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Full text of "Geschichte der slawischen Sprache und Literatur nach allen Mundarten"

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GESCHICHTE 

DEK 

SLAWISCHEN 

SPRACHE  UND  LITERATUR 


NACH 


Yy  ALLEN  MUNDARTEN 


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PAUL  JOSEPH    SAFAßlK. 


ZWEITER  ABDRUCK. 


PRAG,  1869. 

VERLAG  VON  FRIEDRICH  TEMPSKY, 


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PG 
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O  patria  salve  liugua,  quam  suam  fecit 
Nee  bumilis  uraquam,  nee  superba  Überlas, 
Quam  non  subactis  civibus  dedit  victor, 
Nee  adulteravit  inquilina  contages; 
Sed  casta,  sed  pudica ,   sed  tui  iuris, 
Dilecta  priscae  fortitudinis  proles ! 


HUGO  GUOTIUS. 


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ftnicit  von  Koinr.  iX-'.e.y  In  f'r-i 


Vorbericht. 


Die  Vortheile,  die  eine  zweckmässio;  eingerichtete  Beschäfti- 
gung mit  der  Geschichte  der  Literatur  gCAvährt,  sind  so  ein- 
leuchtend und  anerkannt,  dass  eine  Aveitläufige  Auseinander- 
setzung derselben  an  diesem  Orte  ganz  überflüssig  wäre.  Sie 
üfi'net  den  Blick  des  jungen  Studirenden  und  des  angehenden 
Gelehrten  in  das  unermessliche  Gebiet  menschlicher  Wissen- 
schaft und  Kunst,  flüsst  Achtung  für  fremdes  Verdienst  und 
das  Bestehende  ein,  bewahrt  gegen  jede  krankhafte  Einseitig- 
keit, jeden  Dünkel,  und  weckt  und  fördert  eine  fruchtbare, 
auf  das  gesellschaftliche  Leben  übergehende  Theilnahme  an  gei- 
stigen Bestrebungen  des  edleren  Theiles-  der  Menschheit.  Wenn 
die  politische  Geschichte  der  Vorzeit  ein  Gottesacker  ist,  in 
welchem  der  verweste  Staub  der  Ahnen  oft  der  keimenden  Nach- 
zeit zum  fruchtbaren  Boden  dient :  so  ist  die  literarische  ein 
Spiegel,  der  die  labyrinthischen  Wege  des  Entwickelungsgan- 
ges  menschlicher  Geistesbildung  vor  Augen  stellt,  und  den  rech- 
ten Pfad  mitten  durch  jene  finden  lehrt. 

Ist  nun  aber  der  Einfluss  der  allgemeinen  Literaturgeschichte 
auf  die  Ausbildung  des  Geistes  einzelner  Menschen  und  hiemit 
auf  den  Gang  der  Wissdtischaften  imd  Künste  überhaupt  gross 
und  wohlthätig ;  so  ist  der  Einfluss  der  Sprach-  und  Literatur- 
geschichte seines  eigenen  Volkes  auf  die  Erregung  einer  x&Cfitän- 
digen  Natioualliebe,  Belebung  der  literarischen  Betriebsamkeit, 
Tefedlung  des  Gemüths  und  hifinit  auf  den  Fortgang  der  Na- 
tionalhteratur  selbst  nicht  minder  mächtig  und  folgenreich. 
Daher  ist  es  für  den  Literaturfreund  Pflicht,  seine  Muttersprache 
und  ihre  Schicksale  vor  allen  andern  genau  kennen  zu  lernen. 
Denn  gleich  wie  dem  Besuch  fremder  Länder  die  Bekanntschaft 
mit  der  Heimath,  und  dem  Bebauen  des  fremden  Gartens  die 
Pflege  des  eigenen  vorausgeht;  eben  so  muss  auch  die  literari- 
sche Gf.'ictesthätigkeit,  wenn  sie  tief  wurzeln  und  gesunde,  das 
Volksleben  heilsam  kräftigende  und  veredelnde  Früchte  tragen 
soll,  von  der  Muttersprache  ausgehen. 


iv 

Ohne  das  Beispiel  derjenigen  Völker  anzuführen,  bei  wel- 
chen das  Studium  der  Geschichte  der  vaterländischen  Literatur 
mit  dem  der  Sprache  selbst  Hand  in  Hand  geht,  und  jenes  die- 
sem weder  an  Vollständigkeit,  noch  an  Gründlichkeit  nachsteht, 
ohne  ferner  auf  die  nachhaltigen  Folgen  dieser  weisen  Einrich- 
tung aufmerksam  zu  machen,  will  ich  nur  bemerken,  dass  auch 
bei  uns  Slawen  seit  ungefehr  einem  Menschenalter,  als  dem  Wen- 
depunct  unserer  gesammten  Volksthümlichkeit,  das  Bedürfniss 
eines  gründlichen  Sprachstudiums  immer  fühlbarer,  und  das 
Bestreben,  es  durch  zweckmässige  Lehrbücher  zu  befördern, 
immer  sichtlicher  wird.  Nicht  zwar,  als  wäre  tiberall  das  er- 
wünschte Ziel  entweder  mit  gleicher  Reinheit  beabsichtigt,  glei- 
chem Eifer  erstrebt,  oder  mit  gleichem  Gltick  erreicht.  Denn 
noch  immer  haben  einige  Stämme  keine  angemessenen  Sprach- 
bücher über  ihre  Mundart,  mehrere  keine  Geschichte  ihrer  Li- 
teratur, und  noch  immer  ist  das  Studium  der  Muttersprache 
und  ihrer  Literatur  von  den  meisten  höhern  Lehranstalten  un- 
ter den  Slawen  gänzlich  ausgeschlossen.  Wie  viel  würde  für  die 
Vervollkommnung  der  slawischen  Gesammtsprache  gewonnen 
werden,  wenn,  ausser  einem  zweckmässig  berechneten  und  nach 
einer  festen  Stufenfolge  durch  verschiedene  Classen  der  Volks- 
schulen fortgeführten  Schuhmterrichte  in  derselben,  auf  allen 
im  Herzen  slawischer  Länder  belegenen  Gymnasien,  Hochschu- 
len und  theologischen  Lehranstalten  die  slawische  Sprache  und 
Literatur  nach  ihrer  wissenschaftlichen  Gestalt  und  im  Geiste 
eines  in  sich  abgeschlossenen  Systems,  so  wie  mit  gründlicher 
Darstellung  ihrer  Geschichte  vorgetragen  würde.  Was  in  den 
slawischen  Provinzen  unserer  Monarchie  —  in  deren  Schoosse 
unter  dem  beglückenden  Scepter  ihres  glorreichen  Regenten 
bekanntermaassen  sieben  slawische  Nationen,  die  der  Böhmen, 
Polen,  Slowaken,  Serben,  Slovenzen,  Kroaten  \md  Russniaken, 
allen  Angaben  zufolge  an  Zahl  die  Hälfte  der  österreichischen 
Staatsbürger  ausmachend,  die  Früchte  dauerhafter  Ruhe  und 
die  unschätzbaren  Vortheile  fortschreitender  Civilisation  gemes- 
sen —  für  die  Emporbringung  der  (-ultur  slawischer  Landes- 
mundarten höheren  Ortes  geschehen  ist,  verdient  dankbare  An- 
erkennung ;  aber  über  die  Früchte  der  Anstalten  dieser  Art 
kann  die  Nachwelt  richtiger  entscheiden,  als  es  von  Zeitgenos- 
sen zu  erwarten  ist. 

So  wie  jetzt  die  Sachen  stehen,  bleibt  der  höher  strebende 
slawische  Jüngling,  in  dessen  Brust  durch  Zufall  oder  Fügung 
die  Sehnsucht  nach  tieferem  Erfassen  seiner  Muttersprache  er- 
wacht ist,  lediglich  auf  Selbsthilfe,  eigenes  fortgesetztes  beharr- 
liches Studium  gewiesen.  Jis  ist  aber  ein  beachtungswerther  Zug 
in  dem  Nationalcharakter  des  Slawen,  dass  derselbe,  einmal 
zum  höheren  geistigen  Leben  erwacht  und  in  der  Ueberzeugung 
erstarkt,  dass  zufolge  des  weisen  Naturgesetzes  der  Polarkräfte 
der  Nationalitäten,  als  der  Grundbedingung  jeder  selbständi- 
gen Volkscultur,  nur  in  der  Muttersprache  wahrhaft  schöne 
Sprach-    und    Gcietesvollendung    zu   erringen  ist,   weit  entfernt 


in  dem  harten  Kampfe  mit  zahl-  und  namenlosen  Hindernissen, 
oft  Gegenbestrebunoen  aller  Art  den  Muth  zu  verlieren,  viel- 
mehr an  dem  erkannten  Kleinod  der  angestammten  Sprache  und 
Volksthümlichkeit  nur  nm  so  fester  hält,  und  am  Ende  den 
Sieg  davon  trägt.  Dieser  tief  wurzelnden  Nationalliebe  des  Sla- 
wen, die  nur  tückische  Arglist  oder  neidische  Selbstsucht  leug- 
nen kann,  dient  zum  voUgiltigen  Belege  die  durch  unzählige 
Thatsachen  erhärtete  Bemerkung,  dass  seit  einem  Menschenalter 
und  darüber  alle  slawische  Mundarten,  selbst  diejenigen,  die 
fern  vom  Glänze  des  Hofes  und  der  Grossen  nur  noch  im  Hause 
Gottes  und  in  der  Hütte  des  Landmanns  fortleben,  ohne  äus- 
sere Begünstigung,  in  Folge  jener  innerji  belebenden  Kraft, 
in  stillem,  aber  desto  sichererem  Fortschreiten  begriffen  sind. 
Der  gute  Saamen ,  den  hochherzige  ,  vaterländisch  gesinnte 
Schriftsteller  aussäen,  findet  schon  seinen  weichen,  befruchten- 
den, dankbaren  Boden,  und  obwol  auch  der  Freund  von  der 
Nachtseile  nicht  müssig  ist,  Unkraut  dazwischen  zu  streuen, 
so  erhebt  sich  doch  das  Herz  zu  der  tröstlichen  Hoffnung,  dass 
der  grosse  Tag  der  Ernte  mit  der  Scheure  für  den  Weizen  und 
dem  Feuer  für  das  Unkraut  nicht  ausbleiben  wird. 

Von  diesem  Gesichtspunct  des  Privatstudiums,  als  des  ein- 
zigen Erhaltungs-  und  Belebungsmittels  der  slawischen  Natio- 
nalliteratur in  den  meisten  von  Slawen  bewohnten  Ländern,  und 
von  der  Ueberzeugung,  dass  den  mühsamen  Weg  der  Selbstbe- 
lehrung in  Sachen  der  Muttersprache,  den  ich  in  jungen  Jahren 
angetreten  habe.  Hunderte  von  nahen  und  fernen  Stamm-  und 
Sprachverwandten  wandeln,  ausgehend,  entschloss  ich  mich  ge- 
genwärtigen Grundriss  der  Geschichte  der  slawischen  Sprache 
und  Literatur  nach  allen  Mundarten,  als  Leitfaden  für  Studi- 
rende  und  überhaupt  als  Hilfsmittel  für  junge  Literaturfi'eunde, 
herauszugeben.  Seit  der  Zeit,  als  zuerst  der  Wunsch  nach  tie- 
ferem Erforschen  der  slawischen  Muttersprache  in  mir  rege 
ward,  und  ich  die  Nothwendigkeit  einsah,  Behufs  jenes  Zwe- 
ckes nicht  nur  die  angeborne  Mundart,  sondern  auch  die  ver- 
wandten, nach  und  nach  in  den  Kreis  meiner  Beschäftigung 
zu  ziehen,  war  ich  gewohnt,  aus  allen  diesen  Gegenstand  be- 
treffenden, oft  sich  zufällig  darbietenden,  oft  mühsam  hervor- 
gesuchten Büchern,  das  Nöthigsfce  zu  excerpiren,  um  mir  so 
den  gänzlichen  INlangel  literarischer  Hilfsmittel,  insbesondere 
eines  das  fortgesetzte  eigene  Studium  anregenden  und  erleich- 
ternden Handbuchs  der  allgemeinen  slawischen  Literaturge- 
schichte wenigstens  nothdürftig  zu  ersetzen.  Da  ich  aber  in 
meine  Materialiensammlung  ausser  der  literarischen  auch  die 
politische  Geschichte  und  Ethnographie  der  vSlawenstämme  mit 
aufgenommen  und  das  Ganze  mehr  als  Aggregat  denn  als  Sy- 
stem behandelt  hatte  ,  so  entstand  bei  der  Herausgabe  die  Noth- 
wendigkeit, die  verschiedenartigen  Bruchstücke  zu  sichten,  das 
Ueberflüssige  w^egzuschneiden,  die  Lücken  auszufüllen,  und  alles 
nach  einem  festen  Prinzip  zu  einem  zusammenhäno-enden  Gan- 
zen zu  verarbeiten.     Das  Prinzip  aber,  welches  mir  hiebei,  als 


VI 

Endzweck    der    Arbeit,    zur  Richtschnur  diente,  war  keineswe- 
ges,  für  gereiftere  slawische  Gelehrte  ein  Handbuch  zu  liefern — 
eine  Anmassung,    von    der    ich    fern  bin  —  obwol  das  Bedürf- 
niss  eines  solchen  Werkes  am  Tage  liegt,    und  desswegen  Hrn. 
Linde's  panslawischer    Literaturgeschichte  rascheres  Fortschrei- 
ten   zu    wünschen  ist  —  sondern  lediglich  den  angehenden  sla- 
wischen Literaturfreunden,  vorzüglich  Studirenden,    einen  Leit- 
faden   an    die  Hand  zu  geben,  mittelst  dessen  sie  sich  auf  dem 
Gebiet  der  slawischen  Literatur  zu  rechte  finden,  und  den  Weg 
des  eigenen  Studiums    bequemer  fortsetzen  könnten.     In  dieser 
Hinsicht    behielt    das    Werk    manches    von    der  urspriinglichen 
fragmentarisch-  aggregativen  Form,  was  nach  dem  strengen  Ge- 
setz des  Systems  anders  hätte  gestellt  werden  oder  ganz  wegfal- 
len müssen.     Dieses  geschah,  ungeachtet  es  manche  Wiederho- 
lungen veranlasste ,    aus  dem  Grunde,    um    auf  diese    Art    die 
Schriften  bequemer  verzeichnen  zu  können,  in  denen  der  Lern- 
begierige   w^eitere    Belehrung    über    das  im  Buche    selbst  kaum 
Angedeutete   zu    suchen    habe.     Wer    es    aus  Erfahrung  weiss, 
von  welch  d^iem  kleinen  Kenntnisskreise  das  Studium  eines  sich 
selbst  bildenden    Slawisten  ausgeht,    wie  beschränkt  gewöhnlich 
die  literarischen    Hilfsmittel    junger    Studirender    sind,    und  zu 
Avelchen  Erweiterungen  des  Wissens    die  mittelst  der  ijücherti- 
tel  —  oft    zufällig  —  erlangte    Bekanntschaft    mit  den  Quellen 
und  Hilfsmitteln  des  Berufs-  oder    Lieblingsstudiums  nach  und 
nach  führt,    der  wird  auch  bei  abweichender  Ansicht   über  Be- 
handlung   und    Ausführung    wenigstens  der  Absicht  Gerechtig- 
keit vt'iederfahren  lassen.    Dieses  Andeuten  der  Sache  und  An- 
zeigen   der  Quellen    oder  Hilfsmittel  wurde  auch  ausserdem  im 
ganzen  Werk    durch    die    Ueberfülle    des    Stoffs  geboten,  sonst 
würde  es  unmöglich  gewesen    seyn,    einen  solchen  Vorrath  von 
literarischen   Notizen    auf   einem  so  beschränkten  Raum  zu  ge- 
ben,   was    doch    vor    Allem    beabsichtigt  wurde.     Dem   zufolge 
sind  mit    strengster    Rücksicht  auf  Raumersparung  die  Notizen 
selbst  möglichst  zusammen  gedrängt,   die  Büchertitel  abgekürzt 
angeführt,  ohne  desswegen  ihren  Gebrauch  zu  erschweren,  und 
überhaupt  bei  dem  Ganzen  eine  innere  und  äussere  Oekonomie 
beobachtet  worden,  wie  sie  der  oben  ausgesprochene  Zweck  zu 
erheischen  schien.     Den  grössten   Schwierigkeiten,  folglich  auch 
den    meisten    Ermässigungen,    war    das    Gesetz    gleichförmiger 
Kürze  bei  der  Behandlung  der  Specialliteraturen  einzelner  Stäm- 
me unterworfen.    Den  in  unserer  Monarchie  einheimischen  sollte 
ursprünglich    eine  verhältnissmässig  grössere  Ausführlichkeit  zu 
Theil  werden;    allein  diese  Berechnung  wurde  theils  durch  den 
Reichthum    einiger    benachbarten  Schwestern,    theils  durch  den 
Mangel    an    ausreichenden  Hilfsquellen  über  mehrere  einheimi- 
sche Mundarten,  namentlich  über  die  windische  und  kroatische, 
theils  endlich  durch  das  Bestreben,  hier  einige  Garben  von  ei- 
gener Ernte  aus  nahen,  aber  weniger  gekannten  Gegenden  Sla- 
wiens  niederzulegen,    beinahe    ganz  vereitelt.     Die  Quellen,  die 
ich    gebraucht    habe,    sind    überall,    wo   es  thunlich  war,   ange- 


VII 

geben.  Ausser  den  j^enannten  wurden  noch  viele  Monofi^raphien, 
schriftlicho  und  mündliche  Mittheiluno-en  .«achkunditjer  Freunde, 
Zeitschriften,  Recensionen  u.  s.  w.  benutzt.  Ich  habe  das  in 
meinen  Plan  passende  meist  wörtlich  daraus  entlehnt,  wesshalb 
sich  das  Ganze  dem  Kenner  als  Ao:ci:i"f'i2,i^t  fremder  \Veltenbruch- 
stücke  erweisen  wird,  zwischen  denen  die  Nebelflecke  eip;cner 
Schöpfunp;  der  Beachtuns^  entschwimmen  möchten ;  aber  bei 
dem  leitenden  Grundsatz,  den  ich  befolgte,  Avar  es  mir  weni- 
ger darum  zu  thun,  wer  was  «gesagt,  als  vielmehr,  wie  er  es 
gesagt  hat,  und  ich  wollte  lieber  Wahres  und  Gutes  mit  frem- 
den, als  Falsches  und  Schlechtes  mit  eigenen  Worten  geben. 
So  sehr  ich  aber  auch  bemidit  wnr,  durch  sorgfältige  Be- 
nutzung der  mir  zu  Gebote  stehenden  Hilfsmittel  das  Buch  sei- 
ner Bestimmung  gemäss  zum  Handgebrauche  für  Selbstlernende 
zweckmässig  einzurichten :  so  gestehe  ich  doch,  dass  ich  nach 
wiederholtem  Durchsehen  das  Ganze  in  seiner  gegenwärtigen 
Gestalt  nur  für  einen  mangelhaften  Versuch  halte.  Diese  Man- 
gelhaftigkeit findet  theils  in  der  Beschaffenheit  der  Arbeit,  theils 
in  der  Entbehrung  mehrerer  Plilfsmrttel,  theils  in  der  Beschränkt- 
heit der  Kräfte,  theils  endlich  in  Lebens-Zeit-  und  Ortsver- 
hältnissen ihre  Erklärung  und  vielleicht  auch  einige  Entschul- 
digung. Ueber  letztere  hier  zu  sprechen,  würde  dem  nicht 
nützen,  der  nicht  mehr  zu  denken  gewohnt  ist,  als  ihm  seine 
Bücher  sagen;  unter  den  Hilfsmitteln  bedaure  ich  am  meisten 
Hrn.  Jungmann's  Geschichte  der  böhmischen  Literatur  erst  wäh- 
rend des  Druckes  meines  Buchs  und  zum  Theil  nach  demsel- 
ben erhalten  zu  haben.  Bei  alle  dem  hoife  ich,  dass  der  noch 
so  unvollkommene  Versuch  für  seine  Zeit  den  angehenden  Li- 
teraturfreunden, denen  es  um  Erleichterung  ihres  Studiums  zu 
thun  ist,  innerhalb  der  Gränzen  seiner  Bestimmung,  als  vor- 
bereitender Entwurf,  einige  Dienste  leisten  kann. 

Viele    dürfte    es    befremden,    dass  ich  mich  bei  Abfassung 
der    gegenwärtigen    Schrift    der    teutschen    Sprache,    und  nicht 
lieber  einer   slawischen,    namentlich  der  angestammten  Mundart 
bedient  habe.     Dazu  bewogen  mich   zwei    Ursachen.     Die  erste 
war  ein  blosser  Zufall,  der  es  mit  sich  brachte,  dass  die  Schrif- 
ten,  aus  denen  ich  die  meisten  Materialien  meines   Werkes  Be-  ■ 
hufs    eigenen    Gebrauches   zusammen  trug,  beinahe  alle  teutach  ' 
waren.    Die  zweite  war  der  Wunsch,  das  Buch  allen  Stndiren- 
den  und  Literaturfreunden  der  verschiedenen    slawischen  Stäm-  J 
me  unserer  Monarchie  gleich  lesbar  zu  machen.  Nun  aber  weiss  i 
ich    aus  Erfahrung,    dass   die  Verschiedenheit    der    Mundarten, 
Buchstaben  und  Orthographien  unter  den  Stämmen  eine  Schei- 
dewand bilden,  die  selbst  unter  Hunderten  von  Gelehrten  kaum 
einer  durchzubrechen  Muth  oder  L'ist  genug  hat.  Das  Geständ- 
niss  ist    leider  betrübend,    aber    wahr.  In  Berücksichtigung  die- 
ser   vorwaltenden    xmd,    wie    ich    glaube,    gegründeten  Absicht 
darf    ich    hoffen ,    dass    Sachverständige    die    stylistischen    und 
sprachlichen  Gebrechen  dieses  Buchs  mit  Schonung  beurtheilen 
werden.  Gleiche  Nachsicht  muss  ich  für  den  Umtausch  der  kyril- 


VIU 

lischcn  Schrift  gegen  die  lateinische  bei  dem  russischen  und  serbi- 
schen Abschnitt  in  Anspruch  nehmen,  indem  der  zu  spät  ge- 
fasste  Vorsatz,  Jedem  das  Seine  zu  lassen,  nicht  mehr  ausge- 
führt werden  konnte.  Das  böhmische  Schreibsystem  wurde 
gewählt,  weil  es  unter  allen  lateinisch-slawischen,  trotz  der 
vielen,  oft  mikrologischen  Einsprüche  wider  die  Accent-Schnür- 
kel,  wirklich  das  einfachste  und  consei|uenteste  ist. 

Von  der  Nichtigkeit  des  Stückwerks  menschlichen  Wissens 
zu  sehr  überzeugt,  als  dass  der  Plagegeist  literarischen  Ehrgei- 
zes je  die  Seele  beschleichen  könnte,  werde  ich  zwar  jede  wol- 
gemeinte,  die  Wissenschaft  und  hiemit  das  geistige  Leben  för- 
dernde Zurechtweisung  und  Aufdeckung  der  Mängel  dieses 
Lehrbuchs  mit  Dank  aufnehmen ;  aber  auch  jedes  grund-  und 
zAvecklose  Absprechen,  das  weder  mir  nützen,  noch  der  Wis- 
senschaft frommen  kann,  unberücksichtigt  lassen  müssen.  Möch- 
te diesem  Buche  irgend  ein  stimmberechtigter  Kenner  als  Be- 
urtheiler  zu  Thcil  werden,  der,  vom  Geiste  echter  National- 
liebe beseelt,  sich  der  Mühe  unterzöge,  dasselbe  Blatt  für  Blatt 
zu  prüfen,  und  die  materiellen  Fehler  in  einer  öffentlichen 
Zeitschrift  zu  berichtigen.  Dann  würde  ich  nicht  anstehen, 
der  erste  seine  Beurtheilung  meinen  Lesern  als  eine  nothwendige 
Zugabe  aufs  dringendste  zu  empfehlen.  Möchte  endlich,  durch 
die  Unzulänglichkeit  des  gegenwärtigen  Versuchs  bewogen,  ir- 
gend ein  slawischer  Gelehrter  ein  vollkommneres  Handbuch 
recht  bald  an  seine  Stelle  treten  lassen. 

Schliesslich  muss  ich,  einem  angenehmen  Pflichtgefühl  fol- 
gend, Sr.  Wohledelgeb.  Hrn.  Martin  v.  Hamuljak,  Rechnungs- 
Officlalen  bei  der  kön.  ungr.  Statthalterei,  meinen  innigen 
Dank  für  die  mir  bei  der  Correctur  der  Bogen  willig  und  aus- 
daurend  geleistete  Hilfe  öffentlich  bezeugen.  Ohne  seine  Wach- 
samkeit würde  das  Werk  unter  den  obwaltenden  Umständen 
unmöglich  den  Grad  der  Correctheit  erreicht  haben,  den  es 
wirklich  erreicht  hat.  Einige,  durch  die  Natur  solcher  Arbei- 
ten herbeigeführte  Berichtigungen  und  Zusätze  bitte  ich  vor 
dem  Gebrauche    des    Buchs    an    wehörifjem   Orte  einzuschalten. 


Neusatz  am  17.  Dec.  1825. 


Der  Verfasser. 


Vorwort  des  Herausgebers. 


Das  Werk,  von  welchem  ich  hiemit  einen  zweiten  unver- 
änderten Abdruck  publicire,  erschien  im  Jahre  1826  zu  Ofen 
(aus  der  Universitäts-Buchdruckerei)  auf  Pränumeration,  und 
in  einer  kleinen  Anzahl  von  Exemplaren,  die  überdies  zum 
grössten  Theil  innerhalb  Ungarns  blieben;  es  war  daher  bald 
vergriffen  und  äusserst  selten  geworden.  Der  Verfasser  be- 
zeichnete in  der  Vorrede  sein  Werk  nur  als  ersten  unvollkom- 
menen Versuch,  und  sprach  den  Wunsch  aus,  Jemand  Anderer 
möchte  etwas  besseres  liefern :  eine  neue  Ausgabe ,  deren  Be- 
dürfniss  bald  fühlbar  wurde  ,  hätte  aber  bei  der  einzigen  Ge- 
wissenhaftigkeit und  Strenge  des  Verewigten  gegen  sich  selbst 
nur  ein  ganz  neues  Werk  sein  können ,  und  dazu  hatte  er  bei 
dem  mächtig  aufstrebenden  Gange  seiner  Studien  keine  Zeit. 
Von  einer  begonnenen  neuen  Bearbeitung  desselben  Gegenstan- 
des, nach  ganz  anderem  ungleich  ausgedehnterem  Plane  ,  na- 
mentlich mit  ganz  vollständiger  Bibhographie,  wurde  nur  jener 
Theil  fertig,  welcher  die  südslawischen  Dialekte  (mit  Ausschluss 
des  alt-  und  neu-bulgarischen)  behandelt,  und  auch  diesen  zu 
publiciren  konnte  sich  der  Verfasser  nicht  entschliessen;  der- 
selbe ist  erst  1864 — 65  von  Herrn  Jirecek  herausoeo-eben  wor- 
den,  und  übertrifft  allein  an  Umfang  die  ganze  Literaturge- 
schichte vom  Jahre  1826  um  mehr  als  das  Doppelte.  Zu  einem 
blossen  neuen  Abdrucke  der  letzteren  verweigerte  mein  Vater 
noch  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  ganz  entschieden 
seine  Zustimmung. 

Es  könnte  als  Mangel  an  Pietät  erscheinen,  dass  ich  nun 
selber  thue,  wozu  mein  Vater  seine  Einwilligung^  verweigert 
hatte,  und  eine  vor  mehr  als  40  Jahren  erschienene  Schrift  aus 
dem  Gebiete  der  seitdem  so  mächtig  aufgeblähten  slawischen 
Studien    unverändert   abdrucken   lasse.     Indess    die    Thatsache 


X 

selbst,  dass  ein  solcher  Abdruck  noch  heute  noth  thut ,  sagt 
mehr  als  alle  weiteren  Gründe,  und  zum  üeberflusse  kann  ich 
mich  auf  eine  mündliche  Aeusserung  berufen,  welche  mein  Vater 
(ungefähr  um  das  Jahr  1858)  gegen  mich  that:  „Das  Buch  ist 
nur  ein  erster  Versuch,  aber  aus  den  Quellen  geschöpft,  und 
zum  einleitenden  Studium  noch  immer  nicht  zu  entbehren,  denn 
es  ist  seitdem  nichts  besseres    erschienen." 

Es  verstand  sich  von  selbst,  dass  der  neue  Abdruck  nur 
ein  ganz  unveränderter  sein  konnte,  denn  Anmassung  und  Im- 
pletät  wäre  es  erst  gewesen,  durch  oberflächliche  Aenderungen 
und  Zusätze  den  Schein  einer  neuen  Bearbeitung  hervorzu- 
bringen. Wohl  aber  schien  es  zulässig ,  einiges  aus  den  zahl- 
reichen schriftlichen  Bemerkungen  im  Handexemplare  meines 
Vaters  aufzunehmen.  Letztere  enthalten:  1)  Titel  von  Bü- 
chern und  Handschriften,  nach  dem  J.  1826  erschienen  oder 
bekannt  geworden;  2)  sachliche  Zusätze,  Excerpte  au^;  Autoren 
usw. ;  3)  Berichtigungen  aus  den  beiden  Recensionen  von  D  o- 
browsky  (Wien.  Jahrb.  Lit.  XXXVH,  1-28)  und  Band- 
tkie  (Hall.  Lit.  Zeit.  1827  Nr.  181—182).  Ich  habe  nun  den 
Haupttext  (S.  1—490)  nach  Berichtigung  der  Druckfehler  (auch 
nicht  angezeigter)  buchstäbhch  ungeändert  gelassen,  so  dass  der 
Abdruck  Seite  für  Seite,  Zeile  für  Zeile,  das  Original  wiedergibt; 
von  den  schriftlichen  Zusätzen  habe  ich  einen  kleinen  Theil 
(kenntlich  durch  vorgesetzte  Sternchen)  den  „Zusätzen  und 
Berichtigungen"  des  Originales  einverleibt,  welche  dadurch  von 
4  Seiten  auf  19  Seiten  angewachsen  sind.  Das  Register  (S.  495 
bis  510  des  Originales)  bheb  bis  auf  wenige  hinzugekommene 
Namen  und  (wegen  der  neuen  Zusätze)  korrigirte  Seitenzahlen 
ungeändert,  das  Pränuraeranten-Verzeichniss  (S.  511 — 524  des 
Originales)  fiel  natürlich  weg.  Aus  den  handschriftlichen 
Zusätzen  habe  ich  aufgenommen:  1)  von  Büchertiteln  nur  wis- 
senschaftliche ,  weil  die  schöne  Literatur  nicht  gleichmässig 
«renu«-  nachiretraffen  ist ,  und  mit  Ausschluss  der  südslawi- 
sehen,  weil  diese  in  der  1864  publicirten  neuen  Bearbeitung 
ungleich  vollständiger  verzeichnet  sind;  2)  sachHche  Noten  alle; 
3)  aus  den  beiden  Recensionen  gezogene  Bemerkungen  nur 
äusserst  wenige,  weil  aus  den  abgedruckten  Beispielen  hervor- 
geht, dass  der  Verfasser  mit  der  Kritik  nicht  überall  einver- 
standen war.     Dass    ich    hiebei    einige    kräftige    Aeusserungen, 


xr 

die  nie  für  Leser  bestimmt  waren  ,  weo'liesd  ,  wird  ,  wir  den 
Verewigten  kannte,  gewiss  nur  in  seinem  Geiste  gehandelt  fin- 
den. Wichtiges  habe  ich  nichts  übergangen,  eher  liilttc  noch 
einiges  von  den  neuen  Zusätzen  wegbleiben  können. 

Nöthiger  wäre  es  wohl  gewesen  ,  für  diejenigen  ,  welche 
aus  vorliegendem  Werke  ihre  erste  Kenntniss  der  slawischen 
Literatur  schöpfen  werden ,  die  Hauptpunkte  anzudeuten ,  in 
denen  die  Forschung  seit  1826  fortgeschritten  ist,  und  die  be- 
treffenden Quellen  anzugeben.  Aber  diese  Aufgabe  liegt  so 
weit  ausserhalb  meines  Kreises,  dass  ich  mich  begnügen  muss, 
bloss  die  späteren  Arbeiten  meines  Vaters  aufzuzählen,  welche 
hieher  gehören.  Im  3.,  von  Herrn  Jirecek  1865  herausgegebe- 
nen Bande  der  gesammelten  Werke  meines  Vaters  findet  der 
Leser  81  Abhandlungen  in  böhmischer  Sprache,  in  den  Jahren 
183-1  —  1858  (grösstentheils  in  der  böhmischen  Museumszeitsohrift) 
publicirt,  von  denen  sich  4  auf -Geschichte  und  Geogrnpliie,  3 
auf  Mythologie,  3  auf  Rechtsgeschichte,  14  auf  Bibliographie,  Li- 
teraturgeschichte luul  Philologie ,  7  auf  Sprachforschung  und 
Sprachvergleichung  —  durchaus  auf  slawischem  Gebiete  — 
beziehen.     Ausserdem  sind  noch  zu  nennen : 

Für  älteste  Geographie,  Ethnographie  und  Geschichte: 
Slowanske  starozitnosti  Prag  1837,  neuer  Abdruck  1862, 
deutsche  Bearbeitung  Leipzig  1842 — 44. 
Für  Ethnographie    und   Statistik,    sowie  für  Klassifikation 
und  Charakteristik  der  Dialekte: 

Slowansky  narodopis  ,    Prag  1840 — 1843,  in  3  Auflagen 
(mit  Sprachkarte). 
Für  Bibliographie  und  Literaturgeschichte  : 

Uebersicht  der  slowenischen  Kirchenbücher  u.  s.  w. 
(Wien.  Jahrb.  Litt.  1829,  Bd.  IV,  Anz.  1—35)  und: 
Uebersicht  der  vorzügl.  sehriftl.  Denkmäler  älterer  Zeit 
bei  den  Südslawen  (ebd.  1831,  Bd.  LIU,  Anz.  1-58;; 
endlich:  Geschichte  der  südslawischen  Literatur  (abge- 
schlossen um  das  J.  1833),  herausgeg.  von  J.  Jirecek, 
Prag  1864—65  in  3  Abtheilungen.  (Enthält  vollständig 
beide  vorhergehenden  Aufsätze.) 
Für  Philologie : 

Serbische  Lesekörner,  Neusatz  1833  ;  Jihoslovanske  pa- 
mdtkj,  Prag  1851 ;  Hlaholskö  pamatky,  ebd.  1853 ;  Gla- 


xn 

goHtische  Fragmente,  ebd.  1857;  Ursprung  und  Heimat 
des  Glagolitismus  ebd.  1858;  älteste  Denkmäler  der  böh- 
mischen Sprache,    gemeinsam    mit  F.  Palacky,    Prag 
1840.    (Hierin    vergleiche    p.  86—90    die   Vertheidigung 
dessen,  was  im  vorliegenden  Werke  p.    399    über  Lech 
gesagt  ist,  gegen  Dobrowsky's  Kritik  in  Wien,  Jahrb.  Lit.) 
Ich  war  während  des  Druckes  anderweitig  so  erschöpfend 
beschäftigt,  dass  ich  nicht  im  Stande  war,    die  Aushängebogen 
nochmals  zu  lesen;  indess  habe  ich   die  Korrekturen  so  gewis- 
senhaft gemacht,   dass   ich   glaube,    der    neue   Abdruck    werde 
korrekter  sein  als  der  alte. 

Und  Du,  Hoher,  Unvergesslicher,  dem  alles  selbst  ge- 
schaffene zu  unvollkommen  schien,  um  es  mehr  als  einmal  zu 
bieten,  der  reich  genug  war,  stets  nur  neues  zu  bringen,  zürne 
mir  nicht,  wenn  ich  das  thue,  was  du  nicht  mochtest !  Es  ist 
Dein  Licht,  das  ich  will  wieder  leuchten  lassen,  die  belebende 
Wärme  Deines  ersten  bliihenden  Mannesalters ,  noch  nicht  ge- 
reift zur  Vollendung  des  Lebensmittages ,  aber  auch  nicht  ge- 
dämpft durch  den  Ernst  und  die  Resignation  des  Lebensnach- 
mittnges,  die  ich  wieder  will  wärmen  lassen.  Mögen  sie  leuch- 
ten und  wärmen  und  Zeugniss  geben  von  Dirl 


Prag,  2.  März  1869. 


Adalbert  Safarik. 


INHALT. 

EINLEITUNG. 


Seite 

§.  1.  Abstammunfy,  Wohnsitze  u.  Thaten   der  alten  Slawen.  1 

§.  2.  Religion  und  Sitten,  Cultur  u.  Sprache  der  alten  Slawen  11 
§.  3.  Slawischer  Volksstamm  im  dritten  Jahrzehnt  des  XIX. 

Jahrh.  19 

§.  4.  Slawischer  Sprachstamm  zu  Anfange  des  XIX.  Jahrh.  27 

^.  5.  Character  und  Cultur  der  Slawen  im  Allgemeinen.  43 
§.  6.  Schicksale    und    Zustand   der  slawischen  Literatur  im 

Allgemeinen.  59 
§,  7.  Uebersicht    einiger   Beförderungsmittel  der   Literatur 

unter  den  ölawen.  70 


ERSTER  THEIL. 

Südöstliche  Slawen. 
Erster   Abschnitt. 

Geschichte  der  altslawischen  Kirchensprache  und  Literatur. 

§.  8.  Charakter  der  altslawischen  Kirchensprache.  81 

§.  9.  Kyrills  und  Methods  Herkunft,  Beruf  und  Mission.  85 
§.  10.  Verhältniss  der  altslawischen  Kirchensprache  zu  andern 

slawischen  Mundarten.  96 
§.  11.  Schicksale     der     altslawischen     Kirchensprache    und 

Uebersicht  einiger  Denkmäler  derselben.  119 

Zweiter  Abschnitt, 

Geschichte  der  russischen  Sprache  und  Literatur. 

§.  12.  Historisch-  ethnographische  Vorbemerkungen.  134 

§.  13.  Charakter  der  russischen  Sprache.  138 

§.  14.  Epochen  der  russischen  Literatur.  Erste  Perlode:  Von 
der  Gründung  des  russischen  Reichs  bis  zur  Allein- 
herrschaft Peters  des  Grossen.  Erste  Abtheilung: 
Von  Rurik  bis  auf  Wladimir.  J.  850—989.  '  145 
§.  15.  Zweite  Abtheilung:  Von  der  Einführung  des  Chri- 
stenthums  bis  zur  Besiegung  der  Tataren.  J.  989- 
1462.  148 


XIV 

Seite 

§.  16.  Dritte  Abtheilung:  Von  der  Besiegung  und  Vertrei- 
bung der  Tataren  bis  auf  Peters  des  Grossen  Al- 
leinlierrschaft.  J.  1462—1689.  152 

§.  17.  Zweite  Periode:  Von  Peter  dem  Grossen  bis  auf  un- 
sere Zeiten.  Erste  Abtheilung:  Vom  Anfange  der 
zweiten  Periode  bis  zur  Thronbesteigung  EUsa- 
beths.  J.  168y— 1741.  159 

§.  18.  Zweite  Abtheilung:  Elisabeths  und  Katharina's  IL 
Regirungszeit ,  oder  von  Lomonosow  bis  auf  Ka- 
ramzin,  J.  1741  —  1796.  164 

§.  19.  Dritte  Abtheilung:    Das  Zeitalter    Alexanders,    oder 

von  Kavainzin   bis  auf  unsere  Zeiten.  174 


Dritter  Abschnitt. 

Geschichte  dcj-  Sprache  und  Literatur  der  S/aivoserben 
fjriecliisclien  Ritus. 

§.  20.  Historisch- ethnographische  Vorbemerkungen.  191 

§.  21.  Charakter  der  serbischen  Sprache.  201 

§.  22.  Schicksale  der  serbischen  Sprache  und  l^iteratur.  205 

§.  23.  Uebersicht  der  neuesten  serbischen  Literatur.  216 

§.  24.  Sprache  und  Schriftvvesen  der  Bulgaren.  223 

Vierter  Abschnitt. 

Geschichte    der  ^pi'uchc   und    JLderatar    der  kathollöchen  Slawo- 
serben  [Dalmatiner,  JJosnier^  Slaivonier)  und  der  Kroaten. 

§.  25.  Historisch-ethnographische  Vorbemerkungen.  226 

§.  26.  Sprach-  und    Stamm  Verwandtschaft    der    Dalmatiner 

und  Kroaten.  235 

§.  27.  Charakter    der  Sprache    der  Dalmatiner   und  Zweige 

der  dalmatisch-kroatischen  Literatur.  236 

§.  28.  Ursprung  und  Schicksale  der  glagolitischen  Literatur 

der  Dalmatiner  und  Kroaten.  237 

§.  29.  Schicksale    der    Sprache    und    Nationalliteratur     der 

Dalmatiner  und  Ragusaner.  247 

§.  30.  Sprache  und  Schriftwesen  der  katholischen  Bosnier.  262 
§.  31.  Sprache  und  Schriftwesen  der  katholischen  Slawonier.  262 
§.  32.  Schicksale  der  Sprache  und  Literatur  der  Kroaten.     265 

Fünfter  Abschnitt, 

Geschichte  der  windischen  Sprache   und  Literatur. 

§.  33.  Historisch- ethnographische  Vorbemerkungen.  271 

§.  34.  Charakter  der  windischen  Sprache.  274 

'§.  3ö.  Schicksale  der  windischen  Sprache  und  Literatur.        275 


XV 
ZWEITER   THEIL 

Nordwestliche    Slawen. 

Erster  Abschnitt. 

Geschichte  der  böhmischen  Sprache  %md  Literatur. 

Seite 
§.  36.  Historisch-ethnographische   Vorbemerkungen.  289 

§.  37.  Charakter  der  böhmischen  Sprache.  296 

§.  38.  Epochen  der  böhmischen  Literatur.  Erster  Periode 
erste  Abtheikmg :  Von  der  Einwanderung  der 
Cechen  in  Böhmen  bis  zur  gänzhchen  Ausrottun  n- 
des  Heidenthums.  J.  550—1000.  '  300 

§.  39.  Zweite  Abtheihmg:  Von  der  gänzhchen  Ausrottung 
des  Heidenthums  bis  auf  Kg.  Wenceslaw  IV.  oder 
bis  auf  Huss.  J.  1000-1410.  307 

§.  40.  Zw^eiter  Periode  erste  Abtheihmg:  Vom  Anfange  des 
Hussitenkrieges  bis  auf  die  Verbreitung  der  ßucli- 
druckerkunst  in  Böhmen,  oder  bis  auf  Ferdinand 
I.  J.   1410-1526.  31^ 

§.  41.  Zweite  Abtheilung:  Von  der  Verbreitung  der  Buch- 
druckerkunst in  Böhmen  bis  auf  die  Schlacht  am 
weissen  Berge.    3-  1526—1620.  330 

§.  42.  Dritter  Periode  ers^e  Abtheilung:  Von  der  Schlacht 
am  weissen  Berge  bis  auf  Ks.  Joseph  H.  J.  1620- 
1780.  352 

§.  43.  Zweite    Abtheihmg:     Von    Ks.    Joseph    H.    bis    auf 

unsere  Zeiten.  J.   1780—1825.  357 

Zweiter  Abschnitt. 

Geschichte  der  Sprache  vnd  Literatur  der  Slowaken. 

§.  44.  Historisch-etlmographische  Vorbemerkungen.  370 

§.  45.  Charakter  der  slowakischen  Sprache.  375 

§.  46.  Schicksale  der  slowakischen  Sprache  u.  Literatur.        379 

Dritter  Abschnitt. 

Geschichte  der  polnischen  Sprache  und  Literatur. 

§.  47.  Historisch-ethnographische  Vorbemerkungen.  396 

§.  48.  Charakter  der  polnischen  Sprache.  409 


XVI 

Seite 

§.  49.  Allgemeiner  Ueberblick  der  literarischen  Cultur  in 
Polen  und  der  Beförderungsmittel  u.  Hindernisse 
derselben.  41 1 

§.  50.  Epochen  der  polnischen  Literatur.  Erste  Periode : 
Von  der  Einführung  des  Christenthums  bis  auf 
Kazimir  den  Grossen.  J.  964 — 1333.  417 

§.  51.  Zweite  Periode:  Von  Kazimir    dem  Grossen  bis  auf 

Sigismund  I.  J.  1333—1506.  419 

§.  52.  Dritte  Periode:  Von  Sigismund  I.  bis  zur  Eröffnung 

der  Jcsuitenschulen  in  Krakau.  J.  1506 — 1622.       425 

§.  53.  Vierte  Periode  :  Von  Sigismund  III.  bis  auf  Sta- 
nislaus  Augustus,  oder  von  dem  entschiedenen 
Uebergewicht  der  Jesuiten  bis  zur  Wiederbele- 
bung der  Wissenschaften  durch  Stanisl.  Konarski 
J.  1622—1760.  438 

§.  54.  Fünfte    Periode :    Von    St.    Konarski  bis  auf  unsere 

Zeiten.  J.  1760—1825.  449 

Vierter   Abschnitt. 

Geschichte  der  Sprache  und  Literatur  der  Sorben  oder 
Wenden  in  den  Lavsitzen. 

§.  55.  Historisch-ethnographische  Vorbemerkungen.  479 

§.  56.  Sprache    und    Literatur    der    Sorbenwenden  in    der 

Oberlausitz.  483 

§.  57.  Sprache    und    Literatur    der    Sorbenwenden  in  der 

Niederlausitz.  485 

§.  58.  Sprachüberreste     dos    Polabischen    oder    Linonisch- 
Wendischen.  487 
Zusätze  und  Berichtigungen.  491 
Blattwciser.  510 


E  i  u  1  e  i  t  u  11  ff. 

Abstammung,  Wohnsitze  und  Thaten  der  alten  Slawen. 

Das  Erste,  was  bei  der  Betrachtung  der  slawischen 
Völker  die  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nimmt,  ist  die 
ungeheure  Ausdehnung  dieses,  durch  verschiedene  Na- 
men und  Wotmsitze  in  zahlreiche  Aeste  und  Zweige 
getheilten,  und  nur  durch  das  bedeutsame  Band  einer 
gemeinschaftlichen,  wenn  gleich  in  meiirere  Mundarten 
aufgelösten  Spraclie  an  einander  geknüpften  Volksstaui- 
mes,  der  gegen  50  -  60  Millionen  stark,  beinahe  halb 
Europa  und  ein  Drittheil  von  Asien  besetzt.  Nächst  den 
Arabern,  die  einst  von  Malaka  bis  Lissabon  herrschten, 
sagt  Schlözer,  ist  kein  Volk  auf  dem  ganzen  Erdboden 
bekannt,  das  sich,  seine  Sprache,  seine  Macht  und  seine 
Colonien  so  erstaunlich  weit  ausgebreitet  iiätte.  Von 
Ragusa  am  adriatischen  Meere,  nordwärts  bis  an  die 
Küsten  des  Eismeers,  rechter  Hand  bis  an  Kamcatka 
in  der  Nähe  von  Japan,  und  linker  Hand  bis  an  die 
Ostsee  hin,  trifft  man  überall  slawische  Völkerschaften, 
theils  herrschend,  theils  andern  Völkern  dienend  an.  Es 
ist  demnach  leicht  einzusehen,  dass  der  üeberblick  der 
Lebens-  und  Bildungsmomente  eines  so  weit  verbrei- 
teten Volks  Schwierigkeiten  eigener  Art  unterworfen 
ist,  und  eine  Geschichte  dieses  Völkerstammes  im  Gan- 
zen,    wie  sie    das  Gemälde   der  Menschheit    fordert,  so 

1 


lange  ein  frommer  Wiin.scli  bleiben  niuss,  bis  die  Spe- 
cialgeschicbten  der  einzelnen  Yolkszweige  gebörig  bear- 
beitet, und  die  dunkeln  Regionen  der  slawiscben  Vor- 
zeit durcb  fortgesetzte,  vereinte  Bemübungen  der  vater- 
läudiscben  Forseber  einigermassen,  so  weit  diess  nämlicb 
bei  dem  füblbaren  Mangel  an  sicheren  einbeimiscben 
Quellen  möglieb  ist ,  aufgebellt  seyn  werden.  Mancbes 
Hübmlicbe  bat  in  dieser  Hinsiebt  die  neueste  Zeit  ge- 
liefert; allein  das  meiste  bleibt  nocb  der  Zukunft  übrig 
zu  tbun^). 

Die  ältesle  Gescbicbte  der  Slaw^en  ist,  wie  die  Ge- 
scbicbte  aller  Völker,  in  ein  undurcbdringlicbes  Dun- 
kel gebullt.  Je  weiter  zurück  man  auf  den  Gefilden  der 
Vergangenbeit  diesen  grossen  Völkerslamm  mit  Forscber- 
blick  verfolgt,  um  so  sparsamer  wird  das  Licht.  Erst 
um  die  Mitte  des  V.  Jabrb.  nach  Chr.  fängt  es  an  zu 
dämmern.  Was  sich  aus  den  leberlieferungen  der  aus- 
wärtigen Schriftsteller  mit  Zuziehung  der  historischen 
Conjecturalforscbung  über  die  ältesten  bekainiten  Slawen 
ergibt,  ist  ungefebr  folgendes: 

Die  Slawen  stammen  aus  Indien,  so  wie  die  Ger- 
manen, ihre  ewigen  Nachbarn,  aus  Persien;  wie  diess 
die  Vergleicbung  der  slawiscben  Sprache  mit  der  altin- 
dischen oder  Sanscrila,  und  der  teutschen  mit  der  per- 
sischen augenscbelnTicIi  beweist.  Die  Zeil  ibrer  Einwan- 
derung nach  Europa,  so  wie  die  Lrsacben  derselben, 
lassen  sich  nicht  angeben ;  doch  ist  es  einleucbtend,  dass 
diess  mehrere  .Jahrbunderte,  wo  nicht  ein  ganzes  Jabr- 
tausend  vor  Chr.,  wahrscbeinlicb  wegen  üebervölke- 
rung,  geschehen  is<^}.     Verfolgt  man  die  Spuren  der  Sla- 


')  Hier  sind  vor  Allem  zu  nennen,  die  Bemühungen  der  kais.  russ. 
Akademie,  der  freien  (Jesellseh.  zu  Moskau  für  russ.  Geschichte  und  Alter- 
thümcr,  der  Warschauer  jielehrten  Gesellsch.,  der  kön.  Gesellsch.  der  Wis- 
senschaften zu  Pra,i;,  ferner  der  Forscher  und  Sammler:  Mascov,  Banduri. 
Lucius,  Jordan,  Dobner,  Stritter,  Gercken,  Möhsen,  Anton,  Taube,  For- 
tis,  Sulzef,  TTossIgnöTi,  Gatt(n-er,  Gebhardi,  Schlözer,  Voigt,  Pelzel,  Na- 
ruszewicz ,  Boltin ,  Raic,  Kolhitay,  Dobrowsky,  Potocki ,  Sapieha ,  Graf 
Musin  -  Puskin,  Rumjancow,  Ewers ,  Krug,  Lehrberg ,  Adelung ,  ;Kö]Ppen, 
Wichmann,  Karamzin,  SuroAviecki,  ^laiewski,  Czaykowski,  Gr.  O^nnski, 
Lelewel ,  Chodakowski  u.  a.  m.  -)  S.  vSchleoels  Sprache  u.  Weisheit  der 
Indier,  Ileidelb.  808.  (Avomit  zu  vcrbiiMen  Jahrb.  "d.  Lit.  VIIL  Bd.  S19. 
S.  454.)  Hammers  Fundgruben  des  Orients,  II.  Bd.  S.  459.  Th.  P.  Adelung 
rapports    entre    la    langue  russe  et  la  langue  sanscrit,    S.  P.  88L  8.  TT.  S. 


wen  bei  den  onropäisclien  Schriftslcllcrii,  so  schcirjcii 
sie  zur  Zeil  Flerodots,  im  V.  Jaiirh.  vor  Chr.,  ihre 
Wohnsitze  schon  bis  znin  Isler  (der  lioiitii^en  DonauJ 
ausgedehnt  zu  lial)en ;  wofern  näinlicli  die  Krovvyzen, 
deren  dieser  Vater  der  Geschichte  erwähnt  ^),  eins 
mit  den  heutigen  Kriwizen  oder  Kriwicen  in  Rnssland 
sind.  Aber  die  ersten  Schriftsteller,  die  der  Slawen  ans- 
driicklich  erwähnen,  sind  der  Mönch  Jordan  nach  dem 
J.  552,  der  Senator  Proko])__nu  J.  562,  der  Protector 
Menander  nach  dem  X  oÜ4^  und  der  Abt  .Johann  von 
Biclaro,  gest.  ()20.  denen  w  ir  Alles,  was  wir  über  der 
Slawen  Wohnsitze,  Sitten  und  Thaten  aus  dieser  Periode 
wissen,  zu  verdanken  haben  ^}.  Spater  herab  verflech- 
ten die  meisten,  aber  freilich  nur  ausländischen  Schrift- 
steller, namentlich  die  byzantischen,  und  unter  diesen 
vorzüglich  Constantinus  Porphyrogeinietus  (gest.  959), 
denn  die  inländischen  fangen  erst  mit  Nestor  nach  dem 
.1.   1056   an^),    die    Geschichte    der  Slawen     in    die    Er- 


Maietvski  o  stawianach.  Warsch.  816.  B.  J.  Rakowieckl  Pi'awda  ruska,  W. 
820.%Z4^S.  Presl  Krok,  Prag  821.  1.  Hft.  S.  65—81.  Kar  am:  in  l%%ov\]a 
ross.  gosudarstwa,  1.  Bd.  A.  Murrau  Historv  of  the  European  languages. 
Edinb.  823.  2  Bd.  8.  J.  Leleivel  Dzieie  starozytne  Indyi,  W.  823.  8.  J.  Klap- 
roth  Asia  polvglotta,  Paris  823.  4.  —  A.  Frencel  de  origg.  linguae  Sorali. 
Budiss.  693.  hielt  die  Slawen  für  Hebräer  luid  iiu-e  Sprache  für  hebräiscli. 
welcher  Ansicht  sich  auch  noch  der  sonst  kritische  Hurich  (Bibl.  slav.  p. 
250.  251.)  zu  nähern  scheint;  J.  Pi'<eatoyis  de  orig.  1.  Slav.  Yitteb.  697. 
S.  Dolci  de  illvr.  1.  vetust.  Yen.  754  (dagegen  H.  F.  Zanetti  cp.  in  iliss. 
de  illvr.  1.  vetüst.  Eh.),  F.  M.  Appendmi.  de  pra?st.  et  vetust.  I.  illyr. 
Rag.  "^806.,  Graf  Sorao  in  den  Denkschriften  der  celtischen  Akademie,  Par. 
808.  S.  21  —  56.,  Tatiscew  russ.  Gesch.  1.  Th.  Schnttgen  de  orig.  russ. 
Dresd.  729 ,  Georai  Besch.  d.  Nat.  in  Paxssl.  799.  u.  a.  gehen  noch  weiter, 
sprechen  von  Slawen  beim  babylonischen  Tliurmbau,  leiten  alle  slaw.  Mund- 
arten aus  der  thracischen  Sprache  und  vom  Jajjhet  her,  ihnen  ist  das  ganzf 
rhracische.  scytische  und  getische  Alterthum  IHawisch .  worüber  vorzüg- 
lich Schlözers  "Nestor  1.  u.  2.  Th.  und  Dobrowskvs  Slowanka  2  Th.  S.  94— 
111.  nachzulesen  sind.  ^)  lY.  49.  Weiter  geschieht  derselben  Meldung  bei 
Strabo  YII.  318.  319.  Plinius  lY.  12.  Steph.  Byzant.,  Const.  Porphyr,  und 
Nestor.  M  Ueber  die  classischen  Stellen  des  Jordan  fde  gotor.  orig.  c.ö. 
23),  Prokop  (de  hello  goth.  L.  III.  c.  14.).  Menander  und  Biclar  vgl.  F. 
Durich  bibl.  slav.  p.  4.  ss.  12.  ss.  28  —  33.  269  —  392,  Schlözers  Nestor 
II.  Th.  S.  72  —  74.,  I)obrotv;^kvs  Slawin  S.  196  --  212,  288  —  297,  Slo- 
wanka 1  Th.  S.  76  —  84.  ■')  Die  Quellen  der  ältesten  Gesch.  der  Slawen 
sind:  1.)  auswärtige  und  einheimische  Historio-  und  Chronographen,  Ge- 
schlechtsregister, Kirchenbücher:  2.)  alte  Münzen:  3.)  Denkmale  unter  der 
Erde;  4.)  Aufschriften;  5.)  Gemälde;  6.)  Yolksgesäuge ;  7.)  eigenthchc 
rrkuuden  und  Diplome.  -  Zu  den  ältesten  ausländischen  Schriftstellern, 
die  der  Slawen  erwähnen,  sind  zu  rechnen  (ausser  einigen  über  die  Thra- 
keu,  Scvthen,  Heneten,  Yeueten,  Sarmaten.  Waräger  u.  s.  w.  zerstreuten 
und   hieher   zu  ziehenden   Nachrichten   bei    Hei;odot^O  v.  Chr.,  Strabo  26 


Zählung  der  Tliateii  anderer  Völker  immer  mehr  und 
mehr.  Aus  ihren  Berichten  ergibt  sich,  dass  die  Slawen 
initer  verschiedenen  Stammnamen  im  VI.  und  VII.  Jahrh. 
bereits  den  ganzen  Norden  und  Osten  von  Europa  über- 
fluthet,  und  sowol  mit  den  angränzenden,  als  auch  mit 
den  ankommenden  Völkern  öftere  Kriege  geführt  haben. 
Sie  werden  unter  den  Namen  der  Slawen,  Anten,  Ve- 
neten,  (Heneten),  Winden,  und  Sarmaten  von  den 
Schriftstellern  dieses  Zeitalters  angeführt^);  von  denen 
aber  nur  der  erste  anerkannt  einheimisch,  die  drei  fol- 
genden ohne  Abrede  fremd  und  nur  geographisch  von 
den    Ausländern    auf   die    Slawen    übertragen,  der  letzte 


n.  Chr.,  Mela  48,  Pliiiius  79,  Tacitus  97,  Ptoleraaeus  161,  Ammianus 
Marcellinus  379,  Moses  Chorenensis  460,  ferner  bei  den  morgenländischen 
Schriftstellern,  vorzüglich  Arabern),  die  schon  genannten  Jordan,  Prokop, 
Menander,  Joh.  v.  Biclaro,  die  Script,  bist.  Byzant.  von  Zosimus  460  bis  auf 
Phrantzes  1481,  Ditmar  Bisch,  v.  Merseb.  976  —  1018,  Adam  v.  Bremen 
1076,  Helmold  Priester  in  Bosow  bei  Lübeck  sammt  s.  Fortsetzern  1170, 
Aeneas  Sylvius  1405  —  64  u.  a.  m.;  inländische  Schrift,  sind:  Nestor  Mönch 
in  Kiew  1056  —  1111,  Sylvester  Bisch,  in  Perejaslawl  gest.  1124,  Cosmas 
Dechant  in  Prag  1045  —1125,  Mart.  Gallus  in  Polen  1109  —  1138,  Diocle- 
ates  Presb.  in  Dalm.  um  1170,  Vinc.  Kadlubek  Bisch,  in  Krakau  gest.  1223, 
Daniel  ICrzb.  in  Serbien  um  1245,  .Johann  Pop  in  Nowgorod  um  1230,  Bo- 
guplialus  Bisch,  in  Posen  gest.  1253,  Jaroslaw  Strahoviensis  um  1283,  Da- 
limil  um  1315,  Michas  Madius  ein  Dalm.  um  1330,  Petrus  Zbraslawiensis, 
ein  Böhme  um  1335,  Johannes  Polonus  um  1359,  Pulkawa  de  Tradenin  ein 
Böhme  um  1374,  Joh.  Dlugosz  ernannter  Erzb.  in  Lemberg  1415  -^;;^1480, 
Wenc.  Hajek  ein  Böhme  gest.  1553,  Math.  v.  Miechow  1456  —  1523,  Mart.- 
Cromer  15^^  —  89,  Math.  Stryikowski  Dbiiiherr  in  Littauen  gest.  1582  u.  s.  \y. 
Unter  den  släw.  Münzen  reichen  die  russ.  mit  slaw.  Schrift  bis  in  die  Zei- 
ten Wladimirs  (gest.  1015) ,  und  Jaroslaws  (gest.  1054) ,  die  pohi.  bis 
Boleslaw  I.  Chrobry  (992  —  1025)  hinauf;  Serbische  werden  (muthmass- 
lich  von  Muntimir  880  —  890)  von  Uros  (1122  —  1136),  Steph.  Dusan 
(1336  —  1356),  und  Brankowic  (1428  —  1457),  26  an  der  Zahl,  in  dem 
k.  Wiener  Antiken-Cabinet  aufl)ewahrt.  Die  Akad.  d.  Wiss.  in  S.  Petersb. 
besitzt  in  ihrer  Kunstkaramer  einen  Schatz  von  alten  russ.  Münzen ;  S.  Ka- 
binet Petra  W.,  S.  P.  800.  3  Bd.  —  Neu-Russland,  vom  Dniepr  an,  west- 
wärts bis  nach  Polen  und  Ocakow  hin,  am  grossen  und  kleinen  Ingul  und 
um  den  Schwarzwald,  ferner  das  südliche  Sibirien  ist  vorzüglich  reich  an 
unterirdischen  Denkmalen.  Aber  auch  andere  slaw.  Länder  bieten  manches 
Interessante  in  dieser  Hinsicht  dar.  Ueber  die  obotritisclien  Alterthümer  un- 
ten. —  Die  älteste  slaw.  Inschrift  ist  auf  dem  Steine  von  Tmutorokan  auf 
der  Halbinsel  Taman  vom  J.  1068.  Unter  den  Glockeninschriften  ist  die 
vom  J.  1341  im  Jurikloster  in  Lemberg  die  älteste ;  in  Böhmen  kommt 
die  erste  vom  J.  1437  vor;  in  Russland  fing  das  Glockengiessen  1346  an.  — 
Die  ältesten  Denkmale  der  Malerei  sind  bei  den  Russen  in  dem  ostromir- 
schen  Evangelium  vom  J.  1056,  im  Sbornik  1073,  und  in  der  M.  Himmel- 
fahrtskirche zu  Kiew  1073.  —  Ueber  die  Volksgesänge  unten  §.  13.  Anm.  1. 
Die  älteste  russ.  Urkunde  ist  vom  J.  1128.  Serbische  (vom  J.  1302  in  der 
Abschrift)  vom  J.  1348  in  dem  Metropolitan-Archiv  zu  Karlowic ;  böhm. 
Stiftungsbriefe    und    Privilegien   fangen   erst   mit   1386    an.     ")  Die    grösste 


aber  zweifelhaft  ist.  Die  Slawen  sasseii  seit  nndciikliclicn 
Zeiten,  schon  geraume  Jahrlninderte  vor  Christi  Geburt, 
in  dein    europäischen  Sarmatien,    weltlies    sich  von  dem 


Verwirrung  brachto  in  die  älteste  slaw.  (Teschichte  die  Menge  und  Zwei- 
deutigkeit der  Namen  hinein,  unter  denen  die  slaw.  Stämme  von  den  aus- 
ländischen Chronographen  angeführt  werden.  Wenn  es  gleich  einleuchtend 
ist,  dass  ein  so  grosses  Volk,  von  jeher  in  mehrere  Stämme  getheilt,  auch 
mehrere  Namen  geführt  habe,  so  sieht  man  doch,  dass  gar  viele  dersel- 
ben irrig  und  mit  Unrecht,  gewöhnlich  geographisch,  den  Slawen  beigelegt 
worden  sind,  wie  es  mit  den  Wjnden  (Slowenci)  in  Krain,  Böhmen  (Ce- 
chowe)  in  Böhmenheim,  lUyriern  (Srbi)  im  alten  Illyricum  der  Fall  ist. 
Daher  ist  füi'  den  slaw.  Gcschichtsgelehrteu  die  Erörterung  der  P^age:  wie 
haben  sich  die  slaw.  Stämme  selbst  genannt,  und  wie  sind  sie  von  den  Aus- 
ländern genannt  worden?  unerlässlich.  Was  die  Namen  Heneten,  Wette- 
ten, Weneden,  Wenden,  Winden,  Vandalen  u.  s.  w.  anbelangt,  so  schei- 
nen sie  insgesammt  mit  dem  Worte  Anten  verwandt,  und  auf  die  Slawen 
nur  geographisch  übertragen  worden  zu  seyn.  Jordan,  der  gewöhnlich  allerlei 
Benennungen  zusammenrafft,  nennt  die  Slawen  Weneten,  welchen  Namen 
Prokop  nicht  kennt,  weil  er  sie  da  fand,  wohin  Tacitus  seine  teutschen 
Weneden  versetzte.  Eben  diess  gilt  von  dem  Namen  Anten,  der  sich  schon 
im  VII.  Jahrh.  verloren.  Vgl.  Dobrowskys  Slawin  202  —  203.  Die  Slawen 
selbst  nannten  sich  von  jeher  Sloivane,  Slorrene.  Die  Bedeutung  dieses 
Namens  ist  in  dem  Worte  slowu,  sloivim  heissen,  reden,  appellor,  loquor, 
und  in  slowo  Wort,  Rede,  deren  Wurzel  slu  mit  der  Bildungssylbe  ju, 
sluju  dem  Griech.  ttlvm  {%  geht  in  slaw.  Sprachen  oft  in  s  über:  KugSia 
srdce,  Siiia  deset,  yXvnvg  sladky)  und  dem  Lat.  cluo,  clango  entspricht, 
und  woraus  durch  den  gewöhnlichen  Uebergang  des  o  in  a  bei  den  Iterati- 
ven, slavnm  celebro,  glorifico,  slawa  gloria,  entstanden  ist.  Es  ist  dem- 
nach gleichgültig,  ob  man  den  Eigennamen  Slorvan,  Slaive,  mit  slowu 
und  slowo,  od.  mit  slaivim  und  slawa  vergleicht ;  denn  beide  sind  im 
Grunde  eins:  aber  die  ältesten  einheimischen  Geschichtschreiber  und  Dich- 
ter, Nestor,  Dalimil ,  Pulkawa,  Palmota  u.  m.  a.,  die  Böhmen,  die  Slo- 
waken, die  südlichen  Slawen  in  Ki-ain,  Kärnten  und  Steiermark,  die  Dal- 
matiner, die  Slawonier,  ja  die  Russen  und  Serben  selbst  bis  ins  XVTI. 
Jahrb.,  stimmen  in  der  Sprech-  und  Schreibart :  Sloivane,  und  des  Beiworts 
slowenesk  ,  slowensky  jazyk  (jezyk)  ganz  überein  ,  und  noch  heut  zu 
Tage  nennt  sich  die  Mehrzahl  der  slaw.  Stämme  nicht  Slatviani,  sondern 
Slowane,  Slowaci,  Slotvenci,  zum  Beweis,  dass  die  Sprech-  und  Schreib- 
art :  Slaive  st.  Slowan,  slawisch  st.  slowenisch,  abermals  den  Ausländern, 
namentlich  den  Byzantinern,  Lateinern  und  Teutschen  zuzuschreiben  sey 
(so  machten  sie  'ms~^\forawa  Marahania,  March,  Orawa  Arva,  Slowak 
Slawak,  Chorivat  Krabat,  <jost  gast:  Kelagast,  Radegast  u.  s.  w.),  von 
denen  sie  erst  1665  in  die'  Kirchenbücher  der  Russen  und  Serben,  und  zu 
den  Polen  kam,  wo  sie  nunmehr  vorherrschend  geworden  ist.  Die  slaw. 
Stämme  nannten  sich  selbst  S]owane,  Slowenci,  Slowaci,  weil  sie  einerlei 
Sprache  redeten,  und  sich  gegeriseitig "verstehen  konnten;  so  .wie  sie  den 
fremden  Völkern  die  Namen  Niemec  (stumm ,  namenlos) ,  Cud  (fremd, 
wild)  ,  Wlach  (fremd ,  auswärtig,  cf.  wall,  wäl)  beilegten.  Die  bei  den 
Griechen  und  Römern  übliche  und  von  diesen  zu  den  Franzosen  fortge- 
pflanzteTTeHerhafte  Schreibart:  ZKlaßrjvbg,  Z&Xccßr}v6g,  Sclavani,  Sclavi, 
Esclavons,  ist  durch  die  Veränderung  des  o  in  a  und  Einschiebung  des 
epenthetischen  x,  d-  entstanden.  Vgl.  Schlözers  Nestor  Th.  ü.  S.  75. 
Dobrowskys  bist.  krit.  Untersuchung,  woher  die  Slawen  ihren  Namen  er- 
hallen haben  ,  im  6  Th.  d.  Abb.  e.  Privatgesellsch .  in  Böhm.  Prag  784. 
S.  263  —  298.  Eb.  Slawin  S.  14  —  16.  Eb.  Gesch.  d.  böhm.  Lit.  (818)  S. 
41.  ff.  Durich  bibl.  slav.  S.  3—28. 


Ausflusse  der  Weiclisel  bis  zu  den  karpatischen  Gebirgen, 
von  da  bis  zum  Ausflusse  des  Dniepers,  längs  den  Ge- 
staden des  asowisehen  ^Jee^es  bis  zum  Don,  und  von  da 
aufwärts  bis  zum  weissen  Meere  und  Arcbangel  erstreckte, 
dort  an  den  Küsten  der  Ostsee  naeb  den  Teutscben, 
deren  Wobnsitze  sie  eingenoiiunen,  Wenefeti  (Heneten, 
Winiden,  Winden),  bier  an  der  Donau  und  dem  asow- 
sclien  Meer  von  den  Byzantinern,  wabrscbeinlicli  naeb 
einer  griecbiscben  Umgestaltung  des  Wortes  Henet, 
Wend,  Anten  genannt^}.  Die  an  der  Ostsee  sitzenden 
Slawen  wurden  durcb  ihren  Bernstein  zuerst  {\^n  Pliö- 
niciern ,  und  als  dieser  ein  wielitiger  Handelsartikel 
ward,  in  der  Folge  auch  den  Griechen  bekamit.  Sowol 
längs  der  Ostsee  von  Lübeck  an.  als  auch  auf  den  vor- 
züglichem Inseln  des  baltischen  Meers  hatten  sie  See- 
städte erbauet.  Den  südlichen  Slawen  hingegen  mögen 
die  Gothen,  die  sich  250  in  Dacien  und  an  dem  Pontus 
Euxinus  niederliessen,  die  erste  Veranlassung  zur  Erwei- 
terung ihrer  Wohnsitze  gegeben  haben.  Eine  zweite, 
nocb  bessere  Gelegenheit  ergab  sich  initer  K.  Aurelian 
(270),  der  Dacien,  welcbes  sieb  von  der  Donau  zwi- 
scben  der  Theiss  und  der  Aluta  bis  zu  den  Karpaten  und 
bastarnischen  Alpen  erstreckte,  freiwillig  aufgab,  und 
die  römiscben  Colonisten  jenseits  der  Donau  nach  Mösien 
übersetzte.  Nicht  minder  konnten  sie  unter  Probus  280, 
und  Diokletian  295,  nach  der  Entvölkerung  Daciens  ihre 
Gränzen  erweitern.  Wirklich  finden  wir  nach  der 
wahrscheinlich  276  —  282  verfertigten  Peutingerschen 
Charte  um  diese  Zeit  die  Venados  Sannatas  bis  an  die 
Ostseite  der  bastarnischen  Alpen,  d.  i.  bis  an  die  Ost- 
und  Nordgränze  des  heutigen  Siebenbürgens  vorgerückt, 
und  mit  den  an  der  Donau  wohnenden  Slawen  unter 
der  von  nun  an  gewöhnlichen  ßenenninig  Sarmatae 
limiganles    vereinigt.     Auf    die    Bitten   dieser   Sarmaten 


'')  Gegen  die  AuiialniiC  der  frühesten  Wohnsitze  der  Slawen  am 
mäotischen  See,  am  obern  Dniepr  und  der  obern  Wolga  {Dobroivsky  Gesch. 
d.  böhm.  Lit.  S.  9  nach  Plinii  Mist.  Nat.  P.  1.  L.  6.  c.  7.  Aussage  von 
den  Serben)  streitet  die  grosse  Zahl  der  slaw.  Stämme  und  die  Volks- 
menge, die  gewiss,  nach  so  vieh-n  Kriegen  und  nach  dem  Ausrotten  od. 
Umschmelzen  der  meisten  Stamme,  z.  B.  in  Teutschland,  Ungern,  Dacien. 
u.  s.  w.  XU  urtheilen,  damals  kaum  geringer  seyn  konnte,  als  jetzt. 


fintenialiiii  Constuntln  332  einen  Kriegszng  gegen  die 
Gotlien;  nach  dessen  glilckliclier  Beendigung  sich  die 
tridierhin  von  den  Sarmaten  gegen  den  Feind  bewaflne- 
ten  Knechte  gegen  ihre  Herren  empörten,  nnd  die  Aus- 
wanderung von  300,000  nach  Nord-Ilalien,  d.  i.  dem 
lieuligen  südlichen  Kärnten,  Krain  und  Kroatien,  und 
zu  den  Victofalen,  einem  markomannischen  Stamm  ger- 
manischer Herkunft  in  Dacien,  unter  Tiberius  (20)  hie- 
her  verpllauzt,  bewirkten.  Als  unter  Constantin  II.  (337) 
vermisclite  Heerhaufen  von  Sarmaten  und  Ouaden  in 
Pannonien  und  Mösien  einbrachen,  und  dieser  darüber 
über  die  Donau  ging,  und  das  Land  der  Jazygen  und 
Quaden  verheerte,  so  kamen  unter  den  Gesandten,  die 
um  Frieden  baten,  auch  Sarmaten  aus  Dacien,  und  wur- 
den von  dem  Kaiser  selir  glimpflich  behandelt.  Er  Hess 
sie  im  Besitz  ihrer  Ländereien,  und  gab  ihnen  einen 
König,  züchtigte  hingegen  die  sein  Gebiet  beunruhigen- 
den Sarmaten  zwischen  der  Donau  und  der  Theiss  und 
an  der  Aluta,  und  gebot  ihnen ,  sich  weiter  ins  Land 
zurückzuziehen.  Allein  kaum  war  die  Ruhe  hergestellt, 
als  im  J.  351),  in  welchem  der  K.  Constantius  seine  Win- 
terquartiere in  Sirmium  hielt,  sich  neue  Schwärme  der 
vor  einem  Jahre  gegen  die  karpatischen  Gebirge  hinauf 
verwiesenen  Sarmaten  zeigten,  und  von  diesem  zu  Rede 
gestellt,  sich  zwar  anfangs  friedfertig  stellten,  aber  bald, 
bei  einer  Unterredung  in  Acimincum  (dem  heutigen 
Peterwardein)  »nierwartet  mit  dem  Feldgeschrei :  mar 
ha,  mar  ha!  tödt'  ihn!  *)  auf  den  Kaiser  eindrangen, 
jedoch  von  den  römischen  Legionen  niedergemacht  wur- 
den. Unter  Valentinian  I.  und  Valens  (364),  wo  die 
Gränzprovinzen  des  römischen  Reichs  durch  die  Jazygen 
und  Ouaden  sehr  hart  mitgenommen  wurden,  waren 
auch  die  Sarmatae  limigantes  374  in  Mösien  eingefallen, 
wurden  aber  durch  den   Statthalter    Theodosius    in  ihre 


*)  Obgleich  ha  dem  serb.  Acc.  ga  vollkommeu  entspricht,  so  scheint 
doch  auch  hier  die  gewöhnliche  Umgestaltung  des  o  in  a  Statt  gefunden 
zu  haben.  Das  Feldgeschrei  wäre  demnach  gewesen :  mor  ho,  und  dieses 
gäbe  einen  Wink,  den  Stamm,  der  damals  die  Gegend  von  den  Karpaten 
südlich  herab  zwischen  der  Donau  und  Theiss  beherrschte,  etwa  in  den 
heutigen  Slowaken  wieder  zu  finden. 


8 

Grällzcn  zurückgejagt.  Um  das  J.  373,  als  sich  die  Hun- 
nen zu  verbreiten  anfingen,  unternahm  Winithar,  der 
Ostgothen  König,  einen  Feldzug  gegen  die  Anten  oder 
Slawen;  sein  Angriff  wurde  aber  diesmal  zurückgeschla- 
gen. Bei  einem  zweiten  Einfall  nahm  er  ihren  König 
Box  oder  Booz  (Boz?)  sammt  seinen  Söhnen  und  vielen 
Vornehmen  gefangen,  und  liess  sie  ans  Kreuz  heften.  Er 
selbst  wurde  von  dem  Hunnenanführer  Yalamir  bekriegt 
und  durchbohrt.  Im  .J.  430  traten  die  Slawen  an  der 
Donau  in  ein  Bündniss  mit  den  Römern  gegen  die  Ue- 
bermacht  der  Hunnen.  Als  Attila  450  mit  seinem  Heer 
nach  Gallien  aufbracli,  waren  unter  den  Hilfsvölkern. 
welche  seiner  Faluie  folgten,  auch  Slawen,  blieben  übri- 
gens bei  allen  Lünderzerrüttungen  inid  Verheerungen 
dnrch  die  Hunnen  ungestört  in  dem  Besitz  ihres  Gebie- 
tes. Nach  Attila's  Tode  besetzten  die  Gepiden  Dacien. 
die  Gothen  Pannonien,  die  Sciren  und  Alanen  Nieder- 
Mösien  und  einen  Theil  des  Landes  zwischen  der  Donau, 
der  Theiss  und  der  Aluta;  worauf  die  Slawen  aus  die- 
ser letzten  Gegend  in  das  Land  an  der  Donau  und  Drau 
um  das  Schloss  Martenna  (heut  zu  Tage  Marburg)  zu 
ihren  Stammverwandten  in  Krain  und  Kroatien  auswan- 
derten. In  dem  Kriege  gegen  die  Gothen  472  standen 
die  Vorsteher  der  Slawen  den  Sueven-Königen  mit  ihren 
Hilfstruppen  bei ;  sie  wurden  aber  besiegt,  und  der 
j 8jährige  gothische  Prinz  Theoderich  überfiel  sie  473, 
tödtete  ihren  Vorsteher,  und  entriss  ihnen  die  kurz  zuvor 
von  ihnen  eroberte  Stadt  Singidunum  (Belgrad).  Um 
diese  Zeit  waren  die  Slawen  in  Krain  den  Gothen  zins- 
bar, kamen  aber  bald  unter  die  römische  Regierung. 
In  den  J.  534—545,  547  ff.  ersciilugen  die  an  der  Do- 
1  nau  wohnenden  Slawen  den  von  .lustinian  aufgestellten 
I  Gränzpräfecten ,  machten  inigestraft  in  das  römische 
Reich  mehrere  Einfalle,  und  unternahmen  einen  Kriegs- 
zug über  Thracien  inid  lllyrien  bis  in  die  Gegend  von 
Adrianopel  und  ßyzant,  von  wo  sie  aber  zurückgeschla- 
gen wurden.  Sowol  jetzt,  als  auch  schon  früher,  mö- 
gen sich  die  südlichen  Slawen  längs  der  Donau  bis  an 
ihre  Mündungen,  und  von  da  längs  dem  Pontus  Euxi- 
nus  bis  zum  Dniester  nach  und  nach  ausgebreitet  haben; 


9 

während  die  nördliche»  Slawen  noch  iininer  längs  der 
Weiciisel,  als  ihrer  westlichen  Gränze,  wohnten.  Die 
Slawen,  Hunnen  und  Awaren  machten  nun  wegen  der 
Unthätigkeit  und  Schwäche  der  byzantischen  Kaiser  öf- 
tere Einfälle  in  die  Provinzen  dieses  Reichs.  Eine  Zeit 
lang  standen  jetzt  die  südlichen  Slawen  unter  der  Bot- 
inässigkeit  der  Awaren.  Auf  Befehl  des  Awaren-Cha- 
gans  brachen  sie  584,  beiläufig  100,000  Mann  stark,  in 
Thracien  ein,  worauf  sich  ein  Krieg  zwischen  dem  kais.  >'^' 

Feldherrn    Priscus   und    den  Slawen    entspann,   der   von 
593  bis  597  mit  abwechselndeui  Glück  fortgesetzt  w  urde.      /    ^^ 
Im  J.  620  wurde  die  Macht  der  Awaren  durch  Heraklius   j^^^ ,' 
gebrochen.     Unter    ihm    (ülO  —  (341)    beginnt  auch  fnr/^//^' 
die    Slawen   eine    neue    Wanderungsperiode.     Nach    dem 
J.   610  zog  ein  Theil  derselben,   unter  fünf  Brüdern   und      , 
zwei  Schwestern,  wie  die  Chronisten  erzählen,  aus  dem      v,^/ .; 
nördlichen   Kroatien   nach   Dalmatien   herab,  und  besetzte    V«^'. 
den  Landstrich   von  dem   Cettina- Flusse   bis  über  Istrien      /^ 
hinaus.    Ostwärts  von  diesen  Kroaten  nahmen  die  Serben,  ^   . 
beinahe  um  die  nämliche  Zeit  vom  Norden  in   diese    Ge- 
genden   eingewandert,     ihre    Wohnsitze.      Ihre    Stämme 
führten  verschiedene  locale  Namen.  Um  diese  Zeit  treten 
in  Böhmen,  Mähren,  Schlesien  und  der  Lausitz   verschie- 
dene slawnsche  Stämme  unter  den  Namen  Cechowe,  Mo- 
rawane,    Slezäci,    Luzicane    zum    erstenmal   in   der    Ge- 
schichte auf.     Ostnordwärts  von  ihnen,   an  beiden  Ufern 
der    Weichsel,    wohnten    die    Polen,    und   weiter    hinauf 
zahlreiche    slawische   Stämme,    späterhin   unter  dem  Ge- 
schlechtsnamen der  Russen  begriffen.  Zur  Zeit  des  Con- 
stantinus  Porph.  waren  diese  schon  den  angränzenden  und 
den   entlegenen   Völkern   durch  Handel,  den  sie  zu  Was- 
ser und   zu   Lande   nach   Bulgarien   und   Thracien  hinein 
führten,    hinlänglich    bekannt,    und    hatten    nach    Adam 
von  Bremen  und   Helmold  den  grössten  Theil  des  heuti- 
gen Länderraums  schon  inne.   Zwischen   den  Russen   und 
Polen ,  von   der  Russe   bis  zu   der    W^eichsel,    längs   der 
Ostsee,  finden  wir  um   diese   Zeit  die  Preussen  (st.    Po- 
russen,  so  wie  Reussen  st.  Russen);  Avestwärts   von  ih- 
nen   aber,    oberhalb  der  Polen,    von    der    Weichsel    bis 
zur   Elbe,    wird   der   grosse    und    mächtige    Volksstamm 


\\^'^. 


10 

der  Slawen  von  den  Chronisten  Winiden,  Winulen, 
Wenden  genannt.  Anf  sie  folgten  die  Pomoraner  (Po- 
meraner).  Die  Gränzen  Poineraniens  waren  gegen  Nor- 
den die  Ostsee,  gegen  Osten  die  Prenssen,  gegen  Westen 
die  Oder,  gegen  Süden  die  Polen.  Zwischen  den  Wen- 
den, Pomcranern  und  Polen  sassen  die  Wilzen ,  Luiti- 
cier,  aucli  Weletabi  genannt,  die  gleichfalls  in  mehrere 
Stämme  getheilt  waren.  Noch  wohnten  zwischen  der  Elbe 
und  der  Oder  verschiedene  slawische  Völkerschaften, 
als  die  Lenbnzi,  Wilini,  Stoderaner,  Ilavellaner  (He- 
veller),  Brizaner,  Lingonen,  Warnawi;  Jiamentlich  sas- 
sen in  dem  heutigen  Meklenburg  inid  Schwerin  die  Obo- 
triten,  an  welche  am  Ausflüsse  der  Elbe,  in  dem  heu- 
tigen Oldenburg,  und  an  der  Ostsee  die  Polaben  stiessen. 
Zuletzt  besassen  noch  die  Slawen  mehrere  Inseln  der 
Ostsee,  unter  denen  die  vorzüglichsten  das  heutige  Fe- 
mern und  Rügen.  Auf  dieser  letzten  wohnten  die  Raner 
iukI  Rugier.  —  Die  fndiesten  Wohnsitze  der  Slawen  in 
Europa  wären  demnach  nach  Seb.  Frank  ziemlich  genau 
so  bestimmt:  „Totum  tractum,  sagt  er,  illarum  provin- 
ciarum ,  incipiendo  a  Pento  Euxino  Constantinopolim 
versus  ultra  et  a  magno  tlumine  Rha,  hodie  Volga  di- 
cto,  ab  Oriente  ita  in  occidentem,  meridiem  versus  in- 
ter  magna  Sarmatica  montana  interque  Carpaticos  mon- 
tes,  totum  tractum  montium  Bohemicorum  ex  una  parte, 
ex  altera  vero  parte  septemtrionem  versus  inter  littus 
Pomeranici  inaris  et  inter  Balticum  fretum  usque  ad  Al- 
bim  deorsum  longe  lateque  Slavi  occuparunt" ;  oder 
nach  Schlözer:  „In  dem  Dreieck  zwischen  der  Donau 
und  Theiss  bis  an  die  Karpaten,  und  über  dieses  Ge- 
birge hinüber  bis  nach  Schlesien  hinein ,  und  von  da 
per  immensa  spatia;  ihre  Brüder  aber,  die  Anten,  dehn- 
ten sich  ostwärts  durch  die  ganze  Moldau  und  Walachei 
bis  ans  schwarze    Meer  aus."^) 


')  Seb.  Frank  de  iioiiiinili.  .^olltium  a  Tacito  et  Ptolem.  relatis. 
Schlüzer's  Nestor  Th.  11.  ö.  77.  —  Üeber  die  früheste  Periode  der  Slawen 
sind  zu  vgl.  J.  Ch.  Jordan  de  origg.  Slavicis,  Vindob.  745.  f.  Popowü- 
Untersucliungen  vom  Meere,  Frankf.  u.  Lpz.  1750.  4.  .7.  S.  Assemani  Calen- 
daria  eccl.  univ.,  Rom.  755.  VI.  Voll.  4.  J.  G.  Stritteri  memoriac  populo- 
rum  ad  Danubium  etc.  e  Script,  bist.  Byzant.,  Petrop.  771—78.  III.  Voll. 
4.  (Der   2tf  Bd.  bandelt   ausschliesslich   von    Slawen.)     Gercken's  Vers,    in 


11 

§.  2. 
Religion  und  Sitten,  Cultur  und  Sprache  der  alten  Slawen. 


Obschon  uns  beistimmte  «md  ins  Einzelne  gehende  Nach- 
richten über  die  ältesten  Slawen  in  Bezng  auf  ihre  Re- 
ligion und  Sitten,  ihre  Cnltnr  und  Sprache  gänzlich  ab- 
gehen; so  ist  es  doch  keinem  Zweifel  unterworfen,  dass 
sie  gleich  von  der  Zeit  ihres  Bekanntwerdens  in  Europa 
an,  so  weit  nämlich  die  Geschichte  auf  die  Spuren  ihres 
frühesten  Lebens  einiges  Licht  zu  werfen  anfängt ,  bis 
zu  ihrer  Bekehrung  zum  Christenthume  zu  Anfang  des 
IX.  Jahrb.,  zwar  Heiden,  aber  keineswegs  so  roh  wa- 
ren, dass  sie  in  die  Classe  der  barbarischen  Völker  zu 
stehen  kämen,  vielmehr  sich  auf  einer  Stufe  der  natio- 
nalen und  zeitgemässen  Bildung  befanden,  die  ihnen 
auch  nach  unseren  jetzigen  Begriffen  eine  Stelle  in  der 
Reihe  der  cirilisirfen  Völker  anweist. 

Die  slawische  Mythologie  erinnert  auffallend  an  In- 
dien; allein  zur  Zeit  ist  dieser  ohnehin  schwierige  Ge- 
genstand noch  nicht  mit  der  gehörigen  Kritik  in  seiner 
ganzen  Ausdehnung  bearbeitet  worden^).  Zu  den  vor- 
züglichem Gottheiten  der  heidnischen  Slawen  gehören: 
Biet  Bog,    der   weisse   oder  gute   Gott,     Cernohnif,    der 


der  ältesten  Gesch.  der  Slawen.  Lpz.  771.  8.  Gatterers  Eiul.  in  die  syn- 
chron. Universalhist.  Gott.  771.'  8.  GebhardPs  allg.  Welthist.  51- r  Th. 
Halle  789.  Schlözer's  allg.  Nordgesch.  (in  der  allg.  Welthist.  der  31.  Th.) 
Halle  771.  4.  S.  332—334.  Eb.  Nestor,  luss.  Annalen,  Götting.  802—09- 
•5  Th.  8  F.  Rühs  Gesch.  d.  Mittelalters  (böhm.  v.  AV.  Hanka,  Prag  818. 
12.).  J.  Potocki  fragments  historiques  et  geographiques  sur  la  Scythie;  la 
Sarmatie  et  les  Slaves,  Braunschw.  796.  4.  Dobrox'sky  üb.  d.  ältesten  Si- 
tze der  Slawen  in  Europa  (in  dem  Vers,  einer  Landesgesch.  von  Mähren). 
Olmütz  788.  8.  J.  F..  A.  v.  Schivabenau .  die  ältesten  bekannten  Slawen 
und  ihre  Wohnsitze,  (im  Hesperus  1819.)  Karamzin  istorija  rossijskago  go- 
sudarstwa,  2te  A.  S.  Petersb.  819.  Ir  Bd  W.  Suroujecki  sledzenie  po-, 
czatka  narodöw  slowiaiiskich  Warsch.  824.  8. 

•)  J.  Görres  Mythengesch.  der  asiat.  Welt,  Heidelb.  1810  8.  sagt  von 
der  Religion  der  alten  Slawen :  „Daher  wird  es  begreiflich,  wie  jene  sla- 
wischen Völkerschaften,  die  in  den  frühem  Jahrhunderten  von  jenem 
Stamme  (der  Hindu)  sich  gelöst,  und  nach  dem  östlichen  Europa  hin  vor- 
gedrungen, so  vielen  Orientalism  in  ihrem  religiösen  Cultus  zeigen  konn- 
ten. Den  Gegensatz  des  guten  und  bösen  Princips  finden  wir  personificirt 
bei  den  Wenden,  Sorben  und  Obotriten.  Echt  orientalisch  zusammenge- 
setzte Symbolik  zeigen  uns  die  Bilder  der  Rugier,  die  Saxo  Grammaticus 
beschreibt.     Swiatowid,  lichtglänzend,  vor    allen    in    Arkona  im    gemeinsa- 


Uu^S  jrf^ 


42 

schwarze  oHer  böse  Gott,  Cväo  innrskojc,  Meerwinider, 
eine  Art  Tritoiien,  Cur  bei  den  Russen,  was  der  Ter- 
minus bei  den  Römern,  Did^  Didilia,  Gottheit  der  Ehen, 
Diu-!,  der  Ar^e,  (der  indisclie  Dew)  bei  den  Russen, 
Domnwifje  d/nchy,  Hausgötter,  Genien,  bei  den  Böhmen 
Setek,  Sotek,  Skrjfek,  Dvhynja  und  Gorynja,  nacli  nis- 
sischen Erzählungen  Heroen,  Jm/abaha,  als  ein  scheuss- 
liches,  hageres  Weib  mit  Knochenfüssen  vorgestellt, 
Kascej,  Koscpj,  ein  lebendiges  Skelett,  Knochenmann, 
der  Mädchen  und  Bräute  raubte,  Kikimora,  ein  fürch- 
terliches Gespenst,  Lada,  Leda,  die  Göttin  der  Liebe 
und  aller  Liebesvergnügungen,  LpI,  Lelja,  der  Liebes- 
gott, Lesie,  Waldgottheiten,  griechische  Satyren,  Mor- 
jana,  Moiena^  {Marzaiui),  der  Tod,  die  Todesgöttin 
(im  Indischen  heisst  Mar  arm  auch  der  Tod),  Oslad\ 
Gott  der  Gastmale ,  P^r?///,  (bei  den  Slowaken  Parntn, 
daher  paromovä  stiela,  Blitz)  der  Donnergott,  Poleljuy 
Gott  der  Ehe ,  Sohn  der  Lada ,  Porewit,  Porenut,  bei 
den  Obotriten,  vielleicht  eins  mit  Prowe,  Gott  der  Ge- 
rechtigkeit bei  den  wagrischen  Slawen,  Radegost,  {Ra- 
degast) der  Schützer  der  Gastfreiheit  bei  den  Obotriten, 
Rugewity  bei  den  Karantanern,  Rusalki,  Nymphen  und 
Najaden,  Sewana,  bei  den  Polen  Göttin  der  Wälder, 
Surtatorrid,  Swatount  der  Allsehende  in  Arkona  ver- 
ehrt, Tri()lau\  wahrscheinlich  Beiname  eines  dreiköpfi- 
gen  männlichen    Gottes,    des    Trimurti   der   Indier,    Wila, 


men  Tempel  der  slaw.  Völker  verehrt;  sein  kolossales  Bild  mit  vier  Häup- 
tern auf  vierfachen]  Halse  nach  den  vier  AVeltgegenden  geordnet ;  mit  ge- 
schornem  Bart  und  Ilaare  ;  in  der  rechten  ein  aus  vielen  Metallen  zusam- 
mengesetztes Trinkhorn,  in  der  linken  den  Bogen,  neben  ihm  Sattel,  Zaum 
und  Schwerdt,  drei  hundert  Pferde  und  eben  so  viele  Krieger  seinem  Dienst 
geweiht,  vor  allen  ein  weisses  Pferd,  das  er  selbst  in  Schlachten  ritt,  und 
das  wahrsagend  Auspicien  über  Krieg  und  Frieden  gab.  Dann  bei  den  Ka- 
rantanern Ilugewit  mit  siebenfachem  Antlitz,  sieben  Schwerdter  an  einem 
Gehänge  an  seiner  Seite,  das  achte  gezogen  in  seiner  rechten,  der  Gott  des 
Krieges  und  der  Stärke ;  weiter  Porewit  mit  fünf  Häuptern,  aber  ohne 
Waft'en;  endlich  Porenut  mit  vierfachem  Antlitz,  ein  fünftes  auf  der  Brust, 
mit  der  linken  auf  der  Stirne,  mit  der  rechten  das  Kinn  berührend;  alle  in 
ihrer  Zusammensetzung  auf  die  Sonne  und  die  vier  Jahrszeiten,  die  sieben 
Planeten  und  die  fünf  Elemente  deutend,  beweisen  frühereu  Verkehr  mit 
persischen  u.  indischen  Mythen,  und  die  directe  Verwandtschaft  des  Slawen- 
stammes mit  dem  Hinterasiatischen."  Auch  die  (Jewohnheit  der  slaw. 
■  Weiber,  sich  mit  der  Leiche  ihrer  Männer  auf  den  Scheiterhaufen  zu  werfen, 
\weist  auf  Indien  hin. 


^  Mm  ^^tj^^  JftCuxM  *^>  ...^   13  ^yu^rn 

bei  den  siidlicheii  Slawen,  was  Kiisaiki  bei  den  Küssen, 
Wolchw  ,  Wolcliowec,  Zauberer,  Weles,  Wnlos,  der 
Gott  des  Viehes,  Ziwu,  (^Shra)  die  Göttin  des  Lebens 
bei  den  Polaben,  verwandt  mit  dem  indisclien  Schiva 
u.  s.  w.  Krodo  /und  Flinfz  sind  keine  slawische  Gott- 
heiten. Unter  allen  waren  Permi,  der  Donnergott,  biely 
Bog,  der  Geber  alles  Guten,  cerny  Bog,  der  Schö- 
pfer des  Bösen,  in  welchen  sich  ganz  der  persische  Dua- 
lismus kund  thut,  und  Swiatowid,  der  Allsehende  von 
Arkona  auf  der  Insel  Kügen,  die  höchsten  Gottheiten. 
Die  Namen  gadanija ,  die  Wahrsagungen ,  Koliada, 
Koleda,  ein  Fest,  vorzüglich  durch  Geschenke  gefeiert, 
Kupalo,  das  Johannisfest,  der  Sonne  zu  Ehren  wegen 
der  Sonuiiersonnenwende,  Trizna,  eine  Feier  zum  An- 
denken der  Verstorbenen,  u.  s.  w.,  beziehen  sich  offen- 
bar auf  Gebräuche  und  Feste  der  damaligen  Zeit.  Den 
Gottesdienst  versahen  die  Priester,  (in  den  urältesten 
Zeiten  unfehlbar  zugleich  Vorsteher  des  Volks,  wie  diess 
das  bei  den  Slawen  in  zwiefacher  Bedeutung  noch  übli- 
che Wort  Kntaz,  Knez  (Kuji-e)  Priester,  Fürst,  be- 
zeugt), in  den  hiezu  erbauten  Tempeln  und  in  gehei- 
ligten Hainen.  Gewöhnlich  wurde  dabei  geopfert  {zertwii, 
übet,  Opfer),  und  geweissagt  {trestec,  gadac  Wahrsa- 
ger). Sie  verbrannten  ihre  Todten  und  stiiiuiiten  dabei 
Klaglieder  an.  Einzelne  Spuren  bei  Nestor  scheinen  aji- 
zudeuten,  dass  die  alten  Slawen  mit  der  Idee  der  Un- 
sterblichkeit, wenn  gleich  den  sinnlichen  BegrüFen  der 
damaligen  Zeit  angemessen,  bekannt  waren.  Den  Eid 
Qprjsulw,  kljütbii)  kannten  und  ehrten  sie.  ^j 


-)  Vgl.  Kayssarows  Vers.  e.  slaw.  Mythologie.  Gott.  804.  8.  Do- 
browskrjs  Slawin  S.  401—416.  Durich  bibl.  slav.  p.  338—351.  —  üeber 
die  obotritischen,  zwischen  den  J.  1687 — 97  in  Prilwitz  von  dem  Pastor 
P>iedr.  Sponholz  gefundenen,  und  der  Sammlung  des  Groszherzogs  von 
Meklenburg-Strelitz  einverleibten  (verdächtigen)  Denkmäler,  worunter 
sich  Abbildungen  von  Gottheiten  und  andere  slaw.  Alterthümer  betiaden, 
vgl.  A.  G.  Hasch  die  gottesdienstlichen  Alterthümer  derObotriten  aus  dem 
Tempel  zu  Rhetra  am  Tollenzersee,  Berl.  771.  4.  und  J.  Potocki  voyages 
dans  quelques  parties  de  la  Basse-Saxe  pour  la  recherche  des  antiquites 
Slaves  ou  Vendes,  Hamb.  795.  4.  Altei-'s  Miscellen  8.  226  fF.  Dobrovjskys 
Slowanka  Th.  II.  S.  170 — 176.  H.  R.  Schröter's  Friderico  -  Francisceum, 
oder  Grossherz.  Alterthümersamml.  aus  der  altgerm.  u.  slaw.  Zeit  Mekleu- 
burgs  zu  Ludwigslust  (Abbild,  u.  Text)  823. 


i4 

In  Iliiisiclit  auf  ilir  politisches  Leben  isi  es  keinem 
Zweifel  unterworfen,  dass  so  wie  die  Indier  bereits 
niebrere  Jahrliiinderte  vor  Christi  (icbnrt  im  Besitze  ei- 
ner hohen  eiiiheimischen  Cnltiir  waren,  auch  die  Slawen 
nach  ihrer  Einwanderung  nach  Kuropa,  mehrere  Jahr- 
hunderte vor  Christi  Geburt,  ein  gebildetes  Volk  gewe- 
sen, Städte  gehabt,  ein  patriarchalisches  Leben  geführt, 
und  daher  auch  leicht  eine  Beule  anderer,  in  Wildheit 
und  Barbarei  versunkenen  nomadisirenden  Völker,  der 
Giothen,  Hunnen  und  Awaren  geworden  sind.  Als  be- 
ständige Nachbarn  der  Griechen,  die  ihre  Colonien  bis 
zum  schwarzen  Meer  ausdehnten,  haben  sie  sich  fasf 
gleichzeitig  mit  denselben,  wenn  gleich  auf  eine  cigen- 
thümliche  Weise,  cultivirt.  Die  ältesten  Schilderungen 
der  Slawen  sind  von  Prokop  (5()2),  K.  Mauritius  (582— 
602),  K.  Leo  (886—911)^).  Nach  jenem  hatten  sie 
eine  demokratische  Verfassung,  eigene  Gesetze  und  Re- 
ligion, wohnten  in  schlechten  Hütten  und  änderten  ihre 
Wohnsitze  noch  oft,  führten  den  Krieg  meist  zu  Fuss 
mit  Schilden    und    Wurfspiessen    bewaffnet,   waren    lang 


^)  Vgl.  Frokop  ilc  bello  guth.  L.  III.  c.  14.  Manritii  Strategicon 
L.  IL  c.  5.  Leonis  Imp.  de  bcllico  apparatu,  lat.  a  Jo.  Checo,  Basil.  .595. 
12.  A.  F.  Kollar  amoeiütates  hist.  Hung.,  Vindob.  783.  8.  Striifer's  Gesch. 
der  Slawen  in  Schlözers  allg.  nord.  Gesch.  S.  351.  /.  Raic  istoria  raznych 
slawen^kich  iiarodow,  Wien  7iM— 95.  8.  Ir.  Bd.  C.  V.  "§7Ti.  ff.  /.  Fotocki 
fragments  historiques  2i'  Bd.  S.  103  ff.  Durich  bibl.  slav.  p.  28 — 33.  259— 
392.  Dthl^uwdkj/s  Slawin,  S.  196—212.  irSTlilowanka  Th.  I.  S.  76-84.  — 
Zwar  haben  mehrere,  vorzüglich  ausländische  Schriftsteller  den  Slawen  nicht 
nur  alle  frühere  Cultur  abzusprechen,  sondern  auch  ihren  redlichen  Cha- 
rakter zu  verdunkeln  gesucht.  Sie  führen  z.  B.  an,  dass  Prokop  sie  an  der 
Donau  als  noch  nicht  ganz  an  Ackerbau  gewohnt  sch'ldert,  Bonifacius  im 
VIII.  Jahrh.  die  Slawen  in  Deutschland  var/os  nennt,  Prokop.  Ditinar  und 
Ilelmold  Züge  der  Grausamkeit  und  Treulosigkeit  von  ihnen  erzählen  u.  s. 
w.  Allein  dem  ist  nicht  so.  Von  einzelnen  Stämmen  mag  diess  immerhin 
gelten,  unbeschadet  der  Cultur  anderer ;  denn  gewiss  waren  alle.  Stammt 
hierin  einander  nicht  gleich.  Den  ganzen  Vorwurf  hat  schon  Möller  (von 
der  hist.  Grösse,  im  teut.  Mus.  Lpz.  781.  2.  Bd.)  gewürdigt,  in  dem  er  sagt: 
„Nie  würden  unsere  tapfern  Vorfahren,  die  ehrlichen  Slawen,  den  Namen 
der  treulosen  in  der  Gesch.  erhalten  haben,  wenn  andere,  als  Dänen. 
I'ranken  und  Sachsen,  als  Hclmold,  Arnold  u.  Adam  v.  Bremen,  ihre  Gesch. 
verzeichnet  hätten,  deren  Interesse  es  war,  sie  zu  ernieTIngen,  zu  bekehren 
und  unterwürfig  zu  machen."  Die  christlichen  Missionarien,  Griechen  und 
Lateiner,  haben  alles,  was  sie  uns  von  den  heidnischen  Slawen  gemeldet, 
verunstaltet.  So  beschuldigten  die  griechischen  Mönche  eben  so  wie  die  la- 
teinischen die  Cechen,  Dulebier  und  Drewlier  in  Wolynien  u.  Polesien  der 
chelosen  Wildheit,  weil  sie  die  Sitte  der  Vielweiberei,  die  dort  herrschte, 
als  eine  regellose  Ehe  ansahen. 


4^;^,A,Ju  Cef  fTTc^^   Or^ 

lind  starki^lioriri;;^  mit  hloiidcMi  llaaroii;  liorlliclikoit  uliiio 
Tücke  und  Bosheit,  Mar  ein  llauptzn^  in  ihrem  Charak- 
ter; nach  den  zwei  andern  liebten  sie  die  Freiheit  so 
sehr,  dass  sie  auf  keine  Weise  zur  Dienstbarkeit  oder 
zum  Gehorsam  gebracht  werden  konnten,  waren  vor- 
züglich tapfer,  und  konnten  Beschwerlichkeiten,  Hitze 
und  Kälte,  Blosse  und  Mangel  leicht  ertragen;  gegen 
Fremde  ungemein  gütig  und  gastfrei,  behielten  sie  ihre 
Gefangenen  nie  in  Knechtschaft,  sondern  entliessen  sie 
nach  einer  gewissen  Zeit;  sie  lebten  vorzüglich  von  der 
Viehzucht  und  vom  Ackerbau;  die  Weiber  waren  den 
Männern  ausserordentlich  treu,  oft  starben  sie  freiwillig 
bei  ihrem  Tode;  ihre  W' äffen  waren  Wurfspiesse,  Schil- 
de, Bogen  und  Pfeile.  Im  Krieg  hatten  sie  nicht  nur 
Fussvolk,  wie  Prokop  berichtet,  sondern  auch  Reiterei, 
wie  Constantinus  Porph.  P.  IL  c.  31.  ausdrücklich  bezeugt. 
Ausser  den  von  Prokop  genannten  Waffen  führten  sie 
auch  das  Schwert  und  die  Schleuder  Qprak)  mit.  Dass 
unter  ihnen  von  jeher  ein  Unterschied  der  Classen  statt 
gefunden  habe,  folglich  der  Stand  der  Edlen  (Knjaz, 
hojar,  zupan,  pan,  sleclitic)  dem  der  freien  Männer 
{(howjek,  Ijudt)  entgegengesetzt  war,  abgesehen  von 
der  Knechtschaft  der  Unterworfenen  oder  Unfreien  {roh. 
rab),  leidet  wol  keinen  Zweifel.  Eben  so  ist  es  klar, 
dass  sie  durch  Gesetze,  deren  Spuren  selbst  Jaroslaws 
Rechtsbuch  oder  die  sogenannte  Prmvda  ruska  enthal- 
ten mag,  wenn  es  gleich  schwer,  ja  unmöglich  seyn 
möchte,  sie  einzeln  nachzuweisen,  regirt  wurden,  wie 
diess  die  Geschichtschreiber  des  VI.  —  XII.  Jahrb.  aus- 
drücklich und  einstimmig  behaupten.  Selbst  die  Namen 
der  Städte  {grad  von  graditi  umzäunen),  als  Siargrad 
Aldenbnrg  (Oldenburg),  Nowgorod,  Notvjetunum,  Kiew, 
Vineta^),  Arkona,  Sniolensk,  Gernigow,  Pskow,  Izborsk 
u.  m.  a.  weisen  auf  eine  bedeutende  Stufe  der  Civili- 
sation  hin.  Viele  interessante  Nachrichten  über  ihr  häus- 
liches   Leben,    ihre    Wohnungen.     Nahrung,    Bekleidung. 


*)  Die  Existenz  dtT  Stadt  Vineta  auf  der  Insel  Wolin,  die  Herder 
das  slaw.  Amsterdam  nennt,  wollten  Rumohr  1816,  imd  Lewezovj  182o 
zweifelhaft  machen.  Helmold,  meinen  sie,  schreibt  sie  durch  Irrthnm  für 
Jitmne  d.  i.  Jidin. 


16 

Gebräuclie  und  Sitten,  finden  sich  bei  den  alten  Chro- 
nisten zerstreut ,  die  zuerst  Anton,  hierauf  die  Hrn. 
Karanizin  und  Rakowiecki  vollständig  gesammelt  und 
zusaininengestellt  haben. 

Demnach  war  Tapferkeit  mit  Friedensliebe  verei- 
nigt ein  hervorstechender  Zug  in  ihrem  Charakter,  und 
Herder  schildert  sie  eben  so  schön  als  treffend,  wenn 
er  sagt:  „Trotz  ihrer  Thaten  waren  die  Slawen  nie  ein 
unternehmendes  Kriegs-  und  Abenteuervolk  wie  die  Teut- 
schen;  vielmehr  rückten  sie  diesen  stille  nach,  und  be- 
setzten ihre  leergelassenen  Plätze  und  Länder.  Allent- 
halben liessen  sie  sich  nieder,  um  das  von  andern  Völ- 
kern verlassene  Land  zu  besitzen,  es  als  Colonisten,  als 
Hirten,  als  Ackerleute  zu  bauen  und  zu  mitzen ;  mit- 
hin war  nach  allen  vorhergegangenen  Verheerungen,  Durcli- 
und  Auszügen  ihre  geräusclilose,  fleissige  Gegenwart  den 
Ländern  erspriesslich.  Sie  liebten  die  Landwirthschaft, 
ehien  Vorratii  von  Heerden  und  Getraide,  auch  man- 
cherlei häusliche  Künste ,  und  eröffneten  allenthalben 
mit  den  Erzeugnissen  ihres  Landes  und  Fleisses  einen 
nützlichen  Handel.  Längs  der  Ostsee  von  Lübeck  an  hat- 
ten sie  Seestädte  erbauet,  unter  welchen  Vineta  auf  der 
Insel  Rügen  (richtiger  Wolin)  das  slaw.  Amsterdam  war; 
so  pflogen  sie  auch  mit  den  Preussen,  Kuren  u.  Letten 
Gemeinsciiaft,  wie  die  Sprache  dieser  Völker  zeigt.  Am 
Dnieper  hatten  sie  Kiew,  am  Wolchovv  Nowgorod  ge- 
bauet, welche  bald  blühende  Handelsstädte  wurden, 
indem  sie  das  schwarze  Meer  mit  der  Ostsee  vereinig- 
ten, und  die  Producte  der  Morgenwelt  dem  nord-  und 
westliclien  Europa  zuführten.  In  Teutschland  trieben 
sie  den  Bergbau,  verslanden  das  Schmelzen  und  Giessen 
der  Metalle,  bereiteten  das  Salz,  verfertigten  Leinwand, 
braueten  Metii,  pflanzten  Fruchtbäume,  cnid  ftilu-ten  nach 
ihrer  Art  ein  fröhliches  musikalisches  Leben.  Sie  waren 
mildthätig,  bis  zur  Verschwendung  gastfrei;  Liebhaber 
der  ländlichen  Freiheit,  aber  unterwürfig  und  gehorsam, 
des  Rauhens  und  Plüiidcrns  Feinde.''  Indess  halfen  den 
Slawen  ihre  Friedensliebe,  ihr  stilles  häusliches  Leben 
nicht  gegen  die  Unterdrückung  von  aussen;  sie  waren 
es  vielmehr,  welche  sie  derselben  am  meisten  ausgesetzt. 


17 

Danini  sagt  auch  Herder  weiter:  ,,Da  sie  sich  nie  um 
die  Oberherrschaft  der  Welt  bewarben,  keine  kriegs- 
süchtigen erblichen  Fürsten  unter  sich  hatten,  und  lie- 
ber steuerpflichtig  wurden,  wenn  sie  ihr  Land  nur  mit 
Ruhe  bewohnen  konnten;  so  haben  sich  mehrere  Na-'^^-^^"'" 
tnnieii,  am  meisten  aber  die  vom  teutschen  Stamme,  ' 
an  ihnen  hart  versündigt.  Schon  unter  Karl  dem  Gros- 
sen gingen  jene  Unlerdrückungskriege  an,  die  ofi'enbar 
Handelsvortheile  zur  Ursache  hatten,  ob  sie  gleich  die 
christliche  Religion  zum  Vorwande  gebrauchten ;  denn 
den  heldenmässigen  Franken  musste  es  freilich  bequem 
seyn,  eine  fleissige,  den  Landbau  und  Handel  treibende 
Nation  als  Knechte  zu  behandeln ,  statt  selbst  diese 
Künste  zu  lernen  und  zu  treiben.  Was  die  Franken  an- 
gefangen hatten,  vollführten  die  jachsen ;  in  ganzen  Pro- 
vinzen w^urden  die  Slawen  ausgerottet  oder  zu  Leibei- 
genen gemacht,  und  ihre  Ländereien  unter  Bischöfe  und 
Edelleute  vertheilt.  Ihren  Handel  auf  der  Ostsee  zer- 
störten nordische  Germanen :  ihr  Vineta  nahm  durch 
die  Dänen  ein  trauriges  Ende,  und  ihre  Reste  in  Teutsch- 
land sind  dem  ähnlich,  was  die  Spanier  aus  den  Peru- 
anern machten.  Unglücklich  ist  das  Volk  dadurch  wor- 
den, dass  es  bei  seiner  Liebe  zur  Ruhe  und  zum  häus- 
lichen Fleiss  sich  keine  dauernde  Kriegsverfassung  ge- 
ben konnte,  ob  es  ihm  wol  an  Tapferkeit  in  einem 
hitzigen  Widerstand  nicht  gefehlt  hat.  Unglücklich,  dass 
seine  Lage  unter  den  Erdvölkern  es  auf  einer  Seite  den 
Teutschen  so  nahe  brachte,  und  auf  der  andern  seinen 
Rücken  allen  Anfällen  östlicher  Tataren  frei  liess,  unter 
welchen,  sogar  unter  den  Mongolen,  es  viel  gelitten, 
viel  geduldet."^) 

Sprachüberreste  aus  der  ältesten  Periode  der  Slaw^en 
sind  w^ol,  emzehfe  bei  ausländischen  Schriftstellern  zer- 
streute Wörter ,  meistens  Eigennamen ,  ausgenommen, 
keine  übrig  ^).  Eben  darum  ist  das  Urtheil  über  die 
Beschaffieidieit    der    damaligen   Mundarten   sehr    schwer; 

*)  J.  G.  Herder  Ideen  zur  Philosophie  der  Geschichte  der  Menschheit, 
Higa  u.  Lpz.  791.  lY.  Bd.  Sechsz.  R.  lY.  Slawische  Völker.  «)  Eine  Samm- 
lung und  kritische  Beleuchtung  der  ältesten  slaw.  Wörter  findet  man  bei 
I>urich  bibl.  slav.  p.  114—184,  211-258. 


18 

clocli  liegt  es  am  Tage,    dass  ein  so  weit  ausgebreiteter 
Volksslainiii    bereits    im    grauesten    Alterthume    mehrere 
Dialekte    gesprochen   habe.     Die  ganz  nahen  zwei  Stäm- 
me,   die    Prokop    nnd    andere    Griechen  besser  kannten, 
und    mit    den    Namen    Slawinen    und  Anten    belegten  '), 
mögen     zwar   damals  ^üllig  einerlei  Sprache  geredet  ha- 
ben,   allein    diess   lässt    sich    von    entfernten    Stämmen, 
z.  B.   dem  Lechischen   an  der  Weichsel,  oder  dem  Cechi- 
schen  an  der  Moldau  in  Böhmen  nicht  behaupten.   Es  ist 
wahrsclieinlicii,    dass   die   Slawen  eine  Buchstabenschrift 
aus    Indien    iin'tgebraclit    haben;    aber    die    Schriftkunde, 
die,  wie  natürlich,    nur    wenige    besessen  haben  mögen, 
musste    wol    durch    die    ewige    Wanderschaft    unter    so 
vielen    Stämmen    der  Slawen    bald  verloren  gehen,    und 
es  ist  ungewiss,  ob  von  diesem  Uralphabet  etwas  auf  das 
kyrillische  übergegangen  sey,  oder  niciits.     Dass  die  ur- 
alten   Gesänge,    die    erst   in  der    neuesten   Zeit  bei  den 
Böhmen    und    Russen    glücklich    entdeckt,    und    bei  den 
Serben   gesammelt   worden    sind,    durch   ilu-e  Originalität 
und   Gediegenheit    auf  eine  viel  frühere  geistige  Bildung 
der  Nation    hinweisen,  als  man  gewöhnlich  bis  jetzt  an- 
zunehmen  sich     für  berechtigt   hielt,  das  ftdlt wol  jedem 
in   die    Augen,    der    diese    Denkmale,    deren  viele  ihrer 
Abfassung  nach  in    die  heidnische  Periode  gehören,  und 
die    wir   an   einem   andern   Ort  ausführlicher  beschreiben 
werden,    näher    kennen  lernte.     Denn  sowol  diese  kost- 
baren Ueberreste  der  Poesie,  als  auch  der  Umstand,  dass 
die  Sprache  der  kyrillischen  Bibelübersetzung  schon  das 
Gepräge    einer   niciit   geringen  Vervollkommnung  und  ei- 
nes  grossen    Wortreichthums  trägt,    deuten  auf  eine  Pe- 
riode   hin ,    zu    deren    Vorbereitung    Jahrhunderte    erfor- 
derlich seyn  dürften.     Wie  weit  sich  aber  diese  Sprach- 
und    Geistesbildung  erstreckte,  das  zu    erforschen    bleibt 


^)  Prokop  wnsste  von  der  Sprache  der  Slawinen  und  Anten  nicht 
anderes  zu  sagen,  als  dass  sie  sehr  l)arharisch  (aTf;i;i/ö}?  ßccgßagog)  wäre. 
Damit  wollte  er  eben  nicht  sagen,  die  slaw.  Sprache  sey  nicht  so  gebildet, 
biegsam  und  wohlklingend,  als  die  griechische,  sondern  sie  sey  den  Grie- 
chen unverständlich.  Denn  die  Griechen  nannten  wol  alles ,  was  nicht 
griechisch  war,  barbarisch,  etwa  so,  wie  die  Slawen  alle  fremde  Völker 
Cud,  Wlach,  Niem,  im  Gegenstatz  der  Slowane,  Völker  von  einerlei  S^n-a- 
che  (slowo).  Mit  dem  Worte  Cud  bezeichneten  sie  Völker  finnischer,  mit 
Wlach  gallischer  und  italischer,  mit  Niem  aber  besonders  teutscher  Abkunft. 


19 

n    anderer    vaterländischeii   Gelehrten  i 
heinigestellt.  *^j 


den  Bemühungen    anderer    vaterländisehen   Gelehrten  an- 


§.  X 

Slawischer  Volksstamm    im   dritten    Jahrzehend    des  XIX. 

Jahrhunderts. 

Etwa  um  die  Mitte  des  Vll.  Jaiirh.,  mit  dem  .1.  679, 
hörten  die  Wanderungen  der  Slawen  auf,  und  vielleicht 
mn  dieselbe  Zeit,  oder  auch  schon  fridier,  wurde  der 
erste  Versuch  gemacht,  die  Slawen  zum  Christenthum 
zu  bekehren.  Dieser  Versuch  gelang  zwar  zu  Anfange 
des  IX.  Jahrb.,  sowol  im  Süden  als  im  Westen  voll- 
kommen, aber  nicht  ohne  grosse  Veränderungen  im  In- 
nern der  Stämme  selbst.  Die  zwei  grossen  slawischen 
Reiche  Gross-Kroatien  und  Gross-Serbien,  beide  im  Nor- 
den der  Rarpaten,  verschwanden  schon  zu  Anfange  des 
VI.  Jahrb.,  zum  Theil  von  den  Franken,  zum  Theil  von 
den  Gothen  und  Awaren  unterjocht.  Eben  so  wurden 
die  mit  dem  Namen  der  Wenden  von  den  Ausländern 
bezeichneten  Slawen,  die  im~VI.  Jahrb.  in  die  von  den 
Gothen  und  Sueven  verlassenen  Wohnsitze  an  der  Elbe 
einrückten,  und  hier  unter  den  Namen  der  Pomeranier, 
Luititzen,  Wilzen,  Weletaben,  Obotriten,  Sorben  u.  s. 
w-  wohnten,  nach  einem  grausamen  Vertilgungskriege 
von  den  Franken  und  Sachsen  bezwungen,  und  entwe- 
der ausgerottet,  oder  germanisirt.  Ihre  Sprache  erlosch 
schon  im  ^V.  Jahrhundert.  Die  übrigen  nordteutschen 
Wenden  wurden  im  X.  Jahrb.  von  Teutschlands  Königen  ^,, ,' 
aus  dem  sächsischen  Stamme  bis  über  die  Elbe  gedrängt,  *^j^^7^' 
und  die  Markgrafschaften  Meissen,  Lausitz  und  Brändein- '' 


^ 


'& 


-^ 


^)  Ausser  den  schon  angeführten  Schriften  von  Kayssaron\  Durich, 
Potocki,  Dobrou'sky  \\.  s.  w.  vgl.  K.  G.  Antons  erste  Linien  eines  Ver- 
suchs über  der  alten  Slawen  Ursprung,  Sitten  ,  Meinungen  u.  Kenntnisse, 
Lpz.  783—89.  2.  Thle.  8.  Karamzin  istorija  ross.  gosudarstwa,  Ir  Bd, 
und  ganz  vorzüglich  /.  B.  BakonAecki  prawda  ruska,  czyli  prawa  W.  X. 
Jaroslawa  AVladymiro-wicza ,  Warsch.  820  —  22.  2  Bd.  4. 'ein  Hauptwerk, 
dessen  Ir  Bd.  ganz  der  Einleit.  gewidmet  ist,  und  das  Beste  über  die  Ge- 
bräuche, Sitten,  Religion,  Rechte  und  Sprache  der  alten  slawischen  Na- 
tionen efithält.  W.  Stiroiviecki  Äledzenie  poCzatku  narodow  sl'owianskich, 
Warsch.  824. 

2* 


20 

bürg  errichtet.  Dagegen  erhielten  sicli  die  Cechen  in 
Bölunen  seit  dem  VI.  Jahrh.,  und  bildeten  lange  unter 
eingcbornen  Fürsten  ein  Königreich.  Diejenigen  Sla- 
wen, die  sich  in  Steiermark,  Kärnten  und  Krain  nie- 
derliessen,  unterjochte  schon  Karl  der  Grosse,  und  so- 
wol  er  als  auch  spätere  Kaiser  gründeten  hier  teutsche 
Markgrafschaften.  Swatopluks  grosses  mährisches  Reich 
zerstörte  der  teutsche  Kg.  Arnulph  und  die  Magyaren 
am  Ende  des  IX.  Jahrh.  Die  südlich  der  Donau  von  den 
aus  Gross-Kroatien  und  Gross-Serbien  eingewanderten 
Slawen  gestifteten  Königreiche  Kroatien ,  Slawonien, 
Dalmatien,  Serbien,  Bosnien  und  Bulgarien,  durchliefen 
im  steten  Wechsel  des  Glücks  und  beständigen  Kampf 
mit  den  Griechen ,  Ungern ,  Venetianern  und  Türken 
eine  Periode  von  3  —  800  .Jahren,  bis  sie  zuletzt  zum 
Theil  an  das  Haus  Oesterreich,  zum  Tlieil  an  die  Türken 
verfielen.  Langsam  entwickelten  sich  Polen  und  Russ- 
land zu  selbstständigen  Staaten,  und  letzteres  schwang 
sich  binnen  einer  kurzen  Zeit  zu  einer  Höhe  empor, 
die  Bewunderung  erregt.  Die  Zeit,  die  alles  ändert, 
hat  also  auch  diesen  grossen,  über  halb  Europa  und 
ein  Drittheil  von  Asien  ausgebreiteten  Völkerstamm  bin- 
nen einem  Jahrtausend  beinahe  bis  zur  Unkenntlichkeit 
verändert.  Es  ist  aber  dem  Forscher  des  Slawenthums 
unumgänglicii  noth wendig,  sich  mit  dem  gegenwärtigen 
Bestand  der  Stämme,  bevor  er  das  Gebiet  des  geistigen 
Anbaues  eines  jeden  betritt,  in  geo-  und  ethnographi- 
scher Hinsicht  bekannt  zu  machen.  Es  ist  natürlich,  dass 
das  Merkmal,  wornach  der  Unterschied  und  die  Anzahl 
der  Stämme  bestimmt  wird,  nicht  nur  die  geographische 
Lage  allein,  sondern  ganz  vorzüglich  die  grössere  oder 
geringere  Verwandtschaft  der  einzelnen  Zweige  unter- 
einander ist.  Diese  aber  wird  wiederum  nicht  sowol 
auf  dem  Weg  der  Ti^adition  und  Geschichte  über  die 
Abstammung,  indem  letztere  oft  schweigt,  crstere  aber 
irre  führt,  als  vielmehr  durch  philologische  Erforschung 
und  Vcrgleichuiig  der  Mundarten  ftcr  bestehenden  Stäm- 
me gefunden ,  Avornach  nicht  sowol  diejenigen ,  die 
entweder  ehedem  nel)en  einander  gewohnt  haben,  oder 
noch  jetzt  wohnen,    eben    darum  auch    der  Abstamminig 


21 

Dach  einander  am  nächsten  verwandt  sind,  sondern  viel- 
mehr diejenigen,  deren  Sprechart  und  Sitten  mehr  mit 
einander  übereinstimmen.  Noch  sind  die  ßewoliner  Knss- 
lands,  Polens,  Galiziens,  Böhmens,  Schlesiens,  der  bei- 
den Lausitzen,  Mährens,  des  nördlichen  T'ngern,  Sla- 
woniens, Kroatiens,  Unter  -  Steiermarks,  Unter  -  Kärn- 
tens, Krains,  Dalmatiens ,  Bosniens,  Serbiens,  Bulga- 
riens u.  s.  w.  entweder  ganz  oder  zum  Theil  Slawen,  und 
noch  sprechen  die  von  den  östlichen  Ländern  am  adria- 
tischen  Meere  bis  zu  den  Ufern  des  nördlichen  Eismeers, 
und  von  der  schwarzen  Elster  an  dem  rechten  Eibufer 
bis  zu  den  Inseln  des  russischen  Nordarchipels  an  der 
Westküste  von  Amerika  wohnenden  20  —  30  slawischen 
Völker  und  Völklein  insgesammt  slawisch;  aber  der 
Unterschied  eines  Böhmen  und  eines  Russen,  eines  Po- 
len und  eines  Serben,  ist  der  Abstammung  und  Spra- 
che nach  nicht  minder  gross,  als  der  geographisciien 
Lage,  der  Landeshoheit  und  der  Religion  nach.  ^} 


')  Die  ältesten  Geschichtschreiber ,  die  der  Slawen  erwähnen ,  un- 
terscheiden bereits  mehrere  Stämme,  und  führen  sie  unter  verschiedenen 
Namen  auf.  So  kennt  Prokop  im  VI.  Jahrh.  die  Slawineu^  u.  Anten.  Später 
herab  werden  immer  melirere  genannt,  und  so  wie  sicH  ihre  Zahl  vermehrt, 
wird  auch  ihre  Unterscheidung  und  Bestimmung  schwieriger.  Naniens-Ver- 
wandtschaften  reichen  nicht  aus,  sonst  müssten  die  Serben  in  Serbien  und 
die  Sorben  in  der  Lausitz  die  nächsten  Stammverwandten  seyn,  was  sich 
nicht  erweisen  lässt.  Die  gegenwärtigen  Wohnsitze  führen  gleichfalls  zu 
keiner  Bestimmung;  denn  so  wären  die  Polen  und  Russen  näher  mit  ein- 
ander verwandt,  als  die  Russen  und  Serben,  dem  nicht  also  ist.  Wenn 
man  bedenkt,  dass  schon  im  ^^11^  Jahrh.  Kroaten  und  Serben,  die  in  die 
entvölkerten  Provinzen  des  byzantischen  Reichs  über  die  Donau  wanderten, 
»als  zwei  Stämme  von  einander  genau  unterschieden  werden,  so  darf  man 
die  nördlichen  Serben  in  Meissen  und  in  der  Lausitz,  als  Nachbarn  und 
nächste  Geschlechtsverwandte  der  Cechen,  mit  den  südlichen  Serben  nicht 
vermengen.  Man  darf  diese,  wenn  sie  gleich  ehedem  auch  i©_Hß.r.d.en_  an 
dy}_Kar£aten_  Sassen^  nicht  von  jenen  unmittelbar  ableiten.  Sie  konnten 
sich  auch  damals  nur  mittelbar  berühren,  weil  zwischen  ihnen  noch  andere, 
nämlich  die  lechischen  Stämme  lagen.  Die  Kroaten  imd  Serben  trennten 
sich  zwar  schon  im  VU.  Jahrh.  von  den  Slawen,  die  in  Roth-  und  Klein- 
Russland  zurückgeblieben  sind,  und  auf  die  erst  später  der  Name  Russe 
übergegangen  ist;  aber  ungeachtet  dieser  langen  Trennung  von  beinahe 
1200  Jahren  sind  sie  mit  den  Russen  der  Abstammung  nach  näher  ver- 
wandt, weil  sie  beide  zur  einen  Ordnung  gehören,  als  die  Lechen  oder  Polen, 
die  ihrer  Sprache  nach  nicht  dahin  gehören  können.  Auf  diese  Art  können 
also  die  südlichen  Serben  nicht  von  den  Sorben  in  der  Lausitz,  weil  diese 
mit  dem  lechischen  Stamme  viel  näher  verwandt  sind,  abstammen,  unge- 
achtet sie  einerlei  Namen  führen.  Noch  weniger  können  die  Serben,  yne 
einige  meinten,  aus  Böhmen^  nadr_Serbien  eingewandert  seyn,  wenn  auch 
Constantinus  PorphTnlcEt  ausdrücklich  sagte,  dass  sie  ehedem  im  Norden 
über  Ungern  hinaus   gewohnt  haben,  weil  diess  gegen   die  Sprachverwandt- 


22 

Unverkennbar  reihen  sich  alle  slawische  Völker- 
schaften nach  gewissen  constanten  Merkifjalen  der  Spra- 
che, die  auf  eine  früiiere  geographische  Verbindung  die- 
ser Stäiniiie  hindeuten,  an  zwei  Ordnungen  an,  welche 
Adelung  unter  der  willkührlicTieiii'  und  zweideutigen  Be- 
nennung Aiitischer  und  Slawischer^  die  Hrn.  Dobrowsky 
und  Kopitar  aber  unter  dein  richtigem  Ciassennamen 
südöstlicher  und  nordöstlicher  Hmiptast  aufFühren.  Zur 
ersten  Ordnung  gehören  als  Zweige  die  Russen  u.  Russ- 
niakeu  ,  die  Bulgaren,  Serben,  Bosnier,  Dalmatiner, 
Slawonier ,  Kroaten  und  W  inden  in  Krain ,  Kärnten, 
Steiermark  und  dem  westlichen  Ungern;  zur  zweiten 
aber  die  Böhmen,  Mährer,  Slowaken,  Sorben-Wenden 
in  der  Lausitz,  und  die  Polen  samnit  den  Schlesiern. 

A.)  Südöstlicher  Hauptast. 

Zweige. 

I.  Russischer   Stamm. 

1.  Russeji.  Die  Russen  bilden  die  Hauptmasse  der 
Bevölkerung  des  europäischen  Russlands,  und  nehmen 
das  ganze  mittlere  Russland,  die  Binnenprovinzen  zwi- 
schen Ilmen-  und  Belozerosee,  an  der  Düna,  Wolga, 
Moskwa  und  Okka,  und  die  Gouvernements  am  Don  ein, 
sind  aber  ausserdem  durch  das  ganze  Reich,  auch  den 
asiatischen  Theil  desselben,  zerstreut,  und  unter  den 
übrigen  Völkerschaften  ansässig.  Dass  diese  Masse  von 
etwa  32  Mill.  Menschen  ein  Aggregat  mehrerer  Stämme 
und  Stammfragmente  sey,  ist  leicht  zu  errathen,  und  die 
Geschichte  bestätigt  es ;  wenn  gleich  eine  genetische  De- 


schaft  ist.  Eben  so  können  die  heutigen  Böhmen  od.  Cecheu  nicht  eine 
Colonie  und  Abkömmlinge  der  Kroaten  seyn,  wie  es  dem  böhm.  Meister- 
sänger Dalimil,  Weleslawin,  Jordan  und  'Papanek  schien,  so  wenig  die 
Kroaten  von  Böhmen  abstammen  können,  wie  ahttere  behauptet  haben,  weil 
sie  nicht  zu  einer,  sondern  zu  zwei  Sprachordnungen,  der  Kroate  zur  er- 
sten, der  Böhme  zur  zweiten  gehören.  Die  Einwendungen  Engels  u.  a.  da- 
gegen sind  unerheblich  und  schon  längst  widerlegt  worden.  Wol  aber  sind 
die  Gränzen  der  dermaligen  Wohnsitze  der  Stämme,  ja  bei  einigen,  na- 
mentlich den  Kroaten  u.  Russniaken,  auch  jene  der  Sprache,  so  in  einan- 
der verschoben,  dass  man  auf  eine  erschöpfende  Classification  Verzicht  lei- 
sten, und  sich  mit  einer  Approximation  zufrieden  stellen  muss.  S.  Do- 
browshjs  Lehrgebäude  der  böhm.  Sprache,  Prag  809.  8.  S.  VI  —  VII.  Eb. 
Gesch.  d.  böhm.  Liter.  S.  31.  34.  und  vgl.  §.  f.  Anm.  2. 


23 

dnction  der  einzelnen  Beslandlheile  besonders  schwer 
seyn  dürfte.  Die  Kosaken  in  den  Stattludlerscliaften  von 
Klein-Russland  am  Bog,  dem  untern  Dniepr,  am  untern 
Don,  am  schwarzen  und  asowsclien  Meer  u.  s.  w.,  sind 
zum  Theil  Abköiniidinge  der  Russen,  also  geborne  Sla- 
wen, zum  Theil  aber  der  Sprache  und  Religion  nach  rus- 
sische Cerkasscn  und  Tataren.  Die  Letten  in  Kurland, 
und  die  Litauer  in  Wilna,  Grodno ,  Bialystok  mit  let- 
tischer Sprache,  sind,  wenn  gleicli  manclie,  z.  B.  Ilasse, 
sie  für  einen  unkenntlich  gewordenen  Zweig  des  Slawi- 
schen erklären,  richtiger  mit  Gatterer  und  Dobrowsky, 
entweder  für  einen  eigenen,  oder  einen  finnisch-scythi-'^" 
scheu  Yolksstamm  ziT^Tialfen.  Audi  die  serbischen  Co- 
lonien  in  Ekaterinoslaw  haben  sich  bereits  russisirt.  Die 
Russen  sind  insgesammt  dem  griechischen  Ritus  zugethan. 

2.  Russniaken  (Ruf/ieneii,  Kletn-Rnsseji).  In  Klein- 
Russland,  Polen,  Galizien,  Bukowina,  ferner  im  nord- 
östlichen Ungern,  gegen  3  iMill.,  alle  morgenländischen 
Ritus,  und  zwar  zum  Theil  Griechisch-Katholische  (ins- 
gemein Unirte  genannt),  zum  Theil  Nicht-Ünirte. 

II.  Serbischer  Stamm.  Hieher  zählen  wir  die  Bul- 
garen, Serben,  Bosnier,  xMontenegriner,  Slawonier  und 
Dalmatiner.  ^J 

1.  Bulgaren,  in  dem  ehemaligen  Kgrch.  Bulgarien,  y 
jetzt  türkischer  Provinz  Sofia- Wilajeti,  zwischen  der  Do-  j^jy 
nau,  dem  schwarzen  Meer,  dem  Balkangebirge  und  Ser- 
bien. Die  hier  ansässigen  slawischen  Stämme  haben  sich 
mit  den  angeblich  von  der  Wolga  679  eingewanderten 
Bulgaren  in  Sprache  und  Sitten  amalgamirt.  Ihre  Zahl 
mag  sich  auf  600,000  belaufen,  wovon  bei  weitem  der 
grössere  Theil  griechischen  Ritus,  und  nur  ein  kleiner 
Theil  katholisch  ist. 


-)  Diese  Slawen  werden,  mit  Ausschluss  der  Bulgaren,  gewöhnlicli 
Illyrier  genannt.  Allein  die  Namen:  Illyrier ,  Illyrien,  sind  durch  Ge- 
hrauch und  Missbi-auch  so  vieldeutig  geworden,  dass  es  unmöglich  ist,  ei- 
nen bestimmten  Sinn  mit  denselben  zu  verbinden,  wesshalb  ich  mich  ihrer 
lieber  gänzlich  enthalten  habe.  Die  alten  Illyrier,  ein  stammverwandtes 
Volk  der  Thracier,  deren  Abkömmlinge  die  heutigen  Albaneser  sind,  wa- 
ren ohnehin  keine  Slawen.  Sonst  werden  bald  die  Dalmatiner  und  Slawo- 
nier ,  bald  diese  und  die  Serben,  bald  aber  und  vorzüglich  seit  der  Bil- 
dung des  neuen  Kngrchs.  Illyrien,  alle  südliche  Slawen,  selbst  die  Kroa- 
ten uud  Slowenzen  nicht  ausgenommen,  so  genannt. 


i 


24 

2.  Serben.  Diese  hatten  ursprünglich  das  Kgrch, 
Serbien,  jetzt  türkische  Provinz  Serf-Wilajeti,  zu  bei- 
den Seiten  der  Morawa,  zwischen  dein  Tiiiiok,  der  Drina, 
dem  Häinus,  der  Sawe  und  der  Donau ,  inne  ;  sind 
aber  schon  sehr  früh,  und  vorzüglich  zu  Ende  des  XVII. 
Jahrb.,  in  grosser  Anzahl  nach  dem  östreichischen  Sla- 
wonien und  Südungern  ausgewandert.  Räczen  werden 
sie  von  den  Ausländern  genannt,  weil  ein  Theil  dersel- 
ben an  dem  Flusse  Raska  sitzt,  der  ehemals  das  Land  in 
Serbien  und  Rascien  theilte.  Das  türkische  Serf-Wilajeti 
zählt  gegen  800,000,  Ungern,  mit  Ausschluss  von  Sla- 
wonien, 350,000,  also  beides  1,150,000  Serben.  Sie 
bekennen  sich  sämmtlich  zur  griechischen  Kirche. 

3.  Bosnier.  Sie  bewohnen  das  Land  zwischen  der 
Drina,  Verbas,  Sawe,  Dalmatien  und  der  Fortsetzung 
des  Hämus.     An   der  Zahl   ungefehr  350,000  christlicher 

Oüu  crc     Religion  sowol  nach  dem  abendländischen,  als  nach  dem 
c^x«.tA/     niorgeuländischen  Ritus.     Gar   viele   derselben  sind  nach 
^-irpcnri     und  nach  zum  Islam  übergegangen,    behielten  jedoch  bis 
auf  die  neuesten  Zeiten  ihre  slawoserbische  Sprache. 

o/vv    -  4.  Montenegriner  (Crnogorci).  So  heissen  die  sla- 

(-(fcnru^  wischen  Bewohner  des  Gebirges  Montenegro  in   der  tür- 

lüc^    kischen  Provinz  Albanien,  welches  sich  von  der  Seeküste 

mrr '         bei  Antivari    an    gegen   Bosnien  hin  erstreckt.     Von  den 

Türken  nie  ganz  bezwungen,  sind  sie  auch  heut  zu  Tage 

noch    ein    freies    Volk    unter    einem    Bischof,    ungefehr 

60,000  an  der  Zahl  (nach  Sommieres  1812  nur    53,168), 

ohne  Ausnahme  Christen  nach  dem  morgenländiscli.  Ritus. 

5.  Slawonier.  Die  Bewohner  des  Kgrclis.  Slawonien, 
sowol  des  Provincial-  als  des  iMilitär-Gebiets,  welches 
an  Kroatien,  und  mittelst  der  Drawe,  der  Donau  und 
der  Sawe  an  Ungern,  Serbien  und  Bosnien  gränzt,  und 
zu  welchem  auch  das  Hgthm.  Sirmicn  zwischen  der  Bos- 
sut,  der  Donau  und  der  Sawe,  als  Theil  desselben,  ge- 
hört, gegen  ^  Mill.,  bekennen  sich  zum  Theil  zum  la- 
teinischen (253,000)  ,  zum  Theil  zum  griechischen 
(247,000)  Ritus. 

6.  Dalmatiner.  Längs  dem  adriatisclicn  Meere, 
zwischen  Kroatien,  Bosnien  und  Albanien,  in  den  vier 
Kreisen  des  Kgrchs.  Dalmatien :  Zara,    Spalatro,  Ragusa, 


syn 


25 

Cattaro,  gegen  300,000,  mit  den  unter  der  ßothmüssigkeit 
der  Türken  stellenden  80,000  Dalmatinern  in  der  Land- 
scliaft  Herzegowina,  380,000,  wovon  ungefehr  70,000 
griecliischen,    die    übrigen    aber   lateinischen  Ritus  sind. 

III.  Kroatischer  Stiunm.  Das  jetzige,  von  dem  al- 
ten Kroatien  des  Constantinus  Porpli.  verschiedene, 
Kngrch.  Kroatien,  zwischen  Steiermark,  Ungern,  Sla- 
wonien, Bosnien,  Dalmatien  und  dem  adriatischen  Meer, 
enthält  in  dem  Provincial-  und  Militär-Gebiet ,  (den 
kleinen  türkischen  Antheil  im  Sandschak  Banjaluka  mit 
30,000  £.,  und  die  Colonien  in  Ungern  mitgerechnet), 
ungefehr  730,000  slawische  Einwohner.  Hievon  sind 
174,000  griechischen,  die  übrigen  lateinischen  Ritus. 

IV.  Windischer  Stamm  (Slotvenzen').  Die  in  den, 
ehemals  unter  dem  Namen  Inneröstreich  begriffeneu, 
Herzogthümern  Steiermark,  Kärnten  und  Krain,  wovon 
letztere  jetzt  das  Kgrch.  Illyrien  bilden,  ferner  im  west- 
lichen Ungern  an  der  Mur  und  Rab  wohnenden  Slawen, 
werden  im  Inland  Slotverizi,  im  Auslande  Winden  ge- 
nannt. Ungefehr  800,000,  sind  sie,  bis  auf  einige  we- 
nige Protestanten  in  Ungern,  sämmtlich  der  katholischen 
Religion  zugethan. 

B.)  Nordwestlicher  Hauptast. 

Zweige. 

I.  Böhmischer  Stamm. 

1.  Böhmen  (^Cechowe),  2.  Mähr  er.  Das  zwischen 
Sachsen,  Schlesien,  Ungern,  Oesterreich  und  Baiern  lie- 
gende Kgrch.  Böhmen  und  die  Markgrafschaft  Mähren 
zählen  ungefehr  3,700,000  slawische  Einwohner,  wovon 
2  ^Mill.  auf  Böhmen,  und  1,200,000  auf  Mähren  kom- 
men. Ausser  100,000  Protestanten  sowol  H.  als  A.  C, 
sind  sie  insgesammt  katholisch. 

IL  Slowakischer  Stamm.  Die  Slowaken  besetzen  das 
nördliche  Ungern^  und  zwar  die  Gespannschaften  Tren- 
cin ,  Turotz ,  Arva ,  Liptau  und  Sohl  ganz ,  Neitra, 
Zips ,  Säros ,  Bars,  Zemplin,  Gömör  und  Hont  aber 
der  grössern  Hälfte  nach,  ausserdem  durch  das  ganze 
Land  zerstreut,    mit   vielen  Abweichungen  in  der  Mund- 


26 


art.     llire    Anzahl    belauft 
iiiigefeiir  l-  katholisch,  und 
III.    Polnischer  Stamm 
Polen,    in   den    1772,   1793 
leibten    Provinzen,    in    den 


sich  auf  1,800,000,  wovon 
.j  protestantisch  ist. 

,  In  dem  eigentlichen  Kgrch. 
und  1795  Russland  einver- 
preussischen   Herzoirthümern 


Posen  und  Schlesien,  in  dem  österreichischen  Kgrch.  Ga- 
lizien  und  in  dem  Freistaat  Krakau,  in  allem  etwa 
10,000,000.  Eine  kleine  Anzahl,  etwa  |  Mill.  Prote- 
stanten ausgenommen,  der  Masse  nach  kalhol.  Religion. 
IV.  Sorben-Wendischer  Stamm,  Ueberreste  der  al- 
ten Soraben  und  anderer  slawischen  Stämme  in  den 
preussisch-sächsischen  Markgrafthümern  Ober-  und  Nic- 
der-Lausitz,  stellenweise  auch  in  Brandenburg.  Unge- 
fehr  200,000  Protestanten  und  Katholiken.  ^) 


^)  Es  wird  nicht  uuzweckmässig  seyn,  die  sännntlicheii  Zweige  in 
dreifacher  Hinsicht,  als  Stammverwandte  und  Landsassen,  als  Unterthauen 
und   als  Religionsverwandte    unter  eine  allgemeine  TJebersicht  zu  bringen. 

I.  Die  Slawen  als  Stammverwandte  und  Landsassen. 

A)  Südöstlicher  Hawptast,  B.)  NordivestUcher  Hauptast. 

1.  Russischer  Stamm:  I.  Böhmischer  Stamm: 

1)  Russen       32,000,00  1)  Böhmen 2,500,000 

2)  Russniaken 3,000,00  2)  Mährer 1,200,000 

Summa  35,000,000  Summa    3,700,000 
n.  Serbischer  Stamm  : 

1.)  Bulgaren 600,000 

2.)  Serben  11.  Slowakischer  Stamm: 

a.)  in  Ungern  ....       350,000  Slowaken 1,800,000 

b.)  in  der  Türkei   .    .      800,000 

3.)  Bosnier 350,000 

4.)  Montenegriner  .    .    .        60,000  III.  Polnischer  Stamm: 

5.)  Slavonier 500,000  Polen: 

6.)  Dalmatiner:  a)  im  Kgrch.  Polen    .    3,500,000 

a)  in  Oesterr.  Dalm.  .       300,000  b)  in    den   russ.    Gou- 

b)  in  der  Türkei    .   .        80,000  vernements   ....    1,500,000 

c)  in  Galizien  und 

Summa  3,040,000  Oester.  Schlesien    .    3,000,000 

m.  Kroatischer  Stamm:  d)  in  Preussen    .   .   .    1,900,000 

Kroaten:  e)  in  Krakau   ....       100,000 

a)  in  Oesterr.  Kroatien 

und  westl.  Ungern        700,000  Summa  10,000,000 

b)  in  der  Türkei  .   .   .      30,000 

Summa  730,000  ly.  Sorben-Wendischer  Stamm: 

IV.  Windischer  Stamm:  Sorben-Wenden  ....      200,000 

Winden:  ' 

a)  in  Steyermark  .    .    .     300,000 

b)  in  Kärnthen  ....     100,000  ^            .    i ,     ,        , 

c)  in  Krain 350,000  Gesammtzahl    der  slaw. 

d)  in  Ungern  .  •    ■    •    ■       50,000  ^rdbewohner^^^Europa^^^^^^^^^ 

Summa  800,000 


27 


§•  4. 


Slawischer  Sprachstamm  zu  Anfange  des  XIX.  Jahrhunderts. 

So  wie  ein  jedes  grössere  Volk  aus  mehreren  einzel- 
nen, durch  das  Band  gemeinschaftlicher  Abstammung 
verbundenen  Geschlechtern  besteht,  eben  so  ist  auch 
die  Sprache  desselben  als  das  Aggregat  von  verschiede- 
neu Sprecharten  zu  betrachten.  Dass  demnach  auch  die 
Sprache  der  Slawen,  eines  so  weit  verbreiteten  Volks, 
nothwendig  in  mehrere  Mundarten  gespalten  seyn  muss, 
leuchtet  Jedermann  ein.  Al5eF~iiicht  so  leicht  ist  es,  die 
Anzahl  dieser  verschiedenen  Mundarten  zu  bestimmen, 
und  sie  auf  eine  gomeinschaftliche  Quelle  zurückzufüh- 
ren. Die  älteste,  und  trotz  der  durch  unsern  hocliver- 
dienten  Sprachforscher,  Hrn.  Abbe  Dobrowsky,  begrün- 
deten besseren  Ansicht,  auch  heut  zu  Tage  noch  hie  und 
da  herrschende  Meinung  ist  die,  dass  wol  alle  jetzigen 
Mundarten  der  slawischen  Sprache  Töchter  einer  einzi- 
gen ürstamm  -  Mutter ,  einer  slawoslaw  ischen  Matrix 
seyn  mögen;  und  dass  diese  diejenige  unter  den  Slawi- 
nen  seyn  müsse,  welche  unter  allen  die  ältesten  Denk- 
male der  Ausbildung  und  des  Anbaues  aufzuweisen  habe. 


II.  Die  Slawen  als  Unterthanen. 


I.  Ritssland: 

1)  Russen 32,000,000 

2)  Russniaken  in  Kleiu- 
Russland  u.   Polen  .    2,260,000 

3)  Polen: 

a)  im  Kgrch.  Polen  .    3,500,000 

b)  in  den  russischen 
Gouvernements  ._ 1,500,000 

Summa  397260^000 

n.  Oesterreich : 

1)  Böhmen  u.  Mährer .  3,700,000 

2)  Slowaken 1,800,000 

3)  Polen  in  Galizien  u. 
Schlesien 3,000,000 

4)  Russniaken  in  Gali- 

zien u.  Ungern  .    .       740,000 

5)  Serben. 

a)  in  Ungern  ....  '350,000 

b)  Slawonier  ....  500,000 

c)  Dalmatiner    .    .   .  300,000 

6)  Kroaten 700,000 

7)  Winden 800,000 

Summa  11,890,000 


III.  Preussen  : 

1)  Polen  in  Posen,  Schle- 
sien und  Preussen    . 

2)  Sorben-Wenden   .    . 

Summa    2,050,000 


1,900,000 
150,000 


IV.  Türkei : 

1)  Bulgaren 600,000 

2)  Serben 800,000 

3)  Bosnier 350,000 

4)  Dalmatiner    ....  80,000 

5)  Kroaten  ....   .   .  30,000 

Summa  1,860,000 

V.  Montenegro 60,000 

VI.  Sachsen: 
Sorben-Wenden  ....  50,000 

VII.  Krakau  : 

Polen 100,000 


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28 

Nun  ist  es  wol  wahr,  dass  diese  unter  allen  Slawinen 
am  frühesten  cultivirte  Sprache,  deren  Ueberreste  wir 
besitzen,  keine  andere  sey,  als  diejenige,  deren  sich  Ky- 
rillus  und  Methodius  im  IX.  Jahrli.  bei  ihren  Ueber- 
setzungen  bedienten,  und  die  noch  bis  auf  den  heutigen 
Tag,  freilich  nicht  ohne  grosse  Veränderungen,  in  den 
Kirchenbücliern  der  Slawen  des  griechischen  Ritus  vor- 
handen ist.  Auch  mag  es  erweisbar  seyn,  dass  sie  zu 
jener  Zeit  bei  den  an  der  Donau  wohnenden  Slawen, 
etwa  den  Bulgaren,  oder  Serben,  oder  Slowenzen,  oder 
Slowaken,  oder  Mährern,  denn  für  alle  sind  Gründe  da, 
als  eine  lebende  Sprache  im  Gebrauche  war.  Allein  es 
wäre  sehr  übereilt,  wenn  man  hieraus  schliessen  wollte. 


IM.  Die  Slawen  als  Religionsverwandte. 

I.  Ch-iechischgläubige.  Translatum  34,725,000 

1)  Russen  u.  Russ-  c)  Bosnier 250,000 

niaken 33,000,000  d)  Montenegriner   .   .       60,000 

2)  Serben :  e)  Slawonier  ....       247,000 

a)  Bulgaren    ....      575,000  0  Dalmatiner    .   .    .        70,000 

b)  Serben  in  Serbien  3)  Kroaten   (Serben  in 

und  Ungarn   .    .    1,150,000  Kroatien)  .   .   .    .       174,00o 

Latus  34,725,000  Summa  35,526,000 

II.  Römisch  -  Katholische  und  Unirte  Slawen. 

1)  Böhmen  u.  Mährer     3,600,000  Translatum  16,525,000 

2)  Slowaken 1,300,000  7)  Slawonier 253,000 

3)  Polen 9,5C0,000  8)  Dalmatiner    ....       310,000 

4)  Russniaken    ....    2,000,000  9)  Kroaten 556,000 

5)  Bulgaren 25.000  10)  Winden 785,000 

6)  Bosnier  ....   ._. 100^00'<  11)  Sorben-Wenden  .   .        50,000 

Latus  16,525,000  Summa  18,479,000 

III.  Protestanten. 

Augsb.   und  Helvet.  Conf.  Translatum  1,100,000 

1)  Böhmen 60,000  5)  Sorben-Wenden  .   .  150,000 

2)  Mährer 40,000  6)  Winden  in    Ungern 

3)  Slowaken 500,000  (Slowenci)   .   .   .    .   .  15,000 

4)  Polen .^      500,000  Summa  i;265r0OO 

Latus  1,100,000 

Ausser  den  hier  genannten  Stämmen  mögen  noch  einzelne  Ueberreste 
und  Colonien  der  Slawen  in  Teutschland,  Siebenbürgen,  der  Moldau  und 
Walachei  und  weiter  hinein  in  der  Türkei  leben ;  allein  ihre  ohnehin 
geringe  Anzahl  ist  theils  nicht  leicht  auszumitteln,  thcils  gehört  ihr  De- 
tail nicht  in  diese  Uebersicht.  Dass  übrigens  bei  allen  diesen  Angaben  nur 
eine  der  Wahrheit  so  viel  als  möglich  nahe  kommende  Rundzahl  angenom- 
men worden  ist,  bedarf  kaum  der  Erinnerung.  Genauere  Angaben  gehö- 
ren in  die  Statistik ;  uns  sind  Zahlen  nur  Nebensache. 


29 

dass  sie  in  diesem  Jalirli.,  oder  auch  ein  paar  Jalirli.  frü- 
her, die  allgemeine  Sprache  des  ganzen  slawischen  Völ- 
kerstamms gewesen  sey.  Demi  auch  zugegeben,  was 
zw^ar  nnwahrscheinlich  ist,  dass  diejenigen  Zweige,  wel- 
che Bulgarien,  Serbien,  Bosnien  und  Pannonien  inne 
hatten,  damals  völlig  einerlei  Sprache  geredet  haben;  ^ 
so  lässt  sich  dies.^'Tön  den  entferntem,  z.  B.  dem  Cechi- 
schen  an  der  Moldau  und  dem  Lechischen  an  der  Weich- 
sel, keineswegs  behaupten.  Die  beinahe  gleichzeitigen, 
ja  einige  derselben  in  ihrer  ersten  Abfassung  noch  vor- 
kyrillisclten  böhmischen  Ileldengesänge  in  der  Königin- 
hofer  Handschrift  und  das  Fragment  von  der  Libusa  be- 
weisen zur  Genüge,  dass  die  böhmisclie  Mundart  um 
diese  Zeit  der  altslawischen  Kirchensprache  zwar  viel 
ähnlicher,  als  jetzt,  aber  doch  wiederum  in  Stoff  und 
Form  auch  schon  von  ihr  verschieden  war.  Wollte  man 
solche  Spuren  weiter  verfolgen,  so  würde  sich  zeigen, 
dass  die  ältesten  vorhandenen  russischen  und  serbischen 
Handschriften  der  biblischen^üßiier  schon  einzelne  gram- 
matische und  orthogräpliische  Verschiedenheiten  enthal- 
ten ,  die  wol  ihren  Hausmundarten ,  aber  nicht  der 
ursprünglichen  altslawischen  Kirchensprache  eigen  sind, 
und  dass  demnach  letztere  schon  im  grauesten  Alterthum 
von  jenen  beiden  verschieden  gewesen  seyn  müsse.  Das 
jetzt  sogenannte  Altslawische  mag  demnach,  wie  unten 
bemerkt  werden  soll,  als  der  am  frühesten  cultivirte 
Dialekt  der  slawischen  Gesanniitspraciie  und  Eigenthum 
der  gelehrten  Priesterkaste  der  noch  heidnischen  Slawen, 
die  ältesten  Wort-  und  Biegungsformen  enthalten ;  aber 
die  unmittelbare  und  nächste  Quelle  aller  übrigen  slawi- 
schen Dialekte  ist  es  nicht ;  diese  haben  sich  nicht  aus 
ihm,  sondern  neben  ihm  gebildet,  und  der  Ursprung 
sowol  des  Altslawischen  als  auch  der  übrigen  Mund- 
arten ist  in  entferntem  Zeiten  zu  suchen.  Die  Böhmen 
und  Polen  nahmen  das  kyrillische  Alphabet  nie  ganz  an; 
weil  sie  nicht  durch  orientalische,  sondern  durch  römi- 
sche Priester  zum  Christenthum  bekehrt  worden  sind. 
Wie  würde  man  auch  nur  die  auffallend  grosse  Verschie- 
denheit des  Altslawischen  aus  dem  X — XII.  Jahrh.  und 
des  Böhmischen  oder  Polnischen  aus  dem  XI— XIII.  Jahrh. 


30 

sonst  erklären    können,    wenn  man  nicht  mehrere  Mund- 
arten  schon  vor  Kyrillus  und  Methodius  annähme?    Bin- 
nen   2  —  3    Jahrhunderten    ändert    sich  keine  Sprache  so 
sehr,  als  diess  bei  den  genannten  der  Fall  ist  ^).     Frei- 
lich war  ursprünglicli  der  Unterschied  der  Dialekte  weit 
geringer:    der    Spraclistamm    war  noch  nicht  in  so  viele 
Zweige  getheilt :  aber  selbst  in  den  ältesten  Zeiten  müs- 
sen  schon    nach    Verschiedenheit    der  Hauptstämme  we- 
nigstens    zwei     Hauptmundarten    statt    gefunden    haben, 
die    sich    nach    gewissen  innern,    constanten,  einem  je^ 
den  der   vorhandenen    Dialekte  gemeinschaftlichen  Kenn- 
zeichen leicht  bestimmen    lassen.     Späterhin    sind    durch 
die  Länge    der   Zeit,    durch    immer    weitere    Entfernun- 
gen,   durch  Verkehr   und  Nachbarschaft  mit  andern  Völ- 
kern,    wobei    es    an    Anlässen    entweder   zur  Aufiiahme 
fremder    Wörter,    oder    zu    Nachbildungen    nach    andern 
Sprachen  nicht  fehlen  konnte,  die  slawischen  Mundarten 
dergestalt    von    einander    abgewiclien ,    dass    sich    viele 
derselben    gegenwärtig    fast    nicht    mehr  ähnlich  sehen. 
Die  zwei  Hauptmundarten  zerfielen  bald  in    mehrere  Un- 
terarten, diese  wiederum  in  Varietäten,    und  so    erwuchs 
die  Anzahl  der  slawischen  Dialekte    zu    einer    erstaunli- 
chen Grösse.     Ein  jeder  derselben  trägt  €las  Gepräge  der 
Zeit,    und    leicht  sieht  man  es  ihm  an,  welches  Volk  er 
zum    Naclibar    gehabt  habe.     Aber  dessen  ungeachtet  ist 
der  Unterschied    der    zwei    Hauptstänune ,    und    folglich 
auch    der    zwei   Hauptmundarten  noch  immer  unverkenn- 
bar,   und    wenn    gleich    an    eine    systematische    Classi- 
fication   aller  slavA^schen    Dialekte    sammt  ihren  Varietä- 
ten bei  dem  Mangel   an   Idioticis  und  der  Verschmelzung 


^)  Schon  Eginhard,  Karls  des  Grossen  Schreiber  (f  839) ,  nennt 
unter  den  Völkern,  die  Karl  bezwang ,  Wcletaben,  Soraben ,  Abotriten, 
Böhmen;  er  legt  ihnen  aber  nicht  einerlei,  sondern  nur  eine  ähnliche 
Sprache  bei.  Sein  gewählter  Ausdruck:  lingua  quidem  paene  f>imiles,  deu- 
tet oö'enbar  auf  Verschiedenheit  der  Mundarten  hin.  "Wenn  daher  Prokop 
im  J.  562  von  den  ihm  bekannten  slaw.  Stämmen  der  Slawinen  und  Anten 
sagt :  una  est  utrisgue  (Slavenis  et  Anfis)  lingua,  so  ist  diess  ganz  je- 
nem gleich,  wenn  Aeneas  Sylvius  um  das  J.  1457  von  den  Böhmen  (Hist. 
Boh.  c.  1)  schreibt,  dass  sie  einerlei  Sprache  mit  den  Dalmatiern  redeten 
(strmo  genti  et  T)alm,ati.?.  wnu.f>).  Jener  konnte  damit  nur  sagen,  dass  die 
Slawinen  und  Anten  einerlei  Sprache,  aber  nicht  einerlei  Mundart  rede- 
ten, und  dieser,  dass  die  böhm.  Sprache  eine  slaw.  Mundart  sey,  so  wie 
die  dalmatische  es  ist. 


31 

der  einzelnen  hier  niclit  gedaclit  werden  kann,  so  ist 
es  doch  leicht,  sie  alle  unter  zwei  Ilanptordnnngen  so 
zu  hringen,  dass  jedem  eine  bestimmte  Stelle  angewie- 
sen, die  Uebersicht  des  Ganzen,  und  das  AuflTassen  des 
Einzelnen  möglichst  erleichtert  wird.  Nach  mehreren 
vorangegangenen,  auf  unhaltbare  Gründe  gebauten  Ver- 
suchen, die  slawischen  Dialekte  genetisch  zu  classificiren, 
von  Gesner,  Megiser,  Valvasor,  Assemani,  Dolci,  Po- 
powic,  AiiiöH  u.  a.,  bahnte  zuerst  Ilr.  Dobrowsky  den 
Weg  zu  einer  richtigen  Stellung  der  Classen  ^J.  Nach 
ihm  zerfallt  die  ganze  slawische,  oder  besser  sloweni- 
sche Sprache  im  weitesten  Sinne  in  Idiome  zweier  Ord- 
nungen, der  Ordnung  A.  und  der  Ordnung  B. 


-)  Gesner,  Megiser,  Valvasor,  Assemani,  Hosiiis,  ganduri,  Katan- 
^csics,  Frisch,  Popowic,  Anton  u.  a.  stellen  Ordnungen  u.  Classen  der  slaw. 
"VoTRer  ii.  ihrer  Mundarten,  ein  jeder  nach  seiner  Ansicht,  auf,  ohne  dass 
auch  nur  einer  von  ihnen  das  Wahre  getroffen  hätte.  Valvasor  brachte  13 
slaw.  Vaterunser  auf,  und  gab  zu  der  falschen  Verniuthung  Anlass,  dass 
es  13  slaw.  Mundarten  gebe.  Dolci  spricht  von  mehr  als  20  Mundarten  der 
illyrischen  Sprache,  wo  er  doch  nur  die  geringen  Varietäten  der  Dalma- 
tisch-Bosnischen Mundart  im  Sinne  hatte.  Assemani  träumte  von  bi  inahe 
unzähligen  Dialekten,  in  welche  das  Altslawonische  sich  getheilt  habe.  Ho- 
sius  (1558),  der  den  Unterschied  der  südlichen  (illyrischen)  Dialekte  u. 
des  Polnischen  bemerkte,  u.  Banduri,  der  die  Slawonier,  Kroaten,  Bos- 
nier, gerben  u.  Bulgaren  den  Böhmen  u.  Polen  gegenüber  stellte,  rückten 
schon  der  Wahrheit  näher,  wenn  sie  sich  gleich  in  nähere  Bestimmungen 
nicht  einliessen,  od.  in  denselben  fehlten.  Popowic  stellt  2  Ordnungen  auf: 
die  Wendische,  wozu  nach  ihm  das  Windische  in  Krain  u.  das  Wendische 
in  Xordteutschland  gehört,  und  die  Slawonische,  zu  welcher  er  das  Böh- 
mische, Polnische,  Russische  u.  IlljTische  od.  Dalmatische  mit  dem  Kroa- 
tischen zählt.  Katancsics  stellt  die  Gattungsnamen:  Illyrisch,  mit  dem  Ser- 
bischen, Bosnischen,  Dalmatischen,  Kroatischen,  Windischen,  u.  Sarma- 
tisch,  mit  dem  Polnischen,  Böhmischen,  Mährischen  und  Russischen  auf. 
Anton  bringt  die  slaw.  Sprachen  unter  4  Ordnungen:  1)  Norisch,  als  a) 
Kussisch,  b)  Böhmisch,  2)  Serbisch  a)  Polnisch,  u)  Kassubisch  b)  Ser- 
bisch selbst  a)  in  der  0.  Lausitz,  ß)  in  der  N.  Lausitz,  y)  Polabisch, 
3.)  Illyrisch  nach  seinen  Stämmen,  a)  Serbisch,  b)  Chrwatisch  u.  s.  w. 
4)  Slowisch  od.  Windisch,  a)  in  Krain,  b)  in  Kärnten  u.  s.  w.  Schlözer 
(allg.  Xord.  Gesch.  S.  332  ff.)  zählt  9  Species  auf:  russisch,  polnisch, 
böhmisch,  lausitzisch,  polabisch,  windisch,  kroatisch,  bosnisch  u.  bulga- 
risch. Das  Altslawische  hält  er  für  eine  todte  Mundart.  —  Eine  richtige, 
auf  die  sorgfältigste  Prüfung  aller  Mundarten  gegründete  Classification  hat 
erst  Hr.  Dobrowsky  aufgestellt,  die  auch  von  Adelung  in  s.  Mithridates  Th. 
n.  S.  610  ff.  und  andern  benutzt  worden  ist.  Vgl.  Durich  bibl.  slav.,  pag. 
265—271.  Dobrowskys  Slowanka  Th.  L  S.  159—195.  Eb.  Lehrgebäude 
der  böhm.  Sprache,  Gesch.  der  böhm.  Liter.,  Instit.  linguae  slav.,  Vorr.  u. 
Einl.,  Adelung' s  Mithridates  a.  a.  0.  Wiener  allg.  Lit.  Zeit.  1813.  Aprilhft. 
N.  34  ff.  —  Die  spätem  Bemerkungen  der  Hrn.  Wostokow  u.  Kopitar  über 
dieselbe,  dass  sie  nicht  durchaus,  namenthch  beim  Russischen  u.  Slowaki- 
schen, Stich  halte,  ändern  die  Sache  im  Ganzen  nicht.  Es  mag  immerhin 
wahr  seyn,  dass  die  Russen,  die  Hr.  Dobrowsky  zur  Ordnung  I.  rechnet, 
als  Russen     lieber     posysi,     Buaaran,    und    neben  nmima    schon    vor    Alters 


32 


Die  Kennzeichen, 
gen  bestimmen  lassen, 

A. 

1.  pa3 :  paspi. 

paß  GH 

paOoma 

pacniy 

2.  H3 :  H3j];amH 

3.  .1  epentheticum. 

KOpaöAB 
3eMAa 
nocmaBAeH 
4. 

CaAO,   EpHAO 

i^paBH.vo 

'  MOAHinHCa 

5.  nemH,  Moiii,H 

neni;,  moiü; 

6.  3Bi&3;T;a,  i];B'Ein 

7.  mx  (mofi) 

8.  neneA 

9.  nniHii;a 

cnijj];eHeii; 

10.  /T;ecHffli;a 


nach  denen    sich   beide 
sind  folgende: 

B. 


Ordnun- 


roz 


wy 


roziim 

rowen 

robota 

rostu 

wydati 


korab  '^       X 

zemTa 

postawen 

d  epentheticum 

sadio,  kridlo 

prawidlo 

modliti  se 

peci,  moci 

pec,  moc 

gwiezda,  kwiet 

ten 

popel 

ptak 

studnica 

prawica 


nmoKa  u.  noch  jetzt  auch  nmaxa  u.  nmamna  sagen,  was  sich  dem  ninaK 
der  Ordnung  II.  wol  nähert,  auch  haben  die  Russen  das  grobe  1,  was  die 
Südslawen  (diese  haben  doch  dafür  ein  o?)  und  selbst  die  Böhmen  nicht 
mehr  haben,  mit  den  Polen  gemein ;  daher  die  Russen  eher  zur  Ordnung 
II.  gehören  würden,  wenn  sie  noch  ein  polnisches  rz  hätten;  auch  mag  es 
scheinen,  dass  die  Russen  ihrem  Hausdialekt  nach  ursprünglich  ein  Stamm 
der  Ordnung  II.  sind,  aber  durch  den  Einfluss  des  Kirchenslawisch  sich  in 
die  Ordnung  I.  herübergeschoben  haben :  allein  sind  die  32  Mill.  Russen 
nicht  ein  Aggregat  mehrerer  Stämme,  unter  denen  einige  ursprünglich  der 
Ordnung  II.  angehören  können,  und  besteht  die  russische  Gesammtsprache 
noch  jetzt  nicht  aus  mehreren  entschieden  verschiedenen  Hauptmundarten, 
und  diese  wiederum  aus  mehreren  Untermundarten,  unter  denen  einige  sich 
der  Ordnung  II.  nähern,  während  die  übrigen  der  Ordn.  I.  folgen  ?  —  Der 
Slowak  scheint  sich  auch  wegen  seines  raz:  razsocha,  rab,  rastem  ;  sc: 
scastje,  scuka ,  jascer ;  et :  pject ,  muoct  st.  pesci,  mo.ici :  ja  :  chodja, 
widja ;  g:  ligotaf  sa,  gagotaf ;  r  od.  rj  st.  rz :  rjeka,  kridlo  u.  s.  w., 
in  die  Ordn.  I.  zu  verlaufen :  allein  weder  der  Unterschied  des  \  und  I,  h 
und  g,  noch  des  r  und  rz,  darf  als  blosses  Merkmal  der  Einzelmundarten, 
zum  Kennzeichen  der  Ordnung  erhoben  werden  ,  und  die  übrigen  Ab- 
weichungen und  Ausnahmen  heben  die  Regel  nicht  auf.  —  Oder  sollten 
derlei  Abnormitäten  wol  eine  Hermaphroditenclasse  zwischen  A.  u.  B.  be- 
gründen V 


33 

Alle  slawische  iMmulaiten,  so  viel  iliicr  luMitc  ge- 
scliriclx'ii  oder  »cspiocIuMi  wcrdoii,  lassen  sich,  wenn 
man  sie  nach  den  angei^ebenen  Merkmalen  initersnclit, 
iniler  diese  zwei  Ordnungen  bringen.  Zur  erslcni  wer- 
den sich  ohm^  weil  eres  bekennen  1)  der  Russe,  2)  der 
Serbe  und  mit  ilnn  der  Bnlgar,  der  Bosnier,  der  Dal- 
matiner und  der  Slawoiüer,  3)  der  Kroat  und  4)  der 
Winde  oder  Slowen  in  Krain,  Kärnten,  Steiermark  u. 
Westungern,  d.  i.  die  Zweige  des  südöstlichen  Stammes ; 
zur  zweiten  aber  1)  der  Böhme  sammt  dem  iMährer, 
2)  der  Slowak,  3)  der  Ober-Lausitzer  Wende,  4)  der 
Nieder-Lausitzer  Wende,  und  5)  der  Pole  sammt  dem 
Schlcsier,  oder  die  Zweige  des  nordwestlichen  Stammes. 
Hieraus  ergibt  sich  von  selbst  folgende  Tafel  der  slawi- 
schen Mundarten: 

SLAWISCHER  SPRACHSTAMM. 

Ordnuni/eti.  j      iMtnidarfeti.  Unffirarten. 

1.  Altslawisch. 
L    13  1        (a^  Grossrussisch. 

1/.    Kussisch.       )|<Lri  •      I     D  •   1-      I 

'  <h)  Kl.  russisch,  Kussniakisch. 

(c)  Weissrussisch  u.  s.  w. 


A. 


B. 


Va)  Bulgarisch. 
|3.  Serbisch.      <!))  Serbisch,  Dalmatisch, 

/         Bosnisch  u.  s.  w. 
[4.  Kroatisch. 

5.   Slowenisch  ia)  0.  Krainisch. 
od.  Windisch,  jb)  II.  Krainisch. 

-     „..,     .     ,       Ca)  Böhmisch. 
1.  Böhmisch.     >,  i  n,..,    .     , 
(b)  Mährisch. 

i2.  Slowakisch. 

13..  Sorbisch  in  der  0.  Lausitz. 

4.  Sorbisch  in  der  N.  Lausitz. 

I  \a)  Grosspolnisch. 

5.  Polnisch.        b)  Kleinpolnisch. 

/c)  SchJesisch  u.  s.  w. 


34 

Es  ist  iiäinjicli  das  (irossnissische,  Kleiiirussische 
(Russniakische),  Weissnissische  eine  Unterart  (Dialekt?) 
des  Gesamintrussischen,  so  wie  wiederum  das  Suzdali- 
sche,  Oloneckisclie,  Nowgorodsclie  n.  s.  w.  Varietäten 
dieser  Unterarten  sind.  Das  Bulgarische  ist  eine  Unter- 
art des  Gesannntserbischen ;  dahingegen  sind  das  Dalma- 
tische, Bosnische,  Slawonische  u.  s.  av.,  lun-  Varietäten 
des  eigentlichen  Serbischen.  Eben  so  zerfällt  das  Slowe- 
nische oder  Windische  und  das  Pohlische  in  mehrere 
Sprecharten ,  die  man  nacb  Belieben  Unterarten  odei- 
Varietäten  (Dialekte  sind  es  nicht)  neinien  kann.  Das 
Slowakische  bildet  eine  eigene  Mundart,  wenn  gleich 
die  Slowaken  seit  .lahrhunderten  aus  triftigen  Gründen 
sich  in  der  Literatin*  an  die  Böhmen  angeschlossen  ha- 
ben. Hieraus  ergibt  sich  von  selbst,  welche  von  diesen 
Völkern  einander  leichter  verstehen.  In  der  Regel  ver- 
stehen einander  diejenigen  am  leichtesten,  die  ihrer  Ab- 
kunft nach,  ohne  auf  ihre  jetzige  geographische  Lage 
Rücksicht  zu  nehmen,  näher  mit  einander  verwandt  sind. 
Der  Kroate  wird  also  seinen  nächsten  Sprachverwand- 
ten, den  Krainer,  viel  leichter  verstehen,  als  den  Rus- 
sen, aber  diesen  noch  immer  leichter,  als  den  Böhmen, 
der  Russe  einen  Serben  und  Slawonier  leichter,  als  den 
Polen,  ungeachtet  dieser  jetzt  des  Russen  Nachbar  ist ; 
denn  die  Völker  der  ersten  Ordnung  verstehen  sich  ge- 
genseitig weit  leichter,  als  iigend  eins  der  zweiten  Ord- 
nung, und  diese  wiederum  sich  unter  einander  leicliter, 
als  irgend  eins  der  ersten  Ordnung.  Aber  selbst  die 
einzelnen  Minidarten  der  zwei  Ordnungen  sind  mit  ein- 
ander bald  mehr  bald  weinger  verwandt.  So  sieht  z.  B. 
das  Sorben  -  Wendische  in  der  0.  Lausitz  dem  Win- 
dischen in  der  Nieder-Lausitz  sehr  ähnlich;  und  den- 
noch nähert  sich  ersteres  mehr  dem  Böhmischen,  letz- 
teres aber  de?ii  Polnischen.  Das  Altslawische  erhielt  aut 
der  Tafel  den  ersten  Platz,  weil  es  früher  als  das  Rus- 
sische ui\d  Serbische  cultivirt  worden  ist,  das  Polabische 
aber,  welches  ehedem  von  den  L\'berresten  der  Obotri- 
ten  In  Lüneburg  gesjirochen  wurde,  als  nuinnehr  völ- 
lig ausgestorben,  gar  keinen.  Das  Kassiibische  in  Pom- 
mern ist  eine  blosse  Abart  des  Polnischen. 


35 

Sicht  man  auf  den  (ieliait  der  .slawischen  Gesaiiniit- 
sprache,  inii  sie  inil  andern  zu  vergleichen,  oder  ihrem 
Ursprünge  nachzuspüren ,  so  ha(  sie  zuvörderst ,  vv^ie 
sclion  oben  beinerkl  \\  orden,  zwar  eine  aullaJJende  Aehii- 
iichkeit  in  einzelnen  Wörtern  mit  der  altindischen  Sans- 
kritasprache; alJein,  wenn  gleich  ihr  asiatischer  Ursprung 
unverkennbar  ist,  so  ist  doch  ihre  ganze  jetzige  Einrich- 
tung, gleich  der  lateinischen,  griechischen  und  teutschen 
Sprache,  mit  denen  sie  auch  die  grösste  Verwandlsciiaft 
hat,  europäisch^).  Sie  unterscheidet  drei  Geschlechter, 
sie  hat  die  Pronomina  possessiva  zu  förmlichen  Adjecti- 
ven  ausgebildet ,  sie  setzt  die  Präpositionen  nicht  nur 
den  Nennwörtern  vor ,  sondern  bildet  vermittelst  der- 
selben zusammengesetzte  Verba.  Dem  Lateinischen  konnnt  ^- 
sie  aber  dadurch  näher,  als  dem  Griechischen  oder  Teut- 
schen, dass  sie  den  Gebrauch  der  Artikel  nicht  kennt. 
Den  .Axtikel  haben  nur  germanisirende  Mundarten,  o^er 
richtiger  gesagt ,  germainsirende  Schriftsteller  in  den 
beiden  Lausitzen,  in  Krain ,  Kärnten  und  Steiermark 
angenommen.     Man    verwendet    dazu   das    demonstrative 


')  Slawische  Wurzeln  ,  umsichtig  mit  griechischen ,  lateinischen  u. 
teutschen  verglichen ,  tiudet  man  in  Dqbroxvskvs  Entwurf  zu  e.  allg.  slaw. 
Etymologicon,  Prag  812.  8.  Eb.  Slowanka  Th.'l.  S.  27  —  5J.  Instit.  liu- 
guae  slav.  P.  1.  Nächst  ihm  haben  sich  um  die  slaw.  Etymologie 'verdient 
gemacht  die  Hru.  Linde  u.  Siskoiv.  Auch  Hr.  Rakoiciecki  stellt  in  s. 
Prawda  ruska  Th.  IL  die  Elemente  der  slaw.  Sprache  auf  eine  originelle 
Weise  dar.  Hiernach  ist  es  ausgemacht,  dass  die  slaw..  griech.,  lat.,  und 
teutsche  Sprache  aus  einer  ( "rquelle  geflossen,  od.  wenigstens,  dass  so  lange 
(Triechen.  Römer  n.  Teutsche  in  Eiuopa  gewesen,  auch  die  Slawen  hier 
gewolyithaben_müssen.  Doch  ist,  ungeachtet  der  vielen  gemeinschaftlichen 
WurzeIsyTnBeTK"dIe  Verwandtschaft  dieser  Sprachen  nicht  so  gross,  dass  man 
mit  Levesque  die  Lateiner  für  eine  alte  slaw.  Colonie  ansehen  könnte. 
(JleicHwol  will  auch  noch  «oIaric~~(i^öii.)^  slawenstwowawsij,  Ofen  818.-M,^<Ui^j.  C 
8.)  die  lat.  Sprache  gonz  aus  der  slaw.  ableiten.  Diejenigen,  die  das  Slaw.  J.  iT 
als  eine  aus  dem  Griech.  entstandene  Sprache  darstellen,  haben  sich  er-  " 
stens  diu-ch  die  kyrillischen  Buchstaben,  die  den  griech.  ähneln,  zweitens 
durch  die  beträchtliche  Menge  von  griech.  Wörtern,  die  man  in  die  slaw. 
Kirchenbücher  aufnahm,  täuschen  lassen.  Ausser  Gelenius,  dessen  Lex. 
symphonum  Bas.  r)ö7.  4.  den  ersten  Versuch  von  Vergleichungen  ähnlicher 
Wörter  aus  der  lat ,  griech.,  teutschen  und  böhm.  Sprache  enthält,  uu  J 
Martinius,  der  ebenfalls  in  s.  etyni.  Wörterb.  der  lat.  Sprache  slaw^  Wör- 
ter häutig  auf  lat.  und  griech.  Wurzeln  zurückgeführt  hat,  haben  Verglei- 
chungen der  slaw.  Mundarten  mit  andern  europäischen  Sprachen,  vorzüg- 
lich der  teutschen,  in  den  neuern  Zeiten  augestellt:  Temler,  Soryo,  Sol- 
tau, Ihre,  Frisch.  Adelung,  W.  Whiter  (Etymologicon  universale,  t;am- 
bridge  811.  2  Voll.  4.),  Berndt  (Verwandtschaft  der  germ.  u.  slaw.  Spra- 
chen, Bonn  822.  8.).  die  Ungenannten  in /lern  Tripartitum.  Wien  820. 
ff.  4.  Voll,  quer  4.  u.  a.  m. 


36 

Pronomen  ten,  ta,  fo,  Krainisch  fa,  ta,  to.  In  Rück- 
sicht der  Vocale  hat  die  slawische  Sprache  keinen  weiten 
llinfiing.  Sie  kennt  kein  ä,  ö,  ü.  Hingegen  hat  sie  ein 
doppeltes  /,  närnlich  ein  feineres  (böhin.  nnd  pol.  i, 
niss.  ize)^  nnd  ein  gröberes  (böhm.  und  poln.  y,  russ. 
jery),  biti  schlagen,  byti  seyn.  Sie  hebt  selten  mit  ei- 
nem reinen  a ,  nie  mit  einem  e  an ,  sondern  gibt  dein 
a  oft,  dem  e  immer  den  Vorschlag  j:  jajf'  Ei,  jasfi 
essen,  jesf  ist,  est.  Das  o  im  Anfange  sprechen  zwar 
die  meisten  Stämme  rein  aus,  wie  in  oko^  aber  der  Lau- 
sitzer Wende  spricht  wo,  das  auch  der  Böhme  in  der 
gemeinen  Redesprache  tliut,  wenn  er  gleich  in  seiner 
Schriftsprache  das  reine  o  noch  immer  beibehält:  on 
er,  für  woti.  Der  Kroate  spricht  wieder  den  Vocal  u 
nie  rein  aus,  sondern  setzt  ihm  ein  v  vor:  vuho  Ohr, 
für  nho  (ucho^.  Bemerkens werth  sind  die  vielerlei  Be- 
stimmungen des  i,  wenn  es  wie  j  ausgesprochen  wird. 
Es  dient  den  Vocalen  nicht  nur  am  Anfange,  sondern 
auch  nach  verschiedenen  Consonanten  zum  Vorschlage: 
biel  od.  bjel  weiss,  miaso  od.  mjaso  Fleisch,  niem  od. 
njem  stumm.  Nach  Vocalen  bildet  es  Diphthonge:  daj, 
sfoj.  Wenn  es  nach  gewissen  Consonanten  verschlungen 
wird,  so  mildert  es  die  Aussprache  derselben :  kon  (für 
konj^  Pferd,  bud'  sey,  verkürzt  aus  budt,  jesf  (^^iirjesti) 
ist,  griechisch  i(^i.  Daher  wird  des  verschlungenen  i  we- 
gen der  russische  Infinitiv  mit  dem  mildernden  Jer'  be- 
zeichnet. Die  Slawen  lechischen  Staiiunes  verändern  in 
diesem  Falle  das  t  in  c:  dac,  stac.  Nur  der  Slowak 
spricht  es  meist  hart  aus:  ivolat,  chodit  für  wolaii^  cho- 
diti.  In  Rücksicht  der  Consonanten  langt  der  Slawe  mit 
den  Lippenlauten  Wj  Jb-V  ^"^'  ""*^  entbehrt  in  ursprüng- 
lich slawischen  Wörtern  den  Laut  f.  Man  vgl.  tvru  mit 
ferveo,  bob  mit  faba,  bodu  mit  fodt'o,  perii  mit  ferio, 
planten  mit  flamma,  piscala  mit  fistula,  piesf  mit  Faust 
u.  s.  w.  Selbst  wenn  er  fremde  Wörter  aufnimmt,  ver- 
ändert er  oft  das  /".  Aus  Farbe  machte  der  Böhme  bar- 
wUy  aus  Stephan  Sfepan.  Seine  (i  Sibilanten  s,  2,  .9,  «, 
c,  i\  inilerscheidet  er  genau,  und  liebt  sie  so  sehr,  dass 
er  nichl  nur  seine  drei  (iiirgellaute  g  (od.  /«),  e/i  und  k 
soFidern    auch  d  und   /,    nach   bestiiiniiten  Regeln  in  ana- 


37 

log^e    Sibilanten    vcrwaiidctt.      Man    wird   also  aucli  zima 
mit  hiems,    wezu    mit    velio,    zrno   Qzerno)  mit  graiuim, 
irati  mit  ygcca,  syr  mit  rypog,  ples^i  (plece)  m\i  TcXärai, 
jucha  mit  ji/s,  eist  mit  castus    vergleichen  dürfen    Eben 
so  leieti  mit  liegen,  zlato  mit  Goldy  srdce  (seräcr)  mit 
xagdia   Herz  cor,    cerketo    mit    Kirche.    Unter  den  drei 
Gnrgellauten    (</,  fA,  A)    gilt    sein   glagol    entweder  fiir 
g  (^yäii^ci)',    oder    fiir    h  nach  Verschiedenheit  der  Mund- 
arten.    Für  gouifi,  gorUy  glmra,   grad  u.  s.  w.    spricht 
der    Böhme,    Mähre    und    Slowak    honiti,    hora^    hlawa^ 
ftrad,    an    die   sich  der  Oberlausitzer  Wende  anschliesst. 
Betrachtet     man    den    Sylbenbau    in    Wörtern  ,     die    aus 
mehreren    Consonanten    bestehen,    so    wird    man    finden, 
dass  der  Slawe  melrrere  CoiLsonanten  lieber  vor,  als  nach 
dem  Vocal  verbindet.  Man    vergleiche    brada  mit  barba, 
Bart,  breg    Ufer  mit  berg,    mleko   mit   Milch,    Igati  mit 
lügen,  prase  mit  porcus,  strach  mit  Furcht  u.  s.  w.  Da 
dem    Griechen    die    Consonantenfolge    sl   in    dem    Worte 
Slowan  fremd  war,    so  nahm   er  sich  die  Freiheit  ein  x 
oder    ^  dazwischen     einzuschalten:     6xkaßr]v6g,    a^kaßös. 
Der  Niedersachse,    Schwede,    Däne,    Engländer  sprechen 
und    schreiben  richtiger  Slawe   für   Sclawe.  (Vgl.   §.  1 
N.  6.)  Da  l  und  r  zwischen   zwei    andern  Consonanten 
der  Sylbe  Haltung  genug  g'^ben,  und   zugleich  Stellver- 
treter   der   Vocale    seyn   k'jnnen,    so   sind    Sylben    ohne 
Vocale,  wie  wlk,  srp  nic'/it  ungewöhnlich.     Doch   schal- 
tet man    hier   in   neuern    Mundarten   das    euphonische    o 
oder  e  gern  ein:  wölk,  serp,  oder  bildet  das  l  in  u  um: 
wuk,  pun  serbisch  für   wlk,  pln.  In  der  auf  quantitirende 
Prosodie  gebauten     V^rskunst    sind    in    solchen    Sylben 
die   Halbvocale  /  urid    r   immer   für   Vocale   zu    nehmen: 
twrdy,  tcjtr,  zwei.sylbig.     Vergleicht   man  die  verschie- 
denen   Abänderun^s-    und    Abwandlungsformen    der    sla- 
wischen  Wörter     mit  den   Formen  der    griechischen,    la- 
teinischen und  t^eutschen,  so  ergibt  sich,  ausser  dem  oben 
Bemerkten,  dp^ss  die  slawischen  Declinationen,  eben  weil 
sie  des  Artik.els    entbehren,    und    ihn   durch  angehängte 
BiegungssyL'ben  ersetzen,  vollständiger  sind,  als  im  Grie- 
chischen Mnd  Teutschen.  Für  den  Singular  hat  der  Slawe 
7  Casus^    für  den  Plural    aber   nur  6,    indem  der  Nomi- 


38 

nativ  zngleicli  den  Vocativ  vertritt.  Im  Dual  lassen  sieh 
nur  3  Casus  unterscheiden,  der  Nominativ,  Genitiv  und 
Dativ,  indem  hier  der  Acciisativ  dem  ersten,  der  Local 
dem  zweiten,  und  der  Sociativ  oder  Instrumental  dem 
dritten  gleicli  ist.  Ungeachtet  der  vielen  Casus  unter- 
scheidet der  Slawe  an  den  weiblichen  Nennwörtern  im 
Plural  den  Accusativ  nicht  vom  Nominativ,  da  es  doch 
der  Grieche  inid  Lateiner  tinni.  Den  Teutschen  trifft 
dieser  Vorwurf  doppelt,  indem  er  auch  den  männlichen 
Accusativ  dem  Nominativ  gleich  macht.  Die  Adjectiva 
werden  im  Slawischen,  da  sie  einen  unbestimmten  und 
best  i  null  teil  Ausgang  haben,  nach  zweierlei  Muster  ge- 
bogen. In  der  Steigerung  der  Adjective ,  welche  ver- 
mittelst des  angehängten  tj  oder  sij  geschieht,  vertritt 
im  Altslawischen  der  Comparativ  auch  den  Superlativ. 
Neuere  Mundarten  bilden  den  S«iperlativ,  indem  sie  dem 
CoJiiparativ  die  Partikel  naj  vorsetzen:  najtnevsij,  böh- 
misch ueymensj.  Da  der  lateinische  Ausgang  issimiisf  aus 
si  und  mns  zusammengesetzt  ist,  so  floss  die  Sylbe  si 
aus  derselben  altern  Quelle,  aus  welcher  das  slawische 
si  entsprungen  ist.  Durch  die  Endsylben  i/,  e.si^  et,  im 
Plural  em,  ete,  uf,  oder  tu,  isi,  it,  Plur.  itn,  ite. 
tat  werden  die  Personen  im  Präsens  bezeichnet.  Im  Prä- 
terito  aber  nach  Verschiedenheit  der  Formen  durch  och, 
e,  Plur.  ochoiHy  oste,  ochu;  iech,  ie,  Plur.  iechom^ 
teste,  lechn;  ich,  i,  u.  s.  w.  ach,  a,  u.  s.  w.  Endigt  sich 
die  Stammsylbe  auf  einen  Vocal,  so  bekommt  die  erste 
Person  nur  ein  ch\  dach,  pich,  obiich,  indem  da,  pi, 
obu,  schon  die  2te  und  3te  Person  bezeichnen.  Im  Plur. 
chnm,  ste,  chu:  dachot/i,  pwhom ,  otttichom ,  daste. 
piste,  obttste,  dachu,  pichii,  ohuchu.  Periphrastische 
Präterita  verbinden  das  HilfsvNort  jesin,  jesi,  jesf  mit 
dem  Participio  activo  praeterito:  kopal  jesui'  ich  habe 
gegraben.  Wird  ffiech  damit  verbiniden.  se  entsteht  das 
Plusquamperfectum  :  kopal  Inecji  ich  hatte  gegraben. 
Wird  aber  bych  damit  verbunden,  so  erhält  man  das 
Imperfectinn  des  Optativs:  hopalhy,  er  würde  graben. 
Das  einfache  P^uturum  ist  entweder  das  primitive  Verbum 
selbst,  wie  hudu  ero,  fiam,  oder  es  wird  vermittelst 
WM  gebildet:  hodmi,   oder   aber    vermittelst   einer  Präpo- 


3!) 

sitiuii:  ohuju,  izuju.  Has  periplirastisclie  besieht  aus  dem 
Iiirinitiv  iHid  dem  llilfsworl  ötiäu  oder  choscii:  budu  ko- 
patt;  in  einigen  neuem  Mundarten  auch  budu  kopal. 
Allein  hudu  kopal  Ist  eigentlicli  das  Futurum  exactum 
anderer  Sprachen,  und  cntspriclit  dem  lateinischen  Fu- 
turo  des  Conjunctiv.  Das  Passivum  wird  entweder  mit 
sid  {se)  umschrieben:  spasel  sia  salvabitur,  oder  man 
verbindet  die  Ililfswörter  mit  dem  Participio  passive; 
spasen  byst',  spaseu  budet.  Üa  es  dem  Slawen  an  ite- 
rativen und  frequentativen  Formen  nicht  fehlt,  so  konnte 
er  gar  leicht  das  Verbum  soleo  ich  pflege,  entbehren. 
So  ist  bywati  das  Frequentativum  von  byti;  und  nositi, 
lainati  sind  Iterativa  von  nesu,  lomiti.  Die  Adverbia 
quaiitatis  werden  meistens  vermittelst  je  gebildet:  po- 
dobnie.  Fast  eben  so  der  Lateiner:  caste,  pleno.  In  der 
Fügung  (Syntaxis)  nähert  sich  der  Slawe  mehr  dem 
Griechen  und  Lateiner,  als  dem  Teutschen.  In  der  Wort- 
folge hat  er  viel  Freiheit.  Die  verneinende  Partikel  ne 
{jiie)  setzt  er  dem  Verbo  vor,  selbst  wenn  schon  eine 
andere  Verneinung  im  Satze  steht.  In  negativen  Sätzen 
gebraucht  er  den  Genitiv  anstatt  des  Accusativs.  Nur  die 
ersten  vier  Zahlwörter  betrachtet  er  als  Adjective,  alle 
übrigen  als  Substantive,  daher  nach  ihnen  das  regirte 
Wort  im  Genitiv  stehen  muss:  osm  sot  Qset)  800.  Un- 
ter den  Partikeln,  die  dem  Nennworte  vorgesetzt,  und 
vermittelst  welcher  auch  zusammengesetzte  Verba  gebil- 
det werden,  sind  o,  m,  iv,  wy,  po,  na,  za,  s  (am), 
ob,  ot  (^od^,  tz,  WZ  Qivoz),  bez ,  pro,  pre,  prt,  pod, 
nad,  raz  {roz),  pred  wahre  Präpositionen;  nur  radi, 
dielia  (dlia)  sind  Postpositionen.  *) 

Die  slawische  Sprache  hat  unverkennbar  viele  gute 
Eigenschaften  und  Vorzüge,  die  unter  den  Ausländern 
vorzüglich  von  Schlözer  gewürdigt  worden  sind  (s.  Nestor 
Th.  III.  S.  224).  Ich  zähle  hieher  ihre  artikellose  Decli- 
nation  und  pronomlose  Conjugation,  ihre  reinen  festen 
Vocalendungen,  ihre  durchgängig  bestimmte,  vom  lo- 
gischen Ton  der  Wörter  unabhängige  Quantitirung  der 
Sylben,  woraus  ihre  Singbarkeit  in  der  Oper  und  An- 
wendbarkeit auf   allclassische    Versmasse    von   selbst  er- 

*)  Nach  Dobrowskys  Gesch.  d.  böhm.  Lit.  S.  14.  ff.  24  ff. 


40 

tbli^jcii,  loriicr  ihren  i;n)s«cii  Würlreiclithum,  die  Meiigv 
\u\i\  .^lamiigfaltigkeit  der  Eiiizellaute  mid  ihrer  Verhiii- 
dimj^eii,  znlelzt  ihre  Syntax  ^).  Mil  welcher  Genanij»- 
keil  «ind  Feinheit  sie  vermittelst  einiger  wenigen  einCa- 
ehen  Laute,  die  zu  ßiegungssylben  bei  den  Declinationen 
und  Conjugationen  verwendet  werden,  überall  die  En- 
dung, die  Zahl,  die  Person,  das  Geschlecht,  die  Zeit 
und  die  Art  initerscheidet,  ohne  die  schle|)[)enden  Pro- 
nomina zu  Hilfe  zu  nehmen,  braucht  dem,  der  sich  nur 
einigermassen  in  ihr  iimgesehen,  nicht  erst  bewiesen  zu 
werden.  Um  sich  von  ihrem  Wolklang  zu  id)erzeugen. 
muss  man  sie  im  Munde  der^^iationalen  hören.  Freilich 
sind  sich  hierin  nicht  alle  StämnTe  und  Mundarten  gleich, 
und  zwischen  der  Annuith  des  Serbischen  und  dem  Voll- 
und  Krat'tklyng  des  Russischen  oder  Böhmischen  ist  ein 
grosser  Unterschied;  aber  darum  dari*  der  slawischen 
Sprache  nicht  gleich,  wie  es  leider  nur  zu  oft  geschehen 
ist  und  noch  geschieht,  der  Vorwurf  „nrspriitnflichfr 
Schroffheit  und  erstickender  Kakophonien"  ^envdchi  wer- 
den. Denn  Wolklang  und  weibische  Weichheit  der  S[>ra- 
che  sind  zwei  ganz  verschiedene  Dinge.  ^)  Allerdings 
herrschell  in  den  meisten  slawischen  Mundarten,  die 
serbische  ausgenouniien,    die  Consonanten  vor ;     betrach- 

■')  Welcher  der  reinste  slaw.  Dialekt  in  der  weiten  Slawenwelt  seyn 
möchte,  ist  vielfältig  gefragt  worden.  Diesen  zu  tindeii  würde  gar  nicht 
schwer  scyn,  wenn  uns  die  Geschichte  ein  slaw.  Volk  zeigte,  das  stets 
in  seinem  Ursitze  geblieben,  niemals  gewandert,  nie  mit  andern  sich  ver- 
mischt, nieinals  unterjocht  worden  od.  andere  unterjocht  hätte.  Allein  we- 
der die  Karjiaten  noch  die  Crnagora,  weder  Russland  noch  Bosnien  liefern 
solche  slaw.  Aborigines;  überall  spriclit  die  Geschichte  laut  von  Zügen  u. 
Kriegen  der  Slawen  von  Ragusa  bis  an  die  Buchten  des  Eismeers,  von  der 
Elbe  bis  an  die  Irtisch.  Alle  jetzige  slaw.  Dialekte  sind  also  nicht  mehr 
giinz  rein;  denn  Nachbarinen  haben  sie  zum  Theil  gebildet,  zum  Theil 
verbildet.  Die  Gräcismen  der  altslaw.  Kirchensprache,  die  Turcismen  der 
serbischen ,  die  (iermanismen  der  böhmischen  und  polnischen ,  und  die 
Tatarismen,  Sueonismen,  die  von  I'eter  dem  Grossen  eingeführten  Germa- 
nismen, Gallicismen  u.  s.  w.  der  russischen,  wiegen  einander  gewiss  auf. 
Am  wenigsten  dürften  aber  diejenigen  Dialekte  rein  seyn,  die  am  längsten 
unter  unslawischer  Herrschaft  gestanden.  Um  so  erfreulicher  ist  es  zu  sehen, 
dass  der  besonnene  und  umsichtige  Purismus  auch  unter  den  Slawen,  vor- 
züglich^ den  Russen,  Bolen  u.  Böhmen  frische  Wurzeln  schlägt,  und  gol- 
dene Früchte  verspricht.  Möge  er  in  keinem  IJcbermass,  in  unseligem  zu 
viel  oder  zu  wenig  sündigen!  —  \g].  Dobrotrskiis  Slowanka  Th.  II.  S.   2lH.fi'. 

''')  Kein  Slawe    darf    über    seine  Sprache    klagen  ,    wie  z.  B.  Herder, 
Jenisch,  Schiller  (im  Vorworte  zu  d.  Ueb.  d.  JEn.)  über  die  teutsche.  Selbst 
Göthe    seufzt :        —     —     —     —     —    Ein   Dichter    iviir^    ich    geworden  ,<\ 
Hätte    die  Sprache  sich    nicht  unüberwindlich  gezeigt.  \ 


41 

ie(  mau  iihcr  die  Sprin-lic  pliilosopliiscli,  so  orsclioinen 
die  C'oiisoiianleii,  als  Zeiclien  der  V()rslelliiiij;en  und  Be- 
griffe, lind  die  Vocale  als  blosse  Träj^er  im  Dienste  dei- 
Consonanten,  in  einem  jjjanz  andern  Lichte.  Je  mehr 
Consonanten,  desto  reicher  ist  die  Spraciie  an  BegrilTen. 
Exempla  sunt  in  promtu.  Der  Wollaut  der  einzelnen 
Sylhen  ist  alsdann  nur  partiell  uiid  relativ;  der  Wol- 
klang der  ganzen  Sprache  aber  inniier  durch  den  Wol- 
laut der  Perioden,  der  Wörter,  der  Sylhen  und  der 
Einzellaute  bedingt.  Welche  Sprache  besitzt  inni  alle 
diese  vier  Elemente  des  Wolklangs  in  gleichem  Masse? 
Zu  viele  Vocale  tönen  eben  so  übel,  wie  zu  viele  Con- 
sonanten; gehöriger  Vorrath  und  Wechsel  von  beiden 
vollendet  erst  den  harmonischen  Klang.  Selbst  harte  Syl- 
hen gehören  zu  den  nothwendigen  Eigenschaften  einer 
Sprache  ;  denn  auch  in  der  Natur  gibt  es  harte  Töne, 
die  der  Dichter  nicht  anders,  als  mit  harten  Sprachlau- 
ten malen  kann.  Die  Härten  im  Slawischen,  über  die 
von  Ausländern  so  vielfältig  geklagt  wird  ,  kommen 
demnach  entweder  einzig  und  allein  auf  die  Rechnung 
ungeübter  und  geschmackloser  Schriftsteller  (denn  kein 
Nationale  von  gesunden  Sinnen  wird  je  Tham's:  sfrc 
prst  skrz  krk,  so  wenig  wie  ein  Teutscher  Voltaires 
Waldberghofftrahkdikhdorf  sprechen  oder  schreiben)  ; 
oder  sie  sind  lächerliche  Irrthümer  der  des  Slawisclten 
unkundigen  Leser  (z.  B.  Schulzes  und  .Jean  Pauls  im 
Polnischen),  die  den  Klang  mit  den  Augen,  nicht  mit 
den  Ohren  auffassen.  Denn  allerdings  hat  in  einigen 
Mundarten  die  Bezeichnungsart  der  einfachen  Laute  durch 
mehrere  Buchstaben  (z.  ß,  szcz,  szkrz  im  Poln.  für  das 
altslaw.  m,  niKp;  sc,  skr)  für  den  des  Lesens  unkun- 
digen etwas  Abschreckendes,  welches  für  den  Kenner 
der  Aussprache  verschwindet  ^).  Die  reine  und  be- 
stimmte Vocalisirung,  die  es  nicht  der  Willkühr  des 
Sprechenden  idjerlässt,  Vocale,  wie   im  Teutschen,   Fran- 

')  Ueber  den  Wolkhuig  der  shiw.  Sprache  im  Allgemeinen  und  der 
poln.,  böhm.,  slowak.  u.  serb.  in's  Besondere,  vgl.  Din-ich  bibl.  slav.  pag. 
40  —  47.  S.  Potocki's  pochwaly,  mowv  i  rozprawy  (Warschau  816.)  B.  II. 
S.  376.  ff.  Dobrowskvs  Slowantca  Th.  IL  S.  1  —  67.  J.  Kollar's  myslenky 
0  libozwucnosti  reci  ceskoslowenske,  in  PresVs  Krok,  Hft.  3.  S.  32  —  47. 
J.  (Japlovics  Slawonien  u.  zum  Theil  Kroatien,  Pesth  819.  Th.  I.  S.  230—235. 


42 

zösisclien  und  Englisclioii,  aiiszuspreclioii  oder  auch  ans- 
ZMslosscii.  ist  ziigleicli  l  rsaclie  der  gleichsairi  geiietiscli 
und  a  priori,  wie  bei  den  Griechen,  ansgeschiedenen 
Ouantität  der  Sylben,  wodurch  die  slawischen  Spraclien 
ziu'  Xaclihildung  der  altclassischen  Versinasse  vorzüglich 
geeignet  sind,  werui  man  gleicl«  gestehen  muss,  dass  diese 
Saclie  bis  jetzt  in  den  meisten  Mundarten  vernachläs- 
sigt oder  mit  zu  wenig  Einsicht  l)etrieben  worden  ist. 
Jede  slawische  Sylbe  ist  nämlich  schon  ihrer  Natur  nach 
entweder  kurz  oder  lang,  indem  jeder  Vocal  im  Slawi- 
schen eine  doj)pelte,  kurze  oder  lange,  Dauer  hat.  Diese 
natürliche  Schärfu?ig  (Verkürzung)  und  Dehninig  der 
Sylben  ist  aber,  wie  bei  den  Griechen,  unabhängig  von 
der  grannnatischen  Hebung  oder  Senkung  derselben,  oder 
mit  andern  Worten ,  der  prosothsclie  Ton,  die  Quan- 
tität, ist  durch  die  Natur  der  Aussprache,  die  längere 
oder  kürzere  Dauer  des  Vocals  selbst,  und  nicht  durch 
den  grammatischen  Accent  begründet.  Dieser  letzlere 
kann  sowol  auf  prosodisch  langen,  als  auf  kurzen  Sylben 
liegen.  Beispiele  der  vollendeten  Versification  nach  die- 
sen Grundsätzen  haben  erst  neulich  die  Böhmen  aufge- 
stellt; indem  ehedem  sowol  diese,  als  auch  die  Russen 
und  Polen,  nach  dem  germanischen  Grundsatz  des  lo- 
gisch-grammatischen Tones  ihre  Prosodie  geregelt,  nnd 
selbst  die  serbischen  Dichter,  bei  sonst  gerechter  Be- 
rücksichtigung des  natürlichen  Zeitverhalts  der  Vocale. 
die  Position  vernachlässigt  haben  ^).  Aus  der  Vereini- 
gung der  Vocalendinigen  und  der  hieraus  entspringen- 
den Mannigfaltigkeit  des  Reims  mit  den  vollendeten  For- 
men der  Versknnst  ergibt  sich  die  Bedeutung  der  sla- 
wische?! Sprache  für  die  höheren  Künste  der  Musik,  des 
Gesanges  und  der  Dichtinig.  Die  grosse  Anzahl  der  ein- 
fachen Grundlaute  im  slawischen  Alphabet  und  ihre  man- 
nigfache Verbindung,  welche  den  Mund  zu  einer  fndieii 
vielseitigen  Ausbildung  aller  zum  Sprechen   nöthigen  Or- 


')  Vgl.  J.  Ehnera  ii  K.  Brodzivshiego  rozprawa  ft  nietrycznosci  i 
rytmicznosci  iezyka  polskiego,  Warsch.  810.  A.  A.  Wostokow  opyt  o  rus- 
kom  stichoslozeiiii,  2tc  A.  S.  Pct.  817.  8.  Pocatkowp  ceskeho  bäsiiictwj. 
Prcssb.  818.  8.  S.  Hnewkov/ikeho  /.lomkv  o  ccskeni  bäsnictwj,  Prag  820.  8. 
J.  Jungmanna  Slowesnost,  Prag  820.  S"  XXVI.  ff.  J.  S.  Preslo  Krok.  Ht't. 
2.  S.  1—32,  141—163. 


43 

gaiio  zwiiig:en.  maclicn  es  bcgrciflicli,  wie  es  den  Sla- 
wen möglich  wird,  diejenige  Fertigkeil  in  andern  Spra- 
chen zu  erlangen,  die  man  an  ihnen  bewundern  muss, 
lind  die  dem  Franzosen,  Teiilsclien  und  Magyaren,  de- 
ren Sprachen  an  Grundlanten  ärmer  sind,  nie  oder  nur 
selten  gelingt.  Der  Reichthum  der  slawischen  Sprache 
hat  seinen  Grund  in  der  grossen  Anzahl  der  Wurzel- 
silben, deren  llr.  Dobrowskv  bloss  in  dem  Altslawischen 
1605  zählte,  und  diese  wiederum  in  der  Menge  der  Con- 
sonanten.  Ueber  die  Bildsamkeit  der  Wurzeln,  Gefügig- 
keit der  Zusammensetzungen  u.  s.  w.,  können  die  Gram- 
matiken der  einzelnen  Mundarten  die  triftigsten  Beweise 
abgeben.  Die  slawische  Syntax  ist  rücksichtlich  der  Ver- 
einigung der  grössten  Bestimmtheit  in  der  gegenseitigen 
Wortabhängigkeit  mit  der  ungezwungensten ,  freiesten 
Wortstellung  fast  beispiellos. 

%.  5. 

Charakter  und  Cultur  der  Slawen  im  Allgemeinen. 

Wenn  man  bedenkt,  wie  viel  Erfahrung  und  Men- 
schenkenntniss,  welch' eine  Selbständigkeit  der  Ansiebt  und 
des  Urtheils  dazu  gehört,  um  den  Charakter  eines  Volks 
der  Natur  und  Waiirbeit  getreu  zu  zeiciinen,  ohne  aus 
Unkunde,  überspanntem  Patriotismus,  oder  aus  Rosmo- 
politisnius,  entweder  an  dem  fremden,  oder  an  dem  ei- 
genen eine  Ungerechtigkeit  zu  begehen  und  ihm  weh  zu 
thun  ;  so  sollte  man  aus  religiös-moralischer  Scheu  sich 
aller  dergleichen  Urtheile  lieber  ganz  enthalten,  oder 
nur  mit  der  grössten  Besonnenheit ,  liiisicht  und  Be- 
scbeidenbeit  zu  Werke  gehen.  Gleichwol  zeigt  es  die  Er- 
fahrung, dass  in  dem  ganzen  Bereich  der  Schriftstellerei. 
so  Aveit  sich  die  Menschen-  und  Länderkunde  erstreckt, 
die  Sprecher  der  Oeflfentlichkeit  und  Berichterstatter  an 
dieselbe,  nichts  mit  einer  grösseren  Eil-  und  Leichtfer- 
tigkeit zu  behandeln  pflegen,  als  gerade  die  so  schwie- 
rige Menschen-  und  Völkercharakteristik.  Nur  gezwun- 
gen und  schüchtern,  um  dieses  Urtheil  an  der  bisher 
vorzüglich  von  Ausländern   versuchten  Charakteristik  der 


44 

Slawen  zu  erhärten,  wage  ich  es,  hier  einige  Worte 
über  eine  mir  heilige  Sache,  nach  ineinem  besten  Wis- 
sen «nid  Gewissen,  niederzuschreiben. 

Der  Slawe,  der  ein  über  die  vaterländische  Ge- 
schichte ,  Erdbeschreibnng ,  Ethnographie,  Statistik  u. 
s.  w.,  in  einer  fremden  Sprache  geschriebenes  Bnch  zur 
lland  nimmt  —  inid  wie  viele  thun  diess  täglich? 
mnss  es  mit  gerechter  Angst  nnd  ßesorgniss  thini,  in- 
dem er  gleichsam  im  vorans  gewärtig  seyn  mnss,  das 
Volk,  dem  er  angehört,  darin  beschimpft  zu  sehen: 
zwei  Drittheile  der  in  diese  Fächer  einschlagenden  Werke 
enthalten,  wenn  sie  der  Slawen,  gleichviel  ob  insge- 
sammt ,  oder  nur  der  einzelnen  Stämme ,  erwähnen, 
nichts  als  Entstellung  und  Herabwürdigung  ihres  Natio- 
,  [  nalcharakters.  Keinem  Volke  unter  der  Sonne  ist  je  diese 
\  lieblose  Behandlung  zu  Theil  geworden.  Seit  der  Zeit, 
wo  die  Hunnen,  Gothen,  A waren,  Franken  ,  Magyaren 
u.  s.  w«,  sich  über  die  harmlos  dem  Ackerbau  u.  Handel 
obliegenden  slawischen  Völker  gestürzt  und  sie  znm  Theil 
zertrümmert  haben,  pflanzt  sich  der  Flass  und  die  Ver- 
folgung aus  dem  Leben  in  die  Schriften,  und  ans  den 
Schriften  in  das  Leben  fort,  und  es  ist  nicht  der  Mangel 
an  gutem  Willen  der  Schriftsteller  der  Nachbarvölker 
Schuld  daran,  dass  nicht  zu  Anfange  des  XIX.  Jalirli. 
die  Scenen  eines  Karls  des  Grossen,  Heinrichs  des  Vog- 
lers, Heinrichs  des  Löwen,  Albrechts  des  Bären,  Al- 
mus,  Arpad,  Zoltan  u.  s.  w.,  für  die  Slawen  erneuert 
werden.  Vollständige  Belege  dazu  zu  liefern  liegt  ausser- 
halb des  Zwecks  dieser  Schrift;  einzelne  Rosen  u.  Blu- 
men für  die  Dornenkrone  aufzufinden  ist  eben  nicht 
schwer.  *) 

1)  Um  nur  einiges  anzuführen,  so  macht  schon  J.  P.  Z/udwig  die  Sa- 
tzung der  goldenen  Bulle  K.  Karls  IV.,  in  welcher  den  Söhnen  aer  Chur- 
fürsten  neben  andern  gebildeten  Sprachen  auch  die  Erlernung  der  slawi- 
öclii'u  em])fohlcn  wird,  lächerlich,  „indem ,  sagt  er  (Erläut.  d.  gold.  Bulle, 
l''i-kf.  u.  Lpz.  752.  1.  S.  llKi),  ein  Cliurprinz  od.  Churfürst  sich  geschämt 
haben  würde,  wenn  ihm  einer  nachsagen  sollen,  dass  er  Zeit  und  Pleiss 
auf  diese  Knechtsprache  gewendet,  absonderlich,  da  die  Wenden  zu  den 
Zeiteji  Karls  IV.  bereits  in  einer  solchen  Verachtung  gewesen,  dass  man 
solche  gleich  den  Knechten  und  Hunden  gehalten."  —  Taube  in  s.  Be- 
schreibung von  Slawonien  spricht  von  der  Vielweiberei  der  Slawonier,  und 
lässt  ihre  Kinder  im  Winter  nackct  herumgehen.  —  Der  Graf  Telekii  (Rei- 
geb.  79-1)    kennt   in  ganz  Slawonien  nur  drei    gemauerte   Städte  u.  Markt- 


45 

Sollte  man  nach  den  von  unwissenden  oder  partei- 
ischen Heisebeschreihern  und  Ethnograplien  aiifgeslelllen, 
nun  so  allgemein  verbreiteten  und  lief  wurzehiden  (irund- 
zügen  eines  Charaktergemäldes  der  Slawen  sich  niclil 
versucht  fidden,  dieses  Volk  aus  der  Classe  der  sell)sl- 
ständigen ,  civilisirten  Völker  auszumerzen ,  und  den 
Barbaren  oder  wenigstens  Halbbarbaren  zur  Seite  zu 
stelTeli?  —  Das  sey  ferne  von  uns  !  Die  göttliche  Vor- 
sehung, die  unter  Myriaden  Blättern  gleichwie  unter 
Millionen  von  Menschen  nicht  zwei  sich  vollkoiiuiien 
gleiche  geschaffen,  hat  noch  viel  weniger  zwei  sich  voll- 
kommen gleiche  Völker  geschaffen;  und  dieselbe  allwal- 
tende Macht,  die  den  Ehizelmenschen  mit  dem  Haupte 
gegen    das    Himmelslicht    emporgerichtet,    und    mit    den 

Hecken;  auch  die  Dörfer  verdienen,  meint  er,  diesen  Namen  nicht.  — 
Hacquet  sagt  in  s.  Beschreib,  von  Illyrien  u.  Dalmatien  (Miniaturgemälde 
aus  der  Länder-  und  Völkerkunde,  Pesth  816.  8.  13.  ff.)  unter  andern  Al- 
bernheiten: „die  Slawen  schmiegten  sich  darum  beugsam  und  geduldig  un- 
ter das  Joch  des  hässlichsten  Despotismus,  weil  sie  sich  keinen  Begriff  von 
einer  besseren  Herrschaft  machen  können.  Sie  seyen,  wie  die  meisten  Aaia. 
tgn,  ob  sie  gleich  das  Baden  leidenschaftlich  lieben,  im  höchsten  Grade 
unreinlich.  Die  Ursache  dieser  Unsauberkeit  seyen  ihre  zu  engen  Woh- 
nungen ,  denn  in  einer  Hütte,  ja  in  einem  und  demselben  Zimmer,  oft 
in  der  Mitte  des  Unflaths,  schliefen  häufig  mehrere  Familien.  Unglücklicher- 
weise sey  das  Stehlen  bei  den  Slawen  allgemein  verbreitet."  Derselbe  be- 
richtet a.  a.  0.,  „dass  alle  (gäczen,  Männer  und  Weiber,  einen  ausgezeich- 
net trotzigen  Charakter  haben;  dass  die  Männer  so  eifersüchtig  sind,  dass 
sie  die  Fenster  ihrer  Häuser  beständig  geschlossen  halten ;  dass  die  Räczen 
noch  keine  Bücher  in  ihrer  Sprache  besitzen"  u.  s.  w.  —  A.  JDugonics,  ein 
Piarist,  Prof.  zu  Pesth,  predigte  laut  in  seinen  Schriften  deiTHäss  gegen 
die  Slawen  ohne"  Unterschied.  In  s.  Etelka  (3te  A.  Pesth  805.  8),  einem 
/vielgelesenen  Roman,  dessen  Tendenz  am  Tage  liegt,  leitet  er  S.  9  —  10 
I  den  Namen  Morva  Mähren  von  marha  Vieh  her,  und  ihm  sind  Morva, 
\marha,  Mähre,  Schindmähre  gleichbedeutende  Wörter  von  einer  Wurzel. 
S.  13  —  15  überhäuft  er  mit  Schimpf  und  Spott  den  Swatopluk,  und  höhnt 
die  Slawen  mit  Alexanders  Diplom,  gebährdet  sich  jedoch  ängstlich  vor  den 
slawischen  Flüchen,  die  es^döCh  auf  keinen  Fall  mit  den  magyarischen 
aufnehmen  können.  S.  18  —  19.,  stellt  er  die  Russen  und  Russniaken  mit 
den  Zigeunern  auf  gleiche  Linie  ;  russisiren,  meint  er,  sey  dem  Magyaren 
soviel  als-  zigeunern  („most-is  nälunk  anuyit  teszen  oroszkodni,  mint  czi- 
gänykodni"),  eben  so  S.  460,  slawisch  od.  zigeunerisch  („totosan  vagy-is 
cziganyosan  esik").  S.  92.  zaubert  er  unverschämt  genug  das  Schimpfwort 
Copak,  Copakok,  hervor,  welches,  wie  er  vorgibt,  der  gewöhnliche  Schimpf- 
nahme  der  Cechen  und  Mährer  bei  den  Magyaren  seyn  soll.  S.  355  —  56., 
wärmt  er  höhnisch  das  alte  Schandmährchen  auf,  wornach  Swiatopluk  und 
Salan  das  Slawenreich  um  12  oder  1  Schimmelpferd  an  die  Magyaren  durch 
List  verloren  haben  sollen,  welches,  auch  als  wahr  erkannt,  nur  den  Betrü- 
ger, nicht  den  Betrogenen  entehrt.  Die  Slawen  sind  ihm  überall  die  hun- 
grigen,   ausgemergelten,    strohhaimfüssigen,  blitzspitzköpfigen  u.  s.  w.  („hit- 


46 

Füssen  an  die  Erdennacbt  gefesselt  hat,  gab  auch  jedem 
Erdenvolke  eine  gedoppelte  Seite,  eine  Licht-  und  Schat- 
tenseite, damit  es  durch  das  Gewahrwerden  dieses  Ge- 
gensatzes in  allen  seinen  Individuen  zum  Leben  erwa- 
che, und  seine  Kraft  entwickele.  Freilich  sind  der  Ab- 
stufungen der  aus  der  Alischung  des  Lichts  inid  des  Schat- 
tens entstandenen  Charaktere  der  Völker  unendlich  viele: 
aber  so  wie  kein  Licht  ohne  Schalten,  und  kein  Schatten 
ohne  Licht  ein  Gemälde  geben  kann,  und  das  Licht  nicht 
nothwendig  eine  Sonne,  der  Schatten  nicht  nothwendig 
Nacht  u.  Grauen  ist:  eben  so  kaini  auch  kein  Volk  auf  dem 
weiten  Erdenrund  weder  eine  reine  Engelsphysiogno- 
mie ohne  einige  Menschen-Muttermaale,  noch  eine  vol- 
lendete Teufelscarricatw   ohne  einige   Strahlen  des  gött- 

Magyarok  Istene'"),  wie  Jehovah  der  Juden.  —  lu  den  östr.  vaterl.  Blättern 
1812.  Jul.  N.  27.,  werden  die  Russuiaken  so  geschildert:  „Der  Charakter 
der  Russniaken  kommt  mit  dem  aller  Slawen  überein  (Hört !)  Misstrauisch. 
falsch,  hinterlistig,  voll  Verstellung,  ohne  das  mindeste  von  Sittlichkeit, 
ohne  Religion,  unfolgsam  gegen  die  Behörden,  dabei  äusserst  stupid  und 
roh:  dem  Trünke  und  den  Ausschweifungen  des  Geschlechtstriebes  sind  sie 
auf  das  äusserste  ergeben,  wobei  niemand  geschont  Avird.  In  der  Ehe  sind 
sie  einander  häufig  ungetreu,  und  kennen  darin  keine  Schranken,  daher 
es  auch  kommen  mag,  dass  die  Yenusseuche  immer  so  stark  unter  ihnen 
herrscht.  Eben  so  sind  sie  vorzüglich  dem  Branntweintrunke  ergeben,  mit 
welchem  sie  sich  oft  bis  zur  Sinnlosigkeit  betrinken.'-  Das  Weitere  von  ih- 
ren Gebräuchen  ist  ganz  diesem  gleich.  —  Der  berühmte  Prof.  K.  H.  L. 
Pgü^.in  Leipzig  ruft  in  s.  Weltgesch.  für  gebildete  Leser  u.  Studirende, 
iN.  Bearb.  Wittenb.  813.  Th.  I.  S.  17.  aus:  „Freue  dich,  Jüngling,  der 
du  aus  teutschem  Blute  stammest,  deines  Vaterlandes!  Vergiss  es  nie,  dass 
die  slawischen  Völker  sich  unmuthig  und  widerstrebend  unter  die  Ueber- 
uiacht  der  teutschen  Kraft  beugen  mussten  :  dass  die  grossen  Namen :  Huss 
u.  s.  w.,  unserm  Volke  angehören!"  Ein  Mitarb.  der  Münchner  allg  Lit. 
Zeit.  1819.  Weinmonat  S.  71.  meint :  „dass  die  Zeit  der  babylonischen  Sprach- 
verwirning  abermals  gekommen  wäre,  indem  jetzt  nicht  nur  ein  jedes  Volk, 
sondern  sogar  ein  jedes  Völklein,  die  Cechen,  Polen,  Slowaken,  Wala- 
chen  u.  s.  w.,  ihre  Sprache  zu  einem  Werkzeug  der  Bildung  zu  erheben 
bemüht  sind,  und  in  derselben  auf  slowakisch  und  walachisch  pliilosophi- 
ren,  dramatisiren  u.  s.  w.''  —  Der  Prof.  K-  v.  Rottek  zu  Freiburg  nennt 
in  s.  allg.  Gesch.  S.  466.  die  russische  Sprache  schlechthin  eine  Knecht- 
sprache. —  In  diesem  Sinn  meint  auch  K.  Nevmann  in  s.  Natur  des  Men- 
schen 815.  Th.  I.  S.  59.  62.,  die  slawischen  Völker  seyen  wo!  aus  andern 
Stoffen  zusammengesetzt  als  die  Teutschen.  und  ihnen  sey  el)pn  darum  von 
der  Natur  eine  andere  Bestimmung,  als  diesen,  angewiesen.  Nur  der  Eu- 
ropäer, und  unter  diesen  nur  der  germanische  od.  ostasiatische  ,  keines- 
wegs aber  der  slawische  Stamm,  werde  sofort  in  alle  Ewigkeit  eine  Zierde 
der  Schöpfung  und  Herr  der  Welt  bleiben.  —  In  der  Mnemosi/ne  Th.  1. 
S.  21.  tf.  berichtet  Kreil.  dass  man  wenig  Oerter  auf  der  Landcharte  fin- 
den wird,  wo  die  Nafmc  so  scharfe  Gränzen  zwischen  zwei  Völkern  gezo- 
gen hätte,  als  auf  dem  Berge  Plar  in  Steierniark.  So  wie  man  in  das  win- 
dische Städtchen  Bistric  eintritt,  finde  man  auch  das  Knde  der  teutschen 
Reinlichkeit  und  Aufrichtigkeit,  und  fühle  sich  in  ein  böhmisches  oder 
mährisches  Dorf  versetzt,  zwischen  jene  unreinen  Slawen,    deren  Gesichtern 


47 

liclien  Ebenhilde.s  haben.  Nur  der  Menschen  Scliwacli- 
heit,  und  der  Menschen  Ei^en(hinkel  und  Uebenmilh 
verwischt  iiiil  frevehider  Hund  die  Züge  der  Natur,  die 
einem  Volke  angeliören,  und  prägt  in  der  krankliatten 
Pliantasie  das  Urbild  in  ein  Unbild  um.  Lasst  uns  ge- 
reciit  seyn  und  unsere  Nation  lieben  ohne  die  übrigen  zu 
hassen!  Welches  Volk  ist  nicht  stolz  anf  sich  ?  Die 
Franzosen  sagen:  Wir  sind  Franzosen!  die  Engländer: 
Wir  sind  Engländer!  die  Teutschen:  Wir  sind  Tentschel 
aber  anch  die  Dänen:  Wir  sind  Dänen!  auch  die  Por- 
tugiesen: Wir  sind  Portngiesen!  und  wer  wird  iluien 
diess  verargen,  so  lange  das  stolze  Selbstgefühl  bloss  ein 
Gefühl  bleibt,  Avelches  den  Patriotismus  und  hiemit  die 
Nationaltngenden    weckt,    und  nicht  in  —   ich  will  nicht 

die  Xatur  selbst  das  Gepräge  der  Knechtschaft  aufgedrückt  hat.  —  Der 
weltberülimte,  hochgefeierte  Statistiker  und  Politiker  \Crorne_  in  Giessen. 
stellt  in  einer  Schilderung  der  Oesterr.  Monarchie  unter  Jbränz  I.  im  Wie- 
ner gemeinnützigen  Ilauskalender  1820.  (also  in  einem  vielgelcsenen  Volks- 
buch^) S.  29.  folgende  Charakteristik  auf:  ,,1.  die  Teutschen,  5  Mill.  an 
der  Zahl,  die  sich  durch  Redlichkeit  und  Treue,  Offenheit  und  Jovialität. 
Industrie  und  Wolstand,  Sitten  und  Liebe  zu  den  Wissenschaften  auszeich- 
nen. 2.  die  Slaiven,  11  bis  12  Mill.  Bei  diesen  treten,  als  Folgen  einer 
langen  Dienstbarkeit  und  unterdrückten  Cultur,  sichtbar  hervor :  Roheit, 
Indolenz,  Unreinlichkeit,  grobe  Sinnlichkeit  und  grosser  Leichtsinn.  Da- 
bei sind  sie  oft  dem  Trunk  ergeben;  gewöhnlich  etwas  faul,  verstockt, 
diebisch,  kriechend  und  tückisch  gegen  ihre  Obern  u.  s.  w.  „Gleichen  Be- 
weis der  Unparteilichkeit  und  Billigkeit  in  der  Beurtheilung  des  Charak- 
ters der  Slawen  liefert  der  polygraphische  Exminister  de  Pradt  in  s.  Hist. 
de  l'Ambassade  dans  le  Grand  Duche  Varsovie,  812.  S.  71  —  73.  „L'Eu- 
rope  nie  parut  tinir  au  passage  de  TOder.  La  commencent  un  langage  etran- 
gef~ä  TEiuope  (ja  wol  ctranger  für  Hrn.  de  Pradt!),  des  costumes  diffe- 
rens  de  ceux  de  l'Europe.  La  Pologue  n'est  plus  TAsie;  ce  ivest  pas.encore  ^.  ^ 
TEurope."  Er  fand  bei  den  Polen:  ,,roeil  prive  de  toute  expression;  tou-  ,» 
tes  les  habitations  autant  d'  asiles  de  la  niisere,  de  la  salete  et  des  inse- 
ctes ;  les  villages  ecrases  sous  le  chaume  et  perdus  dans  la  fange ;  les 
villes  de  bois,  sans  regularite,  sans  ornemens,  saus  approvisionnemens  au- 
dessus  du-plus  grossier  necessaire,  les  chä,teaux  ä  -  peu  -  pres  comme  en 
Espagne"  u.  s.  V.  —  Selbst  der  brave  Bmmier  in  s.  vergleichenden  Dar- 
stellung der  Grundmacht  od.  der  Staatskräffe  aller  europäischen  INIonarchien 
und  Republiken,  Pesth  823.  4..  nachdem  er  übrigens  dem  Charakter  der 
Slawen  Gerechtigkeit  hat  wiederfahren  lassen,  fügt  aus  trüben  Quellen 
rtüchtig  hinzu:  ,,Des  Slawen  grösste  Fehler  sind  Sinnlichkeit,  Unmässig- 
keit  in  hitzigen  Getränken  und  starker  Aberglaube,  bei  einigen  Zweigen 
(  —  welchen? — )  säuische  Unreinlichkeit.  niedrige  Kriecherei  und  Hang 
zur  Betrügerei  und  Dieberei"'  (S.  .309),  uiul  beweist  abermals,  Mas  der 
Slawe  über  sich  selbst  von  den  Ausländern  lernen  kann.  —  Doili  genug 
der  Dornen!  —  Bedarf  dieses  Gewebe  von  Unsinn,  Irrthümern,  Lügen, 
Verläunidungen  und  Niederträchtigkeiten  vor  dem  gesuiiden  Menschenver- 
stände einer  ernstlichen  Widerlegung?  Wer  wird  den  Eckel  überwinden. 
und  dieses  hier  aufgerüttelte  alte,  morsche,  stinkende  Todtengerippe  Stück 
für  Stück  zerlegen,"  um  es  in  seiner  ganzen  Nacktheit  und  Nichtswürdig- 
keit dem  Auge  des  Lesers  darzustellen? 


<r> 


48 

sagen  Verachtung  —  in  blutige  Verfolgungssuclit  und 
GewaJttliätigkeiten  gegen  andere  ausartet.  —  Wen  wird 
es  befremden,  wenn  er  in  dem  Charaktergemälde  des 
Slawen  manclien  Schattenzug  bemerkt  ?  Aber  dieser  darf 
als  Ausnahme  oder  Einzelheit  nicht  gleich  zur  Hegel  oder 
Allgemeinheit  erhoben  werden.  Wie  könnte  es  auch 
seyri,  dass  ein  Volk,  welches  so  weit  verbreitet,  von 
andern  Völkern  innruugen  und  durchllochten  ist,  nach 
so  vielen  Widerwärtigkeiten,  so  vielen  Kriegen  luid  Un- 
fällen überall  auf  einer  Stufe  des  Glanzes,  der  Macht 
und  des  Ansehens  stände,  inid  frei  von  aller  Schwäche 
wäre  ?  Wer  las  es  nicht  in  der  Geschichte  des  iMittel- 
alters,  was  in  dem  Lande  der  Wilzen,  Obotriten,  Po- 
laben,  Pommern,  Sorben  und  anderer  Slawen  zwischen 
dem  baltischen  Meer  und  dem  Tatragebirg  vorgefallen, 
bis  aus  ihren  Ueberresten  unter  dem  würgenden  Schwerdt 
der  Franken  und  Teutschen  ungefehr  das  geworden,  was 
aus  den  Peruanern  unter  dem  Schwerdt  der  Spanier? 
Hat  man  sie  nicht  für  unehrlich  erklärt,  bis  1608.  1613 
von  allen  Zünften  und  Gilden  ausgeschlossen,  um  sol- 
chergestalt auf  alle  Weise  zu  verhindern,  dass  sie  nicht 
wiederum  emporkommen  möchten?  ^)  Hat  nicht  Hussland 
seine  Tatarenkriege,  Polen  seine  Kozaken  —  Kreuzherrn- 
und  Bürgerkriege  gehabt?  Wer  keimt  nicht  Böhmens 
traurige  Schicksale  im    XVII.  .Jahrb.  ?    Was    würden  erst 


^)  Man  lese  hierüber  selbst  teutsclie  Schriftsteller:  Haqwet,  z.  B. 
sagt  in  einem  Seiner  Majestät  Franz  I.  gewidmeten  Werke,  Abbildung  und 
Beschreibung  d.  Südwest-  und  östlichen  Wenden,  Illyrer  und  Slawen,  Lpz. 
1.  Th.  1.  II.  p.  8.  folgendes:  Ich  könnte  hundert  Beispiele  anführen,  wie 
oft  Teutsche  in  meiner  Gegenwart,  wider  alle  Vernunft  mit  Worten  und 
ijchliigen  diese  unterjochten  Menschen  (Slawen)  misshandelten,  bloss  weil 
sie  ihre  "Sprache  nicht  verstanden."  —  Prof.  Woltmann  Gesch.  d.  Teut- 
schen in  d.  sächsischen  Periode,  1.  Th.  Gott.  1798.  schreibt:  „Es  scheint 
Sitte  bei  den  Teutschen  gewesen  zu  seyn,  dass  sie  ein  slawisches  Volk 
angriffen,  so  bald  es  ihnen  in  den  Sinn  kam  einen  kriegerischen  Zug  zu 
unternehmen.  Es  war  ein  trauriges  Loos  der  Slawen,  dass  sie  auf  d.  Land- 
seite von  den  kriegerischen  Teutschen  und  von  den  damals  noch  sehr 
rohen  Magyaren,  an  der  Küste  von  den  schwärmenden  Normännern  gehin- 
dert wurden,  eine  Cultur  zu  vollenden,  welche  sich  schon  so  eigenthüm- 
Hch  bei  ihnen  entwickelt  hatte,  dass  noch  jetzt  das  Grundgewebe  dersel- 
lien  bemerkt  wird,  obgleich  die  meisten  slawischen  Stämme  seit  acht  .Tahi'- 
bunderten  ein  unterjochtes  Volk  und  dem  teutschen  Staatskiu'per  einver- 
leibt sind.  Die  Grausamkeit  und  Verachtung,  womit  ihre  Ileberwinder  sie 
iK'Jumcielten  —  eine  slawische  l''amilie  zum  Verlcauf  ausgcsteUti  war  für 
den  freien  Teutschen  ein  Bild  des  hricbsten  Elends  —  reizte  sie  uiianflKirlicb 
das  Joch  dersen)en  abzuwerfen."'' 


die  Serben,  Bosnier  imH  Bulgaren  sagen,  wenn  sie  ihr 
Elend  klagen  dürften!  Ist  es  ein  Wunder,  ruft  Herder 
bei  der  Betrachtung  dieser  Unfälle  aus,  dass  naclTTahr- 
hunderten  der  Unterjochung  und  der  tiefsten  Erbitterung 
dieser  Nation  ihr  weicher  Charakter  zur  arglistigen,  grau- 
samen Knechtsträgheit  herabgesunken  wäre?  Und  den- 
noch ist,  fügt  er  weiter  hinzu,  allenthalben,  zumal  in 
Ländern,  wo  sie  einiger  Freiheit  geniessen,  ihr  altes 
Gepräge  noch  kennbar.  TJa  wol  ist  es  noch  kennbar,  die- 
ses alte  Gepräge;  und  ich  will  nun  versuchen,  einiges 
zu  seiner  Erläuterung  im  Allgemeinen  (das  Specielle  ge- 
hört in  die  Charakteristik  einzelner  Stämme)  anzuführen. 
Die  LeibesbeschafFenheit  dieses  grossen  Volks  ist  sehr 
verscliictlen.  nach  dem  Klima,  welches  die  verschiede- 
nen Stämme  desselben  bewohnen.  Im  Allgemeinen  sind 
die  Slawen  von  mittlerer  Grösse  und  starkem  Knochen- 
bau, nach  guten  Verhältnissen  gebaut,  und  von  unge- 
mein grosser  Spannkraft  und  Zähigkeit  der  Muskel.  Das 
Princip  der  grösseren  Empfänglichkeit  oder  Subjectivität, 
welches  den  Slawen  durchgängig,  physisch  u.  psychisch 
eigen  ist,  thut  sich  schon  in  dem  Zurücktreten  aller  Be- 
gränzungslinien ,  vorzüglich  jener  des  Gesichts,  kund, 
die  ungleich  runder,    sanfter  und  weicher    sind,    als  bei  ^ 

den  mit  mehr  nach  aussen  strebender  Thatkraft  begab-  ^  ^*''' 
ten  Teutschen.  Das  Merkmal  der  blonden  Ilaare  ist  bei- 
nahe allen  SjawjeiL^ejmfiixu  "»tl  seihst  bei  den  südlichen 
Stanmien  ist  es  weit  weniger  durch  die  Natur  und  das 
Klima,  als  durch  die  Kunst  verwischt.  Sowol  diese,  als 
die  grössere  Weisse  der  Haut  vor  andern  Völkerstäm- 
men erinnern  an  ursprüngliche,  oder  nur  langwierige 
Wohnsitze  im  Norden.  Unter  allen  Slawen  scheinen  die 
östlichen,  nördlichen  und  westlichen  den  allgemeinen 
pTTysischen  Stammtypus  am  reinsten  erhalten,  die  südli- 
chen hingegen  am  meisten  getrübt  zu  haben.  —  Zu  den 
Grmidzügen  im  Charakter  des  slawischen  Gesammtvolks 
gehören:  sein  religiöser  Sinn,  seine  Arheitsliehe^  seine 
härm-  und  arglose  Heiterkeit,  die  Liehe  zu  seiner  Spra- 
che und  seine  Verträglichkeif.  Schon  vor  der  Verbreitung 
des  Christenthiiiüs"  unier  den  Slawen  w^ar  ihre  Frömmig- 
keit und   Anhänglichkeit   an   die  Religion  auch  den  Aus- 

4 


50 

liindern  bekannt.  Eine  solche  iVlengc  einlieiiuisclier,  znr 
Bezeichnnng  der  heiligen  Gebräuche  dienender  Wörter, 
so  viele  tnid  prächtige  Tempel,  so  eifrige  des  Cultus  we- 
gen angestellte  Wallfahrten  zu  den  entlegensten  Oertern, 
so  grosse  Andacht  bei  Anbettnig  der  Götter  ^j  können 
nur  wenige  Nationen  in  diesem  Zeitraum  nachweisen. 
Als  die  Morgenrötlie  des  Christenthums  im  Norden  auf- 
zugehen anfing,  warteten  die  Slawen  nicht  erst  ab,  bis 
die  Apostel  des  Evangeliums  zufällig  zu  ihnen  kämen, 
sondern  erbaten  sich  solche  ausdrücklich,  und  die  Ge- 
brüder Kyrillus  und  Methodius  kamen  auf  der  slawischen 
Fürsten  heisses  Verlangen  nach  Pannonien  und  Mähren*}. 
Diese  Liebe  zur  Religion  blieb  den  Slawen  immer  eigen. 
Die  slawischen  Völker  erkauften  das  Christenthum  mit 
dem  theuersten,  was  das  Leben  hat:  mit  der  physischen 
Freiheit ,  Selbständigkeit  mid  Volksverfassung.  Auch 
waren  sie  im  Mittelalter  unter  den  ersten,  welche  gegen 
verschiedene  veraltete  Missbräuche  in  Kirchensachen  ihre 
Stimme  laut  erhoben  ;  und  in  Böhmen  fing  es  an  zu  däm- 
mern, als  es  noch  in  ganz  Europa,  und  vorzüglich  in 
Teutschland  finster  war;  denn  Huss,  dieser  Begründer  der 
neueren  Literatur  Böhmens,  gehört,  was  auch  Prof.  Pölitz 
sagen  mag,  den  Böhmen,  nicht  den  Teutschen  an.  Einen 
Beweis    der  Frömmigkeit    der  Slawen    können   auch  die 


*)  Helmold  L.  1.  c.  6.  Saxo  Gramm.  L.  14.  Antequam  rem  diviuam 
t'aceret  sacerdos  Slavorum,  scopis  quam  diligentissime  fanum  Svanteviti  pur- 
gabat,  spiritu  oris  compresso,  quem  quoties  revocare  opus  erat,  ad  ostium 
decurrit,  ne  scilicet  humano  halitu  numinis  praesentia  offenderetur.  An  an- 
dern Orten  sagt  Helmold  :  major  flamiiiis  quam  regis  veneratio  apud  ipsos 
est.  —  .Jurationes  difficillirae  admittuntur,  nam  jurare  apud  Slavos  quasi 
perjurare  est. '      "        "'"'  "     ^ „._---- 

*)  Warum  sich  die  Slawen  an  der  Elbe  und  Ostsee  dem  Cliristen- 
thum  so  lange  und  hartnäckig  widersetzt  haben,  kann  man  aus  Helmold 
erfahren;  man  Hess  sie  dafür  mit  dem  Verluste  der  Sprache  und  des  Volks- 
thums  bezahlen,  und  Herder  sagt  ausdrücklich,  die  Religion  sey  nur  der 
Vorwand  politischer  Absichten  gewesen.  Vgl.  F.  Durich  bibl.  slav.  p.  64—65. 
Der  teutsche  Bischof  Otto  v.  Bamberg  suchte  die  Slawen  nicht  durch  das 
Evangelium,  sonderri^'diirchdün  Mammon  zum  Christenthume  zu  bewegen, 
indem  er  bei  hO  und  mehr  Wägen  mit  Tuch,  Getreide  und  andern  Victua- 
lien  hinter  sich  herführen  Hess.  So  lehrte  man  die  Wenden  äusserlich  das 
Christenthum  heucheln,  intloni  sie  im  Herzen  Heiden  blieben.  Siehe  Cramei- 
Pomm.  Kirchen-Hist.  L.  1.  c.  29.  Vernünftiger  tiiat  diess  der  slawisch - 
wend.  König  Gode»chalk,  der  teutsche  und  latein.  Bekehrer  und  Priester 
in  sein  Land  kommen  Hess  und  dann  das,  einem  Regenten  fremde  Geschäft 
persönlich  übernahm,  sich  neben  den  Rednei-  zu  stellen,  und  jed.^  vom 
Prediger  ausgesprochene  Periode  sogleich  in  slawischer  Sprache  seinem  Volke 
zu  wiederholen.    Siehe  (rehhardi  Gesch.  aller  wend.  slaw.  St.  1.  ß.  2.  Buch. 


51 

vielen  IleiIit;eM  aus  diesem  Volke  geben,  deren  Namen 
sowol  die  morgeidändisclie.  als  auch  die  abendländische 
Kirche  ehrl.  z.  ß.  h.  Ludmila.  h.  Rozvvita.  h.  Hedwig, 
h.  Wenceslaw,  h.  Nepomuk.  h.  Stanisfavv,  li.  Kazimir, 
h.  Boleslaw.  h.  Wladimir,  h.  Sabbas,  h.  Lazar  u.  m.  a. 
Wahr  ist  es,  durch  Bendirung  inii  andern  Völkern  sind 
manche  Stämme  bald  abergläubisch,  bald  lau  und  indo- 
lent in  Keligionssachen  geworden;  aber  diess  berechtigt 
keineswegs,  das  fiesammtvolk  der  Roheit,  des  Leicht- 
sinns inid  der  Gottlosigkeit  anzuklagen.  Die  Sonn-  und 
Feiertage  werden  in  der  Regel  bei  den  Slawen  weniger 
entweiht,  als  bei  andern  Völkern,  die  Bibel  fleissiger 
gelesen,  die  häusliche  Andacht  öfter  ausgeübt,  in  der 
Kirche  und  beim  Cultus  herrscht  eine  grössere  Stille  und 
Andacht,  die  Ehrerbietung  gegen  die  Religion  in  Thun 
inid  Sprechen  ist  inniger  und  zarter,  das  Fluchen  und 
Höhnen,  das  Rauben  und  Plündern,  das  Morden  und 
Blutvergiessen  seltener.  —  Die  Arheilsliehe  der  Slawen 
ist  allbekainit.  Nicht  zw^ar,  als  ob  andere  Nationen  faul, 
auch  im  Einzelnen  nicht  fleissiger  oder  geschickter  wä- 
ren; aber  die  durchgängige,  von  oben  bis  zu  der  un- 
tersten Volksclasse  herab  verbreitete  Arbeitslust,  ver- 
bunden mit  der  grössten  Abhärtung  des  Körpers,  ist 
wol  nirgends  so  gross,  als  hier.  Bei  so  vielen  Unglücks- 
fällen, die  das  Volk  und  seine  Bildung  trafen,  findet  man 
doch  in  allen  Fächern  der  Wissenschaften.  Künste,  Ge- 
werbe und  Handwerke  iMämier  unter  den  Slawen,  die 
jenen  anderer  Nationen  zur  Seite  gestellt  werden  kön- 
nen. Wie  Herder  den  ländlichen  Fleiss  der  alten  Slawen 
gewürdigt,  ist  scbon  oben  angeführt  worden;  aber  auch 
heutzutage  sieht  man  in  den  meisten  slawischen  Ländern 
das  Hans  und  das  Feld  im  Winter  und  Sommer  von  be- 
triebsamen slawischen  Händen  wimmeln,  und  während 
sich  so  manche  andere  Nationen  ausschliesslich  einem 
Gewerbe  widmen ,  die  Slawen  alle  Zweige  der  Industrie, 
Handel  und  Handwerke,  Wissenschaften  und  Feldbau 
mit  gleicher  Liebe,  gleichem  Eifer  umfassen.  —  Die 
härm-  und  arglose  Heiterkeit  ist,  wie  einst  der  Grie- 
chen,   so   jetzt   der  Slawen    kostbares,  beneidenswerthes 

Eigenthum.     Der    Slawe    scheint    von    Natur    mehr   zum 

4  1» 


52 

geselligen  Frohsinn  und  tröliliclien  Lebensgenuss ,  als 
zum  trüben  Tiefsinn  und  giübelnder  Speculation  ge- 
'  schaffen  zu  seyn ;  das  gesunde  und  irische,  kräftig  in  den 
Adern  rollende  Blut  bringt  jene  Lebhaftigkeit  und  Reiz- 
barkeit der  Muskel  und  Nerven,  jene  Behendigkeit  und 
Gelenkigkeit  der  Glieder,  jene  Heiterkeit  inid  Wärme 
des  Blicks,  jene  liniigkeit  und  Leutseligkeit  der  iMienen, 
jene  Gesprächigkeit  der  Zunge,  jene  Gemüthlichkeit  und 
Ghilh  des  Herzens  hervor,  die  den  Slawen  so  eigen- 
thümlich  vor  andern  Nationen  charakterisirt.  Alles  die- 
ses ist  nicht  die  Frucht  der  Erziehung,  des  Studiums, 
der  Uebung,  sondern  das  Werk  der-iHiineii  Natur.  Das 
von  Gefühlen  überwallende  Herz  ergiesst  sich  leicht  in 
Gesang  und  Tanz;  daher  sind  beide  bei  den  Slawen  in 
einem  hohen  Grade  zu  Hause.  Wo  eine  Slawin  ist,  da 
ist  anch  Gesang;  sie  erfüllt  Haus  und  Hof,  Berg  u.  Thal, 
Wiesen  und  Wälder,  Gärten  und  Weingärten  mit  dem 
Schall  ihrer  Lieder ;  oft  belebt  sie  nach  einem  nudievol- 
len,  unter  Hitze,  Seh  weiss,  Hunger  und  Durst  zuge- 
brachten Tag,  die  herandämmernde  Abendstille  während 
der  Heimkehr  noch  mit  iiirein  melodischen  Gesang.  Welch' 
einen  Geist  diese  Volkslieder  atinnen,  kann  man  aus  den 
bereits  erschienenen  Sammlungen  derselben  ersehen.  Man 
kann  ohne  Widerspruch  behaujilen,  dass  die  Naturpoe- 
sie bei  keinem  Volk  in  Europa  in  einem  so  hohen  Grade 
und  mit  einer  solclien  Reinheit,  liniigkeit  und  W^ärme 
des  Ciefühls  verl)reitet  sey,  wie  unter  den  Slawen.  ( Vgl. 
§.  13.  Anm.  1.).  Aus  dieser  Harmlosigkeit  und  Leben- 
digkeit des  Gefühls,  aus  diesem  Triebe  nach  geselligem 
Frohsinn  und  Lebensgeiniss  eiitspringt  die  Gastfreiheit 
gegen  Stammverwandte  und  Fremde,  die  aneiHiannt  von 
jeher,  gleich  jener  griechischen,  eine  Zierde  in  dem  Blu- 
menkranz der  einheimischen  Tugenden  der  Slawen  ist  '): 

*)  lieber  die  (^tfrfiiLeit  der  Slawen  sprechen  sell)st  fremde 
Schriftsteller  mit  einer  Art  von  Begeisterung.  Siehe  Witichind,  Ditniar. 
Adamus  Breniensis,  und  besonders  Jjelmold  L.  1.  c.  82.  ,,Experimento  ipse 
didici,  quod  ante  fama  cognovi,  qüoü  nullä  gens  lionesti.or  ^Slayis  m  ho- 
spitalitatis,..gi'atia^  In  colligendis  enim  hospitibus  öhines  quasi  ex  senten- 
tia  alacres  sunt,  ut  nee  hns]iitium  quemquam  pnstulare  necesse  sit.  —  Si 
quis  vero,  quod  rarissimum  est.  i)erpgrinuni  hospitio  removisse  deprelicn- 
sus  fuerit,  hujus  domum  vel  facultatcs  incendio  consumere  licitum  est,  atque 
in  id  nnmium  vota  conspirant.  illnni  ingloriuui,  illuni  vilem,  et  ab  Omnibus 
exsibilandum  dicentes;  quia  Jiospiti  parteni  negaro  non  timuisset."  —  L.  II. 
c.  42.  .,IIospitalitatis  gratia  et  pareutum  cura  primum  apud  Slavos  virtutis 
locum   obtinet.    Nee  aliquis  egenus  aut  mendicus  apud  eos  repersus  est." 


53 

doini  ein  Volk,  wolchos  sich  ganz  der  arglosen  Heiter- 
keil und  gefiddvollen  GemiUhlichkeil  liiiizugebeii  pflegt, 
kami  iiiimöglicli.  gleich  jenem,  dessen  Gesicht  und  Her- 
zen das  düstre  Gepräge  von  Verschlosseidieit  nnd  Melan- 
cholie, von  Widerspenstigkeit  nnd  Hartsinn,  oder  von 
Stolz  nnd  Ueberinuth  aufgedrückt  ist,  in  Tücke  u.  Grau- 
samkeit, in  Fluch  -  Tob  -  Räch-  nnd  Mordsucht  versin- 
ken. ~  Der  vierte  Grundzng  im  Charakter  der  Slawen 
ist  ihre  Liehe  zurUUuffersprac/ie  und  Eifer  für  ihre  Er- 
haUung  und  AnshiiiUing.  Niemand  erstaune  hier  und 
wende  ein,  dass  diess  inn*  natürlich  mid  allen  Völkern 
gleich  gemein  sey.  Wenn  man  weiss,  welche  Bedeu- 
tung Xationalsprachen  in  Bezug  auf  die  Bildung  der  Völ- 
ker haben ;  inid  nun  bedenkt,  dass  die  slawische  Spra- 
che gleich  dein  gesammten  Slawenthnm  von  jeher  den 
Angriffen  der  Fremden,  dem  Feuer  nnd  Schwert  aus- 
gesetzt war;  dass  ganze  Stämme  von  der  Ostsee  bis  zu 
den  Karpaten  nnd  von  da  bis  zum  adriatischen  Meer 
hinab  durch  hundertjährige  Kriege  und  Verfolgungen 
entweder  grausam  vertilgt  oder  nnmenschlich  geschändet 
und  verstümmelt  Avoiden  sind ;  dass  ferner  auch  das  In- 
nere des  östlichen  nnd  nordischen  Slawenthums  in  Russ- 
land und  Polen  die  Geissei  der  Mongolen  und  des  Kriegs 
in  hundertjährigem  Kampf  zerfleischt  hat:  so  wird  man 
sich  wundern,  aber  es  auch  löblich  finden,  dass  es  nach 
so  vielen  Unglücksfällen  heutzutage  noch  eine  Zunge 
gibt,  die  slawische  Laute  spricht,  und  dass  der  Name 
Slawe  nicht  schon  längst  als  eine  Antiquität  der  Geschichte 
anheim  gefallen  ist.  Je  grösser  die  Verblendung  dieser 
bedauernswürdigen  Widersacher  war,  um  so  kräftiger 
wnrzelte  die  Liebe  zur  Sprache  bei  den  Slawen.  Keine 
Sprache  der  Erde  hatte  so  viele  Feinde,  erlitt  so  viele 
unverdiente  Unbillen ,  musste  mit  so  vielen  Hindernis- 
sen kämpfen,  verlor  so  viele  Denkmale  der  geistigen 
Lebens-  und  Bildungsgeschichte  durch  Flaunnen  nnd 
Schwerdt;  und  doch  ging  am  Ende  die  imithige  Beharr- 
lichkeit der  Slawen  in  den  meisten  Ländern  siegreich 
aus  dem  Kampfe  mit  Neid,  Hass  und  Barbarei  hervor. 
Als  andere  Völker  das  Evangelium  annahmen,  bequem- 
ten  sie    sich   alle    zur   Ausübung    des  Gottesdienstes   in 


54 

einer    t'reiiKleii,    iiiiversländliclieii    Spriielie ;    die  einzigen 
Slawen    iiiacliten    hierin,    niclit    olnie  grosse  Anstrengun- 
gen ,    von    jeher    eine    Ansnahii\e,    und    priesen    Gottes 
Allmacht  in  ihrer    Muttersprache,     ihre  Sorgfalt  war  un- 
enmUlet    auf   die  Bibel   gerichtet,    die  sie,  dem  grössten 
Theil    nach,    gleich    von    ihren  ersten  Lehrern  des  Chri- 
stenthums,  Kyrill    und    Method,    übersetzt    erhielten,   und 
bis  auf  den  heutigen  Tag  als  das  kostbarste  Kleinod  mit 
religiöser  Scheu  und   Klirfurcht   bewahren.  —   Nicht  min- 
der wichtig   ist    im    Charakter   der   Slawen  der  Zug  der 
Verträglichkeit  und  der  Friedensliette.     So  weit  die  äl- 
teste   Geschichte    dieses    Volkes    über    seinen  Ursprung, 
seine  Sitten,  seine  Thaten  inid  Kriege  einiges  Licht  ver- 
breitet,   finden    wir    nirgends    bei    demselben  die  Brand- 
male   der    Roheit,    Grausamkeit    und    viehischen    Brutali- 
tät;   vielmehr    war    luid    ist  eine  gewisse  stille  Demuth, 
-Milde,    Leutseligkeit    und   Friedfertigkeit  sein  Eigenthum. 
Gaben  gleich  die  Slawen  hie  und  da  glänzende  Beweise 
von   Tapferkeit    und    Heldenmuth,    so  dursteten  sie  doch 
nie    unaufgefordert    nach    Blutvergiessen    und  Verheeren, 
sondern    führten   die  WatFen,    inii   sich  gegen  den  Ueber- 
muth  zu    vertheidigen.     Wol     mögen    andere    darin    ihren 
Ruhm   suchen,  wenn    sie    die   Zahl    der  ermordeten  Für- 
sten   und  Könige,    die    Ströme    vergossenen    Blutes,    die 
Menge    verheerter    Städte   und  geplünderter  Länder  auf- 
zählen   köinien:    die    Geschichte    der   Slawen  kann  dem 
grössten    Theil    nach    nnr    berichten,    wie    viele  Völker 
sie   im    ungestörten   Genuss    des    Friedens    gelassen,  wie 
viele    mit  den  Künsten    luid    Gewerben    der  Häuslichkeit 
und    des    Feldbaus   beglückt  haben.     Auch  sie  kämpften, 
wo    es    darauf  ankam,    herzhaft  und  lujerschrocken,  und 
kämpfen   auch    heute    noch,    aber    nicht  um  andere  freie 
Völker    in    das   Joch    der    Sciaverei    und  Leibeigenschaft 
zu    beugen,    nicht    um    zu     morden,    zu   brennen    und  zu 
plündern;    sondern    um    sich,    ihre    Freiheit    und  Rechte, 
ihren    Fürsten    inid   das    Vaterland,  ihre  Religion  zu  ver- 
theidigen.    Aus   dieser    Figenschaft ,  welche  den  Slaw  en 
zum    wahren    Erdbürger    im  edlern  Siinie  des  Worts  er- 
hebt, lässt  sich    erklären,    warum  er  nie  nach  gewaltsa- 
mer   Unterjochung,    Ausrottung    oder    Umstempelung  an- 


n,V> 


55 

Herer  Nachbarvölker  j;elrach(e(,  vielmehr  sich  uii  die- 
selben enger  und  znfraucnsvollcr  geschmiegt ,  als  es 
seiner  Nationalität  unbeschadet  hätte  geschehen  sollen. 
Nichts  ist  dem  Slawen  fremder,  als  Schimpf  und  Spott  über 
andere  Nationen;  seine  Sprache  hat  nicht  einmal  Wör- v^ 
ter  und  Ausdrücke,  um  lieblos  und  höhnisch  mit  anderer  \^^«'\  ^ 
Völker  Namen,  Tracht.  Sitten  und  Gebräuchen  ein  Ge-  '^y^ 
spotte  zu  treiben.  Man  gehe,  wemi  man  will,  die  in 
das  Fach  der  Länder-  und  Völkerkunde  einschlagenden 
slawischen  Werke  der  Russen,  Polen,  Böhmen  u.  Serben 
durch,  inid  sehe  nach,  ob  in  denselben  etwas  den  wol- 
verdienten  Ruhm  und  die  Nationalehre  anderer  benach- 
barten Völker  Beeinträchtigendes  vorkommt.  Wenn  je 
irgend  ein  Volk  unter  der  Sonne,  so  ist  es  gewiss  der 
Slawe,  der  ruhig  und  friedliebend  Unrecht  lieber  duldet 
als  thut,  andere  lieber  schätzt  als  schimpft,  Beleidigun- 
gen lieber  vergibt  und  vergisst  als  rächt,  dem  Fürsten 
und  der  Regierung  mit  unerschütterlicher  Treue  ergeben 
ist,  und  sollte  gleich  seine  Friedensliebe  und  Demuth 
andere  ungestüme,  übermüthige  Nachbarvölker  veran- 
lassen, sich  oft  harter  Bedrückungen  gegen  ihn  schuldig 
zu  machen.  Denn  allerdings  gibt  es  auch  heutzutage  noch 
viele ,  die  seinen  Namen  und  Ruhm  unablässig  zu  ver- 
dunkeln bemüht  sind,  leichtsinnige  Verläumder  u.  ge- 
dankenlose Nachschreiber,  die  bald  mit  seinen  National- 
sitten «nid  Trachten,  bald  mit  seiner  Sprache  und  Cul- 
tur  ein  schnödes  Spiel  treiben,  verblendete  Lästerer, 
von  welchen  es  scheint,  als  hätten  sie  diesem  grossen 
inid  grossmüthigen  Volk  ewigen,  blutigen  Hass  geschwo- 
ren. Undankbare,  die  uneingedenk,  dass  sie  einst  sla- 
wische Milde  und  Friedensliebe  dem  Zustande  der  Wild- 
heit entrissen  und  in  die  ruhigen  Wohnungen  der  zah- 
men Geselligkeit  eingeführt ,  statt  der  rauhen  Noma- 
dentracht mit  dem  gefalligen  Gew  and  der  Civilisation  und 
milderer  Gesittung  umgehüllt,  ihre  verheerenden  Schwer- 
ter in  nützliche  Pflugscharen  umgestaltet,  und  statt  zu 
phlndern  und  brennen.  Häuser  und  Städte  bauen  gelehrt 
hat,  uneingedenk,  dass  sie  auch  jetzt  noch  einem  gros- 
sen Theile  nach  slawischer  Hände  Schweiss  und  Schwie- 
len ernähren,    dieses    unschuldsvolle,    harmlose,    in  viel- 


56 

faclier  Hinsicht  imglückliclie  Volk  verachten  und  drü- 
cken, und  zur  Schande  der  Menscldieit  sich  mit  dem 
Schimpfworte  herumtragen ,  welches  den  Slawen  bald 
für  einen  ißclaven^  bald  für  einen  Nichtmenschen  erklärt. 
Zu  diesenT  Grundzügen  im  Charakter  der  Slawen 
gesellen  sich  die  übrigen  Eigenschaften,  die  mit  jenen 
vereint  und  zum  Theil  durch  dieselben  begründet  das 
Ganze  des  Charaktergemäldes  ausmachen  ;  ich  meine  die 
schon  oben  berührte  Gastfreiheit,  die  selbst  bei  den  nie- 
drigsten Volksciassen  durchgängig  herrschende  Sittsam- 
keit und  Zucht ,  die  Reinlichkeil  im  Hauswesen,  die 
Einfachheit  und  Gemüthlichkeit  ihrer  häuslichen  oder 
Volksgebräuche,  die  Ehrerbietung  gegen  das  Alter  und 
Verdienst,  die  Treue  in  der  F^reundschaft  und  Ehe,  und 
die  ruhige  Ergebung  in  ihr  Schicksal,  die  alle  einzeln  zu 
beleuchten  nicht  in  den  Kjeis  dieser  Untersuchungen 
gehört.  —  Der  Slawe  keimt  aber  auch  die  Schattenseite 
seines  Volkslebens.  Diese  ist  die  partielle  Brechung  und 
Trübung  der  Charakterstrahlen  bei  einzelnen  Stämmen 
in  tausendjährigem  Unglück.  Es  gefiel  der  göttlichen 
Vorsicht,  dieses  grosse  Volk  während  der  bedeutungs- 
vollen Periode  der  Völkerwanderung  in  eine  Lage  zu 
bringen ,  in  welcher  seine  wehrlose  Friedensliebe  an 
dem  unbändigen  Kraftandrang  wilder  Horden  zu  Trüm- 
mern gehen  musste.  Die  Uebermacht  dieser  Horden  ver- 
anlasste die  unaufhörliche  Verschiebung  der  Gränzen  des 
alten  Slawenlandes,  diese  die  immer  grössere  Zersplit- 
terung des  Volks  und  Vermischung  mit  andern  Nachbar- 
völkern, wodurch  es  ihm  unmöglich  ward,  zu  jener 
scharfen  Volkes  -  Sitten  -  Sprach-  und  Landesbegränzung 
zu  gelangen,  die  sein  Volksthum  durch  eine  dauerhafte 
Verfassung  gesichert  hätte.  Der  Gesellschaftlichkeit  unter 
den  slawischen  Stämmen  fehlte  es  an  Eiiilieit;  der  Baum 
repjiblicanischer  Freiheit,  den  sie  unter  sich  gepflaijzt, 
stand  ohne  Wurzeln,  und  der  Sturm  hat  ihn  ujiigcwor- 
fen.  Von  dem  Meer  abgeschnitten,  fanden  viele  slawi- 
sche Stämme  bald  die  Pulsadern  ihres  Lebens  unterbun- 
den, ihre  schifFbaren  Flüsse  verschlossen  ;  und  auf  Er- 
schöpfung ohne  Mittel  der  Erhohlung  folgte  bald  Schwä- 
che.    Das    Fremde    gewann  immer  mehr   und  mehr  Ein- 


57 

lliiss  auf  das  Eiiilieimischc,  «md  läliiiilo  nicht  nur  von 
oben  herab  —  derui  partielle  Abtrunnij^keit  einzelner 
(irossen  thut,  den  abgefallenen  im-  oder  liberreifen  Fnich- 
ten  gleich,  keinen  Abbrnch  dem  gesunden,  lebenskräf- 
tigen Stamm  —  sondern  vielmehr  von  unten  herauf  das 
Mark  des  Volkes,  indem  es  seine  Nationalität,  die  durch 
nichts  ersetzt  werden  kann,  gegen  die  Stimme  der  Na- 
tur, gebrochen,  getndjt  und  verwischt  hat.  So  wird  die 
Halbheit,  die  nuj-  einzelnen  abgerissenen  Zweigen,  oder 
auch  nur  einzelnen  Individuen  zu  Theil  geworden,  be- 
greiflich und  erklärbar.  Aber  wo  der  gesnndere  Theil 
der  gefallenen  Stämme,  das  Volk,  aus  so  vielen  Stür- 
men und  Gefahren  mit  der  Erinnerung  an  die  grossen 
Züge  ihres  Daseyns  die  glühendste  Liebe  zur  Sprache, 
ein  stolzes  Selbstgefühl  und  sein  Volksthum  rettete ;  da 
kann  man  noch  nicht  alles  verloren  geben.  Darum  und 
nur  im  Bezug  auf  diese  Stämme  mag  Herders  Trostspruch 
auch  hier  seinen  Platz  linden:  „Das  Rad^der  ändernden 
Zeit,  sagt  er,  drehet  sich  imaufhaltsaiii ;  und  da  die  Sla- 
wen grösstentlieils  den  schönsten  Erdstrich  Europas  be- 
wohnen, weiHi  er  ganz  bebanet  und  dei*  Handel  daraus 
eröffnet  würde;  da  es  auch  wol  nicht  anders  zu  denken 
ist,  als  dass  in  Europa  die  Gesetzgebung  und  Politik  statt 
des  kriegerischen  Geistes  immer  mehr  den  stillen  Fleiss 
und  den  ruhigen  Verkehr  der  Völker  unter  einander  be- 
fördern müssen  und  befördern  werden :  so  wei'det  auch 
ihr  so  tief  versunkene,  einst  fleissige  und  glückliche  Völ- 
ker, endlich  einmal  von  enrem  langen  trägen  Schlaf  er- 
nnnitert,  eure  schönen  Gegenden  als  Eigenthum  nutzen, 
und  eure  alten  Feste  des  ruhigen  Fleisses  und  Handels 
auf  ihnen  feiern  dürfen." 

Ueber  den  Grad  der  intellectuellen  und  ästhetischen 
Bildung  des  slawischen  Gesannntvolkes  im  Allgemeinen 
ein  Urtheil  zu  fällen,  ohne  ins  Detail  einzugehen,  ist 
unmöglich  ;  denn  es  leuchtet  .Jedermann  ein,  dass  in  den 
so  weit  aus  einander  liegenden  slawischen  Ländern  und 
bei  den  verschiedenen  Volksclassen  hierin  die  auffallend- 
ste Verschiedenheit  und  der  grösste  Contrast,  unbescha- 
det der  Civilisation  des  Ganzen,  statt  finden  muss.  Die 
Natur    entzog    diesem    grossen  Volk  keines  der  Talente, 


58 

iiii(  welchen  sie  andere  Krdbewoliiicr  ausgestattet  hat ; 
lind  dass  diese  Talente  nicht  unbenutzt  und  vergraben 
liegen,  sondern  Künste  und  Gewerbe,  Industrie  u.  Han- 
del bei  den  meisten  Stännnen  niannigtaeh  bhdien.  kann 
wol  jeder  sehen,  der  Augen  hat,  wenn  mari  gleich  gerne 
zugesteht,  dass  dieselben  bis  jetzt  nicht  diejenige  Stufe 
der  Vollkoimiienheit  erreicht  haben,  auf  welcher  sie  bei 
einigen  andern  Nationen  Europas  stehen.  Die  Slawen 
haben  in  allen  Fächern  und  Verhältnissen  des  cultivir- 
ten  Lebens  einzelne  Männer,  als  Fürsten  und  Helden, 
Staatsmänner  und  Priester  ,  Gelehrte  und  Künstler, 
Handwerker  nnd  Kaufleute ,  Bauern  und  Ackersleute 
aufzuweisen,  die  jenen  anderer  Länder  nicht  im  minde- 
sten nachstehen;  sollte  gleich  diese  Cidtur,  den  Zeit- und 
Ortumständen  nach  ,  noch  niclit  unter  allen  Stämmen 
und  bei  der  grossen  Masse  des  Volks  auf  gleiche  Weise 
durchgreifend  seyn,  oder  auf  dem  Gipfel  des  Glanzes 
sich  befinden.  Aber  auch  diese  grosse  Masse  des  Volks 
geniesst  überall,  selbst  in  der  Türkei,  die  Früchte  der 
christlichen  Civilisation;  und  was  im  Laufe  der  neuesten 
Periode  für  die  höhere  Civilisation  des  slawischen  Volks 
in  Russland.  Polen,  Preussen  und  Oesterreich  geschah, 
und  mit  dem  ndnnlichsten  Bestreben  noch  geschiebt,  ist 
allbekannt.  Die  deiiuiach  über  die  Roheit  des  slawischen 
Volks  schreien,  bedenken  nicht,  dass  der  Stufengang  in  der 
Ausbildung  und  das  Fortschreiten  zum  Bessern  ein  von 
der  Natur  bezeichneter  Weg  sey,  indem  durch  die  all- 
zuschnelle  (ivilisinnig  einer  grossen  Masse  mancher  Ring 
in  der  Kette  der  gleichmässigen  Entwickelinig  übersprun- 
gen werden  müsste,  weini  die  Bildung  einer  jeglichen 
Volksclasse  nicht  gleichen  Schritt  mit  der  Vervollkomm- 
nung aller  übrigen  gehen  tnöchte.  Den  Massstab  zur 
Beiirtlieilung  der  geistigen  Bildungsstufe  einzelner  Stäm- 
me wird  die  l  ebersicht  ihrer  Literatur  geben.  '^) 


*)  Im  All^.  —  (las  Hpecicllo  gehört  in  die  Literatur  einzelner  Stäm- 
me —  vgl.  F.  Diiricfi  iiibl.  slav.  p.  28  -  39.  Dobrou.'sk>/.'>  Slawin  und  Slo- 
wanka  a.  m.  0.  T^ikovjiecki's  prawda  ruska  Th.  1.  Ä.  Junamann."  kdo 
('■inj,  kdo  trpj  kriwduV  in  /.  Pred's  Krok  Hf(.  o.  S.  61-67.  J.  Kollar.< 
dobre  wlastnosti  närodn  slowanskeho,  w  Peäti  822.  8.  Ueber  die  österr. 
Slawen  :  {J.  Rohrer's)  Versuch  über  die  slaw.  Bewohner  der  österr.  ISIo- 
jiarchie,  Wien  804.  2.  Th.  8. 


59 

§.  6. 

Schicksale  und  Zustand  der  literarischen  Cultur  der  Slawen 
im  Allgemeinen. 

Die  slawischen  Mundarten  sind  weder  alle  zu  glei- 
cher Zeit,  noch  einzelne  mit  ji;leicheni  Glück  gebildet  und 
angebaut  worden,  lieber  die  Stufe  der  Geistes-  inid  hie- 
mit  auch  der  Sprachbildung  der  heidnischen  Slawen  las- 
sen sich  nur  wenige,  mehr  oder  minder  zuverlässige 
Vermuthungen  wagen,  auf  die  schon  oben  verwiesen 
worden  ist,  und  auf  die  wir  unten  zurückkommen  wer- 
den. Mit  der  Bekehrung  der  Slawen  zum  Christenthiniie 
beginnt  eine  neue  Epoche  in  ihrer  Culturgeschichte. 
Die  südlichen  Slawen  waren  die  ersten^  die  durch  grie- 
chisch^~uiii3~^  italienisch-teutsche  Mönche,  ungewiss  wenn, 
aber  gewiss  geraume  Zeit  vor  Kyrill  und  Method,  her- 
nach am  zweckmässigsten  durcii  diese  selbst,  in  dem 
Christenthume  imterrichtet  worden  sind.  Um  diese  Zeit 
bekamen  die  Slawen  entweder  zu  allererst,  oder  doch 
aufs  neue,  nach  dem  Verluste  ihres  indisch-slawischen 
Uralphabets,  von  Griechenland  aus  „die  göttliche  Wol- 
that  der  Buchstaben,  diese  Vorbedingung  aller  Cultur!*' 
Der  Stern  eines  neuen  geistigen  Lebens  ging  den  Slawen 
in  Serbien,  Bosnien,  Bulgarien,  Pannonien  und  Mähren 
auf.  Kyrill  und  Method  lasen  die  Messe  in  der_Landes- 
sprache ;  und  der  Dialekt  der  zwei  ßrüderapostel,~cTes- 
sen  sie  sich  bei  Uebersetzung  der  h.  Bücher  bedienten, 
war  auf  dem  Punkte,  wie  späterhin  in  Italien  der  tosca- 
nische  und  der  obersächsische  in  Teutschland,  für  im- 
mer zur  Büchersprache  der  Slawen  erhoben  zu  werden, 
und  so  wenigstens  eine  geistige  Genieinschaft  unter  den 
losen  Theilen  der  so  weit  verbreiteten  Nation  zu  bilden: 
als  plötzlich  der  Zwist  der  morgen-  und  abendländischen 
Kirche  der  Sache  eine  ganz  andere  Wendinig  gab,  luid 
die  schöne  Hoffntnig  vereitelte.  Die  Böhmen  und  Polen, 
von  Priestern  der  römischen  Kirche  zum  Christenthume 
bekehrt,  nahmen  das  kyrillische  Alphabet  nie  ganz  an, 
sondern  erhoben  nach  «nid  nach  ihre  eigene  Mundart 
zur  Schriftsprache,  inid  bedienten  sich   sofort   der  lateini- 


60 

sehen  Seliriftzüge  iiaeli  eigener,  lateinisch  -  tentoniseher 
(nmhination.  Das  Kyrilliselie  wurde  sogar  in  Pannoriien 
und  Daliiiatien,  dessen  Bischof  nocii  bei  Lebzeiten  iMe- 
tiiods  für  sein  Land  eine  Absciuift  des  übersetzten  Psal- 
ters nehmen  Hess,  hart  bedrängt,  und  ein  Theil  dieser, 
von  den  Verfechtern  des  Latinismus  behaupteten  Pro- 
vinzen, nahm,  da  ihm  später  die  Ausübung  des  Gottes- 
dienstes in  der  Landessprache  auf  vielfaches  Dringen  be- 
willigt wurde,  das  glagolitische  Alphabet  an;  während 
sich  der  andere,  bei  weiTeiTi  grössere  Theil  die  lateini- 
schen Charaktere  nach  beliebiger  Combination  zur  Schrift 
aneignete.  Nur  Serbien  und  Russland,  wohin  Kyrills 
Alphabet  und  Bibelübersetzung  hundert  Jalire  nach  des- 
sen Entstehen  verpflanzt  wurde ,  ferner  die  Moldan, 
Walachei,  und  ein  Theil  von  Pannonien  und  Polen, 
blieben  dem  kyrillischen  Alphabet  und  der  altslaw.  Kir- 
chensprache getren.  So  ward  das  Anschicken  dieser  gi- 
gantischen Nation,  bei  gleicher  Religion,  gleicher  Schrift- 
sprache nnd  —  warum  nicht  auch  unter  einem  einzigen 
Oberhaupte?  ein  Ganzes  zu  werden,  durch  unvorgese- 
hene Stürme  zerstört.  Aber  es  folgten  ihrer  noch  andere 
nach  Kyrills  schöner  iMorgenröthe.  Das  eigentliche  und 
grösste  Unglück  für  die  slawische  Nation  und  ihre  schöne 
Sprache  war,  dass  diese  friedlichen  Ackei-  und  Han- 
delsleute, die  im  Bewusstseyn  ihrer  Unschuld  vergessen 
hatten  auf  Kriegsfälle  vorzudenken,  im  Süden  von  Ma- 
gyaren und  Türken,  im  Westen  von  Teutschen,  und  im 
Osten  von  Mongolen,  zwar  nicht  zu  gleicher  Zeit,  aber 
mit  desto  gleicherem  Erfolge  unterjocht  wurden,  und 
dass  nun  am  Throne  und  in  allen  Staatsfunctionen  die 
Sprache  des  ausländischen  Siegers  herrschte,  die  arme 
eingeborne  aber  in  die  Hütte  des  leibeigen  erklärten  Be- 
siegten vertrieben  ward  *). 

Nach  der  Trennung  arbeitete  nun  jeder  Stairnii  für 
sich,  so  gut  er  konnte,  an  der  Ausbildung  der  Sprache 
fort;  aber  vereinzelt,  getrennt  und  einanrler  fremd  ge- 
worden durch  Religion  und  politische  Verhältnisse.  Russ- 
land,   durch    Kyrills    Bibelübersetzung   luid  Liturgie  ver- 

')  Vgl.  B.  K(^fätar\s  Gramm,  der  slaw.  S])rache  in  Krain,  Kärnten 
u.  Steiermark,  Laibach  808.  8.  Einl.  S.  XII.  if. 


61 

aiilasst,  bedieiile  sich  im  Schreiben  .lahrhmiderlc  lang, 
den  Serben  «gleich,  des  kviillischeii  Kirchendialekts,  und 
hat  einige  scliöne  Denkmale  der  t'ndie.slen  Geistcscultur 
ans  dem  Fache  der  Theologie,  Poesie,  Gesetzgebjing 
und  Geschichte  ant'zuu  eisen.  Die  l.,itera(nr  der  dalma- 
tisch-kroatischen (jlagolilen  hingegen  blieb  vtnn  Anfang 
her  lediglich  anf  Heligionsbücher  beschränkt.  Desto  mehr, 
da  hier  die  Ilemiiuing  geringer  war,  wnrzelten  die  Kei- 
me einer  literarischen  Cultnr  in  Polen,  und  noch  früher 
in  Böhmen.  Dieses  bildete  seinen  Dialekt  schon  im  Xlll. 
und  XIV,  noch  mehr  aber  im  XV.  .lahrh.  zu  einem  iio- 
hen  Grade  der  Vollkommenheit  aus;  das  XVI.  Jahrb. 
war  nicht  minder  der  Nationalcultur  günstig ;  aber  mit 
dem  darauf  folgenden  30jährigen  Krieg  und  den  Reli- 
gionsspaltungen  verfiel  die  Cultur  in  Böhmen  gänzlich. 
Polen  freuete  sich  eines  schönen  Wachsthums  der  Spra- 
che das  ganze  XVI.  Jahrb.  hindurch;  es  war  im  eigent- 
lichsten Sinne  das  goldene  Zeitalter  der  polnischen  Li- 
teratur, welches  bis  in  die  Mitte  der  Regierung  Sigis- 
munds  III.  (7  1632}  reicht.  Mit  ihm  trat  ein  Schlum- 
mer ein,  der  bis  August  III.  (7  1763)  währte.  Die 
Winden  in  Krain,  Kränten  und  Steiermark  fingen  zwar 
kurz  nach  der  Reformation  an,  das  Studium  der  Spra- 
che zu  betreiben;  aber  in  deji  bald  darauf  erfolgten 
Religionsstürmen  erstarb  die  angefangene  Cultur.  Eben 
so  wenig  gesciiah  im  Ganzen  während  der  mongolischen 
Periode  in  Russland,  und  unter  der  Herrsciiaft  der  Tür- 
ken in  Serbien.  Erst  mit  dem  Ausgang  des  XVII.  Jahrb. 
fingen  die  Russen  an  neben  der  Kirchensprache  auch  in 
ihrer  Landesmundart  Bücher  zu  schreiben.  Und  sclion 
seit  1700  übertreffen  sie  in  ihrem  Bücherwesen  die 
Böhmen,  nachdem  diese  bereits  1620  den  Sieg  den 
Polen  gelassen.  Seitdem  schreitet  die  Nationalcultur  und 
hiemit  auch  der  literarische  Sprachenbau  in  Russland 
glücklich  vorwärts.  Bei  den  österreichischen  Serben  fin- 
gen um  1764  einige  patriotische  Männer  an,  der  Bil- 
dung der  Sprache  und  des  Volks  Bahn  zu  brechen.  Die 
etwa  hundert  Jahre  früher  auch  in  literarischer  Flinsicht 
fröhlich  blühende  kleine  slawische  Republik  Ragusa  er- 
reichte   ihr    Ende :    Dalmatien,    Kroatien,  Slawonien  und 


62 

die  von  Sorben-Weiideii  bewolmlei)  Lau.sitze«.  woselbst 
sich  zur  Zeit  der  Keformatioii  die  Hausimnidart  zur 
Schriftsprache  erhoben,  blieben  in  der  neuern  u.  neue- 
sten Periode  so  zieiMÜch  arm  an  (jeistesproducten  ;  die 
Slowaken  in  Ungern  liingegen.  seit  der  Kelbrmation  in 
der  Schriftsprache  mit  den  Böhmen  vereinigt,  genossen 
stets  in  vollem  iVlaasse  die  Früchte  fies  Sprachanbaues, 
die  ihnen  das  benachbarte  Böhmen  dargeboten. 

Allein  so  gross  die  Liebe  unserer  Vorfahren  zur 
Sjirache  war,  und  so  hoch  die  Werke  der  Ausbildung 
einzelner  Dialekte  in  frrdieren  glücklichen  Jahrhunderten 
gestellt  werden  mögen  ;  so  waren  diese  doch  immer  nur 
Vorbereitungen  zu  einer  höheren  Stufe  der  Nationalcul- 
lur  und  Nationalliteratur  der  Slawen:  ein  regeres  gei- 
stiges Leben  entwickelt  sich  bei  den  ineisten  slawischen 
Stämmen  seil  dem  Anbruch  des  XIX.  Jahrb.,  und  es  ist 
zu  hoffen,  dass  bei  dem  dauerhafter  als  je  befestigten 
allgemeinen  Frieden  in  Europa,  auch  die  beglückenden 
Künste  der  friedlichen  Musen  fröhlicher  als  je  tinter  den 
Slawen  gedeihen  werden.  Die  grössten  literarischen  Schä- 
tze besitzen  dermalen  inistreitig  die  Russen  und  Polen, 
auf  welche  in  einiger  Entfernung  die  Böhmen  folgen. 
Es  gibt  kein  aid'  die  geistige  ("ivilisation  der  fiesammt- 
masse  eines  Volks  kräftiger  einwirkendes  Mittel,  und 
zugleich  kein  bleibenderes  Denkmal  der  Ausbildung  der 
Sprache,  als  die  Bücher  des  Cultiis,  die  Bücher  der  Ke- 
ligion.  Die  Slawen  köiiiieii  sich  rühmen,  die  h.  Lrkun- 
den  der  christlichen  Religion  in  solchen  lebersetzungen 
zu  besitzen,  die  das  W  ort  der  W  ahrheil  seit  einer  Reihe 
von  Jahrhunderten  in  ursprünglicher  Reinheit  und  ewig 
jugendlicher  Frische  und  Kraft  täglich  zum  Leben  wer- 
den lassen.  Die  Bibelüberselzungen  der  Russen  und  Ser- 
ben,  der  Polen,  Böhmen.  Winden  inid  Sorben  sind 
zugleich  eine  unerschöplliche  l'undgrube  und  classisches 
Muster  der  Sprache  desjenigen  Stammes,  dem  eine  jede 
derselben  angehört.  Kein  Volk  hat  so  viel  Sorgfalt  und 
Fleiss  auf  die  Reinhaltung  und  Veredlung  dieser  göttli- 
chen Wohlthat  verwendet,  als  die  Slawen.  Nationalpoesie 
ist  afierkannt  die  erste  Bildungsstufe  eines  zum  Bewusst- 
seyn    eines    höheren  geistigen  Lebens  erwachten  Volkes 


63 

und  von  der  Natuipoesie  ans  geht  der  Weg  diircli  ihre 
veredelten  Formen  in  die  geheiligten  [lallen  der  stillen, 
ernsten  Wissenschaften.  Die  Natnrpoesie  ist  uol  bei 
keinem  Volke  mehr  zu  Hanse,  als  bei  den  Slawen: 
aber  auch  die  kunst reichern  Musen  des  alten  Hellas  und 
Kom  dürften  sich  neben  ihrem  Homer  und  Horaz  so 
manches  altern  oder  neuem  slawischen  Sängers  nicht 
schämen.  An  die  .Sprache  der  Dichtkunst  schliesst  sich 
unmittelbar,  obgleich  etwas  später ,  die  Sprache  der 
Beredsamkeit  an.  Auch  hier  din-fte  selbst  Demosthenes 
und  Ciceros  hinreissende  Suada  ,^an  Potockis  rednerischem 
Genius  einen  Geistesverwandten  Hilden;  Was  das  erha- 
bene Feld  der  Volkslehrer,  der  Forscher  und  Weisen 
anbelangt ,  so  beut  dem  Vaterlandssohne  die  goldene 
Ernte  einiger  „Vorläufer"  so  viele  der  Gaben  dar,  als 
nöthig  ist,  des  Geistes  heisse  Sehnsucht  zu  stillen,  ohne 
durch  Uebersättigung  den  Muth,  selbst  an  die  Aussaat 
auszugehen,  zu  verlieren.  Theologie ,  Philologie,  Phi- 
losophie, Politik,  Rechtskunde ,  Mathematik ,  Naturkun- 
de, Medicin  und  Geschichte  saiinnt  ihren  Hilfswissen- 
schaften haben  im  Allgemeinen  bei  den  Slawen  in  den 
neuesten  Zeiten  wackere  Bearbeiter  gefunden  ^).  Ein 
angenehmes  Gefühl  bemächtigt  sich  bei  der  Betrachtmig 
der    neuesten    Epoche    in   der  Nationalcultur  der  Slawen 


-)  Es  darf  nicht  uuberaerkt  gelassen  werden,  dass  bei  dem  allge- 
meinen Wiedererwachen  der  slaw.  Literatur  ein  grosser  Theil  der  Schrift- 
steller sein  Augenmerk  auf  den  formellen  Theil  der  Sprachbiidung,  auf 
Grammatiken  und  Wörterbücher  richtet,  was  für  die  Zukunft,  wenn  die 
rege  gewordene  Masse  von  Meinungen  und  Untersuchungen  eine  festere  Ge- 
stalt gewonnen,  und  der  ganze  slaw.  Sprachschatz  in  seiner  Gediegenheit 
und  Reinheit  beisammen  seyn  wird,  gewiss  nicht  ohne  grosse  Folgen  blei- 
ben wird.  Nur  ist  zu  wünschen,  dass  man  hiebei  des  materiellen  Theils 
des  Sprachanbaues ,  der  durch  Wort  und  Schrift  zu  befördernden  Vnlks- 
und  Natioualbildung  nicht  vergessen  möge.  Nie  ist  die  slaw.  Philologie  mit 
so  viel  Kritik  und  Einsicht  bearbeitet  worden,  als  in  den  neuesten  Zeiten 
von  den  Hrn.  ^obrowsln.  Koj)itar,  Linde,  Bj,ütkie ,  Siskow .  Wostoknw 
u.  m.  a.  Hrn.  Doürowslys  unsterbliche  Verdienste  um  die  slaw.  Sprachfoi- 
schung  haben  einer  umsichtigem  und  gründlichem  Grammatologie  und  Le- 
xicologie  die  Bahn  gebrochen  ;  und  zu  einem  vollständigen  Cyclus  gram- 
maticarum  symphonarum  et  lexicorum  symphonorum  gehören,  nächst  der! 
Dobrowsky sehen  Grammatik  für  das  Altslawische  und  Böhmische,  der  Puch-| 
Hiayerschen  für  das  Russische,  und  der  Metelko'schen  für  das  Windische 
nur  noch  eine  zu  erwartende  polnische  und  serbische  nach  dieser  Methode, 
ferner  ein  vergleichendes  Wörterbuch  für  alle  Mundarten,  wie  es  Hrn. 
Lindes  vortreffliches  Werk  für  die  polnische  ist.  Wer  wird  diese  grossen 
Erwartungen  nach  und  nach  erfüllen  V  — 


64 

jeder  patriotisch  fiihlcnden  Brust.  Mau  kann  nicht  (im- 
hin,  zu  gestehen,  dass  die  Begeisterung  für  eine  so  scliö- 
ne  und  heilige  Sache,  die  wo  nicht  die  Masse  der  I2in- 
zelstäinme  selbst,  so  doch  die  vorzüglichem  Glieder  der- 
selben zum  regeren  Leben  geweckt  hat  ,  nach  einem 
trüben  Morgen  dem  zwar  tapferen,  aber  friedliebenden 
Volke  einen  sonnigen  Tag  bri.^gen  wird,  ehiem  Volke, 
in  dessen  ganzem  Leben  so  viele  Anklänge  des  jugend- 
lich -  poetischen  Griechenthujns  wieder  tönen,  und  das 
nur  noch  der  .Stufe  der  ästhetischen  und  wissenschaftli- 
chen CuJtin-  ermangelt,  auf  der  einst  die  Griechen  stan- 
den, um  diesen  in  der  Kealisirung  der  Idee  eines  reinen 
Mensehenthums   nahe  zu  kommen. 

Aber  wie  ungleich  sind  die  das  geistige  Leben  ge- 
staltenden Umstände  der  (kriechen  inid  Slawen!  Jeder 
der  griechischen  Stämme  schrieb  zwar  in  seiner  Mund- 
art, wie  die  Slawen,  aber  alle  Stämme  gebrauchten  ein 
und  dasselbe  Alpliabet,  eine  und  dieselbe  Orthographie!  — 
Und  die  Slawen!  —  Erstlich  hat  der  doppelte  Religions- 
ritus (denn  die  Protestanten  folgten  der  von  den  katho- 
lischen Slawen  gewäldten  Methode),  bei  ihnen  auch  ein 
doppeltes  Alphabet  festgesetzt,  nämlich  das  kyrillische 
(wovon  das  glagolitische  der  katholischen  iriyrrer  nur 
eine  inikenntliche  Abart  ist),  und  das  lateinische.  Hierin 
ist  einmal,  nach  menschlicher  Wahrsciieinlichkeit,  nißllj 
leicht  eine  Wiedervereinigung  zu  hoffen.  x\ber  noch  im- 
mer sind  diese  zwei  lliuiptliälften  einzeln  ungleich  grös- 
ser, als  manche  andere  Nationen  Europas,  deren  Spra- 
che inid  Literatur  doch  selbständig  blühen.  Die  lateini- 
sche Hälfte  hätte  noch  den  Vortheil  vcr  der  kyrillischen, 
dass  sie  diucli  Aiuiahme  des  lateinischen  Alphabets,  wel- 
ches man  das  europäische  neinien  könnte,  sich  die  Com- 
munication  und  Annäherung  der  übrigen  gebildeten  E»i- 
ropäer  erleichtert.  Aber  unglücklicherweise  geschah  diese 
Annahme  bei  den  von  jeher  politisch  gel  rennten,  inid 
ausser  allem  wechselseitigen  Verkehr  lebendeji  Zweigen 
der  lateinischen  Hälfte  nur  einzeln,  ohne  gegenseitige 
Notiznehmung,  und  folglich  mit  ungleichförmiger,  oft 
gerade  entgegengesetzter  (z.  B.  cz-  Pol.  statt  «i,  ('roat. 
statt  \\,    sz    Pol.    statt    m,    Croat.    statt    cj   Combination 


Ö5 

der  lafeiiiisclien  Biiclistaben  zur  Darstellunnj  der  original- 
slawischen  Töne;  welches  maclit,  dass  nun  diese  Zweige 
eines  des  andern  Bücher  nicht  lesen  können.  Das  latei- 
nische Alphabet  hatte  nändich  weniger  .Schriftzeichen, 
als  die  slaw-ische  Sprache  brancht.  Was  tliaten  nun  die 
Ottfriede  der  abendländischen  Slawen!  Diesen  fiel  es 
nicht  ein,  dass  das  lateinische  Alphabet  zu  ihrein  Be- 
darf nicht  hinreicht;  sie  kannten  die  Buchstaben,  aber 
flicht  den  Geist  des  Alphabets :  statt  also  wie  Kyrill 
(denn  auch  das  griechische  Al|)habet  hatte  nicht  genug 
Zeichen  für  slawische  Laute),  für  neue  Töne  auch  nene 
Buchstaben  zu  erfinden,  suchten  sie  durch  Aneinander- 
hänfung  mehrerer  einen  dritten,  von  dem  Tone  jedes 
der  so  zusammengehäuften  Buchstaben  wieder  verschie- 
denen Ton  darzustellen.  Dadurch  geschaii  es,  dass  ganz 
wider  den  Geist  der  Bnchstabenschrift  fast  jeder  Buch- 
stabe bald  diesen,  bald  jenen  Ton  vertrat,  je  nachdem 
er  diesen  oder  jenen  Buchstaben  zum  Nachbar  hatte. 
Man  köinite  sich  damit  trösten,  dass  auch  die  Orthogra- 
phie der  Italiener,  Teutschen ,  Franzosen ,  Engländer 
n.  s.  w^.  auf  diese  Weise  entstanden;  aber  alle  diese  ha- 
ben bei  aller  Schwerfälligkeit  und  ünbehilflichkeit  der 
Combination  doch  wenigstens  ein  und  dasselbe  Schrei- 
besystem; während  die  Slawen,  wie  schon  gesagt  wor- 
den, in  Krain  eines,  in  Dalmatieu  ein  anderes,  in  Kroa-  /^^ 
tien  ein  drittes,  in  Böhmen  ein  viertes,  in  Polen  ein  Ujftf^ 
fünftes  nnd  in  den  Lausitzen  ein  sechstes  haben.  Noch  "  ^  - 
mehr:  in  Dalmatien  selbst  z.  B.  schreibt  ein  Dellabella  '^^^^^ 
auf  eine  Weise,  ein  Voltiggi  auf  eine  andere,  und  noch  ,^,4-r*^^ 
andere  wieder  anders;  dasselbe  findet  in  dem  Windi-  ^«^ 
sehen  bei  Bohorizh  nnd  P.  Marcus  statt ;  selbst  die  Sla- 
w^onier  mischen  in  Katechismen  und  andern  Schulbü- 
chern ihrer  sonst  dalmatischen  Orthographie  unnöthi- 
gerweise  kroatische  Buchstabenverbindungen  bei ,  und 
schreiben  so  weder  dalmatisch  noch  kroatisch;  die  Sor- 
benwenden in  der  Ober-  und  Niederlausifz  weichen  eben- 
falls in  einigen  Kleinigkeiten  von  einander  ab;  und  was 
würde  man  erst  von  den  Böhmen  und  Polen  sagen  müs- 
sen, wenn  man  hier  die  Schreibart  eines  Kochanowski, 
Gornicki,  Januszowski,  Dmochowski,  Kopczynski  u.  m.  a., 
dort  die  Orthographie  eines  Hus,  Weleslawjn^,  der 
böhmischen    Brüder  ,    Dobrowsky ,     Tomsa  ,      Hromädko 

5 


Gö 

u.  a.  m.  gegen  einander  halten  wollte!  Dadurch  werden 
Wörter  unkenntlich,  die  nicht  nur  einerlei  sind,  son- 
dern auch  auf  einerlei  Art  ausgesprochen  werden.  Diese 
unselige,  in  der  Isolirtheit  der  ersten  Sclireibeineister 
gegründete  Discordanz  ist  jedem  Slawenfreunde  ein  Aer- 
gerniss,  sie  schreckt  den  lernbegierigen  Ausländer  ab, 
sie  ist  das  grösste  so  unglücklicherweise  selbstgeschaffene 
Hinderniss  vereinigter  Fortschritte  bei  der  lateinischen 
Hälfte.  Die  Gelehrten  jedes  unserer  Dialekte  klagen  aus 
einem  iMunde  über  diesen  verderblichen  Missbranch  ^3- Es 
wird  zur  Erläuterung  des  Gesagten  nicht  undienlich  seyn, 
alle  slawische  Alphabete  unter  eine  Uebersicht  zu  bringen, 
ohne  hiedurch  eine  erschöpfende  Yergleichung  der  Ortho- 
graphien oder  Schreibsystenie  aller  Dialekte  zu  beabsich- 
tigen ;  deini  diese  würde  ausser  dem  Parallelismus  der  blos- 
sen Buchstaben  auch  die  Zusammenstellung  der  combiuir- 
ten  Consonanten,  Diphthongen  u.  s.  w.  auf  einer  und  dersel- 
ben Tafel  erfordern,  so  dass  mittelst  derselben  aus  allen 
Schreibsystemen  in  alle  übersetzt  werden  könnte.  So  eine 
Tafel,  die  gleichsam  den  Schlüssel  zu  einer  vergleichenden 
Grammatik  der  slawischen  Gesammtsprache  bilden,  aber 
auch  für  das  Studium  einzelner  Dialekte  nicht  ohne  we- 
sentlichen Nutzen  seyn  würde,  bleibt  füglich  den  Sprach- 
werken dieser    Art  selbst  anhcimgestellt.'-'j 


')  B.  Kopitar's  Grammatik  S.  XX.  if. 

*)  In  der  vorliegenden  Tabelle  konnten  z.  B.  weder  die  in  der  letzten 
Zeit  bei  den  Serben  versuchten,  aber  noch  nicht  allgemein  angenommenen 
neuen  Zeichen  für  die  mit  dem  weichen  Jer  afficirten  Mitlaute  C*;  für  Tl»  u.  s- 
w.)  noch  die,  allerdings  sehr  schwankenden  Abweichungen  der  bei  den  Sla 
woniern  gangbaren  Schreibweise  von  der  dalmatischen  u.  kroatischen,  nocb 
endlich  die  Verschiedenheit  der  glagolitischen  Uncial- und  Cursivschrift  dar- 
gestellt werden.  Auf  gleiche  Art  ist  in  derselben  der  numerische  Werth  der 
kyrillischen  Buchstaben,  den  mau  sich  Behufs  des  Lesens  altslawischer  Hand- 
schriften u.  älterer  Drucke  geläufig  machen  muss,  übergangen  worden,  der- 
selbe richtet  sich  nach  dem  griechischen  folgendermassen :  a  1,  B  2,  r  .3,  ;^    4, 

e5,  5^6,^7,  -SS,  ^9,  r  10,  .;;  11,  K^  12,  V.  13,  etc.  1:20, 
^^21,  Ta  22,'ir23,  etc.,  TaO,  «^40,  .Voü,  gGO, '^70,  n  80, 
.rOO,    5*100,  r200,  7300,  ^400,  J  500,  ^600,  J  700,  »  800, 

m900,  ^riOOO,  ^b2000,  /r'aOOO,  etc.  In  der  Reihe  der  kyrillischen 
Buchstaben  steht  5  nachHv  ,  »  nachj,  JJ3  nach  N,  die  übrigen  drei  ©,  ^ 
•^'  nach  A.  —  Das  auf  der  böhra.-  mähr.-  slowakischen  Columne  angeführte 
mouillirte  f  gehört  eigentlich  den  Böhmen  und  Mährern  nicht  aber  den  Slo- 
waken an,  die  es  zwar  in  der  Schrift  der  böhm.  Grammatik  zufolge  zu 
bezeichnen,  aber  keineswegs  auszusprechen  pflegen.  Auch  ist  zu  bemerken, 
dass  die  Böhmen  und  Slowaken,  den  Polen  gleich,  seit  einigen  Jahren  statt 
der  Schwabacher-Buchstaben  schon  häufig  die  gefälligem  lateinischen  in  Schrift 
u.  Druck  gebrauchen,  u.  in  Zukunft  hoffentlich  immer  mehr  gebiauchon  werden. 


67 


Ueb  ersieht  der  slawischen 

Ali)habete. 

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08 


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69 

Aus  dieser  Tafel,  auf  der  die  bloss  dem  Altslawi- 
schen eigenen,  in  dem  Neuriissisclien  und  Neuserbisclien 
nicht  gebräuchlichen  sechs  kyrillischen  Buchstaben  den 
letzten  Platz  erhielten,  kann  man  ungefehr  die  Folge- 
widrigkeit der  Bezeichnung  eines  und  desselben  Lautes 
in  verschiedenen  Mundarten  abnehmen.  Bei  so  bewand- 
ten Umstünden  ist  es  sehr  schwer,  sich  aller  Wünsche 
zu  enthalten,  aber  noch  ungleich  schwerer,  einen  aus- 
zusprechen. Es  ist  im  Käthe  der  Vorsehung  beschlos- 
sen, dass  die  Slawen  nicht  der  einstämmigen  Palme,  son- 
dern der  vielästigen ,  weithinschattenden  Eiche  gleich, 
in  die  grösste  iMaiinigfaltigkeit  der  Verzweigungen  auf- 
gelöst, vielgestaltig  emporblühen,  und  Früchte  verschie- 
dener Art  tragen  sollen.  Von  diesem  Slandpunct  aus 
betrachtet,  ist  die  Vielzweigigkeit  des  slawischen  Volks- 
und Spraclistammes  sogar  ein  Vorzug,  der  zwar  die  Ge- 
sammtbildung  der  Nation  um  einige  Jahrhunderte  ver- 
späten kann,  aber  sie  dereinst  nur  desto  schöner,  durch 
Verhütung  der  einseitigen  Bildung  der  Kräfte  oder  ih- 
rer Richtung  nach  einem  Puncto  ,  zum  Ziele  führen 
wird.  Rastloses  Fortschreiten  in  der  Sprach-  und  Volks- 
bildung der  getrennten  Stämme,  und  gegenseitige  Be- 
nutzung des  vorhandenen  gemeinschaftlichen  Sprachscha- 
tzes ist  wol  der  nächste  Wunsch,  den  man  hegen  kann. 
Zunächst  an  diesen  würde  sich  dann  der  reihen,  der  im 
Laufe  der  Zeit  ohne  gewaltthätige  Reformen  zu  bcAverk- 
stelligenden  Vereinfachung  und  Einigung  der  latinisiren- 
den  und  teutonisirenden  slawischen  Schreibsysteme  zwar 
willig  die  Hände  zu  bieten;  ohne  jedoch  jetzt  schon  an 
die  Vermittlung  des  lateinischen  und  kyrillischen  Alpha- 
bets, und  Herstelhnig  sowol  einer  allgemeinen  gleich- 
förmigen Orthographie,  als  auch  einer  gemeinschaftli- 
chen Büchersprache,  einer  wahren  Pasigraphie  im  zwei- 
fachen Sinne  des  Worts,  zu  denken  *J.  Ist  es  aber  dem 
wärmeren  Slawisten  gestattet,  fromme  Wünsche  unmass- 
geblich auszusprechen,  so  gestehe  ich,  dass  nach  meiner 

*)  Es  ist  sonderbar,  dass  während  Grotefend  das  kyrillische  Alpha- 
bet zur  Bezeichniinir  der  mannigfaltigen  Laute  in  den  orientalischen  Spra- 
chen vorschlägt,  und  Klaproth  in  s.  Asia  polyglotta  zu  diesem  Zwecke  das 
■-K.  III  und  H  wirklich  aufnimmt  ,  einige  slaw.  Philologen  füi'  die  slaw. 
Laute  21,  111,  undM    noch  immer  Zeichen  suchen. 


70 

innigen  Ueberzeugung  das  kyrillische  Alphabet  sich  meljr 
zu  einer  Pasigraphie  für  Slawen  eigne,  als  das  lateini- 
sche, und  dass  demnach  jenem  in  dieser  Hinsicht  der 
Vorzug  gcbidire.'') 

§.  3- 

Uebersicht  einiger    Beförderungsmittel   der  Literatur  unter 

den   Slawen. 

Zu  den  vorzüglichsten  Bi'fördernngsmitteln  der  lite- 
rarischen Cultur  gehören  unstreitig  nächst  (\er  politischen 
Selbständigkeit  und  dem  auf  Industrie  und  Fiaodel  ge- 
gründeten Wolstand  des  Landes  vorzüglich  folgende : 
gut  eingerichtete  Unterrichtsanslalten  ,  ausgezeichnete 
mächtige  Freunde  und  Beförderung  der  Literatur  unter 
den  Grossen,  Bibliotheken  und  Museen,  gelehrte  Gesell- 
schaften und  Akademien,  literarische  und  kritische  Zeit- 
schriften, Vervollkommnung  des  Bücherwesens  und  des 
davon  abhängenden  literarischen  Verkehrs.  Eine  noch 
so  gedrängte  geschichtliche  Uebersicht  aller  dieser  Beför- 
derungsmittel der  Hterärischen  Cultur  in  den  von  Sla- 
wen bewohnten  Ländern  würde  ein  eigenes  Werk  er- 
fordern;   wir    beschränken    uns,    mit    Verweisung    hin- 

^)  Eine  vollständige  hist.-ki-itische  Darstellung  der  Schicksale  der 
slaw.  Sprache  und  Literatur  nach  allen  Mundarten  ist  zur  Zeit  noch  nicht 
vorhanden.  Ein  solches  Riesenwerk  erfordert  Zeit,  Vorarbeiten  und  Mit- 
wirkung mehrerer  Eingeweihten.  Etwas  ähnliches  beabsichtigt  Hr.  Linde 
durch  die  Herausgabe  der  Special-Liter.-Geschichten  einzelner  Dialekte. 
Die  Geschichte  der  russischen,  polnischen  und  böhmischen  Literatur  haben 
bereits  wackere  Beai'bciter  gefunden ;  und  einen  zwar  gedrängten,  aber  ge- 
haltvollen Umriss  der  slaw.  Gesammtliteratur  haben  die  Hrn.  Kopitar  und 
Rakowiecki  geliefert.  —  Vgl.  J.  L.  Frisch  historiae  1.  slavonicae  Cont.  L 
de  1.  slavoiiica  et  russica,  Berol.  727.  4.  Cont.  IL  de  dialecto  Vinidica, 
ib  729.  4.  Cont.  IH.  de  dialecto  Yenedica,  ib.  730.  4.  Cont.  IV.  de  dia- 
lecto bohemica,  ib.  734.  4.  Cont.  V.  de  lingua  polonica ,  ib.  l'^Q.  4.  — 
J.  F.  Kohl  introd.  in  histor.  et  rem  littei-.  Slavorum  iuprimis  sacram,  Alton. 
729.  8.  —  ./.  S.  Assemani  Kalendaria  eccles.  universae,  Romae  755.  Voll. 
6.  in  4.  —  A.  L.  Schlözer  allg.  nord.  Gesch.  (der  allg.  Wclthist.  olr  Th.) 
Halle  77L  4.  S.  322"^  334.  -  F.  Durich  bibl.  slav.,  Vindob.  795.  8.  — 
F.  K.  Alters  phil.  -  krit.  Miscollaneen; '^Vien  799.  8.  —  J.  C.  Adelunq's 
Mithridates,  2r  Th.  von  J.  S.  Vata;  Berlin  «09.  8.  S.  610  —  69G.  —  J.  S. 
Vater  Literatur  der  Grammatiken  und  Wörterbücher ,  Berl.  815.  8.  — 
./.  Dobrowskys  Slawin,  Prag  808.  8.  Eb.  Slowanka,  Prag  814  —  15.  2  Bde.  8. 
{B.  Kopitar's)  Blick  auf  die  slaw.  Mundarten,  Wien,  Allg.  J^iter.  Zeit. 
1831  Aprilli.  N.  34.  ff.  —  J.  JJ.  Rakowiecki  prawda  ruska,  Warsch.  820  — 
22.  2  Bde.  4.  M.  IL  S.  149  -  olü. 


71 

sichtlich  der  vier  ersteren  aiif  die  Geschichte  der  Lite- 
ratur eiiizehier  Stäiiiine  und  Mundarten,  hier  bloss  die 
letztern,  d.  i.  die  Bibliotheken,  gelehrten  Gesellscliafteii, 
Zeitschriften  und  Buchdruckereien,  welche  in  den  neue- 
sten Zeiten  unter  den  Slawen  vorhanden  waren,  und  auf 
den  Gang;  der  Nationalliteralur  mehr  oder  weniger  un- 
mittelbar einwirkten,  kurz  aufzuzahlen. 

L  Bibliotheken. 

I.  In  Russland.  1.)  Dorpat,  Universitätsbibliothek, 
37,000  Bände  mit  100  Msc.  2.)  Kazan,  Universitätsbibl., 
begründet  1804  durch  den  Ankauf  der  Bibl.  des  Staats- 
raths  P.  Frank.  Eine  andere  Bibl.  daselbst  besitzt  die 
geistliche  Akademie.  3.)  Moskau,  a)  Patriarchal-  oder 
Synodalbibl.,  vom  Car  Alexjej  (1645  —  76)  gestiftet, 
mit  kostbaren  slawischen  und  griechischen  Msc.  b.)  Bibl. 
der  Universität.  4.)  Nowgorod,  die  Bibl.  bei  der  So- 
phienkirche. 5.)  S.  Petersburg,  a)  kais.  öfF.  Bibl.,  ge- 
gründet durch  die  ehemalige  Zaluskische  Bibl.  in  War- 
schau (1795),  und  durch  die  Dobrowskysche  Manu- 
scriptensammlung  vermehrt,  b)  Bibl.  in  der  Eremitage^ 
nach  Galetti  300,000,  nach  Hassel  80,000,  nach  Ebert 
70,000  Bände,  vorzüglich  merkwürdig  durch  die  her- 
eingekaufte Bibl.  von  Diderot  und  Voltaire,  c)  Bibl.  der 
Akademie  der  Wissenschaften,  nach  Bisinger  100,000, 
nach  Ebert  35,000  Bände  und  1,500  Msc.  d)  Bibl.  im 
Alexander  Newsky  -  Kloster  mit  Msc.  6.)  Riga,  Stadt- 
bibliothek, 17,000  Bde.  mit  einigen  Msc.  7.)  Wilna,  Univ. 
Bibl.  50,000  Bände.  Ausserdem  noch  mehrere  andere 
Llniversitäts-  Schul-  und  Klosterbibliotheken  im  Reiche. 
Unter  den  Privatbibl.  zeichnen  sich  aus:  die  Bibl.  des 
Reichskanzlers  Grafen  Rumjancow,  30  —  40,000  Bände, 
in  S.  Petersburg;  die  Bibl.  des  Grafen  Th.  Tolsloj  in 
Moskau,  reich  an  altern  Drucken  und  Msc;  die  Bibl. 
des  Fürsten  A.  J.  Labanow  -  Rostowsky,  erkauft  von  B. 
V.  Wichmann  1817,  des  Fürsten  Jussupow,  des  Fürsten 
Razumowsky,  des  Grafen  Stroganovv,  des  Grafen  Cere- 
metew  u.  a.  m.  II.  In  Polen  und  den  eheniah'qen  Pro- 
vinzen Polens.     1.)  Danzig,  Stadtbibl.,   eine  andere  dem 


72 

Gymnasium  aiig;ehürig.  2.)  Krakaii,  Universitätsbiblio- 
thek, 30,000  Bände,  worunter  schöne  Incunabeln,  und 
4,300  Msc.  3.)  Krzemieniec  in  Wolynien,  Gymnasial- 
bibl.,  durch  den  Ankauf  mehrerer  Privatsammlune;en  an- 
selinlich  vermehrt.  4.)  Lcmber^,  Universitiil.sbibliolliek, 
im  J.  1786  durch  die  ehemalige  Garellische  Bibliothek 
in  Wien  und  in  der  neuesten  Zeit  durch  die  für  die  pol- 
nische Literatur  überaus  wichtige  Bibl.  des  Grafen  Os- 
solinski  in  Wien  anselndich  vermehrt.  5.)  Posen,  Gym- 
nasialbibl.  1822  errichtet;  enthält  auserwählte  polnische 
Werke.  6.)  Warschau,  a)  Universitätsbibl.  150,000 
Bände  und  1,500  Msc,  erst  seit  1796  gestifiet,  und  be- 
sonders durch  mehrere  Klosterbibl.  vermehrt  (1817). 
b)  die  Bibl.  des  Lyceum,  gestiftet  im  ,1.  1804  auf  Be- 
trieb des  Hrn.  Rectors  Linde,  über  15,000  Bände,  wo- 
runter mehrere  kostbare  polnische  Drucke,  c)  die  Bibl. 
des  Piaristencollegiums.  d)  die  Bibl.  der  kön.  Gesell- 
schaft der  Freunde  der  Wissenschaften,  im  J.  1808  durch 
den  von  dem  Fürsten  A.  Sapieha  zum  Geschenk  erhal- 
tenen Rest  von  5,000  Bänden  der  ehemaligen  Sapiehi- 
schen  Bibliothek  zu  Kodno  gestifiet,  und  1811  dem  öf- 
fentlichen Gebrauch  frei  gestellt,  45,000  Bde.  Ausserdem 
mehrere  Schul-  und  Klosterbibliothekcn  im  Lande.  Von 
den  Privalbibliotheken  sind  zu  nennen:  die  Bibl.  des  Für- 
sten Czartoryski  in  Pulawy,  im  .1.  1821  durch  den  An- 
kauf der  gräfl.  Thadd.  Czackischen  Privatbibl.  zu  Poryck 
in  Wolynien  ansehnlich  vermehrt,  eine  der  grössten  Pri- 
vatbibliotheken in  Europa  (gegen  80^000  Bände),  ent- 
hält eine  für  die  polinsche  Literatur  unschätzbare  Fund- 
grube ,  nämlich  alle  Handschriften  der  Privatbibl.  des 
Kgs.  Slanislaus.  Die  Sammlungen  des  K.  Kwiatkowski  in 
Warschau,  des  Gr.  Rzewuski  in  Lemb.  20,000  Bde.  u.  des 
Przemysler  Bischofs  50,000  Bde.,  enthalten  sehr  schätzbare 
Werke  aus  der  vaterländischen  Literatur.  111.  In  Bölnncu, 
Mähren  und  der  Sloivulxfi.  1.}  Bischofteinilz,  Bibl.  des  da- 
sigen  Kapucinerklosters.  2.)  Brüiin,  Bibl.  der  llaupt|)farr- 
kirche  zu  S.  Jakob,  enthält  424  Msc.  u.  ausserdem  an  gedr. 
Werken  bloss  Incunabeln  bis  ziun  1537.  Sie  ist  überaus 
schätzbar.  3.)  Olmütz,  a)  Bibl.  des  Lyceum,  über  50,000 
Bde.,  nebst  vielen  iMsc.  c)  Bibl.  des  Metropolitankapitels, 


73 

meist  Incuiiabeln  und  viele  selir  alte  Msc.  4.)  Ossek, 
Bibl.  des  dasigen  Cisterzienscr -Klosters,  10,000  Bände 
mit  einigen  schätzbaren  Msc.  5.)  Prag,  a)  Bibl.  des  Dom- 
kapitels, besteht  aus  einer  altern,  schon  im  XII.  Jahrb. 
vorhandenen  Sammlung,  und  aus  der  vom  Pontanus  von 
Breitenberg  gestifteten  pröpstlichen,  und  wurde  1732 
durch  die  des  Erzb.  Mayer  vermehrt.  Sie  enthält  zwar 
nur  4,000  Bände  gedruckte  Bücher,  aber  sehr  wichtige 
Msc.  b)  Universitäts-  oder  kais.  kön.  öflfentliche  Bibl., 
150,000  Bände  mit  Aviclitigen  Msc,  gestiftet  von  Karl 
IV.  1370  durch  Ankauf  der  Bibl.  des  Dechants  Wilhelm 
von  Hasenburg,  1621  den  Jesuiten  übergeben,  aufs  neue 
gebildet  1777  durch  die  1560  gestiftete  Prager  Jesuiten- 
und  Clementische  Bibl.,  mit  welcher  zugleich  alle  übrige 
böhmische  Jesuitcn-Bibl.,  die  gräfl.  Kinskysche  Familien- 
Bibl.,  1778  die  Steplingische,  1781  die  Wrzesowitzische 
und  Löwische,  und  1785  die  Bibliotheken  anderer  auf- 
gehobener böhmischer  Klöster  vereinigt  wurden,  c)  Bibl.i  -O^^ 
der  Prämonstratenser  Chorherren  des  Stifts  Strahow,  ufii-~ 
50,000  Bände  mit  schönen  Incunabcln  und  mehr  als  1,000 
Msc,  gestiftet  1665,  vermehrt  1775  durch  die  Klauser- 
sche,  und  1781  die  Heydelsche,  so  wie  später  durch  die 
von    Rieggersche    Sammlung    alter    classischer  Auetoren. 

d)  die  mit  dem  1818  gestifteten  böhmischen  National- 
Museum  verbundene  Bücher-  und  Handschriften-Samm- 
lung. Den  Grund  zu  ihr  legte  die  Familie  Kolowrat  mit 
der  Bibl.  des  zerstörten  Raudnitzer  Klosters,  Graf  Ca- 
spar Sternberg  mit  seiner  grossen,  an  ausgezeichneten 
Werken  reichen  Sammlung  u.  a.  m.  Sie  enthält  über  8.000 
Bände,  300  Msc  und  prangt  bereits  mit  vielen  Schätzen. 

e)  die  Fürsterzbischöfliche  Bibl.  auf  dem  Hradschin,  ge- 
gen 6,000  Bände.  Ausserdem  mehrere  Bibl.  der  Städte 
und  Klöster  sowol  in  Böhmen,  als  in  Mähren.  Von  den 
Privatbibl.  nennen  wir :  die  Fürst  Lobkowicische  Bibl. 
in  Prag,  die  Fürst  Dietrichsteinsche  Bibl.  in  Nikolsburg; 
die  Fürst  Colloredo  -  Mansfeldische  Bibl.  in  Prag;  die 
Bibl.  des  Gubernial-Secretärs  Cerroui  in  Brunn  u.  a.  m. 
Die  Slowakei  hat  keine  öffentliche,  für  das  slawische  Fach 
wichtige  Bibl.  aufzuAveisen ;  doch  verdienen  bemerkt  zu 
werden:   1.)  die  Bibl.  des  ecang.  Lycemns  in  Pressburg, 


MH'gen  der  clurcli  Veriniichtniss  an  sie  gekonmieiUMi.  an 
«cliäl/.baien  böhinisclieii  Drucken  reichen  Privalbibl.  des 
Fred.  Institoris-Moschotzy;  2.)  die  PrivatbibJ.  des  Hrn. 
V.  Jauh'ovics  in  Pesth,  wegen  des  Ankaufs  der  Rybay- 
sclien  Saniiiiluni»;  slowakischer  Büclier  Tür  diesen  Zweig 
der  slawisclicn  Literatur  wiclitig.  3.)  die  Privatbibl.  des 
Ilrn.  Palkowic^  Canonicus  in  Gran.  4.)  Bibliothek  der 
bölim. -slawischen  Gesell;5chaft  des  Bergdistricts  in  Schem- 
nitz  neu  angelegt.  IV.  In  Ocsterreich.  Die  kais.  Hof- 
BibJ.  in  Wien,  300,000  Bände  mit  kostbaren  Incunabehi 
und  12,000  iMsc,  gestiftet  vorn  iMaximilian  I  und  durch 
zahlreiche  Privatbibl.  ununterbrochen  vermehrt,  enthält 
sehr  viele,  in  das  Fach  der  slawichen  Literatur  ein- 
schlagende, schätzbare  gedruckte  und  handschriftliche 
/'^  Werke.  V.  In  Kram.  Hier  sind  zu  nennen:  1.}  die 
Bibl.  des  Lyceum  in  Laibach.  2.)  Die  Baron  Zoisische 
Privatbibl.  in  Laibach,  reich  an  seltenen  slawischen,  ins- 
besondere windischen  Drucken.  \I.  In  Serbien.  Die 
Bücher  -  Sammlungen  der  Klöster  in  Serbien  sind  uns 
gänzlich  unbekannt.  —  In  Ungern  n.  Slawen,  sind  L)  die 
Klosterbibl.  in  Krusedol,  Remete,  Opowo,  Jazak,  Beseno- 
wo,  Sisatowac,  Kuwezdin,  Pribina  glawa,  und  Kakowac. 
2.)  die  Erzbischöll.  Bibl.  in  Karlowic,  durch  die  Fürsorge 
Sr.  Exe.  des  Erzb.  und  Metrop.  Steph.  v.  Stratimirowic 
ansehnlich  vermehrt,  3.)  die  Bibl.  der  Präparandenschule 
in  Sombor,  und  4.)  die  1819  auf  Betrieb  der  Professoren 
gestiftete  Bibl.  des  Griechisch-Nicht-Unirten  Gymnasiums 
zu  Neusatz  zu  nennen.  Unter  den  Privatbibl.  ist  jene  des 
Hrn.  Archimandriten  u.  Administrators  des  Karlstädter 
Bisthums,  Musicky,  u.  die  des  Hrn.  v.  Tököly  in  Arad  we- 
gen serbischer  Drucke,  wichtig.  —  Eine  mehr  oder  min- 
der reiche  Ausbeute  für  slawische  Studien  liefern  im  Aus- 
lande die  Bibliotheken  auf  dem  Berge  Athos,  in  jiom,  Vene- 
dig, Paris,  Oxford,  Stockholm,  Dresdhr,  Nürnb'ferg  u.  a.  m. 

IL  Akademien,  gelehrte  Gesellscliaften,  Museen. 

I.    In    Russland.    Diejenigen,    die  einen  nähern  Be- 
zug   auf   die    slawische    Literatur    haben,  sind  u?)gefehr 


75 

folg^ende:  1.)  die    kais.  Akademie    der  Wissenscliafteii  zu 
S.  Petersburg,    erriclitet    von   Feter    dem    Grossen  1724, 
eröffnet    von    Katharina  I.    1725,    von  Katharina  II.  und 
Alexander    I.   neu   ori^anisirt;    sie    gibt  ein    periodisches 
Blatt:    S.  Peterbiirgskija  wjedoinosti,  russisch  u.  teutsch, 
Avöclientlich  zweimal,  fol.  heraus.  2.)  Die  kais.  russische 
Akademie    zu  S.   Petersburg    für  die   russische    Sprache, 
gestiftet  von  Katharina  II.  1783,  gibt    heraus:   Socinenija 
i  perewody,  823.  7  Bde  ;  Izwjestija  rossijskoj  Akademii, 
823.   11   Hfte,  u.  a.  m.  3.)  Freier  russischer  Verein  (wol- 
noje   rossijskoje   sobranije)    für  Sprache,  Geschichte,  Al- 
terthümer,    bei  der  Moskauer  Universität  auf  Betrieb  des 
Curators  J.  J.  Melissino  1771   errichtet,  dauerte  bis  1785, 
und    gab    heraus:    Opyty    trudow,    bis  785.  6  Bde.  4.) 
Freie  ökonomische  Gesellschaft  zu  S.  Petersburg,  gestif- 
tet 1765.   5.)   Gesellschaft  der  Freunde  der  Wissenschaf- 
ten,   Literatur   und   Künste   zu  S.  Petersburg  (Obscestwo 
Ijubitelej  slovvesnosti,  nauk  i  chudozestvi),  gestiftet  1801, 
gegenwartig   unter    der  Leitung  des  A.  F.  Izmajlow,  gab 
in  den  J.    1802    -  803    heraus:    Switok    Muz,    2  Bde., 
im  J.   1812:    S.    Petersburgskij    wjestnik,    später    durch 
Zeitumstände  unterbrochen.  6.)  Gesellschaft  für  russische 
Geschichte    und   Alterthümer    (obscestwo   istorii  i  drew- 
nostej    rossijskich)    in    Moskau,    im    J.    1804  unter  dem 
Präsidenten   P.   P.   Beketow  gestiftet,   und  mit  der  Mos- 
kauer   Hochschule    verbunden,    gab  einen  Band:  Ruskije 
dostopanijatnosti,    heraus,    verlor    aber    durch    die    fraii-, 
jÖiiiscW   Invasion    viele    Erzeugnisse    des    rühmlichsten 
Fleisses.     7.)    Kais.  Gesellschaft  der  Naturforscher  (Ob- 
scestwo ispytatelej  prirody)  im  J.   1805.   in  Moskau  un- 
ter der  Leitung  des  Prof.  Fischer  gestiftet,    gab  heraus: 
Zapiski  obsc.  isp.  pr.,  russisch  und  französisch,  M.  809  — 
16.    5    Bde.  8.)  Medicinische    Gesellschaft  in  Wilna.  9.) 
Gesellschaft   für    Heilkunde    und  Naturwissenschaften    in 
Moskau    (Obscestwo    sorewnowanija   wracebnych  i  fizi- 
ceskich  nauk),  unter  dem  Vorsitze  des  Prof.  und  Staats- 
raths  W.  M.  Richter.   10.)  Gesellschaft  der  Liebhaber  der 
vaterländischen    Literatur    (Obscestwo    Ijubitelej  otecest- 
wennoj    siowesnosti),    in  Kazan,    gestift    1808,  gab  eine 
Sammlung  ihrer  Arbeiten  817.  2  Bde.  heraus.   11.)  Verein 


7G 

der   Freunde    der  nissisclieii  Sprache    (Besjeda  IJubKelej 
rii.skaii,()    slowa),    gestift.    von  G.  R.  Derzawin  nnd  A.  S. 
8i?ik()w,    zu    8.    Petersburg     1810,    hörte  mit  Derzawins 
Tode   1816  auf;  die  literarischen  Früclite  dieses  Vereines 
erschienen  8.  P.   1811   —   16.  20  Hfte.   \Z.)  Gesellscliaft 
der  Freunde  der    russischen    Literatur  (Obscestwo  Ijubi- 
teJeJ  rossijskoj  slowesnosti),   in  ]\loskau  mit  der  Univer- 
sität   verbunden,    unter    dem    Vorsitz    des  Rectors  A.  A. 
Prokopowic    Antonskij  ,    gibt    eine    gehaltvolle    8ammel- 
schrif't:    Trudy    obsc.    Ij.  r.  sl.  heraus,  bis  822.  20  Bde. 
13.)    GeselJscIiaft    der   Freunde  der  russischen  Literatur, 
bei    der  Demidovver  Lehranstalt    in  Jaroslawl.     14.J  Ge- 
sellschaft   der  Wissenschaften  (Obscestwo    nauk)  an  der 
Universität  in  Charkow,   gab  815.  einen  Band  ihrer  Ar- 
beiten  heraus,    lö.)    Freie  Gesellschaft    der  Freunde  der 
russischen    Literatur   (Wolnoje    obscestwo   Ijubitelej  ros- 
sijskoj slowesnosti),  gestift.  im  J.  1816  zu  8.  Petersburg, 
deren    Präsident   jetzt  Th.  N.  Glinka  ist,  gibt  eine  Zeit- 
schrift:   Sorewnowatelj  proswjescenija  i  blagotworenija, 
seit  818.  in  8.  heraus.   16.)  Kais.  Gesellschaft  für  die  ge- 
saiinnte    Mineralogie  in  8.   Petersburg,  gestift.   1818,  de- 
ren Direct.  der  Coli.   Rath  L.  J.  Pansner  ist.     17.)  Pliar- 
jiiaceutische  Gesellschaft    in  8.  Petersburg,  gestift.  eben- 
falls 1818;  ihr  Präsident  ist  der  8taatsrath  A.  J.  Scherer. 
18.)  Gesellschaft  für  Schulen  nach  der  Methode  des  wech- 
selseitigen   Unterrichts ,    gestift.    1819,    steht    unter  der 
Leitung    des    Grafen   Th.  P.  Tolstoj.     19.)  Die  russische 
Bibelgesellschaft,  gestift.   1813  zu  8.  Petersburg,  bestand 
1820  aus  53  Sectionen  und  145  Filialvereinen,  und  hatte 
bis    dahin    an    430,000  Bilieln  und  N.  Testamente  in  26 
Sprachen,  vorzüglich   der  slawischen,   gedruckt  und  ver- 
theilt.     II.  In  Polen.   1.)  Kön.  Gesellschaft    der    Freunde 
der  Wissenschaften    (Towarzystwo  krölewskie  przyiaciol 
nauk)    in    Warschau,    gestift.   1801,    vom  Kais.  Alexan- 
der L  bestätigt  1815,  gibt    ein  .Jahrbuch:    Roczniki  tow. 
krol.    prz.     nauk,     bis    824.    ...    Bde.    jieraiis.   2.)  desell- 
schaft     der     Wissenscliaften     in     Krakau     (Towarzystwo 
naukowe  s  universitetem  Krakowskiin   polaczone)  gestift. 
1815      inid      mit     der    Krakauer    Universität    verbunden, 
gibt  ebenfalls    ein    .Jahrbuch :    Roczniki  tow.  nauk.    Kra- 


i  i 

kau  bis  824.  9  Bde.  Iioraiis.  '^)  Kön.  (irsellscliafl  für 
den  Ackerbau  in  Warschau  (Towarzyslwo  kiöl.  roliiicze 
Warszawskie),  gibt  eine  periodische  Schrift:  Dziennik 
tow.  krol.  roln.  Warsz.  heraus.  HI.  In  Böhmen  und 
der  Slowakei.  I.)Die  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in 
Prag  unter  Maria  Theresia  auf  Borns  Antrag  als  Privat- 
verein für  Natur-  und  Yateriandskunde  gestiftet,  und  von 
(JjQÄe^^ir-if:  zu  einer  öffentlichen  böhmischen  Gesellschaft 
\der  Wissenschaften  erhoben ,  obwol  von  einer  mehr 
universell  wissenschaftlichen,  als  rein  nationellen  Ten- 
denz (die  schönen  Wissenschaften  und  Künste  sind  von 
ihr  ganz  ausgeschlossen),  hat  durch  vortreffliche  Arbei- 
ten einzelner  Glieder  die  slawische,  vorzüglich  aber  die 
böhmische  Geschichte  und  Literatur  wahrhaft  bereichert. 
2.)  Das  böhmische  Xational-Museum  seit  1818  bezweckt 
die  Aufstellung  alles  Ausgezeiciineten  in  vaterländischer 
Wissenschaft  und  Kunst,  und  Alles  Merkwürdigen,  was 
Natur  und  menschliche  Kunst  und  Gewerbileiss  in  Böh- 
men hervorgebracht  haben ,  zu  möglichster  Gemeinnü- 
tzigmachung  ,  Beförderung  der  Cultur  ,  Wissenschaft, 
Industrie  und  Vaterlandskenntniss.  3.)  Das  Institut  der 
böhmisch-slowakischen  Sprache  und  Literatur  in  Press- 
burg (Institut  reci  a  literatury  cesko-slowenske),  ver- 
bunden mit  einer  böhmisch-slowakischen  Lehrkanzel  an 
dem  evangelischen  Lyceum  daselbst,  gestift.  1803,  ging 
nach  einem  Jahrzehend  ein.  4.)  Der  Verein  für  die  slo- 
wakische Literatur,  errichtet  durch  die  Hrn.  Lowicli 
nnd  Tablic  ums  J.  1812. 

III.  Jahrbücher,  Journale,  Zeitungen. 

L  Russische.  Im  J.  1824  erschienen  in  Russland 
folgende  periodische  Blätter  in  der  Landessprache.  1.) 
Wjestnik  Europy  (der  europ.  Bote),  von  M.  Kacenowsky, 
Moskau  24  Hfte.  2.)  Istoriceskij,  statisticeskij  i  geogra- 
ficeskij  zurnal,  ili  sowremennaja  istorija  swjeta,  M.  12 
Hfte.  3.)  Nowyj  magazin  jestestwennoj  istorij,  flziki, 
chimii  i  wsjech  ekonomiceskich  swjedenij,  von  J.  Dwi- 
gubskij,  12  Hfte,  4.)  Syn  otecestwa,  istoriceskij,  poli- 
ticeskij  i  literaturnyj    zurnal,   von  N.  Grec,  S.  Petersburg 


78 

52  Ilfte,  5.)  Literaturnyja  pribawlenija  k  synu  otecestwa, 
von  eh.,  eb.  26  Hfte.  (i.j  Ojestkij  MiiziMiin,  12  Hfte.  7.) 
Zurnal  dija  (Ijctej,  S.  P.  12  Hfte.  8.)  Sjewernyj  arcliiw, 
ziirnal  istorii,  Statistik!  i  putesestwii,  von  Tli.  W.  Bul- 
garin, 24  Hfte;  damit  verbunden  9.)  Literaturnyja  listy, 
12  Lief.  10.)  Biagonamjerennyj  ,  literatiirnyj  znrnal, 
von  A.  E.  Izrnajlow,  S.  P.  24  Hfte.  IL)  Sibirskij  wje- 
stnik,  von  G.  Spasskij,  S.  P.  24  Hfto.  12.)  Sorewlio- 
watelj  proswjescenija  i  blagotworenija,  heransg.  von  der 
S.  Petersburger  freien  Gesellscb.  der  Freunde  der  russ. 
Liter.  S.  P.  12  Hfte.  1.3.)  Otecestwcnuyja  zapiski,  von 
P.  Swinin,  12  Hfte.  14.)  Zurnal  izjascnycb  iskustvv, 
von  W.  Grigorowic,  6  Bde.  15.)  Ukazatelj  odkrytij  po 
fizikje,  clijmii,  jestestwennoj  istorii  i  technologii,  von 
Prof.  N.  Sceglow  in  S.  P.  6  Bde.  16.)  Zurnal  impera- 
torskago  celovvjekoljubiwago  obscestwa,  S.  P.  12  Hfte. 
17.)  Zurnal  departainenta  narodnago  proswjescenija,  S. 
P.  12  Hfte.  18.)  Christianskoje  ctenije,  von  der  S.  P. 
geistlichen  Akademie,  12  Hfte.  19.)  Damskij  zurnal, 
vom  Fürsten  Salikow,  M.  24  Hfte.  20.)  Ucenyj  i  lite- 
raturnyj  zurnal  ross.  imperii  po  casti  putej  soobscenija, 
russ.  und  franz.,  S.  P.  12  Hfte.  21.)  8.  Petersburgskija 
wjedomosti,  russ.  und  teutsch,  8.  P.  2mal  wöchentlich. 
22.)  Moskowskija  wjedomosti,  u.  m.  a.  Hieher  gehören, 
ausser  den  von  uns* aus  Mangel  an  Kunde  übergangenen, 
in  Charkow,  Kazan  u.  s.  w.  erscheinenden  Zeitblättern, 
die  schon  oben  angeführten  Denk-  und  Sammelschriften 
der  russ.  Akademie  und  der  gelehrten  Gesellschaften. 
IL  Polnische.  Im  J.  1822  erschienen  folgende  polnische 
periodische  Blätter:  1.)  Koczniki  towarzystwa  krolew. 
przyiaciol  nauk,  in  Warschau.  2.)  Dzicnnik  towarzystwa 
kröl.  rolniczego,  eb.  .3.)  Pamietnik  Warszawski,  czyli 
dziennik  nauk  i  umieietnösci,  12  Hfte.  4)  Pamietnik 
naukowy,  eb.  5.)  Tygodnik  polski  i  zagraniczny,  eb. 
6.)  Izis  polska,  eb.  7.)  Gazeta  Warszawska,  eh.  wö- 
chentlich 2mal.  8.)  Gazeta  korrespondonta  Warszawskiego 
i  zagranicznego,  eh.  wöchentlich  2maL  9.)  Dziennik  Wi- 
lensiki,  12  Ilfte.  10.)  Tygodnik  Wilenski,  von  A.  Kol- 
kowski.  11.)  Pamietnik  farmaccuticzny  Wilenski,  4  Bde. 
12.)    Dzieie    dobroczynnosci,   Wilna   12  Hfte.     13.)  Wia- 


79 

(lornosci  Bnikowe,  eb.  14.)  Kur)  er  Litewski,  eb.  \vö- 
clientlich  2mal.  15.)  Kocziiiki  tovvarzystwa  iiaukowego 
s  universitetem  Krako\tskiiii  polaczonego,  in  Krakaii, 
16.)  Pszczola  Krakowska,  eb.  17.)  Gazeta  Krakowska, 
eb.  18.)  iMicsiecznik  Polocki,  in  Polock.  19.)  Gazeta 
Poznanska,  in  Posen.  20.)  Pszczola  polska,  eine  Fortse- 
tzu?ig  des  Pamietnik  Lwowski,  in  Leinberg.  21.)  Gazeta 
Lwowska,  eb.  mit  einer  Beilage :  Rozmaitosei,  Man- 
nigfaltigkeiten. Mehrere  von  diesen  Zeitblättern  haben 
in  den  letzten  Jahren  wol  aufgehört,  dahingegen  sind 
auch  andere  an  ihre  Stelle  getreten,  die  wir  aus  Mangel 
an  Nachrichten  nicht  anführen  konnten.  III.  Böhmisclie. 
1.)  Krok,  spis  wsenaucny,  von  Prof.  J.  S.  Presl  in  Prag, 
in  zwanglosen  Heften.  2.)  Hlasatel  cesky,  von  K.  Rath 
nnd  Prof.  J.  Negedly  eb.  in  zwanglosen  Heften.  3.)  Ce- 
choslavv,  literarischen  Inhalts,  zugleich  mit  einem  poli- 
tisclien  Blatt,  von  W.  R.  Kramerius  eb.  4.)  Wlastensky 
zwestowatel,  politischen  und  literarischen  Inhalts,  redi- 
girt  von  J.  Linda  eb.  5.)  Hyllos,  von  J.  Hybl  eb.  6.) 
Uobroslaw,  von  Dr.  J.  L.  Ziegler,  redigirt  in  Königin- 
grätz,  gedruckt  in  Prag,  hörte  mit  dem  12ten  Hefte 
auf,  und  an  seine  Stelle  trat:  Prjtel  mlädeze,  eine  pä- 
dagogische Zeitschrift,  von  eb.  IV.  Serbische.  Die  Ser- 
bische politische  Zeitung,  redigirt  von  D.  Dawidowic  in 
Wien,  hörte  mit  dem  J.  1S22  auf.  Ebenderselbe  gab 
1817  —  21  einen  serbischen  Almanach  :  Zabawnik, 
heraus.  Im  J.  1824  fing  Prof.  G.  Magarasewic  in  Neu- 
satz an  im  Vereine  mit  mehreren  Gelehrten  ein  serbi- 
sches Jahrbuch:  Ljetopis  srbska,  streng  literarischen  In- 
halts, mit  besonderer  Beziehung  auf  die  Slawen,  in 
zwanglosen  Heften  herauszugeben,  825.  Ofen,  Univers. 
Buchdr.  3  Hfte.  8- 

IV.  Buclicl ruckereien. 

Da  es  nicht  unser  Zweck  ist,  hier  eine  detaillirte 
Geschichte  der  slawischen  Buchdruckereien  zu  liefern, 
so  wollen  wir,  mit  Versparung  der  Nachrichten  über 
die  ältesten  slawischen  Drucke  für  die  specielle  Geschichte 
der    Literatur    eines  jeden  Dialekts,    nur  diejenigen  Orte 


80 

namentlich  anführen,  welche  In  den  drei  letzten  Decen- 
nien  slawische  Drucke  geliefert  haben.  —  Im  europäischen 
Kussland  gab  es  in  dein  letzten'  Decenniuin  39  nissische 
Buchdruckereien,  und  zwar  in  S.  Petersburg  15,  in  Mos- 
kau 9,  in  Wilna  5,  in  Riga  4,  in  Keval  2,  in  üorpat 
2,  in  Charkow  2;  ausserdem  wurde  russisch  gedruckt 
in  Kazan  und  Warschau,  und  im  Auslande  in  Leipzig 
nnd  Prag.  —  Polnische  Druckereien  waren  im  Gange 
in  Warschau,  Wilna,  ßreslaii,  Krakau,  Lemberg,  Po- 
sen, Kalisz,  Przemysl,  Krzemieniec,  Czestochowa,  Lu- 
blin,  Brieg,  Dajizag  u.  m.  a.,  im  Auslande  wurde  pol- 
nisch gedrucld:  in  S.  Petersburg,  Leipzig,  Königsberg 
u.  s.  w.  —  ßühmisch-mährisch-slowakische  Buchdru- 
ckereien gab  es  in  dieser  Periode  in  Prag,  KönigingriLtz, 
Pilsen,  Pjsek,  ßrünn,  Pressburg,  Pesth,  Oien,  Nen- 
sohl,  Waitzen ,  Skalic ,  Tyrnau ,  Leutschan  (jetzt  in 
Rosenau)  n.  in.  a.;  ausserdem  wurde  böhmisch  gedruckt 
in  Wien,  nnd  im  Auslande  in  Berlin.  —  Serbische  Buch- 
druckereien waren  in  Wien  (Hes^  D.  Dawidowic,  id)er- 
ging  1823  käullich  an  M.  Ch.  Adolph  in  Rotz,  nnd  bei 
den  PP.  Armeniern}  nnd  Venedig  (scheint  jetzt  einge- 
gangen zu  seyn),  ferner  in  Ofen  (Ünivers.  Buchdruck.); 
ausserdem  wurde  mit  kyrillischer  Schrift  gedruckt  in 
Lemberg.  —  Von  den  übrigen  Slawen  hatten  die  Sor- 
benwenden Druckereien  in  l^utzen,  Kotbus  nnd  Löban; 
die  Winden  in  Laibach,  Griitz,  Klagenfurt,  Triest;  die 
Kroaten  in  Ofen  und  Agratn;  die  Slawoniten  in  Ofen 
inid  Essek;  die  Dalmatiner  in  Venedig  und  Ragusa.  — 
Eine  glagolitische  Btichdruckerei  befindet  sich  gegenwär- 
tig nur  in  .Rom^  bei  der  Propaganda.  —  Die  unter  der 
BotmässigkefT  der  Türken  stehenden  Slawen,  die  näch- 
sten Land-  und  Sprachverwandten  Kyrills  und  Erben 
seiner  Lehre  nnd  Schrift,  haben  demnach  allein  keine 
einzige  Druckerei  aufzuweisen.  *} 

*)  Es  wäre  hier  der  scliicklichste  Ort,  etwas  über  den  wolthätigen 
Einfluss  dos  dmv.  Buchhandels  auf  die  Literatur,  der  sich  in  schnellerer 
Verbreitunir  der  Bücher  und  Austauschuni?  literarisclier  Ideen,  in  geringe- 
ren und  tixirten  Preisen  der  Bücher,  und  in  Beloiimuig  des  Talents  und 
gelehrten  Fleisses  durch  die  in  Teutschland,  Frankreich  und  England  ein- 
geführten Honorarien  zeigen  sollte,  zu  sagen,  -A^enn  derselbe  nicht  im  J. 
1825  wie  18ÜG  noch  ein  reines  Non  ens  wäre,  worüber  sich  höchstens  des 
Hrn.  Jungmann  pium  dosideriuni  wiederholen  lässt:  ,.Dfi//  Biih,  abji  zlep- 
seno  Inilo  slouienske  knihkitpcchnj,  nnd  nez  we  sivete  nie  nenj  darenmtg- 
Äjho.''  '  lllns.  resk.   iHHi.  'III.   III.  S.  i\')^. 


Erster  Theil. 
Südöstliche   Slawen. 

Erster   Abschnitt. 

Geschichte  der  altslawisclien  Kirchenspraclie  und  Literatur. 

§.  8. 
Charakter   der   altslawischen  Kirchensprache. 

Der  Ursprung  der  Sprache  eines  Volks  ist,  wie  der 
Ursprung  des  Volkes  selbst,  gewöhnlich  mit  einem  undurch- 
dringlichen   Sclileier  bedeckt.     Man  kann  ohne  Bedenken        ^^ 
zugeben,  dass  die  slawische  Sprache  im  urgrauen  Alter-   v^  >*^ 
thum,  wohin  keine  Geschichte  reicht,    nur  eme  war,  aus  /T  ^iA 
der  sich  im  Verfolge  der  Zeit  die  jetzt  bestehenden  Dia-  '\ijA 
lekte    gebildet    haben;    allein    ist  dadurch  der  Ursprung 
irgend    eines    der  letztern  begründet,  seine  Entstehungs- 
art  erklärt,   sein    Veriiältniss  zu  der  Stammsprache  fest- 
gestellt?  Man   fühlt  sich  ganz  vorzüglich  in  einen  Strom 
von  Meinungen,    Zweifeln,    Hypothesen    und   Behauptun- 
gen   unwillkührlich    hineingezogen,    wenn    man  mit  Auf- 
merksamkeit dem  Ursprung  derjenigen  slawischen  Mund- 
art, die    zeither    unter  der  Benennung  der  altslawischen 
oder    der    Kirchenspraclie    bekannt    ist,    nachspürt,    und 
ihre  Schicksale  verfolgt.     Gleichwol  ist  es  unumgänglich 
nothwendig,    sich    mit    dieser    ehrwürdigen,    vom    Heili- 
genschein   umstrahlten    Mutter,    bevor    man    das    Gebiet 
der    übrigen    Slawinen    betritt,    genauer  bekannt  zu  ma- 

6 


82 

clien.  Henn  sie  ist  es,  welche  ihres  liohen  Altertliums 
und  innerer  Vorzüge  wegen  für  jeden  Sprachforsclier  in- 
teressant, für  den  Slawisten  aber  dreifach  und  vierfach 
wichtig  ist,  und  in  den  neuesten  Zeiten  mit  Recht  den 
Grundstein  der  gesammten  slawischen  Sprachkritik  und 
Philologie  bildet.  „Unter  allen  neuen  Sprachen,  sagt 
der  grosse  Geschichtsforscher  und  Sprachkenner,  Schlö- 
zer_(Nestor  III.  224.),  ist  die  slawonische  {alfslawi- 
Isdhe)  eine  der  ausgehildetsten  (ihr  Reichthum  und  an- 
dere Vorzüge  gehen  mich  hier  nichts  an);  wie  sie  dazu 
gekommen  sey,  wird  aus  dem  Gange  ihrer  Cultur  er- 
klärlich. Ihr  Vorbild  war  die  griechische  Sprache,  die 
ausgebildetste  der  damaligen  Welt,  wenn  gleich  Kedrün 
nicht  mehr  wie  Xenophon  schrieb;  und  dieser  ihre  Ei- 
genthümlichkeiten  und  Schönheiten  aufzunehmen ,  war 
sie,  die  slawonische  Sprache,  ganz  besonders  fähig.  Da 
die  IJebersetzer  meist  wörtlich  übersetzten,  nicht  wie 
Kaedmon  der  Angelsachse,  und  der  Teutsche  Ottfried, 
poetisch  metaphrasirten ;  so  mussten  sie,  sie  mochten 
wollen  oder  nicht,  ihre  Sprache  beugen,  sie  geschmei- 
dig machen,  auf  neue  Wendungen  sinnen,  um  das  Ur- 
bild getreu  nachzubilden  u.  s.  w.  Unter  allen  neueren 
Sprachen  ist  die  slawonische  zweitens  am  aller  frühesten 
zur  Ausbildung  gekommen.  Wie  sah  es  im  XIII.  XIV. 
Säe.  mit  dem  Teutschen,  Französischen,  Englischen  u. 
s.  w.  aus?  Das  frühe  Voreilen  der  Russen  hierin  bewirkte 
ein  Zusammenfluss  glücklicher  Umstände.  Das  Ueberse- 
tzen  aus  dem  gebildeten  Griechischen  ging  Jahrhunderle 
lang  ununterbrochen  fort;  der  Gottesdienst  ward  in  der 
Landessprache  gehalten;  alle  Chroniken,  alle  Urkunden 
wurden  in  der  Landessprache  (nicht  lateinisch,  wie  im 
ganzen  übrigen  Europa)  gefertigt.  Wie  sehr  wir  Teut- 
sche namentlich  uns  verspätet  haben  (denn  wirklich 
schreiben  wir  erst  seit  70  Jahren  gebildetes  Teutsch ; 
das  haben  wir  meist  durch  Uebersetzen  aus  dem  Fran- 
zösischen und  Englischen  gewonnen),  fühle  ich  lebhaft, 
wenn  ich  eine  russische  Legende,  etwa  aus  dem  XIV. 
Säe,  und  dann  eine  tentsche  Poslille,  gedruckt  im  J. 
1674,  hintereinander  lese  (wobei  ich  vom  possierlichen 
Iiihalt    der    erstem    ganz    abstrahire,    und    beide  nur  im 


83 

Styl  vergleiche).  Dort  finde  ich  Ordining  im  Vortrag, 
geschlossene  Perioden,  Incident-Sütze  durch  lOlei  Par- 
ticipien  an  einander  gereihet,  sonore  Kraft-  und  Pracht- 
wörter u.  s.  w. ;  inid  nun  dagegen  der  ärmliche  teutsche 
Postillant ,  den  damaligen  Regensburger  Canzlei-Mann 
nicht  zu  vergessen!"  Mit  Recht  blickt  demnach  jeder 
Slawist  auf  sie,  als  auf  eine  Pyramide  der  Sprachbil- 
dung seiner  Vorfahren,  an  der  er  die  eigene  Rraft 
durch  fleissiges  Studium  zum  fruchtbaren  Bearbeiten  der 
Hausmundart  gross  ziehen  kann,  freudig  zurück.  Aus- 
gebildet und  der  fernem  Ausbildung ,  oder  richtiger, 
nach  mancherlei  Entstellung  der  Wiederherstellung  in 
ihrer  ursprünglichen  Reinheit  fähig,  reich  an  Wurzel- 
wörtern und  Wortformen,  ausgezeichnet  durch  männli- 
chen Klang,  von  fremdartigem  Wortschlag  und  auslän- 
discher Farbengebung  unter  allen  Slawinen  am  meisten 
frei,  hat  sie  zwar  einerseits  im  Strom  der  Zeiten  durch 
ihr  Zurücktreten  aus  dem  geselligen  Leben  (denn  ge- 
sprochen wird  sie  nirgends  mehr,  aber  eine  todte  Spra- 
che in  dem  gewöhnlichen  Sinne  ist  sie  auch  nicht),  an 
äusserer  Leichtigkeit  und  Geschmeidigkeit  verloren,  an- 
dererseits aber  durch  den  religüigen_G„gbrauch  an  inne- 
rem Ansehen  und  Würde  doppelt  gewonnen. 

Ihre    Verwandtschaft    mit    den    übrigen  südöstlichen 
Mundarten,    so    wie    ihr  Unterschied    von  denselben,  er- 
hellet schon  aus  folgenden  wenigen  Kennzeichen : 
Altslawisch.     Russisch.     Serbisch.     Kroaf.     Windisch. 


1. 

ropA 

ropa  l.hora 

ropa 

gora 

gora 

2. 

€cMh 

eCML 

ecaML  (caMB)jeszem  (szem) 

fim 

ecH 

ecH 

ecH  ( 

ch) 

szi 

fi 

6cTb 

ecniL 

ecffl  ( 

(e) 

jeszt  (je) 

je 

3. 

«? 

a 

a 

ja 

jest  (jes) 

TM 

niH 

niH 

ti 

ti 

OH 

OH 

OH 

on 

on 

4. 

Tl,    TOll 

moni 

man 

ta    (te) 

ta 

TÄ,  n,Ä 

ma 

ma 

ta 

ta 

TO,  Toe 

mo 

mo 

to 

to 

5, 

•UH,  -a*, 

-06 

Lifl,  -aa, 

-oe 

-LIH, 

-a,  -0 

-,  -a,  -0 

-,  -a,  0 

'^r^^  -bi* 

-:ir(ö 

aro-ofl-: 

aro, 

ora-e 

'-ora, 

oga-e-oga, 

iga  -e  -iga 

Z.   B.    CBATEIH 

u.  s.  w. 

6* 


84 

V} 

'  V 

().  i|i :  Hoi|i 

HO^IL         HOIIIL 

noch 

* 

nözli 

Ai|iii 

ÄOML      Kiiii.H(Kmi.epi 

,)kclii  (kcher) 

lizlii(lizlier) 

i|i;iB 

maBeAL  ramaBAbe 

scliav 

" 

fhavje 

7.  ,v.  c«,v 

CyXHM    CJB 

szuh 

füh 

rpii.v 

ropox    rpa 

grah 

grah 

OtfiVO 

yxo       jBO 

vuho 

vuhö 

8.  ii:  iieneixi, 

neneA    neneo 

pepel 

pepel 

Bhl^ 

ÖHA       6ho 

bil 

bil 

9.  h:  hochtii 

HOCHmLHOCHniH 

nosziti 

nofiti 

10.6^1111 

oähh     e.^aH 

jeden 

eden 

Cneii 

oAen      eAen 

jelen 

jelen 

ll.B'L^:Ki.:5AKHriu 

!  B03,lBHHyy3,HMrHy 

zdisem 

(UZ-) 

vzdlgnem 

12.AtcK;i 

/i,0CKa    ;T,acKa 

deszka  (daszkajdefka 

Aii\r 

ÄOAr      /lyr 

düg 

dovg  (dolg; 

13.UTptl 

ne^eHL  ainrepHua 

jetra 

jetra 

CKpLini.a 

BHCKII      CAeiie  OiJH 

szlepe  ( 

)clii 

fenzi 

Allein  über  nichts  in  der  slawischen  Literatur  wa- 
ren die  Meinungen  der  Gelehrten  von  jeher  so  getheilt, 
als  gerade  über  diese  Sprache  der  kyrillischen  Bibelüber- 
setzung und  der  Liturgie  aller  Slawen  des  griechischen 
Ritus,  namentlich  der  Russen  und  Serben.  Die  älteste 
und  bis  auf  die  neuesten  Zeiten  gewöhnlichste  Meinung 
ist  wol  die,  dass  diess  die  Sprache  sey,  in  welcher  Ky- 
rill  und  Method  in  der  zweiten  Hälfte  des  IX.  Jahrb.  die 
Bibel  übersetzt,  die  Liturgie  eingerichtet  und  das  Volk 
unterrichtet  haben,  und  dass  sie  dein  Ursprung  nach 
deirijenigen  slawischen  Stamme  angehöre,  in  dessen  Mitte 
Kyrill  und  sein  Bruder  zuerst  das  Bekehrungswerk  be- 
trieben, und  folglich  auch  dessen  Sprache  bei  der  Ue- 
bersetzung  der  liturgischen  Bücher  angewendet  haben. 
Erst  in  den  neuesten  Zeiten  hat  man  versucht,  den  Ur- 
sprung des  Altslawischen  und  sein  Verhältniss  zu  den 
übrigen  Dialekten  näher  zu  bestimmen;  wobei  eine  grosse 
Anzahl  Hypothesen  von  Gelehrten  und  Sprachforschern 
aufgestellt  worden  ist,  ohne  dass  eben  dadurch,  wie  es 
scheint,  die  Sache  bis  jetzt  ganzin's  Reine  gebracht  wor- 
den wäre.  Da  indess  alle  diese  Meinungen  entweder  auf 
grammatische  Erforschung  der  Sprache,  oder  auf  histori- 
sche Beleuchtung  der  Bekehrung  der  Slawen  durch  Ky- 
rillus  und  Methodius  gestützt  sind,  und  letztere  nothwen- 
dig  der  erstem   vorangehen    muss,  so  wollen  wir  zuvor- 


85 

derst  die  Ergebnisse  der  neuesleii  Forschungen  über  der 
feizlgenannlon  zwei  Slawen  -  Aj)OsteI  Bekehrungswerk 
kurz  zusammenfassen. 

Kyrilis  und   Methods  Herkunft,   Beruf  und  Mission. 

Ansser  den  frühern  Bearbeitern  der  Lebens-  und  Be- 
kehrungsgeschiclite  Kyrilis  u.  iVlethods,  worunter  Dobner 
und  Stredovvsky  als  lleissige  Sammler  zu  nennen  sind, 
haben  sich  um  diesen  Zweig  des  slawischen  Geschichts- 
studiums vorzüglich  Sclilözer  und  Dobrowsky  verdient 
gemacht.  Nach  des  letztern  neuester  Prüfung  und  Zu- 
sammenstellung aller  altern  und  spätem  Berichte  über 
die  zwei  Brüder-Apostel  ergibt  sich  über  dieselben  un- 
gefehr  folgendes*): 

Kyrill  und  Method  waren  aus  Thessalonich  gebür- 
tig, und  zwar  aus  einem  adeligen  Geschlecht,  wie  diess 
die  ältesten  Legenden  bezeugen.  Constantin,  welcher 
später  in  Rom  den  Namen  Kyrill  annahm,  ward  seiner 
Geistesfähigkeit  und  Gelehrsamkeit  wegen  Philosoph  ge- 
nannt Von  seiner  Sprachkenntniss  reden  mehrere.  Sla- 
wisch batte  er  wahrscheinlich  zu  Hause,  zu  Thessalo- 
nich, gelernt:  deiui  in  Macedonien  wohnten  bereits  seit 
Jahrbimderten  Slawen,  (Bulgaren  oder  Serben?  —  diess 
ist,  worauf  alles  ankommt,  und  was  man  bis  jetzt  un- 
berücksichtigt und  unerörtert  gelassen),  und  Thessalo- 
nich, noch  jetzt  eine  berühmte  Handelsstadt,  war  zu 
der  Römer  Zeiten  die  Hauptstadt  Macedoniens,  wo  der 
Handel  mehrere  Sprachen,  darunter  auch  die  slawische, 
in  Gang  gebracht  haben  mag,  so  dass  dortige  Gelehrte 
zur  Kenntniss  des  slawischen  Sprache  leicht  kommen 
konnten.  Chasarisch  lernte  Kyrill  erst  zu  „Cherson.  Das 
Armenische  waF"ihin  gewiss  nicht  unbekannt,  da  er  ei- 
nige Buchstaben  aus  dem  Armenischen  in  das  slawische 
Alphabet  aufnahm.  Bei  reiferem  Alter  führen  ihn  seine 
Eltern  in  die  Kaiserstadt,  wo  er  Priester  geworden. 
Method    scheint    in  den    Mönchsorden    getreten   zu  seyn. 

*)  Der  Rec.  von  Hrn.  Dcbi'owskys  Kyrill  u.  Method  in  den  Wien. 
Jahrb.  d.  Lit.  1824.  erklärt  die  päpstl.  Briefe  an  Method  u.  die  mährischen 
Fürsten  für  unecht,  und  zieht  Methods  Weihe  zum  Bischof  von  Mähren  u. 
Pannonien  in  Zweifel. 


86 

Es  kommt  eine  Gesandtschaft  von  Chasarcn  unter  Ks. 
Michael  nach  Constantinopel.  Sie  bitten  um  einen  christ- 
lichen Lehrer.  Constantin  wird  seiner  Beredsamkeit  we- 
gen zu  dieser  Mission  bestimmt.  Er  gelit  dahin  ab,  und 
lernt  zu  Cherson,  wo  er  sich  einige  Zeit  aufhält,  chasa- 
risch.  Hier  hatte  er  das  Glück,  den  Körper  des  heil. 
Clemens  zu  entdecken.  Er  geht  nun  in  das  Chasaren- 
land,  das  er  ganz  bekehrt  haben  soll,  obgleich  noch 
lange  nach  ihm  der  grösste  Theil  keine  Christen  waren. 
Nach  seiner  Zurückknnft  von  der  chasarischen  Mission 
schickt  der  mährische  Fürst  Rastislaw  zwischen  861  — 
863  seine  Gesandten  an  Ks.  Michael,  und  bittet  sich  ei- 
nen Lehrer  aus,  von  dem  sein  Volk  lesen  lernen,  und 
in  dem  christlichen  Gesetze  vollkommener  unterrichtet 
werden  könnte.  So  nach  einer  Legende,  die  die  Bekeh- 
rung der  Bulgaren  ganz  übergeht;  allein  wenn  auch  die 
Gesandtschaft  aus  Mähren  an  Ks.  Michael  nicht  etwa  eine 
blosse  Ausschmückung  seyn  sollte,  so  ist  doch  aus  an- 
dern Berichten  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  Constantin 
und  Method  vor  ihrer  Abreise  nach  Mähren  an  der  Be- 
kehrung der  Bulgaren  arbeiteten.  Um  sich  mehr  Eingang 
zu  verschaffen ,  erfand  Constantin,  wo  nicht  schon  zu 
Constantinopel,  doch  gewiss  in  der  Bulgarei,  die  slawo- 
B.ische  Schrift,  und  übersetzte  das  Evangelium  u.  s.  w. 
Die  Einführung  des  slawischen  Gottesdienstes  musste  na- 
türlich auch  bei  andern  slawischen,  schon  eher  getauften 
Völkern  den  Wunsch  erregen,  solche  Lehrer  zu  erhal- 
ten. Diess  gab  Anlass,  sie  nach  Mähren  einzuladen,  es 
möge  nun  durch  eine  Gesandtschaft  an  Ks.  Michael,  oder 
auf  eine  andere  Art  geschehen  seyn.  Nun  gehen  Con- 
stantin und  Method  (863  nach  Mähren.  Man  nimmt  sie 
mit  Freuden  auf  Vier  und  ein  halbes  Jahr  bleiben  sie 
daselbst,  predigen  und  richten  den  Gottesdienst  in  sla- 
wischer Sprache  ein.  Sie  werden  endlich  vom  Papste 
Nicolaus  867  nach  Rom  beschieden.  Sie  treten  nun  die 
Reise  nach  Rom  an,  finden  aber  den  Papst  Nicolaus  todt: 
er  st.  am  13.  Nov.  867  und  am  14.  Dec.  folgte  ihm 
Adrian.  Als  dieser  vernonniien,  dass  Constantin  die  Re- 
liquien des  h.  Clemens  mitführte,  ging  er  ihnen  vor  die 
Stadt  mit    der    Clerisei  und  dem  Volke  entgegen.     Beide 


87 

Brüder  werden  nun  gleichsam  aus  Dankbarkeit  zu  Bi- 
schöfen geweiht,  ihre  Schüler  aber,  die  sie  mit  sich 
nahmen,  zu  Priestern  und  Diakonen.  Kyrill  empfing  die 
biscliölliclie  Weihe,  nahm  aber  das  ilnii  bestimmte  Bis- 
thum  niclit  an.  Er  hatte  ein  Vorgefühl  seines  nalien  En- 
des. Mit  Erlaubnis«  des  Papstes  nimmt  er  den  Namen 
Kyrill  an,  und  nach  vierzig  Tagen  stirbt  er  am  13. 
Febr.  868.  Aber  sein  Andenken  blieb  den  Slawen  hei- 
lig, und  schon  im  OsUiomirschen  Evaiigelienbuch  1056 
wird  im  Kalender  sein  Gedächtniss  am  14.  Febr.  gefeiert. 
Auch  die  Böhmen  und  noch  früher  die  Mähren  wurden 
Verehrer  der  zwei  Slawenlehrer. 

Method,  zum  Bischof  geweiht,  säumte  nicht,  sich 
sogleich  868  nach  Mähren  zurückzubegeben.  Da  er  Land- 
bischof (episcopus  regionarius)  war,  so  hatte  er  keinen 
bestimmten  Sitz,  wenn  ihm  gleich  die  spätem  Legenden, 
keineswegs  aber  die  altern,  Welehrad,  das  sie  zugleich 
für  die  Hauptstadt  des  Reiches  erklären,  willkührlich 
anweisen.  Wir  dürfen  also  weder  Vi elehrad  im  Gebiete 
Basti slaws,  noch  die  Stadt  Morawa  in  Pannonien  für 
den  bischöflichen  Sitz  Methods  aiuiehmen,  sondern  wir 
müssen  ihn  Erzbischof  von  Mähren  und  Pannonien  nen- 
nen, wie  ihn  der  Papst  Johann  VIII.  in  seinen  Briefen 
nannte. 

Im  J.  869  wird  Rastislaw  von  Karlmann  angegrif- 
fen und  geschlagen.  Swatopluk,  Rastislaws  Neffe,  ergibt 
sich  und  seinen  Landesantheil  an  Karlmann.  Rastislaw, 
darüber  aufgebracht,  stellt  ihm  nach,  wird  aber  selbst 
gefangen.  Swatopluk  liefert  seinen  Oheim  870  an  Karl- 
mann aus.  Dieser  wird  in  Banden  nach  Regensburg  ge- 
bracht, zum  Tode  verurtheilt,  allein  K.  Ludwig  begna- 
digt ihn,  indem  er  ihm  die  Augen  ausstechen  und  ihn 
in  ein  Kloster  einsperren  lässt,  wo  er  sein  Leben,  man 
weiss  nicht  wann,  endigte.  Aber  auch  Swatopluk  wird 
den  Teutschen  verdächtig,  und  desshalb  871  verhaftet. 
Die  Mähren  zwingen  einen  nahen  Verwandten  von  ihm, 
den  Priester  Slawomir,  die  Regirung  zu  übernehmen, 
der  sich  nun,  doch  fruchtlos,  bemüht,  die  Teutschen 
aus  den  eingenommenen  Plätzen  zu  vertreiben.  Swato- 
pluk,   da  ihn    seiner  Untreue  niemand  überweisen  konn- 


88 

tc,  wird  cnllasseii,  und  kommt  mit  einem  bairisclien  Heere 
nach  Mähren.  Vor  einer  festen  Bura,  angekommen,  ver- 
lässt  er  die  Baiern,  geht  in  die  Burg,  macht  mit  mäliri- 
schen  Trujipen  einen  Ausfall ,  zerstreut  diess  bairische 
flilfscorps  und  behauptet  sich  als  Herrscher  von  Mähren. 
In  diesen  äusserst  unruhigen  Jahren  sclieint  sich 
Method  in  dem  Gebiete  Chocils  (sonst  Hezilo,  bei  den 
Russen  Kocel  und  Kocel,  im  Troadnik  bei  Kaie  Kocul) 
in  Pannonien  aufgehalten  zu  haben.  Hier  traf  er  auf 
teutsche  Priester,  die  von  dem  Erzbischofe  von  Salzburg 
eingesetzt  waren.  Die  von  ihm  eingeführte  slawische 
Liturgie  gab  Anlass  zu  Klagen  selbst  bei  dem  Papste 
.Johann  VIII.,  der  Method  als  von  Adrian  dahin  gesen- 
deten Erzbischof  in  Schutz  nahm.  Schon  798  hat  der 
Salzburger  Erzbischof  Arno  auf  K.  Karls  Befehl  den  er- 
sten Besuch  bei  den  Slawen  in  Pannonien  gemacht,  Kir- 
chen eingeweiht,  Priester  ordinirt  und  angestellt.  Von 
Luitprauis  Besuchen  noch  unter  Privinna  in  den  J.  840  — 
843  berichtet  der  Ungenannte  de  Conversione  Bojoario- 
rum  et  Carantanorum.  Noch  865  feierte  der  Salzburger 
Erzb.  Adalvin,  unter  welchem  873  ein  Salzburger  Prie- 
ster in  dem  erwähnten  Aufsatze  die  Diöcesanrechte  der 
Salzburger  Erzkirche  vertheidigt,  das  Weihnachtsfest  in 
Chocils  Burg,  Mosburg  genannt.  ^)  Er  weiht  wieder 
mehrere  Kirchen  ein  und  stellt  Priester  an.  Seit  75  Jah- 
ren durfte  kein  fremder  Bischof,  der  dahin  kam,  da- 
selbst das  bischöfliche  Amt  ausüben.  Kein  Priester  konn- 
te über  drei  Monate  da  verweilen,  ohne  bevor  seine 
Dimissorien  dem  Salzburger  Erzbischofe  vorzuweisen. 
Diess  ward  dort  so  lange  gehalten,  bis  Method  mit  sei- 
ner neuen  Lehre  auftrat.  Ohne  Zweifel  hielt  sich  auch 
nachher  Method  oft  genug  zu  Mosburg  bei  Chocil  auf 
Als  Method  die  slawische  Liturgie  in  Pannonien  einführte, 
verfiel   die    lateinische    und   wurde  verachtet.     Der  Erz- 


*)  Privinna  bekam  einen  Theil  vom  Unter-Pannonien  von  K.  Ludwig 
zu  Lehn,  am  Flüsschen  Sala.  Hiei-  baute  er  eine  Burg  oder  feste  Stadt  in 
einem  Walde  und  am  oder  im  See  des  aussehen  Sala.  Es  lag  also  Mosburg 
am  Plattensee,  wo  heute  Salavär  steht.  Wenn  man  nun  annähme,  dass 
die  Slawen  dieses  Mosburg  Welehrad  nannten,  so  wäre  doch  cinigermassen 
erklärbar,  wie  man  Methods  Sitz  zu  Welehrad  in  Mähren  suchen  konnte. 
S.  Dobrowskys  Cyrill  u.  Method.  Prag  823.  8.  S.  87.  —  (Ist  Weh.lirad 
nicht  die  alte  Stadt  Belehrad,  Stuhlweissenburg,  .3  Meilen  nordöstlich  vom 
Plattensee  ?) 


89 

|»ri(\ster  Hiclibald  koruili'  Hie  Gorino;scliälziinj;^  dos  latei- 
iiischcii  (jodcsdieiKstes  nicht  i'r(rcii»tMi,  sali  die  Einfidi- 
niiig;  der  slawischen  Lilnrijjie  durch  IMeÜiod  als  einen 
Kingrifl'  in  die  Hechte  des  Salzbin-ger  Rrzbischofs  an, 
und  machte  sich  lieber  davon.  Diess  geschah  unter  dein 
noch  lebenden  Adalvin,  also  vvol  schon  872,  da  dieser 
873  starb. 

IJng^eachtet  die  Päpste  ihr  altes  Recht  auf  die  pan- 
rionische  Diöcese,  die  schon  in  den  ältesten  Zeiten  zum 
römischen  Patriarchat  gehörte,  geltend  zu  machen  stieb- 
ten, und  desshalb  Method  beschützten,  unterliessen  es 
die  Salzburger  und  andere  teutsche  Priester  doch  nicht, 
den  Griechen  lAlethod  bei  dem  Papste  verdächtig  zu  ma- 
chen. Man  beschuldigte  ihn,  dass  er  von  der  Lehre  der 
römischen  Kirche  abweiche,  das  Volk  zu  Irrthümern 
verleite,  anders  lehre,  als  er  mündlich  und  schriftlich 
vor  dem  apostolischen  Stuhle  zu  glauben  bekannt  habe. 
Seine  Verwunderung  darüber  bezeugt  der  Papst  in  ei- 
nem Briefe  vom  14.  Juny  879  an  Tuventar,  einen  mäh- 
rischen Fürsten  (Kniez),  der  seinen  Priester  Johann  nach 
Hom  geschickt  hatte.  Er  ermahnt  den  Fürsten,  dass  er 
sich  an  die  Lehre  der  römischen  Kirche  halte.  'Sollte 
aber  ihr  Bischof  (Gorazd,  ein  Bulgar  oder  Grieche,  den 
Method  geweiht  hat) ,  oder  irgend  ein  Priester  etwas 
anderes  zu  verkündigen  sich  unterstehen,  so  sollten  sie 
einmüthig  die  falsche  Lehre  verwerfen.  Ihren  Erzbi- 
schof aber,  von  dem  er  gehört,  dass  er  anders  lehre, 
habe  er  desshalb  nach  Rom  beschieden.  Der  Brief  an 
Method,  womit  ihn  der  Papst  Johaini  nach  Rom  beschei- 
det, ist  von  demselben  Dato.  In  diesem  kommt  auch 
noch  ein  zweiter  Punct  der  Anklage  vor,  nämlich  die 
slawische  Sprache  bei  der  Messe.  Einen  frühern,  nicht 
vorhandenen  Brief,  liess  er  Methoden  durch  Paul  Bischof 
von  Ancona  einhändigen.  Der  Einladung  gemäss  stellt 
sich  Method  zu  Rom.  Mit  ihm  kam  auch  Swatopluks 
Getreuer  Zemizizh.  Durch  Methods  mündlichen  klaren 
Bericht  erfährt  der  Papst,  dass  Svvatopluk  und  sein  gan- 
zes Volk  dem  apostolischen  Stuhle  aufrichtig  ergeben  sey, 
dass  er  andere  Fürsten  dieser  Welt  verschmähend  (sind 
wol    die    teutschen  gemeint),   sich  den  h.  Apostelfürsten 


90 

Peter  lind  dessen  Stellvertreter  zum  Patron  gewählt  ha- 
be, wolur  der  Papst  in  väterlichen  Ausdrücken  dankt. 
Den  Method  befragte  mm  der  Papst,  ob  er  das  Syiiibo- 
linii  des  orthodoxen  Glaubens  so  singe,  wie  es  die  römi- 
sche Kirche  halte,  und  in  den  allgemeinen  Kirchenver- 
sammlungen von  den  h.  Vätern  kund  gemacht  worden 
sey.  Da  nun  Method  bekannte,  dass  er  der  evangeli- 
schen und  apostolischen  Lehre  gemäss,  wie  die  römi- 
sche Kirche  lehrt,  und  von  den  h.  Vätern  überliefert 
worden,  das  Symbolum  halte  und  singe,  ward  er  als 
orthodoxer  Lehrer  befunden,  und  abermal  zur  Leitung 
der  ihm  anvertrauten  Kirche  Gottes  zurückgesandt,  und 
den  Gläubigen  befohlen,  dass  sie  ihn  als  ihren  eigenen 
Hirten  mit  aller  Ehrfurcht  empfangen  sollen,  weil  ihm 
das  Vorrecht  der  erzbischöflichen  Würde  kraft  aposto- 
lischer Auctorität  bestätigt  worden  sey.  Den  Priester 
Wiching,  den  Swatopluk  nach  Rom  sandte,  weihte  der 
Papst  zum  Bischöfe  von  Neitra,  der  in  allein  seinem  Erz- 
bischofe  gehorsam  seyn  solle.  Dass  nebst  Wiching  auch 
nur  ein  zweiter  damals  angestellt  worden  wäre,  wissen 
wir  nicht.  In  Ansehung  des  zweiten  Punctes  der  Anklage 
gelang  es  dem  Method  durch  seine  Vorstellungen  den 
Papst  Johann  zu  bewegen,  dass  er  den  slawischen  Got- 
jtesdienst  nun  bewilligte.  Möge  nun  Metliöd  dem  Papste 
Johann  die  grossen  Yortheile  der  slawischen  Sprache  bei 
seinem  Lehramte  unter  den  Slawen  einleuchtend  vorge- 
stellt, möge  er  auf  das  Beispiel  der  griechischen  Kirche, 
die  neben  der  griechischen  Sprache  bei  allen  gottesdienst- 
lichen Verrichtungen  auch  andere  Sprachen,  die  syri- 
sche, koptische,  armenische,  slawische  gestatte,  hinge- 
wiesen, möge  er  endlich  bei  der  Nichtgewährung  des 
Gebrauchs  der  slawischen  Sprache  auf  die  nahe  Gefahr 
einer  Trennung  von  der  lateinischen  Kirche  aufmerk- 
sam gemacht  haben;  so  hatte  Papst  Johann  nebst  diesen 
Gründen  auch  noch  andere  Ursachen,  die  Griechen  und 
die  dem  griechisch-slawischen  Ritus  ergebenen  Slawen 
eben  jetzt  zu  schonen.  Es  musste  ihm  an  der  Erhaltung 
der  Kircheneinigkeit,  die  jetzt  vielfach  gefährdet  war, 
alles  gelegen  seyn.  Diess  machte  ihn  selbst  gegen  Pho- 
tius  so  nachsichtig,  dass  er  seine  Wiedereinsetzung  nach 


91 

dem  Tode  des  Patriarclien  Ignatius  geiiehin  liiell.  Da- 
durch hoffte  er  die  Einigkeil  der  Kirche  zu  erhalten, 
lind  die  Bidgarei,  aus  der  seit  870  alle  lateinische  Prie- 
ster weichen  innssten,  vviederiMii  an  das  abendländische 
Patriarchat  zu  bringen.  Kurz,  Johain»  VIU.  gab  den  Vor- 
stelhmgen  iMethods  in  Betreff  des  slawischen  Gottesdien- 
stes nach,  lind  fasste  seine  Erklärung  darüber  so  be- 
hutsam ab,  dass  er  nicht  nur  sich  selbst  wegen  des  vor 
kurzem,  um  unterdessen  Methods  Ankläger  zu  beschwich- 
tigen ,  gemachten ,  jetzt  aber  zurückgenommenen  Ver- 
botes, sondern  auch  den  von  Adrian  geweihten  und  in 
Pannonien  eingesetzten  Erzbischof  wegen  der  eingeführ- 
ten und  fortgesetzten  slawischen  Liturgie  gleichsam  recht- 
fertigte, Methods  Ankläger  eines  bessern  belehrte,  und 
hoffen  konnte,  den  Angeklagten  dadurch  gegen  weitere 
Beschuldigungen  von  Seite  der  teutschen  Priester  sicher 
zu  stellen.  Von  dringenden  Umständen  bewogen,  ge- 
stattete zwar  Papst  Johann  auf  der  einen  Seite  den  sla- 
wischen Gottesdienst,  aber  auf  der  andern,  da  er  wusste, 
dass  in  Mähren  von  jeher  viele  lateinische  Priester  an- 
gestellt waren,  wollte  er  der  lateinischen  Sprache  nichts 
vergeben.  Er  schliesst  daher  seinen  Brief  an  Swatopluk 
mit  diesen  Worten:  Wir  befehlen  aber  doch,  dass  in 
allen  Kirchen  eures  Landes,  der  grössern  Würdigkeit 
wegen,  das  Evangelium  zuerst  lateinisch  gelesen  werde, 
und  dann  in  slawischer  Sprache  übersetzt  dem  der  latei- 
nischen Sprache  unkundigen  Volke  zu  Ohren  komme, 
wie  es  in  einigen  Kirchen  geschehen  mag.  Und  wenn 
es  dir  und  deinen  Richtern  gefällt,  die  Messen  lieber  in 
lateinischer  Sprache  zu  hören,  so  befehlen  Wir,  dass 
dir  das  feierliche  Amt  der  Messe  lateinisch  gelesen  werde. 
Da  Gorazd,  den  Method  früher  zum  Bischöfe  ge- 
weiht hatte,  dem  Wiching,  Bischof  von  Neitra ,  wei- 
chen musste,  so  ist  dieser  wol  der  einzige  Suffragan,  der 
dem  Erzb.  Method  untergeordnet  war.  Ein  zweiter  sollte 
erst  zum  Bischöfe  geweihet  werden ,  und  mit  diesen 
zweien  sollte  erst  Method  uo  ch  mehrere  ordiniren  und 
an  bestimmten  Orten  anstellen.  Da  aber  Method  keine 
gute  Aufnahme  in  Mähren  fand,  und  sich  etwa  schon 
881    zurückzog,    so    geschah    von    allem,    was  man  vor- 


92 

liatle,  nichts.  Erst  lange  nach  Metliods  Entfernung  aus 
Mälnen,  4  oder  5  Jahre  nach  Swatophiks  Tode  (st. 
894),  ward  in  Mähren  eine  Metropole,  d.  i.  ein  Erz- 
bistlunn  mit  drei  Bischöfen  errichtet.  Weini  gleicli  der 
böhmische  flzg.  Boriwog  von  Method,  wahrsclieinlich 
vor  dessen  zweiter  Reise  879,  wie  Cosmas  230  Jahre 
nach  dieser  Begebenheit  bezeugt,  getauft  worden,  so 
foJgt  doch  nicht,  dass  Method  über  Bölniien  seine  Ju- 
risdiction als  Erzbischof  ausübte,  weil  ßölnuen  seit  der 
Taufe  der  vierzehn  Herzoge  (Fürsten),  d.  i.  seit  845  un- 
ter den  Sprengel  von  Kegensburg  gehörte.  Ungeachtet 
der  Emj)feldinig  des  Papstes  Joliann  ist  der  von  ihm  be- 
stätigte Erzbischof  von  Mähren  doch  nicht  so  gut  auf- 
genommen worden,  als  er  es  billig  erwarten  koiuite. 
Selbst  Swatophik,  von  teutsch-lateinischen  Priestern  ge- 
leitet, scheint  nicht  die  gehörige  Achtung  gegen  Method 
bewiesen  zu  haben.  Was  eigentlich  dem  Method  widri- 
ges widerfahren,  ist  wol  kaum  möglich  genau  zu  be- 
stiiinnen.  Doch  so  viel  ist  gewiss,  dass  er  schon  nach 
etwa  sieben  Monaten  nach  seiner  Ankunft  von  Rom  (880) 
Ursache  hatte,  sich  mit  einer  Klageschrift  an  den  Papst 
zu  wenden,  wie  es  aus  Johanns  VIII.  tröstender  Ant- 
wort erhellet.  Der  Brief  ist  datirt  vom  23.  Mai  881. 
Der  Papst  lobt  Methods  Seeleneifer,  bezeugt  grosses  Mit- 
leid mit  ihm  verschiedener  Unfälle  und  Begegnisse  we- 
gen, sagt,  er  hätte  weder  Swatopluk  noch  Wiching  ge- 
heime Instructionen  gegeben.  Man  kann  also  nur  rathen, 
was  denn  eigentlich  gegen  den  griechischen  Erzbischof 
der  lateinische  ihm  untergeordnete  Bischof  Wiching  un- 
ter Swatopluks  Schutze  unternommen  habe.  Der  grie- 
chisch-slawische Ritus  allein  war  den  lateinisch  -  teut- 
schen  Priestern,  deren  Anzahl  in  Mähren  wahrschein- 
lich viel  grösser  war,  als  der  slawischen,  schon  anstös- 
sig  genug.  Wiching  brachte  es  dahin,  dass  der  slawi- 
sche Bischof  Gorazd  und  sein  Anhang  aus  dem  Lande 
geschalfet  wurde.  Method  konnte  jetzt,  bei  der  Freund- 
schaft Swatopluks  mit  Arnulph,  Flerzoge  von  Kärnten  u. 
Pannonien,  dem  er  seinen  Sohn  Swentibald  (Swato- 
pluk) aus  der  Taufe  hob,  auf  keinen  Schutz  gegen  Wi- 
ching   rechnen,    und    fasste   den  klugen  Entschluss,  den 


93 

er  dem  Papste  meldete,  wiederum  iiacli  Korn  ziinickzu- 
keliren,  da  er  IjefOrcIiteii  konnte,  dass  man  sich  in  Mäh- 
ren gegen  die  griechisch-slawischen  Priester  eben  niclit 
gefiilliger  betragen  würde,  als  sich  im  J.  870  die  Grie- 
chen gegen  die  lateinischen  Priester  in  der  Bnlgarei  be- 
tragen haben.  Was  thnt  nun  Method  in  seiner  miss- 
lichen Lage  in  Mähren?  Die  Tröstungen  des  Papstes  in 
dem  angeführten  Briefe  vom  .1.  881  konnten  sein  Gemüth 
wol  aufrichten,  aber  seine  Lage  blieb,  wie  sie  war.  Auch 
verspricht  der  Papst  den  Handel  erst  beizulegen,  wenn 
Method  nach  Rom  zurückgekommen  seyn  würde.  Er 
säumte  also  nicht,  sich  dahin  zu  begeben,  wo  er  auch 
sein  Leben  endete,  und  zwar,  da  nach  dem  J.  881  sei- 
ner nirgends  mehr  gedacht  wird,  in  kurzer  Zeit  nach 
seiner  Ankunft.  Allein  das  eigentliche  Todesjahr  Metliods 
bleibt  immer  ungewiss.  —  Method  war  als  Erzbischof 
im  J.  868  von  Adrian  eingesetzt,  nach  12  .Jahren  darin 
von  Johann  bestätigt,  gleich  darauf  im  J.  881  von  ihm 
getröstet  und  nach  Rom  beschieden,  er  konnte  also  sein 
Erzbisthum  nicht  länger,  als  13  Jahre  verwalten.  Nimmt 
man  noch  die  Jahre  vor  seinem  Bisthum  dazu,  in  wel- 
chen er  sein  Bekehrungswerk  in  Mähren  trieb,  so  kom- 
men 18  Jahren  heraus  — .  ^) 

Die  so  wichtige  Frage,  was  eigentlich  Kyrill,  was 
Method,  was  endlich  beide  bei  ihren  Lebzeiten  übersetzt 
haben,  ist  wol  jetzt  kaum  genugthuend  zu  beantwor- 
ten. Nach  dem  fast  einstimmigen  Bericht  der  ältesten 
Zeugen  gebührt  die  Ehre  der  Erfindung  und  Verferti- 
gung des  slawischen  Alphabets  ausschliesslich  dem  Con- 
stantin,  mit  dessen  Mönchs  -  Namen  es  späterhni  auch 
benannt    worden    ist    (Kyrillica,    kyrillisches    Alphabet) ; 

^)  üeber  Kyrill  ii.  Method  sind  zu  vgl.  Fesina  Mars  Moravicns 
l'rajz  677.  fol.  —  Stredouskv  Sacra  Moraviae  histoi'fep^StVe  vita  SS.  C'yrill 
et  Methudii,  etc.  Solisbaci  710.  4.  —  TA.  Prokopovic  razsmotrenije  po- 
wjesti  0  Kirillje  i  Method;i,  S.  P.  722.  —  Kohl  introd.  in  histor.  et  rem 
litter.  Slavorum,  Altona  729.  —  Assemani  Kalendaria  ecclesiae  univorsae, 
Rom  755.  T.  III.  —  Dohner  anuales  iJöhemorum  Hajeki,  Prag  765.  P.  III. 
Ulmann  Altmähren,  ÖTmutz  762  fol.  —  Acta  SS.,  m.  Martii  Tom.  II.,  ad 
IX.  Mart.  de  „SS.  Episcopis  Slavonim  Apostolis,  Cyrillo  et  Methodio  etc." 
Antw.  668.  fol.  —  [Ewaenif)  slowar  istoriroskij  etc.  (818)  S.  421  —  431. 
Schlözer  Nestor  Th.  III.'  S.  149  -  242.  —  Dohrowski}  f'yrill  und  I\Teth.od, 
der  Slawen  Apostel,  Prag  823.  8.  Die  zwei'Iütztrrn,  überaus  sch;itzbaren 
Schriften  sind,  wegen  der  angeführten  und  sich  gegenseitig  ergänzenden 
Quellen  beim  Gebrauche  zu  verbinden. 


94 

allein  an  den  Verdiensien,  die  sich  die  Gebrüder  um 
die  Slaweti  erworben,  hat  Method  nicht  nur  eben  so 
viel,  sondern  noch  mehr  Antheil,  als  Kyrill;  letzterer 
starb  sehr  früh,  Methodius  aber  lebte  noch  wenigstens 
13  Jahre,  und  die  Vollendung  der  slawischen  Liturgie 
ist  bloss  sein  Schöpferwerk.  ,, Willkommen  also  hier, 
rufen  wir  mit  Schlözer  (Nestor  III.  187)  aus,  ihr  un- 
sterblichen Erfinder  der  slawonischen  Schrift,  die  ihr  es 
zuerst  wagtet,  eine  rohe  Sprache,  die  eine  Menge  ihr 
eigenthümlicher  Laute  hat,  dem  Volke  so  zu  sagen  aus 
dem  Munde  zu  nehmen,  und  mit  griechischen  Buchsta- 
ben zu  schreiben,  aber  wie  Genien  dabei  verführet,  und 
für  jene  eigeiUhümliche  Laute,  die  der  Grieche  in  seiner 
Sprache  nicht  hatte,  eigene  Zeichen  oder  Buchstaben  er- 
fandet; wie  tief  stellt  unter  euch  der  Elsasser  Möncli 
Ottfried,  oder  wer  der  Teutsche  seyn  mag,  der  sieb  zu- 
erst erkühnte,  seine  Sprache  zu  schreiben,  aber  dabei 
das  lateinische  ABC  nur  sciavisch  copirte  !"^)  Nach 
dem  Exarchen  Johann  übersetzte  Kyrill  bloss  eine  Aus- 
wahl aus  den  Evangelien  und  dem  Apostel,  d.  i.  nur  die 
Lectionen  durchs  ganze  Jahr  hindurch,  wie  sie  aus  den 
Evangelien  der  römische  ruthenische  Codex  No.  1.  ent- 
hält. Bei  den  Russen  heissen  sie  AnpaKOC,  bei  den 
Griechen  evayyiXia  saloyadia.  Ein  solclies  Evangelien- 
buch ist  das  Ostromirsche  auf  Pergamen  im  J.  1056 
von  Gregor  Diakonus  für  den  Nowogoroder  Posadnik 
Josepli  Ostromir  geschrieben,  üass  dieser  Codex  die  un- 
veränderte kyrillische  Uebersetzung  grösstentheils  ent- 
halte, daran  ist  gar  nicht  zu  zweifeln.  Kyrill  übersetzte 
wahrscheinlich  zuerst  die  ganzen  vier  Evangelien,  wie 
sie  der  Codex  vom  J.  1144  in  der  Synodal bibliothek  zu 
Moskau  Mo.  404  enthält.  Dasselbe  gilt  auch  vom  Apo- 
stel, worunter  die  Apostelgeschichte  und  alle  Briefe  der 
Apostel  verstanden  werden.  Auch  von  diesem  Buche 
lassen  sich  mehrere  Lectionarien  nachweisen,  die  zur 
Bequemlichkeit  der  Leser  so  eingerichtet  sind,  dass  die 
Lectionen  nach  den  Festen  des  Jahres  fortlaufen.  Diokleas 


")  lieber  das  Verfahren  Kyrills  bei  Einrichtung  des  slaw.  Alphabets, 
so  wie  über  die  Natur  der  slaw.  Sprachlaute  und  ihre  Bezeichnung  mittelst 
Buchstaben  s.  die  feinen  und  scharfsinnigen  Benicrkk.  des  Hrn.  Kopitar 
Gramm.  S.  1  -  13,  161  —  212.  ■ 


95 

sdireibt  dem  Kyrill  die  Uebersetzung  der  Evangelien, 
des  Psalters,  nnd  dann  des  ganzen  alten  und  neuen  Te- 
staments, und  der  Messe  (der  griechischen  Litingie  des 
Basilins  und  Chrysoslomus)  zu,  welciie  Meinung  seit- 
dem herrschend  geworden  ist.  Was  das  ganze  alte  Te- 
stament betritft,  daran  ist  wol  zu  zweifeln,  da  keine  al- 
ten Codices  nachgewiesen  werden  können.  Und  in  Be- 
treflF  des  neijen  Testaments  muss  die  Apokalypse  ausge- 
nommen werden.  In  der  dalmatischen  Chronik  werden 
anstatt  des  Psalters  die  Episteln  genannt.  Gewöhidich  aber 
wird  von  spätem  Schriftstellern  die  Uebersetzung  der 
zum  Gottesdienst  gehörigen  Bücher  beiden  Aposteln  zti- 
geschrieben.  Nestor  nennt  unter  den  Büchern,  die  sie. 
als  sie  nach  Rom  gingen,  in  Mähren  zurückliessen,  den 
Apostel,  das  Evangelium,  den  Psalter,  den  Oktoich  (das 
achtstimmige  Odenbuch),  aber  er  setzt  unbestimmt  hin- 
zu :  „und  andere  Bücher.''  Method ,  als  Erzbischof, 
Hess  wol  noch  einige  Uebersetzungen  durch  andere  be- 
sorgen, was  er  aber  eigentlich  selbst  übersetzt  habe, 
ist  nicht  bekannt.  Alle  übrige  Werke,  welche  dem  h. 
Kyrill  noch  sonst  zugeschrieben  werden,  sind  entweder 
Erdichtungen,  oder  fälschlich  dem  thessalonischen  Kyrill 
beigelegte  Werke  anderer  gleichnamiger  Verfasser. 

Das  heilige,  von  Kyrill  und  Method  begonnene  Be- 
kehrungs-  und  Uebersetzungswerk  wurde  nach  ihrem 
Tod  von  andern  fortgesetzt.  .Johann,  Exarch  von  Bul- 
garien, übersetzte  bereits  im  IX.  Jahrh.  Hie  Bücher  des 
Johannes  Damasconus  ins  Slawische.  Gegen  das  Ende 
des  X.  Jahrh.  kamen  die  slawischen  Kirchenbücher  mit 
der  christlichen  Religion  zu  den  Russen,  deren  Fürsten 
im  XI.  Jahrh.  zahlreiche,  der  slawischen  Sprache  kun- 
dige Gottesgelehrten  freigebig  unterhielten,  um  die  Ue- 
bersetzung der  h.  Bücher  fortzusetzen.  Ein  gleiches  ge- 
schah in  Serbien,  wo  um  diese  Zeit  noch  einheimische 
Fürsten  herrschten,  und  die  Verbindung  mit  dem  ge- 
lehrten Constantinopel  fortdauerte.  So  kam  nach  und 
nach  das  ganze  Corpus  bibliorum,  aber  gewiss  nicht 
vor  Ende  des  XV.  Jahrb.,  zu  Stande.  Die  Uebersetzung 
der  Sprichwörter  Salomonis  war  schon  im  XII.  Jahrh. 
vorhanden,   wie    man   aus  Nestor,    der  das  Buch  fleissig 


96 

citirt,  ersehen  kann.  Das  Biicli  der  Weisheit,  der  Pre- 
(liejcr,  die  Propheten  und  Hiob  sind  im  XIU.  XIV.  Jahrh. 
in  Serbien,  die  fünf  Bücher  Mosis  ii.  a.  im  XV.  Jahrli. 
in  RiissJand  oder  Polen  übersetzt  worden.  Vollständig 
vvnrden  die  bisher  getrennten  Theile  der  Bibel,  nach 
Hrn.  Dobrowskys  Meinung,  erst  gegen  das  Ende  des 
XV.  .lahrh.,  und  zwar  nicht  vor  dem  Druck  der  böhmi- 
schen Prager  (1488)  oder  Ivuttenberger  (1489)  Bibel, 
gesammelt,  nach  deren  Muster  die  einzelnen  Bücher 
geordnet,  die  fehlenden  ergänzt,  und  die  meisten ,  ur- 
sprünglich aus  dem  Griechischen  übersetzten  Bücher  des 
alten  Testaments  nach  der  Vulgata  revidirt  worden  sind. 
Wahrscbeinlich  ist  der  Moskauer  Codex  der  ganzen  Bi- 
bel vom  J.  1499,  als  der  älteste  vorhandene,  zugleich 
der  erste  vollständig  zu  Stande  gebrachte,  woraus  die 
zwei  andern  Codd.  genommen  worden  sind,  nach  deren 
einem  der  Druck  der  Ostroger  Bibel  auf  Befehl  des  Für- 
sten Constantin  1580  besorgt  wurde.*)  Ausser  der  Bi- 
bel und  den  liturgischen  Büchern  wurden  nun  auch  an- 
dere in  der  altslawischen  Kirchensprache  sowol  bei  den 
Russen,  als  bei  den  Serben,  entweder,  wie  die  Chro- 
niken, neu  abgefasst,  oder,  wie  die  Schriften  der  Kir- 
chenväter, übersetzt,  wovon  unten  §.  11.  die  Hede  seyn 
wird. 

§.   10. 

Verhältniss    der    altslawischen    Kirchensprache   zu    andern 
slawischen  Mundarten. 

Wie  soll  man  nun  die  Sprache,  in  welcher  die  sla- 
wisch-serbischen ,  slawisch-russischen  (beide  mit  ky- 
rillischen Buchstaben) ,  die  slawisch-dalmatischen  Kir- 
chenbücher (mit  glagolitischen  Schriftzügen)  verfasst 
sind,  dem  Dialekte  nach  nennen?  —  Hierüber  sind  und 
waren  die  Meinungen  der  Gelehrten  und  Sprachforscher 
von  jeher  sehr  getheill.  Ein  kleiner  Theil  derselben  hul- 
digt der  gewöhnlichen,  auch  heutzutage  noch  prüfungs- 
werthen  Ansicht,    dass  diese  Sprache  die  älteste  der  Sla- 

*)  S.  Dobruiush}  insfitiitioiics   1.  slav.  p.  VI.  XII.  701. 


97 

winen  und  die  ünnntter  aller  jetzt  bekannten  Mundar- 
ten sey  (Rakowiecki,  Karamzin?),  während  der  andere 
sie  bloss  für  die  Mutter  eines  einzi^jen  Dialekts,  und 
zwar  bald  des  Russischen  (Kohl),  bald  des  Bulgarischen 
oder  Serbischen  (Jordan.  Schlözer;  Dobrowsky,  Sola- 
ric),  bald  des  Mährischen  (Ewgenij,  Kalajdowic),  bald 
des  Slowakischen  (Jordan?,  Dalimil ,  Caplowic),  bald 
des  Slowenischen  oder  karantanisch  -  windischen  (Ropi- 
tar,  Grimm)  u.  s.  w.  gelten  lassen  will. 

Die  Ansichten  derjenigen  Schriftsteller,  die,  ohne 
tiefer  in  die  Sache  einzugehen,  sich  darüber  nebenher 
haben  vernehmen  lassen,  dürfen  hier  nur  kurz  berührt 
werden.  Gegen  die  Benennung  moskowitisch  oder  ru- 
thenisch  eifert  Kohl,  und  will  auch  (Introd.  S.  10.)  von 
einem  Russen,  der  in  Slawonien  (zwischen  der  Drawe 
und  Sawe?)  reiste,  gehört  haben,  dass  man  dort  noch 
dieselbe  oder  eine  nur  sehr  wenig  verschiedene  Sprache 
rede,  die  er  sonst  die  alte  slawonische  Büchersprache 
nennt.  Nach  S.  11.  aber  soll  wieder  mit  der  alten  Bü- 
chersprache, wie^öderlein  aus  dem  Munde  eines  hohen 
Russen  vernommen  haben  will,  der  Kiowsche  Dialekt 
in  der  Ukraine  und  dem  Stücke  Landes  gegen  Morgen 
in  Moskau  hinein ,  sonderlich  übereinstimmen.  Chri- 
stoph von  Jordan  meint,  Ryrill  habe  sich  vielleicht 
des  bulgarischen  Dialekts,  den  er  in  Constantinopel  er- 
lernte, bedient,  und  setzt  hinzu,  die  Mähren  hätten 
diesen  Dialekt  hinlänglich  verstehen  können,  wenn  ihre 
gemeine  Sprechart  auch  verschieden  war.  Orig.  slav.  P. 
IV.  p.  126.  Schlözer  wollte  (Nord.  Gesch.  S.  330)  nicht 
bestimmen,  ob  sich  die  slawische  Kirchensprache  zu  den 
noch  lebenden  bloss  verhalte,  wie  eine  alte  Sprache  zur 
neuen,  wie  Ottfried  zu  Luthern,  oder  ob  sie  ein  ganz 
anderer  Dialekt  sey,  meinte  jedoch,  wenn  sie  die  Spra- 
che ist,  in  der  Kyrillus  predigte  und  übersetzte,  so 
müsse  man  sie  in  der  Bulgarei  suchen.  Später  (Nestor 
I.  46  —  52)  hält  er  sie  „für  die  Mutter  der  übrigen 
Mundarten,  zu  der  die  übrigen  Töchter  noch  jetzt  ein 
näheres  Verhältniss  hätten,  als  unter  sich  selbst.  Dass 
damals,  fährt  er  fort,  als  die  jetzige  slawische  Bibelüber- 
setzung   gemacht  M'^orden,   die  altslawische  Sprache  eine 

7 


m 

Kcdespraclie  gewesen  seyii  müsse,  versieht  sicli  wol  von 
selbst:  nur  wo  war  sie  das?  Kyrill  machte  unstreitig  die 
erste  Uebersetzung  in  der  Mitte  des  IX.  Jahrb.,  er  mach- 
te sie  namentlich  für  die  Mähren  und  Bulgaren;  also 
müsste  noch  im  IX.  .lahrli.  in  Mähren  und  Bulgarien  das 
biblisch  Altslawische  die  allgemeine  Volksspraclie  gewe- 
sen seyn."  Ganz  für  das  Mährisclie  stimmt  der  Hr.  Me- 
tropolit Etrgemj  {Sloivar  istor.  unter  dem  Art.  Method 
S.  428  —  430).  „Es  wäre  nicht  nöthig,  meint  er,  die 
Frage  zu  untersuchen,  in  welcher  andern  slawischen 
Mundart,  als  in  der  mährischen,  Kyrill  und  Method  die 
Kirchenbücher  übersetzt  haben,  wenn  nicht  die  Gelehr- 
ten hierin  von  jeher  so  verschiedener  Meinung  gewesen 
wären.  Es  sey  bekannt,  dass  die  zwei  Brüderapostel 
Lehrer  der  mährischen  und  bulgarischen  Slawen  gewesen. 
Hiernach  müsse  man  folgerecht  mit  Schlözer  schliessen, 
dass  sie  in  keiner  andern,  als  in  der  diesen  Slawen  ver- 
ständlichen Mundart,  geschrieben  haben.  Daraus,  dass 
diese  Sprache  lange  Zeit  Schriftsprache  der  Serben  ge- 
wesen, hätten  einige  abendländische  Gelehrten,  mit  ser- 
bischen Büchern  vertrauter  als  mit  russischen,  gefolgert, 
dass  Constantin  und  Method  ihre  Bücher  in  der  altser- 
bischen Mundart,  der  Mutter  der  jetzigen  serbischen, 
abgefasst  haben.  Aber  dieses  könne  mit  keinen  histo- 
rischen Gründen  bewiesen  werden.  Wollte  man  auch 
annehmen,  dass  in  der  Gegend  von  Thessalonich  bereits 
im  YII.  Jahrb.  serbische  Städte  existirt  haben:  wornach 
Constantin  und  Method  von  Jugend  auf  in  Thessalonich 
den  serbischen  Dialekt  erlernt  hätten ;  so  hätten  sie  doch 
nach  ihrer  Ankunft  in  Mähren  die  hiesige  Mundart, 
schon  wegen  des  damaligen  geringen  Unterschieds  der 
slawischen  Dialekte,  zu  ihrer  Schriftsprache  wählen  müs- 
sen (?),  und  nicht  umgekehrt  erst  den  Mähren  durch 
Unterricht  die  serbische  Sprache  beibringen."  Dieser 
Ansicht  pllichtet  aucli  Hr.  Kalajdowic  in  s.  Aufsatz  über 
die  slawische  Kirchensprache  bei.  Noch  gab  es  Andere, 
die  in  Erwägung  der  grossen  Aehnlichkeit  des  heutigen, 
leider  noch  zu  wenig  gekannten  slowakischen  Volks- 
Dialekts  in  Ungern  in  unzähligen,  in  andern  Mundarten 
bereits    verschwundenen    oder    veralteten    Wörtern    und 


99 

Flexionsroriiioii  mit  clcin  Allslawisclion.  g;loicli  wie  des 
Umstandes,  dass  Mähren,  des  ii^rossen  Svvalopliik  gros- 
ses, aber  leider  nur  ephemeres  Keich,  wo  docli  nach 
der  eiiis(immi»eii  Anssai:je  aller  Berichferstatler  Method 
am  längsten  verweilt,  gelehrt  und  gewirkt  haben  soll, 
damals  den  grössten  Theil  der  heutigen  Slowakei,  wo 
nicht  die  ganze,  umfasst  habe,  und  mit  Berücksichtigung 
der ,  mit  den  Angaben  anderer  Chronisten  von  den 
Einfällen  der  pafuionischen  Shnven  (Sarmaten)  ins  by- 
zantische  Keich  unter  dem  Ks.  Justinian  übereinslim- 
menden  Sage  Nestors  „dass  die  donauischen  Slawen  die 
Urslawen  und  Stannnväter  der  Auswanderer  nach  Nor- 
den sind",  sich  des  Gedankens  nicht  erwähren  konnten, 
dass  wol  die  altslawische  Sprache  zu  der  Slowakischen 
in  einem  andern  Verhältniss  stehen  könnte,  als  man  es 
bis  jetzt  allgemein  geglaubt  hat  ^).  Lnct'ns  und  Schön- 
leben weisen  auf  die  nahen  Gegenden  um  Thessalonich 
hin.  Sfeph.  Rosa,  ein  Ragnsiner,  hält  sogar  die  kyril- 
lischen Uebersetzungen ,  der  beigemischten  thrakischen 
Wörter  wegen,  nicht  für  rein  slawisch.  Mathias  Mie- 
chovifa  nennt  die  Sprache  der  russischen  Kirchenbücher 
ohne  Bedenken  serbisch,  wenn  gleich  das  gemeine  Ser- 
bische seiner  Zeit  schon  mit  türkischen  Wörtern  hanfig 
ffemisciit  und  selbst  auch  in  vielen  Formen  von  dem  Alt- 


slawischen oder  Altserbischen  abgewichen  war.  Selbst 
die  heutigen  Serben  nennen  ein  altes  serbisches  Kirchen- 
buch   Srbulja,    das    aber,    wie    Hr.    Wuk    bemerkt,    dem 


')  Nicht  nur  finden  sich  in  dem  Slowakischen  Wörter,  die  andern 
Slawen  entweder  ganz,  od.  wenigstens  in  dieser  Bedeutung  unbekannt  sind, 
im  Altslawischen  aber  sich  nachweisen  lassen,  sondern  der  ganze  formelle 
und  grammatische  Bau  dieser  jNIundart  erinnert  aufi'allend  an  das  Kirchen- 
slawische. Schon  J.  Chr.  Jordan  sagt  de  orig.  slav.  Sect.  57.  p.  127.  „Hun- 
garo-slavonicam  scu  Huugariae  Slovaconum  dialectum  inter  omnes  ad  sla- 
vonicam  accedeutes  proximam  linguae  matri  esse.''  Und  der  Domherr 
Dalimil  rühmt  von  dem  slowakischen  Dialekt :  ,,His  Hungariac  iucolis  me- 
rito  adhaesit  nomen  Slowak,  „quum  praecipue  hi  linguam  slavonicam  vi- 
deantur  retinuisse."  Hr.  v.  Caplowic  sagt  in  s.  aus  mehrjähriger  Erfah- 
rung abstrahirten  Bemerkungen  über  die  heutige  serbische  Sprache :  „Die 
heutigen  Serben  in  Slawonien  und  Kroatien  sprechen  eine  Sprache,  welche 
von  ihrer  Kirchenbüchersprache  eben  so  verschieden  ist,  wie  etwa  die  ita- 
lienische von  der  lateinischen.  Die  slowakische  ist  damit  weit  näher  ver- 
wandt. Ein  Slowak  versteht  ihre  Evangelien  besser,  als  der  Serbe  selbst. 
welcher  die  Kirchensprache  nicht  studirt  hat.'"  (Slav.  u.  Kroat.  Th.  1.  S. 
219  —  220.)  Diese  Behauptung  ist  nur  unter  gewissen  Einschränkungen 
wahr.  Vgl.  auch  unten,  und  vorzüglich  §.  45. 

7* 


100 

serbischen  Dialekt  näher  ist,  als  die  neuen  russischen  Aufla- 
gen. Ganz  entschieden  nimmt  die  altslawische  Kirchen- 
sprache Solaric  für  die  Serben  in  Schutz.  ,,Es  ist,  sagt 
er  (Rimljani  slawenstwowawsi  1818.  8.  S.  23  —  24), 
ein  für  allemal  noth wendig,  dass  wir  Serben,  nach  dem 
Sprichwort:  ,,Heci  bobu  hob,  a  popu  pop"  uns  in  der 
Benennung  der  alten  reinen,  Sprache  nicht  irren,  son- 
dern sie  die  alte  serbische  und  keinesweges  anclers 
nennen.  Sie  ist  zu  allererst  durch  die  h.  Schrift  in  dem 
Herzen  der  illyrischen  Halbinsel,  wo  später  die  serbi- 
schen Königreiche  geblüht  haben,  bekannt  geworden. 
Um  dieses  Vorzugs  willen,  wenn  es  gleich  wahr  ist, 
dass  die  damals  nicht  nur  den  Bulgaren,  sondern  auch 
den  auf  der  ganzen  Halbinsel  von  dem  Meerbusen  von 
Thessalonich  und  dem  Pontus  Euxinus  bis  zum  adriati- 
schen  Meer,  ja  zweifelsohne  sogar  den  oberhalb  der  Do- 
nau wohnenden  Slawen,  Avelchen  die  christliche  Religion 
und  die  h.  Schrift  in  ihr  verkündigt  worden  ist,  ver- 
ständlich und  gemein  war,  soll  diese  Sprache  die  ser- 
bische heissen;  mit  noch  grösserem  Rechte  aber  auch 
darum,  weil  uns  unsere  Ohren  und  Augen  lehren,  dass 
unsere  jetzige  serbische  Landesmundart  unmittelbar  aus 
ihr  entsprossen,  und  ihr  näher,  ähnlicher  und  verwand- 
ter ist,  als  alle  andere.  Dieses  wird  nur  derjenige  läug- 
nen  können,  der  auch  die  Abstammung  der  heutigen 
italienischen  Sprache  von  der  alten  römischen  und  ihre 
Verwandtschaft  mit  derselben  läugnen  kann.  [lebrigens 
soll  diese  vnisere  Benennung  der  altserhischen  Sprache, 
der  reinsten  Wurzel,  zugleich  aber  auch  der  schönsten 
Blülhe  des  jetzigen  gesammten  Slawenthums,  keinen  der 
übrigen  slawischen  Stämme  hindern,  dieselbe,  falls  er 
es  schicklich  oder  erspriesslich  findet,  insgemein  die  sla- 
wische zu  nennen:  wir  wissen,  dass  sie  ganz  vorzüg- 
lich uns  angehört,  und  können  nicht  umhin,  sie  die 
unsrige  zu  nennen." 

Hr.  Dohrowsky  prüfte  die  Meinungen  seiner  Vor- 
gänger strenger,  und  erforschte  die  Natur  der  slawi- 
schen Mundarten  genauer,  als  irgend  jemand  vor  ihm. 
Er  stellte  zuerst  die  zwei  Ordnungen  der  slawischen  Völ- 
ker  auf:    die  südösUiche^  zu    der  die  Russen,   Bulgaren, 


101 

Serben ,  Dalmatiner ,  Kroaten  und  Winden ,  und  die 
nordwestliche,  zu  der  die  Polen,  Böhmen^  Slowaken  w. 
Sorben-Wenden  in  den  Lausitzen  gehören.  Er  fand, 
dass  die  Völker  der  ersten  Ordnung  die  altslawische  Spra- 
che leicliter,  als  die  der  zweiten  Ordnung  verstehen. 
Das  Altslawische,  sofern  es  bestimmter  gedacht  wird, 
oder  die  Sprache  der  kyrillischen  Evangelien  ist  ihm  nicht 
Gattung,  unter  welcher  Serbisch,  Russisch  u.  s.  w.,  als 
Arten  stehen  könnten,  sondern  ist  selbst  nur  eine  Art, 
so  wie  die  übrigen  Mundarten.  So  betrachtet  könne  das 
Altslawische  nicht  Mutter  von  allen  übrigen  Mundarten 
seyn.  Zudem  gehöre  das  altslawische  zur  ersten  Ord- 
nung, unter  welche  das  Böhmische,  Slowakische  u.  Pol- 
nische nicht  gehören.  Man  dürfe  hier  nicht  voraussetzen, 
dass  zur  Zeit,  in  welcher  das  Slawische  zuerst  geschrie- 
ben worden,  nur  einerlei  Slawisch  geredet  worden  sey, 
aus  dem  sich  die  jetzt  so  sehr  verschiedenen  Dialekte 
allmälich  gebildet  hätten.  Nur  das  jetzige  Serbische  habe 
sich  aus  ihm  gebildet  und  verbildet.  Die  übrigen  ent- 
fernten Mundarten  haben  sich  nicht  aus  ihm,  sondern 
neben  ihm  gebildet  und  fortgepflanzt.  Dass  die  heutige 
serbische  Sprache  der  alten  fast  noch  weniger  ähnlich 
ist,  als  die  russische,  komme  daher,  weil  die  Russen 
nach  und  nach  die  alte  serbischslawische  Sprache  nach 
dem  grammatischen  Leisten  der  ihrigen  zugeschnitten, 
ihr  Wörter  und  Ausdrücke  nebst  neuern  Bedeutungen 
geliehen  haben,  die  die  alte,  in  den  ältesten  Handschrif- 
ten noch  wenig  oder  gar  nicht  veränderte  slawische  Spra- 
che nicht  hatte,  nicht  kannte.  Die  Sprache  der  Mähren 
oder  heutigen  Slowaken  um  Neitra  herum  könne  auch 
im  IX.  Jahrb.  mit  der  bulgarisch-slawischen  oder  ser- 
bischen nicht  einerlei  gewesen  seyn.  Kyrill  brachte  schon 
zu  ihnen  das  übersetzte  Evangelienbuch.  Diess  konnten 
sie  nothdürftig,  wenigstens  zum  Theile  verstehen,  wenn 
es  gleich  in  makedonisch-serbischer  Mundart  abgefasst 
war.  Den  Slawen  in  Pannonien  vom  kroatischen  Stamme 
sey  diese  Sprache  viel  verständlicher,  als  den  Mähren, 
gewesen,  deren  Sprache  die  altslowakische,  aber  immer 
von  der  zweiten  Ordnung  seyn  musste.  Die  slawische 
Rirchensprache  sey  ferner  nie    Redesprache    der   Russen 


102 

gewesen;  cleim  sie  kam  erst  mit  den  slavvisclieii  Kircheii- 
biichern  unter  Wladimir  zu  ihnen.  Und  so  habe  denn 
eigentlicli  der  Serbe  den  gültigsten  Anspruch  zur  Be- 
hauptung, dass  die  altslawische  Kirchensprache  sein 
ehemaliges  Eigenthnm  war,  woran  er  aucli  nie  zweifeln 
konnte.  Diese  Sprache  sey  im  IX.  Jahrii.  an  dem  rech- 
ten Ufer  der  Donau,  von  Belgrad  gegen  Osten  bis  zum 
schwarzen  Meer,  gegen  Westen  bis  ans  adriatische  Meer, 
gegen  Süden  von  der  Donau  bis  gegen  die  Stadt  Tlies- 
salonich  gesprochen  worden,  wo  Kyrill  sein  Slawisch, 
wahrscheinlich  von  Jugend  auf,  gelernet  haben  mag  ^). 
Dasselbe  behauptet  Hr.  Dobrowsky  15  Jahre  später,  in- 
dem er  seinen  ,,Kyrill  und  Method"  mit  folgenden  Wor- 
ten schliesst:  „Bei  der  Bearbeitung  der  slawischen  Gram- 
matik, und  durch  fleissige  Vergleichung  der  neuern  Auf- 
lagen mit  den  ältesten  Handschriften,  habe  ich  mich 
immer  mel)r  überzeugt,  dass  Kyrills  Sprache  der  alte, 
noch  unvermischte,  serbisch  -  bulgarisch  -  makedonische 
Dialekt  war,  und  muss  bei  dieser  Ueberzeugung  noch 
bleiben,  selbst  naclidem  ich  des  Hrn.  Kalajdowic  neuen 
Aufsatz  über  die  alte  Kircliensprache  gelesen  habe.  Wenn 
ich  auch  zugeben  könnte,  dass  die  Bulgaren,  Serben  u. 
Küssen  ganz  dieselbe  Sprache  im  IX.  Jahrh.  redeten, 
so  kann  ich  es  in  Rücksicht  der  Mähren  (und  der  heu- 
tigen Slowaken)  keineswegs  gelten  lassen,  und  kann 
daher  auch  nicht  begreifen,  wie  er  von  einer  mährischen 
Kirchensprache  behaiipten  konnte  ,  ihre  Aehnlichkeit 
(Uebereinkunft)  hätte  dazu  beigetragen,  dass  sie  aiicii 
von  den  Bulgaren  u.  Russen  angenommen  wurde.  Mali- 
risch,  slowakisch,  böhmiscli,  polnisch  gehören  ja  zu  ei- 
ner ganz  andern  Sprachordnung,  als  das  Bulgarische, 
Serbische,  Dalmatische,  Russische,  wenn  gleich  beide 
Sjirachordnungen  zu  der  slawischen  Sprachclasse  im  all- 
gemeinen gerechnet  werden.  Die  slawonischen  Kirchen- 
bücher kamen  nicht  aus  Mähren  zu  den  Bulgaren,  son- 
dern »nngekehrt,  dinch  Kyrill  und  Method  aus  der  Bul- 
garei  nacii  Mäiiren,  und  später  auch  unmittelbar  aus 
der  Bulgare!  und  Serbien  nach  Russland."  ^) 

-)  Dobrowskys  Slawin  S.  362  —  388.  El).  Slowanka  Th.  1.  S.  166.  ft'. 
Eb.  Gesch.  der  bölim.  Liter.  8.  4.  6.  ^)  Dobrorvskvs  Cyrill  u.  Method,  S. 
135  -  136. 


103 

Hr.  Ko/nfar,  der  im  J.  1808  die  Sprache  der  ky- 
rillischen Bücher  ebenfalls  für  die  altserbische  hielt ^). 
nimmt  1822,  bei  Gelegenheit  der  Recension  von  Do- 
browskvs  altslawischer  Grammatik  ^),  seine  Meinung 
zurück  und  erklärt  die  Karantaner  oder  die  heutigen 
Winden  für  die  geraden  Descendenten  von  Kyrills  und 
INlethods  Sprachgenossen:  ,,Wenn  wir  auch,  sagt  er, 
vor  der  Hand  und  bis  auf  weitere  Belehrung  der  neue- 
sten Annahme  folgen,  dass  die  alten  Pannonier  und  II- 
lyrier  keine  Slawen  gewesen,  sondern  die  eigentlich  sla- 
wische Geschichte  erst  mit  dem  VI.  Jahrh.  nach  Chr.  be- 
giinit,  als  die  Slawen,  die  Donau  übersetzend,  mit  den 
ßyzantiern  in  Berührung  kamen;  so  sind  doch,  selbst 
nach  dieser  neuen  Kritik,  die  karantanischen  Slawen  an 
der  obern,  und  die  bulgarischen  an  der  untern  Donau 
die  ältesten  Niederlassungen  der  Slawen  im  Süden  der 
Donau.  Erst  ein  paar  hundert  Jahre  darauf  folgten  die 
Colonien  der  Kroaten  und  Serben.  Das  Christenthum 
kam  zu  diesen  Südslawen  zuerst  über  Aquileja  u.  Salz- 
burg her.  Aber  um  das  J.  863  erschienen  Constantin 
und  iMethod  in  Pannonien,  und  gewannen  des  Volks  be- 
sondere Zuneigung  durch  Einführung  des  Gottesdienstes 
in  slawischer  Sprache.  Methods  Gottesdienst  erbaut  noch 
heutzutage  an  36  iMill.  Slawen  in  Russland,  Ostpolen, 
Ost-  und  Südungern,  der  Bulgarei,  in  Serbien,  Bosnien, 
Montenegro,  zum  Theil  in  Dalmatien  ,  Gränz  -  Kroatien, 
Slawonien.  Nur  in  Methods  eigenem  Sprengel,  bei  den 
pannouischen,  oder  mit  einem  Ausdruck  des  Mittelalters, 
den  Karantaner  -  Slawen  ist  er  rein  vergessen !  Kein 
Wunder  daher,  dass  entfernte  Sprach-  und  Geschichts- 
forscher bei  der  Frage:  welcher  der  heute  noch  leben- 
den slawischen  Dialekte  der  gerade  Descendent  des  von 
Method  gebrauchten  sey,  die  anderthalb  Milk,  nach  sechs 
bis  sieben  Mittelpuncten  —  Ungern,  Kroatien,  Steier- 
mark, Kärnten,  Krain,  Littorale ,  Görz  und  Gradiska 
—  zerstreuten,  auch  darum  an  Literatur  armen  Karan- 
taner-Slawen  ganz  übersahen.  Denn  dass  im  IX.  Jahrh. 
die  heutigen  Dialekte    der    Hauptsache    nach    bereits  be- 

*)  Gramm,  der  slav.  Sprache  in  Krain  u.  S.  XVI.  XXX. 
^)  Jahrb.  d.  Liter,  Wien  822.  XVII.  Band. 


104 

standen,  ist  unter  den  Kennem  des  Gangs  der  Sprachen 
keine  Frage.  Daher  auch  SchJözer  die  Zumuthung,  als 
ob  das  lieutige  Russische  der  Enkel  des  Altslawäschen 
sey,  mittelst  der  riclitigen  Erfahrung  zurückweist,  dass 
ohne  ausserordentliche  Begebenheiten,  die  er  mit  Recht 
selbst  in  Russland,  ungeachtet  der  200jährigen  mongo- 
lischen Dienstbarkeit,  nicht  anerkeinit,  sich  keine  Spra- 
che in  einem  halben  Jahrtausend  so  ändert,  Avie  nun 
Russisch  vom  Altslawischen  verschieden  sey.  Nach  Aus- 
schliessung dieses  nun  mächtigen  Concurrenten  —  andere 
Nordslawen ,  Polen ,  Wenden ,  Böhmen,  Mähren,  Slo- 
waken, haben  sich  nie  in  Competenz  gesetzt  —  und 
Dobrowsky  glaubt  mit  Recht,  dass  Methods  Rival,  der 
Neitraner  Bischof  Wiching,  den  slawischen  Gottesdienst 
in  seinem  Sprengel  nie  gestattete  —  bleiben  die  drei 
südslawischen  Dialekte:  Bulgarisch,  Serbisch  -  Illyrisch 
und  Slowenisch.  Denn  nur  drei  von  einander  in  Gram- 
matik und  Lexicon  hinlänglich  verschiedene  südslawische 
Dialekte  gibt  es;  welche  aber  zu  allgemeiner  Zufrieden- 
heit zu  benennen,  wegen  der  partiellen  Nationalansprüche 
schwer  ist.  —  Der  bulgarische  Dialekt  ist  vielleicht  un- 
ter allen  slawischen  Töchtersprachen  in  seinem  Baue, 
also  in  seinem  Wesen,  am  tiefsten  angegriffen.  —  Den 
serbischen  oder  illyrischen  Dialekt  sprechen  4  bis  5  Mill. 
Slawen,  von  denen  in  allem  etwa  die  Hälfte  Graeci  Ri- 
tus noch  jetzt  den  Gottesdienst  in  slawischer  Sprache 
hält.  Dieser  Umstand  mag  zu  dem  vom  Hrn.  Abbe  Do- 
browsky in  seinen  frühern  Schriften  oft  wiederholten, 
und  seitdem  auch  von  einigen  Russen  vorgebrachten 
Ausspruch  beigetragen  haben:  dass  die  slawische  Kir- 
chensprache der  serbische  Dialekt  sey,  wie  er  im  IX. 
Jahrh.  gewesen.  Aber  wenn  man  andererseits  bedenkt, 
dass  1.)  ausser  den  Ulyriern,  im  Süden  der  Donau,  und 
zwar  in  Pannonien,  dem  eigentlichen  Kirciiensprengel 
Methods,  der  hier  an  dreissig  Jahre  in  dem  Weingar- 
ten des  Herrn  arbeitete,  am  südlichen  und  östlichen  Ab- 
hänge der  norischen  und  julischen  Alpen,  längs  den 
Flüssen  Sawe,  Drawe,  Mur,  Rab  u.  s.  w.,  zwischen  der 
Kulp  und  der  Donau,  noch  jetzt  anderthalb  Mill.  der  äl- 
testen   slaw^ischen    Metanasten    leben    und  weben;   deren 


105 

Sprache  2.)  der  kirchenslawischen  noch  jetzt  näher  ist, 
als  die  illyrische  —  eine  Wahrheit,  von  der  sich  selbst 
der  unparteiische  lUyrier  überzeugen  wird ,  wenn  er 
den  nämlichen  Satz  z.  B.  zuerst  ins  sogenannte  Kroati- 
sche, oder  ins  Krainische,  und  dann  in  seine  Mundart 
treu  übersetzt,  und  beide  Uebersetzungen  mit  kyrilh- 
scher  Schrift  und  Orthographie  geschrieben  gegen  das 
Altslawische  hält  -  ,  bedenkt  man  3.)  dass,  nach  den 
damaligen  Sitzen  der  Südslawen,  Kyrill  und  Method  das 
Serbenland  mit  keinem  Fusse  berührten,  sondern  den 
Chroniken  zu  Folge  nur  durch  das  Land  der  Bulgaren 
reisten;  dass  4.)  die  Chroniken  und  Legenden  nur  von 
Bekehrung  der  Chasaren,  Bulgaren,  Slawen  in  Panno- 
nien  und  Mähren,  und  nie  von  Serben  sprechen;  dass 
also  5.),  da  die  Serben  von  dem  Anspruch  an  Method. 
als  ersten  serbischen  Schriftsteller,  beinahe  so  gut,  wie- 
wol  aus  andern  Gründen,  ausgeschlossen  werden  müs- 
sen, als  die  Chasaren,  nur  die  Bulgaren  und  die  panno- 
nischen  Slowenen  als  berechtigte  Prätendenten  übrig 
bleiben;  aber  endlich  6.)  ausser  der  grössern  Sprach- 
ähnlichkeit auch  noch  besonders  Germanismen,  wie  ol- 
tar  Altar,  krst  Christ,  krstiti  Christen,  taufen,  cerkv 
Kirche ,  pop  wol  zunächst  vom  oberteutschen  Pfoff, 
Pfaffe,  mnich  Mönch,  post  Fasten,  stol  Stuhl,  Rim  vgl. 
Römer,  ocet  acetum,  upotvati  hoffen,  penez  Pfennig, 
plastyr  Pflaster,  pluy  Pflug  u.  s.  w-,  Germanismen,  die 
wol  in  Pannonien,  nicht  aber  in  Mösien  natürlich  sind, 
entscheidend  für  Methods  Diöcesanen  sprechen:  so  lässt 
sich  nur  aus  der  heutigen  literarischen  und  pohtischen 
Zerstückelung  u.  Unbedeutenheit  derselben  erklären,  wie 
man  sie  bei  Lösung  der  Frage  in  der  Ferne  so  ganz  verges- 
sen konnte.  —  So  wäre  denn  Methods  Sprengel  zugleich 
auch  die  wahre  Heimath  der  von  ihm  zuerst  zur  Schrift- 
sprache erhobenen  slowenischen  Sprache,  und  die  heu- 
tige Sprache  der  Nachkommen  seiner  Diöcesanen  in  strei- 
tigen oder  zweifelhaften  Fällen  mit  Nutzen  zu  befragen.'' 
Dieser  Ansicht  tritt  auch  Hr.  Grimm  in  der  Vorr.  zu 
Wuks  serbischer  Gramm.  (Lpz.  824.)  bei. 

Beinahe    um    dieselbe    Zeit,    als  man  im  slawischen 
Südwesten   Kyrill    und   Method  die  Ehre  der  ersten  sla- 


106 

wisclien  Scliriftgelelirten  gerne  liess,  und  nur  um  das 
walire  Vaterland  der  kyrillischen  Biicliersprache  mit  aus- 
gebreiteter Gelehrsamkeit  und  gewandtem  Scharfsinn 
stritt,  erschien  im  Nordosten  die  freudige  Morgenröthe 
einer  historischen  Forschung  und  philologischen  Kritik, 
deren  vorzüglich  durch  Hrn.  Karamzin,  Chodakowski 
n.  a.  bekannt  geinacliten  Ergebnissen  gemäss,  Hr.  Rako- 
wiecki  der  slawischen  Cultur,  und  hiemit  auch  der  sla- 
wischen Schrift,  ja  sogar  der  Bibelübersetzung  ein  viel 
höheres  Alter  vindicirt,  als  das  Kyrillische  ist.  Wir  wol- 
len die  Hauptpunkte  aus  seiner  Gedankenreihe  mit  sei- 
nen eigenen  Worten  ausheben.  „Es  sind  keine,  sagt  Hr. 
Rakowiecki,  Denkmale  der  Sprache  aus  den  Zeiten  des 
slawischen  Heidentiuuns  auf  uns  gekommen.  ^)  Nach 
dem  Uebertritt  der  Slawen  zum  Christenthume  sind  die 
biblischen  und  liturgischen  Bücher,  aus  dem  Griechischen 
ins  Slawische  übersetzt,  das  älteste  üenkmal,  woraus 
wir  entnehmen  können,  wie  die  Sprache  vor  der  An- 
nahme des  Christenthums  beschaffen  gewesen,  und  wel- 
che Veränderungen  sie  seitdem  erlitten  habe.  Wer  nur 
immer  die  altslawische  Kirchensprache  ihrem  Geiste 
nach  erforscht  und  die  verschiedenen  slawischen  Mund- 
arten mit  derselben  vergleicht,  wird  sich  leicht  überzeu- 
gen, dass  sie,  die  Mutter  aller  übrigen  Dialekte,  zugleich 
eine  unerschöpfliche  Quelle  ihrer  ferneren  Bereicherung 
und  Vervollkommnung  sey,  es  wird  ihm  von  selbst 
der  Charakter  mid  die  Stufe  der  geistigen  Ausbildung 
der  ältesten  bekannten  Slawenstämme,  es  wird  die  Falsch- 
heit der  Meinung  ausländischer  Schriftsteller  von  der 
Wildheit  derselben  einleuchten  ,  und  er  wird  hinfort 
aufhören,  seine  Vorfaliren  wild  und  barbarisch  mit  ih- 
nen zu  schelten.  Jede  historische  Kenntniss,  die  wir  von 
den  alten  Slawen  haben,  rührt  von  Fremden,  und  nicht 
von  slawischen  Schriftstellern  her,  die  insgemein  die 
Slawen  als  wild  und  barbarisch  schildern,  und  nur  un- 
gern, unvermögend  der  Wahrheit  zu  widerstehen,  ih- 
nen   Tapferkeit,    Gerechtigkeitsliebe,    Milde,    Gastfreiheit 

'')  Um.  Rakowiecki  ,waren,  als  or  deu  Iteii  'l'li.  seines  Werkes  schrieb, 
(He  von  Hrn.  Hanka  entdeckten,  überaus  wichtigen  Fragmente  der  altböh- 
mischeu  heidnischen  Dichljkunst  noch  unbekannt,  auf  die  er  sich  aber  schon 
im  2ten  Th.  oft  beruft. 


107 

und  Achtung;  jeglicher  Rechte  der  Menschheit  zugeste- 
hen. Was  die  Sprache  anbelangt,  so  nannten  sie  diese, 
die  sie  nicht  kannten  und  nicht  kennen  wollten,  mit 
einem  Worte  „lingua  barbara''.  Czacki  und  sogar  die 
meisten  russischen  Scliriftsteller,  vvortniter  Loinonosovv, 
lialten  es  dafür,  dass  die  slavv.  Sprache  erst  dann  angefan- 
gen habe  eine  festere  Gestalt  zu  erhalten  und  geregelt  zu 
werden,  als  die  Uebersetzung  der  Bibel  zu  Stande  kam, 
dass  mit  ihr  die  Slawen  neue  Gedanken  und  Ansichten 
bekommen  haben,  wofür  sie  aucii  neue  Wörter  u.  Aus- 
drücke erfanden.  Ich  achte  die  Meiinnig  so  grosser  Schrift- 
steller, aber  darf  man  nicht  —  unbeschadet  dieser  Ach- 
tung —  weiter  gehen  und  nach  der  Wahrheit  forschen? 
Ich  pflichte  Czacki,  Lomonosow  und  andern  Schriftstel- 
lern bei,  dass  die  Lebersetzung  der  Bibel  ins  Slawische 
der  Sprache  selbst  viel  Glanz  und  Bildung  verliehen ; 
aber  ich  frage  zugleich,  ob  es  wahrscheinlich  ist,  dass 
mau  die  h.  Schrift,  in  der  so  viele  hohe  Gedanken  und 
Kunstwörter,  so  viele  rhetorische  Stellen ,  und  ganze 
Bücher  im  höhern  poetischen  Styl  vorkommen,  in  eine 
bisher  ungebildete,  ungeschlachte,  und  wie  die  fremden 
Schriftsteller  sie  nennen,  barbarische  Sprache,  mit  sol- 
cher Leichtigkeit,  Kraft  und  Schönheit  habe  übersetzen 
können,  dass  sie  noch  heute  hierin  zum  Muster  dient? 
War  es  möglich,  ohne  einen  reichen  Vorrath  von  Wör- 
tern und  Ausdrücken  für  jeden  Gedanken,  jedes  Gefühl 
des  Menschen  in  Bereitschaft  zu  haben,  sich  an  die  Ue- 
bersetzung eines  so  grossen  und  erhabenen  W^erkes  zu 
wagen?  War  es  möglich,  in  einem  solchen  Fall,  auf  ein- 
mal und  ohne  Vorbereitung  alle  bis  dahin  unbekannte, 
nöthige  Ausdrücke  zu  erfinden  und  zu  schmieden!  Es 
ist  bekannt,  dass  die  Sprachen  nie  anders,  als  mit  dem 
Fortschreiten  der  Civilisation  des  Volks,  allmälig,  von 
Stufe  zu  Stufe,  im  Verhältniss  zu  der  wachsenden  Auf- 
klärung und  Kunstbildung  sich  vervollkommnen.  Wir 
haben  in  dem  kurzen  Abriss  über  der  alten  Slawen  Sit- 
ten und  Gebräuche  gesehen,  dass  sie  seit  undenklichen 
Zeiten,  lange  vor  ihrer  Bekehrung  zuai  Christenthum, 
die  Bande  der  Civilisation,  den  Krieg  und  Ackerbau, 
den  Handel  und  die  Gewerbe  gekannt,   Dörfer  u.  Städte, 


i08 

eigene  Götter  und  Tempel  gehabt  haben,  wo  sie  sich  zu 
Opfern,  Gerichten,  und  Volksberathinigen  versammel- 
ten; dass  sie  zwar  Heiden,  aber  keineswegs  Barbaren 
waren,  denen  die  Idee  einer  höchsten  Gottheit  und  ei- 
nes künftigen  Lebens  fremd  gewesen  wäre-,  dass  sie  über- 
diess,  von  gleicher  Abstammung,  Sprache  und  Religion, 
durch  den  grössten  Theil  von  Europa  ausgebreitet,  eben 
mit  Hilfe  dieser  gemeinschaftlichen  Sprache  eine  unun- 
terbrochene Kette  ihrer  ßundes-Staaten  gebildet  haben. 
Auf  dieser  Balin  eines  so  ausgedehnten  imd  vielumfas- 
senden Wirkens  konnte  man  unmöglich  eine  diesen  Ver- 
hältnissen eiitsprecliende  Sprache  entbehren,  und  die 
Slawen  müssen  daher,  als  sie  nach  Annahme  des  Chri- 
stenthums  zu  der  Uebersetzung  der  h.  Schrift  scrhitten. 
schon  eine  ausgebildete,  geläuterte  und  vervollkommnete 
Sprache  gehabt  haben.  Diese  Meinung  von  der  Vollkom- 
menheit der  Sprache  unserer  heidnisclien  Vorfahren  ist 
keineswegs  chimärisch;  sie  beruht  auf  unwiderleglichen, 
aus  der  Sprache  selbst  genommenen  Gründen.  Wenn 
man  die  vielfachen,  aus  deui  uralten  Heidenthum  der 
Slawen  herrührenden  Ausdrücke  und  Benennungen,  die 
sich  auf  ihr  ötfentliches  und  Privatleben  beziehen,  und 
die  mit  vielen  Verzweigungen  noch  heutzutage  in  den 
slawischen  Dialekten  fortleben,  gehörig  aulFasst;  so  er- 
gibt sich  gleichsam  von  selbst  der  klare  und  überzeugende 
Schluss:  dass  das  slawische  Riesenvolk  keineswegs  ein 
nomadisirendes,  von  Ort  zu  Ort  herumwanderndes  Volk 
gewesen,  sondern  seit  undenklichen  Zeiten  in  ungeheu- 
rer Masse  die  ausgedehntesten  Länder  in  Europa  einge- 
nommen, und  eben  darum,  weil  es  sich  unvermischt 
und  rein  von  andern  fremden  Völkern  erhalten,  auch 
seiner  Nachkommenschaft  Wörter  und  Redensarten  aus 
dem  urgrauen  Alterthum  hinterlassen  habe;  dass  unter 
den  europäischen  Sprachen  die  slawische  Stammsprache 
ihrem  Ursprung  und  Wesen  nach  originell  sey,  als  de- 
ren zahlreiche  Aeste  die  heutigen  Dialekte  zu  betrachten 
sind:  dass  sowol  der  künstliche,  und  doch  naturgemässe 
Bau,  als  auch  der  Reichthum  und  die  mannigfache  Ver- 
zweigung jener  ürausdrücke  die  Stufe  der  Civilisation 
und     Bildung    unserer  Vorfahren  hinlänglich  beurkunden; 


i09 

und  dass  alles  das,  was  wir  bis  jetzt  über  ihre  Sitten, 
Gebräuche,  Religion  u.  s.  w.  gesagt  haben,  zur  Genüge 
beweise,  wie  weit  die  BegritFe  der  heidnischen  Slawen 
gediehen  waren,  und  weiclien  Grad  die  Kunst,  für  Vor- 
stellungen Wörter  zu  erfinden,  bei  ihnen  erreicht  habe. 
Die  Namen  der  Monate  müssen  bei  ihnen  schon  mehrere 
Jahrhunderte  vor  Clir.  in  (iebraucli  gewescFi  seyn.  Man 
nehme,  wenn  man  will,  die  Bibel,  und  sehe  die  kräf- 
tigen, salbungsvollen  Worte,  Ausdrücke  und  Redensar- 
ten nach ;  man  zähle  nur  die  dem  höchsten  Wesen  bei- 
gelegten erhabenen  Beiwörter,  und  urtheile  selbst,  ob 
eine  wilde  barbarische  Nation,  ohne  höhere  Verstan- 
desbegriffe, ohne  eine  reinere  Idee  der  Gottheit,  im 
Anfange  der  Uebersetzungskunst  einen  solchen  Reich- 
thum  der  Sprache,  eine  solche  Anzahl  kräftiger  und  ei- 
gener Ausdrücke  habe  entwickeln  können  ?  Man  kann 
hier  einwenden,  dass  die  Bibelgesellschaften  Ueberse- 
tzungen  der  h.  Schrift  in  manche  asiatische  und  andere 
Sprachen  besorgen,  die  noch  in  der  Wiege  sind.  Allein 
diese  Uebersetzungen  können  nur  so  viel  Kraft  u.  Schön- 
heit besitzen,  als  jene  Sprachen  an  sich  kräftig,  schön 
oder  reich  sind;  Hr.  Siskow  hingegen  hat  bewiesen, 
dass  die  slawische  Uebersetzung  der  h.  Schrift  sogar  die 
französische  und  teutsche  übertreffe.  Eben  so  haben  bis 
jetzt  fast  alle  Schriftsteller  behauptet,  dass  die  Slawen, 
als  sie  an  die  Uebersetzung  der  h.  Schrift  die  Hand  leg- 
ten, die  Buchstaben  oder  das  Alphabet  mit  gewissen 
Veränderungen  und  Zusätzen  von  den  Griechen  entlehnt 
haben,  was  dem  h.  Kyrill  und  Method  zugeschrieben 
wird.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  diese  durch  Verjäh- 
rung und  der  Schriftsteller  Ansehen  erhärtete  Meinung 
zu  bekämpfen;  diess  würde  ein  eigenes  Werk  erfordern, 
zu  welchem  die  nöthigen  Materialien  durch  die  Länge 
der  Zeit  und  andere  ungünstige  Umstände  verloren  ge- 
gangen sind;  aber  daraus,  was  über  den  gesellschaftli- 
chen Zustand  der  alten  Slawen  gesagt  worden  ist,  darf 
man  wol,  unbeschadet  der  Achtung,  die  man  der  zeit- 
herigen  Meinung  schuldig  ist,  wagen,  den  Widerspruch 
derselben  zu  lösen,  und  es  wahrscheinlich  finden,  dass 
die    Slawen    vor    der    Annahme    des    Christenthums    die 


HO 

Kunst  des  .Schreibens  gekannt  und  verschiedene,  dem 
Grade  ihrer  Civilisation  angemessene  Scliriften  besessen 
haben.  Abgeselien  von  den  Inschriften  auf  Bildsäulen 
und  Tempeln,  deren  verscliiedene  Chroin'sten  crwäluien, 
konnten  wo!  die  Slawen  auf  der  oben  angegebenen  Stufe 
ihrer  gesellschaftlichen  Verfassung  und  Civilisation  die 
Schreibckuust  entbehren?  Konnten  ilire  Priester  Bücher 
entbehren,  aus  welchen  am  Ende  sowol  das  geistliche, 
als  bürgerliche  Recht  geschöpft  werden  musste?  Konnte 
ein  civilisirtcs  Volk  so  weit  eingeschüchtert  und  gegen 
eigenen  Ruhm  gefühllos  seyn,  dass  es  nicht  besorgt  ge- 
wesen wäre,  den  kommenden  Geschlechtern  durch  schrift- 
liche Zeichen  das  Andenken  ihrer  Vorfahren  und  Hel- 
den zu  hinterlassen?  Die  süsse  Sehnsucht  nach  der 
Kunde  von  den  Thaten  der  Väter  ist  allen  Völkern  gleich 
eingeboren,  sie  wurzelt  tief  im  Herzen  des  Menschen, 
und  der  jedem  von  der  Natur  eingeprägte  Kunstsiini 
gibt  ihm  Mittel  an  die  Hand,  leicht  Zeichen  zu  erfinden 
mittelst  deren  er  die  Nachricht  von  seinen  Tliaten  auf 
künftige  Jahrhunderte  fortpflanzen  kann.  Die  alten  Ame- 
rikaner, ohne  Berührung  mit  civilisirten  Völkern,  ohne 
Wissen  um  eine  andere  Welt  und  die  Bikhnigsstufe  des 
menschlichen  Verstandes  daselbst,  ohne  Keuntniss  der 
Buchstabenschrift ,  verstanden  doch  in  ihren  Hierogly- 
phen und  Knoten  die  Thaten  ihrer  Ahnen  zu  lesen:  was 
soll  man  von  den  Slawen  sagen,  die  von  jeher  feste 
W^ohnsitze  inne  hatten,  und  mit  Völkern,  die  längst  im 
Besitze  der  Schreibekunst  waren,  in  vielfache  Berüh- 
rungen kamen  ;  ein  blosses  Gewahrvverden  einer  solchen 
Kunst  reicht  für  Menschen  hin,  die  in  grossen  Massen, 
durch  gesellschaftliche  Bande  festgehalten,  dem  Landbau, 
den  Gewerben  und  dem  Verkehr  obliegen.  Es  ist  bekannt, 
dass  unter  allen  europäischen  Völkern  die  Kunst  des 
Schreibens  bei  den  Griechen  am  früliesten  aufkam,  wel- 
che dieselbe,  zufolge  der  einstimmigen  Aussage  der  Ge- 
schichtschreiber, den  Aegyptiern  verdanken.  Nun  aber 
waren  die  Slawen  von  jeher  die  nächsten  Nachbarn  der 
Griechen,  und  ihre  Sprache  stammt  mit  der  griechi- 
schen und  lateinischen  aus  einer  Quelle.  Die  griechischen 
Buchstaben  sind  den   koptischen  ähnlich;  aber  die  kopti- 


111 

sehen  sind  noch  mehr,  als  die  ^ricchisclien,  den  slawi- 
schen ähnlich.  Kaini  man  nicht  aus  allen  diesen  Umstän- 
den schliessen,  dass  noch  vor  Kyrill  und  Method  diese 
Charaktere  den  Slawen  bekainit  waren,  mit  welchen 
sie  die  für  den  gewölinlichen  Bedarf  nöthigen  Bücher 
schrieben?')  Aber  daran  zu  denken,  inn  so  mehr  da- 
von zu  sprechen,  ist  eine  gewagte,  den  strengen  Kri- 
tiker zmii  Lachen  und  Spott  reizende  Sache,  der  sofort 
nach  Beweisen,  nach  schriftlichen  Documenten,  nach  hi- 
storischen Belegen  fragen  wird.  Wo  sind  die  erwähnten 
Bücher,  wird  er  sagen;  warum  kamen  sie  nicht  auf 
uns?  Sind  sie  etwa  verloren  gegangen?  Warum  sind 
nicht  die  hebräischen,  griechischen,  lateinischen,  ara- 
bischen u.  s.  w.  verloren  gegangen?  In  der  That  eine 
wichtige  Einwendung;    über  ein  Augenblick  ruhiger  Ue- 


')  An  Versuchen,  das  Protoalphabet  der  Slawen  zu  entdecken,  hat 
es  nie  gefeht.  So  nahm  Stränskü  eine  ruthenische  {altrussische,  also  je- 
tzige kyrillisch-")  Schrift  schon  bei  den  heidnischen  Böhmen  an.  Dobner 
meinte,  Kyrill,  der  Ertinder  eines  neuen  Alphabets,  könne  nicht  die  heute 
sogenannten  kyrillischen,  weil  sie  augenscheinlich,  bis  auf  einige  wenige, 
griechisch  M'ären,  sondern  müsse  die  glagolitischen  Buchstaben  erfunden 
haben.  Die  kyrillisch-slawischen  aber  hätten  die  Anhänger  der  griech. 
Kirche,  die  Bulgaren,  Serben  oder  Russen,  aus  dem  griechischen  und  gla- 
golitischen Alphabete  zusammengestoppelt.  Auch  Anton  wollte  dem  glago- 
litischen Alphabet  zur  Ehre  eines  slaw.  Uralphabcts  verhelfen.  Hanke  v. 
Hankenstein  glaubte  ein  vorkyrillisches  Alphabet  in  seinem  russischen  Co- 
dex, der  sich  später  als  dem  XIII.  Jahrb.  angehörend  erwiesen,  gefunden 
zu  haben.  Andere  suchten  den  heidnischen  Slawen  den  Gebrauch  der  Ru- 
nenschritt zu  vindiciren.  Dagegen  behauptete  schon  Schlözer,  obgleich  erst 
kurz  zuvor  Hr.  Katancsich  zwei  Quartanten  de  lingua  et  literatura  der  al- 
ten Pannono-  und  Illyroslawen  geschrieben :  „Kyrill  und  Method  sind  die 
Erfinder  der  slawischen  Schrift,  vor  ihnen  konnte  kein  Slawe  schreiben,"' 
(Nestor  III.  188.),  und  Hr.  Dobrowsky :  „Vor  Einführung  des  Christen- 
thums,  d.  i.  vor  845,  sey  an  keine  Schreibehtnst,  und  vor  Kyrill,  d.  i. 
vor  860,  an  kein  slawisches  Alphabet  zu  denken"  (Gesch.  d.  böhm  Lit. 
S.  45).  Auch  in  Russland  rühmten  sich  einige  die  uralte  slaworussische 
Runenschrift  gefunden  zu  haben,  womit  Bojans  Hymne  und  einige  Weissa- 
gungen der  Xowgoroder  heidnischen  Priester  im  V.  Jahrb.  geschrieben  seyn 
sollen.  Indem  diese  Runen  eine  Aehnlichkeit  mit  der  slawischen  Schrift  ha- 
ben, waren  einige  der  Meinung,  der  auch  Hr.  Rakoiviecki  nach  dem  oben 
angeführten  zu  folgen  scheint,  dass  die  Slawen  noch  vor  ihrer  Bekehrnng 
zum  Christenthume  eine  eigene  Runenschrift  gehabt  haben ,  woraus  Con- 
stantin  und  Method  mit  Hinzufügung  einiger  aus  dem  griechischen  und  an- 
dern Alphabeten  enthlmten  Buchstaben  die  jetzige  slaw.  Schrift  etwa  so 
geformt  hätten,  wie  der  Bischof  Ulphilas  im  IV.  Jahrh.  für  die  Gothen  in  Mö- 
sien  und  Thracien  die  gothische  Schrift  aus  nordischen  Runen  und  grie- 
chisch-lateinischen Buchstaben  eingerichtet  hat.  Mit  solchen  slaworussi- 
schen  Runen  erschien  die  Ite  Strophe  des  erwähnten  Gesangs  von  Bojan. 
und  der  Spruch  des  slaw.  Priesters  im  6.  B.  „Ctenije  w  besjedje  Ijubitelej 
ruskago  slowa"  S.  P.  812.  —  „iS^o  i  sife  otkrutije  nikogo  neuiujtriW 
sagt  Hr.  Metropolit  Ewgenij  in  s.  Slowar  istoriö.  (818)  1.  B.   S.  424  —  425. 


112 

berlegmig  wird  auch  sie  beschwichtigen."  ®)  Nachdem 
»mn  Hr.  Rakowiecki  ausführlich  darziithnn  bemüht  ist, 
wie  nach  der  Bekehrung  der  Slawen  alle  Kunde  des 
heidnischen  Slawenthums ,  ja  die  Kenntniss  der  altsla- 
wischen Rirchensprache  selbst  ,  durch  Bedrückungen 
von  Seite  der  Sieger,  durcb  Drangsale  des  Kriegs,  durch 
absichtliches  Ausrotten,  und  tausendfaltige  andere  Un- 
fälle aus  dem  teutschen  Slawenlande,  aus  Polen,  Huss- 
land  u.  s.  w.  nach  und  nach  gänzlich  verschwmiden  ist: 
fährt  er  (Th.  II.  S.  177  ff.)  fort;  „Die  Sprache  des 
grossen  und  uralten  Slawenstammes  musste  im  grauen 
Alterthum  nur  eine  seyn.  Auf  diese  Einheit  der  Sprache 
führt  uns  nicht  nur  die  Analyse  der  jetzt  bestehenden 
Mundarten,  sondern  auch  die  geschichtliche  Forschung 
verbunden  mit  der  Berücksichtigung  des  bürgerlichen 
und  politischen  Zustandes  der  alten  Slawen.  Es  ist  aus- 
gemacht, dass  die  Slawen  seit  undenklichen  Zeiten  eine 
theokratisch  -  weltliche  Verfassung  gehabt  haben.  Ihre 
Lebensart  ins  Besondere  bestand  aus  Ackerbau  u.  Vieh- 
zucht. Kriegerische  Eroberungen  waren  nicht  ihr  Ziel; 
sie  waren  nur  im  Falle  der  VertJieidigung  ihrer  Freiheit 
und  ihres  Volksthums  den  auswärtigen  Feinden  furcht- 
bar, und  wehrten  ihnen  den  Einfall  in  ihr  Gebiet  ab. 
Selbst  die  Römer,  diese  Weltbezwinger,  konnten  sich 
mit  ihnen  nicht  messen.  Bei  solchem  Stand  der  Dinge 
musste  die  zunehmende  Volksmenge  des  Stammes  eine 
und  dieselbe  Sprache  der  Väter  führen,  dieselben  Sit- 
ten und  Gebräuche  bewahren.  Diese  Sitten  und  Gebräu- 
che, auf  die  sich  die  eigenthümliche  Lebensart  des  Volks 
gründete,  entsprangen  aus  festen  religiösen  und  bürger- 
lichen Einrichtungen,  die  von  den  Priestern  und  ersten 
Gesetzgebern  des  Volks  herrührten;  sonst  wäre  es  un- 
möglich gewesen,  eine  so  grosse  Masse  in  gesellschaft- 
licher Gemeinschaft  und  Ordnung  zu  erhalten.  Zu  allem 
dem  gehörte  aber  eine  Sprache,  so  weit  bereichert,  aus- 
gebildet und  vervollkommnet,  als  es  die  gesellschaftli- 
ciien  Bedürfnisse  einer  so  ungeheuren  Volksmasse  erfor- 
derten.    An    grossen    Männern    konnte    es   eniem    solchen 

8)   J.    B.    Rakowiecki    Prawda    ruska,    Warsch.    820    -    22.    Th.    I. 
S.  57.  tf. 


ii3 

Volke  nicht  fehlen,  deren  Andenken  aber  filr  die  Nach- 
kommenschaft verloren  gegangen  ist.  Auch  an  Schriften 
konnte  es  nicht  fehlen,  in  welchen  die  religiöse  und  po- 
litische Verfassung  enthalten  war.  Sie  mussten  Gesänge 
und  Hymnen  haben,  die  man  den  Göttern  zu  Ehren  bei 
festlichen  Feierlichkeiten  sang.  Sie  mussten  Schriften 
über  die  ruhmvollen  Thaten  der  Ahnen  haben,  die  in 
den  Stürmen  des  iMittelalters  auf  keine  Weise  bis  auf 
uns  erhalten  werden  konnten.  Die  ältesten,  durch  einen 
blossen  Zufall  entdeckten  slawischen  Sprachdenkmale, 
die  einzigen,  wenigen  Ueberreste  aus  dem  heidnischen 
Slawenthum,  sind  die  böhmischen  Fragmente:  Libusa's 
Volksberathung  und  Gericht,  Cestmjrs  Sieg  über  Wla- 
slaw,  und  Zaboj,  Slawoj  und  Ludiek,  die  wenigstens 
dem  Ursprung  und  der  Abfassung  nach  gewiss  in  die 
vorkyrillische  Periode  gehören.  Alle  dort  vorkommen- 
den Beziehungen  auf  damalige  Sitten  und  Gebräuche 
sind  reine  Ausdrücke  des  Heidenthums,  von  dem  die 
Verfasser  durchdrungen  waren.  Auch  sieht  man  zugleich, 
dass  dergleichen  Gesänge,  deren  es  eine  Menge  geben 
musste,  bei  dem  Volk  sein*  beliebt  und  geachtet  waren; 
aber  diese  kostbaren  Ueberreste  der  Sprache  konnten, 
als  hinfällige  Deidimale,  dem  alles  verderbenden  Zahne 
der  Zeit  nicht  widerstehen."  Ueber  die  Bekehrung  der 
Slawen  und  den  dadurch  bewirkten  Sprachanbau  stellt 
Hr.  Rakowiecki  folgende  Betrachtungen  an  (Th.  II.  S. 
176.  ff.):  .,Die  Slawen  stellten,  während  sie  die  christ- 
liche Religion  nach  dem  griechischen  Ritus  annahmen, 
ihre  Sprache  in  Betreff  der  Religionsbücher  in  gleichen 
Rang  mit  der  griechischen.  Diejenigen  unter  ihnen,  die 
unter  griechischer  Botmässigkeit  gestanden,  wussten  sich 
beim  Hof  Ansehen  zu  veischaffen,  und  bekleideten  hohe 
geistliche  und  weltliche  x4emter.  Sie  übersetzten  aus  dem 
Griechischen  die  Religionsbücher,  und  verrichteten  den 
Gottesdienst  in  der  Xationalsprache.  Hr.  Karamzin  er- 
zählt in  s.  Geschichte  (Th.  I.  140.  141.):  dass  sich  von 
jeher  viele  Slawen  aus  Thracien,  Peloponnes  und  andern 
Provinzen  des  griechischen  Reichs  bei  Hofe  und  in  der 
Armee  befanden;  dass  im  VIII.  Jahrh.  ein  Slawe,  Na- 
meiis^ikita,  Patriarch  von  Constantinopel   war,  und  der 

8 


f'A 


114 

orientalischen  Kirche  vorstand;  dass  im  Anfange  des  X. 
Jahrh.  Ks.  Alexander  zwei  Slawen,  Gabriel  nnd  Wasi- 
lic,  unter  seinen  ersten  Lieblingen  hatte,  deren  letzte- 
ren er  zu  seinem  Nachfolger  bestimmt  habe*).  Wenn  nun 
die  Slawen  bereits  im  VIII.  ,Ialu*h.  im  griechischen  Kai- 
serthum  so  viel  Gewicht  und  Ansehen  gehabt,  dass  ei- 
ner aus  ihrer  Mitte  Patriarch  und  Vorsteher  der  orien- 
talischen Kirche  ward,  so  ist  es  nicht  wahrscheinlicb,  dass 
sie  nicht  schon  früher,  oder  wenigstens  jetzt  theilweisc 
Christen  gewesen  wären,  und  die  Liturgie  in  der  Mut- 
tersprache gehalten  hätten,  um  so  mehr,  da  man  in  der 
Geschichte  keine  Spuren  von  einer  Verfolgung  ihrer 
Sprache  im  Orient  wahrnimmt.  In  der  2ten  Hälfte  des 
IX.  Jahrh.  baten  die  Fürsten  der  abendländischen  Slawen 
den  Ks.  Michael  um  Lehrer,  und  der  schickte  ihnen  die 
Gebrüder  Constantin  und  Metliod  aus  Thessalonich  zu. 
In  Makedonien  wohnten  seit  Jahrhunderten  Sloweno- 
Serben,  wo  sich  noch  heutzutage  die  Stadt  Serbica  un- 
weit Thessalonich  befindet.  (Karamzin  Gesch.  Th.  I.  502).^) 
Es  mussten  dort  seit  langer  Zeit  slawische  Mönche  Klö- 
ster haben,  und  die  Liturgie  in  ihrer  Sprache  verrich- 
ten, aus  deren  Mitte  (^onstantin  und  Metliod ,  als  am 
meisten  in  der  h.  Sciuift  und  den  Lehren  des  Christen- 
thums  bewandert,  zu  der  Sendung  gewählt  wurden.  Sie 
haben  nun  die  vorrätbigen  liturgischen  Bücher  mitge- 
nommen, das  fehlende  ergänzt,  um  es  durch  Abschrei- 
ben im  slawischen  Abendlande  zu  vervielfältigen.  Es  ist 
oben   wahrscheinlich    gemacht    worden,   dass  die  Slawen 


*")  Die  zwei  gi-iech.  Kaiser  aus  slaw.  Geblüt,  Jnstiuian  u.  Basilius, 
scheinen  den  Hrn.  Karamziu  u.  Rakowiecki  entgangen  zu  scyu.  Dass  Ks.  Ju- 
stinian  I.  (527  —  565)  ein  geborner  Slawe  gewesen,  ist  bereits  vielfältig 
und  genügend  erwiesen  worden.  Der  Name  scheint  Ueliersetzung  od.  Anpas- 
sung des  slawischen  ynpaB^a,  byzantisch  ovTtQaovda,  vgl.  prawda  iusti- 
\  tia,  uprau'o  recte,  iuste;  sein  Vater  hiess  Istok  od.  Sabbatius,  iicmoK  ser- 
--  bisch  sol  oriens  und  Sabbatius ,  vielleicht  im  Zusammenhang  mit  dem 
phrygischcn  Zlccßä^iog  und  dem  Mitras.  S.  Stefanowic's  sorb.  Gramm,  von 
Grimm  824.  S.  IV.  —  Aber  auch  Ks.  Basilius  (867  —  88G),  im  J.  813.  in 
der  Nachbarschaft  von  Thessalonichi  geboren,  war  ein  Slawe,  wie  Hamza, 
ein  arabischer  Schriftsteller  aus  Ispahan  zu  Anfang  des  X.  Jahrh.  ausdrück- 
lich berichtet.  S.  Engel's  Gesch.  d.  alten  Pannoniens  u.  d.  Bulgarei.  Halle 
797.  S.  316. 

')  Es  wäre  zu  wünschen,  die  ältesten  Wanderungen  der  Slawen  über 
die  Donau  wären  schon  aufgehellt,  wie  viel  Licht  würde  dieses  über  die 
Geschichte  der  altslawischen  Kirchensprachc  verbreiten  !  —  Hr.  v.  Schwa- 
benau  nimmt  an.  dass  die  Maeotiden,  welche  unter  der  Regirung  des  Clau- 


115 

bereits  vor  Kyrill  und  Metliod  mit  der  Schreibekimst 
bekannt  waren;  hier  ist  es  genug,  auf  die  Unwahr- 
scheinlichkeit  aufmerksam  zu  machen,  dass  Kyrill  und 
Metliod  im  ersten  Augenblicke  ihrer  Ankfuift  bei  den 
abendländischen  Slawen  im  Stande  gewesen  wären,  auf 
der  Stelle  ein  den  slawischen  Lauten  angemessenes,  wenn 
gleich  aus  dem  griechischen  entlehntes  und  umgestaltetes 
Alphabet  zu  erfinden;  dass  sie  auf  einmal,  ohne  voran- 
gegangene frühere  Versuche,  die  slawische  Rechtschrei- 
bung hätten  so  weit  einrichten  und  festsetzen  können, 
als  sie  es  noch  jetzt  ist,  wo  doch  in  Böhmen  und  Polen 
die  Regulirung  der  Orthographie  nach  Einführung  des 
lateinischen  Alphabets  —  wie  es  die  Geschichte  be- 
weist —  drei  volle  Jahrhunderte  gedauert  hat.  Auch 
davon  abgesehen,  ist  es  möglich,  dass  Kyrill  u.  Method 
gleich  bei  ihrer  Ankunft  im  slawischen  Abendlande  ver- 
mocht hätten,  die  Liturgie  und  h.  Schrift  in  der  slawi- 
schen Sprache  allenthalben  zu  verbreiten  und  einzufüh- 
ren, ohne  diese  Bücher  schon  fertig  und  in  Bereitschaft 
zu  haben;  ist  es  möglich,  dass  dieselben,  mitten  unter 
den  ihrem  Beruf  und  Geschäft  eigenen  Mühseligkeiten 
und  Beschwerden,  bloss  mit  Hilfe  zweier  Mönche,  wie 
Nestor  sagt,  binnen  sechs  Monaten  ein  so  grosses  Werk, 
als  die  h.  Schrift  ist,  aus  dem  Griechischen  ins  Slawi- 
sche hätten  übersetzen,  und  bei  einem  Volke,  das  al- 
ler Kenntniss  der  Schrift  ermangelte,  mittelst  eines  frem- 
den   Alphabets    einführen    können?   Das  Unstatthafte  der 

dius  Tacitus  276  die  Gränzen  des  römisclien  Reichs  beunruhigten  (Flav. 
Vopiscus  in  Tacit,  Amm.  Marceil.  L.  19.  c.  11.),  keine  andern,  als  die 
Venadi  Sarmatae,  späterhin  Sarmatae  limigantes  genannt,  hiemit  Slawen 
waren.  Man  weiss ,  dass  ein  Theil_  der  Sarmaten  (Slawen),  nach  der  Em- 
pörung ihrer  Knechte,  die  sie  gegen  die  Gothen  bewaffnet  haben,  sich  un- 
ter den  Schutz  Coustautins  des  Gr.  begeben,  und  von  diesem  (334)  300,000 
Menschen  stark  dui-ch  Thracien,  Makedonien  u.  s.  w.  vertheilt  worden  sind. 
(Vita  Const.  M.  L.  IV.  c.  6.)  Hr.  Kopitar  beweist  (Wien.  Jahrb.  d.  Lit. 
822.  B.  XVII.),  dass  das  Neugriechische  mit  Slawischem  stark  versetzt, 
und  der  tschakonische  Dialekt,  den  andere  Griechen  nicht  verstehen,  im 
Osten  des  alten  Sparta,  beinahe  gewiss  lu'sprünglich  slawisch  sey.  Die  Namen 
der  tschakonischen  Städte  Kastänica.  Sitiua,  Gorica  u.  Prastö  sind  slawisch ;  in 
ihrer  Gegend  ist  sogar  ein  Oi-t  Namens  ZKXaßoxogl  (Slawendorf),  und 
andere  slaw.  Ortsnamen  in  ganz  Griechenland,  wie  Leake  bemerkt,  z.  B. 
Kameuica  bei  Patras  u.  s.  w.  Hieraus  folgert  nun  Hr.  Kopitar:  Sollten  sich 
mehrere  dergleichen  materielle  und  formelle  Slawismen  im  Neugriechischen 
finden ,  so  werden  die  ältesten  slawischen  Einwanderungen  vor  und  unter 
Justinian  (527  —  565]  ungleich  beträchtlicher  angenommen  und  der  By- 
zantiner eigene  mehrfache  Geständnisse  von  der  Slawisirung  des  ganzen  Grie- 

8* 


116 

bis  jetzt  darüber  vorgebrachten  Meinungen  bat  schon 
Karamzin  in  s.  Geschichte  (Th.  I.  361  —  364)  näher 
beleuchtet.  Setzt  :inan  noch  hinzu,  wie  schwer  sogar  jetzt 
slawische  Werke  mit  kyrillischer  Sclirift  bei  den  Slawen 
die  sich  des  lateinischen  Alphabets  bedienen,  Eingang 
finden,  und  eben  so  aucli  unigekebrt  die  mit  lateinischer 
Schrift  gedruckten  Bücher  von  kyrillischen  Slawen  nicht 
gelesen  werden;  so  ist,  in  Verbindung  mit  dem  oben 
angeführten,  der  überzeugende  Schluss  nahe:  dass  Me- 
thod  und  Kyrill  keinesweges  so  geschwind  eine  neue  Lese- 
und  Schreibekunst  bei  den  Slawen  hätten  einführen  kön- 
nen, wenn  nicht  vor  ihnen  die  slawischen  Stämme  mit 
derselben  schon  zum  Theil  bekannt  gewesen  wären."  Aus 
diesen  und  andern  Stellen  geht  des  Hrn.  Rakowiecki  Mei- 
nung von  dem  hohen  Alter  der  altslawischen  Kirchen- 
sprache und  ihrem  Verhältniss  zu  den  jetzigen  Mundarten 
deutlich  hervor. 

Ohne  mich  berufen  zu  fühlen,  über  die  Meinungen 
dieser  würdigen  Forscher  ein  Urtheil  zu  fällen,  will  ich 
nur,  bevor  ich  zu  den  Schicksalen  der  altslawischen  Kir- 
chensprache seit  Kyrill  u.  Method  übergehe,  bemerken, 
dass  aus  allen  bis  jetzt  angeführten  Untersuchungen  fol- 
gendes hervorzugehen  scheint: 

i.)  Dass  die  Slawen  lange  Zeit  vor  ihrer  Bekehrung 
zum  Cliristenthume  eine  im  Verhältniss  zu  ihrer  Civili- 
satioii  ausgebildete  Sprache,  und  wo  nicht  gescbriebene 
Religions-  und  Gesetzbücber  (denn  die  aus  Indien  mit- 
gebrachte Schrift  mag,  als  Eigenthum  der  Priester,  bei 
ihren  Wanderungen  bald  verloren  gegangen  seyn),  doch 
wenigstens  zahlreiche,  der  Weihe  der  Dichtkunst  nicht 
ermangelnde    V^olksgesänge    gehabt    haben,    wie   ersteres 

chenlaiuls  {wie  z.  ß.  Constantins  des  rui'i)ur,tiel)onien  Thoni.  iL  ,  6^' 
ic&laßcö&r]  ndaa  77  ;^rapa  (der  Peloponnes  im  Vlll.  Jalnh.)  xal  ysyov 
ßägßccQog.  Oder  des  Epitoraators  des  Strabo :  zal  vvv  Si  (ums  ,[.  1000') 
Ttäaav  '  HnFtQov  nal  EXXäSa  ax^Sbv,  accl  nBlonövvr,Gov  yicd  MccKfdoviccv 
2y.v&ai.  I^yiläßoi  vFfiovzai.)  viel  ernster  und  strenger  verstanden  werden 
müssen,  als  bisher  gewöhnlich  geschehen.  —  Im  J.  473  bekriegte  Theode- 
rich die  Slawen  oberhalb  Mösien,  weil  sie  sich  jenseits  der  Donau  auszu- 
breiten suchten.  (.Jara  enim  saepe  Ilunni,  Antae  et  Sclavini  trajecto  fiuvio 
(Danubio)  Romanos  pessime  foedissimeque  vexarant.  Procop.  de  bell.  Goth. 
L.  III.  c.  14.  Wie  ist  aber  hicrait  L.  III.  c.  38.  zirrgimen,  wo  er  sagt: 
ante  illud  tempus,  quod  supra  dixi  (534)  numquam  (hi  barbari)  cum  ex- 
ercitu  üuvium  Istrum  vidcntur  trajecisse  ?) 


117 

die  Prawda  niska,  Igors  und  Olegs  Tractat,  letzteres 
aber  die  böhmischen  Fragmente:  Libusa,  Cestmjr,  Za- 
boj,  Slawoj  und  Ludiek,  ferner  der  mssische  Helden- 
gesang Igoi"  beurkunden. 

2.)  Dass  die  Bekelirung  der  Slawen  allmälig,  wahr- 
scheinlich zuerst  von  Constantinopel  aus,  lange  vor  Ky- 
rill  und  Method,  eingeleitet  worden  ist,  und  als  bei 
wachsender  Empfönglichkeit  der  Slawen  dafür  im  Abend- 
lande gleiclie  Versucbe  von  der  römischen  Kirche  ge- 
macht wurden,  die  slawischen  Fürsten  in  Pannonien  und 
Mähren,  der  Verschiedenheit  des  griechischen  und  rö- 
mischen Ritus  (d.  i.  dort  der  slawischen,  hier  der  la- 
teinischen Sprache  beim  Gottesdienst)  nicht  unbewusst, 
ausdrücklich  darum  nacb  Constantinopel  um  Religions- 
lehrer geschickt  haben,  \\e'\\  ihnen  die  Liturgie  in  der 
slawischen  Sprache,  deren  Fortschritte  in  Griechenland 
(Makedonien,  Bulgarien,  Serbien)  sie  kainiten,  annehm- 
barer als  in  der  lateinischen  geschienen. 

3.)  Dass  Kyrill  und  Method,  als  sie,  auf  ausdrück- 
liches Verlangen  der  mächtigen  slawischen  Fürsten  (wenn 
anders  nicht  die  ganze  Mission  eine  Fabel  ist)  nach  Pan- 
nonien und  Mähren  geschickt  wurden,  im  Werke  der 
Bekehrung  und  in  der  slawischen  Sprache  keine  Anfän- 
ger mehr,  sondern  längst  g^eübt  und  bewandert  gewesen 
seyn  müssen;  sonst  würde  man  ihnen  kein  so  hochwich- 
tiges Werk,  bei  dem  es  sich  um  die  Ehre  des  Kaiser- 
thums  und  des  Christenthums  handelte,    anvertraut  haben. 

4.)  Dass  demnach  wahrscheinlicherweise  auch  meh- 
rere Vorläufer  an  der  Umschmelzung  der  griechischen 
Buchstaben  zum  slawischen  Gebrauch  und  der  successi- 
ven  Uebersetzung  der  Kirchenbücher  theilgenommen  ha- 
ben; wenn  man  gleich  nicht  in  Abrede  stellen  kann, 
dass  Kyrill  und  Method  bei  der  Vollendung  dieses  Al- 
phabets und  der  theilweisen  Uebersetzung  der  h.  Bücher, 
wie  auch  bei  der  Verbreitung  der  christlichen  Religion 
unter  den  Slawen  sich  das  grösste  Verdienst  erworben 
haben,  wesswegen  später  auch  dem  Alphabet  der  Name 
des  kyrillischen  in  den  Ländern,  wo  Kyrill  vorzugsweise 
gepredigt  und  gewirkt  hat,  beigelegt  worden  ist. 


118 

5.)  Dass  aber  über  die  Sprache  der  kyrillischen  Bü- 
cher und  ihr  Verhaltniss  zu  den  jetzigen  Mundarten  bis 
dahin  das  Urtheil  verschoben  werden  muss,  bis  einerseits 
die  Natur  dieser  Mundarten  selbst  mit  Zuziehung  neuer 
Hilfsmittel  genauer  ergründet ,  anderseits  aber  die  Un- 
tersuchungen über  der  ältesten  Slawen  Cultur  und  Wan- 
derungsperioden geschlossen  seyn  werden ;  obschon  es 
wahrscheinlich  ist,  dass  dieser  Dialekt,  selbst  wenn  man 
ihn  für  den  Ertrag  einer  frühern  Sprachcultur  der  noch 
heidnischen  Slawen  gelten  lassen  wollte,  zu  Kyrills  und 
Methods  Zeiten  bei  demjenigen  Stamme,  der  am  frühe- 
sten und  am  weitesten  in  das  griechisclie  Tiirakien,  Ma- 
kedonien und  lllyrien  vorgedrungen,  mehr  zu  Hause 
war,  als  bei  den  andern  ^^). 

Doch  dem  sey,  wie  ibm  wolle  —  die  schwierige 
Etymologie  und  die  noch  dunklere  Geschichte  lässt  uns 
hierüber  in  Ungewissheit  immer  bleiben  die  goldenen 
Worte  J.  S.  Bantkies  dem  beherztem  Slawisten  ein  Denk- 
und  Wahlspruch:  ,.Gott  gebe,  dass  der  slawische  Kir- 
chendialekt, als  die  erste,  oder  wenigstens  die  äheste 
uns  bekannte  Quelle  der  slawischen  Sprache,  von  allen 
slawischen  Völkern  gelernt  und  gekannt  sey,  nicht  um 
der  Einheit  der  Kirche  willen,  sondern  um  der  höhern 
wissenschaftlichen  Bildung  willen,  um  der  Erhaltung  des 
slawischen  Volksthums  willen,  auf  dass  wir  uns  nicht 
verteutschen,  nicht  vertatern  ,  niciü  vertürken  (ich  se- 
tze   hinzu:    nicht    verfranken    und  vermagyern),  auf  dass 

1°)  Will  man  aber ,  uach  dem  jetzt  bestehenden  Unterschied  der 
bulgarischen  u.  serbischen  Mundart,  entscheiden,  welche  von  beiden  die 
gerade  Descendentin  von  Kyrills  erhabener  Kirchensprache  sey ;  so  dürfte 
vielleicht  vor  dem  Endspruch  die  Bemerkung  der  Beachtung  nicht  unwerth 
scheinen,  dass  wol  das  Bulgarische  und  Serbische  ursprünglich  und  noch  zu 
Kyrills  Zeiten  nur  eine  Mundart  gewesen  sey.  Unter  den  slaw.  Geschlech- 
tern in  Mösien,  Makedonien  u.  Illyricum  werden  frühzeitig  die  Sjewerane 
und  Dregowißen  (alt  Drgowicen),  jene  als  der  heutigen  Bulgaren,  diese 
als  der  Serben  Vorfahren  genannt.  Nun  sassen  aber  die  zurückgebliebe- 
nen Verwandten  dieser  Sjeweranen  und  Dregowicen  noch  lange  Zeit  darauf 
in  Roth-  und  Weissrussland  an  der  Desna,  Sema,  Sula  und  Pripet'  zu- 
sammen (Nestor  Cap.  V.  IX.),  waren  demnach  nicht  nur  Nachbarn,  son- 
dern auch  Stamm-  und  Sprachgenossen.  Auch  die  frühern  Colonien  in  Thra- 
kien u.  Mösion,  vorzüglich  jene  ums  J.  540,  mögen  nur  abgerissene  Zwei- 
ge, gleichsam  Vorläufer  und  Wegweiser  dieser  ihrer  Nachfolger  gewesen 
seyn.  Wie  sich  das  Bulgarische,  vorzüglich  seit  der  Vermischung  der  mö- 
sischen  Slawen  mit  den  eigentlichen  Bulgaren,  einer  tatarischen  Nation, 
nach  und  nach  so  weit  von  dem  Serbischen  entfernt  habe,  als  wir  es  heute 
sehen :  wird  aus  dem  Gange  der  politischen  Geschichte  beider  Stämme  klar. 


119 

wir  niclil  abfallen  von  der  gemeinschaftlichen  Quelle  der 
Volksthüinliclikeit,  die  trotz  der  Stürme  von  zehn  Jahr- 
hunderten nicht  versiegt  ist."  Darum  sind  die  Bemü- 
hungen unserer  geachletsten  Sprachforscher  um  die  Her- 
stellung und  Reinhaltung  dieser  Sprache,  die  allerdings 
im  Laufe  der  Zeit  und  in  der  Fremde  manches  Fremde 
angenommen,  ein  wahres  Verdienst  um  die  Gesammtlitera- 
tur  der  slawischen  Völker,  zu  welchen  ich  nun  übergehe. 

§•   11- 

Schicksale    der    altslawischen   Kirchensprache   und  Ueber- 
sicht  einiger  Denkmale  derselben. 

Kaum  war  die  slawische  Sprache  durch  Kyrill  und 
Method  auf  den  Weg  gebracht,  allgemeine  Schrift-  und 
Kirchensprache  aller  Slawen  zu  werden,  als  sie  schon 
mit  vielfältigen,  unüberwindlichen  Hindernissen  zu  käm- 
pfen hatte.  Method  wurde,  wie  bekannt,  zu  Rom  von 
der  Salzburger  Geistlichkeit  als  ein  griechischer  Eindring- 
ling und  Neuerer  zu  wiederholtenmalen  angeklagt.  Bei 
seinen  Lebzeiten  beschwichtigte  er  glücklich  alle  Ankla- 
gen, aber  nach  seinem  Tod  unterlag  die  gute  Sache  dem 
unseligen  Eifer  der  Salzburger  und  anderer  Gegner.  Die 
teutschen  Bischöfe  wachten  äusserst  eifersüchtig  über  die 
Gränzen  ihrer  geistlichen  Gebiete.  Den  bairischen  Bi- 
schöfen in  Passau  und  Salzburg  waren  unläugbar  alle  dor- 
tige Slawen,  als  zu  ihren  Sprengein  gehörig,  angewie- 
sen. Kein  Zweifel,  dass  sie  gleich  nach  Methods  Abreise 
aus  Mähren  und  seinem  Tode  den  slawischen  Gottesdienst 
daselbst  durch  Wiching,  diesen  erklärten  Gegner  der 
Griechen ,  unterdrückten.  Der  Erzb.  Johann  und  die 
beiden  Bischöfe  Daniel  und  Benedict,  die  P.  Johann  IX. 
im  J.  899.  nach  Mähren  schickte,  waren  schon  Römer. 
Etwa  luO  Jahre  nachher  schrieb  P.  Johann  XII.  in  der 
Bulle,  durch  die  er  die  Stiftung  des  Bisthums  Prag  er- 
laubte: Verumtamen  non  secundum  ritus  aut  sectam  Bul- 
garicae  gentis,  vel  Russiae,  aut  Slavonicae  linguae,  sed 
magis  sequens  instituta  et  decreta  apostolica,  unum  po- 
tiorem    totius    ecclesiae    ad    placitum  eligas   in  hoc  opus 


120 

clericuiii ,  latiiiis  appriine  litteris  eniditum.  Ein  glei- 
ches traf,  wahrsclieinlicli  noch  früher  als  in  Mähren, 
die  slawische  Liturgie  in  Pannonien  und  Karantanien. 
Allein  der  Kampf  würde  gewiss  sowol  hier  als  dort  viel 
länger  gedauert  haben ,  wenn  ihn  nicht  unerwartete 
schreckliche  Vorfälle  —  der  Einbruch  der  Magyaren  und 
die  Besetzung  von  Mähren  (der  jetzigen  Slowakei)  und 
Pannonien  —  abgebrochen  hätten.  Die  Italiener  und 
Teutschen  bemächtigten  sich  nun  völlig  der  Kirche  im 
slawischen  Abendlande.  Von  diesen  verfolg!,  sucliten  die 
slawischen  Priestei-  in  verschiedenen  Ländern  Zuflucht 
und  Obdach.  Auch  in  Dalmatien  und  Kroatien  konnte 
sich  die  slawische  Liturgie  nicht  lange  erhallen.  Auf 
die  Abmahnungen  des  Papstes  trat  sogar  ein  Fürst  in 
Slawonien  zum  lateinischen  Kitus  über.  Was  soll  man 
endlich  von  dem  gehässigen  ürtheil  einer  lun  das  J.  1060 
zu  Salona  in  Dahnatien  gehaltenen  Synode,  die  den  Me- 
thod  für  einen  Ketzer  ansah,  sagen?  Es  ward  da  be- 
schlossen, dass  Niemand  mehr  in  slawischer,  sondern 
nur  in  lateinischer  und  griechischer  Sprache  Messe  lesen 
soll.  Dicebant  enim,  wie  der  Archidiakon  Thomas  er- 
zählt, gothjcas  litteras  a  quodam  Melhodio  haeretico  fuis- 
se  repertas,  qui  multa  contra  calholicae  fidei  normam  in 
eadem  slavonica  lingua  manendo  conscripsit.  Quam- 
obrem  divino  iudicio  repentina  dicitur  morte  fuisse  da- 
mnatus.  Diesen  Leuten  war  gothisch  und  slawisch  einer- 
lei; auch  mochten  sie  nicht  wissen,  dass  Methods  Recht- 
gläubigkeit selbst  der  Papst  Johann  Vlll.  anerkannt  habe. 
Um  die  Slawen  von  der  griechische»  Liturgie  abzuhal- 
ten, fand  man  es  hier  für  nöthig,  das  kyrillische  Alpha- 
bet mit  einem  andern  zu  vertauschen,  welches  in  der 
Folge  den  Namen  des  gliiyoUtifichen  erliielt.  Es  verfiel 
nämlich  ungefelir  350  Jahre  nach  Kyrill  irgend  ein  Dal- 
matier  auf  den  Gedanken,  für  die  Anhänger  der  latei- 
nischen Kirche,  die  doch  den  Gottesdienst  in  ihrer  Mut- 
tersprache nicht  fahren  lassen  wollten  ,  das  römische 
Missal  ins  Slawische  zu  übersetzen  und  einzuführen. 
Zum  Behuf  der  neuen  Liturg-e  schien  es  ihm  rathsaiM. 
um  das  aus  kyrillischen  Büchern  Geborgte  besser  zu  ver- 
hehlen,   auch    neue  Buchstaben    zu   erkünsteln,    und  sie, 


121 

um  ihnen  leichter  Eingang  zu  verschaffen,  dem  grossen 
Kirchenlehrer  u.  Bibehibersetzer  Hieronymus  znzusclirei- 
ben.  Da  sicli  gleicli  anfangs  mehrere  Geistliclie  zu  die- 
sem patriotischen  Zwecke  vereinigt  haben  mochten,  so 
kam  aucli  das  Brevier  liinzu,  in  welches  sie  den  Psalter 
nach  der  bereits  vorhandenen  kyrillischen  Uebersetznng 
aufnahmen,  und  nur  die  Stellen,  wo  er  von  der  Vul- 
gata  abwich,  veränderten.  So  verbreitete  sich  auch  all- 
mälig  der  falsche  Ruf  von  einer  dalmatischen  Bibelüber- 
setzung, die  den  h.  Hieronymus  zum  Urheber  habe.  In- 
desis  hatte  docli  die  Sache  die  Folge,  dass  sich  in  Dal- 
matien  die  altslawische  Literalsprache  wenigstens  bei  ei- 
nem Theil  der  Priester,  den  Glagoliten,  bis  auf  den  heu- 
tigen Tag  erhalten  hat.  In  Böhmen,  das  seine  Bekehrung 
teutschen  Priestern  verdankt,  scheint  Kyrills  altslawische 
Kirchensprache  nie  allgemein  eingeführt  worden  zu  seyn. 
Zwar  bauete  der  h.  Prokop  «nn  das  J.  1030  den  slawi- 
schen Mönchen  ein  Kloster  zu  Sazawa;  allein  kaum  zwei 
Jahre  nach  seinem  Tode,  im  J.  1055,  wurden  sie  von 
dem  Hzg.  Spitihnew  als  Ketzer  aus  dem  Lande  verwie- 
sen, und  der  slawische  Abt  durch  einen  teutsclien  ersetzt. 
Sie  wurden  zwar  unter  dem  Hzg.  Wratislaw  1061  zu- 
rückberufen, jedoch  von  Bretislaw,  seinem  Nachfolger, 
abermal  vertrieben.  Unter  Karl  IV.  wurde  1347  ein 
Kloster  Emaus  auf  der  Neustadt  Prag  zii  Ehren  des  h. 
Hieronymus,  Kyrill,  Method  u.  s.  w.  für  slawische,  aus 
Kroatien  geflüchtete  Benedictiner,  die  sich  aber  der  gla- 
golitischen Schrift  bedienten,  gestiftet ;  nachdem  aber  die 
alten  Kroaten  ausgestorben  waren,  nahm  man  geborne 
Böhmen  ins  Kloster  auf,  die  bald  den  slawischen  Got- 
tesdienst mit  dem  lateinischen  vertauschten.  Der  Einfluss 
der  slawischen  Kircheusprache  auf  die  Bildung  der  böh- 
mischen war  also  ganz  unbeträchtlich.  ^)  In  Polen  baue- 
ten  die  slawischen  Priester  zu  Anfange  des  X.  Jahrh.  die 
Kirche  zum  h.  Kreuz  in  Krakau,  und  verrichteten  hier 
den  Gottesdienst  in  slawischer  Sprache.  Zwar  hatte  we- 
der zu  dieser  Zeit,  noch  später,  die  slawische  Lit»n*gie 
in  Polen,  die  russischen  Provinzen  desselben  ausgenom- 
men,   vor    der    lateinischen  den  Vorzug;    indess    wurden 

')  Bohrowsky  Slawin  S.  434  tf.  Dess.  Gesch.  der  böhm.  Lit.  S.  46.  ff. 


122 

die  slawischen  Priester  hier  doch  mehr,  als  irgend  sonst 
im  Abendlande,  geduldet,  sowol  wegen  der  Nähe  der 
russischen  Provinzen  Polens,  als  auch  in  der  Absicht, 
die  Russen  und  andere  Slawen  des  griechischen  Ritus 
auf  diesem  Wege  der  Milde  und  Yertiiiglichkeit  Rom 
geneigter  zu  machen.  Aus  diesem  Grunde  haben  die  sla- 
wischen Priester  in  Krakau,  als  dem  ^[ittelpunct  zwi- 
schen Russland  nnd  andern  Slawen  des  griechischen  Ri- 
tus, bis  auf  die  Zeiten  Dlugosz's  (f  1480)  und  noch  spä- 
ter eine  Kirche  gehabt,  woselbst  sie  den  Gottesdienst  in 
ihrer  Sprache  versahen,  und  zu  allererst  nach  Erfindung 
der  Buchdruckerkunst  eine  Druckerei  für  Kirchen-  und 
sonstige  Bucher  mit  kyrillisclien  Typen  errichteten,  die  sie 
nun  in  alle  Slawenländer  verschickten.  ^)  Nur  bei  den 
nordöstlichen  Slawen  des  griechischen  Ritus ,  bei  den 
Serben,  Bulgaren  und  Russen,  fand  Kyrills  Literalspra- 
che  Schutz  und  Pflege,  und  blieb  bis  auf  den  heutigen 
Tag  in  der  Kirche,  in  den  frühern  Jahrhunderten  aber 
auch  am  Throne  und  in  der  Stube  des  Gelehrten  herr- 
schend. In  Russland  nahm  980  der  Grossfürst  Wladioiir 
die  christliche  Religion  nach  dem  griechischen  Ritus  an, 
und  führte  den  slawischen  Gottesdienst  in  seinen  Län- 
dern ein.  Wir  übergehen  die  fernem  Schicksale  der  sla- 
wischen Liturgie  in  diesen  Ländern,  namentlich  die  Ge- 
schichte der  Union,  und  wenden  uns  zu  der  Sprache. 
Sowol  in  Serbien,  als  in  Russland,  fuhr  auf  der  von 
Kyrill  und  Method  betretenen  Bahn  vorzüglich  die  Geist- 
lichkeit fort,  liturgische  Schriften  und  Chroniken  in  sla- 
wischer Sprache  abzufassen.  Den  Zuwachs  demnach,  der 
seit  dieser  Zeit  der  altslawischen  Kirchensprache  zu  Theil 
ward,  haben  wir  allein  den  Russen  nnd  Serben  zu  ver- 
danken. Was  ungefehr  hei  Kyrills  und  Methods  Lebzei- 
ten, was  zunächst  nach  ihrem  Tode  von  der  Bibel  und 
den  übrigen  heiligen  Büchern  übersetzt  worden  seyn 
mochte,  ist  bereits  oben  §.  10.  angegeben  worden;  die 
Aufzählung  einiger  der  wichtigsten  Denkmäler  dieser 
Sprache  wird  unten  folgen. 

Es  war  natürlich,    dass    im    Laufe    der  Zeit   und  in 
der    Fremde    Kyrills    und    Methods    liturgische   Sprache 

')  Rakiowecki  Prawda  ruska  Th.  II.  S.  181  —  182. 


123 

manches  ihrem  iirspnlnglichcn  Charakter  Fremde  ange- 
nommen habe;  ja  dass  dessen  im  Ganzen  nicht  viel  mehr 
geworden,  ist  nur  aus  ihrer  heiligen  Bestimmung  und 
ihrem  von  iMethod  und  seinen  Gehilfen  fest  aufgedrückten 
Typus  zu  begreifen.  Metliods  heilige  Bücher  wurden 
nämlich  im  Ganzen  mit  frommer  Gewissenhaftigkeit  ge- 
nauer abgeschrieben,  als  sonst  bei  profanen  Gegenstän- 
den von  sprachverwandten  Abschreibern  zu  geschehen 
pflegt,  und  nach  dem  Typus  derselben  die  slawische  Li- 
teratur, mit  Hintansetzung  der  Volkssprachen ,  selbst 
von  gebornen  Serben,  Bulgaren,  Walachen,  Russen  u. 
s.  w.  fortgesetzt,  bis  zuletzt  auch  hier  die  Landesspra- 
chen ihr  Recht  geltend  machten,  auch  Schriftsprachen 
zu  seyn,  hier  früher,  dort  später  nach  Umständen,  aber 
überall  natürlich  später,  als  dort,  wo  —  wie  bei  Ka- 
tholiken —  die  Redesprache  nicht  erst  eine  heilige  Kir- 
chenspraclie  zu  beschwichtigen  hatte.  Man  denke  an  die 
Literatur  der  Böhmen  im  XlII  —  XIV.,  der  Polen  im 
XVL  Jahrb.,  Krainer,  Kroaten,  Serben  latini  ritus  (Ra- 
gusa) u.  s.  w.,  davon  die  jinigsten  an  drei  hundert  Jahre 
zählen,  während  die  Russen  erst  seit  etwa  hundert  Jah- 
ren ihren  Dialekt  schreiben,  und  die  Serben  noch  bis 
auf  diesen  Tag  um  die  Rechte  der  Volkssprache  streiten. 
Aber  eben  seitdem  die  Kirchensprache  bei  ihren  Beken- 
nern  der  weltlichen  Dienste  durch  die  einzelnen  Landes- 
sprachen enthoben,  und  bei  den  übrigen  Slawen  ohne- 
hin von  jeher  reine  Antiquität  ist,  wurde  das  Bedürf- 
niss  fühlbar,  sie  ungetrübt  von  den  profanen  Interessen 
und  Rücksichten  des  Nationalstolzes,  fin*  ihre  Bekenner 
auf  ihre  Urgestalt  unter  Method  zurückzuführen,  und  für 
die  übrigen  ebenfalls  als  reine  Antiquität,  entkleidet  von 
allem  Unslawischen,  was  ihr  durch  Tausend  Jahre  zu 
sogenannten  praktischen  Zwecken  in  der  Fremde  umge- 
hangen worden,  darzustellen.  Mit  einem  Worte,  man 
sah  und  sieht  immer  mehr  ein,  dass  es  an  der  Zeit  ist, 
mit  hundert  Bänden  das  zu  machen,  was  die  Teutschen 
mit  einem  Bande  ihres,  freilich  an  fünfhundert  Jahre 
altern,  Ulfdas  längst  gemacht  haben.  Zwar  fehlt  es  be- 
reits in  frühern  Jahrhunderten,  vorzüglich  in  Russland, 
nicht    an   Versuchen,    die    altslawische   Literalsprache    in 


124 

den  liturgischen  Büchern    zu    verbessern.     So    ward   der 
griechische    Mönch  Maxim    auf  des  Caren  Basilius  Joan- 
nowic     Begehren     vom    Patriarchen    von    Constantinopel 
unter  allen  Mönchen  des  Berges  Athos  1512  ausgesucht, 
um  die  durch  unwissende  Abschreiber  während  der  mon- 
golischen Uienstbarkeit    1238    —   1477    in    die  Kirchen- 
bücher   eingeschlichenen   Fehler    nach    den    griechischen 
Originalen    zu    verbessern,    fiel    aber   nach    neun  Jahren 
seines  Aufenthalts  zu  Moskau  in  Ungnade,    und   starb  im 
Gefängnisse   nach    drei  und  dreissig  Jahren.  Die  Verbes- 
serung der  Kirchenbücher    kam  immer  wieder  zur  Spra- 
che,   mit    dem    meisten  Aufsehen    unter   dem  Patriarchen 
Nikon   1652,    was   aber   zur   Entstehung  der  Haskolniken 
Anlass    gab,    welchen    der  Correctionen  endlich  zu  viele 
wurden,    als    man    ihnen    sogar  den  als  icKCh  angeeigne- 
ten   Namen    Jesu    in     den    griechischem ,    dreisylbigen 
iHc«cT.    umcorrigirte.      Die    Revision    der    Kirchenbücher 
ward    1667    beendigt,    die    der    Bibel   erst  1751.     Diese 
Verbesserung    ist    aber    so  zu  verstehen:    dass  von  Leu- 
ten,   die    eine    fast  blinde  V^erehnnig  mehr  für  die  Wör- 
ter, als  für  den  Sinn  der  griechischen  Originalien  hegten, 
nicht    nur    die    sinnlosen  oder  unrichtigen,    sondern  auch 
die,    wie   so  oft  in  der  Vulgata,  mehr  Sinn  fiu'  Sinn  als 
Wort    für    Wort    übersetzten    Stellen,    ängstlich-wörtlich 
nach    dem    Griechischen,    und    die    Sprache  selbst  aber- 
mals nach  der  in  den  Flexionen  und  sonst  stark  russisi- 
renden  Grammatik  von  1648    geändert  ward.     An   philo- 
logische Achtung  für  eine  gegebene,  heilige,   todte  Spra- 
che ist  da  nicht    zu  denken,    nicht    an    Achtung  für  den 
slawischen  Sprachgenius  bei  so  sklavischen  Verbesserern. 
Maximus  Schüler,  der  Russe  Silvanus,  der  gegen    solche 
Wortabgötterey    für    den  Sinn  eifert,    ist  ein  Prediger  in 
der  Wüste.  Niemand  weiss  von  Kyrill  und    Method,   man 
glatibt    nur   veraltetes    Russisch   vor  sich  zu  haben,  was 
man    erneuern    könne    und    müsse,    um  es  verständliclier 
zu  machen;    nicht  einmal  die  letzten  Revisoren  der  Bibel 
1751     kennen    Kyrillus,    sie    glauben  die  erste  Ueberse- 
tzung  unter  Wladimir  988,    also  in  Russland  und  in  alt- 
russischer   Sprache    geinacht,    und    bedauern,    dass    das 
Exemplar    aus  Wladimirs    Zeit,    woraus  1581   die  Ostro- 


125 

^er  Bibel  abs^edrnckt  worden,  nachher  verloren  gegan- 
gen sey,  während  doch  da.s  K\ein|)lar,  wornach  der 
Druck  der  Ostroger  Bibel  besorgt  worden  .  höchstens 
vom  J.  1490  oder  noch  jiniger  ist,  nnd  in  Moskau  noch 
existirt.  •^)  Bei  den  Glagoliten  in  Daliiiatien  haben  im 
XVII.  Jahrb.  Pastrich  und  Levacovich  die  erste  Revi- 
sion des  Missais  und  Breviers  vorgenommen.  Der  letzte 
Revisor,  Caraman,  war  in  Petersburg  gewesen,  und 
konnte  sich  aus  kyrillischen  Büchern  helfen;  dafiir  aber 
brachte  er,  in  der  falschen  Meiiuing,  der  russische  Text 
der  Kirchenbücher  wäre  der  echte,  alte,  eine  Unzahl 
Russismen  in  das  glagolitische  xMissal  von  1741.  (Vgl. 
unten  §.  28.  über  die  glag.  Schrift  und  Lit.)  Die  Russen 
sehen  die  Verbesserung  der  Kirchenbücher  seit  1751  für 
beendigt  und  geschlossen,  während  die  Spraclikritik  und 
Philologie  sie  erst  recht  aus  dem  Grunde  neu  w'iederho- 
len  muss.  Da  indess  für  die  Russen  mit  dieser  Wieder- 
herstellung ausser  dem  geistigen  auch  noch  ein  geistliches 
Interesse  verbunden  ist.  so  ist's  einleuchtend,  dass  sie 
nicht  übereilt  werden  dürfe.  *)  Mittlerweile  sind  die 
Bemühungen  einzelner  Sprachforscher,  die  dunkeln  Par- 
tien der  altslawischen  Kirchensprache  und  Literatur  auf 
historischem  Wege  aufzuhellen .  und  die  elirwürdige 
Sprache  selbst,  mit  Hilfe  der  gesunden  Sprachkritik,  in 
ihrer  l'rgestalt  wieder  herzustellen,  mit  einem  um  so 
höhern  Dankgefühl  zur  gehörigen  Beiuitzung  aufzuneh- 
men. Was  durch  die  frühern,  meist  sehr  dürftig  bear- 
beiteten Grammatiken,  woriniter  die  des  Meletius  Smo- 
trisky  vom  .1.  1618  lange  für  classisch  galt,  für  die 
Wiederaufnahme  und  Cultur  dieser  Sprache  geschah, 
kann  hier  füglich  übergangen  werden;  wir  begnügen 
uns,  auf  die  grossen  Verdienste,  welche  sich  um  die  Er- 
forschung und  Reinstellung  dieses  Dialekts  die  Hrn.  Do- 
browsky,  Kopitar,  Siskow,  Wostokow  u.  a.  m.  in  den 
neuesten  Zeiten  erworben  haben,  hinzuweisen.  Nicht 
minder  erspriesslich  dem  Studium  dieser  Sprache  sind 
die  antiquarischen  und  paläographischen  Untersuchungen 
der  Hrn.  Koppen,  Kalajdowic,  Strojew  u.  a.  m.  Beses- 
sen wir  nuf'aucli  schon  ein  Wörterbuch  dieses  Dialekts, 


=')  Dobroivskü   instit.    1.    slav.    p.    LH.    ff.    701.    (Kopitar)    Rec.    der 
Gramm,  v.  Dobrowsky  in  den  Wien.  Jahrb.  der  Lit.  B.  XVII. 
*)  Kopitar  a.  a.  0. 


126 

davS  dem  jetzigen  Standpunkt  der  slawischen  Philologie 
und  der  Wissenschaftliclikeit  des  Jahrhunderts  angemes- 
sen, sich  würdig  an  die  Grammatik  der  altslawischen  Kir- 
clienspraclie  vom  Hrn.  Abbe  Dobrowsky  reihen  möchte !  ^) 
Die  Geschichte  der  altslawischen  Kirchensprache  und 
ihres  literarischen  Anbaues  zerfällt  nach  Hrn.  VVostokow 
in  folgende  drei  Zeiträume:  1.)  Von  Kyrill  oder  ~ dem 
IX.  .Jahrh.    bis    zum    XIII.    Jahrh.    2.)  Von  XIII.  bis  zum 

XVI.  Jahrh,,  3.)  Von  da  bis  auf  unsere  Zeiten.  Dieser 
Unterscheidung  gemäss  nimmt  Hr.  Wostokow  drei  Arten 
des  Kirchenslawisch  an:  1.)  ein  altes,  welches  in  den 
Handschriften  vom  X  —  XIII.  Jahrh.  vorkommt:  2.)  ein 
iniUleres,  das  sich  unmerklich  durch  russische  Abschrei- 
ber vom  XIV.  bis  ins  XV.  und  XVI.  .Jahrh.  hinein  bil- 
dete; .3.)  ein  nenes,  der  (in  Polen  und  Russland)  ge- 
druckten Kirchenbücher,  besonders  seit  der  sogenannten 
Verbesserung  derselben.  Das  erste  sey  natürlich  das  ein- 
zig echte,  das  mittlere  schon  nicht  ohne  Neuerungen 
(Russismen),  das  neue  schon  stark  metadialektisirt,  und  zum 
Theil    sogar  Erzeugniss    der  geschäftigen  Grammatiker.  ^) 

Die  schriftlichen  Documente  des  Kirchenslawischen 
fangen  erst  in  der  Mitte  des  XI.  Jahrh.  an.  Die  ältesten 
bekannten  slawischen  Denkmale  sind:   1 .)  Das  sogenannte 

*)  Sprachbiicher,  Grammatiken:  L.  Zizania  grammatika  slowenska, 
Wilna  596.  8.  —  M.  Smotri.sky  grammatiki  slawenskija  praAvilnoje  synta- 
gma,  w  Jewju  (b.  Wilna)  618.  8.  Neu  aufgelegt  Moskau  721.  Iirmnik 
755.  8.  (von  P.  Nenadowic,  Erzb.  u.  Metrop.  von  Karlowic).  —  Pismcnica, 
Kreniieniec  638.  8.  Wahrscheinlich  nach  Smotrisky.  -  Grammatica  slavo- 
nica  (auct..  anou.),  Mosquae  648.  4.  —  Gramm,  slav.  719.  8.  —  TL  Ma- 
ximoTv  grammatika  slaweuska,  S.  Pet.  723.  8.  A.  Mrazoivic  rukowodstwo 
k  slawenstjej  gi-ammaticje,  Wien  794.  8.  Ofen  811.  821.  8.  —  P.  Wino- 
gradoiv  kratkaja  gramm.  slaweuskaja,  S.  P.  813.  8.  —  /.  Dobrowsky  in- 
stitutiones  linguae  slavicae  dialecti  veteris,  Viudob.  822.  8.  —  Eine  neue 
Gramm,  des  Kirchenslawischen  haben  wir  vom  Ilr.  AVf)stokow  zu  erwarten! 
Wörterbücher  :  F.  Beryndae  lex.  slaveno  -  russicum,  Kioviae  627.  2.  A.  im 
Kutcinischcn  Kloster  653.  —  Th.  Folycarpi  dictionar.  triliugue,  h.  e.  di- 
ctionum  slavic,  gracc.  et  latin.  thesaurus,  Moscov.  704.  4.  —  {Ewgenij) 
kratkoj  slowar  slawianskoj,  8.  P.  784.  dem  zugleich  eine  kurze  Gramm, 
angehängt  ist.  —  Slowar  akademii  rossijskoj,  S.  P.  806  —  822.  ist  eigent- 
lich russisch,  enthält  aber  auch  viele  altslaw.  Wörter.  S.  die  russ.  Liter.  — 
P.  Alexjejew  slowar  cerkownyj,  S.  P.  773.  8.,  2  A.  eb.  794.  3  B.  8.,  3  A. 
M.  815  —  16.  4  B.  8.,  4  A.  S.  P.  817  —  19.  5  B.  8.  —  {Anon )  niemecki 
i  serbski  slowar,  Wien  790.  8.  ist  ein  Zwitter  zwischen  dem  Altslawischen 
und  Sorbischen.  —  Ein  Wörterbuch  dieser  Sprache  haben  wir  ebenfalls  von 
den  Hrn  Wostokow  und  Kopjtar  zu  erwarten. 

'^)  „üeber  die  altslnw.  Sprache,  wie  sie  sich  aus  dem,  bisher  ältesten 
Evangelien-Codex  des  Nowgoroder  Posadniks  Ostromir  vom  J.  1056  ergibt" 
von  A.  Wostokow  in  den  „Abhandl.  der  Gesellsch.  der  Liebhaber  russ.  Lit." 

XVII.  Ilft.  Mosk.   820.  Wostokow  meint,  die  Russen  hätten  bereits  zu  M«- 


1Ä7 

Ostroinirsche  Evangelium  vom  J.  1056.,  welches  für  den 
Posadiiik  (Aldermanii  ,  Bürgermeister)  von  Nowgorod, 
Ostromir,  einen  nahen  Anverwandten  des  Grossf.  Izjaslavv 
gesehrieben  ward,  nnd  nun  in  der  kais.  öfT.  Bibliothek 
zu  S.  Petersburg  aufbewahrt  wird.  Diesen  Ostromirschen 
Codex  hält  Wostokow  für  die  dritte,  oder  höchstens 
vierte  Abschrift  der  von  Kyrill  übersetzten  Evangelien. 
Kyrills  Exemplar  sey  nämlicli  in  der  Bulgarei  oder  in 
Mähren  geblieben,  davon  sey  nach  luindert  Jahren  eme 
Absclirift  für  Wladimir  in  Kiew,  davon  noch  später  ei- 
ne für  die  Sophienkirche  in  Nowgorod,  und  endlich  von 
dieser  eine  für  den  Posadnik  Ostromir  durch  den  Diako- 
nus Gregor  genommen  worden.  2.)  Die  Inschrift  auf 
dem  Steine  von  Tmutorokan  (dem  Tamatarcha  Constan- 
tins  Porph.)  vom-  J.  1068.,  welche  auf  der  Halbinsel  Ta- 
man  liegt,  und  worin  es  heisst,  dass  damals  vom  Für- 
sten Gljeb  die  Breite  des  gefrornen  Bosporus  gemessen 
ward.  3.)  Der  Sboriiik  oder  Sammlung  geistlicher  Schrif- 
ten vom  J.  1073..  gehörend  dem  Nowovvoskresenskischen 
Jernsalemskloster  unweit  von  Moskau,  von  Hrn.  Kalaj- 
dowic  1817  entdeckt.  4.)  Ein  ähnlicher  Sbornik  vom  .1. 
1076.,  welcher  früher  dem  Reichshistoriograplien  Für- 
sten Scerbatow  angehörte,  und  nun  das  Eigenthum  der 
kais.  Eremitage-Bibl.  zu  S.  P.  ist.  5.)  Das  Mstislawsche 
Evangelium,  geschrieben  vor  dem  .1.  1125  für  den  Für- 
sten Mstislaw  Wladimirowic,  beHiidlich  zu  Moskau  im 
Archangelskoj  Sobor.  6.)  Aelteste  Urkunde  zwischen  J. 
1128  -  1132,  welche  eine  Schenkung  an  das  Juriklo- 
ster bei  Nowgorod  von  Seiten  des  Nowgorodschen  Für- 
sten Mstislaw  Wladimirowic  und  seines  Sohns  Wsewo- 
lod Mstislawic  betrifft.  7.)  Ein  Evangelium  vom  J.  1143, 
gehörend  der  Patriarchal-  oder  Synodalbibliothek  zu 
Moskau.  8.)  Ein  Kreuz  der  h.  Euphrosyne  in  Polock  vom 
J.  1161  mit  slawischer  Inschrift.  9.)  Die  Inschrift  am 
sogenannten  Rogwolodschen   Stein  vom  J.  1171  vom  Po- 

hods  Zeiten  ropO.T,  (horod),  Iieu  (peö),  BO:k  (woz),  03^6  (oze)  u.  s.  w. 
gesagt.  Aber  ausser  diesen  geringen  lexicalischen  Unterschieden  seyen  die 
Grammatiken  der  verschiedenen  Stämme  einander  viel  näher  gewesen,  als 
300  —  400  Jahre  später,  oder  gar  heutzutage ;  so  dass  sich  damals  die  Sla- 
wen aller  Stämme  untereinander  so  verstanden  hätten,  wie  etwa  ein  Russe 
vom  Archangel  od.  vom  Don  einen  Moskauer  od.  Sibirier  verstehe.  Die  alte 
Sprache  unterscheide  sich  von  der  neuem  vorzüglich  durch  1»  u.  l>  statt  0 
und  e,  z.  B.  TA.-KLK'L,  i^pkUi,  EUPi»,  ferner  dadurch ,  dass  sie  nach 
K,  ,v,  r  immer  U,  nach  S?  Ui,  q,  i|,  q»  immer  h  od.  H  schreibt  u,  s.  w. 


128 

lockischcii  Fürsten  Rogwolod,  liegend  neben  dem  Wege 
von  Orsa  im  Mogilewschen  Gouv.  nacli  Minsk.  10.)  Die 
in  der  Düna  gelegenen  Steine  mit  slawischen  Inschriften 
von  dem  .1.  1225.  11.)  Vertrag  des  Smolenskischen  Für- 
sten Mstislaw  (in  der  Taufe  Theodor)  Dawidowic  mit 
der  Stadt  Riga  vom  J.  1229.  12.)  Die  älteste  Urkunde 
des  moskauischen  Archivs  des  kais.  Reichscollegiums  vom 
J.  1265.  Ein  Vertrag  des  Twerschen  Grossf  Jaroslaw 
JarosJawic  mit  der  Stadt  Nowgorod.  1.3.)  Die  älteste  Ab- 
schrift der  Rormcaja  kniga  und  dabei  der  Gesetze  Ja- 
roslaws,  bekainit  unter  dem  Namen  Prawda  ruskaja  (rus- 
sisches Recht),  vom  J.  1280.  14.)  Ein  zu  Riga  aufbe- 
wahrter, auf  Papier  geschriebener  Vertrag  des  Smolenski- 
schen Fürsten  Iwan  Alexandrowic  mit  der  Stadt  Riga 
zwischen  den  .J.  1.330  —  59.  15.)  Der  Laurentische  Co- 
dex, oder  die  älteste  aller  bis  jetzt  bekannten  Absclnif- 
ten  der  Neslorschen  Jahrbücher.  Diese  ward  im  .1.  1377 
f(h*  den  Grossf  Dimitrij  Konstantinowic  verfertigt,  und 
befindet  sich  jetzt  auf  der  kais.  öfF.  Bibl.  zu  S.  P.  (Schlö- 
zer  hat  im  1.  B.  seines  Nestors  Notizen  über  mehrere  der 
bekanntesten  Abschriften  russischer  .Jahrbücher,  so  wie 
über  die  der  Fortsetzer  Nestors  mitgetheilt.j^j  —  Aus- 
ser diesen  ältesten  Sprachdenkmalen  gibt  es  noch  viele 
andere,  die  dem  Ursprung  nach  in  diese  oder  aucli  eine 
frühere  Periode  gehören,  wenn  sich  gleich  von  ihnen 
keine  so  alte  Abschriften  erhalto*i  haben.  Hr.  Kalajdo- 
wic  hat  erst  unlängst  die  Uebersetzung  eines  Buches 
(Nebesa)  des  .Johaini  Damascenus,  vom  .Johaiui  Exar- 
chen von  Bulgarien  im  IX.  .lahrli.  verfertigt,  entdeckt: 
obgleich  Hr.  Wostokow  an  dem  vorgegebenen  Alter  des 
Ms.  zweifelt,  und  es  aus  philologischen  (Gründen  nicht 
für  das  Original  des  Exarchen  .lohann  hält.  Derselbe  Hr. 
Kalajdowic  hat  auch  die  Schriften  Kyrills,  Bischofs  von 
Turow  und  russischen  Redners  aus  dem  XII.  .Jahrb.,  fer- 
ner das  Sendschreiben  des  ]\letroj)oliten  Nikiphor  an  Wla- 
dimir Monomach  von  der  Treiniung  der  morgen-  und 
abendländischen  Kirche,  die  Fragen  des  Mönchs  Kyriak 
an  Niphont,  Bischof  von  Nowgorod  u.  a.  sammt  Antwor- 
ten, das  Sendschreiben  des  Metropoliten  .lohann  an  P. 
Alexander  III.  von    den    Irrthümern    der   römischen    Rir- 


'')  P.  V.  Kappen  über  Alterthum  u.  Kuust  in  Russland,  Wien  822  S.  7—9. 


129 

che  u.  s.  w.,  säiniiitlicli  aus  dem  XII.  Jahrli.,  herausgege- 
ben. (Pamiatiiiki  rossijskoj  slowesuosti  XII.  wjeka,  M. 
82i.)  —  Die  Menge  der  8praclimonumente  niminl  seil 
dem  XII.  Jalirli.  belräclitlicii  zu.  Die  meisten  Handschrif- 
ten sind  in  den  Bibliotlieken  Russlands,  in  den  Klöstern 
Serbiens ,  Makedoniens  und  Sirmiens  vorhanden ;  aber 
aucli  die  Bibliotlieken  anderer  Länder,  vorzüglich  Oe- 
sterreichs,  Italiens,  Frankreichs,  Englands  u.  s.  w.  ent- 
halten manches  schätzbare  slawische  Ms.  —  Die  zahlrei- 
chen Handscljriftcn  in  den  Bibliotheken  und  Klöstern 
Russlands  können  hier  nicht  aufgezählt  werden.  Die  Sy- 
nodal- oder  Patriarchalbibliothek  in  Moskau  enthält  g'- 
gen  700  slawische  Codices,  worunter  viele  aus  dem 
XIII.  —  XIV.  Jahrb.  sind.  Einige  derselben  hat  Gries- 
bach  in  seinem  N.  T.  verzeichnet.  Das  Evangelium  vom 
J.  1143  ist  schon  oben  erwähnt  worden.  Von  dem  A. 
Testament  reicht,  ausser  dem  Psalter,  kein  Codex  über 
das  XV.  Jahrb.  hinaus.  Hier  befinden  sich  auch  die  drei 
bis  jetzt  bekannten  ganzen  slawischen  Bibeln.  Die  älteste 
ist  vom  J.  1499,  unter  dem  Grossf.  Johann  und  dem  Me- 
tropoliten Simon  zu  Nowgorod  im  Hause  des  Erzb.  Gen- 
nadius  geschrieben;  die  zweite  vom  J.  1558,  die  dritte 
ohne  Jahrzahl.  Die  Bibliothek  der  Akademie  zu  S.  Pe- 
tersburg zählt  gegen  250  slawische  Msc,  worunter  ein 
Evangelistarium  vom  ,J.  1317,  ein  Evangelium  vom  J. 
1392,  ein  Menaeum  für  April,  vom  J.  1396,  eins  für 
März  vom  J.  1348,  Ephrem  Syrus  vom  J.  1377,  ein 
Oktoich  vom  J.  1387  u.  s.  w.  —  Die  literarischen  Schätze 
dieser  Sprache,  die  in  den  Klöstern  Serbiens,  Bulga- 
riens und  auf  deai  Berge  Athos  begraben  liegen,  hat 
noch  niemand  untersucht.  Merkwürdig  sind  wegen  ih- 
res hohen  Alters  des  Basilius  Hexaemeron  mit  einer  Vor- 
rede Johanns  ,  Exarchen  von  Bulgarien,  geschrieben  im 
Kloster  Chilendar  1263,  jetzt  in  Moskau;  ferner  ein 
Apostel  vonTTTTeromonach  Damian  auf  Befehl  des  Erzb. 
Nikodem  unter  dem  Kg.  Stephan  Uros  im  J.  1324  ge- 
schrieben, jetzt  in  Sisatowac;  des  Kgs.  Stephan  Dusan 
Silny  (Nemanic  IX.)  zwei  Schenkungsbriefe  an  das  Klo- 
ster Chilendar  vom  J.  1348  in  dem  Karlowicer  Metro- 
politan -  Archiv    (das    eine    im    Original,    das    andere  in 

9 


130 

Copie;  der  dritte  daselbst  befindliche,  nocli  ältere  Schen- 
kungsbrief des  Kgs.  Milntin  Stephan  Uros  IL,  vom  J. 
1302,  ist  ebenfalls  nur  Copie);  desselben  Zakon  u.  Ustaw, 
Gesetze  und  Verordnungen,  vom  J.  1349,  im  Familien- 
archive  des  Hrn.  v.  Tököly  zu  Arad.  Yen  den  Klöstern 
in  Sirmien  zählt  Krusedol  gegen  51  Handschriften,  darun- 
ten  vier  Evangelien,  zwei  ohne  Jahrzahl,  eins  vom  J. 
1540  und  eins  vom  J.  1579,  eine  Scala  coelestis  (,it.ci- 
Kinja)  vom  J.  1453  ,  auf  Kosten  des  Despoten  Bran- 
kowic  aus  dem  Griechischen  übersetzt,  Jus  canonicum 
vom  J.  1453,  das  Leben  des  h.  Chrysostomus,  in  Se- 
mendrien  unter  dem  Despoten  Lazar  1458  geschrieben, 
ein  Typicon  1574  u.  a.  m.;  Renieta  unter  9  Codd.  ein 
Evangelium  vom  J.  1084,  zwei  Psalter  ohne  Jahrzahl, 
die  Homilien  des  Gregor  von  Nazianz  vom  J.  1629, 
einen  Minej  vom  J.  15ö8;  Opowo  unter  17  Codd.  drei 
Evangelien,  eins  vom  J.  1630,  eins  vom  1675,  zwei 
Psalter  von  den  J.  1622  und  1637,  einen  Panegyricns 
vom  J.  1509,  einen  Oktoich,  ein  Typicon,  einen  Tro- 
par  1615,  das  Jus  canonicum  (^^kohuhk)  in  Jassy  durch 
den  Grammatiker  Damian  im  J.  1495  geschrieben;  Ja- 
zak  unter  10  Codd,  zwei  Evangelien  aus  dem  XVL  Jahrb., 
zwei  Apostel,  einen  vom  J.  1541,  zwei  Psalter,  des 
Ephrem  Syrus  Buch  an  die  Mönche  vom  J.  1577,  meh- 
rere Menaeen,  Prologe  u.  s.  w.  •,  Besenowo  vier  Evan- 
gelien, von  den  J.  1536,  1575,  1592,  das  vierte  ohne 
Jahrzahl,  Apostelgeschichte  und  Briefe  vom  J.  1652, 
sieben  Menaeen,  Jus  canonicum,  Typicon  u.  s.  w. •,  Si- 
satowac  zwei  Evangelien  vom  J.  1560,  worunter  dem 
einen  der  Apostel  vom  J.  1324  beigebunden  ist,  Apo- 
stelgeschichte und  Briefe  vom  J.  1670,  Menaeen,  Lilur- 
giarien  u.  m.  a. ;  Kuwezdin  einen  Psalter,  zehn  Menaeen, 
wovon  dreie  aus  dem  XVL  Julirh.;  Pribina  glaw^a  ein 
Evangelium  vom  J.  1560,  einen  Apostel  vom  J.  1646, 
mehrere  Psalter  von  1643,  1646  u.  s.  w. ;  Rakowac  einen 
Apostel,  zwei  Psalter  u.  s,  w'.  —  Die  kais.  Bibliothek  in 
Wien  besitzt  zwei  Evangelien  vom  J.  1535  und  1651, 
zwei  Apostelgescliichten  und  Briefe,  einen  Psalter  aus 
dem  XV.  Jahrb.,  einen  Oktoich  aus  dem  XIV.  Jahrb., 
einen  Oktoich    samml  Lectionen    aus  den  Evangelien  und 


131 

dem  Apostel  ans  dem  XII  —  XIII.  Jahrli.  —  In  der  Prä- 
ger Bibliotliek  befinden  sich  zwei  Evangelien.  —  Mont- 
tancon  verzeiclniete  (bil)l.  bibl.  Mss.)  aus  der  Coislinia- 
nischen  Bibliotliek  zu  S.  Germain  ein  A.  Testament,  drei 
Evangelien,  einen  Tobias  u.  s.  \v.,  ausserdem  die  Werke 
vieler  Kirchenväter.  Teber  ihr  Alter  hat  man  bis  jetzt 
keine  Aufsciiliisse.  Derselbe  sah  einen  Codex  de  officio 
divino  zu  Modena,  und  einen  Psalter  zu  Bologna.  Bibl. 
bibl.  Mss.  8.  1042.  berichtet  er,  dass  sich  zu  8.  Germain 
eine  slawische  Lebersetzung  der  Komödien  des  Aristo- 
phanes  befinde,  worüber,  so  viel  mir  bekannt,  neuere 
Aufschlüsse  fehlen.  Das  berühmte  slawische  Evangelien- 
buch zu  Rheims,  worauf  die  Könige  von  Frankreich  den 
Eid  ablegten,  ist  in  den  Stürmen  der  Bevolution  unterge- 
gangen. —  In  der  königl.  Bibliothek  zu  Berlin  \ er- 
zeichnet la  Croze  die  Disputation  des  Gregentius ;  in  der 
ehemaligen  Zaluskischen  .Janocki :  zwei  Rituale  in  fol., 
einen  Canon  apostolicus,  ein  Synaxarium,  ein  Officium, 
ein  Menologium.  —  Die  Vaticanische  Bibliothek  in  Kom 
enthält  mehrere  Evangelien,  Evangelistarien,  das  Chro- 
uicon  des  Constantinus  Manasses,  im  J.  1350  geschrie- 
ben, und  von  dem  Uebersetzer  dem  König  von  Bulga- 
rien Johann  Alexander  gewidmet,  die  Apostelgeschichte 
iHid  Briefe  vom  J.  1400,  das  N.  Testament  sammt  Psal- 
ter, die  Canones,  das  Officium  u.  a.  m.  —  In  der  Bi- 
bliothek bei  S.  Marcus  in  Venedig  befindet  sich  ein  N. 
Testament  sammt  mehreren  angehängten  Erzählungen ; 
un^  Solaric  wollte  bei  J.  Pericinotti  eine  Bibel  vom  J. 
1429  gesehen  haben,  was  aber  ohne  Zweifel  nur  ein 
Theil  vom  N.  Testamente  war.  —  Die  Bodlejische  Bi- 
bliothek in  Oxford  zählt  unter  ihren  Handscliriften  zwei 
slaw'ische  Codd.,  die  Lambethsche  einen  Apostel.  ^) 

Was  die  Druckwerke  anbelangt,  so  fing  der  glago- 
litische Bücherdruck  früher  an,  als  der  kyrillisclie.  ®) 
Das  älteste  glagolitische  Missal  ist  vom  J.  1483  ohne 
Druckort.  Die  erste  kyrillische  Druckerei  errichtete  zu 
Krakau  Schwaipold  Feol   um   das  J.   1490;   denn  vom  J. 

8)  S.  Dohroivsl-y  iustit.  1.  slav.  p.  IX.  ff.  ')  Ueber  die  Geschichte 
des  kirchenslawischen  nnd  slawisch-russischen  Bücherdrucks  vgl.  ausser 
Dobrowsktj  iustit.  1.  slav.  p.  XXXIV.  [EivgeniJ\  slowar  o  bvwsich  w  Ros- 
sii  pisateljach,  Th.  I.  S.  27,S  —  302. 

9* 


132 

1491  gibt  es  drei  daselbst  gedruckte  Werke:  einen  Psal- 
ter ,  einen  Oktoicli  und  ein  Horologiuni  (uacocAOß). 
Wahrscheinlich  ridirt  auch  das  Tetraevangeliuin  von  Bie- 
gner,  und  das  Breviarium  vom  J.  1493,  dessen  Murr 
erwäbnt,  aus  dieser  Officin  her.  Fast  gleichzeitig,  näm- 
lich um  das  J.  1492,  wurde  in  Serbien  und  Hercegowina 
mit  kyrillischen  Typen  gedruckt.  Die  ältesten  Drucke 
dieser  Art  sind:  ein  Oktoich  in  4.  vom  J.  1493,  auf  Be- 
fehl des  Fürsten  Georg  Crnojewic,  zu  Zeta  (Zenta)  in 
Hercegowina,  gedruckt;  ein  Oktoich  in  fol.  durch  ebend. 
und  an  demselben  Orte  im  J.  1494;  und  ein  Psalter  in  8. 
zu  Cetin,  vom  J.  1495.  In  Ugrovvlachien  gab  1512 
auf  Befehl  des  Wojwoden  Basaraba  der  Hieromonach  Ma- 
karius  die  vier  Evangelien  in  4.  heraus.  Im  J.  1519  er- 
richtete der  Wojwüde  Bozidar  Wukowic  in  Venedig  eine 
kyrillische  Druckerei,  und  es  sind  daselbst  erschienen: 
ein  Liturgiar  oder  Slnzebnik  1519  in  4.,  ein  Psalter  1521, 
ein  Trebnik  1524,  ein  Oktoich  1537,  ein  Minej  1538. 
Nach  dem  Tode  Bozidars  setzte  sein  Sohn  Vincentius  die 
Druckerei  fort,  und  gab  1547  ein  Gebetbuch  in  8.,  1561 
einen  Psalter  in  4.,  15G1  ein  Triodion  in  fol.,  ein  Calen- 
darium,  Officia  B.  Mariae,  Septem  Ps.  poenitent.  u.  s.  w. 
heraus.  Zwischen  den  J.  1517  —  1519  gab  Franz  Sko- 
rina  von  Polock  einige  Bücher  des  A.  Testaments  in  Prag 
(in  Böhmen ,  nicht  bei  Warschau,  wie  noch  bei  Grec 
S.  69.  aus  Versehen  steht)  in  4.  heraus.  Für  die  serbi- 
schen Kirchen  gab  der  Hieromonach  iMardarius  aus  dem 
Kloster  Mrksina  crkwa  die  Evangelien  heraus,  zuerst  in 
Bielgrad  (welchem?)  im  J.  1552  fol.,  dann  in  Mrksina 
crkwa  1562  fol.;  wahrscheinlich  wurde  aiich  der  Penti- 
kostar  vom  J.  1566  fol.  hier  gedruckt.  Im  Kloster  Mi- 
lesevvo  sind  erschienen:  ein  Trebnik  vom  J.  1545  in  8., 
ein  Psalter  1545  in  8.,  1558  m  8.  In  den  J.  1561-1564 
wurde  die  Uebersetzung  der  h.  Schrift  von  Anton  Dal- 
mata  und  Stephan  Consul  in  Tübingen  oder  Urach  mit 
kyrillischen  und  glagolitischen  Typen  für  die  Kroaten 
und  Dalmatiner  gedruckt.  Zu  Nieswiez  in  Littauen  er- 
schien im  J.  1562  ein  Katechismus  in  4.  In  Russland 
machte  man  bereits  im  .1.  1553  Anstalten  zu  einer  ky- 
rillischen   Druckerei;    aber  das  erste  daselbst  in  Moskau 


133 

erschienene  Buch  ist  ein  Apostel  vom  J.  1564  in  fol. 
Die  ßiichdrucker  waren  Joliann  Fedorovv  und  Feter  Ti- 
inofejew  Mstishuvcevv.  Ersterer  druckte  darauf  in  Leni- 
berg:  1573  den  Apostel  in  fol.;  letzterer  in  Wilna  die 
Evangelien  1575  fol.  Im  J.  1577  erschien  in  Moskau 
der  Psalter  in  4.,  zwei  Triodien  1590  und  1592  in  fol., 
ein  Oktoich  1594  in  fol.,  ein  Apostel  1597  fol.,  ein  Mi- 
ne] 1600,  ein  Liturgiar  1602,  das  Tetraevangelium  1606. 
Derselbe  .lohann  Fedorow,  der  in  Lemberg  den  Apostel 
1573  druckte,  gab  die  erste  vollständige  Bibel  zu  Ostrog 
in  Wolynien  im  J.  1581  (eigentlich  1580)  in  fol.  heraus. 
Seitdem  wurde  die  ganze  Bibel  öfters  aufgelegt,  und 
zwar  in  Moskau  1663  fol.,  eb.  1751  fol.  (enthält  den 
revidirten  Text),  eb.  1756  fol.,  eb.  1757  fol.,  Kiew  1758 
fol.,  M.  1759.  3  Bde.  8.,  eb.  1762  fol,  eb.  1766  fol.,  eb. 
1778  5  Bde.  8.,  eb.  1784  fol.,  K.  1778  5  Bde.  8.,  M. 
1790  fol,  eb.  1797  fol.,  eb.  1802  fol.,  Ofen  1804  5  Bde. 
8.,  M.  1806.  4  Bde.  8.,  eb.  1810  fol.,  S.  Petersb.  1816. 
8.  Stereotypausgabe,  bis  1820  eilfmal  wiederholt. 

Noch  blieb  übrig,  die  wichtigsten  theologischen  und 
sonstigen  Schriften,  die  in  dieser  Sprache  in  den  letz- 
ten Jahrhunderten  bei  den  Russen  und  Serben  erschie- 
nen sind,  anzuführen;  allein  theils  liegt  ihre  Aufzählung 
ausser  dem  Zweck  dieses  Werks,  und  ist  vollständig  in 
Sopikows  russ.  Bibliographie  1.  B.  enthalten,  theils  wird 
von  den  spätem  Schriftstellern,  die  sich  im  Schreiben 
der  altslawischen  Kirchensprache  bedienten,  in  der  Li- 
teratur ihrer  Stämme  Meldung  geschehen.  ^^) 

1°)  Quellen.  Eine  eigentliche,  erschöpfende  Literaturgeschichte  des 
Kirchenslawischen  gibt  es  bis  jetzt  nicht.  Ausser  den  oben  §.  6.  Anm.  5. 
nahmhaft  gemachten  Schriften,  die  sich  alle  mehr  oder  weniger  über  die- 
sen Dialekt  verbreiten,  sind  noch  ins  Besondere  zu  vergleichen  :  A.  L. 
Schlözer's  Nestor ,  russ.  Annalen ,  Götting.  802  —  809.  5  Bde.  8.  —  A. 
Siskoiv  razsuzdenije  o  starom  i  nowom  slogje  rossijskago  jazyka,  S.  Petersb. 
802.  2  A.  813.  8.  —  Pamie.tnik  Warszäwski  na  rok  1815.  T.  1.  (v.  Bantkie).  ,,  / 
P.  V.  Koppen  über  Alterthum  und  Kunst  in  RussL,  Wien  822.  (in  den  Jahrb. 
d.  Lit.,  auch  besonders  abgedruckt).  —  Jos.  Dobrowskii  instit.  linguae  ^  7  f -6 
slav.  Vindob.  822.  8.  (Die  Prolegomena).  —  {B.  Kopitar)  Recension  der 
slaw.  Gramm,  v.  Dobrowsky,  in  den  Wien.  Jahrb.  der  Lit.  XVII.  Bd.  822. 
A.  Wostokov.'  über  die  altslaw.  Sprache,  im  XYIL  Hefte  der  Abhandl.  der 
Gesellsch.  d.  Liebh.  russischer  Liter.  Moskau  820.  —  /.  B.  Rakowieeki 
Prawda  ruska,  Warsch.  820  —  22.  2  Bde.  4.  —  Bibliographie,  ausser  der 
Vorr.  zu  Dobrowskys  Gramm.,  enthalten:  B.  St.  Sopikow  opyt  ruskoj  bi- 
bliografii,  S.  Petersb.  813  —  21.  5  Bde.  8.  —  [Ewgenij.  Metrop.  von  Kiew) 
slowar  istoriceskij  o  bywsich  w  Rossii  pisateljach  duchownago  öina  Greko- 
rossijskija  cerkwi,  S.  Petersb.  818.  2  Bde.  8. 


Zweiter  Abschnitt. 

Geschichte   der   russischen  Sprache  und  Literatur. 

§.  12. 

Historisch  -  ethnographische  Vorbemerkungen. 

Seit  uralten  Zeiten,  auf  welche  keine  Geschichte  ein 
Licht  wirft,  wohnten  im  europäisclien  Norden  Slawen, 
und  hildeien  kleine  Staaten,  die  durch  Volksberathungen 
und  erwählte  Oberhäupter,  gemäss  den  Sitten  der  da- 
maligen Zeit  und  der  Stufe  der  Volksbildung,  regirt  wur- 
den. Nach  kriegerisclien  Thaten  nicht  durstend,  genos- 
sen sie  die  Früciite  ihrer  Freiheit  im  Frieden,  in  den 
Städten  Gewerbe  und  Handel,  auf  dein  Lande  Ackerbau 
und  Viehzuclit  treibend,  bis  ungefehr  im  III  —  VI.  Jahrh. 
die  Gothen  ,  Alanen  u.  Hunnen  die  von  ihnen  bewohn- 
ten Provinzen  des  heuligen  Russlands  durchzogen,  und 
die  ursprünglichen  Bewohner  derselben,  die  slawischen 
Stämme ,  weiter  nach  Westen  und  Norden  drängten. 
Von  Natur  friedliebend,  zahlten  diese  an  die  Barbaren 
und  Eroberer  einen  jährlichen  Tribut ,  um  mir  ihren 
gewöhnlichen  Beschäftigungen  ruhig  obliegen,  ihre  alte 
Lebensart  ungestört  fortsetzen  zu  können.  So  finden  wir 
im  IX.  .lahrh.  die  Nowgoroder  den  Normännern  oder 
Warägern,  die  Sieweranen  und  Radimitschen  hingegen 
den  Chazaren  zinsbar.  Nach  einem  vergeblichen  Versuch, 
die  Einfälle  der  schlauen  und  unternehmenden  Waräger 
zurückzuschlagen,  und  nach  entstandenem  Streit  um  die 
Oberherrschaft  unter  sich,  wählten  die  Novvgoroder  Sla- 
wen den  Waräger  Rurik  im  J.  862  zu  ihrem  Oberhaupte, 
der  nun  die  Herrschaft  über  den  ersten  slawisch  -  russi- 


135 

sehen  Staat  übernahm.  ')  Rnriks  Naclifolger ,  Oleg, 
vereinigte  Kiow  mit  Nowgorod,  und  wühlte  ersteres  zu 
seiner  Residenz.  Bald  entwickelte  sich  die  Macht  des 
neuen  Reichs;  russische  Heere  erscheinen  vor  den  Tho- 
ren  Constantinopels;  eine  Me/ige  Völker  werden  zinsbar 
gemacht ;  die  Russen  führen  einen  regelmässigen  Handel 
nach  den  Küsten  des  schwarzen  Meeres ;  sie  erbauen 
Städte ,  verschönern  die  vorhandenen ,  und  geben  sich 
Gesetze.  Durch  zwei  Prinzessinen :  Olga,  die  Gemahlin 
Igors  (um  950)  und  die  griechische  Prinzessin  Anna,  die 
Gemahlin  Wladimirs  des  Grossen,  des  Grossenkels  von 
Rurik  (98t  —  1015),  kam  das  Christenthum  von  Con- 
stantinopel  nach  Russland.  ]\Iit  dem  Tode  Wladimirs  des 
Grossen  wurde  der  rasche  Gang  der  Nation  durch  die 
Theilung  des  Staats  unter  dessen  Söhne  gehemmt.  Russ- 
land zerfiel  in  mehrere  Fürstenthümer,  deren  Beherr- 
scher sich  Care  nannten.  Aber  bei  den  fortdauernden 
Familienuneinigkeiten  konnten  dieselben  nicht  der  ein- 
dringenden Macht  der  *  Mongolen  widerstehen,  die  nun 
zwei  hundert  Jahre  hiridüicli  (1237  —  1462)  die  Geis- 
sei von  Russland  wurden.  Während  dessen  wurden  Now- 
gorod und  Pskow  beinahe  Freistaaten;  Littauen  riss  die 
llvraine  ab;  Kreuzritter  und   Schweden   drangen  im  We- 

0  Nach  der  gewöhnlichen  ,  von  Schlözer  sorgfältig  geprüften  und 
erhärteten  Annahme  (Nestor  I.  192  ff.  ITS  ff.)  waren  die  Waräger  Noi-män- 
ner,  und  zwar  aus  Schweden.  Erst  seit  der  Ankunft  der  Waräger  in  Now- 
gorod erhielt  die  Gegend  den  Namen  Russland,  der  in  der  Folge  auch  auf 
Kiew  und  alle  übrige  Eroberungen  der  Nachfolger  Ruriks  ausgedehnt  wui'de. 
Der  Name  Ritss,  Russland  schreibt  sich  von  den  Finnen  her,  in  deren 
Sprache  Ruotzi  die  Bewohner  Schwedens,  und  Roslagen  die  schwedische, 
Finn-  und  Estland  gegenüber  liegende  Küste  genannt  werden.  Ewers  hin- 
gegen leitet  die  Waräger  von  den  Chazaren  ab.  Schwabenau  hält  den  Namen 
Russi,  Roiisi,  mit  des  Claud.  Ptolemaeus  Savari,  was  zerstreut,  aus  einan- 
der wohnend  seyu  soll,  für  gleichbedeutend!  (Hesperus  819).  Noch  zur 
Zeit  des  Ks.  Constantin  Porph.,  der  die  Wasserfälle  des  Dniepers  ums  Jahr 
950  in  russischer  und  slawischer  Sprache  nennt,  ist  'gwaiazi  nicht  das,  was 
wir  jetzt  ritsslgch  nennen,  sondern  warägisch  (normannisch);  ayiXaßivLCTt 
aber  bei  demselben  ist  diejenige  Sprache,  aus  der  sich  das  jetzt  sogenannte 
Russische  nach  und  nach  gebildet  hat.  A.  Moller,  diss.  de  Varegia,  Lund. 
731.  4.  —  A.  Scarin  diss.  de  orig.  Var^gor.  Aboae  734.  4.  Bayer  de  Va- 
ragis,  in  Comm.  Ac.  Petr.  T.  IV.  a.  735.  Penzel  diss.  de  Varangis,  Halae 
771.  4.  —  Miiller  v.  Warägern,  in  Büschings  Mag.  XVI.  Halle  782.  — 
Schlözer  a.  a.  0.  —  /.  Fh.  Ewers  vom  Ursprung  des  russ.  Reichs,  Riga  und 
Lpz.  808.  —  .4.  Ch.  Lehrberg  izsljedowanija  sluiascija  k  objasneniju  rusk. 
istor.  (teutsch  u.  russ.  v.  Jazykow)  S.  P.  814.  818.  —  St.  Sestrenceiuic  Bo- 
gus  izsljedowanije  o  proischozdenii  rusk.  naroda.  S.  P.  818.  —  C.  M.  Frahn 
Ibn  Foislans  u.  a,  Araber  Berichte  üb.  d.  Russen  älterer  Zeit,  S.  P.  824. 4.  — 
M.  Pogodin  o  proischozdenii  Rusi,  M.  825. 


136 

sten  ein.  Da  stand  1462  der  Fürst  von  Moskau,  Joan 
Wasiljewic  III.,  auf,  und  befreite  Russland,  das  er  glück- 
licli  vereinigt  hatte,  nicht  nur  von  der  Herrschaft  der 
Mongolen,  sondern  überwältigte  auch  Nowgorod.  Sein 
Sohn  Wasilij  Joannowic  (1505  —  1520)  delnite  die  nörd- 
lichen Gränzen  des  Reichs  bis  über  Arcliangel  aus.  Des- 
sen Nachfolger,  Joan  Wasiljewic  IV.  (1533  —  1584), 
beförderte  die  Civilisation  seines  Volks;  teutsche  Hand- 
werker, Künstler  und  Gelehrte  gingen  nach  Russland, 
Buchdruckereien  wurden  angelegt,  Gesetze  gegeben  und 
der  Handel  durch  einen  Vertrag  (1553)  mit  Elisabeth 
von  England  zuerst  begründet.  Eben  derselbe  Car  ero- 
berte Kazan  (1552)  und  Astrachan  (1554),  die  Erobe- 
rung Sibiriens,  von  ihm  eingeleitet,  ward  erst  unter  sei- 
nen Nachfolgern  vollendet.  Mit  Feodor  Joannowic  en- 
digte sich  (1598)  Ruriks  Mannsstamm.  Nach  manchen 
Kämpfen  und  bürgerlichen  Unrulien  ermannten  sich  die 
Russen,  und  erhoben  den  Feodorowic  Romanow,  einen 
Abkömiiding  des  Rurikschen  Hauses  (161"3'"'"^Tö45},  auf 
den  Thron.  Sein  Enkel,  Peter  der  Grosse  (1682  -  1725), 
schuf  ganz  Russland  uinT~*W^l)Trdeieerii  neues  Heer;  er 
gnmiaHF"diriussTs(^he'Seeinacht,  bauete  (1703)  S.  Pe- 
tersburg zu  seiner  neuen  Residenz,  veranstaltete  Fabri- 
ken ,  und  stiftete  die  Akademie  der  Wissenschaften. 
Schweden  musste  ihm  Lielland,  Estland,  Ingermanland 
und  Kexholm  abtreten.  Er  war  der  erste  russische  Kai- 
ser, Schöpfer  der  jetzigen  russischen  Macht.  Katharina 
II.  (1762  1796]  legte  die  letzte  Hand  an  Peters  des 
Gr.  Werk,  und  hob  niclit  nur  den  Wolstand  ihres  Reichs 
durch  eine  weise  Regirung,  sondern  vergrösserte  dasselbe 
auch  durch  mehrere  glücklich  geführte  Kriege  und  er- 
folgreiche Unterhandlungen  ausserordentlich.  Wass  Russ- 
land seinem  jetzigen  Beherrscher,  Alexander  I.,  verdankt, 
und  wie  seit  seinem  Regiruugsantritte  das  Volksleben  in 
dem  unerm esslichen  Reich  mit  Riesenschritten  vorwärts 
schreitet,  ist  bekannt  genug.  ^) 

-)  Die  Schicksale  der  russ.  Historiographie  bis  1800  erzählt  Schlözer 
(Nestor  I.  85.  fi'.).  Mit  Verweisung  auf  ihn  nennen  wir,  ausser  den  altern 
Quellen  (Nestor,  s.  Fortsetzer  u.  neuere  Bearbeiter ,  Dlugosz,  Stryikowski 
u.  s.  w.)  G.  F.MüUer's  orig.  gentis  et  nominis  Russorum  749.  Eb.  Samml. 
russ.  Gesch.  S.  P.  732  —  764.  9  Bde.  4.  —  (A.  L.  Schlözer's)  Gesch.  von 
Russl.   Ir  Th.   Gott.   u.   Gotha  769.    12.  (Eb.)  Handb.  d.  Gescb.  d.  Kaiser- 


137 

So  geschah  es  im  Laufe  der  Zeit,  dass  dasselbe  R«iss- 
Jaiid,  welches  im  J.  1402  kaujii  18,000  O.M.,  und  nach 
dem  Tode  Peters  I.  280,000  Q.M.  austrug,  unter  Ale- 
xander I.  zu  der  erstaunlichen,  in  der  gesammten  Ge- 
schichte unerhörten  Grösse  von  340,000  O.iM.  Fltichen- 
raum  heranwuchs.  Von  den,  auf  diesem  ungeheueren 
Raum,  in  Europa  und  Asien  wohnenden  53  Mill.  Men- 
schen (im  J.  1722  zählte  Russland  nur  14  Mill.  Einw.j, 
die  in  80  -  100  der  Abkunft  und  Sprache  nach  ver- 
schiedene Stämme  zerfallen,  ist  bei  weitem  der  grösste 
Theil,  nämlich  36  Mill.,  Slawen,  und  hiemit  -  die  an- 
derthalb bis  zwei  IVfill.  Polen,  in  den  westlichen,  ehe- 
mals polnischen  Provinzen,  abgerechnet  -  34  Mill.  Rus- 
sen, das  Herz  des  Reichs,  das  ganze  mittlere  Russland 
in  Masse  einnehmend,  aber  zugleich  durch  alle  Länder 
und  Provinzen  des  Kaiserstaats  verbreitet.  Darum  kann 
das  Gemisch  so  vieler  Völker,  obschon  es  dem  Geschäfts- 
gang der  Regirung  Hindernisse  eigener  Art  in  den  Weg 
legt,  indem  alle  diese  Völker  ihre  besondere  Religion, 
Sprache,  Sitten  und  Gebräuche  haben,  doch  keinen  nach- 
theiligen  Einfluss  auf  den  Fortgang  der  Cultur  des  herr- 
schenden Stammes,  des  Russen,  haben,  weil  jene  Völ- 
ker meistens  in  den  Gränzprovinzen  zerstreut  sind,  die 
Russen  hingegen,  ohnehin  an  Zahl  weit  überwiegend, 
die  Mitte   des    Reichs  bewohnen,    und  die  unschätzbaren 

thums  Hussl.,  a.  d.  Russ.,  Gott.  801.  8.  —  C  Schmidt' s  Einl.  in  d.  russ. 
Gesch.  Riga  773.  2  Bde.  8.  —  D.  E.  Wagners  Gesch.  v.  Russl.  (allg.  Welt- 
gesch.  16r  Bd.)  Lpz.  786  —  87.  2  Bde.  8.  —  {D.  J.  MerkeVs]  Gesch.  d.  russ. 
Reichs,  Lpz.  795.  3  Bde.  8.  —  Levesque  histoire  de  Russie,  Par.  782.  5  Bde. 
12.  —  Ledere  hist.  de  la  Russie  ancienne,  Par.  783.  3  Bde.  4.  —  J.  Mül- 
ler alt  russ.  Gesch.  nach  Nestor,  Berl.  812.  8.  —  J.  P.  G.  Ewers  Gesch.  d. 
Russen,  Dorpat  816.  8.  —  A.J.  Chilkow  jadro  ross.  istor.,  geschr.  vor  1718, 
gedr.  M.  77Ü,  teutsch  M.  782.  8.  —  B.  N.  TatUeew  istor.  ross.,  geschr.  vor 
1739,  gedr.  M.  769  —  84.  4  Bde.  4.  — \f^omonosow  kratk.  ross.  Lietopis, 
S.  P.  760.  8.  teutsch  Lpz.  765.  771.  8.  —  TL  A  Ernin  ross.  istor.,  767.  3 
Bde.  8.  -  M.  M.  Scerhatow  ross.  istor.  S.  P.  770  —  92.  15  Bde.  4.  —  B. 
Tredijakowskij  razsuzd.  o  drewnostjach  ross.,  S.  P.  773.  8.  —  J.  N.  Boltin 
primjeöanija  u.  s.  w.  (Kritik  der  Gesch.  v.  Leclerc)  S.  P.  788.  2  Bde.  4.  — 
Jakoii'kin  Ijetocislitelnoje  izobrazenije,  798.  8.  —  J.  G.  Stritter  ross.  istor. 
S.  P.  800  —  3.  3  Bde.  —  (Anon. )  ross.  istor.  M.  799.  819.  -  S.  Glinka 
ruskaja  istor.,  M.  817  —  19.  10  Bde.  8.  —  G.  Konstantinow  kratk.  istor. 
ross.  gosudarstwa,  S.  P.  820.  2  Bde.  8.  —  P.  Strojew  kr.  istor.  ross.  M. 
819.  —  P.  Athanasjew  chron.  obozrenije  ross.  istor.,  M.  822.  8.  —  B.  Wich- 
mann's  chron.  Uebersicht  d.  neuesten  russ.  Gesch.,  Lpz.  821.  2  Bde.  4.  - 
N-  M.  Karamzin  istor.  gosud.  ross.,  2  A.  S.  P.  bis  823.  11  B.  8.  (teutsch 
Riga),  im  Auszug  v.  A.  W.  Tappe:  Sokrascenije  istor.  gos.  ross.  N.  M.  Ka- 
ramzina,  2  A.  S.  P.  825.  2  Bde.  8. 


138 


A'^ortlieile  der  ungestörten  Vereinigung  zn  einem  Ganzen 
vollkommen  gemessen.  Der  Religion  nach  bekennen  sich 
die  Russen,  etwa  33  Mill.  (nach  Arsenjevv  im  J.  1818 
32  Mill.),  zu  der  griechischen  Kirche,  deren  oberste 
Aufsicht  der  zu  S.  Petersburg  residirenden  heiligst  — 
dirigirenden  Synode  anvertraut  ist.  ^) 

§.  13. 

Charakter   der  russischen  Sprache. 

Die  russische  Landessprache,  die  allmälich  neben  der 
altslawischen  Kirclieiisprache,  und  ganz  vorzüglich  seit 
des  unsterblichen  Peters  des  Gr.  Schöpferepoche  zur 
Schriftsprache  erhoben  ward,  umfasst  mehrere,  von  ein- 
ander merklich  abweichende  Mundarten  (Idiome  oder 
Varietäten  ?),  unter  weTclieii~slHi"  vorzüglich  drei  aus- 
zeichnen :  die  eigentliche  russische  oder  grossrussische, 
die  kleifirussische  und  die  weissriissische  Mundart.  1.) 
Die  grossrussische  Mundart,  im  ganzen  mittlem  Russ- 
land, iTälneTiirrcTr Tn  TCsliau  und  den  umliegenden  Ge- 
genden (Grossruösland  enthält  die  Statthalterschaften 
Moskwa,  Archangel,  Wologda,  Olonec,  Kostroma,  Now- 
gorod ,  Pskow ,  Smolensk  ,  Twer ,  Niznij  Nowgorod, 
Wladimir,    Tula,    Kuluga,    Jaroslaw,    Kursk    u.    Woronez 

')  Uebcr  die  Landes-  und  Volkskunde  Russlands  vgl.  B.  F.  J.  Her- 
manns stat.  Schilderung  v.  Russl.,  S.  P.  790.  8.  —  A.  W.  Hnpel'.s  Staats- 
verf.  d.  russ.  Reichs,  Riga  791  —  93.  2  Bde.  8.  —  A.  Storch's  stat.  üeher- 
sicht.  d.  russ.  Reichs,  Riga  795.  Eb.  hist.-stat.  Gemälde  des  russ.  Reichs- 
Lpz.  797.  —  803.  8  Bde.  8.  —  J.  Heym's  Versuch  v.  geogr -topogr.  En- 
cyclop.  des  russ.  Reichs,  Gott.  796.  8.  —  J.  G.  Georgis  geogr.-phys.  u.  na- 
turh.  IBcschr.  des  russ.  Reichs,  Königsb.  797  —  801.  3  Bde.  —  Tableau  ge- 
neral  de  la  Russie,  Par.  8(t2.  —  T.  F.  Ehrmanns  neueste  Kunde  vom  russ. 
Reicht»,  Weim.  807.  8.  —  G.  Hassels  stat  Abriss.  des  russ.  Kaiserthums. 
Nürnb.  u.  Lpz  8i7.  8.  —  M.  Beneken's  geogr. -stat.  üehersicht  des  russ. 
Reichs,  Riga  808.  8.  —  B.  v.  Wichmanns  Darstell,  d.  russ.  Monarchie. 
Lpz.  813.  2  Bde.  4.  —  Th  Tmnanskij  ruskoj  niagazin,  792.  —  Plescejew 
obozrenije  ross.  imp.  787.  teutsch  Lpz.  790.  —  E.  Zjahlowski  stat.  opisanije 
Rossii,  S.  P.  808  2  A.  815.  5  Bde.  8.  Eb.  nowjejseje  zemleopisanije  ross. 
imp.  S.  P.  807.  2  Bde.  Eb.  zenileopisanije  ross.  imp.  dlja  wsjech  sostojanii, 
S.  P.  810.  G  Bde.  Eb.  rukowodstwo  k  gcografii  ws.  i  ross.,  S.  P.  820.  821. 
K.  Arsenjeiv  nacertaiije  statistiki  ross.  gosudarstwa  S.  P.  818.  2  Bde.  8.  — 
K.  Th.  Hermann  stat.  zuriial  ross.  imp.  S.  P.  8(t7.  4  Bde.  Eb.  stat.  izslje- 
dowanija  otnositeljno  ross.  imp.  S.  P.  819.  ff.  —  Maxlmowic  slowar  ross. 
gosud.  M.  788.  G  Bde.  --  A.  Scekatow  geogr.  pol.  i  stat.  slowar  ross.  gosud. 
M.  801  —  9.  7  Bde.  Nowyj  i  i)olnyj  slowar  ross.  gosud.,  S.  P.  822. 


139 

mit  ungcfelir  16,895,0(0  Eiuw.)  herrschend ,  ist  seit 
Peler  dem  Gr.,  freilich  iiiclit  oline  Beimischung  vieler 
Slawismen,  die  eigentliche  Literatursprache  der  KuSfSen... 
Eine  Abart  dieser  "grossrussischen  Minidart  ist  die  Suz- 
dalische  Varietät ,  in  der  Provinz  Suzdalj  des  jetzi- 
gen Gouvernement  Wladimir.  Sie  ist  vorzüglich  unrein 
und  mit  fremden  Wörtern  vermischt.  Einige  Wörter  be- 
finden sich  in  dem  Vocab.  Petrop.  Nr.  10.  Eben  so 
weicht  die  Olo neckische  Sprechart,  die  stark  mit  finni- 
schen Wörtern  vermischt  ist,  von  der  grossrussischen  ab.  j^ 
2.)  Der  kleinrussischen  Mundart  bedient  sich  ganz  Süd- 
russland von  der  Mitte  Galiziens  an  bis  zum  Kubanflusse. 
Im  weitesten  Verstände  begreift  Kleinrussland  den  gan- 
zen südlichen  Theil  von  Russland  (die  Statthalterschaf- 
ten Orel,  Rjazan,  Tambow  ,  Slobodsk  -  Ukrajne  ,  Cer- 
nigow,  Poltawa  u.  Kiew  mit  ungefehr  10,43Qi,000  Einw.) 
und  dem  ehemaligen  Polen  vom  Don  an  bis  an  die  schle- 
sische  Gränze,  nebst  Galizien  (Halic)  und  Lodomiricn 
(Wladimir)  oder  Rothreussen,  im  engern  aber  nur  den 
östlichen  Theil  oder  die  eigentliche  Ukrajne,  worin  Kiew 
der  Hauptort  ist.  In  diesem  östlichen  Theile  waren  ehe- 
dem die  Poljanen,  Drewlier,  Tiwertzen  und  Siewerier, 
als  besondere  Völker  bekannt ,  welches  auf  mehrere 
Mundarten  schliessen  lässt.  Da  derselbe  von  1471  bis 
1654  unter  Polen  stand-,  so  ist  auch  die  Sprache  sehr  mit 
der  polnischen  vermischt  worden  ,  welche  Vermischung 
in  dem  westlichen,  den  Polen  länger  unterworfenen 
Theile,  noch  siclilbarer  ist.  Die  kleinrussischen  Kozaken,. 
und  die  den  Polen  ehedem  luir  zu  bekannten  Zaporoger 
oder  Hajdamaken,  sind  in  östlicher  Ukrajne  einheimisch ; 
dagegen  die  donischen  Kozaken  (512,000  an  der  Zahl), 
von  den  Grossrussen  abstammen,  und  mit  Tataren  ver- 
mischt sind.  Der  Unterschied  dieses  Dialekts  von  dem 
grossrussischen  besteht  vorzüglich  in  der  abweichenden 
Aussprache  gewisser  Vocale  (z.  B.  i' st.  ie^  bida  st.  bi'eda; 
e  St.  i*<?,  nenawizu  st.  nienawizu),  Consonanten  [h  st. 
g,  liod  st.  god),  und  vielen  veralteten  Redensarten,  die 
wol  in  dem  Altslawischen,  nicht  aber  im  Russischen  zu 
finden  sind,  daher  die  Behauptung  einiger,  die  auch 
Adelung  wiederholt,  dass  derselbe  mit  der  altslawischen 


140 

Kirclicnspraclie  am  nächsten  verwandt  sey.  Im  Ganzen 
kommt  aber  diese  Mundart  der  böhmischen,  oder  über- 
haupt den  Dialekten  der  Ordnung  II.  eben  so  nahe,  we- 
nigstens näher,  als  die  idnigen  iMundarten  der  Ordnung 
I.  Sie  ist  vorzüglich  reich,  vielleicht  am  reichsten  unter 
allen  Slawinen,  an  Volksgesängen  aller  Art,  die  insge- 
sammt    einen    elegischen    Charakter    haben.  ^)      3.)    Die 

')  Es  wäre  zu  wünschen,  diese  Volksgesänge  wären  sorgfältiger  ge- 
sammelt, als  es  bis  jetzt  geschah.  —  Von  einem  ungemein  grossen  Nutzen 
zur  Aufhellung  des  altern  und  Charakterisirung  des  neuem  Slawenthums 
sind  Sammlungen  von  Volksliedern  ,  Volkssagen  und  Sprichwörtern.  In 
den  Volksliedern,  vorzügliCh-'den'  altern,  an  Welchen  die  slaw.  Stämme 
vielleicht  reicher  sind,  als  irgend  ein  Volk  in  Europa,  findet  man  nicht 
nur  Spuren  des  Alterthums,  die  Namen  der  slaw.  Götter  und  historischer 
Personen,  das  Andenken  von  Ereignissen  und  Thatsachen,  wenn  gleich  mit 
Sagen  und  Mährchen  untermischt,  wesshalb  sie  für  den  Geschichtschreiber 
von  geringerem  Belang  sind,  sondern  man  findet  in  ihnen  vorzüglich  das, 
was  den  Dichter,  den  Psychologen  und  den  Volksfreund  am  meisten  inter- 
essirt,  den  reinsten  Ausdruck  aller  nationalen  Sitten,  Gebräuche _u.  Ge- 
fühle sowol  der  Vorzeit  als  der  Gegenwart.  Den  PHilologen  gehen  sie  noch 
näher  an,  denn  sie  sind  die  wahren,  echten  Idiotica  der  respectiven  Mund- 
arten. Von  diesem  Gesichtspunct  sollen  diejenigen  ausgehen,  die  sich  dem 
/  Sammeln  und  Herausgeben  dieser  Volksgesänge  unterziehen.  Schätzbare  Bei- 
träge dieser  Art  haben  bereits  einige  Stämme  geliefert;  aber  ihre  Verglei- 
chung  und  kritische  Benutzung  ist  noch  der  Zukunft  vorbehalten.  Hieher 
gehören  I.  Russische:  Nowoje  i  poluoje  sobranije  ross.  pjesen,  M.  780.  6 
Bde.  8. ;  Drewnija  ross.  stichotworenija,  sobr.  K.  Danilowym,  izd.  K.  Ka- 
lajdoiuicem ,  N.  A.  M.  818.  (mit  e.  Abhaodl.)  ;  Popow,  ross.  Erata ; 
Nowjejsij  wseobscij  i  polnyj  pjesennik,  S.  P.  819.  6  Bde.  (zum  Theil);  Pje- 
sennik  d'lja  prekrasnych  djewusek,  M.  820.  2  Bde.  (zum  Theil)  ;  Pjesni  ruskija 
narodnyja,  2  Bde.;  N.  Certeleiv  opyt  sobranija  starinuych  malorossijskich 
pjesen,  S.  P.  819.  (sehr  schätzbar) ;  Skazki  ruskija,  M.  820.  5  Bde.  u.  a.  m. 
li.  Serbische:  W.  Stefanowic sj^aradzic  narodne  srbske  pjesme  (zuerst  Wien 
814  —  15.  2. Bde.  8.),  Lpz.  823—  24.  3  Bde.  8.  IH.  Böhmische  und  möhri- 
sche: F.  L.  'XM.akoivskyho  slowanske  närodnj  pjsne,  w  Praze  822 — 25.  2  B.  8. 
Närodnj  pjsne,  'sehr.  Kitjrem  z  Rittersbergu,  Prag  825.  8.  IV.  Slowakische: 
Pjsne  swetske  lidu  slowenskeho  w  Uhfjch,  w  Pesti  823.  12.  V.  Dalmati- 
sche: A.  Kacich  Miossich  razgovor  ugodni  naroda  slovinskoga,  Ven.  801. 
4.  (zum  Theil).  Die  Polen,  obgleich  an  Volksgesängen  eben  so  reich,  wie 
andere  Slawen,  haben  sich  bis  jetzt  um  eine  Sammlung  derselben  nicht 
bekümmert.  —  Die  Wichtigkeit  einer  Samml.  von  Sprichwörtern  für  den 
slaw.  Sprach-  und  Volksfreund  hat  schon  Rakowiecki  (IL  101)  erkannt. 
Was  in  dieser  Hinsicht  bis  jetzt  geschah,  verdient  bemerkt  zu  werden.  Es 
sind  im  Druck  erschienen:  1.  Russische:  Sobranije  4291  drewnich  poslo- 
wic,  M.  787,  8.;  Sobranije  ruskich  poslowic  i  pogoworok,  S.  P.  822.  (5365 
Sprichw.)  II.  Polnische:  S.  Rysinski  przypowiesci  polskie,  w  Lubczu  618. 
629.  4.;  G.  Knapski  adagia  pol.  selecta,  Krak.  632.  4.;  A.  M.  Fredro  przy- 
slowia,  Kr.  86'>.  8. ;  /.  R.  Zawadzki  gemmae  lat.  sive  proverbia  pol.,  Warsch. 
728.  8.;  A.  Zeglicki  adagia  tarn  lat.  quam  polou.,  ed.  2.  Warsch.  751.  8.; 
W-  J.  Marewicz  przysl'owia  i  maxymy,  W.  788.  12.  III.  Böhmische:  aus- 
ser den  altern  Samml.  von  J.  Srnec  582.,  599.,  D.  Sinapius  678.,  A.  Horny 
705.,  P.  Dolezal  746.,  vorz.  \f.  Dobroivsky  ceskycli  prjslowj  zbjrka,  w  Praze 
804.  8.  IV.  Slowakische  yon'~A.  Bernoläk  als  Anhang  zu  s.  Gramm,  sla- 
vica,  Poson.  79Ü.  8.  G.  Rybny  Ms.  V.  Serbische  :  J.  Muskatirowic  priöte 
iliti   po   prostomu    poslowice,    Wien    787.   8.    Ofen    807.    §.    W.    Stefanowic 


i 


i4,     y^ 


weissiussische  Mundart  ist  in  ganz  Litauen  (begreift 
die  Stattlialterschai'ten  Wilna,  Glrodnü  und  Bielostok  mit 
ungefelir  2,441,400  Einw.)  und  einem  Theile  von  Weiss- 
nissland  (Schwarz-  und  Weissnis.sland  begreift  die  Gouv. 
Mobilew,  Wilebsk,  iMinsk,  Wolyn,  Podol  mit  ungefelir 
6,146,100  Einw.)  vorzügiicii  Wolynien  herrschend.  In 
ihr  ist  das  littauische  Stalut,  die  Archive  und  alle  lit- 
tauischen  Actenstücke  verfasst.  Einige  russische  Schriftstel- 
ler des  XVI — XVll.  Jahrb.  bedienten  sich  gleichfalls  der- 
selben. Diese  Mundart  ist  neuer,  als  die  übrigen,  und 
fing  sich  an  vorzüglich  seit  der  Vereinigung  Littauens 
mit  Polen  zu  bilden;  daher  denn  auch  die  vielen  Polo- 
nismen  in  derselben.  -)  Die  lussniakische  Mundart  in 
Ostgalizien  und  dem  nordöstlichen  Ungern  ist  nur  eine 
Varietät  des  Kleinrussischen.  '^) 

Karadzic  narodne    srbske    pripowijefke,    Wien  821.  8.  VI.  Dalmatische  hat 
A    Dellabella  in  s.  Wörterb.  (Yen.  728  4.)    iiänfig   angeführt    und    G.    Fer-         , 
rieh  lateinisch    (Fabulae    ab    illyr.    ada^üs    desumtae,    Rag.    794.    8.)    bear-  '  7  O 

beitet.  (Vgl.  Ch.  K.  Nopitsch  Liter,  d.  Sprichw.  Nürnb.  822.  8.) 

-)  Die  Sprachdialekte  Russlands  verdienen  näher  geprüft  und  mit  je- 
nen der  übrigen  slaw.  Völker  in  Parallele  gestellt  zu  werden.  Was  Adelung 
Mithridates  II.  629.,  Bantkie  Pamietnik  Warsz.  815.  Th.  1.  S.  3.,  Rako- 
uiecki  II.  190.  und  Grec  Ist.  rusk.  lit.  S.  12.  darüber  sagen,  ist  unge- 
nügend. Ueber  den  kleiuruss.  Dialekt  gab  Hr.  Kalajdowic  e.  Abhandl.  im 
I.  B.  der  Schriften  des  Moskauer  Vereins  822.  heraus.  J.  Kodjarewski 
travestirte  Virgils  Aeneis  ins  Kleinruss.  (Virgiljewa  Eneida  na  malorossijskij 
jazyk  perelozeunaja.  S.  P.  809.  4  Bde.  8.),"  und  A.  Pawloivski  schrieb  e. 
Grammatik  dieses  Dialekts:  Gramm,  maloross.  narjecija,  S.  P.  818.  8. 

=>)  Die  Russniakei  in  Ostgalizien,  Bukowina  und  Nordiingern  ist  in 
sprachlicher  und  historischer  Hinsicht  noch  eine  terra  incognita.  In  Gali- 
zien  und  Bukowina  machen  die  Russniaken  den  zahlreichsten  Theil  der  Ein- 
wohner aus.  Die  Russniaken  in  Ungern  zwischen  dem  Hernät  u.  der  Theiss, 
in  den  Gespannschaften  :  Bereg,  Marmaros,  Ung,  wo  sie  die  Mehrzahl,  und 
Zemplin,  Säros,  Ugoßa ,  Zips ,  Satmar ,  Sabolc ,  Gömör ,  Bihar  ,  Torna, 
wo  sie  die  Minderzahl  der  Einwohner,  insgesammt  gegen  350,000 ,  aus- 
machen, sind  die  Fortsetzung  ihrer  rothrussischen  Brüder.  Ueber  ihre  Her- 
kunft schreibt  ein  als  Historiker  hochgefeierter  Teutsch-Unger  (Th.  I.  S.  65) : 
„Almus  erster  Plan  ging  darauf  aus,  sich  in  der  heutigen  Ukraine  fest- 
zusetzen, und  die  Kiewer"  Russen  zu  bezwingen.  Oleg,  der  Fürst  der  Kiewer 
Russen,  zog  Kumauer  od.  Polowzer  an  sich;  Russen  und  Kumaner  wurden 
jedoch  geschlagen,  die  übrigen  in  Kiew  eingeschlossen.  Die  Russen  mussten 
sich  zu  einem  jährlichen  Tribut  bequemen.  Mehrere  reiselustige  Russen  ent- 
schlossen sich  den  Zug  mitzumachen.  Der  Marsch  ging  nun  über  Wladimir 
und  Halic.  Zwei  Tausend  bewaffnete  russiscjio  Bogenschützen  u.  3000  Bauern 
sollten  ihnen  den  Weg  zeigen,  die  Strasse  ausbessern,  und  die  Gehpfade 
erweitern.  Die  Russen  wurden  in  Marmaros  und  Ung  zurückgelassen,  wo 
ihre  Nachkommen,  die  Russniaken,  noch  leben."  „Wichtig,  wenn  es  wahr 
ist!"'  müssen  wir  hiebei  mit  unserer  überseeischen  Antipoden-Brüder  ge- 
wöhnlichem Leib-  und  Leberspruch  ausrufen.  Ueber  den  ganzen  Hergang 
der  Sache  muss  man,  um  den  Anonymus ,  aus  dem  diese  Nachi'icht  ge- 
flossen  ist,   und    seinen   Sachwalter   würdigen    zu  können.  Schlözers  Nestor 


142 

ßeaclilet  man  die  Eigoiiscliafien  der  jetzigen  russi- 
scIuMi  Sprache,  so  ist  ihre  Anlage  zu  einem  einfachen 
und  deutlichen  Ausdruck  der  Gedanken,  der  in  dersel- 
ben nicht  bloss  möglich,  sondern  ihr  ohne  Zwang  und 
ohne  überladende  Wiederholung  besonders  natürlich  ist, 
der  Nachdruck,  den  sie  ihrer  Darstellung  durch  Kraft 
1/  wnd  Kürze  geben  kaini,  die  Erhabenheit,  deren  sie  vor- 
züglich fiihig  ist,  und  der  grosse  Reichthum,  den  sie  an 
Wörtern  überhaupt  und  besonders  an  bestimmten  Ablei- 
tungsformen hal,  unverkernibar. ')  Einfachheit  und  Na- 
türlichkeit des  Ausdrucks  ist  in  der  russischen  Sprache 
begreiflich,  da  sie,  noch  nicht  ein  volles  Jahrhundert 
zur  Schriftsprache  sich  ausbildend,  von  dem  Einflüsse 
verzärtelnder  Culturverhältnisse,  der  Mode,  oder  auch 
blosser  Stubengelehrsamkeit  noch  nicht  so  beherrscht  seyn 
kann,  dass  sie  nicht  der  Natur  treu  bleiben  dürfte,  die 
weder  Kürze,  noch  Nachdruck,  nocli  Schmuck,  noch 
Witz  erkünstelnd  sucht,  wo  er  sich  nicht  selbst  darbie- 
tet. So  zeigt  sich  der  Ausdruck  in  der  russischen  Spra- 
che, wenn  er  nicht  geziert  oder  fremdartig  ist.  In  hel- 
lem Ebenmasse  folgen  die  Worte  den  Gedanken.  Der 
russischen  Sprache  mangelt,  wenn  diess  ein  wesentlicher 
Mangel  ist,  die  Anlage  zu  einem  so  häufigen  Gebrauche 
periodischer  Verbindinigen,  wie  sie  das  Griechische  und 
Lateinische  haben.  Er  würde  ihr,  so  wie  den  andern 
neuen  lebenden  Sprachen,  erst  aufgedrungen  werden 
müssen.  Besonders  plan  ist  im  Russischen  die  Verbin- 
dung der  Sätze.  Es  vermag  zwar  zu  diesem  Zwecke  bei 
manchen  Arten  der  Sätze  einen  sehr  angemessenen  Ge- 
brauch von  seinen  Gerundiven  und  Participien  zu  ma- 
chen.    Auch  mangeln  ihm  keinesweges  die  Conjunctionen, 


III.  Cap.  IX.  S.  107  —  148  nachlesen  unstreitig  sitzen  die  Russniakcn 
so  lange  in  Marmaros  u.  s.  w.,  als  ihre  Brüder  in  Ilothrussland,  und  diese 
hier  so  lange,  als  ihre  Brüder  in  Kiew.  —  Das  Russniakische  in  Ungern 
ist  stark  nietadialektisirt.  Schade,  dass  ihre  Voklslieder  nicht  gesammelt 
sind !  Sie  hekennen  sich  znr  griechisch-katholischen  od.  unirten  Religion, 
und  hahen  eine  kyrillische  Druckerei  in  Leniberg,  von  wo,  wie  von  Ofen, 
sie  mit  liturgischen  Büchern  versehen  werden.  Interessante  Notizen  in  eth- 
iiograiihischer  Hinsicht  liefert  über  dieselben  Rohrer  in  s.  Vers,  über  die 
slaw.  Bewohner  der  österr.  Monarchie,  Wien.  804. 

*)  /.  Ä.  Vater. -^  rnss.  Leseb.  Lpz.  810.  S.  3  ff.  -  A.  Siskoiv  o  sta- 
rom  i  nowom  slogje.  S.  P.  813.  El.  o  krasuorjecii  S.  Pisanija,  S.  P.  Sil.  — 
27j    KorSatuin  o  jazykje  rossijskom  u.  a    ni 


durch  welclie  das  jedesmalige  Verliähiiiss  der  SäCze  an- 
gezeigt, und  der  iiatOrliche  Feriodeiihaii  bewirkt  wird. 
Aber  bei  der  geringen  Anzahl  ihrer  lonjunctionen  fallt 
ihre  Beziehung  um  so  leichter  in  die  Augen  und  ver- 
bietet sich  ihre  zu  grosse  llilulung  von  selbst.  Die  völ- 
lig freie  Stellung  der  Wörter  nützt  nicht  bloss  dem  Nach- 
druck ,  sondern  auch  der  Deutlichkeit,  und  erlaubt  das 
zusammen  gehörende,  z.  B.  auch  die  zu  einem  Verbal- 
substantive tretenden  ßestiiiunungen,  genauer,  als  es  in 
andern  Sprachen  möglich  ist,  zwischen  dasselbe  und  sein 
Adjectiv  zu  stellen,  so  dass  ein  Missverstandniss  ganz 
unuiöglich  ist.  Da  jedes  Wort  die  Stelle  erhalten  kam», 
die  ftir  die  Folge  der  Vorstellungen  die  natürlichste  ist, 
se  fliesst  die  ganze  Rede  leicht  daher,  auch  nicht  durch 
Hilfsverben  oder  Artikel  aufgehalten.  Ausserordentlich 
gross  ist  der  Reichthum  der  russischen  Sprache.  Ihre 
Wurzelwörter  sind  aus  mehreren  Stammsprachen  ent- 
lehnt, und  sie  hat  demnach  deren  eine  weit  beträchtli- 
chere Anzahl,  als  die  mit  ihr  verschwisterten  Sprachen 
der  übrigen  Slawen.  Erworben  zu  einer  Zeit,  wo  die 
russische  Nation  der  Aufnahme  dieser  Wörter  bedurfte, 
ohne  dass  passendere  einheimische  dadurch  verdrängt 
wurden,  sind  sehr  viele  nicht  slawische  Wörter  zum 
wahren  Eigenthum  der  russischen  Sprache  geworden, 
doch  so,  dass  der  Nationalspraciie  dadurch  nicht  gescha- 
det, wol  aber  ihr  Reichthum  vermehrt  wird.  Nachdruck 
ist  bald  Wirkung  der  Kürze  des  Ausdrucks,  bald  einer 
ungewöhnlichem  Wiederholung  und  Setzung  der  Wör- 
ter, wenn  eine  Sprache  bei  der  mehr  oder  weniger  freien 
Stellung  derselben,  die  vorzüglich  wichtigen  Gedanken 
hervorheben,  und  vor  Auge  und  Ohr  mit  ausdrückli- 
chem Ansprüche  auf  Aufmerksamkeit  hervortreten  lassen 
kann.  Die  russische  Sprache  hat  es,  gleich  den  übrigen 
slawischen,  bei  der  freien  Stellung  ihrer  Wörter  ganz 
in  ihrer  Gewalt,  die  Hervorhebung  der  Begriffe,  die 
hervorstechen  sollen,  zu  bewerkstelligen.  Sie  hat  da- 
durch, dass  sie  z-  B.  Personalpronomina  bei  den  Perso- 
nen des  Verbum  setzen  oder  weglassen  kann  u.  s.  w.,  so 
M'ie  durch  beliebige  Entfernung  von  der  sonst  gewöhn- 
lichen einfachsten  Art  des  Ausdrucks,  der  Mittel  uiehre- 


144 

re  in  den  Händen  für  Nachdruck.  Aber  sie  hat  auch 
noch  den  Vorzug  vor  andern  Sprachen ,  eine  reiche 
Quelle  der  Erhabenheit  des  Ausdrucks  zu  besitzen.  Die 
altslawische  Bibelübersetzung  ist  nicht  nur  eine  schätz- 
bare Quelle  alterthümlicher ,  religiöser  Sprache ,  die 
schon  in  sofern  etwas  Erhebendes  in  sich  hat:  sondern 
es  ist  ein  völlig  eingeführtes  Herkommen,  dass  die  rus- 
sische höhere  Poesie  ihre  Ausdrücke  beliebig  aus  Wor- 
ten der  slawischen  Bibelübersetzung  entlehnt,  welche 
der  gewöhnlichen  Umgangssprache  unbekannt  oder  ent- 
schwunden, dort  fortleben.  Unverkennbar  ist  die  Anla- 
ge der  wolklingenden,  melodischen  russischen  Sprache 
zur  (foesie ;  die  Volksgesänge,  nicht  ohne  natürliche  Rei- 
ze des  musikalischen  Numerus,  bahnten  längst  der  höhe- 
ren Dichtkunst  den  Weg;  aber  ob  der  geniale  Russe  statt 
der  bisherigen  französischen  Muster  für  die  Zukunft 
sein  Augenmerk  mehr  auf  die  Schriften  des  classischen 
Alterthums,  diese  unschätzbare  Quelle  echtei*~^nsbil- 
\  düng  und  geläuterten  Geschmacks,  richten  wird,  um  an 
denselben  seinen  Geist  grosszuziehen,  und  das  Kräftige 
des  Stoffes  mit  dem  Anmuthigen  der  Form  zu  einigen, 
bleibt  dahingestellt.  —  Der  russische  Sprachschatz  hat 
sowol  in  grammatischer,  als  lexicalischer  Hinsicht  in 
den  neuesten  Zeiten  treffliche  Bearbeiter  gefunden.  ^) 

^)  Sprachbücher.  Grammatiken :  Die  ältesten  in  Russl.  gedruckten 
Gramm,  sind  alle  kirchensla-wisch.  H.  W.  Ladolf  war  der  erste,  der  in 
s.  Granunatica  russica,  Oxonii  696.  8.  die  Erlernung  der  russ.  Redespra- 
che den  Ausländern  möglich  machte.  —  Anfangsgründe  der  russ.  Sprache 
(im  Anhange  zu  dem  teutsch-lat.-russ.  Weissmannischen  Lexicon )  S.  P. 
731.  782.  4.  —  M.  Grüning  russ.  Gramm,  (schwedisch),  Stockh.  750.  4.  — 
21 .  Lomovosow  ross.  Gramm.,  S.  P.  755.  8.  5  A.  788.  teutsch  von  J.  N. 
Stavenhagen  S.  P.  764.  franz.  769.  griech.  von  Anastas  M.  795.  804.  — 
Ckarpentier  elemens  de  la  langue  Russe,  S.  P.  768.  787.  791.  795.  805.  8. 
Kurganorvs  kurzgef.  Sprachl.  in  s.  Pismownik,  S.  P.  769.  777.  788.  8.  — 
JBarsow's  russ.  Gramm,  für  Gvmnasien,  M.  771.  8.  mehr  als  lOmal  wieder 
aufgelegt.  —  Knitkija  prawila  ü.  s.  w.,  M.  77-3.  8.  8  A.  808.  8.  —  Rodde's 
russ.  Sprachl.  für  Teutscho,  Riga,  773.  778.  784.  789.  790,  8.  —  Kratkaja 
ross.  Gramm.,  für  die  Nationalschulen,  S.  P.  787.  790.  793.  801.806^- 
P.  J.  Sokoloivs  nacalnyja  osnowanija  ross.  gramm.,  S.  P.  788.  792.  797. 
800.  808.  810.  8.  Eh.  Kratk.  ross.  gramm.,  809.  u.  oft.  —  L.  Luboiuicz 
grammatyka  rossyiska,  w  Poczaiowie  778.  4.  —  Astachov's  neue  russ. 
Gramm,  für  Fran-osen,  S.  P.  788.  —  Russ.  Gramm,  für  Polen ,  Polock 
789.  —  J.  Heym's  russ.  Sprachl.  für  Teutsche  mit  einer  (;hrestomathie,  M. 
789.  Riga  794.  804.  8.  —  Swietoir.s  kratkija  prawila,  M.  790.  S.  P.  795, 
8.  —  Apollos  Einl.  zur  Kenntniss  der  slawisch-russ.  Sprache  (russ.), 
Kiew  794.  4.  —  J.  B.  Maudrii'.t  elemens  raisonnees  de  la  langue  Russe 
Par.    802.  2   Bde.    8.  verkürzt    für    die    russ.   Jugend ,    M.  808.  8.  —  Ross. 


145 

Epochen    der    russischen    Literatur.    Der    ersten    Periode 
erste  Abtheilung:   Von  Rurik  bis  auf  Wladimir  850     939. 

Die  Geschichte  der  rnssischeii  Literatur  kann  in  zwei 
llanptperioden  gcthcilt  werden:  von  der  Erfindung  der 
kyrillischen  Buchstaben  bis  zur  Einfiihrung  des  Civilty- 
pus,  oder,  in  politischer  Hinsicht ,  von  der  Grtindung 
des  russischen  Reichs  bis  auf  Peter  den  Grossen;  und 
von  diesem  bis  auf  die  neuesten  Zeiten.  Diese  Periode 
unterscheidet  sich  von  der  ersten  durcli  die  Begründung 
einer  selbständigen  Nationalliteratur  in  russischer  Spra- 
che. Die  erste  Periode  hat  drei  Abtheilungen  :  die  erste 
geht  bis  zur  Einführung  der  christliclien  Religion  in  Russ- 
land; die  zweite  bis  zur  Besiegung  und  Vertreibung  der 
Tataren;  die  dritte  bis  Ende  der  Periode.  Die  zweite 
Periode  hat  ebenfalls  drei  Abtheilungen:  die  erste  er- 
streckt sich  bis  auf  Loinonosow,  die  zweite  bis  auf  Ka- 
rauizin,  die  dritte  bis  anf  unsere  Zeiten. 


gramm.  socineniiaja  imp.  ross.  Akademijeju  (russ.  Gramm  herausg.  v.  d. 
russ.  Akad.),  S.  P._  802.  809.  819.  8.  griecli.  von  P.  Nitzogla  M.  810.  — 
G.  Glinka  Elementarbuch  d.  russ.  Sprache,  Mitau  80.5.  8.  -  -  BroflowskVs 
russ.  Gramm,  (polu.),  Wilua  805.  —  Nacainyja  prawila  u.  s.  w.  Anfangs- 
gründe d.  russ.  Sprache  zum  Nutzen  der  Zöglinge  der  adeligen  Pensionsan- 
stalt,  M.  807.  808.  12.  —  J.  S.  Vatcr's  prakt.  Gramm,  der  russ.  Sprache, 
Lpz.  808.  814.  8.  —  K.  M.  Memorskij  neue  russ.  Gramm,  in  Frag.  u.  Antw. 
(russ),  M.  808.  12.  Eb.  polnaja  ross.  gramm.  s  prisowokuplcnijem  kratk. 
istor.  slawjano-ross.  jazyka,  M.  823.  8.  —  Russ.  Gramm,  von  der  Schuldi- 
rection  herausg.  (russ.),  S.  P.  809.  3  A.  818.  —  M.  Butoivski's  russ.  Gram, 
(russ.  u.  poln.),  Poczaiew  809.  8.  —  J.  B.  Dworzccki  gramm.  iezyka  ross., 
Wilna  809.  811.  8.  —  D.  A.  W.  Tappe  neue  theor. -prakt.  russ.  Sprachl. 
für  Teutsche,  S.  P.  810.  814.  820.  8.  -  Th.  Rozanoiv  russ.  Gramm.,  M. 
810.  8.  —  N.  Grec  Versuch  üb.  d.  russ.  Conjug.  (russ.),  S.  P.  811.  12.  — 
J.  Langen  mauuel  de  la  langue  Russe,  3  A.  S.  P.  825.  8.  — Z,ci?o  Anfangs gr. 
d.  russ.  Gr.  (franz.),  S.  P.  —  J.  A.  E.  Schmidt's  prakt.  Gramm,  d.  russ. 
Sprache,  Lpz.  813.  8.  —  S.  Wcltzien's  neue  prakt.  Gr.  d.  russ.  Spr.,  Riga 
u.  Lpz.  816.  8.  —  .T.  Pozarskij  ross.  Gramm.,  S.  P.  819.  821.  8.  —  A.  J. 
Puchmayer's  Lehrgebäude  der'  russ.  Sprache,  Prag  820.  8.  —  Nowaja  ross. 
gramm.  dlja  Anglican,  S.  P.  822.  —  N.  Grec  russ.  Gramm,  (russisch)  S. 
P.  823.  —  Wörterbücher:  Holländisch-russisches  Wörterb.,  S.  P.  717.  — 
Latein-russ.  Wörterb.  M.  724.  —  E.  Weissmanns  teutsch-lat.-russ.  Wör- 
terb. S.  P.  731.  782.  u.  oft.  4.  Wolckow  nouveau  dictionaire  Fran^ois- 
Allemand-Latin,  S.  P.  755.  8.  778.  2  Bde.  4.  —  Russ.  -  franz.  Lexicon, 
S.  P.  762.  2  Thle.  —  Russ.  -  Griech.  -  Lat.  -  Franz.  -  Teutsch-  und  Engl. 
Wörterb.,  S.  P.  763.  —  M.  F.  Höltcrhofs  Cellarii  lib.  mem.  russisch,  S. 
P.  768.  8.  u.  oft.  Eb.  Russ. -Teutsch -Latein.  Wörterb.,  M.  778.  2  B.  8.  — 
J.  Nordstädfs  russ.  -  teutsch.  -  franz.  Wörterb.  780  —  82.  2  Bde.  4.  M, 
Gah-ielow  neues   teutsch  -  fanz.  -  ital.  -  ital.  -  russ.    WB,,    M.  789.  8.  —  Di- 

10 


146 

Den  Anfang  der  russischen  Literatur  bezeichnet  in 
politischer  Hinsicht  die  Gründung  des  russischen  Reichs 
durch  drei  warägisclie  Fürsten :  Kin-ik,  Sineus  u.  Truwor. 
Kriegerische  Nonuäinier  suchten  und  fanden  in  Russ- 
land Nahrung  für  ihre  Ruhmbegierde  und  Kampflust. 
Oleg  unterwarf  sich  Südrussland,  und  zog  gegen  Con- 
stantinopel ;  Igor  folgte  seinem  Beispiel ;  Swiatoslaw  ver- 
ewigte durch  Tapferkeit  und  Grossmuth  seinen  Namen 
in  der  Geschichte;  Wladimir  erhob  durch  eine  weise  Re- 
girung,  Friedensliebe  und  vorzüglich  durch  die  Einfüh- 
rung des  Christenthums  das  Land  zu  einer  ansehnlichen 
Stufe  politischer  Bedeutenheit.  Die  Niederlassung  der 
Waräger  in  Russland  wirkte  wohlthätig  auf  die  Regi- 
rungsform  und  Gesetzgebung  der  damaligen  Russen;  aber 
die  eigentliche  Aufklärung  der  Nowgoroder  und  Kiewer 
Slawen  konnte  sie  nicht  fördern,  denn  die  Waräger  stan- 
den selbst  auf  keiner  höhern  Stufe  der  Bildung,  als  jene. 
Der  Verkehr  mit  Constantinopel  und  ganz  vorzüglich  die 
Einfidirung  des  Christenthums  in  Russland  ölTiieten  den 
Wissenschaften  und  Künsten  deu  Weg.  Wladiuiir  führte 
Schulen  ein;  Baukunst,  Bildhauerei  und  Malerei  ver- 
schönerten   die    neuen    Kirchen    Kiews ;     Künstler    und 


ctionnaire  complet  Frangois  et  Russe,  S.  P.  780  —  86.  4  Bde.  4.  —  /.  Rod- 
de's  russ.-teutsch.  u.  teutsch-russ.  Wß.,  Riga  784.  2  Bde.  8.  —  Slowar 
akademii  rossijskoj  (WB.  d.  russ.  Akad.),  S.  F.  "89  —  94.  G  Bde.  4.  N.  A. 
806  —  22.  6  Bde.  4.  —  J.  Nowikow's  fraiiz.-russ.  Lexicon.  M.  802.  8.  - 
Russ.-teutsches  WB.,  M.  803.  8.  —  N.  Janoivskijs  neuer  Dolmetscher  der 
russ.  Sprache,  S.  F.  803  —  6.  3  Bdo.  8.  —  J.  Hevm^s  teutsch-russ.  u.  russ.- 
teutsches  Würterb.,  Riga  795  —  98.  5  Thle  in  2  Bden.  8.  2  A.  801.  3  A. 
Lpz.  803  —  5.  Eb.  neues  vollst.  WB.  1  Abth.  Teutsch-russ. -franz.,  Riga 
u.  M.  796  —  97.  4.,  2  Abth.  Russ.  franz.  teutsch.  M.  7S9  —  802.  813.  4., 
3  Abth.  Franz.-russ.-teutsch,  M.  799  —  802.  819.  3  Bde.  4.  Eb.  Taschen- 
wörtcrb.  (Karmanuyj  slowar.)  Russ.  -  franz.  -  teutsch,  Teutsch  -  franz.  -  russ. 
u.  Franz.  -  russ.  -  teutsch,  Riga  804  —  5.  4  Bde.  12.  (Der  russ.  Theil  auch 
u.  d.  T.  Rucnyj  slowar,  Riga  u.  Lpz.  812.  12.)  —  A.  F.  Schmidt  now. 
karm.  Slowar  ross.  niem.  i  niem.  ross.,  Lpz.  815.  2  Bde.  12.  —  M.  Pare- 
nogu  Lex.  anglinsko-ross.,  M.  808  —  17.  4  Bde.  —  P.  Kalajdovnc  opyt 
slowarja  rusldch  synonym,  M.  818.  —  Th.  Rozanoiu  Lex.  lat.-ross.,  5  A. 
M.  819.  2  Bde.  —  J.  Tatücew  Lexicon  ili  slowar  franz.  -  ross.  M.  816. 
2  Bde.  —  ./.  Kronenberg  Lexicon  latinsko-rossijskij,  M.  819  —  20.  2  Bde. 
Folnyj  nicm.-rossijskij  Lexicon,  iz  boljsago  grammatikaljao  -  kriticeskago 
Slowarja G.  Adelung a  sostawlennyj,  S.  P.  798.  2  Bde. — J.  Soc's  Lexicon  ili  slowar 
nowyj  na  franc,  ital.,  niem.,  latin.  i  rossijskoin  jazykach,  M.  2  Bde.  —  Slo- 
wari  srawnitelnvje  wsjech  jaz.,  Inip.  Ekater.  IL,  izd.  F.  _S.  Fallas  S.  P.  787. 
2  B.  4.  —  F.  Zdanow  angl.-ross.  S.  P.  784.  8.  —  A.  Siikoir  angl.-  franc. - 
ross.  S.  P.  795.  2  ß.  4.  —  D.  Sinjtowskij  lat.-  ross.  M.  796.  3  ß.  8.  — 
R.  Cebrikow  niem.-  ross.  S.  P.  812.  2  B.  8.  —  J.  Giqanow  ross.-  tatar.  S. 
P.  804.  4.  —  /.  Tatiscew  franc-  ross.  2.  A.  M.  816  '  2  B.  4.  —  Oldekopp 
russ.-teutsch  S.  P.  825.  2  B. 


147 

Scliriftgclelirle  wanderlen  aus  Grieclienland  ein.    Die  Be- 
iscliaffeiiheit   der    damalii;cii    russischen    Sprache    ist  uns 
völlig    unbekannt;    ihr    Anhau,    der    immer    und  überall 
mit  der  Cidtur  des  Volks  gleichen  Schritt  hält,  war  den 
spätesten    Zeiten  vorbehalten.     Der  Einfluss  der  warägi- 
schen   auf   dieselbe    ist    unbeträchtlich;    einzelne  Wörter 
sind  heutzutage  die  einzigen  Spuren  desselben;  die  ohne- 
hin geringe   Anzahl  der  Ankömmlinge  mag  sich  bald  un- 
ter   den    Insassen  verloren  haben,  und  die  Enkel  Ruriks 
(Swiatoslaw,  .laropolk  u.  s.  w.)  hatten  bereits  955  slawi- 
sche Namen.  Eine  weit  wichtigere  Veränderung  der  rus- 
sischen   Sprache    wurde  durch    die  Einfidirung    der   von 
Kvrill  und  Method  in  der  altslawischen  Sprache  verfass- 
ten  liturgischen  Biicher   bewirkt.  (Vgl.  §.  9.  flf.)  Dadurch 
wurden  Til  Kussland^zwei  Sprachen  gleichsam  einheimisch: 
die  altslawische  Rirchcnsprache,  welche  lange  Zeit  aus- 
schliessend   Schrift-  oder  Literalsprache   der  Russen  ge- 
blieben   ist,    und    die    eigentlich    russische,    welche  das 
Volk  gesprochen  hat.    Die  B!ichersprart?he~'hatte  zwar  ei- 
nen grossen  Einlluss  auf  die  Gestaltung  der  Landesmund- 
art;  nichts  desto  weniger  behielt  diese  fortwährend  ihre 
Originalität.     Weit    mehr    veränderte    sich    die   russische 
Mundart    im    Laufe    der    Zeiten,    der    Natur  der  nur  ge- 
sprochenen, nicht  geschriebenen  Sprachen  gemäss,  durch 
den    Gebrauch    selbst;    während  die  altslawische,  in  der 
Bibel    und    den    Kirchenbüchern  fixirt.   mit  geringen  Ab- 
weichnngen,   sich  so  ziemlich  gleich  geblieben  ist.  Diese 
Abtheilung  hat  kein  eigentliches  Denkmal   der  russischen 
Sprache  aufzuweisen;  einige  Volkslieder,  in  welchen  der 
heidnischen    Gottheiten,    Wladimirs    Tafelrunde    und    der 
Helden    seiner    Zeit    Erwähnung    geschieht,    können  wol 
dem    Ursprung    nach    diesem  Zeitraum    angehören,    aber 
sie  kamen  nicht  in  ihrer  Urgestalt  auf  uns,  sondern  durch 
mündliche    Fortpflanzung    vielfach    geändert.     Auch    das 
altslawische  Schriftthum  konnte  selbst    aus  Griechenland, 
wo  bereits   die  Literatur    abgeblüht  hatte,    und  nur  noch 
Kirchenbücher    und    dürftige    Chroniken    gefertigt    wur- 
den, ausser  der  aus  dem  Griechischen  ins  Slawische  über- 
setzten h.  Schrift  mid  den  Kirchenbüchern,  keinen  neuen 
Zuwachs    erhalten.     Nebst  diesen  Büchern  gehören  noch 

10* 


148 

zwei  Denkmale  der  altslawischen  Kirchenspraclie  in  diese 
Zeit:  die  Traetate  der  Fürsten  Oleg  und  Igor  mit  den 
Griechen  in  den  J.  912  nnd  945,  und  die  Rede  Swia- 
toslaws  an  seine  Kampfgenossen,  obsclion  es  wahrschein- 
licli  ist,  dass  Nestor  erstere  aus  dem  Griechischen  ins 
Slawische  übersetzt,  in  der  letzten  aber  niclit  die  eige- 
nen Worte  des  Helden  wieder  gegeben  habe.*) 

§.  15. 

Zweite   Abtheilung.   —   Von   der  Einführung  des  Christen- 
thums  bis  zur  Besiegung  der  Tataren.  989    -  1462. 

Wladimirs  Nachfolger,  Jaroslaw,  vergrösserte  zwar 
bei  seinen  Lebzeiten  den  Umfang  des  Reichs;  aber  auf 
dem  Sterbebette  legte  er  durch  die  Theilung  Russlands 
unter  seine  Söhne  den  Grund  zu  dessen  Fall.  Anarchie, 
Zwietracht  und  Blutvergiessen  zerrütteten  das  Land,  wel- 
ches nach  zweihundertjährigem  Widerstand  endlich  der 
Uebermacht  der  Mongolen  unterlag.  Selbst  der  hochher- 
zige Alexander  Nevvskij,  und  der  weise  Johann  Kaiita 
konnten  an  keine  Befreiung  denken,  und  mussten  sich 
begnügen,  durch  Unterwerfung  und  Tribut  die  Beute- 
lust der  wilden  Eroberer  befriedigt,  und  das  sciiwere, 
schmäidiche  Joch  erleichtert  zu  haben.  Der  Grossf.  De- 
metrius  Joannowic  legte  durch  seinen  Sieg  über  die  Ta- 
taren (1380)  den  Grund  zur  Befreiung  des  Vaterlandes, 
und  der  Grossf  Johann  Wasiljewic  bestieg  1462  den  freien 
und  unabhängigen  Tliron  Kusslands.  —  Jaroslaw  (1018  — 
1054)  liebte  die  Religion  und  hiemit  auch  die  Bildinig ; 
er  berief  viele  Griechen  aus  Constantinopel  nach  Russ- 
land, liess  die  Uebersetzung  der  Kirchenbücher  ins  Sla- 
wische fortsetzen  und  in  Kiew"  zum  allgemeinen  Gebrauch 
aufstellen,  errcihtete  in  Nowgorod  eine  Lehranstalt  für 
.300  Jünglinge,  verschickte  die  Geistlichen  durchs  Land 
und  liess  das  Volk  belehren.  Das  wichtigste  Denkmal  sei- 
ner Zeit  ist  die  Prawda  ruskaja  (russisches  Recht),  ^j 

*)  N.  Grec  opyt  kratkoj  istorii  ruskoj  literatury,  *  (S.  P.  822.  8.) 
S.  15.  ff. 

^)  Die  Prawda  ruskaja  entdeckte  TatisceiK  in  der  Nowgorodsclien 
Chronik,   und   überreichte  sie  1738  der  Akad,  d.  Wissensch.  Die  Ite  Ausg. 


149 

Zu  Anfange  dieser  Ahtlieiliin^  slaiiH  Rnssland  auf  einer 
liöhern  Stnle  der  Cultfir,  als  die  meisten  librigen  Län- 
der Europa's.  Die  Geistlichkeit  Knsslands  zeichnete  sich 
anch  zu  dieser  Zeit  durch  eine  grössere  Liebe  zu  den 
Wissenschaften  und  durch  eine  ausgebreitetere  Gelehr- 
samkeit vor  ihren  andern  Zeitgenossen  aus.  Während 
das  Land  von  inneren  Unrulien  gewaltsam  erschüttert 
wurde,  beschäftigten  sich  die  Mönche  in  der  Stille  ihrer 
Gemäuer  mit  den  Wissenschanen  und  Künsten ;  einige 
trieben  die  Heilkunde,  andere  bereisten  die  entfernten 
Gegenden,  die  meisten  zeichneten  in  ihren  Zellen  die 
Thaten  der  Vorfahren  auf.  ^)  Unter  den  russischen  Für- 
sten thaten  sich  nächst  Jaroslaw  durch  Liebe  zu  den 
Wissenschaften  hervor:  Constantin  Wsewolodowic  (1217- 
1218)  und  Wladimir  Wsewolodowic  Monomach  (1114 — 
1125);  der  letzte  ninuiit  eine  namhafte  Stelle  unter 
Russlands  frühesten  Schriftstellern  ein,  des  ersten  Ge- 
schichte der  russischen  Fürsten  ist  in  den  Stürmen  der 
Zeit  untergegangen.  Die  Tatarfen  vernichteten  beinahe  '  j*^ 
alle  Denkmale  der  Volkscultur,  verheerten  die  Städte  ;^', 
mit  Feuer,  und  vertilgten  die  schriftlichen  Urkunden.  ^^ 
Die  Zerstörung  des  Reichs  zog  den  Verfall  der  Sitten, 
dieser  die  schauderhafte,  die  Menschheit  erniedrigende 
Strenge  der  Strafen  nach  sich  ;  die  Wiederkehr  der  Sitt- 
lichkeit, der  Vaterlandsliebe  und  des  Nationalmuths  ist 
Russland  der  christlichen  Religion  schuldig.  Im  Laufe  des 
XIII  —  XIV.  Jahrb.  gab  es  in  ganz  Russland  keine  öf- 
fentliche Schule.  Die  Tataren,  durch  schlaue  Politik  ge- 
leitet, schonten  die  russische  Geistlichkeit,  die  Zahl  der 
Klöster  wuchs,  und  die  Kirche  bereicherte  sich  ansehn- 
lich. Die  Verbindung  mit  Constantinopel  dauerte  fort; 
von  da  bekam    man    geistliche    und  sonstige  Bücher.     In 

besorgte  Schlözer,  S.  P.  767;  die  2te  erschien  im  Iten  Bd.  der  fortgesetz- 
ten alten  russ.  Biblioth. ;  die  3te  aus  der  alten  Handschr.  der  Kormcaja 
kniga  eb.  im  3ten  Bde;  die  4te  mit  Anmerk.  von  Boltin  und  einer  Ueber- 
setzung  ins  Russische  S.  P.  792.  neu  aufgel.  799.;  die  5te  im  Iten  Bd.  der 
russischen  Denkwürdigkeiten  M.  815.  aus  der  Kormcaja  kuiga;  die  6te  von 
Rakowiecki  nach  der  Boltinschen,  mit  einer  polnischen  Uebersetzung,  vie- 
len Anmerkungen,  Erläuterungen,  einer  vorangeschickten  Abhandl.  über 
die  Cultur  der  alten  Slawen  u.  s.  w.,  Wars.  820  —  22.  2  Bde.  4. 

-)  Sie  lieferten  dem  Lande  Schriftkundige ,  Diak  genannt,  die  welt- 
liche Aemter  von  verschiedenen  Abstufungen  bekleideten ,  und  im  Range 
ungefehr  unsern  jetzigen  Secretären  gleich  kamen. 


150 

Moskau  wurde  eine  Metropolitan-  sj)äterhin  Patriar- 
clial-Bibliotliek  errichtet,  die  vorzüglich  an  alten  Hand- 
schriften reich  ist.  —  Im  Laufe  dieses  Zeitraums  erlitt 
die  russische  Sprache  mehrere  Veränderungen.  Sie  ent- 
fernte sich  immer  mehr  von  den  übrigen  slawisciien  Dia- 
lekten. Viele  Flexionsformen,  Wörter  und  Redensarten 
wurden  aus  dem  Altslawischen  in  die  Landessprache  auf- 
genommen. Die  Herrschaft  der  Tataren ,  die  übrigens 
mit  der  Entrichtung  des  jährlichen  Tributs  zufrieden, 
abgeschieden  an  den  Ufern  der  Wolga  ihr  nomadisches 
Lager  (Kapcak)  bewohnten,  führte  ihr  zwar  einzelne  ta- 
tarische Wörter  zu,  aber  diese  verdrängten  die  einhei- 
mischen^ nicht  ganz,  und  konnten  den  Geist  der  russi- 
schen Sprache,  ihren  grammatischen  Bau  und  ursprüng- 
liche Reinheit  nicht  ändern.  Auch  dieser  Abtheilung  fehlt 
es  noch  an  Sprachdenkmälern  der  Landesmundart,  um 
über  ihre  Gestaltung  urtheilen  zu  können.  Die  Bücher- 
sprache blieb  fortwährend  die  altslawische;  deFälte  Styl 
derselben  "TlWrgTiTg 'Im  "TT V.  Jalirli.  in  clen  mittlem,  der 
bis  ins  XVIL  Jahrb.  Avährte.  —  Die  eigentliche  Litera- 
tur gewann  in  diesem  Zeitabschnitt  einen  grösseren  Spiel- 
raum; neue  theologische  Schriften,  Jahrbücher  und  Ge- 
dichte kommen  zum  Vorschein.  Während  der  Herrschaft 
der  Tataren  Avuchs  die  Anzahl  der  Kirchenbücher  und 
der  Uebersetzungen  aus  dem  Griechischen;  die  Einbil- 
dungskraft, unter  dem  drückenden  Joch  der  Ungläubi- 
gen seufzend,  ergoss  sich  in  zahlreichen  Gesängen.  \Ma- 
dimir  der  Gr.  war  für  die  Sänger  Russlands,  was  Ar- 
thur für  die  Sänger  des  Westen  von  Europa.  Uralte  Ge- 
sänge von  den  Thaten  der  vaterländischen  Helden,  de- 
ren Trümmer  der  Verwesung  entgangen  sind,  bewei- 
sen, dass  auch  die  Russen  ihre  Troubadoure  gehabt  ha- 
ben. Zu  den  schätzbarsten  poetischen  Denkmälern  die- 
ser Zeit  gehört  das  \  Heldengedicht  Igor  (Slowo  o  polku 
Igora,  Igors  Zug  gegen  cne"~Fo!üwcer),  ausgezeichnet 
durch  Kühnheit,  Kraft  mid  Anmuth  sowol  der  Gedan- 
ken   als    des  Ausdrucks.  ^)    Schriftsteller,  deren   Erzeug- 

^)  Diesen  Heldengcsaug  entdeckte  der  Graf  A.  J.  Musin-Pu.ikin  im 
J.  1796  in  einem  Chronographen.  Die  erste  Ausg.  erschien  M.  8U0.,  die  2te 
von  Siskovj  S.  P.  805.,  und  mit  einer  böhmischen  Ucbersetzung  von  Hanka, 
Prag  821.,  die  3te  von  iV.  Grammatin  M.  823.  mit  e.  Abh.  und  dem  Frag- 
ment Libusa. 


151 

Fiisse  sich  zimi  Tlieil  erliahoii  haben,  sind:  Lulms  Zid- 
jdta  oder  ZIrjnta,  Bischof  von  Nowgorod  ['^'^si.  105!)), 
hiiiterliess  eine  Sclirift:  Foucenijc  k  bratii.  — [Nestor J 
der  Vater  der  russischen  (iescliichte,  Möncli  im  peceri-j  ff  -jm^.-'' 
sehen  Kloster  bei  Kiew  (geb.  1056,  gest.  wahrscheinlicH  4-u  "" 
IUI),  in  der  griechischen  Sprache  und  Literatur  be-|V//?t/ 
wandert,  schrieb  eine  russische  Chronik  in  altslawischer  S/"  ((.^  y, 
Sprache,  welche,  für  die  gesainiute  Geschichte  des  Mittel-  p^.lj. 
alters  überaus  wichtig,  die  Grundlage  der  slawischen 
Geschichte  bildet,  herausg.  S.  P.  7(J7,  M.  781,  S.  P.  786, 
M.  784.,  S.  P.  796;  von  Scldözer  mit  einer  teutschen 
Uebersetzung  und  historisch-kritischem  Conunentar  Gott. 
802  —  9  5  Bde.  8.  (russ.  v.  Jazykovv  S.  P.  809  —  19. 
3  Bde.).  —  BasÜius,  wahrsciieinlich  ein  Mönch  oder 
Geistlicher  zu  Ende  des  XI.  Jahrb.,  beschrieb  die  gleich- 
zeitigen Begebenheiten  des  südlichen  Kusslands.  —  Syl- 
vester, Bischof  von  Perejaslawl  (gest.  1124),  Niphont, 
Johann,  Priester  von  Nowgorod,  Timotliej  u.  a.  m.  wer- 
den als  Fortsetzer  der  russischen  Jahrbücher  genannt, 
welche  bis  Alexjej  Michajlowic  (1645  —  1676)  unun- 
terbrochen fortlaufen,  und  in  Bezug  auf  die  slawisch- 
russische Geschichte,  als  Quellen  derselben,  das  schätz- 
barste Vermächtniss  jener  Zeiten  sind.  —  Nih'phor,  Me- 
tropolit von  Kiew  und  ganz  Russland,  von  Geburt  ein 
Grieche  (gest.  1121),  hinterliess  zwei  Schriften  in  sla- 
wischer Sprache  theologischen  Inhalts.  —  Wladimir 
Wsewolodowic  Monomach,  Grossf.  von  Russland  {geb. 
10^37"  gt?st.  tt^5);  sein  Unterricht  (poucenije)  für  seine 
Kinder  ist  ein  beredter  Erguss  der  Gefühle  eines  Vaters 
und  Fürsten,  den  Erfahrung  und  Nachdenken  weise  ge- 
macht haben.  —  Daniel,  Hegumen,  unternahm  im  An- 
fange des  XII.  Jahrhunderts  eine  Reise  nach  Palästina, 
deren  Beschreibung  handschriftlich  aufbewahrt  wird^). 
—  Simon,  Bischof  von  Suzdalj  u.  Wladimir  (gest.  1226), 
und  sein  Anverwandter  Polykarp,  pecerisclier  Mönch, 
verfertigten  Biographien  einiger  pecerischen  Mönche,  die 
unter  dem  Titel:  Pecerskij  paterik  bekannt  und  häufig 
gedruckt    sind.   —  Von    Kyrill,    Metrop.    von   Kiew  und 

*)  Einige  hier  nicht  genannte  schriftliche  Denkmale  verschiedener 
Verfasser  aus  dem  XII.  Jahrh.  gab  Hr.  Kalajdoiuic  u.  d.  T.  Pamjatniki 
ross.  slowesnosti  XII.  wjeka,  M.  821.  heraus. 


152 

ganz  Riissland,  einem  geborenen  Russen  (gest.  1281), 
erhielten  sich  Synodalreden,  voll  lebhaften  Gefühls  nnd 
wahrer  Beredsamkeit.  —  Kypn'ati,  Metrop.  von  Kiew 
und  ganz  Russl.,  von  Geburt  ein  Serbe  (gest.  1406), 
brachte  viele  slawische  Handschriften  mit  nach  Russland, 
und  hinterliess  in  den  Stufenbüchern  eine  Biographie  des 
Metrop.  Peter.  —  \Photius,  Metrop.  von  Kiew'  und  ganz 
Russl.  (gest.  1431)  ist  Vf.  von  sechzehn  Vorträgen  (pou- 
cenije)  an  die  Fürsten  und  Bojaren,  die  Geistlichkeit  und 
das  Volk.  —  Gregor  Samblak  oder  Semiwlak,  Metrop. 
von  Kiew,  von  Geburt  ein  Bulgar  (gest.  1419),  ist  Vf. 
von  27  Reden.  —  Demefr.  Zoograph,  wahrscheinlich 
ein  Geistlicher,  übersetzte  ums  J.  1385  —  1402  aus  dem 
Griechischen  ein  Gediclit  des  Georg  Pisides,  Metrop.  von 
Nikomedien  im  VII.  Jahrb.,  unter  d.  T.  Mirotworenije. 
-  Ignaiius,  Diakon  des  Metropoliten  Pimen,  lebte  im  XV. 
Jahrb.,  und  beschrieb  die  Reise  des  genannten  Metropo- 
liten nach  Constantinopel.  —  Jesatas,  Hieromonach  auf 
Athos,  von  Geburt  ein  Serbe  ,  brachte  1417  mehrere 
slaw  ische  Handschriften  nach  Russland  ,  darunter  seine 
Lebersetzung  des  Areopagiten  Dionysius.  —  Sophronius, 
Priester  in  Rjazan,  gegen  das  Ende  des  XV.  Jahrb., 
schrieb  ein  Gediclit:  Istorija  ili  powjest  o  nasestwii  bez- 
boznago  Carja  Mamaja  s  bezcislenymi  Agarjany^}. 

§.  16. 

Dritte  Abtheilung.  Von  der  Besiegung  und  Vertreibung  der 

Tataren  bis  auf  Peters  des  Grossen  Alleinherrschaft. 

1462  -  1689. 

Mit  der  Befreiung  Russlands  vom  Joche  der  Mon- 
golen beginnt  eine  neue  Epoche  in  politischer,  siltlTcher 
und  literarischer  Hinsiebt.  Russland  nahm  wieder  die 
ihm  gebührende  Stelle  unter  den  europäischen  Mächten 
ein.  Im  Laufe  dieser  Periode  erhielt  die  Nationalbildung 
einen  neuen,  höhern  Schwung.  Gelehrte  luid  Künstler 
kamen  aus  Griechenland  und  Italien  nach  Russland,  und 
weckten  unter  den  Eingebornen  die  Sehnsucht  nach  glei- 

•'•)  iV.  Grec  opyt  ist.  rusk.  slow.  S.  21.  fi'. 


153 

eher  Ausbildung.  Baiikuiisdcr  und  Maler  (raten  nun 
selbst  unter  den  gebornen  Küssen  auf:  nur  die  ernslern 
Wissenschaften,  die  Philosophie,  Sternkunde,  Naturleh- 
rc  und  Medicin  lagen  noch  in  der  Wiege,  der  künftigen 
Pflege  harrend.  Unter  Johann  IV.  Wasiljewic  (1533  - 
1584)  kamen  englische  und  teutsche  Hcilkiinstler  und 
Apotheker  nach  Russland.^  Er  liess  in  den  Städten  Schu- 
len für  die  Jugend  aus  allen  Ständen  eröffnen.  ^)  Die 
erste  russische  Typographie  kam  15G4  in  Moskau  zu 
Stande.  Die  kirchliche  und  bürgerliche  Gesetzgebung 
ward  vervollständigt.  Car  Boris  (1598  —  1605)  liess 
achtzehn  adelige  Jünglinge  im  Auslande  studiren;  er  selbst 
liebte  vorzüglich  die  Mathematik,  und  liess  seinem  Sohne 
die  zweckmässigste  Erziehung  geben.  In  den  darauf  fol- 
genden politischen  Stürmen  verstummten  die  Musen,  die 
Flüsse  rauchten  vom  Blut,  die  Städte  gingen  in  Flammen 
anf,  und  Künste  und  Gewerbe  verschwanden  vom  russi- 
schen Boden.  Michael  Theodorowic  von  Romanow  (1613 
—  1645)  rettete  den  sinkenden  Staat.  Der  Handel  und  mit 
ihm  die  Städte  blühten  auf.  Im  J.  1643  wurde  in  Mos- 
kau eine  griechisch-lateinisch-slawische  Lehranstalt  er- 
richtet. Unter  Alexjej  Michajlowic  (1645  —  1676)  wur- 
den Fabriken  angelegt;  teutsche  Officiere,  Künstler  und 
Handwerker  nach  Russland  berufen;  viele  ausländische 
Bücher  ins  Russische  übersetzt:  aber  die  Russen  blieben 
ihren  alten,  wenn  gleich  rauhen  Nationalsitten  treu. 
Das  wichtigste  Denkmal  seiner  Regierung  ist  das  Sobor- 
noje  ulozenije,  eine  Sammlung  russischer  Landesgesetze, 
gedruckt  M.  649.  Er  und  sein  Nachfolger  Theodor  Alex- 

1)  Im  J.  1545  schickte  er  an  den  Ks.  Karl  V.,  als  dieser  eben  ei- 
nen Reichstag  zu  Augsburg  hielt,  einen  Sachsen,  Namens  Schiit,  um  die 
Erlaubniss  nachzuholen,  Gelehrte,  Künstler  und  Handwerker  in  Teutschland 
anzuwerben,  und  nach  Russland  zu  verpflanzen.  Ks.  Karl  V.  stellte  das  Be- 
gehren des  Cars  dem  Reichstag  anheim,  der  nach  vielen  Schwierigkeiten 
endlich  dem  Gesandten  Schiit  einen  statt  und  im  Namen  des  Cars  gelei- 
steten Eid  abnahm,  dass  die  aus  Teutschland  nach  Russland  berufenen  Män- 
ner weder  von  da  nach  der  Türkei  gelassen,  noch  ihre  Talente  zum  Nach- 
theil des  teutschen  Reichs  goF)raucht  werden  sollen.  Unter  diesen  Bedin- 
gungen erlaubte  man  dem  Schiit  Männer  für  sein  Vorhaben  zu  suchen,  de- 
ren er  ungefehr  Hundert  zusammen  brachte.  Als  er  aber  mit  ihnen  in_Lü,- 
beck  ankam,  um  von  da  nach  Liefland  zu  schiffen,  wurde  er  hier,  auf  Ver- 
anstalten der  Hansa  und  des  liofländischen  Ordens,  von  dem  Lübecker  Rath 
verhaftet,  worauf  sich  die  Begleiter  zerstreuten ,  und  das  Unternehmen 
scheiterte.  Johann  erfuhr  den  Verlauf  der  Sache  erst  1557,  in  welchem  Jahr 
Schiit  aus  seiner  Haft  entwich. 


154 

jejevvic  (1676  —  1682)  waren  würcligc  Vorgänger  Pe- 
ters des  Grossen,  die  die  Materialien  vorbereiteten,  aus 
welchen  dieser  den  Bau  seines  grossen  Werks  vollen- 
dete. Die  Wissenschaften  und  Künste  sclihij^en,  vorzüg- 
lich nach  Einverleibung  von  Kleinrussland  und  der  Kie- 
Aver  theologischen  Akademie  (gestift.  1588),  imtiier  tie- 
fere und  festere  Wurzeln  im  Lande;  auf  der  Moskauer 
griechisch-lateinisch-slawischen  Akademie  wurden  Gram- 
matik, Rhetorik,  Poetik,  Dialektik,  theoretische  Philo- 
sophie und  sowol  die  geollenbarte  als  die  natürliche  Theo- 
logie gelehrt.  Während  der  Regirung  der  Sophia  Alex- 
jejewna  (1686  —  1689)  wirkte  der  Fürst  W.  W.  Golicyn 
auf  die  Verbesserung  des  Geschmacks  in  der  Baukunst. 
Die  Buchdruckereien  in  Moskau,  Kiew,  Cernigovv,  Now- 
gorod und  einigen  Klöstern  hielten  gleichen  Schritt  mit 
den  ausländischen.  —  Die  russische  Sprache  blieb  jedoch 
in  dir  Bildung  hinter  der  bühmischen  und  polnischen 
zurück.  Der  iniunterbrochene  Verkehr  mit  Polen  ,  die 
Herrschaft  der  letztern  im  südwestlichen  Russland,  die 
Betreibung  der  Kirchen- Vereinigung  durch  die  Katho- 
liken, und  die  bewältigende  Macht  der  Bildung  und  der 
Wissenschaften  wirkten  entscheidend  auf  die  Gestaltung 
der  russischen  Mundart  nach  der  polnischen:  dieses  Ue- 
bergewicltt  des  Polnischen  dauerte  bis  zum  Anfange  des 
XVIU.  .Jahrb.  fort.  Die  ersten  slawisch-russischen  Sprach- 
bücher erschienen  in  den  polnisch-russischen  Provinzen. 
Viele  unter  den  geistlichen  Schriftstellern  bedienten  sich 
ausschliessend  der  polnischen  Sprache,  und  hielten  die 
einheimische  für  zu  ungeschlacht,  um  in  derselben  hö- 
here, abstracto  Wahrheiten  vorzutragen.  Doch  wurde 
in  Moskau  fortwährend  die  Landesmundart  in  allen  schrift- 
lichen Verhandlungen  und  Urkunden  gebraucht;  inid  es 
gab  demnach  in  diesem  Jahrb.  schon  drei  Schriftspra- 
chen  in  Russland :  die  rt/Ay/^?£«>cAjß_Kin3hensprache  in 
den  liturgischen  Büchern  und  allen  theologischen  Schrif- 
V  ten;  die  e'i^entViche  russische  im  Munde  des  Volks  und 
in  den  Civilschriften;  und  die  iv eissrussische  in  den  Wer- 
ken russischer  Schriftsteller  in  den  polnisch-russischen 
Provinzen.  Erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  \Xyil.  Jahrh. 
fing  die  russische  Sprache  allmälich  an,   die  Fesseln  der 


155 

polnischen  abzuwerfen  und  sich  selbständig^  zu  gostnllen. 
Zir  Ende  cles  TVI.  und  im  Anlaiit|;e  des  XYIl.  Jalirb. 
war  die  Literatur  beinahe  j:;anz  in  den  Händen  der  Geist- 
lichkeit,  im  Laufe  des  XVII.  Jahrb.  kommen  neben 
den  theologischen  auch  schon  historische  und  poetische 
Werke  zum  Vorschein.  Die  quantitirende  Prosodie,  die 
Zizania  und  Smotriski  vorgescldagen  haben,  fand  keinen 
Beifall,  um  so  mehr  die  bloss  reimende  polnische;  aber 
das  russische  Volk  fuhr  fort  in  den  Nationalliedern  sich 
des  zeitherigen,  einheimischen  und  originellen  Versmaas- 
ses  zu  bedienen.  (S.  §.  19.  Anm.  4.)  Im  Anfange  des 
XVII.  Jahrb.  zeigen  sich  die  ersten  Spuren  der  drama- 
tischen  Kunst :  theatralische  Vorstellungen  kaiwen  aus 
Polen  nach  K*ie\v,  Studenten  spielten  hier  geistliche  Dra- 
men. In  Moskau  wurde  erst  1676  auf  Verwendung  des 
A,  Sergjejewic  Matwjejew  der  Anfang  mit  der  Schau- 
spielkunst gemacht.  Unter  Theodor  Alexjejewic  wurde  /^^vw,,ct^ 
das  erste  nicht  geistliche  Drama :  Molieres  Arzt  wider  -^^-«is^'e« 
Willen,  ins  Russische  übersetzt,  uiid  auf  dem  Privat- 
Hoftheater  gegeben.  —  Namhafte  Schriftsteller  dieses 
Zeitabschnittes  sind:  Wassüiti  genannt  Ri/lo,  Erzb.  von 
Rostow  (gest.  1481),  hinterliess  ein  Sendschreiben  an 
den  Car  Johann,  und  eine  Biographie  seines  Lehrers 
Paphnutius  Borowski.  —  Der  h.  Joseph  Sanm,  erster  He- 
gumen  des  Klosters  Wolokolamsk  (geb.  1440,  gest.  1516), 
verfasste  die  Geschichte  der  jüdischen  Ketzerei  des  XV. 
Jahrb.,  und  15  Reden  gegen  dieselbe.  —  Gennadiiis, 
Erzb.  von  Nowgorod  und  Pskow  (gest.  1506),  schrieb 
ebenfalls  gegen  die  jüdische  Ketzerei.  —  Agathoii,  Prie- 
ster in  Nowgorod,  verfertigte  1540  einen  Kirchenka- 
lender Paschalija,  auf  8000  Jahre.  —  Georgius,  ein 
Mönch,  brachte  ein  russisches  Jahrbuch  bis  1533  zu 
Stande.  —  3Iakarms,  Metropolit  von  Moskau  und  ganz 
Russl.  (gest.  1564),  hochverdient  um  die  Kirche,  be- 
wandert in  der  Literatur  und  ausgezeichnet  durch  glän- 
zende rednerische  Talente,  verfasste  die  Lebensbeschrei- 
bungen der  Heiligen  unter  dem  Tittel:  iCetii  minei  oder 
Zitija  swiatych,  Msc,  schrieb  verschiedene  Reden  und 
besorgte  die  Abfassung  und  Ergänzung  der  Stufenbücher 
(stepennyja   knigi)    herausg.  M.  775.  —  Laur.  Zizania, 


156 

Erzpriester  zu  Korcc  in  LittaiKMi,  gab  eine  slawische 
Grainniatik,  Wiliia  59G.,  ein  Abcdarium,  eb.  596.  und 
einen  Katechismus  in  weissrussischer  Sprache,  M.  627 
heraus.  -  3Iaxwui.t  der  Grieche,  ein  Mönch  vom  Berge 
Atlios,  von  Geburt  ein  Albanese,  gebildet  in  Paris  und 
Florenz,  und  von  dem  Grossf.  Wasilij  Joannowic  nach 
Moskau  berufen,  libersetzte  mehrere  Kirchenbücher  ins 
AltslaAviscIie,  wurde  bei  der  Verbesserung  der  slawischen 
Version  der  Bibel  gebraucht,  fiel  aber  in  Ungnade  und 
starb  in  der  Verbannung  (15.36);  er  sclirieb  Abhand- 
lungen über  den  Nutzen  der  grammatischen,  rhetorischen 
und  philosophischen  Studien,  gedruckt  in  der  Smotris- 
kischen  Grammatik.  -  Joh,  erster  Patriarch  von  Russ- 
land (gest.  1607),  beschrieb  das  Leben  des  Cars  Theo- 
dor Joannowic,  welche  Schrift  den  Jahrbüchern  Nikons 
(vgl.  unten)  einverleibt  ist.  -  Fürst  Andrej  Michaj- 
lowic  Kurhshij  (geb.  1)29)  ein  Bojar  und  Wojwoda  un- 
ter dem  Car  Johann  Wasiljewic,  fiel  um  1564  in  Un- 
gnade und  flüchtete  sich  nach  Polen,  wo  er  die  Geschich- 
te des  Cars  verfasste,  die  handschriftlich  in  verschiede- 
nen Bibliotheken  aufbewahrt  wird.  —  Tryphon  Koro- 
bejm'kow  und  Georg  Grekow^  Moskauer  Kaufleute,  be- 
reisten Syrien,  Palästina  und  Aegypten.  inid  verfertig- 
ten ein  Tagebuch  ihrer  Reisen  im  J.  1583,  welches  im 
12  Bd.  der  alten  russ.  Biblioth.  S.  P.  783  erschienen  ist.  — 
Franz  Shorina  aus  Polock,  Doct.  der  Med.,  übersetzte 
die  Bibel  ins  Russische,  und  Hess  einige  Theile  dersel- 
ben in  Prag  (in  Böhmen)  517  —  525  drucken.  —  Äthan. 
iV/7.7V///,  Kaufmaini  in  Twer,  reiste  ums  J.  1470  nach 
Ostindien,  war  in  Dekan  und  Golkonda,  und  hinterliess 
die  Beschreibung  seiner  Reise.  —  Abr,  Palict/n,  Mönch 
im  Sergiewschen  Dreifaltigkeitskloster  (gest.  zwischen 
1621  —  29),  schrieb  die  Geschichte  seiner  Zeit,  herausg. 
M.  784.  —  Fürst  Consf.  Cnn.sfantinounc  Oslrozskij,  Woj- 
woda  von  Kiew  und  Marschall  von  Wolynien,  der  grösste 
Beförderer  der  literarischen  Uultur  im  westlichen  Slawen- 
lande seiner  Zeit,  erriclitete  zu  Ostrog  eine  kyrillische 
Buchdruckerei,  und  liess,  ausser  vielen  andern  Büchern, 
die  altslawische  Bibel,  zum  erstenmal  ganz,  im  J.  1581., 
daselbst    drucken.  —   Nikon,    6'fer    Patriarch    von   Russ- 


157 

land  (geb.  1605,  gest.  1681),  un<eri)aliiii  die  Revision 
der  altslawisclien  Kirclienbiicher  nach  dem  Grieclusclien, 
besorgte  die  lebersctziing  mebrerer  liistorisclieu  und 
geographischen  Werke,  veranslallele  eine  Saminhnig  der 
russischen  Jahr-  und  Stufenbücher  inid  der  griechisclien 
Chronographen  bis  1630,  bekannt  unter  d.  T.  Nikonow 
spisok,  und  herausg.  8.  P.  767  —  92.  8  Bde.  —  Epiph. 
Slawin eckij  oder  Slawianicliij  (gest.  1676),  Hieroino- 
nach  im  pecerischen  Kloster  bei  Kiew,  gebildet  in  Kiew 
und  im  Auslande  zu  Anfange  des  XVII.  Jahrb.,  besorgte, 
von  dem  Bojaren  Tlieod.  Mic/tajlowtc  Rfi.scew  1649  nacb 
Moskau  berufen,  die  Uebersetzung  mebrerer  Schriften 
aus  dem  Griechischen  des  Job.  Chrysostomus,  Gregorius 
Nazianzenus,  Basilhis  des  Grossen,  Joli.  Damascenus  u. 
m.  a.,  verfasste  ein  Griechisch  -  slawisch  -  lateinisches, 
und  ein  philologisches  Lexicon,  die  beide  handschriftlich 
vorhanden  sind,  unternahn  die  Uebersetzung  der  gan- 
zen h.  Schrift  aus  dem  Griechischen,  die  aber  nicht  zu 
Staude  kam.  —  Pete?-  Mogüa  ,  Metrop .  von  Kiew,  Ga- 
licien  und  Kleinrussland,  gebürtig  aus  der  Moldau  (geb. 
um  1590,  gest.  1647),  studirte  in  Paris;  ihm  verdankt 
die  Kiewer  Akademie  ihre  neue  Einrichtung;  er  Hess 
einen  Katechismus  in  weissrussischer  und  polnischer  Spra- 
che drucken;  beabsichtigte  die  Herausgabe  der  Zitija 
swiatych,  verfasste  verschiedene  Gedichte  im  polnischen, 
sylbenzählenden  Versmaass  u.  s.  w.  —  Innoc.  Gizel,  Ar- 
chimandrit  des  Kiewopecerischen  Klosters  (gest.  1684), 
schrieb  eine:  Synopsis  ili  kratkoje  opisanije  o  nacalje 
slawjanskago  naroda,  Kiew  674.  von  718.  bis  810.  iO- 
mal  gedruckt.  —  Lazar  Baranowic,  Erzb.  von  Cernigow 
und  Nowgorod  (gest.  1693),  ausgezeichnet  durch  Ge- 
lehrsamkeit und  Vertheidigung  der  russischen  Kirche  ge- 
gen die  Gegner,  schrieb  Reden  in  weissrussischem,  po- 
lemische Abhandlungen  in  polnischeui  Dialekt,  Gedich- 
te, worunter  ein  Trauergedicht  auf  den  Tod  des  Cars 
Alexjej  Michajlowic,  Kiew  676*)  4.  —  Simeon  Polockij 
aus  Polock  (geb.  1628,  gest.  1680),  Hieromonach,  Er- 
zieher des  Carewic  Theodor  Alexjejewic,  schrieb  Ge- 
dichte, geistliche  Dramen,  und  Hess  drucken :  Zezl  praw- 
lenija,  M.  668.  fol.,    Psaltyr    w  stichach,    M.    680.    fol., 


158 

Objed  diicliovvnyj,  M.  681.,  Wecera  dncliownaja,  M.  G83. 
u.  a.  111.;  in  der  Handschrift  hinterliess  er  ein  Khytliino- 
logion,  sieben  geistliclie  Dramen  u.  s.  w.  —  Sylvester 
Medu'jedew,  Vorsteher  eines  Klosters  in  Moskau  (1691 
wegen  Tlieihiahine  an  der  Empörung  der  Strielcen  enth.) 
verfasste  mehrere  Gelegenheitsgediclite,  beschrieb  den 
Autstand  der  Strielcen  u.  s.  w.  —  ^^^yij  Kuhasow,  Bo- 
jarensohn aus  Tobolsk,  brachte  einen  Chronograph  oder 
Lietopisec  von  der  Erschaffung  der  Welt  bis  auf  seine 
Zeiten  zu  Stande.  —  Theod.  Kassianoivic  Gozimnsktj, 
übersetzte  im  J.  1608  Aesops  Fabeln  aus  dem  Griechi- 
schen, und  des  P.  Innocentius  Tropnik  aus  dem  Polni- 
schen. —  Fürst  Semen  Sachowskij  lebte  im  Anfange  des 
XVII.  Jahrb.,  fiel  in  Ungnade  beim  Car  Michael  Theo- 
dorowic,  wurde  verbannt  ins  Cudische  Kloster,  wo  er 
mehrere  Sendschreiben,  darunter  an  den  Patriarchen, 
Erzb.  von  Sibirien  und  den  Schah  von  Persien  verfasste. 
—  Iwan  Peflin,  ein  Kozak,  bereiste  1620  die  Gränzen  von 
Sibirien,  und  schrieb  ein  Tagebuch  darüber,  abgedruckt 
im  sibirischen  Boten,  S.  P.  818.  —  Theod.  hakjennc 
Bajkow,  Wojwoda  von  Sibirien,  hielt  sich  als  russi- 
scher Gesandte  drei  Jahre  in  China  auf,  und  schrieb 
ebenfalls  ein  Tagebuch  seiner  Reisen,  in  der  alten  rus- 
sischen Bibliothek  4  Bd.  und  im  sibirischen  Boten  818. 
abgedruckt.  —  Theod.  hvdnowic  Gribojedow  verfertigte 
unter  dem  Car  Theodor  Alexjejewic  eine  Uebersicht  der 
russischen  Geschichte,  Msc.  —  Andr.  Lt/zlow,  Priester 
in  Smolensk,  in  der  2fe?i  Hälfte  des  XVII.  Jahrb.,  ver- 
fasste eine  Geschichte  der  Skythen,  herausg.  von  Nowi- 
kow,  S.  P.  776.  M.  787.  .3  Bde.  8.  —  Artemon  Serg- 
jejewic  Mdiwjejeir,  Bojarin  und  Gouverneur  melirerer 
russischen  Städte.  Keichssiegelbewahrer  (geb.  1625.  erm. 
1682),  als  Minister  des  Cars  Alexjej  Michajlowic  um  die 
Bildung  der  russischen  Nation  und  Aan  Anbau  der  Spra- 
che hochverdient,  ein  Beschützer  der  Künstler,  voll  war- 
men Gefidils  für  Menschenwol,  berief  die  ersten  Schau- 
spieler nacii  Russland,  verfasste  selbst  mehrere  Werke 
geschichtlichen,  diplomatischen  und  heraldisch-genealo- 
gischen Inhalts.  —  Noch  sind  als  Schriftsteller  dieses 
Zeitabschnitts    zu    nennen:    Zach.    Kopysienskij,    Ignaf. 


159 

Jowlewic,  Joannikij  Gnliafnwffh'j,  Kip't'll  Tranqvilliori, 
Wladimir  Guseir,  Sahhdfi  Jesipotr,  Basil.  Buicew,  Se- 
men Remezoiv,  Nihiph.  Mdtirjejeiric  Tolocamnow,  Ale- 
xjej  hranou'ic  Jeirlew,  Iwan  Knrniljewic  Snseriny  Pe- 
ter Zolotarew  n.  \\\.  a.  ^) 

§.   n. 

Zweite  Perlode.  Von  Peter  dem  Gr.  bis  auf  unsere  Zeiten. 

Erste  Abtheilung.    Vom   Anfange   der  zweiten  Periode  bis 

zur  Thronbesteigung  Elisabeths.  1689  —  1741. 

Mit  dem  Re^irung-.saiitritte  Peters  des  Grossen  beginnt 
die  glänzendste  Epoclie  Russliuids  in  allen  Beziehungen. 
Was  er"  als  Herrsclier  für  die  Vergrösserung  und  Befe- 
stigung des  Reichs  gethan,  ist  allbekannt.  Aber  nicht 
eitle  Ruhmsucht  und  Eroberungen  waren  der  Zweck 
der  Unternehmungen  dieses  hochherzigen  Monarchen, 
sondern  die  Wolfart  des  Vaterlandes,  die  Bildung  seiner 
Unterthanen.  Er  verdient  mit  Recht  den  Namen  des 
Schöpfers  der  russischen  Nationalbildung.  Sein  ganzes 
Streben  war  auf  die  Aufklärung  seines  Volks  gerichtet. 
Während  seiner  36  Jahre  langen  Regirung  schwang  sich 
Russland  mächtiger  empor,  als  früher  während  zwei 
voller  Jahrhunderte,  und  trat  in  die  Reihe  der  gebil- 
deten Völker  im  europäischen  Staatensystem.  Die  Macht 
des  Monarchen  befreite  sich  von  ihren  bisherigen  Fes- 
seln; die  Gesetzgebung  und  Verwaltung  wurden  gere- 
gelt ;  der  Nationalkimstsinn  erwachte ;  Fabriken  u.  Ma- 
nufacturen  blühten  auf;  die  rauhen  Sitten  der  Eingebor- 
nen  machten  den  mildern  europäischen  Platz  ;  Reisen  ins 
Ausland  wurden  häufig  unternommen ;  die  Wissenschaf- 
ten und  Künste  siedelten  sich  auf  dem  russischen  Boden 
fester  an.  Die  vorzüglichste  Sorge  des  Monarchen  war 
auf  die  Verbreitung  gemeinnütziger  Kenntnisse  mittelst 
des    Druckes    gerichtet  ^).     Zum    Behuf    des    Unterrichts 

^)  N.  Grec  opyt  ist.  rusk.  slow.  S.  39.  fi'. 

')  Bevor  Peter  der  Gr.  in  Russland  eine  russische  Druckerei  errich- 
tet hatte,  gab  er  dem  Amsterdamer  Buchdrucker  Tessing  ein  Privilegium  von 
15  Jahren  auf  russische  "Werke,  woselbst  auch  das  erste  eigentlich  russi- 
sche Buch:  Kratkoje  wwedeuije  wo  wseobscuju  istoriju  699.  4.  erschienen 
ist:   Nach  Tessings  und   seines  Gehilfen,  El.  Kopijewic,  Tode,  dauerte  das 


160 

der  Jugend  aller  Stände  wurden  verschiedene  Lehran- 
stalten errichtet,  deren  es  gegen  das  Ende  der  Regirung 
Peters  51  in  den  Gouvernements-  und  Provincialstädten 
gab.  Peter  der  Gr.  kaufte  während  seines  Aufenthalts 
in  Holland  das  anatomische  und  zoologische  Kabinet  des 
berühmten  Ruysch  und  des  Apothekers  Seba,  und  legte 
so  den  Grund  zum  S.  P.  Museum.  —  Nach  einem  von 
dem  grossen  Leibnitz  entworfenen  Plan  errichtete  der 
Monarch  die  Akademie  der  Wissenschaften,  aber  der 
Tod  verhinderte  ihn,  dieselbe  zu  eröffnen  •,  diess  that  Ka- 
tharina I.  im  J.  1725.,  und  fügte  ihr  ein  der  Bildung 
künftiger  Lehrer  gewidmetes  Gymnasium,  welches  bis 
1762  Universität  hiess,  bei.  Die  Einführung  der  Lan- 
desmundart in  Civilschriften  begründete  die  eigentliche 
Nationalliteratur  ^).  Die  aclithundert  Jahre  lang  neben 
der  Kirchenslawischen  heranwachsende  russische  Landes- 
sprache war  bei  dem  Regirungsantritt  Peters  bereits  so 
weit  gedielien,  dass  sie  ohne  Anstand  zur  öflfentliclien 
Geschäfts-  und  Schriftsprache  erhoben  werden  konnte. 
Sie  erlitt  aber  im  Laufe  dieser  Periode  viele,  zum  Theil 
nicht  vortheilhafte  Veränderungen.  Sowol  auf  Befehl 
des  Monarchen,  als  auch  aus  eigenem  Antrieb,  über- 
setzten die  Russen  eine  Menge  Schriften  aller  Art  aus 
den  neuern  europäischen  Sprachen,  namentlich  aus  dem 
Teutschen,  Französischen  und  Holländischen,  in  ihre 
Landesmundart.  Allein  Peter  der  Gr.  sah,  indem  er  auf 
diese  Weise  nach  Russland    europäische  Sitten,    Künste, 

Drucken  russischer  Werke  in  Amsterdam  noch  his  1710  fort.  —  Im  J.  1711 
wurde  eine  Buchdruckerei  in  S.  P.  errichtet,  und  das  erste  hier  gedruckte 
Buch  ist:  Kniga  Marsowa,  713.  Die  Sankt-Pctersburgskija  wjedomosti  er- 
schienen seit  1714.  Bald  darauf  entstanden  mehrere  Buchdruckereien  in  S. 
P.    Vgl.    [Ewaenij]  slowar  istoric.  Th.  I.  S.  273  —  302. 

^)  TJngefehr  im  J.  1704  entwarf  Peter  der  Gr.  die  Grundzüge  zu  dem 
jetzt  sogenannten  Civ'dtypus  der  russischen  Druckschrift,  indem  er  den  ky- 
rillischen Buchstaben  nach  Art  der  lateinischen  mehr  Rundung  und  Ge- 
schmeidigkeit gab.  Nach  seiner  Angabe  wurden  von  holländischen  Künst- 
lern in  Amsterdam  neue  russische  Lettern  gegossen,  mit  weichen  der  erste 
Bogen  der  russischen  Zeitungen  in  M.  17o5  gedruckt  worden.  Ein  volles 
Jahrzehend  wurde  nun  an  der  neuen  Schrift  geändert  und  gebessert,  bis 
man  seit  1711  anting,  nicht  nur  in  M.,  sondern  auch  in  S.  P.,  alle  nicht 
kirchliche  Werke  mit  denselben  zu  drucken.  Die  Kirclicnbücher  behielten 
ihren  alten  Typus.  Dasselbe  thaten  auch  die  Serben  mit  geringen  Abwei- 
chungen. Seitdem  uni erscheidet  man  den  Civiltiipvs,  der  grazdonskij,  von 
dem  Kirchentypus,  der  crkwennyj  bei  den  Russen  und  Serben  heisst.  Vgl. 
Ewgenij  a.  a.  0. 


161 

Gewerbe  iiiid  K.enntiH.sse  verpflanzte,  niclit  sowol  auf 
die  (ieslalt  (Worte  iiikI  »Styl),  als  vielmehr  auf  den  Ge- 
halt der  übersetzten  W  erke.  Auf  diese  Art  wurden  sehr 
viele  ausländische  Wörter  und  Redensarten,  vorzuglich 
in  den  nautischen  und  strategischen  Wissenschaften  aus 
dem  Holländischen  und  Englisciien  ins  Hussische  aufge- 
nonunen.  Im  Lehr-,  liiigang-  und  Geschäftsstyl  zeigte 
sich  eine  Buntheit  ohne  (ileichen;  altslawische,  gemein- 
russische  und  ausländische  Wörter  bildeten  ein  Chaos, 
das  selbst  bei  den  Geschichtsschreibern  und  Rednern  herr- 
schend wurde.  Aber  diese  Mischung  entsprang  nicht  so- 
wol aus  i\rmuth  der  russisciien  Sprache,  als  vielmehr 
ans  der  Leichtfertigkeit  und  Eile,  mit  welcher  man  das 
Geschäft  des  Uebersetzens  betrieben  hat.  Zwischen  den 
Verfechtern  der  altslawischen  und  geaieinrussischen  Spra- 
che entstand  überdiess  ein  Streit;  der  einzige  Kantemir 
und  einige  Kanzelredner  schufen  sich  eine  eigenthümli- 
che,  echtrussische  Sprache  für  ihre  Erzeugnisse  ;  an  ei- 
ne russische  Grammatik  dachte  Niemand;  die  Orthogra- 
phie blieb  fortwährend  scjiwankend,  wie  die  Schreibart 
selbst.  Das  sylbenzählende  Reimen  beherrschte  die  Dicht- 
kunst ;  Trediakowskij  wies  auf  griechische  und  römi- 
sche Formen  hin,  aber  ohne  Erfolg.  —  Künste  und  Wis- 
senschaften lassen  sich,  durch  Herbeirufung  gelehrter 
iMänner,  aus  einem  Lande  ins  andere  verpflanzen;  die 
eigentliche  Nationalliteratur  aber ,  bestehend  aus  der 
Dichtkunst,  Beredsamkeit  und  Geschichte,  ist  eine  Frucht 
des  vaterländischen  Bodens,  und  kann  nicht  durch  Aus- 
länder erzwungen  werden.  Peter  der  Gr.  bereitete  den 
Boden  für  die  Nationalliteratur,  aber  er  selbst  sah  sie 
nicht;  die  Schriftsteller  seiner  Periode,  Zöglinge  des  vo- 
rigen Jahrhunderts,  tragen  alle  Zeichen  der  Zeit,  der 
sie  angehören.  Ein  russisches  Theater  gab  es  unter  Pe- 
ter nicht;  dasselbe  ist  die  üppige  Frucht  der  verfeinerten 
Bildung  und  des  Luxus  —  Peter  hatte  nur  die  Bedürf- 
nisse seines  Volks  vor  x\ugen.  In  den  Seminarien  wurde 
das  Aufführen  geistlicher  Dramen  fortgesetzt.  Im  .J.  1730 
wurde  beim  Hofe  ein  italienisches,  und  1738  ein  teut- 
sclies  Theater  eröffnet. 

11 


162 


Vorzüglichere  Nationalscliriftsteller  ^)  dieses  Zeit- 
absclinitts  sind:  der  li.  Demetriys,  Melrop.  von  Rostow 
(geb.  1651,  gest.  1709),  gesclimückt  mit  holien  christli- 
chen Tugenden,  reich  an  Kenntnissen,  schrieb  in  der 
Kirchensprache  leicht,  correct,  aninnthig;  seine  Haupt- 
werke sind:  Cetil  minei,  oder  Zitija  swiatych,  Kiew  711- 
16.  4  Bde.  fol.,  M.  759.  u.  öfters  aufgelegt;  Alphabet 
duchownyj,  Kiew  710.  713.  S.  P.  719.  Kiew  747.755., 
Ljetopis  kelejnoja,  M.  784.  800.  S.  P.  796.  2  Bde.,  Pou- 
citelnyja  slowa,  M.  786.  805.  807.  6  Bde.,  Ostalnyja  so- 
cinenija,  M.  804.  u.  a.  in.  —  Stepli.  Jawo?'shj,  Metrop. 
von  Kjazan  und  Präsident  der  h.  Synode  (geb.  1658, 
gest.  1722),  behauptet  eine  namhafte  Stelle  unter  den 
geistlichen  Rednern;  von  ihm  ist  erschienen:  Kamen 
wjery,  M.  713.,  Propowjedy,  M.  804.  3  Bde.  8.  —  Gab. 
Buzmshjj  Bischof  von  Rjazan  und  Murom,  gebürtig  aus 
Kleinrussland  (gest.  1731),  übersetzte  Puffendorfs  Einl. 
in  die  Gesch.  der  europ.  Staaten,  S.  P.  718,  forner:  0 
dolznosti  celowjeka,  von  eh.,  S.  P.  726.,  Theatron  ili 
pozor  istoriceskij,  S.  P.  724.;  seine  Reden  kamen  M.  784. 
heraus.  —  Theophan  Prokopowic,  Erzb.  von  Nowgorod 
(geb.  1681,  gest.  1736),  einer  der  aufgeklärtesten  iMän- 
ner  seiner  Zeit,  Peters  des  Gr.  treuer  Gehilfe  bei  der 
Begründung  der  Nationalcultur,  von  seinen  Zeitgenos- 
sen der  russische  Chrysostomus  genannt,  einer  der  reich- 
haltigsten Schriftsteller  Russlands  im  theologisciien,  hi- 
storischen und  politischpragmatischen  Fach,  von  dessen 
60  Werken  ungefehr  30  in  Druck  erschienen  sind.  — 
Fürst  Antioch  Dmitrijpwic  K(infemn\  der  erste  Dichter 
seiner  Zeit  (geb.  17 OS,    gest.   1744),    originell,   geistvoll, 

")  Hr.  Grec,  dem  ich  hier,  obwol  mit  Zuziehung  auch  anderer 
Hilfsmittel,  grösstentheils  gefolgt  bin,  rechnet  zu  der  Literatur  nur  die 
Dichtkunst,  Beredsamkeit  und  Geschichte  sammt  ihren  Hilfswissenschaften; 
die  übrigen  Fächer  des  Wissens  gehören,  sagt  er,  zu  der  Geschichte  der 
Cultur  überhaupt.  Ob  ich  gleich  hierin  einer  andern  Meinung  bin.  und 
glaube,  dass  fürs  Erste  auch  die  Dichtkunst,  Beredsamkeit  und  Gechichte 
zu  der  Culturgesch.  überhaupt  gehören,  fürs  Zweite  aber  es  ungerecht  sey, 
die  wissenschaftlichen  Prosaiker  aus  dem  Gebiete  der  Nationalliter,  auszu- 
schliessen,  indem  jede  Sprachdarstelbmg  (folglich  auch  die  Nationalliterä- 
tur)  'in  die  Sprache  der  Dichtkunst,  der  Beredsamkeit  nnd  der  wissen- 
schaftlichen Frosa  zerfällt :  so  wollte  icli  doch  in  diesem  Grimdriss  der 
allgemeinen  Geschichte  der  slaw.  Literatur  innerhalb  der  vom  Hrn.  Grec 
gesteckten  Gränzen  der  Nationalliteratur,  rücksichtlich  des  Russischen,  blei- 
ben, um  nicht  den  Umfang  desselben  ül)er  die  Gebühr  auszudehnen. 


163 

der  wahj^^üiider  dei:_jmÄ.si8cher!  profanen  Dichtkunst, 
scliricl)  Satyren,  S.  P.  764.  4.,  übersetzte  10  Briefe  vofi 
Horaz,  S.  P.  744.  788.,  Fonteiielles  Werk  von  der  Melir- 
Iieit  der  Welten,  M.  7.30.  S.  P.  761.;  andere  Ueberse- 
tzungen  der  Classiker  hinterliess  er  handschriftlich.  - 
Fiirst  Jndr.  JaUnwletnc  Chilkow  (gest.  1718)  schrieb: 
.Jadro  ross.  istorii,  öfters  aufgelegt.  —  EL  Theodorowic 
Kopijewic  oder  Kopijpwskij  aus  Weissrussland.  studirte 
in  Holland,  wurde  Protestant  und  Pastor  zu  Amsterdam 
(gest.  1701);  er  übersetzte  auf  Peters  des  Gr.  Verlangen 
mehrere  Sprach-  und  Geschichtsbücher  ins  Kussisciie, 
die  699  —  700  bei  Tessing  in  Amst.  erschienen  sind; 
anderes  hinterliess  er  handschriftlich.  —  Pef.  Buslajew, 
Diakonus  in  Moskau,  schrieb  ein  gereimtes  Gedicht :  0 
pereselenii  w  wjecnuju  zizn  Bar.  M.  .J.  Strogonowoj.  8, 
P.  734.  —  Semen  Klimowskij,  ein  Kozak,  lebte  um  1724, 
dichtete  leichtere  Lieder  im  Naturstyl.  —  Kyrill  Daiiilow 
aus  Kiew,  ebenfalls  Kozak,  diente  in  Sibirien  zu  Anfange 
des  XVIII.  Jahrh.  und  sammelte  russische  Gesänge  aller 
Art,  die  mit  den  seinigen  erschienen  M.  804.  717.  - 
Leonf.  Philippoii'ic  Macpiickij,  Lehrer  der  Mathematik 
(geb.  1669,  gest.  1739),  gab  die  erste  russische  Arith- 
metik mit  arabischen  ZitFern  M.  703.  heraus.  —  Ernst 
Aht  Glik  (Glück),  Pastor  in  Liefland,  in  dessen  Hause 
Katharina  I.  erzogen  war,  gerieth  in  die  russische  Gefan- 
genschaft und  lebte  in  Moskau,  wo  er  Luthers  Kate- 
chismus, Komensky's  Orbis  pictus  und  Janua  linguarum 
u.  a.  m.  ins  Russische  übersetzte.  —  Iiran  Kyrillou\  Ober- 
secretüT  des  Senats,  später  Staatsrath  (gest.  1738),  sam- 
melte geographische  Notizen  über  Russland  und  verfer- 
tigte einen  Atlas  des  Reichs  734.  745.  —  Basil  Gri(fo- 
rotmc  auf  Kiew  [geb.  1702,  gest.  1747),  brachte  24 
Jahre  auf  Reisen  im  Auslande  zu;  sein  Tagebuch  gab 
Ruban  S.  P.  778.  785.  heraus.  —  Nikodem  Sellij^  Ale- 
xandronewskischer  Mönch  (gest.  1746),  sammelte  an  Vor- 
arbeiten zur  russischen  Geschichte,  gab  1736.  in  Reval 
ein  Schediasma  litterarium  de  scriptoribus,  qiii  historiain 
polit.  eccles.  Rossiae  scriptis  illustrarunt,  heraus,  rus- 
sisch M.  815.;  ferner  Istoriceskoje  zercalo  ross.  gosuda- 
rej;   de    Rossorum    hierarchia    u.  a.  m.   —  Basil.  Nikitic 

11* 


164 

Tatiscew,  ^e\\.  Rath  fgeb.  1680,  gest.  1750).  sein  Hanpt- 
werli  ist :  Istorija  rossijskaja,  iierausg.  v.  Müller  M.  und 
S.  P.  769  —  84.  4  Bde.  4.,  mit  vielem  Fleiss  zusainnien- 
getragen,  und  auch  jetzt  nicht  ohne  Weith;  ferner:  Le- 
xicon  ross.  istor.  polit.  i  grazdanskij,  reiclit  nur  bis  L 
hin,  S.  P.  793.,  Atlas  des  russ.  Reichs  745. ;  T.  schrieb 
auch  Erläuterungen  zu  der  Pravvda  ruska  und  zum  Su- 
debnik,  nach  s.  Handschr.  herausg.  M.  768  -  86.  — 
Stepli.  PetroiHc  Kr(iseuiniiil\oi(\  Prof  der  Botanik  in  S. 
Petersburg,  gebürtig  aus  Moskau  (geb.  1713,  gest.  1755), 
schrieb  correct  und  rein:  Opisanije  zemli  Kamcatki,  8. 
P.  755.  2  Bde.;  Slowo  o  poljzje  nauk  i  chudozestw  750.; 
übersetzte  den  0.  Cin-tius  u.  m.  a.  —  Basti.  Kyrilloimc 
Tredlaltowskij,  Hofralh  und  Prof.  A^v  Elocpienz,  gebo- 
ren in  Astrachan  (1703,  gest.  1769),  beleuchtete  der 
erste  die  Natur  der  russischen  Verskinist  und  zeigte  die 
Cnzulänglichkeit  des  syllabischen  Reimens;  aber  er  er- 
mangelte der  höheren  Diclitertalente,  um  seine  bessern 
Grundsätze  durch  gehnigene  Originalvverke  durchzuse- 
tzen; sein  Styl  ist  geregelt,  aber  dabei  unrein,  schwer- 
fällig, langweilig,  die  Poesien  ohne  Geschmack;  Sposob 
ross.  stichoshjzenija,  8.  P.  735. ;  Razgowor  ob  ortografii 
starinnoj  i  nowoj,  8.  P.  748.;  Deidamija,  eine  Tragö- 
die, und  Telemachida,  nach  Fenelon  m  Versen  mit  quan- 
titirender  Sylbenmessinig,  8.  P.  750.;  Razsuzdenije  o 
ross.  ötichoslozenii,  8.  P.  755.  ;  Oden,  Idyllen  und  Fa- 
beln in  verschiedenen  Schriften  zerstreut;  er  übersetzte 
Rollins  A.  Geschichte  8.  P.  749  —  62.  761  ~  67  26  Bde., 
Barclays  Argenis.  [B^oileaus  lArt  poetique  u.  m.  a.  'j 

§.  81. 

Zweite    Abtheilung.     Elisabeths    und    Katharina's    !!.  Regi- 

rungszeit ;    oder  von  Lomonosow  bis  auf  Karamzin. 

1741  —  1796. 

Glänzende  Siege  im  Auslände  vt\u\  friedliclie  Milde  im 
Innern  charakterisiren  die  Regirung  der  Tochter  Peters 
des  Grossen,    Elisabetha    Petrowna.     Sie  liebte  die  Wis- 


*j  iV.  Grec  opyt,  istoi'ii  rnskoj  slowpsno-Jti  S.  h9.  H'. 


165 

seiKsfiiafUMi  imd  Kiinsü'.  inul  criKMitefe  sie  inclil  mir  fiir 
den  tücluiijf.steii  Hebel  der  Ke«;iriint;skiins(,  sondern  auch 
für  eine  besondere  Zierde  ihres  mit  Praclit  und  Glanz 
umgebenen  llofe.s.  Desshalb  vermehrte  sie  1747  die  Ein- 
künfte der  Akademie  der  Wissenschaften,  stiftete  1752 
das  Seecadettencorps,  1755  die  IVIoskaiier  Universität  mit 
zwei  Gymnasien,  «nid  lej^te  den  TTrnnd  zu  der  S.  Peters- 
burger Akademie  der  Künste  1758.  Der  grosse  Mäcen 
tguvvalovv  reichte  der  Monarchin  bei  der  Ausführung  so 
edler  Werke  die  thätigste,  liilfreicliste  Hand.  —  Katha- 
rina II.  fasste  Peters  des  Gr.  kühnen  Plan  in  seinem  gan- 
zen Umfange  auf.  Sie  gab  der  russischen  Politik  eine 
Selbständigkeit  und  Consequenz,  und  erweiterte  die  Grän- 
zen  des  Reichs.  Sie  beglückte  das  Land  durch  Begün- 
stigung des  Mittelstandes,  durch  Beförderung  des  Han- 
dels, der  Künste  und  Wissenschaften,  durch  Vermeh- 
rung der  Erziehungs-  und  Unterrichtsanstalten.  Achtung 
für  das  Schöne  und  Nützliche  und  reger  Eifer  für  die 
grossen  Zwecke  des  Nationalwols  winden  in  dem  die 
grosse  Frau  umgebenden  Kreise  immer  allgemeiner;  die 
Namen  der  Orlow,  Rumjancow,  Potemkin,^  Dolgorukij- 
Krimskij,  Soltykow,  Suworow,  Repnin,  Cicagow,  Pa- 
nin,  ßezborodko  werden  neben  dem  Ihrigen  noch  von 
der  spätesten  Nachwelt  mit  Ehrfurcht  genannt.  Sie  liebte 
die  Wissenschaften  an  sich  und  als  Mittel  der  Veredlung 
der  Sitten  liTid  hiemit  der  Wolfahrt  des  Volks.  Ein  ehr- 
würdiges Bestreben  von  Ausländern  zu  lernen,  und  mit 
angestrengter  Thätigkeit  ihnen  nachzueifern  beseelte  durch 
sie  den  edlern  Theil  der  Nation.  Von  den  durch  sie  ent- 
weder neugestifteten,  oder  besser  eingerichteten  Erzie- 
hungs- und  Lehranstalten  nennen  wir  das  Artillerie-  und 
Ingenieur-Cadetten-Corps  1762 ,  das  Erziehungshaus  in 
Moskau  1764  und  S.  Petersburg  1770,  die  Gesellschaft 
für  Erziehung  adeliger  und  bürgerlicher  Mädchen  1764, 
die  Akademie  der  Künste,  erweitert  1<64,  das  Berg- 
werks-Institut 1772,  das  Gymnasium  für  ausländische 
Glaubensverwandte,  die  S.  Petersburger  Akademie  der 
Wissenschaften ,  deren  Glieder  Pallas ,  Falk ,  Georgi, 
Güldenstädt ,  Ryckow ,  Rumowskij,  Gmelin,  Lepechin, 
Kraft ,    Inochodcew .    Ozereckovvskij,    Hermann    auf  Be- 


166 

fehl  der  iVIonarcliiii  wisseiisciiartlichc  Reisen  in  verscliie- 
dene  Gegenden  des  Reichs  unternehmen,  und  die  darüber 
gefidirten  Tagebücher  lieransgeben  inussten,  die  iAloskauer 
Universität  mit  der  daselbst  gestifteten  freien  rnssiscljen 
Gesellschaft,  die  kais.  russische  Akademie  zur  Vervoll- 
kommnung der  Sprache  und  Geschichte,  gestiftet  178.3, 
die  Gesellschaft  für  Oekonomie  1765,  die  chirurgische 
Lehranstalt  u.  m.  a.  Im  J.  1783  wurde  die  Errichtung 
der  Ruchdruckereien  freigegeben,  eine  Commission  für 
Normal-  oder  Volksschulen  ernannt,  und  bald  darauf  ein 
Seminarium  für  Volksschulielirer  sammt  mehreren  Nor- 
malschulen eröffnet.  Allmälig  wurden  nun  die  Volks- 
schulen durcii  das  ganze  Land  ins  Werk  gesetzt,  und 
fingen  an  auf  die  Verbreitung  der  Civilisation  selbst  unter 
dem  Volk  wolthätig,  kräftig  einzuwirken.  —  Während 
der  Regirung  Pauls  I.  (1796  —  1801)  kamen  ebenfalls 
mehrere  Rildungs-  und  Lehranstalten  zu  Stande,  darun- 
ter die  Universität  zu  Dorpat.  -  Den  Anfang  dieses 
Zeitabschnitts  bezeichnet  die  Gestaltung  der  russischen 
Sprache  und  Schreibart  durch  Lomonosow.  Er  wagte 
zu  allererst  zwischen  dem  Altslawischen  und  Russisclien 
eine  genaue  Gränze  zu  ziehen,  und  letzteres  auf  feste 
Grundsätze  zurückzuführen.  Er  schrieb  der  erste  eine 
reine,  echte  russische  Prosa,  gab  der~Lyrä  ein  eigen- 
thümliches  Versmaass,  und  entwarf  die  Regeln  der  rus- 
sischen Grammatik.  Die  Dichtkunst,  die  Reredsamkeit, 
die  Geschichte  und  die  Naturwissenschaften  haben  ihm 
gleichviel  zn  verdanken.  Aber  verkannt  von  seinen  Zeit- 
genossen, ging  Lomonosow,  schon  hier  ein  strahlendes 
Gestirn,  nebelumhüllt  unter,  um  nach  seinem  Tode  von 
der  Nachkommenschaft  als  ein  Stern  erster  Grösse  erkannt 
und  desto  mehr  bewundert  zu  werden.  Trediakowskij's 
schwerfällige,  holprichte  Schreibart,  und  Theophans  u. 
Gabriels  Sj)rachamalgam  trübten  noch  lange  die  russische 
Prosa.  Um  diese  Zeit  fing  Sumarokow  an,  dramatische 
Versuche  in  alexandrinischen  Versen  zu  schreiben.  Die- 
ses Maass  und  Lomonosows  .lamben  und  Choräen  behaup- 
teten bis  aiif  die  neuesten  Zeiten  auf  dem  russischen  Par- 
nass  die  Alleinherrschaft.  Lomonosow  fühlte  die  Zauber- 
kraft   des  Hexameters,    und  würde  ihn  mit  der  Zeit  ge- 


167 

wiss  j;eljiaiitlit  haben,  woiin  der  Tod  sein  Leben  nicht 
abgekürzt  hätte.  -  Das  Lustspiel,  der  Dialog,  die  Er- 
zählung, der  Brief  ermangelten  noch  immer  einer  pas- 
senden, leichten  Sprache;  in  den  damaligen  höhern  Zir- 
keln wurde  nicht  russisch,  sondern  bei  Lebzeiten  Anna's 
teutsch,  bei  jenen  Elisabethens  und  Katharinas  hinge- 
gen italienisch  und  —  wie  noch  heute  französisch 
gesprochen.  —  Die  meisten  Schriftsteller  aus  dem  Zeit- 
alter Katharina's  traten  allmälig  in  die  Fussstapfen  Lo- 
mouosows,  und  richteten  sich  nach  den  von  ihm  ent- 
worfenen Hegeln  und  gegebenen  Mustern.  Jelagin  schrieb 
rein  russisch,  aber  noch  immer  schwerfällig ;  der  diplo- 
matische Geschäftsstyl  wurde  durch  Teplow,  Bezborodko, 
Zawadowskij  und  Chrapowickij  vortheilhaft  ausgebildet; 
die  Sprache  der  Lyra  erhielt  durch  Derzawin  neues  Le- 
ben; Knjaznin  veredelte  den  Dialog  des  Trauerspiels; 
Bogdauüwic  und  Chemnicer  ragen  durch  Einfachheit  und 
Leichtigkeit  der  Schreibart  über  ihr  Zeitalter  hervor. 
Die  russische  Akademie  lieferte  eine  Grammatik  und  ein 
Wörterbuch  der  russischen  Sprache.  —  Mit  Elisabeth 
fängt  die  russische  Literatur  an,  sich  zu  einem  selbstän- 
digen, geschlossenen  Ganzen  zu  gestalten  ;  bis  dahin  sah 
mau  nur  Bruchstücke.  Lomonosow,  Sumarokow  u.  Tre- 
diakowskij  weckten  und  nährten  die  Liebe  zu  den  schö- 
nen Wissenschaften;  Müller  fing  an,  ein  russisches  Lite- 
raturblatt herauszngeben  1755,  mehrere  folgten  seinem 
Beispiele.  Ein  russisches  Theater  kam  auf,  zuerst  durch 
Theodor  Wolkow  in  Jaroslawl  1746,  dann  durch  eben- 
denselben in,  S.  Petersburg  (wo  schon  früher  Sumaro- 
kows  Trauerspiele  von  Dilettanten  gegeben  wurden)  or- 
ganisirt,  und  durch  einen  kais.  Ukaz  1754  bestätigt.  Im 
J.  1759  erfolgte  die  Errichtung  des  Moskauer  russischen 
Theaters.  Katharina    IL    belebte    die  Literatur    durch 

freigebige  Unterstützung  der  Schriftsteller  und  eigenes 
Beispiel^).  Zu  den  Sängern  Elisabeths  gesellten  sich 
Petrow,  Cheraskow,  Derzawin.  Die  Zahl    der  Zeitschrif- 


0  Ein  unsterbliches  Denkmal  Katharinens  Fürsorge  für  gelehrtes 
Wissen  und  eigener  literarischen  Bildung  bleibt  unter  andern  das  ver- 
gleichende Wörterbuch,  S.  P.  787  —  89  und  790,  zu  welchem  Werke  sie 
den  Entwurf  selbst  gemacht,  und  aus  vielen  Wörterbüchern  dazu  gesam- 
melt hat. 


168 

ten  vermehrte  sich.  Die  ni.ssisclie  AkaHcinie  zählte  die 
aiisgezeichrielsten  Literatoreii  iiiiler  ihre»  iVlil^üedern. 
Die  geistliche  Beredsamkeit  fand  an  Piaton  ,  Georgi, 
Anastasins  und  Lewanda  rüstige  Bearheiter.  Die  russi- 
sche Gescliichte  gewann  an  ^Materialien,  nnd  reifte  unter 
den  Beniiihnngen  Müllers,  Schlözers,  Basilows,  Strit- 
ters, Scerhatows,  Boltins,  Nowikows  zur  Vollendung 
heran.  Das  russische  Theater  wurde  aus  einem  Hof- 
zu  einem  wahren  Nationaltheater.  —  Nur  eine  kurze 
Zeit  trühten  die  unglückliclien  Folgen  der  französischen 
Kevolution  den  .Schauplatz  der  literarischen  Cultur  Russ- 
lands. 

Die  Zahl  der  Nationalschriftsteller  wächst  in  diesem 
Zeitabschnitt  dergestalt,  dass  wir  uns  auf  eine  gedrängte 
Aufzählung  einiger  der  vorzüglichsten  beschränken  müs- 
sen. -  Mich.  Wasiljewic\Loin()N()son'  aus  Denisovv, 
Staatsrath,  Prof  der  Chemie  bei  der  Akademie  der  Wis- 
senschaften (geb.  1711,  gest.  1765),  lernte  das  Lesen 
und  Schreiben  von  dem  Pfarrer  seines  Geburtsortes,  be- 
gab sich,  durch  (\e\\  gereimten  Psaltyr  von  Polockij  für 
Poesie  begeistert,  der  Studien  wegen  nach  Moskau  und 
Kiew,  und  von  da  nach  S.  Petersburg,  verweilte  zwei 
.lahre  auf  der  Universität  zu  Marburg,  erwarb  sich  durch 
sein  poetisches  Talent  den  Namen  des  Vaters  der  neuern 
russischen  Dichtkunst,  nicht  minder  berühmt  durch  seine 
prosaischen  Scliriften.  die  sich  alle  durch  Correctheit 
inid  Wolklang  der  S{)raclie  auszeichnen;  noch  ist  er  als 
Lyriker  uuübertrofi'en,  aber  au6h  die  epischen,  drama- 
tischen und  epigrammatischen  Poesien  haben  einen  hoiien 
Werth;  s.  Schriften  erschienen  zuerst  einzeln,  gesam- 
melt von  der  Akad.  d.  Wiss.  3  Ausg.  S.  P.  803.  6  Bde.  4. 
—  Alex.  Petro>HcSuinarokou\  wirklicher  Staatsrath  u. 
Ritter  (geb.  1718,  gest.  1777),  schrieb  in  Prosa  und 
Versen :  Geschichte,  Abhandlimgen  vermischten  Inhalts, 
Reden,  Lust-  und  Trauerspiele,  Idyllen,  Satyren,  Epi- 
gramme u.  s.  w.;  hochverdient  um  das  russische  Drama, 
das  ihm  seine  Veredhnig  verdankt ;  sämmtliche  Werke 
herausg.  von  Nowikovv  M.  787.  10  Bde.  Gedeon  Kri- 
noivskij  aus  Razan,  Bisch,  von  Pskow  (geb.  1726,  gest. 
1763),   seine  Reden  zeichnen  sich  durch  einen  christlich- 


169 

frominen  Sinn  und  hohe  inoralischo  Win-Hc  aus,  der 
Styl  ist  ungleich,  aher  deutlich  und  nicht  enthlösst  vom 
rednerisclien  Schmuck,  j»:edr.  M.  760.  2  Bde  —  D<'melr. 
Sjp('fnou\  Metrop.  von  Nowgorod  und  Mitgl.  der  h.  Sy- 
node (geb.  1708,  gest.  1767),  nicht  sovvol  durch  rhe- 
torische Kunst,  als  vielmehr  durch  die  natürliche  Kraft 
seines  Feuereifers  ausgezeichnet;  s.  Reden  erschienen  ein- 
zeln. —  i\VÄ7.  Nih'fic  Popoirskij,  Prof.  in  Moskau  (geb. 
inn  1730,  gest.  1760),  übersetzte  Poj)es:  Opyt  o  celo- 
wjekje,  M.  757.  787.  803.,  einige  Oden  aus  Iloraz  und 
dessen  Brief  an  die  Pisonen,  Lockes  Erziehungsknnst, 
M.  759.  768.  2  Bde. :  schrieb  zwei  Reden,  die  ganz  be- 
sonders die  Feinheit  seines  Geschmacks  beurkunden.  — 
Gcorif  Konisski)  aus  Njezin,  Erzb.  von  Weissrussl.  und 
Mitgl.  der  h.  Synode  (geb.  1717.  gest.  1795),  beschrieb 
die  Mohilewer  Eparchie  S.  P.  775.,  verfasste  geistliche 
und  weltliche  Reden  u.  m.  a.  —  Piaton  Lewsin  aus  Cas- 
nikow,  Metrop.  von  Moskau,  mehrerer  Orden  Ritter, 
(geb.  1737,  gest.  1812),  einer  der  fruchtbarsten  Schrift- 
steller Russlands  im  theologischen  Fach,  sämmtl.  Schrif- 
ten ÄI.  779  —  807.  20  Bde.,  enthaltend  Reden,  Abhand- 
lungen, Biographien,  Katechismen,  Dogmatik  u.  s.  w., 
ausserdem  erschien  von  ihm:  Cerkownaja  ross.  istorija, 
M.  805.  2  Bde.  -  Anast.  Bratanowski'j  aus  Barysewka, 
Erzb.  von  Astrachan,  Ritter  des  h.  Anna-Ordens,  Mitgl. 
der  h.  Synode  und  der  russ.  Akad.  (geb.  1761,  gest.  1806), 
der  erste  geistliche  Redner  Russlands,  der  sich  von  der 
Härte  und  Rauheit  des  altern  theologischen  Styls  zu  der 
Geschmeidigkeit  der  neuern  Schreibart  herabzulassen  wag- 
te; er  gab  heraus:  Reden,  M.  u.  S.  P.  796  -  807.  4 
Bde.  8.,  Rhetorik,  lat.  M.  806.  8.,  verschiedene  theolog. 
Abhandl.  S.  P.  u.  M.  794  —  805.  —  Jo/i.  Wasiljewic 
Leivanda  aus  Kiew,  Erzpriester  in  Kiew,  Ritter  des  h. 
Anna-Ordens  (geb.  1736,  gest.  1814),  ein  Redner  voll 
tiefen  Gefühls,  unerschöpllich  an  neuen,  kräftigen  Ge- 
danken, seine  Schreibart  ist  nicht  ganz  rein,  aber  er 
bemächtigt  sich  des  Gemüths  und  Herzens  durch  die  Ue- 
bermacht  seines  Geistes;  sämmtl.  Reden  S.  P.  821.  3  Bde. 
—  Mich.  Matwjejewic  Cheraskoiv,  wirkl.  geh.  Rath  und 
Ritter,  Mitgl.  mehrerer    gel.    Gesellsch.    (geb.  1733,  gest. 


170 

1807),  eiiKT  der  fniclitbarsteii  Scliriftsteller  seiner  Zeit, 
verfasste  vermisclite  prosaische  Aufsätze,  Oden,  Erzäh- 
hint;en,  Lustspiele,  Trauerspiele,  didaktische  Gedichte 
und  zwei  Epopöien:  Hossijada  in  XII  Gesängen,  M.  783., 
und  Wladimir  in  XVIÜ  Gesängen,  M.  780.  3te  A.  809., 
die  zwar  im  ganzen  den  Ansprüchen  der  Kritik  an  ein 
vollkommenes  Epos  nicht  entsprechen,  dessen  ungeachtet 
aber  im  Einzelnen  nicht  ohne  poetischen  Werth  sind.  — 
WnsÜi)  Petroivic  Pefrotu  aus  Moskau,  Staatsr.  u.  Mitgl. 
der  russ.  Akad.  (geb.  1736,  gest.  1799),  schrieb  Oden, 
in  welchen  die  Fülle  und  Kraft  der  Gedanken  den  öftern 
Mangel  eines  geglätteten  Ausdrucks  ersetzen,  und  poeti- 
sche Episteln,  zusainm.  8.  P.  811.  3  Bde.;  ausserdem 
übersetzte  er  Virgils  Aeneis  8.  P.  781  86.  2  Bde.  — 
Iwan  Semenowic  Biirkow  (gest.  1768),  schrieb  eine  Bio- 
graphie des  Fürsten  Kantemir  und  Anm.  zu  dessen  Saty- 
ren,  verfasste  eine  kurze  Gesch.  von  Russl.  Msc,  über- 
setzte Horazens  Satyren  in  Versen  S.  P.  763.,  Phädrus 
Fabeln  eh.  764.,  Ilolbergs  Universalgesch.  8.  P.  766,  796 
u.  m.  a.  — Uippoiil  Theodorowic  B()(/danoivic  aus  Pere- 
wolocna ,  Collegienrath,  Mitgld.  der  russ.  Akad.  (geb. 
1743.  gest.  1803),  unter  seinen  zahlreichen  prosaischen 
inid  poetischen  8chriften  steht  das  romantische  Lieblings- 
gedicht der  Nation:  Dusenka  (Psyche),  obenan,  gedr. 
778.  sämmtl.  Werke  M.  809  --  10.  6  Bde.,  2  A.  818.4 
Bde.  Itran  Iwanuivic  Chemnicei\  Collegienr.,  Mitgl. 
der  russ.  Akad.  (geb.  1744,  gest.  1784),  ein  trelflicher, 
origineller  Fabeldichter:  Basni  i  8kazki.  778.  3  A.  S.  P. 
799.  3  Bde.  4  A.  8.  P.  819.  3  Bde.  —  Denis  Iivanoivic 
von  Whin  aus  Moskau,  Staatsr.,  Mitgl.  der  russ.  Akad. 
(geb.~T745,  ges(.  1792),  der  erste  Prosaiker  seiner  Zeit, 
um  die  Vervollkommnung  des  russischen  Lustspiels  be- 
sonders verdient,  schrieb  Episteln,  Erzählungen,  Reden, 
Briefe,  Satyren  und  Lustspiele,  übersetzte  aus  dem  Eng- 
lischen und  Französischen  mehrere  Dramen  und  Erzäh- 
lungen, die  von  1762  bis  1803  einzeln  erschienen  sind; 
sein  berühmtestes  Werk  ist:  Nedorosl,  ein  Lustspiel, 
783.  —  Gabriel  RanianinricDevzan'in  aus  Kazan,  wirkl. 
geh.  llath  und  lütter  meinerer  Orden,  Mitgl.  beinahe  al- 
ler gel.  Gesellsch.  Kusslands,  im  .1.    1802.   Justizminister 


171 

is;ch.  1743,  i:;es(.  IS16),  der  j^^cfcicMk'slo  Dicliter  Riiss- 
liinds  linier  Katharina  II.,  schrieb  lyrisclie,  didaktisclie 
lind  dramatische  Gediclite,  die  insgesainint  zu  den  nn- 
sterbliclien  Denkmälern  der  russischen  scliönen  IJtcratiir 
aus  Katharinas  Zeit  gehören,  sämmtl.  Schriften:  S.  P. 
810  —  15.  5  Bde.,  N.  A.  824.  -  Was.  Wasiljewic  Kap- 
ni.sf,  (geb.  1756,  gest.  1823),  Staatsr.,  Mitgl.  der  r.  Aka- 
demie und  mehrerer  gel.  Gesellsch.,  lebte  ganz  den  Mu- 
sen auf  seinem  Landgut  Obuchovvka  in  Kleinrussl.,  ist 
als  Lyriker  nächst  Derzawin  zu  nennen,  dein  er  zwar 
an  Kühnheit  der  Gedanken  nachsteht,  aber  an  zarter  Ge- 
müthlichkeit  und  Reinheit  der  Sprache  gleichkommt;  s. 
Oden  erschienen  S.  P.  806.,  zwei  Dramen :  Abjed,  ein 
Lustspiel  8.  P.  799.,  Antigoiie,  ein  Traiiersp.  815.  ~ 
Jerniü hcanowic  Kosfrou^,  Provincialsecretär  (gest.  1 796), 
übersetzte  Homers  Ilias  I  —  VI  Hhaps.,  treu  und  flies- 
send, doch  nicht  im  Versiiiaasse  des  Originals,  sondern 
gereimt,  S.  P.  787.,  Apulejus  gold.  Esel,  M.  781.,  Os- 
sians  Bardengesänge,  aus  dem  Franz.,  M.  793.,  S.  P.  818. 
2  Bde.,  Voltaires  Taktik  in  Versen,  M.  779.,  vermischte 
Gedichte,  M.  802.  2  Bde.  Jakob  Borisowic  Kmainin 
aus  Pskow,  Hofr.  und  Mitgl.  der  russ.  Akad.  (geb.  1742 
gest.  1791),  schrieb  6  Trauerspiele,  4  Lustspiele,  4 
Opern  und  ein  Melodram ,  ausserdem  Fabeln ,  Oden, 
Episteln  u.  a.  m. ;  er  nimmt  neben  Sumarokow  den  2ten 
Platz  unter  den  Dramatikern  dieses  Jahrhunderts  ein, 
und  übertrifft  ihn  an  Reinheit  und  Adel  des  Styls,  wird 
aber  auch  oft  schwülstig  und  frostig,  sämmtl.  Schriften 
S.  P.  802.  5  Bde.  —  Noch  verdienen  folgende  dramati- 
sche Dichter  dieser  Zeit  eine  Auszeichnung :  Niki  Pe- 
troivic  Nikolew  (geb.  1758,  gest.  1816),  schrieb  Trauer- 
spiele, worunter  das  beste:  Sorena,  781.  —  Was.  Iwa- 
nowic  Majkoiv  (geb.  um  1725,  gest.  1778),  verfasste  2 
Trauer-  und  eben  so  viele  Lustspiele,  zusamm.  S.  P.  809. 

—  Alex,  Anisimowic\4hlesimoiv  (gest.  1784),  schrieb  Er- 
zählungen, Elegien,  Sinngedichte  und  Lustspiele.  —  Dem. 
Wladimorowic  Jefimjew  (gest.  1804),  lieferte  mehrere 
Lustspiele.  —  Alex.  Iwanowic  Klusin  (gest.  1804),  ver- 
fasste zwei  Lustspiele,  schrieb  lyrische  Gedichte  u.  m.  a. 

—  Pet.  Alexjejewic  Plawilscikow  (geb.  1760,  gest.  1812) 


172 

verfa.sste,  selbst  ein  Sclianspieler,  ineluere  Trauer-  niid 
Schauspiele.  —  Jurlj  Jlcxandrnwic  Neledinsky-Meleckij^ 
wirkl.  Staalsr.  u.  Senator  (geb.  1751),  erwarb  sich  gros- 
sen poetischen  Ruhm  durch  gebnigene  Lieder  und  Ro- 
manzen voll  Zartheit  und  feurigen  Gefühls,  die  einzeln 
in  verschiedenen  Zeitschriiten  erschienen  sind.  —  Seinen 
SergjejetricBobrotrXoWe^icn-Asf^essor  fgest.  1810),  mit 
der  englischen  Literatur  innig  vertraut,  besass  eine  glü- 
hende Einbildungskraft  und  kraftvolles,  tiefes  Gefidd, 
aber  sein  nicht  immer  deutlicher  und  correcter  Styl  ver- 
fällt oft  aus  Erhabeniieit  in  Schwidst;  s.  Hauptwerk  ist 
ein  Lehrgedicht:  Chersonida,  S.  P.  803.;  lyr.  Gedichte 
unter  d.  T.  Razswjet  polunoci,  S.  P.  804.  4  Bde.,  Drew- 
naja  noc  wselennoj  807  —  9.  4  Bde.  -  Fürst  livim  Mi- 
chajfotric  Dolqnrnkij,  geh.  Rath  und  Ritter,  Mitgl.  meh- 
rerer gel.  G.  (geb.  17G4,  gest.  1823),  schrieb  philosophische 
Oden  und  Episteln  im  Nationalgescbmack,  die  sich  durch 
gediegene  Gedanken,  tiefes  Gefühl  und  eine  einfache,  na- 
türliche Darstellung  vortheilhaft  auszeichnen.  —  Graf 
Dntilr.  Iwanowic  Chwosfow,  geh.  Rath,  Senator  u.  Rit- 
ter, Mitgl.  der  russ.  Akademie  inid  mehrerer  gel.  Ge- 
sellsch.  (geb.  1757),  schrieb  in  seiner  Jugend  Lustspiele 
in  Versen  und  Prosa,  später  lyrische  und  didaktische 
Gedichte,  die  sowol  dem  Gehalt  als  der  Sprache  nach  zu 
den  besten  Erzeugnissen  in  dieser  Gattung  gehören,  über- 
setzte mehrere  classische  Werke  aus  dem  Französischen; 
sämmtl.  Schriften  S.  P.  817.  4  Bde.  —  Gerhard  Friedrich 
Müller  aus  Westphalen,  vvirkl.  Staatsr.  und  Ritter,  russi- 
scher Historiograpli,  Mitgl.  mehrerer  gel.  GesCilsch.  und 
Akad.  (geb.  1705,  gest.  1783),  erwarb  sich,  ein  Aus- 
länder, unsterbliche  Verdienste  um  die  russ.  N'ational- 
literatur  durch  die  Herausgabe  vieler  handschriftlicjjen 
Geschichtswerke:  Sibirskaja  istorija,  S.  P.  750.,  Sudeb- 
nik,  M.  768.,  Tatiscews  istor.  ross.,  M.  768  —  74.,  Chil- 
kow's  jadro  ross.  ist.,  M.  771.,  Polunyns  geogr.  Lex.  von 
Russland,  M«  773.,  Stepennaja  kniga,  M.  771  —  74.  2 
Bde.,  u.  a.  m.,  derselbe  gab  die  erste  russ.  literarische 
Zeitschrift:  Jezemjesjacnyja  socinenija,  S.  P.  755.  heraus. 
—  Fürst  Mich.  Michajlmtnc  Scerhalow,  geh.  Rath,  Senator 
und    Ritter,    Mitgl.    mehrerer    Akad.     (geb.     1733,    gest. 


173 

1790),  weihte  sich  von  .Iiij^ond  auf  der  Bearbeitung»  der 
russischen  Gescliichte,  die  in  einem  sciivverlalligen  Styl, 
ohne  tiefere  Forschung  inid  mit  wenig-  (leschiiiack  ge- 
sclirieben,  770  -  92.  15  Bde.,  die  kritische  Feder  Bol- 
tins  weckte,  und  viele,  der  russischen  Gescliichte  äus- 
serst erspriessliche  Frläulerungen  veranlasste;  ausserdem 
gab  Sc.  mehrere  historische  Werke  mindern  ümfangs 
heraus.  —  Thend.  Alexaudroivic  Einin  {^iih.  m\\  1735, 
gest.  1770),  schrieb  ausser  mehreren  Romanen,  eine 
Geschichte  Husslands,  die  aus  unlautern  Ouellen  üreflos- 
sen,  jetzt  durch  bessere  Bearbeitungen  verdrängt  ist : 
Koss.  istor.,  S.  P,  7G7  —  69.  3  Bde.  —  Thnotli.  Semeno- 
wic  Maljißln,  Collegienass.  u.  Mitgl.  der  russ.  Akad.  (gest. 
1820),  verlasste:  Zercalo  ross.  gosudarej,  8.  P.  791.  794., 
Opis  starinuych  sudebnych  mjest  ross.  gosud.,  8.  P.  803., 
0  drewnosti  monety  w  ross.  gosud.,  S.  P.  810.  —  Mich. 
Dimitrijewic  Ciilkow ,  übersecretär  des  Senats  (gest. 
1793),  gab  eine  Gesch.  des  russ.  Handels,  S.  P.  781.  21. 
Bde.  heraus.  —  Peter  Iwanowic  Rtjc/*ow,  Staatsr.  (gest. 
1778),  verfasste  einen  Versuch  der  Gesch.  von  Kazan, 
S.  P.  767.  —  hran  JSiAific  Boltin,  Generalmajor,  iVlitgl. 
der  russ.  Akad.  (geb.  1735,  gest.  1792),  ein  ehrwürdiger 
Forscher  und  Wahrheitsfreund,  dem  die  älteste  Geschichte 
Russlands  einen  grossen  Theil  ihrer  Aufhellung  verdankt, 
schrieb  eine  wichtige  Kritik  auf  Leclerc's  histoire  an- 
cienne  et  inoderne  de  la  Hussie  787.,  S.  P.  788«  2  Bde.  4. 
unterwarf  Scerbatows  russ.  Gesch.  seiner  Prüfung,  S.  P. 
789  und  793  —  94.  2  Bde.  4.,  nahm  an  der  Herausgabe 
der  Prawda  ruskaja  Theil,  S.  P.  792.;  mehreres  hinter- 
liess  er  handschriftlich.  —  Iwan  Iwaiiowic  GoUkow,  Hofr. 
(geb.  1735,  gest.  1801),  verfasste  die  Lebensgeschichte 
Peters  des  Gr.  unter  d.  T.  Djejanija  Petra  W.,  M.  788 — 
90.  12  Bde.,  dazu  gehört:  Dopolnenija  k  djejanijam  P. 
W.,  iM.  790  -  98.  18  Bde.,  und  Anekdoty  P.  W.  i\l.  798., 
die  weitschweifig  und  in  einem  panegyrisch-declamato- 
rischen  Ton  geschrieben,  nur  als  eine  vollständige  Samml. 
von  Materialien  zur  eigentlichen  Gesch.  Peters  des  Gr. 
zu  betrachten  sind.  —  Iwan  Perfiljewic  Jelagin,  wirkl. 
geh.  Rath,  Senator  und  Ritter  (geb.  1728,  gest.  1796), 
machte    sich    durch    gelungene  Uebersetzungen  ausländi- 


174 

scher,  vorzüglich  (eutsclier  und  französisclier  Werke  um 
die  russische  Literatur  verdient.  —  Jaknb  hvanoin'c 
Biil(f(iU()u\  wirklicher  geh.  Kath,  üitter ,  Ehreiimitgl. 
der  Akad.  der  Wiss.  (gest.  1809),  nhersetzle  aus  dem 
Französischen  des  Ahbe  de  la  Porte  :  Wsernirnyj  pute- 
sestwennik,  S.  P.  778.  4  A.  813.  27  Bde.,  Ariosto\s 
VVljuhlennyj  Roland,  S.  P.  797.,  3  A.  800.  3  Bde.,  Bar- 
dons Obrazovvanije  drevvnich  narodow,  S.  P.  795.  4  Bde. 
—  Mich.  Iiranotric  Werptr/int,  Staatsr.  (gest.  1795),  und 
Serfiij  Sau'f'c  Uolckoir,  Collegienrath  und  Secretär  der 
Akad.  der.  Wiss.  (gest.  1773),  bereicherten  die  vater- 
ländische Literatur  mit  gelungenen  llebersetzungen  zahl- 
reicher Werke  des  Auslandes.  —  '^^^'f/ij  Plcscejeir,  wirkl. 
geh.  Kath  u.  Ritter  (geb.  1752,  gest".  'l802),  "schrieb  die 
erste  genaue  und  gründliche  Statistik  Russlands,  S.  P. 
790.  —  Niki.  Iwation-icNoin'how  (geb.  1744,  gest.  1818), 
ein  kenntnissreicher,  unermüdet  thätiger  Patriot,  belebte 
den  russischen  Buchhandel,  beförderte  die  Herausgabe 
vieler  wichtigen  Werke,  war  selbst  ein  geschickter  Schrift- 
steller: Opyt  istoric.  slowarja  o  ross.  pisateljach,  S.  P. 
772.,  Drewnaja  ross.  biblioth.,  S.  P.  773  —  75.  10  Bde. 
fortges.  eb.  786  —  93.  9  Bde.;  verschiedene  Journale 
von  1769  —  82.  —  Was.  Grigorjewic  Rnhan,  ('olle- 
gienr.  und  Ritter  (geb.  1739,  gest.  1795),  redigirte  meh- 
rere Journale,  gab  eine  Sammlung  von  Inschriften  771., 
eine  Beschreib,  von  Kleinrussl.  S.  P.  773.  777.,  von  Mos- 
kau 782.  u.  m.  a.  heraus.  ^) 

§.  10. 

Dritte    Abtheilung.     Das    Zeitalter    Alexanders,    oder  von 
Karamzin  bis  auf  unsere  Zeiten. 

Die  Regirungszeit  Alexanders,  durch  glänzende  Besie- 
gung des  Feindes  der  Ruhe  von  Europa  im  Auslände  ver- 
herrlicht, macht  im  Innern  des  Landes  eine  neue  Epo- 
che der  Nationalcultur.  Ks.  Alexander  I.  sah  gleich  im 
Anfange  seiner  Regirung  die  Aufklärung  der  Nation  für 
den  wichtigsten  Theil    der   Wolfahrl  des  Reichs  an,  und 

-)  N.  Grec  opyt  ist.  rusk.  liter.  S.  129  fi". 


175 

liberlnig  die  Sorüje  dafiir  eiiiein  eia^cncn  Minislerimn  1802 
(1816  mit  dem  Miiiisleriiim  des  Ciiltns  vereinigt),  dem 
idle  Lehr-  und  Bildiini;.sans(alteii  Husslaiids  (die  tlieolo- 
i>ischen,  militärisclien  «md  metalhirgisclieii  ,  ferner  die 
unter  der  Special fMrsore;e  der  Ksn.  Maria  Tlieodorowna 
stellenden  ausgenommen),  unterüjeordnet  wurden.  Mit 
Begniiidungj  der  Universitäten  (deren  es  jetzt  7  sjibt  : 
S.  Petersburü^.  Moskau,  Dorpat,  Wilna,  Charkow.  Abo 
und  Kazanj,  ging  ein  neues  Licht  im  Osten  Europas 
auf,  dessen  Glanz  kein  Freund  der  Finsterniss  mehr  zu 
trrd)en  vermag.  Diess  gehört  unter  allem  Grossen  mit 
zu  dem  Grössten,  was  Kussland  seinem  gesegneten  Ale- 
xander verdankt.  Wie  viel  die  übrigen  Lehr-  und  Bil- 
dungsanstalten Russlands,  als  die  Gouvernementsschulen 
oder  Gymnasien,  die  Kreisschulen,  die  Pfarr-  oder  Kirch- 
spielschulen.  die  vier  theologischen  Akademien  mit  36 
Eparchialseminarien  und  mehreren  kleinern  Schulanstal- 
ten u.  s.  w.  zur  Verbreitung  nützlicher  Kenntnisse  und 
moralischer  Bildung  beitragen,  ist  an  sich  klar.  Dem 
Beispiele  des  Monarchen  folgend,  errichteten  einzelne 
begüterte  Patrioten  oder  Gemeinden  verschiedene  Lehr- 
anstalten in  den  Gouvernements-  und  Kreisstädten.  Es 
bildeten  sich  mehrere  neue  gelehrte  Vereine,  von  denen 
die  meisten  mit  den  Sammlungen  ihrer  literarischen  Ar- 
beiten die  vaterländische  Literatur  bereits  bereichert  ha- 
ben. (Vgl.  §.  7).  Nicht  minder  vortheilhaft  wirkte  auf 
die  Aufklärung  der  Nation  die  zweckmässigere  Gestal- 
ttnig  der  seit  1797  vernachlässigten  russischen  Akademie 
für  Vervollkommnung  der  Sprache  und  Geschichte  1801,^) 

1)  Zu  den  vorzüglichsten  Beschäftigungen  dieser  Akademie  gehört 
die  Untersuchung  der  Grundsätze  der  Etymologie,  als  Grundlage  eines  von 
derselben  beabsichtigten  vollständigen  etymologischen  Wörterbuchs  der  sla- 
wisch-russischen Sprache.  Als  Probe  dieser  Arbeiten  erschienen  seit  1819 
vom  Hrn.  Min.  u.  Adm.  Siskow  etymologische  Tabellen,  die  in  aufsteigender  Li- 
nie die  Elemente  der  Sprache  bis  auf  die  einfachsten  Grundlaute  zurück- 
führen, und  wobei  sich  öfters  erweist,  dass  aus  einer  einzigen  Wurzel  über 
L'OOO  Wörter  abgeleitet  werden  können.  Der  Druck  des  etymologischen  Wör- 
".t^rbuchs  nach  diesem  Plan  hat  unter  Mitwirkung  und  Theilnahme  aller 
Glieder  der  Akademie  bereits  begonnen.  Dieselbe  Akademie  hat  auch  Ue- 
borsetzungen  mehrerer  schätzbaren  Werke  der  altern  und  neuern  Literatur 
veranlasst  und  herausgegeben,  z.  B.  der  i-ömischen  Geschichte  des  Livius, 
Tasso's  befreit.  Jerusalem,  (Brosses)  traite  mecanique  u.  s.  w.  Das  grosse 
alphabetisch  geordnete  Wörterbuch  der  russ.  Sprache  ist  von  ihr  neuerdings 
1822  in  6  Quartanten  besorgt  worden ;  aber  auch  die  Herausgabe  von  Wör- 


176 

das  Ceiiscirgesetz  1804,  die  Eröffnung  der  kais.  Biblio- 
thek in  S.  P.  1811,  die  Errichtung  der  Lehrkanzel  für 
morgenländisciie  Sprachen  in  S.  P.  1818;  um  andere, 
innuittelbar  hieher  nicht  gehörende  Ansialten  und  ihr 
iülgenreiches  Wirken,  worunter  die  russische  Bibelge- 
sellschaft beachtenswerth  ist^),  zu  übergehen.  Was  in 
dem  Geiste  des  hochherzigen  Regenten  Russlands  einzel- 
ne Grosse  des  Reichs  für  die  Nationalliteratur  bis  jetzt 
gewirkt  haben,  und  nocii  fortwirken,  diess  auszuführen 
ist  hier  der  Ort  niclit.  Wem  ist  der  Name  des  grossmü- 
thigen,  allgemein  geachteten  Beschützers  der  Wissen- 
schaften, des  Reichskanzlers  Grafen  Rumjancow  unbe- 
kannt? Was  er  für  das  Gedeihen  der  Nationalliteratur 
gethan,  wird  noch  die  späteste  Nachwelt  gewiss  mit  be- 
sonderem Danke  anerkennen.  Wichtig  ist,  vorzüglich 
für  den  russischen  Geschichtforscher,  seine  Bibliothek 
in  S.  Petersburg,  die  bereits  gegen  40,000  Bde.  zählt. 
Hiernächst  sind  des  patriotisch  gesinnten  Grafen  Tolstoj 
Bemühungen  mit  Aclitung  zu  nennen,  dessen  Bücher- 
sammlung in  Moskau  vorzüglich  reich  an  altern  Dru- 
cken und  Msc.  ist.  —  Gegen  das  Ende  des  XVIII.  Jahrb. 
begann  in  Moskau,  der  Mitte  dei<  Landes,  wo  das  rein- 
ste, regel massigste  Russisch  gesprochen  wird,  die  leichte 
didaktische  russische  Prosa  sich  zu  entwickeln.  Karam- 
zin  ist  der  Schöpfer  dieser  neuen,  jetzt  allgemein  herr- 
schenden russischen  Prosa.  Er  zog  den  französisch-eng- 
lischen Periodenbau  dem  griechisch-lateinischen  in  der 
russischen  Sprache  vor,  und  befreite  dieselbe  von  den 
schwerfälligen  Fesseln,  in  die  man  sie  zeither  geschlagen 
hat.  Nur  in  der  Dichtkunst  wollte  er  ihr  die  Freiheiten 
der  alten  Sprachen  lassen;  in  der  didaktischen  Prosa 
hingegen  drang  er  auf  die  den  neuern  europäischen  Spra- 

terbüchern  anderer  verwandten  Mundarten  beabsiclitigt  sie.  Noch  ist  die 
Unterstützung,  die  sie  andern  Schriftstellern  und  ihren  Arbeifen  werden 
lässt,  zu  rühmen.  Sie  gibt  heraus :  Izwjestija  ross.  akad.  bis  823  XI  Hfte., 
und  SoCinenija  i  perewody,  bis  823.  7  Bde. 

-)  Die  russ.  Bibelgesellschaft  hat  im  Einverständniss  mit  den  obern 
geistlichen  Behörden  darauf  Bedacht  genommen,  der  altslav.  Version  eine 
neuruBs.,  aus  jener  gemachte,  an  die  Seite  zu  stellen.  Das  N.  T.  war  bereits 
1822  vollendet.  Später  hat  der  Kaiser  den  Druck  der  russ.  Bibel,  auch  ohne 
beigefügten  altslaw.  Text,  vornehmlich  fiu-  Schulen,  erlaubt.  S.  ISter  Be- 
richt der  Bibeiges.  822.  —  Lpz.  Lit.  Z.  823.  No.  110.  Lpz.  Rep.  d.  Lit. 
823.  No.  14. 


177 

dien  eig,eno  logischo  Fiin^iiii^  der  Woric  und  Sätze,  Al- 
lein was  er  mit  Einsieht  in  das  Wesen  der  Sprache  und 
mit  l  insicht  »ethan,  das  ühertriehen  seine  zahllosen  Nach- 
ahmer, die  nur  die  scliwache  Seite  ihres  Vorbildes  a«if- 
gefasst  haben.  Indem  man  den  griechisch  -  lateinisciien 
Periodenbau  verbannen  wollte,  hielt  man  otFenbare  Gaj- 
licismen  in  der  russischen  Sprache  nicht  nur  für  erlaubt, 
sondern  sogar  lur  nothwendig  ■^).  Schon  war  das  Ue- 
bergewicht  des  Gallicismus  in  derselben  beinahe  entschie- 
den, und  der  Nationalstyl  drohte  von  seiner  Reinheit  zu 
einem  leichtfertigen  ,  oberllächlichen  ,  dem  Slawismus 
fremden  Sprachhunzen  herabzusinken,  als  noch  zu  rech- 
ter Zeit  Hr.  Admiral  u.  Minister  Siskow,  Präsident  der 
russischen  Akademie,  mit  seiner  gehaltreichen  Schrift: 
Kasuzdenije  o  starom  i  nowom  slogje  1803  (womit  sein 
Pribawlenije  1804  zu  verbinden  ist),  auf  den  Geist  der 
Schriftsteller,  und  liiemit  auf  den  Gang  der  Sprachbil- 
dung und  Literatur  sowol  kräftig  als  wolthätig  einwirkte. 
Bald  darauf  erschien  das  Werk  des  Hrn.  Stanjewic:  Ka- 
suzdenije 0  ruskom  jazykje  1^808,  worin  in  Bezug  auf 
die  obige  Schrift  des  Hrn.  Siskow  die  Mittel  und  der 
Gang  der  Sprachbildung  überhaupt,  und  der  russischen 
ins  Besondre  mit  Scharfsinn  und  Kritik  geprüft  und  be- 
leuchtet werden.  Genannte  Schriften  weckten  den  For- 
schungsgeist  der  Russen ;  die  Lust  und  Liebe  zur  fernem 
Reinhaltung  und  Gestaltung  der  Landessprache  nimmt 
bei  den  einheimischen  Schriftstellern  mit  jedem  Jahre  zu. 
Der  Streit  der  Petersburger  und  Moskauer  Partei  scheint 
soweit  beigelegt,  und  die  leichte  Prosa  Karamzins  hat 
über  Sumarokows  und  Trediakowskijs  Slaweno-Russismus 
für  jetzt  den  Sieg  getragen.  —  Während  Karamzin  die 
russische  Prosa  bearbeitete ,  gewann  die  Sprache  der 
Dichtkunst  unter  der  schöpferischen  Hand  Dniitrijews, 
Ozerows,  Krylows,  Zukowskijs  und  Batuskows  eine  ganz 

^)  Sehr  charakteristisch  sind  die  Worte  eines  Ungenannten  in  dem 
Sorewnowatelj  proswjescenija,  823.  1  Hft.  S.  101,  der  bei  Gelegenheit  der 
Revision  eines  Aufsatzes  über  die  Gesch.  der  russ.  Liter,  von  A.  Bestuzew 
in  der  roljarnaja  zwjezda  823,  das  Urtheil  Bestuzews  über  Karamzin:  „Ka- 
ramzin blesnul  na  horizontje  prozy,  podobuo  radugje  poslje  potopa",  durch 
folgende  ersetzen  zu  müssen  glaubt :  „Karamzin ,  liak  blagotwornaja  rosa, 
o2iwil  suchoje  polje  nasej  prozy;  no  wrazdebnyj  wjetr  nagnal  tuci  wjalych 
podrazatelej  —  i  oni  zatopili  eto  polje". 


178 

neue  Gestalt.  Die  russische  Metrik  fand  an  Wostokow 
einen  neuen,  genialen  Bearbeiter;  Wojejkow  und  Gnje- 
dic  nahmen  sicli  der  altclassischen  Versinaasse  mit  an- 
scheinendem   Glück  an  ^}.     Auch    der    höhere  Geschäfts- 


*)  Der  russ.  Versbau  hielt  nicht  immer  gleichen  Schritt  mit  der  russ. 
Dichtkunst.  Hr.  Wostokoiv  unterscheidet  in  der  russ.  Verskunst  vier  Gat- 
tungen :  1.)  die  numerösen  Nationalgesänge  oder  die  Volkspoesie ;  2.)  die 
quantitirende  Prosodie  Smotriskijs ;  3.)  die  franz. -polnische  Reimpoesie; 
und  4.)  die  accentuireude  Prosodie  Lomonosows  und  seiner  Nachfolger.  Die 
russ.  Volkspoesie  hatte  eine  selbständige  Form  bis  auf  Peter  den  Gr.  und 
Lomonosow,  nach  welcher  Zeit  dieselbe  durch  den  Einfluss  von  Sumaro- 
kows,  Popows,  Neledinskijs  und  Dmitrijews  Gedichten  auf  den  Volkston 
eine  bedeutende  Veränderung  erlitt.  Der  Versbau  in  den  alten,  aus  der 
Periode  vor  Peter  dem  Gr.  herrührenden  Gesängen  ist  originell.  Ihnen  ist 
der  Reim  noch  fremd,  und  der  Numerus  wird  durch  den  Ton  (ictus,  uda- 
renije)  bewirkt.  Der  russ.  Vers  zerfällt  in  den  lyrischen  (piesennyj),  wel- 
cher den  Liedern,  und  epischen  (skazocnyj),  welcher  den  erzählenden  Ge- 
dichten eigen  ist.  In  beiden  ist  der  Pyrrhich  vorherrschend ;  in  beiden  kom- 
men nicht  über  2  —  3  durch  den  Ictus  bestimmte  Längen  vor.  Der  Unter- 
schied beider  besteht  darin,  dass  die  Ictus  des  erstem  unbeweglich,  die  des 
letztern  hingegen  beweglich  sind.  Die.ser  entspricht  völlig  dem  griechischen 
Hexameter.  Ob  das  Gedicht  Igor  in  Versen  oder  Prosa  geschrieben  sey,  lässt 
Hr.  Wostokow  dahin  gestellt  seyn,  glaubt  aber  doch,  dass  es  sich  leicht 
und  mit  Nutzen  in  Verszeilen  theilen  Hesse.  —  Mel.  Smotriskij,  sagt  Hr. 
Wostokow  weiter,  versuchte  (Gramm.  1619)  der  erste  die  griech.  Prosodie 
auf  das  Kirchenslawische  zu  übertragen,  sey  es,  dass  dieses  damals  dafür 
empfänglicher  gewesen,  als  jetzt,  oder,  wie  Hr.  Wostokow  meint,  aus  Un- 
bekanntschaft mit  dem  Geiste  dieser  Sprache  —  was  man  daraus  ersehe, 
weil  er  keine  Nachfolger  hierin  gefunden  (!)  ("Und  doch  war  Smotriskij 
auf  dem  richtigen  Weg,  die  slawische  Prosodie  nach  dem  natürlichen  Zeit- 
verhalt der  Sylben,  nicht  nach  dem  ihr  fremden  Tone,  zu  begründen.  Vgl. 
§.  4.  Anm.  7.  Gesteht  doch  Hr.  Wostokow  selbst,  dass,  trotz  seiner  Be- 
hauptung, die  russ.  Sprache  habe  keine  gedehnte  Sylben,  die  russ.  Bauern 
in  Archangel,  in  Sibirien,  in  der  Ukraine,  die  Vocale  vielfach  dehnen  und 
Spondäen  haben,  ja  dass  selbst  der  gebildete  Moskauer  od.  S.  Petersburger 
Russe  im  recitirenden  Vortrag  gewisse  Sylben  lang,  andere  kurz  ausspreche. 
Wenn  die  russ.  Grammatiker  und  Dichter  in  der  Lehre  vom  russischen  Ton 
und  Zeitmaass  nicht  zu  helleren  Begriffen  gelangt  sind,  als  die  Hrn.  Do- 
browsky,  Puchmayer  und  Negedly  in  der  vom  böhmischen,  so  steht  es 
schlecht  um  unsere  slaw.  Verse  —  und  Ohren.)  Etwa  150  Jahre  nach  Smo- 
triskij verfiel  Trediakowskij  auf  den  Gedanken,  russ.  Hexameter  zu  machen. 
Ihm  folgte  Sumarokow,  und  übersetzte  zur  Probe  Bruchstücke  aus  der  Tele- 
machide.  Noch  schrieben  N.  N.  Murawjew  (M.  776),  und  W.  G.  Ruban 
(Virg.  Ekl.  Tityr  793)  in  diesem  Jahrh.  Hexameter.  Galinkowskij  übers, 
die  schon  einmal  versuchte  Ekl.  Virgils  (813) ;  Wojeikow  gab  Bruchstücke 
aus  Virgils  Georg.  (816)  heraus,  und  N.  J.  Gnjedic  wagte  sich,  auf  S.  S. 
Uwarows  Antrieb ,  an  den  Homer.  Aber  alle  diese  nahmen  den  Ton  als 
obersten  Grundsatz  der  Quantität  an,  und  lieferten  bisweilen  ßfüssige  He- 
xameter, noch  dazu  tüchtig  mit  Trochäen  durchspickt.  (Kein  Wunder, 
dass  bei  solcher  unhellenischen  Handhabung  der  Verskunst  die  zartgebaute 
griech.  Kalliope  in  dem  rauhen  germanischenTonkürass  hei  gebildeten  Na- 
tionalen wenig  Glück  machte.  Griechische  Formen  wollen  durchaus  nach 
den  Grundsätzen  der  griech.  Prosodie  und  Metrik  behandelt  seyn.)  —  Die 
ersten  Reime  in  Russl.  erschienen  in  Skorina's  Hiob  Prag  517.  und  in  der 
Ostroger  Bibel  581.  von  Geras.  Danilowiö.  Auf  diese  folgt  Sergej  Kubasow, 
Vf.  eines  Chronographen.  Durch  die  Vermischung  der  Russen  in  Klein-  und 
Weissru.'.sland  mit  den  Polen,  gelangte  die  poln.  Reimkunst,  die  selbst  der 


i^9 

und  Kaiizleislyl  wurde  iinlor  Alexander  j»edrtingter  und 
gesclnneidit>er.  Die  Tlieorie  der  Spraclie  gewann  durch 
die  graininatijscli-lexicalischen  Arbeilen  der  russischen 
Akademie  und  der  Hrn.  Wostokow,  Sokolow  ,  Born, 
Nikoljskij,  Heyiu.  Vater,  Linde,  Taj)pe ,  Puchmayer. 
Mit  ästhetischer  Kritik  beschäftigten  sicli  die  Hrn.  Siskow, 
Makarow,  Martynow,  Merzljakow  und  Ostolopow,  mit 
der  Bibliographie  inid  Literaturgeschichte  die  Hrn.  Ew^- 
genij,  Sopikow,  Anastasewic,  Grec,  Certelew.  Die  Mos- 
kauer Universität  war  von  jeher  die  Pflanzschule  der 
russischen  Dichter  und  Redner.  Im  J.  1791  und  1792 
gab  Karamzin  in  Verbindung  mit  Clieraskow,  Derza- 
win  und  Dmitrijew  daselbst  ein  literarisches  Journal  her- 
aus, und  brach  der  neuern  Prosa  die  Bahn.  Im  J.  1802 
redigirte  er  den  Wjestnik  Ewropy,  der  nicht  wenig  zur 
Verbreitung  nützlicher  Kenntnisse  und  Verfeinerung  des 
Geschmacks  beitrug.  Im  J.  1803  erschienen  die  Tragö- 
dien Ozerows,  1805  die  Gedichte  Zukowskijs  und  Batus- 
kows,  und  zeigten  die  russische  Poesie  in  einem  neuen, 
schöneren  Liciite.  In  ihren  Werken  verklärte  sich  die 
russische  Muse,  und  die  erkünstelte  Empfindelei  vieler 
ihrer  Vorgänger  wich  hinfort  vor  der  wahrhaften  Begei- 
sterung für  höhere  Ideale  und  reinere  Formen.  Das  Stu- 
diuai  der  griechischen  und  römischen  Classiker,  dieser 
unverwelklichen  Muster  der  vollendetsten  Schönheit  und 
Erhabenheit,  erwachte  unter  den  gebildeten  Nationalen, 
und  wirkt  folgenreich  auf  die  Gestaltung  des  Xationalge- 

elenden  französischen  nachgeäfft  ist,  nach  Russlaud,  und  beherrschte  100 
Jahre  lang  den  russischen  Helikon.  Der  Metrop.  Peter  v.  Mogila  bahnte  ihr 
den  Weg  1,629)  und  S.  Polockij  brachte  sie  in  Schwung  (wjenec  670,  rhyth- 
mologion  678.)  Männer  eines  bessern  Schicksals  werth,  wie  Theophan, 
Kantemir,  Buslajew,  haben  an  diesem  Kliugklang  ihre  Federn  stumpl  ge- 
schrieben. —  Lomonosow  bestimmte  die  Längen  und  Kürzen  nach  dem  Ton 
(die  Gehobene  Sylbe  gilt  lana,  die  gesenkte  kurz,  wie  bei  den  Teutschen), 
wobei  er  nicht  so  auf  die  Natur  der  Sprache,  als  vielmehr  auf  den  teut- 
schen und  franz.  Gebrauch  Rücksicht  nahm.  Sein  und  Cheraskows  und  Pe- 
trows  Beispiel  half  den  Afüssigen  Jamben  {lurisches  Maass)  und  den  6- 
füssigen  Alexandrinern  {episches  Maass)  auf  die  Beine.  Später  führten 
Derzawin,  Dmitrijew  und  Karamzin  die  Verskunst  auf  einheimische  For- 
men, doch  mit  Beibehaltung  des  Tongruudsatzes,  zurück,  und  Wostokow 
suchte  dem  freien  Numerus  der  alten  Volkslieder  in  Verbindung  mit  Vers- 
maassen  neuerer  Art  in  der  höhern  Poesie  Eingang  zu  verschaffen.  Vgl. 
Trediakou'skij  o  drewnem,  srednem  i  nowom  stichoslozenii  ross.  775.  Eb. 
Kratkaja  rusk.  prosodia  M.  798.  8.  —  A.  Wostokoiv  opyt  o  rusk.  stichoslo: 
zenii,  812.  817.  8.  —  J.  Rizskij  nauka  stichotworstwa.  S.  P.  811.  8.  — 
Fürst  N.  Certelew  opyt  obscich  prawil  stichotworstwa,  S.    P.820. 

12* 


180 

schiuacks.  Nur  eine  kurze  Zeit  verduukeiteii  die  Ivriegs- 
wolkeii  1812  -  13  den  heitern  Himmel  Russlands,  um 
einen  desto  fröhüchern  Tag  lierbeiznfüliren.  Die  meisten 
Schriftsteller  Russlands  ergriffen  das  Schvverdt  zur  Ver- 
theidigung  des  Vaterlandes,  und  kehrten  lorbeerbekränzt 
in  den  Dienst  der  Musen  zurück.  —  Die  geistliche  Be- 
redsamkeit gedieh  zu  einer  höhern  Stufe  der  Vollen- 
dung; Philarets  und  Ambrosius  salbungsvolle  Reden  zei- 
gen sie  in  iln-em  höclisten  Glänze ;  die  russische  Geistlich- 
keit bereicherte  mit  zahlreichen  Werken  die  vaterländi- 
sche Literatur.  —  Durch  des  grossen  Schlözer  energisches 
Einwirken  auf  das  russische  Geschichtsstudium  erwachte 
die  historische  Kritik  in  Rnssland;  Karamzins  neueste 
russische  Geschichte,  ein  National  werk,  dem  er  beinahe 
die  Hälfte  seines  Lebens  gewidmet  liat,  ist  die  herrlich- 
ste Frucht  dieser  Kritik.  Noch  glänzen  auf  der  Bahn  der 
Erforschung  der  vaterländischen  Geschichte  in  allen  Be- 
ziehungen die  Namen:  Ewgenij,  .loh.  Potocki,  Sestren- 
cewic,  Musin  -  Puskin,  Bantys  -  Kamenskij,  Malinowskij, 
Kacenowskij ,  Timkowskij  ,  Buturlin ,  Richter,  Glinka. 
Ewers,  Krug,  Lehrberg,  x\dehn)g ,  Wichmann,  Kop- 
pen u.  m.  a.,  und  als  Statistiker:  Storch,  Hermann,  Zjab- 
iowskij  u.  m.  a.  —  Das  russische  Theater  verdankt  in 
den  neuesten  Zeiten  seine  Vervollkommnung  dem  Für- 
sten Sachowskoj. 

Aus  dem  grossen  Gebiet')  der  russischen  Litera- 
tur in  diesem  Zeitabschnitt  wird  es  für  unsern  Zweck 
hinreichend  seyn,  einige  vorzüglichere  Nationalschrift- 
steller nahmhaft  zu  machen.  Niklas  Micliajlowic  Karxwt- 
zin,  kais.  Historiograph,  wirkl.  Staalsr.  u.  Ritter,  Mitgl. 
mehrerer  gel.  Gesellsch.  (geb.  1765),  weihte  sich  von 
Jugend  auf  dem  Dienste  der  vaterländischen  Musen,    re- 

•')  In  welchem  Verhältniss  die  Verbreitung  der  gelehrten  Bildung  in 
Russland  steigt,  mag  das  einzige  Beispiel  der  Zahl  in  russ.  Sprache  geschrie- 
bener Werke  zeigen.  Im  J.  1787  zählte  man  deren  4000,  und  mehr  als 
das  Doppelte  (8000)  sollte  lb20  die  Nationalliteratur  besitzen.  Im  J.  1822 
rechnete  nian  .350  lebende  Schriftsteller,  die  meisten  aus  dem  Adel,  Vs  3,us 
der  Geistlichkeit.  In  Ab.sicht  der  Liti'ratur,  d.  i.  der  Menge,  dem  Umfange 
und  der  Vorzüglichkeit  origineller  Geisteswerke  der  letztern  Jahrb.  steht 
Piussl.  andern  europ.  Nationen,  namentlich  den  Teutschen,  Franzosen  und 
Engländern  (nicht  aber  den  Ungern,  wie  Vater  in  s.  russ.  Leseb.  S.  10. 
irrig  behauptet),  freilich  weit  nacli.  Aber  nicht  die  Schuld  der  russ  Spra- 
che ist  es,  dass  ihre  Liter,  noch  hinter  diesen  zurücksteht,  auch  nicht  die 
Schuld  des  jetzt   lel)enden   Geschlechts,  unt(!r  welch(;m  sich  reger  Eifer  für 


181 

digirte  in  den  J.  1792  —  803.  die  Zeitschriften  :  Mos- 
kowskij  zumal,  Aglaja ,  Aonidy,  Pantheon  inostrannoj 
slowesnosti  und  Wiestnik  Evvropy,  gab  1804  s.  sämnitl. 
kl.  Schriften  heraus,  3  A.  820.  0  Bde.,  enthaltend  Ge- 
dichte, Briefe,  Erzählungen,  Heden.  Biographien  und 
historische  Bruchstücke;  er  übersetzte  die  Erzählungen 
Marmontels  M.  794.  815.,  der  Frau  Genlls  M.  816,  ver- 
schiedener Vir.  iM.  816.;  s.  Hauptwerk  ist:  Istorija  go- 
sudarstwa  Rossijskago,  S.  P.  816  —  18.  8  Bde.,  2  Ä.  819- 
23.  11  Bde.,  reicht  bis  1606  hin,  und  wird  fortgesetzt, 
teutsch  Higa  823.  6  Bde;  die  Schriften  Ä.  machen  nach 
Stoff  und  Form  Epoche  in  der  russischen  Literatur,  s. 
Prosa  ist  rein,  fliessend,  lebendig,  mit  einem  Wort  mu- 
sterhaft; s.  Poesien  sind  tief  geschöpfte  Gedanken  eines 
Weisen  in  das  lieblichste  Gewand  der  Phantasie  gehüllt; 
kein  Schriftsteller  Russlands  hat  so  vielfach,  wie  er,  auf 
seine  Zeitgenossen  gewirkt.  —  Iwan  Iwanowic  Dnntri- 
jew,  wirklicher  geh.  Rath  und  Ritter,  Mitgl.  mehrerer 
gel.  Gesellsch.  (geb.  1760),  schrieb  Episteln,  Satyren 
Fabeln,  Erzählungen,  Lieder  (nid  Epigramme ,  sämmtl. 
Sehr.  M.  795.  6  A.  822.  3  Bde.;  in  s.  Gedichten  sprechen 
sich  Verstand  und  Herz  auf  eine  sinnige,  einfach  edle 
Weise  aus,  der  Versbau  ist  kunstlos,  dabei  doch  regel- 
mässig. —  31tch.  Nikilic  Aliirawjeiv  aus  Smolensk,  geh. 
Rath,  Senator,  Curatur  der  Mosk.  Univ.,  Ritter  u.  Mitgl. 
mehrerer  gel.  Gesellsch.  (geb.  1757,  gest.  1807),  schrieb 
als  Erzieher  der  Grossf.  von  Russland  verschiedene  Wer- 
ke pädagogischen,  moralischen,  historischen  und  ästhe- 
tischen Inhalts,  die  alle  durch  Adel  der  Gesinnung,  Tiefe 
des  Gefühls,  Schärfe  der  Gedanken  und  Vollendung  der 
Sprache  das  Gepräge  des  Classischen  tragen;  sie  erschie- 

die  Wissenschaften  über  weit  von  einander  entlegene  Theile  des  grossen 
Reichs  verbreitet  hat ;  auch  nicht  die  Schuld  der  Männer,  welche  schon  vor 
einem  halben  Jahrb..  und  welche  in  grösserer  Anzahl  jetzt  Geist,  Urtheil 
und  Witz  mit  einer  vertrauten  Kenntniss  ihrer  Muttersprache  verbinden. 
Wie  Aeste  vom  Stamme,  so  gehen  die  Bestrebungen  der  Schriftsteller  einer 
•  sich  in  dieser  Hinsicht  erhebenden  Xation  von  frühem  aus ;  erst  mit  ihrer 
Zertheilung  in  recht  viele  Zweige  wächst  ihr  Umfang,  der  Früchte  ihrer 
Blüthen  werden  mehrere,  und  so  streut  sich  immer  mehr  Saamen  aus,  für 
die  kommenden  Geschlechter.  Mit  Recht  sagt  daher  Wachler  (Handb.  d. 
lit.  Cult.  2  B.  S.  803) :  „Russlands  politisches  Uebergewicht,  verbunden 
mit  dem  Emporstreben  der  Nation  zur  höhern  Civilisation ,  lässt  ahnen, 
dass  im  nächsten  Jahrb.  eben  so  viele  russ.  Sprachmeister,  als  jetzt  fran- 
zösische, in  Eur.  Beschäftigung  haben  können." 


182 

neu  zuerst  einzeln  789  —  810,  gesainm.  S.  P.  820.  3  Bde. 
--  Wladitnir  üexandrowic  Ozerow^  Gen. -Major  ii.  Rit- 
ter, Ehrenmitgl.  melirerer  «jel.  Gesellsch.  (geb.  1770, 
gest.  1816),  schrieb  Tranerspiele  im  alexandrinischen 
Versmaass  (Smert*  Olega ,  Oedip  w  Athinacli,  Fingal, 
Dimitrij  Donskoj  und  Polyxena),  nebst  einigen  lyrischen 
Gedichten;  übersetzte  Colardeau\s  Epistel  der  Heloise  an 
Abelard;  säinintl.  Sehr,  vom  Fürsten  P.  A.  Wiazemskij 
S.  P.  818.  2  A.  824.  2  Bde.;  als  Tragiker  ragt  er  durch  Ori- 
ginalität, Würde  und  Fülle  der  Gedanken,  durch  mei- 
sterhafte Situationen  hoch  über  seine  Vorgänger  u.  Zeit- 
genossen hinaus,  und  macht  Epoche  auf  dem  russischen 
Theater ;  s.  Versbau  ist  zuwejlen  ungleich,  schwerfällig, 
hart.  -  Alex.  Seinenowir  SisJxOiv,  Admiral  und  Ritter 
verschiedener  Orden,  [Minister  des  Cultus  und  der  Auf- 
klärung, Präsident  der  russischen  Akad.  und  Mitgl.  meh- 
rerer gel.  Gesellsch.  (geb.  1754),  nimmt  eine  der  er- 
sten Stellen  unter  den  vaterländischen  Schriftstellern  u. 
Forschern  ein;  in  den  Jüngern  .Jahren  übers,  er  Campe's 
Kinderbibl.  N.  A.  S.  P.  808.  2  Bde.;  Gessners  Daphnis; 
schrieb  kleinere  Gedichte  u.  ein  Drama:  Newoljnicestwo; 
darauf  widmete  er  sich  dem  Seedienst,  übers,  und  ver- 
fasste  mehrere  Werke  aus  diesem  Fach  :  Morskoje  iskustwo, 
von  Ch.  Romme,  S.  P.  795.  2  Bde.;  Trejazycnyj  morskij 
slowar,  engl,  franz.  russ.,  S.  P.  795.  2  Bde.,  Sobranije 
morskich  zurnalow,  S.  P.  800.  2  Bde.,  Istor.  spisok  ko- 
rabljom  u.  m.  a. ;  zuletzt  verlegte  er  sich  auf  Philologie 
und  ästhetische  Kritik:  Rasuzdenije  o  starom  i  novom 
slogje  ross.  jazyka,  S.  P.  802.  2  A.  813.  3  A.  818.,  Pri- 
bawlenije  k  socin.  o  starom  i  novvom  slogje  r.  j.  S.  P. 
804. ;  Perewod  dw  uch  statej  iz  Laharpa,  S.  P.  808.,  Raz- 
gowory  0  slowesnosti,  S.  P.  811.,  Pribawlenija  k  raz- 
gow.  0  slowes.,  S.  P.  811.,  noch  übers,  er  Tasso's  be- 
freites Jerusalem  in  Prosa  aus  dem  Ital.  S.  P.  818.  2  Bde., 
und  Hess  mehrere  philol.  Abhandl.  in  den  Nachrichten 
der  russ.  Akad.  drucken.  —  Ainbrosij  Podohjedow,  Me- 
trop.  von  Xowgoiod,  Mitgl.  der  h.  Synode  und  Ritter 
mehrerer  Orden  (geb.  1742,  gest.  1818),  ist  Yf.  von 
Rukowodstwo  k  cteniju  Sw.  Pisanija,  M.  779.  2  A.  S. 
P.  803.,    Sobranije    pouciteljnych    slow,  2  A.  M.  816.  3 


183 

Bde.,  Sobranije  rjecej,  M.  810.  818.  —  Mick.  Desnickij, 
Metrop.  von  Nowgorod,  S.  Petersburg,  Estland  ii.  Finn- 
land, mehrerer  Orden  Kitter,  Mitgl.  der  h.  Synode  (geb. 
1752,  gest.  1821),  s.  Reden  erschienen  unter  d.  T.  ßes- 
jedy  w  raznych  miestach  i  vv  raznyja  wremena  goworen- 
nyja,  S.  P.  816  —  20.  10  Bde.  —  PhüareJ  Drozdoiv  aus 
Rolomna ,  Erzb.  von  Moskau  und  Koloiima ,  mehrerer 
Orden  Kitter,  Mitgl.  der  h.  Synode,  der  russ.  Akad.  und 
mehrerer  gel.  Gesellsch.  (geb.  1782),  schrieb:  Razgowory 
0  prawoslawii  Greko  -  ross.  Cerkwi,  S.  P.  815.,  Na- 
certanije  cerkowno  -  biblejskoj  istorii,  S.  P.  816.  819., 
Zapiski  na  knigu  Bytija ,  S.  P.  816.  819.,  Pouciteljnyja 
slowa,  S.  P.  820.  u.  m.  a.  -  Anibrosij  Proiasotv,  Erzb. 
von  Kazan  und  Simbirsk,  Ritter  (geb.  1769),  Hess  mehre- 
re gediegene  Reden  in  verschiedenen  periodischen  Schrif- 
ten drucken.  —  Ewgenij  Bolchotvih'noiv,  Metropol.  von 
Kiew,  mehrerer  Orden  Ritter,  Mitgl.  der  russ.  Akad. 
und  mehrerer  gel.  Gesellsch.  (geb.  1767),  einer  der  ge- 
achtetsten  vaterländischen  Forscher,  gab  ausser  mehre- 
ren, in  verschiedenen  Zeitschriften  zerstreuten  Abhandl. 
historischen  und  kritischen  Inhalts,  ausser  den  Schriften 
des  Tychon  Zadonskij  S.  P.  799.,  des  Bisch.  Innocentius, 
Woronez  799.,  des  Metrop.  Ambrosius  M.  810.,  und  aus- 
ser einigen  theol.  und  histor.  Werken  mindern  Umfangs 
folgendes  wichtige  Werk  heraus:  Slowar  istoriceskij  o 
bywsich  w  Rossii  pisateljach  duchownago  cina  Greko-ros- 
sijskija  Cerkwi,  S.  P.  818.  2  Bde.  8.  —  Stanislaw  Se- 
strencewic  Bogtis,  Metrop.  der  röm.-kath.  Kirche  in  Russl., 
mehrerer  Orden  Ritter,  Mitgl.  der  russ.  Akad.  und  meh- 
rerer gel.  Gesellsch.  (geb.  1731)  ist  Vf.  von  Istorija  o 
Tawrii,  S.  P.,  806.  2  Bde.,  Izsljedowanije  o  proischoz- 
denü  rusk.  naroda,  S.  P.  816.  — hvan  Andrejewic  Kry- 
low  aus  Moskau,  kais.  Bibliothekar,  Hofr.  und  Ritter, 
Mitgl.  der  russ.  Akad.  u.  s.  w.  (geb.  1768),  der  originellste 
Fabeldichter  Kusslands,  schrieb  auch  Lustspiele  u.  Opern, 
nahm  Theil  an  der  Herausgabe  mehrerer  Journale  u.  s.  w. 
Basni,  N.  A.  S.  P.  819.  6  Bde. —  Wasilij  Andrejewic 
Zukoivskij ,  Hofrath  und  Kitter,  Mitgl.  d.  russ.  Akad. 
U.S.W,  (geb.  1783),  nach  dem  Urtheil  seiner  Zeitgenos- 
sen bis  jetzt  der    grösste  Dichter  auf   russischem  Boden, 


184 

schrieb  seit  1802  Poesien  verschiedenen  Inhalts,  Oden, 
Lieder,  Episteln,  Romanzen  nnd  Balladen,  vermischte 
Gedichte,  mehrere  ästhetisch-kritische  Abhandl.,  über- 
setzte Schillers  Johanna  d'  Are,  einige  Gedichte  Byrons 
(822),  Brnchstiicke  aus  dem  Roman  Lalla  Rookh  von  Th. 
Moore  u.  m.  a.;  sämmtl.  Seh.  S.  P.  816.  2  A.  819.  4  Bde., 
3  A.  824.  3  Bde.  8.;  er  redigirte  1808  den  Wiestnik 
Ewropy  allein,  und  1809—10  mit  Kacenowski.  Kon- 
stantin Nikolajeivic  Batuskow  aus  Wologda,  Hofr.  und 
Ritter  (geb.  1787),  ein  classisch  gebildeter,  genialer 
Geist,  dem  Vorhergehenden  in  vielfacher  Hinsicht  gleich- 
kommend, schrieb  in  Prosa  Reden,  Abhandl.,  Charakte- 
ristiken und  Briefe,  in  Versen  Elegien,  Episteln,  Erzäh- 
lungen, lyrische  Gedichte,  Epigramme  u.  s.  w.,  die  zuerst 
einzeln,  dann  gesammelt  von  N.  .1.  Gnjedic  S.  P.  817. 
2  Bde.  erschienen  sind.  —  Fürst  Peter  Andrej ewic  Wja- 
zemskij  aus  Moskau,  Collegienr.  und  Ritter,  Ehrenmitgl. 
der  Mosk.  Univ.  u.  s.  w.  (geb.  1792),  ein  geistvoller  Dich- 
ter und  Prosaist,  dessen  Erzeugnisse  in  verschiedenen 
russ.  Zeitscln'iften  zerstreut  sind.  —  Fin*st  Alex.  Alex  an- 
drowic  Sachowskoj  aus  Bezzaboty,  wirkl.  Staatsr.,  Mitgl. 
der  russ.  Akad.  u.  s.  w.  (geb.  1777),  schrieb,  ausser  ei- 
nigen komischen  Erzählungen  und  Satyren,  für  das  russ. 
Theater  bis  1825  mehr  als  50  Stücke,  darunter  die  mei- 
sten Lustspiele  in  Versen,  4  in  Prosa,  4  Trauerspiele 
in  Versen,  8  Opern  und  14  Melodramen  nebst  2  roman- 
tischen Lustspielen;  s.  poetisches  Talent  ist  vorzüglich 
in  den  Lustspielen  glänzend,  in  welchen  er  alle  seine 
Vorgänger  weit  hinter  sich  gelassen  hat.  —  Niki.  Iwa- 
nowic  Gnjedic  aus  Poltawa,  kais.  Bibliotheksadjunct, 
Hofr.  und  Ritter,  Mitgl.  der  russ.  Akad.  u.  s.  w.  (geb. 
1784),  schrieb:  Razsuzdenije  o  pricinach  zamedljajuscich 
uspjechy  proswjescenija  w  Rossii,  814.,  Rozdenije  Ho- 
mera,  ein  lyr.  Gedicht,  S.  P.  817.,  übers.  Shakespeares 
Lear,  S.  P.  809.,  Voltaires  Tankred,  S.  P.  816.,  Pjesny 
prostonarodnyja  nynjesnich  Grekow  S.  P.  825.,  von  Ho- 
mers Ilias  VII  -—  XI  Rhaps.  im  alexandrinischen  Vers- 
maass,  als  Fortsetzung  der  Uebers.  Kostrows  810.;  im 
J.  1813  unternahm  er  auf  des  Präsidenten  der  Akad.  der 
Wiss.  S.  S.  Uwarows  Aufforderung  die  Uebers.  der  Ilias 


185 

aufs  Neue  im  Yersniaass  des  Originals  (nach  dem  Ton- 
princip  der  Ouan(ität),  wovon  einige  Bruchstücke  in  pe- 
riod.  Schriften  bereits  erscliienen  sind.  —  Jlej'jcj  T/ieo- 
dorowic  Merzljdkoir  aus  Dalmatow,  Collegienr.  u.  Ritter, 
Prof.  der  Poes,  und  Eloquenz  in  Moskau,  u.  s.  w.  (geb. 
1778),  ein  geschmackvoller  Keinier  des  classischen  Al- 
terthums,  als  Kritiker  hochverdient  um  die  schöne  Lite- 
ratiH*  Kusslands,  übersetzte  zahlreiche  Schriften  des  Al- 
terthums  und  der  neuern  Literatur,  darunter  Aristoteles 
Poetik,  llorazeiis  Brief  an  die  Pisonen,  Virgils  Eklogen 
M.  807.,  die  Idyllen  der  Ant.  Deshoidieres  M.  807.,  aus- 
erwählte Stücke  a>is  Aeschylus,  Sophokles  und  Euripides, 
Podrazanija  i  perewody  iz  grec.  i  lat.  stichotworcew  AI. 
825.  2  Bde.,  Eschenburgs  Theorie  der  schönen  Wiss.  M. 
820.  823.,  Tassos  befreites  .lerusalem  in  Versen  u.  m.  a.; 
verfasste  mehrere  Heden,  redigirte  die  Zeitschrift  Am- 
phion  815.,  schrieb  Vorträge  über  die  russ.  Literatur  4 
Bde.  u.  m.  a.  —  AVA7.  ,/.  Grec,  Hofr.,  redigirt  zwei  pe- 
riod.  Schriften:  Syn  otecestwa,  und  Literaturnyja  pri- 
bawlenija  k  synu  otec.,  beide  in  S.  Petersburg,  gab  ein 
Lehrbucli  der  russ.  Literatur:  Ucebnaja  kniga  ross.  slow. 
S.  P.  819  -  22.  4  Bde.  8  (der  4te  auch  »uiter  dem  T. 
@pyt  kratkoj  istorii  rusk.  literatury  822),  eine  russ.  Gramm. 
1.  J\\.  S.  P.  825.  u.  a.  m.  heraus.  —  Alex.  Tlieodoroivic 
Wojejkow  aus  Moskau,  Collegienr.,  Mitgl.  der  russ.  Akad. 
u.  s.  w.  (geb.  1773),  übersetzte  Delilles:  Sady,  S.  P.  81  ö., 
Virgils  Eklogen,  Georgica  und  Aeneis  im  Versmaass  des 
Originals  (einzelne  Bruchstücke  erschienen  in  verschie- 
denen Zeitschriften)  :  schrieb  ein  Lehrgedicht:  Iskustwa 
i  nauki,  Satyren  und  Episteln,  wovon  letztere  muster- 
haft sind;  gab  mit  W.  Kozlow:  Nowosti  literatury,  S.  P. 
822.  2  Bde.  u.  m.  a.  heraus.  —  Alex.  Jeßinovic  hmajlow 
aus  Moskau,  Collegienrath  und  Ritter,  Mitglied  mehre- 
rer gel.  Gesellsch.  (g'eb.  1779),  ein  trefflicher  Fabel- 
dichter (Basni  S.P.  4A.821),  —  Alex.  Serijjejefric  Pu.skifi_ 
aus  S.  Petersburg,  Collegiensecretär  (gel).  1790),  ver- 
fasste mehrere,  mit  allgemeinem  Beifall  aufgenommene 
romantische  Gedichte:  Ruslan  i  Ludmila ,  S.  P.  820., 
Kawkazskij  pljeiuiik,  822.,  ßakcisarajskij  Fontan,  M.  824. 
Ewgenij    Onjegin ,    S.    P.    825.     -     Was.    Sergjejetinc 


i86 

Podsiwalow  ans  Moskau,  Staats r.  und  Ritter  (geb.  1765, 
gest.  1813),  gab  1794  eine  liter.  Zeitsebrift  heraus, 
schrieb  seine  eigene  Biographie,  mehrere  Abhandl.  über 
die  russ.  Gramm,  und  Poesie  u.  s.  w.;  übers.  Campe's  Psy- 
cliologie  M.  789.,  Meissners  Bianca  Capello  M.  793.,  eb. 
Komane  und  Erziihhnigen  M.  803.  8  Bde.;  seine  Aufsä- 
tze zeichnen  sich  durch  Schärfe  und  Richtigkeit  der  Ge- 
danken, durch  Zartheit  des  Gefühls  und  eine  regelmäs- 
sige, kunstlos  arunuthige  Schreibart  aus ;  die  Uebers. 
sind  rein  und  fliessend.  —  Alex.  Christophorowic  Wosto- 
kow  aus  Arensburg ,  Hofrat h  und  Ritter,  Mitgl.  der 
russ.  Akad.  u.  s.  w.  (geb.  1781),  ein  geschmackvoller 
Dichter,  beschäftigt  sich  seit  1808  mit  philologischen 
Studien,  hat  eine  altslawische  Grammatik  und  ein  Wör- 
terbuch in  Msc.  fertig,  gab  heraus:  Opyty  lyriceskije, 
805  —  6.  2  Bde.,  Opyt  o  rusk.  stichoslozenii,  S.  P.  817. 
8.,  Stichotworenija  821.,  mehrere  wichtige  Abhandl.  in 
verschiedenen  russ.  Zeitschriften  und  einzeln  gedruckt.  — 
Pef.  Iwauowic  Sokolow  aus  Moskau,  Staatsr.  und  Ritter, 
wirkl.  Mitgl.  und  Secretär  der  russ.  Akad.  u.  s.  w.  (geb. 
1766),  nahm  an  der  Abfassung  der  Grammatik  und  des 
Wörterbuchs  der  russ.  Akad.  Theil,  gab  heraus:  Nacal- 
nyja  osnowanija  ross.  gramm.  788.  5  A.  810.,  Kratk.  ross. 
gramm.  809.  und  oft.  ;  Pcela,  eine  Zeitschrift ;  übers. 
Ovids  Verwandlungen  808.,  und  beabsichtigt  die  Heraus- 
gabe des  russ.  Livius  und  Virgilius.  —  Iwan  Martino- 
imc  Born,  Staatsr.  und  Ritter,  verfasste :  Kratk.  ruko- 
wodstwo  k  ross.  slowesnosti  808.,  enthaltend  die  Gram- 
matik, Rhetorik,  Poetik  und  Geschichte  der  russ.  Sprache. 
-  Alexjej  Serqjejewic  Nikoljshj,  wirkl.  Staatsr.  und 
Ritler,  Mitgl.  der  russ.  Akad.  (geb.  1755),  schrieb : 
Osnowanija  ross.  slowesnosti,  3  A.  S.  P.  816.;  übersetz- 
te, ausser  mehreren  Schriften  Beausobres,  Laharpes  und 
RoUins,  de  Brosses  traite  de  la  formation  mecanique 
des  langues,  u.  m.  a.  -  Iivmi  Andrejennc  Heym  aus  Braun- 
schweig, Professor  in  Moskau,  Staatsr.  u.  Ritter  (geb. 
1758,  gest.  1821),  verfasste,  ausser  mehreren  russ.  Sprach- 
büchern (vgl.  §.  13  Ajhii.  5.):  Rukouodstwo  k  kommer- 
ceskoj  naukje,  M.  804.,  Nacertanije  wseobscago  zemleo- 
pisanija,    M.  817.,    Nacert.  statistiki,    M.  821.  Ir  Bd.   -^ 


m 

Ppf.  Iwanou'ir  Makarow,  Major  (s^eb.  1765,  gest.  1804), 
{jab  1804  ein  Jonnial :  Moskowskij  Merknrij,  heraus ; 
übersetzte  mehrere  Werke  ans  dem  Kranz.  ;  sämmtl.  Wer- 
ke 2  A.  M.  817.  —  Iwan  Iwanoiric  Marh/nnw  aus  Pe- 
rewolocna.  wirk).  Staatsr.  inid  Ritter.  Mity;!.  der  rnss. 
Akad.  u.  s.  w.  (^eb.  1771),  übersetzte  Lon^ins  nsgl  tov 
vipovg  ans  dem  Gr.  mit  Anm.  S.  P.  802.,  Anakreons  Lie- 
der S.  P.  802.,  Chateanbriands  Atala  S.  P.  802.,  einige 
Werke  Ronsseans  S.  P.  801..  Lafontaines  S.  P.  802., 
Aesops  Fabeln,  aus  dem  Gr.,  S.  P.  823.,  Kallimachos 
Hymnen,  Lb.  823.,  Sophokles  Oedip  Eb.  823.,  von  Ho- 
mers Ilias  I  —  VI  Rhaps.;  gab  heraus  :  Technobotaniceskij 
slowar,  S.  P.  820.,  Botanika  8.  P.  821;  redigirte  mehrere 
.Journale  u.  s.  w.  —  AVA7.  TheodorowicOfttolopov,  Staatsr. 
und  Ritter  (geb.  1782),  gab  unter  andern  folg.  Schrif- 
ten heraus:  Voltaires  Versuch  üb.  die  epische  Poesie  S. 
P.  802.,  Tassos  Phantasien.  2  A.  S.  P.  819.,  Sobranije 
stichotworenij,  S.  P.  816.,  Slowar  drewnej  i  nowoj  poe- 
zii,  S.  P.  821.  3  Bde.,  redigirte  ein  periodisches  Blatt  u. 
s.  w.  —  Was.  Sfephanowic  Sopihoir,  Buchhändler,  zu- 
letzt kais.  Bibliotheksadjunct  (gest.  1818),  verfasste: 
Opyt  rusk.  bibliografii,  S.'  P.  813  -  21.  5  Bde.  Den  5- 
ten  Bd.  redigirte  Was.  Gn'gorjewic  Anastasewic  aus 
Kiew  (geb.  1775),  auch  als  Uebersetzer  von  Racines 
Phädra,  Herausgeber  eines  Journals,  und  Vf  des  ersten 
systematischen  Katalogs  russ.  Bücher  S.  P.  820.  bekannt. 

—  Graf  Alexjej  Iwannwic  Musin-Pu.skin,  wirkl.  geh. 
Rath  und  Ritter  (geb.  1744,  gest.  1817),  ein  eifriger 
Forscher  und  Sammler  vaterländischer  Alterthümer, 
dessen  literarische  Schätze  1812  beinahe  alle  ein  Raub 
der  Flammen  wurden,  entdeckte  den  Heldengesang  Igor, 
schrieb  über  die  Lage  der  Stadt  Tmutarakan  S.  P.  794., 
gab  die  Prawda  rusk.  S.  P.  792.  M.  799.  u.  a.  m.  heraus. 

—  Niki.  Nikolajewic  Banty.s  -  Kamenskij  aus  Njezin, 
wirkl.  Staatsr.  und  Ritter  (geb.  1738,  gest.  1814),  be- 
arbeitete mehrere  Theile  der  russischen  Diplomatik,  stand 
dem  Moskauer  Archiv  vor,  und  gab  heraus :  Lstor.  iz- 
wjestije  o  wozniksoj  w  Poljsje  unii,  M.  795.  —  Alexjej 
TheodorowicMaliiKnrskij  aus  Moskau,  geh.  Rath,  Sena- 
tor u.  Ritter.  Vorsteher  des  Moskauer  Archivs  (geb.  1763), 


188 

verfasstc,  ausser  mehreren  in  die  russische  Geschichte 
und  Diplomatik  einschla§;enden  Werken ,  die  Biogra- 
phie des  Fürsten  Pozarskij  M.  817.,  unter  seiner  Mitwir- 
kung gaben  Const.  Theodoroivic  Kalajdowic  und  Paul 
Michajloiric  Sfrojew  das  Sobranije  ross.  gosudarstwen- 
nycii  grammat,  M.  813.  fF.  fol.  heraus;  dieselben  Vff.  ga- 
ben 1819  in  M.  des  Grossf.  Joan  Wasiljewic  Gesetzbuch 
und  Sudebnik,  und  neuerdings  Opis.  slaw.-ross.  rukopi- 
sej  w  bibl.  Gr.  Tolstowa,  i\l.  u.  S.  P.  1825  heraus;  er- 
sterer  besorgte  ausserdem  die  Herausgabe  der  Gedichte 
des  Kirsa  Danilovv  M.  818.,  der  Schriften  Johanns,  Ex- 
archen von  Bulgarien,  M.  1824.,  und  letzterer  sclirieb 
eine  Kratk.  ross.  istor.,  M.  819.,  Sofijskij  wremennik. 
M.  820.  u.  m.  a.  -  Pef.  Koppen,  Hofr.  und  Ritter  u.  s. 
w.,  gab  heraus:  Materiali  dlja  istor.  proswjescenija  w 
Rossii,  819.,  Spisok  riiskim  pamjatnikam  M.  820.,  Biblio- 
graficeskije  listy  S.  P.  1825.4.  u.  a.  m.  Mich.  Trophi- 
fiiowic  K(fce?iowshj  aus  Charkow,  Prof.  in  Moskau,  Mitgl. 
der  russ.  Akad.  u.  s.  vv.  (geb.  1775),  ist  der  Herausgeber 
von  Wjestnik  Ewropy,  \f.  von  Anekdoten  und  Erzäh- 
lungen; auch  übersetzte  er  mehreres  aus  dem  Franz.  — 
Diwifnj  Pelrowic  Buturlin  aus  8.  Petersburg,  kais.  Flü- 
geladjutant, Generalmajor,  mehr.  Ord.  Ritter  (geb.  1790), 
beschäftigt  sich  mit  der  Geschichte  der  Kriegs-  und  Feld- 
züge aller  Zeiten  und  Nationen,  deren  einzelne  Theile 
in  franz.  und  russ.  Sprache  1810  -  21  erschienen  sind. 
-  Sergij  isikolajcwic  Glhika  aus  Smolensk,  Major  und 
Ritter  (geb.  1774),  ist  Vf.  mehrerer  gehnigenen  Dra- 
men, Erzählungen,  Biographien,  einer  russ.  Gesch.  für 
die  Jugend  M.  817  -  18.,  eines  Leseb.  f  d.  Jug.  M.  821. 
12  Bde.,  eines  Teatr  swjeta,  i\l.  823.  8  Bde.;  er  über- 
setzte Youngs  Nachtgedanken  in  Versen  180ö  u.  m.  a.  — 
Dinar,  hranowic  Jazykoir,  Collegienr.  u.  Ritter  (geb. 
1773),  hat  sich  durch  Lebersetzungen  von  Schlözers 
Nestor  und  Lehrbergs  Untersuchungen  verdient  gemacht. 
—  Karl  Tlieodorowic  Hermann  aus  Danzig,  Mitgl.  der 
Akad.  der  Wiss.,  Prof  in  S.  Petersburg  (geb.  1767), 
schrieb  in  russ.  Sprache:  Statist,  zuriial  ross.  Imp.,  S.  P. 
807.  4  Tille.,  Statist,  opisanije  Jaroslawskoj  gubernii. 
S.  P.  808.,   geogr.  i  statist.  opis.  Kawkaza,    S.  P.  209.. 


189 

Statist,  izsljedowanija,  S.  P.  819.  ii.  m.  a.  —  Etodnkwt 
Phüippnwic  Zjdliloivsliij,  Slaalsr.  ii.  Riüer  (gel).  1763), 
gab  molirere,  in  die  alloeineiiiL'  \\\\\\  besondere  (jeogra- 
phie  lind  Statistik  einscblagende  wichtige  Werke  S.  P. 
804   —   20  heraus. 

Eine  umständliche  Aufzählung  aller  Dichter  u.  Pro- 
saisten dieses  Zeitraumes  gehört  nicht  in  diese  Ueber- 
sicht;  ich  begnüge  mich  noch  einige  Xamen  der  russi- 
schen Schriftsteller  aus  dem  Zeitalter  Alexanders  anzu- 
führen. Hieher  gehören  als  Lyriker:  Iwan  Petrowic 
Pnin,  Collegiein*.  (geb.  1773,  gest.  1805),  Pankratij 
Siimarokoic,  Zacharij  Alexjejeiric  Burinsktj,  Unterbi- 
bliothekar in  Moskau  (gest.  1808),  Mich  Wasiljewic 
Milonow ,  Titularrath,  Mitgl.  mehrerer  gel.  Gesellsch. 
(geb.  1792,  gest.  1821),  Denis  Wasiljewic  Daivydow 
aus  xMoskau  ,  Generalmajor  und  Ritter  (geb.  1784), 
W asiiij  Lwowic  Puskin  aus  Moskau,  Collegienassessor, 
Mitgl.  mehrerer  gel.  Gesellsch.  (geb.  1770J,  iSikl.  Mi- 
chajlnwic  Satrow  aus  Moskau,  Collegienrath  (geb.  1765), 
Fürst  Dniitr.  Petrowic  Gorcakow  aus  Moskau,  Major 
(^geb.  M^'l),  Anna  Petrowna  Bnnina,  Fürst  Sergij  Ale- 
xandroivic  Sichmafow,  Flotte-Capitain-Lieutenant,  Mitgl. 
der  russ.  Akad.,  Wlad.  hvanowic  Panajew  aus  Tetju- 
si,  Titularrath  (geb.  1792);  als  Dramatiker:  Matwjej 
Wasiljewic  Krjukowskij  aus  S.  Petersburg  (geb.  1781, 
gest.  1811),  Mich.  Jewstafjewic  Lobanow  aus  S.  Peters- 
burg, kais.  Bibliotheksadjunct  und  Ritter  (geb.  1787), 
Tliedor  Thedorowic  Kokoskin  aus  Moskau,  Collegienr., 
Kammerherr  u.  Ritter,  Ehrenmitgl.  der  Mosk.  Univ.  (geb. 
1773),  Niki,  hvanowic  Cliinelnickij  aus  S.  Petersburg, 
Staatsr.  und  Ritter  (geb.  1791),  Paul  Alex androivic^Ka - 
tenin  aus  S.  Petersburg,  Obrist  und  Ritter  (geb.  1792), 
Stepli.  Iwanowic  Wiskowatow  aus  Storozewka,  Titular- 
rath, Mitgl.  mehrerer  gel.  Gesellsch.  (geb.  1786),  Niki. 
Iwanowic  Iljin.  Staatsr.  u.  Ritter,  Mitgl.  mehrerer  gel. 
Gesellsch.  (geb.  1773),  Lew  Nikolajewic  Newachowic, 
Titularrath,  Tliedor  Thedorowic  Iwanow,  Collegienrath 
(geb.  1777);  als  Prosaiker :  Iwan  Maturjejewic  Mn- 
raivjew-Apostol,  geh.  Rath  und  Ritter,  Mitgl.  der  russ. 
Akad.,  Spiridon  .furjewic  Destunis  aus  Uorfu,  (^ollegienr. 


190 

und  Ritter,  Generalconsul  in  Smyrna,  (der  Uebersetzer 
Plntarchs  S.  P.  814  ~  20.  13  Bde,  geb.  1783),  lliedor 
Nikolajewic  Glinka,  Obrisi  inid  Ritter  mehrerer  Orden 
n.  s.  w.  (geb.  1788),  Alex,  Alexandrowic  Pisarew  aus 
S.  Petersburg,  Generalmajor,  mehrerer  Orden  Ritter, 
Mitgl.  der  russ.  Akad.  u.  s.  w.  (geb.  1782),  Was.  Mi- 
chajlowic  Golownin,  Capitain-Commandeur  und  Ritter, 
(geb.  1776),  Wlad.  Boqdanowic  Bronewskij,  Flotte- 
Capitain  und  Ritter  (geb.  1786)  ,  Wlad.  Wasiljewic 
hinajlow  aus  Moskau ,  Premier  -  Major  (geb.  1773), 
Fürst  Peler  hvanowic  Salikow  u.  m.  a.  ^) 


^)  Kamenski  appendix  de  notitia  librorum  Rossicorum  systematice 
expositorum,  in  J.  F.  Burgii  dem.  orat.  Moscuae  776.  8.  S.  228  —  271.  — 
H.  L.  C.  Backmeister' s  russ.  Bibliothek,  Ri^a  772  —  87.  11  Bde.  8-  -  J. 
Richter  s  russ.  Miscellen,  Lpz.  803  —  4.  9  Htte.  8.  —  H.  Storch's  Uebersicht 
der  russ.  Literatur  vom  J.  1801  —  805.  Ir  Bd.  russ.  Liter.  S.  P.  810.  8. 
(Der  2te  enthält  die  Lit.  in  andern  Sprachen.)  —  N.  J.  Nou'ikoiu  opyt  isto- 
riceskago  slowarja  o  ross.  pisateljach,  S.  P.  772.  8.  —  B.  S.  Sopikoiv  opyt 
ross.  bibliograüi,  S.  P.  813  —  21.  5  Bde.  8.  —  B.  G.  Anastaseivic  rospis 
ross.  knigara  systematiceskim  porjadkom ,  S.  P.  820.  —  (Eivgenij)  Biogra- 
phien aller  russ.  Schriftsteller  in  alphab.  Ordnung,  in  dem:  Drug  pro- 
swjescenija,  M.  805  —  6.  (Nur  bis  zum  Buchstaben  K.)  Eb.  Slowar  istori- 
ceskij  0  bywsich  w  Rossii  pisateljach  duchownago  cina,  S.  P.  818.  2  Bde.  8.  — 
N.  J.  Grec  opyt  kratkoj  istorii  ruskoj  literatury,  S.  P.  822.  8.  polnisch  mit 
Zusätzen  von  -S.  B.  Linde,  Warschau  82.3.  2  Bde.  8.  (Ist  eigentlich  der  4. 
Thl.  von  des  Vfs.  ucebnaja  kniga  ross.  slowesuosti,  S.  P.  819  —  22.)  —  A. 
Th.  Merzljakow  ctenija  o  slowesnosti.  —  N.  A.  Certelew  istoriCeskaja  karti- 
na  ross.  slowesnosti.  - —  N.  Grammatin  razsuzdenije  o  drewnej  rusk.  slowes- 
nosti, M.  809.  —  P.  Koppen  materiali  dlja  istorii  proswjescenija  w  Rossii, 
M.  819.  Eb.  Spisok  ruskira  pamjatnikam ,  M.  821.  —  J.  M.  Borns  krat- 
koje  rukowodstwo  k  ross.  slowesnosti  808.;  J.  Levitskijs  kurs  ross.  slo- 
wesnosti, 2  Bde. :  J.  Tolmacev's  prawila  slowesnosti  S.  P.  815  —  22.  4  Bde. 
u.  m.  a.  enthalten  gleichfalls  einen  Abriss  der  russ.  Literaturgeschichte.  — 
Noch  gehören  hieher  die  russ.  Journale  und  Denkschriften  der  gelehrten 
Gesellschaften,  S.  §.  7.  No.  IL 


Dritter  Abschnitt. 

Geschichte  der  Sprache  und  Literatur  der  Slawo-  Serben 
griecliischeii    Ritus. 

%.  20. 

Historisch  -  ethnographische  Vorbemerkungen. 

Da  die  Literatur  der  Slawen  niorgenläudischen  Ritus 
im  Süden  der  Üonau  und  in  ihren  Colonien  in  Ungern, 
d.  i.  der  Serben,  Bosnier,  Montenegriner  und  Bulgaren, 
ferner  der  Slawonier  und  Dalmatiner  dieses  Ritus,  da- 
durch, dass  sie  sich  sämmtlich  der  kyrillischen  Schrift 
bedienen,  ein  zusauniienhängendes  Ganzes  ausmacht;  so 
wollen  wir  hier  die  Hauptzüge  zu  einer  historisch-eth- 
nographischen Orientirung  über  diese  Stämme  in  Kürze 
zusammenstellen. 

In  dem  alten  Illyricum  im  weitern  Sinne  des  Worts, 
d.  i.  in  den  Ländern  vom  adriatischen  Meer  längs  der 
Sawe  und  Donau  bis  zmii  schwarzen  Meer,  erscheinen 
ungefehr  um  die  Mitte  des  Vllten  .Jahrh.  slawische  Völ- 
ker unter  den  Namen  der  Bulgaren,  Kroaten  u.  Serben, 
und  bilden  nach  und  nach  sechs  verschiedene  Königrei- 
che —  Bulgarien,  Serbien,  Bosnien  od.  Rama,  Kroa- 
tien, Slawonien  und  Dalmatien  von  denen  heute  nur 
Trümmer  zu  sehen  sind. 

Um  zuerst  bei  dem  Namen  „Serb*"  in  dem  Sinne 
des  Wortes  zu  bleiben,  in  welchem  auch  die  Bosnier, 
Slawonier,  Dalmatiner,  und ,  der  Sprache  nach,  auch 
ein  grosser  Theil  der  heutigen  Kroaten  darunter  verstan- 
den werden;  so  ist  schon  oben  (§.  10  Anm.  9.)  ange- 
deutet  worden,  dass  geraume   Zeit  vor  der  Ankunft  die- 


192 

ses  Stammes  slawische  Yölkcrsclianeii,  südlich  der  Donau 
vori^{'dnmt>en,  l'hiakieii,  iMakedoiiieii  und  lllyricum  he- 
selzt  iial)4'n.  Krsl  unter  l\.  Ileraklius  begainieii  die  Wan- 
derungen der  lieutigen  Buli»aren,  Kroaten  ujid  Serben 
über  die  Donau;  allein  weder  ihre  nächste  Veranlassinig, 
noch  die  alten  Wohnsitze  dieser  Stämme  sind  bis  jetzt 
hiidänglicii  aufgehellt  worden,  ("onstantinus  Porphyr,  u. 
Chalkokondylas  sind  unter  den  Byzantiern  die  ersten,  wel- 
che der  früiiern  Sitze  der  Serben,  wenn  gleich  nicht 
ganz  übereinstimmend,  erwü'nien  ^).  Constant.  Porphy- 
rogenitus  setzt  die  Serben  (Welo-  od.  ßelo-Serben,  d.  i. 
Gross-  od.  Weiss-Serben)  hinter,  d.  i.  nördlich  den 
Ungern  (Turcia)  ,  an  den  Ort,  der  von  ihnen  Boiki 
BoLxy]  genannt  wird,  und  sagt,  dass  sie  an  Franken  und 
Gross-Kroatien  gränzen.  Adelung  ^)  deutet  diese  Stelle 
so,  dass  er  die  Sitze  der  Serben  vor  ihrer  Auswande- 
rung über,  oder  jenseit  Ungern,  zwichen  die  Karpa- 
ten, den  Prut  und  die  Weichsel,  nach  dem  nachmali- 
gen Klein-  od.  Kothrussland,  oder  dem  heutigen  Ostga- 
lizien,  die  der  Kroaten  hingegen  in  die  Gegenden  um 
das  karpatische  Gebirg  selbst  verlegt,  wobei  er  auf  die 
Verwandtschaft  der  Namen  Chrwai,  Chrobat  u.  Karpat 
Gewicht  legt.  Nach  Worbs  hingegen  war  der  Sitz  der 
Serben  in  Böhmen,  in  den  Lausitzen  und  dem  Meissni- 
schen; so  wie  jener  der  Kroaten  nördlich  dem  Karpa- 
tengebirge, besonders  in  Kleinpolen  und  Schlesien.  Die- 
ser Annahme  ist  die  abweichende  Sprache  der  heutigen 
Sorben-Wenden  in  den  beiden  Lausitzen  entgegen  (vgl. 
§.  3.  Anm.  L);  doch  konnte  dieser  polnisch-cechische 
Stamm     nach    der  Entvölkerung   jener    Provinzen    einge- 

1)  r)as  Wort  Srb,  Serb,  Sorah  leiten  einige  von  Srp  Sichel,  an- 
dere von  Sihlr,  Scii'er  Nord,  andere  von  Sahir,  Sahiren,  andere  von  Sar- 
mat  ab:  Constant.  l'orpli.  von  Serhulja  (Seriuulja),  einer  Art  Schuhe  od. 
Socke;  die  übrigen  Byzautier  von  Sen'ii.i  Knecht;  Dobrowsky  gesteht,  die 
Bedeutung  der,  unstreitig  slawischen  Wurzel,  Srb,  bis  jetzt  nicht  gefun- 
den zu  haben:  „Siguiticatuin  radicis  Srh,  consultis  etiam  dialectis  Omni- 
bus, nondum  licuit  eruere."  Inst.  ling.  slav.  (1822)  p.  1.54.  —  Bei  Pli- 
nius  (80.  p.  Chr.)  kommt  das  Wort  Serhi  zuerst  vor.  „A  Ciramerio  ac- 
colunt  Maeotici,  Vali,  Serhi,  Arechi,  Zingi,  Psesii."  Hist.  N.  P.  I.  L.  VI. 
c.  7.  Dobrowsky  meint  nun,  die  ältesten  bekannten  Sitze  der  Slawen  wä- 
ren gerade  da  zu  suchen,  wo  Plinius  den  Serben  ihre  Wohnplätze  anweist. 
Gesch.  d.  böhm.  Lit.  (1818)  S.  9.  Vgl.  ob.  §.  1.  Anm.  7.  I)aividon-ic 
djcjanija  k  istorii  srbskoga  naroda  (1821)  S.  7  if. 

^)  Adehmg's  Mithridate«  Tb.  II.  S.  633  fi'.  Daividowic  S.  27  tf. 


193 

wanderl,  imd  wiedonim  ?iiir,  wie  oft,  geot^rapliiscli  mit 
dem  Slatnmiuimen  ihrer  rii.ssiscl)  -  Ixdgarisclieii  Brüder, 
der  Sorben  (.Serben),  belegt  worden  .seyn.  Als  Ursa- 
che der  Answandernn»-  der  Serben  fülirt  man  bald  die 
Ueberschwemmung-  der  nördlichen  Länder  durch  die 
Awaren,  bald  das  Vordringen  der  östlichen  von  den 
Wlachen  inid  Bulgaren  (nach  Nestor)  hart  bedrängten 
Slawen  in  Polen,  Schlesien  und  den  Marken  an,  wo- 
din'ch  den  dort  wohnenden  Kroaten  und  Serben  der 
Kaum  zu  enge  geworden.  Die  Serben  setzten  nun  im 
Jahre  640  über  die  Donau  und  drangen  mit  Heraklius 
Bewilligung  bis  nach  Thessalien  und  Makedonien  vor, 
wo  sie  eine  Stadt,  Namens  Serbica,  erbaueten.  Etwas 
später  jedoch  zogen  sie  sich  zurück,  und  nabmen  die  Län- 
der zwischen  den  Bulgaren  und  Kroaten,  die  schon  früher 
hieher  eingewandert  waren,  inne.  Die  älteste  Geschiebte 
der  illyrischen  Serben  ist  sebr  dunkel.  Nacli  Raic  war 
ihre  älteste  Verfassung  demokratisch;  aber  Const.  Por- 
phyrogenitus  sagt,  sie  wären  in  ihren  alten  Wohnsitzen 
knrz  vor  ihrer  Auswanderung  von  zwei  Brüdern  be- 
herrscht worden.  In  dem  heutigen  Serbien  waren  sie 
anfangs  von  den  oströmischen  Kaisern  von  Constantino- 
pel  abhängig,  hatten  jedoch  ihre  eigenen  Beherrscher 
od.  Ziipane,  und  ob  sie  den  Römern  Tribut  zahlten,  ist 
nngewiss.  lieber  ihre  ersten  Beherrscher  Woislaw,  Ra- 
doslaw  und  Prosega  schweigt  die  Geschichte.  Unter  dem 
Zupan  Wlastimir  (870  —  880)  finden  wir  die  Serben 
unter  griechiscber  Botmässigkeit;  ein  Theil  von  ihnen 
war  bereits  früber  zum  Christentbum  bekehrt,  der  an- 
dere wurde  jetzt  durch  griechisclie  Missionäre  getauft. 
Unter  ihm  entspann  sich  auch  der  erste  Krieg  mit  den 
Bulgaren,  aus  welchem  nach  dreijährigen  Kämpfen  die 
Serben  siegreich  hervortraten.  Wladimir  (1015)  nahm 
den  Königstitel  an.  Nachdem  die  Serben  eine  Reihe  von 
.Jahren  hindurch,  obgleich  von  eigenen  Fürsten  regirt, 
unter  der  Oberherrschaft  der  oströmischen  Kaiser  gestan- 
den hatten,  suchten  sie  sich  derselben  (1150)  unter  dem 
Kg.  Cedomil,  der  sich  mit  den  Ungern  gegen  den  grie- 
chischen Kaiser  Manuel  Komnenus  verband,  zu  entreis- 
sen.  Manuel  kam  desswegen  mit  einem  Heere  nach  Ser- 

13 


194 

bien,  schlug  (1151X  die  Serben,  und  machte  inr  Zwei- 
kampf den  Zupan  Cedomil  zum  Gefangenen.  Cedomil 
unterwarf  sich  dem  Kaiser  aufs  neue,  und  erhielt  da- 
durch seine  Freiheit  wieder.  Ein  gleicher  wiederholter 
Versuch  der  Serben,  sich  unabhängig  zu  machen,  miss- 
lang ebenfalls.  Der  griechische  Feldherr,  nachmaliger 
Kaiser,  Isaak  Angelus,  schlug  sie  (1192)  an  der  Mo- 
rawa.  Docli  wurde  der  Friede  wieder  hergestellt,  und 
der  König  Stephan  Nemanja  I.  erhielt  den  ausgezeichne- 
ten Titel  Despot  (1192).  Sein  Nachfolger  Stephan  Ne- 
manic  I.  wurde  von  den  Ungern  vertrieben,  und  der 
Bruder  desselben,  Wuk  (Wolkan)  Nemanic  II.  erhielt 
Serbien  unter  dem  Titel  eines  Königs,  aber  unter  ungri- 
scher  Oberherrschaft  (1204  —  1205),  trat  jedoch  in 
Kurzem  seinem  Bruder  Stephan  die  Regirung  wiederum 
ab.  Während  dieser  und  der  folgenden  Zeit  hatte  Ser- 
bien seine  Gestalt  nicht  wenig  verändert.  Bereits  im  XI. 
Jahrb.  wurde  das  Land  in  verschiedene  Theile,  Herzog- 
thümer  und  Königreiche,  getheilt.  Einen  Theil  desselben 
nannte  man  Bosnien,  welches  durch  Statthalter  (Baue) 
regirt  wurde,  die  sich  in  der  Folge  der  serbischen  Ober- 
herrschaft entzogen.  Dieser  Theil  ward  auch  Rama  ge- 
nannt, welches  nach  der  ersten  Abmarkung  nur  das  süd- 
liche Bosnien  od.  Hercegowina  war,  aber  im  Canzleistyl 
bald  für  ganz  Bosnien  galt.  Der  südliche  Theil  Serbiens 
erhielt  von  dem  ihn  durchströmenden  Flusse  Raska  den 
Namen  Rascia.  Bei  der  zunehmenden  Ohnmacht  der 
griechischen  Kaiser  hatten  die  Serben  von  diesen  wenig 
zu  besorgen,  desto  mehr  aber  von  den  Ungern,  unter 
deren  Oberherrschaft  Bosnien  und  ein  anderer  angrän- 
zender  Theil  Serbiens,  doch  unter  eigenen  Regenten, 
kamen.  In  der  Folge  wurde  iMilutin  Stephan  Uros  11. 
(Nemanic  VII.  1275  -  1321),  König  von  Serbien,  im 
Anfange  des  XIV.  Jahrb.  von  dem  ungrischen  Könige 
Karl  I.  gezwungen,  einen  Theil  Serbiens  abzutreten. 
Doch  andere  Kriege,  welche  die  Ungern  beschäftigten, 
hinderten  sie  an  den  serbischen  Angelegenheiten  grös- 
sern Anlheil  zu  nehmen.  Kg.  Stephan  Dusan  SiliiyJ  (Ne- 
manic IX.  1330  —  135G)  unternahm  mehrere  glückliche 
Feldzüge    gegen  die  griechischen   Kaiser,  und  unterwarf 


195 

sich  einige  benachbarte  Provinzen.  Er  nahm  den  Titel 
Car  (I.  Zar,  welches  Wort,  bei  den  Slawen,  gleich  wie 
bei  den  Persern,  von  jeher  eiidieimisch,  nicht  aus  Caesar 
entstanden,  folglich  auch  nicht  durch  Kaiser  zu  über- 
setzen ist),  an,  und  tlieilte  das  Reich  in  verschiedene 
Statthalterschaften ,  legte  aber  dadurch  den  Grund  zu 
dessen  Verfall  und  nachmaliger  Auflösung.  Unter  einem 
seiner  Nachfolger,  Lazar  (1371  —  1389),  drang  der 
türkische  Sultan  Murad  I.  auch  in  Serbien  ein,  und  er- 
oberte einen  Thcil  desselben.  Er  schlug  die  Serben  (den 
15.  Juni  1389)  auf  dem  Amselfelde  (Rosovvo),  und  der 
in  der  Schlacht  gefangene  Lazar  wurde  in  deui  Zelte  des 
Siegers,  der  selbst  unter  dem  Dolche  eines  Serben,  Mi- 
los  Obilic,  fiel,  hingerichtet.  Bajazeth,  Murads  Nach- 
folger, theilte  hierauf  Serbien  zwischen  Lazars  Sohn 
Stephan,  inid  Eidam.  Georg  Brankowic ;  beide  mussten 
ihm  Tribut  zahlen,  und  sich  zur  Heeresfolge  verpflich- 
ten. Von  dieser  Zeit  an  konnten  die  Serben  sich  dem 
türkischen  Joch  nicht  wieder  entziehen.  Spätere  Versu- 
che dessvvegen  wurden  immer  verderblicher  für  das  Land, 
das  in  den  Kriegen  zwisclien  Ungerns  Beherrschern  und 
der  Pforte  stets  der  unglückliche  Schauplatz  war.  Zwei 
Jahre  nach  Brankowic's  Tode  (1459),  wurde  Serbien  von 
den  Türken  gänzlich  unterworfen,  und  als  eroberte  Pro- 
vinz behandelt.  Von  den  eigentlichen  Einwohnern  blie- 
ben nur  die  geringsten  übrig,  die  alten,  edlen  Geschlech- 
ter wurden  vertilgt,  oder  wanderten  nach  Ungern  aus, 
wo  sie  eine  freundschaftliche  Aufnahme  fanden.  Branko- 
wic besass  schon  ansehnliche  Ländereien  in  Ungern,  und 
sowol  unter  ihm,  als  aucii  nach  seiner  Zeit  siedelten 
sich  viele  Serben  im  mittägigen  Ungern  an.  Unter  Kg. 
Matthias  Corvinus  machte  der  Commandant  von  Temes- 
var  Kinis  aus  der  Familie  Brankowic  (welchen  man 
Knez  Pawo,  Pawel?,  nannte),  im  J.  1481  einen  Streif- 
zug gegen  die  Türken  in  Serbien;  das  Resultat  mehrerer 
glücklichen  Gefechte  war,  dass  man  bei  50,000  serbische 
Colonisten  herüber  brachte,  aus  denen  der  König  meh- 
rere Fahnen  Soldaten  bildete.  Unter  Leopold  I.  gingen 
im  J.  1689  einige  Tausend  Serben  unter  der  Anführung 
des  Despoten    Georg  Brankowic   zur  kaiserlichen   Armee 

13* 


im 

über.  Im  folgenden  Jahr  (1690)  kam  der  Patriarcli  Ccr~ 
iiowic  mit  etwa  36,000  serbischen  Familien  herüber, 
welche  sich  in  Syrmien,  in  Slawonien,  bei  Ofen  und  in 
St.  Andreae  niederliessen.  Bald  bewirkten  Eugens  Hel- 
denthaten,  dass  Oesterreich  im  Frieden  zu  Passarowic 
(1718)  den  grössten  Theil  von  Serbien  erhielt;  aber  im 
J.  1739  kam  derselbe  wiederum  an  die  Türken.  Zu  An- 
fange dieses  .Jahrhunderts  (1813)  erhielten  die  Serben, 
nach  misslungenen  Versuchen  sich  von  der  türkischen 
Botmässigkeit  loszumachen  (1801  11".),  durch  Ver- 
mittlung der  christlichen  Monarchen  beträchtliche  Er- 
leichterung, und  eine  eigene  Kegirung  unter  einheimi- 
schen Knezen,  deren  Oberhaupt  jetzt  Milos  Obrcnowic 
ist.  3} 

Bosniens  älteste  Schicksale  sind  in  die  Geschichte 
von  Serbien  verflochten.  Ungefehr  um  1138  wurde  der 
südwestliche,  an  Dalmatien  gränzende,  am  Bosnasirom 
liegende  Theil  des  bisherigen  Serbiens  zu  einem  eigctien 
Herzogthum  für  Ladislaw,  Sohn  Belas  II  Königs  von 
Ungern,  und  der  serbischen  Prinzessin  Helena,  nach 
einer  wahrscheinlich  mit  Uros  getroffenen  Uebereinkunft, 
ausersehen,  und  in  den  Privilegien  bald  Ducatus  Bosnen- 
sis,  bald  Ducatus  Ramae  genannt.  Im  J.  1262  kam  Bos- 
nien an  die  Familie  Ratislaws,  Bans  von  Machow.  Im  J. 
1280  ward  zwar  die  Kgn.  von  Ungern  Elisabeth  zur  Her- 
zogin von  Bosna  erklärt;  allein  ihr  Ansehen  blieb  wir- 
kungslos, und  Stephan  Milutin,  Kg.  von  Serbien,  bracli- 
te  durch  seine  Vermählung  mit  einer  ungrischen  Prin- 
zessin Bosnien  wieder  an  sich  (1286),  welches  er  durch 

")  Vgl.,  ausser  andern,  §.  25.  Anm.  4.  angeiührten  Scliriften :  Sfrif- 
teri  Serbica  II.  111.  —  418.  —  Daniels,  Erzb.  von  Serbion  unter  Uros  niul 
Steph.  Deöanski  (1272  —  133(j)  Rodoslow,  Msc.  in  Chilendar  auf  Athos  und 
in  Karlowic.  —  Anon.  Ljctopis,  Msc.  in  Chilendar.  —  Carostawnik  oder 
Troadnik  Msc.  —  Gregors  Chronik,  Msc.  in  der  Lawra  Studenica  in  Ser- 
bien. —  Georg  Brankov<ic  Gesch.  v.  Serb..  Msc.  in  Karlowic.  —  F.  Ritter 
Steniniatograp'hia,  Vind.  7ül.  4.  Serbisch  v.  Zefarowic  eb.  742  4.  —  1'.  Ju- 
linac  wwdenije  w  ist.  slawcno-  scrbskago  naroda  Von.  765.  8.  Gebhnrdi 
in  d.  allg.  \teltg.  von  Guthrie  u.  Gray  13.  XV.  Abth.  o.  —  Pejackevich 
bist.  Serbiae,  hcrausg.  Katona  790.  fol.  —  ./.  liaic  kratkaja  Serblii,  Kas- 
sii,  Bosny  i  Ilamy  istor.,  Wien  793.  8.  Eh.  istor.  slawenskich  narodow, 
najpaöe  Bolgar,  Choiwatow  i  Serbow,  Wien  794  —  95.  4  Bde.  8.  —  J.  Ck. 
V.  Evgrls  Gesch.  v.  Serb.  u.  Bosn.  (als  3ter  Tb.  d.  Gesch.  von  Ungern, 
und  49  d.  allg.  Welthist.)  Halle  801.  4.  —  Atli.  Neskowic  istor.  slaweno- 
l>olgarskog  naroda  Of.  Sol.  8.  —  D.  Daicidovic  djejanija  k  istor.  srbskoga 
uaroda.  Wien  821.  12.  (im  Zabawnik  v.  1S21.) 


197 

Baue  verualkMi  licss.  Einer  von  diesen,  T\var(ko,  inaclitc 
«ich  von  Si'rbien  los,  und  Hess  sich  1376  zu  Milesewo 
zum  Könij;  krüiieii.  Nach  lanj>vvierigen  Unruhen  gelang 
es  dein  Ks.  Sigisiiiund  sich  Bosnien  ganz  zu  unterwerfen. 
Aber  bald  beschiiniglen  ihn  bosnische  Aufrührer  aufs 
neue,  deren  einer,  IJerwoja,  die  Türken  nach  Bosnien 
rief.  Ein  türkischer  Sandsciiak  nurde  über  Bosnien  be- 
stell; doch  gelang  es  Sigisinund,  die  Türken  auch  diess- 
nial  aus  Bosnien  zu  verjagen.  Im  J.  1439  wurde  Bosnien 
von  Murad  liait  bedrängl;  und  nach  Twarlkos  Tod 
(1443)  enispannen  sich  Religions-  und  politische  Händel 
in  Bosnien,  die  mit  der  völligen  Unterjochung  des  Reichs 
durch  die  Türken,  und  der  Enthauptung  des  letzten  bos- 
nischen Königs  Stephan  Tomasewic  (1463)  endigten. 
Matthias  Corvinus  jagte  zwar  die  Türken  aus  Bosnien 
heraus,  und  verwandelte  das  Land  in  ein  ungrisches  Ba- 
nat  (14G3)  und  in  ein  Königsthum  (1473);  allein  un- 
ter Ferdinand  I.  (1528)  ging  Bosnien  für  Ungern  ganz 
verloren ,  und  die  Versuche  zur  Wiederherstellung  von 
Bosnien  im  XYIII.  Jahrb.  haben  alle  gescheitert.  ^) 

Während  so  Serbien  und  Bosnien  der  türkischen 
Uebermacht  unterlagen,  behaupteten  die  serbischen  Be- 
wohner des  Gebirges  Montenegro  (Crnagora)  in  Alba- 
nien fortwährend  ihre  Unabhängigkeit,  und  konnten  so- 
wol  ihres  kriegerischen  Muthes,  als  auch  der  natürlichen 
Beschaffenheit  des  Landes  wegen,  nie  ganz  von  den  Tür- 
ken bezwungen  werden.  Im  J.  1767  trat  ein  Abentheu- 
rer,  Steffano  Ficcolo,  unter  ihnen  auf,  der  sich  für  den 
russischen  Kaiser  Peter  111.  ausgab,  und  einen  Aufstand 
anstiftete,  der  mir  nach  grossem  Blutvergiessen  gedämpft 
werden  konnte.  Umsonst  wollte  der  grausame  und  hin- 
terlistige Ali  Pascha  von  Janina  das  Land  unterjochen ; 
seine  Versuciie  scheiterten  alle  an  dem  unbezwingbaren 
Muthe  der  Montenegriner.  Die  Regirung  besteht  aus  dem 
Wladyka  (Bischof),  dem  Statthalter,  den  fünf  Serdaren 
od.  Kreishauptleuten  der  fünf  Districte,  welche  so  wie 
der    Statthalter    von    den    Knezen,  diese  von  den  Woje- 

*)  Vgl.  PA.  ab  Ochievia  epitome  vetustatum  Bosnensis  provinciae, 
Anc.  776.  4.  —  Alex.  Schimek  politische  Gesch.  d.  Köü.  Bosnien  u.  Rama, 
Wien  7B7.  y.  —  Gebhardi  in  tl  allg.  Weltg.  Bd.  XV.  S.  108.  ff.  —  Enciel 
in  d.  serb.  Geschichte. 


i98 

wodeii,  iiiid  diese  von  den  Gemeinden  gewählt  werden. 
Der  dermalige  Wladyka  Peter  Petrowic  machte  niclit  nur 
sein  Land  von  den  Türken,  sondern  aucli  sich  selbst 
von  dem  Ansehen  und  Einflüsse  des  Statthalters  unab- 
hängig. 5} 

Ueber  die  Herkunft  und  Abstammung  der  Bulgaren 
sind  die  Meinungen  der  Geschichtsforscher  get heilt.  Die 
meisten,  wie  Schlözer  ^J  und  Engel  ^)  ,  halten  sie. 
nach  Angabe  der  Byzantier,  für  Asiaten  tatarischen, 
Thunmann  ungrisch-finnischen  Stammes,  die  sich  erst 
nach  und  nach  durch  Vermischung  nn't  Slawen  in  der 
heutigen  Bulgarei  (den  7  Generationen  am  rechten  Do- 
nauufer in  Xiedermösien,  Stritter  11.  p.  508.)  slawisirt 
hätten;  andere  hingegen,  wie  der  Nationalschriftsteller 
der  serbisch-bulgarischen  Geschichte  Raic,  für  einen  rei- 
nen Slawenstamm.  —  Schon  sehr  frühe  überschritten 
einzelne  Slawenstämme  die  Donau,  und  schhigen  zum 
Theil  ihre  Wohnsitze  in  Mösien  auf.  Unter  der  Regi- 
rung  des  Hei'aklius  Hessen  sich  aber  die  Sewerier  und 
sechs  andere  slawische  Stämme  zwischen  der  Donau  und 
dem  Hämus  nieder.  Die  eigentlichen,  asiatischen  Tata- 
ro-Bulgaren hatten  ihre  ältesten  Wohnsitze  in  den  Step- 
pen zwischen  der  Wolga  (Bulga,  woher  ihr  Name)  und 
Kuban.  Ihre  erste  Erscheinung  in  Europa  mag  nicht 
lange  vor  dem  J.  500  geschehen  seyn;  bald  nachher 
fangen  ihre  Uebergänge  über  die  Donau  an,  und  nun 
wurden  sie  den  Byzantiern  furchtbar.  Um  das  J.  562 
wurden  sie  von  den  A waren  unterjocht,  die  ihnen  je- 
doch eigene  Fürsten  (Chane)  liessen.  Um  das  Joch  der 
A waren  abzuschütteln,  nahm  einer  dieser  Chane  619  die 
christliche  Religion  an,  und  kam  mit  Byzanz  in  engere 
Verbindung.  Unter  Kubrat  (Kuvrat)  erfolgte  ein  all- 
gemeiner Aufstand  der  Bulgaren  gegen  die  Awaren,  und 

*)  S.  Voyage  historique  et  politique  au  Montenegro,  par  M.  le  Co- 
lonel  L.  G.  Vialla  de  Sommieres,  Paris  820.  2  Bde.  8.  (auch  teutsch  im 
Auszuge.)  ")  Schlözer' s  Nestor  Th.  I.  114.  '')  Engels  Gesch.  des  alten 
Pannon.  u.  d.  Bulgarei  (1797)  S.  XII.  Nach  Engel  wird  die  Slawischwer- 
dung  der  bulgarischen  Nation,  so  wie  jene  der  russischen  od.  warägischen, 
begreiflich,  wenn  man  annimmt ,  dass  dieselbe  theils  in  geringer  Anzahl 
angekommen,  theils  durch  die  vielen  Kriege  mit  den  Byzantiern  bald  so 
sehr  verringert  wurde,  dass  ihre  Unterthanen,  die  Slawen,  über  sie  eine 
Art  von  Uebergewicht  erhielten,  endlich  slawische  Fürsten  aus  Bojaren- 
familien über  die  Bulgarei  aufstanden. 


199 

ein  biilgarisclies  Hcicli  wurde  in  dem  meist  von  Slawen 
bewolinleii  Mösien  i^esli ftet  ((>79).  Dasselbe  vergrösser- 
le  sieb  mit  Zagorien  und  Sevverien.  Nacb  Erlöscbnng 
des  Stammes  der  Knbratiden  folgten  Fürsten  aus  ver- 
scbiedenen  Stämmen.  Krumus  erweiterte  (813)  die  Grun- 
zen des  Rcicbs  bis  zu  der  Tbeiss,  und  siegte  über  den 
griecbiscben  Kaiser  Nikipborus.  Boris  od.  Bogoris  nahm, 
wie  die  Legende  erzählt,  durch  ein  Wunder  bewogen, 
862  die  christliche  Religion  an,  die  schon  fridier  beim 
Volk  Eingang  gefunden,  aber  von  den  Chanen  gewalt- 
sam unterdrückt  w-orden  war.  Die  Kriege  mit  Griechen- 
land wurden  erneuert,  und  mit  Ungestüm  fortgesetzt, 
bis  Johann  Tzimetzes  das  Land  besiegt  (971),  und  Basi- 
lius,  nach  vollendeter  Eroberung,  dasselbe  in  eine  by- 
zantinische Provinz  verwandelt  hat  (1018).  Als  sich 
aber  in  diesem  und  folgenden  Jahrb.  die  Wlachen  mit 
ihnen  verbanden,  erwachte  ihre  Kraft  von  neuem,  nnd 
sie  stifteten  ein  unabhängiges  walachisch  -[bulgarisches 
Reich  (1186).  Gegen  die  vom  Ks.  Andrenikus  auf  das- 
selbe gemachten  Versuche  behauptete  sich  Swatoslaw, 
und  zw^ang  ihn  durch  wiederholte  Siege  zur  Ruhe  (1299  — 
1322);  allein  Mich.  Strasimir,  sein  Nachfolger,  w^urde 
in  dem  Krieg  mit  Serbien  getödtet,  und  Sisman,  der 
mit  Car  Lazar  gegen  die  Türken  gemeinschaftliche  Sa- 
che gemacht,  brachte  das  Land  nach  der  unglücklichen 
Schlacht^  bei  Kosowo  (1389)  unter  türkische  Oberherr- 
schaft. Sisman  wurde  von  Bajazeth  gefangen  1392.  Ver- 
geblich bemühte  sich  Sigismund  die  Bulgarei  an  sich  zu 
bringen;  die  Schlacht  bei  Nikopol  1396  entschied  das 
Schicksal  des  Landes;  die  Türken  vollendeten  die  Be- 
zwingung desselben,  und  Bulgarien  verschwand  aus  der 
Geschichte.  ^) 

Das  jetzige  Serbien  (Serf- Wilajeti)  in  der  türki- 
schen Statthalterschaft  Rumili  enthält  in  den  vier  Sand- 
schaks  Semendria,  Perserin,  Veldschterin  und  Aladscha- 
hissar  ungefehr  8  —  bis  900,000  serbische  Einwohner. 
Sie    sind    sämmtlich    der    griechischen   Kirche  zugethan, 

8)  Str Uteri  Bulgarica  IL  441  —  890.  —  Gebkardi  allg.  Weltg.  Bd. 
XV.  S.  1  —  232.  —  Maie  a.  a.  0.  —  J.  Ch.  Engel  Gesch.  d.  alten  Pannou. 
u.  d.  Bulgarei  (als  Ir  Th.  s.  Gesch.  Uugerns)  Halle  797.  4. 


200 

und  stellen,  mit  einer  eigenen  Landesveifassung,  unter 
türkisclier  Hoheit.  Ein  grosser  Tlieii  der  Serben  wanderte 
zu  versciiiedcnen  Zeiten,  wie  oben  gesagt  worden,  nach 
Ungern  aus,  und  besetzte  zum  Theil  das  während  der 
tiirkisclien  Kriege  verödete  Syrmien  und  Slawonien,  zum 
Tlieil  aber  die  südlicliern  Gespanscliaften  Ungerns.  Die 
Zahl  der  im  eigentlichen  Ungern,  mit  Ausschluss  von 
Slawonien  ,  wohnenden  Slaw o-Serben  griechischen  Ri- 
tus mag  sich  auf  350,000,  derer  in  Syrmien  und  Slawo- 
nien auf  247,000  Seelen  belaufen.  Im  J.  1759  zog  ein 
Theil  der  Serben  aus  den  österreichischen  Staaten  nach 
Russland,  und  bevölkerte  dort  Neuserbien;  allein  sie 
schmolzen  nach  inid  nach  in  Sprache  und  Sitten  mit  ih- 
ren Sj)rachverwajidten,  den  Russen,  zusanniien.  —  Bos- 
nien, ehedem  auch  Rama,  nach  dem  Flusse  Rama,  ge- 
nannt ,  jetzt  ebenfalls  eine  türkische  Statthalterschaft, 
umfasst  ausser  den  Sandschacks  Trawnik,  Srebernik, 
Zvvornik,  N.  ßazar,  auch  ßanjaluka  oder  Türkisch-Kroa- 
tien,  und  Hersek  od.  Hercegowina  zwischen  der  Neret- 
wa  und  Trebinjstica,  ehedem  Ducatus  S.  Sabbae.  Die 
Bosniaken  sind  zum  Theil  Christen  griechischen  (250,000?), 
und  lateinisch.  Ritus  (100,000?  nach  Engel  im  J.  1776  nur 
50,000,  nach  Stein  im  J.  1824.  77,000),  zum  Theil  Isla- 
miten.  Nur  die  beiden  ersten,  nicht  die  slawisch  reden- 
den mohammedanischen  Bosnier,  gehen  uns  hier  eigent- 
lich an.  —  JMontenegro,  zwischen  Antivari,  dem  Boja- 
na-See,  der  ßocclie  di  Cattaro  und  Hercegowina,  zählte 
im  J.  1812  nach  Vialla  de  Soiiniiicres  auf  einem  Flä- 
chenraum von  418  0.  M.  nur  53,168  Einwohner,  sämmt- 
lich  griecliischen  Ritus;  nach  andern  Angaben  soll  ihre 
Anzahl  150,000  betragen.  —  Noch  gehören  der  Litera- 
tur nach  zu  dieser  Abtheilung  die  Serben  griechischen 
Ritus  in  Dalmatien  (Ragusa,  Bocche  di  Cattaro)  unge- 
fehr  70,000;  ferner  iji  Kroatien,  ungefehr  174,000  See- 
len ^J.  —  Die  heutigen  Bewohner  der  Bulgarei,  einer 
Provinz  in  der  türkischen  Statthalterschaft  Rumili,  sind 
allen  Berichten  zufolge  sehr  verschieden,  als  Slawen  od. 

*)  Die  Sorben  waren  aus  Kascion  hauptsäclilich  von  Siegniuud  Her- 
berstein 1597,  dann  vom  General  Lenkovich  ums  J.  1600,  und  von  seinen 
Nachfolgern  im  (ieneral-Commando  nach  Kroatien  verpflanzt.  Engel  Th. 
in.  S.  469. 


201 

Bulgaren,  O.siiiancii,  \\  aluclu'ii,  llcleiicii  ii.  Armenier-, 
(lücli  sind  die  ersten  an  Zahl  idjeru  iei;end,  inid  können 
zn  000,1)00  an«;eselilaj;en  werden.  8ie  bekennen  sieh  der 
Masse  nach  zum  griecliiselien,  nur  ein  kleiner  Tlieil  zum 
lateinisehen  Kiliis.  Jene  zn  575,000  angenommen,  und 
die  obigen  Slawoserben  in  Oesterreieh  und  der  Türkei 
mit  1,951,000  hinzugerechnet,  ergibt  sich  die  ungefehre 
Gesaiinntzahl  2,520,000  für  Serben  u.  Bulgaren  griechi- 
schen Ritus,  die  sich  der  kyrillischen  Schrift  bedienen. ^*^') 

§.  21. 

Charakter  der  serbischen  Sprache. 

Das  Band  des  kyrillischen  Alphabets  und  des  griechi- 
schen Ritus  umschlingt,  wie  wir  gesehen  haben,  mehre- 
re an  der  untern  Donau  w  ohnende  Slaw  enstämme,  worun- 
ter die  Serben  und  Bulgaren  die  vorzüglichsten  sind.  Da 
iudess  die  Bulgaren,  w  ein'gsteus  nach  der  bisherigen  An- 
sicht und  Kunde,  sowol  in  Hinsicht  der  Abslammung 
als  auch  der  Landesminulart  von  den  Serben  verschieden 
sind;  so  wollen  wir  die  Sprache  und  Literatur  der  Ser- 
ben von  jeuer  der  Bulgaren  treinien,  und  besonders  be- 
trachten. 

Die  Stelle,  welche  die  serbische  Sprache  in  der 
Reihe  der  slawischen  Mundarten  einnimmt,  ist  bereits 
im  4.  §.  angegeben  worden.  Sie  ist  unstreitig  mit  der 
russischen  und  windisclien,  als  mit  den  südöstlichen 
näher,  als  mit  der  böhmischen  und  polnischen,  oder 
den    nordwesthchen    Mundarten  ,    verwandt.      Von    dem 


1")  Vgl.  St.  Äliloseivic  statisticeskoje  opisaaije  Serbije  (a.  d.  Teut- 
scheu)  Ofen  822.  S.  —  B.  Kamenskij  putesestwije  w  Mold.  Walach.  i  Ser- 
biju  Moskw.  SlO.  8.  —  Hist.-  top.  Beschr.  v.  Bosii  u.  Serb.  Wieu  821.  8.  — 
PA.  ab  Ochievia  epitome  vetust.  Bosu.  proviiiciae,  Aue.  776.  4.  —  Illyrieu 
u.  Dalm.  (iu  dem  Miniaturgem.  d.  Völker  u.  Länder)  Pesth  816.  2  Bde. 
12.  —  J.  V.  Csafluvics  Slawonien  und  zum  Theil  Kroatien,  Pesth  819.  2 
Bde.  8.  —  R.  V.  H**g  Reisen  durch  das  österr.  Illyr.  Dalm.  u.  Alban., 
Meisseu  822.  2  Bde.  8.  —  Vialla  de  Sommieres  voyage  historique  et  politi- 
(jue  au  Montenegi-o,  Par.  820.  —  Edw.  Broun' s  Reisen,  Xürnb.  711.  4.  — 
Boscovich  Reise  von  Constantinopel  durch  Bulgarien  nach  Lemberg.  Lpz. 
779.  —  Sauveboeuf  Reisen  in  d.  Türkei,  Persien  u.  Arab.  während  d.  J. 
17)^2  —  8cJ  —  Will.  Hunters  Reisen,  übers,  von  Gruber,  Lpz.  797.  8.  — 
H.  V.  Reirners  Reisen  d.  k.  russ.  Gesandsch.  an  d.  Pforte  im  J.  1793.,  S, 
P.  8Ö3.  3  Bde.  4. 


202 

Dalniatisclicn  aber  kann  sie,  wie  unten  angezeigt  werden 
soll,  liöclistens  als  eine  Varietät,  nicht  aber  als  ein  Dia- 
lekt, unterschieden  werden.  Aber  selbst  in  ihr  lassen 
sich  mehrere  Varietäten  nachweisen.  H.  Wuk  Stephano- 
wic  nimmt  drei  Mundarten,  die  hiernach  besser  Unter- 
arten heissen  würden,  des  Serbischen  an.  Er  theilt  näm- 
lich das  Serbische  1.)  in  das  Herceyowische,  welches 
von  den  in  Ilercegowina,  Bosnien  (sowol  christlichen, 
als  mohammedanischen  Bosniaken) ,  Montenegro ,  Dal- 
matien  und  Kroatien,  ferner  von  den  in  Serbien  in  dem 
Macvvaer  Landstrich  bis  nach  Waljewo  und  Karanowac 
wohnenden  Serben  gesprochen  wird ;  2.)  in  das  Resa- 
wische,  welches  den  Serben  in  den  übrigen  Theilen  Ser- 
biens, namentlich  in  dem  Landstrich  Branicewo,  an  der 
Resawa,  in  dem  Landstricli  Lewac,  an  der  obern  Mo- 
rawa,  im  Parat'iner  Bezirk  und  am  Schvvarzbach  bis  nach 
Negotin  eigen  ist ;  3.)  in  das  Si/rmische,  welches  in 
Syrmien  und  Slawonien,  in  Bäcka,  Banat  und  Mittel- 
ungern ,  ferner  in  Serbien  an  der  Sawe  und  Donau  bis 
zur  Morawa  gang  und  gäbe  ist.  Die  grösste  und  fast 
einzige  Verschiedenheit  dieser  Varietäten  ist  durch  die 
Aussprache  des  ^  (je)  begründet,  welches  im  Hercego- 
wisciien  dreifach  modificirt  wird  1)  als  jV,  wenn  es  kurz 
ist,  z.  B.  bjelilo,  cwjetowi,  pjewati,  umjeti  u.  s.  w. ;  wo- 
bei das  ;i;  in  Äh  a  in  ab,  h  in  hl,  m  in  1i  verändert, 
und  das  je  als  ein  reines  e  ausgesprochen  wird,  z.  B. 
jbe:[  ded  ,  KOAteHO  koljeno ,  no3eAeHLeniii  pozeleneti, 
BpT»ei!iH  tvrfjeh'  u.  s.  w.-,  2.)  als  ije,  wo  es  lang  ist,  z. 
B.  hijeln,  dijete  u.  s.  w. ;  3.)  als  i  vor  Ji  ja,  z.  B.  stjafi, 
grijali  u.  s.  w.  Derselbe  Laut  wird  im  Syrmisch-slawo- 
nischen  nur  auf  zweifache  V^eise  ausgesprochen:  1.)  als 
ein  reines  e,  z.  B.  wera,  )nera,  seme,  pewuti  u.  s.  w. ; 
2.)  als  ein  ?,  z.  B.  lefiti,  tvrtiti,  widifi,  razholiti  se 
u.  s.  w.  Das  Resawische  unterscheidet  sich  von  beiden 
darin,  dass  es  überall  ein  reines  e  an  die  Stelle  des  je 
setzt,  z.  B.  leteti,  wideti,  wrleii,  pozeleneti,  razholeii 
se,  stydefi  se  u.  s.  w.  Ausserdem  wird  im  Resawischen 
in  den  Nennwörtern  der  ersten  Declination  das  g  und  k 
in  Plur.  in  z  und  c  verwandelt;  roze,  Turce,  opance  st. 
roge,  Türke,    opanke ;    und  der  Dat.  und  Loc  der  2ten 


203 

Dccl.  hat  ein  e  st.  «':  na  iflinre,  iia  Mnrawe,  u  Resaive 
st.  na  (jlinn\  na  Morawi,  u  Rfisairi^).  Hieraus  sieht 
man,  flass  sich  das  IIercej;owische  (Inrcli  die  iMaFinigfal- 
tigkeit  des  Lautes  je,  das  Resawische  durch  den  Uiidaul 
c  und  c  und  die  Dativ-  und  Localendung  e  dem  Altsla- 
wisclien  nähert. 

Nimmt  man  die  Kedesprache  der  lieutigcn  Serben, 
so  wie  sie  im  Munde  des  Volks  lebt  —  denn  über  das 
Verhältniss  der  altslawisclien  Kirchenspraclie  zu  ihr  wird 
nocli  immer  gestritten  —  so  ist  der  Einlluss  des  südli- 
chen Himmels  auf  ihren  nordöstlichen  Urstoff  unverkenn- 
bar. Und  wie  konnte  es  auch  anders  seyn!  Man  erwiige 
das  begeisternde,  nicht  beranschende  Land,  mit  der  rech- 
ten Mitte  zwischen  armer  Steppe  und  erdrückender  Fülle, 
so  wie  zwischen  Glut  und  Frost  und  zwischen  ewigen 
Wolken  und  einem  leeren  Himmel,  eine  Mitte,  die  nichts 
zu  wünschen  übrig  lässt;  ein  Land  zugleich  voll  Gebirge 
als  Scheidemauer  mannigfacher  Nachbarvölker  und  als 
Schutz-  und  Treibmauern  der  Freiheit  und  Kraft,  und 
zugleicli  voll  Zauberthäler  als  weiche  Wiegen  der  Volks- 
Dichtkunst  —  ferner  die  klimatisch  mitgegebene  Mitte 
zwischen  einem  Noriiiaini  und  einem  Griechen  oder  Ita- 
liener, gleichsam  eine  stille,  warme  Sonuengluth  zwi- 
schen kaltem  Mondschein  und  sengendem  Erdenfeuer  — 
zuletzt  den  Einfluss  der  durch  Schrift  und  Glauben  be- 
freundeten Griechen,  und  der  durch  Handel  und  Meer 
benachbarten  Italiener,  und  ihrer  reichen,  melodischen 
Sprachen  auf  die  Befruchtung  der  kräftigen  Keime  einer 
nationalen  ,  einheimischen  Sprach-  und  Volksbildung : 
man  erwäge  alles  das,  und  Jiian  wird  ahnen  können, 
was  ans  einem  Volke,  dem  die  Natur  alle  zur  Entwicke- 
lung  einer  reinen  Menschheit  nöthige  Kräfte  in  Fülle 
verliehen  hat,  und  dem  westlich  das  Meer  und  die  eine 
Welt,  östlich  der  Donau-Riesenstrom  und  die  andere 
Welt  offen  standen,  —  was  aus  seiner  Sprache  gewor- 
den wäre,  wenn  es  nicht  das  Schicksal  zugleich  in  die 
Mitte  zweier  Völker    gestellt  hätte,   deren  Werk  nur  das 

^)  S.  StephanoitH4.seT\)isch.  -  teutsch  -  lateinisches  Wörterb.,  Wien 
818.  Vorr.  S.  XVI.  -  XvH  Eb.  narodne  srpske  rjesme  (823  Lpz.)  Tb.  I, 
S.  XXXV. 


204 

Zer.stiijeii,  ilcreii  Leljcn  nur  der  Tod  anderer  war,  bis 
aiieli  ilire  Stunde  geschlagen.  -  So  ist  luu)  die  8|)raclie 
der  beinahe  einzige  gerettete  Rest  der  unter  tausend- 
jishrigcn  Kinipfen,  unter  Strömen  des  edelsten  Blutes 
iiiühsani  fortgeführten  Yolksthums.  —  Die  SpracJie  ist, 
ungeachtet  des  siiiitern  Einflusses  der  türkisciicn,  im 
Ganzen  dennoch  rein  und  voll  tönender  Anmuth.  Im- 
merhin mag  ihr  die  Pol^tonie  der  -  ich  möchte  sagen- 
klingtnden,  säuselnden,  spielenden  Polnischen  mangeln; 
sie  überlriflt  gleichwol  an  Weichheit,  iVlilde  und  iiielo- 
dischcjn  Klang,  der  aus  der  ebenmi^ssigen  Vertheilung 
der  (  onsonanten  inid  dem  wechselnden  »Spiel  der  volle- 
ren Yocalc  entspringt,  weit  ihre  übrigen  Schwestern, 
und  kann  nach  gelungener  Ausbildung  —  wobei  das 
kriiftige  Altslawische  gewiss  nicht  ohne  Einfluss  auf  sie 
bleiben  wird  -  in  Rücksicht  auf  Wolklang  den  ersten 
Hang  unter  den  Slawincn  behaupten^).  Ich  will  über 
keinen  der  slawischen  Dialekte  den  Stab  brechen ;  jedem 
ist  der  Zugang  zu  diesem  Vorzug  frei,  aber  sie  nähern 
sich  ihm  oder  entfernen  sich  davon  auf  verschiedenen 
Wegen.  Ich  möchte  den  Klang  den  Serbischen  im  Gesang 
und  der  Poesie  mit  deiM  Ton  der  Violine,  des  Altslawi- 
schen mit  dem  der  Orgel,  des  Polnischen  juit  dem  der 
Cither  vergleichen;  oder  -  ist  das  Altslawische  in  den 
dawidischen  Kirchenhynuien  dem  hallenden  Sturz  eines 
Waldstroms  ,  das  Polnische  eines  Felinski  dem  reizen- 
den Gelispel  und  Gesiiusel  einer  Ouellc  ähnlich,  so  ist 
das  Serbische  im  Munde  der  ländlichen  Erato  dem  sanf- 
ten Murmeln  und  Girren  eines  Baches  durch  die  Bln- 
menwiesen  des  Thals  gleich;  -  das  erste  trifl't;,  erschüt- 
tert und  überwältigt  wie  der  Sturm;  das  zweite  weckt, 
ergreift  und  bezaubert  wie  das  Rauschen  des  Windes 
durch  herbstliche  Zitterpappeln;  das  dritte  beschleicht, 
erwärmt   und    entzückt ,    wie    ein    leichtes    Wehen    und 


^)  Unstreitig  ist  die  sorb.  Mundart  im  türk.  Serbien  u.  österr.  Dal- 
matieu  die  vocalreichste  unter  allen  Slawiuen,  und  kommt  in  dieser  Hin- 
sicht der  italienischen  Sprache  am  nächsten.  Man  vgl.  z.  B.  nur  das  Ser- 
bische pao  mit  padl,  rasla  mit  rostla,  niko  mit  nikdo,  brat  mit  bratr, 
wuk  mit  ivlk,  ivetar  mit  %vjh\  saw  sivi  mit  wsecken  u'Aickni,  krilo  mit 
krjdlo  skrzyälo,  drngij  mit  drcd'sj  u.  s.  w.  Lautverbiudungeu  wie  wstrjc 
xvztrlü,  zprchl,  zndkl,  od.  pstrzy ,  szczwam,  didiu  ,  äzdzal  ,  dzdzysti/ 
\\.  s.  w.  kommen  in  derselben  gar  nicht  vor. 


205 

Wo^iMi  der  Mailufi.  —  Der  diircliij:äii^ig  niid  .scharf  iin- 
(crscliiodenc,  kurze  oder  lii?>i;e  Zeilverlialt  der  Sylben- 
vocale  inaclit  diesen  Dialekt  i^aiiz  geeignet,  altclas.si.sclie 
Vcrsmaasse  nacliznahmen,  und  der  Natio?ialdicljtknnst, 
dnrcli  l  eberlraguiii»-  der  qnantitirenden  Metrik  auf  die- 
selbe, eine  iiühere.  idealisclie  Gestalt  und  Wiirdc  zu 
geben;  obsclion  auch  hier,  wie  beinahe  überall  bei  den 
Slawen,  die  Sache  bis  jetzt  nicht  in  der  Art  und  Aus- 
dehiunig,  die  sie  verdiente,  beachtet  worden.-^) 

Schicksale  der  serbischen  Sprache  und  Literatur. 

Ob  (Hid  wiefern  die  jetzige  serbische  Sprache  von  je- 
ner im  J.  040,  als  die  Serben  ihre  neuen  Wohnsitze  im 
Illyricum  und  Mösien  bezogen  haben,  verschieden  sey, 
kann  aus  gänzlichem  Mangel  an  Sprachüberresten  dieses 
Zeitraumes  nicht  beurtlieilt  werden.  Die  Byzantiner  wa- 
ren um  Ucberliefennigen  aus  dem  Sprachgebiete  fremder 
Völker  nicht  im  mindesten  besorgt ;  sie  nannten  alles, 
N>as  nicht  griechisch  war,  barbarisch,  und  würdigten 
CS  weiter  keiner  Beachtung.  Alles,  was  sie  darüber  ver- 
zeichnet haben,  beschränkt  sich  auf  die  Aussage,  dass 
die  Serben  slawischen  Stammes  sind,  dass  ihre  Sprache 
eine  slawische  Sprache  ist,  und  dass  sich  alle  Slawen 
gegenseitig  verstehen.  Die  Serben  selbst  waren  zu  dieser 
Zeit,  wenn  auch  nicht  unempfindlich  für  eigenen  Ruhm 
und  fahrlässig  bei  dessen  Fortpilanzen  auf  die  Nachkom- 
men, doch  unvermögend,  bei  dem  Drucke  der  gewalti- 
gen Awaren,  der  auf  ihnen  lastete,  und  bei  so  vielen 
Wander»nigen,  den  Künsten  des  Friedens,  dem  Sc'irifl- 
tlium  obzuliegen.  Sie  waren  nicht  darauf  bedacht,  die 
(jleschichte  der  eigenen  Tliaten  zu  schreiben,  damit  ihre 
spätesten    Nachkommen    sehen    möchten,    wie  sie  gelebt 

")  Sprncldiiicher.  Grammatiken :  W.  Sfcfanowic  pisnieiiica  serl)sko- 
ea  jezika.  AVien  814.  8.  Eb.  Sipska  gramniatika,  vor  dem  Würterburli, 
Wien  818.  8.  Toutsch  von  J.  Grimm :  TFcÄ-.v  Stephanowic  kleine  perlt, 
(iranini.,  Berl.  ii.  Lpz.  824.  8.  —  Wörterbücher:  Des  Ungenannten  „Nicme- 
ckij  i  Serbskij  slowar,"  AVi-n  790.  8.  ist  ein  Zwitter  zwischen  dem  Altsla- 
wisclien  und  Serbischen.  TF.  Stephanowic  Srpski  rjecuik,  istolkowan  nie- 
maökim  i  latinskim   rjecma,    AYieu   818.   8.    (Enthält    auch  die  Grammatik.) 


206 

und  geleibt  ,  gesproclieii  und  geschrieben  haben.  Im 
Mittelalter  schrieben  zwar  die  Serben  die  Geschichte  ih- 
res Landes,  aber  in  einer  Sprache, die  ein  Gemisch  ist 
aus  der  Landesmundart  und  der  Sprache  der  Kirchen- 
bücher oder  der  kyrillischen  Bibelübersetzung,  so  dass 
es  schwer  hält,  sich  daraus  über  die  Natur  der  Landes- 
numdart  und  ihr  Verhältniss  zu  m  Kirchenslawisch  zu 
belehren  ^).  Erst  im  vorigen  Jahrhundert ,  als  bereits 
der  Abstand  des  Altslawischen  vom  Serbischen  zu  gross 
war,  und  einige  Schriftsteller  in  der  gangbaren  Landes- 
mundart oder  Volkssprache  im  strengsten  Sinne  des  Wor- 
tes Bücher  zu  schreiben  anfingen,  wurde  die  wichtige 
Frage  wegen  Alt-  od.  Kirchenslawisch  und  Neuserbisch, 
und  ihrer  Rechte  auf  Schriftsprache  aufgeworfen,  und 
von  verschiedenen,  sowoi  einheimischen  als  auch  stamm- 
verwandten Gelehrten  auf  verschiedene,  oft  entgegenge- 
setzte Weise  beantwortet. 

Es  ist  an  einem  andern  Orte  (§.  10.)  wahrschein- 
lich gemacht  worden,  dass  die  südlich  der  Donau  vor- 
gedrungenen Slawen  geraume  Zeit  vor  Kyrill  und  Me- 
thod  theilweise  zum  Christenthum  bekehrt  worden  seyen, 
und  eine  von  ihren  heidnischen  Vorfahren  bedeutend  aus- 
gebildete Sprache  überkommend ,  dieselbe  auch  beim 
christlichen  Gottesdienst  eingeführt  und  in  den  Kirchen- 
büchern, der  Bibel,  den  Chroniken  und  andern  Schrif- 
ten gebraucht  liaben.  Auf  diesem  Wege  kam  das  Chri- 
stenthum zu  den  neueingewanderten  Bulgaren  und  Ser- 
ben, nach  den  Legenden  und  der  Tradition  erst  durch 
Kyrill  und  Method,  um  die  Mitte  des  IX.  Jahrb.,  nach 
kritischer  Erforschung  der  Umstände  und  nach  andern 
Angaben  aber  schon  —  wenigstens  theilweise  —  früher. 
Es  unterliegt  aber  keinem  Zweifel,  dass,  so  wie  die 
heidnischen  Slawen  zum  Christenthum  übergetreten  sind, 
auch  die  Schrift  der  Kirchenbücher  bei  ihnen  Platz  ge- 
griffen habe,  weil  die  Liturgie  in  slawischer  Sprache 
gehalten  wurde.  Was  ins  Besondere  die  Bekeiirung  der 
Serben  zum  Christenthum  anbelangt,  so  ist  der  Anfang 
derselben,  beim  gänzlichen  Stillschweigen  der  Ciironistcn, 
in  tiefes  Dunkel   gehüllt.    Nach  der  Annahme  der  einhei- 

*)  S.  DaividoivU  djejanijak  istorii  srbskoga  naroda  (821.)  ö.  5  —  7, 


207 

inisclicn  Rirclieng^eschiclitsleliicr  wären  schon  in  den  er- 
sten Decennien  nacli  der  Einwanderun»  der  .Serben  im 
Illyricuin  die  ConstantinopoHtaner  Patriarclien,  nach  En- 
gel liingegen^)  die  römischen  Biscliöfe  bemülil  gewe- 
sen, dieselben  zu  bekehren.  Gewiss  ist,  dass  die  Serben 
um  das  Jahr  8GS  unter  der  Regirung  des  griechischen 
Kaisers  Basilius  durch  griechische  Missionäre  getauft 
wurden,  wenn  es  gleich,  nach  den  damaligen  Sitzen  der 
Südslawen  zu  urtheilen,  ausgemacht  zu  seyn  scheint,  dass 
Kyrill  und  Method  das  Serbenland  mit  keinem  Fusse  be- 
ndirten,  sondern  den  Chroniken  zufolge  nur  durch  das 
Land  der  Bulgaren  reisten.  Doch  dem  sey,  wie  ihm 
wolle,  so  viel  ist  klar,  dass  die  Schreibekunst  unter  den 
Serben  erst  nach  ihrer  Bekehrung,  und  nach  Kyrills 
Erfindung  oder  Einrichtung  seines  Alphabets  Wurzeln 
geschlagen  habe.  Aber  eben  dieser  Anfang  des  serbischen 
Schreib-  und  Schriftwesens  ist  mit  einer  Nacht  bedeckt, 
in  die  kein  Auge  einzudringen  vermag.  Die  ältesten 
Sprachüberreste,  die  von  serbischen  Schriftstellern  her- 
rühren und  auf  serbischem  Boden  entsprossen  sind,  und 
die  insgesammt  das  Xlll.  Jahrb.  nicht  übersteigen,  sind 
entweder  ganz  in  der  altslawischen  Rirchensprache,  oder 
in  einem  Gemisch  aus  derselben  und  der  serbischen  Lan- 
desmundart abgefasst.  Dass  bereits  in  den  ältesten  Zei- 
ten vorzüglich  die  Geistlichkeit  Serbiens  der  griechischen 
Sprache  und  der  geistlichen  Literatur  nicht  unkundig, 
vielmehr  fast  in  steter  Verbindung  mit  Conslantinopel 
und  den  Klöstern  Makedoniens  (Athos)  gewesen  sey, 
unterliegt  keinem  Zweifel.  Wie  weit  sich  aber  dieser 
Einlluss  des  Griechischen  auf  das  Serbische  in  dieser  Pe- 
riode erstreckte,  ist  schwer  auszumitleln.  Des;  Basilius 
Hexaemeron  von  1263  und  der  Apostel  in  Sisatowac 
von  1324  iji  altslawischer  Kirchensprache,  sind  schon 
oben  §.  11.  angeführt  worden.  Iliernächst  ist  das  älteste 
und  hiemit  wichtigste  Sprachmonument  der  Slawoser- 
bischen  Literatur  das  Geschlechtsregisler  „Rodoslow" 
von  Daniel,  Erzbischof  von  Serbien,  Zeitgenossen  der 
serbischen    Könige    Uros ,    Dragutin  ,     Mihitin    und    De- 


*)  Vd.  Enaels   Gesch.    v.   Untern   u.  s.  Nebenländ.    Th.  II.  453.  4G2. 
III.  180. 


208 

canskij  zu  Ende  des  XlII.  und  im  Anfange  des  XIV. 
Jalirli.  (1272  —  1336),  worin  er  als  Augenzeuge  die 
Hegirung  der  bemeldeten  vier  Könige  erzählt.  Die  Hand- 
sclirift  liievon  in  fol.  findet  sich  im  Cliiljendarischen  Klo- 
ster auf  dem  Berg  Athos.  Das  Original  selbst  hat  Kaie 
zum  Behuf  seiner  serbischen  Geschichte  benutzt,  und 
durch  ihn  ist  auch  die  in  der  erzbischöllichen  Bibliothek 
zu  Karlovvic  befindliche  Abschrift  bekannt  worden.  Hr. 
Kopitar  vermutiiet  aus  guten  Gründen,  dass  derselbe 
Erzb.  Daniel  auch  der  erste  Uebersetzer  der  Korm- 
caja  Kniga  sey  ;  (Wien.  .Jahrb.  der  Literatin-  1823.)  Et- 
wa gleichzeitig  mit  diesem  Geschlechtsregister  mag  das 
gewöhidich  sogenannte,  (von  Kaie  benutzte)  chiljenda- 
rische  .Jahrbuch  ,,Ljetopis"  seyn,  ein  ganz  kleines  Büch- 
lein in  einigen  Blättern  bestehend,  und  ebenfalls  im  chi- 
Ijendarischen  Kloster  aufbewahrt ;  aber  viel  später  der 
,,Carostawnik"  (sonst  auch  Troadnik  genannt)  d.  i.  Für- 
stenregister, von  einem  alten,  ungenannten  Vf,  in  wel- 
chem nach  Capiteln  serbische,  griechische,  bulgarische 
und  russische  Kegenten  aufgezählt,  inid  ihre  Kegirun- 
gen  beschrieben  werden.  Unter  dem  ersten  serbischen 
Car,  Dusan  dem  Mächtigen,  (1330  —  1356),  erstieg 
nicht  nur  die  Macht  des  I^andes  den  höclisten  Gipfel,  son- 
dern auch  die  Nationalcultur  und  hiemit  die  I^iteratur 
fingen  an  frühlicher  zu  gedeihen.  Bei  so  vielen  Kriegen 
gegen  das  Ausland  verwahrlosete  Dusan  das  Innere  sei- 
nes Reiches  nicht.  Man  hat  von  ihm  ein  Gesctzbucii  aus 
dem  .J.  der  Welt  6837,  d.  i.  n.  Chr.  1349,  welches  um 
so  wichtiger  ist,  da  es  über  den  imiern  Zustand  des 
Reichs  und  über  die  damals  erstiegene  Stufe  der  inne- 
ren Cultur  Aufschlüsse  gibt,  während  die  übrigen  hin- 
terbliebenen  historischen  NachrichtCF!  nur  von  Kriegen 
und  rauschenden  Begebenheiten  handeln.  rngern  und 
andere  I^änder  haben  kein  so  frühes  Gesetzbuch  aufzu- 
weisen •^).  In  dem  ganzen  Gesetz  weht  ein  edler  inid 
milder   Geist    der    jMensciilichkiit,    zuerst    wird    für  das 

=')  Im  IV.  Tb.  s.  Goscl).  S.  242  tf.  beschenkte  uns  Rnic  mit  einem 
Abdruck  dieses  Gesetzbuchs  uacli  der  im  Archive  der  serbischen  Edelleute 
l'eter  u.  Sabbas  v.  Tököly  zu  Arad  vortlndlicben  Ilandscli.,  und  Enael  lie- 
ferte eine  teutsche  Uebers.  desselben  Tli.  II.  S.  2!J3  ff.  Vgl.  auch  W-  Sfe- 
•plianoiinc  WB.  S.  III.  Eine  andere  Ilschr.  besitzt  die  Neusatzer  Gymn.-Bibl. 


209 

("lirisloiMhmn  iiiid  (\\c  Kirche  j^esorg(,  und  vom  geistli- 
flien  (icrichl  ,  von  IMcMropoliteii  und  Biscliöfen  ,  von 
Presbytern  äfeluuidell :  (iefanoene  oder  Sclawen  ,  die, 
ans  der  (jefani>enscliaf<  entwischt,  sich  an  den  Hof  des 
("ars,  oder  zu  einem  Diener  des  Cars,  zti  einem  Geist- 
liclien  oder  Edelmaini  i^elliiclilet  hätten,  sollten  frey  seyn; 
Fremde  übergaben  heim  Ankoiiniien  in  einer  Stadt  oder 
einem  Dorf  ihre  Sachen  dem  Wirth,  der  für  sie  haften 
miisste;  wenn  ein  (inwidbesitzer  einen  Reisenden  nicht 
beherberä:en  wollte,  so  hatte  dieser  das  Recht,  sich  in 
seinem  Dorf  einzuqnartiren,  verlor  er  etwas,  so  nmsste 
es  der  ersetzen,  der  sich  geweigert  hatte,  ihn  aufzuneh- 
men; Raufleute  und  ihre  Waaren  wurden  vorzüglich 
durch  das  Gesetz  gescinrmt.  und  Gewaltthätigkeiten  und 
Räuber  durch  die  Strenge  der  Strafen  abgehalten  u.  s. 
w.  *)  Kein  Zweifel,  dass  in  dieser  Periode  der  blühen- 
den Macht  des  serbischen  Carthums  mehrere  Kirchen- 
schriftsteller die  Sprache  mit  ihren  Werken  bereicherten; 
namentlich  gehört  die  Erweiterung  und  Vollendung  der 
Kirchenbücher  in  dieses  Jahrhundert;  selbst  Rnssland 
bezog  die  meisten  Handschriften  u.  die  tüchtigsten  Schrift- 
gelehrten  aus  Serbien,  wie  es  das  Beispiel  des  im  Jahr 
137G  aus  Serbien  nach  Russland  berufenen  Rypruitt, 
Metrop.  V.  Kiew  u.  ganz  Russland  (gest.  1406J,  und 
mehrerer  anderer  beweist ")  :  aber  die  Stürme  der  Zeit 
und  die  alles  verheerenden  iMuselmänner  Hessen  nur  we- 
nige Trümmer  dieser  ehemaligen  Sprach-  und  Geistes- 
cultur  auf  uns  kommen.  Und  selbst  diese,  wie  zerstreut 
sind  sie  durch  die  entlegensten  Klöster  des  dem  Auslän- 
der nur  selten  und  mit  Gefahr  zugänglichen  Landes! 
Reisende,  sagt  Raic,  die  aus  den  serbischen  Gegenden 
kommen,    versichern,    dass    sich  solche  alte  Handschrif- 


*)  Von  demselben  Fürsten  Itetindeii  sich,  wie  bereits  oben  §.  11. 
bemerkt  worden,  iu  dem  Karlowicer  Metropolitanarchiv  zwei  Schenkungs- 
briefe au  das  Kl.  Chilendar  vom  J.  1348.  der  eine  im  Original,  der  andere 
in  Copie  :  dt  r  Schenkungsbrief  von  s.  Vorgänger  Milutin  Steph.  Uros  vom 
.1.  1302  an  dasselbe  Kloster  in  demselben  Archiv  ist  nur  eine  Copie.  Das 
in  der  Wiener  Bibl.  befindliche  Wappenbuch  von  Illyrien,  das  Marcus  Sko- 
rojewic  vor  der  Mitte  des  XVII.  Jahrh.  geschrieben  und  dem  römischen 
König  Ferdinand  IV.  dedicirt  hat,  soll  angeblich  aus  einem  von  Rubcir;, 
Wappenherold  des  Stephan  Dusan,  verfassten  und  in  Chilendar  aufliewahr- 
ten  Original  entnommen  seyn.  Engel  (I.  202)  bezweifelt  jedoch  die  Fixi- 
stenz  dieses  Originals.  ')  Ä  Grec  opvt  istor.  rusk.  liter.  S.  36. 

14 


210 

teil  vorziigücli  in  folgenden  serbischen  Klöstern  finden : 
1.)  in  der  serbischen  Lawra  Studenica,  2.)  in  Decan, 
3.)  in  Ipek  (eii^eiitlicli  in  Epirus),  dein  vormaligen  Si- 
tze des  Patriarchen.  Aber  auch  in  den  zahlreichen  Klö- 
stern anf  Atlios  müssen  noch  Ueberreste  der  serbischen 
Literatur  vergraben  liegen.  Wie  viel  ist  hier  f*nr  einen 
künftigen  serbischen  Philologen  und  Paläographen  noch 
übrig  zu  thnn!  Serbische  Diplome  reichen  bis  in  das 
XIII.  Jahrb.  hinauf;  aus  einer  von  Car  Lazar  dem  Klo- 
ster Rawanica  an  der  Resawa  in  Serbien  ertlieilten  Ur- 
kunde vom  .J.  1381  führt  Hr.  Stephanowic  (Wörterb. 
S.  IV.)  Sprachproben  an.  Aus  der  spätem  Zeit  befindet 
sieb  noch  eine  Urkunde  der  Exsultanin  Mara,  Tochter 
des  Despoten  Georg,  vom  .Jahr  1479  in  Chilendar ; 
Raic  III.  322  —  23.  Nicht  minder  erwähnt  Branko- 
wic  in  seiner  handschriftlichen  Geschichte  von  Serbien 
eines  Geschichtschreibers,  Gregor,  Igumen  des  Klosters 
Studenica,  der  in  diese  Periode  geliört.  Die  unglückli- 
che Schlacht  bei  Kosowo  stürzte  das  Land  in  unabseh- 
bares Elend;  die  romantischen  Gefilden  und  Auen  Ser- 
biens v^'urden  nun  .Jahrhunderte  lang  der  Schauplatz  der 
blutigsten  Kriege  und  Verheerungen;  alle  schon  ange- 
fangene f'ultur  (Ws  Landes  erstarb.  Die  Geistlichkeit  ret- 
tete, was  noch  zu  retten  war,  und  etwa  fünfzig  Jalire 
nach  Erfindung  der  Buchdruckerkunsl  erschienen  sovvol 
iu  Serbien  als  auch  in  den  benachbarten  und  von  Stamm- 
verwandten bewohnten  Provinzen  von  Zeit  zu  Zeit  sla- 
wische Kirchenbücher  in  Druck  ,  die  zum  Theil  oben 
§.  i\.  verzeichnet  sind.  Aber  bald  erfolgte  eine  Todes- 
stille bis  auf  den  letzten  Despoten  Serbiens,  Georg  Bran- 
kowic,  welcher  eine  serbische  Geschichte  vom  Anfang 
des  Volks  bis  auf  die  Zeiten  des  Kaisers  I^eopold  1.  im 
alten  slawo-serbischen  Styl  hinabgeführt  liat ;  das  Msc, 
fünf  Quartbände  stark,  ist  in  der  Erzb.  Bibliothek  zu 
Karlowic    befindlich,    und     von     Kaie    bereits    benutzt*'). 


®)  G.  Brankowic  (geb.  1G45)  war  eine  Zeit  laiiR  Abgesandter  dos 
Apafi,  P'ürsten  von  Siebenbürgen,  beim  türkischen  Hofe  ,  dann  aber  brauchte 
ihn  Ks.  Leopold  I.  in  Geschäften  in  der  Türkei  sowol,  als  vorzüglich  in 
Serbien,  indem  er  durch  ihn  Serbien  mit  der  ungrischen  Krone  vereinigen 
wollte.  Er  war  es,  der  in  Verbindung  mit  dem  Erzb.  v.  Ipek  bewirkte,  dass 
36,000  serbische  l'amilien  sich  in  Nieder-Ungerns  öden  ,  von  den  Tür- 
ken verwüsteten  Gefilden  niederliessen.  Für  diese  Dienste  und  für  seine  im 


211 

Mit  Braiikowic  kann  iiiüfi  füglich  die  erste  Periode  der 
slawo-serbisclieii  Literatur  schliesseii,  die  zweite,  oder 
die  neuere,  fängt  mit  Zefarowic  an,  und  dauert  bis  auf 
unsere  Zeiten.  Zweierlei  bietet  sich  hier  dem  Beobach- 
ter gleich  im  Anfange  dar:  einmal  erscheint  die  neuere 
serbische  Literatur  ganz  auf  die  Serben  in  Oesterreich 
beschränkt  —  serbische  Schriftsteller  und  Druckereien 
in  der  Türkei  hören  ganz  auf  —  ;  dann  aber  wird  die- 
ser Zeitraum  durch  die  förmliche  Trennung  der  Lan- 
desnuHidart  von  der  Kirchensprache  und  das  Erheben 
der  erstem  zur  Schriftspraciie  charakterisirt.  Auf  die 
Herausgabe  von  Zefarowic  Stemmatographie  ,  die  aus 
Mangel  an  beweglichen  Typen  und  wegen  der  vielen 
Abbildungen  der  Wappen  in  Kupfer  gestochen  zu  Wien 
1742.  in  4.  erschien,  folgte  eine  lange  Pause.  Im  Jahr 
1755,  als  unter  Maria  Theresia  das  Licht  der  Wissen- 
schaften auch  ihre  „tapfern  und  vielgeliebten  Illyrier" 
erreichte,  liess  der  Karlowicer  Erzbischof  und  Metropo- 
lit Paul  Nenadowic,  da  in  der  ganzen  weiten  Monarchie 
keine  Druckerei  mit  slawischen  Lettern  versehen  war, 
in  der  Druckerei  des  Bischofs  von  Rimnik  in  der  Wa- 
lachei die  Smotriskische  Grammatik  „zum  Nutzen  und 
Gebrauch  serbischer  Knaben''  audegen.  Bevor  die  Ser- 
ben in  Oesterreich  eine  Druckerei  erhielten,  gelang  es 
den  aus  Hercegowina  und  Bosnien  nach  den  Küsten  des 
adriatischen  Meeres  eingewanderten  Dalmatiner-Serben 
morgenländischen  Ritus  eine  in  Veacilig  zu  errichten.  — 
Demeter  Theodosrjew ,  ein  Griecne  aiis  Janina,  Factor 
der  griechischen  Buchdruckerei  des  Glika  .  in  Venedig, 
unternahm  es  im  J.  1758,  nach  Bozidar  der  erste,  mit 
Erlaubniss  der  Republik,  den  kyrillischen  Bücherdruck 
aufzufrischen  und  ins  Leben  zu  rufen.  Er  schrieb  nach 
Russland  und  bekam  kyrillische,  er  schrieb  nach  Rom, 
und  bekam  glagolitische  Typen ;  und  sofort  richtete  er 
seine  griechisch-slawische  Druckerei  ein.  Das  erste,  was 
hier  gedruckt  worden,  ist  „Plac  Serbie"  ohne  Druck- 
Krieg  bezeugte  Tapferkeit  ward  er  zum  Freiherrn  und  dann  zum  Grafen 
ernannt,  und  mit  dem  ungrischen  Indigenat  beehrt.  Bald  darauf  (1689) 
aber  warf  das  Ministerium  auf  ihn  einen  scliweren  Argwohn,  und  er  war 
Staatsgefangener  zuerst  in  Wien,  dann  zu  Egsj:.jtuBölöö.en,  in  welchem 
letzten  Ort  er  seine  Geschichte  zusammenschrieD^nd  verstarb  (1711). 


212 

ort  und  .lalirzalil.  von  oiiieiii  liiigeiiannten  S.  8.  S.  im 
.].  1701.  Nun  folgten  Ivicrauf,  ausser  einigen  Elemen- 
tar- vnid  Kirchenbüchern:  Orj3helin  o  sedmych  tain- 
stwacli  763.,  Julinac  istor.  slaw.-serh.  naroda  705.  u.  an- 
dere. Später  ging  die  Druckerei  an  seinen  Neffen,  Pa- 
iip-Theodosljew,  über  ^).  Als  im  J.  1709  ein  ,, illyri- 
scher Nationalcoiigress'*  in  Gegenwart  des  k.  Hofcom- 
missärs,  Generals  der  Cavallerie,  Grafen  Andr.  Hadik, 
in  Karlowic  abgehalten,  inid  das  erste  sogenannte  ,,Na- 
lionalregulament"  für  die  Serben  in  Ungern  zu  Stande 
gebracht  worden;  da  wurde  auch  die  erste  serbische 
Druckerei  in  Oesterreich,  und  zwar  als  Hofbuchdni- 
ckerei.  in  Wien  im  .1.  1771  errichtet;  die  bald  darauf 
an  Kurzbeck  und  Nowakowic,  nach  25  .Jahren  aber,  im 
.1.  1790,  an  die  k.  Universität  zu  Ofen  überging,  bei 
welcher  das  Privilegium  und  Monopol  für  alle  altslawi- 
sche und  serbische  Kirchen-,  Schul-,  Volks-  und  wis- 
senschaftliche Werke  bis  jetzt  verblieben  ist '^).  —  Ei- 
nen grossen  Einfluss  auf  die  Gestaltung  und  den  Gang 
der  neuern  serbischen  Literatur  seit  1704  hatten  unstrei- 
tig Kaie  und  Obradowie,  seit  1813  aber  Dem.  Dawido- 
wic  und  Wuk  Stephanowic.  Unter  Haies  zahlreichen 
Werken  ist  vorzüglich  seine  Geschichte  der  Slaw-en  be- 
achtenswerth.  Er  befleissigte  sich  des  kirchenslawischen 
Styls,  aber  sein  Kirchenslawisch  ist  iiicht  rein,  sondern 
stark  mit  Hussismen  und  Serbismen  versetzt,  weil  Raic 
sein  Werk  auch  andern  Slawen,  namentlich  den  Russen, 
ferner  dem  serbischen  Volk,  zugänglich  maciien  wollte. 
Obradowie  war  der  erste,  welcher  von  der  bis  dahin 
üblichen  Methode,  Kirchenslawisch  od.  Slawoserbisch  zu 
schreiben,  gänzlich  abwich,  und  die  gemeine  Landes- 
iinnidart  zur  Schriftsprache  erhob.  Es  fandeij  sich  nun 
mehrere ,  w  eiche  die  von  ihm  eröffnete  ,  von  andern 
lebhaft  bestrittene  Bahn  betraten,  worunter  Dawidowic 
und  Stephanowic  die  vorzüglichsten  sind,  w^ährend  an- 
dere sich  mehr  oder  weniger  fest  entweder  an  das  Kir- 


')  S.  Solnric  poiiiinak  kiii/cskij  o  slawciioscrhskoin  w  Mletkach  pe- 
r-ataiiiju,  Von.  810.  8.  ^')  Die  Knchdruckerei  in  Ofen  liat  1708  ein  Ver- 
ziiichniss  der  slawoserbisclion  Büclier  drucken  lassen,  in  welrhen  atich  einige. 
die  Kurzheck  verie.üt  liat.  stehen.  Seitdem  enthält  der  Catal.  lihror.  (W 
rniversitätsliuchdiuckeici  nur  die  ascetischen  und  FJeineiitarhüchlein. 


213 

cheiislavvischo,  wie  Terlaic,  Kenü^clac  u.  ni.  a.,  oder  an 
cl;is  liergehrachte  Gemeiiiije  von  Slawoserbiscli,  wie  Hie 
meiskMi,  liieUen.  —  Den  entschiedensten  Eindnss  anf  das 
Waclistlium  der  Literatur  haben  in»streitig  gut  einge- 
richtete Schulen.  Von  unten  auf,  aus  dem  Keime,  er- 
wächst und  erblidit  die  Pahne.  Es  ist  liier  nicht  der  Ort, 
über  die  altern  serbischen  Schulen  in  den  österreichi- 
schen Staaten  zu  berichten,  dergleichen  es  bekanntlich 
seit  1733  in  Karlowic  (mit  Lehrern  aus  Kiew  besetzt), 
Belgrad  ,  Essek  und  DaIJa  gab,  die,  bis  auf  die  Karlo- 
wicer  Schule,  alle  nach  und  nach  eingegangen  sind;  für 
unsern  Zweck  reicht  es  hin,  auf  das  im  J.  1791  gleich- 
sam aus  dem  Staube  und  der  Verwesung  zum  neuen  Da- 
seyn  gerufene  Gymnasium  in  Karlowic  zu  verweisen, 
dessen  Schöpfer  der  um  die  griechische  Kirche  und  die 
serbische  Nation  in  Ungarn  und  Oesterreich  hochver- 
diente Karlowicer  Erzbischof  und  Metropolit,  Se.  Exe. 
Herr  Stephan  Stratimirowic  von  Kulpin  ist.  Aber  lei- 
der ist  sowol  auf  dieser,  als  auch  auf  der  nach  ihrem 
.Muster  in  Neusatz  1818  errichteten  höhern  Lehranstalt, 
die  beide  für  die  Verbreitinig  wissenschaftlicher  Cultur 
unter  den  Serben  zu  sorgen  ganz  eigentlich  berufen  sind, 
dem  Studiinii  der  Nationalsprache  zu  wenig  Spielraum 
gegönnt.  Doch  werden  auf  der  ebenfalls  \on  dem  ge- 
nannten Erzbischof  und  Metropoliten  1794  errichteten 
Karlowicer  Klerikalschule  und  den  übrigen  theologischen 
Schulen  die  slawische  Grammatik  ex  professo,  und  alle 
Lehrgegenstände  in  dieser  Sprache  vorgetragen.  Die  Or- 
ganisation der  serbischen  Nationalschulen  wurde  zwar 
schon  in  dem  dritten  Jahrzehend  des  XVIll.  Jahrh.  ein- 
geleitet ,  und  durch  des  patriotischen  Schuldirectors, 
WujanowskiJ,  Wachsamkeit  und  Eifer  ist  die  slawische 
Sprache  für  dieselben  gerettet  worden  (die  man  daraus 
vorzüglich  1790  91  gänzlich  hat  verbannen,  und  die 
magyarische  als  Muttersprache  der  Serben  einführen  wol- 
len); allein  das  grösste  Verdienst  um  diese  heilige  Sache 
blieb  unsers  jetzt  regirenden  Landesherrn  iMajestät  vor- 
behalten, der,  um  dem  Mangel  an  Unterrichts-  und  Bil- 
dinigsanstalten  gänzlich  abzuhelfen,  für  gut  fand,  die 
Oberaufsicht  über  die  Nationalschulen    sjriecliischen  Ritus 


214 

in  Ungern  in  einem  Individuum  zu  concentriren  (1810), 
(bis  1825  Uros  v.  Nestorovvic,  k.  Ralli),  ihm  die  Bezirks- 
Directoren  zu  unterordnen  (1812),  und  zur  Bildung  der 
YoIksschuUchrer,  eine  serbische  sogenannte  Schola  prae- 
parandormii  zuerst  zu  St.  Andreae  (1813)  ,  dann  nacli 
Zombor  verlegt  (1817),  zu  errichten^).  —  In  Serbien 
war  man  immer,  so  viel  es  die  Umstände  zuliessen,  sorg- 
fältig darauf  bedacht,  wissenschaftliche  Cultur  auf  den 
vaterländischen  Boden  zu  verpflanzen,  und  höhere  Bil- 
dungsanstalten zu  errichte!) :  aber  nach  der  wiederholten 
Unterwerfung  des  hartbedrückten  und  verheerten  Lan- 
des unter  die  alle  literarische  Cultur  vernichtende  ma- 
homedanische  Regirung,  erstickten  diese  —  zarten  Blü- 
then  des  Friedens,  der  Ruhe  und  der  Milde  —  im  Keime. 
Die  jetzt  bestehende  Regirung  ist  eifrig  bemüht,  das 
Verlorne  zu  ersetzen:  möge  der  glücklichste  Erfolg  ihre 
heilvollen  Bemühungen  krönen!  ^-) 

Während  nun  aber  in  der  allerneuesten  Zeit  von 
Jahr  zu  .Jahr  zahlreichere  Blumen  auf  den  Gefdden  der 
serbischen  National literatm-  in  den  Provinzen  des  men- 
schenfreundlichen, milden  Oesterreichs  zu  entspriessen 
begannen,  zeigten  sich  auch  Schwierigkeiten  doppelter 
Art,  schon  aus  dem  Vorigen  entnehinbar,  und  drohen 
das  Emporbringen  der  guten  Sache  auf  lange  Zeit  hinaus 
zu  vereiteln.  Zuvörderst  wurde  der  Druck  und  die  Ver- 
breitung serbischer  Werke  ungemein  dadurch  erschwert, 
dass  in  dem  Mittelpunct  der  jetzigen  Sitze  der  Serben 
keine  Buchdruckerei  aufkeimen  konnte.  Zwar  gelang  es 
einem  eifrigen  Serben ,  Dem.  Dawidowic,  im  J.  1813 
eine  serbische  Druckerei  Behufs  der,  in  den  zwei  Jahren 
1792  —  93  von  Steph.  Xovvakowic  herausgegebenen  Zei- 
tung, zu  bewirken,  die,  zuerst  in  Wien,  gegenwärtig 
an  M.  Chr.  Adolph  in  Rotz  überging;  auch  druckte  die 
Klosterbuchdruckerei  der  x\rmenier  in  Wien  fortwäh- 
rend   mit    kyrillischer    Schrift,    und    in  Venedig  bestand 


')  Ueber  das  Schulwesen  der  Serben  ist  zu  vergleichen:  Caploivic 
Slawonien  und  Kroatien  (1819)  II.  B.  S.  230  ff. 

^'')  Von  dem  Schriftwesen  der  Bosnier  und  Montenegriner  seit  dem 
XVII.  Jahrh.  kann  gar  nichts  Erhebliches  gemeldet  werden.  Ihre  Kenntniss 
des  Slawisclien  beschränkt  sich  auf  die  Kirchenbücher,  die  sie  aus  andern 
Staaten,  Kussland  und  Oesterreich,  beziehen. 


215 

die  Pane-TheoHosijevvscIio  OfTiciii  bis  auf  die  neuesten 
Zeiten;  allein  alle  diese  waren  tlieils  zu  besclitänkt,  theils 
zu  entfernt,  um  Verkeäu-  und  reji^eres  Leben  in  das  ser- 
bische SchrifttJMiüi  zn  brini^en,  oder  es  im  eigentlichen 
Herzen  der  Wolmplätze  der  Serben  zu  verbreiten.  Auf 
gleicher  Stufe  der  Beschränktheit  und  Unvoljkoinnien- 
heit  steht  der  serbische  Buchhandel,  der  eigentlich,  im 
wahren  Siiwie  des  Worts,  gar  nicht  existirt.  Ein  zwei- 
tes, ungleich  wichtigeres  Missverhältniss  enl^^  ickelte  sich 
seit  Dositliej  Obradowic,  vorzüglich  aber  seit  den  letz- 
ten literarischen  rnternehminigen  der  beiden  serbischen 
Volksschriftstelier,  Dem.  Dawidowic  und  Wuk  Stepha- 
nowic,  die  den  Grundsatz  ,,man  müsse  schreiben,  Avie 
man  spriclit"  theoretisch  und  praktiscli  verfechtend,  die 
gemeine  Landesmundart  an  die  Stelle  der  bisher  übli- 
chen kirchenslawischen,  od.  slawoserbischen,  zur  Ehre 
der  Schriftsprache  erheben  wollten.  Denn  bald  bildete 
sich  eine  (Gegenpartei,  welche  sich  verpfliclitet  glaubte, 
dem  nmsic'igreifenden  Entslawisiren  des  Schriftthums, 
als  einer  naciitheilbringenden  Neuerung  einen  Damm  ent- 
gegen zu  setzen.  So  entstand  eine  Erhitzung  der  Gemü- 
ther, die  zwar  auf  der  einen  Seite  niciit  ohne  gute  Fol- 
gen geblieben  ist,  indem  sie  einen  literarischen  Streit 
verursachte ,  der  den  Fleiss  mehrerer  unserer  geach- 
tetsten  Gelehrten  auf  die  tiefere  Erforschung  der  kir- 
chenslawischen Mundart,  ihres  Ursprungs  und  Verhält- 
nisses zu  der  jetzigen  serbischen  und  den  übrigen  Sla- 
winen,  hinlenkte;  andererseits  aber  dadurch,  dass  die 
Parteien,  entweder  in  der  ersten  Aufwallung,  oder  im 
Vollgefühl  des  vermeintlichen  Rechts  und  Unrechts, 
sich,  wäe  gewöhnlich,  gegenseitig  erbitterten,  und  vie- 
le sonst  patriotisch  gesinnte  Herzen,  noch  mehr  aber 
die  Schw^achen,  von  der  Theilnahme  an  der  einheimi- 
schen Literatur  abwendig  machten,  der  guten  Sache 
nicht  wenig  Eintrag  gethan  hat.  Weit  entfernt  von  ei- 
nem anmaassenden,  tadelhaften  Absprechen  in  einer  so 
hochwichtigen  Sache,  vielmehr  die  Beschränktheit  der 
eigenen  Kraft  und  Keinitniss  auf  dem  weiten  Gebiet 
der  slawischen  Sprachforschung  wol  erwägend,  erachte 
ich  es   für    Pflicht,    mich  des  Urtheils  über  diese  Streit- 


216 

frage  gänzlich  zu  enthalten,  und  ihre  Entscheidung  ein- 
geweihtern Kennern  z«i  überlassen.  Ich  begnüge  mich, 
schliesslich  auf  diejenigen  .Schriften  zu  verweisen,  atis 
denen  man  sich  über  den  ganzen  Verlauf  und  Stand 
der  Sache  genau  und  grinidJich  unterrichten  kaini.") 

§.  23. 

Uebersicht  der  neuesten  serbischen  Literatur. 

Ueberblickt  man  die  Erzeugnisse  der  serbischen  IJte- 
ratur  seit  etwa  einem  lialben  .Jahrhundert  (1770),  so 
findet  man,  dass,  dem  natürlichen  Gange  der  Sache  ge- 
mäss, bis  jetzt  überhaupt  nur  wenige  Fächer  des  menscii- 
lichen  Wissens,  und  von  diesen  nur  einige  erträglich. 
andere  gar  zu  dürftig,  die  meisten  gar  nicht  bearbeitet 
worden  sind.  Theologie,  Pädagogik,  Geschichte  u.  Geo- 
graphie ,  Dichtkunst  ^)  ,  von  den  Naturwissenschaften 
die  Naturgeschichte  und  Physik,  haben  bald  mehr,  bald 
weniger  aufzuweisen.  Ungleich  mehr  betrübend,  als 
diese  Armuth  der  beginnenden  Literatur,  ist  die  Anar- 
chie   in  der    Schreibart,    und  die  Folgewidrigkeit  in  der 

")  Vgl.  Nachricht  von  Stephaiiowic's  neuserb.  Wörterb.  in  dem  österr. 
Beobachter  1818.  N.  119.  Eine  Stimme  dagegen  in  eb.  österr.  Beob.  N.  2(J0. 
Autwort  hierauf  bei  Gelegenheit  der  Kec.  von  ötephanowic's  Wörterb.  in 
den  Wien.  Jahrb.  d.  Lit.  1818  ,  auch  besonders  abgedruckt.  Die  Vorr.  v.n 
Wuks  Stephanowic's  Wörterb.  Verschiedene,  meist  Pseudonyme  Aufsätze  in 
den  Beilagen  zu  der  serb.  Zeitung  des  Dem.  Dawidowic  in  den  J.  1819 — 21. 
Joe.  Grimm  s  Vorr.  zu  der  Grammatik  der  serbischen  Sprache  von  Wuk 
Stephanowic  u.  m.  a.  —  S.  auch  Solaric's  Pominak  knizeskij  (1810)  S.  56 
ff.  ü6  ff.  Eh.  Rimljani  slawenstwowawsii  (1818)  S.  56  —  57. 

*)  Die  gesammteu  Producte  der  bisherigen  serbischen  Dichtkunst  zer- 
fallen, ausser  einigen  gereimten  und  in  Prosa  geschriebenen  Schauspielen, 
in  Nationallieder  und  Oden.  Dort  sind  die  „wunderschönen  Nationalgc- 
sange  aller  Art"  zu  nennen,  die  Hr.  Stephanowic  Lpz.  823.  in  3  Bd.  bekannt 
i^emacht  u.  Talvj  (Th.  v.  Jakob)  Hall.  825  ins  T.  übers,  hat,  die  aber  vollstän- 
dig gesammelt  wol  über  ein  Dutzend  Bände  füllen  würden.  Alle  diese  Gesänge 
sind  reimlos,  gleichwol  nicht  ohne  Numerus,  wie  diess  schon  die  in  dem 
lOsylbigen,  nach  der  Anzahl  der  Finger  in  5  Versfüsse  abgetheilten,  älte- 
sten epischen  Verse  der  Slawen,  der  auch  in  den  böhm.  Fragmenten  und 
russ.  Volksgesängen  vorkommt,  regelmässig  beobachtete  Caesur  im  2ten  Vers- 
fuss  beweist.  Vgl.  Jnngmann  slowesnost  (1820)  S.  XXVI.  —  Hier  reprä- 
sejitirt  Musicky"s  classische  Muse  gleichsam  den  ganzen  serb.  I'arnass,  und 
es  ist  um  so  mehr  zu  bedauern,  dass  der  Genius  dieses  Dichters  die  engen 
Fesseln  des  germano-russischen  Tonprincips  nicht  abwerfen,  und  die  freiem 
!■  lügel  der  griech.  Prosodie  im  Geiste  der  slaw.  und  serb.  Sprache, 
die  bestimmt  ausgeschiedene  Kürzen  und  Längen,  und  eine  Position  —  doch 
keine    Elision    und  Ekthlipse  —  hat,  nicht  annehmen  konnte  od.  wollte.  — 


2i7 

Ordiogruphio ,  die  die  meisten  literiirischen  l^rodiiktc 
dieses  Zeilriuims  eii(s(elll.  Von  den  iin^ei'elir  400  seit 
1742,  od.  eigentlich  seit  1761  bis  jetzt  gedruckten  ser- 
bischen Büchern  mögen  etwa  'A  in  der  altslawischen 
Kirchensprache,  und  eben  so  viele  in  der  gemeinen 
Volksmundart  geschrieben  seyn;  die  übrigen  balanciren 
in  der  Mitte  zwischen  den  beiden  andern,  durch  ini- 
zählige  Stufen,  Formen  und  Farben  nuancirt. 

Die  Reihe  der  serbischen  Schriftsteller  eröfliie:  Jodiin 
Ixdic  aus  Karlowic  (geb.  1726,  gest.  1801),  er  studirte 
zu  Komorn  bei  den  Jesuiten,  in  Oedenburg  in  der  dusi- 
gen ewangelischen  Schule,  und  in  Kiew,  besuchte  hier- 
auf Chiljendar  auf  x4thos,  und  ward  zuletzt  Archiman- 
drit  des  Klosters  Rowil  im  Cajkistenbataillon;  s.  Haupt- 
werk ist  :  Istorija  raznych  slawenskich  narodow,  najpa- 
ceze  Chorwatow,  ßolgarow  i  Serbow,  Wien  1792  —  !)5. 
4  Bde.  8.  Der  Ite  B.  wurde  in  S.  Petersb.  nachgedruckt. 
Kaie  hinterliess  handschriftlich  volinninöse  theologische 
Werke  in  slaw.  Sprache,  die  in  der  Karlowicer  Bibl. 
aufbewahrt  werden,  und  gab  ausserdem  heraus:  Slowo 
0  grjesnom  celowjeku,  Yen.  764.  4.,  Boj  zmaja  s  orlowy, 
W.  791.  8.,  Katichisis,  W.  1791.,  Kratk.  Serblii,  RasJi, 
Bosny  i  Hamy  istor.,  W.  793.  8.,  Tragedija,  o  smerti 
Carja  Urosa  V.,  Of.  798.  4.,  Cwjetnik,  Of.  802.  8.,  Pio- 
powjedy  s  Rossijskago  (o.  0.  u.  J.)  .3  Bde.  8.,  Kmit  o  smerti, 
Pjesny  u.  m.  ^a.  -  Dosifhej  Ohradowic  {^eh.  1739,  gest. 
1811)  aus  Cakowo  in  Temesvarer  Banat,  ward  1753 
Mönch  in  Opowo,  verliess  aber  bald  das  Kloster  und 
seine  Landsleute,  um  anderer  Menschen  Städte  u.  Sitten 
kennen  zu  lernen,  durchwanderte  zum  Theil  zu  wiediT- 
holten  Malen  Griechenland,  Albanien,  Italien,  die  Tür- 
kei, Russland ,  Teutschland ,  Frankreicii  und  England, 
kehrte  nach  25  .Jahren  zu  seinen  Landsleuten  zurück, 
und  starb  zu  Belgrad  als  serbischer  Senator,  Ober-Schu- 
lenaufseher und  Erzieher  der  Kinder  des  Cerny  Georg ; 
er  schrieb:  Basne  Ezopowe  i  procich  raznich  basnotwor- 
cew,  Lpz.  788.  8.,  Ziwot  i  prikijucenija  I).  übradowiea 
(Selbstbiographie).  Lpz.  783.  8.,  Etika,  Yen.  803.  8.  So- 
wjeti  zdrawago  razuma,  Of  806.  8.  2  A.  808.,  Pjesna 
na  ins.  Serb.,    Yen.  807.  8.  Sobranije  raznich  nrawouci- 


218 

teljnich  vvescej,  Wien  793.  8.  Of.  808.  8.,  Mezimac  Of. 
818.  8.  —  Gregor  Terlaic  aus  Mohol  in  Bacser  Gesp. 
(i^cb.  1766,  gest.  1811.)  sludirle  in  Ofen  und  Wien, 
Avard  Secretär  des  russ.  Gesandten  Fürst.  Golicyn,  begab 
sieb  hierauf  als  Prof.  nach  S.  Pet.,  iind  st.  in  Charkow,  auf 
der  Rückreise  ins  Vaterland;  er  gab  heraus:  Idea,  ili 
muzeskaja  i  zenskaja  do])rodjetel  (a.  d.  Teutsclien),  W. 
793.  8.,  Zabawlenije  jedinago  Ijetnago  utra,  W.  79.3.  8.. 
Numa  Pompilius,  Of.  801.  8.,  einige  Oden,  niehreres  hin- 
teriiess  er  handschriftlich.  —  Zacharia  Orphelin,  schrieb: 
Sjetowanije  mladago  covveka  (a.  d.  Russ.),  Yen.  764.  8., 
Nastawlenije  o  sedinych  tainstwach,  W.  773.  8.,  Wjecny 
Kalendar,  W.  78.3.817.  8.,  Iskusny  podrumar  Of  808.  8., 
einige  GelegenheilsgediclUe  u.  s.  w.  —  Stenh.  Wnjanoiv- 
skij,  emeritirter  Director  der  serbischen  Nationalschu- 
len, schrieb  der  erste  eine  Anleitung  zur  teutsclien  Spra- 
che für  seine  Landsleute:  Xiemeckaja  grammatika  W. 
772.  8.,  verfasste  eine  Gramm,  der  altslawischen  Kirchen- 
sprache, die  aber  nicht  gedruckt  wurde,  übersetzte  aus 
dem  Russischen:  Kratkaja  cerkownaja  Istorija,  W.  793.  8. 
—  Abrah.  Mrazoivic,  emeritirter  Director  der  serbi- 
schen Nationalschulen  inid  Senator  in  Zombor,  lieferte 
mehrere  gemeinnützige  Schriften,  worunter:  Magazin  za 
djecu,  W.  793.  2  A.  Of  806  flP.,  2  Bde.  8.,  Pastirska  igra 
(a.  d.  Teutschen),  Of.  803.  8.,  Celowjekomerzost  i  raska- 
janije  (a.  d.  Teutschen),  Of  808.  8.,  Rukowodstwo  k 
slawenstjej  grammaticje,  W.  794.  8.  N.  A.  0.  821.  8., 
Rukowodstwo  k  slawenskomu  krasnorjeciju,  Of.  821.  8., 
Rukow.  k  domatjemu  i  polskomu  strojeniju,  Of  822.  8., 
mehrere  Gelegenheitsoden  u.  s.  w.  Pmil  Solaric^  ein 
thätiger  Schriftsteller,  Hess  ans  Tageslicht  treten:  No- 
wo  grazdansko  zemleopisanije,  Yen.  804.  8.,  Kljucic  u 
moje  zemleopis.,  Yen.  804.  8.,  J.  G.  Zimmermann  o  sa- 
mosti,  Yen.  809.  8.,  Mudroljubac  Indijskij,  Yen.  809.  8., 
Swerch  wospitanija  k  celowjekoljubiju,  Yen.  809.  8., 
Rimljani  slawenstwowawsii,  Of  818.,  Pominak  knizeskij, 
Yen.  810.  8.,  Llog  uma  celowjeceskog  u.  m.  a.  —  Lu- 
kian  Miislckij,  Archimandrit  von  Sisatowac  und  Admi- 
nistrator des  Rarlstädter  Bisthums,  erwarb  sich  seit  1798 
durch  salbungsvolle  Oden  und  Gedichte  anderer  Art,  so- 


219 

wol  im  kirclienslawisclicn,  als  ancli  im  iiciiserbischen 
Styl,  um  die  serbisclie  Diclilkiinsl  grosse  Verdienste;  zu 
bedauern  ist  es,  dass  seine  Gedichte,  einzeln  oder  in 
verscbiedenen  Almanaeben  uikI  Zeitseliriften  gedruckt, 
aucb  bandscbrifilicb  verbreitet,  bis  Jetzt  niclit  gesam- 
melt worden  sind.  —  Prokop  Bolic,  Arcbimandrit  von 
Uakowac,  ist  Vf.  von:  Sowersen  winodjelac,  Of.  816. 
2  Bde.  8.  -  Paul  Kcnifelac,  Arcbinu  von  St.  Georg, 
scbrieb:  .lestestwosloA^  ije,  Of.  811.  8.,  eine  allg.  Welt- 
gesch.  u.  m.  a.  —  Yikent.  Rakic,  Hegumen  zu  Fenek,  ein 
sehr  fruchtbarer  Scliriftsteller  ,  sclirieb  unter  andern : 
Swjascena  istor.  (a.  d.  Russ.),  Ofen  797.  8.,  Zertwa  Abra- 
amowa  (a.  d.  Gr.),  3te  A.  Of.  811.  8.,  Cliranilisce  duse  (a. 
d.  G.),  Yen.  300.  4.,  Istor.  o  razorenii  .Jerusalyma  ,  Yen. 
804.  8.,  Besjedownik  illiricesko-italianskij,  Yen.  810.  8., 
Cudesa  pr.  Bogorodici,  Yen.  808.  4.,  Propowjedi,  Yen. 
809.  4.,  Molitwi,  Yen.  808.  8.,  Besjeda  o  zloupotrebleuii 
duwana,  Yen.  810.  8.,  Zitije  sw.  Josifa,  Yen.  804.  8., 
Ljestwica,  Yen.  805.  8.,  Nastawlenije  o  ispowjedi  u.  s.  w. 

-  Steph.  Raic\  Pfarrer  zu  Essek,  schrieb:  Razsuzde- 
iiije  0  iiedostatcje  wospitanija,  W.  794.  8..  Molitwi,  Of. 
804.  8.,  Nravvouciteina  knizica  za  decicu,  Of.  805.  8.,  Sa- 
tyr t.  j.  ukoritel  zlych  nrawow,  Of.  807.  8.  —  Basi'l. 
Dmnjauowic  aus  Zombor  gab  heraus:  xAritmetika  serbs- 
kaja,  Yen.  767.  8.  —  Panl  Jidinac,  Officier,  schrieb  : 
AYowedenije  w  istor.  slaweno-serb.  naroda,  Yen.  765.  8. 

—  Mich.  Maxiuiowic,  Insp.  der  Zemliner  Contumaz, 
übersetzte  a.  d.  Teutschen:  Cto  jest  papa,  W.  784.  8.  — 
Alexhis  U>s?7«V^  Normal-Schulen-Direktor:  Kratkoje  opi- 
sanije  o  spokojnoj  zizni,  W.  788.  8.  u.  m.  a.  —  Joh.Miiska- 
tiroimc\  Advocat,  hinterliess:  Razmyslenije  o  praznici,  W. 

786.  8.,  Pricte  iliti  poslowice,  \Y.  787.  2  A.  Of.  807.  8.  - 
Emni.  Jankoivic,  Doct.  d.  Med.  u.  d.  Hall,  naturforschen- 
den Ges.  Mitgl.,  verfasste  mehreres,  worunter:  Fizicesko- 
je  soc.  0  izsuseniju  i  razdjeleniju  wode  u  vrozduchu,  Lpz. 

787.  8.,  übersetzte  mehrere  Lustspiele  aus  Goldoni:  Ter- 
gowci,  Blagodarny  syn,  Rozdannik,  Zao  otac  newaljao 
syn  u.  s.  \v.  —  31ich.  Wladisawletmc,  gab  1791  —  92.  eini- 
ge Gedichte  einzeln  heraus.  —  Steph.  Noivakotvic  über- 
setzte a.  d.  Teutschen  :  Rnkowodstwo  k  domostroitelstwu, 


220 

Of.  809.  8.  —  Mark.  Sfojadmowic:  Serb.  niem.  razgo- 
worj  W.  793.  8.  —  Ki/ .  Ziwknimc,  Bisch,  von  Pakrac, 
liess  dnickeii :  Swjasceiinoiriiiccnika  Petra  Ep.  Dam.  dwje 
kiiigi  0  celowjeceskorn  razunije,  Of.  803.  4.  Kosnui 
Jnst'c:  prawila  cestiiog  obcliozdenija,  W.  794.  8.,  Pravvi- 
la  nciliscnaja,  Of.  805.  8.  —  VikeiU.  Lusfma :  Graiiuii. 
italian.,  W.  794.  8.  —  Geori)  Pefrotvic:  Wengerskaja 
GraiiHii.,  W.  795.  8.  -  Niki.  Lazareimc  übers,  a.  d.  T. 
Ziwot  Kobinsoiia  Kruzoe,  Of.  799.  8.  —  Jthati.  Sfoj- 
kotric  aus  Kiima  (geb.  1773),  Staatsr.  ii.  Prof.  in  Charkow, 
jetzt  in  S.  P.,  scluieb  in  serb.  Sprache:  Fizika,  Of.  801  03. 
3  Bde.  8.,  Aristid  i  Xatalija,  Of.  801.  8.,  Kandor,  Of. 
800.  8.,  serbskij  Sekretär,  "Of.  802.  8.,  verschiedene  Ge- 
dichte: seine  russ.  Schriften  gehören  niclit  hieher.  - 
yJtit.  Josf'/oiricnhcrs.  a.  d.  T.  Strjelci,  Of.  804.8.  ^Ifha/i. 
Neskowic:  Istor.  slaweno-bolgarskog naroda,  Of.  801.8.  — 
Paifi  Hadzic  übers,  a.  d.  T.  Katichisis  zdravvija,  Of.  80'2. 
8.  —  Gcorq  Michajleimr:  Azdaja  sediiioglavva,  Of.  808.  4. 
~  Georq  Zachariewu':  Philarch  o  vvospitaniju  djetej, 
Isokr.  0  blagonrawijn  Jnnosti,  Of.  807.  8.,  Phitarch.  Zer- 
calo  supruzestwa,  Of.  808.  8.  —  Mich.  Witkoivic,  Advo- 
cat  in  Ofen,  gab,  ausser  mehreren  Gedichten  in  serb. 
Sprache  lieraus:  Spornen  Milice,  Of.  816.  8.  —  Joh. 
Beric,  Aktuar  bei  der  Ober-Direction  der  serb.  Nor- 
malschulen in  Ofen:  Pedagogika  i  Metodika,  Of.  813.  8.. 
Srekowa  istorija  (a.  d.  T.),  Of.  817.  8.  —  Fiuil  Beric, 
Advocat,  verfasste  mehrere  Gedichte,  und  übers.  Wie- 
lands: Agaton,  Of.  820.  8.  (Ir  Bd.)  —  Milowan  Wida- 
koiüic  schrieb:  Istor.  o  .Josifu,  Of.  810.  8.,  Usamljenyj 
junosa,  Of.  810,  Blagovvonnyj  krin,  Of.  811.,  Ljubow 
k  miadoj  Muzy  serbskoj,  Of.  812.,  Ljubomir  u  Elysinmu, 
Of.  814  —  23.  3  Bde.  8.  —  ./«^6-A.' W^w/r  verfasste:  Hu- 
kovvodstwo  k  franc.  gramm.,  Of.  805.,  Basne  Kakasena. 
Of.  809.  8.,  MIadyj  Robinzon  (a.  d.  T.),  Of.  810.  8.,  .le- 
stestwoslowije  (a.  d.  T.  des  KafFj,  Of.  810.  8.,  Ücilisce 
dobrodjeteli,  Of.  822.  8.,  Now.  zemlje  opisanije  Of.  825.  8. 
mehrere  Lustspiele:  u.s.  w.  —  JSikl.  Siinic-.  Ikonostas  vshn> - 
nych  lic,  Of.  807.  8.,  Aristej.  Of.  806.  8.,  u.  a.  m. 
Gdhr.  Koirareicic,  Buchhändler  in  Zemlin,  schrieb:  .lu- 
dit,  Of.  808.,  Stichi  o  powedenii   Kn.  Lazara,  Of  810.  8., 


PJcsiioslowka  (a.  d.  Daliii.  des  Kachich),  Of.  818.  8.  — 
(icrfts.  Beckpreki,  llicroiuonach  in  (lOrgelek,  i^ab  heraus: 
HiifclaiiHa  chudozosfwo  ko  produzeiiijii  ziwota,  Of.  807. 
8.,  Filoz.  nauka,  Of.  809.  8.  -  Jlhiui.  Whihowic,  Pfar- 
rer in  Bece:  Rjec  na  grobn  ,1.  Grigonjcwica,  Of.  807.  8., 
Slowo  0  ljnb>vi  ChristijanONV,  Of  811.  Jnh.  Dn.sfriowt'c 
hinterlioss:  Ciislenica  ili  nauka  racuna,  Of.  809.  8.,  Azbu- 
koprotres,  Of.  810.  8.  u.  m.  a.  —  Jron  Elemc:  Pjesni  o 
izbawenii  Serbii,  Ven.  807.  8.  —  Moyses  Ignjatowic  : 
Agar  u  j)iistini,  drama  (a.  d.  Kuss.),  Of.  801.  8.,  Nastaw- 
lenije  k  blagonrawiju,  u  sesl  razgovvorovv,  Of ,  813.,  Ar- 
icllo,  Of  813.  8.  u.  s.  vv.  -  Sahh.  Lazammc:  Nacalo 
ucenija  niein.  jaz.,  W.  774  8.  -  P2p/n:  Lnzarewic:  7a- 
lije  Suworowa,  Of.  799.  8.,  Morahiaja  (ilozofija,  Of 
807.  8..  Sobranije  inoralnich  wescej,  Of  809.  8.,  Glas 
porfyronosca,  Of  810.  8.,  Sodruzostv\a  drewnich  bogow, 
Of  810.  8.  -  Joh.  Zhikinne  übersetzte  Herders:  Fal- 
inowo  listije,  Of  807.  8.  Steph.  Ziwknwic:  Prikljuce- 
nija  Teleinaka,  Of.  814.  8-,  ßlagodjetehia  i\luza,  W.  815. 
8.  —  Konst,  Marinkowlc,  Pfarrer  in  Neusatz,  gab  her- 
aus: Plac  Kacbili,  Of  808.  8.,  Otkrowenije  Amerike 
(v.  Campe)  IrBd.,  Of.,  809.  8.  Jo/i.  Rukoslaw  iiher- 
selzte  PJutarchs:  0  wospitanii  djece  Of  808.  8.  En- 
Ihym.  ffranoirtc,  Pfarrer  in  Karlowic,  übersetzte  a.  d. 
T.  Nowyj  Plutarcb  Ir  Bd.,  Of  809.  8.  -  .^hr.  Maxi- 
wowtc,  Pfarrer  in  Zoinbor,  ist  Vf  eines :  Pcelar,  Of. 
810.  8.  -  Df'in.  D(nridniHc\  Secretär  des  Hospodars 
von  Serbien,  Milos,  redigirte  in  den  J.  1814  -  12,  die 
serbische  Zeitung  in  Wien,  übers.  Eisenmanns:  Nastaw- 
leiiije  k  blagonrawiju,  Of.  812.  8.,  gab  einen  serb.  Al- 
manacli:  Zabawnik,  W.  815  —  21.  u.  m.  a.  heraus.  — 
Wiik  Stephanoivic,  Doct.  der  Philos.  und  Mitgl.  m.  gel. 
(les.,  verfasste  eine  serb.  Gramm,  Pismenica.  W.  814.  8., 
ein  Wörterb.  8rpski  rjecnik,  W.  818.  8.,  sammelte  die 
serb.  Volkslieder  W.  814  -  15.  2  Bde.  8.,  N.  A.  Lpz. 
823.  3  Bde.  8.  u.  m.  a.  —  Maffh.  Damjamnvic:  Domo- 
stroitelstwo,  Of.  814.  8.  —  Laz.  Boici  Pamjatnik  nui- 
zem  (1  slaweno-srbskom  knizestwu  slawnim ,  W.  815. 
8.  -  Dem.  hajlowic:  Istor.  tergowine,  Of  816.  8.  — 
Eiisfach'a    Arsic,    d.  Bürgermeisters    in  A.  Arad  Gattin, 


222 

gab  heraus:  Materiiyj  sowjet  obojemii  poln  junosti,  Of. 
816.  8.  —  Paul  ^thanackoivt'c,  Ftarrer  in  Zonibor,  über- 
setzte: Tysutja  i  jedaii  daii,  Of.  820  —  22.  2  Bde.  8., 
Ogledalo  cestnosti,  W.  823.  8.  —  Georg  Mayarasewic, 
Prof.  in  Neusatz,  übersetzte  Napoleon's  Lebensgescb.  Of. 
822.  8.,  verfassle  :  Istor.  europ.  najwaznij  prikljucenija 
ot  g.  1809  do  1821  W.  823.  8.,  Srbska  Ijetopis  3  Hft. 
Of.  824  ff.  8.  —  Greg.  Lazic],  Prof  in  Karlowic,  schrieb  : 
Kratko  nastawlenije  fizike,  Of  822.  8.  —  Steph.  Müo- 
.vg?^;2V übersetzte:  Statisticeskoje  opisanije  Serbie,  Of  822. 
8.   —   Joh.  Miokowic    gab    heraus:    Zitije    Ezopowo,  Of. 

814.  8.  —  Sabb.  Merkail:  Salo  debeloga  Jer,  Of  809.  8. 
—  Ewg.  Gyurkowic,  Advocat  in  Pesth,  schrieb :  Prawo 
nasljedija  Of  823.  8.  —  Geras.  Zelic,  Archiinandrit,  ver- 
fasste  eine  Selbstbiographic:  Zitije  G.  Z.,  Of  823.  8.  — 
Laz.  Miletic,  Otpustnago  slowa  archierejskago  primjer, 
W.  821.  8.,  Slowo  0  wjecnoiii  blazenstwje,  W.  821.  8.  — 
Pantel.  iMicftajlowic:  Enkyklopedija,  Of  818.  8.  —  Ge- 
org Popowic'.  Put  u  raj,  Of  815.  8. 

Die  übrigen  Schriftsteller  dieses  Zeitraumes  sind: 
Tlieod.  Abrahamowic,  Petr.  Asiuiarkowic,  Gabr.  Bajce- 
wic,  Steph.  Baleowi'c,  Mich.  Bojadzi ,  Basü.  Biilic, 
Petr.  Witkowic,  Dem.  Georgiewic)  Sabb.  Georgiewic., 
Dem.  Niki.  Darwar,  Mark.  Dobric,  Greg.  Jaksic,  Joh. 
Joannowic,  Laz.  Kowacewic,  Basil.  Kowaceivic,  Bened. 
Kraljeivic,  Man.  Maleseivic,  Alex.  Maximowic,  N. 
Messaroivic,  Joh.  Milivoin,  Paiv.  Milinkowic,  Joach. 
Milkowic,  Petr.  Miloradowic,  Joh.  Michajlowic,  Dem. 
Nalbanowicy  Uros  Nestoroivic,  Steph.  Noivakowir,  Petr. 
Petrowic,  Simeon  Petrotvic]  Abrah.  Petr o wie,  Jak.  Pe- 
jakowic,  Sophr.  Popoiric,  Dion.  Popowic,  Milos  Popo- 
wic, Joh.  Popowic,  Sabb.  Popowic,  Jos.  Putnik,  Max. 
Rasic,  Raph.  Raskoivic,  Niki.  Stamatowic,  Petr.  Sa- 
randa,  N.  Sekere.%  Gabr.  Stanisawlewic,  Sabb.  Tö- 
köly,  Consf.  Filippowic,  Steph.  Filippowic\  Gabr.  Chra- 
nislaw  II.  Dem.  Carnojewic.  ^) 

^)  Eine  gedruckte  Literaturgeschichte  wird  man  da  nicht  erwarten, 
wo  es  noch  keine  gedruckte  Bücherkataktge  gibt.  Vgl.  indess  P.  Solaric 
pominak  knizeskii  o  slaweno-serbskom  w  Mletkach  pecataniju,  Ven.  8lu.  8. 
L.    Boic   pamjatnik    muzem    u    slaweno-serbskom    kuizestwu    slawnim,    W. 

815.  8.  J.  V.  (japloivic  Slawonien  u.  zum  Theil  Kroatien  (1819)  II.  Bd. 
S.  2G5  —  297.  G.  Magarasewic  Serbska  Ljetopis  Is  Hft.  824.  S.  I5G— IGO. 


223 

Sprache  und  Schriftwesen  der  Bulgaren. 

Der  bul2;arisclie  Dialekt,  der  in  Bulgarien  und  Make- 
do?iien  von  etwa  einer  halben  Million  Slawen  ges[)roclien 
wird,  erlitt,  nach  der  Bemerkung  des  Hrn.  Kopitar,  im 
Laufe  der  Zeit  vielleicht  unter  allen  slawischen  Mundar- 
ten in  seinem  grammatischen  Bau,  also  in  seinem  Wesen, 
die  grösste  Veränderung  und  Unigestaltung.  Er  hat  z.  B. 
einen  Artikel,  den  er  gleich  dem  Walachen  und  dem  Al- 
baneser  hinten  anhängt,  von  den  sieben  slawischen  Casi- 
bus  hat  er,  ausser  dem  Nominativ  und  Vocativ,  alle  ein- 
gebüsst  —  und  erset^.t  sie,  wie  der  Franzose,  Italiener 
u.  a.  durch  Präpositionen.  Slawische  Materie  in  albane- 
sischer  Form !  ^)  Diese  Entslawisirung  des  Bulgarischen 
findet  die  natürliche  Erklärinig  in  der  gewöhnlichen  An- 
nahme, dass  die  jetzigen  Bulgaren  ein  Gemisch  aus  Sla- 
wen, Rumunen  inid  Tataren  seyen,  und  sich  die  Sprache 
der  erstem  an  denen  der  zwei  letztern  abgestossen  und 
fremdartige  Elemente  in  sich  aufgenommen  habe. 

Die.  frühern  Schicksale  des  bulgarischen  Dialekts 
ruhen  im  tiefen  Schweigen.  Da  das  Hauptvolk,  welches 
die  Länder  der  heutigen  Bulgarei  im  Yll.  Jahrh.  inne 
gehabt,  Slawen  gewesen,  und  das  Licht  des  Christen- 
thnms,  nach  Ritters  und  Schlözers  Angabe  (Nestor  IL 
148),  bereits  861,  ,,wo  der  Car  Michael  mit  Heeres- 
macht zn  Land  und  zu  Wasser  gegen  die  Bulgaren  an- 
zog, und  ihren  Knäz,  alle  Bojaren  und  alle  ihre  Leute 
bekehrte",  zu  ihnen  gedrungen  ist ;  so  unterliegt  es  kei- 
nem Zweifel,  dass  die,  wie  oben  (§.  10.)  als  wahr- 
scheinlich angenommen,  schon  früher  bei  den  bekehrten 
pontischen  und  makedonischen  Slawen  eingesetzte  slawi- 
sche Liturgie  auch  bei  ihnen  eingeführt,  und  liiemit  der 
erste  Grund  zur  Schriftkunde  gelegt  worden.  Kyrills  und 
Methods  Bekehrung  der  Bulgaren ,  die  den  Chroniken 
zufolge  in  diese  Zeit  fällt,  ist  nach  den  neuesten  Lnter- 
suchungen  des  Hrn.  Dobrowsky  eine  erwiesene  und  un- 
widerlegbare Thatsache;  hiemit  fallen  Schlözers  Bedenk- 

*)  S.  Recens.  d.  slaw.  Gramm,  v.  Dobrowsky  in  den  Wien.  Jalirb. 
d.  Lit.  Bd.  XYII. 


224 

•      liclikoileii    iiiiH    Zweifel    flageg;eii    zusammen.      Vielmehr 
ßyil    selieiiil,    allen  hislorisclien    Combiiialioiieii    ziifolj^e,    das 
\|/^  ;      eiu,enlliclie  alte  Bulgarien  so  recht  der  wahre  Schauplatz 
j-  der    apostolischen    Bekehrun^stliätigkeit  der  zwei  Brüder 

gewesen  zii  seyn.  So  lange  sich  die  Bulgaren  zur  orien- 
talischen Kirche  bekannten,  hatten  sie  einen  eigenen, 
von  jenem  zu  Constantinopel  unabhängigen  Patriarchen, 
der  zehn  Bisthümer  in  seinem  Sprengel  zählte,  inid  die 
slawische  Sj)rache  fand  wenigstens  bei  der  Geistlichkeit 
schon  wegen  des  Cultus  thätige  Pflege  —  Johann,  Ex- 
arch von  Bulgarien,  id^ersetzte  bereits  im  iX.  Jahrh.  das 
Buch  Nebesa  aus  dein  Johainies  Damascenus  (i)obrowsky 
inst.  I.  slav.  p.  VIII.  vgl.  ob.  §.  11);  als  aber  .Johann 
1157  Bulgarien  der  römischen  Kirche  zuführte,  und  1203 
das  ganze  Land  unter  einen  Primas  von  Ternowa  ge- 
;;       stellt  wurde,  da  inusste  der  slawische  ('idtus  dem  latei- 

V  nischen  weichen,  bis  .Johann  Asaji  1235  die  völlige  Tren- 

V  nung  von  den  Lateinern  bewirkte.  Bei  dem  Volk  hin- 
gegen scheint  die  slawische  Sprache  nie  einer  andern  ge- 
wichen zu  seyn:  noch  im  .1.  lOKi  schrien  die  Kundschaf- 
ter des  bulgarischen  Fürsten  .Johann  athendos  im  Lager: 
„Bezüe,  Cesar  I"  (fliehet,  der  Kaiser  kommt !).  Wiese 
ganze  Zeit  hindurch  blieb  gelehrtes  Wissen  dem  Lande 
fremd;  nin*  bei  der  Geistlichkeit  finden  sich  schwache 
Spuren  davon.  Einzelne  Fürsten  gewannen  bisweilen 
die  Wissenschaften  lieb,  und  schickten  ihre  Söhne  Stu- 
dien halber  nach  Constantinopel.  Kg.  Alexander  (1385)— 
Hess  den  byzantinischen  Chronikenschreiber  Constantin 
jVIanas  ins  Bulgarische  übersetzen ;  die  Handschrift  davon 

\^^^  ,  befancV  sich  in  der  Vaticanischen  Bibliothek  (Assemani 
Kalend.    Iniv.    V.    203).  Denniach    nnisste  hier  um  diese 

s.  /  Zeit  die  Cultur  der  altslawischen  Kirchensprache  in  Auf- 
v  nähme  seyn,    und    gleichen  Schritt     mit  der  Pflege,  wel- 

che diese  Sprache  in  dem  benachbarten  Serbien  fand, 
halten:  ja  Galeotus  Martins  berichtet  ausdrücklich  (Cap. 
28.  p.  267.),  dass  die  Türken  zur  Zeit  Matthias  Corvi- 
nus,  Kg.  von  Ungern,  ihre  Diplome  in  der  bulgarischen 
(kirchenslawischen?)  Sprache  geschrieben  haben,  und 
.Vlatthias  selbst  der  bulgarischen  Sprache  kinidig  gewe- 
sen sey.  Als  aber  im  .J.  1392  Bajazeth  dem  Bulgarischen 
Beich  ein  Ende  machte,  zahlten  die  Einwohner   der  Bul- 


225 

j^arci  in  den  crslen  .lalircii  der  lürkisclien  Koj^^iriing  zwar 
mir  eiiKMi  iniissijjjon  Zins,  mici  oennsscn  sojijar  einen  Sclial- 
(en  von  Freiheit;  allein  sohald  der  Sullan  zuersl  in  Adria- 
noj)el,  dann  gar  in  ('onstanlinopel  seinen  Sifz  aufschlug, 
endigle  sich  dieser  Vorzug.  Viele  von  ihnen  traten  frei- 
willig zin-  inuluiininedanischen  Religion  über  ,  andere 
wurden  dazu  gezwungen:  der  grösste  Tlieil  blieb  aber 
l)ei  seinem  griechischen  Kitus  inid  Verfassung.  Seitdem 
verschwand  das  Schriftwesen  in  der  Bulgarei  vollends: 
die  bulgarische  Geistlichkeit  bezieht  jetzt  ihre  liturgi- 
schen Bücher  aus  andern  Ländern,  meist  aus  Russland. 
Von  der  römischen  Curie  geschahen  noch  im  Anfange  des 
XVII.  .Jahrh.  Versuche,  die  Bulgaren  zu  gewinnen,  und 
diesem  Streben  verdanken  die  von  P.  Boi/dan  Baksich, 
Min.  Obs.  Custos  der  Bulgarei.  in  die  vulgär-bulgarische 
Sprache  übersetzten  Meditationes  S.  Bonaveuturae,  Ro- 
mae  typ.  j)ropag.  1638.,  ihre  Entstehung.  —  Ausser  Da- 
niels, und  auch  in  Leakes  Researclies  in  Greece  wieder- 
abgedruckten J'etraglosson  —  griechischem  Comenius, 
n)öchte  man  fast  sagen  -  enthalten  die  literarischen  Bei- 
lagen zu  der  in  Wien  erschienenen  serbischen  Zeitung 
1820  ff.,  nebst  der  bulgarisclien  lebersetzung  der  285 
Wörter  des  Petersburger  vergleichenden  Wörterbuchs 
aller  Sprachen,  auch  Proben  in  Prosa  und  Versen,  und 
grammatische  Bemerkungen,  gesammelt  von  dem  serbi- 
schen Lexicographen.  Hrn.  Wuk  Stephanowic,  die  aber, 
wie  Hrn.  Koppen  (Kunst  u.  xAlterth.  in  Russl.  S.  27.) 
sachkundige  Bulgaren,  welche  den  Ternauer  Dialekt  (wol 
nur  Varietät)  allen  übrigen  \orziehen,  versiclierteii. 
Iiauptsächlich  nur  diejenige  .Mundart  (Varietät)  betref- 
fen, die  an  der  Gränze  Serbiens  gesprochen  wird.  — 
Das  von  Ge.  Körnern  in  Wellers  Acten  aus  allen  Thei- 
len  der  Gesch.  Tii.  II.  809.  für  bulgarisch  ausgegebene 
\.  Testament,  Moskau  1702.  8.,  ist  niclit  in  der  bulga- 
rischen, sondern  in  der  allslawischen  Kirchensprache. 
Ihn  verleitete  die  von  dem  bulgarischen  Bischöfe  Theo- 
phylactus  dem  Evangelisten  Matthaeus  vorgesetzte  Vor- 
rede. (Mithridat.  II.  S.  642.)  —  In  den  neuesten  Zei- 
ten hat  die  russische  Bibelgesellschaft  in  S.  Petersburg 
das  N.  Testament  in  bidgarischer  Sprache  übersetzen  und 
drucken  lassen. 

15 


Yierter  Abschnitt. 

Gcscliichte  der  Sprache  und  Literatur  derkatholisclieii  Shiwo- 
Serbcii  (Dahnatiner,  Bosnier,  Shivvonier)  und  der  Kroak'ii. 

§.  25. 

Historisch  -  ethnographische   Vorbemerkungen. 

Die  zwei,  gescliichtlicli  verschiedenen,  sprachlich  sehr 
nahe  verwandten  Stamme,  der  Slainm  der  Serben  abend- 
ländischen iiitus  in  Daimalien,  Ragusa,  Bosnien  und 
Slawonien,  und  der  Stamm  der  Kroaten  an  der  Sawe 
und  Kulpa,  hängen  in  Hinsicht  der  Geschichte  und  des 
Schrift  Wesens  dermassen  zusammen,  dass  die  Betrach- 
tung beider  nicht  bequem  getrennt  werden  kann. 

Bereits  im  III.  und  IV.  Jahrh.  nach  Chr.  beunru- 
higten slawische  Völker  die  römischen  Provinzen  des  al- 
ten Illyricums,  und  wol  mag  um  diese  Zeit,  und  in  den 
darauf  lolgeiiden  Jahrhunderten  ein  grosser  Theil  des 
ehemaligen  alten  Griechenlands  von  ihnen  wenigstens 
striciiweise  bevölkert  worden  seyn  (vgl.  §.  10.  Anm.  9.); 
aber  erst  um  die  Mitte  des  VU.  Jahrh.  gelang  es  dem 
serbischen  und  kroatischen  Stamni  ausgebreitete,  feste 
Wohnplätze  im  Süden  der  Donau  und  der  Drawc  ein- 
zunehmen. Da  über  die  frühern  Sitze  der  Serben  und 
ihre  Einwanderung  in  das  alte  lllyricum  bereits  oben  (§. 
W.)  das  Nöthige  angefidirt  worden  ist:  so  beschränken 
wir  uns  hier  auf  die  Aushebung  einiger  Angaben  aus 
der  kroatischen,  oder  richtiger  kroatisch-dalmatischen, 
ferner  der    slawonisciien    inid    ragusinischen  Geschichte. 


227 

"  I.)    Dalmatien  und  das  alte  (wahre)  Kroatien. 

Die  iihcsten  Silzc  der  Kroalcii ')  scheinen  nach  Coii- 
stanlin  Porphyr.,  der  sie  jcrjseit  ßagibariam  (welches 
den  westlichen  Theil  des  karpatischen  filel)irgcs,  Babie 
4»ory,  bedeuten  soll)  stellt,  nördlich  dem  karpatischen 
Gebirge,  und  besonders  nach  Kleinpolen  und  Schlesien 
gesetzt  werden  zu  müssen.  Seit  wie  langer  Zeit  sie  diese 
Gegenden  inne  halten,  ist  nicht  bekannt ;  aber  Jornandes 
sagt  schon,  dass  die  Wenden  nördlich  den  Karpaten  vom 
Urspnuige  der  Weichsel  an,  in  unerniesslichen  Räumen 
wohnten,  und  Prokopius  erzählt,  dass  als  die  Gesand- 
ten der  Heruler  494  vom  Marciilelde  aus  zu  den  War- 
nern ins  iMeklenburgische  gingen,  wo  ihr  Weg  sie  durcii 
Mähren  und  Schlesien  führte,  sie  lauter  slawische  Völ- 
ker fanden.  Sie  hatten  ihre  eigenen  Fürsten  •,  einige  der- 
selben schickten  620  —  639  an  den  Ks.  Heraklius,  und 
baten  ihn  um  Wohnplätze.  Er  wies  ihnen  Dalmatien  an, 
welches  die  Awaren  den  Hörnern  weggenommen  hatten. 
Es  machten  sich  nun  fünf  grosse  Stämme  (den  Chroni- 
ken zufolge  unter  Clucas,  Lobelus,  Kosentzes,  Muchlo, 
Chrobatos  und  den  zwei  Schwestern  Tuga  und  ßuga) 
auf,  und  wanderten,  wahrscheinlich  durch  die  slawi- 
schen Länder  Oesterreich,  Kärnten ,  Steiermark  hinab, 
um  ihre  neuen  Sitze  aufzusuchen.  Diese  Oberhäupter  wa- 
ren vorher  mit  dem  Ks.  Heraklius  darüber  übereinge- 
kommen, dass  sie  Dalmatien  (\en  x4waren  entreissen,  und 
dann  das  Land  unter  kaiserlicher  Oberherrschaft  besitzen 
sollten.  Was  die  Ursache  dieser  Auswanderung  gewe- 
sen, wird  zwar  von  Constantin  nicht  angegeben;  da  aber 
nach  Nestor  im  .].  627  unzählige  Schwärme  von  Slawen, 
welche  an  der  Donau  wohnten,  durch  die  barbarisclien 
Misshandhnigen,  die  sie  von  den  Wlachen  und  Bulgaren 
erfuhren,    gezwungen  nach  Norden  zu  wanderten,  Polen, 


')  Coustaut.  Porphyr.,  Job.  Lucius  uud  Auselm.  Banduri  leiten  das 
Wort:  Kroat,  Krobat  von  dem  Griechischen  ;^«oo;  (oi  zrjv  noll'rjv  xägav 
■ACixixovzsq),  sonderbar  genug,  ab.  Andere  meinen,  es  komme  von  aoro^ 
Berg  her.  Adelung  bringt  es^  mit  Karpat  in  Verbindung.  Nach  Dobrowsky 
weisen  die  Namen :  Chrwat  im  Altslawischen,  Charwat  im  Dalmat.  und 
Böhm.,  Chorivat  im  Kroat.,  Ckroivat  im  Krainischen  auf  die  Stammsylbe 
xpB  Chrw  hin,  deren  Bedeutung  sich  nicht  augebeu  lässt.  S.  Dobrowsky 
inst.  ling.  slav.  p.  213  —  14. 

15* 


228 

Pomiiiern  und  die  Marken  erfuUleii,  da  034  auch  ein 
avarischer  Befehlsiiaber,  Kovrat,  die  Anten  und  Slawen, 
welche  nördlich  dem  schwarzen  Meere  sassen,  vertrieb, 
und  diese  ihre  Zuflucht  grösstentheil«  nach  Norden  zu 
nahmen;  so  mochte  wol  den  Kroaten  an  der  Weichsel 
und  in  Schlesien  der  Raum  zu  enge  werden,  und  sie 
darum  wenige  Jahre  nach  jener  Einwanderung  den  Ent- 
schluss  fassen ,  auszuwandern  ^j.  Der  Krieg  mit  den 
Awaren  dauerte  einige  Jahre,  nach  deren  Besiegung  die 
dalmatischen  Slawen  kroatischen  Stammes  einen  eigenen 
Staat  organisirten,  patriarchalisch  in  Zupanien  vertheilt, 
jedocli  unter  byzantinischer  Oberherrschaft,  und  sich  zum 
Christenthum  bekehrten  (630  —  G40.  ^)  Bald  darauf 
langten,  durch  das  Beispiel  ihrer  Brüder,  der  Kroaten, 
bewogen,  die  Serben  an,  und  nahmen  die  von  den  Kroa- 
ten noch  nicht  besetzten  Länder  ein,  namentlich  das  alte 
Mösien  unter  Belgrad  (Serbien) ,  Zachulinien  (Herce- 
gowina),  Terbunia,  das  Land  der  Narentaner  und  der 
Diokleaten  von  Ragusa  bis  Dekaterä,  Durazzo  u.  Anti- 
vari.  Kurz  darauf  halfen  die  Kroaten  dem  Exarchen  von 
Ravenna  wider  die  Longobarden,  wanden  sich  allmälich 
vom  orientalischen  Reiche  los,  und  machten  auch  im  Chri- 
stenthum Rückschritte.  Der  erste  bekannte  kroatische 
Erzzupan  ist  Mislaw  um  das  J.  820,  Unter  einem  seiner 
Nachfolger  Crescimir  kettete  sich  Dalmatien  wieder  an 
das  orientalische  Reich  und  den  orientalisclien  Glauben, 
erklärte  sich  aber  schon  unter  ßranimir  879  für  die  oc- 
cidentalische  Kirche.  Im  J.  904  verwüsteten  die  Ungern 
Dalmatien.  Von  1000  —  1100  behaupteten  die  Yenetia- 
ner  das  Küsten-Dalmatien  und  die  Inseln ;  die  kroati- 
schen Fürsten  das  innere  Land.  Allein  Koloman,  Kg.  von 


^)  Im  IX.  Jahrh.  geschieht  noch  der  Kroaten  in  Schlesien  Meldung. 
Nach  Worbs  gab  es  zwei  Provinzen  dieses  Namens,  eine  in  Kleinpoleu,  die 
andere  in  den  Gebirgen  Oberschlesiens. 

')  Nach  Engel  haben  die  Kroaten  bereits  um  das  J.  630  unter  Po- 
rinus  nach  Rom  geschickt,  und  Hessen  um  Lehrer  und  Täufer  bitten.  Die 
Bitte  zwar  ward  ihnen  gewährt,  und  eine  Anzahl  Biscliöfe  hingeschickt, 
vermuthlich  aber  wurden  sie  von  Rom  aus  an  den  Kaiser  angewiesen,  durch 
den  sie  die  weitem  Schritte  zu  machen  hätten.  Heraklius,  angegangen  von 
den  Kroaten,  schickte  einen  eigenen  Gesandten  nach  Rom,  erhielt  von  da 
aus  mehrere  Priester,  und  so  setzte  er  aus  den  Kroaten  selbst  Erzbischöfe. 
Bischöfe,  Priester  und  Diakonen.  Damals  war  srlmn  Pnrgas  oberster  l'^ülirer 
der  Nation.  Th.  II.  S.  454—54. 


229 

l  ni;rrii.  en)l)or(('  nach  einer  ScIilaclM  iiii(  dem  kroali- 
.sclieii  Fiirslen  Pe(er  die  Studie  Zara,  Trau,  SpaliUo 
1102  -  1105.  imd  die  Innern  wurden  nun  Meister  des 
festen  l.andes  und  der  Seeküste  vom  nördliclien  Dalma- 
lien,  die  Veneter  von  den  Inseln,  jedocli  unter  bestän- 
dig;en  Kriegten  und  Abweclislungen  1100  —  1421.  In 
der  darauf  folgenden  Periode  1420  ^  1797  verloren  so- 
wol  diese,  als  auch  Jene  beinalie  alles  an  die  Türken, 
denn  nur  ein  kleiner  Theil  von  Dalmatien  verblieb  Ve- 
nedig-, und  Ungern  nur  Slawonien  und  ein  Theil  von 
Kroatien.  Der  Friede  von  Campo  Formio  brachte  end- 
lich das  venetianiscbe  Dalmatien  nebst  seinen  Inseln  bis 
Cattaro  miter  Oesterreichs  Herrschaft,  dagegen  die  Re- 
publik Frankreich  den  Rest  sich  zueignete.  Im  J.  1809 
beschloss  Napoleon  in  seiner  erträumten  Allmacht  das 
alte  Illyricum  aus  dem  Grabe  zn  wecken,  und  errich- 
tete die  illyrisclien  Provinzen  aus  den  Ländern  jenseits 
der  Drawe,  dem  Littorale,  dem  Kreise  Villach  u.  Krain. 
Nach  Napoleons  Sturz  sind  diese  Provinzen  Oesterreichs 
rechtmässigem  Scepter  von  neuem  unterworfen.  '*) 

2.)   Das  neue  Kroatien. 

Die  heutigen  sogenannten  kroatischen  Comitate  Za- 
grab,  Kreuz,  Warasdin,  wurden  vor  Zeiten  unter  dem 
Namen    Slawonien    mitbegritfen,    und    waren    durch   die 

*)  Vgl.  im  Allg.  die  Schriften  von  Assemanus ,  Andr.  Dandulus 
Seb.  Dolci,  Karl  du  Fresne  Seigneur  du  Gange,  Szäszky  unter  dem  Namen 
des  Graf.  v.  Keglevich  (Pressb.  1746),  Dan.  Farlatus,  Gas.  Freschot,  For- 
tis,  Keri,  Kercselics,  Lourich,  Job.  Lucius,  Mauro-Urbinus  (Ragusius,  Ab- 
bas  Melitensis,  bei  d.  Italien.  Orbini,  dessen :  Regno  degli  Slavi,  Pcsaro 
Wl.  f.,  russisch  v.  Th.  Prokopowic  S.  P.  722.  4.),  Marcus  Marulus,  Thomas 
Archidiaconus  v.  Spalato,  u.  m.  a.  —  Der  älteste  dalmatische  Ghronist  ist 
der  anonyme  Presbyter  aifs  Dioklea,  der  eine  Gesch.  von  Dalm.  in  slaw. 
Sprache  geschrieben  (um  1161),  übers,  ins  Latein,  v.  Marulus  1510,  er- 
schien in  Schwantueri  Script,  rer.  hung.  T.  IIL  —  Andr.  Cacich  razgovor 
ugodni  iiaroda  slovinskoga,  Ven.  759.  801.  Lat.  v.  Em.  Pavich,  descriptio 
regum,  banorum  et  heroum  illj-ric.  Budae  764.  8. ;  mehr  Poesie  als  Gesch. — 
V.  Friboevii  orat.  de  orig.  successibusque  slavor.  Ven.  532.  4.  Ital.  eb.  595. 

—  Gr.  Ratkay  mem.  regum  et  banor.  reg.  Dalm  ,  Groat.  et  Slav.  Wien 
652.  773.  4.  —  Ph.  Ricepitti  prospectus  Illyr.  sacri ,  Patavii  720  fol.  — 
(Gianantonio  Bomman)  storia  civile  ed  ecclesiastica  della  Dalmazia,  Groa- 
zia  e  Bosna,  Ven.  775.  8.  —  S.  J.  v.  Hohenhausen  lUyrien,  d.  i.  die  Gesch. 
dieses  Landes,  Essek  777.  4.  —  Gebhardi  in  d.  allg.  W.  G.  Bd.  XV.  S.  384  ff. 

—  J.  Ch.  V.  Enqel  Gesch.  d.  ungr.  Reichs  u.  s.  Nebenländer,  2r  Th.  Gesch. 
von  Dalm.  Kroa't.  u.  Slawen.,  Halle  798.  4.  Vgl.  auch  §.  20.  Anm.  3. 


230 

Kulpa  so  begränzt,  dass  alles,  was  schon  über  der  Knlpa 
lasf,  bis  an  das  Gebiet  der  Seestädte,  deren  LTer  sammt 
Gebiet  das  eigentliche  Dalinatien  bildete ,  zn  Kroatien 
gehörte.  Hieraas  folgt  von  selbst,  dass  das  Avahre  alte 
Kroatien  nnr  im  Süden  der  Knlpa.  unbestimmt  wie  tief 
hinein  in  Boj^nien,  Dalmatien  und  Istrien  zu  sucben,  und 
die  Geschichte  des  damaligen  Kroatiens  mit  der  Geschichte 
des  heutigen  Dalmatiens  eins  sey.  Die  Geschichte  der  heu- 
tigen kroatischen  Comitate,  oder  des  Provincialkroatiens, 
hängt  hingegen  mit  der  Geschichte  des  heutigen  Slawo- 
niens zusammen. 

Das  Reich  der  Awaren  in  Pannonien  fand  seinen 
Untergang  durch  die  Franken.  Karl  der  Grosse  fiel  791 
mit  einem  grossen  Kriegsheer  den  Awaren  ins  Land  ein, 
siegte  allenthalben  über  sie,  und  drang  bis  zum  Einflüsse 
der  Raab  in  die  Donau  vor.  In  den  darauf  folgenden 
.Jahren  vollendete  der  italienische  König  Pipin,  Karls 
Sohn,  die  awarische  Eroberung.  Er  erhielt  von  seinem 
Vater  den  Befehl,  das  eroberte  Land  in  eine  Provinz  zu 
verwandeln ,  und  sorgte  daher  für  neue  Pflanzbürger, 
welche  er  von  der  Raab  bis  an  die  Sawe  und  Drawe  der 
Gerichtsbarkeit  des  Erzbischofs  von  Salzburg  in  geistli- 
chen Sachen  unterwarf  Unter  diesen  Umstäuden  fand 
die  Bitte  der  Kroaten,  welche  seit  640  sich  in  Dalmatien 
niedergelassen  und  sehr  vermehrt  haben,  und  mm  um 
Sitze  in  der  Pannonia  Savia  zwischen  der  Sawe  u.  Drawe 
baten,  um  desto  eher  Eingang;  sie  durften  in  diesen 
Gegenden  sich  niederlassen,  nur  musste  ihr  Fürst  frän- 
kische Oberherrschaft  erkeimen.  Auf  diese  Weise  ent- 
stand das  nachmalige  Kgrch.  Slawonien  durch  kroatische 
Colonisten  im  J.  798.  —  Die  Ungern  besetzten  schon 
sehr  früh  das  Land  bis  an  die  Knlpa;  denn  schon  ums  J. 
901  verwüsteten  sie  Kärnten  und  Kraiii.  Sicher  ist  es, 
dass  Ladislaus  nach  dem  Tode  Zwonimirs  Slawonien  bis 
an  die  Knlpa  besetzte  (1091),  Koloman  befestigte  den 
neuen  Besitz  durch  Eroberung  von  Kroatien  und  Dalma- 
tien. Sein  Bruder  Almus,  Herzog  von  Slawonien,  legte 
den  ersten  Grund  zu  einer  eigenen  Municipalverfassung 
dieses  Landes  unter  apanagirten  Prinzen.  Unter  den  Kö- 
nigen   aus   verschiedenen  Häusern  wurden  die  apanagir- 


231 

teil  Prinzen  seltener;  und  Ludwig  I.  trachtete  Slawonien 
oder  das  heutige  Kroatien  immer  mehr  zur  Einförmig- 
keit mit  Ungern  zu  bringen,  aber  unter  Sigismund  ging 
alles  zurück.  Erst  Matthias  Corvinus  braclite  Slawonien 
auf  einen  gleichförmigen  Fuss  mit  Ungern.  Unter  Oester- 
reich  hiess  das  alte  Slawonien  lange  Kroatien  und  Slawo- 
nien, nach  Wiedereroberung  des  heutigen  Slawoniens 
Kroatien  allein;  und  geniesst  nun  nach  viel  vergossenem 
Blute  unter  dem  sanften  Scepter  der  österreichischen  Re- 
genten eine  beglückende  Ruhe.^) 

3.)    Slawonien. 

Die  drei  Comitate  Syrmien ,  Pozsega  ,  Veröcze, 
machen  seit  einer  Reihe  von  .Jahrhunderten  einen  inte- 
grirenden  Bestandtheil  von  Ungern  aus.  In  den  ältesten 
Zeiten  erhielt  sich  Syrmien,  selbst  unter  den  Awaren, 
immer  unter  byzantinischer  Hoheit.  Nach  Vertilgung 
der  Awaren  siedelten  sich  hier  Slawen  an.  Das  Land  war 
von  den  Bulgaren  sehr  mitgenommen ;  hatte  aber  eigene 
Fürsten  an  Borna,  Ljudewit,  Ljudemysl.  Auch  mit  den 
Mähren  in  Pannonien  kamen  die  Slawonier  zum  Zusam- 
menstoss.  Endlich  wurden  sie  den  Ungern  unterworfen, 
mit  Ausnahme  von  Syrmium,  welches  sich  unter  dem 
Schutze  von  dem  heutigen  Belgrad  noch  immer  unter 
byzantinischer  Hoheit  hielt.  Dass  die  Ungern  schon  auf 
ihren  ersten  Streifzügen  bis  nach  Spalato  gelangten,  und 
also  auch  Slawonien  sich  unterwarfen ,  leidet  keinen 
Zweifel.  Nach  Kercselics  hat  schon  der  h.  Stephan  Sla- 
wonien besessen.  In  den  Reichsunruhen  nach  seinem  Tode 
mag  diese  Provinz  durch  Crescimirs,  Erzzupans  von  Kroa- 
tion und  Dalmatien,  Eroberung  verloren,  unter  den  fol- 
genden Königen  aber  wieder  zurück  geholt  worden  seyn. 
Im  Xli.  Jahrh.  wurden  Syrmien  und  Slawonien  an  die 
Byzantiner  abgetreten,  aber  1165,  als  Bela  III.,  der  by- 
zantinische Client,  den  Thron  bestieg,    kam  alles  wieder 


■')  M.  P.  Katancsich  in  veterem  Ci'oatarum  patriam  indagatio  phi- 
lologica,  Zagrah.  790.  8.  —  Vitezovich  [v.  Ritter)  kronika  aliti  szpnme- 
nek  vszega  szveta  vekow,  Zagrab.  762.  —  Bloskowich  dissert  VII.  de  Savia 
provincia  et  republ.  Andautonia,  Zagrab.  781.  fol.  —  Die  hieher  gehören- 
den Mss.  hat  Kercselich  polit.  inst.  L.  II.  und  daraus  Engel  Th.  II.  S, 
145  ff.  verzeichnet. 


232 

ans  iingarisclie  Reicli.  Neue  erscIiüKerndc  Aiiflritlc  für 
Slawonien  kamen  von  den  Türken  her,  die  im  XV.  Jahrli. 
öftere  Einfälle  in  dasselbe  tliaten.  Im  J.  1521  fiel  Belgrad, 
nnd  bald  darauf,  nämlich  1524  ganz  Slawonien  den  Tür- 
ken in  die  Hände.  Nach  der  Schlacht  bei  i\lohäcs  (1520) 
ging  die  Veränderung  im  Namen  und  in  der  Sache  vor. 
dass  die  drei  Comitate  Zagrab,  Kreuz  »nid  Varasdin  sich 
dem  österreichischen  Schutz  unterwarfen,  und  auf  sie, 
ungeachtet  sie  bis  dahin  den  Ilaupttheil  von  Slawonien 
ausgemacht  hatten,  der  Name  Kroatien  angewandt  war. 
Unter  Slawonien  hingegen  fing  man  an,  die  unglückli- 
chen Comitate  Syrmien,  Pozsega,  Veröcze  und  Valpo  zu 
verstehen,  welche  fortdauernd  unter  dem  türkischen  .Joche 
schmachteten.  Leopold  I.  entriss  den  Türken  seit  1683 
in  15  Kriegsjahren  Slawonien,  und  behielt  dasselbe  auch 
im  Karlowizer  Frieden  1609.  Die  LIebersiedelung  der 
Serben,  1600,  noch  ehe  ganz  Slawonien  zurückerobert 
war,  gab  dem  während  der  türkischen  Unterjochung 
ganz  verödeten  Lande  einigermassen  seine  Einwohner 
wieder;  und  in  den  .].  1745  —  55,  und  zuletzt  18^7  er- 
hielt sowol  das  jetzige  Slawonien,  als  auch  Kroatien, 
seine    gegenwärtige,    militärisch-politische    Verfassung. '') 

4.)    R  a  g  u  s  a. 

Das  alte  Kausia,  wohin  sich  die  Einwohner  des  Epi- 
dauros,  von  Barbaren  gedrängt,  geflüchtet  hatten,  wurde 
im  VII.  Jahrh.  von  Slawen  serbischen  Stammes  bevöl- 
kert. Durch  Handel  mit  benachbarten  Völkern  erblühte 
hier  ein  Staat,  der  frei  gegen  das  Ausland,  in  seiner  glän- 
zendsten Periode  nicht  über  70,000  Einwohner  zählte. 
Die  Republik  Venedig  suchte  zwar  den  kleinen  Freistaat 
an  sich  zu  bringen;  allein  dieser  hielt  sich  lieber  an  das 
griechische  Kaiserthum.  Die  innere  Verfassung  war  ari- 
stokratisch nach  Art  der  venetianischen;  die  Gesetze 
wurden  1272  gesammelt.  Im  .].  1357  begab  sich  die  Re- 
publik unter  ungrischen,  und  bald  darauf  unter  türki- 
schen Schutz.  In  inisern  Tagen  fand  sie  in  den  von  Frank- 


'')  Engel  a.  a.  Ü.    C.    B.    v.    Hietzinger   Statistik    der    Militärgränze 
des  österr.  Kaiserthuras  Wien  817  —  22.  2  *Bde.  8. 


233 

reich  au.sgelicutlen  jicwaUigcii  Ei:scliüUeiiiiij;cii  ilir  Ende. 
Naciiflem  sie  eine  Zeillaiij;  dein  faiizösiscli-ilalienisclien 
Keiclie  einverleiht  gewesen,  (iel  sie  dein  österreichisclien 
Staate  aiiheini,  und  bildet  nun  einen  Kreis  des  zu  die- 
sem Staate  gehörenden  Königreichs  Dalinatien.  In  lite- 
rarischer Hinsicht  ist  Hagusa  vorzüglich  als  die  Wiege  der 
dalinatisch-ragusanischen  Nalionalliteratur  merkwürdig.^) 
Das  Königreich  J)almatien,  ein  Küstenland  am  adria- 
tischen  Meere,  enthält  in  den  vier  Kreisen:  Zara,  Spa- 
latro,  Kagusa  und  Cattaro,  ungefehr  300,000  slawische 
Einwohner,  das  iMenschencapitaJ  des  türkischen  AntheiJs, 
Sandschak  Ilersek  (Hercegowina)  mit  der  Hauptstadt 
Trebinj  (gegen  80,000)  nicht  hinzugerechnet.  Ausser 
70,000  griechischen  Ritus,  die  ihren  Bischof  in  Sebenico 
haben,  bekennen  sich  die  übrigen  Ualmatiner  (gewöhn- 
lich Moriachen,  Morlackcn,  auch  wol  Montenegriner  ge- 
nannt) siimmtlich  zur  römisch-kutholischen  Kirche.  — 
Das  heutige  Kroatien,  ein  zur  ungrischen  Krone  gehö- 
riges Königreich,  mit  etwa  700,000  slawischen  Einwoh- 
nern, zerfällt  nun,  nach  der  Rückgabe  des  illyrischen 
Civilkroatiens  (des  neuen  Karlstädter  Kreises,  zwischen 
der  Savve  und  der  Karlstädter  Banalgränze,  welcher  eine 
Zeit  lang  zum  Königreich  Illyrien  gehörte),  in  das  Pro- 
vincial-Kroatien  (die  drei  Comitate  Zagrab,  Kreuz,  Va- 
rasdin)  mit  gegen  303,000  Einw.,  und  in  das  Militär- 
Kroatien  (aus  dem  Karlstädter  u.  Varasdiner  Generalat, 
und  der  Banalgränze  bestehend),  mit  gegen  397,000  Einw., 
wozu  noch,  in  ethnographischer  Hinsicht ,  der  türkische 
Antheil,  Sandschak  Banjaluka  im  Westen  von  Bosnien, 
mit  ungefehr  30,000  Einw.  hinzuzählen  ist.  Auch  die 
Kroaten  bekennen  sich  der  Masse  nach,  mit  Ausnahme 
der  174,000  Griechischgläubigen  im  Karlstädter  Bisthum, 
zur  römisch-katholischen  Religion.  —  Slawonien,  ein 
ebenfalls  der  ungarischen  Krone  zugehöriges  Königreich, 
und  wie  Kroatien  in  das  Provinciale  (die  Gespanschaf- 
ten Veröcze,  Pozsega ,  Syrmien)  mit  gegen  280,000 
Einw.,  und  Militare  (das  Peterwardeiner  Generalat  be- 
stehend aus  den  drei  Regimentern:  Brod,  Gradiska  und 
Peterwardein)  mit  gegen  210,000  Einw.,  eingetheilt,  enl- 

')  /.  Ch.  V.  Engel  Gesch.  d.  Freistaates  Ragusa,  Wien  807.  8. 


234 

luilt  int^igesaniint  nngefelir  500,000  slawische  Individuen, 
die  sich  zum  Theil  (253.000)  zur  römisch-katholischen, 
zum  Theil  aber  (247,000)  zur  griechischen  Religion  be- 
kennen. —  Nimmt  man  alles  Obige  zusammen,  schliesst 
die  in  Dalmatien,  Kroatien  und  Slawonien  Avohnenden, 
in  literarischer  Hinsicht  schon  oben  (§.  20  ff.)  unter  den 
Slawoserben  mitbegriffenen,  Griechischgläubigen  aus,  und 
schlägt  die  religions-  und  schriftverwandten  katholischen 
Bosnier  hinzu;  so  ergibt  sich  daraus  das  gesammte  Men- 
schencapital  der  katholischen  Slawoserben  (Dalmatiner, 
Kroaten ,  Slawonier ,  Bosnier)  zu  1,219,000 ,  wobei 
jedoch  die  katholischen  Bulgaren  nicht  mitbegriffen 
sind.  ^) 


^)  Vgl.  ausser  den  allg.  Werken  (Korahinskys  geogr.  bist,  und  Pro- 
ducten-Lexicou  von  Ungern,  Pressb.  786.  8.  Eb.  geogr.  bist.  u.  Producten- 
Lexicon  von  Kroat.  Slawon.  u.  Dalmat.,  Wien  789.  Bisinger  Generalstati- 
stik d.  österr.  Kaisertb.,  Wien  807  —  09.  2  Bde.  8.  Eb.  Grundlinien  e.  Sta- 
tist, d.  österr.  Kaisertb.,  Wien  816.  Rumy  geogr.  stat.  W.  B.  d.  österr.  Kai- 
sertb., Wien  809.  Andre  geogr.  Statist.  Bescbr.  d.  österr.  Kaisertb.,  Weimar 
813.  —  J.  31.  V.  Liechtenstern  Handb.  d.  neuesten  Geogr.  d.  österr.  Kaiser- 
staats, W.  817  —  18.  3  Bde.  8.  —  G.  Hassel  vollst,  u.  neueste  Erdbescbr. 
d.  österr.  Kaisertb..  Weim.  819.  8.),  ins  Besondere  über  Dalmatien:  Engel 
Staatskunde  von  Dalmatien,  Kroatien  u.  Slawon.  im  2ten  Tb.  d.  Gescb.  von 
Ung.  798.  —  Die  illyr.  Provinzen  u.  ibre  Bewobner,  Wien  812.  8.  —  A.  For- 
tis  Reise  nacb  Dalm.  a.  d,  Ital.,  Bern.  777.  8.  Eb.  Sitten  d.  Morlaken,  Bern 
775.  8.  —  J.  Wvnne  Gräfin  v.  Ursini  u.  Rosenberg,  die  Morlaken,  a.  d.  Franz. 
v.  S.  G.  Bürde,  Bresl.  790.  Halberstadt  794,  Lpz.  u.  d.  Titel :  Jella  od.  das 
morlak.  Mädcben  797.  8.  —  Hacquet  Abbildung  u.  Bescbreib.  der  südwestli- 
cben  u.  östlichen  Wenden.  Illyrer  u.  Slawen,  Lpz.  801.  fF.  .5  Hfte.  —  Illy- 
rien  u.  Dalmatien  (in  dem  Miniaturgemälde  der  Völker-  und  Länderkunde), 
Pestb  816.  2  Bde.  kl.  8.  —  Bartenstein  Beriebt  von  der  BescbaiFenbeit  d.  illyr. 
Nation  in  d.  k.  k.  Erblanden,  Frankf.  u.  Lpz.  802.  (762).  -  {Rohrer)  Ver- 
such über  d.  slaw.  Bewobner  der  österr.  Monarchie,  Wien  804.  2  Bdcben  8.  — 
Teleki  Reisen  durch  Ungern  u.  einige  angränzende  Länder,  Pestb  805.  — 
E.  F.  Germar  Reise  nach  Dalmat.  u.  Ragusa  Lpz.  817.  8.  —  R.  F.  H**g 
Reisen  durch  d.  österr.  Dalm.  Illyr.  Alban.,  Meissen  822.  5  Bde.  8.  —  Ueber 
Kroatien:  Vukassovich  Beschreibung  des  Karlstädter  Generalats,  im  ungr. 
Magazin  784.  III.  Bd.  —  Gr.  Vinc.  Battiiäny  über  d.  ungr.  Küstenland  in 
Briefen,  Pestb  805.  8.  —  Demian  Statist.  Beschreib,  der  Militärgränze,  Wien 
806—07.  2  Bde.  —  Marcel  de  Serrcs  voyage  en  Antriebe,  Paris  814.  4  Bde. — 
C.  B.  V.  Hietzinger  Statistik  der  Militärgränze  des  österr.  Kaisertb.,  Wien 
817—22.  2  Bde.' 8.  —  Ueber  Slawonien  ■  F.  W.  v.  Taube  hist.-geogr.  Be- 
schreibung des  Kgr.  Slawonien  u.  d.  Hzg.  Syrmien,  Lpz.  777  —  78.  3  Bde. 
8.  —  Iter  per  Poseganam  Slavoniae  provinciam  1782  susceptum  a  M.  Piller 
et  L.  Mitterpacber,  Budae  783.  "4.  —  C  B.  v.  Hietzinger  Stat.  d.  Militär- 
gränze. —  lUyrien^und  Dalmatien  im  Miniaturgem.  d.  Völker-  und  Länder- 
kunde. —  /.  V.  Caplovic  Slawonien  u.  zum  Theil  Kroatien,  ein  Beitrag 
zur  Völker-  und  Länderkunde,  Pestb  819.  2  Bde.  8, 


235 

§.  26. 

Sprach-  und  Stammverwandtschaft  der  Dalmatiner  u.  Kroaten. 

Bei  der  Untersuciimiij;  der  (Vühcni  iiud  iieiieni  Schick- 
sale der  Sprache  der  kalholiisclieu  Slawoserheii  u.  Kroaten 
in  Dalinatien,  Slawonien  u.  Kroatien  stösst  man  anf  Ver- 
wickelungen, die  den  Gegenstand  äusserst  schwierig  ma- 
chen. Das  seltsame  Gewirre  von  Gränzverrückinigen, 
Volksübersiedelungen  ,  vom  Glaubens-,  Regirungs-  und 
Verfassungswechse]  u.  s.  w.,  spiegelt  sicli  ab  in  dem  Ge- 
bilde der  Sprache  dieser  vielfach  in  und  durch  einander 
verschobenen  Slawenzweige.  Wirft  man  einen  Blick  auf 
die  Länder,  die  von  den  Dalmatinern,  Kroaten  u.  Sla- 
wonien! bewohnt  werden,  und  hält  sich  bloss  an  ihre 
Namen,  so  sollte  man  glauben,  dass  man  hier  mit  drei 
verschiedenen  Stämmen,  den  Dalmatinern,  Kroaten  und 
Slawoniern,  und  eben  so  vielen  slawischen  Mundarten 
zu  thun  habe;  allein  die  Geschichte  und  die  Erforschung 
der  Sprache  läugnen  diese  getrennte  Existenz  der  drei 
Stämme  und  Mundarten.  Denn  zuvörderst  sind  die  Dal- 
matiner und  heutigen  Slawonier,  so  wie  die  Ragusaner 
und  Bosnier,  nach  aller  Geschichte  und  Erfahrung  Sla- 
wen serbischen  Stammes;  die  Bewohner  des  wahren 
(alten)  Kroatiens  im  Süden  der  Kulpa  hingegen,  die 
Kroaten,  sollten  nach  Constantin  Porphyr,  für  einen  be- 
sondern Stamm  gehalten  werden,  während  nach  unserer 
Erfahrung  die  Sprache  in  diesen  Gegenden  weder  in 
Grammatik,  nocii  in  Lexicon  sich  bedeutend  genug  von 
fier  serbischen  der  Dalmatiner  unterscheidet.  Der  Pro- 
vincialkroate  aber,  der  jetzt  schlechthin  Kroate  genannt 
wird,  heisst  noch  nicht  drei  Jahrhunderte  nur  geogra- 
phisch so,  und  wurde  bis  daiiin  selbst  geographisch  zu 
den  windischen  Slowenzen  gerechnet,  wohin  er  auch  der 
Sprache  nach  gehört.  Dem  znfolge  ist  die  Sprache  der 
lieutigen  sogenannten  Kroaten,  die  augenscheinlich  in 
Militär-Kroatien  (in  dem  Karlstädter  u.  Varasdiner  Ge- 
neralat  und  in  der  Banalgränze)  mit  der  serbisch-dal- 
matischen, in  Provincial  -  Kroatien  (in  den  Comitaten 
Zagrab,    Kreuz    und  VarasdinJ  aber  mit  der  slowenisch- 


236 

wiiiflisclioii  Miiixliirl  zusaininenrälU,  ullenfalJs  mir  eine 
schwiU'lii»  Nuance  dieser  beiden,  keineswegs  aber  ein  für 
sieb  bestellender  Dialekt:  was  im  geraden  Widerspruche 
mit  Constantln  Porphyr.  Ausscheidung  des  kroatischen 
Stammes  von  andern  slawisclien  Völkern  steht.  Selbst 
Slawonien,  wiewol  jetzt  meist  mit  serbischen  Flüchtlin- 
gen und  Colonisten  bevölkert,  ist  nur  ein  Theil  des  alten 
windischen  Landes,  daher  ihm  auch  der  Xame  geblieben.*) 
Da  es  indess  bei  iniserer  Betrachtung  der  Schicksale  der 
slawischen  Literatur  in  diesen  Ländern  nicht  auf  das 
Scharfe  der  Dialektenstellung  ankommt,  da  ferner  die 
Bev^ohner  dieser  drei  slawischen  Königreiche,  die  im 
Laufe  der  letzten  drei  Jahrlmnderte  zu  ihrer  Jetzigen  Ge- 
stalt (uid  Begrünzung  gekommen  sind,  nach  und  nach 
eine  eigene,  besondere,  bald  nach  lateinisch-italienischer, 
bald  nach  lateinisch-iuigrischer  Coaibination  eingerich- 
tete Orthographie  eingeführt  und  hiedurch  den  Unter- 
schied ihres  Schriftwesens  —  zum  grossen  lebertluss 
und  wahren  Aergerniss  aller  Slawisten  —  begründet 
haben  :  so  wollen  wir  die  Ergebnisse  ihres  geistigen  Le- 
bens, sofern  sich  dasselbe  in  der  Nationalsprache  kund 
ihat,  nach  ihrer  heutigen  geographischen  Stammbegrän- 
zung  betrachten. 

§.  27. 

Charakter    der  Sprache    der   Dalmatiner    und  Zweige   der 
dalmatisch-kroatischen  Literatur. 

Die  Sprache  der  Dalmatiner  ist  mit  einigen  geringen 
Abweicinnigen  die  serbische  Mundart.  Diese  Abweichun- 
gen betreffen  vorzüglich  die  Aussprache  des  Vocals  /'  statt 
J(^  oder  f:  lipo  st.  Ijepo  od.  lepo;  diwojka  st.  (Ijrtrojka 
od.  dewojka,  und  einige  von  den  nächsten  Nachbarn  ent- 
lelufte  fremde  Wörter.  Das  Serbische  in  Dalmatlen  zer- 
fällt aber  wiederum,  wie  jede  lebende  Sprache,  in  meh- 
rere Varietäten;  so  unterscheidet  Caraman  das  Dalniati- 
nische  [poslal  sam,  rckal  snm)  von  dem  Raqu.samschen 

*)  [Kopltar)    Keccns.    d.   slaw.    Gramm,    von    Dobrowsky   in  tl.  "Wie- 
ner Jahrb.  d   Liter.  Bd.  XVII.  1822. 


237 

{ffoslo  sani,  reim  sani)  und  doiii  iSarcnlanischen  {posln 
sam,  relxu  sam.)  Die  l^igTii.sciiallcii  dieser  Spraclic  kön- 
nen nun  nacli  dem  oben  gesaj^len  keine  andern  seyn, 
als  die  der  serbischen.  Eine  Auszeiciuninjij  verdienl  vor 
allein  der  Wolklang  der  Landesiiiundart.  eine  Frucht 
der  italienisciien  Nachbarschaft.  Wenn  man  die  .Stimmen 
der  Inländer  (Appendini,  Stulli,  Sorj^o  u.  a.)  hört,  so 
muss  man  freilicl«  die  dalmatische  Miindart  allen  andern 
Slawinen  vorziehen.  Zu  stolz  auf  ihre  lAbkuiift  u.  Sprache, 
geben  sie  sich  selbst  das  Zeugniss,  sie  seyen  die  ältesten 
aller  Slawen,  und  iiire  Sprache  der  reinste  aller  slawi- 
schen Dialekte,  und  die  Ausländer,  des  Widerspruclis 
nicht  gewahr,  schreiben  und  sprechen  ihnen  dieses  ohne 
Bedenken  nach.  Unndimlich  wäre  es,  wenn  die  italie- 
nische Nachbarschaft  keine  Spuren  in  der  Sprache  zu  ih- 
rem Vortheil  hinterlassen  hätte;  aber  Wolklang  ist  noch 
kein  Voll-  oder  Allklang  der  Sprache,  so  wie  der  Schön- 
heitssinn noch  kein  Gesammtsinn  des  menschlichen  Gei- 
stes ist.  Die  gebildet  nnd  möglichst  vollkommen  seyn 
sollende  Sprache  hat  überhaupt  in  ihrer  dreiftichen  Ge- 
stalt, als  Sprache  der  Prosa,  der  Oratorie  und  der  Dicht- 
kunst, mehrere  Bedürfnisse  des  menschlichen  Geistes  zu 
befriedigen,  als  den  des  Klanges  allein.  Bis  denuiach,  zur 
Entscheidung,  ob  denn  der  Dialekt  der  Dalmatiner  wirklich 
der  älteste,  reichhaltigste,  reinste  u.  schönste  sey,  die  übri- 
gen neun  od.  zehn  iMitinteressenten  ihre  Stim.iien  abgeben, 
bleibt  die  Sache  immer  einigem  Zweifel  unterworfen. 

Das  dalmatische,  und,  wie  unten  bemerkt  werden 
soll,  zum  Theil  auch  das  kroatische  Schriftwesen  theiit 
sich  von  jeiier  in  die  Kirchen-  und  die  Profanliteratur. 
.Jener  ist  die  altslawische  Kirchensprache  mit  einem  hQ- 
sowderen  -  (/lagolififcheji,  dieser  die  gemeine  Landes - 
mundart  mit  lateinsichem  Alphabet  eigen. 

§.  28. 

Ursprung   und   Schicksale  der  glagolitischen  Literatur  der 
Dalmatiner  und  Kroaten. 

Die  erste  Bekehrung  der  Dalmatiner  inul  Kroatenge- 
schah,   wie  oben  (§.    25.  Anm.  3.)  gesagt    worden,    von 


238 

Rom  ans,  entweder  schon  im  VII.  Jahrli.,  ofler  sicherer 
erst  zu  Anfange  des  IX.  Jahrh.  .Unter  Branimir  nämlich 
(879  —  86)  war  ganz  Dahiiatien  und  Kroatien  katlio- 
lisch.  Hieraus  ist  klar,  dass  in  diesen  Gegenden  die  Cid- 
tur  der  Landesmundart  um  diese  Zeit  noch  nicht  begin- 
nen konnte,  indem  die  lateinische  Sprache  die  des  Cultus 
und  der  Kegirung  geworden  ist.  Aber  kaum  waren  Me- 
thods  Erfindiuig  und  Unterricht  in  diese  Gegenden  ge- 
drungen, so  rissen  sich  die  dalmatischen  und  kroatischen 
Slawen  von  der  lateinischen  Sprache  bei  der  Liturgie 
los,  und  schlössen  sich  willig  an  die  slawische  an,  wozu 
die  daiiuds  äusserlich  noch  bestehende  Kircheneiniieit 
nicht  wenig  beigetragen  haben  mag.  So  war  denn  die 
Literalsprache  der  Slawen  auch  hier  eingefidn-t.  Sobald 
die  lateinischen  Eiferer  auf  die  entlernten  Folgen  der 
Unternehmung  aufmerksam  wurden,  setzten  sie  sich  aus 
allen  Kräften  dieser  Neuerung  entgegen.  Zwar  wurde  die 
slawische  Liturgie  bei  Kyrills  und  Methods  Lebzeiten  in 
eiingen  Gegenden,  wie  in  Mähren,  vom  päbstlichen  Stuhl 
zugelassen,  in  andern,  wie  in  Bulgarien,  einstweilen  ge- 
duldet; aber  in  Dalmatien  und  Kroatien  selbst  erfuhr  sie 
den  heftigsten  Widerspruch.  Eine  zur  Zeit  Johanns  X. 
abgehaltene  Synode  untersagte  den  Gebrauch  derselben 
gänzlich.  Nichts  desto  weniger  brauchte  man  in  den  kroa- 
tischen Gegenden  im  XI.  .Jahrh.  beim  Gottesdienst  noch 
immer  die  slawische  Sprache.  Die  dalmatischen  Seestädte 
klagten  darrdjer  bei  dem  Pabst,  und  Nikolaus  II.  schickte 
1059  den  Abt  Mainard  von  Casino,  der  nach  der  Hand 
Bischof  von  Selva  wurde.  Dieser  hielt  zu  Spalatn  aber- 
iirals  eine  Synode,  und  verbot  die  slawische  Liturgie 
nochmals,  erklärte  ihre  Erfinder  für  Ketzer,  und  befaid 
die  Kirchen  zu  schliessen,  wo  der  Gottesdienst  kroatisch 
gehalten  werdej»  würde.  Die  slawischen  Priester  waren 
so  unwissend,  dass  sie  sich  nicht  einmal  auf  den  Kyril- 
lus  und  Methodiiis  und  die  schon  damals  von  Kom  aus 
gegebene  Ei»tscheidung  in  dieser  Sache  zu  berufen  ver- 
standen. Der  kroatische  König  bestättigte  ohne  weiters 
die  Synodalschlüsse.  Im  .J.  1061  ff.  wollte  ein  fremder 
Priester,  Ulfus  (vielleicht  ein  teutscher  Wolfgang),  hel- 
fen, und  reiste  nach   Kom ;    nach  seiner  Rückkehr  [deiui 


239 

der  Pabst  wollte  erst  iiälierii  Bericht    von  einigen  Natio- 
nalen   selbst    erwarten),    veranlasste   er  eine  Zusannnen- 
knnft  der  Kroaten  in  einer  h^bene  von  Zeng,  von  wo  ans 
sie  zwei    Abgeordnete  an  den  Pabst  abfertigten,  nämlich 
einen    unwissenden    Geistlichen,  Cededa,    ans  ihrem  Mit- 
tel,   den    sie  zum  Bischof  vorschlugen,    «nid  einen  Bene- 
dictiner-Abt.    Die    zwei  Abgeordneten    kamen  nach  Kom, 
und  Ulfus    machte    ihren   Dolmetsch.    Der  Pabst  Alexan- 
der II.  beharrte  auf  dem    Eifer  wider   den  Slawonismus, 
und  schnitt    dem  Cededa  selbst    die  Ilaare  seines  Bartes 
weg.     Ulfus  der  Dolmetscher  hingegen,  machte  dem  Ce- 
deda weiss,  dass  durch  diesen  Actus  der  Pabst  alles  gut 
geheissen,    und  ihn  zum  Bischof  bestätigt    habe.     Cededa 
ling  also  nach  seiner  Kückkehr  an,  sich  als  Bischof  auf- 
zufidu'en,     ja  sogar    in  die  Hechte  und  den  Sprengel  des 
Bischofs  von  Veglia    einzugreifen.   Durch  diess  Benehmen 
war    der    Betrug    gar    bald    entdeckt;    llfus  ward,  laut 
Schlusses  einer  Synode  zu  Salona  unter  dem  Vorsitz  des 
Cardinais  Johannes,   10()4    gegeisselt,    gebrandmarki    und 
ins  (jefängniss  geworfen;    Cededa  aber  in  den  Bann  ge- 
than.  iMid  das  Verbot  des  slawischen  Rituals  wiederholt. 
Dennoch    erhielt    sich  Cededa   unter  dem  Schutze  seiner 
Landsleute  bei  diesem  Amte,  bis  zu  seinem  bald  hernach 
erfolgten  Tode.  Um  diese  Zeit,  scheint  es,   verfiel  irgend 
ein  Dalmatier    auf  den  Gedanken,  zum  Behuf  der  slawi- 
schen   Liturgie    und    für    die  Anhänger    der  lateinischen 
Kirche,    neue,    von    den  kyrillischen  verschiedene  Buch- 
staben  zu   erkünsteln,    um  das  aus  den  kyrillischen  Bü- 
chern geborgte    besser  zu  verhehlen,    und  sie,  um  ihnen 
leichter  Eingang    zu    verschaffen,    dem  grossen  Kirchen- 
lehrer   und     Bibelübersetzer    Hieronymus    zuzusclireiben. 
l>iess  ist  das  sogenannte  glagolitische,  dem  jetzt  bei  den 
Russen    und    Serben    griechischen    Ritus    gebräuchlichen 
kyrillischen  entgegengesetzte   Alphabet,    dessen  sich  die 
slawischen  Priester  der  abendländischen  Kirche  in  Kroa- 
tien und   Dalmatien  bis  jetzt   bedienen.     Man  schrieb  nun 
die    liturgischen  Bücher   mit  diesen  Schriftzügen  um,  die 
Sprache    aber    blieb,    bis  auf  einige  wenige  Abweichun- 
gen, die  altslawische.     Ueber  den  Ursprung  und  die  Be- 
nennung   dieses  Alphabets  sind  übrigens  zu  allen  Zeiten 


240 

die  mtiiinij;!;ral(jgstcn  Jlyj)Ollieseii  aiifaioslcllt  worden.  Die 
iihe.sle  Meinung-  ist  wol  die  von  (jluj^oliten  (Priestern 
in  Dalinatien,  die  ans  slawischen  Missalen  nach  dem  rö- 
mischen Kitns  die  Messe  lesen),  vorgegebene,  dass  der 
li.  Flieronymns  der  Erfinder  dieses  Alj)!ial)els.  nnd  hie- 
mit  der  Lriiebcr  der  glagolitisclien  Literat nr  sey;  eine 
Meinnng,  die  an  sich  nnlialtbar  nnd  schon  längst  gründ- 
lich widerlegt  worden  ist.  Der  Graf  Grnbissich  stieg 
noch  höiier  hinanf,  nnd  suchte  den  Ursprnng  der  gla- 
golitischen .Schriftziige  bei  den  Phrygen  inid  Thraken. 
in  den  Knnen  der  Geten  ufid  (iothen.  Dobner  u.  Schi- 
mek  vertheidigten  das  Alphabet  gegen  die  ßeschnidigiing 
eines  vorsätzlichen  frommen  Belrngs,  welcher  damit  ge- 
spielt worden  seyn  soll,  wenn  sie  sich  gleich  nicht  ge- 
traneten,  das  Entstehen  desselben  bestimmt  anzngeben. 
Dr.  Anton  hielt  es,  selbst  mit  hieronymischem  Alter  nicht 
znfrieden,  für  nralt,  für  ursprünglich  slawisch.  Alter 
leitete  es  ans  dem  Lateinischen  ab,  Linhard  ans  dem 
Griechischen:  beide  versetzten  es  ins  V.  .lahrh.,  kurz 
nach  Hieronymns  Tod.  Dnrich.  anfangs  eirj  Gegner  der 
angeführten  llypothesen.  änderte  kurz  vor  seinem  Tode 
die  vorgefasste  Meinmig,  verlegte  dessen  Entstehen  ins 
IX.  .Jahrb.  nnd  wollte  es  in  dem  Rnnisciien  und  Osci- 
sclieii  finden.  Aber  alle  diese  Muthmassungen  sinken  in 
ihr  Nichts  zurück,  sobald  man  die  Gründe  der  Gegen- 
partei gehörig  erwägt.  Lange  schon  zweifelte  man  an 
einem  so  hohen  Alter  dieses  Alphabets.  Frisch  leitete  es 
ans  dem  kyrillischen  ab,  so  zwar,  dass  es  seiner  Mei- 
nung nach  ans  diesem  durch  absichtliche  Verzierung  od. 
din'ch  nacldässige  Verstümmelung  der  Abschreiber  nach 
nnd  nach  entstanden  wäre.  Ihm  folgten  Kohl,  Voigt. 
Schlözer  inid  Andere,  die  es  aber  für  das  Werk  eines 
spätem  Reformators  erklärten.  Dobrowsky  bewies  mit 
nnumstösslichen  Gründen,  dass  man  die  glagolitischen 
Buclistaben  im  Xlll.  .lahrh.,  ungcfehr  um  das  .!.  1220 
in  Dalinatien,  vielleicht  auf  der  Insel  Arbe,  erfunden, 
und  mit  ihnen  einen  frommen  Betrug  gespielt  habe.  Sie 
sind  ohne  Zweifel  die  Erfindung  eines  Mönchs,  der  die 
schon  seit  3G0  .Jahren  vorhandenen  kyrillischen  Schrift- 
züge nach  Willkühr.    jedoch   auch    mit  einiger  Rücksicht 


241 

auf  andere,  vorzü^licli  koptisclie  Muster,  umbildete,  und 
hiemit  dem  ganzen  Alpliabet  eine  neue,  gekünstelte, 
dabei  äusserst  scbwertallige  Gestalt  gab.  Allein  der  Ur- 
heber that  absichtlich  auf  die  Ehre  der  Erfindinig  Ver- 
zicht, und  nun  wurde  die  neue  Missgeburt  dem  h.  Hie- 
ron} imis  zugeschrieben.  Man  Jioffte  die  Slawen  des  grie- 
chischen Ritus  dadurch  zu  gewinnen,  und  wollte  ihnen 
zwar  den  (iebrauch  ihrer  Sprache  beim  Gottesdienste 
lassen,  aber  zugleich  mit  diesen  neuen  Buchstaben  den 
abendländischen  Ritus  bei  ihnen  einfuhren.  Der  Fabst 
Innocenz  IV.  genehmigte  dieses  Vorhaben  um  das  J.  1248, 
entweder  aus  Ehrfurcht  für  den  h.  Ilieronymus,  oder 
aus  Eifer  für  seine  Kirche,  die  er  auf  solche  Art  vor 
dem  Lebergang  der  Slawen  zur  griechischen  Religion  zu 
sichern  glaubte;  und  seitdem  wurde  nun  auch  bei  den 
römisch-katholischen  Slawen  die  Messe  in  der  altslawi- 
schen Kirchensprache,  aber  nach  glagolitischen  Formu- 
laren, gelesen,  lim  diese  Zeit  mag  auch  die  Benennung 
ijluijolisch,  gfagolifi.s'ch,  im  Gegensatz  des  kyrillischen, 
das  sonst  schlechthin  das  Slawonische  hiess,  aufgekommen 
seyn;  wenn  man  gleich  der»  Grund  dieser  Benennung 
nicht  leicht  angeben    kann.  ') 

Das  älteste,  mit  diesen  Schriftzügen  geschriebene, 
bis  jetzt  ausfindig  gemachte  Denkmal  ist  ein  Psalter,  mit 
welchem  ein  Klerikus  von  Arbe  um  das  J.  1220  ans 
Licht  trat,  und  welches  später  für  ein  Werk  des  h.  Hie- 
ronymus  ausgegeben  wurde.  Diess  konnte  um  so  leich- 
ter geschehen,  da  Hieronymus  in  einem  seiner  Briefe 
wirklich    von    einem  Psalter  spricht,    den  er  Leuten  von 

M  Ghi'iol  heisst  das  Wori.  auch  wol  der  Buchstabe;  folglich  wäre 
nach  Hrn.  Dobrowsky,  ijlagolisch  od.  olagolitisch.  so  vieh  als  mit  Figuren, 
Buchstaben,  Wortzeichen,  die  Glagoli  heisseu.  Aber  schwierig  bleibt  diese 
Erklärung  immer,  weil  mau  nicht  einsieht,  warum  es  gerade  glagolitisch, 
und  nicht  immerfort  hieronymisch,  im  Gegensatz  des  kyrillischen,  geheis- 
sen  habe,  um  sn  mehr,  da  mau  den  •  h.  Hieronymus  zum  Erfinder  macht. 
—  Hr.  Kopiar  hält  es  für  eines  der  mildern  Sobri(iuets.  Glagol  heisst  in 
der  Kirchensprache  das  Wort,  die  Rede,  ist  aber  allen  heutigen  südslawi- 
schen Dialekten  durchaus  fremd.  Wenn  daher  dem  Nachbar  in  der  glago- 
litischen Kirche  bei  jedem  Evangelio  nach  dem  ihm  verständlichen:  W  ono 
ivreme  das  fremde:  glagola  Isus.  ä.  i.  in  illo  tempore  dixit  Jesus  —  ans 
Ohr  schlug,  so  wars  natürlich,  dass  er  seine  Landsleute,  die  beim  Gottes- 
dienste so  viel  glagolirten,  als  die  Glagoler  bezeichnete.  Das  lateinische 
Glagolitae  ist  nach  der  Analogie  von  Israeli fae,  Lechitae,  Silesitae  u.  s.  w. 
gebildet. 

16 


242 

seiner  Sprache,  nach  den  LXX.  verbessert,  übergeben 
haben  soll.  Nun  bezog  man,  weil  Hieronymus  aus  Illy- 
ricum  stammte,  den  Ausdruck  auf  die  slawisch  redenden 
Dalmatier,  da  doch  Hieronymus  selbst  darunter  immer 
nur  die  Lateiner  versteht.  Später  fing  man  an,  sogar 
von  einer  ganzen  Bibelübersetzung  zu  sprechen,  die  Hie- 
ronymus in  der  dalmatischen  Sprache  verfertigt  haben 
soll.  Man  wünschte  diess,  und  glaubte  es  gern.  Allein 
neuere  Untersuchungen  baben  deutlich  gezeigt,  dass  der 
Psalter  bloss  mit  glagolitischen  Schriftzügen  aus  der  ky- 
rillischen Uebersetzung  neu  abgeschrieben,  und  hie  und 
da  in  abweichenden  Stellen  nach  der  Vulgata  verändert 
worden  sey ;  und  die  gesunde  Kritik  hat  es  längst  be- 
wiesen, dass  Hieronymus  wol  die  alte  lateinische  Ueber- 
setzung nach  den  LXX.  verbessert,  aber  nie  eine  slawi- 
sche Zeile  geschrieben,  geschweige  denn  die  ganze  Bibel 
ins  Dalmatische  übersetzt  habe.  Eine  hieronymisch- dal- 
matische Uebersetzung  der  BibeJ  ist  also  ein  Unding.  IVlan 
fand  ausser  dem  erwähnten  Psalter  des  Nikolaus  v.  Arbe. 
ausser  einem  Codex,  der  die  Sonn-  und  Festtags-Evan- 
gelien enthielt,  ausser  Missalcn  und  Brevieren,  so  sehr 
man  sich  auch  Mühe  gab,  schlechterdings  Nichts  mit  gla- 
golitischen Buchstaben  geschriebenes.  Allerdings  wurde 
die  Bibel  späterhin  ins  Dalmatische  übertragen,  nur  ist 
bis  auf  den  heutigen  Tag  eine  solche  nicht  im  Druck  er- 
schienen. So  wollte  ein  Priester  aus  Dalmatien  im  J.  1557 
die  Bibel  mit  glagolitischen  Buchstaben  in  Tübingen  dru- 
cken lassen,  welches  aber  unterblieb;  und  die  Ueber- 
setzungen  von  Bartholomaeus  Cassins  1640  und  Stephan 
Rosa  1750  hatten  ein  gleiches  Schicksal.  Wo  sich  diese 
jetzt  befinden  mögen,  ist  ungewiss. 

Der  Gebrauch  der  glagolitischen  Schrift  fand  an- 
fangs, wie  gesagt,  sogar  an  den  Päpsten  seine  Beschützer. 
(Innocenz  1248).  Bereits  im  J.  1483  erschien  ein  gla- 
golitisches Missal  in  Fol.  ohne  Angabe  des  Druckorts. 
Diess  ist  das  erste  Druckwerk  in  der  altslawischen  Kir- 
chensprache, um  8  .Jahr  älter,  als  der  erste  kyrillische 
(Psalter,  Oktoich,  Horologium  Krakau  1491),  und  um 
8  Jahr  älter  als  der  erste  polnische  (Kalender  Krak.  1490), 
aber  um  8  Jahr  jünger,    als  der  erste  böhmische  Druck 


243 

(Neues  Testament  o.  Druckort  1475).  Im  J.  1507  begab 
sich  der  Magister  Georgius  von  VcFicdig  zum  Archidia- 
kon  Sylvester  Bedriccicli  nacli  Zeng,  und  druckte  hier 
drei  glagolitische  Werke.  Im  J.  1528  erschien  bei  Bin- 
doni  und  Pasyni  in  Venedig  ein  Missal  in  4to,  und  ein 
Azbukwidarium  in  4to;  im  .).  1531  aber  das  dritte  Mis- 
sal durch  Simon  Cosicich,  Bischof  v.  Modrusa,  in  Fiume. 
Als  die  Exx.  hievon  ausgegangen,  liess  der  Bischof  von 
Zeng,  Johann  Agalich,  eine  neue  Auflage  unter  der  Lei-  Ua^^e^ 
tung  des  Minoriten  Franz  Glavinich  veranstalten;  bei 
welcher  Gelegenheit  hie  und  da  der  Ausdruck  u.  Dialekt 
nacii  einem  alten  handschriftlichen  Exemplar  aus  der  Bi- 
bliothek des  Erzherzogs  Karl  von  Oesterreich  verbessert 
wurde.  Die  von  Anton  Dalmata  u.  Stephan  Consul  über- 
setzten, und  mit  glagolitischen  Typen  zu  Tübingen  und 
Urach  1562  —  1564  gedruckten  Bücher  sind  in  der  ge- 
meinen Redesprache  abgefasst  ^).  Ausserdem  wurde 
noch  glagolitisch  gedruckt  zu  Rom,  wo  die  Propaganda 
glagolitische  Typen,  die  aus  Venedig  stammten,  vom  Ks. 
Ferdinand  II.  migefehr  im  .1.  1621  zum  Geschenk  erhielt, 
und  wo  noch  heutzutage  glagolitische  Missale  für  die  Gla- 
goliten  in  Dalmatien  und  Istrien  gedruckt  werden.  ^) 

Es  war  nämlich  von  jeher  bei  der  Propaganda  ent- 
schieden, dass  man  zur  Erleichterung  der  Union  alle 
Missale  und  Breviere  in  der  altslawischen  Kirchensprache 
herausgeben  solle.  Solcher  Bücher  bedienten  sich  alle 
Basilianer  und  die  aus  ihnen  gewählten  Bischöfe  in  den 
polnisch  -  russischen  Provinzen ,  welche  sich  alle  vier 
Jahre  einen  General-  oder  Protoarchimandriten  zu  wäh- 
len   pflegten ,    und    deren    General procurator    als    Rector 


*)  Die  hieher  gehörigen,  dalmatisch-kroatischen,  mit  glagolitischen 
Typen  gedruckten  Bücher  findet  mau  verzeichnet  in  Kopitars  krain.  Gramm. 
S.  438-449. 

')  Diess  ist  die  einzige  noch  vorhandene  glagolitische  Buchdrucke- 
rei. Daher  werden  auf  den  dalmatischen  Inseln  die  Bücher  noch  gegenwär- 
tig abgeschrieben,  wie  vor  der  Erfindung  der  Buchdruckerei ;  es  fängt  auch 
das  kyrillische  Alphabet  an,  Eingang  zu  finden,  weil  man  liturgische  Bü- 
cher aus  Russland  bezieht,  und  vielleicht  wird  die  glagolitische  Schriftart 
am  Ende  ganz  abkommen.  In  der  Bar.  Zoisischen  Samml.  in  Krain  befin- 
den sich,  nebst  mehreren  handschriftlichen  u.  gedruckten  Missalen,  Brevie- 
ren u.  s.  w.,  auch  glagolisch  geschriebene  Briefe,  die  etwa  vor  70  Jahren 
«wischen  den  kais.  u.  türk.  GränzCftmmandanten.  meistens  über  Viehent- 
führungen, gewechselt  wurden.    Kopitar  a.  a.  0. 

16* 


244 

der  Kirche   des  h.  Sergius    und  Bacliiis  zu  Rom  wohnte. 
Als   zu    Anfange    des  XVII.  .Jahrh.  der  bis  dahin  edirten 
Missalen    zu  wenig    war,    wählte   die  Propaganda  unter 
Urban    VIII.    den  P.  Raphael  Levakomch  zum  Corrector 
und    Reformator    librorum    ecclesiasticorum    linguae   illy- 
ricae,    und    beförderte    ibn    nachmals  zum  Tituiar-Erzbi- 
schof  von  Achrida.  Levakovicli    hatte  bewirkt,  dass  Fer- 
dinand II.  der  Propaganda  ein  Geschenk  mit  glagolitischen 
Typen    machte.    So   erschien    sein    Missale  1631.    Allein 
als    er   einen  altern    Psalter  eingesehen,    und  vorzüglich, 
als  er  den  Bischof  von  Chelm,    Methodius  Terlecki,  hat- 
te kennen  lernen,  so  kam  ihm  der  Slawenismus  des  her- 
ausgegebenen Missais  selbst  nicht  mehr  ganz  echt,    viel- 
mehr als  noch  viele  vulgar-dalmatische  Ausdrücke  in  sich 
fassend  vor;  es  kam  ein  besseres  Brevier  mit  eingedruck- 
tem Psalter  1648  mit  Genehmigung   Innocenz  X.  vom  22. 
Febr.    1618    heraus.    Späterhin    schrieb  Levakovich  aucii 
eine  Apologie    dieses  Breviers    wieder  die  Ausstellungen 
eines    gewissen    Theseo,    der    einen  verdorbenen  Codex 
vor    sich    hatte*).    Im  .J.   1668  erschien  die  zweite  Aufl. 
dieses  verbesserten  Breviers  unter  der  Aufsicht  des  Ab- 
bate  Pastrizio  mit  den  seitdem  neuzugekommenen  21    Of- 
ficiis  de  praecepto  und  12    Officiis    ad    libitum.  Jos.  Pa- 
strizius    (y    1708)    aus    Spalato,    ein  Durich    der  altern 
Zeiten,  ganz  der  Erforschung    der  Schicksale  der  altsla- 
wischen Kirchensprache  hingegeben,    sagt  bei  der  Gele- 
genheit:   miror  sane  tot  seculis  squaluisse  nostras  regio- 
nes    in  praecipuo  coronae  nostrae  radio,    nempe  in  litte- 
rali  dialecto.    Ouoties    enim  antiqua    manuscripta  pervolvi 
Breviaria,    tot    erroribus    conspersas    lineas    et  in  Ortho- 
graphia    et    in    Grammatica    reperi,    ut    stomachum    mihi 
moveret.   Im  .1.  1706    erschien    die    zweite    Auflage    von 


*)  Terlecki  sagt  in  dem  über  die  Arbeiten  des  Levakovich  ausgestell- 
ten Zeugniss :  Nam  explosis  nonnuUis  vulgaris  sermouis  dalmatici  vocabulis. 
quae  scriptorum  licentia  in  vetusta  illyrica  Breviaria  intrusa  fuerunt,  quae- 
que  R.  P.  Raphael  suae  translationi  inseruerat,  pura,  quae  in  incorruptis 
apud  me  habebantur,  slavonica  eorum  loco  reposuimus.  In  der  päbstlichen 
Genehmigung  sind  folg.  Phrasen  zu  merken :  Quam  illyricarum  gentium 
libros  sacros,  iam  inde  a  D.  Hieronymi  temporibus,  ut  pervctusta  ad  nos  do- 
tulit  traditio,  vel  certe  a  Pontificatu  Joannis  VIII.,  uti  ex  eiusdem  data 
super  ea  re  epistola  constat,  ritu  quidem  romauo,  sed  idiomate  slavonico 
et  charactere  S.  Hieronymi  vulgo  uuncupato  conscriptos,  opportuua  recogni- 
tione  indigere  compertum  sit  etc.  Engel  Gesch.  d.  ungr.  Reichs  III.  462. 


245 

Levakovich's  Missali.  Es  fehlte  aber  auch  an  Widersa- 
chern der  slawischen  Liturgie  der  Glagoliten  nicht.  80 
führte  Peter  Marianovicii ,  Bischof  von  Zengj  und  iVIodrus 
oder  Corbavien,  und  Rath  Ferdinands  III.,  zu  Fiuine 
und  an  andern  Orten  seiner  weitläufigen  Diöcese  das 
Studium  der  lateinischen  Sprache  ein,  und  wollte  keinen 
Priester  ordiniren,  der  niclii  wenigstens  lateinisch  lesen 
konnte.  Er  wurde  desswegen  zu  Rom  als  ein  Feind  und 
Verderhcr  des  slawischen  Rituals  angeklagt.  Der  Cardi- 
nal-Vorsteher  der  Propaganda  machte  ihm  1654  hier- 
wegen  Vorstellungen,  die  er  in  einem  gelehrten  Schrei- 
ben beantwortete,  und  sich  vornehmlich  darauf  bezog, 
dass,  da  in  der  slawischen  Sprache  sonst  nichts,  als  das 
Missal  »nid  Brevier  vorhanden  wäre,  die  Priester,  die 
sich  damit  begnügten,  und  nicht  lateinisch  lernten,  noth- 
wendig  unwissend  bleiben  müssten,  und  nicht  einmal  ihr 
eigenes,  geschweige  denn  das  Gewissen  ihrer  Zuhörer 
leiten  könnten.  Dieser  Grund  war  zwar  an  sich  wahr, 
er  bewies  aber  nicht  das,  was  er  beweisen  wollte,  son- 
dern vielmehr  jenes,  dass  man  bei  dem  anerkannten  Vor- 
theile,  den  Gottesdienst  durch  die  Muttersprache  ftir  Sla- 
wen zu  popularisiren,  dafür  hätte  sorgen  sollen,  auch 
die  übrigen  theologischen  und  philosophischen  Wissen- 
schaften in  eben  dieser  Sprache  zu  lehren.  Glücklicher- 
weise vereinigte  sich  mit  dem  Vortheile  der  slawischen 
Sprache  auch  der  Vortlieil  der  abendländischen  Kirche, 
welche  ihre  Bemühungen,  auch  die  Russen  und  die  rus- 
sischen Einwohner  von  Polen  in  ihren  Schoos  hineinzu- 
leiten, und  hiezu  den  Weg  durch  Bewilligung  des  slawi- 
schen Rituals  zu  bahnen,  auf  verschiedene  Weise  fort- 
setzte. Nächst  Levakovich  erwarben  sich  die  Erzbischöfe 
Zmajevich  und  Caraman  um  die  glagolitische  Literatur 
die  grössten  Verdienste.  Vincenz  Zmajevich,  Visitator 
von  Albanien,  hernach  Erzbischof  von  Zara  und  Com- 
missarius  Apostolicus  in  Albanien,  Serbien  und  Make- 
donien, Bulgarien  und  Bosnien,  schätzte  die  vulgär-  und 
die  literalslawische  Sprache  jede  nach  ihrem  Werth.  Er 
empfahl  öfters  die  neuern  ragusinisch-slawischen  Schrift- 
steller,   verglich    den    Joh.  Gondola  an  Majestät  des  Ge- 


246 

saugs  dem  Virgil,  den  Junius  Palmota  an  Leichiigkeit 
dem  Ovid,  den  Abbate  von  Meleda  Ignazio  Gioigi  an 
Höhe  der  Gedanken  dem  Horaz.  Ibm  dedicirte  Giorgi 
seine  Magdalena  penitente  illyrica  ;  ibm  legte  Della  Bella 
sein  Lexicon  vor  dem  Druck  vor.  Aber  niclit  geringer 
war  sein  Eifer  für  die  alislawiscbe  Kircbenspracbe.  Er 
errichtete  ein  slawisches  Seminarium  zu  Zara,  und  sorgte 
für  dessen  Dotirung  durch  Verleihung  von  zwei  Klöstern 
von  Benedict  XlII.  und  durch  die  Diminuzione  de  quin- 
denni  von  Benedict  XIV.  Er  drang  bei  einer  neuen  Aus- 
gabe des  JVlissals  auf  eine  Verbesserung  des  Textes,  so 
wie  Levakovich  selbst  sie  schon  beim  Brevier  vorge- 
nommen hatte,  und  ersah  hiezu  den  Matthaens  Curiünan, 
als  einen  Spalatiner  Geistliclien  aus,  welcher  mit  Vor- 
wissen der  Propaganda  1732  nach  Moskau  als  Missionär 
und  um  dort  den  slawisch  russischen  Dialekt  zu  lernen 
gegangen  war.  Dieser  ward  nach  seiner  Rückkunft  im 
Collegio  urbano  aufgenommen,  und  dort  arbeitete  er  an 
einer  richtigem  Ausgabe  des  Missais.  Seine  Revisoren 
waren  die  zwei  aufeinander  gefolgten  General-Procura- 
toren  der  ruthenischen  Basiliten,  Maximilian  Zawadzki, 
Consultor  der  Provincia  Lituana,  und  Cesareo  Hebnowski, 
Archimandrit  von  Onuphria ;  ferner  Innocenz  Piehowicz, 
Archimandrit  von  Minsk,  und  Sylvester  Rudnicki,  Bi- 
schof von  Luck.  Es  blieb  aber  nicht  nur  beim  Druck  des 
Missais  1741,  sondern  in  einer  Partikular-Congregation 
der  Propaganda  unter  dem  Vorsitz  des  Papstes  im  Sept. 
1742  ward  die  Errichtung  einer  slawischen  Catheder 
beim  Collegio  urbano,  und  die  Uebersctzung  der  ganzen 
Bibel  zum  Behuf  dieser  Catheder  beschlossen.  Caraman 
ward  zur  Belohnung  für  seine  Dienste  Abt  von  zwei  Klö- 
stern, Bischof  von  Osero,  und  apostolischer  Visitator  der 
Collegien  zu  Assisi,  Loreto  und  Fermo;  nach  drei  Jah- 
ren aber  Erzbischof  von  Zara  (f  1771),  wo  er  in  sei- 
nem Lieblingsseminarium  für  die  altslawische  Kirchen- 
sprache und  deren  Verbreitung  sorgen  konnte.  Cara- 
mans  treuester  und  tliätigster  Mitarbeiter  an  den  Bemü- 
hungen für  diese  Sprache  war  der  1774  als  Archidiakon 
auf  Osero    verstorbene    Matthaens    Sovtch,   so  wie  sein 


247 

heftigster  Gegner  der  Ragiisaner  Priester  Sfeph.  Rosa.^) 
Um  diese  Mundart  verständlicher  zu  machen,  und  die 
slawischen  Kleriker  in  der  Grammatik  zu  unterrichten, 
errichtete  auch  der  Bischof  Cacich  ein  Seminarium  zu 
Almissa. 

Die  Literalsprache  der  Glagoliten  hatte  verhindert, 
dass  einerseits  die  Reformationsversuche  des  Trüber,  An- 
ton Dalmata  u.  s.  w.  in  Dalmatien  nicht  durchgriffen,  an- 
dererseits die  Cultur  der  gemeinen  Redesprache  nicht 
vor  dem  XVI.  Jahrh.  beginnen  konnte.  Nichts  desto  we- 
niger wurden  auch  von  Katholiken,  ja  sogar  von  Geist- 
liclien  Versuche  gemacht,  die  dalmatische  Volksmundart 
in  Schriften  einzuführen.  Diess  führt  zur  Betrachtung 
der  dalmatischen  Profanliteratur.  ^) 

§.  29. 

Schicksale  der  Sprache  und  Nationalliteratur  der  Dalmatiner 
und  Ragusaner. 

Der  Sieg  des  neuern  glagolitischen  Alphabets  über  das 
ältere  kyrillische  in  Dalmatien,  Kroatien  u.  Istrien  dauerte 
nur  eine  kurze  Zeit.  Italiens  Nachbarschaft  u.  die  Schwer- 


^)  M.  Sovich  hinterliess  eine  neue  Adornation  der  Smotriskischen 
Gramm,  mit  einer  latein.  Uebersetzung;  das  Msc  befindet  sich  in  der  Bar. 
Zoisischen  Sammlung.  Besonders  wichtig  ist  die  Vorr.,  wegen  der  slaw. 
Codd.  u.  Bücher,  die  Sovich  theils  kannte,  theils  selbst  besass.  —  S.  Rosa 
drang  in  einer  Schrift:  Annotazioni  betitelt,  auf  den  Gebrauch  der  gemei- 
nen Redesprache.  Caraman  beantwortet  s.  Einwürfe  in  s.  Considerazioni, 
Msc.  vom  J.  1753.  Interessante  Auszüge  daraus  hat  Engel  Th.  III.  S,  457  ff. 
geliefert.  Die  alten  Älissale  waren  den  dalm.  Priestern  viel  verständlicher, 
weil  sich  die  Sprache  darin  ihrem  Dialekte  näherte.  Caraman  aber,  in  der 
irrigen  Voraussetzung,  nur  in  russ.  Kirchenbüchern  sey  die  alte  slaw.  Sprache 
unverändert  erhalten  worden,  brachte  in  sein  Missal  so  viel  Russisches, 
dass  die  illyr.  Klerisei  es  nicht  anders,  als  mit  Widerwillen  aufnehmen  konnte. 

*)  Quellen.  J.  L.  Frisch  origo  characteris  slavonici,  vulgo  Cyrillici, 
et  glagolitici,  Berol.  727.  4.  —  /.  P.  Kohl  introductio  in  rem  liter.  Sla- 
vorum.  —  Cl.  Grubissich  in  orig.  et  histor.  alphabeti  slavonici  glagolitici 
vulgo  Hieronymiani  disquisitio,  Venet.  766.  8.  —  F.  Durieh  dissert.  de  sla- 
vo-bohemica  S.  Codicis  versione,  Pragae  777.  8.  (§.  3)  —  Abhandlungen 
einer  Privatgesellschaft  u.  s.  w.  Ir  Bd.  775.  8,  S.  164  —  199.  von  Voigt.  — 
Abhandlungen  der  böhm.  Gesellschaft  der  Wiss.  auf  das  J.  1785.  Prag.  8. 
von  Dobner.  —  K.  G.  Anton's  erste  Linien  e.  Versuchs  üb.  d.  alten  Slawen 
2r  Th.  S.  103.  ff.  —  A.  Linhard  Vers.  e.  Gesch.  v.  Krain  2r  Th.,  Laibach  788. 
8.  S.  357.  —  58.  —  Ch.  F.  Schnurrer  slaw.  Bücherdruck  in  Würtemberg  im 
XVI.  Jahrb.,  Tüb.  799.  8.  -  J.  Ch.  Engel  Gesch.  d.  ungr.  Reichs  798.  II. 
472.  III.  457  ff.  —  /•  Dobrowsky  Glagolitica,  üb.  d.  glagol.  Liter.,  Prag 
807.  8. 


248 

falligkeit  der  glagolitischen  Schrifizüge  selbst,  bewirkten 
gar  bald,  dass  es  sich  aus  dem  gemeinen  Leben  verlor, 
und  nur  in  den  Kirchenbüchern  gebrauclit  wurde;  und  die 
Dalmatier  fingen  allmälig  an,  im  gemeinen  Leben  ihre 
LandesnuHidart  mit  lateinischen  Buchstaben  zu  schreiben, 
freilich  nach  einer  eigenen  Combination ,  verschieden 
von  jener,  welche  sich  die  Polen,  Böhmen  und  Winden 
angeeignet  haben.  Seitdem  sind  allen  slawischen  Genos- 
sen der  lateinischen  Kirche,  die  wenigen  Glagoliten  aus- 
geuounnen,  sie  mögen  Dalmatiner  oder  Kroaten,  Slawo- 
nier  oder  Bosnier  seyn,  lateinische  Buchstaben  eigen.  In 
der  Folge  gingen  aber  die  drei  ersten  noch  weiter,  und 
sonderten  sich,  zum  grössten  Ueberfluss,  in  der  Ortho- 
graphie und  Seil rei hart  dergestalt  von  einander  ab,  dass 
sie  sich  gegenseitig  das  Lesen  ihrer  Bücher,  wo  nicht  un- 
möglich gemacht,  doch  sehr  erschwert  haben. ') 

Es  ist  scliwer  auszumitteln,  von  wem  und  um  wel- 
che Zeit  die  lateinischen  Schriftzüge  in  Dalmatien  zur  Be- 
zeichnung der  slawischen  Laute  eingeführt  worden  seyen. 
Da  indess  der  Gebraucli  der  lateinischen  Sprache  und 
Schrift  im  IX  —  X.  Jalirh.  in  Europa  schon  beinahe  all- 
gemein war,  und  anderwärts,  z.  ß.  in  Böiunen  und  bei 
den  Wijiden  Versuche  ,  das  Slawische  mit  lateinischen 
Buchstaben  zu  schreiben,  bereits  sehr  früh  und  vor  dem. 
IX  —  X.  Jahrh.  gcinacht  wurden;  so  ist  nicht  unwahr- 
scheinlich, dass  schon  bei  der  ersten  Bekehrung  der  Oal- 
matier,    falls    sie    von  Rom  aus  geschah,  in  Briefen,  Ur- 


^)  Die  hieher  und  zum  §.  27.  gehörigen  Sprachbächi'r  sind  kurz  fol- 
gende. Grammatiken:  B.  Cassii  institutionum  linguae  illyricac  L.  IL,  Ro- 
mae  604.  8.  -  F.  31.  Appendini  Grammatik  der  illyriscten  Sprache  (ita- 
lienisch), Ragusa  808.  8.  u.  oft.  —  Starcsetich  nuova  gramatica  ilirica. 
Triest  812.  8.  —  Auch  haben  Micalia,  Della  Bella,  Voltiggi  und  Stulii 
ihren  Wörterbüchern  Orthographien  und  Grammatiken  vorangeschickt.  — 
Wörterbücher:  F.  Verantii  Dictioiiarium  quinque  nobilissimarum  Europa;' 
linguarum,  Latinae,  Italicae,  Germanicae,  Dalmaticae  et  Ungaricao,  Venef 
595.  4.  —  Dasselbe  von  P.  Loderecker  mit  dem  Böhm,  und  Poln.  vermehrt 
unter  d.  T.  Diction.  Septem  linguarum,  Pragae  BOß.  4.  -  J.  Micalia  the- 
saurus  linguac  illyricae,  in  quo  verba  illyrica  italice  et  latine  redduntur, 
Laureti  649.  8.  Geendigt  zu  Aucona  651.  —  P.  A.  Della  Bella  Dizionario 
Italiano,  Latiuo,  lllirico,  Von.  728.  4.  N.  A.  von  C.  A.  Occhi  Ragusa 
785.  2  Bde.  4.  —  J.  Voltifjgi  Ricsoslovnik  illyricskoga,  italianskoga  i  ni- 
macskoga  jczika,  u  Bccsu  (Wien)  803.  8.  —  J.  Stulii  Lexicon  Latino-Ita- 
lico-Illyricum,  Ir  Theil:  Illyr.-  Lat.-  Italienisch,  TTagusa  SOG.  2  Bde.  4.  3r 
Theil :  Vocabulario  Italiano  -  lllirico  -  Latino. ,  Ital.-Illyr.  Lateinisch,  Ra- 
gusa 810.  2  Bde.  4. 


249 

kiiiideii  und  l)ij)loinen  slawische ,  auf  Daliiiatieii  Bezug 
habende  Eigennamen  mit  lateinischen  Schriftziigen  nach 
einer  neuen  Combination  geschrieben  worden  seyen,  was 
auch  hier,  wie  bei  den  Polen,  Winden  inid  Böhmen, 
leicht  zur  Bezeichnung  aller  Laute  der  Landesnuindart 
mit  römischen  Schriftzeichen,  und  zur  successiven  An- 
nahme des  lateinischen  Alphabets  führen  konnte.  Was 
die  Winden,  Böhmen  und  Polen  anbelangt,  so  versuch- 
ten es  eifrige  Geistliche  schon  längst  hie  und  da  das  nö- 
ihigste  zum  Unterricht  des  Volks  mit  lateinischen  Buch- 
vStaben  zu  schreiben.  Diess  tliaten  zwei  Merseburger  Bi- 
schöfe, ßoso  vor  dem  J.  971,  und  Werner  vor  1101. 
Von  erstem  sagt  sein  Nachfolger  Ditmar  ausdrücklich: 
slavonica  scripserat  verba.  Er  lehrte  die  Slawen  in  ihrer 
Sprache  das  Kyrie  eleison  singen.  Vom  Werner  lieisst 
es  in  der  Chronik  der  iMerseburger  Bischöfe  :  Libros  sla- 
vonicae  linguae  sibi  fieri  iussit.  ut  latinae  linguae  cha- 
ractere  idiomata  linguae  Slavorum  exprimeret.  Am  un- 
w'iderleglichsten  bezeugen  diess  die  merkwürdigen,  mit 
iateinisciien  Buchstaben  geschriebenen  windischen  Frag- 
mente aus  der  Münchner  Handsciirift,  auf  die  wir  unten 
kommen  werden.  Zwar  wurde,  wie  oben  bereits  ange- 
geführt worden,  im  IX.  Jahrb.  mit  der  Einführung  der 
slawischen  Liturgie  auch  das  kyrillische  Alphabet  in  Dal- 
matien.  Istrien  und  Kroatien  gang  und  gäbe;  allein  die- 
ses musste  später  dem  neugeformten  glagolitischen,  und 
jene  der  römischen  weichen;  die  sciiwerfällige  Bukwica 
aber  blieb  stets  lediglich  auf  die  Kirchenbücher,  folglich 
auf  die  altslawische  Kirchensprache,  eingeschränkt,  und 
wurde  im  gemeinen  Leben  Avenig  oder  nie  zur  Schrei- 
bung der  Landesmundart  angewendet.  Solaric  meint 
(Pominak  knizeskij  S.  35),  der  Versuch,  das  Slawoser- 
bische  mit  lateinischen  Buchstaben  zu  schreiben,  könne 
weder  seit  lange  her ,  noch  leicht  ausgeführt  worden 
seyn.  Die  Bukwica  sey  augenscheinlich  nur  wegen  ihrer 
Lnförmlichkeit  verlassen  worden,  indem  sie  sonst  von 
den  ältesten  Zeiten  her  bis  auf  die  neuesten  bei  den  sla- 
wischen Priestern  der  römischen  Kirche  in  Dalmatien  und 
Kroatien  in  Gebrauch  ist.  Was  die  Kyrillica  betrifft,  so 
lassen    sich,    meint    er,    ihre  Spuren  in  der  röinisch-ka- 


250 

tliolischen  Kirche  bis  zum  1716  hinab  verfolgen;  viele 
Mecresbewohncr  lesen  dieselbe  bis  auf  den  heutigen  Tag, 
andere  bewahren  sie  als  ein  uraltes  Verinächtniss  in  fri- 
schem Andenken^).  Die  Unart,  fügt  er  endlich  hinzu, 
slawo-serbisch  mit  lateinischen  Buchstaben  zu  schreiben, 
datire  sich  erst  seit  der  Mitte  des  XVII.  Jahrb.,  also  wo 
Micalia's  Dictionarium  sammt  Grammatik  erschienen  ist. 
Gleichwol  feidt  es  nicht,  was  Solaric  entgangen  ist,  an 
altern  Versuchen,  die  dalmatische  Landesmundart  mit 
lateinischen  Schriftzeichen  zu  schreiben.  Der  älteste  dal- 
matische Schriftsteller  ist  ein  unbekannter  Priester  zu 
Dioklea,  der  auf  Verlangen  seiner  Mitbürger  ums  J.  11(31 
eine  Geschichte  der  südlichen  Slawen  zuerst  in  slawischer, 
nachher  aber  in  lateinischer  Sprache  verfasst  hat.  Die 
slawische  Urschrift  1510  in  der  Krajna  gefunden,  und 
von  Marcus  Marulus  ins  Lateinische  übersetzt,  (befind- 
lich in  der  Vaticana  zu  Rom  unter  N.  7019),  weicht 
aber  nicht  nur  von  der  lateinischen  Chronik  des  Dioklea- 
tes,  sondern  auch  von  andern  slawischen  Abschriften  be- 
deutend ab,  wesswegen  die  Echtheit  besagter  Version 
von  vielen  bezweifelt  wird.  Caraman  (in  s.  Considera- 
zioni  1753)  erwähnt  des  Frater  Bernardmus  de  Spalafo 
Episteln  und  Evangelien  (freilicii  in  der  altslawischen 
Kirchensprache),  gedruckt  1495  zu  Venedig  mit  latei- 
nischen Lettern.  Hundert  Jahre  darauf  erschien  des  Fau- 
sttis  Verantius  Dictionarium  quinque  nobilissimarum 
Europae  linguarum,  Latinae,  Italicae,  Germanicae,  Dal- 
malicae  et  Hungaricae,  Ven.  1595.  4.  (Megisers  Dictio- 
narium quatuor  linguarum,  Graecii  1592.  8.  enthält  un- 
ter der  ßenenuung  „illyrice'^  nicht  dalmatische ,  son- 
dern krainiscli-windische  Wörter). 

Aber  selbst  diese  Versuche  sind  nicht  die  ällesten 
und  ersten  in  ihrer  Art;  es  ist  vielmehr  am  wahrschein- 
lichsten, dass  die  Gewohnheit,  das  Slawoserbische  mit 
lateinischen  Schriftzügen  zu  schreiben,  zu  allererst  in 
dem    kleinen    Freistaat    Ragusa  aufgekommen  sey.     Denn 

*)  Andreas  Zmajevich,  geb.  zu  Perasto,  erzogen  in  Collegio  der  Pro- 
paganda, Erzb.  von  Antivari  u.  Dioklea,  Primas  von  Serbien,  schrieb  im 
XVI.  Jahrh.  in  vulgar-dalmatischer  und  lateinischer  Sprache,  ersteres  mit 
kyrillischen  Buchstaben,  Annales  ecclesiasticos  vom  Anfang  der  Welt  bis 
auf  seine  Zeiten,   die  in  der   Biblioth.  der  Propaganda  aufbewahrt  werden. 


251 

bereits  im  XIV  —  XV.  Jahrh.  hatte  diese  Republik,  ans 
der  durch  ein  »inerbittlich  strenges  (besetz  alle  Orienta- 
lisch-Gläubigen auf  ewig  ausgeschlossen  waren,  unter 
dem  Schutz  der  ungarischen  Krone  den  höchsten  Gipfel 
der  Bevölkerung,  des  Handels  und  der  Reichthümer  er- 
reicht, und  war  im  Besitze  einer  von  altersher  mit  rö- 
misch-italienischen Lehrern  besetzten  Schule.  So  war 
Job.  von  Havenna,  ein  Schüler  und  Hausgenosse  des  be- 
ridimten  Petrarca,  und  zuletzt  Professor  der  Beredsam- 
keit und  Kanzler  zu  Padua,  zwischen  1370  1400 
Professor  zu  Hagusa  und  Secretär  des  Senats;  im  J.  1434 
wurde  Philippus  de  Diversis  de  Quartigianis,  ein  gebor- 
ner  Luccheser,  vom  Senat  als  Artium  Doct.  und  Profess. 
der  Rhetorik  nach  Ragusa  berufen.  Nicht  minder  erspriess- 
lich  für  die  beginnende  literarische  Cultur  Ragusas  war 
die  gastfreundliche  Aufnahme,  die  der  ragusanische  Se- 
nat den  fliehenden  Griechen,  worunter  die  Gelehrten  Jos. 
Laskaris,  Demetr.  Chalkokondylas,  Emmanuel  Marulus, 
Theod.  Spanducinus  und  Paul  Tarchaniotes,  eine  Zeit 
lang  zu  Theil  werden  Hess.  Die  ragusanische  Schule 
wurde  fortan  mit  italienischen  Gelehrten  besetzt.  Der  Ge- 
brauch der  lateinisch-italienischen  Sprache  und  Schrift 
führte  natürlich  auf  ihre  Anwendung  in  der  Landesmund- 
art. Dass  diess  frühzeitig  geschehen,  lässt  sich  aus  meh- 
reren Umständen  entnehmen.  Es  ist  bekannt,  dass,  weil 
die  slawische  Sprache  im  XV.  Jahrh.  sogar  in  den  Ge- 
richten überhand  genommen,  der  Senat  1472  ein  Gesetz  ^^^  _ 
gab:  dass  wenigstens  die  Deliberationen  und  Beschlüsse  -^^  ^, 
des  Senats  in  italienischer  Sprache  gehalten  und  abgefasst 
werden  sollten  ^).  Nichts  desto  weniger,  als  die  Wis- 
senschaften ,  vom  Reichthum  unterstützt  ,  ununterbro- 
chen fortblühten,  da  schwang  sich  zu  Anfang  des  XVI. 
Jahrh.  auch  die  Nationalliteratur  neben  jenen  zusehends 
empor.  Besonders  war  diess  mit  der  Dichtkunst  der  Fall. 
Dieselbe  wurde  durch  Blastns  Darxich  (geb.  1474), 
Sigismnnd  Menze  (geb.  1475,  gest.  1524),  Mauro  Ve- 
tranich  (geb.  1482,  gest.  1576)  und  Stephan  Gozze, 
Vf.  des  berühmten  slawischen  Gedichts :  die  Derwischiade 
(1500  —  25),    zum    erstenmal    mit  Glück  bearbeitet.     In 

*)  Appendini  notizie  istorico-critiche,  Rag.  802.  I.  205.  ff. 


252 

den  hierauf  folgenden  Zeiten  der  Ruhe  und  des  Friedens, 
besonders  während  der  Zeit,  als  der  gelehrte  Ludwig  ße- 
catelli   1555   —   6ü  Erzbischof  von  Ragusa   war,  erreich- 
ten die   lateinischen  Studien,    und  in  ihrem  Gefolge  auch 
die  slawische  Nationalliteratur  die  höchste  Stufe.  Für  die 
gute    Besetzung    der  Sciuden  ward  fortwäiirend  gesorgt. 
Im  J.   1560  kamen  die  ersten  Jesuiten  nach  Ragusa;   al- 
lein   bis    zum    J.   1684  gelang  es  ihnen  nicht  ein  förmli- 
ches Collegium  in  Ragusa  zu  errichten,  und  sich  auf  die 
Bildung  der  Jugend  Einfluss  zu  verschaffen.  Der  Geschicht- 
schreiber   Ni'kol.    Raijuma,    der   Vater  der  neuern  ragu- 
sanischen    Geschichte,    schrieb    damals  seine  Chronik  in 
lateinischer  Sprache,  die  bis  1545  reicht,  Amlr.  Giubra- 
novicli   verfasste  damals  seine  Jegjupka  oder  Aegyplerin 
(Zigeunenn),  ein  scherzhaftes  slawisches  Gedicht  in  158 
Quartreimen,    gedruckt  zu  Venedig   1559,    und  Martinus 
Durxich    seine    Tyrhena,    eine    Tragikomödie*).      Diese 
glückliche  Periode  dauerte  bis  Ende  des  XVI.  Jaiirh.  fort: 
während  dieses  Zeitraumes  lebten  die  drei  Geschichtschrei- 
ber: Franz  Gondola,  Seraph.  Razzi  und  Easeh.  Cahoga, 
in  lateinischer  und  italienischer  Sprache;  Dominicas  Zla- 
taricli     (geb.    1556,    gest.    1608)    huldigte    den  schönen 
Wissenschaften    in    slawischem    Gewände;    er  übersetzte 
Tassos   Amyntas,    die   Elektra    von  Sophokles,    die  Lie- 
besgeschichte   des    Pyramus    und    der  Thisbe,    gedruckt 
Ven.   1508,  schrieb  Idyllen  u.  m.  a. ;  sogar  eine  Epigram- 
mendichterin  hatte  Ragusa    in    diesem    Zeiträume    aufzu- 
weisen, die  Floria  Znzzeri,  verheirathete  Pescioni,  gleich 
bewandert   im    slawischen    und  im  italienischen  Versbau 
1577    —   1600^). 

Den  dalmatischen  Glagoliten  lag  es  zwar  ob,  den 
Gebrauch  iln-es  Alphabets  und  der  altslawischen  Kirchen- 
spraclie  zu  schützen;  nichts  desto  weniger  gab  es  auch 
in  Dalmatien  schon  jetzt  nicht  nur  unter  den  Laien  ei- 
frige Verfechter  der  Landesminidart,  und  der  lateinischen 
Schrift,  sondern  selbst  unter  den  Geistlichen  Freunde 
und  Nachahmer.  Ausser  den  oben  augefidn-ten  Episteln 
und  Evangelien  des  Bernardinus  de  Spalato  sind  noch  zu 

*)   Appendini    a.    a.    0.    J.    Ch.    Engel  Gesch.    d.  Freistaats  Ragusa, 
Wien  807.  S.  197.  216  ff. 

^)  Ajypendini  a.  a.  0.  Engel  S.  228  ff. 


253 

nennen:  des  Minorilen  Bamhilovic,  eines  Bosniers  aus 
Skopi,  Episteln  und  Kvanüjelien  zu  Venedig;  1G13,  mit 
lateinischer  Sclirit't,  des  Maff/utfits  Alhaii  aus  Spalaio 
Officia  zu  Ehren  der  h.  .Jinii;frau  und  die  Leidensgeschich- 
te, dedicirt  der  Kepubiik  Haijusa  IGJO;  des  Barth.  Cas- 
sio,  Jesuiten  aus  Fago  gebürtig,  bosnisches  Ritual,  1040 
zu  Rom  gedruckt,  für  den  Ragjisaner  Gebrauch.  Dieser 
Cassius  hatte  auch  die  h.  Schrift  A.  und  N.  T.  übersetzt, 
und  lud  die  illyrische  Geistlichkeit  ein,  ,,a  supplicare 
dalla  Propaganda,  che  fosse  impressa  la  sua  Biblia";  aber 
die  Bischöfe  setzten  sich  gegen  deren  Druck,  indem  sie 
aus  Clemens  VIII.  Indice  librorum  prohibitorum  die 
Stelle  anführten:  ,,Biblia  vulgari  liugua  edita  non  pos- 
sunt  legi,  ueque  retineri,  neque  episcopi,  neque  inqui- 
sitores,  neque  regularium  superiores  dare  queunt  licen- 
tiam."  Levnkovich  gab  selbst  1628  eine  vulgär-kroati- 
sche (dalmatische?)  Uebersetzung  der  Christenleiire  des 
Bellarminus ,  1635  aber  ein  Directorium  sacerdotum, 
welches  Simon  Budineus,  ein  Priester  aus  Zara,  verfasst 
und  herausgegeben  hatte,  mit  römischer  Schrift  und  in 
der  Yulgarsprache  heraus.  Von  Anton  Cacich,  einem 
Zögling  des  CoUegiums  der  Propaganda,  und  zuerst  Bi- 
schof von  Trau,  dann  Erzbischof  von  Spalato,  hat  man 
eine  Moraltheologie  in  vulgarer  Sprache  gedruckt.  Dabei 
drang  er  aber  im  Seminario  auf  den  literalslawischen 
Unterricht.  Joh.  Tomcits  Murnavitius,  aus  einer  serbi- 
schen nach  Slawonien  übersiedelten  Familie  stammend, 
zuerst  Titular-Canonicus  von  Sebenico,  dann  1622  Ca- 
nonicus  von  Zagrab,  1631  Bischof  von  Bosnien  und  Re- 
formator   auctoritate   apostolica  der  illyrischen  Religiöns- 

büclier,    auch    Protonolarius    aposiolicus    (gest.    in^ Rom 

1639)  gab    die    doctrinam  Bellarmini  im  Vulgarillyrischen  ^ 
heraus,  ob  er  gleich  im  Literalslawischen  sehr  erfahren  war.  ^ 

Landessprachen ,  die  zu  Schriftsprachen  erhoben 
werden,  können,  vorzüglich  wenn  sie  sich  fremde  Schrift- 
zeicheu  aneignen,  nur  nach  und  nach  in  Grammatik  und 
Lexico  geregelt  werden.  Lange  dauerte  es  in  Dalmatien, 
bis  eine  bestimmtere  Orthographie  eingeführt  wurde,  und 
noch  heut  zu  Tage  wie  schwankend  ist  sie  nicht,  selbst 
nach    einem  Della    Bella,    Voltiggi  und  andern!    Den  er- 

f  (f  ^  i'UU  U  -  '  '"-^  ( ^  ^  ^^^ 


254 

sten  Schritt  hiezii  machte  der  oben  genannte  Jesuit, 
Barth.  Cassius,  mit  seinen  Instit.  linguae  illyr.  1604. 
Nacli  ihm  wollte  um  die  Mitte  des  XVII.  Jahrh.  der  Je- 
suit Micalia  die  dalmatische  Rechtschreibung  zweckmäs- 
siger einrichten.  Sein  Thesaurus  linguae  illyricae  erschien 
1049  (eigentlich  1651).  In  der  Vorrede  nennt  er  den 
Dialekt,  in  dem  er  geschrieben,  zwar  durchgängig  slo- 
vinskt,  sagt  aber  zugleich,  man  behaupte  allgemein,  dass 
die  bosnische  Mundart  (besser  Varietät)  die  schönste 
sey;  es  wäre  demnach  die  Pflicht  aller  illyrischen  Schrift- 
steller, sich  dieser  Mundart  im  Schreiben  zu  bedienen, 
wessen  auch  er  sich  in  diesem  Wörterbuche  beflissen  ha- 
be. In  der  hierauf  folgenden  Abhandlung  über  die  dal- 
matische Orthographie  klagt  er  laut  über  die  zeitherige 
Unbestimmtheit  und  Schwerfälligkeit  derselben  {malo 
ick  se  nachodi,  koi  se  pogadjaju  u  nacinju  ot  pisanja, 
i  zu  to  je  pomunuje  stiti  knige  nasega  jezyka  sloivi- 
ma  diackim  upüanne),  luid  verspricht  eine  passendere 
Combination  der  römischen  Buchstaben,  wobei  die  na- 
türlichen Laute  der  lateinischen  sowol  als  der  dalmati- 
schen Sprache  gehörig  berücksichtigt  worden  seyn  sollen 
~  die  aber  im  Grunde  nicht  viel  besser,  als  die  vor- 
hergehenden, am  allerwenigsten  natürlich,  leicht  und 
erschöpfend  ist;  er  schreibt  z.  B.  für  'n  sg  und  sgj,  aber 
dasselbe    auch    für    in,    frrinje    statt    mpHlfe,   krrw  statt 

KpB   U.    S.    W. 

Im  Laufe  des  XVII.  Jahrb.,  wo  die  Ruhe  der  Re- 
publik Ragusa  im  Ganzen  fortdauerte,  blühte  auch  die 
Literatur  bei  d  en  Ragusanern  fort,  und  hob  sich  sogar 
zusiehends.  Der  Dichter  Joh.  Gondola,  Sohn  des  oben 
genannten  Geschichtschreibers  Franz  Gondola  (gest.  1638), 
übersetzte  Tasso's  Jerusalem,  und  versorgte  das  slawische 
Theater  zu  Ragusa,  das  erste  unter  den  Slawen,  mit  ver- 
schiedenen Dramen,  z.  B.  Ariadne,  Raub  der  Proser- 
pina, Galatea,  Armida,  Ceres,  Kleopatra,  Sylvana  und 
Amors  Opfer.  Eben  derselbe  besang  in  einem  slawischen 
Epos,  betitelt  die  Osmanide,  hi  XX.  Gesängen,  die  Tha- 
ten  Osmans  und  der  Polen  in  dem  Feldzuge  des  J.  1621. 
Der  Senat  soll  hievon  den  XIV.  und  XV.  Gesang,  aus 
allzuängstlicher  Schonung  gegen  die  Türken,  unterdrückt 


255 

haben.  Noch  hat  man  von  ihm  einzelne  kleinere  Gedichte: 
Dnbravka  eine  Idylle,  Pjesni  pokorne,  Snze  sina  raz- 
metnoga  n.  m.  a.  —  Junius  Pulmota  (gesl.  1657),  der 
Sänger  der  Christiade,  gedruckt  zu  Rom  1657,  einer 
Art  slawischer  Messiade  aus  dem  Lateinischen  des  M.  H. 
Vida  (Christiados  L.  VI.  Cremon.  535.  4.  Antw.  536.  8.) 
übersetzt,  lieferte  auch  für  das  Theater  mehrere  Stücke, 
zum  Theil  aus  dem  Alterthum,  z.  B.  Achilles,  Oedipus, 
der  Raub  der  Helena,  zum  Theil  aber  auch  aus  der  Na- 
tionalgeschichte der  südlichen  Slawen  entnommen:  als 
Danica,  Tochter  der  Ostoja,  Paulimir  und  Zaptislawa.  — 
Joh.  Bona  (gesl.  1658),  verfasste  Eklogen  und  andere 
kleine  Gedichte,  betitelt:  Plandovagne  oder  Früchte  der 
Müsse.  —  Raimundus  Ziniuiqna  (gest.  1644),  ein  Domi- 
nicaner, Hess  die  Regeln  der  slawischen  Orthographie 
1639  zu  Venedig  drucken.  —  In  Rücksicht  der  Schule 
in  Ragusa  ward  in  diesem  Zeiträume  das  System,  be- 
rühmte italienische  Philologen  zu  berufen,  aufgegeben. 
Um  die  Mitte  des  XVII.  Jahrh.  brachten  es  die  Jesuiten 
dahin,  dass  ihnen  die  Besorginig  der  Schule  anvertraut 
ward.  Hier  trieben  sie  vorzüglich  nur  lateinische  Lite- 
ratur, und  legten  dadurch  den  Grund  zum  nachmaligen 
Verfalle  der  slawischen  Literatur  und  des  slawischen 
Theaters  in  Ragusa.  Das  schreckliche  Erdbeben  von  Ra- 
gusa 1667  vernichtete  den  Wolstand  der  Republik  in  ei- 
nigen Minuten  auf  Jahrhunderte  hinaus.  Der  Geist  der 
slawischen  Literatur  wehte  zwar  noch,  aber  immer  schwä- 
cher und  schwächer  über  Ragusa.  Jakob  Palmofa  (gest. 
1680)  schrieb  sein  treffliches  elegisches  Gedicht:  Du- 
brownik  ponovljen  oder  das  erneuerte  Ragusa,  in  XX. 
Büchern,  aber  unvollendet.  —  Joh.  Gondola  der  Jüngere 
(gest.  1721),  verfasste  vier  illyrische  Dramen,  betitelt: 
Suncianica,  Radmio,  Raklica  u.  Otto,  ferner  eine  Idylle: 
die  Thränen  des  Schäfers  Radmio,  und  mehr  and.  kleine 
Gedichte.  —  Niki.  Jo.  de  Bona  schrieb  ein  Gedicht :  Grad 
Dubrownik  vlastelom  u  tresegnu,  d.  i.  die  Stadt  Ragusa 
an  ilire  Beherrscher  nach  dem  Erdbeben,  gedruckt  1667. 
—  j4nf.  Glegljevich^  aus  einer  bürgerlichen  Familie,  lie- 
ferte die  Dramen:  Olympia,  Damira  und  Zorrislava;  da 
er  aber    auch  Satyren  schrieb,    ward  er  1728  eingeker- 


256 

keil,  und  starb  bald  darauf.  —  Marimis  Tudisi,  ein 
Senator  von  Ragusa,  brachte  ebenfalls  auf  das  slawische 
Theater,  dessen  Stütze  er  war,  einige  slawische  Ueber- 
setzungen  von  IVloIiere:  seit  seiner  Zeit,  deren  Anden- 
ken noch  in  Ragusa  lebt,  verfiel  das  slawische  Theater 
sainmt  seiner  Literatur.  Dafür  hat  gegenwärtig  Ragusa 
ein  italienisches  Theater. '') 

In  diese  Periode  fallen  nun  noch  manche  andere, 
meist  —  selbst  in  der  Poesie  —  asketische  Produkte  der 
dalmatischen  Nationalliteratur,  als  da  sind  die  Werke 
und  Schriften  des  Archidinkon  Albertus^  Michael  Balni- 
lina  dl  Botui,  J.  Vncich  Bona,  Jo/i.  Vncicli  Bona  d.  J., 
Murt.  Borescicfij  ISikL  Diniitri,  Pefr.  Eklorovich,  Ge. 
Darxich,  F.  Angetn  Gucpiich  (Andachtsbuch),  Joh. 
Ivamscfvich,  Alex.  Koinitli,  Franz  Lakari,  Marl.  Ma- 
.Tthradicli,  Vladisl.  Mmcefich  (TiMiblja  slovinska,  Zorka 
u.  s.  w.),  Niki.  Naljesckovich  (Lustspiele  u.  a.  m.),  Scisko 
Minceticli^  Dinko  Ragnina  u.  in.  a.  -  Der  Bischof  von 
JVlakarska,  Biankomch,  gab  eine  Christenlehre  im  Vul- 
gär -  dalmatischen,  Ven.  708.  heraus.  —  Andr.  Cacich 
Miossic/in  ein  Franciscaner  und  geborner  Dalmatier  aus 
ßrista,  Lector  der  Theol.  in  verschiedenen  Klöstern  sei- 
nes Ordens,  hat  eine  schätzbare,  doch  nur  mit  kritischer 
Prüfung  zu  benutzende  Samndung  verschiedener,  meist 
eigener  und  neuer  Nalionalgesänge  ^),  welclie  die  Tlia- 
ten  illyrischer  Fürsten  und  Helden  darstellen,  veranstal- 
tet :  Razgovor  ugodni  naroda  slovinskoga,  Ven.  759.  N. 
A.  von  Ant  Puarich  eb.  801.  4.  -  Im  J.  1728  gab  der 
Jesuit  Ardelio  della  Bella  sein  Dizionario  Italiano-Lati- 
no-lllirico  sanunt  einer  vorangeschickten  Grammatik  in 
Venedig  heraus.  Er  verliess  die  von  Micalia  vorgeschla- 
gene Orthographie,  und  schuf  sich  eine  neue,  die  nichts 
weniger  als  einfach  und  jiatürlich  ist.  —  Aber  den  gröss- 
tcn  Freund  und  Verfechter  fand  die  Landesmundart  um 
die  Mitte  des  XVIll.  .lahrh.  an  Stephan  Rosa,  Priester 
und  Sacresta  an  der  Kathedral-Kirche  zu  Ragusa,  wel- 
cher es  sogar  darauf  anlegte,  die  Vulgarsprache  statt 
der  bisher    in    glagolitischen    Büchern  übliciien  altslawi- 

")  AppendinI  a.  a.  0.  Engel  S.  19.  235.  253  ft. 

')  S.   W.  Stephanoivic  Srpske  pjesme  I.  S.  XXXVJII. 


257 

sehen  eiiizufiliircn.  Zu  diesem  Zwecke  verfertifijte  er  eine 
Ueberselzmig-  der  h.  ScIiriH  in  daliiialisclier  Lande.sinni»d- 
arl,  lind  iiess  sie  1750  dem  Pa[)s(e  Benedict.  XIV.  über- 
reiclien  mit  der  Bitte,  dass  sie  gedruckt  werden  iwö^i'. 
Er  beginüj  aber  dabei  die  Unkiuglicit,  seine  Bemerkun- 
gen über  die  slawische  Version  im  neuesten  Missal  unter 
dem  Titel:  Annotazioui  in  ordinc  alla  versione  slava 
del  Missale  Romano,  beizulegen,  worin  er  Caramans  gla- 
golitisches Missal  vom  ,1.  1741  sehr  heftig  tadelte,  um  die 
Noth wendigkeit  einer  neuen  Uebersetzung  darzuthini. 
Selbst  in  Zara,  wohin  er  mit  den  Abgeordneten  von 
Ragusa  gekommen  war,  streute  Rosa  den  Inhalt  seiner 
Kritik  aus,  das  neue  Missal  entiialte  Irrthümer  u.  Ke- 
tzereien, und  sollte  desshalb  verbrennt  werden.  In  sei- 
nen Annotazioni  wollte  Rosa  mit  untermischter  vieler 
historischen  Unwissenheit  und  Verdrehung  glauben  ma- 
chen: dass  der  echt-slawische  Dialekt  im  ragusanisch- 
bosnischen  fortlebe,  und  dass  der  ragusanisch-bosnische 
Dialekt  nach  Micalia  und  Della  Bella  der  schönste  unter 
allen  slawischen  sey;  dass  Kyrillus  sich  aus  dem  Slawisch- 
Thrakisch-Griechischen  einen  besondern  Dialekt  gebildet, 
in  demselben  seine  Lehren  nach  dem  Sinne  der  griechi- 
schen Kirche  vorgetragen,  und  so  eine  verdorbene  Kir- 
chensprache  eingeführt  habe;  daher  Caraman  in  seinem 
Missal  sehr  unschicklich  kyrillische  Sprache  sowol  als 
Uebersetzungsmethode  befolge,  gegen  den  Sinn  der  von 
Johann  VIII.  ertheiiten  Erlaubniss,  „che  le  cosc  sacre 
si  celebrassero  in  lingua  slava,  e  fossero  bene  interpre- 
tate",  indem  das  Volk  nicht  einmal  den  Gottesdienst, 
der  in  solcher  kyrillisclien  Sprache  verrichtet  würde, 
verstände '^j.    Noch    in  demselben  .lahr  wurden  dem  Erz- 


^)  Hingegen  schreibt  der  Erzb.  Auclr.  Zmajevich  in  einem  Brief  an 
Pastritius :  Satins  est  et  Dalmatiae  utilius,  dialecto  illyrica  literali  missam 
peragere,  quam  usuali:  nam  populi  eam  audicntes  quaedam  verba  intcl- 
lignnt,  et  in  quorumdam  pia  contemplatione  remanent.  Auch  Benedict 
XIV  ^chrieb  in  dem  Tractat  über  die  Messe,  den  er  noch  als  Cardinal 
herausgegeben:  Non  esser  espediente  che  la  Messa  sia  tradotta  in  lingua 
Vulgare.  Man  schützte  auch  die  bei  einer  Uebers.  möglichen  Fehler  vor.  Der 
gallicanische  Klerus  wollte  das  Missal,  welches  ein  gewisser  Dominicus  Voi- 
sin  1660  ins  Franz.  übersetzt  hatte,  nicht  leiden,  sondern  klagte  beim 
Papst  Alexander  VlI.  und  ruhte  nicht,  bis  dieser  16G1  die  Uebers.  ver- 
dammte, und  der  König  die  Verdammungssentenz  exequiren  Hess.  Kosa 
wird  von  Caraman  mit  Quesnel  in  Frankreich  verglichen,    welcher  auch  be- 

17 


258 

biscliof  Carainan,  als  er  in  Geschäften  in  Venedig  war, 
die  Annotazioni  des  Rosa  nebst  einem  Briefe  von  der 
Propaganda  mit  dem  Auftrage  zugestellt,  sie  zweckmäs- 
sig zu  beantworten.  Diess  tliat  er  in  s.  Considerazioni, 
die  er  1753  dem  Papste  gewidmet  hat.  Caraman  läug- 
net  in  dem  ganzen  Ms.  nicht,  dass  der  Unterricht  des 
Volks  in  vulgarer  Sprache  geschehen  könne.  Er  gibt 
sogar  selbst  Nachricht,  dass  das  Rituale  von  Cassius  ins 
Vulgare  übersetzt  worden,  weil  man  in  der  rein  slawi- 
schen Sprache  nur  ein  Bruchstück  eines  solchen  Rituals 
hatte,  dass  man  das  Todten-Officium  in  vulgarer  Sprache 
singe,  ja  sogar  die  Formeln  des  Credo,  Gloria  u.  s.  w. 
auf  den  dalmatischen  Altären  in  vulgarer  Sprache  hin- 
gemalt seyen,  und  dass  man  1750  in  Venedig  auch  ein 
vulgar-dalmatisches  Missale  drucken  wollte ,  welches 
aber  Caraman  verhinderte.  Er  dringt  nur  darauf,  dass 
das  Missale  und  Brevier  in  der  altslawischen  Kirchen- 
sprache ferner  verfasst,  und  die  Geistlichkeit  im  Ver- 
ständniss  dieser  Sprache  unterrichtet  werden  möge.  Seine 
Hauptgründe  bestehen  darin:  dass  die  allslavvische.Kir- 
'  clienspraclie  die  Mutter  aller  andern  slawischen  Sprachen 
j\  sey,  und  dass,  wenn  vulgär-slawische  Missale  und  Bre- 

'  viere  gestattet  würden,  fast  jede  Gegend  ihre  eigene  Ue- 

bersetzung  des  römischen  Breviers  haben  müsste^).  Dass 
hingegen  die  altslawische  Kirchensprache  allen  slawischen 
Völkern  vom  adriatischen  bis  zum  Eismeer  gemein  sey, 
welches    dem    apostolischen  Stuhl  Aussichten  und  Wege 

hauptet :  eripere  simplici  populo  hoc  solatium  jungendi  vocem  suam  voci 
totius  ecclesiae,  est  usus  contrarius  praxi  apostolicae  et  intentioni  Dei; 
welcher  Satz  aber  ,  nebst  vielen  andern ,  von  der  röm.  Curie  verdammt 
worden. 

")  Quanto  rumore,  heisst  es  §.  79.,  non  farebbe  la  sola  Dalmazia? 
Li  Ragusei  vorebbono  la  prelazione.  Li  Moutenegrini  la  contra  starebbono 
con  archibugiate.  Li  popoli  che  sono  fra  li  fiumi  Narenta  e  Cherca  (Titio) 
sosterebbono  il  proprio  dialetto.  Quelli,  che  sono  fra  la  Cherca  e  Zerma- 
gna  (Tedanio)  non  la  cederebbono.  Altri,  che  si  dilatano  dalla  Zermagna 
fino  al  Arsa,  riservarebbono  a  se  stessi  la  gloria ;  ne  minor  contrasto  au- 
rebbono  le  Isole  del  Adriatico,  le  quali  nel  parlare  non  s'uniformano  col 
Continente  ne  tampoco  fra  se  medesime.  Altri  vorebbono  il  dialetto  d'Atha- 
nasio  Giorgicei,  il  quäle  tradusse  e  stampo  in  Vienna  1629  Tonimaso  a  Kem- 
pis;  altri  quello  del  catechismo  fatto  tradurre  et  imprimere  con  caratteri 
cyrilliani  da  Gregorio  VIIL  Pont.  (Summa  doctrinae  christianae  Petri  Ca- 
nisii  traducta  ex  latina  lingua  in  slavonicam  1583,  von  welchem  C!atechis- 
mus  die  Provincial-Synodo  von  Aquileja  1.596  beschloss:  quem  cupimus  a 
clero  illyrico  frequenter  tractari  et  legi,  ut  sit  haoc  matorua  lingua  sacer- 
dotibus  illyriae  in  promtu  ad  populos  docendos.) 


259 

zur  Vereiniguiig  der  noch  scliismatischoji  slawischen  Na- 
tionen eröffne,  indem  die  römischen  \lissale  und  Breviere 
in  einer  auch  diesen  vcrstiindliclien  Sprache  übersetzt 
wären.  Iliernäclist  machte  er  anf  die  Nachtheile  auf- 
merksam, die  daraus  entstünden,  wenn  die  illyrische 
Klerisei,  die  man  ohnediess  nur  mit  Mühe  dahinbringen 
könnte,  sich  mit  dem  neuen  Missale  zu  versehen,  indem 
sie  sich  lieber  an  die  alten  hielten,  in  dem  Gebrauche  des 
gemeinen  Dialekts  bei  der  Messe  bestärkt  würde.  Man 
kann  hieraus  ungefehr  abnehmen,  mit  w^elchen  Waffen 
Caraman  seine  Gegner  bekämpfte.  Ueber  beide  Schrif- 
ten wurde  das  Gutachten  gelehrter  Männer  eingeholt. 
Diess  stellten  Ant.  Tripkovich,  erwählter  Bischof  von 
Nona,  und  Basilius  Bosichcovich,  der  ruthenischen  Con- 
gregation  Generalprocurator,  im  J.  1754  am  Z.  July  aus. 
Dem  Bischof  von  Nona,  Anton,  ward  auch  die  Rosi- 
sche Uebersetzung  des  N.  Testaments  auf  Befehl  des  Pap- 
stes zur  Revision  übergeben,  um  über  den  Dialekt  der- 
selben sein  Urtheil  zu  fällen.  In  seinem  darüber  ausge- 
stellten Zeugnisse  vom  3.  August  sagt  er,  dass  er  die  Ue- 
bersetzung gelesen,  geprüfet  und  befunden,  dass  sie  in 
ganz  gemeinem,  illyrisch-bosnischen,  oder  ragusanischen, 
jederman  geläufigen  und  allgemein  gebräuchlichen  Dia- 
lekte abgefasst  sey  (eamque  prorsus  vulgari  dialecto  il- 
lyrica  Bosnensi  seu  Ragusina  omnibus  pervia  et  usuali 
confectam  reperi).  In  dieser  Hinsicht  konnte  also  die 
Rosische  Uebersetzung  sich  keine  Genehmigung  verspre- 
chen, die  sie  denn  auch  nicht  erhielt.  Seit  1754  hat  für 
eine  illyrisch-dalmatische  Uebersetzung  der  Bibel  zum 
Gebrauche  der  Katholiken  in  Dalmatien,  Bosnien  u.  Sla- 
wonien niemand  gesorgt.  So  wurde  denn  die  gemeine 
Landesmnndart  meist  nur  auf  die  Civilliteratur  einge- 
schränkt. 

Allein  die  Blüthezeit  der  dalmatisch-ragusanischen 
Literatur  war  nun  vorüber,  und  selbst  in  Ragusa,  das 
sich  in  dem  Frieden  1724  —  1763  bedeutend  erholt  hat, 
stand  der  Landesmundart  keine  günstige  Aufnahme  be- 
vor. Die  Pfleger  und  Leiter  der  Wissenschaften  waren 
und  blieben  noch  immer  die  .Jesuiten.  Ihre  Erziehung 
forderte  mehr  die  lateinische  als  die  slawische  National- 

17* 


260 

literatur.  Seit  Peter  Boscovich  (gest.  1727),  dem  Ue- 
bersetzer  von  Cid  und  von  einigen  ovidianischen  Hero- 
iden,  und  Ignat.  Ginrgi  (gest.  1737),  zuerst  Jesuit, 
dann  Benedictiner  (Magdalena,  Leben  des  h.  Benedict, 
Psalmen  u.  s.  w.),  versuchten  sich  ohne  vorzüglichen  Ruhm 
]gnüf.  u.  Alma  Boscovich  ums  J.  1758,  dann  die  Frauen 
Lucretia  Bogascini,  Maria  Faccenda,  Kalharina  Sorgo, 
und  die  Brüder  Joseph  (gest.  1764)  und  Damian  Bet- 
tondi  in  kurzen  slavrischen  Gedichten,  meistens  heiligen 
Inhalts.  Jmiius  Resfi  (gest.  1735),  Seraph.  Cerva  (gest. 
1759)  und  Sehast.  Dolci  (s;est.  Uli)  bearbeiteten  die  Ge- 
schichte von  Ragusa  in  politischer,  kirchlicher,  und  letz- 
terer auch  in  literarischer  Hinsicht,  lateinisch.  —  Seit 
der  Aufhebung  der  Jesuiten  (1772)  hob  sich  in  Ragusa 
auch  die  slawische  Nationalliteratur  in  etwas;  die  Sena- 
toren Petr.  Ignat.  Sorgo  und  Luc.  Bona  (gest.  1778), 
waren  Freunde  und  Kenner  derselben,  der  erstere  hat 
die  zwei  fehlenden  Gesänge  der  Osmanide  ergänzt.  Ei- 
nen höhern  Aufschwung  konnte  jedoch  die  dalmatische 
Literatur  nicht  gewinnen;  die  meisten  Gelehrten  von 
Ruf  wählten  zu  ihrer  Schriftsprache  lieber  die  italieni- 
sche und  lateinische,  als  die  Landesmundart.  ^"^J 

In  den  allerneuesten  Zeiten  haben  sich  um  die  dal- 
matisch -  ragusanische  Mundart  vorzüglich  Appendini, 
Voltiggi  und  Stulli  verdient  gemacht.  Der  Piarist  Franz 
Maria  Appendini,  Rector  u.  Praefect  zu  Ragusa,  gab  1808 
eine  brauchbare  Grammatik  heraus.  Derselbe  schickte 
1806  dem  Stullischen  grossen  Wörterbuche  eine  Ab- 
handlung: de  praestantia  et  vetustate  linguae  illyricae, 
voraus,  die  freilich  manche  gewagte  und  übertriebene  Be- 
hauptungen enthält.  Ungleich  besser  sind  s.  Notizie  isto- 
rico-critiche  sulle  antichita  storia  e'  letteratura  de'  Ra- 
gusei,  Rag.  802  —  03,  2  Bde.  4.,  brauchbare  Nachrichten 
von  illyrischen  Schriftstellern  enthaltend.  Des  Istrianers 
Jos.  Voltiggi  Wörterbiich  (Wien  1803)  enthält  auch  eim- 
Grammatik  und  darin  eine  Anweisung  zur  Orthographie, 
die  von  jener  des  Micalia  und  Della  Bella  bedeutend  ab- 
weicht. Das  neueste  und  wichtigste  Werk  in  der  dalma- 
tischen   Literatur    ist    das    grosse  Wörterbuch    von  Joa- 

»")  Appendini  a.  a.  0.  Enpd  S.  28.  201.  272  ff. 


261 

rlum  Stulli\  einem  Franciscaner  von  Ragusa,  eine  Ar- 
beit, auf  n  eiche  der  SOjälirige  Greis  50  volle  Jahre  ver- 
wendet hat.  Er  liess  alle  seine  Vorgänger  weit  hinter  sich 
zurück.  In  der  Zueignung  an  Se.  Majestät  Ks.  Franz  dankt 
StuJIi  für  die  ihm  in  österreichischem  Kaiserthum  seit 
1782  gewordene  Unterstützung  und  Belohnung.  ") 

Schliesslich  fügen  wir  noch  die  Namen  einiger,  meist 
geistlichen  dalmatisch  -  ragusanischen  Schriftsteller  bei, 
deren  Schriften  Dellabella  und  Stulli  zum  Theil  ver- 
zeichnet haben.  Es  sind  folgende:  Vital.  ^</r«V/.sa  Francisc. 
in  Ragusa,  Joh.  Luc.  Anticca  Ragusaner,  Ign.  Aijmlini 
Dominicaner  in  Rag.,  Steph.  Badrich  Francisc.  in  Dernisc, 
Ge.  Barakovich  aus  Zara,  Ge.  Bassich  Jesuit  in  Rag., 
Ign.  Bedekovich,  Sab.  Bendeviscevich  genannt  Gozze, 
Steph.  Benessa  Rag.,  Bar.  Bettere  Rag.,  Mich.  Aug. 
Bnecsanin  Kapuziner,  Pet.  Thoin.  Bogascinovich,  Sim. 
Budineus  aus  Zara,  Mich.  Biuiich  Patrizier  in  Rag.,  Cau- 
scich  Benedictiner,  Cosmas  Erzb.  v.  Spalato,  Mich.  Dra- 
gicevich  Franc,  aus  Vergorac,  Innoc.  Garghich  Francisc. 
in  Ragusa,  Äthan.  Georgijew,  Franz  Glavinich  Francisc. 
aus  Istria,  Timoth.  Gleg  Franc,  in  Rag.,  Vin.  Gozze  Domin. 
in  Rag.,  Basil.  Gradi  Bened.  in  Rag.,  Ge.  Grisich  Prie- 
ster in  Rag.,  Joh.  Franz  Gundulich,  Joh.  Luc.  Guaragnin 
Erzb.  V.  Spalato,  Pet.  Knexevick  Franc,  aus  Kniu,  Hyac. 
Komenius  Dominic.  in  Rag.,  Franz  Lallich,  Pasch.  Prim. 
Latinich,  Vlad.  Letunich  Franc,  in  Rag.,  Steph.  Marge- 
fich  Franc.  Joh.  Mattei  Jesuit  in  Rag.,  Horaz  Maxihra- 
dich  genannt  Scjuljag  Ragusaner,  Pet.  Palikuchi,  Lud. 
Radich  Franc,  in  Rag.,  Bern.  Riciardi,  Mich.  Scimunich, 
Joh.  Sciumonovich  Priester  in  Rag.,  Bern.  Sorgo  Benedict, 
in  Rag.,  Franz  Pierko  Sorgo,  Joh.  Stulli  Ragusaner,  Liic. 
Ter. sich  Priester  in  Spalato,  Anär.  Vitälich,  Pet.  Vule- 
tich,  Givan  Zadranin,  Joh.  Zanotti  Canonicus  in  Zara 
(übers.  Virgils  Aeneis  in  Versen) ,  iMart.  Zlatarich, 
Bern.  Zuzzeri  Jesuit  in  Ragusa  u.  m.  a. 

11)  Quellen.  Ign.  Giorgi,  sulle  antichita  Illyriche,  Ms. ;  Eh.  zählt 
in  der  Vorr.  zu  seinem  illyr.  Psalter  über  30  gelehrte  Ragusaner  bis  1500 
auf.  —  Seb.  Dolci  de  illyr.  ling.  vetustate  et  amplitudine,  Ven.  754.  Fasti 
literario-Ragusini,  s.  viror.  literat.  usque  1766.  in  Ragus.  ditione  prospe- 
ctus,  Ven.  767.  4.  —  F.  M.  Appendini  notizie  istorico-critiche  sulle  anti- 
chita storia  e'  letteratura  de'  Ragusei,  Rag.  802  —  03.  2  Bde.  4.  —  J.  Ch. 
V.  Engel  Gesch.  d.  Freistaats  Ragusa,  Wien  807.  8. 


262 

§.  30. 

Sprache  und  Schriftwesen  der  Bosnier  abendländischen  Ritus. 

Die  Bosnier  abendl.  Ritus  hielten  sich  in  Sprache  und 
Sclirift  fortwährend  entweder  an  die  Dahnalier,  oder 
an  die  Kroaten.  Ihre  Literatur,  bestellend  aus  lauter 
asketischen  Schriften,  bietet  demnach,  so  wie  ihre  Mund- 
art, kein  Ganzes,  sondern  nur  einen  Theil  der  dalma- 
tisch-kroatischen dar.  Die  meisten  Nachrichten  über  die 
altern,  durchgängig  theologischen  Schriftsteller  Bosniens 
verdankt  man  dem  bosnischen  Franciscaner  Philipp  von 
Ochievia,  der  in  s.  Epitome  vetustatum  Bosnensis  pro- 
vinciae  im  V.  Cap.  §.  5.  einen  Katalog  derjenigen  bos- 
nischen Schriftsteller  liefert,  die  ihre  Werke  durch  den 
Druck  bekannt  gemacht  haben.  Joli.  Bundüovich  gab 
Evangelien  und  Episteln  lieraus;  Paul  Passilovich,  Mich. 
Radich,  Steph.  a  Jaice,  Matth.  Divkovich,  Joh.  An- 
cich^  Ant.  Bachich,  Laur.  a  Biida,  Thomas  Babich^ 
Laur.  a  G/jnbuski,  Steph.  Villov,  Niki.  Kes.sichy  Hie- 
ronym  Lipovcich,  Ant.  Papuclich,  Luc.  Cilich ,  Pat. 
Hier,  a  Rama,  schrieben  verschiedene  Erbauungsbü- 
cher. Ochievia  selbst  war  ein  fleissiger  bosnischer  theo- 
logischer Schriftsteller.  *) 

§.  31. 

Sprache  undSchriftwesen  der  Slawonier  abendländischenRitus. 

Das  Slawonische  in  dem  ungrischen  Krch.  Slawonien 
ist  keine  besondere  slawische  Mundart,  sondern  mir  eine 
Nuance    der  serbisch-dalmatischen.     Die  Slawonier  grie- 


*)  S.  Epitome  vetustatum  Bosnensis  provinciae,  seu  brevissimura  com- 
pendium  historico-chronologicum  de  antiquitate  variisque  suis  vicissitucli- 
nibus  et  consistentia  usque  ad  haec  tempora.  Locupletata  in  liac  nova  edi- 
tiono  nonnuUis  additionibus  ,  multoque  pluribus  locupletanda  fuisset,  ni 
carentia  moiiimentorura,  ob  ratioues  in  prologo  iudicandas,  cassiim  reddi- 
disset  omne  Studium.  Congesta  et  compilata  a  1*.  Fhilippo  (Laztrich)  ab 
Ochievia,  Provincialatu  functo,  etc.  Anconae  1776.  4. 


263 

ciiischeii  Ritus  ^ebranclieu  im  Sclirciben  die  kyrillisclien 
Schriftzciclieii,  und  ihre  Gcisiesproducle  sind  unter  der 
Aufschrift  „Serbisch''  §.  23.  initbegriffen  worden.  Die 
katholischen  Slawonier  liingegen  bedienen  sich  des  latei- 
nischen Alphabets,  nach  einer  eigenen,  der  dalmatischen 
und  kroatischen  am  nächsten  kommenden  Combination. 
Sie  haben  nändich  das  j?  für  c,  x  für  ac,  z  für  ■%  c  für 
H,  ch  für  nii,  od.  I»  mit  den  Dalmatinern,  dahingegen 
das^^  statt  des  dalmatischen  dj,  gj,  ly  statt  Ij,  ny  statt 
nj,  sh  statt  sc  mit  den  Kroaten  gemein.  Zur  Zeit  des  K. 
Maximilian  war  die  Reformation  bereits  bis  nach  Slawo- 
nien gedrungen,  und  hatte  der  Nationalliteratur  unter 
die  Arme  gegriffen;  allein  sie  wurde  gar  bald  unterdrückt, 
und  die  Protestanten  späterhin  sogar  von  Aufenthalt  und 
Gütern  in  den  drei  slawischen  Königreichen:  Slawonien, 
Kroatien  u.  Dalmatien  ausgeschlossen.  Die  spätem  Schrift- 
steller Slawoniens,  ja  einige  sogar  aus  dem  XV  —  XVI. 
Jahrh.,  schrieben  ohne  Ausnahme  lateinisch,  ßalth.  Adam 
Kercselich  gibt  in  s.  Polit.  instit.  (Ms.)  L.  II.  T.  IX.  §. 
17  flf.  ein  Verzeichniss  derer,  die  sich  vorzüglich  mit  ge- 
schichtlichen Forschungen  befasst  haben.  Die  ,,Collectio 
scriptorum  ex  regno  Slavoniae  (Zagrab  1774)"  enthält 
kurze  biographische  Notizen  von  den  slawonischen  Schrift- 
stellern in  dem  gedachten  Zeiträume,  deren  Erzeugnisse 
alle  lateinisch  sind.  In  den  neuern  Zeiten  erschienen  ei- 
nige asketische  Schriften  sammt  einigen  wenigen  Volks- 
büchern belehrenden  und  unterhaltenden  Inhalts  in  der 
Buchdruckerei  zu  Essek  und  zu  Ofen,  welche  letztere 
fortwährend  alle  Religions-  und  Unterrichtsbüchlein  für 
Slaw^onien,  als  da  sind  Katechismen,  Lese-  und  Gebet- 
bücher ,  druckt.  In  diese  letzte  Periode  fällt  auch  die 
Abfassung  der  wenigen  Sprachbücher  von  Relkovich, 
Angielicli,  Lanossovich.  *) 

Von  den  hieher  gehörigen  slawonischen  Schriftstel- 
lern neuerer  Zeit,  die  beinahe  ausschliesslich  im  Fache 
der  Gottesgelehrtheit  und  der  religiösen  und  Volks-Poesie 

*)  Sprachbücher.  Grammatiken:  M.  A.  Relkovich  neue  slawonisch- 
deutsche  Gramm.,  Agram  767.  8.  N.  A.  von  F.  Angielich,  Wien  774,  8. 
789.  8.  —  P.  M.  Lanossovich  Einl.  zur  slawon.  Sprache,  Essek  778.  8.  2  A. 
789.  8.  3  A.  Of.  795.  8.  —  Lexicon:  {M.  Ä.  Relkovich)  deutsch -illyrisches 
(d.  i.  slawonisches)  u.  illyr.-deutsches  WB.,  Wien  796.  2  Bde.  4. 


264 

gescliricbeii  haben,  besclirüiikcii  vvii  uns  zu  neniicii  . 
Jnlon  Kanislicli  ans  Pozega,  Jesuit,  hierauf  Consisto- 
rialassessor  ebendaselbst,  verfasste  ein  erzählendes  Ge- 
dicht: Sv.  Roxalia  Panormitanska,  Wien  780.  8.,  und 
ein  voluminöses  Werk:  Kamen  pravi  smutnye  velike, 
iliti  pocsetak  i  uzrok  istiniti  rastavlyenya  cerkve  istocsne 
od  zapadne,  Essek  780.  4.  —  Matth.  Pet.  Katancslch. 
Franc,  u.  Prof.  an  der  Pestlier  Univ.,  (gest.  1825)  gab, 
ausser  mehr.  lat.  Werken  (In  veter.  Croat.  patriam  indagu- 
tio,  Zagr.  790.  8.,  Specim.  Piniol.  Pannon.  s.  de  orig.  lin.  et 
liter.  Croat.,  Zagr.  795.  4.,  !)e  Istro  eiusque  accolis,  Of. 
798.  4.,  Orbis  Antiquus,  Of.  824.  4.),  eine  Sammlung 
origineller  Gediclite  heraus,  worunter  sich  slawonische 
Idyllen  in  Hexametern  u.  a.  Volkslieder  befinden :  Fru- 
ctus  autumnales,  Zagr.  791.  8.  —  Jos.  Jnf.  Vlassich, 
Pfarr.  in  Kamenic  u.  Archidiakon,  übers,  des  Innocen- 
lius  III.  Gedicht:  Contemtus  mundi,  Essek  785.  8.  — 
Jos.  Steph.  Relkovicli  v.  Ehrendorf,  Stabspfarr.  in  Vin- 
kovce,  verfasste  ein  ökonomisches  Werk:  Kuchnik,  in 
Keimen,  Ess.  790.  8.  —  3Iaf/i.  Ant.  Relkovich  v.  Eh- 
rendorf, Hauptmann,  schrieb,  ausser  den  schon  genann- 
ten Sprachbüchern:  Satir,  in  Versen,  3  A.  Essek  822.  8. 
Nekje  svashta  Eb.  805.  8.,  Postanak  naravne  pravice,  Eb. 
794.  8.  —  Alex.  Toimkovich,  Franciscaner  der  Capis- 
traner  Provinz,  übers,  a.  d.  Italienischen:  Xivot  Petra 
V.,  Essek  794.  8.  —  Dan.  Emir  Boydanich  gab:  üo- 
godjaji  svieta,  Wien  792.  8.  heraus.  —  Kail  Pavich, 
Pfarrer  und  Vice-Archidiakon  in  Mitrovic,  übers,  a.  d. 
Teutschen  :  Politika  za  dobre  lyude,  Pesth  (o-  J.)  8.  — 
Ivan  Velikanovich  aus  Brod,  Franciscaner  der  Capistra- 
ner  Provinz,  übers,  ein  geistliches  Drama  aus  dem  italie- 
nischen in  Versen  und  Prosa:  Sv.  Teresia  divica,  Essek 
803.  8.  -—  lva7i  Marevich,  Domherr  u.  Prof.  der  Theol. 
in  Fünfkirchen,  übers,  a.  d.  Lateinischen :  Dila  sv.  mu- 
csenikah,  Essek  800.  3  Bde.  8.  —  Ad.  Phüippouich  von 
Ileldenihal  sclirieb:  Kazgovor  priprosti,  Ess.  822.  8.  in 
Versen,  Xivot  Velikoga  Biskupa  Ant.  Mandicha,  Fünf- 
kirchen 823.  8.  ebenf.  in  Versen.  —  Mich.  Mihalyevich, 
Pfarr.  in  Drenja,  gab:  Dilorednik  za  kripostlyubnu  za- 
bavu,  Ess.  823.  8.  heraus.   —  Adalb.  Horvath,   Francis- 


265 

caiicr  der  C'a|)is(ranor  Provinz,  verliüssle  t^eislliclie  ilc- 
(len  :  Ncdiljiia  sjovorenju,  Of.  824.  2  Bde.  8.,  Roriziiieiia 
ajovoreuja  od  miike  i  srnerli  (j!o.s|).  Isii  Kersta,  Eb.  824. 
8.,    Sv.    (iovoreiija    od    razlicsiti  «vetkovina,    Eb.  824.  8. 

§.  32. 
Schicksale  der  Sprache  und  Literatur  der  Kroaten. 

Wie  vieldeutig  und  schwankend  das  Wort  Kroatien 
und  kroatisch  iiacli  der  altern  Geschichte  und  unserer  Er- 
falirinjtj  sey,  ist  bereits  oben  §.  26  gesagt  worden.  Wir 
haben  gesehen,  dass  das  Kroatische  in  Gränz-  od.  Mili- 
tärkroatien ganz  dem  Dalmatischen,  jenes  hingegen,  wel- 
ches in  Provincialkroatien,  namentlich  in  den  Gespan- 
schafien  Agrain,  Kreuz  inid  Varasdin  und  den  angrän- 
zenden  Districten  gesprochen  wird,  dem  Windischen  ähn- 
lich, und  nur  eine  Varietät  desselben  sey.  Letzteres 
knüpft  gleichsam  das  Serbisch-dalmatische  an  das  Win- 
disch -  krainische  an.  So  haben  z.  B.  die  Kroaten,  den 
Winden  gleich,  das  harte  /  in  Präteritis  und  am  Efide 
anderer  Wörter  durchgängig  beibehalten,  wofür  die  übri- 
gen südlichen  Slawen  o  sprechen :    igral  st.     igrao.  ^) 

Die  pannonischen  Slawen,  welche  bald  nach  Me- 
thods  und  Swatopluks  Tode  politisch  unter  teutsche  und 
ungrische,  kirchlich  unter  römische  Botmässigkeit  ka- 
men, fingen  geraume  Zeit  vor  der  Reformation  an,  die 
übliche  Landessprache  mit  lateinischen  Buchstaben  — 
aber  leider  fast  in  einer  jeden  Provinz  nach  einem  an- 
dern System   —  zu  schreiben.     Seit    dieser  Zeil  gebrau- 

^)  Die  sogeuaunten  Wasserkroaten  in  Ungern  (Wieselburger ,  Oe- 
denburger.  Raaber,  Barauyer  Gesp  ),  —  nach  Kollar  (amoenit.  iur.  publ. 
I.  116.)  Abkömmlinge  der  Bissener.  die  er  für  Slawen  aus  Bosnien  hält, 
nach  Bd  (not.  Hung.  V.  14.)  wahre  Kroaten,  „tum  in  istas  oras  tra- 
ducti,  quum  post  cladera  Ludovici  IL  arctiores  ticrent  termini  Hungariae, 
nach  Hrn.  Rumy  gar  directe  Nachkommen  der  Russen  (Ruthenier),  die 
samrat  den  übrigen  Russniaken  im  Gefolge  der  Magyaren  nach  Ungern  ge- 
kommen seyn  sollen  —  sind  kein  für  sich  bestehender,  von  den  übrigen 
charakteristisch  verschiedener  slawischer  Stamm,  sondern  nur  eine  Abart 
der  eigentlichen  Kroaten,  daher  denn  auch  ihre  Mundart  nur  eine  gebro- 
chene, und  wegen  ihrer  Vermischung  mit  Teutschen  und  Ungern  bereits 
sehr  getrübte  Unterart  der  kroatischen  ist,  und  den  Uebergang  von  der- 
selben zu  der  krainisch-windischen  bildet. 


266 

cheii  die  kailiolischen  Kroaten  (denn  die  Slawoserben 
griecli.  Ritus  im  heutigen  Kroatien  gehören  in  sprachli- 
clier  Hinsicht  nicht  hieher,  sondern  zu  ihren  anderwei- 
tigen Brüdern),  olnie  Ausnahme  das  lateinische  Alpliabet 
in  ihrem  Schriftwesen.  Das  glagolitische  Alphabet  konn- 
te, wie  oben  gesagt  worden ,  seiner  Unbehilflichkeit 
wegen,  in  Kroatien  nie  popularisirt  werden.  Zwar  wur- 
de im  XVI.  Jahrh.  von  Primus  Trüber  zu  Tübingen  eine 
slawische  ßuchdruckerei  mit  lateinischen,  kyrillischen 
und  glagolitischen  Typen  errichtet,  an  welcher  auch 
Stcph.  Consul,  Ant.  Dalmata  und  der  Baron  Hans  Un- 
gnad  einen  thätigen  Antheil  nahmen,  und  welche  die 
Verbreitung  des  lutherischen  Lehrsystems  unter  den  sla- 
wischen Völkern  an  der  Sawe  und  Donau,  ja  selbst  un- 
ter den  Türken  zum  Zweck  hatte.  Merkwürdig  sind,  als 
die  ersten  Druckproben  dieser  Officin,  der  serbische  Ka- 
techismus vom  J.  1561.  8.  mit  kyrillischen,  und  der  kroa- 
tische von  d.  J.  mit  glagolitischen  Lettern^).  Indess 
fand  diese  Anstalt  bald  ihren  Untergang,  und  die  da- 
malige Religions-Gährung,  die  der  kroatischen  National- 
literatur gleichsam  einen  Schwung  gegeben  hatte,  wurde 
bald  erstickt.  Einer  von  den  eifrigsten  Beförderern  der 
neuen  Lehre  in  diesen  Gegenden  war  Mich.  Bnchich.  Er 
war  katholischer  Pfarrer  zu  Muraköz.  Als  derselbe  zum 
helvetischen  Glaubensbekenntniss  übergetreten,  und  das- 
selbe mit  Predigten  und  Schriften  verbreitet,  so  wurde 
er  nach  mehreren  kanonischen  Erinnerungen  im  J.  1574 
durch  den  Bischof  Georg  Draskovich,  der  erst  1563  von 
dem  Tridenter  Concilio  zurückkehrte,  auf  einer  Synode 
verdammt ,  seinem  Werke  eiue  Widerlegung  entgegen- 
gesetzt, und  die  wider  ihn  gefällte  Sentenz  dem  König 
Slaximilian  zur  Bestätigung  vorgelegt.  Maximihan,  des- 
sen duldsame  Gesinnungen  in  Religionssachen  zur  Genüge 
bekannt    sind,    verfügte    nichts    widriges  gegen  Michael, 

-)  Die  hieher  gehörigen  Drucke  hat  Hr.  Kopitar  in  s.  Gramm.  S. 
438  ff.  vollständig  verzeichnet.  Die  wichtigsten  darunter  sind:  a.)  mit  gla- 
gol.  Buchstaben    1.)  der  Katechismus  v.  1561.   2)  der  erste  Theil  des  N.  T. 

1562.  4.  3.)  der  zweite  Theil  des  N.  T.  1563.  4.  4.)  Augsb.  Conf.  1562. 
5.)  Apologie  der  Augsb.  Confess.  1564.  8.  6.)  Postille  1562.  4.  b.)  mit  ky- 
rillischer  Schrift:'  1.)   Katechismus   1561.  2.)    dor    erste    Theil   des   N.   T. 

1563.  4.  3.)  der  erste  Theil  des  N.  T.  1563.  4.  4.)  die  Augsb.  Conf. 
1562.  5.)  Postille  1563.  4.  u.  s.  w. 


267 

vielmehr  (wie  der  l'auliiier  Veiiaiitius  Glavina,  der  die 
Acten  der  Synode  1771  mit  Noten  und  Corollarien  her- 
ausgegeben, in  s.  3ten  Corollar  bemerkt)  schlug  die 
protestantische  Religion  in  Steiermark,  Kärnten,  Kroa- 
tien und  Slawonien  immer  festere  Wurzeln.  Zu  dem 
waren  die  Grafen  ^riiiy — starke  Gönner  und  Anhänger 
des  Protestantismus.  Unter  ihren  Flügeln  entstand  zu 
Nedelic  od.  Nedelische  eine  Buchdruckerei,  in  welcher 
viele  kroatische  Bücher  aufgelegt  wurden,  unter  denen 
die  kroatische  Ucbersetzung  des  Verböczischen  Tripar- 
tittniis  vom  J.  1547  bemerkenswert!!  ist.  Die  zahlreichen 
Produkte  waren  Katechismen,  und  andere  protestantisch- 
theologische Bücher,  darunter  auch  jenes  von  Mich.  Bu- 
chich. Georg  Zriny  hatte  mit  Beirath  eines  gewissen 
Malkotzy  die  ganze  Insel  Muraköz  zur  evangelischen  Lehre 
gebracht  ums  J.  1580;  sein  Sohn,  der  jüngere  Georg, 
ward  1G23  wieder  katholisch;  auch  seine  Frau  ward 
1646  katholisch.  Auf  den  Landtagen  1607  und  1610 
protestirten  die  Baue  von  Kroatien,  Erdödy  nnd  Dras- 
kovich  ,  heftig  gegen  die  protestantische  Lehre ,  und 
schwuren  ihr  den  Untergang  ^).  Nach  dem  Reichstage 
1687  hat  der  Bischof  Martin  Barkovich  den  reichen  Steph. 
Jankovich,  wegen  seines  evangelischen  Glaubensbekennt- 
nisses auf  einem  kroatischen  Landtage  gezwungen  „üu- 
ctoritate  (sagt  Bedekovich  in  s.  Nat.  sol.  s.  Hieronymi 
752.  fol.),  qua  instar  Primatis  ex  speciali  Leopoldi  1. 
gratia  pollebat'',  aus  Kroatien  zu  wandern,  und  die 
Güter  seinem  katholisch  gewordenen  Sohn  zu  überlassen. 
So  wurde  gar  bald  ganz  Kroatien  und  die  Insel  Mura- 
köz wiederum  katholisch.  Die  literarische  Cultur  des 
Landes  war  nun  in  den  Händen  der  Geistlichkeit  und 
der  Mönche.  Mehrere  Bildungsanstalten,  freilich  keine 
Pllanzschulen  für  die  Nationalliteratur,  aber  doch  we- 
nigstens Keceptakeln  des  theologischen  Wissens,  kamen 
auf.  —  Beinahe  alle  kroatischen  Schriftsteller  des  nun 
eintretenden  Zeitraums  schrieben  nicht  mehr  in  ihrer 
Muttersprache,  sondern  lateinisch.  Ein  grosser  Theil  der- 
selben beschäftigte  sich  mit  der  vaterländischen  Geschichte. 
Interessante  Nachrichten  darüber  theilt  der  schon  genannte 

")  /S.  Engel  Gesch.  d.  ungr.  Reichs  III.  469. 


268 

Balth.  Ad.  Kercselicli  in  s.  Polit.  Inst.  L.  II.  T.  IX.  §.  17  ff. 
und  aus  ihm  Engel  Gesch.  d.  ung.  Reichs  111.  145  —  47 
mit.  Unter  den  von  ihnen  angeführten  sind:  der  Dom- 
herr Joh.  de  Guerche,  Paul  v.  Ivamcli,  Bened.  Vincn- 
vü'h,  Petr.  Petrecsich,  Christoph.  Kupinich,  Alex.  Mi- 
Imlich,  Thoin.  Kovacsemch,  Paul  Bar.  Ritter,  Georg. 
Marcellovich,  Jos.  Roich,  Balth.  und  Alex.  Bataciih 
u.  m.  a.  Ihre  Schriften  blieben  meistens  ungedruckt.  Die 
meisten  Versuche,  die  kroatische  Sprache  zur  literari- 
schen Ehre  zu  bringen,  und  das  Licht  der  intellectuellen 
Cültur  in  seinem  Vaterlande  anzufachen ,  machte  um 
diese  Zeit  der  Baron  Paul  Ritter.  Geboren  in  Zeng  und 
in  Belgien  erzogen,  brachte  er  den  Geschmack  an  Wis- 
senschaften in  das  noch  rohe  Kroatien.  Er  musste  seinen 
wahren  Vorsatz  unter  der  Maske  literarischer  Charlata- 
nerie  verstecken.  Er  fing  von  der  Heraldik  an,  und  fa- 
bricirte  Stammbäume  aus  dem  Kopf,  um  zu  den  Archi- 
ven zu  gelangen.  Nach  seiner  Agentie  in  Wien  kaufte  er 
sich  zu  Zagrab  ein  Haus  und  das  Gut  Schitjarevo.  Im  J. 
1691  erhob  man  ihn  zum  Vicegespan  und  Freiherrn. 
Er  beredete  die  Stände  der  drei  Reiche  dazu,  zu  Zagrab 
eine  Druckerei  zu  errichten  ;  hiedurch  zog  er  sich  aber 
nach  der  Hand  viele  Verdriesslichkeiten  zu.  Er  ist  der 
erste  Herausgeber  der  zuerst  unter  dem  Namen  Paul 
Vitezovich  [Ritter)  erschienenen:  „Kronika,  aliti  szpo- 
menek  vszega  szveta  vekov.""  Kitter  berief  sich  auf  eine 
ältere  dalmatische  Chronik.  Steph.  Raff'ay,  chori  eccle- 
siae  Zagrabiensis  Praebeudarius,  setzte  sie  bis  1744  fort, 
und  gab  sie  in  demselben  Jahre  heraus.  Niki.  Lauren- 
chich,  ein  Jesuit,  der  sie  mit  Balth.  Kercselich  bis  1762 
fortsetzte  und  herausgab,  Hess  den  Namen  Vitezovich 
(Ritter)  weg.  Noch  gehört  unter  die  gedruckten  Werke 
Ritters:  Sibylla,  in  kroatischer  Sprache.  Von  den  16 
Msc,  die  er  hinterlassen,  ist  hier  sein:  Lexicon  slavoni- 
cum  puritati  suae  sacrum  restituens  idioma,  ferner  seine: 
Grammatica  croatica,  zu  nennen.  Er  starb  zu  Wien  im 
J.  1713^).    Der  Verfasser  d.  ältesten  kroatischen  Sprach- 

*)  Von  ihm  schreibt  Kercselich:  Scripsit  pliirima.  Meditabatur  hi- 
storiam  Slavoniae :  sed  visa  eins  vulgari  lingua  cdita  ab  illo  chronica,  itoin 
vulgo  Sibylla,  tautus  in  immortalis  raenioriae  viriitn  concitatus  ab  iis,  qui- 
bus   doctrinae    et   literae   vi   vocationis   iucumbuut ,   est   livor  atque  odium, 


269 

biichs,  eines  kroatisch  -  laleinisclicn  Wörterbuclis ,  ist 
Georg  Hahdelich  1670.  Auf  iliii  foli^le  der  Paiilincr  Juli. 
Bellosztenecz ,  mit  s.  (jazoj)livlaciiim  s.  Latino-illyrico- 
ruin  (d.  i.  kroatischen)  onomatiiiii  acrarinin  Zaij^rabiae 
1740.  Ein  .lalir  darauf  erscliien  des  h^^xüiQw  Andr.  Jam- 
hressich  Lexicon  Latinum  interpretatione  illyrica  (d.  i. 
kroatischen),  germanica  et  hungarica  locuples,  durch  Vor- 
schub der  Landstände  von  Kroatien  auf  der  Landesuni- 
versität gedruckt.  Der  hinten  angellängte,  kleine  kroa- 
tische Index  ist  1739  von  Franz  Sussm'k  verfertigt,  von 
Jambressich  aber  beibelialten  und  vervollständigt  wor- 
den. Jambressich  gibt  den  Unterschied  zwischen  dem 
Kroatischen  und  Üalmatisch-illyrischen  nicht  an ,  wie 
Bellosztenecz,  sondern  mischt  beides  untereinander.  Da- 
für setzt  er  eine  neue  kroatische  Orthographie  fest,  von 
welcher  er  am  Ende  auf  7  Seiten  handelt.  Natio  illyrica 
sind  auch  bei  ihm  bald  alle  Slawen,  bald  nur  die  Kroa- 
ten, Dalmatiner  und  Slawonier.  Lange  schon  war  die 
kroatische,  meist  nach  der  im  Ungrischen  üblichen  Com- 
bination  der  lateinischen  Buchstaben  eingerichtete,  Hecht- 
schreibung durch  den  Gebrauch  und  Lexica  flxirt,  als 
die  ersten  kroatischen  Grammatiken  von  Sz.  Mdrtony 
(1783)  und  Körnig  (1795)  erschienen^).  Als  nach 
dem  Tode  Joseph  II.  die  ungrischen  Reichsstände  auf 
die  Einführung  der  magyarischen  Sprache  in  allen  öffent- 
lichen Geschäften  statt  der  bis  jetzt  üblichen  lateinischen, 
und  beim  Unterricht  der  .Jugend  statt  der  Muttersprache, 
nicht  nur  in  dem  eigentlichen  Ungern,  sondern  sogar  in 
allen  seinen  Nebenländern  drangen;  da  erklärten  sich 
die  Abgeordneten  der  drei  Königreiche  Kroatien,  Dal- 
inatien  und  Slawonien  auf  dem  Landtag  1790  heftig  ge- 
gen   diese    Maassregel  ^j.     Nichts  desto  weniger  konnte, 

ut  prope  infinitis  calumuiis  et  iniuriis  affectus  Viennam  abiret,  ibidem  mor- 
tuus  1715.  S.  Engel  Gesch.  d.  uügr.  Reichs  IL  145. 

•')  Sprachbücher,  Grammatiken :  Anleit.  z^r  kroat.  Rechtschreibung 
Of.  780.  8.  —  {Szent- Märtony)  Einl.  zur  kroat.  Sprachlehre,  o.  Dr.  (Va- 
rasdin)  783.  8.  —  F.  Kornig  kroat.  Sprachlehre,  Agram  795.  8.  810.  8.  — 
S.  Gyurkovechky  kro.  Gr.  Öf.  825.  —  Wörterbücher :  G.  Habdelich  Dictio- 
narium  (kroat.-lat.).  Grätz  670.  8.  —  J.  Bellosztenecz  Gazophylacium  s. 
Latino-illyricor.  onomatum  aerarium,  Zagrab.  740.  4.  —  Andr.  Jambressich 
Lex.   Lat.   interpretatione  illyrica,   gerni.  et  hung.  locuples,  Zagrab.  742.  4. 

")  Die  lateinische  Sprache,  sagten  sie,  ist  durch  den  Gebrauch  von 
800  Jahren  Constitutionen  geworden;  die  Kroaten  sind  keine  Unterthaneu, 
sondern  Bundesgenossen  Ungerns;  die  Gründe,  die  vom  Hofe,  von  Galicien, 


270 

ans  leiclit  begreillichen  Ursachen,  auch  späterhin  der 
Cultur  der  kroatisclien  Mundart  kein  grösserer  Spielraum, 
als  jener,  den  sie  in  Unterrichts-  und  Erbauungsschrif- 
ten schon  längst  gehabt  hat,  gewonnen  werden.  Die 
katholischen  Kroaten  haben  zwar  ihre  eigenen,  d.  i.  in  ih- 
rer Mundart  gedruckten  Evangelien  und  andere  Bücher 
für  den  gemeinen  Mann,  aber  noch  immer  keine  ganze 
Bibel.  Sie  lesen  meistens  dalmatische  Bücher,  da  der  Un- 
terschied der  Mundart  äusserst  gering  ist.  Ausser  der 
Buchdruckerei  in  Agram,  wo  bisweilen  kroatische  Bü- 
cher religiösen  Inhalts  gedruckt  werden,  liefert  die  Uni- 
versitätsbuchdruckerei zu  Ofen  alle  Elementarbücher  und 
Katechismen  für  den  Unterricht  der  kroatischen  Jugend.  ^) 
Unter  den  Nationalen,  welche  im  verflossenen  und 
gegenw^ärtigen  Jahrhundert  in  kroatischer  Sprache  ge- 
schrieben haben,  sind  noch  zu  nennen:  Jak.  Pejacsevich 
Jesuit,  P.  Stephan  Kapuciner  und  Prediger  in  Zagrab, 
gab  eine  Sammlung  s.  Predigten:  Hrana  duhovna  ovchicz 
kerschanszkeh  Zagr.  715  -  34.  5  Bde.  4.  heraus,  Ge. 
Mulich  Jesuit,  Marc.  Krajachich,  Franz.  Tauszi,  Zagr. 
Bischof,  Anf.  Tellitenovich  Franciscaner,  Ant.  Nagy  Ad- 
vocat,  mehrerer  Gespannschaften  Gerichtstafelbeisitzer  und 
kön.  Bücherrevisor  in  Ofen,  A.  i\  Mihanovtch,  k.  k.  Gu- 
bernial-Secretär  in  Fiume,  Vf  mehrerer  Abhandlungen 
über  die  Verwandtschaft  der  slawischen  Sprache  mit  der 
Sanskrita,  besitzt  in  der  Handschr.  ein  kroatisches  Epos 
von  hohem  poetischen  Werth,  betitelt:  Syrene,  S.  Gyur- 
kovechky,  Pfarrer  zu  Szamaric  in  der  kroat.  Gränze,  Thom. 
Koschiak,  National-Schulen-Inspector  im  Zagraber  Bezirk 
u.  s.  w. 


Serbien  u.  s.  w.  und  von  Ungern  selbst  hergenommen  werden,  gehen  die 
Kroaten  nichts  an,  nur  Vt  von  Ungern  sollen  geborne  Ungern  seyn ,  nur  '3 
liier  Einwohner  ungrisch  reden;  die  ungi-ische  Sprache  ist  noch  keine  ge- 
lehrte Sprache ;  die  Kroaten  würden  von  den  Geschäften  verdrängt  u.  s.  w. 
')  Quellen.  M.  P.  Katancsich  Specimea  philologiae  et  geographiae 
Pannoniorum,  in  quo  de  origine,  lingua  et  litteratura  Croatornm  disseritur, 
Zagrah.  795.  4.  Eiiisd.  de  Istro  eiusque  accolis  coraraentatio,  Of.  798.  4.  — 
J.  Ch.  V.  Engel  Gesch.  d.  ungr.  Reichs  Th.  II. 


Fünfter  Abschnitt. 

Geschiclite  der  vvindischen  Sprache  und  Literatur. 

§.  33. 

Historisch  -  ethnographische  Vorbemerkungen. 

Der  südliche  Theil  des  nachmaligen  österreichischen 
Kreises,  das  heutige  Kärnten,  ist  seit  uralten  Zeiten  der 
Sitz  desjenigen  slawischen  Stammes,  der  bei  den  Auslän- 
dern der  Stamm  der  Winden  heisst,  sich  selbst  aber  den 
Namen  der  Slowenzen  beilegt  ^).  Ob  das  alte  Karanta- 
nien  slawisch  gewesen,  darüber  sind  die  Meinu?igen  ver- 
schieden; so  viel  scheint  jedoch  gewiss  zu  seyn,  dass  die 
ersten  Ansiedelungen  der  Slawen  in  diesen  Gegenden  be- 
reits ins  V.  Jahrb.  nach  Chr.  fallen.  Als  nämlich  nach 
Attilas  Tode  die  Gepiden  Dacien,  die  Gothen  Pannonien, 
die  Sciren,  Satagaren  und  Alanen  Niedermösien  besetz- 
ten, überging  ein  Theil  derjenigen  Slawen,  die  zwischen 
der  Theiss  und  Ahita  ihre  Wohnsitze  aufgeschlagen  hat- 
ten, und  von  den  angränzenden  kriegerischen  Völkern 
gedrängt  sich  nicht  auszubreiten  vermochten,  nach  Steier- 
mark, Kärnten  und  Krain,  und  schlössen  sich  an  die 
schon  früher  in  Makedonien,    Thrakien,  Illyrien  u.  s.  w. 

1)  Die  zum  Citiren  so  bequeme  Beneunung  der  Winden  ist  nicht 
ganz  richtig.  Nur  die  Steirischen  und  Kärntischen  Slawen  werden  zum  Un- 
terschiede von  ihren  teutschen  Mitbürgern  Wiiiden  d.  i.  Slawen  genannt; 
(denn  We7ide,  Winde  ist  das  teutsche  Synonymen  für  Slaive:)  eben  dess- 
wegen  nennen  sich  die  Winden  selbst  Sloivenzi,  d.  i.  Leute  vom  slaw.  Volks- 
stamme. In  Krain  hingegen,  wo  das  ganze  Land  von  Slawen  bebaut  wird, 
fiel  dieser  Anlass  weg  ,  und  der  Specialname  Krainer ,  Krajnzi  gilt  aus- 
schliessend  seit  Mannsgedenicen.  Sprache,  Kleidung,  Lebensart  ist  die  näm- 
liche bei  den  Winden ,  wie  bei  den  Kraineru,  aber  nie  wird  der  Krainer 
Slowenz  im  speciellen  Sinne,  und  umgekehrt  der  Slowenz  nie  Krajnz  ge- 
nannt.   Kopitor's  Gramm.  Vorr.  S.  VL 


272 

aiit;elegteii  slawisclieii  Colonien  an.  Mit  dieser  Annahme 
stehen  die  späteren  Einwanderungen  der  Winden  bis  611 
und  ihre  successiven  Niederlassungen  an  der  Mur,  Sawe 
und  Drawe  niclit  im  Widerspruch  :  denn  es  ist  bekannt, 
dass  die  llebersiedehnigen  der  Slawen  in  neue  Gegenden 
nicht  auf  einmal  geschahen,  sondern  Colonien  auf  Colo- 
nien in  verschiedenen  Zwischenräumen  folgten.  Die 
Windischen  in  Kärnten  und  Steiermark  geriethen  sammt 
den  Krainern  schon  unter  Dagobert  629  mit  den  Fran- 
ken in  Streit,  und  naciilier  völlig  unter  ihre  Herrschaft. 
Zur  Zeit,  als  in  iMähren  das  grosse  slawische  Reich  ent- 
stand, scheint  auch  Kärnten  zu  ihm  gehört  zu  iuiben; 
von  der  andern  Seite  erstreck(e  sich  die  Herrschaft  der 
A waren  bis  in  diese  Länder;  allein  Karl  der  Grosse  be- 
setzte diese  Länder,  und  bald  nach  seinem  Tode  ent- 
stand die  Karantaner  Mark,  die  sich  über  Cilli  bis  zu 
der  Sawe  erstreckte.  Die  Markgrafen  waren  aus  verschie- 
denen Häusern;  bis  976  war  Kärnten  sogar  mit  Baiern 
vereinigt.  Später  führten  die  Markgrafen  den  herzogli- 
chen Titel,  und  Markward  machte  das  Herzogthum  1073 
in  seinem  Stamm  erblich,  der  aber  schon  1127  erlosch. 
Ks.  Rudolph  gab  1276  das  Land  dem  Grafen  Mainhard 
von  Tyrol;  nach  Erlöschen  seines  Stammes  fiel  es  Ocster- 
reich  zu  im  J.  1.3.35.  —  Steiermark  gehörte  anfangs  zu 
der  Karantaner  Mark;  der  erste  Markgraf  von  Steier- 
mark ist  Ottokar  I.  974.  Die  Mark  von  Untersteier  wur- 
de 1180  zum  Herzogthum  erhoben.  Nach  dem  Tode  Ot- 
tokars VI.,  der  1192  ohne  Erben  verstarb,  kam  die  Mark 
an  Oesterreich,  doch  mit  Beibehaltung  der  einheimischen 
Verfassung.  Nach  dem  Erlöschen  des  österreichischen 
Mannstainmes  beiriächtigte  sich  ihrer  Ottokar,  Kg.  von 
Böhmen,  der  aber  1276  von  Rudolph  von  Habsburg 
gänzlich  vertrieben  wurde.  Seitdem  verblieb  Steiermark 
bei  Oesterreich.  —  Das  alte  windische  Land,  oder  die 
Krainer  Mark,  hatte  zur  Zeit  der  Longobarden  u.  Fran- 
ken eigene  Fürsten.  Karl  der  Grosse  unterwarf  sich  auch 
dieses  Land,  »nid  gab  es  dem  Hzg.  von  FriauL  Später 
wurden  eigene  Markgrafen  ernannt,  die  ihren  Sitz  zu 
J\rainburg  hatten.  Mit  dieser  Mark  war  Istrien  «nid 
Friaul    häufig    verbunden,    allein  Krain  sonderle  sich  ab. 


273 

wurde  zcrstilckeh,  inul  fiel,  von  (lern  tapfern  Friedrich 
von  Oesterreicli  erobert,  naclilier  dem  Kndolph  von  Ilabs- 
bnra:  zn.  Im  .1.  13()4  wurde  Krain  ebenfalls  ein  llerzo^- 
tbnm.  In    den    neuesten    Zeiteii    erzwang;   Napoleon    im 

Pressbur^er  Frieden  die  Abtretung  von  krain,  dem  Vil- 
lacber  Kreis,  Friaul,  Istrien  und  Kroatien  südwärts  der 
Sawe,  und  \  erwandelte  diese  Districte  in  eine  eigene 
Provinz  seines  Reiebs,  der  er  den  alten  Namen  Illyrien 
jj^ab,  und  zu  der  er  noch  Dalmatien.  das  Littorale  und 
Theile  von  Tyrol  schlug^.  Nachdem  aber  Oesterreich 
1813  den  rechtmässisjen  Besitz  dieser  Länder  wieder  er- 
langte, trennte  es  Dalmatien  und  die  übrigen  Districte 
davon,  und  erhob  Kärnten,  Krain,  österreichisch  Friaid 
und  Trieste  unter  dem  Namen  Illyrien  zu  einem  unauf- 
löslich mit  seiner  Monarchie  verbundenen  Königreiche. 
Das  Hzgm.  Steiermark  verblieb  bei  seiner  vorigen  ßc- 
gränzung  und  Verfassung.  —  Die  Winden  dehnten  sich 
bereits  in  den  ältesten  Zeiten  ausserhalb  Steiermark, 
Kärnten  und  Krain  in  den  westlichen  Comitaten  Ungerns, 
vorzüglich  in  Szala  und  Eisenburg  (160  Ortscliaften), 
bis  an  die  Thore  Wiens  aus,  dessen  Wochenmärkte  sie 
besuchen.  Ungefehr  800,000  an  der  Zahl,  nämlich  300,000 
in  üntersteiermark,  100,000  in  Lnterkärnten  —  denn 
die  obern  Theile  dieser  Provinzen  sind  von  Teutschen 
besetzt  —  350,000  in  Krain  und  50,000  in  Ungern, 
sind  sie,  bis  auf  15,000  lutherische  in  Ungern,  sämmt- 
lich  der  katholischen  Religion  zugethan.  ^) 

-)  Em.  Frölich  specimen  Archontologiae  Carinthiae,  W.  758.  2  Bde. 
4.  —  (Anselm)  Gesch.  d.  Hzg.  Kärnten,  W.  781.  8.  —  ÜT.  Maliers  Gesch. 
von  Kärnten,  Cilly  785.  8.  —  M.  Hansitz  analecta  s.  collect,  pro  hist.  Ca- 
rinth.,  Nürnh.  79.S.  8.  —  A.  J.  Caesar  annal.  duc.  Styriae  768.  3  Bde.  fol. 
£b.  Staats-  und  Kirchengesch.  d.  Hzg.  Steiermark,  Grätz  786  —  88.  7  Bde. 
8.  —  J.  V.  Baumeisters  Vers.  e.  Staatsgesch.  von  Steierm.  W.  780.  8.  — 
J.  W.  Valvasor's  Ehre  d.  Hzg.  Krain,  herausg.  von  U.  Francisci.  Laib. 
689.  4.  fol.  —  A.  Linhart  Vers.  e.  Gesch.  von  Krain,  Laib.  788  —  9L  2  Bde. 
8.  —  J.  M.  Lichtensteryi  Handb.  d.  Geogr.  d.  österr.  Kaiserstaats,  W.  817  — 
18.  3  Bde.  8.  —  Eb.  allg.  Üebersicht  d.  Hzg.  Steiermark.  W.  799.  8.  —  A. 
J.  Caesar  Beschreibung  von  Steiermark, Gratz  773  —  86.  2  Bde.  8.  —  J.  K.  Kin- 
dermann hist.  u.  geogr.  Abriss  d.  Hzg.  Steierm.,  Grätz  779  —  80.  3  A.  787. 
8.  Eb.  Beiträge  zur  Yaterlandskunde  für  Inner-  österr.  Einw.,  Eh.  790.  2 
Bde.  8.  Eb.  Repert.  d.  Steierm.  Gesch.  Geogr.  Topogr.  Statist,  u.  IS'aturhist., 
Eb.  798.  8.  Eb.  A^aterl  Kalender  für  die  Steierm.  Eb.  799  -  800.  8.  —  H. 
G.  Hofs  hist.  stat.  topogr.  Gemälde  von  Krain  u.  Istrien,  Laib.  808.  2  Bde. 
8.  N.  A  Wien  3  Bde.  8.  —  Bieicald  d.  Hzg.  Krain,  mit  Görz  u.  Gradiska, 
Xürnb.  807.  —  J.  Rohrcr's  Abriss  d.  westl.  Provinzen  d.  österr.  Staates, 
Wien   804.  8.  —  Die  illvr.    Provinzen  u.  ihre    Bewohner,    W^.  812.  —  J.  A. 

18 


274 

§.  34. 

Charakter  der  windischen  Sprache. 

Die  windisclie  Spraciie  im  weitem  Sinne,  wie  sie  von 
den  Slowenzen  in  Unteriviirnten  und  Untersteiermark, 
ferner  in  den  westliclien  Gespanscliaften  Ungerns,  und 
von  den  Krajnzen  in  Krain  gesprochen  wird,  bildet  nur 
eine  IMimdart.  Allerdings  zerfällt  das  Windisclie  in  Krain 
in  zwei  Sprecliarten,  in  das  Ober-  und  Unterkrainische; 
aber  diese  können  h(3chslens  als  zwei  Varietäten  einer 
lind  derselben  Mundil rt,  und  keineswegs  als  zwei  ver- 
schiedene Species  gelten.  Die  initerkrainische  Varietät 
zeichnet  sich  durch  Verziehung  der  Wörter  und  durch 
eine  besondere  Abneigung  vor  dem  o  aus,  wofür  die 
Unterkrainer  meistens  n,  manchmal  auch  a.  je  nachdem 
das  o  sich  nämlich  in  der  guten  Aussprache  mehr  dem  // 
oder  dem  a  nähert,  sprechen,  als  Av/.s7,  slahüsif,  dabrü- 
fa,  si  vidil  inja  inafer,  psheniza  na  prndaj  pejlent,  st. 
ko'ff,  slahösf,  dolinJta,  si  vidil  inojo  niüfei\  jtshenizo  na 
prodaj  peleni ;  dagegen  liebt  der  Oberkrainer  das  o  wie- 
der zu  sehr,  und  räumt  ihm  sehr  oft  den  Platz  des  ?/ 
ein,  als  profi  sonzo,  kaj  nw  je,  st.  proli  sonza,  haj  niu 
je.  Laibach  ist  der  Sclieidepunct  der  beiden  Hauptva- 
rietäten, woselbst  aber  schon  unterkrainisch  gesprochen 
WMrd.  Die  windischen  Schriftsteller  mögen  geglaubt  ha- 
ben, die  Sprache  der  Hauptstadt  müsse  Schriftsprache 
seyn,  daher  in  den  windischen  Büchern  durchgängig  die 
unterkrainische  Varietät  herrschend  ist,  der  nur  in  ety- 
mologischer Hinsicht  der  Vorzug  vor  der  mehr  abge- 
schliffenen Oberkrainischen  gebühren  mag.  Die  windi- 
sche iMundart  in  der  engsten  Bedeutung,  nämlich  die 
in  Kärnten,  Steiermark  und  westlichen  Ungern,  ist  dem- 
nach nichts,  als  eine  Fortsetzung  der  krainischen,  und 
zw^ar  gehört  das  Windische  in  Kärnten  zum  Oberkraini- 
schen,   das    in    Untersteier  zum   Unterkrainischen.     Dass 


Demjan  stat.  Darstell,  d.  illyr.  Provinzen  (in  d.  europ.  Annalen  810,  St.  1.) 
—  i^.  JT.  Sarfori  Geogr. von  Steiermark,  Grätz  816.  8.  —  J.  M.  v.  Lichtenstern 
stat.  geogr.  Landesschematism.  d.  Hrz.  Steierm.,  Wien  818.  8.  —  B.  Hacquet 
phys.  poiit.  Reise  durch  d.  Jul  Karn.  ii.  s.  w.  Alpen,  Lpz.  785.  2  B.  8.  — 
{Rohrer)  Vers,  üb    d.  slaw.  Bewohner  d.  österr.  Monarch.,    W.  804.  2  B.  8. 


275 

aber  beson.lerc  Grammatiken  der  windischen  Sprache 
existircn,  kommt  daher,  weil  diese  Slawen  politisch  und 
hierarchisch  eine  zeitlaiiiij  in  andere  Wirknh^^skreise  ge- 
hörten, als  die  Krainer.  Nur  auf  jener  Classifications- 
stnfe,  anf  der  die  oberkrainische  Mnndart  von  der  nn- 
terkrainischen  zu  trennen  seyn  wird,  wird  man  auch 
anf  die  individnelleii  Nnancen  der  wendischen  Kiicksicht 
zn  nehmen  haben.  So  scheint  das  Windische  im  Sndosteii 
von  Steiermark,  auch  an  der  Uur  und  Raab,  den  Ue- 
bergang  vom  Krainischen  zum  Kroalisciien  zu  bilden.  — 
Das  Gebiet  des  windischen  Dialekts  wird  demnach  durch 
den  Isonzo,  die  obere  Drawc,  durch  Kroatien  und  das 
adrjatische  Meer  bpgriinzt.  *) 

§.  35. 

Schicksale   der  windischen   Sprache   und  Literatur. 

Üeber  den  Anfang  des  windisciien  Schriftwesens  waren 
die  Meinungen  der  slawischen  PhiJologen  lange  Zeit  ver- 
schieden. Ehedem  schien  es  ausgemacht,  dass  die  win- 
dische   Mundart    vor    der    Reformation   nicht  aufs  Papier 

*)  S.  Kopitar's  Gi-amm  Vorr.  XXXYl.  Xaclisclir.  S.  457.  Sprachbü- 
cher :  Grammatiken.  1.)  Von  Winden.  O.  Gid.smann  wind.  Sprach!  ,  Kla- 
genf.  777.  8.  Dieselbe  u.  d.  T.  Anleit.  z.  wind.  Spr.,  Cilly  786.  —  G.  Sellenko 
Slovenska  granim.,  Cilly  791.  8.  —  J-  L.  Schmigoz  theor.  prakt.  wind. 
Sprachl.,  Grätz  812.  —  Peter  Dainko  (Weltpriester,  Kaplan  in  der  Stadt- 
pfarre zu  Radkersbiirg)  Lehrbuch  der  windischen  S])rache.  ein  Versuch  zur 
gründlichen  Erlernung  derselben  für  Teutsche,  zur  vollkommeneren  Kennt- 
niss  für  Slowenen,  Grätz  824.  8.  iL)  Von  Krainern.  A  Bohorizh  ar- 
cticae  horulae  succisivae  de  latiuo-carniolana  litteratura.  Viteb.  084.  8.  — 
{P.  Hippolutifs?)  Gramm,  lat.-  germ.-  slavonica.  Lab.  71.5.  ö.  —  Grammatica 
od.  wind.  Sprachl.  Klagenf.  758.  8.  —  P.  Marcus  krainska  gramni.,  Laib. 
768.  8.  2  A.  783.  8.  —  B.  Kopitar^s  Gramm,  der  slaw.  Sprache  in  Krain. 
Kärnten  u.  Steierm.,  Laib.  808.  8.  —  V.  F.  de  Weissenthnrn  Saggio  gram- 
raaticale  Italiauo-Cragnolano,  Triest  811.  8.  —  F.  Vodnik  pismenost  ali 
gramm.  sa  perve  shole,  Laib.  811.  8.  —  Franz  Seraph.  Metelk-o  (Welt- 
priester, Professor  der  slawischen  Sprache  und  Literatur  am  k.  k.  Lyceum 
zu  Laibach)  Lehrgebäude  der  slowenischen  Sprache  im  Königreich  Illyrien 
und  in  den  benachbarten  Provinzen,  nach  dem  Lehrgebäude  der  böhmischeji 
Sprache  des  Herrn  Abbe  Dobrowsky  (lc25.) 

Wörterbücher :  L)  Von  Winden.  O.  Gutsmann  deutsch,  wind.  W.  B. 
Klagenf.  789.  4.  IL)  Von  Krainern.  H.  Megiseri  d;ctionarium  quatuor 
linguanim,  vid.  germ.  lat.  illyr.  (d.  i.  krainisch  od.  windisch)  et  itali- 
cae,  Graecii  592.  8.  N.  A.  Klagenf.  744.  8.  —  P.  Marcus  kl.  Wörterb.  ia 
drei  Sprachen  (krainisch-deutsch.-lat.)  Laibach  761.  4.  Dazu  d.  Supple- 
ment: Glossarium  slavicum,  Wien  792.  4. 

Ib* 


276 

gebracht  worden  sey.  Allein  spätere  Erfahrungen  zeigten 
zur  Genüge,  dass  der  Anfang  der  Schreibeknnst  bei  den 
Karantaner  -  Slawen  wo  nicht  in  die  vorkyrillisclie  Pe- 
riode, so  docli  in  diese  liinaufgerückt  werden  müsse. 
Diess  ist  durcli  die  Entdeckung  der  überaus  wichtigen 
windischen  Fragmente  in  Münclien  ausser  allen  Zweifel 
gesetzt  worden.  Hier  war  man  nämlich  so  glücklich,  in 
einer  alten  Handschrift,  die  Jahrhunderle  lang  im  Stifte 
Freisingen  anfbewahrt  war,  drei  kurze  slawische  Aufsä- 
tze aus  den  ältesten  Zeiten  im  windisch-krainischen  Dia- 
lekte zu  entdecken.  Im  neuen  Literar.  Anzeiger  1807. 
N.  12.  S.  190  findet  man  die  erste  Anzeige  dieser  Denk- 
mäler der  slawischen  Vorzeit.  Später  prüfte  Hr.  Do- 
browsky  die  Handschrift  an  Ort  und  Stelle,  und  berich- 
tete darüber  in  der  Slowanka  Th.  I.  S.  249  ff.  Seitdem 
beschäftigt  sich  Hr.  Kopitar  mit  einer  kunstgerechten  Er- 
klärung dieser  unschätzbaren  Denkmäler  seiner  Mutter- 
sprache. (Rec.  d.  Dobrowsk.  Gramm,  in  d.  Wien.  Jahrb. 
XVll.  Bd.)  Es  sind  drei  mit  lateinischen  Buchstaben  ge- 
schriebene windische  Anfsätze,  von  zwei  JMissionären, 
deren  jeder  seine  eigene  Orthographie  hat:  1.)  eine  of- 
fene Beichte,  die  die  Gemeinde  dem  Priester  nachzube- 
ten gleich  in  der  Ueberschrift  aufgefordert  wird ,  35 
Ouartzeilen;  2.)  eine  Homilie  von  dem  zweiten  Schrei- 
ber, 113  Zeilen  auf  7  Columnen  oder  3'/«  Ouartseiten : 
3.)  ebenfalls  vom  zweiten  Schreiber:  eine  andere  Beicht- 
formel, 74  Zeilen  auf  5  Columnen.  Das  Ganze  ist  ein 
Bruchstück  auf  neun  Ouartseiten  des  nordkarantanischen 
Yademecum  eines  Freisinger  iMissionärs,  sehr  wahrschein- 
lich in  erster  Abfassung  vorkyrillisch  —  im  J.  769  Hess 
sich  der  Abt  von  Scharnitz  in  Tyrol  die  Gegend  um  In- 
nichen  vom  Hzg.  Thassilo  schenken,  namentlich  um  die 
Slawen  zu  christianisiren,  und  auch  die  andern  Stiftun- 
gen im  Slawenlande  erhielt  Freisingen  vor  dem  J.  1000 
—  und  in  dem  Münchner  Codex  von  einer  Hand  des  X. 
Jahrb.  abgeschrieben.  Die  Orthographie  ist  sehr  ungleich, 
nnd  die  häufige  Verwechslung  des  h  mit  p  verräth  einen 
Schreiber,  der  kein  gcborner  Slawe  seyn  konnte  —  wie 
hätte  er  sonst  bnd  anstatt  pod,  bo  anstatt  po  schreiben 
können?    —    Der  Besitzer    dieser   Handschrift    war  allir 


277 

Wahrsclieinlichkeit  nach  ein  Geistlicher  ans  dem  Bisth. 
Freisingen,  der  sich  zn  seiner  Agenda  diese  Formeln  hei- 
schrieb, nm  nnter  den  Winden  in  Kärnten  nnd  Krain, 
oder  bei  den  bairischen  Slawen  seinem  Bernfe  gemäss 
davon  Gebrauch  zn  machen.  Demi  dass  Kärnten  in  den 
Jahren  772  —  976  grösstentheils  einerlei  Kegenten  mit 
Baiern  gehabt  iiabe,  ist  eine  geschichtlich  erwiesene 
Thatsache  ^).  Das  Licht  des  Christenthums  und  in  sei- 
nem Gefolge  die  erste  Morgenröthe  der  anfgehenden  Cnl- 
tur  kam  also  zn  den  südwestlichen  Donauslawen  zuerst 
über  Salzburg,  wahrscheinlich  schon  um  die  Mitte  des 
VIU.  Jahrb.,  aus  Teutschland  her^).  Allein  aus  diesem 
ganzen  Zeitraum  erhielt  sich,  ausser  den  schon  genann- 
ten Fragmenten  ,  weiter  Nichts  ,  was  uns  über  den  da- 
maligen Zustand  der  Sprache  dieser  Slawen  Aufschlüsse 
geben  könnte.  Um  das  J.  870  scheint  sich  Method, 
Erzb.  von  Mähren  und  Pannonien,  in  dem  Gebiete  des 
slawischen  Herzogs  Chocil  in  Pannonien  aufgehalten,  und 
die  slawische  Liturgie  sowol  hier,  als  in  Krain  u.  Kärn- 
ten eingeführt  zu  haben.  Allein,  schon  bei  Lebzeiten 
Methods  von  den  Salzburger  Erzbischöfen,  welche  die 
Verdrängung  der  lateinischen  und  Einführung  der  sla- 
wischen Liturgie  als  einen  Eingriff  in  ihre  Rechte  be- 
trachteten, mit  Unwillen  angesehen,  und  nach  seinem 
Tode  um  so  nachdrücklicher  bekämpft,  musste  sich  der 
slawische  Gottesdienst  bald  aus  diesen  Ländern  flüchten, 
ohne  bleibende  Spuren  seines  ehemaligen  Daseyns  hinter- 
lassen zn  haben.  Hrn.  Kopitars  Beweise  für  die  Karan- 
tanität  der  altslawischen  Kirchensprache,  die  auf  der 
Annahme  beruhen,  dass  Methods  Kirchensprengel  auch 
das  alte  Karantanien  innfasste,  haben  wir  bereits  oben 
§.  10.  angeführt.  —  Jahrhunderte  des  tiefsten  Schweigens 
folgen  auf  die  ohnehin  wenig  aufgehellte  Vorzeit.  Denn 
was  der  krainische  Geschichtschreiber  Linhart  von  dem 
Gebrauch  der  glagolitischen  Schrift  in  Krain  bis  ins  XVL 
Jahrh.    vorbringt ,    ist    unerheblich.       Seine    Behauptung 


')  Eigentlich  war  Käiiiten  nur  unter  Thassilo  von  772  —  788  Baiern 
■einverleibt.  Später  (863)  wurde  Karlmann,  Kg.  der  Baiern,  zugleich  Hzg 
V.  Kärnten,  letzteres  wurde  aber  immer  als  eine  selbständige  Provinz  betrachtet. 

*)  Anonymus  de  Conversione  Bojoariorum  et  Carantanorum,  in  den 
Scriptor.  bist.  Franc.  Par.  636.  T.  2.  und  öfters. 


27  8 

gründet  .sich  bloss  auf  zwei  von  allen  Büclierbänden  ab- 
gelöste, mit  glagolitischen  Charakleni  beschriebene  Per- 
ganientblätter,  die  nun  in  der  Baron  Zoisischen  Bücher- 
sanunlnng  sich  befinden.  Es  sind  Fragmente  eines  Mis- 
sals  oder  Breviers.  Die  Spraclie  darin  ist  nicht  krainisch, 
sondern  die  aller  slawischen  Missale,  die  sogenannte  Li- 
teral-  od.  Altslawische.  Eben  so  wenig  beweisend  ist  die 
von  Kumerdey  erwähnte  „verlässliche  Spur'",  dass  in 
der  Filialkirche  Lanzowo  in  Oberkrain  noch  unlängst  (1780) 
ein  mit  glagolitischen  Lettern  geschriebenes  Missal  vor- 
findig gewesen ;  oder  die  archivarisch  constatirte  Klage 
der  Plarrgemeinde  von  Kreuz  bei  Neumärktl  in  Ober- 
krain wider  den  sogenannten  Presbyter  Glagolita,  der 
dort  die  Messe  nach  einem  glagolitischen  Missal  las,  bis 
es  ihm  auf  diese  Klage  1617  vom  Laibacher  Bischof  Tho- 
mas (Krön)  eingestellt  wurde.  Wahrscheinlich  war  es 
ein  von  Istrien  oder  Kroatien  vertriebener  Pope,  der 
sich  durch  Messelesen  seinen  täglichen  Unterhalt  erwarb. 
Und  am  Ende,  was  kann  ein  im  Lande  vorgefinidenes 
glagolitisch  geschriebenes  literalslawisches  Missal,  und 
ein  Pope,  der  daraus  Messe  liest,  dafür  beweisen,  dass 
die  Krainer  auch  ihre  Landessprache  mit  glagolitischen 
Buchstaben  geschrieben  haben?  Die  Geschichte  berech- 
tigt uns  mit  keinem  Worte  zu  einer  solchen  Vermuthung» 
und  selbst  die  Worte  Georg  Dalmatins,  die  Linhart  miss- 
verstanden zu  haben  scheint,  sind  ihr  entgegen.  Die 
windische  Spraclie,  sagt  er,  wie  sie  in  diesen  Landen 
(Kärnten,  Steiermark  und  Krain)  gebräuchlich,  ist  erst 
vor  dreissig  Jahren  (Trüber  halte  dreissig  .lahre  vor 
Bohorizh  angefangen)  nicht  geschrieben  oder  aufs  Papier 
gebracht  worden.  Noch  bestimmter  ist  eine  Stelle  aus 
Trubers  Vorr.  zur  2  Aufl.  s.  übers.  N.  T.  Tübing.  1582. 
„Vor  34  Jahren  war  kein  Brief  oder  Register,  viel  we- 
niger ein  Buch  in  unserer  windischen  Sprache  zu  finden; 
man  meinte,  die  vvindische  und  ungrische  Sprache  seyen 
so  grob  und  barbarisch,  dass  man  sie  weder  schreiben 
noch  lesen  könnte.*'  ^) 


')  Kopitars  Gramm.    Vorr.   S.    XXXIIT.  Dieses  Meinen,  sagt  Hr.  Ko- 

Sitar  a.  a.  ü.,    wird    begreiflich,    wenn  man  bedenkt,  dass  die  Teutschen  im 
^VI.  Jahrb.  noch   viel    weniger  als  jetzt,    aus  grammatischen  Gründen  ihre 


279 

Zur  Zeit  der  Kefbrmatioii  also  war  seit  Kyrill  und 
Method  der  windische  Dialekt  zuerst  geschrieben  und  ge- 
druckt. Die  neue  Lehre,  sagt  Hr.  Kopitar,  fand  bei  un- 
gern Herren,  wie  bei  ihren  Brüdern  in  deui  übrigen 
TeuLschlande  willkoiiunene  Aufnahme  und  eifrige  Beför- 
derung. Ums  .1.  1550  versuchte  es  der  Doiidierr  Primus 
Trüber  das  Krainische  mit  lateinischen  Buchstaben  nach 
der  teutschen  Aussprache  derselben  zu  schreiben  ;  denn 
die  Leser,  für  die  Trüber  schrieb,  die  Geistlichen  näm- 
lich, denen  er  zur  Verbreitung  der  Reformation  in  die 
Hände  arbeiten  wollte,  kannten  keine  andern.  Trüber 
überliess  es,  wie  es  die  Teutschen  noch  jetzt  mit  dem  s 
am  Anfang  der  Wörter  thun,  z.  ß.  sieben  cribrare  und 
sieben  septem,  der  Entscheidung  des  Lesers,  wann  das 
*,  und  so  auch  das  combinirte  sh  scharf,  und  wann  lind 
auszusprechen  sey;  er  gebrauchte  keine  Accente,  zeigte 
auch  das,  den  Slawen  mit  den  Franzosen  und  Italienern 
gemeine  mouillirte  //  und  /  nie  in  der  Schrlit  an,  gab 
den  Substantiven  Artikel  ,  und  germanisirte  überhaupt 
stark.  Trubers  Mängel  blieben  auch  nicht  unbemerkt; 
in  der  Bar.  Zoisischen  Bibliothek  befindet  sich  eine  Ue- 
bersetzung  von  Spangenbergs  Postille,  gedruckt  zu  Lai- 
bach 1578.  4.,  wahrscheiidich  von  Dalmatin.  In  diesem 
Werk  herrsciit  erstens  eine  bessere  Orthographie  (das 
3,  x,  c  und  lu  des  slawischen  Alphabets ,  so  wie  das 
mouillirte  /  imd  n  schon  angedeutet),  und  zweitens  eine 
den  südslawischen  Dialekten  sich  nähernde  Sprache,  die 
der  Autor  pruvi  sloceuski  jesik  nennt,  zum  Beweise, 
dass  er  mit  Trubers  zu  örtlicher  »nid  aus  individuellen 
Ursachen  germanisirender  Diction  nicht  zufrieden  war. 
Der  Vf.  macht  alle  Neutra,  die  Trüber  in  u  machte,  in 
0,  wie  sie  auch  wirklich  in  Oberkrain  und  bei  allen  an- 
dern Slaw  en  in  o  gebildet  werden  ;  er  ist  an  in-  und 
extensiver  Sprachkenntriiss  Trubern  weit  überlegen.  Trü- 
ber   schrieb    „zur    Beförderung    seiner  Lehre",  Dalmatin 

eigene  Sprache  so  od.  so  schrieben ;  sondern  nur  auf  Gerathewol,  und  wie 
sie  sich  erinnerten,  es  so  od.  so  einer  beim  andern  gelesen  zu  haben:  kein 
Wunder,  dass  sie  weder  aus  noch  ein  wussten,  um  eine  noch  nie  geschrie- 
bene Sprache  zu  schreiben,  wobei  also  Niemanden  nachgeschlendert,  son- 
dern ein  wenig  selbst  gedacht  werden  musste.  Der  h.  Kyrill  meiute  in  der 
nämlichen  Sache  ganz  anders,  als  die  Teutschen. 


280 

aber  auch  zur  ,,Aiifnclimnng  der  Spraclie  selbst'^;  daher 
in  erwähnter  Postille  mehrere  Wörter  und  Sprachfornien 
vorkommen,  die  sich  weder  bei  Trüber,  nocb  in  der 
Bibel  1584,  wol  aber  in  der  altslawischen  Kirchenspra- 
che finden;  während  Trüber  ,, schlechthin  bei  der  gemei- 
nen windischen  Spraclie,  wie  man  sie  auf  der  Kashiza 
redet,  bleiben,  und  ungevvüiinliche  kroatische  Wörter 
weder  asitnehmen  noch  selbst  bilden  wollte."  ^) 

Da  Trubers  und  Dalmatins  literarische  Thätigkeit 
in  das  Wesen  der  geistigen  Cultur  und  die  Spraclibildung 
nicht  nur  des  windischen,  sondern  auch  des  kroalischen 
und  dalmatischen  Slawenstammes  um  diese  Zeit  tief  ein- 
griff, so  wird  es  nicht  unzweckmässig  seyn,  einige  Data 
aus  der  Geschichte  dieser  Mäiuier  und  ihrer  Gehilfen  an- 
zuführen. Pr.  Triiher  ward  1508  auf  der  Kastschitz,  ei- 
nem Auerspergi.scheu  Dorfe  ,  unter  Laibach  ,  geboren, 
zu  Salzburg  und  Wien  gebildet,  von  Bonomo,  Bischof 
von  Triest,  beschützt,  Pfarrer  zu  Lack  bei  Katschach, 
1531  Doinherr  zu  Laibach,  inid  dann  zu  Triest,  1547 
vom  Bischof  Texlor  zu  Triest  vertrieben,  1548  Predi- 
ger zu  Kotenburg  an  der  Tauber,  1552  Prediger  zu 
Kempten:  der  slawische  Kyrillus  iuid  Methodius  neuerer 
Zeiten.  Er  liess  zuerst  allein  mehrere  Büchlein  in  der 
windischen  Sprache,  mit  lateinisciien  Buchstaben,  seit 
deiii  J.  1550  zu  Tübingen  drucken.  Bald  darauf  verband 
er  sich  mit  Vergerius.  Pet.  Paul  Veri/enns,  ehemaliger 
Bischof  von  Capo  d'lstria  ,  llüchtete  aus  Italien  nach 
Bündten  1549,  wo  er  die  Keformation  ausbreitete.  Im 
J.  1554  im  Novemb.  kam  er  nach  WiUeuberg,  kund- 
schaftete Trubern  aus,  und  bewirkte  durch  seinen  per- 
sönlichen Credit  einen  neuen  Schwung  der  windischen 
IJeberselzungsanstalt.  Noch  vor  Ende  1555  erschien  das 
erste  Evangelium  Matthaei.  Hierauf  folgte  das  ganze  N. 
Testament  in  2  Theilen  1557.  Die  Lebersetzung  selbst 
war,  da  Trüber  der  griechischen  Sprache  nicht  kundig 
war,  nach  lateinischen,  teutschen  und  wälschen  Ueber- 
Setzungen  gemacht.  Die  Vorr.  des  2.  Th.  ist  an  den  Kg. 
Maximilian  gerichtet.  Noch  während  des  Drucks  des  2. 
Th.  zerfielen  Trüber  und  Vergerius,   wahrscheinlich  we- 


*)  Kopitar  a.  a.  0. 


281 

geu  der  Eitelkeit  des  letztem,  der  sich  das  Verdienst 
von  allem  anmassen  wollte,  während  Triiher  alle  Muhe 
hatte.  Vergerius  verläuindete  sogar  Truheni  hei  den 
Kärntnern  nnd  Krainern,  als  ob  seine  bisherigen  Werke 
nicht  im  Sinne  der  Angsb.  Confession,  sondern  schwär- 
merisch geschrieben  wären.  Hingegen  Hess  Trüber  1560-61 
eine  Apologie  drucken.  Aber  bald  darauf  fand  Trü- 
ber einen  Aläcen  und  Unterstützer  an  Hans  l^ngnad,  »nid 
wurde  in  Stand  gesetzt,  seine  Unternehmung  auch  auf 
den  dalmatiscii  -  kroatischen  Dialekt  und  auf  kyrillische 
und  glagolitische  Schriftzüge  auszudehnen.  Hans  ingudd., 
Freiherr  von  Sonnegg,  der  sich  nun  der  Sache  mit  En- 
thusiasmus seit  August  1560  aiuiahm,  war  Landeshaupt- 
mann in  Steier,  hatte  gegen  die  Türken  1532  bei  Linz, 
1537  in  Ungern  gefochten,  als  oberster  Feldhauptmann 
vom  heutigen  linier  -  Oesterreich  1542  wider  die  Tür- 
ken gedient,  musste  jedoch  wegen  seiner  Aidiänglichkeit 
an  die  evangelische  Keligion  1554  nach  Sachsen  auswan- 
dern, woselbst  er  eine  junge  Gräfin  Barbi  ehelichte, 
und  sich  1557  zu  Urach  im  Wirtembergschen  niederliess. 
Für  die  Dalmatiner  und  Kroaten  sollte  nun  nach  Tru- 
bers  Uebersetzung  eine  ähnliche  ausgefertigt  werden,  mit 
glagolitischen  Typen;  und  hiezu  ward  ausersehen  Stepli. 
Consul,  aus  Pinguent  in  Histerreich  gebürtig,  der  eben 
auch  wegen  der  evangelischen  Religion  vertrieben  war, 
und  sich  in  Regensburg  mit  Schul  halten  ernährte.  Die 
glagolitische  Schrift  war  1560  zu  Nürnberg  gestochen 
und  gegossen,  und  kam  zuerst  nach  Tübingen.  Anfang 
1561  ward  auch  Antoniiis  ab  yilexandro  Dalmafa,  des- 
sen übrige  Schicksale  man  nicht  kennt,  aus  Laibach  be- 
rufen, und  (von  demselben  Meister)  zu  Urach  eine  ky- 
rillische Schrift  gegossen  1561.  Trüber  ward  1561  Pfar- 
rer zu  Urach,  und  zugleich  bestellter  Prediger  der  Land- 
schaft Krain.  Er  reiste  auch  auf  einige  Zeit  nach  Krain, 
und  brachte  zwei  uskokischc  griechische  Priester  mit, 
Matth.  Popovicli  und  Joh.  Malesclievac,  angeblich  aus 
Serbien  und  Bosnien  gebürtig,  auch  ward  Georg  Jurit- 
schitsch  verschrieben  aus  Krain,  und  alle  diese  waren 
Gehilfen  zum  Transferiren,  Conferiren,  Corrigiren.  Im 
J.  1562    ging   Trüber    nach  Laibach,    blieb   aber  in  Ver- 


282 

binduiig  mit  der  Anstalt  zu  Urach,  welche  der  Freiherr 
von  Ungnad  tlieils  ans  eigenem  Beutel,  theils  durcii  Bei- 
träge der  Fürsten  und  Reichsstädte  unterhielt,  weil  der 
Absatz  der  glagolitischen  und  kyrillischen  Bücher,  zumal 
bei  dem  ersten  Anfang,  nicht  stark  seyn,  und  die  Mühe 
keineswegs  lohnen  konnte.  Der  Kg.  Maximilian  selbst 
gab  1501.  400  11.  dazu  her,  „weil  das  christlichlöbliche 
Werk  zum  zeitlichen  und  ewigen  Wol  der  armen  un- 
wissenden diene",  unter  seinem  Schulz  ward  der  Absatz 
dieser  Bücher  betrieben,  15Ö3  wendete  er  die  Confisca- 
tion  derselben  in  Wien  ab.  Manche  kroatische  Bücher 
wurden  mit  lateinischer  Schrift  gedruckt;  auch  fuhr  Trü- 
ber fort,  im  windisch  -  krainischen  Dialekt  mit  lateini- 
scher Schrift  Postillen ,  Kirchenordnung,  Augsb.  Conf. 
u.  s.  w.  drucken  zu  lassen.  Da  Kg.  Maximilian  15Ö4  zur 
Regirung  kam  ,  schien  dem  Absatz  mehrere  Erleichterung 
bevorzusteiien,  und  man  dachte  schon  an  den  Abdruck 
grösserer  Werke,  z.  B.  der  ganzen  Bibel,  der  Hauspo- 
stille von  Dr.  Luther.  Am  Esuias  arbeitete  Leonhard 
Merclierich  aus  Dalmatien,  der  zu  Tübingen  studirte; 
man  suchte  nändich  auch  andere  Mitarbeiter,  da  Tndjer 
mit  der  Sprachkunde  des  Steph.  Consul  nach  dem  zu 
Laibach  eingeiiolten  Urtheile  der  Sprachkenner  nicht 
ganz  zufrieden  war.  Doch  schon  1564  im  Decemb.  starb 
Ungnad  zu  Winteritz  in  Böhmen  auf  einer  Reise.  Seine 
Frau  folgte  ihm  1505.  Anton  und  Stephan  begaben  sich 
1506  von  Urach  weg.  Der  Verlag  der  Bücher,  der  ins 
Oesterreichische  gebracht  winde,  ward  1591  unter  Ks. 
Rudolph  zu  Neustadt  an-  und  aufgehalten,  und  stand 
daselbst  lange  in  Fässern  eingeschlagen.  Trüber  selbst, 
auf  Befehl  des  Erzherzogs  Karl  aus  Krain  1504  vertrie- 
ben, ward  Pfarrer  in  Laufen  am  Neckar,  Hess  1500  ei- 
nen windischen  Psalter  in  Tübingen  drucken,  ward  Pfar- 
rer in  Derendingen,  arbeitete  an  einer  windischen  Ue- 
bersetzung  von  Luthers  Hauspostille,  und  starb  den  28. 
Juni  1580  im  78  Jahre  seines  verdienstvollen  Lebens. 
Nach  der  entscheidenden  Schlacht  bei  Nördlingen  kam 
Wirtemberg  in  die  Hände  der  Oesterreicher.  Wahrschein- 
lich Hessen  die  Väter  der  Gesellschaft  Jesu  die  Urachi- 
schen   Typen    nach    den    k.    k.    Erblanden    bringen.  Wo 


28!^ 

sie  seitdem  liiiigekominen,  ist  iinbekaiint;  denn  die  vom 
Ks.  Ferdinand  II.  der  l*ro|}aganda  geschenkten  scheinen 
andere  gewesen  zu  seyn.  •') 

80  gab  es  gleich  anfänglich  zweierlei  Schreibsysteme 
des  Wiudischen  -  Trüber  war  ein  IJnterkrainer,  Dal- 
matin  Prediger  in  Oberkrain  -  daher  fand  es  um  das  J. 
1580  bei  der  Auflage  des  ganzen  Bibel werks  in  Witten- 
berg der  liiezu  von  den  Ständen  abgeordnete  Ausschuss 
vor  allem  iiölhig,  eine  bestimmte  Orthographie  festzuse- 
tzen. Diess  führte  auf  grammatische  Betrachtungen,  und 
veranlasste  die  erste  wiiidisciie  Grammatik.  Ihr  Vf.  war 
der  damalige  Schulrec(or  in  Laibach,  ^t/^/.  Bohorizh.  Sie 
erschien  zu  Wittenberg  1584.  8.  Ihm  und  seinen  Freun- 
den hat  es  die  windische  Sprache  zu  danken,  dass  sie 
gleich  bei  ihrer  ersten  Erscheiinnig  jene  grammatische 
Correcliieit  und  Conseqiienz  mitbrachte,  welche  andere 
Sprachen  erst  nach  und  nach,  nach  vielem  Modeln  und 
Aendern  —  nicht  erreichen.  Aufl'allend  ist  es,  dass  die 
krainische  Sprache  seit  Bohorizlfs  Zeiten  sich  gar  Nichts 
verändert  hat.  Bohorizh  nahm  von  Daliiiatin  die  Elemen- 
tarorthographie an,  behielt  aber  Trubers  Neutra  in  ?/, 
und  gebrauchte  Tonzeichen.  iMit  Anfang  des  XVll.  Jahrh. 
griß"  der  energische  Erzhzg.  Ferdinand,  der  später  Kai- 
ser w^ard,  die  bisher  nur  langsam  und  gleichsam  nur  als 
Neckerei  betriebene  Gegenreformation  mit  entschlossenem 
Ernste  an:  vor  allem  entfernte  man  die  Prediger,  dann 
musste  ferner  den  Wanderstab  nehmen,  wer  immer  nicht 
wieder  katholisch  werden  wollte.  Alle  Bücher  der  Pro- 
testanten ohne  Ausnahme  ,  soviel  man  deren  habhaft 
werden  konnte,  wurden  confiscirt.  Der  Ständische  Bü- 
chervorrath  auf  dem  Landhause  ward  iWw  eben  einge- 
führten Jesuiten  überlassen;  was  diese  nicht  auf  der  Stelle 
den  Flammen  opferten,  ging  1774  bei  der  grossen  Feu- 
ersbrunst sammt  ihrem  Collegialgebäude  in  Kauch  auf. 
Man  weiss  gegenwärtig  nur  um  Z  Exx.  von  Bohorizh's 
Grammatik    in    ganz    Krain.  Im  J.   1612  Hess  der  Laiba- 

*)  -S.  Scknia-rer's  slaw.  Bi'icherdruck  in  Wirteinberg  im  XVf.  Jahrb., 
Tüb.  799.  8.  Auszüge  daiaus  lieferten  Hr.  Dol/roivf^kt}  (Slawin  S.  87.  97. 
ICO.  113.  129  tt'.  241  —  -264)  und  Hr.  Kopitar  (Gramm.'^Nachschr.  S.  385  — 
457).  Hr.  Kopitar  bat  die  windiscben  Drucke  aus  dieser  Periode  am  ge- 
nauesten verzeicbnet. 


284 

eher  Bischof  Thomas  (Krön),  ein  eifriger  Gegenrefor- 
inator,  dessen  Wahlspruch  war:  terret  labor ,  aspiee 
praemiinii,  für  die  Slawen  in  Inner-Oesterreich  die  sonn- 
nnd  festtäglichen  Evangelien  und  Episteln  in  Grätz  ab- 
drucken; denn  die  ßuchdruckerei  in  Laibacli  war  ver- 
tilgt worden.  In  diesem  Werkchen  ist  ßohorizlis  Gram- 
matik strenge  befolgt,  und  sogar  einige  teutsche  Wörter 
des  Georg  Dalmatiusclien  Textes  durch  gangbare  echt 
krainisclie  ersetzt  worden.  Ein  Jahrli.  beinahe  war  seit 
der  Vertreibung  der  Protestanten  verflosseii,  ehe  wie- 
der etwas  für  die  krainische  Sprache  gescliah.  Am  Schlüsse 
des  XVII.  Jahrii.  hatten  sich  einige  gelehrte  Krainer  zu 
einer  Akademie,  nach  Art  der  italienischen,  vereinigt; 
auf  Schönlebens  Betrieb  war  schon  fndier  der  Buchdru- 
cker Job.  ßapt.  Mayr  von  Salzburg  nach  Laibach  beru- 
fen worden.  Um  diese  Zeit  gab  sich  ein  Kapuciner,  P. 
Jh'/jfjo/ijfffs  von  Neustadtl  in  Unterkrain,  mit  der  win- 
disch-krainischen  Sprache  viel  ab;  er  liess  1715  zu  Lai- 
bach seine  ,,latei[iisch-tcutscli-slawische  (d.  i.  windi- 
sche) Grammatik''  drucken.  P.  Ilippolytus  epitomirte 
den  ßoliorizh  wörtlich,  sogar  die  Vorrede,  an  deren 
Ende  der  Buchdrucker  Mayr  unterschrieben  ist.  Wahr- 
scheinlich nannte  der  Pater  ihn  nicht  mit  Namen  irivi- 
diae  vitandae  causa.  Es  befindet  sich  auch  ein  vollstän- 
diges lateinisch  -  teutsch  -  krainisches  Wörterbuch  von 
diesem  P.  Hippolytus  handschriftlich  in  der  Baron  Zoi- 
sischen  Saiiunlung.  Auch  diese  2te  Aullage  von  Bohorizh  j 
—  so  kami  man  des  P.  Hippolytus  Grammatik  nennen  —  | 
ward  sehr  bald  vergessen,  so  dass  ungefehr  fünfzig  Jahre 
darauf  der  Augustinermönch  P.  Marcus  (^Pochhn). 
geboren  in  einer  Vorstadt  von  Laibach,  es  glaubte  wa- 
gen zu  können,  den  Bohorizh  und  seinen  Epitomator 
gänzlich  zu  ignoriren,  und  sich  für  den  ersten  kraini- 
schen  Graiiniiatiker  auszugeben.  Wol  sieht  sein  Werk 
wie  ein  erster  roher  Versuch  aus,  ohne  Spur  einer  Be- 
kanntschaft mit  den  benachbarten  Dialekten,  ohne  Spur 
von  philosophisch-grammatischem  Geist!  P.  iMarcus  suchte 
zu  verderben,  was  bereits  gut  gemacht  war,  und  um 
alles  vor  ihm  gedruckte  unlesbar  zu  machen,  änderte  er 
nicht    nur  ohne  alle    Noth,    sondern  olFenbar  zum  Nach- 


285 

tlieil     der   Sprticlio  im  Vergleich   gejj^eii  beiiaclibarte  Dia- 
lekte,   isovvül    die    Elementar-    als  die  Grammatikalortlio- 
i>ra|)liie.    Und   doch  erlebte  seine  Grammatik  zwei  Aiilla- 
^eii,    die  beide  vert;riirei)  sind:  ein  Beweis  des  drinj^en- 
den  Bedürfnisses  eines  solchen  Werks.  Die  Sachverstän- 
dig;en  ärij;erten   sich  im  Stillen  über  das  Schisma;  ein  Je- 
suite,  der  1770  in  Klagenfnrt  ein  asketisches  Büc!)elchen  : 
Christianslie  resnize,  im  windischen  Dialekte  herausgab, 
erklärte    sich    öffentlich    gegen  des  P.  Marens  grundlose 
Neuerungen.   Der  kärntnische  iMissionär  Gufsjna/ni^illl)^ 
der    zwar    wein'g,    aber    doch  nichts  falsches  sagt,    und 
der    Üntersteirer    Sellenko    (1701).  der  unter  aller  Kri- 
tik ist,  haben  windische  Grammatiken  geschrieben.   Noch 
haben    sich    zwei  geschickte  JMänner  mit  der  Grammatik 
dieses    Dialekts    beschäftigt.     Der  eine  ist  der  gründlich 
gelehrte  Ciilejer    Po/wvic/i,    Vf  der  Untersuchungen  vom 
Meere,    ein  Enthusiast  fürs  Slawische,  so  wie  überhaupt 
für   jeden    Zweig    des    Wissens,    der  einmal  schon  nahe 
daran    war,    den    Wunsch  seines  Lebens  ,,in  demjenigen 
Strich    von    Europa,    der    von    Oesterreich  aus,    auf  der 
einen  Seite  bis  zum  euxinischen  See,  auf  der  andern  bis 
zum  adriatischen  Meerbusen  reicht,  der  slawischen  Spra- 
che und  Geschichte  wegen  nach  seiner  Willkühr  herum- 
zureisen*'  in  Erfüllung    gehen  zu  sehen.     Sein  Vorhaben 
wurde    durch  die  Indolenz  und  Gleichgültigkeit  der  Zeit- 
genossen  vereitelt.     Popovich's   Antrag,  und  zugleich  die 
Beglaubigung    seiner    hohen   Fähigkeit   zu  einem  solchen 
Unternehmen,  steht  in  seinen  Untersuchungen  vom  Meere; 
aber    es    fand    sich  Niemand,    der  ihn  unterstützt  hätte : 
Popovich  war  arm.  Er  starb  als  Professor  der  feiitschen 
Sprache    in    Wien    1763.    Prof    Vodnik    besitzt   einzelne 
Bruchstücke     von     Popovich's     grammatischen    Arbeiten, 
woraus    man    ersieht,    dass    er    für    die  eigenthümlichen 
Töne  der  windischen  Sprache  auch  eigene  Schriftzeichen 
angenommen    habe,    und    zwar    noch    mehrere    und    zum 
Theil  andere  als  Kyrill.   Der  andere  Mann  ist  Kumerdey, 
dessen    krainisch-sla wische  Grammatik    schon  Linhart  in 
s.  Geschichte  von  Krain   angekündigt   hatte.  Seine  Arbeit 
befindet    sich    in    der    Baron    Zoisischen  Sammlung,  und 
ist  gewissermassen  vollendet,    auf  234  Bog.  halbbrüchig 


28Ö 

geschrieben;  aber  freilich  nicht  das,  was  sie  nach  des 
Vf.  Plan  seyn  sfillle  ;  überdiess  felilt  ihr  die  letzte  Hand 
des  Aiiclors.  Die  krainische  Grammatik  ist  der  Text, 
nnd  nebenher  werden  alle  übriü;en  slawischen  iMnndar- 
ien  verglichen.  Also  eine  vergleichende  slawische  Gram- 
matik, wie  sie  schon  der  böhmische  Piarist  Schimek 
liefern  wollte,  aber  bis  jetzt  noch  Niemand  geliefert 
hat.  ^)  Audi  Gfiorg  Japel,  der  eigentliche  Urheber  der 
nenern  krainischen  Bibelübersetzung,  arbeitete  an  einer 
krainischen  Grammatik,  als  er  1807,  eben  als  der  Druck 
seines  Werks  beginnen  wollte,  von  einem  Schlagllusse 
gerührt  starb  ^).  —  Die  Grammatik  der  slawischen  Spra- 
che in  Rrain,  Kärnten  und  Steiermark  vom  Hrn.  kais. 
Hofbibliothekscustos  Kopifar  (Laibach  1808),  diesem  um 
das  gesammte  slawische  Sprachstudium  so  hochverdien- 
ten, verehrten  Forscher,  macht  in  der  krainischen  Lite- 
ratur Epoche,  und  P.  Marcus  willkührliche  Neuerungen 
werden  bald  vergessen  werden.  —  Die  Grammatik  des 
Jesuiten  Vincenz  F.  v.  Weissfiuthurn,  (Triest  1811) 
ist  ganz  nach  Kopilars  Sprachlehre  bearbeitet.  In  dem- 
selben Jahr  gab  auch  Hr.  Valenf.  Vodnik,  Schidaufse- 
her  zu  Laibach,  bekannt  durch  die  Ankündigung  seines 
teutsch  -  krainischen  Wörterbuchs ,  durch  seine  Pesme 
sa  pokushino  (1806),  durch  die  Landwehrlieder  (1808) 
und  manche  Uebersetzung ,  s.  Pismenost  heraus.  Ein 
Jahr  darauf  erschien  die  Grammatik  des  Hrn.  /.  L. 
Schtm'goz,  die  sehr  brauchbar  ist.  Noch  ist  Hr.  Debevz 
zu  nennen,  Beneficiat  und  Katechet  an  der  Mädchen- 
schule bei  den  Ursulinerinnen  ,  der  es  1 790  unternom- 
men, den  angehenden  Priestern  Vorlesungen  über  die 
Grammatik  der  Sprache  zu  geben,  die  sie  in  ihrem  Be- 
rufe alle  Tage  sprechen,  und  also  doch  auch  gramma- 
tisch versteilen  müssen.  Leider  wurde  diese  schöne  An- 
stalt (parvae  spes  altera  Krajnae)  durch  die  feindliche 
Invasion  gestört.  —  Die  neuesten  windischen  Sprach- 
bücher sind  die  Grammatiken  von  den  Hrn.  Pet.  Dainko 
und   Franz    Sfraph.    Mefelko.   —  Das  wichtigste    Werk 


•)  Dobrowskys  Slawin  S.  386. 

»)  Kopitars  Grammatik  Vorn  S.  XXXVII-XLVIII. 


287 

in  der  iienerii  kritiniscljcn  IJteratiir  isJ  imslroiliji;  die 
kadiolisclic  Uebersciziing  der  Bibel  nach  der  Vidgata, 
die    in    den    .1.   17!)I  800  in  9  Bdeii.,    und  zwar  das 

N.  Testament  ancli  besonders,  zuerst  1784  —  80,  dann 
1800  —  04  in  2  Bden..  zu  Laibaeb  zu  Stande  kam.  Mit- 
arbeiter an  diesem  Werke  waren:  der  entbnsiastiscb- 
fleissij^e  Slawist  Gcorij  Japel,  Blasius  Kuinerdc}},  Jos. 
Richter,  Mo  de  st  ns  Schrey,  Jut.  Traun,  Jos.  Schlirhier 
und  Mdffh.  Wolf.  Diese  neuem  Bibelübersetzer  biel- 
ten  sicli  im  W  esentlicben  gar  niclit  an  P.  Marcus,  son- 
dern au  den  alten  Scbüler  Melancbtbons.  Aucb  an  an- 
dern Unterrichts-  und  Unterbaltungsbüchern  fehlt  es 
der  neuern  windisclien  Literatur  nicht;  und  die  vor 
einigen  Jahren  in  Laibacli  errichtete  slawische  Katheder 
verspriclit  dem  Studium  der  Landessprache  neues  Leben 
und  eine  bessere  Zukunft. 

Die  Winden  in  dem  westlichen  Theil  des  Eisenbur- 
ger und  Szalader  Comitats  in  Ungern,  von  den  inländi- 
schen Schriftstellern  mit  Unrecht  Vandalen  genannt  — 
denn  sie  selbst  nennen  sich  Slowene.,  Slowenci  —  stehen 
mit  den  westlichen  Sloiraken  in  Bertdirung,  wodurch  die 
Donau  zwischen  Pressburg  und  Komorn  die  Scheidelinie 
und  zugleich  der  Berührungspunct  der  zwei  slawischen 
Hauptäste  ,  der  Ordnungen  A  und  ß  wird  ^).  Die  pro- 
testantischen Winden  erhalten  von  Zeit  zu  Zeit  Gebet-, 
Gesang-  und  Lesebücher,  freilich  mit  abweichender,  nach 
der  ungrischen  gemodelten  Rechtschreibung  ^j.  Das  N. 
Testament   übersetzte    für   dieselben  Stepli.  Kuznics,  hi- 

8)  Es  ist  bemerkenswerth,  dass  während  alle  übrigen  Slawenstämme 
ihren  ursprünglichen  Volksnanien  im  Leben  verloren,  und  Specialnamen 
(Russen,  Polen,  Schlesier,  Cechen,  Mähren,  Sorben^  Serben,  Moriachen, 
Ornofiorcen,  Bulgaren  u.  s.  w.)  angenommen,  ja  die  meisten  derselben  so- 
gar in  der  Schrift  den  Namen  Sloioene  in  Slawene  (gleich  den  Auslän- 
dern) umgestempeit  haben,  die  zwei  sich  nn  der  Donau  berührenden  Stäm- 
me, der  Stamm  der  Slowenzen  und  der  Stamm  der  Slowaken,  diesen 
Volksnamen  bis  auf  den  heutigen  Tag  rein  erhalten  haben. 

")  „Sunt  complures  de  Vendica  gente  —  Vandaticam  perperam  ap- 
pellant  —  caetus  Evangelici  A.  C.  in  Com.  Castriferrei,  Sümeghiensi  et 
Szaladiensi.  Dialectus.  qua  loquuntur,  slavica  est,  inter  Carinthiacam  et 
Croaticam  media;  litteras  autem  cum  Croatis  et  aliis  nonnullis  populis  sla- 
vicis  ac  orthographiam  adhibent  hungaricam."  Ambrosii  Annal,  eccles.  795. 
T.  II.  62. 


288 

therischer  Prediger  zu  Snrd  im  Sonieger  Comitate,  Halle 
1771.  8.,  mit  einer  Vorrede  von  Jos.  Torkos,  Prediger 
in  Oedenbiirg,  welclies  seit  dem  öfters  (von  der  Bibel- 
gesellscliaft  in  Pressbnrg  1818)  nachgedruckt  worden 
ist.  1«) 

*'')  Quellen.  Ausser  J.  L.  Frisch  Programma  de  dialecto  Vinidica, 
Berl.  729.  4.,  enthält  die  Vorr.  u.  Nachschrift  zu  des  Hrn.  Kopitar."  wind. 
Gramm,  die  schätzbarsten  Notizen  über  die  windische  Sprache  u.  Literatur, 
woraus  ein  grosser  Theil  der  gegenwärtigen  Zusammenstellung  wörtlich  ent- 
lehnt worden  ist. 


Zweiter  Theil. 
Nordwestliche  Slawen. 

Erster  Absclmitt. 

Geschichte  der  böhmischen  Sprache  und  Literatur. 

§.  36. 

Historisch  -  ethnographische  Vorbemerkungen. 

Böhmen  war  bis  in  Octavians  Zeiten  von  dem  kehischen 
Stannue  der  Bojer  bewohnt,  und  hiess  Bojohemum,  d.  i. 
Heimath  der  Bojer,  welche  von  den  einwandernden  Mar- 
komannen nach  Baiern  verdrängt  wurden.  Nach  der  Be- 
siegung der  Markomannen  von  den  Longobarden,  gehörte 
Böhmen  (seit  526)  auf  kurze  Zeit  zu  dem  schnell  sich 
vergrössernden  thüringischen  Reiche.  Nach  dem  Sturze 
dieses  Reiches,  der  Vormauer  gegen  die  Slawen,  wan- 
derten die  Gecken  ^)  um  das  J.  550  in  Böhmen  ein.  Der 
geographische  Name  des  Landes  tiberging  auf  die  neuen 
Bewohner.  Von  ihrem  Ursprünge  und  ihrer  Festsetzung 
ist  mehr  Sage,  als  wahre  Geschichte  vorhanden.  Der 
Zug    ging    wahrscheinlich    aus  Belo-Chrobatien,  welches 

')  Nach  Hm.  Bobrowsky  die  „  Vorder  -  Slavjen"  (über  den  Ur- 
sprung des  Namens  Öech,  Prag  und  Wien  782.  4.)  Er  leitet  das  Wort  von 
>'-}ti,  ceti,  anfangen,  beginnen,  lier.  Die  Chroniken  liegen  dem  Anführer 
der  Böhmen  auf  dem  Zuge  nach  Böheim  den  Namen  Vech  bei. 

19 


290 

nacli  der  gewöhnlichen  Annahme  im  Norden  der  Karpa- 
ten lag,  nach  andern  hingegen  sich  von  Lnblin  bis  Wai- 
tzen  an  beiden  Seilen  der  Karpaten  erstreckte  ^).  Der 
mächtige  Samo,  der  gerechte  Krok,  und  seine  Tochter, 
die  weise  Libnsa,  die  Gründerin  Prags,  eröffnen  die 
unsichere  Kegentenreihe  (624  -  700).  Die  von  mehre- 
ren einheimischen  Fürsten  (dem  Prager,  Kaniimer,  Saa- 
zer)  abhängigen  Böhmen  vereinigtesi  sicli  endlich  ums  J. 
722  unter  einem  Herzoge,  Premysl,  dem  Gemahl  Libu- 
sens.  Unter  seinem  Sohn  Nezamysl  soll  auf  einem  Land- 
tag zu  Wysegrad  (752)  die  erste  Landesvertheilung  und 
Verfassung  zu  Stande  gekommen  seyn.  Das  Christen- 
thum  drang  von  Teutschland  frühzeitig  nach  Böhmen  ein 
(845) ;  aber  der  Hzg.  Boriwog,  der  sich  desselben  an- 
nahm, und  um  das  J.  894  die  Taufe  empfing,  wurde 
aus  dem  Lande  vertrieben.  Seine  Nachfolger  kehrten  zum 
Götzendienst  zurück,  und  eigentlich  gewann  das  Christen- 
thum  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  X.  Jahrb.  (966)  un- 
ter der  Regierung  des  Hgs.  Boleslaw  IL  bei  den  Cechen 
festen  Fuss.  Unter  ihm  wurde  972  ein  eigenes  Bisthum 
zu  Prag  errichtet;  bis  dahin  hatte  Böhmen  zum  Regens- 
burger Sprengel  gehört.  Schon  Karl  der  Gr.  hatte  die 
Böhmen  zum  Tribut  genöthigt ;  diesen  erneuerte  der 
teutsche  König  Heinrich  L,  und  vergebens  suchte  sich 
der  Hzg.  von  Bölimen  Boleslaw  L  der  Oberherrschaft 
Otto's  zu  entzieiicn.  Dem  Hzg.  Wratislaw  IL  gestand 
der  Ks.  Heinrich  IV.  (1086)  den  Königstitel  zu,  von 
welchem  aber  seine  Nachfolger  erst  später  (Premysl  Ot- 
tokar L  von  1198  —  1230  auf  Bestätigung  des  teutschen 
Kgs.  Philipp  von  Hohenstaufen)  einen  fortdauernden  Ge- 
brauch machten.  Ks.  Friedrich  IL  gestand  dem  böhmi- 
schen Kg.  Ottokar  I.  besondere  Vorrechte  zu ;  und  Böh- 
men blieb  von  nun  an  dem  teutschen  Reiche  gegenüber 
ein  selbständigeres  Königreich,  und  ward  nicht  zu  des- 
sen Kreisen  gerechnet.  Wettceslaws  I.  (als  Regent  III.} 
Vermählung  mit  der  Nichte  des  letzten  Babenbergers  ver- 
anlasste Böhmens  Ansprüche  auf  Oesterreicl»  und  Steier- 
mark  (1230  —  53 J.     Sein    Sohn    Ottokar   IL    vermählte 

^)  Nach  einigen,  z.  B.  WeJeslawjn,  kamen  die  Böhmen  aus  Kroa- 
tien von  der  Kulpa  her ;  andere  verstehen  richtiger  unter  Kroatien  das  alte 
Belochrobatien.  Vgl.  Krok  spis  vs^senaucny  Th.  III.  S.  59. 


291 

sich  mit  iMar^arotha  ,  Her  Babeiibergerin  ,  wurde  mit 
diesen  Provinzen  belelnit,  erwirkte  sich  die  Nachfolge 
in  Kärnten ,  Krain  und  F'rianl,  besiegte  die  Preussen 
tind  ßaiern,  ward  Herr  von  der  Lausitz  und  Oberlehns- 
herr mehrerer  schlesischen  inid  polnischen  Fürsten;  wurde 
aber  mit  Ks.  Rudolph  von  Habsburg  in  Kriege  verwi- 
ckelt, und  fiel  in  der  Schlacht  im  iMarchfelde  1278.  Er 
war  der  grösste  der  böhmischen  Könige  aus  dem  slawi- 
sclien  Stamme.  iVlit  seinem  Enkel,  dem  1306  ermorde- 
ten Kg.  Wenceslaw  111.,  erlosch  der  Mannsstamm  Pre- 
rnysls,  welcher  seit  722  ßöhmen  beherrscht,  und  dem- 
selben 23  Herzoge  und  7  Könige  gegeben  hat.  Verge- 
bens bemühte  sich  der  Ks.  Albrecht  I.  Böhmen  seinem 
Hause  zu  verschaffen.  Aber  auch  der  Hzg.  Heinrich  von 
Kärnten,  dem  er  es  überlassen  musste,  verlor  es  (1311), 
weil  er  den  Kaiser  Heinrich  nicht  für  seinen  Oberherrn 
erkennen  wollte.  Der  Kaiser  gab  die  ßelehnung  darüber 
seinem  Sohne  Johann,  der  sich  mit  der  Prinzessin  Eli- 
sabeth, Schwester  des  letzten  Königs  von  Böhmen,  ver- 
mählte. Mit  Johann  fängt  die  luxemburgische  Reihe  der 
Könige  von  Böhmen  an.  Unter  seiner  Regirung  wurde 
das  Land  ausserordentlich  vergrössert.  Er  Hess,  um 
Böhmen  der  Metropole  von  Mainz  zu  entziehen,  1343 
Prag  zu  einem  Erzbisthum  erheben.  Karl  IV.  stiftete 
1348  daselbst  die  erste  slawische  Universität.  Unter 
Karls  IV.  Sohn,  Wenceslaw  IV.,  entstanden  die  Hussi- 
tenkriege. Ks.  Sigisrnund  gelangte  nach  manchem  un- 
glücklichen Feldzuge  gegen  den  tapfeni  Johann  von  Troc- 
now,  genannt  Zizka,  erst  nach  dem  Tode  dieses  Helden 
(-[■  1424)  durch  die  unter  den  Hussiten  erzeugte  Unei- 
nigkeit, 1436  zum  ruhigen  Besitz  von  Böhmen.  Im  J. 
1437  kam  Böhmen  an  Sigismunds  Schwiegersohn,  Al- 
brecht, und  hernach  an  des  letztern  Sohn,  Ladislaw. 
Die  Erbfolge  des  Thrones  unterbrach  Georg  Podebrad 
(1457  —  1471),  ein  geborner  Böhme,  der,  weise  und 
grossmüthig,  das  allgemeine  Vertrauen  der  Nation  recht- 
fertigte. Nach  seinem  Tode  gelangte  der  polnische  Prinz 
Wladislaw  IV.  zur  Krone.  Als  dessen  Sohn  und  Nach- 
folger Ludwig  in  der  Schlacht  bei  Mohäcs  geblieben 
war,    wählten    die   Böhmen  seinen  Schwager,  Ferdinand 

19* 


292 

I.,  Erzherzog  von  Oesterreich  niid  nacliinaligeii  Kaiser, 
zu  ihrem  Könige  1527  —  64.  Von  nun  an  ist  und  bleibt 
Böhmen  ein  integrirender  Tiieil  der  österreichischen 
Staaten.  Im  XVII.  Jahrli.  setzten  Böhmen  vornehmlich 
die  Religionsunruhen  in  Flaiiniien.  Das  Religionssystem 
der  Hussiten  hatte  daselbst  noch  zahlreiche  Anhänger 
behalten ;  unter  der  sanften  Regirung  Maximilians  II. 
(1564  —  76)  traten  diese  zu  Luthers  Lehre  über,  und 
der  Protestantismus  fasste  weit  verbreitet  festen  Fiiss. 
Rudolph  IL  sicherte  den  Böhmen  Religionsfreiheit  durch 
die  Majestätsbriefe  1609  zu.  Mathias  bestätigte  zwar 
diese  Patente,  aber  die  verschiedenen  Auslegungen,  die 
man  von  ihnen  machte,  erregten  bald  nachher  den  ver- 
heerenden 30jährigen  Religionskrieg.  Als  Mathias  ge- 
storben war  (1619),  fürchteten  sich  die  vereinigten  Län- 
der von  Böhmen  und  Mähren  so  sehr  vor  Ferdinands  be- 
kanntem Eifer  für  die  katholische  Religion,  dass  sie  ihn 
nicht  zum  Nachfolger  wollten,  sondern  sich  Friedrich  V., 
Kurfürsten  von  der  Pfalz,  zum  Könige  wählten.  Allein 
Friedrich  verlor  bald  mit  der  Schlacht  auf  dem  weissen 
Berge  (1620)  die  Krone,  und  die  ihm  ergebenen  böh- 
mischen Herren  worden  äusserst  hart  bestraft  (1621). 
Unter  der  milden ,  beglückenden  Regirung  Maria  The- 
resia's,  Josephs  IL,  Leopolds  IL  und  Franz  I.  blühte  das 
durch  vielfaclie  Stürme  der  vorigen  Jahrhunderte,  und 
zuletzt  noch  durch  die  preussischen  Kriege,  besonders 
den  7jährigen,  in  welchem  Böiunen  dessen  Hauptschau- 
platz war,  verödete  Land  von  neuem  frisch  und  lebens- 
kräftig auf.  ^) 


'')  Die  Quellen  der  böhm.  Gecliichte  sind  angegeben  in  Pelzels  Gesch. 
d.  Böhmen,  am  Schlüsse  des  2.  Bdes.  —  Der  älteste  böhm.  Chronist  (in  lat. 
Sprache)  ist  Cosmas,  Dechant  in  Prag,  gest.  1045,  herausg.  von  F.  M. 
Pelzel  u.  .J.  Dobrowsky  in  Script,  rer.  hohem.,  Pr.  784.  2  Bde.  8.  Seine  Chro- 
nik wurde  von  andern  fortgesetzt.  —  Bunzlauer  Chronik  (in  böhm.  Sprache, 
angeblich  von  Dalimil  Mezericky)  herausg.  v.  Gesjn  620.  4.  von  Prochäzka 
Pr.  786.  8.  —  PHbjk  Pvlkawa  de  Tradenin  (gest.  um  1374)  Chronicon, 
herausg.  v.  G.  Dobner  in  Mon.  bist.  Boh.  764.  —  Die  übrigen  Chronisten  die- 
ses Zeitraumes  in  G.  Dobner  monumentis  bist.  Boh.  Prag  764  —  86.  6  Bde. 
4.  —  W.  Hägek  von  Libocan  kronika  ceskä,  Pr.  541.  2te  A.  819.  fol.  lat. 
Annales  Boh.  von  G.  Dobner,  Pr.  763—83.  6  Bde.  4.  —  Fr.  Piibicka  chron. 
(;esch.  Böhmens,  Prag  770  —  812.  10  Bde.  4.  —  P.  Stransky  Staat  v.  Böh- 
men (de  republ.  Bojema  Lugd.  Bat.  643.)  übers,  v.  J.  Comova,  Pr.  792  — 
803.  7  Bde.  8.  —  Älehler  chron.  Gesch.  Böhmens,  Pr.  805—07.  3  Bde.  8.  — 
J.  Comova    Briefe    au   e.  kleinen  I^iebh.  d.  vaterl.  Gesch.,  Pr.  796  —  99.  3 


203 

Die  Miiliren ,  StaminverwaiKlte  der  Ceclien  ,  und 
mit  diesen  wahrsclieiiilich  zu  gleicher  Zeit  eingewandert, 
werden  in  den  ältesten  Annalen  mit  unter  den  pannoni- 
schen  Slawen,  und  uingekelut  diese  unter  jenen  begrif- 
fen *).  In  der  That  erstreckte  sich  das  alte  Mähren, 
von  dem  heutigen  gar  sehr  verschieden,  weit  in  das  ur- 
alte Slawenland  zwischen  den  Karpaten,  der  Theiss  und 
der  Donau,  und  südlich  in  Pannonien  hinein.  Auch  in 
Mähren  gab  es,  wie  in  Böhmen,  anfangs  mehrere  Für- 
sten {knezt\  k/tjiafa).  Der  allererste  mährische  Knäz, 
dessen  Name  mit  einiger  Gewissheit  in  der  Geschichte 
erscheint,  ist  Mogmjr  (Mogmar)  um  824.  In  Mähren 
fingen  die  Bekehrungen  zum  Christenthum  bereits  im 
\II.  Jahrh.  an.  Mogmjr,  Regent  über  einen  TheiJ  der 
Mähren,  ward  ein  Christ,  und  nach  dem  französischen 
Staatsrecht  jener  Zeiten  als  Christ  zugleich  Vasall  des 
Kaisers  der  Franken,  Ludwigs  des  Frommen.  Ein  zwei- 
ler mährischer  Fürst  war  Privina,  der  Vater  Chocils 
(Kocels).  Im  J.  830  jagte  ihn  Mogmjr,  man  weiss  nicht 
warum,  aus  Mähren  über  die  Donau  hinüber;  da  Hess 
sich  Privina  in  seiner  Noth  taufen,  und  ward  dadurch 
Ks.  Ludwigs  Protegirter.  Der  mächtigste  unter  den  mäh- 
rischen Fürsten  seiner  Zeit  war  Kostislaw ,  Mogmjrs 
Sohn.  Er  wagte  einen  Freiheitskampf  gegen  die  Fran- 
ken, wurde  aber  870  geschlagen,  gefangen  genommen, 
und  —  der  Augen  beraubt  —  in  ein  Kloster  gesperrt, 
woselbst    er    starb.    Sein    Neffe    und   vormaliger  Lehens- 


Bde.  8.  Eb.  Unterhalt,  mit  jungen  Freunden  d.  Vaterlandsgesch.,  Pr.  799-803. 
4  Bde.  8.  -  J.  Beckowskv  poselkyne  starych  pi-jbehü  ceskych,  Pr.  700.  — 
F.  M.  Pelzel  kurzgef.  Gesch.  von  Böhmen,  Prag  784.  2  Bde.  8.  N.  A.  817. 
Eb.  kronika  ceskä,  3  Bde.  8.  —  W.  Dinzenhofer  gen.  Tafeln  d.  böhm.  Für- 
sten, Hzge.,  u.  Kge.,  Pr.  805.  4.  —  Dumont  de  Florgy  bist,  de  Boheme. 
Wien  808.  2  Bde.  8,  N.  A.  812.  —  Pabst  kronika  närodu  öeskeho,  Pr.  810  — 
12.  2  Bde.  —  K.  L.  Woltmann  Inbegriff  d.  Gesch.  Böhm.,  Pr.  815.  2  Bde.  8. 
-  J.  F.  Schneller  Böhmens  Schicksal  u.  Thatkraft,  Grätz  817.  -  W.  A. 
Gerle  bist.  Bildersaal  d.  Vorz.  Böhm.,  Pr.  823.  8.  —  Abh.  der  Gesell.,  der 
"Wissensch.  in  Prag  seit  1786.  u.  m.  a.  — 

*)  Dass  der  Volksname  Morawcjk  Mährer,  mit  dem  Namen  des  Flus- 
ses Moraiva  March,  übereinkomme,  ist  klar,  und  eben  darum  auch  wahr- 
scheinlich, dass  nicht  der  Name  des  Flusses  vom  Volke,  sondern  der  des 
Volkes  vom  Flusse  herzuleiten  sey.  Morawa-Flüsse  gibt  es  bekanntlich, 
besonders  in  Serbien,  mehrere.  —  Ihre  Sprache  nennen  die  Mähren  mo- 
raxvshj,  nicht  cesky  gazyk ;  wornach  Anton  und  Schlözer  zu  berichtigen 
sind.  'Der  Irrthum"  bei  "diesen  entstand  daher,  weil  die  Mähren  mit  den 
Böhmen  gemeinschaftlich  nur  eine  Schriftsprache  und  Literatur  haben. 


294 

niaiiii  Swatopluk,  einer  der  wenigen  grossen  Männer  des 
IX.  Jahrh.,  trat  als  Befreier  der  gennanisclien  Südslawen 
anf,  stiftete  ein  grosses  Slawenreich,  das  Kgrch.  Gross- 
mähren, in  dessen  Herzen  Welehrad,  Xeitra  und  Gran 
(Ostrihom)  lagen,  und  dessen  Gränzen  sich  bis  an  die 
Elbe ,  Theiss ,  Drawe  und  Sawe  erstreckten.  Aber 
kaum  war  der  Friede  mit  Arnulph  geschlossen,  und  das 
mächtige,  unabhängige  Slawenreicli  gegründet  und  gesi- 
chert, als  der  Stifter  dieses  Reichs  in  eben  dem  Jahr 
(894)  starb.  Er  hinterliess  drei  Söhne,  und  beging  die 
Schwachheit  seines  Zeitalters,  das  noch  nicht  feste  Reich 
unter  sie  zu  theilen ;  die  sich  denn  auch  bald  veruneinig- 
ten, und  dem  Andränge  der  Teutschen  und  Magyaren 
unterlagen.  Der  dritte  damalige  mährisch-  pannonische 
Knäz  war  Chocil  (Kocel).  Sein  Vater  war  der  landes- 
flüchtige Privina.  Als  dieser  von  seinem  eigenen  Volke 
erschlagen  worden,  sprach  K.  Ludwig  dessen  Landesan- 
theil,  der  jenseits  der  Donau  zwischen  der  Sawe  und 
Drav^e  lag,  diesem  seinem  Sohne  Chocil  zu  ;  Rostislaw 
aber  nahm  ihm  diesen  Landstrich  für  seinen  Nefi*en  Swa- 
topluk  weg.  In  die  für  Mähren  und  Pannonien  äusserst 
unruhigen  Jahre  861  —  864  fällt  nun  die  Gesandtschaft 
der  drei  Fürsten:  Rostislaw,  Swatopluk  und  Chocil  nach 
Constantinopel  (vgl.  §.  9).  Bei  der  eingetretenen  Noth- 
wendigkeit,  sich  an  das  mächtig  um  sich  greifende  Chri- 
stenthum  anzuschliessen,  suchten  die  gedrängten  Fürsten 
wahrscheinlich  durch  eine  Verbindung  mit  dem  byzan- 
tinischen Hofe  nicht  nur  das  Christenthum  mittelst  der 
slawischen  Liturgie  ihren  Völkern  annehmbarer  zu  ma- 
chen, als  es  durch  die  lateinische  war,  sondern  sich  zu- 
gleich nebenher  Hilfe  von  daher  gegen  ihre  Tyrannen, 
die  grausamen  Teutschen,  zu  verschaff'en.  —  Nach  der 
Zertrümmerung  des  grossen  mährischen  Reichs  kam  das 
heutige  Mähren  an  Böhmen  1029.  Ks.  Friedrich  II.  er- 
hob es  1182  zu  einem  Markgrafthum.  Ks.  Karl  IV.  gab 
das  Land  seinem  Bruder  Johann.  Im.  J.  1469  eroberte 
es  Mathias,  Kg.  v.  Ungern;  aber  nach  seinem  Tode 
ward    Mähren    unter  Wladislaw    wiederum  mit  der  böh- 


295 

mischen    Krone    vereinigt,    mit    welcher  es  dann  an  das 
Hans  Oesterreich  kam.  '") 

Nnr  zwei  Drittheile  der  heutigen  Volksmenge  in 
Böhmen  sind  Slawen ;  mir  der  Chnullmer ,  Taborer, 
Prachiner,  Kakonicer ,  ßerauner,  Kaiirimer  und  Cas- 
lauer  Kreis  ganz  von  Cechen,  die  übrigen  entweder  von 
Cechen  und  Teutsciien  gemeinschaftlich  (der  Bunzlaner, 
Bydzower,  Königgrätzer,  Klattaner  und  Pilsner  Kreis), 
oder  von  Tentschen  allein  (der  Leitmeritzer,  Saazer, 
EUbogner  und  Budweiser  Kreis),  bewohnt.  Die  Zahl 
der  Cechen  in  Boiunen  mag  sich  demnach  auf  2  Va  Mill. 
belaufen,  die  der  grossen  Mehrzahl  nach  Katholiken,  und 
nur  der  weit  kleinern  Zahl  nach  (etwa  60,000)  Augsb.  und 
Helv.  Confession  sind*^).  —  Da  Mähren  mit  dem  öster- 
reichischen Antheil  von  Schlesien  im  J.  1820  (nach  Rei- 
chard) 1,749,486  Einw.  zählte,  so  kann  man  ohne  üe- 
bertreibung  annehmen,  dass  auch  hier  ungefehr  zwei 
Drittheile,  also  1,200,000  slawischen  Ursprungs  sind. 
Der  Iglauer,  Hradischer  und  Prerauer  Kreis  sind  beinahe 
ganz  von  Slawen,  die  übrigen  von  Slawen  und  Tent- 
schen bew  ohnt.  Der  grösste  Theil  der  slawischen  Mähren 
bekennt  sich  zur  römisch-katholischen  Kirche  ;  doch  zäh- 
len auch  die  Augsb.  und  Helv.  Confessionsverwandten  in 


^)  O.   Steinbach' s  von  Kranichstein  kl.  Gesch.  von  Mähren,  Pr.  783.  8 

—  A.  Piläf  et  Morawec  Mor.  hist.,  Biünn  785  —  87.  3  Bde.  8.  —  J.  W. 
V.  Monse  Vers.  e.  Landesgesch.  des  Markgr.  Mähren,  Brunn  785  —  88.  2 
Bde.  8.  —  F.  J.  Schxi'oy's  kurzgef.  Gesch.  d.  Landes  Mähreu,  Brunn  788.  8. 
Vgl.  die  Schriftsteller  iiber  d.  böhni.  Gesch.  Anm.  3. 

®)  /.  V.  Rieaer  Materialien  zur  Stat.  von  Böhmen,  Lpz.  u.  Pr.  787  — 
91.  13  Hfte.  8.  Eb.  Archiv  d.  Gesch.  u.  Stat.  v.  Böhmen,  Dresd.  792  —  95. 
3  Bde.  8.  Eb.  Skizze  e.  stat.  Landeskunde  Böhmens,  Lpz.  u.  Pr.  795.  3  Hfte  8. 

—  J.  Schaller  s  Topogr.  d.  Kgr.  Böhm.,  Pr.  785  —  90.  16  Bde.  8.  Eb.  topogr. 
Universalreg.  des  Kgr.  Böhmen,  Pr.  791.  8.  Eb.  Neues  Catastrum  d.  Kgr. 
Böhm..  Pr.  802.  8.  —  Ch-  CV«iti«s  topogr.  Postl ex.  v.  Böhmen,  Mähr.  u.  Schle- 
sien, W.  798.  2  Bde.  8.  —  Kurzg.  Beschr.  d.  Kreise  v.  Böhm.,  Pr.  794.  16 
Hfte.  8.  —  J.  de  Luca  Geogr.  v.  Böhmen,  W.  791.  8.  —  F.  A.  Demian 
stat.  Darstell,  von  Böhm.  Mähr,  und  Schlesien,  W.  804.  8.  —  J.  3.  Kaasch 
ausführliche  Nachrichten  üb.  Böhm.,  Salzb.  794.  8.  —  Meissner^  hist.  maier. 
Darstellungen  a.  Böhmen,  Pr.  790.  4.  —  Müllner  Vers,  einer  stat.  Geogr.  v. 
Böhmen,  Pr.  805.  8.  —  J.  J.  Polt  Haudb.  d.  Geogr.  v.  Böhmen,  Pr.  813.'"8.  — 
V.  Liechtenstern  stat.  Schilderung  d.  Kgr.  Böhm.,  W.  812.  N.  A.  Bresl.  822.  8. 
Eb.  Handb.  d.  Geogr.  Oesterreichs,  W.818.  3  Bde.  8.  —  Schematismus  von 
Böhmen  1822.  —  PomßMs  stat.  Topogr.  v.  Böhmen  ,  herausg.  v.  Kramerius, 
Pr.  822  ff.  —  B.  J.  Dlabace  wypsänj  ceskeho  krälowstwj ,  Pr.  819.  8.  —  J. 
A.  Dundra  zemepis  krälowstwj  ceskeho,  Pr.  823.  8.  —  {Rohrer)  Vers.  üb. 
d.  slaw.  Bewohner  Oesterreichs,  Vi.  804.  —  W.  A.  Gerle  neues  Gemälde  von 
Böhmen,  Pesth  823.  3  Bde.  8. 


296 

Mähren  gej'en  40,000  Bekenner.  Ein  Theil  der  Mäliren, 
der  den  kleinsten  aber  fruchtbarsten  Raum  in  der  Mitte 
des  Landes,  um  die  Städte  Ollmütz,  Wischau  u.  Krem- 
sier,  die  sogenannte  Hanna  bewohnt,  heisst  die  Hanna- 
ken, ein  anderer  in  den  Gebirgen  des  Hradischer  u.  Pre- 
rauer  Kreises,  Walachen ').  —  Rechnet  man  zu  den 
Obigen  die  Sprach-  und  Literaturverwandten  Slowaken 
hl  Ungern,  gegen  1,800,000  Seelen  hinzu,  so  ergibt 
sich  hieraus  die  ungefehre  Gesammtzahl  von  öVa  Mill. 
slawischen  Individuen  für  den  böhmisch-mährisch-slo- 
wakischen Stamm. 

§.  37. 
Charakter  der  böhmischen  Sprache. 

Die  Sprache  des  cechischen  Slawenstammes,  welcher 
Böhmen  bewohnt,  gehört,  dem  §.  4.  Gesagten  zufolge, 
als  eine  besondere,  durch  Bau  und  Bildung  wesentlich 
unterschiedene  Mundart,  zum  tiorchv  es  fliehen,  oder  böh- 
misch -  slowakisch  -  polnisch  -  wendischen  (im  Gegensatz 
des  ostsüdlichen,  oder  russisch-serbisch-kroatiscli-win- 
dischen)  Hauptast  des  weit  verbreiteten  slawischen  Sprach- 
stammes. Einerseits  mit  dem  Slowakischen,  mittelst  des- 
sen sie  an  der  pannonischen  Donau  mit  dem  südöstlichen 
Hauptast  in  Berührung  kommt,  andererseits  aber  mit 
dem  Polnischen,  das  ans  Russische  gränzt,  enge  ver- 
wandt, gewährt  sie  sowol  wegen  dieser  ihrer  Stellung, 
als  auch  wegen  der  verschiedenen  Entwickelungsperio- 
den,  die  sie  durchlief,  und  der  Bildungsstufe,  die  sie 
erreichte,  dem  Forscher  mehrere  interessante  Gesichts- 
und Vergleichungspuncte. 

Das  Eigenthümliche  und  Charakteristische  der  böh- 
mischen Mundart  lässt  sich  durch  Vergleichung  einiger 
Wörter  mit  den  Mundarten  der  zweiten  Ordnung  mit 
wenigen  Zügen  entwerfen: 

')  F.  J.  Sckwoy's  top.  Schilderung  d.  Markgr.  Mähren ,  Prag  und 
Lpz.  786.  2  Bde.  8.  Eb.  Topogr.  d.  Markgr.  Mähren,  Brunn  793  —  94.  3  Bde. 
8.  —  (J.  A.  Hanke  v.  Hanketistcin)  Bibl.  d.  mähr.  Staatskunde,  W.  786.  8. 
J.  Hazzis  Statistik  v.  Mähren,  Nürnb.  807.  8.  —  v.  Liechtenstern  Handb. 
d.  Geogr.  von  Oesterreich,  W.  817  -    18,  Vgl.  Anm.  6. 


297 


Böhtnisch. 

Slowahiselt 

Pnhnscli. 

Snrh<>inrrndisch, 

1.  e:  zert,  zel 

a :  zart,  zial 

a .  zart,  zal 

0,  a:  zort,  zal  (zel). 

duse 

dusa 

dusza 

duscha 

macecha 

0 :  macocba 

0 :  macocba 

0 :  maczocha 

i:  cizj,  gü 

u :  cuzy,  uz 

u:  cudzy,  iuz 

u :  czuze,  yuz 

6igi 

cugem 

czuie 

tzuyu 

j:  wjra,stestj 

ie :  wiera,  sfiastie 

ia,  ie :  wiara, 
szczescie 

e :  wera,  zbozo 

zapf  je 

a :  zagac 

a:  zaiac 

a:  zayacz  (buchaz) 

2.  maso,  räd 

ä,  ia  (a):  mäso,  räd 

ie,   a:  mi?so,  rzad  ja,  e:    mjaszo,  raeszo. 

(riad) 

rjad 

saud 

ü:  Süd 

a:  Sfid 

u :  szud 

kwet,  swet 

e :  kwet,  swet 

ia:  kwiat,  swiat 

e  :  kwetk,  szwet 

dewöe 

ou:  diouca  (dieuca) 

ie  :  dziewcze 

OU :  dzouczatko,  zoczo 

mleyn 

y:  mlyn 

y :  mJyn 

0,  u :  mön,  mliin,  muu 

chodegj 

iä :  chodiä 

a :  cbodza 

a :  khodza 

3.  gdu 

idem 

.   ide 

hdu 

gisty 

isty 

isty 

weste,  wesczi 

nebe,  nemäm 

ne:  nebo,  nemäm 

nie:  niebo 
niemam 

ne:  nebo,  nemam 

4.  brada 

brada 

broda 

broda 

kräwa 

krawa 

krowa 

kruwa,  krowa 

5.  h :  hrom,  blas      hrom,  blas 

g  :  grom,  glos 

rom,  wosz,  glosz 

6. r:  reka 

ri :  rieka 

rz :  rzeka 

reka,  rika 

reo 

r:  reo 

rzecz 

retz 

7. 1 :  spal 

u,  o:  spau  (spao) 

1 :  spai 

1 :  spal  je. 

8.  prwnj 

perwy 

pierwy  (pierwszy) 

preni,  perwi 

smrk 

smrekjSmerek 

smrok 

schmrok 

dska 

deska  (daska, 
doska) 

deska 

deska 

srdce 

srce  (serce) 

serce 

wutroba 

dcera 

cera 

cora 

dzowka 

tfesknauti 

tresnüf 

trzasnac 

zczerkacz 

radostny 

radosny 

radosny 

hradoscziwe 

9.  CO 

CO 

CO 

zto,  zo 

pfes 

cez  (örez,  cez) 

przez 

pzes,  pschew 

stresue 

ceresna 

trzesnia  (cze- 
resnia) 

tzeschna 

skremen 

kremen 

krzemien 

kzeszadnik 

kstice 

kefka 

wJosy 

wösz,  losz 

ocas 

chwost 

ogon 

woposcb,  wopusch 

koßka 

macka 

kotka 

ko£,  koczka 

298 

Der  Böhme  neuerer  ZtMten  liebt  die  engern,  dum- 
pfem VocaJe  e  und  /  vorzugsweise,  und  opfert  ihnen  die 
volleren  u,  o,  u  nicht  nur  in  den  Flexionssylben,  son- 
dern selbst  in  solchen  Wurzel  Wörtern,  wo  sie  noch  allen 
Slawen  gemein  sind,  beinahe  durchgängig  auf  Er  hat 
das  h  statt  ^  mit  dem  Slowaken  und  Oberlausitzer  (zum 
Theil  auch  dem  Russen)  gemein.  Vor  dem  XIII.  Jahrh. 
kommt  dieses  h  statt  if  in  den  Urkunden  noch  nicht  vor. 
Dahingegen  kennt  weder  der  Slowak,  noch  der  Wende 
in  den  beiden  Lausitzen  das  zischende  böhmisch-polni- 
sche r%,  welches  gleichfalls  erst  seit  dem  X  —  Xll.  in 
seiner  neuern  Gestalt  {i'sch  st.  rj\  ungewiss  auf  welche 
Weise,  aufgekommen  ist.  —  Im  Ganzen  eben  so  rein 
und  tönend,  wie  ihre  Schwestern ,  in  grammatischer 
Vollendung  den  meisten  voranstehend,  büsste  doch  diese 
Mundart  einen  grossen  Theil  ihrer  Originalität  durch 
den  Einlluss  des  Teutschen,  und  ihr  Aufblühen  durch 
die  ungünstigen  Schicksale  des  ofi  und  vielfach  zerrüt- 
teten Landes  ein.  Der  Mangel  an  sonoren  Vocalen  und 
die  Häufung  der  Consonanten  ist  wol  nirgends  so  gross 
als  hier.  Wenn  wir  aber  auch  zugeben,  dass  sie  in  Hin- 
sicht des  Wolklangs  andern  slawischen  Mundarten  nach- 
stehet, so  darf  ihr  dieses  doch  nicht  zum  Vorwurf  an 
geborner  Härte  gemacht  werden.  Vieles  kommt  bei  die- 
ser ursprünglich  wolklingenden,  aber  durch  verschiedene 
fremdartige  Einflüsse  bedeutend  verunstalteten  Mundart 
auf  die  Rechnung  geschmackloser ,  vorzüglich  späterer 
Schriftsteller,  die,  nachdem  die  Sprache  aus  den  höhe- 
ren und  gebildetem  Kreisen  gewichen,  und  einerseits 
Sprache  des  gemeinen  Volks,  andererseits  aber  der  Bü- 
cher geworden  war.  selbst  das  Böhmische  nicht  spre- 
chend, und  auf  die  Ausspraciie  des  Volkes  nicht  achtend, 
sich  Härten  erlaubten,  über  die  wol  das  lesende  Auge 
liinw  eggleiten ,  aber  die  sprechende  Zunge  sich  nicht 
hindurcharbeiten  kann.  Denn  im  Munde  des  Volks  und 
in  den  ältesten  Gedichten  erscheint  das  Böhmische  viel 
kerniger,  kräftiger,  geschmeidiger,  ja  wol  klingender, 
als  in  den  Werken  neuerer  Schriftsi  dler.  Befremdend 
ist  es  allerdings,  dass  bei  dem  allgeaiein  wiedererwach- 
teu    Studium    der    böhmischen   Spraclic,    die  Regeln  des 


299 

Wolklaiigs  von  so  wenigen  Schriftslellcrn  hei  derselben 
bis  jetzt  geltend  gemaciu  werden,  um  den  Forderungen 
des  Gescbmacks  zu  genügen.  Würde  man  hierbei  einer- 
seits auf  allgemeine  ästhetische  Gesetze  des  WoUauts, 
andererseits  aber  auf  veraltete,  vvolklingende  Wort-  und 
Sprachformen,  auf  die  Aussprache  der  Slowaken  in  Un- 
gern, die  unbezweifelbar  milder,  oft  richtiger  ist,  als 
die  der  Böhmen,  auf  verwandte  Mundarten,  und  auf 
Analogie  inid  Consequenz  gehörig  Rücksicht  nehmen:  so 
würde  das  verlorne  Gleichgewiciit  zwischen  den  engen 
und  breitern  Vocalen  hergestellt,  die  oratorische  Kraft 
und  Würde  erlangt  werden,  und  der  Vorwurf  ,, win- 
selnder Ohinnacht,"'  und  des  „Mangels  an  schlagender 
Yolltönigkeit"  von  selbst  aufhören,  der  ihr  so  oft  ge- 
macht wird,  und  noch  neulicii  von  dem  genialen,  ge- 
schmackvollen Kenner.  Graf.  St.  Potocki  (Mowy  II.  427) 
gemacht  wurde,  nnd  von  dem  sie  allerdings  in  ihrer  gegen- 
wärtigen Gestalt  nicht  ganz  freizusprechen  ist  ^).  —  Aber 
ein  entschiedener ,  überwiegender,  inischützbarer  Vor- 
zug der  böhmischen  Mundart,  den  sie  bis  jetzt,  wenig- 
stens in  der  Ausübung,  mit  wenigen  ihrer  Schwestern 
theilt,  ist  ihre  hohe  Befähignng  zur  quantitirenden  Vers- 
kunst im  Sinne  der  altclassischen  Prosodie.  Um  den  Be- 
sitz dieses  Kleinods  können  dereinst  wol  die  südlichen 
Mundarten  {die  slowakische  und  serbisch  -  dalmatisch- 
kroatische), aber  nicht  so  leicht  die  nördlichen  (die  pol- 
nische und  russische)  mit  ihr  wetteifern.  —  Noch  ver- 
dient der  Fleiss,  mit  dem  sie  von  ihren  Anbauern  in 
Grammatik  und  Lexico  seit  den  ältesten  Zeiten  bis  auf 
die  Gegenwart  bearbeitet  worden,    eine  Auszeichnung.  ■) 

*)  Vgl.  B.  Balbini  diss.  apol.  pro  liiigua  slav.  praec.  Bohem.,  Prag 
775.  8.  —  K.  Thdma  obrana  gazyka  ceskeho,  Pr.  783.  8.  —  J  Rtdjka  släwa 
a  wybornost  gazyka  ceskeho,  Pr.  792.  8.  —  J.  Dobrovshj  üb.  d.  Bildsamkeit 
der  böhm.  Sprache.  Eb.  üb.  d.  Wolklaug  der  slaw.  Sprache  mit  besonderer 
Anwendung  auf  die  böhm.  Mundart,  in  s.  Slowanka  Th.  II.  1  —  67. 

-)  Sprachbücher.  Grammatiken  :  Kurze  Unterweisung  beid.  Spr.  teutsch  u. 
böhmisch,  Pils.  531.  8.  u.  öfters.  —  A.  Klatoivsky  böhmisch  -  deutsche  Ge- 
spräche, Pr.  540.  8.  u.  öfters.  —  B.  Optat  u.  F.  Gzel  Anl.  z.  böhm.  Or- 
thogr.,  Name.-^t  533.  Pr.  588,  643.  —  M.  BenesoiuskO  Gramm.  Bohem.,  Pr. 
577.  8.  —  L.  Benedict  v.  Nudozer  Gramm.  Boh.,  Pr.  603.  8.  —  J.  Drachoii'sku 
Gramm.  Boh.  herausg.  von  Steyer  01m.  660.  12.  —  G.  Constantius  lima 
linguae  Boh.,  Pr.  667.  8.  —  M.  Steyer  wyborne  dobry  zpusob  u.  s.  w.  (Anl. 
z.  Orthogr.)  Pr.  668.  730.  781.  12.  -  [Anonvmi]  priucipia  1.  boli.  o.  J.  (1670- 
80).  N.  A.  Pr.  783.  12.  —    W.  Rosa  Cechoreenost,  Pr.  672.  8.  -    W.  Jandit 


300 

§.  38. 

Epochen    der    böhmischen    Literatur.  Erster  Periode  erste 

Abtheilung.  Von  der  Einwanderung  der  Cechen  in  Böhmen 

bis  zur  gänzlichen  Ausrottung  des  Heidenthums. 

J.   550     -  1000. 

Die  Geschichte  der  böhmischen  Literatur  zerfällt  in 
drei  Hauptperioden,  deren  jede  der  bequemern  Ueber- 
sicht  wegen  in  zwei  Abschnitte  getheilt  werden  kann. 
Die  erste  Periode  umfasst  den  Zeitraum  von  der  Ein- 
wanderung der  Cechen  bis  auf  Kg.  Wenceslaw  IV.  oder 
Huss.  J.  550  —  1410.  Diese  Periode  hat  zwei  Abthei- 
lungen :  die  erste  von  der  Einwanderung  der  Cechen 
bis  zur  gänzlichen  Ausrottung  des  Heidenthums  unter 
Boleslaw  IL  J.  550  —  1000,  und  die  zweite  von  da  bis 
auf  Kg.  Wenceslaw  IV.  oder  Huss  J.  1000  —  14iO.  Die 
zweite  Periode  erstreckt  sich  über  den  Zeitraum  von 
den  Hussitenkriegen  bis  auf  die  Schlacht  am  weissen  Ber- 
ge J.  1410  1620.  Sie  enthält  ebenfalls  zwei  Abthei- 
lungen:   die    erste  von  Huss  bis  auf  die  Verbreitung  der 

Gramm.  1.  boh.,  Pr.  704.  N.  A.v.  Wussin  715.7.  A.  753.  -  P.  DolezalGxmi. 
Slavico-boh.,  Pressb.  746.  8.  —  /.  W.  Pohl  böhm.  Sprachkunst,  Wien  756. 
5  A.  783.  8.  —  F.  J.  Tomsa  böhm.  Sprach!.,  Pr.  782.  8.  —  K.  J.  Thäm  böhm. 
Sprachlehre,  Pr.  785.  8.  —  Eb.  böhm.  Gramm.,  Pr.  798.  801.  804.  8.  —  Ae. 
Chlädek  nauceiij  kraticke  u.  s.  w.,  Pr.  795.  8.  —  F.  M.  Pelzet  Grunds,  der 
böhm.  Sprache,  Pr.  795.  798.  8.  —  .7.  Negedlv  böhm.  Gramm.,  Pr.  804.  3  A. 
821.  8.  —  J.  Dobrowsky  Lehrgebäude  d.  böhm.  Sprache,  Pr.  809.  2  A.  819. 
böhmisch  von  Hanka:  Mluwnice,  Pr.  821.  8. — J.  E.  Schmidt  graram.  ceskä, 
Pr.  816.  8.  —  Nowotneho  z  Luze  gramm.  öeskä,  Pr.  818.  8.  Wörterbücher: 
A.  V.  Weleslaivjn  diction.  1.  lat.  c.  interpr.  boh.,  P.  579.  4.  Eb.  sylva  qua- 
drilinguis,  boh.  lat.  graec.  germ.,  Pr.  598.  4.  —  Eb.  Nomenciator  lat.  boh. 
germ.,  Pr.  586.  8.  —  Loderecker  diction.  Septem  linguar.  —  G.  Henisch  the- 
saurus  1.  germ.,  Augsb.  616.  f.  —  Sylvula  trilinguis,  Pr.  650.  —  Gazophyla- 
cium  boh.  lat.  graec.  germ.,  Pr.  671.  —  Dict.  quadrilingue,  Pr.  683.  8.  — 
J.  A.  Comenius  janua  lingu.,  P.  669.  4.  u.  öfters.  —  Chr.  Cellarii  lib.  me- 
mor.,  böhm.  von  Bei.,  Pr.  755.  777.  8.  —  Z.  C.  Wiissm  dict.  germ.  lat.  boh., 
Pr.  700  —  706.  3  Bde.  4.  N.  A.  722.  742  —  47.  —  Kropf  Amalthea,  böhm., 
Pr.  753.  8.  —J.  K.  Rohn  böhm.  lat.  deutscher  Nomenciator,  Pr.  764  —  68. 
4  Bde.  4.  —  W.  Wiedemann  teutsch.  böhm.  Wörterb.,  W.  768.  8.  —  K.  J. 
Thäm  deutsch-böhm.  Nationallexicon,  Pr.  788.  8.  799.  8.  N.  A.  Prag  814. 
2  Bde.  8.  Eb.  böhm.-deutsches  Nationallex.,  Pr.  805  —  807.  2.  Bde.  8.  Eb. 
deutsch-böhm.  u.  böhm.teutsches  Taschenwörterb.,  Pr.  818  ff.  2  Bde.  12.  — 
F.  J.  Tomsa  kl.  teutsch-böhm.  Wörterb.,  Pr.  789.  8.  Eb.  böhm.  teutsch - 
lat.  Wörterb..  Pr.  79t.  8.  —  .7.  Dobrowsky  deutsch-böhm.  W.  B.,  Prag 
802  —  21.  2  Bde.  4.  —  G.  Palkowic  böhm.  deutsch-lat.  W.  B.  Prag  und 
Pressburg  821.  2  Bde.  8. 


301 

Buclidruckerknnst  in  ßölnuen  oder  bis  auf  Ferdiiiand  I. 
J.  1410—  1526,  die  zweite  von  da  bis  zu  der  Sclilaclit 
am  weissen  Berge  J.  1526—1620.  Die  driHe  Periode 
endlicb  umfassl  den  Zeitraum  von  der  Schlaclit  am  weis- 
sen Berge  bis  auf  unsere  Zeiten  J.  1620  —  1825.  In  ilir 
lassen  sieb  ebenfalls  zw  ei  Abscluiitte  macben  :  von  der 
Scblaclit  am  weissen  Berge  bis  auf  Ks.  Josepb  II.  .1.  1620  — 
1780,  nnd  von  da  bis  a«if  unsere  Zeiten  J.   1780—1825. 

V 

Erste  Abtheilung.   Von  der   Einwanderung  der  Cechen  bis 

zur  völligen  Besiegung  des  Heidenthums  unter  Boleslaw  li. 

J.  550         1000. 

Unter  dem  grässlicben  Sturm,  der  nach  dem  gänzli- 
chen Fall  Roms  über  die  Welt  tosete,  drang  der  cecbi- 
sebe  Slawenstamm  in  das  von  iMarkomannen  verlassene, 
menschenleere  Böbmen,  diese  Landwehr  der  Natur,  fried- 
lich um  das  J.  550  ein.  Der  kriegerische  Samo  ermu- 
tbigte  die  Slawen  sich  der  hunnischen  Tyrannei  zu  ent- 
ledigen :  er  verband  mehrere  Slawenstämme,  und  dar- 
unter auch  die  Cechen,  zuerst  zu  einer  selbständigen 
Nation.  Unter  Krok  dürfen  wir  uns  der  Sage  nach  nur 
einen  Mann  denken,  welcher  durch  Kenntnisse,  beson- 
ders von  den  Sitten,  reclitlichen  Gebräuchen,  Geschich- 
ten seines  Volks,  und  durch  seinen  redlichen  Sinn  das 
Vertrauen  der  Nation  so  gewonnen  hatte,  dass  sich  strei- 
tende Parteien ,  Volksversammlungen  in  Erörterungen 
über  öflfentliche  Entschlüsse,  willfährig  semen  Einsichten 
unterordneten.  Weil  er  seinen  Geist,  seine  Kenntnisse 
und  Erfahrungen  auf  seine  Tochter  Libusa  übertragen 
hatte,  blieb  ihr  ähnliches  Vertrauen  und  Ansehen  bei 
der  Nation;  und  beide  in  ihrem  wohlthätigen,  friedli- 
chen Walten,  und  selbst  Premysl,  von  Libusa  zum  Ge- 
mahl erkohren,  sind  Erscheiinmgen,  die  auf  geschicht- 
liche Thatsachen  hinweisen.  Krok,  Libusa  und  Premysl 
müssen  als  Heroen  eines  merkwürdigen  Zeitpunctes  in 
der  Nationaleut Wickelung,  gleichsam  als  Repräsentanten 
der  böhmischen  Cultur  ihrer  Zeit  betrachtet  werden; 
denn  die  Sage  bildet  die  Geschichte  durch  Phantasie  wei- 
ter aus,    aber    sie    erfindet  nicht  ihren  UrstofF^).   —  Der 

1)  ,K.  L    Woltmanns  Gesch.  v.  Böhm.  Th.   I.   S.  12. 


302 

gesellschaftliche  und  politische  Znstand  des  cechischen 
Volks  in  diesem  Zeitraum  war  der  aller  Slawen :  im 
Ganzen  gleiche  Religion,  gleiche  Sitten,  gleiche  Sprache, 
gleiche  Beschäftigung,  gleiche  Verfassung,  wenn  gleich 
im  Einzelnen  manche  Verschiedenheit.  Aber  über  den 
Grad  ihrer  Civilisation  in  dieser  Periode  wird  man  wol 
nicht  eher  befriedigende  Auskunft  erlangen,  bis  nicht  das 
gesammte  slawische  Alterthum  durch  besondere  Studien 
einheimischer ,  besonnener  und  unbefangener  Forscher 
hinlänglich  ergründet,  erfasst  und  aufgehellt  seyn  wird: 
denn  dass  man  mil  den  bis  jetzt  allgemein  herrschenden 
Ansichten  von  der  Wildheit  und  Barbarei  unserer  Vor- 
fahren bei  dem  hereinbrechenden  Licht  der  historischen 
Kritik  nicht  mehr  auslange,  zeigen  schon  jetzt  so  man- 
che in  diesem  Gebiete  gemachte  Entdeckungen,  und  wird 
die  Erfahnnig  und  das  tägliche  Fortschreiten  immer  mehr 
zeigen.  -;-  Es  gibt  keine  Spuren,  dass  der  teutsche  Geist 
auf  die  Cechen  gleich  nach  ihrer  Niederlassung  in  Böh- 
men auf  irgend  eine  Weise  eingewirkt  hätte.  Die  Ue- 
berbleibsel  germanischer  Völker,  welche  sie  dort  noch 
trafen,  mussten  ein  in  jeder  Rücksicht  schwacher  Rest 
seyn,  und  sich  bald  in  die  slawische  Nationalität  ver- 
lieren; und  selbst  von  ihm  sind  wahrscheinlich  die  Kräf- 
tigeren noch  in  die  einsamen  Gebirge  gezogen.  Demnach 
waren  jetzt  die  Cechen,  was  sie  waren,  durch  sich  selbst 
und  aus  sich  selbst;  ihre  Sprache  war  der  Spiegel  ihrer 
gesellschaftlichen,  intellectuellen  und  sittlichen  Bildungs- 
stufe. Aber  eben  diese  reine  Blüthe  ihres  damaligen 
Volkslebens  ist  uns  in  ihrer  wahren  Gestalt  Moch  ein 
Räthsel,  das  nur  nach  den  vorhandenen  einzelnen,  un- 
zusammeidiängenden  Bruchstücken  einigermaassen  aufge- 
hellt, aber  nicht  gänzlich  gelöst  werden  kaini.  Dass  sich 
in  allen  slawischen  Mundarten  Spuren  einer  viel  frühern 
Bildung  der  Nation  in  Wwqu  alten  Wohnsitzen  finden 
lassen,  und  dass  diese  Spuren  sogar  auf  dvn  Gebrauch 
einer  Buchstabenschrift  bei  den  heidnischen  Slawen  hin- 
weisen, ist  eine,  Kennern  längst  bekannte  Thatsache 
(vgl.  §.  2.).  Was  die  Böhmen  insbesondere  betrifft,  so 
mag  ihre  Sprache  zur  Zeit  ihrer  f^inwanderung  zwar  im 
Ganzen    den    südöstlichen  Minidarten,  vorzüglich  der  alt- 


303 

slawischen,  viel  nülier  als  jolz(  t^cwesori  seyri;  im  Ein- 
zelnen war  sie  (lennocli  schon  clariials,  als  eine  beson- 
dere JMundart,  von  denselben  wesenllich  verschieden. 
Bei  einem  so  grossen,  weitverbreileten  Völkerslannne, 
als  der  slawische  sciion  im  grauen  Allertlnim  war,  konnte 
sich  die  Einheit  der  Sprache  unmöglich  lange  erhalten. 
Ihre  früheste  Ansbildnng  verdank!  sie  unstreitig  den  Prie- 
stern, daini  aber  und  ganz  vorzüglich  den  Sängern.  Ge- 
sang und  iMusik  werden  schon  den  lieidnisclien  Slawen 
in  allen  Chroniken  naciigerülimt,  und  müssen  noch  heute 
allen  Stämmen,  vorzüglich  jenen,  die  ihre  Nationalität  am 
treuesten  bewahrt  haben,  nachgerühmt  werden.  Gesang 
und  iMusik  führen  aber  von  selbst  auf  Naturpoesie:  darum 
finden  wir  die  Naturpoesie  nirgends  mehr  zu  Hause,  als 
bei  den  Slaw^en.  Und  diese  Naturpoesie,  in  welcher  lieb- 
lichen, überraschenden  Gestalt  zeigt  sie  sich  uns,  je  hö- 
her wir  in  das  slawische  Ahcrthum  hinaufsteigen!  — 
Von  der  bei  dem  Chronisten  Hagek  aufbewahrten  Sage, 
dass  die  heidnischen  Herzoge  in  Böhmen  ihre  Schreiber 
(pisäk)  gehabt  hätten,  und  die  Fürstin  Libusa  (um  720) 
ihre  Prophezeiungen  mit  slawisciien  Buchstaben  hätte  auf- 
zeichnen lassen  (die  sehr  schön  durch  die  neulich  ent- 
deckten Fragmente  bestätigt  wird),  auch  abgesehen;  so 
kann  doch  nicht  geläugnet  werden,  dass  die  kostbaren 
Ueberreste  der  ältesten  einheimischen  Dichtkunst,  in  den 
neulich  entdeckten  und  dem  böhmischen  Museum  zuge- 
sandten Bruchstücken^)  und  in  den  Gedichten  der  Kö- 
niginhofer  Handschrift,  '^)  deren  einige  ihrem  Ursprung 
nach  gewiss  bis  in  diese  Periode  hinaufreichen,  auf  ein 
viel  früheres  Alter  der  Volksbildung  bei  den  Slawen  hin- 

-)  Sie  sind  erschienen  in  Krok  In  Bdes  3te  Abth.  S.  48  —  61,  injBa- 
kowiecki's  prawda  luska  Th.  I.  S.  235.  Tli.  iL  S.  157  —  169,  in  den  ,,Izwe- 
stija  rossijskoj  Akademii"  X.  Hft.,  und  in  N.  Grammatin's  Slowo  o  polku 
Igorevroni  Moskau  823.  Ueber  den  darüber  geführten  Streit  kann  man  sich 
in  Hormayrs  Archiv  1824 .  Aprilhft.  Eaths  erholen. 

")  Sie  wurde  zufälliger  Weise  im  Sept.  1817  v.  Hrn.  W.  Hanka  in 
einer  Kammer  an  der  Kirche  zu  Königinhof  unter  Schutt  und  verworfenen 
Papieren  entdeckt  und  lierausg.  Pr.  819.  8.,  und  in  den  Izw.  Ross.  Akad. 
S.  P.  820.  VIII.  Hft.  Nach  Hrn.  Dobrowsky  fällt  die  Sammlung,  nach  der 
Schrift  zu  urtheilen,  zwischen  die  J.  1290—1310.  Die  ganze  Sammlung  be- 
stand aus  3  Büchern,  wie  man  aus  den  Ueberschriften  der  übrig  gebliebe- 
nen Kapitel  des  3ten  Buchs,  da  das  26  —  28ste  genannt  werden,  sicher 
schliessen  kann  :  und  wenn  jedes  von  den  abgängigen  25.  Cap.  auch  nur 
2  Gedichte  enthielt,  so  sind  bloss  vom  3.  Buche  "50  Gedichte  in  Ver- 
lust gerathen. 


304 

deuten,  als  man  gewölinlich  anznneliinen  sich  für  be- 
rechtigt hielt.  Diese  Vollendung  der  Nationalpoesie  ist 
nicht  die  Frucht  eines  Frühjahrs,  sondern  eines  Jahr- 
hundert -  Frühlings  *).  Die  dem  Nationalmuseum  ein- 
verleibten (vier)  Pergamentblätter  (deren  Echtheit  ver- 
gebens erst  neulich  v.  Hrn.  Dobrowsky  bezweifelt  wurde, 
'Indem  sich  die  Gesänge  selbst  als  einer  andern,  lebens- 
kräftigeren, durch  keine  künstliche  Begeisterung  ersetz- 
baren Zeit  angehörend  ankündigen,  und  als  solche  in 
alle  Ewigkeit  bewähren  werden)  enthalten  zwei  Bruch- 
stücke :  das  Ende  des  einen  und  den  Anfang  des  andern 
Gesanges,  120  Verse.  Der  Gegenstand  des  erstem  ist 
eine  Volksversammlung,  in  der  Familiengesetze  gegeben 
werden,  des  andern  aber  das  bekannte  Gericht  der  Für- 
stin Libusa  in  dem  Rechtsstreit  zweier  Edlen,  dessen 
Folge,  nach  den  Chroniken,  die  Wahl  des  Premysl  zum 
Herzog  von  Böhmen  war.  Von  den  in  der  königinho- 
fer  Handschrift  befindlichen  lyrisch  -  epischen  reimlosen 
Nationalgesängen  gehören:  Cestmjr's  Sieg  über  Wlaslaw 
unter  Neklan  im  Jahr  830 ,  265  Verse,  und  Zäboj, 
Slawoj  und  Ludiek  oder  von  der  grossen  Schlacht  (etwa 
unter  Dagobert  630,  oder  Ludwig  813),  279  Verse, 
da  sie  Spuren  des  Heidenthums  tragen,  wol  hieher.  Ein 
gleiches  gilt  von  dem  von  Hrn.  Linda  (1817)  auf  einem 
Pergamentblatt  entdeckten  Klaglied  eines  Verliebten  an 
den  Ufern  der  Moldau,  24  Verse.  —  Alle  diese  Gesänge 
gehören  ihrer  ersten  Abfassung  nach  gewiss  vor  Ende 
des  IX.  Jahrb.,  wenn  sich  gleich,  aus  leicht  begreiflichen 

*)  In  den  Gedichten  der  Königinhofer  Handschr.  geschieht  oft  ande- 
rer Sänger  Erwähnung.  Mit  Hecht  sagt  einer  unserer  geistreichsten  vater- 
ländischen Gelehrten,  Hr.  /.  Jiingmann  (Slowesnost  S.  XXVI.)  „Pohled  na 
tyto  predrahe  zlomky  staroceskeho  bäsujctwj,  srownänj  gich  se  zpewy  gi- 
noslowanskymi,  drewnj'm  stichotworenieni,  Igorem,  a  zwläste  s  prostonärodnj 
Musau  Srbskau,  priponicnutj  Ossiana  a  dawuowekych  bardu,  druidu  a  skaldü, 
naskytuge  tu  dulezitau  myslenku,  ze  druhdy  po  cele  Ewrope  podobne  sobe 
bäsnjctwj  panowalo,  ze  gestii  ue  gako  nynj  mezi  närody,  aspon  raezi  zdari- 
lymi  hlawami  a  pewci  gegich  obapolnä  sebeznämost  wjce  nieiie  rozsjrena 
byla;  wübec,  ze,  ackoli  historie ,  to  pozdnjöe  umenj  a  wedy  lidske,  na 
nescjslne  minulosti  weky  cirau  tmu  prostjrä,  nicmene  1  w  onom  näm  ne- 
znämem  Case  rozum  a  srdce  lidske  swetla  a  peknych  rozöilych  citu  nikoli 
zbaweni  nebyli.  Bylali  to  prwnj  wznikagjcjho  bäsujctwj  epocha,  cili  gen 
ohlas  prastare  asiaticke  w  Ewropu  prinesene  a  w  tisjciletöm  stehowanj  do- 
chowane  wzdelanosti,  a  dokonaleho  öasomerneho  bäsnjctwj,  gehoi.  wetchä 
slopöge  w  prjbuzne  näm  Indii  pozorugeme,  —  toho  rozhodnutj  budaucj 
skaumatelü  pilnosti  züstaweno." 


305 

rrsaclien  ,    keine    so    alten  Abschriften  von  ihnen  erhal- 
ten haben. 

L'ngefehr  nm  die  Mitte  des  IX.  Jahrli.  brach  das 
Licht  des  Christenthuins  in  dem  heidriisclien  Bühinen 
heran,  nnd  von  seinen  miklen,  erwärmenden  Strahlen 
bewältigt,  trat  das  umfriedete  Land  nach  kurzem  Wi- 
derstände aus  seiner  dunkeln,  häuslichen  Abgeschieden- 
heit heraus,  und  schloss  sich  an  die  grosse  Familie  christ- 
lich-civilisirter  Völker  enger  an.  iMit  dem  Christenthuiii 
begannen  und  erfolgten,  wie  überall,  auch  hier,  christ- 
liche Wissenschaft  und  Kunst,  engere  Verbindung  mit 
den  benachbarten,  selbst  befeindeten  Nationen,  Annahme 
ihrer  Sitten  und  Einrichtungen,  immer  siegreichere  Be- 
kämpfung des  Ileidenthuins,  und  zuletzt  völlige  Ausrot- 
tung seiner  Eiiu-ichtungen  und  Erzeugnisse.  -  -  Im  J.  845 
Hessen  sich  vierzehn  böhmische  Fürsten  in  Regensburg 
taufen.  Bald  darauf  kam  mit  dem  Hzg.  ßoriwog  die 
christliche  Religion  auf  den  Thron.  Seine  kurze  Regirung 
nach  seiner  Taufe  machte,  dass  er  für  das  Christenthum 
weniger  thun  konnte,  als  sein  Sohn  Spitihnew^  that,  den 
die  ältesten  Legenden  als  den  Urheber  und  ersten  Be- 
förderer der  christlichen  Religion  in  Böhmen  rühmen. 
Die  nach  dem  Tode  Swatopluks  in  Mähren  entstandenen 
Unruhen  veranlassten  den  Hzg.  Spitihne\v  im  J.  895  mit 
dem  teutschen  Reiche  in  genauere  Verbindung  zu  tre- 
ten, und  so  erhielt  Böhmen  seine  ersten  christlichen  Leh- 
rer aus  Teutschland.  Diese  brachten  lateinische  Schrift- 
züge, mit  welchen  sie  schon  früher  slawische  Wörter  und 
das  Nöthigste  zum  Unterrichte  des  Volks  zu  schreiben 
gewohnt  waren,  (namentlich  thaten  dieses  zwei  Merse- 
burger Bischöfe,  Boso  vor  971,  und  Werner  vor  1101) 
nach  Böhmen,  und  theilten  sie  dem  Volke  mit ;  während 
fast  gleichzeitig  bei  den  südlichen  Slawen  an  der  Donau 
und  von  dort  bis  nach  der  Slowakei  und  Mähren  hinauf, 
Kyrills  eigentlich  für  Slawen  verfertigtes  Alphabet  in 
Gebrauch  kam.  In  Böhmen  selbst  fasste  Kyrills  Erfin- 
dung nie  Wurzel.  Die  Misshelligkeit  zwischen  Rom  und 
Constantinopel  verhinderte,  dass  die  Sprache  der  kyrilli- 
schen Liturgie  und  Bibelübersetzung  nicht  gemeinschaft- 
liche Schrift-  und  Bücliersprache  aller  Slawen,  w^ozu  sie 

20 


306 

auf  dem  Wes^c  war,  gcwordcii  ist  ^).  Die  Scliicksale  der 
hölimisclieii  Sprache  waren  nun,  wie  die  des  Landes, 
das  Religion,  Sitten  und  Verfassung  änderte,  und  dein 
Einflüsse  der  Fremden  immer  mehr  Raum  gab,  verschie- 
den. Neben  der  böhnuschen  wurde  die  lateinische,  als 
diptomatische,  und  bald  auch  die  teutsche  Sprache  ein- 
gefidirt.  Ausser  den  schon  an  den  Gränzen  vorhandenen 
Ueberbleibseln  teulscher  Stämme ,  führte  nämlich  das 
Christenthum  teulsche  Priester  als  Bedürfniss  ein,  denen 
bald  mehrere  Ansiedler  freiwillig,  und  teutsche  Kriegs- 
gefangene gezwungen  nachfolgten.  iMan  erlaubte  ihnen 
nach  ihren  Rechten  und  Gesetzen  zu  leben;  sie  wurden 
sämmtlich  für  freie  Leute  erklärt,  und  erhielten  viele 
wichtige  Gerechtsame.  Der  Hofstaat  der  Herzoge  ward 
bald  nach  teutschen  Mustern  umgeformt.  Viele  teutsche 
Rechtsansichten,  namentlich  des  Lehnrechts,  wurden  an- 
genommen. Im  X.  .lahrh.  waren  bereits  viele  Ortschaf- 
ten ganz  mit  Teutschen  besetzl.  Zu  Ende  desselben  kommt 
die  erste  teutsche  Prinzessin,  Hemma  von  Sachseji,  als 
Gemahlin  Boleslaws  11.,  nach  Böhmen.  Ihr  Hofcaplan, 
der  Benedictiner  Ditmar  von  Magdeburg,  wird  erster 
Bischof  von  Prag.  Unter  dem  Einflüsse  des  Lateinischen 
und  Teutschen  änderte  sich  die  böhmische  Landesminid- 
art,  und  entfernte  sich  inuner  mehr  von  ihrer  Quelle. 
Man  nahm  von  nun  an  fremde  Wörter  auf;  man  bildete 
auch  nach  dem  Muster  der  lateinischen  und  teutschen 
Sprache  neue  aus  böhmischen  Wurzeln;  manche  andere, 
die  schon  vorhanden  waren,  bekamen  durch  Uebertra- 
gung  auf  einen  andern  Gegenstand  neue  Bedeutungen.  — 
Aus  dieser  Periode  kennen  wir,  ausser  ({q\\  Namen  der 
Berge  und  Flüsse,  Städte  und  Schlösser,  und  der  ersten 
Herzoge,  die  Cosmas  im  Iten  Buche  seiner  Chronik  ver- 
zeichnet hat,  ausser  den  Benennungen  der  Wociientagc 
und  Monate,  von  denen  die  ersten  ofl'enbar  christlichen 
Ursprunges  sind,  ausser  dem  Vaterunser,  dessen  älteste 
Formel  dem  IX.  —  X.  .Jahrb.  angehören  mag,  vorzüglicli 
das  dem  h.  Adalbert,  zweiten  Bischöfe  von  Prag,  einem 
gebornen  Böhmen,  zugeschriebene  böhmische  Kyrie  elei- 
son-Lied.     Aber    schon    bei    der    Einsetzung    des  ersten 


')  Die  Schicksale  der  kyrillischen  Liturgie  in  Böhmen  sind  schon 
oben  §  11.  angegeben  worden.  Vgl.  Dobrowsky' s  Slawin  S.  434  if.  Dessen 
Geschichte  der  böhm.  Liter.  S.  46  ff. 


307 

Bischofs  Dilinur  soll  das  Volk  dieses  Lied  gesungen  lia- 
ben,  wonach  es  noch  äher  seyn  inrtsste.  Um  diese  Zeit 
sollen,  den  Chroniken  zufolge,  bereits  mehrere  Schulen 
errichtet  worden  seyn ,  namentlich  zu  Budec,  unweit 
Prag,  und  später  in  Prag,  bei  der  Teyner  Kirche;  al- 
lein ihr  Daseyn  ist,  selbst  bei  der  Nachricht,  dass  der 
h.  Wenceslaw  zu  Budec  von  einem  Priester  in  der  la- 
teinischen Sprache  unterrichtet  worden  ,  unerwiesen, 
und  im  Fall  ihrer  Zulassung,  der  inimittelbare  Einduss 
auf  die  Landessprache  äusserst  gering,  da  ja  bekannter- 
maassen  in  denselben  das  Lateinische  ansschliesslich  ge- 
trieben worden.  ^) 

§.  39. 

Zweite    Abtheilung.    Von    der    gänzlichen  Ausrottung  des 

Heidenthums  bis  auf  Kg.  Wenceslaw  IV.  oder  bis  auf 

Huss.  J.  1000    -   1410. 

Mit  der  RegirungBoleslaws  II.  ward  der  Sieg  des  Chri- 
stenthums  in  Böhmen  entschieden.  Seine  Nachfolger  be- 
folgten die  von  ihm  vorgezeichnete  Bahn.  Diess  brachte 
sie  in  nähere  Verbindung  mit  christlichen  Staaten,  vor- 
züglich mit  Teutschland.  Hzg.  Udalrich  (1013  —  1037) 
erhält  das  Recht,  bei  der  Kaiserwaiil  mitzustimmen.  Hzg. 
Bretislaw  1.  (1037  -  1053)  suchte  durch  die  Erbfolge 
für  den  ältesten  Prinzen  des  Hauses  die  Thronfolge  ge- 
gen Unordnungen  zu  schützen.  Unter  den  Hzgg.  Wrati- 
slaw  n.,  Sobeslaw  und  Wladislaw  II.  ward  die  Macht  Böh- 
mens befestigt,  und  die  königliche  Krone  errufigen.  — 
In  dieser  Periode  wirkte  das  Christenthum  schon  mäch- 
tiger auf  die  Cultur  des  Landes  ein.  Die  Zahl  der  Klö- 
ster wuchs;  Schulen  werden  eröffnet;  geleiirte  Kennt- 
nisse dringen  nach  und  nach  ins  Land.  Benedictiner  för- 
dern die  Künste  der  Civilisation.  Herzoge,  Bischöfe, 
Aebte  und  Wladyken  reisen  ins  Ausland,  vorzüglich  nach 
Rom,  und  kehren  mit  Kenntnissen  bereichert  zurück. 
Es  ordnet  sich  die  Verfassung;  Reichstage  werden  öfters 
gehalten,  Verträge  zwischen  dem  Herzoge  und  den  Gros- 
sen werden  errichtet,  und  Letzteren  bedeutende  Frei- 
heiten   gesichert.     Der  Bürgermeister  von  Prag  ist  schon 

^)  Dobrowsku  Gesch.  der  bölim.  Sprache  ii.  Liter.  64  —  80. 

20* 


308 

ein  iniiclitlger  Mann.  Als  tapfere  Kriesjer  und  wichtige 
kaiserliche  Beistände  erscheinen  die  böhmischen  Fürsten 
mit  ihren  Mannen:  aber  nicht  eroberungssnchtig,  son- 
dern friedliebend.  Das  Lehn-  und  Ritter  —  aber  auch 
das  Söldner  -  Wesen  beginnt ,  damit  Ackerbauer  und 
Bergmann  geschont  bleiben.  Bergbau  und  Metallarbei- 
ten sind  schon  um  diese  Zeit  ein  Hauptindustrie-Zvveig- 
—  Um  diese  Zeit  lebte  der  bendnnte  Cosmas  (geb.  1045, 
gest.  1125),  der  erste  Chronist  Böhmens,  und  sein  Zeit- 
genosse Vincenfius^  Domherr  zu  Prag,  ebenfalls  berühmt 
durch  seine  Chronik,  die  er  dem  Kg.  Wladislaw  11.  und 
der  Königin  widmete.  —  Die  Könige  von  Böhmen  Pre- 
mysl  Ottokar  I.,  Wenceslaw  L,  Ottokar  II.  und  sein  Sohn 
Wenceslaw  II.,  begünstigten  die  Städte  auf  eine  solche 
Art,  dass  ihr  Wolstand  sichtbar  zunahm.  Der  Handel, 
zu  dessen  Beförderung  die  Könige  verschiedene  Freiheits- 
briefe ertheilten,  erweckte  den  Geist  der  Thätigkeit ; 
diese  erzeugte  Ceberlluss  und  nährte  die  Künste.  Durch 
Gesetze,  die  zu  der  Zeit  die  vornehmsten  Städte  schrift- 
lich aufsetzen  Hessen,  ward  Ruhe  und  Ordnung  in  den- 
selben hergestellt.  Der  Adel  war  reich  und  mächtig,  und 
der  königliche  Hof  so  glänzend,  dass  er  nach  dem  kai- 
serlichen der  erste  in  ganz  Teutschland  war.  Aber  gleich- 
zeitig gewannen  teutsche  Sprache  und  Sitten  immer  mehr 
Ansehen  im  Lande.  Im  XI.  Jahrb.  verwies  Spitihnew  II. 
sämmtliche  Teutsche  des  Landes.  Sie  wurden  aber  bald 
wieder  zurückberufen,  und  mehr  als  Jemals  begünstigt. 
Wratislaw ,  von  Heinrich  IV.  zum  Könige  erhoben,  er- 
theilte  der  teutschen  Gemeinde  zu  Prag  durch  einen  Frei- 
heitsbrief gesetzliches  Daseyn.  Ausbreitung  erhielt  die 
teutsche  Sprache  durch  die  im  XII  —  XIII.  Jahrh.  in 
Schaaren  vom  Rhein  und  der  Donau  nach  Böhmen  zie- 
henden Mönchsorden,  und  Ansiedelungen  von  Kinist- 
lern,  Handwerkern  und  Ackersleuten,  die  der  Staats- 
klugheit wie  der  Frömmigkeit  gleich  willkommen  waren. 
Denn  die  böhmischen  Grossen  sahen  weder  die  Verbin- 
dung mit  den  Teutschen,  noch  die  Abhängigkeit  von 
den  Kaisern,  noch  die  Königswürde  gern.  Premysl  Ot- 
tokar II.  zog  abermals  viele  Teutsche  ins  Land,  ertheilte 
ihnen,  besonders  in  den  Gegenden  an  den  östlichen  Ge- 
birgen,   Wohnplätze,    Freiheiten,    und    errichtete  aus  ih- 


309 

nen  seine  Leibsjarde.  Der  Hof  belieble  ajanz  vorzüglich 
die  teiilsche  Sprache.  Unter  den  Walilkönigen  aus  teut- 
schen  Hänsern  wurde  der  Einfluss  der  teutscben  Sprache 
und  Sitten  auf  Böhmen  entsclieidend.  Unter  .Johann  von 
Luxenburg  ist  der  Nachahmungstrieb  der  Bölimen  durch 
das  Neue  und  Ungewolnite,  das  sie  bei  seinem  Hofe  sa- 
hen, mäclitig  gereizt  worden.  Ein  grosser  Tlieil  dersel- 
ben, besonders  aber  die  höhern  Classen,  fanden  an  frem- 
den Sitten,  Kleidern,  Stiefeln,  am  neuen  Haarputze  und 
an  der  teutschen  Sprache  Geschmack.  Sie  ahmten  das 
Fremde  nach,  nicht  anders,  als  wenn  sie  geglaubt  hät- 
ten, sie  müssten  nun  nach  erloschenem  Premyslischen 
Stamme  aufhören,  Böhmen  oder  Slawen  zu  seyn.  Es  wur- 
de zum  Sprichwörter  die  Böhmen  sind  wie  die  Affen. 
Der  Adel  und  der  Bürger  von  feinerer  Lebensart  in 
der  Hauptstadt  nahmen  die  Hofsprache  und  teutsche  Na- 
men an.  Die  ersten  {beschriebenen  Stadtrechte  haben 
teutsche  Rathsmäimer^zii  Prag  1341  mit  des  Königs  Be- 
willigung in  teutscher  Sprache  entworfen.  Doch  ward 
die  lateinische  Sprache  noch  immer  in  öffentlichen  Ver- 
handlungen ,  und  wenn  Urkunden  ausgestellt  werden 
sollten ,  allgemein  gebraucht.  Nach  der  Chronik  des 
teutschen  Abts  von  Königsal  war  um  1330  bei  Hofe  und 
in  den  meisten  Städten  die  teutsche  Sprache  mehr  im  Ge- 
brauche, als  die  böhmische.  Dass  auch  öffentliche  Aem- 
ter  und  königliche  Schlösser  vom  Könige  an  Ausländer 
vertheilt  wurden,  damit  konnten  die  echten  Böhmen  we- 
niger zufrieden  seyn.  Es  entstanden  zwischen  ihm  und 
den  böhmischen  Herren  Misshelligkeiten,  und  der  Kö- 
nig musste  endlich  dem  festen  Sinne  und  der  Macht  der 
letztern  nachgeben.  —  Durch  Johanns  grossen,  in  Frank- 
reich gebildeten  Sohn,  Karl  1.  (als  Kaiser  IV.),  erreich- 
te Böhmen  seinen  höchsten  Glanz.  Er  wusste  die  Begün- 
stigungen, die  er  als  Kaiser  den  Teutschen  angedeihen 
Hess,  eben  so  klug  als  König  von  Böhmen  zu  massigen, 
dass  beiden  Parteien  Genüge  geschah,  und  keine  Klage 
laut  werden  konnte.  Verherrlichung  des  Vaterlandes  war 
das  Ziel  seines  Lebens.  Er  verschaffte  zuerst  Böhmen 
das  politische  Uebergewicht  in  Mitteleuropa.  Prag  war 
zu  seiner  Zeit  nicht  nur  die  volkreichste  Stadt  in  ganz 
Teutschland,  sondern  des  kaiserlichen  Hofes  wegen  auch 


310 

zugleich  der  SöinnielpIiUz  der  Künste  und  \Visst'iis<cliaf- 
teii.  Er  stiftete  nacli  den  Vorbildern  von  Fiiris  und  Bo- 
logna die  erste  slaivische  ')  Universität  in  Prag  (1348), 
damals  für  halb  Europa  die  Sonne  des  wissenschaftlichen 
Lichts,  wobei  er  jedoch  A^n  Ausländern  an  derselben 
drei  Stimmen  im  Senat,  den  Böhmen  hingegen  nur  eine 
einräumte,  und  hiedjnxh  den  Grund  zu  der  nachfolgen- 
den heftigen  Keaction  der  böhmischen  Nationalität  legte. 
Die  Ungern,  Polen,  Böhmen,  Mähren,  Russen,  Schwe- 
den und  alle  Teutschen  trieben  hier  ihre  Studien.  Meh- 
rere böhmische  Geschichtschreiber  zeichneten  sich  unter 
ihnen  aus.  Böhmen  erfreute  sich  damals  eines  echten  Na- 
tionalruhms. Die  wichtigsten  Ehrenstellen  am  kais.  Hofe 
und  in  der  Reichskanzlei  bekleideten  Böhmen.  Mehrere 
Bistliümer  ausserhalb  Böhmen  waren  von  ihnen  besetzt. 
Zu  den  vornehmsten  Gesandtschaften  wählte  man  sie; 
sie  waren  die  Anführer  im  Kriege.  Ein  geborner  Böhme 
zu  seyn,  galt  für  einen  ausnehmenden  Vorzug.  Viele 
auswärtige  Fürsten  kauften  sich  an,  um  diesem  Lande 
anzugehören.  x\lles  strömte  nach  Böhmen:  daher  die 
grosse  damalige  Bevölkerung.  Aber  nicht  lange  währte 
dieser  glückliche  Zustand  Böhmens.  Schon  unter  Karls 
Sohn,  Wenceslaw  IV.  (als  Kaiser  1.),  entspaiuien  sich 
die  Händel  mit  der  Geistlichkeit  und  die  weitern  religiö- 
sen Zwiespalte,  welche  von  den  wichtigsten  allgemeinen 
Folgen  waren.  Alle  Leidenschaften  brachen  in  ihrer  Ro- 
heit aus;  die  begünstigten  Teutschen  entflammten  aufs 
neue  den  llass  der   hintangesetzten  Slawen. 

Die  Schicksale  der  böhmischen  Sprache  waren  seit 
dem  XI.  Jahrb.,  dem  steten  Wechsel  der  innern  und 
äussern  Verhältnisse  des  Landes  gemäss,  sehr  verschie- 
den. Zu  Anfange  des  XI.  .Jahrb.  schien  ihrer  Cultur  und 
Gestaltung  ein  neuer  Glücksstern  aufzugehen.  Der  heil. 
Prokop  bauete  um  1030  das  Kloster  Sazawa,  und  be- 
setzte es  mit  slawischen  Mönchen.  Sie  wurden  zwar, 
weil  man  sie  der  Ketzerei  beschuldigte,  kurz  nach  sei- 
nem   Tode    (1053)    von    Spitihnev\   vertrieben,   und  leut- 

^)  Zwar  legte  Kazimierz  der  Gr.  nach  Sol'tykowicz  (0  stanie  Akad.  Krak 
810.  S.  96.)  bereits  1347  den  Grundstein  zu  der  Krakauer  Hochschule  ;  aber  ihre 
förmliche  Organisirung  u.  päpstl.  Privilegirung  erfolgte  doch  erst  unter  Wla- 
dysl'aw  Jagiello  1400,  während  das  päpstl.  Privil.  der  Prager  Univ.  vom  26. 
Jan.  1347  und  die  k.  Stiftungsurk.  vom  6.  Apr.  1348  datirt  ist. 


311 

sehe  eingeführt;  allein  Wratislaw  11.  bid  sie  zurilck  und 
beschützte  sie  zeitlebens  inächtii>;,  wie  es  scheint  in  der 
Absicht,  den  slawischen  Kitns  an  mehreren  Orten  in 
Böhmen,  vielleicht  nach  nnd  nach  im  ganzen  Lande,  ein- 
zuführen, was  unstreitig  auf  die  Ciiltur  der  böhmischen 
Mundart  den  grössten  Einfluss  gehabt  haben  würde.  Der 
Papst  Gregor  VII.  war  aber  hierin  unerbittlich.  Nach 
Wratislaws  Tod  mussten  diese  Mönche  abermals  den 
tentsclien  Platz  machen.  Von  nun  an  findet  man  weiter 
keine  Spnren  der  kyrillischen  Liturgie  und  Schrift  in 
Böhmen;  die  unter  Karl  IV.  zu  Emaus  eingesetzten  Be- 
nedictiner  waren  Glagoliten.  Die  lateinische  Geistlichkeit 
Böhmens  widersetzte  sich,  wie  man  aus  Cosmas  sieht, 
aus  allen  Kräften  der  Einführung  der  slawischen  Litur- 
gie in  Böhmen.  Diese  Abneigung  ging  so  weit,  dass 
man  nicht  einmal  Spnren  der  altslawischen  Kirchenspra- 
che in  der  gleichzeitig  oder  kurz  darauf  gemachten  böh- 
mischen Uebersetzung  der  Evangelien  findet.  —  Die  böh- 
iiiische  Sprache  gestaltete  sich  vielmehr  fortwährend  un- 
ter dem  Einflüsse  der  lateinischen  und  teutschen.  Die 
grössten  Fortschritte  machte ,  besonders  in  der  ersten 
Hälfte  dieses  Zeitraumes,  die  Sprache  der  Dichtkunst. 
Allein  in  derselben  muss  man  die  profane  oder  lyrisch- 
epische, von  der  religiösen  oder  historisch-didaktischen 
Nvol  unterscheiden.  Jene  behielt  ihre  Selbständigkeit  noch 
lange  Zeit  hindurch,  und  wahrscheinlich  bis  zu  der  Stif- 
tung der  Prager  Universität;  diese  ermangelte  alles  poe- 
tischen Geistes.  Im  Allgemeinen  herrscht  in  den  aus  der 
Erinnerung  vergangener  Heldenzeiten  entsprungenen  Ge- 
dichten sovvol,  als  auch  in  den  der  Inrugkeit  und  Wärme 
des  häuslichen  Lebens  entkeimten  Volksliedern  Origina- 
lität, wahre  dichterische  Weihe,  eine  lebendige,  kräf- 
tige, numeröse  Sprache;  in  den  spätem  Legenden,  Fa- 
beln und  didaktischen  Gedichten  hingegen  auffallende 
Leere,  Mattigkeit  und  Geistesarmuth.  Die  Blütliezeit  der 
bölnnischen  lyrisch-epischen  Dichtkunst  scheint,  gleich 
der  herrsclienden  Periode  der  Minnesänger,  in  die  zweite 
Hälfte  des  XII.  und  in  den  Anfang  des  XIII.  .Jahr!i.  zu 
fallen,  obwol  kein  Grund  vorhanden  ist,  die  böhmische 
Nationalpoesie  dieser  Zeit  für  eine  Tochter  der  proven- 
zalischen  oder  teutschen  zu  halten. 


312 

Der  Ritiergeist,  und  in  seinem  Gefolge  die  Roman- 
tik, wehten  damals  gleich  mächtig  über  halb  Europa. 
Gleich  wie  nun  in  Teutschland  Könige,  Fürsten  u.  Rit- 
ter in  die  Reihe  der  Dichter  traten ;  eben  so  begünstig- 
ten hier  die  Grossen  des  Landes  die  Dichtkunst  auf  ih- 
ren Burgen,  und  machten  nicht  selten  selbst  gelungene 
Versuche  in  derselben.  Der  Geist  der  Lurnjre  und  Za- 
boje  ruhte  noch  auf  den  böhmischen  Nationaldichtern. 
Unter  den  böhmischen  Fürsten  wird  Kg.  Wenzeslaw  1. 
(1230  —  53),  Ottokars  II.  Vater,  als  Musenfreund  und 
Dichter  gerühmt;  allein  das  ihm  zugeschriebene  teutsche 
Minnelied  ist  in  der  böhmischen  .Sprache  weit  älter  vor- 
handen, und  wahrscheinlich  aus  dieser  in  jene  ihm  zu 
lieb  von  irgend  einem  reisenden  Minnesänger  übersetzt 
worden.  Der  unglückliche  Zäwis  Wjtkowic  aus  dem 
Rosenbergischen  Geschlechte ,  der  Kg.  Wenceslaws  II. 
Mutter  heirathcte,  und  1290  enthauptet  wurde,  soll, 
nach  dem  Zeugnisse  Hägeks  und  Balbins,  im  Kerker  viele, 
unstreitig  böhmische ,  Lieder  verfertigt  haben.  Nacli 
der  Errichtung  der  Universität  zu  Prag  ward  es  mit  der 
Nationaldichtkunst  umgekehrt.  So  gross  nämlich  der  Ein- 
tluss  der  Universität  auf  die  Bildung  der  böhmischen 
Sprache,  vorzüglich  in  der  Folge  war,  so  wenig  war  er 
der  Dichtkunst  erspriesslich.  Diese  ging  zu  Anfange  des 
XIV.  Jahrb.  mit  so  mancher  Volkssitte  zu  Grabe.  Statt 
des  einheimischen,  reimlosen,  rhythiinschen  Verses  wur- 
de von  nun  an  Jahrliunderte  lang  in  Ssylbigen  Zeilen 
gereimt.  Stoff  und  Gehalt  hielten  mit  der  Form  glei- 
chen Schritt.  Die  Jugendperiode  des  böhmischen  Volks 
und  mit  ihr  das  poetische  Leben  hörten  auf  Um  so  mehr 
fing  die  Prosa  an  sich  zu  etitfalten,  besonders  seit  Karl  IV. 
Dieser  setzte  nämlich  die  böhmische  Sprache  mit  der 
teutscheu  und  lateinischen  in  gleiche  Rechte  ein;  erlernte 
selbst  nicht  nur  böhmisch  sprechen,  sondern  auch  schrei- 
ben, und  wenn  gleich  noch  alle  Urkunden  in  seiner  böh- 
mischen Kanzlei  entweder  in  lateinischer  oder  teutscher 
Sprache  ausgefertigt  wurden,  so  vergass  er  doch  nicht 
die  slawische  Sprache  selbst  den  Söhnen  der  Kurfür- 
sten in  der  goldenen  Bulle  1356  zu  empfehlen.  Schon 
als  Stifter  des  Benedictiner-KIosters  in  Emaus  für  die 
slawischen  Mönche   aus  Kroatien  bezeugte  er,  wie  werth 


313 

ihm  die  slawische  Sprache  war.  Seine  Frau,  die  Ki;;». 
Elisabeth  (gest.  1393),  hat  uut'  die  Einfassung  ihrer  Löf- 
fel böhmische  Sprüclie  eingraben  lassen.  Sein  Sohn, 
Wenceslaw  lY.,  ging  nocii  weiter,  und  iiess,  der  erste 
unter  den  böhmischen  Königen,  auch  schon  Urkunden 
in  böhmischer  Sprache  ausfertigen,  deren  älteste  vom  J. 
1394  ist.  Sonst  gab  es  bereits  früher  böhmische,  aber 
keine  königliche  Stiftuiigsbriefe,  z.  ß.  von  i\en  Hohenel- 
ber  Bürgern  1386,  von  Jodok,  Markgrafen  in  iMähren 
1393,  vom  Prokop  1395.  Um  das  J.  1374  miisste  das 
Schreiben  prosaischer  Bücher  in  böhmischer  Sprache, 
vorzüglich  geistlichen  Inhalts,  schon  Ueberhand  genom- 
men haben,  da  es  nach  Th.  Stjtuy  Leute  gab,  die  die- 
ses aus  Eifersucht  laut  missbilligten.  Einzelne  Theile  der 
Bibel  mussten  schon  vorhanden  seyn,  wenn  gleich  kein 
Codex  der  ganzen  Bibel  aus  dem  XII.  Jahrb.  vorkommt. 
Wenceslaw'  hatte  unter  seinen  Holleuten  auch  geschickte 
Männer ,  welchen  man  böhmische  Uebersetzungen  da- 
mals beliebter  Werke  zu  danken  hat.  Alles  dieses  war 
recht  geeignet,  die  herrschende  Periode  der  böhmischen 
Nationalliteratur ,  die  nun  mit  dem  Anfange  des  XV. 
.lahrh.  beginnen  sollte,  vorzubereiten. 

Von  den  Sprachdenkmälern  dieses  Zeitraums  vvol- 
ten  wir  anführen:  1.)  Die  Gesänge  der  Königinhofer 
Handschrift:  Benes  Hermanow  von  der  Vertreibung  der 
Sachsen  aus  Böhmen  im  J.  1205,  oder  nach  Andern  955  — 
78.  84  Verse;  Ulrich  und  Boleslaw,  von  der  Vertrei- 
bung der  Polen  aus  Prag  im  J.  1003,  62  Verse;  Jaro- 
slaws  Sieg  über  die  Tataren  bei  Ollmütz  im  J.  1241,  302 
Verse ;  das  Turnier  am  Hofe  eines  Fürsten  142  Verse, 
nebst  acht  kleinern  Volksliedern;  ferner  das  Minnelied 
des  Kgs.  Wenceslaw  I.  2.)  Das  bekannte  Lied  vom  h. 
Wenzel:  Swaty  Wäclawe ,  wvwodo  ceske  zeme.  3.) 
Eine  gereimte  Legende  von  12  Aposteln  in  der  k.  Hof- 
bibl.  zu  Wien.  4.)  Ein  Brief  vom  Himmel  in  die  Stadt 
Galatan  gesandt,  Fragment.  5.)  Ein  Fragment  von  einer 
gereimten  Leidensgeschichte,  entdeckt  vom  Hrn.  Kinsky. 
(i.)  Ein  ganzer  Psalter,  nebst  den  gewöhnlichen  Gesän- 
gen aus  dem  A.  und  N.  Testamente,  dem  Te  Deum, 
dem  Athanasischen  Symbole,  der  Litanei  von  allen  Hei- 
ligen,   dem    Officium    für  die  Todten,    in  der  öffentlichen 


314 

Bibl.  zu  Prat!,.  7.)  Die  Stücke  der  Dohrosvskysclieii  Ila/jd- 
sclirift  aus  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jalirh.,  als  da  sind: 
a.)    die    Legende    vom    li.  Prokop,    b.)  Die    nenn  Freu- 
den Maria,    c.)  die  weinende  Magdalena  am  Grabe  Jesu, 
d.)    das    Weinen    der    Jungfrau    Maria,    e.)    die  Passion, 
f.)    die    zebn    Gebote,    g.)    die    Fabel    vom    Fuclise  und 
Kruge,    h.)    verscbiedene    Satyren.     8.)    Der  sogenannte 
Bobemarius    in    der    ßibl.    der  Prager  Domkirclie  vom  J. 
1309,    ein    lai.    bölnii.  Vocabularium    in  886  Hexametern. 
9.)  Die  Alexandreis,    in  l)ö!im.   Versen    aus    dem  Lat.,  in 
der    Bibl.    der    Prager    Domkirclie.     10.)    Eine    gereimte 
böbm.    Cbronik,    die    bis    1314    reicbt    und    gevvölinlicb, 
wiewol    fälscblicli ,    dem    Bunzlauer     Doiidierrn     Dalitnil 
Meztrichy    zugescbrieben     wird ;    ibr    unbekannter    Vf , 
der   vermutblicb    auf  der  Burg  irgend  eines  Herrn  (etwa 
Wijbclms    von    Hasenburg)    die    Tbaten    seiner    Vorväter 
in  Heime  bracbte,  ist  voll  des  gliibendsten  Hasses  gegen 
die    Teutscben    (er  scbrieb  unter  dem  Kg.  Jobann);  sein 
Werk   ist    ein   Lieblingslesebucli  der  Nation  durcli  zwei- 
bundert   .Jabre   geblieben,  und  nacli  seinem  Beispiele  be- 
sangen   andere    Dicbter    einzelne  Heldentbaten   der  Alten 
in  Reimen,    lierausg.    von    P.   Jesin  620.,    ¥.  Frochdzka, 
Pr.    786.   8.    11.)    Verscbiedene   Gedicbte,   meist  geistli- 
clien  Inbalts,    in  einer  Handscbrift  in  der  ßibl.  der  Pra- 
ger   Domkirclie:    a.)  der  böbm.  Alanus,     b. )  Gedäcbtniss 
des  Todes,    c.)    die   Himmelfabrt    Maria,     d.)  Secbs  und 
zwanzigerlei  Narren,    e.)    Fünf  Quellen    der  Sünde,    f) 
Anseimus    von    dem  Leiden   Cliristi,   g.)   Catonis  disticba 
böhni.,    b.)  Gebete  ,    i.)     Ein     lat.     böbm.     Vocabularium 
u.  s.   w.    12.)    Eine   gereimte    Leidensgescbichte    Cliristi 
in  der  Fürst  Lobkowiciscben  Bibl.  zu  Raudnic.   13.)  Der 
böbm.    Cato    in    mebreren    Handscliriften.    14.)  Der  neue 
^Ratb    fnowä  rada).    in  Reimen  von  StnjJ  r.  Riesciiben), 
/genannt  Flaska.   15.)  Tristram,  ein  Ritterroman   aus  dem 
Teutscben,    über   9000    Verse,    in  der  Bibl.   der  PP.  Mi- 
noriten   vom    J.    1449,    in   Stockbolrn    vom    J.   1483.   16.) 
Der  Tandarias   und  die  scböne  Floribolle,    gleicbfalls  ein 
Ritlerroman    in   Reimen.    17.)  Die   trojaiiiscbe  Gescbicbte 
aus    dem    Lateinischen  des  Guido   von  Columna,  in  meb- 
reren Handschriften,    nach  dem   N.  Testamente  das  erste 
gedruckte    Buch    in  böhmischer  Sprache   (ohne  Druckort 


315 

und  Jaluzalil)  etwa  vom  J.  1476  %  2(e  Ausg.  Prag  488. 
4.  3  A.Pr.  C03.  8.4  A.  Fr.  790.  8.  5  A.  812. 18.)Tka(llccek, 
der  kleine  Weber,  ein  Gespräch  zwischen  dem  von  sei- 
ner Geliebten  verlassenen  Liebhaber  und  dem  Unglücke, 
in  mehreren  Handschriften.  19.)  Die  ältesten  bölimischen 
Landrechte,  von  ludr.  r.  DuIki,  oberstem  Landrichter 
unter  Ks.  Karl  IV.  und  Kg.  Wenceslaw  IV.  gesammelt, 
in  der  kais.  llofbibl.  zu  Wien.  20.)  Die  gemeinen  Rechte 
sammt  dem  Lehnrechte,  ans  dem  Teiitschen,  in  der  Pra- 
ger Bibl.  21.)  Der  Sachsenspiegel  oder  das  Magdeburger 
Recht,  eb.  22.)  Das  Leben  Karls  IV.  sammt  der  Krö- 
iningsordinn)g,  in  einer  Handschr.  zu  Leitmeritz,  her- 
ausg.  von  Ambr.  v.  Ottersdorf  Ollmütz  555.,  von  F.  J. 
Tomsa  Pr.  791.  8.  23.)  Die  böhmische  Chronik,  welche 
auf  Befehl  Ks.  Karls  IV.  ein  Ungenannter  in  lateinischer 
Sprache  zusammentrug  ,  von  Piibjk  von  Tradetnn,  ge- 
nannt Pulkawa,  ins  Böhm,  übersetzt,  und  herausg.  von  "  ^ 
F.  Prochäzka  Pr.  786.  8.  24.)  Eine  Chronik  von  römi-  ll^^*^ 
sehen  Kaisern ,  aus  dem  Latein,  vom  ]\b\  Lmirentius, 
K.  Wenceslaws  Hofbedienten,  übersetzt.  25.)  Die  Hei-  -T^'^ 
sebeschreibung  des  Ritters  Mandeville,  aus  dem  Teutschen  ^ 
von  demselben  Mr.  LavrentinSy  in  mehreren  Handschrif- 
ten, herausg.  Pilsen  510.  8.,  513.  8.,  Pr.  610.,  Pr.  von 
Kramerius  796.  811.  26.)  Das  Traumbuch  (Snär)  vom  Mr. 
LüKrenfiifs  von  Prag  aus  dem  Lat,  in  mehreren  Ab- 
schriften, herausg.  von  llagek  Pr.  550.  581.  8.  27.)  Die 
fabelhafte  Geschichte  Alexanders  aus  dem  Latein.,  in  meh- 
reren Handschriften,  herausg.  Pilsen  513.  28.)  Marti- 
niani  oder  die  römische  Chronik,  von  Benes  v.  Hofowic, 
Ritter  des  Grabes  Christi,  um  1400  aus  dem  Teutschen 
übersetzt,  gedr.  Pr.  488.  29.)  Die  böhm.  Uebers.  der 
Historia  Scholastica  des  Peter  Comestor  oder  Mandu- 
cator,  in  mehreren  Flandschr.  30.)  Horae  od.  Tagszeiten 
(hodiny),  eine  Sammlinig    verschiedener  Erbamnigsschrif- 

-)  So  nach  Hrn.  Dobrowsky,  der  die  in  der  Unterschrift  am  Schlüsse  des 
AVerkes  ausgedrückte  Jahrzahl  1468  nicht  von  dem  Drucke,  sondern  nur  von 
der  Handschr.,  die  man  dem  Setzer  vorlegte,  gelten  lassen  will.  Kach  Hrn. 
Jungmann  hingegen  (Hist.  lit.  c.  S.  49.  68.),  dem  ich  beipflichte,  bezieht 
sich  die  Jahrz.  1468  auf  den  Druck.  Pelzels  Muthmassung,  dass  der  im  Ind. 
Hb.  boh.  prob,  verzeichnete  gedruckte  Brief  Hussens  au  Jakaubek  vom  J.  1459 
(welche  Zahl  Hr.  Dobrowsky  für  einen  Druckfehler  statt  1495  hält),  durch  ir- 
gend einen  reisenden  Böhmen  zum  Druck  befördert  sey,  wiederholt  Hr.  Jung- 
niaim  S.  91.  Hiernach  ist  das  oben  S.  242  —  43   gesägte  zu  berichtigen. 


316 

teil.  31.)  Christlicher  Unterricht,  den  der  böhni.  Edel- 
mann Thomas  v.  Sfjtnij  für  seine  Kinder  schrieb,  in 
mehreren  Handschr.  32.3  Ein  asketischer  Traktat  von 
verschiedenen  Tngenden,  in  einer  llandsclirift  der  ölT. 
Bihl.  in  Fra^-  vom  J.  1383.  33.)  Des  heil.  Augustinus 
Spiegel  (zrcadlo)  eb.  34.)  Des  jüdischen  Meisters  Samuel 
Buch  von  der  Ankunft  des  Messias,  aus  dem  Lat.,  gedr. 
Pils.  528.  4.  35.)  Das  Testament  der  12  Patriarchen,  in 
einer  Handschr.  bei  den  PP.  Piaristen  zu  Lipnik  in  Mähren, 
gedr.  zu  Prosnic  545.  8.  Pr.  570.  8.  36.)  Des  Predigers  Joh. 
Müic  (gest.  1374),  Tractat  von  den  grossen  Trübsalen 
der  Kirche,  gedr.  Pr.  542.  4.  37.)  Die  Philosophen 
(mudrci)  aus  dem  Lat.,  gedr.  Pr.  514.  8.  38.)  Von  den 
vier  Haupttugenden,  Pils.  505.  529.  39.)  Elucidarius  (Lu- 
cidai*  0  wsech  wecech),  öfters  gedruckt,  zuletzt  783.  40.) 
Sequentionarius,  ein  Vocabular,  Ms.  41.)  Zwei  hit.-böhm. 
Vocabularien,  in  der  öff.  Bibl.  in  Prag,  und  in  dem  Be- 
nedictinerkloster  zu  Keygern  in  Mäliren.  42.)  Ein  lat. 
deutsch-böhm.  Yocabidarium  zu  Brunn.  43.)  Der  Bo- 
hemarius  minor,  in  der  Prag.  Bibl.  44.)  Einzelne  bibli- 
sche Bücher  in  verschiedenen  Bibliotheken,  als  ein  Psal- 
ter auf  Pergament  in  4.  in  der  Bibl.  der  Prager  Domkir- 
che, ein  Psalter  vom  .1.  1396  in  der  herzogl.  Bibl.  zu  Oels 
in  Schlesien,  die  Propheten  Isaias,  Jeremias  und  Daniel 
in  der  Prag.  Bibl.,  die  Evangelien  in  der  Wiener  Hof- 
bibl.,  die  Evangelien  aus  dem  Matthaeus  in  der  Prager 
ötr.  Bibl,,  die  Prologen  des  Hieronymus  in  der  Bibl.  der 
Domkirche  u.  m.  a."*) 

§.  40. 

Der  zweiten  Periode  erste  Abtheilung.  Vom  Anfange  des 
Hussitenkrieges  bis  auf  die  Verbreitung  der  Buchdrucker- 
kunst in  Böhmen,  oder  bis  auf  Ferdinand  I.  J.  1410     1526. 

Mit  Kg.  Wenceslaw  und  Huss  beginnt  eine  neue  Aera 
des  böhmischen  Volkslebens  und  der  Nationalliteratur.  — 

^)  Den  Druck  vieler,  vorzüglich  älterer  Gedichte  aus  diesem  Zeitraum 
verdanken  wir  Hrn.  W  Hanka,  der  sie  unter  dem  Titel:  Starohylä  sklädanj, 
Pamätka  XII  —  XV.  stoletj,  Prag  817  —  23.  5  Bildien  kl.  8.  herausgab.  Vgl. 
DobroM'skys  Gesch.  der  böhm.  Sprache  und  Literatur.  S.  80  —  188. 


317 

Wiklefs,  des  englisclien  Luthers,  Schriften  waren  schon 
vor  dem  Flüchtlinge  Payn;'  nach  dem  aufgeklärten  Böh- 
men, dessen  Königstochter  die  Gattin  des  hrittischen 
Herrscliers  war,  gekommen,  und  vorzüglich  von  Joh. 
Huss  und  flieronymus  Pragensis  verbreitet.  Beide  erho- 
ben ihre  Stimmen  laut  gegen  die  verderbten  Sitten  der 
Weltlichen  und  Geistlichen,  beide  predigten  laut  die 
neue  Lehre,  die  sich  dem  Volke  durch  Reichung  des 
Abendmahls  in  beiderlei  Gestalt  am  auffallendsten  ver- 
sinnlichte,  und  mussten  dafür  den  Scheiterhaufen  zu  Con- 
stanz  (1415)  besteigen.  Ihre  Hinrichtung  wurde  von 
dem  grössten  Theil  der  Böhmen  als  eine  Beschimpfung 
der  Nation  angesehen,  und  das  tief  empörte  Volk  griff 
zu  den  V^affen.  Joh.  Zizka  stellte  sich  an  die  Spitze  der 
Hussiten.  Verwüstungen  aller  Art,  mit  Morden,  Sengen 
und  Brennen  innerhalb  und  ausserhalb  der  Gränzen  folg- 
ten nach.  Der  unter  solchen  Umständen  zur  Kegirung 
gelangte  Rs.  Sigmund  wollte  mit  bewaffneter  Hand  die 
Ruhe  wieder  herstellen.  Diess  gelang  ihm  zwar,  aber 
erst  kurz  vor  seinem  Ende.  Die  Hussiten  schwächten 
sich  durch  Trennung  in  Parteien:  so  z.  B.  die  Calixti- 
ner  oder  Utraquisten.  den  Genuss  des  Kelchs  im  Abend- 
mahl ansprechend,  die  Taboriten,  von  der  Stadt  Tabor, 
ihrem  Hauptsitze  ,  eine  gänzliche  Kirchenreformation 
verlangend;  die  sie  mit  Gewalt  durchsetzen  wollten, 
(andere  waren  die  Horebiten,  Pikarditen  ,  Adamiten). 
Nachdem  jenen  von  der  Synode  zu  Basel  durch  die  Pra- 
ger Compactaten  (1434)  der  Kelcii  zugestanden  worden, 
kehrten  sie  selbst  die  Waffen  gegen  diese  und  andere 
Fanatiker,  und  nöthigten  sie,  besonders  nach  der  gros- 
sen Niederlage  bei  Böhmischbrod  (14.34)  zum  Iglauer 
Frieden  (1436).  Aus  den  Taboriten  gingen  die  böhmi- 
schen und  mährischen  Brüder,  und  später  noch  manche 
andere  Secte  in  Böhmen  hervor,  die,  wenn  auch  ge- 
däaipft,  dennoch  von  Zeit  zu  Zeit,  wie  verloschene  Flam- 
men aufloderten.  Unter  fortdauernden  gewaltigen  Be- 
fehdungen der  Katholiken  und  Utraquisten  kam  mit  der 
Kaiserwürde  zugleich  auch  die  böhmische  Krone  1438 
wieder  an  das  österreichische  Haus.  Albrecht  V.  (als 
Kaiser    II.)    bahnte    sich  durch  die  Vermählung  mit  Sig- 


3i8 

munds  Tochter  den    Weg  zum  böhiiiisclieii    Throne,    von 
dem   ihn    schon    1439    der  Tod   abrief.    Nacli  manclierlei 
Faclionsränken,    denen    die  Religion  als  Verwand  dienen 
muss(e  ,    ward    das    Kind    Ladislaw,    Albrechts  Nachge- 
boriier,    unter    einer    Regentschaft,    König.  Aber  die  Fa- 
ctionen    bekämpften    sich  fort,    bis  der  grosse  Georg  von 
Podebrad,    Haupt    der  Utraquisten,    die    Statthalterschaft 
und  die  innere  Ruhe  errang.    Nach  Ladislaus  Tode  1457 
behaupteten    die    Stände    ihr    Wahlrecht,    und    ernainiten 
den  bisherigen  Statthalter  zum  Könige  1458—71.     üiess 
gab    dem    Nationalgeist   neuen  Schwung.  Unter  dem  pol- 
nischen Prinzen  Wladislaw  II.   wurden  die  kaum   gestill- 
ten   Leidenschaften    wieder    rege;    der    auf  31   .Jahre  zu 
Kuttenberg    1484    zwisclien  den  Katholiken  und  Calixti- 
nern    geschlossene    Religionsfriede    ging    wenig  in  That 
über.  Mittlerweile    breiteten  sich  die  aus  Frankreich  ge- 
kommenen  Pikarditen,    sich  einfach  an  die  Bibel  haltend 
und  alle    katholische  Kirchensätze   verwerfend,  ungemein 
aus,    wurden    aber  aufs  grausamste  verfolgt,    den  Flam- 
men   übergeben    und    aus  dem  Lande  gejagt.     Nicht  viel 
besser    wurden    Luthers    Anhänger,    und  noch  früher  die 
böhmischen    Brüder,    behandelt.    Gegen    letztere  schickte 
der    Papst  Alexander   VI.    den  Inquisitor  lleinr.  Institoris 
(1499),    angeblich    um    die  Waldenser  und  Pikarditen  zu 
bekehren.  Kg.  Wladislaw  erliess  wiederliolte  scharfe  Be- 
fehle   gegen    sie    1503.    1504.   1508.     Durch  zahlreiche, 
mitunter  kräftige  Apologien  reizten  diese  noch  mehr  ihre 
Gegner.     Aber  kaum    wurden    Luthers  Schriften  in  Böh- 
men   bekannt,    als    sich   die    Fvangelisch  gesinnten  Böh- 
men,   Utraquisten    und    Brüder,    an    die  teutschen  Refor- 
matoren anschlössen.    Diess  veranlasste  die  erste  heftig- 
ste   Verfolgung    der    Lutheraner    in    den  J.   1524     -  28. 
Viele    Anhänger    der    neuen    Lehre    wMirden    verwiesen, 
andere    mit    ihren  Büchern  verbrannt-  Gleichzeitig  (1524) 
wurde    in  Prag  durch    ein  Decret    die  strengste  Bücher- 
censur   eingeführt.     Die    Brüder    konnten   jetzt    also  inu" 
ausserhalb  Prag  ihre  Bücher  drucken. 

Unter  diesen  gewaltigen,  politisch-religiösen  Stür- 
men, welche  das  ganze  XV.  Jahrb.  hindurch  Böhmen 
erschütterten,    reifte    die    sclion  von  Karl   IV.  begünstigte 


319 

hülimisclie  Laiidesspiaclie  alliniililig  zur  Ilcrrsclicrin  über 
ilirc  iNebenbulileriiien  beraii.  Der  wicliligsle,  folgeiireicb- 
s(e  Scliritt  geschali  unter  Wenceslavv  lY.  Die  inzwischen 
mündig  gewordene  böbmisclie  Nation,  deren  geistige  Re- 
j)räsentan(en  die  Lehrer  bei  der  Prager  Universität, 
Huss  und  Hieronymus  an  der  8])itze,  waren,  sah  sich 
durch  die  Vergebung  von  drei  Stimmen  an  Ausländer 
in  ihren  natürlichen  Hechten  gekränkt,  und  \  erlangte 
vom  Könige  in  dieselben  eingesetzt  zu  werden.  Nach 
einjährigem  Widerstand  setzte  endlich  der  König  im  J. 
1409  durch  ein  Decret  das  umgekehrte  Verhältniss  fest, 
und  theilte  der  bölnnischen  Nation  bei  allen  Acten  an  der 
Universität  drei,  der  teutschen  hingegen  eine  Stimme 
zu,  was  die  berühmte  Gelehrten  -  Auswanderung  aller 
teutschen  Lehrer,  20,000  Studenten,  und  die  Errich- 
tung der  Universitäten  Leipzig,  Ingolstadt,  Rostock  u. 
a.  veranlasste.  Nach  dem  Abzüge  der  teutschen  Profes- 
soren und  Studenten  ward  nuFi  die  böhmische  Partei  an 
der  Universität  die  herrschende.  Dieses  und  die  gleich- 
zeitige Verbreitung  von  Wiklefs  Schriften  wirkte  auf  den 
Gang  der  böhmischen  Nationaicultur  entscheidend.  Wi- 
klefs Schriften  wurden  zwar  verdammt,  und  der  Erzb. 
Zbynek  liess  sie  sammeln  und  verbrennen ;  Job.  Huss 
aber  nnssbilligte  in  seinen  Predigten  die  Verbrennung 
derselben.  Er  fand  bei  vielen  Beifall;  auch  die  Laien 
nahmen  Partei.  Man  verfasste  und  sang  anzügliche  Lie- 
der. Der  König  wollte  Ruhe  schaffen,  und  verbot  sie 
bei  Lebensstrafe.  Hierauf  übersetzte  Huss  mehrere  von 
Wiklefs  Schriften  ins  Böhmische,  und  verschenkte  sie 
an  Laien  und  Frauen;  andern  liess  er  lateinische  Ab- 
schriften zukommen.  Gleichzeitig  bekamen  die  Böhmen 
eine  Uebersetzung  der  ganzen  Bibel,  ungewiss  ob  von 
Huss  veranstaltet,  aber  gewiss  von  ihm  verbreitet.  Die 
meisten  seiner  Werke  schrieb  Huss  in  böhmischer  Spra- 
che. Mr.  Hieronymus  von  Prag  und  Mr.  Jacobellus,  der 
Beförderer  des  Kelchs,  tliaten  ein  Gleiches.  Huss  rich- 
tete das  böhmische  Alphabet  neu  ein,  und  bestimmte 
die  Orthographie  fester.  Nach  Hussens  und  Hieronymus 
Hinrichtung  nahm  selbst  das  gemeine  Volk  an  theologi- 
schen   Streitigkeiten    Tlieil.     Unter    den  Schutzschriften, 


320 

die  für  Hussens  Lehre  in  bölimisclier  Sprache  erschienen, 
war  die  von  einem  Franenzimmer  verfassle  die  merk- 
\Mirditi;ste.  Mau  führte  in  allerlei  Spottgedichten  bittere 
Klaüjen.  Nach  dein  Tode  Wenceslaws  (1419)  thaten 
sich  die  Taboriten  durch  Liebe  zur  Muttersprache  her- 
vor; ihr  Bischof  Niki,  von  Pilgrain  (Pelhriinow^)  schrieb 
selbst  einiges  in  böhmischer  Sprache.  Ihren  Gottesdienst 
hatten  die  Taboriten  schon  vor  142,3  in  böhmischer 
Sprache  zu  verrichten  angefangen.  Von  ihres  Anführers 
Zizka  Hand  hat  man  noch  einige  böhmische  Original- 
briefe; auch  verdankt  man  ihm  eine  böhmische  Kriegs- 
ordnung, Kriegslieder  u.  s.  w.  Während  dieser  Zeit  ver- 
vielfältigten sich  die  Abschriften  der  Bibel  :  einige  soll- 
ten sogar  von  taboritischen  Weibern  verfertigt  worden 
seyn.  Aeneas  Sylvius  selbst  rühmt  dei'-ta^bftcilriscben  Wei- 
ber Bibelgelehrsamkeit.  Der  Text  der  Bibel  wurde  fleis- 
sig  revidiri:  überhaupt  kann  man  von  1410  14S8  we- 
nigstens vier  Keeensiouen  der  ganzen  Bibel  und  noch 
mehrere  des  N.  Testamentes  unterscheiden.  Als  zwischen 
den  Katholiken  »nid  einem  Theil  der  Hussiten  (den  Ca- 
lixtinern  oder  Ltraquisten)  ein  Vergleich  zu  Stande  kam 
(14.34),  u:k1  die  Taboriten  mit  Watfeugewalt  vniter- 
drückt  wurden,  da  wollten  auch  die  l  (raipiisten  bei  der 
Messe  die  Muttersprache  eiufüfiren,  sie  wendelen  sich 
desshalb  an  den  Kirchenrath  zu  Basel,  erhielten  zwar 
eine  abscidägige  Antwort,  allein  Hokycana  und  seine  An- 
hänger liessen  sich  hiedurch  von  ihrem  Vorhaben  nicjjt 
abwendig  machen.  Daher  die  neuen  Angriffe  von  Hila- 
riiis,  Zidek  iuu\  andern  Katholiken  auf  die  Utracpiisten. 
Schon  wurde  bei  ölFentlichen  Verhandlungen,  besonders 
unter  König  Georg  und  Wladislaw,  die  böhmische  Spra- 
che immer  häufiger,  bei  Landlagen  und  dem  Larjdrechte 
fast  ausscldiessend  gebraucht.  In  dieser  Epoche  hatte  die 
Kenntniss  der  böhmischen  Sprache  bei  den  Mitbewer- 
bern um  die  böhmisclie  Krone  nicht  geringen  Einfluss 
auf  ihre    Wahl  ').      Nach     1430    wurden    die    Privilegien 

')  Nach  (1cm  Totlo  Siiiinuuds  (1438)  erklärte  sich  eine  Partei  fin- 
den Bnuler  des  polnischen  Königs.  Als  die  Gesandten  der  andern  Partei 
die  Ansprüche  AUirechts  bei  dem  Könige  von  Polen  geltend  zu  machen 
suchten,  gab  ihnen  dieser  zur  Antwort:  die  Polen  und  Böhmen  hätten  eine 
gemeinschaftliche  Sprache,  wären  Völker  einerlei  Abstammung;  mit  den 
Tcutschen    aber   hätten    di(>   Pöhmen    nichts  gemein.     Als   die  Stände  (1440) 


:^2l 

der  Neustadt  Prag,  die  Satzungen  Her  iMalerziiuft,  die 
Iglauer  und  Kuttenberger  Bergrechte  ins  Böluiiisclie  über- 
setzt. Bei  der  königlichen  Landtafel  erliielt  sich  der  aus- 
schliessende  Gebrauch  der  lateinischen  Sprache  noch  am 
längsten.  Erst  seit  1495  fing  man  an,  die  Bücher  bei  der- 
selben in  böhmischer  Sprache  zu  verlegen,  worin  die 
Mährer  unter  ihrem  patriotischen  Landeshauptmann 
Ctibor  von  Cimburg  im  J.  1480  den  Böhmen  vorgingen. 
Aber  schon  vom  J.  1492  hat  man  gedruckte  Landtags- 
schlüsse in  böhmischer  Sprache  durch  diese  ganze  Periode 
und  bis  auf  die  neuesten  Zeiten  herab.  Der  diplomati- 
sche Gebrauch  der  böhmischen  Sprache  erstreckte  sich 
über  einen  Theil  von  Schlesien  und  die  polnischen  Her- 
zogthümer  Zator  und  Auschwitz  (Oswjetjn) ,  hier  von 
1481  bis  1559.  Böhmische  Inschriften  auf  Steinen  kom- 
men seit  1437,  auf  Grabschriften  seit  1448,  auf  Glo- 
cken seit  1386 ,  Namen  mit  böhmischen  Flexionen  auf 
Sigillen  seit  1433  häufig  vor.  xMit  dem  Bücherdrucke 
machten  sich  die  Böhmen  sehr  früh,  am  allerfrühesten 
unter  allen  Slawen,  bekannt.  D^er  ältesfe  Druck  ist 
schon  oben  S.  314  angeführt  worden.  Doch  gab  es  erst 
seit  1487  eine  bleibende  Druckerei  in  Prag,  wo  auch 
die  erste  ganze  böhmische  Bibel  1488  fol.  erschienen  ist. 
Was  früher  herauskam,  mögen  wandernde  Künstler  ge- 
druckt haben.  Allein  zu  Anfange  des  XVL  Jahrh.  ka- 
men mehrere  böhmische  Druckereien  auf;  namentlich  zu 
Prag,  Pilsen  1498,  Leitomyschl  1507,  Jungbunzlau  1507, 
JWeissÄässer  1519,  Wylimow  1521  u.  s.  w.  Auch  druckte  K 
man  im  Auslände  böhmisch,  in  Nürnberg  1504  —  18,  ^ 
Venedig  1506.  -  Unter  Wladislaw  IL  bildete  sich  vor- 
züglich der  böhmische  Geschäftsstyl  aus.  Alle  Verordnun- 
gen wurden  aus  der  böhmischen  Kanzlei  in  der  Landes- 
sprache erlassen.  Die  Archive  sind  voll  von  böhmischen 
Urkunden  aus  dieser  Zeit.   Die  Stellen  bei  den  Behörden 

dem  Hzg.  von  Baiern  Albert  die  Krone  antrugen,  hatten  sie  wol  auf  den 
Umstand,  dass  er  am  Hofe  K.  Wenceslaws  erzogen  der  böhmischen  Spx'ache 
kundig  ist,  Rücksicht  genommen.  Nach  Georgs  Tode  (1471)  ward  Wla- 
dislaw auf  den  böhmischen  Thron  erhoben,  weil  sich  die  böhm.  Stände, 
wie  sie  sich  selbst  gegen  Kg.  Mathias  von  Ungern  äusserten,  von  ihm  als 
einem  Polen  unter  andern  versprachen,  dass  des  böhm.  Volkes  und  der  sla- 
wischen Sprache  Ruhm  durch  ihn  erhöhet  werden  würde.  S.  Dobrowskys 
Gesch.  der  böhm.  Sprache  und  Literatur.  S.  201. 

21 


322 

wurden  mir  inil  Böhmen  besetzt,  den  Teutschen  ward 
es  durcli  neue  Gesetze  verwelirt,  sicli  anzusiedeln.  Vor 
den  Gerichtsbehörden  durfte  man  sich  keiner  andern, 
als  der  Muttersprache  bedienen.  Zu  vertrauten  sowol, 
als  zu  Geschäftsbriefen  hatte  die  Sprache  jetzt  Biegsam- 
keit genug:  daher  die  Menge  der  Briefe,  die  einzeln  in 
Originalen  in  Archiven  zerstreut,  oder  in  Handschriften 
gesammelt  vorkommen.  Wenn  es  auf  der  einen  Seite 
noch  immer  Leute  gab,  die  entweder  aus  Unkunde, 
oder  aus  ästhetischer  Ziererei  den  böhmischen  Schriften 
gar  nicht  hold  waren  ^);  so  fehlte  es  auf  der  andern 
nicht  an  warmen  Freunden  und  mächtigen  Beschützern. 
Mehrere  Patrioten  verbanden  sich,  alles  in  böhmischer 
Sprache  zu  schreiben.  Daher  kamen  neben  den  theolo- 
gischen, politischen,  juridischen  und  historischen  Schrif- 
ten, auch  viele  ünterhaltungsbücher,  vorzüglich  Roma- 
ne, auf.  -  Der  bessere,  geläuterte  Geschmack  fing  all- 
mälig  an,  sich  über  das  böhmische  Schriftwesen  zu  ver- 
breiten. Seitdem  Bohuslaw  Hassenstein  v.  Lohkowic, 
der  gebildeteste  Böhme  seiner  Zeit,  und  andere  bessere 
Köpfe  die  schönen  Wissenschaften  in  Böhmen  eifriger 
pflegten,  Hieronynins  Baibus  Vorlesungen  über  die  schö- 
nen Redekünste  in  Prag  hielt,  mehrere  ausgezeichnete 
Männer  (darunter,  ausser  den  zwei  genainiten,  Grego- 
rius  Pragensis ,  Joannes  Sturnus  ,  Joannes  Slechta, 
Sigmund  von  Lobkowic,  Victor  Corn.  Wsehrd,  Wcnc. 
Pjsecky,  Job.  Oppaviensis,  And.  Ctiborius,  Augustinus 
Olomucius,  Ulricijs  Rosensis,  Joannes  Wartembergensis, 
Mart.  Crumloviensis,  Stanisl.  Thurzo,  Christoph.  Weit- 
mühl  u.  m.  a.)  als  Gelehrte  von  feinerer,  hinnanistischer 
Bildung  auftraten,  die  adeligen  Jünglinge  Studien  halber 
häufiger  Italien  besuchten:  da  mussten  die  Böhmen  mit 
den  classischen  Werken  der  Griechen  cnid  Römer  immer 
bekannter  werden.  Man  unternahm  böhmische  Ueberse- 
tzungen  besserer  Schriften.  Der  Einlluss  des  Lateins  auf 
die  Bildung  und  den  Periodenbau  der  böhmischen  Sprache 

*)  Bohusl.  von  Hassenstein  und  Lobkowic  schilt  den  Uebersetzer  ei- 
niger seiner  Verse  einen  Esel  und  Barbaren.  „Transtulit  in  patriam  qui- 
dam  mea  carmina  linguam;  Ilaec  proceres  populus  nobilitasque  legit;  Ira- 
scor  facto  bipedis  vehementer  aselli.  —  In  messeni  ne  quaeso  meani,  nii 
barbare,  falccm  iusere:  non  eteuim  scripsimus  illa  tibi." 


323 

wird  zu  Ende  des  XV.  Jalirh.  immer  siclitburer.  Diess 
erhellet  vor  andern  aus  den  üeberseizun^en  des  Greg. 
Hruby  von  Gelenj  und  Vict.  Corn.  Wsehrd,  die  ihren 
Geist  durch  die  aUen  classischen  Schriftsteller  gebildet 
hatten.  Die  Sprache  gewann  an  Fülle,  Kraft  und  Run- 
dung. Im  Ganzen  zeichnet  sich  die  Prosa  der  besseren 
Schriftsteller  dieses  Jahrhunderts  durch  eine  eigene  Ori- 
ginalität, Wärme  und  Gediegeiüieit  aus;  die  Poesie  hin- 
gegen, obgleich  hie  und  da  (in  den  hussitischen  Gesän- 
gen, in  Hynek  Podebrads  Gedichten)  nicht  ohne  Leben, 
blieb  im  Allgemeinen  weit  hinter  der  Prosa  zurück, 
und  ermangelte  des  selbständigen  Geistes,  der  in  den 
besseren  Gesängen  der  ersten  Periode  weht.  Mitten  zwi- 
schen diesen  beiden  entwickelte  sich,  als  eine  eigene 
Erscheinung  dieser  Zeit,  die  Sprache  der  Berßddamkeit. 
Zwar  herrschte  die  Kanzelberedsamkeit  vor,  aber  bald 
folgte  auch  die  politische  nach,  und  die  gleichzeitigen 
Schriftsteller  rühmen  die  hinreissende  Suada  mehrerer 
böhmischen  Redner,  von  welchen  leider  niclits  auf  uns 
gekommen  ist.'^} 

Es  ist  uiunöglich  hier  eine  üebersicht  aller  hand- 
schriftlichen und  gedruckten  Sprachdenkmäler  dieses  Zeit- 
raums zu  geben;  wir  beschränken  uns  auf  eine  Auswahl 
derselben.  Als  Schriftsteller  sind  zu  nennen:  Mr.  Joh. 
Hns  aus  Husinec,  Prof.  zu  Prag  u.  Prediger  an  der  Kirche 
zu  Bethlehem  (g.  1373,  f  1415),  regte  den  grossen  Kampf 
der  Böhmen  für  religiöse  und  kirchliche  Freiheit  durch 
seine  Lehre,  seine  Predigten  und  seine  Schriften  an, 
und  führte  zugleich  eine  neue  Aera  der  böhmischen  Na- 
tionalliteratur herbei;  er  schrieb  sehr  viel  in  böhmischer 
Sprache,  aber  seine  Schriften,  Abhandlungen,  Predig- 
ten, Auslegungen  der  h.  Bücher,  Kirchenlieder  u.  s.  w. 
erschienen  meist  einzeln  und  zu  verschiedenen  Zeiten ; 
die  Postille,  von  seiner  Hand  im  Msc.  vom  .].  1413  auf 
der  Prager  Bibliothek,  aber  auch  in  mehreren  Abschrif- 
ten und  oft  vorhanden,  wurde  gedruckt  zu  Nürnberg  557, 
563.  fol.,  0.  Dr.  (Pr.)  564  fol.,  Nürn.  592.  lat.  a.  d.  Böhm, 
übers.  Briefe  Witt.  537.  8.,  lat.  Werke  558.  u.  oft.  —  Mr. 
Hieronymiis  von  Prag  (f  1416),  Prof.  an  der  Universität, 

')  Prochäzka  comment.  de  über,  art.  p.  322. 

21* 


324 

Hussens  tbätigster,  gelehrtester  u.  treuester  Gefährte,  ver- 
fasste  mehrere  Unterrichtsschriften  für  das  Volk  in  böh- 
mischer Sprache,  und  dichtete  Kirchenlieder,  meist  ans 
biblischen  Sprüchen  zusammengesetzt.  —  Mr.  Jacobeil  v. 
Mies,  sonst  auch  Jacob  Stfjbersky  genannt,  ebenfalls 
Prof.  an  der  Universität ,  ein  eifriger  Beförderer  des 
Kelchs,  hinterliess  eine  Postille  oder  Auslegungen  der 
Sonntagsepisteln,  beigefügt  der  3ten  A.  von  Huss  Postille 
564.,  Predigten,  Kirchenlieder  u.  m.  a.  —  iVIr.  Joh.  von 
Rokycan  (gest.  1471),  zuerst  Pfarrer  an  der  Kirche  zu 
Teyn,  dann  utraquistischer  Administrator  des  Prager 
Erzbisthums,  verfasste  eine  Postille  vor  dem  J.  1470, 
enthaltend  Predigten,  und  in  mehreren  Abschriften  vor- 
banden, einen  Tractat  über  die  Communion,  einen  Hir- 
tenbrief wider  die  Pikarden,  beide  Ms.  —  Jh'lanus  Li- 
tomericky  (geb.  1411,  gest.  1467),  Domdechant  und 
katholischer  Administrator  des  Prager  Erzbisthums  (1462  — 
67),  schrieb  mehrere  Tractate  von  der  Communion  un- 
ter einer  Gestalt  wider  die  Calixtiner.  —  Jobsl  v.  Rosen- 
herg,  Bischof  von  Breslau,  setzte  neun  Puncte  auf,  wider 
den  Kelch,  an  Kg.  Georg  1467,  Ms.  -  Joh.  Zagjc  von 
Hasenberg  erliess  (um  1489?)  ein  Ermahnungs-Schrei- 
ben an  die  Prager  Magister  zur  Einigkeit,  Msc.  -  Mr. 
Sitn.  V.  Tisnoiü  schrieb  einen  Tractat  gegen  die  Com- 
munion unter  beiderlei  Gestalten.  Msc.  —  Marl.  Lttpdc 
(gest.  1468),  Magister,  Priester  und  Suffragan  des  neu- 
gewählten Erzbischofs  Rokycana  1435,  revidirte  mit  ei- 
nigen Gehilfen  das  ganze  N.  Testament,  und  verbesserte 
es  an  vielen  Stollen.  —  Mr.  Wenc.  Koranda  (de  nova 
Plsna),  ein  eifriger  Vertheidiger  des  Kelchs,  schrieb 
mehreres,  worunter  ein  Tractat  vom  göttlicben  Sacra- 
ment,  gedr.  Pr.  493.  8.  —  Joh.  Palecek,  böhmischer 
Bruder,  hinterliess  seinen  Namen  in  der  Pamet  hr.  .1. 
Palecka,  Msc.  —  Simon^  Vorsteher  der  Brüdergemeinde 
zu  Weisskirchen  in  Mähren,  schrieb:  Prwnj  cedule  P. 
starsjm  Hranickym,  gedr.  507.  8.  —  Prokop  aus  König- 
grätz,  böhm.  Bruder,  gab  unter  andern:  Otäzka,  sluejli 
kfestanom  mocj  swetskü  newerne  neb  bludne  k  prawe 
wjre  prinucowati,  508.  8.  heraus.  —  Wenc.  Mirjnsky, 
böhm.    Bruder,    verfasste    Kirchenhymnen:    Pjsne,    Pr. 


325 

522.  8.  —  Wenc.  Domek  von  Kiibiu  übersetzte  aus  dem 
Teiitschen:  List  pap.  Lwa ,  kterak  Luciperowi  psal, 
521.  4.  —  Wenc.  ]\aiecowsky,  Unterkiimmerer,  schrieb 
über  die  Laster  und  Ileuclielei  der  Geistlichen,  und  wid- 
mete es  dem  Kg.  Georg,  Msc.  —  Mr.  Paul  von  Saaz 
(Zatecky),  utraquistischer  Administrator,  gab  die  Base- 
ler Listowe  a  compactata ,  und  einen  Tractat  von  der 
Communion  Pr.  513.  4.  heraus.  —  Ni'kl.  Wlazenicky, 
böhm.  Bruder,  schrieb  eine  Disput,  über  die  Commu- 
nion, gedr.  582.  600.,  über  Offenbarung  und  Prophe- 
zeiung, iMs.  und  gedr.  o.  J.  —  Lukas  von  Prag,  1518  — 
28  oberster  Vorsteher  (zpräwce)  der  Brüder,  zugleich 
der  gelehrteste  u.  rüstigste  Schreiber  der  Unität,  schrieb 
1501  eine  Auslegung  über  die  OflPenb.  Johannis,  1502 
von  der  Hoflfnung,  1503  einen  Abschiedsbrief,  als  er 
von  Prag  wegging,  1505  eine  Auslegung  der  Psalmen, 
zpräwa  k  smrti,  o.  Dr.  518.  4.,  spis  o  obnowenj  cjrkwe, 
mehrere  polemische  Briefe  und  Abhandl.,  meist  Msc,  er 
besorgte  die  Ausgabe  des  Gesangbuchs  für  die  Brüder- 
gemeinden 1505.  —  Joh.  Miros  (gest.  1520)  Pfarrer 
beim  h.  Kreuz  in  der  Altstadt  Prag,  verfasste  :  Dwa  tra- 
ctaty,  gegen  die  Kathol.,  herausg.  von  Poduska  u.  Roz- 
dialowsky,  Pr.  520.  8.  -  Pefr.  Chelcicky  (gest.  1484), 
Pfarrer  bei  der  Brüdergemeinde  zu  Prerau  in  Mähren, 
gewöhnlich  der  böhmische  Doctor  genannt,  weil  er  kein 
Latein  verstand,  verfasste  ein  berüchtigtes  Werk:  Ko- 
pyta  (Schuhleisten)  genannt,  welches  sich  nicht  erhal- 
ten hat ;  von  ihm  erschien  in  Druck :  Kniha  wykladü 
na  ctenj  nedelnj,  Pr.  522.  532.,  Sjt  ,wjry,  Wylimow 
521.  4.,  0  selme,  (o.  J.)  4.,  Rec  na  zgewenj  Sw.  Jana 
(o.  J.)  4.  u.  s.  w.  —  Bohuslaw  v.  Cechfic,  verpflanzte  sei- 
nen Namen  auf  die  Nachwelt  als  Sammler  des  merkwür- 
digen hussitischen  Msc.  in^Jena  und  als  wahrscheinlicher 
Vf.  mehrerer  Stücke  in^mselben.  —  Ulrich  v.  Kalenic 
ist  Vf.  eines  satyrischen  Sendschreibens  des  Lucifer  an 
den  obersten  Hofmeister  von  Böhmen  Lew  von  Rozmi- 
tal,  uüi  1478,  in  dem  letztgenannten  Msc.  zu  Jena.  — 
Mr.  Petr.  Mladenowic,  von  Chlum,  Notar  des  Jos.  von 
Chlum,  verfasste,  als  Augenzeuge  von  Hussens  Hinrich- 
tung zu  Kostanz,  dessen  Biographie,  in  Msc.  häufig  vor- 


326 

banden,  ancli  als  Beilage  des  Passionais  495.,  einzeln  ge- 
drnckt  533.  600.  —  Bartosek  i\  Drahenic  fügte  zu  sei- 
ner,   im    barijarisclien    Latein    geschriebenen,    von    1419 
bis    1443    fortlaufenden    Chronik,    Nacbriebten    in  böhin. 
Sprache    im    Anhange    hinzu.   —    Prokop,  .Stadtschreiber 
der  Altstadt  Prag,    verfasste    eine   neue  Chronik  in  Rei- 
men, von  der  sieb  nur  Brucbstücke  erhalten  haben,  Msc. 
—  Paiff  Zidek,    Domherr   zu  Prag,  schrieb  1471  auf  K. 
Georgs  Verlangen  eine:  Zprawa  krälowska,  d.  i.  Anwei- 
sung für  Könige  sammt    Chronik,    in  3  BB.,    wovon  das 
3te  B.  die  allgemeine  Weltgeschichte  enthält,  in  Msc.  von 
1471,    1656,    1750  vorhanden;    sein    Styl    ist    natürlich 
und    ungesucht,    aber   der  grossen  Eile  wegen  zuweilen 
nachlässig;  ausserdem  schrieb  er  eine  allg.  Encyklopädie 
in    lat.   Sprache,    Msc.    in    Krakau.   —  Marf.  Kabdtnjk : 
Putowänj  ,    (Reise  nach  Jerusalem  und  Aegypten  1491 — 
92),    gedr.  542.  577.  639.  691.  u.  oft.  —  Zdetiek  Lew 
r.  Rozmital    (Rosenthal) ,    unternahm    eine    Reise    1465 
durch  Europa  und  einen  Theil  von  Asien,    die  einer  von 
seinem  Gefolge  in  einem  Tagebuch  beschrieben  hat;   das 
böhmische  Original    ist  verloren,  aber  die  lat.  Uebers.  v. 
Pawlowsky  erschien  zu  Olim.  577.  8.  —  Jnh.  v.  Lobknwic 
und  Hassenstein,  unternahm    mit  Dietrich  von  Gutenstein 
von  Kaden    aus   1493  eine  Reise  zum  h.  Grabe,  und  be- 
schrieb   sie   selbst  mit  altritterlicher  Treue  und  kunstlos 
um  das  J.   1505,  Msc;  ebendesselben  moralischer  Unter- 
richt   für    seinen  Sohn    Jaroslaw    vom  .1.  1504,  erschien 
unter  d.  T.  Prawdiwy  cesky  Mentor  Pr.  796.  8.  —  Htjtiek 
V.  Podebrad  (geb.  1452,    gest.   1491),    des  Königs  Georg 
viertgeborner    Sohn,    wegen   seiner    hohen    Weisheit  und 
ausnehmender  Herzensgüte  vom  Kg.  Wladislaw  II.  hoch- 
geehrt,   ist    der    einzige    namhafte    Dichter    dieses  Zeit- 
raums,   dessen  Gedichte  auf  uns  gekommen  sind  :  Mago- 
wy  sen,  entdeckt  und  herausg.  v.  Hanka,  Pr.  823.  (Sta- 
rob.  sklad.  5tes  Bd.),  0  manzelstwj,  eb.'^  er  veranstaltete 
auch    eine    Uebersetzung    der   Geschichte  des  Kreuzzugs 
nach    Palästina    im  J.    1099  von    Fulcherius  Carnotensis, 
die  aber  verloren  ging.    —   Greg.  Hruby  t\  Gelenj  (gest. 
1514),  ein  angesehener  Bürger  zu  Prag  ullid~feiner  Ken- 
ner des  classischen  Alterthums,  w^andte  seinen  Fleiss  und 


327 

seine  glänze  Müsse  dazu  an,  seinen  Landslenten  böhmi- 
sche Uebersetznngen  auserlesener  Schriffen  in  die  Hände 
zu  liefern  ;  man  hat  von  iinn :  Petrarcas  Bücher  de  re- 
med.  ntrinsque  fort.,  bölim.,  Pr.  501  fol.,  Petrarcas  Briefe  ^< 
(IG)  Msc,  Eine  Rede  des  h.  Chrysostomus,  Pr.  501.  M. 
T.  Cicero's  Läliiis,  lierausg.  von  Zimmermann,  Pr.  818. 
12.,  Cicero's  Paradoxa,  lieransg.  von  Negedly  Hlas.  c. 
IV.,  Jov.  Pontans  BB.  de  lege,  Eb.  5  BB.  vom  Gehorsam, 
Eb.  von  der  Wohlthiitigkeit  etc.,  in  Msc.  und  herausg.  von 
Zimmermann,  Kgr.  819.  8.,  Laur.  Valla's  Abhandl.  von 
der  Schenkung  Constantins  Msc,  J.  A.  Campanskeho 
knihy  o  zprawowänj  iiradii,  gedr.  Pr.  513.  4.,  Das  Lob 
der  Narrheit  von  Erasmns  Msc,  das  Leben  der  h.  Väter 
Msc,  Agapets  Ermahnung  an  Ks.  Justinian  Msc,  Boh.  v. 
Lobkowic  Brief  an  P.  v.  Rosenberg,  Landeshauptmann 
von  Böhmen,  über  die  Verwaltung  des  Königreichs,  a. 
d.  Lat.  Msc,  W.  Pjseckys  Disputation  a.  d.  L.  u.  m.  a.  — 
Wenc.  Pjsecky  aus  Pjsek  (geb.  1482,  gest.  1511),  be- 
gleitete als  Hofmeister  den  jungen  Sigmund  von  Gelenj 
nach  Italien,  und  starb  in  Venedig  an  der  Pest;  er  tiber- 
setzte: Isokratesa  napomenutj  k  Demonikowi,  a.  d.  Gr., 
Pr.  512.  8.,  von  Weleslavvjn  586.  12.,  801.  818.  8.  — 
Mctorin  Com.  v.  Wsehrd  aus  Chrudim  (gest.  1520), 
Vice  -  Landschreiber,  ein  Gelehrter  von  vielfacher  Bil- 
dung und  feinem  Geschmack;  unter  ihm  wurde  beschlos- 
sen, alle  Bücher  der  Landtafel  böhmisch  zu  verfassen; 
er  hinterliess  neun  BB.  von  den  Rechten,  Gerichtsstellen 
und  der  Landtafel  des  Königreichs  Böhmen,  Msc.  vom 
J.  1495,  ein  vortreffliches  Werk,  welches  in  mehreren 
Abschriften  vorhanden  ist;  Kyprians  Auslegung  des  Va- 
ter unsers,  Pils.  501.  8.,  Kyprians  Brief  an  Donat  von 
der  Verachtung  der  Welt,  eh.,  Chrysostomus  Rede  von 
der  Bekehrung  eines  Gefallenen  eh.,  N.  A.  Pr.  820.8. — 
Joh.  Slechta  aus  dem  Geschlechte  von  Wsehrd,  aus  Ko- 
stelec  (geb.  1466,  gest.  1526),  ein  gebildeter  Humanist, 
schrieb  zwar  das  meiste  lateinisch,  doch  Einiges  auch  böh- 
misch, und  von  einem  böhmisch  geschriebenen  Briefe 
desselben  urtheilte  Bohusl.  Lobkowic,  dass  er  ihm  des 
Styls  wegen  sehr  gefallen  habe.  -  Niki.  Kondc  v.  Ho- 
(liskoiv    (gest,    1546),    zuerst   Schreiber  beim  Weinberg- 


328 

ainte,  dann  Buclidnicker  in  Prag,  gab  20  Jahre  hindurch 
mancherlei  ältere  und  neuere  Schriften,    vorzüglich  seine 
eigenen   gelehrten   Arbeiten   und    Üebersetzungen   heraus: 
Ceska  kronika,  a.  d.  Lat.  d.  Aeneas  Sylvius,  Pr.  510.  4., 
mit  der  Chronik    Kuthens  von  Weleslawjn  585.  4.  N.  A. 
von    Kramerius   Pr.    817    ff.,    Zwei    Dialoge  Lucians,  Pr. 
507.    4.,    Ph.   Beroalds  Erzälil.  von  zwei  Liebenden,  Pr. 
507.  4.,  Dialogus  vv  neinz  C'ech  s  Pikhartem  rozmlauwa, 
Pr.  515.  8.,  0  klanenj  swatosti    oltärnj,    a.  d.  Lat.,  515. 
8.,  0  stestj,    a.  d.  Lat.    des    Aen.    Sylvius,    Pr.  516.  8., 
Snai-,    Pr.  516.  8.,  Knjzka  srdecnj,    Pr.  521.  4.  602.  8., 
Pravvidlo    lidskeho    zivvota,    Pr.    528.    fol,    Horekowänj 
sprawedliwosti,  Pr.  547.  fol.,  u.  m.  a.  —  Vir.   Welensky 
von    Mnichow  ,    Buchdrucker    zu    Weisswasser    (Biela), 
war  zugleich  Schriftsteller:  Pranostika,  Weissw.  519.  4., 
0  rytjri  kresi,  a.  d.  Lat.  des  Erasm.  Roterod.,  Weissw.  519. 
4.,  Pr.  787.,HokowanjPaskwilla  aCyra,  a.  d.  Lat.,  Eb.  520. 
4.,  Sebranj  (Samml.  asketischer  Aufsätze  a.  d.  Lat.),  Eb. 
520.  4.,  Zaloby  chudvch  a  bohatych,  a.  d.  Lat.  des  Erasm., 
Eb.  520.  4.,  Wyklad 'M.  Lutera  o  Antikristu,  a.  d.  Teut- 
schen,  Pr.  522.  8.,  Ctenj  a  epistoly  nedelnj,  Pr.  523.   4. 
u.  m.  a.  —  Job.  Wndnian  ^Iqnensis,  Franciscaner  im  Klo- 
ster   der    heil.  Engel    zu  Horazdiowic,    verfasste  ein  lat. 
böhm.    Vocabularium,    Pils.    511.    4.,    einen    Dialog  über 
die    unbefleckte  Empfängniss  Maria,    Msc,    schrieb  1529 
mehreres    wider    Luther.    —     Ctihor.    i\    Cimburg    und 
Towacow    (gest.    1494),    Landeshauptmann    von   Mähren, 
Hess  die   Bücher  der    mährischen  Landtafel  seit  1480  in 
böhmischer  Sprache    verlegen,    veranstaltete  eine  Samm- 
lung   der  Freiheiten,    Rechte,    Ordnungen    und    Gewohn- 
heiten   des    Markgr.    Mähren    (1480):    Kniha  Towacow- 
ska  Msc,  schrieb  selbst  ein  sehr  sinnreiches,  interessan- 
tes Werk  politischen  Inhalts  in  Form    eines  Romans:    Le- 
ber   die  Güter    der  Geistlichen    an   den  Kg.  Georg  1467, 
gedr.    539    fol.,    die  Sprache    ist  rein  und  edel.  ^ —  Joh. 
Ceska,  Priester  u.  Erzieher  d.  H.  v.  Pernstein:  Reci  mu- 
drcüw.   Ms.  u.  gedr.  Pils.   529.  Pr.  579.  786.  8.  -  Hdgek 
V.  Hodefjn  1413  u.  \\  enc.  Wlcek  vor  1457  schrieben  über 
Kriegskunst.  —  Pet  u.  Zdenek  u.  v.  Sternberg  u.  Jlbr.  Ren- 
del   verfassten  eine  Samml.  von  Landtagsschlüssen  unter 


329 

Wladislaw :  Nälezowe  Fr.  500.  4.;  ähnliche  Suminl.  aus  die- 
ser Zeit  sind  in  verschiedenen  Hscli.  vorhanden.  —  Petr. 
Piespole  v.  Prag,  Bürger  zu  Knltenberg,  übersetzte  die  Kut- 
tenberger  inid  Iglauer  Bergreclite:  Frawo  kralowske  ho- 
rnjköw,  präwa  Gjhlawska,  a.  d.  Lat.  1460,  Msc.  — 
Jlh.  Ogif.  V.  Ocedelic  sammelte  Reclitssprüclie  aus  den 
Zeiten  der  KK.  Wenceslaw  und  Sigmund:  0  nälezjch 
panskych,  Msc.  —  Mafth.  v.  Chlnmcan  bekam  1501 
von  den  zur  Untersuchung  der  auf  Karlstein  aufbewahr- 
ten Privilegien  und  Urkunden  ernannten  Herren,  wor- 
unter sich  auch  Bob.  v.  Lobkowic  befand,  den  Auftrag, 
alle  Urkunden  ordentlich  zu  verzeichnen,  und  verfertigte 
einen  Index  derselben:  Zrjzenj  Msc.  —  Christan  Pra- 
chaiiaky  (gest.  1439),  Pfarrer  bei  St.  Michael  zu  Prag, 
schrieb  einige  medicinische  Bücher:  Lekarske  knihy,  Msc. 
der  Prager  Donikirche ,  eine  Widerlegung  auf  ein  Pro- 
gnostikon  u.  m.  ^.  —  Mr.  Joh.  Cerny  verfasste  mehrere  H 
Arzneibücher:  Knihy  lekarske,  Msc.  von  1525  in  iStra-  /^ 
how ,  ein  Kräuterbuch:  Herbär,  Nürnberg  517.  fol. 
Niki.  Wrana ,  sonst  Adelphi  genannt ,  übersetzte  des 
letztgenannten  Mr.  Joh.  Commentar  über  den  9ten  Tractat 
des  Basis,  Msc.  v.  1566.  -  Nild.  Klmidtan,  Arzt  zu  hm^- 
bunzlau  und  Buchdrucker,  gab  eigene  und  fremde  Schrif- 
ten heraus:  Zpräwa  a  naucenj  zenäm  tehotnym,  Jungb. 
519.  4.,  J.  Cerneho  herbär ,  Nürnb.  517.  fol.  (Kl. 
war  Herausg.  und  Corrector),  spis  dosti  cinjcj  z  wjry, 
eine  Apologie  der  Brüder  o.  Dr.  507.  518.  4.  Weissw. 
521.  4.,  0  prawdäch  wjry,  Jungb.  518.  4„  Landkarte 
von  Böhmen  518.  N.  A.  bei  Bjlegowskys  Kirchengesch. 
Pr.  816.,  N.  Zäkon  518.  4.  u.  m.  a.  —  Ni'kl.  Bakalür, 
Buchdrucker  in  Pilsen:  Mahomets  Leben  498.  4.,  Luci- 
där  498.  8.,  Beschreib,  des  gelobten  Landes  498.  8.,  von 
sieben  Schwierigkeiten  der  Sinne  498.  8.,  0  ctyrech 
stezegnych  cnostech  505.  8.,  Knihy  zalmowe  508.,  Bar- 
laam  504.  512.  u.  m.  a  —  Georg  Styrsa  druckte  in  den 
J.  1522  ff.  auf  dem  Berge  Karmel  zu  Jungbunzlau  meh- 
rere sowol  eigene  als  auch  und  vorzüglich  fremde  Schrif- 
ten geistlichen  Inhalts. 

Zu  den  von  ungenannten  und  unbekannten  Vff. 
herrührenden,  hier  der  Kürze  wegen  übergangenen  Sprach- 
denkmälern dieser  Zeit,  gehören,  ausser  33  bandscbrift- 


330 

lieh  vorhandenen  Bibehi  (wornn<er  die  ältesten:  die 
Dresdner  nni  1410,  die  Leilmerilzer  1411,  die  Ollmü- 
Izer  1417,  die  kleinere  Leitmeritzer  1429  n.  s.  w.),  22 
N.  Testamenten  ,  mehreren  apokryphischen  Büchern, 
Evangelien,  Postillen,  Predigten,  ii.  s.  w.,  zahlreiche  po- 
litische, juridische,  geschichtliche,  geographische,  medi- 
cinische,  astrologische,  ökonomische,  belletristische  und 
linguistische,  sowol  gedruckte,  als  ungedruckte  Werke, 
die  Hr.  Dobrovrsky  in  s.  Gesch.  der  böhm.  Sprache  und 
Lit.  S.  211—384  sehr  genau  verzeichnet  hat. 

§.  41. 

Zweite  Abtheilung.  Von  der  Verbreitung  der  Buchdrucker- 
kunst in  Böhmen  bis  auf  die  Schiacht  am  weissen  Berge. 
J.  1526    -   1620. 

Die  Verbreitung  der  Buchdruckerkunst  in  Böhmen 
war  für  den  Anbau  der  Landessprache  und  für  die  Na- 
tionalliteratur von  entscheidender  Wichtigkeit.  —  Ferdi- 
nand l.  trat  in  der  verhängnissvollen  Periode  1527  —  64 
die  Regirung  au.  Er  gab  den  Ständen  schriftlich  das 
Versprechen ,  dass  er  den  Baseler  Compactaten  ihren 
Werth  lassen,  und  einen  Erzbischof  bestellen  wolle,  wel- 
cher der  beiderseitigen  (katholischen  u.  utraquistischen) 
Geistlichkeit  vorstehen  solle.  Zu  sehr  mit  dem  Türken- 
krieg beschäftigt,  überliess  er  die  Besorgung  der  innern 
Geschäfte  den  Bölnnen  selbst.  Schon  vor  ihm,  und  noch 
mehr  wälirend  seiner  Regirung  schlössen  die  böhmischen 
lltraquisten  und  Brüder  mit  den  Protestanten  in  Teutsch- 
land eine  nähere  Gemeinschaft,  und  die  Lutherische  Lehre 
verbreitete  sich  weit  im  Lande.  Aber  eben  diese  Gemein- 
schaft -  da  man  die  Brüder  und  Lutheraner  nicht  unter 
die  Utraquisten,  sondern  unter  die  Secten  zählte  —  zog 
beiden  erstem  eine  neue  Verfolgung  zu.  Denn  als  im 
Schmalkaldischen  Kriege  (1547)  die  evangelisch  gesinn- 
ten Böiimen  sich  weigerten,  gegen  ihre  teutschen  Glau- 
bensgenossen zu  fecliten,  da  wurden  zuerst  die  Kirchen 
der  Brüder  verschlossen,  die  Lehrer  gefangen  gesetzt, 
und  die  übrigen,  die  niclit  zu  der  römisclien  Kirche 
zurücktreten  wollten,  mussten  1548  nach  Grosspolen  u. 
Preussen  auswandern.  Auf  dem  Landtage  1549  wurde  die 


331 

Yerlreibnn»  der  Liitlieraiipr  formlicli  beschlossen.  Fer- 
dinand ernannte  hieranf  1561  einen  Erzbischof,  legte 
1556  den  Grund  zu  einer  Jesuitenuniversiliil,  die  Fer- 
dinandische hohe  Schule  oder  Clemenlinum  genannt,  und 
1560  stiftete  der  Jesuit  Perez  die  cleinentinisclie  Biblio- 
thek zu  Prag.  Unter  Ferdinand  verbrannte  1541  die 
Landtafel,  als  Haupturkunde  des  Reichs,  gänzlich.  Mitt- 
lerweile verbreiteten  sich  in  den  letzten,  friedlichem 
Jahren  der  Regierung  Ferdinands  die  Brüder  und  Luthe- 
raner in  Böhmen  aufs  neue;  aber  zu  einer  wahren  Ver- 
einigung der  drei  nicht  katholischen  Parteien  konnte  es 
nicht  kommen,  vielmehr  beobachtete  sich  die  Geistlich- 
keit derselben  mit  wachsendem  Misstrauen.  —  Die  Kraft 
Ferdinands  hatte  gleichsam  das  Feld  in  Böhmen  umgea- 
ckert, worauf  nun  die  Regirung  Maximilians  (1562—76) 
wie  ein  milder  und  fruchtbarer  Regen  fiel.  Alle  Unru- 
hen schwiegen  während  derselben.  Er  gewährte  den 
immer  zahlreicher  werdenden  protestantischen  Mitglie- 
dern des  Herren-  inid  Ritterstandes,  was  er  bei  seiner 
Gemeinschaft  mit  der  römischen  Kirche  und  in  seiner 
landesherrlichen  Stellung  zu  derselben  gewähren  konnte : 
es  wurde  ihnen  vergönnt,  in  allen  Kirchen  ihres  Patro- 
nats  die  Lehren  und  Cerimonien,  so  wie  dieselben  in 
der  Augsb.  Confession  zusammen  gefasst  wären,  einzu- 
richten. Es  durften  sogar  die  Utraquisten  nach  Gefallen 
sich  zu  der  Lehre  Luthers  bekennen.  Wenn  denn  nur 
die  evangelisch  Gesinnten  sich  selbst  diese  Freiheit  nicht 
verkümmert  hätten!  Doch  sie  fuhren  fort  in  Sachen  des 
Glaubens  und  der  kirchlichen  Einrichtungen  unter  einan- 
der zu  streiten,  und  anstatt  die  rechtliche  Begründung 
einer  allgemeinen  evangelischen  Kirche  zu  erstreben, 
nahmen  sie  hauptsächlich  darauf  Bedacht,  wie  ihre  be- 
sondere Partei  erhalten  und  möglichst  erweitert  werden 
könnte.  Lutherische  Zeloten  beschuldigten  die  Brüder 
einer  Hinneigung  zum  Calvinismus.  Selbst  die  im  .L  1575 
verfasste,  dem  Ks.  xMaximilian  vorgelegte,  und  von  die- 
sem —  bis  auf  die  Errichtung  eines  Consistoriums,  wel- 
ches verschoben  wurde  —  genehmigte,  gemeinschaftli- 
che Confession  der  vereinigten  Nichtkatholischen,  der 
Utraquisten,   Lutheraner    und  Brüder,    konnte  die  wahre 


332 

Einheit  und  Eintracht  nicht  herbeiführen  ^).  Rudolphs 
IL,  der  seinen  beständigen  Sitz  in  Prag  nalnn,  väterli- 
che Regierung  (1576  —  612),  beförderte  die  literarische 
Betriebsamkeit  der  Böhmen  ungemein.  Er  besass  selbst 
viele  gelehrte  Kenntnisse,  war  der  böhmischen  Sprache 
mächtig,  und  freuete  sich  ihres  Emporblühens.  Aber 
durch  die  158G  erlassene  Verordnung  gegen  die  Pikar- 
den,  gleich  wie  durch  die  1605  eingeführte  scharfe  Cen- 
sur,  weckte  er  den  Fehdegeist  der  Parteien  aufs  neue, 
der  sich  nicht  eher  legte,  als  bis  er  1609  den  ihm  von 
den  Protestanten  abverlangten ,  sogenannten  Majestäts- 
brief, wodurch  ihnen  volle  Religionsfreiheit  zugesichert 
wurde,  gezwungen  —  unterschrieb.  Von  1609  bis  1620 
ward  die  vereinigte  Partei  der  Utraquisten,  Lutheraner 
und  Brüder  die  herrschende  in  Böhmen.  Sie  durften  sich 
ihr  besonderes  Consistorium  errichten,  und  Defensoren 
zur  Beschützung  ihres  Glaubens  wählen,  welche  zu  be- 
stätigen dem  König  vorbehalten  war^}.  Die  hohe  Schule 
zu  Prag ,  schon  früher  von  ihnen  eingenommen,  ward 
durch  diese  Urkunde  förmlich  und  ganz  in  ihre  Hände 
gegeben.  Rudolph  trat  bald  darauf  (1612)  die  Regirung 
seinem  Bruder  Mathias  ab,  unter  welchem  die  religiö- 
sen und  politisclien  Unruhen  plötzlich  einen  sehr  ernsten 
Charakter  annahmen. 

Die  literarische  Cultur  des  Landes  ging  seit  Ende 
des  vorigen  Jahrhunderts  bis  zum  Anfange  des  künftigen 
mit  Riesenschritten  vorwärts.  Die  Sitte  der  Grossen, 
ausländische  hohe  Schulen  zu  besuchen,  dauerte  fort; 
so  wie  früher  Wien,  Paris,  Bologna,  Padua,  Ferrara, 
so  waren  jetzt  ausser  diesen  auclflioch  Wittenberg," 
Leipzig,  Strassburg,  Ingolstadt ,  Jena  und  Altdorf  die 
vorzüglichsten  Sammelplätze  der  böhmischen  adeligen  Ju- 
gend. Mit  ihr  reiseten  weise  und  gereifte  Männer,  als 
Führer  und  Begleiter,  ins  Ausland.  Dadurch  verbreite- 
ten sich  feinere  Sitten  und  ein  mehr  geläuterter  Geschmak 

')  Sie  war  in  böhmischer  Sprache  abgefasst  und  gedruckt;  1575  Hess 
sie  Boh.  Felix  v.  Lobkowic  und  Hassenstein  ins  Teutsche  übersetzen,  um 
das  Gutachten  der  "Wittenberger  Theologen  darüber  einzuholen  ;  1619  wur- 
de sie  für  Kg.  Friedrich  ins  Lat.  übertragen;  Mehl.  Institoris  Hess  sie  als  An- 
hang zu  s.  Listownj  odpowed,  Pr.  782.  aufs  neue  abdrucken.  S.  Komtnsky 
0  protiwenstwjch  cjrkwe  c.  S.  105. 

*)  Komensky  S.  108.  Voiafs  acta  Utt.  I.  344.  Ziegler's  Dobroslaw 
II.  B.  IV.  Heft.  S.  72. 


333 

weit  im  Lande.  Die  Prager  Universität  war  zwar  im  An- 
fange des  XVI.  Jahrti.  tief  unter  ihren  ehemaligen  Glanz 
herabgesunken.  Im  J.  1530  waren  aber  die  auf  dem  Land- 
tag versammelten  Stände  für  ihre  Wiederbelebung  ei- 
frigst besorgt.  Mehrere  gelehrte  Männer  wurden  für  sie 
berufen;  neue  Lehrkanzeln  errichtet;  ein  besserer  Lehr- 
plan eingeführt,  und  vorzüglich  das  Studium  der  Alten 
erweitert.  Die  Zahl  der  Gymnasien  und  andern  gelehr- 
ten Schulen  im  Lande  war  beträchtlich  gross;  am  mei- 
sten zeichneten  sich  die  Schulen  der  Brüder  (zu  Bunzlau, 
Prerow  ,  Ewancic ,  Fulnek)  durch  Unterrichtsmethode 
und  Frequenz  aus.  Die  Wissenschaften  fanden  nicht  nur 
an  einzelnen  Grossen,  sondern  auch  an  den  Königen 
selbst,  mächtige  Freunde  und  Beschützer.  Unter  den  er- 
stem war  Johann  Hodegowsky  von  Hodegow,  Vice-Land- 
richter  im  Königreiche  Böhmen  (geb.  1496,  gest.  1566), 
dem  Studium  der  Geschichte  und  den  Musen  des  alten 
Latiums  mit  vorzüglicher  Liebe  ergeben,  der  einen  gan- 
zen Kreis  von  lateinischen  Dichtern  um  sich  versammelt 
hat  '^).  Um  diese  Zeit  kamen  schon  dramatische  Vor- 
stellungen auf;  1534  ward  in  Prag  des  Plautus  miles 
gloriosus,  dann  1538  Susauna,  1543  des  Tcrentius  Phor- 
mio,  später  herab  meist  geistliche  Dramen,  insbesondere 
von  Jesuiten,  gegeben.  Diese  Schuldramen  hörten  im 
XVIIL  J.  mit  der  Einführung  des  öffentlichen  Theaters  aut. 
Ferdinand  I.  verdankten  die  katholischen  Schulen  ihr 
neues  Leben.  —  Kudolph  IL,  den  Naturwissenschaften 
mit  unbegränztem  Eifer  zugethan ,  aber  auch  andern 
Zweigen  des  menschlichen  Wissens  nicht  abhold,  un- 
terhielt mit  königlicher  Freigebigkeit  die  trefflichsten 
Köpfe  seines  Zeitalters  auf  seinem  Hofe  (Tycho  de  Bra- 
lie,  Kepler  u.  s.  w.)  *). 

Die  böhmische  Sprache  erreichte  jetzt  ihr  g  Jdriies 
Zeitalter.  Schon  im  vorigen  Jahrhundert  zur  Hörrschc- 
rih  im  Lande  erhoben,  erhielt  sie  jetzt  mehr  Solbslän- 
digkeit,  grammatische  Festigkeit,  Correctheit  u.  Rcicii- 
ihum.  Mit  der  wachsenden  Menge  der  Schriftsteller  wuchs 
auch  die   Zahl  der  Buchdruckereien,  und  mit  der  Menge 

•)  Ihre  Namen  findet  man  verzeichnet  in  Frochäzkn's  Conuuentarius 
de  Hb.  an.  S.  285-298. 

*)  Sie  stehen   verzeichnet   in  Prochäzka's  Commentarius  S.  307    317. 


334 

der  Bücher  die  der  Leser  und  Literatiirfreunde.  Alles 
lernte  in  der  Landessprache  frei  denken  und  schreiben. 
8ie  ward  bei  allen  Behörden  Geschältssprache.  Auf  dein 
Landtage  1615  verordnete  man,  dass  alle,  denen  hin- 
fiiro  das  Indigcnat  ertlieilt  werden  würde,  ihre  Kinder 
in  der  böhmischen  Sprache  unterrichten  und  erziehen 
sollten.  Kudolph  besonders  war  ihr  Beschützer.  Alles 
drängte  sich  mit  böhmischen  Werken  zu  seinem  Thron: 
man  zählte  unter  ihm  gegen  200  böhmische  Schriftstel- 
ler. Herren  mid  Damen  vom  ersten  Range  dichteten  böh- 
mische Lieder,  und  setzten  ihren  Patriotismus  in  der  Cul- 
tur  der  Landessprache.  Aus  dem  Griechischen  u.  Latei- 
nischen wurde  jetzt  ungleich  mehr,  als  in  der  vorigen 
Periode,  übersetzt;  vorzüglich  war  dieses  mit  der  heil. 
Schrift  der  Fall,  als  wo  die  Brüder  frühzeitig  besorgt  wa- 
ren, die  alte,  aus  der  Vulgata  geflossene  Uebersetzung 
durch  eine  genauere,  aus  der  Urschrift  gemachte,  zu 
ersetzen.  In  dem  Eifer  für  die  Heinhaltung  und  Ausbil- 
dung der  Muttersprache  waren  sich  alk' Keligionsparteien, 
Katholiken,  Utraquisten  und  Brüder,  gleich:  unter  den 
ersten  verdienen  ausgezeichnet  zu  werden  Wenc.  Hagek 
von  Libocan,  Sigm.  v.  Puchow  und  Barth.  Paprocky. 
Aber  am  meisten  hat  die  Sprache  in  diesem  Zeiträume 
unstreitig  den  Brüdern  zu  verdanken.  Mächtige  Beschü- 
tzer an  der  Spitze  säumten  diese  nicht  mit  vorzüglicher 
Sorgfalt  die  Landessprache,  in  der  sie  ihren  Cultus  ver- 
richteten ,  zu  pflegen,  zu  bilden,  und  zu  verbreiten. 
Unsterblichen  Ruhm  haben  sich  in  dieser  Hinsicht  die 
Freiherren  Johann  und  Karl  der  Acltere  von  Zerotjn, 
Vater  inid  Sohn,  als  die  grösstcn  Mäcene  und  Beförde- 
rer des  wissenschaftlichen  Lichts  in  ihrem  Vaterlande, 
erworben ;  unter  ihrem  mächtigen  Schulz  und  durch  ihre 
beispiellose  Freigebigkeit  schufen  die  Brüder  ganz  Mäh- 
ren in  eine  Werkstätte  für  Nationalliteratur  um.  Die  von 
den  Brüdern  besorgte  Uebersetzung  der  ganzen  Bibel  mit 
Commeutar  in  ö  Ouartbänden  (1579  —  93),  und  Ko- 
menskys  Werke  bilden  den  Schlussstein  der  Tausend  Jahr 
alten  böhmischen  Sprache  und  Literatur,  und  zeigen  die 
Bildungsstufe  an,  die  letztere  bis  dahin  erreicht  hat.  Denn 
nur  zu  bald  sollte   es  von  da  ab-  und  rückwärts  gehen! 


335 

Hiernäclist  ist  des  «neniiüdetcii  Patrioten,  Ad.  v.  \Ve- 
leslavvjii,  grosses  Verdienst  um  die  Cnltur  der  Landes- 
spraclie  und  Verbreitung  literarischer  Betriebsamkeit  in 
Böhmen  zu  rühmen.  Die  Schriften  dieser  Männer  sind 
nocli  jetzt  classisclie  Muster  der  grammatischen  Sprach- 
riclitigkeit.  Die  böhmischen  Pressen  lieferten  jetzt  Pracht- 
werke. Melantrich  und  sein  Eidam  Weleslawjn  erwar- 
ben sich  auch  aJs  Buchdrucker  den  grössten  Ruhm.  Prag 
allein  zählte\l8  Iböhmische  Druckereien;  nebstdem  wurde 
böhmisch  gedruckt  in  Kuttenberg ,  Pilsen ,  Jungbunz- 
läu,  Leitomyschl ,  Königgrätz ,  Prossnitz  (Prostegow), 
Namest ,  Ollmütz ,  Mezeric,  Ostrau  (Ostrow) ,  Kralitz, 
Geskovvic,  und  ausserhalb  Böhmen  in  Nürnberg,  Lissa, 
Amsterdain^  Leipzig,  Wittenberg,  Dresden  Ü7"s.  "w.  — 
Unter  allen  Fächern  \\  urde  das  theologische  mit  den  mei- 
sten Original  werken  und  Uebersetzungen  bereichert:  Po- 
stillen, Predigten,  Abhandlungen,  Gebet-  und  Gesang- 
bücher, Confessionen  und  Apologien,  Erklärungen  der 
heil.  Schrift,  erschienen  in  «nibeschreibliciier  Menge: 
diess  brachte  der  Charakter  des  Jahrhunderts  mit  sich. 
Die  vaterländische  Poesie  stand  in  hohem  Kuf,  aber  nur 
ein  Theil  ihrer  Erzeugnisse  ist  auf  uns  gekommen,  und 
selbst  von  diesen  dürften  nur  wenige  die  strengere  Kri- 
tik eines  geläuterten  Geschmacks  aushalten.  Zu  den,  bei 
Maximilians  und  Rudolphs  Lebzeiten  glänzenden  böhmi- 
schen Dichtern  gehören  Job.  Sylvanus  (von  Geburt  ein 
Slowak),  wegen  seines  hohen  poetischen  Talents  insge- 
mein poeta  bohemicus  genannt,  Job.  Herstein  v.  Rado- 
wesic,  Georg  Horsky,  Mart.  Pjsecky ,  Job.  Täborsky, 
Georg  Hanns,  Job.  Chmelowec,  Georg  Tesäk,  Thomas 
Sobeslawsky  Resätko,  Job.  Simonides  Turnowsky,  Mart. 
Pliilomusa,  Job.  Grylliis  von  Gryllow,  Georg  Stryc,  und 
ganz  vorzüglich  Simon  Lomnicky.  Allein  die  meisten 
Geistesproducte  dieser  Männer  tragen  das  Gepräge  des 
Jahrhunderts,  und  gehören  grösstendieils  der  religiösen 
Poesie  an;  die  sogenannten  schönen  Geister  schrieben  la- 
teinische Zeilen,  und  nannten  sie  Verse  und  Carmina^}; 
die  böhmischen  Dichter    zählten  und  reimten  ihre  Sylben 

*)  Eine  ganze  Liste  lat.  Dichter    dieser  Zeit    liefert  Prochäzka  Com- 
mentarius  S.  287—317. 


336 

nach  wie  vor,  an  Worten  weniger  arm,  als  an  Geist. 
Blahoslaw ,  Täborsky ,  Benesowsky ,  Nudozerjn  und 
Koniensky,  und  späterhin  Drachowsky  und  Rosa,  selbst 
durch  Classiker  gebildet,  waren  auf  dem  Weg,  die 
Metrik  der  Grieclien  und  Kömer,  der  Natur  der  sla- 
wischen Sprache  gemäss,  in  der  böhmischen  Dicht- 
kunst einzuführen,  als  plötzlich  der  1620  hereinbre- 
chende Sturm  ihre  Bemühungen  mit  der  Literatur  zu 
Grabe  trug^j.  Ganz  anders  verhielt  es  sich  mit  der 
Sprache  der  Beredsamkeit.  Die  politische  Beredsamkeit 
erreichte  jetzt  ihre  höchste  Stufe.  Durch  glänzende,  nach 
dem  Zeugnisse  der  Zeitgenossen  bis  zur  Bewunderung 
ausgebildete  Rednertalente  errangen  die  Palme  dersel- 
ben: Graf  Adam  v.  Sternberg,  Ad.  v.  Waldstein  genannt 
Longus,  Bohusl.  iMichalowic,  Freiherr  Wenceslaw  von 
Budow,  Wilh.  Slawata,  Graf  Wratislaw  v.  Mitrowic  u. 
Christoph  Ilarant.  Die  Kanzelberedsamkeit  war  so  in 
Schwung,  dass  beinahe  ein  Drittel  der  gedruckten  Bü- 
cher dieser  Periode  aus  Predigten  besteht.  Die  Lehr- 
prosa war  mit  der  Redekunst  theilweise,  in  einzelnen 
Wissenschaften,  vorgeschritten;  die  ernsteren  Wissenschaf- 
ten jedoch  wurden  auch  jetzt  noch  meist  lateinisch  be- 
trieben. Im  Fache  der  Geschichte  thalen  sich  hervor : 
Mart.  Kuthen,  Joli.  Dubravius,  Wenc.  Hajek  v.  Libo- 
can,  Prokop  Lupac,  Ad.  v.  Weleslawjn,  Mich.  Kon- 
stantinowic,  Barth.  Paprocky,  Wenc.  Pläcel,  Gr.  W. 
Slawata  u.  a.  m.;  in  der  Jurisprudenz:  Bohusl.  v.  Hode- 
gow,  Sim.  Proxenus  v.  Sudetis,  Wenc.  Freiherr  von 
Budowec  u.  a.  m. ;  in  der  Mathematik,  Naturkunde  und 
Medicin:  Thaddaeus  Hagek,  Petr.  Codicillus,  W.  Zelo- 
tyn.  Huber  v.  Riesenbach,  Ad.  Zaluzansky  u.  a.  m. ;  um 
die  grammatische  Regelung  der  Sprache  und  ums  Lexi- 
con  erwarb  sich  vorzüglich  Weleslawjn,  so  wie  um  die 
ästhetische  Kritik  und  Philologie  Nudozerjn  ein  prakti- 
sches, bleibendes   Verdienst. 

Eine  erschöpfende  und  in  jeder  Hinsicht  befriedi- 
gende Uebersicht  der  Literaturproducte  dieses  Jahrhun- 
derts liegt  weder  in  dem  Plane  des  gegenwärtigen  Werks, 

')  „Carmina  bohemica  nullam  adhuc  <jrafiam  habent'-''  sagte  schon 
1603  Laur.  Nudozerjn,  Prof.  der  Math.,  Eloqueuz  und  griech.  Sprachp  in 
Prag,  ein  gewiss  sehr  competenter  Richter. 


337 

noch  in  den  Kräften  des  Vf.;  hier  mag  eine  gedrängte 
Auswahl  genügen.  —  Den  Uebersetzern  und  Herausge- 
bern der  Kralicer  Bibel  gebührt  das  wolverdiente  Lob, 
durch  vereinte  Kräfte  und  männlichen  Fleiss  ein  Werk 
vollbracht  zu  haben,  wie  es  wol  mir  wenige  Nationen 
aufzuweisen  haben.  Dieses  Werk  erschien  unter  dem 
Titel:  Biblj  ceska  w  nowe  wydanä,  Djl  I.  1579,  Djl  II. 
1580.,  Djl  III.  1582.,  Djl  IV.  1587,,  Djl  V.  1588.',  Djl 
VI.  1593.  ohne  Angabe  des  Druckorts,  zu  Kralic  in  Mäh- 
ren, in  einem  Format,  welches  gewölnilich  4.  genannt 
wird,  aber  eigentlich  kl.  fol.  oder  gr.  8.  ist.  Die  Ueber- 
setzung  des  A.  Testaments  ist  die  erste,  welche  nach  dem 
hebräischen  Grundtext  gemacht  ist;  das  N.  Testament 
wurde  schon  früher  (1563)  von  J.  Blahoslaw  aus  dem 
Griechischen  tibei-setzt.  Die  Uebersetzer  waren:  Albert 
Nfkütat^'l^iifJais^Helic,  Joh.  Aeneas,  Georg  Stryc,  Esaias 
Coepolla,  Joh.  Ephraim,  Paul  Jessenius  und  Joh.  Capito. 
Der  Freiherr  Johann  v.  Zerotjn  hat  die  Kosten  zur  Ein- 
richtung einer  neuen  Druckerei  auf  seinem  Schlosse  Kra- 
lic in  [Mähren,  und  der  Auflage  dieser  prächtigen  Bibel 
vorgeschossen.  Die  Richtigkeit  der  Orthographie  und  der 
böhmischen  Sprache,  wodurch  sie  sich,  wie  auch  durch 
die  Schönheit  des  Drucks  vor  allen  böhmischen  Büchern, 
die  je  erschienen  sind,  auszeichnet,  hat  diese  Bibel  so 
sehr  empfohlen,  dass  man  sie  allgemein  für  ein  Muster 
der  Sprache  angesehen  hat.  Der  reelle  Werth  der  üeber- 
setzung  und  des  Commentars  wird  hiebei  nicht  in  An- 
schlag gebraclit,  obwol  es  bemerkt  zu  werden  verdient, 
dass  man  in  derselben  schon  volle  200  Jahre  früher  das 
meiste  davon  enthalten  findet,  was  die  gelehrten  Kory- 
phäen der  Exegese  »mserer  Zeit  als  ihre  grosse  Entde- 
ckung der  Welt  zur  Scliau  dargeboten  haben,  und  diese 
mit    Bewunderung    und    Staunen    hochpreist  ^).      Georg 

'•)  Böhm.  Bibeln.  N.  Testament  o.  Dr.  475.  fol.  Pr.  487.  4.  Ganze 
Bibeln.  Prag  488.  fol.  (Nach  der  Vulg.),  Kuttenb.  489.  fol,  Yened-  506. 
fol.,  Pr.  527.  fol.,  Pr.  537.  fol,  Nürnb.  540.  fol,  Pr.  549.  fol.  (Melantrich)., 
Pr.  556  —  57.  fol,  (Eb.  Pr.  561.  fol.  ist  dieselbe,  nur  der  Titel  neu.),  Pr. 
570.  fol.  (Eb.),  Kralic  579-93.  6  Bde.  kl.  fol  (Aus  d.  Urtext  v.  Brüdern), 
0.  Dr.  596.  8.  (Von  eb.),  o.  Dr.  613.  fol.  (Von  eb.),  Pr.  613.  fol  (für 
Utraqu.).  Pr.  N.  Test.  677.  A.  Test.  712-15.  3  Bde.  fol  (für  Kathol), 
Halle  722.  8.  (für  Protest.),  Halle  745.  8.  (für  Protest.)  Halle  766.  8.  (für 
Protest.),  Pr.  769-71.  3  Bde,  fol.  (für  Kathol.)  Pr.  778-80.  2  Bde.  8., 
(für  Kathol),  Pressb.  786-87.  8.  (für  Protest.),  Pr.  804.  8.  (für  Kath. 
Berl  807.  8.  (v.  d,  Bibelg.),  Pressb. 808.  8.  (f.  Prot.),  Berl  813. 8.  (vou  d.  Bibelg. ) 

22 


338 

Stryc  Zäbresky ,  einer  der  Brüder  Uebersetzer,  und 
gründlich  gelehrter  Vorsteher  der  mährischen  Brüder- 
unität,  hinterliess  mehrere  Schriften  theologischen  Inhalts, 
und  eine  gereimte  Uebersetzung  der  Psalmen,  die  bis  jetzt 
unübertroffen  ist :  Zalmowe  Sw.  Dawida  w  rytmy  ceske 
uwedene  590.  620.  12.  und  oft. ;  Zrcadlo  poctiwe  zeny, 
Olim.  613.  u.  s.  w.  —  Karl  Freiherr  v.  Zerofjn  der  Ael- 
tere,  Johanns  Sohn,  (geb.  1564,  gest.  i636),  Landes- 
hauptmann von  Mähren,  königl.  Rath  und  Kämmerer; 
dieser  unsterbliche  Mäcen  und  Beschützer  der  mährischen 
Brüder,  begab  sich,  in  Folge  der  kais.  Verordnung,  nach 
Verkauf  seiner  Güter,  1628  in  die  Verbannung  nach 
Breslau,  wo  er  den  Rest  seiner  Tage  verlebte:  er  Hess 
zahlreiche  böhmische  Schriften  auf  eigene  Kosten  dru- 
cken, beschrieb  selbst  seine  Reise  ins  Abendland,  und 
hinterliess  viele,  eigenhändig  geschriebene,  lateinische, 
französische,  italienische  und  böhmische  Briefe,  die  in 
der  Bibl.  des  Gr.  Wrbna  zu  Horowic  aufbewahrt  wer- 
den; eine  Auswahl  der  latein.  gab  Monsei  C.  L.  B.  a 
Zerotin  epistolae  sei.,  Brunn  781.  8.,  der  böhm.  Jimg- 
inatin  in  s.  Slowesnost,  Pr.  820.  heraus.  —  Jolt.  Arnos 
Komensky  (Comenius)  aus  Konuia  unweit  Brumau  in 
Mähren  (geb.  1592,  gest.  1671),  steht  zwar  der  Zeit 
nach  am  Ausgange  dieser  und  Anfange  der  folgenden  Pe- 
riode, gehört  aber  der  Sprache  und  dem  Geiste  nach  in 
jeder  Hinsicht  der  goldenen  Aera  der  Literatur  an ;  er 
studirte  in  Böhmen  und  Teutschland,  ward  1614  Rector 
zu  Prerau  und  darauf  zu  Fulnek,  flüchtete  sich  1627 
nach  Lissa  in  Polen,  ward  hier  Vorsteher  der  Schule, 
darauf  1632  Bischof  der  böhmischen  u.  mährischen  Brü- 
der, und  zuletzt  1648  ältester  Bischof  der  Unität  in  Polen; 
er  wurde  wegen  seiner  Gelehrsamkeit  und  hohen  Tugend 
zu  gleicher  Zeit  nach  mehreren  Ländern  eingeladen, 
die  Schulen  einzurichten;  in  dieser  Absicht  ging  er  1641 
u.  ff.  nach  England,  Schweden,  Preussen,  Siebenbürgen 
und  Ungern  (Säros-Patak),  kehrte  hierauf  nach  Lissa 
zurück,  wurde  aber  bald  genöthigt  sich  von  da  zuerst 
nach  Schlesien,  dann  nach  Brandenburg,  und  zuletzt 
nach  Amsterdam  zurückzuziehen,  wo  er  den  Rest  seines 
mühevollen  Lebens  in  Ruhe  zubrachte ;  was  er  als  Bisch. 


339 

für  seine  Kirche ,  und  als  Pädagog  für  die  Erziehung 
seines  Jahrh.  gethan,  geliört  der  Kirchen-  und  Cidlur-  und 
in  gewissem  Sinne  der  Weltgeschichte  an  (wo  er  zwar 
gewöhnlich  verkannt  wird);  als  böhmischer  Schriftstel- 
ler kommt  er  an  Richtigkeit  und  Correctheit  der  Sprache 
seinen  besten  Vorgängern  gleich,  und  übertrifft  sie  alle 
an  vollendeter,  wahrhaft  künstlerischer,  den  Griechen  u. 
Röuiern  nachgebildeter  Diction;  man  hat  von  ihm  mehr 
denn  20  böhmische  Werke,  der  Schriften  in  lat.  Sprache 
nicht  zu  gedenken:  Orbis  sens.  pictus,  u.  Janua  lingu. 
reserata,  beide  beinahe  in  alle  europäische  und  einige 
asiatische  Sprachen  übers,  und  unzähligemal  gedruckt; 
(/.  Lasifskeho)  histor.  o  tezkych  protiwenstwjch  cjrkwe 
ceske,  a.  d.  Lat,  Lissa  655.  Amst.  663.  Berl.  756.  12.; 
Labyrint  sweta  a  rag  srdce,  Prag  631.  4.  Amst.  663. 
Berl.  757.  Pr.  782.  809.  12.;  Hlubina  bezpecnosti,  Lissa 
632.  Amst.  663.  u.  oft.;  Theatrum  divinum,  böhm.,  Pr. 
616.  4.;  Manutilnjk,  gädro  Biblj  sw. ,  Amst.  658.  12.; 
Cwicenj  se  w  poboznosti,  Amst.  661.,  Berl.  754.  5  A. 
Pr.  782.  12.;  Hist.  o  umucenj  a  smrti  Kr.  P.,  Berl.  757.; 
J.  LasifsUeho  histor.  o  püwodu  a  cinech  bratrj  c.,  kniha 
osmä,  a.  d.  Lat.,  649.  Halle  763.  8.;  Hrad  nedobytedlny, 
premyslowänj  o  dokonalosti  krestanske,  Halle  765.  12.; 
Autociste,  655.  Halle  763.  765.;  Srdecne  napomenutj. 
Berl.  748.  8.:  Dwogj  kazanj,  Berl.  763.;  Ksaftjimjragjcj 
gednotyJ)ratrske,  Berl.  757.  12. ;  Hlas  pastyre,  Berl.  757. 
127 ;  Catonis  disticha  moralia,  in  böhm.  Hexametern, 
Amst.  662.  Pr.  670.  8.;  Umenj  kazatelske,  herausg.  von 
Ziegler,  823.  8.;  0  wymjtänj  nemeho,  prjdawkowe  ne- 
ktei'j  u.  s.  w.;  die  latein.  Werke  erschienen  u.  d.  T.  Opp. 
didactica  zu  Amst.  657.  fol.;  unter  den  Schriften  K.s, 
die  nicht  auf  uns  gekommen  sind,  ist  der  Verlust  des  in 
Lissa  verbrannten  ,  böhmisch  -  lat.  und  lateinisch  -  böhm. 
Wörterbuchs ,  von  dem  er  selbst  in  der  böhm.  Vorr. 
zu  s.  Janua  lingu.  spricht,  am  meisten  zu  bedauern.  — 
Mr.  Dan.  Ad,  v.  Weleslawjn  aus  Prag  (geb.  1546,  gest. 
1599),  erhielt  seine  Bildiuig  im  Inlande,  und  ward  nach 
Lupäc's  Abgang  1569  Prof  der  Geschichte  auf  der  Prager 
Univ.,  lieirathete  sieben  Jahre  darauf  des  verdienstvol- 
len   böhmischen    Buchdruckers ,    Georg    Melantrich    von 

22* 


340 

Aveutin ,     Tochter  ,     erbte     1580    seine    Biiclidnickerei, 
verlegte    eigene    und  fremde  böhmisclie  Werke,  und  starb 
als  Primas  (Präsident)  des  Magistratsraths  in  der  Altstadt 
Prag;  er  gilt  allgemein  für  den  ersten  böhmiseben  Schrift- 
steller dieses  Zeitraumes,  obgleich  seinem,  übrigens   sehr 
richtigen  und  correcten  Styl  der  Typus  altclassischer,  und 
eben    desswegen   ästhetischer    Sprachdarstellung    abgeht, 
oder    doch    wegen  einer  gewissen  Wasserbreite  unsicht- 
bar ist-,    sein   grosses,  unvergängliches  Verdienst  besteht 
in  der    Belebung    und    Verbreitung   literarischer  Betrieb- 
samkeit   unter  seinen   Sprachgenossen,    er  war  der  böh- 
mische Brockhaus  und  Cotta  älterer  Zeiten-,  man  hat  von 
ihm    gegen  30  böhmische  Werke,  die  er  entweder  selbst 
verfasst ,    oder  berichtigt  und  auf  eigene  Kosten  heraus- 
gegeben hat;   eine  weit  grössere  Anzahl  ist  der  fremden 
Werke,    die    unter    seiner    Aufsicht    und  Theilnahme  mit 
musterhafter    Correctheit    und  Eleganz  aus  seiner  Officin 
erschienen    sind:    Kalendär  historicky,    Pr.  578.  4,  590. 
fol.;  0  wrchnostech  a   zpräwcjch   swetskych,    nach  dem 
Teutschen  des  G.  Lauterbeck,   584.  592.  600.  fol.;   J.  Ca- 
riona  kronika  sweta,  584.  4.  602.  4.;  Kronika  Aen.  Syl- 
via a  M.  Kuthena,  585.  4.;  J.  L.  Vivisa  nawedenj  k  mau- 
drosti,  586.  12.;    0  zachowänj  zdrawj,    in  Reimen,   587. 
12.;  Prawidlo  krestanskeho  ziwota,  587.  8.  600.  8. ;   Ho- 
spodäi-  uzitecny,  587.  8.;  Tabule  sedmi  zlych   a  dobrych 
wecj,  588.7.;  Wyklad  na  Weijm  w  P.  B.^  588.  8.;  Ele- 
gantiae  Terent.  et  Plauti,  böhm.  589.  8.;  Stjt  wjry,  591. 
8.;    Wypsänj  Gerusalema,    Pr.  592.  fol.;  H.  ßuntinga  pu- 
towänj  SS.,    592.    fol.  610.  fol.;    Soliloquia   de  passione, 
böhm.,    593.    8.  600.;  Käzanj   Sw.    Bernharda,    593.  8.; 
Sw.  Jeronyma    o  krestanskem   odgitj,    593.  8.;  B.  Fahri 
diction.    1.    lat.    cum  interpret.  boli.,  579.  4.;    Sylva  qua- 
drilinguis,  598.  4.;  S.  Augustina  soliloquia  animae,  bölnn., 
583.  12.  600.  12.  786.  12.;    Eb.  manuale,  583.  12.  600. 
786.;  Wypsänj  zeme  ruske,  592.  8.  786.  8.;  A.  Mathiola 
herbäf,    prel.  od  Hägka,  verb.  u.  verm.,    596.    fol.;    Ec- 
clesiasticus  böhm.,  586.   12.;  Nomenciator,  586.  8.  u.  a.  m. 
—    Weiic.  Ilügek  v.  Libocan    (gest.    1553),    Domherr  u. 
zuletzt  Propst  zu  Bunzlau,    brachte  aus  altern  Chroniken 
eine  Geschichte  von  Böhmen  bis  1526   zusammen,    deren 


341 

materieller  Werth  verscliicden  bcnrtlieilt  wird,  der  lii- 
storisclie  Styl  aber  imisterhaft,  und  bis  jetzt  von  keinem 
seiner  Naclifolger  erreiciit,  geschweige  denn  übertroffen 
worden  ist:  Kronika  ceska,  Pr.  541.  fol.  Pr.  819.  fol. ;  aus- 
serdem verbesserte  er  den  Solfernus,  ziwot  Adamüw,  her- 
ausg.  von  Ottersdorf  553.  fol.,  und  gab  noch  einige  an- 
dere Bücher  heraus.  —  Paul  Bydzowshy^  Pfarrer  bei  St. 
Galli  in  Prag,  schrieb  mehrere  Bücher  religiösen  Inhalts: 
0  prigjmanj  pod  obogj,  Pr.  539.  8.,  Zgewenj  Sw.  Jana 
538.  8.,  Detätka  a  newinätka,  Pr.  541.  8.,  theol.  Abhand- 
lungen u.  s.  w.  —  Joh.  Wartoivshy  von  Warta  (gest. 
1561),  übers,  des  Erasmus  Roter.  Paraphrase  des  Evang. 
Matthäi:  Evang.  Sw.  Matause  s  wyklady  542.  4.:  die 
Paraphrase  der  3  übrigen  Evang.,  die  er  ebenfalls  fertig 
gemacht  hat,  ist  nie  in  Druck  erschienen;  nach  Lupäc 
und  Weleslawjn  soll  er  auch  das  ganze  A.  Testament  aus 
dem  Hebräischen  ins  Böhm,  übersetzt  und  handschriftlich 
hinterlassen  haben  (Dobrowskys  Magaz.  III.  59).  — 
Brikcj  V.  Licsko  (Briccius),  gab  „Präwa  mestskä"  536. 
fol.  und  in  Verbindung  mit  Bydzowsky:  0  zarmaucenjch 
cjrkwe,  Pr.  542.  4.  heraus.  —  Joh.  u.  Sigm.  von  Puchotv 
übersetzten  auf  Ferdinands  I.  Befehl  des  S.  Münster  Cos- 
mographie  ins  Böhm.,  554.  fol.  —  Boh.  Bjlegowsky  aus 
Kuttenberg,  utraquistischer  Priester,  schrieb  eine  böhm. 
Kirchengeschichte  bis  1532:  Kronika  cjrkewnj,  Nürnb. 
537.  Pr.  816.  8.,  Historie  pikhartöw"  a  hussitöw  8.  u.  a. 
m.  —  Marl.  Kuthen  verfasste  eine  böhm.  Chronik:  Kro- 
nika ceske  zeme,  Pr.  539.  4.,  von  Weleslawjn  585.817., 
Ziwot  J.  Zizky,  Pr.  564.,  übers.  Appians  Gesch.  ins  Böhm, 
u.  a.  m.  —  Joh.  August a  genannt  Pileator  (gest.  1572), 
Vorsteher  der  Brüdergemeinde  zu  Leitomyschl  und  Senior 
der  böhm.  Unität,  stand  im  Rufe  einer  grossen  Gelehr- 
samkeit, und  gab  8  Bücher  über  die  Religion  und  100 
Kirchenlieder  heraus:  Ohläsenj  541.  8.,  Pfe  543.  4., 
Pohrebnj  käzanj,  Leitom.  544.  4.,  Spis  k  G.  M.  Cjsari  u. 
s.  w.  —  Niki.  Cernohyl  genannt  Arfemisius  aus  Saaz  (geb. 
1496,  gest.  1556),  Primas  (Präsident)  des  Saazer  Ma- 
gistratsraths,  schrieb  einp  Anleit.  f.  Beamte  und  Wirthe 
zur  Führung  ihrer  Geschäfte:  Zpräwa  kazdemu  Pänu 
uzitecnä,  herausg.  von  Weleslaw^jn  als  Anhang  zu  des  J. 


342 

Brtwjn    von    Ploskowic    Hospodär,    Pr.    587.  8.  —  Joh. 
Sfranenshy,    ein  gelehrter  Bruder,  liinterliess  19  Schrif- 
ten religiösen  Inhalts:   Alnianach  duchownj  542.  560.  8., 
Studnice    ziwota    556.    8.,    Zahrädka    duchownj  557.  8., 
Hofmeisterowa    postilla  ,    Prossnitz    551.    fol. ,    Epist.   a 
Evang.,    Pr.   574.  597.  615.  616.  698.  Trencjn  645.  Zit- 
tau 618.,  Casp.  Hubera  wyklad  na  G.  Syracha,  Pr.  561. 
575.  fol.,    Pläc  SS.  otcuw,    Pr.  588.    Brunn  721.  8.,  Ca- 
lumnia,  Dialog  a.  d.  Lucian,  Pr.  561.   —  Stxt  v.  Otters- 
dorf aus  Rakonic  (gest.    1583),    Bürger,    Senator  u.  zu- 
"^  letzt  Kanzler  der  Altstadt  Prag,  ein  hochherziger  Patriot, 
der  zur  Ausbildung    der   böhni.  Sprache  vieles   beigetra- 
gen,   schrieb    eine  Geschichte  seiner  Zeit,  rkps.  1546,  o 
närodu    Tureckem,    gab    den  Solfernus  nach  Hägeks  Re- 
vision   Pr.    553.    (Olim.  564.  Pr.  600.  Tropp.  721.)  her- 
aus, übers,  des  Isidorus  Hispalensis  rozmlauwänj  rozuimi 
s  clowekem,  Pr.  549.  551.  8.,  Ammonii  barm,  evang.  s.  vita 
Ch.  u.  s.  w.  —  Benes  Optat  schrieb  die  erste  böhmische 
Gramm.,   Namiest    533.    8.,    und    liess  nach  der  daselbst 
festgesetzten  Orthographie   s.  Uebers.    der  Paraphrase  d. 
N.  T.    von  Erasmus,    Eb.  533.,  Käzanj  nespornj  u.  s.  w. 
drucken.  —  Wenc.   Zelotyn   (a  formoso    monte)  aus  Prag, 
Prof  der  Med.  und  Mathem.  daselbst,  übers.  0  nakazenj 
powetrj,    Pr.    558.  8.   —  Joh.    Mortnvns    genannt    Bess, 
Pfarrer  zu  Postupic,    übers.   0  zacätku  Tureckeho  cjsar- 
stwj,    Pr.    567.    4.   —    Paul  Orlicny  genannt  Jquilmas 
(Hradecky)    aus    Königgrätz,    zuerst  Rector  in  Prossnitz, 
dann  Pfarrer  in  Kygow,  übers,  des  Jos.  Flavius :  0  wälce 
zidowske,  a.  d.  Lat.  d.  Rufinus,  Prossnitz  553.  fol.  Leut- 
schau  805.  8.  im  Auszuge  von  Kramerius  Pr.  806.,  Roz- 
mlauwänj   z  her  Terencowych,  Prossn.  550.,  8.,  Mrawnä 
naucenj  Catonowa,  Pr.  569.  8.,  iModlitby  na  ep.  a  evang., 
Pr.  589.  8.  —  Thaddaetis    Hdgek  v.  Hdgek^    Doct.  der 
Med.,    zugleich    ein    berühmter    Astronom,  lebte  als  kön. 
Leibarzt  am  Hofe  Maximilians  u.  Rudolphs  II.,   er  schrieb: 
Wyklad    proroctwj    Tureckeho    560.  8.,    übers,    des  Ma- 
thiolus  Herbär  aneb  bylinär,  Pr.  562.  fol.    verm.  u.  verb, 
von  Iluber    u.  Weleslawjn    596.  fol.     -  Ad.  Zaluzansky 
v.'^Zaluzati,    Med.    Doct.  und  vorzüglicher  Naturforscher, 
ging    in    der   Lebre   von  der  Sexualität  und  Befruchtung 


343 


der  Pflanzen  dem  grossen  Linne  um  anderthalb  Hundert 
Jahre  vor,  indem  er  sich  zuerst  darüber  bestimmt  und 
klar  äusserte  in  s.  Mcthodns  rei  herbariae  Pr.  592.  Frankf. 
604.  4.,  die  zwar  lat.  geschrieben  ist,  aber  auch  die  böhm. 
Nomenclatur  enthält.  —  Tho)n.  Resel,  Pfarrer  zu  Jero- 
sow ,  verfertigte  ein  Wörterbuch:  Diction.  lat.  -  boh., 
qilm.  560.  4.,  Dict.  boh.  -  lat.,  Olim.  562.  4.  —  Paul 
Cernowiceiius  verfasste  ein  Vocab.  rhythmobohemicum, 
Pr.  614.  783.  8.  —  Job.  Biahoslaw,  (geb.  1523,  gest. 
1571,)  einer  der  Vorsteher  der  Brüderunität,  wegen  sei-  /" 
ner  ausgebreiteten  und  gründlichen  Gelehrsamkeit  sehr  ' 
geschätzt;  er  war  der  Erste,  der  das  N.  Test.  a.  d.  Griech. 
übersetzte;  N.  Zäkon  (o.  Dr.)  564.  12.  568.  4.;  Ducho- 
wnj  pjsne,  Ziwot  J.  Augusty  Msc.  u.  s.  w.  —  Thom.  So- 
beslau'sky  Resdfko,  Pfarrer  zu  Susic,  stand  als  religiöser 
Dichter  zu  seiner  Zeit  in  hojiem  Ruf:  Kancionäl,  Pr. 
610.  2  Bde.  fol.,  Zpräwa  duchownj  574.,  Postilla  djtek 
577.  589.  601.  617.,  Summa  ucenj  kfest.  611.  8.,  0 
dni  saudnem,  Rebrjk  Jakoba,  Pranostikowänj  u.  s.  w.  — 
Matth.  Benesowsky,  Prediger  bei  St.  Jakob,  verfasste 
eine  Gramm,  boh.,  Pr.  577.  8.,  Knjzka  slow  ceskych  wy- 
lozenych,  übers.  Epist.  Sw.  Ignatia  a.  d.  Griech.  (oh.  J. 
u.  Dr.)  —  Lmir.  Leander  Rwacowsky,\)Qc\mii{m^G\\\sin'^ 
Masopustnjk  562.  574.  4.,  Knjzka  zlatä,  Olim.  577.  8., 
Auslegungen  der  h.  Schrift,  Gebetbücher  u.  s.  w^  —  Pet 
Codicül  Sedlcansky  v.  Tulechoiv  (gest.  1613),  zuerst 
Consistorialr.  u.  Notar,  dann  Prof.  der  Math.  u.  d.  griech. 
Sprache,  gleich  berühmt  als  Historiker,  Philosoph  und 
Astronom,  hinterliess  10  Schriften:  Calendarium  perpet. 
astron.  4.,  0  artikuljch  wjry  12.,  Pjsne  na  Epist.  a  Ew. 
584.  8.,  Modlitby  Pr.  574.  8.  u.  s.  w.  —  J.  Grylhis  von 
Gryllow,  (gest.  1599)  zeichnete  sich  als  religiöser  Dich- 
ter aus,  und  wurde  von  Rudolph  in  den  Adelstand  er- 
hoben; er  hinterliess  8  Bücher,  meist  in  Versen:  Ew^ang. 
s  wyklady  a  s  rytmy  595.  8.,  Skutky  Kr.  P.,  Pr.  587.  595. 
8.,  Ziwoty  Patriarchu  582.  8.  —  Math.  Gry  Uns  v.  Gryl- 
loiv  Rakownjcky  (gest.  1612),  Prof.  an  der  Univ.  in 
Prag,  schrieb:  0  kometäch  578.  8.  —  Wenc.  Dobr-ensky, 
ein  fleissiger  Schriftsteller,  hinterliess  1 4  Bücher :  Pramen 
wody   ziwe,    P.    581.,    Stjznost   na  hrjchy,   Pr,  582.  4., 


344 

Wrtkawe  stestj,  Pr.  583.  12.,  Wenjk  fjkowy,  Pr.  587. 
12.11.  s.  w.  —  Wenc.  Sturm,  ein  Jesuit,  gebildet  in  Rom, 
bekämpfte  nach  seiner  Rückkehr  mit  Eifer  die  nichtka- 
tholischen Böhmen ;  er  übers.  Augustins  Br.  gegen  die 
Donatisten,  Pr.  584,  und  schrieb  noch  8  andere  Bücher 
gegen  die  Brüder.  ~  Johann  Makowshy  übers.  Augustins 
Enchiridion,  Pr.  559.  —  Balfh.  Hosiowjn,  Jesuit,  übers. 
Augustins  meditationes,  Pr.  573.  Vinc.  Lirinensis  com- 
monitorium  adv.  haereticos,  Pr.  590.  —  Siin.  Lommcky 
V.  Budec,  gekrönter  Dichter  und  kön.  Hofpoet,  von  Ru- 
dolph in  den  Adelstand  erhoben;  er  brachte  28  BB., 
meist  in  Versen,  zu  Stande:  Kupidowa  strela,  Pr.  590. 
8.,  Päd  sweta,  Pr.  597.  12.,  Tobolka  zlata  615.  791.  8., 
Naucenj  mlademu  hospodäri,  Pr.  586.  8.  794.  12.,  Hädänj 
mezi  knezem  a  zemanem  589.  8.,  0  djtkäch  krestanskych 
609.  8.,  Kancionäl  nedelnj,  Pr.  580.  4.,  Wyklad  na  Modi. 
F.,  605.  8.,  Pohfeb  Kr.  P.,  Pr.  605.  8.,  Wjtezstwj  wjry 
616.  8.  —  Joh.  Kocjn  v.  Kocmef,  Syndicus  der  Altstadt 
Prag,  gebildet  in  (Strassburg,  stand  im  grossen  Rufe  der 
Beredsamkeit  unter~~sr^Zeitgenossen,  und  ist  überhaupt 
einer  der  vortrefi'liclisten,  verdientesten  böhm.  Schrift- 
steller: er  übers,  des  Eusebius  Pamphilus  u.  Cassiodorus : 
Historia  cjrkewnj,  Pr,  594.  fol.,  Kronika  nowä  o  närodu 
Tureckem  a  cesta  z  Wjdne  do  Constantinopole,  herausg.  v. 
Weleslawjn  Pr.  594.  4.,  Plutarchs  praec.  gerendae  reip.  in 
Weleslawjns  polit.  histor.,  0  tazenj  proti  Turku,  eb.,  Rag 
rozkosneho  naucenj  613.,  0  rjzenj  a  opatrowänj  boz- 
skem  u.  s.  w.  —  Mart.  Repansky  schrieb :  0  potope 
sweta  587.  8.,  0^  moru  599.  12.,  0  neplodnosti  manzel- 
ske  12.  —  Joh.  Stelcar  Zelefmvsky,  Pfarrer  in  Mnichow 
u.  Dohalicky ,  ein  fruchtbarer  Schriftsteller:  Knjzka  o 
carodegnjcjch,  Pr.  588.  8.,  Lekai'stwj  duse  592.  12.  608. 
8.,  Zahrädka  dusj  nemocnych,  Pr.  597.  12.,  zahlreiche 
Predigten,  Gebetbücher  u.  s.  w.  —  Georg  Dikastus  Mif- 
koivsky,  Pfarrer  bei  der  Teyner  Kirche  in  Prag,  u.  Ad- 
ministrator des  ConsistoriuiMs,  1621  landesvervviesen,  ein 
vortrelTlichcr  Kanzelredner,  ist  Vf  mehrerer  Schriften: 
Postilla  kazdodennj  612.  8.,  Modlitby  598.  \2.,  Postilla  Pr. 
612.  2  Bde.  4.,  Cesta  Jakoba  601.  12.,  Historie  Kr.  P., 
Pr.  617.  12.,  Paweza  proti  moru  4.  u.  s.  w.  —  Jd.  Huber 


345 

von  Riesenhach  (geb.  1546,  gest.  1613),  Doct.  der  Med. 
II.  Prof.  an  der  Univ.  in  Prag,  ein  Mann  von  ausgebrei- 
teter, gründlicher  Gelehrsamkeit,  Freund  von  Matliiolus 
und  Weleslawjn,  (1609  einer  der  24  Defensoren,  1612 
Rector  der  Univ.),  berichtigte  und  vermehrte  mit  We- 
leslawjn Ilageks  Herbar  596.  fol,  gab  mehrere  medici- 
nisclie  Werke:  Apateka  domäcj,  Pr.  602.  8.,  Kalender 
u.  s.  w.  heraus.  —  Joh.  Achilles  Berunnsky,  Pf.  in  Pfi- 
bislavv,  verfasste  eine  beträchtliche  Anzalil  religiöser 
Schrifen:  Wyklad  na  Daniele,  Pr.  590..  W.  na  Ewang., 
Pr.  588.  589.  595.  611.  W.  na  Epist.,  Pr.  595.  8.  Wyklad 
pjsem  Sw.  616.,  Knjzka  o  polnjm  heytmanu,  Pr.  595.  8.,  N. 
Hemminga  cesta  ziwota  wecneho  587.  8.,  Predigten  u.  s.  w. 

—  Georg  Tesäk  Mosoicsky,  Pf.  in  Prag,  ein  fruchtbarer 
theologischer  Schriftsteller:  Pautnjk  duchownj  612.  8., 
Nowe  leto  610.  8.,  Angelsky  trank  12.,  0  winohradech 
Pr.  611.  8.,  Spis  0  strasliwem  powetrj  613.  8.,  Predig- 
ten u.  s.  w.  —  Wenc.  Sloivacuis  Tw^nowskij,  Pfarrer  in 
Rozdialowic,  hinterliess  18  böhmische  Werke:  Postilla, 
Pr.  612.  620.  2  Bde.  fol.,  Wyklad  recj  Adwentnjch,  W. 
na  i-eci  postnj    613.  4.,  Predigten,    Gebetbücher  u.  s.  w. 

—  Wenc.  Pläcel  v.  Elbing  aus  Königgrätz  (geb.  1556, 
gest.  1604),  Stadtschreiber  in  Königgrätz,  verfasste  Hist. 
zidowskä,  Pr.  592.  fol.  in  einem  leichten,  fliessenden, 
lichtvollen  Styl.  —  Barth.  Paprockij,  polnischer  Edel- 
mann ,  lebte  zuletzt  in  Prag,  und  verfasste  mehrere 
Werke  in  polnischer,  einige  auch  in  böhmischer  Spra- 
che: Diadochos,  t.  g.  poslaupnost  knjzat  a  krälu  ceskych, 
Pr.  602.  fol,  Nowä  kratochwjle,  Pr.  597.  600.  4.  Vgl. 
§.  52.  —  Raph.  Misotüsky,  Ritter  von  Sehiizina  (sonst 
Sohehrd)  aus  Bischofteinitz  (geb.  1580,  gest.  1644),  stu- 
dirte  in  Paris  und  Rom,  und  war  zuletzt  Appellations- 
rath  in  Prag  und  Vice-Kämmerer  des  Kgr.  Böhmen,  ar- 
beitete mit  dem  vorigen  gemeinschaftlich  an  mehreren 
Werken,  namentlich  an  der  Diadochus,  die  er  aus  dem 
Pohl,  ins  Böhm,  übersetzte.  —  Wenc.  Wratislaiv  Graf 
V.  iMitrowtc  (gest.  1635),  beschrieb  seine  merkwürdige 
Gesaudtschaftsreise  von  Wien  nach  Constantiuopel:  Prj- 
liody  Wrat.  z  Mitrow^c,  Pr.  777.  8.,  v.  Kramerius  Pr.  805. 
8,  —  Prokop  Liipac  v.  Hlaivacow,  bis  1569  Prof,  der 


346 

Geschiclite  an  der  Prager  Univ.,  als  Dichter  und  Histo- 
riker gleicli  berülimt ;  s.  Epliemeris  s.  Calendarium  hi- 
storicuni  Nürnb.  578.  vollst.  Pr.  584.  4.  wurde  eine  Zeit 
lang  in  den  gelelirten  Schulen  Böhmens  öffentlich  gele- 
sen; Histor.  0  Cjsari  Karlowi  IV.  584.  8.  u.  s.  w.  —  Se- 
hast.  Sci/no  {Bei'h'ckd)  aus  Pilsen,  Jesuit,  übers,  des 
h.  Gregorius  Dialoge,  Ollin.  602.,  0  bezzenstvvj  knezskem 
u.  s.  w.  —  Ahr.  V.  Ginterod,  muthmasslich  (nach  Voigt) 
Pfarrer  zu  Straskow,  studirte  1590  zu  Wittenberg,  und 
rdiers.  hier  Xenophons  Kyropädie  aus  der  Ursprache  ins 
Böhm.,  in  einer  sehr  correcten,  fliessenden  Schreibart: 
Cyripaedia,  Pr.  605.  4.,  im  Auszuge  von  Kramerius,  Pr. 
808.;  am  Ende  sind  12  interessante  Abhandlungen  aus 
der  Alterthumskunde  beigefügt.  —  Hawel  Zahinsky, 
Pfarrer  bei  St.  Galli  in  Prag,  einer  der  fruchtbarsten 
böhmischen  Schriftsteller  im  theologischen  Fach:  0  slu- 
zebnjcjch  cjrkewnjch  614,  8.,  0  mucedlnjcjch  ceskych 
.lanowi  z  Husince  a  Jeronymowi  Prazskem,  5  Predig- 
ten 619.  8.,  0  protiwenstvvjch  cjrkwe,  Pr.  619.  8.,  0 
smrti,  Pr.  615.  8.,  0  posled.  saudu  615.  8.,  0  pekle 
615.  8.,  0  ziwotu  wecnem  615.  8.,  0  ctnosti  angelske  605. 
12.,  mehr.  Abhandlungen  u.  s.  w.  —  Gifj  Zmveta  v.  Zäwe- 
fic  beförderte  13  böbm.  Schriften  zum  Druck:  Dworskä 
skola  607.  8.,  Wolenj  a  korunowänj  C.  Mathiäse  I.  611. 
4.,  Roräte  Pr.  616.  A.,  Kancionäl  2  Bde.  u.  s.  w.  —  Chri- 
stoph Harunt  i\  Poliic  n.  Bedriizic  (enth.  1621),  unter 
Rudolph  und  Mathias  Kämmerer,  unter  Kg.  Friedrich 
Präsident  der  böhm.  Landkammer,  unternahm  eine  Reise 
nach  dem  gelobten  Lande  und  Aegypten,  deren  überaus 
anziehende,  mit  Geist  und  Laune  verfasste  Beschreibung 
er  selbst  herausgab:  Cesta  z  Cecli  do  Benätek  u.  s.  w.  (o. 
Dr.)  608.  668.  4.  —  Wenc.  Bndowec  Freiherr  v.  Budow aus 
Prag  (geb.  1547  enth.  1621),  Hofr.  u.  Oberststeuer-Ein- 
nehmer des  Kgr.  Böhmen,  studirte  in  Paris,  und  berei- 
ste beinahe  ganz  Europa  (im  J.  1578  wüFde  er  als  Ge- 
sandter nach  Constantinopel  geschickt) ;  er  war  zu  seiner 
Zeit  der  vortrefflichste  Rechtsgelehrte  und  politische  Red- 
ner im  Lande,  zugleich  einer  der  eifrigsten  und  mäch- 
tigsten Beschützer  der  böhm.  Brüder,  1609  einer  der  24 
Defensoren;    man   hat    von    ihm    mehrere  lat.  und  böhm. 


347 

Schrifteil:  Aiiti  -  Alkoraii,  Pr.  614.  3  Bde.  4.,  Obraiia 
Aiiti-Alkoraiiu  627.  4.,  auch  liabeii  meJirere,  von  den 
evang.  Ständen  herausg.  bölnn.  Apologien  ihn  zum  Vf.  — 
Hynek  v.  Waldsfew  hatte  eine  eigene  ßuchdruckerei  in 
Dobrowic,  und  gab  5  Bücher  unter  s.  Namen  heraus  : 
Zprawa  o  radu  politickem  610.  8.,  Zrcadlo  potesenj  rnan- 
zelum  610.  8.,  Pjsnicky  pekne  610.  8.  -  Maffh.  Ko- 
necm'l  schrieb:  Diwadlo  bozj  616.  4.  ein  wegen  der  vor- 
treffliclien  Schreibart  sehr  geschätztes  Buch;  0  powiii- 
nostech  krestanskych  612.  8.,  Kazatel  domownj,  König- 
grätz  618.  4.,  0  swätostech  625.  8.  —  Simon  Yalecms 
Launshy,  Prediger  bei  St.  Adalbert  in  Prag,  hinter- 
liess:  Prjprawa  k  smrti  610.  8.,  Ziwot  M.  Jeronyiiia  611. 
8.,  0  zpräwe  gazyka,  Pr.  616.,  Predigten  u.  s.  w.  —  Willi. 
Graf  Slüwata  von  Chlum  u.  Kosumberg  fgeb.  1573, 
gest.  1652),  k.  k.  Rath,  Burggraf  von  Karlstein,  zuletzt 
Vice-Oberstkämmerer  bei  der  kön.  Landtafel,  bekannt 
durch  sein  widriges  Schicksal  am  23.  Mai  1618;  er  bil- 
dete sich  in  Italien  und  auf  Reisen  in  Frankreich,  Spa- 
nien, England  u,  s.  w.,  und  beschrieb  umständlich  die 
Begebenheiten  seiner  Zeit,  Msc.  —  Wjf  Jakes  (Jakesius) 
Preroivsky,  Pfarrer  bei  St.  Gallus  in  Prag,  1621  ver- 
bannt (gest.  um  1641),  hinterliess  mehrere  Schriften: 
Decalogus  Pr.  602.,  0  manzelskein  stawu  610.  8.,  Cesta 
otcuw,  Pr.  611.  8.,  0  powetfj,  Pr.  613.,  Trivium,  Pr. 
620.  —  Mr.  Vicf.  Wrbensky,  Prediger  bei  St.  Niklas 
in  der  Altstadt  Prag,  1621  landesverwiesen,  gab  11  böhm. 
Werke  in  Druck  heraus:  Synopsis  bibl.  606.  4.,  Konfessj 
ceskä,  Dobrowic  614.,  Snem  Niniwitsky  615.,  Rozebränj 
Biblj  Sw.,  Königg.  618.  kl.  fol.,  Postilla,  Harmon.  ewang. 
Chiranomia  bibl.  u.  s.  w.  —  Zach.  Bruncivjk  aus  der  Neu- 
stadt Prag,  Pfarrer  zu  Neustadt  an  der  Bela,  verfasste 
16  BB.  theologischen  Inhalts:  Zrcadlo  kacjrstwj  614.  8., 
0  zemetfesenj  w  kr.  Bechynskem,  Pr.  615.  8.,  Srownänj 
dwau  tyrannü  cjrkwe  631.  8.,  Käzanj  o  morowe  räne, 
Pr.  606.  4.,  0  cjrkwi  Sw.,  Pr.  607.  4.,  0  wtelenj,  Pr. 
607.  4.,  0  Bohu,  Pr.  611.  4.,  0  postu,  Pr.  613.  8.,  0 
ocistci,  Pr.  613.  8.,^  Zrcadlo  zkäzy  Gerusalema,  Pr.  610. 
—  Kypr.  Pesina  Zatecky,  Pfarrer  in  Kuttenberg,  hin- 
terliess 11    BB.  meist  Predigten  und  Auslegungen  der  h. 


348 

Schrift.  —  Jali.  Petrozeljna  Kunstatsky,  Pfarrer  in  Tfe- 
bic,  gab  7  Werke  in  Druck  lieraus:  Postilla  4.,  0  baur- 
kacb  (elesnych  i  ducbownjcli.  Fr.  616.  8.,  Betrachtungen, 
Erklärungen  u.  s.  w.  —  Shn.  Partlic  d.  Jüngere  (Trischi- 
niensis),  Rector  der  Klattauer  Schule:  Adamus  judicatus, 
ein  geistliches  Drama  mit  e.  böhm.  Uebers.  in  Reimen 
von  Tli.  Rosacius,  Fr.  613.  4.,  Kalendär  hospodärsky 
617.  4.,  Tractatus  cometographicus,  Königgr.  619.  8., 
BJC  neb  metla  bozj  u.  s.  w.  —  Mr.  Jak.  Krupsky  d.  Jün- 
gere aus  Teutschbrod,  Rector  in  Schlan,  übers.  Flu- 
tarchs  tcsqI  naCöcov  dyäyrjs  aus  dem  Griech.  u.  d.  T.  Wy- 
straha  djtkam,  Fr.  609.  8.  —  /.  Rosacius  Susicky:  Pfar- 
rer bei  St.  Niklas  auf  der  kleinen  Seite  in  Frag,  1621 
landesvervviesen,  zeichnete  sich  auch  als  lateinischer  Dich- 
ter aus:  Zacatek  sgezdu  trech  stawu  pod  obogj,  Fr.  618., 
0  swornosti  manzelske  583.  12.,  Biblickä  losnj  knjzka, 
Fr.  589.  12.,  Korunka  mucedlnjkü  bozjch  u.  s.  w.  — 
Math.  Krncjn  Chrudjmsky,  Pfarrer  zu  Rychnow,  schrieb: 
0  wecori  Päne,  618.  8.,  Konfessj  cesko-augsb.  12.,  Wy- 
klad na  Modlitbu  F.,  620.  8.  —  Sani.  Marfimus  von 
Drazoiv,  fgest.  1639)  Prediger  bei  St.  Castulus  u.  Kreuz 
in  Frag,  1621  landesverwiesen,  gab  zahlreiche  Schriften 
theolog.  Inhalts,  zuerst  in  Frag,  dann  in  eigener  Buch- 
druckerei zu  Pirna  heraus.  —  Joh.  Ctibor  Kotwa  von 
Freifeld,  lebte  unter  Mathias  und  Ferdinand  IL,  Dom- 
herr bei  der  Metropolitankirche  in  Frag,  wegen  seiner 
glänzenden  Kanzelberedsamkeit  der  böhmische  Cicero  ge- 
nannt. —  Heinr.  Pj.seky  genannt  Scrihonms ,  Admini- 
strator des  Frager  Erzbisthums,  schrieb  mehreres  für 
die  Katholiken,  darunter  einen  böhm.  Katechismus.  — 
Mich.  Konstantin oiric  von  Ostrowic,  u.  ^.  Augezdecky: 
Kronika  Tureckä,  Leitom.  565.  —  Burian  von  Kornic 
übers.  J.  Cariona  Kronika  sweta  541.,  2  Ausg.  verb.  von 
Weleslawjn  Fr.  584.  602.4.  —  Blas.  Borowsky  a.  Königg., 
Pfarrer  zu  Holohlawy:  Wyklad  na  Epist.  617.  4.,  ver- 
scliiedene  Fredigten  1603  —  16.  —  Niki.  Krnpiehorsky: 
0  dni  saudnem,  Fr.  612.  8.,  0  gmcnu  bozjm,  590.  8., 
0  weceri  F.,  593.  8.  —  3Jart.  Philadelph.  Zämrsky  (gest. 
1592),  Vorstelier  der  Brüdergemeinde  zu  Oppau,  hinterliess 
ehie  Postilla  ewangelicka,  592. 2  B.  f.,  Dresd.  602.  fol.,  Pjsne 


349 

duchownj,  Pr.  G07.  8.  —  Jak.  Akanth.  Mifis,  Pfarrer 
in  Drinow  :  Autociste  poboznycli ,  613.,  Katecliismus, 
Pr.  613.,  Käzanj  614.  8.  u.  s.  w.  —  Casp.  Jrtopoeus  Par- 
duhsky,  Decliaiit  in  Sclilan:  Srovvnanj  Eliase  a  Hussa, 
Pr.  620.,  Snjzenj  a  povvysenj  Kr.  P.  610.  4.  —  Bem'am. 
Pefiek  v.  Polkowic,  Schreiber  bei  der  Landkainmer, 
(ibers.  A.  Bncliholzers:  Registrjk  historickv,  596.  fol., 
und  Mathesius:  Histor.  Kr.  P.,  596.  2  ßde.*^fol.  —  Da- 
tnd  Crimtus  Nepoimicky  v.  Hlawacow ,  Stadtschreiber 
in  Rakonic,  ein  latein.  und  böhin.  Dicliter:  Rytmy  ceske 
a  latinske  na  ewang.,  Pr.  577.  598.  2  Bde.  12.,  Zalmy, 
Pr.,  590.  12.,  Pielatis  puerilis  initia,  lat.  u.  böliin.  u.  s.  \v. 

—  Sigjii.  Crimtus  Sfrjbrsky ,  Pfarrer  zu  Semil:  Roz- 
gjniänj  zalmu  594.  12.,  Rada  597.  616.  8.,  Krestanske 
djlo  dennj  613.,  0  manzelslvvj  u.  s.  w.  —  Joh.  Wenc, 
Cicada  (CodedaJ,  Pfarrer  in  Prag:  Cesta  k  ziwotu  wec- 
nemu,  Pr.  607.  4.,  Predigten  u.  s.  w.  —  Jak.  Jakobides 
Sti'jbrsky,  Prediger  bei  St.  Martin  in  Prag,  1621  lan- 
desverwiesen: Budic  otce  celednjho,  Pr.  600.  8.  —  Karl 
Dan.  V.  Karlsberg  :  Pjsne  duchownj,  Pr.  614.  12.,  Zal- 
mowe  618.  fol.  —  iS/j?^  Prt/y/<«  iModlicansky  sclirieb  gegen 
20  Bücher  über  religiöse  Gegenstände.  —  Sim.  Claffo- 
veniis  (Klatowsky)  übers,  des  Rob.  Parus:  Kronika  pa- 
pezuw  565.  4.  —  Joh.  Wodicka  Ledecky,  Pfarrer  in  Lo- 
wosic:  Pjsne  na  ew.  a  ep.,  Pr.  609.  2  Bde.  4.  (mit  Me- 
lodien); 0   weceri,   uinucenj  a  wzkrjsenj  Kr.  P.  Pr.  607. 

—  Zdenek  Otto  Ritter  von  Los:  Antikristüw  saud  601. 
fol.  —  Tob.  Maurenju  Litoniyslsky :  Wek  cloweka,  du- 
chownj hra,  Pr.  604.  8.  Wittenb.  ^736.  8.,  Zrcadlo  dwau 
bohäcüw,  Olim.  694.  8.,  Wyklad  na  Ew.  Sw.  Jana  595. 
605.  u.  s.  w.  —  Dan.  Stodolius  v.  Pozoiv,  schrieb  geistli- 
che Dramen :  0  podwräcenj  Sodomy  a  o  Obetowänj  Isäka, 
Pr.  586.  8.  —  Joh.  Thaddaeus  Mezfjcky,  Dechant  zu 
Gicjn:  Wyswetlenj  o  stawu  manzelskem,  Pr.  605.  8., 
Predigten  u.  s.  w.  —  Prok.  Paeonius  aus  Swetnow  (gest. 
1613)  Rector  in  Teutschbrod,  darauf  Prof.  der  Phys.  u. 
Polit.  in  Prag,  schrieb  ausser  vielen  Gedichten:  Lekai'- 
stwj  w  cas  räny  niorowe  613.  —  Wenc.  Rames,  Stadt- 
schreiber zu  Klattau  :  Historicke  wypsänj  o  Sigmundowi 
C,  589.  8.  —    Wenc.   Steph.    Teplicky,    Erzdechant    zu 


350 

Kuüenberg:  Rod.  Kr.  P.,  Pr.  607.  8.,  Porädek  Pjsem 
Sw.,  Königg.  620.  8.,  0  powetrj,  Pr.  605.  8.,  Roznilaii- 
wanj  0  liorach  8.,  Wyklad  na  proroky,  Pr.  606  ff.,  — 
Sixt  und  Ambrosms  Rathssclireiber  in  Prag,  übers,  des 
P.  .Jovins:  0  wecech  a  zpusobjch  närodu  Tiir.  Pr.  540 
4.  —  Joh.  Rakownicky,  Prager  Bürger,  verf.  eine  Ge- 
scbichte  von  Böhmen  575  -  87.  Msc.  —  Prihislaw  von 
Radonjn  sclirieb  eine  Clironik  von  Böhmen,  Msc.  aus 
dem  XVII.  Jahrh.  —  Wenc.  Bi'ezan  verfasste  zu  An- 
fange des  XVII.  Jahrh.  die  Genealogie  vieler  böhm.  Fa- 
milien, Msc.  —  Ulr.  Prefat  von  Wlkanoiv  beschrieb  sei- 
ne Reise  nach  Palästina:  Cesta  z  Prahy  do  Palestiny  Pr. 
563.  fol.  786.  8.  —  Joh.  Miroticky  übers,  aus  dem  Lat. 
Obycege,  präwa  u.  s.  w.  wsech  närodiiw  Olim.  579.  fol. 

—  Wenc.  Lebeda  von  BedrsfGrfyerfasste:  Pozname- 
nänj  mest,  zämküw  a  ded.  Kr.  C.  Pr.  610.  8.  8  A. 
778.  —  Ulr.  v.  Pt'ostiboi'  und  Lochowic,  böhm.  Ritter 
und  Vice-Landschreiber  unter  Ferdinand  I.  verfasste: 
Präwa  a  zrjzenj    zemskä  Pr.  550.  fol.  6.  A.  Brunn  701. 

—  Wolf  r.  Wresoivic,  k.  Rath ,  Ober-Landschreiber 
und  Präsident  der  Landkammer :  Präwa  a  zf.  z.  Pr.  564 
fol.  594.  —  Mr.  Pmd  Chrn.  v.  Koldjn,  Kanzler  der  Alt- 
stadt Prag:  Präwa  mestskä  Pr.  579.  12.  5  B.  700.  — 
Joh.  Peli'jk  von  Benesow  übersetzte  einige  pädagogische 
Schriften  des  Erasmus:  Rozmlauwänj  djtek  Pr.  534.  8., 
0  mrawjch  djtek  Pr.  537.  8.  -  Hynek  Krabice  von 
Weitmile  verfasste:  0  rodu  PP.  z  Weitmile  a  Krabic, 
Msc,  derselbe  oder  ein  anderer  in  seinem  Auftrag,  über- 
setzte eine  Diätetik  ins  B.  Pr.  536.  fol.  —  Mich.  Piecka 
Smrzicky,  verfasste  einen  launigen  Roman:  Akcj  a  ro- 
zepre  mezi  filosofem,  w  lekarstwj  doct.  a  oratorem  aneb 
procuratorem  Pr.  609.  8.  —  Niki.  Sud  von  Semanin, 
ein  berühmter  Astronom  ,  gab  1520-57  Ephemeriden 
und  Prognostiken  heraus.  --  Kypr.  Lwowitsky  von  Lwo- 
wie,  schrieb  ebenfalls  Prognostiken.  —  Sini.  Podolsky 
verfasste  1617:  0  meräch  zemskych  Pr.  683.  4.  —  Bu- 
wor  Rodowsky  von  Hustirany  d.  Ae.  (gest.  um  1572) 
und  B.  R.  V.  H.  d.  J.  verfassten  mehrere  astron.  Werke; 
letzterer  übers,  die  Geschichte  Alexanders  und  einiges 
aus  Plutarch   a.    d.  Gr.,    Aristoteles  B.  über  die  mensch- 


351 

liehen    Tugenden    a.    d.    Kroat.  Msc.  1574.,    und  liinler- 
Jiess:  Keci  starycli  filosoiow,  eb.  Msc.  —  Joh.  Gewicky 
Ceniy,    Zabrezer  Bürger,    übersetzte    einiges    über   Che- 
mie u.  Naturg.  Olim.  556.-559.8.  —  Ge.Ni/d.Brnenskij 
(Pr.    567.)    und    Ge.    Görl  von  Görlsfein  (Pr.  577.)  ga- 
ben   böhm.    Lehrbücher  der  Arithmetik    heraus    u.  s.  w. 
Noch    wurden    das  Gebiet    der   Religion,    der  Moral 
und    der    Theologie,    ausser    mehreren  andern,    von  fol- 
genden   Schriftstellern   literarisch    bearbeitet,    deren  Na- 
men und  Schriften    man    grösstentheils    in  dem  Index  li- 
bror.    hohem,    prohib.  verzeichnet  findet:    Lavr.  Andrea, 
Joh.  Aupicky,  Beties  Baworinsky,   Thoni.  Baworowsky, 
Joh.  u.  Wenc.  Benesowsky,  Bohusl.  Bepta,  Joh.  Boleslaw- 
sky,   Clem.  Bosdk,   Matth.  Brodsky,    Joh.    Burda,   Joh. 
Bydzoivsky,  Joh.  Cadaverosus Kaurjmsky,  Sixf  Candidas 
Katnohorsky,  Joh.  u.  Mari.   Carchesins,   Wenc.  Carion, 
Joh.  CaupUius  Teynecky,  Georg  Chohotides,  Joh.  Chodo- 
lias,   Tob.  Cichoreus,  Ad.  Clemens  Pizensky,    Wenc.  Cle- 
mens Zatecky,  Math.  Culfrarius,  Niki.  Cjsek.,  Georg  Jak. 
Dacicky,  Jer.  Denhart,   Wenc.  Fahricius,  Franz  Firlink, 
Joh.  Flaxius,  Jak.  Halecius,  Paul  Lucinus  üeliconiades, 
Joh.    Herink  Nymbnrsky,  Joh.  Hertwicius,    Joh.  Hery- 
fes,  Math.  Holecky,   Steph.  Holomaucansky,    Christoph 
Joh.  Hranicky^    Wenc.    Hussoimis,   Elias  Jak o In  Chrn- 
djmsky,   Math.  Janda  Cechticky,   Thom.  v.  Jaworic,   Th. 
Jaworowsky,  Barth.  Jaworsky,  Marl.  Pristach  Katvka, 
Marl.  u.  Bohusl.  Klatoivsky,  Alb.  Georg  Klusdk,   Wenc. 
Knobelius  Caslatvsky,    Paul  Korka,  Andr.  Kracowsky, 
Joh.  Krtsky,  Jak.  Kunwaldsky,  Joh.  Laetus,  Joh.  Sixt 
von  Lerchenfeld,  Joh.  Locika  Domazlicky,  Dan.  Loebryn, 
Civilius   Lomnicky,    Mich.  Longolius,   Melichar  Luzsky, 
Paul  Lykaon  Kostelecky,  Georg  Maly  genannt  Swoboda, 
Wenc.  Martinides  Turnowsky,   Vicf.  Ad.  3Iartinsky,  Joh. 
Jac.  u.  Joh.  Matheolus  Sedlcansky,  Wenc.  u.  Paul  u.  Joh. 
Ge.   Mathiades,  Marl.    Michalec,    Math.   Miljnsky,    Joh. 
u.  Bart.  Netolicky,  Paul  Nonnitis  Hermanoniestecky,  Joh. 
Pacheus  Budjnsky,  Matth.  Pacuda  Dokromilicky,  Hier. 
Palingenius   Hor.sky,  Matth.  Philomathes,  Math.  Plzen- 
sky,  Math.  Policansky,  Andr.  Polifsky,  Joh.  Rdcek  von 
Chotefin,    Wenc.  Rakownjcky,   Joh.  Regius  Zelkow.^ky, 


352 

Ge.  Ri/häk  Strakomcky,  Georg  Seqiienides  Choteborsky, 
Paul  Sloivacius,  Joh.  ii.  Jak.  Soheslawsky,  Wenc.  Math. 
Solnicky,  Ge.  Stephamdes  Clirudjmsky,  Jak.  Stephanides 
Prihislaivsky,  Joh.  Stephanides  Wesetsky,  Sim.  Stepha- 
nides Jlusinsky,  Adaui  Heim',  v.  Strachoim'c,  Niki.  Sti- 
pacius  Strakowsky,  Math.  u.  Hier.  Strjbrsky,  Joh.  Siidli- 
ciifs,  Ge.  Tacititrtms  Hdysky,  Wenc.  Textorius  Dworsky, 
Wenc.  Steph.  Thermen,  Joh.  Kyr.  Trehicky,  Dan.  Tosan, 
Mart.  Tribalins  Holicky  ,  Sigin.  Tribucelins ,  Trojan 
Hernianomestecky ,  Wenc.  Tnrnowsky,  Jes.  Camillus 
Wodnansky,  Joh.  Wales,  Hawel  Barth,  v.  Warwazoiv, 
Christ.  t\  Wlcetju,  Jak.  Woljnsky,  Joh.  Zahutnensky, 
Tob.  Zäworka  Lipensky,  Hawel  Zelezny,  sonst  Lsti- 
borsky,  Dav.  Hawel  Zluticky  ii.  a.  m. 

§.  42. 

Dritter  Periode   erste    Abtheilung.     Von   der  Schlacht  am 
weissen  Berge  bis  auf  K.  Joseph   II.  J.  1620    —  1780. 

Mit  der  Schlacht  am  weissen  Berge  hörte  Böhmens 
glänzende  Periode  auf.  —  Mathias  liess  seinen  Neffen, 
Erzh.    Ferdinand    von  Oesterreich,    auf  einem  Reichstage 

1617  zum  König  von  Böhmen  krönen.  Ferdinands  be- 
kannte Abneigung  gegen  die  Protestanten  ermuthigte 
die  Katholiken  zu  neuen  Versuchen  gegen  die  erstem. 
Schon  bei  Mathias  Lebzeiten  erschienen  mehrere  Ver- 
ordnungen, die  den  nichtkatholischen  Böhmen  Besorg- 
nisse eintlössten.  So  beschuldigten  letztere  die  1617  ver- 
schärfte und  der  Kanzlei  anheimgestellte  Censur  der  Par- 
teilichkeit, und  fanden  sich  in  den  durch  den  Majestäts- 
brief dem  Consistorium  und  den  Defensoren  zugestande- 
nen Rechten  beeinträchtigt.  Als  endlich  der  Abt  von 
Braunau  seinen  protestantischen  Unterthanen  die  Fort- 
setzung eines  Kirchenbaus  untersagte,  der  Erzb.  v.  Prag 
in  Klostergraben  das  Gotteshaus  niederreissen  liess,  und 
die  protestantischen  Stände  sich  vergebens  darum  beim 
K.  Mathias  beschwerten:    da  brachen  die  Leidenschaften 

1618  in  offenen  Kampf  aus.  In  dem  Krieg  der  akatho- 
lischen Böhmen  gegen  ihren  Landesherrn  hatten  erstere 
das  traurige  Glück,    anfänglich  Sieger  zu  seyn.  Desswe- 


353 

gen  wollten  sie,  als  Mathias  mitten  in  diesen  Unruiien 
starbt  (1610),  den  Erzli.  Ferdinand  nicht  mehr  zu  sei- 
nem Nachfolger,  sondern  wählten  Friedrich  V.  Kurfür- 
sten von  der  Pfalz  zu  ihrem  Könige.  Aber  die  Nieder- 
lage bei  Prag  1G20  entschied  ihr  Schicksal  unwiderruf- 
lich. Acht  und  vierzig  Häupter  der  Empörung  wurden 
eingezogen,  27  ötFentlicii  hingericlitet,  für  53  Mill.  Tha- 
ler protestantisches  Eigenthum  confiscirt.  Alle  Religions- 
übung der  Protestanten  in  Böhmen  und  Mähren  musste 
aufhören,  und  das  Volk  wurde  zum  römischen  Cultus 
zurückgeführt.  Die  Prediger  und  Lehrer  wurden  aus 
dem  Lande  gejagt;  30,000  Familien  wanderten  mit  ih- 
nen aus,  darunter  allein  185  alte  Geschlechter  der  Ba- 
ronen und  Ritter.  Brandenburg  und  Sachsen,  auch  die 
Schweiz,  Holland  und  Siebenbürgen,  erfreuten  sich  der 
Blüthe  von  Böhmens  Gelehrten,  Künstlern,  seiner  ge- 
schicktesten und  arbeitsamsten  Handwerker  und  Ackers- 
leute ^).  Ferdinand  vernichtete  den  Majestätsbrief,  und 
führte  unter  den  Ständen  den  geistlichen  wiederum  als 
den  ersten  ein.  Die  1619  verjagten  Jesuiten  kehrten 
1620  triumphircnd  nach  Prag  zurück,  und  übernahmen 
die  Universität.  Ferdinand  III.  (1637  -  57)  suchte  die 
Wunden  des  Landes  zu  heilen,  und  die  Liebe  der  Böh- 
men zu  gewinnen.  Er  nahm  den  Jesuiten  die  Universi- 
tät, die  von  nun  an  die  Karl  -  Ferdinandische  heisst, 
und  stiftete  mehrere  Gyiiniasien.  Aber  erst  unter  sei- 
nem Nachfolger,  Leopold  I.  (1657  -  706),  konnte  sich 
das  verödete  Land  merklich  erholen.  Gleichwol  wurde 
diese  ersehnte  Ruhe  durch  die  Drangsale  des  Krieges 
in  den  J.  1740-1763  wieder  empfindlich  gestört. 

Nach  dem  .].  1620  änderte  sich  der  Zustand  der 
böhmischen  Literatur;  das  blühende  Feld  des  Sprach- 
anbaues wurde  auf  einmal  in  einen  Schutthaufen  ver- 
wandelt. Alle  seit  1414-1630  iierausgegebenen  böhmi- 
schen Bücher  wurden  der  Ketzerei  verdächtig,  ihre  Le- 
ser und  Verfasser  vertrieben,  und  in  der  öden  Zeit  des 
30jährigen  Kriegs  keine  neuen  geschrieben.  Einige  über- 
spannte Eiferer  unter  den  Jesuiten  vernichteten  die  Werke 

^)  Dobrowsktjs  wahres,  gerechtes,  christliches  Urtheil  hierüber  ist 
in  Magazin  I.  11— IS.  nachzulesen. 

23 


354 

der  vorigen  Jahrhunderte  zu  Tausenden  durch  Flammen. 
Diess  ist  die  Ursache,  dass  man  sie  jetzt  kaum  dem  Na- 
men nach  kennt^).  An  eine  Fortbildung  der  Sprache 
ist  in  dieser  traurigen  Periode  gar  nicht  zu  denken;  nur 
in  Grammatiken  und  Wörterbüchern  (Dracliowsky, 
Rosa,  Wussin)  und  in  einigen  wenigen  Geschiclitsbü- 
chern  (Pesina,  Beckowsky,  Korjnek)  pflanzte  sich  die 
geregeltere  Schriftsprache,  diese  mühsam  errungene  Frucht 
zweier  Jahrhunderte ,  gleichsam  im  Stillen  fort.  Die 
teutsche  Sprache  wurde  in  allen  öffentlichen,  bürgerli- 
chen und  gerichtlichen  Verliandlungen  aufs  neue  einge- 
führt, und  die  böhmische  abgeschafft;  die  nach  der  Aus- 
wanderung der  Nichtkalholischen  verödeten  Kreise  wur- 
den mit  teutschen  Ankömmlingen  bevölkert.  Die  Lan- 
desmundart sank  zu  einer  Bauersprache  herab,  und  ward 
kaum  als  solche  geduldet.  Diess  alles  hatte  zur  Folge, 
dass  schon  in  den  J.  1729  —  49  die  Böhmen  beinahe 
aufhörten ,  böhmisch  zu  sprechen ,  und  Personen,  die 
auf  Bildung  und  Ehre  Anspruch  machten,  sich  ihrer  böh- 
mischen Abkunft  schämten,  und  solche  sorgsam  verbar- 
gen und  verlüugneten  ^J ;  dergleichen  elende  Zierben- 
gel es  leider  auch  heutzutage  noch,  nicht  nur  in  Böh- 
men, sondern  auch  in  Mähren  und  in  der  Slowakei  u. 
s.  w.  in  Menge  gibt.  —  Die  ausserhalb  des  Landes  le- 
benden,   verwiesenen    Protestanten,    Hessen    von   Zeit  zu 


*)  Komensky  berichtet  darüber  in  s.  Historia  o  protiwenstwjcli  cjrkwe 
ö.  (a.  d.  Lat.  des  J.  Lasitius  648.)  S.  325.  „Gak  zachäzeli  s  knihami,  ne- 
pochybue  ze  same  powesti  wsecliiiem  giz  wedomo  gest.  Na  tisjce  exemplaru 
biblj,  at  se  o  ginych  knibäch  mlcj,  od  tech  zlo,bohü  zhlazeno.  Obecnj  sie 
byla  pokuta  na  wsecky  kuihy  ciheü:  säm  toliko,  coz  nam  wedomo,  Krabe 
z  Nächoda,  pfewräceny  odpadlec,  swe  swate  knihy,  prwe  aksanijtem,  sti-j- 
brem,  zlatem  ozdobene  (nebo  we  wsem  nddberny  a  honosny  byl),  zlato  a 
stfjbro  z  nick  sebraw,  pH  swe  pijtomnosti  do  zäcboda  wbäzeti  rozkäzal. 
Ginj  pri  tom  negeduostagne  se  chowali.  Nebo  nektei'j  knihy  Ewangcljküm 
pobrawse,  doma  ge  tagne  spalili;  ginj  na  rynk  mesta  w  kosjch  (gako  we 
Fulneku)  wynesti,  ginj  (gako  w  Zatci  a  w  Trutnowe)  furami  z  mesta  za 
zdi  wywezti,  ginj  k  sibenici  aneb  ku  stiuadlüm  (gako  we  Ilradci)  ge  shro- 
mazditi  käzali,  a  branici  udclawse  a  oben  podloziwse  pälili."  Nach  der 
barbarischen  21ten  Regel  des  Index  waren  alle  von  1414  bis  1635  in  Böh- 
men geschriebene  od.  gedruckte  Bücher  für  ketzerisch  erkhirt,  und  sollten 
desshalb  vertilgt  werden.  Ja  man  ging  so  weit,  dass  man  auch  von  katho- 
lischen Auetoren  verfasste,  sogar  von  den  ehemaligen  Erzbischöfen  appro- 
birte  od.  auf  kön.  Befehl  gedruckte  Bücher  (Dalimil,  ITägek,  Aeneas  Syl- 
vius,  Job.  Ferus  Postille  u.  s.  \v.)  in  den  Index  versetzte.  Vgl.  Ungar s 
allg.  böhm.  Bibl.  in  Dobrowskys  Magazin  Itcs  St.  786.  S.  6  ff. 

')  J.  Ruljk  wenec  pocty  ucenych  Cechu  Pr.  795.  8.  S.  12. 


355 

Zeit  einii^e  Büclier  religiösen  und  (lie()Iogi.sclien  Inhalts 
in  einer  bessern,  correctern  Sprache  drucken,  u.  schick- 
ten sie  ins  Land  hinein;  wogegen  die  Jesuiten  und  Ca- 
puziner  nicht  ermangelten  ,  händereiche  Widerlegungen, 
aber  in  einem  barbarischen  ßucherkauderwelsch,  aufzu- 
stellen. In  der  ersten  lliiUte  des  XVIII.  .lahrh.  wurde 
beinahe  nichts  mrhr,  als  enorme  Folianten  und  Quar- 
tanten  von  Predigten,  in  böhmischer  Sprache  zum  Druck 
befördert.  Die  Wissenscliaften  und  der  Geschmack  wa- 
ren in  Böhmen  bis  zur  Barbarei  herabgesunken.  ^) 

Von  den  wenigen  Schriftstellern  dieses  .Jahrb.  füh- 
ren wir  an:  Sun.  Kapiliorshi),  schrieb  die  Gesch.  des 
Sedlecer  Klosters,  Pr.  630.  fol.  —  Ge.  Konsfanc,  (gest. 
1673}  Jesuit,  arbeitete  an  einer  Bibelübersetzung,  schrieb 
eine  Sprachlehre:  Lima  1.  höh.,  eigentlich  nur  für  Böh- 
men, in  lat.  und  böhm.  Sprache,  Pr.  667.  8.  u.  s.  w. 
-  MaWi.  Steyer  aus  Prag  (geb.  1630,  gest.  1692), 
Jesuit,  arbeitete  nach  G.  Konstancens  Tod  an  der  ka- 
tholischen Bibel  (wovon  das  N.  T.  1677  erschienen  ist), 
verftisste  eine  brauchbare  Anleitung  zur  böhm.  Orthogra- 
phie: Wyborne  dobry  zpüsob  po  cesku  psäti,  Pr.  668.  12. 
730.  781.  u.  oft.  —  Ge.  Placinj  (gest.  1659)  zeichnete 
sich  durch  glänzende  Kanzelberedsamkeit  aus.  —  Paul 
Sfransky  (gest.  1657),  ein  protestantischer  Böhme,  zu- 
erst Senator  und  Notar  in  Leitmeritz,  1626  landesver- 
wiesen, zuletzt  Professor  in  Thorn,  schrieb  eine  ge- 
schmackvolle Geschichte  Böhmens,  zur  Zeit  und  in  Form 
der  Elzevirschen  Republiken:  De  rep.  Bojema,  Lugd. 
Bat.  643.,  übers.,  berichtigt  und  ergänzt  von  J.  Cornova, 
Fr.  792 -803.  7  Bde.  8.  -  Bolmsl.  Aloys.  Balbin  aus  Kö- 
niggrätz  (geb.  1621,  gest.  1688),  Jesuit,  Prof.  der  Rhe- 
torik und  Präfect  der  Schulen  und  Congregationen  der 
h.  Jungfrau,  schrieb  mehrere,  für  die  böhm.  politische 
und  literarische  Geschichte  sehr  wichtige  Werke:  Epi- 
tome  rer.  boh.,  Pr.  677.  2  Bde.  fol.,  Miscellanea  bist, 
r.  Boh.,  Pr.  680  —  88.  2  Bde  fol.,  Bohemia  docta,  opus 
posth.  ed.  R.  Ungar.,  Pr.  777—80.  3  Bde.  8.,  s.  Disserta- 
tio  apologetica  pro  1.  slavonica,  praecipue  bohemica, 
von  Fr.  M.  Pelzel,   Pr.  775.   8.,    herausgegeben,  erregte, 

*)  Darüber  ist  Prochäzka's  Comment.  S.  .380  -  402  nachzulesen. 

23* 


356 

grosses  Aufseilen.  —  Joh.  Bariier  (gest.  1708)  übers, 
einiges  über  die  Landwirtlischaft  aus  dem  Teuischen  706. 

—  Feliv  Kudlinsky,  (gest.  1675),  gab  inelnere  Bücher, 
meist  in  Versen  geschrieben,  heraus,  worunter  der  ,,Zdoro- 
slawjcek"-  am  bekanntesten  ist.  —  Tliom.  Joh,  Pesina  von 
Gechorod  aus  Pocätky  (geb.  1629,  gest.  1680),  studirte 
in  Neuhaus  und  Prag,  trat  in  den  geistlichen  Stand,  war 
1670  Domdechant  in  Prag,  zuletzt  1675  Bischof  von 
Semendrien,  widmete  sich  ausscidiesslich  dem  Studium 
der  Geschichte ,  um  ein  allumfassendes,  geogr.  -  bist. 
Werk  über  Mähren  zu  Stande  zu  bringen,  wozu  er  den 
Vorläufer :  Predchüdce  Morawopisu  ,  Litomyschl  663. 
8.,  in  böhm.  Sprache  herausgab ;  unter  seinen  lat.  Schrif- 
ten ist  s.  Mars  Moravicus,    Pr.  677.  fol.,   die  wichtigste. 

—  Joh.  Korjnek  gab :  Stare  pameti  Kutnohorske  675.  8.,  ein 
wegen  der  Terminologie  des  Bergbaues  sehr  schätzbares 
Werk,  heraus.  —  Joh.  Drachoirskij  (gest.  1644),  Jesuit, 
verfasste  eine  gedrängte  böhm.  Sprachlehre,  herausg. 
von  Steyer:  Gramm,  b.,  Olim.  660.  12.  —  Wenc.  Joh. 
Rosa  (gest.  1689),  Appellationsrath  in  Prag,  schrieb 
eine  böhmische  Grammatik :  Cechorecnost ,  Pr.  672., 
übers.  Virgils  Eklogen  in  Hexametern,  hintcrliess  ein 
böhmisches  Wörterbuch  in  Msc.  u.  m.  a.  —  Joh.  Florian 
Hammerschiniill  (gest.  1737),  Domherr  zu  Wysehrad  u. 
ßunzlau,  ein  namhafter  Hisloriker  seiner  Zeit,  schrieb 
die  Geschichte  einzelner  Städte,  Kirchen  und  Klöster.  — 
Joh.  Franz  Beckoivsky  (gest.  1725),  Kreuzritter  vom  ro- 
then  Sterne  und  des  Hospitals  bei  St.  Agnes  in  der  Neu- 
stadt Prag  Administrator,  gab  8  Bücher  heraus,  worun- 
ter s.  Poselkyne  star\  ch  prjbehu  ceskych  (reicht  bis  1526), 
Pr.  700.,  das  wichtigste  ist.  —  Ge.  Uberijn  zeichnete 
sich  durch  Kanzelberedsamkeit  aus.  —  Wenc.  Kiei/ch, 
Hess  zahlreiche ,  eigene  und  fremde  Erbauungsbücher 
für  Protestanten  in  Zittau  drucken.  —  Bonaventura 
Pitter  aus  Hohenbruck  (geb.  1708,  gest.  1764),  Abt 
des  Benedictiner  Stiftes  Baygern  in  Mähren,  ein  tleissi- 
ger  Geschichtsforscher,  arbeitete  an  einem  Corpus  scri- 
ptorum  boh.,  Msc.  —  Anl.  Konids  (gest.  1760),  Jesuit 
und  Missionär,  verpflanzte  seinen  Namen  nicht  als  böh- 
mischer Literaturfreund,  sondern    als    der    berüchtigteste 


357 

Büclierstiirmer,  die  es  je  gegeben  (sein  Biograph  berich- 
tet, dass  er  sich  selbst  zu  rübmen  pflegte,  eigenhändig 
iiber\60,000  Bünde  bölim.  Bücher  vertilgt  zu  haben),  und 
als  Vf.  des  Index  librorum  prohibit.  (der  zum  ersten- 
mal 729.,  und  wieder  749.  8.  in  Königgriltz,  endlich  der 
böhm.  Tlieil  allein  Pr.  767  gedruckt  worden),  auf  die 
Nachwelt.  —  ]lV//r.  Jos.  Wesely,  beeideter  Landmüller 
und  Geometra  in  der  Altstadt  Prag,  schrieb:  Pocätek 
mathem.  umenj  (eine  praktische  Geometrie),  Pr.  734.  8., 
in  einer  sehr  verderbten  und  gemischten  Sprache.  — 
Chrifs.  Tdhorsky  aus  Sokelnic  (geb.  1696,  gest.  1748), 
Prämonstratenser  zu  Uradischt  in  Mähren,  Pfarrer  zu 
Khinitz,  genoss  den  Ruf  ausgezeichneter  Kanzelbered- 
samkeit. —  Joh.  Goftl.  Eisner  aus  Wengrow  in  Podla- 
chien  (geb.  1717,  gest.  1782),  Prediger  der  böhm.  re- 
formirten  Gemeinde  zu  Berlin,  liess  dort  mehrere  ei- 
gene und  fremde  Werke  in  böhm.  Sprache  drucken : 
Mleko  prawdy  bozj  748.  12.,  Konfessj  ceskä  (Glaubens- 
bek.  d.  Brüder  v.  1535)  748.  8.,  Katechismus  748.  8., 
N.  Zäkon  753.  8.,  Kancionäl  bratrsky  754.  12.,  Comenii 
prax.  piet.  754.  12.  u.  s.  w.  —  Joh.  Groh  aus  Waldic 
(geb.  1730,  gest.  1786),  Jesuit,  verfasste:  Weliky  zi- 
wot  P.  J.  Krista.  Pr.  779.  4.  (1056  S.),  iVJodlitby  a  pjsne, 
Pr.  780.  12.   - 

Die  übrigen ,  ohnehin  unerheblichen  Schriftsteller 
dieses  Zeitraumies,  müssen  wir  der  Kürze  wegen  ilber- 
gehen. 

§.  43. 

Dritter    Periode   zweite   Abtheilung.     Von    K.    Joseph    II. 
bis  auf  unsere  Zeiten.  J.  1782  ff. 

Nach  langer  Ohnmacht  erwachte  der  unterdrückte, 
aber  nicht  erloschene  Nationalgeist  der  Böhmen,  und  mit 
ihm  die  Liebe  zu  der  Muttersprache  und  der  Eifer  für 
ihren  Anbau.  Des  Generalfeldmarschalls,  Franz  Grafen 
Kinsky,  der  1774  ein  Werk  über  die  Nothwendigkeit 
und  die  Vortheile  der  Kenntniss  der  böhmischen  Sprache 
drucken    liess,    edle  Stimme,    inul    des    Jesuiten    ßalbin 


358 

iiacligelasseiie,  von  Pelzel  1775  herausgegebene  Schutz- 
schrift für  die  böhmische  Landessprache,  wirkten  elek- 
trisch auf  den  bessern  Theil  der  Nation,  und  wurden 
unghuiblich  wichtig  durch  ihre  Folgen.  Im  J.  1775  fing 
die  Regirung  an,  auf  die  Landessprache  Rücksicht  zu 
nehmen,  indem  sie  wol  einsah,  dass  man  einer  Spra- 
che, die  beinahe  von  6  WiW.  ihrer  getreuesten  u.  fleis- 
sigsten  ünterthanen  (in  Böhmen,  Mähren  und  der  Slo- 
wakei) geredet  wird,  ihr  natürliches  Recht  nicht  neh- 
men könne,  ohne  gewaltthätig  und  ungerecht  zu  seyn; 
an  dem  Theresianum  in  Wien,  an  der  Ingenieur  -  Aka- 
demie zu  Wieneriscli-Neustadt  und  an  der  Wiener  Uni- 
versität wurden  Lehrer  der  böinnischen  Sprache  ange- 
stellt, und  die  k.  Prager  Normalschule  Hess  eine  Menge 
Schuld  und  Unterrichtsbücher  drucken.  Josephs  IL  mil- 
des, umsichtiges  und  durchgreifendes  Walten  schuf  auch 
das  bis  dahin  vielfach  inid  hart  geprüfte  Böhmen  neuer- 
dings zu  einer  Heimath  der  Industrie  und  des  Wolstan- 
des,  und  zu  einem  Sitz  der  Musen  um.  Erleichterung 
der  Lasten  des  Volks,  Begünstigung  des  Ackerbaues, 
Belebung  des  Kunstileisses,  Beförderung  der  Volksbil- 
dung durch  Stiftung  mehrerer  tausend  Schulen,  Vermeh- 
rung der  Dorfpfarrer  und  Aufliebung  der  Klöster  (1781), 
Abschaffung  des  Ferdinandischen  Religionsedicts  u.  Wie- 
deraufnahme der  Nichtkatholisclien  (1781),  Einführung 
einer  gemässigtem,  vernünftigem  Censur  (1782),  und 
andere  weise  Anstalten  dieses  grossen  Monarchen  wirk- 
ten belebend  auf  die  Nalionalkraft  der  Böhmen,  und 
führten  —  wenigstens  indirect  —  eine  neue  Epoche  der 
böhmischen  Nationalliteratur  herbei.  Denn  unmöglich 
konnte  bei  dem  nunmehr  freigegebenen  Anbau  der  Wis- 
senschaften und  dem  erweiterten  geistigen  Verkehr  die 
Landessprache  nicht  ein  Gegenstand  des  Studiums  der 
vaterländischen  Gelehrten  werden.  Eine  grosse  Zahl 
namhafter  Schriftsteller  trat  beinahe  zu  gleiciier  Zeit 
auf  dem  verwilderten  Brachfelde  sovvol  mit  Originalwer- 
ken, als  mit  Uebersetzungen  auf.  Auch  die  Ueberreste 
der  Alten  wurden  jetzt  lleissig  hervorgesucht  und  her- 
ausgegeben. Die  33jährige  Regirung  unseres  allergnä- 
digsten  Landesvaters    und    glorreichst  rcgirenden  Kaisers 


359 

Franz  I.,  verbrcite(e  auch  über  ßüliincn  die  Seegiiun- 
gen  des,  nacli  vielen  blutigen  Kämpfen  siegreich  errun- 
genen Friedens,  und  das  Licht  der  fortschreitenden  Cul- 
tur.  Der  böhmischen  Sprache  und  Literatur  ging  ein 
neuer  Glückstern ,  der  Vorbote  besserer  Zukunft,  auf. 
Während  dieses  Zeitabschnitts  wurde  1793  an  der  Pra- 
ger Universität  die  Lehrkanzel  der  böhmischen  Sprache 
und  Literatur  errichtet,  1803  in  Pressburg  ein  Institut 
der  böhmisch-slowakischen  Literatur  gestiftet,  die  böh- 
mische Muse  1786-1806,  und  nach  einer  kurzen  Ver- 
bannung 1812  auf  das  ständische  Prager  Theater  einge- 
führt ,  durch  wiederholte  Regirungsdecrete  (23.  Aug. 
1816,  20.  Dec.  1816)  der  Vortrag  der  böhmischen  Spra- 
che und  Literatur  auf  allen  höhern  Landesschulen  anbe- 
fohlen, und  die  Kenntniss  des  Böhmischen  bei  öffentli- 
chen Anstellungen  im  Lande  zur  Bedingung  gemacht 
(13.  Febr.  1818),  auch  durch  politische  und  literari- 
sche Zeitschriften  der  Austausch  der  Gedanken  und  die 
Mittheilung  gemeinnütziger  Kenntnisse  erleichtert,  zuletzt 
1818  ein  böhmisches  Nationalmuseum  in  Prag  gegrün- 
det. Bei  den  edlern  Nationalen  erwachte  im  Gefolge  der 
glühendsten  Vaterlandsliebe  der  lebendigste ,  thätigste 
Eifer  für  die  Reinhaltung,  Wiederbelebung  und  Fortbil- 
dung der  Laudessprache  und  ihrer  Literatur.  Das  Fort- 
schreiten zu  einem  so  grossen  und  hohen  Ziele  ist  be- 
reits überall  sichtbar.  Die  Lehrprosa  gewann  in  diesem 
Zeitraum  durch  Erweiterung  der  wissenschaftlichen  und 
technischen  Terminologie ,  mit  durchgängiger  Berück- 
sichtigung des  Sprachgebrauchs  der  altern  vaterländischen 
Schriftsteller  und  der  verwandten  Mundarten;  der  Poe- 
sie, die  durch  Vernachlässigung  des  Studiums  der  grie- 
chischen und  römischen  Classiker,  und  durch  eine  falsch- 
begründete   Prosodie  ^)    beinalie    zur    Gemeinheit    herab- 


^)  Die  ältesten  böhmischen  Gedichte  sind  reimlos,  gleichwol  nicht 
ohne  Harmonie  und  Numerus,  der  aber  weder  auf  die  Quantität  im  grie- 
chisch-römischen, noch  auf  den  Ton  im  Dobrowskyschen  Sinne,  sondern 
auf  den  rhythmischen  (dem  Metrum,  nicht  den  Worten  an  sich  inwoh- 
nenden) Accent  (Ictus) ,  mit  Beobachtung  regelmässiger  Cäsur  (Pause), 
und  auf  eine  ebenmässige,  mit  den  dargestellten  Gedanken  und  Gefühlen 
analog  laufende  Gliederung  der  Verszeilen  gegründet  ist.  Diese  älteste  böhm. 
Verskunst  ging  mit  so  mancher  andern  vaterländischen  Sitte  im  Anfange 
des  XIV.   Jahrh.    zu   Grabe,    und   an  ihre  Stelle  trat  das  damals  allgemein 


360 

sank,  scheint  seit  1818  eine  neue  Epoche  bevorzustehen; 
die  Kanzelberedsamkeit  wurde  ebenfalls  veredelt  und 
ihrer  erhabenen  ßestininiung  niiher  zugeführt.  Die  böh- 
mische Philologie,  insbesondre  die  Grammatik  und  das 
Lexicon,  erfreut  sich  einer  besondern,  sorgsamen  und 
glücklichen  Fliege. 

Die  Werke  der  immer  zablreichern  und  fruchtba- 
rem Schriftsteller  dieses  Zeitraumes  nach  Verdienst  zu 
preisen,  bleibt  der  Zukunft  anlieimgestellt;  der  Zweck 
dieses  Buchs  aber  fordert  es,  einige  der  vorzüglichsten 
namhaft  zu  machen.  Wetic.  Math.  Kramerius  aus 
Klattau  (geb.  1753,  gest.  1808),  Bürger  in  Prag,  er- 
warb sich  —  nicht  sowol  durch  überwiegende  Geistes- 
gaben und  ausgebreitete  Gelehrsamkeit ,  als  vielmehr 
durch  einen  rein  patriotisclien  Sinn,  kluge,  auf  das  Pra- 
ctische  und  Reelle  gerichtete  literarische  Betriebsamkeit 
und  eine  beispiellose,  unermüdete  Thätigkeit  —  in  den 
neuern  Zeiten  um  die  Wiederbelebung  der  böhmischen 
Literatur  das  grösste  Verdienst,  —  er  war  der  Welesla- 


beliebte  Reimen.  Der  SsylbJge  gereimte  Vers  herrschte  nun  300  Jahre  lang 
ausschliesslich  auf  dem  böhmischen  Helikon.  Die  Prosodie  gewann  dadurch 
weder  au  Kraft,  noch  an  Harmonie  und  Kunst,  und  die  Gedichte  selbst 
blieben  unendlich  weit  hinter  den  altern  zurück.  Nudozerjn  regelte  zuerst 
1603  (nach  einigen  vorangegangenen  unerheblichen  Versuchen)  die  böhm. 
Prosodie  im  Geiste  der  slaw.  Sprache  nach  dem  griechisch-römischen  Fun- 
damentalgesetz der  Quantität,  und  fand  an  Komensky,  Rosa  u.  a.  m.  ge- 
schickte Nachfolger;  allein  mit  dem  Verfall  der  Literatur  seit  1620  gerieth 
auch  diese  Prosodie  in  Vergessenheit.  Bei  der  Wiederbelebung  der  böhmi- 
schen Literatur  schlug  Hr.  Dobrowsky  (obwol  er  selbst  nie  einen  Vers  ge- 
macht hat,)  den  Böhmen,  wie  früher  Lonionosow  den  Russen,  das  germa- 
nische Tonprincip,  als  Grundlage  der  Quantität,  zur  Annahme  vor,  und 
fand  selbst  an  solchen,  die  sich  von  der  Wahrheit  dieses  Systems  nie  über- 
zeugt haben,  willige  Nachfolger.  Allein  i'ei  der  Aufstellung  dieser  Proso- 
die nach  dem  germanischen  Accent  wurde  der  Genius  der  slaw.  Sprache, 
die  unbetonte  Längen  (die  hier  kurz),  so  wie  betonte  Kürzen  (die  hier 
lang  gebraucht  werden)  hat,  gänzlich  übersehen.  Daher  ist  in  den  letzten 
Jahren,  wenigstens  bei  classischen  Versarten,  die  einzig  auf  die  Zeitdauer 
der  Sylben  oder  die  natürliche  Dehnung  und  Schärfung  der  Vocale  gegrün- 
dete quantitirende  Prosodie  mit  Recht  an  die  Stelle  der  accentuirenden  ge- 
treten. In  den  gereimten  Gedichten  richten  sich  jedoch  die  meisten  böh- 
mischen Dichter  noch  immer  nach  dem  Dobrowskyschen  Gesetz  des  Tons. 
Vgl.  Pocätkowe  öeskeho  bäsnjctwj  obzläste  prosodie,  Pressb.  818.  8.,  Sab. 
Hneivkov'fkeho  zlomky  o  ceskem  bäsnjctwj,  Pr.  820.  8.,  J-  Junqmnnna  Slo- 
wesnost  aneb  zb.jrka  jirjkladü,  Pr.  820.  8.'  S.  XXVL  ff.  /.  Sw.  'Presla  Krok 
spis  wsenaurny  1  Bd.  2  St.  S.  1  —  32:  Wymesky  z  prosodiky  a  metriky 
ceske,  od  J.  Jungmanna,  u.  S.  141  —  163.,  und  über  den  Reim,  ausser 
einigen  andern,  altern  und  neuern,  vorzüglich  Ä.  Fuchmmier  0  rymu,  in 
eb.  Nowe  bäsne,  5s  Bdchen,  Pr.  814.  8.  S.  3  —  34.,  Eb.  Rymownik,  Pr. 
824.  8.  (herausg.  v.  A.  Sedläöek). 


361 

vvjn  iieneier  Zeiten;  —  iiiaii  hat  von  iluii,  ausser  der 
bölimisclien  Zeitung,  die  er  23,  (1785-808),  und  aus- 
ser dem  Toleranz-Kalender,  den  er  10  Jahre  lang  (1788- 
08}  herausgab,  über  50  kleinere  und  grössere,  sovvol 
seine  eigene,  als  auch  fremde,  miter  seinem  Namen  und 
mit  seinen  Verbesserungen  erschienene  Schriften,  die 
sich  alle  durch  eine  klare,  tliessende  u.  correcte  Schreib- 
art auszeichnen:  Patentnj  rucnj  knjzka  Pr.  783.  2  Bde. 
8.,  Kniha  Josefowa  784.  u.  oft.,  Postila  785.,  Zpewowe 
788.,  Laudonuvv  zivvot  789.,  Letopisowe  Trojanstj  790. 
812.,  Ezopowy  bäsne  791.,  Zrcadlo  prjkladü  794.,  Arab- 
ske  pohädky  795.,  Zrcadlo  posetilosti  795.,  J.  Mandiwilly 
cesta  796.  812.,  Wecernj  shromäzdenj  Dobrowicke  obce 
801.,  Dobrä  rada  w  potrebe  803.,  Wypsanj  Mogolskeho 
cjsarstwj  803.,  Wypsanj  Ameriky  803.,  Ceske  Amazonky 
803.,  Wypsanj  Egypta  804.  816.  4.,  Prjtel  lidu  804., 
Cesta  do  Arabie  804.,  Zrcadlo  slechetnosti  806.  817., 
Ziwot  Cyra  (Auszug  aus  Xenophons  Cyropädie  v.  Gin- 
terodj  807.,  Rozlicne  prjhody  808.,  iMladsj  Robinson 
808.,  mehrere  Lust-  und  Schauspiele  u.  s.  w.  —  Franz 
Fausttn  Prochdzka  aus  Pakau  (geb.  1749,  gest.  1809), 
Priester  des  Paulaner  Ordens  zu  Wranau  in  iMähren, 
zuletzt  (seit  1807)  k.  k.  Bibliothekar  und  Director  der 
gesamniten  Gynniasien  in  Böhmen,  hat  zu  seiner  Zeit 
auf  die  Wiederbelebung  der  cechischen  Literatur  kräf- 
tig und  wolthätig  eingewirkt;  man  hat  von  ihm:  De 
secul.  liber.  artium  in  Boh.  et  Mor.  fatis  commentarius, 
Pr.  782.  8.,  Aliscellen  d.  böhm.  u.  mähr.  Liter.,  Pr.  784- 
85.  3  Bde.  8.,  Knjzka  Svv:  Augustina:  samotne  rozmlau- 
wänj,  Pr.  786.,  Teh.  rukowet,  Pr.  786.,  Erasma  Roter, 
kniha,  Pr.  786.,  Epistoly  Sw.  Ignatia,  Pr.  786.,  Sw. 
Augustina  zrcadlo  hrjsnelio  cloweka  a  o  marnosti  zdeg- 
sjho  zivvota,  Pr.  786.  8.,  Wytah  z  regimentu  zdrawj  od 
H.  Ranzowia,  Pr.  786.  8.,  Prjkladne  reci  z  knih  hlubo- 
kvch  mudrcü,  P.  786.  Wytah  z  kroniky  Moskewske, 
Pr.  786.  8.,  Kronika  Boleslawskä,  Pr.  786.  8.,  Kronika 
ceskä  Pr.  Pulkawy  786.,  u,  a.  m.;  sein  Hauptwerk  ist 
die  neue  l  ebersetzung  der  Bibel  für  Katholiken  aus  der 
Vulgata  mit  einem  Commentar:  Biblj  ceskä,  Pr.  804. 
2  Bde.  8.,  das  N.  T.  auch  schon  früher  1786.  8.  —  Alex. 


\ 


362 

Winc.  Parjzek  aus  Prag  (geb.  1748,  gest.  1823),  Dire- 
ctor  der  Hauptinusterscliule,  iiifulirter  Elireiidomherr  u. 
CoiisJstorialratli  zu  Lcitmeritz ,  biscliöfl.  Notar ,  Mitgl. 
der  oberlaus.  gel.  Gesell,  zu  Görlitz  u.  s.  vv.,  einer  der 
tüchtigsten  und  würdigsten  Schulmänner  Böhmens,  gab, 
ausser  mehreren  teutschen,  folgende  bölnnische  Werke 
heraus:  Näbozenstwj  nedospelych,  Pr.  780.,  Wyklad  na 
Ewang.,  Pr.  788  —  89.  3  Bde.,  Villaumovva  rucnj  kniha 
pro  ucitele  791.,  0  prawem  zpiisobu  cwicenj  mlädeze 
\ve  skoläch  ceskych  797.,  Hermanowo  wzjvvänj  Boha 
811.,  Prawidla  ceske  dobropjsebnosti  812.,  Biblische  Dar- 
stellung der  gegenwärtigen  Zeitereignisse,  teutsch  und 
böhm.  814.  8.  —  Fort,  ^j/z/f/«^  jus_Turnau  (geb.  1735, 
gest.  1802),  Priester  des  Paulaner  Ordens,  arbeitete  ge- 
meinschaftlich mit  Prochäzka  an  der  neuen  Ausg.  der 
kathol.  Bibel  von  1777  —  80.,  gab  Bibliotheca  slavica, 
Of.  795.  8.  Ir  Bd.  (die  übrigen  Bände  blieben  Msc),  und 
schon  früher:  Dissert.  de  slavoboh.  S.  Cod.  vers.,  Pr. 
777.  8.  u.  m.  a.  heraus.  —  Jos.  Dohrowsky  aus  Jarmut 
unweit  Raab  in  Ungern,  wo  sich  seine  aus  Böhmen 
stammenden  Eltern  niedergelassen  haben  (geb.  1753), 
Abbe,  gewesener  Rektor  des  k.  k.  Generalseminariums 
zu  Hradischt  in  Mähren,  Mitgl.  der  böhm.  Gesells.  der 
Wiss.  zu  Prag,  der  kön.  Ges.  d.  Freunde  der  Wiss.  in 
Warschau,  der  Univ.  in  Charkow,  der  kön.  Akad.  in 
Berlin,  der  slowak.  Ges.  in  Ungern  u.  s.  w.,  wegen  seiner 
unsterblichen  Verdienste  um  die  slaw.  Gesannntsprache 
mit  dem  Beinamen  des  Patriarchen  der  slaw'.  Literatur 
beehrt-,  von  seinen,  in  der  slaw.  Philologie,  Geschichte 
und  Kritik  Epoche  machenden  Schriften  führen  wir  an: 
Script,  rer.  boh.  (mit  Pelzel),  Pr.  784.  2  Bde.  8.,  Böhm, 
u.  mähr.  Literatur,  Pr.  779—84.  3  Bde.  8.,  Lit.  Magazin 
v.  Böhm.  u.  Mähr.,  Pr.  786-87.  3  Hefte  8-,  Lit.  Nachrich- 
ten von  einer  Reise  nach  Schweden  u.  Russl.,  Pr.  796.  8., 
Gesch.  d.  böhm.  Sprache  u.  Literatur,  Pr.  792.  2.  N.  Aufl. 
818.  8.  (diese  letztere  reicht  nur  bis  1526),  Slawin,  Pr. 
808.  8.,  Slowanka,  Pr.  814-15.  2  Bde  8.,  Lehrgeb.  d. 
böhm.  Sprache,  Pr.  809.  819.  8.  böhm.  v.  Hanka  822.  8., 
Etymologicon,  Pr.  813.  8.,  Teutsch-böhm.  W.  B.,  Pr.  802- 
21.    2  Bde.  4.  (mit  Zuziehung  anderer  Mitarbeiter),    In- 


363 

stit.I.  slav.,  WitMi  822.  8.,  Kyrill  u.  Melhod,  Pr.  823.  8.; 
ferner  eine  grosse  Anzalil  tlieils  einzeln,  tlieiJs  in  ver- 
scliiedenen  Denk-  und  Zeitschriften  gedruckter,  für  die 
büinnisch-slaw.  Geschichte  u.  Sprachwissenschaft  liöchst 
wichtiger  Abliandhnigen  ,  Vorreden ,  Nachricliten  und 
Recensionen,  deren  vollständige  Sainndung  wünschens- 
werth  ist;  in  böhin.  Sprache  gab  er  heraus:  Zbjrka 
c.  prjslowj,  Pr.  804.  8.,  Kada  zwjrat,  Pr.  814.  8.  u.  in.  a. 
—  Franz  Pelzel  aus  Rychnow  (geb.  1734,  gest.  1801), 
Prof.  d.  böhiii.  Liter,  in  Prag  u.  Mitgl.  mehr.  gel.  Ges., 
schrieb  zwar  meist  in  teutscher,  doch  einiges  auch  in 
böhm.    Sprache:    Gesell,    von  Böhm.,    Pr.  774.  779.  782. 

817.  2  Bde.  8.,  Abbild,  böhm.  u.  mähr.  Gel.  u.  Künstler, 
3r  u.  4r  Th.  (die  2  erstem  von  Voigt  und  Born),  Pr. 
777-78.  8.,  Grundsätze  d.  böhm.  Gramm.  795.  798.  8., 
Nowä  kronika  ceska,  Pr.  791—96.  3  Bde.  8.  (reicht  bis 
1378.,  der  4te  Bd.  bis  1429  blieb  Msc),  Prjhody  W. 
Wratislawa,  P.  777.  8.,  Gedichte  u.  s.  w.  —  Jnt.  Puch- 
maijer  aus  Teyn  an  der  Moldau  (geb.  1769,  gest.  1821), 
Pfarrer  in  Radnic,  liess  eine  Sammlung  eigener  u.  frem- 
der Gedichte:  Nowe  bäsne,  Pr.  795-814.  5  Bde.  8.  dru- 
cken, übers.  Mojitesquieu's:  Chram  Gnjdsky,^  Pr.  804.8., 
Gr.   Sternbergs  Äbhandl.  0   bylinarstvvj  w    Cechäch,    Pr. 

819,  8.,  verfasste:  Prawopis  rusko-cesky,  Pr.  805.  8., 
Lehrgeb.  der  russ.  Sprache ,  Pr.  820.  8.,  Rymownjk, 
herausg.  v.  A.  Sedlacek,  Pr.  824.  8.  u.  s.  vv.  —  Gotifr. 
Joh.  Dlabac{^eh.  1758,  gest.  1820),  Domherr  des  Prämon- 
stratenser  Ordens,  erster  Bibliothekar  im  Stifte  Strahow,  der 
kön.  Ges.  d.  Wiss.  in  Böhm.  Mitgl.,  gew.  Director,  verfasste 
verschiedene  Kirchengesänge,  übers.  Bacons  Beschreib,  der 
neuen  ^Velt,  Gessners  Sündfluth  801.,  und  gab  eine  Be- 
schreib, von  Böhmen:  Wypsänj  ceskeho  krälqwstwj.  Pr. 

818.  8.  u.  a.  m.  heraus.  —  Jo/i.  Nef/edly  aus  Zebrak  (geb. 
1776),  k.  k.  Rath,  Doct.  der  Rechte  und  Prof.  der  böhm. 
Liter,  an  der  Univ.  zu  Prag;  von  ihm  hat  man:  lliady 
zpew  I.,  Pr.  802.  4.,  Snu-t  Abelowa  (a.  Gessner),  Pr. 
804.  12.,  Dafnis  (a.  Gessner),  Pr.  806.  12.,  Numa  Pom- 
pilius  (a.  Florian),  Pr.  808.  12.,  HIasatel  ceskv,  eine 
Zeitschrift  1806-10.   12.  Hefte.,  Youngowo  kwjlenj,  Pr. 

820.  8.,    Böhm.  Gramm.,    P.  805,    809.  821.  8.,  mehrere 


364 

Abliaiidliiiigen,  Gediclite  ii.  s.  w.  —  Jos.  Jumjmann  aus 
Iludlic,  Prof.  am  akad.  Gymnasiiiin  in  der  Altstadt  Prag, 
übers.  Cliateaiibriands  Atala,  Pr.  805.  12.,  ]\Iiltons  ver- 
lornes Paradies,  Pr.  811.  2  Bde.  12.,  gab  eine  böhm. 
Cbrestomatliie:  Slowesnost,  Pr.  820.  8.,  eine  Gesell,  der 
böbin.  Liter.  Pr.  825.  8.,  mebrere  einzelne  Aufsätze, 
Abbandlungen  und  Gediclite  in  Hlasatel ,  Puclimayers 
Sammlung  ,  Hromadkos  Zeitsclirift ,  Dobroslavv ,  Krok 
u.  s.  w.  heraus,  und  beabsichtigt  die  Herausgabe  eines 
neuen  vollständigen  böhmischen  Wörterbuchs.  —  Franz 
Toi/hsa,  Vorsteher  der  k.  k.  Normal-Buchdruckerei  in 
Prag,  gab  in  Druck  heraus:  Böhm.  Sprachl.,  Pr.  782.  8., 
Maly  cesko-nem.  slownjk,  Pr.  789.  8.,  Cecko-nem.-la- 
tinsky  slownjk,  Pr.  791.  8.,  Ueber  die  cech.  Zeitwörter, 
Pr.  804.,  Ueber  die  Veränderungen  der  cech.  Spr.,  Pr. 
805.  8.,  Grössere  cech.  Orthographie,  Pr.  812.  8.,  Dobre 
mjnene  wolanj  na  sedlaky,  Pr.  785.,  Mesjcny  spis,  Pr. 
787.,  Pomoc  w  potrebe,  Pr.  791.,  Tobolka  zlata,  Pr. 
791.,  Katechismus  zdrawj  794.,  Nestastne  prjhody  k 
w  ystraze  mladeze  794.,  Knjzka  mrawna  pro  djtky.  Fr. 
810.  8.  u.  s.  w.  Jof.  Rnuffuhratiz  aus  Kön\^^r'i\t7a{^eb. 
1776,  gest.  1818),  Pfarrer  in  Sedlec,  gab  11  Schrif- 
ten, meist  religiösen  Inhalts  heraus,  übers,  einiges  aus 
dem  Corn.  Nepos,  und  verfasste  mehrere  Gedichte,  die 
in  HIasatel  u.  s.  v^.  erschienen  sind.  —  ./.  W.  Zhnmermann., 
Priester  des  Ordens  vom  rotlien  Sterne,  k.  k.  Biblio- 
theksbeamte in  Prag,  ist.  Vf.  u.  Herausg.  folgender  Schrif- 
ten: Prjbehowe  krälowstwj  ceskeho  za  panowänj  Ferdi- 
nanda  l,  Pr.  820-21.  2  Bde.  8.,  Prjbehowe  za  Maximi- 
liana  eb.,  Boliuslaw  zLobkowic  a  z  Ilasensteinu,  Pr.  819.  8. 
J.  Jowiana  Pontana  o  statecnosti  wälecne,  prlz.  Reh. 
Hruby  z  Gelenj,  Pr.  819.  8.  --  Jos.  Uboslaiv  Ziegler 
aus  Königgrätz  (geb.  1782),  Theol.  Doct.  u.  Prof.  in 
Königgrätz,  übers.  Fenelons  Telemach,  Königgr.  814.  8., 
Hawelkas  Anleit.  für  Forstbeamte  eb.,  gab:  Böhm.  Bie- 
gungen, 2  A.  Pr.  823.,  Modlitby  815.,  Milina  Almanach 
auf  d.  .J.  1825.,  Dobroslaw  eine  Zeitschrift  1820-22.  12 
Hefte  8.,  und  m.  a.  heraus;  redigirt  gegenwärtig  drei 
Zeitschriften:  Milozor  1823  ff,,  Prjtd  mladeze  u.  Radi- 
tel.  —    Wejtc.  Ilanka    aus    Horenowcs   (geb.  1791),  Bi- 


365 

bliolliekur  bei  dem  böliin.  Natiüiiul-iMuseuiii,  Mitgl.  mehr. 
gel.  Gesellschaften,  entdeckte  1817  die  nicht  nur  für 
Böhmen,  sondern  für  alle  Slawen  ewig  denkwürdige  Kö- 
niginhofer  llandsciirifl:  l{iikoj)is  kralodworsky,  Pr.  819. 
8.,  und  gab  ausserdem  folg.  Schriften  heraus:  Starobyla 
skladanj,  Pr.  817-23.  5  Bdclien  12.,  Ivratka  bist.  slow, 
narodü  (nach  Kühs),  Pr.  818.  12.,  Igor  Swatoslawic, 
Pr.  821.  8.,  Gessnerowy  Idylly,  Pr.  819.  8.,  Pjsne,  2  A. 
Pr.  819.  2  Bdchen  12.,  Dobrowskeho  mluwnice,  Pr.  822. 
8.,  Prawopis  cesky,  2  A.  Pr.  821.  12.,  mehrere  Gedichte 
und  Abhandl.  in  verschiedenen  Zeitschriften  u.  s.  w.  — 
Joh.  Swatopluli  Fresf  aus  Prag  (geb.  1791),  Med.  Doct. 
Prof.  der  Naturgesch.  und  Aufseher  des  Naturalienkabi- 
uets  an  der  Univcrs.  zu  Prag,  gab  in  Verbindung  mit 
dem  Graf  Bedr.  W  scjjijr  Berc/ifofd  ein  vielumfassendes, 
gründliches  Werk  über  die  Botanik  heraus:  Kostlinär, 
Ir  Th.  allgem.  Pllanzenkunde,  Pr.  819.  4.,  3r.  Th.  beson- 
dere Pllanzenkunde,  Pr.  821  ff.,  28  Ilftc.  gr.  4.  wird  fort- 
gesetzt, der  2le  Th.  angewandte  Pllanzenkunde,  soll  das 
Ganze  beschliessen;  ausserdem  redigirt  er  seit  1821  dicen- 
cyklopädische  Zeitschrift-.  Krok,  bis  1825.  5  Hefte  8.  — 
Adalb.  Sedhicek  aus  Celakowic  (geb.  1785),  Priester 
des  Prämonstratcnser  Ordens,  Üoct.  d.  Phil.  u.  Prof.  an 
der  philosophischen  Lehranstalt  in  Pilsen,  gab:  Pameti 
Plzehske,  Pr.  821.  8.,  Zäkladowe  merictwj  cili  geome- 
trie,  Br.  822.  8.,  Zäkladowe  prjrodnictwj  aneb  fysiky  a 
mathematiky  potazene,  Pr.  825.  8.,  Puchmayers  rymow- 
njk,  Pr.  824.  8.,  mehrere  Gedichte,  Abhandl.  u.  Reden 
11.  s.  w.  heraus.  —  Auf.  Jinignumn  ausHudlic  (geb.  1775J, 
Med.  Doct.  u.  Prof.  an  der  Prager  Univcrs,  gab:  Na- 
wedenj  k  babenj,  Pr.  804.  8.,  0  konjch  Pr.  818.  8., 
Koiisky  lekar,  Königgr.  825.  8.,  mehrere  Abb.  in  Krok 
u.  s.  w.  heraus.  Aul.  Marek  aus  Turnau  (geb.  1785), 
Pfarrer  in  Teyn,  Mitgl.  der  slovvak.  Ges.  in  Ungern, 
verfasste  mehrere  Gedichte,  die  einzeln  und  in  verschie- 
denen Zeitschriften  erschienen  sind,  schrieb  eine  Logik; 
Logika  anebo  umnice,  Pr.  820.  8.,  übers,  mehrere  Dra- 
men: Omylowe  od  ßolemjra  Izborskeho  (nach  Shakes- 
pear),  Pr.  823.  8.  u.  s.  w.  —  Ad.  Negedhj  aus  Zebräk, 
Pfarrer  in  Mirosow,  gab:  Räzanj,  Pr.  806-07.   4  Bde.  8., 


366 

Ladislaw,  ein  dulakt.  Roman,  Pr.  807.  8.,  Posiednj  sand, 
Pr.  802.  12.  (ein  beschreib.  Gedicht)  u.  ni.  a.  heraus; 
vcrfasste  mehrere  erzählende  Gedichte  (Epopöien  ?) : 
Karl,  Wratislaw,  Ottokar  in  XII.  Ges.,  wovon  einzelne 
Bruchstücke  erschienen  sind,  —  Karl  Ign.  T/iam  verfasste 
mehrere  Sprachbücher:  Böhm.  Sprachlehre  f.  Teutsche, 
Pr.  798.  6  A.  v.  Ilanka  821.  8.,  Teutsch-böhm.  Natio- 
nallexicon,  Pr.  788.  799.  814.  2  Bde.  8.,  Böhmisch-teut- 
sches  Nationallex.,  Pr.  805-807.  2  Bde.  8.  (der  2te  Bd. 
von  Toinsa  revidirt),  Teutsch-böhm.  und  Böhm.-teut- 
schcs  Taschen-Wörterb.,  Pr.  814-18.  2  Bde.  12.,  Böhm, 
teutsche  Gespräche,  Pr.  785-814.  8.,  Obrana  gazyka 
ceskeho,  Pr.  783.  8.,  übers,  mehrere  Dramen  u.  s.  w.  — 
Wenc.  T/iam,  Schauspieler  in  Prag,  gab:  Basne  w  reci 
wazane,  Pr.  785.  8.,  verschiedene  Lust-  und  Schauspiele 
u.  m.  a.  heraus.  —  Wenc.  Stach,  emeritirter  Prof.  der 
TheoL  in  Olmütz,  ist  Vf.  von  11  böhmischen,  zum  Theil 
übersetzten  Werken:  Kniha  mrawü  krestanskych,  Pr. 
786.  8.,  Prjrucka  ucitele  lidu  787.  2  Bde.  8 ,  Koykowa 
histor.  snemu  Kostnickelio  785.  2  Bde.  8.,  Giftsice  po- 
catkowc  pastoralnj  theologic  789.,  Stary  Wersowec  805., 
Pjsne  duciiownj  791.  u.  s.  w.  —  Joh.  Rnljk,  Prager  Bür- 
ger, übers,  u.  verfasste  mehrere  Bücher,  worunter:  Sla- 
wa  a  wybornost  gazyka  c.  792.,  Cwicenj  djtek  792., 
Ziwot  Ludwjka  XVI.  793.,  Katonowa  naucenj,  Pr.  794- 
95.  2  Bde.,  Wenec  pocty  795.  8.,  Kalendäi*  historicky, 
Pr.  797—806.  5  Bde.,  Siffnerowa  gallerie  osob  zeme  c., 
Pr.  803  fr.  5  Bde.  8.,  Ucenä  Cechie,  Pr.807--08.  3  Ilfte., 
Wypsanj  ziwotü  patronü,  käzanj  ned.  a  swat.  u.  m.  a.  — 
Stamslmv  Wydra  aus  Königgrätz  (geb.  1741,  gest.  1804), 
Domherr  und  Prof.  der  Math,  in  Prag,  gab  in  Druck 
heraus:  Kazanj,  Pr.  799.  8.,  Arithmetika  u.  s.  w.  — 
Dominik  Kinsky  aus  Schlau,  Piarist,  Prof.  an  der  phi- 
losophischen Lehranstalt  in  Brunn,  übers.  Lessingowy 
bagky,  Brunn  816,  8.,  Gressetüw  papausek  eb.,  Hora- 
zens  Oden  (in  Ilromädkos  Zeitschrift)  u.  s.  w.  —  Franz 
Joh.  Swohoda  aus  Prag  (geb.  1778),  Prof.  am  akad,  Gy- 
mnasium in  Prag,  Vorsteher  der  Schule  bei  St.  Stephan, 
verfasste  mehrere  Gedichte  u.  Abhandlungen,  übers,  die 
bibl.  Gesch.  f.  Kinder  u.  s.  w.   —   Sebast.  Jlnewkoivsky 


3G7 

aus  Zebräk,  Ralhsherr  eb.,  verfasste  ein  komisches  Hcl- 
deiigediclit:  Dcwjn  in  XII.  Ges.,  P.  805.  2  Bde.  12., 
gab  eine  Saininl.  venniscliter  Gedichte :  Basne  drobnc, 
Fr.  820.  8.,  Zloniky  o  c.  basnjctwj,  Pr.  820.  8.  u.  ni.  a. 
lieraus.  —  Milofa  Zdirad  Poldk  aus  Zasinuky  (geb.  1788), 
k.  k.  Officier,  ist  Vf.  mehrerer  Gedichte,  Avorunter  sich 
ein  grösseres,  lyrisch-beschreibendes  in  VI.  Ges.  Wzne- 
senost  prjrody,  Pr.  819.  8.  befindet,  einer  Reisebeschr. 
nach  Italien:  Cesta  do  Italic,  P.  820.  8.  u.  m.  a.  — 
Franz  Turinsky  aus  Podebrady  (geb.  1796),  Actuar  m 
Libochowic,  verfasste  ein  Original-Trauerspiel:  Angeljna 
Königgr.  821.  8.,  mehrere  Gedichte  u.  s.  w.  —  Franz  K 
Palacky  aus  Hoclawic  in  Mähren  (geb.  1798),  Archi- 
var  beim  Gr.  Steriiberg ,  verfasste  mehrere  Gedichte, 
einzeln  und  in  verschiedenen  Zeitschriften  gedruckt,  eine 
böhm.  Aesthetik,  wovon  einige  Bruchstücke  in  Krok  er- 
schienen sind,  mehrere  histor.  Abhandl.  u.  s.  w.  —  Cle- 
mens Wenc.  Kltcpera  aus  Chhnnec  (geb.  1793),  Prof. 
in  Königgrätz,  verfasste  mehrere  Original-Lust-Schau- 
und  Trauerspiele,  deren  Samml.  u.  d.  T.  Diwadlo  Klic- 
perowo,  Königgr.  820  ff.  8.  erscheint,  und  gab  auf  das 
J.  1825  einen  dramatischen  Almanacli  heraus.  —  Job. 
Nepomnk  Stepanek  aus  Chrudim  (geb.  1783),  Directeur 
des  böhm.  ständischen  Theaters  in  Prag,  der  fruchtbar- 
ste böhmische  Schauspieldichter  neuerer  Zeiten;  s.  Dra- 
men erscheinen  gesammelt  u.  d.  T.  Diwadlo  Stepänkowo, 
Pr.  bis  1825.  10  Bde.  8.  -  Math.  Sijchra  aus  Wilden- 
schwert (Austj  nad  Orlicj),  Pfarrer  zu  Imramow  in  Mäh- 
ren, gab  :  Käzanj,  Brunn  814.  2  Bde.  8',  Powjdatel  eb. 
815.  3  Bde.  8.,  Kratochwilnjk,  Pr.  821.  2  Bde.  8.,  Roz- 
mlauwänj  a  powjdky  822.  12.,  einige  Dramen  u.  s.  w. 
heraus.  —  Vinc.  Zahradujk  aus  Jungbunzlau  (geb.  1790), 
bischöfl.  Sacellan  und  Consistorialrath  in  Leitmeritz,  übers. 
Niemeyers  Grundsätze  der  Erziehung,  verfasste  eine  sy- 
stematische böhm.  Grammatik,  ein  böhm.  Ritual ,  Briefe 
über  die  Führung  des  Seelsorgeramts  u.  m.  a.  —  Ladisl. 
Celakoivsky  ^ah:  Smjsene  bäsne,  Pr.  822.  12.,  Slowanske 
närodnj  pjsne,  Pr.  822.  25.  2  B.  8.-,  Noworocenka  Alm.  a.  d. 
J.  824.,  Dennice  Alm.  auf  d.  J.  825.  (mit  J.  Chmela)  u.  m. 
a.  heraus.  —  S.  K.  Machdcek  übers.  Göthes:  Ifigenia  w 


368 

Taiirii,  Pr.  822.  8..  mehrere  Opern  (Rodiiia  Sweycarskä, 
Wodar,  Don  Jnan  u.  s.  w.),  veranstaltete  eine  böhin.  Bei- 
spielsamnil.  Krasorecnjk,  Pr.  823.  8.  —  J.  Hijbl  gab: 
Popsanj  zwjrat,  Pr.  811.  8.,  Histor.  cesk.  divvadla,  Pr. 
810.  8.,  Staroceskä  zeiiie,  8atyra,  Pr.  817.  4.,  Rozrna- 
nitosti  bis  1821.  16  Hefte,  Hylos,  eine  Zeitsebr.  1820  ff. 
u.  a.  in.  Iierans.  —  Fr.  Alex.  RoUns  verfasste  ein  episches 
Gedicht  in  Hexametern:  Iwan,  in  V.  Ges.,  Pr.  823.  8.  — 
Franz  Raj/mann,  Decliant  in  Castolowic,  verfasste  meh- 
rere erzählende  und  beschreibende  Gedichte:  Poslednj 
den  a  saud,  in  111.  Ges.,  Pr.  816.  8.,  Josef  Aegyptsky, 
in  XII.  Ges.,  Pr.  820.  8.  -  Tobias,  in  XII.  Ges.,  Marj 
Magdalena  n.  s.  w.  —Franz  Weiesnjk  ans  Gizerno  Wtelno 
(geb.  1784),  Pfarrer  in  Markwariic,  übers.  Marmontels 
Belisar,  verfasste  mehrere  Gedichte  u.  s.  w. 

Noch  sind  als  Schriftsteller  dieses  Zeitraumes  zu 
nennen:  Laur.  Ainort  Lehrer  in  Prag,  /.  Boliihineckij 
Domherr  zu  Wysehrad  u.  Dechant  in  Pocätky,  Ant.  Bo- 
rowij  Schullehrer,  Ant.  Cenniik  Pfarrer  in  Hermann- 
stadt (Hermanomestec),  Jo.s.  Wenc.  Dietrich  Domherr 
u.  Prof.  in  Prag,  /.  Alex.  Diinilr,  Franz  Fric  Pfarrer. 
Jos.  Gatriirek  Pfarrer,  Jos  Galld.s  k.  k.  pens.  Oberarzt 
aus  Weisskirchen  (Hranic,  geb.  1756),  Jlj/nek  Gosfko 
von  Saclisentlial,  Vinc.  Hafner  Augustiner  und  Prof., 
/</«.  Ilägek  a.  Hradischt  (geb.  1770),  Prof.  in  Leitmeritz. 
Aloijs.  Hanke  ron  Hankenstein.,  Jo/i.  Herzog,  Casp.  Me- 
lichar  Hrdlicka,  Joh.  Norb.  Nep.  Hroniddko  Prof  in 
Wien,  Aegid.  Clilddek  Priimonstratenser  Prof  in  Prag, 
Jos.  Chinela  aus  Trebic  (geb.  1793)  Prof  in  Königgrätz, 
/.  C/unelensk)j,  Jos.  Jani.s  Dechant  in  Ilostivvary,  Jos. 
Kauöle  aus  ßoskow  (geb.  1785)  Prof.  in  Leitmeritz, 
Karl  Kliun  Pfarrer,  Jos.  Mirowjt  Kr  dl  Kaplan  in  Gi- 
lemnic,  Wenc.  Rodoniil  Kranie'rius,  Jos.  Kregcj  Pred. 
in  Prag,  Ant.  Kuca,  J.  Linda  Zeitungsredact.  in  Prag, 
Jos.  Myslimjr  Ladfrjk,  J.  G.  Marek,  Joh.  Mategka, 
Joh.  Medljn,  Wenc.  Melezjnek,  Jos.  Meysti'jk,  Thom. 
Mnich,  Frant  Myshwecek,  Philipp  Nedele  Th.  Doct. 
Prof.  in  Brunn,  Frathz  Nowotny  Pfarrer  in  Lustenic, 
Mich.  Silorad  Fafrcka  Lehrer  in  Josefow,  Aiit.  n.  W. 
Pawlowsky,   Karl   Payer  aus  Budjn,  G.  Petrmann  Prc- 


369 

diger  in  Dresden,  Joh.  Wenc.  Pohl  böhm.  Sprachmei- 
sler  in  Wien  (geb.  J720,  gest.  1790),  Karl  Borüvog 
Presl ,  Magdalena  Hefjk  Ratbsfran  in  Wildenschwert, 
ir.  3I/ch.  Ro/ios  Pfarrer  in  Prag,  Jos.  Rosentlialer  Pfar- 
rer, Hi/nek  Ruth  Prof.  in  Prag,  Jak.  Joh.  Ryha,  Jos. 
Skalicky  Pfarrer,  Auf.  Slniad  Prof.  an  der  Prager  Univ. 
und  iMitgl.  der  Gesell,  der  Wiss.,  Menc.  Aloys.  Sawboda 
von  Nawarovv  (geb.  1701)  Prof.  in  Neuliaus,  Karl  Sd- 
dek  Leiirer  in  Königgrätz,  Prokop  Sediwy,  Ign.  Schiess- 
ler  (geb.  1782)  Magistratsbeamter  in  Prag,  Inunan. 
Wllh.  Simko  Prediger  in  Mähren,  Franz  Sjr  ans  Budjn 
(geb.  1796),  /.  E.  Schtmdf,  Adalh.  Sohag,  Franz  Bo- 
humjr  Stepnicka  aus  Opatow  in  Mähren  (geb.  1785), 
k.  k.  Actuar  bei  der  Zolladininistration  in  Prag,  Franz 
Paulla  de  Su^enda,  Jos.  Tdborsky,  Fr.  B.  Tomsa  Zei- 
tnngsredact.  in  Prag,  F.  D.  Trnka,  Stni.  Triiska  Prä- 
monstratenser  Prof.  in  Straliow,  Norbert  Wanek,  Franz 
Wawdk  Richter  in  Milcic,  Marl.  Wolf,  Joh.  Zabransky 
Pfarrer  zu  Sedlec  in  Mähren,  Jos.  Zlobicky  Prof.  in 
Wien,  Anlon.  Zyma  Buchdrucker  in  Prag  u,  m.  a.  ^) 

-)  Quellen.  Ausser  den  §.  6.  Anm.  5.  angeführten  Schriften  von 
Frisch,  Adehmg,  Vater  u.  s.  w.  EiBgies  xirorum  eruditorum  atque  artifi- 
cum  Bohem.  et  Morav.,  Ir  und  2r  Th.  lat.  von  Voigt  und  Born,  alle  4 
Theile  teutsch  von  Pdzel,  Prag  773—82.  —  Boh.  Balbini  Bohemia  docta, 
ed.  a  Raph.  Ungar,  Pr.  776.  et  a  P.  Canidlp  a  S.  Theresia,  Pr.  777  —  80. 
3  Bde.  8.  —  Franz  Prochäzka  de  secularihus  Über,  artiuui  in  Bohem.  et 
Morav.  fatis  commeutarius,  Pr.  782.  8.  Eb.  Miscellaneen  der  ^höhm.  und 
mähr.  Liter.,  Pr.  784  —  85.  8  Theile  8.  —  /.  Ruljka  uceuä  Cechie,  Pr. 
807  —  808.  3  Hefte.  —  Fr.  Nowotneho  z  Luze  bib'liotheka  ceskych  Biblj, 
Pr.  810.  818.  —  /.  Negedleho  ki'ätke  obsazenj  literatury  ceske,  in  eb.  böhm. 
Gramm.,  Pr.  8  "5.  809."  —  J.  Dobrowskys  böhm.  u.  mähr.  Liter.,  Pr.  779— 
84.,  3  Bde.  8.,  Eb.  Literär.  Magazin  von  Böhmen  und  Mähren ,  Pr.  786— 
87.  3  Hefte  8.  Eb.  Slawin,  Pr."808.  8.,  Slowanka,  Pr.  814  —  15.  2  Bde.  8., 
Eb.  Geschichte  der  böhm.  Sprache  und  Literatur,  Pr.  792.  8.  (bis  1792), 
2  A.  Pr.  818.  8.  (bis  1526).  —  J.  Juagmann  bist,   literat.    ceske  Pr.  825.  8. 


24 


Zweiter  Abschnitt. 

Geschichte  der  Sprache  und  Literatur  der  Slowaketi. 

§.  44. 

Historisch  -  ethnographische  Vorbemerl(ungen. 

Die  Slowaken,  diese  ehrwürdigen  Ueberrestc  der  kar- 
^  patischen  und  donauischen  Ursiawen,  verdienen  in  mehr- 
facher Rücksicht  eine  nähere  Betrachtung.  Den  Stamm- 
sitz der  Slawen  verlegen  schon  die  Byzantier  und  nach 
ihnen  Nestor  nach  dem  Norden  der  Donau,  welcher  An- 
sicht auch  Schlözer  (Nestor  II.  76.  77.)  beistimmt.  Auf 
den  Ebenen,  sagt  Schlözer,  zwischen  der  Donau  und  der 
Theiss  bis  an  den  Fuss  der  Karpaten  hinauf  weideten 
von  jeher  die  Sarmatae  limigantes,  die  Jazyges  nietana- 
^  stae.  Dass  diese  Jazyges  wirkliche  Slawen  gewesen, 
■  beweist  sowol  ihr  Name,  als  auch  andere  historische 
Spuren.  —  Diese  donauischen  Ursiawen,  die  Vorfahren 
der  heutigen  Slowaken,  fingen  schon  unter  dem  Kais. 
Justinian  an,  das  byzantische  Reich  zu  beunruhigen;  sie 
verschwinden  aber  bald  darauf  aus  der  Geschichte,  und 
kommen  erst  unter  Swatopluk  wieder  zum  Vorschein. 
Das  grossmährische  Reich  erstreckte  sich  über  die  ganze 
heutige  Slowakei.  (Vgl.  §.  35.)  Swatopluk  war  894  ge- 
storben, und  seine  Nachfolger  Mojmjr,  Swatopluk  und 
Swatoboj  hatten  Mähren  unter  sich  getheilt.  In  dem  heu- 
tigen Ungern  erstreckte  sich  deren  Gebiet,  nachdem  893 
Pannonien  verloren  gegangen  war,  nur  noch  bis  an  den 
Wag-  und  Granfluss,  auch  dauerte  der  Theilungsver- 
gleich  zwischen  diesen  Nachfolgern  Swatopluks  nur  ein 
Jahr,    hernach    veruneinigten    sie  sich,    aufgehetzt  durch 


371 


die  Baicni.  —  Um  diese  Zeit  waren  die  Wanderungen 
der  (rans-karpatischen  Slawen  nach  Süden  beendigt,  und 
das  heutige  Ungern  vielfach  getheilt.  Arnulph  herrschte 
899  bis  an  die  Donau;  weiter  unten  hatten  sich  Kroa- 
ten, Serben  und  Daiinaten  niedergelassen,  und  unter 
eigenen  Fürsten  abgesonderte  Staaten  gebildet.  Zwischen 
der  Donau,  der  Theiss  und  der  Wag  herrschte  ein  sla- 
wischer Fürst  Salan,  der  zweierlei  Unterthanen  hatte : 
hoch  oben  in  den  gebirgigen  Gegenden  gegen  den  Kar- 
patus  Slowaken,  in  den  Ebenen  aber  Bulgaren  ^).  Am 
linken  Ufer  der  Theiss  bis  an  den  Maroschfluss  hinab 
herrschte  ein  sich  auf  den  byzantinischen  Schutz  stü- 
tzender chazarischer,  oder  nach  andern  slawischer  Fürst 
Marot,  der  einen  zahlreichen  Harem  in  seiner  Residenz 
Bythor  unterhielt,  und  Chazaren,  die  nach  Zerstörung 
des  chazarischen  Reichs  hergekommen  waren,  zu  Unter- 
thanen hatte.  Zwischen  dem  Maroschflusse  und  zwischen 
Orschova  herrschte  ein  bulgarischer  Fürst  Glad,  der  aus 
Widdin  gekommen  war,  und  petschenegische  Soldaten 
mitgebracht  hatte;  seine  Unterthanen  scheinen  eigentli- 
che Rumunier  (Walachen)  gewesen  zu  seyn,  die  aus 
Thrakien  über  die  Donau  verpflanzt  worden  waren.  Im 
heutigen  Siebenbürgen  endlich  herrschte  ebenfalls  ein 
Fürst  Gelou,  wahrscheinlich  bulgarischer  Abkunft,  des- 
sen Unterthanen  aber  lauter  Rumunier  waren.  —  Die 
Herrschaft  der  Slawen  und  slawischen  Fürsten  in  Un- 
gern ging  durch  die  Uebermacht  der  Magyaren  zu  Ende. 
Die  Magyaren,  eine  asiatische  Nomaden-  Fischer-  inid 
Jägernation,  die  zuerst  um  das  J.  626  (unter  dem  Ks. 
Heraklius)  am  Kaukasus  und  dem  kaspischen  Meer  in 
der  Geschichte  bekannt  worden  war,  und  680  aus  Asien 
nach  Europa  übersetzend  die  Gegenden  zwischen  dem 
Dnieper  und  Don  am  Ingulflusse  im  heutigen  Ekaterino- 
slawschen  Gouvernement  besetzt  hatte ,  traten  im  J. 
894  in  Pannonien  über  Ungvär  und  Munkäcs  ein,  nach- 
dem sie  bereits  im  J.  838.  den  Bulgaren  wider  die  By- 
zantiner  an    der  Unterdonau    beigestanden,  862  sich  so- 

^)  Engel,  aus  dem  diese  Stelle  entlehnt  ist ,  erzählt  dieses  dem 
Anonym.  Belae  Notar,  nach;  es  ist  bekannt,  dass  Schlüzer  u.  a.  die  Au- 
torität des  Anonymus  verwerfen,  und  die  Existenz  der  Theiss-Bulgarei  und 
Salans  läugnen. 

24* 


372 

gar    in  Teiitscliland,    wahrscheinlich   von  Hzg.  Rostislaw 
wider    den    Ks.   Ludwig  geführt,    gezeigt,   und  893  dein 
fränkisclien    Kg.    Arnulph    gegen  Swatopliik  Hilfe  gelei- 
stet und  die  schönen  Gefilde  Pannoniens    kennen  gelernt 
hatten.     Sie   drangen  zuerst  am  rechten  Ufer  der  Theiss 
über    die    Laborza    und    die    Borsva    bis   an  den  Bodrog 
und  das  Zenipliner  Schloss  vor,  und  baten  sich  vom  Sa- 
lan  den  ganzen  Strich  Landes  von  den  Karpaten  bis  zum 
Einfluss  des  Sajoflusses  in  die  Theiss  und  bis  zum  Schlosse 
Sajo,    dem  heutigen    Sajoszeged,    aus,    den  sie  auch  er- 
hielten.    Salan,    ein  Enkel    von    Krumus,    hing  zwar  mit 
dem  damals    noch   mächtigen  bulgarischen  Staate  zusam- 
men;   allein    die    Hilfe    war    noch  zu  weit  entfernt,  und 
der  Einbruch  der  Magyaren  zu    unerwartet ;    er  gab  also 
friedlich  nach.     Nun  wendeten  die  Magyaren  ihre  Blicke 
auf  das  linke  Ufer  der  Theiss.  Da  Marot  sich  zur  Abtre- 
tung   eines  Landstrichs    nicht  freiwillig  herbeiliess,  son- 
dern   mit    der  Macht    seines    Schutzherrn,    des    Ks.   von 
Byzanz    drohte,    so    ward    zuerst    das    heutige  Szabolcs, 
dann    das    Gebiet    am    Szamosflusse    und  der  sogenannte 
Nyirhät  bis  an   den    Berg    Meszes  genommen,  und  Marot 
ward  bis  an  den  Koros    zurückgedrückt.     Die  dritte  Er- 
weiterung   ging    nach   Siebenbürgen  zu:  Tuhutum  schlug 
den  Gelou  bei  Almas,    ereilte  und  tödtete  ihn  bei  Kapus. 
Die    vierte  Erweiterung    war    von  Salan    ausgepresst,  er 
musste  den  Bezirk    bis  an  den  Zagyvafluss  friedlich  ab- 
treten,   d.    i.    das    heutige  Heveser  Comitat.     Die  nördli- 
chen Gränzen  wurden   am  Tatragebirge  abgesteckt.     Die 
fünfte  Erweiterung    nahm    die    Richtung    über  den  Ber^ 
Hangony ,    über    Gömör,    Neograd ,    Bars,    Zölyom,    ari 
die  Eipel,  den  Granlluss,  wo  sie  keinen  Widerstand  fan- 
den, bis  an  die  Neitra.    Hier  wurde  der  mährische  Feld- 
herr   Zobor    geschlagen,  gefangen  und  hingerichtet.  Gal- 
götz,   Bezko,    Trencsin,   ja  alles    was    an   der  Wag  und 
zwischen    dem    Waglluss    und    der    Marcli    lag,    fiel  den 
Ungern    zu.     Die    Herrschaft    der  Mähren,    durch    Unei- 
nigkeit untergraben,  hatte  in  diesen  Gegenden  ein  Ende. 
Der  sechste  Verlust  der  Slawen,    der  beträchtlichste  von 
allen  bisherigen,  ward  durch  einen  über  Salan  und  seine 
bjdgarische    HiUsvölker     unweit    von    Titel    erfochtenen 


373 


Sieg  licrbeigcfiilirt.  Der  Preis  dieses  Sieges  war  der  ganze 
Strich  bis  an  Belgrad,  wohin  Salan  gellohen  war,  zwi- 
schen der  Theiss  nnd  der  Donan.  Nnn  blieb  kein  sla- 
wischer Fürst  übrig,  als  Glad.  Die  Magyaren  setzten 
über  die  Theiss  bei  Kenesna,  drangen  an  den  Bega  nnd 
Temesflnss  vor,  schlngen  den  Glad  mit  seinen  bulgari- 
schen, petschenegischcn  und  walachischen  Truppen,  und 
nahmen  Orsowa,  Pancowa  und  Kewe.  Alle  diese  Vor- 
fälle hatten  von  894-899  Statt.  Die  bezwungenen  Sla- 
wen wurden  nun  vollends  in  die  Gebirge  gedrängt,  und 
von  den  Magyaren,  die  die  weidereichen  Ebenen  be- 
setzten, als  Untergebene  und  Bundesgenossen  behandelt. 
Der  Herzog  allein  übte  das  Recht,  die  eroberten  Län- 
dereien erblich  zu  verschenken.  Es  w^urden  aber  nicht 
nur  Magyaren,  sondern  auch  slawische  Bojaren  nnter 
den  nngrischen  Soldatenstand  aufgenommen ,  nnd  mit 
Ländereien  beschenkt.  Allmälig  lernten  die  Magyaren 
von  den  Slawen  die  Künste  des  Friedens,  und  ihre 
Sprache  bereicherte  sich  mit  slawischen  Wörtern,  die 
auf  Ackerbau,  Handw  erke  und  städtische  Cultur  Bezug 
hatten.  Die  donauisch-karpatischen  Slawen  waren  näm- 
lich schon  damals  nicht  nur  Christen,  sondern  auch  Ackers- 
lente  und  zum  Theil  Städtebewohner  (Nowigrad,  Mun- 
käcs,  Wysegrad,  Neitra,  Ostrigom  u.  s.  w.)  —  So  ver- 
schwanden die  Slowaken  bereits  im  IX.  Jahrh.  aus  der 
Geschichte,  und  ihre  Schicksale  und  Thaten  verlieren 
sich  von  da  an  in  jenen  des  magyarischen  Volks  ^).  — 
"Merkwürdig,  wegen  der  wichtigen  Folgen,  ist  die  Er- 
scheinung und  Niederlassung  der  hussitischen  Böhmen  im 
XV.  Jahrh.  unter  den  Slowaken  Oberungerns.  Giskra 
V.  Brandeis,  Elisabethens,  Kgn.  von  Ungern,  Feldherr 
im  Kriege  gegen  den  polnisch-ungrischen  König  Wla- 
dislaw  und  seine  Partei,  hielt  1440-53  die  slowaki- 
schen Gespanschaften  von  Pressburg  bis  Eperies  nnd  Ka- 
schau  besetzt.  Die  böhmischen  Krieger  kamen  nach  Un- 
gern von    ihren    Weibern    und  Kindern    begleitet.     Thu- 


-)  Vgl.,  ausser  den  Werken  von  Bonfin,  Severini,  Palma,  Pray, 
Katona,  Enael,  Fesahr  u.  s.  w.  S.  Timon  imago  antiquae  et  novae  Hun- 
gariae,  Wien' 754.  2  Bde.  4.  —  G.  Papanek  de  regno  regibusque  Slavorum, 
Fünfkirch.   780.  8.  —  G.  Fandhf   compendiata    bist,    gentis  ISlavae  ,   Tyrn. 


793.  8. 


/■/; 


374 

rocz  bezeugt  es,  dass  sie  sich  hier  Häuser  gebaut,  und 
sicli  einheimisch  gemacht  haben.  Um  aber  die  ihm  an- 
vertraute Gegend  desto  besser  gegen  den  Feind  zu  schü- 
tzen, führte  Giskra  während  der  ganzen  Zeit  seines  Auf- 
enthalts in  Oberungern  zahlreiche  Colonien  der  böhmi- 
schen Hussiten  nach  demselben,  und  siedelte  sie  in  den 
Gespanschaften  Gömör ,  Hont ,  Neograd,  Sohl ,  Liptau, 
Trencsin  und  Neitra  an.  Da  sie  allmälig  mit  den  ein- 
heimischen Slowaken  zusammenschmolzen,  so  wurden 
sie  von  dem  nachmaligen  Kg.  Mathias,  dem  sich  Giskra 
unterworfen  hatte,  im  friedlichen  Besitz  ihrer  Wohnplä- 
tze gelassen.  Ihre  zahlreichen  Nachkommen  befinden  sich 
noch  heutzutage  in  den  genannten  Gespanschaften.  ^) 

Die  heutigen  Slowaken  bewohnen  den  nordwestli- 
chen Theil  Ungerns,  sind  aber  auch  sonst  in  einzelnen 
Jüngern  Colonien  durch  das  ganze  Land  zerstreut.  Rein 
slowakische  Gespanschaften  sind :  Trencsin ,  Thurocz, 
Arva,  Liptau  und  Sohl  (gegen  550,000  Menschen)  ;  in 
den  Gespanschaften  Neitra,  Zips,  Schärosch,  Bars,  Zem- 
plin,  Gömör  und  Hont  machen  sie  die  Mehrzahl  (un- 
gefehr  800,000)  ,  hingegen  in  Pressburg  ,  Neograd, 
Pesth  und  Abauj  die  Minderzahl  (kleinere  Hälfte)  der 
Einwohner  aus  (mit  den  slowakischen  Colonien  in  Bekes, 
Ungvär ,  Komorn,  Bacs  ,  Szabolcs  ,  Stuhlweissenburg, 
Gran ,  Csongräd ,  Vessprim ,  Szatmär,  Tolna,  Csanäd, 
Torontal,  Heves,  Torna,  Arad,  Beregh,  Raab,  Temes, 
Syrmien  und  der  teutsch-illyrischen  Gränze  ungefehr 
450,000  Menschen).  Die  Gesammtzahl  der  Slowaken  ist 
demnach  1,800,000  Seelen,  von  denen  sich  ungefehr 
1,300,000  zur  katholischen,  und  500,000  zur  evangeli- 
schen Religion  bekennen.  *) 

^)  L.  Bartholomaeides  de  Boliemis  Kis  -  Hontensibus  coramentatio 
historica,  Wittenb.  783.  4.  N.  A.  795.  4. 

*)  M.  Bei  notitia  Hungariae,  Wien  735—42.  4  Bde.  4.  —  K.  G.  von 
Windisch  Geogr.  d.  Kgr.  Ungern,  Pressb.  780.  —  H.  Nowotni'i  sciagraphia 
Hung.,  Wien  798,  2  Bde.  8.  —  Välyi  Andr.  Magyar  Orszäg'le-iräsa,  Of. 
796  —  99.  3  Bde.  8.  —  Cli.  Crusius  Postlexicon  d.  k.  k.  Erblauden,  W.  798. 
802.  5  Bde.  8.  (2  v.  Ungern).  —  M.  Horväth  Statist,  v.  Hung.,  Pressb.  802- 
—  Cr.  Palkoii'tc  znaniost  wlasti,  Pressb.  804.  8.  —  K.G.  Rumi  geogr.-stat. 
Wörterb.  d.  östr.  Kaisertimms,  W.  809.  —  M.  Schtvartner  Statistik  d.  Kgr' 
Ungern. Of.  809  —  11.  3  Bde.  8.  —  Ch.  K.  Andre  geogr.-stat.  Beschreib,  d. 
Kais.  Oesterreicb,  Weimar  813.  —  F.  A.  Demian  stat.  Darstellung  d.  Kgr.  - 
Ungern,  W.  805  —  07.  2  Bde.  8.  —  M.  Sennowitz  geogr.-stat.  Uebersicht  d. 
Kgr.  Ungern,  Eperies  816.  fol.  —  Link  kl.  Geogr.  d.  Kgr.  Ungern,  W.  817.  8.  — 


375 

§.  45. 

Charakter  der  slowakischen  Sprache. 

Die  slowakische  Sprache  (slowensky  gazyk,  Slowcn- 
cina,  wie  die  Slowaken  selbst  sagen,  nicht  slowacky  ga- 
zyk, wie  einige  Neuere  wollen  —  ),  ist  eine  besondere, 
in  ihrer  jetzigen  Gestalt  der  böhmischen  am  nächsten 
kommende  Mundart.  Dieses  und  der  Umstand,  dass  die 
Slowaken  seit  der  Reformation  die  böhmische  Mundart 
zu  ihrer  Literalsprache  gewählt  haben  ^),  bewog  Hrn. 
Dobrowsky  anfangs  zu  behaupten,  dass  das  Slowakische, 
einige  wenige  Eigenheiten  abgerechnet,  nichts  anderes, 
als  das  Altböhmische  sey.  Später  jedoch  hat  dieser  ehr- 
würdige Forscher  seine  Meinung  zurückgenommen  ;  denn 
er  stellt  in  seiner  Gesch.  d.  böhm.  Sprache  und  Liter. 
(1818)  S.  32,  und  in  seinen  Instit.  1.  slav.  (1822)  p. 
IV.  das  Slowakische  als  eine  eigene  Mundart  neben  der 
böhmischen,  wendischen  und  polnischen  auf.  Und  so 
fordert  es  auch  die  Natur  der  Sache.  Das  Slowakische 
bildet  den  Uebergang  von  der  böhmischen  zur  windisch- 
kroatischen  Mundart,  od.  von  der  Ordnung  A.  zur  Ord- 
nung ß.,  und  ist  in  seinem  Urstoff  sehr  nahe  mit  der 
altslawischen  Kirchensprache  verwandt.  Durch  die  geo- 
graphische Lage  des  Volks,  durch  die  Nachbarschaft  der 
Böhmen,  Polen,  Russniaken,  Serben  und  Winden,  fer- 
ner durch  den  Umstand,  dass  die  eigentliche  slowaki- 
sche Volkssprache  nie  zur  Schriftsprache  erhoben,  gere- 
gelt und  fixirt,  sondern  der  blinden  Gestaltung  u.  Ver- 
unstaltung durch  zufällige  Einflüsse  von  Aussen  preisge- 

Ch.  Zipser  Versuch  e.  top.-milit.  Handbuchs  v.  Ungern,  Oedenb.  817.  8. 
—  Maada  Päl  Magyar  Orszägnak  stat.  es  polit.  le-iräsa,  Pesth  819.  8.  — 
J.  V.  Caplowic  Schemat.  d.  ev.  Gemeinden  A.  C.  in  Ungern,  W.  822.  12.  — 
Freimüth.  Bemerk,  e.  Ungern  üb.  s.  Vaterl.  799.  —  Z>.  Teleki  de  Szek  Rei- 
sen durch  Ungern,  Pesth  805.  8.  —  S.  Bredecky  top.  Taschenb.  f.  Ung., 
Oedenb.  801.  8.,  Beitr.  zur  Topogr.  v.  Ungern,  W."^802  —  07.  5  Th.  8.,  Reise- 
bemerk, üb.  Ungern,  W.  809.  2  Bdchen  8.  —  (/.  Bohrer)  Vers.  üb.  d. 
slaw.  Bewohner  Oesterr,  W.  804.  —  L.  Bartholomaeides  notit.  Com.  Gomör, 
Leutsch.  808.  4.  J.  v.  Caplowic  ethnograph.  Aufsätze  in  Hesperus  u.  Tu- 
dom.  Gyüjtemöny  seit  817.  Eh.  top.  Archiv  d.  Kgr.  Ungern,  W.  821.  2  B.  8. 
^)  Die  Erzeugnisse  d.  slaw.  Schriftsteller  in  Ungern  sind  zwar  e.  in- 
tegrirender  Theil  der  böhm.  Literatur ;  weil  jedoch  die  Sprechart  der  Slo- 
waken einen  besondern  Dialekt  bildet,  so  habe  ich,  der  bequemern  Ueber- 
sicht  wegen,  die  Betracht,  d.  slowak.  Sprache  von  der  böhm.  getrennt. 


376 

geben  wurde,  enfslarideii  in  dieser  Mundart  eines  klei- 
nen, ohneliin  nicht  selbständigen  Volks  so  viele  Varie- 
ttUen,  und  diese  zerfielen  in  so  viele  Nuancen,  dass  es 
iHinmehr  äussert  schwer  ist,  sie  alle  unter  einen  allge- 
meinen Gesichtspunct  zu  bringen.  Uebersieht  man  je- 
doch die  grosse  Menge  dieser  Sprachverschiedenlieiten, 
und  hält  das  Gemeinschaftliche  in  denselben  fest,  so  er- 
geben sich  folgende  charakteristische  ünterschiedsmerk- 
male  des  Slowakischen  von  den  übrigen  Dialekten,  und 
zwar  zunächst  dem  Böhmisch-mährischen:  1.)  Durch- 
gängig breitere  Vocale  a,  o  und  ti  statt  der  engern  böh- 
mischen e  und  i:  ma,  ta,  sa,  zial,  zart,  dusa,  serco, 
podoswa,  Ijübost,  lüde.  2.)  Eine  Menge  Diphthongen: 
ia,  m,  on,  uo,  teit,  ioii :  chodja,  nosjä,  piu,  hnau,  huo- 
rou,  kuoh ,  stuol,  lieuc,  djouca.  In  allen  diesen  Fällen 
klingt  das  u  weder  wie  ein  teutsches  od.  böhmisches  w, 
noch  wie  ein  w^  sondern  wie  ein  Mittelding  zwischen 
beiden.  3.)  Ein  Umlaut  a,  entsprechend  dem  Altslawi- 
schen und  Russischen  g:  mäso,  wäzy,  räd,  krawär,  z 
käd  (jedoch  in  einigen  Gegenden  auch  rjad,  krawjar 
u.  s.  w.),  ein  Mittelton  zwischen  e  und  a,  dessen  Aus- 
sprache sich  nicht  beschreiben  lässt.  4.)  Weichheit  der 
Consonanten  b,  m,  p,  n,  f,  d,  w;  worunter  die  nega- 
tive Partikel  ne  bemerkenswerth  ist.  5.)  Gänzlicher  Man- 
gel des  zischenden  böhmisch-  polnischen  r  (rz),  wofür 
die  Slowaken  in  einigen  Fällen  rji  rjeka,  rjad,  rjedky, 
in  andern  aber  nur  r  sprechen:  repa,  remeslo.  6.)  Al- 
ternativer Gebrauch  der  Gurgellaute  h  und  ^,  und  zwar 
des  ersten  in  den  meisten,  des  letzten  in  seltenern  Fäl- 
len: hlawa,  hrjech ,  uhel ,  roh,  dahingegen:  gunar, 
guba,  grman,  grläk,  galiba,  gate,  gazda,  gazdina,  gä- 
gor  ,  gägotat ,  mljazga  ,  pluzgjer  ,  gamba  ,  klaganina, 
bryzgat,  ligotat  se  u.  s.  w.  7.)  In  der  Aussprache  der 
Präposition  roz  neigt  sich  der  Slowak  manchmal  eben- 
falls zur  Ordnung  A,  und  spricht:  räzsocha,  razsoska 
(aber  auch  rozsocha,  rozsoska),  razpora,  razswit,  räz- 
tok,  räzcesty  u.  s.  w^  Ueberhaupt  liebt  er  a  st.  o  im  An- 
fange der  Wörter:  rab,  rastem,  rasca  n.  s.  w.  8.)  Be- 
merkenswerth sind  die  Ausgänge  des  Präsens  auf  em 
St.  ii:    nesem,    wezem,   pigem;    auf  mo  st.  me'.  nesemo, 


377 

vvidjiiio,  hledamo,  wolamo;  aufjV/'  si.  j  od.  ("(/j :  clio- 
dja,  widja,  nosja,  liledja  (cfr.  slav.  cliodial,  nosiat,  wi- 
diat);  des  Präterilum  auf  u  st.  /:  wolau,  cliodiu  (vgl. 
über  die  Ausspraclie  Xo.  2.),  wo  das  it,  aus  dem  gro- 
ben /  entstanden,  dem  Serbisclien  o  völlig  eulspriclit; 
des  Inflnitivs  auf  cf  st.  et:  pject,  muoct,  vvlject,  was 
mit  dem  Altslawischen  ni;:  pesci,  mosci,  wlesci  zu  ver- 
gleichen ist.  9.)  Das  öftere  Ausstossen  der  Vocale  er- 
innert an  den  häufigen  Gebrauch  des  i,  und  l,  in  den 
ältesten  Handschriften  des  Altslawischen:  mhla ,  zlty, 
stlp,  tlct  u.  s.  w.  wobei  aber  zu  bemerken  ist,  dass  in  ei- 
nigen Gegenden  der  Slowakei  (Gömör  u.  s.  av.)  gerade 
das  Gegentheil  davon  zu  finden  ist,  indem  man  dort  jede 
Sylbe  vocalisirt:  perst,  smert,  serco,  mertv^y,  persy, 
merznem,  zouty,  pouny,  gabuko,  slunko  (nicht  slnko), 
mysel,  wjezol,  njesol  (wjezou,  njesou),  u.  s.  w.  10.) 
Am  bemerkenswerthesten  sind  die  vielen,  den  Slowaken 
eigenen,  bei  den  neuern  Böhmen  gar  nicht  gebräuchli- 
chen, aber  in  dem  Altböhmischen  und  in  andern  Dialek- 
ten ,  vorzüglich  dem  Kirchenslawischen ,  Windischen, 
Russischen  und  Polnischen  noch  vorkommenden  Wörter. 
G.  Rybay  hat  mit  preiswürdigem  Fleiss  ein  slowakisches 
Idiotikon  von  etwa  15,000  Wörtern  gesammelt,  welche 
Zahl  sich  leicht  noch  vermehren  Hesse.  Viele  derselben 
hat  Hr.  Palkowic  in  s.  böhiu.  Wörterb.  820  —  22  aufge- 
nommen. —  Sieht  man  auf  die  slowakische  Sprache,  wie 
sie  im  Munde  des  Volks  lebt,  nicht  wie  sie  in  den  Wer- 
ken slowakischer  Schriftsteller  vorkommt  (denn  diese 
ist  die  mehr  oder  weniger  slowakisirte  Böhmische),  so 
lassen  sich  drei  Hauptvarietäten  derselben  unterscheiden: 
1.)  die  eiifentliche  Slowakische  in  den  Gespanschaften 
Thurocz,  Arva,  Liptau ,  Sohl ,  Bars  ,  Neograd  ,  Pesth, 
Borsod,  Gömör  und  in  den  aus  diesen  Gespanschaften 
geflossenen  Colonien  in  Niederungern.  Sie  ist  am  weite- 
sten von  den  beiden  benachbarten  Dialekten,  dem  böh- 
mischen und  polnischen  entfernt,  und  ihr  kommen  die 
oben  angeführten  Merkmale  vorzugsweise  zu.  2.)  Die 
mährisch  -  slowakische  Varietät  in  den  Gespanschaften 
Pressburg,  Neitra  und  Trencsin,  und  in  den  von  daher 
stammenden    Niederlassungen    in   Niederungern.     Sie  nä- 


378 

Iicrt  sich  mcrklicli  der  mährischen  Landesmundart,  und 
hieiiiit  der  böhmischen  Schriftsprache,  liebt  die  engern 
Vocale,  meidet  die  Diphthongen,  ohne  darum  aufzuhö- 
ren slowakisch  zu  seyn;  das  mährisch-böhmische  r  (rz) 
ist  ihr  durchgängig  fremd.  Eine  Abart  dieser  Varietät 
in  Neitraer  Gespanschaft  fingen  Bernoläk ,  Fändly  und 
ihre  Genossen  an  zu  schreiben.  3.)  Die  polmsch-slcwa- 
kische  Varietät  in  einem  Theil  von  Arva,  ganz  Zipsen, 
Scharosch,  Abauj  und  Zemplin  (woselbst  eine  in  der 
Orthographie  magyarisirende  Spielart  sofahisch  heisst), 
deren  Entstehen  sowol  der  Nachbarschaft  mit  Polen,  als 
auch  der  drei  Hundert  Jahre  lang  dauernden  Herrschaft 
derselben  in  Zipsen  zuzuschreiben  ist.  Sie  liebt  das  Pol- 
nische dz  und  c  st.  des  slowakischen  d  und  t:  idzem, 
budzem,  ferner  viele  echtpolnische  Wörter,  Biegungen 
und  Formen:  bars  st.  welmi,  palec  st.  prst,  draha  st. 
cesta,  hyba  st.  gen,  choc  st.  trebas,  sukac  st.  hledat, 
widzalem,  swinia  u.  s.  w.  Nuancen  dieser  drei  Varietä- 
ten sind:  1.)  das  Tenfsch-slowakische  in  den  Bergstäd- 
ten und  ihrer  Umgegend;  2.)  das  Magyimsch-slowaki- 
sche  in  den  slowakischen  Colonien  Niederungerns;  3.) 
das  Russniakisch  -  slowakische  in  Abauj,  Zemplin  und 
Beregh,  wo  die  Slowaken  an  die  Russniaken  stossen; 
4.)  das  Serbisch-slowakische  in  Bäcs,  Banat  und  der 
Militärgränze,  ferner  in  Ofen  und  um  S.  Andrä  herum.  ^) 
Hieraus  ergeben  sich  die  Vorzüge  und  Mängel  der 
slowakischen  iVlundart  von  selbst.  In  Hinsicht  des  Wol- 
klangs  hat  sie  wegen  ihres  Reichthums  an  breitern,  tö- 
nendem, heilem  Vocalen  allerdings  einen  Vorzug  vor 
der    böhmischen;    allein    diess  berechtigt    sie  noch  nicht 

-)  Als  besondere  Spiel-  od.  Abarten  des  Slowakischen  werden  noch 
das  Hanakische  in  Pressburg,  das  Trpäkische  in  Hont,  das  Krekäcische 
in  Gömör,  das  Zahoräkische,  Podhorakische  u.  s.  w.,  wol  ohne  alle  Noth 
genannt;  indem,  wenn  man  auf  diese  Weise  fortfahren  wollte,  jeden  Dorf- 
jargon als  Untcrdialekt  zu  classificiren,  man  deren  nicht  nur  in  der  Slo- 
wakei, sondern  allenthalben  in  der  Welt  ohne  Zweifel  so  viele  aufstellen 
müsste,  als  es  durch  Borge  u.  Thäler  und  Flüsse  geschiedene  Ortsgebiefee 
gibt.  —  Die  Sprachbücher  haben  die  Slowaken  mit  den  Böhmen  gemein. 
Zur  Kenntniss  der  Landesmundart  können  indess  dienen:  A.  Bernoläk 
Gramm,  slavica ,  Posonii  790.  8.  Eb.  Dissertatio  de  litteris  Slavorum,  Pos. 
787.  8.,  Eb.  Etymologia  vocum  slavicarum  ,  Tyrn.  791.  8.  Eb.  Lexicou 
slavico  -  lat.  -  gerin.  -  hungaricum,  Of.  825  if.  auf  4  Bde.  gr.  8.  berechnet.  — 
G.  Palkoiuic  böhra.  Wörterb.  820  —  22.,  enthält  ebenfalls  viele  slowakische 
Wörter.  —  Vgl.  auch  :  Pjsne  swetske  lidu  slowenskeho  wUhi-jch,  Pesth  821. 12. 


379 

zu  der  Ehre  einer  Literiilspraciie,  zu  der  sie  einige  neuere, 
vorzOglicIie  kalliolisclie  Scliriftsleller  erheben  wollen.  Die 
Lage  der  Slowakei  und  des  slowakischen  Volks,  die  Ge- 
schichle  der  vergangenen,  für  die  Cultur  der  Sprache 
günstigem  Zeiten ,  der  forlwiihrende,  allgemein  einge- 
führte Gebrauch  der  böhmischen  Mundart  als  Schrift- 
nnd  Kirchensprache  bei  den  protestantischen  Slowaken, 
die  BeschalFenheit  der  tausendfach  metamorphosirten  Haus- 
mundart, die  Klugheit  selbst  ist  gegen  eine  solche  Neuerung. 

§.  46. 

Schicksale  der  slowakischen  Sprache  und  Literatur. 

Die  Geschichte  zeigt  nns  die  slowakische  Mundart  nie 
selbständig  in  der  Reihe  der  slawischen  Schriftsprachen. 
Die  auffallende  Uebereinstimmung  mit  der  altslawischen 
Kirchensprache  in  einzelnen  Wörtern  ,  Wortfügungen 
und  Redensarten  ist  noch  lange  kein  Beweis  dafür,  dass 
Kyrill  und  Method  die  slowakische  Mundart  geschrieben 
haben,  und  dass  dieselbe  mit  der  altslawischen  Kirchen- 
sprache eins  sey,  denn  zu  dem  grossmährischen  Reiche, 
in  welchem  damals  Kyrill  und  Method  lebten  und  lehr- 
ten, gehörten  ausser  den  Slowaken  auch  noch  andere 
Slawenstämme.  Diese  Uebereinstimmung  wird  leicht  be- 
greiflich, wenn  man  annimmt,  dass  die  altslawische  Kir- 
chensprache der  Ertrag  der  frühesten  Cultur  der  noch 
heidnischen  Slawen  ist,  und  bedenkt,  dass  der  Ursitz 
der  Slawen  in  Europa  die  Karpaten  waren  (§.  10.  44.). 
Wol  ist  es  Thatsache,  dass  zahlreiche  Spuren  der  Bau- 
art und  der  Malerei  in  den  uralten  Kirchen  der  Slowa- 
kei auf  die  Verbreitung  des  griechischen  Ritus  vor  Men- 
schengedenken in  diesen  Gegenden  hinweisen  ^)  ;  allein 
diese  schwachen,  dunkeln  Üeberreste  eines  völlig  ver- 
schwundenen Daseyns  lassen  nur  vermuthen,  dass  die 
altslawische  Kirchensprache  eine  Zeitlang  Kirchenspra- 
che der  Slowaken  gewesen  sey  obschon  es  Wichings 
bekannte   Abneigung    gegen    die  Griechen    sehr  unwahr- 

1)    (S.   Li.    Bartholomaeides'  Comit.    Gömör.  uotitia    bist.  -  geogr.  -  sta^ 
tistica  (Leutschau  808.  4.)  S.  271. 


380 

sclieinlich  macht,  dass  sie  es  lange  und  überall  gewe- 
sen —  beweisen  aber  doch  am  Ende  für  die  frühere  Cnl- 
tnr  des  Slowakischen,  genau  genommen,  nichts.  Die 
slowakische  Sprache  konnte  zwar  schon  zu  dieser  uns 
völlig  dunkeln  Zeit  nicht  arm  seyn.  Beweis  dessen  sind 
die  zahlreiciien  ins  Magyarische  übergegangenen  Wörter, 
die  sich  meist  auf  Cultursachen,  Werkzeuge  sowol  des 
Ackerbaus,  der  Land-  und  Ilaiiswirthschaft,  als  auch 
der  städtischen  Gewerbe  und  Künste  beziehen  ^).  Aber 
am  besten  würden  wir  über  die  BeschaiFenheit  der  al- 
tern slowakisclien  Sprache  urdieilen  können,  wenn  uns 
jemand  die  alten  Volkslieder  der  noch  heidnischen  Slo- 
waken aufbewahrt  hätte.  Tiiatsache  ist  es,  dass  das  über 
alles  sanglustige  und  gesangreiche  slowakische  Volk  noch 
bis  vor  etwa  60  Jahren,  bei  verschiedenen  Dorfgebräu- 
chen uralte  Lieder  gesungen  hat,  die  Spuren  des  Hei- 
denthums  verrathen,  die  wir  aber  heute  kaum  den  An- 
fangsversen nach  kennen  ^).  —  Mit  dem  Untergang  des 
grossmährischen  Reichs  erlosch  die  Selbständigkeit  der 
Slowaken  —  und  ihre  Sprache  wanderte  von  den  Bur- 
gen und  Palästen  der  Fürsten  in  die  Hütte  des  Land- 
mannes. Jahrhunderte  des  tiefsten  Schweigens  folgen  auf 
die  durch  herbeigeeilte  erobernde  Völkerhorden  veran- 
lassten Kriege  und  Stürme;  der  Name  der  Slowaken  und 
ilirer  Sprache  verliert  sicii  aus  der  Geschichte,  und  däm- 
mert nicht  eher  heran,  als  um  die  Mitte  des  XV.  Jahrb., 
wo  die  Fhissiten  unter  dem  kriegerischen  Giskra  in  Ober- 
ungern  hausten.  Um  diese  Zeit  mögen  die  durch  ma- 
gyarische Könige  in  lateinischer  Sprache  beherrscliten 
Slowaken  zu  allererst  seit  Kyrill  und  Method  erfahren 
haben,  dass  so  Etwas,  wie  ihre  Sprache,  aufs  Papier 
gebracht    werden    könne  *).     Denn    in  Böhmen  hatte  da- 

-)  S.  Le.ika  hat  einen :  Elenclius  vocabnlorura  slavicorum  magyarici 
usus,   in    Msc.    hinterlassen,  der    zu  Ofen  1825.    8.  in  Druck  erschienen  ist. 

=»)  S.  Tablicowy  poesie,  Waitzen  1806  fif.  1  Bd.  S.  IV  -  XII.  —  L. 
Bartholomaeides  Com.  Gömör.    iiotitia  Part.  I.  C.  IV.  De  cultura  incolarum. 

*)  Die  Inschriften  auf  Glocken,  Altären,  Thürmen  u.  s.  w.,  aus  dem 
XII  —  XV.  .Tahrh.  in  der  Slowakei  sind  alle  lateinisch.  So  hat  die  Glocke 
zu  Gross-Köcze  in  Gömör  von  1206  die  Inschrift :  0  fusa  est  canipana  in 
lionore  Dei  omnipotentis  et  in  honore  S.  Quirini;  der  Senatoronstuhl  in 
(setnek  von  1272  :  0  rex  fjloriac  veni  cum  pace  Amen  ;  die  Glocke  zu  Polo- 
nia  (Veszveres):  Est  factum  iu  honore  Dei  omnipotentis  et  S.  Nicolai 
1496.  S.  L.  Bartholomaeides  notitia  G.  Gömör.  S.  272  —  73. 


381 

inals  die  Landesimiudart  schon  eine  bedeutende  Stufe  der 
Ausbildung  erreicht ;  und  es  lässt  sicli  gar  nicht  bezwei- 
t'ehi,    dass  die  für  ihre  Lehre  so    eifrigen  Hussiten    Ver- 
suclie  gemacht    Iiaben,    die  Stamm-  und  Sprachvervvand- 
ten    Slowaken    mittelst    der    Buchstaben    und  Schrift  für 
sich    zu    gewinnen.     Aber  auch  von  diesen  vorsätzlichen 
Versuchen  abgesehen,  musste  nicht  schon  das  blosse  Bei- 
spiel   der  Hussiten    in  ihren  zahlreiciien  Niederlassinigen 
in    den    Gespanscliaften    Gömör ,    Hont,    Neograd,    Sohl, 
Liptau,    Trencsin    und    Neitra   auf  iiire   Nachbarn  u.  Mit- 
insassen, die  Slowaken,  wirken  ?    Konnte  ihnen  der  Ge- 
brauch   des    lateinischen    Alphabets  zur  Bezeichnung  der 
Laute    ihrer    Sprache    hinfort    fremd    bleiben?    Nur    der 
türkischen    Vertilgungswuth    ist   es    zuzuschreiben,    dass 
nach  hundertjährigen  Verheerungskriegen  so  wenige  Ue- 
berreste,    ja  kaum  einige  Spuren  dieser  frühesten  Cultur 
des  böhmisch-slowakischen  Dialekts  in  Ungern  zu  finden 
sind.  Ehedem  hielt  ich  den  handschriftlichen  Vertrag  oder 
Cession  des  Georg  von  Breclaw  an  Jakob  Kysawy,  vom 
J.  1433,    welcher    in  dem  Pressburger  Stadtarchiv    auf- 
bewahrt wird,  ftir  das  älteste  Denkmal  der  slowakischen 
Sprache  5    allein  nach  Einsicht  einer  Abschrift  davon  er- 
gab sich,  dass  derselbe  böhmisch  abgefasst  und  von  Wien 
aus    datirt    sey.     Sonstige   Documente    der  slowakischen 
Landesmundart    aus    diesem  Zeitalter  sind   mir  nicht  be- 
kannt,   obschon  ich  es  für   gewiss  halte,  dass  sich  ihrer 
nicht  wenige  in   den  Archiven  und  Bibliotheken  der  ka- 
tholischen   Erzbischöfe    und    Bischöfe ,     der    Domkapitel, 
der   Magnaten    und   Edelleute,    ferner    der    k.  Freistädte 
vorzüglich    in    den    von    Slowaken  bewohnten  Gegenden 
noch  wirklich  vorfinden  mögen.     Männer,  die  diesen  Ar- 
chiven und  Bibliotheken  vorstehen,  oder  denen  sonst  der 
Zutritt  zu  denselben  frei  steht,   würden  sich  um  die  Ge- 
schichte   der    slowakischen    Literatur    grosses    Verdienst 
erwerben,    wenn   sie    uns    mit  diesen  frühesten  Denkmä- 
lern bekannt  machen    möchten  ^).     Von   den    historischen 

•')  Ich  selbst  habe  einen  ziemlich  ausführlichen  handschriftlichen 
Katalog  vieler,  die  slawische  Geschichte  und  Literatur  betreffenden,  in  den 
Archiven  und  Hauptbibliotheken  Ungerns  vorfiudlichen ,  handschriftlichen 
und  gedruckten  Documente  vor  mir;  so  steht  darin  z.  B.  „Apud  V.  D.  M. 
Breznobänyensem   Jo.    Kuzmänyi :   Diarium  Ge.   Puchala    ab    a.  1247  usque 


382 

Volksliedern,  z.  B.  von  der  Kgn.  Elisabeth,  Kg.  Ludwig 
IL  n.  s.  w.,  welclie  dereinst  bei  den  Slowaken  in  Schwung 
waren,  sind  jetzt  kaum  die  Anfangsverse  übrig.  Sichere 
Spuren  der  Fortbildung  der  slowak.  Sprache  fangen  erst 
mit  der  Heformation  an.  —  Dass  die  Hussiten,  als  Vorläu- 
fer der  tcutschen  Reformatoren,  ein  Hinneigen  zur  prote- 
stantischen Lehre  nicht  nur  bei  den  Böhmen,  sondern  auch 
bei  den  Slowaken  in  Ungern  erweckt  haben,  ist  wol  aus- 
gemacht ^}.  Diesem,  von  Böhmen  aus  kommenden  Im- 
puls, haben  wir  es  zuzuschreiben,  dass  die  böhm.  Mund- 
art Schriftsprache  der  Slowaken  geworden  ist.  Mit  der 
Lehre  kamen  Bücher,  und  mit  diesen  die  Sprache  selbst 
aus  Böhmen  in  die  Slowakei  ^).  Denn  kaum  war  die 
Lehre  der  leutschen  Reformatoren  nach  Oberungern  ge- 
drungen, als  schon  zahlreiche  Scliriften  der  evangelischen 
Prediger  in  böhmischer  Sprache  seit  der  Mitte  des  XVI. 
Jahrb.  für  den  Gebrauch  derselben  in  der  Slowakei  den 
unwiderleglichsten  Beweis  liefern.  Von  dieser  Zeit  an 
lassen  sich  die  Schicksale  der  slowakischen  Schriftstelle- 
rei  in  Ungern  von  .lahrhundert  zu  Jahrhundert  übersehen. 
Sechzehnfes  Jahrhundert.  Die  Reformation  fasste, 
ungeachtet  der  gegen  sie  152.3-1525.  gegebenen  scharfen 
Befehle,  in  Oberungern  immer  festere  Wurzeln  ^).  Die 
slowakischen  Prediger  fingen  an,  den  Gottesdienst,  den 
Böhmen  gleich,  in  der  slawischen  Sprache  zu  verrich- 
ten, wühlten  aber  dazu  die  böhmische  Mundart,  weil 
die  Bibel  und  alle  ihre  liturgischen  Bücher  in  derselben 
verfasst  und  gedruckt  waren.  Gehörne  Böhmen  u.  Mäh- 
rer wanderten  oft  als  Seelsorger  und  Lehrer  nach  Ober- 
ungern,   Slowaken    nach    Böhmen  und  Mähren;  Böhmen, 

1539,  coutinuatum  per  filiiim  eins  Blasiym  1539  —  60,  nepotcm  Stanislaum 
1597  —  632,  pronepotem  Mathiam  1637  —  675,  et  huius  geiierum  Math. 
Mategkowic  1672  —  741,  iucolas  Teuto-Lipcsenses,  descriptum  ex  ipso  ori- 
ginali  per  Math.  Schiilek  V.  D.  M."  Dann  werden  die  Continuationen  seit 
1539  noch  einmal  unter  besoudern  Numern  aufgezählt,  und  zuletzt  beige- 
iügt:  „Hactenus  omnia  slavicc,  praeter  primum." 

«)  S.  Tahlic  historie  A.  W.,  Waitzen  808.  8.  S.  47.  Dolezal  gramtn. 
slav.-boh.,  Pos.  746.  8.  Praef.  §.  XII. 

')  Die  böhm.  Handschriften,  die  sich  noch  hie  u.  da  unter  den  un- 
grischen  Slowaken  finden,  z.  B.  die  trojanische  Chronik,  das  N.  Test.,  u. 
a.  m.,    kamen    wol    auf  keinem  andern,    als  auf  diesem  AVog  nach  Ungern. 

^)  Schon  1559  war  die  Mehrzahl  der  Magnaten  u.  Adeligen  in  Un- 
gern pi'otestantisch,  und  nur  in  dem  Kreise  jenseits  der  Donau  zählton  die 
Protestanten  300  Kirchen.  S.  Tahlic  historie  A.  W.  S.  64  —  78. 


383 

Mähren  iiud  die  Slowakei  waren  bis  1G2(')  im  Geiste 
eins  ^).  Kein  Wunder,  dass  die  böhiiiische  Schriftspra- 
che von  nun  an  in  der  Slowakei  auch  bei  schriftlichen 
Verhandlungen  des  bürgerlichen  Lebens  gang  und  gäbe 
wurde.  Alle  slowakischen  Schriftsteller  dieses  Jahrhun- 
derts waren  Tiieologen,  und  schrieben  ftir  ihr  Fach  Ka- 
techismen, Gebetbücher,  Kirchengesänge  und  andere  Er- 
bauungsbücher; biblische  und  liturgische  Bücher  erhiel- 
ten sie  aus  Böhmen.  Die  slowakische  Literatur  konnte 
sich  nur  mit  Mühe  neben  und  gleichsam  unter  den  Flü- 
geln der  böhmischen  entfalten;  die  wiederholten  Einfälle 
der  räuberischen  Türken,  die  grausenvolle  Verheerung 
der  Städte,  Burgen  und  Dörfer,  die  unglückliche  Nie- 
derlage bei  Mohäcs,  die  Einnahme  der  Stadt  u.  Festung 
Ofen  durch  die. Türken,  der  Bürgerkrieg,  den  Zapolya 
anfachte,  verscheuchten  die  stillen,  friedliebenden  Mu- 
sen von  Pannoniens  bluttriefenden  Gefilden.  In  allen  Ge- 
sang- und  Kirchenbüchern  aus  dieser  unruhevollen  Pe- 
riode weht  ein  freudenleerer,  düstrer,  banger,  sich  nach 
Hilfe  und  Rettung  sehnender  Geist.  Die  unter  solchen 
Umständen  errichteten  Schulen  in  der  Slowakei,  als  in 
Rosnau  1525,  Bänowce  1527,  Libethen  1527,  Bartfeld 
1539,  Leutschau  J542,  Zilin  1550,  Priwitz  1550, 
Schemnitz  1560,  Sintawa  1573,  Kesmark  1575,  Jelsa- 
wa  (Eltsch)  1576,  Sohl  1576,  Moschotz  1580,  Frei- 
städtl  1581,  Trencsin  1582,  Eperies  1594,  Kaschau 
1597  u.  s.  w.,  wirkten  für  die  Emporbringung  der  slo- 
wakisch-böhmischen Sprache  und  Literatur  wenig  oder 
gar  nichts,  so  sehr  auch  einige  Lehrer,  z.  B.  Pruno  in 
Freistädtl,  Hussel  in  Priwitz,  u.  s.  w.  für  dieselbe  be- 
geistert gewesen  seyn  mögen  ^^).     Lange  Zeit  mögen  die 

«)  S.  Tablicoivy   ijoesie,    Waitzen    806,  ff.  Ir  Bd.  S.  XXVI.  Anm.  19. 

")  Schon  Benedicti  klagt  über  die  Fahrlässigkeit  und  Indolenz  der 
Slowaken  gegen  ihre  Sprache.  „Verum  enim  vero,  sagt  er  in  der  Vorr. 
zu  s.  Gramm.  1603,  hie  mihi  praecipue  mei  gentiles  Slavi  videntur  cohor- 
tandi,  apud  quos  excnlendae  eorum  linguae  maxima  est  negligentia,  adeo 
ut  nonnulli  (expertus  de  quibusdam  loquor),  si  nou  tantum  non  legant 
bohemicos  libros,  sed  ne  in  suis  bibliothecis  uUum  habeant,  gloriosum  id 
sibi  ducant.  Hinc  fit,  ut,  quum  de  rebus  illis  domestica  lingua  est  disse- 
rendum,  semilatine  eos  loqui  oporteat.  (Man  glaubt,  Benedicti  lebt  jetzt, 
und  spricht  über  die  heutigen  Slowaken!)  Cetera  incommoda  neglecti  eins 
studii  non  persequar.  Exstiterunt  tamen  quidam,  qui  aliquid  conati  sunt: 
qualis  vel   inprimis   fuit  piae    memoriae  doctissimus  vir  Alb.  Husselins  Pri- 


384 

Slowaken  sicli  mit  in  Böhmen  gedruckten  Büchern  be- 
gnügt liaben ;  späteriiin  wurden  Biiclidruckereien  in 
Freistiidtl  (1581?  nach  Nemeth  1584),  Bartfeld  (1579), 
Schintau  (1574)  ,  Neusohl  (1578)  ,  Tyrnau  (1579), 
und  im  XYII.  Jalirh.  auch  in  Pressburg,  Trencsin,  Leut- 
schau,  Eperies,  Kaschau  u.  s.  w.  errichtet.  Mir  ist  kein 
älteres  in  der  Slowakei  gedrucktes  Buch  bekannt,  als  der 
Katechismus  von  Job.  Pruno,  Lehrer  in  Freistädtl,  da- 
selbst 1581  od.  1583.  8.,  und  ein  anderer  Katechismus, 
1581  in  Bartfeld  bei  David  Gutgesell  gedruckt.  Slowa- 
kische Schriftsteller  dieses  .Jahrhunderts  sind:  Joh.  Sijl- 
vauus  (gest.  1572),  gebürtig  aus  Ungern,  lebte  in  Böh- 
men, Georg  Bdnowsky  Rector  der  Ziliner  Schule  (gest. 
1561),  Joh.  Tdborsky,  Prediger  in  Wai'jn  (gest.  1596), 
Andr.  Cenglerius,  Prediger  in  Rosenberg  (um  1588), 
von  denen  einzelne  Kirchenlieder  in  Gesangbüchern  zu 
finden  sind.  —  Joh.  Pnino,  Rector  in  Freistädtl  (Gal- 
götz, Frastäk),  und  Trencsin  (gest.  1586),  schrieb  eben- 
falls Kirchenlieder,  und  gab  1581  od.  1583  in  Galgötz 
einen  lateinisch  -  slowakischen  Katechismus  heraus.  — 
Steph.  Tfebnicky  aus  Schlesien,  Prediger  in  Zipsen  (um 
1583),  übersetzte  die  Confession  der  5  Städte  ins  Slawi- 
sche, die  1614.  4.  lat.,  teutsch,  inigr.  u.  slow,  in  Ka- 
schau erschienen  ist.  —  Joh.  Ilodika,  Superintendent 
in  Trencsin,  gab  Leichenpredigten  heraus,  1637.  8.  — 
Noch  werden  als  Beförderer  und  Liebhaber  des  slawi- 
schen Sprachstudiums  in  diesem  .Jahrhundert  genannt: 
Mich.  Radamn  (Radosjnsky)  Pred.  in  ßartfeld,  Petr. 
Baros,  Rector  in  T.  Lipcse  und  Trencsin,  Alb.  Husse- 
lius,  Raphael  Hrabec  u.  m.  a. 

Siebzehnfes    Jahrhunderl.    Unter  verhäugnissvollen 
Auspicien    dämmerte    das  XVII.  Jahrh.    in  Ungern  heran. 

vidiae,  qui  suos  discipulos  et  ad  rectam  orthograpliiam,  et  ad  ornatiorem 
cultioremque  sermouem  assuefacicbat:  sed  quia  destituebantur  conipendiosa 
ratione,  si  minus,  quam  volcbant,  assecuti  sunt,  non  est  mirum."  Später 
mag  es  etwas  besser  geworden  seyn ;  denn  150  Jahre  darauf  erhebt  Bei  in  s. 
Vorr.  zu  Dolezals  Gramm,  slav.  §.  XII.  den  Eifer  einiger  Magnaten  u.  Ade- 
ligen für  die  slaw.  Sprache.  „Quibus  rebus  eveuit,  ut  non  modo  eruditi 
in  Ilungaria  viri,  sed  Magnates  etiam,  et  ex  uobilitate  eorum  Comitatuum, 
in  quibus  lingua  slavica  vernacula  est,  curam  linguao  slavo  -  bohemicae 
cultumque  ad  se  ])ortinere  existimaverint.  In  bis  censemus :  Szunyogios, 
Illeshäzyos,  Thurzones,  Ostrositliios,  Zayos,  ceteros;  atque  ex  equestri  or- 
dine :  Sulyowskyos,  Szerdahelyios,  Revayos,  .lustios,  Otlikios,  Benickyös, 
Plathyos,  Potturnayos,  reliquos." 


385 

Die  tVeie  Rcligionsübmi^'  war  den  Protostaiilen  durch 
den  Wiener  Frieden  1G06,  bei  der  Krönung  Mathias  IL 
1608,  Ferdinands  II.  1618,  und  auf  dem  Oedenburger 
Landtag  1625  gesetzlich  zugesichert ;  nichts  desto  weni- 
ger brachte  der  Fall  Böhmens  nach  der  Schlacht  am  weis- 
sen Berge  1620  auch  nach  Ungern  neue  religiöse  Stürme. 
Der  Schutz,  den  die  protestantischen  Slowaken  den  zahlrei- 
chen böhmischen  und  mährischen  Flüchtlingen  angedeihen 
liessen,  veranlasste  den  heftigsten  Streit  zwischen  der  pro- 
testantischen und  katholischen  Partei.  Der  Bürgerkrieg 
unter  Georg  Räkötzy  nahm  den  Character  eines  Religions- 
krieges an.  Die  Linzer  Pacification,  1647  bei  der  Krö- 
nung Ferdinands  IIL  unter  die  Landesgesetze  aufgenom- 
men, trug  sehr  wenig  zur  Herstellung  des  Friedens  bei. 
Emerich  Tököly  (1681)  und  Franz  Räköczy  (1704}  ver- 
breiteten abermals  die  Schrecknisse  des  Bürgerkriegs  über 
das  von  den  Türken  ohnehin  sehr  verwüstete  Ungern. 
Unter  solchen  l'rnständen  konnte  die  slowakische  Litera- 
tur, deren  Pfleger  bis  dahin  meist  Protestanten  waren, 
und  die  zu  Ende  des  vorigen  .Jahrhunderts  erst  heran- 
zublühen  begann,  zu  keiner  Reife  koiinuen;  sie  er- 
losch mit  dem  Ende  des  XVII.  Jahrb.  beinahe  gänzlich. 
Die  fruchtbarsten  slowakischen  Schriftsteller  waren 
auch  jetzt  Theologen;  aber  der  sprachliche  und  sächli- 
che Wertli  ihrer  Erzeugnisse  sinkt  mit  dem  Verfalle  der 
Zeit  immer  tiefer.  Der  Geist,  der  sich  im  Freien  kräf- 
tig emporhebt,  schruiikpft  in  der  Gefangenschaft  zum 
todten  Buchstaben  zusammen.  Namhafte  Schriftsteller 
flieses  Jahrb.  sind:  Laur.  Benedicft  aus  Nedozer  itn  Nei-  f  C^l" 
traer  Cömitat  (geb.  1555,  gest.  1615),  Prof  an  der  Pra- 
ger Universität ,  ein  gründlicher  Gelelirter  nnd  feiner 
Kenner  der  slawischen  Sprache,  schrieb  Kirchenlieder 
(im  griech.  Zeitmaas),  gab  1603.  8.  eine  böhm.  Sprach- 
lehre herans,  ausser  mehreren  andern  lat.  Werken^*).  — 
Elias  Ldni  (gest.  1617),  Isac.  Abraham i des ,  und 
Sain.  Melikrus,  Superintendenten,  gaben  1612  in  Leut- 
schau  einen  Katechisoius  heraus.  —  Joach.  Kaiinka  (gest. 

")  Benedicti  war  unter  deti  Slowaken  der  erste,  der  griech.  und 
lat.  Metra  in  der  liölim.  -  slow.  Sprache,  nach  den  Regeln  der  wahren, 
quautitirendeu  Prosodie,  gebrauchte.  Ihm  folgten  in  der  folg.  Periode  S. 
Hruskowic,  D.  Kniian,   P.  Tesläk  u.  a.  m. 

25 


386 

1678),  Superintendent,  Hess  eine  Trauerrede  und  Er- 
klärung des  Jesaias  drucken,  und  hinterliess  einen  Ka- 
techismus in  Msc.  —  Georg  Tranoivsky  Pred.  in  S.  Ni- 
klas  (geb.  1591,  gest.  1637),  gab  der  erste  in  Ungern 
ein  böhmisch  -  slowakisches  Gesangbuch,  Leutschau  b. 
Brewer  1635,  heraus,  welches  seitdem  vielmal  nachge- 
druckt worden,  und  noch  heutzutage  bei  den  evangeli- 
schen Slowaken  in  Ungern  in  Gebrauch  ist  ^^) ;  er  über- 
setzte die  Augsb.  Conf.  ins  Böhmische,  Olim.  620.  12., 
verfasste  ein  Gebetbuch,  Leutsch.  635.  8.  —  Tob.  Mas- 
nicius,  zuerst  Rector  der  Senicer  und  Illauer  Schule, 
hierauf  Diakonus  in  Illau,  gab  1682  in  Dresden  ein  theo- 
logisches Büchlein,  1696  aber  in  Leutschau  eine  Anleit. 
zur  Rechtschreibung  heraus.  —  Steph.  Püai'jk,  zuletzt 
Prediger  in  Senic  (gost.  1675),  bekannt  durch  seine  wi- 
drigen Schicksale  und  die  türkische  Gefangenschaft,  liess 
1648  in  Leutschau  ein  Gebetbuch,  1666  in  Zilin  bei  Job. 
Dadan  seine  Biographie  unter  d.  T.  Sors  Pilarikiana,  sla- 
wisch (N.  A.  V.  Tablic,  Skalic  804.  12.),  drucken.  — 
Dan.  Sinaphis,  zuletzt  Pred.  in  Leutschau  (gest.  nach 
1684),  verfasste  viele  Kirchenlieder,  gab  1678  eine 
Sammlung  slowak.  Sprichwörter  s.  1.,  1676,  1684  und 
1703  drei  theologische  Werke,  1684  aber  Tranowskys 
Gesangbuch  (in  Leutschau)  heraus.  —  Joli.  Simonides, 
Pred.  in  Neusohl  (gest.  1708),  gab  den  grössern  und 
kleinern  Katechismus  von  Luther  heraus.  —  Joh.  Krom- 
holz,  Pred.  in  Kokawa  (gest.  1683),  liess  1666  in  Leut- 
schau ein  theologisches  Werk  drucken.  —  Joh.  Weber, 
Apotheker  in  Eperies,  gab  ein  Büchlein  von  der  Pest 
u.  d.  T.  Amuletum,    Leutsch.    645.    12.    heraus.   —   Petr. 

1-)  Tranowskys  unter  dem  T.  Cithara  sanctoriim  bekanntes  Gesanj;- 
buch  enthielt  in  der  ersten  Ausg.  nur  400  Lieder ;  jetzt  zählt  es  deren  über 
1000.  Es  ist  9mal  in  Leutschau  und  Trencsin,  5mal  in  Pressburg,  einige- 
mal in  Lauben,  einmal  in  Wien,  zweimal  in  Neusohl,  einmal  in  Pesth  ge- 
druckt worden.  —  Wir  fügen  die  Namen  der  übrigen  geistlichen  Dichter 
dieses  und  des  folg.  Jahrh.  bei ,  die  entweder  zu  Tranowskys  Cithara  oder 
andern  Gesangbüchern  beigesteuert  hal)en;  El.  Läni,  Joach.  Kaiinka,  Dan. 
Prybi§,  Dan.  Masnicius,  Joh.  Burius,  Dan.  Sinapius,  Ge.  Zäbognjk,  Joh. 
Simonides,  Joh.  Kromholz,  Matth.  Rudjusky ,  Joh.  Rohäö,  Joh.  Urhanowic, 
Andr.  Radio,  Ad.  Plintowic,  Jer.  Lednicky,  Dan.  Sidonius,  Dan.  Krman, 
Joh.  LowCdni,  Joh.  Boh.  Ertel,  Joh.  Blasius  d.  Aelt.,  Joh.  Blasius  d.  J. 
Joh.  Glosius,  Math.  Augustini,  Dan.  Strausky,  J.  Sexti,  Paul  Streöko,  ,Sam. 
Palumbini,  Andr.  Ambrosy,  Math.  Gali,  El.  Mlynärowych,  Andr.  Saffa- 
rowsk^,  Jon.  Nigrini,  Mich.  Seraian  u.  s.  w. 


387 

Hrahoivski)  von  Ifrabow,  Gouverneur  des  Schlosses  und 
der  Herrschaft  ßudetjn  in  Trencsiner  Gespanschaft,  liess 
ein  Manuale  Lat.-Hung.-Slavonicuin,  Bartfeld  663.  12. 
drucken.  —  Mich.  Ldm\  Pred.  in  Wrbowce  (gest.  1708), 
übers.  J.  Eichhorns:  Duchownj  zbrane  pokogjk  682-83. 
4  Bde.  12.,  718.  4  Bde.  8.  —Jonas  Bub  enka  Prediger  in 
Ochtina,  besorgte  eine  neue  Ausg.  des  Komenskysclien 
Orbis  pictus,  Leutsch.  683.  4.,  wozu  er  die  Abbildun- 
gen selbst  in  Holz  gestochen  hat. 

Achtzehntes  und  neunzehntes  Jahrhundert.  Ungeacii- 
tet  des  Verfalls,  welcher  die  böhmisch  -  slowakische 
Schriftstellerei  in  Ungern  gegen  das  Ende  des  XVII. 
Jahrh.  traf,  fanden  sich  doch  schon  gleich  im  Anfange 
des  XVIII.  Jahrh.  einzelne  eifrige  Männer,  welche  um 
ihre  Wiederaufnahme  auf  das  thätigste  besorgt  waren. 
Anerkannt  gross  sind  die  Verdienste  eines  Bei,  Krman, 
Ambrosius,  Hruskowic  und  anderer  um  ihre  Glaubens- 
genossen unter  den  Slowaken,  und  um  die  Aufnahme 
der  böhmisch  -  slowakischen  Schriftstellerei.  —  Kaum 
kündigte  die  freundliche  Morgenröthe  der  Duldung  und 
der  gesetzlich  zugesicherten  Gewissensfreiheit  unter  Ma- 
ria Theresias  und  Josephs  II.  glorreicher  Regirung 
nach  so  vielen  Stürmen  einen  heitern ,  friedlichen  Tag 
an,  als  sich  auch  schon  die  Zahl  der  Schriftsteller  un- 
ter den  Slowaken  vermehrte,  und  die  Literatur,  aus 
den  engen  Gränzen  der  Theologie  herausgetreten,  sich 
auch  über  Gegenstände  des  bürgerlichen  Lebens  auszu- 
breiten anfing.  Unter  den  Schriftstellern  dieses  Jahr- 
hunderts zählt  man  einige  sogar  aus  dem  höhern  Adel ; 
die  verscheuchten  Musen  kehrten  nach  Pannonien  zu- 
rück, und  die  slowakischen  Dichter  fingen  an  auch  ir- 
disches Weh  und  Wol  zu  besingen.  Während  aber  die 
protestantische  Partei  die  böhmische  Mundart  als  Schrift- 
sprache unter  den  Slowaken  rein  zu  erhalten  beflissen 
war;  verliessen  einige  katholische  Schriftsteller  die  frü- 
herhin  ohne  Zweifel  auch  von  ihnen  festgehaltene  Bahn, 
und  versuchten  in  der  slowakischen  Volksmundart  zu 
schreiben.  Denn  dass  die  frühern  katholischen  Schrift- 
steller unter  den  Slowaken  sich  der  bis  dahin  herrschen- 
den,   geregelten    böhmisch  -  slowakischen   Schriftsprache 

25* 


388 

bedient  haben,  daran  ist  gar  nicht  zu  zweifeln*,  diess 
wird  sich  erweisen,  wenn  wir  dereinst  die  ältesten  slo- 
wakischen Schriften  vollständiger  kennen  werden.  Schon 
im  J.  1718  gab  Pater  Alex.  Mäcsay,  ein  Pauliner, 
seine  Predigten  zu  Tyrnau  in  der  gemeinen  slowakischen 
Sprache  heraus.  Ihm  folgten  die  Tyrnauer  Jesuiten  mit 
ihren  Gebet-  und  sonstigen  Religionsbüchlein,  die  zwar 
im  Ganzen  noch  immer  böhmisch  sind,  aber  im  Einzel- 
nen schon  ein  Sprachgemiscli  ohne  Consequenz  darstel- 
len. Nun  versuchten  es  .Jos.  Ign.  Bajza  (1783),  Ant.  Ber- 
noläk  (1787-91)  und  Ge.  Fandli  (1790)  die  slowaki- 
sche Mundart  in  Gang  zu  bringen.  Nicht  so  dachten  die 
Protestanten,  denen  diese  Neuerung  für  die  Cultur  der 
Sprache  nachtheilig  schien.  Während  sich  um  Bernoläk 
und  Fandli  eine  literarische  Gesellschaft  in  dem  Tyr- 
nauer, Neitraer  und  Trencsiner  Bezirk  bildete,  deren 
Glieder  sich  zur  Abnahme  der  bernolakisch-slo wakischen 
Bücher  verbunden  hatten,  traten  auch  die  protestanti- 
schen Slowaken  zusammen,  und  errichteten  aus  eigenen 
Mitteln,  durch  freiwillige  Beiträge  der  Gemeinden,  der 
Geistlichkeit  und  anderer  Slawenfreunde  im  J.  1803  das 
Institut  der  böhmisch-slowakischen  Sprache  und  Litera- ' 
tur  mit  einer  Lehrkanzel  für  dieselben  am  evangelischen 
Lyceum  in  Pressburg,  dessen  Zweck  die  Reinhaltung  der 
böhmischen  Schriftsprache  und  Verbreitung  nützlicher 
Religions-  und  Volksbücher  unter  den  Slowaken  war.  Hr. 
Ge.  Palkowic  ward  als  Professor  und  Secretär  des  Insti- 
tuts nach  Pressburg  berufen.  Einen  schönen  Tag  schien 
der  herrliche  Morgen  zu  verkündigen  —  die  in  den  er- 
sten Jahren  der  Anstalt  mit  musterhafter  Correctheit  her- 
ausgegebenen zahlreichen  Schriften  erregten  grosse  Hoff- 
nungen; aber  bald  zogen  auf  dem  mittägigen  Himmel 
düstre  Wolken  herauf  —  das  Institut  war  nur  ein  Men- 
schenwerk, —  es  zerfiel,  nachdem  es  kaum  da  gewesen. 
Vergeblich  bemühten  sich  die  Hrn.  Lowich  und  Tablic 
dasselbe  durch  die  1812  neugebildete  slowakische  Ge- 
sellschaft zu  ersetzen;  auf  den  schnell  verflogenen  Auf- 
schwung der  Gemüther  folgte  ein  Indiflferentismus,  auf 
diesen  eine  totale  Lethargie.  Seitdem  fahren  einige  we- 
nige protestantische  Schriftsteller  fort,  sicli  als  Dilettan- 


389 

teil  unter  den  Deckflügeln  der  böhmischen  Literatur  dein 
Dienste  der  slawischen  Muse  zu  widmen;  während  die 
Katholischen,  deren  wachsender  Eifer  für  die  Empor- 
bringung  der  slowakischen  Literatur  nicht  genug  zu 
rühmen  ist,  mit  Ausnahme  einiger  Wenigen,  entschlos- 
sen zu  seyn  scheinen,  den  von  Bernolak  vorgeschlage- 
nen Weg  zu  verfolgen.  Diesem  Eifer  leuchtet  ein  er- 
habenes Bild  vor  in  dem  edlen  Sinn,  mit  welchem  Se. 
fürstl.  Gnaden,  Herr  Alexander  v.  Rudna  und  Divek- 
Ujfalu,  Primas  und  oberster  geh.  Kanzler  d.  Kgr.  Un- 
gern, Erzbischof  zu  Gran  u.  s.  w.  (geb.  in  Heilig.-Kreutz 
an  d.  Waage,  Neitr.  Com.,  den  4.  Oct.  1760),  selbst  ein 
gründlicher  Kenner  der  slaw.  Sprache,  die  natürlichen 
unveräusserlichen  Rechte  derselben,  als  der  Mutterspra- 
che eines  grossen  Theils  des  seiner  geistigen  Obhut  an- 
vertraueten  Volks,  ehrt.  Beweis  dessen  sind  die  von 
Hochdemselben  früherhin  in  slow.  Sprache  gehaltenen 
zahlreichen  geistlichen  Reden,  deren  einige  zu  Tyrnau 
804.  in  Druck  erschienen  sind  und  die  Herausgabe  des 
grossen  Bernoläkischen  W'örterbuchs,  das  ohne  seine  gü- 
tige Fürsorge  schwerlich  das  Tageslicht  erblickt  hätte.  ~ 
Es  wäre  zu  wünschen,  dass  aus  diesen  vereinzelten  Be- 
mühungen sowol  der  katholischen,  als  auch  der  prote- 
stantischen slowakischen  Schriftsteller,  durch  gegenseiti- 
ge Anschliessung  im  Geiste  echter  christlicher  Liebe  und 
slawischer  Milde,  durch  ruhige,  parteilose  Forschung 
und  Beachtung  des  bereits  gut  Begründeten,  mit  der 
Zeit  eine,  alle  billige  Forderungen  aufgeklärter  Nationa- 
len befriedigende,  slowakische  Schriftsprache  hervorge- 
hen möchte,  bei  der  zwar  in  der  Regel  die  böhmische 
Grammatik  als  Grundnorm  angenommen,  aber  zugleich 
auch  die  Natur  der  slowakischen  Landesmundart  bei  der 
Aufnahme  einheimischer  Wörter,  Phrasen  und  Biegun- 
gen so  weit  berücksichtigt  werden  müsste,  dass  dadurch 
der  Styl  ein  eigenthümliches,  echt— slowakisches  Colorit 
erhielte,  um  einerseits  den  Bedürfnissen  des  slowaki- 
schen Volks  anpassend  schreiben  zu  können,  anderer- 
seits aber  den  gegenseitigen  Literaturverkehr  zwischen 
den  Böhmen  und  Slowaken  zum  wahren  Wol  beider 
Brüder  -  Völker    auch  in    der    Zukunft  fest  zu  erhalten. 


390 

Es  ist  hier  übrigens  nicht  der  Ort,  den  Gebrauch  der 
böhmischen  Schriftsprache  unter  den  Slowaken  beweis- 
führend in  Schutz  zu  nehmen  —  ich  verweise  in  dieser 
Hinsicht  auf  eine  andere  Schrift  ^^)  — ;  nur  so  viel  will 
ich  sagen,  dass  so  lange  in  den  slowakischen  Schulen  nur 
das  Lateinische  u.  Ungrische  getrieben,  und  der  Jugend 
in  der  slowakischen  Schriftsprache  kein  Unterricht  er- 
theilt  wird,  so  lange  ferner  die  jungen  slowakischen  Theo- 
logen und  künftigen  Schullehrer  die  Regeln  der  böhmisch- 
slowakischen Literalsprache  nicht  auf  ihren  Gymnasien  u. 
Lyceen  Jemen  werden,  die  böhmisch-slowakische  Spra- 
che und  Literatur  in  Ungern  nie  die  Sache  des  slowaki- 
schen Volks,  sondern  immer,  wie  jetzt,  nur  der  Gegen- 
stand der  Beschäftigung  einiger  wenigen  Liebhaber  seyn 
wird.  Was  aber  bei  der  bekannten  Indolenz  der  Slowaken, 
vorzüglich  des  Adels,  gegen  ihre  angestammte  Sprache, 
und  dem  aus  einem  missverstandenen  Interesse  der  ma- 
gyarischen Patrioten,  die  ihre  Literatur  erst  auf  den  Rui- 
nen des  Slowakismus  in  Ungern  recht  aufbaiien  zu  kön- 
nen vermeinen,  herrührenden  Drucke  hievon  zu  erwar- 
ten sey,  ist  leicht  zu  errathen.  Von  den  Schriftstellern 
dieser  Periode  nennen  wir:  Math.  Bei  aus  Ocowa,  Pred. 
in  Pressburg,  (geb.  1684,  gest.  1749),  einer  der  gröss- 
ten  Literaturen  üngerns,  besorgte  mit  Dan.  Krman  eine 
neue  Ausg.  der  Bibel,  Halle  722.  8.,  des  N.  T.  Halle 
709.,  übersetzte  Arndts  Paradiesgärtlein  720.  12.,  des 
Cellarius  lib.  memor.  lat.  probatae,  Lpz.  s.  a.  8.,  Flos  me- 
dicinae  schol.  Salern.,  Pressb.  721.  —  Dan.  Krman,  Su- 
perintendent (geb.  1663,  gest.  1740),  ein  um  die  slowa- 
kische Literatur  hochverdienter  Mann,  gab  1722  mit 
Bei  die  Bibel,  1734  (s.  1.)  Agenda  ecclesiastica  slavica, 
1738  den  kleinern  und  grössern  Katechismus  Luthers 
und  andere  kleinere  Schriften  heraus ;  mehreres,  als  :  Ru- 
dimenta  gramm.  slav.,  de  Slavorum  orig.  dissert.,  hin- 
terliess  er  in  Msc.  —  Ge.  Ambrosivs,  Superintendent, 
aus  Unter-Kubin  in  Arva  (gest.  1746),  ausgezeichnet 
durch  seine    Frömmigkeit,    Gelehrsamkeit  und  Wolreden- 

'^)  S.  die  Vorr.  zu  Pjsiie  swetske  lidu  slow,  w  ühfjch  (Pesth  823), 
wo  die  Gründe  für  die  Bcibelualtung  der  böhm.  Schriftspraciie,  jedoch  mit 
gebi'fhrender  ßcrUcksicktiijurKj  des  slowak.  Idioms  und  seiner  natürlichen 
Rechte,  mit  überzeugender  Klarheit  aufgezählt  werden. 


391 

beit,  schrieb  Erläiiteriiiigeii  über  Luthers  Katechismus, 
gab  1742  (N.  A.  1778  in  Pressb.)  Prjprawa  k  siiirti,  u. 
1745  Gädro  kfest.  ew.  ucenj,  in  Brieg  od.  Wittenberg 
heraus.  —  Ge.  Ba/itjf,  aus  Perlatz  in  Göiiiör  (gest.  1759), 
gab  die  Sonn-  und  Festtags-Epistehi  und  Evangelien  in 
Leutschau  heraus,  schrieb  eine  Einl.  ins  A.  u.  N.  Test., 
eine  Gesch.  der  symbolischen  Bücher,  eine  Erklärung  der 
dunklen  Wörter  des  A.  u.  N.  Test.,  half  bei  der  Heraus- 
gabe des  Komenskyschen  Orbis  pictus  u.  s.  w.  —  Math. 
Bahyl,  Pred.  in  Cserencs,  u.  seit  1734  in  Eperies,  be- 
kannt durch  seine  widrigen  Schicksale,  die  er  sich 
durch  die  Uebersetzung  von  Meissners  Consultatio  or- 
thod.  de  fide  Lutherana  capessenda  et  Romana  deserenda 
und  von  Cyprians  Belehrung  vom  Ursprung  und  Wachs- 
thum  des  Papstthums,  unter  dem  Namen  Theodorus  von 
Hybia,  W^ittenberg  1745  8.,  zugezogen.  —  Paul  Jaco- 
baei,  Pred.  zu  Slodern  (geb.  1695,  gest.  1752),  ein 
fruchtbarer  Schriftsteller,  dessen:  Zahrädka  dusj  ne- 
mocnych,  s.  1.  (Puchow)  1733.  12.,  Ewang.  Fuuebräl, 
Pressb.  783.,  (enthält  auch  von  andern  Vff.  Lieder),  und 
Modlitebnj  poklad  s.  1.  (Zitau)  732.,  am  meisten  be- 
kannt sind.  —  Sam.  Hrnskowic,  Superintendent,  (gest. 
1748),  der  Geliert  der  Slowaken,  bereicherte  Tranows- 
kys  Cithara  mit  88  Liedern,  Laubau  745.  8.,  und  be- 
sorgte eine  neue  Ausg.  des  Luth.  Katech.  735.  —  ßlafh. 
Bodo  aus  Rima-Bänya  in  Klein-Hont,  Advocat  u.  Fiscal 
(gest.  nach  1757),  gab:  Zwuk  ewangelium  wecneho  743. 
12.  heraus;  anderes  hinterliess  er  in  Msc.  —  Joh.  Bla- 
sius  der  Aeltere,  zuletzt  Pred.  in  Trencsin  (gest.  1749), 
liess  4  asketische  Schriften  in  den  J.  1739-45  drucken, 
schrieb  ausserdem  Kirchenhymnen.  —  Joh.  Blasius  der 
Jüngere,  Pred.  in  Gross-Paludza  (geb.  1703,  gest.  1773), 
ist  Vf.  von  einem  Gebet-  (756.  12.)  und  Gesangbuch 
756.  12.  —  Fat.  Alexander  Macsay,  ein  Pauliner,  gab 
s.  Predigten  zu  Tyrnau  718.  4.,  mit  der  Bemerkung  auf 
dem  Titel:  w  slowenskem  gazyku  poneyprw^  na  swetlo 
wydane,  heraus.  —  Joh.  Glosüis  aus  Pondelok,  zuletzt 
Pred.  in  Aszöd  (gest.  um  1724),  besorgte  ein  Gesang- 
(s.  1.  et  a.)  und  ein  Gebetbuch  (eh.),  und  verfasste  ein- 
zelne Kirchengesänge.  —  Paul  Dolezal  aus  Skalic,  zuletzt 


392 

Precl.  in  ßoca,  Vf.  mehrerer  slowakischen  Sprachhücher. 
Gramm,  slavo-boh.,  Pressb.  746.  8.,  Doiiatus  lat.-slav., 
Pressb.  748.,  Sama  ucjcj  abeceda  a  slabikar,  mit  Fig.  756., 
gab  Denksprüclie  aus  der  Bibel  in  Reimen,  s.  1.  745.  her- 
aus, anderes  hinterliess  er  handschriftlich.  —  Joli.  Clira- 
sfi'na,  Lelirer  in  Fressburg  um  1757,  besorgte  mehrere 
Jahre  lang  die  Herausgabe  eines  brauclibaren  Kalenders, 
schrieb  komische  Erzäblungen  vom  Gelo  und  Taubmann 
in  Reimen,  herausg.  v.  Tablic,  8kalic  805.  12.  —  Math. 
Aiigustini,  zuletzt  Fred,  in  Trencsin  (gest.  1753),  ver- 
fasste  einige  Kirchenlieder,  und  drei  asketische  Werke. 
—  Mart.  Laucek  aus  St.  JMartin  in  Thuröcz,  Fred,  in 
Skalic  (geb.  1732,  gest.  1802),  ein  fleissiger  slawischer 
Schriftsteller,  von  dessen  5  theologischen  Werken  vorzüg- 
lich: Slowärne  aneb  konkordancj  biblicka,  Pressb.  791.  4. 
bekannt  ist.  —  Paul  Tesclilak  aus  Sohl,  Fred,  in  Orosz- 
lan  (geb.  1759,  gest.  1801),  ist  Vf.  mehrerer  metrischer 
Gedichte,  die  einzeln  erschienen  sind.  —  Mr.  Dan.  Je- 
seiisky  gab  ebenfalls  einzelne  Gedichte  vermischten  In- 
halts heraus.  Dan.  Sarforitfs,  Fred,  in  Neusohl  (geb. 
1704,  gest.  1763),  gab  3  theologische  Werke  heraus.  — 
Math.  Markowtc,  Fred,  in  Szarvas  (geb.  1707,  gest.  1762), 
ist  Vf.  von  6  Schriften,  worunter  eine  Geographie  und 
Geschichte  von  Ungern  in  Reimen.  —  Joh.  (Jernatisky, 
Fred,  in  Nieder-Strehovva  (1709-1766),  gab  2  Erbau- 
ungsbüchlein heraus.  —  EL  MUnärowych,  Bürger  in 
Kesmark  zu  Anfange  des  XViU.  Jahrls.,  verfasste  eben- 
falls zwei  asketische  Büchlein.  —  Joh.  Podtnanicky  von 
Aszöd  unterstützte  freigebig  die  Herausgabe  von  Gesang- 
und  Gebetbüchern,  und  fügte  denselben  mehrere  eigene 
Lieder  bei.  —  Joli.  Ambrosy,  Stuhlrichter  in  Arva,  gab 
1780  ein  asketisches  Werk  unter  d.  T.  Skola  Kristowa 
12.  heraus.  —  Joh  Zineskal  von  Domanowce  und  in  Le- 
stiny,  Vice-Gespan  des  Arver  Comitats,  ist  Vf.  der  Skola 
Jobowa  781.  8.  —  Balfh.  Ponyrdtz  von  St.  Miklös  und 
Ovar  ,  mehrerer  Gespanschaften  Gcrichtstafelbeisitzer, 
übersetzte  des  Amadeus  Kreuzbeck  asketisches  Werk  un- 
ter dem  Titel:  Fobozna  premyslowänj,  Pressb.  783.  8.  — 
Andr.  Demian  aus  Trencsin,  Advocat  ,  (gest.  1799), 
schrieb  Gelegenheitsgedichte    voll  spielenden  Witzes  und 


393 

iiiniiteier  Laune,  heraus^,  v.  Tablic  im  2.  B.  der  Slow. 
Wersowci.  Waizeii  800.  12.  —  Sam.  Mlcli<ilides,  Su- 
perintendent des  ßergdistricts  seit  1732,  iibers.  das  Sum- 
niarinn»  biblicum  der  Wittenberger  Theologen  ans  dem 
Tentschen,  730.  4  Bde.  —  Elias  Müec,  übers.  Haasens 
Paraphrase  des  X.  Test.,  gedruckt  auf  Kosten  des  slow. 
Instituts,  Pressb,  807-  2  Bde.  4.  —  Mich.  Blasius,  schrieb 
mehrere  asketische  Werke,  darunter  einen  Katechisnnis 
nach  Kautenberg.  —  Dan.  Lehocky  gab  ein  Werk  über 
die  Erziehung  heraus,  Pressburg.  786.  8.  —  El.  Marcek 
schrieb:  0  zitnem  kwetn,  Pressb.  768.  8.  —  Ani.  Bernoläk 
aus  Arva,  Pfarrer,  zuletzt  in  Ersek-Ujvär  (gest.  1813), 
trat  als  Apologet  der  slowak.  Landesmundart  auf,  und 
gab  in  Druck  heraus :  Dissert.  de  literis  Slavorum,  Poson. 
787.  8. ;  Gramm,  slavica,  Poson.  790.  8.,  ins  Teutsche 
übers,  v.  Andr.  Bresfyaiisky,  Pfarrer  zu  Soosküt,  Of.  817. 
8.;  Etymologia  vocum  slavicarum,  Tyrn.  791.  8.-,  in  der 
Handschrift  hinterliess  er  ein  slowakisch. -böhm.-lat.-teutscli- 
ungrisches  Wß.,  wovon  bereits  1  Bd.  8.  Of.  825  erschie- 
nen ist,  und  die  übrigen  3  noch  nachfolgen  sollen.  —  Ge. 
Palkowic,  Domherr  und  Propst  in  Gran,  ein  gebilde- 
ter, kenntnissreicher  Freund  und  Pfleger  slawischer  Stu- 
dien, verfertigte  zu  dem  obengenannten  W^B.  von  Ber- 
noläk den  4  Bd.,  enthaltend  ein  lateinisches  Repertorium, 
wodurch  das  Werk  auch  für  die  lat.  Sprache  brauchbar 
wird,  und  Hess  ausserdem  mehrere  slowakische  W^erke 
fremder  Verfasser  auf  eigene  Kosten  drucken.  —  Ge. 
Fiindli ,  Pfarrer  in  Nahac ,  ein  sehr  eifriger  Slawe, 
Anhänger  Bernoläk's,  gab  herans:  Pilny  hospodär,  in 
4  Th.  Tyrnau  792.  —  Jos.  Ign.  Bajza,  Cwicenj  po- 
boznosti  ,  ein  Gebetbuch  ;  Präwo  o  ziwenj  faräruw, 
Obrana  blahosl.  P.  Marie;  Wiesele  ucinky  a  recenj  k 
sträwenj  truchliwych  hodin ;  0  Epigrammatech ,  Zilin 
794.;  Krestansko  katolicke  näbozenstwj,  5  Th.  eb.  789- 
796.  8.  —  Adalb.  Gazda,  ein  Francisc,  schrieb:  Zrele 
owoce  slowa  bozjho,  in  2  Th.  eb.  796.  8.;  Zahrada 
kwetnä,  in  2  Th.  eb.  798.  8.;  Dwanäctero  käzanj,  Skalic 
798.  8.,  überdiess  noch  mehrere  Predigten  in  6  Gänge 
eiugetheilt,  worunter  der  erste  den  Titel:  Bolestne  sta- 
.zowänj    Kr.  P.  führt,    2  Bde.  Tyrnau  799  —  801.  8.  — 


394 

Pefr.  Zdborsky ,  Notar  und  Lehrer  in  Tsik-Tartsa, 
»;ab  heraus:  Staw  sedlacky  a  geho  chwala,  Waitzen  795. 
—  Ge.  Lessiik ,  gab  lieraus :  Umenj  poctii ,  Pressb. 
779.  —  G.  P.  übersetzte:  Opäta  Petra  Metastasio  du- 
chowne  diwadio,  Tyriiau  801.  8.  —  ^nf.  Bencsics,  gab 
Manna  spasitelna  in  4  Th.  heraus.  —  Andr.  Meszdros, 
Abt  und  Domherr  in  Neitra,  schrieb  mehrere  Gebetbü- 
clier  und  Predigten,  Ucenj  fjmskeho  katolickeho  näbo- 
zenstwj,  und  Ziwot  Tobiäse.  —  Mich.  Klimko,  verfass- 
te:  Krizant  a  Daria ,  smutnä  hra.  —  Theoph.  Keliny, 
Arzt  im  Tluiroczer  Comit. ,  Poncenj  o  piiwode,  pri- 
rozenj  a  zastepowänj  chränjcjch  sypanic,  aus  dem  üngr. 
des  Doct.  ßene,  in  Schemnitz  804.  —  Andr.  Turzo, 
Pfarrer  in  Kljs,  lieferte  e.  Ueberstzg.  u.  d.  T.  PrjkJadne 
a  obzlastne  liistorie,  Tyrnau  807.  —  Fr.  Habet,  Pfar- 
rer in  Dubnic,  gegenwärtig  Abt  und  Domherr  in  Nei- 
tra, gab:  Kniha  o  näsledowänj  P.  Kr.,  und  Katechis- 
mus, ebenfalls  Uebersetzungen ,  in  Druck  heraus.  — 
Ge.  Ryhay,  zuletzt  Pred.  in  Torzsa  Bäcser  Comitat 
(  gest.  1812  ) ,  ein  unermüdet  fleissiger  Slawist, 
dessen  Bücher-  und  Handschriften- Sammlung  an  Hrn. 
V.  Jankowic  in  Pesth,  das  slowak.  Idiotikon  aber  an 
Hrn.  Palkowic  in  Pressburg  käuflich  gekommen  ist, 
gab:  Katechismus  o  zdrawj,  Pesth  795.  8.,  und  Pra- 
wddla  moresnosti  a  zdworilosti,  eb.  795.  8.  heraus.  — 
Sfeph.  Dehick,  Pred.  in  Acsa,  gab  ein  Sittenbüchlein 
für  die  Jugend  heraus.  —  Aug.  Dolezal,  Pred.  in  Sucan 
(geb.  1737,  gest.  1802),  schrieb  mehreres  in  Versen, 
darunter :  Pametnä  celemu  swetu  tragoedia,  Skalic  791. 
8.  —  31ich.  bistiforis  Moschötzy,  Pred.  in  Pressburg 
(geb.  1733,  gest.  1803),  ausgezeichnet  durch  Frömmig- 
keit und  Gelehrsamkeit,  schrieb  10  Werke  in  slaw.  Spra- 
che, andere  begleitete  er  mit  einer  Vorr.  od.  mit  An- 
merkungen. —  Dan.  Bocko,  Pred.  in  Szarvas  (geb.  1751, 
gest.  1806),  ist  Herausgeber  von  5  slaw.  Schriften.  — 
Joh.  Tonsorts,  Prediger  in  Istebna,  gab  1746  in  Wit- 
tenberg eine  Einleit.  in  die  h.  Schrift,  und  1771  in  Ska- 
lic ein  medicinisches  Werk:  Zdrawä  rada  lekarska,  her- 
aus. —  Sa?n.  Ceriiansky,  Pred.  in  Bäth  (geb.  1759, 
gest.  1809),  gab  Gellerts  geistliche  Lieder,   Pressb.  787, 


395 

8.,  eine  bölim.-slow.  Orthographie,  Scheuinilz  802.  12., 
und  die  Lebensbeschreibung  des  Gr.  Benowsky,  Pressb. 
808.  8.  heraus.  —  Job.  HriUicka,  Pred.  in  Maglod  (geb. 
1741),  und  Math.  Sciudek,  Pred.  in  Theissholz  (geb. 
1748),  machten  sich  durch  mehrere  einzelne  Gedichte 
und  Gelegenheitsscliriften  bekannt.  —  /.  Procopivs,  Med. 
Doct.  in  Skalic  (gest.  um  1808),  übers.  Tissots  Zpräwa 
pro  lid  obecny  z  franc,  Skal.  788.  8.,  hinterliess  in  Msc. 
ein  slawisch-lateinisches  Wörterb.  in  2  Foliobänden  (in 
Pesth  b.  Antiquar  Iwanic),  eine  Gesch.  d.  Hussiteukriegs, 
Msc.  in  4.,  Biographie  des  Kg.  Podebrad  Msc.  4.,  Gellerts 
Sittenlehre  Msc.  4.  —  Mich.  Semian,  Pred.  in  Pösing 
(geb.  1741)  ein  verdienter  Schriftsteller,  gab  1787  die 
Bibel  in  Pressburg,  1786  eine  Gesch.  von  Ungern,  1790 
einen  Roman:  Kartigam  a.  d.  Ungr.,  u.  a.  m.  heraus.  — 
Andr.  Plachy  aus  Wrbowka,  Honter  Gesp.,  Pred.  in 
Neustädtl  (geb.  1755),  einer  der  fruchtbarsten  slowa- 
kischen Schriftsteller ,  erwarb  sich  den  Dank  seiner 
Sprach-  und  Glaubensgenossen  durch  folg.  Schriften : 
Stare  nowiny,  e.  Zeitschr.  belehrenden  und  unterhalten- 
den Inhalts,  Neusohl  785  -  86.  8.,  Agenda  ecclesiastica 
slavica  A.  C.  Neusohl  789.  4.,  Cithara  Sanct.  v.  Tranowsky, 
Ewang.  Funebräl  798.  8.,  Kochänj  s  Bohem  w  rannjch 
hodinäch,  a.  d.  Teutschen  des  Chr.  Sturm  790.  8.,  Po- 
stilla  domownj  805.  2  Bde.  8.  u.  ni.  a.  —  Steph.  Leska 
aus  Wrbowce,  (geb.  1757,  gest.  1818),  1786-98  Su- 
perintendent der  böhmischen  Gemeinde  A.  C,  zuletzt 
Prediger  in  Kis  -  Koros,  ein  vorzüglicher  Kenner  der 
slawischen  Sprache,  schrieb  mit  musterhafter  Correct- 
heit ;  s.  Hauptschriften  sind :  Nowä  kniha  zpewu,  Pr. 
796.  8.  Uwedenj  ku  gruntownjmu  poznänj  krest.  nä- 
bozenstwj,  a.  d.  T.  des  Sup.  Fock,  Pr.  798.  12.,  Pocä- 
tecne  cwicenj  w  näbozenstwj,  eb.  a.  d.  T.,  Pr.  797.  12. ; 
er  schrieb  die  erste  slowakische  Zeitung:  Prespurske 
nowiny  785.  ff.,  übers,  den  Robinson  für  Kramerius, 
Pr.  808.  8.,  sammelte  fleissig  für  die  böhm.  u.  slowak. 
Lexicographie  (für  Hrn.  Dobrowsky,  Palkowic),  hin- 
terliess einen  Elenchus  vocabulorum  europaeorum  cum- 
primis  slavicorum  magyarici  usus,  gedruckt  Ofen  825.  8. 
und   Blumauers    travestirte    Aeneis    Ir.    Gesang.  —  Jos. 


396 

Kubänyi,  Pfarrer  in  Cifer,  ist  Verfasser  zweier  Ueber- 
setzungeu  u.  d.  T.  Nabozne  nauceuj  k  uzitkii  obeciie- 
lio  liclu ,  Tyrnau  818.  8.;  Pbilothea  aiieb  wyiiauco- 
vvänj  k  zivvotu  pobozneiiiii  ,  Pressbiirg  822.  8.,  ei- 
nes Gebetbüclileins  für  Kranke,  eb.  818.  8.,  und  meh- 
rerer Gelegenheits  -  Predigten.  —  Andr.  Pazdr,  Pre- 
diger in  Csetnek,  übersetzte  Seilers  Religion  der  Un- 
mündigen, Eperies  791.,  J.  F.  Jacobs  prwnj  pravvdy 
vvjry  a  povvinnosti  krest.  näbozenstwj,  Rosenau  822.  8. 
—  Jo/i.  Glosius,  Pred.  in  Rester,  schrieb  über  die  Bie- 
nenzucht, Neusohl  792.  8.  —  Mart.  Riidnch,  Schulleh- 
rer in  Rekenye,  gab  ein  Rechenbuch  heraus,  Pressb.  776. 
8.  —  Joli.  Fejes,  Comitats- Assessor  und  der  evang.  Ge- 
meinden in  KI.  Hont  Inspector  (gest.  1823),  ist  Vf.  des 
lllas  wolagjcj  k  sedlakiun,  Pr.  808.  8.  —  Paul  Schrainko, 
Prediger  in  Klenotz  (geb.^1743),  gab  einige  kleine  Schrif- 
ten heraus,  worunter:  Ceskoslow.  grammatika  aneb  li- 
ternice,  eig.  nur  eine  Orthographie,  Pressb.  805.  8.;  ver- 
fertigte in  Msc.  ein  griechisch-slawisches  Wörterb.  3  Bde. 
fol.  u.  s.  w.  —  Paul  Walashij  (geb.  1742,  gest.  1824), 
Pred.  in  Jelsawa  (Eltsch)  und  Senior,  Vf  einer  Litera- 
turgeschichte V.  Ungern  in  lat.  Sprache,  liess  mehrere 
slow.  Predigten  drucken.  —  Ladisl.  Bartholomaeides, 
Prediger  in  Ochtina,  (gest.  1825}  ein  unermüdeter,  gelehr- 
ter Forscher  und  Schriftsteller,  der  ausser  mehreren 
lat.  Werken,  in  böhmischer  Sprache  folg.  herausgege- 
ben: Hist.  0  Americe,  Pressb.  794.  8.;  Geografia,  Neu- 
sohl 798.  8.;  Hisl.  pi'irozenj,  Of  798.  8.;  auch  besorgte 
er  einen  neuen  Abdruck  von  des  P.  Hradecky  Aquilinas: 
Flavia  Josefa  o  wälce  zidowske  knihy  VII. ,  Leutschau 
805.  8.  —  Marl.  Pdn,  Prediger  in  Töth-Pröna  (gest. 
1814),  schrieb:  0  hogenj  dobytka  Neus.  808.  —  Joh. 
Mojzisowic ,  Prediger  in  Pribötz  schrieb  :  Zprawa  o 
besnosti,  Nous.  1803  und  einige  Verse  u.  Predigten.  - 
JoIl  Scliulek,  Prediger  in  Sobotist,  gab  mehrere  Schul- 
bücher heraus,  Grammatika  latinskä  ,  Katechismus,  0 
ohni  a  delanj  habanskych  slamenych  strech,  cb.  804.  - 
Ge.  Füredy,  Prediger  in  Peterka,  übersetzte  RalTs  Na- 
turgeschichte, im  Msc,  liess  einige  Reden  drucken.  — 
Mart.    Hamaljar,    Superintend.    u.    Prediger  in  Szarvas 


397 

(gest.  1812),  gab  eine  Agenda,  l.  g.  Porädek  prac  cjr- 
kewnjch,  Schemnitz  798.  heraus;  verfasste  eine  kurze 
Geschichte  d.  christl.  Kel,  und  mehrere  Aufsätze.  —  Ge. 
üolli ,  Neitraer  Domherr ,  gab :  Kancionäl  slowensky 
und  mehrere  Predigten  heraus.  —  Sam.  BorowsJxij, 
Prediger  in  Schovve,  schrieb:  Historie  biblicke  stareho 
zakona,  die  im  Msc.  auf  d.  Druck  warten.  —  Grisa, 
Prediger  in  Pösing,  (tbersetzte  Herders  Katechismus.  — 
Paw.  Hawas,  Schullehrer  in  Eltsch,  verfasste  Katech. 
D.  M.  Lut.  s  wykladem,  Pesth  825.  —  G.  Jankowic, 
Schullehrer  in  Czinkota,  gab  heraus:  Potrebna  sprävva 
pro  mladez,  Of.  803.  —  Sam.  Roinay,  Pred.  in  Neu- 
sohl (gest.  1815),  ein  classisch  gebildeter  Geist,  in  der 
Blüthe  seiner  Jahre  verblichen,  übers.  Anakreons  Ge- 
dichte a.  d.  Gr.,  Pr.  812.  12.,  Krasickys  komisches  Epos : 
Myszeis  a.  d.  Poln.  in  Hromädkos  Wiener  Zeitschrift 
1815  u.  m.  a.  —  Mich.  Sfaygel,  Pred.,  schrieb  eine  Me- 
thodik für  die  Schulen.  —  Joh.  Krmun,  Schullehrer  in 
Klenotz,  gab:  Wytah  z  geografie  uherske  zeme,  Leutsch. 
802.  8„  Wytah  ze  statistiky,  prawa  a  geografie  uherske 
zeme,  Leutsch.  803.  8.,  beides  in  Reimen,  heraus.  — 
Ge.  Palkowic  aus  Corono-Bänya,  Prof.  der  böhmisch- 
slow.  Sprache  u.  Liter,  in  Pressburg,  bereicherte  die  Li- 
teratur mit  mehreren  nützlichen  und  wichtigen  Schrif- 
ten: Musa  ze  slow,  hör,  Waitzen  801.  8.,  Hufelands  Ma- 
krobiotik,  eb.  800.  8.,  Znämost  wlasti,  Pressb.  804.  8.. 
Böhm.-teutsch-lat.  Wörterb.,  Pr.  u.  Pressb.  820-21.  2 
Bde.  8.;  er  besorgte  ferner  eine  correcte  Ausgabe  der 
Bibel,  Wien  808.  8.,  gab  1808-818  eine  slowak.  Zei- 
tung: Tydennjk,  und  seit  1801  einen  verbesserten  Ka- 
lender heraus.  —  Boh.  Tahlic,  Pred.  in  Egyhäz-Maröth, 
ein  fruchtbarer,  verdienstvoller  Schriftsteller,  dem  die 
slowak.  Literatur  die  Bereicherung  mit  mehreren  Avahr- 
haft  populären  Schriften  verdankt,  wir  nennen  hievon: 
ürcenj  cloweka,  a.  Spalding,  Pamelne  pi-jhody  Step.  Pi- 
lai'jka,  Skalic  804.  12.,  Slowenstj  wersowci,  Skalic  u, 
Waitzen  805-09.  2  Bdchen  12.,  Poesie  Waitzen  806-12. 
4  Bde.  8.,  Lidomil,  Waitz.  813.8.,  Diaetetika,  Waitz. 
819.  8.  —  Paul  Michalko,  Pred.  in  Irscha,  (gest.  1825) 
schrieb:    0  skodliwosti  powery,    mit  Anm.    v.    Institoris 


398 

Moscljötzy,  Fysika,  Of.  819.  8.  —  Marl.  Diirgala,  Lehrer 
in  Skalic,  gab  eine  teutsclie  Gramm,  in  slow.  Sprache 
heraus.  —  Andr.  Palumbim,  Precl.  in  Drasowce  (gest. 
1823)  schrieb:  Nowy  modlitebnj  poklad,  Pesth  823.  8.  — 
Joh.  Kolldr  aus  Thui'ocz,  Pred.  in  Pesth  (geb.  1793),  Hess 
eme  Sammlung  seiner  Gedichte  u.  Lieder:  Bäsne,  Pr.  821. 
8.,  ein  grösseres  lyrisches  Gedicht:  Släwy  dcera  in  ill. 
Ges.,  Of.  824.  12.,  mehrere  Predigten  u.  Abhandlungen 
einzeln  und  in  Krok,  Cjtanka  Of.  825.,  ein  Schulbuch  von 
mehreren  Mitarbeitern,  u.  s.  w.  drucken.  —  Joh.  v.  (Ja- 
plou'ic,  Güterinspector,  gab  e.  Samml.  slow.  Gedichte  ver- 
scbiedener  VfF.:  Slowenske  werse,  Pesth  822.  8.  heraus.  — 
A.  Szoltisz,  Studirender  d.  TheoL,  schrieb:  Pjsne,  und  Li- 
stownj  knizka,  Pressb.  823.  —  J.  Holli,  Pfarrer  in  Ma- 
dunic ,  übersetzte :  Rozlicne  bäsne  hrdinske ,  elegicke 
a  lyricke  z  Virgilia,  Teokrita,  Homera,  Ovidia,  Tirtea 
a  Horäce,  s  predstawenü  prozodiü,  Tyrnau  824.  8.  — 
Ja?i  Gegusch,  Prediger  in  Ocowa,  übersetzte  Kampe^s 
Kolumbus  aneb  wynalezenj  zapadnj    Indie,    Neusohl  825. 

—  Einzelne  bemerkenswerthe  Predigten  gaben  in  Druck 
heraus:  P.  Adulh.  Siniho,  Malli.  Blaho,  Paul  Stehlik, 
Joh.  Seherln}j,~  ':tfif.  Sfraka,  Joh.  Krcniery,  Mich.  Re- 
setka,  Sfeph.  Hamuljdk,  Aug.  Langhnffer,  Joh.  JeUjk; 

—  einzelne  Gedichte  oder  Aufsätze  lieferten :  Casp. 
Feje'rpulaky,  Paul  Jakuhowic,  J.  Korcek,  Mai.  Holko, 
Andr.  Scheliga,  Fizel,  u.  a.  m.  ^^) 

^*)  Quellen.  Ausser  A.  Horänyi  memor.  Hung.,  W.  775.  —  77.  3  Bde. 
8.,  nova  memor.,  Pesth  792.  8.  u.  F.  Walasky  conspect.  reip.  litt,  in  Hung., 
2  A.  Of.  808.  8.  (von  denen  jener  äusserst  dürftige  Notizen  von  einigen  slo- 
wak.  Schriftstellern,  dieser  nur  kahle  Namen  liefert),  vgl.  Versuch  e.  Gesch. 
d.  böhm.  slaw.  Sprache  in  Ungern,  in  den  W.  Anzeigen  3r  Bd.  773.  S.  164- 
171.  —  Boh.  Tahlic,  Pameti  ceskoslowenskych  bäsnjru,  in  s.  Poesien,  Wai- 
tzen  806  —  12.  4.  Bde.  8.  —  J.  Dobroxvsky  über  die  Lit.  d.  Slowaken,  in  der 
Slowanka  815.  2r  Thl.  S.  177  —  187. 


Dritter  Abschnitt. 

Geschichte   der  polnischen  Sprache  und  Literatnr. 

§.  47. 

Historisch  -  ethnographische  Vorbemeri<ungen. 

Die  heutigen  Bewohner  Polens,  ein  Zweig  des  sarma- 
tischen  Slawenstammes,  rückten  im  VI.  Jahrh.,  um  wel- 
che Zeit  die  Bulgaren  ein  Hordengedränge  an  der  Donau 
veranlassten,  in  die  Gegenden  an  der  Weichsel  ein,  nach- 
dem bereits  die  Lygier  von  da  westwärts,  und  die  An- 
ten in  die  heutige  Walachei  gezogen  waren.  Fridier 
schon  hatten  die  Littauer,  Stammverwandte  der  Letten, 
nach  einigen  ein  selbständiger,  nach  andern  ein  slawi- 
scher Volkszweig,  die  seit  dem  II — IV.  .lahrh.  von  den 
Gothen  und  Wandalen  verlassenen  Ostsee-  und  Weichsel- 
länder   besetzt.     Der    Name  Polen  ^)    erscheint    erst   am 

^)  Ueber  die  Etymologie  der  Wörter  Lech,  Polan  ist  verschiedenes 
vorgebracht  worden.  Lech  war  bei  den  alten  Böhmen,  noch  zu  Dalimils 
Zeiten,  ein  Appellativ ,  und  bedeutete  einen  freien,  edlen  Mann.  —  Das 
Wort  Polan  (Poliak)  kommt  nach  Boguphalus  entweder  vom  Polus  arcti- 
ctis,  od.  von  dem  Schlosse  Polan  in  Pommern  her ;  nach  Sarnicius  aber 
von  der  Stadt  Pola  in  Illyrien,  nach  Lengnich  von  den  Laziern ;  nach 
Orichovius  und  Schwabeuau  hingegen  soll  es  aus  Powlachien,  Powlach  zu- 
sammengezogen seyn,  und  ein  hinter  den  Wlachen  wohnendes  Volk  bedeu- 
ten. Die  wahre  Bedeutung  haben  schon  Gervasius  (1211)  u.  Hajek  (1541) 
angegeben :  inter  Alpes  Hunniae  et  oceanum  est  Polotiia,  sie  dicta  in  eo- 
rum  idiomate  quasi  Campania,  also :  Bewohner  der  Ebene,  der  Blachf ei- 
der. —  Lech,  Ijach  ist  bei  Nestor  ein  nomen  generis,  Poljan  ein  nomeu 
speciei:  Poljane  sind  bei  ihm  diejenigen  Ljachen,  die  in  der  Ukraine,  auf 
weiten  Blachfeldern ,  Lutitzer,  die  in  Vorpommern  um  Loitz  herum,  3fa- 
zowsane  die  in  Masowien,  Pomoriane  die  in  Pommern  wohnten.  Später 
vex'lor  sich  der  generische  Name  Ljach,  Ljachen,  und  der  Specialname  Poljan 
überging  auf  alle  lechische  Stämme.  —  üeb.  Lech,  als  Person,  s.  Schwa- 
benau  d.  ältesten  Slawen  im  Hesperus  1819. 


400 

Ende  des  X.  Jabrli.  als  ein  gemeinscliaftliclier  Name  der 
lecliischen  Slawenstäiiiine  an  der  Weichsel.  Die  Horden- 
liiiupter  der  Polen  vereinigten  sich  840  unter  einem  all- 
gemeinen Oberhaiipte,  einem  Herzoge,  der  Piast  geheis- 
sen  haben  soll,  dessen  Stamm  bis  ins  XIV.  .Jahrb.  herrsch- 
te. Durch  Berührung  mit  Teutschland  und  Böhmen  kant 
das  Christenthum  nach  Polen.  Mieczyslaw  Hess  sich  um 
965  taufen,  und  die  Bisthümer  Posen,  Gnesen  u.  Kra- 
kau  wurden  gestiftet.  Durch  die  Theilung  Boleslaws  III. 
1138  zerfiel  der  polnische  Staat  in  4  Länder:  Grosspo- 
len an  der  Warte,  Kleinpolen  an  der  obern  Weichsel, 
Schlesien  und  Masovvien.  Durch  innere  Zwistigkeiten, 
Kriege  mit  den  heidnischen  Preussen,  und  den  Einbruch 
der  Mongolen  (1240)  verfiel  Polen  in  einen  Zustand 
von  Kraftlosigkeit,  aus  dem  es  erst  Wladyslaw  Lokietek, 
der  Gross-  und  Kleinpolen  zu  einem  Königreich  verei- 
nigte (1320) ,  herausgerissen  hat.  Sein  Sohn  Kazimierz 
der  Gr.  unterwarf  sich  Rothrussland  (1340),  die  Pro- 
vinzen Podolien,  Wolynien,  Chelm  und  Beiz  (1349), 
musste  jedoch  die  Oberherrschaft  von  Schlesien  aufgeben. 
Nach  Kazimierzs  Tode  wurde  Polen  nach  und  nach  ein 
Wahlreich,  in  dem  der  Adel  allein  die  Nation  darstellte 
und  ausschliessend  alle  politischen  Rechte  ertheilte.  Des 
Kg.  Ludwig,  eines  Schwestersolines  Kazimierzs  des  Gr., 
Tochter,  Hedwig,  vermählte  sich  mit  .Jagiello,  Gross- 
herzog von  Littauen,  der  in  der  Taufe  den  Namen  Wla- 
dyslaw bekam,  und  Littauen  wurde  zuerst  abhängig 
von  Polen,  hernach  (1569)  demselben  völlig  einver- 
leibt. .Jagiello's  Sohn,  Wladyslaw  VI.,  blieb  in  der  Schlacht 
bei  Warna  1444,  und  der  Grossenkel  Zygmunt  IL  Au- 
gust scldoss  1572  seinen  Stamm.  Stephan  Bathory  nö- 
thigte  Russland  zur  Räumung  Lieflands  (1582);  auch 
Wladyslaw  VII.  behauptete  die  Würde  seiner  Kron(^ 
gegen  Russland,  und  dehnte  seine  Herrschaft  bis  weil 
über  den  Dnieper  hinaus;  aber  .Johann  Kazimierz  musste 
Lieiland  an  Schweden  (1660)  abtreten,  ein  Theil  der 
Kosaken  hob  (1654)  die  Verbindung  mit  Polen  auf  und 
begab  sich  unter  russischen  Schutz  (1654);  der  Chur- 
fürst  von  Brandenburg  entzog  Ostpreussen  der  polni- 
schen Lehensherrschaft  (1657),  und  die  Russen  nahmen 


401 

ihre  verlornen  Provinzen  jenseits  des  Diiiepers  wieder 
zurück  (1GG7).  Midi.  Wisniowiecki  verlor  Kaniienec 
und  Fodolien  an  die  Türken  ;  der  Heldenmutli  des  tap- 
fern Johann  Sobieski  schützte  zwar  die  pohlische  Ukraine 
gegen  türkische  Eroberung,  aber  Kleinrussland  iinisste 
an  Russland  abgetreten  werden  (1G86).  Lnter  August 
II.  (1697-733)  fiel  der  türkische  Antheil  von  Podolien 
und  Ukraine  an  Polen  zurück.  Nach  dem  Tode  des  zwei- 
ten sächsischen  Königs  August  IIL  (1733  —  63)  setzte 
die  russische  Kaiserin  Katharina  IL  die  Wahl  des  Sta- 
nislaus  Augustus,  Graf  v.  Poniatowski,  durch  (1764). 
Die  bürgerlichen  Rechte,  die  man  den  Dissidenten  oder 
Nichtkatholiken  einräumte,  verursachten  einen  Parteien- 
krieg, und  zogen  Polens  erste  Theilung  unter  die  drei 
Mächte  Oesterreich,  Russland  und  Preussen  nach  sich 
(1772);  Russland  nahm  das  Land  zwischen  der  Düna, 
dem  Dnieper  und  Drujec;  Oesterreich  das  nachmalige 
Ostgalizien  und  Lodomerien-,  Preussen  fast  ganz  Pol- 
nisch-Preussen  ,  ausser  Danzig  und  Thorn,  und  einen 
Theil  von  Grosspolen  bis  an  die  Netze;  das  fast  um  ein 
Drittheil  verminderte  Königreich  erhielt  eine  neue  Re- 
girungsverfassung.  Die  Polen,  die  ihr  Vaterland  w^ieder 
selbständiger  zu  machen  wünschten,  bestimmten  den  Kö- 
nig und  einen  grossen  Theil  der  Nation,  eine  neue  Con- 
stitution einzuführen  (1791).  Allein  diese  wurde  von 
Russland  und  Preussen  verworfen,  und  gab  Yeranlas- 
sungt  zu  der  zweiten  Theilung  Polens  (1793),  in  der 
Russland  5,614  0.  M.  in  der  Ukraine  und  Littauen  mit 
4,148,000  Einw.,  Preussen  aber  den  grössten  Theil  von 
Grosspolen  nebst  Danzig  und  Thoru  1,061  0.  M.  mit 
1,136,000  Einw.  hinwegnahm,  so  dass  die  Republik  nur 
noch  einen  Flächenraum  von  4,016  0.  M.  mit  3,512,000 
Einw.  behielt.  Im  .1.  1794  erhob  sich  die  Nation  aber- 
mals, und  Kosciuszko  trat  an  die  Spitze  der  Insurgenten, 
musste  aber  bald  der  vereinigten  Macht  von  Russland, 
Oesterreich  und  Preussen  unterliegen.  Polen  wurde  nun 
zum  drittenmal  und  gänzlich  getheilt  (1795);  Russland 
erhielt,  ausser  Kurland  und  Semgallen,  den  noch  übri- 
gen Theil  von  Littauen  und  Kleinpolen  bis  an  den  ßug, 
über  2.030  0.  M.  mit  1,177,000  E.,  Preussen  1000  0.  M. 

26 


402 

mit  940,000  E.,  und  Oesterreicli  834  0.  M.  mit  1,038,000 
E.;  Napoleons  Krieg  gegen  Preussen  (1806)  beforderte 
die  lusurrection  der  dieser  iMacht  unterworfen  gewese- 
nen Polen,  die  von  demselben  die  versprochene  Wieder- 
herstellung ihres  Reichs  erwarteten.  Der  Friede  zu  Til- 
sit (1807)  gab  dem  aus  preussisch-polnischen  Provin- 
zen (1850  0.  M.  mit  2,200,000  E.)  gebildeten  Herzog- 
thum  Warschau  seinen  Ursprung.  Hierauf  fügte  Napo- 
leon im  Wiener  Frieden  (1809)  Westgalizien  zu  demsel- 
ben, so  dass  es  nun  2778  0.  M.  mit  3,774,000  E.  ent- 
hielt. Die  Regirung  über  dasselbe  führte,  jedoch  ganz 
unter  dem  drückenden  Einflüsse  Frankreichs,  der  Kg. 
Friedrich  August  von  Sachsen.  Als  der  französische  Kai- 
ser den  Krieg  gegen  Russland  erklärte  (1812),  da  bil- 
dete sich  der  polnische  Reichstag  zu  einer  Generalcon- 
föderation  von  Polen,  und  erklärte  feierlich  die  Wie- 
derherstellung des  Königreichs,  und  den  Verband  der 
polnisch-litauischen  Nation  zu  einem  Staatskörper ;  al- 
lein als  Napoleon  in  Russland  seine  Kriegsmacht  einge- 
büsst  hatte,  drangen  die  Russen  (1813  Febr.)  in  das 
Hzgth.  Warschau  ein,  und  wehrlos  fiel  das  grausam  ge- 
täuschte Volk  dem  Sieger  in  die  Hände.  Aber  Alexander 
ehrte  mit  religiösem  Sinn  das  Völkerrecht  und  den  Geist 
der  Zeit;  der  natürlichen  Unabhängigkeit  als  Staat  schon 
längst  beraubt,  musste  zw^ar  das  politische  Schicksal  Po- 
lens dem  Staatszwecke  der  europäischen  Hauptmächte, 
die  als  Sieger  aus  dem  grossen  Kampfe  hervortratau  — 
sich  unterordnen  —  Preussen  bekam  dasjenige,  was  aus 
den  frühern  Tlieilungen  zu  Westpreussen  und  zum  Ne- 
tzedistrict  gehört  hatte,  zurück,  Westgalizien  fiel  eben- 
falls grösstentheils  an  Ostgalizien  zurück,  das  übrige, 
mit  Ausnahme  des  Gebiets  von  Krakau,  verwandelte 
sich  unter  russischem  Scepter  in  das  jetzige  Königreich 
Polen;  die  AUiirten  jedoch  gaben  dem  Volke,  was  vnch- 
tiger  ist,  als  politische  Macht,  sein  Volksthum  zurück: 
das  Daseyn,  den  Namen,  die  Sprache  und  eine  auf  die 
Idee  des  Rechts  und  der  Freiheit  gegrinidete,  nationale 
Verfassung.  Der  Congress  der  europäischen  Mächte  in 
Wien  sicherte  diess  1815  dem  Volke  feierlich  zu,  in- 
dem er  die  Gränzen  des  vierfach  getheilten  Landes  nach 


403 

dem    politisclien  Grundsätze    des  Gleichgewichts    ordnete 
und  feststellte.  ^) 

Das  eigentliche  ehemalige  Polen  erscheint  demnach 
jetzt  politisch  folgendermassen  getheilt:  1.)  in  die  Be- 
sitzungen der  russischen  Krone,  und  zwar  a)  die  in  den 
J.  1772.  1791.  und  1794  Russland  einverleibten  Provin- 
zen :  Weissrussland  od.  die  heutigen  Gouvernements  iMo- 
hilew,  Witebsk,  Minsk.  Schwarzrussland  od.  die  Gou- 
vernements Wolynien  und  Podolien,  und  Littauen  od. 
die  Gouvernements  Wilna ,  Grodno  ,  Bialystok ,  nach 
Ausschluss  der  in  allen  diesen  aciit  westlichen  Gouver- 
nements ,  mit  Ausnahme  von  Bialystok ,  Grodno  und 
Wilna,  vorherrschenden  Russen  (Russniaken,  die  das 
Gross  des  Volks  ausmachen),  ferner  der  Littauer,  nur 
mit    etwa    1  '/„    Mill.   Einwohnern  polnischen  Stammes  ^) ; 

'  U  ^c... 

-)   Die    ältesten    poln.    Chronisten     sind :    Prokosz    (Kronika    polska  ^  »-^ 

przez   Prokosza  w  wieku    X.   napisana,    z  dodatkami   z  kroniki   Kagnimira,         <-  -^  (/( 
pisai-za    wieku    XL.    aus    neuentdeckteu   Handschriften    herausg.    "W.    825.)  y 

Mart.  Gallus    zwischen  1110  —  35.  Matthaeus   Bisch,  v.  Krakau  gest,  1166.,  / 

Yinc.  Kadlubek  j  1223,  Boguphalus  Bisch,  v.  Posen  f  1253,  Godzislaw  Baszko    ^     , 
um  1273,    Mart.    Strzembski  7    1279.  ITzirswa    um    1420,    Sig.    Rositzius  um    "^^^^"^ 
1470,    Job.    Dlugosz  1415  —  80,  Math.  v.  Jrfiechow,  Matt.  Cromer  1512  —  89      -^T^^-'a 
u.  s.  w.    --  Samml.  bist.  Werke:  d.  Pistorius.  582,  2  Voll  fol.  d.    Frankfur-  /"  7 

ter  584.  3  Voll.  8.,  die  Elzevirsche  62G.,  d.  Amsterdamer  698.,  d.  Danzi-  ^  - 
ger  753.,  d.  Leipz.  2  Voll,  fol.,  d.  Sommersberg.  729.  3  Voll,  fol.,  d.  Mizler. 
761.  4  Voll.  fol.  —  Von  neuem  Schriften  über  die  poln.  Gesch.  sind  zu 
nennen:  M.  Stryikoxi'ski  Kronika  polska,  Königsberg  582.  fol.  —  St  Sarni- 
cki aunal.  Polon.  et  Lituan.  Krak.  587.  fol.  —  M.  Bielski  Kronika  polska, 
Krak.  597.  fol.  —  Ad.  Koiafowicz  bist.  Lituan.,  DanzT-eöO.  2  Voll.  4.  —  Gf. 
Lenanich  bist.  Polon.  ,  Lpz.  740.  750.  8.  P.  J.  Solignac  bist,  de  Pologne, 
Par."'  750.  5  Bde.  8  ,  teutscb  Halle  763  —  65.  2  Bde.  4.  —  W.  Lubienski  bist, 
polska.  Wilna  763.  8.  —  F.  A.  Schmidt  abrege  de  1'  bist,  de  Pologne,  War. 
767.  8.  teutscb  v.  Grbot,  Riga  768.  8.  -  St.  Kleczewski  Sarmatia  europaea, 
Leopoli  769.  4.  —  D.  E.  Wagner  s  Gesch.  v.  Polen  (d.  allg.  W'eltgescb. 
XIV.  Bd.),  Lpz.  775  —  77.  8.  —  Ad.  Naru.tzewicz  bist,  uarodu  polskiego, 
W^arschau  780  —  86.  6  Bde.  8.  wird  fortgesetzt,  vgl.  unten  §.  54.  —  K.  Ham- 
mersdörfer' s  Gesch.  V.  Polen,  Dresd.  792  —  94.  8.  —  E.  Bornschein's  Gesch. 
V.  Polen,  Lpz.  803.  8.  —  C.  Feierabendes  Gesch.  d.  poln.  Staates,  Danz.  809. 
8.  —  K.  F.  A.  Brohnis  Gesch.  v.  Pol.  u.  Litt.,  Posen  810.  8.  —  Tkom.  Swie^cki 
opis  starozytney  Polski.  W.  816.  if.  8.  —  G.  S.  Bantkie  wvobrazenie  dzieiöw 
krol.  Pol.,  W.  810.  820.  2  Bde.  8.  Gesch.  d.  Kgr.  Polen,  Lpz.  812.  8.  — 
J.  Miklaszewski  rys  bistorii  Polskiey,  W.   821.  2  A.  822.  8. 

■  ^)  Die  Angaben  über  die  Zahl  der  Polen  in  Russland  sind  sehr 
verschieden.  Storch  gibt  im  J.  1803  mehrere  Mill.,  Benken  4  Mill.,  Wich- 
mann  im  J.  1813  6,380,000.,  Arsenjeiu  sogar  7  Mill.  an,  doch  gewiss  nur 
darum,  weil  sie  die  Einw.  dieser  ehemaligen  poln.  Provinzen,  jetzt  russ. 
Gouvern.,  alle  -für  Polen  genommen  haben.  —  Nach  Brömsen  (Russl.  u.  d. 
russ.  Reich  Berl.  819)  u.  dem  „Sorewnowatel  proswjescenija"  1823.  3s  Hft. 
S.  336  —  47.  sollen  sich  in  den  8  westlichen  russ.  Statthalterschaften  gar 
nur  850,000  Polen,  meist  Adelige  u.  s.  w.,  befinden,  u.  das  Gross  des  Volks 
Russen  und  Littauer  seyn. 

26* 


404 

b)  das  seit  1815  mit  der  Kroue  von  Riissland  vereinigte 
Kgr.  Polen  mit  etwa  3,500,000  polnisclien  Einwohnern, 
zusammen  5  Mill.;  2.)  in  das  zu  Oesterreicli  gehörende 
Kgr.  Galizien  mit  ungefehr  3  Mill.  Einw.  polnisclier  Ab- 
stammung (die  Polen  im  österr.  Schlesien  mitgerechnet) ; 
3.)  in  Preussisch  -  Polen,  die  heutige  Provinz  Posen, 
mit  den  in  den  Provinzen  Schlesien,  Westpreussen  u.  s. 
w.  wohnenden  Polen  ungefehr  1,900,000  Seelen;  und 
4.)  den  Freistaat  Krakau,  mit  gegen  100,000  Mensclien. 
Hieraus  ergibt  sich  die  Gesammtzahl  der  Slawen  polni- 
schen od.  lechischen  Stammes  ungefehr  10  Mill.  Seelen. 
Der  echte  Pole  ist  meistens  katholisch;  nur  sehr  wenige 
in  dem  Kgr.  Polen  und  Galizien,  dahingegen  mehrere  in 
den  preussischen  Provinzen  Schlesien  und  Westpreussen 
bekennen  sich  zum  protestantischen  Cultus  Augsb.  und 
Helv.  Conf.;  ihre  Anzahl  mag  nicht  eine  '/^  Mill.  über- 
steigen. *) 

Schlesien  war  in  den  ältesten  Zeiten  ein  Theil  von 
Polen,  und  ward  mit  unter  dessen  Namen  begriffen.  Erst 
um  1163,  da  es  seine  eigenen  Herzoge  bekam,  nannten 
sich  diese  Duces  Slesiae  (d.  i.  nach  Dobrowsky,  der  Hin- 
terslawen, in  Rücksicht  auf  die  Böhmen,  als  die  Vor- 
derslawen). Die  neuen  Herzoge  hatten  meist  teutsche 
Mütter,  und  waren  nach  teutscher  Art  erzogen,  und  da 
Schlesien  ihnen  nur  gezwcnigen  war  abgetreten  worden, 
so  hatten  sie  teutschen  Schutz  nötliig.  Daher  ihre  frühe 
Vorliebe  für  die   Teutschen,  und  Begünstigung  teutscher 


*)  J.  J.  Rausch  Nachr.  üb.  Polen,  Salzb.  793.  2  Bde.  8.  —  A.  K.  v. 
Holsche  Geogr.  u.  Statist,  v.  West-Süd.  u.  Neu-Ostpreusseu,  Berl.  800 — 07. 
3  Thle.  —  Ch.  Crusius  top.  Postlexicon  v.  Ost-  u.  Westgaliz.,  W.  792.  8.  — 
J.  de  Lucas  Geogr.  v.  Galiz.  u.  Lodom.,  W.  791.  8.  —  J.  A.  Demian  stat. 
Darstellung  v.  Ostgal.  u.  Siebenb.,  W.  804.  8.  —  3Ialte  Brun  tableau  de  hi 
Pologne.  Par.  807.  8.  —  Sirisa,  Polen  bist.  stat.  u.  geogr.  807.  8.  —  Fr. 
Jafcef  Polens  Staatsveränderuugen,  W.  806.  6  Bde  8.  auch  ins  Poln.  übers.  — 
Flatt's  Topogi-.  d.  Hrgth.  Warschau,  Lpz.  810.  8.  —  K.  L.  Pölitz  Gesch., 
Statist,  u.  Erdbeschr.  d.  Kgr.  Sachsen  u.  d.  Hrzgth.  Warschau,  Lpz.  809—10. 
8.  —  St.  Staszyc  o  statistice  Polski,  War.  807.  8.  —  Ign.  Stawiar.ski  sta- 
tistika  Polski  i  Litwy,  Warsch.  814.  ff.  —  Krötki  zbiör  geografii  krolestwa 
polskiego  i  W.  X.  Poznanskiego,  Bresl.  81G.  8.  —  Guide  du  voyageur  en  Po- 
logne, War.  820.  8.  Poln.  Przewodnik  dla  podrözuiacych  w  Polsce,  W.  821. 
8.  —  G.  Has.^el  vollst.  Erdbeschr.  des  russ.  Reichs  nebst  Polen,  in  dem 
Weim.  Handb.  d.  Erdb.,  Weim.  821.  8.  —  Voyage  en  Allcmagnc  et  en  Po- 
logne, Par.  812.  2  Bde.,  8.  —  Voy.  en  Allemagne  et  en  Pologne  par  Gley, 
Par.  816.  2  Bde.  8.  —  Neale  Reise  durch  Polen  u.  d.  Türkei.  Lpz.  818.  2  Bde.  8.- 
E.  F.  Uklansky  Briefe   üb.  Polen,  Oesterreich  u.  s.  w.,  Nürnb,  809.  3  Bde.  8. 


405 

Colonisten,  vorziiglicli  in  de«  Gebirgen.  Alle  Städte  an 
und  auf  dem  Gebirge  von  der  lausitzischen  Gränze  bis 
nach  Troppau  haben  teutsche,  die  am  Fusse  der  Gebirge 
und  auf  den  Ebenen  aber  slawische  Namen.  Die  h.  Hed- 
wig aus  dem  Hause  Meran,  Gemahlin  Heinrichs  I.,  be- 
günstigte vorzüglich  die  Teutschen.  Dadutch  ward  denn 
die  polnische  Sprache  nach  und  nach  verdrängt.  In  Bres- 
lau war  sie  schon  um  1300  völlig  unbekannt.  Indessen 
gibt  es  nahe  um  Breslau  mitten  unter  teutschen  Dörfern 
noch  einen  Strich,  wo  die  polnische  Sprache  herrschend 
ist,  so  dass  in  derselben  gepredigt  wird.  —  Alles  dieses 
gilt  zunächst  von  Niederschlesien.  In  Oberschlesien  Hes- 
sen sich  w^eniger  Teutsche  nieder;  doch  findet  man  auch 
hier  flämische  Hufen  und  teutsche  Stadtvögte.  In  der  letz- 
ten Hälfte  des  XV.  Jahrh.  breiteten  sich  die  Hussiten  in 
Oberschlesien  aus,  und  nun  verdrängte  die  böhmische 
Sprache  die  teutsche  und  lateinische  aus  den  Urkunden 
und  Gerichtshöfen ,  besonders  in  den  Fürstenthümern 
Oppeln  und  Ratibor.  Beide  wurden  oft  verpfändet,  und 
besonders  1645-66  an  Polen,  wodurch  sich  das  Polni- 
sche wieder  hob.  Die  in  Oberschlesien  üblichen  Spra- 
chen beweisen  die  Vermischung  der  Völker.  In  Trop- 
pau und  Jägerndorf  spricht  man  teutsch,  bis  auf  einige 
Gegenden,  wo  ein  mit  Polnisch  vermischtes  Mährisch 
herrscht;  in  Oppeln  und  Ratibor  aber  polnisch.  ^3 

Die  Kasuben  in  der  preussischen  Provinz  Pommern, 
Regirungsbezirk  Köslin,  Kreis  Stolpe  und  Lauenburg- 
Bütow,  sind  ihrem  Ursprünge  nach  gleichfalls  Slawen 
lechischen  Stammes.  Die  beiden  Herrschaften  Lauenburg 
und  Bütow  machten  vormals  einen  Theil  von  Polen  aus, 
und  wurden  von  1460  an  von  den  Herzogen  zu  Pom- 
mern als  polnische  Lehne  besessen,  nach  deren  Ausster- 
ben aber  von  der  Krone  Polen  eingezogen,  und  erst  der 
Welauer  Vertrag  gab  sie  1657  dem  Kurhause  als  eine 
Lehn  von  Polen  zurück.  Jetzt  sind  sie  völlig  mit  Pom- 
mern vereinigt. 

')  S.  Adelungs  Mithridates  II.  669  —  670.  -  [F.  W.  Pachaly)  üb. 
Schlesiens  älteste  Gesch.  u.  Bewohner,  Bressl.  783.  8.  Eb.  Vers.  üb.  d.  schles. 
Gesch.,  Bresl.  777.  8.  —  K.  F.  Anders  Schlesien  wie  es  war  (bis  1335),  Bresl. 
810.  2  Bde.  8.  —  {K.  F.  Patdi)  Eiul.  in  d.  Gesch.  v.  Schles.,  Lpz.  755.  4.  — 
H.  L.  Klöber  Schlesien,  Bresl.  785.  788.  8.  —  J.  D.  Hensel  Handb.  d.  schl. 
Gesch.,  Hirschberg  797.  804.  8.  —  Ch.  F.  E.  Fischer  geogr.  -  stat.  Handbuch 
über  Schlesien  u.  Glatz,  Berl.  817.  2  Bde.  8.  u.  s.  w. 


406 

§.  48. 
Charakter  der  polnischen  Sprache. 

Unter  den  5  slawischen  Mundarten  der  nordwestlichen 
Ordnung  ist  die  polnische  durcli  ihre  Ausbreitung  und 
den  Reichthum  der  Literatur  die  erste.  Ihre  Trennung 
vom  genieinschaftliclien  Stamme  verliert  sich  in  das  ge- 
heimnissvolle Dunkel  der  Vergangenheit.  Anfangs  der 
böhmischen  und  sorbenwendischen  am  nächsten  verwandt, 
bildete  sie  sich,  unter  dem  wechselnden  Einflüsse  ver- 
schiedener, sowol  einheimischer  als  auch  fremdlier  kom- 
mender Elemente,  bald  selbständig  aus,  und  wich  von 
Ihren  westlichen  und  südlichen  Schwestern  immer  mehr 
ab.  Ihr  Unterschied  von  der  böhmischen  Mundart  ist 
schon  §.  36.  angegeben.  Sie  hat  ein  zischendes  rz  und 
den  Rhinesmus  a,  e.  Das  rz,  welches  in  den  ältesten 
böhmischen  Schriften  noch  gar  nicht  vom  r  unterschie- 
den wird,  und  ursprünglich  wol  rj,  wie  noch  heutzutage 
in  der  altslawischen,  russischen,  slowakischen  u.  s.  w. 
Sprache,  gelautet  haben  mag,  hat  sie  mit  der  böhmischen, 
nicht  aber  mit  der  oberlausitzischen  und  slowakischen 
Mundart  gemein;  auch  des  Rhinesmus  Spuren  lassen  sich 
in  andern  slawischen  Mundarten,  z.  B.  der  bulgarischen, 
finden. 

So  wie  eine  jede  nur  etwas  ausgebreitete  Sprache, 
so  hat  auch  die  polnische  ihre  Varietäten.  Hr.  Bantkie 
rechnet  zu  denselben  folgende:  1.)  die  grusspolnische  Va- 
rietät. Einige  Archaismen  und  Germanismen,  die  Aus- 
sprache des  o,  welches  gedehnt  wird ,  die  Dehnung  des 
ie  machen  diese  Varietät  kenntlich.  Am  abweichendsten 
von  der  Regel  sprechen  die  Lenczyzaner  und  die  Nach- 
barn von  Schlesien.  Beispiele:  szczudla ,  trafty,  tko, 
tkoren,  gieba  u.  s.  w.  2.)  Die  maziirische  Varietät.  Die 
gemeinen  Leute  hi  Mazuren  sprechen  das  z  wie  z,  sz 
wie  s,  cz  wie  c  aus,  und  haben  aucli  oft  ihre  Provin- 
cialismen.  3.)  Die  Ideinpolnische  Varietät.  Die  Kleinpo- 
len haben  einen  angenehmen  Ton,  besonders  in  den  rus- 
sischen Wojewodschaften.  Doch  fehlen  sie  manchmal  ge- 
gen die  Grammatik,   und  brauchen  die  masculine  Endung 


407 

statt  der  feiuiuineii  u.  sächlichen,  z.  B.  indem  hifli  st.  hyly 
in  den  Verbis  sagen:  iny  kobiety  bylismy  st.  byiysmy.  4.) 
Die  littaiiische  Varietät.  Ein  singender  Ton,  besonders 
Hill  Bresc,  macht  diese  Varietät  bemerkJich,  so  wie  auch 
einige  russische  und  littauische  Provincialismen.  5.)  Die 
preussisclie  Varietät.  Archaismen  und  Germanismen  ver- 
unstalten sie,  und  die  gestrichenen  ö,  d  werder  gar  nicht 
beobachtet;  st.  lawa  sagt  man  uawa,  und  spricht  alles 
mit  vollem  iNIunde  aus.  6.)  Die  schlesische  Varietät  in 
Oberschlesien  und  im  Fürstenthum  Oels,  und  sogar  in 
einem  Theile  vom  Krakauischen.  Das  a  wird  sehr  durch 
die  Nase  gesprochen,  o  st.  a,  a  st.  e:  bade,  Jonek, 
Pan,  Pon  st.  bede,  Janek,  Pan.  In  Schlesien,  aber  nicht 
im  Krakauischen,  hat  man  auch  böhmische  Provincialis- 
men u.  unpolnische  Constructionen  ^).  Teutsche  Schrift- 
steller pflegen  immer  die  Sprache  des  polnischen  Schle- 
siers  als  einen  besondern,  von  der  polnischen  Sprache 
sehr  weit  sich  entfernenden  Dialekt  anzusehen,  und  nen- 
nen es  bald  Wasserpolnisch,  bald  Oberwendisch,  bald 
Böhmischpolnisch.  Indessen  fragt  man  den  polnischen 
Schlesier  selbst,  so  nennt  er  gewiss  seine  Sprache  nicht 
anders,  als  polnisch.  Er  wird  nicht  sagen,  dass  er  wen- 
disch, oder  wasserpoluisch ,  sondern  dass  er  polnisch 
spreche.  Diess  ist  der  Fall  im  Fürstenthum  Oels,  im  Op- 
pelnschen,  Plessischen,  Beuten,  im  Fürstenthum  Teschen 
u.  s.  w.  ^).  Jenseit  der  Oppa  gibt  es  keine  polnischen 
Schlesier  im  Troppauischen  und  Jägerndorfischen,  son- 
dern es  sind  entweder  Teutsche,  wie  in  dem  grössern 
Theile  von  Niedcrschlesien,  oder  wirkliche  Böhmen  ^). 
Das  sogenannte  Kasubische  in  Pommern  ist  ebenfalls 
nur  eine  Varietät  od.  Abart  des  Polnischen.  Die  Kasu- 
ben  nennen  sich  selbst  nach  Anton  (S.  22.)  Slowienceti, 
nach  Mrongovius  hingegen  (Vorr.  zu  s.  teutsch  -  polu. 
HWB.  Danz.  823.  4.)  Krahafker,  wonach  das  §.  35. 
Anm.    8.    S.  287.  Gesagte    zum  Theil  zu  berichtigen  ist. 

^)  Ä.  G.  Ä.  Bantkie's  polnisch-teutsches  Wörterb.  (Bresl.  806.)  1 
Bd.  Vorr.  S.  XII. 

-)  Die  Polen  in  Schlesien,  sowol  Katholiken  als  Protestanten,  bedie- 
nen sich  der  gewöhnlichen,  im  Litteralpolnischen  verfassten  Bücher.  Nur 
die  Medziborische  Gemeine  hat  e.  Gesangbuch  in  ihrer  eigenen  Mundart  von 
Sam.  Cretius  682.  12.  Brieg.  725.  12.  Adelung' s  Mithridates  II.  670. 

3)  G.  S.  ßantkie  hist.-krit.  Analekten,  Bresl.  802.  S.  270—78.  Do- 
hrowskys  Slowanka  II.  122  ff. 


408 

Die  Eigenschaften,  Vorzftge  und  etwaigen  Mängel 
der  polnischen  Sprache  sind  von  zweierlei  Art ;  solche, 
die  sie  mit  ihren  «ihrigen  slawischen  Schwestern  gemein 
hat,  und  solche,  die  ihr  ausschliesslich  angehören.  Nur 
letztere  gehören  hieher.  Der  Reichthum  an  mannigfach 
nuancirten  Vocalen  und  Consonanten:  a,  ä,  a,  e,  e, 
e,  0,  ö;  b  und  |',  c,  c,  und  cz,  ^  und  1,  m  und  u, ,  n 
und  11,  p  und  j',  r  und  rz,  s,  s  und  sz,  w  und  v. ,  z, 
z  und  z,  ferner  die  häufigen  Uebergänge  der  Laute  in 
verwandte  oder  ähnliche  bei  Biegungen  und  Abwand- 
huigen  der  Wörter,  verbunden  mit  der  allen  slawischen 
Dialekten  gemeinen  Mannigfaltigkeit  der  Bildungs-  und 
Biegungsformen,  machen  sie  zu  einer  der  feinsten,  tö- 
nendsten  aber  auch  zugleich  der  künstlichsten  u.  schwer- 
sten unter  allen  slawischen  Mundarten  sowol  ftir  Slawen 
als  für  NichtSlawen.  Es  ist  aber  eine  durchaus  verkehrte 
Ansicht,  wenn  man  glaubt,  die  polnische  Sprache  sey 
darum  so  schwer,  weil  sie  hart  und  schroif  ist.  Um  die- 
selbe gehörig  zu  würdigen,  muss  man  vor  allem  dieses 
Vorurtheil  ablegen.  Nicht  die  Härte  der  einzelnen  Laute, 
sondern  ihre  Feinheit,  und  der  künstliche  grammatische 
Bau  der  an  sich  reichen  und  während  der  drei  letzten 
Jahrhunderte  unter  der  Feder  rüstiger  Bearbeiter  kräf- 
tig herangereiften  Sprache  machen  hier  die  Schwierig- 
keit; so  wie  überhaupt  jede  lebende  oder  todte  Sprache 
ohne  Ausnahme  um  so  leichter  erlernt  werden  kann,  je 
roher,  ärmer  und  seichter,  und  um  so  schwerer,  je  ori- 
gineller, reicher  und  gebildeter  sie  ist;  man  vgl.  z.  B. 
die  hebräische  und  griechische,  od.  die  neuern  romani- 
schen mit  der  alten  kirchenslawischen.  Die  slawischen 
Sprachen  wollen  sfndirt  seyn,  und  lohnens.  Kann  man 
auch  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  manche  Consonanten- 
verbindungen  im  Polnischen  anscheinend  oder  auch  wirk- 
lich hart  sind:  so  muss  man  doch  auf  der  andern  Seite 
gestchen,  dass  einestheils  das  Uebermaass  solcher,  zur 
malerischen  Schilderung  unangenehmer  Naturtöne  sogar 
nothwendigen  Wörter  einzig  auf  die  Rechnung  geschmack- 
loser Schriftsteller,  nicht  der  Sprache,  kommt,  anderen- 
theils  aber  dem  unbiegsamen,  unbehiltlichen,  unausge- 
bildeten  Sprachorgan  des  Ausländers,  vorzüglich  des  Tcut- 


409 

sehen,  »othwendig  maiiehe  Sylbe  hart  vorkommen  iniiss, 
die  im  Munde  des  geübten  Eingebornen  leicht  und  mild 
klingt.  —  Leicht  und  lliessend  ist  die  polnische  Prosa ; 
Potocki's  salbungsvolle  Reden  entwickeln  eine  Kraft, 
Würde,  Anmuth  und  Harmonie  der  Sprache,  die  je- 
ner der  alten  Sprachen  nicht  im  geringsten  nachsteht. 
Wo  eine  solche  Harmonie  und  Anmuth,  wie  hier,  mög- 
lich ist,  da  kann  von  keiner  Schroffheit  und  Kakopho- 
nie  der  Sprache  an  sich  die  Rede  seyn.  —  Wenn  schon 
die  polnische  Minidart  im  Besitze  aller  Eigenschaften  und 
Bedingungen  ist,  die  von  einer  ausgebildeten  Sprache 
der  Beredsamkeit  und  Prosa  erfordert  werden ;  so  scheint 
sie  doch,  wenigstens  nach  dem  bis  jetzt  Geleisteten  zu  ur- 
theilen,  einer  Prosodie  nach  dem  quantitirenden  Zeit- 
uiaass  und  der  Anwendbarkeit  auf  classische  Versfor- 
men in  der  Dichtkunst  zu  ermangeln.  Aber  nicht  Schuld 
der  polnischen  Sprache  ist  es,  dass  ihr  dieser  Vorzug 
anderer  Dialekte  mangelt,  die  gewiss,  wie  jede  andere 
slawische  Mundart,  anfangs  die  schärfste  Bestimmung 
und  Ausscheidung  der  Sylbenlängen  und  Kürzen  mittelst 
der  Dehnung  und  Schärfung  der  Vocale  haben  musste  *), 
sondern  lediglich  die  Schuld  des  jahrhundertelang  fremd- 
her,  vorzüglich  aus  dem  unprosodischen  Teutschland  u. 
Frankreich  kommenden  Einflusses,  und  der  Unempfäng- 
lichkeit  der  Meisten,  durch  moderne  seichte  Reimformen 
geblendeten,  Nationaldichter  für  die  Fülle,  Kraft  und 
Harmonie  des  griechischen  Versflugs  ^).  Denn  es  gab 
zu  allen  Zeiten  Verfinsterungen  der  Ansichten  inid  Ent- 
artungen des  Geschmacks  nicht  nur  bei  einzelnen  Men- 
schen, sondern  auch  bei  ganzen  Völkern ;  Millionen  wan- 
delten unter  der  Sonne,  und  sahen  sie  an,  und  der 
Schein  bethörte  sie.  So  mag  es  auch  der  polnischen  Me- 
trik ergangen  seyn  ^). 


*)    S.  RakowiecMs  Prawda  ruska  (W.  820.)  II.  220. 

^)  So  urtheilt  selbst  ein  gelehrter  Pole  u.  geschmackvoller  Kunst- 
richter, Kaz.  BrodzinsM,  Prof.  Aesth.  Vars.,  ein  gewiss  sehr  conipctentcr 
Kritiker,  Pamiet.  Warsz.  1820.  Nro.  12. 

^)  M.  Kwiatkowski  de  usu  1.  slav.,  Regiom.  569.  4.  —  J.  Ryhinski  erat, 
de  1.  pol.  praestantia,  Gedani  .589.  4.  —  J.  D.  Hoffmani  diss.  de  origg.  1. 
pol.,  Dant.  730.  4.  —  F.  Boliomolca  rozmowa  o  iezykii  polskim,  W.  768.8.- 
S.  Kleczeu'ski  o  poczatku  i  wydoskonaleuiu  iezyka  pol.,  Lemb.  767.  4.  — 
T.  Nowaczynski   o   prozodii   i   harmouii   i§zyka  pol.,  W.  781.  8.  —  Jenisch 


410 

Der  grainniatischc  Bau  der  polnischen  Sprache  wur- 
de schon  frühzeitig  und  bis  auf  die  neuesten  Zeiten  herab 
mit  vorzüglicher  Sorgfalt  und  mit  Glück  durch  zahlrei- 
che, zweckmässig  eingerichtete  Sprachlehren  und  Lexica 
geregelt,  die  ich  kurz  verzeichnen  will.  ^) 

Vergleich,  u.  Würdigung  von  14  Sprachen  Eiu-opens,  Berl.  796.  8.  —  J.  -S. 
Kaulfuss  üb.  d.  Geist,  d.  p.  Spr.,  Halle  804.  8.  —  S.  B.  Linde  o  prawidJach 
etymölogii  p.,  zuerst  806.  dann  im  1  Bd.  s.  W.  B.  —  Ä.  Dantyska  (t.  i. 
Xcia  A.  Czartoryskiego)  mysli  o  pismach  polskich,  "Wilna  810.  8.  —  O. 
Kofczynski  poprawa  hl'edöw  w  mowie  pol.,  W.  808. 8.  —  X.  Bohusz  doda- 
tek  do  popr.  bl'gd.,  W.  808.  8.  —  X.  Wyszomirski  uwagi  nad  mowa  pol., 
W.  809.  —  St.  Potockl  rozprawj^  o  iezyku  pol.  in  s.  Mowy,  AV.  8i6.  II. 
325  ff. 

'')  Sprachbiicher,  Grammatiken:  St.  Zahoroivski  hat  s.  Rudimentis 
Grammatices  lat.  auch  die  poln.  Orthographie  beigefüst.  Kr.  529.  536.  539. 
560.  564.  4.  -  P.  Sfatorius  (Stoienski.)  inst.  1.  pol.,  Kr.  568.  8.  —  J.  Ja- 
nitszoivski  nowi  karakter  polski,  Kr.  594.  4.  —  N.  Volkmar  compend.  1. 
pol.  Dant.  612.  640.  8.  —  J.  Boter  Schlüssel  zur  pol.  u.  teutschen  Spr., 
Bresl.  618.  8.  638.  8.  Danz.  646.  8.  —  Fr.  Mesgnien  {Meninski)  gramm. 
s.  inst.  pol.  1.  Danz.  649.  8.  Lemb.  747.  12.  —  M.  Dobracki  (Gutthäter) 
Kurier  d.  pol.  Sprachl.,  Oels  688.  8.,  poln.  Sprachkuust  eb.  699.  8.  —  A. 
Bliivernitz  tabella  gramm.  pol.,  Thorn  681.  —  J.  Ernesti  poln.  Wegweiser 
Brieg  682.  8.  auch  unter  d.  T.  poln.  Douat.,  Thorn  683.  8.  Eres.  702.  8.  — 
J.  S.  Malczowski  kurzer  Begriff  d.  p.  S])r.,  Riga  687.  8.,  inst,  in  1.  pol.  eb. 
689.  8.  —  A.  Baphaeli  p.  Sprachweiser,  Lpz.  698.  8.  —  B.  K.  Malicki  cognit. 
1.  p.,  Kr.  699.  8.  ~  P.  Michaelis  Wegweiser  z.  p.  Spr.  (o.  0.  u.  J.)  —  Kö- 
uigl.  poln.  u.  teutsche  Gramm.,  Posen  701.  8.  —  Cli.  Rhormann  pol.  Gramm. 

—  J.  E.  MiÜlenheim  p.  Gramm..  Brieg  717.  8.  726.  735.  7.55.  —  G.  Schlag 
p.  Gr.,  Bresl.  734.  8.  744.  4  A.  768.  —  A.  Trotz  Theorie  d.  p.  Conjug.  vor 
s.  W.  B.  —  Müller  p.  Gr.  Königsb.  750.  8.  —  /.  Moneta  enchiridion  pol. 
od.  poln.  Haudb.,  Danz.  3  A.  Bres.  763.  8.  umgearb.  v.  D.  Vogel,  Bresl.  4 
A.  774.  8.  9  A.  808.  8.  —  [KrumhoW)  p.  Gr.  mit  e.  etym.  W.  B.,  2  A.  Bresl. 
775.  8.  6  A  797.  8.  —  0.  Kofczunski  gramm.  dla  szkol'  narodowych,  W. 
778.  3  Th.  8.  eb.  Ukfad  gramm.,  W.  785.  8  ,  eb.  Essai  de  gramm.  pol.,  W. 
807.  8.  —  Woyna  kl.  Lustgarten,  Danz.  780.  8.  —  Trabczynski  gr.  raisou- 
nee  de  la  1.  pol.,  W.  778.  2  Bde.  8.  n.  A.  793.  —  C.  C.  Mrongovius  p. 
Sprachl..  Königsb.  794.  8.  n.  A.  805,  8.  p.  Formenl.  eb.  811.  8.,  p.  Weg- 
weiser, Kgsb.  816.  8.  —  A.  Adamowicz  (Woyde)  prakt.  p.  Gr.  mit  e.  W.  B ., 
Berl.  793.  8.  —  Polsfnss  Ausz.  a.  Kopczyüskis  Gr. ;  Bres.  794.  8.  —  Stawski 
Handb.  d.  p.  Spr.,  Bres.  795.  8.,  J.L.  Kassius  Lehrgeb.  d.  poln.  Spr., 
Berl.  797.  8.  —  iV.  Bucki  Anl,  z.  p.  Spr.,  Berl.  797.  8.  -  Kutsch  p.  Gr., 
Bresl.  800.  8.  -  J.  S.  Vater  Gr.  d.  p.  Spr.,  Halle  807.  8.  —  G.  S.  Bantkie 
p.  Gramm,  nebst  e.  etym.  W.  B.,  Bresl.  808.  816.  823.  8.  —  Th.  Szumski 
nauka  iez.  p.,  Posen  809.  2  Bde.  8.  eb.  p.  Gr.,  Bres.  821.  8.  —  J.  D.  Grotke 
p.  Decl.  u.  Conj.,  Bresl.  817.  4.  —  J.  Mroziiiski  zasady  gr.  iez.  p.,  W.  822. 
8»  —  Jakubowicz  gramm.  pol.  Wilna  823.  8.  —  Wörterbücher :  J.  Maczynski 
(Macinius)  Lex.  lat.-pol.,  Kgsb.  564.  fol.  —  G.  Knapski  thesaurus  pol.- 
lat.-graecus,  Kr.  621.  fol.  (1  Th.),  lat.-pol.  Kr.  626.  4.  (2  Th.),  Adagia 
polonica  lat.  et  graece  reddita  Kr.  632.  4.  (3  Th.).  Eine  2  A.  des  1  Th. 
erschien  648.  Alle  3  Th.  wurden  mehrmals,  verkürzt  u.  verändert,  heraus- 
gegeben; 1.)  v.  B.  Woronow^ki  Kaiisch  787.  3  Bde.  8.,  2.)  v.  P.  KotaczW. 
780.,  d.  .3  unter  d.  T.  Idiotismi  pol.  Posen  755.  12.  —  Diction.  lat.-pol.- 
boh.-germ.,  Bres.  620.  —  C.  Sziirivid  dict.  trium  11.  (poln.  lat.  litt.),  Wil- 
na 642.  8.  677.  5  A.  71.3.  8.  —  B.  K.  Malicki  frauz  -pol.  W.  B.,  Kr.  701.8. 

—  M.  A-  Troc  franz.-poln.-teutsches  W.  B.,  Lpz.  742.  2  Bde.  8.  (Ir  Th.), 
poln.-teutsch.-franz.  W.  B.  764.  8.  2  A.  v.  Moszczenski  779.,  mit  e.  n. 
Titel   802.    (2   Th.),    teutsch  -  poln.    W.    B.    v.    Moszczetiski  772.  (3  Th.) ;  n. 


411 

Allgemeiner  Ueberblick    der  literarischen  Cultur  in  Polen 
und  der  Beförderungsmittel   und  Hindernisse  derselben. 

Die  Ungewissheit  der  ältesten  Geschichte  Polens  ver- 
breitet über  den  Zustand  der  polnischen  Sprache  vor 
der  Annahme  der  christlichen  Religion  ein  undurchdring- 
liches Dunkel.  Der  Uebergang  Mieczyslaws  I.  zur  christ- 
lichen Religion  um  das  J.  965.  maciit  Epoche  in  der  Ge- 
schichte der  Cultur  Polens.  Die  Vermählung  des  Her- 
zogs mit  einer  böhmischen  Prinzessin  befestigte  die  Ver- 
bindung des  herzoglichen  Hofes  mit  dem  Auslande,  und 
gab  demselben  einen  neuen  Glanz.  Mit  dem  Sturz  des 
HeidenthuQis  wich  zugleich  der  demselben  anklebende 
Aberglaube,  und  die  Strahlen  der  Aufklärung  fingen  an 
durch  die  finstem  Wolken  des  sarmatischen  Himmels 
freundlich  durchzublicken.  —  Obschon  es  an  Denkmä- 
lern der  Sprache  aus  diesem  Zeitalter  gänzlich  fehlt,  so 
ist  doch  so  viel  gewiss,  dass  sowol  zur  Zeit  Mieczyslaws, 
als  auch  schon  früher,  polnisch  geschrieben  wurde;  denn 
es  sind  deutliche  Spuren  da,  dass  die  slawische  Sprache 
ihr  eigenes  Alphabet  gehabt  habe,  welches  aber  in  der 
Folge  von  dem  ausländischen  verdrängt  w  orden  ist.  ^) 
Wenn  aber  die  Einführung  und  Verbreitung  des  Chri- 
stenthums  in  Polen  einerseits  die  Civilisation  des  Volks 
mächtig  gefördert  hat;  so  ist  doch  andererseits  erwiesen, 
dass    sie    der    Gestaltung    der  Landessprache  nicht  ganz 

A.  od.  n.  Titel  von  allen  3  Theilen  Lpz.  806  —  07.  4  Bde.  8.,  4te  von  Ge- 
lehrten aller  .3  Nationen  umgearb.  Ä.  821  ff.  —  C.  C.  Mronaovhis  Hand- 
wörterb.  d.  p  Spr.  Kgsb.  765.  804.  8.  eb.  teutsch-poln.  H.  W.  ß.,  Danz. 
823.  4.  —  C.  Kondratoiuicz  polu.-niss.  W.  B..  S.  Pet.  775.  4.  —  K.  Ciecho- 
niewski  oko  hieroglyfik,  W.  804.  8.  —  (J.  V.  Bantkie)  Taschenwörterb. 
d.  p.  teutsch.  u.  franz.  Spr.,  Ir  poln.-teutsch-franz.  Th.,  Bresl.  u.  Wars. 
805.  8.  2  A.  819.  2  Bde.  8.,  2r  fr.  p.  teutscber  Th.  607.  819.  8.,  .3r  teutsch- 
fr.-p.  Th.  V.  G.  S.  Bantkie  813.  2  Bde.  8.  —  G.  S.  Bantkie  slownik  dokladny 
iez.  pol.  i  niem.,  Bres.  806.  2  B.  8.  —  K.  Winkler  niem.-pol.  Dykcyo- 
narz,  Lublin  801.  3  Bde.  8.  —  S.  G.  Linde  slownik  iez.  pol.,  W.  807—  14. 
•1  Bde.  4.  —  ^.  Litiuiiiski  sl'ownik  polsko-l'acinsko-francuski,  \V.  816.  2 
Bde.  8.  —  J.  C.  Troianski  slow,  polsko-lacinski,  Bresl.  819.  8.  —  Abbe 
Cztrski  Latein,  poln.  W.  B.,  Wilua  822.  2  Bde.  —  Abbe  Bobrowski  Lex. 
Latino-polon.,  Wilna  822.  —  G.  Garszx/nski  slyw.  J'acinsko-polsko-niem., 
Bresl.  823.  2  Bde.  8. 

^)  «S^.  Potocki  pochwaly,  mowy  i  rozprawy  IL  389.  —  J.  Rahoiuiecki 
prawda  ruska  L  55  ff.  Vgl.  oben  §.  10. 


412 

güustig  war.  Mit  der  neuen  Religion  kam  eine  neue 
Spraclie,  die  lateinische,  im  Lande  auf;  die  Lehrer  der 
Religion  waren  durchaus  Ausländer.  Die  lateinische  Spra- 
che wurde  fortan  im  Lande  nicht  nur  die  Sprache  des 
Cultus,  sondern  auch  die  der  Gelehrsamkeit  und  des 
Schriftthums,  in  deren  Besitz  die  Geistlichkeit  ausschlies- 
send  geblieben  ist.  Slawisch  oder  polnisch  galt  für  heid- 
nisch. Diesem  Umstände  ist  es  zuzuschreiben,  dass  die 
polnische  Sprache  bis  ins  XVI.  Jahrh.  keine  andere  Denk- 
mäler der  literarischen  Cultur,  als  lateinische,  einige  we- 
nige und  unbedeutende  polnische  Bruchstücke  ausgenom- 
men, aufzuweisen  hat.  --  Hätte  bei  der  Einführung  des 
Christenthums  in  Polen  der  griechische  Cultus  nicht  dem 
lateinischen  Platz  machen  müssen,  so  wäre  die  polnische 
Sprache  der  altslawischen,  und  hiemit  auch  der  russi- 
schen unweit  ähnlicher  geblieben,  als  sie  jetzt  ist.  Un- 
ter diesen  Umständen,  von  der  Gemeinschaft  mit  ihren 
übrigen  slawischen  Schwestern  gänzlich  getrennt,  war 
ihre  Fortbildung  an  die  allgemeinen  Beförderungsmittel, 
zugleich  aber  auch  an  die  Hindernisse  der  Landescultur 
gebunden.  Als  Mittel,  die  das  Wachsthum  der  Wissen- 
schaften in  Polen  beförderten ,  verdienen  genannt  zu 
werden:  Klöster,  Schulen,  Reisen  in  fremde  Länder, 
Religionsduldung,  Einführung  und  Verbreitung  der  Buch- 
druckerei, Bibliotheken,  Mäcene  ,  periodische  Schriften 
und  gelehrte  Gesellschaften.  Bald  nach  der  Einführung 
der  christlichen  Religion  in  Polen  stifteten  die  Fürsten 
und  einzelne  reiche  Privatpersonen  Klöster  in  verschie- 
denen Gegenden  des  Landes,  deren  friedliebende  Be- 
wohner nicht  nur  den  Unterricht  der  .Jugend,  sondern 
auch  das  Abschreiben  und  die  Verbreitung  der  Bücher 
besorgten.  Den  Klöstern  der  Benedictiner  gebührt  auch 
in  Polen  sowol  wegen  ihres  Alterthums,  als  auch  we- 
gen der  mannigfachen  Verdienste  inu  die  Literatur  an- 
erkennendes Lob.  Die  Benedictiner,  vom  Boleslaw  Chro- 
bry  um  1008  nach  Sieciechow  und  Lysa-gora  berufen, 
waren  die  ersten,  welche  mit  Hilfe  der  Bischöfe  Schu- 
len für  den  Unterricht  der  Jugend  anlegten.  An  die  Spi- 
tze dieser  Schulen  trat  1347  die  Krakauer  Akademie, 
die    Miitter    der    Wissenschaften    und    Künste   in  Polen. 


413 

von  Wladyslaw  Jagiello  anselinlicli  dotirt  und  besser  ge- 
staltet. Von  ihr  aus  verbreiteten  sieb  die  Strahlen  des 
Lichts  über  das  ganze  Land,  bis  eine  ungünstige  Fügung 
der  Umstände  unter  Zygmunt  III.  ihren  Glanz  verdun- 
kelte. Unter  ihm  kam  die  Erziehung  und  der  Unterricht 
der  Jugend  in  die  Hände  der  Jesuiten;  die  Akademie  zu 
Wihia  (gestift.  1579}  und  zahlreiche  Collegien  im  Lande 
waren  ihre  Pflanzsciuden.  Nicht  zu  übersehen  sind  die 
Verdienste  der  Schulen  anderer  Confessionsverwandten 
um  den  Anbau  der  polnischen  Sprache  nnd  ihre  Litera- 
tur im  XVI.  Jahrb.  (zu  Thorn,  Rakau,  Jedlnisk,  Wilna, 
Danzig,  Rydza,  Wschow,  Lissa  (Leszno) ,  Pinczow  n. 
s.  w.).  Die  1594  vom  Grosskanzler  J.  Zamoyski  gestif- 
tete, und  im  Anfange  des  XVII.  Jahrb.  eingegangene 
Universität  zu  Zamosc  in  Kleinpolen  ward  gar  bald  nach 
ihrer  Eröffnung  gegen  den  ausdrücklichen  Willen  ihres 
Stifters  durch  den  Bischof  von  Chelm  aus  einer  Hoch- 
schule für  das  gesammte  gelehrte  Wissen  in  eine  theolo- 
gische Lehranstalt  verwandelt.  Die  Congregation  der 
Piaristen,  bereits  unter  Wladyslaw  IV.  in  Polen  einge- 
führt, errichtete  1642  die  ersten  Schulen  in  Warschau, 
worauf  andere  in  Pudlein  (Podolinec),  Rzeszow,  Chelm, 
Lowicz  ,  Piotrkow ,  Krakau  ,  Göra  ,  Radom  ,  Warez, 
Wielun,  Lukow,  Szczucin,  Miedzerzyc ,  Zloczow,  Rzyd- 
zyn  und  Lemberg  folgten.  Die  Politik  der  Jesuiten  hemmte 
den  Aufschwung  der  Pflanzschulen  dieser  Congregation, 
bis  es  Stanislaw  Konarski  gelang,  den  Sieg  über  die  Ge- 
genpartei zu  erringen,  und  der  Wiederhersteller  des 
bessern  Geschmacks  in  Polen  zu  werden.  Die  Errichtung 
der  Commission  der  Erziehung  auf  dem  Reichstage  1775 
macht  in  der  Geschichte  der  Landesliteratur  Epoche. 
Während  der  Dauer  der  herzoglich-sächsischen  Regi- 
rung  in  Warschau  trat  das  Oberschiilcolleghun,  später 
(1812)  in  das  Oherschuldirectorium  verwandelt,  an  die 
Spitze  der  öffentlichen  Erziehung.  Unter  der  jetzigen 
Verfassung  ist  die  allgemeine  Volksbildung,  das  Schul- 
und  Erziehungswesen  ein  besonderer  Gegenstand  der 
Sorgfalt  des  Thrones  geworden,  und  steht  unter  einer 
eigenen  Landes-  oder  Regirtmqscommission  des  Cultns 
und  des  öffentlichen  Unterrichts.  —  Reisen  ins  Ausland 


414 

wiinleu  gleich  nach  der  Einfnlirnng  des  Christenthums 
für  ein  besonderes,  vorzügliclies  Bildungsinittel  erachtet, 
und  häufig  unternommen.  Die  Polen  studirten  scliaa- 
renweis  auf  ausländischen  Scliulen;  im  XIII.  Jahrli.  gab 
es  der  einheiinischen  Gelehrten  bereits  so  viele,  dass  die 
Ausländer  durch  Synodalbeschlüsse  von  allen  geistlichen 
Aemtern  ausgeschlossen,  und  die  Schulvorsteher  unbe- 
dingt an  die  Kenntniss  der  polnischen  Sprache  gewiesen 
wurden.  Die  Hochschulen  zu  Paris,  Padua,  Bologna 
und  Prag  wimmelten  bis  ins  XVI.  Jahrh.  von  Polen.  Die 
im  Auslande  gebildeten  Tarnowski,  Kochanowski,  Krzycki, 
Zamoyski ,  Modrzewski ,  Orzechowski,  Myszkowski  u. 
a.  m.  haben  den  Grund  zum  classischen  Anbau  der  pol- 
nischen Sprache  und  Literatur  unter  Zygmunt  August 
gelegt.  —  Nicht  minder  förderlich  war  der  Entfaltung 
der  Wissenschaften  und  Künste  in  Polen  die  religiöse 
Toleranz  während  der  Regirungsjahre  Zygmunt's  I.,  Zy- 
gmunt Augusts,  und  Steph.  Bäthory's.  —  Mit  der  Erfin- 
dung des  ßücherdruckes  wurden  die  Polen  frühzeitig  be- 
kannt. Der  älteste  polnische  Druck  ist  ein  Krakauer  Ka- 
lender vom  J.  1490.  Die  ersten  polnischen  Buchdrucker 
waren  Schwantopolt  Fiol  und  Joh.  Haller  in  Krakau. 
Der  erste  druckte  schon  im  J.  1491  einen  Osmoglasnik 
mit  kyrillischen  Buchstaben,  gerieth  aber  bald  in  die  In- 
quisition. Der  zweite  war  zuerst  Kaufmann,  im  J.  1494 
Buchhändler,  endlich  seit  1503  Buchdrucker,  starb  1525. 
Im  Laufe  des  XVI.  Jahrh.  vermehrte  sich  die  Zahl  der 
polnischen  Buchdruckereien  dergestalt,  dass  beinahe  je- 
des Städtchen,  welches  eine  nur  etwas  bedeutendere 
Schule  hatte,  auch  im  Besitze  einer  Buchdruckerei  war. 
Die  ältesten  Büchersammlinigen  in  Polen  sind  die  Kloster- 
bibliotheken der  Benedictiner;  die  ansehnliche  Bibliothek 
der  Krakauer  Hochschule  schmolz  im  XVII  —  XVIII. 
.lahrh.  bedeutend  zusammen.  Nicht  unanselndich  waren 
die  Bibliotheken  der  Fürsten  Radziwil  und  Sapieha,  jene 
in  den  Drangsalen  des  Krieges  zerstreut,  diese  1808  der 
Warschauer  gelehrten  Gesellschaft  geschenkt:  aber  die 
bedeutendste  Bibliothek  Polens  war  die  Zaiuskische  (von 
200,000  Bänden,  worunter  gegen  20,000  polnische  Wer- 
ke),   nach  der  gänzlichen  Theilung  Polens  von  der  rus- 


415 

sisclieii  Landesregiruiis^  nacli  S.  Petersburg  abgeführt. 
Der  jetzt  in  Polen  bestehenden  Bibliotheken  ist  schon 
oben  §.  7.  II.  gedacht  Morden.  -  Unter  den  Mäcenen 
Polens  glänzen  die  Namen  der  Fürsten  Zygiiiunt  I.,  Zy- 
gimint  August,  Stephan  Bathory,  Stanislaw  August  und 
Alexander  I.  oben  an.  Nächst  ihnen  verehrt  die  dank- 
bare Nachwelt  als  eifrige  Beförderer  der  Wissenscliaf- 
ten  und  Künste  den  Reichskanzler  Peter  Tomicki,  Bisch. 
V.  Krakan  (gest.  1535),  den  Erzbisch,  v.  Guesen  Andr. 
Krzycki  (geb.  1483,  gest.  1537),  den  Kanzler  u.  Heichs- 
capitän  Job.  Zamoyski  (geb.  1542,  gest.  1605);  seit 
der  Mitte  des  XVIII.  Jahrb.  aber  den  Bisch,  von  Kiew, 
Jos.  Zaluski,  und  den  k.  k.  Feldmarschall,  Adam  Fürst. 
Czartoryski  (gest.  1823).  —  Die  erste  periodische  Schrift 
erschien  in  Polen  1764,  seitdem  kamen  unter  mannig- 
faltigen, durch  die  Ereignisse  der  Zeit  herbeigeführten 
Hemmungen  und  Unterbrechungen  mehrere  periodische 
Schriften  sowol  politischen  als  literarischen  Inhalts  her- 
aus. Die  erste  öffentliche  gelehrte  Gesellschaft  in  Polen 
ist  die  kgl.  Gesellschaft  der  Freunde  der  Wissenschaften 
in  Warschau  seit  1801,  deren  Einfluss  auf  die  Wieder- 
belebung und  Veredlung  der  Nationalliteratur  unbere- 
chenbar wichtig  und  wolthätig  ist.  Im  J.  1815  wurde 
die  literarische  Gesellschaft  (towarzystwo  naukowe)  in 
Krakau  gestiftet,  und  mit  der  Krakauer  Universität  ver- 
bunden. —  Unter  den  Hindernissen  der  literarischen  Cul- 
tur  in  Polen  steht  die  ehemalige  Verfinsterung  des  poli- 
tischen Horizonts  und  der  harte  Druck  des  Volks  oben 
an.  Seit  Zygmunt  III.,  ja  schon  seit  Johann  Kazimierz 
sündigte  man  immer  schwerer  gegen  die  natürlichen  Rechte 
des  Christenthums,  der  Menschheit,  gleich  wie  gegen  die 
Regeln  der  Staats-  und  Volkswirthschaft.  Der  Adel 
machte  allein  die  Nation  aus,  das  in  die  Fesseln  der  Leib- 
eigenschaft geschlagene  Volk  versank  in  die  gröbste  Un- 
wissenheit, und  blieb  Jahrhunderte  lang  von  dem  Liciite 
der  Civilisation  gänzlich  ausgeschlossen.  Dasselbe  erman- 
gelte gänzlich  der  so  nöthigen  Landschulen,  und  der 
Landmann,  der  lesen  oder  sclireiben  gekonnt  hätte,  war 
weit  und  breit  nicht  anzutreffen.  Hiezu  gesellte  sich 
später    die    Verfolgung    anderer    Confessionsverwandten. 


416 

Audi  in  Polen  loderten  die  Scheiterimufen  zur  Vertilgung 
der  Ketzer  auf,  u.  die  Inquisition  dauerte  bis  auf  Zyginunt 
I.  Um  die  iMitte  des  XVII.  Jahrli.  erhob  sich  der  Sturm 
aufs  Neue,  die  Arianer  Avurden  aus  dem  Lande  gejagt, 
und  der  Druck  der  Griechischgläubigen  veranlasste  den 
Aufruhr  und  Abfall  der  Kozaken  von  der  polnischen 
Krone  im  J.  1654.  Die  Verfolgung  der  Dissidenten  über- 
schritt seit  August  II.  und  August  III.  alle  Gränzen, 
und  stia'zte  das  Land  in  unabsehbares  Elend.  Wie  ganz 
anders  spricht  die  musterhafte  Verfassung  des  jetzigen 
Kgr.  Polen,  die  allen  christlichen  Confessionen  freie  Re- 
ligionsübung gesetzlich  zusichert,  jedes  menschliche  Herz 
an!  —  Zu  den  Hindernissen  der  Sprachcultur  und  hie- 
mit  der  Nationalliteratur  rechnet  Hr.  ßentkowski  auch 
die  Jesuiten.  Nachdem  sie  sich  der  Schulen  Polens  be- 
mächtigt hatten  ,  versank  der  freiere  Geist  der  Bildung 
in  pedantischen  Mechanismus,  hohle  Formen,  Abrich- 
tung zu  verschiedenen  Nebenzwecken;  der  polemische 
Misston  und  panegyrische  Bombast  weht  unheimlich  aus 
allen  Werken  des  Zeitraumes  ihrer  Herrschaft  den  Le- 
ser an.  Nicht  minder  nachtheilig  wirkte  auf  die  Natio- 
nalliteratur die  Verfinsterung  der  Zeit  selbst;  Astrolo- 
gie ,  Cabbala  ,  Dämonologie ,  Pietismus  ,  Mysticismus, 
Atheismus,  Alchemie  und  Theosophie  schlichen  lange 
Zeit  im  Dunkel  der  Nacht  durch  alle  Länder  Europas 
umher,  und  beschäftigten  die  vorzüglichsten  Köpfe  jener 
Jahrhunderte;  auch  in  Polen  hatten  sie  ihre  geheime 
Werkstätte,  bis  mit  Kopernikus  das  straldende  Tagesge- 
stirn aufging,  und  die  finstre  Nacht  des  Mittelalters  auf 
immer  verblich.  —  Das  unzeitige  Bereisen  des  Auslandes 
verkehrte  oft  die  Köpfe  vorzüglich  der  Jugend,  und  ver- 
schaffte den  ausländischen  Sprachen  und  Sitten  oft  das 
Ueberge wicht  über  die  einlieimischen.  Im  XVI.  Jahrb. 
kehrten  die  Polen  jnit  Kenntnissen  hereichert  in  ihre 
Heimath  zurück,  und  brachten  es  hier  durch  Unterricht 
und  Schriften  bald  dahin,  dass  das  Keisen  ins  Ausland 
der  Studien  wegen  beinahe  überfiüssig  wurde;  im  XVII. 
Jahrh.  kasn  das  Besuchen  fremder  Länder  wälirend  der 
Schulleitung  der  Jesuiten  aus  der  Mode;  und  als  im 
XVIII.    Jahrii.    die    Reisen    nach    Italien  und  Frankreich 


417 

neuerdings  überhand  nahmen,  da  beinächligte  sich  eines 
grossen  Theils  der  Nation  ein  Stumpf-  und  Kaltsinn  ge- 
gen das  Einheimische  und  Vaterländische,  der  bald  in 
Verachtung  desselben  ausartete,  und  ein  unglückliches 
Nachäflfen  des  fremden  Volksthums  wurde  herrschend. 
Die  Erziehung  der  Jugend  wurde  fremdher  berufenen 
Pädagogen  anvertraiit:  französische  Sprache  und  Sitten 
drohten  beinahe  ganz  die  vaterländischen  zu  verdrängen; 
ihr  nachtheiliger  Einfluss  auf  die  Nationalliteratur  ist 
sichtbar  genug.  Unglückliche  Kriege  und  wiederholte 
Revolutionen  im  Lande  erstickten  die  vaterländische  Li- 
teratur vollends,  die  sich  nun  nach  so  vielen  Wunden 
unter  der  väterlichen  Fürsorge  der  jetzt  bestehenden 
Regirungen  nach  und  nach  zu  erholen  beginnt.  ^) 

§.50. 

Epochen    der    polnischen    Literatur.    Erste  Periode:    Von 

der  Einführung   des  Christenthums  bis  auf  Kazimierz 

den  Grossen.  J.  964  —  1333. 

Die  Epochen  der  polnischen  Literatur  sind  folgende : 
1.)  Von  der  Einführung  des  Christenthums  bis  auf  Ka- 
zimierz den  Gr.,  od.  vom  J.  964-1333.  2.)  Von  Kazi- 
mierz dem  Gr.  bis  auf  Zygmunt  L,  od.  vom  J.  1333- 
1506.  3.)  Von  Zygmunt  L  bis  zur  Eröffnung  der  Je- 
suitenschulen in  Krakau,  od.  vom  J.  1506-1622.  4.) 
Von  dem  entschiedenen  Uebergewicht  der  Jesuiten  und 
der  Verfolgung  der  Nichtkatholischen  bis  zur  Wieder- 
belebung der  Wissenschaften  und  Einführung  eines  bes- 
sern Geschmacks  durch  Stanislaw  Konarski,  od.  vom  J. 
1622-1760.  5.)  Von  Konarski  bis  auf  unsere  Zeiten 
1760-1824.  ') 

Erste    Perlode.     Von   der    Einführung    des  Christenthums 
bis  auf  Kazimierz    den  Gr.  J.  964  —   1333. 

Diese  Periode  kann  füglich  das  Zeitalter  der  Finsterniss 
heissen.  Die  schriftlichen  Denkmäler  dieser  Zeit  sind  alle 


^)  F.  Bentkowski  bist,  literatury   polskiey  (War.    814.)    I.  75  —  161. 
»)  F.  Bentkowski  I.  162  -  176.' 

27 


418 

in  lateinischer  Sprache  und  einem  Styl  abgefasst,  dein 
man  das  Gepräge  des  Jahrhunderts  ansieht;  dahin  gehö- 
ren die  Chroniken  des  Marlin  Gallus,  Vincentius  Kad- 
lubek,  Marftn  Sfrzebsh'  u.  m.  a.  —  Die  polnische  Mund- 
art musste  schon  zu  Anfange  des  X.  Jahrh.,  eben  so  wie 
die  böhmische,  von  der  altslawischen  verschieden  seyn; 
ihre  Gestalt  wurde  aber  im  Verfolge  der  Zeit  unter  dem 
Einllusse  der  lateinischen  und  teutschen  Sprache  immer 
mehr  verändert.  Lange  Zeit  bestand  die  Geistlichkeit 
Polens  aus  Italienern  und  Teutschen ;  die  polnischen  Städte 
wimmelten  von  teutschen  Gewerbsleuten ;  nichts  desto 
weniger  konnte  die  Sprache  der  Italiener  und  Teutschen 
wegen  der  grössern  Masse  der  Einwohner  in  Polen  nicht 
so,  wie  in  Böhmen,  überhand  nehmen,  und  war  ledig- 
lich auf  den  Hof,  die  Grossen  des  Reichs  und  die  Städte 
eingeschränkt.  Auf  die  Masse  des  Volks  wirkten  diese 
Sprachen  nur  in  sofern,  als  sie  die  äussere  Gestalt  des 
Polnischen  veränderten,  und  dasselbe  immer  weiter  von 
seiner  Urquelle  abführten.  Aus  dem  Conflict  dieser  drei 
Sprachen,  der  lateinischen,  teutschen  und  altslawischen, 
und  ihrem  Einflüsse  auf  die  Landesmundart  ging  die 
polnische  Sprache  in  ihrer  neuern  Form  hervor ;  wenn 
gleich  über  ihre  damalige  Beschaffenheit  wegen  des  gänz- 
lichen Mangels  an  Sprachüberresten  keine  bestimmte  Aus- 
kunft gegeben  werden  kann.  Nur  einzelne  polnische 
Wörter,  mit  einer  unsteten  inid  abschreckenden  Ortho- 
graphie geschrieben,  finden  sich  zerstreut  in  verschiede- 
nen lateinischen  Urkunden  dieses  Zeitraumes.  Zu  den 
ältesten  Denkmalen  der  polnischen  Sprache  gehört  das 
unter  dem  Titel:  ßoga  rodzica  bekannte  Kriegslied,  wel- 
ches allgemein  dem  h.  Adalbert  (Woyciech)  vor  dem  J. 
1000  zugeschrieben  wird,  von  dem  es  aber,  nach  Hrn. 
Dobrowskys  Meinung,  wenn  es  gleich  uralt  ist,  wol 
nicht  herrühren  mag,  da  im  Böhmischen  keine  Spur  da- 
von anzutreffen  ist.  Hr.  Rakowiecki  zweifelt  nicht  an 
dem  hohen  Alter  dieses  Sprachdenkmals,  erklärt  aber 
doch,  dass  er  es  in  seiner  jetzigen  Gestalt,  nach  der 
Sprache  zu  urtheilen,  nicht  höher  als  in  das  XIV.  .Jahrb. 
versetzen  kann  ^).  ßielski  und  Dlugosz  machen  wol  noch 

*)  Rakowiecki  prawda  ruska  IL  211  —  12. 


419 

Erwäliniing  von  alten  Liedern;  allein  ans  altern  Zeiten 
hat  sich  keins  erhalten.  Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass, 
ungeachtet  die  lateinische  Sprache  die  ötlentlichc  Geschäfts- 
und Urknndensprache  der  Polen  gewesen,  auch  die  Lan- 
desinundart  in  Geschäften  des  gemeinen  Lehens  nicht 
schriftlich  angewendet  worden  wäre;  aher  die  Missgunst 
und  ünkunde  der  Ausländer,  ferner  die  vielen  Kriege, 
Drangsale  und  Verheerungen  des  Landes  vertilgten  alle 
Spuren  dieses  frühesten  polnischen  Schriftthums.  ^) 

§•  5L 

Zweite  Periode.  Von  Kazimierz  dem  Gr.  bis  auf  Zygmunt  S. 
J.  1333  -   1506. 

Dieser  Zeitraum  kann  die  Morgenröthe  der  hcrandäm- 
mernden  Aufklärung  Polens  heissen.  Kazimierz ,  mit 
Recht  der  Grosse  genannt,  hob  durch  den  kräftigen  Schutz, 
den  er  dem  Landmann  und  Bürger  angedeihen  liess, 
und  durch  die  den  fremden  Ankömmlingen  ertheilten 
Privilegien,  in  deren  Genüsse  sie  friedlich  ihren  Geschäf- 
ten obliegen  konnten,  mächtig  die  Städte  und  das  Land 
empor,  und  legte  dadurch  den  Grundstein  zu  der  nach- 
maligen Grösse  und  Macht  Polens.  Er  wies  durch  die 
am  Wislicer  Reichstag  gegebenen  Landesgesetze  die  will- 
kührliche  Macht  der  Richter  in  die  gebührenden  Schran- 
ken zurück,  untersagte  die  Appellation  in  bürgerlichen 
Rechtsangelegenheiten  nach  Magdeburg,  und  zwang  auf 
diese  Weise  die  Eingebornen  sich  die  nöüiigen  juridischen 
und  politischen  Kenntnisse  zu  erwerben ;  er  legte  end- 
lich den  Grund  zu  der  Krakauer  Hochschule.  Die  stür- 
mischen Jahre  der  Regirungszeit  Ludwigs  hinterliessen 
kein  Denkmal,  ja  keine  Spur  seiner  Fürsorge  für  das 
Volk  in  Bezug  auf  dessen  Civil isation,  Aufklärung  und 
geistige  Bildung.  Dem  Wladyslaw  Jagiello  verdanken  die 
Polen  die  bessere  Organisation  und  Dotirung  der  Kra- 
kauer Universität,  dieser  selbst  vom  Auslande  geachte- 
ten Pflegerin  der  Wissenschaften,  Mutter  aller  übrigen 
Lehranstalten    Polens.     Hedwig  und  Sophie,    Gemahlinen 


»)  Bentkowski  bist.  lit.  pol.  I.  162  —  63. 


27' 


420 

dieses  frommen  Fürsteii,  Hessen  die  li.  Schrift  in  polni- 
sche Sprache  übersetzen.  Kazimierz  Jagiello  befahl  durch 
ein  Decret  anfs  strengste,  dass  nur  derjenige,  der  in 
der  lateinischen  Sprache  bewandert  ist,  zu  höheren  Aem- 
tern  zugelassen  werde.  Derselbe  legte  viele  lateiniscise 
Schulen  im  ganzen  Lande  an,  während  für  die  polnische 
Sprache  nicht  das  mindeste  unter  ihm  geschah.  Gegen 
das  Ende  seiner  Regirung,  zur  Zeit  der  Wiedergeburt 
der  Wissenschaften  und  Künste  in  Europa,  nährte  die 
Krakauer  Hochschule  die  gelehrtesten  Männer,  sowol 
Eingeborne,  als  Ausländer,  in  ihrem  Schoosse,  die  ih- 
ren und  des  Landes  Ruhm  mündlich  und  schriftlich  ver- 
breiteten. Dfugosz  ist  zwar  nicht,  wie  einige  behauptet 
haben,  der  erste,  der  griechische  und  römische  Classiker 
nach  Polen  brachte-,  aber  ihm  gebührt  doch  das  Ver- 
dienst der  Verbreitung  classischer  Studien  unter  den  Po- 
len. Die  Einführung  der  Buchdruckerkunst  in  Krakau 
um  1490,  obvvol  sie  die  ganze  Regirungszeit  Kazimierz's 
hindurch  in  der  Wiege  geblieben  ist,  wurde  doch  in 
der  Folge  eines  der  vorzüglichsten  Vehikel  der  Belebung 
und  Verbreitung  literarischer  Betriebsamkeit  im  ganzen 
Lande.  In  den  für  Polen  unglücklichen  Tagen  Johann 
Albrechts  geschah  für  die  Wissenschaften  und  Künste 
gar  nichts.  Von  Natur  liochmüthig,  schätzte  er  zwar 
an  einzelnen  Menschen  gelehrte,  vorzüglich  historische 
Kenntnisse,  aber  er  selbst  besass  nicht  im  mindesten 
die  Gabe  zu  regiren,  und  die  polnischen  Musen  sind 
ihm  keinen  Dank  schuldig.  Nocli  weniger  that  für  die 
öffentliche  Aufklärung  sein  Nachfolger  Alexander,  der 
bei  der  Fülle  körperlicher  Gesundheit  doch  sehr  schwach 
am  Geiste  war.  —  Es  ist  bereits  oben  gesagt  worden, 
dass  seit  dem  X.  Jahrh.  die  Aufklärung  des  Volks  ganz 
in  die  Hände  der  Geistlichkeit  gegeben  ward,  die  über 
ein  ganzes  Jahrhundert  aus  Italien  und  Teutschland  ge- 
holt wurde,  und  dass  im  Laufe  dieser  Periode  die  Ein- 
gebornen  von  allen  geistlichen  Aemtern  gänzlich  ausge- 
schlossen blieben.  Obwol  dieses  später  aufhörte,  so  be- 
hielten doch  die  Ausländer  sowol  bei  dem  weltlichen, 
als  dem  regulären  Clerus,  trotz  der  dagegen  gefassten 
Beschlüsse    und  gegebenen    Verordnungen,    bis   Ende  des 


421 

XV.  Jalirh.  den  Vorrang.  Noch  im  XII.  Jahrli.  wurden 
die  geirstliclien  Aemter  und  Würden  mit  Ausländern  be- 
setzt. Im  XIII.  Jahrh.  fingen  die  Erzbischöfe  und  der 
höhere  Clerus  an,  daran  zu  denken,  der  verachteten 
Landessprache  Ansehen  zu  verschaffen;  aber  ihr  Wille 
blieb  ohne  Erfolg,  und  die  Verordnungen  kraftlos.  Im 
J.  1237  verordnete  der  Erzbischof  von  Gnesen,  Petka, 
dass  die  Priester  unter  der  Obhut  der  Bischöfe  Schulen 
eröffnen,  dieselben  aber  nicht  nn't  Teutschen,  ausser 
wenn  sie  der  polin'schen  Sprache  vollkommen  kundig 
wären,  besetzen  möchten.  I)er  Einfall  der  Tataren  im 
J.  1241  vereitelte  mit  der  gänzlichen  Unterdnlckung  der 
beginnenden  Landescultur  auch  diese  löbliche  Verord- 
nung. Im  J.  1285  wurde  auf  der  Provincialsynode  zu 
Leczyc  unter  dem  Vorsitz  des  Erzb.  von  Gnesen,  Ja- 
kob Swinka,  decretirt,  dass  hinführo  alle  der  polnischen 
Sprache  unkundige  Ausländer  von  den  geistlichen  Aem- 
tern  und  Schulen  ausgeschlossen  seyn  sollen;  allein  die 
Wiederholung  desselben  Decrets  im  J.  1357  auf  der  Pro- 
vincialsynode  zu  Kalisz  durch  den  Erzb.  von  Gnesen, 
Jaros^aw  Bogory,  und  die  im  J.  1460  von  Job.  Ostrorog 
über  die  Besetzung  der  Klöster  mit  ausländischen  Mön- 
chen geführte  Klage  beweisen  zur  Genüge,  dass  auch 
dieses  Decret  von  keiner  Wirkung  gewesen.  Diese  aus- 
ländischen, auf  alles  Einheimische  aufsässigen  Geistlichen, 
der  Macht  und  Würde  nach  der  erste  Stand  der  Nation, 
schworen  aus  Neid,  Eifersucht,  Missgunst  und  Hass  al- 
len Denkmälern  einer  Sprache,  die  sie  nicht  kannten, 
und  nicht  kennen  wollten,  den  gänzlichen  Untergang. 
Sie  thaten,  was  nach  der  Aussage  des  Priors  Lochmann 
und  dem  Bericht  des  Pfarrers  Juszynski  (Dict.  poet. 
polsk..  Kr.  820.  Vorr.)  mehrere  Hundert  Jahre  später  die 
aus  Frankreich  emigrirten  Benedictiner  mit  der  polnischen 
Bibliothek  des  Klosters  S.  Krzyz  auf  der  Lysa-Göra  gethan 
haben,  sie  warfen  die  in  barbarischer  Sprache  verfassten 
Bücher  zum  Lohn  der  Gastfreiheit  ins  Feuer.  So  ver- 
tilgten diese  Ankömmlinge  alle  Spuren  des  frühesten 
Sprachanbaues  der  Slawen,  die  bis  dahin  den  Stürmen 
der  drückenden  Zeit  entronnen  waren.  Sie  liessen  den 
Gebrauch  der  polnischen  Sprache,    weder  in  öffentlichen, 


422 

noch  in  Privatgeschäften  zu.  Es  gelang  iinien,  den  hö- 
hern Ständen  einen  bleibenden  Abscheu  gegen  die,  wie 
sie  vorgaben,  heidnisclie,  wilde,  ungeschlachte  und  bar- 
barische Sprache  einzuimpfen  ;  selbst  dem  Pöbel  liessen 
sie  sie  kaum  und  nur  gezwungen.  Aus  diesem  Grunde 
wagte  man  kaum  mit  Ende  des  XIV.  Jahrb.  die  polni- 
sche Sprache  aus  dem  Dunkel  der  Vergessenheit  u.  Ver- 
achtung ans  Tageslicht  zu  ziehen ;  aber  die  tief  im  Her- 
zen des  Volks  wurzelnde  Gleichgültigkeit  gegen  dieselbe 
dauerte  noch  lange  und  bis  Ende  des  XV.  .Jahrh.  fort. 
Karl  IV.  liebte  und  beschützte  die  bölnuische  Sprache; 
der  polnische  Kazimierz  der  Gr.  theilt  dieses  Lob  nicht 
mit  ihm.  Auf  diese  Weise  ward  kaum  unter  der  Kgn. 
Hedwig  auf  die  Emporhebung  der  Sprache  gedacht.  Die 
fromme  Fürstin  gab  durch  ihr  Beispiel  die  erste  Veran- 
lassung dazu.  Nicht  minder  kräftig  wirkte  auf  den  bes- 
sern Theil  der  Nation  das  Vorbild  der  Böhmen,  die  um 
diese  Zeit  schon  eine  herrlich  ausgebildete,  gereifte  und 
reiciilich  angebaute  Sprache    besassen. 

Dieser  Periode  fehlt  nicht  an  verschiedenen  Bele- 
gen der  fortschreitenden  Sprachgestaltung ,  aus  denen 
deutlich  hervorgeht,  dass  die  Polen  nach  dem  Verlust 
des  uralten  slawischen,  und  der  Annahme  des  lateini- 
schen Alphabets,  Mühe  gehabt  haben,  eine  bestimmte 
und  gleichförmige  Orthographie  einzuführen.  Bei  der  Be- 
gründung derselben  legte  mau  die  lateinische,  teutsche 
und  böhmische  Combination,  folgewidrig  und  ohne  alle 
Einsicht  in  das  Wesen  der  Schreibekunst  und  der  slawi- 
schen Sprache,  zinn  Grunde.  Durch  diese,  der  polni- 
schen Sprache  gegen  ihren  Geist  aufgedrungene  Recht- 
schreibung wurde  nicht  nur  die  Etymologie  unsicher  ge- 
macht, sondern  auch  die  Bildung  der  Wörter  von  ihrer 
ursprünglichen  Norm  abgelenkt,  und  was  am  meisten 
zu  bedauern  ist,  der  quantitative  Charakter  der  polni- 
schen Prosodie  beinahe  gänzlich  verwischt.  Denn  es  ist 
erwiesen,  dass  noch  im  Laufe  des  XV.  Jahrh.  die  Länge 
und  Kürze  der  Sylbeu,  analog  den  übrigen  slawischen 
Dialekten,  mittelst  des  natürlichen  Zeitverhalts  (d.  i. 
der  Dehnung  und  Schärfung  der  Vocale,  nicht  eines  er- 
träumten Tons}j,.in  der  Aussprache  bestimmt  ausgeschie- 


423 

den  und    scharf  begränzt    war,    und  dass  zwischen  der 
Menge    der    langen    und    kurzen    Sylben  ein  Verhältniss 
statt  fand,    wie  es  die  Natur  der  altclassischen  Versfor- 
nien  verlangt;    während  jetzt  die  Bestimmung  der  Quan- 
tität   der    Sylbcn,    wegen    der  vernachlässigten  Bezeich- 
nung   der    langen    und  kurzen  Vocale  im  Schreiben,  den 
grössten  Schwierigkeiten    unterworfen  ist.  ^)     Die  Denk- 
male   der    polnischen    Sprache    fangen    mit   der  zweiten 
Hälfte    des    XV.    Jahrh.  an.     Dahin  gehört  vor  allem  die 
nach  dem  Zeugnisse  Dhigosz's  auf  Befehl  der  Kgn.  Hedwig 
vor    dem   J,    1390    veranstaltete  Uebersetzung  der  Bibel. 
Ein  Exemplar  dieser  Uebersetzung  ist  aber  nirgends  vor- 
handen, wesshalb  sie  von  vielen,  z.  B.  Grafen  Stan.  Po- 
tocki,    auch    bezweifelt  worden  ist.     Den  Psalter  zu  Po- 
ryck  gab  Czacki  für  einen  Theil  der  Hedwigischen  Bibel 
aus;    andere  Theile,    die  sich  zu  Säros-Patak  in  Ungern 
befinden,    waren    (nach    c.  vom  Grafen  Majläth  der  Grä- 
fin Rzewuski  geb.  Fürstin  Lubomirski  mitgetheilten,    und 
in  Niemcewicz    zbiör  pamietniköw  W.  822.  2  Th.  abge- 
druckten   BeschreibiHig    derselben)     ein    Eigenthum    der 
vierten  Gemahlin  JagielJo's,  der  trefflichen  Sophia  (1430), 
und  können  wol  eine  Copie  von  der  Bibel  seyn,   welche 
die   erste    Gemahlin    desselben,    die  schöne  Hedwig,  be- 
sessen.    Eine  andere  Bibel,    welche  die  Kgn.  Sophia  im 
J.  1455    abschreiben  Hess,    hat  noch  Wegierski  (1600  — 
49)    gesehen.     Man    kann  jedoch  nicht  annehmen,    dass 
die  letztere  Bibel  nur  eine  Copie  der  altern  sey,    da  die 
Schlussformel    den    Uebersetzer    ausdrücklich  nennt.     Es 
ist    wol    zu  vermuthen,    dass    böhmische  Uebersetzungen 
verschiedener    Bücher    (von  denen,    die  Hedwig  gelesen 
haben    soll,    sind   aus  jenen  Zeiten  in  Prag  noch  böhmi- 
sche Handschriften  vorhanden),  nicht  nur  unter  der  Kgn. 
Hedwig,    sondern    noch    häufiger    unter   der  Kgn.  Sophia 
nach    Polen    gekommen    sind.     In  Böhmen    gab  es  1455 
schon    zwei    neuere    Recensionen  der  Bibel,  die  dem  la- 
teinischen Texte  genauer  entsprechen,  als  die  alte  para- 
phrastische    Uebersetzung.     Nach    einer    solchen    neuern 
Recension  scheint  also  Andr.  v.  Jaszowicz,  der  Kgn.  So- 


^)  Rakowiecki  prawda  ruska  II.  213  S. 


424 

pliia  Caplan,  die  polnische  Bibel  umgearbeitet  zu  haben  ^). 
Ausser  der  Bibel  gab  es  1390  schon  Legenden,  Hoini- 
lien  und  andere  Erbauungsbücher  in  polnischer  Sprache. 
Hiernächst  sind  zu  nennen;  die  Vorr.  aus  einem  alten 
Statut  des  Kgs.  Kazimierz;  Aussagen  der  Zeugen  um 
die  Mitte  des  XIV.  Jahrh.  in  der  Maiewskischen  Samml. 
poln.  Msc. ;  ein  Ausspruch  des  Wojewoden  von  Lemberg 
in  einem  Gränzprocess  vom  J.  1400,  befindlich  in  der 
Kronmatrikel;  Fragmente  aus  Uebersetzungen  polnischer 
Statute  vom  J.  1449  und  1450;  die  polnische  Ueber- 
setzung  der  Antiphone  Salve  regina  aus  dem  Kanzional 
von  Przeworszczyk  vom  J.  1435;  die  X.  Gebote  polnisch 
in  Versen  vom  J.  1481;  ein  Lied  vom  Wiklef  in  einer 
Handschrift  der  Göttinger  Bibl. ;  eine  Anleitung  zur  pol- 
nischen Rechtschreibung  vom  J.  1486.  u.  m.  a.,  die  bei 
ßentkowski  Hist.  liter.  pol.  1  Bd.  S.  177-191.,  Potocki 
pochwaly,  mowy  i  rozprawy  IL  Bd.  S.  419-425,  und 
Rakowiecki  prawda  ruska  IL  Bd.  S.  212-221  nachzule- 
sen sind. 


^)  Dohrowsky  Slowanka  II.  237 — 38.  —  Bei  dieser  Gelegenheit  will 
ich  die  poln.  Bibeln  verzeichnen.  —  N.  Testament:  Matthaeus,  Kgsb.  551. 
(Von  J.  Seklucyan).  Ganz  :  Kgsb.  551  —  52  2  Bde.  4.,  Kgsb.  554.  Kgsb. 
555.  (Von  demselben  a.  d.  Griechischen  für  lutherische  Christen,  dreimal 
aufgelegt.)  Krak.  556.  4.  (Nach  der  Vulgata  v.  J.  Leopolita  revidirt,  aber 
von  Leonard  übersetzt,  für  katholische  Christen.)  Altes  Testament:  Psal- 
ter, Kr.  b.  Ungler  539.,  Derselbe  Kr.  b.  Vietor  .540.  Derselbe  Kr.  b. 
Scharfenberger  543.  eb.  547.  (Von  V.  Wrobel  übers,  u.  4mal  aufgelegt)  — 
Ganze  Bibeln:  Krakau  b.  Scharfenberger  561.  fol.  (Nach  d.  Vulgata,  von 
J.  Leopolita  revidirt,  ab.  v.  Leonard  übers.,  für  Katholiken).  Brzesc  in  Lit- 
tauen 563.  fol.  (Nach  dem  Hebr.  Griech.  u.  Lat.  f.  Reformirte).  Nieswiez 
(nur  d.  Vorr.  ist  zu  Zaslaw  unterzeichnet)  570.  4.  (Nach  d.  Hebr.  Griech. 
u.  Lat.  v.  S.  Budny,  e.  Autiirinitarier).  0.  Dr.  572.  Dieselbe  zum  zwei- 
tenmal aufgelegt).  Krakau.  575  fol.  Krakau  577.  fol.  (N.  Auflagen  von 
1561).  Krakau  599.  fol.  (Nach  d.  Vulg.  v.  d.  .Jesuiten  J.  Wuiek).  Dan- 
zig  632.  8.  (Nach  dem  Hebr.  u.  Griech.  v.  P.  Paliurus  u.  s.  Mitarbeitern 
Wengierscius  u.  Mikolaievius.  für  Protestanten  H.  C.)  Amsterdam  660.  8. 
(Dies'elbe).  Halle  726.  8.  (Dieselbe).  Breslau  740.  8.  (Die  Krakauer  von 
.'99).  Kgsb.  738.  8.  (Die  Danziger).  Brieg  768.  8.  (Dieselbe).  Breslau 
771.  2  Bde.  4.  (Die  Krakauer  von  599.  mit  dem  lat.  Text).  Kgsb.  779. 
8.  (Die  Danziger).  Berlin  810.  8.  (Die  Danziger  von  der  Bibelgesellschaft.) 
Vgl.  S.  E.  Czepius  j^reussische  Zehenden,  Kgsb.  742.  2.  3.  Bd.  —  Ringel- 
taube Nachricht  von  den  polnischen  Bibeln,  Danz.  744.  8.  —  F.  Bentkoivski 
hist.  liter.  pol.  II.  Bd.  S.  494.  if.  —  L.  Kossicki  brevis  bibliorum  polon. 
per  editionum  familias  conspectus,  in  Bantkie's  miscell.  Cracoviensia,  Kr. 
811.  4.  Dobrowskys  Slowanka  I.  141.  II.  228. 


425 


§.  52. 


Dritte    Periode.     Von  Zygmunt    I.  bis    zur  Eröffnung  der 
Jesuitenschulen  in  Kral<au.  J.  1560  —   1622. 

Goldenes  Zeitalter  der  polnischen  Literatur.  Die  Na- 
tionalbildung ging  in  diesem  Zeitraum  mit  Riesenschrit- 
ten vorwärts;  der  Geschmack  bildete  sich  an  den  clas- 
sischen  Mustern  Griechenlands  und  Latiums  ans,  und  die 
Reinheit  der  Sprache  erreichte  den  höchsten  Gipfel.  Die 
Hauptmerkmale  der  Schriftsteller  aus  dieser  Periode  sind: 
Richtigkeit  und  Reinheit  der  Sprache,  edle  Einfachheit 
und  ernste  Würde.  —  Es  ist  bemerkenswerth  in  der  Ge- 
schichte der  Civilisation  Polens,  dass  in  diesem  Reich  der 
Adel  mit  der  Fackel  der  Aufklärung  stets  voranging, 
während  andere  Länder  die  Aufregung  der  selbständi- 
gem Geistesthätigkeit  und  das  Licht  der  literarischen 
Cultur  meistens  dem  zweiten  Stande  verdanken.  Es  ist 
genug,  der  Namen  Padniewski ,  Ocieski ,  Tarnowski, 
Zamoyski,  Gork,  Radziwnll  u.  m.  a.  zu  erwähnen,  um 
anzuzeigen,  dass  diess  diejenigen  Manner  sind,  welche 
die  goldene  Aera  der  polnischen  Nationalliteratur  her- 
beigeführt haben.  L^nter  Kazimierz's  des  Jagiellonczyk 
Söhnen  wurde  das  Polnische  die  Sprache  des  Hofs,  der 
Damen  und  der  gebildeten  Gesellschaften.  Man  fing  laut 
an  über  die  Vernachlässigung  der  vaterländischen  Spra- 
che zu  klagen,  und  sah  die  Nothwendigkeit  ihrer  Ver- 
vollkommnung ein.  Zygmunt's  L  thätige  Regirung  und 
die  erwünschte  Ruhe,  welche  die  westlichen  Provinzen 
fortwährend  genossen,  schufen  Grosspolen  zu  der  Wiege 
der  Aufklärung  um.  Zygmunt  August  wusste  durch 
seine  weise  Mässigung  in  Sachen  der  Religion  den  herr- 
schenden Zeitgeist  so  zu  lenken,  dass  während  in  ei- 
nem grossen  Theil  von  Europa  blutige  Religionskriege 
die  Fortschritte  der  literarischen  Cultur  nicht  wenig  auf- 
hielten ,  der  Boden  Polens  nicht  nur  mit  Bruderblut 
nicht  befleckt  wurde,  sondern  die  Verschiedenheit  der 
Religionsmeinangen  sogar  dem  Anbau  der  Wissenschaf- 
ten erspriesslich  war.  Derselbe  vorbot  die  Landesgesetze 
in  einer    andern,    als   der    polnischen  Sprache,    abzufas- 


426 

sen;  er  selbst  schrieb  in  keiner  andern,  als  der  Landes- 
sprache. An  seinem  Hofe  lebten  Job.  Kochanowski, 
Luk.  Gornicki  nnd  Job.  Janiiszowski.  Stepb.  Bätbory 
maciite  sieb  durcb  die  Einfiibrung  der  lateiniscben  Spra- 
che und  in  ibreni  Gefolge  des  Studiums  der  classiscben  Vor- 
zeit, ferner  durcb  weise  Duldung  um  die  Beförderung 
der  Wissenschaften  in  Polen  sehr  verdient;  so  wie  er 
sich  andererseits  durcb  die  Errichtung  der  Tribunale  und 
Vervollkoiiuiinung  der  öffentlichen  Gerechtigkeitspflege 
den  Dank  der  spätesten  Nachkommen  erworben.  Zwar 
will  man  das  Beimengen  der  lateiniscben  Wörter  und 
Redensarten  in  der  polnischen  Sprache  dem  Einflüsse 
seines  Beispiels,  weil  er,  der  Landessprache  nicht  ganz 
mächtig,  im  Sprechen  das  Latein  zu  Hilfe  zu  nehmen 
j)flegte,  zuschreiben ;  allein,  was  der  König  aus  Noth 
that,  hätten  seine  ungeschickten  Hofleute  nicht  bis  zur 
Ungebühr  und  offenbarer  Verletzung  der  vaterländischen 
Sprache  nachäffen  sollen.  Gegen  das  Ende  dieses  Zeit- 
raumes blühten  noch  unter  der  Regirung  Zygminit's  III. 
die  Wissenschaften,  bis  nicht  die  Jesuiten  fast  den  gan- 
zen Schulunterricht  an  sich  gebracht  haben.  —  Mit 
Recht  befremdet  in  der  Geschichte  der  polnischen  Na- 
tionalliteratur der  unerhört  schnelle  Aufschwung  dersel- 
ben im  Laufe  des  XVI.  Jahrb.  Die  einzige  Ursache  die- 
ser Erscheinung  (sagt  Graf  Potocki),  ist  in  der  vertrau- 
tern Bekanntschaft  der  Polen  mit  den  classiscben  Werken 
der  griechischen  und  römischen  Vorzeit,  und  dem  wol- 
thätigen  Einfluss  vorzüglich  des  lateinischen  Sprachstu- 
diums auf  die  Gestaltung  der  Landessprache  zu  suchen. 
Zur  Zeit  der  Wiedergeburt  der  Wissenschaften  in  Eu- 
ropa ging  die  allgemeine  philologische  und  classische  Ge- 
lehrsamkeit den  einzelnen  Nationalliteraturen  voran.  Die 
unter  dem  Schutt  der  alleszerstörenden  und  zuletzt  in 
sich  selbst  zerfallenen  Barbarei  begrabenen  Trümmer  des 
classiscben  Alterthums  mussten  erst  entdeckt,  liervorge- 
zogen,  gereinigt,  geordnet  und  erläutert  werden,  be- 
vor sie  bei  der  neuern  europäischen  Nationalcultur  zum 
Grunde  gelegt  werden  konnten.  Diese  grossartigen  jMu- 
ster  des  classiscben  Alterthums,  durch  Italiens,  Frank- 
reichs,   Teutschlands,    Hollands    und    Englands  Gelehrte 


427 

mit  unsäglicher  Mühe  vom  Staube  der  Verwesung  ge- 
reinigt, gewannen  nun  Gesetzeskraft  in  jeder  besondern 
Nationalliteratur  Europas.  Das  unbegränzte  Ansehen  der 
lateinischen  Sprache  im  XVL  Jahrb.  machte  die  römische 
Literatur  zu  einer  der  reichhaltigsten  Quellen  mensch- 
licher Kenntnisse,  aus  der  alle  Völker  schöpften.  Die 
geistreichern,  in  den  alten  Sprachen  gründlich  bewan- 
derten Polen  dieser  Zeit,  mit  dem  Ballast  so  vieler  le- 
benden neuern,  uns  gleich,  nicht  überladen,  konnten 
nun  um  so  leichter  die  gefühlten  Schönheiten  des  latei- 
nischen Styls  auf  die  vaterländische  Sprache,  die  sie  da- 
für empfänglich  und  schon  vorbereitet  fanden,  übertra- 
gen, wie  sie  denn  diess  mit  musterhafter  Geschicklich- 
keit und  glänzendem  Erfolg  auch  wirklich  gethan  haben. 
Aber  dieser  herrschenden  Auctorität  der  lateinischen  Spra- 
che ist  es  auch  zuzuschreiben,  dass  so  viele  Polen  in 
diesem  Zeitraum  statt  der  einheimischen  Sprache  die  nun 
europäisch  gewordene  römische  zur  Darstellung  ihrer 
Gedanken  wählten,  entweder  weil  sie  die  vaterländische 
noch  nicht  für  genug  fein  und  vervollkommnet  hielten, 
oder  aber,  weil  sie  es  vorzogen,  Bürger  der  grossen 
Gelehrtenrepublik  Europa's,  als  des  kleinen  Schriftstel- 
lervereins auf  dem  Heimathsboden  zu  werden.  —  Von 
der  Wolthat  des  neuerfundenen  Bücherdrucks  säumten 
zwar  die  Polen,  wie  schon  oben  gesagt  worden,  nicht,  früh- 
zeitig Gebrauch  zu  machen;  aber  erst  seit  1534  wurde 
die  Verbreitung  der  Buchdruckerkunst  in  Polen  allge- 
mein, und  die  polnischen  Drucke  häufiger.  Die  Ortho- 
graphie fand  in  diesem  Zeiträume  viele  Verbesserer; 
an  ihrer  Spitze  stehen  Rochanowski,  Orechowski,  Gor- 
nicki und  Januszowski.  Allein  ihre  Neuerungen  griffen 
bei  der  einmal  geläufig  gewordenen  Schreibart  des  gros- 
sen Schriftstellerhaufens  nicht  durch;  und  seitdem  gelang 
es  selbst  den  geachtetsten  Schriftforschern  unserer  Zeiten 
nicht  mehr,  die  Mängel  der  polnischen  Rechtschreibung 
gänzlich  zu  beschwichtigen.  Grammatisch  und  lexicogra- 
phisch  wurde  die  Sprache  bearbeitet  von  Zaborovvski, 
Honter,  Seklucyan,  Statorius,  Orzechowski,  Januszowski, 
Maczyiiski  und  Knapski.  —  Durch  den  Wollaut  der  ita- 
lienischen   Sprache    bezaubert,    suchten    die    polnischen 


428 

Dichter  die  Häufung  der  Consonanten  in  ihrer  Mutter- 
sprache zu  mildern.  Die  Aussprache  und  Rechtschrei- 
bung wurde  zu  Ende  des  XV.  und  im  Laufe  des  XVI. 
Jahrh.  vielfach  nach  der  böhmischen  Mundart  gestaltet. 
Dieser  Einfluss  des  Böhmischen  auf  das  Polnische  nahm 
so  Oberhand,  dass  sich  dessen  Spuren  sogar  in  dem  rein- 
sten polnischen  Kanzleistyl  der  beiden  Sigismunde  fin- 
den. Die  Krakauer  Universität,  gleich  nach  ihrer  Stif- 
tung mit  Lehrern  aus  Prag  besetzt,  und  von  ßöhmen 
zur  Zeit  der  hussitischen  Unruhen  häufig  besucht,  trug 
nicht  wenig  zu  dem  Ueberhandnehmen  des  Böhmischen 
in  Polen  bei.  Hiernächst  mag  der  bereits  vorgerückte 
Anbau  der  gereiften  böhmischen  Sprache,  die  Ueberse- 
tzung  der  Bibel,  und  das  Ansehen  der  Prager  Akademie, 
auf  der  jährlich  zahlreiche  Polen  studirten,  der  böhmi- 
schen Sprache  einen  nicht  geringen  Einfluss  auf  die  pol- 
nische verschafft  haben.  Noch  wurden  in  diesem  Zeit- 
räume viele  italienische  und  mehrere  türkische  Wörter 
in  die  polnische  Sprache  aufgenommen,  die  aber  als 
einzelne  zerstreute  Fremdlinge  die  Masse  der  Sprache  im 
Ganzen  gar  nicht  verändert  haben,  und  zum  Theil  durch 
bessere  einheimische  schon  ausgebürgert  sind,  —  Die 
Sprache  der  Dichtkunst  machte  in  dieser  Periode  bedeu- 
tende Fortschritte.  Keys  von  NagJowic,  als  des  ersten 
polnischen  Reimdichters,  dessen  Name  und  Werke  sich 
erhalten  haben,  (gereimte  Bruchstücke  von  ungenannten 
Vff.  kommen  schon  in  der  vorigen  Periode  vor),  poeti- 
sche Sprache  erscheint  bei  nicht  zu  läugnenden  Män- 
geln des  Stoffen  seiner  Poesieen  schon  als  gereift  und  ge- 
diegen ;  der  schöpferische  Genius  Job.  Kochanowski's  er- 
hob sie  auf  den  höchsten  Gipfel  der  Vollendung.  Viele 
seiner  Gesänge,  worunter  die  Psalmen,  übertreffen  an 
dichterischer  Weihe  und  classischer  Diction  die  Erzeug- 
nisse aller  seiner  Zeitgenossen,  Ariosto  und  Tasso  aus- 
genommen ;  diese  Blumen  scheinen  nicht  unter  Sarma- 
tiens  rauhem  Himmel,  sondern  auf  dem  classischen  Bo- 
den Griechenlands  und  Latiums  entsprossen  zu  seyn.  Sein 
Bruder,  Andr.  Kochanowski ,  und  Neffe,  Pet.  Kocha- 
nowski,  erweiterten  die  von  ihm  gebrochene  Bahn ;  an 
^ie  schloss  sich  der  Idyllendichter  Szymonowicz  an.  Der 


429 

Versbau  blieb  jedoch  weit  hinter  dem  Stoff  zurück  ;  .loh. 
Kochanowski's  nicht  genug  zu  rühmender  Versuch,  das 
altciassisclie  Versniaass  im  Geiste  der  griechischen  luid 
römischen  Prosodie  a«if  den  polnischen  Parnass  zu  ver- 
pflanzen, fand  leider  keine  Nachahmer,  und  der  Heim 
blieb  hinfort  in  der  polnischen  Dichtkunst  alleinherr- 
schend. Die  Sprache  der  Beredsamkeit  blühte  neben 
jener  der  Dichtkunst  kräftig  empor.  Die  Reden  des 
Czarnkowski  und  Odachowski  bei  Gornicki  ragen  weit 
über  ihr  Zeitalter  hervor ;  aber  die  Palme  der  politischen 
Beredsamkeit  in  dieser  Periode  gebührt  dem  Gornicki, 
so  wie  der  geistlichen  dem  Wiiiek  und  Skarga.  Die 
Sprache  der  wissenschaftlichen  Prosa  blieb  weit  hinter 
jenen  beiden  zurück,  aus  der  leicht  zu  errafhenden  Ur- 
sache, weil  die  meisten  Polen  im  Laufe  dieses  Jahrhun- 
derts über  wissenschaftliche  Gegenstände  nicht  polnisch, 
sondern  lateinisch  geschrieben  haben.  *) 

Vorzügliche,  um  den  Anbau  der  Sprache  der  Dicht- 
kunst, Beredsamkeit  und  wissenschaftlichen  Prosa  ver- 
diente Schriftsteller  dieses  Zeitraumes  sind :  Niki.  Reij 
V.  Naglowic  aus  Zoraw  in  Russland  (geb.  1515,  gest. 
1569),  der  Vater  der  polnischen  Dichtkunst,  studirte 
in  Lemberg  und  Krakau,  und  weihte  sein  ganzes  Leben 
dem  Dienste  der  Musen,  ohne  ein  öffentliches  Amt  an- 
zunehmen ;  er  schrieb  sehr  viel,  vorzüglich  über  religiöse 
Gegenstände;  als  VC  mehrerer  geistlichen  Reden  in  s. 
Postillen  macht  er  zugleich  in  der  polnischen  Beredsam- 
keit und  der  Geschichte  der  Sprache  überhaupt  Epoche  ; 
sein  bekanntestes  Werk  ist:  Psalterz  Dawidow  s  modli- 
twami  555.  —  Joh.  Kochannicski  aus  Sycyn  (geb.  1530, 
gest.  1584),  bereiste  Frankreich  ,  Italien,  Teutschland, 
studirte  in  Padua,  ward  k.  Secretär,  darauf  Abt  von 
Sieciechow,  zuletzt  Tribun  (Woyski)  des  Sandomirer 
Landdistricts,  s.  Oden  ermangeln  zwar  des  Schwungs 
und  der  Erhabenheit  der  Pindarischen,  aber  eine  süsse 
Anmuth  und  Zartheit  zeichnet  sie  dafür  vortheilhaft  aus; 
viele  s.  Lieder  sind  dem  Anakreon,  den  griechichen 
Anthologisten    und    dem    Horaz    nachgebildet ;    s.    polni- 

*)  F.  Bentkou'ski  bist.  lit.  pol.  I.  Bd.  S.  1(56  —  RS.  St.  Potocki 
pochwaly,  mowy  II.  Bd.  S.  380   -  429.  505.  tf. 


430 

sehen  Diehterwerke  (denn  K.  dichtete  auch  lateinisch) 
theilen  sich  in  Uebersetznngen,  worunter:  Psalterz  Da- 
widöw,    Kr.    578.    4.   und  eh.  585.  586.  587.  606.  612. 

617.  629.  641.  4.  classisch  ist,  und  Originale,  darun- 
ter Lieder,  Oden,  Satyren,  Erzählungen,  Elegien,  Epi- 
gramme ,  und  ein  Drama:  Odprawa  poslöw  greckich, 
im  griech.  Versmaass;  weniger  zahlreich  sind  seine  pro- 
saischen Aufsätze:  sämmtl.  poln.  Schriften  Kr.  584 — 90. 
4  Bde.  4.,  Warschau  v.  Bohomolec  767.  4.,  W.  v.  Mo- 
stowski  803.  2  Bde.  8.,  Breslau  b.  Korn  Stereotyp-Ausg. 
825.  IB.  —  Andr.  Kochanowski,  ein  Bruder  der  vori- 
gen, übers.  Virgils  Aeneis,  Kr.  590.  4.  2  A.  640.  4., 
3  A.  W.  754.,  die  Uebers.  ist  bei  sonstiger  Reinheit  der 
Sprache  zu  weitschwei6g,  kalt,  und  ohne  höheres  poe- 
tisches Verdienst.  —  Peter  Kochanoivski,  ein  NeflFe  der 
vorigen,  Maltheser-Ritter  und  k.  Secretär  zu  Anfange 
des  XVII.  Jahrb.,  bereicherte  die  vaterländische  Litera- 
tur mit  einer  äusserst  gelungenen  Uebers.  von  Tasso's 
befreitem    Jerusalem    im    Versmaass    des    Originals:    Kr. 

618.  2  A.  651.  4.  3  A.  687.  8.,  und  von  Ariosto's  rasen- 
dem Roland  I— XXV.  Gesang,  der  aber  die  letzte  Hand 
fehlt,  herausg.  v.  Przybylski,  Kr.  799.  2  Bde.  8. —  5m. 
Szyrnonoivicz,  genannt  Simonides,  aus  Lemberg  (geb. 
1558,  gest.  1629),  von  Kg.  Zygmunt  III.  in  den  Ritter- 
stand mit  dem  Prädicat  Bendonski  erhoben,  studirte  in 
Krakau,  und  gewann  bald  durch  sein  poetisches  Talent 
die  Gunst  des  Kanzlers  Zamoyski,  der  ihn  als  einen 
Freund  zu  sich  nahm,  der  Erziehung  seines  Sohnes  Tho- 
mas vorsetzte,  und  mit  einem  Gut  unweit  Zamosc  be- 
schenkte; Papst  Clemens  VIII.  erkannte  ihm  den  Lor- 
beerkranz zu,  die  Zeitgenossen  verehrten  in  ihm  den 
grössten  lateinischen  Dichter,  und  nannten  ihn  den  la- 
teinischen Pindar  (denn  Szymonowski  dichtete  sehr  viel 
lateinisch);  seine  bis  jetzt  unerreichten,  dem  Theokrit, 
Moschus,  Bion  und  Virgil  nachgebildeten,  in  einer  rei- 
nen, anmuthsvollen  Sprache  geschriebenen  Idyllen,  20 
an  der  Zahl,  sichern  ihm  auf  dem  polnischen  Parnass 
die  Unsterblichkeit:  Sielanki,  Zamosc  614.  4.,  Sielanki 
i  nagrobki,  Kr.  629.  640.  650.  686.  4.,  mit  den  Idyllen 
von    Zimorowicz,   Gawinski ,    Minasowicz   und    den    von 


431 

Nagurczewski  übers.  Eklogeii  Virgils  vermelirt  W.  770. 
8.,  dieselben  mit  Narnszewicz's  Idyllen  W.  (eig.  Lpz.  b. 
Breitkopf)  778.  8.,  dies,  ohne  Minasowicz  und  Nanisze- 
wicz,  und  mit  den  Eklogen  Virgils  von  Lipinski  in  der 
Saiiunl.  V.  iMostowski:  Sielanki  polskie,  W.  805.  8.  — 
Sim.  Zimoroivicz  aus  Lemberg  (geb.  1604,  gest.  1629), 
ein  Zeitgenosse  und  Freund  des  Vorigen,  dessen  Eklogen 
er  sich,  nach  eigenem  Geständniss,  zum  Muster  nahm; 
s.  Idyllen  ragen  durch  Originalität  über  die  Szymonowi- 
czischen  hervor,  aber  an  Weichheit  und  Lieblichkeit 
stehen  sie  ihnen  nach;  die  Sprache  ist  rein  und  edel, 
der  Versbau  harmonisch:  Sielanki  nowe  ruskie  663.  4., 
Hoxolanki,  Kr.  654.  4.,  Moschus  polski.  Kr.  662.,  spä- 
ter mit  den  Eklogen  von  Szymonowicz  u.  a.  öfters  auf- 
gelegt. —  Joh.  Rybinski,  um  1589  Lehrer  in  Danzig, 
und  bis  1594  Secretär  in  Thorn  ;  ein  gekrönter  polni- 
scher und  lateinischer  Dichter,  wegen  der  Correctheit 
der  Formen  und  kühner  Bildersprache  von  vielen  dem 
Joh.  Kochanowski  gleichgestellt;  s.  Lieder  erschienen  in 
Thorn  593.  4.  —  Ad.  Czahrowski,  ein  Edelmann,  lebte 
unter  Steph.  Bäthory,  ergriff  nach  dessen  Tod  die  Partei 
des  erwählten  Kgs.  Maximilian,  und  musste  sich  nach 
Ungern  flüchten,  wo  er  eine  Sammlung  seiner  Gedichte 
veranstaltete:  Rzeczy  rozmaite,  Lemb.  599.  4.  —  Joh. 
Jurkoivski,  gab  in  den  J.  1605  —  6  mehrere  lyrische  Ge- 
dichte heraus.  —  Sfanisl.  Grochoivski,  Erzb.  von  Lem- 
berg  (gest.  1644),  Vf.  von  32  polnischen  Schriften  ver- 
schiedenen Inhalts,  w^ar  ein  glücklicher  Dichter,  voll 
Zartsinns  und  unschuldiger  Anmuth,  ausgezeichnet  din'ch 
Reinheit  der  Diction:  Wiersze,  Kr.  609.  4.  —  Casp. 
Miaskowski  lebte  unter  Zygmunt  III.  im  ersten  Jahrze- 
hent  des  XVII.  Jahrb.,  und  übertraf  in  religiösen  Gesän- 
gen alle  seine  Vorgänger:  Zbiör  rytmöw,  Kr.  612.  4., 
Posen  622.  4.,  2  ThIe.  —  Valent.  Brzozowski  od.  z  Brzo- 
zowa,  böhm.  Confession,  des  Krakauer  Bezirks  Conse- 
nior  (gest.  um  1570),  übers,  aus  dem  Böhm.  e.  Samml. 
geistlicher  Lieder:  Kancyonal,  Kgsb.  554.  fol.  —  Pef. 
Kresychleh  od.  Artomius  aus  Grodzisk  in  Grosspolen, 
Pastor  in  Thorn  A.  C.  (geb.  1552,  gest.  1609),  gab  eine 
Samml.    von    Kirchenliedern    verschiedener    Vff.,    mit  ei- 


432 

genen  vermehrt:  RancyoiiaJ,  Thorn  578.  596.  8.,  meh- 
rere Predigten,  einige  theologische  Abhandlungen  und 
einen  Noinenclator  lat.  germ.  pol.  heraus.  —  Valent. 
Bartoszewski,  ein  Jesuit,  Hess  in  den  J.  1610  -  20  sechs 
theologische  Schriften,  darunter  mehrere  Kirchenlieder, 
drucken.  —  Sam.  Dambroivski  aus  Pogorzal  in  Littauen, 
luth.  Pred.  in  Wilna,  Posen  u.  a.  0.  (geb.  1577,  gest. 
1625),  dichtete  Kirchenlieder,  und  gab  6  theol.  Werke 
heraus,  worunter  die  Postille,  Wilna  621,  fol.  und  Lpz. 
728 — 29.  2  Bde.  4.,  wegen  der  gediegenen  Sprache  be- 
sonders geschätzt  wird.  —  Casp.  Gesner  aus  Lubawa  in 
Preussen  (gest.  1606),  Pred.  in  Thorn,  gab  Luthers 
Katechismus  mit  eigenen  geistlichen  Liedern,  Thorn  591. 
8.,  und  ein  Gebetbuch,  Thorn  593.  heraus.  —  Christ. 
Kraiuski,  Superintendent  FL  C.  in  Kleinpolen  (geb.  1576, 
gest.  1618),  dichtete  Kirchenhymnen  und  schrieb  4  theol. 
Werke;  worunter  eine  Postille,  Laszczow  611.  fol,,,  im 
vortrelFlichen  Polnisch.  —  Stam'sL  Sudrovius  aus  Ostro- 
leka,  reform.  Pred.  in  Wilna  (gest.  um  1600),  ver- 
fasste  geistliche  Lieder,  und  gab  mehrere  asketische  Wer- 
ke, Wilna  598.  IF.,  heraus.  —  Joh.  Turnowski,  aus 
Kuiawy,  Prof.  in  Thorn,  Pred.  in  Posen  u.  a.  0.  (gest. 
1629),  dichtete  ebenfalls  Kirchenlieder,  und  schrieb  seit 
1585  mehrere  theologische  Tractate  in  lat.  u.  poln.  Spra- 
che. —  Joh.  Zygrovius  aus  Wieruszow  in  Littauen, 
Pred.  H.  C.  in  Paniowce  (geb.  1574,  gest.  1624),  ist 
der  Vf.  mehrerer  Kirchenlieder  und  einiger  polemischen 
Scliriften.  —  Joh.  Zabczyc,  schrieb  Lieder,  Epigramme, 
Satyren  u.  s.  w.  608.  ff.  —  Laur.  Chlehowski  verf.  geist- 
liche Lieder  und  andere  vermischte  Gedichte  617.  ff.  — 
Casp.  Twardowski^  Prof.  d.  Eloquenz  auf  der  Krakauer 
Hochschule  zu  Anfange  des  XVII.  .lalirh.,  gab  mehrere 
religiöse  Hymnen  heraus  619.  ff.  —  Sebasl.  Petrycy  üwa 
Pilzno  im  Sandomirzcheii  (gest.  1629),  Prof.  der  Med. 
in  Krakau,  zuletzt  Leibarzt  des  Card.  Macieiowski  und 
des  Dimitrij  Samozwanec ,  übers.  Aristoteles  Werke : 
Politika,  Kr.  605.  fol.,  Ethika  Kr.  618.  fol.,  Oekono- 
»lika  618.  fol.,  und  Horazens  Gedichte,  Kr.  609.  4., 
jene  in  einer  reinen,  gediegenen  Sprache  und  mit  aus- 
führlichen   Erläuterungen,    diese    frei,    ohne    besonderes 


433 

poetisches  Talent.  —  Siqism.  Anär.  Zbijlt'fowski,  lebte 
am  Hofe  Steplians  iiiid  Zyginunts  HL,  und  gab,  ausser 
mehreren  Gelegenheitsgedichten,  Satyren  u.  s.  w.,  ein 
didaktisches  Gedicht:  Wiesniak,  Kr.  600.  4.  heraus.  — 
Seb.  Fab.  Klonowu'z,  genannt  Acerniis,  aus  Sulmierzyce 
im  Kalischer  Bezirk,  Rathsherr  in  Lublin  (geb.  1551, 
gest.  1608),  dichtete,  gleich  Ovid,  mit  Leichtigkeit  in 
lateinischer  und  polnischer  Sprache,  vcrfasste  mehrere 
lateinische  und  polnisclie  Lehrgedichte,  Satyren,  Elegien, 
Epigramme,  übers.  Catonis  disticha  moralia  u.  s.  w.  — 
Joh.  Kraiewski  gab  5  beschreibende  und  erzählende  Ge- 
dichte heraus  608.  fF.  —  Pet.  Zbiflifowski  gab,  ausser 
einigen  andern  Poesien,  ein  satyrisches  Gedicht:  Przy- 
gana  stroiom  biaJoglowskim,  Kr.  600.  4.  heraus.  —  Sitn. 
Slaski  schrieb  ebenfalls  Satyren  606.  —  Malcher  Pud- 
lowski,  königl.  Secretär,  lebte  unter  Zygmunt  August, 
schrieb  Epigramme  und  andere  kleine  Gedichte  in  lat. 
u.  poln.  Sprache:  Fraszki,  Kr.  586.  4.  —  Lukas  Gornicki 
aus  Krakau  (gest.  nach  1591),  erhielt  den  ersten  Unter- 
richt im  väterlichen  Hause,  studirte  1538  auf  der  Kra- 
kauer Universität ,  bereiste  das  Ausland  ,  und  diente 
zuerst  bei  dem  Krakauer  Bischof  u.  Kanzler  Sam.  i\Ia- 
cieiowski,  dann  bei  dem  Kanzler  Zebrzydowski,  dem  Un- 
terkanzler Przerembski,  dem  Kanzler  Padnicvvski,  zuletzt 
bei  Kg.  Zygmunt  August  als  Führer  seiner  Correspon- 
denzen,  und  verlebte  den  Rest  seiner  Tage  als  Starost 
von  Tykocin  und  Wasilkow  in  Ruhe;  der  grösste  Red- 
ner unter  Zygmunt  und  wegen  der  hohen  Vollendung 
seiner  reinen,  numerösen  und  lebendigen  Diction  der 
erste  Schriftsteller  Polens  aus  diesem  Zeitalter;  alle  seine 
Werke  bleiben,  sowol  wegen  der  Vortrefflichkeit  des 
gehaltvollen  Stoffes,  als  auch  wegen  der  Sprache,  classi- 
sche  Muster  für  künftige  Zeiten;  (von  ihm  sagt  Hr. 
Bentkowski,  was  Quintilian  vom  Cicero  gesagt  hat,  dass 
nur  derjenige,  der  an  Gs.  Werken  Geschmack  findet, 
der  Fortschritte  in  der  polnischen  Beredsamkeit  gewiss 
seyn  kann):  Dzieie  w  koronie  polskiey,  herausg.  v.  s. 
Sohn  Lukas  G.,  Krak.  657.  4.,  Droga  do  zupelney  wol- 
nosci,  von  eh.,  Eibingen  650.  4.,  Rozmowa  o  elekcyi, 
2  A.  Kr.  (616)  4.  3  A.  W.  750.  4.,    Rozmowa  zJodzieia 

28 


434 

s  dyaWem,  o.  0.  624.  4.,  Dworzanin  polski,  Kr.  566.  4., 
639.  4.  u.  öfters,  0  dobrodzieistwach  z  Seneki,  Kr.  593. 
4.,  Nowy  karakter  polski  i  ortografia,  Kr.  594.  4.  — 
Sfanisl.  Orzechowskisius  dein Przemysler  Bezirk  (gest.  nach 
1570),  Doinlierr  in  Przeinysl,  ein  Mann  von  grossen 
Talenten,  ausgebreiteter  Spraclikenntniss,  gleich  schätz- 
bar als  Redner  und  Historiker,  schrieb  meist  lateinisch, 
in  poln.  Sprache  erschien  von  ihm  :  Ouincunx,  t.  i.  wzör 
korony  polsk.,  o.  0.  564.  4.,  Dialogi,  Zyvvot  i  smierc 
J.  Tarnowskiego,  Politia  rzeczy  pospolitey  u.  s.  w.  —  Joh. 
Jduuszoivski  (gest.  1613),  k.  Secretär  am  Hofe  Zygmunt 
August's  und  Stephan  Bathorys,  zuletzt  Archidiakon  in 
Sandec,  gab  18  in  reinem,  gediegenem  Polnisch  geschrie- 
bene Werke  heraus,  darunter:  Nowy  karakter  polski, 
Kr.  594.,  4.,  Oksza  na  Turki,  a.  d.  Lat.  des  Orzechovvski, 
Kr.  590.  4.,  Statuta,  prawa  i  konstitucye  koronne,  Kr. 
600.  fol.  u.  a.  m.  —  Pet.  Skarffu  aus  Grodzieck  in  Ma- 
zowien  (geb.  1536,  gest.  1612),  erzogen  auf  der  Kra- 
kauer Universität,  begleitete  den  Sohn  des  Krakauer 
Castellans  Teczynski  ins  Ausland,  wurde  zuerst  Lember- 
ger  Domherr,  trat  darauf  im  30.  Lebensjahre  in  den  Je- 
suiterorden,  und  erntete  zuletzt  als  kgl.  Hofprediger  bei 
Zygmunt  III.  24  Jahre  lang  den  Ruhm  des  ersten  geist- 
liclien  Redners  seiner  Zeit,  von  seinen  Zeitgenossen  der 
polnische  Chrysostomus  genannt;  unter  seinen  32  Schrif- 
ten, die,  3  lateinische  ausgenommen,  alle  in  polnischer 
Sprache  verfasst  sind  ,  ragen  seine  geistlichen  Reden 
durch  vielseitiges  Interesse  des  Stoffs  und  hohe  Voll- 
endung der  Form  hervor,  an  Reinheit  und  Gediegen- 
heit der  Sprache  den  Reden  Gornicki's  gleich,  an  Ge- 
drängtheit und  Kraft  der  Diction,  an  wahrer  redneri- 
scher Weihe  jedoch  unter  ihnen:  Zywoty  Swietych,  b. 
Sk.  Lebzeiten  8mal,  und  seit  1615  öfters  aufgelegt,  Ka- 
zania  na  niedziele  i  swieta,  Kr.  595.  fol.,  597.  600.  618. 
G  A.  Wilna  792.  6  Bde.  8.,  Kazania  o  siedmiu  sakramen- 
tacii,  Kr.  600.  fol.,  Kazania  przygodne,  Wilna  738.  fol. 
3  Bde.  u.  s.  w.  —  Juli.  Wnieh  aus  Wagrowcc  in  Mazo- 
wien  (geb.  1540,  gest.  1597),  ein  .Icsuit,  ausgezeichnet 
durch  Gelehrsamkeit,  vielfältige  Schriften,  «uul  eine  hohe 
Gabe    der   Kanzelberedsamkeit;    er    übers,    die  Bibel  ins 


435 

Polnische  gab  :  PostHIa  katholiczna,  Kr.  573.  2  Bde.  foJ., 
Poslilla  katli.  iiuiieysza,  Posen  582.  2  Bde.  fol.  n.  a.  in. 
heraus.  —  Fab.  Bierkoirski,  ein  Dominicaner,  Kg.  WJa- 
dyslaw  Zygnnnits  Ilofprediger ,  Skarga's  Nachfolger, 
zeiclniet  sich  durcli  harmonische  Wortfügung  vortheil- 
haft  aus,  und  kann  in  dieser  Hinsicht  als  Muster  gelten, 
verfällt  aber  bisweilen  ins  Gekünstelte,  und  jagt  nach 
Antithesen:  Kazania,  Kr.  632.  4.  u.  a.  m.  —  Stamsl. 
Karnkou'ski,  Erzb.  v.  Gnesen,  gab  eine  in  leichter,  ge- 
fälliger Sprache  geschriebene  Postille  heraus.  —  Mart. 
Blülohi'zeski ,  Bisch,  v.  Laodicea,  Suffragan  zu  Krakau 
und  Abt- V.  Mogilew,  und  Valenf.  Kuczhorski,  Domherr 
von  Krakau  u.  Ermeland  (gest.  1573),  schrieben  Ka- 
techismen in  polnischer  Sprache;  der  erste  gab  ausser- 
dem eine  Postille  in  reinem,  lliessendem  Polnisch,  Kr. 
.581.  fol.  heraus.  —  Kypriau  Bazylik  übers,  aus  dem  Lat. 
in  einem  reinen,  gediegenen  Polnisch:  Historya  o  sro- 
giem  przesladowaniu  kosciola  Bozego,  Bresc  567.  fol., 
ferner  des  J.  F.  iModrzewski:  de  rep.  emendanda  lib.  V., 
Kr.  577.  fol.,  Wilna  770.  8.,  u.  a.  m.  —  Joh.  Seklucyan 
aus  Grosspolen  (gest.  1578),  der  Uebersetzer  der  poln. 
Bibel  für  Protestanten,  ist  zugleich  Vf  einer  polnischen 
Orthographie.  —  Joh.  Radomski,  Pred.  zu  Nidbor, 
übers.  Melanchthons  Exam.  theologic.  ins  Poln.,  Kgsb. 
566.  4.  —  Greg.  Kosznfskt  v.  Zarnowec,  \)rot.  Prediger, 
verf.  eine  Postille  in  3  Bden.  fol.,  teutsch  v.  Kurzbach 
587.  3  Bde.  fol.  —  Paul  Gilowski,  ebenfalls  ein  Pred., 
fügte  zu  der  Postille  des  letztgenannten  einen  4ten  Bd.  hin- 
zu, und  gab:  Wyklad  katechyzmu  u.  s.  w.  heraus.  — 
Sini.  Budny  aus  Mazovvien,  nach  andern  aus  Littauen, 
Pred.  beim  Fürsten  Radzivvili  in  Kleck  und  später  in  Losk 
lums  J.  1572,  einer  der  eifrigsten  und  geachtetsten  üni- 
tarier,  übers,  d.  Bibel  ins  Poln.,  und  gab  mehrere  theol. 
Werke  heraus.  —  Mart.  Bielski  aus  Biafa  im  W^ieluner 
District  (geb.  1496,  gest.  1576),  schrieb  der  erste  die 
Geschichte  von  Polen  in  der  Landessprache,  in  einem 
nusterhaft  reinen  und  correcten  Styl,  von  s.  Sohn  Joa- 
chim B.  bis  auf  Zygmunt  III.  fortgesetzt:  Kronika  polska, 
^r.  597.  fol.;  er  war  zugleich  ein  satyrischer  Dichter: 
ieym  niewiesci,  Kr.    595.  4.,  Sen  maiowy,    Kr.  590.  4. 

28* 


436 

—  3Ia(/t.  Sfryikowfiki,  gciiiinni  Ososlowicz  stiidirte  in^ 
Krakau  und  Leipzig,  Domherr  ».  Archidiakoii  in  Znnidz 
(geb.  1547),  Vf.  einer  mit  melir  Gelehrsamkeit,  denn 
Geschmack,  und  in  einer  nicht  ganz  reinen  Sprache  ge- 
schriebenen polnischen  Chronik,  Kgsb.  582.  fol.,  und 
mehr  als  20  anderer  Schriften,  übte  im  gleichen  Maasse 
die  Dichtkunst  aus:  Henrykövv  wiazd  i  koronacya.  Kr. 
574.  4.,  Treny,  Wiersze,  ßukoliki  u.  s.  w.  —  Bartliol. 
Paprocki  v.  Glogol,  Unterschenk  im  Dobryner  District, 
brachte  den  Rest  seines  Lebens  in  Böhmen  zu  (geb.  um 
1540,  gest.  1617),  als  Historiker  und  unermüdeter  For- 
scher im  Fache  der  Heraldik  und  Genealogie  der  ausge- 
zeichnetste Schriftsteller  Polens,  schrieb  beinahe  alle  s. 
Werke  in  Reimen:  Panosza ,  Kr.  575.  ft)l.  ,  Gniazdo 
cnoty,  Kr.  578.  fol.,  Herby  ryc.  polsk..  Kr.  584.  fol., 
Kolo  rycerskie,  Kr.  576.  4.,  Pröba  cnot  dobrych  o.  0.  u.  ,J. 
u. s.  w.  Vgl. S. 345.  —  Marl.  Bluzoiv.ski od. Blazewski  übers. 
Cromers  Werk :  De  orig.  et  rebb.  gestis  Pol.  ins  Poln., 
Kr.  611.  fol.  -  Mar  f.  Paszkoivski  übertrug  die  vom 
Math.  Stryikowski  herrüln-ende,  mid  vom  Alex.  Guagnin 
sich  fälschlich  zugeeignete:  Sarmatiae  Europaeae  descri- 
ptio  (Kr.  578.  fol.)  ins  Poln.,  Kr.  611.  fol.,  und  gab  13 
meist  historische  Gedichte  in  poln.  Sprache  heraus  608  IF. 

—  Job.  Herburt,  köingl.  Secretjir,  Kammerherr  von 
Przemysl,  zuletzt  (jastellan  v.  Sanok,  übers.,  auf  Befehl 
des  Kgs.  Zygmunt  August,  die,  von  ihm  zuerst  gesam- 
melten und  alphabetisch  geordneten,  Statuta  r.  Poloniae 
ins  Poln. ,  Statuta  i  przy w  ileie  koronne.  Kr.  570.  fol.  — 
Sfanül.  Sarnicki  gab  ein  vohnninöses  Werk :  Statuta  i 
üietrika    przywileiöw  koronnych,    (Kr.  594)  fol.  heraus. 

—  Leo  Sapieha ,  Unterkanzier  von  Littauen,  übers,  das 
littauische  Statut,  eine  Samml.  von  Landesgesetzen,  im 
J.  1529  veranstaltet,  aus  dem  Russischen  ins  Poln.,  Kr. 
588.  6  A.  Wilna  786.  fol.  -  ßarlh.  Groicki,  Notar 
beim  Krakauer  Kammerzollamt,  übers.  K.  Karls  V.  Cri- 
minalgesetz.  Kr.  559.,  ferner  das  teutsch-sächsische  Ge- 
setzbuch, Kr.  562  ff.  4.  in  einer  Reihe  v.  Bden.  —  Paul 
Szczerhicz  besorgte  eine  n.  Uebers.  desselben  Gesetzbuchs, 
Lemb.  581.  3  A.  W.  646.  fol.  —  Stanisl.  Grzebski  (nach 
andern    Grzepski)    aus  Grzebsk  in  Mazowien,    Prof.  an 


437 

der  Hocliscliule  zu  Krakaii  (gesl.  1572),  gab  der  erste 
ein  inatlieinalisches  Biicli  in  poln.  Sprache  heraus:  Geo- 
inetria  t.  i.  miernicka  nauka,  Kr.  566.  12.  —  Joli.  La- 
tosz,  Doel.  (ier  iMcd.  und  Astronom,  Prof.  an  der  Univ. 
in  Krakau,  widersetzte  sich  der  Annalune  des  neuen, 
vom  Papste  dem  Kg.  Stephan  Batliory,  und  von  diesem 
der  Krakauer  Akademie  zur  Prüfung  vorgelegten  Kalen- 
ders, und  schrieb  mehrere  mathematisch-chronologische 
Werke  596  ff.  —  Ailalb.  Rosciszewski  i\n^  Plock,  Jesuit 
(gest.  1619),  lebte  zuletzt  zu  Sandomierz,  und  gab,  aus- 
ser mehreren  lateinischen  Schriften  im  Gebiete  der  Theo- 
logie, gegen  den  vorigen  eine  Streitschrift:  Latosie  ciele, 
heraus,  in  welcher  er  den  verbesserten  Kalender  in  Schutz 
nahm.  —  Felix  Zehrowski,  Prof.  Theol.  auf  der  Univ.  in 
Wilna  unter  Stephan  Bathory  und  Zygminit,  liess  eben- 
falls neben  einigen  tlieolog.  Streitschriften  zwei  astrono- 
mische drucken,  Kr.  603  ff.  —  Thom.  Rngalius,  Doct. 
Phil.,  gab  ein  Prognosticon,  Kr.  595.  4.  heraus.  —  Pet. 
V.  Kobylin  gab  der  erste  ein  medicinisches  Werk  in  poln. 
Sprache  über  die  Geburtshilfe:  Nauka  ratowania  poloz- 
nic  541  heraus.  —  Mr.  Anilr.  v.  Kobylin  schrieb  einen 
Tractat:  0  puszczaniu  krwi  542  fol.  —  Adalb.  Ocko  od. 
Oczko,  kgl.  Hofarzt,  liess  ein  Werk  über  die  Syphilis: 
Przymiot ,  Kr.  581.  4.  drucken.  —  Anilr.  Grniinius, 
Hofarzt  des  Andr.  Teczyhski,  W^ojwoden  von  Krakau 
unter  Zygmunt  August,  gab  ebenfalls  ein  Werk  über  die 
Syphilis:  Przymiot  594.  heraus.  —  Pet.  Umiasfowski  aus 
Klimunt,  Doct.  d.  Phil.  n.  Med.,  schrieb  über  die  Pest: 
0  przyczynach  morowego  powietrza.  Kr.  591.  4.  — 
Sfeph.  Falimierz  {Phalimirus  od.  Phalimims)  aus  Klein- 
russland, bearbeitete  der  erste  in  polnischer  Sprache  ver- 
schiedene Theile  der  Naturgeschichte  in  medicinischer 
Hinsicht,  vorzüglich  die  Botain'k,  nach  verschiedenen  la- 
tein.  Auetoren ,  Kr.  534.  4.  —  Hierou.  Spiczynski,  Se- 
nator in  Krakau,  des  Kgs.  Zygmunt  August  Leibarzt, 
schrieb:  0  roslinach,  zwierzetach  i  rodzeniu  czlowieka, 
Kr.  554.  fol.  —  Mart.  Siennik  legte  die  Botanik  des  vo- 
rigen zum  Grunde,  arbeitete  sie  nach  Mathiolus  um, 
fügte  des  Alex.  Pedemontanus  Bücher  über  die  geheimen 
Arzneien    polnisch    hinzu,    und    gab    beides  unter  d.  T. 


438 

Herbarz,  Kr.  568.  fol.,  heraus,  so  wie  schon  früher 
ein  anderes  iiiedic.  Werk:  Lekarstwa,  Kr.  564.  —  Mart. 
V.  Urzedoiü,  Doct.  Med.,  des  Joh.  Tarnovvski  Leibarzt, 
Hess  ebenfalls  einen  Herbarz  |)olski,  Kr.  595.  fol.  drucken. 
—  Shn.  Sirenhis  od.  Syrenski,  Prof.  Medic.  in  Krakau 
uui  1589,  schrieb:  0  przyrodzeniu  i  uzyciu  ziöl.  Kr.  613. 
fol.,  ein  voluminöses,  gehaltvolles,  bis  jetzt  sehr  ge- 
schätztes Werk.  —  Math.  Slriihicz  übers,  des  Markgra- 
fen Albert,  Fürsten  von  Preussen,  teutsches  Werk: 
Von  der  Kriegsordnung  od.  der  Kunst  Krieg  zu  führen, 
ins  Polnische,  welches  Albert  dem  Kg.  Zygmunt  August 
dedicirte  1555,  handschriftlich  in  der  ehemaligen  Zalu- 
skischen,  jetzt  S.  Petersburger  Bibliothek  vorhanden.  — 
Joh.  Tarnowskt,  Krongrossfeldherr  unter  Zygmunt  Au- 
gust, gab  ein  Werk  über  die  Taktik  in  polnischer  Spra- 
che unter  dem  lat.  Titel  :  Consilium  rationis  bellicae, 
Tarnow  558.  heraus.  —  Jak.  Cielecki,  aus  einem  adeli- 
gen Geschlecht,  übersetzte  des  Julius  Frontinus  W^erk 
über  die  Kriegskunst  ins  Polnische,  Posen  609.  4.  — 
Andr.  Wargocki  lieferte  eine  treue ,  gediegene,  nur 
stellenweise  harte  Uebers.  des  Julius  Caesar,  Kr.  608.  4., 
Valerius  Maximus,  Kr.  609.  4.,  Curtius  Rufus,  nach 
des  Yf.  Tode  herausg.,  Nieswiez  763.  3  Bde.  8.,  Peregri- 
nacya  do  ziemi  swietey  M.  K.  Radziwilla,  a.  d.  Lat., 
Kr.  683.  4. 

§.  53. 

Vierte  Periode.     Von  Zygmunt  111.  bis  auf  Stanislaus  Au- 
gust,   oder  von  dem  entschiedenen  Uebergewicht  der 
Jesuiten   bis  zur   Wiederbelebung  der  Wissenschaften 
durch  Stanislaus  Konarski.  J.  1622  —  1760. 

Dieses  Zeitalter  kann  man  das  theologisch-panegyri- 
sche nennen.  Seine  Kennzeichen  sind:  gänzliche  Ersti- 
ckung der  freien  Geistesthätigkeit  ,  Verfälschung  der 
Sprache  durch  Beimengung  des  Lateins,  Polemik  unter 
Joh.  Kazimierz ,  panegyrischer  Sclivvulst  unter  Johann 
Sobieski,  und  literarische  Lethargie  unter  August  II. 
und    III.     Wol    begegnet    man ,    besonders    im    Anfange 


439 

dieser  Periode,  einzelnen  ansgezeicinieten,  gegen  den 
aufschwellenden  Strom  nuitliig;  ankämpfenden  National- 
schriflstellern;  aber  selbst  diese  gleichen  den  ausländi- 
schen Pflanzen,  die  auf  fremden  Boden  nicht  gedeihen 
können,  weil  sie  die  iMcjige  des  ringsum  aufschiessenden 
Unkrauts  aller  Lebenssäfte  beraubt.  Zwei  Hauptursa- 
chen wirkten  entscheidend  auf  das  Sinken  der  literari- 
schen Cultur  in  Polen,  deren  eine  ganz  Europa  gemein, 
die  andere  Polen  eigen  war.  Nicht  lange  nach  der  Wie- 
dergeburt des  bessern  Geschmacks  erfolgte  sein  Verfall, 
dieser  wie  jene  in  einem  und  demselben  Lande,  in  Ita- 
lien. Noch  war  das  XVL  Jahrh.  nicht  abgelaufen,  und 
die  Veränderung,  die  dem  Geschmack  in  den  schönen 
Künsten  und  hiedurch  auch  der  Literatur  bevorstand, 
war  schon  bemerkbar.  Die  Sprache,  diese  stete  Dol- 
metscherin des  Geschmacks,  fiel  als  das  erste  Opfer  sei- 
ner Entartung.  Von  der  rechten,  durch  das  classische 
Alterthum  gebotenen  Bahn  verschlagen,  und  von  einer 
gefahrvollen  Neuerungssucht  ergriffen  ,  verliessen  die 
Schriftsteller  die  Natur,  in  dem  irrigen  Wahn,  nur  die 
Künstelei,  und  nicht  die  geistige  Nachahmung  der  Na- 
tur, sey  die  wahre  schöne  Kunst.  Einfachheit  u.  Klar- 
heit der  Gedanken  sowol  als  der  Darstellung  verschwan- 
den gänzlich;  an  ihre  Stelle  traten  die  Flittern  des  klein- 
lichsten Afterwitzes.  Die  ewigen  Gesetze  der  Schönheit 
wichen  vor  der  erheuchelten  Künstelei;  das  Wahre, 
Reelle  konnte  vor  dem  erlogenen  Schein  nicht  bestehen. 
Statt  der  Sachen  gab  man  Worte,  Gedanken  wurden 
ihr  eitles,  nichtiges  S[)ielwerk;  es  schien,  als  suchten 
die  Menschen,  der  Wahrheit  und  des  gesunden  Urtheils 
satt,  vorsätzlich  den  nichtigen  Schein  und  die  Lüge  — 
nichts  Natürliches,  Einfaches,  Wahres  und  Schönes  zeigte 
sich  mehr  unter  ihrer  Feder.  iSicht  plötzlich,  sondern 
stuffenweise  verirrte  sich  der  menschliche  Verstand  in 
dieses  Labyrinth;  Italien  gab  das  erste  Zeichen  dazu, 
indem  es  die  erkünstelten  Flittern  des  fadesten  Witzes, 
das  Bizarre ,  Giganteske  und  Kindischspielende  eines 
Giambattista  Marino,  Ariosto's  und  Tasso's  ewig  frischen 
Schönheitsblüthen  vorzog;  Frankreich  und  Europa  folg- 
ten nach   —   auch  über  Polen  schwang  der  Ungeschmack 


440 

neu  Scepter.  Aber  liier  gesellte  sich  noch  ein  anderer, 
wichtiger  Umstand  dazu.  Das  Steigen  und  Fallen  der 
Geistesbildung  geht  stets  und  überall  gleichen  Schritt  mit 
dem  Steigen  und  Sinken  der  politischen  Wage  der  Län- 
der, So  lange  in  Polen  Ordnung  in  der  Landesgesetzge- 
bung und  Reichsvervvaltung  herrschte,  gedieh  auch  die 
Erziehung  der  Jugend,  blühten  die  Wissenschaften  und 
Künste,  reifte  die  Nationalsprache ;  alle  diese  Zweige  des 
Volksthums  umschlingt  ein  unzertrennliches  Band.  Als 
aber  an  die  Stelle  der  alten  Ordnung  Anarchie  trat,  da 
gerieth  auch  das  Reich  des  Wissens,  der  Nationalliteratur 
und  der  Sprache  in  Verfall.  Dieser  gewaltig  hereinbre- 
chenden geistigen  Schlafsucht  und  Finsterniss  dienten  die 
damaligen  Verwalter  des  Erziehungswesens  zum  willkom- 
menen, tüchtigen  Werkzeug.  Kaum  ins  Land  berufen, 
bemächtigten  sie  sich  der  Hochschule  von  Wilna,  und 
bald  darauf,  unter  Zygmunt  III.  zu  dem  höchsten  Gipfel 
des  Ansehens  und  der  Macht  erhoben,  aller  Schulen  Po- 
lens. Die  Kraukauer  Hochschule,  wol  fühlend,  dass  das 
Zeitalter  der  Jagiellone  lür  sie  vorüber  sey,  erlag  nach 
langem  und  hartnäckigem  Kampf  der  Uebermacht  ihrer 
Gegner.  Von  allen  Seiten  verlassen  und  vernachlässigt, 
gerieth  sie  in  Vergessenheit,  bis  ihr,  auf  den  Trümmern 
des  Ordens  ,  die  Erziehungscommission  unter  Stanislaw 
August  den  alten  Glanz  wieder  gab.  Die  Jesuiten  konn- 
ten bei  ihren  nicht  gemeinen  Kenntnissen,  und  ungeach- 
tet der  zahlreichen,  von  ihnen  angelegten  Schulen,  die 
mannigfachen  höhern  und  niedern  Lehranstalten  des  Lan- 
des, deren  Untergang  die  Eröffnung  ihrer  Ordensschu- 
len nach  sich  gezogen,  nicht  ersetzen.  Unter  ihnen  ver- 
schwand das  während  der  Regirungsjahre  Zygmunt's  so 
fleissig  getriebene  Studium  des  Griechischen  und  der 
alten  Originalspradien;  selbst  das  Latein  erlag  unter  der 
Grillenfängerei  Alvari's,  der  den  Knaben  in  lateinischen 
Versen  die  Sprachen  lehrte.  Es  folgten  die  für  Polen  in 
jeder  Hinsicht  unglücklichen  Regirungsjahre  Johann  Ka- 
zimierz's.  Der  aus  der  überhandnehmenden  Unordnung 
und  Anarchie  entspringende  Verfall  des  Reichs  ward 
vorzüglich  unter  ihm  sichtlich.  Die  Schweden,  Kozaken, 
Tataren  und  andere  benachbarten  Völker  fielen  über  Po- 


441 

len  her.  Iiidess  die  Anarchie  die  Früchte  der  nationalen 
Betriebsamkeit  und  die  blühende  Volkskraft,  die  dem 
Lande  zum  Scliutze  hätte  dienen  sollen ,  verschlang, 
gingen  die  zahlreichen  Bücher-  und  andere  Sammlungen 
des  Landes  entweder  in  Flammen  auf,  oder  wanderten 
ins  Ausland.  Damals  entstanden  die  vielfältigen  Beein- 
trächtigungen der  Rechte  der  Nichtkatholischcn ,  die 
Menge  der  Streitschriften  über  religiöse  Gegenstände, 
die  zahllosen  Folianten  panegyrischen  Wisches,  aus  der 
Feder  der  Jesuiten  über  die  Häupter  der  elendesten,  aber 
dem  Orden  gewogenen  Personen,  und  das  Zurückführen 
der  gesammten  wissenschaftlichen  Bildung  auf  die  schaa- 
leste  Wortfechtkunst  in  Sachen  des  Glaubens.  Diese  dia- 
lektische Rlopffechterei  grub  das  Grab  der  Wissenschaf- 
ten immer  tiefer;  je  mehr  man  Wortstreitigkeiten  ge- 
schickt zu  führen  bemüht  war,  je  mehr  verfiel  die  Sache 
und  die  Wahrheit.  Daraus  wird  die  Hitze  erklärbar,  mit 
der  man  dem  zweideutigen,  kunstvoll  und  witzfunkehid 
seyn  sollenden  Wort-  und  Gedankengeflick,  der  gezwun- 
genen Stellung  der  Verse  und  Zeilen,  um  zu  Anfange, 
in  der  Mitte,  oder  am  Ende  des  Kunstwerks  irgend  ei- 
nen Namen,  oder  Wunsch,  oder  so  Etwas  herauszubrin- 
gen, und  andern  Ausgeburten  des  Ungeschmacks  nach- 
jagte. Michael  Korybut  hatte  so  viele  Nebenbuhler  um 
die  Krone  und  abgeneigte  Grosse  des  Reichs,  dass  er 
sich  glücklich  schätzte,  sich  im  Besitze  derselben  behaup- 
ten zu  können,  ohne  an  Mittel  zu  denken,  die  wissen- 
schafdiche  Cultur  des  Landes  zu  heben.  Der  Ungeschmack, 
der  unter  Zygmunt  III.  ausgesäet  worden,  und  unter 
.Johann  Kazimierz  tiefere  Wurzeln  geschlagen,  ward  da- 
her immer  allgemeiner,  und  seit  Johanns  III.  Sobieski 
Thronbesteigung  alleinherrschend  im  Lande.  Die  Siege 
dieses  Monarchen  trugen  nicht  w^enig  zur  Befestigung 
des  panegyrischen  Styls  bei.  Der  Jesuit  iVdalbert  Barto- 
chowski  betrat  mit  der  Fahne  in  der  Hand  die  Bahn, 
indem  er  dem  vom  Wiener  Feldzug  rückkehrenden  Kö- 
nig eine  Lobrede  unter  der  Aufschrift :  Fulmen  orientis, 
voll  Uebertreibung  und  in  einem  erkünstelten  Styl  ent- 
gegen trug.  Der  Beifall,  den  B's.  Lobrede  am  Hofe 
gefunden,    erweckte    einen    Schwärm    von    Nachahmern, 


442 

und  bald  war  das  ganze  Land  von  den  monströsesten 
Lobreden  übersclnvemint  ,  in  denen  oft  unbedeutende 
obscure  Privatmänner  dem  /Alexander  und  Cäsar  gleich- 
gestellt und  boebgepriesen  wurden.  Wer  polniscb  schrieb, 
musste,  um  die  Miene  der  Gelehrsamkeit  zu  behaupten, 
jedes  dritte  Wort  mit  etwas  Latein  versetzen;  that  er 
diess,  so  konnte  er  des  Beifidls  seiner  Leser  sicher  seyn. 
Auf  diese  Weise  wurde  die  Sprache  bald  nicht  nur  mit 
lateinischen,  italienisciien,  französischen  und  teutschen 
Wörtern  überfüllt,  sondern  auch  die  polnische  Syntax 
und  Periodologie  widernatürlich  entslawisirt.  In  der 
letzten  Hälfte  dieser  Periode  erschien  in  der  polnischen 
Sprache  nichts,  als  einige,  obwol  des  frommen  Sinnes 
wegen  achtungswertbe,  doch  an  Sprache  und  Geschmack 
verwilderte  Keligionsbücher;  seichte  Predigten;  geistlose, 
in  prunkvollem  Schwulst  daherschreitenrle  Lobreden, 
deren  Unverstand  für  Tiefsinn  galt;  monströs  concipirte 
Briefe;  rohe,  oft  unanständige  Spässe,  die  man  Sinnge- 
dichte nannte;  einige  vom  Aberglauben  strotzende  Ka- 
lender, und  etwa  drei  bis  vier  in  reinerem  Polnisch  ge- 
schriebene nützliche  Werke.  Der  völlige  Geistesstillstand, 
verbunden  mit  Pedanterei  aller  Art,  erstickte  jede  Re- 
gung der  wahren  Aufklärung  im  Keime;  der  Schulun- 
terricht und  die  öffentliche  Erziehung,  in  den  Händen 
der  Jesuiten,  waren  ausschliesslich  auf  etwas  Latein  und 
scholastische  Theologie  beschränkt,  und  der  Entw^icke- 
lung  eines  kraftvollen ,  selbständigen  Denkgeistes,  und 
eines  geläuterten  Gesell macks  durchaus  entgegen.  '^) 

Von  den  Dichtern  und  Prosaikern  dieses  Zeitraumes 
nennen  wir:  Sam.  Twardowski  aus  Szkrzypna  (geb.  1000, 
gest.  1660),  Secretär  bei  der  polnischen  Gesandtschaft 
in  Constantinopel,  nicht  ohne  glänzende  poetische  Ta- 
lente, aber  zum  Unglück  in  einer  Zeit  lebend,  avo  die 
schw  ülstige  Prunksucht  bereits  zu  sehr  überhand  genom- 
men; seine  zum  Theil  lyrischen,  zum  Theil  historischen 
Poesien  sind  von  sehr  ungleichem  Werth,  oft  anziehend, 
oft  aber  auch  dunkel:  Legacya^  Kaiisch  621.  4.,  Kr. 
639.  4.,    Wilna  706.  4.,    Wladyslaw  IV.,  Lissa  649.  fol., 

*)  Bentkowski  bist.  lit.  pol.  I.  Bd.  S.  1(38  73.  Pofocki  pochwaly 
jnowy  II.  Bd.  S.  429  —  61,  559  —  (53. 


443 

Pamiec  Alexandra  Karöla  Krölewicza,  Lubl.  634.  4., 
PaJac  Leszczyiiskicli,  Lissa  G45.  fol.,  Woyiia  kozacka, 
Lissa  657.  4.,  Woyiia  dotiiowa  s  kozaki,  Kr.  G60.  fol., 
Kaliscli  081,  fol.,  Nadobiui  Payqiialina,  a.  d.  Spanischen, 
Kr.  701.,  üaphnis.  Kr.  061.  4.,  704.  4.,  kl  Gedichte: 
Zbior  rytmöw  Tw.,  Wilna  771.  8.,  grössere  Gedichte: 
Miscellanea  selecta.  Kaiisch  0S2.  4.;  Wladyslavv  u.  Woyna 
doinowa  sind  die  ersten,  stellenweise  vom  dichterischen 
Geiste  angewehten  ,  im  Ganzen  sehr  unvollkommenen 
Versuche  des  polnischen  Epos.  —  Joh.  Büitoboch]  kgl. 
Secretär,    gab    7  poetische    Werke    heraus:    Hymny,    Kr. 

048.  8.,    Pochodnia    slawy    Xcia    Wisniowieckiego,    Kr. 

049.  4.,  Klar  mestwa,  Kr.  649.,  Odmiana  sfery  koza- 
ckiey,  Kr.  653.  4.,  Brat  Tatar,  Kr.  052.  4.,  Zegar  cza- 
söw  Kr.  Polsk.,  Kr.  001.  4.  u.  s.  w.  —  Ves/).  Kochotvshi, 
Krakauer  Tribun  (Woyski),  begleitete  1683  den  Kg. 
Johann  IIl.  auf  dem  Wiener  Feldzug,  und  starb  gegen 
Ende  des  XYII.  Jahrb.,  einer  der  besseren  Lyriker  die- 
ses Zeitraumes,  bei  öfterem  Mangel  an  Sprachreinheit 
und  geläutertem  Geschmack  nicht  ohne  wahrhaft  dichte- 
rische Begeisterung:  Lyricorum  polskich  Ks.  V.,  Kr.  674. 
4.,  681.  4.,  Christus  cierpiacy,  Kr.  681.  4.,  Ogröd  pa- 
nienski.  Kr.  681.  4.,  Dziclo  boskie.  Kr.  684.  4.,  Roza- 
niec,  2  A.  Czestochow  695.  4.,  Epigrammata  polskie. 
Kr.  674.  4.  —  Adalh.  Stan.  Chroscinski,  Secretär  des 
Prinzen  Jakob  Sobieski,  starb  in  einem  hohen  Alter  un- 
ter August  III.,  ein  fruchtbarer  Dichter:  Rymy  duchow- 
ne,  Czestochow  712.  4.,  Traba  slawy  Jana  III.,  W.  684.  4., 
Job  cierpiacy,  W.  704.  4.,  Wilna  759.  8.,  Zbiör  zabaw 
duchownycii,  Czest.  711.  4.,  Aman,  (Kr.)  745.  12., 
Jözef  przedany.  Kr.  745.  12.,  Lukana  Farzalia  (in  8zei- 
ligen  Strophen),  Oliwa  690.  fol.,  Ovids  Heroiden  u.  d.  T. 
Rozmowy  listowne,  W.  695.  735.  4.,  Laur  poetyczny, 
a.  d.  Lat.,  W.  706.  16.  —  Jamisz  Koryhut  Fürst  Wis- 
nioiviecki,  Krakauer  Castellan  (gest.  1741),  verfasste 
(meist  Pseudonym)  lyrische  Gedichte  ohne  r,  welchen 
Laut  er  selbst  nicht  aussprechen  konnte:  Akty  strzeliste 
bez  litery  R.,  o.  0.  u.  J.  4.,  Wiersz  na  karlice,  Lutnia, 
Lemb.  734.  fol.,  Zalosna,  Lemb.  736.  fol. — Joh.  Lihicki, 
kgl.    Secretär    unter    Wfadyslaw  IV.  und  Joh.  Kaziinierz, 


444 

übers.  Horazeiis  lyrische  Gedichte  in  seichten,  kraftlosen 
Keimen,  Kr.  647.  4.,  schrieb:  Sen  dziwny,  o.  0.  647.  4., 
ßiiccluis  iiiiraciilosus,  o.  0.  u.  J.  4.,  Sen  zywota  a.  d.  Lat. 
von  Bälde,  Kr.  647.  4.  —  Jah.  Zehroicah'  übers.  Ovid's 
iMetamorphosen:  Przeobrazeh  Ks.  XII.,  Kr.  636.  4.;  eine 
andere  Uebersetzung  desselben  Werks  lieferte  Valer. 
Offinowski,  Sandoinirer  Unterschenk:  Przemiaii  Ks.  XII., 
Kr.  638.  4.  —  Sfan.  Heruklhis  Fürst  Lifhotnirski,  we- 
gen seines  Adels  der  Gesinnung,  biederer  altpolnischer 
Gesittung  und  Gelelirsanikeit  der  polnische  Salonio  ge- 
nannt (gest.  1702),  dichtete  im  gewöhnlichen  makaro- 
nischen  Ton  Aqs  Jahrhunderts:  Classicum  niesmiertelney 
slawy,  Kr.  674.  4.,  iVluza  polska,  W.  676.  fol.,  Theo- 
mnsa  lat.  u.  pol.,  W.  683.  4.,  697.  4.,  Tobiasz  wyzwo- 
lony,  W.  683.  12.  691.  706.  12.,  Ecclesiastes  in  Versen, 
W.  706.  12.,  Melodya  duchowna.  Kr.  702.  u.  öfters, 
Rozinowy,  2  A.  Czest.  718.  8.,  Pröznosc  i  prawda. 
Thorn  705.  n.  ni.  a.  —  Rap/i.  Leszczynshl,  Grossschatz- 
meister, General  von  Grosspolen,  des  Kg.  Stanislaw  L. 
Vater  (gest.  1703),  schrieb  ein  histor.  Gedicht:  Chocim, 
0.  0.  673.  4.  —  Stau.  Vin.  Fürst  Jahloiiowshi,  Wojewo- 
da  V.  Rawa,  beschrieb  in  Versen  :  üprowadzenie  woyska 
z  ciesni  Bukowskiey,  Zamosc  745.  4.,  übers,  einiges  a. 
d.  Tacit:  Tacyt  polski  albo  moralia  Tacyta,  Lemb.  744. 
4.  u.  m.  a.  —  Elisahetha  Drnzhacka  aus  Grosspolen,  des 
Zydaczower  Schatzmeisters  Gemahlin  fgest.  ums  J.  1760.), 
eine  Naturdichterin,  ohne  Kenntniss  anderer  Sprachen, 
als  der  polnischen,  von  der  lebhaftesten  Einbildungs- 
kraft und  in  Schilderungen  malerischer  Situationen  nicht 
unglücklich,  schrieb  ein  weitläufiges  histor.  Gedicht: 
Historya  Xiezny  Elefantyny,  Posen  769.  4.,  kleinere  Ge- 
dichte vermischten  Inhalts ,  meist  Kirchengesänge,  ge- 
sammelt u.  herausg.  v.  J.  ZaJuski,  W.  752.  4.  —  Wa- 
claw  Potocki,  Krakauer  Unterschenk  (gest.  nach  einigen 
1693,  nach  andern  1716),  einer  der  bessern  Epigram- 
mendichter Polens,  schrieb  zugleich  Romane:  Poczet 
herböw,  Kr.  696.  fol.,  Jovialitates  albo  zarty  i  fraszky, 
o.  0.  (Lpz.)  747.  4.,  Syloret,  o.  0.  u.  J.  fum  1764.)  4., 
Barklaiusa  Argienida,  W.  697.  fol.,  Lpz.  728.  8.,  Posen 
743.  2  Bde.  4.;  P's  Muse  ist  bei  sonstiger  Miniterkeit  der 


445 

Laniic  und  Lebendigkeil  der  Plianlasic  zn  leichtfertig, 
oft  wollüstig,  doii  Zartsinn  beleidigend,  s.  Honian  Sy- 
lorct  fehlt  cs^  an  Plan,  Rundung  und  harmonischem  Vers- 
bau, so  sehr  ihn  auch  einzelne  gelungene  Schilderungen 
und  Kraftausdrücke  auszeichnen;  das  Aeussere  seiner  Ge- 
dichte ist  sehr  vernachlässigt.  -  Alan  Bardzws/a,  ein 
Dominicaner,  übers.  Lucanus  Pharsalia:  Odrodzona  \v 
iezyku  oyczystym  Farzalia  Lukana,  Olivva  69 i.  foL,  und 
übertraf  seinen  Vorgänger,  Chroscinski,  an  Treue,  Ge- 
drängtheit, Kraft  u.  Wolklang  des  Verses.  —  Christoph 
Opalinslii  Wojewoda  v.  Posen  (gest.  1655),  ahmte  in 
seinen,  in  polnischen  Hexametern  nach  griechisch-römi- 
schem Sylbenmaass  geschriebenen  8a(yren,  52  an  der 
Zahl,  dem  .Juvenal  und  Persius  nach,  und  schwang  ge- 
gen die  .Sittenlosigkeit  und  Rechtsverdrehung  seine  Geis- 
sei auf  eine  rauhe,  schonungslose  Art :  Satyry,  (Kr.) 
652.  fol..  2  A  unter  d.  T.  Juvenalis  redivivus,  Vened. 
(eig.  Thorn)  698.,  3  A.  Icon  animorum  albo  zwierciadio, 
Vened.  (eig.  Posen)  698.  —  Joh.  Dzwonow.ski,  ein  8a- 
tyriker  nicht  ohne  muntere  Laune  und  treifefiden  Witz, 
jedoch  bisweilen  die  Gräiizen  des  Anstandes  überschrei- 
tend:  Statut  t.  i.  artykuly  prawnc,  o.  0.  u.  J.  (um  1650), 
4.  —  Joh.  Güwiushi,  ein  fruchtbarer  Dichter,  sciirieb 
Idyllen,  Trauergediclite,  Epigraiiime  u.  s.  w.  Sielanki 
i  röziie  nadgrobki,  Kr.  650.,  Sielanki  nowo  napisaiie, 
668.  W.  778.  u.  v.  jMostowski,  Dworzanki,  Kr.  664.  4., 
Fortinja  690.  fol.,  Venus  polska,  Epithalamium,  Danz.  67.3. 
4.,  Treny  zaiobiie.  Kr.  650.  4.;  s.  Idyllen  enOialten  man- 
che sciiöne  Gedaidven,  aber  die  Diction  ist  unangemes- 
sen, die  Sitten  und  Reden  seiner  Hirten  oft  plump,  der 
Versbau  schwerfällig.  —  Dan.  BratliOirski ,  ßraclawer 
Truchsess,  lebte  sniter  Johann  III.,  gab  eine  Samml. 
von  Sinngedichten  :  Swiat  po  czesci  przeyrzany,  Kr.  697. 
4.  heraus,  die  sich,  bei  gänzlich  vernachlässigtem  Vers- 
bau, durch  heitern  Witz  und  eine  reine  Sprache  vor- 
theilhaft  auszeichnen.  —  Andr.  Wegierslii  studirte  zu 
Lissa,  ward  rcformirter  Pred.  in  verschiedenen  Städten 
Polens,  zuletzt  Senior  in  Lubel  (geb.  1600,  gest.  1649), 
gab,  ausser  einem  kirchengeschichtlichen  Werk  in  latei- 
nischer   Sprache,    eine    polnische  üebersetzung  von  Ko- 


446 

nieiiskys  Janiia  L.  ii.  Veslibulum  ,  dessgleiclien  e.  Uebers. 
des  auf  der  Thorner  Synode  1645  überreichten  Glaubens- 
bekenntnisses, nnd  einen  Kaznodzieia  przywatny  i  do- 
inowy  636.  heraus.  —  Adalb.  \\  egiersUi,  Pred.  u.  des 
Krakauer  Bezirks  Senior,  hinterliess  liandschriftlich  eine 
wichtige:  Rronika  zboru  e\v.  Krakowskiego,  geschr.  im 
J.  1651,  und  gab  ein  Antidotuiii  albo  lekarstwo  duszne, 
2  A.  Kgsb.  750.  8.  heraus.  —  Joh.  Poszakowski,  Jesuit, 
Rector  zu  Xieswiez,  liess  eine  Ilistorya  luterska,  Wilna 
745.  4.,  und  Kalwiiiska  eb.  747 — 49.  3  Bde.  4. ,  ferner 
Konfessya  Kalw.,  W.  742.  4.,  und  Antidotum  contra 
Antidotum  (gegen  Wegierski),  Wilna  754.  4.,  Kate- 
cliizin  rzymski  a.  d.  Ital.  des  Bellarminus,  Wilna  752,  4., 
Kazania,  Wilna  752.  3  Bde.  4.  drucken.  —  Franz  Rych- 
lowski,  Franciscaner,  Provincial  in  Kleinpolen,  gab  s. 
Kazania,  Kr.  660.  fol.  672.  fol.  heraus.  —  Sfeph.  Szcza- 
mecki,  Jesuit  (geb.  1656,  gest.  1737),  gab  mehrere 
pädagogische  und  asketische  Werke  nebst  einzelnen  Pre- 
digten in  Druck  heraus  692  ff.  —  Sim.  Siarowolski  (gest. 
1656),  studirte  in  Krakau,  bereiste  Italien,  Teutschland, 
Frankreich  und  die  Niederlande,  ward  Cantor  (Primi- 
cerius)  in  Tarnow .  zuletzt  Domherr  in  Krakau  ,  ein 
bewundernswürdig  fruchtbarer  Schriftsteller,  von  dessen 
47  Werken  verschiedenen,  meist  theologischen,  politi- 
schen und  historischen  Inhalts,  14  polnisch,  die  übrigen 
lateinisch  geschrieben  sind:  Swiatnica  paiiska,  Kr.  645. 
fol.,  Arka  testamentu.  Kr.  648.  fol..  Listy  Tureckie, 
Kr.  618.,  Pobudka  na  Tataröw.  o.  0.  618.*  4.  Kr.  671. 
4.,  Reformacya  obyczaiöw  polskich,  öfters  aufg.,  Posen 
692.  4.,  Prawy  rycerz,  o.  0.  648.  4.  u.  s.  w.  —  Casp. 
Niesiecki,  Jesuit  (gest.  1743),  einer  der  ersten  u.  ver- 
dienstvollsten Bio-  und  Bibliographen  Polens;  s.  in  ei- 
nem bisweilen  ziemlich  reinen  Polnisch  geschriebene: 
Korona  polska,  od.  herby  i  familie  rycerskie,  Lemb. 
728— 38— 40  43.  4  Bde.  fol.,  die  ihm  bei  den  Zeitge- 
nossen meist  Missgunst  und  Verfolgung  zugezogen,  bei  den 
Nachkommen  hingegen  um  so  grössere  Bewunderung 
und  gerechten  Dank  erworben  hat,  ist  zwar  nicht  von  den 
Gebrechen  des  Zeitalters  frei,  bleibt  ai)er  dennoch,  als 
eine  unerschöpfliche  Fundgrube  von  Notizen  aller  Art,    für 


447 

den  polii.  Gescliiclitsforsclier  und  Liieraturfreund  immer 
g,leich  scliälzbar  und  unenlbelirlich.  —  Wladisl.  Lu- 
bieNski,  zuletzt  ErzI).  v.  (inesen,  gab  die  erste  ausführli- 
che Geographie  in  polnischer  Sprache  heraus :  Swiat  we 
Mszystkich  swoich  czesciach,  Bresl.  740.  fol.  —  Adalh. 
Wnuli  Koialoicicz  aus  Kowno  (geb.  1609,  gest.  Iö77), 
Jesuit,  bearbeitete  die  Gesch.  v.  Littauen  lat.,  und  übers. 
Tacitus  Annalen  (die  ersten  4  Bß.)  ins  l^Inische,  her- 
ausg.  V.  Mostowski,  W.  803.  8.  —  Christoph  Groth  Fa- 
Ussowski  übers,  lliessend  den  Julius  Florus,  Kr.  646.  4. 
Wilna  790.  8.  —  Greg.  Knapski  aus  IMazowien  (gest. 
1638),  Jesuit,  Prof.  der  Rhetorik  u.  Mathein.  in  Krakau, 
erwarb  sich  um  die  polnische  Lexicographie  unsterbliche 
Verdienste,  s.  Thesaurus  pol,-  lat.-graecus  u.  lat.-pol., 
Kr.  621.  tF.  fol.,    wird  selbst  heute  noch  sehr  geschätzt. 

—  Abr.  Troc  aus  Warschau,  lieferte  ebenfalls  ein  für 
Ausländer  sehr  brauchbares,  und  eben  darum  öfters  auf- 
gelegtes franz.-pol.-teutsches  Wörterb.,    Lpz.  740.  u.  oft. 

—  Seb.  Sleszkowski  aus  Wielun  im  Sieradzischen,  Doct. 
d.  Med.  u.  Phil.,  Kg.  Zygmunt's  III.  Secretär  und  Leibarzt 
(gest.  1648),  gab  des  AI.  Pe^emontanus:  Taienniice  a. 
d.  Ital.,  Kr.  620.  4.  Suprasl  737.  758.  4.,  Ueber  die 
Pest,  Kaiisch  623.  4.,  zwei  Schriften  gegen  die  Juden 
u.  m.  a.  heraus.  —  Joh.  Broscius  aus  Kurzelow  im  Sie- 
radzischen (geb.  1581,  gest.  1652),  zuerst  Prof.  d.  Ma- 
them.  u.  Astron.  in  Krakau,  darauf  Doct.  u.  Prof  der 
TheoL,  Domherr  in  Staszou,  der  thätigste,  kenntniss- 
reichste und  verdienteste  Beförderer  mathematischer  Stu- 
dien in  Polen,  schrieb  meist  lateiniscii,  in  pol.  Sprache 
gab  er  heraus:  Apologia  kalendarza  rzymskiego ,  Kr. 
641.,  Apologia  druga,  W.  641.;  Br.  ist  zugleich  der  Vf. 
des  Pamphlets  gegen  die  Jesuiten :  Gratis  abo  discurs 
ziemianina  z  Plebanem,  o.  ü.  u.  J.  (1625)  4.,  wodurch 
er  sich  sehr  vielen  Verdruss  und  Verfolgung  von 
Seiten  des  Ordens  zuzog.  —  Fried.  Szembek,  ein  Jesuit, 
gab  unter  dem  erdichteten  Namen  Pieknorzecki  eine  Ge- 
genschrift: Gratis  plebanski  gratis  wycvviczony  w  Jezui- 
ckich  szkolach,  Posen  627.  4.,  heraus. 

Als  Dichter  dieses  Zeitraumes  sind  noch  zu  nennen : 
Christ.  Franz  Falibogowski,  And.  Deboieckia.  Konoiady, 


448 

Sam.  Huler  Szijmonowsh',  AI.  v.  Obodna  Obodzitishi, 
Peter  Kirialkoivski  Jesuit,  Hier.  Morszlyn  v.  Raciborsk 
Districls-Tniclisess,  Sfeph.  Poumfowski .]esu'\i,  S.  S.  Ja- 
(fodfinski,  Hein.  Chelkowski,  Adalh.  Ignes  Jesuit  (um 
1628-48.)  u.  s.  w.;  als  Theologen:  Valer.  Gutowski 
Franciscaner ,  Paulin  Wiazkiewicz  ,  Luk.  Rosolecki, 
Pet.  Skoczynski,  Sam.  Wysocki  Piaristen,  Kazimierz 
Koialowicz,  Peter  Dnnin,  Joh.  Moratvski,  Ant.  Szyr- 
ma,  Kypr.  Sapecki,  Steph.  Poninski,  Alb.  Sfawski, 
Ge.  Debski,  Steph.  Wielewieyski,  Joh.  Zrzelski,  Thom. 
Perkowicz,  Thom.  Miodzianowski ,  Karl  Zulkiewski 
Jesuiten,  welche  allerlei  Predigten  und  Erbauungsbü- 
cher drucken  Hessen ;  als  Geographen  und  Historiker : 
Mr.  Laur.  Saltszeivicz  Prof.  in  Krakau,  Ad.  Chodkie- 
ivicz,  BJudener,  Daugielicker  und  Wieluner  Starost,  De- 
met.  pyanz  Kola  aus  Warschau,  Piarist  (geb.  1699, 
gest.  1766),  Mr.  Stan.  Jos.  Dmiczewski  a  Danebary, 
Bened.  Chmielotvski  Kiower  Domherr,  Paul  Demitro- 
wicz^  Aiigustin  Koludzki  Inowrocfawer  Richter,  Niki. 
Chwatkowski  v.  Chwall^ow,  Ä.  J.  Nicmir  v.  Niemirovv, 
lyn.  Lopacimki  Domherr,  Ant.  Hercyk  u.  s.  w. ;  als 
Politiker,  Juristen,  Mathematiker:  Math.  Dobracki  ge- 
nannt Gutthäter  aus  dem  Sandomirschen  (gest.  1681), 
kgl.  Secretär,  zuletzt  Gerichtsnotär  in  ßrodnica,  Kaz. 
Wieruszowski  Jesuit  (gest.  1745),  Theod.  Boyala  Za- 
tradzki^  Audr.  Piotrkowczyk  Doct.  Jur.  u.  Buchdrucker, 
Stan.  Kozuchowski,  Joh.  Dzieyielowski,  Math.  Marcyan 
Ladoivski,  Paul  Kuszewicz.  Mart.  Siniylecki  Jesuit, 
Doct.  d.  Theol.,  Sini.  Stan.  Makoivski  Domherr  u.  Prof. 
in  Krakau,  Mich.  Dn/zbacki,  Adalb.  Tylkowski  aus 
Mazowien  Jesuit  (geb.  1634,  gest.  1695),  Marl.  By~ 
strzycki  Jesuit,  Doct.  d.  Theol.,  Er  asm.  Syxtus  a.  Lem- 
berg,  Doct.  d.  Phil.  u.  Med.,  Stadtarzt  daselbst,  Kassian 
Sakou'icz,  zuerst  griech.  Archimandrit  in  Dubienka,  seit 
1640  Augustinermönch,  Joh.  Gorczyn  od.  Gorczynski, 
Stan.  Niewieski  Prof.  in  Krakau,  Kajetan  Zdzanski, 
Joh.  Dekan,  Stan.  Solski  Jesuit,  Adalb.  Bystrzonowski, 
Blas.  Lipowski,  Sam.  Brodowski  u.  s.  w- 


449 

§.  54. 

Fünfte  Periode.  Von  Stan.  KonarskI  bis  auf  unsere  Zeiten. 
J.  1760   -  1825. 

Das  Zeitalter  der  Wiedergeburt  sowol  der  Wissen- 
scliaflen,  als  auch  des  besseren  Geschmacks.  Den  wol- 
thätigsten,  folgenreichsten  Einfluss  auf  die  Wiederbele- 
bung der  polnischen  Literatur  übte  der  Piarist,  Stan. 
Ronarski,  zum  Theil  durch  seine  zahlreichen,  gehalt- 
vollen Schriften^  zum  Theil  durch  die  bessere  Einrich- 
tung der  Piaristenschulen  aus,  von  denen  sich  nach  und 
nach  die  Strahlen  der  Aufklärung  und  des  veredelten 
Geschmacks  über  das  ganze  Land  verbreiteten.  Er  wagte 
der  erste  aus  seiner  klösterlichen  Abgeschiedenheit  das 
Liberum  veto  offen  anzugreifen,  bessere  Ansichten  über 
Landesverwaltung  und  Erziehung  der  Jugend  unter  das 
Volk  zu  bringen,  und  bestand  muthig  den  harten  Kampf 
mit  den  verjährten,  über  ihn  stürzenden  Vorurtheilen. 
Mit  grossen  Geistesgaben  ausgerüstet,  und  durch  einen 
längern  Aufenthalt  in  Italien  und  Frankreich  gestählet, 
fühlte  er  sich  berufen,  das  alte  Gebäude  des  Ungeschmacks 
und  der  ^^Wissenschaftlichen  Pedanterie  umzustürzen,  um 
auf  seinen  Trümmern  ein  besseres  und  schöneres  aufzu- 
führen. Die  Regirungszeit  Stanislaus  Augustus  macht  in 
der  Geschichte  der  polnischen  Literatur  Epoche.  Dieser 
König,  selbst  ein  Liebhaber  und  Kenner  der  Wissen- 
schaften, ward  väterlich  um  die  Emporbringung  der  li- 
terarischen Bildung  und  Aufklärung  durch  Errichtung 
mehrerer  Lehr-  und  Bildungsanstalten  im  Lande  besorgt. 
Durch  eine  glückliche  Fügung  der  Umstände  rühmte  sich 
Polen  gerade  um  diese  Zeit  mehrerer  Beschützer  der 
Wissenschaften  unter  den  Grossen;  das  Haus  der  Für- 
sten Czartoryski  glänzte  an  ihrer  Spitze,  und  war  eine 
Schule  nicht  nur  gesunder  politischer  Maximen,  sondern 
auch  des  Geschmacks  für  den  jungen  polnischen  Adel. 
Die  Ansichten  der  edlen  Fürsten  Czartoryski,  durch  das 
unbegränzte  Ansehen  des  Hauses  unterstützt,  wurden 
aus  Beispiel  zum  Gesetz.  Die  rege  gewordene  Liebe  zur 
Ordnung  und  Reform  überging  unter  Stanislaus  Augustus 

29 


450 

in  Tliat.  Gleich  im  Anfajige  seiner  Rcgining  kam  das 
Cadetleninstitnt  zu  Stande ,  dessen  Vorsteher ,  Fürst 
Adam  Czartoryski  ,  Generalstarost  von  Podolien ,  nnd 
üirectoren ,  Plleyderer  nnd  Hnbe,  der  Nation  bewiesen, 
was  eine  reine,  redliche  Lust,  dem  Vaterlande  zu  die- 
nen, verbunden  mit  gründlicher  Sachkenntniss,  zu  lei- 
sten vermag.  Stanislaw  August  fand  beim  Antritt  der 
Regirung  die  polnische  Sprache  in  einem  traurigen  Zu- 
stande, entblösst  von  ihren  natürliclien  Gaben  der  Deut- 
lichkeit ,  Einfachheit  und  Kraft ,  durch  Ungeschmack 
entstellt,  zu  gleicher  Zeit  kindisch  geworden  u.  veraltet, 
üie  Herausgabe  des  Monitors,  eines  periodischen  Blattes, 
an  dem  die  ausgezeichnetsten  und  aufgeklärtesten  Männer 
damaliger  Zeit  Theil  nahmen,  war  der  erste  Schritt  zur 
Verbesserung  der  Sprache.  Ein  zweiter,  nicht  minder 
wichtiger ,  war  die  Errichtung  der  Nationalbühne, 
unter  Aufsiclit  von  Männern,  die  dazu  durch  Talente 
und  Vermögen  berufen  waren.  Eine  grosse  Zahl  vater- 
ländischer Schriftsteller,  besonders  Dichter,  betrat  mit 
geläutertem  Geschmack  das  so  lange  brach  gelegene, 
verwilderte  Feld  der  Muttersprache.  Aber  am  meisten 
verdankt  die  polnisclie  Sprache  ihre  Veredlung  der  bes- 
sern Organisation  der  ötFentlichen  und  häuslichen  Erzie- 
hung, deren  Gegenstand  endlich  nun  auch  die  von  ihr 
zeither  gänzlicli  ausgeschlossene  Muttersprache  wurde. 
Die  Ernennung  der  Erziehungscommission,  und  die  Er- 
hebung des  öffentlichen  Unterrichts  zu  einer  Angelegen- 
heit des  Staats  und  der  Regirung,  legte  den  Grund  zu 
dem  neuern  Anbau  der  Wissenschaften  in  Polen.  Graf 
Ignaz  Potocki  setzte  die  Einführung  eines  gleichförmigen, 
nationellen  Lehr-  und  Erziehungsplans  durch ;  ihm  ver- 
dankt Polen  die  Organisation  der  Districts-  od.  Departe- 
nientschulcn.  Endlich  war  der  Schutz,  den  Gelehrte  nnd 
Schriftsteller  beim  König  selbst  und  andern  Grossen  des 
Reichs  fanden,  die  zugleich  Aristarchen,  Mäcene  und 
Schriftsteller  waren,  der  Sprache  und  Literatur  äusserst 
erspriesslich.  Gross  sind  die  Verdienste  dieser  Männer 
um  den  Anbau  der  vaterländischen  Sprache;  sie  reinig- 
ten dieselbe  vom  anderthalbhundcrtjährigen  Kost  des 
Ungeschmacks,  und  lehrten    die  Polen  polnisch   sprechen. 


451 

Dass  sie  die  Spraclibildiing  nicht  zur  Vollendung  gebracht 
liaben,  daran  sind  zwei  Ursachen  Scluild:  zuerst  die  Kürze 
nnd  der  Druck  der  Zeit,  dann  aber  die  Natur  des  Un- 
ternehmens selbst.  Was  das  erste  anbelangt,  so  ist  die 
Periode  von  30  Jahren  schon  an  sich  zu  kurz,  um  eine 
ganz  verdorbene  Sprache  zu  vervollkommnen,  aber  sie 
erscheint  noch  kürzer,  wenn  man  die  Ereignisse  der  Zeit, 
den  wildesten  Parteikampf  im  Innern,  die  bürgerlichen 
Kriege  und  die  endliclie  Zerstückelung  des  in  sich  ent- 
zweiten Landes  berücksichtigt.  Was  das  zweite  betrifft, 
so  ist  eine  plötzliche  Umschaffung  der  Menschen,  ein 
gänzliches  Abstreifen  der  von  Jugend  auf  eingesogenen 
Ansichten,  die  bei  dem  gemeinen  Manne  zur  Natur  wer- 
den, und  selbst  bei  dem  gebildeten  unvertilgbare  Spu- 
ren hinterlassen,  an  sich  (uunöglich;  mannigfaltige,  mehr 
oder  minder  glückliche  Versuche  müssen  vorangehen, 
bevor  der  Gipfel  der  Vollendung  erreicht  werden  kann. 
Die  Ereignisse  der  12  Jahre  1795-807  bilden  in  der 
polnischen  Literatur  eine  eigene  Zwischenperiode.  Mit 
der  Auflösung  der  politischen  Selbstständigkeit  der  Nation 
trat  ein  gänzlicher  Stillstand  in  der  Literatur  ein.  Die 
Landessprache  hörte  auf  Sprache  der  Regirung  zu  seyn; 
wörtliche,  das  Polnische  in  seinen  innern  Bestandtheilen 
tief  angreifende  Uebersetzungen  kamen  auf,  und  droh- 
ten die  kaum  erwachte  Reinheit  und  Correctheit  der 
Sprache  im  Keime  zu  ersticken.  Die  Gesellschaft  der 
Freunde  der  Wissenschaften  (1801)  in  Warschau  wachte 
jedoch  mit  rühmlichstem  Eifer  über  die  Reinhaltung  die- 
ses Volkskleinods;  die  Hochschule  zu  Wilna  wurde  eine 
wahre  Zufluchtsstätte  und  der  Hauptsitz  der  polnischen 
Musen.  Glücklichere  Zeiten  traten  für  die  literarische 
Cultur  Polens  während  der  Dauer  der  grossherzoglichen 
Regirung  von  Warschau  (1807-812),  w^ie  auch  seit  der 
B  Idung  des  Königreichs  Polen  (1815)  ein.  Das  unter 
die  Leitung  des  Grafen  Stan.  Potocki  gestellte  Oberschul- 
Collegium,  im  J.  1812  in  das  Oberschuldirectorium  ver- 
ändert, erfidlte  die  Erwartungen  der  Nation  in  vollem 
Maasse.      Diese     ehrwürdige     Magistratur  ^)     erhielt    in 

^)  Ausser  dem  Präsidenten  bestand  dieselbe  aus  folgenden  Mitglie- 
dern: Ad.  Prazmowski,  Alex.  Potocki,  Valent.  Sobolewski,  Ouuphr.  Kop- 
czyiiski,  den  Priestern  Staszyc,  Dill,  Schmidt  und  dem  Rector  Linde. 

29* 


452 

dein  filiiQährigen  Lauf  ihrer  Wirksamkeit  unter  stetem 
Ringen  mit  Hindernissen  aller  Art  nicht  nur  die  schon 
vorhandenen  ßildungsanstalten  in  ihrer  Integrität,  son- 
dern führte  auch  ganz  neue  ein.  Zu  den  140  Hauptschu- 
len in  6  Departementen  traten  noch  494  andere  hinzu; 
eine  Arzneischule  in  Warschau  wurde  eröffnet,  für  die 
Emporbringung  der  Cadettenschulen  in  Kaiisch  u.  CheJm 
gesorgt,  eine  Gesellschaft  für  Abfassung  zweckmässiger 
Unterrichtsbücher  in  polnischer  Sprache  ernannt  '), 
und  über  Mädchen-  und  Knaben-Pensionate  Aufsicht  füh- 
rende Schulephorate  eingeführt.  Der  Congress  der  eu- 
ropäischen Mächte  in  Wien  entschied  endlich  1815  über 
Polens  Schicksal,  und  gab  dem  Volk  sein  Volksthum 
zurück.  Seitdem  machen  Erziehung,  Unterricht  u.  Schul- 
wesen, Wissenschaften  und  Nationalliteratur,  im  Ver- 
gleich mit  vormals,  bedeutende  Fortschritte,  sowol  im 
eigentlichen  Königreiche  Polen,  als  auch  in  den  andern 
^ntheilen.  Die  Volksbildung,  bis  dahin  sehr  vernach- 
lässigt, ist  unter  der  jetzigen  Verfassung  des  Kgr.  Polen 
ein  besonderer  Gegenstand  der  Sorgfalt  des  Thrones  ge- 
worden. Dem  Bauer,  durch  die  Constitution  des  ehema- 
ligen Hzth.  Warschau  (1807)  und  die  jetzige  Constitu- 
tion des  Königreichs  (1815)  persönlich  frei  und  des 
Grundeigenthums  fähig,  ist  nun  der  Zutritt  zu  den  Schu- 
len erleichtert  worden.  Seit  1816  besitzt  Polen  eine 
Universität  zu  Warschau,  eilf  Haupt-  od.  Palatinalschu- 
len  in  den  8  Wojwodschaften  der  Königreichs  (das  Ly- 
ceum  in  Warschau,  die  Benedictinerschule  in  Pultusk 
inid  den  Convict  der  Piaristen  in  Zalibor  mitbegrifFen), 
vierzehn  Hauptdistrictsschulen  (szkoJy  wydziatowe)  und 
neun  Nebendistrictsschulen ,  zwei  Institute  für  Elemen- 
tarlehrer in  Lowicz  und  Pulawy,  zahlreiche  Elementar- 
schulen ,  Privatpensionate  für  Mädchen  und  Knaben^ 
eine  Bergwerksakademie  zu  Kielce,  eine  Cadettenschule, 
eine  Militärakademie ,  ein  Landwirthschaftsinstitut  in 
Warschau  u.  s.  w.  In  Galizien  zählte  man  1819  eine 
Universität    in    Lemberg,    zwei    Lyceen,    zwölf   Gymna- 


')  Diese  bestand  aus  folg.  Mitgliedern:  llect.  Liude  Präsident,  Kaj. 
Kamienski ,  Edw.  Czarnecki ,  Job.  Bystrzycki  ,  Ant.  Dabrowski,  Chrph. 
Stefazyus  und  Adalb.  Szweykowski. 


453 

sien,  zwei  Realschulen,  zahlreiche  Normal-Trivial-  und 
Elementarschulen  u.  s.  w.  Die  Stadt  Krakau  besitzt  eine 
von  Alters  her  berühmte  Universität.  Nicht  minder  wol- 
thätig  sorgen  die  Regirungen  von  Russland  und  Preus- 
sen  für  die  Aufklärung  des  Volks  in  den  ihren  Reichen 
einverleibten  Provinzen  des  ehemaligen  Polens  durch 
Unterhaltung  zweckmässiger  Unterrichts-  und  Bildungsan- 
stalten. An  diese  allgemeinen  Bedingungen  der  Volks- 
aufklärung reihen  sich  die  einzelnen  Gesellschaften  zur 
Beförderung  der  wissenschaftlichen  Cultur  überhaupt  und 
der  polnischen  Nationalliteratur  insbesondre;  wohin  die 
kgl.  Gesellschaft  der  Freunde  der  Wissenschaften  in  War- 
schau, die  Akademie  der  Künste  daselbst  und  die  Gesell- 
schaft der  Wissenschaften  in  Krakau  gehören.  —  Die 
Fortschritte  der  Sprache  in  dieser  letzten  Periode  sind 
überraschend  gross :  Kopczynski ,  Stawski ,  Kassius, 
Szumski  ,  Bohomolec,  Kleczewski  ,  Dudziiiski ,  Nowa- 
czynski,  Wyszomirski,  Bantkie,  Linde  u.  m.  a.,  bearbei- 
teten das  Gebiet  der  Sprache  grammatisch  und  lexika- 
lisch ;  Piramowicz ,  Golanski ,  Slowacki ,  Sniadecki, 
Chrzanowski,  Graf  Stan.  Potocki  u.  m.  a.  beleuchteten 
die  Theorie  und  Praxis  der  schönen  Wissenschaften  und 
Künste,  der  letzte  brach  der  gesunden  Kritik  und  dem 
feinern  Geschmack  die  Bahn.  Zwei  Uebel  drohten  im 
Laufe  dieser  Periode  die  Natur  der  polnischen  Sprache 
zu  entstellen;  die  Nachahmung  des  Französischen  schien 
ihre  Kraft  und  Freiheit  der  Wortstellung,  die  sie  mit 
den  altclassischen  Sprachen  gemein  hat,  und  die  des 
Teutschen  ihre  Deutlichkeit  und  Einfachheit  zu  gefähr- 
den. Seit  der  glänzenden  Epoche  der  Literatur  in  Frank- 
reich unter  Ludwig  XIV.  hatte  die  französische  Sprache 
grossen  Einfluss  auf  die  Nationalliteratur  der  übrigen 
Völker  Europa's,  den  grössten  auf  die  polnische  unter 
Stanislaus  Augustus.  Die  polnischen  Schriftsteller,  von 
Jugend  auf  in  französischer  Sprache  zu  lesen  und  zu 
schreiben  gewohnt,  fingen  an  in  derselben  auch  zu  den- 
ken, und  legten  im  Schreiben  der  polnischen  Sprache 
durch  offenbare  Gallicismen  Gewalt  an.  In  einen  ent- 
gegengesetzten Fehler  verfielen,  vorzüglich  seit  der  Thei- 
lung  der    Reichs,    die  zahlreichen    Uebersetzer    aus  dem 


454 

Teiitscheii,  Indeiii  sie  die  metaphysisch-subtile,  verwi- 
ckelte und  dunkle  Schreibart  einiger  tentscher  Schrift- 
steller in  die  polnische  Spraclie  verpllanzen  wollten.  Auf 
der  andern  Seite  ist  der  grosse  Vortheil  und  Zuwachs, 
den  die  Nationalliteratur  durch  Uebersetzungen  aus  beiden 
Sprachen  erhalten  hat,  nicht  zu  verkennen.  Zwar  er- 
reiclite  die  polnische  Sprache  den  Grad  ihrer  ehemaligen 
Reinheit  und  edier  Einfachheit  niclit ;  aber  sie  musste 
sich  diesen  Verlust  gefallen  lassen,  um  die  grössern  Vor- 
theile  der  Vervielfältigung  der  Wörter  und  Redensarten, 
der  Ausscheidung  der  Sinnverwandten,  der  Bestimmt- 
heit und  Mainn'gfaltigkeit,  der  Ründiuig,  und  des  künst- 
lichem, gewandtem,  numerösern  Periodenbaues  zu  er- 
langen. Nnr  die  inigeschickten  Nachahmer  verdarben 
die  Sprache,  unter  der  Feder  gewachsener  Uebersetzer 
gewann  sie  augenscheinlich.  Hiernäclist  hatte  die  Bildung 
und  Einführung  ganz  neuer,  meist  technischer  od.  Kunst- 
Wörter,  auf  die  Umgestaltung  der  polnischen  Sprache 
in  den  allerneuesten  Zeiten  den  grössten  Einfluss.  Mit 
neuen  Entdeckungen  im  Gebiete  der  Wissenschaften  und 
Künste,  mit  Veränderungen  in  Lebensweise  und  Sitten, 
mit  Umbildungen  der  Verfassung  und  Verwaltung  von 
innen  heraus  od.  von  aussen  her,  wird  nothwendig  der 
Umfang  der  Sprache  erweitert,  und  die  Geltung  vieler 
Wörter  verändert.  Diese  Nothwendigkeit  fühlten  und 
fühlen  diejenigen  slawischen  (nicht  nur  polnischen) 
Schriftsteller,  welche  in  den  letzten  Jahren  über  wis- 
senschaftliche Gegenstände  in  der  Landessprache  geschrie- 
ben haben.  Dass  bei  der  Bildung,  Aufnahme  u.  Ver- 
breitung neuer  Wörter  in  einer  lebenden  Sprache  nichi 
überall  gleich  das  Wahre  getrolFen  werden  kann,  leuch- 
tet von  selbst  ein.  Die  polnisclie  wissenschaftliche  Prosa 
ist  wenigstens  auf  dem  Wege,  auch  in  dieser  Hinsicht 
den  Forderungen  der  Kritik  immer  mehr  zu  entsprechen. 
—  Der  letzte  Zeitraum  hat  weit  mehr  tretf'liche  Dichter 
als  Prosaiker  aufzuweisen,  durch  deren  glückliclies  Rin- 
gen nach  Vollendung  die  polnische  Poesie  nicht  nur  jene 
des  XVI.  Jahrh.  weit  übertrofFen  hat,  sondern  an  Correct- 
heit  und  Harmonie  der  Diction  den  gebildetsten  neuern 
Sprachen    Europas   an    die  Seite  getreten  ist.     Krasicki, 


455 

Naruszewicz  ,  Kniazniii  ,  Niemcewicz ,  Dniöcliowski, 
Trebccki,  Wegierski,  Szyinaiiowski ,  Karpinski,  Gör- 
ski, Osinski,  Lipiiiski,  Morawski ,  Krupinski,  Felinski 
u.  a.  III.  schmückten  das  Feld  der  Lyra,  der  didaktischen  und 
zum  Tlieil  auch  der  dramatischen  Poesie  mit  ihren  Geistes- 
blrtthen  aus;  Dmochowski  und  Przybylski  lieferten  ge- 
diegene Uebersetzungen  mehrerer  Meisterwerke  der  al- 
ten und  neuern  classisciien  Dichter;  nur  das  höhere  va- 
terländische Epos  und  Drama,  der  Gipfel  jeder  vollendet 
seyn  sollenden  Nationalpoesie,  haben  noch  keine  classi- 
sciien Muster,  obwol  mehrere  gelungene  Versuche,  auf- 
zuweisen. Auch  blieb  diese  ganze  Periode  hindurch  der 
formelle  Theil  der  dichterischen  Darstellung,  der  Vers- 
bau, lediglich  auf  den  Reim  eingeschränkt,  obwol  No- 
waczyriski  die  verlorene  Spur  der  altclassischen  Prosodie 
in  der  polnischen  Dichtkunst  aufzufrischen,  und  Przy- 
bylski, Staszyc  u.  a.  m.  den  Sinn  für  den  majestätischen 
Klang  des  heroischen  Hexameters  durch  die  Uebersetzung 
des  Homers   zu  wecken  und  zu  nähren  bemüht  waren.  ^) 

')  Die  Polen  habeu  keine  so  alten  Denkmäler  der  Nationalpoesie 
aufzuweisen,  als  die  Böhmen.  Die  ältesten,  z.  B.  das  Lied  des  h.  Adalbert : 
Bogarodzica,  das  Lied  von  Wiklef:  Liachowie  niemcowie  u.  s.  w.,  überstei- 
gen nicht  das  XIV  —  XV.  Jahrb.,  und  sind  sämmtlich  schon  gereimt. 
Zur  Zeit  der  Blüthe  der  polnischen  Literatur  im  XVL  Jahrb.  war  der  Reim 
im  ganzen  neuern  Europa,  und  vorzüglich  in  Italien,  welches  Land  da- 
mals den  grössten  Einfluss  auf  den  Gang  der  poln.  Nationalliteratur  hatte, 
alleinherrschend;  kein  Wunder,  dass  er  es  auch  in  Polen  wurde.  Aber  in 
einem  Lande,  das  den  Simonides  (Szyraonowicz)  gebar,  und  zu  einer  Zeit,  in 
der  Sarbievius  (Sarbiewski)  lebte,  die  grössten  lateinischen  Verskünstler 
ihres  Jahrhunderts,  konnte  es  an  Versuchen ,  die  äussere,  zufällige  Zierde 
des  Reimes  durch  die  innere,  ästhetisch  belebte  Schönheit  des  Metrums  zu 
ersetzen,  nicht  fehlen.  Job.  Kochanowski  wagte  zuerst,  auf  Verlangen  J. 
Zamoyskis,  aber  „na  prozno"  wie  St.  Potocki  sagt,  d.  i.  ohne  Nachahmer 
zu  finden,  die  Regeln  der  griechisch-i'ömischen  Prosodie  auf  die  poln.  Vers- 
kunst zu  übertragen ;  nicht  glücklicher  war  70  Jahre  darauf  Chph.  Opa- 
linski.  Und  doch  war  damals  die  poln.  Sprache,  nach  den  Nachrichten 
über  die  Aussprache  zu  urtheilen,  dem  gr.-röm.  Metrum  näher  als  jetzt!  — 
In  den  darauf  folgenden  Jahrhunderten  war  der  Einfluss  der  franz.  Poesie 
auf  die  poln.  so  entscheidend,  dass  der  franz.  Alexandriner  nicht  nur  je- 
den Gedanken  an  Sylbenmessung,  sondern  beinahe  alle  übrige  Reimformen 
verdrängte.  Nur  Zai'uski  u.  Minasowicz  fanden  noch  selbst  die  Fesseln  des 
Reims  zu  schwer ;  sie  warfen  sie  weg,  und  schrieben  Zeilen  von  gezählten, 
aber  weder  gemessenen,  noch  gereimten  Sylben.  Bei  so  tiefem  Verfall  der 
Verskunst  erhob  Nowaczyiiski  1781.  noch  einmal  seine  Stimme,  und  em- 
pfahl aufs  neue  die  antiken  Versformeu  im  Geiste  der  gr.-röm.  Prosodie. 
Aber  er  war  der  Prediger  in  der  Wüste,  und  bewies,  wie  St.  Potocki  sagt, 
dass,  was  man  300  J.  lang  in  der  poln.  Dichtkunst  vergeblich  gesucht  hatte, 
er  selbst  nicht  besitze:  warum?  —  weil  er  kein  Dichter  war!  —  Aber  die 
poln.  Geschmacksrichter  schoben    die  Schuld  auf  die  Sprache,  die  demMe' 


456 

—  Die  Sprache  der  Beredsamkeit  steht,  der  Sprache  der 
Dichtkunst  gleich,  in  Hinsicht  der  Reinheit  unter  jener 
des  XVI.  Jahrii.,  in  allen  andern  Rücksichten  übertrifft 
sie  dieselbe.  Ihre  Veredlung,  vorzüglich  während  der 
vierjährigen  Dauer  des  constitutionellen  Reichstags  (1788  — 
91),  ist  sichtbar  genug.  Hier  entwickelten  ihre  redne- 
rischen Talente:  Czartoryski,  Ign.  Polocki  ,  Sapieha, 
Wawrzecki,  Mostowski,  Matuszewicz,  Zaleski,  Linow- 
ski,  Nienicewicz,  Weysenhof,  Lezynski,  Kiciriski,  Koi- 
Jatay,  SoJtyk,  Chreptowicz,  Rzewuski  u.  a.  m.  Aus  dem 
Schoosse  dieser  Schule  ging  Stan.  Potocki  hervor,  ein 
höherer  rednerischer  Genius,  einzig  da  stehend,  und  der 
Bewunderung  und  Liebe  aller  seiner  Stammgenossen  wür- 
dig. An  diese  grossen  Muster  reihen  sich  die  bessern 
Kanzelredner:  Lachowski,  Karpowicz,  Woronicz,  Praz- 
mowski,  Eaiicucki  u.  s.  w.  —  Die  Lehrprosa  und  der  Ge- 
schäftsstyl    blieben    auch  jetzt,    wie  in  den  beiden  vori- 

trum  widerstrebe  ;  und  da  raan  doch  nicht  läugnen  konnte,  dass  der  Pole 
(z.  B.  der  Grosspole)  gewisse  Sylben  in  der  Aussprache  dehne,  und  andere 
schärfe,  so  nannten  sie  diese  Aussprache  altvaterisch  (ja  wol!)  und  bäu- 
risch-, die  doch  eigentlich  nur  unfranzösisch  und  nur  desswegen  schlecht 
ist,  weil  sie  slawisch  ist.  Unter  solchen  Umständen  würde  es  befremden, 
zu  sehen,  dass  es  noch  immer  Männer  gibt,  die  wie  Przybylski  u.  Stasz}^, 
dem  Reimstrom  entgegen,  zu  der  Quelle  des  Hexameters  zu  schwimmen 
wagen ;  wenn  man  einerseits  nicht  wüsste,  dass  man,  ohne  sich  selbst  zu 
verläuguen,  einen  gereimten  Homer,  Virgil,  Horaz  u.  s.  w.,  unmöglich  für 
etwas  anderes,  als  einen  Hippocentaur  (etwa  Franz  -  Engländer  ?)  halten 
könne,  andererseits  aber,  dass  die  Illusion,  in  die  das  germanische  Tonprin- 
cip  die  neuern  slawischen  (böhmischen ,  russischen ,  polnischen)  Dichter 
versetzt  hat,  ganz  dazu  geeignet  sey ,  dem  Volke  glauben  zu  machen, 
man  habe  den  Stein  der  prosodischeu  Weisheit  gefunden.  Der  tonische  He- 
xameter kann  immer  mit  demselben  Rechte  Hexameter  heissen,  mit  wel- 
chem auch  der  französische  Alexandriner  (z.  B.  in  Dmochowskis  Iliade)  in 
Polen  Hexameter  genannt  wird.  —  Welche  Früchte  die  neuesten  Bemühun- 
gen um  die  poln.  Metrik  tragen  werden,  rauss  die  Zukunft  lehren.  Kaz. 
ßrodzinski,  der  mit  hellenischem  Geschmack  in  das  Wesen  der  polnischen 
Verskunst  und  der  slawischen  Poesie  und  Metrik  überhaupt  tiefer  gedrun- 
gen ist,  als  alle  seine  Vorgänger,  ruft  in  Pamietnik  W.  1820.  No.  12. 
aus :  „Wir  Polen,  deren  Prosa  allein  unter  den  Slawinen  jener  der  Alten 
gleich  kommt,  wie  vernachlässigen  wir  die  Poesie,  indem  wir  die  Sylben, 
gleich  den  ärmsten  Sprachen,  bloss  zählen  und  reimen.  Wol  wird  dereinst 
die  Zeit  kommen,  dass  in  einer  Sprache,  in  welcher  Cicero  und  Tacitus 
auf  eine  ihrer  würdige  Weise  sprechen,  auch  Horaz  und  Virgil  sich  in  ih- 
rer natürlichen  Gestalt,  mit  allem  Schmuck  des  Rhythmus  und  des  Vers- 
maasses,  zeigen  werden!"  Hiezu  sage  ich  Amen!  --  Th.  Nowaczynski 
0  prozodyi  i  harraonyi  i§zyka  polskiego,  Warsch.  781.  8.  —  Woyciech  Gm- 
lichowski  uwagi  nad  Xaw.  Bohusza  dodatkiem  do  poprawy  blfdöw  przez 
X.  Kopczynskiego  wydaney,  Posen  809.  8.  (üb.  d.  poln.  Accent.)  —  Rozpra- 
wa  0  metrycznosci  i  rytmicznosci  iezyka  polskiego,  szczegölniey  o  wierszacb 
polskich  przez  J.  Elsnera  i  K.  Brodziiiskiego,  W.  810.  4. 


457 

gen  Perioden,  bei  nicht  zu  läugnenden  wesentlichen  Fort- 
schritten, hinter  der  Sprache  der  Diclitknnst  und  der  Be- 
redsamkeit zurück.  Es  ist  bekannt,  dass  die  liöhere  Bil- 
dung in  Polen  von  jeher  ein  Eigenthum  des  Adels  u.  der 
Grossen  des  Reichs,  oder  der  Landtagsfähigen,  gewesen 
ist.  Dieser  Stand  hob  die  Wissenschaften  u.  Künste  unter 
Stanislaus  Augustus  empor;  der  Einlluss  der  übrigen 
Stände  auf  dieselben  ist  unbeträchtlich.  Die  letzten  pol- 
nischen Reichstage  waren  die  Pflanz-  und  Bildungsschule 
der  Redner;  den  Avissenschaftliclieu  Prosaikern,  obwol 
sie  auch  grösstentheils  dem  höhern  Stande  angehörten, 
gebrach  es  an  Bildungshebeln  dieser  Art.  Das  Streben 
und  Ringen  nach  einem  hohen  Ziel,  der  edle  Wetteifer 
fielen  hier  weg.  Daher  kommt  es,  dass  während  in  an- 
dern Ländern  die  Wissenschaften  meist  ein  Eigenthum 
des  dritten  oder  bürgerlichen  Standes,  und  des  ersten 
blosse  Ergötzung  und  Zierde  sind,  in  Polen  umgekehrt 
das  Licht  von  oben  kam,  während  das  Gross  der  Nation 
noch  der  Schatten  deckte.  Hieraus  wird  der  schnelle 
Aufschwung  der  Beredsamkeit,  hieraus  die  langsame 
Entfaltung  der  Lehr-  und  Geschäftsprosa  erklärbar,  die 
erst  dann  zu  dem  gehörigen  Grad  der  Vollkommenheit 
gelangen  wird ,  wenn  ihr  einerseits  ein  zahlreicherer 
Schriftstellerverein  aus  allen  Ständen,  andererseits  aber 
ein  grösseres  Publicum,  fähig  den  Schriftsteller  zu  wür- 
digen, zu  Theil  wird.  Ein  grosser,  wichtiger  Schritt 
hiezu  ist  durch  die  Eröffnung  der  Volksschulen  bereits 
gethan,  und  die  in  den  neuesten  Zeiten  über  einzelne 
Zweige  des  menschlichen  Wissens  in  polnischer  Sprache 
geschriebenen  Werke  ,  als  von  Naruszewicz,  Gr.  Czacki, 
Ossoliiiski,  Linde,  Bantkie,  Gr.  Job.  Potocki,  Alber- 
trandy ,  Bentkowski,  Soltykowicz  ,  Chrominski,  Niem- 
cewicz,  Lelewel,  Czaykowski,  Rakowiecki,  Chodakowski 
u.  s.  w.  im  geschichtlichen,  von  Szaniawski,  Jaronski, 
Wybicki ,  Czempiriski ,  Kluk  ,  Jundzill ,  Ryszkowski , 
Oziarkowski,  Woyniewicz,  Fialkowski,  Staszyc,  Osinski, 
Gawroiiski,  Poczobut,  Zaborowski,  Czech,  Chodkiewicz, 
Bohusz,  Sierakowski,  Dabrowski,  Bystrzycki,  Skarbek, 
Andr.  u.  Job.  Sniadecki  u.  s.  w.  im  philosophischen,  ma- 
thematischen, naturwissenschaftlichen  u.  andern  Fächern, 


458 

sind  siclicre,  erfreuliche  Vorboten  einer  bessern  Zukunft. 

—  Das  unter  Stanislaiis  Augustus  eröffnete  polnische 
Nationaltheater  erhielt  eine  Veredlung  durch  geschickte 
Unternehmer,  Dichter  mid  Schauspieler,  unter  denen 
BogusJawski,  Dinuszewski  und  Zölkowski  obenan  stehen. 

—  Die  Zahl  der  periodischen  Blätter  und  wissenschaft- 
lichen Jahrbücher  vermehrte  sich  ansehnlich.  *) 

Die  Reihe  der  polnischen  Schriftsteller  dieses  Zeit- 
raumes eröffnet  billig  SfatusL  Leszczyüski,  dieser  Kö- 
nig und  Philosoph,  dem  zweimal  die  polnische  Krone 
aufgedrungen  und  zuletzt  kaum  der  Titel  gelassen  wurde 
(geb.  1077,  gest.  1766);  er  verewigte  sein  Andenken 
in  dem  Herzen  seiner  Lnterthanen  nicht  nur  durch  seine 
hohen  Tugenden,  sondern  auch  durch  Schriften,  in  de- 
nen sich  jene  spiegeln;  ausser  mehreren  Werken  ethi- 
schen und  politischen  Inhalts  in  französischer  Sprache, 
schrieb  er  in  reinem,  von  Makaronismus  freien  Polnisch: 
Glos  wolny  szlachcica,  Nancy  733.  4.,  Ilistorya  St.  i 
Now.  Testamenta  in  Versen,  Nancy  761.  fol.  —  Hier. 
Siun.  Konarski,  des  Kastellans  von  Zavvichost  Sohn, 
Leszczyilskis  gewesener  Secretär  und  Freund  (geb.  1700, 
gest.  1773),  trat  in  seinem  17.  Jahr  in  den  Piaristenor- 
den, wurde  Prof.  im  Collegium  zu  Warschau,  ging  auf 
Anrathen  u.  Kosten  seines  Onkels,  des  Bisch.  .Job.  Tarly, 
nach  Italien,  und  verweilte  4  Jahre  lang  in  Rom,  be- 
reiste Italien  und  Frankreich,  und  kehrte  nach  andert- 
halbjährigem Aufenthalt  in  Paris  nach  Polen  zurück, 
folgte  dem  Kg.  Lcszczynski  nach  Lothringen,  kam  aber 
bald  zurück  nach  Polen,  und  weihte  sich,  den  politischeti 
Geschäften  arif  immer  entsagend,  ganz  seinem  geistlichen 
Beruf  und  den  Musen;  er  verwaltete  hierauf  die  Profes- 
sur der  Eloquenz  in  Krakau  und  Rzeszow,  wurde  1742 
Provincial,  gründete  ein  Erziehungsinstitut  (collegium 
nobilium)  in  Warschau  und  zwei  andere  ähnliche  An- 
stalten in  Wilna  und  Lemberg,  machte  1747  eine  zweite 
Reise  nach  Teutschland  und  Frankreich  und  1750  nach 
Rom,  schlug  nach  seiner  Rückkehr  alle  ihm  vom  Papste 
und  den  Kgg.  August  111.  und  Stanislaw  August  angebo- 
tenen Würden  und  Aemter  aus,  und  vollendete  das  grosse 

*)  Bentkowski  I.  173  —  76.  Potocki  pochwaly,   mowy   II.  571  —  664. 


459 

Werk  der  geistigen  Reform  von  Polen  durch  seine  Lehre, 
Beispiel  und  Schriften;  Hr.  Bentkowski  zählt,  ausser 
den  ungedruckten  Werken  und  einzelnen  Reden,  28 
Schriften  von  K.  auf,  von  welchen  11  polnisch  geschrie- 
ben sind:  0  skutecznym  rad  sposobie,  W.  760.  fF.  5  Bde. 
8.,  0  religii  poczciwych  ludzi,  W.  769.  fol.,  Epaminon- 
das,  traged.  orig.,  756.,  Listy  przyiacielskie,  W.  733,  4., 
Kazauia,  Proiekty  ii.  s.  w.;  s.  Werk:  de  emendandis  vi- 
tiis  eloquentiae,  W.  741.  8.,  wirkte  auf  die  Veredlung 
des  Geschmacks  in  der  polnischen  Literatur  entscheidend. 

—  Jos.  Audr.  Züiuski,  des  W  ojewoden  von  Rawa  Sohn 
(geb.  1701,  gest.  1774),  Leszczynskis  und  Konarskis 
Freund,  widmete  sich  dem  geistlichen  Stande,  und  wur- 
de zuletzt  Bisch,  von  Kiow  und  Czerniechow;  frühzeitig 
von  unbegränzter  Liebe  zu  den  Wissenschaften  durch- 
drungen, gründete  er,  mit  Hilfe  seines  Bruders  Sta- 
nislaw, Bisch,  von  Krakau,  und  mit  Aufopferung  aller 
seiner  Einkünfte,  jene  berühmte,  später  dem  Vaterlande 
geschenkte  Bibliothek:  er  besass  bei  unermüdeter  Thä- 
tigkeit  und  ungeheurem  Gedächtniss  einen  kolossalen  Vor- 
rath  von  Erudition,  aber  um  so  weniger  Geschmack,  und 
schrieb  sehr  viel,  vorzüglich  im  Fache  der  Literaturge- 
schichte und  Bibliographie,  latein.  und  polnisch,  wovon 
das  meiste  ungedruckt  blieb:  Bibl.  poet.  polon.  (poln.), 
W.  751.  (lat.)  W.  752.  4.,  Programma  litterarium  ad 
bibliophiles  etc.  (poln.),  W.  732.  4.,  Biblioteka  history- 
köw,  polityköw,  prawniköw  i  innych  autoröw  polskich 
lub  0  Polszcze  piszacych,  poln.  in  Versen  Ms.,  Magna 
bibl.  polonica  universalis,  poln.  in  Versen  Ms.  10  Bde. 
fol.,  Dwa  miecze  przecivvko  dyssydentom,  W.  731.  4., 
zwei  Originaltrauerspiele:  Kazimierz  und  NVitenes,  W. 
754.  4.,  Przypadki,  W.  773.  8.;  Z.  und  Konarski  gaben 
die    Volumina    Legum,    W.  732 — 82.  8  Bde.  fol.,  heraus. 

—  Wenzel  Rzeivuski,  Wojewoda  v.  Podolien,  später 
Krongrossfeldherr,  zuletzt  Krakauer  Castellan  fgeb.  1705, 
gest.  1779),  ein  grosser  Patriot,  durch  s.  Tugend  und 
Gelehrsamkeit  gleich  ausgezeichnet,  ist  Vf.  von  9  polni- 
schen Schriften:  Zabawki  wierszem  polskim,  W.  760. 
4.,  enthaltend  zwei  Originaltrauerspiele:  Zolkiewski  und 
Wladyslaw    pod    Wan^,    und    zwei  Lustspiele :  Dziwak 


460 

lind  Nafret;  Mowy  i  listy,  W.  741.  4.,  Psalmy,  W.  773. 
8.,  die  sich  durch  Einfachheit  und  Erhabenheit  dem  Ori- 
ginal nähern.  —  hpiaz  Graf  Krasicki  aus  einem  altadeli- 
gen Geschlecht  in  der  russischen  Wojwodschaft  (geb. 
1734,  gest.  1801),  erhielt  seine  Erziehung  im  Yater- 
lande ,  bereiste  Teutschland ,  Frankreich  und  Italien, 
ward  Bisch,  v.  Ermeland ,  zuletzt  (1795)  Erzb.  von 
Gnesen,  der  grösste  Dichter  unter  Stanislaw  August, 
als  Prosaiker  einer  der  ersten  Schriftsteller  Polens, 
schrieb  sehr  viel,  darunter  ein  Epos:  Woyna  Chocimska, 
in  XII.  Ges.,  W.  780.  8.,  drei  komische  Heldengedichte: 
Myszeis,  in  X.  Gesängen,  W.  775.  8.,  Monachomachia, 
W.  0.  J.,  Antimonachomachia,  Satyren,  W.  778.  und 
öfters,  Fabeln,  W.  780.  4  Bde.  8.,  Bresl.  817.  8.  u.  öfters, 
Lustspiele:  Egarz,  Statysta ,  Solennizant,  W.  780.  8., 
Romane :  Przypadki  Doswiadczyiiskiego ,  W.  775.  8., 
Pan  Podstoli  778.  8.  N.  A.  ßresl.  825.  2  Bde.,  Historya 
na  dwie  ksiegi  podzielona,  W.  779.  8.,  ein  encyklopädi- 
sches  Werk:  Zbiör  potrzebnieyszych  wiadomosci,  W.  u. 
Lemb.  781.  2  Bde.  4.,  Episteln,  Oden,  vermischte  Ge- 
dichte, eine  Poetik,  biographische  Parallelen  nach  Plu- 
tarch  u.  s.  w. ;  er  übers,  die  Bardengesänge  Ossian's,  die 
Biographien  Plutarch's,  Hesiod's  sgya  xal  tjixeqkl,  Bruch- 
stücke aus  Lukian  und  Ariosto,  ein  Kriegslied  von  Tyr- 
taeus  u.  a.  m.;  sämmtl.  Werke  herausg.  v.  Dmöchowski, 
W.  803—4,  10  Bde.  8.,  (ausser  dem  encyklop.  Werke 
u.  Kazania,  W.  819.  8.),  Breslau  Stereotyp.  824.  10 
Bde.;  als  Dichter  ist  Kr.  in  seinen  Fabeln,  Satyren  und 
komischen  Heldengedichten  durch  Witz,  Scharfsinn  und 
Schönheit  der  Diction  musterhaft ;  die  Woyna  Chocimska 
ist  zwar  kein  Epos  im  strengen  Sinne,  aber  immer  ein 
schätzbares  Dichterwerk;  s.  Prosa  ist  durch  ihre  Leich- 
tigkeit, Klarheit  und  Natürlichkeit  bezaubernd  schön.  — 
Jos.  Szymanoivski,  ein  Schüler  Konarski's  (geb.  1748, 
gest.  1801),  Mitgl.  mehrerer  Commissionen  und  Deputa- 
tionen des  Reichs,  Hausgenosse  und  Reisegefährte  des 
Fürsten  Czartoryski,  verband  eine  seltene  Herzensgüte 
mit  dem  geläutertesten,  verfeinertesten  Geschmack,  und 
pllanzte  der  erste  in  dem  poetischen  Garten  Polens  Myr- 
ten   und    Rosen;    s.  Uebers.  des  Kosciöt  Knideyski,  von 


461 

Montesquieu,  W.  777.  8.,  eb.  in  der  Samml.  v.  Mostow- 
ski  803.  8.,  Parma  (Prachtausg.  b.  Bocioni)  804.  fol., 
W.  805.  8.,  weiclit  an  Vollendung  und  Klang  des  Ver- 
ses keinem,  übertrifft  iiingegen  an  Aninutli  und  Zartbeit 
alle  polniscben  Dicbterwerke,  und  macht  in  dieser  Gat- 
tung Gedichte  Epoche;  ausserdem  schrieb  Sz.  einzelne 
kleine  Gedichte  und  prosaische  Aufsätze,  in  s.  Werken 
b.  iVIostowski  abgedruckt.  —  Stan.  Trembecki,  des  Kg. 
Stanislaw  August  Kammerherr  (gest.  1812),  verband  in 
seinen  Poesien  die  Kühnheit  Pindars  mit  der  Feinheit 
Horazens  und  der  Anmuth  Sapphos;  er  verdient  in  viel- 
facher Hinsicht  dem  Krasicki  zur  Seite  gestellt  zu  wer- 
den, erhebt  sich  sogar  bisweilen  über  ihn;  die  Fülle  u. 
Kraft  seiner  Diction  paart  sich  mit  harmonischem  Fluss 
der  Rede  und  des  Verses,  nur  hie  und  da  bleibt  der  Ge- 
schmack hinter  dem  Genius  zurück;  er  schrieb  Fabeln, 
Oden  ,  Idyllen  ,  Elegien  ,  Episteln,  ein  Lustspiel :  Syn 
marnotrawny,  nach  Voltaire^  W.  780.  8.,  ein  beschrei- 
bendes Gedicht:  Zofiiowka,  Lpz.  (eig,  Wilna)  806.  12., 
übers,  das  IV.  B.  der  Aeneis;  sämmtl.  Werke  Lpz.  (eig. 
Wilna)  806.  2  Bde.  8.  W.  819-21.  3  Bde.  12.,  Wilna 
822.  2  B.  8.,  die  Früchte  s.  historischen  Forschungen  im 
Fache  der  slawischen  Alterthumskunde  sind  bis  jetzt  un- 
edirt.  —  Ad.  Naruszewicz  aus  einem  adeligen  Geschlecht 
in  Littauen  (geb.  1733,  gest.  1796),  brachte,  nach  vol- 
lendeten Reisen  im  Auslande,  wie  Trembecki,  die  grösste 
Zeit  seines  Lebens  am  Hofe  des  Kg.  Stanislaw  August 
zu,  wurde  nach  Aufhebung  des  Jesuiterordens,  dessen 
Mitglied  er  war,  zuerst  Coadjutor  des  Bisth.  v.  Smolensk, 
darauf  Secretär  des  Reichsraths  und  zuletzt  Bisch,  von 
Luck;  er  steht  als  Historiker  an  der  Spitze  der  polni- 
schen Geschichtschreiber  neuerer  Zeiten :  Historya  na- 
rodu  polskiego,  W.  780—86.  6  Bde.  8.  N.  A.  W.  824.  ^); 

')  Naruszewicz  führte  die  poln.  Geschichte  nur  vom  J.  962  bis  1386 
fort;  den  1.  Band,  die  Urgeschichte  Polens,  wollte  er  zuletzt  bearbeiten, 
woran  ihn  aber,  wie  an  der  Ausführung  des  Ganzen,  der  Tod  verhinderte; 
die  kgl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Warschau  sorgte  rühmlichst  für 
die  Fortsetzung  und  Vollendung  dieses  grossen  Nationalwerks  durch  Ver- 
theilung  der  Arbeit  unter  einzelne  Mitglieder  (Jul.  Urs.  Niemcewicz,  Prälat 
Czaykowski,  Biblioth.  Lukian  GoJgbiowski,  Graf  J.  M.  Ossoliüski,  Fürst 
Adam  Czartoryski,  Graf  Tarnowski,  Kajetan  Kwiatkowski,  Mich.  Krajew- 
ski,  Felix  Bentkowski  (an  die  Stelle  des  Grafen  Stan.  Potocki),  Prälat 
Prazmowski,   J.   K.   Szaniawski),   von    denen   einige  ihre   Arbeiten  bereits 


462 

Hist.  J.  K.  Chodkiewicza,  W.  781.  2  Bde.  8.,  Tanryka, 
W.  805.  8.;  er  übers,  den  Tacitus  ins  Poliiisclic;  W.  772. 
4  Bde.  8.,  redigirle  1769  ff.  eine  Zeitschrift  Zabawy; 
als  Dichter  schrieb  er  Lieder,  Oden,  Idyllen.  W.  778., 
Satyrcn,  W.  778.  4.,  Fabeln,  Epigramme,  übers,  mit 
andern  polnisclien  Dichtern  Horazcns  Oden,  W.  773.  2 
Bde.  8.  N.  A.  819.  2  Bde.  8.,  Anakreons  Lieder,  VV.  774. 
4.,  verfasste  eine  Tragödie:  Guido,  W.  770.  4.,  ver- 
mischte Gedichte,  Originale  u.  Uebers.,  u.  m.  a.;  N.  be- 
sass  eine  gUihende  Einbildungskraft,  in  s.  Satyren  ist  er 
ungleich  beissender,  als  der  witzig  und  sinnreich  spie- 
lende Krasicki;  s.  Vers  ist  kräftig  und  klangvoll :  er  wür- 
de einer  der  vollendetesten  Dichter  Polens  seyn,  wenn 
ihm  nicht  zuweilen  Feile  und  Geschmack  abgingen  ;  als 
Historiker  nahm  er  sich  Tacitus  zum  Muster,  und  ahmte 
seine  Darstellungsart  glücklieb  nach,  verfiel  aber  in  der 
Uebersetzung  desselben  oft  ins  Dunkle;  sämmtl.  Werke 
in  der  Mostowskischen  Sammlung  W.  804  -05.  12  Bde. 
8.,  Breslau  Stereotyp.  823.  6  Bde.  8.  (angekündigt);  poet. 
Werke  W-  778.  4  Bde.  4.  —  T/wm,  Kajefun  Wegiorski 
aus  Podlachien,  des  Starosten  von  Korytnik  Sohn,  kgl. 
Kammerherr  (geb.  1755,  gest.  1787),  ein  Dichter  voll 
schlagenden  Witzes,  aber  in  der  frübesten  Jugend  von 
der  Frivolität  des  Zeitalters  hingerissen,  konnte  er  sein 
Talent  nicht  innerhalb  der  gehörigen  Schranken  des  Sit- 
ten- und  Kechtsgesetzes  erhalten,  und  zog  sich  durch 
seine  Satyren  und  Epigraiiuue  eine  Flucht  nach  Frank- 
reich zu,  woselbst  er  auch  starb  ;  s.  Diction  ist  natür- 
lich und  leicht:  Organy,  ein  heroisch-komisclies  Gedicht 
nach  Boileau,  784.  4.,  Marmontels  Belisar,  W.  787.  8., 
Dess.  powiesci  moralne,  W.  777.  3  Bde.  8.,  Montesquieu's 
poet.  Briefe,  Pygmalion  v.  Rousseau,  Satyren  und  Epi- 
gramme, sämmtl.  Werke  v.  Mostowski  W.  803.  8.  — 
Julian  Ursin  Nienicetricz,  während  des  constitutioncllen 
Reichstags  (1788  91]  lielländischer  Landbote,  wanderte 
nach  der  Theilung  Polens  nach  America  aus,  ward  nach 
seiner  Rückkehr  Secretär    des  Senats  und  Oberschulcol- 


beendigt  und  herausgegeben  haben :  Julian  Urs.  Niemce^vicz  dzicie  Zygmun  - 
ta,  W.  819.  ff.  3  Bde.  8.,  Kaj.  Kwiatkowski  v.  Kwiatkow  dzicie  narodu 
polskiego  za  panowania  Wi'adysiawa  IV.,  W.  823.  8.  u.  s,  w. 


463 

legienrath,  voll  origineller  Laune,  gesunden  munteren 
Witzes,  entwickelte  ein  hohes  poetisches  Talent  in  s. 
Oden,  Fabeln,  die  jenen  des  Krasicki  gleich  kommen, 
2  A.  W.  820.  2  Bde.  8.,  Elegien  und  heroischen  Klaglie- 
dern (Dumy),  3  A.  W.  819.  8.,  Dramen:  Powrot  posla, 
Lustsp.,  W.  790.  8.,  Samolub,  Pan  Nowina,  Giermko- 
wie  Kr.  Jana,  W.  808.  8.,  Wladistaw  pod  Warna  Trauersp., 
Jadwiga  Oper,  Kazimierz  W.,  Jan  Kochanowski  kom. 
Oper,  W.  817.,  Zbigniew  Trauersj).,  W.  819.,  Atalia  v. 
Racine  u.  m.  a.,  Epigrammen,  Uebersetzungen  aus  Pope 
und  einiger  Romane  aus  dem  Französischen,  nicht  min- 
der glänzend  im  Gebiete  der  Beredsamkeit  durch  s.  Re- 
den; sämmll.  Werke  in  der  Mostowskischen  Sammlung 
W.  803—05.  2  Bde.  8.;  alle  poetische  Werke  N.  athmen 
einen  Adel  der  Gesinnung,  Vollgefühl  und  heitern  un- 
schuldigen Witz,  sein  Versbau  ist  leicht,  wolklingend; 
letzthin  gab  er  die  Geschichte  Zygmunts  III.  üzieie  pa- 
nowania  Zygmunta  III.,  W.  819.  tY.  3  Bde.  8.,  und  eine 
Samml.  ungedruckter  Denkmäler  des  alten  Polen:  Zbiör 
pamietnikövv  historycznych  o  dawney  Polszcze,  W.  822. 
4  Bde.  8.,  ferner:  Lewi  und  Sara,  Briefe  poln.  Juden, 
W.  821.  teutsch  Berl.  823.,  und  Jan  z  Teczyna,  povviesc 
historyczna  W.  825.  3  Bde.  8.  heraus.  —  Franz  Kar- 
pinsJii  (gest.  1820),  widmete  sich  in  geräuschloser  Ab- 
geschiedenheit ganz  den  Musen,  und  bereicherte  die  va- 
terländische Literatur  mit  lieblichen  ,  schönheitsvollen 
Blüthen  seines  fruchtbaren  Genius,  worunter  sich  Lie- 
der, Hymnen,  Idyllen,  vermischte  Gedichte,  Dclifles 
Lehrgedicht  Les  jardins,  mehrere  Originaldramen,  Lust- 
spiele ,  Opern ,  Reden  und  Abhandlungen  befinden : 
sämmtl.  Werke  W.  790.  4  Bde.  12.  N.  A.  806.  4  Bde.  8. 
—  Franz  Dionys.  Kmaznin^  lebte  unter  Stanislaw  Au- 
gust ,  behauptet  durch  seine  Gemütidichkeit  und  nicht 
sowol  Kühnheit  als  vielmehr  sinnliche  Frische  und  Uep- 
pigkeit  der  Bilder  unter  den  ersten  Liederdichtern  Po- 
lens einen  ehrenvollen  Platz;  er  schrieb  Erotica  od.  Lie- 
der 5  BB.  in  anakreontischer  Manier,  Oden,  Fabeln, 
poetische  Erzählungen,  Idyllen,  ein  komisches  Helden- 
gedicht Balon  in  X.  Ges.,  meiirere  Opern  u.  s.  w. ;  sämmtl. 
Werke  W.  787—88.  3  Bde.  8.  -  Jos.Epiph.  Minasowicz 


464 

(geb.  1718.  gest.  1796),  kgl.  Secretär  u.  Kiower  Dom- 
herr, von  Natur  niclit  ohne  poetisches  Talent,  aber  ohne 
allen  Geschmack,  gab  über  53,  meist  polnische  Schrif- 
ten, heraus:  Zbiör  rytmöw  polskich,  W.  755 — 56.  2 
Bde.  4.,  Drobnieysze  wiersze,  W.  782. ;  er  übers,  die 
Epigramme  Martials,  W.  759.  766.  8.,  des  Lucanus 
Pharsalia,  W.  772.,  des  Phädrus  Fabeln,  W.  777.  8., 
mehrere  Oden  von  Horaz  in  der  Naruszewiczischen  Aus- 
gabe u.  s.  w.  —  Joh.  Woronicz,  Bisch,  v.  Krakau,  jetzt 
Bischof  von  Warschau,  ein  in  Versen  und  Prosa  gleich 
ausgezeichneter  Schriftsteller,  besorgte  eine  Sammlung 
von  religiösen ,  moralischen  und  historischen  Liedern, 
schrieb  ein  musterhaftes  lyrisches  Gedicht :  Piesii  Assar- 
mota,  W.  805.  818.,  ein  historisches  Gedicht:  Sibylla, 
in  IV.  Ges.,  Lemb.  818.  4.;  ihm  wird  das  Werk:  Wiersz 
na  pokoie  nowe  w  zamku  kröl.,  W.  786.  4.,  zugeschrie- 
ben ;  er  Hess  viele,  im  erhabenen  Styl  verfasste  Trauer- 
und andere  Gelegenheitsreden  drucken,  und  führte  ein 
Nationalepos:  Lechiada,  aus,  das  alles  in  diesem  Fach 
bis  jetzt  in  Polen  geleistete  an  wahrer  dichterischer 
Weihe  weit  übertritFt.  —  Valenf.  Gursh\  einer  der 
fruchtbarsten  neuern  Dichter,  schrieb  Oden,  Idyllen,  60 
an  der  Zahl,  Fabeln  und  Lustspiele,  die  sich  nicht  nur 
von  Seite  des  Stoffs,  sondern  auch  durch  gefälligen  Vers- 
bau empfehlen:  Rözne  dziela  wierszem  i  proza,  W.  785. 
12.,  N.  A.  Kr.  804.  4  Bde.  12.  —  Ign.  Nagurczewski 
aus  Littauen,  Jesuit  (geb.  1719 ,  gest.  1811),  übers. 
Fihppiki  Demostenesa,  W.  774.  8.  ,  Mowy  Cicerona 
przeciwko  Katylinie,  W.  763.  8.,  Eklogi  Wirgiliusa,  zu- 
erst mit  A.  Kochanowskis  Aeneis,  W.  754.  4.,  dann  in 
der  Samml.  poln.  Eklogen,  W.  770.  778.  8.,  die  ersten 
XVIII.  Rhaps.  von  Homers  Iliade,  bis  jetzt  unedirt  (bis 
auf  die  III.  u.  IV.  Rhaps.  in  Dmöchowskis  Uebers.  1800); 
in  allen  diesen  Uebersetzungen  bewies  N.  mehr  Rennt- 
niss  der  alten  Sprachen,  als  Geschmack  und  wahren  Red- 
ner- od.  Dichtergeist.  —  Hyacinth  Przyhylski,  Prof  an 
der  Hochschule  zu  Krakau,  einer  der  thätigsten  und 
fruciitbarsten  Schriftsteller  Polens ,  bereicherte  die  va- 
terländische Literatur  mit  gediegenen  Uebersetzungen 
mehrerer    classischen    Dichterwerke :    Treny  Jeremiasza, 


465 

Kr.  793.  4.,  Owidego  Nazona  wiersze  na  wygnaniu  pisane, 
Kr.  802.  8,,  Wszystkic  dzicla  Ilezyoda,  Kr.  790.  8., 
Giessiierowa  smierc  Abla,  Kr.  797.  12.,  Listy  Pernwian- 
ki,  ein  Roman,  W.  805.  8.,  Kamoensowa  Lnzyada,  Kr. 
790.  8.,  Miltonüw  ray  utracony,  Kr.  791.  8.,  Eb.  ray 
odzyskany,  Kr.  792.  8.,  Eneida  Wirgiliusa,  Kr.  812.  2 
Bde.  8.,  Eb.  o  ziemanstvvie.  Kr.  813.  8.,  Hoinerowa  ba- 
trachomyomachia,  mit  der  1  Rbaps.  der  Ilias,  W.  789.; 
er  übcrselzte  Homers  Ilias  und  Odyssee ,  ferner  den 
Qnintus  Calaber  ganz,  im  Versmaass  des  Originals,  schrieb 
mehrere  Reden  und  Abhandl.  u.  s.  vv. ;  alle  Uebersetzun- 
gen  Prz,  tragen  das  Gepräge  der  grössten,  aus  der  ver- 
trautesten Bekanntschaft  sovvol  mit  den  fremden  als  mit 
der  eigenen  Sprache  tliessenden  Treue  u.  Correctheit.  — 
Franz  Dniöchowski  aim  Podlachien  (geb.  1762,  gest.  1808), 
trat  in  früher  Jugend  in  den  Piaristenorden,  wurde  Leh- 
rer in  Warschau,  nahm  1794  Staatsdienste  an,  verliess 
nach  der  llieilung  Polens  das  Vaterland  und  kehrte  nach 
einem  mehrjährigen  Aufenthalt  in  Teutschland,  Frank- 
reich und  Italien  1800  nach  Polen  zurück,  zuletzt  Se- 
cretär  der  Gesell,  d.  Freunde  d.  Wissens;  s.  Hauptwerk 
ist  die  Hebers,  der  Ilias  in  poln.  gereimten  Versen,  W\ 
800.  3  Bde.  8..  2  A.  804.  3  Bde.  8.,  leider  nicht  aus  dem 
Original  selbst,  sondern  nach  lat.  und  franz.  Ueberse- 
tzungen  gemacht;  Virgils  Aeneis  ebenfalls  in  gereimten 
Versen,  W.  809.  8.  (die  drei  letzten  Gesänge  sind  von 
dem  Piaristeii  u.  Provincial  Vinc.  .Jakubowski) ;  Sztuka 
rymotworcza,  Lehrged.  in  IV.  Ges.,  W.  788.  8.,  Edw. 
Vounga  sad  ostateczny,  a.  d.  Franz.  W.  785.  8.  803.  8. ; 
Dm.  schrieb  auch  in  Prosa  moralische  Betrachtungen, 
Reden,  Lobreden  u.  s.  w.,  redigirte  1794  die  Warschauer 
Gazeta,  1801  —  05  den  Warschauer  Pamietnik.  -  Ludw. 
Osms/iiy  Generalsecretär  des  Ministeriums  der  Justiz, 
hernach  Notar  beim  Warschauer  Cassationshof,  Secretär 
der  Ges.  d.  Wiss.  u.  s.  vv.,  ein  geistreicher,  geschmack- 
voller Schriftsteller  in  Versen  und  Prosa,  schrieb  lyri- 
sche Gedichte:  Zbior  zabawek  wierszem,  W.  804.  8., 
redigirte  1809  den  W.  Pamietnik,  übers,  ein  Bruchstück 
aus  Ovids  Metamorphosen,  Corneilles  Cid  und  Cnma, 
Cheniers    Fenelon ,     Voltaires    Alzyra ,    Pigault-Lebruns: 

30 


466 

Rywale  samych  siebie,  Horatier  n.  Curiatier  a.  d.  Ital., 
Androiueda,  W.  807.  8.  u.  m.  a.  —  Kajelan  Kozmian, 
Referendar  beim  ständischen  Rath  u.  s.  w.,  bewies  in  ei- 
nigen Oden  einen  seltenen  lyrischen  Geist,  verfasste  ein 
originelles ,  durch  vollendete  Diction  ausgezeichnetes 
Lehrgedicht:  0  ziemanstwie,  übersetzte  musterhaft  einige 
Eklogen  Virgils,  und  gab  mehreres  in  gediegener  Prosa 
heraus.  —  Dyznia  Boncza  Tnmaszeivsh\  gab  ein  ori- 
ginelles Lehrgedicht:  Rolnictwo,  in  IV.  Ges.,  Lemb.  (eig. 
Kr.)  802.  4.,  Jagiellonida,  ein  Heldengediclit  auf  die  Ver- 
einigung Littauens  mit  Polen,  Berdyczow  817.,  mehrere 
Lustspiele  und  andere  Gedichte  heraus,  in  denen  eine 
feurige  Einbildungskraft,  tiefes  warmes  GefiUd  und  har- 
monische Versification  unverkennbar  sind:  sämmtl.  Schrif- 
ten W.  822.  2  Bde.  12.  —  Joh.  Kruszynski,  Generalse- 
cretär  beim  Finanzministerium  u.  s.  w.,  übers,  einige 
Oden  von  Pope  und  Thomas,  einige  Satyren  von  Boi- 
leau ,  Racines  Tragödie  Britanniens ,  und  entwickelte 
darin  ein  nicht  gemeines  poetisches  Talent.  —  Franz 
Weiijk,  Appellationsrichter  u.  s.  Wv  verfasste  ein  be- 
schreibendes Gedicht:  Okolice  Krakowa,  820.  8.,  übers. 
Virgils  Aeneis,  wovon  der  1  Ges.  in  dem  VV.  Pamietnik 
1809  erschienen  ist;  schrieb  ein  Originaltrauerspiel  Glin- 
ski,  ein  Melodram  in  Versen:  Rzym  oswobodzony,  W. 
811.  8.,  eine  Abhandl.  üb.  d,  dramat.  Kunst  u.  m.  a.  — 
Jos.  Lipinski,  Generalsecretär,  Oberschulrath  u.  s.  w., 
übers.  Virgils  Eklogen,  W.  805.  8.,  u.  v.  Mostowski  805. 
8.,  gab  einen  Bericht  über  die  .'5jährige  Wirksamkeit 
des  Oberschulcollegiums,  W.  812.  8.,  eine  Abhandl.  über 
die  Idylle  nebst  mehreren  andern  üebers.  heraus.  — 
Franz  Moratvski,  Obrist,  mitten  unter  dem  Geräusch 
der  Waffen  für  den  Dienst  der  Musen  begeistert,  erhebt 
durch  frisclie  Blüthen  seines  poetischen  Genius  den  Ruhm 
des  Vaterlandes ;  s.  Uebersetzung  einiger  Dramen  aus 
dem  Franz.,  und  die  dem  Andenken  Poniatowskis  ge- 
weihte Rede  sind  musterhaft.  —  Jdain  Mickieivicz,  ge- 
genwärtig (1824)  in  Littauen,  einstimmig  als  einer  der 
vorzügliciisten  neueren  Dichter  Polens  anerkannt ;  in  s. 
Werken,  die  an  Umfange  klein,  an  Gehalt  unendlich 
reich,   bis  jetzt  nur  2  Bde.  füllen,  spiegehi  sich  Naivität 


467 

und  liebenswürdige  Aninnth  mit  Kraft  und  Nachdruck 
auf  die  überraschendste  Weise ;  s.  Balladen  sind  in  jeder 
Hinsicht  Meisterwerke  der  lyriscli-episclien  Poesie.  — 
Ludw.  Krvpinski,  General,  weihte  sich,  nach  vollbrach- 
tem Dienst ,  den  vaterländischen  Musen,  und  schrieb 
Lieder,  voll  Zartsinns  und  Anmiith,  Oden,  ein  Trauersp. 
Lutgarda,  einen  Roman:  Listy  Adolfa  i  Klary  u.  s.  w. 
—  Aloys  Felinski,  (gest.  1820)  der  grösste  polnische 
Verskünstler,  übers.  Hacine's  Phädra ,  Delille's  riiomme 
de  champ  od.  Wiesniak,  schrieb  mehrere  Originaltrauer- 
spiele, sämmtl.  Werke  W.  816 — 21.  2  Bde.  8.;  s.  Vers- 
bau ist  leicht,  fliessend  und  harmonisch.  —  Joh.  Kanty 
Hodani ,  Domherr  und  Prof.  in  Wilna  (gest.  1823), 
übers.  Voltaire's  Henriade,  Kr.  803.  8.,  eb.  Wiersz  o  czlo- 
wieku.  Kr.  795.  8.,  und  Gessners  Sielanki  in  Versen, 
Kr.  800.  8.  —  Euseb.  Siowacki,  Prof.  der  poln.  Liter,  in 
Wilna,  verfasste  ein  Trauersp.  Mendog  kröl  Litewski, 
Abhandl.  über  die  poln.  Literatur,  übers.  Voltaire's  Hen- 
riade, W.  803.,  Delille's  Gedicht  von  der  Phantasie  u. 
m.  a.  Eine  dritte  Uebers.  von  Voltaire's  Henriade  lie- 
ferte Ign.  Dehotecki  805.  —  Kypr.  Godehski  aus  Woly- 
nien,  Obrist,  Ritter  u.  Mitgl.  der  Warsch.  Ges.  d.  Wiss. 
(geb.  1755,  gest.  b.  Raszyn  1809),  ist  Vf.  zahlreicher 
Gedichte  vermischten  Inhalts ,  nach  s.  Tode  herausg., 
W.  821.  2  Bde.  8.  —  Franz  Bohomnlec ,  ein  Jesuit, 
schrieb  um  1757  der  erste  Originallustspiele  in  der  poln. 
Sprache  für  die  studirende  Jugend,  und  schloss  anfangs 
von  seinen  Dramen  alle  weibliche  Personen  aus,  nahm 
dieselben  aber  auf,  als  er  für  das  kgl.  Theater  anfing 
zu  dichten*,  komische  Kraft  und  reine  Sprache  zeichnen 
alle  seine  Lustspiele  vortheilhaft  aus  ,  wenn  man  ihnen 
gleich  den  Mangel  des  Vf.  an  Weltkenntniss  ansieht: 
Komedye,  Lubl,  757.  3  Bde.  12.  Lemb.  758.  W.  772  — 
75.  5  Bde.  ;  Komedye,  auf  dem  kgl.  Theater  aufgeführt, 
W.  767.  2  Bde.  8.;  derselbe  dichtete  die  erste  poln.  Ori- 
ginaloper :  Nedza  uszczesliwiona,  W.  778.  8. ;  auch  hat 
man  von  ihm:  Rozinowa  o  iez.  pol.,  W.  758.  8.,  Zabawki 
oratorskie,  W.  779.  8.  —  Fürst  Adam  Czarforyski  (geb. 
1733,  gest.  1823)  ,  Generalstarost,  Senator- Wojewoda, 
kais.  kön.    Feldmarschall,    Ritter  mehrerer   Orden,    im  J. 

30* 


468 

1764  Marschall  des  Reiclistags,  auf  welchem  das  Libe- 
rum Veto  abgeschafft  wurde;  dieser  unsterbliche  polni- 
sche Mäcen  und  Staatsmann,  dem  sein  Vaterland  die 
Educationscommission  verdankt.  Stifter  der  Bibliothek 
zu  Pulawy,  ist  zugleich  einer  der  wahren  Gründer  der 
polnischen  Nationalbühne;  er  schrieb  mehrere  Original- 
lustspiele: Panna  na  wydaniu,  W.  774.,  Pysznoskapski, 
W.  774.  8.,  Kawa,  W.  779.,  Ci'racz,  a.  d.  Franz  v.'  Re- 
gnard, \V.  776.  8.;  ausserdem  gab  er:  Mysli  o  pismach 
polskich,  W.  810.  8.  heraus,  und  übernahm  einen  Theil 
der  Fortsetzung  von  Naruszewicz's  Geschichte ;  auf  seine 
Kosten  erschienen  die  ersten  Bände  der  geschichtlichen 
Denkmäler  Polens:  Ilistor.  BolesJawa  111.  Kr.  pol.,  aus 
der  Chronik  eines  ungenannten  Polen  vom  .1.  1115,  W. 
825.  8.,  Kronika  wegierska  na  poczatku  vvieku  XII.,  Kro- 
lüka  czeska  na  poczatku  wieku  XI.  W.  825.  8.,  Cz's. 
Tochter,  vermahlt  mit  dem  Oheim  des  Königs  v.  Wür- 
temberg,  Hzg.  Ludwig,  und  wieder  von  ihm  geschie- 
den, verfasste  den  besten  polnischen  Roman:  Malwina 
3  A.  W.  821.  2  Bde.  8.  —  Fraitz  Z(ibtoch\  Secretär  der 
Erziehungscommission,  darauf  Propst  in  Koninskawola 
unweit  Pulawy,  dichtete  in  der  .lugend  Lustspiele,  und 
nimmt  einen  der  ersten  Plätze  unter  den  Dramatikern 
Polens  ein;  er  verbindet  mit  der  seltensten  Kenntniss 
sowol  der  dramatischen  Kunst  als  des  menschlichen  Her- 
zens eine  musterhaft  reine  Sprache;  seiji  Vers  ist  künst- 
lich gebaut,  aber  fliessend  und  voll  harmonischen  Wol- 
lauts;  er  schrieb  auch  einzelne  vermischte  Gedichte,  als 
Oden,  Salyren,  Idyllen  u.  s.  w. ;  Dziewczyna  siedza, 
Fircyk  w  zaiotach,  Zabobonnik,  Lustspiele,  W.  781.  8., 
Sarmatyzn),  Wesele  Figara,  v.  Beaumarchais,  W.  786.  8., 
Amfitryo,  v.  Meliere,  W.  783.  8.,  Medea  i  .lazon.  Me- 
lodram, W.  781.  8  ,  Wielkie  rzeczy,  a.  d.  Franz.;  ausser- 
dem gab  er  heraus:  Rozmovvy  Sokratesa,  W.  775.  8., 
Dziela  St.  Reala,  \V.  778.  5  Bde  8.  -  Jos.  Kossakowski, 
Bisch.  V.  Liefland  und  später  von  Wilna  (gest.  1794),  ist 
Vf.  von  drei  anonym  erschienenen  Lustspielen:  Warsza- 
wianin  w  domu,  Panicz  gospodarz,  Madry  polak,  W. 
786.  8.,  die  sich  durch  treue  (  iiarakterislik  der  Sitten 
empfehlen;    er    übers.    Romeo    und  Julie    a.  d.  Ital.,  und 


469 

schrieb  zwei  prosaisclie  Erzähluiigeii  :  Obywatel,  u.  Xi^dz 
Pleban,  W.  788.  8.  —  Adulb.  Boguslawski,  Dircctor  des 
Warschauer  Natioiialtheaters,  hochverdient  utn  die  pol- 
nische Bühne,  Dramaturgie,  den  Geschmack  u.  die  iNatio- 
nalsprache  selbst;  s.  Dramen  erschienen  zuerst  einzeln, 
dann  gesammelt:  Dziela  dramatyczne  W.  B.,  W.  820  —  23. 
15  Bde.  8.  (der  1.  B.  enthält  die  Gesch.  d.  poln.  Theaters). 
—  Ludw.  Ad.  DjjiHszewshi  reiht  sich  als  Künstler  und 
Dichter  an  den  vorigen;  s.  dramatischen  Erzeugnisse, 
meist  Originale,  sind  ebenfalls  zuerst  einzeln,  dann  ge- 
sammelt erschienen :  Dziela  dramatyczne  L.  A.  D.,  W. 
822-23.  10  Bde.  12.  —  Jlois  Zölkoivski,  der  dritte 
gleichzeitige  dramatische  Künstler  und  Dichter  Polens, 
verfasste  mehrere  Lustspiele  und  Opern  voll  heiterer 
Laune  und  gesunden  Witzes.  —  Franz  Kowalski  übers, 
glücklich  Moliere's  Lusts|)iele  in  Versen :  Doktor  z  musu, 
W.  821.  8.,  Malzenstwo  przymuszone,  W.  821.  8.,  Mi- 
losc  Doktorem,  W.  821.  8.,  Skapiec,  W.  822.  8.,  Wy- 
kvvintne  panienki,  W.  822.  8.,  Mieszczanin  szlachcic,  W. 
823.8.-  Graf  Ä^///.  ho.sfkaPotocki  {geh.  1759,gest.  1821), 
Senator- Wojewoda,  Minister  des  Cultus  und  der  Aufklä- 
rung, General- Commaiidant  der  Cadetten,  Ritter  meh- 
rerer Orden,  Mitgl.  der  Warsch.  a.  Krak.  Ges.  d.  W.,  ei- 
ner der  verdientesten  Männer  um  die  wissenschaftliche 
Cultur  Polens ,  der  Fürst  der  polnischen  Redner,  an 
Geist,  Gelehrsamkeit,  Adel  der  Gesinnung,  Geschmack 
und  hinreissender  Suada  mit  den  grossen  Mustern  des 
Alterthums  wetteifernd;  seine  Verdienste  um  die  Begrün- 
dung einer  gesunden  Kritik ,  die  Läuterung  des  Ge- 
schmacks und  die  Beförderung  des  echt  wissenschaftli- 
chen Geistes  in  seinem  Vaterlande  sind  gleich  gross ;  alle 
seine  Werke  bleiben  elastische  Muster  für  Polen  :  er 
übers.  Winckelmanns  Schriften  über  die  Kunst  und  er- 
weiterte sie  mit  eigenen  Erläuterungen,  W.  815.  4  Bde.  8. 
unbeendet;  gab  ein  ausführliches  Werk:  0  wymowie  i  stylu 
W.  815 — 16.  4  Bde.  8.  heraus;  s.  Lobreden,  Reden  u.  Ab- 
handl.  erschienen  zuerst  einzeln  in  den  J.  1786 — 815,  dann 
von  ihm  selbst  gesammelt:  Pochwal'y,  mowy  1  rozprawy, 
W.  816.  2  Bde.  8.,  wozu  noch  Pochwala  Tadeuza  Czac- 
kiego,    W.   817.  8.,    Pochwala  Thadeusza  Matuszewicza, 


470 

W.  820.  8.  geliörcn;  derselbe  regte  das  von  B.  Fraz- 
niowski,  Gr.  Sierakowski  und  S.  G.  Linde  nnter  Ancto- 
ritiit  der  Warschauer  Regiernngscoinniission  für  Cultur 
und  Aufklärung  lierausg.  Praclilwerk  an:  Monuuienta 
regum  Poloniae  Cracoviensia  W.  822.  ff.  3  Hfle.  poln. 
lat.  u.  franz.  mit  Kfrn.  von  den  Künstlern  Mich.  Stacho- 
wicz,  H.  Dietrich  u.  Jak.  v.  Sokolowski.  —  Ignaz-  Graf 
Potocki\  Marschall  v.  Littauen,  ein  Bruder  des  Vorigen 
(geb.  1750,  gest.  1810),  behauptet  unter  den  ersten 
Rednern  Polens  einen  Rang;  seine  Reden,  meist  ohne 
Vorbereitung  gehalten  ,  sind  im  attischen  Styl,  ohne 
rednerischen  Schiiuick,  aber  voll  Würde  und  Kraft;  er 
übers.  Condillac's  Logik  für  die  Nationalschulen  und  Ho- 
razens  Brief  an  die  Pisonen,  schrieb  mit  Hugo  KoMatay 
über  den  Ursprung  u.  Untergang  der  Constitution  1790, 
Lemb.  (eig.  Lpz.}  793.  2  Bde.  8.,  eine  Kritik  über  Czac- 
ki's  Werk  vom  littauischen  Statute,  eine  Abh.  üb.  d. 
Einfluss  d.  Reformation  auf  den  wiss.  u.  pol.  Zustand 
Polens,  e.  andere  üb.  allpolnische  Münzen ,  sammelte 
Beiträge  zur  Gesch.  d.  poln.  Literatur  u.  s.  w.:  s.  Reden 
erschienen  mit  jenen  der  übrigen  Redner  des  constitu- 
tionellen  Reichstags:  Czartoryski,  Sapieha,  Wawrzecki, 
Mostowski,  Matuszewicz ,  Zaleski  ,  Linowski  ,  Niemce- 
wicz,  Weysenhof,  Kiciiiski,  Soltyk  u.  m.  a.  in  dem:  Zbiör 
möw  w  czasie  seymu  1788  —  90.,  Wilna  12  Bde.  8.  — 
Hugo  KnUatmj  Qv^i Szirnnberg  aus  Littauen  (geb.  1752, 
gest.  1812),  Domherr  der  Cathedrale  von  Krakau,  Un- 
terkanzler, Rect.  d.  Kr.  Univ.,  Ritter  mehrerer  Orden, 
ein  Mann  von  hellen  politischen  Ansichten,  geistvoller 
Redner,  nicht  minder  gelehrter  Prosaiker;  schrieb  mit 
J.  Potocki  die  Gesch.  d.  Constit.,  Anonyma,  Listy  u.  s.  w., 
W.  788.  3  Bde.  8.,  Prawo  polit.  narodu  polsk.,  W.  790.  8., 
Uwagi,  W.  808.  8.,  Porzadek  lizyczno-moralny,  W.  810. 
8.  u.  a.  m.  —  Sebast.  Lachowski,  Jesuit,  des  Kg.  Stani- 
slaus  Augiistus  Hofprediger,  ein  zu  seiner  Zeit  sehr  ge- 
schätzter geistlicher  Redner,  hinterliess  eine  Sammlung 
von  Predigten,  die  sich  mehr  durch  religiösen  Sinn  und 
eine  gewisse  Redseligkeit,  als  Kraft  oder  Anmuth  der 
Diction  auszeichnen:  Kazania,  W.  770.  2  Bde.  8.  — 
Mich.    Franz    Karpowicz,    Bisch,   v.    Wigier,    einer   der 


471 

besten  Kanzelrediier  Polens,  übertrifft  den  vorigen  an 
Fülle  der  Gedanken  und  gerundeter  Diction;  Kazania  i 
inne  dziefa,  W.  807.  ff.  8  Bde.  8.  -  Jnh.  Bapt.  Alher- 
frandy  aus  Warscliau  (geb.  1731,  geb.  1808),  der  grösste 
polnische  Polyhistor,  trat  im  16  Jahr  in  den  Jesuiter- 
ordeu,  ward  Lehrer  in  Puftusk,  Plock,  Nieswiez  und 
Wilna,  darauf  Lector  des  Kg.  Stanislaw  August,  begab 
sich,  um  iMaterialien  für  die  vaterländische  Geschichte 
zu  sammeln,  1782  nach  Italien,  und  excerpirte  hier 
eigenhändig  Hundert  und  zehn  Bände  in  fol.,  ging  in 
gleicher  Absicht  nach  Schweden,  und  fügte  zu  den  vo- 
rigen noch  gegen  neunzig  andere  Bände  in  fol.  hinzu, 
wurde  nach  seiner  Rückkunft  Biblioth.  des  Königs,  Bisch, 
v.  Zenopolis  und  Ritter  des  h.  Stanislausordens,  zuletzt 
Präsident  der  Ges.  d.  Wiss. ;  s.  Handschriften  kamen  aus 
der  kgl.  Bibliothek  in  die  Czackische  und  aus  dieser  in 
die  Czartoryskische  nach  Pulawy;  in  Druck  gab  er  her- 
aus :  Dzieie  rzeczypospolitey  Rzymskiey,  W.  768.  2  Bde. 
8.,  2  A.  806.  2  Bde.  8.,  Dzieie  kröl.  pol.,  nach  d.  Franz- 
d.  Schmidt,  W.  763.  8.,  Zabytki  starozytnosci  rzymskich, 
W.  805  —  08.  3  Bde.  8.,  verschiedene  prosaische  und  poe- 
tische Aufsätze  im  Moniteur  u.  den  ,,Zabawy  przyiemne'', 
die  nach  Naruszewicz  er  redigirte.  —  Sam.  Gottl.  Linde 
aus  Tliorn  (geb.  1771),  Ober-Kirchen-  und  Schulrath, 
Präsident  der  Elementargesellschaft  zu  Warschau,  Mitgl. 
mehr.  gel.  Ges.  u.  Akad.,  General-Director  der  öffentli- 
chen Bibliothek,  Rector  des  Warsch.  Lyceums,  Ritter 
d.  h.  Stanislaus-Ordens  u.  s.  w.,  beschenkte  die  polnische 
Literatur  mit  einem  in  der  Geschichte  der  Landesspra- 
che Epoche  machenden,  kritischen  und  vergleichenden, 
polnisch-  slawischen  Wörterbuche,  W.  807—14.  6  Bde. 
4.,  und  fährt  fort  dieselbe  durch  gediegene  Schriften  hi- 
storischen und  philologischen  Inhalts  wahrhaft  zu  berei- 
chern: 0  statucie  Litewskim,  W.  816.  4.,  Vinc.  Kadlu- 
bek,  teutsch.  W.  822.  8.,  Rys  historyczny  literatury  ros- 
syyskiey,  a.  d.  Russ.  v.  Grec,  W.  823.  2  Bde.  8.  u.  m.  a.  — 
Ge.  Sam.  Bantkie  (geb.  1768),  Prof.  d.  Bibliographie 
und  Bibliothekar  in  Krakau,  lieferte,  ausser  einer  poln. 
Gramm.,  Bresl.  808.  816.  821.  824.,  8.,  u.  einem  polnisch- 
teutschen    Wörterbuch,    Bresl.    806.    2  Bde.  8.,    mehrere 


472 

iii(eressan(e    Werke    historischen    und    philologischen   In- 
halts in  poln.,  lat.  inid  teiilscher  Sprache:    Krötkie  wyo- 
brazenie  dzieiövv  kröl.  pulsk.,  Bresl.  810.  2  Bde.  8.  N.  A. 
820.  2  Bde.  8.,  De  incunab.  Cracoviens.,  Kr.  812.  4.,  Ge- 
schichte der  Krakauer  Biblioth.,  poln.,  Kr.  822.  8.  u.  ni.  a. 
—  Greg.    Piramowicz    aus    Lemberg    (geb.    1735,   gest. 
1801),    Secretär    bei    der   Erziehungscomiiiission,    zuletzt 
Propst    von    Kurovv,  ein  iMann  von  liebenswürdiger  Her- 
zensgüte und  ausgezeichneten  Geistesgaben,  Erzieher  der 
Grafen    Ign.   und    Stan.    Potocki,    gab  6  polnische  Werke 
heraus:    Wymowa    i    poezya,    Kr.    792.    8.,    Powinnosci 
nauczyciela,  W.  787.  8.,  Nauka  obyczaiowa,  W.  802.  8., 
Dykcyonarz  starozytnosci,  W.  779.  8.,  Mowy  u.  a.  m.  — 
Philipp    Nerius    Golanski,    Prof.    in  Wilna,  ist  Vf.  von  9 
poln.    Schriften ,    darunter:     0    vvyinovvie    i    poezyi,    W. 
788.  8.  3  A.  Wilna  808.  8.,  Listy,  memoryaly  i  suppliki, 
Wilna    788.    8.    4  A.  804.  8.,    Zycia    slawnych    ludzi  z 
Plutarcha,  Wilna  800.  4  Bde.    8.  u.  m.  a.  —   Fei.  Bent- 
kowshi,    zuerst   Professor   der    Geschichte  und  B.bliotlie- 
kar    am   Warschauer  Lyceuiii ,  jetzt  Prof.  an  der  Univer- 
sität,   Mitgl.   der    Ges.    d.    Wiss.,    bereicherte   die  vater- 
ländische   Literatur     mit    dem    schaizbaren    bibliographi- 
schen Werk:    Histor.  iiieratury  poiskiey,  W.  814.  2  Bde. 
8.,    Wiadomosc  o  naydawnieyszycli    ksiazkach  drukowa- 
nych  w  P.,    W.  812.  8.;  redigirte  den  Pamietnik  Warsz. 
u.  s.  w.  --  Jos.  Max.  Graf  v.   Teczyii  Ossolinski,  Kom- 
mandeur   des    S.    Stephansordens,    kais.    geh.  Staatsrath, 
Präfect  der  kais.  Hofbibl.  in  Wien  u.  s.  v\ .,  ein  hochher- 
ziger Patriot   von  vielseitiger,   besonders  historischer  Ge- 
lehrsamkeit, bekannt   durch  seine   reichlialtige,   der  Lem- 
berger  Hochschule  legirte,  polnische    Bibliothek    in  Wien, 
übers.:     0    pocjeszeniu    Ks.  III.  a.  d.  Lat.  v.  Seneca,  W. 
782.    4.,    und    gab    biographiscli-kritische     Notizen     über 
berühmte    Polen    und  ihre  Werke:  Wiadoinosci  historycz- 
no-krityczne,    Kr.   819.    ff.    3  Bde.  8.  heraus.    —   Joach. 
Lelewei,    Prof.    in    Wilna ,    bearbeitete    mit    gründlicher 
Gelehrsamkeit  u.  gesunder  Kritik  das  Feld  der  Geschichte: 
Kzut  oka  na  dawnosc  litewskich  narodövv,  Wilna  808.8.. 
Mislorya  geografii  i  odhryc,  W.  814.  8.,   Opis  Scytyi  IIc- 
rodota,  Wiadomosc  o  narodach  az  do  wieku  X  we  wne- 


473 

trzu  Eiiropy  beclacycli,  8(osiiiiki  handlowc  Fenycyan, 
polem  Kartagüvv  s  Grekanii,  ßadunla  «(orozyüiosci  v>  c 
wzgledzie  geografii,  Wiliia  818.  8.,  Dzieie  starozylne 
do  diugiey  polowy  XVI.  w.,  Wiliia  818.  8.,  Dzieie  sla- 
rozytiie  Indyi,  W.  820.  8..  Ostaliiie  lata  panowania  Zyg- 
iminta,  W.  821.  8.  u.  s.  w.  —  Law.  Suroiviech',  iMilgl. 
d.  Ges.  d.  ^Viss.,  gew.  Generalsecretär  bei  dem  Ober- 
schuldireclorinni  ii.  s.  \v.,  gab  mebrere  interessante  Schrif- 
ten politischen  und  historischen  InliaJts  heraus:  0  upad- 
ku  przeniyslu  i  miast  w  Polszcze,  W.  810.  8.,  List  przyia- 
ciela,  W.  806.  8.,  0  rzekach  i  spfawach  X.  Warsz.  W. 
811.  8.,  l'vvagi  wzgleden»  poddanych,  W.  807.  8.,  0  po- 
czatkach,  zwyczaiach  obyczaiach  i  religii  dav^nycli  Slo- 
wian,  W.  823.  u.  s.  w.  —  V(iL  Skorochod  Maiewski,  Re- 
gent des  Nationalarchivs,  Mitgl.  d.  Gesell,  d.  Freunde  der 
Wiss.,  schrieb  eine  Abhandl.  über  die  polnischen  Archive, 
desgleichen  ein  interessantes  Werk  :  0  SiaAvianach  i  ich 
pobratymcach,  W.  816.  8.,  übers.  Codex  handlowy  a.  d. 
Franz.,  W.  808.  811.  8.  —  Kajetun  Skrzetuski  aus  der 
russischen  Wojewodschaft,  (geb.  1743,  gest.  1806),  zuerst 
Piarist,  darauf  Professor  der  Geschichte  bei  dem  Cadet- 
tencorps  in  Warschau,  zuletzt  secularisirter  Propst,  gab 
mehrere  gehaltreiche  geschichtliche  Werke  heraus:  Hi- 
Htorya  polityczna,  W.  773— 75.  2  Bde.  8.,  Hist.  krol.  Franc, 
Hist.  powszechna,  W.  781.  8.  u.  m.  a.  —  Graf  Eduard 
Raczynski  bereicherte  die  polnisclie  Literatur  mit  dem 
Tagebuch  seiner  1814  nach  Coiistantinopel  und  der  tro- 
janischen Ebene  unternommenen  Reise,  Breslau  821.  fol. 
mit  82  an  Ort  und  Stelle  von  Fuhrmann  gezeichneten 
Kpfrn.  ;  derselbe  liat  aus  s.  Familienarchive  eine  voll- 
ständige Sammlung  der  Briefe  des  Kg.  Johann  III.  Sobieski 
herausgegeben.  —  Thaddaeus  Graf  Czackt,  Starost  von 
Nowogrod  (gest.  1815),  ein  Mann  von  ausgebreiteter 
Gelehrsamkeit,  dessen  Hauptwerk:  0  Litewskich  i  pol- 
skicb  prawach,  W.  800  —  01.  2  Bde.  4.,  eine  wahre  Ency- 
klopädie  historischer,  in  der  poln.  Landesgeschichte  ein- 
schlagender Notizen  ist.  —  Ipi.  Benedict  Rakowiecki, 
Mitgl.  der  Ges.  d.  Wiss.,  gab  die  Prawda  ruska  mit  einer 
historisch-kritischen  Einleitung ,  ausführlichen  Erläute- 
rungen  und  einem  Abriss  der  Geschiclite  der  slawischen 


474 

Spraclie,  W.  820-22.  2  Bde.  4.  heraus.  —  Jos.  Kalas- 
sanhi  Szamawshi,  Mitgl.  d.  Ges.  d.  Wiss.,  bemühte  sich 
der  kritischen  Philosophie  Kants  Eingang  in  Polen  zu 
verschalTen,  und  gab  1800  -  08  sechs  philosophische 
Werke  in  polnisclier  Sprache  heraus.  -  Felix  Jaronski 
bereicherte  die  polnisclie  Literatur  mit  mehreren  geist- 
reichen Schriften  philosophischen  Inhalts.  —  Jos.  Wy- 
hicJii,  Senator-Wojewoda,  ein  eben  so  eifriger  Patriot, 
als  rüstiger  Schriftsteller,  gab  zahlreiche  Werke  philo- 
sophischen, staatswissenschaftlichen  und  aesthetischen 
Inhalts  heraus:  Listy  patryolyczne,  W.  777—78.  2  Bde. 
8.,  Uwagi  nad  zebrakami,  Poczatki  mitologii,  Poczatki 
geografii  polityczne,  einige  Dremen  u.  s.  w. ;  s.  Haupt- 
werk ist:  Uwagi  nad  zasadami  ekonomii  polit.  —  Chrph. 
Klu/i  aus  Ciechanowce  in  Podlachien  (geb.  1739,  gest. 
1796),  Propst  von  Ciechanowce,  ein  classischer  Schrift- 
steller Polens  im  Fache  der  Naturgeschichte:  Roslin 
kraiowych  utrzymanie,  W.  777 — 80.  3  Bde.  8.,  Botanika, 
W.  785.  8.,  Dykcyonarz  roslinny,  W.  788.  3  Bde.  8., 
eist,  natur.  zwierzat,  W.  779-80.  4  Bde.  8.,  0  rzeczach 
kopalnych,  W.  781.'  2  Bde.  8.  —  Bomf.  Stau.  Jmidzü£, 
Prof.  der  Botanik  und  Zoologie  in  Wilna,  Mitgl.  mehr, 
gel.  Gesell.,  durch  die  Herausgabe  mehrerer  systemati- 
schen Werke  um  die  Verbreitung  nützlicher  und  gründ- 
licher naturhistorischer  Kenntnisse  in  Polen  hochver- 
dient; Opisanie  roslin,  Wilna  791.  8.,  Poczatki  botani- 
ki,  W.  804.  2  Bde.  8.  2  A.  Wilna  817.  8.,"  Zoologia, 
Wilna  807.  3  Bde.  8.  —  Stanisl.  Sfaszyc,  Staatsr.  und 
Mitgl.  d.  Commission  des  Cultus  und  der  Aufklärung, 
Präsident  der  kgl.  Gesell,  d.  Wiss.  in  Warschau,  einer 
der  hochherzigsten  und  aufgeklärtesten  Patrioten,  durch 
gehaltvolle  Schriften  über  meiirere  Zweige  der  vater- 
ländischen Literatur  rühmlichst  verdient;  die  vorzüg- 
liclisten  darunter  sind:  Uwagi  nad  zyciem  J.  Zamoy- 
skiego,  W.  785.  8.,  Przestrogi  dla  Polski,  790.  2  Bde.  8., 
0  statystyce  Polski,  W.  807.  8.,  Epoki  natury,  a.  d. 
Franz.  v.  Buflon,  W.  786.  2  A  Kr.  803.  8.,  0  ziemio- 
rodstwie  gor  dawney  Sarmacyi  a  pozniey  Polski,  W. 
805.  8.;  er  übers.  Kacine\s  didaktisches  Gedicht:  Reli- 
gia,    W.  779.  8.,    Florians  Numa    Pompilius,    W.  788.  2 


475 

Bde.  12.,  Homers  llias  in  Hexanieteni  ii.  s.  w.  —  Jos. 
Hennann  Osinski  aus  Mazowien,  Piarisl  (geb.  1738, 
gest.  1802),  über  30  Jabre  öfl".  Prof.  der  Nalurlebre  in 
W.,  verbreitete  mündlicli  u.  scbriftlicb  gründlicbe  pby- 
sikaliscbe  Kenntnisse  unter  seinen  Landsleuien;  von  s.  6 
Werken  aus  diesem  Facb  nennen  wir:  Fizyka,  \V.  777. 
8.  N.  A.  W.  801.  8.  -  Joh.  Byslrzycki  aus  Wolynien 
(geb.  1772),  Prof.  der  Pliysik  bei  den  Piaristen  in  War- 
schau, Mitgl.  mehr.  gel.  Gesell.,  fügte  der  Naturlebre  von 
Osinski  noch  einen  zweiten  Tbeil  bei,  W.  803.  8.  2  A. 
W.  806.  2  Bde.  8.  3  A.  W.  810.  2  Bde.  8.,  übers.  Four- 
croy's  Chemie,  W.  808.  8.  u.  s.  w.  —  Liidw.  Perzyna, 
ein  iMisericordianer,  gab  5  medicinische  Werke  heraus 
789.  fF.  —  Leop.  de  Lafontaine  (gest.  1812),  Kg.  Sta- 
nislaus  Augustus  Leibarzt ,  später  Generalciiinirg  der 
Armee  und  Inspector  der  Lazarete  des  Grosshrz.  War- 
schau, Ritter  mehrerer  Orden,  redigirte  eine  polnische 
medicinische  Zeitschrift:  Dziennik  zdrowia,  W.  801—02. 
12  Hfte.,  und  gab  mehrere  Schriften  über  die  Heilkunde 
heraus.  —  H.  Dzmrkowsh',  Ministerialrath,  Decan  der 
med.  Facult.,  bereicherte  mit  mehreren  gründliclien  Wer- 
ken das  Gebiet  der  Arzneikunde:  Fizyologia,  W.  810.  8., 
Patologia  i  Semiotika,  W.  811.  8.  u.  s.  w.  —  Jlex.  Graf 
Chodkieivicz ,  Obrist,  Mitgl.  mehr.  gel.  Gesell.,  gab 
ausser  andern  gehaltreichen  Schriften  mathematischen  u. 
technologischen  Inhalts ,  und  ausser  einigen  Dramen, 
eine  polnische  Chemie  in  8  Bden  816.  IF.  heraus;  der- 
selbe besorgte  Fuit  dem  Abbe  Czarnecki  ein  Prachtwerk, 
Bildnisse  berühmter  Polen  mit  kurzen  Biographien  821. 
fF.  fol.  —  Andr.  Sniadecki,  Prof  der  Chemie  u.  Phar- 
macie  in  Wilna,  russ.  kais.  Hofrath,  Mitgl.  mehr.  gel. 
Gesellsch.,  macht  in  den  physikalisch-chemischen  Wis- 
senschaften in  Polen  Epoche:  Poczatki  chemii,  W.  800. 
2  Bde.  8.  2  A.  807.  3  A.  Wilna  816.  2  Bde.  8.,  Teorya 
iestestw  organicznych,  W.  u.  Wilna  804 — 11.  2  Bde.  8. 
teutsch  V.  Moritz  Kgsb.  810  8.  v.  A.  Neubig  Nürnb. 
821.  8.,  0  rozpuszczcniu,  Wilna  805.  8.,  Rozprawa  o 
nowym  metalu  w  platynie,  Wilna  808.  8.  u.  m.  a.  — 
Mart.  Odlanicki  Poczobut  (geb.  1728,  gest.  1810),  Prof 
d.  Math.    u.    Astron.    in  Wilna,    Mitgl.  mehrerer  Akad.  u. 


476 

gel.  Gesell.,  der  Giürider  der  Wilnaer  Sternwarte,  we- 
gen seiner  Verdienste  um  die  Sternkunde  im  Auslande 
wie  im  Inlande  gleich  geschätzt,  schrieb  polnisch:  Po- 
cza.tki  geometrii  Wilna  772.  8.,  0  dawnosci  zodyaku 
egiptskiego,  Wilna,  803.  4.  —  Job.  Sniadecki,  Prof.  d. 
Math,  in  Rrakau,  nach  ßroscius  der  verdienteste  Wie- 
dcrhersteller  mathematisciier  Studien  in  Polen;  in  allen 
s.  Schriften  paart  sich  tiefe,  gründliche  Sachkenntniss 
mit  Reinheit,  Correctheit  u.  Wollaut  der  Sprache:  Ha- 
chunku  algicbraicznego  teorya,  Kr.  783.  2  Bde.  4.,  Geo- 
gralia  matem.  i  fiz.,  Wilna  809.  8.,  Rozprawa  o  Koper- 
iiiku,  Zywot  Poczobuta,  Hugona  Kolfataia,  Zawadow- 
skiego,  kl.  akad.  Schriften  u.  s.  w.,  zuerst  einzeln,  dann 
gesammelt:  Pisma  rozmaite  J.  Sn.,  Wilna  815.  2  Bde. 
8.  2.  A.  818.  3  Bde.  8.  —  Sebast.  Graf  Sierakowski, 
gew.  Kronhüter  ,  Rector  der  Krakauer  Hochschule, 
Ritter  mehrerer  Orden,  gab  ein  wichtiges  Werk  über 
die  Baukunst  heraus:  Architektura,  Kr.  812.  2  Bde.  fol. 
mit  Kupfern. 

Noch  haben  sich  in  dieser  letzten  Periode  um  das 
Gebiet  der  lyriscfien,  didaktischen  und  historisch-  epi- 
schen Dichtkunst  verdient  gemacht:  Adalb.  Jakubowski, 
Ritter  und  Brigadier,  Benedict  Hniewicz,  Mart.  Fiial- 
kow.ski,  gewesener  Prof  in  Krakau,  Joseph  Kossakow- 
sh\  (verschieden  vom  Bisch.  Jos.  Kossakowski),  Marc. 
filahiszewicz,  Castellan  von  Bresc,  Jo/i.  Gorczyczewski 
(gest.  1823),  Kaz.  Brodzinski,  Prof  Aesth.  in  War- 
schau, Andr.  Brodzinski,  Kantorbery  Timowski,  Mart. 
Molski,  Obrist,  Fabian  Szitkiewicz,  T.  H.  Lifynski. 
Mich.  Wyszkowski,  Wlad.  Ostrowski,  Joh.  Nowicki, 
Clemens  Nowicki,  J.  N.  Zglinicki,  Domin.  Lisiecki, 
F.  Frankowski,  Lndw.  Skomorowski,  Clemens  Malecki, 
Gorecki,  Kicinski  u.  a.  m.;  m\\  das  Drama:  Mich.  Bon- 
cza  Tomaszewski,  Vinc.  lyn.  Marewicz,  Jak.  Adamczew- 
ski,  Adalb.  Pekalski^  Notar  beim  W.  Criminalgericht, 
Lndw.  Przesmycki,  W.  Miniewski,  B.  Kudlicz,  H.  L. 
Zaleski,  Franz  Salez.  Dmöcliowski,  Karl  v.  Kalinowka, 
lifn.  Humnicki  u.  m.  a. ;  um  das  philologische  und  aesthe- 
lisch-kritische  Fach :  Onuphrins  Kopczynski  aus  dem 
Gnesenschen  (geb.  1735)  Piarist ,     Mitgl.  des  Oberschul- 


'477 

coli.,  C.  C.  Mro7}gowiu.<(,  Abbe  in  Warschau,  Ad.  Woijde 
genannt  Adamotn'cz,  J.  L.  Cassius,  Thnm.  Szumski,  Start. 
Kleczeu'skt,  Reforrnat  der  rnssisclien  Provinz ,  Mich. 
Dudzitish,  Prof.  d.  Poetik  in  Minsk,  Tliadd.  Nowaczyjtski 
(geb.  1717,  gest.  1794),  Piarist,  Kaz.  Wierhnsz,  Prof. 
am  Warsch.  Lycenm,  G.  Garszynski,  Joh.  Vinc.  Banfkie, 
Aloys  Osijiski,  Jos.  Mrozmski,  Sebast.  Ziikowski,  Prof. 
dergriecli.  Sprache  in  Wilna,  /.  Ä'.  Sfef'azyns,  Prof.  d.  al- 
ten Literatur  am  W.  Lyceum,  Kajetan  Kainienski  (geb. 
1758),  Rector  des  Warsch.  Piaristenconvicts,  Mitgl.  der 
Gesell,  d.  Wiss.,  Karl  Gottl.  Woydc,  reform.  Prediger, 
Chrph.  Wiesioiowski,  Mitgl.  der  Ges.  d.  Wiss.,  Jos.  Zie- 
linsh',  Prof.  am  W.  Lycenm,  Ppf.  Stetnialkowski,  Felix 
Chrzajiowski  u.  m.  a. ;  um  die  Kanzelberedsaiükeit:  Adam 
Prazmoirski,  Greg.  Zacharyaszeiricz,  Vinc.  Jakubowski, 
u.  m.  a.;  um  die  poln.  Landes-  und  allg.  Weltgeschichte 
sammt  Hilfswissenschaften :  Tlieod.  Waya,  Piarist,  Joh. 
Graf  Pofocki,  Xav.  Bohusz,  Prälat  u?id  Ritter,  Mitgl.  m. 
g.  Gesell.,  Fei.  Loyko,  kgl.  Kammerherr,  Jos.  Sotfyko- 
wicz,  Prof.  in  Krakau,  Kaz.  Chrominski,  Joh.  Sowinski, 
Jos.  Miklaszewski,  Kajei.  Kwiatowski,  Vinc.  Skrzefuski, 
Jos.  Falenski,  Franz  Siarczynski,  A.  N.  Jodioivski,  Karl 
Wyrivicz,  Jesuit,  spater  Abt  (geb.  1716,  gest.  1793), 
Fürst  Alexander  Sapieha,  Stan.  Graf  Borkowski,  Zor. 
Dol.  Chodakoivski,  u.  m.  a. :  um  die  Rechtsgelahrtheit : 
Xav.  Szaniaivski,  Alex.  Kaiilfnss,  Auf.  Lahecki,  Phil. 
Jasifiski,  Hier.  Sfrnynowski,  Fei.  Siotwinski  u.  m.  a.; 
um  die  Philosophie  :  Sam.  Chrosciskoivski,  Piarist  (geb. 
1730,  gest.  1799),  Anf.  Poplawski,  J.  E.  Jankowski, 
Prof.  in  Krakau,  u.  m.  a. ;  um  die  Staatswissenschaften: 
Dominik  Krysinski,  Prof.  in  W.,  Jos.  Rembieliüski,  Anf. 
Gliszczyiiski,  Mich.  Chonski,  Fr.  Hr.  Skarbek  u.  a.  m.; 
um  die  Landwirtlischaft  und  Technologie:  Anf.  Trebi- 
cki,  Adalh.  Gnfkowski,  F.  Bor.  Piekarski,  Ign.  Mia- 
czyiiski,  J.  W.  Gross,  A.  Piatkoicski,  J.  F.  S.  Lopacinski^ 
Ph.  Jak.  Kobierzycki,  Anf.  Marcinoicski,  Karl  Gloc,Alex. 
Graf  Pofocki  u.  m.  a.-,  um  die  Naturgeschichte:  Paul, 
Czempinski,  Joh.  Mieroszewski,  Roman  Symonowicz. 
Roch.  Vinc.  Karczeivski,  Paul  Korwin  Pulatvski,  Alex. 
Kuszanski  u.  m.  a. ;    um  die  Naturlehre:  Jos.  Lisikietvicz, 


478 

Joh.  Szeyt.  Andr.  Trzctnsh\  Jos.  Krumlowski,  W.  Kio- 
sowski,  Waciaw  Graf  Sierakoivski,  Georg  Greg.  Knia- 
ziewicz,  Onuphr.  Markiewicz  u,  m.  a. ;  um  das  Fach  der 
Arzneikunde :  Andr.  Krupinski  T.  T.  Weychart,  Franz 
Xaver  Rgszkowski,  Thomas  Lopacinski,  Thomas  Chro- 
ina,  Vincent.  Woynieivicz,  Jos.  Celinski,  Ign.  Fiialkow- 
skt\  Jak.  Szymkiewicz  u.  in.  a. ;  um  die  reine  und  ange- 
wandte Mathematik  sammt  der  bürgerlichen  Baukunst  : 
Ignaf.  Zahorowski.,  Ant.  Dabrowski,  Jos.  Czech,  Jos. 
Jaknbowski,  Jos.  Leski,  Patric.  Skaradkiewtcz,  Josaph. 
Weglenskf,  Aloys  Czarnocki,  Jos.  Tniawski,  Andr. 
Lstrzycki,  der  Priester  Gaivronski,  Thadd.  Gierykoivski, 
Karl  Kakowsh]  Sim.  Bielski,  Jos.  Rogalmskt ,  Pet. 
Switkowski,  Franz  Skomorowskt,  Peter  Aigner  u.  a.  m.  ^) 


")  Quellen.  Eiu  Verzeichniss  der  Schriftsteller  über  die  polnische 
Literaturgeschichte  bis  1814  findet  man  b.  Bentkowski  bist.  lit.  pol.  I.  Bd. 
S.  1  —  73.  —  S.  Staroiuolski  scriptor.  polon.  hecatontas,  Frankf.  625.  4. 
Ven.  627.  4.,  Eb.  de  claris  orator.  Sarmatiae,  Florenz  628  4.  —  A.  We.glerski 
systema  bist.  -  chron.  eccles.  slavouicar.,  Utrecht  652.  4.  Amst.  679  4.  — 
St.  Lubienecki  bist,  reform,  polonic,  (Freistadt)  o.  0.  685.  8.  —  D.  Braun 
de  scriptor.  polonic.  virtut.  et  vitiis,  Köln  (eig.  Eibingen)  723.  4.  739.  4.  — 
G.  Lengnich  poln.  Bibliotb.,  Danz.  718.  8.  —  C.  Niesiecki  koroua  polska, 
Lemb.  728  —  43.  4  Bde.  fol.  —  J.  A.  Zalaski  bibliotb.  poet.  polon.  W.  752. 
4.  —  Eb.  Magna  bibl.  polon.  universalis  Ms.  10  Bde.  fol.  —  /.  D.  Janocki 
kritische  Briefe,  Dresd.  745.  8.,  Literar.  in  Polonia  instauratores,  Danz.  744. 
4.,  Literar.  in  Polonia  propagatores,  Danz.  746.  4.,  Nachrichten  von  raren 
poln.  Büchern,  Dresd.  747.  8.-  Polonia  litterata,  Bresl.  750  —  56.  8  Bde.  8., 
Specimen  Catal.  Codd.  Ms.  bibl.  Zaluscianae,  Dresd.  752.  2  Bde.  8  ,  Poln. 
Büchersaal,  Bresl.  756.  8.,  Excerptum  Polon.  literaturae,  Bresl.  764  —  66. 
4  Bde  8.,  Musar.  Sarmatic.  specimina,  Bresl,  771.  8.,  Sarmat.  literaturae 
fragmenta,  Bresl.  773.  8.,  Janociana  sive  claror.  Polon.  auctorum  memoriae 
miscellae,  W.  776  —  79.  2  Bde.  8.  3r  Bd.  herausg.  von  S.  G.  Linde  W. 
819.  8.  —  L.  Micler  de  Kolof  Warsch.  ßibl.,  W.  754.  8.,  Acta  litteraria 
regni  Polon. ,  W.  756.  4.  —  M.  D.  (Duclos)  essai  sur.  1"  histoire  litteraire 
de  Pologne,  Berl.  778.  8.  —  Kausch's  Nachrichten  üb.  Polen,  Graz  793.  2 
Bde.  8.  —  K.  Chrorninski  o  literaturze  polsk.,  im  Wilnaer  Jahrbuch  1806. — 
F.  Bentkowski  bistorya  literatury  polskiey,  W.  814.  2  Bde.  8.  —  Stan.  Grf. 
Potocki  pochwal'y,  mowy  i  rozprawy,  "W.  816.  2  Bde.  8.  der2te  Bd.  enthält 
9  Abhandl.  über  die  poln.  Literatur.  —  J.  M.  Grf.  Ossolinski  wiadomosci 
historyczno-krytyczne  do  dzieiöw  literat.  polsk.,  Kr.  819.  ff.  3  Bde.  8.  —  M. 
II.  Juszyiiski  dykcyonarz  poetöw  polskich,  K.  820.  2  Bde.  8  g  —  J.  Sowinski 
0  uczonych  Polkach,  Krzemieniec  821.  8.  —  G.  Muanich  Gesch.  d.  poln. 
Liter.  823.  2  Bde.  8.  —  T.  Szumaki  krötki  rys  bist,  literat  polsk.  ^824.  8. 
Ferner  gehören  hieher  die  Jahrbücher  der  kgl.  Gesellschaft  der  Freunde 
der  Wissensch.  in  Warschau,  der  Gesellsch.  d.  Wisseusch.  in  Krakau  (bis 
817.  6  Bde.),  literarische  Journale  und  andere  periodische  Blätter:  vgl.  §. 
7.  N.  m.  S.  78.  79. 


Vierter    Abschnitt. 

Geschichte    der    Sprache    und  Literatur  der  Sorben  oder 
Wenden  in  den  Lausitzen. 

§.  55. 

Historisch  -  ethnographische  Vorbemerl<ungen. 

Slawische  Voliisstämme,  von  den  Tentschen  insgemein 
Wenden  genannt,  erstreckten  sich  jemals  im  nördliclien 
und  östlichen  Teutschland  von  der  Elbe  längs  der  Ostsee 
bis  zur  Weichsel,  und  südwärts  bis  an  Böhmen  herunter. 
Die  einzelnen  wendischen  Stämme  hiessen:  1.)  Ohotri- 
fen  in  Meklenburg,  einst  ein  mächtiges  Volk  unter  ei- 
genen Königen.  Heinrich  der  Löwe,  Hzg.  von  Sachsen, 
Nebenbuhler  der  Iiohenstaufischen  Kaiser,  rottete  sie  um 
die  Mitte  des  XII.  Jahrli.  beinahe  ganz  aus.  Hierzu  ge- 
hören auch  Polaber,  \V(t(/rter,  Linonen.  2.)  Pommern 
od.  Wilzen ,  von  der  Oder  bis  an  die  Weichsel.  Ihre 
Fürsten  verbanden  sich  il81  mit  Teutschland,  und  star- 
ben erst  1637  aus.  3.)  Ukern  od.  Gninzwenden,  He- 
veller  und  Rhetarier  in  den  fünf  brandenburgischen  Mar- 
ken. Albrecht  der  Bär,  Markgraf  von  Brandenburg,  ein 
Zeitgenosse  und  Nachbar  Heinrichs  des  Löwen  bezwang 
und  vertilgte  sie  gänzlich.  4.)  Sorben  zwischen  der  Saale 
und  Elbe,  und  5.)  Lnsitzer  od.  Lausifzer,  in  der  Mark- 
grafschaft Ober-  und  Niederlausitz.  Die  Sorben,  oder 
richtiger    Serben  ^j,    und    die    Lusitzer    bildeten    ehedem 


1)  Die  Aehnlichkeit  ihres  Namens  mit  den  illyrisclien  Serben  ist  wol 
nur  zufällig,  oder  stammt  aus  den  uralten  Zeiten  her,  indem  beide  zu  zwei 
ganz  verschiedenen  Hauptstämmeu  gehören.  Auch  war  es  ein  ganz  unhaltbarer 
Einfall  Schöttgens,   zu   behaupten,  dass  die  wendischen  Serben  aus  Illyrien 


fvHl 


480 

einen  zalilreidien,  nnabhängigen  Volksstamni,  und  hatten 
die  ganze  Gegend  zwischen  Böhmen,  der  Saale,  Elbe  u. 
Oder  inne.  Ihre  kümmerlichen  Ueberreste,  die  Slawen 
in  der  Niederlausitz,  nennen  sich  selbst  noch  heutzutage 
Ssershe,  jene  in  der  Oberlausitz  hingegen  Srhic.  Das  alte 
Meissenland  hiess  ehedem  bei  den  Böhmen  auch  Srbsko. 
Dasjenige  Land,  welches  die  wendischen  Serben  besetzten, 
ward  vor  ihnen  von  den  Hermundurern,  oder  wie  sie 
in  der  Folge  hiesscii,  Thüringern  bewohnt.  Nach  Zer- 
störung iiires  Reichs  von  den  Franken  und  Sachsen  im 
J.  528  rückten  die  Serben  hier  ein,  machten  die  vor- 
gefundenen TeutscJien  zu  Leibeigenen,  und  hatten  bald 
nach  ihrer  Bekanntwerdung  Feldherrn,  Fürsten  u.  selbst 
Könige.  Sie  dehnten  ihre  Herrschaft  über  das  ganze 
fjeutjge  Osterland,  Meissen,  die  beiden  Lausitzen,  das 
Anhaltische,  den  Kurkreis  und  den  südlichen  Theil  der 
brandenbiH'gischen  Marken  aus.  Die  teutschen  Schrift- 
steller nainiten  sie  von  jeher  Wenden,  entweder  weil 
i>sie  aus  dem  alten  Wendenlande  an  der  Ostsee  n.  Nie- 
derwcichsel  kamen,  oder  weil  sie  ihren  wahren  Namen 
nicht  wussten.  Nach  ihrer  Bezwingung  und  der  Zerthei- 
lung  ihres  Landes  in  Marken  im  X.  Jahrh.  wurden  sie 
häufig  mit  teutschen  Colonisten  untermischt,  besonders 
in  den  waldigen  und  gebirgigen  Gegenden,  welche  die 
Slawen,  die  lieber  in  der  Ebene  Ackerbau  trieben,  un- 
angcbaut  gelassen  haften,  daher  man  in  dem  Osterlande 
und  Erzgebirge  mehr  Dörfer  mit  teuisciien,  als  mit  sla- 
wischen Namen  antrifft.  Die  Städte  wurden  ohnehin  mit 
lauter  Teutschen  besetzt.  Dennoch  erliielt  sich  ihre  Spra- 
che in  den  von  ihnen  bewohnien  Gegenden  noch  gerau- 
me Zeit  —  in  Leipzig  hörte  man  im  .].  1327  auf  srbisch 
(syrbisch)  zu  sprechen  —  bis  etwa  in  (las  XIV.  Jahrb., 
da  ihr  Gebrauch  vor  Gericht  verboten  ward,  worauf 
sie  nach  inid  nach  völlig  ausstarb,  b5s  auf  wenige  Wör- 
ter,   welche    sich    noch    hin  und  wieder  auf  dem  Lande 


eingewandert  seyen,  obgleich  Ritter  uiul  andore  denselben  nachschrieben. 
Ob  sie,  oder  die^illyrischcn  Serben  diejenigen  Serben  sind,  welche  zn  Pto- 
loniäi  Zeit  noch  an  der  Wo!i>d,  fünfzig  Jahre  darauf  aber,  zu  Plinii  Zeit, 
schon  in  der  Krim  sassen,  wird  sich  jetzt  wol  nicht  be.stimmea  lassen. 
Adelungs  Mithridates  II.  680.  vgl.  oben'§    20.  Anm.  1.  S.  192. 


481 

erhalten  liaben  ^).  Nur  in  den  beiden  Lausitzen  haben 
sicli  wegen  deren  langer  Verbindung  mit  ßöliinen  be- 
trächtliche Ueberreste  von  ihnen  erhalten.  Auch  in 
Meissen  befinden  sich  an  der  Oberlausitzischen  Gränze 
noch  verschiedene  mit  AVendcn  besetzte  Dörfer;  allein 
diese  haben  ehedem  insgesammt  zur  Oberlausitz  gehört. 
—  Lnzice  bedeutet  im  Slawischen  ein  niedriges  und 
sumpfiges  Land,  welchen  Namen  die  Niederlausitz,  be- 
sonders in  ihrem  ehemaligen  Zustande,  mit  Recht  fah- 
ren konnte.  Auch  hat  sie  ihn  ehedem  allein  geführt, 
denn  auf  die  höhere  und  gebirgige  Oberlausitz  ist  er  erst 
spät  übergegangen.  Die  vormalige  Markgrafschaft  Lau- 
sitz, bestehend  aus  zwei  verschiedenen  Theilen ,  der 
Ober-  und  Niederlausitz,  gehörte,  als  eine  wendische 
Provinz,  ursprünglich  nicht  zum  teutschen  Reiche.  lui 
Mittelalter  besassen  die  Markgrafen  von  xMeissen  bald 
die  eine,  bald  die  andere,  bald  beide,  verloren  sie  aber 
wieder.  K.  Karl  IV.  verleibte  1355  die  Oberlausitz, 
und  1370  die  Niederlausitz  dem  Kgr.  Böhmen  ein,  bei 
welchem  sie  bis  zum  Prager  Frieden  1636  verblieben, 
worin  sie  dem  sächsischen  Hause,  dem  sie  seit  1620  ver- 
pfändet waren,  mit  aller  Hoheit  erblich  und  eigenthüm- 
lich  abgetreten  wurden,  jedoch  als  böhmische  Lehne, 
die,  wenn  der  Mannsstamm  der  Kurlinie  und  der  (1672 
ausgestorbenen)  altenburger  Linie  erlöschen  würde,  vom 
Kge.  von  Böhmen  gegen  Erstattung  der  Hauptsumme  wie- 
der zurückgenommen  werden  könnten.  Sachsen  blieb 
seitdem  in  dem  Besitze  beider  Lausitzen,  wozu  1807 
noch  der  Kottbuser  Kreis  geschlagen  wurde,  auch  re- 
nunciirte    in  der  Folge  Böhmen  auf  die  1636  festgesetz- 


-)  Aus  der  Vermiscbuug  dieser  Slawen  mit  Franken  und  Sachsen  hat 
sich  seit  dem  X.  Jahrb.  die  obersächsische  Mundart  gebildet ;  der  slawische 
Miind  milderte  die  Rauheit  germanischer  Tone.  ä.  Kopitar's  Gramm,  d. 
krain.  Sprache  Vorr.  VI.  —  Samuel  Grosser,  Rector  am  Görlitzer  Gymna- 
sium, schreibt  in  seinen  Lausitzer  Merkwürdigkeiten  folgendes  :  „Von  den 
slawischen  Nationen  sind  bis  diese  Stunde  uralte  adelige  Geschlechter  in 
Teutschland  vorhanden ;  alle  können  leicht  aus  der  Endung  itz,  ik,  nik, 
oiv  u.  s.  w.,  und  der  Bedeutung  ihrer  Geschlechtsnamen  erkannt  werden, 
z.  B.  Lottitze  (von  Lutitiis)  ,  Stutterheime  (von  Stoderauiis),  Dahuitze  (v. 
Daleminciis),  die  Milken  (v.  Milcieniis).  So  auch  Nostitz,  Maltitz,  Ga- 
blenz, Tersky.  Ja  selbst  Leibnitz,  Lessing  (eigentlich  Lesiijk,  ein  Lausi- 
tzer von  Kamenez),  Krefschmar,  Tscherning  und  viele  andere  sind  ursprüng- 
liche, aber  germanisirte  Slawen." 

31 


482 

ten  Rückfallsbedingnngen;  aber  bei  der  Theilmig  von 
1815  innsste  die  ganze  Niederlausitz  und  die  Hälfte  der 
Oberlausitz  nach  einer  bestimmten  Demarcationslinie  an 
Preussen  abgetreten  werden.  ^) 

Etwa  zweimalbunderttausend  noch  bis  auf  den  heu- 
tigen Tag  slawisch  redende  Nachkömmlinge  jener  der- 
einst so  mächtigen  Sorben  und  Lusitzer,  in  den  sächsi- 
schen und  preussischen  Antlieilen  der  beiden  Luusitzen, 
bieten  dem  slawischen  Ethnographen,  Historiker  und 
Philologen  eine  nothdiirftige  Nachlese  aus  der  Vergan- 
genheit und  Gegenwart  dar.  Die  Oberlausitzer  Wenden 
bewohnen  denjenigen  Theil  der  Provinz  Lausitz,  der 
Sachsen  geblieben  ist,  und  machen  hier  ungefehr  ein 
Fünftel  der  Bevölkerung  aus,  ferner  einige  auf  dem  rech- 
ten Eibufer  belegene  Aemter  des  sächsischen  Kreises  Meis- 
sen  (Stolpen  u.  s.  w.;  in  Remissau  und  andern  Strichen 
auf  dem  linken  Ufer  der  Elbe  hat  sich  die  wendische 
Sprache  ganz  verloren),  zuletzt  die  der  preussischen  Pro- 
vinz Schlesien,  Kegirungsbezirk  Licgnitz ,  einverleibten 
Kreise  der  ehemaligen  Oberlausitz :  Lauban  ,  Görlitz, 
Rothenburg,  insgesammt  gegen  100,000  Menschen.  Die 
Niederlausilzer  Wenden  hingegen  wohnen  in  der  heuti- 
gen Preussischen  Provinz  Brandenburg,  Rcgirungsbezirk 
Frankfurt  ,  besonders  in  den  Kreisen:  Guben,  Sorau, 
Lübben,  Luckau,  Sprcmberg,  Hoyerswerda  und  Kott- 
bus,  ferner  in  der  ebenfalls  j)reussisclien  Provinz  Sach- 
sen, im  östlichen  Tlieile  des  Regirungsbczirks  Merseburg, 
doch  nur  in  einzelnen  Dörfern;  ihre  Zahl  mag  ebenfalls 
nieht  100,000  übersteigen.  Von  der  Gesammtzahl  der 
Sorbenwenden,    voji  denen    etwa  der  vierte  'J'heil  katho- 

'J  Die  llauptquello  ist  liehnolä  bis  1170,  und  sein  Fortsetzer  Ar- 
nold bis  1209,  berausg.  v.  II.  Barnft-rf,  Lübbcii  G59.  4.  —  F.  A.  Jiodloff 
Handb.  d.  Mckloiib.  Gcscb.,  Schwerin  780—91.  8.  —  Th.  Kanzowen  Pome- 
rania,  berausg.  H.  G.  L.  Kosegarten,  Greifswald  816.  8.  —  J.  Micrälius 
altes  und  neues  Pommern,  Stettin  639.  4.  723.  4.  —  Th.  H.  Gadebusch 
Gruiidriss  d.  i)ümniern.  Gesch.,  Strals.  778.  —  A.  G.  Schivarzii  bist,  fiuium 
principatus  Rugiae,  Greifswald  734.  4.  —  M.  v.  Normann  wendisch-rüg. 
Landgcl)raucb,  Stralsund  777.  4.  —  C.  G.  Hofmanni  scriptores  rer.  Lusat., 
Lpz.  719.  4  Ilfte.  fol.  —  {Zobel)  Verzeicbn.  Oberlaus.  Urkunden.  Görlitz  799. 
4  llfte  4.  —  Ch.  Gl.  Küuffer  Abr.  der  Oberlaus.  Gesch.,  Görlitz  803.  3  Bde. 
8.  —  F.  G.  Richter  Gesch.  und  Topogr.  der  Staut  u.  llerrscliaft  Pulsuitz  in 
der  Oberlaus.,  Dresd.  804.  8.  -  J.  F.  Beuch  Gesch.  u.  Beschreib,  der  Stadt 
Kottbus,  berausg.  v.  Bernoulli,  Berl.  785.  8.  —F.  F.  Kanngiesser's  Bekeh- 
rungsgescbichte  der  Pommei'ü  zum  Christeuthume  Greifsw.  824.  8. 


483 

lisch,  die  übrigen  aber  evangelisch  sind,  stehen  nnge- 
fehr  150,000  nn(er  prenssischer,  und  50.000  unter  säch- 
sischer Botmässigkeit.  ^) 

§.  50. 

I 

Sprache  und  Literatur  der  Sorbenwenden  in  der  Oberlausitz. 

Die  Sprache  der  Sorben  in  der  Oberlansitz  unter- 
scheidet sich  beträchtlich  von  jener  der  Sorben  in  der 
Niederlausitz;  letztere  nähert  sich  nämlich  mehr  dem 
Polnischen,  erstere  dem  Böhmischen,  so  dass  man  sie 
füglich  als  zwei  besondere  Mundarten  betrachten  kann. 
Der  Oberlausitzer  Wende  spricht  mit  dem  Böhmen  und 
Slowaken  //,  während  der  Niederlausitzer  Wende  die 
Aussprache  g  statt  h  mit  dem  Polen  gemein  hat.  Das 
zischende  böhmisch-polnische  r  (rr)  hingegen  ist  den 
Sorbenwenden  in  den  beiden  Lausitzen,  eben  so  wie 
dem  Slowaken,  ganz  fremd.  Dass  übrigens  unter  den 
obwaltenden  Umständen  die  Sprache  eines  so  kleinen, 
dürren  Volkszweiges,  als  der  Sorbenwendische  gegen- 
wärtig ist,  stark  germanisirt  seyn  müsse,  leuchtet  von 
selbst  ein.  Sie  hat  z.  B.,  gleich  der  teutschen,  einen  Ar- 
tikel u.  s.  w.  ^) 

lieber  die  Cultur  der  Sorbenwenden  wissen  wir 
vor  der  Verbreitung  des  Christenthums  unter  denselben 
so  gut  als  gar  nichts.  Kein  aufgezeichneter  Volksgesang 
der  Slawen  an  der  Elbe  aus  den  Zeiten  des  Heidenthums 


*J  K.  G.  Antons  u.  a.  Provhicialblätter,  Dessau  u.  Görlitz  781 — 83. 
6  St.  8.  —  Eh.  Lausitz.  Moiiatssclirift,  Görlitz  793-804.  8  Neue  Laus. 
Monatsschrift,  eb.  805—08.  8.  —  J.  G.  Niiumanns  neues  Laus.  Magazin, 
Görl.  82L  ff.  8.  N.  G.  Leske  Reise  durch  Sachsen,  Lpz.  785.  2  Hfte  4. 
Im  Auszuge  u.  d.  Titel :  Oberlaus.  Merkwürdigkeiten,  eb.  794.  4  —  Reise 
durch  Kursachsen  in  die  Oberlausitz,  Lpz.  805  8.  —  {Ch.  G.  Schmidt's) 
Briefe  über  die  Niederlausitz,  Witteub.  789.  8.  —  Engelhardt  Evdheschv.  d. 
Markgr.  Ober-  u.  Niederlausitz,  Dresd.  u.  Lpz.  800.  2  Bde.  8. 

^)  Sprachhücher.  Grammatiken:  J.  Ticini  principia  linguae  Ven- 
dicae,  Prag  679.  782.  12.  —  Z.  J.  Bierling  orthographia  vandalica,  Bautzen  689. 
8.  —  G.  Matthäi  wendische  (oberlausitzische)  Gramm.,  Bautzen  721.  8.  — 
Bierling  didascalia,  (d.  i.  wendische  Schreib-  u.  Leselehre  nach  d.  Budissi- 
nischen  Dialekt),  Bautz.  639.  8.  —  Charakter  der  oberl.  Sprache  in  d.  Laus. 
Monatsschr.  797.  S.  212  ff.  v.  K.  G.  Anton.  Wörterbücher :  A.  Frenzeis 
oberlaus.  Wörterb.  Ms.  —  G.  Augustin  Swotlik  vocabularium  latino-serbi- 
cum,  Bautzen  721.  8. 


Civ^T   M'  ^,  i-'irr^'^ 


484 

erreichte  unsere  Oliren.  Aber  selbst  nach  ihrer  Bekeh- 
rung zum  Christenthume  liess  man  sie  Jahrluniderte  lang 
unter  dem  härtesten  Lruck  und  in  der  tiefsten  Verach- 
tung scinnachtcn;  kein  Lichtstrahl  der  Aufklärung  drang 
durch  die  düstern  Wolken  der  Finsterniss  zu  ihnen  herab. 
Erst  mit  der  Verbreitung  eines  mildern  humanen  Geistes 
in  Europa  wurde  ihr  Schicksal  erträglicher;  und  erst 
seit  der  Reformation  fingen  sie  an,  ihren  Dialekt  zu 
schreiben.  Zwar  wollte  man  noch  im  XVII.  Jahrb.,  be- 
sonders nach  dem  30jährigen  Kriege,  ihre  Sprache  völ- 
lig ausrotten,  und  setzte  dalier  überall  teutsche  Predi- 
ger ein,  wodurcii  denn  auch  wirklicli  in  kurzer  Zeit 
sechzehn  Pfarren  teutsch  geworden  sind;  allein  mit  dem 
Anfange  des  XVlll.  Jalirh.  ward  man  endlich  doch  ver- 
nünftiger und  duldsamer,  und  liess  ihnen  ihr  natürliches 
Recht  der  angestammten  Sprache.  Lange  Zeit  war  die 
lausitzische  Ortliographie  und  Grammatik  schwankend, 
und  blieb  es  zum  Theil  bis  heute  noch.  Der  Jesuit  Jakob 
Ticiniis  von  Witgenau  aus  der  Lausitz,  rieth  in  einem 
Büchlein  1679  an,  die  böhmische  Orthographie  auf  die 
wendische  Sprache  anzuwenden;  aber  die  Wenden  befolg- 
ten nicht  seinen  Rath  ^).  Zach.  Job.  Bierling,  Pastor  zu 
Porschwitz,  führte  endlich  die  bis  dahin  sehr  schwan- 
kende Rechtschreibung  1681)  auf  bestimmte  Regeln  zu- 
rück, die  noch  heutzutage  befolgt  werden.  Seine  Schreib- 
methode ist  ein  Gemisch  aus  der  teutschen  und  böhmi- 
schen. Im  J.  1716  waren  die  Wenden  so  glücklich,  eine 
eigene  Anstalt  zu  Leipzig,  und  im  J.  1749  eine  zu  Wit- 
tenberg, zur  Bildung  wendischer  Prediger,  zu  erhalten. 
Nun  bemüheten  sie  sich,  ihre  Sprache  emporzuheben. 
Durch  die  vielen  Religionsschriften ,  welche  von  allen 
Seiten  erschienen,  ward  sie  auch  nach  und  nach  so 
ausgebidet,  dass  der  ehemalige  Prediger  zu  Neschwitz, 
Georg  Mö/in,  es  wagen  konnte,  einige  Gesänge  aus 
Klopstock's  Messias  in  selbige  metrisch  zu  übersetzen. 
Jetzt    ist    in    dieser  Mundart,    die    in  verschiedenen  Ge- 


^)  In  der  Dcdication  an  den  damaligen  Administrator  des  Meissner 
Bistl'.ums  Marl.  Kerd.  Brückner  von  Brückenstein  sagt  der  Vf.:  Quod  nul- 
lus,  quantum  mihi  perspectum  est,  venedici  idiomatis  über  hactenus  ab 
uUo  Catho!icoi-um  prodierit,  unicum  fuissc  puto  irapedimentum,  orthogra- 
phiae  certae  ac  universalis  defectum. 


485 

gcnden  (z.  B.  um  Löbaii,  Kainenz,  Muskau)  verscliie-. 
den,  um  Bautzen  (Budissin),  wie  man  glaubt,  am  rein-  |\ 
sten  gesprochen  wird,  nicht  nur  eine  vollständige  Bi- 
belobcrsetziing  ^),  sondern  auch  eine  Grammatik  nebst 
andern  brauchbaren  Büchern  vorlianden.  Eifrige  Seel- 
sorger fahren  noch  immer  fort,  ob  sie  gleich  den  frü- 
hern oder  spätem  Untergang  ihrer  Landessprache  be- 
fürchten zu  müssen  glauben,  das  Volk  von  Zeit  zu  Zeit 
wenigstens  mit  Erbauungsschriften  zu  versehen. '') 

§.  57. 

Sprache  und  Literatur  der  Sorbenwenden  in  der  Niederlausitz. 

Die  Niederlausitzer  Wenden  kannten  eben  so,  wie  ihre 
Nachbarn  und  Brüder,  die  Serben  in  der  Oberlausitz, 
obschon  am  Ausgange  des  XL  Jahrb.  das  Christenthum 
bei  ihnen  herrschend  war  (die  völlige  Einführung  des 
Christenthums  unter  diesen  Slawen  geschah  theils  mit 
Gewalt  durch  Boleslaus,  theils  durch  Ueberredung  und 
Belehrung,  vorzüglich  durch  den  frommen  Bischof  Benno 
von  Meissen,  geb.  1010,  gest.  1106,  dem  sein  heiliger 
Eifer  für  das  Werk  der  Bekehrung  der  Slawen  den  Na- 
men eines  Apostels  derselben  erwarb),  bis  zur  Zeit  der 
Reformation  die  Wolthat  der  Buchstaben  und  der  Schrift 
in  ihrer  eigenen  Landessprache  nicht.  Erst  um  diese  Zeit 
richteten  sie  die  teutschen  schwabacher  Buchstaben  nach 
eigener  Combination  für  ihre  Mundart  ein,  und  seit  1574, 

^)  Bibeln  iu  der  oberlaus.  Mundart:  Mattbaeus  uad  Markus  Bautzen 
760.  4.  V.  Micb.  Frenzel  Fast,  in  Postwitz.  —  Der  Br.  au  d.  Römer  u.  Galater 
eb.  693.  8.  v.  eb.  —  Epistolae  et  evangelia,  iussu  speciali  statuum  Super. 
Lusatiae,  interprr.  P.  Praetorio,  Tob.  Zschuderly,  Jo.  Christph.  Krügero,  Ge. 
Matthaei  et  Mich.  Raezio,  Bautz.  695.  8.  —  Das  ganze  N.  Test.  Zittau  706. 
8.  V.  Mich.  Frenzel.  —  A.  Testament,  Psalter  ßautz.  703.  8.  v.  G.  Matthaei. 
Jesus  Sirach  eb.  710.  8.  von  eb.  Jesus  Sirach  Löbau  719.  v.  G.  Dumischen. 
Die  Sprüche,  der  Prediger,  das  hohe  Lied.  u.  Jesus  Sirach  eb  719.  8.  v. 
Chr.  Leonhard.  —  Ganze  Bibeln.  Bautzen  729.  4.  für  die  evangelisch  luther. 
Gemeinen  durch  Job.  Lange,  Pf.  zu  Milkel,  Matth.  Jokisch,  Pf.  in  Gebel- 
tzig,  Job.  Böhmer,  Pf.  in  Postwitz,  u.  Job.  Wauer,  Pf.  zu  Hochkirch.  — 
Bautzen  742.  8.  Dieselbe.  —  Bautzen  797.  4.  Dieselbe,  Aug.  Swotliks  kathol. 
Bibelübers.  ist  zu  Bautzen  in  Ms.  vorhanden, 

*)  Quellen.  Abr.  Frenzel  (Pf.  in  Schönau)  de  origine  linguae  So- 
rabicae  L.  IL,  Bautzen  699.  4.  -  M.  G  Körner  (Pf.  zu  Bockau)  philolo- 
gisch-kritische Abhandlung  von  der  wendischen  Sprache  und  ihrem  Nutzen 
in  den  Wissenschaften,  Lpz.  766,  8.  —  Chr.  Knauth   Kirchengeschichte  der 


486 

als  wo  (las  erste  bekannte  Buch  in  dieser  Mundart,  Albini 
MoUeri  Gesangbüclilein,  Katechismus  und  Kirchenagende 
Budiss.  1574.  8.,  gedruckt  wurde  (Dobrowsky  Slowanka  I. 
181.),  erschienen  nicht  nur  einige  Sprachbücher  ^),  zahl- 
reiche Erbauungsschriften,  sondern  auch  eine  vollständige 
Bibelübersetzung  in  ihrer  Landessprache  '^).  Bei  alle  dem 
ist  die  Abnahme  der  slawischen  Sprache  in  der  Nieder- 
lausitz, wo  sie  zugleich  am  meisten  mit  teutschen  Wör- 
tern und  Formen  vermischt  ist,  immer  sichtbarer.  Ehe- 
dem gehörten  zur  Niederlausitz  auch  die  Herrschaften 
Beeskow  und  Storkow  in  der  Kurmark,  deren  jene  jetzt 
dem  Regirungsbezirk  Frankfurt ,  Kreis  Lübben  ,  diese 
dem  Regirungsbezirk  Potsdam,  Kreis  Teltow-Storkow 
einverleibt  ist.  Mr.  Christoph.  Treuer,  welcher  um  1010 
Inspector  zu  Beeskow  und  Storkow  war,  hatte  noch  40 
wendische  Kirchen  in  seiner  Inspection,  aber  schon  in 
der  ersten  Hälfte  des  XVlIl.  .Jahrh.  gab  es  keine  einzige 
mehr,  und  das  Wendische  ist  jetzt  daselbst  völlig  unbe- 
kannt. In  den  übrigen  Theilen  des  Regirungsbezirks 
Potsdam  hat  sich  die  sorbische  Mundart  noch  fridier 
ganz  verloren;  um  Kottbus  hingegen,  in  den  aus  der 
ehemaligen  Niederlausilz  gebildeten  Kreisen  des  Regi- 
rungsbezirks Frankfurt,  ist  sie,  nicht  nur  auf  dem  Lan- 
de, sondern  auch  in  den  Städten,  noch  bis  auf  den  heu- 

Sorbenweiulen,  Görlitz  767.  8.  (Enthält  S.  386  —  426  ein  Verzeichüiss  der 
Oberlausitzischen  Schriftsteller).  —  Chrph.  Faber  acta  historico-ecclesia- 
siica  Th.  10.  S.  519.  —  K.  G  L.  Dietmann  die  gesammte  der  A.  C.  zuge- 
tbane  Priesterschaft  in  d.  Markgrafth.  Oberlausitz,  Lauban.  778.  8.  —  J.  G. 
Mülhr  Versuch  einer  ohcrlaus.  Reformationsgesch.,  Görlitz  800.  8.  —  Kur- 
zer Entwurf  einer  Oberlausitz-Wcndischen  Kirchenbistorie  S.  217.  ff.  enthält 
ein  Verzeichniss  der  Schriften  in  dem  Oberlaus.  Dialekt.  —  G.  F.  Otto  Le- 
xicon  der  seit  dem  XV.  .Jahrb.  verstorbenen  und  jetzt  lebenden  Oberlaus. 
Schriftsteller  und  Künstler,  Görl.  u.  Lpz.  800    03.  2  Bde.  8. 

^)  Sprachbücher.  Joh.  Choinani  kurze  wendische  (niederlausitzische) 
Grammatik  Msc.  — '  Mr.  J.  G.  ILwptmann  wendische  (niederlausitzische 
Sprachlehre,  Lübben  76'.  8.  -  Kurze  Anleitung  zur  wendischen  Sprache, 
nebst  einem  kleinen  Wörterbuche,  vom  J.  1746.  (Besass  Dr.  Anton  in  Gör- 
litz.) —  .7.  F.  Fritze  wendische  (niederlausitzische)  Sprachlehre ,  Msc. 
(Besitzet  Hr.  Abbe  Dobrowsky).  Wörterbücher:  H.  Megiseri  thesaurus 
polyglottus,  Frankf.  a.  M.  603.  8.  (enthält  niederlaus.  Wörter.)  —  G.  Kör- 
ner wendisches  (niederlausitzisches)  Wörterb.  Msc.  (Besass  Dr.  Anton  in 
Görlitz.)  —  G.  Fabricins  niederlausitzisch-wendisches  Wörterb.  Msc.  (Ade- 
lung Mitbridates  IL  685.) 

-)  Bibeln  in  der  uiederl.  Mundart.  N.  Testament:  (Kottbus)  709.  8. 
teutsch  u.  wendisch  v.  G.  Fabricius,  Pred.  zu  Kahren.  (Kottbus)  728.  8. 
Dasselbe.  Kottbus  788.  8.  Dasselbe.  —A.  Testament  Kottbus  796.  4.  (v.  J.  F. 
Pritze,  Pred.  zu  Kolkwitz). 


487 

(igen  Tag  gangbar.  Zugleich  ist  der  Kottbusische  Dia- 
lekt unter  den  niederlausitzischen  Varietäten  der  reinste 
und  beste;  daher  aucli  die  Religionsscliriften  darin  aus- 
gefertigt werden.  ^) 

§.  58. 

Sprachüberreste  desPoiabischen  oder  Linonisch-Wendischen. 

Unter  den  Slawen,  welche  eliedem  das  ganze  nördli- 
che Teutschland  von  Holstein  an  bis  nach  Kasubien  be- 
wohnten, waren  die  zwei  Stämme,  der  Obotriten  im 
Westen,  und  der  Wilzen  od.  Pommern  im  Osten,  die 
grössten  und  mächtigsten.  Allein  beide  sind  den  Sitten 
und  der  Sprache  nach  längst  ausgestorben.  Das  Vater 
unser,  welches  Wolfg.  Lasius  de  migrat.  gent.  B.  12.  S. 
787.  fiir  iMeklenburgisch-Wendisch  ausgibt,  welches  zu 
seiner  Zeit  ohnehin  längst  ausgestorben  war,  ist  rein 
lettisch.  In  Pommern  starb  der  letzte,  der  noch  wen- 
disch reden  konnte,  bereits  1404  ').  Nur  in  dem  öst- 
lichen Winkel  des,  dem  jetzigen  Königreiche  Hanover 
einverleibten ,  Fürstenthums  Lüneburg,  in  den  Aemtern 
Danneberg,  Lüchow  und  Wustrow,  zwischen  der  Elbe 
und  Jeetze,  hatte  sich  bis  auf  die  neuern  Zeiten  ein 
Haufen  von  dem  obotritischen  Hauptstamme  erhalten, 
welcher  noch  wendisch  redete  und  dachte,  obgleich  sehr 
mit  dem  Teutschen  vermischt;  wie  es  aus  den  wenigen 
Sprachüberresten,  die  man  verzeichnet  hat  ,  erhellet. 
iMan  nannte  sie  gemeiniglich  Polaben  (von  Labe,  Elbe), 
und  ihre  Mundart,  die  Polabische,  allein,  nach  Adelung, 
mit  Unrecht.  Nach  ihm  ^)  sollten  diese  Wenden  nicht 
Polaben^  denn  diese  wohnten  im  Lauenburgischen  und 
Ratzeburgischen,    sondern    lieber   Linonen,    Leiner-Wen- 

')  Quelleyi.  Cli.  Knauth  Kirchengesch.  d.  Sorbenwenden ,  Görlitz 
767.  8.  (enthält  ein  vollständiges  Verzeichniss  aller  bis  dahin  in  nieder- 
laus.  Mundart  gedruckten  Bücher  S.  386—426).  —  D.  Ch.  K.  Guide  ver- 
zeichnete die  in  der  niederlausitzischen  Sprache  zum  Druck  beförderten 
geistlichen  Schriften  im  Lausitz.  Magazin  1785.  S.  211—230. 

1)  Adelungs  Mithridates  II.  688.  —  Ueber  die  obotritischen ,  in 
Meklenburg  entdeckten  Denkmäler,  vgl.  oben  §.  2.  Anm.  2.  S.  13. 

»)  Mithridates  II.  S.  689. 


488 

den,    von    der    Leine,    slawisch    Linac,  heissen.     lieber 
den    frühem  Zustand    der  Folabischen    oder  Linonischen 
Mundart  wissen  wir  nichts;  der  erste,  der  über  dieselbe 
einiges    zu  Papier    gebracht,    und    der  Nachwelt  überlie- 
fert hat,    ist  Christian    Henning  Pastor  zu  Wustrow,  um 
1690.     Was    derselbe    über    die   hinoburgischen  Wenden 
und    ihre    Sprache  vor    und    zu  seiner  Zeit  berichtet,  ist 
kurz    folgendes:    „Sobald    ich    zum  Prediger  dieses  Orts 
befördert    worden,    habe    ich  mich   nach  einigen  Urkun- 
den in    dieser   (wendischen)  Sprache  bemühet,  aber  ver- 
gebens;   nachdem    in    dieser  Art,    meines  Wissens,    nie- 
mals   was   geschrieben    worden,    auch  nicht  können  ge- 
schrieben   werden,    weil    Niemand    von  dieser  Nation  in 
den    vorigen    Zeiten    lesen    oder  schreiben  können.     Die 
nachher    den  Studien    sich  gewidmet,  und  entweder  von 
väterlicher    oder   mütterlicher  Seiten,  oder  auch  von  bei- 
den wendischen  Herkommens  waren,    haben  sich  dessen 
mit  Fleiss    enthalten,    um  sich  nicht  zu    verrathen,    dass 
sie  wendischen  Geblüts  sind,  welches  sie  ihnen  schimpf- 
lich haltend  bei  Fremden  möglichstermassen  verhehlet  ha- 
ben.    Andere,    die    niclit    ihrer    Nation    waren  ,     haben 
noch    weniger    darauf  gedacht,    ohne  Zweifel,    weil  sie 
es    für   ein  Werk    angesehen,    dabei  weder  Nutzen  noch 
Ehre    zu  erjagen.     Die  Predigten,    welche    der  berühmte 
Lehrer    Bruno,    der    mit   allem  Recht    der    Meklenburger 
Wenden  Apostel    kann   genannt  werden,  in  dieser  Spra- 
che gehalten  und  beschrieben,    sind  nicht  mehr  vorhan- 
den, sie    wären  sonst  eine  unschätzbare  Antiquität.     Als 
denn  nun  nichts  auszuforschen  gewesen,  habe  ich  einige 
Curiositäten  von  den   nocii  häufig  in  Schw-ange  gehenden 
Gebräuchen    und    Aberglauben    der  hiesigen  Wenden  ge- 
sammelt,   um    selbige   gegen  die  Gebräuche  und  Cerimo- 
nien    anderer    heidnischen  Völker    zu    halten ,    und    mit 
einigen  Anmerkungen  an  das  Licht  zu  stellen    Allein  der 
grausame    Brand,    darin    1691    alle  meine  Habseligkeiten 
in    Rauch    aufgegangen,    hat    diesen  meinen  Vorsatz  un- 
terbrochen.    Nach    der    Zeit    habe    ich  die  Ehre  gehabt, 
mit  unterschiedlichen  vornehmen  Leuten  bekannt  zu  wer- 
den, welche    ein    sonderliches  Verlangen    bezeuget,  was 
von  dieser  Sprache  zu  sehen.     Etliche  Hessen  gar  einige 


489 

Personen  vor  sich  koinmeii,  und  befragten  sie  drum, 
sclirieben  iuich  einige  W()r(er  ans  deren  Munde  auf.  Hier- 
durch wachte  die  bereits  verstorbene  Begierde  nach  die- 
ser Sprache  wieder  bei  mir  auf,  und  ich  trachtete  da- 
hin, sowol  meine,  als  anderer  Curiosität  zu  vergnügen. 
Es  liess  sich  zwar  selir  scliwer  an,  und  schien,  als  ob 
ich  eine  ganz  vergebliche  Arbeit  vorgenommen  hätte. 
Denn  erstlich  wollte  mir  keiner  von  den  Wenden  ge- 
stehen, dass  er  noch  was  davon  wrtsste,  aus  Sorge,  mei- 
ne Nachfrage  würde  auf  einen  Spott  und  ihre  Verhöh- 
nung hinauslaufen ;  nächst  dem  war  es  lauter  einfältiges 
ßauernvolk,  welches  insgemein  eben  so  wenig  Ursache 
von  diesem  und  jenem  Worte  zu  geben  weiss,  als  an- 
dere gemeine  Leute  in  andern  Sprachen.  —  Jetziger 
Zeit  reden  hier  herum  nur  noch  einige  von  den  Al- 
ten wendisch,  und  dürfen  es  kaum  vor  ihren  Kin- 
dern und  andern  jungen  Leuten,  weil  sie  damit  aus- 
gelacht werden.  Denn  diese,  die  Jungen,  haben  ei- 
nen solclien  Ekel  vor  ihrer  Muttersprache,  dass  sie  sie  nicht 
einmal  mehr  hören,  geschweige  denn  lernen  mögen. 
Daher  unfehlbar  zu  vermuthen ,  dass  innerhalb  20, 
zum  höchsten  30  Jahren,  wenn  die  Alten  vorbei,  die 
Sprache  auch  wird  vergangen  seyn  ,  und  man  so- 
dann keinen  Wenden  mehr  mit  seiner  Sprache  allhier 
wird  zu  hören  kriegen,  wenn  man  gleich  viel  Geld 
drum  geben  wollte."  Henning  sprach  im  prophetischen 
Geiste  —  und  —  bis  auf  das  viele  Geld  —  w^ahr.  Im 
J.  1751  wurde  in  Wustrow  zuletzt  Gottesdienst  in  wen- 
discher Sprache  gehalten  ^).  Die  Wenden  zwar  waren 
noch  in  der  letzten  Hälfte  des  XVIII.  Jahrh.  in  ihrem 
Wesen  vorhanden;  allein  da  die  Beamten  unaufhörlich  ^ 
an  dem  Untergange  ihrer  Sprache  arbeiteten,  so  ist  sie  -^ 
nunmehr ,  nach  der  Versicherung  neuerer  Reisenden, 
völlig  ausgestorben,  und  die  Einwohner  reden  jetzt  ein 
eben  so  verderbtes  Teutsch ,  als  ehedem  verderbtes 
Wendisch.  Eine  Sprachlehre  dieser  Mundart  trat  nie  ans 
Licht,  und  das  Wörterbuch,  welches  der  erwähnte  Pa- 
stor Henning  mit  grosser  Mühe,  aber  auch  mit  einer 
äusserst    ungelenken    Orthographie    und    Entstellung   der 

»)  Hassel  Handb.  d.  Erdbesch.  1  Abth.  4  Bd.  S.  507. 


490 

slawischen  Laute,  ans  dem  Munde  eines  Klenower  Bauern, 
Johann  Janieschge,  seines  Zuhörers,  niedergeschrieben 
hat,  und  welches  sich  später  in  dem  Besitze  des  Dr.  An- 
ton in  Görlitz  befand,  blieb,  einige  in  der  Slowanka  I. 
1  —  11.  mitgetheilte  Wörter  ausgenommen,  bis  heute 
ungedruckt.  Ausser  ihm  haben  PfefFinger,  luspector  in 
Lüneburg  1698,  Domeier  u.  a.,  Lüneburgisch-Wendi- 
sche Wörter  gesammelt.  Nach  diesen  Wörtersammlun- 
gen näherte  sich  die  Sprache,  so  wie  die  Niederlausi- 
tzisch  -  Wendische,  dem  Polnischen,  hatte  aber  doch 
ihre  Eigenheiten.  Der  polnische  Rhinesmus  herrschte 
nach  tiefen  Vocalen  dtirchgänglg,  z.  B.  riinka  für  ru- 
/{((,  prnni  für  prüf;  die  Veränderung  der  Vocale  fand 
häufig  statt,  besonders  des  o  in  i,  z.  B.  snip  für  snop. 
srehri  für  srebro ;  den  Yorsciilag  iv  vor  einem  o,  z.  B. 
wosa  für  osa,  watgi  für  oko  hatte  sie  mit  der  böh- 
mischen und  sorbenwendischen  Mundart  gemein.  ^) 


')  Eine  Grammatik  des  Lüneburgisch- Wendischen  soll  Schmersahl 
in  Zelle  handschriftlich  besessen  haben,  sie  ging  aber  in  einer  Feuersbrunst 
zu  Grunde.  —  Ch.  Henning' s  vocabularium  venedicura,  teutsch-wendisch. 
Msc.  besass  Dr.  Anton  in  Görlitz.  —  /.  F.  Pfeffinger''s  vocabul.  vened., 
steht  in  Eccardi  bist,  studii  etymol.  linguae  gerrhan.,  Han.  711.  8.  S.  169 
ff.  S.  268  —  305,  —  Frisch  bist,  lingu.  Slavonicae  Cont.  III.  730.  S.  11.  — 
M.  Eichel/  Hamburgisches  Idiotikon,  Harab.  75.5.  8.  Vorr  S.  25.  —  J.  G. 
Domeier's  Samml.  Liineburgisch-wendischer  Wörter  (aus  den  Papieren 
eines  wend.  Predigers)  in  der  Hamburg,  verra.  Biblioth.  Th.  II  S.  794—801. 
—  J.  Potocki  voyage  dans  quelques  parties  de  la  Basse-Saxe,  Hamb.  795 
4.  enthält  S.  45  —  63.  ein  Vocabulaire  slave  ,  von  einem  Edelmanne,  v 
Plato,   bei  Lüchow,  ~  J.   Z>o6rou'«Ä-3/' Slowanka  Bd.  L  S.  1—26,  II.  220—28 


Zusätze  und  Berichtigungen. 


S.  4  Z.  9  ff.  und  S.  480  Z.  17  ff.  Rücksichdich  des 
Namens  Winden ,  Wenden ,  trete  ich 
der  iVieinung  derjenigen  bei,  die  es 
für  identisch  mit  Hindu,  Indier,  halten. 
Vgl.  J.  Junqmann's  hist.  lit.  ceske 
(825)  S.  2.  * 

*S.  1 1  Anin.  Stanisl.  Sestrencewic  Bogus  Recher- 
ches  historiques  sur  Torigine  des  Sar- 
mates,  des  Esclavons  et  des  Slaves, 
S.  Petersb.  1812.  4  Bde.  8;  Precis  de 
recherches  histor.  sur  Porigine  des 
Slaves  ou  Esclavons  et  des  Sarmates, 
et  sur  les  epcques  de  la  conversion 
de  ces  peuples  au  Christianisme,  2 
ed.  revue,  S.  Petersb.  1824.  4. 
S.  11  Z.  35  /.  M.  Kral  Släwowe,  praotcovve  Cechu 
a  bytedlna  sjdla  gegich,  w  Kral.  Hr. 
825.  8.  (Ist  nur  eine  durch  unzählige 
Fehler  verunstaltete  Uebersetzung  des 
schon  angefidirten  Aufsatzes  von  Schwa- 
beuau.  Dobr.)  —  Gr.  Dankowsky  Frag- 
mente zur  Gesch.  der  Völker  ung.  u. 
slaw.  Zunge  nach  den  griech.  Quellen 
bearb.  1  Heft.  Pressb.  825.  8. 

*8.  13  —  5  Krodo  ist  der  sloven.  Krt^  Saturnus. 
Vergeblich  leugnet  Delhis  in  e.  Schrift 
1826  die  Existenz  des  Crodo. 
S.  13  —  31  M.  Popow  opisanije  drewnjago  slaw- 
janskago  basnoslowija.  S.  P.  768.  12. 
—  A.  Kajsarow  slaw.  i  ross.  my- 
thologia  M.  810.  12.  —  P.  Sfrojew 
kratkoje  obozrenije  myth.  Slavvjan  ross. 
M.   815.    8.  —  P.  J.  Ljwow   kartina 


492 

slaw.  firewnosli  S.  P.  4.  —  G.  S. 
Bantkie  dzieie  kiöl.  polsk.  (820)  Bd. 
1.  S.  121  —  147.  -  F.  J.  Mone 
die  Religionen  der  finn.  slaw.  n.  skan- 
din.  Völker  (d.  5.  Band  v.  Crenzers 
Symbolik  u.  iMvlliologie}  Darmstadt 
823.  8. 
*ebd.  F.    v.    Hagenow  Beschreibjnig  d.  Ru- 

nensteine zu  Neu-Strelitz  u.  Erklärung 
der  Inscbrifteu  etc.     Loitz  u.  Greifsw. 

1826.  25  S.  4.  m.  14  Holzsclin.  (Bei 
dieser  Gelegenheit  erklärt  H.die  Masch'- 
schen  Idole  —  verschieden  von  diesen 
Runen  —  für  eclif,  wie  auch  Lewezow 
dafür  hält.)  —  A.  Tkäny,  Prof.  in 
Znaim,  Mytbologie  d.  alten  Teutschen 
u.  Slawen,  Zuaim  1827.  8.  2  Bde.,  al- 
phabetiscb,  Compilation. 

*S.     24.  Nacb  schriftlicher  Angabc  des  kathol. 

Biscbofes  von  Bosnien  beim  k.  k.  Hofe 
(ungefähr  im  J.  1826)  enthielt  Bosnien 
1,000.000  Einw. ,  darunter  500.000 
Mohamedaner,  500.000  Christen,  wor- 
iHiter  wieder  320,000  griechischgläu- 
bige und  180,000  katholische. 

*—  25  Z.  1  Im  J.  1818  nach  II...  g  Heise  durch 
Dalmat.  (I.  118)  in  den  Kreisen  Zara, 
Spalato  ,  üVIakarska ,  Ragusa,  Cataro 
224,077  Kath.  61,164  Griech.  401  Ju- 
den, zusammen  305,642. 

*_  35  ._  40  (Gelemus)  557  1.  537.  —  F.  Graef 
Commenlat,,  qua  lingua  graeca  et  latina 
cum  slavicis  dialectis  in  re  gramma- 
tica   comparantur ,    Specimcn   I.    S.   P. 

1827.  8. 

* —  49  —  9  „Slowäci,  Slowäw  !  Wseciste  gednaci, 
Akoby  was  mala  jedna  sladka  mati!" 
—  Slowak.  Volkslied. 

—  69  —  25  Joh.  Merkel  Elementa  graminaticae 
ling.    slav.   univers.   ex   dialectis  vivis 


493 


S.     74     Z.     18 


*S.     93      Anm. 


114 


*-   114       - 


enita   et  ad    principia    logicae  exacta. 
Ms,   (182G  11.  d.  Presse). 
11    S.   129  Z.  28,    S.    210    Z.   1   ff.  Ilr. 
]\u/i    Stephanowic    Karadzic    liat  in 
s.  Danica,  e.  Alnianach  auf  d.  J.  1826 
Wien   12.,  S.   1-40,  die  Denkwürdig- 
keiten   von    zehn  serbischen  Klöstern 
in  der  West-Morawa-Gegend   des  Bel- 
i^rader  Pasclialiks  besclirieben. 
Powjest  0  Kyrillje  i  Alethodii,  ot  Sw. 
Tiieophylakta,  prewedena  njekoim  ro- 
doljubcem,    w  ßiid.    Gradje.    1823.  8. 
—  Xav.  Richter,  WeJtpriester,  ßiblioih. 
in  Ol  mutz,  ehedem  Prof.  d.    Universal- 
liist.  zu  Laibach  (Antislawist,  wie  man 
ans   Woliiys  Taschenbiiclie  sieht)  Cy- 
rill  und  Method  1825. 
\„Ein    Illyrier    war   er  wol,  aber  kein 
iSlawe,    weil    damals,    als   er  geboren 
ward,    noch    keine  Slawen  in  lllyrien 
wohnten.      In     dem    Schediasma    des 
Schwarz  beruht  alles  auf  Verdrehunsren 
;ij.    unerweislichen     Voraussetzungen.'* 
pDobr.  Rec.   -  Die  Handschrift,  in  wel- 
Icher  Justinian  Ujjrawda  u.  seine  Mutter 
'  Beglenica  heisst ,    ist  in  der  Vaticana 
in  Rom.    Koeppen,    bibl.  listy  S.  489. 

9  Engel  hat  das  Citat  aus  Thunmann 
Unters.  354.  Den  besten  Beweis  lie- 
fert Kopitar  in  Valachicis  aus  Gene- 
SlUS  p.  52:  iyxcöQta  r  a  Xoya,  xazcc 
7t6dQsi,av  —  nämlich  Basilius  bediente 
sich  des  eiidieimischen  Ringerausdruk- 
kes    etc.  Vgl.  Kopitar  Valach.  Rec.  S. 

\  83.  Mithin  waren  auch  Leo  der  Weise 
und  Constantinus  Porphyrogenitus  der 
Abkunft  nach  Slawen. 
116  Z.  38  J.  P.  Fullmeraijer  Geschichte  d.  Halb- 
insel Morea  während  d.  Mittelalters, 
I.  Thl. ;  L'ntergang  d.  peloponnes.  Helle- 


494 

neu  n.  Wiederbe\()lkerung  d.  leeren  Bo- 
dens durch  slaw.  Volksstämme,  Stuttg. 
830.  8. 

*S.  122  Z.  6  „Ist  leider  ans  Rakovviecki  genommen 
11.  ganz  nnriclitig,  !)ie  Priester,  die  zu 
Dliigosz's  Zeiten  u.  noch  später  in 
Krakau  den  Gottesdienst  in  slaw. 
Sprache  verrichteten,  waren  Glagoliten 
aus  Prag,  für  die  Hedwig  ein  Kloster 

zu  bauen  anfing Hedwig  starb 

1399.'^  Dohr.  Kec.  ~  Allein  dass 
noch  vor  o.  nach  derEiiniahme  von  Kra- 
kau durch  Ziemowit,  also  vor  870  ff. 
0.  nach  diesem  Jahre,  die  von  den 
Magyaren  verdrängten  slowen.  Mönche 
aus  Mähren  eine  Kirche  zum  h.  Kreuz 
,,na  Kleparzu"  gebaut  haben,  beweist 
Naruszewicz  Hist.  pol.  11.  343.  Vgl. 
Swiecki  1.  102  —  103.  Kromer  er- 
wähnt des  ii.  Kreuzes  zweimal,  1} 
unter  Lesens  albus  tertium  1220,  p. 
129  „quo  teinpore  etiam  paroeciam 
vicinam  S.  Crucis  dictam  in  urbe  ipsis 
illis  hospitalariis  (fratribus  de  Saxia) 
jure  seitiptferno  addixit;  2)  unter 
Vladislaus  Jagiello,  a.  1394  ,,in  subur- 
bano  etc."  Also  die  Kirche  war  schon 
viel  älter,  uralt;  das  Kloster  aber  wollte 
man  neu  aufbauen. 
S.  126  Z.  35  hv.  Peninskij  gramm.  slawjanskago 
jazyka  (Auszug  aus  Dobrowskys  In- 
stit.  ling.  slav.)  S.  P.  825.  8.  2  A.  826. 

*S.   126    -     44    Neue  Aufl.  Ofen  1829. 

*—  133  Anm.  P.  Sfrojew  obstojatelnoje  opisanije 
staropecatnych  knig  slawjanskich  i 
rossijskich  w  bibl.  grafa  T.  A.  Tol- 
stowa.    M.    829.    m.  24  Schriftproben. 

*—  135  —         V.  Hammer    sur  les    origines    Kusses, 

extraits  des  manuscrits  orientaux.  Ist 
auf  Kunijancows  Kosten  1826  in  S.  P. 


495 

gedruckt,  erschien  S.  P.  1827.  ~  Prof. 
St^nhowski  in  S.  P.  hat  eine  Schrift 
dagegen  lieransgegeben:  Lettre  de  Tn- 
tundju-Oghi-Moiistapha-Aga  S.  P.  1828, 
und  H.  verschiedener  gräiihclier  Irr- 
thümer  geziehen.  —  Der  Wasserfälle 
erwähnen:  Diirich  Bibl.  Slav.  p.  219 
ir.    Engel    Gesch.    d.    Ukraine    S.  15. 

-  Parrot    über    Liven  Erläiit.  Nr.   19. 

—  Karaiiizin  Gesch.  Kussl.  1.  264.  — 
Schlözer  Nord.  Gesch.  8.  527  (eine 
Aufzählung  u.  Erklärung).  —  Stritter 
II.  (Slavica).  982  ff.  —  Thuninann 
Untersuchungen,  Anhang,  S.  386  ff.  — 
DobroNvsky  erwähnt  ihrer  in  der  Vorr. 
zu  Puchmayer's  russ.  Gramm,  nur  im 
Allgemeinen.  —  Die  jetzt  gangbaren 
Namen  b.  Swiecki  s.  v.  porohy.  (Vgl. 
die  erschöpfende  Zusammenstellung  der 
0(jellen  und  Analyse  der  Namen  in: 
Slowanske  Starozitnosti  §.  28  Nr.  15, 
Ite  A.   p.  558—560.) 

•S.  136  Anm.  Graf  Iw,  Potocki  Archeologiceskij 
Atlas    europejskoj    Kossii.  S.  P.   1823. 

^—  137        —  Serg.    Nik.    Glinka,    Istoria    ruskaja, 

3  A".  Moskau  1825  14  Bde.  —  Ka- 
ramzin  Gesch.  d.  russ.  Reiches,  Riga 
1820  -  26.  8.  ßd.  1-6  von  Hauen- 
Schild.  7  —  8  (bis  1582)  von  Oerfel 
(wird  fortges.)  ;  im  Auszug  von  ^4.  W. 
Tappe,  Ir  Bd.  Dresden  u.  Lpzg.  1828. 
8.,  polnisch  von  Gre(/.  Buczynski 
Warschau  1824-26.  -  Alph.  Rabhe 
Resume  de  Ihist,  de  Russie  Ir  Bd. 
Paris  826.  18.  Sehr  schlecht,  nach 
Levesque,  weiss  von  Karamzin  nichts. 

—  138  Z.  4  „Die  Zahl  der  unirten  Griechen  in 
Russland,  männl.  u.  weibl.  Geschlech- 
tes, belief  sich  im  J.  1825  auf  mehr 
denn   1,590.000  Seelen   vertheilt   in  4 


496 

Eparchien.  (Koppen,  24.  Octob.  1824). 

—  Vereinigung  der  Unirten  in  West- 
russland  mit  der  JVInt(erkiiche:  Bitt- 
sciirift  der  nnirten  Biscliüfe  1  März, 
Synodenstatiit  6  April ,  Bestätigung 
des  Kaisers  durcli  Ukas  vom  5. Juli  1839. 
(Allg.  Zeitg.  1839  Beil.  267.)  -  Das 
Ende  der  Union  (aus  der  Sewernaja 
Pcela,  wichtig:  Allg.  Zeitg.  1839  Beil. 
329.  .330). 

*S.  140  Aniii.  Slavv.  Volkslieder  übers,  v  J.  Wenzig, 
Halle  830.  8.  —  Dainos  o.  littauisclie 
Volksl.  gesamm.  sibers.  u.  m.  Urtext 
herausg.  v.  L.  J.  Rhesa,  Königsb. 
825.  8.  —  W.  Grrhard  Wila,  serb. 
Volksl.  u.  Heldenmärchen,  Lpz.  828. 
2  B.  S.  —  P.  V.  Götze  serb.  Volksl. 
S.  P.  827.  12.  ^  F.  L.  Öelakowsky 
litewske    narodnj    pjsne,    angek.   82G. 

—  Pet.  Dainko  sto  ino  petdeset  po- 
svetnih     pesmi  ,    vv    Radgoni    827.    8. 

—  La  Guzla  ou  choix  de  poesies  illy- 
riques,  rec.  dans  la  Dalmatie,  la  Bosnie, 
la  Croatie  et  1  Herzegowine.  Par.  827. 
8.  Enth.  27  illyr.  Volkslieder,  Heraus- 
geber, wie  man  sagt,  Graf  Sorgo. 

*—   141  —    2  Bukvar   jazyka    ruskago  s  procim  ru- 

kowodijem  nacinajuscicli  ucitisja.  Ofen 
822.  8.  —  Katicbisis  malyj  ili  nauka 
prawoslaw^no  christianskaja  ....  so- 
stawlj.  w.  Ungwarje  Ofen  801.  8.  — 
Einige  russniakische  Bücblein  im  Ofner 
Schul  bücherverzeichnisse. 
S.  145  Z.  39  ,,Von  Grecs  russ.  Gramm,  wurden  nur 
die  Probeiiefle  1823  an  slaw.  Philo- 
logen ausgegeben;  das  Werk  selbst 
erscheint  gegenwärtig  (18*35)  in  S.  P. 
unter  d.  T.  Ruskaja  grammatika,  1  Th. 
825.  Dasselbe  wird  ins  Franz.  übers, 
von    Ch.    Ph.    Reiff,    der  schon  im  J. 


497 

1821  e.  niss.  Sprachlehre  f.  Ausländer 
herausgegeben  hat.  —  Pliil.  Sivjefnoj 
kurzgefasste  Flexioiislehre  der  russ. 
Sprache,  Riga  825.  8.  -*  Tappe  6  A. 
Riga  826.  8.  —  /.  Heard  a  practical 
graminar  of  the  russian  langu.  S.  P. 
827.  2  Bde.  -  Schlüter  Vers.  e. 
theor.  prakt.  russ.  Spraclil.  S.  P.  825. 
—  Midi.  Radugin  kratkaja  ross.  Gramm. 
M.  826.  —  Heym  russ.  Sprachl.  N.  A. 
von  S.   WeUzien  Lpz.    831.  8. 

S.  146  Z.40.  49.  Joh.  TaUscews  Wß.  ist  aus  Versehen 
zweimal  angeführt;  man  lese:  /.  T. 
francuzsko-rossijskij  slovvar  (nach  dem 
Wß.  der  franz.  Akad.)  S.  P.  798.  2 
Bde.  8.,  2  A.  S.  P.  816.  2  Bde. 
4.,  3  A.  S.  P.  825.  4  Bde.  -  Slovvar 
ross.  rjecenij,  soderz.  w  lat.  lexikonje 
prof.  Kroneberga  2  A.  M.  824.  3  A.  ? 
825.  -  And.  Iw.  Lebedew  ross.  la- 
tinskij  SlowarM.  825  -  26.  8.  —  St. 
Oldekopp  I.  Ewsfafij  Oldekcp  kar- 
mannyj  slowar  ross.-  njem.  i  njem.- 
ross.  S.  P.  824 --25,  4  Bde.  16.  — 
'^A.E.  Schmidt  russ.  deutsch,  u.  deutsch- 
russ.  Wß.,  Lpz.  0.  .J.  (um  1822)  ste- 
reotyp. 
*S.  199  —  27  Sisman  wird  von  dem  Herausgeber 
des  Osman  von  Gundulich  (Ragusa  1826) 
für  SigisriuHid  gebraucht.  (Nach  e[ner 
anderswo  befindlichen  Anmerkung  Sis- 
man, türkisch=  der  Dicke.  Hammer.^ 

—  ^''^  Uemctrius    6    xcö^iarixog    s.     %afiattavo5 

Archiepisc.  ßulgariae  damit  circa  a. 
1203.  „Sfepfiani  Ducae  (sie)  regis 
Serbiorum  quaestiones  et  Demetrii  re- 
sponsiones  liturgicae  numero  XIII,  non- 
dum  editae,  Monaci  in  codic.  Bavar. 
LXII."  Fabricii  ßibl.  graeca  ed.  Har- 
less.  XI.  605. 

32 


498 

*Ebd.  Im  Anfange    des    XV.  Jli.  kam  Mönch 

Lazar  aus  Serbien  nach  Russland  u. 
verfertigte  in  Moskau  auf  dem  gross- 
fürstl.  Palastthurm  eine  Wunderuhr, 
casomer,  welche  die  Stunden  mit  dem 
Hammer  auf  eine  Glocke  schlug  „celo- 
wekowidno,  samozwonno,  i  stranno- 
Ijepno."  S.  Grec-Linde  Dodatek  II.  390. 

*S.  215  Z.  30  „Tempore  Vladislai  II.,  regis  Hungariae, 
Turcarum  imperatores  in  expeditio- 
nibus  diplomaticis  lingua  serviana  usos 
fuisse,  clarissime  patet  ex  literis  ejus- 
dem  regis  ad  praetores  et  rectores 
insulae  et  senatus  civitatis  Chiorum, 
datis  26.  Deb.  1503,  quibus  confectas 
cum  Bajesidc,  Turcarum  imperatore,  ad 
Septem  annos  inducias  communicat,  ubi 
sequentia  occurrunt:  Accedente  iteoi 
saniori  confoederatorum  nostrorum  con- 
silio,  et  praesertim  dicti  illustrissimi 
dominii  (i.  e.  Venetorum)  cum  Turco 
ipso  supplice  pacem  poscerite,  prae- 
missis  ex  causis  inoti,  repudiato  pacis 
nomine,  foedus  induciale  et  quidem 
septennale  fclici  ominc  inivimus,  et 
pro  ulteriore  salule  Ciiristianitatis  quie- 
tem  potius  hoc  tempore  amplecti,  quam 
coeptum  bellum  urgere  atque  prosequi 
statuimus;  sicque  juxta  continentias  ca- 
pitulorum  et  articulorum  praeseutibus 
annexorum  et  a  Turco  ipso  ad  nos 
sub  suis  signis  imperialibus  et  authen- 
ticis  transmissoriun,  fideique  sacramento 
in  ulterutrum  firmatorum,  et  quac  ex 
serviana  Ihtgna,  (/na  Caesar  ipse  uii- 
tur^  in  latinam  suo  tenore  lideli  inter- 
prete  convertenda  cin-avimus,  et  do- 
minationibus  Vestris  praeseutibus  excm- 
plum  sub  sigillo  nostro,  quo  ut  rex 
Hungariae  utimur,  fransmittimus."  Ka- 


499 

fona  hisl.  cri<.  XVIll.  349.  —  Auch 
die  walachisclicn  und  rnoldauisciicn 
Fürsten  stellten  ihre  Urkunden  im 
XV.  —  XVI.  Jalirh.  in  der  altslawi- 
schen Kirchensprache  oder  einem  Ge- 
mengsei aus. 
*S.  21 1  „In  Serbien,  Bosnien  und  in  der  Her- 

zegowina hat  man  kaum  in  hundert 
Dörfern  eine  Schule,  sondern  dieje- 
nigen, die  Popen  o.  Raludjer  werden 
wollen,  lernen  in  den  Klöstern  bei  den 
Kahidjern,  o.  in  den  Dörfern  bei  den 
Popen.  In  einem  jeden  Kloster  hat 
man  einige  Djaken,  voii  denen  die  klei- 
neren im  Souuner  Ziegen ,  Schafe, 
Lämmer,  Schweine  etc.  hüten,  Knob- 
lauch setzen  u.  jäten,  ackern,  Heu 
machen ,  Zwetschken  sammeln  etc., 
die  grösseren  aber  mit  Aqw  Kahidjern 
auf  pisanije  ausgehen:  im  Winter  hin- 
gegen, nachdem  sie  (gewöhnlich  jeden 
Abend  u.  Morgen}  Holz  gesammelt  u. 
die  Pferde  der  Kaludjer  getränkt,  die 
jüngeren  die  Zimmer  aufgeräumt  ha- 
ben, versammeln  sie  sich  in  dem  Klo- 
sterschulzimmer ,  Dzagara,  wo  ihnen 
ein  Kaludjer  oder  Djakon  zeigt,  wie 
sie  lesen  sollen  (catiti),  o.  es  lernt 
ein  jeder  bei  seinem  Geistlichen  (swog 
duownika).  Viele  verlernen  im  Som- 
mer, was  sie  den  Winter  über  gelernt 
haben,  u«  so  lernen  einige  4  —  5  Jahre 
lang,  u.  wissen  am  Ende  nicht  zu 
lesen.  Die  Popen  haben  ebenfalls 
einen  o.  zwei  Djaken,  die  gleichfalls 
das  Vieh  hüten ,  alle  Hausarbeiten 
verrichten  u.  Weihwasser  in  die  Dörfer 
tragen.  Ist  o.  entsteht  irgendwo  in 
der  Nahija  e.  Schule,  so  führen  die 
Leute    aus    den    Dörfern    ihre  Kinder 

32* 


500 


dem  Madjisioi-  zu,  zaiilen  iiioiiallicli 
u.  er  lehrt  sie.  In  der  Schule  müssen 
die  Kinder  von  Sonnenaufgang  bis 
Sonnenuntergang  sitzen  u.  lernen,  die 
Zeit  des  Mittagessens  ausgenommen,  u. 
wenn  sie  lernen  u.  lesen  (uce  i  cate), 
müssen  alle  laut  u.  dermassen  sclireien, 
dass  man  in  der  Schule  nichts  ver- 
stehen kann.  Sowohl  in  den  Klöstern 
u,  bei  den  Popen ,  als  auch  in  den 
Schulen  fangen  die  Kinder  an  aus 
Handschriften  lesen  zu  lernen^  denn 
man  hat  keinen  Bukwar:  z.  B.  der 
Lehrer  schreibt  dem  Kinde  vor,  was 
es  heute  lernen  soll,  weiss  es  dies, 
so  schreibt  er  etwas  anderes  u.  s.  w. 
Wenn  irgend  ein  Schüler  so  aus  Hand- 
schriften die  Bekawica  erlernt  hat,  so 
ninniit  er  den  Caslowac  zur  Hand,  u. 
hat  er  diesen  ausgelernt  u.  einigemal 
durchgelesen,  so  nimmt  er  den  Psaltir, 
u.  wer  den  Psaltir  erlernt  u.  einige- 
mal durchgelesen  hat,  der  hatte  alle 
Bücher  ausgelernt  (izTicio  svu  knigu); 
dann  kann  er,  wenn  er  will,  pop, 
kaludjer,  madjistor,  proia,  arkimandrit, 
u.  wenn  er  genug  Geld  hat,  auch  wla- 
dika  werden. 

In  den  letztverflossenen  Jahren,  iinter 
der  Regierung  Crny  Georgs ,  hatte 
man  beinahe  in  allen  Festungen  u. 
Städten,  ja  sogar  \n  einigen  Dörfern 
Schulen  errichtet.  In  Belgrad  war 
ausser  zwei  kleinen  Schulen,  einer  für 
städtische  u.  der  andern  für  getaiifte 
türkische  Kinder,  eine  grosse  (liohe) 
Schule,  wie  sie  die  Serben  nie  bis 
dahin  gehabt  hatten  u.  auch  jetzt 
nicht  besitzen.  Sie  entstand  im  J.  1808; 
der    erste    Lehrer    an    derselben    war 


501 

der  selige  Iva»  Jiigowic  (o.  Jowati 
Savvic) ;  auf  ihn  foli^teii  die  Hrn.  Milko 
Kadoiiic,  Lazar  Wiriiovvic,  Glisa,  dessen 
Zunamen  icli  nicht  kenne,  u.  Sinio  Mi- 
latinow  Simonowic.  In  die  grosse 
Scimle  naliin  man  nur  solche  Jünglinge 
auf,  die  schon  lesen  n.  schreiben  noth- 
diirftig  gelernt  hatten,  u.  lehrte  in  ser- 
bischer Sprache  die  Geschichte  aller 
Völker  vom  Weltbeginne  bis  heute, 
Erdbeschreibung  u.  Statistik  der  ganzen 
Erde,  die  Rechte  (ich  glaube,  die  rö- 
mischen), etwas  Physik,  die  Lehre 
von  den  Briefschaften  u.  die  Stylistik, 
Rechnungslehre,  die  deutsche  Sprache, 
u.  Moral.  Für  alle  diese  Wissenschaften 
waren  drei  Lehrer  da,  u.  der  Kurs 
dauerte  ebenfalls  drei  Jahre.  {Wuk  Le- 
xicon  —   1818     -  s.  v.  skola.) 

'S.  219     Z.     29    st.  opisanije  1.  napisanije. 

-     224  Serbische    und    bulgarische    Schriften 

aus  Joann  Exarch    von  Kalajdovnc : 
p.  17,  57.         Joann  Exarch,    J.  Damasceni  theologia 
Ms.    XII.    Jahrb.    Ein    anderes    aus  d. 

XVI.  J. 

p.  60.  Hexaemeron.  Ms.  J.  1263.  Synodalbibl. 

zu  Moskau, 
p.  63.  118.        Copien   des  Hexaemeron   aus  d.  XV— 

XVII.  Jahrb. 

p.  75.  Joann  Exarch,   J.    Damasceni   de  octo 

partibus  orationis   Ms.  J.   1522  —  39; 
item  andere  Schriften,  Codices  p.  80 
81,  124  u.  115     117. 

p.  88.  Mönch    Chrabr,    J.    1348  Synodalbibl. 

Nr.  145.  Slova  Grigor.  XIV.  Jahrb.  In 
Privathänden.  Ljetownik  Georgia.  J. 
1386.  Synodalbibl.  Nr.  148.  0  troici, 
J.  1345.  Synodalbibl.  Nr.  38. 

p.  90.  Prolog    XIII.    Jahrb.  ßibl.  Rumjancow. 

p.  95  Antiochi    Pandecta.   Bulgar.  Ms.  in  der 


502 


ßibl.    des    Neu-Jerusalemer    Auferste- 
linngsklostors  Nr.  49. 

p.  97,   J04.       EvangeliumJ.  1144.Synodalbibl.Nr.  404, 
p.  98,  14.         .loaiin.   Exarch,  J.  Damasceni  theologia 
XV.  Jalirli.  Synodalbibl.  Nr.  20.  zweites 
Exemplar  p.  99. 

p.  100.  15.  Kg.  Symeon's  Excorpta  ans  Chryso- 
slomus,  samint  prilogi.  Ms.  XVI.  Jahrb. 
Tolstoj  Nr.  I.  47.  Sobornik,  mit  e. 
Rede  Joaim  Exarcirs  ebd.  III.  92.  Gen- 
nadij Zlatoiistyj ,  wahrscheinlich  ein 
Bulgare.  .Teremija ,  ein  bulgarischer 
Pope,  häretischer  Scribent.  ßogumil, 
ebenfalls  bulg.  Pope  u.  Häretiker. 

p.    113,   117.       Verzeichniss    alter    serbischer  Drucke, 
und  (Anm.  80)  Erwähiunig   serbischer 
Codices, 
p.   114.  Dometian's    Biographie    d.    heil.  Sawa. 

p.  110,  62.  Benediktes  üebersetzung  der  Besedy 
.J.  Zlatoiistago  na  Sestodtiew,  Ms.  J. 
1426.  Synodalbibl.  Nr.  36.  37.  Trebnik 
serbskij,  XIV  -  XV.  Jahrb.  Synodal- 
bibl. Nr.  324. 
p.    120.  Ein  ungenannter  serbischer  Grammatiker. 

p.  124,  82.  Joann  Exarch  slovo  na  wsestije  Gosp. 
Jisusa  Christa  Ms. 

p.    124,    83.       Zwei  Slowa  ebdas.  zweifelhaft. 

Bulgarische  üebersetzung  der  Reden 
Gregors  v.  Nazianz.  russ.  Copie  XI. 
Jahrh.  u.  serbische  üebersetzung  dess. 
Werkes,  [Koppen  bibliografic.  listy 
Nr.  7.)  Jurij  Wenelin  Drewnyje 
i  nynesnyje  Bolgare  w  politiceskom, 
narodopisnom,  istoriceskom  i  religio- 
znom  ich  otnosenii  k  Rossianam. 
T.  1.  Mosk.  829.  8.  -  „Auf  Ko- 
sten der  Akademie  soll  zu  Folge 
Allerh.  Bestätigung  Wenelin  die  iMol 
dau  u.  Walachei,  z.  Tb.  auch  die  Bui- 
garei  u.  Kumelien  bereisen,  auch  nacli 


503 

dem  Athos  gelin."  (Koppen  29.  Üec- 
1829.) 
*S.  224.  Z.  5  Der  ii.  Konslantiii  war  ein  Freund 
des  iiaclimaligen  Patriarchen  Photius. 
Vgl.  Dohrowsky  Cyrill  &.  Method. 
Von  Pliotius  haben  wir  einen  Brief  an 
den  König  Boris  o.  Michael  von  Bul- 
garien ,  bei  welchem  sich  Method  u. 
wahrscheinlich  auch  Konstantin  aufge- 
halten haben.  „Familiam  ducit  in  edi- 
tione  epistolartim  Phofü  prolixa  illa  et 
lectu  digua  epistola  de  fide  et  Sep- 
tem synodis  et  de  boni  principis  officio 
ad  Michaelem  Bntgariae  principem 
nuper  baptizatum.  Nota.  Princeps  ille 
sive  rex  ßulgarorum  Bogaris  in  sacro 
baptismate  nomen  imperatoris  Michaelis 
adscivit,  ut  ex  Joanne  Curopalate  nar- 
rat  Baronius  ad  a.  845  n.  6."  Fabric. 
Bibl.  gr.  ed.  Harl.  XL  11  sq. 
*Ebd.     Z.     26        St.  1385  1.  1350 

—        —    28         St.  Manas  1.  Manasses. 
*S.  225  Eutfiymins,    Patriarch  von  Trnowo  in 

Bulgarien,  schrieb  1)  Leben  der  b. 
Paraskeve,  vgl.  Bozidar's  Molitvoslov; 
2)  Zitije  prepodobnago  llariona  epi- 
skojja  Moglenskago ;  3)  Zitije  Joana 
Rylskago,  letztere  beide  in  e.  Pana- 
girik  in  Fol,  im  kl.  Sisatowac.  — 
Joan  Rylskij  lebte  unter  d.  bulgar. 
Car  Peter  u.  starb  70  J.  alt ;  seine 
Gebeine  wurden  unter  d.  Kaiser  An- 
dronik  durch  einen  König  nach  Ostry- 
gom  (Gran)  in  Ungarn  entführt,  aber 
restituirt  nach  Sredec  im  J.  d.  Welt. 
6695  =  1187,  und  zuletzt  unter  Jo- 
hann Asjen  nach  Trnowo  verlegt. 

-  243     Z.       9    St.  Agalich  1.  Agatich  (1617). 

—  246     —       7    Dvva    semenista,  u     Zadru ,   podignuta 

od     arcibiskupa     Vicka    Zmajevica,   i 


*S.  267  - 

11 

*__   280  — 

29 

S.  287  - 

16 

504 

Omisu,  od  biskupa  Kadcica,  bise  opre- 
deleni  za  iiauk  glagoljskoj^a  redov- 
iiictva  —  obadva  davno  jur  ukinuta. 
(Danica  illrska  1841  ISr.  47.) 
*ebd.  Z.  21.  22  Bei  Asseinani  IV.  435  Zwodski  und 
Stehnowski. 

S.  251  -    39         Petr.  Hectoreiis  „inter  cetera  eleganti 
metro  Nasonem  de  reined.  amor.  in  illy- 
ricnin    idioma  cum  magna  oaniium  ad- 
miratione   transtulit,    vel  minimum  iola 
non    oinmittens"    —   (vor  d.  J.  1532), 
V.    Prihoevo    orat.    de    orig.  success. 
Slavorum  Yen.  1532.  4. 
St.  1547  1.  1574. 
St.  Wittenberg  1.  Würtemberg. 
In  Krain   begann   der  Domberr  Matth. 
Ravjnkar  eine  neue  Epoche  der  krai- 
niscben   Literatur    durch    s.    Bearbei- 
tung   eines  beliebten  Andachtsbncbes : 
Svcfn    nuisha,    dann    der    in    den   k. 
baier.    Schulen  vorgeschriebenen  bibli- 
schen Geschichte  des  A.  u.  N.  Testa- 
4iients    u.   a.  Volksbücher.     Eine  nicht 
germanisirende  Syntax   und   feine  Be- 
nützung   zum    Theil     verschwundener 
Wortstämnie  zeichnen  alle  s.  Schriften 
in  sprachlicher  Hinsicht  sehr   vortheil- 
haft  aus.  —  Für  den  windischen  Dia- 
lect   Kärntens   arbeitet   Urhan  Jaruik 
in  Klagenfurt. 

*S.  292       Anm.      Dobner  monum.  st.  1764.  1.  1774. 

*S.  293  3  F.  Palacky  Würdigung  der  alten  böh- 

mischen Geschichtschreiber,  eine  ge- 
krönte Preisschrift.  Prag  1830.  8.  - 
Ebd.  Z.  15  St.  französischen  1.  frän- 
kischen, 

*  -  338  -  22  Biographie  u.  vollständige  Aufzählur)g 
der  Schriften  des  Comenius  von  F. 
Palacky  ,  im  Casop.  Cesk.  Museum 
1829.  Heft  3 


505 

S.  350  Z.  4  Sixf  u.  Ambros  sind  die  Brüder  Sixl 
II.  Ambras  v.  Offersdorf,  und  das 
hier  Angeführte  gehört  zu  S.  342 
Z.  18. 

—  351  —  2  Joh.  (jei/^iVÄy  6* ^r«^  ist  dieselbe  Person 
mit  Mr.  Joh.  Cerm).  S.  329,  und  das 
hier   Gesagte  gehört  zur  S.  329  Z.  23. 

■\S.  367  17    Starj  letopisowe  cestj   od.  r.  1378  do 

1527.  Prag  829.  8.  (3r  Thl.  von  Do- 
browsky's  Scriptores  rerum  boheniicar. 
enthält  Pokracowanj  w  kronice  Pri- 
bjka  Pulkawy  u.  s.  w.) 

"•'S.  369  St.  Canidio.  1.  Candida. 

*  378    —     10.  Ueber  die  Sotaken- hat  Prof.  Rucharski 

einige  Nachrichten  an  Ort  und  Stelle  ge- 
sammelt, die  ich  aus  seinen  eigenen 
HS.  abgeschrieben  habe. 

*  379     Anm.   1   „Sollte    zu  Nestors  Zeiten  die  slove- 

nische  Schrift  bloss  in  Russland  und 
Bulgarien  gewesen  sein  ?  Nicht  auch 
in  Böhmen  und  vorzüglich  in  den  un- 
zähligen griechisciien  Klöstern  in  Un- 
garn, wo  noch  im  J.  1204  nur  ein 
einziges  coenabium  pure  latimnn  (Bar- 
dosy  Supplem.  Analector  Scepus.  Leut- 
schau  1802  p.  196)  war?''  Schlözer 
Nestor  III.  176. 

*—  385  Z.  30  (Benedicti)  Pametne  knihy,  kdez  se, 
cokoliwek  se  pred  lety  sty  a  nekte- 
rymi  stalo,  wyprawuje.  MS.  in  archivo 
Civit.  Leutschov.  A.  1609. 

*—  398  Zu  §.  46  /.  Holli  Virgilowa  Eneida,  Tyrnau 
I  828.  8.  —  Imman.   Willi.  Simko,  Pre- 

diger in  Trencin,  ausser  Gedichten: 
SuuHiia  nabozenstwj  krestanskeho  , 
Brunn  825.  8.,  Obet  srdce  aneb  inod- 
litby  Skal.  826.  12  (in  Reimen).  - 
Maf/i.  Bla/ia,  Prediger  in  St.  Niklas 
u.  Senior:  Näbozne  käzänj  na  wsecky 
nedele    a  evang.    swatky  celeho  roku 


506 

cjrk.  Leiitsch.  828.  8.  -  G.  Michalko 
Rozmlouwänj  o  skodliwosti  powery. 
Presb.  802.  8.  —  Tahlic  st.  Januar 
1832.  —  Georg  Rohoiii,  Pfarrer  zu 
Glozau  u.  Senior,  st.  Oktober  1831, 
ungefähr  GO  Jahre  all.  —  Weitere 
Schriftsteller  :  Jacob  Jacobaei  um 
1043  (Horanyi  11.  194),  Johannes 
Abrahamffy ,  Franciskaner,  schrieb 
1693—97.  St.  1728  (Schriften  b.  Ho- 
ranyi I.  2.),  Benignus  Snirtnik,  Fran- 
ciscaner  (Horanyi  III.  285),  Samuel 
Lisowini  (Horanyi  II.  492),  Joannes 
Walasjk  (Horanyi  III.  483).  Unter  den 
Oiiellcn  noch  Joh.  Sani.  Klein  Nach- 
richten von  den  Lebensumständen  u. 
Schriften  evangel.  Prediger  in  Ungarn 
Lpz.  Of.  789. 

S.  398  Z.  35  J.  Jmigmann's  bist.  lit.  ceske  Fr.  825. 
8.  enthält  auch  die  slowak.  Schrift- 
steller und  ihre  Erzeugnisse  sehr  ge- 
nau und  vollständig  verzeichnet. 
—  399  —  34  Hr.  Super.  M'o?'bs  leitet  den  Namen 
Polen  von  den  Bulunen,  einer  sar- 
matiscben  Völkerschaft  nahe  an  der 
Weichsel,  deren  nur  Ptolemaeus  gedenkt, 
ab.  Die  Namen  mögen  immerhin  iden- 
tisch sein;  aber  Hr.  W.  folgert  offen- 
bar zu  viel,  wenn  er  sagt,  die  Ablei- 
tung von  pole,  das  Feld,  die  Ebene 
finde  darin  einen  Widerspruch,  dass 
Nestor  die  P.  an  mehreren  Ort3n  auf 
Berge  setzt.  -  Denn  a  potiori  5l  de- 
nominatio,  und  das  bei  Pt.  verkom- 
mende Bulanes  ist  viel  vrahrsjhcin- 
licher  durch  fremdzüngige  Detorsi)n  aus 
dem  slawisch  -  inländischen  Pdjane. 
als  umgekehrt,   entstanden. 

S,  403     —    36     P.   Th.   Waija  bist,  xiazat  i  krö.  pol- 
skich  W.  770.  8.  N.  A.   Wilna  Ö4. 


507 

*  Ebd.  Amn.  2  Lukasz  Golebiowski  o  dzieiopiscach 
polskich,  Warsz.  826.  8.  —  Mich. 
Oqinshi  Meinoires  siir  la  Pologne  et  les 
Polonais  depiiis  1788  jusq»!'  a  la  fin  de 
1815.  Par.  826  2  voll.  (Tciitsch  Lpz. 
1827.)  wichtig.  —  Alexander  v.  Op- 
peln-  Bronikowski  Geschichte  Polens. 
Dresden  1824.  4  Bde.  12.  -  Prokosz 
ist  ein  Machwerk  von  1711  oder,  wie 
Lelewel  will,  gar  1764.  (Bandtkie.J 
^S.  410  Sprachschriften  nacli  Szopovvicz: 

1465.  Parkosz  J^/A'.  (.'ognitio  cominodosa  Po- 
lonoruin  linguae  in  scripto  servitio  MS. 

1518.  Zaborowski  Stam'.sl.  Orthographia  s. 
modus  recte  scribendi  et  legendi  polo- 
nicnm  idioina,  quam  utilissimus. 

1551.  Seclueyan  Joh.  Ortografija. 

1568.  Sfatorius  o.  Stowski  Polonicae  gram- 
matices  institutio. 

1594.  Jamiszowski  .Joh,  Nowi  cliarakter 
polski. 

1621.  1622.  Kuap.  1638.  Roter.  1668.  Do- 
bracki.  Vgl.  Bentkowski. 

1679.  Mettinski  Gramatyka  jezyka  polskiego 
(lateinisch). 

1770.  Szylarski  gramatyka  pierwsza  po 
polsku. 

1776.  Dvdziuski    Mich.    Zbiör    potrzebniey- 

szych  rzeczy  w  oyczystym  jezyku. 

(1827.  Szopowicz    Franc.    Prof.    Mat.    Univ. 

Jagiell.,    Uwagi    nad    samogloskami    i 

spoIgJoskami.   Rrak.    1827.  8.) 

S.  410     Z.     47    Joh.    Pet.    Bogdanowicz    Dworzecki 

gramm.  iezyka  polskiego  2  A.  Wilna  824. 

*Ebd.  Ä'.  Pohl  theor.  prakt.  Gramm,     d.    pol. 

Sprache.    Bresl.    829.    8.    -     ./.    Po- 

plimki.,  Lehrer  am    (jymn.    zu    Lissa, 

Gramni.  d.  poln    Spr.  nach  Kopczynski, 

Cassius,  Bandtkie  u.  Mrongovius.  Lissa 

n.  Gloffau  829.  8.  —   M.  Snchorowski 


508 

llieorot.  prakt.  Anleitung  z.  gründl. 
Interr.  in  d.  poln.  Spr.  Leinb^j.  829. 

•'\S.  4 1 1  Ainii.  /.  S.  Bundtkie  neues  Taschen  \VB. 
der  deutscli.  poln.  n.  französ.  Spr. 
Bresl.    828.  8. 

*—  423  Z,  12  ^jPsalferi'um  Davüh'cum  trilmgric  in 
St.  Florian.  Katliariiia  L,  Ferdinands 
I.  Tochter  1533-1572,  lebte  als  ge- 
schiedene Gemahlin  des  Polenkönigs 
Sigmund  August  zu  Linz,  kam  häufig 
nach  St.  Florian,  wählte  dort  ihr  Grab, 
und  schenkte  unter  audern  auch  die- 
sen Psalter  dem  Stifte.  Sie  hatte  ihn 
von  Krakau  mitgebracht.  Er  gehörte 
Hedwigs  Schwester,  der  schönen  und 
unglücklichen  iMaria  von  Ungarn,  Ge- 
mahlin Sigmunds  von  Böhmen — Luxem- 
burg ,  deren  Namensziffer,  das  M., 
überall  angebracht  ist.  Der  gelehrte 
G.  S.  Bandtkie  hat  so  eben  ein  eigenes 
Scln-iflchen  über  die  Handschrift  heraus- 
gegeben." Wien  Jahrb.  Lit.  Bd.  XL. 
1827. 

*S.     424.  Das  erste  gedruckte  Buch  in  polnischer 

Sprache  ist  von  1522:  Das  Leben 
Jesu  Christi  vom  h.  Bonaventura,  über- 
setzt von  Balfh.  Opec  für  die  Königin 
von  Ungarn  u.  nachherige  Gemahlin 
Johann  Zapolyas,  die  polnische  Prin- 
cessin  Elisabeth  o.  Isabella.  Die  1 
Ausg.  ist  so  selten,  dass  man  nur  noch 
ein  Ex.  davon  in  Warschau  hat,  wo 
aus  81  Klöstern  die  Bücher  zusam- 
mengebracht wurden.  Der  älteste  pol- 
nische Druck  dagegen  ist  vom  J.  1475 
zu  Breslau,  Vaterunser,  Ave  und  Glaiibe, 
in  Bischof  Konrads  von  Breslau  Sta- 
stuten,  2  A.  Nürnbg.  1512.  (Die  Sta- 
tuten sind  lateinisch).  Der  erste  Druck 
in  Polen  vom   1465  ist  lateinisch:   Jo- 


509 

haimis  de  Tiirrocri-mula  oxposJlio  in 
Psalterimn.  ( Batidlkie.) 

^'8.  471  Z.  21  Paiiowaiiie  Kaziinierza  Jagiell.  NNy.jeie 
z  rekop.  J.  Albt^rlraudego  vvyd.  Zegola 
Onaccwicz  W.  1826  Ir  ßd. 

* —    472  Miscellaiiea    Cracoviensia    Nova.  Fase. 

I.  Crac.  829.  4. 

*-    473  (Th.  Czacki)  I.  geb.  1766  st.  8.  Febr. 

1813. 

*  477  —  2  Jolt.  Lufh(\  Cassius,  evaiig.  General- 
sciiior  d.  Grossli.  Posen  u.  Pastor  zu 
Lissa,  starb  22.  Apr.  1827  im  83  Jahre 
seines  Lebens. 

*—    478  T.  Szunis/it    krötki  rys  lustorij  i  li<c- 

ratnry  pojskiej.  Warscli.   1824. 

*—  482  Anm.  Jlhr.  Ge.  Schwarz  kurze  Einl.  z  Geog^r. 
d.  Vorderdeutsclilands  Slawischer  iNa- 
tion  n.  mittlerer  Zeit,  Greifsw.  1745.  — 
F.  V.  Re.sforf  topogr.  Beschr.  d.  Pro- 
vinz Pommern,  Berlin  826.  8. 

*—  483  —  4  st  Natniuimi  1.  Neiunuiin.  Zu  Anm.  i}: 
Audr.  Seiler  kurzgef.  Gü^mm.  der 
Sorbenwendischen  SpracheR.  d.  Bu- 
dissiner  Dialekte.  Budissin  (Bautzen) 
830    8 

*S.  484  Z.  28  /.  D.  Schulze  Abriss  e.  Gesch.  d. 
Leip.  ünivers.  im  Laufe  d.  18.  Jahrh. 
p.  206.  fF. 

*—    485    Anm.  4  st.  699  1.  696. 

* —  486  —  2  Fritze  übersetzte  auch  D.  Rosenmül- 
ler's  ersten  Unterricht  in  der  Religion. 


• 


Blattweiser. 

Der  Blattweiser  enthält  in  der  Regel  nur  slawische  National- 
schriftsteller, inid  von  Ausländern  bloss  diejenigen,  die  slawi- 
sche Sprachbücher,  Grammatiken  und  Lexica,  herausgegeben 
haben.  Die  wenigen  in  dem  Werke  vorkommenden  und  in  den 
Zusätzen  und  Berichtigungen  bereits  angezeigten  Druck-  oder 
Schreibfehler  in  den  Eigennamen  sind  im  Blattweiser  berichtigt, 
und  die  Vornamen,  wo  es  möglich  war,  vollständiger  ausge- 
schrieben, wesshalb  man  sich  in  abweichenden  Fällen  an  dorn 
letztern  zu  halten  hat.  Die  eingeklammerten  Zahlen  weisen  auf 
die  Anmerkungen  hin. 


A. 

Ablesimow  Alxr.  Anis.  ....  171 

Abrahamffy  Job ÖOG 

Abrabamides  Isaak 385 

Abrabamowic  Tbeocl 222 

Adamczewski  Jac 476 

Adamowicz  Adam 477  (410) 

Adriasci  Vital 261 

Aeneas  Job 337 

Agaticb  Job 243 

Agatbon.   Priester 155 

Acbilles '  Job 345 

Aigner  Pet 478 

Albati  Mattb 253 

Albertrandy  Job.  Bapt.    .    .  471,  509 

Albertus,  Ärcbidiakoii 256 

Alexander,    König 224 

Alexjejew   Pet (126) 

Ambrosius    Ge 390 

Ambrosy  And (386) 

—        Job 392 

Amort    Laur 368 

Anastasewic  Bas.  Greg.  .    .     187  (190) 

Ancicb  Job 262 

Andrea  Laur 351 

Angielicb  Frz 263  (263) 

Anonymus,  Cbronograpb    .    208  (196) 

Auticca    Job.  Luc 261 

Anton  s.  Dalmata 

Apollos  s.  Bajbakow 

Appendini  Frz.  Maria  260  (3,2^8,  261) 

Aquiliuas  s.  Orlicny 

Aquilini  Ign.  .    .    .' 261 

Arsenjew^Coust.  Iw (138) 

Arsic  Eustacbia 221 

Artemisius  s.  Cernobyl 

Artomius  s.  Kresycbleb 

Artopaeus  Casp 349 


Asimarkowic  Pet 222 

Astacow  Karph (144) 

Atbanackowiö    Paul    .    .    •  .    .    .  222 

Atbanasjew  Papbu (137) 

Augezdecky  Alxr 348 

Augusta  Job 341 

Augustini  Matb 392  (386) 

Aupicky  Job 351 

B. 

ßabicb  Tbom ■  ...  262 

Babulina  di  Bona  Micb 256 

Bacbicb  Ant 262 

Badrieb  8tepb 261 

Babyl  Ge 391 

—     Matb 391 

Bajbakow  Apollos (144) 

Bajcewic  Gab 222 

Bajkow  Tbeod.    Isaak 158 

Bajza  Jos.    Ign. 393 

Bakahll-  Nik 329 

Baksicb  Bogdan 225 

Baibin  Bobusl.    Alovs  3r.5  (299,  369) 

Baleowic  Stepb.   .    '. 222 

Bandilovicb  Job 262 

Bandulovicb,  Minorit 253 

Bänowsky  Ge 384 

Bantkie  Ge.  Sam.  471,  491  (403,  407, 
410,  411) 

—      .Job.  Vinc 477  (411) 

Bantvs  -  Kamonskij  Nik.  Xik.  .    .  187 

Barakovicb    Ge 261 

Baranowic  Laz 157 

Bardziiiski  Alan 445 

Barkow  Iw.  Sem 170 

Barner  Job 356 

Baros  Pet 884 

Barsow  Ant.  Alxj (144) 


512 


Bartholomaeides    Ladisl.    396    (374, 
375,  379) 

Bartochowski  Adalb 441 

Bartoszcwski  Valeiit 432 

Basilius,  Mönch 151 

Bassich  Ge 261 

Baszko  GodziS'l'aw (403) 

Batavich  Alxr.  .    .    • 268 

-  Balth 268 

Batuskow  Coust.  Nik 184 

Baworinsky  Baues 351 

Baworowsky    Thom 351 

Bazylik  Kypr 435 

Bcckowsky  Joh.  Frz.  .    .    .    356  (293) 

Beßkereki' Geras 221 

Bedckovich  len 261 

Bedviccich  Sylvest •  .  243 

Beketow  Piaton  Pet 75 

Bei  Math 390  (300,  374) 

Bellosztenecz  Joh 269  (269) 

Bencic  Ant 394 

Beudeviscevich  Sabb 261 

Benedict!  Laiir 385  (299) 

Benessa   Steph 261 

Beuesowsky    Joh 351 

—  Matth 343  (299) 

—  Wenc •    .351 

Bentkowski  Felix    ....    472  (478) 

Bepta  Bohusl 351 

Berchtold  Bcdr.  Wscmjr  ....  365 
Beric  Joh 220 

-  Paul 220 

Berlicka  s.  Scipio 

Beruardinus   de  Spalato    ....  250 
Bernoläk  Ant.       .    .    .   393  (140,  378) 

Berynda  Pambus (126) 

Bessus  s.  Moravus 

Bestuzew  Alxr.  Alxr (177) 

Bettere  Bar 261 

Bettondi  Damian 260 

-  Jos 260 

Bialobocki  Joh 443 

Bial'obrzeski  Mart 435 

Biankovich,  Bischof 250 

Bielski  Mart.     ......    435  (403) 

-  Simon .•   .    .  478 

Bierkowski   l'^abian 485 

Bicrling  Zachar.  Joh  ...    484  (483) 

Bjlejrowsky   Bohusl 341 

Blaho  Math 398,  505 

Blahoslaw  Joh 343 

Blasius  Joh.  d.  Ac.    .   -    .    391  (386) 

-  Joh.  d.  J 391  (.386) 

-  Mich 393 

Blaskovich  Andr (231) 

Blazowski  Mart 436 

Blazewski  s.  Blazowski. 

Bliwernitz  Aaron (410) 

Bnecsanin  Mich.  Aug 261 

Bobrow  Sem.  Sergj 172 


Bobrowski,  Abbe (411) 

Bocko  Dan 894 

Bodo  Math 391 

Bogascini  Lucretia 260 

Bogascinovich  Pet.  Thom.    .    .   .  261 

Bogdanich  Dan.  Emir 264 

Bogdaiiowic  Hipp.   Theod.    .    .    .  170 
Boguphalus,  Bischof  .    .    .    .  (4,  403) 

Bogusl'awski  Adalb 469 

Bogus  Stan.  Sestr.  .    .    183  (135)  491 

Bohdanecky  Joh 368 

Böhmer  Joh (485) 

Bohomolec   Frz 467  (409) 

Bohorizh  Adam        ....    283  (275) 

Bohusz  Xaver 477  (410) 

Boic  Laz 221  (222) 

Bojadzi  Mich 222 

Boleslawskv    Joh. 351 

Bolchowitinow  Ewg.  183  (93, 133, 190) 

Bolic  Prok 219 

Boltiu  Iw.  Nik 173  (137,  149) 

Bona  Babulina  s.  Babuliua 

-  Joh 255 

—  Luc 260 

—  Nik.  Joh 255 

—  Vucich  s.  Vucich 

Borcscich  Mart 256 

Borkowski  Stan 477 

Born  Iw.  Mart 186  (190) 

Borowsky  Blas •  .    .   .  348 

—  Sam 397 

Bnrowy    Ant 368 

Bosäk'Clem 351 

Bosichkovich  Bas 259 

Boscovich  Anna 260 

—  Ign 260 

—  Pet 260 

—  Roger  Jos (201) 

Boso,  Bischof 249 

Brankowic  Ge.  .    •  .    ...    210  (196) 

Bratanowskij  Auast 169 

Bratkowski  Dan 445 

Braun  Dav (478) 

Brestvansky    And 393 

Brezan  Wenc 350 

Brikcj  V.  Licsko 341 

Brnensky  (ie.  Nik 351 

Brodows'ki (145) 

—  Sam 448 

Brodsky  Matth 351 

Brodzinski  And 476 

Kaz.    476,    (42,  409,  466) 

Bronewskij  Wlad.  Bogd 190 

Broscius    Joh 447 

Bruncwjk  Zach 347 

Brzozowski    Valeut 431 

Bubonka  Jonas    .....     387,  494 

Buchich  Mich 266 

Bucki  Nathanael  .  • (410) 

Buda   Lam- 262 


513 


Budineus  Simon 253,  261 

Biidny  Simon 435  (424) 

BuJowec  Wenc 346 

Bulgakow  Jac.  Iw 174 

Bulgarin  Thadd.  Bas 78 

Buliö  Bas 222 

Bunich  Mich 261 

Bunina  Anna    Petrowna    ....  189 

Biircew  Bas 159 

Burda  Job 851 

Burinsky  Zach.    Alxj 189 

Burius  Joh (386) 

Bushijew  Pet 163 

Butowski  Mich (145) 

Buturlin  Dem.    Pet ISS 

Buzinskij    Gab 162 

Bydzowsky   Joh 351 

—  Paul 341 

Bystrzonowski  Adalb 448 

Bystrzycki  Joh 475 

—  Mart 448 

c. 

Caboga  Euseb 252 

Cacich  s.  Kacich 

Cadaverosus  Joh 351 

Caudidus  Sixt 351 

Capito  Joh 337 

Caraman  Matth 246 

Carchesius  Joh 351 

—  Mart 351 

Carion  Wenc 351 

Cassius  Barth.   242,  253,   254   (248) 

—  J.  L 477  509  ^410) 

Caupilius  Joh 351 

Causcich,  Benedictiner 261 

Cebrikow  Rom.  Max (146) 

Cededa.  Bischof  239 

Celinski  Jos 478 

Cenglerius    And 384 

Certelew   Nik.   Ant.    (140,    179,   190) 

Cerva  Seraph 260 

Ch.  s.  nach  H 

Cicada  Joh    Wenc 349 

Ciechouiewski   Casp (411) 

Cielecki    Jac 438 

Cichoreus   Tob 351 

Cilich  Luc 262 

Cimburg  Ctibor 328 

Clemens  Adam 351 

—  Wenc 351 

Codicill  Pet 343 

CoepoUa  Jesai 337 

Constanc  s.  K. 

Constantin  s.  Kyrill. 

Constantius  Ge. (299) 

Consul  Steph 243,  281 

Cosicich  Simon 243 

Cosmas,  Dechant.    .    .    .308  (4,  292) 

—  Erzbischof 261 


Cretius   Sara (407) 

Crinitus  Dav 349 

—  Sigm 349 

Cromer  s.  Kromer. 

Cultrarius  Math 351 

Cyrill  s.  Kyiill. 
Cz  s.  nach  C. 

c. 

CaplowiC  Joh.   .    .    398  (41,  201,  222, 
234,  374) 

Carnojewiö  Dem 222 

Cechtic  Bohusl 325 

Celakowsky  Frz.    Lad.  367  (140)  496 

Cermäk  Aiit 368 

Cernansky  Joh 392 

—  Sam ...  394 

Cernobyl  Nik 34l 

f^ernovicenus  Paul 334 

Cerny  Joh.  Gewicky   ....  329,  35l 

Ceska  Joh. 328 

Cjsek  Xik. •  .    .  351 

Culkow  Mich.  Dem 173 

Czacki  Thadd 473,  509 

Czahrowski  Adam 431 

Czarnecki,    Abbe 475 

Czarnocki  Alois 478 

Czartoryski  Adam.       .    .    .  467    (410) 

Czaykowski,  Prälat (461) 

Czech  Jos 478 

Czempinski  Paul 477 

Czerski,    Abbe (411) 

D. 

Dabrowski  Ant 478 

Dacicky  Ge.  Jac 351 

Dainko  Pet 286  (275)  496 

Dalimil  Mezericky    ...  314  (4,  292) 

Dalmata  Ant 243  281 

Dambrowski  Sam 432 

Damian,  Grammatiker 130 

—  •      Hieromonach 129 

Damianowic  Bas 219 

Math 221 

Daniel,  Erzbischof.  207,  208  (4,  196) 

—  Hegumen 151 

—  Priester  in  Moskopolj  225 

Danilow  Kyrill 163  (14) 

Danilowic    Geras (178) 

Dankowsky  Greg 491 

Dantiscus  s.  Czartoryski 

Darwar  Dem.  Nik 222 

Darxich  Blas 251 

—  Ge 256 

Darxich   Mart 252 

Dawidowic  Dem.   79,    221  (192,    196) 

Dawydow  Denis  Bas 189 

Debevz 286 

Dgbol'ecki  And 447 

—  Ign •    ...  467 

33 


514 


Dgbski  Ge 448 

Dekan  Job 448 

Delabplla  Ardclio.   .    .  256  (141,  248) 

Deluck  (l.  Delak)  Steph 394 

Demetrius  d.  H.,  Metropolit.   .    .  162 

Demiaii  And 392 

Demitrowicz  Paul 448 

Denhart   Jer SM 

Derzawin  Gab.  Rom 76,    170 

Desnickij  Micb 183 

Destunis  Spyrid.  Jurj 189 

Dietrich  Jos.  Wenc 368 

Dikastus  Ge 344 

Dimitri  Nik 256 

Uiokleates,  Presbyter.    .  250  (4,  229) 

Divkovich  Mattb 262 

Dlabaci  Gottfr.  Job.      .    .    .  363,  (295) 

Diugosz  Job (4  ,  4(1^0 

Dmitrijew  Iw    Iw 181 

Dmöchowski  Frz 465 

—  Frz.  Salez.         ...  476 

Dmuszewski  Ludw.  Adam.    .       .  469 

Dobner  Gelas (93,   247) 

Dobracki  :\Iath 448  (4U)) 

Dobrensky  Wenc.        343 

Dobric  Marc 222 

Dobrowsky  Jos.  362  (3,  n.  1 1,  35,  70, 

SS,  126,    133,  140,  247, 

299,    30(1,  369,  398) 

Dolci  Seb 260  (3,  261) 

Dolezal  Augustin 394 

Paul        ...  391  (140,  300) 
Dolgorukij  Iw.  Mich.  .    .    •  ...  172 

Domek  Wenc.  .    •    • 325 

Dosithej  s.  Obradowic. 

Dosenowic  Job. 221 

Dragicevich  Mich 261 

Drahenic  Bartosek 326 

Dracbowsky  Job 356    (299) 

Drozdow  Philaret 183 

Druzbacka  Elisabeth 444 

Druzbacki  Mich 448 

Duba  And 315 

Dudzinski  Mich.  .    .    .  453,    477,  507 

Dumischen  Ge (485) 

Dunczewski  Stan.  Jos.   ....  448 

Dundr  Jos.  Alxr 36-    (295) 

Dunin  Pet 448 

Durgala  Mart 398 

Durich  Fort 362    (3,    247) 

Dusan,  Car 208 

Dwigubskij  Iw.  Alxj -77 

Dworzecki  Job.  Bogd.    .    .  507    (145) 

Dziarkowski  II 475 

Dziggielowski  Job 448 

Dzirswa,  Chronist (403) 

Dzwonowski  Joh 445 

E. 

Ektorovich  Pet 256 


Elcnic  Aaron 221 

Eisner  J (42,   456) 

—  Joh.  Gottl 357 

Emin  Theod.  Alxr 173    (137) 

Ephraim  Joh 337 

Ernosti  Job.  • (410) 

Ertel  Joh.  Bohumjr (386) 

Euthyniius,  Patr  v.  Trnowo  .    .    .  503 

Ewgenij  s.  Bolchowitinow. 

Ewgenij  Romanow,  Igm.,  zul.  Bisch. 

V.  Kostroma  .    .    .    (126) 

F. 

Fabricius  Gottl.       (486) 

—  Wenc 351 

Faccenda  Maria 260 

I'alenski  Jos 477 

Falibogowski  Chph.  Frz 447 

Falimierz  Steph 437 

Falissowski  Chph.  Groth 447 

Fändli  Ge 393  (373) 

Farnik  ürban 493 

Fejerpataki  Casp.    ...    •  .  •    .  398 

Fejeä    Joh 396 

Felinski   Aloys 467 

Ferricb  Ge (141) 

Fiialkowski  Ign 478 

—  Mart 476 

Filippowic  Const 222 

—  Steph 222 

Firliuk  Frz 351 

Fizel 398 

Flaska  Smjl 314 

Flaxius  Joh 351 

Frankowski    F 476 

Fredro  And.    Maxi (140) 

Frenzel  Abrah (3,  483,  485) 

—  Mich (485) 

Fric  Frz 368 

Fritze  Joh.  Fried (486) 

Füredi   Ge 396 

G. 

Gabrielow  Matw.  Gab (145) 

Gali   Math (386) 

Galinkowskij  Jac.  And.      .    .    .    (178) 

Gallää  Jos 368 

Gallus  Mart 418  (4.  403) 

Garghich  Innoc 261 

Garszynski    G.  ......    477  (411) 

Gawinski  Joh 430,  445 

Gawrohski,  Priester 478 

Gawiuek  Jos 368 

Gazda  Adalb 393 

Gegus  Joh 398 

Gelenj  s    Hruby. 

Gennadius,  Erzbischof 155 

Georgijew  Äthan 26t 

Georgiewiö  Dem 222 

—  Sabb 222 


515 


Georgius,  Mönch 155 

Gesnor  Casp 4:-!2 

Gicrykowski  Thadd 478 

Gifjanow  Jos (146) 

Gilowski    Paul 435 

Gintorod  Abrah 346 

Giorgi  Igii 260  (261) 

Giubranov  ch  Aiul 252 

Gizel  Innoc • 157 

Glavinich  l'^rz.,  Minorit 243 

—  Frz.,  Franciscaiior.    .    2G1 

Gleg  Timoth 261 

Gleglievich  Ant 255 

Glik  "Ernst,  Abt 163 

Glinka  Greg (145) 

—  Serg.   Nik.  ...  188    (137)  495 

—  Thod.  Nik.,  •  .    .    .    .76,    19n 

Gliszczyi'iski  Ant 477 

Gljubuski  Laur 262 

Gloc  Karl 477 

Glosius  Job.  d.  Ae.        .    .  391    (386) 

—  Job.  d.  J 396 

Gnjediö  Nik.  Iw 184    (178) 

Godebski  Cyprian 467 

Görl  Ge 351 

Golaiiski  Php.  Nerius 472 

Golebiowski  Luc 507    (462) 

Golikow  hv.  Iw 173 

Goljatowsldj  Joannikij    .    .       .    .  159 

Golownin  Bas.  Mich 19ii 

Gondola  Frz 252 

—  Job.  d.  Ae 254 

—  Job.  d.   J 255 

Gorcakow  Dem.  Petr 189 

Gorczyczewski  Job 476 

Gorczyn  Job 448 

Gorczii'iski  s.  Gorczyn. 

Gorecki   476 

Gornicki  Luc 433 

Gostko  Hynek 368 

Gozwinskij    Theod.  Kassian.    .   .  158 
Gozze   StJpb 251 

—  Vinc 261 

Gozze  s.  Bendeviscevich. 

Gradi  Bas 261 

Gralicbov-ski    Adalb (456) 

Grammatin  Nik (150.  190) 

Grec  Nik.  Iw.    .    .  77,  185  (145,  190) 
Gregor,  Diakon    ...    •  .    .    .    .  127 

—  Hegumen 210(196) 

Grekow  Ge 150 

Gribojcdow  Tbeod.  Iw.      ....  158 

Grigorowic   Bas 7S,   16.S 

Grimm  Jac (20.J,   216) 

Grisa,  Prediger 397 

Grisicb  Ge 261 

Grocbowski  Stau 431 

Gröning  Micb ■  .    .    (144) 

Grob  Job 857 

Groicki  Bartb 436 


Grotke  J.  D (410) 

Gross  J.  W 477 

Grubissicb  Clcm 240    (247) 

Grutinius  And 437 

Gryllus  Job 343 

—  Matb.  .    .    ■ 343 

Grzebski  Stau 136 

Guaragiiin  Job.   Luc 261 

Guceticb  Angelo 256 

Guercbe  Job 268 

Gundulicb  Job.  Frz 261 

Gurski  Valent 464 

Gusew  Wlad 159 

Gutkowski  Adalb 477 

Gutowski    Valer 448 

Gutsmann  Oswald    ....  285    (275) 
Guttbäter  s.  Dobracki. 

Gyurkovecbky  S 270  (269) 

Gyurkowic  Eng 222 

Gzel  Pet (299) 

H. 

Habdelicb  Ge 269 

Habel  Fr 394 

Hadziö  Paul 220 

Hafner  Vinc 368 

Hägek  Ign 368 

—  Tbadd 342 

—  Wenc 340    (4,    292) 

Halecius  Jac.    .  — 351 

Hamaljar  Mart. 396 

Hammerschmidt  Job.  Florian.     .  356 

Hamuljak    Stepb 398 

Hanka    Wenc 364  (150,  300, 

303,  316) 

Hauke  Aloys 368 

Harant  Cbph 346 

Hauptmann  Job.  Gottl (486) 

Hawas  Paul 397 

Hebnowski  Caesar 246 

Hectoreus  s.  Ektorovich. 

Helic  Luc 337 

Helikoniades  Paul  Luciuus  .    .    .  351 

Heniscb  Ge (300) 

Henning  Dan    .    •  ....  488    (489) 

Herburt  Job 436 

Hercyk  Ant 448 

Herink  Job 351 

Herkel  Jobann 491 

Hermann  Karl   Tbeod.  .    .  188    (138) 

Hertvicius  Job 351 

Herytes  Job 351 

Herzog  Job 368 

Heym  Iw.  And.     186    (138,  144,  146) 

Hieronymus,   Magister 323 

HiiMiolytus.  Kapuziner    .    .  284    (275) 
Hnewkowsky  Seb.    .    .  366    (42,   360) 

Hodani  Job.    Kanty 467 

Hodetjn  Hägek •    .328 

Hodika  Job 384 

33* 


516 


Hölterhof  M.    Frz (145) 

Holeckv  Math 351 

Holko  Math 398 

Holli  Ge •    ...  397 

Holli  Joh 398,  505 

Holomauöansky  Steph 351 

Honter  Johann 427 

Horny  Frz.  And (140) 

Horowic  Benes 315 

Horvath  Adalb 264 

Hostowjn  Balth 344 

Hrabec  Raph 384 

Hrabowsky  Pet 387 

Hranicky  Chph.  Joh 351 

Hrdli(ika  Joh 395 

—  Kasp.  Melichar 368 

Hromädko  Joh.  Norb.  Nep.  .   .    .368 
Hruby  v.  Gelenj  Greg 326 

-  Sigm (C5) 

Hruskowic  Sam 391 

Huber  Adam 344-345 

Hulewicz  Bened 476 

Humnicki  Igii 476 

Hus  Joh •    .    ■  ....  323 

Husselius  AJb 384 

Hussonius  Wenc.     .......  351 

Hybl  Joh 79,   368 

CH. 

Charpentier (144) 

Chelcicky  Pet 325 

Chelkowski  Heinr 448 

Chemnicer  Iw.  Iw 170 

Cheraskow  Mich.  Matw 169 

Chilkow  Aud.  Jac 163    (137) 

Chlädek  Aegid 368    (300) 

Chlebowski  Laur 432 

Chlumcan   Matth 329 

Chmela  Jos. 368 

Chmelenskv  Jos.  Krasosl.     .    .    .  368 

Chmehiickfj  Nik.  Iw 289 

Chmielowski  Bened 448 

Chobotides  Ge 351 

Chodakowski  Zorian  Dolcnga  .    .  477 

Chodkiewicz  Adam 448 

—    Alxr 475 

Chodolius  Joh 351 

Choinani  Joh (486) 

Choi'iski  Mich 477 

Chranislaw  Gab 222 

Chrastina  Joh 392 

Chroma  Thom 478 

Chrominski  Kaz 477    (478) 

Chroscinski  Adalb.  Stan    ....  413 

Chrosciszkowski  Sam 477 

Chrzanowski  Felip 477 

Chwalkowski  Nik 448 

Chwostow  Dem.  Tw 172 


I. 

Ignatius,  Diakou 152 

Ignes   Adalb 448 

Ignjatowic  Mos 221 

Iljin  Nik.  Iw 189 

Institoris   Mosowsky  Mich    394  (332) 

Isajlowic    Dem.     .    .    .' 221 

Ivaniscevich   Joh. 256 

Ivanics  Paul 268 

Iwanow  Thed.  Thed 189 

Iwanowiö   Euthym 221 

Izmajlow  Alxr.  Jefim.  .    .  75,   78,  185 

—  Wlad    Bas 190 

J. 

Jabl'onowski  Stan.  Vinc 444 

Jacobaei  Jac 506 

Jacobaei  Faul 391 

Jacobi  Elias 351 

Jacobell  s.  Stfjbrsky. 

Jacobides  Jac 349 

Jagodyiiski  S.  S 448 

Jajce  Steph 262 

Jakes  Veit 347 

Jakowkin  Elias  Theod.     .    .    .   (137) 

Jaksiö  Greg 222 

Jakubowicz (410) 

—  Paul 398 

Jakubowski  Adalb 476 

—  Jos 478 

—  Vinc 465,  477 

Jambressich  And 269    (269) 

Janda  Math .351 

Jaudit  Wenc (299) 

Janieschge  Joh 489 

Janis  Jos 368 

.Jankowic  Em •    .    .  219 

—  G 397 

Jankowski  I..  E 477 

Janocki  ,Joh.  Dan (478) 

Janowskij  Nik.  Max (146) 

Jamiszowski  Joh.    .    .    .434.507(410) 

Japel  Ge •  .  286,  287 

Jaronski  Felix 474 

Jaroslaw  Strahoviensis (4) 

Jasinski    Php 477 

Jaszowicz  And 423 

Jaworic  Thom 351 

Jaworowsky  Thom.      351 

Jaworskij  Steph.  • 162 

Jaworsky  Parth 351 

Jazykow  Dem.   Iw.  .    .  151,  188  (135) 

Jefimjew  Dem.  Wlad 171 

Jelagin  Iw.  Perf. 173 

Jelsjk  Joh 398 

Jesaias,  Hieromonach 152 

Jesensky  Dan 392 

Jesipow  Sabb 159 

Jessenins  Paul 337 


517 


Jewlew  Alxi  Iw 159 

Joannowic  Job 222 

Job,   Patriarch 156 

Jodlowski  A.  N 477 

Johann,    Exarch  .    .    .  128,    129,    224 

—  ,  Metropolit 128 

—  ,  Priester 151  (4) 

Johannes  Polonus (4) 

Jokisch  Matth (485) 

Josiö  Cosmas 220 

Josifowic  Aut 220 

Jowlewic  Iffn 159 

Julinac  Paul 219  (196) 

Jundzill  Bonif.  Stan 474 

Jungmaun   Ant 365 

—  Jos.    ...  364  (42,   360,  369) 

Juritschitsch  Ge 281 

Jurkowski  Job 431 

Juszniski    M.    H (421,  478) 

K. 

Kabätujk  Mart 326 

Kacicb  Miossieb  And.  2-56  (140,  229) 

—  Ant 247,    253 

Kacenowskij  Mich.  Troph.  .  77 ,    188 

Kadlinsky  Felix 3.56 

Kadlubek  Vinc 418  (4,  403) 

Kajsarow  And (13) 

Kakowski  Alxr.  Karl 478 

Kalajdowic  Const.  Theod 188 

(140,  141.  151) 

—  Pet.  Theod (146) 

Kalenic  Ulr 325 

Kaiinka  Joacb.     .    ■  ...  386    (386) 

Kalinowka  Karl 476 

Kamenskij (190) 

—  Bantys  Dem   Nik.   .    .    (201) 

Kamieüski  Cajet 477 

Kanislicb  Ant 264 

Kantemir  And.  Dmitr 162 

Kapihorsky  Sim 355 

Kapnist  Bas.  Bas 171 

Karadzic  s.  Stepbanowiö. 

Karamzin  Nik.  Mich.  ...    180    495 

(3,  11,  137) 

Karczewski  Roch  Vinc 477 

Karlsberg  Karl  Dan 349 

Karnkowski  Stan 435 

Karpinski  Frz 463 

Karpowicz  Mich.  Frz 470 

Kassius  s.  Cassius. 
Katancsich  Math.  Pet  .    .    .264  rill, 
281,  ^270) 

Katenin  Paul  Alxr 189 

Katbarina  II (146,  167) 

Kauble  Jos 368 

Kaulfuss   Alxr 477 

Kawka  Mart.  Pristacb 351 

Keliny  Theoph 394 

Kengelac  Paul 219 


Kercselich   Balth 268    (231) 

Kessicb  Nik.     .    .    ■  .    .    •  ...  262 

Kbun  Karl     .    .    • 368 

Kicii'iski 476 

Kinskv  Dominik 366 

Klatowsky  And (299) 

-  Bohusl 351 

-  Mart 351 

-  Sim 349 

Klaudian  Nik 329 

KIcczewski  Stan.  ...  477  (403,  409) 

Kleycb  Wenc 356 

Klirpera  Clem.  Wenc 367 

Klimko  Mich 394 

Klimowskij  Semen 163 

Klonowicz  Seb.  Fab 433 

Klosowski  W 478 

Kluk  Chpb 474 

Klusäk  Alb.  Ge 351 

Klusin  Alxr.  Im 171 

Knapski  Greg.      .    .    .  447  (140,  410) 

Knauth  Cbn (485,    487) 

Knexevich  Pet 261 

Kniaziewicz  Ge.  Greg '  478 

Kuiaznin  Jac.  Bor 171 

Kniaznin    Frz.  Dionys 463 

Knobelius  Wenc 351 

Kobierzycki  Ph.  Jac 477 

Kobylin  And 437 

-  Pet 437 

Kocjn  Job 344 

Kocbanowski  Andr 430 

-  Job 429 

-  Pet 429 

Kochowski  Vespas  .......  443 

Koialowicz  Adalb.  Wiiuk.    447  (403) 

-  Kaz 448 

Kokoskin  Tbed.  Tbed 189 

Kola  Dem.  Frz 448 

Kolacz  Paul (410) 

Kolar  Adam  Frz (14) 

-  Job 398  (41,  58) 

Koldjn  Paul  Cbn 350 

Kolkowski  A •  ....    78 

KoH'atay  Hugo 470 

Kol'udzki  Augustin 448 

Komenius  Hyac 261 

Komensky  Job.  Amos     .   .  338    (300) 

Komuli  Alxr 256 

Konäc  V.  Hodiskow   Nik 327 

Konarski  Hier.  Stan 458 

Kondratowicz  Cyriak (411) 

Konecny  Matth 347 

Koniäs  Ant 356 

Konisskij  G •  .    .    .  169 

Konstanc  Ge 355 

Konstantin  s.  Kyrill. 

Konstantinow  Egor (137) 

Konstantinowic  s.  Ostrozskij. 
Kopczinski  Onuphr.    .    .   .  476    (410) 


518 


Kopernik  Nik 414 

Kopijewiö  Elias  Theod 163 

Kopitar  B.  286  (60,  70,  133,  236,  275) 
Koppen  Pet.  Iw.  It8  (128,   133,   l'.K)) 

Kopystenskij    Zach. 158 

Koranda  Wenc 324 

Korßek  J 398 

Koi-jnek  Job 356 

Korka  Paul 351 

Körner  Ge (485,  486) 

Kornic  Burian 348 

KornijT  Frz ,      269    (-2(^9) 

Koroboiiiikow  Tryph 156 

Korzawin  Th.    .  " (142) 

Koschiak  Thom 270 

Kossakowski  Jos.,  Bisch 468 

—  Jos 476 

Kossicki  Liidw (424) 

Kostrow  Jerm.  Iw 171 

Koszutski  Greg 435 

Kotljarewski  Im.  Pet.     .    .    .    .    (141) 

Kotwa  Job.  Ctibor 348 

Kovacsevich  Thom 268 

Kowaöewiö  Bas.       222 

—  Gab 220 

—  Laz 222 

Kowalski  Frz .469 

KoSmian  Cajet 466 

Kozuchowski  Stau 448 

Krabice  Hynek yöO 

Kracowsky  And 351 

Kraiewski  Job 433 

—  ,      Mich (461) 

Kraii'ifki  Cbph 432 

Krajacsich  Marc 270 

Kräl  Jos.  Mirowjt ;-J6s 

Kraljewic  Bened 222 

Kramerius  Wenc    Math 360 

—  Wenc.  Rodomil.   .    .  79.  3ns 

Kra--icki  Ign 46« i 

Kraseniniiikow  Steph.  Pet.    .    .    .  164 

Krogcj  Jos.    . (]8 

Krömery  Job 898 

Kresychlcb  Pet. 431 

Krinowskij  Ged.   .       168 

Krjukowskij  Matw.  Bas.    ...      189 
Krman  Dan 390    (386) 

—  Job 397 

Krocjn  Math .S48 

Kromer  Mart.     .    .    .    .    .    .  (4,     403) 

Kroniholz  Job 386(886) 

Kionenberg  Iw (146) 

Kroi)f  Frz.' (SOG) 

Krtsky  Job 351 

Krüger  Job.  Clipb (485) 

Krumholz,  Pastor (410) 

Krumlowski  Jos 478 

Krupeborsky  Nik 348 

Krupiiiski  Äiid 478 

—  Ludw 467 


Krupsky  Jac 348 

Kruszyiiski  Joh 466 

Krylow  Iw.  And 183 

Krysinski  Dominik 477 

Kubänyi  Jos 396 

Kubasow  Sergij 158  (178) 

Kuca  Ant 368 

Kuczborski  Valent 435 

Kudlicz  B.     .    .    • 476 

Kumerdey  Blas 285,  2H7 

Kunwaldsky  Jac 351 

Kupinich  Cbph .    .  268 

Kurbskij  And.  Mich !56 

Kurganow  Nik.  Gab (141) 

Kuszanski  Alxr 477 

Kuszewicz  Paul    .    .  •    .    .    ■   .    .  448 

Ruthen  Mart 341 

Kutsch (410) 

Kuznics    Steph 287 

Kwiatkowski  Caiet      ...  477    (462) 

—  Mart (409) 

—  Pet 448 

Kyprian,  Metropolit    .    .    .    .1.52,209 

Kyriak,  Mönch 128 

Kyrill  (Constantin) 85 

—  Bisch.  V.  Turow 128 

—  Metropolit 151 

Kyrillow  Iw 163 

L. 

Labecki  Ant 477 

t-adowski  Math.  Marcian  ....  448 

Laetus  Job 351 

Lafontaine  Leop      475 

Lachowski  Seh 470 

Lallich  Frz 261 

Lange  Joh (485) 

Langen  Jac •    .    .    (145) 

Langhoffer  Aug 398 

Lani  Elias 385    (386) 

—  Mich -387 

Lanossovicli  Marian    .    .    .  263    (263) 

Latinich  Pasch.  Prim 261 

Latosz  Job .    .  437 

Lauöek  Mart 492 

Laurencsich  Nik 268 

Laurentius  v.  Brzezow  .           .    .  315 
Lazarewic  Ephrem 221 

—  Nik 220 

~  Sabb 221 

Lazic  Greg ■     .    .  222 

Laztrich  s.  Ochievia. 

Lebeda  Wenc 350 

Lebedew  And.  Iw 497 

Ladnicky  Jerem       .    .  •     ...    (3S6) 

Lobocky  Dan .393 

Leilo    .' (145) 

Lelewel    Joach 472    (3) 

Leonard,  Dominicaner    ....  (424) 
Leonhard  Chn (485) 


519 


Leopolita  Job (424) 

Lerchenfeld  Job.  Sixt 351 

Iljfski  Jos 478 

Lessäk  Ge 394 

Leszczynski  Rapb 444 

Stan 458 

Leska  Stepb 395   (380) 

Letunicb  Vlad 261 

Levakovicb  Rapb.    .    .       .  244,    253 

Lewanda  Job.  Bas 169 

Lewitskij  Iw.  Micb (190) 

Lewäin  Piaton 169 

Libertjn  Ge 356 

Libicki  Job 443 

Linda  Jos T9,  368 

Linde    Sam.    Gottl.    471    (190,    410, 
411,  478) 

Lipiüski  Jos 431,  466 

Lipovcicb  Hier 262 

Lipowski  Blas 4-18 

Lisiecki  Dominik 476 

Lisikiewicz  Jos 477 

Liäowini  Sam 5(i6 

Litomericky  Hilar.      ...  .  324 

Litwinski,  Priester (411) 

Lityriski  T.  H 476 

Ljwow  Paul  Jur 491 

Lobanow  Mich.  Jewsf 189 

Lobkowic  Joh 326 

Locika  Job. 351 

Loderecker  Pet (248,  300) 

Loebryn  Dan 351 

Lomuicky  Civilius 354 

—  Simon 344 

Lomonosow  Mich.  Bas.  168  (137,  144) 

Loiigolius  Micb 351 

Lopacinski  Ign 448 

—  L  l^.  S 477 

—  Tbom 478 

Lowcäni  Job (386) 

Lowicb  Adam 77 

■Loyko  Felix 477 

Lubieniecki  Stan ,   .   (478) 

Lubienski  Wlad 447    (403) 

Lubomirski  Stan.  Herakl.         .    .  444 

Lubowicz  M (144) 

Ludolf  Heinr.  Wilh (144) 

Ludwjk  Jos.  Myslimjr 36s 

Lukari  Frz.   .   .' 256 

Lukas,  Bruder 325 

Lupäß  Mart 324 

—  Prokop 345 

Lustina  Vincent 220 

Luzsky  Melicbar 351 

Lwowitsky   Kyprian 35ü 

Lykaon  Paul 351 

Lyzlow  And.     .       158 

M. 

Mäcsay  Alxr 391 


Miiczyuski  Job (410) 

Madiiis  Michas (4) 

Magarasewiö  Ge 79,   222 

Magnickij  Leont    Phil 163 

Machäßek  Svnie.  Karl 367 

Maiowski  Välent.  Skorochod    473   (3) 

Majknw  Bas.  Iw 171 

Makarius,  Hieromonach     .    .    .    .132 

,  Metropolit 155 

Makarow  Pet.  Iw 187 

:\Iaknwski  Sini.  Stan 448 

Maknwskv  Job 344 

Malczowski  Job.  Stan (410) 

Malecki  Clem 476 

Malesewac  Job -81 

Malesewic  Em 222 

Malicki  Barth.  Kaz i410) 

Malinowskij  Alxj.  Theod.      ...  187 

Maljgin  Tim.  Semen 173 

Maly  Ge ^51 

Marcellovich  Ge 268 

Marcinowski  Ant 177 

Marcus,  Augustiner    .        .2dl    (275) 

Maröek  Elias 393 

Marelv  Ant 365 

—  Job.  Heinr 368 

Marevich  Joh 264 

Marewicz  Yinc.  Ign.    .    •  .  476    (!40) 

Margetich  Stepb 261 

Marianovich  Pet 215 

Marinkowic  Const 221 

Markiewicz  Onuphr.    .....  478 

Markovic  Math 392 

Marnavitius  Job.  Tom.       ....  253 

Martinides  Wenc 351 

Martynius  Sam 348 

Martinsky  Vict.  Adam 351 

Martynow  Iw.  Iw 187 

Miisiiicins  Dan. (3ö6) 

—  Tob 386 

Mategka  Joh 368 

Matheolus  Joh 351 

Job.  Jac 351 

Mathiades  Joh.  Ge 351 

—  Paul 351 

Wenc 351 

Mathias  v.  Miechow   ....  (4,  403) 

Mattei  Job 261 

Mattbaei  Ge (483,  485) 

Mattbaeus  Cracovieusis     .    .   .   (403) 

Matuszewicz  Marc 476 

Matwjejew  Art.  Serg 158 

Maudru  Joh.  Bapt (144) 

Maurenjn  Tob 349 

Maxibrädich  Horat 261 

—  Mart 256 

Maximow  Theod (126) 

Maximowic  Abr 221 

—  Alxj 222 

—  Lew     .    .    ■  .    .    .    .    (138) 


520 


Maximowiö  Mich 219 

Maximus,  Mönch 156 

Medljn  Joh 3G8 

Medwjedew  Sylv 158 

Megiser  Hier 250  (275.  486) 

Melezjnek  Wenc 368 

Melikius  Sam •    .    .  285 

Memorskij  Const.  Mich  ...       (145) 
Meninski  s.  Mesgnien. 

Menze  Sigm 251 

Mercherich  Leonh -232 

Merkail  Sabb 222 

Merzljakow  Alxj.    Theod.    185    (190) 

Mesgnien  Frz 5<)7    (410) 

Messarowic  N 222 

Meszäros  And 394 

Metelko  Frz.  Seraph.     .   .  286    (275) 

Method ' 85 

Meystrjk  Jos 368 

Mezi-jcky  Joh.  Tbadd 349 

Miaczyüski  Ign 477 

Miaskowski  Casp 431 

Micalia  Jac 254    (248) 

Mickiewicz  Adam 466 

Micler   Laur (478) 

Miechovita  s.  Mathias 

Mieroszewski  Joh 477 

Mihalyevich  Mich 264 

Mihanovich  A 270 

Michaelis  Pet (410) 

Michajlewiö  Ge •    .220 

Michajiowic  Joh.     ...    •  ...  222 

—  Pantel 222 

Michalec  Mart 351 

Michalides  Sam 393 

Michalko  G 506 

Michalko  Paul S97 

Miklaszewski  Jos 477    (403) 

Mikolaiewski  Dan (424) 

Milec  Elias 393 

Miletiö   Laz 222 

Miliö  Joh 316 

Milinkowic  Paul 222 

Miljnsky  Math 351 

Miliwoin  Joh 'J22 

Milkowiö  Joach 222 

Milonow  Mich.  Bas 189 

Miloradowiö  Pet 222 

Milo§ewic  Steph 222    (201) 

Minasowicz  Jos.  Epiph.     ...      463 
Mincetich    Scisko 2r)6 

-  Vladisl 250 

Miniewski  W 476 

MiokowiC  Joh.  • 222 

Mii'jnsky  Wenc 324 

Miros  Joh 325 

Miroticky  Joh 350 

MiSowisky  Raph 345 

Mitis  Jac.  Akanth 349 

Mladenowic  Pet. 325 


MJodzianowski  Thom 448 

Mlynarowych  Elias  ....  392    (386) 

Mnich  Thom •  ....  368 

Mogila  Pet 157    (179) 

Mohn  Ge 484 

Mojziäowiö  Joh 396 

Moller  Albinus (486) 

Molski  Mart 476 

Moneta  Joh (410) 

Morawski  Frz 466 

—  Joh 448 

Moravus  Joh 342 

Morsztyn  Hier 448 

Moschotzy    (Mo§owsky)  s.    Institoris. 

Moszczeiiski (410) 

Mrazowic  Abr 218    (126) 

Mrongovius  Chph.    Coelest.  477  (410, 

411) 

.Mrozinski  Jos 477    (410) 

Müllenheim  Joh.  Ernst (410) 

Müller (410) 

—  Gerb.  Fried 172 

Mulich  Ge 270 

Münuich  G (478) 

Murawjew  -  Apostol    Iw.  Matw.     189 
Murawiew  Mich.  Nikit.     .   .       .181 

—  N.  N (178) 

Musiu-Puskin  Alxj.  Iw.     .  189    (150) 

Musickv  Lukian 218    (216) 

Muskatirowiö  Joh 219    (140) 

Mvsliwecek  Frz 368 

N. 

Nagurczewski  Ign 431,  464 

Nagy  Ant 270 

Nalbanowic  Dem 222 

Naljesckovich  Nik 256 

Naruszewicz    Adai.i     461    (403,    461) 

Nedele  Php 368 

Negedlv  Adalb 365 

—  '     Joh.   .    .  79,  363,  (300,  369) 
Neledinskij  Meleckij  Jur.  Alxr.     172 

Nenadowic  Paul 211 

Nestor,  Mönch 151    (4) 

Nestorowiö  Uros 214,  222 

Neskowic  Äthan 220    (196) 

Netolicky  Barth 351 

Job 351 

Newachowiö  Lew  Nik 189 

Niemcewicz   Julian   Ursin   462    (462) 

Niemir  Karl  Jos 446    (478) 

Niesiecki  Casp.     .   .       478 

Niewieski  Stan 448 

Nigriui  Johann (386) 

Nikiphor,  Metropolit  ....  128,  151 

Nikitin  Äthan .  156 

Nikolai  Alb 337 

Nikolaus,  Clericus 241,  242 

Nikolew  Nik.  Pet 171 

Nikoljskij  Alxr.  Serg 186 


521 


Nikon,  Patriarch 156 

Niphont,  Chronikant 151 

Nounius  Paul 351 

Nordstädt  Joh (145) 

Nowaczyüski  Thadd.  477  (409,  456) 
Nowakowiö  Stephan  ....  219,222 
Nowicki  Clem 476 

—  Johann    476 

Nowikow  J (146) 

—  Nik.  Iw 174   (190) 

Nowotny  Frz 368  (300,  369) 

—  Honorat (374) 

Nudozerju  s.  Benedicti. 

O. 

Ohodziriski  Alxr 148 

Obradowiö  Dosith 217 

Occhi  Karl  Aut (248) 

Ocko  Adalbert 437 

Ochievia  Philipp  262  (197,  201,  262) 
Oczko  s.  Ocko. 

Oöedelic  Alb.  Ogir .329 

Ogiiiski  Mich 507 

Oldekop  Ewstatij    .       ...  497  (146) 

Opaliriski  Chph 445 

Opeö  Balth 508 

Optat  Benes 342   (299) 

Orliöny    Paul 342 

Orphelin  Zach 218 

Orzechow'ski  Stan 427,  434 

Osinski  Aloys   .    .       477 

—  Jos.  Herrn 475 

—  Ludwig 465 

Ossoliüski  Jos.  Maxi.  ...  472  (478) 

Ostolopow  Nik.  Theod 187 

Ostrowski  WJad 476 

Ostrozskij  Const.  Const 156 

Otfinowski  Valer 444 

Ottersdorf  Ambros     ....  350,  493 

-         Sixt  ....  342,  350,  493 

Otto  Zdenek 349 

Ozerow  Wladim.  Alxr 182 

P. 

P.  G 394 

Pacuda  Matth 351 

Paeonius  Prokop 349 

Pacheus  Johann  351 

Palacky  Frz 367 

Palecek  Johann 324 

Palicyn  Abr 156 

Palikuchi  Pet 261 

Palingenius  Hier 351 

Paliurus  Paul (424) 

Palkowic  Georg,  Domherr    .    .   .  393 

—  Georg.   Professor  397  (300, 

374,  378) 

Pallas  Pet.  Sim (146) 

Palma  Sixt 349 

Palmota  Jacob 255 

—  Junius 255 


Palumbini  And 398 

—  Samuel (386) 

Pdn  Martin 396 

Panajew  Wladim.  Iw 189 

Papanek  Georg (373) 

Paprocki  Barthol 345,  4.S6 

Papuclich  Anton 262 

Parkosz  Jak 507 

Parenogo  Michael (146) 

Parjzek  Alxs.  Vinc 362 

Partlic  Simon 348 

Passilovich  Paul 262 

Pastritius  Joseph 244 

Paszkowski  Martin 436 

Patrcka  Michael  Silorad 368 

Pavich  Karl 264 

Pawlowskij  Alexj (141) 

Pawlowsky  Anton 368 

—  Wenc 368 

Payer  Karl 368 

Pazär  And 396 

Pejacsevich  Frz.  Xaver  ....  (196) 

—  Jacob    270 

Pejakowic  Jacob 222 

P?kalski  Adalb 476 

Pelzel  Frz.  Mart.  363  (293,  300,  369) 

Penin skij  Iw 494 

Perkowicz  Thom 448 

Perzyna  Ludwig 475 

Pescioni  s.  Zuzzeri. 

Pesina  Kypr 347 

—      Thom   Johann   .    .    .356  (93) 

Petlin  Iw 158 

Petrecsich  Pet 268 

Peti-ek  Beniam 349 

Peti-jk  Johann 350 

Petrman  Georg 368 

Petrow  Bas.  Pet 170 

Petrowic  Abr 222 

—  Georg 220 

—  Peter 222 

—  Simeon 222 

Petrozeljna  Jacob 348 

Petrus  Zbraslaviensis (4) 

Petrycy  Seb 432 

Phalimirus  s.  l'alimierz. 

Philippovich   Adam 264 

Philippowic  s.  Filippowic. 

Philomathes  Matth 351 

Photius,  Metropolit 152 

Pi^tkowski  A 477 

Piecka  Michael 350 

Piehowicz  Innoc 246 

Piekarski  F.  Bor 477 

Pilarjk  Stephan 386 

Piotrkowczyk  And 448 

Piramomcz  Greg 472 

Pisarew  Alxr.  Alxr 190 

Piscatovis  J (3) 

Pjsecky  Wenc 327 


522 


Pj§ek  Heiiir 348 

Pitter  Bonaventura 356 

Pläcel  Wenc 345 

Plachy  And 395 

—  Georg 355 

Piaton  s.  LewSin. 

Plawilsöikow  Pet.  Alxj 171 

Plescejew  Serg.  Iw.   .    .    .    174  (138) 

Plintowic  Adam (386) 

Plzensky  Ad.  Cl.  u.  Math    .    .    .351 

Pnin  Iw.  Pet 189 

Poczobut  Mart.  Odlanicki     .    .    .475 

Podebrad  Hynek     326 

Podnianicky  Johann    .....  392 

Podobjedow  Ambr 182 

Podolsky  Simon 350 

Podsiwalow  Bas.  Serg 186 

Pogodin  M (135) 

Pohl  Job.  Wenc 369  (3U0) 

Pochlin  s.  Marcus. 

Poläk  Milota  Zdirad 367 

Poliöanskv  Math 351 

Politsky  Änd 351 

Polockij  Syme 157  (179) 

Polsfuss  Anton (410) 

Polykarp  Tb (126) 

Pongräc  Balth 392 

Poniatowski  Stephan 448 

Ponihski  Stepbau 448 

Poplawski  Anton 477 

Popliiiski  J 507 

Popow  Anton (140) 

—  Michael 491 

Popovich   Matth 281 

Popovizh  J.  S.  V 285  (10) 

Popowi6  Dionys 222 

—  Georg         222 

—  Johann  222 

—  Milos 222 

Sabb 222 

Sophr 222 

Popowskij  Nik.  Nikit 169 

Poszakowski-  Johaiiu 44H 

Potocki  Alxr 477 

—  Ignaz   470 

—  Johann    .    .  477  (11,  13)  495 
Stau.    Kostka   469   (41,   410, 

411,  478) 

—  Wenc 444 

Pozarskij  Jak.  Osipow (145) 

Praetorius  P (485) 

Prachaticky  Christan 329 

l'razuiowski  Adam 477 

Presbyter  s.  Diokleates. 

Pres]   Joh.    Svatopluk    365    (42,    79, 

360) 

--     Karl  Boriwog 369 

Prespole  Peter 329 

Priboevins  Vinc (229) 

Prochäzka  Frz.  Faust.  .    .    361  (369) 


Prokop,  Bruder 324 

—  ,  Stadtschreiber     ....  326 

Prokopius  Johann 395 

Prokopowiß-Antonskij  A.  A.  .  .  76 
Prokopowiö  Theophan  162  (93,  229) 
Prokosz,  Chronist  ....    507  (403) 

Prostibor  Ulr 350 

Protasow  Ambr 183 

Pruno  Johann 384 

Prybis  Dan (386) 

Przesmycki    Ludw 476 

Przybylski  Hyac 464 

Puarich  Anton 256 

Pubicka  Frz (292) 

Pudl'owski  Malcher  .....  433 
Puchmayer  Anton  Jarosl.  363  (145, 360) 
Puchow  Jobann        341 

—  Sigm 341 

PuJawski  Paul  Corvin 477 

Pulkawa  Pribjk  .  .  .  .  315  (4,  292) 
Puäkin  Alxr.  Serg 185 

—  Bas.  LwowiC 189 

Putnik  Joseph 222 

R. 

Kaczyriski  Ethmrd 473 

Eaöek  Johann 351 

Radasin  Mich 384 

Radic  Anton (386) 

Radich  Ludw 261 

—  Mich 262 

Radomski  Johann 435 

Radonjn  Pribislaw 350 

Raduch  Martin 396 

Radugin  Mich 497 

Raez  Mich (485) 

Raffay  Stephau 268 

Ragnina  Dinko 256 

j{j]j 252 

Raiö  Johann  .       ...    217  (U,  196) 

—  Stephan 219 

Rakic  Vinc 219 

Rakowiecki  Ign.  Bened.  473  (3,  19, 

70,  133,  149) 

Rakownicky  Johann 350 

—  Wenc 351 

Rama  Hier 262 

Rames  W^enc 349 

Raphaeli  Alxr (410) 

Rasiö  Max 222 

Raskowie  Raph 222 

Rattkay  Georg (229) 

Rautenkranz  Joseph   364 

Ravnikar  Matth 504 

Raymanu  Frz 368 

Razzi  Seraph 252 

Regius  Johann .    .  351 

Reifif  Ch.  Ph 492 

Relkovich  Jos.  Steph 264 

Math.  Ant.  263-264  (263) 


523 


rl      1 


Rembielinski  Josppb  . 
Romezow  Semen     .    . 

Hendel  Alb 

ßepansky  Martin    .    . 

Resti  Jimins 

ßesätko  s  Soböslawsky 

Resel  Thoni " 

Re§etka  Mich.     .    .    . 
Retjk  Magdalena    .    . 

Rey  Nik 

Richter  Joseph     .    .    . 
Riciardi  Bern.  .    .    . 

Ritter  Paul 

Rittersberg,  Ritter  v. 
Rizskij  Ivr.  Steph.  .    . 
Rodde  Jacob         .       . 
Rodowsky  Bawoi 
—        Bawor 
Rogalinski  Jos.    . 
Rogalius  Thom.   . 
Rohä(^  Johann  .    . 
Rohn  Job.  Karl  .    . 
Rohoni  Georg  .    .    , 
Rohrmann  Chn,  .    . 
Roich  Joseph    .    . 
Rokos  Frz.  Alxr. 

—  Wenc.  Midi. 
Rokycana  Johann 
Rosa  Stephan   ....    24 

-    Wenc.  Johann  .    .    . 
Kosaciiis  Johann      .    . 

-  Thom.  .  .  . 
Rosciszewski  Adalbert 
Rosenberg  Jobst  .  .  . 
Rosenthaler  Joseph  . 
Rositzius  Sigm.  .  .  . 
Rosolecki  Luc.  .  .  . 
Roter  Jerem.  .  .  . 
ßozanow  Thom.  ... 
Rozmital  Zdenek  Lew 
Rozuay  Samuel  .  .  . 
Rtisöew  Theod.  Mich. 

Ruban  Bas.  Greg 

Rubcic,  Wappenherold 

Rudjnskf  Matth 

Rudnicki  Sylvest 

Rukoslaw  Johann    .... 
Ruljk  Johann  .    .  366  (299, 

Ruth  Hynek      

Rwacowsky  Laur.  Leand. 
Ryba  Jac.  Johann   ... 

Rybäk  Georg    

Rybay  Georg   

Rybinski  Johann     .... 

Ryckow  Pet.  Iw 

Rychl'owski  Franz   .... 
Rylo  s.  Wassian. 

Rysinski  Salom 

Ryszkowski  Frz.  Xaver.    . 
Rzewuski  Wenc 


343 

398 

8ii9 

429 

287 

261 

268  i231) 

(140) 

(179) 

144,  146) 

.  350 

.305 

.  478 

.  437 

(386) 

(300) 

.  50ü 

(410) 

.  268 

.  368 

.  369 

.  324 

247,  256 

356  (299) 

348 


477 
159 
328 
344 
260 


174 


354, 


43 


.  348 
.  437 
.  324 
.  369 
(403) 
.448 
.  .  (410) 
(145,  146) 
.  326 
.  397 
.  lf.7 
(178) 
(2091 
(33H) 
.  246 
.  221 
369) 
.369 
.  343 
.  369 
.  352 
394  (140) 
(409) 
.  173 
446 


(1401 
.  478 
.459 


s. 

Sakowicz  Kassian    . 448 

Saltszewicz  Laur.    ...  •  448 

Samblak  Greg 152 

Sanin  Jos.  d.  H -155 

Sapecki  Kypr .418 

Sapieha  Alxr 477 

—  Leo 486 

Sarnnda  Pot 222 

Sarnicki  Stau 436  (403) 

Sartorius   Dan 392 

Scheliga  And 398 

Schkriner  Joseph 287 

Schlag  Georg (410) 

Schmidt  .Tob:  Adf.  Erdm.  (145,  146) 

—  Johann  E.     .    .    .    369  (.300) 
Schmigoz  Joh.  Leop.     .    .    286  (275) 

Schramko  Paul 396 

Schrey  Modost 287 

Schulek  Johann 396 

—  Math 395 

Sciniunich  Mich 261 

Scipio  Seb 346 

Sciumonnvicb  Johann     .    .       .    .  261 
Scjuljag  s.  Maxibradicb. 

Seberiny  Johann 398 

Sedläöek  Adalbert  .    .  .365 

Seiler  Andr .509 

Sekeres  N 222 

Seklucyau  Johann  .    .  435,  '^07  (424) 

Sellenko  Georg 285  (275) 

Sellij  Nikodem 163 

Semian  Mich 395  (38(>) 

Semiwlak  s.  Samblak. 

Sequenides  Georg 352 

Sexti  Johann (386) 

Siarczynski  Frz 477 

Sidoniüs  Dan (386) 

Siennik  jNLart 437 

Siemiatkowski  Pet 477 

Sierakowski  Seb 476 

—  Wenc 478 

Simon,  Bischof 151 

-    ,  Bruder      324 

Simonides  Johann  ....    386  (3;^6) 

Sinapius  Dan 386  (140,  386) 

Sinjkowskij  Dem.  Nik.      .    .    .    (146) 

Sirenius  Sim 438 

Sjeöenow  Dem 169 

Skalicky  Joseph 369 

Skaradkiewicz  Patric 478 

Skarbek  Fr.  Hr 477 

Skarga  Pet 434 

Skoczynski  Pet 448 

Skomorowski  Frz 47S 

—  Ludwig      476 

Skorina  Frz 156  (178) 

Skrzetuski  Cajet 473 

—         Vincent 477 


524 


Slaski  Simon 433 

Slawata  Wilh 347 

Slawianickij  s.  Slawineckij. 

Slawineckij  Epiph 157 

Sleszkowski  Seb 447 

Slotwinsld  Felix 477 

Slovacius  Paul 352 

—  Wenc 345 

SJowacki  Eusob .467 

Suiiglecki  Martin 448 

Smotriskij  Melet (126) 

Smrtnik  Benign 506 

Sniadecki  And 475 

—  Johann    ...       ...  476 

Soböslawsky  Jacob 352 

—  Johann    352 

—  Thoni.  Resätko     .    .  343 

Soc  Iw.  Iw (146) 

Sokolow  Pet.  Iw 186  (144) 

Solaric  Paul    ...  218  (35,  212  222) 

Solnicky  Wenc.  Math 352 

Solski  Stan 448 

Sol'tykowicz  Joseph    .    .    .    477  (310) 

Sophronius,  Priester 152 

Sopikow  Bas.  Steph.  .  187  (133,  190) 
Sorgo  Bern 261 

—  Frz.  Pierko 261 

—  ,  Graf (3) 

—  Katharina      260 

—  Pet.  Ign 260 

Sovich  Matth 246  (247) 

Sowinski  Johann     ....    477  (478) 

Spasskij  Greg.  Iw 78 

Spiczynski  Hier 437 

Srnec  Jacob (140) 

Stach  Wenc 366 

Stamatowiö  Nik 222 

Stanisawlewiö  Gab 222 

Starcsevich (248) 

Starowolski  Sim 446   (478) 

Staszyc  Stan i74    (404) 

Statorius  Pet 507   (410) 

Stavenhagen  J.  N (144) 

Stawiarski  Ign (404) 

Stawski (410) 

—  Alb .448 

Staygel  Mich 397 

Stefanowiö   Karadzic  Wuk  221,  225, 

491,    (UO,    141,  203,  205,  216) 

Stefazyus  Job.  Chph 477 

Stehlik  Paul 398 

Stephan,  Kapuciner 270 

Stophanides  Georg 352 

—  Jacob,  u.  Johann     .    .  352 

—  Simon      352 

Sternberg  Petor 328 

—  Zdenck   328 

Steyer  Math.  Wenc.  .    .    .355    (299) 

Stipacius  Nik 352 

Stodolius  Dan 349 


Stoienski  s.  Statorius. 

Stojadinowiö  Marc 220 

Stojkowiö  Äthan 220 

Strachowic  Adam  Heinr 352 

Straka  Anton 398 

Stranensky  Johann 342 

Stransky  Daniel (386) 

—  Paul 855    (392) 

Streöko  Paul (382) 

Stredowsky  Joh.  Georg  ....  (96) 
Strjbrsky  Hier 352 

—  Jakob    324 

—  Math. 352 

Strnad  Anton 369 

Strojew  Paul  Mich 188   (137) 

—  Peter 491 

Stroynowski  Hier 477 

Strubicz  Math 438 

Stryc  Georg  . 337,  338 

Stryykowski  Math.  .  .  .  136  (4  403) 
Stulli  Joachim 261   (248) 

—  Johann    261 

Sturm  Wenc 344 

Strzebski  Martin 418   (40) 

Suchorowski  M 503 

Sudlicius  Johann 357 

Sudrovius  Stan 432 

Sumarokow  Alxr.  Pet 162 

—  Pankrat -188 

Surowiecki  Laur     .    .   .  473  (11,  19) 

Sussnik  Frz 269,  499 

Swiecki  Thom (403) 

Swjetnoj    Philemon 492 

Swinin  Paul  Peter 78 

Switkowski    Peter 478 

Swoboda  Frz.  Johann 366 

—  Wenc.  Aloys 369 

Swotlik  G.  Augustin   .    .   .  (483,  485) 

Sychra  Math 367 

Sylvanus  Johann 384 

Sylvester,  Bischof 151 

Symonowicz  Roman 477 

Syreiiski  s.  Sireuius. 

Syxtus  Erasmus  .  .  .  •  .  .  .  448 
Szent-  Märtony  ....  269  (269) 
Sz.  d.  Polnische   s.  nach  S. 

s. 

Sädek  Karl 369 

Saffarowsky  And (386) 

Sachowskij  Semen 158 

Sachowskoj  Alxr.  Alxr 184 

Salikow  Pet.  Iw 78, 190 

Satrow  Nik.  Mich 189 

Söeglow  N 78 

Siekatow  Alxr (138) 

öcerbatow  Mich    Mich.  .    .  172  (137) 


525 


Sediwy  Prokop 396 

Sichmatow  Serg   Alxr 189 

Simiö  Nik 220 

Öimko  Imm.  ^Yllh 369,  505 

,  —    P.  Adalb 398 

Sjr  Frz 369 

Si§kow   Alxr.    Semen.   76,    182  (133, 
142,  146,  150) 

Slechta  Johann 327 

Sohag  Adalb 366 

Stelcar  Johann 344 

Stepäuek  Joh.  Nep 367 

St^pniöka  Frz.  Bohumjr    ....  369 

Stjtny  Thom 316 

Styrsa  Georg    .    .   .   .  •    ....  329 

Sud  Nik 350 

Suäerin  Iw.  Korn 159 

Swenda  Frz.  Paulla 369 

Szaniawski  Jos.  Kalassanty  .    .   .  474 

—  Xaver 477 

Szczaniecki  Stephan 446 

Szczericz   Paul 436 

Szembek  Fried 447 

Szeyt  Johann 478 

Szoltisz  A 398 

Szc^owicz 507 

Szukiewicz  Fabian 476 

Szumski  Thom.     .  477  509  (410,  478) 

Szylarski 507 

Szymanowski  Joseph      ....  460 

Szymkiewicz  Jacob 478 

Szymonowic  Simon 430 

Szymonovrski  Sani.  Huter     .   .    .  448 

Szyrma  Anton 448 

Szyrwid  Const (410) 

T. 

Tablic  Bohusl.  77,  397  5C6  (380,  382, 

383,  398) 

Täborsky  Chrys 357 

—  Johann      384 

—  Joseph 869 

Tacituruus  Georg 352 

Tappe  Aug.  Wilh (137,   145) 

Tarnowski,  Graf (461) 

—  Johann    438 

Tatisöew  Bas.  Nik.     .   .   164  (3,  137) 

—  ,     Iw.  Iw 497  (146) 

Tauszi  Franz 270 

Tellitenovich  Anton 270 

Teplicky  Wenc.  Stephan  ....  349 

Terlaiö  Greg 218 

Terlecki  Method 244 

Tersich  Luc 261 

Tesäk  Georg 845 

Teäläk  Paul 392 

Textorius  Wenc 352 


Tham  Karl  Ign.  ...  366  (299,  300) 

—  Wenc 366 

Theophylact,  Bischof 225 

Thermen  Wenc.  Steph 352 

Ticinus  Jacob 484  (483) 

Timothoj,  Chronograph      .    ...  151 

Timowski  Kantorbery 476 

Ti§now  Simon 324 

Tököly  Sabb 222 

Tolmacew  Jac.  Bas (190) 

Toloöaninow  Nikiph.  Matw.     .    .  159 
Tolstoj  Thed.  Pet.  .......    76 

Tomaszewski  Dyzma  Boncza  .   .  466 

—  Mich.  Boücza  .    .    .476 

Tomikovich  Alex 264 

Tomsa  Frz.  Bohumil 369 

—  Frz.  Johann   .   .   .    361  (300) 

Tonsoris  Johann 394 

Torkos  Joseph 288 

Tosan  Daniel 352 

Trabczynski,  Abbe (410) 

Trauowskf  Georg 386 

Tranquillion  Kyrill 159 

Traun  Anton 287 

Tr§bicki  Stan 461 

Trgbicki  Anton 477 

Trebick-y  Joh.  Kyrill 352 

Trebnicky  Steph 384 

Tredjakowskij  Bas  Kyr.  164  (137,  179) 

Tribalius  Mart 852 

Tribucelius  Sigm 352 

Tripkovich  Anton 259 

Trnka  Frz.  Dobromysl 369 

Troc  Abr 447  (41ii) 

Trojan  Hermanomestecky     .   .   .  352 

Trojanski  J.  C (411) 

Trüber  Primus 279,  280 

Truska  Simon 369 

Trzciüski  And 478 

Tudisi  Marinus 256 

Tulawski  Joseph 478 

Tumauskij  Theod (138) 

Turinsky  Frz ^367 

Turnowski  Johann '432 

Turno-wskv  Wenc 352 

Tm-zo  Ancl 394 

Twardowski  Casp 432 

—  Samuel 442 

Tylkowski  Adalb 448 

u. 

Ulfus,  Priester 238 

Umiastowski  Peter      437 

Urbanowic  Johann (386) 

Urzedow  Martin 438 

Ustrzycki  And 478 

V. 

Valecius  Simon 347 

Vater  Joh.  Sev (145,  410) 


526 


Velikanovich  Iw 2fi4 

Verantius  Faust 25U  (248) 

Vergerius  Peter  Paul 280 

Vetraiiich  Mauro 251 

Villov  Steph 262 

Vinceutins,  Domherr 308 

Vincovich  Bened 268 

Vitalich  And 261 

Vitezovicli  s.  Rittor. 

Vlassich  Joseph  Anton 264 

Vodnik  Valent 286  (27öj 

Volkmar  Nik (410) 

Voltiggi  Joseph 260  (248) 

Vucich  Bona  Joh.  d.  Ae.  u.  d.  J.  256 
Yuletich  Peter 261,  493 

w. 

Waea  Theod 477,  506 

Walasky  Paul 396  (398) 

Walasjk  Joh 506 

Waldstein  Hynek 347 

Waleiiowsky  Wenc .325 

Wales  Joh 352 

Wanek  Norb 369 

Wargocki  And 4C8 

Wartowsky  Joh 341 

Warwazow  Ilaw.  Barth 35'J 

Wassian 155 

Wauer  Joh (485) 

Wawäk  Frz.  Joh 369 

Weber  Joh 386 

Wegierski  Adalb 446 

And 445  (478) 

Thom (424) 

—         Thom.  CiiJLt 462 

AV§glenski  Josaph 478 

Weissenthurn  Vinc.  Franul.  286  (275) 

Welssmann  Er (145) 

Welensky  Ulrich 328 

Weleslawjn  Adam   Doniel  339  (30ü) 

Wetzien  S (145) 

Wenelin  Jur 502 

Werewkin  Mich,  hv 174 

Werner,  Bischof 249 

Wesely  Wenc.  Jos 357 

Wetesiijk  Frz 368 

Weycbart  T.  T 478 

Weziliö  Alexj 219 

W§zyk  Frz 466 

Wiazkiewicz  Paulin 448 

Widakowie  Milowaii 220 

Wiedemann  Wenc (300) 

Wielewieyski  Steph 448 

Wierbusz  Kaz 477 

Wieruszowski  Kaz 448 

Wiesiolowski  Chj)h 477 

Winkler  Karl (411) 

Winogradow  Peter iTiO) 

Wiskowatow  Iw 189 

Wisniowiecki  Jnnusz  Korybnt.    .  443 


Witkowic  Mich 220 

—  Peter 222 

Wizin  Denis  Iw.  v 170 

Wjazemskij  Pet.  And 184 

Wladimir  Wsew.  Monomacli  .49,  151 

Wladisawlewie  Mich 219 

Wlahowiß  Äthan l'21 

Wlasenicky  Nik 325 

Wlcek  Wenc 328 

Wl(iotjn  Chn 352 

Wlkanuw  Ulr.  Prefat      350 

Wodicika  Joh 349 

Wodnansky  Jes.  Caniill 352 

—  Joh.  (Aquensis)  .  328 
Wojejkow  Alxr.  Theod.  .  185  (178) 
Wolckow  Serg.  Sabb.  .  .  174  (145) 
Wolf  Martin 369 

—    Matth 287 

Woljnsky  Jacob 352 

Woronicz  Joh 464 

Woronowski  Bened (410) 

Wostokow  Alxr.  Chph.  .    .      186  (42, 
133,  179) 
Woyde  s.  Adamowicz. 

Woyde  Karl    Gottl 477 

Woyna (410) 

Woyniowicz  Vinc 478 

Wrana  Nik 329 

Wratislaw  Wenc 345 

Wrbensky  Victor 347 

Wi-esowic  Wolf 350 

Wröbel  Valent (424) 

Wsehrd  Victor.  Corn 327 

Wuiö  Joachim  .    .        220 

Wujanowsky  Steph 218 

Wuiek  Jacob 434  (424) 

Wussiu  Casp .    (300) 

Wybicki  Joseph 474 

Wydra  Stan 366 

Wyrwicz  Karl .    .  477 

Wysocki  Samuel 448 

Wyszkowski  Mich 476 

Wyszomirski,  Priester    .    .  453    (410) 

z. 

Zabczyc  Joh 432 

ZaWocki  Franz 468 

Zäbognjk  üeorg (386) 

Zaborowski  Ignaz 478 

—  Stan (410) 

Zäborsky  Peter .   .  394 

Zaborowski  Stanisl.    .  ...  f.07 

Zabransky  Johann  ......  369 

Zadranin  Givan 261 

Zagjc  Joh.  V.  Hasenberg  ....  324 

Zahumenskv  Joh 3'i2 

Zahradiijk  Vinc 367 

Zachariaszewicz  Greg 477 

Zachariewic  Georg 220 

Zaloski  H.  L 476 


527 


Zafuski  Jos.  Aiitl -159  (478) 

ZaluÄansky  Adam 342 

Zamagna  Raimund 255 

Zämrskv  Mart.  Philad 348 

Zanotti'Joh 2H1 

Zawadzki  l^n.  Rogal (140) 

—  Maxi 246 

—  Theod.  Bogala  .    .       .448 

Zäweta  "Georg •  346 

Zäworka  Tob 3-52 

Zbylitowski  Peter  u-  Sig.  Aiid.   .  433 

Zeglicki  Arnolph (HO) 

Zelie  Geras 222 

Zglinicki  J.  N 476 

Ziegler  Jos.  Libosl '-9,  364 

Zielinski  Joseph 477 

Zimmermann  Job.  Wenc  .  364 

Zimorowicz  Simon 431 

Zizania  Laur 155  (126) 

Zjablowskij  Eudok.  Php.  .    189  (138) 
Zlatarich  Dominik 252 

—  Mart 261 

Zlobickv  Joseph 369 

Zmajevich  And (250) 

—  Yinc 245 

Zmeskal  Job 392 

Zolotarew  Peter 159 

Zoograph  Dem 152 

Zrzelski  Job.    . 448 

Zschuderlv  Tob (485) 


Zuzzeri  Bern 261 

—      Floria 252 

Zygrovius  Job 432 

Zyma  Anton 369 

z. 

Zalansky  Hawel 346 

Zatecky  Paul 325 

Zdanow  Prochor  Iw (146) 

Zdzanski  Cajet 448 

Zebrnwski  Felix 437 

—        Jacob  ...  ...  444 

Zefarowic 211  (196) 

Zlezny  Hawel      352 

Zelotyn  Wenc 842 

Zerotjn  Karl 388 

Zidek  Paul 326 

Zidjata  Luc 151 

Zirjata  s.  Zidjata. 

Ziwlvowic  Jon.  u    Steph    ....  221 

.     —       Kyr 220 

Zluticky  David  Hawel 352 

Zölkowski  Aloys      469 

Zukowski  Seb.     ...    •  ....  477 

Zukowskij  ßas-  And 183 

Zulkiewski  Karl 448 


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PG    Safarik,  Pavel  Jozef 

^^■^  Gescliichte  der  slawischen 

-L'^oQ     2.    Abdruck. 


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