Beschreib, von Illyrien u. Dalmatien (Miniaturgemälde
aus der Länder- und Völkerkunde, Pesth 816. 8. 13. ff.) unter andern Al-
bernheiten: „die Slawen schmiegten sich darum beugsam und geduldig un-
ter das Joch des hässlichsten Despotismus, weil sie sich keinen Begriff von
einer besseren Herrschaft machen können. Sie seyen, wie die meisten Aaia.
tgn, ob sie gleich das Baden leidenschaftlich lieben, im höchsten Grade
unreinlich. Die Ursache dieser Unsauberkeit seyen ihre zu engen Woh-
nungen , denn in einer Hütte, ja in einem und demselben Zimmer, oft
in der Mitte des Unflaths, schliefen häufig mehrere Familien. Unglücklicher-
weise sey das Stehlen bei den Slawen allgemein verbreitet." Derselbe be-
richtet a. a. 0., „dass alle (gäczen, Männer und Weiber, einen ausgezeich-
net trotzigen Charakter haben; dass die Männer so eifersüchtig sind, dass
sie die Fenster ihrer Häuser beständig geschlossen halten ; dass die Räczen
noch keine Bücher in ihrer Sprache besitzen" u. s. w. — A. JDugonics, ein
Piarist, Prof. zu Pesth, predigte laut in seinen Schriften deiTHäss gegen
die Slawen ohne" Unterschied. In s. Etelka (3te A. Pesth 805. 8), einem
/vielgelesenen Roman, dessen Tendenz am Tage liegt, leitet er S. 9 — 10
I den Namen Morva Mähren von marha Vieh her, und ihm sind Morva,
\marha, Mähre, Schindmähre gleichbedeutende Wörter von einer Wurzel.
S. 13 — 15 überhäuft er mit Schimpf und Spott den Swatopluk, und höhnt
die Slawen mit Alexanders Diplom, gebährdet sich jedoch ängstlich vor den
slawischen Flüchen, die es^döCh auf keinen Fall mit den magyarischen
aufnehmen können. S. 18 — 19., stellt er die Russen und Russniaken mit
den Zigeunern auf gleiche Linie ; russisiren, meint er, sey dem Magyaren
soviel als- zigeunern („most-is nälunk anuyit teszen oroszkodni, mint czi-
gänykodni"), eben so S. 460, slawisch od. zigeunerisch („totosan vagy-is
cziganyosan esik"). S. 92. zaubert er unverschämt genug das Schimpfwort
Copak, Copakok, hervor, welches, wie er vorgibt, der gewöhnliche Schimpf-
nahme der Cechen und Mährer bei den Magyaren seyn soll. S. 355 — 56.,
wärmt er höhnisch das alte Schandmährchen auf, wornach Swiatopluk und
Salan das Slawenreich um 12 oder 1 Schimmelpferd an die Magyaren durch
List verloren haben sollen, welches, auch als wahr erkannt, nur den Betrü-
ger, nicht den Betrogenen entehrt. Die Slawen sind ihm überall die hun-
grigen, ausgemergelten, strohhaimfüssigen, blitzspitzköpfigen u. s. w. („hit-
46
Füssen an die Erdennacbt gefesselt hat, gab auch jedem
Erdenvolke eine gedoppelte Seite, eine Licht- und Schat-
tenseite, damit es durch das Gewahrwerden dieses Ge-
gensatzes in allen seinen Individuen zum Leben erwa-
che, und seine Kraft entwickele. Freilich sind der Ab-
stufungen der aus der Alischung des Lichts inid des Schat-
tens entstandenen Charaktere der Völker unendlich viele:
aber so wie kein Licht ohne Schalten, und kein Schatten
ohne Licht ein Gemälde geben kann, und das Licht nicht
nothwendig eine Sonne, der Schatten nicht nothwendig
Nacht u. Grauen ist: eben so kaini auch kein Volk auf dem
weiten Erdenrund weder eine reine Engelsphysiogno-
mie ohne einige Menschen-Muttermaale, noch eine vol-
lendete Teufelscarricatw ohne einige Strahlen des gött-
Magyarok Istene'"), wie Jehovah der Juden. — lu den östr. vaterl. Blättern
1812. Jul. N. 27., werden die Russuiaken so geschildert: „Der Charakter
der Russniaken kommt mit dem aller Slawen überein (Hört !) Misstrauisch.
falsch, hinterlistig, voll Verstellung, ohne das mindeste von Sittlichkeit,
ohne Religion, unfolgsam gegen die Behörden, dabei äusserst stupid und
roh: dem Trünke und den Ausschweifungen des Geschlechtstriebes sind sie
auf das äusserste ergeben, wobei niemand geschont Avird. In der Ehe sind
sie einander häufig ungetreu, und kennen darin keine Schranken, daher
es auch kommen mag, dass die Yenusseuche immer so stark unter ihnen
herrscht. Eben so sind sie vorzüglich dem Branntweintrunke ergeben, mit
welchem sie sich oft bis zur Sinnlosigkeit betrinken.'- Das Weitere von ih-
ren Gebräuchen ist ganz diesem gleich. — Der berühmte Prof. K. H. L.
Pgü^.in Leipzig ruft in s. Weltgesch. für gebildete Leser u. Studirende,
iN. Bearb. Wittenb. 813. Th. I. S. 17. aus: „Freue dich, Jüngling, der
du aus teutschem Blute stammest, deines Vaterlandes! Vergiss es nie, dass
die slawischen Völker sich unmuthig und widerstrebend unter die Ueber-
uiacht der teutschen Kraft beugen mussten : dass die grossen Namen : Huss
u. s. w., unserm Volke angehören!" Ein Mitarb. der Münchner allg Lit.
Zeit. 1819. Weinmonat S. 71. meint : „dass die Zeit der babylonischen Sprach-
verwirning abermals gekommen wäre, indem jetzt nicht nur ein jedes Volk,
sondern sogar ein jedes Völklein, die Cechen, Polen, Slowaken, Wala-
chen u. s. w., ihre Sprache zu einem Werkzeug der Bildung zu erheben
bemüht sind, und in derselben auf slowakisch und walachisch pliilosophi-
ren, dramatisiren u. s. w.'' — Der Prof. K- v. Rottek zu Freiburg nennt
in s. allg. Gesch. S. 466. die russische Sprache schlechthin eine Knecht-
sprache. — In diesem Sinn meint auch K. Nevmann in s. Natur des Men-
schen 815. Th. I. S. 59. 62., die slawischen Völker seyen wo! aus andern
Stoffen zusammengesetzt als die Teutschen. und ihnen sey el)pn darum von
der Natur eine andere Bestimmung, als diesen, angewiesen. Nur der Eu-
ropäer, und unter diesen nur der germanische od. ostasiatische , keines-
wegs aber der slawische Stamm, werde sofort in alle Ewigkeit eine Zierde
der Schöpfung und Herr der Welt bleiben. — In der Mnemosi/ne Th. 1.
S. 21. tf. berichtet Kreil. dass man wenig Oerter auf der Landcharte fin-
den wird, wo die Nafmc so scharfe Gränzen zwischen zwei Völkern gezo-
gen hätte, als auf dem Berge Plar in Steierniark. So wie man in das win-
dische Städtchen Bistric eintritt, finde man auch das Knde der teutschen
Reinlichkeit und Aufrichtigkeit, und fühle sich in ein böhmisches oder
mährisches Dorf versetzt, zwischen jene unreinen Slawen, deren Gesichtern
47
liclien Ebenhilde.s haben. Nur der Menschen Scliwacli-
heit, und der Menschen Ei^en(hinkel und Uebenmilh
verwischt iiiil frevehider Hund die Züge der Natur, die
einem Volke angeliören, und prägt in der krankliatten
Pliantasie das Urbild in ein Unbild um. Lasst uns ge-
reciit seyn und unsere Nation lieben ohne die übrigen zu
hassen! Welches Volk ist nicht stolz anf sich ? Die
Franzosen sagen: Wir sind Franzosen! die Engländer:
Wir sind Engländer! die Teutschen: Wir sind Tentschel
aber anch die Dänen: Wir sind Dänen! auch die Por-
tugiesen: Wir sind Portngiesen! und wer wird iluien
diess verargen, so lange das stolze Selbstgefühl bloss ein
Gefühl bleibt, Avelches den Patriotismus und hiemit die
Nationaltngenden weckt, und nicht in — ich will nicht
die Xatur selbst das Gepräge der Knechtschaft aufgedrückt hat. — Der
weltberülimte, hochgefeierte Statistiker und Politiker \Crorne_ in Giessen.
stellt in einer Schilderung der Oesterr. Monarchie unter Jbränz I. im Wie-
ner gemeinnützigen Ilauskalender 1820. (also in einem vielgelcsenen Volks-
buch^) S. 29. folgende Charakteristik auf: ,,1. die Teutschen, 5 Mill. an
der Zahl, die sich durch Redlichkeit und Treue, Offenheit und Jovialität.
Industrie und Wolstand, Sitten und Liebe zu den Wissenschaften auszeich-
nen. 2. die Slaiven, 11 bis 12 Mill. Bei diesen treten, als Folgen einer
langen Dienstbarkeit und unterdrückten Cultur, sichtbar hervor : Roheit,
Indolenz, Unreinlichkeit, grobe Sinnlichkeit und grosser Leichtsinn. Da-
bei sind sie oft dem Trunk ergeben; gewöhnlich etwas faul, verstockt,
diebisch, kriechend und tückisch gegen ihre Obern u. s. w. „Gleichen Be-
weis der Unparteilichkeit und Billigkeit in der Beurtheilung des Charak-
ters der Slawen liefert der polygraphische Exminister de Pradt in s. Hist.
de l'Ambassade dans le Grand Duche Varsovie, 812. S. 71 — 73. „L'Eu-
rope nie parut tinir au passage de TOder. La commencent un langage etran-
gef~ä TEiuope (ja wol ctranger für Hrn. de Pradt!), des costumes diffe-
rens de ceux de l'Europe. La Pologue n'est plus TAsie; ce ivest pas.encore ^. ^
TEurope." Er fand bei den Polen: ,,roeil prive de toute expression; tou- ,»
tes les habitations autant d' asiles de la niisere, de la salete et des inse-
ctes ; les villages ecrases sous le chaume et perdus dans la fange ; les
villes de bois, sans regularite, sans ornemens, saus approvisionnemens au-
dessus du-plus grossier necessaire, les chä,teaux ä - peu - pres comme en
Espagne" u. s. V. — Selbst der brave Bmmier in s. vergleichenden Dar-
stellung der Grundmacht od. der Staatskräffe aller europäischen INIonarchien
und Republiken, Pesth 823. 4.. nachdem er übrigens dem Charakter der
Slawen Gerechtigkeit hat wiederfahren lassen, fügt aus trüben Quellen
rtüchtig hinzu: ,,Des Slawen grösste Fehler sind Sinnlichkeit, Unmässig-
keit in hitzigen Getränken und starker Aberglaube, bei einigen Zweigen
( — welchen? — ) säuische Unreinlichkeit. niedrige Kriecherei und Hang
zur Betrügerei und Dieberei"' (S. .309), uiul beweist abermals, Mas der
Slawe über sich selbst von den Ausländern lernen kann. — Doili genug
der Dornen! — Bedarf dieses Gewebe von Unsinn, Irrthümern, Lügen,
Verläunidungen und Niederträchtigkeiten vor dem gesuiiden Menschenver-
stände einer ernstlichen Widerlegung? Wer wird den Eckel überwinden.
und dieses hier aufgerüttelte alte, morsche, stinkende Todtengerippe Stück
für Stück zerlegen," um es in seiner ganzen Nacktheit und Nichtswürdig-
keit dem Auge des Lesers darzustellen?
<r>
48
sagen Verachtung — in blutige Verfolgungssuclit und
GewaJttliätigkeiten gegen andere ausartet. — Wen wird
es befremden, wenn er in dem Charaktergemälde des
Slawen manclien Schattenzug bemerkt ? Aber dieser darf
als Ausnahme oder Einzelheit nicht gleich zur Hegel oder
Allgemeinheit erhoben werden. Wie könnte es auch
seyri, dass ein Volk, welches so weit verbreitet, von
andern Völkern innruugen und durchllochten ist, nach
so vielen Widerwärtigkeiten, so vielen Kriegen luid Un-
fällen überall auf einer Stufe des Glanzes, der Macht
und des Ansehens stände, inid frei von aller Schwäche
wäre ? Wer las es nicht in der Geschichte des iMittel-
alters, was in dem Lande der Wilzen, Obotriten, Po-
laben, Pommern, Sorben und anderer Slawen zwischen
dem baltischen Meer und dem Tatragebirg vorgefallen,
bis aus ihren Ueberresten unter dem würgenden Schwerdt
der Franken und Teutschen ungefehr das geworden, was
aus den Peruanern unter dem Schwerdt der Spanier?
Hat man sie nicht für unehrlich erklärt, bis 1608. 1613
von allen Zünften und Gilden ausgeschlossen, um sol-
chergestalt auf alle Weise zu verhindern, dass sie nicht
wiederum emporkommen möchten? ^) Hat nicht Hussland
seine Tatarenkriege, Polen seine Kozaken — Kreuzherrn-
und Bürgerkriege gehabt? Wer keimt nicht Böhmens
traurige Schicksale im XVII. .Jahrb. ? Was würden erst
^) Man lese hierüber selbst teutsclie Schriftsteller: Haqwet, z. B.
sagt in einem Seiner Majestät Franz I. gewidmeten Werke, Abbildung und
Beschreibung d. Südwest- und östlichen Wenden, Illyrer und Slawen, Lpz.
1. Th. 1. II. p. 8. folgendes: Ich könnte hundert Beispiele anführen, wie
oft Teutsche in meiner Gegenwart, wider alle Vernunft mit Worten und
ijchliigen diese unterjochten Menschen (Slawen) misshandelten, bloss weil
sie ihre "Sprache nicht verstanden." — Prof. Woltmann Gesch. d. Teut-
schen in d. sächsischen Periode, 1. Th. Gott. 1798. schreibt: „Es scheint
Sitte bei den Teutschen gewesen zu seyn, dass sie ein slawisches Volk
angriffen, so bald es ihnen in den Sinn kam einen kriegerischen Zug zu
unternehmen. Es war ein trauriges Loos der Slawen, dass sie auf d. Land-
seite von den kriegerischen Teutschen und von den damals noch sehr
rohen Magyaren, an der Küste von den schwärmenden Normännern gehin-
dert wurden, eine Cultur zu vollenden, welche sich schon so eigenthüm-
Hch bei ihnen entwickelt hatte, dass noch jetzt das Grundgewebe dersel-
lien bemerkt wird, obgleich die meisten slawischen Stämme seit acht .Tahi'-
bunderten ein unterjochtes Volk und dem teutschen Staatskiu'per einver-
leibt sind. Die Grausamkeit und Verachtung, womit ihre Ileberwinder sie
iK'Jumcielten — eine slawische l''amilie zum Verlcauf ausgcsteUti war für
den freien Teutschen ein Bild des hricbsten Elends — reizte sie uiianflKirlicb
das Joch dersen)en abzuwerfen."''
die Serben, Bosnier imH Bulgaren sagen, wenn sie ihr
Elend klagen dürften! Ist es ein Wunder, ruft Herder
bei der Betrachtung dieser Unfälle aus, dass naclTTahr-
hunderten der Unterjochung und der tiefsten Erbitterung
dieser Nation ihr weicher Charakter zur arglistigen, grau-
samen Knechtsträgheit herabgesunken wäre? Und den-
noch ist, fügt er weiter hinzu, allenthalben, zumal in
Ländern, wo sie einiger Freiheit geniessen, ihr altes
Gepräge noch kennbar. TJa wol ist es noch kennbar, die-
ses alte Gepräge; und ich will nun versuchen, einiges
zu seiner Erläuterung im Allgemeinen (das Specielle ge-
hört in die Charakteristik einzelner Stämme) anzuführen.
Die LeibesbeschafFenheit dieses grossen Volks ist sehr
verscliictlen. nach dem Klima, welches die verschiede-
nen Stämme desselben bewohnen. Im Allgemeinen sind
die Slawen von mittlerer Grösse und starkem Knochen-
bau, nach guten Verhältnissen gebaut, und von unge-
mein grosser Spannkraft und Zähigkeit der Muskel. Das
Princip der grösseren Empfänglichkeit oder Subjectivität,
welches den Slawen durchgängig, physisch u. psychisch
eigen ist, thut sich schon in dem Zurücktreten aller Be-
gränzungslinien , vorzüglich jener des Gesichts, kund,
die ungleich runder, sanfter und weicher sind, als bei ^
den mit mehr nach aussen strebender Thatkraft begab- ^ ^*'''
ten Teutschen. Das Merkmal der blonden Ilaare ist bei-
nahe allen SjawjeiL^ejmfiixu "»tl seihst bei den südlichen
Stanmien ist es weit weniger durch die Natur und das
Klima, als durch die Kunst verwischt. Sowol diese, als
die grössere Weisse der Haut vor andern Völkerstäm-
men erinnern an ursprüngliche, oder nur langwierige
Wohnsitze im Norden. Unter allen Slawen scheinen die
östlichen, nördlichen und westlichen den allgemeinen
pTTysischen Stammtypus am reinsten erhalten, die südli-
chen hingegen am meisten getrübt zu haben. — Zu den
Grmidzügen im Charakter des slawischen Gesammtvolks
gehören: sein religiöser Sinn, seine Arheitsliehe^ seine
härm- und arglose Heiterkeit, die Liehe zu seiner Spra-
che und seine Verträglichkeif. Schon vor der Verbreitung
des Christenthiiiüs" unier den Slawen w^ar ihre Frömmig-
keit und Anhänglichkeit an die Religion auch den Aus-
4
50
liindern bekannt. Eine solche iVlengc einlieiiuisclier, znr
Bezeichnnng der heiligen Gebräuche dienender Wörter,
so viele tnid prächtige Tempel, so eifrige des Cultus we-
gen angestellte Wallfahrten zu den entlegensten Oertern,
so grosse Andacht bei Anbettnig der Götter ^j können
nur wenige Nationen in diesem Zeitraum nachweisen.
Als die Morgenrötlie des Christenthums im Norden auf-
zugehen anfing, warteten die Slawen nicht erst ab, bis
die Apostel des Evangeliums zufällig zu ihnen kämen,
sondern erbaten sich solche ausdrücklich, und die Ge-
brüder Kyrillus und Methodius kamen auf der slawischen
Fürsten heisses Verlangen nach Pannonien und Mähren*}.
Diese Liebe zur Religion blieb den Slawen immer eigen.
Die slawischen Völker erkauften das Christenthum mit
dem theuersten, was das Leben hat: mit der physischen
Freiheit , Selbständigkeit mid Volksverfassung. Auch
waren sie im Mittelalter unter den ersten, welche gegen
verschiedene veraltete Missbräuche in Kirchensachen ihre
Stimme laut erhoben ; und in Böhmen fing es an zu däm-
mern, als es noch in ganz Europa, und vorzüglich in
Teutschland finster war; denn Huss, dieser Begründer der
neueren Literatur Böhmens, gehört, was auch Prof. Pölitz
sagen mag, den Böhmen, nicht den Teutschen an. Einen
Beweis der Frömmigkeit der Slawen können auch die
*) Helmold L. 1. c. 6. Saxo Gramm. L. 14. Antequam rem diviuam
t'aceret sacerdos Slavorum, scopis quam diligentissime fanum Svanteviti pur-
gabat, spiritu oris compresso, quem quoties revocare opus erat, ad ostium
decurrit, ne scilicet humano halitu numinis praesentia offenderetur. An an-
dern Orten sagt Helmold : major flamiiiis quam regis veneratio apud ipsos
est. — .Jurationes difficillirae admittuntur, nam jurare apud Slavos quasi
perjurare est. ' " "'"' " ^ „._----
*) Warum sich die Slawen an der Elbe und Ostsee dem Cliristen-
thum so lange und hartnäckig widersetzt haben, kann man aus Helmold
erfahren; man Hess sie dafür mit dem Verluste der Sprache und des Volks-
thums bezahlen, und Herder sagt ausdrücklich, die Religion sey nur der
Vorwand politischer Absichten gewesen. Vgl. F. Durich bibl. slav. p. 64—65.
Der teutsche Bischof Otto v. Bamberg suchte die Slawen nicht durch das
Evangelium, sonderri^'diirchdün Mammon zum Christenthume zu bewegen,
indem er bei hO und mehr Wägen mit Tuch, Getreide und andern Victua-
lien hinter sich herführen Hess. So lehrte man die Wenden äusserlich das
Christenthum heucheln, intloni sie im Herzen Heiden blieben. Siehe Cramei-
Pomm. Kirchen-Hist. L. 1. c. 29. Vernünftiger tiiat diess der slawisch -
wend. König Gode»chalk, der teutsche und latein. Bekehrer und Priester
in sein Land kommen Hess und dann das, einem Regenten fremde Geschäft
persönlich übernahm, sich neben den Rednei- zu stellen, und jed.^ vom
Prediger ausgesprochene Periode sogleich in slawischer Sprache seinem Volke
zu wiederholen. Siehe (rehhardi Gesch. aller wend. slaw. St. 1. ß. 2. Buch.
51
vielen IleiIit;eM aus diesem Volke geben, deren Namen
sowol die morgeidändisclie. als auch die abendländische
Kirche ehrl. z. ß. h. Ludmila. h. Rozvvita. h. Hedwig,
h. Wenceslaw, h. Nepomuk. h. Stanisfavv, li. Kazimir,
h. Boleslaw. h. Wladimir, h. Sabbas, h. Lazar u. m. a.
Wahr ist es, durch Bendirung inii andern Völkern sind
manche Stämme bald abergläubisch, bald lau und indo-
lent in Keligionssachen geworden; aber diess berechtigt
keineswegs, das fiesammtvolk der Roheit, des Leicht-
sinns inid der Gottlosigkeit anzuklagen. Die Sonn- und
Feiertage werden in der Regel bei den Slawen weniger
entweiht, als bei andern Völkern, die Bibel fleissiger
gelesen, die häusliche Andacht öfter ausgeübt, in der
Kirche und beim Cultus herrscht eine grössere Stille und
Andacht, die Ehrerbietung gegen die Religion in Thun
inid Sprechen ist inniger und zarter, das Fluchen und
Höhnen, das Rauben und Plündern, das Morden und
Blutvergiessen seltener. — Die Arheilsliehe der Slawen
ist allbekainit. Nicht zw^ar, als ob andere Nationen faul,
auch im Einzelnen nicht fleissiger oder geschickter wä-
ren; aber die durchgängige, von oben bis zu der un-
tersten Volksclasse herab verbreitete Arbeitslust, ver-
bunden mit der grössten Abhärtung des Körpers, ist
wol nirgends so gross, als hier. Bei so vielen Unglücks-
fällen, die das Volk und seine Bildung trafen, findet man
doch in allen Fächern der Wissenschaften. Künste, Ge-
werbe und Handwerke iMämier unter den Slawen, die
jenen anderer Nationen zur Seite gestellt werden kön-
nen. Wie Herder den ländlichen Fleiss der alten Slawen
gewürdigt, ist scbon oben angeführt worden; aber auch
heutzutage sieht man in den meisten slawischen Ländern
das Hans und das Feld im Winter und Sommer von be-
triebsamen slawischen Händen wimmeln, und während
sich so manche andere Nationen ausschliesslich einem
Gewerbe widmen , die Slawen alle Zweige der Industrie,
Handel und Handwerke, Wissenschaften und Feldbau
mit gleicher Liebe, gleichem Eifer umfassen. — Die
härm- und arglose Heiterkeit ist, wie einst der Grie-
chen, so jetzt der Slawen kostbares, beneidenswerthes
Eigenthum. Der Slawe scheint von Natur mehr zum
4 1»
52
geselligen Frohsinn und tröliliclien Lebensgenuss , als
zum trüben Tiefsinn und giübelnder Speculation ge-
' schaffen zu seyn ; das gesunde und irische, kräftig in den
Adern rollende Blut bringt jene Lebhaftigkeit und Reiz-
barkeit der Muskel und Nerven, jene Behendigkeit und
Gelenkigkeit der Glieder, jene Heiterkeit inid Wärme
des Blicks, jene liniigkeit und Leutseligkeit der iMienen,
jene Gesprächigkeit der Zunge, jene Gemüthlichkeit und
Ghilh des Herzens hervor, die den Slawen so eigen-
thümlich vor andern Nationen charakterisirt. Alles die-
ses ist nicht die Frucht der Erziehung, des Studiums,
der Uebung, sondern das Werk der-iHiineii Natur. Das
von Gefühlen überwallende Herz ergiesst sich leicht in
Gesang und Tanz; daher sind beide bei den Slawen in
einem hohen Grade zu Hause. Wo eine Slawin ist, da
ist anch Gesang; sie erfüllt Haus und Hof, Berg u. Thal,
Wiesen und Wälder, Gärten und Weingärten mit dem
Schall ihrer Lieder ; oft belebt sie nach einem nudievol-
len, unter Hitze, Seh weiss, Hunger und Durst zuge-
brachten Tag, die herandämmernde Abendstille während
der Heimkehr noch mit iiirein melodischen Gesang. Welch'
einen Geist diese Volkslieder atinnen, kann man aus den
bereits erschienenen Sammlungen derselben ersehen. Man
kann ohne Widerspruch behaujilen, dass die Naturpoe-
sie bei keinem Volk in Europa in einem so hohen Grade
und mit einer solclien Reinheit, liniigkeit und W^ärme
des Ciefühls verl)reitet sey, wie unter den Slawen. ( Vgl.
§. 13. Anm. 1.). Aus dieser Harmlosigkeit und Leben-
digkeit des Gefühls, aus diesem Triebe nach geselligem
Frohsinn und Lebensgeiniss eiitspringt die Gastfreiheit
gegen Stammverwandte und Fremde, die aneiHiannt von
jeher, gleich jener griechischen, eine Zierde in dem Blu-
menkranz der einheimischen Tugenden der Slawen ist '):
*) lieber die (^tfrfiiLeit der Slawen sprechen sell)st fremde
Schriftsteller mit einer Art von Begeisterung. Siehe Witichind, Ditniar.
Adamus Breniensis, und besonders Jjelmold L. 1. c. 82. ,,Experimento ipse
didici, quod ante fama cognovi, qüoü nullä gens lionesti.or ^Slayis m ho-
spitalitatis,..gi'atia^ In colligendis enim hospitibus öhines quasi ex senten-
tia alacres sunt, ut nee hns]iitium quemquam pnstulare necesse sit. — Si
quis vero, quod rarissimum est. i)erpgrinuni hospitio removisse deprelicn-
sus fuerit, hujus domum vel facultatcs incendio consumere licitum est, atque
in id nnmium vota conspirant. illnni ingloriuui, illuni vilem, et ab Omnibus
exsibilandum dicentes; quia Jiospiti parteni negaro non timuisset." — L. II.
c. 42. .,IIospitalitatis gratia et pareutum cura primum apud Slavos virtutis
locum obtinet. Nee aliquis egenus aut mendicus apud eos repersus est."
53
doini ein Volk, wolchos sich ganz der arglosen Heiter-
keil und gefiddvollen GemiUhlichkeil liiiizugebeii pflegt,
kami iiiimöglicli. gleich jenem, dessen Gesicht und Her-
zen das düstre Gepräge von Verschlosseidieit nnd Melan-
cholie, von Widerspenstigkeit nnd Hartsinn, oder von
Stolz nnd Ueberinuth aufgedrückt ist, in Tücke u. Grau-
samkeit, in Fluch - Tob - Räch- nnd Mordsucht versin-
ken. ~ Der vierte Grundzng im Charakter der Slawen
ist ihre Liehe zurUUuffersprac/ie und Eifer für ihre Er-
haUung und AnshiiiUing. Niemand erstaune hier und
wende ein, dass diess inn* natürlich mid allen Völkern
gleich gemein sey. Wenn man weiss, welche Bedeu-
tung Xationalsprachen in Bezug auf die Bildung der Völ-
ker haben ; inid nun bedenkt, dass die slawische Spra-
che gleich dein gesammten Slawenthnm von jeher den
Angriffen der Fremden, dem Feuer nnd Schwert aus-
gesetzt war; dass ganze Stämme von der Ostsee bis zu
den Karpaten nnd von da bis zum adriatischen Meer
hinab durch hundertjährige Kriege und Verfolgungen
entweder grausam vertilgt oder nnmenschlich geschändet
und verstümmelt Avoiden sind ; dass ferner auch das In-
nere des östlichen nnd nordischen Slawenthums in Russ-
land und Polen die Geissei der Mongolen und des Kriegs
in hundertjährigem Kampf zerfleischt hat: so wird man
sich wundern, aber es auch löblich finden, dass es nach
so vielen Unglücksfällen heutzutage noch eine Zunge
gibt, die slawische Laute spricht, und dass der Name
Slawe nicht schon längst als eine Antiquität der Geschichte
anheim gefallen ist. Je grösser die Verblendung dieser
bedauernswürdigen Widersacher war, um so kräftiger
wnrzelte die Liebe zur Sprache bei den Slawen. Keine
Sprache der Erde hatte so viele Feinde, erlitt so viele
unverdiente Unbillen , musste mit so vielen Hindernis-
sen kämpfen, verlor so viele Denkmale der geistigen
Lebens- und Bildungsgeschichte durch Flaunnen nnd
Schwerdt; und doch ging am Ende die imithige Beharr-
lichkeit der Slawen in den meisten Ländern siegreich
aus dem Kampfe mit Neid, Hass und Barbarei hervor.
Als andere Völker das Evangelium annahmen, bequem-
ten sie sich alle zur Ausübung des Gottesdienstes in
54
einer t'reiiKleii, iiiiversländliclieii Spriielie ; die einzigen
Slawen iiiacliten hierin, niclit olnie grosse Anstrengun-
gen , von jeher eine Ansnahii\e, und priesen Gottes
Allmacht in ihrer Muttersprache, ihre Sorgfalt war un-
enmUlet auf die Bibel gerichtet, die sie, dem grössten
Theil nach, gleich von ihren ersten Lehrern des Chri-
stenthums, Kyrill und Method, übersetzt erhielten, und
bis auf den heutigen Tag als das kostbarste Kleinod mit
religiöser Scheu und Klirfurcht bewahren. — Nicht min-
der wichtig ist im Charakter der Slawen der Zug der
Verträglichkeit und der Friedensliette. So weit die äl-
teste Geschichte dieses Volkes über seinen Ursprung,
seine Sitten, seine Thaten inid Kriege einiges Licht ver-
breitet, finden wir nirgends bei demselben die Brand-
male der Roheit, Grausamkeit und viehischen Brutali-
tät; vielmehr war luid ist eine gewisse stille Demuth,
-Milde, Leutseligkeit und Friedfertigkeit sein Eigenthum.
Gaben gleich die Slawen hie und da glänzende Beweise
von Tapferkeit und Heldenmuth, so dursteten sie doch
nie unaufgefordert nach Blutvergiessen und Verheeren,
sondern führten die WatFen, inii sich gegen den Ueber-
muth zu vertheidigen. Wol mögen andere darin ihren
Ruhm suchen, wenn sie die Zahl der ermordeten Für-
sten und Könige, die Ströme vergossenen Blutes, die
Menge verheerter Städte und geplünderter Länder auf-
zählen köinien: die Geschichte der Slawen kann dem
grössten Theil nach nnr berichten, wie viele Völker
sie im ungestörten Genuss des Friedens gelassen, wie
viele mit den Künsten luid Gewerben der Häuslichkeit
und des Feldbaus beglückt haben. Auch sie kämpften,
wo es darauf ankam, herzhaft und lujerschrocken, und
kämpfen auch heute noch, aber nicht um andere freie
Völker in das Joch der Sciaverei und Leibeigenschaft
zu beugen, nicht um zu morden, zu brennen und zu
plündern; sondern um sich, ihre Freiheit und Rechte,
ihren Fürsten inid das Vaterland, ihre Religion zu ver-
theidigen. Aus dieser Figenschaft , welche den Slaw en
zum wahren Erdbürger im edlern Siinie des Worts er-
hebt, lässt sich erklären, warum er nie nach gewaltsa-
mer Unterjochung, Ausrottung oder Umstempelung an-
n,V>
55
Herer Nachbarvölker j;elrach(e(, vielmehr sich uii die-
selben enger und znfraucnsvollcr geschmiegt , als es
seiner Nationalität unbeschadet hätte geschehen sollen.
Nichts ist dem Slawen fremder, als Schimpf und Spott über
andere Nationen; seine Sprache hat nicht einmal Wör- v^
ter und Ausdrücke, um lieblos und höhnisch mit anderer \^^«'\ ^
Völker Namen, Tracht. Sitten und Gebräuchen ein Ge- '^y^
spotte zu treiben. Man gehe, wemi man will, die in
das Fach der Länder- und Völkerkunde einschlagenden
slawischen Werke der Russen, Polen, Böhmen u. Serben
durch, inid sehe nach, ob in denselben etwas den wol-
verdienten Ruhm und die Nationalehre anderer benach-
barten Völker Beeinträchtigendes vorkommt. Wenn je
irgend ein Volk unter der Sonne, so ist es gewiss der
Slawe, der ruhig und friedliebend Unrecht lieber duldet
als thut, andere lieber schätzt als schimpft, Beleidigun-
gen lieber vergibt und vergisst als rächt, dem Fürsten
und der Regierung mit unerschütterlicher Treue ergeben
ist, und sollte gleich seine Friedensliebe und Demuth
andere ungestüme, übermüthige Nachbarvölker veran-
lassen, sich oft harter Bedrückungen gegen ihn schuldig
zu machen. Denn allerdings gibt es auch heutzutage noch
viele , die seinen Namen und Ruhm unablässig zu ver-
dunkeln bemüht sind, leichtsinnige Verläumder u. ge-
dankenlose Nachschreiber, die bald mit seinen National-
sitten «nid Trachten, bald mit seiner Sprache und Cul-
tur ein schnödes Spiel treiben, verblendete Lästerer,
von welchen es scheint, als hätten sie diesem grossen
inid grossmüthigen Volk ewigen, blutigen Hass geschwo-
ren. Undankbare, die uneingedenk, dass sie einst sla-
wische Milde und Friedensliebe dem Zustande der Wild-
heit entrissen und in die ruhigen Wohnungen der zah-
men Geselligkeit eingeführt , statt der rauhen Noma-
dentracht mit dem gefalligen Gew and der Civilisation und
milderer Gesittung umgehüllt, ihre verheerenden Schwer-
ter in nützliche Pflugscharen umgestaltet, und statt zu
phlndern und brennen. Häuser und Städte bauen gelehrt
hat, uneingedenk, dass sie auch jetzt noch einem gros-
sen Theile nach slawischer Hände Schweiss und Schwie-
len ernähren, dieses unschuldsvolle, harmlose, in viel-
56
faclier Hinsicht imglückliclie Volk verachten und drü-
cken, und zur Schande der Menscldieit sich mit dem
Schimpfworte herumtragen , welches den Slawen bald
für einen ißclaven^ bald für einen Nichtmenschen erklärt.
Zu diesenT Grundzügen im Charakter der Slawen
gesellen sich die übrigen Eigenschaften, die mit jenen
vereint und zum Theil durch dieselben begründet das
Ganze des Charaktergemäldes ausmachen ; ich meine die
schon oben berührte Gastfreiheit, die selbst bei den nie-
drigsten Volksciassen durchgängig herrschende Sittsam-
keit und Zucht , die Reinlichkeil im Hauswesen, die
Einfachheit und Gemüthlichkeit ihrer häuslichen oder
Volksgebräuche, die Ehrerbietung gegen das Alter und
Verdienst, die Treue in der F^reundschaft und Ehe, und
die ruhige Ergebung in ihr Schicksal, die alle einzeln zu
beleuchten nicht in den Kjeis dieser Untersuchungen
gehört. — Der Slawe keimt aber auch die Schattenseite
seines Volkslebens. Diese ist die partielle Brechung und
Trübung der Charakterstrahlen bei einzelnen Stämmen
in tausendjährigem Unglück. Es gefiel der göttlichen
Vorsicht, dieses grosse Volk während der bedeutungs-
vollen Periode der Völkerwanderung in eine Lage zu
bringen , in welcher seine wehrlose Friedensliebe an
dem unbändigen Kraftandrang wilder Horden zu Trüm-
mern gehen musste. Die Uebermacht dieser Horden ver-
anlasste die unaufhörliche Verschiebung der Gränzen des
alten Slawenlandes, diese die immer grössere Zersplit-
terung des Volks und Vermischung mit andern Nachbar-
völkern, wodurch es ihm unmöglich ward, zu jener
scharfen Volkes - Sitten - Sprach- und Landesbegränzung
zu gelangen, die sein Volksthum durch eine dauerhafte
Verfassung gesichert hätte. Der Gesellschaftlichkeit unter
den slawischen Stämmen fehlte es an Eiiilieit; der Baum
repjiblicanischer Freiheit, den sie unter sich gepflaijzt,
stand ohne Wurzeln, und der Sturm hat ihn ujiigcwor-
fen. Von dem Meer abgeschnitten, fanden viele slawi-
sche Stämme bald die Pulsadern ihres Lebens unterbun-
den, ihre schifFbaren Flüsse verschlossen ; und auf Er-
schöpfung ohne Mittel der Erhohlung folgte bald Schwä-
che. Das Fremde gewann immer mehr und mehr Ein-
57
lliiss auf das Eiiilieimischc, «md läliiiilo nicht nur von
oben herab — derui partielle Abtrunnij^keit einzelner
(irossen thut, den abgefallenen im- oder liberreifen Fnich-
ten gleich, keinen Abbrnch dem gesunden, lebenskräf-
tigen Stamm — sondern vielmehr von unten herauf das
Mark des Volkes, indem es seine Nationalität, die durch
nichts ersetzt werden kann, gegen die Stimme der Na-
tur, gebrochen, getndjt und verwischt hat. So wird die
Halbheit, die nuj- einzelnen abgerissenen Zweigen, oder
auch nur einzelnen Individuen zu Theil geworden, be-
greiflich und erklärbar. Aber wo der gesnndere Theil
der gefallenen Stämme, das Volk, aus so vielen Stür-
men und Gefahren mit der Erinnerung an die grossen
Züge ihres Daseyns die glühendste Liebe zur Sprache,
ein stolzes Selbstgefühl und sein Volksthum rettete ; da
kann man noch nicht alles verloren geben. Darum und
nur im Bezug auf diese Stämme mag Herders Trostspruch
auch hier seinen Platz linden: „Das Rad^der ändernden
Zeit, sagt er, drehet sich imaufhaltsaiii ; und da die Sla-
wen grösstentlieils den schönsten Erdstrich Europas be-
wohnen, weiHi er ganz bebanet und dei* Handel daraus
eröffnet würde; da es auch wol nicht anders zu denken
ist, als dass in Europa die Gesetzgebung und Politik statt
des kriegerischen Geistes immer mehr den stillen Fleiss
und den ruhigen Verkehr der Völker unter einander be-
fördern müssen und befördern werden : so wei'det auch
ihr so tief versunkene, einst fleissige und glückliche Völ-
ker, endlich einmal von enrem langen trägen Schlaf er-
nnnitert, eure schönen Gegenden als Eigenthum nutzen,
und eure alten Feste des ruhigen Fleisses und Handels
auf ihnen feiern dürfen."
Ueber den Grad der intellectuellen und ästhetischen
Bildung des slawischen Gesannntvolkes im Allgemeinen
ein Urtheil zu fällen, ohne ins Detail einzugehen, ist
unmöglich ; denn es leuchtet .Jedermann ein, dass in den
so weit aus einander liegenden slawischen Ländern und
bei den verschiedenen Volksclassen hierin die auffallend-
ste Verschiedenheit und der grösste Contrast, unbescha-
det der Civilisation des Ganzen, statt finden muss. Die
Natur entzog diesem grossen Volk keines der Talente,
58
iiii( welchen sie andere Krdbewoliiicr ausgestattet hat ;
lind dass diese Talente nicht unbenutzt und vergraben
liegen, sondern Künste und Gewerbe, Industrie u. Han-
del bei den meisten Stännnen niannigtaeh bhdien. kann
wol jeder sehen, der Augen hat, wenn mari gleich gerne
zugesteht, dass dieselben bis jetzt nicht diejenige Stufe
der Vollkoimiienheit erreicht haben, auf welcher sie bei
einigen andern Nationen Europas stehen. Die Slawen
haben in allen Fächern und Verhältnissen des cultivir-
ten Lebens einzelne Männer, als Fürsten und Helden,
Staatsmänner und Priester , Gelehrte und Künstler,
Handwerker nnd Kaufleute , Bauern und Ackersleute
aufzuweisen, die jenen anderer Länder nicht im minde-
sten nachstehen; sollte gleich diese Cidtur, den Zeit- und
Ortumständen nach , noch niclit unter allen Stämmen
und bei der grossen Masse des Volks auf gleiche Weise
durchgreifend seyn, oder auf dem Gipfel des Glanzes
sich befinden. Aber auch diese grosse Masse des Volks
geniesst überall, selbst in der Türkei, die Früchte der
christlichen Civilisation; und was im Laufe der neuesten
Periode für die höhere Civilisation des slawischen Volks
in Russland. Polen, Preussen und Oesterreich geschah,
und mit dem ndnnlichsten Bestreben noch geschiebt, ist
allbekannt. Die deiiuiach über die Roheit des slawischen
Volks schreien, bedenken nicht, dass der Stufengang in der
Ausbildung und das Fortschreiten zum Bessern ein von
der Natur bezeichneter Weg sey, indem durch die all-
zuschnelle (ivilisinnig einer grossen Masse mancher Ring
in der Kette der gleichmässigen Entwickelinig übersprun-
gen werden müsste, weini die Bildung einer jeglichen
Volksclasse nicht gleichen Schritt mit der Vervollkomm-
nung aller übrigen gehen tnöchte. Den Massstab zur
Beiirtlieilung der geistigen Bildungsstufe einzelner Stäm-
me wird die l ebersicht ihrer Literatur geben. '^)
*) Im All^. — (las Hpecicllo gehört in die Literatur einzelner Stäm-
me — vgl. F. Diiricfi iiibl. slav. p. 28 - 39. Dobrou.'sk>/.'> Slawin und Slo-
wanka a. m. 0. T^ikovjiecki's prawda ruska Th. 1. Ä. Junamann." kdo
('■inj, kdo trpj kriwduV in /. Pred's Krok Hf(. o. S. 61-67. J. Kollar.<
dobre wlastnosti närodn slowanskeho, w Peäti 822. 8. Ueber die österr.
Slawen : {J. Rohrer's) Versuch über die slaw. Bewohner der österr. ISIo-
jiarchie, Wien 804. 2. Th. 8.
59
§. 6.
Schicksale und Zustand der literarischen Cultur der Slawen
im Allgemeinen.
Die slawischen Mundarten sind weder alle zu glei-
cher Zeit, noch einzelne mit ji;leicheni Glück gebildet und
angebaut worden, lieber die Stufe der Geistes- inid hie-
mit auch der Sprachbildung der heidnischen Slawen las-
sen sich nur wenige, mehr oder minder zuverlässige
Vermuthungen wagen, auf die schon oben verwiesen
worden ist, und auf die wir unten zurückkommen wer-
den. Mit der Bekehrung der Slawen zum Christenthiniie
beginnt eine neue Epoche in ihrer Culturgeschichte.
Die südlichen Slawen waren die ersten^ die durch grie-
chisch^~uiii3~^ italienisch-teutsche Mönche, ungewiss wenn,
aber gewiss geraume Zeit vor Kyrill und Method, her-
nach am zweckmässigsten durcii diese selbst, in dem
Christenthume imterrichtet worden sind. Um diese Zeit
bekamen die Slawen entweder zu allererst, oder doch
aufs neue, nach dem Verluste ihres indisch-slawischen
Uralphabets, von Griechenland aus „die göttliche Wol-
that der Buchstaben, diese Vorbedingung aller Cultur!*'
Der Stern eines neuen geistigen Lebens ging den Slawen
in Serbien, Bosnien, Bulgarien, Pannonien und Mähren
auf. Kyrill und Method lasen die Messe in der_Landes-
sprache ; und der Dialekt der zwei ßrüderapostel,~cTes-
sen sie sich bei Uebersetzung der h. Bücher bedienten,
war auf dem Punkte, wie späterhin in Italien der tosca-
nische und der obersächsische in Teutschland, für im-
mer zur Büchersprache der Slawen erhoben zu werden,
und so wenigstens eine geistige Genieinschaft unter den
losen Theilen der so weit verbreiteten Nation zu bilden:
als plötzlich der Zwist der morgen- und abendländischen
Kirche der Sache eine ganz andere Wendinig gab, luid
die schöne Hoffntnig vereitelte. Die Böhmen und Polen,
von Priestern der römischen Kirche zum Christenthume
bekehrt, nahmen das kyrillische Alphabet nie ganz an,
sondern erhoben nach «nid nach ihre eigene Mundart
zur Schriftsprache, inid bedienten sich sofort der lateini-
60
sehen Seliriftzüge iiaeli eigener, lateinisch - tentoniseher
(nmhination. Das Kyrilliselie wurde sogar in Pannoriien
und Daliiiatien, dessen Bischof nocii bei Lebzeiten iMe-
tiiods für sein Land eine Absciuift des übersetzten Psal-
ters nehmen Hess, hart bedrängt, und ein Theil dieser,
von den Verfechtern des Latinismus behaupteten Pro-
vinzen, nahm, da ihm später die Ausübung des Gottes-
dienstes in der Landessprache auf vielfaches Dringen be-
willigt wurde, das glagolitische Alphabet an; während
sich der andere, bei weiTeiTi grössere Theil die lateini-
schen Charaktere nach beliebiger Combination zur Schrift
aneignete. Nur Serbien und Russland, wohin Kyrills
Alphabet und Bibelübersetzung hundert Jalire nach des-
sen Entstehen verpflanzt wurde , ferner die Moldan,
Walachei, und ein Theil von Pannonien und Polen,
blieben dem kyrillischen Alphabet und der altslaw. Kir-
chensprache getren. So ward das Anschicken dieser gi-
gantischen Nation, bei gleicher Religion, gleicher Schrift-
sprache nnd — warum nicht auch unter einem einzigen
Oberhaupte? ein Ganzes zu werden, durch unvorgese-
hene Stürme zerstört. Aber es folgten ihrer noch andere
nach Kyrills schöner iMorgenröthe. Das eigentliche und
grösste Unglück für die slawische Nation und ihre schöne
Sprache war, dass diese friedlichen Ackei- und Han-
delsleute, die im Bewusstseyn ihrer Unschuld vergessen
hatten auf Kriegsfälle vorzudenken, im Süden von Ma-
gyaren und Türken, im Westen von Teutschen, und im
Osten von Mongolen, zwar nicht zu gleicher Zeit, aber
mit desto gleicherem Erfolge unterjocht wurden, und
dass nun am Throne und in allen Staatsfunctionen die
Sprache des ausländischen Siegers herrschte, die arme
eingeborne aber in die Hütte des leibeigen erklärten Be-
siegten vertrieben ward *).
Nach der Trennung arbeitete nun jeder Stairnii für
sich, so gut er konnte, an der Ausbildung der Sprache
fort; aber vereinzelt, getrennt und einanrler fremd ge-
worden durch Religion und politische Verhältnisse. Russ-
land, durch Kyrills Bibelübersetzung luid Liturgie ver-
') Vgl. B. K(^fätar\s Gramm, der slaw. S])rache in Krain, Kärnten
u. Steiermark, Laibach 808. 8. Einl. S. XII. if.
61
aiilasst, bedieiile sich im Schreiben .lahrhmiderlc lang,
den Serben «gleich, des kviillischeii Kirchendialekts, und
hat einige scliöne Denkmale der t'ndie.slen Geistcscultur
ans dem Fache der Theologie, Poesie, Gesetzgebjing
und Geschichte ant'zuu eisen. Die l.,itera(nr der dalma-
tisch-kroatischen (jlagolilen hingegen blieb vtnn Anfang
her lediglich anf Heligionsbücher beschränkt. Desto mehr,
da hier die Ilemiiuing geringer war, wnrzelten die Kei-
me einer literarischen Cultnr in Polen, und noch früher
in Böhmen. Dieses bildete seinen Dialekt schon im Xlll.
und XIV, noch mehr aber im XV. .lahrh. zu einem iio-
hen Grade der Vollkommenheit aus; das XVI. Jahrb.
war nicht minder der Nationalcultur günstig ; aber mit
dem darauf folgenden 30jährigen Krieg und den Reli-
gionsspaltungen verfiel die Cultur in Böhmen gänzlich.
Polen freuete sich eines schönen Wachsthums der Spra-
che das ganze XVI. Jahrb. hindurch; es war im eigent-
lichsten Sinne das goldene Zeitalter der polnischen Li-
teratur, welches bis in die Mitte der Regierung Sigis-
munds III. (7 1632} reicht. Mit ihm trat ein Schlum-
mer ein, der bis August III. (7 1763) währte. Die
Winden in Krain, Kränten und Steiermark fingen zwar
kurz nach der Reformation an, das Studium der Spra-
che zu betreiben; aber in deji bald darauf erfolgten
Religionsstürmen erstarb die angefangene Cultur. Eben
so wenig gesciiah im Ganzen während der mongolischen
Periode in Russland, und unter der Herrsciiaft der Tür-
ken in Serbien. Erst mit dem Ausgang des XVII. Jahrb.
fingen die Russen an neben der Kirchensprache auch in
ihrer Landesmundart Bücher zu schreiben. Und sclion
seit 1700 übertreffen sie in ihrem Bücherwesen die
Böhmen, nachdem diese bereits 1620 den Sieg den
Polen gelassen. Seitdem schreitet die Nationalcultur und
hiemit auch der literarische Sprachenbau in Russland
glücklich vorwärts. Bei den österreichischen Serben fin-
gen um 1764 einige patriotische Männer an, der Bil-
dung der Sprache und des Volks Bahn zu brechen. Die
etwa hundert Jahre früher auch in literarischer Flinsicht
fröhlich blühende kleine slawische Republik Ragusa er-
reichte ihr Ende : Dalmatien, Kroatien, Slawonien und
62
die von Sorben-Weiideii bewolmlei) Lau.sitze«. woselbst
sich zur Zeit der Keformatioii die Hausimnidart zur
Schriftsprache erhoben, blieben in der neuern u. neue-
sten Periode so zieiMÜch arm an (jeistesproducten ; die
Slowaken in Ungern liingegen. seit der Kelbrmation in
der Schriftsprache mit den Böhmen vereinigt, genossen
stets in vollem iVlaasse die Früchte fies Sprachanbaues,
die ihnen das benachbarte Böhmen dargeboten.
Allein so gross die Liebe unserer Vorfahren zur
Sjirache war, und so hoch die Werke der Ausbildung
einzelner Dialekte in frrdieren glücklichen Jahrhunderten
gestellt werden mögen ; so waren diese doch immer nur
Vorbereitungen zu einer höheren Stufe der Nationalcul-
lur und Nationalliteratur der Slawen: ein regeres gei-
stiges Leben entwickelt sich bei den ineisten slawischen
Stämmen seil dem Anbruch des XIX. Jahrb., und es ist
zu hoffen, dass bei dem dauerhafter als je befestigten
allgemeinen Frieden in Europa, auch die beglückenden
Künste der friedlichen Musen fröhlicher als je tinter den
Slawen gedeihen werden. Die grössten literarischen Schä-
tze besitzen dermalen inistreitig die Russen und Polen,
auf welche in einiger Entfernung die Böhmen folgen.
Es gibt kein aid' die geistige ("ivilisation der fiesammt-
masse eines Volks kräftiger einwirkendes Mittel, und
zugleich kein bleibenderes Denkmal der Ausbildung der
Sprache, als die Bücher des Cultiis, die Bücher der Ke-
ligion. Die Slawen köiiiieii sich rühmen, die h. Lrkun-
den der christlichen Religion in solchen lebersetzungen
zu besitzen, die das W ort der W ahrheil seit einer Reihe
von Jahrhunderten in ursprünglicher Reinheit und ewig
jugendlicher Frische und Kraft täglich zum Leben wer-
den lassen. Die Bibelüberselzungen der Russen und Ser-
ben, der Polen, Böhmen. Winden inid Sorben sind
zugleich eine unerschöplliche l'undgrube und classisches
Muster der Sprache desjenigen Stammes, dem eine jede
derselben angehört. Kein Volk hat so viel Sorgfalt und
Fleiss auf die Reinhaltung und Veredlung dieser göttli-
chen Wohlthat verwendet, als die Slawen. Nationalpoesie
ist afierkannt die erste Bildungsstufe eines zum Bewusst-
seyn eines höheren geistigen Lebens erwachten Volkes
63
und von der Natuipoesie ans geht der Weg diircli ihre
veredelten Formen in die geheiligten [lallen der stillen,
ernsten Wissenschaften. Die Natnrpoesie ist uol bei
keinem Volke mehr zu Hanse, als bei den Slawen:
aber auch die kunst reichern Musen des alten Hellas und
Kom dürften sich neben ihrem Homer und Horaz so
manches altern oder neuem slawischen Sängers nicht
schämen. An die .Sprache der Dichtkunst schliesst sich
unmittelbar, obgleich etwas später , die Sprache der
Beredsamkeit an. Auch hier din-fte selbst Demosthenes
und Ciceros hinreissende Suada ,^an Potockis rednerischem
Genius einen Geistesverwandten Hilden; Was das erha-
bene Feld der Volkslehrer, der Forscher und Weisen
anbelangt , so beut dem Vaterlandssohne die goldene
Ernte einiger „Vorläufer" so viele der Gaben dar, als
nöthig ist, des Geistes heisse Sehnsucht zu stillen, ohne
durch Uebersättigung den Muth, selbst an die Aussaat
auszugehen, zu verlieren. Theologie , Philologie, Phi-
losophie, Politik, Rechtskunde , Mathematik , Naturkun-
de, Medicin und Geschichte saiinnt ihren Hilfswissen-
schaften haben im Allgemeinen bei den Slawen in den
neuesten Zeiten wackere Bearbeiter gefunden ^). Ein
angenehmes Gefühl bemächtigt sich bei der Betrachtmig
der neuesten Epoche in der Nationalcultur der Slawen
-) Es darf nicht uuberaerkt gelassen werden, dass bei dem allge-
meinen Wiedererwachen der slaw. Literatur ein grosser Theil der Schrift-
steller sein Augenmerk auf den formellen Theil der Sprachbiidung, auf
Grammatiken und Wörterbücher richtet, was für die Zukunft, wenn die
rege gewordene Masse von Meinungen und Untersuchungen eine festere Ge-
stalt gewonnen, und der ganze slaw. Sprachschatz in seiner Gediegenheit
und Reinheit beisammen seyn wird, gewiss nicht ohne grosse Folgen blei-
ben wird. Nur ist zu wünschen, dass man hiebei des materiellen Theils
des Sprachanbaues , der durch Wort und Schrift zu befördernden Vnlks-
und Natioualbildung nicht vergessen möge. Nie ist die slaw. Philologie mit
so viel Kritik und Einsicht bearbeitet worden, als in den neuesten Zeiten
von den Hrn. ^obrowsln. Koj)itar, Linde, Bj,ütkie , Siskow . Wostoknw
u. m. a. Hrn. Doürowslys unsterbliche Verdienste um die slaw. Sprachfoi-
schung haben einer umsichtigem und gründlichem Grammatologie und Le-
xicologie die Bahn gebrochen ; und zu einem vollständigen Cyclus gram-
maticarum symphonarum et lexicorum symphonorum gehören, nächst der!
Dobrowsky sehen Grammatik für das Altslawische und Böhmische, der Puch-|
Hiayerschen für das Russische, und der Metelko'schen für das Windische
nur noch eine zu erwartende polnische und serbische nach dieser Methode,
ferner ein vergleichendes Wörterbuch für alle Mundarten, wie es Hrn.
Lindes vortreffliches Werk für die polnische ist. Wer wird diese grossen
Erwartungen nach und nach erfüllen V —
64
jeder patriotisch fiihlcnden Brust. Mau kann nicht (im-
hin, zu gestehen, dass die Begeisterung für eine so scliö-
ne und heilige Sache, die wo nicht die Masse der I2in-
zelstäinme selbst, so doch die vorzüglichem Glieder der-
selben zum regeren Leben geweckt hat , nach einem
trüben Morgen dem zwar tapferen, aber friedliebenden
Volke einen sonnigen Tag bri.^gen wird, ehiem Volke,
in dessen ganzem Leben so viele Anklänge des jugend-
lich - poetischen Griechenthujns wieder tönen, und das
nur noch der .Stufe der ästhetischen und wissenschaftli-
chen CuJtin- ermangelt, auf der einst die Griechen stan-
den, um diesen in der Kealisirung der Idee eines reinen
Mensehenthums nahe zu kommen.
Aber wie ungleich sind die das geistige Leben ge-
staltenden Umstände der (kriechen inid Slawen! Jeder
der griechischen Stämme schrieb zwar in seiner Mund-
art, wie die Slawen, aber alle Stämme gebrauchten ein
und dasselbe Alpliabet, eine und dieselbe Orthographie! —
Und die Slawen! — Erstlich hat der doppelte Religions-
ritus (denn die Protestanten folgten der von den katho-
lischen Slawen gewäldten Methode), bei ihnen auch ein
doppeltes Alphabet festgesetzt, nämlich das kyrillische
(wovon das glagolitische der katholischen iriyrrer nur
eine inikenntliche Abart ist), und das lateinische. Hierin
ist einmal, nach menschlicher Wahrsciieinlichkeit, nißllj
leicht eine Wiedervereinigung zu hoffen. x\ber noch im-
mer sind diese zwei lliuiptliälften einzeln ungleich grös-
ser, als manche andere Nationen Europas, deren Spra-
che inid Literatur doch selbständig blühen. Die lateini-
sche Hälfte hätte noch den Vortheil vcr der kyrillischen,
dass sie diucli Aiuiahme des lateinischen Alphabets, wel-
ches man das europäische neinien könnte, sich die Com-
munication und Annäherung der übrigen gebildeten E»i-
ropäer erleichtert. Aber unglücklicherweise geschah diese
Annahme bei den von jeher politisch gel rennten, inid
ausser allem wechselseitigen Verkehr lebendeji Zweigen
der lateinischen Hälfte nur einzeln, ohne gegenseitige
Notiznehmung, und folglich mit ungleichförmiger, oft
gerade entgegengesetzter (z. B. cz- Pol. statt «i, ('roat.
statt \\, sz Pol. statt m, Croat. statt cj Combination
Ö5
der lafeiiiisclien Biiclistaben zur Darstellunnj der original-
slawischen Töne; welches maclit, dass nun diese Zweige
eines des andern Bücher nicht lesen können. Das latei-
nische Alphabet hatte nändich weniger .Schriftzeichen,
als die slaw-ische Sprache brancht. Was tliaten nun die
Ottfriede der abendländischen Slawen! Diesen fiel es
nicht ein, dass das lateinische Alphabet zu ihrein Be-
darf nicht hinreicht; sie kannten die Buchstaben, aber
flicht den Geist des Alphabets : statt also wie Kyrill
(denn auch das griechische Al|)habet hatte nicht genug
Zeichen für slawische Laute), für neue Töne auch nene
Buchstaben zu erfinden, suchten sie durch Aneinander-
hänfung mehrerer einen dritten, von dem Tone jedes
der so zusammengehäuften Buchstaben wieder verschie-
denen Ton darzustellen. Dadurch geschaii es, dass ganz
wider den Geist der Bnchstabenschrift fast jeder Buch-
stabe bald diesen, bald jenen Ton vertrat, je nachdem
er diesen oder jenen Buchstaben zum Nachbar hatte.
Man köinite sich damit trösten, dass auch die Orthogra-
phie der Italiener, Teutschen , Franzosen , Engländer
n. s. w^. auf diese Weise entstanden; aber alle diese ha-
ben bei aller Schwerfälligkeit und ünbehilflichkeit der
Combination doch wenigstens ein und dasselbe Schrei-
besystem; während die Slawen, wie schon gesagt wor-
den, in Krain eines, in Dalmatieu ein anderes, in Kroa- /^^
tien ein drittes, in Böhmen ein viertes, in Polen ein Ujftf^
fünftes nnd in den Lausitzen ein sechstes haben. Noch " ^ -
mehr: in Dalmatien selbst z. B. schreibt ein Dellabella '^^^^^
auf eine Weise, ein Voltiggi auf eine andere, und noch ,^,4-r*^^
andere wieder anders; dasselbe findet in dem Windi- ^«^
sehen bei Bohorizh nnd P. Marcus statt ; selbst die Sla-
w^onier mischen in Katechismen und andern Schulbü-
chern ihrer sonst dalmatischen Orthographie unnöthi-
gerweise kroatische Buchstabenverbindungen bei , und
schreiben so weder dalmatisch noch kroatisch; die Sor-
benwenden in der Ober- und Niederlausifz weichen eben-
falls in einigen Kleinigkeiten von einander ab; und was
würde man erst von den Böhmen und Polen sagen müs-
sen, wenn man hier die Schreibart eines Kochanowski,
Gornicki, Januszowski, Dmochowski, Kopczynski u. m. a.,
dort die Orthographie eines Hus, Weleslawjn^, der
böhmischen Brüder , Dobrowsky , Tomsa , Hromädko
5
Gö
u. a. m. gegen einander halten wollte! Dadurch werden
Wörter unkenntlich, die nicht nur einerlei sind, son-
dern auch auf einerlei Art ausgesprochen werden. Diese
unselige, in der Isolirtheit der ersten Sclireibeineister
gegründete Discordanz ist jedem Slawenfreunde ein Aer-
gerniss, sie schreckt den lernbegierigen Ausländer ab,
sie ist das grösste so unglücklicherweise selbstgeschaffene
Hinderniss vereinigter Fortschritte bei der lateinischen
Hälfte. Die Gelehrten jedes unserer Dialekte klagen aus
einem iMunde über diesen verderblichen Missbranch ^3- Es
wird zur Erläuterung des Gesagten nicht undienlich seyn,
alle slawische Alphabete unter eine Uebersicht zu bringen,
ohne hiedurch eine erschöpfende Yergleichung der Ortho-
graphien oder Schreibsystenie aller Dialekte zu beabsich-
tigen ; deini diese würde ausser dem Parallelismus der blos-
sen Buchstaben auch die Zusammenstellung der combiuir-
ten Consonanten, Diphthongen u. s. w. auf einer und dersel-
ben Tafel erfordern, so dass mittelst derselben aus allen
Schreibsystemen in alle übersetzt werden könnte. So eine
Tafel, die gleichsam den Schlüssel zu einer vergleichenden
Grammatik der slawischen Gesammtsprache bilden, aber
auch für das Studium einzelner Dialekte nicht ohne we-
sentlichen Nutzen seyn würde, bleibt füglich den Sprach-
werken dieser Art selbst anhcimgestellt.'-'j
') B. Kopitar's Grammatik S. XX. if.
*) In der vorliegenden Tabelle konnten z. B. weder die in der letzten
Zeit bei den Serben versuchten, aber noch nicht allgemein angenommenen
neuen Zeichen für die mit dem weichen Jer afficirten Mitlaute C*; für Tl» u. s-
w.) noch die, allerdings sehr schwankenden Abweichungen der bei den Sla
woniern gangbaren Schreibweise von der dalmatischen u. kroatischen, nocb
endlich die Verschiedenheit der glagolitischen Uncial- und Cursivschrift dar-
gestellt werden. Auf gleiche Art ist in derselben der numerische Werth der
kyrillischen Buchstaben, den mau sich Behufs des Lesens altslawischer Hand-
schriften u. älterer Drucke geläufig machen muss, übergangen worden, der-
selbe richtet sich nach dem griechischen folgendermassen : a 1, B 2, r .3, ;^ 4,
e5, 5^6,^7, -SS, ^9, r 10, .;; 11, K^ 12, V. 13, etc. 1:20,
^^21, Ta 22,'ir23, etc., TaO, «^40, .Voü, gGO, '^70, n 80,
.rOO, 5*100, r200, 7300, ^400, J 500, ^600, J 700, » 800,
m900, ^riOOO, ^b2000, /r'aOOO, etc. In der Reihe der kyrillischen
Buchstaben steht 5 nachHv , » nachj, JJ3 nach N, die übrigen drei ©, ^
•^' nach A. — Das auf der böhra.- mähr.- slowakischen Columne angeführte
mouillirte f gehört eigentlich den Böhmen und Mährern nicht aber den Slo-
waken an, die es zwar in der Schrift der böhm. Grammatik zufolge zu
bezeichnen, aber keineswegs auszusprechen pflegen. Auch ist zu bemerken,
dass die Böhmen und Slowaken, den Polen gleich, seit einigen Jahren statt
der Schwabacher-Buchstaben schon häufig die gefälligem lateinischen in Schrift
u. Druck gebrauchen, u. in Zukunft hoffentlich immer mehr gebiauchon werden.
67
Ueb ersieht der slawischen
Ali)habete.
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69
Aus dieser Tafel, auf der die bloss dem Altslawi-
schen eigenen, in dem Neuriissisclien und Neuserbisclien
nicht gebräuchlichen sechs kyrillischen Buchstaben den
letzten Platz erhielten, kann man ungefehr die Folge-
widrigkeit der Bezeichnung eines und desselben Lautes
in verschiedenen Mundarten abnehmen. Bei so bewand-
ten Umstünden ist es sehr schwer, sich aller Wünsche
zu enthalten, aber noch ungleich schwerer, einen aus-
zusprechen. Es ist im Käthe der Vorsehung beschlos-
sen, dass die Slawen nicht der einstämmigen Palme, son-
dern der vielästigen , weithinschattenden Eiche gleich,
in die grösste iMaiinigfaltigkeit der Verzweigungen auf-
gelöst, vielgestaltig emporblühen, und Früchte verschie-
dener Art tragen sollen. Von diesem Slandpunct aus
betrachtet, ist die Vielzweigigkeit des slawischen Volks-
und Spraclistammes sogar ein Vorzug, der zwar die Ge-
sammtbildung der Nation um einige Jahrhunderte ver-
späten kann, aber sie dereinst nur desto schöner, durch
Verhütung der einseitigen Bildung der Kräfte oder ih-
rer Richtung nach einem Puncto , zum Ziele führen
wird. Rastloses Fortschreiten in der Sprach- und Volks-
bildung der getrennten Stämme, und gegenseitige Be-
nutzung des vorhandenen gemeinschaftlichen Sprachscha-
tzes ist wol der nächste Wunsch, den man hegen kann.
Zunächst an diesen würde sich dann der reihen, der im
Laufe der Zeit ohne gewaltthätige Reformen zu bcAverk-
stelligenden Vereinfachung und Einigung der latinisiren-
den und teutonisirenden slawischen Schreibsysteme zwar
willig die Hände zu bieten; ohne jedoch jetzt schon an
die Vermittlung des lateinischen und kyrillischen Alpha-
bets, und Herstelhnig sowol einer allgemeinen gleich-
förmigen Orthographie, als auch einer gemeinschaftli-
chen Büchersprache, einer wahren Pasigraphie im zwei-
fachen Sinne des Worts, zu denken *J. Ist es aber dem
wärmeren Slawisten gestattet, fromme Wünsche unmass-
geblich auszusprechen, so gestehe ich, dass nach meiner
*) Es ist sonderbar, dass während Grotefend das kyrillische Alpha-
bet zur Bezeichniinir der mannigfaltigen Laute in den orientalischen Spra-
chen vorschlägt, und Klaproth in s. Asia polyglotta zu diesem Zwecke das
■-K. III und H wirklich aufnimmt , einige slaw. Philologen füi' die slaw.
Laute 21, 111, undM noch immer Zeichen suchen.
70
innigen Ueberzeugung das kyrillische Alphabet sich meljr
zu einer Pasigraphie für Slawen eigne, als das lateini-
sche, und dass demnach jenem in dieser Hinsicht der
Vorzug gcbidire.'')
§. 3-
Uebersicht einiger Beförderungsmittel der Literatur unter
den Slawen.
Zu den vorzüglichsten Bi'fördernngsmitteln der lite-
rarischen Cultur gehören unstreitig nächst (\er politischen
Selbständigkeit und dem auf Industrie und Fiaodel ge-
gründeten Wolstand des Landes vorzüglich folgende :
gut eingerichtete Unterrichtsanslalten , ausgezeichnete
mächtige Freunde und Beförderung der Literatur unter
den Grossen, Bibliotheken und Museen, gelehrte Gesell-
schaften und Akademien, literarische und kritische Zeit-
schriften, Vervollkommnung des Bücherwesens und des
davon abhängenden literarischen Verkehrs. Eine noch
so gedrängte geschichtliche Uebersicht aller dieser Beför-
derungsmittel der Hterärischen Cultur in den von Sla-
wen bewohnten Ländern würde ein eigenes Werk er-
fordern; wir beschränken uns, mit Verweisung hin-
^) Eine vollständige hist.-ki-itische Darstellung der Schicksale der
slaw. Sprache und Literatur nach allen Mundarten ist zur Zeit noch nicht
vorhanden. Ein solches Riesenwerk erfordert Zeit, Vorarbeiten und Mit-
wirkung mehrerer Eingeweihten. Etwas ähnliches beabsichtigt Hr. Linde
durch die Herausgabe der Special-Liter.-Geschichten einzelner Dialekte.
Die Geschichte der russischen, polnischen und böhmischen Literatur haben
bereits wackere Beai'bciter gefunden ; und einen zwar gedrängten, aber ge-
haltvollen Umriss der slaw. Gesammtliteratur haben die Hrn. Kopitar und
Rakowiecki geliefert. — Vgl. J. L. Frisch historiae 1. slavonicae Cont. L
de 1. slavoiiica et russica, Berol. 727. 4. Cont. IL de dialecto Vinidica,
ib 729. 4. Cont. IH. de dialecto Yenedica, ib. 730. 4. Cont. IV. de dia-
lecto bohemica, ib. 734. 4. Cont. V. de lingua polonica , ib. l'^Q. 4. —
J. F. Kohl introd. in histor. et rem littei-. Slavorum iuprimis sacram, Alton.
729. 8. — ./. S. Assemani Kalendaria eccles. universae, Romae 755. Voll.
6. in 4. — A. L. Schlözer allg. nord. Gesch. (der allg. Wclthist. olr Th.)
Halle 77L 4. S. 322"^ 334. - F. Durich bibl. slav., Vindob. 795. 8. —
F. K. Alters phil. - krit. Miscollaneen; '^Vien 799. 8. — J. C. Adelunq's
Mithridates, 2r Th. von J. S. Vata; Berlin «09. 8. S. 610 — 69G. — J. S.
Vater Literatur der Grammatiken und Wörterbücher , Berl. 815. 8. —
./. Dobrowskys Slawin, Prag 808. 8. Eb. Slowanka, Prag 814 — 15. 2 Bde. 8.
{B. Kopitar's) Blick auf die slaw. Mundarten, Wien, Allg. J^iter. Zeit.
1831 Aprilli. N. 34. ff. — J. JJ. Rakowiecki prawda ruska, Warsch. 820 —
22. 2 Bde. 4. M. IL S. 149 - olü.
71
sichtlich der vier ersteren aiif die Geschichte der Lite-
ratur eiiizehier Stäiiiine und Mundarten, hier bloss die
letztern, d. i. die Bibliotheken, gelehrten Gesellscliafteii,
Zeitschriften und Buchdruckereien, welche in den neue-
sten Zeiten unter den Slawen vorhanden waren, und auf
den Gang; der Nationalliteralur mehr oder weniger un-
mittelbar einwirkten, kurz aufzuzahlen.
L Bibliotheken.
I. In Russland. 1.) Dorpat, Universitätsbibliothek,
37,000 Bände mit 100 Msc. 2.) Kazan, Universitätsbibl.,
begründet 1804 durch den Ankauf der Bibl. des Staats-
raths P. Frank. Eine andere Bibl. daselbst besitzt die
geistliche Akademie. 3.) Moskau, a) Patriarchal- oder
Synodalbibl., vom Car Alexjej (1645 — 76) gestiftet,
mit kostbaren slawischen und griechischen Msc. b.) Bibl.
der Universität. 4.) Nowgorod, die Bibl. bei der So-
phienkirche. 5.) S. Petersburg, a) kais. öfF. Bibl., ge-
gründet durch die ehemalige Zaluskische Bibl. in War-
schau (1795), und durch die Dobrowskysche Manu-
scriptensammlung vermehrt, b) Bibl. in der Eremitage^
nach Galetti 300,000, nach Hassel 80,000, nach Ebert
70,000 Bände, vorzüglich merkwürdig durch die her-
eingekaufte Bibl. von Diderot und Voltaire, c) Bibl. der
Akademie der Wissenschaften, nach Bisinger 100,000,
nach Ebert 35,000 Bände und 1,500 Msc. d) Bibl. im
Alexander Newsky - Kloster mit Msc. 6.) Riga, Stadt-
bibliothek, 17,000 Bde. mit einigen Msc. 7.) Wilna, Univ.
Bibl. 50,000 Bände. Ausserdem noch mehrere andere
Llniversitäts- Schul- und Klosterbibliotheken im Reiche.
Unter den Privatbibl. zeichnen sich aus: die Bibl. des
Reichskanzlers Grafen Rumjancow, 30 — 40,000 Bände,
in S. Petersburg; die Bibl. des Grafen Th. Tolsloj in
Moskau, reich an altern Drucken und Msc; die Bibl.
des Fürsten A. J. Labanow - Rostowsky, erkauft von B.
V. Wichmann 1817, des Fürsten Jussupow, des Fürsten
Razumowsky, des Grafen Stroganovv, des Grafen Cere-
metew u. a. m. II. In Polen und den eheniah'qen Pro-
vinzen Polens. 1.) Danzig, Stadtbibl., eine andere dem
72
Gymnasium aiig;ehürig. 2.) Krakaii, Universitätsbiblio-
thek, 30,000 Bände, worunter schöne Incunabeln, und
4,300 Msc. 3.) Krzemieniec in Wolynien, Gymnasial-
bibl., durch den Ankauf mehrerer Privatsammlune;en an-
selinlich vermehrt. 4.) Lcmber^, Universitiil.sbibliolliek,
im J. 1786 durch die ehemalige Garellische Bibliothek
in Wien und in der neuesten Zeit durch die für die pol-
nische Literatur überaus wichtige Bibl. des Grafen Os-
solinski in Wien anselndich vermehrt. 5.) Posen, Gym-
nasialbibl. 1822 errichtet; enthält auserwählte polnische
Werke. 6.) Warschau, a) Universitätsbibl. 150,000
Bände und 1,500 Msc, erst seit 1796 gestifiet, und be-
sonders durch mehrere Klosterbibl. vermehrt (1817).
b) die Bibl. des Lyceum, gestiftet im ,1. 1804 auf Be-
trieb des Hrn. Rectors Linde, über 15,000 Bände, wo-
runter mehrere kostbare polnische Drucke, c) die Bibl.
des Piaristencollegiums. d) die Bibl. der kön. Gesell-
schaft der Freunde der Wissenschaften, im J. 1808 durch
den von dem Fürsten A. Sapieha zum Geschenk erhal-
tenen Rest von 5,000 Bänden der ehemaligen Sapiehi-
schen Bibliothek zu Kodno gestifiet, und 1811 dem öf-
fentlichen Gebrauch frei gestellt, 45,000 Bde. Ausserdem
mehrere Schul- und Klosterbibliothekcn im Lande. Von
den Privalbibliotheken sind zu nennen: die Bibl. des Für-
sten Czartoryski in Pulawy, im .1. 1821 durch den An-
kauf der gräfl. Thadd. Czackischen Privatbibl. zu Poryck
in Wolynien ansehnlich vermehrt, eine der grössten Pri-
vatbibliotheken in Europa (gegen 80^000 Bände), ent-
hält eine für die polinsche Literatur unschätzbare Fund-
grube , nämlich alle Handschriften der Privatbibl. des
Kgs. Slanislaus. Die Sammlungen des K. Kwiatkowski in
Warschau, des Gr. Rzewuski in Lemb. 20,000 Bde. u. des
Przemysler Bischofs 50,000 Bde., enthalten sehr schätzbare
Werke aus der vaterländischen Literatur. 111. In Bölnncu,
Mähren und der Sloivulxfi. 1.} Bischofteinilz, Bibl. des da-
sigen Kapucinerklosters. 2.) Brüiin, Bibl. der llaupt|)farr-
kirche zu S. Jakob, enthält 424 Msc. u. ausserdem an gedr.
Werken bloss Incunabeln bis ziun 1537. Sie ist überaus
schätzbar. 3.) Olmütz, a) Bibl. des Lyceum, über 50,000
Bde., nebst vielen iMsc. c) Bibl. des Metropolitankapitels,
73
meist Incuiiabeln und viele selir alte Msc. 4.) Ossek,
Bibl. des dasigen Cisterzienscr -Klosters, 10,000 Bände
mit einigen schätzbaren Msc. 5.) Prag, a) Bibl. des Dom-
kapitels, besteht aus einer altern, schon im XII. Jahrb.
vorhandenen Sammlung, und aus der vom Pontanus von
Breitenberg gestifteten pröpstlichen, und wurde 1732
durch die des Erzb. Mayer vermehrt. Sie enthält zwar
nur 4,000 Bände gedruckte Bücher, aber sehr wichtige
Msc. b) Universitäts- oder kais. kön. öflfentliche Bibl.,
150,000 Bände mit Aviclitigen Msc, gestiftet von Karl
IV. 1370 durch Ankauf der Bibl. des Dechants Wilhelm
von Hasenburg, 1621 den Jesuiten übergeben, aufs neue
gebildet 1777 durch die 1560 gestiftete Prager Jesuiten-
und Clementische Bibl., mit welcher zugleich alle übrige
böhmische Jesuitcn-Bibl., die gräfl. Kinskysche Familien-
Bibl., 1778 die Steplingische, 1781 die Wrzesowitzische
und Löwische, und 1785 die Bibliotheken anderer auf-
gehobener böhmischer Klöster vereinigt wurden, c) Bibl.i -O^^
der Prämonstratenser Chorherren des Stifts Strahow, ufii-~
50,000 Bände mit schönen Incunabcln und mehr als 1,000
Msc, gestiftet 1665, vermehrt 1775 durch die Klauser-
sche, und 1781 die Heydelsche, so wie später durch die
von Rieggersche Sammlung alter classischer Auetoren.
d) die mit dem 1818 gestifteten böhmischen National-
Museum verbundene Bücher- und Handschriften-Samm-
lung. Den Grund zu ihr legte die Familie Kolowrat mit
der Bibl. des zerstörten Raudnitzer Klosters, Graf Ca-
spar Sternberg mit seiner grossen, an ausgezeichneten
Werken reichen Sammlung u. a. m. Sie enthält über 8.000
Bände, 300 Msc und prangt bereits mit vielen Schätzen.
e) die Fürsterzbischöfliche Bibl. auf dem Hradschin, ge-
gen 6,000 Bände. Ausserdem mehrere Bibl. der Städte
und Klöster sowol in Böhmen, als in Mähren. Von den
Privatbibl. nennen wir : die Fürst Lobkowicische Bibl.
in Prag, die Fürst Dietrichsteinsche Bibl. in Nikolsburg;
die Fürst Colloredo - Mansfeldische Bibl. in Prag; die
Bibl. des Gubernial-Secretärs Cerroui in Brunn u. a. m.
Die Slowakei hat keine öffentliche, für das slawische Fach
wichtige Bibl. aufzuAveisen ; doch verdienen bemerkt zu
werden: 1.) die Bibl. des ecang. Lycemns in Pressburg,
MH'gen der clurcli Veriniichtniss an sie gekonmieiUMi. an
«cliäl/.baien böhinisclieii Drucken reichen Privalbibl. des
Fred. Institoris-Moschotzy; 2.) die PrivatbibJ. des Hrn.
V. Jauh'ovics in Pesth, wegen des Ankaufs der Rybay-
sclien Saniiiiluni»; slowakischer Büclier Tür diesen Zweig
der slawisclicn Literatur wiclitig. 3.) die Privatbibl. des
Ilrn. Palkowic^ Canonicus in Gran. 4.) Bibliothek der
bölim. -slawischen Gesell;5chaft des Bergdistricts in Schem-
nitz neu angelegt. IV. In Ocsterreich. Die kais. Hof-
BibJ. in Wien, 300,000 Bände mit kostbaren Incunabehi
und 12,000 iMsc, gestiftet vorn iMaximilian I und durch
zahlreiche Privatbibl. ununterbrochen vermehrt, enthält
sehr viele, in das Fach der slawichen Literatur ein-
schlagende, schätzbare gedruckte und handschriftliche
/'^ Werke. V. In Kram. Hier sind zu nennen: 1.} die
Bibl. des Lyceum in Laibach. 2.) Die Baron Zoisische
Privatbibl. in Laibach, reich an seltenen slawischen, ins-
besondere windischen Drucken. \I. In Serbien. Die
Bücher - Sammlungen der Klöster in Serbien sind uns
gänzlich unbekannt. — In Ungern n. Slawen, sind L) die
Klosterbibl. in Krusedol, Remete, Opowo, Jazak, Beseno-
wo, Sisatowac, Kuwezdin, Pribina glawa, und Kakowac.
2.) die Erzbischöll. Bibl. in Karlowic, durch die Fürsorge
Sr. Exe. des Erzb. und Metrop. Steph. v. Stratimirowic
ansehnlich vermehrt, 3.) die Bibl. der Präparandenschule
in Sombor, und 4.) die 1819 auf Betrieb der Professoren
gestiftete Bibl. des Griechisch-Nicht-Unirten Gymnasiums
zu Neusatz zu nennen. Unter den Privatbibl. ist jene des
Hrn. Archimandriten u. Administrators des Karlstädter
Bisthums, Musicky, u. die des Hrn. v. Tököly in Arad we-
gen serbischer Drucke, wichtig. — Eine mehr oder min-
der reiche Ausbeute für slawische Studien liefern im Aus-
lande die Bibliotheken auf dem Berge Athos, in jiom, Vene-
dig, Paris, Oxford, Stockholm, Dresdhr, Nürnb'ferg u. a. m.
IL Akademien, gelehrte Gesellscliaften, Museen.
I. In Russland. Diejenigen, die einen nähern Be-
zug auf die slawische Literatur haben, sind u?)gefehr
75
folg^ende: 1.) die kais. Akademie der Wissenscliafteii zu
S. Petersburg, erriclitet von Feter dem Grossen 1724,
eröffnet von Katharina I. 1725, von Katharina II. und
Alexander I. neu ori^anisirt; sie gibt ein periodisches
Blatt: S. Peterbiirgskija wjedoinosti, russisch u. teutsch,
Avöclientlich zweimal, fol. heraus. 2.) Die kais. russische
Akademie zu S. Petersburg für die russische Sprache,
gestiftet von Katharina II. 1783, gibt heraus: Socinenija
i perewody, 823. 7 Bde ; Izwjestija rossijskoj Akademii,
823. 11 Hfte, u. a. m. 3.) Freier russischer Verein (wol-
noje rossijskoje sobranije) für Sprache, Geschichte, Al-
terthümer, bei der Moskauer Universität auf Betrieb des
Curators J. J. Melissino 1771 errichtet, dauerte bis 1785,
und gab heraus: Opyty trudow, bis 785. 6 Bde. 4.)
Freie ökonomische Gesellschaft zu S. Petersburg, gestif-
tet 1765. 5.) Gesellschaft der Freunde der Wissenschaf-
ten, Literatur und Künste zu S. Petersburg (Obscestwo
Ijubitelej slovvesnosti, nauk i chudozestvi), gestiftet 1801,
gegenwartig unter der Leitung des A. F. Izmajlow, gab
in den J. 1802 - 803 heraus: Switok Muz, 2 Bde.,
im J. 1812: S. Petersburgskij wjestnik, später durch
Zeitumstände unterbrochen. 6.) Gesellschaft für russische
Geschichte und Alterthümer (obscestwo istorii i drew-
nostej rossijskich) in Moskau, im J. 1804 unter dem
Präsidenten P. P. Beketow gestiftet, und mit der Mos-
kauer Hochschule verbunden, gab einen Band: Ruskije
dostopanijatnosti, heraus, verlor aber durch die fraii-,
jÖiiiscW Invasion viele Erzeugnisse des rühmlichsten
Fleisses. 7.) Kais. Gesellschaft der Naturforscher (Ob-
scestwo ispytatelej prirody) im J. 1805. in Moskau un-
ter der Leitung des Prof. Fischer gestiftet, gab heraus:
Zapiski obsc. isp. pr., russisch und französisch, M. 809 —
16. 5 Bde. 8.) Medicinische Gesellschaft in Wilna. 9.)
Gesellschaft für Heilkunde und Naturwissenschaften in
Moskau (Obscestwo sorewnowanija wracebnych i fizi-
ceskich nauk), unter dem Vorsitze des Prof. und Staats-
raths W. M. Richter. 10.) Gesellschaft der Liebhaber der
vaterländischen Literatur (Obscestwo Ijubitelej otecest-
wennoj siowesnosti), in Kazan, gestift 1808, gab eine
Sammlung ihrer Arbeiten 817. 2 Bde. heraus. 11.) Verein
7G
der Freunde der nissisclieii Sprache (Besjeda IJubKelej
rii.skaii,() slowa), gestift. von G. R. Derzawin nnd A. S.
8i?ik()w, zu 8. Petersburg 1810, hörte mit Derzawins
Tode 1816 auf; die literarischen Früclite dieses Vereines
erschienen 8. P. 1811 — 16. 20 Hfte. \Z.) Gesellscliaft
der Freunde der russischen Literatur (Obscestwo Ijubi-
teJeJ rossijskoj slowesnosti), in ]\loskau mit der Univer-
sität verbunden, unter dem Vorsitz des Rectors A. A.
Prokopowic Antonskij , gibt eine gehaltvolle 8ammel-
schrif't: Trudy obsc. Ij. r. sl. heraus, bis 822. 20 Bde.
13.) GeselJscIiaft der Freunde der russischen Literatur,
bei der Demidovver Lehranstalt in Jaroslawl. 14.J Ge-
sellschaft der Wissenschaften (Obscestwo nauk) an der
Universität in Charkow, gab 815. einen Band ihrer Ar-
beiten heraus, lö.) Freie Gesellschaft der Freunde der
russischen Literatur (Wolnoje obscestwo Ijubitelej ros-
sijskoj slowesnosti), gestift. im J. 1816 zu 8. Petersburg,
deren Präsident jetzt Th. N. Glinka ist, gibt eine Zeit-
schrift: Sorewnowatelj proswjescenija i blagotworenija,
seit 818. in 8. heraus. 16.) Kais. Gesellschaft für die ge-
saiinnte Mineralogie in 8. Petersburg, gestift. 1818, de-
ren Direct. der Coli. Rath L. J. Pansner ist. 17.) Pliar-
jiiaceutische Gesellschaft in 8. Petersburg, gestift. eben-
falls 1818; ihr Präsident ist der 8taatsrath A. J. Scherer.
18.) Gesellschaft für Schulen nach der Methode des wech-
selseitigen Unterrichts , gestift. 1819, steht unter der
Leitung des Grafen Th. P. Tolstoj. 19.) Die russische
Bibelgesellschaft, gestift. 1813 zu 8. Petersburg, bestand
1820 aus 53 Sectionen und 145 Filialvereinen, und hatte
bis dahin an 430,000 Bilieln und N. Testamente in 26
Sprachen, vorzüglich der slawischen, gedruckt und ver-
theilt. II. In Polen. 1.) Kön. Gesellschaft der Freunde
der Wissenschaften (Towarzystwo krölewskie przyiaciol
nauk) in Warschau, gestift. 1801, vom Kais. Alexan-
der L bestätigt 1815, gibt ein .Jahrbuch: Roczniki tow.
krol. prz. nauk, bis 824. ... Bde. jieraiis. 2.) desell-
schaft der Wissenscliaften in Krakau (Towarzystwo
naukowe s universitetem Krakowskiin polaczone) gestift.
1815 inid mit der Krakauer Universität verbunden,
gibt ebenfalls ein .Jahrbuch : Roczniki tow. nauk. Kra-
i i
kau bis 824. 9 Bde. Iioraiis. '^) Kön. (irsellscliafl für
den Ackerbau in Warschau (Towarzyslwo kiöl. roliiicze
Warszawskie), gibt eine periodische Schrift: Dziennik
tow. krol. roln. Warsz. heraus. HI. In Böhmen und
der Slowakei. I.)Die Gesellschaft der Wissenschaften in
Prag unter Maria Theresia auf Borns Antrag als Privat-
verein für Natur- und Yateriandskunde gestiftet, und von
(JjQÄe^^ir-if: zu einer öffentlichen böhmischen Gesellschaft
\der Wissenschaften erhoben , obwol von einer mehr
universell wissenschaftlichen, als rein nationellen Ten-
denz (die schönen Wissenschaften und Künste sind von
ihr ganz ausgeschlossen), hat durch vortreffliche Arbei-
ten einzelner Glieder die slawische, vorzüglich aber die
böhmische Geschichte und Literatur wahrhaft bereichert.
2.) Das böhmische Xational-Museum seit 1818 bezweckt
die Aufstellung alles Ausgezeiciineten in vaterländischer
Wissenschaft und Kunst, und Alles Merkwürdigen, was
Natur und menschliche Kunst und Gewerbileiss in Böh-
men hervorgebracht haben , zu möglichster Gemeinnü-
tzigmachung , Beförderung der Cultur , Wissenschaft,
Industrie und Vaterlandskenntniss. 3.) Das Institut der
böhmisch-slowakischen Sprache und Literatur in Press-
burg (Institut reci a literatury cesko-slowenske), ver-
bunden mit einer böhmisch-slowakischen Lehrkanzel an
dem evangelischen Lyceum daselbst, gestift. 1803, ging
nach einem Jahrzehend ein. 4.) Der Verein für die slo-
wakische Literatur, errichtet durch die Hrn. Lowicli
nnd Tablic ums J. 1812.
III. Jahrbücher, Journale, Zeitungen.
L Russische. Im J. 1824 erschienen in Russland
folgende periodische Blätter in der Landessprache. 1.)
Wjestnik Europy (der europ. Bote), von M. Kacenowsky,
Moskau 24 Hfte. 2.) Istoriceskij, statisticeskij i geogra-
ficeskij zurnal, ili sowremennaja istorija swjeta, M. 12
Hfte. 3.) Nowyj magazin jestestwennoj istorij, flziki,
chimii i wsjech ekonomiceskich swjedenij, von J. Dwi-
gubskij, 12 Hfte, 4.) Syn otecestwa, istoriceskij, poli-
ticeskij i literaturnyj zurnal, von N. Grec, S. Petersburg
78
52 Ilfte, 5.) Literaturnyja pribawlenija k synu otecestwa,
von eh., eb. 26 Hfte. (i.j Ojestkij MiiziMiin, 12 Hfte. 7.)
Zurnal dija (Ijctej, S. P. 12 Hfte. 8.) Sjewernyj arcliiw,
ziirnal istorii, Statistik! i putesestwii, von Tli. W. Bul-
garin, 24 Hfte; damit verbunden 9.) Literaturnyja listy,
12 Lief. 10.) Biagonamjerennyj , literatiirnyj znrnal,
von A. E. Izrnajlow, S. P. 24 Hfte. IL) Sibirskij wje-
stnik, von G. Spasskij, S. P. 24 Hfto. 12.) Sorewlio-
watelj proswjescenija i blagotworenija, heransg. von der
S. Petersburger freien Gesellscb. der Freunde der russ.
Liter. S. P. 12 Hfte. 1.3.) Otecestwcnuyja zapiski, von
P. Swinin, 12 Hfte. 14.) Zurnal izjascnycb iskustvv,
von W. Grigorowic, 6 Bde. 15.) Ukazatelj odkrytij po
fizikje, clijmii, jestestwennoj istorii i technologii, von
Prof. N. Sceglow in S. P. 6 Bde. 16.) Zurnal impera-
torskago celovvjekoljubiwago obscestwa, S. P. 12 Hfte.
17.) Zurnal departainenta narodnago proswjescenija, S.
P. 12 Hfte. 18.) Christianskoje ctenije, von der S. P.
geistlichen Akademie, 12 Hfte. 19.) Damskij zurnal,
vom Fürsten Salikow, M. 24 Hfte. 20.) Ucenyj i lite-
raturnyj zurnal ross. imperii po casti putej soobscenija,
russ. und franz., S. P. 12 Hfte. 21.) 8. Petersburgskija
wjedomosti, russ. und teutsch, 8. P. 2mal wöchentlich.
22.) Moskowskija wjedomosti, u. m. a. Hieher gehören,
ausser den von uns* aus Mangel an Kunde übergangenen,
in Charkow, Kazan u. s. w. erscheinenden Zeitblättern,
die schon oben angeführten Denk- und Sammelschriften
der russ. Akademie und der gelehrten Gesellschaften.
IL Polnische. Im J. 1822 erschienen folgende polnische
periodische Blätter: 1.) Koczniki towarzystwa krolew.
przyiaciol nauk, in Warschau. 2.) Dzicnnik towarzystwa
kröl. rolniczego, eb. .3.) Pamietnik Warszawski, czyli
dziennik nauk i umieietnösci, 12 Hfte. 4) Pamietnik
naukowy, eb. 5.) Tygodnik polski i zagraniczny, eb.
6.) Izis polska, eb. 7.) Gazeta Warszawska, eh. wö-
chentlich 2mal. 8.) Gazeta korrespondonta Warszawskiego
i zagranicznego, eh. wöchentlich 2maL 9.) Dziennik Wi-
lensiki, 12 Ilfte. 10.) Tygodnik Wilenski, von A. Kol-
kowski. 11.) Pamietnik farmaccuticzny Wilenski, 4 Bde.
12.) Dzieie dobroczynnosci, Wilna 12 Hfte. 13.) Wia-
79
(lornosci Bnikowe, eb. 14.) Kur) er Litewski, eb. \vö-
clientlich 2mal. 15.) Kocziiiki tovvarzystwa iiaukowego
s universitetem Krako\tskiiii polaczonego, in Krakaii,
16.) Pszczola Krakowska, eb. 17.) Gazeta Krakowska,
eb. 18.) iMicsiecznik Polocki, in Polock. 19.) Gazeta
Poznanska, in Posen. 20.) Pszczola polska, eine Fortse-
tzu?ig des Pamietnik Lwowski, in Leinberg. 21.) Gazeta
Lwowska, eb. mit einer Beilage : Rozmaitosei, Man-
nigfaltigkeiten. Mehrere von diesen Zeitblättern haben
in den letzten Jahren wol aufgehört, dahingegen sind
auch andere an ihre Stelle getreten, die wir aus Mangel
an Nachrichten nicht anführen konnten. III. Böhmisclie.
1.) Krok, spis wsenaucny, von Prof. J. S. Presl in Prag,
in zwanglosen Heften. 2.) Hlasatel cesky, von K. Rath
nnd Prof. J. Negedly eb. in zwanglosen Heften. 3.) Ce-
choslavv, literarischen Inhalts, zugleich mit einem poli-
tisclien Blatt, von W. R. Kramerius eb. 4.) Wlastensky
zwestowatel, politischen und literarischen Inhalts, redi-
girt von J. Linda eb. 5.) Hyllos, von J. Hybl eb. 6.)
Uobroslaw, von Dr. J. L. Ziegler, redigirt in Königin-
grätz, gedruckt in Prag, hörte mit dem 12ten Hefte
auf, und an seine Stelle trat: Prjtel mlädeze, eine pä-
dagogische Zeitschrift, von eb. IV. Serbische. Die Ser-
bische politische Zeitung, redigirt von D. Dawidowic in
Wien, hörte mit dem J. 1S22 auf. Ebenderselbe gab
1817 — 21 einen serbischen Almanach : Zabawnik,
heraus. Im J. 1824 fing Prof. G. Magarasewic in Neu-
satz an im Vereine mit mehreren Gelehrten ein serbi-
sches Jahrbuch: Ljetopis srbska, streng literarischen In-
halts, mit besonderer Beziehung auf die Slawen, in
zwanglosen Heften herauszugeben, 825. Ofen, Univers.
Buchdr. 3 Hfte. 8-
IV. Buclicl ruckereien.
Da es nicht unser Zweck ist, hier eine detaillirte
Geschichte der slawischen Buchdruckereien zu liefern,
so wollen wir, mit Versparung der Nachrichten über
die ältesten slawischen Drucke für die specielle Geschichte
der Literatur eines jeden Dialekts, nur diejenigen Orte
80
namentlich anführen, welche In den drei letzten Decen-
nien slawische Drucke geliefert haben. — Im europäischen
Kussland gab es in dein letzten' Decenniuin 39 nissische
Buchdruckereien, und zwar in S. Petersburg 15, in Mos-
kau 9, in Wilna 5, in Riga 4, in Keval 2, in üorpat
2, in Charkow 2; ausserdem wurde russisch gedruckt
in Kazan und Warschau, und im Auslande in Leipzig
nnd Prag. — Polnische Druckereien waren im Gange
in Warschau, Wilna, ßreslaii, Krakau, Lemberg, Po-
sen, Kalisz, Przemysl, Krzemieniec, Czestochowa, Lu-
blin, Brieg, Dajizag u. m. a., im Auslande wurde pol-
nisch gedrucld: in S. Petersburg, Leipzig, Königsberg
u. s. w. — ßühmisch-mährisch-slowakische Buchdru-
ckereien gab es in dieser Periode in Prag, KönigingriLtz,
Pilsen, Pjsek, ßrünn, Pressburg, Pesth, Oien, Nen-
sohl, Waitzen , Skalic , Tyrnau , Leutschan (jetzt in
Rosenau) n. in. a.; ausserdem wurde böhmisch gedruckt
in Wien, nnd im Auslande in Berlin. — Serbische Buch-
druckereien waren in Wien (Hes^ D. Dawidowic, id)er-
ging 1823 käullich an M. Ch. Adolph in Rotz, nnd bei
den PP. Armeniern} nnd Venedig (scheint jetzt einge-
gangen zu seyn), ferner in Ofen (Ünivers. Buchdruck.);
ausserdem wurde mit kyrillischer Schrift gedruckt in
Lemberg. — Von den übrigen Slawen hatten die Sor-
benwenden Druckereien in l^utzen, Kotbus nnd Löban;
die Winden in Laibach, Griitz, Klagenfurt, Triest; die
Kroaten in Ofen und Agratn; die Slawoniten in Ofen
inid Essek; die Dalmatiner in Venedig und Ragusa. —
Eine glagolitische Btichdruckerei befindet sich gegenwär-
tig nur in .Rom^ bei der Propaganda. — Die unter der
BotmässigkefT der Türken stehenden Slawen, die näch-
sten Land- und Sprachverwandten Kyrills und Erben
seiner Lehre nnd Schrift, haben demnach allein keine
einzige Druckerei aufzuweisen. *}
*) Es wäre hier der scliicklichste Ort, etwas über den wolthätigen
Einfluss dos dmv. Buchhandels auf die Literatur, der sich in schnellerer
Verbreitunir der Bücher und Austauschuni? literarisclier Ideen, in geringe-
ren und tixirten Preisen der Bücher, und in Beloiimuig des Talents und
gelehrten Fleisses durch die in Teutschland, Frankreich und England ein-
geführten Honorarien zeigen sollte, zu sagen, -A^enn derselbe nicht im J.
1825 wie 18ÜG noch ein reines Non ens wäre, worüber sich höchstens des
Hrn. Jungmann pium dosideriuni wiederholen lässt: ,.Dfi// Biih, abji zlep-
seno Inilo slouienske knihkitpcchnj, nnd nez we sivete nie nenj darenmtg-
Äjho.'' ' lllns. resk. iHHi. 'III. III. S. i\')^.
Erster Theil.
Südöstliche Slawen.
Erster Abschnitt.
Geschichte der altslawisclien Kirchenspraclie und Literatur.
§. 8.
Charakter der altslawischen Kirchensprache.
Der Ursprung der Sprache eines Volks ist, wie der
Ursprung des Volkes selbst, gewöhnlich mit einem undurch-
dringlichen Sclileier bedeckt. Man kann ohne Bedenken ^^
zugeben, dass die slawische Sprache im urgrauen Alter- v^ >*^
thum, wohin keine Geschichte reicht, nur eme war, aus /T ^iA
der sich im Verfolge der Zeit die jetzt bestehenden Dia- '\ijA
lekte gebildet haben; allein ist dadurch der Ursprung
irgend eines der letztern begründet, seine Entstehungs-
art erklärt, sein Veriiältniss zu der Stammsprache fest-
gestellt? Man fühlt sich ganz vorzüglich in einen Strom
von Meinungen, Zweifeln, Hypothesen und Behauptun-
gen unwillkührlich hineingezogen, wenn man mit Auf-
merksamkeit dem Ursprung derjenigen slawischen Mund-
art, die zeither unter der Benennung der altslawischen
oder der Kirchenspraclie bekannt ist, nachspürt, und
ihre Schicksale verfolgt. Gleichwol ist es unumgänglich
nothwendig, sich mit dieser ehrwürdigen, vom Heili-
genschein umstrahlten Mutter, bevor man das Gebiet
der übrigen Slawinen betritt, genauer bekannt zu ma-
6
82
clien. Henn sie ist es, welche ihres liohen Altertliums
und innerer Vorzüge wegen für jeden Sprachforsclier in-
teressant, für den Slawisten aber dreifach und vierfach
wichtig ist, und in den neuesten Zeiten mit Recht den
Grundstein der gesammten slawischen Sprachkritik und
Philologie bildet. „Unter allen neuen Sprachen, sagt
der grosse Geschichtsforscher und Sprachkenner, Schlö-
zer_(Nestor III. 224.), ist die slawonische {alfslawi-
Isdhe) eine der ausgehildetsten (ihr Reichthum und an-
dere Vorzüge gehen mich hier nichts an); wie sie dazu
gekommen sey, wird aus dem Gange ihrer Cultur er-
klärlich. Ihr Vorbild war die griechische Sprache, die
ausgebildetste der damaligen Welt, wenn gleich Kedrün
nicht mehr wie Xenophon schrieb; und dieser ihre Ei-
genthümlichkeiten und Schönheiten aufzunehmen , war
sie, die slawonische Sprache, ganz besonders fähig. Da
die IJebersetzer meist wörtlich übersetzten, nicht wie
Kaedmon der Angelsachse, und der Teutsche Ottfried,
poetisch metaphrasirten ; so mussten sie, sie mochten
wollen oder nicht, ihre Sprache beugen, sie geschmei-
dig machen, auf neue Wendungen sinnen, um das Ur-
bild getreu nachzubilden u. s. w. Unter allen neueren
Sprachen ist die slawonische zweitens am aller frühesten
zur Ausbildung gekommen. Wie sah es im XIII. XIV.
Säe. mit dem Teutschen, Französischen, Englischen u.
s. w. aus? Das frühe Voreilen der Russen hierin bewirkte
ein Zusammenfluss glücklicher Umstände. Das Ueberse-
tzen aus dem gebildeten Griechischen ging Jahrhunderle
lang ununterbrochen fort; der Gottesdienst ward in der
Landessprache gehalten; alle Chroniken, alle Urkunden
wurden in der Landessprache (nicht lateinisch, wie im
ganzen übrigen Europa) gefertigt. Wie sehr wir Teut-
sche namentlich uns verspätet haben (denn wirklich
schreiben wir erst seit 70 Jahren gebildetes Teutsch ;
das haben wir meist durch Uebersetzen aus dem Fran-
zösischen und Englischen gewonnen), fühle ich lebhaft,
wenn ich eine russische Legende, etwa aus dem XIV.
Säe, und dann eine tentsche Poslille, gedruckt im J.
1674, hintereinander lese (wobei ich vom possierlichen
Iiihalt der erstem ganz abstrahire, und beide nur im
83
Styl vergleiche). Dort finde ich Ordining im Vortrag,
geschlossene Perioden, Incident-Sütze durch lOlei Par-
ticipien an einander gereihet, sonore Kraft- und Pracht-
wörter u. s. w. ; inid nun dagegen der ärmliche teutsche
Postillant , den damaligen Regensburger Canzlei-Mann
nicht zu vergessen!" Mit Recht blickt demnach jeder
Slawist auf sie, als auf eine Pyramide der Sprachbil-
dung seiner Vorfahren, an der er die eigene Rraft
durch fleissiges Studium zum fruchtbaren Bearbeiten der
Hausmundart gross ziehen kann, freudig zurück. Aus-
gebildet und der fernem Ausbildung , oder richtiger,
nach mancherlei Entstellung der Wiederherstellung in
ihrer ursprünglichen Reinheit fähig, reich an Wurzel-
wörtern und Wortformen, ausgezeichnet durch männli-
chen Klang, von fremdartigem Wortschlag und auslän-
discher Farbengebung unter allen Slawinen am meisten
frei, hat sie zwar einerseits im Strom der Zeiten durch
ihr Zurücktreten aus dem geselligen Leben (denn ge-
sprochen wird sie nirgends mehr, aber eine todte Spra-
che in dem gewöhnlichen Sinne ist sie auch nicht), an
äusserer Leichtigkeit und Geschmeidigkeit verloren, an-
dererseits aber durch den religüigen_G„gbrauch an inne-
rem Ansehen und Würde doppelt gewonnen.
Ihre Verwandtschaft mit den übrigen südöstlichen
Mundarten, so wie ihr Unterschied von denselben, er-
hellet schon aus folgenden wenigen Kennzeichen :
Altslawisch. Russisch. Serbisch. Kroaf. Windisch.
1.
ropA
ropa l.hora
ropa
gora
gora
2.
€cMh
eCML
ecaML (caMB)jeszem (szem)
fim
ecH
ecH
ecH (
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3.
«?
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niH
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OH
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on
4.
Tl, TOll
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TÄ, n,Ä
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ÄOML Kiiii.H(Kmi.epi
,)kclii (kcher)
lizlii(lizlier)
i|i;iB
maBeAL ramaBAbe
scliav
"
fhavje
7. ,v. c«,v
CyXHM CJB
szuh
füh
rpii.v
ropox rpa
grah
grah
OtfiVO
yxo jBO
vuho
vuhö
8. ii: iieneixi,
neneA neneo
pepel
pepel
Bhl^
ÖHA 6ho
bil
bil
9. h: hochtii
HOCHmLHOCHniH
nosziti
nofiti
10.6^1111
oähh e.^aH
jeden
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Cneii
oAen eAen
jelen
jelen
ll.B'L^:Ki.:5AKHriu
! B03,lBHHyy3,HMrHy
zdisem
(UZ-)
vzdlgnem
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Allein über nichts in der slawischen Literatur wa-
ren die Meinungen der Gelehrten von jeher so getheilt,
als gerade über diese Sprache der kyrillischen Bibelüber-
setzung und der Liturgie aller Slawen des griechischen
Ritus, namentlich der Russen und Serben. Die älteste
und bis auf die neuesten Zeiten gewöhnlichste Meinung
ist wol die, dass diess die Sprache sey, in welcher Ky-
rill und Method in der zweiten Hälfte des IX. Jahrb. die
Bibel übersetzt, die Liturgie eingerichtet und das Volk
unterrichtet haben, und dass sie dein Ursprung nach
deirijenigen slawischen Stamme angehöre, in dessen Mitte
Kyrill und sein Bruder zuerst das Bekehrungswerk be-
trieben, und folglich auch dessen Sprache bei der Ue-
bersetzung der liturgischen Bücher angewendet haben.
Erst in den neuesten Zeiten hat man versucht, den Ur-
sprung des Altslawischen und sein Verhältniss zu den
übrigen Dialekten näher zu bestimmen; wobei eine grosse
Anzahl Hypothesen von Gelehrten und Sprachforschern
aufgestellt worden ist, ohne dass eben dadurch, wie es
scheint, die Sache bis jetzt ganzin's Reine gebracht wor-
den wäre. Da indess alle diese Meinungen entweder auf
grammatische Erforschung der Sprache, oder auf histori-
sche Beleuchtung der Bekehrung der Slawen durch Ky-
rillus und Methodius gestützt sind, und letztere nothwen-
dig der erstem vorangehen muss, so wollen wir zuvor-
85
derst die Ergebnisse der neuesleii Forschungen über der
feizlgenannlon zwei Slawen - Aj)OsteI Bekehrungswerk
kurz zusammenfassen.
Kyrilis und Methods Herkunft, Beruf und Mission.
Ansser den frühern Bearbeitern der Lebens- und Be-
kehrungsgeschiclite Kyrilis u. iVlethods, worunter Dobner
und Stredovvsky als lleissige Sammler zu nennen sind,
haben sich um diesen Zweig des slawischen Geschichts-
studiums vorzüglich Sclilözer und Dobrowsky verdient
gemacht. Nach des letztern neuester Prüfung und Zu-
sammenstellung aller altern und spätem Berichte über
die zwei Brüder-Apostel ergibt sich über dieselben un-
gefehr folgendes*):
Kyrill und Method waren aus Thessalonich gebür-
tig, und zwar aus einem adeligen Geschlecht, wie diess
die ältesten Legenden bezeugen. Constantin, welcher
später in Rom den Namen Kyrill annahm, ward seiner
Geistesfähigkeit und Gelehrsamkeit wegen Philosoph ge-
nannt Von seiner Sprachkenntniss reden mehrere. Sla-
wisch batte er wahrscheinlich zu Hause, zu Thessalo-
nich, gelernt: deiui in Macedonien wohnten bereits seit
Jahrbimderten Slawen, (Bulgaren oder Serben? — diess
ist, worauf alles ankommt, und was man bis jetzt un-
berücksichtigt und unerörtert gelassen), und Thessalo-
nich, noch jetzt eine berühmte Handelsstadt, war zu
der Römer Zeiten die Hauptstadt Macedoniens, wo der
Handel mehrere Sprachen, darunter auch die slawische,
in Gang gebracht haben mag, so dass dortige Gelehrte
zur Kenntniss des slawischen Sprache leicht kommen
konnten. Chasarisch lernte Kyrill erst zu „Cherson. Das
Armenische waF"ihin gewiss nicht unbekannt, da er ei-
nige Buchstaben aus dem Armenischen in das slawische
Alphabet aufnahm. Bei reiferem Alter führen ihn seine
Eltern in die Kaiserstadt, wo er Priester geworden.
Method scheint in den Mönchsorden getreten zu seyn.
*) Der Rec. von Hrn. Dcbi'owskys Kyrill u. Method in den Wien.
Jahrb. d. Lit. 1824. erklärt die päpstl. Briefe an Method u. die mährischen
Fürsten für unecht, und zieht Methods Weihe zum Bischof von Mähren u.
Pannonien in Zweifel.
86
Es kommt eine Gesandtschaft von Chasarcn unter Ks.
Michael nach Constantinopel. Sie bitten um einen christ-
lichen Lehrer. Constantin wird seiner Beredsamkeit we-
gen zu dieser Mission bestimmt. Er gelit dahin ab, und
lernt zu Cherson, wo er sich einige Zeit aufhält, chasa-
risch. Hier hatte er das Glück, den Körper des heil.
Clemens zu entdecken. Er geht nun in das Chasaren-
land, das er ganz bekehrt haben soll, obgleich noch
lange nach ihm der grösste Theil keine Christen waren.
Nach seiner Zurückknnft von der chasarischen Mission
schickt der mährische Fürst Rastislaw zwischen 861 —
863 seine Gesandten an Ks. Michael, und bittet sich ei-
nen Lehrer aus, von dem sein Volk lesen lernen, und
in dem christlichen Gesetze vollkommener unterrichtet
werden könnte. So nach einer Legende, die die Bekeh-
rung der Bulgaren ganz übergeht; allein wenn auch die
Gesandtschaft aus Mähren an Ks. Michael nicht etwa eine
blosse Ausschmückung seyn sollte, so ist doch aus an-
dern Berichten mehr als wahrscheinlich, dass Constantin
und Method vor ihrer Abreise nach Mähren an der Be-
kehrung der Bulgaren arbeiteten. Um sich mehr Eingang
zu verschaffen , erfand Constantin, wo nicht schon zu
Constantinopel, doch gewiss in der Bulgarei, die slawo-
B.ische Schrift, und übersetzte das Evangelium u. s. w.
Die Einführung des slawischen Gottesdienstes musste na-
türlich auch bei andern slawischen, schon eher getauften
Völkern den Wunsch erregen, solche Lehrer zu erhal-
ten. Diess gab Anlass, sie nach Mähren einzuladen, es
möge nun durch eine Gesandtschaft an Ks. Michael, oder
auf eine andere Art geschehen seyn. Nun gehen Con-
stantin und Method (863 nach Mähren. Man nimmt sie
mit Freuden auf Vier und ein halbes Jahr bleiben sie
daselbst, predigen und richten den Gottesdienst in sla-
wischer Sprache ein. Sie werden endlich vom Papste
Nicolaus 867 nach Rom beschieden. Sie treten nun die
Reise nach Rom an, finden aber den Papst Nicolaus todt:
er st. am 13. Nov. 867 und am 14. Dec. folgte ihm
Adrian. Als dieser vernonniien, dass Constantin die Re-
liquien des h. Clemens mitführte, ging er ihnen vor die
Stadt mit der Clerisei und dem Volke entgegen. Beide
87
Brüder werden nun gleichsam aus Dankbarkeit zu Bi-
schöfen geweiht, ihre Schüler aber, die sie mit sich
nahmen, zu Priestern und Diakonen. Kyrill empfing die
biscliölliclie Weihe, nahm aber das ilnii bestimmte Bis-
thum niclit an. Er hatte ein Vorgefühl seines nalien En-
des. Mit Erlaubnis« des Papstes nimmt er den Namen
Kyrill an, und nach vierzig Tagen stirbt er am 13.
Febr. 868. Aber sein Andenken blieb den Slawen hei-
lig, und schon im OsUiomirschen Evaiigelienbuch 1056
wird im Kalender sein Gedächtniss am 14. Febr. gefeiert.
Auch die Böhmen und noch früher die Mähren wurden
Verehrer der zwei Slawenlehrer.
Method, zum Bischof geweiht, säumte nicht, sich
sogleich 868 nach Mähren zurückzubegeben. Da er Land-
bischof (episcopus regionarius) war, so hatte er keinen
bestimmten Sitz, wenn ihm gleich die spätem Legenden,
keineswegs aber die altern, Welehrad, das sie zugleich
für die Hauptstadt des Reiches erklären, willkührlich
anweisen. Wir dürfen also weder Vi elehrad im Gebiete
Basti slaws, noch die Stadt Morawa in Pannonien für
den bischöflichen Sitz Methods aiuiehmen, sondern wir
müssen ihn Erzbischof von Mähren und Pannonien nen-
nen, wie ihn der Papst Johann VIII. in seinen Briefen
nannte.
Im J. 869 wird Rastislaw von Karlmann angegrif-
fen und geschlagen. Swatopluk, Rastislaws Neffe, ergibt
sich und seinen Landesantheil an Karlmann. Rastislaw,
darüber aufgebracht, stellt ihm nach, wird aber selbst
gefangen. Swatopluk liefert seinen Oheim 870 an Karl-
mann aus. Dieser wird in Banden nach Regensburg ge-
bracht, zum Tode verurtheilt, allein K. Ludwig begna-
digt ihn, indem er ihm die Augen ausstechen und ihn
in ein Kloster einsperren lässt, wo er sein Leben, man
weiss nicht wann, endigte. Aber auch Swatopluk wird
den Teutschen verdächtig, und desshalb 871 verhaftet.
Die Mähren zwingen einen nahen Verwandten von ihm,
den Priester Slawomir, die Regirung zu übernehmen,
der sich nun, doch fruchtlos, bemüht, die Teutschen
aus den eingenommenen Plätzen zu vertreiben. Swato-
pluk, da ihn seiner Untreue niemand überweisen konn-
88
tc, wird cnllasseii, und kommt mit einem bairisclien Heere
nach Mähren. Vor einer festen Bura, angekommen, ver-
lässt er die Baiern, geht in die Burg, macht mit mäliri-
schen Trujipen einen Ausfall , zerstreut diess bairische
flilfscorps und behauptet sich als Herrscher von Mähren.
In diesen äusserst unruhigen Jahren sclieint sich
Method in dem Gebiete Chocils (sonst Hezilo, bei den
Russen Kocel und Kocel, im Troadnik bei Kaie Kocul)
in Pannonien aufgehalten zu haben. Hier traf er auf
teutsche Priester, die von dem Erzbischofe von Salzburg
eingesetzt waren. Die von ihm eingeführte slawische
Liturgie gab Anlass zu Klagen selbst bei dem Papste
.Johann VIII., der Method als von Adrian dahin gesen-
deten Erzbischof in Schutz nahm. Schon 798 hat der
Salzburger Erzbischof Arno auf K. Karls Befehl den er-
sten Besuch bei den Slawen in Pannonien gemacht, Kir-
chen eingeweiht, Priester ordinirt und angestellt. Von
Luitprauis Besuchen noch unter Privinna in den J. 840 —
843 berichtet der Ungenannte de Conversione Bojoario-
rum et Carantanorum. Noch 865 feierte der Salzburger
Erzb. Adalvin, unter welchem 873 ein Salzburger Prie-
ster in dem erwähnten Aufsatze die Diöcesanrechte der
Salzburger Erzkirche vertheidigt, das Weihnachtsfest in
Chocils Burg, Mosburg genannt. ^) Er weiht wieder
mehrere Kirchen ein und stellt Priester an. Seit 75 Jah-
ren durfte kein fremder Bischof, der dahin kam, da-
selbst das bischöfliche Amt ausüben. Kein Priester konn-
te über drei Monate da verweilen, ohne bevor seine
Dimissorien dem Salzburger Erzbischofe vorzuweisen.
Diess ward dort so lange gehalten, bis Method mit sei-
ner neuen Lehre auftrat. Ohne Zweifel hielt sich auch
nachher Method oft genug zu Mosburg bei Chocil auf
Als Method die slawische Liturgie in Pannonien einführte,
verfiel die lateinische und wurde verachtet. Der Erz-
*) Privinna bekam einen Theil vom Unter-Pannonien von K. Ludwig
zu Lehn, am Flüsschen Sala. Hiei- baute er eine Burg oder feste Stadt in
einem Walde und am oder im See des aussehen Sala. Es lag also Mosburg
am Plattensee, wo heute Salavär steht. Wenn man nun annähme, dass
die Slawen dieses Mosburg Welehrad nannten, so wäre doch cinigermassen
erklärbar, wie man Methods Sitz zu Welehrad in Mähren suchen konnte.
S. Dobrowskys Cyrill u. Method. Prag 823. 8. S. 87. — (Ist Weh.lirad
nicht die alte Stadt Belehrad, Stuhlweissenburg, .3 Meilen nordöstlich vom
Plattensee ?)
89
|»ri(\ster Hiclibald koruili' Hie Gorino;scliälziinj;^ dos latei-
iiischcii (jodcsdieiKstes nicht i'r(rcii»tMi, sali die Einfidi-
niiig; der slawischen Lilnrijjie durch IMeÜiod als einen
Kingrifl' in die Hechte des Salzbin-ger Rrzbischofs an,
und machte sich lieber davon. Diess geschah unter dein
noch lebenden Adalvin, also vvol schon 872, da dieser
873 starb.
IJng^eachtet die Päpste ihr altes Recht auf die pan-
rionische Diöcese, die schon in den ältesten Zeiten zum
römischen Patriarchat gehörte, geltend zu machen stieb-
ten, und desshalb Method beschützten, unterliessen es
die Salzburger und andere teutsche Priester doch nicht,
den Griechen lAlethod bei dem Papste verdächtig zu ma-
chen. Man beschuldigte ihn, dass er von der Lehre der
römischen Kirche abweiche, das Volk zu Irrthümern
verleite, anders lehre, als er mündlich und schriftlich
vor dem apostolischen Stuhle zu glauben bekannt habe.
Seine Verwunderung darüber bezeugt der Papst in ei-
nem Briefe vom 14. Juny 879 an Tuventar, einen mäh-
rischen Fürsten (Kniez), der seinen Priester Johann nach
Hom geschickt hatte. Er ermahnt den Fürsten, dass er
sich an die Lehre der römischen Kirche halte. 'Sollte
aber ihr Bischof (Gorazd, ein Bulgar oder Grieche, den
Method geweiht hat) , oder irgend ein Priester etwas
anderes zu verkündigen sich unterstehen, so sollten sie
einmüthig die falsche Lehre verwerfen. Ihren Erzbi-
schof aber, von dem er gehört, dass er anders lehre,
habe er desshalb nach Rom beschieden. Der Brief an
Method, womit ihn der Papst Johaini nach Rom beschei-
det, ist von demselben Dato. In diesem kommt auch
noch ein zweiter Punct der Anklage vor, nämlich die
slawische Sprache bei der Messe. Einen frühern, nicht
vorhandenen Brief, liess er Methoden durch Paul Bischof
von Ancona einhändigen. Der Einladung gemäss stellt
sich Method zu Rom. Mit ihm kam auch Swatopluks
Getreuer Zemizizh. Durch Methods mündlichen klaren
Bericht erfährt der Papst, dass Svvatopluk und sein gan-
zes Volk dem apostolischen Stuhle aufrichtig ergeben sey,
dass er andere Fürsten dieser Welt verschmähend (sind
wol die teutschen gemeint), sich den h. Apostelfürsten
90
Peter lind dessen Stellvertreter zum Patron gewählt ha-
be, wolur der Papst in väterlichen Ausdrücken dankt.
Den Method befragte mm der Papst, ob er das Syiiibo-
linii des orthodoxen Glaubens so singe, wie es die römi-
sche Kirche halte, und in den allgemeinen Kirchenver-
sammlungen von den h. Vätern kund gemacht worden
sey. Da nun Method bekannte, dass er der evangeli-
schen und apostolischen Lehre gemäss, wie die römi-
sche Kirche lehrt, und von den h. Vätern überliefert
worden, das Symbolum halte und singe, ward er als
orthodoxer Lehrer befunden, und abermal zur Leitung
der ihm anvertrauten Kirche Gottes zurückgesandt, und
den Gläubigen befohlen, dass sie ihn als ihren eigenen
Hirten mit aller Ehrfurcht empfangen sollen, weil ihm
das Vorrecht der erzbischöflichen Würde kraft aposto-
lischer Auctorität bestätigt worden sey. Den Priester
Wiching, den Swatopluk nach Rom sandte, weihte der
Papst zum Bischöfe von Neitra, der in allein seinem Erz-
bischofe gehorsam seyn solle. Dass nebst Wiching auch
nur ein zweiter damals angestellt worden wäre, wissen
wir nicht. In Ansehung des zweiten Punctes der Anklage
gelang es dem Method durch seine Vorstellungen den
Papst Johann zu bewegen, dass er den slawischen Got-
jtesdienst nun bewilligte. Möge nun Metliöd dem Papste
Johann die grossen Yortheile der slawischen Sprache bei
seinem Lehramte unter den Slawen einleuchtend vorge-
stellt, möge er auf das Beispiel der griechischen Kirche,
die neben der griechischen Sprache bei allen gottesdienst-
lichen Verrichtungen auch andere Sprachen, die syri-
sche, koptische, armenische, slawische gestatte, hinge-
wiesen, möge er endlich bei der Nichtgewährung des
Gebrauchs der slawischen Sprache auf die nahe Gefahr
einer Trennung von der lateinischen Kirche aufmerk-
sam gemacht haben; so hatte Papst Johann nebst diesen
Gründen auch noch andere Ursachen, die Griechen und
die dem griechisch-slawischen Ritus ergebenen Slawen
eben jetzt zu schonen. Es musste ihm an der Erhaltung
der Kircheneinigkeit, die jetzt vielfach gefährdet war,
alles gelegen seyn. Diess machte ihn selbst gegen Pho-
tius so nachsichtig, dass er seine Wiedereinsetzung nach
91
dem Tode des Patriarclien Ignatius geiiehin liiell. Da-
durch hoffte er die Einigkeil der Kirche zu erhalten,
lind die Bidgarei, aus der seit 870 alle lateinische Prie-
ster weichen innssten, vviederiMii an das abendländische
Patriarchat zu bringen. Kurz, Johain» VIU. gab den Vor-
stelhmgen iMethods in Betreff des slawischen Gottesdien-
stes nach, lind fasste seine Erklärung darüber so be-
hutsam ab, dass er nicht nur sich selbst wegen des vor
kurzem, um unterdessen Methods Ankläger zu beschwich-
tigen , gemachten , jetzt aber zurückgenommenen Ver-
botes, sondern auch den von Adrian geweihten und in
Pannonien eingesetzten Erzbischof wegen der eingeführ-
ten und fortgesetzten slawischen Liturgie gleichsam recht-
fertigte, Methods Ankläger eines bessern belehrte, und
hoffen konnte, den Angeklagten dadurch gegen weitere
Beschuldigungen von Seite der teutschen Priester sicher
zu stellen. Von dringenden Umständen bewogen, ge-
stattete zwar Papst Johann auf der einen Seite den sla-
wischen Gottesdienst, aber auf der andern, da er wusste,
dass in Mähren von jeher viele lateinische Priester an-
gestellt waren, wollte er der lateinischen Sprache nichts
vergeben. Er schliesst daher seinen Brief an Swatopluk
mit diesen Worten: Wir befehlen aber doch, dass in
allen Kirchen eures Landes, der grössern Würdigkeit
wegen, das Evangelium zuerst lateinisch gelesen werde,
und dann in slawischer Sprache übersetzt dem der latei-
nischen Sprache unkundigen Volke zu Ohren komme,
wie es in einigen Kirchen geschehen mag. Und wenn
es dir und deinen Richtern gefällt, die Messen lieber in
lateinischer Sprache zu hören, so befehlen Wir, dass
dir das feierliche Amt der Messe lateinisch gelesen werde.
Da Gorazd, den Method früher zum Bischöfe ge-
weiht hatte, dem Wiching, Bischof von Neitra , wei-
chen musste, so ist dieser wol der einzige Suffragan, der
dem Erzb. Method untergeordnet war. Ein zweiter sollte
erst zum Bischöfe geweihet werden , und mit diesen
zweien sollte erst Method uo ch mehrere ordiniren und
an bestimmten Orten anstellen. Da aber Method keine
gute Aufnahme in Mähren fand, und sich etwa schon
881 zurückzog, so geschah von allem, was man vor-
92
liatle, nichts. Erst lange nach Metliods Entfernung aus
Mälnen, 4 oder 5 Jahre nach Swatophiks Tode (st.
894), ward in Mähren eine Metropole, d. i. ein Erz-
bistlunn mit drei Bischöfen errichtet. Weini gleicli der
böhmische flzg. Boriwog von Method, wahrsclieinlich
vor dessen zweiter Reise 879, wie Cosmas 230 Jahre
nach dieser Begebenheit bezeugt, getauft worden, so
foJgt doch nicht, dass Method über Bölniien seine Ju-
risdiction als Erzbischof ausübte, weil ßölnuen seit der
Taufe der vierzehn Herzoge (Fürsten), d. i. seit 845 un-
ter den Sprengel von Kegensburg gehörte. Ungeachtet
der Emj)feldinig des Papstes Joliann ist der von ihm be-
stätigte Erzbischof von Mähren doch nicht so gut auf-
genommen worden, als er es billig erwarten koiuite.
Selbst Swatophik, von teutsch-lateinischen Priestern ge-
leitet, scheint nicht die gehörige Achtung gegen Method
bewiesen zu haben. Was eigentlich dem Method widri-
ges widerfahren, ist wol kaum möglich genau zu be-
stiiinnen. Doch so viel ist gewiss, dass er schon nach
etwa sieben Monaten nach seiner Ankunft von Rom (880)
Ursache hatte, sich mit einer Klageschrift an den Papst
zu wenden, wie es aus Johanns VIII. tröstender Ant-
wort erhellet. Der Brief ist datirt vom 23. Mai 881.
Der Papst lobt Methods Seeleneifer, bezeugt grosses Mit-
leid mit ihm verschiedener Unfälle und Begegnisse we-
gen, sagt, er hätte weder Swatopluk noch Wiching ge-
heime Instructionen gegeben. Man kann also nur rathen,
was denn eigentlich gegen den griechischen Erzbischof
der lateinische ihm untergeordnete Bischof Wiching un-
ter Swatopluks Schutze unternommen habe. Der grie-
chisch-slawische Ritus allein war den lateinisch - teut-
schen Priestern, deren Anzahl in Mähren wahrschein-
lich viel grösser war, als der slawischen, schon anstös-
sig genug. Wiching brachte es dahin, dass der slawi-
sche Bischof Gorazd und sein Anhang aus dem Lande
geschalfet wurde. Method konnte jetzt, bei der Freund-
schaft Swatopluks mit Arnulph, Flerzoge von Kärnten u.
Pannonien, dem er seinen Sohn Swentibald (Swato-
pluk) aus der Taufe hob, auf keinen Schutz gegen Wi-
ching rechnen, und fasste den klugen Entschluss, den
93
er dem Papste meldete, wiederum iiacli Korn ziinickzu-
keliren, da er IjefOrcIiteii konnte, dass man sich in Mäh-
ren gegen die griechisch-slawischen Priester eben niclit
gefiilliger betragen würde, als sich im J. 870 die Grie-
chen gegen die lateinischen Priester in der Bnlgarei be-
tragen haben. Was thnt nun Method in seiner miss-
lichen Lage in Mähren? Die Tröstungen des Papstes in
dem angeführten Briefe vom .1. 881 konnten sein Gemüth
wol aufrichten, aber seine Lage blieb, wie sie war. Auch
verspricht der Papst den Handel erst beizulegen, wenn
Method nach Rom zurückgekommen seyn würde. Er
säumte also nicht, sich dahin zu begeben, wo er auch
sein Leben endete, und zwar, da nach dem J. 881 sei-
ner nirgends mehr gedacht wird, in kurzer Zeit nach
seiner Ankunft. Allein das eigentliche Todesjahr Metliods
bleibt immer ungewiss. — Method war als Erzbischof
im J. 868 von Adrian eingesetzt, nach 12 .Jahren darin
von Johann bestätigt, gleich darauf im J. 881 von ihm
getröstet und nach Rom beschieden, er konnte also sein
Erzbisthum nicht länger, als 13 Jahre verwalten. Nimmt
man noch die Jahre vor seinem Bisthum dazu, in wel-
chen er sein Bekehrungswerk in Mähren trieb, so kom-
men 18 Jahren heraus — . ^)
Die so wichtige Frage, was eigentlich Kyrill, was
Method, was endlich beide bei ihren Lebzeiten übersetzt
haben, ist wol jetzt kaum genugthuend zu beantwor-
ten. Nach dem fast einstimmigen Bericht der ältesten
Zeugen gebührt die Ehre der Erfindung und Verferti-
gung des slawischen Alphabets ausschliesslich dem Con-
stantin, mit dessen Mönchs - Namen es späterhni auch
benannt worden ist (Kyrillica, kyrillisches Alphabet) ;
^) üeber Kyrill ii. Method sind zu vgl. Fesina Mars Moravicns
l'rajz 677. fol. — Stredouskv Sacra Moraviae histoi'fep^StVe vita SS. C'yrill
et Methudii, etc. Solisbaci 710. 4. — TA. Prokopovic razsmotrenije po-
wjesti 0 Kirillje i Method;i, S. P. 722. — Kohl introd. in histor. et rem
litter. Slavorum, Altona 729. — Assemani Kalendaria ecclesiae univorsae,
Rom 755. T. III. — Dohner anuales iJöhemorum Hajeki, Prag 765. P. III.
Ulmann Altmähren, ÖTmutz 762 fol. — Acta SS., m. Martii Tom. II., ad
IX. Mart. de „SS. Episcopis Slavonim Apostolis, Cyrillo et Methodio etc."
Antw. 668. fol. — [Ewaenif) slowar istoriroskij etc. (818) S. 421 — 431.
Schlözer Nestor Th. III.' S. 149 - 242. — Dohrowski} f'yrill und I\Teth.od,
der Slawen Apostel, Prag 823. 8. Die zwei'Iütztrrn, überaus sch;itzbaren
Schriften sind, wegen der angeführten und sich gegenseitig ergänzenden
Quellen beim Gebrauche zu verbinden.
94
allein an den Verdiensien, die sich die Gebrüder um
die Slaweti erworben, hat Method nicht nur eben so
viel, sondern noch mehr Antheil, als Kyrill; letzterer
starb sehr früh, Methodius aber lebte noch wenigstens
13 Jahre, und die Vollendung der slawischen Liturgie
ist bloss sein Schöpferwerk. ,, Willkommen also hier,
rufen wir mit Schlözer (Nestor III. 187) aus, ihr un-
sterblichen Erfinder der slawonischen Schrift, die ihr es
zuerst wagtet, eine rohe Sprache, die eine Menge ihr
eigenthümlicher Laute hat, dem Volke so zu sagen aus
dem Munde zu nehmen, und mit griechischen Buchsta-
ben zu schreiben, aber wie Genien dabei verführet, und
für jene eigeiUhümliche Laute, die der Grieche in seiner
Sprache nicht hatte, eigene Zeichen oder Buchstaben er-
fandet; wie tief stellt unter euch der Elsasser Möncli
Ottfried, oder wer der Teutsche seyn mag, der sieb zu-
erst erkühnte, seine Sprache zu schreiben, aber dabei
das lateinische ABC nur sciavisch copirte !"^) Nach
dem Exarchen Johann übersetzte Kyrill bloss eine Aus-
wahl aus den Evangelien und dem Apostel, d. i. nur die
Lectionen durchs ganze Jahr hindurch, wie sie aus den
Evangelien der römische ruthenische Codex No. 1. ent-
hält. Bei den Russen heissen sie AnpaKOC, bei den
Griechen evayyiXia saloyadia. Ein solclies Evangelien-
buch ist das Ostromirsche auf Pergamen im J. 1056
von Gregor Diakonus für den Nowogoroder Posadnik
Josepli Ostromir geschrieben, üass dieser Codex die un-
veränderte kyrillische Uebersetzung grösstentheils ent-
halte, daran ist gar nicht zu zweifeln. Kyrill übersetzte
wahrscheinlich zuerst die ganzen vier Evangelien, wie
sie der Codex vom J. 1144 in der Synodal bibliothek zu
Moskau Mo. 404 enthält. Dasselbe gilt auch vom Apo-
stel, worunter die Apostelgeschichte und alle Briefe der
Apostel verstanden werden. Auch von diesem Buche
lassen sich mehrere Lectionarien nachweisen, die zur
Bequemlichkeit der Leser so eingerichtet sind, dass die
Lectionen nach den Festen des Jahres fortlaufen. Diokleas
") lieber das Verfahren Kyrills bei Einrichtung des slaw. Alphabets,
so wie über die Natur der slaw. Sprachlaute und ihre Bezeichnung mittelst
Buchstaben s. die feinen und scharfsinnigen Benicrkk. des Hrn. Kopitar
Gramm. S. 1 - 13, 161 — 212. ■
95
sdireibt dem Kyrill die Uebersetzung der Evangelien,
des Psalters, nnd dann des ganzen alten und neuen Te-
staments, und der Messe (der griechischen Litingie des
Basilins und Chrysoslomus) zu, welciie Meinung seit-
dem herrschend geworden ist. Was das ganze alte Te-
stament betritft, daran ist wol zu zweifeln, da keine al-
ten Codices nachgewiesen werden können. Und in Be-
treflF des neijen Testaments muss die Apokalypse ausge-
nommen werden. In der dalmatischen Chronik werden
anstatt des Psalters die Episteln genannt. Gewöhidich aber
wird von spätem Schriftstellern die Uebersetzung der
zum Gottesdienst gehörigen Bücher beiden Aposteln zti-
geschrieben. Nestor nennt unter den Büchern, die sie.
als sie nach Rom gingen, in Mähren zurückliessen, den
Apostel, das Evangelium, den Psalter, den Oktoich (das
achtstimmige Odenbuch), aber er setzt unbestimmt hin-
zu : „und andere Bücher.'' Method , als Erzbischof,
Hess wol noch einige Uebersetzungen durch andere be-
sorgen, was er aber eigentlich selbst übersetzt habe,
ist nicht bekannt. Alle übrige Werke, welche dem h.
Kyrill noch sonst zugeschrieben werden, sind entweder
Erdichtungen, oder fälschlich dem thessalonischen Kyrill
beigelegte Werke anderer gleichnamiger Verfasser.
Das heilige, von Kyrill und Method begonnene Be-
kehrungs- und Uebersetzungswerk wurde nach ihrem
Tod von andern fortgesetzt. .Johann, Exarch von Bul-
garien, übersetzte bereits im IX. Jahrh. Hie Bücher des
Johannes Damasconus ins Slawische. Gegen das Ende
des X. Jahrh. kamen die slawischen Kirchenbücher mit
der christlichen Religion zu den Russen, deren Fürsten
im XI. Jahrh. zahlreiche, der slawischen Sprache kun-
dige Gottesgelehrten freigebig unterhielten, um die Ue-
bersetzung der h. Bücher fortzusetzen. Ein gleiches ge-
schah in Serbien, wo um diese Zeit noch einheimische
Fürsten herrschten, und die Verbindung mit dem ge-
lehrten Constantinopel fortdauerte. So kam nach und
nach das ganze Corpus bibliorum, aber gewiss nicht
vor Ende des XV. Jahrb., zu Stande. Die Uebersetzung
der Sprichwörter Salomonis war schon im XII. Jahrh.
vorhanden, wie man aus Nestor, der das Buch fleissig
96
citirt, ersehen kann. Das Biicli der Weisheit, der Pre-
(liejcr, die Propheten und Hiob sind im XIU. XIV. Jahrh.
in Serbien, die fünf Bücher Mosis ii. a. im XV. Jahrli.
in RiissJand oder Polen übersetzt worden. Vollständig
vvnrden die bisher getrennten Theile der Bibel, nach
Hrn. Dobrowskys Meinung, erst gegen das Ende des
XV. .lahrh., und zwar nicht vor dem Druck der böhmi-
schen Prager (1488) oder Ivuttenberger (1489) Bibel,
gesammelt, nach deren Muster die einzelnen Bücher
geordnet, die fehlenden ergänzt, und die meisten , ur-
sprünglich aus dem Griechischen übersetzten Bücher des
alten Testaments nach der Vulgata revidirt worden sind.
Wahrscbeinlich ist der Moskauer Codex der ganzen Bi-
bel vom J. 1499, als der älteste vorhandene, zugleich
der erste vollständig zu Stande gebrachte, woraus die
zwei andern Codd. genommen worden sind, nach deren
einem der Druck der Ostroger Bibel auf Befehl des Für-
sten Constantin 1580 besorgt wurde.*) Ausser der Bi-
bel und den liturgischen Büchern wurden nun auch an-
dere in der altslawischen Kirchensprache sowol bei den
Russen, als bei den Serben, entweder, wie die Chro-
niken, neu abgefasst, oder, wie die Schriften der Kir-
chenväter, übersetzt, wovon unten §. 11. die Hede seyn
wird.
§. 10.
Verhältniss der altslawischen Kirchensprache zu andern
slawischen Mundarten.
Wie soll man nun die Sprache, in welcher die sla-
wisch-serbischen , slawisch-russischen (beide mit ky-
rillischen Buchstaben) , die slawisch-dalmatischen Kir-
chenbücher (mit glagolitischen Schriftzügen) verfasst
sind, dem Dialekte nach nennen? — Hierüber sind und
waren die Meinungen der Gelehrten und Sprachforscher
von jeher sehr getheill. Ein kleiner Theil derselben hul-
digt der gewöhnlichen, auch heutzutage noch prüfungs-
werthen Ansicht, dass diese Sprache die älteste der Sla-
*) S. Dobruiush} insfitiitioiics 1. slav. p. VI. XII. 701.
97
winen und die ünnntter aller jetzt bekannten Mundar-
ten sey (Rakowiecki, Karamzin?), während der andere
sie bloss für die Mutter eines einzi^jen Dialekts, und
zwar bald des Russischen (Kohl), bald des Bulgarischen
oder Serbischen (Jordan. Schlözer; Dobrowsky, Sola-
ric), bald des Mährischen (Ewgenij, Kalajdowic), bald
des Slowakischen (Jordan?, Dalimil , Caplowic), bald
des Slowenischen oder karantanisch - windischen (Ropi-
tar, Grimm) u. s. w. gelten lassen will.
Die Ansichten derjenigen Schriftsteller, die, ohne
tiefer in die Sache einzugehen, sich darüber nebenher
haben vernehmen lassen, dürfen hier nur kurz berührt
werden. Gegen die Benennung moskowitisch oder ru-
thenisch eifert Kohl, und will auch (Introd. S. 10.) von
einem Russen, der in Slawonien (zwischen der Drawe
und Sawe?) reiste, gehört haben, dass man dort noch
dieselbe oder eine nur sehr wenig verschiedene Sprache
rede, die er sonst die alte slawonische Büchersprache
nennt. Nach S. 11. aber soll wieder mit der alten Bü-
chersprache, wie^öderlein aus dem Munde eines hohen
Russen vernommen haben will, der Kiowsche Dialekt
in der Ukraine und dem Stücke Landes gegen Morgen
in Moskau hinein , sonderlich übereinstimmen. Chri-
stoph von Jordan meint, Ryrill habe sich vielleicht
des bulgarischen Dialekts, den er in Constantinopel er-
lernte, bedient, und setzt hinzu, die Mähren hätten
diesen Dialekt hinlänglich verstehen können, wenn ihre
gemeine Sprechart auch verschieden war. Orig. slav. P.
IV. p. 126. Schlözer wollte (Nord. Gesch. S. 330) nicht
bestimmen, ob sich die slawische Kirchensprache zu den
noch lebenden bloss verhalte, wie eine alte Sprache zur
neuen, wie Ottfried zu Luthern, oder ob sie ein ganz
anderer Dialekt sey, meinte jedoch, wenn sie die Spra-
che ist, in der Kyrillus predigte und übersetzte, so
müsse man sie in der Bulgarei suchen. Später (Nestor
I. 46 — 52) hält er sie „für die Mutter der übrigen
Mundarten, zu der die übrigen Töchter noch jetzt ein
näheres Verhältniss hätten, als unter sich selbst. Dass
damals, fährt er fort, als die jetzige slawische Bibelüber-
setzung gemacht M'^orden, die altslawische Sprache eine
7
m
Kcdespraclie gewesen seyii müsse, versieht sicli wol von
selbst: nur wo war sie das? Kyrill machte unstreitig die
erste Uebersetzung in der Mitte des IX. Jahrb., er mach-
te sie namentlich für die Mähren und Bulgaren; also
müsste noch im IX. .lahrli. in Mähren und Bulgarien das
biblisch Altslawische die allgemeine Volksspraclie gewe-
sen seyn." Ganz für das Mährisclie stimmt der Hr. Me-
tropolit Etrgemj {Sloivar istor. unter dem Art. Method
S. 428 — 430). „Es wäre nicht nöthig, meint er, die
Frage zu untersuchen, in welcher andern slawischen
Mundart, als in der mährischen, Kyrill und Method die
Kirchenbücher übersetzt haben, wenn nicht die Gelehr-
ten hierin von jeher so verschiedener Meinung gewesen
wären. Es sey bekannt, dass die zwei Brüderapostel
Lehrer der mährischen und bulgarischen Slawen gewesen.
Hiernach müsse man folgerecht mit Schlözer schliessen,
dass sie in keiner andern, als in der diesen Slawen ver-
ständlichen Mundart, geschrieben haben. Daraus, dass
diese Sprache lange Zeit Schriftsprache der Serben ge-
wesen, hätten einige abendländische Gelehrten, mit ser-
bischen Büchern vertrauter als mit russischen, gefolgert,
dass Constantin und Method ihre Bücher in der altser-
bischen Mundart, der Mutter der jetzigen serbischen,
abgefasst haben. Aber dieses könne mit keinen histo-
rischen Gründen bewiesen werden. Wollte man auch
annehmen, dass in der Gegend von Thessalonich bereits
im YII. Jahrb. serbische Städte existirt haben: wornach
Constantin und Method von Jugend auf in Thessalonich
den serbischen Dialekt erlernt hätten ; so hätten sie doch
nach ihrer Ankunft in Mähren die hiesige Mundart,
schon wegen des damaligen geringen Unterschieds der
slawischen Dialekte, zu ihrer Schriftsprache wählen müs-
sen (?), und nicht umgekehrt erst den Mähren durch
Unterricht die serbische Sprache beibringen." Dieser
Ansicht pllichtet aucli Hr. Kalajdowic in s. Aufsatz über
die slawische Kirchensprache bei. Noch gab es Andere,
die in Erwägung der grossen Aehnlichkeit des heutigen,
leider noch zu wenig gekannten slowakischen Volks-
Dialekts in Ungern in unzähligen, in andern Mundarten
bereits verschwundenen oder veralteten Wörtern und
99
Flexionsroriiioii mit clcin Allslawisclion. g;loicli wie des
Umstandes, dass Mähren, des ii^rossen Svvalopliik gros-
ses, aber leider nur ephemeres Keich, wo docli nach
der eiiis(immi»eii Anssai:je aller Berichferstatler Method
am längsten verweilt, gelehrt und gewirkt haben soll,
damals den grössten Theil der heutigen Slowakei, wo
nicht die ganze, umfasst habe, und mit Berücksichtigung
der , mit den Angaben anderer Chronisten von den
Einfällen der pafuionischen Shnven (Sarmaten) ins by-
zantische Keich unter dem Ks. Justinian übereinslim-
menden Sage Nestors „dass die donauischen Slawen die
Urslawen und Stannnväter der Auswanderer nach Nor-
den sind", sich des Gedankens nicht erwähren konnten,
dass wol die altslawische Sprache zu der Slowakischen
in einem andern Verhältniss stehen könnte, als man es
bis jetzt allgemein geglaubt hat ^). Lnct'ns und Schön-
leben weisen auf die nahen Gegenden um Thessalonich
hin. Sfeph. Rosa, ein Ragnsiner, hält sogar die kyril-
lischen Uebersetzungen , der beigemischten thrakischen
Wörter wegen, nicht für rein slawisch. Mathias Mie-
chovifa nennt die Sprache der russischen Kirchenbücher
ohne Bedenken serbisch, wenn gleich das gemeine Ser-
bische seiner Zeit schon mit türkischen Wörtern hanfig
ffemisciit und selbst auch in vielen Formen von dem Alt-
slawischen oder Altserbischen abgewichen war. Selbst
die heutigen Serben nennen ein altes serbisches Kirchen-
buch Srbulja, das aber, wie Hr. Wuk bemerkt, dem
') Nicht nur finden sich in dem Slowakischen Wörter, die andern
Slawen entweder ganz, od. wenigstens in dieser Bedeutung unbekannt sind,
im Altslawischen aber sich nachweisen lassen, sondern der ganze formelle
und grammatische Bau dieser jNIundart erinnert aufi'allend an das Kirchen-
slawische. Schon J. Chr. Jordan sagt de orig. slav. Sect. 57. p. 127. „Hun-
garo-slavonicam scu Huugariae Slovaconum dialectum inter omnes ad sla-
vonicam accedeutes proximam linguae matri esse.'' Und der Domherr
Dalimil rühmt von dem slowakischen Dialekt : ,,His Hungariac iucolis me-
rito adhaesit nomen Slowak, „quum praecipue hi linguam slavonicam vi-
deantur retinuisse." Hr. v. Caplowic sagt in s. aus mehrjähriger Erfah-
rung abstrahirten Bemerkungen über die heutige serbische Sprache : „Die
heutigen Serben in Slawonien und Kroatien sprechen eine Sprache, welche
von ihrer Kirchenbüchersprache eben so verschieden ist, wie etwa die ita-
lienische von der lateinischen. Die slowakische ist damit weit näher ver-
wandt. Ein Slowak versteht ihre Evangelien besser, als der Serbe selbst.
welcher die Kirchensprache nicht studirt hat.'" (Slav. u. Kroat. Th. 1. S.
219 — 220.) Diese Behauptung ist nur unter gewissen Einschränkungen
wahr. Vgl. auch unten, und vorzüglich §. 45.
7*
100
serbischen Dialekt näher ist, als die neuen russischen Aufla-
gen. Ganz entschieden nimmt die altslawische Kirchen-
sprache Solaric für die Serben in Schutz. ,,Es ist, sagt
er (Rimljani slawenstwowawsi 1818. 8. S. 23 — 24),
ein für allemal noth wendig, dass wir Serben, nach dem
Sprichwort: ,,Heci bobu hob, a popu pop" uns in der
Benennung der alten reinen, Sprache nicht irren, son-
dern sie die alte serbische und keinesweges anclers
nennen. Sie ist zu allererst durch die h. Schrift in dem
Herzen der illyrischen Halbinsel, wo später die serbi-
schen Königreiche geblüht haben, bekannt geworden.
Um dieses Vorzugs willen, wenn es gleich wahr ist,
dass die damals nicht nur den Bulgaren, sondern auch
den auf der ganzen Halbinsel von dem Meerbusen von
Thessalonich und dem Pontus Euxinus bis zum adriati-
schen Meer, ja zweifelsohne sogar den oberhalb der Do-
nau wohnenden Slawen, Avelchen die christliche Religion
und die h. Schrift in ihr verkündigt worden ist, ver-
ständlich und gemein war, soll diese Sprache die ser-
bische heissen; mit noch grösserem Rechte aber auch
darum, weil uns unsere Ohren und Augen lehren, dass
unsere jetzige serbische Landesmundart unmittelbar aus
ihr entsprossen, und ihr näher, ähnlicher und verwand-
ter ist, als alle andere. Dieses wird nur derjenige läug-
nen können, der auch die Abstammung der heutigen
italienischen Sprache von der alten römischen und ihre
Verwandtschaft mit derselben läugnen kann. [lebrigens
soll diese vnisere Benennung der altserhischen Sprache,
der reinsten Wurzel, zugleich aber auch der schönsten
Blülhe des jetzigen gesammten Slawenthums, keinen der
übrigen slawischen Stämme hindern, dieselbe, falls er
es schicklich oder erspriesslich findet, insgemein die sla-
wische zu nennen: wir wissen, dass sie ganz vorzüg-
lich uns angehört, und können nicht umhin, sie die
unsrige zu nennen."
Hr. Dohrowsky prüfte die Meinungen seiner Vor-
gänger strenger, und erforschte die Natur der slawi-
schen Mundarten genauer, als irgend jemand vor ihm.
Er stellte zuerst die zwei Ordnungen der slawischen Völ-
ker auf: die südösUiche^ zu der die Russen, Bulgaren,
101
Serben , Dalmatiner , Kroaten und Winden , und die
nordwestliche, zu der die Polen, Böhmen^ Slowaken w.
Sorben-Wenden in den Lausitzen gehören. Er fand,
dass die Völker der ersten Ordnung die altslawische Spra-
che leicliter, als die der zweiten Ordnung verstehen.
Das Altslawische, sofern es bestimmter gedacht wird,
oder die Sprache der kyrillischen Evangelien ist ihm nicht
Gattung, unter welcher Serbisch, Russisch u. s. w., als
Arten stehen könnten, sondern ist selbst nur eine Art,
so wie die übrigen Mundarten. So betrachtet könne das
Altslawische nicht Mutter von allen übrigen Mundarten
seyn. Zudem gehöre das altslawische zur ersten Ord-
nung, unter welche das Böhmische, Slowakische u. Pol-
nische nicht gehören. Man dürfe hier nicht voraussetzen,
dass zur Zeit, in welcher das Slawische zuerst geschrie-
ben worden, nur einerlei Slawisch geredet worden sey,
aus dem sich die jetzt so sehr verschiedenen Dialekte
allmälich gebildet hätten. Nur das jetzige Serbische habe
sich aus ihm gebildet und verbildet. Die übrigen ent-
fernten Mundarten haben sich nicht aus ihm, sondern
neben ihm gebildet und fortgepflanzt. Dass die heutige
serbische Sprache der alten fast noch weniger ähnlich
ist, als die russische, komme daher, weil die Russen
nach und nach die alte serbischslawische Sprache nach
dem grammatischen Leisten der ihrigen zugeschnitten,
ihr Wörter und Ausdrücke nebst neuern Bedeutungen
geliehen haben, die die alte, in den ältesten Handschrif-
ten noch wenig oder gar nicht veränderte slawische Spra-
che nicht hatte, nicht kannte. Die Sprache der Mähren
oder heutigen Slowaken um Neitra herum könne auch
im IX. Jahrb. mit der bulgarisch-slawischen oder ser-
bischen nicht einerlei gewesen seyn. Kyrill brachte schon
zu ihnen das übersetzte Evangelienbuch. Diess konnten
sie nothdürftig, wenigstens zum Theile verstehen, wenn
es gleich in makedonisch-serbischer Mundart abgefasst
war. Den Slawen in Pannonien vom kroatischen Stamme
sey diese Sprache viel verständlicher, als den Mähren,
gewesen, deren Sprache die altslowakische, aber immer
von der zweiten Ordnung seyn musste. Die slawische
Rirchensprache sey ferner nie Redesprache der Russen
102
gewesen; cleim sie kam erst mit den slavvisclieii Kircheii-
biichern unter Wladimir zu ihnen. Und so habe denn
eigentlicli der Serbe den gültigsten Anspruch zur Be-
hauptung, dass die altslawische Kirchensprache sein
ehemaliges Eigenthnm war, woran er aucli nie zweifeln
konnte. Diese Sprache sey im IX. Jahrii. an dem rech-
ten Ufer der Donau, von Belgrad gegen Osten bis zum
schwarzen Meer, gegen Westen bis ans adriatische Meer,
gegen Süden von der Donau bis gegen die Stadt Tlies-
salonich gesprochen worden, wo Kyrill sein Slawisch,
wahrscheinlich von Jugend auf, gelernet haben mag ^).
Dasselbe behauptet Hr. Dobrowsky 15 Jahre später, in-
dem er seinen ,,Kyrill und Method" mit folgenden Wor-
ten schliesst: „Bei der Bearbeitung der slawischen Gram-
matik, und durch fleissige Vergleichung der neuern Auf-
lagen mit den ältesten Handschriften, habe ich mich
immer mel)r überzeugt, dass Kyrills Sprache der alte,
noch unvermischte, serbisch - bulgarisch - makedonische
Dialekt war, und muss bei dieser Ueberzeugung noch
bleiben, selbst naclidem ich des Hrn. Kalajdowic neuen
Aufsatz über die alte Kircliensprache gelesen habe. Wenn
ich auch zugeben könnte, dass die Bulgaren, Serben u.
Küssen ganz dieselbe Sprache im IX. Jahrh. redeten,
so kann ich es in Rücksicht der Mähren (und der heu-
tigen Slowaken) keineswegs gelten lassen, und kann
daher auch nicht begreifen, wie er von einer mährischen
Kirchensprache behaiipten konnte , ihre Aehnlichkeit
(Uebereinkunft) hätte dazu beigetragen, dass sie aiicii
von den Bulgaren u. Russen angenommen wurde. Mali-
risch, slowakisch, böhmiscli, polnisch gehören ja zu ei-
ner ganz andern Sprachordnung, als das Bulgarische,
Serbische, Dalmatische, Russische, wenn gleich beide
Sjirachordnungen zu der slawischen Sprachclasse im all-
gemeinen gerechnet werden. Die slawonischen Kirchen-
bücher kamen nicht aus Mähren zu den Bulgaren, son-
dern »nngekehrt, dinch Kyrill und Method aus der Bul-
garei nacii Mäiiren, und später auch unmittelbar aus
der Bulgare! und Serbien nach Russland." ^)
-) Dobrowskys Slawin S. 362 — 388. El). Slowanka Th. 1. S. 166. ft'.
Eb. Gesch. der bölim. Liter. 8. 4. 6. ^) Dobrorvskvs Cyrill u. Method, S.
135 - 136.
103
Hr. Ko/nfar, der im J. 1808 die Sprache der ky-
rillischen Bücher ebenfalls für die altserbische hielt ^).
nimmt 1822, bei Gelegenheit der Recension von Do-
browskvs altslawischer Grammatik ^), seine Meinung
zurück und erklärt die Karantaner oder die heutigen
Winden für die geraden Descendenten von Kyrills und
INlethods Sprachgenossen: ,,Wenn wir auch, sagt er,
vor der Hand und bis auf weitere Belehrung der neue-
sten Annahme folgen, dass die alten Pannonier und II-
lyrier keine Slawen gewesen, sondern die eigentlich sla-
wische Geschichte erst mit dem VI. Jahrh. nach Chr. be-
giinit, als die Slawen, die Donau übersetzend, mit den
ßyzantiern in Berührung kamen; so sind doch, selbst
nach dieser neuen Kritik, die karantanischen Slawen an
der obern, und die bulgarischen an der untern Donau
die ältesten Niederlassungen der Slawen im Süden der
Donau. Erst ein paar hundert Jahre darauf folgten die
Colonien der Kroaten und Serben. Das Christenthum
kam zu diesen Südslawen zuerst über Aquileja u. Salz-
burg her. Aber um das J. 863 erschienen Constantin
und iMethod in Pannonien, und gewannen des Volks be-
sondere Zuneigung durch Einführung des Gottesdienstes
in slawischer Sprache. Methods Gottesdienst erbaut noch
heutzutage an 36 iMill. Slawen in Russland, Ostpolen,
Ost- und Südungern, der Bulgarei, in Serbien, Bosnien,
Montenegro, zum Theil in Dalmatien , Gränz - Kroatien,
Slawonien. Nur in Methods eigenem Sprengel, bei den
pannouischen, oder mit einem Ausdruck des Mittelalters,
den Karantaner - Slawen ist er rein vergessen ! Kein
Wunder daher, dass entfernte Sprach- und Geschichts-
forscher bei der Frage: welcher der heute noch leben-
den slawischen Dialekte der gerade Descendent des von
Method gebrauchten sey, die anderthalb Milk, nach sechs
bis sieben Mittelpuncten — Ungern, Kroatien, Steier-
mark, Kärnten, Krain, Littorale , Görz und Gradiska
— zerstreuten, auch darum an Literatur armen Karan-
taner-Slawen ganz übersahen. Denn dass im IX. Jahrh.
die heutigen Dialekte der Hauptsache nach bereits be-
*) Gramm, der slav. Sprache in Krain u. S. XVI. XXX.
^) Jahrb. d. Liter, Wien 822. XVII. Band.
104
standen, ist unter den Kennem des Gangs der Sprachen
keine Frage. Daher auch SchJözer die Zumuthung, als
ob das lieutige Russische der Enkel des Altslawäschen
sey, mittelst der riclitigen Erfahrung zurückweist, dass
ohne ausserordentliche Begebenheiten, die er mit Recht
selbst in Russland, ungeachtet der 200jährigen mongo-
lischen Dienstbarkeit, nicht anerkeinit, sich keine Spra-
che in einem halben Jahrtausend so ändert, Avie nun
Russisch vom Altslawischen verschieden sey. Nach Aus-
schliessung dieses nun mächtigen Concurrenten — andere
Nordslawen , Polen , Wenden , Böhmen, Mähren, Slo-
waken, haben sich nie in Competenz gesetzt — und
Dobrowsky glaubt mit Recht, dass Methods Rival, der
Neitraner Bischof Wiching, den slawischen Gottesdienst
in seinem Sprengel nie gestattete — bleiben die drei
südslawischen Dialekte: Bulgarisch, Serbisch - Illyrisch
und Slowenisch. Denn nur drei von einander in Gram-
matik und Lexicon hinlänglich verschiedene südslawische
Dialekte gibt es; welche aber zu allgemeiner Zufrieden-
heit zu benennen, wegen der partiellen Nationalansprüche
schwer ist. — Der bulgarische Dialekt ist vielleicht un-
ter allen slawischen Töchtersprachen in seinem Baue,
also in seinem Wesen, am tiefsten angegriffen. — Den
serbischen oder illyrischen Dialekt sprechen 4 bis 5 Mill.
Slawen, von denen in allem etwa die Hälfte Graeci Ri-
tus noch jetzt den Gottesdienst in slawischer Sprache
hält. Dieser Umstand mag zu dem vom Hrn. Abbe Do-
browsky in seinen frühern Schriften oft wiederholten,
und seitdem auch von einigen Russen vorgebrachten
Ausspruch beigetragen haben: dass die slawische Kir-
chensprache der serbische Dialekt sey, wie er im IX.
Jahrh. gewesen. Aber wenn man andererseits bedenkt,
dass 1.) ausser den Ulyriern, im Süden der Donau, und
zwar in Pannonien, dem eigentlichen Kirciiensprengel
Methods, der hier an dreissig Jahre in dem Weingar-
ten des Herrn arbeitete, am südlichen und östlichen Ab-
hänge der norischen und julischen Alpen, längs den
Flüssen Sawe, Drawe, Mur, Rab u. s. w., zwischen der
Kulp und der Donau, noch jetzt anderthalb Mill. der äl-
testen slaw^ischen Metanasten leben und weben; deren
105
Sprache 2.) der kirchenslawischen noch jetzt näher ist,
als die illyrische — eine Wahrheit, von der sich selbst
der unparteiische lUyrier überzeugen wird , wenn er
den nämlichen Satz z. B. zuerst ins sogenannte Kroati-
sche, oder ins Krainische, und dann in seine Mundart
treu übersetzt, und beide Uebersetzungen mit kyrilh-
scher Schrift und Orthographie geschrieben gegen das
Altslawische hält - , bedenkt man 3.) dass, nach den
damaligen Sitzen der Südslawen, Kyrill und Method das
Serbenland mit keinem Fusse berührten, sondern den
Chroniken zu Folge nur durch das Land der Bulgaren
reisten; dass 4.) die Chroniken und Legenden nur von
Bekehrung der Chasaren, Bulgaren, Slawen in Panno-
nien und Mähren, und nie von Serben sprechen; dass
also 5.), da die Serben von dem Anspruch an Method.
als ersten serbischen Schriftsteller, beinahe so gut, wie-
wol aus andern Gründen, ausgeschlossen werden müs-
sen, als die Chasaren, nur die Bulgaren und die panno-
nischen Slowenen als berechtigte Prätendenten übrig
bleiben; aber endlich 6.) ausser der grössern Sprach-
ähnlichkeit auch noch besonders Germanismen, wie ol-
tar Altar, krst Christ, krstiti Christen, taufen, cerkv
Kirche , pop wol zunächst vom oberteutschen Pfoff,
Pfaffe, mnich Mönch, post Fasten, stol Stuhl, Rim vgl.
Römer, ocet acetum, upotvati hoffen, penez Pfennig,
plastyr Pflaster, pluy Pflug u. s. w-, Germanismen, die
wol in Pannonien, nicht aber in Mösien natürlich sind,
entscheidend für Methods Diöcesanen sprechen: so lässt
sich nur aus der heutigen literarischen und pohtischen
Zerstückelung u. Unbedeutenheit derselben erklären, wie
man sie bei Lösung der Frage in der Ferne so ganz verges-
sen konnte. — So wäre denn Methods Sprengel zugleich
auch die wahre Heimath der von ihm zuerst zur Schrift-
sprache erhobenen slowenischen Sprache, und die heu-
tige Sprache der Nachkommen seiner Diöcesanen in strei-
tigen oder zweifelhaften Fällen mit Nutzen zu befragen.''
Dieser Ansicht tritt auch Hr. Grimm in der Vorr. zu
Wuks serbischer Gramm. (Lpz. 824.) bei.
Beinahe um dieselbe Zeit, als man im slawischen
Südwesten Kyrill und Method die Ehre der ersten sla-
106
wisclien Scliriftgelelirten gerne liess, und nur um das
walire Vaterland der kyrillischen Biicliersprache mit aus-
gebreiteter Gelehrsamkeit und gewandtem Scharfsinn
stritt, erschien im Nordosten die freudige Morgenröthe
einer historischen Forschung und philologischen Kritik,
deren vorzüglich durch Hrn. Karamzin, Chodakowski
n. a. bekannt geinacliten Ergebnissen gemäss, Hr. Rako-
wiecki der slawischen Cultur, und hiemit auch der sla-
wischen Schrift, ja sogar der Bibelübersetzung ein viel
höheres Alter vindicirt, als das Kyrillische ist. Wir wol-
len die Hauptpunkte aus seiner Gedankenreihe mit sei-
nen eigenen Worten ausheben. „Es sind keine, sagt Hr.
Rakowiecki, Denkmale der Sprache aus den Zeiten des
slawischen Heidentiuuns auf uns gekommen. ^) Nach
dem Uebertritt der Slawen zum Christenthume sind die
biblischen und liturgischen Bücher, aus dem Griechischen
ins Slawische übersetzt, das älteste üenkmal, woraus
wir entnehmen können, wie die Sprache vor der An-
nahme des Christenthums beschaffen gewesen, und wel-
che Veränderungen sie seitdem erlitten habe. Wer nur
immer die altslawische Kirchensprache ihrem Geiste
nach erforscht und die verschiedenen slawischen Mund-
arten mit derselben vergleicht, wird sich leicht überzeu-
gen, dass sie, die Mutter aller übrigen Dialekte, zugleich
eine unerschöpfliche Quelle ihrer ferneren Bereicherung
und Vervollkommnung sey, es wird ihm von selbst
der Charakter mid die Stufe der geistigen Ausbildung
der ältesten bekannten Slawenstämme, es wird die Falsch-
heit der Meinung ausländischer Schriftsteller von der
Wildheit derselben einleuchten , und er wird hinfort
aufhören, seine Vorfaliren wild und barbarisch mit ih-
nen zu schelten. Jede historische Kenntniss, die wir von
den alten Slawen haben, rührt von Fremden, und nicht
von slawischen Schriftstellern her, die insgemein die
Slawen als wild und barbarisch schildern, und nur un-
gern, unvermögend der Wahrheit zu widerstehen, ih-
nen Tapferkeit, Gerechtigkeitsliebe, Milde, Gastfreiheit
'') Um. Rakowiecki ,waren, als or deu Iteii 'l'li. seines Werkes schrieb,
(He von Hrn. Hanka entdeckten, überaus wichtigen Fragmente der altböh-
mischeu heidnischen Dichljkunst noch unbekannt, auf die er sich aber schon
im 2ten Th. oft beruft.
107
und Achtung; jeglicher Rechte der Menschheit zugeste-
hen. Was die Sprache anbelangt, so nannten sie diese,
die sie nicht kannten und nicht kennen wollten, mit
einem Worte „lingua barbara''. Czacki und sogar die
meisten russischen Scliriftsteller, vvortniter Loinonosovv,
lialten es dafür, dass die slavv. Sprache erst dann angefan-
gen habe eine festere Gestalt zu erhalten und geregelt zu
werden, als die Uebersetzung der Bibel zu Stande kam,
dass mit ihr die Slawen neue Gedanken und Ansichten
bekommen haben, wofür sie aucii neue Wörter u. Aus-
drücke erfanden. Ich achte die Meiinnig so grosser Schrift-
steller, aber darf man nicht — unbeschadet dieser Ach-
tung — weiter gehen und nach der Wahrheit forschen?
Ich pflichte Czacki, Lomonosow und andern Schriftstel-
lern bei, dass die Lebersetzung der Bibel ins Slawische
der Sprache selbst viel Glanz und Bildung verliehen ;
aber ich frage zugleich, ob es wahrscheinlich ist, dass
mau die h. Schrift, in der so viele hohe Gedanken und
Kunstwörter, so viele rhetorische Stellen , und ganze
Bücher im höhern poetischen Styl vorkommen, in eine
bisher ungebildete, ungeschlachte, und wie die fremden
Schriftsteller sie nennen, barbarische Sprache, mit sol-
cher Leichtigkeit, Kraft und Schönheit habe übersetzen
können, dass sie noch heute hierin zum Muster dient?
War es möglich, ohne einen reichen Vorrath von Wör-
tern und Ausdrücken für jeden Gedanken, jedes Gefühl
des Menschen in Bereitschaft zu haben, sich an die Ue-
bersetzung eines so grossen und erhabenen W^erkes zu
wagen? War es möglich, in einem solchen Fall, auf ein-
mal und ohne Vorbereitung alle bis dahin unbekannte,
nöthige Ausdrücke zu erfinden und zu schmieden! Es
ist bekannt, dass die Sprachen nie anders, als mit dem
Fortschreiten der Civilisation des Volks, allmälig, von
Stufe zu Stufe, im Verhältniss zu der wachsenden Auf-
klärung und Kunstbildung sich vervollkommnen. Wir
haben in dem kurzen Abriss über der alten Slawen Sit-
ten und Gebräuche gesehen, dass sie seit undenklichen
Zeiten, lange vor ihrer Bekehrung zuai Christenthum,
die Bande der Civilisation, den Krieg und Ackerbau,
den Handel und die Gewerbe gekannt, Dörfer u. Städte,
i08
eigene Götter und Tempel gehabt haben, wo sie sich zu
Opfern, Gerichten, und Volksberathinigen versammel-
ten; dass sie zwar Heiden, aber keineswegs Barbaren
waren, denen die Idee einer höchsten Gottheit und ei-
nes künftigen Lebens fremd gewesen wäre-, dass sie über-
diess, von gleicher Abstammung, Sprache und Religion,
durch den grössten Theil von Europa ausgebreitet, eben
mit Hilfe dieser gemeinschaftlichen Sprache eine unun-
terbrochene Kette ihrer ßundes-Staaten gebildet haben.
Auf dieser Balin eines so ausgedehnten imd vielumfas-
senden Wirkens konnte man unmöglich eine diesen Ver-
hältnissen eiitsprecliende Sprache entbehren, und die
Slawen müssen daher, als sie nach Annahme des Chri-
stenthums zu der Uebersetzung der h. Schrift scrhitten.
schon eine ausgebildete, geläuterte und vervollkommnete
Sprache gehabt haben. Diese Meinung von der Vollkom-
menheit der Sprache unserer heidnisclien Vorfahren ist
keineswegs chimärisch; sie beruht auf unwiderleglichen,
aus der Sprache selbst genommenen Gründen. Wenn
man die vielfachen, aus deui uralten Heidenthum der
Slawen herrührenden Ausdrücke und Benennungen, die
sich auf ihr ötfentliches und Privatleben beziehen, und
die mit vielen Verzweigungen noch heutzutage in den
slawischen Dialekten fortleben, gehörig aulFasst; so er-
gibt sich gleichsam von selbst der klare und überzeugende
Schluss: dass das slawische Riesenvolk keineswegs ein
nomadisirendes, von Ort zu Ort herumwanderndes Volk
gewesen, sondern seit undenklichen Zeiten in ungeheu-
rer Masse die ausgedehntesten Länder in Europa einge-
nommen, und eben darum, weil es sich unvermischt
und rein von andern fremden Völkern erhalten, auch
seiner Nachkommenschaft Wörter und Redensarten aus
dem urgrauen Alterthum hinterlassen habe; dass unter
den europäischen Sprachen die slawische Stammsprache
ihrem Ursprung und Wesen nach originell sey, als de-
ren zahlreiche Aeste die heutigen Dialekte zu betrachten
sind: dass sowol der künstliche, und doch naturgemässe
Bau, als auch der Reichthum und die mannigfache Ver-
zweigung jener ürausdrücke die Stufe der Civilisation
und Bildung unserer Vorfahren hinlänglich beurkunden;
i09
und dass alles das, was wir bis jetzt über ihre Sitten,
Gebräuche, Religion u. s. w. gesagt haben, zur Genüge
beweise, wie weit die BegritFe der heidnischen Slawen
gediehen waren, und weiclien Grad die Kunst, für Vor-
stellungen Wörter zu erfinden, bei ihnen erreicht habe.
Die Namen der Monate müssen bei ihnen schon mehrere
Jahrhunderte vor Clir. in (iebraucli gewescFi seyn. Man
nehme, wenn man will, die Bibel, und sehe die kräf-
tigen, salbungsvollen Worte, Ausdrücke und Redensar-
ten nach ; man zähle nur die dem höchsten Wesen bei-
gelegten erhabenen Beiwörter, und urtheile selbst, ob
eine wilde barbarische Nation, ohne höhere Verstan-
desbegriffe, ohne eine reinere Idee der Gottheit, im
Anfange der Uebersetzungskunst einen solchen Reich-
thum der Sprache, eine solche Anzahl kräftiger und ei-
gener Ausdrücke habe entwickeln können ? Man kann
hier einwenden, dass die Bibelgesellschaften Ueberse-
tzungen der h. Schrift in manche asiatische und andere
Sprachen besorgen, die noch in der Wiege sind. Allein
diese Uebersetzungen können nur so viel Kraft u. Schön-
heit besitzen, als jene Sprachen an sich kräftig, schön
oder reich sind; Hr. Siskow hingegen hat bewiesen,
dass die slawische Uebersetzung der h. Schrift sogar die
französische und teutsche übertreffe. Eben so haben bis
jetzt fast alle Schriftsteller behauptet, dass die Slawen,
als sie an die Uebersetzung der h. Schrift die Hand leg-
ten, die Buchstaben oder das Alphabet mit gewissen
Veränderungen und Zusätzen von den Griechen entlehnt
haben, was dem h. Kyrill und Method zugeschrieben
wird. Es ist hier nicht der Ort, diese durch Verjäh-
rung und der Schriftsteller Ansehen erhärtete Meinung
zu bekämpfen; diess würde ein eigenes Werk erfordern,
zu welchem die nöthigen Materialien durch die Länge
der Zeit und andere ungünstige Umstände verloren ge-
gangen sind; aber daraus, was über den gesellschaftli-
chen Zustand der alten Slawen gesagt worden ist, darf
man wol, unbeschadet der Achtung, die man der zeit-
herigen Meinung schuldig ist, wagen, den Widerspruch
derselben zu lösen, und es wahrscheinlich finden, dass
die Slawen vor der Annahme des Christenthums die
HO
Kunst des .Schreibens gekannt und verschiedene, dem
Grade ihrer Civilisation angemessene Scliriften besessen
haben. Abgeselien von den Inschriften auf Bildsäulen
und Tempeln, deren verscliiedene Chroin'sten crwäluien,
konnten wo! die Slawen auf der oben angegebenen Stufe
ihrer gesellschaftlichen Verfassung und Civilisation die
Schreibckuust entbehren? Konnten ilire Priester Bücher
entbehren, aus welchen am Ende sowol das geistliche,
als bürgerliche Recht geschöpft werden musste? Konnte
ein civilisirtcs Volk so weit eingeschüchtert und gegen
eigenen Ruhm gefühllos seyn, dass es nicht besorgt ge-
wesen wäre, den kommenden Geschlechtern durch schrift-
liche Zeichen das Andenken ihrer Vorfahren und Hel-
den zu hinterlassen? Die süsse Sehnsucht nach der
Kunde von den Thaten der Väter ist allen Völkern gleich
eingeboren, sie wurzelt tief im Herzen des Menschen,
und der jedem von der Natur eingeprägte Kunstsiini
gibt ihm Mittel an die Hand, leicht Zeichen zu erfinden
mittelst deren er die Nachricht von seinen Tliaten auf
künftige Jahrhunderte fortpflanzen kann. Die alten Ame-
rikaner, ohne Berührung mit civilisirten Völkern, ohne
Wissen um eine andere Welt und die Bikhnigsstufe des
menschlichen Verstandes daselbst, ohne Keuntniss der
Buchstabenschrift , verstanden doch in ihren Hierogly-
phen und Knoten die Thaten ihrer Ahnen zu lesen: was
soll man von den Slawen sagen, die von jeher feste
W^ohnsitze inne hatten, und mit Völkern, die längst im
Besitze der Schreibekunst waren, in vielfache Berüh-
rungen kamen ; ein blosses Gewahrvverden einer solchen
Kunst reicht für Menschen hin, die in grossen Massen,
durch gesellschaftliche Bande festgehalten, dem Landbau,
den Gewerben und dem Verkehr obliegen. Es ist bekannt,
dass unter allen europäischen Völkern die Kunst des
Schreibens bei den Griechen am früliesten aufkam, wel-
che dieselbe, zufolge der einstimmigen Aussage der Ge-
schichtschreiber, den Aegyptiern verdanken. Nun aber
waren die Slawen von jeher die nächsten Nachbarn der
Griechen, und ihre Sprache stammt mit der griechi-
schen und lateinischen aus einer Quelle. Die griechischen
Buchstaben sind den koptischen ähnlich; aber die kopti-
111
sehen sind noch mehr, als die ^ricchisclien, den slawi-
schen ähnlich. Kaini man nicht aus allen diesen Umstän-
den schliessen, dass noch vor Kyrill und Method diese
Charaktere den Slawen bekainit waren, mit welchen
sie die für den gewölinlichen Bedarf nöthigen Bücher
schrieben?') Aber daran zu denken, inn so mehr da-
von zu sprechen, ist eine gewagte, den strengen Kri-
tiker zmii Lachen und Spott reizende Sache, der sofort
nach Beweisen, nach schriftlichen Documenten, nach hi-
storischen Belegen fragen wird. Wo sind die erwähnten
Bücher, wird er sagen; warum kamen sie nicht auf
uns? Sind sie etwa verloren gegangen? Warum sind
nicht die hebräischen, griechischen, lateinischen, ara-
bischen u. s. w. verloren gegangen? In der That eine
wichtige Einwendung; über ein Augenblick ruhiger Ue-
') An Versuchen, das Protoalphabet der Slawen zu entdecken, hat
es nie gefeht. So nahm Stränskü eine ruthenische {altrussische, also je-
tzige kyrillisch-") Schrift schon bei den heidnischen Böhmen an. Dobner
meinte, Kyrill, der Ertinder eines neuen Alphabets, könne nicht die heute
sogenannten kyrillischen, weil sie augenscheinlich, bis auf einige wenige,
griechisch M'ären, sondern müsse die glagolitischen Buchstaben erfunden
haben. Die kyrillisch-slawischen aber hätten die Anhänger der griech.
Kirche, die Bulgaren, Serben oder Russen, aus dem griechischen und gla-
golitischen Alphabete zusammengestoppelt. Auch Anton wollte dem glago-
litischen Alphabet zur Ehre eines slaw. Uralphabcts verhelfen. Hanke v.
Hankenstein glaubte ein vorkyrillisches Alphabet in seinem russischen Co-
dex, der sich später als dem XIII. Jahrb. angehörend erwiesen, gefunden
zu haben. Andere suchten den heidnischen Slawen den Gebrauch der Ru-
nenschritt zu vindiciren. Dagegen behauptete schon Schlözer, obgleich erst
kurz zuvor Hr. Katancsich zwei Quartanten de lingua et literatura der al-
ten Pannono- und Illyroslawen geschrieben : „Kyrill und Method sind die
Erfinder der slawischen Schrift, vor ihnen konnte kein Slawe schreiben,"'
(Nestor III. 188.), und Hr. Dobrowsky : „Vor Einführung des Christen-
thums, d. i. vor 845, sey an keine Schreibehtnst, und vor Kyrill, d. i.
vor 860, an kein slawisches Alphabet zu denken" (Gesch. d. böhm Lit.
S. 45). Auch in Russland rühmten sich einige die uralte slaworussische
Runenschrift gefunden zu haben, womit Bojans Hymne und einige Weissa-
gungen der Xowgoroder heidnischen Priester im V. Jahrb. geschrieben seyn
sollen. Indem diese Runen eine Aehnlichkeit mit der slawischen Schrift ha-
ben, waren einige der Meinung, der auch Hr. Rakoiviecki nach dem oben
angeführten zu folgen scheint, dass die Slawen noch vor ihrer Bekehrnng
zum Christenthume eine eigene Runenschrift gehabt haben , woraus Con-
stantin und Method mit Hinzufügung einiger aus dem griechischen und an-
dern Alphabeten enthlmten Buchstaben die jetzige slaw. Schrift etwa so
geformt hätten, wie der Bischof Ulphilas im IV. Jahrh. für die Gothen in Mö-
sien und Thracien die gothische Schrift aus nordischen Runen und grie-
chisch-lateinischen Buchstaben eingerichtet hat. Mit solchen slaworussi-
schen Runen erschien die Ite Strophe des erwähnten Gesangs von Bojan.
und der Spruch des slaw. Priesters im 6. B. „Ctenije w besjedje Ijubitelej
ruskago slowa" S. P. 812. — „iS^o i sife otkrutije nikogo neuiujtriW
sagt Hr. Metropolit Ewgenij in s. Slowar istoriö. (818) 1. B. S. 424 — 425.
112
berlegmig wird auch sie beschwichtigen." ®) Nachdem
»mn Hr. Rakowiecki ausführlich darziithnn bemüht ist,
wie nach der Bekehrung der Slawen alle Kunde des
heidnischen Slawenthums , ja die Kenntniss der altsla-
wischen Rirchensprache selbst , durch Bedrückungen
von Seite der Sieger, durcb Drangsale des Kriegs, durch
absichtliches Ausrotten, und tausendfaltige andere Un-
fälle aus dem teutschen Slawenlande, aus Polen, Huss-
land u. s. w. nach und nach gänzlich verschwmiden ist:
fährt er (Th. II. S. 177 ff.) fort; „Die Sprache des
grossen und uralten Slawenstammes musste im grauen
Alterthum nur eine seyn. Auf diese Einheit der Sprache
führt uns nicht nur die Analyse der jetzt bestehenden
Mundarten, sondern auch die geschichtliche Forschung
verbunden mit der Berücksichtigung des bürgerlichen
und politischen Zustandes der alten Slawen. Es ist aus-
gemacht, dass die Slawen seit undenklichen Zeiten eine
theokratisch - weltliche Verfassung gehabt haben. Ihre
Lebensart ins Besondere bestand aus Ackerbau u. Vieh-
zucht. Kriegerische Eroberungen waren nicht ihr Ziel;
sie waren nur im Falle der VertJieidigung ihrer Freiheit
und ihres Volksthums den auswärtigen Feinden furcht-
bar, und wehrten ihnen den Einfall in ihr Gebiet ab.
Selbst die Römer, diese Weltbezwinger, konnten sich
mit ihnen nicht messen. Bei solchem Stand der Dinge
musste die zunehmende Volksmenge des Stammes eine
und dieselbe Sprache der Väter führen, dieselben Sit-
ten und Gebräuche bewahren. Diese Sitten und Gebräu-
che, auf die sich die eigenthümliche Lebensart des Volks
gründete, entsprangen aus festen religiösen und bürger-
lichen Einrichtungen, die von den Priestern und ersten
Gesetzgebern des Volks herrührten; sonst wäre es un-
möglich gewesen, eine so grosse Masse in gesellschaft-
licher Gemeinschaft und Ordnung zu erhalten. Zu allem
dem gehörte aber eine Sprache, so weit bereichert, aus-
gebildet und vervollkommnet, als es die gesellschaftli-
ciien Bedürfnisse einer so ungeheuren Volksmasse erfor-
derten. An grossen Männern konnte es eniem solchen
8) J. B. Rakowiecki Prawda ruska, Warsch. 820 - 22. Th. I.
S. 57. tf.
ii3
Volke nicht fehlen, deren Andenken aber filr die Nach-
kommenschaft verloren gegangen ist. Auch an Schriften
konnte es nicht fehlen, in welchen die religiöse und po-
litische Verfassung enthalten war. Sie mussten Gesänge
und Hymnen haben, die man den Göttern zu Ehren bei
festlichen Feierlichkeiten sang. Sie mussten Schriften
über die ruhmvollen Thaten der Ahnen haben, die in
den Stürmen des iMittelalters auf keine Weise bis auf
uns erhalten werden konnten. Die ältesten, durch einen
blossen Zufall entdeckten slawischen Sprachdenkmale,
die einzigen, wenigen Ueberreste aus dem heidnischen
Slawenthum, sind die böhmischen Fragmente: Libusa's
Volksberathung und Gericht, Cestmjrs Sieg über Wla-
slaw, und Zaboj, Slawoj und Ludiek, die wenigstens
dem Ursprung und der Abfassung nach gewiss in die
vorkyrillische Periode gehören. Alle dort vorkommen-
den Beziehungen auf damalige Sitten und Gebräuche
sind reine Ausdrücke des Heidenthums, von dem die
Verfasser durchdrungen waren. Auch sieht man zugleich,
dass dergleichen Gesänge, deren es eine Menge geben
musste, bei dem Volk sein* beliebt und geachtet waren;
aber diese kostbaren Ueberreste der Sprache konnten,
als hinfällige Deidimale, dem alles verderbenden Zahne
der Zeit nicht widerstehen." Ueber die Bekehrung der
Slawen und den dadurch bewirkten Sprachanbau stellt
Hr. Rakowiecki folgende Betrachtungen an (Th. II. S.
176. ff.): .,Die Slawen stellten, während sie die christ-
liche Religion nach dem griechischen Ritus annahmen,
ihre Sprache in Betreff der Religionsbücher in gleichen
Rang mit der griechischen. Diejenigen unter ihnen, die
unter griechischer Botmässigkeit gestanden, wussten sich
beim Hof Ansehen zu veischaffen, und bekleideten hohe
geistliche und weltliche x4emter. Sie übersetzten aus dem
Griechischen die Religionsbücher, und verrichteten den
Gottesdienst in der Xationalsprache. Hr. Karamzin er-
zählt in s. Geschichte (Th. I. 140. 141.): dass sich von
jeher viele Slawen aus Thracien, Peloponnes und andern
Provinzen des griechischen Reichs bei Hofe und in der
Armee befanden; dass im VIII. Jahrh. ein Slawe, Na-
meiis^ikita, Patriarch von Constantinopel war, und der
8
f'A
114
orientalischen Kirche vorstand; dass im Anfange des X.
Jahrh. Ks. Alexander zwei Slawen, Gabriel nnd Wasi-
lic, unter seinen ersten Lieblingen hatte, deren letzte-
ren er zu seinem Nachfolger bestimmt habe*). Wenn nun
die Slawen bereits im VIII. ,Ialu*h. im griechischen Kai-
serthum so viel Gewicht und Ansehen gehabt, dass ei-
ner aus ihrer Mitte Patriarch und Vorsteher der orien-
talischen Kirche ward, so ist es nicht wahrscheinlicb, dass
sie nicht schon früher, oder wenigstens jetzt theilweisc
Christen gewesen wären, und die Liturgie in der Mut-
tersprache gehalten hätten, um so mehr, da man in der
Geschichte keine Spuren von einer Verfolgung ihrer
Sprache im Orient wahrnimmt. In der 2ten Hälfte des
IX. Jahrh. baten die Fürsten der abendländischen Slawen
den Ks. Michael um Lehrer, und der schickte ihnen die
Gebrüder Constantin und Metliod aus Thessalonich zu.
In Makedonien wohnten seit Jahrhunderten Sloweno-
Serben, wo sich noch heutzutage die Stadt Serbica un-
weit Thessalonich befindet. (Karamzin Gesch. Th. I. 502).^)
Es mussten dort seit langer Zeit slawische Mönche Klö-
ster haben, und die Liturgie in ihrer Sprache verrich-
ten, aus deren Mitte (^onstantin und Metliod , als am
meisten in der h. Sciuift und den Lehren des Christen-
thums bewandert, zu der Sendung gewählt wurden. Sie
haben nun die vorrätbigen liturgischen Bücher mitge-
nommen, das fehlende ergänzt, um es durch Abschrei-
ben im slawischen Abendlande zu vervielfältigen. Es ist
oben wahrscheinlich gemacht worden, dass die Slawen
*") Die zwei gi-iech. Kaiser aus slaw. Geblüt, Jnstiuian u. Basilius,
scheinen den Hrn. Karamziu u. Rakowiecki entgangen zu scyu. Dass Ks. Ju-
stinian I. (527 — 565) ein geborner Slawe gewesen, ist bereits vielfältig
und genügend erwiesen worden. Der Name scheint Ueliersetzung od. Anpas-
sung des slawischen ynpaB^a, byzantisch ovTtQaovda, vgl. prawda iusti-
\ tia, uprau'o recte, iuste; sein Vater hiess Istok od. Sabbatius, iicmoK ser-
-- bisch sol oriens und Sabbatius , vielleicht im Zusammenhang mit dem
phrygischcn Zlccßä^iog und dem Mitras. S. Stefanowic's sorb. Gramm, von
Grimm 824. S. IV. — Aber auch Ks. Basilius (867 — 88G), im J. 813. in
der Nachbarschaft von Thessalonichi geboren, war ein Slawe, wie Hamza,
ein arabischer Schriftsteller aus Ispahan zu Anfang des X. Jahrh. ausdrück-
lich berichtet. S. Engel's Gesch. d. alten Pannoniens u. d. Bulgarei. Halle
797. S. 316.
') Es wäre zu wünschen, die ältesten Wanderungen der Slawen über
die Donau wären schon aufgehellt, wie viel Licht würde dieses über die
Geschichte der altslawischen Kirchensprachc verbreiten ! — Hr. v. Schwa-
benau nimmt an. dass die Maeotiden, welche unter der Regirung des Clau-
115
bereits vor Kyrill und Metliod mit der Schreibekimst
bekannt waren; hier ist es genug, auf die Unwahr-
scheinlichkeit aufmerksam zu machen, dass Kyrill und
Metliod im ersten Augenblicke ihrer Ankfuift bei den
abendländischen Slawen im Stande gewesen wären, auf
der Stelle ein den slawischen Lauten angemessenes, wenn
gleich aus dem griechischen entlehntes und umgestaltetes
Alphabet zu erfinden; dass sie auf einmal, ohne voran-
gegangene frühere Versuche, die slawische Rechtschrei-
bung hätten so weit einrichten und festsetzen können,
als sie es noch jetzt ist, wo doch in Böhmen und Polen
die Regulirung der Orthographie nach Einführung des
lateinischen Alphabets — wie es die Geschichte be-
weist — drei volle Jahrhunderte gedauert hat. Auch
davon abgesehen, ist es möglich, dass Kyrill u. Method
gleich bei ihrer Ankunft im slawischen Abendlande ver-
mocht hätten, die Liturgie und h. Schrift in der slawi-
schen Sprache allenthalben zu verbreiten und einzufüh-
ren, ohne diese Bücher schon fertig und in Bereitschaft
zu haben; ist es möglich, dass dieselben, mitten unter
den ihrem Beruf und Geschäft eigenen Mühseligkeiten
und Beschwerden, bloss mit Hilfe zweier Mönche, wie
Nestor sagt, binnen sechs Monaten ein so grosses Werk,
als die h. Schrift ist, aus dem Griechischen ins Slawi-
sche hätten übersetzen, und bei einem Volke, das al-
ler Kenntniss der Schrift ermangelte, mittelst eines frem-
den Alphabets einführen können? Das Unstatthafte der
dius Tacitus 276 die Gränzen des römisclien Reichs beunruhigten (Flav.
Vopiscus in Tacit, Amm. Marceil. L. 19. c. 11.), keine andern, als die
Venadi Sarmatae, späterhin Sarmatae limigantes genannt, hiemit Slawen
waren. Man weiss , dass ein Theil_ der Sarmaten (Slawen), nach der Em-
pörung ihrer Knechte, die sie gegen die Gothen bewaffnet haben, sich un-
ter den Schutz Coustautins des Gr. begeben, und von diesem (334) 300,000
Menschen stark dui-ch Thracien, Makedonien u. s. w. vertheilt worden sind.
(Vita Const. M. L. IV. c. 6.) Hr. Kopitar beweist (Wien. Jahrb. d. Lit.
822. B. XVII.), dass das Neugriechische mit Slawischem stark versetzt,
und der tschakonische Dialekt, den andere Griechen nicht verstehen, im
Osten des alten Sparta, beinahe gewiss lu'sprünglich slawisch sey. Die Namen
der tschakonischen Städte Kastänica. Sitiua, Gorica u. Prastö sind slawisch ; in
ihrer Gegend ist sogar ein Oi-t Namens ZKXaßoxogl (Slawendorf), und
andere slaw. Ortsnamen in ganz Griechenland, wie Leake bemerkt, z. B.
Kameuica bei Patras u. s. w. Hieraus folgert nun Hr. Kopitar: Sollten sich
mehrere dergleichen materielle und formelle Slawismen im Neugriechischen
finden , so werden die ältesten slawischen Einwanderungen vor und unter
Justinian (527 — 565] ungleich beträchtlicher angenommen und der By-
zantiner eigene mehrfache Geständnisse von der Slawisirung des ganzen Grie-
8*
116
bis jetzt darüber vorgebrachten Meinungen bat schon
Karamzin in s. Geschichte (Th. I. 361 — 364) näher
beleuchtet. Setzt :inan noch hinzu, wie schwer sogar jetzt
slawische Werke mit kyrillischer Sclirift bei den Slawen
die sich des lateinischen Alphabets bedienen, Eingang
finden, und eben so aucli unigekebrt die mit lateinischer
Schrift gedruckten Bücher von kyrillischen Slawen nicht
gelesen werden; so ist, in Verbindung mit dem oben
angeführten, der überzeugende Schluss nahe: dass Me-
thod und Kyrill keinesweges so geschwind eine neue Lese-
und Schreibekunst bei den Slawen hätten einführen kön-
nen, wenn nicht vor ihnen die slawischen Stämme mit
derselben schon zum Theil bekannt gewesen wären." Aus
diesen und andern Stellen geht des Hrn. Rakowiecki Mei-
nung von dem hohen Alter der altslawischen Kirchen-
sprache und ihrem Verhältniss zu den jetzigen Mundarten
deutlich hervor.
Ohne mich berufen zu fühlen, über die Meinungen
dieser würdigen Forscher ein Urtheil zu fällen, will ich
nur, bevor ich zu den Schicksalen der altslawischen Kir-
chensprache seit Kyrill u. Method übergehe, bemerken,
dass aus allen bis jetzt angeführten Untersuchungen fol-
gendes hervorzugehen scheint:
i.) Dass die Slawen lange Zeit vor ihrer Bekehrung
zum Cliristenthume eine im Verhältniss zu ihrer Civili-
satioii ausgebildete Sprache, und wo nicht gescbriebene
Religions- und Gesetzbücber (denn die aus Indien mit-
gebrachte Schrift mag, als Eigenthum der Priester, bei
ihren Wanderungen bald verloren gegangen seyn), doch
wenigstens zahlreiche, der Weihe der Dichtkunst nicht
ermangelnde V^olksgesänge gehabt haben, wie ersteres
chenlaiuls {wie z. ß. Constantins des rui'i)ur,tiel)onien Thoni. iL , 6^'
ic&laßcö&r] ndaa 77 ;^rapa (der Peloponnes im Vlll. Jalnh.) xal ysyov
ßägßccQog. Oder des Epitoraators des Strabo : zal vvv Si (ums ,[. 1000')
Ttäaav ' HnFtQov nal EXXäSa ax^Sbv, accl nBlonövvr,Gov yicd MccKfdoviccv
2y.v&ai. I^yiläßoi vFfiovzai.) viel ernster und strenger verstanden werden
müssen, als bisher gewöhnlich geschehen. — Im J. 473 bekriegte Theode-
rich die Slawen oberhalb Mösien, weil sie sich jenseits der Donau auszu-
breiten suchten. (.Jara enim saepe Ilunni, Antae et Sclavini trajecto fiuvio
(Danubio) Romanos pessime foedissimeque vexarant. Procop. de bell. Goth.
L. III. c. 14. Wie ist aber hicrait L. III. c. 38. zirrgimen, wo er sagt:
ante illud tempus, quod supra dixi (534) numquam (hi barbari) cum ex-
ercitu üuvium Istrum vidcntur trajecisse ?)
117
die Prawda niska, Igors und Olegs Tractat, letzteres
aber die böhmischen Fragmente: Libusa, Cestmjr, Za-
boj, Slawoj und Ludiek, ferner der mssische Helden-
gesang Igoi" beurkunden.
2.) Dass die Bekelirung der Slawen allmälig, wahr-
scheinlich zuerst von Constantinopel aus, lange vor Ky-
rill und Method, eingeleitet worden ist, und als bei
wachsender Empfönglichkeit der Slawen dafür im Abend-
lande gleiclie Versucbe von der römischen Kirche ge-
macht wurden, die slawischen Fürsten in Pannonien und
Mähren, der Verschiedenheit des griechischen und rö-
mischen Ritus (d. i. dort der slawischen, hier der la-
teinischen Sprache beim Gottesdienst) nicht unbewusst,
ausdrücklich darum nacb Constantinopel um Religions-
lehrer geschickt haben, \\e'\\ ihnen die Liturgie in der
slawischen Sprache, deren Fortschritte in Griechenland
(Makedonien, Bulgarien, Serbien) sie kainiten, annehm-
barer als in der lateinischen geschienen.
3.) Dass Kyrill und Method, als sie, auf ausdrück-
liches Verlangen der mächtigen slawischen Fürsten (wenn
anders nicht die ganze Mission eine Fabel ist) nach Pan-
nonien und Mähren geschickt wurden, im Werke der
Bekehrung und in der slawischen Sprache keine Anfän-
ger mehr, sondern längst g^eübt und bewandert gewesen
seyn müssen; sonst würde man ihnen kein so hochwich-
tiges Werk, bei dem es sich um die Ehre des Kaiser-
thums und des Christenthums handelte, anvertraut haben.
4.) Dass demnach wahrscheinlicherweise auch meh-
rere Vorläufer an der Umschmelzung der griechischen
Buchstaben zum slawischen Gebrauch und der successi-
ven Uebersetzung der Kirchenbücher theilgenommen ha-
ben; wenn man gleich nicht in Abrede stellen kann,
dass Kyrill und Method bei der Vollendung dieses Al-
phabets und der theilweisen Uebersetzung der h. Bücher,
wie auch bei der Verbreitung der christlichen Religion
unter den Slawen sich das grösste Verdienst erworben
haben, wesswegen später auch dem Alphabet der Name
des kyrillischen in den Ländern, wo Kyrill vorzugsweise
gepredigt und gewirkt hat, beigelegt worden ist.
118
5.) Dass aber über die Sprache der kyrillischen Bü-
cher und ihr Verhaltniss zu den jetzigen Mundarten bis
dahin das Urtheil verschoben werden muss, bis einerseits
die Natur dieser Mundarten selbst mit Zuziehung neuer
Hilfsmittel genauer ergründet , anderseits aber die Un-
tersuchungen über der ältesten Slawen Cultur und Wan-
derungsperioden geschlossen seyn werden ; obschon es
wahrscheinlich ist, dass dieser Dialekt, selbst wenn man
ihn für den Ertrag einer frühern Sprachcultur der noch
heidnischen Slawen gelten lassen wollte, zu Kyrills und
Methods Zeiten bei demjenigen Stamme, der am frühe-
sten und am weitesten in das griechisclie Tiirakien, Ma-
kedonien und lllyrien vorgedrungen, mehr zu Hause
war, als bei den andern ^^).
Doch dem sey, wie ibm wolle — die schwierige
Etymologie und die noch dunklere Geschichte lässt uns
hierüber in Ungewissheit immer bleiben die goldenen
Worte J. S. Bantkies dem beherztem Slawisten ein Denk-
und Wahlspruch: ,.Gott gebe, dass der slawische Kir-
chendialekt, als die erste, oder wenigstens die äheste
uns bekannte Quelle der slawischen Sprache, von allen
slawischen Völkern gelernt und gekannt sey, nicht um
der Einheit der Kirche willen, sondern um der höhern
wissenschaftlichen Bildung willen, um der Erhaltung des
slawischen Volksthums willen, auf dass wir uns nicht
verteutschen, nicht vertatern , niciü vertürken (ich se-
tze hinzu: nicht verfranken und vermagyern), auf dass
1°) Will man aber , uach dem jetzt bestehenden Unterschied der
bulgarischen u. serbischen Mundart, entscheiden, welche von beiden die
gerade Descendentin von Kyrills erhabener Kirchensprache sey ; so dürfte
vielleicht vor dem Endspruch die Bemerkung der Beachtung nicht unwerth
scheinen, dass wol das Bulgarische und Serbische ursprünglich und noch zu
Kyrills Zeiten nur eine Mundart gewesen sey. Unter den slaw. Geschlech-
tern in Mösien, Makedonien u. Illyricum werden frühzeitig die Sjewerane
und Dregowißen (alt Drgowicen), jene als der heutigen Bulgaren, diese
als der Serben Vorfahren genannt. Nun sassen aber die zurückgebliebe-
nen Verwandten dieser Sjeweranen und Dregowicen noch lange Zeit darauf
in Roth- und Weissrussland an der Desna, Sema, Sula und Pripet' zu-
sammen (Nestor Cap. V. IX.), waren demnach nicht nur Nachbarn, son-
dern auch Stamm- und Sprachgenossen. Auch die frühern Colonien in Thra-
kien u. Mösion, vorzüglich jene ums J. 540, mögen nur abgerissene Zwei-
ge, gleichsam Vorläufer und Wegweiser dieser ihrer Nachfolger gewesen
seyn. Wie sich das Bulgarische, vorzüglich seit der Vermischung der mö-
sischen Slawen mit den eigentlichen Bulgaren, einer tatarischen Nation,
nach und nach so weit von dem Serbischen entfernt habe, als wir es heute
sehen : wird aus dem Gange der politischen Geschichte beider Stämme klar.
119
wir niclil abfallen von der gemeinschaftlichen Quelle der
Volksthüinliclikeit, die trotz der Stürme von zehn Jahr-
hunderten nicht versiegt ist." Darum sind die Bemü-
hungen unserer geachletsten Sprachforscher um die Her-
stellung und Reinhaltung dieser Sprache, die allerdings
im Laufe der Zeit und in der Fremde manches Fremde
angenommen, ein wahres Verdienst um die Gesammtlitera-
tur der slawischen Völker, zu welchen ich nun übergehe.
§• 11-
Schicksale der altslawischen Kirchensprache und Ueber-
sicht einiger Denkmale derselben.
Kaum war die slawische Sprache durch Kyrill und
Method auf den Weg gebracht, allgemeine Schrift- und
Kirchensprache aller Slawen zu werden, als sie schon
mit vielfältigen, unüberwindlichen Hindernissen zu käm-
pfen hatte. Method wurde, wie bekannt, zu Rom von
der Salzburger Geistlichkeit als ein griechischer Eindring-
ling und Neuerer zu wiederholtenmalen angeklagt. Bei
seinen Lebzeiten beschwichtigte er glücklich alle Ankla-
gen, aber nach seinem Tod unterlag die gute Sache dem
unseligen Eifer der Salzburger und anderer Gegner. Die
teutschen Bischöfe wachten äusserst eifersüchtig über die
Gränzen ihrer geistlichen Gebiete. Den bairischen Bi-
schöfen in Passau und Salzburg waren unläugbar alle dor-
tige Slawen, als zu ihren Sprengein gehörig, angewie-
sen. Kein Zweifel, dass sie gleich nach Methods Abreise
aus Mähren und seinem Tode den slawischen Gottesdienst
daselbst durch Wiching, diesen erklärten Gegner der
Griechen , unterdrückten. Der Erzb. Johann und die
beiden Bischöfe Daniel und Benedict, die P. Johann IX.
im J. 899. nach Mähren schickte, waren schon Römer.
Etwa luO Jahre nachher schrieb P. Johann XII. in der
Bulle, durch die er die Stiftung des Bisthums Prag er-
laubte: Verumtamen non secundum ritus aut sectam Bul-
garicae gentis, vel Russiae, aut Slavonicae linguae, sed
magis sequens instituta et decreta apostolica, unum po-
tiorem totius ecclesiae ad placitum eligas in hoc opus
120
clericuiii , latiiiis appriine litteris eniditum. Ein glei-
ches traf, wahrsclieinlicli noch früher als in Mähren,
die slawische Liturgie in Pannonien und Karantanien.
Allein der Kampf würde gewiss sowol hier als dort viel
länger gedauert haben , wenn ihn nicht unerwartete
schreckliche Vorfälle — der Einbruch der Magyaren und
die Besetzung von Mähren (der jetzigen Slowakei) und
Pannonien — abgebrochen hätten. Die Italiener und
Teutschen bemächtigten sich nun völlig der Kirche im
slawischen Abendlande. Von diesen verfolg!, sucliten die
slawischen Priestei- in verschiedenen Ländern Zuflucht
und Obdach. Auch in Dalmatien und Kroatien konnte
sich die slawische Liturgie nicht lange erhallen. Auf
die Abmahnungen des Papstes trat sogar ein Fürst in
Slawonien zum lateinischen Kitus über. Was soll man
endlich von dem gehässigen ürtheil einer lun das J. 1060
zu Salona in Dahnatien gehaltenen Synode, die den Me-
thod für einen Ketzer ansah, sagen? Es ward da be-
schlossen, dass Niemand mehr in slawischer, sondern
nur in lateinischer und griechischer Sprache Messe lesen
soll. Dicebant enim, wie der Archidiakon Thomas er-
zählt, gothjcas litteras a quodam Melhodio haeretico fuis-
se repertas, qui multa contra calholicae fidei normam in
eadem slavonica lingua manendo conscripsit. Quam-
obrem divino iudicio repentina dicitur morte fuisse da-
mnatus. Diesen Leuten war gothisch und slawisch einer-
lei; auch mochten sie nicht wissen, dass Methods Recht-
gläubigkeit selbst der Papst Johann Vlll. anerkannt habe.
Um die Slawen von der griechische» Liturgie abzuhal-
ten, fand man es hier für nöthig, das kyrillische Alpha-
bet mit einem andern zu vertauschen, welches in der
Folge den Namen des gliiyoUtifichen erliielt. Es verfiel
nämlich ungefelir 350 Jahre nach Kyrill irgend ein Dal-
matier auf den Gedanken, für die Anhänger der latei-
nischen Kirche, die doch den Gottesdienst in ihrer Mut-
tersprache nicht fahren lassen wollten , das römische
Missal ins Slawische zu übersetzen und einzuführen.
Zum Behuf der neuen Liturg-e schien es ihm rathsaiM.
um das aus kyrillischen Büchern Geborgte besser zu ver-
hehlen, auch neue Buchstaben zu erkünsteln, und sie,
121
um ihnen leichter Eingang zu verschaffen, dem grossen
Kirchenlehrer u. Bibehibersetzer Hieronymus znzusclirei-
ben. Da sicli gleicli anfangs mehrere Geistliclie zu die-
sem patriotischen Zwecke vereinigt haben mochten, so
kam aucli das Brevier liinzu, in welches sie den Psalter
nach der bereits vorhandenen kyrillischen Uebersetznng
aufnahmen, und nur die Stellen, wo er von der Vul-
gata abwich, veränderten. So verbreitete sich auch all-
mälig der falsche Ruf von einer dalmatischen Bibelüber-
setzung, die den h. Hieronymus zum Urheber habe. In-
desis hatte docli die Sache die Folge, dass sich in Dal-
matien die altslawische Literalsprache wenigstens bei ei-
nem Theil der Priester, den Glagoliten, bis auf den heu-
tigen Tag erhalten hat. In Böhmen, das seine Bekehrung
teutschen Priestern verdankt, scheint Kyrills altslawische
Kirchensprache nie allgemein eingeführt worden zu seyn.
Zwar bauete der h. Prokop «nn das J. 1030 den slawi-
schen Mönchen ein Kloster zu Sazawa; allein kaum zwei
Jahre nach seinem Tode, im J. 1055, wurden sie von
dem Hzg. Spitihnew als Ketzer aus dem Lande verwie-
sen, und der slawische Abt durch einen teutsclien ersetzt.
Sie wurden zwar unter dem Hzg. Wratislaw 1061 zu-
rückberufen, jedoch von Bretislaw, seinem Nachfolger,
abermal vertrieben. Unter Karl IV. wurde 1347 ein
Kloster Emaus auf der Neustadt Prag zii Ehren des h.
Hieronymus, Kyrill, Method u. s. w. für slawische, aus
Kroatien geflüchtete Benedictiner, die sich aber der gla-
golitischen Schrift bedienten, gestiftet ; nachdem aber die
alten Kroaten ausgestorben waren, nahm man geborne
Böhmen ins Kloster auf, die bald den slawischen Got-
tesdienst mit dem lateinischen vertauschten. Der Einfluss
der slawischen Kircheusprache auf die Bildung der böh-
mischen war also ganz unbeträchtlich. ^) In Polen baue-
ten die slawischen Priester zu Anfange des X. Jahrh. die
Kirche zum h. Kreuz in Krakau, und verrichteten hier
den Gottesdienst in slawischer Sprache. Zwar hatte we-
der zu dieser Zeit, noch später, die slawische Lit»n*gie
in Polen, die russischen Provinzen desselben ausgenom-
men, vor der lateinischen den Vorzug; indess wurden
') Bohrowsky Slawin S. 434 tf. Dess. Gesch. der böhm. Lit. S. 46. ff.
122
die slawischen Priester hier doch mehr, als irgend sonst
im Abendlande, geduldet, sowol wegen der Nähe der
russischen Provinzen Polens, als auch in der Absicht,
die Russen und andere Slawen des griechischen Ritus
auf diesem Wege der Milde und Yertiiiglichkeit Rom
geneigter zu machen. Aus diesem Grunde haben die sla-
wischen Priester in Krakau, als dem ^[ittelpunct zwi-
schen Russland nnd andern Slawen des griechischen Ri-
tus, bis auf die Zeiten Dlugosz's (f 1480) und noch spä-
ter eine Kirche gehabt, woselbst sie den Gottesdienst in
ihrer Sprache versahen, und zu allererst nach Erfindung
der Buchdruckerkunst eine Druckerei für Kirchen- und
sonstige Bucher mit kyrillisclien Typen errichteten, die sie
nun in alle Slawenländer verschickten. ^) Nur bei den
nordöstlichen Slawen des griechischen Ritus , bei den
Serben, Bulgaren und Russen, fand Kyrills Literalspra-
che Schutz und Pflege, und blieb bis auf den heutigen
Tag in der Kirche, in den frühern Jahrhunderten aber
auch am Throne und in der Stube des Gelehrten herr-
schend. In Russland nahm 980 der Grossfürst Wladioiir
die christliche Religion nach dem griechischen Ritus an,
und führte den slawischen Gottesdienst in seinen Län-
dern ein. Wir übergehen die fernem Schicksale der sla-
wischen Liturgie in diesen Ländern, namentlich die Ge-
schichte der Union, und wenden uns zu der Sprache.
Sowol in Serbien, als in Russland, fuhr auf der von
Kyrill und Method betretenen Bahn vorzüglich die Geist-
lichkeit fort, liturgische Schriften und Chroniken in sla-
wischer Sprache abzufassen. Den Zuwachs demnach, der
seit dieser Zeit der altslawischen Kirchensprache zu Theil
ward, haben wir allein den Russen nnd Serben zu ver-
danken. Was ungefehr hei Kyrills und Methods Lebzei-
ten, was zunächst nach ihrem Tode von der Bibel und
den übrigen heiligen Büchern übersetzt worden seyn
mochte, ist bereits oben §. 10. angegeben worden; die
Aufzählung einiger der wichtigsten Denkmäler dieser
Sprache wird unten folgen.
Es war natürlich, dass im Laufe der Zeit und in
der Fremde Kyrills und Methods liturgische Sprache
') Rakiowecki Prawda ruska Th. II. S. 181 — 182.
123
manches ihrem iirspnlnglichcn Charakter Fremde ange-
nommen habe; ja dass dessen im Ganzen nicht viel mehr
geworden, ist nur aus ihrer heiligen Bestimmung und
ihrem von iMethod und seinen Gehilfen fest aufgedrückten
Typus zu begreifen. Metliods heilige Bücher wurden
nämlich im Ganzen mit frommer Gewissenhaftigkeit ge-
nauer abgeschrieben, als sonst bei profanen Gegenstän-
den von sprachverwandten Abschreibern zu geschehen
pflegt, und nach dem Typus derselben die slawische Li-
teratur, mit Hintansetzung der Volkssprachen , selbst
von gebornen Serben, Bulgaren, Walachen, Russen u.
s. w. fortgesetzt, bis zuletzt auch hier die Landesspra-
chen ihr Recht geltend machten, auch Schriftsprachen
zu seyn, hier früher, dort später nach Umständen, aber
überall natürlich später, als dort, wo — wie bei Ka-
tholiken — die Redesprache nicht erst eine heilige Kir-
chenspraclie zu beschwichtigen hatte. Man denke an die
Literatur der Böhmen im XlII — XIV., der Polen im
XVL Jahrb., Krainer, Kroaten, Serben latini ritus (Ra-
gusa) u. s. w., davon die jinigsten an drei hundert Jahre
zählen, während die Russen erst seit etwa hundert Jah-
ren ihren Dialekt schreiben, und die Serben noch bis
auf diesen Tag um die Rechte der Volkssprache streiten.
Aber eben seitdem die Kirchensprache bei ihren Beken-
nern der weltlichen Dienste durch die einzelnen Landes-
sprachen enthoben, und bei den übrigen Slawen ohne-
hin von jeher reine Antiquität ist, wurde das Bedürf-
niss fühlbar, sie ungetrübt von den profanen Interessen
und Rücksichten des Nationalstolzes, fin* ihre Bekenner
auf ihre Urgestalt unter Method zurückzuführen, und für
die übrigen ebenfalls als reine Antiquität, entkleidet von
allem Unslawischen, was ihr durch Tausend Jahre zu
sogenannten praktischen Zwecken in der Fremde umge-
hangen worden, darzustellen. Mit einem Worte, man
sah und sieht immer mehr ein, dass es an der Zeit ist,
mit hundert Bänden das zu machen, was die Teutschen
mit einem Bande ihres, freilich an fünfhundert Jahre
altern, Ulfdas längst gemacht haben. Zwar fehlt es be-
reits in frühern Jahrhunderten, vorzüglich in Russland,
nicht an Versuchen, die altslawische Literalsprache in
124
den liturgischen Büchern zu verbessern. So ward der
griechische Mönch Maxim auf des Caren Basilius Joan-
nowic Begehren vom Patriarchen von Constantinopel
unter allen Mönchen des Berges Athos 1512 ausgesucht,
um die durch unwissende Abschreiber während der mon-
golischen Uienstbarkeit 1238 — 1477 in die Kirchen-
bücher eingeschlichenen Fehler nach den griechischen
Originalen zu verbessern, fiel aber nach neun Jahren
seines Aufenthalts zu Moskau in Ungnade, und starb im
Gefängnisse nach drei und dreissig Jahren. Die Verbes-
serung der Kirchenbücher kam immer wieder zur Spra-
che, mit dem meisten Aufsehen unter dem Patriarchen
Nikon 1652, was aber zur Entstehung der Haskolniken
Anlass gab, welchen der Correctionen endlich zu viele
wurden, als man ihnen sogar den als icKCh angeeigne-
ten Namen Jesu in den griechischem , dreisylbigen
iHc«cT. umcorrigirte. Die Revision der Kirchenbücher
ward 1667 beendigt, die der Bibel erst 1751. Diese
Verbesserung ist aber so zu verstehen: dass von Leu-
ten, die eine fast blinde V^erehnnig mehr für die Wör-
ter, als für den Sinn der griechischen Originalien hegten,
nicht nur die sinnlosen oder unrichtigen, sondern auch
die, wie so oft in der Vulgata, mehr Sinn fiu' Sinn als
Wort für Wort übersetzten Stellen, ängstlich-wörtlich
nach dem Griechischen, und die Sprache selbst aber-
mals nach der in den Flexionen und sonst stark russisi-
renden Grammatik von 1648 geändert ward. An philo-
logische Achtung für eine gegebene, heilige, todte Spra-
che ist da nicht zu denken, nicht an Achtung für den
slawischen Sprachgenius bei so sklavischen Verbesserern.
Maximus Schüler, der Russe Silvanus, der gegen solche
Wortabgötterey für den Sinn eifert, ist ein Prediger in
der Wüste. Niemand weiss von Kyrill und Method, man
glatibt nur veraltetes Russisch vor sich zu haben, was
man erneuern könne und müsse, um es verständliclier
zu machen; nicht einmal die letzten Revisoren der Bibel
1751 kennen Kyrillus, sie glauben die erste Ueberse-
tzung unter Wladimir 988, also in Russland und in alt-
russischer Sprache geinacht, und bedauern, dass das
Exemplar aus Wladimirs Zeit, woraus 1581 die Ostro-
125
^er Bibel abs^edrnckt worden, nachher verloren gegan-
gen sey, während doch da.s K\ein|)lar, wornach der
Druck der Ostroger Bibel besorgt worden . höchstens
vom J. 1490 oder noch jiniger ist, nnd in Moskau noch
existirt. •^) Bei den Glagoliten in Daliiiatien haben im
XVII. Jahrb. Pastrich und Levacovich die erste Revi-
sion des Missais und Breviers vorgenommen. Der letzte
Revisor, Caraman, war in Petersburg gewesen, und
konnte sich aus kyrillischen Büchern helfen; dafiir aber
brachte er, in der falschen Meiiuing, der russische Text
der Kirchenbücher wäre der echte, alte, eine Unzahl
Russismen in das glagolitische xMissal von 1741. (Vgl.
unten §. 28. über die glag. Schrift und Lit.) Die Russen
sehen die Verbesserung der Kirchenbücher seit 1751 für
beendigt und geschlossen, während die Spraclikritik und
Philologie sie erst recht aus dem Grunde neu w'iederho-
len muss. Da indess für die Russen mit dieser Wieder-
herstellung ausser dem geistigen auch noch ein geistliches
Interesse verbunden ist. so ist's einleuchtend, dass sie
nicht übereilt werden dürfe. *) Mittlerweile sind die
Bemühungen einzelner Sprachforscher, die dunkeln Par-
tien der altslawischen Kirchensprache und Literatur auf
historischem Wege aufzuhellen . und die elirwürdige
Sprache selbst, mit Hilfe der gesunden Sprachkritik, in
ihrer l'rgestalt wieder herzustellen, mit einem um so
höhern Dankgefühl zur gehörigen Beiuitzung aufzuneh-
men. Was durch die frühern, meist sehr dürftig bear-
beiteten Grammatiken, woriniter die des Meletius Smo-
trisky vom .1. 1618 lange für classisch galt, für die
Wiederaufnahme und Cultur dieser Sprache geschah,
kann hier füglich übergangen werden; wir begnügen
uns, auf die grossen Verdienste, welche sich um die Er-
forschung und Reinstellung dieses Dialekts die Hrn. Do-
browsky, Kopitar, Siskow, Wostokow u. a. m. in den
neuesten Zeiten erworben haben, hinzuweisen. Nicht
minder erspriesslich dem Studium dieser Sprache sind
die antiquarischen und paläographischen Untersuchungen
der Hrn. Koppen, Kalajdowic, Strojew u. a. m. Beses-
sen wir nuf'aucli schon ein Wörterbuch dieses Dialekts,
=') Dobroivskü instit. 1. slav. p. LH. ff. 701. (Kopitar) Rec. der
Gramm, v. Dobrowsky in den Wien. Jahrb. der Lit. B. XVII.
*) Kopitar a. a. 0.
126
davS dem jetzigen Standpunkt der slawischen Philologie
und der Wissenschaftliclikeit des Jahrhunderts angemes-
sen, sich würdig an die Grammatik der altslawischen Kir-
clienspraclie vom Hrn. Abbe Dobrowsky reihen möchte ! ^)
Die Geschichte der altslawischen Kirchensprache und
ihres literarischen Anbaues zerfällt nach Hrn. VVostokow
in folgende drei Zeiträume: 1.) Von Kyrill oder ~ dem
IX. .Jahrh. bis zum XIII. Jahrh. 2.) Von XIII. bis zum
XVI. Jahrh,, 3.) Von da bis auf unsere Zeiten. Dieser
Unterscheidung gemäss nimmt Hr. Wostokow drei Arten
des Kirchenslawisch an: 1.) ein altes, welches in den
Handschriften vom X — XIII. Jahrh. vorkommt: 2.) ein
iniUleres, das sich unmerklich durch russische Abschrei-
ber vom XIV. bis ins XV. und XVI. .Jahrh. hinein bil-
dete; .3.) ein nenes, der (in Polen und Russland) ge-
druckten Kirchenbücher, besonders seit der sogenannten
Verbesserung derselben. Das erste sey natürlich das ein-
zig echte, das mittlere schon nicht ohne Neuerungen
(Russismen), das neue schon stark metadialektisirt, und zum
Theil sogar Erzeugniss der geschäftigen Grammatiker. ^)
Die schriftlichen Documente des Kirchenslawischen
fangen erst in der Mitte des XI. Jahrh. an. Die ältesten
bekannten slawischen Denkmale sind: 1 .) Das sogenannte
*) Sprachbiicher, Grammatiken: L. Zizania grammatika slowenska,
Wilna 596. 8. — M. Smotri.sky grammatiki slawenskija praAvilnoje synta-
gma, w Jewju (b. Wilna) 618. 8. Neu aufgelegt Moskau 721. Iirmnik
755. 8. (von P. Nenadowic, Erzb. u. Metrop. von Karlowic). — Pismcnica,
Kreniieniec 638. 8. Wahrscheinlich nach Smotrisky. - Grammatica slavo-
nica (auct.. anou.), Mosquae 648. 4. — Gramm, slav. 719. 8. — TL Ma-
ximoTv grammatika slaweuska, S. Pet. 723. 8. A. Mrazoivic rukowodstwo
k slawenstjej gi-ammaticje, Wien 794. 8. Ofen 811. 821. 8. — P. Wino-
gradoiv kratkaja gramm. slaweuskaja, S. P. 813. 8. — /. Dobrowsky in-
stitutiones linguae slavicae dialecti veteris, Viudob. 822. 8. — Eine neue
Gramm, des Kirchenslawischen haben wir vom Ilr. AVf)stokow zu erwarten!
Wörterbücher : F. Beryndae lex. slaveno - russicum, Kioviae 627. 2. A. im
Kutcinischcn Kloster 653. — Th. Folycarpi dictionar. triliugue, h. e. di-
ctionum slavic, gracc. et latin. thesaurus, Moscov. 704. 4. — {Ewgenij)
kratkoj slowar slawianskoj, 8. P. 784. dem zugleich eine kurze Gramm,
angehängt ist. — Slowar akademii rossijskoj, S. P. 806 — 822. ist eigent-
lich russisch, enthält aber auch viele altslaw. Wörter. S. die russ. Liter. —
P. Alexjejew slowar cerkownyj, S. P. 773. 8., 2 A. eb. 794. 3 B. 8., 3 A.
M. 815 — 16. 4 B. 8., 4 A. S. P. 817 — 19. 5 B. 8. — {Anon ) niemecki
i serbski slowar, Wien 790. 8. ist ein Zwitter zwischen dem Altslawischen
und Sorbischen. — Ein Wörterbuch dieser Sprache haben wir ebenfalls von
den Hrn Wostokow und Kopjtar zu erwarten.
'^) „üeber die altslnw. Sprache, wie sie sich aus dem, bisher ältesten
Evangelien-Codex des Nowgoroder Posadniks Ostromir vom J. 1056 ergibt"
von A. Wostokow in den „Abhandl. der Gesellsch. der Liebhaber russ. Lit."
XVII. Ilft. Mosk. 820. Wostokow meint, die Russen hätten bereits zu M«-
1Ä7
Ostroinirsche Evangelium vom J. 1056., welches für den
Posadiiik (Aldermanii , Bürgermeister) von Nowgorod,
Ostromir, einen nahen Anverwandten des Grossf. Izjaslavv
gesehrieben ward, nnd nun in der kais. öfT. Bibliothek
zu S. Petersburg aufbewahrt wird. Diesen Ostromirschen
Codex hält Wostokow für die dritte, oder höchstens
vierte Abschrift der von Kyrill übersetzten Evangelien.
Kyrills Exemplar sey nämlicli in der Bulgarei oder in
Mähren geblieben, davon sey nach luindert Jahren eme
Absclirift für Wladimir in Kiew, davon noch später ei-
ne für die Sophienkirche in Nowgorod, und endlich von
dieser eine für den Posadnik Ostromir durch den Diako-
nus Gregor genommen worden. 2.) Die Inschrift auf
dem Steine von Tmutorokan (dem Tamatarcha Constan-
tins Porph.) vom- J. 1068., welche auf der Halbinsel Ta-
man liegt, und worin es heisst, dass damals vom Für-
sten Gljeb die Breite des gefrornen Bosporus gemessen
ward. 3.) Der Sboriiik oder Sammlung geistlicher Schrif-
ten vom J. 1073.. gehörend dem Nowovvoskresenskischen
Jernsalemskloster unweit von Moskau, von Hrn. Kalaj-
dowic 1817 entdeckt. 4.) Ein ähnlicher Sbornik vom .1.
1076., welcher früher dem Reichshistoriograplien Für-
sten Scerbatow angehörte, und nun das Eigenthum der
kais. Eremitage-Bibl. zu S. P. ist. 5.) Das Mstislawsche
Evangelium, geschrieben vor dem .1. 1125 für den Für-
sten Mstislaw Wladimirowic, beHiidlich zu Moskau im
Archangelskoj Sobor. 6.) Aelteste Urkunde zwischen J.
1128 - 1132, welche eine Schenkung an das Juriklo-
ster bei Nowgorod von Seiten des Nowgorodschen Für-
sten Mstislaw Wladimirowic und seines Sohns Wsewo-
lod Mstislawic betrifft. 7.) Ein Evangelium vom J. 1143,
gehörend der Patriarchal- oder Synodalbibliothek zu
Moskau. 8.) Ein Kreuz der h. Euphrosyne in Polock vom
J. 1161 mit slawischer Inschrift. 9.) Die Inschrift am
sogenannten Rogwolodschen Stein vom J. 1171 vom Po-
hods Zeiten ropO.T, (horod), Iieu (peö), BO:k (woz), 03^6 (oze) u. s. w.
gesagt. Aber ausser diesen geringen lexicalischen Unterschieden seyen die
Grammatiken der verschiedenen Stämme einander viel näher gewesen, als
300 — 400 Jahre später, oder gar heutzutage ; so dass sich damals die Sla-
wen aller Stämme untereinander so verstanden hätten, wie etwa ein Russe
vom Archangel od. vom Don einen Moskauer od. Sibirier verstehe. Die alte
Sprache unterscheide sich von der neuem vorzüglich durch 1» u. l> statt 0
und e, z. B. TA.-KLK'L, i^pkUi, EUPi», ferner dadurch , dass sie nach
K, ,v, r immer U, nach S? Ui, q, i|, q» immer h od. H schreibt u, s. w.
128
lockischcii Fürsten Rogwolod, liegend neben dem Wege
von Orsa im Mogilewschen Gouv. nacli Minsk. 10.) Die
in der Düna gelegenen Steine mit slawischen Inschriften
von dem .1. 1225. 11.) Vertrag des Smolenskischen Für-
sten Mstislaw (in der Taufe Theodor) Dawidowic mit
der Stadt Riga vom J. 1229. 12.) Die älteste Urkunde
des moskauischen Archivs des kais. Reichscollegiums vom
J. 1265. Ein Vertrag des Twerschen Grossf Jaroslaw
JarosJawic mit der Stadt Nowgorod. 1.3.) Die älteste Ab-
schrift der Rormcaja kniga und dabei der Gesetze Ja-
roslaws, bekainit unter dem Namen Prawda ruskaja (rus-
sisches Recht), vom J. 1280. 14.) Ein zu Riga aufbe-
wahrter, auf Papier geschriebener Vertrag des Smolenski-
schen Fürsten Iwan Alexandrowic mit der Stadt Riga
zwischen den .J. 1.330 — 59. 15.) Der Laurentische Co-
dex, oder die älteste aller bis jetzt bekannten Absclnif-
ten der Neslorschen Jahrbücher. Diese ward im .1. 1377
f(h* den Grossf Dimitrij Konstantinowic verfertigt, und
befindet sich jetzt auf der kais. öfF. Bibl. zu S. P. (Schlö-
zer hat im 1. B. seines Nestors Notizen über mehrere der
bekanntesten Abschriften russischer .Jahrbücher, so wie
über die der Fortsetzer Nestors mitgetheilt.j^j — Aus-
ser diesen ältesten Sprachdenkmalen gibt es noch viele
andere, die dem Ursprung nach in diese oder aucli eine
frühere Periode gehören, wenn sich gleich von ihnen
keine so alte Abschriften erhalto*i haben. Hr. Kalajdo-
wic hat erst unlängst die Uebersetzung eines Buches
(Nebesa) des .Johaini Damascenus, vom .Johaiui Exar-
chen von Bulgarien im IX. .lahrli. verfertigt, entdeckt:
obgleich Hr. Wostokow an dem vorgegebenen Alter des
Ms. zweifelt, und es aus philologischen (Gründen nicht
für das Original des Exarchen .lohann hält. Derselbe Hr.
Kalajdowic hat auch die Schriften Kyrills, Bischofs von
Turow und russischen Redners aus dem XII. .Jahrb., fer-
ner das Sendschreiben des ]\letroj)oliten Nikiphor an Wla-
dimir Monomach von der Treiniung der morgen- und
abendländischen Kirche, die Fragen des Mönchs Kyriak
an Niphont, Bischof von Nowgorod u. a. sammt Antwor-
ten, das Sendschreiben des Metropoliten .lohann an P.
Alexander III. von den Irrthümern der römischen Rir-
'') P. V. Kappen über Alterthum u. Kuust in Russland, Wien 822 S. 7—9.
129
che u. s. w., säiniiitlicli aus dem XII. Jahrli., herausgege-
ben. (Pamiatiiiki rossijskoj slowesuosti XII. wjeka, M.
82i.) — Die Menge der 8praclimonumente niminl seil
dem XII. Jalirli. belräclitlicii zu. Die meisten Handschrif-
ten sind in den Bibliotlieken Russlands, in den Klöstern
Serbiens , Makedoniens und Sirmiens vorhanden ; aber
aucli die Bibliotlieken anderer Länder, vorzüglich Oe-
sterreichs, Italiens, Frankreichs, Englands u. s. w. ent-
halten manches schätzbare slawische Ms. — Die zahlrei-
chen Handscljriftcn in den Bibliotheken und Klöstern
Russlands können hier nicht aufgezählt werden. Die Sy-
nodal- oder Patriarchalbibliothek in Moskau enthält g'-
gen 700 slawische Codices, worunter viele aus dem
XIII. — XIV. Jahrb. sind. Einige derselben hat Gries-
bach in seinem N. T. verzeichnet. Das Evangelium vom
J. 1143 ist schon oben erwähnt worden. Von dem A.
Testament reicht, ausser dem Psalter, kein Codex über
das XV. Jahrb. hinaus. Hier befinden sich auch die drei
bis jetzt bekannten ganzen slawischen Bibeln. Die älteste
ist vom J. 1499, unter dem Grossf. Johann und dem Me-
tropoliten Simon zu Nowgorod im Hause des Erzb. Gen-
nadius geschrieben; die zweite vom J. 1558, die dritte
ohne Jahrzahl. Die Bibliothek der Akademie zu S. Pe-
tersburg zählt gegen 250 slawische Msc, worunter ein
Evangelistarium vom ,J. 1317, ein Evangelium vom J.
1392, ein Menaeum für April, vom J. 1396, eins für
März vom J. 1348, Ephrem Syrus vom J. 1377, ein
Oktoich vom J. 1387 u. s. w. — Die literarischen Schätze
dieser Sprache, die in den Klöstern Serbiens, Bulga-
riens und auf deai Berge Athos begraben liegen, hat
noch niemand untersucht. Merkwürdig sind wegen ih-
res hohen Alters des Basilius Hexaemeron mit einer Vor-
rede Johanns , Exarchen von Bulgarien, geschrieben im
Kloster Chilendar 1263, jetzt in Moskau; ferner ein
Apostel vonTTTTeromonach Damian auf Befehl des Erzb.
Nikodem unter dem Kg. Stephan Uros im J. 1324 ge-
schrieben, jetzt in Sisatowac; des Kgs. Stephan Dusan
Silny (Nemanic IX.) zwei Schenkungsbriefe an das Klo-
ster Chilendar vom J. 1348 in dem Karlowicer Metro-
politan - Archiv (das eine im Original, das andere in
9
130
Copie; der dritte daselbst befindliche, nocli ältere Schen-
kungsbrief des Kgs. Milntin Stephan Uros IL, vom J.
1302, ist ebenfalls nur Copie); desselben Zakon u. Ustaw,
Gesetze und Verordnungen, vom J. 1349, im Familien-
archive des Hrn. v. Tököly zu Arad. Yen den Klöstern
in Sirmien zählt Krusedol gegen 51 Handschriften, darun-
ten vier Evangelien, zwei ohne Jahrzahl, eins vom J.
1540 und eins vom J. 1579, eine Scala coelestis (,it.ci-
Kinja) vom J. 1453 , auf Kosten des Despoten Bran-
kowic aus dem Griechischen übersetzt, Jus canonicum
vom J. 1453, das Leben des h. Chrysostomus, in Se-
mendrien unter dem Despoten Lazar 1458 geschrieben,
ein Typicon 1574 u. a. m.; Renieta unter 9 Codd. ein
Evangelium vom J. 1084, zwei Psalter ohne Jahrzahl,
die Homilien des Gregor von Nazianz vom J. 1629,
einen Minej vom J. 15ö8; Opowo unter 17 Codd. drei
Evangelien, eins vom J. 1630, eins vom 1675, zwei
Psalter von den J. 1622 und 1637, einen Panegyricns
vom J. 1509, einen Oktoich, ein Typicon, einen Tro-
par 1615, das Jus canonicum (^^kohuhk) in Jassy durch
den Grammatiker Damian im J. 1495 geschrieben; Ja-
zak unter 10 Codd, zwei Evangelien aus dem XVL Jahrb.,
zwei Apostel, einen vom J. 1541, zwei Psalter, des
Ephrem Syrus Buch an die Mönche vom J. 1577, meh-
rere Menaeen, Prologe u. s. w. •, Besenowo vier Evan-
gelien, von den J. 1536, 1575, 1592, das vierte ohne
Jahrzahl, Apostelgeschichte und Briefe vom J. 1652,
sieben Menaeen, Jus canonicum, Typicon u. s. w. •, Si-
satowac zwei Evangelien vom J. 1560, worunter dem
einen der Apostel vom J. 1324 beigebunden ist, Apo-
stelgeschichte und Briefe vom J. 1670, Menaeen, Lilur-
giarien u. m. a. ; Kuwezdin einen Psalter, zehn Menaeen,
wovon dreie aus dem XVL Julirh.; Pribina glaw^a ein
Evangelium vom J. 1560, einen Apostel vom J. 1646,
mehrere Psalter von 1643, 1646 u. s. w. ; Rakowac einen
Apostel, zwei Psalter u. s, w'. — Die kais. Bibliothek in
Wien besitzt zwei Evangelien vom J. 1535 und 1651,
zwei Apostelgescliichten und Briefe, einen Psalter aus
dem XV. Jahrb., einen Oktoich aus dem XIV. Jahrb.,
einen Oktoich samml Lectionen aus den Evangelien und
131
dem Apostel ans dem XII — XIII. Jahrli. — In der Prä-
ger Bibliotliek befinden sich zwei Evangelien. — Mont-
tancon verzeiclniete (bil)l. bibl. Mss.) aus der Coislinia-
nischen Bibliotliek zu S. Germain ein A. Testament, drei
Evangelien, einen Tobias u. s. \v., ausserdem die Werke
vieler Kirchenväter. Teber ihr Alter hat man bis jetzt
keine Aufsciiliisse. Derselbe sah einen Codex de officio
divino zu Modena, und einen Psalter zu Bologna. Bibl.
bibl. Mss. 8. 1042. berichtet er, dass sich zu 8. Germain
eine slawische Lebersetzung der Komödien des Aristo-
phanes befinde, worüber, so viel mir bekannt, neuere
Aufschlüsse fehlen. Das berühmte slawische Evangelien-
buch zu Rheims, worauf die Könige von Frankreich den
Eid ablegten, ist in den Stürmen der Bevolution unterge-
gangen. — In der königl. Bibliothek zu Berlin \ er-
zeichnet la Croze die Disputation des Gregentius ; in der
ehemaligen Zaluskischen .Janocki : zwei Rituale in fol.,
einen Canon apostolicus, ein Synaxarium, ein Officium,
ein Menologium. — Die Vaticanische Bibliothek in Kom
enthält mehrere Evangelien, Evangelistarien, das Chro-
uicon des Constantinus Manasses, im J. 1350 geschrie-
ben, und von dem Uebersetzer dem König von Bulga-
rien Johann Alexander gewidmet, die Apostelgeschichte
iHid Briefe vom J. 1400, das N. Testament sammt Psal-
ter, die Canones, das Officium u. a. m. — In der Bi-
bliothek bei S. Marcus in Venedig befindet sich ein N.
Testament sammt mehreren angehängten Erzählungen ;
un^ Solaric wollte bei J. Pericinotti eine Bibel vom J.
1429 gesehen haben, was aber ohne Zweifel nur ein
Theil vom N. Testamente war. — Die Bodlejische Bi-
bliothek in Oxford zählt unter ihren Handscliriften zwei
slaw'ische Codd., die Lambethsche einen Apostel. ^)
Was die Druckwerke anbelangt, so fing der glago-
litische Bücherdruck früher an, als der kyrillisclie. ®)
Das älteste glagolitische Missal ist vom J. 1483 ohne
Druckort. Die erste kyrillische Druckerei errichtete zu
Krakau Schwaipold Feol um das J. 1490; denn vom J.
8) S. Dohroivsl-y iustit. 1. slav. p. IX. ff. ') Ueber die Geschichte
des kirchenslawischen nnd slawisch-russischen Bücherdrucks vgl. ausser
Dobrowsktj iustit. 1. slav. p. XXXIV. [EivgeniJ\ slowar o bvwsich w Ros-
sii pisateljach, Th. I. S. 27,S — 302.
9*
132
1491 gibt es drei daselbst gedruckte Werke: einen Psal-
ter , einen Oktoicli und ein Horologiuni (uacocAOß).
Wahrscheinlich ridirt auch das Tetraevangeliuin von Bie-
gner, und das Breviarium vom J. 1493, dessen Murr
erwäbnt, aus dieser Officin her. Fast gleichzeitig, näm-
lich um das J. 1492, wurde in Serbien und Hercegowina
mit kyrillischen Typen gedruckt. Die ältesten Drucke
dieser Art sind: ein Oktoich in 4. vom J. 1493, auf Be-
fehl des Fürsten Georg Crnojewic, zu Zeta (Zenta) in
Hercegowina, gedruckt; ein Oktoich in fol. durch ebend.
und an demselben Orte im J. 1494; und ein Psalter in 8.
zu Cetin, vom J. 1495. In Ugrovvlachien gab 1512
auf Befehl des Wojwoden Basaraba der Hieromonach Ma-
karius die vier Evangelien in 4. heraus. Im J. 1519 er-
richtete der Wojwüde Bozidar Wukowic in Venedig eine
kyrillische Druckerei, und es sind daselbst erschienen:
ein Liturgiar oder Slnzebnik 1519 in 4., ein Psalter 1521,
ein Trebnik 1524, ein Oktoich 1537, ein Minej 1538.
Nach dem Tode Bozidars setzte sein Sohn Vincentius die
Druckerei fort, und gab 1547 ein Gebetbuch in 8., 1561
einen Psalter in 4., 15G1 ein Triodion in fol., ein Calen-
darium, Officia B. Mariae, Septem Ps. poenitent. u. s. w.
heraus. Zwischen den J. 1517 — 1519 gab Franz Sko-
rina von Polock einige Bücher des A. Testaments in Prag
(in Böhmen , nicht bei Warschau, wie noch bei Grec
S. 69. aus Versehen steht) in 4. heraus. Für die serbi-
schen Kirchen gab der Hieromonach iMardarius aus dem
Kloster Mrksina crkwa die Evangelien heraus, zuerst in
Bielgrad (welchem?) im J. 1552 fol., dann in Mrksina
crkwa 1562 fol.; wahrscheinlich wurde aiich der Penti-
kostar vom J. 1566 fol. hier gedruckt. Im Kloster Mi-
lesevvo sind erschienen: ein Trebnik vom J. 1545 in 8.,
ein Psalter 1545 in 8., 1558 m 8. In den J. 1561-1564
wurde die Uebersetzung der h. Schrift von Anton Dal-
mata und Stephan Consul in Tübingen oder Urach mit
kyrillischen und glagolitischen Typen für die Kroaten
und Dalmatiner gedruckt. Zu Nieswiez in Littauen er-
schien im J. 1562 ein Katechismus in 4. In Russland
machte man bereits im .1. 1553 Anstalten zu einer ky-
rillischen Druckerei; aber das erste daselbst in Moskau
133
erschienene Buch ist ein Apostel vom J. 1564 in fol.
Die ßiichdrucker waren Joliann Fedorovv und Feter Ti-
inofejew Mstishuvcevv. Ersterer druckte darauf in Leni-
berg: 1573 den Apostel in fol.; letzterer in Wilna die
Evangelien 1575 fol. Im J. 1577 erschien in Moskau
der Psalter in 4., zwei Triodien 1590 und 1592 in fol.,
ein Oktoich 1594 in fol., ein Apostel 1597 fol., ein Mi-
ne] 1600, ein Liturgiar 1602, das Tetraevangelium 1606.
Derselbe .lohann Fedorow, der in Lemberg den Apostel
1573 druckte, gab die erste vollständige Bibel zu Ostrog
in Wolynien im J. 1581 (eigentlich 1580) in fol. heraus.
Seitdem wurde die ganze Bibel öfters aufgelegt, und
zwar in Moskau 1663 fol., eb. 1751 fol. (enthält den
revidirten Text), eb. 1756 fol., eb. 1757 fol., Kiew 1758
fol., M. 1759. 3 Bde. 8., eb. 1762 fol, eb. 1766 fol., eb.
1778 5 Bde. 8., eb. 1784 fol., K. 1778 5 Bde. 8., M.
1790 fol, eb. 1797 fol., eb. 1802 fol., Ofen 1804 5 Bde.
8., M. 1806. 4 Bde. 8., eb. 1810 fol., S. Petersb. 1816.
8. Stereotypausgabe, bis 1820 eilfmal wiederholt.
Noch blieb übrig, die wichtigsten theologischen und
sonstigen Schriften, die in dieser Sprache in den letz-
ten Jahrhunderten bei den Russen und Serben erschie-
nen sind, anzuführen; allein theils liegt ihre Aufzählung
ausser dem Zweck dieses Werks, und ist vollständig in
Sopikows russ. Bibliographie 1. B. enthalten, theils wird
von den spätem Schriftstellern, die sich im Schreiben
der altslawischen Kirchensprache bedienten, in der Li-
teratur ihrer Stämme Meldung geschehen. ^^)
1°) Quellen. Eine eigentliche, erschöpfende Literaturgeschichte des
Kirchenslawischen gibt es bis jetzt nicht. Ausser den oben §. 6. Anm. 5.
nahmhaft gemachten Schriften, die sich alle mehr oder weniger über die-
sen Dialekt verbreiten, sind noch ins Besondere zu vergleichen : A. L.
Schlözer's Nestor , russ. Annalen , Götting. 802 — 809. 5 Bde. 8. — A.
Siskoiv razsuzdenije o starom i nowom slogje rossijskago jazyka, S. Petersb.
802. 2 A. 813. 8. — Pamie.tnik Warszäwski na rok 1815. T. 1. (v. Bantkie). ,, /
P. V. Koppen über Alterthum und Kunst in RussL, Wien 822. (in den Jahrb.
d. Lit., auch besonders abgedruckt). — Jos. Dobrowskii instit. linguae ^ 7 f -6
slav. Vindob. 822. 8. (Die Prolegomena). — {B. Kopitar) Recension der
slaw. Gramm, v. Dobrowsky, in den Wien. Jahrb. der Lit. XVII. Bd. 822.
A. Wostokov.' über die altslaw. Sprache, im XYIL Hefte der Abhandl. der
Gesellsch. d. Liebh. russischer Liter. Moskau 820. — /. B. Rakowieeki
Prawda ruska, Warsch. 820 — 22. 2 Bde. 4. — Bibliographie, ausser der
Vorr. zu Dobrowskys Gramm., enthalten: B. St. Sopikow opyt ruskoj bi-
bliografii, S. Petersb. 813 — 21. 5 Bde. 8. — [Ewgenij. Metrop. von Kiew)
slowar istoriceskij o bywsich w Rossii pisateljach duchownago öina Greko-
rossijskija cerkwi, S. Petersb. 818. 2 Bde. 8.
Zweiter Abschnitt.
Geschichte der russischen Sprache und Literatur.
§. 12.
Historisch - ethnographische Vorbemerkungen.
Seit uralten Zeiten, auf welche keine Geschichte ein
Licht wirft, wohnten im europäisclien Norden Slawen,
und hildeien kleine Staaten, die durch Volksberathungen
und erwählte Oberhäupter, gemäss den Sitten der da-
maligen Zeit und der Stufe der Volksbildung, regirt wur-
den. Nach kriegerisclien Thaten nicht durstend, genos-
sen sie die Früciite ihrer Freiheit im Frieden, in den
Städten Gewerbe und Handel, auf dein Lande Ackerbau
und Viehzuclit treibend, bis ungefehr im III — VI. Jahrh.
die Gothen , Alanen u. Hunnen die von ihnen bewohn-
ten Provinzen des heuligen Russlands durchzogen, und
die ursprünglichen Bewohner derselben, die slawischen
Stämme , weiter nach Westen und Norden drängten.
Von Natur friedliebend, zahlten diese an die Barbaren
und Eroberer einen jährlichen Tribut , um mir ihren
gewöhnlichen Beschäftigungen ruhig obliegen, ihre alte
Lebensart ungestört fortsetzen zu können. So finden wir
im IX. .lahrh. die Nowgoroder den Normännern oder
Warägern, die Sieweranen und Radimitschen hingegen
den Chazaren zinsbar. Nach einem vergeblichen Versuch,
die Einfälle der schlauen und unternehmenden Waräger
zurückzuschlagen, und nach entstandenem Streit um die
Oberherrschaft unter sich, wählten die Novvgoroder Sla-
wen den Waräger Rurik im J. 862 zu ihrem Oberhaupte,
der nun die Herrschaft über den ersten slawisch - russi-
135
sehen Staat übernahm. ') Rnriks Naclifolger , Oleg,
vereinigte Kiow mit Nowgorod, und wühlte ersteres zu
seiner Residenz. Bald entwickelte sich die Macht des
neuen Reichs; russische Heere erscheinen vor den Tho-
ren Constantinopels; eine Me/ige Völker werden zinsbar
gemacht ; die Russen führen einen regelmässigen Handel
nach den Küsten des schwarzen Meeres ; sie erbauen
Städte , verschönern die vorhandenen , und geben sich
Gesetze. Durch zwei Prinzessinen : Olga, die Gemahlin
Igors (um 950) und die griechische Prinzessin Anna, die
Gemahlin Wladimirs des Grossen, des Grossenkels von
Rurik (98t — 1015), kam das Christenthum von Con-
stantinopel nach Russland. ]\Iit dem Tode Wladimirs des
Grossen wurde der rasche Gang der Nation durch die
Theilung des Staats unter dessen Söhne gehemmt. Russ-
land zerfiel in mehrere Fürstenthümer, deren Beherr-
scher sich Care nannten. Aber bei den fortdauernden
Familienuneinigkeiten konnten dieselben nicht der ein-
dringenden Macht der * Mongolen widerstehen, die nun
zwei hundert Jahre hiridüicli (1237 — 1462) die Geis-
sei von Russland wurden. Während dessen wurden Now-
gorod und Pskow beinahe Freistaaten; Littauen riss die
llvraine ab; Kreuzritter und Schweden drangen im We-
0 Nach der gewöhnlichen , von Schlözer sorgfältig geprüften und
erhärteten Annahme (Nestor I. 192 ff. ITS ff.) waren die Waräger Noi-män-
ner, und zwar aus Schweden. Erst seit der Ankunft der Waräger in Now-
gorod erhielt die Gegend den Namen Russland, der in der Folge auch auf
Kiew und alle übrige Eroberungen der Nachfolger Ruriks ausgedehnt wui'de.
Der Name Ritss, Russland schreibt sich von den Finnen her, in deren
Sprache Ruotzi die Bewohner Schwedens, und Roslagen die schwedische,
Finn- und Estland gegenüber liegende Küste genannt werden. Ewers hin-
gegen leitet die Waräger von den Chazaren ab. Schwabenau hält den Namen
Russi, Roiisi, mit des Claud. Ptolemaeus Savari, was zerstreut, aus einan-
der wohnend seyu soll, für gleichbedeutend! (Hesperus 819). Noch zur
Zeit des Ks. Constantin Porph., der die Wasserfälle des Dniepers ums Jahr
950 in russischer und slawischer Sprache nennt, ist 'gwaiazi nicht das, was
wir jetzt ritsslgch nennen, sondern warägisch (normannisch); ayiXaßivLCTt
aber bei demselben ist diejenige Sprache, aus der sich das jetzt sogenannte
Russische nach und nach gebildet hat. A. Moller, diss. de Varegia, Lund.
731. 4. — A. Scarin diss. de orig. Var^gor. Aboae 734. 4. Bayer de Va-
ragis, in Comm. Ac. Petr. T. IV. a. 735. Penzel diss. de Varangis, Halae
771. 4. — Miiller v. Warägern, in Büschings Mag. XVI. Halle 782. —
Schlözer a. a. 0. — /. Fh. Ewers vom Ursprung des russ. Reichs, Riga und
Lpz. 808. — .4. Ch. Lehrberg izsljedowanija sluiascija k objasneniju rusk.
istor. (teutsch u. russ. v. Jazykow) S. P. 814. 818. — St. Sestrenceiuic Bo-
gus izsljedowanije o proischozdenii rusk. naroda. S. P. 818. — C. M. Frahn
Ibn Foislans u. a, Araber Berichte üb. d. Russen älterer Zeit, S. P. 824. 4. —
M. Pogodin o proischozdenii Rusi, M. 825.
136
sten ein. Da stand 1462 der Fürst von Moskau, Joan
Wasiljewic III., auf, und befreite Russland, das er glück-
licli vereinigt hatte, nicht nur von der Herrschaft der
Mongolen, sondern überwältigte auch Nowgorod. Sein
Sohn Wasilij Joannowic (1505 — 1520) delnite die nörd-
lichen Gränzen des Reichs bis über Arcliangel aus. Des-
sen Nachfolger, Joan Wasiljewic IV. (1533 — 1584),
beförderte die Civilisation seines Volks; teutsche Hand-
werker, Künstler und Gelehrte gingen nach Russland,
Buchdruckereien wurden angelegt, Gesetze gegeben und
der Handel durch einen Vertrag (1553) mit Elisabeth
von England zuerst begründet. Eben derselbe Car ero-
berte Kazan (1552) und Astrachan (1554), die Erobe-
rung Sibiriens, von ihm eingeleitet, ward erst unter sei-
nen Nachfolgern vollendet. Mit Feodor Joannowic en-
digte sich (1598) Ruriks Mannsstamm. Nach manchen
Kämpfen und bürgerlichen Unrulien ermannten sich die
Russen, und erhoben den Feodorowic Romanow, einen
Abkömiiding des Rurikschen Hauses (161"3'"'"^Tö45}, auf
den Thron. Sein Enkel, Peter der Grosse (1682 - 1725),
schuf ganz Russland uinT~*W^l)Trdeieerii neues Heer; er
gnmiaHF"diriussTs(^he'Seeinacht, bauete (1703) S. Pe-
tersburg zu seiner neuen Residenz, veranstaltete Fabri-
ken , und stiftete die Akademie der Wissenschaften.
Schweden musste ihm Lielland, Estland, Ingermanland
und Kexholm abtreten. Er war der erste russische Kai-
ser, Schöpfer der jetzigen russischen Macht. Katharina
II. (1762 1796] legte die letzte Hand an Peters des
Gr. Werk, und hob niclit nur den Wolstand ihres Reichs
durch eine weise Regirung, sondern vergrösserte dasselbe
auch durch mehrere glücklich geführte Kriege und er-
folgreiche Unterhandlungen ausserordentlich. Wass Russ-
land seinem jetzigen Beherrscher, Alexander I., verdankt,
und wie seit seinem Regiruugsantritte das Volksleben in
dem unerm esslichen Reich mit Riesenschritten vorwärts
schreitet, ist bekannt genug. ^)
-) Die Schicksale der russ. Historiographie bis 1800 erzählt Schlözer
(Nestor I. 85. fi'.). Mit Verweisung auf ihn nennen wir, ausser den altern
Quellen (Nestor, s. Fortsetzer u. neuere Bearbeiter , Dlugosz, Stryikowski
u. s. w.) G. F.MüUer's orig. gentis et nominis Russorum 749. Eb. Samml.
russ. Gesch. S. P. 732 — 764. 9 Bde. 4. — (A. L. Schlözer's) Gesch. von
Russl. Ir Th. Gott. u. Gotha 769. 12. (Eb.) Handb. d. Gescb. d. Kaiser-
137
So geschah es im Laufe der Zeit, dass dasselbe R«iss-
Jaiid, welches im J. 1402 kaujii 18,000 O.M., und nach
dem Tode Peters I. 280,000 Q.M. austrug, unter Ale-
xander I. zu der erstaunlichen, in der gesammten Ge-
schichte unerhörten Grösse von 340,000 O.iM. Fltichen-
raum heranwuchs. Von den, auf diesem ungeheueren
Raum, in Europa und Asien wohnenden 53 Mill. Men-
schen (im J. 1722 zählte Russland nur 14 Mill. Einw.j,
die in 80 - 100 der Abkunft und Sprache nach ver-
schiedene Stämme zerfallen, ist bei weitem der grösste
Theil, nämlich 36 Mill., Slawen, und hiemit - die an-
derthalb bis zwei IVfill. Polen, in den westlichen, ehe-
mals polnischen Provinzen, abgerechnet - 34 Mill. Rus-
sen, das Herz des Reichs, das ganze mittlere Russland
in Masse einnehmend, aber zugleich durch alle Länder
und Provinzen des Kaiserstaats verbreitet. Darum kann
das Gemisch so vieler Völker, obschon es dem Geschäfts-
gang der Regirung Hindernisse eigener Art in den Weg
legt, indem alle diese Völker ihre besondere Religion,
Sprache, Sitten und Gebräuche haben, doch keinen nach-
theiligen Einfluss auf den Fortgang der Cultur des herr-
schenden Stammes, des Russen, haben, weil jene Völ-
ker meistens in den Gränzprovinzen zerstreut sind, die
Russen hingegen, ohnehin an Zahl weit überwiegend,
die Mitte des Reichs bewohnen, und die unschätzbaren
thums Hussl., a. d. Russ., Gott. 801. 8. — C Schmidt' s Einl. in d. russ.
Gesch. Riga 773. 2 Bde. 8. — D. E. Wagners Gesch. v. Russl. (allg. Welt-
gesch. 16r Bd.) Lpz. 786 — 87. 2 Bde. 8. — {D. J. MerkeVs] Gesch. d. russ.
Reichs, Lpz. 795. 3 Bde. 8. — Levesque histoire de Russie, Par. 782. 5 Bde.
12. — Ledere hist. de la Russie ancienne, Par. 783. 3 Bde. 4. — J. Mül-
ler alt russ. Gesch. nach Nestor, Berl. 812. 8. — J. P. G. Ewers Gesch. d.
Russen, Dorpat 816. 8. — A.J. Chilkow jadro ross. istor., geschr. vor 1718,
gedr. M. 77Ü, teutsch M. 782. 8. — B. N. TatUeew istor. ross., geschr. vor
1739, gedr. M. 769 — 84. 4 Bde. 4. — \f^omonosow kratk. ross. Lietopis,
S. P. 760. 8. teutsch Lpz. 765. 771. 8. — TL A Ernin ross. istor., 767. 3
Bde. 8. - M. M. Scerhatow ross. istor. S. P. 770 — 92. 15 Bde. 4. — B.
Tredijakowskij razsuzd. o drewnostjach ross., S. P. 773. 8. — J. N. Boltin
primjeöanija u. s. w. (Kritik der Gesch. v. Leclerc) S. P. 788. 2 Bde. 4. —
Jakoii'kin Ijetocislitelnoje izobrazenije, 798. 8. — J. G. Stritter ross. istor.
S. P. 800 — 3. 3 Bde. — (Anon. ) ross. istor. M. 799. 819. - S. Glinka
ruskaja istor., M. 817 — 19. 10 Bde. 8. — G. Konstantinow kratk. istor.
ross. gosudarstwa, S. P. 820. 2 Bde. 8. — P. Strojew kr. istor. ross. M.
819. — P. Athanasjew chron. obozrenije ross. istor., M. 822. 8. — B. Wich-
mann's chron. Uebersicht d. neuesten russ. Gesch., Lpz. 821. 2 Bde. 4. -
N- M. Karamzin istor. gosud. ross., 2 A. S. P. bis 823. 11 B. 8. (teutsch
Riga), im Auszug v. A. W. Tappe: Sokrascenije istor. gos. ross. N. M. Ka-
ramzina, 2 A. S. P. 825. 2 Bde. 8.
138
A'^ortlieile der ungestörten Vereinigung zn einem Ganzen
vollkommen gemessen. Der Religion nach bekennen sich
die Russen, etwa 33 Mill. (nach Arsenjevv im J. 1818
32 Mill.), zu der griechischen Kirche, deren oberste
Aufsicht der zu S. Petersburg residirenden heiligst —
dirigirenden Synode anvertraut ist. ^)
§. 13.
Charakter der russischen Sprache.
Die russische Landessprache, die allmälich neben der
altslawischen Kirclieiisprache, und ganz vorzüglich seit
des unsterblichen Peters des Gr. Schöpferepoche zur
Schriftsprache erhoben ward, umfasst mehrere, von ein-
ander merklich abweichende Mundarten (Idiome oder
Varietäten ?), unter weTclieii~slHi" vorzüglich drei aus-
zeichnen : die eigentliche russische oder grossrussische,
die kleifirussische und die weissriissische Mundart. 1.)
Die grossrussische Mundart, im ganzen mittlem Russ-
land, iTälneTiirrcTr Tn TCsliau und den umliegenden Ge-
genden (Grossruösland enthält die Statthalterschaften
Moskwa, Archangel, Wologda, Olonec, Kostroma, Now-
gorod , Pskow , Smolensk , Twer , Niznij Nowgorod,
Wladimir, Tula, Kuluga, Jaroslaw, Kursk u. Woronez
') Uebcr die Landes- und Volkskunde Russlands vgl. B. F. J. Her-
manns stat. Schilderung v. Russl., S. P. 790. 8. — A. W. Hnpel'.s Staats-
verf. d. russ. Reichs, Riga 791 — 93. 2 Bde. 8. — A. Storch's stat. üeher-
sicht. d. russ. Reichs, Riga 795. Eb. hist.-stat. Gemälde des russ. Reichs-
Lpz. 797. — 803. 8 Bde. 8. — J. Heym's Versuch v. geogr -topogr. En-
cyclop. des russ. Reichs, Gott. 796. 8. — J. G. Georgis geogr.-phys. u. na-
turh. IBcschr. des russ. Reichs, Königsb. 797 — 801. 3 Bde. — Tableau ge-
neral de la Russie, Par. 8(t2. — T. F. Ehrmanns neueste Kunde vom russ.
Reicht», Weim. 807. 8. — G. Hassels stat Abriss. des russ. Kaiserthums.
Nürnb. u. Lpz 8i7. 8. — M. Beneken's geogr. -stat. üehersicht des russ.
Reichs, Riga 808. 8. — B. v. Wichmanns Darstell, d. russ. Monarchie.
Lpz. 813. 2 Bde. 4. — Th Tmnanskij ruskoj niagazin, 792. — Plescejew
obozrenije ross. imp. 787. teutsch Lpz. 790. — E. Zjahlowski stat. opisanije
Rossii, S. P. 808 2 A. 815. 5 Bde. 8. Eb. nowjejseje zemleopisanije ross.
imp. S. P. 807. 2 Bde. Eb. zenileopisanije ross. imp. dlja wsjech sostojanii,
S. P. 810. G Bde. Eb. rukowodstwo k gcografii ws. i ross., S. P. 820. 821.
K. Arsenjeiv nacertaiije statistiki ross. gosudarstwa S. P. 818. 2 Bde. 8. —
K. Th. Hermann stat. zuriial ross. imp. S. P. 8(t7. 4 Bde. Eb. stat. izslje-
dowanija otnositeljno ross. imp. S. P. 819. ff. — Maxlmowic slowar ross.
gosud. M. 788. G Bde. -- A. Scekatow geogr. pol. i stat. slowar ross. gosud.
M. 801 — 9. 7 Bde. Nowyj i i)olnyj slowar ross. gosud., S. P. 822.
139
mit ungcfelir 16,895,0(0 Eiuw.) herrschend , ist seit
Peler dem Gr., freilich iiiclit oline Beimischung vieler
Slawismen, die eigentliche Literatursprache der KuSfSen...
Eine Abart dieser "grossrussischen Minidart ist die Suz-
dalische Varietät , in der Provinz Suzdalj des jetzi-
gen Gouvernement Wladimir. Sie ist vorzüglich unrein
und mit fremden Wörtern vermischt. Einige Wörter be-
finden sich in dem Vocab. Petrop. Nr. 10. Eben so
weicht die Olo neckische Sprechart, die stark mit finni-
schen Wörtern vermischt ist, von der grossrussischen ab. j^
2.) Der kleinrussischen Mundart bedient sich ganz Süd-
russland von der Mitte Galiziens an bis zum Kubanflusse.
Im weitesten Verstände begreift Kleinrussland den gan-
zen südlichen Theil von Russland (die Statthalterschaf-
ten Orel, Rjazan, Tambow , Slobodsk - Ukrajne , Cer-
nigow, Poltawa u. Kiew mit ungefehr 10,43Qi,000 Einw.)
und dem ehemaligen Polen vom Don an bis an die schle-
sische Gränze, nebst Galizien (Halic) und Lodomiricn
(Wladimir) oder Rothreussen, im engern aber nur den
östlichen Theil oder die eigentliche Ukrajne, worin Kiew
der Hauptort ist. In diesem östlichen Theile waren ehe-
dem die Poljanen, Drewlier, Tiwertzen und Siewerier,
als besondere Völker bekannt , welches auf mehrere
Mundarten schliessen lässt. Da derselbe von 1471 bis
1654 unter Polen stand-, so ist auch die Sprache sehr mit
der polnischen vermischt worden , welche Vermischung
in dem westlichen, den Polen länger unterworfenen
Theile, noch siclilbarer ist. Die kleinrussischen Kozaken,.
und die den Polen ehedem luir zu bekannten Zaporoger
oder Hajdamaken, sind in östlicher Ukrajne einheimisch ;
dagegen die donischen Kozaken (512,000 an der Zahl),
von den Grossrussen abstammen, und mit Tataren ver-
mischt sind. Der Unterschied dieses Dialekts von dem
grossrussischen besteht vorzüglich in der abweichenden
Aussprache gewisser Vocale (z. B. i' st. ie^ bida st. bi'eda;
e St. i*<?, nenawizu st. nienawizu), Consonanten [h st.
g, liod st. god), und vielen veralteten Redensarten, die
wol in dem Altslawischen, nicht aber im Russischen zu
finden sind, daher die Behauptung einiger, die auch
Adelung wiederholt, dass derselbe mit der altslawischen
140
Kirclicnspraclie am nächsten verwandt sey. Im Ganzen
kommt aber diese Mundart der böhmischen, oder über-
haupt den Dialekten der Ordnung II. eben so nahe, we-
nigstens näher, als die idnigen iMundarten der Ordnung
I. Sie ist vorzüglich reich, vielleicht am reichsten unter
allen Slawinen, an Volksgesängen aller Art, die insge-
sammt einen elegischen Charakter haben. ^) 3.) Die
') Es wäre zu wünschen, diese Volksgesänge wären sorgfältiger ge-
sammelt, als es bis jetzt geschah. — Von einem ungemein grossen Nutzen
zur Aufhellung des altern und Charakterisirung des neuem Slawenthums
sind Sammlungen von Volksliedern , Volkssagen und Sprichwörtern. In
den Volksliedern, vorzügliCh-'den' altern, an Welchen die slaw. Stämme
vielleicht reicher sind, als irgend ein Volk in Europa, findet man nicht
nur Spuren des Alterthums, die Namen der slaw. Götter und historischer
Personen, das Andenken von Ereignissen und Thatsachen, wenn gleich mit
Sagen und Mährchen untermischt, wesshalb sie für den Geschichtschreiber
von geringerem Belang sind, sondern man findet in ihnen vorzüglich das,
was den Dichter, den Psychologen und den Volksfreund am meisten inter-
essirt, den reinsten Ausdruck aller nationalen Sitten, Gebräuche _u. Ge-
fühle sowol der Vorzeit als der Gegenwart. Den PHilologen gehen sie noch
näher an, denn sie sind die wahren, echten Idiotica der respectiven Mund-
arten. Von diesem Gesichtspunct sollen diejenigen ausgehen, die sich dem
/ Sammeln und Herausgeben dieser Volksgesänge unterziehen. Schätzbare Bei-
träge dieser Art haben bereits einige Stämme geliefert; aber ihre Verglei-
chung und kritische Benutzung ist noch der Zukunft vorbehalten. Hieher
gehören I. Russische: Nowoje i poluoje sobranije ross. pjesen, M. 780. 6
Bde. 8. ; Drewnija ross. stichotworenija, sobr. K. Danilowym, izd. K. Ka-
lajdoiuicem , N. A. M. 818. (mit e. Abhaodl.) ; Popow, ross. Erata ;
Nowjejsij wseobscij i polnyj pjesennik, S. P. 819. 6 Bde. (zum Theil); Pje-
sennik d'lja prekrasnych djewusek, M. 820. 2 Bde. (zum Theil) ; Pjesni ruskija
narodnyja, 2 Bde.; N. Certeleiv opyt sobranija starinuych malorossijskich
pjesen, S. P. 819. (sehr schätzbar) ; Skazki ruskija, M. 820. 5 Bde. u. a. m.
li. Serbische: W. Stefanowic sj^aradzic narodne srbske pjesme (zuerst Wien
814 — 15. 2. Bde. 8.), Lpz. 823— 24. 3 Bde. 8. IH. Böhmische und möhri-
sche: F. L. 'XM.akoivskyho slowanske närodnj pjsne, w Praze 822 — 25. 2 B. 8.
Närodnj pjsne, 'sehr. Kitjrem z Rittersbergu, Prag 825. 8. IV. Slowakische:
Pjsne swetske lidu slowenskeho w Uhfjch, w Pesti 823. 12. V. Dalmati-
sche: A. Kacich Miossich razgovor ugodni naroda slovinskoga, Ven. 801.
4. (zum Theil). Die Polen, obgleich an Volksgesängen eben so reich, wie
andere Slawen, haben sich bis jetzt um eine Sammlung derselben nicht
bekümmert. — Die Wichtigkeit einer Samml. von Sprichwörtern für den
slaw. Sprach- und Volksfreund hat schon Rakowiecki (IL 101) erkannt.
Was in dieser Hinsicht bis jetzt geschah, verdient bemerkt zu werden. Es
sind im Druck erschienen: 1. Russische: Sobranije 4291 drewnich poslo-
wic, M. 787, 8.; Sobranije ruskich poslowic i pogoworok, S. P. 822. (5365
Sprichw.) II. Polnische: S. Rysinski przypowiesci polskie, w Lubczu 618.
629. 4.; G. Knapski adagia pol. selecta, Krak. 632. 4.; A. M. Fredro przy-
slowia, Kr. 86'>. 8. ; /. R. Zawadzki gemmae lat. sive proverbia pol., Warsch.
728. 8.; A. Zeglicki adagia tarn lat. quam polou., ed. 2. Warsch. 751. 8.;
W- J. Marewicz przysl'owia i maxymy, W. 788. 12. III. Böhmische: aus-
ser den altern Samml. von J. Srnec 582., 599., D. Sinapius 678., A. Horny
705., P. Dolezal 746., vorz. \f. Dobroivsky ceskycli prjslowj zbjrka, w Praze
804. 8. IV. Slowakische yon'~A. Bernoläk als Anhang zu s. Gramm, sla-
vica, Poson. 79Ü. 8. G. Rybny Ms. V. Serbische : J. Muskatirowic priöte
iliti po prostomu poslowice, Wien 787. 8. Ofen 807. §. W. Stefanowic
i
i4, y^
weissiussische Mundart ist in ganz Litauen (begreift
die Stattlialterschai'ten Wilna, Glrodnü und Bielostok mit
ungefelir 2,441,400 Einw.) und einem Theile von Weiss-
nissland (Schwarz- und Weissnis.sland begreift die Gouv.
Mobilew, Wilebsk, iMinsk, Wolyn, Podol mit ungefelir
6,146,100 Einw.) vorzügiicii Wolynien herrschend. In
ihr ist das littauische Stalut, die Archive und alle lit-
tauischen Actenstücke verfasst. Einige russische Schriftstel-
ler des XVI — XVll. Jahrb. bedienten sich gleichfalls der-
selben. Diese Mundart ist neuer, als die übrigen, und
fing sich an vorzüglich seit der Vereinigung Littauens
mit Polen zu bilden; daher denn auch die vielen Polo-
nismen in derselben. -) Die lussniakische Mundart in
Ostgalizien und dem nordöstlichen Ungern ist nur eine
Varietät des Kleinrussischen. '^)
Karadzic narodne srbske pripowijefke, Wien 821. 8. VI. Dalmatische hat
A Dellabella in s. Wörterb. (Yen. 728 4.) iiänfig angeführt und G. Fer- ,
rieh lateinisch (Fabulae ab illyr. ada^üs desumtae, Rag. 794. 8.) bear- ' 7 O
beitet. (Vgl. Ch. K. Nopitsch Liter, d. Sprichw. Nürnb. 822. 8.)
-) Die Sprachdialekte Russlands verdienen näher geprüft und mit je-
nen der übrigen slaw. Völker in Parallele gestellt zu werden. Was Adelung
Mithridates II. 629., Bantkie Pamietnik Warsz. 815. Th. 1. S. 3., Rako-
uiecki II. 190. und Grec Ist. rusk. lit. S. 12. darüber sagen, ist unge-
nügend. Ueber den kleiuruss. Dialekt gab Hr. Kalajdowic e. Abhandl. im
I. B. der Schriften des Moskauer Vereins 822. heraus. J. Kodjarewski
travestirte Virgils Aeneis ins Kleinruss. (Virgiljewa Eneida na malorossijskij
jazyk perelozeunaja. S. P. 809. 4 Bde. 8.)," und A. Pawloivski schrieb e.
Grammatik dieses Dialekts: Gramm, maloross. narjecija, S. P. 818. 8.
=>) Die Russniakei in Ostgalizien, Bukowina und Nordiingern ist in
sprachlicher und historischer Hinsicht noch eine terra incognita. In Gali-
zien und Bukowina machen die Russniaken den zahlreichsten Theil der Ein-
wohner aus. Die Russniaken in Ungern zwischen dem Hernät u. der Theiss,
in den Gespannschaften : Bereg, Marmaros, Ung, wo sie die Mehrzahl, und
Zemplin, Säros, Ugoßa , Zips , Satmar , Sabolc , Gömör , Bihar , Torna,
wo sie die Minderzahl der Einwohner, insgesammt gegen 350,000 , aus-
machen, sind die Fortsetzung ihrer rothrussischen Brüder. Ueber ihre Her-
kunft schreibt ein als Historiker hochgefeierter Teutsch-Unger (Th. I. S. 65) :
„Almus erster Plan ging darauf aus, sich in der heutigen Ukraine fest-
zusetzen, und die Kiewer" Russen zu bezwingen. Oleg, der Fürst der Kiewer
Russen, zog Kumauer od. Polowzer an sich; Russen und Kumaner wurden
jedoch geschlagen, die übrigen in Kiew eingeschlossen. Die Russen mussten
sich zu einem jährlichen Tribut bequemen. Mehrere reiselustige Russen ent-
schlossen sich den Zug mitzumachen. Der Marsch ging nun über Wladimir
und Halic. Zwei Tausend bewaffnete russiscjio Bogenschützen u. 3000 Bauern
sollten ihnen den Weg zeigen, die Strasse ausbessern, und die Gehpfade
erweitern. Die Russen wurden in Marmaros und Ung zurückgelassen, wo
ihre Nachkommen, die Russniaken, noch leben." „Wichtig, wenn es wahr
ist!"' müssen wir hiebei mit unserer überseeischen Antipoden-Brüder ge-
wöhnlichem Leib- und Leberspruch ausrufen. Ueber den ganzen Hergang
der Sache muss man, um den Anonymus , aus dem diese Nachi'icht ge-
flossen ist, und seinen Sachwalter würdigen zu können. Schlözers Nestor
142
ßeaclilet man die Eigoiiscliafien der jetzigen russi-
scIuMi Sprache, so ist ihre Anlage zu einem einfachen
und deutlichen Ausdruck der Gedanken, der in dersel-
ben nicht bloss möglich, sondern ihr ohne Zwang und
ohne überladende Wiederholung besonders natürlich ist,
der Nachdruck, den sie ihrer Darstellung durch Kraft
1/ wnd Kürze geben kaini, die Erhabenheit, deren sie vor-
züglich fiihig ist, und der grosse Reichthum, den sie an
Wörtern überhaupt und besonders an bestimmten Ablei-
tungsformen hal, unverkernibar. ') Einfachheit und Na-
türlichkeit des Ausdrucks ist in der russischen Sprache
begreiflich, da sie, noch nicht ein volles Jahrhundert
zur Schriftsprache sich ausbildend, von dem Einflüsse
verzärtelnder Culturverhältnisse, der Mode, oder auch
blosser Stubengelehrsamkeit noch nicht so beherrscht seyn
kann, dass sie nicht der Natur treu bleiben dürfte, die
weder Kürze, noch Nachdruck, nocli Schmuck, noch
Witz erkünstelnd sucht, wo er sich nicht selbst darbie-
tet. So zeigt sich der Ausdruck in der russischen Spra-
che, wenn er nicht geziert oder fremdartig ist. In hel-
lem Ebenmasse folgen die Worte den Gedanken. Der
russischen Sprache mangelt, wenn diess ein wesentlicher
Mangel ist, die Anlage zu einem so häufigen Gebrauche
periodischer Verbindinigen, wie sie das Griechische und
Lateinische haben. Er würde ihr, so wie den andern
neuen lebenden Sprachen, erst aufgedrungen werden
müssen. Besonders plan ist im Russischen die Verbin-
dung der Sätze. Es vermag zwar zu diesem Zwecke bei
manchen Arten der Sätze einen sehr angemessenen Ge-
brauch von seinen Gerundiven und Participien zu ma-
chen. Auch mangeln ihm keinesweges die Conjunctionen,
III. Cap. IX. S. 107 — 148 nachlesen unstreitig sitzen die Russniakcn
so lange in Marmaros u. s. w., als ihre Brüder in Ilothrussland, und diese
hier so lange, als ihre Brüder in Kiew. — Das Russniakische in Ungern
ist stark nietadialektisirt. Schade, dass ihre Voklslieder nicht gesammelt
sind ! Sie hekennen sich znr griechisch-katholischen od. unirten Religion,
und hahen eine kyrillische Druckerei in Leniberg, von wo, wie von Ofen,
sie mit liturgischen Büchern versehen werden. Interessante Notizen in eth-
iiograiihischer Hinsicht liefert über dieselben Rohrer in s. Vers, über die
slaw. Bewohner der österr. Monarchie, Wien. 804.
*) /. Ä. Vater. -^ rnss. Leseb. Lpz. 810. S. 3 ff. - A. Siskoiv o sta-
rom i nowom slogje. S. P. 813. El. o krasuorjecii S. Pisanija, S. P. Sil. —
27j KorSatuin o jazykje rossijskom u. a ni
durch welclie das jedesmalige Verliähiiiss der SäCze an-
gezeigt, und der iiatOrliche Feriodeiihaii bewirkt wird.
Aber bei der geringen Anzahl ihrer lonjunctionen fallt
ihre Beziehung um so leichter in die Augen und ver-
bietet sich ihre zu grosse llilulung von selbst. Die völ-
lig freie Stellung der Wörter nützt nicht bloss dem Nach-
druck , sondern auch der Deutlichkeit, und erlaubt das
zusammen gehörende, z. B. auch die zu einem Verbal-
substantive tretenden ßestiiiunungen, genauer, als es in
andern Sprachen möglich ist, zwischen dasselbe und sein
Adjectiv zu stellen, so dass ein Missverstandniss ganz
unuiöglich ist. Da jedes Wort die Stelle erhalten kam»,
die ftir die Folge der Vorstellungen die natürlichste ist,
se fliesst die ganze Rede leicht daher, auch nicht durch
Hilfsverben oder Artikel aufgehalten. Ausserordentlich
gross ist der Reichthum der russischen Sprache. Ihre
Wurzelwörter sind aus mehreren Stammsprachen ent-
lehnt, und sie hat demnach deren eine weit beträchtli-
chere Anzahl, als die mit ihr verschwisterten Sprachen
der übrigen Slawen. Erworben zu einer Zeit, wo die
russische Nation der Aufnahme dieser Wörter bedurfte,
ohne dass passendere einheimische dadurch verdrängt
wurden, sind sehr viele nicht slawische Wörter zum
wahren Eigenthum der russischen Sprache geworden,
doch so, dass der Nationalspraciie dadurch nicht gescha-
det, wol aber ihr Reichthum vermehrt wird. Nachdruck
ist bald Wirkung der Kürze des Ausdrucks, bald einer
ungewöhnlichem Wiederholung und Setzung der Wör-
ter, wenn eine Sprache bei der mehr oder weniger freien
Stellung derselben, die vorzüglich wichtigen Gedanken
hervorheben, und vor Auge und Ohr mit ausdrückli-
chem Ansprüche auf Aufmerksamkeit hervortreten lassen
kann. Die russische Sprache hat es, gleich den übrigen
slawischen, bei der freien Stellung ihrer Wörter ganz
in ihrer Gewalt, die Hervorhebung der Begriffe, die
hervorstechen sollen, zu bewerkstelligen. Sie hat da-
durch, dass sie z- B. Personalpronomina bei den Perso-
nen des Verbum setzen oder weglassen kann u. s. w., so
M'ie durch beliebige Entfernung von der sonst gewöhn-
lichen einfachsten Art des Ausdrucks, der Mittel uiehre-
144
re in den Händen für Nachdruck. Aber sie hat auch
noch den Vorzug vor andern Sprachen , eine reiche
Quelle der Erhabenheit des Ausdrucks zu besitzen. Die
altslawische Bibelübersetzung ist nicht nur eine schätz-
bare Quelle alterthümlicher , religiöser Sprache , die
schon in sofern etwas Erhebendes in sich hat: sondern
es ist ein völlig eingeführtes Herkommen, dass die rus-
sische höhere Poesie ihre Ausdrücke beliebig aus Wor-
ten der slawischen Bibelübersetzung entlehnt, welche
der gewöhnlichen Umgangssprache unbekannt oder ent-
schwunden, dort fortleben. Unverkennbar ist die Anla-
ge der wolklingenden, melodischen russischen Sprache
zur (foesie ; die Volksgesänge, nicht ohne natürliche Rei-
ze des musikalischen Numerus, bahnten längst der höhe-
ren Dichtkunst den Weg; aber ob der geniale Russe statt
der bisherigen französischen Muster für die Zukunft
sein Augenmerk mehr auf die Schriften des classischen
Alterthums, diese unschätzbare Quelle echtei*~^nsbil-
\ düng und geläuterten Geschmacks, richten wird, um an
denselben seinen Geist grosszuziehen, und das Kräftige
des Stoffes mit dem Anmuthigen der Form zu einigen,
bleibt dahingestellt. — Der russische Sprachschatz hat
sowol in grammatischer, als lexicalischer Hinsicht in
den neuesten Zeiten treffliche Bearbeiter gefunden. ^)
^) Sprachbücher. Grammatiken : Die ältesten in Russl. gedruckten
Gramm, sind alle kirchensla-wisch. H. W. Ladolf war der erste, der in
s. Granunatica russica, Oxonii 696. 8. die Erlernung der russ. Redespra-
che den Ausländern möglich machte. — Anfangsgründe der russ. Sprache
(im Anhange zu dem teutsch-lat.-russ. Weissmannischen Lexicon ) S. P.
731. 782. 4. — M. Grüning russ. Gramm, (schwedisch), Stockh. 750. 4. —
21 . Lomovosow ross. Gramm., S. P. 755. 8. 5 A. 788. teutsch von J. N.
Stavenhagen S. P. 764. franz. 769. griech. von Anastas M. 795. 804. —
Ckarpentier elemens de la langue Russe, S. P. 768. 787. 791. 795. 805. 8.
Kurganorvs kurzgef. Sprachl. in s. Pismownik, S. P. 769. 777. 788. 8. —
JBarsow's russ. Gramm, für Gvmnasien, M. 771. 8. mehr als lOmal wieder
aufgelegt. — Knitkija prawila ü. s. w., M. 77-3. 8. 8 A. 808. 8. — Rodde's
russ. Sprachl. für Teutscho, Riga, 773. 778. 784. 789. 790, 8. — Kratkaja
ross. Gramm., für die Nationalschulen, S. P. 787. 790. 793. 801.806^-
P. J. Sokoloivs nacalnyja osnowanija ross. gramm., S. P. 788. 792. 797.
800. 808. 810. 8. Eh. Kratk. ross. gramm., 809. u. oft. — L. Luboiuicz
grammatyka rossyiska, w Poczaiowie 778. 4. — Astachov's neue russ.
Gramm, für Fran-osen, S. P. 788. — Russ. Gramm, für Polen , Polock
789. — J. Heym's russ. Sprachl. für Teutsche mit einer (;hrestomathie, M.
789. Riga 794. 804. 8. — Swietoir.s kratkija prawila, M. 790. S. P. 795,
8. — Apollos Einl. zur Kenntniss der slawisch-russ. Sprache (russ.),
Kiew 794. 4. — J. B. Maudrii'.t elemens raisonnees de la langue Russe
Par. 802. 2 Bde. 8. verkürzt für die russ. Jugend , M. 808. 8. — Ross.
145
Epochen der russischen Literatur. Der ersten Periode
erste Abtheilung: Von Rurik bis auf Wladimir 850 939.
Die Geschichte der rnssischeii Literatur kann in zwei
llanptperioden gcthcilt werden: von der Erfindung der
kyrillischen Buchstaben bis zur Einfiihrung des Civilty-
pus, oder, in politischer Hinsicht , von der Grtindung
des russischen Reichs bis auf Peter den Grossen; und
von diesem bis auf die neuesten Zeiten. Diese Periode
unterscheidet sich von der ersten durcli die Begründung
einer selbständigen Nationalliteratur in russischer Spra-
che. Die erste Periode hat drei Abtheilungen : die erste
geht bis zur Einführung der christliclien Religion in Russ-
land; die zweite bis zur Besiegung und Vertreibung der
Tataren; die dritte bis Ende der Periode. Die zweite
Periode hat ebenfalls drei Abtheilungen: die erste er-
streckt sich bis auf Loinonosow, die zweite bis auf Ka-
rauizin, die dritte bis anf unsere Zeiten.
gramm. socineniiaja imp. ross. Akademijeju (russ. Gramm herausg. v. d.
russ. Akad.), S. P._ 802. 809. 819. 8. griecli. von P. Nitzogla M. 810. —
G. Glinka Elementarbuch d. russ. Sprache, Mitau 80.5. 8. - - BroflowskVs
russ. Gramm, (polu.), Wilua 805. — Nacainyja prawila u. s. w. Anfangs-
gründe d. russ. Sprache zum Nutzen der Zöglinge der adeligen Pensionsan-
stalt, M. 807. 808. 12. — J. S. Vatcr's prakt. Gramm, der russ. Sprache,
Lpz. 808. 814. 8. — K. M. Memorskij neue russ. Gramm, in Frag. u. Antw.
(russ), M. 808. 12. Eb. polnaja ross. gramm. s prisowokuplcnijem kratk.
istor. slawjano-ross. jazyka, M. 823. 8. — Russ. Gramm, von der Schuldi-
rection herausg. (russ.), S. P. 809. 3 A. 818. — M. Butoivski's russ. Gram,
(russ. u. poln.), Poczaiew 809. 8. — J. B. Dworzccki gramm. iezyka ross.,
Wilna 809. 811. 8. — D. A. W. Tappe neue theor. -prakt. russ. Sprachl.
für Teutsche, S. P. 810. 814. 820. 8. - Th. Rozanoiv russ. Gramm., M.
810. 8. — N. Grec Versuch üb. d. russ. Conjug. (russ.), S. P. 811. 12. —
J. Langen mauuel de la langue Russe, 3 A. S. P. 825. 8. — Z,ci?o Anfangs gr.
d. russ. Gr. (franz.), S. P. — J. A. E. Schmidt's prakt. Gramm, d. russ.
Sprache, Lpz. 813. 8. — S. Wcltzien's neue prakt. Gr. d. russ. Spr., Riga
u. Lpz. 816. 8. — .T. Pozarskij ross. Gramm., S. P. 819. 821. 8. — A. J.
Puchmayer's Lehrgebäude der' russ. Sprache, Prag 820. 8. — Nowaja ross.
gramm. dlja Anglican, S. P. 822. — N. Grec russ. Gramm, (russisch) S.
P. 823. — Wörterbücher: Holländisch-russisches Wörterb., S. P. 717. —
Latein-russ. Wörterb. M. 724. — E. Weissmanns teutsch-lat.-russ. Wör-
terb. S. P. 731. 782. u. oft. 4. Wolckow nouveau dictionaire Fran^ois-
Allemand-Latin, S. P. 755. 8. 778. 2 Bde. 4. — Russ. - franz. Lexicon,
S. P. 762. 2 Thle. — Russ. - Griech. - Lat. - Franz. - Teutsch- und Engl.
Wörterb., S. P. 763. — M. F. Höltcrhofs Cellarii lib. mem. russisch, S.
P. 768. 8. u. oft. Eb. Russ. -Teutsch -Latein. Wörterb., M. 778. 2 B. 8. —
J. Nordstädfs russ. - teutsch. - franz. Wörterb. 780 — 82. 2 Bde. 4. M,
Gah-ielow neues teutsch - fanz. - ital. - ital. - russ. WB,, M. 789. 8. — Di-
10
146
Den Anfang der russischen Literatur bezeichnet in
politischer Hinsicht die Gründung des russischen Reichs
durch drei warägisclie Fürsten : Kin-ik, Sineus u. Truwor.
Kriegerische Nonuäinier suchten und fanden in Russ-
land Nahrung für ihre Ruhmbegierde und Kampflust.
Oleg unterwarf sich Südrussland, und zog gegen Con-
stantinopel ; Igor folgte seinem Beispiel ; Swiatoslaw ver-
ewigte durch Tapferkeit und Grossmuth seinen Namen
in der Geschichte; Wladimir erhob durch eine weise Re-
girung, Friedensliebe und vorzüglich durch die Einfüh-
rung des Christenthums das Land zu einer ansehnlichen
Stufe politischer Bedeutenheit. Die Niederlassung der
Waräger in Russland wirkte wohlthätig auf die Regi-
rungsform und Gesetzgebung der damaligen Russen; aber
die eigentliche Aufklärung der Nowgoroder und Kiewer
Slawen konnte sie nicht fördern, denn die Waräger stan-
den selbst auf keiner höhern Stufe der Bildung, als jene.
Der Verkehr mit Constantinopel und ganz vorzüglich die
Einfidirung des Christenthums in Russland ölTiieten den
Wissenschaften und Künsten deu Weg. Wladiuiir führte
Schulen ein; Baukunst, Bildhauerei und Malerei ver-
schönerten die neuen Kirchen Kiews ; Künstler und
ctionnaire complet Frangois et Russe, S. P. 780 — 86. 4 Bde. 4. — /. Rod-
de's russ.-teutsch. u. teutsch-russ. Wß., Riga 784. 2 Bde. 8. — Slowar
akademii rossijskoj (WB. d. russ. Akad.), S. F. "89 — 94. G Bde. 4. N. A.
806 — 22. 6 Bde. 4. — J. Nowikow's fraiiz.-russ. Lexicon. M. 802. 8. -
Russ.-teutsches WB., M. 803. 8. — N. Janoivskijs neuer Dolmetscher der
russ. Sprache, S. F. 803 — 6. 3 Bdo. 8. — J. Hevm^s teutsch-russ. u. russ.-
teutsches Würterb., Riga 795 — 98. 5 Thle in 2 Bden. 8. 2 A. 801. 3 A.
Lpz. 803 — 5. Eb. neues vollst. WB. 1 Abth. Teutsch-russ. -franz., Riga
u. M. 796 — 97. 4., 2 Abth. Russ. franz. teutsch. M. 7S9 — 802. 813. 4.,
3 Abth. Franz.-russ.-teutsch, M. 799 — 802. 819. 3 Bde. 4. Eb. Taschen-
wörtcrb. (Karmanuyj slowar.) Russ. - franz. - teutsch, Teutsch - franz. - russ.
u. Franz. - russ. - teutsch, Riga 804 — 5. 4 Bde. 12. (Der russ. Theil auch
u. d. T. Rucnyj slowar, Riga u. Lpz. 812. 12.) — A. F. Schmidt now.
karm. Slowar ross. niem. i niem. ross., Lpz. 815. 2 Bde. 12. — M. Pare-
nogu Lex. anglinsko-ross., M. 808 — 17. 4 Bde. — P. Kalajdovnc opyt
slowarja rusldch synonym, M. 818. — Th. Rozanoiu Lex. lat.-ross., 5 A.
M. 819. 2 Bde. — J. Tatücew Lexicon ili slowar franz. - ross. M. 816.
2 Bde. — ./. Kronenberg Lexicon latinsko-rossijskij, M. 819 — 20. 2 Bde.
Folnyj nicm.-rossijskij Lexicon, iz boljsago grammatikaljao - kriticeskago
Slowarja G. Adelung a sostawlennyj, S. P. 798. 2 Bde. — J. Soc's Lexicon ili slowar
nowyj na franc, ital., niem., latin. i rossijskoin jazykach, M. 2 Bde. — Slo-
wari srawnitelnvje wsjech jaz., Inip. Ekater. IL, izd. F. _S. Fallas S. P. 787.
2 B. 4. — F. Zdanow angl.-ross. S. P. 784. 8. — A. Siikoir angl.- franc. -
ross. S. P. 795. 2 ß. 4. — D. Sinjtowskij lat.- ross. M. 796. 3 ß. 8. —
R. Cebrikow niem.- ross. S. P. 812. 2 B. 8. — J. Giqanow ross.- tatar. S.
P. 804. 4. — /. Tatiscew franc- ross. 2. A. M. 816 ' 2 B. 4. — Oldekopp
russ.-teutsch S. P. 825. 2 B.
147
Scliriftgclelirle wanderlen aus Grieclienland ein. Die Be-
iscliaffeiiheit der damalii;cii russischen Sprache ist uns
völlig unbekannt; ihr Anhau, der immer und überall
mit der Cidtur des Volks gleichen Schritt hält, war den
spätesten Zeiten vorbehalten. Der Einfluss der warägi-
schen auf dieselbe ist unbeträchtlich; einzelne Wörter
sind heutzutage die einzigen Spuren desselben; die ohne-
hin geringe Anzahl der Ankömmlinge mag sich bald un-
ter den Insassen verloren haben, und die Enkel Ruriks
(Swiatoslaw, .laropolk u. s. w.) hatten bereits 955 slawi-
sche Namen. Eine weit wichtigere Veränderung der rus-
sischen Sprache wurde durch die Einfidirung der von
Kvrill und Method in der altslawischen Sprache verfass-
ten liturgischen Biicher bewirkt. (Vgl. §. 9. flf.) Dadurch
wurden Til Kussland^zwei Sprachen gleichsam einheimisch:
die altslawische Rirchcnsprache, welche lange Zeit aus-
schliessend Schrift- oder Literalsprache der Russen ge-
blieben ist, und die eigentlich russische, welche das
Volk gesprochen hat. Die B!ichersprart?he~'hatte zwar ei-
nen grossen Einlluss auf die Gestaltung der Landesmund-
art; nichts desto weniger behielt diese fortwährend ihre
Originalität. Weit mehr veränderte sich die russische
Mundart im Laufe der Zeiten, der Natur der nur ge-
sprochenen, nicht geschriebenen Sprachen gemäss, durch
den Gebrauch selbst; während die altslawische, in der
Bibel und den Kirchenbüchern fixirt. mit geringen Ab-
weichnngen, sich so ziemlich gleich geblieben ist. Diese
Abtheilung hat kein eigentliches Denkmal der russischen
Sprache aufzuweisen; einige Volkslieder, in welchen der
heidnischen Gottheiten, Wladimirs Tafelrunde und der
Helden seiner Zeit Erwähnung geschieht, können wol
dem Ursprung nach diesem Zeitraum angehören, aber
sie kamen nicht in ihrer Urgestalt auf uns, sondern durch
mündliche Fortpflanzung vielfach geändert. Auch das
altslawische Schriftthum konnte selbst aus Griechenland,
wo bereits die Literatur abgeblüht hatte, und nur noch
Kirchenbücher und dürftige Chroniken gefertigt wur-
den, ausser der aus dem Griechischen ins Slawische über-
setzten h. Schrift mid den Kirchenbüchern, keinen neuen
Zuwachs erhalten. Nebst diesen Büchern gehören noch
10*
148
zwei Denkmale der altslawischen Kirchenspraclie in diese
Zeit: die Traetate der Fürsten Oleg und Igor mit den
Griechen in den J. 912 nnd 945, und die Rede Swia-
toslaws an seine Kampfgenossen, obsclion es wahrschein-
licli ist, dass Nestor erstere aus dem Griechischen ins
Slawische übersetzt, in der letzten aber niclit die eige-
nen Worte des Helden wieder gegeben habe.*)
§. 15.
Zweite Abtheilung. — Von der Einführung des Christen-
thums bis zur Besiegung der Tataren. 989 - 1462.
Wladimirs Nachfolger, Jaroslaw, vergrösserte zwar
bei seinen Lebzeiten den Umfang des Reichs; aber auf
dem Sterbebette legte er durch die Theilung Russlands
unter seine Söhne den Grund zu dessen Fall. Anarchie,
Zwietracht und Blutvergiessen zerrütteten das Land, wel-
ches nach zweihundertjährigem Widerstand endlich der
Uebermacht der Mongolen unterlag. Selbst der hochher-
zige Alexander Nevvskij, und der weise Johann Kaiita
konnten an keine Befreiung denken, und mussten sich
begnügen, durch Unterwerfung und Tribut die Beute-
lust der wilden Eroberer befriedigt, und das sciiwere,
schmäidiche Joch erleichtert zu haben. Der Grossf. De-
metrius Joannowic legte durch seinen Sieg über die Ta-
taren (1380) den Grund zur Befreiung des Vaterlandes,
und der Grossf Johann Wasiljewic bestieg 1462 den freien
und unabhängigen Tliron Kusslands. — Jaroslaw (1018 —
1054) liebte die Religion und hiemit auch die Bildinig ;
er berief viele Griechen aus Constantinopel nach Russ-
land, liess die Uebersetzung der Kirchenbücher ins Sla-
wische fortsetzen und in Kiew" zum allgemeinen Gebrauch
aufstellen, errcihtete in Nowgorod eine Lehranstalt für
.300 Jünglinge, verschickte die Geistlichen durchs Land
und liess das Volk belehren. Das wichtigste Denkmal sei-
ner Zeit ist die Prawda ruskaja (russisches Recht), ^j
*) N. Grec opyt kratkoj istorii ruskoj literatury, * (S. P. 822. 8.)
S. 15. ff.
^) Die Prawda ruskaja entdeckte TatisceiK in der Nowgorodsclien
Chronik, und überreichte sie 1738 der Akad, d. Wissensch. Die Ite Ausg.
149
Zu Anfange dieser Ahtlieiliin^ slaiiH Rnssland auf einer
liöhern Stnle der Cultfir, als die meisten librigen Län-
der Europa's. Die Geistlichkeit Knsslands zeichnete sich
anch zu dieser Zeit durch eine grössere Liebe zu den
Wissenschaften und durch eine ausgebreitetere Gelehr-
samkeit vor ihren andern Zeitgenossen aus. Während
das Land von inneren Unrulien gewaltsam erschüttert
wurde, beschäftigten sich die Mönche in der Stille ihrer
Gemäuer mit den Wissenschanen und Künsten ; einige
trieben die Heilkunde, andere bereisten die entfernten
Gegenden, die meisten zeichneten in ihren Zellen die
Thaten der Vorfahren auf. ^) Unter den russischen Für-
sten thaten sich nächst Jaroslaw durch Liebe zu den
Wissenschaften hervor: Constantin Wsewolodowic (1217-
1218) und Wladimir Wsewolodowic Monomach (1114 —
1125); der letzte ninuiit eine namhafte Stelle unter
Russlands frühesten Schriftstellern ein, des ersten Ge-
schichte der russischen Fürsten ist in den Stürmen der
Zeit untergegangen. Die Tatarfen vernichteten beinahe ' j*^
alle Denkmale der Volkscultur, verheerten die Städte ;^',
mit Feuer, und vertilgten die schriftlichen Urkunden. ^^
Die Zerstörung des Reichs zog den Verfall der Sitten,
dieser die schauderhafte, die Menschheit erniedrigende
Strenge der Strafen nach sich ; die Wiederkehr der Sitt-
lichkeit, der Vaterlandsliebe und des Nationalmuths ist
Russland der christlichen Religion schuldig. Im Laufe des
XIII — XIV. Jahrb. gab es in ganz Russland keine öf-
fentliche Schule. Die Tataren, durch schlaue Politik ge-
leitet, schonten die russische Geistlichkeit, die Zahl der
Klöster wuchs, und die Kirche bereicherte sich ansehn-
lich. Die Verbindung mit Constantinopel dauerte fort;
von da bekam man geistliche und sonstige Bücher. In
besorgte Schlözer, S. P. 767; die 2te erschien im Iten Bd. der fortgesetz-
ten alten russ. Biblioth. ; die 3te aus der alten Handschr. der Kormcaja
kniga eb. im 3ten Bde; die 4te mit Anmerk. von Boltin und einer Ueber-
setzung ins Russische S. P. 792. neu aufgel. 799.; die 5te im Iten Bd. der
russischen Denkwürdigkeiten M. 815. aus der Kormcaja kuiga; die 6te von
Rakowiecki nach der Boltinschen, mit einer polnischen Uebersetzung, vie-
len Anmerkungen, Erläuterungen, einer vorangeschickten Abhandl. über
die Cultur der alten Slawen u. s. w., Wars. 820 — 22. 2 Bde. 4.
-) Sie lieferten dem Lande Schriftkundige , Diak genannt, die welt-
liche Aemter von verschiedenen Abstufungen bekleideten , und im Range
ungefehr unsern jetzigen Secretären gleich kamen.
150
Moskau wurde eine Metropolitan- sj)äterhin Patriar-
clial-Bibliotliek errichtet, die vorzüglich an alten Hand-
schriften reich ist. — Im Laufe dieses Zeitraums erlitt
die russische Sprache mehrere Veränderungen. Sie ent-
fernte sich immer mehr von den übrigen slawisciien Dia-
lekten. Viele Flexionsformen, Wörter und Redensarten
wurden aus dem Altslawischen in die Landessprache auf-
genommen. Die Herrschaft der Tataren , die übrigens
mit der Entrichtung des jährlichen Tributs zufrieden,
abgeschieden an den Ufern der Wolga ihr nomadisches
Lager (Kapcak) bewohnten, führte ihr zwar einzelne ta-
tarische Wörter zu, aber diese verdrängten die einhei-
mischen^ nicht ganz, und konnten den Geist der russi-
schen Sprache, ihren grammatischen Bau und ursprüng-
liche Reinheit nicht ändern. Auch dieser Abtheilung fehlt
es noch an Sprachdenkmälern der Landesmundart, um
über ihre Gestaltung urtheilen zu können. Die Bücher-
sprache blieb fortwährend die altslawische; deFälte Styl
derselben "TlWrgTiTg 'Im "TT V. Jalirli. in clen mittlem, der
bis ins XVIL Jahrb. Avährte. — Die eigentliche Litera-
tur gewann in diesem Zeitabschnitt einen grösseren Spiel-
raum; neue theologische Schriften, Jahrbücher und Ge-
dichte kommen zum Vorschein. Während der Herrschaft
der Tataren Avuchs die Anzahl der Kirchenbücher und
der Uebersetzungen aus dem Griechischen; die Einbil-
dungskraft, unter dem drückenden Joch der Ungläubi-
gen seufzend, ergoss sich in zahlreichen Gesängen. \Ma-
dimir der Gr. war für die Sänger Russlands, was Ar-
thur für die Sänger des Westen von Europa. Uralte Ge-
sänge von den Thaten der vaterländischen Helden, de-
ren Trümmer der Verwesung entgangen sind, bewei-
sen, dass auch die Russen ihre Troubadoure gehabt ha-
ben. Zu den schätzbarsten poetischen Denkmälern die-
ser Zeit gehört das \ Heldengedicht Igor (Slowo o polku
Igora, Igors Zug gegen cne"~Fo!üwcer), ausgezeichnet
durch Kühnheit, Kraft mid Anmuth sowol der Gedan-
ken als des Ausdrucks. ^) Schriftsteller, deren Erzeug-
^) Diesen Heldengcsaug entdeckte der Graf A. J. Musin-Pu.ikin im
J. 1796 in einem Chronographen. Die erste Ausg. erschien M. 8U0., die 2te
von Siskovj S. P. 805., und mit einer böhmischen Ucbersetzung von Hanka,
Prag 821., die 3te von iV. Grammatin M. 823. mit e. Abh. und dem Frag-
ment Libusa.
151
Fiisse sich zimi Tlieil erliahoii haben, sind: Lulms Zid-
jdta oder ZIrjnta, Bischof von Nowgorod ['^'^si. 105!)),
hiiiterliess eine Sclirift: Foucenijc k bratii. — [Nestor J
der Vater der russischen (iescliichte, Möncli im peceri-j ff -jm^.-''
sehen Kloster bei Kiew (geb. 1056, gest. wahrscheinlicH 4-u ""
IUI), in der griechischen Sprache und Literatur be-|V//?t/
wandert, schrieb eine russische Chronik in altslawischer S/" ((.^ y,
Sprache, welche, für die gesainiute Geschichte des Mittel- p^.lj.
alters überaus wichtig, die Grundlage der slawischen
Geschichte bildet, herausg. S. P. 7(J7, M. 781, S. P. 786,
M. 784., S. P. 796; von Scldözer mit einer teutschen
Uebersetzung und historisch-kritischem Conunentar Gott.
802 — 9 5 Bde. 8. (russ. v. Jazykovv S. P. 809 — 19.
3 Bde.). — BasÜius, wahrsciieinlich ein Mönch oder
Geistlicher zu Ende des XI. Jahrb., beschrieb die gleich-
zeitigen Begebenheiten des südlichen Kusslands. — Syl-
vester, Bischof von Perejaslawl (gest. 1124), Niphont,
Johann, Priester von Nowgorod, Timotliej u. a. m. wer-
den als Fortsetzer der russischen Jahrbücher genannt,
welche bis Alexjej Michajlowic (1645 — 1676) unun-
terbrochen fortlaufen, und in Bezug auf die slawisch-
russische Geschichte, als Quellen derselben, das schätz-
barste Vermächtniss jener Zeiten sind. — Nih'phor, Me-
tropolit von Kiew und ganz Russland, von Geburt ein
Grieche (gest. 1121), hinterliess zwei Schriften in sla-
wischer Sprache theologischen Inhalts. — Wladimir
Wsewolodowic Monomach, Grossf. von Russland {geb.
10^37" gt?st. tt^5); sein Unterricht (poucenije) für seine
Kinder ist ein beredter Erguss der Gefühle eines Vaters
und Fürsten, den Erfahrung und Nachdenken weise ge-
macht haben. — Daniel, Hegumen, unternahm im An-
fange des XII. Jahrhunderts eine Reise nach Palästina,
deren Beschreibung handschriftlich aufbewahrt wird^).
— Simon, Bischof von Suzdalj u. Wladimir (gest. 1226),
und sein Anverwandter Polykarp, pecerisclier Mönch,
verfertigten Biographien einiger pecerischen Mönche, die
unter dem Titel: Pecerskij paterik bekannt und häufig
gedruckt sind. — Von Kyrill, Metrop. von Kiew und
*) Einige hier nicht genannte schriftliche Denkmale verschiedener
Verfasser aus dem XII. Jahrh. gab Hr. Kalajdoiuic u. d. T. Pamjatniki
ross. slowesnosti XII. wjeka, M. 821. heraus.
152
ganz Riissland, einem geborenen Russen (gest. 1281),
erhielten sich Synodalreden, voll lebhaften Gefühls nnd
wahrer Beredsamkeit. — Kypn'ati, Metrop. von Kiew
und ganz Russl., von Geburt ein Serbe (gest. 1406),
brachte viele slawische Handschriften mit nach Russland,
und hinterliess in den Stufenbüchern eine Biographie des
Metrop. Peter. — \Photius, Metrop. von Kiew' und ganz
Russl. (gest. 1431) ist Vf. von sechzehn Vorträgen (pou-
cenije) an die Fürsten und Bojaren, die Geistlichkeit und
das Volk. — Gregor Samblak oder Semiwlak, Metrop.
von Kiew, von Geburt ein Bulgar (gest. 1419), ist Vf.
von 27 Reden. — Demefr. Zoograph, wahrscheinlich
ein Geistlicher, übersetzte ums J. 1385 — 1402 aus dem
Griechischen ein Gediclit des Georg Pisides, Metrop. von
Nikomedien im VII. Jahrb., unter d. T. Mirotworenije.
- Ignaiius, Diakon des Metropoliten Pimen, lebte im XV.
Jahrb., und beschrieb die Reise des genannten Metropo-
liten nach Constantinopel. — Jesatas, Hieromonach auf
Athos, von Geburt ein Serbe , brachte 1417 mehrere
slaw ische Handschriften nach Russland , darunter seine
Lebersetzung des Areopagiten Dionysius. — Sophronius,
Priester in Rjazan, gegen das Ende des XV. Jahrb.,
schrieb ein Gediclit: Istorija ili powjest o nasestwii bez-
boznago Carja Mamaja s bezcislenymi Agarjany^}.
§. 16.
Dritte Abtheilung. Von der Besiegung und Vertreibung der
Tataren bis auf Peters des Grossen Alleinherrschaft.
1462 - 1689.
Mit der Befreiung Russlands vom Joche der Mon-
golen beginnt eine neue Epoche in politischer, siltlTcher
und literarischer Hinsiebt. Russland nahm wieder die
ihm gebührende Stelle unter den europäischen Mächten
ein. Im Laufe dieser Periode erhielt die Nationalbildung
einen neuen, höhern Schwung. Gelehrte luid Künstler
kamen aus Griechenland und Italien nach Russland, und
weckten unter den Eingebornen die Sehnsucht nach glei-
•'•) iV. Grec opyt ist. rusk. slow. S. 21. fi'.
153
eher Ausbildung. Baiikuiisdcr und Maler (raten nun
selbst unter den gebornen Küssen auf: nur die ernslern
Wissenschaften, die Philosophie, Sternkunde, Naturleh-
rc und Medicin lagen noch in der Wiege, der künftigen
Pflege harrend. Unter Johann IV. Wasiljewic (1533 -
1584) kamen englische und teutsche Hcilkiinstler und
Apotheker nach Russland.^ Er liess in den Städten Schu-
len für die Jugend aus allen Ständen eröffnen. ^) Die
erste russische Typographie kam 15G4 in Moskau zu
Stande. Die kirchliche und bürgerliche Gesetzgebung
ward vervollständigt. Car Boris (1598 — 1605) liess
achtzehn adelige Jünglinge im Auslande studiren; er selbst
liebte vorzüglich die Mathematik, und liess seinem Sohne
die zweckmässigste Erziehung geben. In den darauf fol-
genden politischen Stürmen verstummten die Musen, die
Flüsse rauchten vom Blut, die Städte gingen in Flammen
anf, und Künste und Gewerbe verschwanden vom russi-
schen Boden. Michael Theodorowic von Romanow (1613
— 1645) rettete den sinkenden Staat. Der Handel und mit
ihm die Städte blühten auf. Im J. 1643 wurde in Mos-
kau eine griechisch-lateinisch-slawische Lehranstalt er-
richtet. Unter Alexjej Michajlowic (1645 — 1676) wur-
den Fabriken angelegt; teutsche Officiere, Künstler und
Handwerker nach Russland berufen; viele ausländische
Bücher ins Russische übersetzt: aber die Russen blieben
ihren alten, wenn gleich rauhen Nationalsitten treu.
Das wichtigste Denkmal seiner Regierung ist das Sobor-
noje ulozenije, eine Sammlung russischer Landesgesetze,
gedruckt M. 649. Er und sein Nachfolger Theodor Alex-
1) Im J. 1545 schickte er an den Ks. Karl V., als dieser eben ei-
nen Reichstag zu Augsburg hielt, einen Sachsen, Namens Schiit, um die
Erlaubniss nachzuholen, Gelehrte, Künstler und Handwerker in Teutschland
anzuwerben, und nach Russland zu verpflanzen. Ks. Karl V. stellte das Be-
gehren des Cars dem Reichstag anheim, der nach vielen Schwierigkeiten
endlich dem Gesandten Schiit einen statt und im Namen des Cars gelei-
steten Eid abnahm, dass die aus Teutschland nach Russland berufenen Män-
ner weder von da nach der Türkei gelassen, noch ihre Talente zum Nach-
theil des teutschen Reichs goF)raucht werden sollen. Unter diesen Bedin-
gungen erlaubte man dem Schiit Männer für sein Vorhaben zu suchen, de-
ren er ungefehr Hundert zusammen brachte. Als er aber mit ihnen in_Lü,-
beck ankam, um von da nach Liefland zu schiffen, wurde er hier, auf Ver-
anstalten der Hansa und des liofländischen Ordens, von dem Lübecker Rath
verhaftet, worauf sich die Begleiter zerstreuten , und das Unternehmen
scheiterte. Johann erfuhr den Verlauf der Sache erst 1557, in welchem Jahr
Schiit aus seiner Haft entwich.
154
jejevvic (1676 — 1682) waren würcligc Vorgänger Pe-
ters des Grossen, die die Materialien vorbereiteten, aus
welchen dieser den Bau seines grossen Werks vollen-
dete. Die Wissenschaften und Künste sclihij^en, vorzüg-
lich nach Einverleibung von Kleinrussland und der Kie-
Aver theologischen Akademie (gestift. 1588), imtiier tie-
fere und festere Wurzeln im Lande; auf der Moskauer
griechisch-lateinisch-slawischen Akademie wurden Gram-
matik, Rhetorik, Poetik, Dialektik, theoretische Philo-
sophie und sowol die geollenbarte als die natürliche Theo-
logie gelehrt. Während der Regirung der Sophia Alex-
jejewna (1686 — 1689) wirkte der Fürst W. W. Golicyn
auf die Verbesserung des Geschmacks in der Baukunst.
Die Buchdruckereien in Moskau, Kiew, Cernigovv, Now-
gorod und einigen Klöstern hielten gleichen Schritt mit
den ausländischen. — Die russische Sprache blieb jedoch
in dir Bildung hinter der bühmischen und polnischen
zurück. Der iniunterbrochene Verkehr mit Polen , die
Herrschaft der letztern im südwestlichen Russland, die
Betreibung der Kirchen- Vereinigung durch die Katho-
liken, und die bewältigende Macht der Bildung und der
Wissenschaften wirkten entscheidend auf die Gestaltung
der russischen Mundart nach der polnischen: dieses Ue-
bergewicltt des Polnischen dauerte bis zum Anfange des
XVIU. .Jahrb. fort. Die ersten slawisch-russischen Sprach-
bücher erschienen in den polnisch-russischen Provinzen.
Viele unter den geistlichen Schriftstellern bedienten sich
ausschliessend der polnischen Sprache, und hielten die
einheimische für zu ungeschlacht, um in derselben hö-
here, abstracto Wahrheiten vorzutragen. Doch wurde
in Moskau fortwährend die Landesmundart in allen schrift-
lichen Verhandlungen und Urkunden gebraucht; inid es
gab demnach in diesem Jahrb. schon drei Schriftspra-
chen in Russland : die rt/Ay/^?£«>cAjß_Kin3hensprache in
den liturgischen Büchern und allen theologischen Schrif-
V ten; die e'i^entViche russische im Munde des Volks und
in den Civilschriften; und die iv eissrussische in den Wer-
ken russischer Schriftsteller in den polnisch-russischen
Provinzen. Erst in der zweiten Hälfte des \Xyil. Jahrh.
fing die russische Sprache allmälich an, die Fesseln der
155
polnischen abzuwerfen und sich selbständig^ zu gostnllen.
Zir Ende cles TVI. und im Anlaiit|;e des XYIl. Jalirb.
war die Literatur beinahe j:;anz in den Händen der Geist-
lichkeit, im Laufe des XVII. Jahrb. kommen neben
den theologischen auch schon historische und poetische
Werke zum Vorschein. Die quantitirende Prosodie, die
Zizania und Smotriski vorgescldagen haben, fand keinen
Beifall, um so mehr die bloss reimende polnische; aber
das russische Volk fuhr fort in den Nationalliedern sich
des zeitherigen, einheimischen und originellen Versmaas-
ses zu bedienen. (S. §. 19. Anm. 4.) Im Anfange des
XVII. Jahrb. zeigen sich die ersten Spuren der drama-
tischen Kunst : theatralische Vorstellungen kaiwen aus
Polen nach K*ie\v, Studenten spielten hier geistliche Dra-
men. In Moskau wurde erst 1676 auf Verwendung des
A, Sergjejewic Matwjejew der Anfang mit der Schau-
spielkunst gemacht. Unter Theodor Alexjejewic wurde /^^vw,,ct^
das erste nicht geistliche Drama : Molieres Arzt wider -^^-«is^'e«
Willen, ins Russische übersetzt, uiid auf dem Privat-
Hoftheater gegeben. — Namhafte Schriftsteller dieses
Zeitabschnittes sind: Wassüiti genannt Ri/lo, Erzb. von
Rostow (gest. 1481), hinterliess ein Sendschreiben an
den Car Johann, und eine Biographie seines Lehrers
Paphnutius Borowski. — Der h. Joseph Sanm, erster He-
gumen des Klosters Wolokolamsk (geb. 1440, gest. 1516),
verfasste die Geschichte der jüdischen Ketzerei des XV.
Jahrb., und 15 Reden gegen dieselbe. — Gennadiiis,
Erzb. von Nowgorod und Pskow (gest. 1506), schrieb
ebenfalls gegen die jüdische Ketzerei. — Agathoii, Prie-
ster in Nowgorod, verfertigte 1540 einen Kirchenka-
lender Paschalija, auf 8000 Jahre. — Georgius, ein
Mönch, brachte ein russisches Jahrbuch bis 1533 zu
Stande. — 3Iakarms, Metropolit von Moskau und ganz
Russl. (gest. 1564), hochverdient um die Kirche, be-
wandert in der Literatur und ausgezeichnet durch glän-
zende rednerische Talente, verfasste die Lebensbeschrei-
bungen der Heiligen unter dem Tittel: iCetii minei oder
Zitija swiatych, Msc, schrieb verschiedene Reden und
besorgte die Abfassung und Ergänzung der Stufenbücher
(stepennyja knigi) herausg. M. 775. — Laur. Zizania,
156
Erzpriester zu Korcc in LittaiKMi, gab eine slawische
Grainniatik, Wiliia 59G., ein Abcdarium, eb. 596. und
einen Katechismus in weissrussischer Sprache, M. 627
heraus. - 3Iaxwui.t der Grieche, ein Mönch vom Berge
Atlios, von Geburt ein Albanese, gebildet in Paris und
Florenz, und von dem Grossf. Wasilij Joannowic nach
Moskau berufen, libersetzte mehrere Kirchenbücher ins
AltslaAviscIie, wurde bei der Verbesserung der slawischen
Version der Bibel gebraucht, fiel aber in Ungnade und
starb in der Verbannung (15.36); er sclirieb Abhand-
lungen über den Nutzen der grammatischen, rhetorischen
und philosophischen Studien, gedruckt in der Smotris-
kischen Grammatik. - Joh, erster Patriarch von Russ-
land (gest. 1607), beschrieb das Leben des Cars Theo-
dor Joannowic, welche Schrift den Jahrbüchern Nikons
(vgl. unten) einverleibt ist. - Fürst Andrej Michaj-
lowic Kurhshij (geb. 1)29) ein Bojar und Wojwoda un-
ter dem Car Johann Wasiljewic, fiel um 1564 in Un-
gnade und flüchtete sich nach Polen, wo er die Geschich-
te des Cars verfasste, die handschriftlich in verschiede-
nen Bibliotheken aufbewahrt wird. — Tryphon Koro-
bejm'kow und Georg Grekow^ Moskauer Kaufleute, be-
reisten Syrien, Palästina und Aegypten. inid verfertig-
ten ein Tagebuch ihrer Reisen im J. 1583, welches im
12 Bd. der alten russ. Biblioth. S. P. 783 erschienen ist. —
Franz Shorina aus Polock, Doct. der Med., übersetzte
die Bibel ins Russische, und Hess einige Theile dersel-
ben in Prag (in Böhmen) 517 — 525 drucken. — Äthan.
iV/7.7V///, Kaufmaini in Twer, reiste ums J. 1470 nach
Ostindien, war in Dekan und Golkonda, und hinterliess
die Beschreibung seiner Reise. — Abr, Palict/n, Mönch
im Sergiewschen Dreifaltigkeitskloster (gest. zwischen
1621 — 29), schrieb die Geschichte seiner Zeit, herausg.
M. 784. — Fürst Consf. Cnn.sfantinounc Oslrozskij, Woj-
woda von Kiew und Marschall von Wolynien, der grösste
Beförderer der literarischen Uultur im westlichen Slawen-
lande seiner Zeit, erriclitete zu Ostrog eine kyrillische
Buchdruckerei, und liess, ausser vielen andern Büchern,
die altslawische Bibel, zum erstenmal ganz, im J. 1581.,
daselbst drucken. — Nikon, 6'fer Patriarch von Russ-
157
land (geb. 1605, gest. 1681), un<eri)aliiii die Revision
der altslawisclien Kirclienbiicher nach dem Grieclusclien,
besorgte die lebersctziing mebrerer liistorisclieu und
geographischen Werke, veranslallele eine Saminhnig der
russischen Jahr- und Stufenbücher inid der griechisclien
Chronographen bis 1630, bekannt unter d. T. Nikonow
spisok, und herausg. 8. P. 767 — 92. 8 Bde. — Epiph.
Slawin eckij oder Slawianicliij (gest. 1676), Hieroino-
nach im pecerischen Kloster bei Kiew, gebildet in Kiew
und im Auslande zu Anfange des XVII. Jahrb., besorgte,
von dem Bojaren Tlieod. Mic/tajlowtc Rfi.scew 1649 nacb
Moskau berufen, die Uebersetzung mebrerer Schriften
aus dem Griechischen des Job. Chrysostomus, Gregorius
Nazianzenus, Basilhis des Grossen, Joli. Damascenus u.
m. a., verfasste ein Griechisch - slawisch - lateinisches,
und ein philologisches Lexicon, die beide handschriftlich
vorhanden sind, unternahn die Uebersetzung der gan-
zen h. Schrift aus dem Griechischen, die aber nicht zu
Staude kam. — Pete?- Mogüa , Metrop . von Kiew, Ga-
licien und Kleinrussland, gebürtig aus der Moldau (geb.
um 1590, gest. 1647), studirte in Paris; ihm verdankt
die Kiewer Akademie ihre neue Einrichtung; er Hess
einen Katechismus in weissrussischer und polnischer Spra-
che drucken; beabsichtigte die Herausgabe der Zitija
swiatych, verfasste verschiedene Gedichte im polnischen,
sylbenzählenden Versmaass u. s. w. — Innoc. Gizel, Ar-
chimandrit des Kiewopecerischen Klosters (gest. 1684),
schrieb eine: Synopsis ili kratkoje opisanije o nacalje
slawjanskago naroda, Kiew 674. von 718. bis 810. iO-
mal gedruckt. — Lazar Baranowic, Erzb. von Cernigow
und Nowgorod (gest. 1693), ausgezeichnet durch Ge-
lehrsamkeit und Vertheidigung der russischen Kirche ge-
gen die Gegner, schrieb Reden in weissrussischem, po-
lemische Abhandlungen in polnischeui Dialekt, Gedich-
te, worunter ein Trauergedicht auf den Tod des Cars
Alexjej Michajlowic, Kiew 676*) 4. — Simeon Polockij
aus Polock (geb. 1628, gest. 1680), Hieromonach, Er-
zieher des Carewic Theodor Alexjejewic, schrieb Ge-
dichte, geistliche Dramen, und Hess drucken : Zezl praw-
lenija, M. 668. fol., Psaltyr w stichach, M. 680. fol.,
158
Objed diicliovvnyj, M. 681., Wecera dncliownaja, M. G83.
u. a. 111.; in der Handschrift hinterliess er ein Khytliino-
logion, sieben geistliclie Dramen u. s. w. — Sylvester
Medu'jedew, Vorsteher eines Klosters in Moskau (1691
wegen Tlieihiahine an der Empörung der Strielcen enth.)
verfasste mehrere Gelegenheitsgediclite, beschrieb den
Autstand der Strielcen u. s. w. — ^^^yij Kuhasow, Bo-
jarensohn aus Tobolsk, brachte einen Chronograph oder
Lietopisec von der Erschaffung der Welt bis auf seine
Zeiten zu Stande. — Theod. Kassianoivic Gozimnsktj,
übersetzte im J. 1608 Aesops Fabeln aus dem Griechi-
schen, und des P. Innocentius Tropnik aus dem Polni-
schen. — Fürst Semen Sachowskij lebte im Anfange des
XVII. Jahrb., fiel in Ungnade beim Car Michael Theo-
dorowic, wurde verbannt ins Cudische Kloster, wo er
mehrere Sendschreiben, darunter an den Patriarchen,
Erzb. von Sibirien und den Schah von Persien verfasste.
— Iwan Peflin, ein Kozak, bereiste 1620 die Gränzen von
Sibirien, und schrieb ein Tagebuch darüber, abgedruckt
im sibirischen Boten, S. P. 818. — Theod. hakjennc
Bajkow, Wojwoda von Sibirien, hielt sich als russi-
scher Gesandte drei Jahre in China auf, und schrieb
ebenfalls ein Tagebuch seiner Reisen, in der alten rus-
sischen Bibliothek 4 Bd. und im sibirischen Boten 818.
abgedruckt. — Theod. hvdnowic Gribojedow verfertigte
unter dem Car Theodor Alexjejewic eine Uebersicht der
russischen Geschichte, Msc. — Andr. Lt/zlow, Priester
in Smolensk, in der 2fe?i Hälfte des XVII. Jahrb., ver-
fasste eine Geschichte der Skythen, herausg. von Nowi-
kow, S. P. 776. M. 787. .3 Bde. 8. — Artemon Serg-
jejewic Mdiwjejeir, Bojarin und Gouverneur melirerer
russischen Städte. Keichssiegelbewahrer (geb. 1625. erm.
1682), als Minister des Cars Alexjej Michajlowic um die
Bildung der russischen Nation und Aan Anbau der Spra-
che hochverdient, ein Beschützer der Künstler, voll war-
men Gefidils für Menschenwol, berief die ersten Schau-
spieler nacii Russland, verfasste selbst mehrere Werke
geschichtlichen, diplomatischen und heraldisch-genealo-
gischen Inhalts. — Noch sind als Schriftsteller dieses
Zeitabschnitts zu nennen: Zach. Kopysienskij, Ignaf.
159
Jowlewic, Joannikij Gnliafnwffh'j, Kip't'll Tranqvilliori,
Wladimir Guseir, Sahhdfi Jesipotr, Basil. Buicew, Se-
men Remezoiv, Nihiph. Mdtirjejeiric Tolocamnow, Ale-
xjej hranou'ic Jeirlew, Iwan Knrniljewic Snseriny Pe-
ter Zolotarew n. \\\. a. ^)
§. n.
Zweite Perlode. Von Peter dem Gr. bis auf unsere Zeiten.
Erste Abtheilung. Vom Anfange der zweiten Periode bis
zur Thronbesteigung Elisabeths. 1689 — 1741.
Mit dem Re^irung-.saiitritte Peters des Grossen beginnt
die glänzendste Epoclie Russliuids in allen Beziehungen.
Was er" als Herrsclier für die Vergrösserung und Befe-
stigung des Reichs gethan, ist allbekannt. Aber nicht
eitle Ruhmsucht und Eroberungen waren der Zweck
der Unternehmungen dieses hochherzigen Monarchen,
sondern die Wolfart des Vaterlandes, die Bildung seiner
Unterthanen. Er verdient mit Recht den Namen des
Schöpfers der russischen Nationalbildung. Sein ganzes
Streben war auf die Aufklärung seines Volks gerichtet.
Während seiner 36 Jahre langen Regirung schwang sich
Russland mächtiger empor, als früher während zwei
voller Jahrhunderte, und trat in die Reihe der gebil-
deten Völker im europäischen Staatensystem. Die Macht
des Monarchen befreite sich von ihren bisherigen Fes-
seln; die Gesetzgebung und Verwaltung wurden gere-
gelt ; der Nationalkimstsinn erwachte ; Fabriken u. Ma-
nufacturen blühten auf; die rauhen Sitten der Eingebor-
nen machten den mildern europäischen Platz ; Reisen ins
Ausland wurden häufig unternommen ; die Wissenschaf-
ten und Künste siedelten sich auf dem russischen Boden
fester an. Die vorzüglichste Sorge des Monarchen war
auf die Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse mittelst
des Druckes gerichtet ^). Zum Behuf des Unterrichts
^) N. Grec opyt ist. rusk. slow. S. 39. fi'.
') Bevor Peter der Gr. in Russland eine russische Druckerei errich-
tet hatte, gab er dem Amsterdamer Buchdrucker Tessing ein Privilegium von
15 Jahren auf russische "Werke, woselbst auch das erste eigentlich russi-
sche Buch: Kratkoje wwedeuije wo wseobscuju istoriju 699. 4. erschienen
ist: Nach Tessings und seines Gehilfen, El. Kopijewic, Tode, dauerte das
160
der Jugend aller Stände wurden verschiedene Lehran-
stalten errichtet, deren es gegen das Ende der Regirung
Peters 51 in den Gouvernements- und Provincialstädten
gab. Peter der Gr. kaufte während seines Aufenthalts
in Holland das anatomische und zoologische Kabinet des
berühmten Ruysch und des Apothekers Seba, und legte
so den Grund zum S. P. Museum. — Nach einem von
dem grossen Leibnitz entworfenen Plan errichtete der
Monarch die Akademie der Wissenschaften, aber der
Tod verhinderte ihn, dieselbe zu eröffnen •, diess that Ka-
tharina I. im J. 1725., und fügte ihr ein der Bildung
künftiger Lehrer gewidmetes Gymnasium, welches bis
1762 Universität hiess, bei. Die Einführung der Lan-
desmundart in Civilschriften begründete die eigentliche
Nationalliteratur ^). Die aclithundert Jahre lang neben
der Kirchenslawischen heranwachsende russische Landes-
sprache war bei dem Regirungsantritt Peters bereits so
weit gedielien, dass sie ohne Anstand zur öflfentliclien
Geschäfts- und Schriftsprache erhoben werden konnte.
Sie erlitt aber im Laufe dieser Periode viele, zum Theil
nicht vortheilhafte Veränderungen. Sowol auf Befehl
des Monarchen, als auch aus eigenem Antrieb, über-
setzten die Russen eine Menge Schriften aller Art aus
den neuern europäischen Sprachen, namentlich aus dem
Teutschen, Französischen und Holländischen, in ihre
Landesmundart. Allein Peter der Gr. sah, indem er auf
diese Weise nach Russland europäische Sitten, Künste,
Drucken russischer Werke in Amsterdam noch his 1710 fort. — Im J. 1711
wurde eine Buchdruckerei in S. P. errichtet, und das erste hier gedruckte
Buch ist: Kniga Marsowa, 713. Die Sankt-Pctersburgskija wjedomosti er-
schienen seit 1714. Bald darauf entstanden mehrere Buchdruckereien in S.
P. Vgl. [Ewaenij] slowar istoric. Th. I. S. 273 — 302.
^) TJngefehr im J. 1704 entwarf Peter der Gr. die Grundzüge zu dem
jetzt sogenannten Civ'dtypus der russischen Druckschrift, indem er den ky-
rillischen Buchstaben nach Art der lateinischen mehr Rundung und Ge-
schmeidigkeit gab. Nach seiner Angabe wurden von holländischen Künst-
lern in Amsterdam neue russische Lettern gegossen, mit weichen der erste
Bogen der russischen Zeitungen in M. 17o5 gedruckt worden. Ein volles
Jahrzehend wurde nun an der neuen Schrift geändert und gebessert, bis
man seit 1711 anting, nicht nur in M., sondern auch in S. P., alle nicht
kirchliche Werke mit denselben zu drucken. Die Kirclicnbücher behielten
ihren alten Typus. Dasselbe thaten auch die Serben mit geringen Abwei-
chungen. Seitdem uni erscheidet man den Civiltiipvs, der grazdonskij, von
dem Kirchentypus, der crkwennyj bei den Russen und Serben heisst. Vgl.
Ewgenij a. a. 0.
161
Gewerbe iiiid K.enntiH.sse verpflanzte, niclit sowol auf
die (ieslalt (Worte iiikI »Styl), als vielmehr auf den Ge-
halt der übersetzten W erke. Auf diese Art wurden sehr
viele ausländische Wörter und Redensarten, vorzuglich
in den nautischen und strategischen Wissenschaften aus
dem Holländischen und Englisciien ins Hussische aufge-
nonunen. Im Lehr-, liiigang- und Geschäftsstyl zeigte
sich eine Buntheit ohne (ileichen; altslawische, gemein-
russische und ausländische Wörter bildeten ein Chaos,
das selbst bei den Geschichtsschreibern und Rednern herr-
schend wurde. Aber diese Mischung entsprang nicht so-
wol aus i\rmuth der russisciien Sprache, als vielmehr
ans der Leichtfertigkeit und Eile, mit welcher man das
Geschäft des Uebersetzens betrieben hat. Zwischen den
Verfechtern der altslawischen und geaieinrussischen Spra-
che entstand überdiess ein Streit; der einzige Kantemir
und einige Kanzelredner schufen sich eine eigenthümli-
che, echtrussische Sprache für ihre Erzeugnisse ; an ei-
ne russische Grammatik dachte Niemand; die Orthogra-
phie blieb fortwährend scjiwankend, wie die Schreibart
selbst. Das sylbenzählende Reimen beherrschte die Dicht-
kunst ; Trediakowskij wies auf griechische und römi-
sche Formen hin, aber ohne Erfolg. — Künste und Wis-
senschaften lassen sich, durch Herbeirufung gelehrter
iMänner, aus einem Lande ins andere verpflanzen; die
eigentliche Nationalliteratur aber , bestehend aus der
Dichtkunst, Beredsamkeit und Geschichte, ist eine Frucht
des vaterländischen Bodens, und kann nicht durch Aus-
länder erzwungen werden. Peter der Gr. bereitete den
Boden für die Nationalliteratur, aber er selbst sah sie
nicht; die Schriftsteller seiner Periode, Zöglinge des vo-
rigen Jahrhunderts, tragen alle Zeichen der Zeit, der
sie angehören. Ein russisches Theater gab es unter Pe-
ter nicht; dasselbe ist die üppige Frucht der verfeinerten
Bildung und des Luxus — Peter hatte nur die Bedürf-
nisse seines Volks vor x\ugen. In den Seminarien wurde
das Aufführen geistlicher Dramen fortgesetzt. Im .J. 1730
wurde beim Hofe ein italienisches, und 1738 ein teut-
sclies Theater eröffnet.
11
162
Vorzüglichere Nationalscliriftsteller ^) dieses Zeit-
absclinitts sind: der li. Demetriys, Melrop. von Rostow
(geb. 1651, gest. 1709), gesclimückt mit holien christli-
chen Tugenden, reich an Kenntnissen, schrieb in der
Kirchensprache leicht, correct, aninnthig; seine Haupt-
werke sind: Cetil minei, oder Zitija swiatych, Kiew 711-
16. 4 Bde. fol., M. 759. u. öfters aufgelegt; Alphabet
duchownyj, Kiew 710. 713. S. P. 719. Kiew 747.755.,
Ljetopis kelejnoja, M. 784. 800. S. P. 796. 2 Bde., Pou-
citelnyja slowa, M. 786. 805. 807. 6 Bde., Ostalnyja so-
cinenija, M. 804. u. a. in. — Stepli. Jawo?'shj, Metrop.
von Kjazan und Präsident der h. Synode (geb. 1658,
gest. 1722), behauptet eine namhafte Stelle unter den
geistlichen Rednern; von ihm ist erschienen: Kamen
wjery, M. 713., Propowjedy, M. 804. 3 Bde. 8. — Gab.
Buzmshjj Bischof von Rjazan und Murom, gebürtig aus
Kleinrussland (gest. 1731), übersetzte Puffendorfs Einl.
in die Gesch. der europ. Staaten, S. P. 718, forner: 0
dolznosti celowjeka, von eh., S. P. 726., Theatron ili
pozor istoriceskij, S. P. 724.; seine Reden kamen M. 784.
heraus. — Theophan Prokopowic, Erzb. von Nowgorod
(geb. 1681, gest. 1736), einer der aufgeklärtesten iMän-
ner seiner Zeit, Peters des Gr. treuer Gehilfe bei der
Begründung der Nationalcultur, von seinen Zeitgenos-
sen der russische Chrysostomus genannt, einer der reich-
haltigsten Schriftsteller Russlands im theologisciien, hi-
storischen und politischpragmatischen Fach, von dessen
60 Werken ungefehr 30 in Druck erschienen sind. —
Fürst Antioch Dmitrijpwic K(infemn\ der erste Dichter
seiner Zeit (geb. 17 OS, gest. 1744), originell, geistvoll,
") Hr. Grec, dem ich hier, obwol mit Zuziehung auch anderer
Hilfsmittel, grösstentheils gefolgt bin, rechnet zu der Literatur nur die
Dichtkunst, Beredsamkeit und Geschichte sammt ihren Hilfswissenschaften;
die übrigen Fächer des Wissens gehören, sagt er, zu der Geschichte der
Cultur überhaupt. Ob ich gleich hierin einer andern Meinung bin. und
glaube, dass fürs Erste auch die Dichtkunst, Beredsamkeit und Gechichte
zu der Culturgesch. überhaupt gehören, fürs Zweite aber es ungerecht sey,
die wissenschaftlichen Prosaiker aus dem Gebiete der Nationalliter, auszu-
schliessen, indem jede Sprachdarstelbmg (folglich auch die Nationalliterä-
tur) 'in die Sprache der Dichtkunst, der Beredsamkeit nnd der wissen-
schaftlichen Frosa zerfällt : so wollte icli doch in diesem Grimdriss der
allgemeinen Geschichte der slaw. Literatur innerhalb der vom Hrn. Grec
gesteckten Gränzen der Nationalliteratur, rücksichtlich des Russischen, blei-
ben, um nicht den Umfang desselben ül)er die Gebühr auszudehnen.
163
der wahj^^üiider dei:_jmÄ.si8cher! profanen Dichtkunst,
scliricl) Satyren, S. P. 764. 4., übersetzte 10 Briefe vofi
Horaz, S. P. 744. 788., Fonteiielles Werk von der Melir-
Iieit der Welten, M. 7.30. S. P. 761.; andere Ueberse-
tzungen der Classiker hinterliess er handschriftlich. -
Fiirst Jndr. JaUnwletnc Chilkow (gest. 1718) schrieb:
.Jadro ross. istorii, öfters aufgelegt. — EL Theodorowic
Kopijewic oder Kopijpwskij aus Weissrussland. studirte
in Holland, wurde Protestant und Pastor zu Amsterdam
(gest. 1701); er übersetzte auf Peters des Gr. Verlangen
mehrere Sprach- und Geschichtsbücher ins Kussisciie,
die 699 — 700 bei Tessing in Amst. erschienen sind;
anderes hinterliess er handschriftlich. — Pef. Buslajew,
Diakonus in Moskau, schrieb ein gereimtes Gedicht : 0
pereselenii w wjecnuju zizn Bar. M. .J. Strogonowoj. 8,
P. 734. — Semen Klimowskij, ein Kozak, lebte um 1724,
dichtete leichtere Lieder im Naturstyl. — Kyrill Daiiilow
aus Kiew, ebenfalls Kozak, diente in Sibirien zu Anfange
des XVIII. Jahrh. und sammelte russische Gesänge aller
Art, die mit den seinigen erschienen M. 804. 717. -
Leonf. Philippoii'ic Macpiickij, Lehrer der Mathematik
(geb. 1669, gest. 1739), gab die erste russische Arith-
metik mit arabischen ZitFern M. 703. heraus. — Ernst
Aht Glik (Glück), Pastor in Liefland, in dessen Hause
Katharina I. erzogen war, gerieth in die russische Gefan-
genschaft und lebte in Moskau, wo er Luthers Kate-
chismus, Komensky's Orbis pictus und Janua linguarum
u. a. m. ins Russische übersetzte. — Iiran Kyrillou\ Ober-
secretüT des Senats, später Staatsrath (gest. 1738), sam-
melte geographische Notizen über Russland und verfer-
tigte einen Atlas des Reichs 734. 745. — Basil Gri(fo-
rotmc auf Kiew [geb. 1702, gest. 1747), brachte 24
Jahre auf Reisen im Auslande zu; sein Tagebuch gab
Ruban S. P. 778. 785. heraus. — Nikodem Sellij^ Ale-
xandronewskischer Mönch (gest. 1746), sammelte an Vor-
arbeiten zur russischen Geschichte, gab 1736. in Reval
ein Schediasma litterarium de scriptoribus, qiii historiain
polit. eccles. Rossiae scriptis illustrarunt, heraus, rus-
sisch M. 815.; ferner Istoriceskoje zercalo ross. gosuda-
rej; de Rossorum hierarchia u. a. m. — Basil. Nikitic
11*
164
Tatiscew, ^e\\. Rath fgeb. 1680, gest. 1750). sein Hanpt-
werli ist : Istorija rossijskaja, iierausg. v. Müller M. und
S. P. 769 — 84. 4 Bde. 4., mit vielem Fleiss zusainnien-
getragen, und auch jetzt nicht ohne Weith; ferner: Le-
xicon ross. istor. polit. i grazdanskij, reiclit nur bis L
hin, S. P. 793., Atlas des russ. Reichs 745. ; T. schrieb
auch Erläuterungen zu der Pravvda ruska und zum Su-
debnik, nach s. Handschr. herausg. M. 768 - 86. —
Stepli. PetroiHc Kr(iseuiniiil\oi(\ Prof der Botanik in S.
Petersburg, gebürtig aus Moskau (geb. 1713, gest. 1755),
schrieb correct und rein: Opisanije zemli Kamcatki, 8.
P. 755. 2 Bde.; Slowo o poljzje nauk i chudozestw 750.;
übersetzte den 0. Cin-tius u. m. a. — Basti. Kyrilloimc
Tredlaltowskij, Hofralh und Prof. A^v Elocpienz, gebo-
ren in Astrachan (1703, gest. 1769), beleuchtete der
erste die Natur der russischen Verskinist und zeigte die
Cnzulänglichkeit des syllabischen Reimens; aber er er-
mangelte der höheren Diclitertalente, um seine bessern
Grundsätze durch gehnigene Originalvverke durchzuse-
tzen; sein Styl ist geregelt, aber dabei unrein, schwer-
fällig, langweilig, die Poesien ohne Geschmack; Sposob
ross. stichoshjzenija, 8. P. 735. ; Razgowor ob ortografii
starinnoj i nowoj, 8. P. 748.; Deidamija, eine Tragö-
die, und Telemachida, nach Fenelon m Versen mit quan-
titirender Sylbenmessinig, 8. P. 750.; Razsuzdenije o
ross. ötichoslozenii, 8. P. 755. ; Oden, Idyllen und Fa-
beln in verschiedenen Schriften zerstreut; er übersetzte
Rollins A. Geschichte 8. P. 749 — 62. 761 ~ 67 26 Bde.,
Barclays Argenis. [B^oileaus lArt poetique u. m. a. 'j
§. 81.
Zweite Abtheilung. Elisabeths und Katharina's !!. Regi-
rungszeit ; oder von Lomonosow bis auf Karamzin.
1741 — 1796.
Glänzende Siege im Auslände vt\u\ friedliclie Milde im
Innern charakterisiren die Regirung der Tochter Peters
des Grossen, Elisabetha Petrowna. Sie liebte die Wis-
*j iV. Grec opyt, istoi'ii rnskoj slowpsno-Jti S. h9. H'.
165
seiKsfiiafUMi imd Kiinsü'. inul criKMitefe sie inclil mir fiir
den tücluiijf.steii Hebel der Ke«;iriint;skiins(, sondern auch
für eine besondere Zierde ihres mit Praclit und Glanz
umgebenen llofe.s. Desshalb vermehrte sie 1747 die Ein-
künfte der Akademie der Wissenschaften, stiftete 1752
das Seecadettencorps, 1755 die IVIoskaiier Universität mit
zwei Gymnasien, «nid lej^te den TTrnnd zu der S. Peters-
burger Akademie der Künste 1758. Der grosse Mäcen
tguvvalovv reichte der Monarchin bei der Ausführung so
edler Werke die thätigste, liilfreicliste Hand. — Katha-
rina II. fasste Peters des Gr. kühnen Plan in seinem gan-
zen Umfange auf. Sie gab der russischen Politik eine
Selbständigkeit und Consequenz, und erweiterte die Grän-
zen des Reichs. Sie beglückte das Land durch Begün-
stigung des Mittelstandes, durch Beförderung des Han-
dels, der Künste und Wissenschaften, durch Vermeh-
rung der Erziehungs- und Unterrichtsanstalten. Achtung
für das Schöne und Nützliche und reger Eifer für die
grossen Zwecke des Nationalwols winden in dem die
grosse Frau umgebenden Kreise immer allgemeiner; die
Namen der Orlow, Rumjancow, Potemkin,^ Dolgorukij-
Krimskij, Soltykow, Suworow, Repnin, Cicagow, Pa-
nin, ßezborodko werden neben dem Ihrigen noch von
der spätesten Nachwelt mit Ehrfurcht genannt. Sie liebte
die Wissenschaften an sich und als Mittel der Veredlung
der Sitten liTid hiemit der Wolfahrt des Volks. Ein ehr-
würdiges Bestreben von Ausländern zu lernen, und mit
angestrengter Thätigkeit ihnen nachzueifern beseelte durch
sie den edlern Theil der Nation. Von den durch sie ent-
weder neugestifteten, oder besser eingerichteten Erzie-
hungs- und Lehranstalten nennen wir das Artillerie- und
Ingenieur-Cadetten-Corps 1762 , das Erziehungshaus in
Moskau 1764 und S. Petersburg 1770, die Gesellschaft
für Erziehung adeliger und bürgerlicher Mädchen 1764,
die Akademie der Künste, erweitert 1<64, das Berg-
werks-Institut 1772, das Gymnasium für ausländische
Glaubensverwandte, die S. Petersburger Akademie der
Wissenschaften , deren Glieder Pallas , Falk , Georgi,
Güldenstädt , Ryckow , Rumowskij, Gmelin, Lepechin,
Kraft , Inochodcew . Ozereckovvskij, Hermann auf Be-
166
fehl der iVIonarcliiii wisseiisciiartlichc Reisen in verscliie-
dene Gegenden des Reichs unternehmen, und die darüber
gefidirten Tagebücher lieransgeben inussten, die iAloskauer
Universität mit der daselbst gestifteten freien rnssiscljen
Gesellschaft, die kais. russische Akademie zur Vervoll-
kommnung der Sprache und Geschichte, gestiftet 178.3,
die Gesellschaft für Oekonomie 1765, die chirurgische
Lehranstalt u. m. a. Im J. 1783 wurde die Errichtung
der Ruchdruckereien freigegeben, eine Commission für
Normal- oder Volksschulen ernannt, und bald darauf ein
Seminarium für Volksschulielirer sammt mehreren Nor-
malschulen eröffnet. Allmälig wurden nun die Volks-
schulen durcii das ganze Land ins Werk gesetzt, und
fingen an auf die Verbreitung der Civilisation selbst unter
dem Volk wolthätig, kräftig einzuwirken. — Während
der Regirung Pauls I. (1796 — 1801) kamen ebenfalls
mehrere Rildungs- und Lehranstalten zu Stande, darun-
ter die Universität zu Dorpat. - Den Anfang dieses
Zeitabschnitts bezeichnet die Gestaltung der russischen
Sprache und Schreibart durch Lomonosow. Er wagte
zu allererst zwischen dem Altslawischen und Russisclien
eine genaue Gränze zu ziehen, und letzteres auf feste
Grundsätze zurückzuführen. Er schrieb der erste eine
reine, echte russische Prosa, gab der~Lyrä ein eigen-
thümliches Versmaass, und entwarf die Regeln der rus-
sischen Grammatik. Die Dichtkunst, die Reredsamkeit,
die Geschichte und die Naturwissenschaften haben ihm
gleichviel zn verdanken. Aber verkannt von seinen Zeit-
genossen, ging Lomonosow, schon hier ein strahlendes
Gestirn, nebelumhüllt unter, um nach seinem Tode von
der Nachkommenschaft als ein Stern erster Grösse erkannt
und desto mehr bewundert zu werden. Trediakowskij's
schwerfällige, holprichte Schreibart, und Theophans u.
Gabriels Sj)rachamalgam trübten noch lange die russische
Prosa. Um diese Zeit fing Sumarokow an, dramatische
Versuche in alexandrinischen Versen zu schreiben. Die-
ses Maass und Lomonosows .lamben und Choräen behaup-
teten bis aiif die neuesten Zeiten auf dem russischen Par-
nass die Alleinherrschaft. Lomonosow fühlte die Zauber-
kraft des Hexameters, und würde ihn mit der Zeit ge-
167
wiss j;eljiaiitlit haben, woiin der Tod sein Leben nicht
abgekürzt hätte. - Das Lustspiel, der Dialog, die Er-
zählung, der Brief ermangelten noch immer einer pas-
senden, leichten Sprache; in den damaligen höhern Zir-
keln wurde nicht russisch, sondern bei Lebzeiten Anna's
teutsch, bei jenen Elisabethens und Katharinas hinge-
gen italienisch und — wie noch heute französisch
gesprochen. — Die meisten Schriftsteller aus dem Zeit-
alter Katharina's traten allmälig in die Fussstapfen Lo-
mouosows, und richteten sich nach den von ihm ent-
worfenen Hegeln und gegebenen Mustern. Jelagin schrieb
rein russisch, aber noch immer schwerfällig ; der diplo-
matische Geschäftsstyl wurde durch Teplow, Bezborodko,
Zawadowskij und Chrapowickij vortheilhaft ausgebildet;
die Sprache der Lyra erhielt durch Derzawin neues Le-
ben; Knjaznin veredelte den Dialog des Trauerspiels;
Bogdauüwic und Chemnicer ragen durch Einfachheit und
Leichtigkeit der Schreibart über ihr Zeitalter hervor.
Die russische Akademie lieferte eine Grammatik und ein
Wörterbuch der russischen Sprache. — Mit Elisabeth
fängt die russische Literatur an, sich zu einem selbstän-
digen, geschlossenen Ganzen zu gestalten ; bis dahin sah
mau nur Bruchstücke. Lomonosow, Sumarokow u. Tre-
diakowskij weckten und nährten die Liebe zu den schö-
nen Wissenschaften; Müller fing an, ein russisches Lite-
raturblatt herauszngeben 1755, mehrere folgten seinem
Beispiele. Ein russisches Theater kam auf, zuerst durch
Theodor Wolkow in Jaroslawl 1746, dann durch eben-
denselben in, S. Petersburg (wo schon früher Sumaro-
kows Trauerspiele von Dilettanten gegeben wurden) or-
ganisirt, und durch einen kais. Ukaz 1754 bestätigt. Im
J. 1759 erfolgte die Errichtung des Moskauer russischen
Theaters. Katharina IL belebte die Literatur durch
freigebige Unterstützung der Schriftsteller und eigenes
Beispiel^). Zu den Sängern Elisabeths gesellten sich
Petrow, Cheraskow, Derzawin. Die Zahl der Zeitschrif-
0 Ein unsterbliches Denkmal Katharinens Fürsorge für gelehrtes
Wissen und eigener literarischen Bildung bleibt unter andern das ver-
gleichende Wörterbuch, S. P. 787 — 89 und 790, zu welchem Werke sie
den Entwurf selbst gemacht, und aus vielen Wörterbüchern dazu gesam-
melt hat.
168
ten vermehrte sich. Die ni.ssisclie AkaHcinie zählte die
aiisgezeichrielsten Literatoreii iiiiler ihre» iVlil^üedern.
Die geistliche Beredsamkeit fand an Piaton , Georgi,
Anastasins und Lewanda rüstige Bearheiter. Die russi-
sche Gescliichte gewann an ^Materialien, nnd reifte unter
den Beniiihnngen Müllers, Schlözers, Basilows, Strit-
ters, Scerhatows, Boltins, Nowikows zur Vollendung
heran. Das russische Theater wurde aus einem Hof-
zu einem wahren Nationaltheater. — Nur eine kurze
Zeit trühten die unglückliclien Folgen der französischen
Kevolution den .Schauplatz der literarischen Cultur Russ-
lands.
Die Zahl der Nationalschriftsteller wächst in diesem
Zeitabschnitt dergestalt, dass wir uns auf eine gedrängte
Aufzählung einiger der vorzüglichsten beschränken müs-
sen. - Mich. Wasiljewic\Loin()N()son' aus Denisovv,
Staatsrath, Prof der Chemie bei der Akademie der Wis-
senschaften (geb. 1711, gest. 1765), lernte das Lesen
und Schreiben von dem Pfarrer seines Geburtsortes, be-
gab sich, durch (\e\\ gereimten Psaltyr von Polockij für
Poesie begeistert, der Studien wegen nach Moskau und
Kiew, und von da nach S. Petersburg, verweilte zwei
.lahre auf der Universität zu Marburg, erwarb sich durch
sein poetisches Talent den Namen des Vaters der neuern
russischen Dichtkunst, nicht minder berühmt durch seine
prosaischen Scliriften. die sich alle durch Correctheit
inid Wolklang der S{)raclie auszeichnen; noch ist er als
Lyriker uuübertrofi'en, aber au6h die epischen, drama-
tischen und epigrammatischen Poesien haben einen hoiien
Werth; s. Schriften erschienen zuerst einzeln, gesam-
melt von der Akad. d. Wiss. 3 Ausg. S. P. 803. 6 Bde. 4.
— Alex. Petro>HcSuinarokou\ wirklicher Staatsrath u.
Ritter (geb. 1718, gest. 1777), schrieb in Prosa und
Versen : Geschichte, Abhandlimgen vermischten Inhalts,
Reden, Lust- und Trauerspiele, Idyllen, Satyren, Epi-
gramme u. s. w.; hochverdient um das russische Drama,
das ihm seine Veredhnig verdankt ; sämmtliche Werke
herausg. von Nowikovv M. 787. 10 Bde. Gedeon Kri-
noivskij aus Razan, Bisch, von Pskow (geb. 1726, gest.
1763), seine Reden zeichnen sich durch einen christlich-
169
frominen Sinn und hohe inoralischo Win-Hc aus, der
Styl ist ungleich, aher deutlich und nicht enthlösst vom
rednerisclien Schmuck, j»:edr. M. 760. 2 Bde — D<'melr.
Sjp('fnou\ Metrop. von Nowgorod und Mitgl. der h. Sy-
node (geb. 1708, gest. 1767), nicht sovvol durch rhe-
torische Kunst, als vielmehr durch die natürliche Kraft
seines Feuereifers ausgezeichnet; s. Reden erschienen ein-
zeln. — i\VÄ7. Nih'fic Popoirskij, Prof. in Moskau (geb.
inn 1730, gest. 1760), übersetzte Poj)es: Opyt o celo-
wjekje, M. 757. 787. 803., einige Oden aus Iloraz und
dessen Brief an die Pisonen, Lockes Erziehungsknnst,
M. 759. 768. 2 Bde. : schrieb zwei Reden, die ganz be-
sonders die Feinheit seines Geschmacks beurkunden. —
Gcorif Konisski) aus Njezin, Erzb. von Weissrussl. und
Mitgl. der h. Synode (geb. 1717. gest. 1795), beschrieb
die Mohilewer Eparchie S. P. 775., verfasste geistliche
und weltliche Reden u. m. a. — Piaton Lewsin aus Cas-
nikow, Metrop. von Moskau, mehrerer Orden Ritter,
(geb. 1737, gest. 1812), einer der fruchtbarsten Schrift-
steller Russlands im theologischen Fach, sämmtl. Schrif-
ten ÄI. 779 — 807. 20 Bde., enthaltend Reden, Abhand-
lungen, Biographien, Katechismen, Dogmatik u. s. w.,
ausserdem erschien von ihm: Cerkownaja ross. istorija,
M. 805. 2 Bde. - Anast. Bratanowski'j aus Barysewka,
Erzb. von Astrachan, Ritter des h. Anna-Ordens, Mitgl.
der h. Synode und der russ. Akad. (geb. 1761, gest. 1806),
der erste geistliche Redner Russlands, der sich von der
Härte und Rauheit des altern theologischen Styls zu der
Geschmeidigkeit der neuern Schreibart herabzulassen wag-
te; er gab heraus: Reden, M. u. S. P. 796 - 807. 4
Bde. 8., Rhetorik, lat. M. 806. 8., verschiedene theolog.
Abhandl. S. P. u. M. 794 — 805. — Jo/i. Wasiljewic
Leivanda aus Kiew, Erzpriester in Kiew, Ritter des h.
Anna-Ordens (geb. 1736, gest. 1814), ein Redner voll
tiefen Gefühls, unerschöpllich an neuen, kräftigen Ge-
danken, seine Schreibart ist nicht ganz rein, aber er
bemächtigt sich des Gemüths und Herzens durch die Ue-
bermacht seines Geistes; sämmtl. Reden S. P. 821. 3 Bde.
— Mich. Matwjejewic Cheraskoiv, wirkl. geh. Rath und
Ritter, Mitgl. mehrerer gel. Gesellsch. (geb. 1733, gest.
170
1807), eiiKT der fniclitbarsteii Scliriftsteller seiner Zeit,
verfasste vermisclite prosaische Aufsätze, Oden, Erzäh-
hint;en, Lustspiele, Trauerspiele, didaktische Gedichte
und zwei Epopöien: Hossijada in XII Gesängen, M. 783.,
und Wladimir in XVIÜ Gesängen, M. 780. 3te A. 809.,
die zwar im ganzen den Ansprüchen der Kritik an ein
vollkommenes Epos nicht entsprechen, dessen ungeachtet
aber im Einzelnen nicht ohne poetischen Werth sind. —
WnsÜi) Petroivic Pefrotu aus Moskau, Staatsr. u. Mitgl.
der russ. Akad. (geb. 1736, gest. 1799), schrieb Oden,
in welchen die Fülle und Kraft der Gedanken den öftern
Mangel eines geglätteten Ausdrucks ersetzen, und poeti-
sche Episteln, zusainm. 8. P. 811. 3 Bde.; ausserdem
übersetzte er Virgils Aeneis 8. P. 781 86. 2 Bde. —
Iwan Semenowic Biirkow (gest. 1768), schrieb eine Bio-
graphie des Fürsten Kantemir und Anm. zu dessen Saty-
ren, verfasste eine kurze Gesch. von Russl. Msc, über-
setzte Horazens Satyren in Versen S. P. 763., Phädrus
Fabeln eh. 764., Ilolbergs Universalgesch. 8. P. 766, 796
u. m. a. — Uippoiil Theodorowic B()(/danoivic aus Pere-
wolocna , Collegienrath, Mitgld. der russ. Akad. (geb.
1743. gest. 1803), unter seinen zahlreichen prosaischen
inid poetischen 8chriften steht das romantische Lieblings-
gedicht der Nation: Dusenka (Psyche), obenan, gedr.
778. sämmtl. Werke M. 809 -- 10. 6 Bde., 2 A. 818.4
Bde. Itran Iwanuivic Chemnicei\ Collegienr., Mitgl.
der russ. Akad. (geb. 1744, gest. 1784), ein trelflicher,
origineller Fabeldichter: Basni i 8kazki. 778. 3 A. S. P.
799. 3 Bde. 4 A. 8. P. 819. 3 Bde. — Denis Iivanoivic
von Whin aus Moskau, Staatsr., Mitgl. der russ. Akad.
(geb.~T745, ges(. 1792), der erste Prosaiker seiner Zeit,
um die Vervollkommnung des russischen Lustspiels be-
sonders verdient, schrieb Episteln, Erzählungen, Reden,
Briefe, Satyren und Lustspiele, übersetzte aus dem Eng-
lischen und Französischen mehrere Dramen und Erzäh-
lungen, die von 1762 bis 1803 einzeln erschienen sind;
sein berühmtestes Werk ist: Nedorosl, ein Lustspiel,
783. — Gabriel RanianinricDevzan'in aus Kazan, wirkl.
geh. llath und lütter meinerer Orden, Mitgl. beinahe al-
ler gel. Gesellsch. Kusslands, im .1. 1802. Justizminister
171
is;ch. 1743, i:;es(. IS16), der j^^cfcicMk'slo Dicliter Riiss-
liinds linier Katharina II., schrieb lyrisclie, didaktisclie
lind dramatische Gediclite, die insgesainint zu den nn-
sterbliclien Denkmälern der russischen scliönen IJtcratiir
aus Katharinas Zeit gehören, sämmtl. Schriften: S. P.
810 — 15. 5 Bde., N. A. 824. - Was. Wasiljewic Kap-
ni.sf, (geb. 1756, gest. 1823), Staatsr., Mitgl. der r. Aka-
demie und mehrerer gel. Gesellsch., lebte ganz den Mu-
sen auf seinem Landgut Obuchovvka in Kleinrussl., ist
als Lyriker nächst Derzawin zu nennen, dein er zwar
an Kühnheit der Gedanken nachsteht, aber an zarter Ge-
müthlichkeit und Reinheit der Sprache gleichkommt; s.
Oden erschienen S. P. 806., zwei Dramen : Abjed, ein
Lustspiel 8. P. 799., Antigoiie, ein Traiiersp. 815. ~
Jerniü hcanowic Kosfrou^, Provincialsecretär (gest. 1 796),
übersetzte Homers Ilias I — VI Hhaps., treu und flies-
send, doch nicht im Versiiiaasse des Originals, sondern
gereimt, S. P. 787., Apulejus gold. Esel, M. 781., Os-
sians Bardengesänge, aus dem Franz., M. 793., S. P. 818.
2 Bde., Voltaires Taktik in Versen, M. 779., vermischte
Gedichte, M. 802. 2 Bde. Jakob Borisowic Kmainin
aus Pskow, Hofr. und Mitgl. der russ. Akad. (geb. 1742
gest. 1791), schrieb 6 Trauerspiele, 4 Lustspiele, 4
Opern und ein Melodram , ausserdem Fabeln , Oden,
Episteln u. a. m. ; er nimmt neben Sumarokow den 2ten
Platz unter den Dramatikern dieses Jahrhunderts ein,
und übertrifft ihn an Reinheit und Adel des Styls, wird
aber auch oft schwülstig und frostig, sämmtl. Schriften
S. P. 802. 5 Bde. — Noch verdienen folgende dramati-
sche Dichter dieser Zeit eine Auszeichnung : Niki Pe-
troivic Nikolew (geb. 1758, gest. 1816), schrieb Trauer-
spiele, worunter das beste: Sorena, 781. — Was. Iwa-
nowic Majkoiv (geb. um 1725, gest. 1778), verfasste 2
Trauer- und eben so viele Lustspiele, zusamm. S. P. 809.
— Alex, Anisimowic\4hlesimoiv (gest. 1784), schrieb Er-
zählungen, Elegien, Sinngedichte und Lustspiele. — Dem.
Wladimorowic Jefimjew (gest. 1804), lieferte mehrere
Lustspiele. — Alex. Iwanowic Klusin (gest. 1804), ver-
fasste zwei Lustspiele, schrieb lyrische Gedichte u. m. a.
— Pet. Alexjejewic Plawilscikow (geb. 1760, gest. 1812)
172
verfa.sste, selbst ein Sclianspieler, ineluere Trauer- niid
Schauspiele. — Jurlj Jlcxandrnwic Neledinsky-Meleckij^
wirkl. Staalsr. u. Senator (geb. 1751), erwarb sich gros-
sen poetischen Ruhm durch gebnigene Lieder und Ro-
manzen voll Zartheit und feurigen Gefühls, die einzeln
in verschiedenen Zeitschriiten erschienen sind. — Seinen
SergjejetricBobrotrXoWe^icn-Asf^essor fgest. 1810), mit
der englischen Literatur innig vertraut, besass eine glü-
hende Einbildungskraft und kraftvolles, tiefes Gefidd,
aber sein nicht immer deutlicher und correcter Styl ver-
fällt oft aus Erhabeniieit in Schwidst; s. Hauptwerk ist
ein Lehrgedicht: Chersonida, S. P. 803.; lyr. Gedichte
unter d. T. Razswjet polunoci, S. P. 804. 4 Bde., Drew-
naja noc wselennoj 807 — 9. 4 Bde. - Fürst livim Mi-
chajfotric Dolqnrnkij, geh. Rath und Ritter, Mitgl. meh-
rerer gel. G. (geb. 17G4, gest. 1823), schrieb philosophische
Oden und Episteln im Nationalgescbmack, die sich durch
gediegene Gedanken, tiefes Gefühl und eine einfache, na-
türliche Darstellung vortheilhaft auszeichnen. — Graf
Dntilr. Iwanowic Chwosfow, geh. Rath, Senator u. Rit-
ter, Mitgl. der russ. Akademie inid mehrerer gel. Ge-
sellsch. (geb. 1757), schrieb in seiner Jugend Lustspiele
in Versen und Prosa, später lyrische und didaktische
Gedichte, die sowol dem Gehalt als der Sprache nach zu
den besten Erzeugnissen in dieser Gattung gehören, über-
setzte mehrere classische Werke aus dem Französischen;
sämmtl. Schriften S. P. 817. 4 Bde. — Gerhard Friedrich
Müller aus Westphalen, vvirkl. Staatsr. und Ritter, russi-
scher Historiograpli, Mitgl. mehrerer gel. GesCilsch. und
Akad. (geb. 1705, gest. 1783), erwarb sich, ein Aus-
länder, unsterbliche Verdienste um die russ. N'ational-
literatur durch die Herausgabe vieler handschriftlicjjen
Geschichtswerke: Sibirskaja istorija, S. P. 750., Sudeb-
nik, M. 768., Tatiscews istor. ross., M. 768 — 74., Chil-
kow's jadro ross. ist., M. 771., Polunyns geogr. Lex. von
Russland, M« 773., Stepennaja kniga, M. 771 — 74. 2
Bde., u. a. m., derselbe gab die erste russ. literarische
Zeitschrift: Jezemjesjacnyja socinenija, S. P. 755. heraus.
— Fürst Mich. Michajlmtnc Scerhalow, geh. Rath, Senator
und Ritter, Mitgl. mehrerer Akad. (geb. 1733, gest.
173
1790), weihte sich von .Iiij^ond auf der Bearbeitung» der
russischen Gescliichte, die in einem sciivverlalligen Styl,
ohne tiefere Forschung inid mit wenig- (leschiiiack ge-
sclirieben, 770 - 92. 15 Bde., die kritische Feder Bol-
tins weckte, und viele, der russischen Gescliichte äus-
serst erspriessliche Frläulerungen veranlasste; ausserdem
gab Sc. mehrere historische Werke mindern ümfangs
heraus. — Thend. Alexaudroivic Einin {^iih. m\\ 1735,
gest. 1770), schrieb ausser mehreren Romanen, eine
Geschichte Husslands, die aus unlautern Ouellen üreflos-
sen, jetzt durch bessere Bearbeitungen verdrängt ist :
Koss. istor., S. P, 7G7 — 69. 3 Bde. — Thnotli. Semeno-
wic Maljißln, Collegienass. u. Mitgl. der russ. Akad. (gest.
1820), verlasste: Zercalo ross. gosudarej, 8. P. 791. 794.,
Opis starinuych sudebnych mjest ross. gosud., 8. P. 803.,
0 drewnosti monety w ross. gosud., S. P. 810. — Mich.
Dimitrijewic Ciilkow , übersecretär des Senats (gest.
1793), gab eine Gesch. des russ. Handels, S. P. 781. 21.
Bde. heraus. — Peter Iwanowic Rtjc/*ow, Staatsr. (gest.
1778), verfasste einen Versuch der Gesch. von Kazan,
S. P. 767. — hran JSiAific Boltin, Generalmajor, iVlitgl.
der russ. Akad. (geb. 1735, gest. 1792), ein ehrwürdiger
Forscher und Wahrheitsfreund, dem die älteste Geschichte
Russlands einen grossen Theil ihrer Aufhellung verdankt,
schrieb eine wichtige Kritik auf Leclerc's histoire an-
cienne et inoderne de la Hussie 787., S. P. 788« 2 Bde. 4.
unterwarf Scerbatows russ. Gesch. seiner Prüfung, S. P.
789 und 793 — 94. 2 Bde. 4., nahm an der Herausgabe
der Prawda ruskaja Theil, S. P. 792.; mehreres hinter-
liess er handschriftlich. — Iwan Iwaiiowic GoUkow, Hofr.
(geb. 1735, gest. 1801), verfasste die Lebensgeschichte
Peters des Gr. unter d. T. Djejanija Petra W., M. 788 —
90. 12 Bde., dazu gehört: Dopolnenija k djejanijam P.
W., iM. 790 - 98. 18 Bde., und Anekdoty P. W. i\l. 798.,
die weitschweifig und in einem panegyrisch-declamato-
rischen Ton geschrieben, nur als eine vollständige Samml.
von Materialien zur eigentlichen Gesch. Peters des Gr.
zu betrachten sind. — Iwan Perfiljewic Jelagin, wirkl.
geh. Rath, Senator und Ritter (geb. 1728, gest. 1796),
machte sich durch gelungene Uebersetzungen ausländi-
174
scher, vorzüglich (eutsclier und französisclier Werke um
die russische Literatur verdient. — Jaknb hvanoin'c
Biil(f(iU()u\ wirklicher geh. Kath, üitter , Ehreiimitgl.
der Akad. der Wiss. (gest. 1809), nhersetzle aus dem
Französischen des Ahbe de la Porte : Wsernirnyj pute-
sestwennik, S. P. 778. 4 A. 813. 27 Bde., Ariosto\s
VVljuhlennyj Roland, S. P. 797., 3 A. 800. 3 Bde., Bar-
dons Obrazovvanije drevvnich narodow, S. P. 795. 4 Bde.
— Mich. Iiranotric Werptr/int, Staatsr. (gest. 1795), und
Serfiij Sau'f'c Uolckoir, Collegienrath und Secretär der
Akad. der. Wiss. (gest. 1773), bereicherten die vater-
ländische Literatur mit gelungenen llebersetzungen zahl-
reicher Werke des Auslandes. — '^^^'f/ij Plcscejeir, wirkl.
geh. Kath u. Ritter (geb. 1752, gest". 'l802), "schrieb die
erste genaue und gründliche Statistik Russlands, S. P.
790. — Niki. Iwation-icNoin'how (geb. 1744, gest. 1818),
ein kenntnissreicher, unermüdet thätiger Patriot, belebte
den russischen Buchhandel, beförderte die Herausgabe
vieler wichtigen Werke, war selbst ein geschickter Schrift-
steller: Opyt istoric. slowarja o ross. pisateljach, S. P.
772., Drewnaja ross. biblioth., S. P. 773 — 75. 10 Bde.
fortges. eb. 786 — 93. 9 Bde.; verschiedene Journale
von 1769 — 82. — Was. Grigorjewic Rnhan, ('olle-
gienr. und Ritter (geb. 1739, gest. 1795), redigirte meh-
rere Journale, gab eine Sammlung von Inschriften 771.,
eine Beschreib, von Kleinrussl. S. P. 773. 777., von Mos-
kau 782. u. m. a. heraus. ^)
§. 10.
Dritte Abtheilung. Das Zeitalter Alexanders, oder von
Karamzin bis auf unsere Zeiten.
Die Regirungszeit Alexanders, durch glänzende Besie-
gung des Feindes der Ruhe von Europa im Auslände ver-
herrlicht, macht im Innern des Landes eine neue Epo-
che der Nationalcultur. Ks. Alexander I. sah gleich im
Anfange seiner Regirung die Aufklärung der Nation für
den wichtigsten Theil der Wolfahrl des Reichs an, und
-) N. Grec opyt ist. rusk. liter. S. 129 fi".
175
liberlnig die Sorüje dafiir eiiiein eia^cncn Minislerimn 1802
(1816 mit dem Miiiisleriiim des Ciiltns vereinigt), dem
idle Lehr- und Bildiini;.sans(alteii Husslaiids (die tlieolo-
i>ischen, militärisclien «md metalhirgisclieii , ferner die
unter der Special fMrsore;e der Ksn. Maria Tlieodorowna
stellenden ausgenommen), unterüjeordnet wurden. Mit
Begniiidungj der Universitäten (deren es jetzt 7 sjibt :
S. Petersburü^. Moskau, Dorpat, Wilna, Charkow. Abo
und Kazanj, ging ein neues Licht im Osten Europas
auf, dessen Glanz kein Freund der Finsterniss mehr zu
trrd)en vermag. Diess gehört unter allem Grossen mit
zu dem Grössten, was Kussland seinem gesegneten Ale-
xander verdankt. Wie viel die übrigen Lehr- und Bil-
dungsanstalten Russlands, als die Gouvernementsschulen
oder Gymnasien, die Kreisschulen, die Pfarr- oder Kirch-
spielschulen. die vier theologischen Akademien mit 36
Eparchialseminarien und mehreren kleinern Schulanstal-
ten u. s. w. zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse und
moralischer Bildung beitragen, ist an sich klar. Dem
Beispiele des Monarchen folgend, errichteten einzelne
begüterte Patrioten oder Gemeinden verschiedene Lehr-
anstalten in den Gouvernements- und Kreisstädten. Es
bildeten sich mehrere neue gelehrte Vereine, von denen
die meisten mit den Sammlungen ihrer literarischen Ar-
beiten die vaterländische Literatur bereits bereichert ha-
ben. (Vgl. §. 7). Nicht minder vortheilhaft wirkte auf
die Aufklärung der Nation die zweckmässigere Gestal-
ttnig der seit 1797 vernachlässigten russischen Akademie
für Vervollkommnung der Sprache und Geschichte 1801,^)
1) Zu den vorzüglichsten Beschäftigungen dieser Akademie gehört
die Untersuchung der Grundsätze der Etymologie, als Grundlage eines von
derselben beabsichtigten vollständigen etymologischen Wörterbuchs der sla-
wisch-russischen Sprache. Als Probe dieser Arbeiten erschienen seit 1819
vom Hrn. Min. u. Adm. Siskow etymologische Tabellen, die in aufsteigender Li-
nie die Elemente der Sprache bis auf die einfachsten Grundlaute zurück-
führen, und wobei sich öfters erweist, dass aus einer einzigen Wurzel über
L'OOO Wörter abgeleitet werden können. Der Druck des etymologischen Wör-
".t^rbuchs nach diesem Plan hat unter Mitwirkung und Theilnahme aller
Glieder der Akademie bereits begonnen. Dieselbe Akademie hat auch Ue-
borsetzungen mehrerer schätzbaren Werke der altern und neuern Literatur
veranlasst und herausgegeben, z. B. der i-ömischen Geschichte des Livius,
Tasso's befreit. Jerusalem, (Brosses) traite mecanique u. s. w. Das grosse
alphabetisch geordnete Wörterbuch der russ. Sprache ist von ihr neuerdings
1822 in 6 Quartanten besorgt worden ; aber auch die Herausgabe von Wör-
176
das Ceiiscirgesetz 1804, die Eröffnung der kais. Biblio-
thek in S. P. 1811, die Errichtung der Lehrkanzel für
morgenländisciie Sprachen in S. P. 1818; um andere,
innuittelbar hieher nicht gehörende Ansialten und ihr
iülgenreiches Wirken, worunter die russische Bibelge-
sellschaft beachtenswerth ist^), zu übergehen. Was in
dem Geiste des hochherzigen Regenten Russlands einzel-
ne Grosse des Reichs für die Nationalliteratur bis jetzt
gewirkt haben, und nocii fortwirken, diess auszuführen
ist hier der Ort niclit. Wem ist der Name des grossmü-
thigen, allgemein geachteten Beschützers der Wissen-
schaften, des Reichskanzlers Grafen Rumjancow unbe-
kannt? Was er für das Gedeihen der Nationalliteratur
gethan, wird noch die späteste Nachwelt gewiss mit be-
sonderem Danke anerkennen. Wichtig ist, vorzüglich
für den russischen Geschichtforscher, seine Bibliothek
in S. Petersburg, die bereits gegen 40,000 Bde. zählt.
Hiernächst sind des patriotisch gesinnten Grafen Tolstoj
Bemühungen mit Aclitung zu nennen, dessen Bücher-
sammlung in Moskau vorzüglich reich an altern Dru-
cken und Msc. ist. — Gegen das Ende des XVIII. Jahrb.
begann in Moskau, der Mitte dei< Landes, wo das rein-
ste, regel massigste Russisch gesprochen wird, die leichte
didaktische russische Prosa sich zu entwickeln. Karam-
zin ist der Schöpfer dieser neuen, jetzt allgemein herr-
schenden russischen Prosa. Er zog den französisch-eng-
lischen Periodenbau dem griechisch-lateinischen in der
russischen Sprache vor, und befreite dieselbe von den
schwerfälligen Fesseln, in die man sie zeither geschlagen
hat. Nur in der Dichtkunst wollte er ihr die Freiheiten
der alten Sprachen lassen; in der didaktischen Prosa
hingegen drang er auf die den neuern europäischen Spra-
terbüchern anderer verwandten Mundarten beabsiclitigt sie. Noch ist die
Unterstützung, die sie andern Schriftstellern und ihren Arbeifen werden
lässt, zu rühmen. Sie gibt heraus : Izwjestija ross. akad. bis 823 XI Hfte.,
und SoCinenija i perewody, bis 823. 7 Bde.
-) Die russ. Bibelgesellschaft hat im Einverständniss mit den obern
geistlichen Behörden darauf Bedacht genommen, der altslav. Version eine
neuruBs., aus jener gemachte, an die Seite zu stellen. Das N. T. war bereits
1822 vollendet. Später hat der Kaiser den Druck der russ. Bibel, auch ohne
beigefügten altslaw. Text, vornehmlich fiu- Schulen, erlaubt. S. ISter Be-
richt der Bibeiges. 822. — Lpz. Lit. Z. 823. No. 110. Lpz. Rep. d. Lit.
823. No. 14.
177
dien eig,eno logischo Fiin^iiii^ der Woric und Sätze, Al-
lein was er mit Einsieht in das Wesen der Sprache und
mit l insicht »ethan, das ühertriehen seine zahllosen Nach-
ahmer, die nur die scliwache Seite ihres Vorbildes a«if-
gefasst haben. Indem man den griechisch - lateinisciien
Periodenbau verbannen wollte, hielt man otFenbare Gaj-
licismen in der russischen Sprache nicht nur für erlaubt,
sondern sogar lur nothwendig ■^). Schon war das Ue-
bergewicht des Gallicismus in derselben beinahe entschie-
den, und der Nationalstyl drohte von seiner Reinheit zu
einem leichtfertigen , oberllächlichen , dem Slawismus
fremden Sprachhunzen herabzusinken, als noch zu rech-
ter Zeit Hr. Admiral u. Minister Siskow, Präsident der
russischen Akademie, mit seiner gehaltreichen Schrift:
Kasuzdenije o starom i nowom slogje 1803 (womit sein
Pribawlenije 1804 zu verbinden ist), auf den Geist der
Schriftsteller, und liiemit auf den Gang der Sprachbil-
dung und Literatur sowol kräftig als wolthätig einwirkte.
Bald darauf erschien das Werk des Hrn. Stanjewic: Ka-
suzdenije 0 ruskom jazykje 1^808, worin in Bezug auf
die obige Schrift des Hrn. Siskow die Mittel und der
Gang der Sprachbildung überhaupt, und der russischen
ins Besondre mit Scharfsinn und Kritik geprüft und be-
leuchtet werden. Genannte Schriften weckten den For-
schungsgeist der Russen ; die Lust und Liebe zur fernem
Reinhaltung und Gestaltung der Landessprache nimmt
bei den einheimischen Schriftstellern mit jedem Jahre zu.
Der Streit der Petersburger und Moskauer Partei scheint
soweit beigelegt, und die leichte Prosa Karamzins hat
über Sumarokows und Trediakowskijs Slaweno-Russismus
für jetzt den Sieg getragen. — Während Karamzin die
russische Prosa bearbeitete , gewann die Sprache der
Dichtkunst unter der schöpferischen Hand Dniitrijews,
Ozerows, Krylows, Zukowskijs und Batuskows eine ganz
^) Sehr charakteristisch sind die Worte eines Ungenannten in dem
Sorewnowatelj proswjescenija, 823. 1 Hft. S. 101, der bei Gelegenheit der
Revision eines Aufsatzes über die Gesch. der russ. Liter, von A. Bestuzew
in der roljarnaja zwjezda 823, das Urtheil Bestuzews über Karamzin: „Ka-
ramzin blesnul na horizontje prozy, podobuo radugje poslje potopa", durch
folgende ersetzen zu müssen glaubt : „Karamzin , liak blagotwornaja rosa,
o2iwil suchoje polje nasej prozy; no wrazdebnyj wjetr nagnal tuci wjalych
podrazatelej — i oni zatopili eto polje".
178
neue Gestalt. Die russische Metrik fand an Wostokow
einen neuen, genialen Bearbeiter; Wojejkow und Gnje-
dic nahmen sicli der altclassischen Versinaasse mit an-
scheinendem Glück an ^}. Auch der höhere Geschäfts-
*) Der russ. Versbau hielt nicht immer gleichen Schritt mit der russ.
Dichtkunst. Hr. Wostokoiv unterscheidet in der russ. Verskunst vier Gat-
tungen : 1.) die numerösen Nationalgesänge oder die Volkspoesie ; 2.) die
quantitirende Prosodie Smotriskijs ; 3.) die franz. -polnische Reimpoesie;
und 4.) die accentuireude Prosodie Lomonosows und seiner Nachfolger. Die
russ. Volkspoesie hatte eine selbständige Form bis auf Peter den Gr. und
Lomonosow, nach welcher Zeit dieselbe durch den Einfluss von Sumaro-
kows, Popows, Neledinskijs und Dmitrijews Gedichten auf den Volkston
eine bedeutende Veränderung erlitt. Der Versbau in den alten, aus der
Periode vor Peter dem Gr. herrührenden Gesängen ist originell. Ihnen ist
der Reim noch fremd, und der Numerus wird durch den Ton (ictus, uda-
renije) bewirkt. Der russ. Vers zerfällt in den lyrischen (piesennyj), wel-
cher den Liedern, und epischen (skazocnyj), welcher den erzählenden Ge-
dichten eigen ist. In beiden ist der Pyrrhich vorherrschend ; in beiden kom-
men nicht über 2 — 3 durch den Ictus bestimmte Längen vor. Der Unter-
schied beider besteht darin, dass die Ictus des erstem unbeweglich, die des
letztern hingegen beweglich sind. Die.ser entspricht völlig dem griechischen
Hexameter. Ob das Gedicht Igor in Versen oder Prosa geschrieben sey, lässt
Hr. Wostokow dahin gestellt seyn, glaubt aber doch, dass es sich leicht
und mit Nutzen in Verszeilen theilen Hesse. — Mel. Smotriskij, sagt Hr.
Wostokow weiter, versuchte (Gramm. 1619) der erste die griech. Prosodie
auf das Kirchenslawische zu übertragen, sey es, dass dieses damals dafür
empfänglicher gewesen, als jetzt, oder, wie Hr. Wostokow meint, aus Un-
bekanntschaft mit dem Geiste dieser Sprache — was man daraus ersehe,
weil er keine Nachfolger hierin gefunden (!) ("Und doch war Smotriskij
auf dem richtigen Weg, die slawische Prosodie nach dem natürlichen Zeit-
verhalt der Sylben, nicht nach dem ihr fremden Tone, zu begründen. Vgl.
§. 4. Anm. 7. Gesteht doch Hr. Wostokow selbst, dass, trotz seiner Be-
hauptung, die russ. Sprache habe keine gedehnte Sylben, die russ. Bauern
in Archangel, in Sibirien, in der Ukraine, die Vocale vielfach dehnen und
Spondäen haben, ja dass selbst der gebildete Moskauer od. S. Petersburger
Russe im recitirenden Vortrag gewisse Sylben lang, andere kurz ausspreche.
Wenn die russ. Grammatiker und Dichter in der Lehre vom russischen Ton
und Zeitmaass nicht zu helleren Begriffen gelangt sind, als die Hrn. Do-
browsky, Puchmayer und Negedly in der vom böhmischen, so steht es
schlecht um unsere slaw. Verse — und Ohren.) Etwa 150 Jahre nach Smo-
triskij verfiel Trediakowskij auf den Gedanken, russ. Hexameter zu machen.
Ihm folgte Sumarokow, und übersetzte zur Probe Bruchstücke aus der Tele-
machide. Noch schrieben N. N. Murawjew (M. 776), und W. G. Ruban
(Virg. Ekl. Tityr 793) in diesem Jahrh. Hexameter. Galinkowskij übers,
die schon einmal versuchte Ekl. Virgils (813) ; Wojeikow gab Bruchstücke
aus Virgils Georg. (816) heraus, und N. J. Gnjedic wagte sich, auf S. S.
Uwarows Antrieb , an den Homer. Aber alle diese nahmen den Ton als
obersten Grundsatz der Quantität an, und lieferten bisweilen ßfüssige He-
xameter, noch dazu tüchtig mit Trochäen durchspickt. (Kein Wunder,
dass bei solcher unhellenischen Handhabung der Verskunst die zartgebaute
griech. Kalliope in dem rauhen germanischenTonkürass hei gebildeten Na-
tionalen wenig Glück machte. Griechische Formen wollen durchaus nach
den Grundsätzen der griech. Prosodie und Metrik behandelt seyn.) — Die
ersten Reime in Russl. erschienen in Skorina's Hiob Prag 517. und in der
Ostroger Bibel 581. von Geras. Danilowiö. Auf diese folgt Sergej Kubasow,
Vf. eines Chronographen. Durch die Vermischung der Russen in Klein- und
Weissru.'.sland mit den Polen, gelangte die poln. Reimkunst, die selbst der
i^9
und Kaiizleislyl wurde iinlor Alexander j»edrtingter und
gesclnneidit>er. Die Tlieorie der Spraclie gewann durch
die graininatijscli-lexicalischen Arbeilen der russischen
Akademie und der Hrn. Wostokow, Sokolow , Born,
Nikoljskij, Heyiu. Vater, Linde, Taj)pe , Puchmayer.
Mit ästhetischer Kritik beschäftigten sicli die Hrn. Siskow,
Makarow, Martynow, Merzljakow und Ostolopow, mit
der Bibliographie inid Literaturgeschichte die Hrn. Ew^-
genij, Sopikow, Anastasewic, Grec, Certelew. Die Mos-
kauer Universität war von jeher die Pflanzschule der
russischen Dichter und Redner. Im J. 1791 und 1792
gab Karamzin in Verbindung mit Clieraskow, Derza-
win und Dmitrijew daselbst ein literarisches Journal her-
aus, und brach der neuern Prosa die Bahn. Im J. 1802
redigirte er den Wjestnik Ewropy, der nicht wenig zur
Verbreitung nützlicher Kenntnisse und Verfeinerung des
Geschmacks beitrug. Im J. 1803 erschienen die Tragö-
dien Ozerows, 1805 die Gedichte Zukowskijs und Batus-
kows, und zeigten die russische Poesie in einem neuen,
schöneren Liciite. In ihren Werken verklärte sich die
russische Muse, und die erkünstelte Empfindelei vieler
ihrer Vorgänger wich hinfort vor der wahrhaften Begei-
sterung für höhere Ideale und reinere Formen. Das Stu-
diuai der griechischen und römischen Classiker, dieser
unverwelklichen Muster der vollendetsten Schönheit und
Erhabenheit, erwachte unter den gebildeten Nationalen,
und wirkt folgenreich auf die Gestaltung des Xationalge-
elenden französischen nachgeäfft ist, nach Russlaud, und beherrschte 100
Jahre lang den russischen Helikon. Der Metrop. Peter v. Mogila bahnte ihr
den Weg 1,629) und S. Polockij brachte sie in Schwung (wjenec 670, rhyth-
mologion 678.) Männer eines bessern Schicksals werth, wie Theophan,
Kantemir, Buslajew, haben an diesem Kliugklang ihre Federn stumpl ge-
schrieben. — Lomonosow bestimmte die Längen und Kürzen nach dem Ton
(die Gehobene Sylbe gilt lana, die gesenkte kurz, wie bei den Teutschen),
wobei er nicht so auf die Natur der Sprache, als vielmehr auf den teut-
schen und franz. Gebrauch Rücksicht nahm. Sein und Cheraskows und Pe-
trows Beispiel half den Afüssigen Jamben {lurisches Maass) und den 6-
füssigen Alexandrinern {episches Maass) auf die Beine. Später führten
Derzawin, Dmitrijew und Karamzin die Verskunst auf einheimische For-
men, doch mit Beibehaltung des Tongruudsatzes, zurück, und Wostokow
suchte dem freien Numerus der alten Volkslieder in Verbindung mit Vers-
maassen neuerer Art in der höhern Poesie Eingang zu verschaffen. Vgl.
Trediakou'skij o drewnem, srednem i nowom stichoslozenii ross. 775. Eb.
Kratkaja rusk. prosodia M. 798. 8. — A. Wostokoiv opyt o rusk. stichoslo:
zenii, 812. 817. 8. — J. Rizskij nauka stichotworstwa. S. P. 811. 8. —
Fürst N. Certelew opyt obscich prawil stichotworstwa, S. P.820.
12*
180
schiuacks. Nur eine kurze Zeit verduukeiteii die Ivriegs-
wolkeii 1812 - 13 den heitern Himmel Russlands, um
einen desto fröhüchern Tag lierbeiznfüliren. Die meisten
Schriftsteller Russlands ergriffen das Schvverdt zur Ver-
theidigung des Vaterlandes, und kehrten lorbeerbekränzt
in den Dienst der Musen zurück. — Die geistliche Be-
redsamkeit gedieh zu einer höhern Stufe der Vollen-
dung; Philarets und Ambrosius salbungsvolle Reden zei-
gen sie in iln-em höclisten Glänze ; die russische Geistlich-
keit bereicherte mit zahlreichen Werken die vaterländi-
sche Literatur. — Durch des grossen Schlözer energisches
Einwirken auf das russische Geschichtsstudium erwachte
die historische Kritik in Rnssland; Karamzins neueste
russische Geschichte, ein National werk, dem er beinahe
die Hälfte seines Lebens gewidmet liat, ist die herrlich-
ste Frucht dieser Kritik. Noch glänzen auf der Bahn der
Erforschung der vaterländischen Geschichte in allen Be-
ziehungen die Namen: Ewgenij, .loh. Potocki, Sestren-
cewic, Musin - Puskin, Bantys - Kamenskij, Malinowskij,
Kacenowskij , Timkowskij , Buturlin , Richter, Glinka.
Ewers, Krug, Lehrberg, x\dehn)g , Wichmann, Kop-
pen u. m. a., und als Statistiker: Storch, Hermann, Zjab-
iowskij u. m. a. — Das russische Theater verdankt in
den neuesten Zeiten seine Vervollkommnung dem Für-
sten Sachowskoj.
Aus dem grossen Gebiet') der russischen Litera-
tur in diesem Zeitabschnitt wird es für unsern Zweck
hinreichend seyn, einige vorzüglichere Nationalschrift-
steller nahmhaft zu machen. Niklas Micliajlowic Karxwt-
zin, kais. Historiograph, wirkl. Staalsr. u. Ritter, Mitgl.
mehrerer gel. Gesellsch. (geb. 1765), weihte sich von
Jugend auf dem Dienste der vaterländischen Musen, re-
•') In welchem Verhältniss die Verbreitung der gelehrten Bildung in
Russland steigt, mag das einzige Beispiel der Zahl in russ. Sprache geschrie-
bener Werke zeigen. Im J. 1787 zählte man deren 4000, und mehr als
das Doppelte (8000) sollte lb20 die Nationalliteratur besitzen. Im J. 1822
rechnete nian .350 lebende Schriftsteller, die meisten aus dem Adel, Vs 3,us
der Geistlichkeit. In Ab.sicht der Liti'ratur, d. i. der Menge, dem Umfange
und der Vorzüglichkeit origineller Geisteswerke der letztern Jahrb. steht
Piussl. andern europ. Nationen, namentlich den Teutschen, Franzosen und
Engländern (nicht aber den Ungern, wie Vater in s. russ. Leseb. S. 10.
irrig behauptet), freilich weit nacli. Aber nicht die Schuld der russ Spra-
che ist es, dass ihre Liter, noch hinter diesen zurücksteht, auch nicht die
Schuld des jetzt lel)enden Geschlechts, unt(!r welch(;m sich reger Eifer für
181
digirte in den J. 1792 — 803. die Zeitschriften : Mos-
kowskij zumal, Aglaja , Aonidy, Pantheon inostrannoj
slowesnosti und Wiestnik Evvropy, gab 1804 s. sämnitl.
kl. Schriften heraus, 3 A. 820. 0 Bde., enthaltend Ge-
dichte, Briefe, Erzählungen, Heden. Biographien und
historische Bruchstücke; er übersetzte die Erzählungen
Marmontels M. 794. 815., der Frau Genlls M. 816, ver-
schiedener Vir. iM. 816.; s. Hauptwerk ist: Istorija go-
sudarstwa Rossijskago, S. P. 816 — 18. 8 Bde., 2 Ä. 819-
23. 11 Bde., reicht bis 1606 hin, und wird fortgesetzt,
teutsch Higa 823. 6 Bde; die Schriften Ä. machen nach
Stoff und Form Epoche in der russischen Literatur, s.
Prosa ist rein, fliessend, lebendig, mit einem Wort mu-
sterhaft; s. Poesien sind tief geschöpfte Gedanken eines
Weisen in das lieblichste Gewand der Phantasie gehüllt;
kein Schriftsteller Russlands hat so vielfach, wie er, auf
seine Zeitgenossen gewirkt. — Iwan Iwanowic Dnntri-
jew, wirklicher geh. Rath und Ritter, Mitgl. mehrerer
gel. Gesellsch. (geb. 1760), schrieb Episteln, Satyren
Fabeln, Erzählungen, Lieder (nid Epigramme , sämmtl.
Sehr. M. 795. 6 A. 822. 3 Bde.; in s. Gedichten sprechen
sich Verstand und Herz auf eine sinnige, einfach edle
Weise aus, der Versbau ist kunstlos, dabei doch regel-
mässig. — 31tch. Nikilic Aliirawjeiv aus Smolensk, geh.
Rath, Senator, Curatur der Mosk. Univ., Ritter u. Mitgl.
mehrerer gel. Gesellsch. (geb. 1757, gest. 1807), schrieb
als Erzieher der Grossf. von Russland verschiedene Wer-
ke pädagogischen, moralischen, historischen und ästhe-
tischen Inhalts, die alle durch Adel der Gesinnung, Tiefe
des Gefühls, Schärfe der Gedanken und Vollendung der
Sprache das Gepräge des Classischen tragen; sie erschie-
die Wissenschaften über weit von einander entlegene Theile des grossen
Reichs verbreitet hat ; auch nicht die Schuld der Männer, welche schon vor
einem halben Jahrb.. und welche in grösserer Anzahl jetzt Geist, Urtheil
und Witz mit einer vertrauten Kenntniss ihrer Muttersprache verbinden.
Wie Aeste vom Stamme, so gehen die Bestrebungen der Schriftsteller einer
• sich in dieser Hinsicht erhebenden Xation von frühem aus ; erst mit ihrer
Zertheilung in recht viele Zweige wächst ihr Umfang, der Früchte ihrer
Blüthen werden mehrere, und so streut sich immer mehr Saamen aus, für
die kommenden Geschlechter. Mit Recht sagt daher Wachler (Handb. d.
lit. Cult. 2 B. S. 803) : „Russlands politisches Uebergewicht, verbunden
mit dem Emporstreben der Nation zur höhern Civilisation , lässt ahnen,
dass im nächsten Jahrb. eben so viele russ. Sprachmeister, als jetzt fran-
zösische, in Eur. Beschäftigung haben können."
182
neu zuerst einzeln 789 — 810, gesainm. S. P. 820. 3 Bde.
-- Wladitnir üexandrowic Ozerow^ Gen. -Major ii. Rit-
ter, Ehrenmitgl. melirerer «jel. Gesellsch. (geb. 1770,
gest. 1816), schrieb Tranerspiele im alexandrinischen
Versmaass (Smert* Olega , Oedip w Athinacli, Fingal,
Dimitrij Donskoj und Polyxena), nebst einigen lyrischen
Gedichten; übersetzte Colardeau\s Epistel der Heloise an
Abelard; säinintl. Sehr, vom Fürsten P. A. Wiazemskij
S. P. 818. 2 A. 824. 2 Bde.; als Tragiker ragt er durch Ori-
ginalität, Würde und Fülle der Gedanken, durch mei-
sterhafte Situationen hoch über seine Vorgänger u. Zeit-
genossen hinaus, und macht Epoche auf dem russischen
Theater ; s. Versbau ist zuwejlen ungleich, schwerfällig,
hart. - Alex. Seinenowir SisJxOiv, Admiral und Ritter
verschiedener Orden, [Minister des Cultus und der Auf-
klärung, Präsident der russischen Akad. und Mitgl. meh-
rerer gel. Gesellsch. (geb. 1754), nimmt eine der er-
sten Stellen unter den vaterländischen Schriftstellern u.
Forschern ein; in den Jüngern .Jahren übers, er Campe's
Kinderbibl. N. A. S. P. 808. 2 Bde.; Gessners Daphnis;
schrieb kleinere Gedichte u. ein Drama: Newoljnicestwo;
darauf widmete er sich dem Seedienst, übers, und ver-
fasste mehrere Werke aus diesem Fach : Morskoje iskustwo,
von Ch. Romme, S. P. 795. 2 Bde.; Trejazycnyj morskij
slowar, engl, franz. russ., S. P. 795. 2 Bde., Sobranije
morskich zurnalow, S. P. 800. 2 Bde., Istor. spisok ko-
rabljom u. m. a. ; zuletzt verlegte er sich auf Philologie
und ästhetische Kritik: Rasuzdenije o starom i novom
slogje ross. jazyka, S. P. 802. 2 A. 813. 3 A. 818., Pri-
bawlenije k socin. o starom i novvom slogje r. j. S. P.
804. ; Perewod dw uch statej iz Laharpa, S. P. 808., Raz-
gowory 0 slowesnosti, S. P. 811., Pribawlenija k raz-
gow. 0 slowes., S. P. 811., noch übers, er Tasso's be-
freites Jerusalem in Prosa aus dem Ital. S. P. 818. 2 Bde.,
und Hess mehrere philol. Abhandl. in den Nachrichten
der russ. Akad. drucken. — Ainbrosij Podohjedow, Me-
trop. von Xowgoiod, Mitgl. der h. Synode und Ritter
mehrerer Orden (geb. 1742, gest. 1818), ist Yf. von
Rukowodstwo k cteniju Sw. Pisanija, M. 779. 2 A. S.
P. 803., Sobranije pouciteljnych slow, 2 A. M. 816. 3
183
Bde., Sobranije rjecej, M. 810. 818. — Mick. Desnickij,
Metrop. von Nowgorod, S. Petersburg, Estland ii. Finn-
land, mehrerer Orden Kitter, Mitgl. der h. Synode (geb.
1752, gest. 1821), s. Reden erschienen unter d. T. ßes-
jedy w raznych miestach i vv raznyja wremena goworen-
nyja, S. P. 816 — 20. 10 Bde. — PhüareJ Drozdoiv aus
Rolomna , Erzb. von Moskau und Koloiima , mehrerer
Orden Kitter, Mitgl. der h. Synode, der russ. Akad. und
mehrerer gel. Gesellsch. (geb. 1782), schrieb: Razgowory
0 prawoslawii Greko - ross. Cerkwi, S. P. 815., Na-
certanije cerkowno - biblejskoj istorii, S. P. 816. 819.,
Zapiski na knigu Bytija , S. P. 816. 819., Pouciteljnyja
slowa, S. P. 820. u. m. a. - Anibrosij Proiasotv, Erzb.
von Kazan und Simbirsk, Ritter (geb. 1769), Hess mehre-
re gediegene Reden in verschiedenen periodischen Schrif-
ten drucken. — Ewgenij Bolchotvih'noiv, Metropol. von
Kiew, mehrerer Orden Ritter, Mitgl. der russ. Akad.
und mehrerer gel. Gesellsch. (geb. 1767), einer der ge-
achtetsten vaterländischen Forscher, gab ausser mehre-
ren, in verschiedenen Zeitschriften zerstreuten Abhandl.
historischen und kritischen Inhalts, ausser den Schriften
des Tychon Zadonskij S. P. 799., des Bisch. Innocentius,
Woronez 799., des Metrop. Ambrosius M. 810., und aus-
ser einigen theol. und histor. Werken mindern Umfangs
folgendes wichtige Werk heraus: Slowar istoriceskij o
bywsich w Rossii pisateljach duchownago cina Greko-ros-
sijskija Cerkwi, S. P. 818. 2 Bde. 8. — Stanislaw Se-
strencewic Bogtis, Metrop. der röm.-kath. Kirche in Russl.,
mehrerer Orden Ritter, Mitgl. der russ. Akad. und meh-
rerer gel. Gesellsch. (geb. 1731) ist Vf. von Istorija o
Tawrii, S. P., 806. 2 Bde., Izsljedowanije o proischoz-
denü rusk. naroda, S. P. 816. — hvan Andrejewic Kry-
low aus Moskau, kais. Bibliothekar, Hofr. und Ritter,
Mitgl. der russ. Akad. u. s. w. (geb. 1768), der originellste
Fabeldichter Kusslands, schrieb auch Lustspiele u. Opern,
nahm Theil an der Herausgabe mehrerer Journale u. s. w.
Basni, N. A. S. P. 819. 6 Bde. — Wasilij Andrejewic
Zukoivskij , Hofrath und Kitter, Mitgl. d. russ. Akad.
U.S.W, (geb. 1783), nach dem Urtheil seiner Zeitgenos-
sen bis jetzt der grösste Dichter auf russischem Boden,
184
schrieb seit 1802 Poesien verschiedenen Inhalts, Oden,
Lieder, Episteln, Romanzen nnd Balladen, vermischte
Gedichte, mehrere ästhetisch-kritische Abhandl., über-
setzte Schillers Johanna d' Are, einige Gedichte Byrons
(822), Brnchstiicke aus dem Roman Lalla Rookh von Th.
Moore u. m. a.; sämmtl. Seh. S. P. 816. 2 A. 819. 4 Bde.,
3 A. 824. 3 Bde. 8.; er redigirte 1808 den Wiestnik
Ewropy allein, und 1809—10 mit Kacenowski. Kon-
stantin Nikolajeivic Batuskow aus Wologda, Hofr. und
Ritter (geb. 1787), ein classisch gebildeter, genialer
Geist, dem Vorhergehenden in vielfacher Hinsicht gleich-
kommend, schrieb in Prosa Reden, Abhandl., Charakte-
ristiken und Briefe, in Versen Elegien, Episteln, Erzäh-
lungen, lyrische Gedichte, Epigramme u. s. w., die zuerst
einzeln, dann gesammelt von N. .1. Gnjedic S. P. 817.
2 Bde. erschienen sind. — Fürst Peter Andrej ewic Wja-
zemskij aus Moskau, Collegienr. und Ritter, Ehrenmitgl.
der Mosk. Univ. u. s. w. (geb. 1792), ein geistvoller Dich-
ter und Prosaist, dessen Erzeugnisse in verschiedenen
russ. Zeitscln'iften zerstreut sind. — Fin*st Alex. Alex an-
drowic Sachowskoj aus Bezzaboty, wirkl. Staatsr., Mitgl.
der russ. Akad. u. s. w. (geb. 1777), schrieb, ausser ei-
nigen komischen Erzählungen und Satyren, für das russ.
Theater bis 1825 mehr als 50 Stücke, darunter die mei-
sten Lustspiele in Versen, 4 in Prosa, 4 Trauerspiele
in Versen, 8 Opern und 14 Melodramen nebst 2 roman-
tischen Lustspielen; s. poetisches Talent ist vorzüglich
in den Lustspielen glänzend, in welchen er alle seine
Vorgänger weit hinter sich gelassen hat. — Niki. Iwa-
nowic Gnjedic aus Poltawa, kais. Bibliotheksadjunct,
Hofr. und Ritter, Mitgl. der russ. Akad. u. s. w. (geb.
1784), schrieb: Razsuzdenije o pricinach zamedljajuscich
uspjechy proswjescenija w Rossii, 814., Rozdenije Ho-
mera, ein lyr. Gedicht, S. P. 817., übers. Shakespeares
Lear, S. P. 809., Voltaires Tankred, S. P. 816., Pjesny
prostonarodnyja nynjesnich Grekow S. P. 825., von Ho-
mers Ilias VII -— XI Rhaps. im alexandrinischen Vers-
maass, als Fortsetzung der Uebers. Kostrows 810.; im
J. 1813 unternahm er auf des Präsidenten der Akad. der
Wiss. S. S. Uwarows Aufforderung die Uebers. der Ilias
185
aufs Neue im Yersniaass des Originals (nach dem Ton-
princip der Ouan(ität), wovon einige Bruchstücke in pe-
riod. Schriften bereits erscliienen sind. — Jlej'jcj T/ieo-
dorowic Merzljdkoir aus Dalmatow, Collegienr. u. Ritter,
Prof. der Poes, und Eloquenz in Moskau, u. s. w. (geb.
1778), ein geschmackvoller Keinier des classischen Al-
terthums, als Kritiker hochverdient um die schöne Lite-
ratiH* Kusslands, übersetzte zahlreiche Schriften des Al-
terthums und der neuern Literatur, darunter Aristoteles
Poetik, llorazeiis Brief an die Pisonen, Virgils Eklogen
M. 807., die Idyllen der Ant. Deshoidieres M. 807., aus-
erwählte Stücke a>is Aeschylus, Sophokles und Euripides,
Podrazanija i perewody iz grec. i lat. stichotworcew AI.
825. 2 Bde., Eschenburgs Theorie der schönen Wiss. M.
820. 823., Tassos befreites .lerusalem in Versen u. m. a.;
verfasste mehrere Heden, redigirte die Zeitschrift Am-
phion 815., schrieb Vorträge über die russ. Literatur 4
Bde. u. m. a. — AVA7. ,/. Grec, Hofr., redigirt zwei pe-
riod. Schriften: Syn otecestwa, und Literaturnyja pri-
bawlenija k synu otec., beide in S. Petersburg, gab ein
Lehrbucli der russ. Literatur: Ucebnaja kniga ross. slow.
S. P. 819 - 22. 4 Bde. 8 (der 4te auch »uiter dem T.
@pyt kratkoj istorii rusk. literatury 822), eine russ. Gramm.
1. J\\. S. P. 825. u. a. m. heraus. — Alex. Tlieodoroivic
Wojejkow aus Moskau, Collegienr., Mitgl. der russ. Akad.
u. s. w. (geb. 1773), übersetzte Delilles: Sady, S. P. 81 ö.,
Virgils Eklogen, Georgica und Aeneis im Versmaass des
Originals (einzelne Bruchstücke erschienen in verschie-
denen Zeitschriften) : schrieb ein Lehrgedicht: Iskustwa
i nauki, Satyren und Episteln, wovon letztere muster-
haft sind; gab mit W. Kozlow: Nowosti literatury, S. P.
822. 2 Bde. u. m. a. heraus. — Alex. Jeßinovic hmajlow
aus Moskau, Collegienrath und Ritter, Mitglied mehre-
rer gel. Gesellsch. (g'eb. 1779), ein trefflicher Fabel-
dichter (Basni S.P. 4A.821), — Alex. Serijjejefric Pu.skifi_
aus S. Petersburg, Collegiensecretär (gel). 1790), ver-
fasste mehrere, mit allgemeinem Beifall aufgenommene
romantische Gedichte: Ruslan i Ludmila , S. P. 820.,
Kawkazskij pljeiuiik, 822., ßakcisarajskij Fontan, M. 824.
Ewgenij Onjegin , S. P. 825. - Was. Sergjejetinc
i86
Podsiwalow ans Moskau, Staats r. und Ritter (geb. 1765,
gest. 1813), gab 1794 eine liter. Zeitsebrift heraus,
schrieb seine eigene Biographie, mehrere Abhandl. über
die russ. Gramm, und Poesie u. s. w.; übers. Campe's Psy-
cliologie M. 789., Meissners Bianca Capello M. 793., eb.
Komane und Erziihhnigen M. 803. 8 Bde.; seine Aufsä-
tze zeichnen sich durch Schärfe und Richtigkeit der Ge-
danken, durch Zartheit des Gefühls und eine regelmäs-
sige, kunstlos arunuthige Schreibart aus ; die Uebers.
sind rein und fliessend. — Alex. Christophorowic Wosto-
kow aus Arensburg , Hofrat h und Ritter, Mitgl. der
russ. Akad. u. s. w. (geb. 1781), ein geschmackvoller
Dichter, beschäftigt sich seit 1808 mit philologischen
Studien, hat eine altslawische Grammatik und ein Wör-
terbuch in Msc. fertig, gab heraus: Opyty lyriceskije,
805 — 6. 2 Bde., Opyt o rusk. stichoslozenii, S. P. 817.
8., Stichotworenija 821., mehrere wichtige Abhandl. in
verschiedenen russ. Zeitschriften und einzeln gedruckt. —
Pef. Iwauowic Sokolow aus Moskau, Staatsr. und Ritter,
wirkl. Mitgl. und Secretär der russ. Akad. u. s. w. (geb.
1766), nahm an der Abfassung der Grammatik und des
Wörterbuchs der russ. Akad. Theil, gab heraus: Nacal-
nyja osnowanija ross. gramm. 788. 5 A. 810., Kratk. ross.
gramm. 809. und oft. ; Pcela, eine Zeitschrift ; übers.
Ovids Verwandlungen 808., und beabsichtigt die Heraus-
gabe des russ. Livius und Virgilius. — Iwan Martino-
imc Born, Staatsr. und Ritter, verfasste : Kratk. ruko-
wodstwo k ross. slowesnosti 808., enthaltend die Gram-
matik, Rhetorik, Poetik und Geschichte der russ. Sprache.
- Alexjej Serqjejewic Nikoljshj, wirkl. Staatsr. und
Ritler, Mitgl. der russ. Akad. (geb. 1755), schrieb :
Osnowanija ross. slowesnosti, 3 A. S. P. 816.; übersetz-
te, ausser mehreren Schriften Beausobres, Laharpes und
RoUins, de Brosses traite de la formation mecanique
des langues, u. m. a. - Iivmi Andrejennc Heym aus Braun-
schweig, Professor in Moskau, Staatsr. u. Ritter (geb.
1758, gest. 1821), verfasste, ausser mehreren russ. Sprach-
büchern (vgl. §. 13 Ajhii. 5.): Rukouodstwo k kommer-
ceskoj naukje, M. 804., Nacertanije wseobscago zemleo-
pisanija, M. 817., Nacert. statistiki, M. 821. Ir Bd. -^
m
Ppf. Iwanou'ir Makarow, Major (s^eb. 1765, gest. 1804),
{jab 1804 ein Jonnial : Moskowskij Merknrij, heraus ;
übersetzte mehrere Werke ans dem Kranz. ; sämmtl. Wer-
ke 2 A. M. 817. — Iwan Iwanoiric Marh/nnw aus Pe-
rewolocna. wirk). Staatsr. inid Ritter. Mity;!. der rnss.
Akad. u. s. w. (^eb. 1771), übersetzte Lon^ins nsgl tov
vipovg ans dem Gr. mit Anm. S. P. 802., Anakreons Lie-
der S. P. 802., Chateanbriands Atala S. P. 802., einige
Werke Ronsseans S. P. 801.. Lafontaines S. P. 802.,
Aesops Fabeln, aus dem Gr., S. P. 823., Kallimachos
Hymnen, Lb. 823., Sophokles Oedip Eb. 823., von Ho-
mers Ilias I — VI Rhaps.; gab heraus : Technobotaniceskij
slowar, S. P. 820., Botanika 8. P. 821; redigirte mehrere
.Journale u. s. w. — AVA7. TheodorowicOfttolopov, Staatsr.
und Ritter (geb. 1782), gab unter andern folg. Schrif-
ten heraus: Voltaires Versuch üb. die epische Poesie S.
P. 802., Tassos Phantasien. 2 A. S. P. 819., Sobranije
stichotworenij, S. P. 816., Slowar drewnej i nowoj poe-
zii, S. P. 821. 3 Bde., redigirte ein periodisches Blatt u.
s. w. — Was. Sfephanowic Sopihoir, Buchhändler, zu-
letzt kais. Bibliotheksadjunct (gest. 1818), verfasste:
Opyt rusk. bibliografii, S.' P. 813 - 21. 5 Bde. Den 5-
ten Bd. redigirte Was. Gn'gorjewic Anastasewic aus
Kiew (geb. 1775), auch als Uebersetzer von Racines
Phädra, Herausgeber eines Journals, und Vf des ersten
systematischen Katalogs russ. Bücher S. P. 820. bekannt.
— Graf Alexjej Iwannwic Musin-Pu.skin, wirkl. geh.
Rath und Ritter (geb. 1744, gest. 1817), ein eifriger
Forscher und Sammler vaterländischer Alterthümer,
dessen literarische Schätze 1812 beinahe alle ein Raub
der Flammen wurden, entdeckte den Heldengesang Igor,
schrieb über die Lage der Stadt Tmutarakan S. P. 794.,
gab die Prawda rusk. S. P. 792. M. 799. u. a. m. heraus.
— Niki. Nikolajewic Banty.s - Kamenskij aus Njezin,
wirkl. Staatsr. und Ritter (geb. 1738, gest. 1814), be-
arbeitete mehrere Theile der russischen Diplomatik, stand
dem Moskauer Archiv vor, und gab heraus : Lstor. iz-
wjestije o wozniksoj w Poljsje unii, M. 795. — Alexjej
TheodorowicMaliiKnrskij aus Moskau, geh. Rath, Sena-
tor u. Ritter. Vorsteher des Moskauer Archivs (geb. 1763),
188
verfasstc, ausser mehreren in die russische Geschichte
und Diplomatik einschla§;enden Werken , die Biogra-
phie des Fürsten Pozarskij M. 817., unter seiner Mitwir-
kung gaben Const. Theodoroivic Kalajdowic und Paul
Michajloiric Sfrojew das Sobranije ross. gosudarstwen-
nycii grammat, M. 813. fF. fol. heraus; dieselben Vff. ga-
ben 1819 in M. des Grossf. Joan Wasiljewic Gesetzbuch
und Sudebnik, und neuerdings Opis. slaw.-ross. rukopi-
sej w bibl. Gr. Tolstowa, i\l. u. S. P. 1825 heraus; er-
sterer besorgte ausserdem die Herausgabe der Gedichte
des Kirsa Danilovv M. 818., der Schriften Johanns, Ex-
archen von Bulgarien, M. 1824., und letzterer sclirieb
eine Kratk. ross. istor., M. 819., Sofijskij wremennik.
M. 820. u. m. a. - Pef. Koppen, Hofr. und Ritter u. s.
w., gab heraus: Materiali dlja istor. proswjescenija w
Rossii, 819., Spisok riiskim pamjatnikam M. 820., Biblio-
graficeskije listy S. P. 1825.4. u. a. m. Mich. Trophi-
fiiowic K(fce?iowshj aus Charkow, Prof. in Moskau, Mitgl.
der russ. Akad. u. s. vv. (geb. 1775), ist der Herausgeber
von Wjestnik Ewropy, \f. von Anekdoten und Erzäh-
lungen; auch übersetzte er mehreres aus dem Franz. —
Diwifnj Pelrowic Buturlin aus 8. Petersburg, kais. Flü-
geladjutant, Generalmajor, mehr. Ord. Ritter (geb. 1790),
beschäftigt sich mit der Geschichte der Kriegs- und Feld-
züge aller Zeiten und Nationen, deren einzelne Theile
in franz. und russ. Sprache 1810 - 21 erschienen sind.
- Sergij isikolajcwic Glhika aus Smolensk, Major und
Ritter (geb. 1774), ist Vf. mehrerer gehnigenen Dra-
men, Erzählungen, Biographien, einer russ. Gesch. für
die Jugend M. 817 - 18., eines Leseb. f d. Jug. M. 821.
12 Bde., eines Teatr swjeta, i\l. 823. 8 Bde.; er über-
setzte Youngs Nachtgedanken in Versen 180ö u. m. a. —
Dinar, hranowic Jazykoir, Collegienr. u. Ritter (geb.
1773), hat sich durch Lebersetzungen von Schlözers
Nestor und Lehrbergs Untersuchungen verdient gemacht.
— Karl Tlieodorowic Hermann aus Danzig, Mitgl. der
Akad. der Wiss., Prof in S. Petersburg (geb. 1767),
schrieb in russ. Sprache: Statist, zuriial ross. Imp., S. P.
807. 4 Tille., Statist, opisanije Jaroslawskoj gubernii.
S. P. 808., geogr. i statist. opis. Kawkaza, S. P. 209..
189
Statist, izsljedowanija, S. P. 819. ii. m. a. — Etodnkwt
Phüippnwic Zjdliloivsliij, Slaalsr. ii. Riüer (gel). 1763),
gab molirere, in die alloeineiiiL' \\\\\\ besondere (jeogra-
phie lind Statistik einscblagende wichtige Werke S. P.
804 — 20 heraus.
Eine umständliche Aufzählung aller Dichter u. Pro-
saisten dieses Zeitraumes gehört nicht in diese Ueber-
sicht; ich begnüge mich noch einige Xamen der russi-
schen Schriftsteller aus dem Zeitalter Alexanders anzu-
führen. Hieher gehören als Lyriker: Iwan Petrowic
Pnin, Collegiein*. (geb. 1773, gest. 1805), Pankratij
Siimarokoic, Zacharij Alexjejeiric Burinsktj, Unterbi-
bliothekar in Moskau (gest. 1808), Mich Wasiljewic
Milonow , Titularrath, Mitgl. mehrerer gel. Gesellsch.
(geb. 1792, gest. 1821), Denis Wasiljewic Daivydow
aus xMoskau , Generalmajor und Ritter (geb. 1784),
W asiiij Lwowic Puskin aus Moskau, Collegienassessor,
Mitgl. mehrerer gel. Gesellsch. (geb. 1770J, iSikl. Mi-
chajlnwic Satrow aus Moskau, Collegienrath (geb. 1765),
Fürst Dniitr. Petrowic Gorcakow aus Moskau, Major
(^geb. M^'l), Anna Petrowna Bnnina, Fürst Sergij Ale-
xandroivic Sichmafow, Flotte-Capitain-Lieutenant, Mitgl.
der russ. Akad., Wlad. hvanowic Panajew aus Tetju-
si, Titularrath (geb. 1792); als Dramatiker: Matwjej
Wasiljewic Krjukowskij aus S. Petersburg (geb. 1781,
gest. 1811), Mich. Jewstafjewic Lobanow aus S. Peters-
burg, kais. Bibliotheksadjunct und Ritter (geb. 1787),
Tliedor Thedorowic Kokoskin aus Moskau, Collegienr.,
Kammerherr u. Ritter, Ehrenmitgl. der Mosk. Univ. (geb.
1773), Niki, hvanowic Cliinelnickij aus S. Petersburg,
Staatsr. und Ritter (geb. 1791), Paul Alex androivic^Ka -
tenin aus S. Petersburg, Obrist und Ritter (geb. 1792),
Stepli. Iwanowic Wiskowatow aus Storozewka, Titular-
rath, Mitgl. mehrerer gel. Gesellsch. (geb. 1786), Niki.
Iwanowic Iljin. Staatsr. u. Ritter, Mitgl. mehrerer gel.
Gesellsch. (geb. 1773), Lew Nikolajewic Newachowic,
Titularrath, Tliedor Thedorowic Iwanow, Collegienrath
(geb. 1777); als Prosaiker : Iwan Maturjejewic Mn-
raivjew-Apostol, geh. Rath und Ritter, Mitgl. der russ.
Akad., Spiridon .furjewic Destunis aus Uorfu, (^ollegienr.
190
und Ritter, Generalconsul in Smyrna, (der Uebersetzer
Plntarchs S. P. 814 ~ 20. 13 Bde, geb. 1783), lliedor
Nikolajewic Glinka, Obrisi inid Ritter mehrerer Orden
n. s. w. (geb. 1788), Alex, Alexandrowic Pisarew aus
S. Petersburg, Generalmajor, mehrerer Orden Ritter,
Mitgl. der russ. Akad. u. s. w. (geb. 1782), Was. Mi-
chajlowic Golownin, Capitain-Commandeur und Ritter,
(geb. 1776), Wlad. Boqdanowic Bronewskij, Flotte-
Capitain und Ritter (geb. 1786) , Wlad. Wasiljewic
hinajlow aus Moskau , Premier - Major (geb. 1773),
Fürst Peler hvanowic Salikow u. m. a. ^)
^) Kamenski appendix de notitia librorum Rossicorum systematice
expositorum, in J. F. Burgii dem. orat. Moscuae 776. 8. S. 228 — 271. —
H. L. C. Backmeister' s russ. Bibliothek, Ri^a 772 — 87. 11 Bde. 8- - J.
Richter s russ. Miscellen, Lpz. 803 — 4. 9 Htte. 8. — H. Storch's Uebersicht
der russ. Literatur vom J. 1801 — 805. Ir Bd. russ. Liter. S. P. 810. 8.
(Der 2te enthält die Lit. in andern Sprachen.) — N. J. Nou'ikoiu opyt isto-
riceskago slowarja o ross. pisateljach, S. P. 772. 8. — B. S. Sopikoiv opyt
ross. bibliograüi, S. P. 813 — 21. 5 Bde. 8. — B. G. Anastaseivic rospis
ross. knigara systematiceskim porjadkom , S. P. 820. — (Eivgenij) Biogra-
phien aller russ. Schriftsteller in alphab. Ordnung, in dem: Drug pro-
swjescenija, M. 805 — 6. (Nur bis zum Buchstaben K.) Eb. Slowar istori-
ceskij 0 bywsich w Rossii pisateljach duchownago cina, S. P. 818. 2 Bde. 8. —
N. J. Grec opyt kratkoj istorii ruskoj literatury, S. P. 822. 8. polnisch mit
Zusätzen von -S. B. Linde, Warschau 82.3. 2 Bde. 8. (Ist eigentlich der 4.
Thl. von des Vfs. ucebnaja kniga ross. slowesuosti, S. P. 819 — 22.) — A.
Th. Merzljakow ctenija o slowesnosti. — N. A. Certelew istoriCeskaja karti-
na ross. slowesnosti. - — N. Grammatin razsuzdenije o drewnej rusk. slowes-
nosti, M. 809. — P. Koppen materiali dlja istorii proswjescenija w Rossii,
M. 819. Eb. Spisok ruskira pamjatnikam , M. 821. — J. M. Borns krat-
koje rukowodstwo k ross. slowesnosti 808.; J. Levitskijs kurs ross. slo-
wesnosti, 2 Bde. : J. Tolmacev's prawila slowesnosti S. P. 815 — 22. 4 Bde.
u. m. a. enthalten gleichfalls einen Abriss der russ. Literaturgeschichte. —
Noch gehören hieher die russ. Journale und Denkschriften der gelehrten
Gesellschaften, S. §. 7. No. IL
Dritter Abschnitt.
Geschichte der Sprache und Literatur der Slawo- Serben
griecliischeii Ritus.
%. 20.
Historisch - ethnographische Vorbemerkungen.
Da die Literatur der Slawen niorgenläudischen Ritus
im Süden der Üonau und in ihren Colonien in Ungern,
d. i. der Serben, Bosnier, Montenegriner und Bulgaren,
ferner der Slawonier und Dalmatiner dieses Ritus, da-
durch, dass sie sich sämmtlich der kyrillischen Schrift
bedienen, ein zusauniienhängendes Ganzes ausmacht; so
wollen wir hier die Hauptzüge zu einer historisch-eth-
nographischen Orientirung über diese Stämme in Kürze
zusammenstellen.
In dem alten Illyricum im weitern Sinne des Worts,
d. i. in den Ländern vom adriatischen Meer längs der
Sawe und Donau bis zmii schwarzen Meer, erscheinen
ungefehr um die Mitte des Vllten .Jahrh. slawische Völ-
ker unter den Namen der Bulgaren, Kroaten u. Serben,
und bilden nach und nach sechs verschiedene Königrei-
che — Bulgarien, Serbien, Bosnien od. Rama, Kroa-
tien, Slawonien und Dalmatien von denen heute nur
Trümmer zu sehen sind.
Um zuerst bei dem Namen „Serb*" in dem Sinne
des Wortes zu bleiben, in welchem auch die Bosnier,
Slawonier, Dalmatiner, und , der Sprache nach, auch
ein grosser Theil der heutigen Kroaten darunter verstan-
den werden; so ist schon oben (§. 10 Anm. 9.) ange-
deutet worden, dass geraume Zeit vor der Ankunft die-
192
ses Stammes slawische Yölkcrsclianeii, südlich der Donau
vori^{'dnmt>en, l'hiakieii, iMakedoiiieii und lllyricum he-
selzt iial)4'n. Krsl unter l\. Ileraklius begainieii die Wan-
derungen der lieutigen Buli»aren, Kroaten ujid Serben
über die Donau; allein weder ihre nächste Veranlassinig,
noch die alten Wohnsitze dieser Stämme sind bis jetzt
hiidänglicii aufgehellt worden, ("onstantinus Porphyr, u.
Chalkokondylas sind unter den Byzantiern die ersten, wel-
che der früiiern Sitze der Serben, wenn gleich nicht
ganz übereinstimmend, erwü'nien ^). Constant. Porphy-
rogenitus setzt die Serben (Welo- od. ßelo-Serben, d. i.
Gross- od. Weiss-Serben) hinter, d. i. nördlich den
Ungern (Turcia) , an den Ort, der von ihnen Boiki
BoLxy] genannt wird, und sagt, dass sie an Franken und
Gross-Kroatien gränzen. Adelung ^) deutet diese Stelle
so, dass er die Sitze der Serben vor ihrer Auswande-
rung über, oder jenseit Ungern, zwichen die Karpa-
ten, den Prut und die Weichsel, nach dem nachmali-
gen Klein- od. Kothrussland, oder dem heutigen Ostga-
lizien, die der Kroaten hingegen in die Gegenden um
das karpatische Gebirg selbst verlegt, wobei er auf die
Verwandtschaft der Namen Chrwai, Chrobat u. Karpat
Gewicht legt. Nach Worbs hingegen war der Sitz der
Serben in Böhmen, in den Lausitzen und dem Meissni-
schen; so wie jener der Kroaten nördlich dem Karpa-
tengebirge, besonders in Kleinpolen und Schlesien. Die-
ser Annahme ist die abweichende Sprache der heutigen
Sorben-Wenden in den beiden Lausitzen entgegen (vgl.
§. 3. Anm. L); doch konnte dieser polnisch-cechische
Stamm nach der Entvölkerung jener Provinzen einge-
1) r)as Wort Srb, Serb, Sorah leiten einige von Srp Sichel, an-
dere von Sihlr, Scii'er Nord, andere von Sahir, Sahiren, andere von Sar-
mat ab: Constant. l'orpli. von Serhulja (Seriuulja), einer Art Schuhe od.
Socke; die übrigen Byzautier von Sen'ii.i Knecht; Dobrowsky gesteht, die
Bedeutung der, unstreitig slawischen Wurzel, Srb, bis jetzt nicht gefun-
den zu haben: „Siguiticatuin radicis Srh, consultis etiam dialectis Omni-
bus, nondum licuit eruere." Inst. ling. slav. (1822) p. 1.54. — Bei Pli-
nius (80. p. Chr.) kommt das Wort Serhi zuerst vor. „A Ciramerio ac-
colunt Maeotici, Vali, Serhi, Arechi, Zingi, Psesii." Hist. N. P. I. L. VI.
c. 7. Dobrowsky meint nun, die ältesten bekannten Sitze der Slawen wä-
ren gerade da zu suchen, wo Plinius den Serben ihre Wohnplätze anweist.
Gesch. d. böhm. Lit. (1818) S. 9. Vgl. ob. §. 1. Anm. 7. I)aividon-ic
djcjanija k istorii srbskoga naroda (1821) S. 7 if.
^) Adehmg's Mithridate« Tb. II. S. 633 fi'. Daividowic S. 27 tf.
193
wanderl, imd wiedonim ?iiir, wie oft, geot^rapliiscli mit
dem Slatnmiuimen ihrer rii.ssiscl) - Ixdgarisclieii Brüder,
der Sorben (.Serben), belegt worden .seyn. Als Ursa-
che der Answandernn»- der Serben fülirt man bald die
Ueberschwemmung- der nördlichen Länder durch die
Awaren, bald das Vordringen der östlichen von den
Wlachen inid Bulgaren (nach Nestor) hart bedrängten
Slawen in Polen, Schlesien und den Marken an, wo-
din'ch den dort wohnenden Kroaten und Serben der
Kaum zu enge geworden. Die Serben setzten nun im
Jahre 640 über die Donau und drangen mit Heraklius
Bewilligung bis nach Thessalien und Makedonien vor,
wo sie eine Stadt, Namens Serbica, erbaueten. Etwas
später jedoch zogen sie sich zurück, und nabmen die Län-
der zwischen den Bulgaren und Kroaten, die schon früher
hieher eingewandert waren, inne. Die älteste Geschiebte
der illyrischen Serben ist sebr dunkel. Nacli Raic war
ihre älteste Verfassung demokratisch; aber Const. Por-
phyrogenitus sagt, sie wären in ihren alten Wohnsitzen
knrz vor ihrer Auswanderung von zwei Brüdern be-
herrscht worden. In dem heutigen Serbien waren sie
anfangs von den oströmischen Kaisern von Constantino-
pel abhängig, hatten jedoch ihre eigenen Beherrscher
od. Ziipane, und ob sie den Römern Tribut zahlten, ist
nngewiss. lieber ihre ersten Beherrscher Woislaw, Ra-
doslaw und Prosega schweigt die Geschichte. Unter dem
Zupan Wlastimir (870 — 880) finden wir die Serben
unter griechiscber Botmässigkeit; ein Theil von ihnen
war bereits früber zum Christentbum bekehrt, der an-
dere wurde jetzt durch griechisclie Missionäre getauft.
Unter ihm entspann sich auch der erste Krieg mit den
Bulgaren, aus welchem nach dreijährigen Kämpfen die
Serben siegreich hervortraten. Wladimir (1015) nahm
den Königstitel an. Nachdem die Serben eine Reihe von
.Jahren hindurch, obgleich von eigenen Fürsten regirt,
unter der Oberherrschaft der oströmischen Kaiser gestan-
den hatten, suchten sie sich derselben (1150) unter dem
Kg. Cedomil, der sich mit den Ungern gegen den grie-
chischen Kaiser Manuel Komnenus verband, zu entreis-
sen. Manuel kam desswegen mit einem Heere nach Ser-
13
194
bien, schlug (1151X die Serben, und machte inr Zwei-
kampf den Zupan Cedomil zum Gefangenen. Cedomil
unterwarf sich dem Kaiser aufs neue, und erhielt da-
durch seine Freiheit wieder. Ein gleicher wiederholter
Versuch der Serben, sich unabhängig zu machen, miss-
lang ebenfalls. Der griechische Feldherr, nachmaliger
Kaiser, Isaak Angelus, schlug sie (1192) an der Mo-
rawa. Docli wurde der Friede wieder hergestellt, und
der König Stephan Nemanja I. erhielt den ausgezeichne-
ten Titel Despot (1192). Sein Nachfolger Stephan Ne-
manic I. wurde von den Ungern vertrieben, und der
Bruder desselben, Wuk (Wolkan) Nemanic II. erhielt
Serbien unter dem Titel eines Königs, aber unter ungri-
scher Oberherrschaft (1204 — 1205), trat jedoch in
Kurzem seinem Bruder Stephan die Regirung wiederum
ab. Während dieser und der folgenden Zeit hatte Ser-
bien seine Gestalt nicht wenig verändert. Bereits im XI.
Jahrb. wurde das Land in verschiedene Theile, Herzog-
thümer und Königreiche, getheilt. Einen Theil desselben
nannte man Bosnien, welches durch Statthalter (Baue)
regirt wurde, die sich in der Folge der serbischen Ober-
herrschaft entzogen. Dieser Theil ward auch Rama ge-
nannt, welches nach der ersten Abmarkung nur das süd-
liche Bosnien od. Hercegowina war, aber im Canzleistyl
bald für ganz Bosnien galt. Der südliche Theil Serbiens
erhielt von dem ihn durchströmenden Flusse Raska den
Namen Rascia. Bei der zunehmenden Ohnmacht der
griechischen Kaiser hatten die Serben von diesen wenig
zu besorgen, desto mehr aber von den Ungern, unter
deren Oberherrschaft Bosnien und ein anderer angrän-
zender Theil Serbiens, doch unter eigenen Regenten,
kamen. In der Folge wurde iMilutin Stephan Uros 11.
(Nemanic VII. 1275 - 1321), König von Serbien, im
Anfange des XIV. Jahrb. von dem ungrischen Könige
Karl I. gezwungen, einen Theil Serbiens abzutreten.
Doch andere Kriege, welche die Ungern beschäftigten,
hinderten sie an den serbischen Angelegenheiten grös-
sern Anlheil zu nehmen. Kg. Stephan Dusan SiliiyJ (Ne-
manic IX. 1330 — 135G) unternahm mehrere glückliche
Feldzüge gegen die griechischen Kaiser, und unterwarf
195
sich einige benachbarte Provinzen. Er nahm den Titel
Car (I. Zar, welches Wort, bei den Slawen, gleich wie
bei den Persern, von jeher eiidieimisch, nicht aus Caesar
entstanden, folglich auch nicht durch Kaiser zu über-
setzen ist), an, und tlieilte das Reich in verschiedene
Statthalterschaften , legte aber dadurch den Grund zu
dessen Verfall und nachmaliger Auflösung. Unter einem
seiner Nachfolger, Lazar (1371 — 1389), drang der
türkische Sultan Murad I. auch in Serbien ein, und er-
oberte einen Thcil desselben. Er schlug die Serben (den
15. Juni 1389) auf dem Amselfelde (Rosovvo), und der
in der Schlacht gefangene Lazar wurde in deui Zelte des
Siegers, der selbst unter dem Dolche eines Serben, Mi-
los Obilic, fiel, hingerichtet. Bajazeth, Murads Nach-
folger, theilte hierauf Serbien zwischen Lazars Sohn
Stephan, inid Eidam. Georg Brankowic ; beide mussten
ihm Tribut zahlen, und sich zur Heeresfolge verpflich-
ten. Von dieser Zeit an konnten die Serben sich dem
türkischen Joch nicht wieder entziehen. Spätere Versu-
che dessvvegen wurden immer verderblicher für das Land,
das in den Kriegen zwisclien Ungerns Beherrschern und
der Pforte stets der unglückliche Schauplatz war. Zwei
Jahre nach Brankowic's Tode (1459), wurde Serbien von
den Türken gänzlich unterworfen, und als eroberte Pro-
vinz behandelt. Von den eigentlichen Einwohnern blie-
ben nur die geringsten übrig, die alten, edlen Geschlech-
ter wurden vertilgt, oder wanderten nach Ungern aus,
wo sie eine freundschaftliche Aufnahme fanden. Branko-
wic besass schon ansehnliche Ländereien in Ungern, und
sowol unter ihm, als aucii nach seiner Zeit siedelten
sich viele Serben im mittägigen Ungern an. Unter Kg.
Matthias Corvinus machte der Commandant von Temes-
var Kinis aus der Familie Brankowic (welchen man
Knez Pawo, Pawel?, nannte), im J. 1481 einen Streif-
zug gegen die Türken in Serbien; das Resultat mehrerer
glücklichen Gefechte war, dass man bei 50,000 serbische
Colonisten herüber brachte, aus denen der König meh-
rere Fahnen Soldaten bildete. Unter Leopold I. gingen
im J. 1689 einige Tausend Serben unter der Anführung
des Despoten Georg Brankowic zur kaiserlichen Armee
13*
im
über. Im folgenden Jahr (1690) kam der Patriarcli Ccr~
iiowic mit etwa 36,000 serbischen Familien herüber,
welche sich in Syrmien, in Slawonien, bei Ofen und in
St. Andreae niederliessen. Bald bewirkten Eugens Hel-
denthaten, dass Oesterreich im Frieden zu Passarowic
(1718) den grössten Theil von Serbien erhielt; aber im
J. 1739 kam derselbe wiederum an die Türken. Zu An-
fange dieses .Jahrhunderts (1813) erhielten die Serben,
nach misslungenen Versuchen sich von der türkischen
Botmässigkeit loszumachen (1801 11".), durch Ver-
mittlung der christlichen Monarchen beträchtliche Er-
leichterung, und eine eigene Kegirung unter einheimi-
schen Knezen, deren Oberhaupt jetzt Milos Obrcnowic
ist. 3}
Bosniens älteste Schicksale sind in die Geschichte
von Serbien verflochten. Ungefehr um 1138 wurde der
südwestliche, an Dalmatien gränzende, am Bosnasirom
liegende Theil des bisherigen Serbiens zu einem eigctien
Herzogthum für Ladislaw, Sohn Belas II Königs von
Ungern, und der serbischen Prinzessin Helena, nach
einer wahrscheinlich mit Uros getroffenen Uebereinkunft,
ausersehen, und in den Privilegien bald Ducatus Bosnen-
sis, bald Ducatus Ramae genannt. Im J. 1262 kam Bos-
nien an die Familie Ratislaws, Bans von Machow. Im J.
1280 ward zwar die Kgn. von Ungern Elisabeth zur Her-
zogin von Bosna erklärt; allein ihr Ansehen blieb wir-
kungslos, und Stephan Milutin, Kg. von Serbien, bracli-
te durch seine Vermählung mit einer ungrischen Prin-
zessin Bosnien wieder an sich (1286), welches er durch
") Vgl., ausser andern, §. 25. Anm. 4. angeiührten Scliriften : Sfrif-
teri Serbica II. 111. — 418. — Daniels, Erzb. von Serbion unter Uros niul
Steph. Deöanski (1272 — 133(j) Rodoslow, Msc. in Chilendar auf Athos und
in Karlowic. — Anon. Ljctopis, Msc. in Chilendar. — Carostawnik oder
Troadnik Msc. — Gregors Chronik, Msc. in der Lawra Studenica in Ser-
bien. — Georg Brankov<ic Gesch. v. Serb.. Msc. in Karlowic. — F. Ritter
Steniniatograp'hia, Vind. 7ül. 4. Serbisch v. Zefarowic eb. 742 4. — 1'. Ju-
linac wwdenije w ist. slawcno- scrbskago naroda Von. 765. 8. Gebhnrdi
in d. allg. \teltg. von Guthrie u. Gray 13. XV. Abth. o. — Pejackevich
bist. Serbiae, hcrausg. Katona 790. fol. — ./. liaic kratkaja Serblii, Kas-
sii, Bosny i Ilamy istor., Wien 793. 8. Eh. istor. slawenskich narodow,
najpaöe Bolgar, Choiwatow i Serbow, Wien 794 — 95. 4 Bde. 8. — J. Ck.
V. Evgrls Gesch. v. Serb. u. Bosn. (als 3ter Tb. d. Gesch. von Ungern,
und 49 d. allg. Welthist.) Halle 801. 4. — Atli. Neskowic istor. slaweno-
l>olgarskog naroda Of. Sol. 8. — D. Daicidovic djejanija k istor. srbskoga
uaroda. Wien 821. 12. (im Zabawnik v. 1S21.)
197
Baue verualkMi licss. Einer von diesen, T\var(ko, inaclitc
«ich von Si'rbien los, und Hess sich 1376 zu Milesewo
zum Könij; krüiieii. Nach lanj>vvierigen Unruhen gelang
es dein Ks. Sigisiiiund sich Bosnien ganz zu unterwerfen.
Aber bald beschiiniglen ihn bosnische Aufrührer aufs
neue, deren einer, IJerwoja, die Türken nach Bosnien
rief. Ein türkischer Sandsciiak nurde über Bosnien be-
stell; doch gelang es Sigisinund, die Türken auch diess-
nial aus Bosnien zu verjagen. Im J. 1439 wurde Bosnien
von Murad liait bedrängl; und nach Twarlkos Tod
(1443) enispannen sich Religions- und politische Händel
in Bosnien, die mit der völligen Unterjochung des Reichs
durch die Türken, und der Enthauptung des letzten bos-
nischen Königs Stephan Tomasewic (1463) endigten.
Matthias Corvinus jagte zwar die Türken aus Bosnien
heraus, und verwandelte das Land in ein ungrisches Ba-
nat (14G3) und in ein Königsthum (1473); allein un-
ter Ferdinand I. (1528) ging Bosnien für Ungern ganz
verloren , und die Versuche zur Wiederherstellung von
Bosnien im XYIII. Jahrb. haben alle gescheitert. ^)
Während so Serbien und Bosnien der türkischen
Uebermacht unterlagen, behaupteten die serbischen Be-
wohner des Gebirges Montenegro (Crnagora) in Alba-
nien fortwährend ihre Unabhängigkeit, und konnten so-
wol ihres kriegerischen Muthes, als auch der natürlichen
Beschaffenheit des Landes wegen, nie ganz von den Tür-
ken bezwungen werden. Im J. 1767 trat ein Abentheu-
rer, Steffano Ficcolo, unter ihnen auf, der sich für den
russischen Kaiser Peter 111. ausgab, und einen Aufstand
anstiftete, der mir nach grossem Blutvergiessen gedämpft
werden konnte. Umsonst wollte der grausame und hin-
terlistige Ali Pascha von Janina das Land unterjochen ;
seine Versuciie scheiterten alle an dem unbezwingbaren
Muthe der Montenegriner. Die Regirung besteht aus dem
Wladyka (Bischof), dem Statthalter, den fünf Serdaren
od. Kreishauptleuten der fünf Districte, welche so wie
der Statthalter von den Knezen, diese von den Woje-
*) Vgl. PA. ab Ochievia epitome vetustatum Bosnensis provinciae,
Anc. 776. 4. — Alex. Schimek politische Gesch. d. Köü. Bosnien u. Rama,
Wien 7B7. y. — Gebhardi in tl allg. Weltg. Bd. XV. S. 108. ff. — Enciel
in d. serb. Geschichte.
i98
wodeii, iiiid diese von den Gemeinden gewählt werden.
Der dermalige Wladyka Peter Petrowic machte niclit nur
sein Land von den Türken, sondern aucli sich selbst
von dem Ansehen und Einflüsse des Statthalters unab-
hängig. 5}
Ueber die Herkunft und Abstammung der Bulgaren
sind die Meinungen der Geschichtsforscher get heilt. Die
meisten, wie Schlözer ^J und Engel ^) , halten sie.
nach Angabe der Byzantier, für Asiaten tatarischen,
Thunmann ungrisch-finnischen Stammes, die sich erst
nach und nach durch Vermischung nn't Slawen in der
heutigen Bulgarei (den 7 Generationen am rechten Do-
nauufer in Xiedermösien, Stritter 11. p. 508.) slawisirt
hätten; andere hingegen, wie der Nationalschriftsteller
der serbisch-bulgarischen Geschichte Raic, für einen rei-
nen Slawenstamm. — Schon sehr frühe überschritten
einzelne Slawenstämme die Donau, und schhigen zum
Theil ihre Wohnsitze in Mösien auf. Unter der Regi-
rung des Hei'aklius Hessen sich aber die Sewerier und
sechs andere slawische Stämme zwischen der Donau und
dem Hämus nieder. Die eigentlichen, asiatischen Tata-
ro-Bulgaren hatten ihre ältesten Wohnsitze in den Step-
pen zwischen der Wolga (Bulga, woher ihr Name) und
Kuban. Ihre erste Erscheinung in Europa mag nicht
lange vor dem J. 500 geschehen seyn; bald nachher
fangen ihre Uebergänge über die Donau an, und nun
wurden sie den Byzantiern furchtbar. Um das J. 562
wurden sie von den A waren unterjocht, die ihnen je-
doch eigene Fürsten (Chane) liessen. Um das Joch der
A waren abzuschütteln, nahm einer dieser Chane 619 die
christliche Religion an, und kam mit Byzanz in engere
Verbindung. Unter Kubrat (Kuvrat) erfolgte ein all-
gemeiner Aufstand der Bulgaren gegen die Awaren, und
*) S. Voyage historique et politique au Montenegro, par M. le Co-
lonel L. G. Vialla de Sommieres, Paris 820. 2 Bde. 8. (auch teutsch im
Auszuge.) ") Schlözer' s Nestor Th. I. 114. '') Engels Gesch. des alten
Pannon. u. d. Bulgarei (1797) S. XII. Nach Engel wird die Slawischwer-
dung der bulgarischen Nation, so wie jene der russischen od. warägischen,
begreiflich, wenn man annimmt , dass dieselbe theils in geringer Anzahl
angekommen, theils durch die vielen Kriege mit den Byzantiern bald so
sehr verringert wurde, dass ihre Unterthanen, die Slawen, über sie eine
Art von Uebergewicht erhielten, endlich slawische Fürsten aus Bojaren-
familien über die Bulgarei aufstanden.
199
ein biilgarisclies Hcicli wurde in dem meist von Slawen
bewolinleii Mösien i^esli ftet ((>79). Dasselbe vergrösser-
le sieb mit Zagorien und Sevverien. Nacb Erlöscbnng
des Stammes der Knbratiden folgten Fürsten aus ver-
scbiedenen Stämmen. Krumus erweiterte (813) die Grun-
zen des Rcicbs bis zu der Tbeiss, und siegte über den
griecbiscben Kaiser Nikipborus. Boris od. Bogoris nahm,
wie die Legende erzählt, durch ein Wunder bewogen,
862 die christliche Religion an, die schon fridier beim
Volk Eingang gefunden, aber von den Chanen gewalt-
sam unterdrückt w-orden war. Die Kriege mit Griechen-
land wurden erneuert, und mit Ungestüm fortgesetzt,
bis Johann Tzimetzes das Land besiegt (971), und Basi-
lius, nach vollendeter Eroberung, dasselbe in eine by-
zantinische Provinz verwandelt hat (1018). Als sich
aber in diesem und folgenden Jahrb. die Wlachen mit
ihnen verbanden, erwachte ihre Kraft von neuem, nnd
sie stifteten ein unabhängiges walachisch -[bulgarisches
Reich (1186). Gegen die vom Ks. Andrenikus auf das-
selbe gemachten Versuche behauptete sich Swatoslaw,
und zw^ang ihn durch wiederholte Siege zur Ruhe (1299 —
1322); allein Mich. Strasimir, sein Nachfolger, w^urde
in dem Krieg mit Serbien getödtet, und Sisman, der
mit Car Lazar gegen die Türken gemeinschaftliche Sa-
che gemacht, brachte das Land nach der unglücklichen
Schlacht^ bei Kosowo (1389) unter türkische Oberherr-
schaft. Sisman wurde von Bajazeth gefangen 1392. Ver-
geblich bemühte sich Sigismund die Bulgarei an sich zu
bringen; die Schlacht bei Nikopol 1396 entschied das
Schicksal des Landes; die Türken vollendeten die Be-
zwingung desselben, und Bulgarien verschwand aus der
Geschichte. ^)
Das jetzige Serbien (Serf- Wilajeti) in der türki-
schen Statthalterschaft Rumili enthält in den vier Sand-
schaks Semendria, Perserin, Veldschterin und Aladscha-
hissar ungefehr 8 — bis 900,000 serbische Einwohner.
Sie sind sämmtlich der griechischen Kirche zugethan,
8) Str Uteri Bulgarica IL 441 — 890. — Gebkardi allg. Weltg. Bd.
XV. S. 1 — 232. — Maie a. a. 0. — J. Ch. Engel Gesch. d. alten Pannou.
u. d. Bulgarei (als Ir Th. s. Gesch. Uugerns) Halle 797. 4.
200
und stellen, mit einer eigenen Landesveifassung, unter
türkisclier Hoheit. Ein grosser Tlieii der Serben wanderte
zu versciiiedcnen Zeiten, wie oben gesagt worden, nach
Ungern aus, und besetzte zum Theil das während der
tiirkisclien Kriege verödete Syrmien und Slawonien, zum
Tlieil aber die südlicliern Gespanscliaften Ungerns. Die
Zahl der im eigentlichen Ungern, mit Ausschluss von
Slawonien , wohnenden Slaw o-Serben griechischen Ri-
tus mag sich auf 350,000, derer in Syrmien und Slawo-
nien auf 247,000 Seelen belaufen. Im J. 1759 zog ein
Theil der Serben aus den österreichischen Staaten nach
Russland, und bevölkerte dort Neuserbien; allein sie
schmolzen nach inid nach in Sprache und Sitten mit ih-
ren Sj)rachverwajidten, den Russen, zusanniien. — Bos-
nien, ehedem auch Rama, nach dem Flusse Rama, ge-
nannt , jetzt ebenfalls eine türkische Statthalterschaft,
umfasst ausser den Sandschacks Trawnik, Srebernik,
Zvvornik, N. ßazar, auch ßanjaluka oder Türkisch-Kroa-
tien, und Hersek od. Hercegowina zwischen der Neret-
wa und Trebinjstica, ehedem Ducatus S. Sabbae. Die
Bosniaken sind zum Theil Christen griechischen (250,000?),
und lateinisch. Ritus (100,000? nach Engel im J. 1776 nur
50,000, nach Stein im J. 1824. 77,000), zum Theil Isla-
miten. Nur die beiden ersten, nicht die slawisch reden-
den mohammedanischen Bosnier, gehen uns hier eigent-
lich an. — JMontenegro, zwischen Antivari, dem Boja-
na-See, der ßocclie di Cattaro und Hercegowina, zählte
im J. 1812 nach Vialla de Soiiniiicres auf einem Flä-
chenraum von 418 0. M. nur 53,168 Einwohner, sämmt-
lich griecliischen Ritus; nach andern Angaben soll ihre
Anzahl 150,000 betragen. — Noch gehören der Litera-
tur nach zu dieser Abtheilung die Serben griechischen
Ritus in Dalmatien (Ragusa, Bocche di Cattaro) unge-
fehr 70,000; ferner iji Kroatien, ungefehr 174,000 See-
len ^J. — Die heutigen Bewohner der Bulgarei, einer
Provinz in der türkischen Statthalterschaft Rumili, sind
allen Berichten zufolge sehr verschieden, als Slawen od.
*) Die Sorben waren aus Kascion hauptsäclilich von Siegniuud Her-
berstein 1597, dann vom General Lenkovich ums J. 1600, und von seinen
Nachfolgern im (ieneral-Commando nach Kroatien verpflanzt. Engel Th.
in. S. 469.
201
Bulgaren, O.siiiancii, \\ aluclu'ii, llcleiicii ii. Armenier-,
(lücli sind die ersten an Zahl idjeru iei;end, inid können
zn 000,1)00 an«;eselilaj;en werden. 8ie bekennen sieh der
Masse nach zum griecliiselien, nur ein kleiner Tlieil zum
lateinisehen Kiliis. Jene zn 575,000 angenommen, und
die obigen Slawoserben in Oesterreieh und der Türkei
mit 1,951,000 hinzugerechnet, ergibt sich die ungefehre
Gesaiinntzahl 2,520,000 für Serben u. Bulgaren griechi-
schen Ritus, die sich der kyrillischen Schrift bedienen. ^*^')
§. 21.
Charakter der serbischen Sprache.
Das Band des kyrillischen Alphabets und des griechi-
schen Ritus umschlingt, wie wir gesehen haben, mehre-
re an der untern Donau w ohnende Slaw enstämme, worun-
ter die Serben und Bulgaren die vorzüglichsten sind. Da
iudess die Bulgaren, w ein'gsteus nach der bisherigen An-
sicht und Kunde, sowol in Hinsicht der Abslammung
als auch der Landesminulart von den Serben verschieden
sind; so wollen wir die Sprache und Literatur der Ser-
ben von jeuer der Bulgaren treinien, und besonders be-
trachten.
Die Stelle, welche die serbische Sprache in der
Reihe der slawischen Mundarten einnimmt, ist bereits
im 4. §. angegeben worden. Sie ist unstreitig mit der
russischen und windisclien, als mit den südöstlichen
näher, als mit der böhmischen und polnischen, oder
den nordwesthchen Mundarten , verwandt. Von dem
1") Vgl. St. Äliloseivic statisticeskoje opisaaije Serbije (a. d. Teut-
scheu) Ofen 822. S. — B. Kamenskij putesestwije w Mold. Walach. i Ser-
biju Moskw. SlO. 8. — Hist.- top. Beschr. v. Bosii u. Serb. Wieu 821. 8. —
PA. ab Ochievia epitome vetust. Bosu. proviiiciae, Aue. 776. 4. — Illyrieu
u. Dalm. (iu dem Miniaturgem. d. Völker u. Länder) Pesth 816. 2 Bde.
12. — J. V. Csafluvics Slawonien und zum Theil Kroatien, Pesth 819. 2
Bde. 8. — R. V. H**g Reisen durch das österr. Illyr. Dalm. u. Alban.,
Meisseu 822. 2 Bde. 8. — Vialla de Sommieres voyage historique et politi-
(jue au Montenegi-o, Par. 820. — Edw. Broun' s Reisen, Xürnb. 711. 4. —
Boscovich Reise von Constantinopel durch Bulgarien nach Lemberg. Lpz.
779. — Sauveboeuf Reisen in d. Türkei, Persien u. Arab. während d. J.
17)^2 — 8cJ — Will. Hunters Reisen, übers, von Gruber, Lpz. 797. 8. —
H. V. Reirners Reisen d. k. russ. Gesandsch. an d. Pforte im J. 1793., S,
P. 8Ö3. 3 Bde. 4.
202
Dalniatisclicn aber kann sie, wie unten angezeigt werden
soll, liöclistens als eine Varietät, nicht aber als ein Dia-
lekt, unterschieden werden. Aber selbst in ihr lassen
sich mehrere Varietäten nachweisen. H. Wuk Stephano-
wic nimmt drei Mundarten, die hiernach besser Unter-
arten heissen würden, des Serbischen an. Er theilt näm-
lich das Serbische 1.) in das Herceyowische, welches
von den in Ilercegowina, Bosnien (sowol christlichen,
als mohammedanischen Bosniaken) , Montenegro , Dal-
matien und Kroatien, ferner von den in Serbien in dem
Macvvaer Landstrich bis nach Waljewo und Karanowac
wohnenden Serben gesprochen wird ; 2.) in das Resa-
wische, welches den Serben in den übrigen Theilen Ser-
biens, namentlich in dem Landstrich Branicewo, an der
Resawa, in dem Landstricli Lewac, an der obern Mo-
rawa, im Parat'iner Bezirk und am Schvvarzbach bis nach
Negotin eigen ist ; 3.) in das Si/rmische, welches in
Syrmien und Slawonien, in Bäcka, Banat und Mittel-
ungern , ferner in Serbien an der Sawe und Donau bis
zur Morawa gang und gäbe ist. Die grösste und fast
einzige Verschiedenheit dieser Varietäten ist durch die
Aussprache des ^ (je) begründet, welches im Hercego-
wisciien dreifach modificirt wird 1) als jV, wenn es kurz
ist, z. B. bjelilo, cwjetowi, pjewati, umjeti u. s. w. ; wo-
bei das ;i; in Äh a in ab, h in hl, m in 1i verändert,
und das je als ein reines e ausgesprochen wird, z. B.
jbe:[ ded , KOAteHO koljeno , no3eAeHLeniii pozeleneti,
BpT»ei!iH tvrfjeh' u. s. w.-, 2.) als ije, wo es lang ist, z.
B. hijeln, dijete u. s. w. ; 3.) als i vor Ji ja, z. B. stjafi,
grijali u. s. w. Derselbe Laut wird im Syrmisch-slawo-
nischen nur auf zweifache V^eise ausgesprochen: 1.) als
ein reines e, z. B. wera, )nera, seme, pewuti u. s. w. ;
2.) als ein ?, z. B. lefiti, tvrtiti, widifi, razholiti se
u. s. w. Das Resawische unterscheidet sich von beiden
darin, dass es überall ein reines e an die Stelle des je
setzt, z. B. leteti, wideti, wrleii, pozeleneti, razholeii
se, stydefi se u. s. w. Ausserdem wird im Resawischen
in den Nennwörtern der ersten Declination das g und k
in Plur. in z und c verwandelt; roze, Turce, opance st.
roge, Türke, opanke ; und der Dat. und Loc der 2ten
203
Dccl. hat ein e st. «': na iflinre, iia Mnrawe, u Resaive
st. na (jlinn\ na Morawi, u Rfisairi^). Hieraus sieht
man, flass sich das IIercej;owische (Inrcli die iMaFinigfal-
tigkeit des Lautes je, das Resawische durch den Uiidaul
c und c und die Dativ- und Localendung e dem Altsla-
wisclien nähert.
Nimmt man die Kedesprache der lieutigcn Serben,
so wie sie im Munde des Volks lebt — denn über das
Verhältniss der altslawisclien Kirchenspraclie zu ihr wird
nocli immer gestritten — so ist der Einlluss des südli-
chen Himmels auf ihren nordöstlichen Urstoff unverkenn-
bar. Und wie konnte es auch anders seyn! Man erwiige
das begeisternde, nicht beranschende Land, mit der rech-
ten Mitte zwischen armer Steppe und erdrückender Fülle,
so wie zwischen Glut und Frost und zwischen ewigen
Wolken und einem leeren Himmel, eine Mitte, die nichts
zu wünschen übrig lässt; ein Land zugleich voll Gebirge
als Scheidemauer mannigfacher Nachbarvölker und als
Schutz- und Treibmauern der Freiheit und Kraft, und
zugleicli voll Zauberthäler als weiche Wiegen der Volks-
Dichtkunst — ferner die klimatisch mitgegebene Mitte
zwischen einem Noriiiaini und einem Griechen oder Ita-
liener, gleichsam eine stille, warme Sonuengluth zwi-
schen kaltem Mondschein und sengendem Erdenfeuer —
zuletzt den Einfluss der durch Schrift und Glauben be-
freundeten Griechen, und der durch Handel und Meer
benachbarten Italiener, und ihrer reichen, melodischen
Sprachen auf die Befruchtung der kräftigen Keime einer
nationalen , einheimischen Sprach- und Volksbildung :
man erwäge alles das, und Jiian wird ahnen können,
was ans einem Volke, dem die Natur alle zur Entwicke-
lung einer reinen Menschheit nöthige Kräfte in Fülle
verliehen hat, und dem westlich das Meer und die eine
Welt, östlich der Donau-Riesenstrom und die andere
Welt offen standen, — was aus seiner Sprache gewor-
den wäre, wenn es nicht das Schicksal zugleich in die
Mitte zweier Völker gestellt hätte, deren Werk nur das
^) S. StephanoitH4.seT\)isch. - teutsch - lateinisches Wörterb., Wien
818. Vorr. S. XVI. - XvH Eb. narodne srpske rjesme (823 Lpz.) Tb. I,
S. XXXV.
204
Zer.stiijeii, ilcreii Leljcn nur der Tod anderer war, bis
aiieli ilire Stunde geschlagen. - So ist luu) die 8|)raclie
der beinahe einzige gerettete Rest der unter tausend-
jishrigcn Kinipfen, unter Strömen des edelsten Blutes
iiiühsani fortgeführten Yolksthums. — Die SpracJie ist,
ungeachtet des siiiitern Einflusses der türkisciicn, im
Ganzen dennoch rein und voll tönender Anmuth. Im-
merhin mag ihr die Pol^tonie der - ich möchte sagen-
klingtnden, säuselnden, spielenden Polnischen mangeln;
sie überlriflt gleichwol an Weichheit, iVlilde und iiielo-
dischcjn Klang, der aus der ebenmi^ssigen Vertheilung
der ( onsonanten inid dem wechselnden »Spiel der volle-
ren Yocalc entspringt, weit ihre übrigen Schwestern,
und kann nach gelungener Ausbildung — wobei das
kriiftige Altslawische gewiss nicht ohne Einfluss auf sie
bleiben wird - in Rücksicht auf Wolklang den ersten
Hang unter den Slawincn behaupten^). Ich will über
keinen der slawischen Dialekte den Stab brechen ; jedem
ist der Zugang zu diesem Vorzug frei, aber sie nähern
sich ihm oder entfernen sich davon auf verschiedenen
Wegen. Ich möchte den Klang den Serbischen im Gesang
und der Poesie mit deiM Ton der Violine, des Altslawi-
schen mit dem der Orgel, des Polnischen juit dem der
Cither vergleichen; oder - ist das Altslawische in den
dawidischen Kirchenhynuien dem hallenden Sturz eines
Waldstroms , das Polnische eines Felinski dem reizen-
den Gelispel und Gesiiusel einer Ouellc ähnlich, so ist
das Serbische im Munde der ländlichen Erato dem sanf-
ten Murmeln und Girren eines Baches durch die Bln-
menwiesen des Thals gleich; - das erste trifl't;, erschüt-
tert und überwältigt wie der Sturm; das zweite weckt,
ergreift und bezaubert wie das Rauschen des Windes
durch herbstliche Zitterpappeln; das dritte beschleicht,
erwärmt und entzückt , wie ein leichtes Wehen und
^) Unstreitig ist die sorb. Mundart im türk. Serbien u. österr. Dal-
matieu die vocalreichste unter allen Slawiuen, und kommt in dieser Hin-
sicht der italienischen Sprache am nächsten. Man vgl. z. B. nur das Ser-
bische pao mit padl, rasla mit rostla, niko mit nikdo, brat mit bratr,
wuk mit ivlk, ivetar mit %vjh\ saw sivi mit wsecken u'Aickni, krilo mit
krjdlo skrzyälo, drngij mit drcd'sj u. s. w. Lautverbiudungeu wie wstrjc
xvztrlü, zprchl, zndkl, od. pstrzy , szczwam, didiu , äzdzal , dzdzysti/
\\. s. w. kommen in derselben gar nicht vor.
205
Wo^iMi der Mailufi. — Der diircliij:äii^ig niid .scharf iin-
(crscliiodenc, kurze oder lii?>i;e Zeilverlialt der Sylben-
vocale inaclit diesen Dialekt i^aiiz geeignet, altclas.si.sclie
Vcrsmaasse nacliznahmen, und der Natio?ialdicljtknnst,
dnrcli l eberlraguiii»- der qnantitirenden Metrik auf die-
selbe, eine iiühere. idealisclie Gestalt und Wiirdc zu
geben; obsclion auch hier, wie beinahe überall bei den
Slawen, die Sache bis jetzt nicht in der Art und Aus-
dehiunig, die sie verdiente, beachtet worden.-^)
Schicksale der serbischen Sprache und Literatur.
Ob (Hid wiefern die jetzige serbische Sprache von je-
ner im J. 040, als die Serben ihre neuen Wohnsitze im
Illyricum und Mösien bezogen haben, verschieden sey,
kann aus gänzlichem Mangel an Sprachüberresten dieses
Zeitraumes nicht beurtlieilt werden. Die Byzantiner wa-
ren um Ucberliefennigen aus dem Sprachgebiete fremder
Völker nicht im mindesten besorgt ; sie nannten alles,
N>as nicht griechisch war, barbarisch, und würdigten
CS weiter keiner Beachtung. Alles, was sie darüber ver-
zeichnet haben, beschränkt sich auf die Aussage, dass
die Serben slawischen Stammes sind, dass ihre Sprache
eine slawische Sprache ist, und dass sich alle Slawen
gegenseitig verstehen. Die Serben selbst waren zu dieser
Zeit, wenn auch nicht unempfindlich für eigenen Ruhm
und fahrlässig bei dessen Fortpilanzen auf die Nachkom-
men, doch unvermögend, bei dem Drucke der gewalti-
gen Awaren, der auf ihnen lastete, und bei so vielen
Wander»nigen, den Künsten des Friedens, dem Sc'irifl-
tlium obzuliegen. Sie waren nicht darauf bedacht, die
(jleschichte der eigenen Tliaten zu schreiben, damit ihre
spätesten Nachkommen sehen möchten, wie sie gelebt
") Sprncldiiicher. Grammatiken : W. Sfcfanowic pisnieiiica serl)sko-
ea jezika. AVien 814. 8. Eb. Sipska gramniatika, vor dem Würterburli,
Wien 818. 8. Toutsch von J. Grimm : TFcÄ-.v Stephanowic kleine perlt,
(iranini., Berl. ii. Lpz. 824. 8. — Wörterbücher: Des Ungenannten „Nicme-
ckij i Serbskij slowar," AVi-n 790. 8. ist ein Zwitter zwischen dem Altsla-
wisclien und Serbischen. TF. Stephanowic Srpski rjecuik, istolkowan nie-
maökim i latinskim rjecma, AYieu 818. 8. (Enthält auch die Grammatik.)
206
und geleibt , gesproclieii und geschrieben haben. Im
Mittelalter schrieben zwar die Serben die Geschichte ih-
res Landes, aber in einer Sprache, die ein Gemisch ist
aus der Landesmundart und der Sprache der Kirchen-
bücher oder der kyrillischen Bibelübersetzung, so dass
es schwer hält, sich daraus über die Natur der Landes-
numdart und ihr Verhältniss zu m Kirchenslawisch zu
belehren ^). Erst im vorigen Jahrhundert , als bereits
der Abstand des Altslawischen vom Serbischen zu gross
war, und einige Schriftsteller in der gangbaren Landes-
mundart oder Volkssprache im strengsten Sinne des Wor-
tes Bücher zu schreiben anfingen, wurde die wichtige
Frage wegen Alt- od. Kirchenslawisch und Neuserbisch,
und ihrer Rechte auf Schriftsprache aufgeworfen, und
von verschiedenen, sowoi einheimischen als auch stamm-
verwandten Gelehrten auf verschiedene, oft entgegenge-
setzte Weise beantwortet.
Es ist an einem andern Orte (§. 10.) wahrschein-
lich gemacht worden, dass die südlich der Donau vor-
gedrungenen Slawen geraume Zeit vor Kyrill und Me-
thod theilweise zum Christenthum bekehrt worden seyen,
und eine von ihren heidnischen Vorfahren bedeutend aus-
gebildete Sprache überkommend , dieselbe auch beim
christlichen Gottesdienst eingeführt und in den Kirchen-
büchern, der Bibel, den Chroniken und andern Schrif-
ten gebraucht liaben. Auf diesem Wege kam das Chri-
stenthum zu den neueingewanderten Bulgaren und Ser-
ben, nach den Legenden und der Tradition erst durch
Kyrill und Method, um die Mitte des IX. Jahrb., nach
kritischer Erforschung der Umstände und nach andern
Angaben aber schon — wenigstens theilweise — früher.
Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass, so wie die
heidnischen Slawen zum Christenthum übergetreten sind,
auch die Schrift der Kirchenbücher bei ihnen Platz ge-
griffen habe, weil die Liturgie in slawischer Sprache
gehalten wurde. Was ins Besondere die Bekeiirung der
Serben zum Christenthum anbelangt, so ist der Anfang
derselben, beim gänzlichen Stillschweigen der Ciironistcn,
in tiefes Dunkel gehüllt. Nach der Annahme der einhei-
*) S. DaividoivU djejanijak istorii srbskoga naroda (821.) ö. 5 — 7,
207
inisclicn Rirclieng^eschiclitsleliicr wären schon in den er-
sten Decennien nacli der Einwanderun» der .Serben im
Illyricuin die ConstantinopoHtaner Patriarclien, nach En-
gel liingegen^) die römischen Biscliöfe bemülil gewe-
sen, dieselben zu bekehren. Gewiss ist, dass die Serben
um das Jahr 8GS unter der Regirung des griechischen
Kaisers Basilius durch griechische Missionäre getauft
wurden, wenn es gleich, nach den damaligen Sitzen der
Südslawen zu urtheilen, ausgemacht zu seyn scheint, dass
Kyrill und Method das Serbenland mit keinem Fusse be-
ndirten, sondern den Chroniken zufolge nur durch das
Land der Bulgaren reisten. Doch dem sey, wie ihm
wolle, so viel ist klar, dass die Schreibekunst unter den
Serben erst nach ihrer Bekehrung, und nach Kyrills
Erfindung oder Einrichtung seines Alphabets Wurzeln
geschlagen habe. Aber eben dieser Anfang des serbischen
Schreib- und Schriftwesens ist mit einer Nacht bedeckt,
in die kein Auge einzudringen vermag. Die ältesten
Sprachüberreste, die von serbischen Schriftstellern her-
rühren und auf serbischem Boden entsprossen sind, und
die insgesammt das Xlll. Jahrb. nicht übersteigen, sind
entweder ganz in der altslawischen Rirchensprache, oder
in einem Gemisch aus derselben und der serbischen Lan-
desmundart abgefasst. Dass bereits in den ältesten Zei-
ten vorzüglich die Geistlichkeit Serbiens der griechischen
Sprache und der geistlichen Literatur nicht unkundig,
vielmehr fast in steter Verbindung mit Conslantinopel
und den Klöstern Makedoniens (Athos) gewesen sey,
unterliegt keinem Zweifel. Wie weit sich aber dieser
Einlluss des Griechischen auf das Serbische in dieser Pe-
riode erstreckte, ist schwer auszumitleln. Des; Basilius
Hexaemeron von 1263 und der Apostel in Sisatowac
von 1324 iji altslawischer Kirchensprache, sind schon
oben §. 11. angeführt worden. Iliernächst ist das älteste
und hiemit wichtigste Sprachmonument der Slawoser-
bischen Literatur das Geschlechtsregisler „Rodoslow"
von Daniel, Erzbischof von Serbien, Zeitgenossen der
serbischen Könige Uros , Dragutin , Mihitin und De-
*) Vd. Enaels Gesch. v. Untern u. s. Nebenländ. Th. II. 453. 4G2.
III. 180.
208
canskij zu Ende des XlII. und im Anfange des XIV.
Jalirli. (1272 — 1336), worin er als Augenzeuge die
Hegirung der bemeldeten vier Könige erzählt. Die Hand-
sclirift liievon in fol. findet sich im Cliiljendarischen Klo-
ster auf dem Berg Athos. Das Original selbst hat Kaie
zum Behuf seiner serbischen Geschichte benutzt, und
durch ihn ist auch die in der erzbischöllichen Bibliothek
zu Karlovvic befindliche Abschrift bekannt worden. Hr.
Kopitar vermutiiet aus guten Gründen, dass derselbe
Erzb. Daniel auch der erste Uebersetzer der Korm-
caja Kniga sey ; (Wien. .Jahrb. der Literatin- 1823.) Et-
wa gleichzeitig mit diesem Geschlechtsregister mag das
gewöhidich sogenannte, (von Kaie benutzte) chiljenda-
rische .Jahrbuch ,,Ljetopis" seyn, ein ganz kleines Büch-
lein in einigen Blättern bestehend, und ebenfalls im chi-
Ijendarischen Kloster aufbewahrt ; aber viel später der
,,Carostawnik" (sonst auch Troadnik genannt) d. i. Für-
stenregister, von einem alten, ungenannten Vf, in wel-
chem nach Capiteln serbische, griechische, bulgarische
und russische Kegenten aufgezählt, inid ihre Kegirun-
gen beschrieben werden. Unter dem ersten serbischen
Car, Dusan dem Mächtigen, (1330 — 1356), erstieg
nicht nur die Macht des I^andes den höclisten Gipfel, son-
dern auch die Nationalcultur und hiemit die I^iteratur
fingen an frühlicher zu gedeihen. Bei so vielen Kriegen
gegen das Ausland verwahrlosete Dusan das Innere sei-
nes Reiches nicht. Man hat von ihm ein Gesctzbucii aus
dem .J. der Welt 6837, d. i. n. Chr. 1349, welches um
so wichtiger ist, da es über den imiern Zustand des
Reichs und über die damals erstiegene Stufe der inne-
ren Cultur Aufschlüsse gibt, während die übrigen hin-
terbliebenen historischen NachrichtCF! nur von Kriegen
und rauschenden Begebenheiten handeln. rngern und
andere I^änder haben kein so frühes Gesetzbuch aufzu-
weisen •^). In dem ganzen Gesetz weht ein edler inid
milder Geist der jMensciilichkiit, zuerst wird für das
=') Im IV. Tb. s. Goscl). S. 242 tf. beschenkte uns Rnic mit einem
Abdruck dieses Gesetzbuchs uacli der im Archive der serbischen Edelleute
l'eter u. Sabbas v. Tököly zu Arad vortlndlicben Ilandscli., und Enael lie-
ferte eine teutsche Uebers. desselben Tli. II. S. 2!J3 ff. Vgl. auch W- Sfe-
•plianoiinc WB. S. III. Eine andere Ilschr. besitzt die Neusatzer Gymn.-Bibl.
209
("lirisloiMhmn iiiid (\\c Kirche j^esorg(, und vom geistli-
flien (icrichl , von IMcMropoliteii und Biscliöfen , von
Presbytern äfeluuidell : (iefanoene oder Sclawen , die,
ans der (jefani>enscliaf< entwischt, sich an den Hof des
("ars, oder zu einem Diener des Cars, zti einem Geist-
liclien oder Edelmaini i^elliiclilet hätten, sollten frey seyn;
Fremde übergaben heim Ankoiiniien in einer Stadt oder
einem Dorf ihre Sachen dem Wirth, der für sie haften
miisste; wenn ein (inwidbesitzer einen Reisenden nicht
beherberä:en wollte, so hatte dieser das Recht, sich in
seinem Dorf einzuqnartiren, verlor er etwas, so nmsste
es der ersetzen, der sich geweigert hatte, ihn aufzuneh-
men; Raufleute und ihre Waaren wurden vorzüglich
durch das Gesetz gescinrmt. und Gewaltthätigkeiten und
Räuber durch die Strenge der Strafen abgehalten u. s.
w. *) Kein Zweifel, dass in dieser Periode der blühen-
den Macht des serbischen Carthums mehrere Kirchen-
schriftsteller die Sprache mit ihren Werken bereicherten;
namentlich gehört die Erweiterung und Vollendung der
Kirchenbücher in dieses Jahrhundert; selbst Rnssland
bezog die meisten Handschriften u. die tüchtigsten Schrift-
gelehrten aus Serbien, wie es das Beispiel des im Jahr
137G aus Serbien nach Russland berufenen Rypruitt,
Metrop. V. Kiew u. ganz Russland (gest. 1406J, und
mehrerer anderer beweist ") : aber die Stürme der Zeit
und die alles verheerenden iMuselmänner Hessen nur we-
nige Trümmer dieser ehemaligen Sprach- und Geistes-
cultur auf uns kommen. Und selbst diese, wie zerstreut
sind sie durch die entlegensten Klöster des dem Auslän-
der nur selten und mit Gefahr zugänglichen Landes!
Reisende, sagt Raic, die aus den serbischen Gegenden
kommen, versichern, dass sich solche alte Handschrif-
*) Von demselben Fürsten Itetindeii sich, wie bereits oben §. 11.
bemerkt worden, iu dem Karlowicer Metropolitanarchiv zwei Schenkungs-
briefe au das Kl. Chilendar vom J. 1348. der eine im Original, der andere
in Copie : dt r Schenkungsbrief von s. Vorgänger Milutin Steph. Uros vom
.1. 1302 an dasselbe Kloster in demselben Archiv ist nur eine Copie. Das
in der Wiener Bibl. befindliche Wappenbuch von Illyrien, das Marcus Sko-
rojewic vor der Mitte des XVII. Jahrh. geschrieben und dem römischen
König Ferdinand IV. dedicirt hat, soll angeblich aus einem von Rubcir;,
Wappenherold des Stephan Dusan, verfassten und in Chilendar aufliewahr-
ten Original entnommen seyn. Engel (I. 202) bezweifelt jedoch die Fixi-
stenz dieses Originals. ') Ä Grec opvt istor. rusk. liter. S. 36.
14
210
teil vorziigücli in folgenden serbischen Klöstern finden :
1.) in der serbischen Lawra Studenica, 2.) in Decan,
3.) in Ipek (eii^eiitlicli in Epirus), dein vormaligen Si-
tze des Patriarchen. Aber auch in den zahlreichen Klö-
stern anf Atlios müssen noch Ueberreste der serbischen
Literatur vergraben liegen. Wie viel ist hier f*nr einen
künftigen serbischen Philologen und Paläographen noch
übrig zu thnn! Serbische Diplome reichen bis in das
XIII. Jahrb. hinauf; aus einer von Car Lazar dem Klo-
ster Rawanica an der Resawa in Serbien ertlieilten Ur-
kunde vom .J. 1381 führt Hr. Stephanowic (Wörterb.
S. IV.) Sprachproben an. Aus der spätem Zeit befindet
sieb noch eine Urkunde der Exsultanin Mara, Tochter
des Despoten Georg, vom .Jahr 1479 in Chilendar ;
Raic III. 322 — 23. Nicht minder erwähnt Branko-
wic in seiner handschriftlichen Geschichte von Serbien
eines Geschichtschreibers, Gregor, Igumen des Klosters
Studenica, der in diese Periode geliört. Die unglückli-
che Schlacht bei Kosowo stürzte das Land in unabseh-
bares Elend; die romantischen Gefilden und Auen Ser-
biens v^'urden nun .Jahrhunderte lang der Schauplatz der
blutigsten Kriege und Verheerungen; alle schon ange-
fangene f'ultur (Ws Landes erstarb. Die Geistlichkeit ret-
tete, was noch zu retten war, und etwa fünfzig Jalire
nach Erfindung der Buchdruckerkunsl erschienen sovvol
iu Serbien als auch in den benachbarten und von Stamm-
verwandten bewohnten Provinzen von Zeit zu Zeit sla-
wische Kirchenbücher in Druck , die zum Theil oben
§. i\. verzeichnet sind. Aber bald erfolgte eine Todes-
stille bis auf den letzten Despoten Serbiens, Georg Bran-
kowic, welcher eine serbische Geschichte vom Anfang
des Volks bis auf die Zeiten des Kaisers I^eopold 1. im
alten slawo-serbischen Styl hinabgeführt liat ; das Msc,
fünf Quartbände stark, ist in der Erzb. Bibliothek zu
Karlowic befindlich, und von Kaie bereits benutzt*').
®) G. Brankowic (geb. 1G45) war eine Zeit laiiR Abgesandter dos
Apafi, P'ürsten von Siebenbürgen, beim türkischen Hofe , dann aber brauchte
ihn Ks. Leopold I. in Geschäften in der Türkei sowol, als vorzüglich in
Serbien, indem er durch ihn Serbien mit der ungrischen Krone vereinigen
wollte. Er war es, der in Verbindung mit dem Erzb. v. Ipek bewirkte, dass
36,000 serbische l'amilien sich in Nieder-Ungerns öden , von den Tür-
ken verwüsteten Gefilden niederliessen. Für diese Dienste und für seine im
211
Mit Braiikowic kann iiiüfi füglich die erste Periode der
slawo-serbisclieii Literatur schliesseii, die zweite, oder
die neuere, fängt mit Zefarowic an, und dauert bis auf
unsere Zeiten. Zweierlei bietet sich hier dem Beobach-
ter gleich im Anfange dar: einmal erscheint die neuere
serbische Literatur ganz auf die Serben in Oesterreich
beschränkt — serbische Schriftsteller und Druckereien
in der Türkei hören ganz auf — ; dann aber wird die-
ser Zeitraum durch die förmliche Trennung der Lan-
desnuHidart von der Kirchensprache und das Erheben
der erstem zur Schriftspraciie charakterisirt. Auf die
Herausgabe von Zefarowic Stemmatographie , die aus
Mangel an beweglichen Typen und wegen der vielen
Abbildungen der Wappen in Kupfer gestochen zu Wien
1742. in 4. erschien, folgte eine lange Pause. Im Jahr
1755, als unter Maria Theresia das Licht der Wissen-
schaften auch ihre „tapfern und vielgeliebten Illyrier"
erreichte, liess der Karlowicer Erzbischof und Metropo-
lit Paul Nenadowic, da in der ganzen weiten Monarchie
keine Druckerei mit slawischen Lettern versehen war,
in der Druckerei des Bischofs von Rimnik in der Wa-
lachei die Smotriskische Grammatik „zum Nutzen und
Gebrauch serbischer Knaben'' audegen. Bevor die Ser-
ben in Oesterreich eine Druckerei erhielten, gelang es
den aus Hercegowina und Bosnien nach den Küsten des
adriatischen Meeres eingewanderten Dalmatiner-Serben
morgenländischen Ritus eine in Veacilig zu errichten. —
Demeter Theodosrjew , ein Griecne aiis Janina, Factor
der griechischen Buchdruckerei des Glika . in Venedig,
unternahm es im J. 1758, nach Bozidar der erste, mit
Erlaubniss der Republik, den kyrillischen Bücherdruck
aufzufrischen und ins Leben zu rufen. Er schrieb nach
Russland und bekam kyrillische, er schrieb nach Rom,
und bekam glagolitische Typen ; und sofort richtete er
seine griechisch-slawische Druckerei ein. Das erste, was
hier gedruckt worden, ist „Plac Serbie" ohne Druck-
Krieg bezeugte Tapferkeit ward er zum Freiherrn und dann zum Grafen
ernannt, und mit dem ungrischen Indigenat beehrt. Bald darauf (1689)
aber warf das Ministerium auf ihn einen scliweren Argwohn, und er war
Staatsgefangener zuerst in Wien, dann zu Egsj:.jtuBölöö.en, in welchem
letzten Ort er seine Geschichte zusammenschrieD^nd verstarb (1711).
212
ort und .lalirzalil. von oiiieiii liiigeiiannten S. 8. S. im
.]. 1701. Nun folgten Ivicrauf, ausser einigen Elemen-
tar- vnid Kirchenbüchern: Orj3helin o sedmych tain-
stwacli 763., Julinac istor. slaw.-serh. naroda 705. u. an-
dere. Später ging die Druckerei an seinen Neffen, Pa-
iip-Theodosljew, über ^). Als im J. 1709 ein ,, illyri-
scher Nationalcoiigress'* in Gegenwart des k. Hofcom-
missärs, Generals der Cavallerie, Grafen Andr. Hadik,
in Karlowic abgehalten, inid das erste sogenannte ,,Na-
lionalregulament" für die Serben in Ungern zu Stande
gebracht worden; da wurde auch die erste serbische
Druckerei in Oesterreich, und zwar als Hofbuchdni-
ckerei. in Wien im .1. 1771 errichtet; die bald darauf
an Kurzbeck und Nowakowic, nach 25 .Jahren aber, im
.1. 1790, an die k. Universität zu Ofen überging, bei
welcher das Privilegium und Monopol für alle altslawi-
sche und serbische Kirchen-, Schul-, Volks- und wis-
senschaftliche Werke bis jetzt verblieben ist '^). — Ei-
nen grossen Einfluss auf die Gestaltung und den Gang
der neuern serbischen Literatur seit 1704 hatten unstrei-
tig Kaie und Obradowie, seit 1813 aber Dem. Dawido-
wic und Wuk Stephanowic. Unter Haies zahlreichen
Werken ist vorzüglich seine Geschichte der Slaw-en be-
achtenswerth. Er befleissigte sich des kirchenslawischen
Styls, aber sein Kirchenslawisch ist iiicht rein, sondern
stark mit Hussismen und Serbismen versetzt, weil Raic
sein Werk auch andern Slawen, namentlich den Russen,
ferner dem serbischen Volk, zugänglich maciien wollte.
Obradowie war der erste, welcher von der bis dahin
üblichen Methode, Kirchenslawisch od. Slawoserbisch zu
schreiben, gänzlich abwich, und die gemeine Landes-
iinnidart zur Schriftsprache erhob. Es fandeij sich nun
mehrere , w eiche die von ihm eröffnete , von andern
lebhaft bestrittene Bahn betraten, worunter Dawidowic
und Stephanowic die vorzüglichsten sind, w^ährend an-
dere sich mehr oder weniger fest entweder an das Kir-
') S. Solnric poiiiinak kiii/cskij o slawciioscrhskoin w Mletkach pe-
r-ataiiiju, Von. 810. 8. ^') Die Knchdruckerei in Ofen liat 1708 ein Ver-
ziiichniss der slawoserbisclion Büclier drucken lassen, in welrhen atich einige.
die Kurzheck verie.üt liat. stehen. Seitdem enthält der Catal. lihror. (W
rniversitätsliuchdiuckeici nur die ascetischen und FJeineiitarhüchlein.
213
cheiislavvischo, wie Terlaic, Kenü^clac u. ni. a., oder an
cl;is liergehrachte Gemeiiiije von Slawoserbiscli, wie Hie
meiskMi, liieUen. — Den entschiedensten Eindnss anf das
Waclistlium der Literatur haben in»streitig gut einge-
richtete Schulen. Von unten auf, aus dem Keime, er-
wächst und erblidit die Pahne. Es ist liier nicht der Ort,
über die altern serbischen Schulen in den österreichi-
schen Staaten zu berichten, dergleichen es bekanntlich
seit 1733 in Karlowic (mit Lehrern aus Kiew besetzt),
Belgrad , Essek und DaIJa gab, die, bis auf die Karlo-
wicer Schule, alle nach und nach eingegangen sind; für
unsern Zweck reicht es hin, auf das im J. 1791 gleich-
sam aus dem Staube und der Verwesung zum neuen Da-
seyn gerufene Gymnasium in Karlowic zu verweisen,
dessen Schöpfer der um die griechische Kirche und die
serbische Nation in Ungarn und Oesterreich hochver-
diente Karlowicer Erzbischof und Metropolit, Se. Exe.
Herr Stephan Stratimirowic von Kulpin ist. Aber lei-
der ist sowol auf dieser, als auch auf der nach ihrem
.Muster in Neusatz 1818 errichteten höhern Lehranstalt,
die beide für die Verbreitinig wissenschaftlicher Cultur
unter den Serben zu sorgen ganz eigentlich berufen sind,
dem Studiinii der Nationalsprache zu wenig Spielraum
gegönnt. Doch werden auf der ebenfalls \on dem ge-
nannten Erzbischof und Metropoliten 1794 errichteten
Karlowicer Klerikalschule und den übrigen theologischen
Schulen die slawische Grammatik ex professo, und alle
Lehrgegenstände in dieser Sprache vorgetragen. Die Or-
ganisation der serbischen Nationalschulen wurde zwar
schon in dem dritten Jahrzehend des XVIll. Jahrh. ein-
geleitet , und durch des patriotischen Schuldirectors,
WujanowskiJ, Wachsamkeit und Eifer ist die slawische
Sprache für dieselben gerettet worden (die man daraus
vorzüglich 1790 91 gänzlich hat verbannen, und die
magyarische als Muttersprache der Serben einführen wol-
len); allein das grösste Verdienst um diese heilige Sache
blieb unsers jetzt regirenden Landesherrn iMajestät vor-
behalten, der, um dem Mangel an Unterrichts- und Bil-
dinigsanstalten gänzlich abzuhelfen, für gut fand, die
Oberaufsicht über die Nationalschulen sjriecliischen Ritus
214
in Ungern in einem Individuum zu concentriren (1810),
(bis 1825 Uros v. Nestorovvic, k. Ralli), ihm die Bezirks-
Directoren zu unterordnen (1812), und zur Bildung der
YoIksschuUchrer, eine serbische sogenannte Schola prae-
parandormii zuerst zu St. Andreae (1813) , dann nacli
Zombor verlegt (1817), zu errichten^). — In Serbien
war man immer, so viel es die Umstände zuliessen, sorg-
fältig darauf bedacht, wissenschaftliche Cultur auf den
vaterländischen Boden zu verpflanzen, und höhere Bil-
dungsanstalten zu errichte!) : aber nach der wiederholten
Unterwerfung des hartbedrückten und verheerten Lan-
des unter die alle literarische Cultur vernichtende ma-
homedanische Regirung, erstickten diese — zarten Blü-
then des Friedens, der Ruhe und der Milde — im Keime.
Die jetzt bestehende Regirung ist eifrig bemüht, das
Verlorne zu ersetzen: möge der glücklichste Erfolg ihre
heilvollen Bemühungen krönen! ^-)
Während nun aber in der allerneuesten Zeit von
Jahr zu .Jahr zahlreichere Blumen auf den Gefdden der
serbischen National literatm- in den Provinzen des men-
schenfreundlichen, milden Oesterreichs zu entspriessen
begannen, zeigten sich auch Schwierigkeiten doppelter
Art, schon aus dem Vorigen entnehinbar, und drohen
das Emporbringen der guten Sache auf lange Zeit hinaus
zu vereiteln. Zuvörderst wurde der Druck und die Ver-
breitung serbischer Werke ungemein dadurch erschwert,
dass in dem Mittelpunct der jetzigen Sitze der Serben
keine Buchdruckerei aufkeimen konnte. Zwar gelang es
einem eifrigen Serben , Dem. Dawidowic, im J. 1813
eine serbische Druckerei Behufs der, in den zwei Jahren
1792 — 93 von Steph. Xovvakowic herausgegebenen Zei-
tung, zu bewirken, die, zuerst in Wien, gegenwärtig
an M. Chr. Adolph in Rotz überging; auch druckte die
Klosterbuchdruckerei der x\rmenier in Wien fortwäh-
rend mit kyrillischer Schrift, und in Venedig bestand
') Ueber das Schulwesen der Serben ist zu vergleichen: Caploivic
Slawonien und Kroatien (1819) II. B. S. 230 ff.
^'') Von dem Schriftwesen der Bosnier und Montenegriner seit dem
XVII. Jahrh. kann gar nichts Erhebliches gemeldet werden. Ihre Kenntniss
des Slawisclien beschränkt sich auf die Kirchenbücher, die sie aus andern
Staaten, Kussland und Oesterreich, beziehen.
215
die Pane-TheoHosijevvscIio OfTiciii bis auf die neuesten
Zeiten; allein alle diese waren tlieils zu besclitänkt, theils
zu entfernt, um Verkeäu- und reji^eres Leben in das ser-
bische SchrifttJMiüi zn brini^en, oder es im eigentlichen
Herzen der Wolmplätze der Serben zu verbreiten. Auf
gleicher Stufe der Beschränktheit und Unvoljkoinnien-
heit steht der serbische Buchhandel, der eigentlich, im
wahren Siiwie des Worts, gar nicht existirt. Ein zwei-
tes, ungleich wichtigeres Missverhältniss enl^^ ickelte sich
seit Dositliej Obradowic, vorzüglich aber seit den letz-
ten literarischen rnternehminigen der beiden serbischen
Volksschriftstelier, Dem. Dawidowic und Wuk Stepha-
nowic, die den Grundsatz ,,man müsse schreiben, Avie
man spriclit" theoretisch und praktiscli verfechtend, die
gemeine Landesmundart an die Stelle der bisher übli-
chen kirchenslawischen, od. slawoserbischen, zur Ehre
der Schriftsprache erheben wollten. Denn bald bildete
sich eine (Gegenpartei, welche sich verpfliclitet glaubte,
dem nmsic'igreifenden Entslawisiren des Schriftthums,
als einer naciitheilbringenden Neuerung einen Damm ent-
gegen zu setzen. So entstand eine Erhitzung der Gemü-
ther, die zwar auf der einen Seite niciit ohne gute Fol-
gen geblieben ist, indem sie einen literarischen Streit
verursachte , der den Fleiss mehrerer unserer geach-
tetsten Gelehrten auf die tiefere Erforschung der kir-
chenslawischen Mundart, ihres Ursprungs und Verhält-
nisses zu der jetzigen serbischen und den übrigen Sla-
winen, hinlenkte; andererseits aber dadurch, dass die
Parteien, entweder in der ersten Aufwallung, oder im
Vollgefühl des vermeintlichen Rechts und Unrechts,
sich, wäe gewöhnlich, gegenseitig erbitterten, und vie-
le sonst patriotisch gesinnte Herzen, noch mehr aber
die Schw^achen, von der Theilnahme an der einheimi-
schen Literatur abwendig machten, der guten Sache
nicht wenig Eintrag gethan hat. Weit entfernt von ei-
nem anmaassenden, tadelhaften Absprechen in einer so
hochwichtigen Sache, vielmehr die Beschränktheit der
eigenen Kraft und Keinitniss auf dem weiten Gebiet
der slawischen Sprachforschung wol erwägend, erachte
ich es für Pflicht, mich des Urtheils über diese Streit-
216
frage gänzlich zu enthalten, und ihre Entscheidung ein-
geweihtern Kennern z«i überlassen. Ich begnüge mich,
schliesslich auf diejenigen .Schriften zu verweisen, atis
denen man sich über den ganzen Verlauf und Stand
der Sache genau und grinidJich unterrichten kaini.")
§. 23.
Uebersicht der neuesten serbischen Literatur.
Ueberblickt man die Erzeugnisse der serbischen IJte-
ratur seit etwa einem lialben .Jahrhundert (1770), so
findet man, dass, dem natürlichen Gange der Sache ge-
mäss, bis jetzt überhaupt nur wenige Fächer des menscii-
lichen Wissens, und von diesen nur einige erträglich.
andere gar zu dürftig, die meisten gar nicht bearbeitet
worden sind. Theologie, Pädagogik, Geschichte u. Geo-
graphie , Dichtkunst ^) , von den Naturwissenschaften
die Naturgeschichte und Physik, haben bald mehr, bald
weniger aufzuweisen. Ungleich mehr betrübend, als
diese Armuth der beginnenden Literatur, ist die Anar-
chie in der Schreibart, und die Folgewidrigkeit in der
") Vgl. Nachricht von Stephaiiowic's neuserb. Wörterb. in dem österr.
Beobachter 1818. N. 119. Eine Stimme dagegen in eb. österr. Beob. N. 2(J0.
Autwort hierauf bei Gelegenheit der Kec. von ötephanowic's Wörterb. in
den Wien. Jahrb. d. Lit. 1818 , auch besonders abgedruckt. Die Vorr. v.n
Wuks Stephanowic's Wörterb. Verschiedene, meist Pseudonyme Aufsätze in
den Beilagen zu der serb. Zeitung des Dem. Dawidowic in den J. 1819 — 21.
Joe. Grimm s Vorr. zu der Grammatik der serbischen Sprache von Wuk
Stephanowic u. m. a. — S. auch Solaric's Pominak knizeskij (1810) S. 56
ff. ü6 ff. Eh. Rimljani slawenstwowawsii (1818) S. 56 — 57.
*) Die gesammteu Producte der bisherigen serbischen Dichtkunst zer-
fallen, ausser einigen gereimten und in Prosa geschriebenen Schauspielen,
in Nationallieder und Oden. Dort sind die „wunderschönen Nationalgc-
sange aller Art" zu nennen, die Hr. Stephanowic Lpz. 823. in 3 Bd. bekannt
i^emacht u. Talvj (Th. v. Jakob) Hall. 825 ins T. übers, hat, die aber vollstän-
dig gesammelt wol über ein Dutzend Bände füllen würden. Alle diese Gesänge
sind reimlos, gleichwol nicht ohne Numerus, wie diess schon die in dem
lOsylbigen, nach der Anzahl der Finger in 5 Versfüsse abgetheilten, älte-
sten epischen Verse der Slawen, der auch in den böhm. Fragmenten und
russ. Volksgesängen vorkommt, regelmässig beobachtete Caesur im 2ten Vers-
fuss beweist. Vgl. Jnngmann slowesnost (1820) S. XXVI. — Hier reprä-
sejitirt Musicky"s classische Muse gleichsam den ganzen serb. I'arnass, und
es ist um so mehr zu bedauern, dass der Genius dieses Dichters die engen
Fesseln des germano-russischen Tonprincips nicht abwerfen, und die freiem
!■ lügel der griech. Prosodie im Geiste der slaw. und serb. Sprache,
die bestimmt ausgeschiedene Kürzen und Längen, und eine Position — doch
keine Elision und Ekthlipse — hat, nicht annehmen konnte od. wollte. —
2i7
Ordiogruphio , die die meisten literiirischen l^rodiiktc
dieses Zeilriuims eii(s(elll. Von den iin^ei'elir 400 seit
1742, od. eigentlich seit 1761 bis jetzt gedruckten ser-
bischen Büchern mögen etwa 'A in der altslawischen
Kirchensprache, und eben so viele in der gemeinen
Volksmundart geschrieben seyn; die übrigen balanciren
in der Mitte zwischen den beiden andern, durch ini-
zählige Stufen, Formen und Farben nuancirt.
Die Reihe der serbischen Schriftsteller eröfliie: Jodiin
Ixdic aus Karlowic (geb. 1726, gest. 1801), er studirte
zu Komorn bei den Jesuiten, in Oedenburg in der dusi-
gen ewangelischen Schule, und in Kiew, besuchte hier-
auf Chiljendar auf x4thos, und ward zuletzt Archiman-
drit des Klosters Rowil im Cajkistenbataillon; s. Haupt-
werk ist : Istorija raznych slawenskich narodow, najpa-
ceze Chorwatow, ßolgarow i Serbow, Wien 1792 — !)5.
4 Bde. 8. Der Ite B. wurde in S. Petersb. nachgedruckt.
Kaie hinterliess handschriftlich volinninöse theologische
Werke in slaw. Sprache, die in der Karlowicer Bibl.
aufbewahrt werden, und gab ausserdem heraus: Slowo
0 grjesnom celowjeku, Yen. 764. 4., Boj zmaja s orlowy,
W. 791. 8., Katichisis, W. 1791., Kratk. Serblii, RasJi,
Bosny i Hamy istor., W. 793. 8., Tragedija, o smerti
Carja Urosa V., Of. 798. 4., Cwjetnik, Of. 802. 8., Pio-
powjedy s Rossijskago (o. 0. u. J.) .3 Bde. 8., Kmit o smerti,
Pjesny u. m. ^a. - Dosifhej Ohradowic {^eh. 1739, gest.
1811) aus Cakowo in Temesvarer Banat, ward 1753
Mönch in Opowo, verliess aber bald das Kloster und
seine Landsleute, um anderer Menschen Städte u. Sitten
kennen zu lernen, durchwanderte zum Theil zu wiediT-
holten Malen Griechenland, Albanien, Italien, die Tür-
kei, Russland , Teutschland , Frankreicii und England,
kehrte nach 25 .Jahren zu seinen Landsleuten zurück,
und starb zu Belgrad als serbischer Senator, Ober-Schu-
lenaufseher und Erzieher der Kinder des Cerny Georg ;
er schrieb: Basne Ezopowe i procich raznich basnotwor-
cew, Lpz. 788. 8., Ziwot i prikijucenija I). übradowiea
(Selbstbiographie). Lpz. 783. 8., Etika, Yen. 803. 8. So-
wjeti zdrawago razuma, Of 806. 8. 2 A. 808., Pjesna
na ins. Serb., Yen. 807. 8. Sobranije raznich nrawouci-
218
teljnich vvescej, Wien 793. 8. Of. 808. 8., Mezimac Of.
818. 8. — Gregor Terlaic aus Mohol in Bacser Gesp.
(i^cb. 1766, gest. 1811.) sludirle in Ofen und Wien,
Avard Secretär des russ. Gesandten Fürst. Golicyn, begab
sieb hierauf als Prof. nach S. Pet., iind st. in Charkow, auf
der Rückreise ins Vaterland; er gab heraus: Idea, ili
muzeskaja i zenskaja do])rodjetel (a. d. Teutsclien), W.
793. 8., Zabawlenije jedinago Ijetnago utra, W. 79.3. 8..
Numa Pompilius, Of. 801. 8., einige Oden, niehreres hin-
teriiess er handschriftlich. — Zacharia Orphelin, schrieb:
Sjetowanije mladago covveka (a. d. Russ.), Yen. 764. 8.,
Nastawlenije o sedinych tainstwach, W. 773. 8., Wjecny
Kalendar, W. 78.3.817. 8., Iskusny podrumar Of 808. 8.,
einige GelegenheilsgediclUe u. s. w. — Stenh. Wnjanoiv-
skij, emeritirter Director der serbischen Nationalschu-
len, schrieb der erste eine Anleitung zur teutsclien Spra-
che für seine Landsleute: Xiemeckaja grammatika W.
772. 8., verfasste eine Gramm, der altslawischen Kirchen-
sprache, die aber nicht gedruckt wurde, übersetzte aus
dem Russischen: Kratkaja cerkownaja Istorija, W. 793. 8.
— Abrah. Mrazoivic, emeritirter Director der serbi-
schen Nationalschulen inid Senator in Zombor, lieferte
mehrere gemeinnützige Schriften, worunter: Magazin za
djecu, W. 793. 2 A. Of 806 flP., 2 Bde. 8., Pastirska igra
(a. d. Teutschen), Of. 803. 8., Celowjekomerzost i raska-
janije (a. d. Teutschen), Of 808. 8., Rukowodstwo k
slawenstjej grammaticje, W. 794. 8. N. A. 0. 821. 8.,
Rukowodstwo k slawenskomu krasnorjeciju, Of. 821. 8.,
Rukow. k domatjemu i polskomu strojeniju, Of 822. 8.,
mehrere Gelegenheitsoden u. s. w. Pmil Solaric^ ein
thätiger Schriftsteller, Hess ans Tageslicht treten: No-
wo grazdansko zemleopisanije, Yen. 804. 8., Kljucic u
moje zemleopis., Yen. 804. 8., J. G. Zimmermann o sa-
mosti, Yen. 809. 8., Mudroljubac Indijskij, Yen. 809. 8.,
Swerch wospitanija k celowjekoljubiju, Yen. 809. 8.,
Rimljani slawenstwowawsii, Of 818., Pominak knizeskij,
Yen. 810. 8., Llog uma celowjeceskog u. m. a. — Lu-
kian Miislckij, Archimandrit von Sisatowac und Admi-
nistrator des Rarlstädter Bisthums, erwarb sich seit 1798
durch salbungsvolle Oden und Gedichte anderer Art, so-
219
wol im kirclienslawisclicn, als ancli im iiciiserbischen
Styl, um die serbisclie Diclilkiinsl grosse Verdienste; zu
bedauern ist es, dass seine Gedichte, einzeln oder in
verscbiedenen Almanaeben uikI Zeitseliriften gedruckt,
aucb bandscbrifilicb verbreitet, bis Jetzt niclit gesam-
melt worden sind. — Prokop Bolic, Arcbimandrit von
Uakowac, ist Vf. von: Sowersen winodjelac, Of. 816.
2 Bde. 8. - Paul Kcnifelac, Arcbinu von St. Georg,
scbrieb: .lestestwosloA^ ije, Of. 811. 8., eine allg. Welt-
gesch. u. m. a. — Yikent. Rakic, Hegumen zu Fenek, ein
sehr fruchtbarer Scliriftsteller , sclirieb unter andern :
Swjascena istor. (a. d. Russ.), Ofen 797. 8., Zertwa Abra-
amowa (a. d. Gr.), 3te A. Of. 811. 8., Cliranilisce duse (a.
d. G.), Yen. 300. 4., Istor. o razorenii .Jerusalyma , Yen.
804. 8., Besjedownik illiricesko-italianskij, Yen. 810. 8.,
Cudesa pr. Bogorodici, Yen. 808. 4., Propowjedi, Yen.
809. 4., Molitwi, Yen. 808. 8., Besjeda o zloupotrebleuii
duwana, Yen. 810. 8., Zitije sw. Josifa, Yen. 804. 8.,
Ljestwica, Yen. 805. 8., Nastawlenije o ispowjedi u. s. w.
- Steph. Raic\ Pfarrer zu Essek, schrieb: Razsuzde-
iiije 0 iiedostatcje wospitanija, W. 794. 8.. Molitwi, Of.
804. 8., Nravvouciteina knizica za decicu, Of. 805. 8., Sa-
tyr t. j. ukoritel zlych nrawow, Of. 807. 8. — Basi'l.
Dmnjauowic aus Zombor gab heraus: xAritmetika serbs-
kaja, Yen. 767. 8. — Panl Jidinac, Officier, schrieb :
AYowedenije w istor. slaweno-serb. naroda, Yen. 765. 8.
— Mich. Maxiuiowic, Insp. der Zemliner Contumaz,
übersetzte a. d. Teutschen: Cto jest papa, W. 784. 8. —
Alexhis U>s?7«V^ Normal-Schulen-Direktor: Kratkoje opi-
sanije o spokojnoj zizni, W. 788. 8. u. m. a. — Joh.Miiska-
tiroimc\ Advocat, hinterliess: Razmyslenije o praznici, W.
786. 8., Pricte iliti poslowice, \Y. 787. 2 A. Of. 807. 8. -
Emni. Jankoivic, Doct. d. Med. u. d. Hall, naturforschen-
den Ges. Mitgl., verfasste mehreres, worunter: Fizicesko-
je soc. 0 izsuseniju i razdjeleniju wode u vrozduchu, Lpz.
787. 8., übersetzte mehrere Lustspiele aus Goldoni: Ter-
gowci, Blagodarny syn, Rozdannik, Zao otac newaljao
syn u. s. \v. — 31ich. Wladisawletmc, gab 1791 — 92. eini-
ge Gedichte einzeln heraus. — Steph. Noivakotvic über-
setzte a. d. Teutschen : Rnkowodstwo k domostroitelstwu,
220
Of. 809. 8. — Mark. Sfojadmowic: Serb. niem. razgo-
worj W. 793. 8. — Ki/ . Ziwknimc, Bisch, von Pakrac,
liess dnickeii : Swjasceiinoiriiiccnika Petra Ep. Dam. dwje
kiiigi 0 celowjeceskorn razunije, Of. 803. 4. Kosnui
Jnst'c: prawila cestiiog obcliozdenija, W. 794. 8., Pravvi-
la nciliscnaja, Of. 805. 8. — VikeiU. Lusfma : Graiiuii.
italian., W. 794. 8. — Geori) Pefrotvic: Wengerskaja
GraiiHii., W. 795. 8. - Niki. Lazareimc übers, a. d. T.
Ziwot Kobinsoiia Kruzoe, Of. 799. 8. — Jthati. Sfoj-
kotric aus Kiima (geb. 1773), Staatsr. ii. Prof. in Charkow,
jetzt in S. P., scluieb in serb. Sprache: Fizika, Of. 801 03.
3 Bde. 8., Aristid i Xatalija, Of. 801. 8., Kandor, Of.
800. 8., serbskij Sekretär, "Of. 802. 8., verschiedene Ge-
dichte: seine russ. Schriften gehören niclit hieher. -
yJtit. Josf'/oiricnhcrs. a. d. T. Strjelci, Of. 804.8. ^Ifha/i.
Neskowic: Istor. slaweno-bolgarskog naroda, Of. 801.8. —
Paifi Hadzic übers, a. d. T. Katichisis zdravvija, Of. 80'2.
8. — Gcorq Michajleimr: Azdaja sediiioglavva, Of. 808. 4.
~ Georq Zachariewu': Philarch o vvospitaniju djetej,
Isokr. 0 blagonrawijn Jnnosti, Of. 807. 8., Phitarch. Zer-
calo supruzestwa, Of. 808. 8. — Mich. Witkoivic, Advo-
cat in Ofen, gab, ausser mehreren Gedichten in serb.
Sprache lieraus: Spornen Milice, Of. 816. 8. — Joh.
Beric, Aktuar bei der Ober-Direction der serb. Nor-
malschulen in Ofen: Pedagogika i Metodika, Of. 813. 8..
Srekowa istorija (a. d. T.), Of. 817. 8. — Fiuil Beric,
Advocat, verfasste mehrere Gedichte, und übers. Wie-
lands: Agaton, Of. 820. 8. (Ir Bd.) — Milowan Wida-
koiüic schrieb: Istor. o .Josifu, Of. 810. 8., Usamljenyj
junosa, Of. 810, Blagovvonnyj krin, Of. 811., Ljubow
k miadoj Muzy serbskoj, Of. 812., Ljubomir u Elysinmu,
Of. 814 — 23. 3 Bde. 8. — ./«^6-A.' W^w/r verfasste: Hu-
kovvodstwo k franc. gramm., Of. 805., Basne Kakasena.
Of. 809. 8., MIadyj Robinzon (a. d. T.), Of. 810. 8., .le-
stestwoslowije (a. d. T. des KafFj, Of. 810. 8., Ücilisce
dobrodjeteli, Of. 822. 8., Now. zemlje opisanije Of. 825. 8.
mehrere Lustspiele: u.s. w. — JSikl. Siinic-. Ikonostas vshn> -
nych lic, Of. 807. 8., Aristej. Of. 806. 8., u. a. m.
Gdhr. Koirareicic, Buchhändler in Zemlin, schrieb: .lu-
dit, Of. 808., Stichi o powedenii Kn. Lazara, Of 810. 8.,
PJcsiioslowka (a. d. Daliii. des Kachich), Of. 818. 8. —
(icrfts. Beckpreki, llicroiuonach in (lOrgelek, i^ab heraus:
HiifclaiiHa chudozosfwo ko produzeiiijii ziwota, Of. 807.
8., Filoz. nauka, Of. 809. 8. - Jlhiui. Whihowic, Pfar-
rer in Bece: Rjec na grobn ,1. Grigonjcwica, Of. 807. 8.,
Slowo 0 ljnb>vi ChristijanONV, Of 811. Jnh. Dn.sfriowt'c
hinterlioss: Ciislenica ili nauka racuna, Of. 809. 8., Azbu-
koprotres, Of. 810. 8. u. m. a. — Jron Elemc: Pjesni o
izbawenii Serbii, Ven. 807. 8. — Moyses Ignjatowic :
Agar u j)iistini, drama (a. d. Kuss.), Of. 801. 8., Nastaw-
lenije k blagonrawiju, u sesl razgovvorovv, Of , 813., Ar-
icllo, Of 813. 8. u. s. vv. - Sahh. Lazammc: Nacalo
ucenija niein. jaz., W. 774 8. - P2p/n: Lnzarewic: 7a-
lije Suworowa, Of. 799. 8., Morahiaja (ilozofija, Of
807. 8.. Sobranije inoralnich wescej, Of 809. 8., Glas
porfyronosca, Of 810. 8., Sodruzostv\a drewnich bogow,
Of 810. 8. - Joh. Zhikinne übersetzte Herders: Fal-
inowo listije, Of 807. 8. Steph. Ziwknwic: Prikljuce-
nija Teleinaka, Of. 814. 8-, ßlagodjetehia i\luza, W. 815.
8. — Konst, Marinkowlc, Pfarrer in Neusatz, gab her-
aus: Plac Kacbili, Of 808. 8., Otkrowenije Amerike
(v. Campe) IrBd., Of., 809. 8. Jo/i. Rukoslaw iiher-
selzte PJutarchs: 0 wospitanii djece Of 808. 8. En-
Ihym. ffranoirtc, Pfarrer in Karlowic, übersetzte a. d.
T. Nowyj Plutarcb Ir Bd., Of 809. 8. - .^hr. Maxi-
wowtc, Pfarrer in Zoinbor, ist Vf eines : Pcelar, Of.
810. 8. - Df'in. D(nridniHc\ Secretär des Hospodars
von Serbien, Milos, redigirte in den J. 1814 - 12, die
serbische Zeitung in Wien, übers. Eisenmanns: Nastaw-
leiiije k blagonrawiju, Of. 812. 8., gab einen serb. Al-
manacli: Zabawnik, W. 815 — 21. u. m. a. heraus. —
Wiik Stephanoivic, Doct. der Philos. und Mitgl. m. gel.
(les., verfasste eine serb. Gramm, Pismenica. W. 814. 8.,
ein Wörterb. 8rpski rjecnik, W. 818. 8., sammelte die
serb. Volkslieder W. 814 - 15. 2 Bde. 8., N. A. Lpz.
823. 3 Bde. 8. u. m. a. — Maffh. Damjamnvic: Domo-
stroitelstwo, Of. 814. 8. — Laz. Boici Pamjatnik nui-
zem (1 slaweno-srbskom knizestwu slawnim , W. 815.
8. - Dem. hajlowic: Istor. tergowine, Of 816. 8. —
Eiisfach'a Arsic, d. Bürgermeisters in A. Arad Gattin,
222
gab heraus: Materiiyj sowjet obojemii poln junosti, Of.
816. 8. — Paul ^thanackoivt'c, Ftarrer in Zonibor, über-
setzte: Tysutja i jedaii daii, Of. 820 — 22. 2 Bde. 8.,
Ogledalo cestnosti, W. 823. 8. — Georg Mayarasewic,
Prof. in Neusatz, übersetzte Napoleon's Lebensgescb. Of.
822. 8., verfassle : Istor. europ. najwaznij prikljucenija
ot g. 1809 do 1821 W. 823. 8., Srbska Ijetopis 3 Hft.
Of. 824 ff. 8. — Greg. Lazic], Prof in Karlowic, schrieb :
Kratko nastawlenije fizike, Of 822. 8. — Steph. Müo-
.vg?^;2V übersetzte: Statisticeskoje opisanije Serbie, Of 822.
8. — Joh. Miokowic gab heraus: Zitije Ezopowo, Of.
814. 8. — Sabb. Merkail: Salo debeloga Jer, Of 809. 8.
— Ewg. Gyurkowic, Advocat in Pesth, schrieb : Prawo
nasljedija Of 823. 8. — Geras. Zelic, Archiinandrit, ver-
fasste eine Selbstbiographic: Zitije G. Z., Of 823. 8. —
Laz. Miletic, Otpustnago slowa archierejskago primjer,
W. 821. 8., Slowo 0 wjecnoiii blazenstwje, W. 821. 8. —
Pantel. iMicftajlowic: Enkyklopedija, Of 818. 8. — Ge-
org Popowic'. Put u raj, Of 815. 8.
Die übrigen Schriftsteller dieses Zeitraumes sind:
Tlieod. Abrahamowic, Petr. Asiuiarkowic, Gabr. Bajce-
wic, Steph. Baleowi'c, Mich. Bojadzi , Basü. Biilic,
Petr. Witkowic, Dem. Georgiewic) Sabb. Georgiewic.,
Dem. Niki. Darwar, Mark. Dobric, Greg. Jaksic, Joh.
Joannowic, Laz. Kowacewic, Basil. Kowaceivic, Bened.
Kraljeivic, Man. Maleseivic, Alex. Maximowic, N.
Messaroivic, Joh. Milivoin, Paiv. Milinkowic, Joach.
Milkowic, Petr. Miloradowic, Joh. Michajlowic, Dem.
Nalbanowicy Uros Nestoroivic, Steph. Noivakowir, Petr.
Petrowic, Simeon Petrotvic] Abrah. Petr o wie, Jak. Pe-
jakowic, Sophr. Popoiric, Dion. Popowic, Milos Popo-
wic, Joh. Popowic, Sabb. Popowic, Jos. Putnik, Max.
Rasic, Raph. Raskoivic, Niki. Stamatowic, Petr. Sa-
randa, N. Sekere.% Gabr. Stanisawlewic, Sabb. Tö-
köly, Consf. Filippowic, Steph. Filippowic\ Gabr. Chra-
nislaw II. Dem. Carnojewic. ^)
^) Eine gedruckte Literaturgeschichte wird man da nicht erwarten,
wo es noch keine gedruckte Bücherkataktge gibt. Vgl. indess P. Solaric
pominak knizeskii o slaweno-serbskom w Mletkach pecataniju, Ven. 8lu. 8.
L. Boic pamjatnik muzem u slaweno-serbskom kuizestwu slawnim, W.
815. 8. J. V. (japloivic Slawonien u. zum Theil Kroatien (1819) II. Bd.
S. 2G5 — 297. G. Magarasewic Serbska Ljetopis Is Hft. 824. S. I5G— IGO.
223
Sprache und Schriftwesen der Bulgaren.
Der bul2;arisclie Dialekt, der in Bulgarien und Make-
do?iien von etwa einer halben Million Slawen ges[)roclien
wird, erlitt, nach der Bemerkung des Hrn. Kopitar, im
Laufe der Zeit vielleicht unter allen slawischen Mundar-
ten in seinem grammatischen Bau, also in seinem Wesen,
die grösste Veränderung und Unigestaltung. Er hat z. B.
einen Artikel, den er gleich dem Walachen und dem Al-
baneser hinten anhängt, von den sieben slawischen Casi-
bus hat er, ausser dem Nominativ und Vocativ, alle ein-
gebüsst — und erset^.t sie, wie der Franzose, Italiener
u. a. durch Präpositionen. Slawische Materie in albane-
sischer Form ! ^) Diese Entslawisirung des Bulgarischen
findet die natürliche Erklärinig in der gewöhnlichen An-
nahme, dass die jetzigen Bulgaren ein Gemisch aus Sla-
wen, Rumunen inid Tataren seyen, und sich die Sprache
der erstem an denen der zwei letztern abgestossen und
fremdartige Elemente in sich aufgenommen habe.
Die. frühern Schicksale des bulgarischen Dialekts
ruhen im tiefen Schweigen. Da das Hauptvolk, welches
die Länder der heutigen Bulgarei im Yll. Jahrh. inne
gehabt, Slawen gewesen, und das Licht des Christen-
thnms, nach Ritters und Schlözers Angabe (Nestor IL
148), bereits 861, ,,wo der Car Michael mit Heeres-
macht zn Land und zu Wasser gegen die Bulgaren an-
zog, und ihren Knäz, alle Bojaren und alle ihre Leute
bekehrte", zu ihnen gedrungen ist ; so unterliegt es kei-
nem Zweifel, dass die, wie oben (§. 10.) als wahr-
scheinlich angenommen, schon früher bei den bekehrten
pontischen und makedonischen Slawen eingesetzte slawi-
sche Liturgie auch bei ihnen eingeführt, und liiemit der
erste Grund zur Schriftkunde gelegt worden. Kyrills und
Methods Bekehrung der Bulgaren , die den Chroniken
zufolge in diese Zeit fällt, ist nach den neuesten Lnter-
suchungen des Hrn. Dobrowsky eine erwiesene und un-
widerlegbare Thatsache; hiemit fallen Schlözers Bedenk-
*) S. Recens. d. slaw. Gramm, v. Dobrowsky in den Wien. Jalirb.
d. Lit. Bd. XYII.
224
• liclikoileii iiiiH Zweifel flageg;eii zusammen. Vielmehr
ßyil selieiiil, allen hislorisclien Combiiialioiieii ziifolj^e, das
\|/^ ; eiu,enlliclie alte Bulgarien so recht der wahre Schauplatz
j- der apostolischen Bekehrun^stliätigkeit der zwei Brüder
gewesen zii seyn. So lange sich die Bulgaren zur orien-
talischen Kirche bekannten, hatten sie einen eigenen,
von jenem zu Constantinopel unabhängigen Patriarchen,
der zehn Bisthümer in seinem Sprengel zählte, inid die
slawische Sj)rache fand wenigstens bei der Geistlichkeit
schon wegen des Cultus thätige Pflege — Johann, Ex-
arch von Bulgarien, id^ersetzte bereits im iX. Jahrh. das
Buch Nebesa aus dein Johainies Damascenus (i)obrowsky
inst. I. slav. p. VIII. vgl. ob. §. 11); als aber .Johann
1157 Bulgarien der römischen Kirche zuführte, und 1203
das ganze Land unter einen Primas von Ternowa ge-
;; stellt wurde, da inusste der slawische ('idtus dem latei-
V nischen weichen, bis .Johann Asaji 1235 die völlige Tren-
V nung von den Lateinern bewirkte. Bei dem Volk hin-
gegen scheint die slawische Sprache nie einer andern ge-
wichen zu seyn: noch im .1. lOKi schrien die Kundschaf-
ter des bulgarischen Fürsten .Johann athendos im Lager:
„Bezüe, Cesar I" (fliehet, der Kaiser kommt !). Wiese
ganze Zeit hindurch blieb gelehrtes Wissen dem Lande
fremd; nin* bei der Geistlichkeit finden sich schwache
Spuren davon. Einzelne Fürsten gewannen bisweilen
die Wissenschaften lieb, und schickten ihre Söhne Stu-
dien halber nach Constantinopel. Kg. Alexander (1385)—
Hess den byzantinischen Chronikenschreiber Constantin
jVIanas ins Bulgarische übersetzen ; die Handschrift davon
\^^^ , befancV sich in der Vaticanischen Bibliothek (Assemani
Kalend. Iniv. V. 203). Denniach nnisste hier um diese
s. / Zeit die Cultur der altslawischen Kirchensprache in Auf-
v nähme seyn, und gleichen Schritt mit der Pflege, wel-
che diese Sprache in dem benachbarten Serbien fand,
halten: ja Galeotus Martins berichtet ausdrücklich (Cap.
28. p. 267.), dass die Türken zur Zeit Matthias Corvi-
nus, Kg. von Ungern, ihre Diplome in der bulgarischen
(kirchenslawischen?) Sprache geschrieben haben, und
.Vlatthias selbst der bulgarischen Sprache kinidig gewe-
sen sey. Als aber im .J. 1392 Bajazeth dem Bulgarischen
Beich ein Ende machte, zahlten die Einwohner der Bul-
225
j^arci in den crslen .lalircii der lürkisclien Koj^^iriing zwar
mir eiiKMi iniissijjjon Zins, mici oennsscn sojijar einen Sclial-
(en von Freiheit; allein sohald der Sullan zuersl in Adria-
noj)el, dann gar in ('onstanlinopel seinen Sifz aufschlug,
endigle sich dieser Vorzug. Viele von ihnen traten frei-
willig zin- inuluiininedanischen Religion über , andere
wurden dazu gezwungen: der grösste Tlieil blieb aber
l)ei seinem griechischen Kitus inid Verfassung. Seitdem
verschwand das Schriftwesen in der Bulgarei vollends:
die bulgarische Geistlichkeit bezieht jetzt ihre liturgi-
schen Bücher aus andern Ländern, meist aus Russland.
Von der römischen Curie geschahen noch im Anfange des
XVII. .Jahrh. Versuche, die Bulgaren zu gewinnen, und
diesem Streben verdanken die von P. Boi/dan Baksich,
Min. Obs. Custos der Bulgarei. in die vulgär-bulgarische
Sprache übersetzten Meditationes S. Bonaveuturae, Ro-
mae typ. j)ropag. 1638., ihre Entstehung. — Ausser Da-
niels, und auch in Leakes Researclies in Greece wieder-
abgedruckten J'etraglosson — griechischem Comenius,
n)öchte man fast sagen - enthalten die literarischen Bei-
lagen zu der in Wien erschienenen serbischen Zeitung
1820 ff., nebst der bulgarisclien lebersetzung der 285
Wörter des Petersburger vergleichenden Wörterbuchs
aller Sprachen, auch Proben in Prosa und Versen, und
grammatische Bemerkungen, gesammelt von dem serbi-
schen Lexicographen. Hrn. Wuk Stephanowic, die aber,
wie Hrn. Koppen (Kunst u. xAlterth. in Russl. S. 27.)
sachkundige Bulgaren, welche den Ternauer Dialekt (wol
nur Varietät) allen übrigen \orziehen, versiclierteii.
Iiauptsächlich nur diejenige .Mundart (Varietät) betref-
fen, die an der Gränze Serbiens gesprochen wird. —
Das von Ge. Körnern in Wellers Acten aus allen Thei-
len der Gesch. Tii. II. 809. für bulgarisch ausgegebene
\. Testament, Moskau 1702. 8., ist niclit in der bulga-
rischen, sondern in der allslawischen Kirchensprache.
Ihn verleitete die von dem bulgarischen Bischöfe Theo-
phylactus dem Evangelisten Matthaeus vorgesetzte Vor-
rede. (Mithridat. II. S. 642.) — In den neuesten Zei-
ten hat die russische Bibelgesellschaft in S. Petersburg
das N. Testament in bidgarischer Sprache übersetzen und
drucken lassen.
15
Yierter Abschnitt.
Gcscliichte der Sprache und Literatur derkatholisclieii Shiwo-
Serbcii (Dahnatiner, Bosnier, Shivvonier) und der Kroak'ii.
§. 25.
Historisch - ethnographische Vorbemerkungen.
Die zwei, gescliichtlicli verschiedenen, sprachlich sehr
nahe verwandten Stamme, der Slainm der Serben abend-
ländischen iiitus in Daimalien, Ragusa, Bosnien und
Slawonien, und der Stamm der Kroaten an der Sawe
und Kulpa, hängen in Hinsicht der Geschichte und des
Schrift Wesens dermassen zusammen, dass die Betrach-
tung beider nicht bequem getrennt werden kann.
Bereits im III. und IV. Jahrh. nach Chr. beunru-
higten slawische Völker die römischen Provinzen des al-
ten Illyricums, und wol mag um diese Zeit, und in den
darauf lolgeiiden Jahrhunderten ein grosser Theil des
ehemaligen alten Griechenlands von ihnen wenigstens
striciiweise bevölkert worden seyn (vgl. §. 10. Anm. 9.);
aber erst um die Mitte des VU. Jahrh. gelang es dem
serbischen und kroatischen Stamni ausgebreitete, feste
Wohnplätze im Süden der Donau und der Drawc ein-
zunehmen. Da über die frühern Sitze der Serben und
ihre Einwanderung in das alte lllyricum bereits oben (§.
W.) das Nöthige angefidirt worden ist: so beschränken
wir uns hier auf die Aushebung einiger Angaben aus
der kroatischen, oder richtiger kroatisch-dalmatischen,
ferner der slawonisciien inid ragusinischen Geschichte.
227
" I.) Dalmatien und das alte (wahre) Kroatien.
Die iihcsten Silzc der Kroalcii ') scheinen nach Coii-
stanlin Porphyr., der sie jcrjseit ßagibariam (welches
den westlichen Theil des karpatischen filel)irgcs, Babie
4»ory, bedeuten soll) stellt, nördlich dem karpatischen
Gebirge, und besonders nach Kleinpolen und Schlesien
gesetzt werden zu müssen. Seit wie langer Zeit sie diese
Gegenden inne halten, ist nicht bekannt ; aber Jornandes
sagt schon, dass die Wenden nördlich den Karpaten vom
Urspnuige der Weichsel an, in unerniesslichen Räumen
wohnten, und Prokopius erzählt, dass als die Gesand-
ten der Heruler 494 vom Marciilelde aus zu den War-
nern ins iMeklenburgische gingen, wo ihr Weg sie durcii
Mähren und Schlesien führte, sie lauter slawische Völ-
ker fanden. Sie hatten ihre eigenen Fürsten •, einige der-
selben schickten 620 — 639 an den Ks. Heraklius, und
baten ihn um Wohnplätze. Er wies ihnen Dalmatien an,
welches die Awaren den Hörnern weggenommen hatten.
Es machten sich nun fünf grosse Stämme (den Chroni-
ken zufolge unter Clucas, Lobelus, Kosentzes, Muchlo,
Chrobatos und den zwei Schwestern Tuga und ßuga)
auf, und wanderten, wahrscheinlich durch die slawi-
schen Länder Oesterreich, Kärnten , Steiermark hinab,
um ihre neuen Sitze aufzusuchen. Diese Oberhäupter wa-
ren vorher mit dem Ks. Heraklius darüber übereinge-
kommen, dass sie Dalmatien (\en x4waren entreissen, und
dann das Land unter kaiserlicher Oberherrschaft besitzen
sollten. Was die Ursache dieser Auswanderung gewe-
sen, wird zwar von Constantin nicht angegeben; da aber
nach Nestor im .]. 627 unzählige Schwärme von Slawen,
welche an der Donau wohnten, durch die barbarisclien
Misshandhnigen, die sie von den Wlachen und Bulgaren
erfuhren, gezwungen nach Norden zu wanderten, Polen,
') Coustaut. Porphyr., Job. Lucius uud Auselm. Banduri leiten das
Wort: Kroat, Krobat von dem Griechischen ;^«oo; (oi zrjv noll'rjv xägav
■ACixixovzsq), sonderbar genug, ab. Andere meinen, es komme von aoro^
Berg her. Adelung bringt es^ mit Karpat in Verbindung. Nach Dobrowsky
weisen die Namen : Chrwat im Altslawischen, Charwat im Dalmat. und
Böhm., Chorivat im Kroat., Ckroivat im Krainischen auf die Stammsylbe
xpB Chrw hin, deren Bedeutung sich nicht augebeu lässt. S. Dobrowsky
inst. ling. slav. p. 213 — 14.
15*
228
Pomiiiern und die Marken erfuUleii, da 034 auch ein
avarischer Befehlsiiaber, Kovrat, die Anten und Slawen,
welche nördlich dem schwarzen Meere sassen, vertrieb,
und diese ihre Zuflucht grösstentheil« nach Norden zu
nahmen; so mochte wol den Kroaten an der Weichsel
und in Schlesien der Raum zu enge werden, und sie
darum wenige Jahre nach jener Einwanderung den Ent-
schluss fassen , auszuwandern ^j. Der Krieg mit den
Awaren dauerte einige Jahre, nach deren Besiegung die
dalmatischen Slawen kroatischen Stammes einen eigenen
Staat organisirten, patriarchalisch in Zupanien vertheilt,
jedocli unter byzantinischer Oberherrschaft, und sich zum
Christenthum bekehrten (630 — G40. ^) Bald darauf
langten, durch das Beispiel ihrer Brüder, der Kroaten,
bewogen, die Serben an, und nahmen die von den Kroa-
ten noch nicht besetzten Länder ein, namentlich das alte
Mösien unter Belgrad (Serbien) , Zachulinien (Herce-
gowina), Terbunia, das Land der Narentaner und der
Diokleaten von Ragusa bis Dekaterä, Durazzo u. Anti-
vari. Kurz darauf halfen die Kroaten dem Exarchen von
Ravenna wider die Longobarden, wanden sich allmälich
vom orientalischen Reiche los, und machten auch im Chri-
stenthum Rückschritte. Der erste bekannte kroatische
Erzzupan ist Mislaw um das J. 820, Unter einem seiner
Nachfolger Crescimir kettete sich Dalmatien wieder an
das orientalische Reich und den orientalisclien Glauben,
erklärte sich aber schon unter ßranimir 879 für die oc-
cidentalische Kirche. Im J. 904 verwüsteten die Ungern
Dalmatien. Von 1000 — 1100 behaupteten die Yenetia-
ner das Küsten-Dalmatien und die Inseln ; die kroati-
schen Fürsten das innere Land. Allein Koloman, Kg. von
^) Im IX. Jahrh. geschieht noch der Kroaten in Schlesien Meldung.
Nach Worbs gab es zwei Provinzen dieses Namens, eine in Kleinpoleu, die
andere in den Gebirgen Oberschlesiens.
') Nach Engel haben die Kroaten bereits um das J. 630 unter Po-
rinus nach Rom geschickt, und Hessen um Lehrer und Täufer bitten. Die
Bitte zwar ward ihnen gewährt, und eine Anzahl Biscliöfe hingeschickt,
vermuthlich aber wurden sie von Rom aus an den Kaiser angewiesen, durch
den sie die weitem Schritte zu machen hätten. Heraklius, angegangen von
den Kroaten, schickte einen eigenen Gesandten nach Rom, erhielt von da
aus mehrere Priester, und so setzte er aus den Kroaten selbst Erzbischöfe.
Bischöfe, Priester und Diakonen. Damals war srlmn Pnrgas oberster l'^ülirer
der Nation. Th. II. S. 454—54.
229
l ni;rrii. en)l)or((' nach einer ScIilaclM iiii( dem kroali-
.sclieii Fiirslen Pe(er die Studie Zara, Trau, SpaliUo
1102 - 1105. imd die Innern wurden nun Meister des
festen l.andes und der Seeküste vom nördliclien Dalma-
lien, die Veneter von den Inseln, jedocli unter bestän-
dig;en Kriegten und Abweclislungen 1100 — 1421. In
der darauf folgenden Periode 1420 ^ 1797 verloren so-
wol diese, als auch Jene beinalie alles an die Türken,
denn nur ein kleiner Theil von Dalmatien verblieb Ve-
nedig-, und Ungern nur Slawonien und ein Theil von
Kroatien. Der Friede von Campo Formio brachte end-
lich das venetianiscbe Dalmatien nebst seinen Inseln bis
Cattaro miter Oesterreichs Herrschaft, dagegen die Re-
publik Frankreich den Rest sich zueignete. Im J. 1809
beschloss Napoleon in seiner erträumten Allmacht das
alte Illyricum aus dem Grabe zn wecken, und errich-
tete die illyrisclien Provinzen aus den Ländern jenseits
der Drawe, dem Littorale, dem Kreise Villach u. Krain.
Nach Napoleons Sturz sind diese Provinzen Oesterreichs
rechtmässigem Scepter von neuem unterworfen. '*)
2.) Das neue Kroatien.
Die heutigen sogenannten kroatischen Comitate Za-
grab, Kreuz, Warasdin, wurden vor Zeiten unter dem
Namen Slawonien mitbegritfen, und waren durch die
*) Vgl. im Allg. die Schriften von Assemanus , Andr. Dandulus
Seb. Dolci, Karl du Fresne Seigneur du Gange, Szäszky unter dem Namen
des Graf. v. Keglevich (Pressb. 1746), Dan. Farlatus, Gas. Freschot, For-
tis, Keri, Kercselics, Lourich, Job. Lucius, Mauro-Urbinus (Ragusius, Ab-
bas Melitensis, bei d. Italien. Orbini, dessen : Regno degli Slavi, Pcsaro
Wl. f., russisch v. Th. Prokopowic S. P. 722. 4.), Marcus Marulus, Thomas
Archidiaconus v. Spalato, u. m. a. — Der älteste dalmatische Ghronist ist
der anonyme Presbyter aifs Dioklea, der eine Gesch. von Dalm. in slaw.
Sprache geschrieben (um 1161), übers, ins Latein, v. Marulus 1510, er-
schien in Schwantueri Script, rer. hung. T. IIL — Andr. Cacich razgovor
ugodni iiaroda slovinskoga, Ven. 759. 801. Lat. v. Em. Pavich, descriptio
regum, banorum et heroum illj-ric. Budae 764. 8. ; mehr Poesie als Gesch. —
V. Friboevii orat. de orig. successibusque slavor. Ven. 532. 4. Ital. eb. 595.
— Gr. Ratkay mem. regum et banor. reg. Dalm , Groat. et Slav. Wien
652. 773. 4. — Ph. Ricepitti prospectus Illyr. sacri , Patavii 720 fol. —
(Gianantonio Bomman) storia civile ed ecclesiastica della Dalmazia, Groa-
zia e Bosna, Ven. 775. 8. — S. J. v. Hohenhausen lUyrien, d. i. die Gesch.
dieses Landes, Essek 777. 4. — Gebhardi in d. allg. W. G. Bd. XV. S. 384 ff.
— J. Ch. V. Enqel Gesch. d. ungr. Reichs u. s. Nebenländer, 2r Th. Gesch.
von Dalm. Kroa't. u. Slawen., Halle 798. 4. Vgl. auch §. 20. Anm. 3.
230
Kulpa so begränzt, dass alles, was schon über der Knlpa
lasf, bis an das Gebiet der Seestädte, deren LTer sammt
Gebiet das eigentliche Dalinatien bildete , zn Kroatien
gehörte. Hieraas folgt von selbst, dass das Avahre alte
Kroatien nnr im Süden der Knlpa. unbestimmt wie tief
hinein in Boj^nien, Dalmatien und Istrien zu sucben, und
die Geschichte des damaligen Kroatiens mit der Geschichte
des heutigen Dalmatiens eins sey. Die Geschichte der heu-
tigen kroatischen Comitate, oder des Provincialkroatiens,
hängt hingegen mit der Geschichte des heutigen Slawo-
niens zusammen.
Das Reich der Awaren in Pannonien fand seinen
Untergang durch die Franken. Karl der Grosse fiel 791
mit einem grossen Kriegsheer den Awaren ins Land ein,
siegte allenthalben über sie, und drang bis zum Einflüsse
der Raab in die Donau vor. In den darauf folgenden
.Jahren vollendete der italienische König Pipin, Karls
Sohn, die awarische Eroberung. Er erhielt von seinem
Vater den Befehl, das eroberte Land in eine Provinz zu
verwandeln , und sorgte daher für neue Pflanzbürger,
welche er von der Raab bis an die Sawe und Drawe der
Gerichtsbarkeit des Erzbischofs von Salzburg in geistli-
chen Sachen unterwarf Unter diesen Umstäuden fand
die Bitte der Kroaten, welche seit 640 sich in Dalmatien
niedergelassen und sehr vermehrt haben, und mm um
Sitze in der Pannonia Savia zwischen der Sawe u. Drawe
baten, um desto eher Eingang; sie durften in diesen
Gegenden sich niederlassen, nur musste ihr Fürst frän-
kische Oberherrschaft erkeimen. Auf diese Weise ent-
stand das nachmalige Kgrch. Slawonien durch kroatische
Colonisten im J. 798. — Die Ungern besetzten schon
sehr früh das Land bis an die Knlpa; denn schon ums J.
901 verwüsteten sie Kärnten und Kraiii. Sicher ist es,
dass Ladislaus nach dem Tode Zwonimirs Slawonien bis
an die Knlpa besetzte (1091), Koloman befestigte den
neuen Besitz durch Eroberung von Kroatien und Dalma-
tien. Sein Bruder Almus, Herzog von Slawonien, legte
den ersten Grund zu einer eigenen Municipalverfassung
dieses Landes unter apanagirten Prinzen. Unter den Kö-
nigen aus verschiedenen Häusern wurden die apanagir-
231
teil Prinzen seltener; und Ludwig I. trachtete Slawonien
oder das heutige Kroatien immer mehr zur Einförmig-
keit mit Ungern zu bringen, aber unter Sigismund ging
alles zurück. Erst Matthias Corvinus braclite Slawonien
auf einen gleichförmigen Fuss mit Ungern. Unter Oester-
reich hiess das alte Slawonien lange Kroatien und Slawo-
nien, nach Wiedereroberung des heutigen Slawoniens
Kroatien allein; und geniesst nun nach viel vergossenem
Blute unter dem sanften Scepter der österreichischen Re-
genten eine beglückende Ruhe.^)
3.) Slawonien.
Die drei Comitate Syrmien , Pozsega , Veröcze,
machen seit einer Reihe von .Jahrhunderten einen inte-
grirenden Bestandtheil von Ungern aus. In den ältesten
Zeiten erhielt sich Syrmien, selbst unter den Awaren,
immer unter byzantinischer Hoheit. Nach Vertilgung
der Awaren siedelten sich hier Slawen an. Das Land war
von den Bulgaren sehr mitgenommen ; hatte aber eigene
Fürsten an Borna, Ljudewit, Ljudemysl. Auch mit den
Mähren in Pannonien kamen die Slawonier zum Zusam-
menstoss. Endlich wurden sie den Ungern unterworfen,
mit Ausnahme von Syrmium, welches sich unter dem
Schutze von dem heutigen Belgrad noch immer unter
byzantinischer Hoheit hielt. Dass die Ungern schon auf
ihren ersten Streifzügen bis nach Spalato gelangten, und
also auch Slawonien sich unterwarfen , leidet keinen
Zweifel. Nach Kercselics hat schon der h. Stephan Sla-
wonien besessen. In den Reichsunruhen nach seinem Tode
mag diese Provinz durch Crescimirs, Erzzupans von Kroa-
tion und Dalmatien, Eroberung verloren, unter den fol-
genden Königen aber wieder zurück geholt worden seyn.
Im Xli. Jahrh. wurden Syrmien und Slawonien an die
Byzantiner abgetreten, aber 1165, als Bela III., der by-
zantinische Client, den Thron bestieg, kam alles wieder
■') M. P. Katancsich in veterem Ci'oatarum patriam indagatio phi-
lologica, Zagrah. 790. 8. — Vitezovich [v. Ritter) kronika aliti szpnme-
nek vszega szveta vekow, Zagrab. 762. — Bloskowich dissert VII. de Savia
provincia et republ. Andautonia, Zagrab. 781. fol. — Die hieher gehören-
den Mss. hat Kercselich polit. inst. L. II. und daraus Engel Th. II. S,
145 ff. verzeichnet.
232
ans iingarisclie Reicli. Neue erscIiüKerndc Aiiflritlc für
Slawonien kamen von den Türken her, die im XV. Jahrli.
öftere Einfälle in dasselbe tliaten. Im J. 1521 fiel Belgrad,
nnd bald darauf, nämlich 1524 ganz Slawonien den Tür-
ken in die Hände. Nach der Schlacht bei i\lohäcs (1520)
ging die Veränderung im Namen und in der Sache vor.
dass die drei Comitate Zagrab, Kreuz »nid Varasdin sich
dem österreichischen Schutz unterwarfen, und auf sie,
ungeachtet sie bis dahin den Ilaupttheil von Slawonien
ausgemacht hatten, der Name Kroatien angewandt war.
Unter Slawonien hingegen fing man an, die unglückli-
chen Comitate Syrmien, Pozsega, Veröcze und Valpo zu
verstehen, welche fortdauernd unter dem türkischen .Joche
schmachteten. Leopold I. entriss den Türken seit 1683
in 15 Kriegsjahren Slawonien, und behielt dasselbe auch
im Karlowizer Frieden 1609. Die LIebersiedelung der
Serben, 1600, noch ehe ganz Slawonien zurückerobert
war, gab dem während der türkischen Unterjochung
ganz verödeten Lande einigermassen seine Einwohner
wieder; und in den .]. 1745 — 55, und zuletzt 18^7 er-
hielt sowol das jetzige Slawonien, als auch Kroatien,
seine gegenwärtige, militärisch-politische Verfassung. '')
4.) R a g u s a.
Das alte Kausia, wohin sich die Einwohner des Epi-
dauros, von Barbaren gedrängt, geflüchtet hatten, wurde
im VII. Jahrh. von Slawen serbischen Stammes bevöl-
kert. Durch Handel mit benachbarten Völkern erblühte
hier ein Staat, der frei gegen das Ausland, in seiner glän-
zendsten Periode nicht über 70,000 Einwohner zählte.
Die Republik Venedig suchte zwar den kleinen Freistaat
an sich zu bringen; allein dieser hielt sich lieber an das
griechische Kaiserthum. Die innere Verfassung war ari-
stokratisch nach Art der venetianischen; die Gesetze
wurden 1272 gesammelt. Im .]. 1357 begab sich die Re-
publik unter ungrischen, und bald darauf unter türki-
schen Schutz. In inisern Tagen fand sie in den von Frank-
'') Engel a. a. Ü. C. B. v. Hietzinger Statistik der Militärgränze
des österr. Kaiserthuras Wien 817 — 22. 2 *Bde. 8.
233
reich au.sgelicutlen jicwaUigcii Ei:scliüUeiiiiij;cii ilir Ende.
Naciiflem sie eine Zeillaiij; dein faiizösiscli-ilalienisclien
Keiclie einverleiht gewesen, (iel sie dein österreichisclien
Staate aiiheini, und bildet nun einen Kreis des zu die-
sem Staate gehörenden Königreichs Dalinatien. In lite-
rarischer Hinsicht ist Hagusa vorzüglich als die Wiege der
dalinatisch-ragusanischen Nalionalliteratur merkwürdig.^)
Das Königreich J)almatien, ein Küstenland am adria-
tischen Meere, enthält in den vier Kreisen: Zara, Spa-
latro, Kagusa und Cattaro, ungefehr 300,000 slawische
Einwohner, das iMenschencapitaJ des türkischen AntheiJs,
Sandschak Ilersek (Hercegowina) mit der Hauptstadt
Trebinj (gegen 80,000) nicht hinzugerechnet. Ausser
70,000 griechischen Ritus, die ihren Bischof in Sebenico
haben, bekennen sich die übrigen Ualmatiner (gewöhn-
lich Moriachen, Morlackcn, auch wol Montenegriner ge-
nannt) siimmtlich zur römisch-kutholischen Kirche. —
Das heutige Kroatien, ein zur ungrischen Krone gehö-
riges Königreich, mit etwa 700,000 slawischen Einwoh-
nern, zerfällt nun, nach der Rückgabe des illyrischen
Civilkroatiens (des neuen Karlstädter Kreises, zwischen
der Savve und der Karlstädter Banalgränze, welcher eine
Zeit lang zum Königreich Illyrien gehörte), in das Pro-
vincial-Kroatien (die drei Comitate Zagrab, Kreuz, Va-
rasdin) mit gegen 303,000 Einw., und in das Militär-
Kroatien (aus dem Karlstädter u. Varasdiner Generalat,
und der Banalgränze bestehend), mit gegen 397,000 Einw.,
wozu noch, in ethnographischer Hinsicht , der türkische
Antheil, Sandschak Banjaluka im Westen von Bosnien,
mit ungefehr 30,000 Einw. hinzuzählen ist. Auch die
Kroaten bekennen sich der Masse nach, mit Ausnahme
der 174,000 Griechischgläubigen im Karlstädter Bisthum,
zur römisch-katholischen Religion. — Slawonien, ein
ebenfalls der ungarischen Krone zugehöriges Königreich,
und wie Kroatien in das Provinciale (die Gespanschaf-
ten Veröcze, Pozsega , Syrmien) mit gegen 280,000
Einw., und Militare (das Peterwardeiner Generalat be-
stehend aus den drei Regimentern: Brod, Gradiska und
Peterwardein) mit gegen 210,000 Einw., eingetheilt, enl-
') /. Ch. V. Engel Gesch. d. Freistaates Ragusa, Wien 807. 8.
234
luilt int^igesaniint nngefelir 500,000 slawische Individuen,
die sich zum Theil (253.000) zur römisch-katholischen,
zum Theil aber (247,000) zur griechischen Religion be-
kennen. — Nimmt man alles Obige zusammen, schliesst
die in Dalmatien, Kroatien und Slawonien Avohnenden,
in literarischer Hinsicht schon oben (§. 20 ff.) unter den
Slawoserben mitbegriffenen, Griechischgläubigen aus, und
schlägt die religions- und schriftverwandten katholischen
Bosnier hinzu; so ergibt sich daraus das gesammte Men-
schencapital der katholischen Slawoserben (Dalmatiner,
Kroaten , Slawonier , Bosnier) zu 1,219,000 , wobei
jedoch die katholischen Bulgaren nicht mitbegriffen
sind. ^)
^) Vgl. ausser den allg. Werken (Korahinskys geogr. bist, und Pro-
ducten-Lexicou von Ungern, Pressb. 786. 8. Eb. geogr. bist. u. Producten-
Lexicon von Kroat. Slawon. u. Dalmat., Wien 789. Bisinger Generalstati-
stik d. österr. Kaisertb., Wien 807 — 09. 2 Bde. 8. Eb. Grundlinien e. Sta-
tist, d. österr. Kaisertb., Wien 816. Rumy geogr. stat. W. B. d. österr. Kai-
sertb., Wien 809. Andre geogr. Statist. Bescbr. d. österr. Kaisertb., Weimar
813. — J. 31. V. Liechtenstern Handb. d. neuesten Geogr. d. österr. Kaiser-
staats, W. 817 — 18. 3 Bde. 8. — G. Hassel vollst, u. neueste Erdbescbr.
d. österr. Kaisertb.. Weim. 819. 8.), ins Besondere über Dalmatien: Engel
Staatskunde von Dalmatien, Kroatien u. Slawon. im 2ten Tb. d. Gescb. von
Ung. 798. — Die illyr. Provinzen u. ibre Bewobner, Wien 812. 8. — A. For-
tis Reise nacb Dalm. a. d, Ital., Bern. 777. 8. Eb. Sitten d. Morlaken, Bern
775. 8. — J. Wvnne Gräfin v. Ursini u. Rosenberg, die Morlaken, a. d. Franz.
v. S. G. Bürde, Bresl. 790. Halberstadt 794, Lpz. u. d. Titel : Jella od. das
morlak. Mädcben 797. 8. — Hacquet Abbildung u. Bescbreib. der südwestli-
cben u. östlichen Wenden. Illyrer u. Slawen, Lpz. 801. fF. .5 Hfte. — Illy-
rien u. Dalmatien (in dem Miniaturgemälde der Völker- und Länderkunde),
Pestb 816. 2 Bde. kl. 8. — Bartenstein Beriebt von der BescbaiFenbeit d. illyr.
Nation in d. k. k. Erblanden, Frankf. u. Lpz. 802. (762). - {Rohrer) Ver-
such über d. slaw. Bewobner der österr. Monarchie, Wien 804. 2 Bdcben 8. —
Teleki Reisen durch Ungern u. einige angränzende Länder, Pestb 805. —
E. F. Germar Reise nach Dalmat. u. Ragusa Lpz. 817. 8. — R. F. H**g
Reisen durch d. österr. Dalm. Illyr. Alban., Meissen 822. 5 Bde. 8. — Ueber
Kroatien: Vukassovich Beschreibung des Karlstädter Generalats, im ungr.
Magazin 784. III. Bd. — Gr. Vinc. Battiiäny über d. ungr. Küstenland in
Briefen, Pestb 805. 8. — Demian Statist. Beschreib, der Militärgränze, Wien
806—07. 2 Bde. — Marcel de Serrcs voyage en Antriebe, Paris 814. 4 Bde. —
C. B. V. Hietzinger Statistik der Militärgränze des österr. Kaisertb., Wien
817—22. 2 Bde.' 8. — Ueber Slawonien ■ F. W. v. Taube hist.-geogr. Be-
schreibung des Kgr. Slawonien u. d. Hzg. Syrmien, Lpz. 777 — 78. 3 Bde.
8. — Iter per Poseganam Slavoniae provinciam 1782 susceptum a M. Piller
et L. Mitterpacber, Budae 783. "4. — C B. v. Hietzinger Stat. d. Militär-
gränze. — lUyrien^und Dalmatien im Miniaturgem. d. Völker- und Länder-
kunde. — /. V. Caplovic Slawonien u. zum Theil Kroatien, ein Beitrag
zur Völker- und Länderkunde, Pestb 819. 2 Bde. 8,
235
§. 26.
Sprach- und Stammverwandtschaft der Dalmatiner u. Kroaten.
Bei der Untersuciimiij; der (Vühcni iiud iieiieni Schick-
sale der Sprache der kalholiisclieu Slawoserheii u. Kroaten
in Dalinatien, Slawonien u. Kroatien stösst man anf Ver-
wickelungen, die den Gegenstand äusserst schwierig ma-
chen. Das seltsame Gewirre von Gränzverrückinigen,
Volksübersiedelungen , vom Glaubens-, Regirungs- und
Verfassungswechse] u. s. w., spiegelt sicli ab in dem Ge-
bilde der Sprache dieser vielfach in und durch einander
verschobenen Slawenzweige. Wirft man einen Blick auf
die Länder, die von den Dalmatinern, Kroaten u. Sla-
wonien! bewohnt werden, und hält sich bloss an ihre
Namen, so sollte man glauben, dass man hier mit drei
verschiedenen Stämmen, den Dalmatinern, Kroaten und
Slawoniern, und eben so vielen slawischen Mundarten
zu thun habe; allein die Geschichte und die Erforschung
der Sprache läugnen diese getrennte Existenz der drei
Stämme und Mundarten. Denn zuvörderst sind die Dal-
matiner und heutigen Slawonier, so wie die Ragusaner
und Bosnier, nach aller Geschichte und Erfahrung Sla-
wen serbischen Stammes; die Bewohner des wahren
(alten) Kroatiens im Süden der Kulpa hingegen, die
Kroaten, sollten nach Constantin Porphyr, für einen be-
sondern Stamm gehalten werden, während nach unserer
Erfahrung die Sprache in diesen Gegenden weder in
Grammatik, nocii in Lexicon sich bedeutend genug von
fier serbischen der Dalmatiner unterscheidet. Der Pro-
vincialkroate aber, der jetzt schlechthin Kroate genannt
wird, heisst noch nicht drei Jahrhunderte nur geogra-
phisch so, und wurde bis daiiin selbst geographisch zu
den windischen Slowenzen gerechnet, wohin er auch der
Sprache nach gehört. Dem znfolge ist die Sprache der
lieutigen sogenannten Kroaten, die augenscheinlich in
Militär-Kroatien (in dem Karlstädter u. Varasdiner Ge-
neralat und in der Banalgränze) mit der serbisch-dal-
matischen, in Provincial - Kroatien (in den Comitaten
Zagrab, Kreuz und VarasdinJ aber mit der slowenisch-
236
wiiiflisclioii Miiixliirl zusaininenrälU, ullenfalJs mir eine
schwiU'lii» Nuance dieser beiden, keineswegs aber ein für
sieb bestellender Dialekt: was im geraden Widerspruche
mit Constantln Porphyr. Ausscheidung des kroatischen
Stammes von andern slawisclien Völkern steht. Selbst
Slawonien, wiewol jetzt meist mit serbischen Flüchtlin-
gen und Colonisten bevölkert, ist nur ein Theil des alten
windischen Landes, daher ihm auch der Xame geblieben.*)
Da es indess bei iniserer Betrachtung der Schicksale der
slawischen Literatur in diesen Ländern nicht auf das
Scharfe der Dialektenstellung ankommt, da ferner die
Bev^ohner dieser drei slawischen Königreiche, die im
Laufe der letzten drei Jahrlmnderte zu ihrer Jetzigen Ge-
stalt (uid Begrünzung gekommen sind, nach und nach
eine eigene, besondere, bald nach lateinisch-italienischer,
bald nach lateinisch-iuigrischer Coaibination eingerich-
tete Orthographie eingeführt und hiedurch den Unter-
schied ihres Schriftwesens — zum grossen lebertluss
und wahren Aergerniss aller Slawisten — begründet
haben : so wollen wir die Ergebnisse ihres geistigen Le-
bens, sofern sich dasselbe in der Nationalsprache kund
ihat, nach ihrer heutigen geographischen Stammbegrän-
zung betrachten.
§. 27.
Charakter der Sprache der Dalmatiner und Zweige der
dalmatisch-kroatischen Literatur.
Die Sprache der Dalmatiner ist mit einigen geringen
Abweicinnigen die serbische Mundart. Diese Abweichun-
gen betreffen vorzüglich die Aussprache des Vocals /' statt
J(^ oder f: lipo st. Ijepo od. lepo; diwojka st. (Ijrtrojka
od. dewojka, und einige von den nächsten Nachbarn ent-
lelufte fremde Wörter. Das Serbische in Dalmatlen zer-
fällt aber wiederum, wie jede lebende Sprache, in meh-
rere Varietäten; so unterscheidet Caraman das Dalniati-
nische [poslal sam, rckal snm) von dem Raqu.samschen
*) [Kopltar) Keccns. d. slaw. Gramm, von Dobrowsky in tl. "Wie-
ner Jahrb. d Liter. Bd. XVII. 1822.
237
{ffoslo sani, reim sani) und doiii iSarcnlanischen {posln
sam, relxu sam.) Die l^igTii.sciiallcii dieser Spraclic kön-
nen nun nacli dem oben gesaj^len keine andern seyn,
als die der serbischen. Eine Auszeiciuninjij verdienl vor
allein der Wolklang der Landesiiiundart. eine Frucht
der italienisciien Nachbarschaft. Wenn man die .Stimmen
der Inländer (Appendini, Stulli, Sorj^o u. a.) hört, so
muss man freilicl« die dalmatische Miindart allen andern
Slawinen vorziehen. Zu stolz auf ihre lAbkuiift u. Sprache,
geben sie sich selbst das Zeugniss, sie seyen die ältesten
aller Slawen, und iiire Sprache der reinste aller slawi-
schen Dialekte, und die Ausländer, des Widerspruclis
nicht gewahr, schreiben und sprechen ihnen dieses ohne
Bedenken nach. Unndimlich wäre es, wenn die italie-
nische Nachbarschaft keine Spuren in der Sprache zu ih-
rem Vortheil hinterlassen hätte; aber Wolklang ist noch
kein Voll- oder Allklang der Sprache, so wie der Schön-
heitssinn noch kein Gesammtsinn des menschlichen Gei-
stes ist. Die gebildet nnd möglichst vollkommen seyn
sollende Sprache hat überhaupt in ihrer dreiftichen Ge-
stalt, als Sprache der Prosa, der Oratorie und der Dicht-
kunst, mehrere Bedürfnisse des menschlichen Geistes zu
befriedigen, als den des Klanges allein. Bis denuiach, zur
Entscheidung, ob denn der Dialekt der Dalmatiner wirklich
der älteste, reichhaltigste, reinste u. schönste sey, die übri-
gen neun od. zehn iMitinteressenten ihre Stim.iien abgeben,
bleibt die Sache immer einigem Zweifel unterworfen.
Das dalmatische, und, wie unten bemerkt werden
soll, zum Theil auch das kroatische Schriftwesen theiit
sich von jeiier in die Kirchen- und die Profanliteratur.
.Jener ist die altslawische Kirchensprache mit einem hQ-
sowderen - (/lagolififcheji, dieser die gemeine Landes -
mundart mit lateinsichem Alphabet eigen.
§. 28.
Ursprung und Schicksale der glagolitischen Literatur der
Dalmatiner und Kroaten.
Die erste Bekehrung der Dalmatiner inul Kroatenge-
schah, wie oben (§. 25. Anm. 3.) gesagt worden, von
238
Rom ans, entweder schon im VII. Jahrli., ofler sicherer
erst zu Anfange des IX. Jahrh. .Unter Branimir nämlich
(879 — 86) war ganz Dahiiatien und Kroatien katlio-
lisch. Hieraus ist klar, dass in diesen Gegenden die Cid-
tur der Landesmundart um diese Zeit noch nicht begin-
nen konnte, indem die lateinische Sprache die des Cultus
und der Kegirung geworden ist. Aber kaum waren Me-
thods Erfindiuig und Unterricht in diese Gegenden ge-
drungen, so rissen sich die dalmatischen und kroatischen
Slawen von der lateinischen Sprache bei der Liturgie
los, und schlössen sich willig an die slawische an, wozu
die daiiuds äusserlich noch bestehende Kircheneiniieit
nicht wenig beigetragen haben mag. So war denn die
Literalsprache der Slawen auch hier eingefidn-t. Sobald
die lateinischen Eiferer auf die entlernten Folgen der
Unternehmung aufmerksam wurden, setzten sie sich aus
allen Kräften dieser Neuerung entgegen. Zwar wurde die
slawische Liturgie bei Kyrills und Methods Lebzeiten in
eiingen Gegenden, wie in Mähren, vom päbstlichen Stuhl
zugelassen, in andern, wie in Bulgarien, einstweilen ge-
duldet; aber in Dalmatien und Kroatien selbst erfuhr sie
den heftigsten Widerspruch. Eine zur Zeit Johanns X.
abgehaltene Synode untersagte den Gebrauch derselben
gänzlich. Nichts desto weniger brauchte man in den kroa-
tischen Gegenden im XI. .Jahrh. beim Gottesdienst noch
immer die slawische Sprache. Die dalmatischen Seestädte
klagten darrdjer bei dem Pabst, und Nikolaus II. schickte
1059 den Abt Mainard von Casino, der nach der Hand
Bischof von Selva wurde. Dieser hielt zu Spalatn aber-
iirals eine Synode, und verbot die slawische Liturgie
nochmals, erklärte ihre Erfinder für Ketzer, und befaid
die Kirchen zu schliessen, wo der Gottesdienst kroatisch
gehalten werdej» würde. Die slawischen Priester waren
so unwissend, dass sie sich nicht einmal auf den Kyril-
lus und Methodiiis und die schon damals von Kom aus
gegebene Ei»tscheidung in dieser Sache zu berufen ver-
standen. Der kroatische König bestättigte ohne weiters
die Synodalschlüsse. Im .J. 1061 ff. wollte ein fremder
Priester, Ulfus (vielleicht ein teutscher Wolfgang), hel-
fen, und reiste nach Kom ; nach seiner Rückkehr [deiui
239
der Pabst wollte erst iiälierii Bericht von einigen Natio-
nalen selbst erwarten), veranlasste er eine Zusannnen-
knnft der Kroaten in einer h^bene von Zeng, von wo ans
sie zwei Abgeordnete an den Pabst abfertigten, nämlich
einen unwissenden Geistlichen, Cededa, ans ihrem Mit-
tel, den sie zum Bischof vorschlugen, «nid einen Bene-
dictiner-Abt. Die zwei Abgeordneten kamen nach Kom,
und Ulfus machte ihren Dolmetsch. Der Pabst Alexan-
der II. beharrte auf dem Eifer wider den Slawonismus,
und schnitt dem Cededa selbst die Ilaare seines Bartes
weg. Ulfus der Dolmetscher hingegen, machte dem Ce-
deda weiss, dass durch diesen Actus der Pabst alles gut
geheissen, und ihn zum Bischof bestätigt habe. Cededa
ling also nach seiner Kückkehr an, sich als Bischof auf-
zufidu'en, ja sogar in die Hechte und den Sprengel des
Bischofs von Veglia einzugreifen. Durch diess Benehmen
war der Betrug gar bald entdeckt; llfus ward, laut
Schlusses einer Synode zu Salona unter dem Vorsitz des
Cardinais Johannes, 10()4 gegeisselt, gebrandmarki und
ins (jefängniss geworfen; Cededa aber in den Bann ge-
than. iMid das Verbot des slawischen Rituals wiederholt.
Dennoch erhielt sich Cededa unter dem Schutze seiner
Landsleute bei diesem Amte, bis zu seinem bald hernach
erfolgten Tode. Um diese Zeit, scheint es, verfiel irgend
ein Dalmatier auf den Gedanken, zum Behuf der slawi-
schen Liturgie und für die Anhänger der lateinischen
Kirche, neue, von den kyrillischen verschiedene Buch-
staben zu erkünsteln, um das aus den kyrillischen Bü-
chern geborgte besser zu verhehlen, und sie, um ihnen
leichter Eingang zu verschaffen, dem grossen Kirchen-
lehrer und Bibelübersetzer Hieronymus zuzusclireiben.
l>iess ist das sogenannte glagolitische, dem jetzt bei den
Russen und Serben griechischen Ritus gebräuchlichen
kyrillischen entgegengesetzte Alphabet, dessen sich die
slawischen Priester der abendländischen Kirche in Kroa-
tien und Dalmatien bis jetzt bedienen. Man schrieb nun
die liturgischen Bücher mit diesen Schriftzügen um, die
Sprache aber blieb, bis auf einige wenige Abweichun-
gen, die altslawische. Ueber den Ursprung und die Be-
nennung dieses Alphabets sind übrigens zu allen Zeiten
240
die mtiiinij;!;ral(jgstcn Jlyj)Ollieseii aiifaioslcllt worden. Die
iihe.sle Meinung- ist wol die von (jluj^oliten (Priestern
in Dalinatien, die ans slawischen Missalen nach dem rö-
mischen Kitns die Messe lesen), vorgegebene, dass der
li. Flieronymns der Erfinder dieses Alj)!ial)els. nnd hie-
mit der Lriiebcr der glagolitisclien Literat nr sey; eine
Meinnng, die an sich nnlialtbar nnd schon längst gründ-
lich widerlegt worden ist. Der Graf Grnbissich stieg
noch höiier hinanf, nnd suchte den Ursprnng der gla-
golitischen .Schriftziige bei den Phrygen inid Thraken.
in den Knnen der Geten ufid (iothen. Dobner u. Schi-
mek vertheidigten das Alphabet gegen die ßeschnidigiing
eines vorsätzlichen frommen Belrngs, welcher damit ge-
spielt worden seyn soll, wenn sie sich gleich nicht ge-
traneten, das Entstehen desselben bestimmt anzngeben.
Dr. Anton hielt es, selbst mit hieronymischem Alter nicht
znfrieden, für nralt, für ursprünglich slawisch. Alter
leitete es ans dem Lateinischen ab, Linhard ans dem
Griechischen: beide versetzten es ins V. .lahrh., kurz
nach Hieronymns Tod. Dnrich. anfangs eirj Gegner der
angeführten llypothesen. änderte kurz vor seinem Tode
die vorgefasste Meinmig, verlegte dessen Entstehen ins
IX. .Jahrb. nnd wollte es in dem Rnnisciien und Osci-
sclieii finden. Aber alle diese Muthmassungen sinken in
ihr Nichts zurück, sobald man die Gründe der Gegen-
partei gehörig erwägt. Lange schon zweifelte man an
einem so hohen Alter dieses Alphabets. Frisch leitete es
ans dem kyrillischen ab, so zwar, dass es seiner Mei-
nung nach ans diesem durch absichtliche Verzierung od.
din'ch nacldässige Verstümmelung der Abschreiber nach
nnd nach entstanden wäre. Ihm folgten Kohl, Voigt.
Schlözer inid Andere, die es aber für das Werk eines
spätem Reformators erklärten. Dobrowsky bewies mit
nnumstösslichen Gründen, dass man die glagolitischen
Buclistaben im Xlll. .lahrh., ungcfehr um das .!. 1220
in Dalinatien, vielleicht auf der Insel Arbe, erfunden,
und mit ihnen einen frommen Betrug gespielt habe. Sie
sind ohne Zweifel die Erfindung eines Mönchs, der die
schon seit 3G0 .Jahren vorhandenen kyrillischen Schrift-
züge nach Willkühr. jedoch auch mit einiger Rücksicht
241
auf andere, vorzü^licli koptisclie Muster, umbildete, und
hiemit dem ganzen Alpliabet eine neue, gekünstelte,
dabei äusserst scbwertallige Gestalt gab. Allein der Ur-
heber that absichtlich auf die Ehre der Erfindinig Ver-
zicht, und nun wurde die neue Missgeburt dem h. Hie-
ron} imis zugeschrieben. Man Jioffte die Slawen des grie-
chischen Ritus dadurch zu gewinnen, und wollte ihnen
zwar den (iebrauch ihrer Sprache beim Gottesdienste
lassen, aber zugleich mit diesen neuen Buchstaben den
abendländischen Ritus bei ihnen einfuhren. Der Fabst
Innocenz IV. genehmigte dieses Vorhaben um das J. 1248,
entweder aus Ehrfurcht für den h. Ilieronymus, oder
aus Eifer für seine Kirche, die er auf solche Art vor
dem Lebergang der Slawen zur griechischen Religion zu
sichern glaubte; und seitdem wurde nun auch bei den
römisch-katholischen Slawen die Messe in der altslawi-
schen Kirchensprache, aber nach glagolitischen Formu-
laren, gelesen, lim diese Zeit mag auch die Benennung
ijluijolisch, gfagolifi.s'ch, im Gegensatz des kyrillischen,
das sonst schlechthin das Slawonische hiess, aufgekommen
seyn; wenn man gleich der» Grund dieser Benennung
nicht leicht angeben kann. ')
Das älteste, mit diesen Schriftzügen geschriebene,
bis jetzt ausfindig gemachte Denkmal ist ein Psalter, mit
welchem ein Klerikus von Arbe um das J. 1220 ans
Licht trat, und welches später für ein Werk des h. Hie-
ronymus ausgegeben wurde. Diess konnte um so leich-
ter geschehen, da Hieronymus in einem seiner Briefe
wirklich von einem Psalter spricht, den er Leuten von
M Ghi'iol heisst das Wori. auch wol der Buchstabe; folglich wäre
nach Hrn. Dobrowsky, ijlagolisch od. olagolitisch. so vieh als mit Figuren,
Buchstaben, Wortzeichen, die Glagoli heisseu. Aber schwierig bleibt diese
Erklärung immer, weil mau nicht einsieht, warum es gerade glagolitisch,
und nicht immerfort hieronymisch, im Gegensatz des kyrillischen, geheis-
sen habe, um sn mehr, da mau den • h. Hieronymus zum Erfinder macht.
— Hr. Kopiar hält es für eines der mildern Sobri(iuets. Glagol heisst in
der Kirchensprache das Wort, die Rede, ist aber allen heutigen südslawi-
schen Dialekten durchaus fremd. Wenn daher dem Nachbar in der glago-
litischen Kirche bei jedem Evangelio nach dem ihm verständlichen: W ono
ivreme das fremde: glagola Isus. ä. i. in illo tempore dixit Jesus — ans
Ohr schlug, so wars natürlich, dass er seine Landsleute, die beim Gottes-
dienste so viel glagolirten, als die Glagoler bezeichnete. Das lateinische
Glagolitae ist nach der Analogie von Israeli fae, Lechitae, Silesitae u. s. w.
gebildet.
16
242
seiner Sprache, nach den LXX. verbessert, übergeben
haben soll. Nun bezog man, weil Hieronymus aus Illy-
ricum stammte, den Ausdruck auf die slawisch redenden
Dalmatier, da doch Hieronymus selbst darunter immer
nur die Lateiner versteht. Später fing man an, sogar
von einer ganzen Bibelübersetzung zu sprechen, die Hie-
ronymus in der dalmatischen Sprache verfertigt haben
soll. Man wünschte diess, und glaubte es gern. Allein
neuere Untersuchungen baben deutlich gezeigt, dass der
Psalter bloss mit glagolitischen Schriftzügen aus der ky-
rillischen Uebersetzung neu abgeschrieben, und hie und
da in abweichenden Stellen nach der Vulgata verändert
worden sey ; und die gesunde Kritik hat es längst be-
wiesen, dass Hieronymus wol die alte lateinische Ueber-
setzung nach den LXX. verbessert, aber nie eine slawi-
sche Zeile geschrieben, geschweige denn die ganze Bibel
ins Dalmatische übersetzt habe. Eine hieronymisch- dal-
matische Uebersetzung der BibeJ ist also ein Unding. IVlan
fand ausser dem erwähnten Psalter des Nikolaus v. Arbe.
ausser einem Codex, der die Sonn- und Festtags-Evan-
gelien enthielt, ausser Missalcn und Brevieren, so sehr
man sich auch Mühe gab, schlechterdings Nichts mit gla-
golitischen Buchstaben geschriebenes. Allerdings wurde
die Bibel späterhin ins Dalmatische übertragen, nur ist
bis auf den heutigen Tag eine solche nicht im Druck er-
schienen. So wollte ein Priester aus Dalmatien im J. 1557
die Bibel mit glagolitischen Buchstaben in Tübingen dru-
cken lassen, welches aber unterblieb; und die Ueber-
setzungen von Bartholomaeus Cassins 1640 und Stephan
Rosa 1750 hatten ein gleiches Schicksal. Wo sich diese
jetzt befinden mögen, ist ungewiss.
Der Gebrauch der glagolitischen Schrift fand an-
fangs, wie gesagt, sogar an den Päpsten seine Beschützer.
(Innocenz 1248). Bereits im J. 1483 erschien ein gla-
golitisches Missal in Fol. ohne Angabe des Druckorts.
Diess ist das erste Druckwerk in der altslawischen Kir-
chensprache, um 8 .Jahr älter, als der erste kyrillische
(Psalter, Oktoich, Horologium Krakau 1491), und um
8 Jahr älter als der erste polnische (Kalender Krak. 1490),
aber um 8 Jahr jünger, als der erste böhmische Druck
243
(Neues Testament o. Druckort 1475). Im J. 1507 begab
sich der Magister Georgius von VcFicdig zum Archidia-
kon Sylvester Bedriccicli nacli Zeng, und druckte hier
drei glagolitische Werke. Im J. 1528 erschien bei Bin-
doni und Pasyni in Venedig ein Missal in 4to, und ein
Azbukwidarium in 4to; im .). 1531 aber das dritte Mis-
sal durch Simon Cosicich, Bischof v. Modrusa, in Fiume.
Als die Exx. hievon ausgegangen, liess der Bischof von
Zeng, Johann Agalich, eine neue Auflage unter der Lei- Ua^^e^
tung des Minoriten Franz Glavinich veranstalten; bei
welcher Gelegenheit hie und da der Ausdruck u. Dialekt
nacii einem alten handschriftlichen Exemplar aus der Bi-
bliothek des Erzherzogs Karl von Oesterreich verbessert
wurde. Die von Anton Dalmata u. Stephan Consul über-
setzten, und mit glagolitischen Typen zu Tübingen und
Urach 1562 — 1564 gedruckten Bücher sind in der ge-
meinen Redesprache abgefasst ^). Ausserdem wurde
noch glagolitisch gedruckt zu Rom, wo die Propaganda
glagolitische Typen, die aus Venedig stammten, vom Ks.
Ferdinand II. migefehr im .1. 1621 zum Geschenk erhielt,
und wo noch heutzutage glagolitische Missale für die Gla-
goliten in Dalmatien und Istrien gedruckt werden. ^)
Es war nämlich von jeher bei der Propaganda ent-
schieden, dass man zur Erleichterung der Union alle
Missale und Breviere in der altslawischen Kirchensprache
herausgeben solle. Solcher Bücher bedienten sich alle
Basilianer und die aus ihnen gewählten Bischöfe in den
polnisch - russischen Provinzen , welche sich alle vier
Jahre einen General- oder Protoarchimandriten zu wäh-
len pflegten , und deren General procurator als Rector
*) Die hieher gehörigen, dalmatisch-kroatischen, mit glagolitischen
Typen gedruckten Bücher findet mau verzeichnet in Kopitars krain. Gramm.
S. 438-449.
') Diess ist die einzige noch vorhandene glagolitische Buchdrucke-
rei. Daher werden auf den dalmatischen Inseln die Bücher noch gegenwär-
tig abgeschrieben, wie vor der Erfindung der Buchdruckerei ; es fängt auch
das kyrillische Alphabet an, Eingang zu finden, weil man liturgische Bü-
cher aus Russland bezieht, und vielleicht wird die glagolitische Schriftart
am Ende ganz abkommen. In der Bar. Zoisischen Samml. in Krain befin-
den sich, nebst mehreren handschriftlichen u. gedruckten Missalen, Brevie-
ren u. s. w., auch glagolisch geschriebene Briefe, die etwa vor 70 Jahren
«wischen den kais. u. türk. GränzCftmmandanten. meistens über Viehent-
führungen, gewechselt wurden. Kopitar a. a. 0.
16*
244
der Kirche des h. Sergius und Bacliiis zu Rom wohnte.
Als zu Anfange des XVII. .Jahrh. der bis dahin edirten
Missalen zu wenig war, wählte die Propaganda unter
Urban VIII. den P. Raphael Levakomch zum Corrector
und Reformator librorum ecclesiasticorum linguae illy-
ricae, und beförderte ibn nachmals zum Tituiar-Erzbi-
schof von Achrida. Levakovicli hatte bewirkt, dass Fer-
dinand II. der Propaganda ein Geschenk mit glagolitischen
Typen machte. So erschien sein Missale 1631. Allein
als er einen altern Psalter eingesehen, und vorzüglich,
als er den Bischof von Chelm, Methodius Terlecki, hat-
te kennen lernen, so kam ihm der Slawenismus des her-
ausgegebenen Missais selbst nicht mehr ganz echt, viel-
mehr als noch viele vulgar-dalmatische Ausdrücke in sich
fassend vor; es kam ein besseres Brevier mit eingedruck-
tem Psalter 1648 mit Genehmigung Innocenz X. vom 22.
Febr. 1618 heraus. Späterhin schrieb Levakovich aucii
eine Apologie dieses Breviers wieder die Ausstellungen
eines gewissen Theseo, der einen verdorbenen Codex
vor sich hatte*). Im .J. 1668 erschien die zweite Aufl.
dieses verbesserten Breviers unter der Aufsicht des Ab-
bate Pastrizio mit den seitdem neuzugekommenen 21 Of-
ficiis de praecepto und 12 Officiis ad libitum. Jos. Pa-
strizius (y 1708) aus Spalato, ein Durich der altern
Zeiten, ganz der Erforschung der Schicksale der altsla-
wischen Kirchensprache hingegeben, sagt bei der Gele-
genheit: miror sane tot seculis squaluisse nostras regio-
nes in praecipuo coronae nostrae radio, nempe in litte-
rali dialecto. Ouoties enim antiqua manuscripta pervolvi
Breviaria, tot erroribus conspersas lineas et in Ortho-
graphia et in Grammatica reperi, ut stomachum mihi
moveret. Im .1. 1706 erschien die zweite Auflage von
*) Terlecki sagt in dem über die Arbeiten des Levakovich ausgestell-
ten Zeugniss : Nam explosis nonnuUis vulgaris sermouis dalmatici vocabulis.
quae scriptorum licentia in vetusta illyrica Breviaria intrusa fuerunt, quae-
que R. P. Raphael suae translationi inseruerat, pura, quae in incorruptis
apud me habebantur, slavonica eorum loco reposuimus. In der päbstlichen
Genehmigung sind folg. Phrasen zu merken : Quam illyricarum gentium
libros sacros, iam inde a D. Hieronymi temporibus, ut pervctusta ad nos do-
tulit traditio, vel certe a Pontificatu Joannis VIII., uti ex eiusdem data
super ea re epistola constat, ritu quidem romauo, sed idiomate slavonico
et charactere S. Hieronymi vulgo uuncupato conscriptos, opportuua recogni-
tione indigere compertum sit etc. Engel Gesch. d. ungr. Reichs III. 462.
245
Levakovich's Missali. Es fehlte aber auch an Widersa-
chern der slawischen Liturgie der Glagoliten nicht. 80
führte Peter Marianovicii , Bischof von Zengj und iVIodrus
oder Corbavien, und Rath Ferdinands III., zu Fiuine
und an andern Orten seiner weitläufigen Diöcese das
Studium der lateinischen Sprache ein, und wollte keinen
Priester ordiniren, der niclii wenigstens lateinisch lesen
konnte. Er wurde desswegen zu Rom als ein Feind und
Verderhcr des slawischen Rituals angeklagt. Der Cardi-
nal-Vorsteher der Propaganda machte ihm 1654 hier-
wegen Vorstellungen, die er in einem gelehrten Schrei-
ben beantwortete, und sich vornehmlich darauf bezog,
dass, da in der slawischen Sprache sonst nichts, als das
Missal »nid Brevier vorhanden wäre, die Priester, die
sich damit begnügten, und nicht lateinisch lernten, noth-
wendig unwissend bleiben müssten, und nicht einmal ihr
eigenes, geschweige denn das Gewissen ihrer Zuhörer
leiten könnten. Dieser Grund war zwar an sich wahr,
er bewies aber nicht das, was er beweisen wollte, son-
dern vielmehr jenes, dass man bei dem anerkannten Vor-
theile, den Gottesdienst durch die Muttersprache ftir Sla-
wen zu popularisiren, dafür hätte sorgen sollen, auch
die übrigen theologischen und philosophischen Wissen-
schaften in eben dieser Sprache zu lehren. Glücklicher-
weise vereinigte sich mit dem Vortheile der slawischen
Sprache auch der Vortlieil der abendländischen Kirche,
welche ihre Bemühungen, auch die Russen und die rus-
sischen Einwohner von Polen in ihren Schoos hineinzu-
leiten, und hiezu den Weg durch Bewilligung des slawi-
schen Rituals zu bahnen, auf verschiedene Weise fort-
setzte. Nächst Levakovich erwarben sich die Erzbischöfe
Zmajevich und Caraman um die glagolitische Literatur
die grössten Verdienste. Vincenz Zmajevich, Visitator
von Albanien, hernach Erzbischof von Zara und Com-
missarius Apostolicus in Albanien, Serbien und Make-
donien, Bulgarien und Bosnien, schätzte die vulgär- und
die literalslawische Sprache jede nach ihrem Werth. Er
empfahl öfters die neuern ragusinisch-slawischen Schrift-
steller, verglich den Joh. Gondola an Majestät des Ge-
246
saugs dem Virgil, den Junius Palmota an Leichiigkeit
dem Ovid, den Abbate von Meleda Ignazio Gioigi an
Höhe der Gedanken dem Horaz. Ibm dedicirte Giorgi
seine Magdalena penitente illyrica ; ibm legte Della Bella
sein Lexicon vor dem Druck vor. Aber niclit geringer
war sein Eifer für die alislawiscbe Kircbenspracbe. Er
errichtete ein slawisches Seminarium zu Zara, und sorgte
für dessen Dotirung durch Verleihung von zwei Klöstern
von Benedict XlII. und durch die Diminuzione de quin-
denni von Benedict XIV. Er drang bei einer neuen Aus-
gabe des JVlissals auf eine Verbesserung des Textes, so
wie Levakovich selbst sie schon beim Brevier vorge-
nommen hatte, und ersah hiezu den Matthaens Curiünan,
als einen Spalatiner Geistliclien aus, welcher mit Vor-
wissen der Propaganda 1732 nach Moskau als Missionär
und um dort den slawisch russischen Dialekt zu lernen
gegangen war. Dieser ward nach seiner Rückkunft im
Collegio urbano aufgenommen, und dort arbeitete er an
einer richtigem Ausgabe des Missais. Seine Revisoren
waren die zwei aufeinander gefolgten General-Procura-
toren der ruthenischen Basiliten, Maximilian Zawadzki,
Consultor der Provincia Lituana, und Cesareo Hebnowski,
Archimandrit von Onuphria ; ferner Innocenz Piehowicz,
Archimandrit von Minsk, und Sylvester Rudnicki, Bi-
schof von Luck. Es blieb aber nicht nur beim Druck des
Missais 1741, sondern in einer Partikular-Congregation
der Propaganda unter dem Vorsitz des Papstes im Sept.
1742 ward die Errichtung einer slawischen Catheder
beim Collegio urbano, und die Uebersctzung der ganzen
Bibel zum Behuf dieser Catheder beschlossen. Caraman
ward zur Belohnung für seine Dienste Abt von zwei Klö-
stern, Bischof von Osero, und apostolischer Visitator der
Collegien zu Assisi, Loreto und Fermo; nach drei Jah-
ren aber Erzbischof von Zara (f 1771), wo er in sei-
nem Lieblingsseminarium für die altslawische Kirchen-
sprache und deren Verbreitung sorgen konnte. Cara-
mans treuester und tliätigster Mitarbeiter an den Bemü-
hungen für diese Sprache war der 1774 als Archidiakon
auf Osero verstorbene Matthaens Sovtch, so wie sein
247
heftigster Gegner der Ragiisaner Priester Sfeph. Rosa.^)
Um diese Mundart verständlicher zu machen, und die
slawischen Kleriker in der Grammatik zu unterrichten,
errichtete auch der Bischof Cacich ein Seminarium zu
Almissa.
Die Literalsprache der Glagoliten hatte verhindert,
dass einerseits die Reformationsversuche des Trüber, An-
ton Dalmata u. s. w. in Dalmatien nicht durchgriffen, an-
dererseits die Cultur der gemeinen Redesprache nicht
vor dem XVI. Jahrh. beginnen konnte. Nichts desto we-
niger wurden auch von Katholiken, ja sogar von Geist-
liclien Versuche gemacht, die dalmatische Volksmundart
in Schriften einzuführen. Diess führt zur Betrachtung
der dalmatischen Profanliteratur. ^)
§. 29.
Schicksale der Sprache und Nationalliteratur der Dalmatiner
und Ragusaner.
Der Sieg des neuern glagolitischen Alphabets über das
ältere kyrillische in Dalmatien, Kroatien u. Istrien dauerte
nur eine kurze Zeit. Italiens Nachbarschaft u. die Schwer-
^) M. Sovich hinterliess eine neue Adornation der Smotriskischen
Gramm, mit einer latein. Uebersetzung; das Msc befindet sich in der Bar.
Zoisischen Sammlung. Besonders wichtig ist die Vorr., wegen der slaw.
Codd. u. Bücher, die Sovich theils kannte, theils selbst besass. — S. Rosa
drang in einer Schrift: Annotazioni betitelt, auf den Gebrauch der gemei-
nen Redesprache. Caraman beantwortet s. Einwürfe in s. Considerazioni,
Msc. vom J. 1753. Interessante Auszüge daraus hat Engel Th. III. S, 457 ff.
geliefert. Die alten Älissale waren den dalm. Priestern viel verständlicher,
weil sich die Sprache darin ihrem Dialekte näherte. Caraman aber, in der
irrigen Voraussetzung, nur in russ. Kirchenbüchern sey die alte slaw. Sprache
unverändert erhalten worden, brachte in sein Missal so viel Russisches,
dass die illyr. Klerisei es nicht anders, als mit Widerwillen aufnehmen konnte.
*) Quellen. J. L. Frisch origo characteris slavonici, vulgo Cyrillici,
et glagolitici, Berol. 727. 4. — /. P. Kohl introductio in rem liter. Sla-
vorum. — Cl. Grubissich in orig. et histor. alphabeti slavonici glagolitici
vulgo Hieronymiani disquisitio, Venet. 766. 8. — F. Durieh dissert. de sla-
vo-bohemica S. Codicis versione, Pragae 777. 8. (§. 3) — Abhandlungen
einer Privatgesellschaft u. s. w. Ir Bd. 775. 8, S. 164 — 199. von Voigt. —
Abhandlungen der böhm. Gesellschaft der Wiss. auf das J. 1785. Prag. 8.
von Dobner. — K. G. Anton's erste Linien e. Versuchs üb. d. alten Slawen
2r Th. S. 103. ff. — A. Linhard Vers. e. Gesch. v. Krain 2r Th., Laibach 788.
8. S. 357. — 58. — Ch. F. Schnurrer slaw. Bücherdruck in Würtemberg im
XVI. Jahrb., Tüb. 799. 8. - J. Ch. Engel Gesch. d. ungr. Reichs 798. II.
472. III. 457 ff. — /• Dobrowsky Glagolitica, üb. d. glagol. Liter., Prag
807. 8.
248
falligkeit der glagolitischen Schrifizüge selbst, bewirkten
gar bald, dass es sich aus dem gemeinen Leben verlor,
und nur in den Kirchenbüchern gebrauclit wurde; und die
Dalmatier fingen allmälig an, im gemeinen Leben ihre
LandesnuHidart mit lateinischen Buchstaben zu schreiben,
freilich nach einer eigenen Combination , verschieden
von jener, welche sich die Polen, Böhmen und Winden
angeeignet haben. Seitdem sind allen slawischen Genos-
sen der lateinischen Kirche, die wenigen Glagoliten aus-
geuounnen, sie mögen Dalmatiner oder Kroaten, Slawo-
nier oder Bosnier seyn, lateinische Buchstaben eigen. In
der Folge gingen aber die drei ersten noch weiter, und
sonderten sich, zum grössten Ueberfluss, in der Ortho-
graphie und Seil rei hart dergestalt von einander ab, dass
sie sich gegenseitig das Lesen ihrer Bücher, wo nicht un-
möglich gemacht, doch sehr erschwert haben. ')
Es ist scliwer auszumitteln, von wem und um wel-
che Zeit die lateinischen Schriftzüge in Dalmatien zur Be-
zeichnung der slawischen Laute eingeführt worden seyen.
Da indess der Gebraucli der lateinischen Sprache und
Schrift im IX — X. Jalirh. in Europa schon beinahe all-
gemein war, und anderwärts, z. ß. in Böiunen und bei
den Wijiden Versuche , das Slawische mit lateinischen
Buchstaben zu schreiben, bereits sehr früh und vor dem.
IX — X. Jahrh. gcinacht wurden; so ist nicht unwahr-
scheinlich, dass schon bei der ersten Bekehrung der Oal-
matier, falls sie von Rom aus geschah, in Briefen, Ur-
^) Die hieher und zum §. 27. gehörigen Sprachbächi'r sind kurz fol-
gende. Grammatiken: B. Cassii institutionum linguae illyricac L. IL, Ro-
mae 604. 8. - F. 31. Appendini Grammatik der illyriscten Sprache (ita-
lienisch), Ragusa 808. 8. u. oft. — Starcsetich nuova gramatica ilirica.
Triest 812. 8. — Auch haben Micalia, Della Bella, Voltiggi und Stulii
ihren Wörterbüchern Orthographien und Grammatiken vorangeschickt. —
Wörterbücher: F. Verantii Dictioiiarium quinque nobilissimarum Europa;'
linguarum, Latinae, Italicae, Germanicae, Dalmaticae et Ungaricao, Venef
595. 4. — Dasselbe von P. Loderecker mit dem Böhm, und Poln. vermehrt
unter d. T. Diction. Septem linguarum, Pragae BOß. 4. - J. Micalia the-
saurus linguac illyricae, in quo verba illyrica italice et latine redduntur,
Laureti 649. 8. Geendigt zu Aucona 651. — P. A. Della Bella Dizionario
Italiano, Latiuo, lllirico, Von. 728. 4. N. A. von C. A. Occhi Ragusa
785. 2 Bde. 4. — J. Voltifjgi Ricsoslovnik illyricskoga, italianskoga i ni-
macskoga jczika, u Bccsu (Wien) 803. 8. — J. Stulii Lexicon Latino-Ita-
lico-Illyricum, Ir Theil: Illyr.- Lat.- Italienisch, TTagusa SOG. 2 Bde. 4. 3r
Theil : Vocabulario Italiano - lllirico - Latino. , Ital.-Illyr. Lateinisch, Ra-
gusa 810. 2 Bde. 4.
249
kiiiideii und l)ij)loinen slawische , auf Daliiiatieii Bezug
habende Eigennamen mit lateinischen Schriftziigen nach
einer neuen Combination geschrieben worden seyen, was
auch hier, wie bei den Polen, Winden inid Böhmen,
leicht zur Bezeichnung aller Laute der Landesnuindart
mit römischen Schriftzeichen, und zur successiven An-
nahme des lateinischen Alphabets führen konnte. Was
die Winden, Böhmen und Polen anbelangt, so versuch-
ten es eifrige Geistliche schon längst hie und da das nö-
ihigste zum Unterricht des Volks mit lateinischen Buch-
vStaben zu schreiben. Diess tliaten zwei Merseburger Bi-
schöfe, ßoso vor dem J. 971, und Werner vor 1101.
Von erstem sagt sein Nachfolger Ditmar ausdrücklich:
slavonica scripserat verba. Er lehrte die Slawen in ihrer
Sprache das Kyrie eleison singen. Vom Werner lieisst
es in der Chronik der iMerseburger Bischöfe : Libros sla-
vonicae linguae sibi fieri iussit. ut latinae linguae cha-
ractere idiomata linguae Slavorum exprimeret. Am un-
w'iderleglichsten bezeugen diess die merkwürdigen, mit
iateinisciien Buchstaben geschriebenen windischen Frag-
mente aus der Münchner Handsciirift, auf die wir unten
kommen werden. Zwar wurde, wie oben bereits ange-
geführt worden, im IX. Jahrb. mit der Einführung der
slawischen Liturgie auch das kyrillische Alphabet in Dal-
matien. Istrien und Kroatien gang und gäbe; allein die-
ses musste später dem neugeformten glagolitischen, und
jene der römischen weichen; die sciiwerfällige Bukwica
aber blieb stets lediglich auf die Kirchenbücher, folglich
auf die altslawische Kirchensprache, eingeschränkt, und
wurde im gemeinen Leben Avenig oder nie zur Schrei-
bung der Landesmundart angewendet. Solaric meint
(Pominak knizeskij S. 35), der Versuch, das Slawoser-
bische mit lateinischen Buchstaben zu schreiben, könne
weder seit lange her , noch leicht ausgeführt worden
seyn. Die Bukwica sey augenscheinlich nur wegen ihrer
Lnförmlichkeit verlassen worden, indem sie sonst von
den ältesten Zeiten her bis auf die neuesten bei den sla-
wischen Priestern der römischen Kirche in Dalmatien und
Kroatien in Gebrauch ist. Was die Kyrillica betrifft, so
lassen sich, meint er, ihre Spuren in der röinisch-ka-
250
tliolischen Kirche bis zum 1716 hinab verfolgen; viele
Mecresbewohncr lesen dieselbe bis auf den heutigen Tag,
andere bewahren sie als ein uraltes Verinächtniss in fri-
schem Andenken^). Die Unart, fügt er endlich hinzu,
slawo-serbisch mit lateinischen Buchstaben zu schreiben,
datire sich erst seit der Mitte des XVII. Jahrb., also wo
Micalia's Dictionarium sammt Grammatik erschienen ist.
Gleichwol feidt es nicht, was Solaric entgangen ist, an
altern Versuchen, die dalmatische Landesmundart mit
lateinischen Schriftzeichen zu schreiben. Der älteste dal-
matische Schriftsteller ist ein unbekannter Priester zu
Dioklea, der auf Verlangen seiner Mitbürger ums J. 11(31
eine Geschichte der südlichen Slawen zuerst in slawischer,
nachher aber in lateinischer Sprache verfasst hat. Die
slawische Urschrift 1510 in der Krajna gefunden, und
von Marcus Marulus ins Lateinische übersetzt, (befind-
lich in der Vaticana zu Rom unter N. 7019), weicht
aber nicht nur von der lateinischen Chronik des Dioklea-
tes, sondern auch von andern slawischen Abschriften be-
deutend ab, wesswegen die Echtheit besagter Version
von vielen bezweifelt wird. Caraman (in s. Considera-
zioni 1753) erwähnt des Frater Bernardmus de Spalafo
Episteln und Evangelien (freilicii in der altslawischen
Kirchensprache), gedruckt 1495 zu Venedig mit latei-
nischen Lettern. Hundert Jahre darauf erschien des Fau-
sttis Verantius Dictionarium quinque nobilissimarum
Europae linguarum, Latinae, Italicae, Germanicae, Dal-
malicae et Hungaricae, Ven. 1595. 4. (Megisers Dictio-
narium quatuor linguarum, Graecii 1592. 8. enthält un-
ter der ßenenuung „illyrice'^ nicht dalmatische , son-
dern krainiscli-windische Wörter).
Aber selbst diese Versuche sind nicht die ällesten
und ersten in ihrer Art; es ist vielmehr am wahrschein-
lichsten, dass die Gewohnheit, das Slawoserbische mit
lateinischen Schriftzügen zu schreiben, zu allererst in
dem kleinen Freistaat Ragusa aufgekommen sey. Denn
*) Andreas Zmajevich, geb. zu Perasto, erzogen in Collegio der Pro-
paganda, Erzb. von Antivari u. Dioklea, Primas von Serbien, schrieb im
XVI. Jahrh. in vulgar-dalmatischer und lateinischer Sprache, ersteres mit
kyrillischen Buchstaben, Annales ecclesiasticos vom Anfang der Welt bis
auf seine Zeiten, die in der Biblioth. der Propaganda aufbewahrt werden.
251
bereits im XIV — XV. Jahrh. hatte diese Republik, ans
der durch ein »inerbittlich strenges (besetz alle Orienta-
lisch-Gläubigen auf ewig ausgeschlossen waren, unter
dem Schutz der ungarischen Krone den höchsten Gipfel
der Bevölkerung, des Handels und der Reichthümer er-
reicht, und war im Besitze einer von altersher mit rö-
misch-italienischen Lehrern besetzten Schule. So war
Job. von Havenna, ein Schüler und Hausgenosse des be-
ridimten Petrarca, und zuletzt Professor der Beredsam-
keit und Kanzler zu Padua, zwischen 1370 1400
Professor zu Hagusa und Secretär des Senats; im J. 1434
wurde Philippus de Diversis de Quartigianis, ein gebor-
ner Luccheser, vom Senat als Artium Doct. und Profess.
der Rhetorik nach Ragusa berufen. Nicht minder erspriess-
lich für die beginnende literarische Cultur Ragusas war
die gastfreundliche Aufnahme, die der ragusanische Se-
nat den fliehenden Griechen, worunter die Gelehrten Jos.
Laskaris, Demetr. Chalkokondylas, Emmanuel Marulus,
Theod. Spanducinus und Paul Tarchaniotes, eine Zeit
lang zu Theil werden Hess. Die ragusanische Schule
wurde fortan mit italienischen Gelehrten besetzt. Der Ge-
brauch der lateinisch-italienischen Sprache und Schrift
führte natürlich auf ihre Anwendung in der Landesmund-
art. Dass diess frühzeitig geschehen, lässt sich aus meh-
reren Umständen entnehmen. Es ist bekannt, dass, weil
die slawische Sprache im XV. Jahrh. sogar in den Ge-
richten überhand genommen, der Senat 1472 ein Gesetz ^^^ _
gab: dass wenigstens die Deliberationen und Beschlüsse -^^ ^,
des Senats in italienischer Sprache gehalten und abgefasst
werden sollten ^). Nichts desto weniger, als die Wis-
senschaften , vom Reichthum unterstützt , ununterbro-
chen fortblühten, da schwang sich zu Anfang des XVI.
Jahrh. auch die Nationalliteratur neben jenen zusehends
empor. Besonders war diess mit der Dichtkunst der Fall.
Dieselbe wurde durch Blastns Darxich (geb. 1474),
Sigismnnd Menze (geb. 1475, gest. 1524), Mauro Ve-
tranich (geb. 1482, gest. 1576) und Stephan Gozze,
Vf. des berühmten slawischen Gedichts : die Derwischiade
(1500 — 25), zum erstenmal mit Glück bearbeitet. In
*) Appendini notizie istorico-critiche, Rag. 802. I. 205. ff.
252
den hierauf folgenden Zeiten der Ruhe und des Friedens,
besonders während der Zeit, als der gelehrte Ludwig ße-
catelli 1555 — 6ü Erzbischof von Ragusa war, erreich-
ten die lateinischen Studien, und in ihrem Gefolge auch
die slawische Nationalliteratur die höchste Stufe. Für die
gute Besetzung der Sciuden ward fortwäiirend gesorgt.
Im J. 1560 kamen die ersten Jesuiten nach Ragusa; al-
lein bis zum J. 1684 gelang es ihnen nicht ein förmli-
ches Collegium in Ragusa zu errichten, und sich auf die
Bildung der Jugend Einfluss zu verschaffen. Der Geschicht-
schreiber Ni'kol. Raijuma, der Vater der neuern ragu-
sanischen Geschichte, schrieb damals seine Chronik in
lateinischer Sprache, die bis 1545 reicht, Amlr. Giubra-
novicli verfasste damals seine Jegjupka oder Aegyplerin
(Zigeunenn), ein scherzhaftes slawisches Gedicht in 158
Quartreimen, gedruckt zu Venedig 1559, und Martinus
Durxich seine Tyrhena, eine Tragikomödie*). Diese
glückliche Periode dauerte bis Ende des XVI. Jaiirh. fort:
während dieses Zeitraumes lebten die drei Geschichtschrei-
ber: Franz Gondola, Seraph. Razzi und Easeh. Cahoga,
in lateinischer und italienischer Sprache; Dominicas Zla-
taricli (geb. 1556, gest. 1608) huldigte den schönen
Wissenschaften in slawischem Gewände; er übersetzte
Tassos Amyntas, die Elektra von Sophokles, die Lie-
besgeschichte des Pyramus und der Thisbe, gedruckt
Ven. 1508, schrieb Idyllen u. m. a. ; sogar eine Epigram-
mendichterin hatte Ragusa in diesem Zeiträume aufzu-
weisen, die Floria Znzzeri, verheirathete Pescioni, gleich
bewandert im slawischen und im italienischen Versbau
1577 — 1600^).
Den dalmatischen Glagoliten lag es zwar ob, den
Gebrauch iln-es Alphabets und der altslawischen Kirchen-
spraclie zu schützen; nichts desto weniger gab es auch
in Dalmatien schon jetzt nicht nur unter den Laien ei-
frige Verfechter der Landesminidart, und der lateinischen
Schrift, sondern selbst unter den Geistlichen Freunde
und Nachahmer. Ausser den oben augefidn-ten Episteln
und Evangelien des Bernardinus de Spalato sind noch zu
*) Appendini a. a. 0. J. Ch. Engel Gesch. d. Freistaats Ragusa,
Wien 807. S. 197. 216 ff.
^) Ajypendini a. a. 0. Engel S. 228 ff.
253
nennen: des Minorilen Bamhilovic, eines Bosniers aus
Skopi, Episteln und Kvanüjelien zu Venedig; 1G13, mit
lateinischer Sclirit't, des Maff/utfits Alhaii aus Spalaio
Officia zu Ehren der h. .Jinii;frau und die Leidensgeschich-
te, dedicirt der Kepubiik Haijusa IGJO; des Barth. Cas-
sio, Jesuiten aus Fago gebürtig, bosnisches Ritual, 1040
zu Rom gedruckt, für den Ragjisaner Gebrauch. Dieser
Cassius hatte auch die h. Schrift A. und N. T. übersetzt,
und lud die illyrische Geistlichkeit ein, ,,a supplicare
dalla Propaganda, che fosse impressa la sua Biblia"; aber
die Bischöfe setzten sich gegen deren Druck, indem sie
aus Clemens VIII. Indice librorum prohibitorum die
Stelle anführten: ,,Biblia vulgari liugua edita non pos-
sunt legi, ueque retineri, neque episcopi, neque inqui-
sitores, neque regularium superiores dare queunt licen-
tiam." Levnkovich gab selbst 1628 eine vulgär-kroati-
sche (dalmatische?) Uebersetzung der Christenleiire des
Bellarminus , 1635 aber ein Directorium sacerdotum,
welches Simon Budineus, ein Priester aus Zara, verfasst
und herausgegeben hatte, mit römischer Schrift und in
der Yulgarsprache heraus. Von Anton Cacich, einem
Zögling des CoUegiums der Propaganda, und zuerst Bi-
schof von Trau, dann Erzbischof von Spalato, hat man
eine Moraltheologie in vulgarer Sprache gedruckt. Dabei
drang er aber im Seminario auf den literalslawischen
Unterricht. Joh. Tomcits Murnavitius, aus einer serbi-
schen nach Slawonien übersiedelten Familie stammend,
zuerst Titular-Canonicus von Sebenico, dann 1622 Ca-
nonicus von Zagrab, 1631 Bischof von Bosnien und Re-
formator auctoritate apostolica der illyrischen Religiöns-
büclier, auch Protonolarius aposiolicus (gest. in^ Rom
1639) gab die doctrinam Bellarmini im Vulgarillyrischen ^
heraus, ob er gleich im Literalslawischen sehr erfahren war. ^
Landessprachen , die zu Schriftsprachen erhoben
werden, können, vorzüglich wenn sie sich fremde Schrift-
zeicheu aneignen, nur nach und nach in Grammatik und
Lexico geregelt werden. Lange dauerte es in Dalmatien,
bis eine bestimmtere Orthographie eingeführt wurde, und
noch heut zu Tage wie schwankend ist sie nicht, selbst
nach einem Della Bella, Voltiggi und andern! Den er-
f (f ^ i'UU U - ' '"-^ ( ^ ^ ^^^
254
sten Schritt hiezii machte der oben genannte Jesuit,
Barth. Cassius, mit seinen Instit. linguae illyr. 1604.
Nacli ihm wollte um die Mitte des XVII. Jahrh. der Je-
suit Micalia die dalmatische Rechtschreibung zweckmäs-
siger einrichten. Sein Thesaurus linguae illyricae erschien
1049 (eigentlich 1651). In der Vorrede nennt er den
Dialekt, in dem er geschrieben, zwar durchgängig slo-
vinskt, sagt aber zugleich, man behaupte allgemein, dass
die bosnische Mundart (besser Varietät) die schönste
sey; es wäre demnach die Pflicht aller illyrischen Schrift-
steller, sich dieser Mundart im Schreiben zu bedienen,
wessen auch er sich in diesem Wörterbuche beflissen ha-
be. In der hierauf folgenden Abhandlung über die dal-
matische Orthographie klagt er laut über die zeitherige
Unbestimmtheit und Schwerfälligkeit derselben {malo
ick se nachodi, koi se pogadjaju u nacinju ot pisanja,
i zu to je pomunuje stiti knige nasega jezyka sloivi-
ma diackim upüanne), luid verspricht eine passendere
Combination der römischen Buchstaben, wobei die na-
türlichen Laute der lateinischen sowol als der dalmati-
schen Sprache gehörig berücksichtigt worden seyn sollen
~ die aber im Grunde nicht viel besser, als die vor-
hergehenden, am allerwenigsten natürlich, leicht und
erschöpfend ist; er schreibt z. B. für 'n sg und sgj, aber
dasselbe auch für in, frrinje statt mpHlfe, krrw statt
KpB U. S. W.
Im Laufe des XVII. Jahrb., wo die Ruhe der Re-
publik Ragusa im Ganzen fortdauerte, blühte auch die
Literatur bei d en Ragusanern fort, und hob sich sogar
zusiehends. Der Dichter Joh. Gondola, Sohn des oben
genannten Geschichtschreibers Franz Gondola (gest. 1638),
übersetzte Tasso's Jerusalem, und versorgte das slawische
Theater zu Ragusa, das erste unter den Slawen, mit ver-
schiedenen Dramen, z. B. Ariadne, Raub der Proser-
pina, Galatea, Armida, Ceres, Kleopatra, Sylvana und
Amors Opfer. Eben derselbe besang in einem slawischen
Epos, betitelt die Osmanide, hi XX. Gesängen, die Tha-
ten Osmans und der Polen in dem Feldzuge des J. 1621.
Der Senat soll hievon den XIV. und XV. Gesang, aus
allzuängstlicher Schonung gegen die Türken, unterdrückt
255
haben. Noch hat man von ihm einzelne kleinere Gedichte:
Dnbravka eine Idylle, Pjesni pokorne, Snze sina raz-
metnoga n. m. a. — Junius Pulmota (gesl. 1657), der
Sänger der Christiade, gedruckt zu Rom 1657, einer
Art slawischer Messiade aus dem Lateinischen des M. H.
Vida (Christiados L. VI. Cremon. 535. 4. Antw. 536. 8.)
übersetzt, lieferte auch für das Theater mehrere Stücke,
zum Theil aus dem Alterthum, z. B. Achilles, Oedipus,
der Raub der Helena, zum Theil aber auch aus der Na-
tionalgeschichte der südlichen Slawen entnommen: als
Danica, Tochter der Ostoja, Paulimir und Zaptislawa. —
Joh. Bona (gesl. 1658), verfasste Eklogen und andere
kleine Gedichte, betitelt: Plandovagne oder Früchte der
Müsse. — Raimundus Ziniuiqna (gest. 1644), ein Domi-
nicaner, Hess die Regeln der slawischen Orthographie
1639 zu Venedig drucken. — In Rücksicht der Schule
in Ragusa ward in diesem Zeiträume das System, be-
rühmte italienische Philologen zu berufen, aufgegeben.
Um die Mitte des XVII. Jahrh. brachten es die Jesuiten
dahin, dass ihnen die Besorginig der Schule anvertraut
ward. Hier trieben sie vorzüglich nur lateinische Lite-
ratur, und legten dadurch den Grund zum nachmaligen
Verfalle der slawischen Literatur und des slawischen
Theaters in Ragusa. Das schreckliche Erdbeben von Ra-
gusa 1667 vernichtete den Wolstand der Republik in ei-
nigen Minuten auf Jahrhunderte hinaus. Der Geist der
slawischen Literatur wehte zwar noch, aber immer schwä-
cher und schwächer über Ragusa. Jakob Palmofa (gest.
1680) schrieb sein treffliches elegisches Gedicht: Du-
brownik ponovljen oder das erneuerte Ragusa, in XX.
Büchern, aber unvollendet. — Joh. Gondola der Jüngere
(gest. 1721), verfasste vier illyrische Dramen, betitelt:
Suncianica, Radmio, Raklica u. Otto, ferner eine Idylle:
die Thränen des Schäfers Radmio, und mehr and. kleine
Gedichte. — Niki. Jo. de Bona schrieb ein Gedicht : Grad
Dubrownik vlastelom u tresegnu, d. i. die Stadt Ragusa
an ilire Beherrscher nach dem Erdbeben, gedruckt 1667.
— j4nf. Glegljevich^ aus einer bürgerlichen Familie, lie-
ferte die Dramen: Olympia, Damira und Zorrislava; da
er aber auch Satyren schrieb, ward er 1728 eingeker-
256
keil, und starb bald darauf. — Marimis Tudisi, ein
Senator von Ragusa, brachte ebenfalls auf das slawische
Theater, dessen Stütze er war, einige slawische Ueber-
setzungen von IVloIiere: seit seiner Zeit, deren Anden-
ken noch in Ragusa lebt, verfiel das slawische Theater
sainmt seiner Literatur. Dafür hat gegenwärtig Ragusa
ein italienisches Theater. '')
In diese Periode fallen nun noch manche andere,
meist — selbst in der Poesie — asketische Produkte der
dalmatischen Nationalliteratur, als da sind die Werke
und Schriften des Archidinkon Albertus^ Michael Balni-
lina dl Botui, J. Vncich Bona, Jo/i. Vncicli Bona d. J.,
Murt. Borescicfij ISikL Diniitri, Pefr. Eklorovich, Ge.
Darxich, F. Angetn Gucpiich (Andachtsbuch), Joh.
Ivamscfvich, Alex. Koinitli, Franz Lakari, Marl. Ma-
.Tthradicli, Vladisl. Mmcefich (TiMiblja slovinska, Zorka
u. s. w.), Niki. Naljesckovich (Lustspiele u. a. m.), Scisko
Minceticli^ Dinko Ragnina u. in. a. - Der Bischof von
JVlakarska, Biankomch, gab eine Christenlehre im Vul-
gär - dalmatischen, Ven. 708. heraus. — Andr. Cacich
Miossic/in ein Franciscaner und geborner Dalmatier aus
ßrista, Lector der Theol. in verschiedenen Klöstern sei-
nes Ordens, hat eine schätzbare, doch nur mit kritischer
Prüfung zu benutzende Samndung verschiedener, meist
eigener und neuer Nalionalgesänge ^), welclie die Tlia-
ten illyrischer Fürsten und Helden darstellen, veranstal-
tet : Razgovor ugodni naroda slovinskoga, Ven. 759. N.
A. von Ant Puarich eb. 801. 4. - Im J. 1728 gab der
Jesuit Ardelio della Bella sein Dizionario Italiano-Lati-
no-lllirico sanunt einer vorangeschickten Grammatik in
Venedig heraus. Er verliess die von Micalia vorgeschla-
gene Orthographie, und schuf sich eine neue, die nichts
weniger als einfach und jiatürlich ist. — Aber den gröss-
tcn Freund und Verfechter fand die Landesmundart um
die Mitte des XVIll. .lahrh. an Stephan Rosa, Priester
und Sacresta an der Kathedral-Kirche zu Ragusa, wel-
cher es sogar darauf anlegte, die Vulgarsprache statt
der bisher in glagolitischen Büchern übliciien altslawi-
") AppendinI a. a. 0. Engel S. 19. 235. 253 ft.
') S. W. Stephanoivic Srpske pjesme I. S. XXXVJII.
257
sehen eiiizufiliircn. Zu diesem Zwecke verfertifijte er eine
Ueberselzmig- der h. ScIiriH in daliiialisclier Lande.sinni»d-
arl, lind iiess sie 1750 dem Pa[)s(e Benedict. XIV. über-
reiclien mit der Bitte, dass sie gedruckt werden iwö^i'.
Er beginüj aber dabei die Unkiuglicit, seine Bemerkun-
gen über die slawische Version im neuesten Missal unter
dem Titel: Annotazioui in ordinc alla versione slava
del Missale Romano, beizulegen, worin er Caramans gla-
golitisches Missal vom ,1. 1741 sehr heftig tadelte, um die
Noth wendigkeit einer neuen Uebersetzung darzuthini.
Selbst in Zara, wohin er mit den Abgeordneten von
Ragusa gekommen war, streute Rosa den Inhalt seiner
Kritik aus, das neue Missal entiialte Irrthümer u. Ke-
tzereien, und sollte desshalb verbrennt werden. In sei-
nen Annotazioni wollte Rosa mit untermischter vieler
historischen Unwissenheit und Verdrehung glauben ma-
chen: dass der echt-slawische Dialekt im ragusanisch-
bosnischen fortlebe, und dass der ragusanisch-bosnische
Dialekt nach Micalia und Della Bella der schönste unter
allen slawischen sey; dass Kyrillus sich aus dem Slawisch-
Thrakisch-Griechischen einen besondern Dialekt gebildet,
in demselben seine Lehren nach dem Sinne der griechi-
schen Kirche vorgetragen, und so eine verdorbene Kir-
chensprache eingeführt habe; daher Caraman in seinem
Missal sehr unschicklich kyrillische Sprache sowol als
Uebersetzungsmethode befolge, gegen den Sinn der von
Johann VIII. ertheiiten Erlaubniss, „che le cosc sacre
si celebrassero in lingua slava, e fossero bene interpre-
tate", indem das Volk nicht einmal den Gottesdienst,
der in solcher kyrillisclien Sprache verrichtet würde,
verstände '^j. Noch in demselben .lahr wurden dem Erz-
^) Hingegen schreibt der Erzb. Auclr. Zmajevich in einem Brief an
Pastritius : Satins est et Dalmatiae utilius, dialecto illyrica literali missam
peragere, quam usuali: nam populi eam audicntes quaedam verba intcl-
lignnt, et in quorumdam pia contemplatione remanent. Auch Benedict
XIV ^chrieb in dem Tractat über die Messe, den er noch als Cardinal
herausgegeben: Non esser espediente che la Messa sia tradotta in lingua
Vulgare. Man schützte auch die bei einer Uebers. möglichen Fehler vor. Der
gallicanische Klerus wollte das Missal, welches ein gewisser Dominicus Voi-
sin 1660 ins Franz. übersetzt hatte, nicht leiden, sondern klagte beim
Papst Alexander VlI. und ruhte nicht, bis dieser 16G1 die Uebers. ver-
dammte, und der König die Verdammungssentenz exequiren Hess. Kosa
wird von Caraman mit Quesnel in Frankreich verglichen, welcher auch be-
17
258
biscliof Carainan, als er in Geschäften in Venedig war,
die Annotazioni des Rosa nebst einem Briefe von der
Propaganda mit dem Auftrage zugestellt, sie zweckmäs-
sig zu beantworten. Diess tliat er in s. Considerazioni,
die er 1753 dem Papste gewidmet hat. Caraman läug-
net in dem ganzen Ms. nicht, dass der Unterricht des
Volks in vulgarer Sprache geschehen könne. Er gibt
sogar selbst Nachricht, dass das Rituale von Cassius ins
Vulgare übersetzt worden, weil man in der rein slawi-
schen Sprache nur ein Bruchstück eines solchen Rituals
hatte, dass man das Todten-Officium in vulgarer Sprache
singe, ja sogar die Formeln des Credo, Gloria u. s. w.
auf den dalmatischen Altären in vulgarer Sprache hin-
gemalt seyen, und dass man 1750 in Venedig auch ein
vulgar-dalmatisches Missale drucken wollte , welches
aber Caraman verhinderte. Er dringt nur darauf, dass
das Missale und Brevier in der altslawischen Kirchen-
sprache ferner verfasst, und die Geistlichkeit im Ver-
ständniss dieser Sprache unterrichtet werden möge. Seine
Hauptgründe bestehen darin: dass die allslavvische.Kir-
' clienspraclie die Mutter aller andern slawischen Sprachen
j\ sey, und dass, wenn vulgär-slawische Missale und Bre-
' viere gestattet würden, fast jede Gegend ihre eigene Ue-
bersetzung des römischen Breviers haben müsste^). Dass
hingegen die altslawische Kirchensprache allen slawischen
Völkern vom adriatischen bis zum Eismeer gemein sey,
welches dem apostolischen Stuhl Aussichten und Wege
hauptet : eripere simplici populo hoc solatium jungendi vocem suam voci
totius ecclesiae, est usus contrarius praxi apostolicae et intentioni Dei;
welcher Satz aber , nebst vielen andern , von der röm. Curie verdammt
worden.
") Quanto rumore, heisst es §. 79., non farebbe la sola Dalmazia?
Li Ragusei vorebbono la prelazione. Li Moutenegrini la contra starebbono
con archibugiate. Li popoli che sono fra li fiumi Narenta e Cherca (Titio)
sosterebbono il proprio dialetto. Quelli, che sono fra la Cherca e Zerma-
gna (Tedanio) non la cederebbono. Altri, che si dilatano dalla Zermagna
fino al Arsa, riservarebbono a se stessi la gloria ; ne minor contrasto au-
rebbono le Isole del Adriatico, le quali nel parlare non s'uniformano col
Continente ne tampoco fra se medesime. Altri vorebbono il dialetto d'Atha-
nasio Giorgicei, il quäle tradusse e stampo in Vienna 1629 Tonimaso a Kem-
pis; altri quello del catechismo fatto tradurre et imprimere con caratteri
cyrilliani da Gregorio VIIL Pont. (Summa doctrinae christianae Petri Ca-
nisii traducta ex latina lingua in slavonicam 1583, von welchem C!atechis-
mus die Provincial-Synodo von Aquileja 1.596 beschloss: quem cupimus a
clero illyrico frequenter tractari et legi, ut sit haoc matorua lingua sacer-
dotibus illyriae in promtu ad populos docendos.)
259
zur Vereiniguiig der noch scliismatischoji slawischen Na-
tionen eröffne, indem die römischen \lissale und Breviere
in einer auch diesen vcrstiindliclien Sprache übersetzt
wären. Iliernäclist machte er anf die Nachtheile auf-
merksam, die daraus entstünden, wenn die illyrische
Klerisei, die man ohnediess nur mit Mühe dahinbringen
könnte, sich mit dem neuen Missale zu versehen, indem
sie sich lieber an die alten hielten, in dem Gebrauche des
gemeinen Dialekts bei der Messe bestärkt würde. Man
kann hieraus ungefehr abnehmen, mit w^elchen Waffen
Caraman seine Gegner bekämpfte. Ueber beide Schrif-
ten wurde das Gutachten gelehrter Männer eingeholt.
Diess stellten Ant. Tripkovich, erwählter Bischof von
Nona, und Basilius Bosichcovich, der ruthenischen Con-
gregation Generalprocurator, im J. 1754 am Z. July aus.
Dem Bischof von Nona, Anton, ward auch die Rosi-
sche Uebersetzung des N. Testaments auf Befehl des Pap-
stes zur Revision übergeben, um über den Dialekt der-
selben sein Urtheil zu fällen. In seinem darüber ausge-
stellten Zeugnisse vom 3. August sagt er, dass er die Ue-
bersetzung gelesen, geprüfet und befunden, dass sie in
ganz gemeinem, illyrisch-bosnischen, oder ragusanischen,
jederman geläufigen und allgemein gebräuchlichen Dia-
lekte abgefasst sey (eamque prorsus vulgari dialecto il-
lyrica Bosnensi seu Ragusina omnibus pervia et usuali
confectam reperi). In dieser Hinsicht konnte also die
Rosische Uebersetzung sich keine Genehmigung verspre-
chen, die sie denn auch nicht erhielt. Seit 1754 hat für
eine illyrisch-dalmatische Uebersetzung der Bibel zum
Gebrauche der Katholiken in Dalmatien, Bosnien u. Sla-
wonien niemand gesorgt. So wurde denn die gemeine
Landesmnndart meist nur auf die Civilliteratur einge-
schränkt.
Allein die Blüthezeit der dalmatisch-ragusanischen
Literatur war nun vorüber, und selbst in Ragusa, das
sich in dem Frieden 1724 — 1763 bedeutend erholt hat,
stand der Landesmundart keine günstige Aufnahme be-
vor. Die Pfleger und Leiter der Wissenschaften waren
und blieben noch immer die .Jesuiten. Ihre Erziehung
forderte mehr die lateinische als die slawische National-
17*
260
literatur. Seit Peter Boscovich (gest. 1727), dem Ue-
bersetzer von Cid und von einigen ovidianischen Hero-
iden, und Ignat. Ginrgi (gest. 1737), zuerst Jesuit,
dann Benedictiner (Magdalena, Leben des h. Benedict,
Psalmen u. s. w.), versuchten sich ohne vorzüglichen Ruhm
]gnüf. u. Alma Boscovich ums J. 1758, dann die Frauen
Lucretia Bogascini, Maria Faccenda, Kalharina Sorgo,
und die Brüder Joseph (gest. 1764) und Damian Bet-
tondi in kurzen slavrischen Gedichten, meistens heiligen
Inhalts. Jmiius Resfi (gest. 1735), Seraph. Cerva (gest.
1759) und Sehast. Dolci (s;est. Uli) bearbeiteten die Ge-
schichte von Ragusa in politischer, kirchlicher, und letz-
terer auch in literarischer Hinsicht, lateinisch. — Seit
der Aufhebung der Jesuiten (1772) hob sich in Ragusa
auch die slawische Nationalliteratur in etwas; die Sena-
toren Petr. Ignat. Sorgo und Luc. Bona (gest. 1778),
waren Freunde und Kenner derselben, der erstere hat
die zwei fehlenden Gesänge der Osmanide ergänzt. Ei-
nen höhern Aufschwung konnte jedoch die dalmatische
Literatur nicht gewinnen; die meisten Gelehrten von
Ruf wählten zu ihrer Schriftsprache lieber die italieni-
sche und lateinische, als die Landesmundart. ^"^J
In den allerneuesten Zeiten haben sich um die dal-
matisch - ragusanische Mundart vorzüglich Appendini,
Voltiggi und Stulli verdient gemacht. Der Piarist Franz
Maria Appendini, Rector u. Praefect zu Ragusa, gab 1808
eine brauchbare Grammatik heraus. Derselbe schickte
1806 dem Stullischen grossen Wörterbuche eine Ab-
handlung: de praestantia et vetustate linguae illyricae,
voraus, die freilich manche gewagte und übertriebene Be-
hauptungen enthält. Ungleich besser sind s. Notizie isto-
rico-critiche sulle antichita storia e' letteratura de' Ra-
gusei, Rag. 802 — 03, 2 Bde. 4., brauchbare Nachrichten
von illyrischen Schriftstellern enthaltend. Des Istrianers
Jos. Voltiggi Wörterbiich (Wien 1803) enthält auch eim-
Grammatik und darin eine Anweisung zur Orthographie,
die von jener des Micalia und Della Bella bedeutend ab-
weicht. Das neueste und wichtigste Werk in der dalma-
tischen Literatur ist das grosse Wörterbuch von Joa-
»") Appendini a. a. 0. Enpd S. 28. 201. 272 ff.
261
rlum Stulli\ einem Franciscaner von Ragusa, eine Ar-
beit, auf n eiche der SOjälirige Greis 50 volle Jahre ver-
wendet hat. Er liess alle seine Vorgänger weit hinter sich
zurück. In der Zueignung an Se. Majestät Ks. Franz dankt
StuJIi für die ihm in österreichischem Kaiserthum seit
1782 gewordene Unterstützung und Belohnung. ")
Schliesslich fügen wir noch die Namen einiger, meist
geistlichen dalmatisch - ragusanischen Schriftsteller bei,
deren Schriften Dellabella und Stulli zum Theil ver-
zeichnet haben. Es sind folgende: Vital. ^</r«V/.sa Francisc.
in Ragusa, Joh. Luc. Anticca Ragusaner, Ign. Aijmlini
Dominicaner in Rag., Steph. Badrich Francisc. in Dernisc,
Ge. Barakovich aus Zara, Ge. Bassich Jesuit in Rag.,
Ign. Bedekovich, Sab. Bendeviscevich genannt Gozze,
Steph. Benessa Rag., Bar. Bettere Rag., Mich. Aug.
Bnecsanin Kapuziner, Pet. Thoin. Bogascinovich, Sim.
Budineus aus Zara, Mich. Biuiich Patrizier in Rag., Cau-
scich Benedictiner, Cosmas Erzb. v. Spalato, Mich. Dra-
gicevich Franc, aus Vergorac, Innoc. Garghich Francisc.
in Ragusa, Äthan. Georgijew, Franz Glavinich Francisc.
aus Istria, Timoth. Gleg Franc, in Rag., Vin. Gozze Domin.
in Rag., Basil. Gradi Bened. in Rag., Ge. Grisich Prie-
ster in Rag., Joh. Franz Gundulich, Joh. Luc. Guaragnin
Erzb. V. Spalato, Pet. Knexevick Franc, aus Kniu, Hyac.
Komenius Dominic. in Rag., Franz Lallich, Pasch. Prim.
Latinich, Vlad. Letunich Franc, in Rag., Steph. Marge-
fich Franc. Joh. Mattei Jesuit in Rag., Horaz Maxihra-
dich genannt Scjuljag Ragusaner, Pet. Palikuchi, Lud.
Radich Franc, in Rag., Bern. Riciardi, Mich. Scimunich,
Joh. Sciumonovich Priester in Rag., Bern. Sorgo Benedict,
in Rag., Franz Pierko Sorgo, Joh. Stulli Ragusaner, Liic.
Ter. sich Priester in Spalato, Anär. Vitälich, Pet. Vule-
tich, Givan Zadranin, Joh. Zanotti Canonicus in Zara
(übers. Virgils Aeneis in Versen) , iMart. Zlatarich,
Bern. Zuzzeri Jesuit in Ragusa u. m. a.
11) Quellen. Ign. Giorgi, sulle antichita Illyriche, Ms. ; Eh. zählt
in der Vorr. zu seinem illyr. Psalter über 30 gelehrte Ragusaner bis 1500
auf. — Seb. Dolci de illyr. ling. vetustate et amplitudine, Ven. 754. Fasti
literario-Ragusini, s. viror. literat. usque 1766. in Ragus. ditione prospe-
ctus, Ven. 767. 4. — F. M. Appendini notizie istorico-critiche sulle anti-
chita storia e' letteratura de' Ragusei, Rag. 802 — 03. 2 Bde. 4. — J. Ch.
V. Engel Gesch. d. Freistaats Ragusa, Wien 807. 8.
262
§. 30.
Sprache und Schriftwesen der Bosnier abendländischen Ritus.
Die Bosnier abendl. Ritus hielten sich in Sprache und
Sclirift fortwährend entweder an die Dahnalier, oder
an die Kroaten. Ihre Literatur, bestellend aus lauter
asketischen Schriften, bietet demnach, so wie ihre Mund-
art, kein Ganzes, sondern nur einen Theil der dalma-
tisch-kroatischen dar. Die meisten Nachrichten über die
altern, durchgängig theologischen Schriftsteller Bosniens
verdankt man dem bosnischen Franciscaner Philipp von
Ochievia, der in s. Epitome vetustatum Bosnensis pro-
vinciae im V. Cap. §. 5. einen Katalog derjenigen bos-
nischen Schriftsteller liefert, die ihre Werke durch den
Druck bekannt gemacht haben. Joli. Bundüovich gab
Evangelien und Episteln lieraus; Paul Passilovich, Mich.
Radich, Steph. a Jaice, Matth. Divkovich, Joh. An-
cich^ Ant. Bachich, Laur. a Biida, Thomas Babich^
Laur. a G/jnbuski, Steph. Villov, Niki. Kes.sichy Hie-
ronym Lipovcich, Ant. Papuclich, Luc. Cilich , Pat.
Hier, a Rama, schrieben verschiedene Erbauungsbü-
cher. Ochievia selbst war ein fleissiger bosnischer theo-
logischer Schriftsteller. *)
§. 31.
Sprache undSchriftwesen der Slawonier abendländischenRitus.
Das Slawonische in dem ungrischen Krch. Slawonien
ist keine besondere slawische Mundart, sondern mir eine
Nuance der serbisch-dalmatischen. Die Slawonier grie-
*) S. Epitome vetustatum Bosnensis provinciae, seu brevissimura com-
pendium historico-chronologicum de antiquitate variisque suis vicissitucli-
nibus et consistentia usque ad haec tempora. Locupletata in liac nova edi-
tiono nonnuUis additionibus , multoque pluribus locupletanda fuisset, ni
carentia moiiimentorura, ob ratioues in prologo iudicandas, cassiim reddi-
disset omne Studium. Congesta et compilata a 1*. Fhilippo (Laztrich) ab
Ochievia, Provincialatu functo, etc. Anconae 1776. 4.
263
ciiischeii Ritus ^ebranclieu im Sclirciben die kyrillisclien
Schriftzciclieii, und ihre Gcisiesproducle sind unter der
Aufschrift „Serbisch'' §. 23. initbegriffen worden. Die
katholischen Slawonier liingegen bedienen sich des latei-
nischen Alphabets, nach einer eigenen, der dalmatischen
und kroatischen am nächsten kommenden Combination.
Sie haben nändich das j? für c, x für ac, z für ■% c für
H, ch für nii, od. I» mit den Dalmatinern, dahingegen
das^^ statt des dalmatischen dj, gj, ly statt Ij, ny statt
nj, sh statt sc mit den Kroaten gemein. Zur Zeit des K.
Maximilian war die Reformation bereits bis nach Slawo-
nien gedrungen, und hatte der Nationalliteratur unter
die Arme gegriffen; allein sie wurde gar bald unterdrückt,
und die Protestanten späterhin sogar von Aufenthalt und
Gütern in den drei slawischen Königreichen: Slawonien,
Kroatien u. Dalmatien ausgeschlossen. Die spätem Schrift-
steller Slawoniens, ja einige sogar aus dem XV — XVI.
Jahrh., schrieben ohne Ausnahme lateinisch, ßalth. Adam
Kercselich gibt in s. Polit. instit. (Ms.) L. II. T. IX. §.
17 flf. ein Verzeichniss derer, die sich vorzüglich mit ge-
schichtlichen Forschungen befasst haben. Die ,,Collectio
scriptorum ex regno Slavoniae (Zagrab 1774)" enthält
kurze biographische Notizen von den slawonischen Schrift-
stellern in dem gedachten Zeiträume, deren Erzeugnisse
alle lateinisch sind. In den neuern Zeiten erschienen ei-
nige asketische Schriften sammt einigen wenigen Volks-
büchern belehrenden und unterhaltenden Inhalts in der
Buchdruckerei zu Essek und zu Ofen, welche letztere
fortwährend alle Religions- und Unterrichtsbüchlein für
Slaw^onien, als da sind Katechismen, Lese- und Gebet-
bücher , druckt. In diese letzte Periode fällt auch die
Abfassung der wenigen Sprachbücher von Relkovich,
Angielicli, Lanossovich. *)
Von den hieher gehörigen slawonischen Schriftstel-
lern neuerer Zeit, die beinahe ausschliesslich im Fache
der Gottesgelehrtheit und der religiösen und Volks-Poesie
*) Sprachbücher. Grammatiken: M. A. Relkovich neue slawonisch-
deutsche Gramm., Agram 767. 8. N. A. von F. Angielich, Wien 774, 8.
789. 8. — P. M. Lanossovich Einl. zur slawon. Sprache, Essek 778. 8. 2 A.
789. 8. 3 A. Of. 795. 8. — Lexicon: {M. Ä. Relkovich) deutsch -illyrisches
(d. i. slawonisches) u. illyr.-deutsches WB., Wien 796. 2 Bde. 4.
264
gescliricbeii haben, besclirüiikcii vvii uns zu neniicii .
Jnlon Kanislicli ans Pozega, Jesuit, hierauf Consisto-
rialassessor ebendaselbst, verfasste ein erzählendes Ge-
dicht: Sv. Roxalia Panormitanska, Wien 780. 8., und
ein voluminöses Werk: Kamen pravi smutnye velike,
iliti pocsetak i uzrok istiniti rastavlyenya cerkve istocsne
od zapadne, Essek 780. 4. — Matth. Pet. Katancslch.
Franc, u. Prof. an der Pestlier Univ., (gest. 1825) gab,
ausser mehr. lat. Werken (In veter. Croat. patriam indagu-
tio, Zagr. 790. 8., Specim. Piniol. Pannon. s. de orig. lin. et
liter. Croat., Zagr. 795. 4., !)e Istro eiusque accolis, Of.
798. 4., Orbis Antiquus, Of. 824. 4.), eine Sammlung
origineller Gediclite heraus, worunter sich slawonische
Idyllen in Hexametern u. a. Volkslieder befinden : Fru-
ctus autumnales, Zagr. 791. 8. — Jos. Jnf. Vlassich,
Pfarr. in Kamenic u. Archidiakon, übers, des Innocen-
lius III. Gedicht: Contemtus mundi, Essek 785. 8. —
Jos. Steph. Relkovicli v. Ehrendorf, Stabspfarr. in Vin-
kovce, verfasste ein ökonomisches Werk: Kuchnik, in
Keimen, Ess. 790. 8. — 3Iaf/i. Ant. Relkovich v. Eh-
rendorf, Hauptmann, schrieb, ausser den schon genann-
ten Sprachbüchern: Satir, in Versen, 3 A. Essek 822. 8.
Nekje svashta Eb. 805. 8., Postanak naravne pravice, Eb.
794. 8. — Alex. Toimkovich, Franciscaner der Capis-
traner Provinz, übers, a. d. Italienischen: Xivot Petra
V., Essek 794. 8. — Dan. Emir Boydanich gab: üo-
godjaji svieta, Wien 792. 8. heraus. — Kail Pavich,
Pfarrer und Vice-Archidiakon in Mitrovic, übers, a. d.
Teutschen : Politika za dobre lyude, Pesth (o- J.) 8. —
Ivan Velikanovich aus Brod, Franciscaner der Capistra-
ner Provinz, übers, ein geistliches Drama aus dem italie-
nischen in Versen und Prosa: Sv. Teresia divica, Essek
803. 8. -— lva7i Marevich, Domherr u. Prof. der Theol.
in Fünfkirchen, übers, a. d. Lateinischen : Dila sv. mu-
csenikah, Essek 800. 3 Bde. 8. — Ad. Phüippouich von
Ileldenihal sclirieb: Kazgovor priprosti, Ess. 822. 8. in
Versen, Xivot Velikoga Biskupa Ant. Mandicha, Fünf-
kirchen 823. 8. ebenf. in Versen. — Mich. Mihalyevich,
Pfarr. in Drenja, gab: Dilorednik za kripostlyubnu za-
bavu, Ess. 823. 8. heraus. — Adalb. Horvath, Francis-
265
caiicr der C'a|)is(ranor Provinz, verliüssle t^eislliclie ilc-
(len : Ncdiljiia sjovorenju, Of. 824. 2 Bde. 8., Roriziiieiia
ajovoreuja od miike i srnerli (j!o.s|). Isii Kersta, Eb. 824.
8., Sv. (iovoreiija od razlicsiti «vetkovina, Eb. 824. 8.
§. 32.
Schicksale der Sprache und Literatur der Kroaten.
Wie vieldeutig und schwankend das Wort Kroatien
und kroatisch iiacli der altern Geschichte und unserer Er-
falirinjtj sey, ist bereits oben §. 26 gesagt worden. Wir
haben gesehen, dass das Kroatische in Gränz- od. Mili-
tärkroatien ganz dem Dalmatischen, jenes hingegen, wel-
ches in Provincialkroatien, namentlich in den Gespan-
schafien Agrain, Kreuz inid Varasdin und den angrän-
zenden Districten gesprochen wird, dem Windischen ähn-
lich, und nur eine Varietät desselben sey. Letzteres
knüpft gleichsam das Serbisch-dalmatische an das Win-
disch - krainische an. So haben z. B. die Kroaten, den
Winden gleich, das harte / in Präteritis und am Efide
anderer Wörter durchgängig beibehalten, wofür die übri-
gen südlichen Slawen o sprechen : igral st. igrao. ^)
Die pannonischen Slawen, welche bald nach Me-
thods und Swatopluks Tode politisch unter teutsche und
ungrische, kirchlich unter römische Botmässigkeit ka-
men, fingen geraume Zeit vor der Reformation an, die
übliche Landessprache mit lateinischen Buchstaben —
aber leider fast in einer jeden Provinz nach einem an-
dern System — zu schreiben. Seit dieser Zeil gebrau-
^) Die sogeuaunten Wasserkroaten in Ungern (Wieselburger , Oe-
denburger. Raaber, Barauyer Gesp ), — nach Kollar (amoenit. iur. publ.
I. 116.) Abkömmlinge der Bissener. die er für Slawen aus Bosnien hält,
nach Bd (not. Hung. V. 14.) wahre Kroaten, „tum in istas oras tra-
ducti, quum post cladera Ludovici IL arctiores ticrent termini Hungariae,
nach Hrn. Rumy gar directe Nachkommen der Russen (Ruthenier), die
samrat den übrigen Russniaken im Gefolge der Magyaren nach Ungern ge-
kommen seyn sollen — sind kein für sich bestehender, von den übrigen
charakteristisch verschiedener slawischer Stamm, sondern nur eine Abart
der eigentlichen Kroaten, daher denn auch ihre Mundart nur eine gebro-
chene, und wegen ihrer Vermischung mit Teutschen und Ungern bereits
sehr getrübte Unterart der kroatischen ist, und den Uebergang von der-
selben zu der krainisch-windischen bildet.
266
cheii die kailiolischen Kroaten (denn die Slawoserben
griecli. Ritus im heutigen Kroatien gehören in sprachli-
clier Hinsicht nicht hieher, sondern zu ihren anderwei-
tigen Brüdern), olnie Ausnahme das lateinische Alpliabet
in ihrem Schriftwesen. Das glagolitische Alphabet konn-
te, wie oben gesagt worden , seiner Unbehilflichkeit
wegen, in Kroatien nie popularisirt werden. Zwar wur-
de im XVI. Jahrh. von Primus Trüber zu Tübingen eine
slawische ßuchdruckerei mit lateinischen, kyrillischen
und glagolitischen Typen errichtet, an welcher auch
Stcph. Consul, Ant. Dalmata und der Baron Hans Un-
gnad einen thätigen Antheil nahmen, und welche die
Verbreitung des lutherischen Lehrsystems unter den sla-
wischen Völkern an der Sawe und Donau, ja selbst un-
ter den Türken zum Zweck hatte. Merkwürdig sind, als
die ersten Druckproben dieser Officin, der serbische Ka-
techismus vom J. 1561. 8. mit kyrillischen, und der kroa-
tische von d. J. mit glagolitischen Lettern^). Indess
fand diese Anstalt bald ihren Untergang, und die da-
malige Religions-Gährung, die der kroatischen National-
literatur gleichsam einen Schwung gegeben hatte, wurde
bald erstickt. Einer von den eifrigsten Beförderern der
neuen Lehre in diesen Gegenden war Mich. Bnchich. Er
war katholischer Pfarrer zu Muraköz. Als derselbe zum
helvetischen Glaubensbekenntniss übergetreten, und das-
selbe mit Predigten und Schriften verbreitet, so wurde
er nach mehreren kanonischen Erinnerungen im J. 1574
durch den Bischof Georg Draskovich, der erst 1563 von
dem Tridenter Concilio zurückkehrte, auf einer Synode
verdammt , seinem Werke eiue Widerlegung entgegen-
gesetzt, und die wider ihn gefällte Sentenz dem König
Slaximilian zur Bestätigung vorgelegt. Maximihan, des-
sen duldsame Gesinnungen in Religionssachen zur Genüge
bekannt sind, verfügte nichts widriges gegen Michael,
-) Die hieher gehörigen Drucke hat Hr. Kopitar in s. Gramm. S.
438 ff. vollständig verzeichnet. Die wichtigsten darunter sind: a.) mit gla-
gol. Buchstaben 1.) der Katechismus v. 1561. 2) der erste Theil des N. T.
1562. 4. 3.) der zweite Theil des N. T. 1563. 4. 4.) Augsb. Conf. 1562.
5.) Apologie der Augsb. Confess. 1564. 8. 6.) Postille 1562. 4. b.) mit ky-
rillischer Schrift:' 1.) Katechismus 1561. 2.) dor erste Theil des N. T.
1563. 4. 3.) der erste Theil des N. T. 1563. 4. 4.) die Augsb. Conf.
1562. 5.) Postille 1563. 4. u. s. w.
267
vielmehr (wie der l'auliiier Veiiaiitius Glavina, der die
Acten der Synode 1771 mit Noten und Corollarien her-
ausgegeben, in s. 3ten Corollar bemerkt) schlug die
protestantische Religion in Steiermark, Kärnten, Kroa-
tien und Slawonien immer festere Wurzeln. Zu dem
waren die Grafen ^riiiy — starke Gönner und Anhänger
des Protestantismus. Unter ihren Flügeln entstand zu
Nedelic od. Nedelische eine Buchdruckerei, in welcher
viele kroatische Bücher aufgelegt wurden, unter denen
die kroatische Ucbersetzung des Verböczischen Tripar-
tittniis vom J. 1547 bemerkenswert!! ist. Die zahlreichen
Produkte waren Katechismen, und andere protestantisch-
theologische Bücher, darunter auch jenes von Mich. Bu-
chich. Georg Zriny hatte mit Beirath eines gewissen
Malkotzy die ganze Insel Muraköz zur evangelischen Lehre
gebracht ums J. 1580; sein Sohn, der jüngere Georg,
ward 1G23 wieder katholisch; auch seine Frau ward
1646 katholisch. Auf den Landtagen 1607 und 1610
protestirten die Baue von Kroatien, Erdödy nnd Dras-
kovich , heftig gegen die protestantische Lehre , und
schwuren ihr den Untergang ^). Nach dem Reichstage
1687 hat der Bischof Martin Barkovich den reichen Steph.
Jankovich, wegen seines evangelischen Glaubensbekennt-
nisses auf einem kroatischen Landtage gezwungen „üu-
ctoritate (sagt Bedekovich in s. Nat. sol. s. Hieronymi
752. fol.), qua instar Primatis ex speciali Leopoldi 1.
gratia pollebat'', aus Kroatien zu wandern, und die
Güter seinem katholisch gewordenen Sohn zu überlassen.
So wurde gar bald ganz Kroatien und die Insel Mura-
köz wiederum katholisch. Die literarische Cultur des
Landes war nun in den Händen der Geistlichkeit und
der Mönche. Mehrere Bildungsanstalten, freilich keine
Pllanzschulen für die Nationalliteratur, aber doch we-
nigstens Keceptakeln des theologischen Wissens, kamen
auf. — Beinahe alle kroatischen Schriftsteller des nun
eintretenden Zeitraums schrieben nicht mehr in ihrer
Muttersprache, sondern lateinisch. Ein grosser Theil der-
selben beschäftigte sich mit der vaterländischen Geschichte.
Interessante Nachrichten darüber theilt der schon genannte
") /S. Engel Gesch. d. ungr. Reichs III. 469.
268
Balth. Ad. Kercselicli in s. Polit. Inst. L. II. T. IX. §. 17 ff.
und aus ihm Engel Gesch. d. ung. Reichs 111. 145 — 47
mit. Unter den von ihnen angeführten sind: der Dom-
herr Joh. de Guerche, Paul v. Ivamcli, Bened. Vincn-
vü'h, Petr. Petrecsich, Christoph. Kupinich, Alex. Mi-
Imlich, Thoin. Kovacsemch, Paul Bar. Ritter, Georg.
Marcellovich, Jos. Roich, Balth. und Alex. Bataciih
u. m. a. Ihre Schriften blieben meistens ungedruckt. Die
meisten Versuche, die kroatische Sprache zur literari-
schen Ehre zu bringen, und das Licht der intellectuellen
Cültur in seinem Vaterlande anzufachen , machte um
diese Zeit der Baron Paul Ritter. Geboren in Zeng und
in Belgien erzogen, brachte er den Geschmack an Wis-
senschaften in das noch rohe Kroatien. Er musste seinen
wahren Vorsatz unter der Maske literarischer Charlata-
nerie verstecken. Er fing von der Heraldik an, und fa-
bricirte Stammbäume aus dem Kopf, um zu den Archi-
ven zu gelangen. Nach seiner Agentie in Wien kaufte er
sich zu Zagrab ein Haus und das Gut Schitjarevo. Im J.
1691 erhob man ihn zum Vicegespan und Freiherrn.
Er beredete die Stände der drei Reiche dazu, zu Zagrab
eine Druckerei zu errichten ; hiedurch zog er sich aber
nach der Hand viele Verdriesslichkeiten zu. Er ist der
erste Herausgeber der zuerst unter dem Namen Paul
Vitezovich [Ritter) erschienenen: „Kronika, aliti szpo-
menek vszega szveta vekov."" Kitter berief sich auf eine
ältere dalmatische Chronik. Steph. Raff'ay, chori eccle-
siae Zagrabiensis Praebeudarius, setzte sie bis 1744 fort,
und gab sie in demselben Jahre heraus. Niki. Lauren-
chich, ein Jesuit, der sie mit Balth. Kercselich bis 1762
fortsetzte und herausgab, Hess den Namen Vitezovich
(Ritter) weg. Noch gehört unter die gedruckten Werke
Ritters: Sibylla, in kroatischer Sprache. Von den 16
Msc, die er hinterlassen, ist hier sein: Lexicon slavoni-
cum puritati suae sacrum restituens idioma, ferner seine:
Grammatica croatica, zu nennen. Er starb zu Wien im
J. 1713^). Der Verfasser d. ältesten kroatischen Sprach-
*) Von ihm schreibt Kercselich: Scripsit pliirima. Meditabatur hi-
storiam Slavoniae : sed visa eins vulgari lingua cdita ab illo chronica, itoin
vulgo Sibylla, tautus in immortalis raenioriae viriitn concitatus ab iis, qui-
bus doctrinae et literae vi vocationis iucumbuut , est livor atque odium,
269
biichs, eines kroatisch - laleinisclicn Wörterbuclis , ist
Georg Hahdelich 1670. Auf iliii foli^le der Paiilincr Juli.
Bellosztenecz , mit s. (jazoj)livlaciiim s. Latino-illyrico-
ruin (d. i. kroatischen) onomatiiiii acrarinin Zaij^rabiae
1740. Ein .lalir darauf erscliien des h^^xüiQw Andr. Jam-
hressich Lexicon Latinum interpretatione illyrica (d. i.
kroatischen), germanica et hungarica locuples, durch Vor-
schub der Landstände von Kroatien auf der Landesuni-
versität gedruckt. Der hinten angellängte, kleine kroa-
tische Index ist 1739 von Franz Sussm'k verfertigt, von
Jambressich aber beibelialten und vervollständigt wor-
den. Jambressich gibt den Unterschied zwischen dem
Kroatischen und Üalmatisch-illyrischen nicht an , wie
Bellosztenecz, sondern mischt beides untereinander. Da-
für setzt er eine neue kroatische Orthographie fest, von
welcher er am Ende auf 7 Seiten handelt. Natio illyrica
sind auch bei ihm bald alle Slawen, bald nur die Kroa-
ten, Dalmatiner und Slawonier. Lange schon war die
kroatische, meist nach der im Ungrischen üblichen Com-
bination der lateinischen Buchstaben eingerichtete, Hecht-
schreibung durch den Gebrauch und Lexica flxirt, als
die ersten kroatischen Grammatiken von Sz. Mdrtony
(1783) und Körnig (1795) erschienen^). Als nach
dem Tode Joseph II. die ungrischen Reichsstände auf
die Einführung der magyarischen Sprache in allen öffent-
lichen Geschäften statt der bis jetzt üblichen lateinischen,
und beim Unterricht der .Jugend statt der Muttersprache,
nicht nur in dem eigentlichen Ungern, sondern sogar in
allen seinen Nebenländern drangen; da erklärten sich
die Abgeordneten der drei Königreiche Kroatien, Dal-
inatien und Slawonien auf dem Landtag 1790 heftig ge-
gen diese Maassregel ^j. Nichts desto weniger konnte,
ut prope infinitis calumuiis et iniuriis affectus Viennam abiret, ibidem mor-
tuus 1715. S. Engel Gesch. d. uügr. Reichs IL 145.
•') Sprachbücher, Grammatiken : Anleit. z^r kroat. Rechtschreibung
Of. 780. 8. — {Szent- Märtony) Einl. zur kroat. Sprachlehre, o. Dr. (Va-
rasdin) 783. 8. — F. Kornig kroat. Sprachlehre, Agram 795. 8. 810. 8. —
S. Gyurkovechky kro. Gr. Öf. 825. — Wörterbücher : G. Habdelich Dictio-
narium (kroat.-lat.). Grätz 670. 8. — J. Bellosztenecz Gazophylacium s.
Latino-illyricor. onomatum aerarium, Zagrab. 740. 4. — Andr. Jambressich
Lex. Lat. interpretatione illyrica, gerni. et hung. locuples, Zagrab. 742. 4.
") Die lateinische Sprache, sagten sie, ist durch den Gebrauch von
800 Jahren Constitutionen geworden; die Kroaten sind keine Unterthaneu,
sondern Bundesgenossen Ungerns; die Gründe, die vom Hofe, von Galicien,
270
ans leiclit begreillichen Ursachen, auch späterhin der
Cultur der kroatisclien Mundart kein grösserer Spielraum,
als jener, den sie in Unterrichts- und Erbauungsschrif-
ten schon längst gehabt hat, gewonnen werden. Die
katholischen Kroaten haben zwar ihre eigenen, d. i. in ih-
rer Mundart gedruckten Evangelien und andere Bücher
für den gemeinen Mann, aber noch immer keine ganze
Bibel. Sie lesen meistens dalmatische Bücher, da der Un-
terschied der Mundart äusserst gering ist. Ausser der
Buchdruckerei in Agram, wo bisweilen kroatische Bü-
cher religiösen Inhalts gedruckt werden, liefert die Uni-
versitätsbuchdruckerei zu Ofen alle Elementarbücher und
Katechismen für den Unterricht der kroatischen Jugend. ^)
Unter den Nationalen, welche im verflossenen und
gegenw^ärtigen Jahrhundert in kroatischer Sprache ge-
schrieben haben, sind noch zu nennen: Jak. Pejacsevich
Jesuit, P. Stephan Kapuciner und Prediger in Zagrab,
gab eine Sammlung s. Predigten: Hrana duhovna ovchicz
kerschanszkeh Zagr. 715 - 34. 5 Bde. 4. heraus, Ge.
Mulich Jesuit, Marc. Krajachich, Franz. Tauszi, Zagr.
Bischof, Anf. Tellitenovich Franciscaner, Ant. Nagy Ad-
vocat, mehrerer Gespannschaften Gerichtstafelbeisitzer und
kön. Bücherrevisor in Ofen, A. i\ Mihanovtch, k. k. Gu-
bernial-Secretär in Fiume, Vf mehrerer Abhandlungen
über die Verwandtschaft der slawischen Sprache mit der
Sanskrita, besitzt in der Handschr. ein kroatisches Epos
von hohem poetischen Werth, betitelt: Syrene, S. Gyur-
kovechky, Pfarrer zu Szamaric in der kroat. Gränze, Thom.
Koschiak, National-Schulen-Inspector im Zagraber Bezirk
u. s. w.
Serbien u. s. w. und von Ungern selbst hergenommen werden, gehen die
Kroaten nichts an, nur Vt von Ungern sollen geborne Ungern seyn , nur '3
liier Einwohner ungrisch reden; die ungi-ische Sprache ist noch keine ge-
lehrte Sprache ; die Kroaten würden von den Geschäften verdrängt u. s. w.
') Quellen. M. P. Katancsich Specimea philologiae et geographiae
Pannoniorum, in quo de origine, lingua et litteratura Croatornm disseritur,
Zagrah. 795. 4. Eiiisd. de Istro eiusque accolis coraraentatio, Of. 798. 4. —
J. Ch. V. Engel Gesch. d. ungr. Reichs Th. II.
Fünfter Abschnitt.
Geschiclite der vvindischen Sprache und Literatur.
§. 33.
Historisch - ethnographische Vorbemerkungen.
Der südliche Theil des nachmaligen österreichischen
Kreises, das heutige Kärnten, ist seit uralten Zeiten der
Sitz desjenigen slawischen Stammes, der bei den Auslän-
dern der Stamm der Winden heisst, sich selbst aber den
Namen der Slowenzen beilegt ^). Ob das alte Karanta-
nien slawisch gewesen, darüber sind die Meinu?igen ver-
schieden; so viel scheint jedoch gewiss zu seyn, dass die
ersten Ansiedelungen der Slawen in diesen Gegenden be-
reits ins V. Jahrb. nach Chr. fallen. Als nämlich nach
Attilas Tode die Gepiden Dacien, die Gothen Pannonien,
die Sciren, Satagaren und Alanen Niedermösien besetz-
ten, überging ein Theil derjenigen Slawen, die zwischen
der Theiss und Ahita ihre Wohnsitze aufgeschlagen hat-
ten, und von den angränzenden kriegerischen Völkern
gedrängt sich nicht auszubreiten vermochten, nach Steier-
mark, Kärnten und Krain, und schlössen sich an die
schon früher in Makedonien, Thrakien, Illyrien u. s. w.
1) Die zum Citiren so bequeme Beneunung der Winden ist nicht
ganz richtig. Nur die Steirischen und Kärntischen Slawen werden zum Un-
terschiede von ihren teutschen Mitbürgern Wiiiden d. i. Slawen genannt;
(denn We7ide, Winde ist das teutsche Synonymen für Slaive:) eben dess-
wegen nennen sich die Winden selbst Sloivenzi, d. i. Leute vom slaw. Volks-
stamme. In Krain hingegen, wo das ganze Land von Slawen bebaut wird,
fiel dieser Anlass weg , und der Specialname Krainer , Krajnzi gilt aus-
schliessend seit Mannsgedenicen. Sprache, Kleidung, Lebensart ist die näm-
liche bei den Winden , wie bei den Kraineru, aber nie wird der Krainer
Slowenz im speciellen Sinne, und umgekehrt der Slowenz nie Krajnz ge-
nannt. Kopitor's Gramm. Vorr. S. VL
272
aiit;elegteii slawisclieii Colonien an. Mit dieser Annahme
stehen die späteren Einwanderungen der Winden bis 611
und ihre successiven Niederlassungen an der Mur, Sawe
und Drawe niclit im Widerspruch : denn es ist bekannt,
dass die llebersiedehnigen der Slawen in neue Gegenden
nicht auf einmal geschahen, sondern Colonien auf Colo-
nien in verschiedenen Zwischenräumen folgten. Die
Windischen in Kärnten und Steiermark geriethen sammt
den Krainern schon unter Dagobert 629 mit den Fran-
ken in Streit, und naciilier völlig unter ihre Herrschaft.
Zur Zeit, als in iMähren das grosse slawische Reich ent-
stand, scheint auch Kärnten zu ihm gehört zu iuiben;
von der andern Seite erstreck(e sich die Herrschaft der
A waren bis in diese Länder; allein Karl der Grosse be-
setzte diese Länder, und bald nach seinem Tode ent-
stand die Karantaner Mark, die sich über Cilli bis zu
der Sawe erstreckte. Die Markgrafen waren aus verschie-
denen Häusern; bis 976 war Kärnten sogar mit Baiern
vereinigt. Später führten die Markgrafen den herzogli-
chen Titel, und Markward machte das Herzogthum 1073
in seinem Stamm erblich, der aber schon 1127 erlosch.
Ks. Rudolph gab 1276 das Land dem Grafen Mainhard
von Tyrol; nach Erlöschen seines Stammes fiel es Ocster-
reich zu im J. 1.3.35. — Steiermark gehörte anfangs zu
der Karantaner Mark; der erste Markgraf von Steier-
mark ist Ottokar I. 974. Die Mark von Untersteier wur-
de 1180 zum Herzogthum erhoben. Nach dem Tode Ot-
tokars VI., der 1192 ohne Erben verstarb, kam die Mark
an Oesterreich, doch mit Beibehaltung der einheimischen
Verfassung. Nach dem Erlöschen des österreichischen
Mannstainmes beiriächtigte sich ihrer Ottokar, Kg. von
Böhmen, der aber 1276 von Rudolph von Habsburg
gänzlich vertrieben wurde. Seitdem verblieb Steiermark
bei Oesterreich. — Das alte windische Land, oder die
Krainer Mark, hatte zur Zeit der Longobarden u. Fran-
ken eigene Fürsten. Karl der Grosse unterwarf sich auch
dieses Land, »nid gab es dem Hzg. von FriauL Später
wurden eigene Markgrafen ernannt, die ihren Sitz zu
J\rainburg hatten. Mit dieser Mark war Istrien «nid
Friaul häufig verbunden, allein Krain sonderle sich ab.
273
wurde zcrstilckeh, inul fiel, von (lern tapfern Friedrich
von Oesterreicli erobert, naclilier dem Kndolph von Ilabs-
bnra: zn. Im .1. 13()4 wurde Krain ebenfalls ein llerzo^-
tbnm. In den neuesten Zeiteii erzwang; Napoleon im
Pressbur^er Frieden die Abtretung von krain, dem Vil-
lacber Kreis, Friaul, Istrien und Kroatien südwärts der
Sawe, und \ erwandelte diese Districte in eine eigene
Provinz seines Reiebs, der er den alten Namen Illyrien
jj^ab, und zu der er noch Dalmatien. das Littorale und
Theile von Tyrol schlug^. Nachdem aber Oesterreich
1813 den rechtmässisjen Besitz dieser Länder wieder er-
langte, trennte es Dalmatien und die übrigen Districte
davon, und erhob Kärnten, Krain, österreichisch Friaid
und Trieste unter dem Namen Illyrien zu einem unauf-
löslich mit seiner Monarchie verbundenen Königreiche.
Das Hzgm. Steiermark verblieb bei seiner vorigen ßc-
gränzung und Verfassung. — Die Winden dehnten sich
bereits in den ältesten Zeiten ausserhalb Steiermark,
Kärnten und Krain in den westlichen Comitaten Ungerns,
vorzüglich in Szala und Eisenburg (160 Ortscliaften),
bis an die Thore Wiens aus, dessen Wochenmärkte sie
besuchen. Ungefehr 800,000 an der Zahl, nämlich 300,000
in üntersteiermark, 100,000 in Lnterkärnten — denn
die obern Theile dieser Provinzen sind von Teutschen
besetzt — 350,000 in Krain und 50,000 in Ungern,
sind sie, bis auf 15,000 lutherische in Ungern, sämmt-
lich der katholischen Religion zugethan. ^)
-) Em. Frölich specimen Archontologiae Carinthiae, W. 758. 2 Bde.
4. — (Anselm) Gesch. d. Hzg. Kärnten, W. 781. 8. — ÜT. Maliers Gesch.
von Kärnten, Cilly 785. 8. — M. Hansitz analecta s. collect, pro hist. Ca-
rinth., Nürnh. 79.S. 8. — A. J. Caesar annal. duc. Styriae 768. 3 Bde. fol.
£b. Staats- und Kirchengesch. d. Hzg. Steiermark, Grätz 786 — 88. 7 Bde.
8. — J. V. Baumeisters Vers. e. Staatsgesch. von Steierm. W. 780. 8. —
J. W. Valvasor's Ehre d. Hzg. Krain, herausg. von U. Francisci. Laib.
689. 4. fol. — A. Linhart Vers. e. Gesch. von Krain, Laib. 788 — 9L 2 Bde.
8. — J. M. Lichtensteryi Handb. d. Geogr. d. österr. Kaiserstaats, W. 817 —
18. 3 Bde. 8. — Eb. allg. Üebersicht d. Hzg. Steiermark. W. 799. 8. — A.
J. Caesar Beschreibung von Steiermark, Gratz 773 — 86. 2 Bde. 8. — J. K. Kin-
dermann hist. u. geogr. Abriss d. Hzg. Steierm., Grätz 779 — 80. 3 A. 787.
8. Eb. Beiträge zur Yaterlandskunde für Inner- österr. Einw., Eh. 790. 2
Bde. 8. Eb. Repert. d. Steierm. Gesch. Geogr. Topogr. Statist, u. IS'aturhist.,
Eb. 798. 8. Eb. A^aterl Kalender für die Steierm. Eb. 799 - 800. 8. — H.
G. Hofs hist. stat. topogr. Gemälde von Krain u. Istrien, Laib. 808. 2 Bde.
8. N. A Wien 3 Bde. 8. — Bieicald d. Hzg. Krain, mit Görz u. Gradiska,
Xürnb. 807. — J. Rohrcr's Abriss d. westl. Provinzen d. österr. Staates,
Wien 804. 8. — Die illvr. Provinzen u. ihre Bewohner, W^. 812. — J. A.
18
274
§. 34.
Charakter der windischen Sprache.
Die windisclie Spraciie im weitem Sinne, wie sie von
den Slowenzen in Unteriviirnten und Untersteiermark,
ferner in den westliclien Gespanscliaften Ungerns, und
von den Krajnzen in Krain gesprochen wird, bildet nur
eine IMimdart. Allerdings zerfällt das Windisclie in Krain
in zwei Sprecliarten, in das Ober- und Unterkrainische;
aber diese können h(3chslens als zwei Varietäten einer
lind derselben Mundil rt, und keineswegs als zwei ver-
schiedene Species gelten. Die initerkrainische Varietät
zeichnet sich durch Verziehung der Wörter und durch
eine besondere Abneigung vor dem o aus, wofür die
Unterkrainer meistens n, manchmal auch a. je nachdem
das o sich nämlich in der guten Aussprache mehr dem //
oder dem a nähert, sprechen, als Av/.s7, slahüsif, dabrü-
fa, si vidil inja inafer, psheniza na prndaj pejlent, st.
ko'ff, slahösf, dolinJta, si vidil inojo niüfei\ jtshenizo na
prodaj peleni ; dagegen liebt der Oberkrainer das o wie-
der zu sehr, und räumt ihm sehr oft den Platz des ?/
ein, als profi sonzo, kaj nw je, st. proli sonza, haj niu
je. Laibach ist der Sclieidepunct der beiden Hauptva-
rietäten, woselbst aber schon unterkrainisch gesprochen
WMrd. Die windischen Schriftsteller mögen geglaubt ha-
ben, die Sprache der Hauptstadt müsse Schriftsprache
seyn, daher in den windischen Büchern durchgängig die
unterkrainische Varietät herrschend ist, der nur in ety-
mologischer Hinsicht der Vorzug vor der mehr abge-
schliffenen Oberkrainischen gebühren mag. Die windi-
sche iMundart in der engsten Bedeutung, nämlich die
in Kärnten, Steiermark und westlichen Ungern, ist dem-
nach nichts, als eine Fortsetzung der krainischen, und
zw^ar gehört das Windische in Kärnten zum Oberkraini-
schen, das in Untersteier zum Unterkrainischen. Dass
Demjan stat. Darstell, d. illyr. Provinzen (in d. europ. Annalen 810, St. 1.)
— i^. JT. Sarfori Geogr. von Steiermark, Grätz 816. 8. — J. M. v. Lichtenstern
stat. geogr. Landesschematism. d. Hrz. Steierm., Wien 818. 8. — B. Hacquet
phys. poiit. Reise durch d. Jul Karn. ii. s. w. Alpen, Lpz. 785. 2 B. 8. —
{Rohrer) Vers, üb d. slaw. Bewohner d. österr. Monarch., W. 804. 2 B. 8.
275
aber beson.lerc Grammatiken der windischen Sprache
existircn, kommt daher, weil diese Slawen politisch und
hierarchisch eine zeitlaiiiij in andere Wirknh^^skreise ge-
hörten, als die Krainer. Nur auf jener Classifications-
stnfe, anf der die oberkrainische Mnndart von der nn-
terkrainischen zu trennen seyn wird, wird man auch
anf die individnelleii Nnancen der wendischen Kiicksicht
zn nehmen haben. So scheint das Windische im Sndosteii
von Steiermark, auch an der Uur und Raab, den Ue-
bergang vom Krainischen zum Kroalisciien zu bilden. —
Das Gebiet des windischen Dialekts wird demnach durch
den Isonzo, die obere Drawc, durch Kroatien und das
adrjatische Meer bpgriinzt. *)
§. 35.
Schicksale der windischen Sprache und Literatur.
Üeber den Anfang des windisciien Schriftwesens waren
die Meinungen der slawischen PhiJologen lange Zeit ver-
schieden. Ehedem schien es ausgemacht, dass die win-
dische Mundart vor der Reformation nicht aufs Papier
*) S. Kopitar's Gi-amm Vorr. XXXYl. Xaclisclir. S. 457. Sprachbü-
cher : Grammatiken. 1.) Von Winden. O. Gid.smann wind. Sprach! , Kla-
genf. 777. 8. Dieselbe u. d. T. Anleit. z. wind. Spr., Cilly 786. — G. Sellenko
Slovenska granim., Cilly 791. 8. — J- L. Schmigoz theor. prakt. wind.
Sprachl., Grätz 812. — Peter Dainko (Weltpriester, Kaplan in der Stadt-
pfarre zu Radkersbiirg) Lehrbuch der windischen S])rache. ein Versuch zur
gründlichen Erlernung derselben für Teutsche, zur vollkommeneren Kennt-
niss für Slowenen, Grätz 824. 8. iL) Von Krainern. A Bohorizh ar-
cticae horulae succisivae de latiuo-carniolana litteratura. Viteb. 084. 8. —
{P. Hippolutifs?) Gramm, lat.- germ.- slavonica. Lab. 71.5. ö. — Grammatica
od. wind. Sprachl. Klagenf. 758. 8. — P. Marcus krainska gramni., Laib.
768. 8. 2 A. 783. 8. — B. Kopitar^s Gramm, der slaw. Sprache in Krain.
Kärnten u. Steierm., Laib. 808. 8. — V. F. de Weissenthnrn Saggio gram-
raaticale Italiauo-Cragnolano, Triest 811. 8. — F. Vodnik pismenost ali
gramm. sa perve shole, Laib. 811. 8. — Franz Seraph. Metelk-o (Welt-
priester, Professor der slawischen Sprache und Literatur am k. k. Lyceum
zu Laibach) Lehrgebäude der slowenischen Sprache im Königreich Illyrien
und in den benachbarten Provinzen, nach dem Lehrgebäude der böhmischeji
Sprache des Herrn Abbe Dobrowsky (lc25.)
Wörterbücher : L) Von Winden. O. Gutsmann deutsch, wind. W. B.
Klagenf. 789. 4. IL) Von Krainern. H. Megiseri d;ctionarium quatuor
linguanim, vid. germ. lat. illyr. (d. i. krainisch od. windisch) et itali-
cae, Graecii 592. 8. N. A. Klagenf. 744. 8. — P. Marcus kl. Wörterb. ia
drei Sprachen (krainisch-deutsch.-lat.) Laibach 761. 4. Dazu d. Supple-
ment: Glossarium slavicum, Wien 792. 4.
Ib*
276
gebracht worden sey. Allein spätere Erfahrungen zeigten
zur Genüge, dass der Anfang der Schreibeknnst bei den
Karantaner - Slawen wo nicht in die vorkyrillisclie Pe-
riode, so docli in diese liinaufgerückt werden müsse.
Diess ist durcli die Entdeckung der überaus wichtigen
windischen Fragmente in Münclien ausser allen Zweifel
gesetzt worden. Hier war man nämlich so glücklich, in
einer alten Handschrift, die Jahrhunderle lang im Stifte
Freisingen anfbewahrt war, drei kurze slawische Aufsä-
tze aus den ältesten Zeiten im windisch-krainischen Dia-
lekte zu entdecken. Im neuen Literar. Anzeiger 1807.
N. 12. S. 190 findet man die erste Anzeige dieser Denk-
mäler der slawischen Vorzeit. Später prüfte Hr. Do-
browsky die Handschrift an Ort und Stelle, und berich-
tete darüber in der Slowanka Th. I. S. 249 ff. Seitdem
beschäftigt sich Hr. Kopitar mit einer kunstgerechten Er-
klärung dieser unschätzbaren Denkmäler seiner Mutter-
sprache. (Rec. d. Dobrowsk. Gramm, in d. Wien. Jahrb.
XVll. Bd.) Es sind drei mit lateinischen Buchstaben ge-
schriebene windische Anfsätze, von zwei JMissionären,
deren jeder seine eigene Orthographie hat: 1.) eine of-
fene Beichte, die die Gemeinde dem Priester nachzube-
ten gleich in der Ueberschrift aufgefordert wird , 35
Ouartzeilen; 2.) eine Homilie von dem zweiten Schrei-
ber, 113 Zeilen auf 7 Columnen oder 3'/« Ouartseiten :
3.) ebenfalls vom zweiten Schreiber: eine andere Beicht-
formel, 74 Zeilen auf 5 Columnen. Das Ganze ist ein
Bruchstück auf neun Ouartseiten des nordkarantanischen
Yademecum eines Freisinger iMissionärs, sehr wahrschein-
lich in erster Abfassung vorkyrillisch — im J. 769 Hess
sich der Abt von Scharnitz in Tyrol die Gegend um In-
nichen vom Hzg. Thassilo schenken, namentlich um die
Slawen zu christianisiren, und auch die andern Stiftun-
gen im Slawenlande erhielt Freisingen vor dem J. 1000
— und in dem Münchner Codex von einer Hand des X.
Jahrb. abgeschrieben. Die Orthographie ist sehr ungleich,
nnd die häufige Verwechslung des h mit p verräth einen
Schreiber, der kein gcborner Slawe seyn konnte — wie
hätte er sonst bnd anstatt pod, bo anstatt po schreiben
können? — Der Besitzer dieser Handschrift war allir
277
Wahrsclieinlichkeit nach ein Geistlicher ans dem Bisth.
Freisingen, der sich zn seiner Agenda diese Formeln hei-
schrieb, nm nnter den Winden in Kärnten nnd Krain,
oder bei den bairischen Slawen seinem Bernfe gemäss
davon Gebrauch zn machen. Demi dass Kärnten in den
Jahren 772 — 976 grösstentheils einerlei Kegenten mit
Baiern gehabt iiabe, ist eine geschichtlich erwiesene
Thatsache ^). Das Licht des Christenthums und in sei-
nem Gefolge die erste Morgenröthe der anfgehenden Cnl-
tur kam also zn den südwestlichen Donauslawen zuerst
über Salzburg, wahrscheinlich schon um die Mitte des
VIU. Jahrb., aus Teutschland her^). Allein aus diesem
ganzen Zeitraum erhielt sich, ausser den schon genann-
ten Fragmenten , weiter Nichts , was uns über den da-
maligen Zustand der Sprache dieser Slawen Aufschlüsse
geben könnte. Um das J. 870 scheint sich Method,
Erzb. von Mähren und Pannonien, in dem Gebiete des
slawischen Herzogs Chocil in Pannonien aufgehalten, und
die slawische Liturgie sowol hier, als in Krain u. Kärn-
ten eingeführt zu haben. Allein, schon bei Lebzeiten
Methods von den Salzburger Erzbischöfen, welche die
Verdrängung der lateinischen und Einführung der sla-
wischen Liturgie als einen Eingriff in ihre Rechte be-
trachteten, mit Unwillen angesehen, und nach seinem
Tode um so nachdrücklicher bekämpft, musste sich der
slawische Gottesdienst bald aus diesen Ländern flüchten,
ohne bleibende Spuren seines ehemaligen Daseyns hinter-
lassen zn haben. Hrn. Kopitars Beweise für die Karan-
tanität der altslawischen Kirchensprache, die auf der
Annahme beruhen, dass Methods Kirchensprengel auch
das alte Karantanien innfasste, haben wir bereits oben
§. 10. angeführt. — Jahrhunderte des tiefsten Schweigens
folgen auf die ohnehin wenig aufgehellte Vorzeit. Denn
was der krainische Geschichtschreiber Linhart von dem
Gebrauch der glagolitischen Schrift in Krain bis ins XVL
Jahrh. vorbringt , ist unerheblich. Seine Behauptung
') Eigentlich war Käiiiten nur unter Thassilo von 772 — 788 Baiern
■einverleibt. Später (863) wurde Karlmann, Kg. der Baiern, zugleich Hzg
V. Kärnten, letzteres wurde aber immer als eine selbständige Provinz betrachtet.
*) Anonymus de Conversione Bojoariorum et Carantanorum, in den
Scriptor. bist. Franc. Par. 636. T. 2. und öfters.
27 8
gründet .sich bloss auf zwei von allen Büclierbänden ab-
gelöste, mit glagolitischen Charakleni beschriebene Per-
ganientblätter, die nun in der Baron Zoisischen Bücher-
sanunlnng sich befinden. Es sind Fragmente eines Mis-
sals oder Breviers. Die Spraclie darin ist nicht krainisch,
sondern die aller slawischen Missale, die sogenannte Li-
teral- od. Altslawische. Eben so wenig beweisend ist die
von Kumerdey erwähnte „verlässliche Spur'", dass in
der Filialkirche Lanzowo in Oberkrain noch unlängst (1780)
ein mit glagolitischen Lettern geschriebenes Missal vor-
findig gewesen ; oder die archivarisch constatirte Klage
der Plarrgemeinde von Kreuz bei Neumärktl in Ober-
krain wider den sogenannten Presbyter Glagolita, der
dort die Messe nach einem glagolitischen Missal las, bis
es ihm auf diese Klage 1617 vom Laibacher Bischof Tho-
mas (Krön) eingestellt wurde. Wahrscheinlich war es
ein von Istrien oder Kroatien vertriebener Pope, der
sich durch Messelesen seinen täglichen Unterhalt erwarb.
Und am Ende, was kann ein im Lande vorgefinidenes
glagolitisch geschriebenes literalslawisches Missal, und
ein Pope, der daraus Messe liest, dafür beweisen, dass
die Krainer auch ihre Landessprache mit glagolitischen
Buchstaben geschrieben haben? Die Geschichte berech-
tigt uns mit keinem Worte zu einer solchen Vermuthung»
und selbst die Worte Georg Dalmatins, die Linhart miss-
verstanden zu haben scheint, sind ihr entgegen. Die
windische Spraclie, sagt er, wie sie in diesen Landen
(Kärnten, Steiermark und Krain) gebräuchlich, ist erst
vor dreissig Jahren (Trüber halte dreissig .lahre vor
Bohorizh angefangen) nicht geschrieben oder aufs Papier
gebracht worden. Noch bestimmter ist eine Stelle aus
Trubers Vorr. zur 2 Aufl. s. übers. N. T. Tübing. 1582.
„Vor 34 Jahren war kein Brief oder Register, viel we-
niger ein Buch in unserer windischen Sprache zu finden;
man meinte, die vvindische und ungrische Sprache seyen
so grob und barbarisch, dass man sie weder schreiben
noch lesen könnte.*' ^)
') Kopitars Gramm. Vorr. S. XXXIIT. Dieses Meinen, sagt Hr. Ko-
Sitar a. a. ü., wird begreiflich, wenn man bedenkt, dass die Teutschen im
^VI. Jahrb. noch viel weniger als jetzt, aus grammatischen Gründen ihre
279
Zur Zeit der Kefbrmatioii also war seit Kyrill und
Method der windische Dialekt zuerst geschrieben und ge-
druckt. Die neue Lehre, sagt Hr. Kopitar, fand bei un-
gern Herren, wie bei ihren Brüdern in deui übrigen
TeuLschlande willkoiiunene Aufnahme und eifrige Beför-
derung. Ums .1. 1550 versuchte es der Doiidierr Primus
Trüber das Krainische mit lateinischen Buchstaben nach
der teutschen Aussprache derselben zu schreiben ; denn
die Leser, für die Trüber schrieb, die Geistlichen näm-
lich, denen er zur Verbreitung der Reformation in die
Hände arbeiten wollte, kannten keine andern. Trüber
überliess es, wie es die Teutschen noch jetzt mit dem s
am Anfang der Wörter thun, z. ß. sieben cribrare und
sieben septem, der Entscheidung des Lesers, wann das
*, und so auch das combinirte sh scharf, und wann lind
auszusprechen sey; er gebrauchte keine Accente, zeigte
auch das, den Slawen mit den Franzosen und Italienern
gemeine mouillirte // und / nie in der Schrlit an, gab
den Substantiven Artikel , und germanisirte überhaupt
stark. Trubers Mängel blieben auch nicht unbemerkt;
in der Bar. Zoisischen Bibliothek befindet sich eine Ue-
bersetzung von Spangenbergs Postille, gedruckt zu Lai-
bach 1578. 4., wahrscheiidich von Dalmatin. In diesem
Werk herrsciit erstens eine bessere Orthographie (das
3, x, c und lu des slawischen Alphabets , so wie das
mouillirte / imd n schon angedeutet), und zweitens eine
den südslawischen Dialekten sich nähernde Sprache, die
der Autor pruvi sloceuski jesik nennt, zum Beweise,
dass er mit Trubers zu örtlicher »nid aus individuellen
Ursachen germanisirender Diction nicht zufrieden war.
Der Vf. macht alle Neutra, die Trüber in u machte, in
0, wie sie auch wirklich in Oberkrain und bei allen an-
dern Slaw en in o gebildet werden ; er ist an in- und
extensiver Sprachkenntriiss Trubern weit überlegen. Trü-
ber schrieb „zur Beförderung seiner Lehre", Dalmatin
eigene Sprache so od. so schrieben ; sondern nur auf Gerathewol, und wie
sie sich erinnerten, es so od. so einer beim andern gelesen zu haben: kein
Wunder, dass sie weder aus noch ein wussten, um eine noch nie geschrie-
bene Sprache zu schreiben, wobei also Niemanden nachgeschlendert, son-
dern ein wenig selbst gedacht werden musste. Der h. Kyrill meiute in der
nämlichen Sache ganz anders, als die Teutschen.
280
aber auch zur ,,Aiifnclimnng der Spraclie selbst'^; daher
in erwähnter Postille mehrere Wörter und Sprachfornien
vorkommen, die sich weder bei Trüber, nocb in der
Bibel 1584, wol aber in der altslawischen Kirchenspra-
che finden; während Trüber ,, schlechthin bei der gemei-
nen windischen Spraclie, wie man sie auf der Kashiza
redet, bleiben, und ungevvüiinliche kroatische Wörter
weder asitnehmen noch selbst bilden wollte." ^)
Da Trubers und Dalmatins literarische Thätigkeit
in das Wesen der geistigen Cultur und die Spraclibildung
nicht nur des windischen, sondern auch des kroalischen
und dalmatischen Slawenstammes um diese Zeit tief ein-
griff, so wird es nicht unzweckmässig seyn, einige Data
aus der Geschichte dieser Mäiuier und ihrer Gehilfen an-
zuführen. Pr. Triiher ward 1508 auf der Kastschitz, ei-
nem Auerspergi.scheu Dorfe , unter Laibach , geboren,
zu Salzburg und Wien gebildet, von Bonomo, Bischof
von Triest, beschützt, Pfarrer zu Lack bei Katschach,
1531 Doinherr zu Laibach, inid dann zu Triest, 1547
vom Bischof Texlor zu Triest vertrieben, 1548 Predi-
ger zu Kotenburg an der Tauber, 1552 Prediger zu
Kempten: der slawische Kyrillus iuid Methodius neuerer
Zeiten. Er liess zuerst allein mehrere Büchlein in der
windischen Sprache, mit lateinisciien Buchstaben, seit
deiii J. 1550 zu Tübingen drucken. Bald darauf verband
er sich mit Vergerius. Pet. Paul Veri/enns, ehemaliger
Bischof von Capo d'lstria , llüchtete aus Italien nach
Bündten 1549, wo er die Keformation ausbreitete. Im
J. 1554 im Novemb. kam er nach WiUeuberg, kund-
schaftete Trubern aus, und bewirkte durch seinen per-
sönlichen Credit einen neuen Schwung der windischen
IJeberselzungsanstalt. Noch vor Ende 1555 erschien das
erste Evangelium Matthaei. Hierauf folgte das ganze N.
Testament in 2 Theilen 1557. Die Lebersetzung selbst
war, da Trüber der griechischen Sprache nicht kundig
war, nach lateinischen, teutschen und wälschen Ueber-
Setzungen gemacht. Die Vorr. des 2. Th. ist an den Kg.
Maximilian gerichtet. Noch während des Drucks des 2.
Th. zerfielen Trüber und Vergerius, wahrscheinlich we-
*) Kopitar a. a. 0.
281
geu der Eitelkeit des letztem, der sich das Verdienst
von allem anmassen wollte, während Triiher alle Muhe
hatte. Vergerius verläuindete sogar Truheni hei den
Kärntnern nnd Krainern, als ob seine bisherigen Werke
nicht im Sinne der Angsb. Confession, sondern schwär-
merisch geschrieben wären. Hingegen Hess Trüber 1560-61
eine Apologie drucken. Aber bald darauf fand Trü-
ber einen Aläcen und Unterstützer an Hans l^ngnad, »nid
wurde in Stand gesetzt, seine Unternehmung auch auf
den dalmatiscii - kroatischen Dialekt und auf kyrillische
und glagolitische Schriftzüge auszudehnen. Hans ingudd.,
Freiherr von Sonnegg, der sich nun der Sache mit En-
thusiasmus seit August 1560 aiuiahm, war Landeshaupt-
mann in Steier, hatte gegen die Türken 1532 bei Linz,
1537 in Ungern gefochten, als oberster Feldhauptmann
vom heutigen linier - Oesterreich 1542 wider die Tür-
ken gedient, musste jedoch wegen seiner Aidiänglichkeit
an die evangelische Keligion 1554 nach Sachsen auswan-
dern, woselbst er eine junge Gräfin Barbi ehelichte,
und sich 1557 zu Urach im Wirtembergschen niederliess.
Für die Dalmatiner und Kroaten sollte nun nach Tru-
bers Uebersetzung eine ähnliche ausgefertigt werden, mit
glagolitischen Typen; und hiezu ward ausersehen Stepli.
Consul, aus Pinguent in Histerreich gebürtig, der eben
auch wegen der evangelischen Religion vertrieben war,
und sich in Regensburg mit Schul halten ernährte. Die
glagolitische Schrift war 1560 zu Nürnberg gestochen
und gegossen, und kam zuerst nach Tübingen. Anfang
1561 ward auch Antoniiis ab yilexandro Dalmafa, des-
sen übrige Schicksale man nicht kennt, aus Laibach be-
rufen, und (von demselben Meister) zu Urach eine ky-
rillische Schrift gegossen 1561. Trüber ward 1561 Pfar-
rer zu Urach, und zugleich bestellter Prediger der Land-
schaft Krain. Er reiste auch auf einige Zeit nach Krain,
und brachte zwei uskokischc griechische Priester mit,
Matth. Popovicli und Joh. Malesclievac, angeblich aus
Serbien und Bosnien gebürtig, auch ward Georg Jurit-
schitsch verschrieben aus Krain, und alle diese waren
Gehilfen zum Transferiren, Conferiren, Corrigiren. Im
J. 1562 ging Trüber nach Laibach, blieb aber in Ver-
282
binduiig mit der Anstalt zu Urach, welche der Freiherr
von Ungnad tlieils ans eigenem Beutel, theils durcii Bei-
träge der Fürsten und Reichsstädte unterhielt, weil der
Absatz der glagolitischen und kyrillischen Bücher, zumal
bei dem ersten Anfang, nicht stark seyn, und die Mühe
keineswegs lohnen konnte. Der Kg. Maximilian selbst
gab 1501. 400 11. dazu her, „weil das christlichlöbliche
Werk zum zeitlichen und ewigen Wol der armen un-
wissenden diene", unter seinem Schulz ward der Absatz
dieser Bücher betrieben, 15Ö3 wendete er die Confisca-
tion derselben in Wien ab. Manche kroatische Bücher
wurden mit lateinischer Schrift gedruckt; auch fuhr Trü-
ber fort, im windisch - krainischen Dialekt mit lateini-
scher Schrift Postillen , Kirchenordnung, Augsb. Conf.
u. s. w. drucken zu lassen. Da Kg. Maximilian 15Ö4 zur
Regirung kam , schien dem Absatz mehrere Erleichterung
bevorzusteiien, und man dachte schon an den Abdruck
grösserer Werke, z. B. der ganzen Bibel, der Hauspo-
stille von Dr. Luther. Am Esuias arbeitete Leonhard
Merclierich aus Dalmatien, der zu Tübingen studirte;
man suchte nändich auch andere Mitarbeiter, da Tndjer
mit der Sprachkunde des Steph. Consul nach dem zu
Laibach eingeiiolten Urtheile der Sprachkenner nicht
ganz zufrieden war. Doch schon 1564 im Decemb. starb
Ungnad zu Winteritz in Böhmen auf einer Reise. Seine
Frau folgte ihm 1505. Anton und Stephan begaben sich
1506 von Urach weg. Der Verlag der Bücher, der ins
Oesterreichische gebracht winde, ward 1591 unter Ks.
Rudolph zu Neustadt an- und aufgehalten, und stand
daselbst lange in Fässern eingeschlagen. Trüber selbst,
auf Befehl des Erzherzogs Karl aus Krain 1504 vertrie-
ben, ward Pfarrer in Laufen am Neckar, Hess 1500 ei-
nen windischen Psalter in Tübingen drucken, ward Pfar-
rer in Derendingen, arbeitete an einer windischen Ue-
bersetzung von Luthers Hauspostille, und starb den 28.
Juni 1580 im 78 Jahre seines verdienstvollen Lebens.
Nach der entscheidenden Schlacht bei Nördlingen kam
Wirtemberg in die Hände der Oesterreicher. Wahrschein-
lich Hessen die Väter der Gesellschaft Jesu die Urachi-
schen Typen nach den k. k. Erblanden bringen. Wo
28!^
sie seitdem liiiigekominen, ist iinbekaiint; denn die vom
Ks. Ferdinand II. der l*ro|}aganda geschenkten scheinen
andere gewesen zu seyn. •')
80 gab es gleich anfänglich zweierlei Schreibsysteme
des Wiudischen - Trüber war ein IJnterkrainer, Dal-
matin Prediger in Oberkrain - daher fand es um das J.
1580 bei der Auflage des ganzen Bibel werks in Witten-
berg der liiezu von den Ständen abgeordnete Ausschuss
vor allem iiölhig, eine bestimmte Orthographie festzuse-
tzen. Diess führte auf grammatische Betrachtungen, und
veranlasste die erste wiiidisciie Grammatik. Ihr Vf. war
der damalige Schulrec(or in Laibach, ^t/^/. Bohorizh. Sie
erschien zu Wittenberg 1584. 8. Ihm und seinen Freun-
den hat es die windische Sprache zu danken, dass sie
gleich bei ihrer ersten Erscheiinnig jene grammatische
Correcliieit und Conseqiienz mitbrachte, welche andere
Sprachen erst nach und nach, nach vielem Modeln und
Aendern — nicht erreichen. Aufl'allend ist es, dass die
krainische Sprache seit Bohorizlfs Zeiten sich gar Nichts
verändert hat. Bohorizh nahm von Daliiiatin die Elemen-
tarorthographie an, behielt aber Trubers Neutra in ?/,
und gebrauchte Tonzeichen. iMit Anfang des XVll. Jahrh.
griß" der energische Erzhzg. Ferdinand, der später Kai-
ser w^ard, die bisher nur langsam und gleichsam nur als
Neckerei betriebene Gegenreformation mit entschlossenem
Ernste an: vor allem entfernte man die Prediger, dann
musste ferner den Wanderstab nehmen, wer immer nicht
wieder katholisch werden wollte. Alle Bücher der Pro-
testanten ohne Ausnahme , soviel man deren habhaft
werden konnte, wurden confiscirt. Der Ständische Bü-
chervorrath auf dem Landhause ward iWw eben einge-
führten Jesuiten überlassen; was diese nicht auf der Stelle
den Flammen opferten, ging 1774 bei der grossen Feu-
ersbrunst sammt ihrem Collegialgebäude in Kauch auf.
Man weiss gegenwärtig nur um Z Exx. von Bohorizh's
Grammatik in ganz Krain. Im J. 1612 Hess der Laiba-
*) -S. Scknia-rer's slaw. Bi'icherdruck in Wirteinberg im XVf. Jahrb.,
Tüb. 799. 8. Auszüge daiaus lieferten Hr. Dol/roivf^kt} (Slawin S. 87. 97.
ICO. 113. 129 tt'. 241 — -264) und Hr. Kopitar (Gramm.'^Nachschr. S. 385 —
457). Hr. Kopitar bat die windiscben Drucke aus dieser Periode am ge-
nauesten verzeicbnet.
284
eher Bischof Thomas (Krön), ein eifriger Gegenrefor-
inator, dessen Wahlspruch war: terret labor , aspiee
praemiinii, für die Slawen in Inner-Oesterreich die sonn-
nnd festtäglichen Evangelien und Episteln in Grätz ab-
drucken; denn die ßuchdruckerei in Laibacli war ver-
tilgt worden. In diesem Werkchen ist ßohorizlis Gram-
matik strenge befolgt, und sogar einige teutsche Wörter
des Georg Dalmatiusclien Textes durch gangbare echt
krainisclie ersetzt worden. Ein Jahrli. beinahe war seit
der Vertreibung der Protestanten verflosseii, ehe wie-
der etwas für die krainische Sprache gescliah. Am Schlüsse
des XVII. Jahrii. hatten sich einige gelehrte Krainer zu
einer Akademie, nach Art der italienischen, vereinigt;
auf Schönlebens Betrieb war schon fndier der Buchdru-
cker Job. ßapt. Mayr von Salzburg nach Laibach beru-
fen worden. Um diese Zeit gab sich ein Kapuciner, P.
Jh'/jfjo/ijfffs von Neustadtl in Unterkrain, mit der win-
disch-krainischen Sprache viel ab; er liess 1715 zu Lai-
bach seine ,,latei[iisch-tcutscli-slawische (d. i. windi-
sche) Grammatik'' drucken. P. Ilippolytus epitomirte
den ßoliorizh wörtlich, sogar die Vorrede, an deren
Ende der Buchdrucker Mayr unterschrieben ist. Wahr-
scheinlich nannte der Pater ihn nicht mit Namen irivi-
diae vitandae causa. Es befindet sich auch ein vollstän-
diges lateinisch - teutsch - krainisches Wörterbuch von
diesem P. Hippolytus handschriftlich in der Baron Zoi-
sischen Saiiunlung. Auch diese 2te Aullage von Bohorizh j
— so kami man des P. Hippolytus Grammatik nennen — |
ward sehr bald vergessen, so dass ungefehr fünfzig Jahre
darauf der Augustinermönch P. Marcus (^Pochhn).
geboren in einer Vorstadt von Laibach, es glaubte wa-
gen zu können, den Bohorizh und seinen Epitomator
gänzlich zu ignoriren, und sich für den ersten kraini-
schen Graiiniiatiker auszugeben. Wol sieht sein Werk
wie ein erster roher Versuch aus, ohne Spur einer Be-
kanntschaft mit den benachbarten Dialekten, ohne Spur
von philosophisch-grammatischem Geist! P. iMarcus suchte
zu verderben, was bereits gut gemacht war, und um
alles vor ihm gedruckte unlesbar zu machen, änderte er
nicht nur ohne alle Noth, sondern olFenbar zum Nach-
285
tlieil der Sprticlio im Vergleich gejj^eii beiiaclibarte Dia-
lekte, isovvül die Elementar- als die Grammatikalortlio-
i>ra|)liie. Und doch erlebte seine Grammatik zwei Aiilla-
^eii, die beide vert;riirei) sind: ein Beweis des drinj^en-
den Bedürfnisses eines solchen Werks. Die Sachverstän-
dig;en ärij;erten sich im Stillen über das Schisma; ein Je-
suite, der 1770 in Klagenfnrt ein asketisches Büc!)elchen :
Christianslie resnize, im windischen Dialekte herausgab,
erklärte sich öffentlich gegen des P. Marens grundlose
Neuerungen. Der kärntnische iMissionär Gufsjna/ni^illl)^
der zwar wein'g, aber doch nichts falsches sagt, und
der Üntersteirer Sellenko (1701). der unter aller Kri-
tik ist, haben windische Grammatiken geschrieben. Noch
haben sich zwei geschickte JMänner mit der Grammatik
dieses Dialekts beschäftigt. Der eine ist der gründlich
gelehrte Ciilejer Po/wvic/i, Vf der Untersuchungen vom
Meere, ein Enthusiast fürs Slawische, so wie überhaupt
für jeden Zweig des Wissens, der einmal schon nahe
daran war, den Wunsch seines Lebens ,,in demjenigen
Strich von Europa, der von Oesterreich aus, auf der
einen Seite bis zum euxinischen See, auf der andern bis
zum adriatischen Meerbusen reicht, der slawischen Spra-
che und Geschichte wegen nach seiner Willkühr herum-
zureisen*' in Erfüllung gehen zu sehen. Sein Vorhaben
wurde durch die Indolenz und Gleichgültigkeit der Zeit-
genossen vereitelt. Popovich's Antrag, und zugleich die
Beglaubigung seiner hohen Fähigkeit zu einem solchen
Unternehmen, steht in seinen Untersuchungen vom Meere;
aber es fand sich Niemand, der ihn unterstützt hätte :
Popovich war arm. Er starb als Professor der feiitschen
Sprache in Wien 1763. Prof Vodnik besitzt einzelne
Bruchstücke von Popovich's grammatischen Arbeiten,
woraus man ersieht, dass er für die eigenthümlichen
Töne der windischen Sprache auch eigene Schriftzeichen
angenommen habe, und zwar noch mehrere und zum
Theil andere als Kyrill. Der andere Mann ist Kumerdey,
dessen krainisch-sla wische Grammatik schon Linhart in
s. Geschichte von Krain angekündigt hatte. Seine Arbeit
befindet sich in der Baron Zoisischen Sammlung, und
ist gewissermassen vollendet, auf 234 Bog. halbbrüchig
28Ö
geschrieben; aber freilich nicht das, was sie nach des
Vf. Plan seyn sfillle ; überdiess felilt ihr die letzte Hand
des Aiiclors. Die krainische Grammatik ist der Text,
nnd nebenher werden alle übriü;en slawischen iMnndar-
ien verglichen. Also eine vergleichende slawische Gram-
matik, wie sie schon der böhmische Piarist Schimek
liefern wollte, aber bis jetzt noch Niemand geliefert
hat. ^) Audi Gfiorg Japel, der eigentliche Urheber der
nenern krainischen Bibelübersetzung, arbeitete an einer
krainischen Grammatik, als er 1807, eben als der Druck
seines Werks beginnen wollte, von einem Schlagllusse
gerührt starb ^). — Die Grammatik der slawischen Spra-
che in Rrain, Kärnten und Steiermark vom Hrn. kais.
Hofbibliothekscustos Kopifar (Laibach 1808), diesem um
das gesammte slawische Sprachstudium so hochverdien-
ten, verehrten Forscher, macht in der krainischen Lite-
ratur Epoche, und P. Marcus willkührliche Neuerungen
werden bald vergessen werden. — Die Grammatik des
Jesuiten Vincenz F. v. Weissfiuthurn, (Triest 1811)
ist ganz nach Kopilars Sprachlehre bearbeitet. In dem-
selben Jahr gab auch Hr. Valenf. Vodnik, Schidaufse-
her zu Laibach, bekannt durch die Ankündigung seines
teutsch - krainischen Wörterbuchs , durch seine Pesme
sa pokushino (1806), durch die Landwehrlieder (1808)
und manche Uebersetzung , s. Pismenost heraus. Ein
Jahr darauf erschien die Grammatik des Hrn. /. L.
Schtm'goz, die sehr brauchbar ist. Noch ist Hr. Debevz
zu nennen, Beneficiat und Katechet an der Mädchen-
schule bei den Ursulinerinnen , der es 1 790 unternom-
men, den angehenden Priestern Vorlesungen über die
Grammatik der Sprache zu geben, die sie in ihrem Be-
rufe alle Tage sprechen, und also doch auch gramma-
tisch versteilen müssen. Leider wurde diese schöne An-
stalt (parvae spes altera Krajnae) durch die feindliche
Invasion gestört. — Die neuesten windischen Sprach-
bücher sind die Grammatiken von den Hrn. Pet. Dainko
und Franz Sfraph. Mefelko. — Das wichtigste Werk
•) Dobrowskys Slawin S. 386.
») Kopitars Grammatik Vorn S. XXXVII-XLVIII.
287
in der iienerii kritiniscljcn IJteratiir isJ imslroiliji; die
kadiolisclic Uebersciziing der Bibel nach der Vidgata,
die in den .1. 17!)I 800 in 9 Bdeii., und zwar das
N. Testament ancli besonders, zuerst 1784 — 80, dann
1800 — 04 in 2 Bden.. zu Laibaeb zu Stande kam. Mit-
arbeiter an diesem Werke waren: der entbnsiastiscb-
fleissij^e Slawist Gcorij Japel, Blasius Kuinerdc}}, Jos.
Richter, Mo de st ns Schrey, Jut. Traun, Jos. Schlirhier
und Mdffh. Wolf. Diese neuem Bibelübersetzer biel-
ten sicli im W esentlicben gar niclit an P. Marcus, son-
dern au den alten Scbüler Melancbtbons. Aucb an an-
dern Unterrichts- und Unterbaltungsbüchern fehlt es
der neuern windisclien Literatur nicht; und die vor
einigen Jahren in Laibacli errichtete slawische Katheder
verspriclit dem Studium der Landessprache neues Leben
und eine bessere Zukunft.
Die Winden in dem westlichen Theil des Eisenbur-
ger und Szalader Comitats in Ungern, von den inländi-
schen Schriftstellern mit Unrecht Vandalen genannt —
denn sie selbst nennen sich Slowene., Slowenci — stehen
mit den westlichen Sloiraken in Bertdirung, wodurch die
Donau zwischen Pressburg und Komorn die Scheidelinie
und zugleich der Berührungspunct der zwei slawischen
Hauptäste , der Ordnungen A und ß wird ^). Die pro-
testantischen Winden erhalten von Zeit zu Zeit Gebet-,
Gesang- und Lesebücher, freilich mit abweichender, nach
der ungrischen gemodelten Rechtschreibung ^j. Das N.
Testament übersetzte für dieselben Stepli. Kuznics, hi-
8) Es ist bemerkenswerth, dass während alle übrigen Slawenstämme
ihren ursprünglichen Volksnanien im Leben verloren, und Specialnamen
(Russen, Polen, Schlesier, Cechen, Mähren, Sorben^ Serben, Moriachen,
Ornofiorcen, Bulgaren u. s. w.) angenommen, ja die meisten derselben so-
gar in der Schrift den Namen Sloioene in Slawene (gleich den Auslän-
dern) umgestempeit haben, die zwei sich nn der Donau berührenden Stäm-
me, der Stamm der Slowenzen und der Stamm der Slowaken, diesen
Volksnamen bis auf den heutigen Tag rein erhalten haben.
") „Sunt complures de Vendica gente — Vandaticam perperam ap-
pellant — caetus Evangelici A. C. in Com. Castriferrei, Sümeghiensi et
Szaladiensi. Dialectus. qua loquuntur, slavica est, inter Carinthiacam et
Croaticam media; litteras autem cum Croatis et aliis nonnullis populis sla-
vicis ac orthographiam adhibent hungaricam." Ambrosii Annal, eccles. 795.
T. II. 62.
288
therischer Prediger zu Snrd im Sonieger Comitate, Halle
1771. 8., mit einer Vorrede von Jos. Torkos, Prediger
in Oedenbiirg, welclies seit dem öfters (von der Bibel-
gesellscliaft in Pressbnrg 1818) nachgedruckt worden
ist. 1«)
*'') Quellen. Ausser J. L. Frisch Programma de dialecto Vinidica,
Berl. 729. 4., enthält die Vorr. u. Nachschrift zu des Hrn. Kopitar." wind.
Gramm, die schätzbarsten Notizen über die windische Sprache u. Literatur,
woraus ein grosser Theil der gegenwärtigen Zusammenstellung wörtlich ent-
lehnt worden ist.
Zweiter Theil.
Nordwestliche Slawen.
Erster Absclmitt.
Geschichte der böhmischen Sprache und Literatur.
§. 36.
Historisch - ethnographische Vorbemerkungen.
Böhmen war bis in Octavians Zeiten von dem kehischen
Stannue der Bojer bewohnt, und hiess Bojohemum, d. i.
Heimath der Bojer, welche von den einwandernden Mar-
komannen nach Baiern verdrängt wurden. Nach der Be-
siegung der Markomannen von den Longobarden, gehörte
Böhmen (seit 526) auf kurze Zeit zu dem schnell sich
vergrössernden thüringischen Reiche. Nach dem Sturze
dieses Reiches, der Vormauer gegen die Slawen, wan-
derten die Gecken ^) um das J. 550 in Böhmen ein. Der
geographische Name des Landes tiberging auf die neuen
Bewohner. Von ihrem Ursprünge und ihrer Festsetzung
ist mehr Sage, als wahre Geschichte vorhanden. Der
Zug ging wahrscheinlich aus Belo-Chrobatien, welches
') Nach Hm. Bobrowsky die „ Vorder - Slavjen" (über den Ur-
sprung des Namens Öech, Prag und Wien 782. 4.) Er leitet das Wort von
>'-}ti, ceti, anfangen, beginnen, lier. Die Chroniken liegen dem Anführer
der Böhmen auf dem Zuge nach Böheim den Namen Vech bei.
19
290
nacli der gewöhnlichen Annahme im Norden der Karpa-
ten lag, nach andern hingegen sich von Lnblin bis Wai-
tzen an beiden Seilen der Karpaten erstreckte ^). Der
mächtige Samo, der gerechte Krok, und seine Tochter,
die weise Libnsa, die Gründerin Prags, eröffnen die
unsichere Kegentenreihe (624 - 700). Die von mehre-
ren einheimischen Fürsten (dem Prager, Kaniimer, Saa-
zer) abhängigen Böhmen vereinigtesi sicli endlich ums J.
722 unter einem Herzoge, Premysl, dem Gemahl Libu-
sens. Unter seinem Sohn Nezamysl soll auf einem Land-
tag zu Wysegrad (752) die erste Landesvertheilung und
Verfassung zu Stande gekommen seyn. Das Christen-
thum drang von Teutschland frühzeitig nach Böhmen ein
(845) ; aber der Hzg. Boriwog, der sich desselben an-
nahm, und um das J. 894 die Taufe empfing, wurde
aus dem Lande vertrieben. Seine Nachfolger kehrten zum
Götzendienst zurück, und eigentlich gewann das Christen-
thum erst in der zweiten Hälfte des X. Jahrb. (966) un-
ter der Regierung des Hgs. Boleslaw IL bei den Cechen
festen Fuss. Unter ihm wurde 972 ein eigenes Bisthum
zu Prag errichtet; bis dahin hatte Böhmen zum Regens-
burger Sprengel gehört. Schon Karl der Gr. hatte die
Böhmen zum Tribut genöthigt ; diesen erneuerte der
teutsche König Heinrich L, und vergebens suchte sich
der Hzg. von Bölimen Boleslaw L der Oberherrschaft
Otto's zu entzieiicn. Dem Hzg. Wratislaw IL gestand
der Ks. Heinrich IV. (1086) den Königstitel zu, von
welchem aber seine Nachfolger erst später (Premysl Ot-
tokar L von 1198 — 1230 auf Bestätigung des teutschen
Kgs. Philipp von Hohenstaufen) einen fortdauernden Ge-
brauch machten. Ks. Friedrich IL gestand dem böhmi-
schen Kg. Ottokar I. besondere Vorrechte zu ; und Böh-
men blieb von nun an dem teutschen Reiche gegenüber
ein selbständigeres Königreich, und ward nicht zu des-
sen Kreisen gerechnet. Wettceslaws I. (als Regent III.}
Vermählung mit der Nichte des letzten Babenbergers ver-
anlasste Böhmens Ansprüche auf Oesterreicl» und Steier-
mark (1230 — 53 J. Sein Sohn Ottokar IL vermählte
^) Nach einigen, z. B. WeJeslawjn, kamen die Böhmen aus Kroa-
tien von der Kulpa her ; andere verstehen richtiger unter Kroatien das alte
Belochrobatien. Vgl. Krok spis vs^senaucny Th. III. S. 59.
291
sich mit iMar^arotha , Her Babeiibergerin , wurde mit
diesen Provinzen belelnit, erwirkte sich die Nachfolge
in Kärnten , Krain und F'rianl, besiegte die Preussen
tind ßaiern, ward Herr von der Lausitz und Oberlehns-
herr mehrerer schlesischen inid polnischen Fürsten; wurde
aber mit Ks. Rudolph von Habsburg in Kriege verwi-
ckelt, und fiel in der Schlacht im iMarchfelde 1278. Er
war der grösste der böhmischen Könige aus dem slawi-
sclien Stamme. iVlit seinem Enkel, dem 1306 ermorde-
ten Kg. Wenceslaw 111., erlosch der Mannsstamm Pre-
rnysls, welcher seit 722 ßöhmen beherrscht, und dem-
selben 23 Herzoge und 7 Könige gegeben hat. Verge-
bens bemühte sich der Ks. Albrecht I. Böhmen seinem
Hause zu verschaffen. Aber auch der Hzg. Heinrich von
Kärnten, dem er es überlassen musste, verlor es (1311),
weil er den Kaiser Heinrich nicht für seinen Oberherrn
erkennen wollte. Der Kaiser gab die ßelehnung darüber
seinem Sohne Johann, der sich mit der Prinzessin Eli-
sabeth, Schwester des letzten Königs von Böhmen, ver-
mählte. Mit Johann fängt die luxemburgische Reihe der
Könige von Böhmen an. Unter seiner Regirung wurde
das Land ausserordentlich vergrössert. Er Hess, um
Böhmen der Metropole von Mainz zu entziehen, 1343
Prag zu einem Erzbisthum erheben. Karl IV. stiftete
1348 daselbst die erste slawische Universität. Unter
Karls IV. Sohn, Wenceslaw IV., entstanden die Hussi-
tenkriege. Ks. Sigisrnund gelangte nach manchem un-
glücklichen Feldzuge gegen den tapfeni Johann von Troc-
now, genannt Zizka, erst nach dem Tode dieses Helden
(-[■ 1424) durch die unter den Hussiten erzeugte Unei-
nigkeit, 1436 zum ruhigen Besitz von Böhmen. Im J.
1437 kam Böhmen an Sigismunds Schwiegersohn, Al-
brecht, und hernach an des letztern Sohn, Ladislaw.
Die Erbfolge des Thrones unterbrach Georg Podebrad
(1457 — 1471), ein geborner Böhme, der, weise und
grossmüthig, das allgemeine Vertrauen der Nation recht-
fertigte. Nach seinem Tode gelangte der polnische Prinz
Wladislaw IV. zur Krone. Als dessen Sohn und Nach-
folger Ludwig in der Schlacht bei Mohäcs geblieben
war, wählten die Böhmen seinen Schwager, Ferdinand
19*
292
I., Erzherzog von Oesterreich niid nacliinaligeii Kaiser,
zu ihrem Könige 1527 — 64. Von nun an ist und bleibt
Böhmen ein integrirender Tiieil der österreichischen
Staaten. Im XVII. Jahrli. setzten Böhmen vornehmlich
die Religionsunruhen in Flaiiniien. Das Religionssystem
der Hussiten hatte daselbst noch zahlreiche Anhänger
behalten ; unter der sanften Regirung Maximilians II.
(1564 — 76) traten diese zu Luthers Lehre über, und
der Protestantismus fasste weit verbreitet festen Fiiss.
Rudolph IL sicherte den Böhmen Religionsfreiheit durch
die Majestätsbriefe 1609 zu. Mathias bestätigte zwar
diese Patente, aber die verschiedenen Auslegungen, die
man von ihnen machte, erregten bald nachher den ver-
heerenden 30jährigen Religionskrieg. Als Mathias ge-
storben war (1619), fürchteten sich die vereinigten Län-
der von Böhmen und Mähren so sehr vor Ferdinands be-
kanntem Eifer für die katholische Religion, dass sie ihn
nicht zum Nachfolger wollten, sondern sich Friedrich V.,
Kurfürsten von der Pfalz, zum Könige wählten. Allein
Friedrich verlor bald mit der Schlacht auf dem weissen
Berge (1620) die Krone, und die ihm ergebenen böh-
mischen Herren worden äusserst hart bestraft (1621).
Unter der milden , beglückenden Regirung Maria The-
resia's, Josephs IL, Leopolds IL und Franz I. blühte das
durch vielfaclie Stürme der vorigen Jahrhunderte, und
zuletzt noch durch die preussischen Kriege, besonders
den 7jährigen, in welchem Böiunen dessen Hauptschau-
platz war, verödete Land von neuem frisch und lebens-
kräftig auf. ^)
'') Die Quellen der böhm. Gecliichte sind angegeben in Pelzels Gesch.
d. Böhmen, am Schlüsse des 2. Bdes. — Der älteste böhm. Chronist (in lat.
Sprache) ist Cosmas, Dechant in Prag, gest. 1045, herausg. von F. M.
Pelzel u. .J. Dobrowsky in Script, rer. hohem., Pr. 784. 2 Bde. 8. Seine Chro-
nik wurde von andern fortgesetzt. — Bunzlauer Chronik (in böhm. Sprache,
angeblich von Dalimil Mezericky) herausg. v. Gesjn 620. 4. von Prochäzka
Pr. 786. 8. — PHbjk Pvlkawa de Tradenin (gest. um 1374) Chronicon,
herausg. v. G. Dobner in Mon. bist. Boh. 764. — Die übrigen Chronisten die-
ses Zeitraumes in G. Dobner monumentis bist. Boh. Prag 764 — 86. 6 Bde.
4. — W. Hägek von Libocan kronika ceskä, Pr. 541. 2te A. 819. fol. lat.
Annales Boh. von G. Dobner, Pr. 763—83. 6 Bde. 4. — Fr. Piibicka chron.
(;esch. Böhmens, Prag 770 — 812. 10 Bde. 4. — P. Stransky Staat v. Böh-
men (de republ. Bojema Lugd. Bat. 643.) übers, v. J. Comova, Pr. 792 —
803. 7 Bde. 8. — Älehler chron. Gesch. Böhmens, Pr. 805—07. 3 Bde. 8. —
J. Comova Briefe au e. kleinen I^iebh. d. vaterl. Gesch., Pr. 796 — 99. 3
203
Die Miiliren , StaminverwaiKlte der Ceclien , und
mit diesen wahrsclieiiilich zu gleicher Zeit eingewandert,
werden in den ältesten Annalen mit unter den pannoni-
schen Slawen, und uingekelut diese unter jenen begrif-
fen *). In der That erstreckte sich das alte Mähren,
von dem heutigen gar sehr verschieden, weit in das ur-
alte Slawenland zwischen den Karpaten, der Theiss und
der Donau, und südlich in Pannonien hinein. Auch in
Mähren gab es, wie in Böhmen, anfangs mehrere Für-
sten {knezt\ k/tjiafa). Der allererste mährische Knäz,
dessen Name mit einiger Gewissheit in der Geschichte
erscheint, ist Mogmjr (Mogmar) um 824. In Mähren
fingen die Bekehrungen zum Christenthum bereits im
\II. Jahrh. an. Mogmjr, Regent über einen TheiJ der
Mähren, ward ein Christ, und nach dem französischen
Staatsrecht jener Zeiten als Christ zugleich Vasall des
Kaisers der Franken, Ludwigs des Frommen. Ein zwei-
ler mährischer Fürst war Privina, der Vater Chocils
(Kocels). Im J. 830 jagte ihn Mogmjr, man weiss nicht
warum, aus Mähren über die Donau hinüber; da Hess
sich Privina in seiner Noth taufen, und ward dadurch
Ks. Ludwigs Protegirter. Der mächtigste unter den mäh-
rischen Fürsten seiner Zeit war Kostislaw , Mogmjrs
Sohn. Er wagte einen Freiheitskampf gegen die Fran-
ken, wurde aber 870 geschlagen, gefangen genommen,
und — der Augen beraubt — in ein Kloster gesperrt,
woselbst er starb. Sein Neffe und vormaliger Lehens-
Bde. 8. Eb. Unterhalt, mit jungen Freunden d. Vaterlandsgesch., Pr. 799-803.
4 Bde. 8. - J. Beckowskv poselkyne starych pi-jbehü ceskych, Pr. 700. —
F. M. Pelzel kurzgef. Gesch. von Böhmen, Prag 784. 2 Bde. 8. N. A. 817.
Eb. kronika ceskä, 3 Bde. 8. — W. Dinzenhofer gen. Tafeln d. böhm. Für-
sten, Hzge., u. Kge., Pr. 805. 4. — Dumont de Florgy bist, de Boheme.
Wien 808. 2 Bde. 8, N. A. 812. — Pabst kronika närodu öeskeho, Pr. 810 —
12. 2 Bde. — K. L. Woltmann Inbegriff d. Gesch. Böhm., Pr. 815. 2 Bde. 8.
- J. F. Schneller Böhmens Schicksal u. Thatkraft, Grätz 817. - W. A.
Gerle bist. Bildersaal d. Vorz. Böhm., Pr. 823. 8. — Abh. der Gesell., der
"Wissensch. in Prag seit 1786. u. m. a. —
*) Dass der Volksname Morawcjk Mährer, mit dem Namen des Flus-
ses Moraiva March, übereinkomme, ist klar, und eben darum auch wahr-
scheinlich, dass nicht der Name des Flusses vom Volke, sondern der des
Volkes vom Flusse herzuleiten sey. Morawa-Flüsse gibt es bekanntlich,
besonders in Serbien, mehrere. — Ihre Sprache nennen die Mähren mo-
raxvshj, nicht cesky gazyk ; wornach Anton und Schlözer zu berichtigen
sind. 'Der Irrthum" bei "diesen entstand daher, weil die Mähren mit den
Böhmen gemeinschaftlich nur eine Schriftsprache und Literatur haben.
294
niaiiii Swatopluk, einer der wenigen grossen Männer des
IX. Jahrh., trat als Befreier der gennanisclien Südslawen
anf, stiftete ein grosses Slawenreich, das Kgrch. Gross-
mähren, in dessen Herzen Welehrad, Xeitra und Gran
(Ostrihom) lagen, und dessen Gränzen sich bis an die
Elbe , Theiss , Drawe und Sawe erstreckten. Aber
kaum war der Friede mit Arnulph geschlossen, und das
mächtige, unabhängige Slawenreicli gegründet und gesi-
chert, als der Stifter dieses Reichs in eben dem Jahr
(894) starb. Er hinterliess drei Söhne, und beging die
Schwachheit seines Zeitalters, das noch nicht feste Reich
unter sie zu theilen ; die sich denn auch bald veruneinig-
ten, und dem Andränge der Teutschen und Magyaren
unterlagen. Der dritte damalige mährisch- pannonische
Knäz war Chocil (Kocel). Sein Vater war der landes-
flüchtige Privina. Als dieser von seinem eigenen Volke
erschlagen worden, sprach K. Ludwig dessen Landesan-
theil, der jenseits der Donau zwischen der Sawe und
Drav^e lag, diesem seinem Sohne Chocil zu ; Rostislaw
aber nahm ihm diesen Landstrich für seinen Nefi*en Swa-
topluk weg. In die für Mähren und Pannonien äusserst
unruhigen Jahre 861 — 864 fällt nun die Gesandtschaft
der drei Fürsten: Rostislaw, Swatopluk und Chocil nach
Constantinopel (vgl. §. 9). Bei der eingetretenen Noth-
wendigkeit, sich an das mächtig um sich greifende Chri-
stenthum anzuschliessen, suchten die gedrängten Fürsten
wahrscheinlich durch eine Verbindung mit dem byzan-
tinischen Hofe nicht nur das Christenthum mittelst der
slawischen Liturgie ihren Völkern annehmbarer zu ma-
chen, als es durch die lateinische war, sondern sich zu-
gleich nebenher Hilfe von daher gegen ihre Tyrannen,
die grausamen Teutschen, zu verschaff'en. — Nach der
Zertrümmerung des grossen mährischen Reichs kam das
heutige Mähren an Böhmen 1029. Ks. Friedrich II. er-
hob es 1182 zu einem Markgrafthum. Ks. Karl IV. gab
das Land seinem Bruder Johann. Im. J. 1469 eroberte
es Mathias, Kg. v. Ungern; aber nach seinem Tode
ward Mähren unter Wladislaw wiederum mit der böh-
295
mischen Krone vereinigt, mit welcher es dann an das
Hans Oesterreich kam. '")
Nnr zwei Drittheile der heutigen Volksmenge in
Böhmen sind Slawen ; mir der Chnullmer , Taborer,
Prachiner, Kakonicer , ßerauner, Kaiirimer und Cas-
lauer Kreis ganz von Cechen, die übrigen entweder von
Cechen und Teutsciien gemeinschaftlich (der Bunzlaner,
Bydzower, Königgrätzer, Klattaner und Pilsner Kreis),
oder von Tentschen allein (der Leitmeritzer, Saazer,
EUbogner und Budweiser Kreis), bewohnt. Die Zahl
der Cechen in Boiunen mag sich demnach auf 2 Va Mill.
belaufen, die der grossen Mehrzahl nach Katholiken, und
nur der weit kleinern Zahl nach (etwa 60,000) Augsb. und
Helv. Confession sind*^). — Da Mähren mit dem öster-
reichischen Antheil von Schlesien im J. 1820 (nach Rei-
chard) 1,749,486 Einw. zählte, so kann man ohne üe-
bertreibung annehmen, dass auch hier ungefehr zwei
Drittheile, also 1,200,000 slawischen Ursprungs sind.
Der Iglauer, Hradischer und Prerauer Kreis sind beinahe
ganz von Slawen, die übrigen von Slawen und Tent-
schen bew ohnt. Der grösste Theil der slawischen Mähren
bekennt sich zur römisch-katholischen Kirche ; doch zäh-
len auch die Augsb. und Helv. Confessionsverwandten in
^) O. Steinbach' s von Kranichstein kl. Gesch. von Mähren, Pr. 783. 8
— A. Piläf et Morawec Mor. hist., Biünn 785 — 87. 3 Bde. 8. — J. W.
V. Monse Vers. e. Landesgesch. des Markgr. Mähren, Brunn 785 — 88. 2
Bde. 8. — F. J. Schxi'oy's kurzgef. Gesch. d. Landes Mähreu, Brunn 788. 8.
Vgl. die Schriftsteller iiber d. böhni. Gesch. Anm. 3.
®) /. V. Rieaer Materialien zur Stat. von Böhmen, Lpz. u. Pr. 787 —
91. 13 Hfte. 8. Eb. Archiv d. Gesch. u. Stat. v. Böhmen, Dresd. 792 — 95.
3 Bde. 8. Eb. Skizze e. stat. Landeskunde Böhmens, Lpz. u. Pr. 795. 3 Hfte 8.
— J. Schaller s Topogr. d. Kgr. Böhm., Pr. 785 — 90. 16 Bde. 8. Eb. topogr.
Universalreg. des Kgr. Böhmen, Pr. 791. 8. Eb. Neues Catastrum d. Kgr.
Böhm.. Pr. 802. 8. — Ch- CV«iti«s topogr. Postl ex. v. Böhmen, Mähr. u. Schle-
sien, W. 798. 2 Bde. 8. — Kurzg. Beschr. d. Kreise v. Böhm., Pr. 794. 16
Hfte. 8. — J. de Luca Geogr. v. Böhmen, W. 791. 8. — F. A. Demian
stat. Darstell, von Böhm. Mähr, und Schlesien, W. 804. 8. — J. 3. Kaasch
ausführliche Nachrichten üb. Böhm., Salzb. 794. 8. — Meissner^ hist. maier.
Darstellungen a. Böhmen, Pr. 790. 4. — Müllner Vers, einer stat. Geogr. v.
Böhmen, Pr. 805. 8. — J. J. Polt Haudb. d. Geogr. v. Böhmen, Pr. 813.'"8. —
V. Liechtenstern stat. Schilderung d. Kgr. Böhm., W. 812. N. A. Bresl. 822. 8.
Eb. Handb. d. Geogr. Oesterreichs, W.818. 3 Bde. 8. — Schematismus von
Böhmen 1822. — PomßMs stat. Topogr. v. Böhmen , herausg. v. Kramerius,
Pr. 822 ff. — B. J. Dlabace wypsänj ceskeho krälowstwj , Pr. 819. 8. — J.
A. Dundra zemepis krälowstwj ceskeho, Pr. 823. 8. — {Rohrer) Vers. üb.
d. slaw. Bewohner Oesterreichs, Vi. 804. — W. A. Gerle neues Gemälde von
Böhmen, Pesth 823. 3 Bde. 8.
296
Mähren gej'en 40,000 Bekenner. Ein Theil der Mäliren,
der den kleinsten aber fruchtbarsten Raum in der Mitte
des Landes, um die Städte Ollmütz, Wischau u. Krem-
sier, die sogenannte Hanna bewohnt, heisst die Hanna-
ken, ein anderer in den Gebirgen des Hradischer u. Pre-
rauer Kreises, Walachen '). — Rechnet man zu den
Obigen die Sprach- und Literaturverwandten Slowaken
hl Ungern, gegen 1,800,000 Seelen hinzu, so ergibt
sich hieraus die ungefehre Gesammtzahl von öVa Mill.
slawischen Individuen für den böhmisch-mährisch-slo-
wakischen Stamm.
§. 37.
Charakter der böhmischen Sprache.
Die Sprache des cechischen Slawenstammes, welcher
Böhmen bewohnt, gehört, dem §. 4. Gesagten zufolge,
als eine besondere, durch Bau und Bildung wesentlich
unterschiedene Mundart, zum tiorchv es fliehen, oder böh-
misch - slowakisch - polnisch - wendischen (im Gegensatz
des ostsüdlichen, oder russisch-serbisch-kroatiscli-win-
dischen) Hauptast des weit verbreiteten slawischen Sprach-
stammes. Einerseits mit dem Slowakischen, mittelst des-
sen sie an der pannonischen Donau mit dem südöstlichen
Hauptast in Berührung kommt, andererseits aber mit
dem Polnischen, das ans Russische gränzt, enge ver-
wandt, gewährt sie sowol wegen dieser ihrer Stellung,
als auch wegen der verschiedenen Entwickelungsperio-
den, die sie durchlief, und der Bildungsstufe, die sie
erreichte, dem Forscher mehrere interessante Gesichts-
und Vergleichungspuncte.
Das Eigenthümliche und Charakteristische der böh-
mischen Mundart lässt sich durch Vergleichung einiger
Wörter mit den Mundarten der zweiten Ordnung mit
wenigen Zügen entwerfen:
') F. J. Sckwoy's top. Schilderung d. Markgr. Mähren , Prag und
Lpz. 786. 2 Bde. 8. Eb. Topogr. d. Markgr. Mähren, Brunn 793 — 94. 3 Bde.
8. — (J. A. Hanke v. Hanketistcin) Bibl. d. mähr. Staatskunde, W. 786. 8.
J. Hazzis Statistik v. Mähren, Nürnb. 807. 8. — v. Liechtenstern Handb.
d. Geogr. von Oesterreich, W. 817 - 18, Vgl. Anm. 6.
297
Böhtnisch.
Slowahiselt
Pnhnscli.
Snrh<>inrrndisch,
1. e: zert, zel
a : zart, zial
a . zart, zal
0, a: zort, zal (zel).
duse
dusa
dusza
duscha
macecha
0 : macocba
0 : macocba
0 : maczocha
i: cizj, gü
u : cuzy, uz
u: cudzy, iuz
u : czuze, yuz
6igi
cugem
czuie
tzuyu
j: wjra,stestj
ie : wiera, sfiastie
ia, ie : wiara,
szczescie
e : wera, zbozo
zapf je
a : zagac
a: zaiac
a: zayacz (buchaz)
2. maso, räd
ä, ia (a): mäso, räd
ie, a: mi?so, rzad ja, e: mjaszo, raeszo.
(riad)
rjad
saud
ü: Süd
a: Sfid
u : szud
kwet, swet
e : kwet, swet
ia: kwiat, swiat
e : kwetk, szwet
dewöe
ou: diouca (dieuca)
ie : dziewcze
OU : dzouczatko, zoczo
mleyn
y: mlyn
y : mJyn
0, u : mön, mliin, muu
chodegj
iä : chodiä
a : cbodza
a : khodza
3. gdu
idem
. ide
hdu
gisty
isty
isty
weste, wesczi
nebe, nemäm
ne: nebo, nemäm
nie: niebo
niemam
ne: nebo, nemam
4. brada
brada
broda
broda
kräwa
krawa
krowa
kruwa, krowa
5. h : hrom, blas hrom, blas
g : grom, glos
rom, wosz, glosz
6. r: reka
ri : rieka
rz : rzeka
reka, rika
reo
r: reo
rzecz
retz
7. 1 : spal
u, o: spau (spao)
1 : spai
1 : spal je.
8. prwnj
perwy
pierwy (pierwszy)
preni, perwi
smrk
smrekjSmerek
smrok
schmrok
dska
deska (daska,
doska)
deska
deska
srdce
srce (serce)
serce
wutroba
dcera
cera
cora
dzowka
tfesknauti
tresnüf
trzasnac
zczerkacz
radostny
radosny
radosny
hradoscziwe
9. CO
CO
CO
zto, zo
pfes
cez (örez, cez)
przez
pzes, pschew
stresue
ceresna
trzesnia (cze-
resnia)
tzeschna
skremen
kremen
krzemien
kzeszadnik
kstice
kefka
wJosy
wösz, losz
ocas
chwost
ogon
woposcb, wopusch
koßka
macka
kotka
ko£, koczka
298
Der Böhme neuerer ZtMten liebt die engern, dum-
pfem VocaJe e und / vorzugsweise, und opfert ihnen die
volleren u, o, u nicht nur in den Flexionssylben, son-
dern selbst in solchen Wurzel Wörtern, wo sie noch allen
Slawen gemein sind, beinahe durchgängig auf Er hat
das h statt ^ mit dem Slowaken und Oberlausitzer (zum
Theil auch dem Russen) gemein. Vor dem XIII. Jahrh.
kommt dieses h statt if in den Urkunden noch nicht vor.
Dahingegen kennt weder der Slowak, noch der Wende
in den beiden Lausitzen das zischende böhmisch-polni-
sche r%, welches gleichfalls erst seit dem X — Xll. in
seiner neuern Gestalt {i'sch st. rj\ ungewiss auf welche
Weise, aufgekommen ist. — Im Ganzen eben so rein
und tönend, wie ihre Schwestern , in grammatischer
Vollendung den meisten voranstehend, büsste doch diese
Mundart einen grossen Theil ihrer Originalität durch
den Einlluss des Teutschen, und ihr Aufblühen durch
die ungünstigen Schicksale des ofi und vielfach zerrüt-
teten Landes ein. Der Mangel an sonoren Vocalen und
die Häufung der Consonanten ist wol nirgends so gross
als hier. Wenn wir aber auch zugeben, dass sie in Hin-
sicht des Wolklangs andern slawischen Mundarten nach-
stehet, so darf ihr dieses doch nicht zum Vorwurf an
geborner Härte gemacht werden. Vieles kommt bei die-
ser ursprünglich wolklingenden, aber durch verschiedene
fremdartige Einflüsse bedeutend verunstalteten Mundart
auf die Rechnung geschmackloser , vorzüglich späterer
Schriftsteller, die, nachdem die Sprache aus den höhe-
ren und gebildetem Kreisen gewichen, und einerseits
Sprache des gemeinen Volks, andererseits aber der Bü-
cher geworden war. selbst das Böhmische nicht spre-
chend, und auf die Ausspraciie des Volkes nicht achtend,
sich Härten erlaubten, über die wol das lesende Auge
liinw eggleiten , aber die sprechende Zunge sich nicht
hindurcharbeiten kann. Denn im Munde des Volks und
in den ältesten Gedichten erscheint das Böhmische viel
kerniger, kräftiger, geschmeidiger, ja wol klingender,
als in den Werken neuerer Schriftsi dler. Befremdend
ist es allerdings, dass bei dem allgeaiein wiedererwach-
teu Studium der böhmischen Spraclic, die Regeln des
299
Wolklaiigs von so wenigen Schriftslellcrn hei derselben
bis jetzt geltend gemaciu werden, um den Forderungen
des Gescbmacks zu genügen. Würde man hierbei einer-
seits auf allgemeine ästhetische Gesetze des WoUauts,
andererseits aber auf veraltete, vvolklingende Wort- und
Sprachformen, auf die Aussprache der Slowaken in Un-
gern, die unbezweifelbar milder, oft richtiger ist, als
die der Böhmen, auf verwandte Mundarten, und auf
Analogie inid Consequenz gehörig Rücksicht nehmen: so
würde das verlorne Gleichgewiciit zwischen den engen
und breitern Vocalen hergestellt, die oratorische Kraft
und Würde erlangt werden, und der Vorwurf ,, win-
selnder Ohinnacht,"' und des „Mangels an schlagender
Yolltönigkeit" von selbst aufhören, der ihr so oft ge-
macht wird, und noch neulicii von dem genialen, ge-
schmackvollen Kenner. Graf. St. Potocki (Mowy II. 427)
gemacht wurde, nnd von dem sie allerdings in ihrer gegen-
wärtigen Gestalt nicht ganz freizusprechen ist ^). — Aber
ein entschiedener , überwiegender, inischützbarer Vor-
zug der böhmischen Mundart, den sie bis jetzt, wenig-
stens in der Ausübung, mit wenigen ihrer Schwestern
theilt, ist ihre hohe Befähignng zur quantitirenden Vers-
kunst im Sinne der altclassischen Prosodie. Um den Be-
sitz dieses Kleinods können dereinst wol die südlichen
Mundarten {die slowakische und serbisch - dalmatisch-
kroatische), aber nicht so leicht die nördlichen (die pol-
nische und russische) mit ihr wetteifern. — Noch ver-
dient der Fleiss, mit dem sie von ihren Anbauern in
Grammatik und Lexico seit den ältesten Zeiten bis auf
die Gegenwart bearbeitet worden, eine Auszeichnung. ■)
*) Vgl. B. Balbini diss. apol. pro liiigua slav. praec. Bohem., Prag
775. 8. — K. Thdma obrana gazyka ceskeho, Pr. 783. 8. — J Rtdjka släwa
a wybornost gazyka ceskeho, Pr. 792. 8. — J. Dobrovshj üb. d. Bildsamkeit
der böhm. Sprache. Eb. üb. d. Wolklaug der slaw. Sprache mit besonderer
Anwendung auf die böhm. Mundart, in s. Slowanka Th. II. 1 — 67.
-) Sprachbücher. Grammatiken : Kurze Unterweisung beid. Spr. teutsch u.
böhmisch, Pils. 531. 8. u. öfters. — A. Klatoivsky böhmisch - deutsche Ge-
spräche, Pr. 540. 8. u. öfters. — B. Optat u. F. Gzel Anl. z. böhm. Or-
thogr., Name.-^t 533. Pr. 588, 643. — M. BenesoiuskO Gramm. Bohem., Pr.
577. 8. — L. Benedict v. Nudozer Gramm. Boh., Pr. 603. 8. — J. Drachoii'sku
Gramm. Boh. herausg. von Steyer 01m. 660. 12. — G. Constantius lima
linguae Boh., Pr. 667. 8. — M. Steyer wyborne dobry zpusob u. s. w. (Anl.
z. Orthogr.) Pr. 668. 730. 781. 12. - [Anonvmi] priucipia 1. boli. o. J. (1670-
80). N. A. Pr. 783. 12. — W. Rosa Cechoreenost, Pr. 672. 8. - W. Jandit
300
§. 38.
Epochen der böhmischen Literatur. Erster Periode erste
Abtheilung. Von der Einwanderung der Cechen in Böhmen
bis zur gänzlichen Ausrottung des Heidenthums.
J. 550 - 1000.
Die Geschichte der böhmischen Literatur zerfällt in
drei Hauptperioden, deren jede der bequemern Ueber-
sicht wegen in zwei Abschnitte getheilt werden kann.
Die erste Periode umfasst den Zeitraum von der Ein-
wanderung der Cechen bis auf Kg. Wenceslaw IV. oder
Huss. J. 550 — 1410. Diese Periode hat zwei Abthei-
lungen : die erste von der Einwanderung der Cechen
bis zur gänzlichen Ausrottung des Heidenthums unter
Boleslaw IL J. 550 — 1000, und die zweite von da bis
auf Kg. Wenceslaw IV. oder Huss J. 1000 — 14iO. Die
zweite Periode erstreckt sich über den Zeitraum von
den Hussitenkriegen bis auf die Schlacht am weissen Ber-
ge J. 1410 1620. Sie enthält ebenfalls zwei Abthei-
lungen: die erste von Huss bis auf die Verbreitung der
Gramm. 1. boh., Pr. 704. N. A.v. Wussin 715.7. A. 753. - P. DolezalGxmi.
Slavico-boh., Pressb. 746. 8. — /. W. Pohl böhm. Sprachkunst, Wien 756.
5 A. 783. 8. — F. J. Tomsa böhm. Sprach!., Pr. 782. 8. — K. J. Thäm böhm.
Sprachlehre, Pr. 785. 8. — Eb. böhm. Gramm., Pr. 798. 801. 804. 8. — Ae.
Chlädek nauceiij kraticke u. s. w., Pr. 795. 8. — F. M. Pelzet Grunds, der
böhm. Sprache, Pr. 795. 798. 8. — .7. Negedlv böhm. Gramm., Pr. 804. 3 A.
821. 8. — J. Dobrowsky Lehrgebäude d. böhm. Sprache, Pr. 809. 2 A. 819.
böhmisch von Hanka: Mluwnice, Pr. 821. 8. — J. E. Schmidt graram. ceskä,
Pr. 816. 8. — Nowotneho z Luze gramm. öeskä, Pr. 818. 8. Wörterbücher:
A. V. Weleslaivjn diction. 1. lat. c. interpr. boh., P. 579. 4. Eb. sylva qua-
drilinguis, boh. lat. graec. germ., Pr. 598. 4. — Eb. Nomenciator lat. boh.
germ., Pr. 586. 8. — Loderecker diction. Septem linguar. — G. Henisch the-
saurus 1. germ., Augsb. 616. f. — Sylvula trilinguis, Pr. 650. — Gazophyla-
cium boh. lat. graec. germ., Pr. 671. — Dict. quadrilingue, Pr. 683. 8. —
J. A. Comenius janua lingu., P. 669. 4. u. öfters. — Chr. Cellarii lib. me-
mor., böhm. von Bei., Pr. 755. 777. 8. — Z. C. Wiissm dict. germ. lat. boh.,
Pr. 700 — 706. 3 Bde. 4. N. A. 722. 742 — 47. — Kropf Amalthea, böhm.,
Pr. 753. 8. —J. K. Rohn böhm. lat. deutscher Nomenciator, Pr. 764 — 68.
4 Bde. 4. — W. Wiedemann teutsch. böhm. Wörterb., W. 768. 8. — K. J.
Thäm deutsch-böhm. Nationallexicon, Pr. 788. 8. 799. 8. N. A. Prag 814.
2 Bde. 8. Eb. böhm.-deutsches Nationallex., Pr. 805 — 807. 2. Bde. 8. Eb.
deutsch-böhm. u. böhm.teutsches Taschenwörterb., Pr. 818 ff. 2 Bde. 12. —
F. J. Tomsa kl. teutsch-böhm. Wörterb., Pr. 789. 8. Eb. böhm. teutsch -
lat. Wörterb.. Pr. 79t. 8. — .7. Dobrowsky deutsch-böhm. W. B., Prag
802 — 21. 2 Bde. 4. — G. Palkowic böhm. deutsch-lat. W. B. Prag und
Pressburg 821. 2 Bde. 8.
301
Buclidruckerknnst in ßölnuen oder bis auf Ferdiiiand I.
J. 1410— 1526, die zweite von da bis zu der Sclilaclit
am weissen Berge J. 1526—1620. Die driHe Periode
endlicb umfassl den Zeitraum von der Schlaclit am weis-
sen Berge bis auf unsere Zeiten J. 1620 — 1825. In ilir
lassen sieb ebenfalls zw ei Abscluiitte macben : von der
Scblaclit am weissen Berge bis auf Ks. Josepb II. .1. 1620 —
1780, nnd von da bis a«if unsere Zeiten J. 1780—1825.
V
Erste Abtheilung. Von der Einwanderung der Cechen bis
zur völligen Besiegung des Heidenthums unter Boleslaw li.
J. 550 1000.
Unter dem grässlicben Sturm, der nach dem gänzli-
chen Fall Roms über die Welt tosete, drang der cecbi-
sebe Slawenstamm in das von iMarkomannen verlassene,
menschenleere Böbmen, diese Landwehr der Natur, fried-
lich um das J. 550 ein. Der kriegerische Samo ermu-
tbigte die Slawen sich der hunnischen Tyrannei zu ent-
ledigen : er verband mehrere Slawenstämme, und dar-
unter auch die Cechen, zuerst zu einer selbständigen
Nation. Unter Krok dürfen wir uns der Sage nach nur
einen Mann denken, welcher durch Kenntnisse, beson-
ders von den Sitten, reclitlichen Gebräuchen, Geschich-
ten seines Volks, und durch seinen redlichen Sinn das
Vertrauen der Nation so gewonnen hatte, dass sich strei-
tende Parteien , Volksversammlungen in Erörterungen
über öflfentliche Entschlüsse, willfährig semen Einsichten
unterordneten. Weil er seinen Geist, seine Kenntnisse
und Erfahrungen auf seine Tochter Libusa übertragen
hatte, blieb ihr ähnliches Vertrauen und Ansehen bei
der Nation; und beide in ihrem wohlthätigen, friedli-
chen Walten, und selbst Premysl, von Libusa zum Ge-
mahl erkohren, sind Erscheiinmgen, die auf geschicht-
liche Thatsachen hinweisen. Krok, Libusa und Premysl
müssen als Heroen eines merkwürdigen Zeitpunctes in
der Nationaleut Wickelung, gleichsam als Repräsentanten
der böhmischen Cultur ihrer Zeit betrachtet werden;
denn die Sage bildet die Geschichte durch Phantasie wei-
ter aus, aber sie erfindet nicht ihren UrstofF^). — Der
1) ,K. L Woltmanns Gesch. v. Böhm. Th. I. S. 12.
302
gesellschaftliche und politische Znstand des cechischen
Volks in diesem Zeitraum war der aller Slawen : im
Ganzen gleiche Religion, gleiche Sitten, gleiche Sprache,
gleiche Beschäftigung, gleiche Verfassung, wenn gleich
im Einzelnen manche Verschiedenheit. Aber über den
Grad ihrer Civilisation in dieser Periode wird man wol
nicht eher befriedigende Auskunft erlangen, bis nicht das
gesammte slawische Alterthum durch besondere Studien
einheimischer , besonnener und unbefangener Forscher
hinlänglich ergründet, erfasst und aufgehellt seyn wird:
denn dass man mil den bis jetzt allgemein herrschenden
Ansichten von der Wildheit und Barbarei unserer Vor-
fahren bei dem hereinbrechenden Licht der historischen
Kritik nicht mehr auslange, zeigen schon jetzt so man-
che in diesem Gebiete gemachte Entdeckungen, und wird
die Erfahnnig und das tägliche Fortschreiten immer mehr
zeigen. -;- Es gibt keine Spuren, dass der teutsche Geist
auf die Cechen gleich nach ihrer Niederlassung in Böh-
men auf irgend eine Weise eingewirkt hätte. Die Ue-
berbleibsel germanischer Völker, welche sie dort noch
trafen, mussten ein in jeder Rücksicht schwacher Rest
seyn, und sich bald in die slawische Nationalität ver-
lieren; und selbst von ihm sind wahrscheinlich die Kräf-
tigeren noch in die einsamen Gebirge gezogen. Demnach
waren jetzt die Cechen, was sie waren, durch sich selbst
und aus sich selbst; ihre Sprache war der Spiegel ihrer
gesellschaftlichen, intellectuellen und sittlichen Bildungs-
stufe. Aber eben diese reine Blüthe ihres damaligen
Volkslebens ist uns in ihrer wahren Gestalt Moch ein
Räthsel, das nur nach den vorhandenen einzelnen, un-
zusammeidiängenden Bruchstücken einigermaassen aufge-
hellt, aber nicht gänzlich gelöst werden kaini. Dass sich
in allen slawischen Mundarten Spuren einer viel frühern
Bildung der Nation in Wwqu alten Wohnsitzen finden
lassen, und dass diese Spuren sogar auf dvn Gebrauch
einer Buchstabenschrift bei den heidnischen Slawen hin-
weisen, ist eine, Kennern längst bekannte Thatsache
(vgl. §. 2.). Was die Böhmen insbesondere betrifft, so
mag ihre Sprache zur Zeit ihrer f^inwanderung zwar im
Ganzen den südöstlichen Minidarten, vorzüglich der alt-
303
slawischen, viel nülier als jolz( t^cwesori seyri; im Ein-
zelnen war sie (lennocli schon clariials, als eine beson-
dere JMundart, von denselben wesenllich verschieden.
Bei einem so grossen, weitverbreileten Völkerslannne,
als der slawische sciion im grauen Allertlnim war, konnte
sich die Einheit der Sprache unmöglich lange erhalten.
Ihre früheste Ansbildnng verdank! sie unstreitig den Prie-
stern, daini aber und ganz vorzüglich den Sängern. Ge-
sang und iMusik werden schon den lieidnisclien Slawen
in allen Chroniken naciigerülimt, und müssen noch heute
allen Stämmen, vorzüglich jenen, die ihre Nationalität am
treuesten bewahrt haben, nachgerühmt werden. Gesang
und iMusik führen aber von selbst auf Naturpoesie: darum
finden wir die Naturpoesie nirgends mehr zu Hause, als
bei den Slaw^en. Und diese Naturpoesie, in welcher lieb-
lichen, überraschenden Gestalt zeigt sie sich uns, je hö-
her wir in das slawische Ahcrthum hinaufsteigen! —
Von der bei dem Chronisten Hagek aufbewahrten Sage,
dass die heidnischen Herzoge in Böhmen ihre Schreiber
(pisäk) gehabt hätten, und die Fürstin Libusa (um 720)
ihre Prophezeiungen mit slawisciien Buchstaben hätte auf-
zeichnen lassen (die sehr schön durch die neulich ent-
deckten Fragmente bestätigt wird), auch abgesehen; so
kann doch nicht geläugnet werden, dass die kostbaren
Ueberreste der ältesten einheimischen Dichtkunst, in den
neulich entdeckten und dem böhmischen Museum zuge-
sandten Bruchstücken^) und in den Gedichten der Kö-
niginhofer Handschrift, '^) deren einige ihrem Ursprung
nach gewiss bis in diese Periode hinaufreichen, auf ein
viel früheres Alter der Volksbildung bei den Slawen hin-
-) Sie sind erschienen in Krok In Bdes 3te Abth. S. 48 — 61, injBa-
kowiecki's prawda luska Th. I. S. 235. Tli. iL S. 157 — 169, in den ,,Izwe-
stija rossijskoj Akademii" X. Hft., und in N. Grammatin's Slowo o polku
Igorevroni Moskau 823. Ueber den darüber geführten Streit kann man sich
in Hormayrs Archiv 1824 . Aprilhft. Eaths erholen.
") Sie wurde zufälliger Weise im Sept. 1817 v. Hrn. W. Hanka in
einer Kammer an der Kirche zu Königinhof unter Schutt und verworfenen
Papieren entdeckt und lierausg. Pr. 819. 8., und in den Izw. Ross. Akad.
S. P. 820. VIII. Hft. Nach Hrn. Dobrowsky fällt die Sammlung, nach der
Schrift zu urtheilen, zwischen die J. 1290—1310. Die ganze Sammlung be-
stand aus 3 Büchern, wie man aus den Ueberschriften der übrig gebliebe-
nen Kapitel des 3ten Buchs, da das 26 — 28ste genannt werden, sicher
schliessen kann : und wenn jedes von den abgängigen 25. Cap. auch nur
2 Gedichte enthielt, so sind bloss vom 3. Buche "50 Gedichte in Ver-
lust gerathen.
304
deuten, als man gewölinlich anznneliinen sich für be-
rechtigt hielt. Diese Vollendung der Nationalpoesie ist
nicht die Frucht eines Frühjahrs, sondern eines Jahr-
hundert - Frühlings *). Die dem Nationalmuseum ein-
verleibten (vier) Pergamentblätter (deren Echtheit ver-
gebens erst neulich v. Hrn. Dobrowsky bezweifelt wurde,
'Indem sich die Gesänge selbst als einer andern, lebens-
kräftigeren, durch keine künstliche Begeisterung ersetz-
baren Zeit angehörend ankündigen, und als solche in
alle Ewigkeit bewähren werden) enthalten zwei Bruch-
stücke : das Ende des einen und den Anfang des andern
Gesanges, 120 Verse. Der Gegenstand des erstem ist
eine Volksversammlung, in der Familiengesetze gegeben
werden, des andern aber das bekannte Gericht der Für-
stin Libusa in dem Rechtsstreit zweier Edlen, dessen
Folge, nach den Chroniken, die Wahl des Premysl zum
Herzog von Böhmen war. Von den in der königinho-
fer Handschrift befindlichen lyrisch - epischen reimlosen
Nationalgesängen gehören: Cestmjr's Sieg über Wlaslaw
unter Neklan im Jahr 830 , 265 Verse, und Zäboj,
Slawoj und Ludiek oder von der grossen Schlacht (etwa
unter Dagobert 630, oder Ludwig 813), 279 Verse,
da sie Spuren des Heidenthums tragen, wol hieher. Ein
gleiches gilt von dem von Hrn. Linda (1817) auf einem
Pergamentblatt entdeckten Klaglied eines Verliebten an
den Ufern der Moldau, 24 Verse. — Alle diese Gesänge
gehören ihrer ersten Abfassung nach gewiss vor Ende
des IX. Jahrb., wenn sich gleich, aus leicht begreiflichen
*) In den Gedichten der Königinhofer Handschr. geschieht oft ande-
rer Sänger Erwähnung. Mit Hecht sagt einer unserer geistreichsten vater-
ländischen Gelehrten, Hr. /. Jiingmann (Slowesnost S. XXVI.) „Pohled na
tyto predrahe zlomky staroceskeho bäsujctwj, srownänj gich se zpewy gi-
noslowanskymi, drewnj'm stichotworenieni, Igorem, a zwläste s prostonärodnj
Musau Srbskau, priponicnutj Ossiana a dawuowekych bardu, druidu a skaldü,
naskytuge tu dulezitau myslenku, ze druhdy po cele Ewrope podobne sobe
bäsnjctwj panowalo, ze gestii ue gako nynj mezi närody, aspon raezi zdari-
lymi hlawami a pewci gegich obapolnä sebeznämost wjce nieiie rozsjrena
byla; wübec, ze, ackoli historie , to pozdnjöe umenj a wedy lidske, na
nescjslne minulosti weky cirau tmu prostjrä, nicmene 1 w onom näm ne-
znämem Case rozum a srdce lidske swetla a peknych rozöilych citu nikoli
zbaweni nebyli. Bylali to prwnj wznikagjcjho bäsujctwj epocha, cili gen
ohlas prastare asiaticke w Ewropu prinesene a w tisjciletöm stehowanj do-
chowane wzdelanosti, a dokonaleho öasomerneho bäsnjctwj, gehoi. wetchä
slopöge w prjbuzne näm Indii pozorugeme, — toho rozhodnutj budaucj
skaumatelü pilnosti züstaweno."
305
rrsaclien , keine so alten Abschriften von ihnen erhal-
ten haben.
L'ngefehr nm die Mitte des IX. Jahrli. brach das
Licht des Christenthuins in dem heidriisclien Bühinen
heran, nnd von seinen miklen, erwärmenden Strahlen
bewältigt, trat das umfriedete Land nach kurzem Wi-
derstände aus seiner dunkeln, häuslichen Abgeschieden-
heit heraus, und schloss sich an die grosse Familie christ-
lich-civilisirter Völker enger an. iMit dem Christenthuiii
begannen und erfolgten, wie überall, auch hier, christ-
liche Wissenschaft und Kunst, engere Verbindung mit
den benachbarten, selbst befeindeten Nationen, Annahme
ihrer Sitten und Einrichtungen, immer siegreichere Be-
kämpfung des Ileidenthuins, und zuletzt völlige Ausrot-
tung seiner Eiiu-ichtungen und Erzeugnisse. - - Im J. 845
Hessen sich vierzehn böhmische Fürsten in Regensburg
taufen. Bald darauf kam mit dem Hzg. ßoriwog die
christliche Religion auf den Thron. Seine kurze Regirung
nach seiner Taufe machte, dass er für das Christenthum
weniger thun konnte, als sein Sohn Spitihnew^ that, den
die ältesten Legenden als den Urheber und ersten Be-
förderer der christlichen Religion in Böhmen rühmen.
Die nach dem Tode Swatopluks in Mähren entstandenen
Unruhen veranlassten den Hzg. Spitihne\v im J. 895 mit
dem teutschen Reiche in genauere Verbindung zu tre-
ten, und so erhielt Böhmen seine ersten christlichen Leh-
rer aus Teutschland. Diese brachten lateinische Schrift-
züge, mit welchen sie schon früher slawische Wörter und
das Nöthigste zum Unterrichte des Volks zu schreiben
gewohnt waren, (namentlich thaten dieses zwei Merse-
burger Bischöfe, Boso vor 971, und Werner vor 1101)
nach Böhmen, und theilten sie dem Volke mit ; während
fast gleichzeitig bei den südlichen Slawen an der Donau
und von dort bis nach der Slowakei und Mähren hinauf,
Kyrills eigentlich für Slawen verfertigtes Alphabet in
Gebrauch kam. In Böhmen selbst fasste Kyrills Erfin-
dung nie Wurzel. Die Misshelligkeit zwischen Rom und
Constantinopel verhinderte, dass die Sprache der kyrilli-
schen Liturgie und Bibelübersetzung nicht gemeinschaft-
liche Schrift- und Bücliersprache aller Slawen, w^ozu sie
20
306
auf dem Wes^c war, gcwordcii ist ^). Die Scliicksale der
hölimisclieii Sprache waren nun, wie die des Landes,
das Religion, Sitten und Verfassung änderte, und dein
Einflüsse der Fremden immer mehr Raum gab, verschie-
den. Neben der böhnuschen wurde die lateinische, als
diptomatische, und bald auch die teutsche Sprache ein-
gefidirt. Ausser den schon an den Gränzen vorhandenen
Ueberbleibseln teulscher Stämme , führte nämlich das
Christenthum teulsche Priester als Bedürfniss ein, denen
bald mehrere Ansiedler freiwillig, und teutsche Kriegs-
gefangene gezwungen nachfolgten. iMan erlaubte ihnen
nach ihren Rechten und Gesetzen zu leben; sie wurden
sämmtlich für freie Leute erklärt, und erhielten viele
wichtige Gerechtsame. Der Hofstaat der Herzoge ward
bald nach teutschen Mustern umgeformt. Viele teutsche
Rechtsansichten, namentlich des Lehnrechts, wurden an-
genommen. Im X. .lahrh. waren bereits viele Ortschaf-
ten ganz mit Teutschen besetzl. Zu Ende desselben kommt
die erste teutsche Prinzessin, Hemma von Sachseji, als
Gemahlin Boleslaws 11., nach Böhmen. Ihr Hofcaplan,
der Benedictiner Ditmar von Magdeburg, wird erster
Bischof von Prag. Unter dem Einflüsse des Lateinischen
und Teutschen änderte sich die böhmische Landesminid-
art, und entfernte sich inuner mehr von ihrer Quelle.
Man nahm von nun an fremde Wörter auf; man bildete
auch nach dem Muster der lateinischen und teutschen
Sprache neue aus böhmischen Wurzeln; manche andere,
die schon vorhanden waren, bekamen durch Uebertra-
gung auf einen andern Gegenstand neue Bedeutungen. —
Aus dieser Periode kennen wir, ausser ({q\\ Namen der
Berge und Flüsse, Städte und Schlösser, und der ersten
Herzoge, die Cosmas im Iten Buche seiner Chronik ver-
zeichnet hat, ausser den Benennungen der Wociientagc
und Monate, von denen die ersten ofl'enbar christlichen
Ursprunges sind, ausser dem Vaterunser, dessen älteste
Formel dem IX. — X. .Jahrb. angehören mag, vorzüglicli
das dem h. Adalbert, zweiten Bischöfe von Prag, einem
gebornen Böhmen, zugeschriebene böhmische Kyrie elei-
son-Lied. Aber schon bei der Einsetzung des ersten
') Die Schicksale der kyrillischen Liturgie in Böhmen sind schon
oben § 11. angegeben worden. Vgl. Dobrowsky' s Slawin S. 434 if. Dessen
Geschichte der böhm. Liter. S. 46 ff.
307
Bischofs Dilinur soll das Volk dieses Lied gesungen lia-
ben, wonach es noch äher seyn inrtsste. Um diese Zeit
sollen, den Chroniken zufolge, bereits mehrere Schulen
errichtet worden seyn , namentlich zu Budec, unweit
Prag, und später in Prag, bei der Teyner Kirche; al-
lein ihr Daseyn ist, selbst bei der Nachricht, dass der
h. Wenceslaw zu Budec von einem Priester in der la-
teinischen Sprache unterrichtet worden , unerwiesen,
und im Fall ihrer Zulassung, der inimittelbare Einduss
auf die Landessprache äusserst gering, da ja bekannter-
maassen in denselben das Lateinische ansschliesslich ge-
trieben worden. ^)
§. 39.
Zweite Abtheilung. Von der gänzlichen Ausrottung des
Heidenthums bis auf Kg. Wenceslaw IV. oder bis auf
Huss. J. 1000 - 1410.
Mit der RegirungBoleslaws II. ward der Sieg des Chri-
stenthums in Böhmen entschieden. Seine Nachfolger be-
folgten die von ihm vorgezeichnete Bahn. Diess brachte
sie in nähere Verbindung mit christlichen Staaten, vor-
züglich mit Teutschland. Hzg. Udalrich (1013 — 1037)
erhält das Recht, bei der Kaiserwaiil mitzustimmen. Hzg.
Bretislaw 1. (1037 - 1053) suchte durch die Erbfolge
für den ältesten Prinzen des Hauses die Thronfolge ge-
gen Unordnungen zu schützen. Unter den Hzgg. Wrati-
slaw n., Sobeslaw und Wladislaw II. ward die Macht Böh-
mens befestigt, und die königliche Krone errufigen. —
In dieser Periode wirkte das Christenthum schon mäch-
tiger auf die Cultur des Landes ein. Die Zahl der Klö-
ster wuchs; Schulen werden eröffnet; geleiirte Kennt-
nisse dringen nach und nach ins Land. Benedictiner för-
dern die Künste der Civilisation. Herzoge, Bischöfe,
Aebte und Wladyken reisen ins Ausland, vorzüglich nach
Rom, und kehren mit Kenntnissen bereichert zurück.
Es ordnet sich die Verfassung; Reichstage werden öfters
gehalten, Verträge zwischen dem Herzoge und den Gros-
sen werden errichtet, und Letzteren bedeutende Frei-
heiten gesichert. Der Bürgermeister von Prag ist schon
^) Dobrowsku Gesch. der bölim. Sprache ii. Liter. 64 — 80.
20*
308
ein iniiclitlger Mann. Als tapfere Kriesjer und wichtige
kaiserliche Beistände erscheinen die böhmischen Fürsten
mit ihren Mannen: aber nicht eroberungssnchtig, son-
dern friedliebend. Das Lehn- und Ritter — aber auch
das Söldner - Wesen beginnt , damit Ackerbauer und
Bergmann geschont bleiben. Bergbau und Metallarbei-
ten sind schon um diese Zeit ein Hauptindustrie-Zvveig-
— Um diese Zeit lebte der bendnnte Cosmas (geb. 1045,
gest. 1125), der erste Chronist Böhmens, und sein Zeit-
genosse Vincenfius^ Domherr zu Prag, ebenfalls berühmt
durch seine Chronik, die er dem Kg. Wladislaw 11. und
der Königin widmete. — Die Könige von Böhmen Pre-
mysl Ottokar I., Wenceslaw L, Ottokar II. und sein Sohn
Wenceslaw II., begünstigten die Städte auf eine solche
Art, dass ihr Wolstand sichtbar zunahm. Der Handel,
zu dessen Beförderung die Könige verschiedene Freiheits-
briefe ertheilten, erweckte den Geist der Thätigkeit ;
diese erzeugte Ceberlluss und nährte die Künste. Durch
Gesetze, die zu der Zeit die vornehmsten Städte schrift-
lich aufsetzen Hessen, ward Ruhe und Ordnung in den-
selben hergestellt. Der Adel war reich und mächtig, und
der königliche Hof so glänzend, dass er nach dem kai-
serlichen der erste in ganz Teutschland war. Aber gleich-
zeitig gewannen teutsche Sprache und Sitten immer mehr
Ansehen im Lande. Im XI. Jahrb. verwies Spitihnew II.
sämmtliche Teutsche des Landes. Sie wurden aber bald
wieder zurückberufen, und mehr als Jemals begünstigt.
Wratislaw , von Heinrich IV. zum Könige erhoben, er-
theilte der teutschen Gemeinde zu Prag durch einen Frei-
heitsbrief gesetzliches Daseyn. Ausbreitung erhielt die
teutsche Sprache durch die im XII — XIII. Jahrh. in
Schaaren vom Rhein und der Donau nach Böhmen zie-
henden Mönchsorden, und Ansiedelungen von Kinist-
lern, Handwerkern und Ackersleuten, die der Staats-
klugheit wie der Frömmigkeit gleich willkommen waren.
Denn die böhmischen Grossen sahen weder die Verbin-
dung mit den Teutschen, noch die Abhängigkeit von
den Kaisern, noch die Königswürde gern. Premysl Ot-
tokar II. zog abermals viele Teutsche ins Land, ertheilte
ihnen, besonders in den Gegenden an den östlichen Ge-
birgen, Wohnplätze, Freiheiten, und errichtete aus ih-
309
nen seine Leibsjarde. Der Hof belieble ajanz vorzüglich
die teiilsche Sprache. Unter den Walilkönigen aus teut-
schen Hänsern wurde der Einfluss der teutscben Sprache
und Sitten auf Böhmen entsclieidend. Unter .Johann von
Luxenburg ist der Nachahmungstrieb der Bölimen durch
das Neue und Ungewolnite, das sie bei seinem Hofe sa-
hen, mäclitig gereizt worden. Ein grosser Tlieil dersel-
ben, besonders aber die höhern Classen, fanden an frem-
den Sitten, Kleidern, Stiefeln, am neuen Haarputze und
an der teutschen Sprache Geschmack. Sie ahmten das
Fremde nach, nicht anders, als wenn sie geglaubt hät-
ten, sie müssten nun nach erloschenem Premyslischen
Stamme aufhören, Böhmen oder Slawen zu seyn. Es wur-
de zum Sprichwörter die Böhmen sind wie die Affen.
Der Adel und der Bürger von feinerer Lebensart in
der Hauptstadt nahmen die Hofsprache und teutsche Na-
men an. Die ersten {beschriebenen Stadtrechte haben
teutsche Rathsmäimer^zii Prag 1341 mit des Königs Be-
willigung in teutscher Sprache entworfen. Doch ward
die lateinische Sprache noch immer in öffentlichen Ver-
handlungen , und wenn Urkunden ausgestellt werden
sollten , allgemein gebraucht. Nach der Chronik des
teutschen Abts von Königsal war um 1330 bei Hofe und
in den meisten Städten die teutsche Sprache mehr im Ge-
brauche, als die böhmische. Dass auch öffentliche Aem-
ter und königliche Schlösser vom Könige an Ausländer
vertheilt wurden, damit konnten die echten Böhmen we-
niger zufrieden seyn. Es entstanden zwischen ihm und
den böhmischen Herren Misshelligkeiten, und der Kö-
nig musste endlich dem festen Sinne und der Macht der
letztern nachgeben. — Durch Johanns grossen, in Frank-
reich gebildeten Sohn, Karl 1. (als Kaiser IV.), erreich-
te Böhmen seinen höchsten Glanz. Er wusste die Begün-
stigungen, die er als Kaiser den Teutschen angedeihen
Hess, eben so klug als König von Böhmen zu massigen,
dass beiden Parteien Genüge geschah, und keine Klage
laut werden konnte. Verherrlichung des Vaterlandes war
das Ziel seines Lebens. Er verschaffte zuerst Böhmen
das politische Uebergewicht in Mitteleuropa. Prag war
zu seiner Zeit nicht nur die volkreichste Stadt in ganz
Teutschland, sondern des kaiserlichen Hofes wegen auch
310
zugleich der SöinnielpIiUz der Künste und \Visst'iis<cliaf-
teii. Er stiftete nacli den Vorbildern von Fiiris und Bo-
logna die erste slaivische ') Universität in Prag (1348),
damals für halb Europa die Sonne des wissenschaftlichen
Lichts, wobei er jedoch A^n Ausländern an derselben
drei Stimmen im Senat, den Böhmen hingegen nur eine
einräumte, und hiedjnxh den Grund zu der nachfolgen-
den heftigen Keaction der böhmischen Nationalität legte.
Die Ungern, Polen, Böhmen, Mähren, Russen, Schwe-
den und alle Teutschen trieben hier ihre Studien. Meh-
rere böhmische Geschichtschreiber zeichneten sich unter
ihnen aus. Böhmen erfreute sich damals eines echten Na-
tionalruhms. Die wichtigsten Ehrenstellen am kais. Hofe
und in der Reichskanzlei bekleideten Böhmen. Mehrere
Bistliümer ausserhalb Böhmen waren von ihnen besetzt.
Zu den vornehmsten Gesandtschaften wählte man sie;
sie waren die Anführer im Kriege. Ein geborner Böhme
zu seyn, galt für einen ausnehmenden Vorzug. Viele
auswärtige Fürsten kauften sich an, um diesem Lande
anzugehören. x\lles strömte nach Böhmen: daher die
grosse damalige Bevölkerung. Aber nicht lange währte
dieser glückliche Zustand Böhmens. Schon unter Karls
Sohn, Wenceslaw IV. (als Kaiser 1.), entspaiuien sich
die Händel mit der Geistlichkeit und die weitern religiö-
sen Zwiespalte, welche von den wichtigsten allgemeinen
Folgen waren. Alle Leidenschaften brachen in ihrer Ro-
heit aus; die begünstigten Teutschen entflammten aufs
neue den llass der hintangesetzten Slawen.
Die Schicksale der böhmischen Sprache waren seit
dem XI. Jahrb., dem steten Wechsel der innern und
äussern Verhältnisse des Landes gemäss, sehr verschie-
den. Zu Anfange des XI. .Jahrb. schien ihrer Cultur und
Gestaltung ein neuer Glücksstern aufzugehen. Der heil.
Prokop bauete um 1030 das Kloster Sazawa, und be-
setzte es mit slawischen Mönchen. Sie wurden zwar,
weil man sie der Ketzerei beschuldigte, kurz nach sei-
nem Tode (1053) von Spitihnev\ vertrieben, und leut-
^) Zwar legte Kazimierz der Gr. nach Sol'tykowicz (0 stanie Akad. Krak
810. S. 96.) bereits 1347 den Grundstein zu der Krakauer Hochschule ; aber ihre
förmliche Organisirung u. päpstl. Privilegirung erfolgte doch erst unter Wla-
dysl'aw Jagiello 1400, während das päpstl. Privil. der Prager Univ. vom 26.
Jan. 1347 und die k. Stiftungsurk. vom 6. Apr. 1348 datirt ist.
311
sehe eingeführt; allein Wratislaw 11. bid sie zurilck und
beschützte sie zeitlebens inächtii>;, wie es scheint in der
Absicht, den slawischen Kitns an mehreren Orten in
Böhmen, vielleicht nach nnd nach im ganzen Lande, ein-
zuführen, was unstreitig auf die Ciiltur der böhmischen
Mundart den grössten Einfluss gehabt haben würde. Der
Papst Gregor VII. war aber hierin unerbittlich. Nach
Wratislaws Tod mussten diese Mönche abermals den
tentsclien Platz machen. Von nun an findet man weiter
keine Spnren der kyrillischen Liturgie und Schrift in
Böhmen; die unter Karl IV. zu Emaus eingesetzten Be-
nedictiner waren Glagoliten. Die lateinische Geistlichkeit
Böhmens widersetzte sich, wie man aus Cosmas sieht,
aus allen Kräften der Einführung der slawischen Litur-
gie in Böhmen. Diese Abneigung ging so weit, dass
man nicht einmal Spnren der altslawischen Kirchenspra-
che in der gleichzeitig oder kurz darauf gemachten böh-
mischen Uebersetzung der Evangelien findet. — Die böh-
iiiische Sprache gestaltete sich vielmehr fortwährend un-
ter dem Einflüsse der lateinischen und teutschen. Die
grössten Fortschritte machte , besonders in der ersten
Hälfte dieses Zeitraumes, die Sprache der Dichtkunst.
Allein in derselben muss man die profane oder lyrisch-
epische, von der religiösen oder historisch-didaktischen
Nvol unterscheiden. Jene behielt ihre Selbständigkeit noch
lange Zeit hindurch, und wahrscheinlich bis zu der Stif-
tung der Prager Universität; diese ermangelte alles poe-
tischen Geistes. Im Allgemeinen herrscht in den aus der
Erinnerung vergangener Heldenzeiten entsprungenen Ge-
dichten sovvol, als auch in den der Inrugkeit und Wärme
des häuslichen Lebens entkeimten Volksliedern Origina-
lität, wahre dichterische Weihe, eine lebendige, kräf-
tige, numeröse Sprache; in den spätem Legenden, Fa-
beln und didaktischen Gedichten hingegen auffallende
Leere, Mattigkeit und Geistesarmuth. Die Blütliezeit der
bölnnischen lyrisch-epischen Dichtkunst scheint, gleich
der herrsclienden Periode der Minnesänger, in die zweite
Hälfte des XII. und in den Anfang des XIII. .Jahr!i. zu
fallen, obwol kein Grund vorhanden ist, die böhmische
Nationalpoesie dieser Zeit für eine Tochter der proven-
zalischen oder teutschen zu halten.
312
Der Ritiergeist, und in seinem Gefolge die Roman-
tik, wehten damals gleich mächtig über halb Europa.
Gleich wie nun in Teutschland Könige, Fürsten u. Rit-
ter in die Reihe der Dichter traten ; eben so begünstig-
ten hier die Grossen des Landes die Dichtkunst auf ih-
ren Burgen, und machten nicht selten selbst gelungene
Versuche in derselben. Der Geist der Lurnjre und Za-
boje ruhte noch auf den böhmischen Nationaldichtern.
Unter den böhmischen Fürsten wird Kg. Wenzeslaw 1.
(1230 — 53), Ottokars II. Vater, als Musenfreund und
Dichter gerühmt; allein das ihm zugeschriebene teutsche
Minnelied ist in der böhmischen .Sprache weit älter vor-
handen, und wahrscheinlich aus dieser in jene ihm zu
lieb von irgend einem reisenden Minnesänger übersetzt
worden. Der unglückliche Zäwis Wjtkowic aus dem
Rosenbergischen Geschlechte , der Kg. Wenceslaws II.
Mutter heirathcte, und 1290 enthauptet wurde, soll,
nach dem Zeugnisse Hägeks und Balbins, im Kerker viele,
unstreitig böhmische , Lieder verfertigt haben. Nacli
der Errichtung der Universität zu Prag ward es mit der
Nationaldichtkunst umgekehrt. So gross nämlich der Ein-
tluss der Universität auf die Bildung der böhmischen
Sprache, vorzüglich in der Folge war, so wenig war er
der Dichtkunst erspriesslich. Diese ging zu Anfange des
XIV. Jahrb. mit so mancher Volkssitte zu Grabe. Statt
des einheimischen, reimlosen, rhythiinschen Verses wur-
de von nun an Jahrliunderte lang in Ssylbigen Zeilen
gereimt. Stoff und Gehalt hielten mit der Form glei-
chen Schritt. Die Jugendperiode des böhmischen Volks
und mit ihr das poetische Leben hörten auf Um so mehr
fing die Prosa an sich zu etitfalten, besonders seit Karl IV.
Dieser setzte nämlich die böhmische Sprache mit der
teutscheu und lateinischen in gleiche Rechte ein; erlernte
selbst nicht nur böhmisch sprechen, sondern auch schrei-
ben, und wenn gleich noch alle Urkunden in seiner böh-
mischen Kanzlei entweder in lateinischer oder teutscher
Sprache ausgefertigt wurden, so vergass er doch nicht
die slawische Sprache selbst den Söhnen der Kurfür-
sten in der goldenen Bulle 1356 zu empfehlen. Schon
als Stifter des Benedictiner-KIosters in Emaus für die
slawischen Mönche aus Kroatien bezeugte er, wie werth
313
ihm die slawische Sprache war. Seine Frau, die Ki;;».
Elisabeth (gest. 1393), hat uut' die Einfassung ihrer Löf-
fel böhmische Sprüclie eingraben lassen. Sein Sohn,
Wenceslaw lY., ging nocii weiter, und iiess, der erste
unter den böhmischen Königen, auch schon Urkunden
in böhmischer Sprache ausfertigen, deren älteste vom J.
1394 ist. Sonst gab es bereits früher böhmische, aber
keine königliche Stiftuiigsbriefe, z. ß. von i\en Hohenel-
ber Bürgern 1386, von Jodok, Markgrafen in iMähren
1393, vom Prokop 1395. Um das J. 1374 miisste das
Schreiben prosaischer Bücher in böhmischer Sprache,
vorzüglich geistlichen Inhalts, schon Ueberhand genom-
men haben, da es nach Th. Stjtuy Leute gab, die die-
ses aus Eifersucht laut missbilligten. Einzelne Theile der
Bibel mussten schon vorhanden seyn, wenn gleich kein
Codex der ganzen Bibel aus dem XII. Jahrb. vorkommt.
Wenceslaw' hatte unter seinen Holleuten auch geschickte
Männer , welchen man böhmische Uebersetzungen da-
mals beliebter Werke zu danken hat. Alles dieses war
recht geeignet, die herrschende Periode der böhmischen
Nationalliteratur , die nun mit dem Anfange des XV.
.lahrh. beginnen sollte, vorzubereiten.
Von den Sprachdenkmälern dieses Zeitraums vvol-
ten wir anführen: 1.) Die Gesänge der Königinhofer
Handschrift: Benes Hermanow von der Vertreibung der
Sachsen aus Böhmen im J. 1205, oder nach Andern 955 —
78. 84 Verse; Ulrich und Boleslaw, von der Vertrei-
bung der Polen aus Prag im J. 1003, 62 Verse; Jaro-
slaws Sieg über die Tataren bei Ollmütz im J. 1241, 302
Verse ; das Turnier am Hofe eines Fürsten 142 Verse,
nebst acht kleinern Volksliedern; ferner das Minnelied
des Kgs. Wenceslaw I. 2.) Das bekannte Lied vom h.
Wenzel: Swaty Wäclawe , wvwodo ceske zeme. 3.)
Eine gereimte Legende von 12 Aposteln in der k. Hof-
bibl. zu Wien. 4.) Ein Brief vom Himmel in die Stadt
Galatan gesandt, Fragment. 5.) Ein Fragment von einer
gereimten Leidensgeschichte, entdeckt vom Hrn. Kinsky.
(i.) Ein ganzer Psalter, nebst den gewöhnlichen Gesän-
gen aus dem A. und N. Testamente, dem Te Deum,
dem Athanasischen Symbole, der Litanei von allen Hei-
ligen, dem Officium für die Todten, in der öffentlichen
314
Bibl. zu Prat!,. 7.) Die Stücke der Dohrosvskysclieii Ila/jd-
sclirift aus der ersten Hälfte des XIV. Jalirh., als da sind:
a.) die Legende vom li. Prokop, b.) Die nenn Freu-
den Maria, c.) die weinende Magdalena am Grabe Jesu,
d.) das Weinen der Jungfrau Maria, e.) die Passion,
f.) die zebn Gebote, g.) die Fabel vom Fuclise und
Kruge, h.) verscbiedene Satyren. 8.) Der sogenannte
Bobemarius in der ßibl. der Prager Domkirclie vom J.
1309, ein lai. bölnii. Vocabularium in 886 Hexametern.
9.) Die Alexandreis, in l)ö!im. Versen aus dem Lat., in
der Bibl. der Prager Domkirclie. 10.) Eine gereimte
böbm. Cbronik, die bis 1314 reicbt und gevvölinlicb,
wiewol fälscblicli , dem Bunzlauer Doiidierrn Dalitnil
Meztrichy zugescbrieben wird ; ibr unbekannter Vf ,
der vermutblicb auf der Burg irgend eines Herrn (etwa
Wijbclms von Hasenburg) die Tbaten seiner Vorväter
in Heime bracbte, ist voll des gliibendsten Hasses gegen
die Teutscben (er scbrieb unter dem Kg. Jobann); sein
Werk ist ein Lieblingslesebucli der Nation durcli zwei-
bundert .Jabre geblieben, und nacli seinem Beispiele be-
sangen andere Dicbter einzelne Heldentbaten der Alten
in Reimen, lierausg. von P. Jesin 620., ¥. Frochdzka,
Pr. 786. 8. 11.) Verscbiedene Gedicbte, meist geistli-
clien Inbalts, in einer Handscbrift in der ßibl. der Pra-
ger Domkirclie: a.) der böbm. Alanus, b. ) Gedäcbtniss
des Todes, c.) die Himmelfabrt Maria, d.) Secbs und
zwanzigerlei Narren, e.) Fünf Quellen der Sünde, f)
Anseimus von dem Leiden Cliristi, g.) Catonis disticba
böhni., b.) Gebete , i.) Ein lat. böbm. Vocabularium
u. s. w. 12.) Eine gereimte Leidensgescbichte Cliristi
in der Fürst Lobkowiciscben Bibl. zu Raudnic. 13.) Der
böbm. Cato in mebreren Handscliriften. 14.) Der neue
^Ratb fnowä rada). in Reimen von StnjJ r. Riesciiben),
/genannt Flaska. 15.) Tristram, ein Ritterroman aus dem
Teutscben, über 9000 Verse, in der Bibl. der PP. Mi-
noriten vom J. 1449, in Stockbolrn vom J. 1483. 16.)
Der Tandarias und die scböne Floribolle, gleicbfalls ein
Ritlerroman in Reimen. 17.) Die trojaiiiscbe Gescbicbte
aus dem Lateinischen des Guido von Columna, in meb-
reren Handschriften, nach dem N. Testamente das erste
gedruckte Buch in böhmischer Sprache (ohne Druckort
315
und Jaluzalil) etwa vom J. 1476 % 2(e Ausg. Prag 488.
4. 3 A.Pr. C03. 8.4 A. Fr. 790. 8. 5 A. 812. 18.)Tka(llccek,
der kleine Weber, ein Gespräch zwischen dem von sei-
ner Geliebten verlassenen Liebhaber und dem Unglücke,
in mehreren Handschriften. 19.) Die ältesten bölimischen
Landrechte, von ludr. r. DuIki, oberstem Landrichter
unter Ks. Karl IV. und Kg. Wenceslaw IV. gesammelt,
in der kais. llofbibl. zu Wien. 20.) Die gemeinen Rechte
sammt dem Lehnrechte, ans dem Teiitschen, in der Pra-
ger Bibl. 21.) Der Sachsenspiegel oder das Magdeburger
Recht, eb. 22.) Das Leben Karls IV. sammt der Krö-
iningsordinn)g, in einer Handschr. zu Leitmeritz, her-
ausg. von Ambr. v. Ottersdorf Ollmütz 555., von F. J.
Tomsa Pr. 791. 8. 23.) Die böhmische Chronik, welche
auf Befehl Ks. Karls IV. ein Ungenannter in lateinischer
Sprache zusammentrug , von Piibjk von Tradetnn, ge-
nannt Pulkawa, ins Böhm, übersetzt, und herausg. von " ^
F. Prochäzka Pr. 786. 8. 24.) Eine Chronik von römi- ll^^*^
sehen Kaisern , aus dem Latein, vom ]\b\ Lmirentius,
K. Wenceslaws Hofbedienten, übersetzt. 25.) Die Hei- -T^'^
sebeschreibung des Ritters Mandeville, aus dem Teutschen ^
von demselben Mr. LavrentinSy in mehreren Handschrif-
ten, herausg. Pilsen 510. 8., 513. 8., Pr. 610., Pr. von
Kramerius 796. 811. 26.) Das Traumbuch (Snär) vom Mr.
LüKrenfiifs von Prag aus dem Lat, in mehreren Ab-
schriften, herausg. von llagek Pr. 550. 581. 8. 27.) Die
fabelhafte Geschichte Alexanders aus dem Latein., in meh-
reren Handschriften, herausg. Pilsen 513. 28.) Marti-
niani oder die römische Chronik, von Benes v. Hofowic,
Ritter des Grabes Christi, um 1400 aus dem Teutschen
übersetzt, gedr. Pr. 488. 29.) Die böhm. Uebers. der
Historia Scholastica des Peter Comestor oder Mandu-
cator, in mehreren Flandschr. 30.) Horae od. Tagszeiten
(hodiny), eine Sammlinig verschiedener Erbamnigsschrif-
-) So nach Hrn. Dobrowsky, der die in der Unterschrift am Schlüsse des
AVerkes ausgedrückte Jahrzahl 1468 nicht von dem Drucke, sondern nur von
der Handschr., die man dem Setzer vorlegte, gelten lassen will. Kach Hrn.
Jungmann hingegen (Hist. lit. c. S. 49. 68.), dem ich beipflichte, bezieht
sich die Jahrz. 1468 auf den Druck. Pelzels Muthmassung, dass der im Ind.
Hb. boh. prob, verzeichnete gedruckte Brief Hussens au Jakaubek vom J. 1459
(welche Zahl Hr. Dobrowsky für einen Druckfehler statt 1495 hält), durch ir-
gend einen reisenden Böhmen zum Druck befördert sey, wiederholt Hr. Jung-
niaim S. 91. Hiernach ist das oben S. 242 — 43 gesägte zu berichtigen.
316
teil. 31.) Christlicher Unterricht, den der böhni. Edel-
mann Thomas v. Sfjtnij für seine Kinder schrieb, in
mehreren Handschr. 32.3 Ein asketischer Traktat von
verschiedenen Tngenden, in einer llandsclirift der ölT.
Bihl. in Fra^- vom J. 1383. 33.) Des heil. Augustinus
Spiegel (zrcadlo) eb. 34.) Des jüdischen Meisters Samuel
Buch von der Ankunft des Messias, aus dem Lat., gedr.
Pils. 528. 4. 35.) Das Testament der 12 Patriarchen, in
einer Handschr. bei den PP. Piaristen zu Lipnik in Mähren,
gedr. zu Prosnic 545. 8. Pr. 570. 8. 36.) Des Predigers Joh.
Müic (gest. 1374), Tractat von den grossen Trübsalen
der Kirche, gedr. Pr. 542. 4. 37.) Die Philosophen
(mudrci) aus dem Lat., gedr. Pr. 514. 8. 38.) Von den
vier Haupttugenden, Pils. 505. 529. 39.) Elucidarius (Lu-
cidai* 0 wsech wecech), öfters gedruckt, zuletzt 783. 40.)
Sequentionarius, ein Vocabular, Ms. 41.) Zwei hit.-böhm.
Vocabularien, in der öff. Bibl. in Prag, und in dem Be-
nedictinerkloster zu Keygern in Mäliren. 42.) Ein lat.
deutsch-böhm. Yocabidarium zu Brunn. 43.) Der Bo-
hemarius minor, in der Prag. Bibl. 44.) Einzelne bibli-
sche Bücher in verschiedenen Bibliotheken, als ein Psal-
ter auf Pergament in 4. in der Bibl. der Prager Domkir-
che, ein Psalter vom .1. 1396 in der herzogl. Bibl. zu Oels
in Schlesien, die Propheten Isaias, Jeremias und Daniel
in der Prag. Bibl., die Evangelien in der Wiener Hof-
bibl., die Evangelien aus dem Matthaeus in der Prager
ötr. Bibl,, die Prologen des Hieronymus in der Bibl. der
Domkirche u. m. a."*)
§. 40.
Der zweiten Periode erste Abtheilung. Vom Anfange des
Hussitenkrieges bis auf die Verbreitung der Buchdrucker-
kunst in Böhmen, oder bis auf Ferdinand I. J. 1410 1526.
Mit Kg. Wenceslaw und Huss beginnt eine neue Aera
des böhmischen Volkslebens und der Nationalliteratur. —
^) Den Druck vieler, vorzüglich älterer Gedichte aus diesem Zeitraum
verdanken wir Hrn. W Hanka, der sie unter dem Titel: Starohylä sklädanj,
Pamätka XII — XV. stoletj, Prag 817 — 23. 5 Bildien kl. 8. herausgab. Vgl.
DobroM'skys Gesch. der böhm. Sprache und Literatur. S. 80 — 188.
317
Wiklefs, des englisclien Luthers, Schriften waren schon
vor dem Flüchtlinge Payn;' nach dem aufgeklärten Böh-
men, dessen Königstochter die Gattin des hrittischen
Herrscliers war, gekommen, und vorzüglich von Joh.
Huss und flieronymus Pragensis verbreitet. Beide erho-
ben ihre Stimmen laut gegen die verderbten Sitten der
Weltlichen und Geistlichen, beide predigten laut die
neue Lehre, die sich dem Volke durch Reichung des
Abendmahls in beiderlei Gestalt am auffallendsten ver-
sinnlichte, und mussten dafür den Scheiterhaufen zu Con-
stanz (1415) besteigen. Ihre Hinrichtung wurde von
dem grössten Theil der Böhmen als eine Beschimpfung
der Nation angesehen, und das tief empörte Volk griff
zu den V^affen. Joh. Zizka stellte sich an die Spitze der
Hussiten. Verwüstungen aller Art, mit Morden, Sengen
und Brennen innerhalb und ausserhalb der Gränzen folg-
ten nach. Der unter solchen Umständen zur Kegirung
gelangte Rs. Sigmund wollte mit bewaffneter Hand die
Ruhe wieder herstellen. Diess gelang ihm zwar, aber
erst kurz vor seinem Ende. Die Hussiten schwächten
sich durch Trennung in Parteien: so z. B. die Calixti-
ner oder Utraquisten. den Genuss des Kelchs im Abend-
mahl ansprechend, die Taboriten, von der Stadt Tabor,
ihrem Hauptsitze , eine gänzliche Kirchenreformation
verlangend; die sie mit Gewalt durchsetzen wollten,
(andere waren die Horebiten, Pikarditen , Adamiten).
Nachdem jenen von der Synode zu Basel durch die Pra-
ger Compactaten (1434) der Kelcii zugestanden worden,
kehrten sie selbst die Waffen gegen diese und andere
Fanatiker, und nöthigten sie, besonders nach der gros-
sen Niederlage bei Böhmischbrod (14.34) zum Iglauer
Frieden (1436). Aus den Taboriten gingen die böhmi-
schen und mährischen Brüder, und später noch manche
andere Secte in Böhmen hervor, die, wenn auch ge-
däaipft, dennoch von Zeit zu Zeit, wie verloschene Flam-
men aufloderten. Unter fortdauernden gewaltigen Be-
fehdungen der Katholiken und Utraquisten kam mit der
Kaiserwürde zugleich auch die böhmische Krone 1438
wieder an das österreichische Haus. Albrecht V. (als
Kaiser II.) bahnte sich durch die Vermählung mit Sig-
3i8
munds Tochter den Weg zum böhiiiisclieii Throne, von
dem ihn schon 1439 der Tod abrief. Nacli manclierlei
Faclionsränken, denen die Religion als Verwand dienen
muss(e , ward das Kind Ladislaw, Albrechts Nachge-
boriier, unter einer Regentschaft, König. Aber die Fa-
ctionen bekämpften sich fort, bis der grosse Georg von
Podebrad, Haupt der Utraquisten, die Statthalterschaft
und die innere Ruhe errang. Nach Ladislaus Tode 1457
behaupteten die Stände ihr Wahlrecht, und ernainiten
den bisherigen Statthalter zum Könige 1458—71. üiess
gab dem Nationalgeist neuen Schwung. Unter dem pol-
nischen Prinzen Wladislaw II. wurden die kaum gestill-
ten Leidenschaften wieder rege; der auf 31 .Jahre zu
Kuttenberg 1484 zwisclien den Katholiken und Calixti-
nern geschlossene Religionsfriede ging wenig in That
über. Mittlerweile breiteten sich die aus Frankreich ge-
kommenen Pikarditen, sich einfach an die Bibel haltend
und alle katholische Kirchensätze verwerfend, ungemein
aus, wurden aber aufs grausamste verfolgt, den Flam-
men übergeben und aus dem Lande gejagt. Nicht viel
besser wurden Luthers Anhänger, und noch früher die
böhmischen Brüder, behandelt. Gegen letztere schickte
der Papst Alexander VI. den Inquisitor lleinr. Institoris
(1499), angeblich um die Waldenser und Pikarditen zu
bekehren. Kg. Wladislaw erliess wiederliolte scharfe Be-
fehle gegen sie 1503. 1504. 1508. Durch zahlreiche,
mitunter kräftige Apologien reizten diese noch mehr ihre
Gegner. Aber kaum wurden Luthers Schriften in Böh-
men bekannt, als sich die Fvangelisch gesinnten Böh-
men, Utraquisten und Brüder, an die teutschen Refor-
matoren anschlössen. Diess veranlasste die erste heftig-
ste Verfolgung der Lutheraner in den J. 1524 - 28.
Viele Anhänger der neuen Lehre wMirden verwiesen,
andere mit ihren Büchern verbrannt- Gleichzeitig (1524)
wurde in Prag durch ein Decret die strengste Bücher-
censur eingeführt. Die Brüder konnten jetzt also inu"
ausserhalb Prag ihre Bücher drucken.
Unter diesen gewaltigen, politisch-religiösen Stür-
men, welche das ganze XV. Jahrb. hindurch Böhmen
erschütterten, reifte die sclion von Karl IV. begünstigte
319
hülimisclie Laiidesspiaclie alliniililig zur Ilcrrsclicrin über
ilirc iNebenbulileriiien beraii. Der wicliligsle, folgeiireicb-
s(e Scliritt geschali unter Wenceslavv lY. Die inzwischen
mündig gewordene böbmisclie Nation, deren geistige Re-
j)räsentan(en die Lehrer bei der Prager Universität,
Huss und Hieronymus an der 8])itze, waren, sah sich
durch die Vergebung von drei Stimmen an Ausländer
in ihren natürlichen Hechten gekränkt, und \ erlangte
vom Könige in dieselben eingesetzt zu werden. Nach
einjährigem Widerstand setzte endlich der König im J.
1409 durch ein Decret das umgekehrte Verhältniss fest,
und theilte der bölnnischen Nation bei allen Acten an der
Universität drei, der teutschen hingegen eine Stimme
zu, was die berühmte Gelehrten - Auswanderung aller
teutschen Lehrer, 20,000 Studenten, und die Errich-
tung der Universitäten Leipzig, Ingolstadt, Rostock u.
a. veranlasste. Nach dem Abzüge der teutschen Profes-
soren und Studenten ward nuFi die böhmische Partei an
der Universität die herrschende. Dieses und die gleich-
zeitige Verbreitung von Wiklefs Schriften wirkte auf den
Gang der böhmischen Nationaicultur entscheidend. Wi-
klefs Schriften wurden zwar verdammt, und der Erzb.
Zbynek liess sie sammeln und verbrennen ; Job. Huss
aber nnssbilligte in seinen Predigten die Verbrennung
derselben. Er fand bei vielen Beifall; auch die Laien
nahmen Partei. Man verfasste und sang anzügliche Lie-
der. Der König wollte Ruhe schaffen, und verbot sie
bei Lebensstrafe. Hierauf übersetzte Huss mehrere von
Wiklefs Schriften ins Böhmische, und verschenkte sie
an Laien und Frauen; andern liess er lateinische Ab-
schriften zukommen. Gleichzeitig bekamen die Böhmen
eine Uebersetzung der ganzen Bibel, ungewiss ob von
Huss veranstaltet, aber gewiss von ihm verbreitet. Die
meisten seiner Werke schrieb Huss in böhmischer Spra-
che. Mr. Hieronymus von Prag und Mr. Jacobellus, der
Beförderer des Kelchs, tliaten ein Gleiches. Huss rich-
tete das böhmische Alphabet neu ein, und bestimmte
die Orthographie fester. Nach Hussens und Hieronymus
Hinrichtung nahm selbst das gemeine Volk an theologi-
schen Streitigkeiten Tlieil. Unter den Schutzschriften,
320
die für Hussens Lehre in bölimisclier Sprache erschienen,
war die von einem Franenzimmer verfassle die merk-
\Mirditi;ste. Mau führte in allerlei Spottgedichten bittere
Klaüjen. Nach dein Tode Wenceslaws (1419) thaten
sich die Taboriten durch Liebe zur Muttersprache her-
vor; ihr Bischof Niki, von Pilgrain (Pelhriinow^) schrieb
selbst einiges in böhmischer Sprache. Ihren Gottesdienst
hatten die Taboriten schon vor 142,3 in böhmischer
Sprache zu verrichten angefangen. Von ihres Anführers
Zizka Hand hat man noch einige böhmische Original-
briefe; auch verdankt man ihm eine böhmische Kriegs-
ordnung, Kriegslieder u. s. w. Während dieser Zeit ver-
vielfältigten sich die Abschriften der Bibel : einige soll-
ten sogar von taboritischen Weibern verfertigt worden
seyn. Aeneas Sylvius selbst rühmt dei'-ta^bftcilriscben Wei-
ber Bibelgelehrsamkeit. Der Text der Bibel wurde fleis-
sig revidiri: überhaupt kann man von 1410 14S8 we-
nigstens vier Keeensiouen der ganzen Bibel und noch
mehrere des N. Testamentes unterscheiden. Als zwischen
den Katholiken »nid einem Theil der Hussiten (den Ca-
lixtinern oder Ltraquisten) ein Vergleich zu Stande kam
(14.34), u:k1 die Taboriten mit Watfeugewalt vniter-
drückt wurden, da wollten auch die l (raipiisten bei der
Messe die Muttersprache eiufüfiren, sie wendelen sich
desshalb an den Kirchenrath zu Basel, erhielten zwar
eine abscidägige Antwort, allein Hokycana und seine An-
hänger liessen sich hiedurch von ihrem Vorhaben nicjjt
abwendig machen. Daher die neuen Angriffe von Hila-
riiis, Zidek iuu\ andern Katholiken auf die Utracpiisten.
Schon wurde bei ölFentlichen Verhandlungen, besonders
unter König Georg und Wladislaw, die böhmische Spra-
che immer häufiger, bei Landlagen und dem Larjdrechte
fast ausscldiessend gebraucht. In dieser Epoche hatte die
Kenntniss der böhmischen Sprache bei den Mitbewer-
bern um die böhmisclie Krone nicht geringen Einfluss
auf ihre Wahl '). Nach 1430 wurden die Privilegien
') Nach (1cm Totlo Siiiinuuds (1438) erklärte sich eine Partei fin-
den Bnuler des polnischen Königs. Als die Gesandten der andern Partei
die Ansprüche AUirechts bei dem Könige von Polen geltend zu machen
suchten, gab ihnen dieser zur Antwort: die Polen und Böhmen hätten eine
gemeinschaftliche Sprache, wären Völker einerlei Abstammung; mit den
Tcutschen aber hätten di(> Pöhmen nichts gemein. Als die Stände (1440)
:^2l
der Neustadt Prag, die Satzungen Her iMalerziiuft, die
Iglauer und Kuttenberger Bergrechte ins Böluiiisclie über-
setzt. Bei der königlichen Landtafel erliielt sich der aus-
schliessende Gebrauch der lateinischen Sprache noch am
längsten. Erst seit 1495 fing man an, die Bücher bei der-
selben in böhmischer Sprache zu verlegen, worin die
Mährer unter ihrem patriotischen Landeshauptmann
Ctibor von Cimburg im J. 1480 den Böhmen vorgingen.
Aber schon vom J. 1492 hat man gedruckte Landtags-
schlüsse in böhmischer Sprache durch diese ganze Periode
und bis auf die neuesten Zeiten herab. Der diplomati-
sche Gebrauch der böhmischen Sprache erstreckte sich
über einen Theil von Schlesien und die polnischen Her-
zogthümer Zator und Auschwitz (Oswjetjn) , hier von
1481 bis 1559. Böhmische Inschriften auf Steinen kom-
men seit 1437, auf Grabschriften seit 1448, auf Glo-
cken seit 1386 , Namen mit böhmischen Flexionen auf
Sigillen seit 1433 häufig vor. xMit dem Bücherdrucke
machten sich die Böhmen sehr früh, am allerfrühesten
unter allen Slawen, bekannt. D^er ältesfe Druck ist
schon oben S. 314 angeführt worden. Doch gab es erst
seit 1487 eine bleibende Druckerei in Prag, wo auch
die erste ganze böhmische Bibel 1488 fol. erschienen ist.
Was früher herauskam, mögen wandernde Künstler ge-
druckt haben. Allein zu Anfange des XVL Jahrh. ka-
men mehrere böhmische Druckereien auf; namentlich zu
Prag, Pilsen 1498, Leitomyschl 1507, Jungbunzlau 1507,
JWeissÄässer 1519, Wylimow 1521 u. s. w. Auch druckte K
man im Auslände böhmisch, in Nürnberg 1504 — 18, ^
Venedig 1506. - Unter Wladislaw IL bildete sich vor-
züglich der böhmische Geschäftsstyl aus. Alle Verordnun-
gen wurden aus der böhmischen Kanzlei in der Landes-
sprache erlassen. Die Archive sind voll von böhmischen
Urkunden aus dieser Zeit. Die Stellen bei den Behörden
dem Hzg. von Baiern Albert die Krone antrugen, hatten sie wol auf den
Umstand, dass er am Hofe K. Wenceslaws erzogen der böhmischen Spx'ache
kundig ist, Rücksicht genommen. Nach Georgs Tode (1471) ward Wla-
dislaw auf den böhmischen Thron erhoben, weil sich die böhm. Stände,
wie sie sich selbst gegen Kg. Mathias von Ungern äusserten, von ihm als
einem Polen unter andern versprachen, dass des böhm. Volkes und der sla-
wischen Sprache Ruhm durch ihn erhöhet werden würde. S. Dobrowskys
Gesch. der böhm. Sprache und Literatur. S. 201.
21
322
wurden mir inil Böhmen besetzt, den Teutschen ward
es durcli neue Gesetze verwelirt, sicli anzusiedeln. Vor
den Gerichtsbehörden durfte man sich keiner andern,
als der Muttersprache bedienen. Zu vertrauten sowol,
als zu Geschäftsbriefen hatte die Sprache jetzt Biegsam-
keit genug: daher die Menge der Briefe, die einzeln in
Originalen in Archiven zerstreut, oder in Handschriften
gesammelt vorkommen. Wenn es auf der einen Seite
noch immer Leute gab, die entweder aus Unkunde,
oder aus ästhetischer Ziererei den böhmischen Schriften
gar nicht hold waren ^); so fehlte es auf der andern
nicht an warmen Freunden und mächtigen Beschützern.
Mehrere Patrioten verbanden sich, alles in böhmischer
Sprache zu schreiben. Daher kamen neben den theolo-
gischen, politischen, juridischen und historischen Schrif-
ten, auch viele ünterhaltungsbücher, vorzüglich Roma-
ne, auf. - Der bessere, geläuterte Geschmack fing all-
mälig an, sich über das böhmische Schriftwesen zu ver-
breiten. Seitdem Bohuslaw Hassenstein v. Lohkowic,
der gebildeteste Böhme seiner Zeit, und andere bessere
Köpfe die schönen Wissenschaften in Böhmen eifriger
pflegten, Hieronynins Baibus Vorlesungen über die schö-
nen Redekünste in Prag hielt, mehrere ausgezeichnete
Männer (darunter, ausser den zwei genainiten, Grego-
rius Pragensis , Joannes Sturnus , Joannes Slechta,
Sigmund von Lobkowic, Victor Corn. Wsehrd, Wcnc.
Pjsecky, Job. Oppaviensis, And. Ctiborius, Augustinus
Olomucius, Ulricijs Rosensis, Joannes Wartembergensis,
Mart. Crumloviensis, Stanisl. Thurzo, Christoph. Weit-
mühl u. m. a.) als Gelehrte von feinerer, hinnanistischer
Bildung auftraten, die adeligen Jünglinge Studien halber
häufiger Italien besuchten: da mussten die Böhmen mit
den classischen Werken der Griechen cnid Römer immer
bekannter werden. Man unternahm böhmische Ueberse-
tzungen besserer Schriften. Der Einlluss des Lateins auf
die Bildung und den Periodenbau der böhmischen Sprache
*) Bohusl. von Hassenstein und Lobkowic schilt den Uebersetzer ei-
niger seiner Verse einen Esel und Barbaren. „Transtulit in patriam qui-
dam mea carmina linguam; Ilaec proceres populus nobilitasque legit; Ira-
scor facto bipedis vehementer aselli. — In messeni ne quaeso meani, nii
barbare, falccm iusere: non eteuim scripsimus illa tibi."
323
wird zu Ende des XV. Jalirh. immer siclitburer. Diess
erhellet vor andern aus den üeberseizun^en des Greg.
Hruby von Gelenj und Vict. Corn. Wsehrd, die ihren
Geist durch die aUen classischen Schriftsteller gebildet
hatten. Die Sprache gewann an Fülle, Kraft und Run-
dung. Im Ganzen zeichnet sich die Prosa der besseren
Schriftsteller dieses Jahrhunderts durch eine eigene Ori-
ginalität, Wärme und Gediegeiüieit aus; die Poesie hin-
gegen, obgleich hie und da (in den hussitischen Gesän-
gen, in Hynek Podebrads Gedichten) nicht ohne Leben,
blieb im Allgemeinen weit hinter der Prosa zurück,
und ermangelte des selbständigen Geistes, der in den
besseren Gesängen der ersten Periode weht. Mitten zwi-
schen diesen beiden entwickelte sich, als eine eigene
Erscheinung dieser Zeit, die Sprache der Berßddamkeit.
Zwar herrschte die Kanzelberedsamkeit vor, aber bald
folgte auch die politische nach, und die gleichzeitigen
Schriftsteller rühmen die hinreissende Suada mehrerer
böhmischen Redner, von welchen leider niclits auf uns
gekommen ist.'^}
Es ist uiunöglich hier eine üebersicht aller hand-
schriftlichen und gedruckten Sprachdenkmäler dieses Zeit-
raums zu geben; wir beschränken uns auf eine Auswahl
derselben. Als Schriftsteller sind zu nennen: Mr. Joh.
Hns aus Husinec, Prof. zu Prag u. Prediger an der Kirche
zu Bethlehem (g. 1373, f 1415), regte den grossen Kampf
der Böhmen für religiöse und kirchliche Freiheit durch
seine Lehre, seine Predigten und seine Schriften an,
und führte zugleich eine neue Aera der böhmischen Na-
tionalliteratur herbei; er schrieb sehr viel in böhmischer
Sprache, aber seine Schriften, Abhandlungen, Predig-
ten, Auslegungen der h. Bücher, Kirchenlieder u. s. w.
erschienen meist einzeln und zu verschiedenen Zeiten ;
die Postille, von seiner Hand im Msc. vom .]. 1413 auf
der Prager Bibliothek, aber auch in mehreren Abschrif-
ten und oft vorhanden, wurde gedruckt zu Nürnberg 557,
563. fol., 0. Dr. (Pr.) 564 fol., Nürn. 592. lat. a. d. Böhm,
übers. Briefe Witt. 537. 8., lat. Werke 558. u. oft. — Mr.
Hieronymiis von Prag (f 1416), Prof. an der Universität,
') Prochäzka comment. de über, art. p. 322.
21*
324
Hussens tbätigster, gelehrtester u. treuester Gefährte, ver-
fasste mehrere Unterrichtsschriften für das Volk in böh-
mischer Sprache, und dichtete Kirchenlieder, meist ans
biblischen Sprüchen zusammengesetzt. — Mr. Jacobeil v.
Mies, sonst auch Jacob Stfjbersky genannt, ebenfalls
Prof. an der Universität , ein eifriger Beförderer des
Kelchs, hinterliess eine Postille oder Auslegungen der
Sonntagsepisteln, beigefügt der 3ten A. von Huss Postille
564., Predigten, Kirchenlieder u. m. a. — iVIr. Joh. von
Rokycan (gest. 1471), zuerst Pfarrer an der Kirche zu
Teyn, dann utraquistischer Administrator des Prager
Erzbisthums, verfasste eine Postille vor dem J. 1470,
enthaltend Predigten, und in mehreren Abschriften vor-
banden, einen Tractat über die Communion, einen Hir-
tenbrief wider die Pikarden, beide Ms. — Jh'lanus Li-
tomericky (geb. 1411, gest. 1467), Domdechant und
katholischer Administrator des Prager Erzbisthums (1462 —
67), schrieb mehrere Tractate von der Communion un-
ter einer Gestalt wider die Calixtiner. — Jobsl v. Rosen-
herg, Bischof von Breslau, setzte neun Puncte auf, wider
den Kelch, an Kg. Georg 1467, Ms. - Joh. Zagjc von
Hasenberg erliess (um 1489?) ein Ermahnungs-Schrei-
ben an die Prager Magister zur Einigkeit, Msc. - Mr.
Sitn. V. Tisnoiü schrieb einen Tractat gegen die Com-
munion unter beiderlei Gestalten. Msc. — Marl. Lttpdc
(gest. 1468), Magister, Priester und Suffragan des neu-
gewählten Erzbischofs Rokycana 1435, revidirte mit ei-
nigen Gehilfen das ganze N. Testament, und verbesserte
es an vielen Stollen. — Mr. Wenc. Koranda (de nova
Plsna), ein eifriger Vertheidiger des Kelchs, schrieb
mehreres, worunter ein Tractat vom göttlicben Sacra-
ment, gedr. Pr. 493. 8. — Joh. Palecek, böhmischer
Bruder, hinterliess seinen Namen in der Pamet hr. .1.
Palecka, Msc. — Simon^ Vorsteher der Brüdergemeinde
zu Weisskirchen in Mähren, schrieb: Prwnj cedule P.
starsjm Hranickym, gedr. 507. 8. — Prokop aus König-
grätz, böhm. Bruder, gab unter andern: Otäzka, sluejli
kfestanom mocj swetskü newerne neb bludne k prawe
wjre prinucowati, 508. 8. heraus. — Wenc. Mirjnsky,
böhm. Bruder, verfasste Kirchenhymnen: Pjsne, Pr.
325
522. 8. — Wenc. Domek von Kiibiu übersetzte aus dem
Teiitschen: List pap. Lwa , kterak Luciperowi psal,
521. 4. — Wenc. ]\aiecowsky, Unterkiimmerer, schrieb
über die Laster und Ileuclielei der Geistlichen, und wid-
mete es dem Kg. Georg, Msc. — Mr. Paul von Saaz
(Zatecky), utraquistischer Administrator, gab die Base-
ler Listowe a compactata , und einen Tractat von der
Communion Pr. 513. 4. heraus. — Ni'kl. Wlazenicky,
böhm. Bruder, schrieb eine Disput, über die Commu-
nion, gedr. 582. 600., über Offenbarung und Prophe-
zeiung, iMs. und gedr. o. J. — Lukas von Prag, 1518 —
28 oberster Vorsteher (zpräwce) der Brüder, zugleich
der gelehrteste u. rüstigste Schreiber der Unität, schrieb
1501 eine Auslegung über die OflPenb. Johannis, 1502
von der Hoflfnung, 1503 einen Abschiedsbrief, als er
von Prag wegging, 1505 eine Auslegung der Psalmen,
zpräwa k smrti, o. Dr. 518. 4., spis o obnowenj cjrkwe,
mehrere polemische Briefe und Abhandl., meist Msc, er
besorgte die Ausgabe des Gesangbuchs für die Brüder-
gemeinden 1505. — Joh. Miros (gest. 1520) Pfarrer
beim h. Kreuz in der Altstadt Prag, verfasste : Dwa tra-
ctaty, gegen die Kathol., herausg. von Poduska u. Roz-
dialowsky, Pr. 520. 8. - Pefr. Chelcicky (gest. 1484),
Pfarrer bei der Brüdergemeinde zu Prerau in Mähren,
gewöhnlich der böhmische Doctor genannt, weil er kein
Latein verstand, verfasste ein berüchtigtes Werk: Ko-
pyta (Schuhleisten) genannt, welches sich nicht erhal-
ten hat ; von ihm erschien in Druck : Kniha wykladü
na ctenj nedelnj, Pr. 522. 532., Sjt ,wjry, Wylimow
521. 4., 0 selme, (o. J.) 4., Rec na zgewenj Sw. Jana
(o. J.) 4. u. s. w. — Bohuslaw v. Cechfic, verpflanzte sei-
nen Namen auf die Nachwelt als Sammler des merkwür-
digen hussitischen Msc. in^Jena und als wahrscheinlicher
Vf. mehrerer Stücke in^mselben. — Ulrich v. Kalenic
ist Vf. eines satyrischen Sendschreibens des Lucifer an
den obersten Hofmeister von Böhmen Lew von Rozmi-
tal, uüi 1478, in dem letztgenannten Msc. zu Jena. —
Mr. Petr. Mladenowic, von Chlum, Notar des Jos. von
Chlum, verfasste, als Augenzeuge von Hussens Hinrich-
tung zu Kostanz, dessen Biographie, in Msc. häufig vor-
326
banden, ancli als Beilage des Passionais 495., einzeln ge-
drnckt 533. 600. — Bartosek i\ Drahenic fügte zu sei-
ner, im barijarisclien Latein geschriebenen, von 1419
bis 1443 fortlaufenden Chronik, Nacbriebten in böhin.
Sprache im Anhange hinzu. — Prokop, .Stadtschreiber
der Altstadt Prag, verfasste eine neue Chronik in Rei-
men, von der sieb nur Brucbstücke erhalten haben, Msc.
— Paiff Zidek, Domherr zu Prag, schrieb 1471 auf K.
Georgs Verlangen eine: Zprawa krälowska, d. i. Anwei-
sung für Könige sammt Chronik, in 3 BB., wovon das
3te B. die allgemeine Weltgeschichte enthält, in Msc. von
1471, 1656, 1750 vorhanden; sein Styl ist natürlich
und ungesucht, aber der grossen Eile wegen zuweilen
nachlässig; ausserdem schrieb er eine allg. Encyklopädie
in lat. Sprache, Msc. in Krakau. — Marf. Kabdtnjk :
Putowänj , (Reise nach Jerusalem und Aegypten 1491 —
92), gedr. 542. 577. 639. 691. u. oft. — Zdetiek Lew
r. Rozmital (Rosenthal) , unternahm eine Reise 1465
durch Europa und einen Theil von Asien, die einer von
seinem Gefolge in einem Tagebuch beschrieben hat; das
böhmische Original ist verloren, aber die lat. Uebers. v.
Pawlowsky erschien zu Olim. 577. 8. — Jnh. v. Lobknwic
und Hassenstein, unternahm mit Dietrich von Gutenstein
von Kaden aus 1493 eine Reise zum h. Grabe, und be-
schrieb sie selbst mit altritterlicher Treue und kunstlos
um das J. 1505, Msc; ebendesselben moralischer Unter-
richt für seinen Sohn Jaroslaw vom .1. 1504, erschien
unter d. T. Prawdiwy cesky Mentor Pr. 796. 8. — Htjtiek
V. Podebrad (geb. 1452, gest. 1491), des Königs Georg
viertgeborner Sohn, wegen seiner hohen Weisheit und
ausnehmender Herzensgüte vom Kg. Wladislaw II. hoch-
geehrt, ist der einzige namhafte Dichter dieses Zeit-
raums, dessen Gedichte auf uns gekommen sind : Mago-
wy sen, entdeckt und herausg. v. Hanka, Pr. 823. (Sta-
rob. sklad. 5tes Bd.), 0 manzelstwj, eb.'^ er veranstaltete
auch eine Uebersetzung der Geschichte des Kreuzzugs
nach Palästina im J. 1099 von Fulcherius Carnotensis,
die aber verloren ging. — Greg. Hruby t\ Gelenj (gest.
1514), ein angesehener Bürger zu Prag ullid~feiner Ken-
ner des classischen Alterthums, w^andte seinen Fleiss und
327
seine glänze Müsse dazu an, seinen Landslenten böhmi-
sche Uebersetznngen auserlesener Schriffen in die Hände
zu liefern ; man hat von iinn : Petrarcas Bücher de re-
med. ntrinsque fort., bölim., Pr. 501 fol., Petrarcas Briefe ^<
(IG) Msc, Eine Rede des h. Chrysostomus, Pr. 501. M.
T. Cicero's Läliiis, lierausg. von Zimmermann, Pr. 818.
12., Cicero's Paradoxa, lieransg. von Negedly Hlas. c.
IV., Jov. Pontans BB. de lege, Eb. 5 BB. vom Gehorsam,
Eb. von der Wohlthiitigkeit etc., in Msc. und herausg. von
Zimmermann, Kgr. 819. 8., Laur. Valla's Abhandl. von
der Schenkung Constantins Msc, J. A. Campanskeho
knihy o zprawowänj iiradii, gedr. Pr. 513. 4., Das Lob
der Narrheit von Erasmns Msc, das Leben der h. Väter
Msc, Agapets Ermahnung an Ks. Justinian Msc, Boh. v.
Lobkowic Brief an P. v. Rosenberg, Landeshauptmann
von Böhmen, über die Verwaltung des Königreichs, a.
d. Lat. Msc, W. Pjseckys Disputation a. d. L. u. m. a. —
Wenc. Pjsecky aus Pjsek (geb. 1482, gest. 1511), be-
gleitete als Hofmeister den jungen Sigmund von Gelenj
nach Italien, und starb in Venedig an der Pest; er tiber-
setzte: Isokratesa napomenutj k Demonikowi, a. d. Gr.,
Pr. 512. 8., von Weleslavvjn 586. 12., 801. 818. 8. —
Mctorin Com. v. Wsehrd aus Chrudim (gest. 1520),
Vice - Landschreiber, ein Gelehrter von vielfacher Bil-
dung und feinem Geschmack; unter ihm wurde beschlos-
sen, alle Bücher der Landtafel böhmisch zu verfassen;
er hinterliess neun BB. von den Rechten, Gerichtsstellen
und der Landtafel des Königreichs Böhmen, Msc. vom
J. 1495, ein vortreffliches Werk, welches in mehreren
Abschriften vorhanden ist; Kyprians Auslegung des Va-
ter unsers, Pils. 501. 8., Kyprians Brief an Donat von
der Verachtung der Welt, eh., Chrysostomus Rede von
der Bekehrung eines Gefallenen eh., N. A. Pr. 820.8. —
Joh. Slechta aus dem Geschlechte von Wsehrd, aus Ko-
stelec (geb. 1466, gest. 1526), ein gebildeter Humanist,
schrieb zwar das meiste lateinisch, doch Einiges auch böh-
misch, und von einem böhmisch geschriebenen Briefe
desselben urtheilte Bohusl. Lobkowic, dass er ihm des
Styls wegen sehr gefallen habe. - Niki. Kondc v. Ho-
(liskoiv (gest, 1546), zuerst Schreiber beim Weinberg-
328
ainte, dann Buclidnicker in Prag, gab 20 Jahre hindurch
mancherlei ältere und neuere Schriften, vorzüglich seine
eigenen gelehrten Arbeiten und Üebersetzungen heraus:
Ceska kronika, a. d. Lat. d. Aeneas Sylvius, Pr. 510. 4.,
mit der Chronik Kuthens von Weleslawjn 585. 4. N. A.
von Kramerius Pr. 817 ff., Zwei Dialoge Lucians, Pr.
507. 4., Ph. Beroalds Erzälil. von zwei Liebenden, Pr.
507. 4., Dialogus vv neinz C'ech s Pikhartem rozmlauwa,
Pr. 515. 8., 0 klanenj swatosti oltärnj, a. d. Lat., 515.
8., 0 stestj, a. d. Lat. des Aen. Sylvius, Pr. 516. 8.,
Snai-, Pr. 516. 8., Knjzka srdecnj, Pr. 521. 4. 602. 8.,
Pravvidlo lidskeho zivvota, Pr. 528. fol, Horekowänj
sprawedliwosti, Pr. 547. fol., u. m. a. — Vir. Welensky
von Mnichow , Buchdrucker zu Weisswasser (Biela),
war zugleich Schriftsteller: Pranostika, Weissw. 519. 4.,
0 rytjri kresi, a. d. Lat. des Erasm. Roterod., Weissw. 519.
4., Pr. 787.,HokowanjPaskwilla aCyra, a. d. Lat., Eb. 520.
4., Sebranj (Samml. asketischer Aufsätze a. d. Lat.), Eb.
520. 4., Zaloby chudvch a bohatych, a. d. Lat. des Erasm.,
Eb. 520. 4., Wyklad 'M. Lutera o Antikristu, a. d. Teut-
schen, Pr. 522. 8., Ctenj a epistoly nedelnj, Pr. 523. 4.
u. m. a. — Job. Wndnian ^Iqnensis, Franciscaner im Klo-
ster der heil. Engel zu Horazdiowic, verfasste ein lat.
böhm. Vocabularium, Pils. 511. 4., einen Dialog über
die unbefleckte Empfängniss Maria, Msc, schrieb 1529
mehreres wider Luther. — Ctihor. i\ Cimburg und
Towacow (gest. 1494), Landeshauptmann von Mähren,
Hess die Bücher der mährischen Landtafel seit 1480 in
böhmischer Sprache verlegen, veranstaltete eine Samm-
lung der Freiheiten, Rechte, Ordnungen und Gewohn-
heiten des Markgr. Mähren (1480): Kniha Towacow-
ska Msc, schrieb selbst ein sehr sinnreiches, interessan-
tes Werk politischen Inhalts in Form eines Romans: Le-
ber die Güter der Geistlichen an den Kg. Georg 1467,
gedr. 539 fol., die Sprache ist rein und edel. ^ — Joh.
Ceska, Priester u. Erzieher d. H. v. Pernstein: Reci mu-
drcüw. Ms. u. gedr. Pils. 529. Pr. 579. 786. 8. - Hdgek
V. Hodefjn 1413 u. \\ enc. Wlcek vor 1457 schrieben über
Kriegskunst. — Pet u. Zdenek u. v. Sternberg u. Jlbr. Ren-
del verfassten eine Samml. von Landtagsschlüssen unter
329
Wladislaw : Nälezowe Fr. 500. 4.; ähnliche Suminl. aus die-
ser Zeit sind in verschiedenen Hscli. vorhanden. — Petr.
Piespole v. Prag, Bürger zu Knltenberg, übersetzte die Kut-
tenberger inid Iglauer Bergreclite: Frawo kralowske ho-
rnjköw, präwa Gjhlawska, a. d. Lat. 1460, Msc. —
Jlh. Ogif. V. Ocedelic sammelte Reclitssprüclie aus den
Zeiten der KK. Wenceslaw und Sigmund: 0 nälezjch
panskych, Msc. — Mafth. v. Chlnmcan bekam 1501
von den zur Untersuchung der auf Karlstein aufbewahr-
ten Privilegien und Urkunden ernannten Herren, wor-
unter sich auch Bob. v. Lobkowic befand, den Auftrag,
alle Urkunden ordentlich zu verzeichnen, und verfertigte
einen Index derselben: Zrjzenj Msc. — Christan Pra-
chaiiaky (gest. 1439), Pfarrer bei St. Michael zu Prag,
schrieb einige medicinische Bücher: Lekarske knihy, Msc.
der Prager Donikirche , eine Widerlegung auf ein Pro-
gnostikon u. m. ^. — Mr. Joh. Cerny verfasste mehrere H
Arzneibücher: Knihy lekarske, Msc. von 1525 in iStra- /^
how , ein Kräuterbuch: Herbär, Nürnberg 517. fol.
Niki. Wrana , sonst Adelphi genannt , übersetzte des
letztgenannten Mr. Joh. Commentar über den 9ten Tractat
des Basis, Msc. v. 1566. - Nild. Klmidtan, Arzt zu hm^-
bunzlau und Buchdrucker, gab eigene und fremde Schrif-
ten heraus: Zpräwa a naucenj zenäm tehotnym, Jungb.
519. 4., J. Cerneho herbär , Nürnb. 517. fol. (Kl.
war Herausg. und Corrector), spis dosti cinjcj z wjry,
eine Apologie der Brüder o. Dr. 507. 518. 4. Weissw.
521. 4., 0 prawdäch wjry, Jungb. 518. 4„ Landkarte
von Böhmen 518. N. A. bei Bjlegowskys Kirchengesch.
Pr. 816., N. Zäkon 518. 4. u. m. a. — Ni'kl. Bakalür,
Buchdrucker in Pilsen: Mahomets Leben 498. 4., Luci-
där 498. 8., Beschreib, des gelobten Landes 498. 8., von
sieben Schwierigkeiten der Sinne 498. 8., 0 ctyrech
stezegnych cnostech 505. 8., Knihy zalmowe 508., Bar-
laam 504. 512. u. m. a — Georg Styrsa druckte in den
J. 1522 ff. auf dem Berge Karmel zu Jungbunzlau meh-
rere sowol eigene als auch und vorzüglich fremde Schrif-
ten geistlichen Inhalts.
Zu den von ungenannten und unbekannten Vff.
herrührenden, hier der Kürze wegen übergangenen Sprach-
denkmälern dieser Zeit, gehören, ausser 33 bandscbrift-
330
lieh vorhandenen Bibehi (wornn<er die ältesten: die
Dresdner nni 1410, die Leilmerilzer 1411, die Ollmü-
Izer 1417, die kleinere Leitmeritzer 1429 n. s. w.), 22
N. Testamenten , mehreren apokryphischen Büchern,
Evangelien, Postillen, Predigten, ii. s. w., zahlreiche po-
litische, juridische, geschichtliche, geographische, medi-
cinische, astrologische, ökonomische, belletristische und
linguistische, sowol gedruckte, als ungedruckte Werke,
die Hr. Dobrovrsky in s. Gesch. der böhm. Sprache und
Lit. S. 211—384 sehr genau verzeichnet hat.
§. 41.
Zweite Abtheilung. Von der Verbreitung der Buchdrucker-
kunst in Böhmen bis auf die Schiacht am weissen Berge.
J. 1526 - 1620.
Die Verbreitung der Buchdruckerkunst in Böhmen
war für den Anbau der Landessprache und für die Na-
tionalliteratur von entscheidender Wichtigkeit. — Ferdi-
nand l. trat in der verhängnissvollen Periode 1527 — 64
die Regirung au. Er gab den Ständen schriftlich das
Versprechen , dass er den Baseler Compactaten ihren
Werth lassen, und einen Erzbischof bestellen wolle, wel-
cher der beiderseitigen (katholischen u. utraquistischen)
Geistlichkeit vorstehen solle. Zu sehr mit dem Türken-
krieg beschäftigt, überliess er die Besorgung der innern
Geschäfte den Bölnnen selbst. Schon vor ihm, und noch
mehr wälirend seiner Regirung schlössen die böhmischen
lltraquisten und Brüder mit den Protestanten in Teutsch-
land eine nähere Gemeinschaft, und die Lutherische Lehre
verbreitete sich weit im Lande. Aber eben diese Gemein-
schaft - da man die Brüder und Lutheraner nicht unter
die Utraquisten, sondern unter die Secten zählte — zog
beiden erstem eine neue Verfolgung zu. Denn als im
Schmalkaldischen Kriege (1547) die evangelisch gesinn-
ten Böiimen sich weigerten, gegen ihre teutschen Glau-
bensgenossen zu fecliten, da wurden zuerst die Kirchen
der Brüder verschlossen, die Lehrer gefangen gesetzt,
und die übrigen, die niclit zu der römisclien Kirche
zurücktreten wollten, mussten 1548 nach Grosspolen u.
Preussen auswandern. Auf dem Landtage 1549 wurde die
331
Yerlreibnn» der Liitlieraiipr formlicli beschlossen. Fer-
dinand ernannte hieranf 1561 einen Erzbischof, legte
1556 den Grund zu einer Jesuitenuniversiliil, die Fer-
dinandische hohe Schule oder Clemenlinum genannt, und
1560 stiftete der Jesuit Perez die cleinentinisclie Biblio-
thek zu Prag. Unter Ferdinand verbrannte 1541 die
Landtafel, als Haupturkunde des Reichs, gänzlich. Mitt-
lerweile verbreiteten sich in den letzten, friedlichem
Jahren der Regierung Ferdinands die Brüder und Luthe-
raner in Böhmen aufs neue; aber zu einer wahren Ver-
einigung der drei nicht katholischen Parteien konnte es
nicht kommen, vielmehr beobachtete sich die Geistlich-
keit derselben mit wachsendem Misstrauen. — Die Kraft
Ferdinands hatte gleichsam das Feld in Böhmen umgea-
ckert, worauf nun die Regirung Maximilians (1562—76)
wie ein milder und fruchtbarer Regen fiel. Alle Unru-
hen schwiegen während derselben. Er gewährte den
immer zahlreicher werdenden protestantischen Mitglie-
dern des Herren- inid Ritterstandes, was er bei seiner
Gemeinschaft mit der römischen Kirche und in seiner
landesherrlichen Stellung zu derselben gewähren konnte :
es wurde ihnen vergönnt, in allen Kirchen ihres Patro-
nats die Lehren und Cerimonien, so wie dieselben in
der Augsb. Confession zusammen gefasst wären, einzu-
richten. Es durften sogar die Utraquisten nach Gefallen
sich zu der Lehre Luthers bekennen. Wenn denn nur
die evangelisch Gesinnten sich selbst diese Freiheit nicht
verkümmert hätten! Doch sie fuhren fort in Sachen des
Glaubens und der kirchlichen Einrichtungen unter einan-
der zu streiten, und anstatt die rechtliche Begründung
einer allgemeinen evangelischen Kirche zu erstreben,
nahmen sie hauptsächlich darauf Bedacht, wie ihre be-
sondere Partei erhalten und möglichst erweitert werden
könnte. Lutherische Zeloten beschuldigten die Brüder
einer Hinneigung zum Calvinismus. Selbst die im .L 1575
verfasste, dem Ks. xMaximilian vorgelegte, und von die-
sem — bis auf die Errichtung eines Consistoriums, wel-
ches verschoben wurde — genehmigte, gemeinschaftli-
che Confession der vereinigten Nichtkatholischen, der
Utraquisten, Lutheraner und Brüder, konnte die wahre
332
Einheit und Eintracht nicht herbeiführen ^). Rudolphs
IL, der seinen beständigen Sitz in Prag nalnn, väterli-
che Regierung (1576 — 612), beförderte die literarische
Betriebsamkeit der Böhmen ungemein. Er besass selbst
viele gelehrte Kenntnisse, war der böhmischen Sprache
mächtig, und freuete sich ihres Emporblühens. Aber
durch die 158G erlassene Verordnung gegen die Pikar-
den, gleich wie durch die 1605 eingeführte scharfe Cen-
sur, weckte er den Fehdegeist der Parteien aufs neue,
der sich nicht eher legte, als bis er 1609 den ihm von
den Protestanten abverlangten , sogenannten Majestäts-
brief, wodurch ihnen volle Religionsfreiheit zugesichert
wurde, gezwungen — unterschrieb. Von 1609 bis 1620
ward die vereinigte Partei der Utraquisten, Lutheraner
und Brüder die herrschende in Böhmen. Sie durften sich
ihr besonderes Consistorium errichten, und Defensoren
zur Beschützung ihres Glaubens wählen, welche zu be-
stätigen dem König vorbehalten war^}. Die hohe Schule
zu Prag , schon früher von ihnen eingenommen, ward
durch diese Urkunde förmlich und ganz in ihre Hände
gegeben. Rudolph trat bald darauf (1612) die Regirung
seinem Bruder Mathias ab, unter welchem die religiö-
sen und politisclien Unruhen plötzlich einen sehr ernsten
Charakter annahmen.
Die literarische Cultur des Landes ging seit Ende
des vorigen Jahrhunderts bis zum Anfange des künftigen
mit Riesenschritten vorwärts. Die Sitte der Grossen,
ausländische hohe Schulen zu besuchen, dauerte fort;
so wie früher Wien, Paris, Bologna, Padua, Ferrara,
so waren jetzt ausser diesen auclflioch Wittenberg,"
Leipzig, Strassburg, Ingolstadt , Jena und Altdorf die
vorzüglichsten Sammelplätze der böhmischen adeligen Ju-
gend. Mit ihr reiseten weise und gereifte Männer, als
Führer und Begleiter, ins Ausland. Dadurch verbreite-
ten sich feinere Sitten und ein mehr geläuterter Geschmak
') Sie war in böhmischer Sprache abgefasst und gedruckt; 1575 Hess
sie Boh. Felix v. Lobkowic und Hassenstein ins Teutsche übersetzen, um
das Gutachten der "Wittenberger Theologen darüber einzuholen ; 1619 wur-
de sie für Kg. Friedrich ins Lat. übertragen; Mehl. Institoris Hess sie als An-
hang zu s. Listownj odpowed, Pr. 782. aufs neue abdrucken. S. Komtnsky
0 protiwenstwjch cjrkwe c. S. 105.
*) Komensky S. 108. Voiafs acta Utt. I. 344. Ziegler's Dobroslaw
II. B. IV. Heft. S. 72.
333
weit im Lande. Die Prager Universität war zwar im An-
fange des XVI. Jahrti. tief unter ihren ehemaligen Glanz
herabgesunken. Im J. 1530 waren aber die auf dem Land-
tag versammelten Stände für ihre Wiederbelebung ei-
frigst besorgt. Mehrere gelehrte Männer wurden für sie
berufen; neue Lehrkanzeln errichtet; ein besserer Lehr-
plan eingeführt, und vorzüglich das Studium der Alten
erweitert. Die Zahl der Gymnasien und andern gelehr-
ten Schulen im Lande war beträchtlich gross; am mei-
sten zeichneten sich die Schulen der Brüder (zu Bunzlau,
Prerow , Ewancic , Fulnek) durch Unterrichtsmethode
und Frequenz aus. Die Wissenschaften fanden nicht nur
an einzelnen Grossen, sondern auch an den Königen
selbst, mächtige Freunde und Beschützer. Unter den er-
stem war Johann Hodegowsky von Hodegow, Vice-Land-
richter im Königreiche Böhmen (geb. 1496, gest. 1566),
dem Studium der Geschichte und den Musen des alten
Latiums mit vorzüglicher Liebe ergeben, der einen gan-
zen Kreis von lateinischen Dichtern um sich versammelt
hat '^). Um diese Zeit kamen schon dramatische Vor-
stellungen auf; 1534 ward in Prag des Plautus miles
gloriosus, dann 1538 Susauna, 1543 des Tcrentius Phor-
mio, später herab meist geistliche Dramen, insbesondere
von Jesuiten, gegeben. Diese Schuldramen hörten im
XVIIL J. mit der Einführung des öffentlichen Theaters aut.
Ferdinand I. verdankten die katholischen Schulen ihr
neues Leben. — Kudolph IL, den Naturwissenschaften
mit unbegränztem Eifer zugethan , aber auch andern
Zweigen des menschlichen Wissens nicht abhold, un-
terhielt mit königlicher Freigebigkeit die trefflichsten
Köpfe seines Zeitalters auf seinem Hofe (Tycho de Bra-
lie, Kepler u. s. w.) *).
Die böhmische Sprache erreichte jetzt ihr g Jdriies
Zeitalter. Schon im vorigen Jahrhundert zur Hörrschc-
rih im Lande erhoben, erhielt sie jetzt mehr Solbslän-
digkeit, grammatische Festigkeit, Correctheit u. Rcicii-
ihum. Mit der wachsenden Menge der Schriftsteller wuchs
auch die Zahl der Buchdruckereien, und mit der Menge
•) Ihre Namen findet man verzeichnet in Frochäzkn's Conuuentarius
de Hb. an. S. 285-298.
*) Sie stehen verzeichnet in Prochäzka's Commentarius S. 307 317.
334
der Bücher die der Leser und Literatiirfreunde. Alles
lernte in der Landessprache frei denken und schreiben.
8ie ward bei allen Behörden Geschältssprache. Auf dein
Landtage 1615 verordnete man, dass alle, denen hin-
fiiro das Indigcnat ertlieilt werden würde, ihre Kinder
in der böhmischen Sprache unterrichten und erziehen
sollten. Kudolph besonders war ihr Beschützer. Alles
drängte sich mit böhmischen Werken zu seinem Thron:
man zählte unter ihm gegen 200 böhmische Schriftstel-
ler. Herren mid Damen vom ersten Range dichteten böh-
mische Lieder, und setzten ihren Patriotismus in der Cul-
tur der Landessprache. Aus dem Griechischen u. Latei-
nischen wurde jetzt ungleich mehr, als in der vorigen
Periode, übersetzt; vorzüglich war dieses mit der heil.
Schrift der Fall, als wo die Brüder frühzeitig besorgt wa-
ren, die alte, aus der Vulgata geflossene Uebersetzung
durch eine genauere, aus der Urschrift gemachte, zu
ersetzen. In dem Eifer für die Heinhaltung und Ausbil-
dung der Muttersprache waren sich alk' Keligionsparteien,
Katholiken, Utraquisten und Brüder, gleich: unter den
ersten verdienen ausgezeichnet zu werden Wenc. Hagek
von Libocan, Sigm. v. Puchow und Barth. Paprocky.
Aber am meisten hat die Sprache in diesem Zeiträume
unstreitig den Brüdern zu verdanken. Mächtige Beschü-
tzer an der Spitze säumten diese nicht mit vorzüglicher
Sorgfalt die Landessprache, in der sie ihren Cultus ver-
richteten , zu pflegen, zu bilden, und zu verbreiten.
Unsterblichen Ruhm haben sich in dieser Hinsicht die
Freiherren Johann und Karl der Acltere von Zerotjn,
Vater inid Sohn, als die grösstcn Mäcene und Beförde-
rer des wissenschaftlichen Lichts in ihrem Vaterlande,
erworben ; unter ihrem mächtigen Schulz und durch ihre
beispiellose Freigebigkeit schufen die Brüder ganz Mäh-
ren in eine Werkstätte für Nationalliteratur um. Die von
den Brüdern besorgte Uebersetzung der ganzen Bibel mit
Commeutar in ö Ouartbänden (1579 — 93), und Ko-
menskys Werke bilden den Schlussstein der Tausend Jahr
alten böhmischen Sprache und Literatur, und zeigen die
Bildungsstufe an, die letztere bis dahin erreicht hat. Denn
nur zu bald sollte es von da ab- und rückwärts gehen!
335
Hiernäclist ist des «neniiüdetcii Patrioten, Ad. v. \Ve-
leslavvjii, grosses Verdienst um die Cnltur der Landes-
spraclie und Verbreitung literarischer Betriebsamkeit in
Böhmen zu rühmen. Die Schriften dieser Männer sind
nocli jetzt classisclie Muster der grammatischen Sprach-
riclitigkeit. Die böhmischen Pressen lieferten jetzt Pracht-
werke. Melantrich und sein Eidam Weleslawjn erwar-
ben sich auch aJs Buchdrucker den grössten Ruhm. Prag
allein zählte\l8 Iböhmische Druckereien; nebstdem wurde
böhmisch gedruckt in Kuttenberg , Pilsen , Jungbunz-
läu, Leitomyschl , Königgrätz , Prossnitz (Prostegow),
Namest , Ollmütz , Mezeric, Ostrau (Ostrow) , Kralitz,
Geskovvic, und ausserhalb Böhmen in Nürnberg, Lissa,
Amsterdain^ Leipzig, Wittenberg, Dresden Ü7"s. "w. —
Unter allen Fächern \\ urde das theologische mit den mei-
sten Original werken und Uebersetzungen bereichert: Po-
stillen, Predigten, Abhandlungen, Gebet- und Gesang-
bücher, Confessionen und Apologien, Erklärungen der
heil. Schrift, erschienen in «nibeschreibliciier Menge:
diess brachte der Charakter des Jahrhunderts mit sich.
Die vaterländische Poesie stand in hohem Kuf, aber nur
ein Theil ihrer Erzeugnisse ist auf uns gekommen, und
selbst von diesen dürften nur wenige die strengere Kri-
tik eines geläuterten Geschmacks aushalten. Zu den, bei
Maximilians und Rudolphs Lebzeiten glänzenden böhmi-
schen Dichtern gehören Job. Sylvanus (von Geburt ein
Slowak), wegen seines hohen poetischen Talents insge-
mein poeta bohemicus genannt, Job. Herstein v. Rado-
wesic, Georg Horsky, Mart. Pjsecky , Job. Täborsky,
Georg Hanns, Job. Chmelowec, Georg Tesäk, Thomas
Sobeslawsky Resätko, Job. Simonides Turnowsky, Mart.
Pliilomusa, Job. Grylliis von Gryllow, Georg Stryc, und
ganz vorzüglich Simon Lomnicky. Allein die meisten
Geistesproducte dieser Männer tragen das Gepräge des
Jahrhunderts, und gehören grösstendieils der religiösen
Poesie an; die sogenannten schönen Geister schrieben la-
teinische Zeilen, und nannten sie Verse und Carmina^};
die böhmischen Dichter zählten und reimten ihre Sylben
*) Eine ganze Liste lat. Dichter dieser Zeit liefert Prochäzka Com-
mentarius S. 287—317.
336
nach wie vor, an Worten weniger arm, als an Geist.
Blahoslaw , Täborsky , Benesowsky , Nudozerjn und
Koniensky, und späterhin Drachowsky und Rosa, selbst
durch Classiker gebildet, waren auf dem Weg, die
Metrik der Grieclien und Kömer, der Natur der sla-
wischen Sprache gemäss, in der böhmischen Dicht-
kunst einzuführen, als plötzlich der 1620 hereinbre-
chende Sturm ihre Bemühungen mit der Literatur zu
Grabe trug^j. Ganz anders verhielt es sich mit der
Sprache der Beredsamkeit. Die politische Beredsamkeit
erreichte jetzt ihre höchste Stufe. Durch glänzende, nach
dem Zeugnisse der Zeitgenossen bis zur Bewunderung
ausgebildete Rednertalente errangen die Palme dersel-
ben: Graf Adam v. Sternberg, Ad. v. Waldstein genannt
Longus, Bohusl. iMichalowic, Freiherr Wenceslaw von
Budow, Wilh. Slawata, Graf Wratislaw v. Mitrowic u.
Christoph Ilarant. Die Kanzelberedsamkeit war so in
Schwung, dass beinahe ein Drittel der gedruckten Bü-
cher dieser Periode aus Predigten besteht. Die Lehr-
prosa war mit der Redekunst theilweise, in einzelnen
Wissenschaften, vorgeschritten; die ernsteren Wissenschaf-
ten jedoch wurden auch jetzt noch meist lateinisch be-
trieben. Im Fache der Geschichte thalen sich hervor :
Mart. Kuthen, Joli. Dubravius, Wenc. Hajek v. Libo-
can, Prokop Lupac, Ad. v. Weleslawjn, Mich. Kon-
stantinowic, Barth. Paprocky, Wenc. Pläcel, Gr. W.
Slawata u. a. m.; in der Jurisprudenz: Bohusl. v. Hode-
gow, Sim. Proxenus v. Sudetis, Wenc. Freiherr von
Budowec u. a. m. ; in der Mathematik, Naturkunde und
Medicin: Thaddaeus Hagek, Petr. Codicillus, W. Zelo-
tyn. Huber v. Riesenbach, Ad. Zaluzansky u. a. m. ; um
die grammatische Regelung der Sprache und ums Lexi-
con erwarb sich vorzüglich Weleslawjn, so wie um die
ästhetische Kritik und Philologie Nudozerjn ein prakti-
sches, bleibendes Verdienst.
Eine erschöpfende und in jeder Hinsicht befriedi-
gende Uebersicht der Literaturproducte dieses Jahrhun-
derts liegt weder in dem Plane des gegenwärtigen Werks,
') „Carmina bohemica nullam adhuc <jrafiam habent'-'' sagte schon
1603 Laur. Nudozerjn, Prof. der Math., Eloqueuz und griech. Sprachp in
Prag, ein gewiss sehr competenter Richter.
337
noch in den Kräften des Vf.; hier mag eine gedrängte
Auswahl genügen. — Den Uebersetzern und Herausge-
bern der Kralicer Bibel gebührt das wolverdiente Lob,
durch vereinte Kräfte und männlichen Fleiss ein Werk
vollbracht zu haben, wie es wol mir wenige Nationen
aufzuweisen haben. Dieses Werk erschien unter dem
Titel: Biblj ceska w nowe wydanä, Djl I. 1579, Djl II.
1580., Djl III. 1582., Djl IV. 1587,, Djl V. 1588.', Djl
VI. 1593. ohne Angabe des Druckorts, zu Kralic in Mäh-
ren, in einem Format, welches gewölnilich 4. genannt
wird, aber eigentlich kl. fol. oder gr. 8. ist. Die Ueber-
setzung des A. Testaments ist die erste, welche nach dem
hebräischen Grundtext gemacht ist; das N. Testament
wurde schon früher (1563) von J. Blahoslaw aus dem
Griechischen tibei-setzt. Die Uebersetzer waren: Albert
Nfkütat^'l^iifJais^Helic, Joh. Aeneas, Georg Stryc, Esaias
Coepolla, Joh. Ephraim, Paul Jessenius und Joh. Capito.
Der Freiherr Johann v. Zerotjn hat die Kosten zur Ein-
richtung einer neuen Druckerei auf seinem Schlosse Kra-
lic in [Mähren, und der Auflage dieser prächtigen Bibel
vorgeschossen. Die Richtigkeit der Orthographie und der
böhmischen Sprache, wodurch sie sich, wie auch durch
die Schönheit des Drucks vor allen böhmischen Büchern,
die je erschienen sind, auszeichnet, hat diese Bibel so
sehr empfohlen, dass man sie allgemein für ein Muster
der Sprache angesehen hat. Der reelle Werth der üeber-
setzung und des Commentars wird hiebei nicht in An-
schlag gebraclit, obwol es bemerkt zu werden verdient,
dass man in derselben schon volle 200 Jahre früher das
meiste davon enthalten findet, was die gelehrten Kory-
phäen der Exegese »mserer Zeit als ihre grosse Entde-
ckung der Welt zur Scliau dargeboten haben, und diese
mit Bewunderung und Staunen hochpreist ^). Georg
'•) Böhm. Bibeln. N. Testament o. Dr. 475. fol. Pr. 487. 4. Ganze
Bibeln. Prag 488. fol. (Nach der Vulg.), Kuttenb. 489. fol, Yened- 506.
fol., Pr. 527. fol., Pr. 537. fol, Nürnb. 540. fol, Pr. 549. fol. (Melantrich).,
Pr. 556 — 57. fol, (Eb. Pr. 561. fol. ist dieselbe, nur der Titel neu.), Pr.
570. fol. (Eb.), Kralic 579-93. 6 Bde. kl. fol (Aus d. Urtext v. Brüdern),
0. Dr. 596. 8. (Von eb.), o. Dr. 613. fol. (Von eb.), Pr. 613. fol (für
Utraqu.). Pr. N. Test. 677. A. Test. 712-15. 3 Bde. fol (für Kathol),
Halle 722. 8. (für Protest.), Halle 745. 8. (für Protest.) Halle 766. 8. (für
Protest.), Pr. 769-71. 3 Bde, fol. (für Kathol.) Pr. 778-80. 2 Bde. 8.,
(für Kathol), Pressb. 786-87. 8. (für Protest.), Pr. 804. 8. (für Kath.
Berl 807. 8. (v. d, Bibelg.), Pressb. 808. 8. (f. Prot.), Berl 813. 8. (vou d. Bibelg. )
22
338
Stryc Zäbresky , einer der Brüder Uebersetzer, und
gründlich gelehrter Vorsteher der mährischen Brüder-
unität, hinterliess mehrere Schriften theologischen Inhalts,
und eine gereimte Uebersetzung der Psalmen, die bis jetzt
unübertroffen ist : Zalmowe Sw. Dawida w rytmy ceske
uwedene 590. 620. 12. und oft. ; Zrcadlo poctiwe zeny,
Olim. 613. u. s. w. — Karl Freiherr v. Zerofjn der Ael-
tere, Johanns Sohn, (geb. 1564, gest. i636), Landes-
hauptmann von Mähren, königl. Rath und Kämmerer;
dieser unsterbliche Mäcen und Beschützer der mährischen
Brüder, begab sich, in Folge der kais. Verordnung, nach
Verkauf seiner Güter, 1628 in die Verbannung nach
Breslau, wo er den Rest seiner Tage verlebte: er Hess
zahlreiche böhmische Schriften auf eigene Kosten dru-
cken, beschrieb selbst seine Reise ins Abendland, und
hinterliess viele, eigenhändig geschriebene, lateinische,
französische, italienische und böhmische Briefe, die in
der Bibl. des Gr. Wrbna zu Horowic aufbewahrt wer-
den; eine Auswahl der latein. gab Monsei C. L. B. a
Zerotin epistolae sei., Brunn 781. 8., der böhm. Jimg-
inatin in s. Slowesnost, Pr. 820. heraus. — Jolt. Arnos
Komensky (Comenius) aus Konuia unweit Brumau in
Mähren (geb. 1592, gest. 1671), steht zwar der Zeit
nach am Ausgange dieser und Anfange der folgenden Pe-
riode, gehört aber der Sprache und dem Geiste nach in
jeder Hinsicht der goldenen Aera der Literatur an ; er
studirte in Böhmen und Teutschland, ward 1614 Rector
zu Prerau und darauf zu Fulnek, flüchtete sich 1627
nach Lissa in Polen, ward hier Vorsteher der Schule,
darauf 1632 Bischof der böhmischen u. mährischen Brü-
der, und zuletzt 1648 ältester Bischof der Unität in Polen;
er wurde wegen seiner Gelehrsamkeit und hohen Tugend
zu gleicher Zeit nach mehreren Ländern eingeladen,
die Schulen einzurichten; in dieser Absicht ging er 1641
u. ff. nach England, Schweden, Preussen, Siebenbürgen
und Ungern (Säros-Patak), kehrte hierauf nach Lissa
zurück, wurde aber bald genöthigt sich von da zuerst
nach Schlesien, dann nach Brandenburg, und zuletzt
nach Amsterdam zurückzuziehen, wo er den Rest seines
mühevollen Lebens in Ruhe zubrachte ; was er als Bisch.
339
für seine Kirche , und als Pädagog für die Erziehung
seines Jahrh. gethan, geliört der Kirchen- und Cidlur- und
in gewissem Sinne der Weltgeschichte an (wo er zwar
gewöhnlich verkannt wird); als böhmischer Schriftstel-
ler kommt er an Richtigkeit und Correctheit der Sprache
seinen besten Vorgängern gleich, und übertrifft sie alle
an vollendeter, wahrhaft künstlerischer, den Griechen u.
Röuiern nachgebildeter Diction; man hat von ihm mehr
denn 20 böhmische Werke, der Schriften in lat. Sprache
nicht zu gedenken: Orbis sens. pictus, u. Janua lingu.
reserata, beide beinahe in alle europäische und einige
asiatische Sprachen übers, und unzähligemal gedruckt;
(/. Lasifskeho) histor. o tezkych protiwenstwjch cjrkwe
ceske, a. d. Lat, Lissa 655. Amst. 663. Berl. 756. 12.;
Labyrint sweta a rag srdce, Prag 631. 4. Amst. 663.
Berl. 757. Pr. 782. 809. 12.; Hlubina bezpecnosti, Lissa
632. Amst. 663. u. oft.; Theatrum divinum, böhm., Pr.
616. 4.; Manutilnjk, gädro Biblj sw. , Amst. 658. 12.;
Cwicenj se w poboznosti, Amst. 661., Berl. 754. 5 A.
Pr. 782. 12.; Hist. o umucenj a smrti Kr. P., Berl. 757.;
J. LasifsUeho histor. o püwodu a cinech bratrj c., kniha
osmä, a. d. Lat., 649. Halle 763. 8.; Hrad nedobytedlny,
premyslowänj o dokonalosti krestanske, Halle 765. 12.;
Autociste, 655. Halle 763. 765.; Srdecne napomenutj.
Berl. 748. 8.: Dwogj kazanj, Berl. 763.; Ksaftjimjragjcj
gednotyJ)ratrske, Berl. 757. 12. ; Hlas pastyre, Berl. 757.
127 ; Catonis disticha moralia, in böhm. Hexametern,
Amst. 662. Pr. 670. 8.; Umenj kazatelske, herausg. von
Ziegler, 823. 8.; 0 wymjtänj nemeho, prjdawkowe ne-
ktei'j u. s. w.; die latein. Werke erschienen u. d. T. Opp.
didactica zu Amst. 657. fol.; unter den Schriften K.s,
die nicht auf uns gekommen sind, ist der Verlust des in
Lissa verbrannten , böhmisch - lat. und lateinisch - böhm.
Wörterbuchs , von dem er selbst in der böhm. Vorr.
zu s. Janua lingu. spricht, am meisten zu bedauern. —
Mr. Dan. Ad, v. Weleslawjn aus Prag (geb. 1546, gest.
1599), erhielt seine Bildiuig im Inlande, und ward nach
Lupäc's Abgang 1569 Prof der Geschichte auf der Prager
Univ., lieirathete sieben Jahre darauf des verdienstvol-
len böhmischen Buchdruckers , Georg Melantrich von
22*
340
Aveutin , Tochter , erbte 1580 seine Biiclidnickerei,
verlegte eigene und fremde böhmisclie Werke, und starb
als Primas (Präsident) des Magistratsraths in der Altstadt
Prag; er gilt allgemein für den ersten böhmiseben Schrift-
steller dieses Zeitraumes, obgleich seinem, übrigens sehr
richtigen und correcten Styl der Typus altclassischer, und
eben desswegen ästhetischer Sprachdarstellung abgeht,
oder doch wegen einer gewissen Wasserbreite unsicht-
bar ist-, sein grosses, unvergängliches Verdienst besteht
in der Belebung und Verbreitung literarischer Betrieb-
samkeit unter seinen Sprachgenossen, er war der böh-
mische Brockhaus und Cotta älterer Zeiten-, man hat von
ihm gegen 30 böhmische Werke, die er entweder selbst
verfasst , oder berichtigt und auf eigene Kosten heraus-
gegeben hat; eine weit grössere Anzahl ist der fremden
Werke, die unter seiner Aufsicht und Theilnahme mit
musterhafter Correctheit und Eleganz aus seiner Officin
erschienen sind: Kalendär historicky, Pr. 578. 4, 590.
fol.; 0 wrchnostech a zpräwcjch swetskych, nach dem
Teutschen des G. Lauterbeck, 584. 592. 600. fol.; J. Ca-
riona kronika sweta, 584. 4. 602. 4.; Kronika Aen. Syl-
via a M. Kuthena, 585. 4.; J. L. Vivisa nawedenj k mau-
drosti, 586. 12.; 0 zachowänj zdrawj, in Reimen, 587.
12.; Prawidlo krestanskeho ziwota, 587. 8. 600. 8. ; Ho-
spodäi- uzitecny, 587. 8.; Tabule sedmi zlych a dobrych
wecj, 588.7.; Wyklad na Weijm w P. B.^ 588. 8.; Ele-
gantiae Terent. et Plauti, böhm. 589. 8.; Stjt wjry, 591.
8.; Wypsänj Gerusalema, Pr. 592. fol.; H. ßuntinga pu-
towänj SS., 592. fol. 610. fol.; Soliloquia de passione,
böhm., 593. 8. 600.; Käzanj Sw. Bernharda, 593. 8.;
Sw. Jeronyma o krestanskem odgitj, 593. 8.; B. Fahri
diction. 1. lat. cum interpret. boli., 579. 4.; Sylva qua-
drilinguis, 598. 4.; S. Augustina soliloquia animae, bölnn.,
583. 12. 600. 12. 786. 12.; Eb. manuale, 583. 12. 600.
786.; Wypsänj zeme ruske, 592. 8. 786. 8.; A. Mathiola
herbäf, prel. od Hägka, verb. u. verm., 596. fol.; Ec-
clesiasticus böhm., 586. 12.; Nomenciator, 586. 8. u. a. m.
— Weiic. Ilügek v. Libocan (gest. 1553), Domherr u.
zuletzt Propst zu Bunzlau, brachte aus altern Chroniken
eine Geschichte von Böhmen bis 1526 zusammen, deren
341
materieller Werth verscliicden bcnrtlieilt wird, der lii-
storisclie Styl aber imisterhaft, und bis jetzt von keinem
seiner Naclifolger erreiciit, geschweige denn übertroffen
worden ist: Kronika ceska, Pr. 541. fol. Pr. 819. fol. ; aus-
serdem verbesserte er den Solfernus, ziwot Adamüw, her-
ausg. von Ottersdorf 553. fol., und gab noch einige an-
dere Bücher heraus. — Paul Bydzowshy^ Pfarrer bei St.
Galli in Prag, schrieb mehrere Bücher religiösen Inhalts:
0 prigjmanj pod obogj, Pr. 539. 8., Zgewenj Sw. Jana
538. 8., Detätka a newinätka, Pr. 541. 8., theol. Abhand-
lungen u. s. w. — Joh. Wartoivshy von Warta (gest.
1561), übers, des Erasmus Roter. Paraphrase des Evang.
Matthäi: Evang. Sw. Matause s wyklady 542. 4.: die
Paraphrase der 3 übrigen Evang., die er ebenfalls fertig
gemacht hat, ist nie in Druck erschienen; nach Lupäc
und Weleslawjn soll er auch das ganze A. Testament aus
dem Hebräischen ins Böhm, übersetzt und handschriftlich
hinterlassen haben (Dobrowskys Magaz. III. 59). —
Brikcj V. Licsko (Briccius), gab „Präwa mestskä" 536.
fol. und in Verbindung mit Bydzowsky: 0 zarmaucenjch
cjrkwe, Pr. 542. 4. heraus. — Joh. u. Sigm. von Puchotv
übersetzten auf Ferdinands I. Befehl des S. Münster Cos-
mographie ins Böhm., 554. fol. — Boh. Bjlegowsky aus
Kuttenberg, utraquistischer Priester, schrieb eine böhm.
Kirchengeschichte bis 1532: Kronika cjrkewnj, Nürnb.
537. Pr. 816. 8., Historie pikhartöw" a hussitöw 8. u. a.
m. — Marl. Kuthen verfasste eine böhm. Chronik: Kro-
nika ceske zeme, Pr. 539. 4., von Weleslawjn 585.817.,
Ziwot J. Zizky, Pr. 564., übers. Appians Gesch. ins Böhm,
u. a. m. — Joh. August a genannt Pileator (gest. 1572),
Vorsteher der Brüdergemeinde zu Leitomyschl und Senior
der böhm. Unität, stand im Rufe einer grossen Gelehr-
samkeit, und gab 8 Bücher über die Religion und 100
Kirchenlieder heraus: Ohläsenj 541. 8., Pfe 543. 4.,
Pohrebnj käzanj, Leitom. 544. 4., Spis k G. M. Cjsari u.
s. w. — Niki. Cernohyl genannt Arfemisius aus Saaz (geb.
1496, gest. 1556), Primas (Präsident) des Saazer Ma-
gistratsraths, schrieb einp Anleit. f. Beamte und Wirthe
zur Führung ihrer Geschäfte: Zpräwa kazdemu Pänu
uzitecnä, herausg. von Weleslaw^jn als Anhang zu des J.
342
Brtwjn von Ploskowic Hospodär, Pr. 587. 8. — Joh.
Sfranenshy, ein gelehrter Bruder, liinterliess 19 Schrif-
ten religiösen Inhalts: Alnianach duchownj 542. 560. 8.,
Studnice ziwota 556. 8., Zahrädka duchownj 557. 8.,
Hofmeisterowa postilla , Prossnitz 551. fol. , Epist. a
Evang., Pr. 574. 597. 615. 616. 698. Trencjn 645. Zit-
tau 618., Casp. Hubera wyklad na G. Syracha, Pr. 561.
575. fol., Pläc SS. otcuw, Pr. 588. Brunn 721. 8., Ca-
lumnia, Dialog a. d. Lucian, Pr. 561. — Stxt v. Otters-
dorf aus Rakonic (gest. 1583), Bürger, Senator u. zu-
"^ letzt Kanzler der Altstadt Prag, ein hochherziger Patriot,
der zur Ausbildung der böhni. Sprache vieles beigetra-
gen, schrieb eine Geschichte seiner Zeit, rkps. 1546, o
närodu Tureckem, gab den Solfernus nach Hägeks Re-
vision Pr. 553. (Olim. 564. Pr. 600. Tropp. 721.) her-
aus, übers, des Isidorus Hispalensis rozmlauwänj rozuimi
s clowekem, Pr. 549. 551. 8., Ammonii barm, evang. s. vita
Ch. u. s. w. — Benes Optat schrieb die erste böhmische
Gramm., Namiest 533. 8., und liess nach der daselbst
festgesetzten Orthographie s. Uebers. der Paraphrase d.
N. T. von Erasmus, Eb. 533., Käzanj nespornj u. s. w.
drucken. — Wenc. Zelotyn (a formoso monte) aus Prag,
Prof der Med. und Mathem. daselbst, übers. 0 nakazenj
powetrj, Pr. 558. 8. — Joh. Mortnvns genannt Bess,
Pfarrer zu Postupic, übers. 0 zacätku Tureckeho cjsar-
stwj, Pr. 567. 4. — Paul Orlicny genannt Jquilmas
(Hradecky) aus Königgrätz, zuerst Rector in Prossnitz,
dann Pfarrer in Kygow, übers, des Jos. Flavius : 0 wälce
zidowske, a. d. Lat. d. Rufinus, Prossnitz 553. fol. Leut-
schau 805. 8. im Auszuge von Kramerius Pr. 806., Roz-
mlauwänj z her Terencowych, Prossn. 550., 8., Mrawnä
naucenj Catonowa, Pr. 569. 8., iModlitby na ep. a evang.,
Pr. 589. 8. — Thaddaetis Hdgek v. Hdgek^ Doct. der
Med., zugleich ein berühmter Astronom, lebte als kön.
Leibarzt am Hofe Maximilians u. Rudolphs II., er schrieb:
Wyklad proroctwj Tureckeho 560. 8., übers, des Ma-
thiolus Herbär aneb bylinär, Pr. 562. fol. verm. u. verb,
von Iluber u. Weleslawjn 596. fol. - Ad. Zaluzansky
v.'^Zaluzati, Med. Doct. und vorzüglicher Naturforscher,
ging in der Lebre von der Sexualität und Befruchtung
343
der Pflanzen dem grossen Linne um anderthalb Hundert
Jahre vor, indem er sich zuerst darüber bestimmt und
klar äusserte in s. Mcthodns rei herbariae Pr. 592. Frankf.
604. 4., die zwar lat. geschrieben ist, aber auch die böhm.
Nomenclatur enthält. — Tho)n. Resel, Pfarrer zu Jero-
sow , verfertigte ein Wörterbuch: Diction. lat. - boh.,
qilm. 560. 4., Dict. boh. - lat., Olim. 562. 4. — Paul
Cernowiceiius verfasste ein Vocab. rhythmobohemicum,
Pr. 614. 783. 8. — Job. Biahoslaw, (geb. 1523, gest.
1571,) einer der Vorsteher der Brüderunität, wegen sei- /"
ner ausgebreiteten und gründlichen Gelehrsamkeit sehr '
geschätzt; er war der Erste, der das N. Test. a. d. Griech.
übersetzte; N. Zäkon (o. Dr.) 564. 12. 568. 4.; Ducho-
wnj pjsne, Ziwot J. Augusty Msc. u. s. w. — Thom. So-
beslau'sky Resdfko, Pfarrer zu Susic, stand als religiöser
Dichter zu seiner Zeit in hojiem Ruf: Kancionäl, Pr.
610. 2 Bde. fol., Zpräwa duchownj 574., Postilla djtek
577. 589. 601. 617., Summa ucenj kfest. 611. 8., 0
dni saudnem, Rebrjk Jakoba, Pranostikowänj u. s. w. —
Matth. Benesowsky, Prediger bei St. Jakob, verfasste
eine Gramm, boh., Pr. 577. 8., Knjzka slow ceskych wy-
lozenych, übers. Epist. Sw. Ignatia a. d. Griech. (oh. J.
u. Dr.) — Lmir. Leander Rwacowsky,\)Qc\mii{m^G\\\sin'^
Masopustnjk 562. 574. 4., Knjzka zlatä, Olim. 577. 8.,
Auslegungen der h. Schrift, Gebetbücher u. s. w^ — Pet
Codicül Sedlcansky v. Tulechoiv (gest. 1613), zuerst
Consistorialr. u. Notar, dann Prof. der Math. u. d. griech.
Sprache, gleich berühmt als Historiker, Philosoph und
Astronom, hinterliess 10 Schriften: Calendarium perpet.
astron. 4., 0 artikuljch wjry 12., Pjsne na Epist. a Ew.
584. 8., Modlitby Pr. 574. 8. u. s. w. — J. Grylhis von
Gryllow, (gest. 1599) zeichnete sich als religiöser Dich-
ter aus, und wurde von Rudolph in den Adelstand er-
hoben; er hinterliess 8 Bücher, meist in Versen: Ew^ang.
s wyklady a s rytmy 595. 8., Skutky Kr. P., Pr. 587. 595.
8., Ziwoty Patriarchu 582. 8. — Math. Gry Uns v. Gryl-
loiv Rakownjcky (gest. 1612), Prof. an der Univ. in
Prag, schrieb: 0 kometäch 578. 8. — Wenc. Dobr-ensky,
ein fleissiger Schriftsteller, hinterliess 1 4 Bücher : Pramen
wody ziwe, P. 581., Stjznost na hrjchy, Pr, 582. 4.,
344
Wrtkawe stestj, Pr. 583. 12., Wenjk fjkowy, Pr. 587.
12.11. s. w. — Wenc. Sturm, ein Jesuit, gebildet in Rom,
bekämpfte nach seiner Rückkehr mit Eifer die nichtka-
tholischen Böhmen ; er übers. Augustins Br. gegen die
Donatisten, Pr. 584, und schrieb noch 8 andere Bücher
gegen die Brüder. ~ Johann Makowshy übers. Augustins
Enchiridion, Pr. 559. — Balfh. Hosiowjn, Jesuit, übers.
Augustins meditationes, Pr. 573. Vinc. Lirinensis com-
monitorium adv. haereticos, Pr. 590. — Siin. Lommcky
V. Budec, gekrönter Dichter und kön. Hofpoet, von Ru-
dolph in den Adelstand erhoben; er brachte 28 BB.,
meist in Versen, zu Stande: Kupidowa strela, Pr. 590.
8., Päd sweta, Pr. 597. 12., Tobolka zlata 615. 791. 8.,
Naucenj mlademu hospodäri, Pr. 586. 8. 794. 12., Hädänj
mezi knezem a zemanem 589. 8., 0 djtkäch krestanskych
609. 8., Kancionäl nedelnj, Pr. 580. 4., Wyklad na Modi.
F., 605. 8., Pohfeb Kr. P., Pr. 605. 8., Wjtezstwj wjry
616. 8. — Joh. Kocjn v. Kocmef, Syndicus der Altstadt
Prag, gebildet in (Strassburg, stand im grossen Rufe der
Beredsamkeit unter~~sr^Zeitgenossen, und ist überhaupt
einer der vortrefi'liclisten, verdientesten böhm. Schrift-
steller: er übers, des Eusebius Pamphilus u. Cassiodorus :
Historia cjrkewnj, Pr, 594. fol., Kronika nowä o närodu
Tureckem a cesta z Wjdne do Constantinopole, herausg. v.
Weleslawjn Pr. 594. 4., Plutarchs praec. gerendae reip. in
Weleslawjns polit. histor., 0 tazenj proti Turku, eb., Rag
rozkosneho naucenj 613., 0 rjzenj a opatrowänj boz-
skem u. s. w. — Mart. Repansky schrieb : 0 potope
sweta 587. 8., 0^ moru 599. 12., 0 neplodnosti manzel-
ske 12. — Joh. Stelcar Zelefmvsky, Pfarrer in Mnichow
u. Dohalicky , ein fruchtbarer Schriftsteller: Knjzka o
carodegnjcjch, Pr. 588. 8., Lekai'stwj duse 592. 12. 608.
8., Zahrädka dusj nemocnych, Pr. 597. 12., zahlreiche
Predigten, Gebetbücher u. s. w. — Georg Dikastus Mif-
koivsky, Pfarrer bei der Teyner Kirche in Prag, u. Ad-
ministrator des ConsistoriuiMs, 1621 landesvervviesen, ein
vortrelTlichcr Kanzelredner, ist Vf mehrerer Schriften:
Postilla kazdodennj 612. 8., Modlitby 598. \2., Postilla Pr.
612. 2 Bde. 4., Cesta Jakoba 601. 12., Historie Kr. P.,
Pr. 617. 12., Paweza proti moru 4. u. s. w. — Jd. Huber
345
von Riesenhach (geb. 1546, gest. 1613), Doct. der Med.
II. Prof. an der Univ. in Prag, ein Mann von ausgebrei-
teter, gründlicher Gelehrsamkeit, Freund von Matliiolus
und Weleslawjn, (1609 einer der 24 Defensoren, 1612
Rector der Univ.), berichtigte und vermehrte mit We-
leslawjn Ilageks Herbar 596. fol, gab mehrere medici-
nisclie Werke: Apateka domäcj, Pr. 602. 8., Kalender
u. s. w. heraus. — Joh. Achilles Berunnsky, Pf. in Pfi-
bislavv, verfasste eine beträchtliche Anzalil religiöser
Schrifen: Wyklad na Daniele, Pr. 590.. W. na Ewang.,
Pr. 588. 589. 595. 611. W. na Epist., Pr. 595. 8. Wyklad
pjsem Sw. 616., Knjzka o polnjm heytmanu, Pr. 595. 8., N.
Hemminga cesta ziwota wecneho 587. 8., Predigten u. s. w.
— Georg Tesäk Mosoicsky, Pf. in Prag, ein fruchtbarer
theologischer Schriftsteller: Pautnjk duchownj 612. 8.,
Nowe leto 610. 8., Angelsky trank 12., 0 winohradech
Pr. 611. 8., Spis 0 strasliwem powetrj 613. 8., Predig-
ten u. s. w. — Wenc. Sloivacuis Tw^nowskij, Pfarrer in
Rozdialowic, hinterliess 18 böhmische Werke: Postilla,
Pr. 612. 620. 2 Bde. fol., Wyklad recj Adwentnjch, W.
na i-eci postnj 613. 4., Predigten, Gebetbücher u. s. w.
— Wenc. Pläcel v. Elbing aus Königgrätz (geb. 1556,
gest. 1604), Stadtschreiber in Königgrätz, verfasste Hist.
zidowskä, Pr. 592. fol. in einem leichten, fliessenden,
lichtvollen Styl. — Barth. Paprockij, polnischer Edel-
mann , lebte zuletzt in Prag, und verfasste mehrere
Werke in polnischer, einige auch in böhmischer Spra-
che: Diadochos, t. g. poslaupnost knjzat a krälu ceskych,
Pr. 602. fol, Nowä kratochwjle, Pr. 597. 600. 4. Vgl.
§. 52. — Raph. Misotüsky, Ritter von Sehiizina (sonst
Sohehrd) aus Bischofteinitz (geb. 1580, gest. 1644), stu-
dirte in Paris und Rom, und war zuletzt Appellations-
rath in Prag und Vice-Kämmerer des Kgr. Böhmen, ar-
beitete mit dem vorigen gemeinschaftlich an mehreren
Werken, namentlich an der Diadochus, die er aus dem
Pohl, ins Böhm, übersetzte. — Wenc. Wratislaiv Graf
V. iMitrowtc (gest. 1635), beschrieb seine merkwürdige
Gesaudtschaftsreise von Wien nach Constantiuopel: Prj-
liody Wrat. z Mitrow^c, Pr. 777. 8., v. Kramerius Pr. 805.
8, — Prokop Liipac v. Hlaivacow, bis 1569 Prof, der
346
Geschiclite an der Prager Univ., als Dichter und Histo-
riker gleicli berülimt ; s. Epliemeris s. Calendarium hi-
storicuni Nürnb. 578. vollst. Pr. 584. 4. wurde eine Zeit
lang in den gelelirten Schulen Böhmens öffentlich gele-
sen; Histor. 0 Cjsari Karlowi IV. 584. 8. u. s. w. — Se-
hast. Sci/no {Bei'h'ckd) aus Pilsen, Jesuit, übers, des
h. Gregorius Dialoge, Ollin. 602., 0 bezzenstvvj knezskem
u. s. w. — Ahr. V. Ginterod, muthmasslich (nach Voigt)
Pfarrer zu Straskow, studirte 1590 zu Wittenberg, und
rdiers. hier Xenophons Kyropädie aus der Ursprache ins
Böhm., in einer sehr correcten, fliessenden Schreibart:
Cyripaedia, Pr. 605. 4., im Auszuge von Kramerius, Pr.
808.; am Ende sind 12 interessante Abhandlungen aus
der Alterthumskunde beigefügt. — Hawel Zahinsky,
Pfarrer bei St. Galli in Prag, einer der fruchtbarsten
böhmischen Schriftsteller im theologischen Fach: 0 slu-
zebnjcjch cjrkewnjch 614, 8., 0 mucedlnjcjch ceskych
.lanowi z Husince a Jeronymowi Prazskem, 5 Predig-
ten 619. 8., 0 protiwenstvvjch cjrkwe, Pr. 619. 8., 0
smrti, Pr. 615. 8., 0 posled. saudu 615. 8., 0 pekle
615. 8., 0 ziwotu wecnem 615. 8., 0 ctnosti angelske 605.
12., mehr. Abhandlungen u. s. w. — Gifj Zmveta v. Zäwe-
fic beförderte 13 böbm. Schriften zum Druck: Dworskä
skola 607. 8., Wolenj a korunowänj C. Mathiäse I. 611.
4., Roräte Pr. 616. A., Kancionäl 2 Bde. u. s. w. — Chri-
stoph Harunt i\ Poliic n. Bedriizic (enth. 1621), unter
Rudolph und Mathias Kämmerer, unter Kg. Friedrich
Präsident der böhm. Landkammer, unternahm eine Reise
nach dem gelobten Lande und Aegypten, deren überaus
anziehende, mit Geist und Laune verfasste Beschreibung
er selbst herausgab: Cesta z Cecli do Benätek u. s. w. (o.
Dr.) 608. 668. 4. — Wenc. Bndowec Freiherr v. Budow aus
Prag (geb. 1547 enth. 1621), Hofr. u. Oberststeuer-Ein-
nehmer des Kgr. Böhmen, studirte in Paris, und berei-
ste beinahe ganz Europa (im J. 1578 wüFde er als Ge-
sandter nach Constantinopel geschickt) ; er war zu seiner
Zeit der vortrefflichste Rechtsgelehrte und politische Red-
ner im Lande, zugleich einer der eifrigsten und mäch-
tigsten Beschützer der böhm. Brüder, 1609 einer der 24
Defensoren; man hat von ihm mehrere lat. und böhm.
347
Schrifteil: Aiiti - Alkoraii, Pr. 614. 3 Bde. 4., Obraiia
Aiiti-Alkoraiiu 627. 4., auch liabeii meJirere, von den
evang. Ständen herausg. bölnn. Apologien ihn zum Vf. —
Hynek v. Waldsfew hatte eine eigene ßuchdruckerei in
Dobrowic, und gab 5 Bücher unter s. Namen heraus :
Zprawa o radu politickem 610. 8., Zrcadlo potesenj rnan-
zelum 610. 8., Pjsnicky pekne 610. 8. - Maffh. Ko-
necm'l schrieb: Diwadlo bozj 616. 4. ein wegen der vor-
treffliclien Schreibart sehr geschätztes Buch; 0 powiii-
nostech krestanskych 612. 8., Kazatel domownj, König-
grätz 618. 4., 0 swätostech 625. 8. — Simon Yalecms
Launshy, Prediger bei St. Adalbert in Prag, hinter-
liess: Prjprawa k smrti 610. 8., Ziwot M. Jeronyiiia 611.
8., 0 zpräwe gazyka, Pr. 616., Predigten u. s. w. — Willi.
Graf Slüwata von Chlum u. Kosumberg fgeb. 1573,
gest. 1652), k. k. Rath, Burggraf von Karlstein, zuletzt
Vice-Oberstkämmerer bei der kön. Landtafel, bekannt
durch sein widriges Schicksal am 23. Mai 1618; er bil-
dete sich in Italien und auf Reisen in Frankreich, Spa-
nien, England u, s. w., und beschrieb umständlich die
Begebenheiten seiner Zeit, Msc. — Wjf Jakes (Jakesius)
Preroivsky, Pfarrer bei St. Gallus in Prag, 1621 ver-
bannt (gest. um 1641), hinterliess mehrere Schriften:
Decalogus Pr. 602., 0 manzelskein stawu 610. 8., Cesta
otcuw, Pr. 611. 8., 0 powetfj, Pr. 613., Trivium, Pr.
620. — Mr. Vicf. Wrbensky, Prediger bei St. Niklas
in der Altstadt Prag, 1621 landesverwiesen, gab 11 böhm.
Werke in Druck heraus: Synopsis bibl. 606. 4., Konfessj
ceskä, Dobrowic 614., Snem Niniwitsky 615., Rozebränj
Biblj Sw., Königg. 618. kl. fol., Postilla, Harmon. ewang.
Chiranomia bibl. u. s. w. — Zach. Bruncivjk aus der Neu-
stadt Prag, Pfarrer zu Neustadt an der Bela, verfasste
16 BB. theologischen Inhalts: Zrcadlo kacjrstwj 614. 8.,
0 zemetfesenj w kr. Bechynskem, Pr. 615. 8., Srownänj
dwau tyrannü cjrkwe 631. 8., Käzanj o morowe räne,
Pr. 606. 4., 0 cjrkwi Sw., Pr. 607. 4., 0 wtelenj, Pr.
607. 4., 0 Bohu, Pr. 611. 4., 0 postu, Pr. 613. 8., 0
ocistci, Pr. 613. 8.,^ Zrcadlo zkäzy Gerusalema, Pr. 610.
— Kypr. Pesina Zatecky, Pfarrer in Kuttenberg, hin-
terliess 11 BB. meist Predigten und Auslegungen der h.
348
Schrift. — Jali. Petrozeljna Kunstatsky, Pfarrer in Tfe-
bic, gab 7 Werke in Druck lieraus: Postilla 4., 0 baur-
kacb (elesnych i ducbownjcli. Fr. 616. 8., Betrachtungen,
Erklärungen u. s. w. — Shn. Partlic d. Jüngere (Trischi-
niensis), Rector der Klattauer Schule: Adamus judicatus,
ein geistliches Drama mit e. böhm. Uebers. in Reimen
von Tli. Rosacius, Fr. 613. 4., Kalendär hospodärsky
617. 4., Tractatus cometographicus, Königgr. 619. 8.,
BJC neb metla bozj u. s. w. — Mr. Jak. Krupsky d. Jün-
gere aus Teutschbrod, Rector in Schlan, übers. Flu-
tarchs tcsqI naCöcov dyäyrjs aus dem Griech. u. d. T. Wy-
straha djtkam, Fr. 609. 8. — /. Rosacius Susicky: Pfar-
rer bei St. Niklas auf der kleinen Seite in Frag, 1621
landesvervviesen, zeichnete sich auch als lateinischer Dich-
ter aus: Zacatek sgezdu trech stawu pod obogj, Fr. 618.,
0 swornosti manzelske 583. 12., Biblickä losnj knjzka,
Fr. 589. 12., Korunka mucedlnjkü bozjch u. s. w. —
Math. Krncjn Chrudjmsky, Pfarrer zu Rychnow, schrieb:
0 wecori Päne, 618. 8., Konfessj cesko-augsb. 12., Wy-
klad na Modlitbu F., 620. 8. — Sani. Marfimus von
Drazoiv, fgest. 1639) Prediger bei St. Castulus u. Kreuz
in Frag, 1621 landesverwiesen, gab zahlreiche Schriften
theolog. Inhalts, zuerst in Frag, dann in eigener Buch-
druckerei zu Pirna heraus. — Joh. Ctibor Kotwa von
Freifeld, lebte unter Mathias und Ferdinand IL, Dom-
herr bei der Metropolitankirche in Frag, wegen seiner
glänzenden Kanzelberedsamkeit der böhmische Cicero ge-
nannt. — Heinr. Pj.seky genannt Scrihonms , Admini-
strator des Frager Erzbisthums, schrieb mehreres für
die Katholiken, darunter einen böhm. Katechismus. —
Mich. Konstantin oiric von Ostrowic, u. ^. Augezdecky:
Kronika Tureckä, Leitom. 565. — Burian von Kornic
übers. J. Cariona Kronika sweta 541., 2 Ausg. verb. von
Weleslawjn Fr. 584. 602.4. — Blas. Borowsky a. Königg.,
Pfarrer zu Holohlawy: Wyklad na Epist. 617. 4., ver-
scliiedene Fredigten 1603 — 16. — Niki. Krnpiehorsky:
0 dni saudnem, Fr. 612. 8., 0 gmcnu bozjm, 590. 8.,
0 weceri F., 593. 8. — 3Jart. Philadelph. Zämrsky (gest.
1592), Vorstelier der Brüdergemeinde zu Oppau, hinterliess
ehie Postilla ewangelicka, 592. 2 B. f., Dresd. 602. fol., Pjsne
349
duchownj, Pr. G07. 8. — Jak. Akanth. Mifis, Pfarrer
in Drinow : Autociste poboznycli , 613., Katecliismus,
Pr. 613., Käzanj 614. 8. u. s. w. — Casp. Jrtopoeus Par-
duhsky, Decliaiit in Sclilan: Srovvnanj Eliase a Hussa,
Pr. 620., Snjzenj a povvysenj Kr. P. 610. 4. — Bem'am.
Pefiek v. Polkowic, Schreiber bei der Landkainmer,
(ibers. A. Bncliholzers: Registrjk historickv, 596. fol.,
und Mathesius: Histor. Kr. P., 596. 2 ßde.*^fol. — Da-
tnd Crimtus Nepoimicky v. Hlawacow , Stadtschreiber
in Rakonic, ein latein. und böhin. Dicliter: Rytmy ceske
a latinske na ewang., Pr. 577. 598. 2 Bde. 12., Zalmy,
Pr., 590. 12., Pielatis puerilis initia, lat. u. böliin. u. s. \v.
— Sigjii. Crimtus Sfrjbrsky , Pfarrer zu Semil: Roz-
gjniänj zalmu 594. 12., Rada 597. 616. 8., Krestanske
djlo dennj 613., 0 manzelslvvj u. s. w. — Joh. Wenc,
Cicada (CodedaJ, Pfarrer in Prag: Cesta k ziwotu wec-
nemu, Pr. 607. 4., Predigten u. s. w. — Jak. Jakobides
Sti'jbrsky, Prediger bei St. Martin in Prag, 1621 lan-
desverwiesen: Budic otce celednjho, Pr. 600. 8. — Karl
Dan. V. Karlsberg : Pjsne duchownj, Pr. 614. 12., Zal-
mowe 618. fol. — iS/j?^ Prt/y/<« iModlicansky sclirieb gegen
20 Bücher über religiöse Gegenstände. — Sim. Claffo-
veniis (Klatowsky) übers, des Rob. Parus: Kronika pa-
pezuw 565. 4. — Joh. Wodicka Ledecky, Pfarrer in Lo-
wosic: Pjsne na ew. a ep., Pr. 609. 2 Bde. 4. (mit Me-
lodien); 0 weceri, uinucenj a wzkrjsenj Kr. P. Pr. 607.
— Zdenek Otto Ritter von Los: Antikristüw saud 601.
fol. — Tob. Maurenju Litoniyslsky : Wek cloweka, du-
chownj hra, Pr. 604. 8. Wittenb. ^736. 8., Zrcadlo dwau
bohäcüw, Olim. 694. 8., Wyklad na Ew. Sw. Jana 595.
605. u. s. w. — Dan. Stodolius v. Pozoiv, schrieb geistli-
che Dramen : 0 podwräcenj Sodomy a o Obetowänj Isäka,
Pr. 586. 8. — Joh. Thaddaeus Mezfjcky, Dechant zu
Gicjn: Wyswetlenj o stawu manzelskem, Pr. 605. 8.,
Predigten u. s. w. — Prok. Paeonius aus Swetnow (gest.
1613) Rector in Teutschbrod, darauf Prof. der Phys. u.
Polit. in Prag, schrieb ausser vielen Gedichten: Lekai'-
stwj w cas räny niorowe 613. — Wenc. Rames, Stadt-
schreiber zu Klattau : Historicke wypsänj o Sigmundowi
C, 589. 8. — Wenc. Steph. Teplicky, Erzdechant zu
350
Kuüenberg: Rod. Kr. P., Pr. 607. 8., Porädek Pjsem
Sw., Königg. 620. 8., 0 powetrj, Pr. 605. 8., Roznilaii-
wanj 0 liorach 8., Wyklad na proroky, Pr. 606 ff., —
Sixt und Ambrosms Rathssclireiber in Prag, übers, des
P. .Jovins: 0 wecech a zpusobjch närodu Tiir. Pr. 540
4. — Joh. Rakownicky, Prager Bürger, verf. eine Ge-
scbichte von Böhmen 575 - 87. Msc. — Prihislaw von
Radonjn sclirieb eine Clironik von Böhmen, Msc. aus
dem XVII. Jahrh. — Wenc. Bi'ezan verfasste zu An-
fange des XVII. Jahrh. die Genealogie vieler böhm. Fa-
milien, Msc. — Ulr. Prefat von Wlkanoiv beschrieb sei-
ne Reise nach Palästina: Cesta z Prahy do Palestiny Pr.
563. fol. 786. 8. — Joh. Miroticky übers, aus dem Lat.
Obycege, präwa u. s. w. wsech närodiiw Olim. 579. fol.
— Wenc. Lebeda von BedrsfGrfyerfasste: Pozname-
nänj mest, zämküw a ded. Kr. C. Pr. 610. 8. 8 A.
778. — Ulr. v. Pt'ostiboi' und Lochowic, böhm. Ritter
und Vice-Landschreiber unter Ferdinand I. verfasste:
Präwa a zrjzenj zemskä Pr. 550. fol. 6. A. Brunn 701.
— Wolf r. Wresoivic, k. Rath , Ober-Landschreiber
und Präsident der Landkammer : Präwa a zf. z. Pr. 564
fol. 594. — Mr. Pmd Chrn. v. Koldjn, Kanzler der Alt-
stadt Prag: Präwa mestskä Pr. 579. 12. 5 B. 700. —
Joh. Peli'jk von Benesow übersetzte einige pädagogische
Schriften des Erasmus: Rozmlauwänj djtek Pr. 534. 8.,
0 mrawjch djtek Pr. 537. 8. - Hynek Krabice von
Weitmile verfasste: 0 rodu PP. z Weitmile a Krabic,
Msc, derselbe oder ein anderer in seinem Auftrag, über-
setzte eine Diätetik ins B. Pr. 536. fol. — Mich. Piecka
Smrzicky, verfasste einen launigen Roman: Akcj a ro-
zepre mezi filosofem, w lekarstwj doct. a oratorem aneb
procuratorem Pr. 609. 8. — Niki. Sud von Semanin,
ein berühmter Astronom , gab 1520-57 Ephemeriden
und Prognostiken heraus. -- Kypr. Lwowitsky von Lwo-
wie, schrieb ebenfalls Prognostiken. — Sini. Podolsky
verfasste 1617: 0 meräch zemskych Pr. 683. 4. — Bu-
wor Rodowsky von Hustirany d. Ae. (gest. um 1572)
und B. R. V. H. d. J. verfassten mehrere astron. Werke;
letzterer übers, die Geschichte Alexanders und einiges
aus Plutarch a. d. Gr., Aristoteles B. über die mensch-
351
liehen Tugenden a. d. Kroat. Msc. 1574., und liinler-
Jiess: Keci starycli filosoiow, eb. Msc. — Joh. Gewicky
Ceniy, Zabrezer Bürger, übersetzte einiges über Che-
mie u. Naturg. Olim. 556.-559.8. — Ge.Ni/d.Brnenskij
(Pr. 567.) und Ge. Görl von Görlsfein (Pr. 577.) ga-
ben böhm. Lehrbücher der Arithmetik heraus u. s. w.
Noch wurden das Gebiet der Religion, der Moral
und der Theologie, ausser mehreren andern, von fol-
genden Schriftstellern literarisch bearbeitet, deren Na-
men und Schriften man grösstentheils in dem Index li-
bror. hohem, prohib. verzeichnet findet: Lavr. Andrea,
Joh. Aupicky, Beties Baworinsky, Thoni. Baworowsky,
Joh. u. Wenc. Benesowsky, Bohusl. Bepta, Joh. Boleslaw-
sky, Clem. Bosdk, Matth. Brodsky, Joh. Burda, Joh.
Bydzoivsky, Joh. Cadaverosus Kaurjmsky, Sixf Candidas
Katnohorsky, Joh. u. Mari. Carchesins, Wenc. Carion,
Joh. CaupUius Teynecky, Georg Chohotides, Joh. Chodo-
lias, Tob. Cichoreus, Ad. Clemens Pizensky, Wenc. Cle-
mens Zatecky, Math. Culfrarius, Niki. Cjsek., Georg Jak.
Dacicky, Jer. Denhart, Wenc. Fahricius, Franz Firlink,
Joh. Flaxius, Jak. Halecius, Paul Lucinus üeliconiades,
Joh. Herink Nymbnrsky, Joh. Hertwicius, Joh. Hery-
fes, Math. Holecky, Steph. Holomaucansky, Christoph
Joh. Hranicky^ Wenc. Hussoimis, Elias Jak o In Chrn-
djmsky, Math. Janda Cechticky, Thom. v. Jaworic, Th.
Jaworowsky, Barth. Jaworsky, Marl. Pristach Katvka,
Marl. u. Bohusl. Klatoivsky, Alb. Georg Klusdk, Wenc.
Knobelius Caslatvsky, Paul Korka, Andr. Kracowsky,
Joh. Krtsky, Jak. Kunwaldsky, Joh. Laetus, Joh. Sixt
von Lerchenfeld, Joh. Locika Domazlicky, Dan. Loebryn,
Civilius Lomnicky, Mich. Longolius, Melichar Luzsky,
Paul Lykaon Kostelecky, Georg Maly genannt Swoboda,
Wenc. Martinides Turnowsky, Vicf. Ad. 3Iartinsky, Joh.
Jac. u. Joh. Matheolus Sedlcansky, Wenc. u. Paul u. Joh.
Ge. Mathiades, Marl. Michalec, Math. Miljnsky, Joh.
u. Bart. Netolicky, Paul Nonnitis Hermanoniestecky, Joh.
Pacheus Budjnsky, Matth. Pacuda Dokromilicky, Hier.
Palingenius Hor.sky, Matth. Philomathes, Math. Plzen-
sky, Math. Policansky, Andr. Polifsky, Joh. Rdcek von
Chotefin, Wenc. Rakownjcky, Joh. Regius Zelkow.^ky,
352
Ge. Ri/häk Strakomcky, Georg Seqiienides Choteborsky,
Paul Sloivacius, Joh. ii. Jak. Soheslawsky, Wenc. Math.
Solnicky, Ge. Stephamdes Clirudjmsky, Jak. Stephanides
Prihislaivsky, Joh. Stephanides Wesetsky, Sim. Stepha-
nides Jlusinsky, Adaui Heim', v. Strachoim'c, Niki. Sti-
pacius Strakowsky, Math. u. Hier. Strjbrsky, Joh. Siidli-
ciifs, Ge. Tacititrtms Hdysky, Wenc. Textorius Dworsky,
Wenc. Steph. Thermen, Joh. Kyr. Trehicky, Dan. Tosan,
Mart. Tribalins Holicky , Sigin. Tribucelins , Trojan
Hernianomestecky , Wenc. Tnrnowsky, Jes. Camillus
Wodnansky, Joh. Wales, Hawel Barth, v. Warwazoiv,
Christ. t\ Wlcetju, Jak. Woljnsky, Joh. Zahutnensky,
Tob. Zäworka Lipensky, Hawel Zelezny, sonst Lsti-
borsky, Dav. Hawel Zluticky ii. a. m.
§. 42.
Dritter Periode erste Abtheilung. Von der Schlacht am
weissen Berge bis auf K. Joseph II. J. 1620 — 1780.
Mit der Schlacht am weissen Berge hörte Böhmens
glänzende Periode auf. — Mathias liess seinen Neffen,
Erzh. Ferdinand von Oesterreich, auf einem Reichstage
1617 zum König von Böhmen krönen. Ferdinands be-
kannte Abneigung gegen die Protestanten ermuthigte
die Katholiken zu neuen Versuchen gegen die erstem.
Schon bei Mathias Lebzeiten erschienen mehrere Ver-
ordnungen, die den nichtkatholischen Böhmen Besorg-
nisse eintlössten. So beschuldigten letztere die 1617 ver-
schärfte und der Kanzlei anheimgestellte Censur der Par-
teilichkeit, und fanden sich in den durch den Majestäts-
brief dem Consistorium und den Defensoren zugestande-
nen Rechten beeinträchtigt. Als endlich der Abt von
Braunau seinen protestantischen Unterthanen die Fort-
setzung eines Kirchenbaus untersagte, der Erzb. v. Prag
in Klostergraben das Gotteshaus niederreissen liess, und
die protestantischen Stände sich vergebens darum beim
K. Mathias beschwerten: da brachen die Leidenschaften
1618 in offenen Kampf aus. In dem Krieg der akatho-
lischen Böhmen gegen ihren Landesherrn hatten erstere
das traurige Glück, anfänglich Sieger zu seyn. Desswe-
353
gen wollten sie, als Mathias mitten in diesen Unruiien
starbt (1610), den Erzli. Ferdinand nicht mehr zu sei-
nem Nachfolger, sondern wählten Friedrich V. Kurfür-
sten von der Pfalz zu ihrem Könige. Aber die Nieder-
lage bei Prag 1G20 entschied ihr Schicksal unwiderruf-
lich. Acht und vierzig Häupter der Empörung wurden
eingezogen, 27 ötFentlicii hingericlitet, für 53 Mill. Tha-
ler protestantisches Eigenthum confiscirt. Alle Religions-
übung der Protestanten in Böhmen und Mähren musste
aufhören, und das Volk wurde zum römischen Cultus
zurückgeführt. Die Prediger und Lehrer wurden aus
dem Lande gejagt; 30,000 Familien wanderten mit ih-
nen aus, darunter allein 185 alte Geschlechter der Ba-
ronen und Ritter. Brandenburg und Sachsen, auch die
Schweiz, Holland und Siebenbürgen, erfreuten sich der
Blüthe von Böhmens Gelehrten, Künstlern, seiner ge-
schicktesten und arbeitsamsten Handwerker und Ackers-
leute ^). Ferdinand vernichtete den Majestätsbrief, und
führte unter den Ständen den geistlichen wiederum als
den ersten ein. Die 1619 verjagten Jesuiten kehrten
1620 triumphircnd nach Prag zurück, und übernahmen
die Universität. Ferdinand III. (1637 - 57) suchte die
Wunden des Landes zu heilen, und die Liebe der Böh-
men zu gewinnen. Er nahm den Jesuiten die Universi-
tät, die von nun an die Karl - Ferdinandische heisst,
und stiftete mehrere Gyiiniasien. Aber erst unter sei-
nem Nachfolger, Leopold I. (1657 - 706), konnte sich
das verödete Land merklich erholen. Gleichwol wurde
diese ersehnte Ruhe durch die Drangsale des Krieges
in den J. 1740-1763 wieder empfindlich gestört.
Nach dem .]. 1620 änderte sich der Zustand der
böhmischen Literatur; das blühende Feld des Sprach-
anbaues wurde auf einmal in einen Schutthaufen ver-
wandelt. Alle seit 1414-1630 iierausgegebenen böhmi-
schen Bücher wurden der Ketzerei verdächtig, ihre Le-
ser und Verfasser vertrieben, und in der öden Zeit des
30jährigen Kriegs keine neuen geschrieben. Einige über-
spannte Eiferer unter den Jesuiten vernichteten die Werke
^) Dobrowsktjs wahres, gerechtes, christliches Urtheil hierüber ist
in Magazin I. 11— IS. nachzulesen.
23
354
der vorigen Jahrhunderte zu Tausenden durch Flammen.
Diess ist die Ursache, dass man sie jetzt kaum dem Na-
men nach kennt^). An eine Fortbildung der Sprache
ist in dieser traurigen Periode gar nicht zu denken; nur
in Grammatiken und Wörterbüchern (Dracliowsky,
Rosa, Wussin) und in einigen wenigen Geschiclitsbü-
chern (Pesina, Beckowsky, Korjnek) pflanzte sich die
geregeltere Schriftsprache, diese mühsam errungene Frucht
zweier Jahrhunderte , gleichsam im Stillen fort. Die
teutsche Sprache wurde in allen öffentlichen, bürgerli-
chen und gerichtlichen Verliandlungen aufs neue einge-
führt, und die böhmische abgeschafft; die nach der Aus-
wanderung der Nichtkalholischen verödeten Kreise wur-
den mit teutschen Ankömmlingen bevölkert. Die Lan-
desmundart sank zu einer Bauersprache herab, und ward
kaum als solche geduldet. Diess alles hatte zur Folge,
dass schon in den J. 1729 — 49 die Böhmen beinahe
aufhörten , böhmisch zu sprechen , und Personen, die
auf Bildung und Ehre Anspruch machten, sich ihrer böh-
mischen Abkunft schämten, und solche sorgsam verbar-
gen und verlüugneten ^J ; dergleichen elende Zierben-
gel es leider auch heutzutage noch, nicht nur in Böh-
men, sondern auch in Mähren und in der Slowakei u.
s. w. in Menge gibt. — Die ausserhalb des Landes le-
benden, verwiesenen Protestanten, Hessen von Zeit zu
*) Komensky berichtet darüber in s. Historia o protiwenstwjcli cjrkwe
ö. (a. d. Lat. des J. Lasitius 648.) S. 325. „Gak zachäzeli s knihami, ne-
pochybue ze same powesti wsecliiiem giz wedomo gest. Na tisjce exemplaru
biblj, at se o ginych knibäch mlcj, od tech zlo,bohü zhlazeno. Obecnj sie
byla pokuta na wsecky kuihy ciheü: säm toliko, coz nam wedomo, Krabe
z Nächoda, pfewräceny odpadlec, swe swate knihy, prwe aksanijtem, sti-j-
brem, zlatem ozdobene (nebo we wsem nddberny a honosny byl), zlato a
stfjbro z nick sebraw, pH swe pijtomnosti do zäcboda wbäzeti rozkäzal.
Ginj pri tom negeduostagne se chowali. Nebo nektei'j knihy Ewangcljküm
pobrawse, doma ge tagne spalili; ginj na rynk mesta w kosjch (gako we
Fulneku) wynesti, ginj (gako w Zatci a w Trutnowe) furami z mesta za
zdi wywezti, ginj k sibenici aneb ku stiuadlüm (gako we Ilradci) ge shro-
mazditi käzali, a branici udclawse a oben podloziwse pälili." Nach der
barbarischen 21ten Regel des Index waren alle von 1414 bis 1635 in Böh-
men geschriebene od. gedruckte Bücher für ketzerisch erkhirt, und sollten
desshalb vertilgt werden. Ja man ging so weit, dass man auch von katho-
lischen Auetoren verfasste, sogar von den ehemaligen Erzbischöfen appro-
birte od. auf kön. Befehl gedruckte Bücher (Dalimil, ITägek, Aeneas Syl-
vius, Job. Ferus Postille u. s. \v.) in den Index versetzte. Vgl. Ungar s
allg. böhm. Bibl. in Dobrowskys Magazin Itcs St. 786. S. 6 ff.
') J. Ruljk wenec pocty ucenych Cechu Pr. 795. 8. S. 12.
355
Zeit einii^e Büclier religiösen und (lie()Iogi.sclien Inhalts
in einer bessern, correctern Sprache drucken, u. schick-
ten sie ins Land hinein; wogegen die Jesuiten und Ca-
puziner nicht ermangelten , händereiche Widerlegungen,
aber in einem barbarischen ßucherkauderwelsch, aufzu-
stellen. In der ersten lliiUte des XVIII. .lahrh. wurde
beinahe nichts mrhr, als enorme Folianten und Quar-
tanten von Predigten, in böhmischer Sprache zum Druck
befördert. Die Wissenscliaften und der Geschmack wa-
ren in Böhmen bis zur Barbarei herabgesunken. ^)
Von den wenigen Schriftstellern dieses .Jahrb. füh-
ren wir an: Sun. Kapiliorshi), schrieb die Gesch. des
Sedlecer Klosters, Pr. 630. fol. — Ge. Konsfanc, (gest.
1673} Jesuit, arbeitete an einer Bibelübersetzung, schrieb
eine Sprachlehre: Lima 1. höh., eigentlich nur für Böh-
men, in lat. und böhm. Sprache, Pr. 667. 8. u. s. w.
- MaWi. Steyer aus Prag (geb. 1630, gest. 1692),
Jesuit, arbeitete nach G. Konstancens Tod an der ka-
tholischen Bibel (wovon das N. T. 1677 erschienen ist),
verftisste eine brauchbare Anleitung zur böhm. Orthogra-
phie: Wyborne dobry zpüsob po cesku psäti, Pr. 668. 12.
730. 781. u. oft. — Ge. Placinj (gest. 1659) zeichnete
sich durch glänzende Kanzelberedsamkeit aus. — Paul
Sfransky (gest. 1657), ein protestantischer Böhme, zu-
erst Senator und Notar in Leitmeritz, 1626 landesver-
wiesen, zuletzt Professor in Thorn, schrieb eine ge-
schmackvolle Geschichte Böhmens, zur Zeit und in Form
der Elzevirschen Republiken: De rep. Bojema, Lugd.
Bat. 643., übers., berichtigt und ergänzt von J. Cornova,
Fr. 792 -803. 7 Bde. 8. - Bolmsl. Aloys. Balbin aus Kö-
niggrätz (geb. 1621, gest. 1688), Jesuit, Prof. der Rhe-
torik und Präfect der Schulen und Congregationen der
h. Jungfrau, schrieb mehrere, für die böhm. politische
und literarische Geschichte sehr wichtige Werke: Epi-
tome rer. boh., Pr. 677. 2 Bde. fol., Miscellanea bist,
r. Boh., Pr. 680 — 88. 2 Bde fol., Bohemia docta, opus
posth. ed. R. Ungar., Pr. 777—80. 3 Bde. 8., s. Disserta-
tio apologetica pro 1. slavonica, praecipue bohemica,
von Fr. M. Pelzel, Pr. 775. 8., herausgegeben, erregte,
*) Darüber ist Prochäzka's Comment. S. .380 - 402 nachzulesen.
23*
356
grosses Aufseilen. — Joh. Bariier (gest. 1708) übers,
einiges über die Landwirtlischaft aus dem Teuischen 706.
— Feliv Kudlinsky, (gest. 1675), gab inelnere Bücher,
meist in Versen geschrieben, heraus, worunter der ,,Zdoro-
slawjcek"- am bekanntesten ist. — Tliom. Joh, Pesina von
Gechorod aus Pocätky (geb. 1629, gest. 1680), studirte
in Neuhaus und Prag, trat in den geistlichen Stand, war
1670 Domdechant in Prag, zuletzt 1675 Bischof von
Semendrien, widmete sich ausscidiesslich dem Studium
der Geschichte , um ein allumfassendes, geogr. - bist.
Werk über Mähren zu Stande zu bringen, wozu er den
Vorläufer : Predchüdce Morawopisu , Litomyschl 663.
8., in böhm. Sprache herausgab ; unter seinen lat. Schrif-
ten ist s. Mars Moravicus, Pr. 677. fol., die wichtigste.
— Joh. Korjnek gab : Stare pameti Kutnohorske 675. 8., ein
wegen der Terminologie des Bergbaues sehr schätzbares
Werk, heraus. — Joh. Drachoirskij (gest. 1644), Jesuit,
verfasste eine gedrängte böhm. Sprachlehre, herausg.
von Steyer: Gramm, b., Olim. 660. 12. — Wenc. Joh.
Rosa (gest. 1689), Appellationsrath in Prag, schrieb
eine böhmische Grammatik : Cechorecnost , Pr. 672.,
übers. Virgils Eklogen in Hexametern, hintcrliess ein
böhmisches Wörterbuch in Msc. u. m. a. — Joh. Florian
Hammerschiniill (gest. 1737), Domherr zu Wysehrad u.
ßunzlau, ein namhafter Hisloriker seiner Zeit, schrieb
die Geschichte einzelner Städte, Kirchen und Klöster. —
Joh. Franz Beckoivsky (gest. 1725), Kreuzritter vom ro-
then Sterne und des Hospitals bei St. Agnes in der Neu-
stadt Prag Administrator, gab 8 Bücher heraus, worun-
ter s. Poselkyne star\ ch prjbehu ceskych (reicht bis 1526),
Pr. 700., das wichtigste ist. — Ge. Uberijn zeichnete
sich durch Kanzelberedsamkeit aus. — Wenc. Kiei/ch,
Hess zahlreiche , eigene und fremde Erbauungsbücher
für Protestanten in Zittau drucken. — Bonaventura
Pitter aus Hohenbruck (geb. 1708, gest. 1764), Abt
des Benedictiner Stiftes Baygern in Mähren, ein tleissi-
ger Geschichtsforscher, arbeitete an einem Corpus scri-
ptorum boh., Msc. — Anl. Konids (gest. 1760), Jesuit
und Missionär, verpflanzte seinen Namen nicht als böh-
mischer Literaturfreund, sondern als der berüchtigteste
357
Büclierstiirmer, die es je gegeben (sein Biograph berich-
tet, dass er sich selbst zu rübmen pflegte, eigenhändig
iiber\60,000 Bünde bölim. Bücher vertilgt zu haben), und
als Vf. des Index librorum prohibit. (der zum ersten-
mal 729., und wieder 749. 8. in Königgriltz, endlich der
böhm. Tlieil allein Pr. 767 gedruckt worden), auf die
Nachwelt. — ]lV//r. Jos. Wesely, beeideter Landmüller
und Geometra in der Altstadt Prag, schrieb: Pocätek
mathem. umenj (eine praktische Geometrie), Pr. 734. 8.,
in einer sehr verderbten und gemischten Sprache. —
Chrifs. Tdhorsky aus Sokelnic (geb. 1696, gest. 1748),
Prämonstratenser zu Uradischt in Mähren, Pfarrer zu
Khinitz, genoss den Ruf ausgezeichneter Kanzelbered-
samkeit. — Joh. Goftl. Eisner aus Wengrow in Podla-
chien (geb. 1717, gest. 1782), Prediger der böhm. re-
formirten Gemeinde zu Berlin, liess dort mehrere ei-
gene und fremde Werke in böhm. Sprache drucken :
Mleko prawdy bozj 748. 12., Konfessj ceskä (Glaubens-
bek. d. Brüder v. 1535) 748. 8., Katechismus 748. 8.,
N. Zäkon 753. 8., Kancionäl bratrsky 754. 12., Comenii
prax. piet. 754. 12. u. s. w. — Joh. Groh aus Waldic
(geb. 1730, gest. 1786), Jesuit, verfasste: Weliky zi-
wot P. J. Krista. Pr. 779. 4. (1056 S.), iVJodlitby a pjsne,
Pr. 780. 12. -
Die übrigen , ohnehin unerheblichen Schriftsteller
dieses Zeitraumies, müssen wir der Kürze wegen ilber-
gehen.
§. 43.
Dritter Periode zweite Abtheilung. Von K. Joseph II.
bis auf unsere Zeiten. J. 1782 ff.
Nach langer Ohnmacht erwachte der unterdrückte,
aber nicht erloschene Nationalgeist der Böhmen, und mit
ihm die Liebe zu der Muttersprache und der Eifer für
ihren Anbau. Des Generalfeldmarschalls, Franz Grafen
Kinsky, der 1774 ein Werk über die Nothwendigkeit
und die Vortheile der Kenntniss der böhmischen Sprache
drucken liess, edle Stimme, inul des Jesuiten ßalbin
358
iiacligelasseiie, von Pelzel 1775 herausgegebene Schutz-
schrift für die böhmische Landessprache, wirkten elek-
trisch auf den bessern Theil der Nation, und wurden
unghuiblich wichtig durch ihre Folgen. Im J. 1775 fing
die Regirung an, auf die Landessprache Rücksicht zu
nehmen, indem sie wol einsah, dass man einer Spra-
che, die beinahe von 6 WiW. ihrer getreuesten u. fleis-
sigsten ünterthanen (in Böhmen, Mähren und der Slo-
wakei) geredet wird, ihr natürliches Recht nicht neh-
men könne, ohne gewaltthätig und ungerecht zu seyn;
an dem Theresianum in Wien, an der Ingenieur - Aka-
demie zu Wieneriscli-Neustadt und an der Wiener Uni-
versität wurden Lehrer der böinnischen Sprache ange-
stellt, und die k. Prager Normalschule Hess eine Menge
Schuld und Unterrichtsbücher drucken. Josephs IL mil-
des, umsichtiges und durchgreifendes Walten schuf auch
das bis dahin vielfach inid hart geprüfte Böhmen neuer-
dings zu einer Heimath der Industrie und des Wolstan-
des, und zu einem Sitz der Musen um. Erleichterung
der Lasten des Volks, Begünstigung des Ackerbaues,
Belebung des Kunstileisses, Beförderung der Volksbil-
dung durch Stiftung mehrerer tausend Schulen, Vermeh-
rung der Dorfpfarrer und Aufliebung der Klöster (1781),
Abschaffung des Ferdinandischen Religionsedicts u. Wie-
deraufnahme der Nichtkatholisclien (1781), Einführung
einer gemässigtem, vernünftigem Censur (1782), und
andere weise Anstalten dieses grossen Monarchen wirk-
ten belebend auf die Nalionalkraft der Böhmen, und
führten — wenigstens indirect — eine neue Epoche der
böhmischen Nationalliteratur herbei. Denn unmöglich
konnte bei dem nunmehr freigegebenen Anbau der Wis-
senschaften und dem erweiterten geistigen Verkehr die
Landessprache nicht ein Gegenstand des Studiums der
vaterländischen Gelehrten werden. Eine grosse Zahl
namhafter Schriftsteller trat beinahe zu gleiciier Zeit
auf dem verwilderten Brachfelde sovvol mit Originalwer-
ken, als mit Uebersetzungen auf. Auch die Ueberreste
der Alten wurden jetzt lleissig hervorgesucht und her-
ausgegeben. Die 33jährige Regirung unseres allergnä-
digsten Landesvaters und glorreichst rcgirenden Kaisers
359
Franz I., verbrcite(e auch über ßüliincn die Seegiiun-
gen des, nacli vielen blutigen Kämpfen siegreich errun-
genen Friedens, und das Licht der fortschreitenden Cul-
tur. Der böhmischen Sprache und Literatur ging ein
neuer Glückstern , der Vorbote besserer Zukunft, auf.
Während dieses Zeitabschnitts wurde 1793 an der Pra-
ger Universität die Lehrkanzel der böhmischen Sprache
und Literatur errichtet, 1803 in Pressburg ein Institut
der böhmisch-slowakischen Literatur gestiftet, die böh-
mische Muse 1786-1806, und nach einer kurzen Ver-
bannung 1812 auf das ständische Prager Theater einge-
führt , durch wiederholte Regirungsdecrete (23. Aug.
1816, 20. Dec. 1816) der Vortrag der böhmischen Spra-
che und Literatur auf allen höhern Landesschulen anbe-
fohlen, und die Kenntniss des Böhmischen bei öffentli-
chen Anstellungen im Lande zur Bedingung gemacht
(13. Febr. 1818), auch durch politische und literari-
sche Zeitschriften der Austausch der Gedanken und die
Mittheilung gemeinnütziger Kenntnisse erleichtert, zuletzt
1818 ein böhmisches Nationalmuseum in Prag gegrün-
det. Bei den edlern Nationalen erwachte im Gefolge der
glühendsten Vaterlandsliebe der lebendigste , thätigste
Eifer für die Reinhaltung, Wiederbelebung und Fortbil-
dung der Laudessprache und ihrer Literatur. Das Fort-
schreiten zu einem so grossen und hohen Ziele ist be-
reits überall sichtbar. Die Lehrprosa gewann in diesem
Zeitraum durch Erweiterung der wissenschaftlichen und
technischen Terminologie , mit durchgängiger Berück-
sichtigung des Sprachgebrauchs der altern vaterländischen
Schriftsteller und der verwandten Mundarten; der Poe-
sie, die durch Vernachlässigung des Studiums der grie-
chischen und römischen Classiker, und durch eine falsch-
begründete Prosodie ^) beinalie zur Gemeinheit herab-
^) Die ältesten böhmischen Gedichte sind reimlos, gleichwol nicht
ohne Harmonie und Numerus, der aber weder auf die Quantität im grie-
chisch-römischen, noch auf den Ton im Dobrowskyschen Sinne, sondern
auf den rhythmischen (dem Metrum, nicht den Worten an sich inwoh-
nenden) Accent (Ictus) , mit Beobachtung regelmässiger Cäsur (Pause),
und auf eine ebenmässige, mit den dargestellten Gedanken und Gefühlen
analog laufende Gliederung der Verszeilen gegründet ist. Diese älteste böhm.
Verskunst ging mit so mancher andern vaterländischen Sitte im Anfange
des XIV. Jahrh. zu Grabe, und an ihre Stelle trat das damals allgemein
360
sank, scheint seit 1818 eine neue Epoche bevorzustehen;
die Kanzelberedsamkeit wurde ebenfalls veredelt und
ihrer erhabenen ßestininiung niiher zugeführt. Die böh-
mische Philologie, insbesondre die Grammatik und das
Lexicon, erfreut sich einer besondern, sorgsamen und
glücklichen Fliege.
Die Werke der immer zablreichern und fruchtba-
rem Schriftsteller dieses Zeitraumes nach Verdienst zu
preisen, bleibt der Zukunft anlieimgestellt; der Zweck
dieses Buchs aber fordert es, einige der vorzüglichsten
namhaft zu machen. Wetic. Math. Kramerius aus
Klattau (geb. 1753, gest. 1808), Bürger in Prag, er-
warb sich — nicht sowol durch überwiegende Geistes-
gaben und ausgebreitete Gelehrsamkeit , als vielmehr
durch einen rein patriotisclien Sinn, kluge, auf das Pra-
ctische und Reelle gerichtete literarische Betriebsamkeit
und eine beispiellose, unermüdete Thätigkeit — in den
neuern Zeiten um die Wiederbelebung der böhmischen
Literatur das grösste Verdienst, — er war der Welesla-
beliebte Reimen. Der SsylbJge gereimte Vers herrschte nun 300 Jahre lang
ausschliesslich auf dem böhmischen Helikon. Die Prosodie gewann dadurch
weder au Kraft, noch an Harmonie und Kunst, und die Gedichte selbst
blieben unendlich weit hinter den altern zurück. Nudozerjn regelte zuerst
1603 (nach einigen vorangegangenen unerheblichen Versuchen) die böhm.
Prosodie im Geiste der slaw. Sprache nach dem griechisch-römischen Fun-
damentalgesetz der Quantität, und fand an Komensky, Rosa u. a. m. ge-
schickte Nachfolger; allein mit dem Verfall der Literatur seit 1620 gerieth
auch diese Prosodie in Vergessenheit. Bei der Wiederbelebung der böhmi-
schen Literatur schlug Hr. Dobrowsky (obwol er selbst nie einen Vers ge-
macht hat,) den Böhmen, wie früher Lonionosow den Russen, das germa-
nische Tonprincip, als Grundlage der Quantität, zur Annahme vor, und
fand selbst an solchen, die sich von der Wahrheit dieses Systems nie über-
zeugt haben, willige Nachfolger. Allein i'ei der Aufstellung dieser Proso-
die nach dem germanischen Accent wurde der Genius der slaw. Sprache,
die unbetonte Längen (die hier kurz), so wie betonte Kürzen (die hier
lang gebraucht werden) hat, gänzlich übersehen. Daher ist in den letzten
Jahren, wenigstens bei classischen Versarten, die einzig auf die Zeitdauer
der Sylben oder die natürliche Dehnung und Schärfung der Vocale gegrün-
dete quantitirende Prosodie mit Recht an die Stelle der accentuirenden ge-
treten. In den gereimten Gedichten richten sich jedoch die meisten böh-
mischen Dichter noch immer nach dem Dobrowskyschen Gesetz des Tons.
Vgl. Pocätkowe öeskeho bäsnjctwj obzläste prosodie, Pressb. 818. 8., Sab.
Hneivkov'fkeho zlomky o ceskem bäsnjctwj, Pr. 820. 8., J- Junqmnnna Slo-
wesnost aneb zb.jrka jirjkladü, Pr. 820. 8.' S. XXVL ff. /. Sw. 'Presla Krok
spis wsenaurny 1 Bd. 2 St. S. 1 — 32: Wymesky z prosodiky a metriky
ceske, od J. Jungmanna, u. S. 141 — 163., und über den Reim, ausser
einigen andern, altern und neuern, vorzüglich Ä. Fuchmmier 0 rymu, in
eb. Nowe bäsne, 5s Bdchen, Pr. 814. 8. S. 3 — 34., Eb. Rymownik, Pr.
824. 8. (herausg. v. A. Sedläöek).
361
vvjn iieneier Zeiten; — iiiaii hat von iluii, ausser der
bölimisclien Zeitung, die er 23, (1785-808), und aus-
ser dem Toleranz-Kalender, den er 10 Jahre lang (1788-
08} herausgab, über 50 kleinere und grössere, sovvol
seine eigene, als auch fremde, miter seinem Namen und
mit seinen Verbesserungen erschienene Schriften, die
sich alle durch eine klare, tliessende u. correcte Schreib-
art auszeichnen: Patentnj rucnj knjzka Pr. 783. 2 Bde.
8., Kniha Josefowa 784. u. oft., Postila 785., Zpewowe
788., Laudonuvv zivvot 789., Letopisowe Trojanstj 790.
812., Ezopowy bäsne 791., Zrcadlo prjkladü 794., Arab-
ske pohädky 795., Zrcadlo posetilosti 795., J. Mandiwilly
cesta 796. 812., Wecernj shromäzdenj Dobrowicke obce
801., Dobrä rada w potrebe 803., Wypsanj Mogolskeho
cjsarstwj 803., Wypsanj Ameriky 803., Ceske Amazonky
803., Wypsanj Egypta 804. 816. 4., Prjtel lidu 804.,
Cesta do Arabie 804., Zrcadlo slechetnosti 806. 817.,
Ziwot Cyra (Auszug aus Xenophons Cyropädie v. Gin-
terodj 807., Rozlicne prjhody 808., iMladsj Robinson
808., mehrere Lust- und Schauspiele u. s. w. — Franz
Fausttn Prochdzka aus Pakau (geb. 1749, gest. 1809),
Priester des Paulaner Ordens zu Wranau in iMähren,
zuletzt (seit 1807) k. k. Bibliothekar und Director der
gesamniten Gynniasien in Böhmen, hat zu seiner Zeit
auf die Wiederbelebung der cechischen Literatur kräf-
tig und wolthätig eingewirkt; man hat von ihm: De
secul. liber. artium in Boh. et Mor. fatis commentarius,
Pr. 782. 8., Aliscellen d. böhm. u. mähr. Liter., Pr. 784-
85. 3 Bde. 8., Knjzka Svv: Augustina: samotne rozmlau-
wänj, Pr. 786., Teh. rukowet, Pr. 786., Erasma Roter,
kniha, Pr. 786., Epistoly Sw. Ignatia, Pr. 786., Sw.
Augustina zrcadlo hrjsnelio cloweka a o marnosti zdeg-
sjho zivvota, Pr. 786. 8., Wytah z regimentu zdrawj od
H. Ranzowia, Pr. 786. 8., Prjkladne reci z knih hlubo-
kvch mudrcü, P. 786. Wytah z kroniky Moskewske,
Pr. 786. 8., Kronika Boleslawskä, Pr. 786. 8., Kronika
ceskä Pr. Pulkawy 786., u, a. m.; sein Hauptwerk ist
die neue l ebersetzung der Bibel für Katholiken aus der
Vulgata mit einem Commentar: Biblj ceskä, Pr. 804.
2 Bde. 8., das N. T. auch schon früher 1786. 8. — Alex.
\
362
Winc. Parjzek aus Prag (geb. 1748, gest. 1823), Dire-
ctor der Hauptinusterscliule, iiifulirter Elireiidomherr u.
CoiisJstorialratli zu Lcitmeritz , biscliöfl. Notar , Mitgl.
der oberlaus. gel. Gesell, zu Görlitz u. s. vv., einer der
tüchtigsten und würdigsten Schulmänner Böhmens, gab,
ausser mehreren teutschen, folgende bölnnische Werke
heraus: Näbozenstwj nedospelych, Pr. 780., Wyklad na
Ewang., Pr. 788 — 89. 3 Bde., Villaumovva rucnj kniha
pro ucitele 791., 0 prawem zpiisobu cwicenj mlädeze
\ve skoläch ceskych 797., Hermanowo wzjvvänj Boha
811., Prawidla ceske dobropjsebnosti 812., Biblische Dar-
stellung der gegenwärtigen Zeitereignisse, teutsch und
böhm. 814. 8. — Fort, ^j/z/f/«^ jus_Turnau (geb. 1735,
gest. 1802), Priester des Paulaner Ordens, arbeitete ge-
meinschaftlich mit Prochäzka an der neuen Ausg. der
kathol. Bibel von 1777 — 80., gab Bibliotheca slavica,
Of. 795. 8. Ir Bd. (die übrigen Bände blieben Msc), und
schon früher: Dissert. de slavoboh. S. Cod. vers., Pr.
777. 8. u. m. a. heraus. — Jos. Dohrowsky aus Jarmut
unweit Raab in Ungern, wo sich seine aus Böhmen
stammenden Eltern niedergelassen haben (geb. 1753),
Abbe, gewesener Rektor des k. k. Generalseminariums
zu Hradischt in Mähren, Mitgl. der böhm. Gesells. der
Wiss. zu Prag, der kön. Ges. d. Freunde der Wiss. in
Warschau, der Univ. in Charkow, der kön. Akad. in
Berlin, der slowak. Ges. in Ungern u. s. w., wegen seiner
unsterblichen Verdienste um die slaw. Gesannntsprache
mit dem Beinamen des Patriarchen der slaw'. Literatur
beehrt-, von seinen, in der slaw. Philologie, Geschichte
und Kritik Epoche machenden Schriften führen wir an:
Script, rer. boh. (mit Pelzel), Pr. 784. 2 Bde. 8., Böhm,
u. mähr. Literatur, Pr. 779—84. 3 Bde. 8., Lit. Magazin
v. Böhm. u. Mähr., Pr. 786-87. 3 Hefte 8-, Lit. Nachrich-
ten von einer Reise nach Schweden u. Russl., Pr. 796. 8.,
Gesch. d. böhm. Sprache u. Literatur, Pr. 792. 2. N. Aufl.
818. 8. (diese letztere reicht nur bis 1526), Slawin, Pr.
808. 8., Slowanka, Pr. 814-15. 2 Bde 8., Lehrgeb. d.
böhm. Sprache, Pr. 809. 819. 8. böhm. v. Hanka 822. 8.,
Etymologicon, Pr. 813. 8., Teutsch-böhm. W. B., Pr. 802-
21. 2 Bde. 4. (mit Zuziehung anderer Mitarbeiter), In-
363
stit.I. slav., WitMi 822. 8., Kyrill u. Melhod, Pr. 823. 8.;
ferner eine grosse Anzalil tlieils einzeln, tlieiJs in ver-
scliiedenen Denk- und Zeitschriften gedruckter, für die
büinnisch-slaw. Geschichte u. Sprachwissenschaft liöchst
wichtiger Abliandhnigen , Vorreden , Nachricliten und
Recensionen, deren vollständige Sainndung wünschens-
werth ist; in böhin. Sprache gab er heraus: Zbjrka
c. prjslowj, Pr. 804. 8., Kada zwjrat, Pr. 814. 8. u. in. a.
— Franz Pelzel aus Rychnow (geb. 1734, gest. 1801),
Prof. d. böhiii. Liter, in Prag u. Mitgl. mehr. gel. Ges.,
schrieb zwar meist in teutscher, doch einiges auch in
böhm. Sprache: Gesell, von Böhm., Pr. 774. 779. 782.
817. 2 Bde. 8., Abbild, böhm. u. mähr. Gel. u. Künstler,
3r u. 4r Th. (die 2 erstem von Voigt und Born), Pr.
777-78. 8., Grundsätze d. böhm. Gramm. 795. 798. 8.,
Nowä kronika ceska, Pr. 791—96. 3 Bde. 8. (reicht bis
1378., der 4te Bd. bis 1429 blieb Msc), Prjhody W.
Wratislawa, P. 777. 8., Gedichte u. s. w. — Jnt. Puch-
maijer aus Teyn an der Moldau (geb. 1769, gest. 1821),
Pfarrer in Radnic, liess eine Sammlung eigener u. frem-
der Gedichte: Nowe bäsne, Pr. 795-814. 5 Bde. 8. dru-
cken, übers. Mojitesquieu's: Chram Gnjdsky,^ Pr. 804.8.,
Gr. Sternbergs Äbhandl. 0 bylinarstvvj w Cechäch, Pr.
819, 8., verfasste: Prawopis rusko-cesky, Pr. 805. 8.,
Lehrgeb. der russ. Sprache , Pr. 820. 8., Rymownjk,
herausg. v. A. Sedlacek, Pr. 824. 8. u. s. vv. — Gotifr.
Joh. Dlabac{^eh. 1758, gest. 1820), Domherr des Prämon-
stratenser Ordens, erster Bibliothekar im Stifte Strahow, der
kön. Ges. d. Wiss. in Böhm. Mitgl., gew. Director, verfasste
verschiedene Kirchengesänge, übers. Bacons Beschreib, der
neuen ^Velt, Gessners Sündfluth 801., und gab eine Be-
schreib, von Böhmen: Wypsänj ceskeho krälqwstwj. Pr.
818. 8. u. a. m. heraus. — Jo/i. Nef/edly aus Zebrak (geb.
1776), k. k. Rath, Doct. der Rechte und Prof. der böhm.
Liter, an der Univ. zu Prag; von ihm hat man: lliady
zpew I., Pr. 802. 4., Snu-t Abelowa (a. Gessner), Pr.
804. 12., Dafnis (a. Gessner), Pr. 806. 12., Numa Pom-
pilius (a. Florian), Pr. 808. 12., HIasatel ceskv, eine
Zeitschrift 1806-10. 12. Hefte., Youngowo kwjlenj, Pr.
820. 8., Böhm. Gramm., P. 805, 809. 821. 8., mehrere
364
Abliaiidliiiigen, Gediclite ii. s. w. — Jos. Jumjmann aus
Iludlic, Prof. am akad. Gymnasiiiin in der Altstadt Prag,
übers. Cliateaiibriands Atala, Pr. 805. 12., ]\Iiltons ver-
lornes Paradies, Pr. 811. 2 Bde. 12., gab eine böhm.
Cbrestomatliie: Slowesnost, Pr. 820. 8., eine Gesell, der
böbin. Liter. Pr. 825. 8., mebrere einzelne Aufsätze,
Abbandlungen und Gediclite in Hlasatel , Puclimayers
Sammlung , Hromadkos Zeitsclirift , Dobroslavv , Krok
u. s. w. heraus, und beabsichtigt die Herausgabe eines
neuen vollständigen böhmischen Wörterbuchs. — Franz
Toi/hsa, Vorsteher der k. k. Normal-Buchdruckerei in
Prag, gab in Druck heraus: Böhm. Sprachl., Pr. 782. 8.,
Maly cesko-nem. slownjk, Pr. 789. 8., Cecko-nem.-la-
tinsky slownjk, Pr. 791. 8., Ueber die cech. Zeitwörter,
Pr. 804., Ueber die Veränderungen der cech. Spr., Pr.
805. 8., Grössere cech. Orthographie, Pr. 812. 8., Dobre
mjnene wolanj na sedlaky, Pr. 785., Mesjcny spis, Pr.
787., Pomoc w potrebe, Pr. 791., Tobolka zlata, Pr.
791., Katechismus zdrawj 794., Nestastne prjhody k
w ystraze mladeze 794., Knjzka mrawna pro djtky. Fr.
810. 8. u. s. w. Jof. Rnuffuhratiz aus Kön\^^r'i\t7a{^eb.
1776, gest. 1818), Pfarrer in Sedlec, gab 11 Schrif-
ten, meist religiösen Inhalts heraus, übers, einiges aus
dem Corn. Nepos, und verfasste mehrere Gedichte, die
in HIasatel u. s. v^. erschienen sind. — ./. W. Zhnmermann.,
Priester des Ordens vom rotlien Sterne, k. k. Biblio-
theksbeamte in Prag, ist. Vf. u. Herausg. folgender Schrif-
ten: Prjbehowe krälowstwj ceskeho za panowänj Ferdi-
nanda l, Pr. 820-21. 2 Bde. 8., Prjbehowe za Maximi-
liana eb., Boliuslaw zLobkowic a z Ilasensteinu, Pr. 819. 8.
J. Jowiana Pontana o statecnosti wälecne, prlz. Reh.
Hruby z Gelenj, Pr. 819. 8. -- Jos. Uboslaiv Ziegler
aus Königgrätz (geb. 1782), Theol. Doct. u. Prof. in
Königgrätz, übers. Fenelons Telemach, Königgr. 814. 8.,
Hawelkas Anleit. für Forstbeamte eb., gab: Böhm. Bie-
gungen, 2 A. Pr. 823., Modlitby 815., Milina Almanach
auf d. .J. 1825., Dobroslaw eine Zeitschrift 1820-22. 12
Hefte 8., und m. a. heraus; redigirt gegenwärtig drei
Zeitschriften: Milozor 1823 ff,, Prjtd mladeze u. Radi-
tel. — Wejtc. Ilanka aus Horenowcs (geb. 1791), Bi-
365
bliolliekur bei dem böliin. Natiüiiul-iMuseuiii, Mitgl. mehr.
gel. Gesellschaften, entdeckte 1817 die nicht nur für
Böhmen, sondern für alle Slawen ewig denkwürdige Kö-
niginhofer llandsciirifl: l{iikoj)is kralodworsky, Pr. 819.
8., und gab ausserdem folg. Schriften heraus: Starobyla
skladanj, Pr. 817-23. 5 Bdclien 12., Ivratka bist. slow,
narodü (nach Kühs), Pr. 818. 12., Igor Swatoslawic,
Pr. 821. 8., Gessnerowy Idylly, Pr. 819. 8., Pjsne, 2 A.
Pr. 819. 2 Bdchen 12., Dobrowskeho mluwnice, Pr. 822.
8., Prawopis cesky, 2 A. Pr. 821. 12., mehrere Gedichte
und Abhandl. in verschiedenen Zeitschriften u. s. w. —
Joh. Swatopluli Fresf aus Prag (geb. 1791), Med. Doct.
Prof. der Naturgesch. und Aufseher des Naturalienkabi-
uets an der Univcrs. zu Prag, gab in Verbindung mit
dem Graf Bedr. W scjjijr Berc/ifofd ein vielumfassendes,
gründliches Werk über die Botanik heraus: Kostlinär,
Ir Th. allgem. Pllanzenkunde, Pr. 819. 4., 3r. Th. beson-
dere Pllanzenkunde, Pr. 821 ff., 28 Ilftc. gr. 4. wird fort-
gesetzt, der 2le Th. angewandte Pllanzenkunde, soll das
Ganze beschliessen; ausserdem redigirt er seit 1821 dicen-
cyklopädische Zeitschrift-. Krok, bis 1825. 5 Hefte 8. —
Adalb. Sedhicek aus Celakowic (geb. 1785), Priester
des Prämonstratcnser Ordens, Üoct. d. Phil. u. Prof. an
der philosophischen Lehranstalt in Pilsen, gab: Pameti
Plzehske, Pr. 821. 8., Zäkladowe merictwj cili geome-
trie, Br. 822. 8., Zäkladowe prjrodnictwj aneb fysiky a
mathematiky potazene, Pr. 825. 8., Puchmayers rymow-
njk, Pr. 824. 8., mehrere Gedichte, Abhandl. u. Reden
11. s. w. heraus. — Auf. Jinignumn ausHudlic (geb. 1775J,
Med. Doct. u. Prof. an der Prager Univcrs, gab: Na-
wedenj k babenj, Pr. 804. 8., 0 konjch Pr. 818. 8.,
Koiisky lekar, Königgr. 825. 8., mehrere Abb. in Krok
u. s. w. heraus. Aul. Marek aus Turnau (geb. 1785),
Pfarrer in Teyn, Mitgl. der slovvak. Ges. in Ungern,
verfasste mehrere Gedichte, die einzeln und in verschie-
denen Zeitschriften erschienen sind, schrieb eine Logik;
Logika anebo umnice, Pr. 820. 8., übers, mehrere Dra-
men: Omylowe od ßolemjra Izborskeho (nach Shakes-
pear), Pr. 823. 8. u. s. w. — Ad. Negedhj aus Zebräk,
Pfarrer in Mirosow, gab: Räzanj, Pr. 806-07. 4 Bde. 8.,
366
Ladislaw, ein dulakt. Roman, Pr. 807. 8., Posiednj sand,
Pr. 802. 12. (ein beschreib. Gedicht) u. ni. a. heraus;
vcrfasste mehrere erzählende Gedichte (Epopöien ?) :
Karl, Wratislaw, Ottokar in XII. Ges., wovon einzelne
Bruchstücke erschienen sind, — Karl Ign. T/iam verfasste
mehrere Sprachbücher: Böhm. Sprachlehre f. Teutsche,
Pr. 798. 6 A. v. Ilanka 821. 8., Teutsch-böhm. Natio-
nallexicon, Pr. 788. 799. 814. 2 Bde. 8., Böhmisch-teut-
sches Nationallex., Pr. 805-807. 2 Bde. 8. (der 2te Bd.
von Toinsa revidirt), Teutsch-böhm. und Böhm.-teut-
schcs Taschen-Wörterb., Pr. 814-18. 2 Bde. 12., Böhm,
teutsche Gespräche, Pr. 785-814. 8., Obrana gazyka
ceskeho, Pr. 783. 8., übers, mehrere Dramen u. s. w. —
Wenc. T/iam, Schauspieler in Prag, gab: Basne w reci
wazane, Pr. 785. 8., verschiedene Lust- und Schauspiele
u. m. a. heraus. — Wenc. Stach, emeritirter Prof. der
TheoL in Olmütz, ist Vf. von 11 böhmischen, zum Theil
übersetzten Werken: Kniha mrawü krestanskych, Pr.
786. 8., Prjrucka ucitele lidu 787. 2 Bde. 8 , Koykowa
histor. snemu Kostnickelio 785. 2 Bde. 8., Giftsice po-
catkowc pastoralnj theologic 789., Stary Wersowec 805.,
Pjsne duciiownj 791. u. s. w. — Joh. Rnljk, Prager Bür-
ger, übers, u. verfasste mehrere Bücher, worunter: Sla-
wa a wybornost gazyka c. 792., Cwicenj djtek 792.,
Ziwot Ludwjka XVI. 793., Katonowa naucenj, Pr. 794-
95. 2 Bde., Wenec pocty 795. 8., Kalendäi* historicky,
Pr. 797—806. 5 Bde., Siffnerowa gallerie osob zeme c.,
Pr. 803 fr. 5 Bde. 8., Ucenä Cechie, Pr.807--08. 3 Ilfte.,
Wypsanj ziwotü patronü, käzanj ned. a swat. u. m. a. —
Stamslmv Wydra aus Königgrätz (geb. 1741, gest. 1804),
Domherr und Prof. der Math, in Prag, gab in Druck
heraus: Kazanj, Pr. 799. 8., Arithmetika u. s. w. —
Dominik Kinsky aus Schlau, Piarist, Prof. an der phi-
losophischen Lehranstalt in Brunn, übers. Lessingowy
bagky, Brunn 816, 8., Gressetüw papausek eb., Hora-
zens Oden (in Ilromädkos Zeitschrift) u. s. w. — Franz
Joh. Swohoda aus Prag (geb. 1778), Prof. am akad, Gy-
mnasium in Prag, Vorsteher der Schule bei St. Stephan,
verfasste mehrere Gedichte u. Abhandlungen, übers, die
bibl. Gesch. f. Kinder u. s. w. — Sebast. Jlnewkoivsky
3G7
aus Zebräk, Ralhsherr eb., verfasste ein komisches Hcl-
deiigediclit: Dcwjn in XII. Ges., P. 805. 2 Bde. 12.,
gab eine Saininl. venniscliter Gedichte : Basne drobnc,
Fr. 820. 8., Zloniky o c. basnjctwj, Pr. 820. 8. u. ni. a.
lieraus. — Milofa Zdirad Poldk aus Zasinuky (geb. 1788),
k. k. Officier, ist Vf. mehrerer Gedichte, Avorunter sich
ein grösseres, lyrisch-beschreibendes in VI. Ges. Wzne-
senost prjrody, Pr. 819. 8. befindet, einer Reisebeschr.
nach Italien: Cesta do Italic, P. 820. 8. u. m. a. —
Franz Turinsky aus Podebrady (geb. 1796), Actuar m
Libochowic, verfasste ein Original-Trauerspiel: Angeljna
Königgr. 821. 8., mehrere Gedichte u. s. w. — Franz K
Palacky aus Hoclawic in Mähren (geb. 1798), Archi-
var beim Gr. Steriiberg , verfasste mehrere Gedichte,
einzeln und in verschiedenen Zeitschriften gedruckt, eine
böhm. Aesthetik, wovon einige Bruchstücke in Krok er-
schienen sind, mehrere histor. Abhandl. u. s. w. — Cle-
mens Wenc. Kltcpera aus Chhnnec (geb. 1793), Prof.
in Königgrätz, verfasste mehrere Original-Lust-Schau-
und Trauerspiele, deren Samml. u. d. T. Diwadlo Klic-
perowo, Königgr. 820 ff. 8. erscheint, und gab auf das
J. 1825 einen dramatischen Almanacli heraus. — Job.
Nepomnk Stepanek aus Chrudim (geb. 1783), Directeur
des böhm. ständischen Theaters in Prag, der fruchtbar-
ste böhmische Schauspieldichter neuerer Zeiten; s. Dra-
men erscheinen gesammelt u. d. T. Diwadlo Stepänkowo,
Pr. bis 1825. 10 Bde. 8. - Math. Sijchra aus Wilden-
schwert (Austj nad Orlicj), Pfarrer zu Imramow in Mäh-
ren, gab : Käzanj, Brunn 814. 2 Bde. 8', Powjdatel eb.
815. 3 Bde. 8., Kratochwilnjk, Pr. 821. 2 Bde. 8., Roz-
mlauwänj a powjdky 822. 12., einige Dramen u. s. w.
heraus. — Vinc. Zahradujk aus Jungbunzlau (geb. 1790),
bischöfl. Sacellan und Consistorialrath in Leitmeritz, übers.
Niemeyers Grundsätze der Erziehung, verfasste eine sy-
stematische böhm. Grammatik, ein böhm. Ritual , Briefe
über die Führung des Seelsorgeramts u. m. a. — Ladisl.
Celakoivsky ^ah: Smjsene bäsne, Pr. 822. 12., Slowanske
närodnj pjsne, Pr. 822. 25. 2 B. 8.-, Noworocenka Alm. a. d.
J. 824., Dennice Alm. auf d. J. 825. (mit J. Chmela) u. m.
a. heraus. — S. K. Machdcek übers. Göthes: Ifigenia w
368
Taiirii, Pr. 822. 8.. mehrere Opern (Rodiiia Sweycarskä,
Wodar, Don Jnan u. s. w.), veranstaltete eine böhin. Bei-
spielsamnil. Krasorecnjk, Pr. 823. 8. — J. Hijbl gab:
Popsanj zwjrat, Pr. 811. 8., Histor. cesk. divvadla, Pr.
810. 8., Staroceskä zeiiie, 8atyra, Pr. 817. 4., Rozrna-
nitosti bis 1821. 16 Hefte, Hylos, eine Zeitsebr. 1820 ff.
u. a. in. Iierans. — Fr. Alex. RoUns verfasste ein episches
Gedicht in Hexametern: Iwan, in V. Ges., Pr. 823. 8. —
Franz Raj/mann, Decliant in Castolowic, verfasste meh-
rere erzählende und beschreibende Gedichte: Poslednj
den a saud, in 111. Ges., Pr. 816. 8., Josef Aegyptsky,
in XII. Ges., Pr. 820. 8. - Tobias, in XII. Ges., Marj
Magdalena n. s. w. —Franz Weiesnjk ans Gizerno Wtelno
(geb. 1784), Pfarrer in Markwariic, übers. Marmontels
Belisar, verfasste mehrere Gedichte u. s. w.
Noch sind als Schriftsteller dieses Zeitraumes zu
nennen: Laur. Ainort Lehrer in Prag, /. Boliihineckij
Domherr zu Wysehrad u. Dechant in Pocätky, Ant. Bo-
rowij Schullehrer, Ant. Cenniik Pfarrer in Hermann-
stadt (Hermanomestec), Jo.s. Wenc. Dietrich Domherr
u. Prof. in Prag, /. Alex. Diinilr, Franz Fric Pfarrer.
Jos. Gatriirek Pfarrer, Jos Galld.s k. k. pens. Oberarzt
aus Weisskirchen (Hranic, geb. 1756), Jlj/nek Gosfko
von Saclisentlial, Vinc. Hafner Augustiner und Prof.,
/</«. Ilägek a. Hradischt (geb. 1770), Prof. in Leitmeritz.
Aloijs. Hanke ron Hankenstein., Jo/i. Herzog, Casp. Me-
lichar Hrdlicka, Joh. Norb. Nep. Hroniddko Prof in
Wien, Aegid. Clilddek Priimonstratenser Prof in Prag,
Jos. Chinela aus Trebic (geb. 1793) Prof in Königgrätz,
/. C/unelensk)j, Jos. Jani.s Dechant in Ilostivvary, Jos.
Kauöle aus ßoskow (geb. 1785) Prof. in Leitmeritz,
Karl Kliun Pfarrer, Jos. Mirowjt Kr dl Kaplan in Gi-
lemnic, Wenc. Rodoniil Kranie'rius, Jos. Kregcj Pred.
in Prag, Ant. Kuca, J. Linda Zeitungsredact. in Prag,
Jos. Myslimjr Ladfrjk, J. G. Marek, Joh. Mategka,
Joh. Medljn, Wenc. Melezjnek, Jos. Meysti'jk, Thom.
Mnich, Frant Myshwecek, Philipp Nedele Th. Doct.
Prof. in Brunn, Frathz Nowotny Pfarrer in Lustenic,
Mich. Silorad Fafrcka Lehrer in Josefow, Aiit. n. W.
Pawlowsky, Karl Payer aus Budjn, G. Petrmann Prc-
369
diger in Dresden, Joh. Wenc. Pohl böhm. Sprachmei-
sler in Wien (geb. J720, gest. 1790), Karl Borüvog
Presl , Magdalena Hefjk Ratbsfran in Wildenschwert,
ir. 3I/ch. Ro/ios Pfarrer in Prag, Jos. Rosentlialer Pfar-
rer, Hi/nek Ruth Prof. in Prag, Jak. Joh. Ryha, Jos.
Skalicky Pfarrer, Auf. Slniad Prof. an der Prager Univ.
und iMitgl. der Gesell, der Wiss., Menc. Aloys. Sawboda
von Nawarovv (geb. 1701) Prof. in Neuliaus, Karl Sd-
dek Leiirer in Königgrätz, Prokop Sediwy, Ign. Schiess-
ler (geb. 1782) Magistratsbeamter in Prag, Inunan.
Wllh. Simko Prediger in Mähren, Franz Sjr ans Budjn
(geb. 1796), /. E. Schtmdf, Adalh. Sohag, Franz Bo-
humjr Stepnicka aus Opatow in Mähren (geb. 1785),
k. k. Actuar bei der Zolladininistration in Prag, Franz
Paulla de Su^enda, Jos. Tdborsky, Fr. B. Tomsa Zei-
tnngsredact. in Prag, F. D. Trnka, Stni. Triiska Prä-
monstratenser Prof. in Straliow, Norbert Wanek, Franz
Wawdk Richter in Milcic, Marl. Wolf, Joh. Zabransky
Pfarrer zu Sedlec in Mähren, Jos. Zlobicky Prof. in
Wien, Anlon. Zyma Buchdrucker in Prag u, m. a. ^)
-) Quellen. Ausser den §. 6. Anm. 5. angeführten Schriften von
Frisch, Adehmg, Vater u. s. w. EiBgies xirorum eruditorum atque artifi-
cum Bohem. et Morav., Ir und 2r Th. lat. von Voigt und Born, alle 4
Theile teutsch von Pdzel, Prag 773—82. — Boh. Balbini Bohemia docta,
ed. a Raph. Ungar, Pr. 776. et a P. Canidlp a S. Theresia, Pr. 777 — 80.
3 Bde. 8. — Franz Prochäzka de secularihus Über, artiuui in Bohem. et
Morav. fatis commeutarius, Pr. 782. 8. Eb. Miscellaneen der ^höhm. und
mähr. Liter., Pr. 784 — 85. 8 Theile 8. — /. Ruljka uceuä Cechie, Pr.
807 — 808. 3 Hefte. — Fr. Nowotneho z Luze bib'liotheka ceskych Biblj,
Pr. 810. 818. — /. Negedleho ki'ätke obsazenj literatury ceske, in eb. böhm.
Gramm., Pr. 8 "5. 809." — J. Dobrowskys böhm. u. mähr. Liter., Pr. 779—
84., 3 Bde. 8., Eb. Literär. Magazin von Böhmen und Mähren , Pr. 786—
87. 3 Hefte 8. Eb. Slawin, Pr."808. 8., Slowanka, Pr. 814 — 15. 2 Bde. 8.,
Eb. Geschichte der böhm. Sprache und Literatur, Pr. 792. 8. (bis 1792),
2 A. Pr. 818. 8. (bis 1526). — J. Juagmann bist, literat. ceske Pr. 825. 8.
24
Zweiter Abschnitt.
Geschichte der Sprache und Literatur der Slowaketi.
§. 44.
Historisch - ethnographische Vorbemerl(ungen.
Die Slowaken, diese ehrwürdigen Ueberrestc der kar-
^ patischen und donauischen Ursiawen, verdienen in mehr-
facher Rücksicht eine nähere Betrachtung. Den Stamm-
sitz der Slawen verlegen schon die Byzantier und nach
ihnen Nestor nach dem Norden der Donau, welcher An-
sicht auch Schlözer (Nestor II. 76. 77.) beistimmt. Auf
den Ebenen, sagt Schlözer, zwischen der Donau und der
Theiss bis an den Fuss der Karpaten hinauf weideten
von jeher die Sarmatae limigantes, die Jazyges nietana-
^ stae. Dass diese Jazyges wirkliche Slawen gewesen,
■ beweist sowol ihr Name, als auch andere historische
Spuren. — Diese donauischen Ursiawen, die Vorfahren
der heutigen Slowaken, fingen schon unter dem Kais.
Justinian an, das byzantische Reich zu beunruhigen; sie
verschwinden aber bald darauf aus der Geschichte, und
kommen erst unter Swatopluk wieder zum Vorschein.
Das grossmährische Reich erstreckte sich über die ganze
heutige Slowakei. (Vgl. §. 35.) Swatopluk war 894 ge-
storben, und seine Nachfolger Mojmjr, Swatopluk und
Swatoboj hatten Mähren unter sich getheilt. In dem heu-
tigen Ungern erstreckte sich deren Gebiet, nachdem 893
Pannonien verloren gegangen war, nur noch bis an den
Wag- und Granfluss, auch dauerte der Theilungsver-
gleich zwischen diesen Nachfolgern Swatopluks nur ein
Jahr, hernach veruneinigten sie sich, aufgehetzt durch
371
die Baicni. — Um diese Zeit waren die Wanderungen
der (rans-karpatischen Slawen nach Süden beendigt, und
das heutige Ungern vielfach getheilt. Arnulph herrschte
899 bis an die Donau; weiter unten hatten sich Kroa-
ten, Serben und Daiinaten niedergelassen, und unter
eigenen Fürsten abgesonderte Staaten gebildet. Zwischen
der Donau, der Theiss und der Wag herrschte ein sla-
wischer Fürst Salan, der zweierlei Unterthanen hatte :
hoch oben in den gebirgigen Gegenden gegen den Kar-
patus Slowaken, in den Ebenen aber Bulgaren ^). Am
linken Ufer der Theiss bis an den Maroschfluss hinab
herrschte ein sich auf den byzantinischen Schutz stü-
tzender chazarischer, oder nach andern slawischer Fürst
Marot, der einen zahlreichen Harem in seiner Residenz
Bythor unterhielt, und Chazaren, die nach Zerstörung
des chazarischen Reichs hergekommen waren, zu Unter-
thanen hatte. Zwischen dem Maroschflusse und zwischen
Orschova herrschte ein bulgarischer Fürst Glad, der aus
Widdin gekommen war, und petschenegische Soldaten
mitgebracht hatte; seine Unterthanen scheinen eigentli-
che Rumunier (Walachen) gewesen zu seyn, die aus
Thrakien über die Donau verpflanzt worden waren. Im
heutigen Siebenbürgen endlich herrschte ebenfalls ein
Fürst Gelou, wahrscheinlich bulgarischer Abkunft, des-
sen Unterthanen aber lauter Rumunier waren. — Die
Herrschaft der Slawen und slawischen Fürsten in Un-
gern ging durch die Uebermacht der Magyaren zu Ende.
Die Magyaren, eine asiatische Nomaden- Fischer- inid
Jägernation, die zuerst um das J. 626 (unter dem Ks.
Heraklius) am Kaukasus und dem kaspischen Meer in
der Geschichte bekannt worden war, und 680 aus Asien
nach Europa übersetzend die Gegenden zwischen dem
Dnieper und Don am Ingulflusse im heutigen Ekaterino-
slawschen Gouvernement besetzt hatte , traten im J.
894 in Pannonien über Ungvär und Munkäcs ein, nach-
dem sie bereits im J. 838. den Bulgaren wider die By-
zantiner an der Unterdonau beigestanden, 862 sich so-
^) Engel, aus dem diese Stelle entlehnt ist , erzählt dieses dem
Anonym. Belae Notar, nach; es ist bekannt, dass Schlüzer u. a. die Au-
torität des Anonymus verwerfen, und die Existenz der Theiss-Bulgarei und
Salans läugnen.
24*
372
gar in Teiitscliland, wahrscheinlich von Hzg. Rostislaw
wider den Ks. Ludwig geführt, gezeigt, und 893 dein
fränkisclien Kg. Arnulph gegen Swatopliik Hilfe gelei-
stet und die schönen Gefilde Pannoniens kennen gelernt
hatten. Sie drangen zuerst am rechten Ufer der Theiss
über die Laborza und die Borsva bis an den Bodrog
und das Zenipliner Schloss vor, und baten sich vom Sa-
lan den ganzen Strich Landes von den Karpaten bis zum
Einfluss des Sajoflusses in die Theiss und bis zum Schlosse
Sajo, dem heutigen Sajoszeged, aus, den sie auch er-
hielten. Salan, ein Enkel von Krumus, hing zwar mit
dem damals noch mächtigen bulgarischen Staate zusam-
men; allein die Hilfe war noch zu weit entfernt, und
der Einbruch der Magyaren zu unerwartet ; er gab also
friedlich nach. Nun wendeten die Magyaren ihre Blicke
auf das linke Ufer der Theiss. Da Marot sich zur Abtre-
tung eines Landstrichs nicht freiwillig herbeiliess, son-
dern mit der Macht seines Schutzherrn, des Ks. von
Byzanz drohte, so ward zuerst das heutige Szabolcs,
dann das Gebiet am Szamosflusse und der sogenannte
Nyirhät bis an den Berg Meszes genommen, und Marot
ward bis an den Koros zurückgedrückt. Die dritte Er-
weiterung ging nach Siebenbürgen zu: Tuhutum schlug
den Gelou bei Almas, ereilte und tödtete ihn bei Kapus.
Die vierte Erweiterung war von Salan ausgepresst, er
musste den Bezirk bis an den Zagyvafluss friedlich ab-
treten, d. i. das heutige Heveser Comitat. Die nördli-
chen Gränzen wurden am Tatragebirge abgesteckt. Die
fünfte Erweiterung nahm die Richtung über den Ber^
Hangony , über Gömör, Neograd , Bars, Zölyom, ari
die Eipel, den Granlluss, wo sie keinen Widerstand fan-
den, bis an die Neitra. Hier wurde der mährische Feld-
herr Zobor geschlagen, gefangen und hingerichtet. Gal-
götz, Bezko, Trencsin, ja alles was an der Wag und
zwischen dem Waglluss und der Marcli lag, fiel den
Ungern zu. Die Herrschaft der Mähren, durch Unei-
nigkeit untergraben, hatte in diesen Gegenden ein Ende.
Der sechste Verlust der Slawen, der beträchtlichste von
allen bisherigen, ward durch einen über Salan und seine
bjdgarische HiUsvölker unweit von Titel erfochtenen
373
Sieg licrbeigcfiilirt. Der Preis dieses Sieges war der ganze
Strich bis an Belgrad, wohin Salan gellohen war, zwi-
schen der Theiss nnd der Donan. Nnn blieb kein sla-
wischer Fürst übrig, als Glad. Die Magyaren setzten
über die Theiss bei Kenesna, drangen an den Bega nnd
Temesflnss vor, schlngen den Glad mit seinen bulgari-
schen, petschenegischcn und walachischen Truppen, und
nahmen Orsowa, Pancowa und Kewe. Alle diese Vor-
fälle hatten von 894-899 Statt. Die bezwungenen Sla-
wen wurden nun vollends in die Gebirge gedrängt, und
von den Magyaren, die die weidereichen Ebenen be-
setzten, als Untergebene und Bundesgenossen behandelt.
Der Herzog allein übte das Recht, die eroberten Län-
dereien erblich zu verschenken. Es w^urden aber nicht
nur Magyaren, sondern auch slawische Bojaren nnter
den nngrischen Soldatenstand aufgenommen , nnd mit
Ländereien beschenkt. Allmälig lernten die Magyaren
von den Slawen die Künste des Friedens, und ihre
Sprache bereicherte sich mit slawischen Wörtern, die
auf Ackerbau, Handw erke und städtische Cultur Bezug
hatten. Die donauisch-karpatischen Slawen waren näm-
lich schon damals nicht nur Christen, sondern auch Ackers-
lente und zum Theil Städtebewohner (Nowigrad, Mun-
käcs, Wysegrad, Neitra, Ostrigom u. s. w.) — So ver-
schwanden die Slowaken bereits im IX. Jahrh. aus der
Geschichte, und ihre Schicksale und Thaten verlieren
sich von da an in jenen des magyarischen Volks ^). —
"Merkwürdig, wegen der wichtigen Folgen, ist die Er-
scheinung und Niederlassung der hussitischen Böhmen im
XV. Jahrh. unter den Slowaken Oberungerns. Giskra
V. Brandeis, Elisabethens, Kgn. von Ungern, Feldherr
im Kriege gegen den polnisch-ungrischen König Wla-
dislaw und seine Partei, hielt 1440-53 die slowaki-
schen Gespanschaften von Pressburg bis Eperies nnd Ka-
schau besetzt. Die böhmischen Krieger kamen nach Un-
gern von ihren Weibern und Kindern begleitet. Thu-
-) Vgl., ausser den Werken von Bonfin, Severini, Palma, Pray,
Katona, Enael, Fesahr u. s. w. S. Timon imago antiquae et novae Hun-
gariae, Wien' 754. 2 Bde. 4. — G. Papanek de regno regibusque Slavorum,
Fünfkirch. 780. 8. — G. Fandhf compendiata bist, gentis ISlavae , Tyrn.
793. 8.
/■/;
374
rocz bezeugt es, dass sie sich hier Häuser gebaut, und
sicli einheimisch gemacht haben. Um aber die ihm an-
vertraute Gegend desto besser gegen den Feind zu schü-
tzen, führte Giskra während der ganzen Zeit seines Auf-
enthalts in Oberungern zahlreiche Colonien der böhmi-
schen Hussiten nach demselben, und siedelte sie in den
Gespanschaften Gömör , Hont , Neograd, Sohl , Liptau,
Trencsin und Neitra an. Da sie allmälig mit den ein-
heimischen Slowaken zusammenschmolzen, so wurden
sie von dem nachmaligen Kg. Mathias, dem sich Giskra
unterworfen hatte, im friedlichen Besitz ihrer Wohnplä-
tze gelassen. Ihre zahlreichen Nachkommen befinden sich
noch heutzutage in den genannten Gespanschaften. ^)
Die heutigen Slowaken bewohnen den nordwestli-
chen Theil Ungerns, sind aber auch sonst in einzelnen
Jüngern Colonien durch das ganze Land zerstreut. Rein
slowakische Gespanschaften sind : Trencsin , Thurocz,
Arva, Liptau und Sohl (gegen 550,000 Menschen) ; in
den Gespanschaften Neitra, Zips, Schärosch, Bars, Zem-
plin, Gömör und Hont machen sie die Mehrzahl (un-
gefehr 800,000) , hingegen in Pressburg , Neograd,
Pesth und Abauj die Minderzahl (kleinere Hälfte) der
Einwohner aus (mit den slowakischen Colonien in Bekes,
Ungvär , Komorn, Bacs , Szabolcs , Stuhlweissenburg,
Gran , Csongräd , Vessprim , Szatmär, Tolna, Csanäd,
Torontal, Heves, Torna, Arad, Beregh, Raab, Temes,
Syrmien und der teutsch-illyrischen Gränze ungefehr
450,000 Menschen). Die Gesammtzahl der Slowaken ist
demnach 1,800,000 Seelen, von denen sich ungefehr
1,300,000 zur katholischen, und 500,000 zur evangeli-
schen Religion bekennen. *)
^) L. Bartholomaeides de Boliemis Kis - Hontensibus coramentatio
historica, Wittenb. 783. 4. N. A. 795. 4.
*) M. Bei notitia Hungariae, Wien 735—42. 4 Bde. 4. — K. G. von
Windisch Geogr. d. Kgr. Ungern, Pressb. 780. — H. Nowotni'i sciagraphia
Hung., Wien 798, 2 Bde. 8. — Välyi Andr. Magyar Orszäg'le-iräsa, Of.
796 — 99. 3 Bde. 8. — Cli. Crusius Postlexicon d. k. k. Erblauden, W. 798.
802. 5 Bde. 8. (2 v. Ungern). — M. Horväth Statist, v. Hung., Pressb. 802-
— Cr. Palkoii'tc znaniost wlasti, Pressb. 804. 8. — K.G. Rumi geogr.-stat.
Wörterb. d. östr. Kaisertimms, W. 809. — M. Schtvartner Statistik d. Kgr'
Ungern. Of. 809 — 11. 3 Bde. 8. — Ch. K. Andre geogr.-stat. Beschreib, d.
Kais. Oesterreicb, Weimar 813. — F. A. Demian stat. Darstellung d. Kgr. -
Ungern, W. 805 — 07. 2 Bde. 8. — M. Sennowitz geogr.-stat. Uebersicht d.
Kgr. Ungern, Eperies 816. fol. — Link kl. Geogr. d. Kgr. Ungern, W. 817. 8. —
375
§. 45.
Charakter der slowakischen Sprache.
Die slowakische Sprache (slowensky gazyk, Slowcn-
cina, wie die Slowaken selbst sagen, nicht slowacky ga-
zyk, wie einige Neuere wollen — ), ist eine besondere,
in ihrer jetzigen Gestalt der böhmischen am nächsten
kommende Mundart. Dieses und der Umstand, dass die
Slowaken seit der Reformation die böhmische Mundart
zu ihrer Literalsprache gewählt haben ^), bewog Hrn.
Dobrowsky anfangs zu behaupten, dass das Slowakische,
einige wenige Eigenheiten abgerechnet, nichts anderes,
als das Altböhmische sey. Später jedoch hat dieser ehr-
würdige Forscher seine Meinung zurückgenommen ; denn
er stellt in seiner Gesch. d. böhm. Sprache und Liter.
(1818) S. 32, und in seinen Instit. 1. slav. (1822) p.
IV. das Slowakische als eine eigene Mundart neben der
böhmischen, wendischen und polnischen auf. Und so
fordert es auch die Natur der Sache. Das Slowakische
bildet den Uebergang von der böhmischen zur windisch-
kroatischen Mundart, od. von der Ordnung A. zur Ord-
nung ß., und ist in seinem Urstoff sehr nahe mit der
altslawischen Kirchensprache verwandt. Durch die geo-
graphische Lage des Volks, durch die Nachbarschaft der
Böhmen, Polen, Russniaken, Serben und Winden, fer-
ner durch den Umstand, dass die eigentliche slowaki-
sche Volkssprache nie zur Schriftsprache erhoben, gere-
gelt und fixirt, sondern der blinden Gestaltung u. Ver-
unstaltung durch zufällige Einflüsse von Aussen preisge-
Ch. Zipser Versuch e. top.-milit. Handbuchs v. Ungern, Oedenb. 817. 8.
— Maada Päl Magyar Orszägnak stat. es polit. le-iräsa, Pesth 819. 8. —
J. V. Caplowic Schemat. d. ev. Gemeinden A. C. in Ungern, W. 822. 12. —
Freimüth. Bemerk, e. Ungern üb. s. Vaterl. 799. — Z>. Teleki de Szek Rei-
sen durch Ungern, Pesth 805. 8. — S. Bredecky top. Taschenb. f. Ung.,
Oedenb. 801. 8., Beitr. zur Topogr. v. Ungern, W."^802 — 07. 5 Th. 8., Reise-
bemerk, üb. Ungern, W. 809. 2 Bdchen 8. — (/. Bohrer) Vers. üb. d.
slaw. Bewohner Oesterr, W. 804. — L. Bartholomaeides notit. Com. Gomör,
Leutsch. 808. 4. J. v. Caplowic ethnograph. Aufsätze in Hesperus u. Tu-
dom. Gyüjtemöny seit 817. Eh. top. Archiv d. Kgr. Ungern, W. 821. 2 B. 8.
^) Die Erzeugnisse d. slaw. Schriftsteller in Ungern sind zwar e. in-
tegrirender Theil der böhm. Literatur ; weil jedoch die Sprechart der Slo-
waken einen besondern Dialekt bildet, so habe ich, der bequemern Ueber-
sicht wegen, die Betracht, d. slowak. Sprache von der böhm. getrennt.
376
geben wurde, enfslarideii in dieser Mundart eines klei-
nen, ohneliin nicht selbständigen Volks so viele Varie-
ttUen, und diese zerfielen in so viele Nuancen, dass es
iHinmehr äussert schwer ist, sie alle unter einen allge-
meinen Gesichtspunct zu bringen. Uebersieht man je-
doch die grosse Menge dieser Sprachverschiedenlieiten,
und hält das Gemeinschaftliche in denselben fest, so er-
geben sich folgende charakteristische ünterschiedsmerk-
male des Slowakischen von den übrigen Dialekten, und
zwar zunächst dem Böhmisch-mährischen: 1.) Durch-
gängig breitere Vocale a, o und ti statt der engern böh-
mischen e und i: ma, ta, sa, zial, zart, dusa, serco,
podoswa, Ijübost, lüde. 2.) Eine Menge Diphthongen:
ia, m, on, uo, teit, ioii : chodja, nosjä, piu, hnau, huo-
rou, kuoh , stuol, lieuc, djouca. In allen diesen Fällen
klingt das u weder wie ein teutsches od. böhmisches w,
noch wie ein w^ sondern wie ein Mittelding zwischen
beiden. 3.) Ein Umlaut a, entsprechend dem Altslawi-
schen und Russischen g: mäso, wäzy, räd, krawär, z
käd (jedoch in einigen Gegenden auch rjad, krawjar
u. s. w.), ein Mittelton zwischen e und a, dessen Aus-
sprache sich nicht beschreiben lässt. 4.) Weichheit der
Consonanten b, m, p, n, f, d, w; worunter die nega-
tive Partikel ne bemerkenswerth ist. 5.) Gänzlicher Man-
gel des zischenden böhmisch- polnischen r (rz), wofür
die Slowaken in einigen Fällen rji rjeka, rjad, rjedky,
in andern aber nur r sprechen: repa, remeslo. 6.) Al-
ternativer Gebrauch der Gurgellaute h und ^, und zwar
des ersten in den meisten, des letzten in seltenern Fäl-
len: hlawa, hrjech , uhel , roh, dahingegen: gunar,
guba, grman, grläk, galiba, gate, gazda, gazdina, gä-
gor , gägotat , mljazga , pluzgjer , gamba , klaganina,
bryzgat, ligotat se u. s. w. 7.) In der Aussprache der
Präposition roz neigt sich der Slowak manchmal eben-
falls zur Ordnung A, und spricht: räzsocha, razsoska
(aber auch rozsocha, rozsoska), razpora, razswit, räz-
tok, räzcesty u. s. w^ Ueberhaupt liebt er a st. o im An-
fange der Wörter: rab, rastem, rasca n. s. w. 8.) Be-
merkenswerth sind die Ausgänge des Präsens auf em
St. ii: nesem, wezem, pigem; auf mo st. me'. nesemo,
377
vvidjiiio, hledamo, wolamo; aufjV/' si. j od. ("(/j : clio-
dja, widja, nosja, liledja (cfr. slav. cliodial, nosiat, wi-
diat); des Präterilum auf u st. /: wolau, cliodiu (vgl.
über die Ausspraclie Xo. 2.), wo das it, aus dem gro-
ben / entstanden, dem Serbisclien o völlig eulspriclit;
des Inflnitivs auf cf st. et: pject, muoct, vvlject, was
mit dem Altslawischen ni;: pesci, mosci, wlesci zu ver-
gleichen ist. 9.) Das öftere Ausstossen der Vocale er-
innert an den häufigen Gebrauch des i, und l, in den
ältesten Handschriften des Altslawischen: mhla , zlty,
stlp, tlct u. s. w. wobei aber zu bemerken ist, dass in ei-
nigen Gegenden der Slowakei (Gömör u. s. av.) gerade
das Gegentheil davon zu finden ist, indem man dort jede
Sylbe vocalisirt: perst, smert, serco, mertv^y, persy,
merznem, zouty, pouny, gabuko, slunko (nicht slnko),
mysel, wjezol, njesol (wjezou, njesou), u. s. w. 10.)
Am bemerkenswerthesten sind die vielen, den Slowaken
eigenen, bei den neuern Böhmen gar nicht gebräuchli-
chen, aber in dem Altböhmischen und in andern Dialek-
ten , vorzüglich dem Kirchenslawischen , Windischen,
Russischen und Polnischen noch vorkommenden Wörter.
G. Rybay hat mit preiswürdigem Fleiss ein slowakisches
Idiotikon von etwa 15,000 Wörtern gesammelt, welche
Zahl sich leicht noch vermehren Hesse. Viele derselben
hat Hr. Palkowic in s. böhiu. Wörterb. 820 — 22 aufge-
nommen. — Sieht man auf die slowakische Sprache, wie
sie im Munde des Volks lebt, nicht wie sie in den Wer-
ken slowakischer Schriftsteller vorkommt (denn diese
ist die mehr oder weniger slowakisirte Böhmische), so
lassen sich drei Hauptvarietäten derselben unterscheiden:
1.) die eiifentliche Slowakische in den Gespanschaften
Thurocz, Arva, Liptau , Sohl , Bars , Neograd , Pesth,
Borsod, Gömör und in den aus diesen Gespanschaften
geflossenen Colonien in Niederungern. Sie ist am weite-
sten von den beiden benachbarten Dialekten, dem böh-
mischen und polnischen entfernt, und ihr kommen die
oben angeführten Merkmale vorzugsweise zu. 2.) Die
mährisch - slowakische Varietät in den Gespanschaften
Pressburg, Neitra und Trencsin, und in den von daher
stammenden Niederlassungen in Niederungern. Sie nä-
378
Iicrt sich mcrklicli der mährischen Landesmundart, und
hieiiiit der böhmischen Schriftsprache, liebt die engern
Vocale, meidet die Diphthongen, ohne darum aufzuhö-
ren slowakisch zu seyn; das mährisch-böhmische r (rz)
ist ihr durchgängig fremd. Eine Abart dieser Varietät
in Neitraer Gespanschaft fingen Bernoläk , Fändly und
ihre Genossen an zu schreiben. 3.) Die polmsch-slcwa-
kische Varietät in einem Theil von Arva, ganz Zipsen,
Scharosch, Abauj und Zemplin (woselbst eine in der
Orthographie magyarisirende Spielart sofahisch heisst),
deren Entstehen sowol der Nachbarschaft mit Polen, als
auch der drei Hundert Jahre lang dauernden Herrschaft
derselben in Zipsen zuzuschreiben ist. Sie liebt das Pol-
nische dz und c st. des slowakischen d und t: idzem,
budzem, ferner viele echtpolnische Wörter, Biegungen
und Formen: bars st. welmi, palec st. prst, draha st.
cesta, hyba st. gen, choc st. trebas, sukac st. hledat,
widzalem, swinia u. s. w. Nuancen dieser drei Varietä-
ten sind: 1.) das Tenfsch-slowakische in den Bergstäd-
ten und ihrer Umgegend; 2.) das Magyimsch-slowaki-
sche in den slowakischen Colonien Niederungerns; 3.)
das Russniakisch - slowakische in Abauj, Zemplin und
Beregh, wo die Slowaken an die Russniaken stossen;
4.) das Serbisch-slowakische in Bäcs, Banat und der
Militärgränze, ferner in Ofen und um S. Andrä herum. ^)
Hieraus ergeben sich die Vorzüge und Mängel der
slowakischen iVlundart von selbst. In Hinsicht des Wol-
klangs hat sie wegen ihres Reichthums an breitern, tö-
nendem, heilem Vocalen allerdings einen Vorzug vor
der böhmischen; allein diess berechtigt sie noch nicht
-) Als besondere Spiel- od. Abarten des Slowakischen werden noch
das Hanakische in Pressburg, das Trpäkische in Hont, das Krekäcische
in Gömör, das Zahoräkische, Podhorakische u. s. w., wol ohne alle Noth
genannt; indem, wenn man auf diese Weise fortfahren wollte, jeden Dorf-
jargon als Untcrdialekt zu classificiren, man deren nicht nur in der Slo-
wakei, sondern allenthalben in der Welt ohne Zweifel so viele aufstellen
müsste, als es durch Borge u. Thäler und Flüsse geschiedene Ortsgebiefee
gibt. — Die Sprachbücher haben die Slowaken mit den Böhmen gemein.
Zur Kenntniss der Landesmundart können indess dienen: A. Bernoläk
Gramm, slavica , Posonii 790. 8. Eb. Dissertatio de litteris Slavorum, Pos.
787. 8., Eb. Etymologia vocum slavicarum , Tyrn. 791. 8. Eb. Lexicou
slavico - lat. - gerin. - hungaricum, Of. 825 if. auf 4 Bde. gr. 8. berechnet. —
G. Palkoiuic böhra. Wörterb. 820 — 22., enthält ebenfalls viele slowakische
Wörter. — Vgl. auch : Pjsne swetske lidu slowenskeho wUhi-jch, Pesth 821. 12.
379
zu der Ehre einer Literiilspraciie, zu der sie einige neuere,
vorzOglicIie kalliolisclie Scliriftsleller erheben wollen. Die
Lage der Slowakei und des slowakischen Volks, die Ge-
schichle der vergangenen, für die Cultur der Sprache
günstigem Zeiten , der forlwiihrende, allgemein einge-
führte Gebrauch der böhmischen Mundart als Schrift-
nnd Kirchensprache bei den protestantischen Slowaken,
die BeschalFenheit der tausendfach metamorphosirten Haus-
mundart, die Klugheit selbst ist gegen eine solche Neuerung.
§. 46.
Schicksale der slowakischen Sprache und Literatur.
Die Geschichte zeigt nns die slowakische Mundart nie
selbständig in der Reihe der slawischen Schriftsprachen.
Die auffallende Uebereinstimmung mit der altslawischen
Kirchensprache in einzelnen Wörtern , Wortfügungen
und Redensarten ist noch lange kein Beweis dafür, dass
Kyrill und Method die slowakische Mundart geschrieben
haben, und dass dieselbe mit der altslawischen Kirchen-
sprache eins sey, denn zu dem grossmährischen Reiche,
in welchem damals Kyrill und Method lebten und lehr-
ten, gehörten ausser den Slowaken auch noch andere
Slawenstämme. Diese Uebereinstimmung wird leicht be-
greiflich, wenn man annimmt, dass die altslawische Kir-
chensprache der Ertrag der frühesten Cultur der noch
heidnischen Slawen ist, und bedenkt, dass der Ursitz
der Slawen in Europa die Karpaten waren (§. 10. 44.).
Wol ist es Thatsache, dass zahlreiche Spuren der Bau-
art und der Malerei in den uralten Kirchen der Slowa-
kei auf die Verbreitung des griechischen Ritus vor Men-
schengedenken in diesen Gegenden hinweisen ^) ; allein
diese schwachen, dunkeln Üeberreste eines völlig ver-
schwundenen Daseyns lassen nur vermuthen, dass die
altslawische Kirchensprache eine Zeitlang Kirchenspra-
che der Slowaken gewesen sey obschon es Wichings
bekannte Abneigung gegen die Griechen sehr unwahr-
1) (S. Li. Bartholomaeides' Comit. Gömör. uotitia bist. - geogr. - sta^
tistica (Leutschau 808. 4.) S. 271.
380
sclieinlich macht, dass sie es lange und überall gewe-
sen — beweisen aber doch am Ende für die frühere Cnl-
tnr des Slowakischen, genau genommen, nichts. Die
slowakische Sprache konnte zwar schon zu dieser uns
völlig dunkeln Zeit nicht arm seyn. Beweis dessen sind
die zahlreiciien ins Magyarische übergegangenen Wörter,
die sich meist auf Cultursachen, Werkzeuge sowol des
Ackerbaus, der Land- und Ilaiiswirthschaft, als auch
der städtischen Gewerbe und Künste beziehen ^). Aber
am besten würden wir über die BeschaiFenheit der al-
tern slowakisclien Sprache urdieilen können, wenn uns
jemand die alten Volkslieder der noch heidnischen Slo-
waken aufbewahrt hätte. Tiiatsache ist es, dass das über
alles sanglustige und gesangreiche slowakische Volk noch
bis vor etwa 60 Jahren, bei verschiedenen Dorfgebräu-
chen uralte Lieder gesungen hat, die Spuren des Hei-
denthums verrathen, die wir aber heute kaum den An-
fangsversen nach kennen ^). — Mit dem Untergang des
grossmährischen Reichs erlosch die Selbständigkeit der
Slowaken — und ihre Sprache wanderte von den Bur-
gen und Palästen der Fürsten in die Hütte des Land-
mannes. Jahrhunderte des tiefsten Schweigens folgen auf
die durch herbeigeeilte erobernde Völkerhorden veran-
lassten Kriege und Stürme; der Name der Slowaken und
ilirer Sprache verliert sicii aus der Geschichte, und däm-
mert nicht eher heran, als um die Mitte des XV. Jahrb.,
wo die Fhissiten unter dem kriegerischen Giskra in Ober-
ungern hausten. Um diese Zeit mögen die durch ma-
gyarische Könige in lateinischer Sprache beherrscliten
Slowaken zu allererst seit Kyrill und Method erfahren
haben, dass so Etwas, wie ihre Sprache, aufs Papier
gebracht werden könne *). Denn in Böhmen hatte da-
-) S. Le.ika hat einen : Elenclius vocabnlorura slavicorum magyarici
usus, in Msc. hinterlassen, der zu Ofen 1825. 8. in Druck erschienen ist.
=») S. Tablicowy poesie, Waitzen 1806 fif. 1 Bd. S. IV - XII. — L.
Bartholomaeides Com. Gömör. iiotitia Part. I. C. IV. De cultura incolarum.
*) Die Inschriften auf Glocken, Altären, Thürmen u. s. w., aus dem
XII — XV. .Tahrh. in der Slowakei sind alle lateinisch. So hat die Glocke
zu Gross-Köcze in Gömör von 1206 die Inschrift : 0 fusa est canipana in
lionore Dei omnipotentis et in honore S. Quirini; der Senatoronstuhl in
(setnek von 1272 : 0 rex fjloriac veni cum pace Amen ; die Glocke zu Polo-
nia (Veszveres): Est factum iu honore Dei omnipotentis et S. Nicolai
1496. S. L. Bartholomaeides notitia G. Gömör. S. 272 — 73.
381
inals die Landesimiudart schon eine bedeutende Stufe der
Ausbildung erreicht ; und es lässt sicli gar nicht bezwei-
t'ehi, dass die für ihre Lehre so eifrigen Hussiten Ver-
suclie gemacht Iiaben, die Stamm- und Sprachvervvand-
ten Slowaken mittelst der Buchstaben und Schrift für
sich zu gewinnen. Aber auch von diesen vorsätzlichen
Versuchen abgesehen, musste nicht schon das blosse Bei-
spiel der Hussiten in ihren zahlreiciien Niederlassinigen
in den Gespanscliaften Gömör , Hont, Neograd, Sohl,
Liptau, Trencsin und Neitra auf iiire Nachbarn u. Mit-
insassen, die Slowaken, wirken ? Konnte ihnen der Ge-
brauch des lateinischen Alphabets zur Bezeichnung der
Laute ihrer Sprache hinfort fremd bleiben? Nur der
türkischen Vertilgungswuth ist es zuzuschreiben, dass
nach hundertjährigen Verheerungskriegen so wenige Ue-
berreste, ja kaum einige Spuren dieser frühesten Cultur
des böhmisch-slowakischen Dialekts in Ungern zu finden
sind. Ehedem hielt ich den handschriftlichen Vertrag oder
Cession des Georg von Breclaw an Jakob Kysawy, vom
J. 1433, welcher in dem Pressburger Stadtarchiv auf-
bewahrt wird, ftir das älteste Denkmal der slowakischen
Sprache 5 allein nach Einsicht einer Abschrift davon er-
gab sich, dass derselbe böhmisch abgefasst und von Wien
aus datirt sey. Sonstige Documente der slowakischen
Landesmundart aus diesem Zeitalter sind mir nicht be-
kannt, obschon ich es für gewiss halte, dass sich ihrer
nicht wenige in den Archiven und Bibliotheken der ka-
tholischen Erzbischöfe und Bischöfe , der Domkapitel,
der Magnaten und Edelleute, ferner der k. Freistädte
vorzüglich in den von Slowaken bewohnten Gegenden
noch wirklich vorfinden mögen. Männer, die diesen Ar-
chiven und Bibliotheken vorstehen, oder denen sonst der
Zutritt zu denselben frei steht, würden sich um die Ge-
schichte der slowakischen Literatur grosses Verdienst
erwerben, wenn sie uns mit diesen frühesten Denkmä-
lern bekannt machen möchten ^). Von den historischen
•') Ich selbst habe einen ziemlich ausführlichen handschriftlichen
Katalog vieler, die slawische Geschichte und Literatur betreffenden, in den
Archiven und Hauptbibliotheken Ungerns vorfiudlichen , handschriftlichen
und gedruckten Documente vor mir; so steht darin z. B. „Apud V. D. M.
Breznobänyensem Jo. Kuzmänyi : Diarium Ge. Puchala ab a. 1247 usque
382
Volksliedern, z. B. von der Kgn. Elisabeth, Kg. Ludwig
IL n. s. w., welclie dereinst bei den Slowaken in Schwung
waren, sind jetzt kaum die Anfangsverse übrig. Sichere
Spuren der Fortbildung der slowak. Sprache fangen erst
mit der Heformation an. — Dass die Hussiten, als Vorläu-
fer der tcutschen Reformatoren, ein Hinneigen zur prote-
stantischen Lehre nicht nur bei den Böhmen, sondern auch
bei den Slowaken in Ungern erweckt haben, ist wol aus-
gemacht ^}. Diesem, von Böhmen aus kommenden Im-
puls, haben wir es zuzuschreiben, dass die böhm. Mund-
art Schriftsprache der Slowaken geworden ist. Mit der
Lehre kamen Bücher, und mit diesen die Sprache selbst
aus Böhmen in die Slowakei ^). Denn kaum war die
Lehre der leutschen Reformatoren nach Oberungern ge-
drungen, als schon zahlreiche Scliriften der evangelischen
Prediger in böhmischer Sprache seit der Mitte des XVI.
Jahrb. für den Gebrauch derselben in der Slowakei den
unwiderleglichsten Beweis liefern. Von dieser Zeit an
lassen sich die Schicksale der slowakischen Schriftstelle-
rei in Ungern von .lahrhundert zu Jahrhundert übersehen.
Sechzehnfes Jahrhundert. Die Reformation fasste,
ungeachtet der gegen sie 152.3-1525. gegebenen scharfen
Befehle, in Oberungern immer festere Wurzeln ^). Die
slowakischen Prediger fingen an, den Gottesdienst, den
Böhmen gleich, in der slawischen Sprache zu verrich-
ten, wühlten aber dazu die böhmische Mundart, weil
die Bibel und alle ihre liturgischen Bücher in derselben
verfasst und gedruckt waren. Gehörne Böhmen u. Mäh-
rer wanderten oft als Seelsorger und Lehrer nach Ober-
ungern, Slowaken nach Böhmen und Mähren; Böhmen,
1539, coutinuatum per filiiim eins Blasiym 1539 — 60, nepotcm Stanislaum
1597 — 632, pronepotem Mathiam 1637 — 675, et huius geiierum Math.
Mategkowic 1672 — 741, iucolas Teuto-Lipcsenses, descriptum ex ipso ori-
ginali per Math. Schiilek V. D. M." Dann werden die Continuationen seit
1539 noch einmal unter besoudern Numern aufgezählt, und zuletzt beige-
iügt: „Hactenus omnia slavicc, praeter primum."
«) S. Tahlic historie A. W., Waitzen 808. 8. S. 47. Dolezal gramtn.
slav.-boh., Pos. 746. 8. Praef. §. XII.
') Die böhm. Handschriften, die sich noch hie u. da unter den un-
grischen Slowaken finden, z. B. die trojanische Chronik, das N. Test., u.
a. m., kamen wol auf keinem andern, als auf diesem AVog nach Ungern.
^) Schon 1559 war die Mehrzahl der Magnaten u. Adeligen in Un-
gern pi'otestantisch, und nur in dem Kreise jenseits der Donau zählton die
Protestanten 300 Kirchen. S. Tahlic historie A. W. S. 64 — 78.
383
Mähren iiud die Slowakei waren bis 1G2(') im Geiste
eins ^). Kein Wunder, dass die böhiiiische Schriftspra-
che von nun an in der Slowakei auch bei schriftlichen
Verhandlungen des bürgerlichen Lebens gang und gäbe
wurde. Alle slowakischen Schriftsteller dieses Jahrhun-
derts waren Tiieologen, und schrieben ftir ihr Fach Ka-
techismen, Gebetbücher, Kirchengesänge und andere Er-
bauungsbücher; biblische und liturgische Bücher erhiel-
ten sie aus Böhmen. Die slowakische Literatur konnte
sich nur mit Mühe neben und gleichsam unter den Flü-
geln der böhmischen entfalten; die wiederholten Einfälle
der räuberischen Türken, die grausenvolle Verheerung
der Städte, Burgen und Dörfer, die unglückliche Nie-
derlage bei Mohäcs, die Einnahme der Stadt u. Festung
Ofen durch die. Türken, der Bürgerkrieg, den Zapolya
anfachte, verscheuchten die stillen, friedliebenden Mu-
sen von Pannoniens bluttriefenden Gefilden. In allen Ge-
sang- und Kirchenbüchern aus dieser unruhevollen Pe-
riode weht ein freudenleerer, düstrer, banger, sich nach
Hilfe und Rettung sehnender Geist. Die unter solchen
Umständen errichteten Schulen in der Slowakei, als in
Rosnau 1525, Bänowce 1527, Libethen 1527, Bartfeld
1539, Leutschau J542, Zilin 1550, Priwitz 1550,
Schemnitz 1560, Sintawa 1573, Kesmark 1575, Jelsa-
wa (Eltsch) 1576, Sohl 1576, Moschotz 1580, Frei-
städtl 1581, Trencsin 1582, Eperies 1594, Kaschau
1597 u. s. w., wirkten für die Emporbringung der slo-
wakisch-böhmischen Sprache und Literatur wenig oder
gar nichts, so sehr auch einige Lehrer, z. B. Pruno in
Freistädtl, Hussel in Priwitz, u. s. w. für dieselbe be-
geistert gewesen seyn mögen ^^). Lange Zeit mögen die
«) S. Tablicoivy ijoesie, Waitzen 806, ff. Ir Bd. S. XXVI. Anm. 19.
") Schon Benedicti klagt über die Fahrlässigkeit und Indolenz der
Slowaken gegen ihre Sprache. „Verum enim vero, sagt er in der Vorr.
zu s. Gramm. 1603, hie mihi praecipue mei gentiles Slavi videntur cohor-
tandi, apud quos excnlendae eorum linguae maxima est negligentia, adeo
ut nonnulli (expertus de quibusdam loquor), si nou tantum non legant
bohemicos libros, sed ne in suis bibliothecis uUum habeant, gloriosum id
sibi ducant. Hinc fit, ut, quum de rebus illis domestica lingua est disse-
rendum, semilatine eos loqui oporteat. (Man glaubt, Benedicti lebt jetzt,
und spricht über die heutigen Slowaken!) Cetera incommoda neglecti eins
studii non persequar. Exstiterunt tamen quidam, qui aliquid conati sunt:
qualis vel inprimis fuit piae memoriae doctissimus vir Alb. Husselins Pri-
384
Slowaken sicli mit in Böhmen gedruckten Büchern be-
gnügt liaben ; späteriiin wurden Biiclidruckereien in
Freistiidtl (1581? nach Nemeth 1584), Bartfeld (1579),
Schintau (1574) , Neusohl (1578) , Tyrnau (1579),
und im XYII. Jalirh. auch in Pressburg, Trencsin, Leut-
schau, Eperies, Kaschau u. s. w. errichtet. Mir ist kein
älteres in der Slowakei gedrucktes Buch bekannt, als der
Katechismus von Job. Pruno, Lehrer in Freistädtl, da-
selbst 1581 od. 1583. 8., und ein anderer Katechismus,
1581 in Bartfeld bei David Gutgesell gedruckt. Slowa-
kische Schriftsteller dieses .Jahrhunderts sind: Joh. Sijl-
vauus (gest. 1572), gebürtig aus Ungern, lebte in Böh-
men, Georg Bdnowsky Rector der Ziliner Schule (gest.
1561), Joh. Tdborsky, Prediger in Wai'jn (gest. 1596),
Andr. Cenglerius, Prediger in Rosenberg (um 1588),
von denen einzelne Kirchenlieder in Gesangbüchern zu
finden sind. — Joh. Pnino, Rector in Freistädtl (Gal-
götz, Frastäk), und Trencsin (gest. 1586), schrieb eben-
falls Kirchenlieder, und gab 1581 od. 1583 in Galgötz
einen lateinisch - slowakischen Katechismus heraus. —
Steph. Tfebnicky aus Schlesien, Prediger in Zipsen (um
1583), übersetzte die Confession der 5 Städte ins Slawi-
sche, die 1614. 4. lat., teutsch, inigr. u. slow, in Ka-
schau erschienen ist. — Joh. Ilodika, Superintendent
in Trencsin, gab Leichenpredigten heraus, 1637. 8. —
Noch werden als Beförderer und Liebhaber des slawi-
schen Sprachstudiums in diesem .Jahrhundert genannt:
Mich. Radamn (Radosjnsky) Pred. in ßartfeld, Petr.
Baros, Rector in T. Lipcse und Trencsin, Alb. Husse-
lius, Raphael Hrabec u. m. a.
Siebzehnfes Jahrhunderl. Unter verhäugnissvollen
Auspicien dämmerte das XVII. Jahrh. in Ungern heran.
vidiae, qui suos discipulos et ad rectam orthograpliiam, et ad ornatiorem
cultioremque sermouem assuefacicbat: sed quia destituebantur conipendiosa
ratione, si minus, quam volcbant, assecuti sunt, non est mirum." Später
mag es etwas besser geworden seyn ; denn 150 Jahre darauf erhebt Bei in s.
Vorr. zu Dolezals Gramm, slav. §. XII. den Eifer einiger Magnaten u. Ade-
ligen für die slaw. Sprache. „Quibus rebus eveuit, ut non modo eruditi
in Ilungaria viri, sed Magnates etiam, et ex uobilitate eorum Comitatuum,
in quibus lingua slavica vernacula est, curam linguao slavo - bohemicae
cultumque ad se ])ortinere existimaverint. In bis censemus : Szunyogios,
Illeshäzyos, Thurzones, Ostrositliios, Zayos, ceteros; atque ex equestri or-
dine : Sulyowskyos, Szerdahelyios, Revayos, .lustios, Otlikios, Benickyös,
Plathyos, Potturnayos, reliquos."
385
Die tVeie Rcligionsübmi^' war den Protostaiilen durch
den Wiener Frieden 1G06, bei der Krönung Mathias IL
1608, Ferdinands II. 1618, und auf dem Oedenburger
Landtag 1625 gesetzlich zugesichert ; nichts desto weni-
ger brachte der Fall Böhmens nach der Schlacht am weis-
sen Berge 1620 auch nach Ungern neue religiöse Stürme.
Der Schutz, den die protestantischen Slowaken den zahlrei-
chen böhmischen und mährischen Flüchtlingen angedeihen
liessen, veranlasste den heftigsten Streit zwischen der pro-
testantischen und katholischen Partei. Der Bürgerkrieg
unter Georg Räkötzy nahm den Character eines Religions-
krieges an. Die Linzer Pacification, 1647 bei der Krö-
nung Ferdinands IIL unter die Landesgesetze aufgenom-
men, trug sehr wenig zur Herstellung des Friedens bei.
Emerich Tököly (1681) und Franz Räköczy (1704} ver-
breiteten abermals die Schrecknisse des Bürgerkriegs über
das von den Türken ohnehin sehr verwüstete Ungern.
Unter solchen l'rnständen konnte die slowakische Litera-
tur, deren Pfleger bis dahin meist Protestanten waren,
und die zu Ende des vorigen .Jahrhunderts erst heran-
zublühen begann, zu keiner Reife koiinuen; sie er-
losch mit dem Ende des XVII. Jahrb. beinahe gänzlich.
Die fruchtbarsten slowakischen Schriftsteller waren
auch jetzt Theologen; aber der sprachliche und sächli-
che Wertli ihrer Erzeugnisse sinkt mit dem Verfalle der
Zeit immer tiefer. Der Geist, der sich im Freien kräf-
tig emporhebt, schruiikpft in der Gefangenschaft zum
todten Buchstaben zusammen. Namhafte Schriftsteller
flieses Jahrb. sind: Laur. Benedicft aus Nedozer itn Nei- f C^l"
traer Cömitat (geb. 1555, gest. 1615), Prof an der Pra-
ger Universität , ein gründlicher Gelelirter nnd feiner
Kenner der slawischen Sprache, schrieb Kirchenlieder
(im griech. Zeitmaas), gab 1603. 8. eine böhm. Sprach-
lehre herans, ausser mehreren andern lat. Werken^*). —
Elias Ldni (gest. 1617), Isac. Abraham i des , und
Sain. Melikrus, Superintendenten, gaben 1612 in Leut-
schau einen Katechisoius heraus. — Joach. Kaiinka (gest.
") Benedicti war unter deti Slowaken der erste, der griech. und
lat. Metra in der liölim. - slow. Sprache, nach den Regeln der wahren,
quautitirendeu Prosodie, gebrauchte. Ihm folgten in der folg. Periode S.
Hruskowic, D. Kniian, P. Tesläk u. a. m.
25
386
1678), Superintendent, Hess eine Trauerrede und Er-
klärung des Jesaias drucken, und hinterliess einen Ka-
techismus in Msc. — Georg Tranoivsky Pred. in S. Ni-
klas (geb. 1591, gest. 1637), gab der erste in Ungern
ein böhmisch - slowakisches Gesangbuch, Leutschau b.
Brewer 1635, heraus, welches seitdem vielmal nachge-
druckt worden, und noch heutzutage bei den evangeli-
schen Slowaken in Ungern in Gebrauch ist ^^) ; er über-
setzte die Augsb. Conf. ins Böhmische, Olim. 620. 12.,
verfasste ein Gebetbuch, Leutsch. 635. 8. — Tob. Mas-
nicius, zuerst Rector der Senicer und Illauer Schule,
hierauf Diakonus in Illau, gab 1682 in Dresden ein theo-
logisches Büchlein, 1696 aber in Leutschau eine Anleit.
zur Rechtschreibung heraus. — Steph. Püai'jk, zuletzt
Prediger in Senic (gost. 1675), bekannt durch seine wi-
drigen Schicksale und die türkische Gefangenschaft, liess
1648 in Leutschau ein Gebetbuch, 1666 in Zilin bei Job.
Dadan seine Biographie unter d. T. Sors Pilarikiana, sla-
wisch (N. A. V. Tablic, Skalic 804. 12.), drucken. —
Dan. Sinaphis, zuletzt Pred. in Leutschau (gest. nach
1684), verfasste viele Kirchenlieder, gab 1678 eine
Sammlung slowak. Sprichwörter s. 1., 1676, 1684 und
1703 drei theologische Werke, 1684 aber Tranowskys
Gesangbuch (in Leutschau) heraus. — Joli. Simonides,
Pred. in Neusohl (gest. 1708), gab den grössern und
kleinern Katechismus von Luther heraus. — Joh. Krom-
holz, Pred. in Kokawa (gest. 1683), liess 1666 in Leut-
schau ein theologisches Werk drucken. — Joh. Weber,
Apotheker in Eperies, gab ein Büchlein von der Pest
u. d. T. Amuletum, Leutsch. 645. 12. heraus. — Petr.
1-) Tranowskys unter dem T. Cithara sanctoriim bekanntes Gesanj;-
buch enthielt in der ersten Ausg. nur 400 Lieder ; jetzt zählt es deren über
1000. Es ist 9mal in Leutschau und Trencsin, 5mal in Pressburg, einige-
mal in Lauben, einmal in Wien, zweimal in Neusohl, einmal in Pesth ge-
druckt worden. — Wir fügen die Namen der übrigen geistlichen Dichter
dieses und des folg. Jahrh. bei , die entweder zu Tranowskys Cithara oder
andern Gesangbüchern beigesteuert hal)en; El. Läni, Joach. Kaiinka, Dan.
Prybi§, Dan. Masnicius, Joh. Burius, Dan. Sinapius, Ge. Zäbognjk, Joh.
Simonides, Joh. Kromholz, Matth. Rudjusky , Joh. Rohäö, Joh. Urhanowic,
Andr. Radio, Ad. Plintowic, Jer. Lednicky, Dan. Sidonius, Dan. Krman,
Joh. LowCdni, Joh. Boh. Ertel, Joh. Blasius d. Aelt., Joh. Blasius d. J.
Joh. Glosius, Math. Augustini, Dan. Strausky, J. Sexti, Paul Streöko, ,Sam.
Palumbini, Andr. Ambrosy, Math. Gali, El. Mlynärowych, Andr. Saffa-
rowsk^, Jon. Nigrini, Mich. Seraian u. s. w.
387
Hrahoivski) von Ifrabow, Gouverneur des Schlosses und
der Herrschaft ßudetjn in Trencsiner Gespanschaft, liess
ein Manuale Lat.-Hung.-Slavonicuin, Bartfeld 663. 12.
drucken. — Mich. Ldm\ Pred. in Wrbowce (gest. 1708),
übers. J. Eichhorns: Duchownj zbrane pokogjk 682-83.
4 Bde. 12., 718. 4 Bde. 8. —Jonas Bub enka Prediger in
Ochtina, besorgte eine neue Ausg. des Komenskysclien
Orbis pictus, Leutsch. 683. 4., wozu er die Abbildun-
gen selbst in Holz gestochen hat.
Achtzehntes und neunzehntes Jahrhundert. Ungeacii-
tet des Verfalls, welcher die böhmisch - slowakische
Schriftstellerei in Ungern gegen das Ende des XVII.
Jahrh. traf, fanden sich doch schon gleich im Anfange
des XVIII. Jahrh. einzelne eifrige Männer, welche um
ihre Wiederaufnahme auf das thätigste besorgt waren.
Anerkannt gross sind die Verdienste eines Bei, Krman,
Ambrosius, Hruskowic und anderer um ihre Glaubens-
genossen unter den Slowaken, und um die Aufnahme
der böhmisch - slowakischen Schriftstellerei. — Kaum
kündigte die freundliche Morgenröthe der Duldung und
der gesetzlich zugesicherten Gewissensfreiheit unter Ma-
ria Theresias und Josephs II. glorreicher Regirung
nach so vielen Stürmen einen heitern , friedlichen Tag
an, als sich auch schon die Zahl der Schriftsteller un-
ter den Slowaken vermehrte, und die Literatur, aus
den engen Gränzen der Theologie herausgetreten, sich
auch über Gegenstände des bürgerlichen Lebens auszu-
breiten anfing. Unter den Schriftstellern dieses Jahr-
hunderts zählt man einige sogar aus dem höhern Adel ;
die verscheuchten Musen kehrten nach Pannonien zu-
rück, und die slowakischen Dichter fingen an auch ir-
disches Weh und Wol zu besingen. Während aber die
protestantische Partei die böhmische Mundart als Schrift-
sprache unter den Slowaken rein zu erhalten beflissen
war; verliessen einige katholische Schriftsteller die frü-
herhin ohne Zweifel auch von ihnen festgehaltene Bahn,
und versuchten in der slowakischen Volksmundart zu
schreiben. Denn dass die frühern katholischen Schrift-
steller unter den Slowaken sich der bis dahin herrschen-
den, geregelten böhmisch - slowakischen Schriftsprache
25*
388
bedient haben, daran ist gar nicht zu zweifeln*, diess
wird sich erweisen, wenn wir dereinst die ältesten slo-
wakischen Schriften vollständiger kennen werden. Schon
im J. 1718 gab Pater Alex. Mäcsay, ein Pauliner,
seine Predigten zu Tyrnau in der gemeinen slowakischen
Sprache heraus. Ihm folgten die Tyrnauer Jesuiten mit
ihren Gebet- und sonstigen Religionsbüchlein, die zwar
im Ganzen noch immer böhmisch sind, aber im Einzel-
nen schon ein Sprachgemiscli ohne Consequenz darstel-
len. Nun versuchten es .Jos. Ign. Bajza (1783), Ant. Ber-
noläk (1787-91) und Ge. Fandli (1790) die slowaki-
sche Mundart in Gang zu bringen. Nicht so dachten die
Protestanten, denen diese Neuerung für die Cultur der
Sprache nachtheilig schien. Während sich um Bernoläk
und Fandli eine literarische Gesellschaft in dem Tyr-
nauer, Neitraer und Trencsiner Bezirk bildete, deren
Glieder sich zur Abnahme der bernolakisch-slo wakischen
Bücher verbunden hatten, traten auch die protestanti-
schen Slowaken zusammen, und errichteten aus eigenen
Mitteln, durch freiwillige Beiträge der Gemeinden, der
Geistlichkeit und anderer Slawenfreunde im J. 1803 das
Institut der böhmisch-slowakischen Sprache und Litera- '
tur mit einer Lehrkanzel für dieselben am evangelischen
Lyceum in Pressburg, dessen Zweck die Reinhaltung der
böhmischen Schriftsprache und Verbreitung nützlicher
Religions- und Volksbücher unter den Slowaken war. Hr.
Ge. Palkowic ward als Professor und Secretär des Insti-
tuts nach Pressburg berufen. Einen schönen Tag schien
der herrliche Morgen zu verkündigen — die in den er-
sten Jahren der Anstalt mit musterhafter Correctheit her-
ausgegebenen zahlreichen Schriften erregten grosse Hoff-
nungen; aber bald zogen auf dem mittägigen Himmel
düstre Wolken herauf — das Institut war nur ein Men-
schenwerk, — es zerfiel, nachdem es kaum da gewesen.
Vergeblich bemühten sich die Hrn. Lowich und Tablic
dasselbe durch die 1812 neugebildete slowakische Ge-
sellschaft zu ersetzen; auf den schnell verflogenen Auf-
schwung der Gemüther folgte ein Indiflferentismus, auf
diesen eine totale Lethargie. Seitdem fahren einige we-
nige protestantische Schriftsteller fort, sicli als Dilettan-
389
teil unter den Deckflügeln der böhmischen Literatur dein
Dienste der slawischen Muse zu widmen; während die
Katholischen, deren wachsender Eifer für die Empor-
bringung der slowakischen Literatur nicht genug zu
rühmen ist, mit Ausnahme einiger Wenigen, entschlos-
sen zu seyn scheinen, den von Bernolak vorgeschlage-
nen Weg zu verfolgen. Diesem Eifer leuchtet ein er-
habenes Bild vor in dem edlen Sinn, mit welchem Se.
fürstl. Gnaden, Herr Alexander v. Rudna und Divek-
Ujfalu, Primas und oberster geh. Kanzler d. Kgr. Un-
gern, Erzbischof zu Gran u. s. w. (geb. in Heilig.-Kreutz
an d. Waage, Neitr. Com., den 4. Oct. 1760), selbst ein
gründlicher Kenner der slaw. Sprache, die natürlichen
unveräusserlichen Rechte derselben, als der Mutterspra-
che eines grossen Theils des seiner geistigen Obhut an-
vertraueten Volks, ehrt. Beweis dessen sind die von
Hochdemselben früherhin in slow. Sprache gehaltenen
zahlreichen geistlichen Reden, deren einige zu Tyrnau
804. in Druck erschienen sind und die Herausgabe des
grossen Bernoläkischen W'örterbuchs, das ohne seine gü-
tige Fürsorge schwerlich das Tageslicht erblickt hätte. ~
Es wäre zu wünschen, dass aus diesen vereinzelten Be-
mühungen sowol der katholischen, als auch der prote-
stantischen slowakischen Schriftsteller, durch gegenseiti-
ge Anschliessung im Geiste echter christlicher Liebe und
slawischer Milde, durch ruhige, parteilose Forschung
und Beachtung des bereits gut Begründeten, mit der
Zeit eine, alle billige Forderungen aufgeklärter Nationa-
len befriedigende, slowakische Schriftsprache hervorge-
hen möchte, bei der zwar in der Regel die böhmische
Grammatik als Grundnorm angenommen, aber zugleich
auch die Natur der slowakischen Landesmundart bei der
Aufnahme einheimischer Wörter, Phrasen und Biegun-
gen so weit berücksichtigt werden müsste, dass dadurch
der Styl ein eigenthümliches, echt— slowakisches Colorit
erhielte, um einerseits den Bedürfnissen des slowaki-
schen Volks anpassend schreiben zu können, anderer-
seits aber den gegenseitigen Literaturverkehr zwischen
den Böhmen und Slowaken zum wahren Wol beider
Brüder - Völker auch in der Zukunft fest zu erhalten.
390
Es ist hier übrigens nicht der Ort, den Gebrauch der
böhmischen Schriftsprache unter den Slowaken beweis-
führend in Schutz zu nehmen — ich verweise in dieser
Hinsicht auf eine andere Schrift ^^) — ; nur so viel will
ich sagen, dass so lange in den slowakischen Schulen nur
das Lateinische u. Ungrische getrieben, und der Jugend
in der slowakischen Schriftsprache kein Unterricht er-
theilt wird, so lange ferner die jungen slowakischen Theo-
logen und künftigen Schullehrer die Regeln der böhmisch-
slowakischen Literalsprache nicht auf ihren Gymnasien u.
Lyceen Jemen werden, die böhmisch-slowakische Spra-
che und Literatur in Ungern nie die Sache des slowaki-
schen Volks, sondern immer, wie jetzt, nur der Gegen-
stand der Beschäftigung einiger wenigen Liebhaber seyn
wird. Was aber bei der bekannten Indolenz der Slowaken,
vorzüglich des Adels, gegen ihre angestammte Sprache,
und dem aus einem missverstandenen Interesse der ma-
gyarischen Patrioten, die ihre Literatur erst auf den Rui-
nen des Slowakismus in Ungern recht aufbaiien zu kön-
nen vermeinen, herrührenden Drucke hievon zu erwar-
ten sey, ist leicht zu errathen. Von den Schriftstellern
dieser Periode nennen wir: Math. Bei aus Ocowa, Pred.
in Pressburg, (geb. 1684, gest. 1749), einer der gröss-
ten Literaturen üngerns, besorgte mit Dan. Krman eine
neue Ausg. der Bibel, Halle 722. 8., des N. T. Halle
709., übersetzte Arndts Paradiesgärtlein 720. 12., des
Cellarius lib. memor. lat. probatae, Lpz. s. a. 8., Flos me-
dicinae schol. Salern., Pressb. 721. — Dan. Krman, Su-
perintendent (geb. 1663, gest. 1740), ein um die slowa-
kische Literatur hochverdienter Mann, gab 1722 mit
Bei die Bibel, 1734 (s. 1.) Agenda ecclesiastica slavica,
1738 den kleinern und grössern Katechismus Luthers
und andere kleinere Schriften heraus ; mehreres, als : Ru-
dimenta gramm. slav., de Slavorum orig. dissert., hin-
terliess er in Msc. — Ge. Ambrosivs, Superintendent,
aus Unter-Kubin in Arva (gest. 1746), ausgezeichnet
durch seine Frömmigkeit, Gelehrsamkeit und Wolreden-
'^) S. die Vorr. zu Pjsiie swetske lidu slow, w ühfjch (Pesth 823),
wo die Gründe für die Bcibelualtung der böhm. Schriftspraciie, jedoch mit
gebi'fhrender ßcrUcksicktiijurKj des slowak. Idioms und seiner natürlichen
Rechte, mit überzeugender Klarheit aufgezählt werden.
391
beit, schrieb Erläiiteriiiigeii über Luthers Katechismus,
gab 1742 (N. A. 1778 in Pressb.) Prjprawa k siiirti, u.
1745 Gädro kfest. ew. ucenj, in Brieg od. Wittenberg
heraus. — Ge. Ba/itjf, aus Perlatz in Göiiiör (gest. 1759),
gab die Sonn- und Festtags-Epistehi und Evangelien in
Leutschau heraus, schrieb eine Einl. ins A. u. N. Test.,
eine Gesch. der symbolischen Bücher, eine Erklärung der
dunklen Wörter des A. u. N. Test., half bei der Heraus-
gabe des Komenskyschen Orbis pictus u. s. w. — Math.
Bahyl, Pred. in Cserencs, u. seit 1734 in Eperies, be-
kannt durch seine widrigen Schicksale, die er sich
durch die Uebersetzung von Meissners Consultatio or-
thod. de fide Lutherana capessenda et Romana deserenda
und von Cyprians Belehrung vom Ursprung und Wachs-
thum des Papstthums, unter dem Namen Theodorus von
Hybia, W^ittenberg 1745 8., zugezogen. — Paul Jaco-
baei, Pred. zu Slodern (geb. 1695, gest. 1752), ein
fruchtbarer Schriftsteller, dessen: Zahrädka dusj ne-
mocnych, s. 1. (Puchow) 1733. 12., Ewang. Fuuebräl,
Pressb. 783., (enthält auch von andern Vff. Lieder), und
Modlitebnj poklad s. 1. (Zitau) 732., am meisten be-
kannt sind. — Sam. Hrnskowic, Superintendent, (gest.
1748), der Geliert der Slowaken, bereicherte Tranows-
kys Cithara mit 88 Liedern, Laubau 745. 8., und be-
sorgte eine neue Ausg. des Luth. Katech. 735. — ßlafh.
Bodo aus Rima-Bänya in Klein-Hont, Advocat u. Fiscal
(gest. nach 1757), gab: Zwuk ewangelium wecneho 743.
12. heraus; anderes hinterliess er in Msc. — Joh. Bla-
sius der Aeltere, zuletzt Pred. in Trencsin (gest. 1749),
liess 4 asketische Schriften in den J. 1739-45 drucken,
schrieb ausserdem Kirchenhymnen. — Joh. Blasius der
Jüngere, Pred. in Gross-Paludza (geb. 1703, gest. 1773),
ist Vf. von einem Gebet- (756. 12.) und Gesangbuch
756. 12. — Fat. Alexander Macsay, ein Pauliner, gab
s. Predigten zu Tyrnau 718. 4., mit der Bemerkung auf
dem Titel: w slowenskem gazyku poneyprw^ na swetlo
wydane, heraus. — Joh. Glosüis aus Pondelok, zuletzt
Pred. in Aszöd (gest. um 1724), besorgte ein Gesang-
(s. 1. et a.) und ein Gebetbuch (eh.), und verfasste ein-
zelne Kirchengesänge. — Paul Dolezal aus Skalic, zuletzt
392
Precl. in ßoca, Vf. mehrerer slowakischen Sprachhücher.
Gramm, slavo-boh., Pressb. 746. 8., Doiiatus lat.-slav.,
Pressb. 748., Sama ucjcj abeceda a slabikar, mit Fig. 756.,
gab Denksprüclie aus der Bibel in Reimen, s. 1. 745. her-
aus, anderes hinterliess er handschriftlich. — Joli. Clira-
sfi'na, Lelirer in Fressburg um 1757, besorgte mehrere
Jahre lang die Herausgabe eines brauclibaren Kalenders,
schrieb komische Erzäblungen vom Gelo und Taubmann
in Reimen, herausg. v. Tablic, 8kalic 805. 12. — Math.
Aiigustini, zuletzt Fred, in Trencsin (gest. 1753), ver-
fasste einige Kirchenlieder, und drei asketische Werke.
— Mart. Laucek aus St. JMartin in Thuröcz, Fred, in
Skalic (geb. 1732, gest. 1802), ein fleissiger slawischer
Schriftsteller, von dessen 5 theologischen Werken vorzüg-
lich: Slowärne aneb konkordancj biblicka, Pressb. 791. 4.
bekannt ist. — Paul Tesclilak aus Sohl, Fred, in Orosz-
lan (geb. 1759, gest. 1801), ist Vf. mehrerer metrischer
Gedichte, die einzeln erschienen sind. — Mr. Dan. Je-
seiisky gab ebenfalls einzelne Gedichte vermischten In-
halts heraus. Dan. Sarforitfs, Fred, in Neusohl (geb.
1704, gest. 1763), gab 3 theologische Werke heraus. —
Math. Markowtc, Fred, in Szarvas (geb. 1707, gest. 1762),
ist Vf. von 6 Schriften, worunter eine Geographie und
Geschichte von Ungern in Reimen. — Joh. (Jernatisky,
Fred, in Nieder-Strehovva (1709-1766), gab 2 Erbau-
ungsbüchlein heraus. — EL MUnärowych, Bürger in
Kesmark zu Anfange des XViU. Jahrls., verfasste eben-
falls zwei asketische Büchlein. — Joh. Podtnanicky von
Aszöd unterstützte freigebig die Herausgabe von Gesang-
und Gebetbüchern, und fügte denselben mehrere eigene
Lieder bei. — Joli. Ambrosy, Stuhlrichter in Arva, gab
1780 ein asketisches Werk unter d. T. Skola Kristowa
12. heraus. — Joh Zineskal von Domanowce und in Le-
stiny, Vice-Gespan des Arver Comitats, ist Vf. der Skola
Jobowa 781. 8. — Balfh. Ponyrdtz von St. Miklös und
Ovar , mehrerer Gespanschaften Gcrichtstafelbeisitzer,
übersetzte des Amadeus Kreuzbeck asketisches Werk un-
ter dem Titel: Fobozna premyslowänj, Pressb. 783. 8. —
Andr. Demian aus Trencsin, Advocat , (gest. 1799),
schrieb Gelegenheitsgedichte voll spielenden Witzes und
393
iiiniiteier Laune, heraus^, v. Tablic im 2. B. der Slow.
Wersowci. Waizeii 800. 12. — Sam. Mlcli<ilides, Su-
perintendent des ßergdistricts seit 1732, iibers. das Sum-
niarinn» biblicum der Wittenberger Theologen ans dem
Tentschen, 730. 4 Bde. — Elias Müec, übers. Haasens
Paraphrase des X. Test., gedruckt auf Kosten des slow.
Instituts, Pressb, 807- 2 Bde. 4. — Mich. Blasius, schrieb
mehrere asketische Werke, darunter einen Katechisnnis
nach Kautenberg. — Dan. Lehocky gab ein Werk über
die Erziehung heraus, Pressburg. 786. 8. — El. Marcek
schrieb: 0 zitnem kwetn, Pressb. 768. 8. — Ani. Bernoläk
aus Arva, Pfarrer, zuletzt in Ersek-Ujvär (gest. 1813),
trat als Apologet der slowak. Landesmundart auf, und
gab in Druck heraus : Dissert. de literis Slavorum, Poson.
787. 8. ; Gramm, slavica, Poson. 790. 8., ins Teutsche
übers, v. Andr. Bresfyaiisky, Pfarrer zu Soosküt, Of. 817.
8.; Etymologia vocum slavicarum, Tyrn. 791. 8.-, in der
Handschrift hinterliess er ein slowakisch. -böhm.-lat.-teutscli-
ungrisches Wß., wovon bereits 1 Bd. 8. Of. 825 erschie-
nen ist, und die übrigen 3 noch nachfolgen sollen. — Ge.
Palkowic, Domherr und Propst in Gran, ein gebilde-
ter, kenntnissreicher Freund und Pfleger slawischer Stu-
dien, verfertigte zu dem obengenannten W^B. von Ber-
noläk den 4 Bd., enthaltend ein lateinisches Repertorium,
wodurch das Werk auch für die lat. Sprache brauchbar
wird, und Hess ausserdem mehrere slowakische W^erke
fremder Verfasser auf eigene Kosten drucken. — Ge.
Fiindli , Pfarrer in Nahac , ein sehr eifriger Slawe,
Anhänger Bernoläk's, gab herans: Pilny hospodär, in
4 Th. Tyrnau 792. — Jos. Ign. Bajza, Cwicenj po-
boznosti , ein Gebetbuch ; Präwo o ziwenj faräruw,
Obrana blahosl. P. Marie; Wiesele ucinky a recenj k
sträwenj truchliwych hodin ; 0 Epigrammatech , Zilin
794.; Krestansko katolicke näbozenstwj, 5 Th. eb. 789-
796. 8. — Adalb. Gazda, ein Francisc, schrieb: Zrele
owoce slowa bozjho, in 2 Th. eb. 796. 8.; Zahrada
kwetnä, in 2 Th. eb. 798. 8.; Dwanäctero käzanj, Skalic
798. 8., überdiess noch mehrere Predigten in 6 Gänge
eiugetheilt, worunter der erste den Titel: Bolestne sta-
.zowänj Kr. P. führt, 2 Bde. Tyrnau 799 — 801. 8. —
394
Pefr. Zdborsky , Notar und Lehrer in Tsik-Tartsa,
»;ab heraus: Staw sedlacky a geho chwala, Waitzen 795.
— Ge. Lessiik , gab lieraus : Umenj poctii , Pressb.
779. — G. P. übersetzte: Opäta Petra Metastasio du-
chowne diwadio, Tyriiau 801. 8. — ^nf. Bencsics, gab
Manna spasitelna in 4 Th. heraus. — Andr. Meszdros,
Abt und Domherr in Neitra, schrieb mehrere Gebetbü-
clier und Predigten, Ucenj fjmskeho katolickeho näbo-
zenstwj, und Ziwot Tobiäse. — Mich. Klimko, verfass-
te: Krizant a Daria , smutnä hra. — Theoph. Keliny,
Arzt im Tluiroczer Comit. , Poncenj o piiwode, pri-
rozenj a zastepowänj chränjcjch sypanic, aus dem üngr.
des Doct. ßene, in Schemnitz 804. — Andr. Turzo,
Pfarrer in Kljs, lieferte e. Ueberstzg. u. d. T. PrjkJadne
a obzlastne liistorie, Tyrnau 807. — Fr. Habet, Pfar-
rer in Dubnic, gegenwärtig Abt und Domherr in Nei-
tra, gab: Kniha o näsledowänj P. Kr., und Katechis-
mus, ebenfalls Uebersetzungen , in Druck heraus. —
Ge. Ryhay, zuletzt Pred. in Torzsa Bäcser Comitat
( gest. 1812 ) , ein unermüdet fleissiger Slawist,
dessen Bücher- und Handschriften- Sammlung an Hrn.
V. Jankowic in Pesth, das slowak. Idiotikon aber an
Hrn. Palkowic in Pressburg käuflich gekommen ist,
gab: Katechismus o zdrawj, Pesth 795. 8., und Pra-
wddla moresnosti a zdworilosti, eb. 795. 8. heraus. —
Sfeph. Dehick, Pred. in Acsa, gab ein Sittenbüchlein
für die Jugend heraus. — Aug. Dolezal, Pred. in Sucan
(geb. 1737, gest. 1802), schrieb mehreres in Versen,
darunter : Pametnä celemu swetu tragoedia, Skalic 791.
8. — 31ich. bistiforis Moschötzy, Pred. in Pressburg
(geb. 1733, gest. 1803), ausgezeichnet durch Frömmig-
keit und Gelehrsamkeit, schrieb 10 Werke in slaw. Spra-
che, andere begleitete er mit einer Vorr. od. mit An-
merkungen. — Dan. Bocko, Pred. in Szarvas (geb. 1751,
gest. 1806), ist Herausgeber von 5 slaw. Schriften. —
Joh. Tonsorts, Prediger in Istebna, gab 1746 in Wit-
tenberg eine Einleit. in die h. Schrift, und 1771 in Ska-
lic ein medicinisches Werk: Zdrawä rada lekarska, her-
aus. — Sa?n. Ceriiansky, Pred. in Bäth (geb. 1759,
gest. 1809), gab Gellerts geistliche Lieder, Pressb. 787,
395
8., eine bölim.-slow. Orthographie, Scheuinilz 802. 12.,
und die Lebensbeschreibung des Gr. Benowsky, Pressb.
808. 8. heraus. — Job. HriUicka, Pred. in Maglod (geb.
1741), und Math. Sciudek, Pred. in Theissholz (geb.
1748), machten sich durch mehrere einzelne Gedichte
und Gelegenheitsscliriften bekannt. — /. Procopivs, Med.
Doct. in Skalic (gest. um 1808), übers. Tissots Zpräwa
pro lid obecny z franc, Skal. 788. 8., hinterliess in Msc.
ein slawisch-lateinisches Wörterb. in 2 Foliobänden (in
Pesth b. Antiquar Iwanic), eine Gesch. d. Hussiteukriegs,
Msc. in 4., Biographie des Kg. Podebrad Msc. 4., Gellerts
Sittenlehre Msc. 4. — Mich. Semian, Pred. in Pösing
(geb. 1741) ein verdienter Schriftsteller, gab 1787 die
Bibel in Pressburg, 1786 eine Gesch. von Ungern, 1790
einen Roman: Kartigam a. d. Ungr., u. a. m. heraus. —
Andr. Plachy aus Wrbowka, Honter Gesp., Pred. in
Neustädtl (geb. 1755), einer der fruchtbarsten slowa-
kischen Schriftsteller , erwarb sich den Dank seiner
Sprach- und Glaubensgenossen durch folg. Schriften :
Stare nowiny, e. Zeitschr. belehrenden und unterhalten-
den Inhalts, Neusohl 785 - 86. 8., Agenda ecclesiastica
slavica A. C. Neusohl 789. 4., Cithara Sanct. v. Tranowsky,
Ewang. Funebräl 798. 8., Kochänj s Bohem w rannjch
hodinäch, a. d. Teutschen des Chr. Sturm 790. 8., Po-
stilla domownj 805. 2 Bde. 8. u. ni. a. — Steph. Leska
aus Wrbowce, (geb. 1757, gest. 1818), 1786-98 Su-
perintendent der böhmischen Gemeinde A. C, zuletzt
Prediger in Kis - Koros, ein vorzüglicher Kenner der
slawischen Sprache, schrieb mit musterhafter Correct-
heit ; s. Hauptschriften sind : Nowä kniha zpewu, Pr.
796. 8. Uwedenj ku gruntownjmu poznänj krest. nä-
bozenstwj, a. d. T. des Sup. Fock, Pr. 798. 12., Pocä-
tecne cwicenj w näbozenstwj, eb. a. d. T., Pr. 797. 12. ;
er schrieb die erste slowakische Zeitung: Prespurske
nowiny 785. ff., übers, den Robinson für Kramerius,
Pr. 808. 8., sammelte fleissig für die böhm. u. slowak.
Lexicographie (für Hrn. Dobrowsky, Palkowic), hin-
terliess einen Elenchus vocabulorum europaeorum cum-
primis slavicorum magyarici usus, gedruckt Ofen 825. 8.
und Blumauers travestirte Aeneis Ir. Gesang. — Jos.
396
Kubänyi, Pfarrer in Cifer, ist Verfasser zweier Ueber-
setzungeu u. d. T. Nabozne nauceuj k uzitkii obeciie-
lio liclu , Tyrnau 818. 8.; Pbilothea aiieb wyiiauco-
vvänj k zivvotu pobozneiiiii , Pressbiirg 822. 8., ei-
nes Gebetbüclileins für Kranke, eb. 818. 8., und meh-
rerer Gelegenheits - Predigten. — Andr. Pazdr, Pre-
diger in Csetnek, übersetzte Seilers Religion der Un-
mündigen, Eperies 791., J. F. Jacobs prwnj pravvdy
vvjry a povvinnosti krest. näbozenstwj, Rosenau 822. 8.
— Jo/i. Glosius, Pred. in Rester, schrieb über die Bie-
nenzucht, Neusohl 792. 8. — Mart. Riidnch, Schulleh-
rer in Rekenye, gab ein Rechenbuch heraus, Pressb. 776.
8. — Joli. Fejes, Comitats- Assessor und der evang. Ge-
meinden in KI. Hont Inspector (gest. 1823), ist Vf. des
lllas wolagjcj k sedlakiun, Pr. 808. 8. — Paul Schrainko,
Prediger in Klenotz (geb.^1743), gab einige kleine Schrif-
ten heraus, worunter: Ceskoslow. grammatika aneb li-
ternice, eig. nur eine Orthographie, Pressb. 805. 8.; ver-
fertigte in Msc. ein griechisch-slawisches Wörterb. 3 Bde.
fol. u. s. w. — Paul Walashij (geb. 1742, gest. 1824),
Pred. in Jelsawa (Eltsch) und Senior, Vf einer Litera-
turgeschichte V. Ungern in lat. Sprache, liess mehrere
slow. Predigten drucken. — Ladisl. Bartholomaeides,
Prediger in Ochtina, (gest. 1825} ein unermüdeter, gelehr-
ter Forscher und Schriftsteller, der ausser mehreren
lat. Werken, in böhmischer Sprache folg. herausgege-
ben: Hist. 0 Americe, Pressb. 794. 8.; Geografia, Neu-
sohl 798. 8.; Hisl. pi'irozenj, Of 798. 8.; auch besorgte
er einen neuen Abdruck von des P. Hradecky Aquilinas:
Flavia Josefa o wälce zidowske knihy VII. , Leutschau
805. 8. — Marl. Pdn, Prediger in Töth-Pröna (gest.
1814), schrieb: 0 hogenj dobytka Neus. 808. — Joh.
Mojzisowic , Prediger in Pribötz schrieb : Zprawa o
besnosti, Nous. 1803 und einige Verse u. Predigten. -
JoIl Scliulek, Prediger in Sobotist, gab mehrere Schul-
bücher heraus, Grammatika latinskä , Katechismus, 0
ohni a delanj habanskych slamenych strech, cb. 804. -
Ge. Füredy, Prediger in Peterka, übersetzte RalTs Na-
turgeschichte, im Msc, liess einige Reden drucken. —
Mart. Hamaljar, Superintend. u. Prediger in Szarvas
397
(gest. 1812), gab eine Agenda, l. g. Porädek prac cjr-
kewnjch, Schemnitz 798. heraus; verfasste eine kurze
Geschichte d. christl. Kel, und mehrere Aufsätze. — Ge.
üolli , Neitraer Domherr , gab : Kancionäl slowensky
und mehrere Predigten heraus. — Sam. BorowsJxij,
Prediger in Schovve, schrieb: Historie biblicke stareho
zakona, die im Msc. auf d. Druck warten. — Grisa,
Prediger in Pösing, (tbersetzte Herders Katechismus. —
Paw. Hawas, Schullehrer in Eltsch, verfasste Katech.
D. M. Lut. s wykladem, Pesth 825. — G. Jankowic,
Schullehrer in Czinkota, gab heraus: Potrebna sprävva
pro mladez, Of. 803. — Sam. Roinay, Pred. in Neu-
sohl (gest. 1815), ein classisch gebildeter Geist, in der
Blüthe seiner Jahre verblichen, übers. Anakreons Ge-
dichte a. d. Gr., Pr. 812. 12., Krasickys komisches Epos :
Myszeis a. d. Poln. in Hromädkos Wiener Zeitschrift
1815 u. m. a. — Mich. Sfaygel, Pred., schrieb eine Me-
thodik für die Schulen. — Joh. Krmun, Schullehrer in
Klenotz, gab: Wytah z geografie uherske zeme, Leutsch.
802. 8„ Wytah ze statistiky, prawa a geografie uherske
zeme, Leutsch. 803. 8., beides in Reimen, heraus. —
Ge. Palkowic aus Corono-Bänya, Prof. der böhmisch-
slow. Sprache u. Liter, in Pressburg, bereicherte die Li-
teratur mit mehreren nützlichen und wichtigen Schrif-
ten: Musa ze slow, hör, Waitzen 801. 8., Hufelands Ma-
krobiotik, eb. 800. 8., Znämost wlasti, Pressb. 804. 8..
Böhm.-teutsch-lat. Wörterb., Pr. u. Pressb. 820-21. 2
Bde. 8.; er besorgte ferner eine correcte Ausgabe der
Bibel, Wien 808. 8., gab 1808-818 eine slowak. Zei-
tung: Tydennjk, und seit 1801 einen verbesserten Ka-
lender heraus. — Boh. Tahlic, Pred. in Egyhäz-Maröth,
ein fruchtbarer, verdienstvoller Schriftsteller, dem die
slowak. Literatur die Bereicherung mit mehreren Avahr-
haft populären Schriften verdankt, wir nennen hievon:
ürcenj cloweka, a. Spalding, Pamelne pi-jhody Step. Pi-
lai'jka, Skalic 804. 12., Slowenstj wersowci, Skalic u,
Waitzen 805-09. 2 Bdchen 12., Poesie Waitzen 806-12.
4 Bde. 8., Lidomil, Waitz. 813.8., Diaetetika, Waitz.
819. 8. — Paul Michalko, Pred. in Irscha, (gest. 1825)
schrieb: 0 skodliwosti powery, mit Anm. v. Institoris
398
Moscljötzy, Fysika, Of. 819. 8. — Marl. Diirgala, Lehrer
in Skalic, gab eine teutsclie Gramm, in slow. Sprache
heraus. — Andr. Palumbim, Precl. in Drasowce (gest.
1823) schrieb: Nowy modlitebnj poklad, Pesth 823. 8. —
Joh. Kolldr aus Thui'ocz, Pred. in Pesth (geb. 1793), Hess
eme Sammlung seiner Gedichte u. Lieder: Bäsne, Pr. 821.
8., ein grösseres lyrisches Gedicht: Släwy dcera in ill.
Ges., Of. 824. 12., mehrere Predigten u. Abhandlungen
einzeln und in Krok, Cjtanka Of. 825., ein Schulbuch von
mehreren Mitarbeitern, u. s. w. drucken. — Joh. v. (Ja-
plou'ic, Güterinspector, gab e. Samml. slow. Gedichte ver-
scbiedener VfF.: Slowenske werse, Pesth 822. 8. heraus. —
A. Szoltisz, Studirender d. TheoL, schrieb: Pjsne, und Li-
stownj knizka, Pressb. 823. — J. Holli, Pfarrer in Ma-
dunic , übersetzte : Rozlicne bäsne hrdinske , elegicke
a lyricke z Virgilia, Teokrita, Homera, Ovidia, Tirtea
a Horäce, s predstawenü prozodiü, Tyrnau 824. 8. —
Ja?i Gegusch, Prediger in Ocowa, übersetzte Kampe^s
Kolumbus aneb wynalezenj zapadnj Indie, Neusohl 825.
— Einzelne bemerkenswerthe Predigten gaben in Druck
heraus: P. Adulh. Siniho, Malli. Blaho, Paul Stehlik,
Joh. Seherln}j,~ ':tfif. Sfraka, Joh. Krcniery, Mich. Re-
setka, Sfeph. Hamuljdk, Aug. Langhnffer, Joh. JeUjk;
— einzelne Gedichte oder Aufsätze lieferten : Casp.
Feje'rpulaky, Paul Jakuhowic, J. Korcek, Mai. Holko,
Andr. Scheliga, Fizel, u. a. m. ^^)
^*) Quellen. Ausser A. Horänyi memor. Hung., W. 775. — 77. 3 Bde.
8., nova memor., Pesth 792. 8. u. F. Walasky conspect. reip. litt, in Hung.,
2 A. Of. 808. 8. (von denen jener äusserst dürftige Notizen von einigen slo-
wak. Schriftstellern, dieser nur kahle Namen liefert), vgl. Versuch e. Gesch.
d. böhm. slaw. Sprache in Ungern, in den W. Anzeigen 3r Bd. 773. S. 164-
171. — Boh. Tahlic, Pameti ceskoslowenskych bäsnjru, in s. Poesien, Wai-
tzen 806 — 12. 4. Bde. 8. — J. Dobroxvsky über die Lit. d. Slowaken, in der
Slowanka 815. 2r Thl. S. 177 — 187.
Dritter Abschnitt.
Geschichte der polnischen Sprache und Literatnr.
§. 47.
Historisch - ethnographische Vorbemeri<ungen.
Die heutigen Bewohner Polens, ein Zweig des sarma-
tischen Slawenstammes, rückten im VI. Jahrh., um wel-
che Zeit die Bulgaren ein Hordengedränge an der Donau
veranlassten, in die Gegenden an der Weichsel ein, nach-
dem bereits die Lygier von da westwärts, und die An-
ten in die heutige Walachei gezogen waren. Fridier
schon hatten die Littauer, Stammverwandte der Letten,
nach einigen ein selbständiger, nach andern ein slawi-
scher Volkszweig, die seit dem II — IV. .lahrh. von den
Gothen und Wandalen verlassenen Ostsee- und Weichsel-
länder besetzt. Der Name Polen ^) erscheint erst am
^) Ueber die Etymologie der Wörter Lech, Polan ist verschiedenes
vorgebracht worden. Lech war bei den alten Böhmen, noch zu Dalimils
Zeiten, ein Appellativ , und bedeutete einen freien, edlen Mann. — Das
Wort Polan (Poliak) kommt nach Boguphalus entweder vom Polus arcti-
ctis, od. von dem Schlosse Polan in Pommern her ; nach Sarnicius aber
von der Stadt Pola in Illyrien, nach Lengnich von den Laziern ; nach
Orichovius und Schwabeuau hingegen soll es aus Powlachien, Powlach zu-
sammengezogen seyn, und ein hinter den Wlachen wohnendes Volk bedeu-
ten. Die wahre Bedeutung haben schon Gervasius (1211) u. Hajek (1541)
angegeben : inter Alpes Hunniae et oceanum est Polotiia, sie dicta in eo-
rum idiomate quasi Campania, also : Bewohner der Ebene, der Blachf ei-
der. — Lech, Ijach ist bei Nestor ein nomen generis, Poljan ein nomeu
speciei: Poljane sind bei ihm diejenigen Ljachen, die in der Ukraine, auf
weiten Blachfeldern , Lutitzer, die in Vorpommern um Loitz herum, 3fa-
zowsane die in Masowien, Pomoriane die in Pommern wohnten. Später
vex'lor sich der generische Name Ljach, Ljachen, und der Specialname Poljan
überging auf alle lechische Stämme. — üeb. Lech, als Person, s. Schwa-
benau d. ältesten Slawen im Hesperus 1819.
400
Ende des X. Jabrli. als ein gemeinscliaftliclier Name der
lecliischen Slawenstäiiiine an der Weichsel. Die Horden-
liiiupter der Polen vereinigten sich 840 unter einem all-
gemeinen Oberhaiipte, einem Herzoge, der Piast geheis-
sen haben soll, dessen Stamm bis ins XIV. .Jahrb. herrsch-
te. Durch Berührung mit Teutschland und Böhmen kant
das Christenthum nach Polen. Mieczyslaw Hess sich um
965 taufen, und die Bisthümer Posen, Gnesen u. Kra-
kau wurden gestiftet. Durch die Theilung Boleslaws III.
1138 zerfiel der polnische Staat in 4 Länder: Grosspo-
len an der Warte, Kleinpolen an der obern Weichsel,
Schlesien und Masovvien. Durch innere Zwistigkeiten,
Kriege mit den heidnischen Preussen, und den Einbruch
der Mongolen (1240) verfiel Polen in einen Zustand
von Kraftlosigkeit, aus dem es erst Wladyslaw Lokietek,
der Gross- und Kleinpolen zu einem Königreich verei-
nigte (1320) , herausgerissen hat. Sein Sohn Kazimierz
der Gr. unterwarf sich Rothrussland (1340), die Pro-
vinzen Podolien, Wolynien, Chelm und Beiz (1349),
musste jedoch die Oberherrschaft von Schlesien aufgeben.
Nach Kazimierzs Tode wurde Polen nach und nach ein
Wahlreich, in dem der Adel allein die Nation darstellte
und ausschliessend alle politischen Rechte ertheilte. Des
Kg. Ludwig, eines Schwestersolines Kazimierzs des Gr.,
Tochter, Hedwig, vermählte sich mit .Jagiello, Gross-
herzog von Littauen, der in der Taufe den Namen Wla-
dyslaw bekam, und Littauen wurde zuerst abhängig
von Polen, hernach (1569) demselben völlig einver-
leibt. .Jagiello's Sohn, Wladyslaw VI., blieb in der Schlacht
bei Warna 1444, und der Grossenkel Zygmunt IL Au-
gust scldoss 1572 seinen Stamm. Stephan Bathory nö-
thigte Russland zur Räumung Lieflands (1582); auch
Wladyslaw VII. behauptete die Würde seiner Kron(^
gegen Russland, und dehnte seine Herrschaft bis weil
über den Dnieper hinaus; aber .Johann Kazimierz musste
Lieiland an Schweden (1660) abtreten, ein Theil der
Kosaken hob (1654) die Verbindung mit Polen auf und
begab sich unter russischen Schutz (1654); der Chur-
fürst von Brandenburg entzog Ostpreussen der polni-
schen Lehensherrschaft (1657), und die Russen nahmen
401
ihre verlornen Provinzen jenseits des Diiiepers wieder
zurück (1GG7). Midi. Wisniowiecki verlor Kaniienec
und Fodolien an die Türken ; der Heldenmutli des tap-
fern Johann Sobieski schützte zwar die pohlische Ukraine
gegen türkische Eroberung, aber Kleinrussland iinisste
an Russland abgetreten werden (1G86). Lnter August
II. (1697-733) fiel der türkische Antheil von Podolien
und Ukraine an Polen zurück. Nach dem Tode des zwei-
ten sächsischen Königs August IIL (1733 — 63) setzte
die russische Kaiserin Katharina IL die Wahl des Sta-
nislaus Augustus, Graf v. Poniatowski, durch (1764).
Die bürgerlichen Rechte, die man den Dissidenten oder
Nichtkatholiken einräumte, verursachten einen Parteien-
krieg, und zogen Polens erste Theilung unter die drei
Mächte Oesterreich, Russland und Preussen nach sich
(1772); Russland nahm das Land zwischen der Düna,
dem Dnieper und Drujec; Oesterreich das nachmalige
Ostgalizien und Lodomerien-, Preussen fast ganz Pol-
nisch-Preussen , ausser Danzig und Thorn, und einen
Theil von Grosspolen bis an die Netze; das fast um ein
Drittheil verminderte Königreich erhielt eine neue Re-
girungsverfassung. Die Polen, die ihr Vaterland w^ieder
selbständiger zu machen wünschten, bestimmten den Kö-
nig und einen grossen Theil der Nation, eine neue Con-
stitution einzuführen (1791). Allein diese wurde von
Russland und Preussen verworfen, und gab Yeranlas-
sungt zu der zweiten Theilung Polens (1793), in der
Russland 5,614 0. M. in der Ukraine und Littauen mit
4,148,000 Einw., Preussen aber den grössten Theil von
Grosspolen nebst Danzig und Thoru 1,061 0. M. mit
1,136,000 Einw. hinwegnahm, so dass die Republik nur
noch einen Flächenraum von 4,016 0. M. mit 3,512,000
Einw. behielt. Im .1. 1794 erhob sich die Nation aber-
mals, und Kosciuszko trat an die Spitze der Insurgenten,
musste aber bald der vereinigten Macht von Russland,
Oesterreich und Preussen unterliegen. Polen wurde nun
zum drittenmal und gänzlich getheilt (1795); Russland
erhielt, ausser Kurland und Semgallen, den noch übri-
gen Theil von Littauen und Kleinpolen bis an den ßug,
über 2.030 0. M. mit 1,177,000 E., Preussen 1000 0. M.
26
402
mit 940,000 E., und Oesterreicli 834 0. M. mit 1,038,000
E.; Napoleons Krieg gegen Preussen (1806) beforderte
die lusurrection der dieser iMacht unterworfen gewese-
nen Polen, die von demselben die versprochene Wieder-
herstellung ihres Reichs erwarteten. Der Friede zu Til-
sit (1807) gab dem aus preussisch-polnischen Provin-
zen (1850 0. M. mit 2,200,000 E.) gebildeten Herzog-
thum Warschau seinen Ursprung. Hierauf fügte Napo-
leon im Wiener Frieden (1809) Westgalizien zu demsel-
ben, so dass es nun 2778 0. M. mit 3,774,000 E. ent-
hielt. Die Regirung über dasselbe führte, jedoch ganz
unter dem drückenden Einflüsse Frankreichs, der Kg.
Friedrich August von Sachsen. Als der französische Kai-
ser den Krieg gegen Russland erklärte (1812), da bil-
dete sich der polnische Reichstag zu einer Generalcon-
föderation von Polen, und erklärte feierlich die Wie-
derherstellung des Königreichs, und den Verband der
polnisch-litauischen Nation zu einem Staatskörper ; al-
lein als Napoleon in Russland seine Kriegsmacht einge-
büsst hatte, drangen die Russen (1813 Febr.) in das
Hzgth. Warschau ein, und wehrlos fiel das grausam ge-
täuschte Volk dem Sieger in die Hände. Aber Alexander
ehrte mit religiösem Sinn das Völkerrecht und den Geist
der Zeit; der natürlichen Unabhängigkeit als Staat schon
längst beraubt, musste zw^ar das politische Schicksal Po-
lens dem Staatszwecke der europäischen Hauptmächte,
die als Sieger aus dem grossen Kampfe hervortratau —
sich unterordnen — Preussen bekam dasjenige, was aus
den frühern Tlieilungen zu Westpreussen und zum Ne-
tzedistrict gehört hatte, zurück, Westgalizien fiel eben-
falls grösstentheils an Ostgalizien zurück, das übrige,
mit Ausnahme des Gebiets von Krakau, verwandelte
sich unter russischem Scepter in das jetzige Königreich
Polen; die AUiirten jedoch gaben dem Volke, was vnch-
tiger ist, als politische Macht, sein Volksthum zurück:
das Daseyn, den Namen, die Sprache und eine auf die
Idee des Rechts und der Freiheit gegrinidete, nationale
Verfassung. Der Congress der europäischen Mächte in
Wien sicherte diess 1815 dem Volke feierlich zu, in-
dem er die Gränzen des vierfach getheilten Landes nach
403
dem politisclien Grundsätze des Gleichgewichts ordnete
und feststellte. ^)
Das eigentliche ehemalige Polen erscheint demnach
jetzt politisch folgendermassen getheilt: 1.) in die Be-
sitzungen der russischen Krone, und zwar a) die in den
J. 1772. 1791. und 1794 Russland einverleibten Provin-
zen : Weissrussland od. die heutigen Gouvernements iMo-
hilew, Witebsk, Minsk. Schwarzrussland od. die Gou-
vernements Wolynien und Podolien, und Littauen od.
die Gouvernements Wilna , Grodno , Bialystok , nach
Ausschluss der in allen diesen aciit westlichen Gouver-
nements , mit Ausnahme von Bialystok , Grodno und
Wilna, vorherrschenden Russen (Russniaken, die das
Gross des Volks ausmachen), ferner der Littauer, nur
mit etwa 1 '/„ Mill. Einwohnern polnischen Stammes ^) ;
' U ^c...
-) Die ältesten poln. Chronisten sind : Prokosz (Kronika polska ^ »-^
przez Prokosza w wieku X. napisana, z dodatkami z kroniki Kagnimira, <- -^ (/(
pisai-za wieku XL. aus neuentdeckteu Handschriften herausg. "W. 825.) y
Mart. Gallus zwischen 1110 — 35. Matthaeus Bisch, v. Krakau gest, 1166., /
Yinc. Kadlubek j 1223, Boguphalus Bisch, v. Posen f 1253, Godzislaw Baszko ^ ,
um 1273, Mart. Strzembski 7 1279. ITzirswa um 1420, Sig. Rositzius um "^^^^"^
1470, Job. Dlugosz 1415 — 80, Math. v. Jrfiechow, Matt. Cromer 1512 — 89 -^T^^-'a
u. s. w. -- Samml. bist. Werke: d. Pistorius. 582, 2 Voll fol. d. Frankfur- /" 7
ter 584. 3 Voll. 8., die Elzevirsche 62G., d. Amsterdamer 698., d. Danzi- ^ -
ger 753., d. Leipz. 2 Voll, fol., d. Sommersberg. 729. 3 Voll, fol., d. Mizler.
761. 4 Voll. fol. — Von neuem Schriften über die poln. Gesch. sind zu
nennen: M. Stryikoxi'ski Kronika polska, Königsberg 582. fol. — St Sarni-
cki aunal. Polon. et Lituan. Krak. 587. fol. — M. Bielski Kronika polska,
Krak. 597. fol. — Ad. Koiafowicz bist. Lituan., DanzT-eöO. 2 Voll. 4. — Gf.
Lenanich bist. Polon. , Lpz. 740. 750. 8. P. J. Solignac bist, de Pologne,
Par."' 750. 5 Bde. 8 , teutscb Halle 763 — 65. 2 Bde. 4. — W. Lubienski bist,
polska. Wilna 763. 8. — F. A. Schmidt abrege de 1' bist, de Pologne, War.
767. 8. teutscb v. Grbot, Riga 768. 8. - St. Kleczewski Sarmatia europaea,
Leopoli 769. 4. — D. E. Wagner s Gesch. v. Polen (d. allg. W'eltgescb.
XIV. Bd.), Lpz. 775 — 77. 8. — Ad. Naru.tzewicz bist, uarodu polskiego,
W^arschau 780 — 86. 6 Bde. 8. wird fortgesetzt, vgl. unten §. 54. — K. Ham-
mersdörfer' s Gesch. V. Polen, Dresd. 792 — 94. 8. — E. Bornschein's Gesch.
V. Polen, Lpz. 803. 8. — C. Feierabendes Gesch. d. poln. Staates, Danz. 809.
8. — K. F. A. Brohnis Gesch. v. Pol. u. Litt., Posen 810. 8. — Tkom. Swie^cki
opis starozytney Polski. W. 816. if. 8. — G. S. Bantkie wvobrazenie dzieiöw
krol. Pol., W. 810. 820. 2 Bde. 8. Gesch. d. Kgr. Polen, Lpz. 812. 8. —
J. Miklaszewski rys bistorii Polskiey, W. 821. 2 A. 822. 8.
■ ^) Die Angaben über die Zahl der Polen in Russland sind sehr
verschieden. Storch gibt im J. 1803 mehrere Mill., Benken 4 Mill., Wich-
mann im J. 1813 6,380,000., Arsenjeiu sogar 7 Mill. an, doch gewiss nur
darum, weil sie die Einw. dieser ehemaligen poln. Provinzen, jetzt russ.
Gouvern., alle -für Polen genommen haben. — Nach Brömsen (Russl. u. d.
russ. Reich Berl. 819) u. dem „Sorewnowatel proswjescenija" 1823. 3s Hft.
S. 336 — 47. sollen sich in den 8 westlichen russ. Statthalterschaften gar
nur 850,000 Polen, meist Adelige u. s. w., befinden, u. das Gross des Volks
Russen und Littauer seyn.
26*
404
b) das seit 1815 mit der Kroue von Riissland vereinigte
Kgr. Polen mit etwa 3,500,000 polnisclien Einwohnern,
zusammen 5 Mill.; 2.) in das zu Oesterreicli gehörende
Kgr. Galizien mit ungefehr 3 Mill. Einw. polnisclier Ab-
stammung (die Polen im österr. Schlesien mitgerechnet) ;
3.) in Preussisch - Polen, die heutige Provinz Posen,
mit den in den Provinzen Schlesien, Westpreussen u. s.
w. wohnenden Polen ungefehr 1,900,000 Seelen; und
4.) den Freistaat Krakau, mit gegen 100,000 Mensclien.
Hieraus ergibt sich die Gesammtzahl der Slawen polni-
schen od. lechischen Stammes ungefehr 10 Mill. Seelen.
Der echte Pole ist meistens katholisch; nur sehr wenige
in dem Kgr. Polen und Galizien, dahingegen mehrere in
den preussischen Provinzen Schlesien und Westpreussen
bekennen sich zum protestantischen Cultus Augsb. und
Helv. Conf.; ihre Anzahl mag nicht eine '/^ Mill. über-
steigen. *)
Schlesien war in den ältesten Zeiten ein Theil von
Polen, und ward mit unter dessen Namen begriffen. Erst
um 1163, da es seine eigenen Herzoge bekam, nannten
sich diese Duces Slesiae (d. i. nach Dobrowsky, der Hin-
terslawen, in Rücksicht auf die Böhmen, als die Vor-
derslawen). Die neuen Herzoge hatten meist teutsche
Mütter, und waren nach teutscher Art erzogen, und da
Schlesien ihnen nur gezwcnigen war abgetreten worden,
so hatten sie teutschen Schutz nötliig. Daher ihre frühe
Vorliebe für die Teutschen, und Begünstigung teutscher
*) J. J. Rausch Nachr. üb. Polen, Salzb. 793. 2 Bde. 8. — A. K. v.
Holsche Geogr. u. Statist, v. West-Süd. u. Neu-Ostpreusseu, Berl. 800 — 07.
3 Thle. — Ch. Crusius top. Postlexicon v. Ost- u. Westgaliz., W. 792. 8. —
J. de Lucas Geogr. v. Galiz. u. Lodom., W. 791. 8. — J. A. Demian stat.
Darstellung v. Ostgal. u. Siebenb., W. 804. 8. — 3Ialte Brun tableau de hi
Pologne. Par. 807. 8. — Sirisa, Polen bist. stat. u. geogr. 807. 8. — Fr.
Jafcef Polens Staatsveränderuugen, W. 806. 6 Bde 8. auch ins Poln. übers. —
Flatt's Topogi-. d. Hrgth. Warschau, Lpz. 810. 8. — K. L. Pölitz Gesch.,
Statist, u. Erdbeschr. d. Kgr. Sachsen u. d. Hrzgth. Warschau, Lpz. 809—10.
8. — St. Staszyc o statistice Polski, War. 807. 8. — Ign. Stawiar.ski sta-
tistika Polski i Litwy, Warsch. 814. ff. — Krötki zbiör geografii krolestwa
polskiego i W. X. Poznanskiego, Bresl. 81G. 8. — Guide du voyageur en Po-
logne, War. 820. 8. Poln. Przewodnik dla podrözuiacych w Polsce, W. 821.
8. — G. Has.^el vollst. Erdbeschr. des russ. Reichs nebst Polen, in dem
Weim. Handb. d. Erdb., Weim. 821. 8. — Voyage en Allcmagnc et en Po-
logne, Par. 812. 2 Bde., 8. — Voy. en Allemagne et en Pologne par Gley,
Par. 816. 2 Bde. 8. — Neale Reise durch Polen u. d. Türkei. Lpz. 818. 2 Bde. 8.-
E. F. Uklansky Briefe üb. Polen, Oesterreich u. s. w., Nürnb, 809. 3 Bde. 8.
405
Colonisten, vorziiglicli in de« Gebirgen. Alle Städte an
und auf dem Gebirge von der lausitzischen Gränze bis
nach Troppau haben teutsche, die am Fusse der Gebirge
und auf den Ebenen aber slawische Namen. Die h. Hed-
wig aus dem Hause Meran, Gemahlin Heinrichs I., be-
günstigte vorzüglich die Teutschen. Dadutch ward denn
die polnische Sprache nach und nach verdrängt. In Bres-
lau war sie schon um 1300 völlig unbekannt. Indessen
gibt es nahe um Breslau mitten unter teutschen Dörfern
noch einen Strich, wo die polnische Sprache herrschend
ist, so dass in derselben gepredigt wird. — Alles dieses
gilt zunächst von Niederschlesien. In Oberschlesien Hes-
sen sich w^eniger Teutsche nieder; doch findet man auch
hier flämische Hufen und teutsche Stadtvögte. In der letz-
ten Hälfte des XV. Jahrh. breiteten sich die Hussiten in
Oberschlesien aus, und nun verdrängte die böhmische
Sprache die teutsche und lateinische aus den Urkunden
und Gerichtshöfen , besonders in den Fürstenthümern
Oppeln und Ratibor. Beide wurden oft verpfändet, und
besonders 1645-66 an Polen, wodurch sich das Polni-
sche wieder hob. Die in Oberschlesien üblichen Spra-
chen beweisen die Vermischung der Völker. In Trop-
pau und Jägerndorf spricht man teutsch, bis auf einige
Gegenden, wo ein mit Polnisch vermischtes Mährisch
herrscht; in Oppeln und Ratibor aber polnisch. ^3
Die Kasuben in der preussischen Provinz Pommern,
Regirungsbezirk Köslin, Kreis Stolpe und Lauenburg-
Bütow, sind ihrem Ursprünge nach gleichfalls Slawen
lechischen Stammes. Die beiden Herrschaften Lauenburg
und Bütow machten vormals einen Theil von Polen aus,
und wurden von 1460 an von den Herzogen zu Pom-
mern als polnische Lehne besessen, nach deren Ausster-
ben aber von der Krone Polen eingezogen, und erst der
Welauer Vertrag gab sie 1657 dem Kurhause als eine
Lehn von Polen zurück. Jetzt sind sie völlig mit Pom-
mern vereinigt.
') S. Adelungs Mithridates II. 669 — 670. - [F. W. Pachaly) üb.
Schlesiens älteste Gesch. u. Bewohner, Bressl. 783. 8. Eb. Vers. üb. d. schles.
Gesch., Bresl. 777. 8. — K. F. Anders Schlesien wie es war (bis 1335), Bresl.
810. 2 Bde. 8. — {K. F. Patdi) Eiul. in d. Gesch. v. Schles., Lpz. 755. 4. —
H. L. Klöber Schlesien, Bresl. 785. 788. 8. — J. D. Hensel Handb. d. schl.
Gesch., Hirschberg 797. 804. 8. — Ch. F. E. Fischer geogr. - stat. Handbuch
über Schlesien u. Glatz, Berl. 817. 2 Bde. 8. u. s. w.
406
§. 48.
Charakter der polnischen Sprache.
Unter den 5 slawischen Mundarten der nordwestlichen
Ordnung ist die polnische durcli ihre Ausbreitung und
den Reichthum der Literatur die erste. Ihre Trennung
vom genieinschaftliclien Stamme verliert sich in das ge-
heimnissvolle Dunkel der Vergangenheit. Anfangs der
böhmischen und sorbenwendischen am nächsten verwandt,
bildete sie sich, unter dem wechselnden Einflüsse ver-
schiedener, sowol einheimischer als auch fremdlier kom-
mender Elemente, bald selbständig aus, und wich von
Ihren westlichen und südlichen Schwestern immer mehr
ab. Ihr Unterschied von der böhmischen Mundart ist
schon §. 36. angegeben. Sie hat ein zischendes rz und
den Rhinesmus a, e. Das rz, welches in den ältesten
böhmischen Schriften noch gar nicht vom r unterschie-
den wird, und ursprünglich wol rj, wie noch heutzutage
in der altslawischen, russischen, slowakischen u. s. w.
Sprache, gelautet haben mag, hat sie mit der böhmischen,
nicht aber mit der oberlausitzischen und slowakischen
Mundart gemein; auch des Rhinesmus Spuren lassen sich
in andern slawischen Mundarten, z. B. der bulgarischen,
finden.
So wie eine jede nur etwas ausgebreitete Sprache,
so hat auch die polnische ihre Varietäten. Hr. Bantkie
rechnet zu denselben folgende: 1.) die grusspolnische Va-
rietät. Einige Archaismen und Germanismen, die Aus-
sprache des o, welches gedehnt wird , die Dehnung des
ie machen diese Varietät kenntlich. Am abweichendsten
von der Regel sprechen die Lenczyzaner und die Nach-
barn von Schlesien. Beispiele: szczudla , trafty, tko,
tkoren, gieba u. s. w. 2.) Die maziirische Varietät. Die
gemeinen Leute hi Mazuren sprechen das z wie z, sz
wie s, cz wie c aus, und haben aucli oft ihre Provin-
cialismen. 3.) Die Ideinpolnische Varietät. Die Kleinpo-
len haben einen angenehmen Ton, besonders in den rus-
sischen Wojewodschaften. Doch fehlen sie manchmal ge-
gen die Grammatik, und brauchen die masculine Endung
407
statt der feiuiuineii u. sächlichen, z. B. indem hifli st. hyly
in den Verbis sagen: iny kobiety bylismy st. byiysmy. 4.)
Die littaiiische Varietät. Ein singender Ton, besonders
Hill Bresc, macht diese Varietät bemerkJich, so wie auch
einige russische und littauische Provincialismen. 5.) Die
preussisclie Varietät. Archaismen und Germanismen ver-
unstalten sie, und die gestrichenen ö, d werder gar nicht
beobachtet; st. lawa sagt man uawa, und spricht alles
mit vollem iNIunde aus. 6.) Die schlesische Varietät in
Oberschlesien und im Fürstenthum Oels, und sogar in
einem Theile vom Krakauischen. Das a wird sehr durch
die Nase gesprochen, o st. a, a st. e: bade, Jonek,
Pan, Pon st. bede, Janek, Pan. In Schlesien, aber nicht
im Krakauischen, hat man auch böhmische Provincialis-
men u. unpolnische Constructionen ^). Teutsche Schrift-
steller pflegen immer die Sprache des polnischen Schle-
siers als einen besondern, von der polnischen Sprache
sehr weit sich entfernenden Dialekt anzusehen, und nen-
nen es bald Wasserpolnisch, bald Oberwendisch, bald
Böhmischpolnisch. Indessen fragt man den polnischen
Schlesier selbst, so nennt er gewiss seine Sprache nicht
anders, als polnisch. Er wird nicht sagen, dass er wen-
disch, oder wasserpoluisch , sondern dass er polnisch
spreche. Diess ist der Fall im Fürstenthum Oels, im Op-
pelnschen, Plessischen, Beuten, im Fürstenthum Teschen
u. s. w. ^). Jenseit der Oppa gibt es keine polnischen
Schlesier im Troppauischen und Jägerndorfischen, son-
dern es sind entweder Teutsche, wie in dem grössern
Theile von Niedcrschlesien, oder wirkliche Böhmen ^).
Das sogenannte Kasubische in Pommern ist ebenfalls
nur eine Varietät od. Abart des Polnischen. Die Kasu-
ben nennen sich selbst nach Anton (S. 22.) Slowienceti,
nach Mrongovius hingegen (Vorr. zu s. teutsch - polu.
HWB. Danz. 823. 4.) Krahafker, wonach das §. 35.
Anm. 8. S. 287. Gesagte zum Theil zu berichtigen ist.
^) Ä. G. Ä. Bantkie's polnisch-teutsches Wörterb. (Bresl. 806.) 1
Bd. Vorr. S. XII.
-) Die Polen in Schlesien, sowol Katholiken als Protestanten, bedie-
nen sich der gewöhnlichen, im Litteralpolnischen verfassten Bücher. Nur
die Medziborische Gemeine hat e. Gesangbuch in ihrer eigenen Mundart von
Sam. Cretius 682. 12. Brieg. 725. 12. Adelung' s Mithridates II. 670.
3) G. S. ßantkie hist.-krit. Analekten, Bresl. 802. S. 270—78. Do-
hrowskys Slowanka II. 122 ff.
408
Die Eigenschaften, Vorzftge und etwaigen Mängel
der polnischen Sprache sind von zweierlei Art ; solche,
die sie mit ihren «ihrigen slawischen Schwestern gemein
hat, und solche, die ihr ausschliesslich angehören. Nur
letztere gehören hieher. Der Reichthum an mannigfach
nuancirten Vocalen und Consonanten: a, ä, a, e, e,
e, 0, ö; b und |', c, c, und cz, ^ und 1, m und u, , n
und 11, p und j', r und rz, s, s und sz, w und v. , z,
z und z, ferner die häufigen Uebergänge der Laute in
verwandte oder ähnliche bei Biegungen und Abwand-
huigen der Wörter, verbunden mit der allen slawischen
Dialekten gemeinen Mannigfaltigkeit der Bildungs- und
Biegungsformen, machen sie zu einer der feinsten, tö-
nendsten aber auch zugleich der künstlichsten u. schwer-
sten unter allen slawischen Mundarten sowol ftir Slawen
als für NichtSlawen. Es ist aber eine durchaus verkehrte
Ansicht, wenn man glaubt, die polnische Sprache sey
darum so schwer, weil sie hart und schroif ist. Um die-
selbe gehörig zu würdigen, muss man vor allem dieses
Vorurtheil ablegen. Nicht die Härte der einzelnen Laute,
sondern ihre Feinheit, und der künstliche grammatische
Bau der an sich reichen und während der drei letzten
Jahrhunderte unter der Feder rüstiger Bearbeiter kräf-
tig herangereiften Sprache machen hier die Schwierig-
keit; so wie überhaupt jede lebende oder todte Sprache
ohne Ausnahme um so leichter erlernt werden kann, je
roher, ärmer und seichter, und um so schwerer, je ori-
gineller, reicher und gebildeter sie ist; man vgl. z. B.
die hebräische und griechische, od. die neuern romani-
schen mit der alten kirchenslawischen. Die slawischen
Sprachen wollen sfndirt seyn, und lohnens. Kann man
auch nicht in Abrede stellen, dass manche Consonanten-
verbindungen im Polnischen anscheinend oder auch wirk-
lich hart sind: so muss man doch auf der andern Seite
gestchen, dass einestheils das Uebermaass solcher, zur
malerischen Schilderung unangenehmer Naturtöne sogar
nothwendigen Wörter einzig auf die Rechnung geschmack-
loser Schriftsteller, nicht der Sprache, kommt, anderen-
theils aber dem unbiegsamen, unbehiltlichen, unausge-
bildeten Sprachorgan des Ausländers, vorzüglich des Tcut-
409
sehen, »othwendig maiiehe Sylbe hart vorkommen iniiss,
die im Munde des geübten Eingebornen leicht und mild
klingt. — Leicht und lliessend ist die polnische Prosa ;
Potocki's salbungsvolle Reden entwickeln eine Kraft,
Würde, Anmuth und Harmonie der Sprache, die je-
ner der alten Sprachen nicht im geringsten nachsteht.
Wo eine solche Harmonie und Anmuth, wie hier, mög-
lich ist, da kann von keiner Schroffheit und Kakopho-
nie der Sprache an sich die Rede seyn. — Wenn schon
die polnische Minidart im Besitze aller Eigenschaften und
Bedingungen ist, die von einer ausgebildeten Sprache
der Beredsamkeit und Prosa erfordert werden ; so scheint
sie doch, wenigstens nach dem bis jetzt Geleisteten zu ur-
theilen, einer Prosodie nach dem quantitirenden Zeit-
uiaass und der Anwendbarkeit auf classische Versfor-
men in der Dichtkunst zu ermangeln. Aber nicht Schuld
der polnischen Sprache ist es, dass ihr dieser Vorzug
anderer Dialekte mangelt, die gewiss, wie jede andere
slawische Mundart, anfangs die schärfste Bestimmung
und Ausscheidung der Sylbenlängen und Kürzen mittelst
der Dehnung und Schärfung der Vocale haben musste *),
sondern lediglich die Schuld des jahrhundertelang fremd-
her, vorzüglich aus dem unprosodischen Teutschland u.
Frankreich kommenden Einflusses, und der Unempfäng-
lichkeit der Meisten, durch moderne seichte Reimformen
geblendeten, Nationaldichter für die Fülle, Kraft und
Harmonie des griechischen Versflugs ^). Denn es gab
zu allen Zeiten Verfinsterungen der Ansichten inid Ent-
artungen des Geschmacks nicht nur bei einzelnen Men-
schen, sondern auch bei ganzen Völkern ; Millionen wan-
delten unter der Sonne, und sahen sie an, und der
Schein bethörte sie. So mag es auch der polnischen Me-
trik ergangen seyn ^).
*) S. RakowiecMs Prawda ruska (W. 820.) II. 220.
^) So urtheilt selbst ein gelehrter Pole u. geschmackvoller Kunst-
richter, Kaz. BrodzinsM, Prof. Aesth. Vars., ein gewiss sehr conipctentcr
Kritiker, Pamiet. Warsz. 1820. Nro. 12.
^) M. Kwiatkowski de usu 1. slav., Regiom. 569. 4. — J. Ryhinski erat,
de 1. pol. praestantia, Gedani .589. 4. — J. D. Hoffmani diss. de origg. 1.
pol., Dant. 730. 4. — F. Boliomolca rozmowa o iezykii polskim, W. 768.8.-
S. Kleczeu'ski o poczatku i wydoskonaleuiu iezyka pol., Lemb. 767. 4. —
T. Nowaczynski o prozodii i harmouii i§zyka pol., W. 781. 8. — Jenisch
410
Der grainniatischc Bau der polnischen Sprache wur-
de schon frühzeitig und bis auf die neuesten Zeiten herab
mit vorzüglicher Sorgfalt und mit Glück durch zahlrei-
che, zweckmässig eingerichtete Sprachlehren und Lexica
geregelt, die ich kurz verzeichnen will. ^)
Vergleich, u. Würdigung von 14 Sprachen Eiu-opens, Berl. 796. 8. — J. -S.
Kaulfuss üb. d. Geist, d. p. Spr., Halle 804. 8. — S. B. Linde o prawidJach
etymölogii p., zuerst 806. dann im 1 Bd. s. W. B. — Ä. Dantyska (t. i.
Xcia A. Czartoryskiego) mysli o pismach polskich, "Wilna 810. 8. — O.
Kofczynski poprawa hl'edöw w mowie pol., W. 808. 8. — X. Bohusz doda-
tek do popr. bl'gd., W. 808. 8. — X. Wyszomirski uwagi nad mowa pol.,
W. 809. — St. Potockl rozprawj^ o iezyku pol. in s. Mowy, AV. 8i6. II.
325 ff.
'') Sprachbiicher, Grammatiken: St. Zahoroivski hat s. Rudimentis
Grammatices lat. auch die poln. Orthographie beigefüst. Kr. 529. 536. 539.
560. 564. 4. - P. Sfatorius (Stoienski.) inst. 1. pol., Kr. 568. 8. — J. Ja-
nitszoivski nowi karakter polski, Kr. 594. 4. — N. Volkmar compend. 1.
pol. Dant. 612. 640. 8. — J. Boter Schlüssel zur pol. u. teutschen Spr.,
Bresl. 618. 8. 638. 8. Danz. 646. 8. — Fr. Mesgnien {Meninski) gramm.
s. inst. pol. 1. Danz. 649. 8. Lemb. 747. 12. — M. Dobracki (Gutthäter)
Kurier d. pol. Sprachl., Oels 688. 8., poln. Sprachkuust eb. 699. 8. — A.
Bliivernitz tabella gramm. pol., Thorn 681. — J. Ernesti poln. Wegweiser
Brieg 682. 8. auch unter d. T. poln. Douat., Thorn 683. 8. Eres. 702. 8. —
J. S. Malczowski kurzer Begriff d. p. S])r., Riga 687. 8., inst, in 1. pol. eb.
689. 8. — A. Baphaeli p. Sprachweiser, Lpz. 698. 8. — B. K. Malicki cognit.
1. p., Kr. 699. 8. ~ P. Michaelis Wegweiser z. p. Spr. (o. 0. u. J.) — Kö-
uigl. poln. u. teutsche Gramm., Posen 701. 8. — Cli. Rhormann pol. Gramm.
— J. E. MiÜlenheim p. Gramm.. Brieg 717. 8. 726. 735. 7.55. — G. Schlag
p. Gr., Bresl. 734. 8. 744. 4 A. 768. — A. Trotz Theorie d. p. Conjug. vor
s. W. B. — Müller p. Gr. Königsb. 750. 8. — /. Moneta enchiridion pol.
od. poln. Haudb., Danz. 3 A. Bres. 763. 8. umgearb. v. D. Vogel, Bresl. 4
A. 774. 8. 9 A. 808. 8. — [KrumhoW) p. Gr. mit e. etym. W. B., 2 A. Bresl.
775. 8. 6 A 797. 8. — 0. Kofczunski gramm. dla szkol' narodowych, W.
778. 3 Th. 8. eb. Ukfad gramm., W. 785. 8 , eb. Essai de gramm. pol., W.
807. 8. — Woyna kl. Lustgarten, Danz. 780. 8. — Trabczynski gr. raisou-
nee de la 1. pol., W. 778. 2 Bde. 8. n. A. 793. — C. C. Mrongovius p.
Sprachl.. Königsb. 794. 8. n. A. 805, 8. p. Formenl. eb. 811. 8., p. Weg-
weiser, Kgsb. 816. 8. — A. Adamowicz (Woyde) prakt. p. Gr. mit e. W. B .,
Berl. 793. 8. — Polsfnss Ausz. a. Kopczyüskis Gr. ; Bres. 794. 8. — Stawski
Handb. d. p. Spr., Bres. 795. 8., J.L. Kassius Lehrgeb. d. poln. Spr.,
Berl. 797. 8. — iV. Bucki Anl, z. p. Spr., Berl. 797. 8. - Kutsch p. Gr.,
Bresl. 800. 8. - J. S. Vater Gr. d. p. Spr., Halle 807. 8. — G. S. Bantkie
p. Gramm, nebst e. etym. W. B., Bresl. 808. 816. 823. 8. — Th. Szumski
nauka iez. p., Posen 809. 2 Bde. 8. eb. p. Gr., Bres. 821. 8. — J. D. Grotke
p. Decl. u. Conj., Bresl. 817. 4. — J. Mroziiiski zasady gr. iez. p., W. 822.
8» — Jakubowicz gramm. pol. Wilna 823. 8. — Wörterbücher : J. Maczynski
(Macinius) Lex. lat.-pol., Kgsb. 564. fol. — G. Knapski thesaurus pol.-
lat.-graecus, Kr. 621. fol. (1 Th.), lat.-pol. Kr. 626. 4. (2 Th.), Adagia
polonica lat. et graece reddita Kr. 632. 4. (3 Th.). Eine 2 A. des 1 Th.
erschien 648. Alle 3 Th. wurden mehrmals, verkürzt u. verändert, heraus-
gegeben; 1.) v. B. Woronow^ki Kaiisch 787. 3 Bde. 8., 2.) v. P. KotaczW.
780., d. .3 unter d. T. Idiotismi pol. Posen 755. 12. — Diction. lat.-pol.-
boh.-germ., Bres. 620. — C. Sziirivid dict. trium 11. (poln. lat. litt.), Wil-
na 642. 8. 677. 5 A. 71.3. 8. — B. K. Malicki frauz -pol. W. B., Kr. 701.8.
— M. A- Troc franz.-poln.-teutsches W. B., Lpz. 742. 2 Bde. 8. (Ir Th.),
poln.-teutsch.-franz. W. B. 764. 8. 2 A. v. Moszczenski 779., mit e. n.
Titel 802. (2 Th.), teutsch - poln. W. B. v. Moszczetiski 772. (3 Th.) ; n.
411
Allgemeiner Ueberblick der literarischen Cultur in Polen
und der Beförderungsmittel und Hindernisse derselben.
Die Ungewissheit der ältesten Geschichte Polens ver-
breitet über den Zustand der polnischen Sprache vor
der Annahme der christlichen Religion ein undurchdring-
liches Dunkel. Der Uebergang Mieczyslaws I. zur christ-
lichen Religion um das J. 965. maciit Epoche in der Ge-
schichte der Cultur Polens. Die Vermählung des Her-
zogs mit einer böhmischen Prinzessin befestigte die Ver-
bindung des herzoglichen Hofes mit dem Auslande, und
gab demselben einen neuen Glanz. Mit dem Sturz des
HeidenthuQis wich zugleich der demselben anklebende
Aberglaube, und die Strahlen der Aufklärung fingen an
durch die finstem Wolken des sarmatischen Himmels
freundlich durchzublicken. — Obschon es an Denkmä-
lern der Sprache aus diesem Zeitalter gänzlich fehlt, so
ist doch so viel gewiss, dass sowol zur Zeit Mieczyslaws,
als auch schon früher, polnisch geschrieben wurde; denn
es sind deutliche Spuren da, dass die slawische Sprache
ihr eigenes Alphabet gehabt habe, welches aber in der
Folge von dem ausländischen verdrängt w orden ist. ^)
Wenn aber die Einführung und Verbreitung des Chri-
stenthums in Polen einerseits die Civilisation des Volks
mächtig gefördert hat; so ist doch andererseits erwiesen,
dass sie der Gestaltung der Landessprache nicht ganz
A. od. n. Titel von allen 3 Theilen Lpz. 806 — 07. 4 Bde. 8., 4te von Ge-
lehrten aller .3 Nationen umgearb. Ä. 821 ff. — C. C. Mronaovhis Hand-
wörterb. d. p Spr. Kgsb. 765. 804. 8. eb. teutsch-poln. H. W. ß., Danz.
823. 4. — C. Kondratoiuicz polu.-niss. W. B.. S. Pet. 775. 4. — K. Ciecho-
niewski oko hieroglyfik, W. 804. 8. — (J. V. Bantkie) Taschenwörterb.
d. p. teutsch. u. franz. Spr., Ir poln.-teutsch-franz. Th., Bresl. u. Wars.
805. 8. 2 A. 819. 2 Bde. 8., 2r fr. p. teutscber Th. 607. 819. 8., .3r teutsch-
fr.-p. Th. V. G. S. Bantkie 813. 2 Bde. 8. — G. S. Bantkie slownik dokladny
iez. pol. i niem., Bres. 806. 2 B. 8. — K. Winkler niem.-pol. Dykcyo-
narz, Lublin 801. 3 Bde. 8. — S. G. Linde slownik iez. pol., W. 807— 14.
•1 Bde. 4. — ^. Litiuiiiski sl'ownik polsko-l'acinsko-francuski, \V. 816. 2
Bde. 8. — J. C. Troianski slow, polsko-lacinski, Bresl. 819. 8. — Abbe
Cztrski Latein, poln. W. B., Wilua 822. 2 Bde. — Abbe Bobrowski Lex.
Latino-polon., Wilna 822. — G. Garszx/nski slyw. J'acinsko-polsko-niem.,
Bresl. 823. 2 Bde. 8.
^) «S^. Potocki pochwaly, mowy i rozprawy IL 389. — J. Rahoiuiecki
prawda ruska L 55 ff. Vgl. oben §. 10.
412
güustig war. Mit der neuen Religion kam eine neue
Spraclie, die lateinische, im Lande auf; die Lehrer der
Religion waren durchaus Ausländer. Die lateinische Spra-
che wurde fortan im Lande nicht nur die Sprache des
Cultus, sondern auch die der Gelehrsamkeit und des
Schriftthums, in deren Besitz die Geistlichkeit ausschlies-
send geblieben ist. Slawisch oder polnisch galt für heid-
nisch. Diesem Umstände ist es zuzuschreiben, dass die
polnische Sprache bis ins XVI. Jahrh. keine andere Denk-
mäler der literarischen Cultur, als lateinische, einige we-
nige und unbedeutende polnische Bruchstücke ausgenom-
men, aufzuweisen hat. -- Hätte bei der Einführung des
Christenthums in Polen der griechische Cultus nicht dem
lateinischen Platz machen müssen, so wäre die polnische
Sprache der altslawischen, und hiemit auch der russi-
schen unweit ähnlicher geblieben, als sie jetzt ist. Un-
ter diesen Umständen, von der Gemeinschaft mit ihren
übrigen slawischen Schwestern gänzlich getrennt, war
ihre Fortbildung an die allgemeinen Beförderungsmittel,
zugleich aber auch an die Hindernisse der Landescultur
gebunden. Als Mittel, die das Wachsthum der Wissen-
schaften in Polen beförderten , verdienen genannt zu
werden: Klöster, Schulen, Reisen in fremde Länder,
Religionsduldung, Einführung und Verbreitung der Buch-
druckerei, Bibliotheken, Mäcene , periodische Schriften
und gelehrte Gesellschaften. Bald nach der Einführung
der christlichen Religion in Polen stifteten die Fürsten
und einzelne reiche Privatpersonen Klöster in verschie-
denen Gegenden des Landes, deren friedliebende Be-
wohner nicht nur den Unterricht der .Jugend, sondern
auch das Abschreiben und die Verbreitung der Bücher
besorgten. Den Klöstern der Benedictiner gebührt auch
in Polen sowol wegen ihres Alterthums, als auch we-
gen der mannigfachen Verdienste inu die Literatur an-
erkennendes Lob. Die Benedictiner, vom Boleslaw Chro-
bry um 1008 nach Sieciechow und Lysa-gora berufen,
waren die ersten, welche mit Hilfe der Bischöfe Schu-
len für den Unterricht der Jugend anlegten. An die Spi-
tze dieser Schulen trat 1347 die Krakauer Akademie,
die Miitter der Wissenschaften und Künste in Polen.
413
von Wladyslaw Jagiello anselinlicli dotirt und besser ge-
staltet. Von ihr aus verbreiteten sieb die Strahlen des
Lichts über das ganze Land, bis eine ungünstige Fügung
der Umstände unter Zygmunt III. ihren Glanz verdun-
kelte. Unter ihm kam die Erziehung und der Unterricht
der Jugend in die Hände der Jesuiten; die Akademie zu
Wihia (gestift. 1579} und zahlreiche Collegien im Lande
waren ihre Pflanzsciuden. Nicht zu übersehen sind die
Verdienste der Schulen anderer Confessionsverwandten
um den Anbau der polnischen Sprache nnd ihre Litera-
tur im XVI. Jahrb. (zu Thorn, Rakau, Jedlnisk, Wilna,
Danzig, Rydza, Wschow, Lissa (Leszno) , Pinczow n.
s. w.). Die 1594 vom Grosskanzler J. Zamoyski gestif-
tete, und im Anfange des XVII. Jahrb. eingegangene
Universität zu Zamosc in Kleinpolen ward gar bald nach
ihrer Eröffnung gegen den ausdrücklichen Willen ihres
Stifters durch den Bischof von Chelm aus einer Hoch-
schule für das gesammte gelehrte Wissen in eine theolo-
gische Lehranstalt verwandelt. Die Congregation der
Piaristen, bereits unter Wladyslaw IV. in Polen einge-
führt, errichtete 1642 die ersten Schulen in Warschau,
worauf andere in Pudlein (Podolinec), Rzeszow, Chelm,
Lowicz , Piotrkow , Krakau , Göra , Radom , Warez,
Wielun, Lukow, Szczucin, Miedzerzyc , Zloczow, Rzyd-
zyn und Lemberg folgten. Die Politik der Jesuiten hemmte
den Aufschwung der Pflanzschulen dieser Congregation,
bis es Stanislaw Konarski gelang, den Sieg über die Ge-
genpartei zu erringen, und der Wiederhersteller des
bessern Geschmacks in Polen zu werden. Die Errichtung
der Commission der Erziehung auf dem Reichstage 1775
macht in der Geschichte der Landesliteratur Epoche.
Während der Dauer der herzoglich-sächsischen Regi-
rung in Warschau trat das Oberschiilcolleghun, später
(1812) in das Oherschuldirectorium verwandelt, an die
Spitze der öffentlichen Erziehung. Unter der jetzigen
Verfassung ist die allgemeine Volksbildung, das Schul-
und Erziehungswesen ein besonderer Gegenstand der
Sorgfalt des Thrones geworden, und steht unter einer
eigenen Landes- oder Regirtmqscommission des Cultns
und des öffentlichen Unterrichts. — Reisen ins Ausland
414
wiinleu gleich nach der Einfnlirnng des Christenthums
für ein besonderes, vorzügliclies Bildungsinittel erachtet,
und häufig unternommen. Die Polen studirten scliaa-
renweis auf ausländischen Scliulen; im XIII. Jahrli. gab
es der einheiinischen Gelehrten bereits so viele, dass die
Ausländer durch Synodalbeschlüsse von allen geistlichen
Aemtern ausgeschlossen, und die Schulvorsteher unbe-
dingt an die Kenntniss der polnischen Sprache gewiesen
wurden. Die Hochschulen zu Paris, Padua, Bologna
und Prag wimmelten bis ins XVI. Jahrh. von Polen. Die
im Auslande gebildeten Tarnowski, Kochanowski, Krzycki,
Zamoyski , Modrzewski , Orzechowski, Myszkowski u.
a. m. haben den Grund zum classischen Anbau der pol-
nischen Sprache und Literatur unter Zygmunt August
gelegt. — Nicht minder förderlich war der Entfaltung
der Wissenschaften und Künste in Polen die religiöse
Toleranz während der Regirungsjahre Zygmunt's I., Zy-
gmunt Augusts, und Steph. Bäthory's. — Mit der Erfin-
dung des ßücherdruckes wurden die Polen frühzeitig be-
kannt. Der älteste polnische Druck ist ein Krakauer Ka-
lender vom J. 1490. Die ersten polnischen Buchdrucker
waren Schwantopolt Fiol und Joh. Haller in Krakau.
Der erste druckte schon im J. 1491 einen Osmoglasnik
mit kyrillischen Buchstaben, gerieth aber bald in die In-
quisition. Der zweite war zuerst Kaufmann, im J. 1494
Buchhändler, endlich seit 1503 Buchdrucker, starb 1525.
Im Laufe des XVI. Jahrh. vermehrte sich die Zahl der
polnischen Buchdruckereien dergestalt, dass beinahe je-
des Städtchen, welches eine nur etwas bedeutendere
Schule hatte, auch im Besitze einer Buchdruckerei war.
Die ältesten Büchersammlinigen in Polen sind die Kloster-
bibliotheken der Benedictiner; die ansehnliche Bibliothek
der Krakauer Hochschule schmolz im XVII — XVIII.
.lahrh. bedeutend zusammen. Nicht unanselndich waren
die Bibliotheken der Fürsten Radziwil und Sapieha, jene
in den Drangsalen des Krieges zerstreut, diese 1808 der
Warschauer gelehrten Gesellschaft geschenkt: aber die
bedeutendste Bibliothek Polens war die Zaiuskische (von
200,000 Bänden, worunter gegen 20,000 polnische Wer-
ke), nach der gänzlichen Theilung Polens von der rus-
415
sisclieii Landesregiruiis^ nacli S. Petersburg abgeführt.
Der jetzt in Polen bestehenden Bibliotheken ist schon
oben §. 7. II. gedacht Morden. - Unter den Mäcenen
Polens glänzen die Namen der Fürsten Zygiiiunt I., Zy-
gimint August, Stephan Bathory, Stanislaw August und
Alexander I. oben an. Nächst ihnen verehrt die dank-
bare Nachwelt als eifrige Beförderer der Wissenscliaf-
ten und Künste den Reichskanzler Peter Tomicki, Bisch.
V. Krakan (gest. 1535), den Erzbisch, v. Guesen Andr.
Krzycki (geb. 1483, gest. 1537), den Kanzler u. Heichs-
capitän Job. Zamoyski (geb. 1542, gest. 1605); seit
der Mitte des XVIII. Jahrb. aber den Bisch, von Kiew,
Jos. Zaluski, und den k. k. Feldmarschall, Adam Fürst.
Czartoryski (gest. 1823). — Die erste periodische Schrift
erschien in Polen 1764, seitdem kamen unter mannig-
faltigen, durch die Ereignisse der Zeit herbeigeführten
Hemmungen und Unterbrechungen mehrere periodische
Schriften sowol politischen als literarischen Inhalts her-
aus. Die erste öffentliche gelehrte Gesellschaft in Polen
ist die kgl. Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften
in Warschau seit 1801, deren Einfluss auf die Wieder-
belebung und Veredlung der Nationalliteratur unbere-
chenbar wichtig und wolthätig ist. Im J. 1815 wurde
die literarische Gesellschaft (towarzystwo naukowe) in
Krakau gestiftet, und mit der Krakauer Universität ver-
bunden. — Unter den Hindernissen der literarischen Cul-
tur in Polen steht die ehemalige Verfinsterung des poli-
tischen Horizonts und der harte Druck des Volks oben
an. Seit Zygmunt III., ja schon seit Johann Kazimierz
sündigte man immer schwerer gegen die natürlichen Rechte
des Christenthums, der Menschheit, gleich wie gegen die
Regeln der Staats- und Volkswirthschaft. Der Adel
machte allein die Nation aus, das in die Fesseln der Leib-
eigenschaft geschlagene Volk versank in die gröbste Un-
wissenheit, und blieb Jahrhunderte lang von dem Liciite
der Civilisation gänzlich ausgeschlossen. Dasselbe erman-
gelte gänzlich der so nöthigen Landschulen, und der
Landmann, der lesen oder sclireiben gekonnt hätte, war
weit und breit nicht anzutreffen. Hiezu gesellte sich
später die Verfolgung anderer Confessionsverwandten.
416
Audi in Polen loderten die Scheiterimufen zur Vertilgung
der Ketzer auf, u. die Inquisition dauerte bis auf Zyginunt
I. Um die iMitte des XVII. Jahrli. erhob sich der Sturm
aufs Neue, die Arianer Avurden aus dem Lande gejagt,
und der Druck der Griechischgläubigen veranlasste den
Aufruhr und Abfall der Kozaken von der polnischen
Krone im J. 1654. Die Verfolgung der Dissidenten über-
schritt seit August II. und August III. alle Gränzen,
und stia'zte das Land in unabsehbares Elend. Wie ganz
anders spricht die musterhafte Verfassung des jetzigen
Kgr. Polen, die allen christlichen Confessionen freie Re-
ligionsübung gesetzlich zusichert, jedes menschliche Herz
an! — Zu den Hindernissen der Sprachcultur und hie-
mit der Nationalliteratur rechnet Hr. ßentkowski auch
die Jesuiten. Nachdem sie sich der Schulen Polens be-
mächtigt hatten , versank der freiere Geist der Bildung
in pedantischen Mechanismus, hohle Formen, Abrich-
tung zu verschiedenen Nebenzwecken; der polemische
Misston und panegyrische Bombast weht unheimlich aus
allen Werken des Zeitraumes ihrer Herrschaft den Le-
ser an. Nicht minder nachtheilig wirkte auf die Natio-
nalliteratur die Verfinsterung der Zeit selbst; Astrolo-
gie , Cabbala , Dämonologie , Pietismus , Mysticismus,
Atheismus, Alchemie und Theosophie schlichen lange
Zeit im Dunkel der Nacht durch alle Länder Europas
umher, und beschäftigten die vorzüglichsten Köpfe jener
Jahrhunderte; auch in Polen hatten sie ihre geheime
Werkstätte, bis mit Kopernikus das straldende Tagesge-
stirn aufging, und die finstre Nacht des Mittelalters auf
immer verblich. — Das unzeitige Bereisen des Auslandes
verkehrte oft die Köpfe vorzüglich der Jugend, und ver-
schaffte den ausländischen Sprachen und Sitten oft das
Ueberge wicht über die einlieimischen. Im XVI. Jahrb.
kehrten die Polen jnit Kenntnissen hereichert in ihre
Heimath zurück, und brachten es hier durch Unterricht
und Schriften bald dahin, dass das Keisen ins Ausland
der Studien wegen beinahe überfiüssig wurde; im XVII.
Jahrh. kasn das Besuchen fremder Länder wälirend der
Schulleitung der Jesuiten aus der Mode; und als im
XVIII. Jahrii. die Reisen nach Italien und Frankreich
417
neuerdings überhand nahmen, da beinächligte sich eines
grossen Theils der Nation ein Stumpf- und Kaltsinn ge-
gen das Einheimische und Vaterländische, der bald in
Verachtung desselben ausartete, und ein unglückliches
Nachäflfen des fremden Volksthums wurde herrschend.
Die Erziehung der Jugend wurde fremdher berufenen
Pädagogen anvertraiit: französische Sprache und Sitten
drohten beinahe ganz die vaterländischen zu verdrängen;
ihr nachtheiliger Einfluss auf die Nationalliteratur ist
sichtbar genug. Unglückliche Kriege und wiederholte
Revolutionen im Lande erstickten die vaterländische Li-
teratur vollends, die sich nun nach so vielen Wunden
unter der väterlichen Fürsorge der jetzt bestehenden
Regirungen nach und nach zu erholen beginnt. ^)
§.50.
Epochen der polnischen Literatur. Erste Periode: Von
der Einführung des Christenthums bis auf Kazimierz
den Grossen. J. 964 — 1333.
Die Epochen der polnischen Literatur sind folgende :
1.) Von der Einführung des Christenthums bis auf Ka-
zimierz den Gr., od. vom J. 964-1333. 2.) Von Kazi-
mierz dem Gr. bis auf Zygmunt L, od. vom J. 1333-
1506. 3.) Von Zygmunt L bis zur Eröffnung der Je-
suitenschulen in Krakau, od. vom J. 1506-1622. 4.)
Von dem entschiedenen Uebergewicht der Jesuiten und
der Verfolgung der Nichtkatholischen bis zur Wieder-
belebung der Wissenschaften und Einführung eines bes-
sern Geschmacks durch Stanislaw Konarski, od. vom J.
1622-1760. 5.) Von Konarski bis auf unsere Zeiten
1760-1824. ')
Erste Perlode. Von der Einführung des Christenthums
bis auf Kazimierz den Gr. J. 964 — 1333.
Diese Periode kann füglich das Zeitalter der Finsterniss
heissen. Die schriftlichen Denkmäler dieser Zeit sind alle
^) F. Bentkowski bist, literatury polskiey (War. 814.) I. 75 — 161.
») F. Bentkowski I. 162 - 176.'
27
418
in lateinischer Sprache und einem Styl abgefasst, dein
man das Gepräge des Jahrhunderts ansieht; dahin gehö-
ren die Chroniken des Marlin Gallus, Vincentius Kad-
lubek, Marftn Sfrzebsh' u. m. a. — Die polnische Mund-
art musste schon zu Anfange des X. Jahrh., eben so wie
die böhmische, von der altslawischen verschieden seyn;
ihre Gestalt wurde aber im Verfolge der Zeit unter dem
Einllusse der lateinischen und teutschen Sprache immer
mehr verändert. Lange Zeit bestand die Geistlichkeit
Polens aus Italienern und Teutschen ; die polnischen Städte
wimmelten von teutschen Gewerbsleuten ; nichts desto
weniger konnte die Sprache der Italiener und Teutschen
wegen der grössern Masse der Einwohner in Polen nicht
so, wie in Böhmen, überhand nehmen, und war ledig-
lich auf den Hof, die Grossen des Reichs und die Städte
eingeschränkt. Auf die Masse des Volks wirkten diese
Sprachen nur in sofern, als sie die äussere Gestalt des
Polnischen veränderten, und dasselbe immer weiter von
seiner Urquelle abführten. Aus dem Conflict dieser drei
Sprachen, der lateinischen, teutschen und altslawischen,
und ihrem Einflüsse auf die Landesmundart ging die
polnische Sprache in ihrer neuern Form hervor ; wenn
gleich über ihre damalige Beschaffenheit wegen des gänz-
lichen Mangels an Sprachüberresten keine bestimmte Aus-
kunft gegeben werden kann. Nur einzelne polnische
Wörter, mit einer unsteten inid abschreckenden Ortho-
graphie geschrieben, finden sich zerstreut in verschiede-
nen lateinischen Urkunden dieses Zeitraumes. Zu den
ältesten Denkmalen der polnischen Sprache gehört das
unter dem Titel: ßoga rodzica bekannte Kriegslied, wel-
ches allgemein dem h. Adalbert (Woyciech) vor dem J.
1000 zugeschrieben wird, von dem es aber, nach Hrn.
Dobrowskys Meinung, wenn es gleich uralt ist, wol
nicht herrühren mag, da im Böhmischen keine Spur da-
von anzutreffen ist. Hr. Rakowiecki zweifelt nicht an
dem hohen Alter dieses Sprachdenkmals, erklärt aber
doch, dass er es in seiner jetzigen Gestalt, nach der
Sprache zu urtheilen, nicht höher als in das XIV. .Jahrb.
versetzen kann ^). ßielski und Dlugosz machen wol noch
*) Rakowiecki prawda ruska IL 211 — 12.
419
Erwäliniing von alten Liedern; allein ans altern Zeiten
hat sich keins erhalten. Es ist nicht wahrscheinlich, dass,
ungeachtet die lateinische Sprache die ötlentlichc Geschäfts-
und Urknndensprache der Polen gewesen, auch die Lan-
desinundart in Geschäften des gemeinen Lehens nicht
schriftlich angewendet worden wäre; aher die Missgunst
und ünkunde der Ausländer, ferner die vielen Kriege,
Drangsale und Verheerungen des Landes vertilgten alle
Spuren dieses frühesten polnischen Schriftthums. ^)
§• 5L
Zweite Periode. Von Kazimierz dem Gr. bis auf Zygmunt S.
J. 1333 - 1506.
Dieser Zeitraum kann die Morgenröthe der hcrandäm-
mernden Aufklärung Polens heissen. Kazimierz , mit
Recht der Grosse genannt, hob durch den kräftigen Schutz,
den er dem Landmann und Bürger angedeihen liess,
und durch die den fremden Ankömmlingen ertheilten
Privilegien, in deren Genüsse sie friedlich ihren Geschäf-
ten obliegen konnten, mächtig die Städte und das Land
empor, und legte dadurch den Grundstein zu der nach-
maligen Grösse und Macht Polens. Er wies durch die
am Wislicer Reichstag gegebenen Landesgesetze die will-
kührliche Macht der Richter in die gebührenden Schran-
ken zurück, untersagte die Appellation in bürgerlichen
Rechtsangelegenheiten nach Magdeburg, und zwang auf
diese Weise die Eingebornen sich die nöüiigen juridischen
und politischen Kenntnisse zu erwerben ; er legte end-
lich den Grund zu der Krakauer Hochschule. Die stür-
mischen Jahre der Regirungszeit Ludwigs hinterliessen
kein Denkmal, ja keine Spur seiner Fürsorge für das
Volk in Bezug auf dessen Civil isation, Aufklärung und
geistige Bildung. Dem Wladyslaw Jagiello verdanken die
Polen die bessere Organisation und Dotirung der Kra-
kauer Universität, dieser selbst vom Auslande geachte-
ten Pflegerin der Wissenschaften, Mutter aller übrigen
Lehranstalten Polens. Hedwig und Sophie, Gemahlinen
») Bentkowski bist. lit. pol. I. 162 — 63.
27'
420
dieses frommen Fürsteii, Hessen die li. Schrift in polni-
sche Sprache übersetzen. Kazimierz Jagiello befahl durch
ein Decret anfs strengste, dass nur derjenige, der in
der lateinischen Sprache bewandert ist, zu höheren Aem-
tern zugelassen werde. Derselbe legte viele lateiniscise
Schulen im ganzen Lande an, während für die polnische
Sprache nicht das mindeste unter ihm geschah. Gegen
das Ende seiner Regirung, zur Zeit der Wiedergeburt
der Wissenschaften und Künste in Europa, nährte die
Krakauer Hochschule die gelehrtesten Männer, sowol
Eingeborne, als Ausländer, in ihrem Schoosse, die ih-
ren und des Landes Ruhm mündlich und schriftlich ver-
breiteten. Dfugosz ist zwar nicht, wie einige behauptet
haben, der erste, der griechische und römische Classiker
nach Polen brachte-, aber ihm gebührt doch das Ver-
dienst der Verbreitung classischer Studien unter den Po-
len. Die Einführung der Buchdruckerkunst in Krakau
um 1490, obvvol sie die ganze Regirungszeit Kazimierz's
hindurch in der Wiege geblieben ist, wurde doch in
der Folge eines der vorzüglichsten Vehikel der Belebung
und Verbreitung literarischer Betriebsamkeit im ganzen
Lande. In den für Polen unglücklichen Tagen Johann
Albrechts geschah für die Wissenschaften und Künste
gar nichts. Von Natur liochmüthig, schätzte er zwar
an einzelnen Menschen gelehrte, vorzüglich historische
Kenntnisse, aber er selbst besass nicht im mindesten
die Gabe zu regiren, und die polnischen Musen sind
ihm keinen Dank schuldig. Nocli weniger that für die
öffentliche Aufklärung sein Nachfolger Alexander, der
bei der Fülle körperlicher Gesundheit doch sehr schwach
am Geiste war. — Es ist bereits oben gesagt worden,
dass seit dem X. Jahrh. die Aufklärung des Volks ganz
in die Hände der Geistlichkeit gegeben ward, die über
ein ganzes Jahrhundert aus Italien und Teutschland ge-
holt wurde, und dass im Laufe dieser Periode die Ein-
gebornen von allen geistlichen Aemtern gänzlich ausge-
schlossen blieben. Obwol dieses später aufhörte, so be-
hielten doch die Ausländer sowol bei dem weltlichen,
als dem regulären Clerus, trotz der dagegen gefassten
Beschlüsse und gegebenen Verordnungen, bis Ende des
421
XV. Jalirh. den Vorrang. Noch im XII. Jahrli. wurden
die geirstliclien Aemter und Würden mit Ausländern be-
setzt. Im XIII. Jahrh. fingen die Erzbischöfe und der
höhere Clerus an, daran zu denken, der verachteten
Landessprache Ansehen zu verschaffen; aber ihr Wille
blieb ohne Erfolg, und die Verordnungen kraftlos. Im
J. 1237 verordnete der Erzbischof von Gnesen, Petka,
dass die Priester unter der Obhut der Bischöfe Schulen
eröffnen, dieselben aber nicht nn't Teutschen, ausser
wenn sie der polin'schen Sprache vollkommen kundig
wären, besetzen möchten. I)er Einfall der Tataren im
J. 1241 vereitelte mit der gänzlichen Unterdnlckung der
beginnenden Landescultur auch diese löbliche Verord-
nung. Im J. 1285 wurde auf der Provincialsynode zu
Leczyc unter dem Vorsitz des Erzb. von Gnesen, Ja-
kob Swinka, decretirt, dass hinführo alle der polnischen
Sprache unkundige Ausländer von den geistlichen Aem-
tern und Schulen ausgeschlossen seyn sollen; allein die
Wiederholung desselben Decrets im J. 1357 auf der Pro-
vincialsynode zu Kalisz durch den Erzb. von Gnesen,
Jaros^aw Bogory, und die im J. 1460 von Job. Ostrorog
über die Besetzung der Klöster mit ausländischen Mön-
chen geführte Klage beweisen zur Genüge, dass auch
dieses Decret von keiner Wirkung gewesen. Diese aus-
ländischen, auf alles Einheimische aufsässigen Geistlichen,
der Macht und Würde nach der erste Stand der Nation,
schworen aus Neid, Eifersucht, Missgunst und Hass al-
len Denkmälern einer Sprache, die sie nicht kannten,
und nicht kennen wollten, den gänzlichen Untergang.
Sie thaten, was nach der Aussage des Priors Lochmann
und dem Bericht des Pfarrers Juszynski (Dict. poet.
polsk.. Kr. 820. Vorr.) mehrere Hundert Jahre später die
aus Frankreich emigrirten Benedictiner mit der polnischen
Bibliothek des Klosters S. Krzyz auf der Lysa-Göra gethan
haben, sie warfen die in barbarischer Sprache verfassten
Bücher zum Lohn der Gastfreiheit ins Feuer. So ver-
tilgten diese Ankömmlinge alle Spuren des frühesten
Sprachanbaues der Slawen, die bis dahin den Stürmen
der drückenden Zeit entronnen waren. Sie liessen den
Gebrauch der polnischen Sprache, weder in öffentlichen,
422
noch in Privatgeschäften zu. Es gelang iinien, den hö-
hern Ständen einen bleibenden Abscheu gegen die, wie
sie vorgaben, heidnisclie, wilde, ungeschlachte und bar-
barische Sprache einzuimpfen ; selbst dem Pöbel liessen
sie sie kaum und nur gezwungen. Aus diesem Grunde
wagte man kaum mit Ende des XIV. Jahrb. die polni-
sche Sprache aus dem Dunkel der Vergessenheit u. Ver-
achtung ans Tageslicht zu ziehen ; aber die tief im Her-
zen des Volks wurzelnde Gleichgültigkeit gegen dieselbe
dauerte noch lange und bis Ende des XV. .Jahrh. fort.
Karl IV. liebte und beschützte die bölnuische Sprache;
der polnische Kazimierz der Gr. theilt dieses Lob nicht
mit ihm. Auf diese Weise ward kaum unter der Kgn.
Hedwig auf die Emporhebung der Sprache gedacht. Die
fromme Fürstin gab durch ihr Beispiel die erste Veran-
lassung dazu. Nicht minder kräftig wirkte auf den bes-
sern Theil der Nation das Vorbild der Böhmen, die um
diese Zeit schon eine herrlich ausgebildete, gereifte und
reiciilich angebaute Sprache besassen.
Dieser Periode fehlt nicht an verschiedenen Bele-
gen der fortschreitenden Sprachgestaltung , aus denen
deutlich hervorgeht, dass die Polen nach dem Verlust
des uralten slawischen, und der Annahme des lateini-
schen Alphabets, Mühe gehabt haben, eine bestimmte
und gleichförmige Orthographie einzuführen. Bei der Be-
gründung derselben legte mau die lateinische, teutsche
und böhmische Combination, folgewidrig und ohne alle
Einsicht in das Wesen der Schreibekunst und der slawi-
schen Sprache, zinn Grunde. Durch diese, der polni-
schen Sprache gegen ihren Geist aufgedrungene Recht-
schreibung wurde nicht nur die Etymologie unsicher ge-
macht, sondern auch die Bildung der Wörter von ihrer
ursprünglichen Norm abgelenkt, und was am meisten
zu bedauern ist, der quantitative Charakter der polni-
schen Prosodie beinahe gänzlich verwischt. Denn es ist
erwiesen, dass noch im Laufe des XV. Jahrh. die Länge
und Kürze der Sylbeu, analog den übrigen slawischen
Dialekten, mittelst des natürlichen Zeitverhalts (d. i.
der Dehnung und Schärfung der Vocale, nicht eines er-
träumten Tons}j,.in der Aussprache bestimmt ausgeschie-
423
den und scharf begränzt war, und dass zwischen der
Menge der langen und kurzen Sylben ein Verhältniss
statt fand, wie es die Natur der altclassischen Versfor-
nien verlangt; während jetzt die Bestimmung der Quan-
tität der Sylbcn, wegen der vernachlässigten Bezeich-
nung der langen und kurzen Vocale im Schreiben, den
grössten Schwierigkeiten unterworfen ist. ^) Die Denk-
male der polnischen Sprache fangen mit der zweiten
Hälfte des XV. Jahrh. an. Dahin gehört vor allem die
nach dem Zeugnisse Dhigosz's auf Befehl der Kgn. Hedwig
vor dem J, 1390 veranstaltete Uebersetzung der Bibel.
Ein Exemplar dieser Uebersetzung ist aber nirgends vor-
handen, wesshalb sie von vielen, z. B. Grafen Stan. Po-
tocki, auch bezweifelt worden ist. Den Psalter zu Po-
ryck gab Czacki für einen Theil der Hedwigischen Bibel
aus; andere Theile, die sich zu Säros-Patak in Ungern
befinden, waren (nach c. vom Grafen Majläth der Grä-
fin Rzewuski geb. Fürstin Lubomirski mitgetheilten, und
in Niemcewicz zbiör pamietniköw W. 822. 2 Th. abge-
druckten BeschreibiHig derselben) ein Eigenthum der
vierten Gemahlin JagielJo's, der trefflichen Sophia (1430),
und können wol eine Copie von der Bibel seyn, welche
die erste Gemahlin desselben, die schöne Hedwig, be-
sessen. Eine andere Bibel, welche die Kgn. Sophia im
J. 1455 abschreiben Hess, hat noch Wegierski (1600 —
49) gesehen. Man kann jedoch nicht annehmen, dass
die letztere Bibel nur eine Copie der altern sey, da die
Schlussformel den Uebersetzer ausdrücklich nennt. Es
ist wol zu vermuthen, dass böhmische Uebersetzungen
verschiedener Bücher (von denen, die Hedwig gelesen
haben soll, sind aus jenen Zeiten in Prag noch böhmi-
sche Handschriften vorhanden), nicht nur unter der Kgn.
Hedwig, sondern noch häufiger unter der Kgn. Sophia
nach Polen gekommen sind. In Böhmen gab es 1455
schon zwei neuere Recensionen der Bibel, die dem la-
teinischen Texte genauer entsprechen, als die alte para-
phrastische Uebersetzung. Nach einer solchen neuern
Recension scheint also Andr. v. Jaszowicz, der Kgn. So-
^) Rakowiecki prawda ruska II. 213 S.
424
pliia Caplan, die polnische Bibel umgearbeitet zu haben ^).
Ausser der Bibel gab es 1390 schon Legenden, Hoini-
lien und andere Erbauungsbücher in polnischer Sprache.
Hiernächst sind zu nennen; die Vorr. aus einem alten
Statut des Kgs. Kazimierz; Aussagen der Zeugen um
die Mitte des XIV. Jahrh. in der Maiewskischen Samml.
poln. Msc. ; ein Ausspruch des Wojewoden von Lemberg
in einem Gränzprocess vom J. 1400, befindlich in der
Kronmatrikel; Fragmente aus Uebersetzungen polnischer
Statute vom J. 1449 und 1450; die polnische Ueber-
setzung der Antiphone Salve regina aus dem Kanzional
von Przeworszczyk vom J. 1435; die X. Gebote polnisch
in Versen vom J. 1481; ein Lied vom Wiklef in einer
Handschrift der Göttinger Bibl. ; eine Anleitung zur pol-
nischen Rechtschreibung vom J. 1486. u. m. a., die bei
ßentkowski Hist. liter. pol. 1 Bd. S. 177-191., Potocki
pochwaly, mowy i rozprawy IL Bd. S. 419-425, und
Rakowiecki prawda ruska IL Bd. S. 212-221 nachzule-
sen sind.
^) Dohrowsky Slowanka II. 237 — 38. — Bei dieser Gelegenheit will
ich die poln. Bibeln verzeichnen. — N. Testament: Matthaeus, Kgsb. 551.
(Von J. Seklucyan). Ganz : Kgsb. 551 — 52 2 Bde. 4., Kgsb. 554. Kgsb.
555. (Von demselben a. d. Griechischen für lutherische Christen, dreimal
aufgelegt.) Krak. 556. 4. (Nach der Vulgata v. J. Leopolita revidirt, aber
von Leonard übersetzt, für katholische Christen.) Altes Testament: Psal-
ter, Kr. b. Ungler 539., Derselbe Kr. b. Vietor .540. Derselbe Kr. b.
Scharfenberger 543. eb. 547. (Von V. Wrobel übers, u. 4mal aufgelegt) —
Ganze Bibeln: Krakau b. Scharfenberger 561. fol. (Nach d. Vulgata, von
J. Leopolita revidirt, ab. v. Leonard übers., für Katholiken). Brzesc in Lit-
tauen 563. fol. (Nach dem Hebr. Griech. u. Lat. f. Reformirte). Nieswiez
(nur d. Vorr. ist zu Zaslaw unterzeichnet) 570. 4. (Nach d. Hebr. Griech.
u. Lat. v. S. Budny, e. Autiirinitarier). 0. Dr. 572. Dieselbe zum zwei-
tenmal aufgelegt). Krakau. 575 fol. Krakau 577. fol. (N. Auflagen von
1561). Krakau 599. fol. (Nach d. Vulg. v. d. .Jesuiten J. Wuiek). Dan-
zig 632. 8. (Nach dem Hebr. u. Griech. v. P. Paliurus u. s. Mitarbeitern
Wengierscius u. Mikolaievius. für Protestanten H. C.) Amsterdam 660. 8.
(Dies'elbe). Halle 726. 8. (Dieselbe). Breslau 740. 8. (Die Krakauer von
.'99). Kgsb. 738. 8. (Die Danziger). Brieg 768. 8. (Dieselbe). Breslau
771. 2 Bde. 4. (Die Krakauer von 599. mit dem lat. Text). Kgsb. 779.
8. (Die Danziger). Berlin 810. 8. (Die Danziger von der Bibelgesellschaft.)
Vgl. S. E. Czepius j^reussische Zehenden, Kgsb. 742. 2. 3. Bd. — Ringel-
taube Nachricht von den polnischen Bibeln, Danz. 744. 8. — F. Bentkoivski
hist. liter. pol. II. Bd. S. 494. if. — L. Kossicki brevis bibliorum polon.
per editionum familias conspectus, in Bantkie's miscell. Cracoviensia, Kr.
811. 4. Dobrowskys Slowanka I. 141. II. 228.
425
§. 52.
Dritte Periode. Von Zygmunt I. bis zur Eröffnung der
Jesuitenschulen in Kral<au. J. 1560 — 1622.
Goldenes Zeitalter der polnischen Literatur. Die Na-
tionalbildung ging in diesem Zeitraum mit Riesenschrit-
ten vorwärts; der Geschmack bildete sich an den clas-
sischen Mustern Griechenlands und Latiums ans, und die
Reinheit der Sprache erreichte den höchsten Gipfel. Die
Hauptmerkmale der Schriftsteller aus dieser Periode sind:
Richtigkeit und Reinheit der Sprache, edle Einfachheit
und ernste Würde. — Es ist bemerkenswerth in der Ge-
schichte der Civilisation Polens, dass in diesem Reich der
Adel mit der Fackel der Aufklärung stets voranging,
während andere Länder die Aufregung der selbständi-
gem Geistesthätigkeit und das Licht der literarischen
Cultur meistens dem zweiten Stande verdanken. Es ist
genug, der Namen Padniewski , Ocieski , Tarnowski,
Zamoyski, Gork, Radziwnll u. m. a. zu erwähnen, um
anzuzeigen, dass diess diejenigen Manner sind, welche
die goldene Aera der polnischen Nationalliteratur her-
beigeführt haben. L^nter Kazimierz's des Jagiellonczyk
Söhnen wurde das Polnische die Sprache des Hofs, der
Damen und der gebildeten Gesellschaften. Man fing laut
an über die Vernachlässigung der vaterländischen Spra-
che zu klagen, und sah die Nothwendigkeit ihrer Ver-
vollkommnung ein. Zygmunt's L thätige Regirung und
die erwünschte Ruhe, welche die westlichen Provinzen
fortwährend genossen, schufen Grosspolen zu der Wiege
der Aufklärung um. Zygmunt August wusste durch
seine weise Mässigung in Sachen der Religion den herr-
schenden Zeitgeist so zu lenken, dass während in ei-
nem grossen Theil von Europa blutige Religionskriege
die Fortschritte der literarischen Cultur nicht wenig auf-
hielten , der Boden Polens nicht nur mit Bruderblut
nicht befleckt wurde, sondern die Verschiedenheit der
Religionsmeinangen sogar dem Anbau der Wissenschaf-
ten erspriesslich war. Derselbe vorbot die Landesgesetze
in einer andern, als der polnischen Sprache, abzufas-
426
sen; er selbst schrieb in keiner andern, als der Landes-
sprache. An seinem Hofe lebten Job. Kochanowski,
Luk. Gornicki nnd Job. Janiiszowski. Stepb. Bätbory
maciite sieb durcb die Einfiibrung der lateiniscben Spra-
che und in ibreni Gefolge des Studiums der classiscben Vor-
zeit, ferner durcb weise Duldung um die Beförderung
der Wissenschaften in Polen sehr verdient; so wie er
sich andererseits durcb die Errichtung der Tribunale und
Vervollkoiiuiinung der öffentlichen Gerechtigkeitspflege
den Dank der spätesten Nachkommen erworben. Zwar
will man das Beimengen der lateiniscben Wörter und
Redensarten in der polnischen Sprache dem Einflüsse
seines Beispiels, weil er, der Landessprache nicht ganz
mächtig, im Sprechen das Latein zu Hilfe zu nehmen
j)flegte, zuschreiben ; allein, was der König aus Noth
that, hätten seine ungeschickten Hofleute nicht bis zur
Ungebühr und offenbarer Verletzung der vaterländischen
Sprache nachäffen sollen. Gegen das Ende dieses Zeit-
raumes blühten noch unter der Regirung Zygminit's III.
die Wissenschaften, bis nicht die Jesuiten fast den gan-
zen Schulunterricht an sich gebracht haben. — Mit
Recht befremdet in der Geschichte der polnischen Na-
tionalliteratur der unerhört schnelle Aufschwung dersel-
ben im Laufe des XVI. Jahrb. Die einzige Ursache die-
ser Erscheinung (sagt Graf Potocki), ist in der vertrau-
tern Bekanntschaft der Polen mit den classiscben Werken
der griechischen und römischen Vorzeit, und dem wol-
thätigen Einfluss vorzüglich des lateinischen Sprachstu-
diums auf die Gestaltung der Landessprache zu suchen.
Zur Zeit der Wiedergeburt der Wissenschaften in Eu-
ropa ging die allgemeine philologische und classische Ge-
lehrsamkeit den einzelnen Nationalliteraturen voran. Die
unter dem Schutt der alleszerstörenden und zuletzt in
sich selbst zerfallenen Barbarei begrabenen Trümmer des
classiscben Alterthums mussten erst entdeckt, liervorge-
zogen, gereinigt, geordnet und erläutert werden, be-
vor sie bei der neuern europäischen Nationalcultur zum
Grunde gelegt werden konnten. Diese grossartigen jMu-
ster des classiscben Alterthums, durch Italiens, Frank-
reichs, Teutschlands, Hollands und Englands Gelehrte
427
mit unsäglicher Mühe vom Staube der Verwesung ge-
reinigt, gewannen nun Gesetzeskraft in jeder besondern
Nationalliteratur Europas. Das unbegränzte Ansehen der
lateinischen Sprache im XVL Jahrb. machte die römische
Literatur zu einer der reichhaltigsten Quellen mensch-
licher Kenntnisse, aus der alle Völker schöpften. Die
geistreichern, in den alten Sprachen gründlich bewan-
derten Polen dieser Zeit, mit dem Ballast so vieler le-
benden neuern, uns gleich, nicht überladen, konnten
nun um so leichter die gefühlten Schönheiten des latei-
nischen Styls auf die vaterländische Sprache, die sie da-
für empfänglich und schon vorbereitet fanden, übertra-
gen, wie sie denn diess mit musterhafter Geschicklich-
keit und glänzendem Erfolg auch wirklich gethan haben.
Aber dieser herrschenden Auctorität der lateinischen Spra-
che ist es auch zuzuschreiben, dass so viele Polen in
diesem Zeitraum statt der einheimischen Sprache die nun
europäisch gewordene römische zur Darstellung ihrer
Gedanken wählten, entweder weil sie die vaterländische
noch nicht für genug fein und vervollkommnet hielten,
oder aber, weil sie es vorzogen, Bürger der grossen
Gelehrtenrepublik Europa's, als des kleinen Schriftstel-
lervereins auf dem Heimathsboden zu werden. — Von
der Wolthat des neuerfundenen Bücherdrucks säumten
zwar die Polen, wie schon oben gesagt worden, nicht, früh-
zeitig Gebrauch zu machen; aber erst seit 1534 wurde
die Verbreitung der Buchdruckerkunst in Polen allge-
mein, und die polnischen Drucke häufiger. Die Ortho-
graphie fand in diesem Zeiträume viele Verbesserer;
an ihrer Spitze stehen Rochanowski, Orechowski, Gor-
nicki und Januszowski. Allein ihre Neuerungen griffen
bei der einmal geläufig gewordenen Schreibart des gros-
sen Schriftstellerhaufens nicht durch; und seitdem gelang
es selbst den geachtetsten Schriftforschern unserer Zeiten
nicht mehr, die Mängel der polnischen Rechtschreibung
gänzlich zu beschwichtigen. Grammatisch und lexicogra-
phisch wurde die Sprache bearbeitet von Zaborovvski,
Honter, Seklucyan, Statorius, Orzechowski, Januszowski,
Maczyiiski und Knapski. — Durch den Wollaut der ita-
lienischen Sprache bezaubert, suchten die polnischen
428
Dichter die Häufung der Consonanten in ihrer Mutter-
sprache zu mildern. Die Aussprache und Rechtschrei-
bung wurde zu Ende des XV. und im Laufe des XVI.
Jahrh. vielfach nach der böhmischen Mundart gestaltet.
Dieser Einfluss des Böhmischen auf das Polnische nahm
so Oberhand, dass sich dessen Spuren sogar in dem rein-
sten polnischen Kanzleistyl der beiden Sigismunde fin-
den. Die Krakauer Universität, gleich nach ihrer Stif-
tung mit Lehrern aus Prag besetzt, und von ßöhmen
zur Zeit der hussitischen Unruhen häufig besucht, trug
nicht wenig zu dem Ueberhandnehmen des Böhmischen
in Polen bei. Hiernächst mag der bereits vorgerückte
Anbau der gereiften böhmischen Sprache, die Ueberse-
tzung der Bibel, und das Ansehen der Prager Akademie,
auf der jährlich zahlreiche Polen studirten, der böhmi-
schen Sprache einen nicht geringen Einfluss auf die pol-
nische verschafft haben. Noch wurden in diesem Zeit-
räume viele italienische und mehrere türkische Wörter
in die polnische Sprache aufgenommen, die aber als
einzelne zerstreute Fremdlinge die Masse der Sprache im
Ganzen gar nicht verändert haben, und zum Theil durch
bessere einheimische schon ausgebürgert sind, — Die
Sprache der Dichtkunst machte in dieser Periode bedeu-
tende Fortschritte. Keys von NagJowic, als des ersten
polnischen Reimdichters, dessen Name und Werke sich
erhalten haben, (gereimte Bruchstücke von ungenannten
Vff. kommen schon in der vorigen Periode vor), poeti-
sche Sprache erscheint bei nicht zu läugnenden Män-
geln des Stoffen seiner Poesieen schon als gereift und ge-
diegen ; der schöpferische Genius Job. Kochanowski's er-
hob sie auf den höchsten Gipfel der Vollendung. Viele
seiner Gesänge, worunter die Psalmen, übertreffen an
dichterischer Weihe und classischer Diction die Erzeug-
nisse aller seiner Zeitgenossen, Ariosto und Tasso aus-
genommen ; diese Blumen scheinen nicht unter Sarma-
tiens rauhem Himmel, sondern auf dem classischen Bo-
den Griechenlands und Latiums entsprossen zu seyn. Sein
Bruder, Andr. Kochanowski , und Neffe, Pet. Kocha-
nowski, erweiterten die von ihm gebrochene Bahn ; an
^ie schloss sich der Idyllendichter Szymonowicz an. Der
429
Versbau blieb jedoch weit hinter dem Stoff zurück ; .loh.
Kochanowski's nicht genug zu rühmender Versuch, das
altciassisclie Versniaass im Geiste der griechischen luid
römischen Prosodie a«if den polnischen Parnass zu ver-
pflanzen, fand leider keine Nachahmer, und der Heim
blieb hinfort in der polnischen Dichtkunst alleinherr-
schend. Die Sprache der Beredsamkeit blühte neben
jener der Dichtkunst kräftig empor. Die Reden des
Czarnkowski und Odachowski bei Gornicki ragen weit
über ihr Zeitalter hervor ; aber die Palme der politischen
Beredsamkeit in dieser Periode gebührt dem Gornicki,
so wie der geistlichen dem Wiiiek und Skarga. Die
Sprache der wissenschaftlichen Prosa blieb weit hinter
jenen beiden zurück, aus der leicht zu errafhenden Ur-
sache, weil die meisten Polen im Laufe dieses Jahrhun-
derts über wissenschaftliche Gegenstände nicht polnisch,
sondern lateinisch geschrieben haben. *)
Vorzügliche, um den Anbau der Sprache der Dicht-
kunst, Beredsamkeit und wissenschaftlichen Prosa ver-
diente Schriftsteller dieses Zeitraumes sind : Niki. Reij
V. Naglowic aus Zoraw in Russland (geb. 1515, gest.
1569), der Vater der polnischen Dichtkunst, studirte
in Lemberg und Krakau, und weihte sein ganzes Leben
dem Dienste der Musen, ohne ein öffentliches Amt an-
zunehmen ; er schrieb sehr viel, vorzüglich über religiöse
Gegenstände; als VC mehrerer geistlichen Reden in s.
Postillen macht er zugleich in der polnischen Beredsam-
keit und der Geschichte der Sprache überhaupt Epoche ;
sein bekanntestes Werk ist: Psalterz Dawidow s modli-
twami 555. — Joh. Kochannicski aus Sycyn (geb. 1530,
gest. 1584), bereiste Frankreich , Italien, Teutschland,
studirte in Padua, ward k. Secretär, darauf Abt von
Sieciechow, zuletzt Tribun (Woyski) des Sandomirer
Landdistricts, s. Oden ermangeln zwar des Schwungs
und der Erhabenheit der Pindarischen, aber eine süsse
Anmuth und Zartheit zeichnet sie dafür vortheilhaft aus;
viele s. Lieder sind dem Anakreon, den griechichen
Anthologisten und dem Horaz nachgebildet ; s. polni-
*) F. Bentkou'ski bist. lit. pol. I. Bd. S. 1(56 — RS. St. Potocki
pochwaly, mowy II. Bd. S. 380 - 429. 505. tf.
430
sehen Diehterwerke (denn K. dichtete auch lateinisch)
theilen sich in Uebersetznngen, worunter: Psalterz Da-
widöw, Kr. 578. 4. und eh. 585. 586. 587. 606. 612.
617. 629. 641. 4. classisch ist, und Originale, darun-
ter Lieder, Oden, Satyren, Erzählungen, Elegien, Epi-
gramme , und ein Drama: Odprawa poslöw greckich,
im griech. Versmaass; weniger zahlreich sind seine pro-
saischen Aufsätze: sämmtl. poln. Schriften Kr. 584 — 90.
4 Bde. 4., Warschau v. Bohomolec 767. 4., W. v. Mo-
stowski 803. 2 Bde. 8., Breslau b. Korn Stereotyp-Ausg.
825. IB. — Andr. Kochanowski, ein Bruder der vori-
gen, übers. Virgils Aeneis, Kr. 590. 4. 2 A. 640. 4.,
3 A. W. 754., die Uebers. ist bei sonstiger Reinheit der
Sprache zu weitschwei6g, kalt, und ohne höheres poe-
tisches Verdienst. — Peter Kochanoivski, ein NeflFe der
vorigen, Maltheser-Ritter und k. Secretär zu Anfange
des XVII. Jahrb., bereicherte die vaterländische Litera-
tur mit einer äusserst gelungenen Uebers. von Tasso's
befreitem Jerusalem im Versmaass des Originals: Kr.
618. 2 A. 651. 4. 3 A. 687. 8., und von Ariosto's rasen-
dem Roland I— XXV. Gesang, der aber die letzte Hand
fehlt, herausg. v. Przybylski, Kr. 799. 2 Bde. 8. — 5m.
Szyrnonoivicz, genannt Simonides, aus Lemberg (geb.
1558, gest. 1629), von Kg. Zygmunt III. in den Ritter-
stand mit dem Prädicat Bendonski erhoben, studirte in
Krakau, und gewann bald durch sein poetisches Talent
die Gunst des Kanzlers Zamoyski, der ihn als einen
Freund zu sich nahm, der Erziehung seines Sohnes Tho-
mas vorsetzte, und mit einem Gut unweit Zamosc be-
schenkte; Papst Clemens VIII. erkannte ihm den Lor-
beerkranz zu, die Zeitgenossen verehrten in ihm den
grössten lateinischen Dichter, und nannten ihn den la-
teinischen Pindar (denn Szymonowski dichtete sehr viel
lateinisch); seine bis jetzt unerreichten, dem Theokrit,
Moschus, Bion und Virgil nachgebildeten, in einer rei-
nen, anmuthsvollen Sprache geschriebenen Idyllen, 20
an der Zahl, sichern ihm auf dem polnischen Parnass
die Unsterblichkeit: Sielanki, Zamosc 614. 4., Sielanki
i nagrobki, Kr. 629. 640. 650. 686. 4., mit den Idyllen
von Zimorowicz, Gawinski , Minasowicz und den von
431
Nagurczewski übers. Eklogeii Virgils vermelirt W. 770.
8., dieselben mit Narnszewicz's Idyllen W. (eig. Lpz. b.
Breitkopf) 778. 8., dies, ohne Minasowicz und Nanisze-
wicz, und mit den Eklogen Virgils von Lipinski in der
Saiiunl. V. iMostowski: Sielanki polskie, W. 805. 8. —
Sim. Zimoroivicz aus Lemberg (geb. 1604, gest. 1629),
ein Zeitgenosse und Freund des Vorigen, dessen Eklogen
er sich, nach eigenem Geständniss, zum Muster nahm;
s. Idyllen ragen durch Originalität über die Szymonowi-
czischen hervor, aber an Weichheit und Lieblichkeit
stehen sie ihnen nach; die Sprache ist rein und edel,
der Versbau harmonisch: Sielanki nowe ruskie 663. 4.,
Hoxolanki, Kr. 654. 4., Moschus polski. Kr. 662., spä-
ter mit den Eklogen von Szymonowicz u. a. öfters auf-
gelegt. — Joh. Rybinski, um 1589 Lehrer in Danzig,
und bis 1594 Secretär in Thorn ; ein gekrönter polni-
scher und lateinischer Dichter, wegen der Correctheit
der Formen und kühner Bildersprache von vielen dem
Joh. Kochanowski gleichgestellt; s. Lieder erschienen in
Thorn 593. 4. — Ad. Czahrowski, ein Edelmann, lebte
unter Steph. Bäthory, ergriff nach dessen Tod die Partei
des erwählten Kgs. Maximilian, und musste sich nach
Ungern flüchten, wo er eine Sammlung seiner Gedichte
veranstaltete: Rzeczy rozmaite, Lemb. 599. 4. — Joh.
Jurkoivski, gab in den J. 1605 — 6 mehrere lyrische Ge-
dichte heraus. — Sfanisl. Grochoivski, Erzb. von Lem-
berg (gest. 1644), Vf. von 32 polnischen Schriften ver-
schiedenen Inhalts, w^ar ein glücklicher Dichter, voll
Zartsinns und unschuldiger Anmuth, ausgezeichnet din'ch
Reinheit der Diction: Wiersze, Kr. 609. 4. — Casp.
Miaskowski lebte unter Zygmunt III. im ersten Jahrze-
hent des XVII. Jahrb., und übertraf in religiösen Gesän-
gen alle seine Vorgänger: Zbiör rytmöw, Kr. 612. 4.,
Posen 622. 4., 2 ThIe. — Valent. Brzozowski od. z Brzo-
zowa, böhm. Confession, des Krakauer Bezirks Conse-
nior (gest. um 1570), übers, aus dem Böhm. e. Samml.
geistlicher Lieder: Kancyonal, Kgsb. 554. fol. — Pef.
Kresychleh od. Artomius aus Grodzisk in Grosspolen,
Pastor in Thorn A. C. (geb. 1552, gest. 1609), gab eine
Samml. von Kirchenliedern verschiedener Vff., mit ei-
432
genen vermehrt: RancyoiiaJ, Thorn 578. 596. 8., meh-
rere Predigten, einige theologische Abhandlungen und
einen Noinenclator lat. germ. pol. heraus. — Valent.
Bartoszewski, ein Jesuit, Hess in den J. 1610 - 20 sechs
theologische Schriften, darunter mehrere Kirchenlieder,
drucken. — Sam. Dambroivski aus Pogorzal in Littauen,
luth. Pred. in Wilna, Posen u. a. 0. (geb. 1577, gest.
1625), dichtete Kirchenlieder, und gab 6 theol. Werke
heraus, worunter die Postille, Wilna 621, fol. und Lpz.
728 — 29. 2 Bde. 4., wegen der gediegenen Sprache be-
sonders geschätzt wird. — Casp. Gesner aus Lubawa in
Preussen (gest. 1606), Pred. in Thorn, gab Luthers
Katechismus mit eigenen geistlichen Liedern, Thorn 591.
8., und ein Gebetbuch, Thorn 593. heraus. — Christ.
Kraiuski, Superintendent FL C. in Kleinpolen (geb. 1576,
gest. 1618), dichtete Kirchenhymnen und schrieb 4 theol.
Werke; worunter eine Postille, Laszczow 611. fol,,, im
vortrelFlichen Polnisch. — Stam'sL Sudrovius aus Ostro-
leka, reform. Pred. in Wilna (gest. um 1600), ver-
fasste geistliche Lieder, und gab mehrere asketische Wer-
ke, Wilna 598. IF., heraus. — Joh. Turnowski, aus
Kuiawy, Prof. in Thorn, Pred. in Posen u. a. 0. (gest.
1629), dichtete ebenfalls Kirchenlieder, und schrieb seit
1585 mehrere theologische Tractate in lat. u. poln. Spra-
che. — Joh. Zygrovius aus Wieruszow in Littauen,
Pred. H. C. in Paniowce (geb. 1574, gest. 1624), ist
der Vf. mehrerer Kirchenlieder und einiger polemischen
Scliriften. — Joh. Zabczyc, schrieb Lieder, Epigramme,
Satyren u. s. w. 608. ff. — Laur. Chlehowski verf. geist-
liche Lieder und andere vermischte Gedichte 617. ff. —
Casp. Twardowski^ Prof. d. Eloquenz auf der Krakauer
Hochschule zu Anfange des XVII. .lalirh., gab mehrere
religiöse Hymnen heraus 619. ff. — Sebasl. Petrycy üwa
Pilzno im Sandomirzcheii (gest. 1629), Prof. der Med.
in Krakau, zuletzt Leibarzt des Card. Macieiowski und
des Dimitrij Samozwanec , übers. Aristoteles Werke :
Politika, Kr. 605. fol., Ethika Kr. 618. fol., Oekono-
»lika 618. fol., und Horazens Gedichte, Kr. 609. 4.,
jene in einer reinen, gediegenen Sprache und mit aus-
führlichen Erläuterungen, diese frei, ohne besonderes
433
poetisches Talent. — Siqism. Anär. Zbijlt'fowski, lebte
am Hofe Steplians iiiid Zyginunts HL, und gab, ausser
mehreren Gelegenheitsgedichten, Satyren u. s. w., ein
didaktisches Gedicht: Wiesniak, Kr. 600. 4. heraus. —
Seb. Fab. Klonowu'z, genannt Acerniis, aus Sulmierzyce
im Kalischer Bezirk, Rathsherr in Lublin (geb. 1551,
gest. 1608), dichtete, gleich Ovid, mit Leichtigkeit in
lateinischer und polnischer Sprache, vcrfasste mehrere
lateinische und polnisclie Lehrgedichte, Satyren, Elegien,
Epigramme, übers. Catonis disticha moralia u. s. w. —
Joh. Kraiewski gab 5 beschreibende und erzählende Ge-
dichte heraus 608. fF. — Pet. Zbiflifowski gab, ausser
einigen andern Poesien, ein satyrisches Gedicht: Przy-
gana stroiom biaJoglowskim, Kr. 600. 4. heraus. — Sitn.
Slaski schrieb ebenfalls Satyren 606. — Malcher Pud-
lowski, königl. Secretär, lebte unter Zygmunt August,
schrieb Epigramme und andere kleine Gedichte in lat.
u. poln. Sprache: Fraszki, Kr. 586. 4. — Lukas Gornicki
aus Krakau (gest. nach 1591), erhielt den ersten Unter-
richt im väterlichen Hause, studirte 1538 auf der Kra-
kauer Universität , bereiste das Ausland , und diente
zuerst bei dem Krakauer Bischof u. Kanzler Sam. i\Ia-
cieiowski, dann bei dem Kanzler Zebrzydowski, dem Un-
terkanzler Przerembski, dem Kanzler Padnicvvski, zuletzt
bei Kg. Zygmunt August als Führer seiner Correspon-
denzen, und verlebte den Rest seiner Tage als Starost
von Tykocin und Wasilkow in Ruhe; der grösste Red-
ner unter Zygmunt und wegen der hohen Vollendung
seiner reinen, numerösen und lebendigen Diction der
erste Schriftsteller Polens aus diesem Zeitalter; alle seine
Werke bleiben, sowol wegen der Vortrefflichkeit des
gehaltvollen Stoffes, als auch wegen der Sprache, classi-
sche Muster für künftige Zeiten; (von ihm sagt Hr.
Bentkowski, was Quintilian vom Cicero gesagt hat, dass
nur derjenige, der an Gs. Werken Geschmack findet,
der Fortschritte in der polnischen Beredsamkeit gewiss
seyn kann): Dzieie w koronie polskiey, herausg. v. s.
Sohn Lukas G., Krak. 657. 4., Droga do zupelney wol-
nosci, von eh., Eibingen 650. 4., Rozmowa o elekcyi,
2 A. Kr. (616) 4. 3 A. W. 750. 4., Rozmowa zJodzieia
28
434
s dyaWem, o. 0. 624. 4., Dworzanin polski, Kr. 566. 4.,
639. 4. u. öfters, 0 dobrodzieistwach z Seneki, Kr. 593.
4., Nowy karakter polski i ortografia, Kr. 594. 4. —
Sfanisl. Orzechowskisius dein Przemysler Bezirk (gest. nach
1570), Doinlierr in Przeinysl, ein Mann von grossen
Talenten, ausgebreiteter Spraclikenntniss, gleich schätz-
bar als Redner und Historiker, schrieb meist lateinisch,
in poln. Sprache erschien von ihm : Ouincunx, t. i. wzör
korony polsk., o. 0. 564. 4., Dialogi, Zyvvot i smierc
J. Tarnowskiego, Politia rzeczy pospolitey u. s. w. — Joh.
Jduuszoivski (gest. 1613), k. Secretär am Hofe Zygmunt
August's und Stephan Bathorys, zuletzt Archidiakon in
Sandec, gab 18 in reinem, gediegenem Polnisch geschrie-
bene Werke heraus, darunter: Nowy karakter polski,
Kr. 594., 4., Oksza na Turki, a. d. Lat. des Orzechovvski,
Kr. 590. 4., Statuta, prawa i konstitucye koronne, Kr.
600. fol. u. a. m. — Pet. Skarffu aus Grodzieck in Ma-
zowien (geb. 1536, gest. 1612), erzogen auf der Kra-
kauer Universität, begleitete den Sohn des Krakauer
Castellans Teczynski ins Ausland, wurde zuerst Lember-
ger Domherr, trat darauf im 30. Lebensjahre in den Je-
suiterorden, und erntete zuletzt als kgl. Hofprediger bei
Zygmunt III. 24 Jahre lang den Ruhm des ersten geist-
liclien Redners seiner Zeit, von seinen Zeitgenossen der
polnische Chrysostomus genannt; unter seinen 32 Schrif-
ten, die, 3 lateinische ausgenommen, alle in polnischer
Sprache verfasst sind , ragen seine geistlichen Reden
durch vielseitiges Interesse des Stoffs und hohe Voll-
endung der Form hervor, an Reinheit und Gediegen-
heit der Sprache den Reden Gornicki's gleich, an Ge-
drängtheit und Kraft der Diction, an wahrer redneri-
scher Weihe jedoch unter ihnen: Zywoty Swietych, b.
Sk. Lebzeiten 8mal, und seit 1615 öfters aufgelegt, Ka-
zania na niedziele i swieta, Kr. 595. fol., 597. 600. 618.
G A. Wilna 792. 6 Bde. 8., Kazania o siedmiu sakramen-
tacii, Kr. 600. fol., Kazania przygodne, Wilna 738. fol.
3 Bde. u. s. w. — Juli. Wnieh aus Wagrowcc in Mazo-
wien (geb. 1540, gest. 1597), ein .Icsuit, ausgezeichnet
durch Gelehrsamkeit, vielfältige Schriften, «uul eine hohe
Gabe der Kanzelberedsamkeit; er übers, die Bibel ins
435
Polnische gab : PostHIa katholiczna, Kr. 573. 2 Bde. foJ.,
Poslilla katli. iiuiieysza, Posen 582. 2 Bde. fol. n. a. in.
heraus. — Fab. Bierkoirski, ein Dominicaner, Kg. WJa-
dyslaw Zygnnnits Ilofprediger , Skarga's Nachfolger,
zeiclniet sich durcli harmonische Wortfügung vortheil-
haft aus, und kann in dieser Hinsicht als Muster gelten,
verfällt aber bisweilen ins Gekünstelte, und jagt nach
Antithesen: Kazania, Kr. 632. 4. u. a. m. — Stamsl.
Karnkou'ski, Erzb. v. Gnesen, gab eine in leichter, ge-
fälliger Sprache geschriebene Postille heraus. — Mart.
Blülohi'zeski , Bisch, v. Laodicea, Suffragan zu Krakau
und Abt- V. Mogilew, und Valenf. Kuczhorski, Domherr
von Krakau u. Ermeland (gest. 1573), schrieben Ka-
techismen in polnischer Sprache; der erste gab ausser-
dem eine Postille in reinem, lliessendem Polnisch, Kr.
.581. fol. heraus. — Kypriau Bazylik übers, aus dem Lat.
in einem reinen, gediegenen Polnisch: Historya o sro-
giem przesladowaniu kosciola Bozego, Bresc 567. fol.,
ferner des J. F. iModrzewski: de rep. emendanda lib. V.,
Kr. 577. fol., Wilna 770. 8., u. a. m. — Joh. Seklucyan
aus Grosspolen (gest. 1578), der Uebersetzer der poln.
Bibel für Protestanten, ist zugleich Vf einer polnischen
Orthographie. — Joh. Radomski, Pred. zu Nidbor,
übers. Melanchthons Exam. theologic. ins Poln., Kgsb.
566. 4. — Greg. Kosznfskt v. Zarnowec, \)rot. Prediger,
verf. eine Postille in 3 Bden. fol., teutsch v. Kurzbach
587. 3 Bde. fol. — Paul Gilowski, ebenfalls ein Pred.,
fügte zu der Postille des letztgenannten einen 4ten Bd. hin-
zu, und gab: Wyklad katechyzmu u. s. w. heraus. —
Sini. Budny aus Mazovvien, nach andern aus Littauen,
Pred. beim Fürsten Radzivvili in Kleck und später in Losk
lums J. 1572, einer der eifrigsten und geachtetsten üni-
tarier, übers, d. Bibel ins Poln., und gab mehrere theol.
Werke heraus. — Mart. Bielski aus Biafa im W^ieluner
District (geb. 1496, gest. 1576), schrieb der erste die
Geschichte von Polen in der Landessprache, in einem
nusterhaft reinen und correcten Styl, von s. Sohn Joa-
chim B. bis auf Zygmunt III. fortgesetzt: Kronika polska,
^r. 597. fol.; er war zugleich ein satyrischer Dichter:
ieym niewiesci, Kr. 595. 4., Sen maiowy, Kr. 590. 4.
28*
436
— 3Ia(/t. Sfryikowfiki, gciiiinni Ososlowicz stiidirte in^
Krakau und Leipzig, Domherr ». Archidiakoii in Znnidz
(geb. 1547), Vf. einer mit melir Gelehrsamkeit, denn
Geschmack, und in einer nicht ganz reinen Sprache ge-
schriebenen polnischen Chronik, Kgsb. 582. fol., und
mehr als 20 anderer Schriften, übte im gleichen Maasse
die Dichtkunst aus: Henrykövv wiazd i koronacya. Kr.
574. 4., Treny, Wiersze, ßukoliki u. s. w. — Bartliol.
Paprocki v. Glogol, Unterschenk im Dobryner District,
brachte den Rest seines Lebens in Böhmen zu (geb. um
1540, gest. 1617), als Historiker und unermüdeter For-
scher im Fache der Heraldik und Genealogie der ausge-
zeichnetste Schriftsteller Polens, schrieb beinahe alle s.
Werke in Reimen: Panosza , Kr. 575. ft)l. , Gniazdo
cnoty, Kr. 578. fol., Herby ryc. polsk.. Kr. 584. fol.,
Kolo rycerskie, Kr. 576. 4., Pröba cnot dobrych o. 0. u. ,J.
u. s. w. Vgl. S. 345. — Marl. Bluzoiv.ski od. Blazewski übers.
Cromers Werk : De orig. et rebb. gestis Pol. ins Poln.,
Kr. 611. fol. - Mar f. Paszkoivski übertrug die vom
Math. Stryikowski herrüln-ende, mid vom Alex. Guagnin
sich fälschlich zugeeignete: Sarmatiae Europaeae descri-
ptio (Kr. 578. fol.) ins Poln., Kr. 611. fol., und gab 13
meist historische Gedichte in poln. Sprache heraus 608 IF.
— Job. Herburt, köingl. Secretjir, Kammerherr von
Przemysl, zuletzt (jastellan v. Sanok, übers., auf Befehl
des Kgs. Zygmunt August, die, von ihm zuerst gesam-
melten und alphabetisch geordneten, Statuta r. Poloniae
ins Poln. , Statuta i przy w ileie koronne. Kr. 570. fol. —
Sfanül. Sarnicki gab ein vohnninöses Werk : Statuta i
üietrika przywileiöw koronnych, (Kr. 594) fol. heraus.
— Leo Sapieha , Unterkanzier von Littauen, übers, das
littauische Statut, eine Samml. von Landesgesetzen, im
J. 1529 veranstaltet, aus dem Russischen ins Poln., Kr.
588. 6 A. Wilna 786. fol. - ßarlh. Groicki, Notar
beim Krakauer Kammerzollamt, übers. K. Karls V. Cri-
minalgesetz. Kr. 559., ferner das teutsch-sächsische Ge-
setzbuch, Kr. 562 ff. 4. in einer Reihe v. Bden. — Paul
Szczerhicz besorgte eine n. Uebers. desselben Gesetzbuchs,
Lemb. 581. 3 A. W. 646. fol. — Stanisl. Grzebski (nach
andern Grzepski) aus Grzebsk in Mazowien, Prof. an
437
der Hocliscliule zu Krakaii (gesl. 1572), gab der erste
ein inatlieinalisches Biicli in poln. Sprache heraus: Geo-
inetria t. i. miernicka nauka, Kr. 566. 12. — Joli. La-
tosz, Doel. (ier iMcd. und Astronom, Prof. an der Univ.
in Krakau, widersetzte sich der Annalune des neuen,
vom Papste dem Kg. Stephan Batliory, und von diesem
der Krakauer Akademie zur Prüfung vorgelegten Kalen-
ders, und schrieb mehrere mathematisch-chronologische
Werke 596 ff. — Ailalb. Rosciszewski i\n^ Plock, Jesuit
(gest. 1619), lebte zuletzt zu Sandomierz, und gab, aus-
ser mehreren lateinischen Schriften im Gebiete der Theo-
logie, gegen den vorigen eine Streitschrift: Latosie ciele,
heraus, in welcher er den verbesserten Kalender in Schutz
nahm. — Felix Zehrowski, Prof. Theol. auf der Univ. in
Wilna unter Stephan Bathory und Zygminit, liess eben-
falls neben einigen tlieolog. Streitschriften zwei astrono-
mische drucken, Kr. 603 ff. — Thom. Rngalius, Doct.
Phil., gab ein Prognosticon, Kr. 595. 4. heraus. — Pet.
V. Kobylin gab der erste ein medicinisches Werk in poln.
Sprache über die Geburtshilfe: Nauka ratowania poloz-
nic 541 heraus. — Mr. Anilr. v. Kobylin schrieb einen
Tractat: 0 puszczaniu krwi 542 fol. — Adalb. Ocko od.
Oczko, kgl. Hofarzt, liess ein Werk über die Syphilis:
Przymiot , Kr. 581. 4. drucken. — Anilr. Grniinius,
Hofarzt des Andr. Teczyhski, W^ojwoden von Krakau
unter Zygmunt August, gab ebenfalls ein Werk über die
Syphilis: Przymiot 594. heraus. — Pet. Umiasfowski aus
Klimunt, Doct. d. Phil. n. Med., schrieb über die Pest:
0 przyczynach morowego powietrza. Kr. 591. 4. —
Sfeph. Falimierz {Phalimirus od. Phalimims) aus Klein-
russland, bearbeitete der erste in polnischer Sprache ver-
schiedene Theile der Naturgeschichte in medicinischer
Hinsicht, vorzüglich die Botain'k, nach verschiedenen la-
tein. Auetoren , Kr. 534. 4. — Hierou. Spiczynski, Se-
nator in Krakau, des Kgs. Zygmunt August Leibarzt,
schrieb: 0 roslinach, zwierzetach i rodzeniu czlowieka,
Kr. 554. fol. — Mart. Siennik legte die Botanik des vo-
rigen zum Grunde, arbeitete sie nach Mathiolus um,
fügte des Alex. Pedemontanus Bücher über die geheimen
Arzneien polnisch hinzu, und gab beides unter d. T.
438
Herbarz, Kr. 568. fol., heraus, so wie schon früher
ein anderes iiiedic. Werk: Lekarstwa, Kr. 564. — Mart.
V. Urzedoiü, Doct. Med., des Joh. Tarnovvski Leibarzt,
Hess ebenfalls einen Herbarz |)olski, Kr. 595. fol. drucken.
— Shn. Sirenhis od. Syrenski, Prof. Medic. in Krakau
uui 1589, schrieb: 0 przyrodzeniu i uzyciu ziöl. Kr. 613.
fol., ein voluminöses, gehaltvolles, bis jetzt sehr ge-
schätztes Werk. — Math. Slriihicz übers, des Markgra-
fen Albert, Fürsten von Preussen, teutsches Werk:
Von der Kriegsordnung od. der Kunst Krieg zu führen,
ins Polnische, welches Albert dem Kg. Zygmunt August
dedicirte 1555, handschriftlich in der ehemaligen Zalu-
skischen, jetzt S. Petersburger Bibliothek vorhanden. —
Joh. Tarnowskt, Krongrossfeldherr unter Zygmunt Au-
gust, gab ein Werk über die Taktik in polnischer Spra-
che unter dem lat. Titel : Consilium rationis bellicae,
Tarnow 558. heraus. — Jak. Cielecki, aus einem adeli-
gen Geschlecht, übersetzte des Julius Frontinus W^erk
über die Kriegskunst ins Polnische, Posen 609. 4. —
Andr. Wargocki lieferte eine treue , gediegene, nur
stellenweise harte Uebers. des Julius Caesar, Kr. 608. 4.,
Valerius Maximus, Kr. 609. 4., Curtius Rufus, nach
des Yf. Tode herausg., Nieswiez 763. 3 Bde. 8., Peregri-
nacya do ziemi swietey M. K. Radziwilla, a. d. Lat.,
Kr. 683. 4.
§. 53.
Vierte Periode. Von Zygmunt 111. bis auf Stanislaus Au-
gust, oder von dem entschiedenen Uebergewicht der
Jesuiten bis zur Wiederbelebung der Wissenschaften
durch Stanislaus Konarski. J. 1622 — 1760.
Dieses Zeitalter kann man das theologisch-panegyri-
sche nennen. Seine Kennzeichen sind: gänzliche Ersti-
ckung der freien Geistesthätigkeit , Verfälschung der
Sprache durch Beimengung des Lateins, Polemik unter
Joh. Kazimierz , panegyrischer Sclivvulst unter Johann
Sobieski, und literarische Lethargie unter August II.
und III. Wol begegnet man , besonders im Anfange
439
dieser Periode, einzelnen ansgezeicinieten, gegen den
aufschwellenden Strom nuitliig; ankämpfenden National-
schriflstellern; aber selbst diese gleichen den ausländi-
schen Pflanzen, die auf fremden Boden nicht gedeihen
können, weil sie die iMcjige des ringsum aufschiessenden
Unkrauts aller Lebenssäfte beraubt. Zwei Hauptursa-
chen wirkten entscheidend auf das Sinken der literari-
schen Cultur in Polen, deren eine ganz Europa gemein,
die andere Polen eigen war. Nicht lange nach der Wie-
dergeburt des bessern Geschmacks erfolgte sein Verfall,
dieser wie jene in einem und demselben Lande, in Ita-
lien. Noch war das XVL Jahrh. nicht abgelaufen, und
die Veränderung, die dem Geschmack in den schönen
Künsten und hiedurch auch der Literatur bevorstand,
war schon bemerkbar. Die Sprache, diese stete Dol-
metscherin des Geschmacks, fiel als das erste Opfer sei-
ner Entartung. Von der rechten, durch das classische
Alterthum gebotenen Bahn verschlagen, und von einer
gefahrvollen Neuerungssucht ergriffen , verliessen die
Schriftsteller die Natur, in dem irrigen Wahn, nur die
Künstelei, und nicht die geistige Nachahmung der Na-
tur, sey die wahre schöne Kunst. Einfachheit u. Klar-
heit der Gedanken sowol als der Darstellung verschwan-
den gänzlich; an ihre Stelle traten die Flittern des klein-
lichsten Afterwitzes. Die ewigen Gesetze der Schönheit
wichen vor der erheuchelten Künstelei; das Wahre,
Reelle konnte vor dem erlogenen Schein nicht bestehen.
Statt der Sachen gab man Worte, Gedanken wurden
ihr eitles, nichtiges S[)ielwerk; es schien, als suchten
die Menschen, der Wahrheit und des gesunden Urtheils
satt, vorsätzlich den nichtigen Schein und die Lüge —
nichts Natürliches, Einfaches, Wahres und Schönes zeigte
sich mehr unter ihrer Feder. iSicht plötzlich, sondern
stuffenweise verirrte sich der menschliche Verstand in
dieses Labyrinth; Italien gab das erste Zeichen dazu,
indem es die erkünstelten Flittern des fadesten Witzes,
das Bizarre , Giganteske und Kindischspielende eines
Giambattista Marino, Ariosto's und Tasso's ewig frischen
Schönheitsblüthen vorzog; Frankreich und Europa folg-
ten nach — auch über Polen schwang der Ungeschmack
440
neu Scepter. Aber liier gesellte sich noch ein anderer,
wichtiger Umstand dazu. Das Steigen und Fallen der
Geistesbildung geht stets und überall gleichen Schritt mit
dem Steigen und Sinken der politischen Wage der Län-
der, So lange in Polen Ordnung in der Landesgesetzge-
bung und Reichsvervvaltung herrschte, gedieh auch die
Erziehung der Jugend, blühten die Wissenschaften und
Künste, reifte die Nationalsprache ; alle diese Zweige des
Volksthums umschlingt ein unzertrennliches Band. Als
aber an die Stelle der alten Ordnung Anarchie trat, da
gerieth auch das Reich des Wissens, der Nationalliteratur
und der Sprache in Verfall. Dieser gewaltig hereinbre-
chenden geistigen Schlafsucht und Finsterniss dienten die
damaligen Verwalter des Erziehungswesens zum willkom-
menen, tüchtigen Werkzeug. Kaum ins Land berufen,
bemächtigten sie sich der Hochschule von Wilna, und
bald darauf, unter Zygmunt III. zu dem höchsten Gipfel
des Ansehens und der Macht erhoben, aller Schulen Po-
lens. Die Kraukauer Hochschule, wol fühlend, dass das
Zeitalter der Jagiellone lür sie vorüber sey, erlag nach
langem und hartnäckigem Kampf der Uebermacht ihrer
Gegner. Von allen Seiten verlassen und vernachlässigt,
gerieth sie in Vergessenheit, bis ihr, auf den Trümmern
des Ordens , die Erziehungscommission unter Stanislaw
August den alten Glanz wieder gab. Die Jesuiten konn-
ten bei ihren nicht gemeinen Kenntnissen, und ungeach-
tet der zahlreichen, von ihnen angelegten Schulen, die
mannigfachen höhern und niedern Lehranstalten des Lan-
des, deren Untergang die Eröffnung ihrer Ordensschu-
len nach sich gezogen, nicht ersetzen. Unter ihnen ver-
schwand das während der Regirungsjahre Zygmunt's so
fleissig getriebene Studium des Griechischen und der
alten Originalspradien; selbst das Latein erlag unter der
Grillenfängerei Alvari's, der den Knaben in lateinischen
Versen die Sprachen lehrte. Es folgten die für Polen in
jeder Hinsicht unglücklichen Regirungsjahre Johann Ka-
zimierz's. Der aus der überhandnehmenden Unordnung
und Anarchie entspringende Verfall des Reichs ward
vorzüglich unter ihm sichtlich. Die Schweden, Kozaken,
Tataren und andere benachbarten Völker fielen über Po-
441
len her. Iiidess die Anarchie die Früchte der nationalen
Betriebsamkeit und die blühende Volkskraft, die dem
Lande zum Scliutze hätte dienen sollen , verschlang,
gingen die zahlreichen Bücher- und andere Sammlungen
des Landes entweder in Flammen auf, oder wanderten
ins Ausland. Damals entstanden die vielfältigen Beein-
trächtigungen der Rechte der Nichtkatholischcn , die
Menge der Streitschriften über religiöse Gegenstände,
die zahllosen Folianten panegyrischen Wisches, aus der
Feder der Jesuiten über die Häupter der elendesten, aber
dem Orden gewogenen Personen, und das Zurückführen
der gesammten wissenschaftlichen Bildung auf die schaa-
leste Wortfechtkunst in Sachen des Glaubens. Diese dia-
lektische Rlopffechterei grub das Grab der Wissenschaf-
ten immer tiefer; je mehr man Wortstreitigkeiten ge-
schickt zu führen bemüht war, je mehr verfiel die Sache
und die Wahrheit. Daraus wird die Hitze erklärbar, mit
der man dem zweideutigen, kunstvoll und witzfunkehid
seyn sollenden Wort- und Gedankengeflick, der gezwun-
genen Stellung der Verse und Zeilen, um zu Anfange,
in der Mitte, oder am Ende des Kunstwerks irgend ei-
nen Namen, oder Wunsch, oder so Etwas herauszubrin-
gen, und andern Ausgeburten des Ungeschmacks nach-
jagte. Michael Korybut hatte so viele Nebenbuhler um
die Krone und abgeneigte Grosse des Reichs, dass er
sich glücklich schätzte, sich im Besitze derselben behaup-
ten zu können, ohne an Mittel zu denken, die wissen-
schafdiche Cultur des Landes zu heben. Der Ungeschmack,
der unter Zygmunt III. ausgesäet worden, und unter
.Johann Kazimierz tiefere Wurzeln geschlagen, ward da-
her immer allgemeiner, und seit Johanns III. Sobieski
Thronbesteigung alleinherrschend im Lande. Die Siege
dieses Monarchen trugen nicht w^enig zur Befestigung
des panegyrischen Styls bei. Der Jesuit iVdalbert Barto-
chowski betrat mit der Fahne in der Hand die Bahn,
indem er dem vom Wiener Feldzug rückkehrenden Kö-
nig eine Lobrede unter der Aufschrift : Fulmen orientis,
voll Uebertreibung und in einem erkünstelten Styl ent-
gegen trug. Der Beifall, den B's. Lobrede am Hofe
gefunden, erweckte einen Schwärm von Nachahmern,
442
und bald war das ganze Land von den monströsesten
Lobreden übersclnvemint , in denen oft unbedeutende
obscure Privatmänner dem /Alexander und Cäsar gleich-
gestellt und boebgepriesen wurden. Wer polniscb schrieb,
musste, um die Miene der Gelehrsamkeit zu behaupten,
jedes dritte Wort mit etwas Latein versetzen; that er
diess, so konnte er des Beifidls seiner Leser sicher seyn.
Auf diese Weise wurde die Sprache bald nicht nur mit
lateinischen, italienisciien, französischen und teutschen
Wörtern überfüllt, sondern auch die polnische Syntax
und Periodologie widernatürlich entslawisirt. In der
letzten Hälfte dieser Periode erschien in der polnischen
Sprache nichts, als einige, obwol des frommen Sinnes
wegen achtungswertbe, doch an Sprache und Geschmack
verwilderte Keligionsbücher; seichte Predigten; geistlose,
in prunkvollem Schwulst daherschreitenrle Lobreden,
deren Unverstand für Tiefsinn galt; monströs concipirte
Briefe; rohe, oft unanständige Spässe, die man Sinnge-
dichte nannte; einige vom Aberglauben strotzende Ka-
lender, und etwa drei bis vier in reinerem Polnisch ge-
schriebene nützliche Werke. Der völlige Geistesstillstand,
verbunden mit Pedanterei aller Art, erstickte jede Re-
gung der wahren Aufklärung im Keime; der Schulun-
terricht und die öffentliche Erziehung, in den Händen
der Jesuiten, waren ausschliesslich auf etwas Latein und
scholastische Theologie beschränkt, und der Entw^icke-
lung eines kraftvollen , selbständigen Denkgeistes, und
eines geläuterten Gesell macks durchaus entgegen. '^)
Von den Dichtern und Prosaikern dieses Zeitraumes
nennen wir: Sam. Twardowski aus Szkrzypna (geb. 1000,
gest. 1660), Secretär bei der polnischen Gesandtschaft
in Constantinopel, nicht ohne glänzende poetische Ta-
lente, aber zum Unglück in einer Zeit lebend, avo die
schw ülstige Prunksucht bereits zu sehr überhand genom-
men; seine zum Theil lyrischen, zum Theil historischen
Poesien sind von sehr ungleichem Werth, oft anziehend,
oft aber auch dunkel: Legacya^ Kaiisch 621. 4., Kr.
639. 4., Wilna 706. 4., Wladyslaw IV., Lissa 649. fol.,
*) Bentkowski bist. lit. pol. I. Bd. S. 1(38 73. Pofocki pochwaly
jnowy II. Bd. S. 429 — 61, 559 — (53.
443
Pamiec Alexandra Karöla Krölewicza, Lubl. 634. 4.,
PaJac Leszczyiiskicli, Lissa G45. fol., Woyiia kozacka,
Lissa 657. 4., Woyiia dotiiowa s kozaki, Kr. G60. fol.,
Kaliscli 081, fol., Nadobiui Payqiialina, a. d. Spanischen,
Kr. 701., üaphnis. Kr. 061. 4., 704. 4., kl Gedichte:
Zbior rytmöw Tw., Wilna 771. 8., grössere Gedichte:
Miscellanea selecta. Kaiisch 0S2. 4.; Wladyslavv u. Woyna
doinowa sind die ersten, stellenweise vom dichterischen
Geiste angewehten , im Ganzen sehr unvollkommenen
Versuche des polnischen Epos. — Joh. Büitoboch] kgl.
Secretär, gab 7 poetische Werke heraus: Hymny, Kr.
048. 8., Pochodnia slawy Xcia Wisniowieckiego, Kr.
049. 4., Klar mestwa, Kr. 649., Odmiana sfery koza-
ckiey, Kr. 653. 4., Brat Tatar, Kr. 052. 4., Zegar cza-
söw Kr. Polsk., Kr. 001. 4. u. s. w. — Ves/). Kochotvshi,
Krakauer Tribun (Woyski), begleitete 1683 den Kg.
Johann IIl. auf dem Wiener Feldzug, und starb gegen
Ende des XYII. Jahrb., einer der besseren Lyriker die-
ses Zeitraumes, bei öfterem Mangel an Sprachreinheit
und geläutertem Geschmack nicht ohne wahrhaft dichte-
rische Begeisterung: Lyricorum polskich Ks. V., Kr. 674.
4., 681. 4., Christus cierpiacy, Kr. 681. 4., Ogröd pa-
nienski. Kr. 681. 4., Dziclo boskie. Kr. 684. 4., Roza-
niec, 2 A. Czestochow 695. 4., Epigrammata polskie.
Kr. 674. 4. — Adalh. Stan. Chroscinski, Secretär des
Prinzen Jakob Sobieski, starb in einem hohen Alter un-
ter August III., ein fruchtbarer Dichter: Rymy duchow-
ne, Czestochow 712. 4., Traba slawy Jana III., W. 684. 4.,
Job cierpiacy, W. 704. 4., Wilna 759. 8., Zbiör zabaw
duchownycii, Czest. 711. 4., Aman, (Kr.) 745. 12.,
Jözef przedany. Kr. 745. 12., Lukana Farzalia (in 8zei-
ligen Strophen), Oliwa 690. fol., Ovids Heroiden u. d. T.
Rozmowy listowne, W. 695. 735. 4., Laur poetyczny,
a. d. Lat., W. 706. 16. — Jamisz Koryhut Fürst Wis-
nioiviecki, Krakauer Castellan (gest. 1741), verfasste
(meist Pseudonym) lyrische Gedichte ohne r, welchen
Laut er selbst nicht aussprechen konnte: Akty strzeliste
bez litery R., o. 0. u. J. 4., Wiersz na karlice, Lutnia,
Lemb. 734. fol., Zalosna, Lemb. 736. fol. — Joh. Lihicki,
kgl. Secretär unter Wfadyslaw IV. und Joh. Kaziinierz,
444
übers. Horazeiis lyrische Gedichte in seichten, kraftlosen
Keimen, Kr. 647. 4., schrieb: Sen dziwny, o. 0. 647. 4.,
ßiiccluis iiiiraciilosus, o. 0. u. J. 4., Sen zywota a. d. Lat.
von Bälde, Kr. 647. 4. — Jah. Zehroicah' übers. Ovid's
iMetamorphosen: Przeobrazeh Ks. XII., Kr. 636. 4.; eine
andere Uebersetzung desselben Werks lieferte Valer.
Offinowski, Sandoinirer Unterschenk: Przemiaii Ks. XII.,
Kr. 638. 4. — Sfan. Heruklhis Fürst Lifhotnirski, we-
gen seines Adels der Gesinnung, biederer altpolnischer
Gesittung und Gelelirsanikeit der polnische Salonio ge-
nannt (gest. 1702), dichtete im gewöhnlichen makaro-
nischen Ton Aqs Jahrhunderts: Classicum niesmiertelney
slawy, Kr. 674. 4., iVluza polska, W. 676. fol., Theo-
mnsa lat. u. pol., W. 683. 4., 697. 4., Tobiasz wyzwo-
lony, W. 683. 12. 691. 706. 12., Ecclesiastes in Versen,
W. 706. 12., Melodya duchowna. Kr. 702. u. öfters,
Rozinowy, 2 A. Czest. 718. 8., Pröznosc i prawda.
Thorn 705. n. ni. a. — Rap/i. Leszczynshl, Grossschatz-
meister, General von Grosspolen, des Kg. Stanislaw L.
Vater (gest. 1703), schrieb ein histor. Gedicht: Chocim,
0. 0. 673. 4. — Stau. Vin. Fürst Jahloiiowshi, Wojewo-
da V. Rawa, beschrieb in Versen : üprowadzenie woyska
z ciesni Bukowskiey, Zamosc 745. 4., übers, einiges a.
d. Tacit: Tacyt polski albo moralia Tacyta, Lemb. 744.
4. u. m. a. — Elisahetha Drnzhacka aus Grosspolen, des
Zydaczower Schatzmeisters Gemahlin fgest. ums J. 1760.),
eine Naturdichterin, ohne Kenntniss anderer Sprachen,
als der polnischen, von der lebhaftesten Einbildungs-
kraft und in Schilderungen malerischer Situationen nicht
unglücklich, schrieb ein weitläufiges histor. Gedicht:
Historya Xiezny Elefantyny, Posen 769. 4., kleinere Ge-
dichte vermischten Inhalts , meist Kirchengesänge, ge-
sammelt u. herausg. v. J. ZaJuski, W. 752. 4. — Wa-
claw Potocki, Krakauer Unterschenk (gest. nach einigen
1693, nach andern 1716), einer der bessern Epigram-
mendichter Polens, schrieb zugleich Romane: Poczet
herböw, Kr. 696. fol., Jovialitates albo zarty i fraszky,
o. 0. (Lpz.) 747. 4., Syloret, o. 0. u. J. fum 1764.) 4.,
Barklaiusa Argienida, W. 697. fol., Lpz. 728. 8., Posen
743. 2 Bde. 4.; P's Muse ist bei sonstiger Miniterkeit der
445
Laniic und Lebendigkeil der Plianlasic zn leichtfertig,
oft wollüstig, doii Zartsinn beleidigend, s. Honian Sy-
lorct fehlt cs^ an Plan, Rundung und harmonischem Vers-
bau, so sehr ihn auch einzelne gelungene Schilderungen
und Kraftausdrücke auszeichnen; das Aeussere seiner Ge-
dichte ist sehr vernachlässigt. - Alan Bardzws/a, ein
Dominicaner, übers. Lucanus Pharsalia: Odrodzona \v
iezyku oyczystym Farzalia Lukana, Olivva 69 i. foL, und
übertraf seinen Vorgänger, Chroscinski, an Treue, Ge-
drängtheit, Kraft u. Wolklang des Verses. — Christoph
Opalinslii Wojewoda v. Posen (gest. 1655), ahmte in
seinen, in polnischen Hexametern nach griechisch-römi-
schem Sylbenmaass geschriebenen 8a(yren, 52 an der
Zahl, dem .Juvenal und Persius nach, und schwang ge-
gen die .Sittenlosigkeit und Rechtsverdrehung seine Geis-
sei auf eine rauhe, schonungslose Art : Satyry, (Kr.)
652. fol.. 2 A unter d. T. Juvenalis redivivus, Vened.
(eig. Thorn) 698., 3 A. Icon animorum albo zwierciadio,
Vened. (eig. Posen) 698. — Joh. Dzwonow.ski, ein 8a-
tyriker nicht ohne muntere Laune und treifefiden Witz,
jedoch bisweilen die Gräiizen des Anstandes überschrei-
tend: Statut t. i. artykuly prawnc, o. 0. u. J. (um 1650),
4. — Joh. Güwiushi, ein fruchtbarer Dichter, sciirieb
Idyllen, Trauergediclite, Epigraiiime u. s. w. Sielanki
i röziie nadgrobki, Kr. 650., Sielanki nowo napisaiie,
668. W. 778. u. v. jMostowski, Dworzanki, Kr. 664. 4.,
Fortinja 690. fol., Venus polska, Epithalamium, Danz. 67.3.
4., Treny zaiobiie. Kr. 650. 4.; s. Idyllen enOialten man-
che sciiöne Gedaidven, aber die Diction ist unangemes-
sen, die Sitten und Reden seiner Hirten oft plump, der
Versbau schwerfällig. — Dan. BratliOirski , ßraclawer
Truchsess, lebte sniter Johann III., gab eine Samml.
von Sinngedichten : Swiat po czesci przeyrzany, Kr. 697.
4. heraus, die sich, bei gänzlich vernachlässigtem Vers-
bau, durch heitern Witz und eine reine Sprache vor-
theilhaft auszeichnen. — Andr. Wegierslii studirte zu
Lissa, ward rcformirter Pred. in verschiedenen Städten
Polens, zuletzt Senior in Lubel (geb. 1600, gest. 1649),
gab, ausser einem kirchengeschichtlichen Werk in latei-
nischer Sprache, eine polnische üebersetzung von Ko-
446
nieiiskys Janiia L. ii. Veslibulum , dessgleiclien e. Uebers.
des auf der Thorner Synode 1645 überreichten Glaubens-
bekenntnisses, nnd einen Kaznodzieia przywatny i do-
inowy 636. heraus. — Adalb. \\ egiersUi, Pred. u. des
Krakauer Bezirks Senior, hinterliess liandschriftlich eine
wichtige: Rronika zboru e\v. Krakowskiego, geschr. im
J. 1651, und gab ein Antidotuiii albo lekarstwo duszne,
2 A. Kgsb. 750. 8. heraus. — Joh. Poszakowski, Jesuit,
Rector zu Xieswiez, liess eine Ilistorya luterska, Wilna
745. 4., und Kalwiiiska eb. 747 — 49. 3 Bde. 4. , ferner
Konfessya Kalw., W. 742. 4., und Antidotum contra
Antidotum (gegen Wegierski), Wilna 754. 4., Kate-
cliizin rzymski a. d. Ital. des Bellarminus, Wilna 752, 4.,
Kazania, Wilna 752. 3 Bde. 4. drucken. — Franz Rych-
lowski, Franciscaner, Provincial in Kleinpolen, gab s.
Kazania, Kr. 660. fol. 672. fol. heraus. — Sfeph. Szcza-
mecki, Jesuit (geb. 1656, gest. 1737), gab mehrere
pädagogische und asketische Werke nebst einzelnen Pre-
digten in Druck heraus 692 ff. — Sim. Siarowolski (gest.
1656), studirte in Krakau, bereiste Italien, Teutschland,
Frankreich und die Niederlande, ward Cantor (Primi-
cerius) in Tarnow . zuletzt Domherr in Krakau , ein
bewundernswürdig fruchtbarer Schriftsteller, von dessen
47 Werken verschiedenen, meist theologischen, politi-
schen und historischen Inhalts, 14 polnisch, die übrigen
lateinisch geschrieben sind: Swiatnica paiiska, Kr. 645.
fol., Arka testamentu. Kr. 648. fol.. Listy Tureckie,
Kr. 618., Pobudka na Tataröw. o. 0. 618.* 4. Kr. 671.
4., Reformacya obyczaiöw polskich, öfters aufg., Posen
692. 4., Prawy rycerz, o. 0. 648. 4. u. s. w. — Casp.
Niesiecki, Jesuit (gest. 1743), einer der ersten u. ver-
dienstvollsten Bio- und Bibliographen Polens; s. in ei-
nem bisweilen ziemlich reinen Polnisch geschriebene:
Korona polska, od. herby i familie rycerskie, Lemb.
728— 38— 40 43. 4 Bde. fol., die ihm bei den Zeitge-
nossen meist Missgunst und Verfolgung zugezogen, bei den
Nachkommen hingegen um so grössere Bewunderung
und gerechten Dank erworben hat, ist zwar nicht von den
Gebrechen des Zeitalters frei, bleibt ai)er dennoch, als
eine unerschöpfliche Fundgrube von Notizen aller Art, für
447
den polii. Gescliiclitsforsclier und Liieraturfreund immer
g,leich scliälzbar und unenlbelirlich. — Wladisl. Lu-
bieNski, zuletzt ErzI). v. (inesen, gab die erste ausführli-
che Geographie in polnischer Sprache heraus : Swiat we
Mszystkich swoich czesciach, Bresl. 740. fol. — Adalh.
Wnuli Koialoicicz aus Kowno (geb. 1609, gest. Iö77),
Jesuit, bearbeitete die Gesch. v. Littauen lat., und übers.
Tacitus Annalen (die ersten 4 Bß.) ins l^Inische, her-
ausg. V. Mostowski, W. 803. 8. — Christoph Groth Fa-
Ussowski übers, lliessend den Julius Florus, Kr. 646. 4.
Wilna 790. 8. — Greg. Knapski aus IMazowien (gest.
1638), Jesuit, Prof. der Rhetorik u. Mathein. in Krakau,
erwarb sich um die polnische Lexicographie unsterbliche
Verdienste, s. Thesaurus pol,- lat.-graecus u. lat.-pol.,
Kr. 621. tF. fol., wird selbst heute noch sehr geschätzt.
— Abr. Troc aus Warschau, lieferte ebenfalls ein für
Ausländer sehr brauchbares, und eben darum öfters auf-
gelegtes franz.-pol.-teutsches Wörterb., Lpz. 740. u. oft.
— Seb. Sleszkowski aus Wielun im Sieradzischen, Doct.
d. Med. u. Phil., Kg. Zygmunt's III. Secretär und Leibarzt
(gest. 1648), gab des AI. Pe^emontanus: Taienniice a.
d. Ital., Kr. 620. 4. Suprasl 737. 758. 4., Ueber die
Pest, Kaiisch 623. 4., zwei Schriften gegen die Juden
u. m. a. heraus. — Joh. Broscius aus Kurzelow im Sie-
radzischen (geb. 1581, gest. 1652), zuerst Prof. d. Ma-
them. u. Astron. in Krakau, darauf Doct. u. Prof der
TheoL, Domherr in Staszou, der thätigste, kenntniss-
reichste und verdienteste Beförderer mathematischer Stu-
dien in Polen, schrieb meist lateiniscii, in pol. Sprache
gab er heraus: Apologia kalendarza rzymskiego , Kr.
641., Apologia druga, W. 641.; Br. ist zugleich der Vf.
des Pamphlets gegen die Jesuiten : Gratis abo discurs
ziemianina z Plebanem, o. ü. u. J. (1625) 4., wodurch
er sich sehr vielen Verdruss und Verfolgung von
Seiten des Ordens zuzog. — Fried. Szembek, ein Jesuit,
gab unter dem erdichteten Namen Pieknorzecki eine Ge-
genschrift: Gratis plebanski gratis wycvviczony w Jezui-
ckich szkolach, Posen 627. 4., heraus.
Als Dichter dieses Zeitraumes sind noch zu nennen :
Christ. Franz Falibogowski, And. Deboieckia. Konoiady,
448
Sam. Huler Szijmonowsh', AI. v. Obodna Obodzitishi,
Peter Kirialkoivski Jesuit, Hier. Morszlyn v. Raciborsk
Districls-Tniclisess, Sfeph. Poumfowski .]esu'\i, S. S. Ja-
(fodfinski, Hein. Chelkowski, Adalh. Ignes Jesuit (um
1628-48.) u. s. w.; als Theologen: Valer. Gutowski
Franciscaner , Paulin Wiazkiewicz , Luk. Rosolecki,
Pet. Skoczynski, Sam. Wysocki Piaristen, Kazimierz
Koialowicz, Peter Dnnin, Joh. Moratvski, Ant. Szyr-
ma, Kypr. Sapecki, Steph. Poninski, Alb. Sfawski,
Ge. Debski, Steph. Wielewieyski, Joh. Zrzelski, Thom.
Perkowicz, Thom. Miodzianowski , Karl Zulkiewski
Jesuiten, welche allerlei Predigten und Erbauungsbü-
cher drucken Hessen ; als Geographen und Historiker :
Mr. Laur. Saltszeivicz Prof. in Krakau, Ad. Chodkie-
ivicz, BJudener, Daugielicker und Wieluner Starost, De-
met. pyanz Kola aus Warschau, Piarist (geb. 1699,
gest. 1766), Mr. Stan. Jos. Dmiczewski a Danebary,
Bened. Chmielotvski Kiower Domherr, Paul Demitro-
wicz^ Aiigustin Koludzki Inowrocfawer Richter, Niki.
Chwatkowski v. Chwall^ow, Ä. J. Nicmir v. Niemirovv,
lyn. Lopacimki Domherr, Ant. Hercyk u. s. w. ; als
Politiker, Juristen, Mathematiker: Math. Dobracki ge-
nannt Gutthäter aus dem Sandomirschen (gest. 1681),
kgl. Secretär, zuletzt Gerichtsnotär in ßrodnica, Kaz.
Wieruszowski Jesuit (gest. 1745), Theod. Boyala Za-
tradzki^ Audr. Piotrkowczyk Doct. Jur. u. Buchdrucker,
Stan. Kozuchowski, Joh. Dzieyielowski, Math. Marcyan
Ladoivski, Paul Kuszewicz. Mart. Siniylecki Jesuit,
Doct. d. Theol., Sini. Stan. Makoivski Domherr u. Prof.
in Krakau, Mich. Dn/zbacki, Adalb. Tylkowski aus
Mazowien Jesuit (geb. 1634, gest. 1695), Marl. By~
strzycki Jesuit, Doct. d. Theol., Er asm. Syxtus a. Lem-
berg, Doct. d. Phil. u. Med., Stadtarzt daselbst, Kassian
Sakou'icz, zuerst griech. Archimandrit in Dubienka, seit
1640 Augustinermönch, Joh. Gorczyn od. Gorczynski,
Stan. Niewieski Prof. in Krakau, Kajetan Zdzanski,
Joh. Dekan, Stan. Solski Jesuit, Adalb. Bystrzonowski,
Blas. Lipowski, Sam. Brodowski u. s. w-
449
§. 54.
Fünfte Periode. Von Stan. KonarskI bis auf unsere Zeiten.
J. 1760 - 1825.
Das Zeitalter der Wiedergeburt sowol der Wissen-
scliaflen, als auch des besseren Geschmacks. Den wol-
thätigsten, folgenreichsten Einfluss auf die Wiederbele-
bung der polnischen Literatur übte der Piarist, Stan.
Ronarski, zum Theil durch seine zahlreichen, gehalt-
vollen Schriften^ zum Theil durch die bessere Einrich-
tung der Piaristenschulen aus, von denen sich nach und
nach die Strahlen der Aufklärung und des veredelten
Geschmacks über das ganze Land verbreiteten. Er wagte
der erste aus seiner klösterlichen Abgeschiedenheit das
Liberum veto offen anzugreifen, bessere Ansichten über
Landesverwaltung und Erziehung der Jugend unter das
Volk zu bringen, und bestand muthig den harten Kampf
mit den verjährten, über ihn stürzenden Vorurtheilen.
Mit grossen Geistesgaben ausgerüstet, und durch einen
längern Aufenthalt in Italien und Frankreich gestählet,
fühlte er sich berufen, das alte Gebäude des Ungeschmacks
und der ^^Wissenschaftlichen Pedanterie umzustürzen, um
auf seinen Trümmern ein besseres und schöneres aufzu-
führen. Die Regirungszeit Stanislaus Augustus macht in
der Geschichte der polnischen Literatur Epoche. Dieser
König, selbst ein Liebhaber und Kenner der Wissen-
schaften, ward väterlich um die Emporbringung der li-
terarischen Bildung und Aufklärung durch Errichtung
mehrerer Lehr- und Bildungsanstalten im Lande besorgt.
Durch eine glückliche Fügung der Umstände rühmte sich
Polen gerade um diese Zeit mehrerer Beschützer der
Wissenschaften unter den Grossen; das Haus der Für-
sten Czartoryski glänzte an ihrer Spitze, und war eine
Schule nicht nur gesunder politischer Maximen, sondern
auch des Geschmacks für den jungen polnischen Adel.
Die Ansichten der edlen Fürsten Czartoryski, durch das
unbegränzte Ansehen des Hauses unterstützt, wurden
aus Beispiel zum Gesetz. Die rege gewordene Liebe zur
Ordnung und Reform überging unter Stanislaus Augustus
29
450
in Tliat. Gleich im Anfajige seiner Rcgining kam das
Cadetleninstitnt zu Stande , dessen Vorsteher , Fürst
Adam Czartoryski , Generalstarost von Podolien , nnd
üirectoren , Plleyderer nnd Hnbe, der Nation bewiesen,
was eine reine, redliche Lust, dem Vaterlande zu die-
nen, verbunden mit gründlicher Sachkenntniss, zu lei-
sten vermag. Stanislaw August fand beim Antritt der
Regirung die polnische Sprache in einem traurigen Zu-
stande, entblösst von ihren natürliclien Gaben der Deut-
lichkeit , Einfachheit und Kraft , durch Ungeschmack
entstellt, zu gleicher Zeit kindisch geworden u. veraltet,
üie Herausgabe des Monitors, eines periodischen Blattes,
an dem die ausgezeichnetsten und aufgeklärtesten Männer
damaliger Zeit Theil nahmen, war der erste Schritt zur
Verbesserung der Sprache. Ein zweiter, nicht minder
wichtiger , war die Errichtung der Nationalbühne,
unter Aufsiclit von Männern, die dazu durch Talente
und Vermögen berufen waren. Eine grosse Zahl vater-
ländischer Schriftsteller, besonders Dichter, betrat mit
geläutertem Geschmack das so lange brach gelegene,
verwilderte Feld der Muttersprache. Aber am meisten
verdankt die polnisclie Sprache ihre Veredlung der bes-
sern Organisation der ötFentlichen und häuslichen Erzie-
hung, deren Gegenstand endlich nun auch die von ihr
zeither gänzlicli ausgeschlossene Muttersprache wurde.
Die Ernennung der Erziehungscommission, und die Er-
hebung des öffentlichen Unterrichts zu einer Angelegen-
heit des Staats und der Regirung, legte den Grund zu
dem neuern Anbau der Wissenschaften in Polen. Graf
Ignaz Potocki setzte die Einführung eines gleichförmigen,
nationellen Lehr- und Erziehungsplans durch ; ihm ver-
dankt Polen die Organisation der Districts- od. Departe-
nientschulcn. Endlich war der Schutz, den Gelehrte nnd
Schriftsteller beim König selbst und andern Grossen des
Reichs fanden, die zugleich Aristarchen, Mäcene und
Schriftsteller waren, der Sprache und Literatur äusserst
erspriesslich. Gross sind die Verdienste dieser Männer
um den Anbau der vaterländischen Sprache; sie reinig-
ten dieselbe vom anderthalbhundcrtjährigen Kost des
Ungeschmacks, und lehrten die Polen polnisch sprechen.
451
Dass sie die Spraclibildiing nicht zur Vollendung gebracht
liaben, daran sind zwei Ursachen Scluild: zuerst die Kürze
nnd der Druck der Zeit, dann aber die Natur des Un-
ternehmens selbst. Was das erste anbelangt, so ist die
Periode von 30 Jahren schon an sich zu kurz, um eine
ganz verdorbene Sprache zu vervollkommnen, aber sie
erscheint noch kürzer, wenn man die Ereignisse der Zeit,
den wildesten Parteikampf im Innern, die bürgerlichen
Kriege und die endliclie Zerstückelung des in sich ent-
zweiten Landes berücksichtigt. Was das zweite betrifft,
so ist eine plötzliche Umschaffung der Menschen, ein
gänzliches Abstreifen der von Jugend auf eingesogenen
Ansichten, die bei dem gemeinen Manne zur Natur wer-
den, und selbst bei dem gebildeten unvertilgbare Spu-
ren hinterlassen, an sich (uunöglich; mannigfaltige, mehr
oder minder glückliche Versuche müssen vorangehen,
bevor der Gipfel der Vollendung erreicht werden kann.
Die Ereignisse der 12 Jahre 1795-807 bilden in der
polnischen Literatur eine eigene Zwischenperiode. Mit
der Auflösung der politischen Selbstständigkeit der Nation
trat ein gänzlicher Stillstand in der Literatur ein. Die
Landessprache hörte auf Sprache der Regirung zu seyn;
wörtliche, das Polnische in seinen innern Bestandtheilen
tief angreifende Uebersetzungen kamen auf, und droh-
ten die kaum erwachte Reinheit und Correctheit der
Sprache im Keime zu ersticken. Die Gesellschaft der
Freunde der Wissenschaften (1801) in Warschau wachte
jedoch mit rühmlichstem Eifer über die Reinhaltung die-
ses Volkskleinods; die Hochschule zu Wilna wurde eine
wahre Zufluchtsstätte und der Hauptsitz der polnischen
Musen. Glücklichere Zeiten traten für die literarische
Cultur Polens während der Dauer der grossherzoglichen
Regirung von Warschau (1807-812), w^ie auch seit der
B Idung des Königreichs Polen (1815) ein. Das unter
die Leitung des Grafen Stan. Potocki gestellte Oberschul-
Collegium, im J. 1812 in das Oberschuldirectorium ver-
ändert, erfidlte die Erwartungen der Nation in vollem
Maasse. Diese ehrwürdige Magistratur ^) erhielt in
^) Ausser dem Präsidenten bestand dieselbe aus folgenden Mitglie-
dern: Ad. Prazmowski, Alex. Potocki, Valent. Sobolewski, Ouuphr. Kop-
czyiiski, den Priestern Staszyc, Dill, Schmidt und dem Rector Linde.
29*
452
dein filiiQährigen Lauf ihrer Wirksamkeit unter stetem
Ringen mit Hindernissen aller Art nicht nur die schon
vorhandenen ßildungsanstalten in ihrer Integrität, son-
dern führte auch ganz neue ein. Zu den 140 Hauptschu-
len in 6 Departementen traten noch 494 andere hinzu;
eine Arzneischule in Warschau wurde eröffnet, für die
Emporbringung der Cadettenschulen in Kaiisch u. CheJm
gesorgt, eine Gesellschaft für Abfassung zweckmässiger
Unterrichtsbücher in polnischer Sprache ernannt '),
und über Mädchen- und Knaben-Pensionate Aufsicht füh-
rende Schulephorate eingeführt. Der Congress der eu-
ropäischen Mächte in Wien entschied endlich 1815 über
Polens Schicksal, und gab dem Volk sein Volksthum
zurück. Seitdem machen Erziehung, Unterricht u. Schul-
wesen, Wissenschaften und Nationalliteratur, im Ver-
gleich mit vormals, bedeutende Fortschritte, sowol im
eigentlichen Königreiche Polen, als auch in den andern
^ntheilen. Die Volksbildung, bis dahin sehr vernach-
lässigt, ist unter der jetzigen Verfassung des Kgr. Polen
ein besonderer Gegenstand der Sorgfalt des Thrones ge-
worden. Dem Bauer, durch die Constitution des ehema-
ligen Hzth. Warschau (1807) und die jetzige Constitu-
tion des Königreichs (1815) persönlich frei und des
Grundeigenthums fähig, ist nun der Zutritt zu den Schu-
len erleichtert worden. Seit 1816 besitzt Polen eine
Universität zu Warschau, eilf Haupt- od. Palatinalschu-
len in den 8 Wojwodschaften der Königreichs (das Ly-
ceum in Warschau, die Benedictinerschule in Pultusk
inid den Convict der Piaristen in Zalibor mitbegrifFen),
vierzehn Hauptdistrictsschulen (szkoJy wydziatowe) und
neun Nebendistrictsschulen , zwei Institute für Elemen-
tarlehrer in Lowicz und Pulawy, zahlreiche Elementar-
schulen , Privatpensionate für Mädchen und Knaben^
eine Bergwerksakademie zu Kielce, eine Cadettenschule,
eine Militärakademie , ein Landwirthschaftsinstitut in
Warschau u. s. w. In Galizien zählte man 1819 eine
Universität in Lemberg, zwei Lyceen, zwölf Gymna-
') Diese bestand aus folg. Mitgliedern: llect. Liude Präsident, Kaj.
Kamienski , Edw. Czarnecki , Job. Bystrzycki , Ant. Dabrowski, Chrph.
Stefazyus und Adalb. Szweykowski.
453
sien, zwei Realschulen, zahlreiche Normal-Trivial- und
Elementarschulen u. s. w. Die Stadt Krakau besitzt eine
von Alters her berühmte Universität. Nicht minder wol-
thätig sorgen die Regirungen von Russland und Preus-
sen für die Aufklärung des Volks in den ihren Reichen
einverleibten Provinzen des ehemaligen Polens durch
Unterhaltung zweckmässiger Unterrichts- und Bildungsan-
stalten. An diese allgemeinen Bedingungen der Volks-
aufklärung reihen sich die einzelnen Gesellschaften zur
Beförderung der wissenschaftlichen Cultur überhaupt und
der polnischen Nationalliteratur insbesondre; wohin die
kgl. Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften in War-
schau, die Akademie der Künste daselbst und die Gesell-
schaft der Wissenschaften in Krakau gehören. — Die
Fortschritte der Sprache in dieser letzten Periode sind
überraschend gross : Kopczynski , Stawski , Kassius,
Szumski , Bohomolec, Kleczewski , Dudziiiski , Nowa-
czynski, Wyszomirski, Bantkie, Linde u. m. a., bearbei-
teten das Gebiet der Sprache grammatisch und lexika-
lisch ; Piramowicz , Golanski , Slowacki , Sniadecki,
Chrzanowski, Graf Stan. Potocki u. m. a. beleuchteten
die Theorie und Praxis der schönen Wissenschaften und
Künste, der letzte brach der gesunden Kritik und dem
feinern Geschmack die Bahn. Zwei Uebel drohten im
Laufe dieser Periode die Natur der polnischen Sprache
zu entstellen; die Nachahmung des Französischen schien
ihre Kraft und Freiheit der Wortstellung, die sie mit
den altclassischen Sprachen gemein hat, und die des
Teutschen ihre Deutlichkeit und Einfachheit zu gefähr-
den. Seit der glänzenden Epoche der Literatur in Frank-
reich unter Ludwig XIV. hatte die französische Sprache
grossen Einfluss auf die Nationalliteratur der übrigen
Völker Europa's, den grössten auf die polnische unter
Stanislaus Augustus. Die polnischen Schriftsteller, von
Jugend auf in französischer Sprache zu lesen und zu
schreiben gewohnt, fingen an in derselben auch zu den-
ken, und legten im Schreiben der polnischen Sprache
durch offenbare Gallicismen Gewalt an. In einen ent-
gegengesetzten Fehler verfielen, vorzüglich seit der Thei-
lung der Reichs, die zahlreichen Uebersetzer aus dem
454
Teiitscheii, Indeiii sie die metaphysisch-subtile, verwi-
ckelte und dunkle Schreibart einiger tentscher Schrift-
steller in die polnische Spraclie verpllanzen wollten. Auf
der andern Seite ist der grosse Vortheil und Zuwachs,
den die Nationalliteratur durch Uebersetzungen aus beiden
Sprachen erhalten hat, nicht zu verkennen. Zwar er-
reiclite die polnische Sprache den Grad ihrer ehemaligen
Reinheit und edier Einfachheit niclit ; aber sie musste
sich diesen Verlust gefallen lassen, um die grössern Vor-
theile der Vervielfältigung der Wörter und Redensarten,
der Ausscheidung der Sinnverwandten, der Bestimmt-
heit und Mainn'gfaltigkeit, der Ründiuig, und des künst-
lichem, gewandtem, numerösern Periodenbaues zu er-
langen. Nnr die inigeschickten Nachahmer verdarben
die Sprache, unter der Feder gewachsener Uebersetzer
gewann sie augenscheinlich. Hiernäclist hatte die Bildung
und Einführung ganz neuer, meist technischer od. Kunst-
Wörter, auf die Umgestaltung der polnischen Sprache
in den allerneuesten Zeiten den grössten Einfluss. Mit
neuen Entdeckungen im Gebiete der Wissenschaften und
Künste, mit Veränderungen in Lebensweise und Sitten,
mit Umbildungen der Verfassung und Verwaltung von
innen heraus od. von aussen her, wird nothwendig der
Umfang der Sprache erweitert, und die Geltung vieler
Wörter verändert. Diese Nothwendigkeit fühlten und
fühlen diejenigen slawischen (nicht nur polnischen)
Schriftsteller, welche in den letzten Jahren über wis-
senschaftliche Gegenstände in der Landessprache geschrie-
ben haben. Dass bei der Bildung, Aufnahme u. Ver-
breitung neuer Wörter in einer lebenden Sprache nichi
überall gleich das Wahre getrolFen werden kann, leuch-
tet von selbst ein. Die polnisclie wissenschaftliche Prosa
ist wenigstens auf dem Wege, auch in dieser Hinsicht
den Forderungen der Kritik immer mehr zu entsprechen.
— Der letzte Zeitraum hat weit mehr tretf'liche Dichter
als Prosaiker aufzuweisen, durch deren glückliclies Rin-
gen nach Vollendung die polnische Poesie nicht nur jene
des XVI. Jahrh. weit übertrofFen hat, sondern an Correct-
heit und Harmonie der Diction den gebildetsten neuern
Sprachen Europas an die Seite getreten ist. Krasicki,
455
Naruszewicz , Kniazniii , Niemcewicz , Dniöcliowski,
Trebccki, Wegierski, Szyinaiiowski , Karpinski, Gör-
ski, Osinski, Lipiiiski, Morawski , Krupinski, Felinski
u. a. III. schmückten das Feld der Lyra, der didaktischen und
zum Tlieil auch der dramatischen Poesie mit ihren Geistes-
blrtthen aus; Dmochowski und Przybylski lieferten ge-
diegene Uebersetzungen mehrerer Meisterwerke der al-
ten und neuern classisciien Dichter; nur das höhere va-
terländische Epos und Drama, der Gipfel jeder vollendet
seyn sollenden Nationalpoesie, haben noch keine classi-
sciien Muster, obwol mehrere gelungene Versuche, auf-
zuweisen. Auch blieb diese ganze Periode hindurch der
formelle Theil der dichterischen Darstellung, der Vers-
bau, lediglich auf den Reim eingeschränkt, obwol No-
waczyriski die verlorene Spur der altclassischen Prosodie
in der polnischen Dichtkunst aufzufrischen, und Przy-
bylski, Staszyc u. a. m. den Sinn für den majestätischen
Klang des heroischen Hexameters durch die Uebersetzung
des Homers zu wecken und zu nähren bemüht waren. ^)
') Die Polen habeu keine so alten Denkmäler der Nationalpoesie
aufzuweisen, als die Böhmen. Die ältesten, z. B. das Lied des h. Adalbert :
Bogarodzica, das Lied von Wiklef: Liachowie niemcowie u. s. w., überstei-
gen nicht das XIV — XV. Jahrb., und sind sämmtlich schon gereimt.
Zur Zeit der Blüthe der polnischen Literatur im XVL Jahrb. war der Reim
im ganzen neuern Europa, und vorzüglich in Italien, welches Land da-
mals den grössten Einfluss auf den Gang der poln. Nationalliteratur hatte,
alleinherrschend; kein Wunder, dass er es auch in Polen wurde. Aber in
einem Lande, das den Simonides (Szyraonowicz) gebar, und zu einer Zeit, in
der Sarbievius (Sarbiewski) lebte, die grössten lateinischen Verskünstler
ihres Jahrhunderts, konnte es an Versuchen , die äussere, zufällige Zierde
des Reimes durch die innere, ästhetisch belebte Schönheit des Metrums zu
ersetzen, nicht fehlen. Job. Kochanowski wagte zuerst, auf Verlangen J.
Zamoyskis, aber „na prozno" wie St. Potocki sagt, d. i. ohne Nachahmer
zu finden, die Regeln der griechisch-i'ömischen Prosodie auf die poln. Vers-
kunst zu übertragen ; nicht glücklicher war 70 Jahre darauf Chph. Opa-
linski. Und doch war damals die poln. Sprache, nach den Nachrichten
über die Aussprache zu urtheilen, dem gr.-röm. Metrum näher als jetzt! —
In den darauf folgenden Jahrhunderten war der Einfluss der franz. Poesie
auf die poln. so entscheidend, dass der franz. Alexandriner nicht nur je-
den Gedanken an Sylbenmessung, sondern beinahe alle übrige Reimformen
verdrängte. Nur Zai'uski u. Minasowicz fanden noch selbst die Fesseln des
Reims zu schwer ; sie warfen sie weg, und schrieben Zeilen von gezählten,
aber weder gemessenen, noch gereimten Sylben. Bei so tiefem Verfall der
Verskunst erhob Nowaczyiiski 1781. noch einmal seine Stimme, und em-
pfahl aufs neue die antiken Versformeu im Geiste der gr.-röm. Prosodie.
Aber er war der Prediger in der Wüste, und bewies, wie St. Potocki sagt,
dass, was man 300 J. lang in der poln. Dichtkunst vergeblich gesucht hatte,
er selbst nicht besitze: warum? — weil er kein Dichter war! — Aber die
poln. Geschmacksrichter schoben die Schuld auf die Sprache, die demMe'
456
— Die Sprache der Beredsamkeit steht, der Sprache der
Dichtkunst gleich, in Hinsicht der Reinheit unter jener
des XVI. Jahrii., in allen andern Rücksichten übertrifft
sie dieselbe. Ihre Veredlung, vorzüglich während der
vierjährigen Dauer des constitutionellen Reichstags (1788 —
91), ist sichtbar genug. Hier entwickelten ihre redne-
rischen Talente: Czartoryski, Ign. Polocki , Sapieha,
Wawrzecki, Mostowski, Matuszewicz, Zaleski, Linow-
ski, Nienicewicz, Weysenhof, Lezynski, Kiciriski, Koi-
Jatay, SoJtyk, Chreptowicz, Rzewuski u. a. m. Aus dem
Schoosse dieser Schule ging Stan. Potocki hervor, ein
höherer rednerischer Genius, einzig da stehend, und der
Bewunderung und Liebe aller seiner Stammgenossen wür-
dig. An diese grossen Muster reihen sich die bessern
Kanzelredner: Lachowski, Karpowicz, Woronicz, Praz-
mowski, Eaiicucki u. s. w. — Die Lehrprosa und der Ge-
schäftsstyl blieben auch jetzt, wie in den beiden vori-
trum widerstrebe ; und da raan doch nicht läugnen konnte, dass der Pole
(z. B. der Grosspole) gewisse Sylben in der Aussprache dehne, und andere
schärfe, so nannten sie diese Aussprache altvaterisch (ja wol!) und bäu-
risch-, die doch eigentlich nur unfranzösisch und nur desswegen schlecht
ist, weil sie slawisch ist. Unter solchen Umständen würde es befremden,
zu sehen, dass es noch immer Männer gibt, die wie Przybylski u. Stasz}^,
dem Reimstrom entgegen, zu der Quelle des Hexameters zu schwimmen
wagen ; wenn man einerseits nicht wüsste, dass man, ohne sich selbst zu
verläuguen, einen gereimten Homer, Virgil, Horaz u. s. w., unmöglich für
etwas anderes, als einen Hippocentaur (etwa Franz - Engländer ?) halten
könne, andererseits aber, dass die Illusion, in die das germanische Tonprin-
cip die neuern slawischen (böhmischen , russischen , polnischen) Dichter
versetzt hat, ganz dazu geeignet sey , dem Volke glauben zu machen,
man habe den Stein der prosodischeu Weisheit gefunden. Der tonische He-
xameter kann immer mit demselben Rechte Hexameter heissen, mit wel-
chem auch der französische Alexandriner (z. B. in Dmochowskis Iliade) in
Polen Hexameter genannt wird. — Welche Früchte die neuesten Bemühun-
gen um die poln. Metrik tragen werden, rauss die Zukunft lehren. Kaz.
ßrodzinski, der mit hellenischem Geschmack in das Wesen der polnischen
Verskunst und der slawischen Poesie und Metrik überhaupt tiefer gedrun-
gen ist, als alle seine Vorgänger, ruft in Pamietnik W. 1820. No. 12.
aus : „Wir Polen, deren Prosa allein unter den Slawinen jener der Alten
gleich kommt, wie vernachlässigen wir die Poesie, indem wir die Sylben,
gleich den ärmsten Sprachen, bloss zählen und reimen. Wol wird dereinst
die Zeit kommen, dass in einer Sprache, in welcher Cicero und Tacitus
auf eine ihrer würdige Weise sprechen, auch Horaz und Virgil sich in ih-
rer natürlichen Gestalt, mit allem Schmuck des Rhythmus und des Vers-
maasses, zeigen werden!" Hiezu sage ich Amen! -- Th. Nowaczynski
0 prozodyi i harraonyi i§zyka polskiego, Warsch. 781. 8. — Woyciech Gm-
lichowski uwagi nad Xaw. Bohusza dodatkiem do poprawy blfdöw przez
X. Kopczynskiego wydaney, Posen 809. 8. (üb. d. poln. Accent.) — Rozpra-
wa 0 metrycznosci i rytmicznosci iezyka polskiego, szczegölniey o wierszacb
polskich przez J. Elsnera i K. Brodziiiskiego, W. 810. 4.
457
gen Perioden, bei nicht zu läugnenden wesentlichen Fort-
schritten, hinter der Sprache der Diclitknnst und der Be-
redsamkeit zurück. Es ist bekannt, dass die liöhere Bil-
dung in Polen von jeher ein Eigenthum des Adels u. der
Grossen des Reichs, oder der Landtagsfähigen, gewesen
ist. Dieser Stand hob die Wissenschaften u. Künste unter
Stanislaus Augustus empor; der Einlluss der übrigen
Stände auf dieselben ist unbeträchtlich. Die letzten pol-
nischen Reichstage waren die Pflanz- und Bildungsschule
der Redner; den Avissenschaftliclieu Prosaikern, obwol
sie auch grösstentheils dem höhern Stande angehörten,
gebrach es an Bildungshebeln dieser Art. Das Streben
und Ringen nach einem hohen Ziel, der edle Wetteifer
fielen hier weg. Daher kommt es, dass während in an-
dern Ländern die Wissenschaften meist ein Eigenthum
des dritten oder bürgerlichen Standes, und des ersten
blosse Ergötzung und Zierde sind, in Polen umgekehrt
das Licht von oben kam, während das Gross der Nation
noch der Schatten deckte. Hieraus wird der schnelle
Aufschwung der Beredsamkeit, hieraus die langsame
Entfaltung der Lehr- und Geschäftsprosa erklärbar, die
erst dann zu dem gehörigen Grad der Vollkommenheit
gelangen wird , wenn ihr einerseits ein zahlreicherer
Schriftstellerverein aus allen Ständen, andererseits aber
ein grösseres Publicum, fähig den Schriftsteller zu wür-
digen, zu Theil wird. Ein grosser, wichtiger Schritt
hiezu ist durch die Eröffnung der Volksschulen bereits
gethan, und die in den neuesten Zeiten über einzelne
Zweige des menschlichen Wissens in polnischer Sprache
geschriebenen Werke , als von Naruszewicz, Gr. Czacki,
Ossoliiiski, Linde, Bantkie, Gr. Job. Potocki, Alber-
trandy , Bentkowski, Soltykowicz , Chrominski, Niem-
cewicz, Lelewel, Czaykowski, Rakowiecki, Chodakowski
u. s. w. im geschichtlichen, von Szaniawski, Jaronski,
Wybicki , Czempiriski , Kluk , Jundzill , Ryszkowski ,
Oziarkowski, Woyniewicz, Fialkowski, Staszyc, Osinski,
Gawroiiski, Poczobut, Zaborowski, Czech, Chodkiewicz,
Bohusz, Sierakowski, Dabrowski, Bystrzycki, Skarbek,
Andr. u. Job. Sniadecki u. s. w. im philosophischen, ma-
thematischen, naturwissenschaftlichen u. andern Fächern,
458
sind siclicre, erfreuliche Vorboten einer bessern Zukunft.
— Das unter Stanislaiis Augustus eröffnete polnische
Nationaltheater erhielt eine Veredlung durch geschickte
Unternehmer, Dichter mid Schauspieler, unter denen
BogusJawski, Dinuszewski und Zölkowski obenan stehen.
— Die Zahl der periodischen Blätter und wissenschaft-
lichen Jahrbücher vermehrte sich ansehnlich. *)
Die Reihe der polnischen Schriftsteller dieses Zeit-
raumes eröffnet billig SfatusL Leszczyüski, dieser Kö-
nig und Philosoph, dem zweimal die polnische Krone
aufgedrungen und zuletzt kaum der Titel gelassen wurde
(geb. 1077, gest. 1766); er verewigte sein Andenken
in dem Herzen seiner Lnterthanen nicht nur durch seine
hohen Tugenden, sondern auch durch Schriften, in de-
nen sich jene spiegeln; ausser mehreren Werken ethi-
schen und politischen Inhalts in französischer Sprache,
schrieb er in reinem, von Makaronismus freien Polnisch:
Glos wolny szlachcica, Nancy 733. 4., Ilistorya St. i
Now. Testamenta in Versen, Nancy 761. fol. — Hier.
Siun. Konarski, des Kastellans von Zavvichost Sohn,
Leszczyilskis gewesener Secretär und Freund (geb. 1700,
gest. 1773), trat in seinem 17. Jahr in den Piaristenor-
den, wurde Prof. im Collegium zu Warschau, ging auf
Anrathen u. Kosten seines Onkels, des Bisch. .Job. Tarly,
nach Italien, und verweilte 4 Jahre lang in Rom, be-
reiste Italien und Frankreich, und kehrte nach andert-
halbjährigem Aufenthalt in Paris nach Polen zurück,
folgte dem Kg. Lcszczynski nach Lothringen, kam aber
bald zurück nach Polen, und weihte sich, den politischeti
Geschäften arif immer entsagend, ganz seinem geistlichen
Beruf und den Musen; er verwaltete hierauf die Profes-
sur der Eloquenz in Krakau und Rzeszow, wurde 1742
Provincial, gründete ein Erziehungsinstitut (collegium
nobilium) in Warschau und zwei andere ähnliche An-
stalten in Wilna und Lemberg, machte 1747 eine zweite
Reise nach Teutschland und Frankreich und 1750 nach
Rom, schlug nach seiner Rückkehr alle ihm vom Papste
und den Kgg. August 111. und Stanislaw August angebo-
tenen Würden und Aemter aus, und vollendete das grosse
*) Bentkowski I. 173 — 76. Potocki pochwaly, mowy II. 571 — 664.
459
Werk der geistigen Reform von Polen durch seine Lehre,
Beispiel und Schriften; Hr. Bentkowski zählt, ausser
den ungedruckten Werken und einzelnen Reden, 28
Schriften von K. auf, von welchen 11 polnisch geschrie-
ben sind: 0 skutecznym rad sposobie, W. 760. fF. 5 Bde.
8., 0 religii poczciwych ludzi, W. 769. fol., Epaminon-
das, traged. orig., 756., Listy przyiacielskie, W. 733, 4.,
Kazauia, Proiekty ii. s. w.; s. Werk: de emendandis vi-
tiis eloquentiae, W. 741. 8., wirkte auf die Veredlung
des Geschmacks in der polnischen Literatur entscheidend.
— Jos. Audr. Züiuski, des W ojewoden von Rawa Sohn
(geb. 1701, gest. 1774), Leszczynskis und Konarskis
Freund, widmete sich dem geistlichen Stande, und wur-
de zuletzt Bisch, von Kiow und Czerniechow; frühzeitig
von unbegränzter Liebe zu den Wissenschaften durch-
drungen, gründete er, mit Hilfe seines Bruders Sta-
nislaw, Bisch, von Krakau, und mit Aufopferung aller
seiner Einkünfte, jene berühmte, später dem Vaterlande
geschenkte Bibliothek: er besass bei unermüdeter Thä-
tigkeit und ungeheurem Gedächtniss einen kolossalen Vor-
rath von Erudition, aber um so weniger Geschmack, und
schrieb sehr viel, vorzüglich im Fache der Literaturge-
schichte und Bibliographie, latein. und polnisch, wovon
das meiste ungedruckt blieb: Bibl. poet. polon. (poln.),
W. 751. (lat.) W. 752. 4., Programma litterarium ad
bibliophiles etc. (poln.), W. 732. 4., Biblioteka history-
köw, polityköw, prawniköw i innych autoröw polskich
lub 0 Polszcze piszacych, poln. in Versen Ms., Magna
bibl. polonica universalis, poln. in Versen Ms. 10 Bde.
fol., Dwa miecze przecivvko dyssydentom, W. 731. 4.,
zwei Originaltrauerspiele: Kazimierz und NVitenes, W.
754. 4., Przypadki, W. 773. 8.; Z. und Konarski gaben
die Volumina Legum, W. 732 — 82. 8 Bde. fol., heraus.
— Wenzel Rzeivuski, Wojewoda v. Podolien, später
Krongrossfeldherr, zuletzt Krakauer Castellan fgeb. 1705,
gest. 1779), ein grosser Patriot, durch s. Tugend und
Gelehrsamkeit gleich ausgezeichnet, ist Vf. von 9 polni-
schen Schriften: Zabawki wierszem polskim, W. 760.
4., enthaltend zwei Originaltrauerspiele: Zolkiewski und
Wladyslaw pod Wan^, und zwei Lustspiele : Dziwak
460
lind Nafret; Mowy i listy, W. 741. 4., Psalmy, W. 773.
8., die sich durch Einfachheit und Erhabenheit dem Ori-
ginal nähern. — hpiaz Graf Krasicki aus einem altadeli-
gen Geschlecht in der russischen Wojwodschaft (geb.
1734, gest. 1801), erhielt seine Erziehung im Yater-
lande , bereiste Teutschland , Frankreich und Italien,
ward Bisch, v. Ermeland , zuletzt (1795) Erzb. von
Gnesen, der grösste Dichter unter Stanislaw August,
als Prosaiker einer der ersten Schriftsteller Polens,
schrieb sehr viel, darunter ein Epos: Woyna Chocimska,
in XII. Ges., W. 780. 8., drei komische Heldengedichte:
Myszeis, in X. Gesängen, W. 775. 8., Monachomachia,
W. 0. J., Antimonachomachia, Satyren, W. 778. und
öfters, Fabeln, W. 780. 4 Bde. 8., Bresl. 817. 8. u. öfters,
Lustspiele: Egarz, Statysta , Solennizant, W. 780. 8.,
Romane : Przypadki Doswiadczyiiskiego , W. 775. 8.,
Pan Podstoli 778. 8. N. A. ßresl. 825. 2 Bde., Historya
na dwie ksiegi podzielona, W. 779. 8., ein encyklopädi-
sches Werk: Zbiör potrzebnieyszych wiadomosci, W. u.
Lemb. 781. 2 Bde. 4., Episteln, Oden, vermischte Ge-
dichte, eine Poetik, biographische Parallelen nach Plu-
tarch u. s. w. ; er übers, die Bardengesänge Ossian's, die
Biographien Plutarch's, Hesiod's sgya xal tjixeqkl, Bruch-
stücke aus Lukian und Ariosto, ein Kriegslied von Tyr-
taeus u. a. m.; sämmtl. Werke herausg. v. Dmöchowski,
W. 803—4, 10 Bde. 8., (ausser dem encyklop. Werke
u. Kazania, W. 819. 8.), Breslau Stereotyp. 824. 10
Bde.; als Dichter ist Kr. in seinen Fabeln, Satyren und
komischen Heldengedichten durch Witz, Scharfsinn und
Schönheit der Diction musterhaft ; die Woyna Chocimska
ist zwar kein Epos im strengen Sinne, aber immer ein
schätzbares Dichterwerk; s. Prosa ist durch ihre Leich-
tigkeit, Klarheit und Natürlichkeit bezaubernd schön. —
Jos. Szymanoivski, ein Schüler Konarski's (geb. 1748,
gest. 1801), Mitgl. mehrerer Commissionen und Deputa-
tionen des Reichs, Hausgenosse und Reisegefährte des
Fürsten Czartoryski, verband eine seltene Herzensgüte
mit dem geläutertesten, verfeinertesten Geschmack, und
pllanzte der erste in dem poetischen Garten Polens Myr-
ten und Rosen; s. Uebers. des Kosciöt Knideyski, von
461
Montesquieu, W. 777. 8., eb. in der Samml. v. Mostow-
ski 803. 8., Parma (Prachtausg. b. Bocioni) 804. fol.,
W. 805. 8., weiclit an Vollendung und Klang des Ver-
ses keinem, übertrifft iiingegen an Aninutli und Zartbeit
alle polniscben Dicbterwerke, und macht in dieser Gat-
tung Gedichte Epoche; ausserdem schrieb Sz. einzelne
kleine Gedichte und prosaische Aufsätze, in s. Werken
b. iVIostowski abgedruckt. — Stan. Trembecki, des Kg.
Stanislaw August Kammerherr (gest. 1812), verband in
seinen Poesien die Kühnheit Pindars mit der Feinheit
Horazens und der Anmuth Sapphos; er verdient in viel-
facher Hinsicht dem Krasicki zur Seite gestellt zu wer-
den, erhebt sich sogar bisweilen über ihn; die Fülle u.
Kraft seiner Diction paart sich mit harmonischem Fluss
der Rede und des Verses, nur hie und da bleibt der Ge-
schmack hinter dem Genius zurück; er schrieb Fabeln,
Oden , Idyllen , Elegien , Episteln, ein Lustspiel : Syn
marnotrawny, nach Voltaire^ W. 780. 8., ein beschrei-
bendes Gedicht: Zofiiowka, Lpz. (eig, Wilna) 806. 12.,
übers, das IV. B. der Aeneis; sämmtl. Werke Lpz. (eig.
Wilna) 806. 2 Bde. 8. W. 819-21. 3 Bde. 12., Wilna
822. 2 B. 8., die Früchte s. historischen Forschungen im
Fache der slawischen Alterthumskunde sind bis jetzt un-
edirt. — Ad. Naruszewicz aus einem adeligen Geschlecht
in Littauen (geb. 1733, gest. 1796), brachte, nach vol-
lendeten Reisen im Auslande, wie Trembecki, die grösste
Zeit seines Lebens am Hofe des Kg. Stanislaw August
zu, wurde nach Aufhebung des Jesuiterordens, dessen
Mitglied er war, zuerst Coadjutor des Bisth. v. Smolensk,
darauf Secretär des Reichsraths und zuletzt Bisch, von
Luck; er steht als Historiker an der Spitze der polni-
schen Geschichtschreiber neuerer Zeiten : Historya na-
rodu polskiego, W. 780—86. 6 Bde. 8. N. A. W. 824. ^);
') Naruszewicz führte die poln. Geschichte nur vom J. 962 bis 1386
fort; den 1. Band, die Urgeschichte Polens, wollte er zuletzt bearbeiten,
woran ihn aber, wie an der Ausführung des Ganzen, der Tod verhinderte;
die kgl. Gesellschaft der Wissenschaften in Warschau sorgte rühmlichst für
die Fortsetzung und Vollendung dieses grossen Nationalwerks durch Ver-
theilung der Arbeit unter einzelne Mitglieder (Jul. Urs. Niemcewicz, Prälat
Czaykowski, Biblioth. Lukian GoJgbiowski, Graf J. M. Ossoliüski, Fürst
Adam Czartoryski, Graf Tarnowski, Kajetan Kwiatkowski, Mich. Krajew-
ski, Felix Bentkowski (an die Stelle des Grafen Stan. Potocki), Prälat
Prazmowski, J. K. Szaniawski), von denen einige ihre Arbeiten bereits
462
Hist. J. K. Chodkiewicza, W. 781. 2 Bde. 8., Tanryka,
W. 805. 8.; er übers, den Tacitus ins Poliiisclic; W. 772.
4 Bde. 8., redigirle 1769 ff. eine Zeitschrift Zabawy;
als Dichter schrieb er Lieder, Oden, Idyllen. W. 778.,
Satyrcn, W. 778. 4., Fabeln, Epigramme, übers, mit
andern polnisclien Dichtern Horazcns Oden, W. 773. 2
Bde. 8. N. A. 819. 2 Bde. 8., Anakreons Lieder, VV. 774.
4., verfasste eine Tragödie: Guido, W. 770. 4., ver-
mischte Gedichte, Originale u. Uebers., u. m. a.; N. be-
sass eine gUihende Einbildungskraft, in s. Satyren ist er
ungleich beissender, als der witzig und sinnreich spie-
lende Krasicki; s. Vers ist kräftig und klangvoll : er wür-
de einer der vollendetesten Dichter Polens seyn, wenn
ihm nicht zuweilen Feile und Geschmack abgingen ; als
Historiker nahm er sich Tacitus zum Muster, und ahmte
seine Darstellungsart glücklieb nach, verfiel aber in der
Uebersetzung desselben oft ins Dunkle; sämmtl. Werke
in der Mostowskischen Sammlung W. 804 -05. 12 Bde.
8., Breslau Stereotyp. 823. 6 Bde. 8. (angekündigt); poet.
Werke W- 778. 4 Bde. 4. — T/wm, Kajefun Wegiorski
aus Podlachien, des Starosten von Korytnik Sohn, kgl.
Kammerherr (geb. 1755, gest. 1787), ein Dichter voll
schlagenden Witzes, aber in der frübesten Jugend von
der Frivolität des Zeitalters hingerissen, konnte er sein
Talent nicht innerhalb der gehörigen Schranken des Sit-
ten- und Kechtsgesetzes erhalten, und zog sich durch
seine Satyren und Epigraiiuue eine Flucht nach Frank-
reich zu, woselbst er auch starb ; s. Diction ist natür-
lich und leicht: Organy, ein heroisch-komisclies Gedicht
nach Boileau, 784. 4., Marmontels Belisar, W. 787. 8.,
Dess. powiesci moralne, W. 777. 3 Bde. 8., Montesquieu's
poet. Briefe, Pygmalion v. Rousseau, Satyren und Epi-
gramme, sämmtl. Werke v. Mostowski W. 803. 8. —
Julian Ursin Nienicetricz, während des constitutioncllen
Reichstags (1788 91] lielländischer Landbote, wanderte
nach der Theilung Polens nach America aus, ward nach
seiner Rückkehr Secretär des Senats und Oberschulcol-
beendigt und herausgegeben haben : Julian Urs. Niemce^vicz dzicie Zygmun -
ta, W. 819. ff. 3 Bde. 8., Kaj. Kwiatkowski v. Kwiatkow dzicie narodu
polskiego za panowania Wi'adysiawa IV., W. 823. 8. u. s, w.
463
legienrath, voll origineller Laune, gesunden munteren
Witzes, entwickelte ein hohes poetisches Talent in s.
Oden, Fabeln, die jenen des Krasicki gleich kommen,
2 A. W. 820. 2 Bde. 8., Elegien und heroischen Klaglie-
dern (Dumy), 3 A. W. 819. 8., Dramen: Powrot posla,
Lustsp., W. 790. 8., Samolub, Pan Nowina, Giermko-
wie Kr. Jana, W. 808. 8., Wladistaw pod Warna Trauersp.,
Jadwiga Oper, Kazimierz W., Jan Kochanowski kom.
Oper, W. 817., Zbigniew Trauersj)., W. 819., Atalia v.
Racine u. m. a., Epigrammen, Uebersetzungen aus Pope
und einiger Romane aus dem Französischen, nicht min-
der glänzend im Gebiete der Beredsamkeit durch s. Re-
den; sämmll. Werke in der Mostowskischen Sammlung
W. 803—05. 2 Bde. 8.; alle poetische Werke N. athmen
einen Adel der Gesinnung, Vollgefühl und heitern un-
schuldigen Witz, sein Versbau ist leicht, wolklingend;
letzthin gab er die Geschichte Zygmunts III. üzieie pa-
nowania Zygmunta III., W. 819. tY. 3 Bde. 8., und eine
Samml. ungedruckter Denkmäler des alten Polen: Zbiör
pamietnikövv historycznych o dawney Polszcze, W. 822.
4 Bde. 8., ferner: Lewi und Sara, Briefe poln. Juden,
W. 821. teutsch Berl. 823., und Jan z Teczyna, povviesc
historyczna W. 825. 3 Bde. 8. heraus. — Franz Kar-
pinsJii (gest. 1820), widmete sich in geräuschloser Ab-
geschiedenheit ganz den Musen, und bereicherte die va-
terländische Literatur mit lieblichen , schönheitsvollen
Blüthen seines fruchtbaren Genius, worunter sich Lie-
der, Hymnen, Idyllen, vermischte Gedichte, Dclifles
Lehrgedicht Les jardins, mehrere Originaldramen, Lust-
spiele , Opern , Reden und Abhandlungen befinden :
sämmtl. Werke W. 790. 4 Bde. 12. N. A. 806. 4 Bde. 8.
— Franz Dionys. Kmaznin^ lebte unter Stanislaw Au-
gust , behauptet durch seine Gemütidichkeit und nicht
sowol Kühnheit als vielmehr sinnliche Frische und Uep-
pigkeit der Bilder unter den ersten Liederdichtern Po-
lens einen ehrenvollen Platz; er schrieb Erotica od. Lie-
der 5 BB. in anakreontischer Manier, Oden, Fabeln,
poetische Erzählungen, Idyllen, ein komisches Helden-
gedicht Balon in X. Ges., meiirere Opern u. s. w. ; sämmtl.
Werke W. 787—88. 3 Bde. 8. - Jos.Epiph. Minasowicz
464
(geb. 1718. gest. 1796), kgl. Secretär u. Kiower Dom-
herr, von Natur niclit ohne poetisches Talent, aber ohne
allen Geschmack, gab über 53, meist polnische Schrif-
ten, heraus: Zbiör rytmöw polskich, W. 755 — 56. 2
Bde. 4., Drobnieysze wiersze, W. 782. ; er übers, die
Epigramme Martials, W. 759. 766. 8., des Lucanus
Pharsalia, W. 772., des Phädrus Fabeln, W. 777. 8.,
mehrere Oden von Horaz in der Naruszewiczischen Aus-
gabe u. s. w. — Joh. Woronicz, Bisch, v. Krakau, jetzt
Bischof von Warschau, ein in Versen und Prosa gleich
ausgezeichneter Schriftsteller, besorgte eine Sammlung
von religiösen , moralischen und historischen Liedern,
schrieb ein musterhaftes lyrisches Gedicht : Piesii Assar-
mota, W. 805. 818., ein historisches Gedicht: Sibylla,
in IV. Ges., Lemb. 818. 4.; ihm wird das Werk: Wiersz
na pokoie nowe w zamku kröl., W. 786. 4., zugeschrie-
ben ; er Hess viele, im erhabenen Styl verfasste Trauer-
und andere Gelegenheitsreden drucken, und führte ein
Nationalepos: Lechiada, aus, das alles in diesem Fach
bis jetzt in Polen geleistete an wahrer dichterischer
Weihe weit übertritFt. — Valenf. Gursh\ einer der
fruchtbarsten neuern Dichter, schrieb Oden, Idyllen, 60
an der Zahl, Fabeln und Lustspiele, die sich nicht nur
von Seite des Stoffs, sondern auch durch gefälligen Vers-
bau empfehlen: Rözne dziela wierszem i proza, W. 785.
12., N. A. Kr. 804. 4 Bde. 12. — Ign. Nagurczewski
aus Littauen, Jesuit (geb. 1719 , gest. 1811), übers.
Fihppiki Demostenesa, W. 774. 8. , Mowy Cicerona
przeciwko Katylinie, W. 763. 8., Eklogi Wirgiliusa, zu-
erst mit A. Kochanowskis Aeneis, W. 754. 4., dann in
der Samml. poln. Eklogen, W. 770. 778. 8., die ersten
XVIII. Rhaps. von Homers Iliade, bis jetzt unedirt (bis
auf die III. u. IV. Rhaps. in Dmöchowskis Uebers. 1800);
in allen diesen Uebersetzungen bewies N. mehr Rennt-
niss der alten Sprachen, als Geschmack und wahren Red-
ner- od. Dichtergeist. — Hyacinth Przyhylski, Prof an
der Hochschule zu Krakau, einer der thätigsten und
fruciitbarsten Schriftsteller Polens , bereicherte die va-
terländische Literatur mit gediegenen Uebersetzungen
mehrerer classischen Dichterwerke : Treny Jeremiasza,
465
Kr. 793. 4., Owidego Nazona wiersze na wygnaniu pisane,
Kr. 802. 8,, Wszystkic dzicla Ilezyoda, Kr. 790. 8.,
Giessiierowa smierc Abla, Kr. 797. 12., Listy Pernwian-
ki, ein Roman, W. 805. 8., Kamoensowa Lnzyada, Kr.
790. 8., Miltonüw ray utracony, Kr. 791. 8., Eb. ray
odzyskany, Kr. 792. 8., Eneida Wirgiliusa, Kr. 812. 2
Bde. 8., Eb. o ziemanstvvie. Kr. 813. 8., Hoinerowa ba-
trachomyomachia, mit der 1 Rbaps. der Ilias, W. 789.;
er übcrselzte Homers Ilias und Odyssee , ferner den
Qnintus Calaber ganz, im Versmaass des Originals, schrieb
mehrere Reden und Abhandl. u. s. vv. ; alle Uebersetzun-
gen Prz, tragen das Gepräge der grössten, aus der ver-
trautesten Bekanntschaft sovvol mit den fremden als mit
der eigenen Sprache tliessenden Treue u. Correctheit. —
Franz Dniöchowski aim Podlachien (geb. 1762, gest. 1808),
trat in früher Jugend in den Piaristenorden, wurde Leh-
rer in Warschau, nahm 1794 Staatsdienste an, verliess
nach der llieilung Polens das Vaterland und kehrte nach
einem mehrjährigen Aufenthalt in Teutschland, Frank-
reich und Italien 1800 nach Polen zurück, zuletzt Se-
cretär der Gesell, d. Freunde d. Wissens; s. Hauptwerk
ist die Hebers, der Ilias in poln. gereimten Versen, W\
800. 3 Bde. 8.. 2 A. 804. 3 Bde. 8., leider nicht aus dem
Original selbst, sondern nach lat. und franz. Ueberse-
tzungen gemacht; Virgils Aeneis ebenfalls in gereimten
Versen, W. 809. 8. (die drei letzten Gesänge sind von
dem Piaristeii u. Provincial Vinc. .Jakubowski) ; Sztuka
rymotworcza, Lehrged. in IV. Ges., W. 788. 8., Edw.
Vounga sad ostateczny, a. d. Franz. W. 785. 8. 803. 8. ;
Dm. schrieb auch in Prosa moralische Betrachtungen,
Reden, Lobreden u. s. w., redigirte 1794 die Warschauer
Gazeta, 1801 — 05 den Warschauer Pamietnik. - Ludw.
Osms/iiy Generalsecretär des Ministeriums der Justiz,
hernach Notar beim Warschauer Cassationshof, Secretär
der Ges. d. Wiss. u. s. vv., ein geistreicher, geschmack-
voller Schriftsteller in Versen und Prosa, schrieb lyri-
sche Gedichte: Zbior zabawek wierszem, W. 804. 8.,
redigirte 1809 den W. Pamietnik, übers, ein Bruchstück
aus Ovids Metamorphosen, Corneilles Cid und Cnma,
Cheniers Fenelon , Voltaires Alzyra , Pigault-Lebruns:
30
466
Rywale samych siebie, Horatier n. Curiatier a. d. Ital.,
Androiueda, W. 807. 8. u. m. a. — Kajelan Kozmian,
Referendar beim ständischen Rath u. s. w., bewies in ei-
nigen Oden einen seltenen lyrischen Geist, verfasste ein
originelles , durch vollendete Diction ausgezeichnetes
Lehrgedicht: 0 ziemanstwie, übersetzte musterhaft einige
Eklogen Virgils, und gab mehreres in gediegener Prosa
heraus. — Dyznia Boncza Tnmaszeivsh\ gab ein ori-
ginelles Lehrgedicht: Rolnictwo, in IV. Ges., Lemb. (eig.
Kr.) 802. 4., Jagiellonida, ein Heldengediclit auf die Ver-
einigung Littauens mit Polen, Berdyczow 817., mehrere
Lustspiele und andere Gedichte heraus, in denen eine
feurige Einbildungskraft, tiefes warmes GefiUd und har-
monische Versification unverkennbar sind: sämmtl. Schrif-
ten W. 822. 2 Bde. 12. — Joh. Kruszynski, Generalse-
cretär beim Finanzministerium u. s. w., übers, einige
Oden von Pope und Thomas, einige Satyren von Boi-
leau , Racines Tragödie Britanniens , und entwickelte
darin ein nicht gemeines poetisches Talent. — Franz
Weiijk, Appellationsrichter u. s. Wv verfasste ein be-
schreibendes Gedicht: Okolice Krakowa, 820. 8., übers.
Virgils Aeneis, wovon der 1 Ges. in dem VV. Pamietnik
1809 erschienen ist; schrieb ein Originaltrauerspiel Glin-
ski, ein Melodram in Versen: Rzym oswobodzony, W.
811. 8., eine Abhandl. üb. d, dramat. Kunst u. m. a. —
Jos. Lipinski, Generalsecretär, Oberschulrath u. s. w.,
übers. Virgils Eklogen, W. 805. 8., u. v. Mostowski 805.
8., gab einen Bericht über die .'5jährige Wirksamkeit
des Oberschulcollegiums, W. 812. 8., eine Abhandl. über
die Idylle nebst mehreren andern üebers. heraus. —
Franz Moratvski, Obrist, mitten unter dem Geräusch
der Waffen für den Dienst der Musen begeistert, erhebt
durch frisclie Blüthen seines poetischen Genius den Ruhm
des Vaterlandes ; s. Uebersetzung einiger Dramen aus
dem Franz., und die dem Andenken Poniatowskis ge-
weihte Rede sind musterhaft. — Jdain Mickieivicz, ge-
genwärtig (1824) in Littauen, einstimmig als einer der
vorzügliciisten neueren Dichter Polens anerkannt ; in s.
Werken, die an Umfange klein, an Gehalt unendlich
reich, bis jetzt nur 2 Bde. füllen, spiegehi sich Naivität
467
und liebenswürdige Aninnth mit Kraft und Nachdruck
auf die überraschendste Weise ; s. Balladen sind in jeder
Hinsicht Meisterwerke der lyriscli-episclien Poesie. —
Ludw. Krvpinski, General, weihte sich, nach vollbrach-
tem Dienst , den vaterländischen Musen, und schrieb
Lieder, voll Zartsinns und Anmiith, Oden, ein Trauersp.
Lutgarda, einen Roman: Listy Adolfa i Klary u. s. w.
— Aloys Felinski, (gest. 1820) der grösste polnische
Verskünstler, übers. Hacine's Phädra , Delille's riiomme
de champ od. Wiesniak, schrieb mehrere Originaltrauer-
spiele, sämmtl. Werke W. 816 — 21. 2 Bde. 8.; s. Vers-
bau ist leicht, fliessend und harmonisch. — Joh. Kanty
Hodani , Domherr und Prof. in Wilna (gest. 1823),
übers. Voltaire's Henriade, Kr. 803. 8., eb. Wiersz o czlo-
wieku. Kr. 795. 8., und Gessners Sielanki in Versen,
Kr. 800. 8. — Euseb. Siowacki, Prof. der poln. Liter, in
Wilna, verfasste ein Trauersp. Mendog kröl Litewski,
Abhandl. über die poln. Literatur, übers. Voltaire's Hen-
riade, W. 803., Delille's Gedicht von der Phantasie u.
m. a. Eine dritte Uebers. von Voltaire's Henriade lie-
ferte Ign. Dehotecki 805. — Kypr. Godehski aus Woly-
nien, Obrist, Ritter u. Mitgl. der Warsch. Ges. d. Wiss.
(geb. 1755, gest. b. Raszyn 1809), ist Vf. zahlreicher
Gedichte vermischten Inhalts , nach s. Tode herausg.,
W. 821. 2 Bde. 8. — Franz Bohomnlec , ein Jesuit,
schrieb um 1757 der erste Originallustspiele in der poln.
Sprache für die studirende Jugend, und schloss anfangs
von seinen Dramen alle weibliche Personen aus, nahm
dieselben aber auf, als er für das kgl. Theater anfing
zu dichten*, komische Kraft und reine Sprache zeichnen
alle seine Lustspiele vortheilhaft aus , wenn man ihnen
gleich den Mangel des Vf. an Weltkenntniss ansieht:
Komedye, Lubl, 757. 3 Bde. 12. Lemb. 758. W. 772 —
75. 5 Bde. ; Komedye, auf dem kgl. Theater aufgeführt,
W. 767. 2 Bde. 8.; derselbe dichtete die erste poln. Ori-
ginaloper : Nedza uszczesliwiona, W. 778. 8. ; auch hat
man von ihm: Rozinowa o iez. pol., W. 758. 8., Zabawki
oratorskie, W. 779. 8. — Fürst Adam Czarforyski (geb.
1733, gest. 1823) , Generalstarost, Senator- Wojewoda,
kais. kön. Feldmarschall, Ritter mehrerer Orden, im J.
30*
468
1764 Marschall des Reiclistags, auf welchem das Libe-
rum Veto abgeschafft wurde; dieser unsterbliche polni-
sche Mäcen und Staatsmann, dem sein Vaterland die
Educationscommission verdankt. Stifter der Bibliothek
zu Pulawy, ist zugleich einer der wahren Gründer der
polnischen Nationalbühne; er schrieb mehrere Original-
lustspiele: Panna na wydaniu, W. 774., Pysznoskapski,
W. 774. 8., Kawa, W. 779., Ci'racz, a. d. Franz v.' Re-
gnard, \V. 776. 8.; ausserdem gab er: Mysli o pismach
polskich, W. 810. 8. heraus, und übernahm einen Theil
der Fortsetzung von Naruszewicz's Geschichte ; auf seine
Kosten erschienen die ersten Bände der geschichtlichen
Denkmäler Polens: Ilistor. BolesJawa 111. Kr. pol., aus
der Chronik eines ungenannten Polen vom .1. 1115, W.
825. 8., Kronika wegierska na poczatku vvieku XII., Kro-
lüka czeska na poczatku wieku XI. W. 825. 8., Cz's.
Tochter, vermahlt mit dem Oheim des Königs v. Wür-
temberg, Hzg. Ludwig, und wieder von ihm geschie-
den, verfasste den besten polnischen Roman: Malwina
3 A. W. 821. 2 Bde. 8. — Fraitz Z(ibtoch\ Secretär der
Erziehungscommission, darauf Propst in Koninskawola
unweit Pulawy, dichtete in der .lugend Lustspiele, und
nimmt einen der ersten Plätze unter den Dramatikern
Polens ein; er verbindet mit der seltensten Kenntniss
sowol der dramatischen Kunst als des menschlichen Her-
zens eine musterhaft reine Sprache; seiji Vers ist künst-
lich gebaut, aber fliessend und voll harmonischen Wol-
lauts; er schrieb auch einzelne vermischte Gedichte, als
Oden, Salyren, Idyllen u. s. w. ; Dziewczyna siedza,
Fircyk w zaiotach, Zabobonnik, Lustspiele, W. 781. 8.,
Sarmatyzn), Wesele Figara, v. Beaumarchais, W. 786. 8.,
Amfitryo, v. Meliere, W. 783. 8., Medea i .lazon. Me-
lodram, W. 781. 8 , Wielkie rzeczy, a. d. Franz.; ausser-
dem gab er heraus: Rozmovvy Sokratesa, W. 775. 8.,
Dziela St. Reala, \V. 778. 5 Bde 8. - Jos. Kossakowski,
Bisch. V. Liefland und später von Wilna (gest. 1794), ist
Vf. von drei anonym erschienenen Lustspielen: Warsza-
wianin w domu, Panicz gospodarz, Madry polak, W.
786. 8., die sich durch treue ( iiarakterislik der Sitten
empfehlen; er übers. Romeo und Julie a. d. Ital., und
469
schrieb zwei prosaisclie Erzähluiigeii : Obywatel, u. Xi^dz
Pleban, W. 788. 8. — Adulb. Boguslawski, Dircctor des
Warschauer Natioiialtheaters, hochverdient utn die pol-
nische Bühne, Dramaturgie, den Geschmack u. die iNatio-
nalsprache selbst; s. Dramen erschienen zuerst einzeln,
dann gesammelt: Dziela dramatyczne W. B., W. 820 — 23.
15 Bde. 8. (der 1. B. enthält die Gesch. d. poln. Theaters).
— Ludw. Ad. DjjiHszewshi reiht sich als Künstler und
Dichter an den vorigen; s. dramatischen Erzeugnisse,
meist Originale, sind ebenfalls zuerst einzeln, dann ge-
sammelt erschienen : Dziela dramatyczne L. A. D., W.
822-23. 10 Bde. 12. — Jlois Zölkoivski, der dritte
gleichzeitige dramatische Künstler und Dichter Polens,
verfasste mehrere Lustspiele und Opern voll heiterer
Laune und gesunden Witzes. — Franz Kowalski übers,
glücklich Moliere's Lusts|)iele in Versen : Doktor z musu,
W. 821. 8., Malzenstwo przymuszone, W. 821. 8., Mi-
losc Doktorem, W. 821. 8., Skapiec, W. 822. 8., Wy-
kvvintne panienki, W. 822. 8., Mieszczanin szlachcic, W.
823.8.- Graf Ä^///. ho.sfkaPotocki {geh. 1759,gest. 1821),
Senator- Wojewoda, Minister des Cultus und der Aufklä-
rung, General- Commaiidant der Cadetten, Ritter meh-
rerer Orden, Mitgl. der Warsch. a. Krak. Ges. d. W., ei-
ner der verdientesten Männer um die wissenschaftliche
Cultur Polens , der Fürst der polnischen Redner, an
Geist, Gelehrsamkeit, Adel der Gesinnung, Geschmack
und hinreissender Suada mit den grossen Mustern des
Alterthums wetteifernd; seine Verdienste um die Begrün-
dung einer gesunden Kritik , die Läuterung des Ge-
schmacks und die Beförderung des echt wissenschaftli-
chen Geistes in seinem Vaterlande sind gleich gross ; alle
seine Werke bleiben elastische Muster für Polen : er
übers. Winckelmanns Schriften über die Kunst und er-
weiterte sie mit eigenen Erläuterungen, W. 815. 4 Bde. 8.
unbeendet; gab ein ausführliches Werk: 0 wymowie i stylu
W. 815 — 16. 4 Bde. 8. heraus; s. Lobreden, Reden u. Ab-
handl. erschienen zuerst einzeln in den J. 1786 — 815, dann
von ihm selbst gesammelt: Pochwal'y, mowy 1 rozprawy,
W. 816. 2 Bde. 8., wozu noch Pochwala Tadeuza Czac-
kiego, W. 817. 8., Pochwala Thadeusza Matuszewicza,
470
W. 820. 8. geliörcn; derselbe regte das von B. Fraz-
niowski, Gr. Sierakowski und S. G. Linde nnter Ancto-
ritiit der Warschauer Regiernngscoinniission für Cultur
und Aufklärung lierausg. Praclilwerk an: Monuuienta
regum Poloniae Cracoviensia W. 822. ff. 3 Hfle. poln.
lat. u. franz. mit Kfrn. von den Künstlern Mich. Stacho-
wicz, H. Dietrich u. Jak. v. Sokolowski. — Ignaz- Graf
Potocki\ Marschall v. Littauen, ein Bruder des Vorigen
(geb. 1750, gest. 1810), behauptet unter den ersten
Rednern Polens einen Rang; seine Reden, meist ohne
Vorbereitung gehalten , sind im attischen Styl, ohne
rednerischen Schiiuick, aber voll Würde und Kraft; er
übers. Condillac's Logik für die Nationalschulen und Ho-
razens Brief an die Pisonen, schrieb mit Hugo KoMatay
über den Ursprung u. Untergang der Constitution 1790,
Lemb. (eig. Lpz.} 793. 2 Bde. 8., eine Kritik über Czac-
ki's Werk vom littauischen Statute, eine Abh. üb. d.
Einfluss d. Reformation auf den wiss. u. pol. Zustand
Polens, e. andere üb. allpolnische Münzen , sammelte
Beiträge zur Gesch. d. poln. Literatur u. s. w.: s. Reden
erschienen mit jenen der übrigen Redner des constitu-
tionellen Reichstags: Czartoryski, Sapieha, Wawrzecki,
Mostowski, Matuszewicz , Zaleski , Linowski , Niemce-
wicz, Weysenhof, Kiciiiski, Soltyk u. m. a. in dem: Zbiör
möw w czasie seymu 1788 — 90., Wilna 12 Bde. 8. —
Hugo KnUatmj Qv^i Szirnnberg aus Littauen (geb. 1752,
gest. 1812), Domherr der Cathedrale von Krakau, Un-
terkanzler, Rect. d. Kr. Univ., Ritter mehrerer Orden,
ein Mann von hellen politischen Ansichten, geistvoller
Redner, nicht minder gelehrter Prosaiker; schrieb mit
J. Potocki die Gesch. d. Constit., Anonyma, Listy u. s. w.,
W. 788. 3 Bde. 8., Prawo polit. narodu polsk., W. 790. 8.,
Uwagi, W. 808. 8., Porzadek lizyczno-moralny, W. 810.
8. u. a. m. — Sebast. Lachowski, Jesuit, des Kg. Stani-
slaus Augiistus Hofprediger, ein zu seiner Zeit sehr ge-
schätzter geistlicher Redner, hinterliess eine Sammlung
von Predigten, die sich mehr durch religiösen Sinn und
eine gewisse Redseligkeit, als Kraft oder Anmuth der
Diction auszeichnen: Kazania, W. 770. 2 Bde. 8. —
Mich. Franz Karpowicz, Bisch, v. Wigier, einer der
471
besten Kanzelrediier Polens, übertrifft den vorigen an
Fülle der Gedanken und gerundeter Diction; Kazania i
inne dziefa, W. 807. ff. 8 Bde. 8. - Jnh. Bapt. Alher-
frandy aus Warscliau (geb. 1731, geb. 1808), der grösste
polnische Polyhistor, trat im 16 Jahr in den Jesuiter-
ordeu, ward Lehrer in Puftusk, Plock, Nieswiez und
Wilna, darauf Lector des Kg. Stanislaw August, begab
sich, um iMaterialien für die vaterländische Geschichte
zu sammeln, 1782 nach Italien, und excerpirte hier
eigenhändig Hundert und zehn Bände in fol., ging in
gleicher Absicht nach Schweden, und fügte zu den vo-
rigen noch gegen neunzig andere Bände in fol. hinzu,
wurde nach seiner Rückkunft Biblioth. des Königs, Bisch,
v. Zenopolis und Ritter des h. Stanislausordens, zuletzt
Präsident der Ges. d. Wiss. ; s. Handschriften kamen aus
der kgl. Bibliothek in die Czackische und aus dieser in
die Czartoryskische nach Pulawy; in Druck gab er her-
aus : Dzieie rzeczypospolitey Rzymskiey, W. 768. 2 Bde.
8., 2 A. 806. 2 Bde. 8., Dzieie kröl. pol., nach d. Franz-
d. Schmidt, W. 763. 8., Zabytki starozytnosci rzymskich,
W. 805 — 08. 3 Bde. 8., verschiedene prosaische und poe-
tische Aufsätze im Moniteur u. den ,,Zabawy przyiemne'',
die nach Naruszewicz er redigirte. — Sam. Gottl. Linde
aus Tliorn (geb. 1771), Ober-Kirchen- und Schulrath,
Präsident der Elementargesellschaft zu Warschau, Mitgl.
mehr. gel. Ges. u. Akad., General-Director der öffentli-
chen Bibliothek, Rector des Warsch. Lyceums, Ritter
d. h. Stanislaus-Ordens u. s. w., beschenkte die polnische
Literatur mit einem in der Geschichte der Landesspra-
che Epoche machenden, kritischen und vergleichenden,
polnisch- slawischen Wörterbuche, W. 807—14. 6 Bde.
4., und fährt fort dieselbe durch gediegene Schriften hi-
storischen und philologischen Inhalts wahrhaft zu berei-
chern: 0 statucie Litewskim, W. 816. 4., Vinc. Kadlu-
bek, teutsch. W. 822. 8., Rys historyczny literatury ros-
syyskiey, a. d. Russ. v. Grec, W. 823. 2 Bde. 8. u. m. a. —
Ge. Sam. Bantkie (geb. 1768), Prof. d. Bibliographie
und Bibliothekar in Krakau, lieferte, ausser einer poln.
Gramm., Bresl. 808. 816. 821. 824., 8., u. einem polnisch-
teutschen Wörterbuch, Bresl. 806. 2 Bde. 8., mehrere
472
iii(eressan(e Werke historischen und philologischen In-
halts in poln., lat. inid teiilscher Sprache: Krötkie wyo-
brazenie dzieiövv kröl. pulsk., Bresl. 810. 2 Bde. 8. N. A.
820. 2 Bde. 8., De incunab. Cracoviens., Kr. 812. 4., Ge-
schichte der Krakauer Biblioth., poln., Kr. 822. 8. u. ni. a.
— Greg. Piramowicz aus Lemberg (geb. 1735, gest.
1801), Secretär bei der Erziehungscomiiiission, zuletzt
Propst von Kurovv, ein iMann von liebenswürdiger Her-
zensgüte und ausgezeichneten Geistesgaben, Erzieher der
Grafen Ign. und Stan. Potocki, gab 6 polnische Werke
heraus: Wymowa i poezya, Kr. 792. 8., Powinnosci
nauczyciela, W. 787. 8., Nauka obyczaiowa, W. 802. 8.,
Dykcyonarz starozytnosci, W. 779. 8., Mowy u. a. m. —
Philipp Nerius Golanski, Prof. in Wilna, ist Vf. von 9
poln. Schriften , darunter: 0 vvyinovvie i poezyi, W.
788. 8. 3 A. Wilna 808. 8., Listy, memoryaly i suppliki,
Wilna 788. 8. 4 A. 804. 8., Zycia slawnych ludzi z
Plutarcha, Wilna 800. 4 Bde. 8. u. m. a. — Fei. Bent-
kowshi, zuerst Professor der Geschichte und B.bliotlie-
kar am Warschauer Lyceuiii , jetzt Prof. an der Univer-
sität, Mitgl. der Ges. d. Wiss., bereicherte die vater-
ländische Literatur mit dem schaizbaren bibliographi-
schen Werk: Histor. iiieratury poiskiey, W. 814. 2 Bde.
8., Wiadomosc o naydawnieyszycli ksiazkach drukowa-
nych w P., W. 812. 8.; redigirte den Pamietnik Warsz.
u. s. w. -- Jos. Max. Graf v. Teczyii Ossolinski, Kom-
mandeur des S. Stephansordens, kais. geh. Staatsrath,
Präfect der kais. Hofbibl. in Wien u. s. v\ ., ein hochher-
ziger Patriot von vielseitiger, besonders historischer Ge-
lehrsamkeit, bekannt durch seine reichlialtige, der Lem-
berger Hochschule legirte, polnische Bibliothek in Wien,
übers.: 0 pocjeszeniu Ks. III. a. d. Lat. v. Seneca, W.
782. 4., und gab biographiscli-kritische Notizen über
berühmte Polen und ihre Werke: Wiadoinosci historycz-
no-krityczne, Kr. 819. ff. 3 Bde. 8. heraus. — Joach.
Lelewei, Prof. in Wilna , bearbeitete mit gründlicher
Gelehrsamkeit u. gesunder Kritik das Feld der Geschichte:
Kzut oka na dawnosc litewskich narodövv, Wilna 808.8..
Mislorya geografii i odhryc, W. 814. 8., Opis Scytyi IIc-
rodota, Wiadomosc o narodach az do wieku X we wne-
473
trzu Eiiropy beclacycli, 8(osiiiiki handlowc Fenycyan,
polem Kartagüvv s Grekanii, ßadunla «(orozyüiosci v> c
wzgledzie geografii, Wiliia 818. 8., Dzieie starozylne
do diugiey polowy XVI. w., Wiliia 818. 8., Dzieie sla-
rozytiie Indyi, W. 820. 8.. Ostaliiie lata panowania Zyg-
iminta, W. 821. 8. u. s. w. — Law. Suroiviech', iMilgl.
d. Ges. d. ^Viss., gew. Generalsecretär bei dem Ober-
schuldireclorinni ii. s. \v., gab mebrere interessante Schrif-
ten politischen und historischen InliaJts heraus: 0 upad-
ku przeniyslu i miast w Polszcze, W. 810. 8., List przyia-
ciela, W. 806. 8., 0 rzekach i spfawach X. Warsz. W.
811. 8., l'vvagi wzgleden» poddanych, W. 807. 8., 0 po-
czatkach, zwyczaiach obyczaiach i religii dav^nycli Slo-
wian, W. 823. u. s. w. — V(iL Skorochod Maiewski, Re-
gent des Nationalarchivs, Mitgl. d. Gesell, d. Freunde der
Wiss., schrieb eine Abhandl. über die polnischen Archive,
desgleichen ein interessantes Werk : 0 SiaAvianach i ich
pobratymcach, W. 816. 8., übers. Codex handlowy a. d.
Franz., W. 808. 811. 8. — Kajetun Skrzetuski aus der
russischen Wojewodschaft, (geb. 1743, gest. 1806), zuerst
Piarist, darauf Professor der Geschichte bei dem Cadet-
tencorps in Warschau, zuletzt secularisirter Propst, gab
mehrere gehaltreiche geschichtliche Werke heraus: Hi-
Htorya polityczna, W. 773— 75. 2 Bde. 8., Hist. krol. Franc,
Hist. powszechna, W. 781. 8. u. m. a. — Graf Eduard
Raczynski bereicherte die polnisclie Literatur mit dem
Tagebuch seiner 1814 nach Coiistantinopel und der tro-
janischen Ebene unternommenen Reise, Breslau 821. fol.
mit 82 an Ort und Stelle von Fuhrmann gezeichneten
Kpfrn. ; derselbe liat aus s. Familienarchive eine voll-
ständige Sammlung der Briefe des Kg. Johann III. Sobieski
herausgegeben. — Thaddaeus Graf Czackt, Starost von
Nowogrod (gest. 1815), ein Mann von ausgebreiteter
Gelehrsamkeit, dessen Hauptwerk: 0 Litewskich i pol-
skicb prawach, W. 800 — 01. 2 Bde. 4., eine wahre Ency-
klopädie historischer, in der poln. Landesgeschichte ein-
schlagender Notizen ist. — Ipi. Benedict Rakowiecki,
Mitgl. der Ges. d. Wiss., gab die Prawda ruska mit einer
historisch-kritischen Einleitung , ausführlichen Erläute-
rungen und einem Abriss der Geschiclite der slawischen
474
Spraclie, W. 820-22. 2 Bde. 4. heraus. — Jos. Kalas-
sanhi Szamawshi, Mitgl. d. Ges. d. Wiss., bemühte sich
der kritischen Philosophie Kants Eingang in Polen zu
verschalTen, und gab 1800 - 08 sechs philosophische
Werke in polnisclier Sprache heraus. - Felix Jaronski
bereicherte die polnisclie Literatur mit mehreren geist-
reichen Schriften philosophischen Inhalts. — Jos. Wy-
hicJii, Senator-Wojewoda, ein eben so eifriger Patriot,
als rüstiger Schriftsteller, gab zahlreiche Werke philo-
sophischen, staatswissenschaftlichen und aesthetischen
Inhalts heraus: Listy patryolyczne, W. 777—78. 2 Bde.
8., Uwagi nad zebrakami, Poczatki mitologii, Poczatki
geografii polityczne, einige Dremen u. s. w. ; s. Haupt-
werk ist: Uwagi nad zasadami ekonomii polit. — Chrph.
Klu/i aus Ciechanowce in Podlachien (geb. 1739, gest.
1796), Propst von Ciechanowce, ein classischer Schrift-
steller Polens im Fache der Naturgeschichte: Roslin
kraiowych utrzymanie, W. 777 — 80. 3 Bde. 8., Botanika,
W. 785. 8., Dykcyonarz roslinny, W. 788. 3 Bde. 8.,
eist, natur. zwierzat, W. 779-80. 4 Bde. 8., 0 rzeczach
kopalnych, W. 781.' 2 Bde. 8. — Bomf. Stau. Jmidzü£,
Prof. der Botanik und Zoologie in Wilna, Mitgl. mehr,
gel. Gesell., durch die Herausgabe mehrerer systemati-
schen Werke um die Verbreitung nützlicher und gründ-
licher naturhistorischer Kenntnisse in Polen hochver-
dient; Opisanie roslin, Wilna 791. 8., Poczatki botani-
ki, W. 804. 2 Bde. 8. 2 A. Wilna 817. 8.," Zoologia,
Wilna 807. 3 Bde. 8. — Stanisl. Sfaszyc, Staatsr. und
Mitgl. d. Commission des Cultus und der Aufklärung,
Präsident der kgl. Gesell, d. Wiss. in Warschau, einer
der hochherzigsten und aufgeklärtesten Patrioten, durch
gehaltvolle Schriften über meiirere Zweige der vater-
ländischen Literatur rühmlichst verdient; die vorzüg-
liclisten darunter sind: Uwagi nad zyciem J. Zamoy-
skiego, W. 785. 8., Przestrogi dla Polski, 790. 2 Bde. 8.,
0 statystyce Polski, W. 807. 8., Epoki natury, a. d.
Franz. v. Buflon, W. 786. 2 A Kr. 803. 8., 0 ziemio-
rodstwie gor dawney Sarmacyi a pozniey Polski, W.
805. 8.; er übers. Kacine\s didaktisches Gedicht: Reli-
gia, W. 779. 8., Florians Numa Pompilius, W. 788. 2
475
Bde. 12., Homers llias in Hexanieteni ii. s. w. — Jos.
Hennann Osinski aus Mazowien, Piarisl (geb. 1738,
gest. 1802), über 30 Jabre öfl". Prof. der Nalurlebre in
W., verbreitete mündlicli u. scbriftlicb gründlicbe pby-
sikaliscbe Kenntnisse unter seinen Landsleuien; von s. 6
Werken aus diesem Facb nennen wir: Fizyka, \V. 777.
8. N. A. W. 801. 8. - Joh. Byslrzycki aus Wolynien
(geb. 1772), Prof. der Pliysik bei den Piaristen in War-
schau, Mitgl. mehr. gel. Gesell., fügte der Naturlebre von
Osinski noch einen zweiten Tbeil bei, W. 803. 8. 2 A.
W. 806. 2 Bde. 8. 3 A. W. 810. 2 Bde. 8., übers. Four-
croy's Chemie, W. 808. 8. u. s. w. — Liidw. Perzyna,
ein iMisericordianer, gab 5 medicinische Werke heraus
789. fF. — Leop. de Lafontaine (gest. 1812), Kg. Sta-
nislaus Augustus Leibarzt , später Generalciiinirg der
Armee und Inspector der Lazarete des Grosshrz. War-
schau, Ritter mehrerer Orden, redigirte eine polnische
medicinische Zeitschrift: Dziennik zdrowia, W. 801—02.
12 Hfte., und gab mehrere Schriften über die Heilkunde
heraus. — H. Dzmrkowsh', Ministerialrath, Decan der
med. Facult., bereicherte mit mehreren gründliclien Wer-
ken das Gebiet der Arzneikunde: Fizyologia, W. 810. 8.,
Patologia i Semiotika, W. 811. 8. u. s. w. — Jlex. Graf
Chodkieivicz , Obrist, Mitgl. mehr. gel. Gesell., gab
ausser andern gehaltreichen Schriften mathematischen u.
technologischen Inhalts , und ausser einigen Dramen,
eine polnische Chemie in 8 Bden 816. IF. heraus; der-
selbe besorgte Fuit dem Abbe Czarnecki ein Prachtwerk,
Bildnisse berühmter Polen mit kurzen Biographien 821.
fF. fol. — Andr. Sniadecki, Prof der Chemie u. Phar-
macie in Wilna, russ. kais. Hofrath, Mitgl. mehr. gel.
Gesellsch., macht in den physikalisch-chemischen Wis-
senschaften in Polen Epoche: Poczatki chemii, W. 800.
2 Bde. 8. 2 A. 807. 3 A. Wilna 816. 2 Bde. 8., Teorya
iestestw organicznych, W. u. Wilna 804 — 11. 2 Bde. 8.
teutsch V. Moritz Kgsb. 810 8. v. A. Neubig Nürnb.
821. 8., 0 rozpuszczcniu, Wilna 805. 8., Rozprawa o
nowym metalu w platynie, Wilna 808. 8. u. m. a. —
Mart. Odlanicki Poczobut (geb. 1728, gest. 1810), Prof
d. Math. u. Astron. in Wilna, Mitgl. mehrerer Akad. u.
476
gel. Gesell., der Giürider der Wilnaer Sternwarte, we-
gen seiner Verdienste um die Sternkunde im Auslande
wie im Inlande gleich geschätzt, schrieb polnisch: Po-
cza.tki geometrii Wilna 772. 8., 0 dawnosci zodyaku
egiptskiego, Wilna, 803. 4. — Job. Sniadecki, Prof. d.
Math, in Rrakau, nach ßroscius der verdienteste Wie-
dcrhersteller mathematisciier Studien in Polen; in allen
s. Schriften paart sich tiefe, gründliche Sachkenntniss
mit Reinheit, Correctheit u. Wollaut der Sprache: Ha-
chunku algicbraicznego teorya, Kr. 783. 2 Bde. 4., Geo-
gralia matem. i fiz., Wilna 809. 8., Rozprawa o Koper-
iiiku, Zywot Poczobuta, Hugona Kolfataia, Zawadow-
skiego, kl. akad. Schriften u. s. w., zuerst einzeln, dann
gesammelt: Pisma rozmaite J. Sn., Wilna 815. 2 Bde.
8. 2. A. 818. 3 Bde. 8. — Sebast. Graf Sierakowski,
gew. Kronhüter , Rector der Krakauer Hochschule,
Ritter mehrerer Orden, gab ein wichtiges Werk über
die Baukunst heraus: Architektura, Kr. 812. 2 Bde. fol.
mit Kupfern.
Noch haben sich in dieser letzten Periode um das
Gebiet der lyriscfien, didaktischen und historisch- epi-
schen Dichtkunst verdient gemacht: Adalb. Jakubowski,
Ritter und Brigadier, Benedict Hniewicz, Mart. Fiial-
kow.ski, gewesener Prof in Krakau, Joseph Kossakow-
sh\ (verschieden vom Bisch. Jos. Kossakowski), Marc.
filahiszewicz, Castellan von Bresc, Jo/i. Gorczyczewski
(gest. 1823), Kaz. Brodzinski, Prof Aesth. in War-
schau, Andr. Brodzinski, Kantorbery Timowski, Mart.
Molski, Obrist, Fabian Szitkiewicz, T. H. Lifynski.
Mich. Wyszkowski, Wlad. Ostrowski, Joh. Nowicki,
Clemens Nowicki, J. N. Zglinicki, Domin. Lisiecki,
F. Frankowski, Lndw. Skomorowski, Clemens Malecki,
Gorecki, Kicinski u. a. m.; m\\ das Drama: Mich. Bon-
cza Tomaszewski, Vinc. lyn. Marewicz, Jak. Adamczew-
ski, Adalb. Pekalski^ Notar beim W. Criminalgericht,
Lndw. Przesmycki, W. Miniewski, B. Kudlicz, H. L.
Zaleski, Franz Salez. Dmöcliowski, Karl v. Kalinowka,
lifn. Humnicki u. m. a. ; um das philologische und aesthe-
lisch-kritische Fach : Onuphrins Kopczynski aus dem
Gnesenschen (geb. 1735) Piarist , Mitgl. des Oberschul-
'477
coli., C. C. Mro7}gowiu.<(, Abbe in Warschau, Ad. Woijde
genannt Adamotn'cz, J. L. Cassius, Thnm. Szumski, Start.
Kleczeu'skt, Reforrnat der rnssisclien Provinz , Mich.
Dudzitish, Prof. d. Poetik in Minsk, Tliadd. Nowaczyjtski
(geb. 1717, gest. 1794), Piarist, Kaz. Wierhnsz, Prof.
am Warsch. Lycenm, G. Garszynski, Joh. Vinc. Banfkie,
Aloys Osijiski, Jos. Mrozmski, Sebast. Ziikowski, Prof.
dergriecli. Sprache in Wilna, /. Ä'. Sfef'azyns, Prof. d. al-
ten Literatur am W. Lyceum, Kajetan Kainienski (geb.
1758), Rector des Warsch. Piaristenconvicts, Mitgl. der
Gesell, d. Wiss., Karl Gottl. Woydc, reform. Prediger,
Chrph. Wiesioiowski, Mitgl. der Ges. d. Wiss., Jos. Zie-
linsh', Prof. am W. Lycenm, Ppf. Stetnialkowski, Felix
Chrzajiowski u. m. a. ; um die Kanzelberedsaiükeit: Adam
Prazmoirski, Greg. Zacharyaszeiricz, Vinc. Jakubowski,
u. m. a.; um die poln. Landes- und allg. Weltgeschichte
sammt Hilfswissenschaften : Tlieod. Waya, Piarist, Joh.
Graf Pofocki, Xav. Bohusz, Prälat u?id Ritter, Mitgl. m.
g. Gesell., Fei. Loyko, kgl. Kammerherr, Jos. Sotfyko-
wicz, Prof. in Krakau, Kaz. Chrominski, Joh. Sowinski,
Jos. Miklaszewski, Kajei. Kwiatowski, Vinc. Skrzefuski,
Jos. Falenski, Franz Siarczynski, A. N. Jodioivski, Karl
Wyrivicz, Jesuit, spater Abt (geb. 1716, gest. 1793),
Fürst Alexander Sapieha, Stan. Graf Borkowski, Zor.
Dol. Chodakoivski, u. m. a. : um die Rechtsgelahrtheit :
Xav. Szaniaivski, Alex. Kaiilfnss, Auf. Lahecki, Phil.
Jasifiski, Hier. Sfrnynowski, Fei. Siotwinski u. m. a.;
um die Philosophie : Sam. Chrosciskoivski, Piarist (geb.
1730, gest. 1799), Anf. Poplawski, J. E. Jankowski,
Prof. in Krakau, u. m. a. ; um die Staatswissenschaften:
Dominik Krysinski, Prof. in W., Jos. Rembieliüski, Anf.
Gliszczyiiski, Mich. Chonski, Fr. Hr. Skarbek u. a. m.;
um die Landwirtlischaft und Technologie: Anf. Trebi-
cki, Adalh. Gnfkowski, F. Bor. Piekarski, Ign. Mia-
czyiiski, J. W. Gross, A. Piatkoicski, J. F. S. Lopacinski^
Ph. Jak. Kobierzycki, Anf. Marcinoicski, Karl Gloc,Alex.
Graf Pofocki u. m. a.-, um die Naturgeschichte: Paul,
Czempinski, Joh. Mieroszewski, Roman Symonowicz.
Roch. Vinc. Karczeivski, Paul Korwin Pulatvski, Alex.
Kuszanski u. m. a. ; um die Naturlehre: Jos. Lisikietvicz,
478
Joh. Szeyt. Andr. Trzctnsh\ Jos. Krumlowski, W. Kio-
sowski, Waciaw Graf Sierakoivski, Georg Greg. Knia-
ziewicz, Onuphr. Markiewicz u, m. a. ; um das Fach der
Arzneikunde : Andr. Krupinski T. T. Weychart, Franz
Xaver Rgszkowski, Thomas Lopacinski, Thomas Chro-
ina, Vincent. Woynieivicz, Jos. Celinski, Ign. Fiialkow-
skt\ Jak. Szymkiewicz u. in. a. ; um die reine und ange-
wandte Mathematik sammt der bürgerlichen Baukunst :
Ignaf. Zahorowski., Ant. Dabrowski, Jos. Czech, Jos.
Jaknbowski, Jos. Leski, Patric. Skaradkiewtcz, Josaph.
Weglenskf, Aloys Czarnocki, Jos. Tniawski, Andr.
Lstrzycki, der Priester Gaivronski, Thadd. Gierykoivski,
Karl Kakowsh] Sim. Bielski, Jos. Rogalmskt , Pet.
Switkowski, Franz Skomorowskt, Peter Aigner u. a. m. ^)
") Quellen. Eiu Verzeichniss der Schriftsteller über die polnische
Literaturgeschichte bis 1814 findet man b. Bentkowski bist. lit. pol. I. Bd.
S. 1 — 73. — S. Staroiuolski scriptor. polon. hecatontas, Frankf. 625. 4.
Ven. 627. 4., Eb. de claris orator. Sarmatiae, Florenz 628 4. — A. We.glerski
systema bist. - chron. eccles. slavouicar., Utrecht 652. 4. Amst. 679 4. —
St. Lubienecki bist, reform, polonic, (Freistadt) o. 0. 685. 8. — D. Braun
de scriptor. polonic. virtut. et vitiis, Köln (eig. Eibingen) 723. 4. 739. 4. —
G. Lengnich poln. Bibliotb., Danz. 718. 8. — C. Niesiecki koroua polska,
Lemb. 728 — 43. 4 Bde. fol. — J. A. Zalaski bibliotb. poet. polon. W. 752.
4. — Eb. Magna bibl. polon. universalis Ms. 10 Bde. fol. — /. D. Janocki
kritische Briefe, Dresd. 745. 8., Literar. in Polonia instauratores, Danz. 744.
4., Literar. in Polonia propagatores, Danz. 746. 4., Nachrichten von raren
poln. Büchern, Dresd. 747. 8.- Polonia litterata, Bresl. 750 — 56. 8 Bde. 8.,
Specimen Catal. Codd. Ms. bibl. Zaluscianae, Dresd. 752. 2 Bde. 8 , Poln.
Büchersaal, Bresl. 756. 8., Excerptum Polon. literaturae, Bresl. 764 — 66.
4 Bde 8., Musar. Sarmatic. specimina, Bresl, 771. 8., Sarmat. literaturae
fragmenta, Bresl. 773. 8., Janociana sive claror. Polon. auctorum memoriae
miscellae, W. 776 — 79. 2 Bde. 8. 3r Bd. herausg. von S. G. Linde W.
819. 8. — L. Micler de Kolof Warsch. ßibl., W. 754. 8., Acta litteraria
regni Polon. , W. 756. 4. — M. D. (Duclos) essai sur. 1" histoire litteraire
de Pologne, Berl. 778. 8. — Kausch's Nachrichten üb. Polen, Graz 793. 2
Bde. 8. — K. Chrorninski o literaturze polsk., im Wilnaer Jahrbuch 1806. —
F. Bentkowski bistorya literatury polskiey, W. 814. 2 Bde. 8. — Stan. Grf.
Potocki pochwal'y, mowy i rozprawy, "W. 816. 2 Bde. 8. der2te Bd. enthält
9 Abhandl. über die poln. Literatur. — J. M. Grf. Ossolinski wiadomosci
historyczno-krytyczne do dzieiöw literat. polsk., Kr. 819. ff. 3 Bde. 8. — M.
II. Juszyiiski dykcyonarz poetöw polskich, K. 820. 2 Bde. 8 g — J. Sowinski
0 uczonych Polkach, Krzemieniec 821. 8. — G. Muanich Gesch. d. poln.
Liter. 823. 2 Bde. 8. — T. Szumaki krötki rys bist, literat polsk. ^824. 8.
Ferner gehören hieher die Jahrbücher der kgl. Gesellschaft der Freunde
der Wissensch. in Warschau, der Gesellsch. d. Wisseusch. in Krakau (bis
817. 6 Bde.), literarische Journale und andere periodische Blätter: vgl. §.
7. N. m. S. 78. 79.
Vierter Abschnitt.
Geschichte der Sprache und Literatur der Sorben oder
Wenden in den Lausitzen.
§. 55.
Historisch - ethnographische Vorbemerl<ungen.
Slawische Voliisstämme, von den Tentschen insgemein
Wenden genannt, erstreckten sich jemals im nördliclien
und östlichen Teutschland von der Elbe längs der Ostsee
bis zur Weichsel, und südwärts bis an Böhmen herunter.
Die einzelnen wendischen Stämme hiessen: 1.) Ohotri-
fen in Meklenburg, einst ein mächtiges Volk unter ei-
genen Königen. Heinrich der Löwe, Hzg. von Sachsen,
Nebenbuhler der Iiohenstaufischen Kaiser, rottete sie um
die Mitte des XII. Jahrli. beinahe ganz aus. Hierzu ge-
hören auch Polaber, \V(t(/rter, Linonen. 2.) Pommern
od. Wilzen , von der Oder bis an die Weichsel. Ihre
Fürsten verbanden sich il81 mit Teutschland, und star-
ben erst 1637 aus. 3.) Ukern od. Gninzwenden, He-
veller und Rhetarier in den fünf brandenburgischen Mar-
ken. Albrecht der Bär, Markgraf von Brandenburg, ein
Zeitgenosse und Nachbar Heinrichs des Löwen bezwang
und vertilgte sie gänzlich. 4.) Sorben zwischen der Saale
und Elbe, und 5.) Lnsitzer od. Lausifzer, in der Mark-
grafschaft Ober- und Niederlausitz. Die Sorben, oder
richtiger Serben ^j, und die Lusitzer bildeten ehedem
1) Die Aehnlichkeit ihres Namens mit den illyrisclien Serben ist wol
nur zufällig, oder stammt aus den uralten Zeiten her, indem beide zu zwei
ganz verschiedenen Hauptstämmeu gehören. Auch war es ein ganz unhaltbarer
Einfall Schöttgens, zu behaupten, dass die wendischen Serben aus Illyrien
fvHl
480
einen zalilreidien, nnabhängigen Volksstamni, und hatten
die ganze Gegend zwischen Böhmen, der Saale, Elbe u.
Oder inne. Ihre kümmerlichen Ueberreste, die Slawen
in der Niederlausitz, nennen sich selbst noch heutzutage
Ssershe, jene in der Oberlausitz hingegen Srhic. Das alte
Meissenland hiess ehedem bei den Böhmen auch Srbsko.
Dasjenige Land, welches die wendischen Serben besetzten,
ward vor ihnen von den Hermundurern, oder wie sie
in der Folge hiesscii, Thüringern bewohnt. Nach Zer-
störung iiires Reichs von den Franken und Sachsen im
J. 528 rückten die Serben hier ein, machten die vor-
gefundenen TeutscJien zu Leibeigenen, und hatten bald
nach ihrer Bekanntwerdung Feldherrn, Fürsten u. selbst
Könige. Sie dehnten ihre Herrschaft über das ganze
fjeutjge Osterland, Meissen, die beiden Lausitzen, das
Anhaltische, den Kurkreis und den südlichen Theil der
brandenbiH'gischen Marken aus. Die teutschen Schrift-
steller nainiten sie von jeher Wenden, entweder weil
i>sie aus dem alten Wendenlande an der Ostsee n. Nie-
derwcichsel kamen, oder weil sie ihren wahren Namen
nicht wussten. Nach ihrer Bezwingung und der Zerthei-
lung ihres Landes in Marken im X. Jahrh. wurden sie
häufig mit teutschen Colonisten untermischt, besonders
in den waldigen und gebirgigen Gegenden, welche die
Slawen, die lieber in der Ebene Ackerbau trieben, un-
angcbaut gelassen haften, daher man in dem Osterlande
und Erzgebirge mehr Dörfer mit teuisciien, als mit sla-
wischen Namen antrifft. Die Städte wurden ohnehin mit
lauter Teutschen besetzt. Dennoch erliielt sich ihre Spra-
che in den von ihnen bewohnien Gegenden noch gerau-
me Zeit — in Leipzig hörte man im .]. 1327 auf srbisch
(syrbisch) zu sprechen — bis etwa in (las XIV. Jahrb.,
da ihr Gebrauch vor Gericht verboten ward, worauf
sie nach inid nach völlig ausstarb, b5s auf wenige Wör-
ter, welche sich noch hin und wieder auf dem Lande
eingewandert seyen, obgleich Ritter uiul andore denselben nachschrieben.
Ob sie, oder die^illyrischcn Serben diejenigen Serben sind, welche zn Pto-
loniäi Zeit noch an der Wo!i>d, fünfzig Jahre darauf aber, zu Plinii Zeit,
schon in der Krim sassen, wird sich jetzt wol nicht be.stimmea lassen.
Adelungs Mithridates II. 680. vgl. oben'§ 20. Anm. 1. S. 192.
481
erhalten liaben ^). Nur in den beiden Lausitzen haben
sicli wegen deren langer Verbindung mit ßöliinen be-
trächtliche Ueberreste von ihnen erhalten. Auch in
Meissen befinden sich an der Oberlausitzischen Gränze
noch verschiedene mit AVendcn besetzte Dörfer; allein
diese haben ehedem insgesammt zur Oberlausitz gehört.
— Lnzice bedeutet im Slawischen ein niedriges und
sumpfiges Land, welchen Namen die Niederlausitz, be-
sonders in ihrem ehemaligen Zustande, mit Recht fah-
ren konnte. Auch hat sie ihn ehedem allein geführt,
denn auf die höhere und gebirgige Oberlausitz ist er erst
spät übergegangen. Die vormalige Markgrafschaft Lau-
sitz, bestehend aus zwei verschiedenen Theilen , der
Ober- und Niederlausitz, gehörte, als eine wendische
Provinz, ursprünglich nicht zum teutschen Reiche. lui
Mittelalter besassen die Markgrafen von xMeissen bald
die eine, bald die andere, bald beide, verloren sie aber
wieder. K. Karl IV. verleibte 1355 die Oberlausitz,
und 1370 die Niederlausitz dem Kgr. Böhmen ein, bei
welchem sie bis zum Prager Frieden 1636 verblieben,
worin sie dem sächsischen Hause, dem sie seit 1620 ver-
pfändet waren, mit aller Hoheit erblich und eigenthüm-
lich abgetreten wurden, jedoch als böhmische Lehne,
die, wenn der Mannsstamm der Kurlinie und der (1672
ausgestorbenen) altenburger Linie erlöschen würde, vom
Kge. von Böhmen gegen Erstattung der Hauptsumme wie-
der zurückgenommen werden könnten. Sachsen blieb
seitdem in dem Besitze beider Lausitzen, wozu 1807
noch der Kottbuser Kreis geschlagen wurde, auch re-
nunciirte in der Folge Böhmen auf die 1636 festgesetz-
-) Aus der Vermiscbuug dieser Slawen mit Franken und Sachsen hat
sich seit dem X. Jahrb. die obersächsische Mundart gebildet ; der slawische
Miind milderte die Rauheit germanischer Tone. ä. Kopitar's Gramm, d.
krain. Sprache Vorr. VI. — Samuel Grosser, Rector am Görlitzer Gymna-
sium, schreibt in seinen Lausitzer Merkwürdigkeiten folgendes : „Von den
slawischen Nationen sind bis diese Stunde uralte adelige Geschlechter in
Teutschland vorhanden ; alle können leicht aus der Endung itz, ik, nik,
oiv u. s. w., und der Bedeutung ihrer Geschlechtsnamen erkannt werden,
z. B. Lottitze (von Lutitiis) , Stutterheime (von Stoderauiis), Dahuitze (v.
Daleminciis), die Milken (v. Milcieniis). So auch Nostitz, Maltitz, Ga-
blenz, Tersky. Ja selbst Leibnitz, Lessing (eigentlich Lesiijk, ein Lausi-
tzer von Kamenez), Krefschmar, Tscherning und viele andere sind ursprüng-
liche, aber germanisirte Slawen."
31
482
ten Rückfallsbedingnngen; aber bei der Theilmig von
1815 innsste die ganze Niederlausitz und die Hälfte der
Oberlausitz nach einer bestimmten Demarcationslinie an
Preussen abgetreten werden. ^)
Etwa zweimalbunderttausend noch bis auf den heu-
tigen Tag slawisch redende Nachkömmlinge jener der-
einst so mächtigen Sorben und Lusitzer, in den sächsi-
schen und preussischen Antlieilen der beiden Luusitzen,
bieten dem slawischen Ethnographen, Historiker und
Philologen eine nothdiirftige Nachlese aus der Vergan-
genheit und Gegenwart dar. Die Oberlausitzer Wenden
bewohnen denjenigen Theil der Provinz Lausitz, der
Sachsen geblieben ist, und machen hier ungefehr ein
Fünftel der Bevölkerung aus, ferner einige auf dem rech-
ten Eibufer belegene Aemter des sächsischen Kreises Meis-
sen (Stolpen u. s. w.; in Remissau und andern Strichen
auf dem linken Ufer der Elbe hat sich die wendische
Sprache ganz verloren), zuletzt die der preussischen Pro-
vinz Schlesien, Kegirungsbezirk Licgnitz , einverleibten
Kreise der ehemaligen Oberlausitz : Lauban , Görlitz,
Rothenburg, insgesammt gegen 100,000 Menschen. Die
Niederlausilzer Wenden hingegen wohnen in der heuti-
gen Preussischen Provinz Brandenburg, Rcgirungsbezirk
Frankfurt , besonders in den Kreisen: Guben, Sorau,
Lübben, Luckau, Sprcmberg, Hoyerswerda und Kott-
bus, ferner in der ebenfalls j)reussisclien Provinz Sach-
sen, im östlichen Tlieile des Regirungsbczirks Merseburg,
doch nur in einzelnen Dörfern; ihre Zahl mag ebenfalls
nieht 100,000 übersteigen. Von der Gesammtzahl der
Sorbenwenden, voji denen etwa der vierte 'J'heil katho-
'J Die llauptquello ist liehnolä bis 1170, und sein Fortsetzer Ar-
nold bis 1209, berausg. v. II. Barnft-rf, Lübbcii G59. 4. — F. A. Jiodloff
Handb. d. Mckloiib. Gcscb., Schwerin 780—91. 8. — Th. Kanzowen Pome-
rania, berausg. H. G. L. Kosegarten, Greifswald 816. 8. — J. Micrälius
altes und neues Pommern, Stettin 639. 4. 723. 4. — Th. H. Gadebusch
Gruiidriss d. i)ümniern. Gesch., Strals. 778. — A. G. Schivarzii bist, fiuium
principatus Rugiae, Greifswald 734. 4. — M. v. Normann wendisch-rüg.
Landgcl)raucb, Stralsund 777. 4. — C. G. Hofmanni scriptores rer. Lusat.,
Lpz. 719. 4 Ilfte. fol. — {Zobel) Verzeicbn. Oberlaus. Urkunden. Görlitz 799.
4 llfte 4. — Ch. Gl. Küuffer Abr. der Oberlaus. Gesch., Görlitz 803. 3 Bde.
8. — F. G. Richter Gesch. und Topogr. der Staut u. llerrscliaft Pulsuitz in
der Oberlaus., Dresd. 804. 8. - J. F. Beuch Gesch. u. Beschreib, der Stadt
Kottbus, berausg. v. Bernoulli, Berl. 785. 8. —F. F. Kanngiesser's Bekeh-
rungsgescbichte der Pommei'ü zum Christeuthume Greifsw. 824. 8.
483
lisch, die übrigen aber evangelisch sind, stehen nnge-
fehr 150,000 nn(er prenssischer, und 50.000 unter säch-
sischer Botmässigkeit. ^)
§. 50.
I
Sprache und Literatur der Sorbenwenden in der Oberlausitz.
Die Sprache der Sorben in der Oberlansitz unter-
scheidet sich beträchtlich von jener der Sorben in der
Niederlausitz; letztere nähert sich nämlich mehr dem
Polnischen, erstere dem Böhmischen, so dass man sie
füglich als zwei besondere Mundarten betrachten kann.
Der Oberlausitzer Wende spricht mit dem Böhmen und
Slowaken //, während der Niederlausitzer Wende die
Aussprache g statt h mit dem Polen gemein hat. Das
zischende böhmisch-polnische r (rr) hingegen ist den
Sorbenwenden in den beiden Lausitzen, eben so wie
dem Slowaken, ganz fremd. Dass übrigens unter den
obwaltenden Umständen die Sprache eines so kleinen,
dürren Volkszweiges, als der Sorbenwendische gegen-
wärtig ist, stark germanisirt seyn müsse, leuchtet von
selbst ein. Sie hat z. B., gleich der teutschen, einen Ar-
tikel u. s. w. ^)
lieber die Cultur der Sorbenwenden wissen wir
vor der Verbreitung des Christenthums unter denselben
so gut als gar nichts. Kein aufgezeichneter Volksgesang
der Slawen an der Elbe aus den Zeiten des Heidenthums
*J K. G. Antons u. a. Provhicialblätter, Dessau u. Görlitz 781 — 83.
6 St. 8. — Eh. Lausitz. Moiiatssclirift, Görlitz 793-804. 8 Neue Laus.
Monatsschrift, eb. 805—08. 8. — J. G. Niiumanns neues Laus. Magazin,
Görl. 82L ff. 8. N. G. Leske Reise durch Sachsen, Lpz. 785. 2 Hfte 4.
Im Auszuge u. d. Titel : Oberlaus. Merkwürdigkeiten, eb. 794. 4 — Reise
durch Kursachsen in die Oberlausitz, Lpz. 805 8. — {Ch. G. Schmidt's)
Briefe über die Niederlausitz, Witteub. 789. 8. — Engelhardt Evdheschv. d.
Markgr. Ober- u. Niederlausitz, Dresd. u. Lpz. 800. 2 Bde. 8.
^) Sprachhücher. Grammatiken: J. Ticini principia linguae Ven-
dicae, Prag 679. 782. 12. — Z. J. Bierling orthographia vandalica, Bautzen 689.
8. — G. Matthäi wendische (oberlausitzische) Gramm., Bautzen 721. 8. —
Bierling didascalia, (d. i. wendische Schreib- u. Leselehre nach d. Budissi-
nischen Dialekt), Bautz. 639. 8. — Charakter der oberl. Sprache in d. Laus.
Monatsschr. 797. S. 212 ff. v. K. G. Anton. Wörterbücher : A. Frenzeis
oberlaus. Wörterb. Ms. — G. Augustin Swotlik vocabularium latino-serbi-
cum, Bautzen 721. 8.
Civ^T M' ^, i-'irr^'^
484
erreichte unsere Oliren. Aber selbst nach ihrer Bekeh-
rung zum Christenthume liess man sie Jahrluniderte lang
unter dem härtesten Lruck und in der tiefsten Verach-
tung scinnachtcn; kein Lichtstrahl der Aufklärung drang
durch die düstern Wolken der Finsterniss zu ihnen herab.
Erst mit der Verbreitung eines mildern humanen Geistes
in Europa wurde ihr Schicksal erträglicher; und erst
seit der Reformation fingen sie an, ihren Dialekt zu
schreiben. Zwar wollte man noch im XVII. Jahrb., be-
sonders nach dem 30jährigen Kriege, ihre Sprache völ-
lig ausrotten, und setzte dalier überall teutsche Predi-
ger ein, wodurcii denn auch wirklicli in kurzer Zeit
sechzehn Pfarren teutsch geworden sind; allein mit dem
Anfange des XVlll. Jalirh. ward man endlich doch ver-
nünftiger und duldsamer, und liess ihnen ihr natürliches
Recht der angestammten Sprache. Lange Zeit war die
lausitzische Ortliographie und Grammatik schwankend,
und blieb es zum Theil bis heute noch. Der Jesuit Jakob
Ticiniis von Witgenau aus der Lausitz, rieth in einem
Büchlein 1679 an, die böhmische Orthographie auf die
wendische Sprache anzuwenden; aber die Wenden befolg-
ten nicht seinen Rath ^). Zach. Job. Bierling, Pastor zu
Porschwitz, führte endlich die bis dahin sehr schwan-
kende Rechtschreibung 1681) auf bestimmte Regeln zu-
rück, die noch heutzutage befolgt werden. Seine Schreib-
methode ist ein Gemisch aus der teutschen und böhmi-
schen. Im J. 1716 waren die Wenden so glücklich, eine
eigene Anstalt zu Leipzig, und im J. 1749 eine zu Wit-
tenberg, zur Bildung wendischer Prediger, zu erhalten.
Nun bemüheten sie sich, ihre Sprache emporzuheben.
Durch die vielen Religionsschriften , welche von allen
Seiten erschienen, ward sie auch nach und nach so
ausgebidet, dass der ehemalige Prediger zu Neschwitz,
Georg Mö/in, es wagen konnte, einige Gesänge aus
Klopstock's Messias in selbige metrisch zu übersetzen.
Jetzt ist in dieser Mundart, die in verschiedenen Ge-
^) In der Dcdication an den damaligen Administrator des Meissner
Bistl'.ums Marl. Kerd. Brückner von Brückenstein sagt der Vf.: Quod nul-
lus, quantum mihi perspectum est, venedici idiomatis über hactenus ab
uUo Catho!icoi-um prodierit, unicum fuissc puto irapedimentum, orthogra-
phiae certae ac universalis defectum.
485
gcnden (z. B. um Löbaii, Kainenz, Muskau) verscliie-.
den, um Bautzen (Budissin), wie man glaubt, am rein- |\
sten gesprochen wird, nicht nur eine vollständige Bi-
belobcrsetziing ^), sondern auch eine Grammatik nebst
andern brauchbaren Büchern vorlianden. Eifrige Seel-
sorger fahren noch immer fort, ob sie gleich den frü-
hern oder spätem Untergang ihrer Landessprache be-
fürchten zu müssen glauben, das Volk von Zeit zu Zeit
wenigstens mit Erbauungsschriften zu versehen. '')
§. 57.
Sprache und Literatur der Sorbenwenden in der Niederlausitz.
Die Niederlausitzer Wenden kannten eben so, wie ihre
Nachbarn und Brüder, die Serben in der Oberlausitz,
obschon am Ausgange des XL Jahrb. das Christenthum
bei ihnen herrschend war (die völlige Einführung des
Christenthums unter diesen Slawen geschah theils mit
Gewalt durch Boleslaus, theils durch Ueberredung und
Belehrung, vorzüglich durch den frommen Bischof Benno
von Meissen, geb. 1010, gest. 1106, dem sein heiliger
Eifer für das Werk der Bekehrung der Slawen den Na-
men eines Apostels derselben erwarb), bis zur Zeit der
Reformation die Wolthat der Buchstaben und der Schrift
in ihrer eigenen Landessprache nicht. Erst um diese Zeit
richteten sie die teutschen schwabacher Buchstaben nach
eigener Combination für ihre Mundart ein, und seit 1574,
^) Bibeln iu der oberlaus. Mundart: Mattbaeus uad Markus Bautzen
760. 4. V. Micb. Frenzel Fast, in Postwitz. — Der Br. au d. Römer u. Galater
eb. 693. 8. v. eb. — Epistolae et evangelia, iussu speciali statuum Super.
Lusatiae, interprr. P. Praetorio, Tob. Zschuderly, Jo. Christph. Krügero, Ge.
Matthaei et Mich. Raezio, Bautz. 695. 8. — Das ganze N. Test. Zittau 706.
8. V. Mich. Frenzel. — A. Testament, Psalter ßautz. 703. 8. v. G. Matthaei.
Jesus Sirach eb. 710. 8. von eb. Jesus Sirach Löbau 719. v. G. Dumischen.
Die Sprüche, der Prediger, das hohe Lied. u. Jesus Sirach eb 719. 8. v.
Chr. Leonhard. — Ganze Bibeln. Bautzen 729. 4. für die evangelisch luther.
Gemeinen durch Job. Lange, Pf. zu Milkel, Matth. Jokisch, Pf. in Gebel-
tzig, Job. Böhmer, Pf. in Postwitz, u. Job. Wauer, Pf. zu Hochkirch. —
Bautzen 742. 8. Dieselbe. — Bautzen 797. 4. Dieselbe, Aug. Swotliks kathol.
Bibelübers. ist zu Bautzen in Ms. vorhanden,
*) Quellen. Abr. Frenzel (Pf. in Schönau) de origine linguae So-
rabicae L. IL, Bautzen 699. 4. - M. G Körner (Pf. zu Bockau) philolo-
gisch-kritische Abhandlung von der wendischen Sprache und ihrem Nutzen
in den Wissenschaften, Lpz. 766, 8. — Chr. Knauth Kirchengeschichte der
486
als wo (las erste bekannte Buch in dieser Mundart, Albini
MoUeri Gesangbüclilein, Katechismus und Kirchenagende
Budiss. 1574. 8., gedruckt wurde (Dobrowsky Slowanka I.
181.), erschienen nicht nur einige Sprachbücher ^), zahl-
reiche Erbauungsschriften, sondern auch eine vollständige
Bibelübersetzung in ihrer Landessprache '^). Bei alle dem
ist die Abnahme der slawischen Sprache in der Nieder-
lausitz, wo sie zugleich am meisten mit teutschen Wör-
tern und Formen vermischt ist, immer sichtbarer. Ehe-
dem gehörten zur Niederlausitz auch die Herrschaften
Beeskow und Storkow in der Kurmark, deren jene jetzt
dem Regirungsbezirk Frankfurt , Kreis Lübben , diese
dem Regirungsbezirk Potsdam, Kreis Teltow-Storkow
einverleibt ist. Mr. Christoph. Treuer, welcher um 1010
Inspector zu Beeskow und Storkow war, hatte noch 40
wendische Kirchen in seiner Inspection, aber schon in
der ersten Hälfte des XVlIl. .Jahrh. gab es keine einzige
mehr, und das Wendische ist jetzt daselbst völlig unbe-
kannt. In den übrigen Theilen des Regirungsbezirks
Potsdam hat sich die sorbische Mundart noch fridier
ganz verloren; um Kottbus hingegen, in den aus der
ehemaligen Niederlausilz gebildeten Kreisen des Regi-
rungsbezirks Frankfurt, ist sie, nicht nur auf dem Lan-
de, sondern auch in den Städten, noch bis auf den heu-
Sorbenweiulen, Görlitz 767. 8. (Enthält S. 386 — 426 ein Verzeichüiss der
Oberlausitzischen Schriftsteller). — Chrph. Faber acta historico-ecclesia-
siica Th. 10. S. 519. — K. G L. Dietmann die gesammte der A. C. zuge-
tbane Priesterschaft in d. Markgrafth. Oberlausitz, Lauban. 778. 8. — J. G.
Mülhr Versuch einer ohcrlaus. Reformationsgesch., Görlitz 800. 8. — Kur-
zer Entwurf einer Oberlausitz-Wcndischen Kirchenbistorie S. 217. ff. enthält
ein Verzeichniss der Schriften in dem Oberlaus. Dialekt. — G. F. Otto Le-
xicon der seit dem XV. .Jahrb. verstorbenen und jetzt lebenden Oberlaus.
Schriftsteller und Künstler, Görl. u. Lpz. 800 03. 2 Bde. 8.
^) Sprachbücher. Joh. Choinani kurze wendische (niederlausitzische)
Grammatik Msc. — ' Mr. J. G. ILwptmann wendische (niederlausitzische
Sprachlehre, Lübben 76'. 8. - Kurze Anleitung zur wendischen Sprache,
nebst einem kleinen Wörterbuche, vom J. 1746. (Besass Dr. Anton in Gör-
litz.) — .7. F. Fritze wendische (niederlausitzische) Sprachlehre , Msc.
(Besitzet Hr. Abbe Dobrowsky). Wörterbücher: H. Megiseri thesaurus
polyglottus, Frankf. a. M. 603. 8. (enthält niederlaus. Wörter.) — G. Kör-
ner wendisches (niederlausitzisches) Wörterb. Msc. (Besass Dr. Anton in
Görlitz.) — G. Fabricins niederlausitzisch-wendisches Wörterb. Msc. (Ade-
lung Mitbridates IL 685.)
-) Bibeln in der uiederl. Mundart. N. Testament: (Kottbus) 709. 8.
teutsch u. wendisch v. G. Fabricius, Pred. zu Kahren. (Kottbus) 728. 8.
Dasselbe. Kottbus 788. 8. Dasselbe. —A. Testament Kottbus 796. 4. (v. J. F.
Pritze, Pred. zu Kolkwitz).
487
(igen Tag gangbar. Zugleich ist der Kottbusische Dia-
lekt unter den niederlausitzischen Varietäten der reinste
und beste; daher aucli die Religionsscliriften darin aus-
gefertigt werden. ^)
§. 58.
Sprachüberreste desPoiabischen oder Linonisch-Wendischen.
Unter den Slawen, welche eliedem das ganze nördli-
che Teutschland von Holstein an bis nach Kasubien be-
wohnten, waren die zwei Stämme, der Obotriten im
Westen, und der Wilzen od. Pommern im Osten, die
grössten und mächtigsten. Allein beide sind den Sitten
und der Sprache nach längst ausgestorben. Das Vater
unser, welches Wolfg. Lasius de migrat. gent. B. 12. S.
787. fiir iMeklenburgisch-Wendisch ausgibt, welches zu
seiner Zeit ohnehin längst ausgestorben war, ist rein
lettisch. In Pommern starb der letzte, der noch wen-
disch reden konnte, bereits 1404 '). Nur in dem öst-
lichen Winkel des, dem jetzigen Königreiche Hanover
einverleibten , Fürstenthums Lüneburg, in den Aemtern
Danneberg, Lüchow und Wustrow, zwischen der Elbe
und Jeetze, hatte sich bis auf die neuern Zeiten ein
Haufen von dem obotritischen Hauptstamme erhalten,
welcher noch wendisch redete und dachte, obgleich sehr
mit dem Teutschen vermischt; wie es aus den wenigen
Sprachüberresten, die man verzeichnet hat , erhellet.
iMan nannte sie gemeiniglich Polaben (von Labe, Elbe),
und ihre Mundart, die Polabische, allein, nach Adelung,
mit Unrecht. Nach ihm ^) sollten diese Wenden nicht
Polaben^ denn diese wohnten im Lauenburgischen und
Ratzeburgischen, sondern lieber Linonen, Leiner-Wen-
') Quelleyi. Cli. Knauth Kirchengesch. d. Sorbenwenden , Görlitz
767. 8. (enthält ein vollständiges Verzeichniss aller bis dahin in nieder-
laus. Mundart gedruckten Bücher S. 386—426). — D. Ch. K. Guide ver-
zeichnete die in der niederlausitzischen Sprache zum Druck beförderten
geistlichen Schriften im Lausitz. Magazin 1785. S. 211—230.
1) Adelungs Mithridates II. 688. — Ueber die obotritischen , in
Meklenburg entdeckten Denkmäler, vgl. oben §. 2. Anm. 2. S. 13.
») Mithridates II. S. 689.
488
den, von der Leine, slawisch Linac, heissen. lieber
den frühem Zustand der Folabischen oder Linonischen
Mundart wissen wir nichts; der erste, der über dieselbe
einiges zu Papier gebracht, und der Nachwelt überlie-
fert hat, ist Christian Henning Pastor zu Wustrow, um
1690. Was derselbe über die hinoburgischen Wenden
und ihre Sprache vor und zu seiner Zeit berichtet, ist
kurz folgendes: „Sobald ich zum Prediger dieses Orts
befördert worden, habe ich mich nach einigen Urkun-
den in dieser (wendischen) Sprache bemühet, aber ver-
gebens; nachdem in dieser Art, meines Wissens, nie-
mals was geschrieben worden, auch nicht können ge-
schrieben werden, weil Niemand von dieser Nation in
den vorigen Zeiten lesen oder schreiben können. Die
nachher den Studien sich gewidmet, und entweder von
väterlicher oder mütterlicher Seiten, oder auch von bei-
den wendischen Herkommens waren, haben sich dessen
mit Fleiss enthalten, um sich nicht zu verrathen, dass
sie wendischen Geblüts sind, welches sie ihnen schimpf-
lich haltend bei Fremden möglichstermassen verhehlet ha-
ben. Andere, die niclit ihrer Nation waren , haben
noch weniger darauf gedacht, ohne Zweifel, weil sie
es für ein Werk angesehen, dabei weder Nutzen noch
Ehre zu erjagen. Die Predigten, welche der berühmte
Lehrer Bruno, der mit allem Recht der Meklenburger
Wenden Apostel kann genannt werden, in dieser Spra-
che gehalten und beschrieben, sind nicht mehr vorhan-
den, sie wären sonst eine unschätzbare Antiquität. Als
denn nun nichts auszuforschen gewesen, habe ich einige
Curiositäten von den nocii häufig in Schw-ange gehenden
Gebräuchen und Aberglauben der hiesigen Wenden ge-
sammelt, um selbige gegen die Gebräuche und Cerimo-
nien anderer heidnischen Völker zu halten , und mit
einigen Anmerkungen an das Licht zu stellen Allein der
grausame Brand, darin 1691 alle meine Habseligkeiten
in Rauch aufgegangen, hat diesen meinen Vorsatz un-
terbrochen. Nach der Zeit habe ich die Ehre gehabt,
mit unterschiedlichen vornehmen Leuten bekannt zu wer-
den, welche ein sonderliches Verlangen bezeuget, was
von dieser Sprache zu sehen. Etliche Hessen gar einige
489
Personen vor sich koinmeii, und befragten sie drum,
sclirieben iuich einige W()r(er ans deren Munde auf. Hier-
durch wachte die bereits verstorbene Begierde nach die-
ser Sprache wieder bei mir auf, und ich trachtete da-
hin, sowol meine, als anderer Curiosität zu vergnügen.
Es liess sich zwar selir scliwer an, und schien, als ob
ich eine ganz vergebliche Arbeit vorgenommen hätte.
Denn erstlich wollte mir keiner von den Wenden ge-
stehen, dass er noch was davon wrtsste, aus Sorge, mei-
ne Nachfrage würde auf einen Spott und ihre Verhöh-
nung hinauslaufen ; nächst dem war es lauter einfältiges
ßauernvolk, welches insgemein eben so wenig Ursache
von diesem und jenem Worte zu geben weiss, als an-
dere gemeine Leute in andern Sprachen. — Jetziger
Zeit reden hier herum nur noch einige von den Al-
ten wendisch, und dürfen es kaum vor ihren Kin-
dern und andern jungen Leuten, weil sie damit aus-
gelacht werden. Denn diese, die Jungen, haben ei-
nen solclien Ekel vor ihrer Muttersprache, dass sie sie nicht
einmal mehr hören, geschweige denn lernen mögen.
Daher unfehlbar zu vermuthen , dass innerhalb 20,
zum höchsten 30 Jahren, wenn die Alten vorbei, die
Sprache auch wird vergangen seyn , und man so-
dann keinen Wenden mehr mit seiner Sprache allhier
wird zu hören kriegen, wenn man gleich viel Geld
drum geben wollte." Henning sprach im prophetischen
Geiste — und — bis auf das viele Geld — w^ahr. Im
J. 1751 wurde in Wustrow zuletzt Gottesdienst in wen-
discher Sprache gehalten ^). Die Wenden zwar waren
noch in der letzten Hälfte des XVIII. Jahrh. in ihrem
Wesen vorhanden; allein da die Beamten unaufhörlich ^
an dem Untergange ihrer Sprache arbeiteten, so ist sie -^
nunmehr , nach der Versicherung neuerer Reisenden,
völlig ausgestorben, und die Einwohner reden jetzt ein
eben so verderbtes Teutsch , als ehedem verderbtes
Wendisch. Eine Sprachlehre dieser Mundart trat nie ans
Licht, und das Wörterbuch, welches der erwähnte Pa-
stor Henning mit grosser Mühe, aber auch mit einer
äusserst ungelenken Orthographie und Entstellung der
») Hassel Handb. d. Erdbesch. 1 Abth. 4 Bd. S. 507.
490
slawischen Laute, ans dem Munde eines Klenower Bauern,
Johann Janieschge, seines Zuhörers, niedergeschrieben
hat, und welches sich später in dem Besitze des Dr. An-
ton in Görlitz befand, blieb, einige in der Slowanka I.
1 — 11. mitgetheilte Wörter ausgenommen, bis heute
ungedruckt. Ausser ihm haben PfefFinger, luspector in
Lüneburg 1698, Domeier u. a., Lüneburgisch-Wendi-
sche Wörter gesammelt. Nach diesen Wörtersammlun-
gen näherte sich die Sprache, so wie die Niederlausi-
tzisch - Wendische, dem Polnischen, hatte aber doch
ihre Eigenheiten. Der polnische Rhinesmus herrschte
nach tiefen Vocalen dtirchgänglg, z. B. riinka für ru-
/{((, prnni für prüf; die Veränderung der Vocale fand
häufig statt, besonders des o in i, z. B. snip für snop.
srehri für srebro ; den Yorsciilag iv vor einem o, z. B.
wosa für osa, watgi für oko hatte sie mit der böh-
mischen und sorbenwendischen Mundart gemein. ^)
') Eine Grammatik des Lüneburgisch- Wendischen soll Schmersahl
in Zelle handschriftlich besessen haben, sie ging aber in einer Feuersbrunst
zu Grunde. — Ch. Henning' s vocabularium venedicura, teutsch-wendisch.
Msc. besass Dr. Anton in Görlitz. — /. F. Pfeffinger''s vocabul. vened.,
steht in Eccardi bist, studii etymol. linguae gerrhan., Han. 711. 8. S. 169
ff. S. 268 — 305, — Frisch bist, lingu. Slavonicae Cont. III. 730. S. 11. —
M. Eichel/ Hamburgisches Idiotikon, Harab. 75.5. 8. Vorr S. 25. — J. G.
Domeier's Samml. Liineburgisch-wendischer Wörter (aus den Papieren
eines wend. Predigers) in der Hamburg, verra. Biblioth. Th. II S. 794—801.
— J. Potocki voyage dans quelques parties de la Basse-Saxe, Hamb. 795
4. enthält S. 45 — 63. ein Vocabulaire slave , von einem Edelmanne, v
Plato, bei Lüchow, ~ J. Z>o6rou'«Ä-3/' Slowanka Bd. L S. 1—26, II. 220—28
Zusätze und Berichtigungen.
S. 4 Z. 9 ff. und S. 480 Z. 17 ff. Rücksichdich des
Namens Winden , Wenden , trete ich
der iVieinung derjenigen bei, die es
für identisch mit Hindu, Indier, halten.
Vgl. J. Junqmann's hist. lit. ceske
(825) S. 2. *
*S. 1 1 Anin. Stanisl. Sestrencewic Bogus Recher-
ches historiques sur Torigine des Sar-
mates, des Esclavons et des Slaves,
S. Petersb. 1812. 4 Bde. 8; Precis de
recherches histor. sur Porigine des
Slaves ou Esclavons et des Sarmates,
et sur les epcques de la conversion
de ces peuples au Christianisme, 2
ed. revue, S. Petersb. 1824. 4.
S. 11 Z. 35 /. M. Kral Släwowe, praotcovve Cechu
a bytedlna sjdla gegich, w Kral. Hr.
825. 8. (Ist nur eine durch unzählige
Fehler verunstaltete Uebersetzung des
schon angefidirten Aufsatzes von Schwa-
beuau. Dobr.) — Gr. Dankowsky Frag-
mente zur Gesch. der Völker ung. u.
slaw. Zunge nach den griech. Quellen
bearb. 1 Heft. Pressb. 825. 8.
*8. 13 — 5 Krodo ist der sloven. Krt^ Saturnus.
Vergeblich leugnet Delhis in e. Schrift
1826 die Existenz des Crodo.
S. 13 — 31 M. Popow opisanije drewnjago slaw-
janskago basnoslowija. S. P. 768. 12.
— A. Kajsarow slaw. i ross. my-
thologia M. 810. 12. — P. Sfrojew
kratkoje obozrenije myth. Slavvjan ross.
M. 815. 8. — P. J. Ljwow kartina
492
slaw. firewnosli S. P. 4. — G. S.
Bantkie dzieie kiöl. polsk. (820) Bd.
1. S. 121 — 147. - F. J. Mone
die Religionen der finn. slaw. n. skan-
din. Völker (d. 5. Band v. Crenzers
Symbolik u. iMvlliologie} Darmstadt
823. 8.
*ebd. F. v. Hagenow Beschreibjnig d. Ru-
nensteine zu Neu-Strelitz u. Erklärung
der Inscbrifteu etc. Loitz u. Greifsw.
1826. 25 S. 4. m. 14 Holzsclin. (Bei
dieser Gelegenheit erklärt H.die Masch'-
schen Idole — verschieden von diesen
Runen — für eclif, wie auch Lewezow
dafür hält.) — A. Tkäny, Prof. in
Znaim, Mytbologie d. alten Teutschen
u. Slawen, Zuaim 1827. 8. 2 Bde., al-
phabetiscb, Compilation.
*S. 24. Nacb schriftlicher Angabc des kathol.
Biscbofes von Bosnien beim k. k. Hofe
(ungefähr im J. 1826) enthielt Bosnien
1,000.000 Einw. , darunter 500.000
Mohamedaner, 500.000 Christen, wor-
iHiter wieder 320,000 griechischgläu-
bige und 180,000 katholische.
*— 25 Z. 1 Im J. 1818 nach II... g Heise durch
Dalmat. (I. 118) in den Kreisen Zara,
Spalato , üVIakarska , Ragusa, Cataro
224,077 Kath. 61,164 Griech. 401 Ju-
den, zusammen 305,642.
*_ 35 ._ 40 (Gelemus) 557 1. 537. — F. Graef
Commenlat,, qua lingua graeca et latina
cum slavicis dialectis in re gramma-
tica comparantur , Specimcn I. S. P.
1827. 8.
* — 49 — 9 „Slowäci, Slowäw ! Wseciste gednaci,
Akoby was mala jedna sladka mati!"
— Slowak. Volkslied.
— 69 — 25 Joh. Merkel Elementa graminaticae
ling. slav. univers. ex dialectis vivis
493
S. 74 Z. 18
*S. 93 Anm.
114
*- 114 -
enita et ad principia logicae exacta.
Ms, (182G 11. d. Presse).
11 S. 129 Z. 28, S. 210 Z. 1 ff. Ilr.
]\u/i Stephanowic Karadzic liat in
s. Danica, e. Alnianach auf d. J. 1826
Wien 12., S. 1-40, die Denkwürdig-
keiten von zehn serbischen Klöstern
in der West-Morawa-Gegend des Bel-
i^rader Pasclialiks besclirieben.
Powjest 0 Kyrillje i Alethodii, ot Sw.
Tiieophylakta, prewedena njekoim ro-
doljubcem, w ßiid. Gradje. 1823. 8.
— Xav. Richter, WeJtpriester, ßiblioih.
in Ol mutz, ehedem Prof. d. Universal-
liist. zu Laibach (Antislawist, wie man
ans Woliiys Taschenbiiclie sieht) Cy-
rill und Method 1825.
\„Ein Illyrier war er wol, aber kein
iSlawe, weil damals, als er geboren
ward, noch keine Slawen in lllyrien
wohnten. In dem Schediasma des
Schwarz beruht alles auf Verdrehunsren
;ij. unerweislichen Voraussetzungen.'*
pDobr. Rec. - Die Handschrift, in wel-
Icher Justinian Ujjrawda u. seine Mutter
' Beglenica heisst , ist in der Vaticana
in Rom. Koeppen, bibl. listy S. 489.
9 Engel hat das Citat aus Thunmann
Unters. 354. Den besten Beweis lie-
fert Kopitar in Valachicis aus Gene-
SlUS p. 52: iyxcöQta r a Xoya, xazcc
7t6dQsi,av — nämlich Basilius bediente
sich des eiidieimischen Ringerausdruk-
kes etc. Vgl. Kopitar Valach. Rec. S.
\ 83. Mithin waren auch Leo der Weise
und Constantinus Porphyrogenitus der
Abkunft nach Slawen.
116 Z. 38 J. P. Fullmeraijer Geschichte d. Halb-
insel Morea während d. Mittelalters,
I. Thl. ; L'ntergang d. peloponnes. Helle-
494
neu n. Wiederbe\()lkerung d. leeren Bo-
dens durch slaw. Volksstämme, Stuttg.
830. 8.
*S. 122 Z. 6 „Ist leider ans Rakovviecki genommen
11. ganz nnriclitig, !)ie Priester, die zu
Dliigosz's Zeiten u. noch später in
Krakau den Gottesdienst in slaw.
Sprache verrichteten, waren Glagoliten
aus Prag, für die Hedwig ein Kloster
zu bauen anfing Hedwig starb
1399.'^ Dohr. Kec. ~ Allein dass
noch vor o. nach derEiiniahme von Kra-
kau durch Ziemowit, also vor 870 ff.
0. nach diesem Jahre, die von den
Magyaren verdrängten slowen. Mönche
aus Mähren eine Kirche zum h. Kreuz
,,na Kleparzu" gebaut haben, beweist
Naruszewicz Hist. pol. 11. 343. Vgl.
Swiecki 1. 102 — 103. Kromer er-
wähnt des ii. Kreuzes zweimal, 1}
unter Lesens albus tertium 1220, p.
129 „quo teinpore etiam paroeciam
vicinam S. Crucis dictam in urbe ipsis
illis hospitalariis (fratribus de Saxia)
jure seitiptferno addixit; 2) unter
Vladislaus Jagiello, a. 1394 ,,in subur-
bano etc." Also die Kirche war schon
viel älter, uralt; das Kloster aber wollte
man neu aufbauen.
S. 126 Z. 35 hv. Peninskij gramm. slawjanskago
jazyka (Auszug aus Dobrowskys In-
stit. ling. slav.) S. P. 825. 8. 2 A. 826.
*S. 126 - 44 Neue Aufl. Ofen 1829.
*— 133 Anm. P. Sfrojew obstojatelnoje opisanije
staropecatnych knig slawjanskich i
rossijskich w bibl. grafa T. A. Tol-
stowa. M. 829. m. 24 Schriftproben.
*— 135 — V. Hammer sur les origines Kusses,
extraits des manuscrits orientaux. Ist
auf Kunijancows Kosten 1826 in S. P.
495
gedruckt, erschien S. P. 1827. ~ Prof.
St^nhowski in S. P. hat eine Schrift
dagegen lieransgegeben: Lettre de Tn-
tundju-Oghi-Moiistapha-Aga S. P. 1828,
und H. verschiedener gräiihclier Irr-
thümer geziehen. — Der Wasserfälle
erwähnen: Diirich Bibl. Slav. p. 219
ir. Engel Gesch. d. Ukraine S. 15.
- Parrot über Liven Erläiit. Nr. 19.
— Karaiiizin Gesch. Kussl. 1. 264. —
Schlözer Nord. Gesch. 8. 527 (eine
Aufzählung u. Erklärung). — Stritter
II. (Slavica). 982 ff. — Thuninann
Untersuchungen, Anhang, S. 386 ff. —
DobroNvsky erwähnt ihrer in der Vorr.
zu Puchmayer's russ. Gramm, nur im
Allgemeinen. — Die jetzt gangbaren
Namen b. Swiecki s. v. porohy. (Vgl.
die erschöpfende Zusammenstellung der
0(jellen und Analyse der Namen in:
Slowanske Starozitnosti §. 28 Nr. 15,
Ite A. p. 558—560.)
•S. 136 Anm. Graf Iw, Potocki Archeologiceskij
Atlas europejskoj Kossii. S. P. 1823.
^— 137 — Serg. Nik. Glinka, Istoria ruskaja,
3 A". Moskau 1825 14 Bde. — Ka-
ramzin Gesch. d. russ. Reiches, Riga
1820 - 26. 8. ßd. 1-6 von Hauen-
Schild. 7 — 8 (bis 1582) von Oerfel
(wird fortges.) ; im Auszug von ^4. W.
Tappe, Ir Bd. Dresden u. Lpzg. 1828.
8., polnisch von Gre(/. Buczynski
Warschau 1824-26. - Alph. Rabhe
Resume de Ihist, de Russie Ir Bd.
Paris 826. 18. Sehr schlecht, nach
Levesque, weiss von Karamzin nichts.
— 138 Z. 4 „Die Zahl der unirten Griechen in
Russland, männl. u. weibl. Geschlech-
tes, belief sich im J. 1825 auf mehr
denn 1,590.000 Seelen vertheilt in 4
496
Eparchien. (Koppen, 24. Octob. 1824).
— Vereinigung der Unirten in West-
russland mit der JVInt(erkiiche: Bitt-
sciirift der nnirten Biscliüfe 1 März,
Synodenstatiit 6 April , Bestätigung
des Kaisers durcli Ukas vom 5. Juli 1839.
(Allg. Zeitg. 1839 Beil. 267.) - Das
Ende der Union (aus der Sewernaja
Pcela, wichtig: Allg. Zeitg. 1839 Beil.
329. .330).
*S. 140 Aniii. Slavv. Volkslieder übers, v J. Wenzig,
Halle 830. 8. — Dainos o. littauisclie
Volksl. gesamm. sibers. u. m. Urtext
herausg. v. L. J. Rhesa, Königsb.
825. 8. — W. Grrhard Wila, serb.
Volksl. u. Heldenmärchen, Lpz. 828.
2 B. S. — P. V. Götze serb. Volksl.
S. P. 827. 12. ^ F. L. Öelakowsky
litewske narodnj pjsne, angek. 82G.
— Pet. Dainko sto ino petdeset po-
svetnih pesmi , vv Radgoni 827. 8.
— La Guzla ou choix de poesies illy-
riques, rec. dans la Dalmatie, la Bosnie,
la Croatie et 1 Herzegowine. Par. 827.
8. Enth. 27 illyr. Volkslieder, Heraus-
geber, wie man sagt, Graf Sorgo.
*— 141 — 2 Bukvar jazyka ruskago s procim ru-
kowodijem nacinajuscicli ucitisja. Ofen
822. 8. — Katicbisis malyj ili nauka
prawoslaw^no christianskaja .... so-
stawlj. w. Ungwarje Ofen 801. 8. —
Einige russniakische Bücblein im Ofner
Schul bücherverzeichnisse.
S. 145 Z. 39 ,,Von Grecs russ. Gramm, wurden nur
die Probeiiefle 1823 an slaw. Philo-
logen ausgegeben; das Werk selbst
erscheint gegenwärtig (18*35) in S. P.
unter d. T. Ruskaja grammatika, 1 Th.
825. Dasselbe wird ins Franz. übers,
von Ch. Ph. Reiff, der schon im J.
497
1821 e. niss. Sprachlehre f. Ausländer
herausgegeben hat. — Pliil. Sivjefnoj
kurzgefasste Flexioiislehre der russ.
Sprache, Riga 825. 8. -* Tappe 6 A.
Riga 826. 8. — /. Heard a practical
graminar of the russian langu. S. P.
827. 2 Bde. - Schlüter Vers. e.
theor. prakt. russ. Spraclil. S. P. 825.
— Midi. Radugin kratkaja ross. Gramm.
M. 826. — Heym russ. Sprachl. N. A.
von S. WeUzien Lpz. 831. 8.
S. 146 Z.40. 49. Joh. TaUscews Wß. ist aus Versehen
zweimal angeführt; man lese: /. T.
francuzsko-rossijskij slovvar (nach dem
Wß. der franz. Akad.) S. P. 798. 2
Bde. 8., 2 A. S. P. 816. 2 Bde.
4., 3 A. S. P. 825. 4 Bde. - Slovvar
ross. rjecenij, soderz. w lat. lexikonje
prof. Kroneberga 2 A. M. 824. 3 A. ?
825. - And. Iw. Lebedew ross. la-
tinskij SlowarM. 825 - 26. 8. — St.
Oldekopp I. Ewsfafij Oldekcp kar-
mannyj slowar ross.- njem. i njem.-
ross. S. P. 824 --25, 4 Bde. 16. —
'^A.E. Schmidt russ. deutsch, u. deutsch-
russ. Wß., Lpz. 0. .J. (um 1822) ste-
reotyp.
*S. 199 — 27 Sisman wird von dem Herausgeber
des Osman von Gundulich (Ragusa 1826)
für SigisriuHid gebraucht. (Nach e[ner
anderswo befindlichen Anmerkung Sis-
man, türkisch= der Dicke. Hammer.^
— ^''^ Uemctrius 6 xcö^iarixog s. %afiattavo5
Archiepisc. ßulgariae damit circa a.
1203. „Sfepfiani Ducae (sie) regis
Serbiorum quaestiones et Demetrii re-
sponsiones liturgicae numero XIII, non-
dum editae, Monaci in codic. Bavar.
LXII." Fabricii ßibl. graeca ed. Har-
less. XI. 605.
32
498
*Ebd. Im Anfange des XV. Jli. kam Mönch
Lazar aus Serbien nach Russland u.
verfertigte in Moskau auf dem gross-
fürstl. Palastthurm eine Wunderuhr,
casomer, welche die Stunden mit dem
Hammer auf eine Glocke schlug „celo-
wekowidno, samozwonno, i stranno-
Ijepno." S. Grec-Linde Dodatek II. 390.
*S. 215 Z. 30 „Tempore Vladislai II., regis Hungariae,
Turcarum imperatores in expeditio-
nibus diplomaticis lingua serviana usos
fuisse, clarissime patet ex literis ejus-
dem regis ad praetores et rectores
insulae et senatus civitatis Chiorum,
datis 26. Deb. 1503, quibus confectas
cum Bajesidc, Turcarum imperatore, ad
Septem annos inducias communicat, ubi
sequentia occurrunt: Accedente iteoi
saniori confoederatorum nostrorum con-
silio, et praesertim dicti illustrissimi
dominii (i. e. Venetorum) cum Turco
ipso supplice pacem poscerite, prae-
missis ex causis inoti, repudiato pacis
nomine, foedus induciale et quidem
septennale fclici ominc inivimus, et
pro ulteriore salule Ciiristianitatis quie-
tem potius hoc tempore amplecti, quam
coeptum bellum urgere atque prosequi
statuimus; sicque juxta continentias ca-
pitulorum et articulorum praeseutibus
annexorum et a Turco ipso ad nos
sub suis signis imperialibus et authen-
ticis transmissoriun, fideique sacramento
in ulterutrum firmatorum, et quac ex
serviana Ihtgna, (/na Caesar ipse uii-
tur^ in latinam suo tenore lideli inter-
prete convertenda cin-avimus, et do-
minationibus Vestris praeseutibus excm-
plum sub sigillo nostro, quo ut rex
Hungariae utimur, fransmittimus." Ka-
499
fona hisl. cri<. XVIll. 349. — Auch
die walachisclicn und rnoldauisciicn
Fürsten stellten ihre Urkunden im
XV. — XVI. Jalirh. in der altslawi-
schen Kirchensprache oder einem Ge-
mengsei aus.
*S. 21 1 „In Serbien, Bosnien und in der Her-
zegowina hat man kaum in hundert
Dörfern eine Schule, sondern dieje-
nigen, die Popen o. Raludjer werden
wollen, lernen in den Klöstern bei den
Kahidjern, o. in den Dörfern bei den
Popen. In einem jeden Kloster hat
man einige Djaken, voii denen die klei-
neren im Souuner Ziegen , Schafe,
Lämmer, Schweine etc. hüten, Knob-
lauch setzen u. jäten, ackern, Heu
machen , Zwetschken sammeln etc.,
die grösseren aber mit Aqw Kahidjern
auf pisanije ausgehen: im Winter hin-
gegen, nachdem sie (gewöhnlich jeden
Abend u. Morgen} Holz gesammelt u.
die Pferde der Kaludjer getränkt, die
jüngeren die Zimmer aufgeräumt ha-
ben, versammeln sie sich in dem Klo-
sterschulzimmer , Dzagara, wo ihnen
ein Kaludjer oder Djakon zeigt, wie
sie lesen sollen (catiti), o. es lernt
ein jeder bei seinem Geistlichen (swog
duownika). Viele verlernen im Som-
mer, was sie den Winter über gelernt
haben, u« so lernen einige 4 — 5 Jahre
lang, u. wissen am Ende nicht zu
lesen. Die Popen haben ebenfalls
einen o. zwei Djaken, die gleichfalls
das Vieh hüten , alle Hausarbeiten
verrichten u. Weihwasser in die Dörfer
tragen. Ist o. entsteht irgendwo in
der Nahija e. Schule, so führen die
Leute aus den Dörfern ihre Kinder
32*
500
dem Madjisioi- zu, zaiilen iiioiiallicli
u. er lehrt sie. In der Schule müssen
die Kinder von Sonnenaufgang bis
Sonnenuntergang sitzen u. lernen, die
Zeit des Mittagessens ausgenommen, u.
wenn sie lernen u. lesen (uce i cate),
müssen alle laut u. dermassen sclireien,
dass man in der Schule nichts ver-
stehen kann. Sowohl in den Klöstern
u, bei den Popen , als auch in den
Schulen fangen die Kinder an aus
Handschriften lesen zu lernen^ denn
man hat keinen Bukwar: z. B. der
Lehrer schreibt dem Kinde vor, was
es heute lernen soll, weiss es dies,
so schreibt er etwas anderes u. s. w.
Wenn irgend ein Schüler so aus Hand-
schriften die Bekawica erlernt hat, so
ninniit er den Caslowac zur Hand, u.
hat er diesen ausgelernt u. einigemal
durchgelesen, so nimmt er den Psaltir,
u. wer den Psaltir erlernt u. einige-
mal durchgelesen hat, der hatte alle
Bücher ausgelernt (izTicio svu knigu);
dann kann er, wenn er will, pop,
kaludjer, madjistor, proia, arkimandrit,
u. wenn er genug Geld hat, auch wla-
dika werden.
In den letztverflossenen Jahren, iinter
der Regierung Crny Georgs , hatte
man beinahe in allen Festungen u.
Städten, ja sogar \n einigen Dörfern
Schulen errichtet. In Belgrad war
ausser zwei kleinen Schulen, einer für
städtische u. der andern für getaiifte
türkische Kinder, eine grosse (liohe)
Schule, wie sie die Serben nie bis
dahin gehabt hatten u. auch jetzt
nicht besitzen. Sie entstand im J. 1808;
der erste Lehrer an derselben war
501
der selige Iva» Jiigowic (o. Jowati
Savvic) ; auf ihn foli^teii die Hrn. Milko
Kadoiiic, Lazar Wiriiovvic, Glisa, dessen
Zunamen icli nicht kenne, u. Sinio Mi-
latinow Simonowic. In die grosse
Scimle naliin man nur solche Jünglinge
auf, die schon lesen n. schreiben noth-
diirftig gelernt hatten, u. lehrte in ser-
bischer Sprache die Geschichte aller
Völker vom Weltbeginne bis heute,
Erdbeschreibung u. Statistik der ganzen
Erde, die Rechte (ich glaube, die rö-
mischen), etwas Physik, die Lehre
von den Briefschaften u. die Stylistik,
Rechnungslehre, die deutsche Sprache,
u. Moral. Für alle diese Wissenschaften
waren drei Lehrer da, u. der Kurs
dauerte ebenfalls drei Jahre. {Wuk Le-
xicon — 1818 - s. v. skola.)
'S. 219 Z. 29 st. opisanije 1. napisanije.
- 224 Serbische und bulgarische Schriften
aus Joann Exarch von Kalajdovnc :
p. 17, 57. Joann Exarch, J. Damasceni theologia
Ms. XII. Jahrb. Ein anderes aus d.
XVI. J.
p. 60. Hexaemeron. Ms. J. 1263. Synodalbibl.
zu Moskau,
p. 63. 118. Copien des Hexaemeron aus d. XV—
XVII. Jahrb.
p. 75. Joann Exarch, J. Damasceni de octo
partibus orationis Ms. J. 1522 — 39;
item andere Schriften, Codices p. 80
81, 124 u. 115 117.
p. 88. Mönch Chrabr, J. 1348 Synodalbibl.
Nr. 145. Slova Grigor. XIV. Jahrb. In
Privathänden. Ljetownik Georgia. J.
1386. Synodalbibl. Nr. 148. 0 troici,
J. 1345. Synodalbibl. Nr. 38.
p. 90. Prolog XIII. Jahrb. ßibl. Rumjancow.
p. 95 Antiochi Pandecta. Bulgar. Ms. in der
502
ßibl. des Neu-Jerusalemer Auferste-
linngsklostors Nr. 49.
p. 97, J04. EvangeliumJ. 1144.Synodalbibl.Nr. 404,
p. 98, 14. .loaiin. Exarch, J. Damasceni theologia
XV. Jalirli. Synodalbibl. Nr. 20. zweites
Exemplar p. 99.
p. 100. 15. Kg. Symeon's Excorpta ans Chryso-
slomus, samint prilogi. Ms. XVI. Jahrb.
Tolstoj Nr. I. 47. Sobornik, mit e.
Rede Joaim Exarcirs ebd. III. 92. Gen-
nadij Zlatoiistyj , wahrscheinlich ein
Bulgare. .Teremija , ein bulgarischer
Pope, häretischer Scribent. ßogumil,
ebenfalls bulg. Pope u. Häretiker.
p. 113, 117. Verzeichniss alter serbischer Drucke,
und (Anm. 80) Erwähiunig serbischer
Codices,
p. 114. Dometian's Biographie d. heil. Sawa.
p. 110, 62. Benediktes üebersetzung der Besedy
.J. Zlatoiistago na Sestodtiew, Ms. J.
1426. Synodalbibl. Nr. 36. 37. Trebnik
serbskij, XIV - XV. Jahrb. Synodal-
bibl. Nr. 324.
p. 120. Ein ungenannter serbischer Grammatiker.
p. 124, 82. Joann Exarch slovo na wsestije Gosp.
Jisusa Christa Ms.
p. 124, 83. Zwei Slowa ebdas. zweifelhaft.
Bulgarische üebersetzung der Reden
Gregors v. Nazianz. russ. Copie XI.
Jahrh. u. serbische üebersetzung dess.
Werkes, [Koppen bibliografic. listy
Nr. 7.) Jurij Wenelin Drewnyje
i nynesnyje Bolgare w politiceskom,
narodopisnom, istoriceskom i religio-
znom ich otnosenii k Rossianam.
T. 1. Mosk. 829. 8. - „Auf Ko-
sten der Akademie soll zu Folge
Allerh. Bestätigung Wenelin die iMol
dau u. Walachei, z. Tb. auch die Bui-
garei u. Kumelien bereisen, auch nacli
503
dem Athos gelin." (Koppen 29. Üec-
1829.)
*S. 224. Z. 5 Der ii. Konslantiii war ein Freund
des iiaclimaligen Patriarchen Photius.
Vgl. Dohrowsky Cyrill &. Method.
Von Pliotius haben wir einen Brief an
den König Boris o. Michael von Bul-
garien , bei welchem sich Method u.
wahrscheinlich auch Konstantin aufge-
halten haben. „Familiam ducit in edi-
tione epistolartim Phofü prolixa illa et
lectu digua epistola de fide et Sep-
tem synodis et de boni principis officio
ad Michaelem Bntgariae principem
nuper baptizatum. Nota. Princeps ille
sive rex ßulgarorum Bogaris in sacro
baptismate nomen imperatoris Michaelis
adscivit, ut ex Joanne Curopalate nar-
rat Baronius ad a. 845 n. 6." Fabric.
Bibl. gr. ed. Harl. XL 11 sq.
*Ebd. Z. 26 St. 1385 1. 1350
— — 28 St. Manas 1. Manasses.
*S. 225 Eutfiymins, Patriarch von Trnowo in
Bulgarien, schrieb 1) Leben der b.
Paraskeve, vgl. Bozidar's Molitvoslov;
2) Zitije prepodobnago llariona epi-
skojja Moglenskago ; 3) Zitije Joana
Rylskago, letztere beide in e. Pana-
girik in Fol, im kl. Sisatowac. —
Joan Rylskij lebte unter d. bulgar.
Car Peter u. starb 70 J. alt ; seine
Gebeine wurden unter d. Kaiser An-
dronik durch einen König nach Ostry-
gom (Gran) in Ungarn entführt, aber
restituirt nach Sredec im J. d. Welt.
6695 = 1187, und zuletzt unter Jo-
hann Asjen nach Trnowo verlegt.
- 243 Z. 9 St. Agalich 1. Agatich (1617).
— 246 — 7 Dvva semenista, u Zadru , podignuta
od arcibiskupa Vicka Zmajevica, i
*S. 267 -
11
*__ 280 —
29
S. 287 -
16
504
Omisu, od biskupa Kadcica, bise opre-
deleni za iiauk glagoljskoj^a redov-
iiictva — obadva davno jur ukinuta.
(Danica illrska 1841 ISr. 47.)
*ebd. Z. 21. 22 Bei Asseinani IV. 435 Zwodski und
Stehnowski.
S. 251 - 39 Petr. Hectoreiis „inter cetera eleganti
metro Nasonem de reined. amor. in illy-
ricnin idioma cum magna oaniium ad-
miratione transtulit, vel minimum iola
non oinmittens" — (vor d. J. 1532),
V. Prihoevo orat. de orig. success.
Slavorum Yen. 1532. 4.
St. 1547 1. 1574.
St. Wittenberg 1. Würtemberg.
In Krain begann der Domberr Matth.
Ravjnkar eine neue Epoche der krai-
niscben Literatur durch s. Bearbei-
tung eines beliebten Andachtsbncbes :
Svcfn nuisha, dann der in den k.
baier. Schulen vorgeschriebenen bibli-
schen Geschichte des A. u. N. Testa-
4iients u. a. Volksbücher. Eine nicht
germanisirende Syntax und feine Be-
nützung zum Theil verschwundener
Wortstämnie zeichnen alle s. Schriften
in sprachlicher Hinsicht sehr vortheil-
haft aus. — Für den windischen Dia-
lect Kärntens arbeitet Urhan Jaruik
in Klagenfurt.
*S. 292 Anm. Dobner monum. st. 1764. 1. 1774.
*S. 293 3 F. Palacky Würdigung der alten böh-
mischen Geschichtschreiber, eine ge-
krönte Preisschrift. Prag 1830. 8. -
Ebd. Z. 15 St. französischen 1. frän-
kischen,
* - 338 - 22 Biographie u. vollständige Aufzählur)g
der Schriften des Comenius von F.
Palacky , im Casop. Cesk. Museum
1829. Heft 3
505
S. 350 Z. 4 Sixf u. Ambros sind die Brüder Sixl
II. Ambras v. Offersdorf, und das
hier Angeführte gehört zu S. 342
Z. 18.
— 351 — 2 Joh. (jei/^iVÄy 6* ^r«^ ist dieselbe Person
mit Mr. Joh. Cerm). S. 329, und das
hier Gesagte gehört zur S. 329 Z. 23.
■\S. 367 17 Starj letopisowe cestj od. r. 1378 do
1527. Prag 829. 8. (3r Thl. von Do-
browsky's Scriptores rerum boheniicar.
enthält Pokracowanj w kronice Pri-
bjka Pulkawy u. s. w.)
"•'S. 369 St. Canidio. 1. Candida.
* 378 — 10. Ueber die Sotaken- hat Prof. Rucharski
einige Nachrichten an Ort und Stelle ge-
sammelt, die ich aus seinen eigenen
HS. abgeschrieben habe.
* 379 Anm. 1 „Sollte zu Nestors Zeiten die slove-
nische Schrift bloss in Russland und
Bulgarien gewesen sein ? Nicht auch
in Böhmen und vorzüglich in den un-
zähligen griechisciien Klöstern in Un-
garn, wo noch im J. 1204 nur ein
einziges coenabium pure latimnn (Bar-
dosy Supplem. Analector Scepus. Leut-
schau 1802 p. 196) war?'' Schlözer
Nestor III. 176.
*— 385 Z. 30 (Benedicti) Pametne knihy, kdez se,
cokoliwek se pred lety sty a nekte-
rymi stalo, wyprawuje. MS. in archivo
Civit. Leutschov. A. 1609.
*— 398 Zu §. 46 /. Holli Virgilowa Eneida, Tyrnau
I 828. 8. — Imman. Willi. Simko, Pre-
diger in Trencin, ausser Gedichten:
SuuHiia nabozenstwj krestanskeho ,
Brunn 825. 8., Obet srdce aneb inod-
litby Skal. 826. 12 (in Reimen). -
Maf/i. Bla/ia, Prediger in St. Niklas
u. Senior: Näbozne käzänj na wsecky
nedele a evang. swatky celeho roku
506
cjrk. Leiitsch. 828. 8. - G. Michalko
Rozmlouwänj o skodliwosti powery.
Presb. 802. 8. — Tahlic st. Januar
1832. — Georg Rohoiii, Pfarrer zu
Glozau u. Senior, st. Oktober 1831,
ungefähr GO Jahre all. — Weitere
Schriftsteller : Jacob Jacobaei um
1043 (Horanyi 11. 194), Johannes
Abrahamffy , Franciskaner, schrieb
1693—97. St. 1728 (Schriften b. Ho-
ranyi I. 2.), Benignus Snirtnik, Fran-
ciscaner (Horanyi III. 285), Samuel
Lisowini (Horanyi II. 492), Joannes
Walasjk (Horanyi III. 483). Unter den
Oiiellcn noch Joh. Sani. Klein Nach-
richten von den Lebensumständen u.
Schriften evangel. Prediger in Ungarn
Lpz. Of. 789.
S. 398 Z. 35 J. Jmigmann's bist. lit. ceske Fr. 825.
8. enthält auch die slowak. Schrift-
steller und ihre Erzeugnisse sehr ge-
nau und vollständig verzeichnet.
— 399 — 34 Hr. Super. M'o?'bs leitet den Namen
Polen von den Bulunen, einer sar-
matiscben Völkerschaft nahe an der
Weichsel, deren nur Ptolemaeus gedenkt,
ab. Die Namen mögen immerhin iden-
tisch sein; aber Hr. W. folgert offen-
bar zu viel, wenn er sagt, die Ablei-
tung von pole, das Feld, die Ebene
finde darin einen Widerspruch, dass
Nestor die P. an mehreren Ort3n auf
Berge setzt. - Denn a potiori 5l de-
nominatio, und das bei Pt. verkom-
mende Bulanes ist viel vrahrsjhcin-
licher durch fremdzüngige Detorsi)n aus
dem slawisch - inländischen Pdjane.
als umgekehrt, entstanden.
S, 403 — 36 P. Th. Waija bist, xiazat i krö. pol-
skich W. 770. 8. N. A. Wilna Ö4.
507
* Ebd. Amn. 2 Lukasz Golebiowski o dzieiopiscach
polskich, Warsz. 826. 8. — Mich.
Oqinshi Meinoires siir la Pologne et les
Polonais depiiis 1788 jusq»!' a la fin de
1815. Par. 826 2 voll. (Tciitsch Lpz.
1827.) wichtig. — Alexander v. Op-
peln- Bronikowski Geschichte Polens.
Dresden 1824. 4 Bde. 12. - Prokosz
ist ein Machwerk von 1711 oder, wie
Lelewel will, gar 1764. (Bandtkie.J
^S. 410 Sprachschriften nacli Szopovvicz:
1465. Parkosz J^/A'. (.'ognitio cominodosa Po-
lonoruin linguae in scripto servitio MS.
1518. Zaborowski Stam'.sl. Orthographia s.
modus recte scribendi et legendi polo-
nicnm idioina, quam utilissimus.
1551. Seclueyan Joh. Ortografija.
1568. Sfatorius o. Stowski Polonicae gram-
matices institutio.
1594. Jamiszowski .Joh, Nowi cliarakter
polski.
1621. 1622. Kuap. 1638. Roter. 1668. Do-
bracki. Vgl. Bentkowski.
1679. Mettinski Gramatyka jezyka polskiego
(lateinisch).
1770. Szylarski gramatyka pierwsza po
polsku.
1776. Dvdziuski Mich. Zbiör potrzebniey-
szych rzeczy w oyczystym jezyku.
(1827. Szopowicz Franc. Prof. Mat. Univ.
Jagiell., Uwagi nad samogloskami i
spoIgJoskami. Rrak. 1827. 8.)
S. 410 Z. 47 Joh. Pet. Bogdanowicz Dworzecki
gramm. iezyka polskiego 2 A. Wilna 824.
*Ebd. Ä'. Pohl theor. prakt. Gramm, d. pol.
Sprache. Bresl. 829. 8. - ./. Po-
plimki., Lehrer am (jymn. zu Lissa,
Gramni. d. poln Spr. nach Kopczynski,
Cassius, Bandtkie u. Mrongovius. Lissa
n. Gloffau 829. 8. — M. Snchorowski
508
llieorot. prakt. Anleitung z. gründl.
Interr. in d. poln. Spr. Leinb^j. 829.
•'\S. 4 1 1 Ainii. /. S. Bundtkie neues Taschen \VB.
der deutscli. poln. n. französ. Spr.
Bresl. 828. 8.
*— 423 Z, 12 ^jPsalferi'um Davüh'cum trilmgric in
St. Florian. Katliariiia L, Ferdinands
I. Tochter 1533-1572, lebte als ge-
schiedene Gemahlin des Polenkönigs
Sigmund August zu Linz, kam häufig
nach St. Florian, wählte dort ihr Grab,
und schenkte unter audern auch die-
sen Psalter dem Stifte. Sie hatte ihn
von Krakau mitgebracht. Er gehörte
Hedwigs Schwester, der schönen und
unglücklichen iMaria von Ungarn, Ge-
mahlin Sigmunds von Böhmen — Luxem-
burg , deren Namensziffer, das M.,
überall angebracht ist. Der gelehrte
G. S. Bandtkie hat so eben ein eigenes
Scln-iflchen über die Handschrift heraus-
gegeben." Wien Jahrb. Lit. Bd. XL.
1827.
*S. 424. Das erste gedruckte Buch in polnischer
Sprache ist von 1522: Das Leben
Jesu Christi vom h. Bonaventura, über-
setzt von Balfh. Opec für die Königin
von Ungarn u. nachherige Gemahlin
Johann Zapolyas, die polnische Prin-
cessin Elisabeth o. Isabella. Die 1
Ausg. ist so selten, dass man nur noch
ein Ex. davon in Warschau hat, wo
aus 81 Klöstern die Bücher zusam-
mengebracht wurden. Der älteste pol-
nische Druck dagegen ist vom J. 1475
zu Breslau, Vaterunser, Ave und Glaiibe,
in Bischof Konrads von Breslau Sta-
stuten, 2 A. Nürnbg. 1512. (Die Sta-
tuten sind lateinisch). Der erste Druck
in Polen vom 1465 ist lateinisch: Jo-
509
haimis de Tiirrocri-mula oxposJlio in
Psalterimn. ( Batidlkie.)
^'8. 471 Z. 21 Paiiowaiiie Kaziinierza Jagiell. NNy.jeie
z rekop. J. Albt^rlraudego vvyd. Zegola
Onaccwicz W. 1826 Ir ßd.
* — 472 Miscellaiiea Cracoviensia Nova. Fase.
I. Crac. 829. 4.
*- 473 (Th. Czacki) I. geb. 1766 st. 8. Febr.
1813.
* 477 — 2 Jolt. Lufh(\ Cassius, evaiig. General-
sciiior d. Grossli. Posen u. Pastor zu
Lissa, starb 22. Apr. 1827 im 83 Jahre
seines Lebens.
*— 478 T. Szunis/it krötki rys lustorij i li<c-
ratnry pojskiej. Warscli. 1824.
*— 482 Anm. Jlhr. Ge. Schwarz kurze Einl. z Geog^r.
d. Vorderdeutsclilands Slawischer iNa-
tion n. mittlerer Zeit, Greifsw. 1745. —
F. V. Re.sforf topogr. Beschr. d. Pro-
vinz Pommern, Berlin 826. 8.
*— 483 — 4 st Natniuimi 1. Neiunuiin. Zu Anm. i}:
Audr. Seiler kurzgef. Gü^mm. der
Sorbenwendischen SpracheR. d. Bu-
dissiner Dialekte. Budissin (Bautzen)
830 8
*S. 484 Z. 28 /. D. Schulze Abriss e. Gesch. d.
Leip. ünivers. im Laufe d. 18. Jahrh.
p. 206. fF.
*— 485 Anm. 4 st. 699 1. 696.
* — 486 — 2 Fritze übersetzte auch D. Rosenmül-
ler's ersten Unterricht in der Religion.
•
Blattweiser.
Der Blattweiser enthält in der Regel nur slawische National-
schriftsteller, inid von Ausländern bloss diejenigen, die slawi-
sche Sprachbücher, Grammatiken und Lexica, herausgegeben
haben. Die wenigen in dem Werke vorkommenden und in den
Zusätzen und Berichtigungen bereits angezeigten Druck- oder
Schreibfehler in den Eigennamen sind im Blattweiser berichtigt,
und die Vornamen, wo es möglich war, vollständiger ausge-
schrieben, wesshalb man sich in abweichenden Fällen an dorn
letztern zu halten hat. Die eingeklammerten Zahlen weisen auf
die Anmerkungen hin.
A.
Ablesimow Alxr. Anis. .... 171
Abrahamffy Job ÖOG
Abrabamides Isaak 385
Abrabamowic Tbeocl 222
Adamczewski Jac 476
Adamowicz Adam 477 (410)
Adriasci Vital 261
Aeneas Job 337
Agaticb Job 243
Agatbon. Priester 155
Acbilles ' Job 345
Aigner Pet 478
Albati Mattb 253
Albertrandy Job. Bapt. . . 471, 509
Albertus, Ärcbidiakoii 256
Alexander, König 224
Alexjejew Pet (126)
Ambrosius Ge 390
Ambrosy And (386)
— Job 392
Amort Laur 368
Anastasewic Bas. Greg. . . 187 (190)
Ancicb Job 262
Andrea Laur 351
Angielicb Frz 263 (263)
Anonymus, Cbronograpb . 208 (196)
Auticca Job. Luc 261
Anton s. Dalmata
Apollos s. Bajbakow
Appendini Frz. Maria 260 (3,2^8, 261)
Aquiliuas s. Orlicny
Aquilini Ign. . . .' 261
Arsenjew^Coust. Iw (138)
Arsic Eustacbia 221
Artemisius s. Cernobyl
Artomius s. Kresycbleb
Artopaeus Casp 349
Asimarkowic Pet 222
Astacow Karph (144)
Atbanackowiö Paul . . • . . . 222
Atbanasjew Papbu (137)
Augezdecky Alxr 348
Augusta Job 341
Augustini Matb 392 (386)
Aupicky Job 351
B.
ßabicb Tbom ■ ... 262
Babulina di Bona Micb 256
Bacbicb Ant 262
Badrieb 8tepb 261
Babyl Ge 391
— Matb 391
Bajbakow Apollos (144)
Bajcewic Gab 222
Bajkow Tbeod. Isaak 158
Bajza Jos. Ign. 393
Bakahll- Nik 329
Baksicb Bogdan 225
Baibin Bobusl. Alovs 3r.5 (299, 369)
Baleowic Stepb. . '. 222
Bandilovicb Job 262
Bandulovicb, Minorit 253
Bänowsky Ge 384
Bantkie Ge. Sam. 471, 491 (403, 407,
410, 411)
— .Job. Vinc 477 (411)
Bantvs - Kamonskij Nik. Xik. . . 187
Barakovicb Ge 261
Baranowic Laz 157
Bardziiiski Alan 445
Barkow Iw. Sem 170
Barner Job 356
Baros Pet 884
Barsow Ant. Alxj (144)
512
Bartholomaeides Ladisl. 396 (374,
375, 379)
Bartochowski Adalb 441
Bartoszcwski Valeiit 432
Basilius, Mönch 151
Bassich Ge 261
Baszko GodziS'l'aw (403)
Batavich Alxr. . . • 268
- Balth 268
Batuskow Coust. Nik 184
Baworinsky Baues 351
Baworowsky Thom 351
Bazylik Kypr 435
Bcckowsky Joh. Frz. . . . 356 (293)
Beßkereki' Geras 221
Bedckovich len 261
Bedviccich Sylvest • . 243
Beketow Piaton Pet 75
Bei Math 390 (300, 374)
Bellosztenecz Joh 269 (269)
Bencic Ant 394
Beudeviscevich Sabb 261
Benedict! Laiir 385 (299)
Benessa Steph 261
Beuesowsky Joh 351
— Matth 343 (299)
— Wenc • .351
Bentkowski Felix .... 472 (478)
Bepta Bohusl 351
Berchtold Bcdr. Wscmjr .... 365
Beric Joh 220
- Paul 220
Berlicka s. Scipio
Beruardinus de Spalato .... 250
Bernoläk Ant. . . . 393 (140, 378)
Berynda Pambus (126)
Bessus s. Moravus
Bestuzew Alxr. Alxr (177)
Bettere Bar 261
Bettondi Damian 260
- Jos 260
Bialobocki Joh 443
Bial'obrzeski Mart 435
Biankovich, Bischof 250
Bielski Mart. ...... 435 (403)
- Simon .• . . 478
Bierkowski l'^abian 485
Bicrling Zachar. Joh ... 484 (483)
Bjlejrowsky Bohusl 341
Blaho Math 398, 505
Blahoslaw Joh 343
Blasius Joh. d. Ac. . - . 391 (386)
- Joh. d. J 391 (.386)
- Mich 393
Blaskovich Andr (231)
Blazowski Mart 436
Blazewski s. Blazowski.
Bliwernitz Aaron (410)
Bnecsanin Mich. Aug 261
Bobrow Sem. Sergj 172
Bobrowski, Abbe (411)
Bocko Dan 894
Bodo Math 391
Bogascini Lucretia 260
Bogascinovich Pet. Thom. . . . 261
Bogdanich Dan. Emir 264
Bogdaiiowic Hipp. Theod. . . . 170
Boguphalus, Bischof . . . . (4, 403)
Bogusl'awski Adalb 469
Bogus Stan. Sestr. . . 183 (135) 491
Bohdanecky Joh 368
Böhmer Joh (485)
Bohomolec Frz 467 (409)
Bohorizh Adam .... 283 (275)
Bohusz Xaver 477 (410)
Boic Laz 221 (222)
Bojadzi Mich 222
Boleslawskv Joh. 351
Bolchowitinow Ewg. 183 (93, 133, 190)
Bolic Prok 219
Boltiu Iw. Nik 173 (137, 149)
Bona Babulina s. Babuliua
- Joh 255
— Luc 260
— Nik. Joh 255
— Vucich s. Vucich
Borcscich Mart 256
Borkowski Stan 477
Born Iw. Mart 186 (190)
Borowsky Blas • . . . 348
— Sam 397
Bnrowy Ant 368
Bosäk'Clem 351
Bosichkovich Bas 259
Boscovich Anna 260
— Ign 260
— Pet 260
— Roger Jos (201)
Boso, Bischof 249
Brankowic Ge. . • . ... 210 (196)
Bratanowskij Auast 169
Bratkowski Dan 445
Braun Dav (478)
Brestvansky And 393
Brezan Wenc 350
Brikcj V. Licsko 341
Brnensky (ie. Nik 351
Brodows'ki (145)
— Sam 448
Brodsky Matth 351
Brodzinski And 476
Kaz. 476, (42, 409, 466)
Bronewskij Wlad. Bogd 190
Broscius Joh 447
Bruncwjk Zach 347
Brzozowski Valeut 431
Bubonka Jonas ..... 387, 494
Buchich Mich 266
Bucki Nathanael . • (410)
Buda Lam- 262
513
Budineus Simon 253, 261
Biidny Simon 435 (424)
BuJowec Wenc 346
Bulgakow Jac. Iw 174
Bulgarin Thadd. Bas 78
Buliö Bas 222
Bunich Mich 261
Bunina Anna Petrowna .... 189
Biircew Bas 159
Burda Job 851
Burinsky Zach. Alxj 189
Burius Joh (386)
Bushijew Pet 163
Butowski Mich (145)
Buturlin Dem. Pet ISS
Buzinskij Gab 162
Bydzowsky Joh 351
— Paul 341
Bystrzonowski Adalb 448
Bystrzycki Joh 475
— Mart 448
c.
Caboga Euseb 252
Cacich s. Kacich
Cadaverosus Joh 351
Caudidus Sixt 351
Capito Joh 337
Caraman Matth 246
Carchesius Joh 351
— Mart 351
Carion Wenc 351
Cassius Barth. 242, 253, 254 (248)
— J. L 477 509 ^410)
Caupilius Joh 351
Causcich, Benedictiner 261
Cebrikow Rom. Max (146)
Cededa. Bischof 239
Celinski Jos 478
Cenglerius And 384
Certelew Nik. Ant. (140, 179, 190)
Cerva Seraph 260
Ch. s. nach H
Cicada Joh Wenc 349
Ciechouiewski Casp (411)
Cielecki Jac 438
Cichoreus Tob 351
Cilich Luc 262
Cimburg Ctibor 328
Clemens Adam 351
— Wenc 351
Codicill Pet 343
CoepoUa Jesai 337
Constanc s. K.
Constantin s. Kyrill.
Constantius Ge. (299)
Consul Steph 243, 281
Cosicich Simon 243
Cosmas, Dechant. . . .308 (4, 292)
— Erzbischof 261
Cretius Sara (407)
Crinitus Dav 349
— Sigm 349
Cromer s. Kromer.
Cultrarius Math 351
Cyrill s. Kyiill.
Cz s. nach C.
c.
CaplowiC Joh. . . 398 (41, 201, 222,
234, 374)
Carnojewiö Dem 222
Cechtic Bohusl 325
Celakowsky Frz. Lad. 367 (140) 496
Cermäk Aiit 368
Cernansky Joh 392
— Sam ... 394
Cernobyl Nik 34l
f^ernovicenus Paul 334
Cerny Joh. Gewicky .... 329, 35l
Ceska Joh. 328
Cjsek Xik. • . . 351
Culkow Mich. Dem 173
Czacki Thadd 473, 509
Czahrowski Adam 431
Czarnecki, Abbe 475
Czarnocki Alois 478
Czartoryski Adam. . . . 467 (410)
Czaykowski, Prälat (461)
Czech Jos 478
Czempinski Paul 477
Czerski, Abbe (411)
D.
Dabrowski Ant 478
Dacicky Ge. Jac 351
Dainko Pet 286 (275) 496
Dalimil Mezericky ... 314 (4, 292)
Dalmata Ant 243 281
Dambrowski Sam 432
Damian, Grammatiker 130
— • Hieromonach 129
Damianowic Bas 219
Math 221
Daniel, Erzbischof. 207, 208 (4, 196)
— Hegumen 151
— Priester in Moskopolj 225
Danilow Kyrill 163 (14)
Danilowic Geras (178)
Dankowsky Greg 491
Dantiscus s. Czartoryski
Darwar Dem. Nik 222
Darxich Blas 251
— Ge 256
Darxich Mart 252
Dawidowic Dem. 79, 221 (192, 196)
Dawydow Denis Bas 189
Debevz 286
Dgbol'ecki And 447
— Ign • ... 467
33
514
Dgbski Ge 448
Dekan Job 448
Delabplla Ardclio. . . 256 (141, 248)
Deluck (l. Delak) Steph 394
Demetrius d. H., Metropolit. . . 162
Demiaii And 392
Demitrowicz Paul 448
Denhart Jer SM
Derzawin Gab. Rom 76, 170
Desnickij Micb 183
Destunis Spyrid. Jurj 189
Dietrich Jos. Wenc 368
Dikastus Ge 344
Dimitri Nik 256
Uiokleates, Presbyter. . 250 (4, 229)
Divkovich Mattb 262
Dlabaci Gottfr. Job. . . . 363, (295)
Diugosz Job (4 , 4(1^0
Dmitrijew Iw Iw 181
Dmöchowski Frz 465
— Frz. Salez. ... 476
Dmuszewski Ludw. Adam. . . 469
Dobner Gelas (93, 247)
Dobracki :\Iath 448 (4U))
Dobrensky Wenc. 343
Dobric Marc 222
Dobrowsky Jos. 362 (3, n. 1 1, 35, 70,
SS, 126, 133, 140, 247,
299, 30(1, 369, 398)
Dolci Seb 260 (3, 261)
Dolezal Augustin 394
Paul ... 391 (140, 300)
Dolgorukij Iw. Mich. . . • ... 172
Domek Wenc. . • • 325
Dosithej s. Obradowic.
Dosenowic Job. 221
Dragicevich Mich 261
Drahenic Bartosek 326
Dracbowsky Job 356 (299)
Drozdow Philaret 183
Druzbacka Elisabeth 444
Druzbacki Mich 448
Duba And 315
Dudzinski Mich. . . . 453, 477, 507
Dumischen Ge (485)
Dunczewski Stan. Jos. .... 448
Dundr Jos. Alxr 36- (295)
Dunin Pet 448
Durgala Mart 398
Durich Fort 362 (3, 247)
Dusan, Car 208
Dwigubskij Iw. Alxj -77
Dworzecki Job. Bogd. . . 507 (145)
Dziarkowski II 475
Dziggielowski Job 448
Dzirswa, Chronist (403)
Dzwonowski Joh 445
E.
Ektorovich Pet 256
Elcnic Aaron 221
Eisner J (42, 456)
— Joh. Gottl 357
Emin Theod. Alxr 173 (137)
Ephraim Joh 337
Ernosti Job. • (410)
Ertel Joh. Bohumjr (386)
Euthyniius, Patr v. Trnowo . . . 503
Ewgenij s. Bolchowitinow.
Ewgenij Romanow, Igm., zul. Bisch.
V. Kostroma . . . (126)
F.
Fabricius Gottl. (486)
— Wenc 351
Faccenda Maria 260
I'alenski Jos 477
Falibogowski Chph. Frz 447
Falimierz Steph 437
Falissowski Chph. Groth 447
Fändli Ge 393 (373)
Farnik ürban 493
Fejerpataki Casp. ... • . • . 398
Fejeä Joh 396
Felinski Aloys 467
Ferricb Ge (141)
Fiialkowski Ign 478
— Mart 476
Filippowic Const 222
— Steph 222
Firliuk Frz 351
Fizel 398
Flaska Smjl 314
Flaxius Joh 351
Frankowski F 476
Fredro And. Maxi (140)
Frenzel Abrah (3, 483, 485)
— Mich (485)
Fric Frz 368
Fritze Joh. Fried (486)
Füredi Ge 396
G.
Gabrielow Matw. Gab (145)
Gali Math (386)
Galinkowskij Jac. And. . . . (178)
Gallää Jos 368
Gallus Mart 418 (4. 403)
Garghich Innoc 261
Garszynski G. ...... 477 (411)
Gawinski Joh 430, 445
Gawrohski, Priester 478
Gawiuek Jos 368
Gazda Adalb 393
Gegus Joh 398
Gelenj s Hruby.
Gennadius, Erzbischof 155
Georgijew Äthan 26t
Georgiewiö Dem 222
— Sabb 222
515
Georgius, Mönch 155
Gesnor Casp 4:-!2
Gicrykowski Thadd 478
Gifjanow Jos (146)
Gilowski Paul 435
Gintorod Abrah 346
Giorgi Igii 260 (261)
Giubranov ch Aiul 252
Gizel Innoc • 157
Glavinich l'^rz., Minorit 243
— Frz., Franciscaiior. . 2G1
Gleg Timoth 261
Gleglievich Ant 255
Glik "Ernst, Abt 163
Glinka Greg (145)
— Serg. Nik. ... 188 (137) 495
— Thod. Nik., • . . . .76, 19n
Gliszczyi'iski Ant 477
Gljubuski Laur 262
Gloc Karl 477
Glosius Job. d. Ae. . . 391 (386)
— Job. d. J 396
Gnjediö Nik. Iw 184 (178)
Godebski Cyprian 467
Görl Ge 351
Golaiiski Php. Nerius 472
Golebiowski Luc 507 (462)
Golikow hv. Iw 173
Goljatowsldj Joannikij . . . . 159
Golownin Bas. Mich 19ii
Gondola Frz 252
— Job. d. Ae 254
— Job. d. J 255
Gorcakow Dem. Petr 189
Gorczyczewski Job 476
Gorczyn Job 448
Gorczii'iski s. Gorczyn.
Gorecki 476
Gornicki Luc 433
Gostko Hynek 368
Gozwinskij Theod. Kassian. . . 158
Gozze StJpb 251
— Vinc 261
Gozze s. Bendeviscevich.
Gradi Bas 261
Gralicbov-ski Adalb (456)
Grammatin Nik (150. 190)
Grec Nik. Iw. . . 77, 185 (145, 190)
Gregor, Diakon ... • . . . . 127
— Hegumen 210(196)
Grekow Ge 150
Gribojcdow Tbeod. Iw. .... 158
Grigorowic Bas 7S, 16.S
Grimm Jac (20.J, 216)
Grisa, Prediger 397
Grisicb Ge 261
Grocbowski Stau 431
Gröning Micb ■ . . (144)
Grob Job 857
Groicki Bartb 436
Grotke J. D (410)
Gross J. W 477
Grubissicb Clcm 240 (247)
Grutinius And 437
Gryllus Job 343
— Matb. . . ■ 343
Grzebski Stau 136
Guaragiiin Job. Luc 261
Guceticb Angelo 256
Guercbe Job 268
Gundulicb Job. Frz 261
Gurski Valent 464
Gusew Wlad 159
Gutkowski Adalb 477
Gutowski Valer 448
Gutsmann Oswald .... 285 (275)
Guttbäter s. Dobracki.
Gyurkovecbky S 270 (269)
Gyurkowic Eng 222
Gzel Pet (299)
H.
Habdelicb Ge 269
Habel Fr 394
Hadziö Paul 220
Hafner Vinc 368
Hägek Ign 368
— Tbadd 342
— Wenc 340 (4, 292)
Halecius Jac. . — 351
Hamaljar Mart. 396
Hammerschmidt Job. Florian. . 356
Hamuljak Stepb 398
Hanka Wenc 364 (150, 300,
303, 316)
Hauke Aloys 368
Harant Cbph 346
Hauptmann Job. Gottl (486)
Hawas Paul 397
Hebnowski Caesar 246
Hectoreus s. Ektorovich.
Helic Luc 337
Helikoniades Paul Luciuus . . . 351
Heniscb Ge (300)
Henning Dan . • .... 488 (489)
Herburt Job 436
Hercyk Ant 448
Herink Job 351
Herkel Jobann 491
Hermann Karl Tbeod. . . 188 (138)
Hertvicius Job 351
Herytes Job 351
Herzog Job 368
Heym Iw. And. 186 (138, 144, 146)
Hieronymus, Magister 323
HiiMiolytus. Kapuziner . . 284 (275)
Hnewkowsky Seb. . . 366 (42, 360)
Hodani Job. Kanty 467
Hodetjn Hägek • .328
Hodika Job 384
33*
516
Hölterhof M. Frz (145)
Holeckv Math 351
Holko Math 398
Holli Ge • ... 397
Holli Joh 398, 505
Holomauöansky Steph 351
Honter Johann 427
Horny Frz. And (140)
Horowic Benes 315
Horvath Adalb 264
Hostowjn Balth 344
Hrabec Raph 384
Hrabowsky Pet 387
Hranicky Chph. Joh 351
Hrdli(ika Joh 395
— Kasp. Melichar 368
Hromädko Joh. Norb. Nep. . . .368
Hruby v. Gelenj Greg 326
- Sigm (C5)
Hruskowic Sam 391
Huber Adam 344-345
Hulewicz Bened 476
Humnicki Igii 476
Hus Joh • . ■ .... 323
Husselius AJb 384
Hussonius Wenc. ....... 351
Hybl Joh 79, 368
CH.
Charpentier (144)
Chelcicky Pet 325
Chelkowski Heinr 448
Chemnicer Iw. Iw 170
Cheraskow Mich. Matw 169
Chilkow Aud. Jac 163 (137)
Chlädek Aegid 368 (300)
Chlebowski Laur 432
Chlumcan Matth 329
Chmela Jos. 368
Chmelenskv Jos. Krasosl. . . . 368
Chmehiickfj Nik. Iw 289
Chmielowski Bened 448
Chobotides Ge 351
Chodakowski Zorian Dolcnga . . 477
Chodkiewicz Adam 448
— Alxr 475
Chodolius Joh 351
Choinani Joh (486)
Choi'iski Mich 477
Chranislaw Gab 222
Chrastina Joh 392
Chroma Thom 478
Chrominski Kaz 477 (478)
Chroscinski Adalb. Stan .... 413
Chrosciszkowski Sam 477
Chrzanowski Felip 477
Chwalkowski Nik 448
Chwostow Dem. Tw 172
I.
Ignatius, Diakou 152
Ignes Adalb 448
Ignjatowic Mos 221
Iljin Nik. Iw 189
Institoris Mosowsky Mich 394 (332)
Isajlowic Dem. . . .' 221
Ivaniscevich Joh. 256
Ivanics Paul 268
Iwanow Thed. Thed 189
Iwanowiö Euthym 221
Izmajlow Alxr. Jefim. . . 75, 78, 185
— Wlad Bas 190
J.
Jabl'onowski Stan. Vinc 444
Jacobaei Jac 506
Jacobaei Faul 391
Jacobi Elias 351
Jacobell s. Stfjbrsky.
Jacobides Jac 349
Jagodyiiski S. S 448
Jajce Steph 262
Jakes Veit 347
Jakowkin Elias Theod. . . . (137)
Jaksiö Greg 222
Jakubowicz (410)
— Paul 398
Jakubowski Adalb 476
— Jos 478
— Vinc 465, 477
Jambressich And 269 (269)
Janda Math .351
Jaudit Wenc (299)
Janieschge Joh 489
Janis Jos 368
.Jankowic Em • . . 219
— G 397
Jankowski I.. E 477
Janocki ,Joh. Dan (478)
Janowskij Nik. Max (146)
Jamiszowski Joh. . . .434.507(410)
Japel Ge • . 286, 287
Jaronski Felix 474
Jaroslaw Strahoviensis (4)
Jasinski Php 477
Jaszowicz And 423
Jaworic Thom 351
Jaworowsky Thom. 351
Jaworskij Steph. • 162
Jaworsky Parth 351
Jazykow Dem. Iw. . . 151, 188 (135)
Jefimjew Dem. Wlad 171
Jelagin Iw. Perf. 173
Jelsjk Joh 398
Jesaias, Hieromonach 152
Jesensky Dan 392
Jesipow Sabb 159
Jessenins Paul 337
517
Jewlew Alxi Iw 159
Joannowic Job 222
Job, Patriarch 156
Jodlowski A. N 477
Johann, Exarch . . . 128, 129, 224
— , Metropolit 128
— , Priester 151 (4)
Johannes Polonus (4)
Jokisch Matth (485)
Josiö Cosmas 220
Josifowic Aut 220
Jowlewic Iffn 159
Julinac Paul 219 (196)
Jundzill Bonif. Stan 474
Jungmaun Ant 365
— Jos. ... 364 (42, 360, 369)
Juritschitsch Ge 281
Jurkowski Job 431
Juszniski M. H (421, 478)
K.
Kabätujk Mart 326
Kacicb Miossieb And. 2-56 (140, 229)
— Ant 247, 253
Kacenowskij Mich. Troph. . 77 , 188
Kadlinsky Felix 3.56
Kadlubek Vinc 418 (4, 403)
Kajsarow And (13)
Kakowski Alxr. Karl 478
Kalajdowic Const. Theod 188
(140, 141. 151)
— Pet. Theod (146)
Kalenic Ulr 325
Kaiinka Joacb. . ■ ... 386 (386)
Kalinowka Karl 476
Kamenskij (190)
— Bantys Dem Nik. . . (201)
Kamieüski Cajet 477
Kanislicb Ant 264
Kantemir And. Dmitr 162
Kapihorsky Sim 355
Kapnist Bas. Bas 171
Karadzic s. Stepbanowiö.
Karamzin Nik. Mich. ... 180 495
(3, 11, 137)
Karczewski Roch Vinc 477
Karlsberg Karl Dan 349
Karnkowski Stan 435
Karpinski Frz 463
Karpowicz Mich. Frz 470
Kassius s. Cassius.
Katancsich Math. Pet . . .264 rill,
281, ^270)
Katenin Paul Alxr 189
Katbarina II (146, 167)
Kauble Jos 368
Kaulfuss Alxr 477
Kawka Mart. Pristacb 351
Keliny Theoph 394
Kengelac Paul 219
Kercselich Balth 268 (231)
Kessicb Nik. . . ■ . . • ... 262
Kbun Karl . . • 368
Kicii'iski 476
Kinskv Dominik 366
Klatowsky And (299)
- Bohusl 351
- Mart 351
- Sim 349
Klaudian Nik 329
KIcczewski Stan. ... 477 (403, 409)
Kleycb Wenc 356
Klirpera Clem. Wenc 367
Klimko Mich 394
Klimowskij Semen 163
Klonowicz Seb. Fab 433
Klosowski W 478
Kluk Chpb 474
Klusäk Alb. Ge 351
Klusin Alxr. Im 171
Knapski Greg. . . . 447 (140, 410)
Knauth Cbn (485, 487)
Knexevich Pet 261
Kniaziewicz Ge. Greg ' 478
Kuiaznin Jac. Bor 171
Kniaznin Frz. Dionys 463
Knobelius Wenc 351
Kobierzycki Ph. Jac 477
Kobylin And 437
- Pet 437
Kocjn Job 344
Kocbanowski Andr 430
- Job 429
- Pet 429
Kochowski Vespas ....... 443
Koialowicz Adalb. Wiiuk. 447 (403)
- Kaz 448
Kokoskin Tbed. Tbed 189
Kola Dem. Frz 448
Kolacz Paul (410)
Kolar Adam Frz (14)
- Job 398 (41, 58)
Koldjn Paul Cbn 350
Kolkowski A • .... 78
KoH'atay Hugo 470
Kol'udzki Augustin 448
Komenius Hyac 261
Komensky Job. Amos . . 338 (300)
Komuli Alxr 256
Konäc V. Hodiskow Nik 327
Konarski Hier. Stan 458
Kondratowicz Cyriak (411)
Konecny Matth 347
Koniäs Ant 356
Konisskij G • . . . 169
Konstanc Ge 355
Konstantin s. Kyrill.
Konstantinow Egor (137)
Konstantinowic s. Ostrozskij.
Kopczinski Onuphr. . . . 476 (410)
518
Kopernik Nik 414
Kopijewiö Elias Theod 163
Kopitar B. 286 (60, 70, 133, 236, 275)
Koppen Pet. Iw. It8 (128, 133, l'.K))
Kopystenskij Zach. 158
Koranda Wenc 324
Korßek J 398
Koi-jnek Job 356
Korka Paul 351
Körner Ge (485, 486)
Kornic Burian 348
KornijT Frz , 269 (-2(^9)
Koroboiiiikow Tryph 156
Korzawin Th. . " (142)
Koschiak Thom 270
Kossakowski Jos., Bisch 468
— Jos 476
Kossicki Liidw (424)
Kostrow Jerm. Iw 171
Koszutski Greg 435
Kotljarewski Im. Pet. . . . . (141)
Kotwa Job. Ctibor 348
Kovacsevich Thom 268
Kowaöewiö Bas. 222
— Gab 220
— Laz 222
Kowalski Frz .469
KoSmian Cajet 466
Kozuchowski Stau 448
Krabice Hynek yöO
Kracowsky And 351
Kraiewski Job 433
— , Mich (461)
Kraii'ifki Cbph 432
Krajacsich Marc 270
Kräl Jos. Mirowjt ;-J6s
Kraljewic Bened 222
Kramerius Wenc Math 360
— Wenc. Rodomil. . . 79. 3ns
Kra--icki Ign 46« i
Kraseniniiikow Steph. Pet. . . . 164
Krogcj Jos. . (]8
Krömery Job 898
Kresychlcb Pet. 431
Krinowskij Ged. . 168
Krjukowskij Matw. Bas. ... 189
Krman Dan 390 (386)
— Job 397
Krocjn Math .S48
Kromer Mart. . . . . . . (4, 403)
Kroniholz Job 386(886)
Kionenberg Iw (146)
Kroi)f Frz.' (SOG)
Krtsky Job 351
Krüger Job. Clipb (485)
Krumholz, Pastor (410)
Krumlowski Jos 478
Krupeborsky Nik 348
Krupiiiski Äiid 478
— Ludw 467
Krupsky Jac 348
Kruszyiiski Joh 466
Krylow Iw. And 183
Krysinski Dominik 477
Kubänyi Jos 396
Kubasow Sergij 158 (178)
Kuca Ant 368
Kuczborski Valent 435
Kudlicz B. . . • 476
Kumerdey Blas 285, 2H7
Kunwaldsky Jac 351
Kupinich Cbph . . 268
Kurbskij And. Mich !56
Kurganow Nik. Gab (141)
Kuszanski Alxr 477
Kuszewicz Paul . . • . . ■ . . 448
Ruthen Mart 341
Kutsch (410)
Kuznics Steph 287
Kwiatkowski Caiet ... 477 (462)
— Mart (409)
— Pet 448
Kyprian, Metropolit . . . .1.52,209
Kyriak, Mönch 128
Kyrill (Constantin) 85
— Bisch. V. Turow 128
— Metropolit 151
Kyrillow Iw 163
L.
Labecki Ant 477
t-adowski Math. Marcian .... 448
Laetus Job 351
Lafontaine Leop 475
Lachowski Seh 470
Lallich Frz 261
Lange Joh (485)
Langen Jac • . . (145)
Langhoffer Aug 398
Lani Elias 385 (386)
— Mich -387
Lanossovicli Marian . . . 263 (263)
Latinich Pasch. Prim 261
Latosz Job . . 437
Lauöek Mart 492
Laurencsich Nik 268
Laurentius v. Brzezow . . . 315
Lazarewic Ephrem 221
— Nik 220
~ Sabb 221
Lazic Greg ■ . . 222
Laztrich s. Ochievia.
Lebeda Wenc 350
Lebedew And. Iw 497
Ladnicky Jerem . . • ... (3S6)
Lobocky Dan .393
Leilo .' (145)
Lelewel Joach 472 (3)
Leonard, Dominicaner .... (424)
Leonhard Chn (485)
519
Leopolita Job (424)
Lerchenfeld Job. Sixt 351
Iljfski Jos 478
Lessäk Ge 394
Leszczynski Rapb 444
Stan 458
Leska Stepb 395 (380)
Letunicb Vlad 261
Levakovicb Rapb. . . . 244, 253
Lewanda Job. Bas 169
Lewitskij Iw. Micb (190)
Lewäin Piaton 169
Libertjn Ge 356
Libicki Job 443
Linda Jos T9, 368
Linde Sam. Gottl. 471 (190, 410,
411, 478)
Lipiüski Jos 431, 466
Lipovcicb Hier 262
Lipowski Blas 4-18
Lisiecki Dominik 476
Lisikiewicz Jos 477
Liäowini Sam 5(i6
Litomericky Hilar. ... . 324
Litwinski, Priester (411)
Lityriski T. H 476
Ljwow Paul Jur 491
Lobanow Mich. Jewsf 189
Lobkowic Joh 326
Locika Job. 351
Loderecker Pet (248, 300)
Loebryn Dan 351
Lomuicky Civilius 354
— Simon 344
Lomonosow Mich. Bas. 168 (137, 144)
Loiigolius Micb 351
Lopacinski Ign 448
— L l^. S 477
— Tbom 478
Lowcäni Job (386)
Lowicb Adam 77
■Loyko Felix 477
Lubieniecki Stan , . (478)
Lubienski Wlad 447 (403)
Lubomirski Stan. Herakl. . . 444
Lubowicz M (144)
Ludolf Heinr. Wilh (144)
Ludwjk Jos. Myslimjr 36s
Lukari Frz. . .' 256
Lukas, Bruder 325
Lupäß Mart 324
— Prokop 345
Lustina Vincent 220
Luzsky Melicbar 351
Lwowitsky Kyprian 35ü
Lykaon Paul 351
Lyzlow And. . 158
M.
Mäcsay Alxr 391
Miiczyuski Job (410)
Madiiis Michas (4)
Magarasewiö Ge 79, 222
Magnickij Leont Phil 163
Machäßek Svnie. Karl 367
Maiowski Välent. Skorochod 473 (3)
Majknw Bas. Iw 171
Makarius, Hieromonach . . . .132
, Metropolit 155
Makarow Pet. Iw 187
:\Iaknwski Sini. Stan 448
Maknwskv Job 344
Malczowski Job. Stan (410)
Malecki Clem 476
Malesewac Job -81
Malesewic Em 222
Malicki Barth. Kaz i410)
Malinowskij Alxj. Theod. ... 187
Maljgin Tim. Semen 173
Maly Ge ^51
Marcellovich Ge 268
Marcinowski Ant 177
Marcus, Augustiner . .2dl (275)
Maröek Elias 393
Marelv Ant 365
— Job. Heinr 368
Marevich Joh 264
Marewicz Yinc. Ign. . • . 476 (!40)
Margetich Stepb 261
Marianovich Pet 215
Marinkowic Const 221
Markiewicz Onuphr. ..... 478
Markovic Math 392
Marnavitius Job. Tom. .... 253
Martinides Wenc 351
Martynius Sam 348
Martinsky Vict. Adam 351
Martynow Iw. Iw 187
Miisiiicins Dan. (3ö6)
— Tob 386
Mategka Joh 368
Matheolus Joh 351
Job. Jac 351
Mathiades Joh. Ge 351
— Paul 351
Wenc 351
Mathias v. Miechow .... (4, 403)
Mattei Job 261
Mattbaei Ge (483, 485)
Mattbaeus Cracovieusis . . . (403)
Matuszewicz Marc 476
Matwjejew Art. Serg 158
Maudru Joh. Bapt (144)
Maurenjn Tob 349
Maxibrädich Horat 261
— Mart 256
Maximow Theod (126)
Maximowic Abr 221
— Alxj 222
— Lew . . ■ . . . . (138)
520
Maximowiö Mich 219
Maximus, Mönch 156
Medljn Joh 3G8
Medwjedew Sylv 158
Megiser Hier 250 (275. 486)
Melezjnek Wenc 368
Melikius Sam • . . 285
Memorskij Const. Mich ... (145)
Meninski s. Mesgnien.
Menze Sigm 251
Mercherich Leonh -232
Merkail Sabb 222
Merzljakow Alxj. Theod. 185 (190)
Mesgnien Frz 5<)7 (410)
Messarowic N 222
Meszäros And 394
Metelko Frz. Seraph. . . 286 (275)
Method ' 85
Meystrjk Jos 368
Mezi-jcky Joh. Tbadd 349
Miaczyüski Ign 477
Miaskowski Casp 431
Micalia Jac 254 (248)
Mickiewicz Adam 466
Micler Laur (478)
Miechovita s. Mathias
Mieroszewski Joh 477
Mihalyevich Mich 264
Mihanovich A 270
Michaelis Pet (410)
Michajlewiö Ge • .220
Michajiowic Joh. ... • ... 222
— Pantel 222
Michalec Mart 351
Michalides Sam 393
Michalko G 506
Michalko Paul S97
Miklaszewski Jos 477 (403)
Mikolaiewski Dan (424)
Milec Elias 393
Miletiö Laz 222
Miliö Joh 316
Milinkowic Paul 222
Miljnsky Math 351
Miliwoin Joh 'J22
Milkowiö Joach 222
Milonow Mich. Bas 189
Miloradowiö Pet 222
Milo§ewic Steph 222 (201)
Minasowicz Jos. Epiph. ... 463
Mincetich Scisko 2r)6
- Vladisl 250
Miniewski W 476
MiokowiC Joh. • 222
Mii'jnsky Wenc 324
Miros Joh 325
Miroticky Joh 350
MiSowisky Raph 345
Mitis Jac. Akanth 349
Mladenowic Pet. 325
MJodzianowski Thom 448
Mlynarowych Elias .... 392 (386)
Mnich Thom • .... 368
Mogila Pet 157 (179)
Mohn Ge 484
Mojziäowiö Joh 396
Moller Albinus (486)
Molski Mart 476
Moneta Joh (410)
Morawski Frz 466
— Joh 448
Moravus Joh 342
Morsztyn Hier 448
Moschotzy (Mo§owsky) s. Institoris.
Moszczeiiski (410)
Mrazowic Abr 218 (126)
Mrongovius Chph. Coelest. 477 (410,
411)
.Mrozinski Jos 477 (410)
Müllenheim Joh. Ernst (410)
Müller (410)
— Gerb. Fried 172
Mulich Ge 270
Münuich G (478)
Murawjew - Apostol Iw. Matw. 189
Murawiew Mich. Nikit. . . .181
— N. N (178)
Musiu-Puskin Alxj. Iw. . 189 (150)
Musickv Lukian 218 (216)
Muskatirowiö Joh 219 (140)
Mvsliwecek Frz 368
N.
Nagurczewski Ign 431, 464
Nagy Ant 270
Nalbanowic Dem 222
Naljesckovich Nik 256
Naruszewicz Adai.i 461 (403, 461)
Nedele Php 368
Negedlv Adalb 365
— ' Joh. . . 79, 363, (300, 369)
Neledinskij Meleckij Jur. Alxr. 172
Nenadowic Paul 211
Nestor, Mönch 151 (4)
Nestorowiö Uros 214, 222
Neskowic Äthan 220 (196)
Netolicky Barth 351
Job 351
Newachowiö Lew Nik 189
Niemcewicz Julian Ursin 462 (462)
Niemir Karl Jos 446 (478)
Niesiecki Casp. . . 478
Niewieski Stan 448
Nigriui Johann (386)
Nikiphor, Metropolit .... 128, 151
Nikitin Äthan . 156
Nikolai Alb 337
Nikolaus, Clericus 241, 242
Nikolew Nik. Pet 171
Nikoljskij Alxr. Serg 186
521
Nikon, Patriarch 156
Niphont, Chronikant 151
Nounius Paul 351
Nordstädt Joh (145)
Nowaczyüski Thadd. 477 (409, 456)
Nowakowiö Stephan .... 219,222
Nowicki Clem 476
— Johann 476
Nowikow J (146)
— Nik. Iw 174 (190)
Nowotny Frz 368 (300, 369)
— Honorat (374)
Nudozerju s. Benedicti.
O.
Ohodziriski Alxr 148
Obradowiö Dosith 217
Occhi Karl Aut (248)
Ocko Adalbert 437
Ochievia Philipp 262 (197, 201, 262)
Oczko s. Ocko.
Oöedelic Alb. Ogir .329
Ogiiiski Mich 507
Oldekop Ewstatij . ... 497 (146)
Opaliriski Chph 445
Opeö Balth 508
Optat Benes 342 (299)
Orliöny Paul 342
Orphelin Zach 218
Orzechow'ski Stan 427, 434
Osinski Aloys . . 477
— Jos. Herrn 475
— Ludwig 465
Ossoliüski Jos. Maxi. ... 472 (478)
Ostolopow Nik. Theod 187
Ostrowski WJad 476
Ostrozskij Const. Const 156
Otfinowski Valer 444
Ottersdorf Ambros .... 350, 493
- Sixt .... 342, 350, 493
Otto Zdenek 349
Ozerow Wladim. Alxr 182
P.
P. G 394
Pacuda Matth 351
Paeonius Prokop 349
Pacheus Johann 351
Palacky Frz 367
Palecek Johann 324
Palicyn Abr 156
Palikuchi Pet 261
Palingenius Hier 351
Paliurus Paul (424)
Palkowic Georg, Domherr . . . 393
— Georg. Professor 397 (300,
374, 378)
Pallas Pet. Sim (146)
Palma Sixt 349
Palmota Jacob 255
— Junius 255
Palumbini And 398
— Samuel (386)
Pdn Martin 396
Panajew Wladim. Iw 189
Papanek Georg (373)
Paprocki Barthol 345, 4.S6
Papuclich Anton 262
Parkosz Jak 507
Parenogo Michael (146)
Parjzek Alxs. Vinc 362
Partlic Simon 348
Passilovich Paul 262
Pastritius Joseph 244
Paszkowski Martin 436
Patrcka Michael Silorad 368
Pavich Karl 264
Pawlowskij Alexj (141)
Pawlowsky Anton 368
— Wenc 368
Payer Karl 368
Pazär And 396
Pejacsevich Frz. Xaver .... (196)
— Jacob 270
Pejakowic Jacob 222
P?kalski Adalb 476
Pelzel Frz. Mart. 363 (293, 300, 369)
Penin skij Iw 494
Perkowicz Thom 448
Perzyna Ludwig 475
Pescioni s. Zuzzeri.
Pesina Kypr 347
— Thom Johann . . .356 (93)
Petlin Iw 158
Petrecsich Pet 268
Peti-ek Beniam 349
Peti-jk Johann 350
Petrman Georg 368
Petrow Bas. Pet 170
Petrowic Abr 222
— Georg 220
— Peter 222
— Simeon 222
Petrozeljna Jacob 348
Petrus Zbraslaviensis (4)
Petrycy Seb 432
Phalimirus s. l'alimierz.
Philippovich Adam 264
Philippowic s. Filippowic.
Philomathes Matth 351
Photius, Metropolit 152
Pi^tkowski A 477
Piecka Michael 350
Piehowicz Innoc 246
Piekarski F. Bor 477
Pilarjk Stephan 386
Piotrkowczyk And 448
Piramomcz Greg 472
Pisarew Alxr. Alxr 190
Piscatovis J (3)
Pjsecky Wenc 327
522
Pj§ek Heiiir 348
Pitter Bonaventura 356
Pläcel Wenc 345
Plachy And 395
— Georg 355
Piaton s. LewSin.
Plawilsöikow Pet. Alxj 171
Plescejew Serg. Iw. . . . 174 (138)
Plintowic Adam (386)
Plzensky Ad. Cl. u. Math . . .351
Pnin Iw. Pet 189
Poczobut Mart. Odlanicki . . .475
Podebrad Hynek 326
Podnianicky Johann ..... 392
Podobjedow Ambr 182
Podolsky Simon 350
Podsiwalow Bas. Serg 186
Pogodin M (135)
Pohl Job. Wenc 369 (3U0)
Pochlin s. Marcus.
Poläk Milota Zdirad 367
Poliöanskv Math 351
Politsky Änd 351
Polockij Syme 157 (179)
Polsfuss Anton (410)
Polykarp Tb (126)
Pongräc Balth 392
Poniatowski Stephan 448
Ponihski Stepbau 448
Poplawski Anton 477
Popliiiski J 507
Popow Anton (140)
— Michael 491
Popovich Matth 281
Popovizh J. S. V 285 (10)
Popowi6 Dionys 222
— Georg 222
— Johann 222
— Milos 222
Sabb 222
Sophr 222
Popowskij Nik. Nikit 169
Poszakowski- Johaiiu 44H
Potocki Alxr 477
— Ignaz 470
— Johann . . 477 (11, 13) 495
Stau. Kostka 469 (41, 410,
411, 478)
— Wenc 444
Pozarskij Jak. Osipow (145)
Praetorius P (485)
Prachaticky Christan 329
l'razuiowski Adam 477
Presbyter s. Diokleates.
Pres] Joh. Svatopluk 365 (42, 79,
360)
-- Karl Boriwog 369
Prespole Peter 329
Priboevins Vinc (229)
Prochäzka Frz. Faust. . . 361 (369)
Prokop, Bruder 324
— , Stadtschreiber .... 326
Prokopius Johann 395
Prokopowiß-Antonskij A. A. . . 76
Prokopowiö Theophan 162 (93, 229)
Prokosz, Chronist .... 507 (403)
Prostibor Ulr 350
Protasow Ambr 183
Pruno Johann 384
Prybis Dan (386)
Przesmycki Ludw 476
Przybylski Hyac 464
Puarich Anton 256
Pubicka Frz (292)
Pudl'owski Malcher ..... 433
Puchmayer Anton Jarosl. 363 (145, 360)
Puchow Jobann 341
— Sigm 341
PuJawski Paul Corvin 477
Pulkawa Pribjk . . . . 315 (4, 292)
Puäkin Alxr. Serg 185
— Bas. LwowiC 189
Putnik Joseph 222
R.
Kaczyriski Ethmrd 473
Eaöek Johann 351
Radasin Mich 384
Radic Anton (386)
Radich Ludw 261
— Mich 262
Radomski Johann 435
Radonjn Pribislaw 350
Raduch Martin 396
Radugin Mich 497
Raez Mich (485)
Raffay Stephau 268
Ragnina Dinko 256
j{j]j 252
Raiö Johann . ... 217 (U, 196)
— Stephan 219
Rakic Vinc 219
Rakowiecki Ign. Bened. 473 (3, 19,
70, 133, 149)
Rakownicky Johann 350
— Wenc 351
Rama Hier 262
Rames W^enc 349
Raphaeli Alxr (410)
Rasiö Max 222
Raskowie Raph 222
Rattkay Georg (229)
Rautenkranz Joseph 364
Ravnikar Matth 504
Raymanu Frz 368
Razzi Seraph 252
Regius Johann . . 351
Reifif Ch. Ph 492
Relkovich Jos. Steph 264
Math. Ant. 263-264 (263)
523
rl 1
Rembielinski Josppb .
Romezow Semen . .
Hendel Alb
ßepansky Martin . .
Resti Jimins
ßesätko s Soböslawsky
Resel Thoni "
Re§etka Mich. . . .
Retjk Magdalena . .
Rey Nik
Richter Joseph . . .
Riciardi Bern. . . .
Ritter Paul
Rittersberg, Ritter v.
Rizskij Ivr. Steph. . .
Rodde Jacob . .
Rodowsky Bawoi
— Bawor
Rogalinski Jos. .
Rogalius Thom. .
Rohä(^ Johann . .
Rohn Job. Karl . .
Rohoni Georg . . ,
Rohrmann Chn, . .
Roich Joseph . .
Rokos Frz. Alxr.
— Wenc. Midi.
Rokycana Johann
Rosa Stephan .... 24
- Wenc. Johann . . .
Kosaciiis Johann . .
- Thom. . . .
Rosciszewski Adalbert
Rosenberg Jobst . . .
Rosenthaler Joseph .
Rositzius Sigm. . . .
Rosolecki Luc. . . .
Roter Jerem. . . .
ßozanow Thom. ...
Rozmital Zdenek Lew
Rozuay Samuel . . .
Rtisöew Theod. Mich.
Ruban Bas. Greg
Rubcic, Wappenherold
Rudjnskf Matth
Rudnicki Sylvest
Rukoslaw Johann ....
Ruljk Johann . . 366 (299,
Ruth Hynek
Rwacowsky Laur. Leand.
Ryba Jac. Johann ...
Rybäk Georg
Rybay Georg
Rybinski Johann ....
Ryckow Pet. Iw
Rychl'owski Franz ....
Rylo s. Wassian.
Rysinski Salom
Ryszkowski Frz. Xaver. .
Rzewuski Wenc
343
398
8ii9
429
287
261
268 i231)
(140)
(179)
144, 146)
. 350
.305
. 478
. 437
(386)
(300)
. 50ü
(410)
. 268
. 368
. 369
. 324
247, 256
356 (299)
348
477
159
328
344
260
174
354,
43
. 348
. 437
. 324
. 369
(403)
.448
. . (410)
(145, 146)
. 326
. 397
. lf.7
(178)
(2091
(33H)
. 246
. 221
369)
.369
. 343
. 369
. 352
394 (140)
(409)
. 173
446
(1401
. 478
.459
s.
Sakowicz Kassian . 448
Saltszewicz Laur. ... • 448
Samblak Greg 152
Sanin Jos. d. H -155
Sapecki Kypr .418
Sapieha Alxr 477
— Leo 486
Sarnnda Pot 222
Sarnicki Stau 436 (403)
Sartorius Dan 392
Scheliga And 398
Schkriner Joseph 287
Schlag Georg (410)
Schmidt .Tob: Adf. Erdm. (145, 146)
— Johann E. . . . 369 (.300)
Schmigoz Joh. Leop. . . 286 (275)
Schramko Paul 396
Schrey Modost 287
Schulek Johann 396
— Math 395
Sciniunich Mich 261
Scipio Seb 346
Sciumonnvicb Johann . . . . 261
Scjuljag s. Maxibradicb.
Seberiny Johann 398
Sedläöek Adalbert . . .365
Seiler Andr .509
Sekeres N 222
Seklucyau Johann . . 435, '^07 (424)
Sellenko Georg 285 (275)
Sellij Nikodem 163
Semian Mich 395 (38(>)
Semiwlak s. Samblak.
Sequenides Georg 352
Sexti Johann (386)
Siarczynski Frz 477
Sidoniüs Dan (386)
Siennik jNLart 437
Siemiatkowski Pet 477
Sierakowski Seb 476
— Wenc 478
Simon, Bischof 151
- , Bruder 324
Simonides Johann .... 386 (3;^6)
Sinapius Dan 386 (140, 386)
Sinjkowskij Dem. Nik. . . . (146)
Sirenius Sim 438
Sjeöenow Dem 169
Skalicky Joseph 369
Skaradkiewicz Patric 478
Skarbek Fr. Hr 477
Skarga Pet 434
Skoczynski Pet 448
Skomorowski Frz 47S
— Ludwig 476
Skorina Frz 156 (178)
Skrzetuski Cajet 473
— Vincent 477
524
Slaski Simon 433
Slawata Wilh 347
Slawianickij s. Slawineckij.
Slawineckij Epiph 157
Sleszkowski Seb 447
Slotwinsld Felix 477
Slovacius Paul 352
— Wenc 345
SJowacki Eusob .467
Suiiglecki Martin 448
Smotriskij Melet (126)
Smrtnik Benign 506
Sniadecki And 475
— Johann ... ... 476
Soböslawsky Jacob 352
— Johann 352
— Thoni. Resätko . . 343
Soc Iw. Iw (146)
Sokolow Pet. Iw 186 (144)
Solaric Paul ... 218 (35, 212 222)
Solnicky Wenc. Math 352
Solski Stan 448
Sol'tykowicz Joseph . . . 477 (310)
Sophronius, Priester 152
Sopikow Bas. Steph. . 187 (133, 190)
Sorgo Bern 261
— Frz. Pierko 261
— , Graf (3)
— Katharina 260
— Pet. Ign 260
Sovich Matth 246 (247)
Sowinski Johann .... 477 (478)
Spasskij Greg. Iw 78
Spiczynski Hier 437
Srnec Jacob (140)
Stach Wenc 366
Stamatowiö Nik 222
Stanisawlewiö Gab 222
Starcsevich (248)
Starowolski Sim 446 (478)
Staszyc Stan i74 (404)
Statorius Pet 507 (410)
Stavenhagen J. N (144)
Stawiarski Ign (404)
Stawski (410)
— Alb .448
Staygel Mich 397
Stefanowiö Karadzic Wuk 221, 225,
491, (UO, 141, 203, 205, 216)
Stefazyus Job. Chph 477
Stehlik Paul 398
Stephan, Kapuciner 270
Stophanides Georg 352
— Jacob, u. Johann . . 352
— Simon 352
Sternberg Petor 328
— Zdenck 328
Steyer Math. Wenc. . . .355 (299)
Stipacius Nik 352
Stodolius Dan 349
Stoienski s. Statorius.
Stojadinowiö Marc 220
Stojkowiö Äthan 220
Strachowic Adam Heinr 352
Straka Anton 398
Stranensky Johann 342
Stransky Daniel (386)
— Paul 855 (392)
Streöko Paul (382)
Stredowsky Joh. Georg .... (96)
Strjbrsky Hier 352
— Jakob 324
— Math. 352
Strnad Anton 369
Strojew Paul Mich 188 (137)
— Peter 491
Stroynowski Hier 477
Strubicz Math 438
Stryc Georg . 337, 338
Stryykowski Math. . . . 136 (4 403)
Stulli Joachim 261 (248)
— Johann 261
Sturm Wenc 344
Strzebski Martin 418 (40)
Suchorowski M 503
Sudlicius Johann 357
Sudrovius Stan 432
Sumarokow Alxr. Pet 162
— Pankrat -188
Surowiecki Laur . . . 473 (11, 19)
Sussnik Frz 269, 499
Swiecki Thom (403)
Swjetnoj Philemon 492
Swinin Paul Peter 78
Switkowski Peter 478
Swoboda Frz. Johann 366
— Wenc. Aloys 369
Swotlik G. Augustin . . . (483, 485)
Sychra Math 367
Sylvanus Johann 384
Sylvester, Bischof 151
Symonowicz Roman 477
Syreiiski s. Sireuius.
Syxtus Erasmus . . . • . . . 448
Szent- Märtony .... 269 (269)
Sz. d. Polnische s. nach S.
s.
Sädek Karl 369
Saffarowsky And (386)
Sachowskij Semen 158
Sachowskoj Alxr. Alxr 184
Salikow Pet. Iw 78, 190
Satrow Nik. Mich 189
Söeglow N 78
Siekatow Alxr (138)
öcerbatow Mich Mich. . . 172 (137)
525
Sediwy Prokop 396
Sichmatow Serg Alxr 189
Simiö Nik 220
Öimko Imm. ^Yllh 369, 505
, — P. Adalb 398
Sjr Frz 369
Si§kow Alxr. Semen. 76, 182 (133,
142, 146, 150)
Slechta Johann 327
Sohag Adalb 366
Stelcar Johann 344
Stepäuek Joh. Nep 367
St^pniöka Frz. Bohumjr .... 369
Stjtny Thom 316
Styrsa Georg . . . . • .... 329
Sud Nik 350
Suäerin Iw. Korn 159
Swenda Frz. Paulla 369
Szaniawski Jos. Kalassanty . . . 474
— Xaver 477
Szczaniecki Stephan 446
Szczericz Paul 436
Szembek Fried 447
Szeyt Johann 478
Szoltisz A 398
Szc^owicz 507
Szukiewicz Fabian 476
Szumski Thom. . 477 509 (410, 478)
Szylarski 507
Szymanowski Joseph .... 460
Szymkiewicz Jacob 478
Szymonowic Simon 430
Szymonovrski Sani. Huter . . . 448
Szyrma Anton 448
Szyrwid Const (410)
T.
Tablic Bohusl. 77, 397 5C6 (380, 382,
383, 398)
Täborsky Chrys 357
— Johann 384
— Joseph 869
Tacituruus Georg 352
Tappe Aug. Wilh (137, 145)
Tarnowski, Graf (461)
— Johann 438
Tatisöew Bas. Nik. . . 164 (3, 137)
— , Iw. Iw 497 (146)
Tauszi Franz 270
Tellitenovich Anton 270
Teplicky Wenc. Stephan .... 349
Terlaiö Greg 218
Terlecki Method 244
Tersich Luc 261
Tesäk Georg 845
Teäläk Paul 392
Textorius Wenc 352
Tham Karl Ign. ... 366 (299, 300)
— Wenc 366
Theophylact, Bischof 225
Thermen Wenc. Steph 352
Ticinus Jacob 484 (483)
Timothoj, Chronograph . ... 151
Timowski Kantorbery 476
Ti§now Simon 324
Tököly Sabb 222
Tolmacew Jac. Bas (190)
Toloöaninow Nikiph. Matw. . . 159
Tolstoj Thed. Pet. ....... 76
Tomaszewski Dyzma Boncza . . 466
— Mich. Boücza . . .476
Tomikovich Alex 264
Tomsa Frz. Bohumil 369
— Frz. Johann . . . 361 (300)
Tonsoris Johann 394
Torkos Joseph 288
Tosan Daniel 352
Trabczynski, Abbe (410)
Trauowskf Georg 386
Tranquillion Kyrill 159
Traun Anton 287
Tr§bicki Stan 461
Trgbicki Anton 477
Trebick-y Joh. Kyrill 352
Trebnicky Steph 384
Tredjakowskij Bas Kyr. 164 (137, 179)
Tribalius Mart 852
Tribucelius Sigm 352
Tripkovich Anton 259
Trnka Frz. Dobromysl 369
Troc Abr 447 (41ii)
Trojan Hermanomestecky . . . 352
Trojanski J. C (411)
Trüber Primus 279, 280
Truska Simon 369
Trzciüski And 478
Tudisi Marinus 256
Tulawski Joseph 478
Tumauskij Theod (138)
Turinsky Frz ^367
Turnowski Johann '432
Turno-wskv Wenc 352
Tm-zo Ancl 394
Twardowski Casp 432
— Samuel 442
Tylkowski Adalb 448
u.
Ulfus, Priester 238
Umiastowski Peter 437
Urbanowic Johann (386)
Urzedow Martin 438
Ustrzycki And 478
V.
Valecius Simon 347
Vater Joh. Sev (145, 410)
526
Velikanovich Iw 2fi4
Verantius Faust 25U (248)
Vergerius Peter Paul 280
Vetraiiich Mauro 251
Villov Steph 262
Vinceutins, Domherr 308
Vincovich Bened 268
Vitalich And 261
Vitezovicli s. Rittor.
Vlassich Joseph Anton 264
Vodnik Valent 286 (27öj
Volkmar Nik (410)
Voltiggi Joseph 260 (248)
Vucich Bona Joh. d. Ae. u. d. J. 256
Yuletich Peter 261, 493
w.
Waea Theod 477, 506
Walasky Paul 396 (398)
Walasjk Joh 506
Waldstein Hynek 347
Waleiiowsky Wenc .325
Wales Joh 352
Wanek Norb 369
Wargocki And 4C8
Wartowsky Joh 341
Warwazow Ilaw. Barth 35'J
Wassian 155
Wauer Joh (485)
Wawäk Frz. Joh 369
Weber Joh 386
Wegierski Adalb 446
And 445 (478)
Thom (424)
— Thom. CiiJLt 462
AV§glenski Josaph 478
Weissenthurn Vinc. Franul. 286 (275)
Welssmann Er (145)
Welensky Ulrich 328
Weleslawjn Adam Doniel 339 (30ü)
Wetzien S (145)
Wenelin Jur 502
Werewkin Mich, hv 174
Werner, Bischof 249
Wesely Wenc. Jos 357
Wetesiijk Frz 368
Weycbart T. T 478
Weziliö Alexj 219
W§zyk Frz 466
Wiazkiewicz Paulin 448
Widakowie Milowaii 220
Wiedemann Wenc (300)
Wielewieyski Steph 448
Wierbusz Kaz 477
Wieruszowski Kaz 448
Wiesiolowski Chj)h 477
Winkler Karl (411)
Winogradow Peter iTiO)
Wiskowatow Iw 189
Wisniowiecki Jnnusz Korybnt. . 443
Witkowic Mich 220
— Peter 222
Wizin Denis Iw. v 170
Wjazemskij Pet. And 184
Wladimir Wsew. Monomacli .49, 151
Wladisawlewie Mich 219
Wlahowiß Äthan l'21
Wlasenicky Nik 325
Wlcek Wenc 328
Wl(iotjn Chn 352
Wlkanuw Ulr. Prefat 350
Wodicika Joh 349
Wodnansky Jes. Caniill 352
— Joh. (Aquensis) . 328
Wojejkow Alxr. Theod. . 185 (178)
Wolckow Serg. Sabb. . . 174 (145)
Wolf Martin 369
— Matth 287
Woljnsky Jacob 352
Woronicz Joh 464
Woronowski Bened (410)
Wostokow Alxr. Chph. . . 186 (42,
133, 179)
Woyde s. Adamowicz.
Woyde Karl Gottl 477
Woyna (410)
Woyniowicz Vinc 478
Wrana Nik 329
Wratislaw Wenc 345
Wrbensky Victor 347
Wi-esowic Wolf 350
Wröbel Valent (424)
Wsehrd Victor. Corn 327
Wuiö Joachim . . 220
Wujanowsky Steph 218
Wuiek Jacob 434 (424)
Wussiu Casp . (300)
Wybicki Joseph 474
Wydra Stan 366
Wyrwicz Karl . . 477
Wysocki Samuel 448
Wyszkowski Mich 476
Wyszomirski, Priester . . 453 (410)
z.
Zabczyc Joh 432
ZaWocki Franz 468
Zäbognjk üeorg (386)
Zaborowski Ignaz 478
— Stan (410)
Zäborsky Peter . . 394
Zaborowski Stanisl. . ... f.07
Zabransky Johann ...... 369
Zadranin Givan 261
Zagjc Joh. V. Hasenberg .... 324
Zahumenskv Joh 3'i2
Zahradiijk Vinc 367
Zachariaszewicz Greg 477
Zachariewic Georg 220
Zaloski H. L 476
527
Zafuski Jos. Aiitl -159 (478)
ZaluÄansky Adam 342
Zamagna Raimund 255
Zämrskv Mart. Philad 348
Zanotti'Joh 2H1
Zawadzki l^n. Rogal (140)
— Maxi 246
— Theod. Bogala . . .448
Zäweta "Georg • 346
Zäworka Tob 3-52
Zbylitowski Peter u- Sig. Aiid. . 433
Zeglicki Arnolph (HO)
Zelie Geras 222
Zglinicki J. N 476
Ziegler Jos. Libosl '-9, 364
Zielinski Joseph 477
Zimmermann Job. Wenc . 364
Zimorowicz Simon 431
Zizania Laur 155 (126)
Zjablowskij Eudok. Php. . 189 (138)
Zlatarich Dominik 252
— Mart 261
Zlobickv Joseph 369
Zmajevich And (250)
— Yinc 245
Zmeskal Job 392
Zolotarew Peter 159
Zoograph Dem 152
Zrzelski Job. . 448
Zschuderlv Tob (485)
Zuzzeri Bern 261
— Floria 252
Zygrovius Job 432
Zyma Anton 369
z.
Zalansky Hawel 346
Zatecky Paul 325
Zdanow Prochor Iw (146)
Zdzanski Cajet 448
Zebrnwski Felix 437
— Jacob ... ... 444
Zefarowic 211 (196)
Zlezny Hawel 352
Zelotyn Wenc 842
Zerotjn Karl 388
Zidek Paul 326
Zidjata Luc 151
Zirjata s. Zidjata.
Ziwlvowic Jon. u Steph .... 221
. — Kyr 220
Zluticky David Hawel 352
Zölkowski Aloys 469
Zukowski Seb. ... • .... 477
Zukowskij ßas- And 183
Zulkiewski Karl 448
M
y \
^-^
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PG Safarik, Pavel Jozef
^^■^ Gescliichte der slawischen
-L'^oQ 2. Abdruck.
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