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Full text of "Handbuch der Hygiene. Bearb. von Assmann. [et al] Hrsg. von Th. Weyl"

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O' 


Des  ganzen  Werkes  Lieferung  2. 

HANDBUCH  DER  HVGIENi 


HERAUSGEGEBEN  VON 

DR    THEODOR   WEVL 

IN    BERLIN. 


DRITTER  BAND.     ERSTE  ABTEILUNG. 
ERSTE  LIEFERUNG. 


Einzelernährung 
und  Massenernährung 


Dr.  mo<].  Iininaiiiicl  lluiik, 

Pri  vatdo  centen  an  der  Uni  vorsi  tä  t  in  Uorlin. 


Mit  2  Abbilduuffcn. 


JENA, 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHKR. 

1893. 


Yerlng  ron  Gnstay  Fischer  In  Jena. 

T^in'5'WQ'ncrP'r     ^'"    ®^''''  "•  **    Professor  der  Psychiatrie  an  der  Universität  Jena, 
-'-^^^^  "  "'^*,*->^'^  ^     I>iroktor    der    Landes  -  Trren  -  Anstalt    und    psychiatrischen    Klinik, 

Die  pathologische  Histologie  der  Grossliirnrinden-Erkrankung 

bei  der  Hll^emeiiieu  proprosMveii  Paralyse  mit  l)e>on<lerer  Herücksichtiguiij;  der  acuten 
und  Krülifoimen.  Monographisch  bearbeitet.  Mit  einer  lithographischen  Tafel  und 
einer  Abbildung  im  Text.      1893.     Preis:    4  Mark 

Ccntralblatt    fi'^^*  Bakteriologie  und  Parasitenknnde.    in  Ver- 
bindung   mit  IJeh.   Iloirath  Prot.  Dr.   L  e  u  c  k  »  r  t    in   Leipzig  und 
Prof.  Dr.    Loeffler  in  Greifswald  herausgegeben  von  Dr.  Oscar  Uhlworm  in  Cassel. 
Erscheint  im  Umfange  von  ca.   2  Bogen  wöchentlich  mit  Abbildungen.     Der  Preis  des 
Jahrgangs   beträgt   28   Mark. 

/>«."    „Centralhlatt  für   Bakteriologie   und   Parasitenhunde", 

für  welchem  du  hervorragendsten  Forscher  des  Li-  itnd  Auslandes  ihre  Mitwirkung  he- 
thätigt  haben,  tnll  den  nugenblicklichen  Stand  der  theorrtischen  und  praktischen  Forschungen 
auf  dem  Oesnmmt gebiete  der  Bakteriologie.  Gährungsphysiologic  und  Parasitenknnde,  sowie 
der  damit  in  Beziehung  stehenden  Wissengfächer  wiedergeben,  soicohl  durch  Originalaufsätze 
und  du7-ch  ein  wöchentliches  systematisches  Verzeichniss  der  neuesten  einschlagenden 
Literatur,  als  auch  durch  Referate,  welche  in  gedrängter  Kürze  regelmässig  jede  Woche 
eine  Cebersicht  über  die  neuesten  einschlagenden  Publikationen  aller  Länder  zu  geben  bestimmt 
sind.  Die  hohe  Bedeutung  der  oben  genannten  Fächer  für  die  Wissenschaft  und  Praxis 
des  Mediziners,  Zoologen,  Botanikers,  Gähmngschemikers  etc.  ist  heute  allgemein  anerkannt. 
Um  die  angedeuteten  Ziele  zu  erreichen ,  zerfällt  der  Inhalt  des  Centralblattes  für 
Bakteriologie  und  Parasitenkunde  in  folgende  Abtheilungen: 

1)  (h'iffiiialci/rbeitetl.  Las  Centralblatt  für  Bakteriologie  und  Parasiten- 
kunde hat ,  entsprechend  seinem  Charakter  als  zusammenfassendes  Organ ,  eine  grosse 
Masse  tehr  wertheoller  Veröffentlichungen  aus  allen  cinilisirten  Ländern  bringen  können 
und  kann  auch  für  die  Zukunft  auf  allen  einschlagenden  Gebieten  viele  neue  Original- 
aufsätze  aus  den  berufensten  Federn  versprechen. 

2)  Referate,  Es  soll  die  Aufgabe  derselben  sein .  den  Inhalt  aller  diesbezüg- 
lichen wichtigen  ,  im  In-  und  Auslande  selbständig  oder  in  periodischen  Schriften  er- 
scheinenden Arbeiten  über  Bakteriologie,  Gähi-ungsphysiologie  und  Parasitologie,  Injektions- 
krankheiten des  Menschen  und  über  die  durch  thierische  und  pflanzliche  Feinde  verursachten 
Krankheiten  bei  Pflanzen  und  Thieren,  die  gegen  dieselben  anempfohlenen  Vorbeugnngs-  und 
Bckämpfungsmittel.  sowie  über  alles,  was  dazu  beitragen  kann,  7insere  Kenntnisse  von  dem 
Leben  der  PUze  und  anderer  Schmarotzer  zu  erweitem,  in  knapper,  streng  wissenschaft- 
licher Form  wiederzugeben.  Objektivität  der  Darstelluvg  wird  möglichst  streng  gewahrt, 
sachliche  Kritik  jedoch  nicht  ausgeschlossen ,  sofern  sie  sich  von  allem.  Persönlichen  Jrei- 
hält  Durch  Namensunter  Schrift  der  Referenten  ist  die  Gediegenheit  der  Besprechungen 
möglichst  gesichert. 

Sy  Zuffammenfassende  ZTeber.sichten.  Da  centralisirende,  wöchentlich 
berichterstattende  Organe  bisher  auf  dem  Gebiete  der  Bakteriologie  und  Parasitologie  nicht 
bestanden  haben,  so  berichtet  das  Centralblatt  auch  in  längeren  Zwischenräumen  über  die 
wichtigsten  Gegenstände  in  besonderen,  zusammenfassenden   Uebersichten. 

4)  Systematisch  geordnete  wöchentliche  JJehersichten  über  die 
neueste    bakteriologische  und  parasitologische   TAtteratur  aller 

LÜnder f  dieselben  geben  ein  möglichst  vollständiges  Bild  aller  Leistungen  der  letzten 
Wochen. 

5)  BericJite  über  Untersuchungsmethoden,  Instrumente  u.  s.  w. 

Bei  dem  grossen  Werihe,  welchen  für  experimentelle  Untersuchungen  die  genaue  Kenntniss 
und  Darstellung  der  Versuchs-  und  Untersuchungs-  resp.  Züchtungsmethoden  hat,  hat  das 
Centralblatt  für  Bakteriologie  und  Parasitenknnde  auch  dieser  Rubrik  eine  sehr  sorgfältige 
und  eingehende  Berücksichtigung  geuridmet.  Alles,  was  für  Verbesserung  oder  Vereinfachung 
der  Untertuchungsmethoden  von  Wichtigkeit  sein  kann,  v)ird  daher  schnell  und  ausführlich 
den  Lesern .  wenn  wünschentwerth  unter  Zuhilfenahme  von  Abbildungen  ,  durch  Original- 
aufsälze  oder  Referate  zur  Kenntniss  gebracht- 

O)  Berichte  und  Originalabhandlungen  über  Impfung  und 
Schutzitnpfnng,  soivie  künstliche  Infektionskrankheiten. 

7)  Berichte  über  alle  die  Entwicklungshemmung  und  Ver- 
nichtnnf/  der  Bakterien  und  andere  Parasiten  betreffenden  Fragen. 

S)  Berichte  über  die  in  das  Gebiet  der  Bakteriologie  und 
Parasitologie  einschlagenden  Vortrüge  und  Verhandlungen  auf 
Naturforscherversammlungen,  ärztlichen  und  sonstigen  Kon- 
gressen. 

9)  Berichte  und  Beschreibungen  der  für  baktetnologische 
und  parasitologische  Forschungen  eingerichteten  Institute  und 
sonstigen  Anstalten, 


EIi\ZELERMlIl!Ui\G 

ÜNl)  MASSEIERMHEÜNG 


BEARBEITET 


VON 


Dr.  med.  IMMANUEL  MÜNK, 

PRIVATDOCENTEN   AN   DER  UNIVERSITÄT  IN   BERLIN. 


MIT  ZWEI  ABBILDUNGEN  IM  TEXT. 


HANDBUCH   DER   HYGIENE 


HERAUSGEGEBEN   VON 

DE    THEODOR  "WEYL. 


DRITTER  BAND.     ERSTE  ABTEILUNG. 


JENA, 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER. 

1893. 


6^3 


Inhaltsübersicht. 


Seit« 

Einleitung 1 

Erster  Absohnltt :     Der  Stoffverbrauch  des  Menschen  3 

1.  Körperbestand,  Methodik 3 

2.  Verbrauch  beim  Hunger 7 

3.  „           bei  Eiweißzufuhr 8 

4.  „             „     Zufuhr  von  Leimstoffen 10 

6.            „             „    Fetten  und  Kohlehydraten 11 

6.  „             „     Arbeit 12 

7.  „             „     wechselnder  Außentemperatur 13 

8.  „  n     ^  Abhängigkeit  vom  Körperzustande  und  vom 

Lebensalter 14 

9.  Einfluß    einiger    wichtigen  organischen   und  Mineralstoffe  auf 
den  Verbrauch 16 

10.  Eiweißansatz  und  Fettansatz  (Fleisch-  und  Fettmästungi  .     .  17 

Zweiter  Abschnitt:     Die  Bedeutung  der  Nahrungsstoffe  21 

1.  Das  Wasser 21 

2.  Die  Mineralstoffe  (Aschenbestandteile) 26 

3.  Die  Eiweißstoffe .  31 

4.  Die  Leimstoffe 33 

5.  Die  Fette 35 

6.  Die  Kohlehydrate 38 

7.  Die  Würz-  und  Genußstoffe 40 

8.  Vertretungs-  und  Brennwert  der  organischen  Nährstoffe    .     .  46 

Dritter  Abschnitt:     DieNahrungdesMenschen      .     .     .     .  51 

1.  Teil:     Allgemeines 52 

1.  Bedeutung  der  Zerkleinerung  und  Zubereitung   der  Nahrung  52 

2.  Volumen,  Form  und  Konsistenz  der  Nahrung 59 

3.  Die  Auanützung  der  Nahrung  im  Darm 64 


IV  Inhalt. 

Seite 

4.  Unterschiede  der  animalischen  und  pflanzlichen  Kost  ...  HO 

5.  Zweckmäßige  Kombination  der  Nahrungsmittel  zur  Nahrung  75 

6.  Die  geeigneten  Temperaturen  der  Nahrung 79 

2.  Teil:     Das  Kostmaß 81 

1.  Kostmaß  der  Erwachsenen 84 

a)  bei  Ruhe  und  leichter  Arbeit 84 

b)  bei  mäßiger,  nicht  zu  angestrengter  Arbeit 85 

c)  bei  angestrengter  Arbeit 87 

2.  Kostmaß  alter  Leute 89 

3.  „         der  Soldaten 90 

4.  „          der  Gefangenen 92 

5.  „          der  Kinder 93 

6.  „          nach  Jahreszeiten  und  Klima 96 

7.  Verteilung  des  Kostmaßes    auf   verschiedene  Mahlzeiten  .     .  98 
Anhang:  Hygiene  des  Essens  und  der  Verdauung    ....  102 

Vierter  Abschnitt:     DieMassenernährung 105 

1.  Massenernährung  von  Kindern  und  jugendlichen  Individuen  106 

Waisenhäuser 106 

Korrektionsanstalten 108 

Alumnate 108 

2.  Massenernährung  der  Soldaten 109 

3.  „                   „     Gefangenen 114 

4.  „                 in  Armenhäusern  und  Versorgungsanstalten  120 

5.  „                 „  Volksküchen 122 

6.  „                 auf  Seeschiffen 127 

Anhang:     1.    Massenernährung    in     Zeiten     von     Epidemien, 

Krieg,  Teuerung 129 

2.    Allgemeines  über  Ernährung  in  Krankenhäusern  132 

Register 138 

Abbildungen. 

Fig.   1.     Respirationsapparat  von  Pettenkofer 6 

Fig.  2.     Luftkalorimeter  nach  Rubner 48 


Einleitung. 

Nach  laugem  Kampf  der  hin-  und  henvogenden  Anschauungen  hat 
sich  als  der  einzig  durchgreifende  Unterschied  zwischen  dem  Reiche 
des  Organisierten  oder  der  Lebewesen  und  dem  anorganischen  Reiche, 
der  starren  Welt  des  Unbelebten,  herausgestellt,  daß  in  den  Objekten 
der  unbelebten  Natur  die  Mineralteilchen,  wenn  auch  zu  bestimmten 
Formen  (Krystallen)  angeordnet,  im  ruhenden  stabilen  Gleichgewicht 
und  von  der  Umgebung  fast  unabhängig  verharren,  während  jedes  Lebe- 
wesen oder  Organismus  von  seiner  Umgebung  abhängig  ist  und  anderer- 
seits dieselbe  auch  wieder  beeinflußt,  insofern  die  den  Tierleib  kon- 
stituierenden Stoffe  stetig  umgesetzt,  verbraucht  und,  insoweit  sie  un- 
brauchbar geworden,  ausgeschieden,  zum  Ersatz  der  verbrauchten  aber 
wiederum  Stoffe  der  Außenwelt  aufgenommen  und  zu  Bestandteilen  des 
Tierkörpers  umgebildet,  „assimiliert''  werden.  Es  befindet  sich  daher 
jeder  Organismus,  ungeachtet  scheinbarer  Konstanz  der  äußeren  Form 
und  Beschaffenheit,  in  einem  steten  Fluß,  in  einem  steten  Wechsel  der 
ihn  zusammensetzenden  und  die  Kraftäußerung,  deren  Gesamtheit  sich 
als  Li'ben  darstellt,  bedingenden  Stoffe,  daher  der  „Stoffwechsel"  das 
Charakteristikum  der  Lebewesen  ist. 

Der  Chemismus  des  tierischen  Stoffwechsels  besteht  der  Hauptsache 
nach  aus  Oxydationen  oder  Verbrennungen  und  Spaltungsprozessen, 
durch  welche  die  hoch  zusammengesetzten  und  niedrig  oxydierten,  ver- 
brennlichen  organischen  Bestandteile  des  Tierkörpers,  in  erster  Linie 
die  Eiweiß-  und  Fettkörper,  mit  Hilfe  des  aus  der  atmosphärischen 
Luft  durch  die  Atmung  aufgenommenen  Sauerstoffes  in  einfach  zu- 
sammengesetzte und  hoch  oxydierte  Verbindungen  verwandelt  und  als 
solche,  hauptsächlich  in  Form  von  Wasser,  Kohlensäure,  Ammoniakver- 
bindungen (Harnstoff  u.  a.),  Schwefelsäure  nach  außen  abgegeben  werden. 
Bei  diesem  Zerfall  jener  organischen  Stoffe  werden  die  in  ihnen  und  im 
Sauerstoff  aufgespeicherten  chemischen  Spannkräfte  oder  potentiellen 
Energien  frei  und  gehen  in  lebendige  Kräfte :  Wärme,  Muskelbewegung 
(und  elektrische  Phänomene)  über,  sodaß  die  Lebenserscheinungen  an 
die  Zersetzung  der  organischen  Verbindungen  des  Tierleibes  und  an  den 
Luftsauerstoff  geknüpft   sind. 

Der  menschliche  Körper  giebt  dauernd  ab  durch  die  Lungen: 
Kohlensäure  und  Wasserdampf,  durch  die  Nieren:  Harnstoff  (Harn- 
säure etc.),  Wasser,  Mineralsalze,  durch  die  Haut:  Wasser,  Hauttalg, 
wenig  Kohlensäure,   durch    den    Darm:   Residuen    der  Verdauungssäfte 

Hmndbach  der  Hygiene.  Bd.  III.   AbtIg.  A.  l 


2  Einleitung. 

nebst  Schleim  und  Epithelicn,  ferner  von  der  Oberfläche  der  Haut  und 
Schleimhäute  die  sich  abstoßenden  Epidernioidalgebilde  (Ilaare,  Nägel, 
Oherhautschuppen)  und  Schleim.  Ferner  erleidet  der  Körper  zeitweilige, 
nicht  unerhebliche  Verluste  durch  die  Absonderung  von  Milch  resp. 
Samen,  Menstrualblut  u.  a. 

Für  diese  Ausgaben  muß,  soll  der  Bestand  des  Körpers  und  die 
Funktion  der  Orgaue  gewahrt  bleiben,  Ersatz  beschatt't  werden,  und 
dies  Ersatzmaterial  bieten  die  sog.  N  ahrungsst  off  e.  In  der  Phy- 
siologie versteht  man  darunter  jede  chemische  Substanz,  durch  welche 
ein  für  die  Zusammensetzung  des  Körpers  notwendiger  Stoft'  hergestellt 
oder  dessen  Abgabe  verhütet  resp.  eingeschränkt  wird.  Im  Sinne  der 
Hygiene  ist  diese  Definition  noch  dahin  einzuschränken,  daß  ein  Stotf, 
der  sonst  dieser  Anforderung  genügt,  nur  dann  als  Nährstoff  an- 
zusehen ist,  wenn  er  auch  dauernd  genossen  werden  kann, 
ohne  das  Wohlbefinden  und  die  Leistungsfähigkeit  des  Körpers  zu  be- 
einträchtigen, d.  h.  ohne  auf  den  Körper  eine  schädliche 
Wirkung  zu  üben. 

Durch  die  Beobachtung  und  Erfahrung  ist  festgestellt,  daß  unter 
den  verschiedenen,  seitens  der  Natur  gebotenen  Stofien,  von  dem  für 
das  Leben  unerläßlichen  Sauerstotf  der  atmosphärischen  Luft  abgesehen, 
nur  Wasser,  Mineralstoffe,  Eiweißkörper,  Fette  und 
Kohlehydrate  zu  den  notwendigen  und  unentbehrlichen  Nährstoffen 
gehören,  welche  auch  den  hygienischen  Anforderungen  genügen. 

Um  nun  über  den  jeweiligen  Bedarf  an  Nährstoifen  klar  zu  sehen, 
muß  man  die  Größe  des  Stofifverbrauches  unter  den  verschiedenen  Lebens- 
bedingungen beim  gesunden  Menschen  (das  kranke  Individuum 
braucht,  als  in  das  Bereich  der  Pathologie  fallend,  hier  nicht  berück- 
sichtigt zu  werden)  und  die  Wirkung  der  einzelnen  Nährstoffe  auf  den 
Stoffverbrauch  im  Körper  kennen. 

Litteratnr:  Von  größeren  Darstellungen  der  Lehre  von  der  Ernährung  seien  genannt: 
Die  grundlegende,  monographische  Bearbeitung  der  ,, Physiologie  des  allgemeinen  Stoffwechsels 
und  der  Ernährung^-  von  C.  V.  Voit  in  (L.  Hermann' s)  Handbuch  der  Physiologie  VI,  1.  T, 
(I881),  ferner  die  Vorzugspreise  die  hygienische  Seite  ins  Auge  fassenden  Abhandlungen  von 
J.  Forster,  über  ,,EmähTting*^  und  „Massenemährung'^  in  (v.  Ziemssen's  und  v.  Pettenkofer' s) 
Handbuch  der  Hygüne  /,  1.  Abt.  (1882).  und  II,  1.  Abt.  1.  Hälfte,  369  (1882),  ferner  das 
ausjührliche  und  sorgfältige  Werk  J.  König's  „Die  menschlichen  Nahrungs-  und  Oenu/smittel" 
/,  3.  Aufl.  (1889),  endlich  die  mehr  populäre  Darstellung  von  J.  Bänke  „Die  Ernährung  des 
Menschen-'  (1876);  von  bis  auf  die  neueste  Zeit  fortgeführten  und  auch  die  Bedürfnisse  des 
Arztes  hinsichts  der  Diätetik  berücksichtigenden  Darstellungen  „Die  Ernährung  des  gesunden 
und  kranken  Menschen^'  von  I.  Munk  und  J.  Uffelmann,  2.   Aufl.  (1891). 

In  der  nachfolgenden  Bearbeitung  sind  von  der  aufserordeutlich  angeschwoUenen 
Litteratur  über  Stoffwechsel  und  Ernährung  nur  diejenigen  Veröffentlichungen  herangezogen, 
in  denen  die  in  der  Darstellung  behandelten  grundlegenden  Erfahrungen  mitgeteilt  sind  oder 
in  denen  sich  eine  gute  Zusammenfassung  des  bis  dahin  Geleisteten  findet,  sodafs  es  mit 
Hilfe  derselben  leicht  möglich  ist,  zu  den  Quellen  aufzusteigen.  Auch  wo  in  kontroversen 
Fragen  die  Darstellung  sich  für  die  uns  am  wahrscheinlichsten  dünkende  Anschauung  ent- 
scheidet, findet  der  Leser  auch  die  gegnerischen  Auffassungen,  wenn  nicht  schon  im  Text, 
so  doch  in  den  Litteraturangaben  berücksichtigt,  sodafs  er  auf  Grund  eingehenden  Studiums 
der  QueUen  selbst  sich  eine  Meinung  zu  bilden  vermag. 


ERSTER   ABSCHNITT. 

Der  Stoffverbrauch  des  3Ieiisclien. 

§1.    Körperbestand.    Methodik. 

Die  Physiologie  lehrt,  daß  der  stoffliche  Gesaiutverbrauch  des 
Körpers  sich  aus  dem  Umsatz  der  letzten  biologischen  Einheiten,  der 
Zellen,  summiert,  deren  jeder  einzelnen  die  Fähigkeit  der  Stotfzersetzung 
und  Stoffiiufnahme  zukommt.  Aus  der  durch  die  Blutkapillaren  in  die 
Gewebsmascheo,  z.  T.  durch  Filtration  (Transsudation)  gesetzten  sog. 
Parenchymflüssigkeit  oder  Lymphe  nehmen  die  Gewebszellen  je  nach 
ihren  chemischen  Affinitäten  Stoffe  auf,  um  sie  weiterhin  durch  die 
jeder  Zelle  eigene  chemische  Thätigkeit  mit  Hilfe  des  dem  Kapillarblut 
entzogenen  Blutsauerstoffes  zu  verarbeiten  '.  Je  größer  die  Zahl  der 
Zellen,  also  die  Körpermasse,  desto  mehr  Material  wird  in  der  Zeit- 
einheit zersetzt;  daher  hat  ein  großer  Organismus  absolut 
einen  bedeutenderen  Stoff  Umsatz  als  ein  kleinerer. 
Abgesehen  von  der  Quantität,  ist  der  Stoöverbrauch  auch  von  der 
Qualität  der  Zellen  abhängig,  daher  die  verschiedenen  Gewebe  einen 
innerhalb  weiter  Grenzen  schwankenden  Stoflumsatz  zeigen.  Von  allen 
Organen  haben  die  Muskeln  und  die  Drüsen,  zumal  wenn  sie  thätig 
sind,  den  gr()ßten,  dagegen  die  Knochen,  die  Haut  und  das  Fettgewebe 
an  sich  den  kleinsten  Stoffumsatz. 

Der  Körper  des  erwachsenen  Menschen  besteht  nach  A. 
W.  Volkmann  2  und  Bischoff^  zu  16  Proz.  aus  Knochen,  dem 
sog.  Skelett,  zu  42  Proz.  aus  Muskeln,  zu  10 — 28  Proz.  aus  Fettgewebe; 
in  den  Rest  teilen  sich  die  Drüsen,  die  Eingeweide,  die  Haut,  das 
Nervensystem  u.  a.  Die  wesentlichen  Baustoffe  des  Körpers  bilden : 
Wasser,  Eiweiß  (+ leimgebende  Substanz),  Fett  und  Mineral- 
stoff e  (Aschebestandteile).  Die  daneben  vorkommenden,  stickstoff- 
haltigen, sog.  Extraktivstoffe  (Harnstoff,  Harnsäure,  Kroatin  u.  a.)  be- 
tragen ebenso  wie  die  stickstotlfreien,  sog.  Kohlehydrate  (Glykogen, 
Zucker)  höchstens  je  1  Proz.  des  Körpergewichtes,  sodaß  sie  ohne  er- 
heblichen Fehler  außer  Rechnung  bleiben  können. 

Es  bestehen  1(X)  T.  xMenscli  im  Mittel  aus  64  T.  Wasser,  16  T. 
Eiweiß  (4-  Leim),  14  T.  Fett  und  5  T.  Asche.  Die  Fettmenge  unterliegt 
selbst  bei  gesunden  Menschen,  wie  bekannt,  den  weitesten  Schwankungen, 


4  IMMANUEL    MUNK. 

etwa  von  9  bis  zu  28  Proz.  des  Kih-pergcwichtos;  in  dem  Maße,  als  der 
Fettgehalt  ziniinnut,  sinkt  die  i)rozentisclie  Wassermenge,  da  das  Fett- 
gewebe selbst  nur  10  Proz.  Wasser  einschließt,  zumeist  auch  der  Eiweiß- 
gehalt, Da  die  Muskeln  rund  42  T.  des  Gesamtkörpers  ausmachen  und 
selbst  21  Proz.  Eiweiß  und  75  Proz.  Wasser  enthalten,  ist  rund  die 
Hälfte  des  gesamten  Körpereiweißes  und  noch  mehr  als  die  Hälfte  des 
gesamten  Körperwassers  in  den  Muskeln  aufgespeichert. 

^letbodeu  zur  Messung  des  gesamten  Stoffve  rb  raucbos*. 
Der  Stolfumsatz  während  einer  bestimmten  Zeit,  am  besten  einer  24-stündigen 
Periode  wird  ermittelt  einerseits  durch  Bestimmung  der  Stoifo,  welche  in 
den  auf  diese  Tagesperiode  troffeudeu  Ausscheidungen  durch  Harn  und  Kot, 
durch  Lungen  und  Haut  enthalten  sind,  andererseits  durch  Bestimmung 
der  mit  den  Einnahmen:  eingeatmete  Luft  sowie  Speisen  und  Getränke,  in 
den  Körper  eingeführten  Stoffe. 

Die  Bilanz  des  Wassers  ergiebt  sich  einfach  aus  der  Differenz  zwischen 
dem  mit  dem  Getränk  direkt  und  mit  der  Nahrung  eingeführten  Wasser  und 
dem  durch  Harn,  Kot  und  die  Atmung  abgegebeneu  Wasser;  ebenso  die 
Bilanz  der  Aschebestandteile  aus  der  Differenz  zwischen  Einnahme  durch 
Nahrung  resp.  Getränk  und  Ausgabe  durch  Harn  resp.  Kot. 

Die  Berechnung  des  zersetzten  Eiweißes  basiert  auf  der  für  den  Fleisch- 
fresser und  Menschen  ermittelten  Thatsache,  daß  die,  leicht  zu  messende, 
Stickstoffausscheidung  durch  den  Harn  ein  direktes  Maß 
ftlr  die  Größe  des  Eiweißumsatzes  abgiebt^,  insofern  alles  zer- 
störte Eiweiß  (vorausgesetzt,  daß  die  Versuchsperson  keine  besonderen  stoff- 
lichen Ausgaben,  wie  Menstruation,  Gravidität,  Laktation  u.  a.  erleidet)  in 
Form  von  stickstoffbaltigen  Endprodukten  (Harnstoff,  Harnsäure  u.  a.)  aus 
dem  Körper  einzig  und  allein  durch  den  Harn  austritt*;.  Die  Menge  des 
aus  dem  Darm  in  die  Körpersäfte  übergetretenen,  resorbierten  Nahrungs- 
eiweißes ergiebt  sich  aus  der  Differenz  zwischen  dem  Stickstoff  in  der  einge- 
führten Nahrung  und  dem  aupgestoßenen  Kot.  Den  Stickstoff  im  Harn,  in 
den  Nahrungsmitteln  und  im  Kot  bestimmt  man  einfach  nach  der  Methode 
von  Kjeldahl:  Ueberführung  des  Stickstoffs  organischer  Substanzen  in 
Ammoniak  durch  Erhitzen  mit  konzentrierter  Schwefelsäure  und  Bestimmung 
der  Menge  des  gebildeten  Ammoniaks  durch  Ueberdestillieren  des  letzteren 
in  eine  vorgelegte  Säure  (Schwefelsäure)  von  bekanntem  Gehalt  (vgl.  hier- 
über Z.  f  analyt.  Chem.  22.  Bd.  366;  Pflüger's  Arch.  46.  Bd.  581).  Da 
das  Eiweiß  im  Mittel  16  Proz.Stickstoff  enthält,  so  entspricht  1  T.  Stickstoff 
(100,16  =)  6,25  T   Eiweiß. 

Kohlenstoff  wird  ausgeschieden  durch  Harn,  durch  Kot  und  durch 
die  Atmung.  Im  Harn  und  Kot  bestimmt  man  den  Kohlenstoff  durch  die 
Elementaranalyse:  beim  V»^rbrennen  kohlenstoffhaltiger  Substanzen  bei  Gegen- 
wart von  Sauerstoff  entsteht  Kohlensäure,  die  durch  Kalilauge  gebunden 
wird  (vgl.  Fresenius,  Anleitung  zur  quantitativen  Analyse,  6.  Aufl.  [18771, 
2).  Bestimmt  man  ferner  bei  der  in  einem  Atemapparat,  z.  B.  dem  gleich 
zu  beschreibenden  von  Pettenkofer,  sich  aufhaltenden  Versuchsperson, 
die  innerhalb  24  Stunden  gasförmig  ausgeschiedene  Kohlensäure,  so  ergiebt 
sich  daraus  durch  Multiplikation  mit  0,273  die  Menge  des  ausgehauchten 
Kohlenstoffes.     Addiert  man  zu  letzterem  den  im  Harn  und   Kot    gefundenen 


•)  Nur  bei  intensivem  Schwitzen  infolge  starker  Muskelarbeit  kann  nach  Argu- 
tinsky  (Arch  f  d.  ges.  Physiol.  46.  Bd.  594)  Veo  — Vsi  «^^s  durch  den  Harn  ausge- 
schiedenen Stickstoffs  mit  dem  Schweis  austreten. 


Einzeleroäbruog  und  MasseuerDäbruDg.  5 

Kohleustoff.  80  giebt  die  Summe  die  Gesamtausscbeidung  an  Kohleustoff.  Ist 
mehr  Kohlenstoff  auegeschieden,  als  mit  der  Nahrung  aufgenommen  ward, 
so  ist  Kohlenstoff  vom  Körper  zu  Verlust  gegangen ;  ist  die  Koblenstoffaiis- 
scbeidung  kleiner,  als  die  Kohlenstoffeinfubr  mit  der  Nahrung,  so  ist  Kohlen- 
stoff im  Körper  zurückgeblieben  oder  zum  Ansatz  gelangt;  ist  nur  ebenso  viel 
Kohlenstoff  ausgeschieden,  als  die  genossene  Nahrung  enthält,  dann  besteht 
Gleichgewicht  zwischen  den  Kohlenstoffeinnabmen  und  -ausgaben.  Ange- 
nommen, es  hätte  sich  so  ergeben,  daß  das  Versuchsindividuum  zwar  eben- 
soviel Stickstoff  ausgeschieden  hat,  als  in  der  Einfuhr  mit  der  Nahrung  ent- 
halten war,  aber  42  g  Kohlenstoff  mehr  abgegeben,  so  würde,  da  Stickstoff-, 
also  auch  Eiweißgleichgewicht  besteht,  der  mehr  abgegebene  Kohlenstoft  auf 
zerstörtes  Körperfett  (dies  ist  ja  der  wesentlichste  kohlenstoffhaliige,  stick- 
stofffreie Bestandteil  des  Körpersj  zu  beziehen  sein.  Da  nun  das  Körperfett 
im  Mittel  76,5  Proz.  Kohlenstoff  enthält,  hat  man  den  Kohlenstoffwert  nur  mit 
(100  76,5  =)  1,3  zu  multiplizieren,  um  die  entsprechende  Fettraenge  zu  finden. 
In  unserem  Falle  würden  also  42  X  1-3  =  54,6  g  Körperfett  zum  Verlust 
gegangen  sein. 

Der  Respirationsapparat  von  v.  Pettenkofer^  (Fig,  1)  besteht 
aus  der  fast  13  cbm  fassenden,  mit  Fenster  und  Thür  versehenen  Kammer  A  von 
Eisenblech,  in  der  sich  ein  Mensch  die  ganze  Versuchszeit  aufhalten  event. 
umhergehen,  Arbeit  leisten,  schlafen  u.  s.  w.  kann.  Durch  diese  Kammer 
V  hindurch  wird  mittels  einer  (von  einer  Dampfmaschine  getriebenen)  Luft- 
I  pumpe,  die  mit  dem  Rohr  c  in  Verbindung  steht,  stetig  ein  Luftstrom  (min- 
<  destens  20  cbm  Luft  in  der  Stunde  fördernd)  hindurchgesogen.  Von  der  aus 
der  KaoHüer  oben  und  unten  durch  das  Rohr  E  herausgesogenen  und  mit 
den  Ausatmungsprodukten  (Kohlensäure.  Wassergasj  beladenen  Luft,  deren 
Gesamtvolum  (nachdem  sie  sich  in  den  mit  Wasser  getränkten  Bimstein- 
stücken  des  Kastens  0  mit  Wasserdampf  gesättigt  hat)  die  große  Gasuhr  B 
mißt,  wird  durch  eine  Zweigleitung  a  mittels  einer  (gleichfalls  von  der 
Dampfmaschine  bedienten)  Luftpumpe  e  ein  Bruchteil  der  Ausatmungsluft 
zunächst  zu  einem,  mit  konzentrierter  Schwefelsäure  gefüllten  Kugeiapparat  s, 
welcher  den  Wasserdampf  bindet,  dann  durch  die  mit  Barytwasser  beschickten 
Röhren  k  und  /,  welche  die  Kohlensäure  fixieren,  und  schließlich  durch  das 
Ruhr  ö  zu  einer  kleinen  Gasuhr  C  getrieben,  welche  das  Volum  dieser 
analysierten  Luftmenge  mißt.  Die  aus  der  Kammer  herausgesogene  Luft 
wird  durch  solche  ersetzt,  welche  von  außen  durch  die  Thür-  und  Fenster- 
fugen eindringt;  auch  von  dieser  Luft  wird  durch  eine  Zweigleitung  «,  eine 
Probe  mittels  der  Pumpe  e,  entnommen  und  genau  so  wie  der  durch  a 
streichende  Anteil  der  Kammerluft  analysiert.  Hat  man  nun  so  ermittelt,  in 
welcher  Weise  die  aus  der  Kammer  hcrausgesogene  Luft  gegen  die  Außen- 
luft in  Bezug  auf  den  Kohlensäure-  und  Wassergehalt  verändert  ist,  so  kann 
man,  da  die  Gesamtmenge  der  durch  die  Kammer  durchgesogenen  Luftmenge 
an  der  Gasuhr  B  und  die  Größe  des  durch  die  Zweigleitung  a  hindurch- 
gestrichenen und  analysierten  Luftvolums  an  der  Gasuhr  C  sich  direkt  ab- 
lesen läßt,  berechnen,  welche  quantitative  Gesamtveränderung  die  Luft  wäh- 
rend der  Versuchsdauer  durch  den  in  der  Kammer  A  atmenden  Menschen 
erfahren  hat.  Der  Wassergehalt  des  durch  die  Leitung  a  streichenden  Luft- 
stromes wird  durch  die  Gewichtszunahme  des  (vorher  gewogenen)  Kugel- 
apparates s.  die  Kohlensäure  aus  dem  neben  Baryt  vorhamlenen  kohlensauren 
Baryt  des  Inhaltes  der  Röhren  k  und  l  titrimetrisch  ermittelt  (vgl.  Annal.  d. 
ehem.,  Suppl.  [1862],  2.  Bd.  1).  Somit  wird  nur  der  Wasserdampf  und  die 
Kohlensäure,  welche  die  Versuchsperson  ausgeatmet  hat,  direkt  und  scharf 
bestimmt,  der  Sauerstoffgehalt  —  und  das  ist  ein  Mangel  dieser  Methode  — 


6  IMMANUEL   MUNK, 

wie  bei  der  organischen  Elcmentaranalyse  mir  indirekt,  durch  Differenz- 
rechnung. Die  Differenz  zwischen  dem  Anfangsgewicht  der  Versuchsperson 
plus  allen  direkt  bestimmten  Einnahmen  (Nahrung  und  Getränke)  und  den 
gleichfalls  bestimmten  Ausgaben  (Harn,  Kot.  Atmung)  plus  dem  Endgewicht 
ergiebt  die  Sauerstoffaufnahme ;  auf  diese  häufen  sich  somit  alle  Fehler. 


Angenommen,  es  wären  innerhalb  der  24-stündigen  Versuchsdauer  ins- 
gesamt 500  cbm  Luft,  an  der  Gasuhr  B  gemessen,  aus  der  Kammer  heraus- 
gesogen worden,  während  der  durch  a  geleitete  Bruchteil  der  Kammerluft, 
an  der  Gasuhr  C  zu  ^'^  cbm  bestimmt,  eine  Gewichtszunahme  von  s  um 
0  44  g,  also  einen  Wassergehalt  von  0,44  g  und  einen  Kohlensäuregehalt  der 


Einzelernäbning  und  Masäenernährung.  7 

Bohren  k  und  l  von  0,465  g  ergeben  hätte,  so  würden,  da  der  analysierte 
Zweigstrora  nur  (0,25/500  ^)  '/söoo  ^'^'"  gesamten  Kammerluft  beträgt,  im 
ganzen  2000  X  0,44  =  8S0  g  Wasserdampf  und  2000  X  0,465  =  930  g 
Kohlensäure  innerhalb  24  Stunden  von  der  Versuchsperson  ausgehaucht  wor- 
den sein. 

1)  Hoppe-Seyler,   Med.-chem.    unter».,  Berlin  (1865  —  71),   1.   Bd.   133,  2.  Bd.  293;  Pflögsr, 

dfiifn  Areh.   6.   Bd    44,   lO.  Bd.   251,   641,   II.   Bd.   222,    18.  Bd.   217. 
•J     A    W.  Volkm&nn,  Sachs,  akad.  Sitz-Ber.   (1874)  202. 
3     E.  Bischoflf,   Z.  f.  ration.   Med    20.   Bd.   76. 

4)  C.  Voit,  /..  /.   Biol.   2.   Bd.  307;  Pettenkofer  und  Voit,  ebenda  2.  Bd.  478. 

5)  Aufur  den  unter  4)  angegebenen  Steilen  noch  J.  Bänke,  Arch.  /.  Anat.  u.  Physiol.  (1862) 
3»1  ;  Graber,  Z.  J.  Biol.  16.  Bd.  367,  19.  Bd  563;  Pettenkofer  und  Voit,  ebenda  16. 
Bd.   508;  H.  Leo,    Arch.  /.  d.  gea.   Physiol.  26    Bd.  218. 

6)  Pettenkofer,  Annal.  d.  Chem.  Suppl.  (1862)  2.  Bd.  1 ;  hier  ist  auch  die  Methode  der  KohUn- 
täurebestimmung  itn  Baryttcasser  beschrieben,  und  eine  Reihe  KontroUanalysen  gegeben. 


§  2.    Verbrauch  beim  Hunger. 

unter  Hunger  versteht  man  denjenigen  Zustand,  bei  welchem  keine 
Nahrung  genossen  wird,  sodaß  die  Einnahmen  des  Körpers  einzig  und 
allein  aus  dem  Sauerstoff  der  atmosphärischen  Luft  bestehen  (absolute 
Inauition  oder  Karenz),  oder  nur  ^Vasser,  sonst  aber  keine  Nahrung  ein- 
geführt wird.  Von  solchen  Beobachtungen  am  Menschen  liegen  außer 
denen  von  Pettenkofer  und  Voit^  sowie  J.  Ranke  ^,  welche  nur 
den  1.  bezw.  2.  Huugertag  betreuen,  aus  neuester  Zeit  Versuchsreihen 
von  Senator,  I.  Munk,  Fr.  Müller,  Zuntz  und  C.  Lehmann'' 
an  zwei  6  resp.  10  Tage  lang  hungernden  Menschen  vor ,  sowie  von 
L  u  c  i  a  n  i  *  am  30  Tage  lang  hungernden  Menschen.  Infolge  der  mit 
den  Lebensprozessen  (Atmung,  Herzthätigkeit,  Wärmebildung  u.  a.)  vor 
sich  gehenden  Stotfzersetzungen  und  durch  die  Ausscheidung  der  ver- 
brauchten Stoflfe  aus  dem  Körper  erleiden  die  Hungernden  eine  Abnahme 
an  Körpersubstanz,  die  sich  schon  grob  durch  den  Verlust  des  Körper- 
gewichtes anzeigt.  Dieser  Substanzverlust  ist  an  den  ersten  beiden 
Hungertagen,  an  denen  von  der  voraufgegangenen  Ernährung  her  noch 
Residuen  von  leicht  zersetzlichem  Material  vorhanden  sind,  am  stärksten, 
wird  weiterhin,  absolut  genommen,  immer  geringer,  sodaß  er  pro  Tag 
nur  0,8 — 1  Proz.  des  jeweiligen  Körpergewichtes  beträgt;  es  zehrt  der 
Organismus  somit  von  seiner  eigenen  Körpersubstanz. 

Während  am  L  Hungertag  der  kräftige  Arbeiter  von  71  kg  Ge- 
wicht 78  g  Eiweiß  und  215  g  Fett  zerstörte,  betrug  bei  einem  ebenso 
schweren,  aber  fetteren  Manne  der  Verlust  am  2.  Hungertage  nur  50  g 
Eiweiß  und  205  g  Fett.  Je  fettreicher  das  Individuum,  um  so  kleiner 
ist  dessen  Eiweißverbrauch,  je  fettärmer,  um  so  größer,  weil,  je  ge- 
ringer die  Fettmenge,  um  so  gr()ßer  iür  das  gleiche  Körpergewicht  die 
Eiweißmenge  am  Körper  ist.  Bei  einem  mageren  Mann  von  57  kg  Ge- 
wicht fanden  wir  am  1.  resp.  5.,  resp.  10.  Tage  einen  Verbrauch  von 
95  resp.  G7  resp.  (X)  g  Eiweiß  und  von  170  resp.  166  resp.  lt)5  g  Fett, 
bei  einem  anderen  von  fast  60  kg  am  1.,  2.,  6.  Hungertage  einen  Ver- 
brauch von  63,  63,  iS2  g  Eiweiß  und  je  160  g  Fett.  Der  30  Tage  lang 
hungernde,  62  kg  schwere  und  etwas  fettreichere  Mann  zerstörte  am 
1.  HuDgertag  104  g  Eiweiß,  am  10.  Tage  51  g  Eiweiß  und  170  g  Fett, 
am  20.  Tage  33  g  Eiweiß  und  170  g  Fett. 

Der  Gewichtsverlust   beim  Hungern  trifft   zu  etwa  ^/^   auf  Abgabe 


8  IMMANUEL    MUNK, 

von  Wasser  und  nur  zu  Vs  auf  Verlust  von  Körpereiweiß  und  Körper- 
fett,  und  zwar  wird  etwa  2— 4nial  so  viel  Fett  als  Eiweili,  bei  Mageren 
absolut  und  relativ  mehr  Eiweiß,  bei  Fetteren,  ebenso  in  den  späteren 
Ilunirortagen  absolut  und  relativ  weniger  Eiweiß  zerstört.  Nimmt  daher, 
wie  in  den  meisten  Beobachtungsreihen,  der  Hungernde  so  viel  Trink- 
wasser auf,  daß  die  Wasserausgaben  ziemlich  gedeckt  werden,  so  büßt 
er  in  den  spateren  Ilungertagen  nur  je  200—800  g  vom  Körper  ein, 
ohne  Wasser  das  2  ^j^-  3fache.  Deshalb  wird  auch  die  absolute  Karenz 
schlechter  und  nur  für  kürzere  Zeit  vertragen,  als  wenn  dabei  Aufnahme 
von  Wasser  erfolgt. 

Wegen  der,  je  nach  dem  Körperzustande,  wechselnden  Größe  des 
Verlustes  an  Eiweiß,  Fett  und  Wasser  tritt  der  Hungertod  bei  den 
verschiedenen  Individuen  nach  verschiedener  Dauer  des  Hungerns  ein. 
Bei  Wassergenuß  scheint  der  erwachsene  Mensch  es  bis  zu  G  Wochen 
aushalten  zu  können,  bei  völliger  Karenz  vermutlich  nur  3 — 4  Wochen. 
Je  fetter  die  Individuen  sind,  desto  geringer  ist  ihr  Eiweißverbrauch, 
und  desto  länger  ist  der  Eintritt  des  Hungertodes  hinausgeschoben. 
Je  jünger  und  kleiner  die  Individuen,  desto  relativ  d.  h.  pro  Körper- 
kilo größer  ist,  worauf  noch  einzugehen  sein  wird  (S.  15),  ihr  Eiweiß- 
und  Fettverbrauch,  daher  erliegen  Kinder  dem  Hungertode  schon  sehr 
früh,  ein-  bis  zweijährige  etwa  schon  am  5.  Tage,  nachdem  sie  höchstens 
V4  ihres  Körpergewichtes  eingebüßt  haben,  während  Erwachsene  zu- 
meist erst  nach  Verlust  von  ^/^  —  V2  ihres  Anfangsgewichtes  zu  Grunde 
gehen.  Am  längsten  ertragen  ältere,  noch  ziemlich  kräftige  Menschen 
die  Xahrungsentziehung,  weil  bei  ihnen  wiederum  der  Stoflfverbrauch 
relativ  kleiner  ist  als  bei  muskulösen,  also  fleischreichen,  im  kräftigsten 
Lebensalter  stehenden  Menschen  (S,  16). 

Daß  der  Hauptsache  nach  das  Körpereiweiß  und  Körperfett  beim 
Hunger  der  Zerstörung  anheimfällt,  wird  durch  die  anatomische  und 
chemische  Untersuchung  der  Organe  von  Verhungerten  bestätigt^. 
Das  Fett  des  Fettgewebes  ist  bis  auf  Spuren  und  die  eiweißreichen 
Organe,  Muskeln  und  Drüsen,  um  V3 — V2  ihres  Anfangsgewichtes  ge- 
schwunden; außerdem  sind  alle  Gewebe,  entsprechend  dem  Wasserver- 
lust, erhebUch  trockner,  d.  h.  von  geringerem  Wassergehalt  als  in 
der  Norm. 

1)  Pettenkofer  und  Voit,  Z.  f.  Biol.  2.  Bd.  478,  5.  Bd.  369. 

2)  Eanke,   Arch.  f.   Anat.  u.   Physiol.  (1862),   311. 

3)  Senator,    Zuntz,  Lehmann,  MüUer    und  Mnnk,    Berl.  Min.    Wochenschr.  (1887)    Nr.  24; 
Virchow's   Arch.    131.    Bd.,   Supplementheft. 

4)  Luciani,  Fisiologia  del  digiuno.  Firenze  (1889);  Das  Uungern,  Leipzig  (1890). 

5)  Chossat,    Mimoires  presentis    ä  l'Acadimie   des  sciences  8.  Bd.  438  (1843);    Bidder   und 
Schmidt,    Verdauungssä/te  u.  Stoffwechsel  (1852)  292;  Voit,   Z.  f.  Biol.  2.   Bd.  307. 


§  3.    Verbrauch  bei  Eiweißzufuhr. 

Man  könnte  meinen,  einen  Hungernden,  der  pro  Tag  etwa  60  g 
Eiweiß  umsetzt  und  von  seinem  Körper  einbüßt,  dadurch  vor  dem  Ei- 
weißverlust zu  bewahren,  daß  man  ihm  60  g  Nahrungseiweiß  giebt. 
Allein  dies  ist  keineswegs  der  Fall '.  Jede  Eiweißzufuhr  steigert 
den  Eiweißumsatz,  sodaß  bei  60  g  Nahrungseiweiß  z.  B.  100  g 
Eiweiß  umgesetzt,  also  nunmehr  40  g  Eiweiß,  d.  h.  nur  ^/g  so  viel  als 
beim  Hunger,  vom  Körper  abgegeben  werden.    Je  größer  die  Menge  des 


Einzelernähruiig  uud  Masseueruuhrung.  U 

Nahningseiweiües  ist,  desto  mehr  wird  der  Eiweißverlust  vom  Körper  be- 
schrankt, und  wenn  die  Kiweißnienge  in  der  Nahrung  etwa  das  4fache 
des  Hungeruinsatzes  beträgt,  kann  lieini  Menschen  die  Eiweißabgabe 
vom  Körper  aufgehoben  werden,  sodaß  der  Mensch  sich  mit  der  darge- 
reichten Eiweißmenge  auf  seinem  Eiweißbestande  erhält.  Dann  besteht 
sog.  Stickstoffgleichgewicht,  wobei  ebenso  viel  Eiweiß  zerfällt, 
als  mit  der  Nahrung  zugeführt  wird,  sodaß  der  Eiweißl)estand  des 
Körpers  uuangegritien  bleibt. 

Die  Eiweißmenge,  mit  der  ein  Mensch  ins  Stickstotigleichgewicht 
gelangt,  ist  für  verschiedene  Individuen  selbst  von  gleichem  Körperge- 
wicht nicht  die  nämliche,  insofern  hier  wesentlich  der  jeweilige  Korper- 
zustand  mitspielt,  in  erster  Linie  der  Eiweiß  -  und  Eettbestand  des 
Körpers.  Je  magerer  ein  Individuum,  desto  größer  ist  seine  Eiweiß- 
masse und  desto  größer  sein  Eiweißumsatz,  daher  es  auch  entsprechend 
größerer  Mengen  von  Nahrungseiweiß  zur  Erzielung  von  Stickstotigleich- 
gewicht bedarf.  Je  fetter  umgekehrt  ein  Mensch  ist,  desto  absolut  und 
relativ  geringer  ist,  für  dasselbe  Körpergewicht  betrachtet,  seine  Eiweiß- 
masse und  daher  dem  entsprechend  geringer  sein  Eiweißumsatz ;  außer- 
dem soll  das  Körperfett,  gleichwie  wir  es  vom  Nahrungsfett  kennen 
lernen  werden  (S.  11),  auch  seinerseits  den  Eiweißumsatz  beschränken. 
Aus  diesen  beiden  Gründen  kommt  ein  fetter  Mensch  mit  ge- 
ringeren Mengen  von  Nahrungseiweiß  ins  Gleichge- 
wicht als  ein  fettarmer  von  gleichem  Körpergewicht. 

Geht  man  mit  der  Eiweißzufuhr  über  die  Menge  hinaus,  bei  der 
Stickstort'gleichgewicht  erzielt  worden  ist,  so  wird  vom  Ueberschuß  nur 
ein  Bruchteil  im  Körper  zurückbehalten,  „angesetzt",  aber  vermöge  der 
Tendenz  des  Tierkörpers,  seinen  Eiweißumsatz  gleichsam  der  Eiweiß- 
zufuhr anzupassen,  tritt  weiterhin  auch  mit  der  größeren  Eiweißmenge 
Stickstotigleichgewicht  ein :  es  kann  daher  durch  keine  auch 
noch  so  große  Menge  von  Nahrungseiweiß  für  die  Dauer 
Eiweißansatz  bewirkt  werden,  d  h.  eine  Fleischmästung  ist 
durch  ausschließliche  Eiweißzufuhr  nicht  möglich,  um  so  weniger,  als 
ausschließlicher  Eiweißgenuß,  selbst  in  Form  von  magerem  Fleisch,  dem 
Menschen  schon  nach  kurzer  Zeit  widersteht,  zumal  sehr  große  Mengen, 
mindestens  250—270  g  Eiweiß  =  1200—1300  g  Fleisch,  nur  zur  Er- 
zielung von  Stickstotfgleichgewicht  nötig  sind  (J.  Ranke  2). 

Das  Nahrungs  ei  wei  ß  kann  nicht  nur  zum  Ersatz  für  das 
verl)rauchte,  resp.  sonst  zu  Verlust  gehende  Körpereiweiß,  sondern  auch 
zum  Ersatz  des  zerstörten  Kör  per  fettes  eintreten,  und 
zwar  sind  nach  den  Ermittelungen  von  Rubner^  erst  225  g  Eiweiß 
mit  loO  g  Fett  gleichwertig,  „isodynam".  Daher  sind  auch  zur 
Verhütung  des  Fettverlustes  vom  K()rper  große  Eiweißgaben  erforder- 
lich, solch'  große  Gaben,  wie  sie  der  Darm  vorübergehend,  aber  nicht 
für  die  Dauer  bewältigen  kann.  Wird  durch  das  Nahrungseiweiß  nicht 
nur  der  Eiweiß-,  sondern  auch  der  Fettverlust  vom  Körper  verhütet, 
dann  bleibt  das  Individuum  auf  seinem  stotllichen  Bestände.  Dies  ist 
Datürlich  bei  einem  fettreicheren  Individuum,  das  an  sich  weniger  Ei- 
weiß zersetzt,  leichter  möglich,  als  bei  einem  mageren  d.  h.  fettarmen 
und  relativ  eiweißreicheren.  Wenn  danach  auch  ein  gut  genährter, 
mäßig  fettreicher  Mensch  mit  reinem  iMweiß  (Fleisch)  vorübergehend 
auf  seinem  Stoftbestand,  also  auf  Körpergleichgewicht  erhalten  wenlen 
kann,  so  gelingt  es  kaum  auf  die  Dauer,  und  vollends  nicht  bei  einem 
mageren  Menschen. 


10  IMMANUEL    MUNK, 

In  ileu  Körper  eingeführt,  wird  das  Naliruugseiweiß,  auch  das  geronnene 
oder  koagulierte,  durch  die  Verdauungssäfte  i,Mageusaft,  Bauchspcichel)  in 
eigentümliche  lösliche  Modifikatiouon  verwandelt,  die  als  Albumosen  und 
Peptone  bezeichnet  worden  und  auch  durch  künstliche  Verdauung  außerhalb 
des  Körpers  dargestellt  werden  können.  Für  gewisse  Zwecke,  besonders  bei 
Magen-  und  Darmkrauken,  hält  mau  es  gelegentlich  für  vorteilhaft,  die  Ver- 
dauungsarbeit dem  angegrifi'eneu  Magen  und  Darm  zu  ersparen  und  den 
Kranken  gleich  die  Verdauungsprodukte  zu  reichen,  die  in  Form  der  sog. 
Handelspeptone  zumeist  Albumosen  neben  wenig  Pepton  enthalten.  Ver- 
suche *  haben  nun  gelehrt,  daß  die  Albumosen  und  Peptone  dieselbe  stoff- 
liche Wirkung  üben,  wie  das  genuine  Eiweiß  und  daß  beide  daher  in  stoff- 
licher Hinsicht  das  Eiweiß  vertreten  können. 

1)  Voit,  bez.   Voit  und  v.  Pettenkofer,  Z.  f.  Biol.  3.  Bd.   1,  7.  Bd.   133. 

2)  J.   Eanke,  Z.  f.  Anat.  u.   Physiol.  (18621  345. 

3)  Rubner.  Z  y.  Biol    19.  Bd.  302,   22.  Bd.  ."JO. 

4)  Adamkiewicz,  Virch.  Arch.  75  Bd.  144;  Zuntz  und  Pollitzer,  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol. 
37.  Bd.  301,  313;  I  Munk,  Therapeut.  MonatshefU  (1888),  Juni\  Deutsch,  med.  Woch. 
(1889;  Nr.  2  ;  V.  Noorden,   TherapeiU.  Monatshefte  (1892)  Juni. 

§  4.     Verbrauch  bei  Zufuhr  von  Leimstoffe n. 

Im  Muskclfleisch,  in  den  Drüsen,  in  der  Lunge,  Haut,  Knochen, 
Sehnen,  Knorpel  unserer  Schlachttiere  ist  mehr  oder  weniger  leimgeben- 
des Gewebe  vorhanden,  das  beim  Kochen  mit  Wasser,  der  gewöhnlichsten 
Art  der  Zubereitung  der  Nahrung,  in  Leimstoflfe  übergeht,  unter  denen 
man  den  Sehnen  -  oder  Knochenleim  als  Glutin  vom  Knorpelleim,  dem 
Chondrin  unterscheidet.  Die  Leimstoffe  sind  Abkömmlinge  der  Eiweiß- 
stotie,  denen  sie  nahe  stehen,  ohne  indes  Eiweiß  zu  sein.  Gleichwie 
sich  der  Leim,  wenn  auch  stickstofthaltig,  doch  vom  Eiweiß  schon  in 
chemischer  Hinsicht  (höherer  N-Gehalt,  geringerer  C-  und  S-Gehalt, 
weniger  komplexer  Bau  des  Moleküls)  unterscheidet,  so  ist  auch  die 
stoffliche  Wirkung  ^  eine  wesentlich  andere.  Der  Leim  wird  selbst  in 
großen  Gaben  schnell  aus  dem  Darmrohr  in  die  Säfte  übergeführt  und 
sehr  leicht,  zumeist  schon  innerhalb  der  nächsten  24  Stunden,  voll- 
ständig zerstört  und  zwar  noch  leichter  als  Eiweiß.  Wie  Eiweiß  wird 
er  in  Harnstoff  umgewandelt,  der  durch  den  Harn  austritt,  während  die 
nach  der  Harnstoffabspaltung  restierende  Atomgruppe  zu  Kohlensäure, 
Wasser  und  Schwefelsäure  oxydiert  wird.  Durch  die  Zerstörung  des 
Leims  wird  der  Eiweißumsatz  so  herabgedrückt,  daß  nunmehr 
nur  wenig  Nahrungseiweiß  genügt,  den  Körper  auf  seinem  Eiweißbestande 
zu  erhalten,  und  zwar  ersparen  100  g  Leim  besten  Falles  36  g  Eiweiß. 
Als  Eiweißsparer  kann  keiner  der  sonstigen  Nährstoffe  (Fett,  Kohlehydrate) 
mit  dem  Leim  konkurrieren.  Ebenso  wird  durch  den  Leim  der  Fett- 
verbrauch beschränkt,  und  zwar  sollen  100  g  Leim  etwa  25  g 
Körperfett  ersparen.  Dagegen  ist  der  Leim  nicht  imstande,  das  Körper- 
eiweiß gänzlich  vor  dem  Verbrauch  zu  bewahren  oder  gar  Eiweiß  am 
Körper  zum  Ansatz  zu  bringen.  Wie  groß  auch  die  Gabe  der  Leim- 
stoff'e  ist,  so  bedarf  es  daneben  immer  der  Darreichung  von  Nahrungs- 
eiweiß, und  zwar,  wie  es  scheint,  etwa  halb  so  viel,  als  an  Eiweiß  beim 
Hunger  verbraucht  wird,  wenn  der  Körper  von  seinem  EiweLßbestande 
nichts  hergeben  soll. 

1)  Voit  resp.  Pettenkofer  und  Voit,  Z.  f.  Biol.  2.  Bd.  227,  8. -Bd.  297,  371,  10.  Bd.  202, 
212;  Etzinger,  Z.  f.  Biol.  10.  Bd.  97;  I.  Monk,    Virch.   Arch.  101.  Bd.  HO. 


Eiozelernähriing  uud  Masscnoniälirung.  11 

§5.     Verbrauch   bei   Zufuhr   von    Fetten   und    Kohle- 
hydraten. 

Giebt  man  einem  hungernden  Menschen,  der  pro  Körperkilo  1  g 
Eiweiß  und  3  g  Fett  verbraucht,  nur  Nahrungs  f  ett,  selbst  bis  zu  den 
höchsten  Gaben,  die  überhaupt  vertragen  werden,  so  wird  das  Nahrungs- 
fett nach  seinem  Uebergang  aus  dem  Darm  in  die  Säfte  zu  Kohlensäure 
und  \\  asser  verbrannt  und  kann  dadurch  eine  entsprechende  xMenge  des 
sonst  zum  Verbrauch  kommenden  Körper  fettes  vor  der  Zer- 
störung bewahren,  dagegen  wird  der  Eiweißverbrauch  dadurch 
kaum  geändert  ^ .  Indem  so  zwar  das  Körperfett  geschont,  aber  das 
Körpereiweiß  abgegeben  wird,  muß  schließlich  ein  nur  mit  Fett  er- 
nährter Mensch  an  Eiweißverlust  zu  Grunde  gehen,  wenn  auch  später 
als  ein  hungernder. 

Dasselbe  trifft  für  die  Kohlehydrate  (Stärkemehl,  Zucker)  zu, 
wenn  sie  ausschließlich  gegeben  werden-.  Diese  vermögen  durch  ihre 
Oxydation  zu  Kohlensäure  und  Wasser  den  Eiweißumsatz  bald  mehr, 
bald  weniger  herunterzudrücken  und  den  Fettverbrauch  er- 
heblich einzuschränken.  Infolge  der  mehr  oder  minder  großen 
Eiweißabgabe  und  eventuell  auch  noch  des  Fettverlustes  vom  Körper 
geht  der  Mensch  bei  ausschließlicher  Ernährung  mit  Kohlehydraten  zu 
Grunde,  indes  sehr  viel  später  als  beim  Hungern. 

Bei  ausschließlicher  Ernährung  mit  150  g  Fett  und  400  g  Kohle- 
hydrat im  Tag  büßte  J.  Ranke^  54  g  Eiweiß  ein,  also  etwas  weniger 
als  am  1.  Hungertage,  dagegen  wurde  nicht  nur  der  Fettverlust  vom 
Körper  verhütet,  sondern  sogar  80  g  Fett  im  Körper  zurückbehalten 
„angesetzt". 

Anders  verhält  es  sich,  wenn  Fette  oder  Kohlehydrate  neben  Ei- 
weiß gegeben  werden.  Bei  gleichzeitigem  Genuß  von  Eiweiß 
und  Fett'*  ist  der  Eiweißumsatz  kleiner  als  bei  ausschließlicher  Ei- 
weißzufuhr; man  sagt  daher,  „das  Fett  übt  eine  eiweißersparende  Wir- 
kung''. Was  für  das  Nahrungsfett  gilt,  soll  nach  Voit  auch  für  das 
Kör])erfett  zutreffen.  Man  kann  daher  mit  solchen  Mengen  von  Nahrungs- 
eiweiß, welche  an  sich  die  Abgabe  von  Körpereiweiß  nicht  zu  verhüten 
imstande  sind,  Stickstoffgleichgewicht  erreichen,  wenn  man  zum  Nah- 
rungseiweiß noch  Fett  hinzugiebt.  Zumeist  gelingt  es,  durch  Zusatz 
von  Fett  zum  Eiweiß  auf  Stickstoffgleichgewicht  zu  kommen  mit  Eiweiß- 
mengen,  die  nur  halb  so  groß  sind,  als  diejenigen,  welche  bei  ausschließ- 
licher Darreichung  von  Eiweiß  zum  Gleichgewicht  geführt  haben.  Hat 
man  diejenige  Menge  Nahrungseiweiß  ermittelt,  welche  neben  einem 
genügenden  Fettquantuni  Gleichgewicht  bewirkt,  und  man  steigert  nun- 
mehr die  Eiweißmenge,  so  wird  der  üeberschuß  als  Eiweiß  am  Körper 
abgelagert,  „angesetzt".  Indem  ferner  das  Nahrungsfett  durch  seine 
Zerstörung  für  das  sonst  dem  Zerfall  unterliegende  Körperfett  eintritt, 
wird  auch  der  Fettverbrauch  beschränkt,  und  wenn  mehr 
Nahrungsfett  gegeben  wird,  als  dem  Fettverbrauch  entspricht,  kommt 
der  üeberschuß  davon  als  Fett  am  Köri)er  zur  Ablagerung  '.  Daraus 
ergiebt  sich  die  M(>glichkeit,  durch  genügende  Mengen  von  Nalirungs- 
eiweiß  und  -fett  mäßigen  Eiweiß-  und  beträchthchen  Fettansatz  (Fleisch- 
und  Fettmästung)  zu  erzielen  '^. 

Von  den  Komponenten  (Paarungen)  der  Fette:  den  festen  Fettsäuren 
(Oelsäure,  Palmitinsäure,  Stearinsäure)  und  dem  Glycerin  wirken  die 
Fettsäuren'  auf  den  Eiweiß  -   und  Fettverbrauch  genau  so  wie  die 


12  IMMANUEL    MUNK, 

äquivalente  Fettmcuge.  Die  andere  Kouipoiiente,  das  Glycerin^,  da- 
gegen ist  auf  den  Eiweißumsatz  von  gar  keinem  Einfluß,  während  es 
die  Fettzerstöruug  einschränkt. 

Noch  stärker,  als  seitens  der  Fette  (aber  schwächer  als  seitens  der 
Leimstoäe  [S.  lOj),  ist  der  e  i  w  ei  ß  sparen  d  e  Einfluß  der  Kohle- 
hydrate"'. Zusatz  von  Zucker  oder  von  i^tärkemehl,  das  im  Darm- 
rohr durch  die  Verdauungssäfte  (Mund-  und  Bauchspeichel)  in  Zucker 
übergeführt  wird,  zu  einer  Gabe  von  Nahrungseiweiß,  die  an  sich  nicht 
ausreicht,  sodaß  der  Körper  noch  Eiweiß  verliert,  hebt  die  Eiweißab- 
gabe auf,  und  zwar  leisten  in  Hinsicht  der  Eiweißersparnis 
die  Kohlehydrate  mehr  als  sogar  die  gleiche  Menge  Fett. 
Durch  die  Zerstörung  der  eingeführten  Kohlehydrate  wird  auch  der 
Fett  verbrauch  beschränkt,  aber  in  nicht  so  starkem  Maße  wie 
durch  die  Fette  ^'^.  In  Bezug  auf  die  Fähigkeit,  den  Fett- 
verlust aufzuheben,  sind  erst  24  T.  Kohlehydrat  gleich- 
wertig, „isodynani"  mit  10  T.  Fett. 

Durch  sehr  große  Gaben  von  Kohlehydraten  neben 
Eiweiß  (etwa  8 — lOnial  so  viel  Kohlehydrate  als  Eiweiß)  läßt  sich 
St  ick  Stoffgleichgew  i  cht  resp.  Eiweißansatz  erreichen  mit 
Eiweißgaben,  welche  noch  unter  dem  niedrigsten  Werte 
des  Eiweißumsatzes  im  Hunge  rzus  tan  de  gelegen  sind'^ 

Reichliche  Zufuhr  von  Eiweiß  und  Kohlehydraten  beschränkt  den 
Eiweiß-  und  Fettverbrauch  so  stark,  daß  viel  Eiweiß  und  viel  Fett, 
letzteres  noch  stärker  als  ersteres,  am  Körper  zur  Ablagerung  kommt. 

1)  Voit  btz.  Voit  vnd  Pettenkofer,  Z.  f.  Biol.   5.  Bd.  331,  383. 

2)  Dieselben,  Z.  f.  Biol.  5.  B.  431,  9.   Bd    435;  Rubner.  ebenda  22.  Bd.   272. 

3)  J.   Ranke.   Ernährung   des   Menschen,   München  (18 7 G),   220 

4)  Voit  bez.  Voit  und  Pettenkofer,  Z.  f.  Biol.  5.   li.  329,  9.  Bd.   1. 

5)  Lebedefif.  Med    Centralbl.  (1882)  Nr.  8;  I    Munk,    Virch.  Arch.  95.  Bd.  416. 

6)  Pflüger,   dessen  Arch    51.   Bd.  317,   52.  Bd.  239. 

7)  I.  Munk,   Arch.  f   (Anat  u.)  Physiol.  (1879)  371;    Virch.  Arch.  %0.  Bd.   10,   ^b.Bd.  434; 
Arch.  f.  d.  ges-  Physiol    46.   Bd.  333. 

8)  Derselbe,    Virch.  Arch    76.  Bd.    119;   Arch   f.  d.  ges.   Physiol.  46.  Bd.   313;   Amschink, 
Z.  f.  Biol.  23.  Bd.  413. 

9)  Hoppe  Seyler,   Virch.  Arch.  10.  Bd.   144;  Voit  und  Pettenkofer,  Z.  f.  Biol    5.  Bd.  431, 
9.   Bd.  435. 

10)  Rubner,  ebenda  19.  Bd.  312,   357. 

11)  I.  Munk,  Virch.  Arch.  101.  Bd.  112,  131.  .ßd.  Suppl.  225  ;  Zumagawa,  ebenda  116.  Bd.  370. 


§  6.     Verbrauch  bei  Arbeit. 

Im  strikten  Gegensatz  zu  Liebig,  der  den  Zerfall  des  Muskel- 
eiweißes als  Quelle  für  die  Muskelkraft  ansah,  hat  Voit,  z.  T.  im  Verein 
mit  Fetten  kofer  *  festgestellt,  daß  ceteris  paribus  weder  beim  Hunger 
noch  bei  der  nämlichen  gemischten  Kost,  welche  dem  Bedarf  genügt, 
ein  wesentlicher  Unterschied  im  Eiweißverbrauch  zu  beobachten  ist,  mag 
das  betreuende  Individuum  ruhen  oder  sogar  angestrengte  Arbeit  leisten. 
Die  Muskelthätigkeit  an  sich  übt  auf  den  Eiweißumsatz 
kaum  einen  Einfluß  aus.  Nur  wenn  die  Arbeit  zur  Kurzatmigkeit 
(Dyspnoe)  führt,  wie  z.  B.  beim  schnellen  Bergsteigen,  dann  erfolgt  auch 
eine  mehr  oder  weniger  bedeutende  Zunahme  des  Eiweißzerfalles  ^. 

Wenn  nun  der  Eiweißumsatz  nicht  wesentlich  geändert  wird,  dann 
mußte  die  schon  von  Lavoisier  bei  der  Muskelthätigkeit  festgestellte, 
sehr   beträchtliche   Steigerung   der  Kohlensäureausscheidung  durch   die 


Eiuzclcmäbniug  und  MassGDcrnähruug.  13 

Atmung,  neben  entsj)rechend  vernielnter  Zinialinie  des  Sauerstoflver- 
brauchs,  auf  eine  erhöbte  Zersttuun-,'  der  amb  ren,  stickstofffreien  Be- 
standteile (b'S  Kiirpers  be/.w.  der  genossenen  Nabrung,  also  auf  Steige- 
rung der  Oxydation  von  Fetten  oder  Koblebydrateu  bezogen  werden^. 
Bekanntlich  verbraucht  der  Muskel  bei  seiner  Thätigkeit  das  Glykogen, 
ein  starkeartiges  Kohlehydrat,  bezw.  den  ihm  mit  dem  Blutstrom  zuge- 
führten Zucker  und  bildet  daraus,  neben  Milchsäure,  reichlich  Kohlen- 
säure und  Wasser,  vin  der  'J'hat  fanden  Betten  kofer  und  Voit* 
bei  ihrem  70  kg  schweren  kräftigen  Arbeiter,  der  im  Ilungerzustande 
und  bei  Kulie  78  g  Kiweiß  und  215  g  Fett  zerstörte,  nach  8— 10-stündiger 
Arbeit  den  Fettverbrauch  bis  auf  380  g,  also  um  reichlich  ^1  ^  ansteigen, 
\(ährend  der  Eiweißumsatz  gleich  blieb.  Derselbe  Arbeiter  setzte  bei 
gemischter  überreichlicher  Kost  und  Ruhe  137  g  Eiweiß  und  215  g 
Fett  um  und  bei  derselben  Kost  und  bei  Arbeit  137  g  Eiweiß  und  323  g 
Fett,  also  50  Proz.  mehr  Fett  als  bei  Ruhe.  Zugleich  war  die  Menge 
des  dampfförmig  durch  Haut  und  Lungen  ausgeschiedenen  Wassers  bei 
der  Arbeit  1,7  bis  2.1  mal  so  groß  als  bei  Ruhe.  Also  bewirkt  die 
Arbeit  zumeist  nur  eine  Steigerung  des  Fettverbrauches 
und  der  Wasserverdampfung.  Nur  wenn  stickstofffreie  Substanzen 
(Kohlehydrate  und  Fette)  weder  vom  Körper  noch  aus  der  Nahrung  in 
genügender  Menge  verfügbar  sind  oder  die  Nahrung  selbst  so  unzu- 
reichend ist,  daß  schon  in  der  Ruhe  der  Eiweißumsatz  größer  ist  als 
die  Eiweißzufuhr,  oder  endlich  wenn  die  forcierte  Arbeit  zu  sichtbarer 
Atemnot  (Dyspnoe)  führt,  dann  kommt  es  zu  einer  mehr  oder  weniger 
erheblichen  Steigerung  des  Eiweißzerfalles-''. 

Wie  die  Thätigkeit  der  willkürlichen  Muskeln,  steigert  auch  die 
Darm  arbeit  bei  der  Verdauung-'  (Thätigkeit  der  Darmmuskeln  und 
-drüsen)  die  Sauerstoffaufnahme  und  Kohlcnsäureausscheidung,  im  Mittel 
um  10  Proz.  der  Hungerwerte,  höchst  wahrscheinlich  auch  auf  Kosten 
einer  Zunahme  des  Fettverbrauches. 

Umgekehrt  sinkt  im  Schlafe  *',  im  Zustande  größtmöglicher  Ruhe, 
wo  außer  dem  Herzen  und  den  Atemmuskeln  die  ganze  Körpermusku- 
latur in  Ruhe  ist,  die  Kohlensäureausscheidung  besten  Falles  um  30  Proz. 
gegenüber  dem  wachen  Zustand,  und  zwar  ist  hier  ebenfalls  der  Eiweiß- 
umsatz, nicht  geändert,  sodaß  zweifellos  weniger  Fett  zerstört  wird,  und 
zwar  um  so  weniger,  je  vollständiger  die  Muskelruhe ')  ist. 

1)  Voit,   Z.  J.   liiol    2.   Bd.   339;  Voit  und  Pettenkofer,  ebenda  459 

V)  A    Fraenkel.    Virch.  Arch.  67.  Bd.   273;  H.   Oppenheim,   Arch.  f.   d  ge$.  Physiol.   22.  Bd. 

40   u.    23     Bd.    446. 
3)  Zunt«,  Arch.  /.  (Anat.  u.)  Phytiol.   (1890)  367;   G.  Katzenstein,  Arch.  f.   d.  ges.  Physiol. 

49     Bd.   330;  A.  Loewy,  ebe7ida  405 
•1)  Argutinsky.    Arch.  /.   </.    </fs.   Phya    46.  Bd.   552;    I.   Munk,  Arch.  f.  {Anat.  u.)  Physici. 

(IS'.'n)   5.07;  F.   Hirschfeld.    Virch    Arch    122    Bd    .001 

5)  Znntt  Mnd  V.   Mering.   Arch  f.  d.  ges  Phys.  32    Bd    173;   A.  Loewy,  ebenda  43   Bd.  515. 

6)  Pettenkofer  und  Voit,  Z.  J    Biol.  2    Bd.  544;  L.   Lewin,  ebenda   17.    Bd.  71. 

7)  Bnbner,  J-etUchri/t  /.  C.  Ludwig  (1887)  259;    A.  Loewy,  Berl.  klin.    U'ocA.  (1891)  434. 


§  7.    V  erb  r  au  eil  bei  wechselnder  A  ußen  tenii)eratur. 

Vermöge  eines  fein  abgestimmten  Regulationsmechanismus  bleibt 
beim  gesunden  Menschen,  wie  bei  allen  Warmblütern,  die  Eigenwärme 
unverändert,  wie  weit  auch  die  Temi)eratur  der  umgebenden  oder  Außen- 
luft nach  oben  oder   unten   schwanken    möge,   ob    der   Mensch   in   den 


14  IMMANUEL    MUNK, 

Polarzonen  oder  im  gemäßigten  Klima  oder  am  Aeqiiator  lebt.  Wie 
nun  insbesondere  die  Untersuchungen  von  Pflüger,  Voit  und  deren 
Schülern*  gelehrt  haben,  steigt,  Konstanz  der  Eigenwärme  voraus- 
gesetzt, die  Kohlensäureausscheidung,  wenn  man  von  einer 
mittleren  Temperatur  von  15"  C.  ausgeht,  bei  niederer  Außen- 
t  e  m  p  e  r  a  t  u  r  r  e  c  h  t  b  e  t  r  ä  c  h  1 1  i  c  h ,  so  z.  B.  beim  Absinken  der 
Lufttemperatur  von  15 "  bis  zu  4  ^'  um  volle  3ö  Proz.  beim  (hungernden 
und  ruhenden)  Menschen-,  während  bei  letzterem  auf  Steige- 
rung der  Lufttemperatur  über  15"  kaum  eine  Abnahme 
der  Kohlensäureausscheidung  erfolgt.  Da  durch  die  Kälte 
der  Eiweißzerfall  '^  ^  nicht  nachweisbar  geändert  wird,  ist  Zunahme  der 
Kohlensäureausscheidung  nur  auf  gesteigerten  Fettverbrauch 
zu  beziehen. 

Die  Zunahme  des  Fettzerfalls  bei  niederer  Außentemperatur  ist 
zumeist  durch  unwillkürliche  Muskelthätigkeit  (Zittern  vor  Frost)  be- 
dingt. Die  schon  von  Senator  und  Speck  gemachte  Angabe,  daß 
auch  bei  niedriger  Umgebungstemperatur  bei  Ausschluß  jeder  Muskel- 
bewegung die  Kohlensäureabgabe  nur  sehr  wenig  ansteigt,  konnte  von 
A.  Loewy  *  dahin  präzisiert  werden,  daß,  solange  keine  Muskelspannung 
und  kein  Muskelzittern  auftritt,  beim  Menschen  wenigstens  auch  bei 
niederer  Außentemperatur  der  Gaswechsel  ungeändert  bleibt.  Anderer- 
seits leisten  die  erwähnten  unwillkürlichen  Bewegungen  für  die  Erhal- 
tung der  Eigenwärme  bei  starkem  Absinken  der  Außentemperatur  nur 
wenig  gegenüber  den  weit  wirksameren  Mitteln  zur  Beschränkung  der 
Wärmeabgabe  seitens  der  Körperoberfläche  (Kleidung,  Wohnung),  sowie 
zur  Steigerung  der  Wärmebildung  (willkürliche  Muskelbewegung,  Zerfall 
der  reichlicher  aufgenommenen  Nahrung).  Umgekehrt  wird  bei  hoher 
Außentemperatur  die  Wärmeabgabe  seitens  der  Körperoberfläche  be- 
fördert (dünne  Kleidung,  reichliche  Schweißabscheidung,  kalte  Bäder) 
und  die  Wärmebildung  (ruhiges  Körperverhalten,  Zerfall  einer  weniger 
Wärme  bildenden  Nahrung)  eingeschränkt;  durch  beide  Momente  wird 
die  Erhaltung  der  Eigenwärme  auch  bei  hoher  Lufttemperatur  er- 
möglicht. 

Wird  beim  Menschen  durch  warme  Vollbäder  oder  Dampfbäder 
die  Eigenwärme  gesteigert^,  so  nimmt  der  Eiweißzerfall  häufig 
mehr  oder  weniger  stark  zu,  während  der  Fettverbrauch  eher  etwas 
kleiner  werden  kann. 

1)  Pflüger,    dessen  Arch.  12.  Bd.  282,   333,   IS.  Bd.  2i7  ;  Veiten,  ebenda  21.  Bd.  398;   Voit, 
Z   f.  Biol    14.   Bd.   57. 

2)  Herzog  Carl  Theodor  in  Bayern,  Z.  f.  Biol.  14.  Bd.  51. 

3)  Senator.    Virch.   Arch.  45.  Bd.   363. 

4)  A.  Loewy.   Pflüger' s  Arch.  46.  Bd.   189. 

5)  Schleich.  Arch.  f.  exper.  Path.   4.  Bd.  82. 


§8.  Verbrauch  in  Abhängigkeit  vom  Körperzustande 
und  vom  Lebensalter. 

Wie  schon  Eingangs  unserer  Betrachtungen  (S.  3)  angedeutet  worden 
ist,  sind  es  die  Gewebszellen,  an  welche  der  Stoffumsatz  geknüpft  ist.  Je 
schwerer  nun  ein  Mensch  ist,  desto  größer  ist  ceteris  paribus  die  Zahl 
oder  Masse  der  stoffzerlegenden  Zellen  und  desto  größerauch  der 
Verbrauch  an  Eiweiß  und  Fett.    Der  71  kg  schwere  Arbeiter  verbrauchte 

14 


EinzelernähniDg  und  MasseneroähruQg.  15 

am  1.  Hungertage   (S.  7)   78  g   Eiweiß   und   215  g   P'ett,   der  nur  59 
kg  schwere  Hungerkünstler  63  g  Eiweili  und  l&)  g  Fett. 

Aber  auch  bei  annähernd  gleichem  Gewicht  kann  der  Körper- 
zustand  verschieden  sein,  je  nachdem  das  Individuum  mager  d.  h. 
fettarm  und  dafür  eiweiß-  oder  fleischreich  (muskulös)  ist  oder  fett- 
reicher und  daher  eiweiß-  oder  fleischärmer  ist.  Je  eiweißreicher  der 
Körper,  desto  größer  ist  auch  dessen  Eiweißumsatz;  je  fettreicher,  desto 
kleiner  ist  der  Eiweißumsatz,  einmal  weil  die  absolute  Masse  der  stofl- 
zerlegenden  eiweißhaltigen  /.eilen  geringer  ist,  wahrend  die  Fettzellen 
nur  wenig  am  Stoflwechsel  beteiligt  sind,  sodann  weil  das  Körperfett 
den  Eiweißzerfall  einschränkt.  Der  muskulöse,  also  eiweißreiche  Ar- 
beiter von  71  kg  verbrauchte  im  Hungerzustande  78  g  Eiweiß  und  215  g 
Fett,  der  ebenso  schwere,  aber  fettreiche  und  daher  eiweißärmere  Ranke 
(S.  7)  nur  50  g  Eiweiß  und  204  g  Fett.  Somit  hat  der  wechselnde 
Körperzustand  einen  beträchtlichen  Einfluß  auf  den  Eiweißumsatz,  da- 
gegen so  gut  wie  gar  keinen  auf  den  Fettverbrauch. 

Da  Frauen  in  der  Regel  ein  geringeres  Körpergewicht  haben  als 
gleichalterige  Männer,  so  wird  ihr  Eiweiß-  und  Fettverbrauch  kleiner 
sein,  und  da  sie  ferner  mehr  fettreich  als  eiweißreich  smd,  so  wird  ihr 
Eiweißumsatz  noch  niedriger  sein,  als  er  des  geringeren  Körpergewichtes 
wegen  schon  an  sich  wäre.  Man  kann  im  Durchschnitt  rechnen,  daß 
Frauen  nur  ^/^ — */.  so  viel  an  Eiweiß  und  Fett  verbrau- 
chen als  Männer. 

Von  größtem  Einfluß  auf  den  Stotfverbrauch  ist  das  Lebensalter. 
Selbstverständlich  kann  man  den  absoluten  Stofl"verbrauch  eines  8  kg 
schweren,  einjährigen  Kindes  nicht  direkt  mit  dem  eines  70  kg  schweren, 
25— 50- jähr  igen  Mannes  vergleichen ;  ein  solcher  Vergleich  ist  nur  zu- 
lässig, wenn  man  den  StoöVerb rauch  auf  die  Einheit  des  Gewichts,  1  kg 
Körper,  reduziert.  In  dieser  Beziehung  berechnet  sich  aus  Bestimmungen 
von  C  a  m  e  r  e  r  ^  etwa  Folgendes :  es  beträgt  pro  Körperkilo  der  tägliche 
Eiweißumsatz  eines  IVo-jährigeu  Kindes  fast  4  g,  des  3-jahrigen  2*/^  g, 
des  7-jährigen  2^/^  g,  des  9-j;ihrigen  2  g,  des  13-jahrigen  I-/3  g,  des 
15-jährigen  l'/s  o->  d.  h.  während  im  2.  Lebensjahre  der  Eiweißver- 
brauch noch  2'/sjmal  so  groß  ist  als  beim  Erwachsenen,  sinkt  er 
weiterhin  ab,  sodaß  er  im  10.  Lebensjahre  nur  wenig  über  '/g  mehr 
beträgt;  mit  dem  15.  Lebensjahr  ist  der  Eiweißumsatz  nur  gleich  groß 
als  beim  Erwachsenen.  Aehnlich  wie  der  aus  dem  Harnstickstotf  be- 
rechnete Eiweißumsatz  verläuft  die  Kurve  der  Kohlensäurcausscheidung-, 
sodaß  der  relative  Mehrverbrauch  von  Fett  bei  Kindern  gegenüber  Er- 
wachsenen jedenfalls  lange  nicht  so  erheblich  sein  kann  als  der  vom 
Eiweiß.  Der  Mehrverbrauch  an  Eiweiß  bei  jungen  Individuen  erklärt 
sich  einmal  daraus,  daß  dieselben  wenig  Fett  und  relativ  viel  Eiweiß 
am  Körper  haben,  und  daß  entsprechend  den  größeren  Eiweißmassen 
auch  der  P'iweißumsatz  reichlicher  ist ;  hauptsächlich  aber  daraus,  daß,  je 
kleiner  das  Individuum,  desto  relativ  größer  dessen  Körperoberflache  ist, 
und  da  volle  *j^  des  gesamten  Wärmeverlustes  seitens  der  Oberflache 
(durch  die  Haut)  erfolgen,  so  begreift  es  sich,  daß  kleinere  Individuen 
relativ  mehr  Wärme  verlieren  und  daher,  soll  ihre  Eigenwarme  konstant 
bleiben,  mehr  StoÖ'  (Körpersubstanz,  Nahrung)  verbrennen  müssen  als 
große,  sodaß  für  die  Gewichtseinheit  des  Kindes  beträchtlich  mehr  Ei- 
weiß und  auch  mehr  Fett  zerstört  werden  muß  als  beim  Erwachsenen'. 
Dieser  relative  Mehrverbrauch  von  Eiweiß  und  auch  von  Fett  zeigt  sich 

15 


Ui  IMMANUEL    MUNK, 

schon   beim   Hun«jern   (S.  8),   daher   Kinder  um   so   eher  dem  Hunger 
erlioizen,  je  jünger  sie  sind. 

Bei  altereu  Leuten,  etwa  jenseits  des  60.  Lebensjahres  scheint  der 
StotiVerbrauch  kleiner  zu  sein  als  im  kräftigen  Lebensalter.  Zum 
größeren  Teil  ist  dies  dadurch  bedingt,  dali  bei  älteren  Leuten  die  Ar- 
beitsleistung, welche  den  Stotlunisatz  so  außerordentlich  steigert,  zumeist 
nur  eine  maßige  ist,  zum  anderen  Teil  ist  es  auf  die  im  Alter  sich  ein- 
stellende Abnahme  der  Körpermasse  und  der  wärmeabgebenden  Oberfläche 
zurückzuführen. 

1)  Camerer,  Z.  f.   Biol.  14.   Dd    394,   IG.   Bd    2h,  20.  Bd    5G6,  24.  Bd.   141. 

2)  Scharling.    Ann.  Chem.   45.   Bd    214;  J.   Forster,  Handb.  d.  Hijg.    1.   Bd    1.   T.   76. 

3)  Eubner,   Z.  f.  Biol.  19.  Bd    535;  H.  v.  Hoesslin,   Arch.  f.  {Anat.  u)  Physiol.  (1888)  323. 


§  9.     Einfluß    einiger  wichtigen   organischen  und 
Mineralstoffe  auf  den  Verbrauch. 

Wasser.  Je  mehr  Wasser  getrunken  wird,  desto  größer  ist  ceteris 
paribus  die  Harnmenge.  Der  selbst  um  das  3fache  reichlichere  Harn- 
strom entführt  etwas  mehr  Stickstofl,  im  Mittel  3—5  Proz.,  aus  dem 
Körper,  und  nur  beim  Hunger  kann  die  Mehrausfuhr  an  Harnstickstoff 
bis  auf  10  Proz.  und  darüber  ansteigend  Bei  durch  längere  Zeit  fort- 
gesetztem gesteigerten  Wassergenuß  und  dadurch  bedingter  Vermehrung 
des  Harnvulums  wird  weiterhin  sogar  jede  Steigerung  des  Harnstick- 
stofls  vermißt.  Der  durch  den  Körper  cirkulierende  vermehrte  Flüssig- 
keitsstrom laugt  die  löslichen ,  stickstoffhaltigen  Endprodukte  des  Ei- 
weißzerfalls aus  den  Geweben  besser  aus  und  leitet  sie  den  Nieren  zu, 
sodaß  sie  reichlicher  als  in  der  Norm  durch  den  Harn  austreten;  ab 
und  zu  mag  dadurch  auch  in  den  Gewebszellen  ein  stärkerer  Eiweiß- 
zerfall angeregt  werden.  So  kann  unter  Umständen  überreichlicher 
Wassergenuß  zu  einer  Steigerung  des  Eiweißumsatzes  führen. 

Mineralsalze.  Das  am  meisten  und  für  die  Ernährung  wich- 
tigste Salz,  das  Kochsalz  (Chlornatiiuni),  wirkt  ebenso  wie  Chlor- 
kali um  schon  in  mäßigen  Gaben,  2  g,  noch  stärker  in  größeren  Gaben 
harntreibend,  diuretisch;  teils  infolge  der  größeren  Hurnmenge  und  der 
dadurch  bedingten  besseren  Auslaugung  der  löslichen  Stoffe  aus  den 
Geweben,  teils  durch  direkte  Wirkung;  der  Salze  auf  die  Gewebszellen 
wird  der  Eiweißumsatz  ein  wenig  gesteijiert.  Sehr  große  Gaben  können 
die  stoffzerlegende  Fähigkeit  der  Zellen  beeinträchtigen  und  den  Eiweiß- 
umsatz ein  wenig  herabdrücken  ^. 

Aehnlich  diesen  beiden  Salzen  können  die  sog.  Mittelsalze 
wirken:  Glaubersalz,  Salpeter,  Salmiak,  Natriumacetat,  —  Phosphat  und 
—  Borat  (Borax).  Auch  sie  können  in  größeren  Gaben  die  Harnmenge 
beträchtlich  und  den  Eiweißumsatz  mäßig  in  die  Höhe  treiben. 

Dieselbe  Wirkung  entfalten  Borsäure,  Benzoesäure,  Sali- 
cylsäure  und  deren  Salze. 

Alkohol  Dieser  in  den  verschiedenen  geistigen  Getränken  (Wein, 
Bier,  Branntwein)  in  wechselnder  Menge  enthaltene  und  mehr  oder 
weniger  reichlich  konsumierte  Stoff"  ^  der  Aethylalkohol  oder  Weingeist, 
hat  in  kleinen,  eine  erregende  V\  irkung  übenden  Gaben  (V^ — ^/s  ccm 
per  Körperkilo)  bei  sonst  ausreichender  Nahrung  eine  mäßige,  6 — 7  Proz. 
betragende  Herabsetzung  des  Eiweißumsatzes  zur  Folge.  Die  Sauer- 
stoffaufnahme und   Kohlensäureausscheidung   ist    entweder   unverändert 

i6 


EinzclürnäbruDg  und  Massenernährung.  17 

«der  nur  gerinj^füf^ig  gesteigert.  Da  nun  der  Alkohol  zu  rund  92  Proz. 
im  Ivöri)er  verbrannt  wird  und  ungeachtet  dessen  der  Gaswechsel  kaum 
zunimmt,  der  Eiweißumsatz  eher  herabgesetzt  ist,  so  muß  der  Alkohol 
anderes  KiM-permaterial,  Körper-  oder  Nahrungsfett  vor  der  Zerstr)rung 
schützen.  In  mäßiger  Gabe  ist  somit  der  Alkohol  ein  Sparmittel, 
das  den  Eiweiß-  und  Eettverbrauch  mäßig  herabsetzt.  Dessen  unge- 
achtet ilarf  der  Alkohol  sciion  deshalb  nicht  mit  den  auch  als  8i)ar- 
mittel  wirkenden  Nährstotien  (Leim,  Kohlehydrate,  Eettj  i)arallelisiert 
werden,  weil  er  in  größeren  Gaben  (2 — 3  ccm  pro  Köri)erkilo  und  Tag), 
die  zumeist  eine  berauschende  bezw.  betäubende  Wirkung  haben,  den 
Eiweißzerfall  um  4—10  Proz.  steigert. 

Coffein.  Auch  von  dem  Coti'ein  oder  Thein,  dem  wirksamen  Be- 
standteil ( Alkaloid)  der  aus  der  Kaffee-  und  Theepflanze  hergestellten 
Getränke,  nahm  man  früher  eine  den  Stoftverbrauch  herabsetzende  Wir- 
kung an.  Neuere,  sorgfältiger  angestellte  Versuche  ^  am  Menschen  haben 
indes  gelehrt,  daß  z.  T.  Hand  in  Hand  mit  der  dadurch  bedingten 
harntreibenden  Wirkung  (Zunahme  der  Harnmenge)  eine  geringe  Stei- 
gerung des  Eiweißumsatzes  nach  Kaffeegenuß  eintritt;  der  Fettverbraucli 
scheint  nicht  beeintiußt  zu  werden. 

1)  Voit.  Unters,  über  den  Einßuj's  des  Kochsalzes,  des  Kaffees  7tnd  der  Mnskelbewegungen, 
München  1860,  S  Gl  ;  Forster,  Z.  f.  Diol.  14.  Bd.  175;  Dubelir,  ebenda  28.  Bd.  237;  I. 
Mank,    \'irch  Arch.  94   Z/<i.  449;  Oppeaheim,  Ärch.f.  d.  ges  Phys   22.  Bd.  49,  23    Bd.  446. 

2)  Voit,  a.  a    O  :  Dehn,   Anh.  f   d.  yca.  Phijs.    13.    Bd.   367;  Dubelir,  a.  a.   0. 

3  Obernier,  Arch.f  d  ges.  Phys.  2  Bd  508;  Fr.  Strassmann,  ebenda  ■i^.  Bd.  Ä\b;  I.  Mank, 
Arch.j.  [Anat.  u)  Phys  (1879)  163;  Zuntz  und  Berdez,  Fortschr.  d.  Med.  (1887)  Nr.  1; 
Oeppert,  Z    f.  exper.  Path    22.  Bd.  367;  Keller,  Z.  f.  physiol.   Chem.   13.   Bd    128. 

4)  Voit,  a.  a   0.\  Äonx,  Compt.  rend.  de  V Acad.  Tl.  Bd.  426,  77.  Bd.  489;  Dehn,  n.  a.  O. 


§  10.     Eiweißansatz  und  Fettansatz  (Fleisch-  und  Fett- 
mästung). 

Als  erste  und  oberste  Bedingung  jeder  Art  von  Mast  gilt ,  wie 
selbstverständlich,  daß  dem  Körper  mehr  Nährstoffe  zugeführt  werden, 
als  er  unter  den  jeweiligen  inneren  und  äußeren  Bedingungen  zu  zer- 
setzen vermag.  Die  Verdauungsorgane  sind  in  der  Norm  befähigt, 
doppelt  so  viel  und  mehr  zu  bewältigen  und  in  die  Säftemasse  übertreten 
zu  las.sen,  als  dem  Bedarf  entspricht.  Der  aufgesparte  Nahrungsüberschuß 
bewirkt  die  Mast. 

Aus  den  Verhältnissen  des  Stoflverbrauches  unter  den  verschie- 
denen inneren  und  äußeren  Bedingungen  geht  mit  Bestimmtheit  hervor, 
daß  einzig  und  allein  das  N  a  h  r  u  n  g s  e  i  w  e  i  ß  die  (^)  u  e  1 1  e  für  E  i  - 
weißansatz  am  K()rper  bilden  kann.  Wenn  auch  die  sog.  Spar- 
mittel wie  Leim,  Fette  und  Kohleiiydrate  den  Eiweißumsatz  einschränken, 
der  Leim  das  PMweiß  sogar  bis  zu  einem  gewissen  Grade  vertreten  kann, 
so  verliert  doch,  wie  groß  auch  die  Gabe  der  Sparmittel  ist,  wofern 
daneben  kein  Eiweiß  gereicht  wird,  der  Mensch  dauernd  von  seinem 
Eiweißbestande  und  geht  schließlich  an  „Eiweißhunger",  an  den  Eiweiß- 
verlusten seines  Körpers  zu  Grunde.  Auf  der  anderen  Seite  haben  wir 
schon  gesehen,  daß,  wie  groß  auch  die  Menge  des  genossenen  Eiweißes  ist, 
wofern  es  ausschließlich  und  ohne  jedes  Sparmittel  gegeben  wird,  kaum 
je  daraus  P'iweißansatz  zustande  kommt,  weil  der  Mensch  zumeist  nur 
befähigt  ist,  so  große  Mengen  von  Eiweiß  zu  verzehren,  als  für  den 
Eiweißverbrauch  erforderlich,  und  nur  ausnahmsweise  oder  nur  vorüber- 

lUndbuch  der  Hygiene.  Bd.  III.  Abtlg.  1.  2 


18  IMMANUEL    MUNK, 

gebend  cintMi  solclieu  Ueberschuß  davon  be^Yältigt,  daß  daraus  Eiweiß- 
aDsatz  erfolgcu  kaiia  (S.  9).  Zur  Erzieluiig  von  EiAve  ißaiisatz 
bedarf  es  daher  stets  der  Beigabe  eines  S p a r m i  1 1 e  1  s 
zum  Eiweiß.  Obwohl  in  Hinsicht  der  Eiweißersparnis  der  Leim 
(S.  10)  sehr  viel  mehr  leistet  als  das  Eett,  und  sogar  mehr  als  die 
Kohlehydrate,  so  tritt  er  doch  wegen  der  durch  ihn  hervorgerufenen  dick- 
lichen Konsistenz  der  Speisen  gegenüber  den  Kohlehydraten  und  Fetten 
mehr  zurück.  ^Venn,  wie  wir  später  sehen  werden,  der  Erwachsene  bei 
Ruhe  oder  leichter  Arbeit  mit  100  g  Eiweiß,  60  g  Eett  und  400  g 
Kohlehydrate  seineu  Stotibedarf  deckt,  so  würde  durch  Erhöhung 
der  E  i  w  e  i  ß  m  e  n  g  e  z.  B.  auf  130  g  und  gleichzeitige  Stei- 
gerung der  Fett-  oder  Kohlehydration  auf  100  g  bez.  500g 
Eiweißansatz  zustande  kommen,  und  zwar  um  so  reichlicher,  je 
mehr  die  Fett-  und  Kohlehydration  erhöht  wird  ^ 

Da  nun  die  eiweißsparenden  Mittel:  Leim,  Fett  und  Kohlehydrate, 
zugleich  den  Fettverbrauch  beschränken  bezw.  für  das  sonst  zum  Ver- 
lust gehende  Körperfett  eintreten,  so  wird  durch  die  zum  Zwecke  der 
Erzielung  von  Eiweißansatz  erforderliche  Steigerung  in  der  Gabe  der 
Sparmittel  zumeist  auch  Fettansatz  bewirkt.  Wenn  z.  B.  durch  100  g  Ei- 
weiß, 60  g  Fett  und  400  g  Kohlehydrate  der  Eiweiß-  und  Fettverbrauch  des 
ruhenden  oder  leicht  arbeitenden  Mannes  gedeckt  wird  und  man  steigert 
die  Fettgabe  auf  100  g  oder  die  Kohlehydration  auf  500  g,  so  sind 
40  g  Fett  bezw.  100  g  Kohlehydrate  über  den  Fettl}edarf  überschüssig, 
können  daher  zum  Ansatz  kommen.  Um  beim  Menschen  Fettansatz  zu 
erzielen,  muß  man  neben  100 — 110  g  Eiweiß  mehr  als  60  g  Fett  +  400  g 
Kohlehydrate  geben,  also  z.  B.  90 — 100  g  Fett  und  500  g  Kohlehydrate. 

Es  fragt  sich  nur  noch,  da,  wie  früher  erörtert  (S.  11),  es  über 
allen  Zweifel  feststeht,  daß  alles  Nahrungsfett,  insoweit  es  nicht 
unter  die  Bedingungen  der  Zerstörung  gerät,  als  Fett  am  Körper  abge- 
lagert wird,  zur  Fettmast  führt,  ob  nur  die  Fette  die  Qu  el  le  für 
Fettablagerung  vorstellen  oder  nicht  auch  die  Kohlehydrate  und  Ei- 
weißkörper Fettbildner  sind^.  Das  der  Zerstörung  nicht  anheimfallende 
Nahrungsfett  geht  direkt  in  die  Zellen  des  Tierkörpers  über  und  wird 
in  den  Fettbehältern  (Unterhautfettgewebe,  lockeres  Bindegewebe  um 
die  Eingeweide  herum ,  Bindegewebe  zwischen  den  Muskelschläuchen, 
Knochenmark)  abgelagert.  Auch  aus  festen  Fettsäuren  kann  sich,  in- 
soweit sie  der  Zerstörung  entgehen,  durch  Zusammentritt  mit  Glyzerin 
auf  synthetischem  Wege  Fett  bilden  und  als  solches  am  Körper  ab- 
lagern ^. 

Die  Kohlehydrate  sollten  nach  J.  v.  Lieb  ig  die  wesentlichste 
Quelle  für  die  Fettbildung  sein,  weil  die  Pflanzenfresser  sich  am  besten 
und  schnellsten  mästen  lassen,  wenn  reichliche  Kohlehydrate  im  Futter 
gegeben  werden.  Im  Pflanzenfutter  ist  im  Verhältnis  zu  den  Kohle- 
hydraten Fett  nur  spärlich  enthalten;  außerdem  seien,  hob  Lieb  ig 
hervor,  die  Mastfette  selbst  durchaus  anderer  Art  und  Zusammensetzung 
als  die  Fette  im  Futter.  Da  aber  schon  Regnault  und  Reiset  ge- 
funden hatten,  daß  die  Kohlehydrate  im  Körper  zerstört  werden  und 
die  Kohlensäureausscheidung  noch  stärker  als  die  Sauerstofläufnahme 
steigern  und  Voit  und  Pettenkofer  sich  überzeugt  haben  wollten, 
daß  die  Kohlehydrate  bis  zu  den  größten  Gaben  (600 — 700  g)  im  Orga- 
nismus leicht  und  schnell  zerfallen,  so  schlössen  sie,  daß  die  Kohle- 
hydrate durch  ihre  Zerstörung  das  aus  anderen  Quellen :  Nahrungsfett 
(und  -eiweiß)   stammende   Fett  vor  der  Verbrennung  schützen,   sodaß 

i8 


EinzelernähniDg  und  MasseDernähning.  19 

jene  gewissermaßen  durch  den  Zerfall  der  Kohlehydrate  ersparten  Fette 
zum  Ansatz  kommen  können.  Nach  ihnen  sollte  also  die  Fettbildung 
aus  Kohlehydraten  nicht  direkt,  sondern  nur  indirekt  erfolgen.  Nun 
sind  aber  neuerdings  bei  Omnivoren  (Schwein),  liei  Ilerbivoren  (Schaf), 
bei  Vögeln,  endlich  selbst  bei  dem  in  P.ezug  auf  die  im  'l'ierkörper  ab- 
laufenden chemischen  Prozesse  dem  Menschen  so  nahe  stehenden  Hund  ' 
so  große  Fettmengen  zum  Ansatz  gebracht  worden,  wie  solche  durch 
das  gleichzeitig  gegebene  Nahrungsfett  und  selbst  unter  der  gleich  zu 
erörternden  Annahme,  daß  auch  aus  dem  zerfallenden  Eiweiß  sich  bis 
zu  45  Proz.  Fett  synthetisch  bilden  könne,  nicht  entferntest  gedeckt 
werden :  für  die  Entstehung  des  größten  Teiles  von  dem  bei  kohlehydrat- 
reicher, genügend  Eiweiß  und  nur  wenig  Fett  bietender  Nahrung  ange- 
setzten Fett  müssen  zweifellos  die  Kohlehydrate  als  Quelle  in  An- 
spruch genommen  werden.  In  Hinsicht  der  direkten  Fettbildung 
aus  Kohlehydraten  ist  zu  berücksichtigen,  daß  erst  24  T.  Kohle- 
hydrate gleichwertig  oder  isodynam  sind  mit  10  T.  Fett  (S.  12). 

Die  Frage,  ob  auch  aus  dem  zerfallenden  Eiweiß  sich  Fett  bilden 
kann,  ist  kontrovers  oder  wenigstens  nicht  beweiskräftig  zu  beantworten. 
Wenn  bei  dem  Eiweißzerfall  im  Körper  vom  Eiweiß  sich  Harnstoff  ab- 
spaltet, in  den  zwar  der  ganze  Stickstoff,  aber  nur  ein  Teil  des  Kohlen- 
stoffs, Wasserstoffs  und  Sauerstoffs  und  nichts  vom  Schwefel  des  Eiweiß- 
moleküls übergeht,  so  bleiben  (außer  Schwefel,  der  zu  Schwefelsäure 
oxydiert  wird)  Gruppen  von  Kohlenstoff-,  Wasserstoff-,  Sauerstoffatomen 
übrig,  welche,  wofern  sie  in  mäßiger  Menge  vorhanden,  zu  Kohlensäure 
und  Wasser  verbrannt  werden.  Ist  aber  die  Menge  dieser  Atomgruppen 
größer,  als  unter  den  jeweiligen  Bedingungen  im  Organismus  angegriffen 
werden  kann,  so  sollte  dieser  Ueberschuß  nach  Voit  und  Petten- 
kofer  in  Fett  umgebildet  werden.  Doch  muß  man  Pflüger  ^  darin 
beiptiichtcn,  daß  für  eine  solche  Fettbildung  aus  Eiweiß,  welche  unter 
krankhaften  Bedingungen  im  Körper  sicher  zustande  kommt  (sog. 
fettige  Entartung  der  eiweißreichen  zelligen  Elemente^  unter  normalen 
Bedingungen  es  noch  an  zwingenden  direkten  Beweisen  fehlt.  Nichts- 
destoweniger ist  auch  in  der  Norm  eine  Fettbildung  aus  zerfallendem 
Eiweiß  höchst  wahrscheinlich ;  dieselbe  dürfte  aber  erst  auf  einem  Um- 
wege zustande  kommen.  Festgestellt  ist,  daß  auch  nach  reiner  Eiweiß- 
fütterung bei  Tieren  der  Gehalt  der  Leber  und  auch  der  Muskeln  an 
Kohlehydraten  (Glykogen)  zunimmt.  Da  nun  aus  den  Kohlehydraten, 
wie  eben  erörtert,  zweifellos  Fett  entsteht,  kann  sich  durch  das  Zwischen- 
glied des  Glykogen  hindurch  aus  Eiweiß  Fett  bilden. 

Da  die  Muskelthätigkeit  in  erster  Linie  den  Fettverbrauch  außer- 
ordentlich steigert  (S.  Ii3)  und  umgekehrt  Köri)erruhe  im  wachen  Zu- 
stand ihn  herabsetzt,  und  zwar  noch  stärker  Kühe  im  Schlaf,  so  kann 
bei  einer  den  Bedarf  deckenden  Nahrung  bei  vorwiegender  Einhal- 
tung von  Körperruhe  Fett  gespart  werden  und  sich  am  Körper  ab- 
lagern. 

Mäßige  Gaben  von  Alkohol,  welche  nicht  berauschen,  setzen  gleich- 
falls den  Fettverbrauch  herab  (S.  17),  daher  bei  Zugabe  von  Alkohol 
zu  einer  sonst  genügenden  Nahrung  Fettansatz  erfolgen  kann. 

F^benso  kann,  da  bei  hoher  Außentemi)eratur  der  Fettverbrauch  ge- 
ringer ist,  als  bei  niedriger  Außentemperatur  (S.  14),  eine  im  Winter 
den  Bedarf  deckende  Nahrung  im  Sommer  zum  Fettansatz  führen. 

Endlich  liegt  nach  den  Erfahrungen  der  Tierzüchter  in  der  man- 
gelnden   Bethätigung   des   Geschlechtstriebes    ein   die    Fettbildung   be- 

.)* 
19 


20  IMMANTET,    MUNK. 

güiistigoiides  Moment :    „vorschiiitteue"  Tiere   lassen    sich   schnellerauf 
Fett  mästen  als  unversehrte. 

Von  der  noch  rätselhaften  sog.  individuellen  Disposition 
abgesehen ,  kraft  deren  in  gewissen  Familien  die  Fettbildung  oder 
wenigstens  die  Neigung  zum  Fettansatz  gleichsam  angeboren  ist  und 
sich  durch  Vererbung  auf  die  Nachkommen  überträgt,  handelt  es 
sich  in  den  meisten  F allen  bei  il e  r  F e 1 1 m ä s t  u n  g  um  eine 
zu  reichliche  Aufnahme  fett  b  ilden  der  Nährstoff  e  (Fette, 
Kohlehydrate)  im  Verhältnis  zu  dem  jeweils  statthabenden 
Fettverbrauch. 

1)  Voit,    Ueber  die   Ursachen  der  Fettablagerung.  Rede,   München  1883. 

2)  Ueber  die  Fettbildung  im  Tierkörper  vergl.  auch  Voit,  Z.  f.  Biol  f).  Bd.  137,  6.  Bd.  371  . 
Hoppe-Seyler,  Physiol.  Chem.  (1877 — 81),  1002;  G.  Bonge,  llandh.  d.  phijsiol.  Chem.  2; 
Au/{.  (1889)  355;  I.  Munk,  Berl.  Hin.  U'och.  (1889)  AV.  9;  Pflüger,  dessen  Arch.  51. 
Bd    317,   52.  Bd.   1.   239. 

3)  I.  Munk.  Arch.  f.  Physiol.  (1883)  273,  (1890)  378;  Virch.  Arch.  95.  Bd.  437,  \2Z.  Bd. 
230.   284. 

4)  I.  Munk.    Virch.  Arch.   101.  Bd.   130;  Rubner,  Z.  f.  Biol.  23.  Bd.  273. 

5)  Pflüger,  tf««««n  Arch.  51.  Bd.   229. 


ZWEITER   ABSCHNITT. 

Die  Bedeutuiij;  der  >ahrungsstoffe. 

Die  wesentlichen  chemischen  Baustoffe  des  Körpers:  Eiweiß,  Fett, 
"Wasser,  Mineralstotie  (Aschebestandteile),  erleiden  mit  dem  Ablauf  der 
Lebensprozesse  stetig  Verluste,  deren  Größe  je  von  den  äußeren  und 
inneren  Lebensbedingungen,  wie  im  ersten  Abschnitt  erörtert,  abhängt. 
Der  für  die  Erhaltung  des  Stoffbestandes  und  damit  der  körperlichen 
Leistungsfähigkeit  erforderliche  Ersatz  wird  durch  chemische  Substanzen 
beschafft,  die  wir  Nahrungsstoffe  oder  Nährstoffe  nennen 
(S.  2).  Zu  den  Nährstoffen  gehören  einmal  diejenigen  Substanzen,  welche 
mit  den  zu  Verlust  gehenden  Stoffen,  also  auch  mit  den  wesentlichen 
Baustoflen  des  Körpers  chemisch  identisch  sind,  wie  Wasser,  Mine- 
ralstoffe, Eiweiß,  Fett,  oder  stotllich  gleichwertig  sind,  insofern  sie 
den  Verbrauch  z.  B.  von  Eiweiß  und  Fett  verhüten  bezw.  beschränken, 
wie  die  Leimstoffe  und  die  Kohlehydrate,  oder  endlich  eine 
Kraftrjuelle  für  die  Leistungen  des  Körpers  abgeben,  wie  der  Sauer- 
stoff der  Luft.  Es  sei  hier  nur  noch  daran  erinnert,  daß  der  Tier- 
körper nicht  befähigt  ist,  seine  komplizierten  organischen  Bestandteile 
(Eiweiß,  Fett)  aus  den  Elementen :  Kohlenstoff",  Wasserstoff",  Sauerstoff 
bezw.  Stickstoff"  und  Schwefel  aufzubauen;  vielmehr  muß  er  sie  stets 
als  fertige  Verbindungen  dem  Pflanzenleib  entnehmen,  sei  es  unmittel- 
bar durch  direkte  Aufnahme  der  Pflanzen  selbst  oder  erst  mittelbar, 
durch  Genuß  des  Fleisches  der  mit  Pflanzen  ernährten  Herbivoreu. 

Man  teilt  wohl  auch  die  Nährstoffe  ein  in  anorganische:  Wasser, 
WineralstoÖe  (Aschebestandteile),  und  in  organische  (Eiweiß,  Leim- 
stoffe, Fett,  Kohlehydrate). 

§  1.  Das  Wasser. 

Die  Rolle  des  Wassers  als  Nährstoff  erhellt  schon  aus  seiner^  Be- 
deutung als  Bestandteil  des  Körpers.  Rund  64  Proz.  des  Körpergewichtes 
Erwachsener,  also  fast  *  g,  entfallen  auf  das  Wasser  (S.  3);  bei  Neu- 
geborenen und  jungen  Kindern  flndcn  sich  sogar  60— 70  Proz.  Wasser. 

Das  Wasser  ist  nicht  nur  in  den  Flüssigkeiten  des  Körpers  reich- 
lich, zu  78 — 99  Proz.,  enthalten  :  Blut,  Lymphe,  Verdauungssäfte,  Harn  u.  a., 
auch^die  als  fest  und  kompakt  imponierenden  Organe:  Kuorjjel,  Knochen, 
enthalten  beträchtliche  Wassermengen,  17—54  Proz.,  und  nur  das  P'ettge- 


22  IMMANUEL   MUNK, 

webe  iiml  ilie  Zähne  uehnien  mit  10  resp.  6  Proz.  Wasser  die  unterste 
Stelle  ein.  Selbst  strati' entwickeltes  Muskelgewebe  enthält  rund  75  Proz. 
Wasser,  sodaß,  da  die  Muskeln  über  -  r^  des  Körpergewichtes  ausmachen, 
reichlich  die  Hälfte  des  gesaraten  Körperwassers  in  den  Muskeln  ein- 
geschlossen ist  * . 

Abgesehen  von  den  die(")rgane  durchsetzenden  wasserreichen  Flüssig- 
keiten :  Blut  (78  Proz.)  und  Lymphe  (95  Proz.  Wasser),  sind  die  letzten 
Formelemente,  die  Zellen,  als  in  Wasser  aufgequollen  zu  betrachten.  Schon 
daraus  läßt  sich  der  Schluß  ziehen,  daß  das  Wasser  für  die  physikalisch- 
chemischen Prozesse  des  Lebens  unerläßlich  ist.  Wie  die  chemischen 
Vorgänge  sich  ohne  Gegenwart  von  Wasser  nicht  abspielen  können  — 
Corpora  non  aguut  nisi  fluida  — ,  so  gilt  dies  auch  für  die  Organismen: 
auch  sie  vertragen  den  Verlust  von  Wasser  (Austrocknung)  unter  eine 
gewisse  Grenze  nicht,  ohne  ihre  Funktionsfähigkeit  und  ihre  Lebens- 
thätigkeit  einzubüßen.  Auch  ist  das  Wasser  das  Lösungsmittel  für 
die  mannigfachen  wichtigen  Stoffe,  welche  die  liestandteile  des  Körpers 
und  der  aufgenommenen  Nahrung  bilden.  Nur  vermöge  des  großen 
Wassergehaltes  ist  die  leichte  Beweglichkeit  des  Blutes  und  damit  die 
^löglichkeit  gegeben,  zu  allen  Teilen  des  Körpers  getrieben  zu  werden 
und  diesen  das  chemische  Bedarfsmaterial,  einschließlich  des  an  den 
Blutfarbstoif  gebundenen,  für  das  Leben  unerläßlichen  Sauerstoffs,  zu- 
zuführen, sowie  die  beim  Stofiwechsel  der  Gewebe  verbrauchten  oder 
frei  gewordenen  Stoffe  abzuleiten  und  den  Ausscheidungsorganen  zu 
überantworten.  Die  gesamten  Vorgänge  der  Stoffzufuhr,  des  Stoffum- 
satzes und  der  Ausscheidungen,  also  der  gesamte  Stoffwechsel  ist  an  die 
Gegenwart  des  Wassers  gebunden.  Ebenso  ist  der  Vorgang  der  Nerven- 
leitung und  der  Muskelzusammenziehung  nur  möglich,  wenn  der  Nerv 
resp.  Muskel  einen  gewissen  Wassergehalt  besitzen  und  von  Flüssig- 
keiten (Blut,  Lymphe)  umspült  sind. 

Unter  den  Mitteln,  welche  der  Regelung  und  Ausgleichung  der 
Eigenwärme  des  Menschen  dienen,  spielt  das  Wasser  eine  hervorragende 
Rolle :  die  Wasserverdunstung  durch  Lunge  und  Haut  macht  einen  Teil 
der  im  Körper  bei  den  Spaltungen  und  Oxydationen  gebildeten  Wärme 
„latent"  und  verhütet  dadurch  ein  Ansteigen  der  Temperatur  des  Kör- 
pers. Dieser  Wärmeverlust  durch  Wasserverdunstung,  deren  Umfang 
je  nach  der  Außentemperatur,  Muskelthätigkeit  u.  a.  innerhalb  weiter 
Grenzen  schwankt,  beträgt  bei  mittlerer  Außentemperatur  etwa  20  Proz. 
der  gesamten  Wärmeabgaben  und  kann,  sobald  die  Außentemperatur 
sich  über  20  "^  C  erhebt,  noch  größer  werden  2. 

Der  Mensch  büßt  stetig  Wasser  durch  Harn,  Kot, 
Lunge  und  Haut  ein,  nur  daß  die  Gesamtabgabe  an  Wasser  und 
ihre  Verteilung  auf  die  einzelnen  Ausscheidungsposten  weiten  Schwan- 
kungen unterliegt.  Das  Verständnis  für  diese  Differenzen  in  der  Wasser- 
abgabe wird  durch  die  Erfahrung  eröffnet,  daß  beim  gesunden 
Menschen  die  Organe  ihren  Wassergehalt  mit  größter 
Zähigkeit  festzuhalten  streben,  sodaß  er  höchstens  ifür  kurze 
Zeit  auch  nur  um  wenige  Prozent  nach  oben  und  unten  um  das  Mittel 
schwankt.  Nur  im  protrahierten  Hungerzustande,  bei  profusen  Diar- 
rhöen, bei  der  Cholera,  kann  der  Wassergehalt  des  Blutes  für  längere  Zeit 
um  2 — 3  Proz.,  der  der  Muskeln  um  5  Proz.  abnehmen,  allein  schon  dann 
zeigen  sich  schwere  Störungen  in  den  Körperfunktionen,  die  schließlich 
zum  Stillstand  der  tierischen  Maschine  (Herz,  Atmung)  führen  können. 
Die  wichtigsten   Organe,   welche   über    den    Wassergehalt   der    Gewebe 


EinzeleruähruDg  und  MasseDoroäbrung.  23 

wachen,  sind  die  Nieren.  Wird  viel  Wasser  mit  Speise  und  Trank  ein- 
geführt, so  werden  die  Gewebe  nicht  wasserreicher,  viehnehr  wird,  zu- 
mal bei  nie>ierer  Außentemperatur,  der  Ueberschuli  innerhalb  weniger 
Stunden  ilurch  den  liarn  entfernt.  Umgekehrt  ist  die  Harnausscheidung 
um  so  spärlicher,  je  weniger  Flüssigkeit  aufgenommen  worden  ist. 
Zwischen  Nieren  und  Haut  besteht  ein  gewisser  Antagonismus,  derge- 
stalt dali,  wofern,  wie  bei  hoher  Außentemperatur  und  vollends  bei 
starker  Muskelarbeit,  viel  Wasser  durch  die  schwitzende  Haut  (und  die 
Lungen)  abdunstet,  proi)ortional  die  mit  dem  Harn  austretende  Wasser- 
menge absinkt :  das  Umgekehrte  gilt  für  Körperruhe  und  niedrige  Außen- 
temperatur. Endlich  wird  auch  die  Ausscheidung  V(m  Harnwasser  in 
die  Höhe  getrieben,  je  mehr  wasserlösliche  Stoße  durch  den  Harn  aus- 
treten; unter  diesen  harntreibenden  „diuretischen''  Substanzen  nimmt 
der  Harnstoti"  und  das  Kochsalz  die  erste  Stelle  ein.  Je  mehr  Eiweiß 
(Fleisch)  genossen,  ferner  je  gesalzener  die  Speisen  sind,  und  je  reich- 
licher daher  Harnstoti  bezw.  Kochsalz  durch  den  Harn  austritt,  desto 
größer  wird  die  Harnwassermenge. 

Steht  schon  die  einfach  physikalische  Wasser  a  bdu  n  stung 
durch  die  Haut  in  Abhängigkeit  von  der  Außentemperatur  bezw. 
dem  wechselnden  Blutreichtum  der  Haut,  so  wird  diese  Abhängigkeit 
noch  größer  durch  die  Thätigkeit  der  Schweißdrüsen.  Diese  werden 
eiimial  durch  hohe  Umgebungstemperatur,  zumal  bei  schwacher  Luft- 
bewegung (sog.  Schwüle),  womöglich  noch  stärker  durch  Muskelarbeit, 
ferner  auch  durch  warme  Kleidung,  Genuß  warmer  säuerlicher  oder 
alkoholischer  Getränke  (warme  Citronenlimonade  u.  a.),  endlich  durch 
Gemütsaffekte  (Freude,  Schreck,  auch  Angst  und  Zorn)  zur  Thätigkeit 
und  nicht  selten  zu  ganz  kolossaler  Leistung  angetrieben,  sodaß  in  kurzer 
Zeit  V2 — 1  kg  Schweiß  abgesondert  wird  und  verdunstet.  Ebenso 
wird  die  Wasserabdunstung  von  den  Lungen,  da  die  Exspirationsluft 
immer  mit  Wasserdampf  gesättigt  ist,  um  so  reichlicher,  je  häutiger  und 
z.  T.  auch  je  tiefer  die  Atemzüge  werden.  So  kann  infolge  der 
Zunahme  der  Atemfrequenz  bei  ^Muskelarbeit  auch  die  von  den  Lungen 
abdunstende  Wasserdampfmenge  gegenüber  der  Körperruiie  auf  das 
Doppelte  ansteigen.  Der  mit  gemischter  Kost  ernährte  71  kg  schwere 
Arbeiter  von  Pettenkofer  und  Voit^  schied  bei  Körperruhe  828  — 
931  g  Wasser  durch  Lungen  und  Haut  aus,  bei  nur  mäßiger  Arbeit 
1410—1727  g,  also  volle  70— 8G  Proz.  mehr,  während  die  mit  Harn 
und  Kot  austretenden  Wassermengen  bei  Ruhe  und  Arbeit  keine  wesent- 
lichen Aenderungen  zeigten  (vgl.  auch  S.  13). 

Ist  somit  die  Größe  der  Wasserabgabe  vom  Körper  unter  den 
wechselnden  Bedingungen  sehr  verschieden  —  sie  schwankt  beim  Er- 
wachsenen etwa  zwischen  22(X)- -3000g —,  so  wird  auch  der  Wasser- 
bedarf den  wechselnden  Verhältnissen  entsprechen,  also  auch  zwischen 
220J  und  30.  K)  g  betragen.  Allein  das  zum  Ersatz  der  Wasserverluste 
bestinunte  Wasser  braucht  nicht  insgesamt  als  solches  aufgenommen  zu 
werden,  vielmehr  entstellt  ein  Teil  davon  im  Körper  durch  O.xydation 
des  gesamten  Wasserstoffs  vom  zerfallenden  Fett  und  eines  Teiles  vom 
\Vasserstoff  des  umgesetzten  Eiweißes*),  und  zwar  nach  Voit  etwa  Vn  des 
gesamten  Wasserverlustes,  sodaß  nur  Vo  der  obigen  Werte  für  den 
Wasserbedarf,   also  1825—2500  g  in  Form   von    präformiertem   Wasser 


•)  insoweit  der  Wasserstoff  nicht  iu  das  Molekill  des  aus  dem  Eiweiß  sich  abipaltendea 
Harnstoffs  übergeht. 

13 


24  IMMANUEL    MUNK, 

genossen  zu  werden  brauchen.  Demgegenüber  beträgt  die  tbatsächliche 
Wasseraufnabme  in  Speise  und  Trank  bei  erwachsenen,  mäßig  sich  er- 
nährenden und  arbeitenden  Menschen  nach  Förster^  2200—3500  g, 
ist  also  reichlicher  als  erforderlich.  Jedenfalls  geht  daraus  hervor,  daß 
das  Wasser  der  quantitativ  bedeutsamste  Nährstoff  ist. 
Das  Bedürfnis  des  Ki'trpers  nach  Wasser  ist  so  groß,  daß  wir  selbst 
solche  Nährstotigemenge,  welche,  wie  das  Brod,  rund  zur  Hälfte  aus 
Wasser  bestehen,  als  trocken,  d.  h.  wasserarm  bezeichnen. 

Wie  schon  angedeutet,  entledigt  sich  der  Körper  des  über  den  Be- 
darf zugeführlen  W  assers,  je  nachdem,  vorherrschend  durch  die  Nieren 
oder  durch  Lungen  und  Haut.  Der  reichliche  Wasserstrom  laugt  ein 
wenig  mehr  Harnstoti  aus  den  Geweben  und  kann  unter  Umständen 
auch  den  Eiweißverbraucli  in  geringem  Maße  steigern. 

Vermittelst  eines  fein  abgestimmten  nervösen  Mechanismus  erhalten 
wir  aufs  prompteste  Kunde,  ob  die  Wasserausgaben  größer  als  die 
"Wassereinnahmen  sind,  ob  also  eine  Verarmung  des  Blutes  und  der  Ge- 
webe an  Wasser  droht.  In  diesem  Falle  erwachen  eigentümliche  un- 
angenehme Gefühle,  das  sog.  Durstgefühl,  das,  solange  es  nur  lokal, 
in  der  Schleimhaut  des  Mundes  und  Rachens  auftritt,  durch  Anfeuch- 
tung mit  Wasser  beschwichtigt  werden  kann,  nicht  aber,  sobald,  infolge 
Abnahme  des  Wassergehaltes  des  Blutes  und  der  Gewebe  auch  nur  um 
2 — 3  Proz.,  sich  allgemeines  Durstgefühl  einstellt.  Dies  höchst 
unbehagliche,  sehr  bald  geradezu  peinigende  Gefühl  schwindet  erst  nach 
reichlichem  Genuß  von  W  asser.  Ist  die  Wasseraufnahme  nicht  möglich, 
so  wird  das  Durstgefühl  immer  quälender,  während  umgekehrt  die 
Hungergefühle  mit  der  Dauer  des  Hungerns  schwächer  werden.  Daher 
erträgt  der  Mensch  das  Hungern  länger  als  das  Dürsten.  Bei  dauernd 
herabgesetzter  Flüssigkeitszufuhr,  sodaß  die  Wasserabgaben  ein  wenig 
größer  sind  als  die  Wassereinnahmen,  kommt  es  zumeist  zu  einer  Re- 
duktion des  Wassergehaltes  im  Blute  um  2  Proz.  Oertel  ^  will  neuer- 
dings durch  Beobachtung  am  Menschen  gefunden  haben,  daß  durch  starke 
Beschränkung  der  Flüssigkeitszufuhr  und  gleichzeitige  Steigerung  der 
"VN'asserausgaben  seitens  der  Nieren  und  Haut  allmählich  der  Schwund 
des  Körperfettes  eingeleitet  wird. 

Umgekehrt  haben  schon  Bischoff  undVoif^  gefunden,  daß 
ungenügende  Nahrung,  bei  welcher  der  Körper  von  seinem  Be- 
stände, insbesondere  von  seinem  Eiweiß  und  Fett  einbüßt,  den  Körper 
wasserreicher  macht,  indem  das  Wasser  teilweise  au  die  Stelle 
des  geschwundenen  Eiweißes  tritt,  daher  gerade  die  eiweißreichen  Organe 
(Muskeltleisch)  einen  größeren  Wassergehalt  aufweisen.  Solch'  schlecht 
bezw.  unzweckmäßig  ernährte  oder  durch  Krankheiten,  bei  denen  die 
Nahrungsaufnahme  darniederlag,  fieischärmer  und  magerer  gewordene 
Individuen  bezeichnet  der  Volksmund  tretiend  als  „aufgeschwemmt"  oder 
gedunsen.  Auf  den  Wasserreichtum  des  Körpers  ist  auch  der  Fettge- 
halt von  Einfluß.  Je  fettreicher  der  Körper,  desto  geringer  sein  Wasser- 
gehalt; so  hat  Bischoff'  in  einer  fetten  menschlichen  Leiche,  die 
19  Proz.  Fett  enthielt,  nur  60  Proz.  Wasser  gefunden,  Volkmann* 
bei  nur  13  Proz.  Fett  dagegen  66  Proz.  Wasser.  Es  erklärt  sich  dies 
daraus,  daß,  je  mehr  Fettgewebe  vorhanden,  der  prozentische  Wasser- 
gehalt des  Körpers  absinken  muß,  weil  das  Fettgewebe  nur  10  Proz. 
Wasser  einschließt ,  während  alle  übrigen  Gewebe,  insbesondere  das 
seiner  Masse  nach  prävaherende  Fleisch,  zumeist  75  Proz.  Wasser  und 
mehr  enthalten. 

24 


Einzelernähning  und  Massenernährung.  25 

Aus  Vorstehendem  erhellt  auch,  daß  das  Körpergewicht  allein 
keinen  KückschluLN  auf  den  jeweiligen  Körper  z  ustand 
gestattet,  weil,  selbst  wenn  Fleisch  und  Eiweiß  schwindet,  doch  dieser 
Verlust  mehr  oder  weniger  stark  durch  Aufspeicherung  von  Wasser  aus- 
geglichen werden  kann.  Ob  ein  saldier  Zustand  besteht,  laßt  sich  durch 
einen  einfachen  Versuch  ermitteln.  Man  braucht  einem  solchen  Menschen 
nur  eine  den  liedarf  übersteigende  und  dabei  eiweißreiche  (tleischreiche) 
Nahrung  zu  geben ;  dann  sieht  man  das  vorher  aufgespeicherte  Wasser 
nunmehr  mit  dem  reichlichen  und  harnstotlreichen  Harn  „in  Strömen 
den  Korper  verlassen".  Unter  diesen  Umständen  kann  der  Körper, 
ungeachtet  des  nunmehr  erfolgenden  Ansatzes  von  Eiweiß  resp.  Fett, 
infolge  der  reichlichen  Abgabe  des  zuvor  aufgespeicherten  Wassers  in 
den  ersten  Tagen  sogar  leichter  werden.  Durch  reichliche  und  eiweiß- 
reiche Nahrung  kann  man  daher  einen  durch  kärgliche  Kost  aufge- 
schwemmten K()rper  am  ehesten  wieder  auf  seinen  normalen  Wasser- 
gehalt zurückführen. 

Der  durch  kärgliche  oder  unzweckmäßige  Kost  erzeugte  größere 
Wasserreichtum  der  Organe  dürfte  eine  Schwächung  und  geringere 
Resistenz  gegen  krankmachende  Agentien  zur  Folge  haben ;  er  soll  nach 
V,  Pettenkofer  die  Ursache  davon  sein,  daß  die  armen,  kärglich  er- 
nährten Volksklassen  zumeist  zu  Infektionskrankheiten :  Cholera,  Typhus 
etc.  starker  disponiert  sind  und  vermöge  der  geringeren  Widerstands- 
fähigkeit in  größerer  Zahl  dahingeraflt  werden.  Daher  die  größere 
Morbidität  und  Mortalität  der  ärmeren  Volksklassen. 

Aus  der  großen  Rolle,  die  das  Wasser  als  der  in  quantitativer 
Hinsicht  bedeutsamste  Nahrungsstoff  spielt,  ergiebt  sich  die  Notwendig- 
keit, Wasser  als  Genuß-  oder  Trinkwasser  stets  in  ausreichender  Menge 
zur  Verfügung  zu  haben.  Die  Hygiene  hat  aber  nicht  nur  die  Ver- 
sorgung mit  genügender  Quantität  des  Genußwassers  zu  verlangen,  viel- 
mehr muß  sie  auch  über  die  (Qualität  ^  desselben  wachen,  insofern  das 
Trinkwasser  so  beschaffen  sein  muß,  daß  es  ohne  Widerwillen  aufge- 
nommen werden  kann  und  auch  bei  stetem  Genuß  auf  den  Körper  keine 
schädliche  Wirkung  übt.  Das  Trinkwasser  muß  genießbar  d.  h.  farb- 
und  geruchlos  sowie  von  reinem,  erfrischendem  Geschmack,  ferner  von 
allen  Verunreinigungen  frei  sein,  welche  für  den  menschlichen  Körper 
sich  als  different  oder  gar  als  krankmachend  erweisen,  z.  B.  Fäulnis- 
Stoffe  (Ammoniak,  Nitrite  u.  a.),  tierische  und  pflanzliche  Keime, 
die  als  Erreger  des  Typhus  und  der  Cholera  anzusehen  sind. 

In  welcher  Weise  den  Anforderungen  an  die  Quantität  und  Qualität 
des  Trinkwassers  genügt  werden  kann,  wird  in  dem  Abschnitt  „Wasser- 
versorgung" gezeigt  werden. 

1)  lieber    den    Wassergehalt    der  Gevtbe    vfryl.  die  physiologisch- chemischen  Lehr-  und  lland- 
büchfr  ton  Oornp-Besanez,  Hoppe-Seyler,  Bungo  und  Hammarsten. 

2)  Hubner,   .1.  /    //.    11.   Hd.   Ih/t  '2   u    3. 

3)  Pettenkofer  und  Voit,  Z   f.  Biol.   2.   Bd.  480. 

4)  Förster.  eUnda  'J.   Jid.   387. 

5)  Oertel.   ^tllg.    Therapie  d.  Kreislauftstörungen,  Leipzig  (1884),   127. 

6)  C.   Bischofif  und  Voit,  Gesetze  der  Ernährung  des  Fhisch/ressers  (1860)   210. 

7)  E.   Bischofif.  Z.  /.   rat.   Med.  20.   Jid.   75. 

8)  A.   W.   Volkmann.  Sachs,  akad.  Sitz.-Ber.  (1874)  202. 

9)  E.  Seichardt.   Gt-undlayen  zur  Beurteilung  des   l'rinkvassers,  4.  -4«//.,  und  die  AbUilung: 
Wasserversorgung  in  diesem  Handbuche 


25 


26  IMMANUEL    MUNK. 

§  '2.     Die  Mineralstoffe  (A.scheb  e  sta  lul  tei  1  e). 

Der  Körper  im  Ganzen  wie  jedes  einzelne  Organ  oder  Gewebe  haßt 
ebenso  wie  alle  anderen  pflanzlichen  oder  tierischen  Gel)ilde  beim  Ver- 
brennen eine  Asche  zurück,  aus  unverl)rennlichen  Mineralstotfen  be- 
stehend. Diese  Aschcbestaudteile  hat  man  früher  als  rein  zufällige, 
gleichgiltige  Beimengungen  aufgefaßt,  gleichsam  als  toten  Ballast,  den 
die  organisierten  Teile  mit  sich  herumschleppen  und  der,  beim  Zerfall 
des  Organisierten  frei  geworden,  baldmöglichst  aus  dem  Körper  (durch 
Harn  und  Kot)  entfernt  werden  muß.  Die  Bedeutung  dieser  Asche- 
bestandteile  und  ihren  hohen  Wert  für  Pflanze  und  Tier  zuerst  erkannt 
zu  haben,  ist  das  große  Verdienst  Justus  v.  Liebig's^ 

Das  Samenkorn  kann  sich  nicht  zur  Pflanze  entwickeln,  wenn  nicht 
der  Boden  ihm  gewisse  Mineralstofle :  Kali,  Kalk,  Eisen,  in  Verbindung 
mit  PhosphorsAure  und  Schwefelsäure  liefert.  Die  geerntete  Frucht  hat 
während  ihres  Wachstums  dem  Boden  jene  Mineralstofle  entnommen, 
für  die  nunmehr,  soll  der  Boden  ferner  ertragsfähig  sein,  durch  die 
Düngung  Ersatz  beschaflt  werden  muß,  daher  man  in  neuerer  Zeit  die 
wichtigen  Nährsalze  des  Bodens  als  künstliche  Düngsalze  ihm  direkt  zu- 
führt. Ohne  diesen  von  Zeit  zu  Zeit  erfolgenden  Ersatz  an  Mineral- 
stoff'en  würden  unsere  Kulturböden  bald  früher,  bald  später  veröden  aus 
Mangel  an  jenen  für  das  Pflanzenwachstum  wichtigen  und  unentbehr- 
lichen Mineralstoff"en.  Schon  daraus  läßt  sich  erschließen,  daß  lebendige, 
funktionsfähige  organische  Substanz  nicht  ohne  gewisse  Mineralstotfe 
sich  bilden  kann. 

Genau  dasselbe  triff't  für  den  Tierkörper  zu ;  auch  in  ihm  kann  sich 
lebensfähige,  organisierte  Substanz  nicht  ohne  gewisse  Mineralbestand- 
teile aufbauen ;  diese  Mineralstofle  sind  als  zur  Konstitution  der  Gewebe 
gehörig  anzusehen  und  daher,  wie  manche  Erfahrungen  über  deren  Aus- 
scheidung lehren  (S.  27),  fester  verbunden  mit  der  organisierten  Substanz, 
wahrscheinlich  dem  Zelleiweiß.  Außer  diesen  Aschebestandteilen  der 
Gewebe  finden  sich  Mineralstofl'e  in  der  die  Gewebszellen  umspülenden 
Flüssigkeit:  Blut  und  Gewebsflüssigkeit  (Lymphe),  aber  in  diesen 
Flüssigkeiten  befindet  sich  der  größere  Teil  der  Mineralstofle  in  ein- 
facher Lösung,  der  kleinere  in  festerer  Bindung.  Der  einfach  gelöste 
Anteil  wird  verhältnismäßig  schnell  durch  Nieren  und  Darm  ausge- 
schieden und  durch  die  aus  der  Nahrung  in  die  Säfte  übergehenden 
Mineralstofle  wieder  ersetzt,  während  jene  Gewebsmineralien  erst  beim 
Zerfall  oder  Abschmelzen  des  Organisierten  frei  werden,  in  den  Säfte- 
strom geraten  und,  wofern  kein  Bedarf  an  ihnen  vorhanden  ist,  eben- 
falls den  Ausscheidungsorganen  überantwortet  werden. 

Ferner  hat  schon  Liebig  erwiesen,  daß  in  allen  tierischen  Ge- 
weben und  Säften  gewisse  Mineralstofle,  wie  Natron,  Kali,  Kalk,  Mag- 
nesia, Eisen  in  Verbindung  mit  Chlor  und  Phosphorsäure,  ausnahmslos 
sich  auffinden  lassen.  Nur  in  Bezug  auf  die  Menge  und  Verteilung  dieser 
einzelnen  Stoffe  bestehen  gewisse  Diff"erenzen,  die  sich  indes  der  Haupt- 
sache nach  dahin  zusammenfassen  lassen,  daß  in  den  Flüssigkeiten  des 
Körpers  (Blutplasma,  Lymphe,  Magensaft,  Bauchspeichel,  Harn  und 
Schweiß)  die  Verbindung  des  Natron  mit  Chlor,  Chlornatrium  oder 
Kochsalz  bei  weitem  überwiegt  über  die  Verbindungen  des  Kali  und 
der  Erden  (Kalk,  Magnesiaj  mit  der  Phosphorsäure,  sog.  Kaliumphosphat 
und  Erdphosphate  (Kalk-,  Magnesiumphosphat),  dagegen  in  den  Ge- 
weben (Blutkörperchen,  Muskel,  Leber,  Milch   u.  a.)   die   an  Phosphor- 

26 


EinzelorDäbruDg  und  MasscneroähruDg.  27 

säure  gebundenen  Kali-  und  selbst  Erdsalze  bei  weitem  überwiegen  das 
nur  spärlich  uiizutretlcnde  Chlornatriuni  (bez.  Chlorkiiliuni).  Nur  in  den 
Knochen  tindeii  sich  fast  ausschließlich  Krdsalze,  hauptsachlich  Kalk- 
phüsj)hat  und  wenig  Magnesiuniphosphat,  daneben  etwas  Erdkarbonat 
und  Kluorcalciuin. 

Wahrend  aber  die  Weichteile  des  Körpers  einen  Aschengehalt  von 
nur  ^/^ — l'/s  Proz.  besitzen,  schließen  die  Knorpel  7  Proz.,  die  Knochen 
(im  feuchten  Zustande)  sogar  54—37  Proz.  Mineralstoffe  ein.  Von  der 
Gesamtasche  des  menschlichen  Körpers,  die  sich  auf  etwa  4^, .,  Proz. 
veranschlagen  labt  und  beim  Erwachsenen  von  70  kg  rund  Ü'/ö  ^g  be- 
trägt, entfallen  auf  die  Knochen  (inkl.  Knorpel)  reichlich  volle  ^/^  des 
Aschebestandes  oder  rund  2,7  kg  Asche,  sodaß  auf  die  übrigen  Teile, 
welche  absolut  8G  Proz.  des  Körpergewichtes  ausmachen,  allesamt  nur 
Ve  des  Aschebestandes  oder  rund   ',„  kg  Asche  kommt. 

Die  Bedeutung  der  M  i  n  e  r  a  1  s  t  o  f  f  e  für  den  Körper  läßt  sich 
schon  aus  vorstehenden  Verhältnissen  und  aus  den  physiologischen  Be- 
dingungen ihrer  Ausscheidung  erschließen.  Fest  steht,  daß,  trotz  der 
Zähigkeit,  mit  welcher  der  Körper  seinen  Miueralbestand  zu  wahren 
strebt,  auch  beim  Hunger,  und  wenn  keine  Mineralsalze  mit  der  Nah- 
rung gegeben  werden,  dauernd  Kochsalz,  Alkali-  und  Erdphosphate,  so- 
wie Spuren  von  Eisen  durch  den  Harn,  Erdphosphate  und  wenig  Eisen- 
salze auch  durch  den  Kot  zur  Ausscheidung  gelangen.  Infolgedessen 
laugt  sich,  wofern  diese  Stoffe  aus  der  Nahrung  nicht  ersetzt  werden, 
der  Körper  stetig  jene  Mineralsalze  durch  den  Harn  aus,  und  wenn  der 
Mineralbestand  des  Körpers  unter  eine  gewisse  Grenze  gesunken  ist, 
dann  geht  der  Mensch  zu  Grunde,  auch  wenn  alle  sonstigen  Nährstoffe 
(Eiweiß,  Fett,  Wasser)  in  genügender  Menge  geboten  werden.  In  einem 
solchen  Versuche  Forster's^  am  Hunde,  wobei  die  Zufuhr  von  Mine- 
ralstotfen  bis  auf  sehr  geringe  Mengen  reduziert  war,  traten  schon  in 
der  3.  Woche  Störungen  seitens  des  Nervensystems  auf,  zum  Zeichen, 
daß  dies  gegen  die  Salzentziehung  am  empfindlichsten  ist,  und  in  der 
4.  Woche  Verdauungsstörungen,  zugleich  mit  sichtlichem  körperlichen 
und  geistigen  Verfall,  obwohl  während  der  ganzen  Dauer  der  mineral- 
armen Fütterung  nur  etwa  40  g  von  dem  auf  1500  g  zu  veranschlagen- 
den Gesamtbestande  au  Mineralsalzen  zu  Verlust  gegangen  waren.  Da- 
nach scheint  schon  nach  4  Wochen  ein  Erwachsener  bei  sonst  den  Be- 
darf deckender  Ernährung  zu  Grunde  zu  gehen,  wofern  die  Zufuhr  von 
Mineralstotfen  nur  unter  eine  gewisse  untere  Grenze  sinkt.  Soll  daher 
der  Aschebestand  gewahrt  werden,  so  bedarf  es  stetig  der  Zufuhr  von 
Kochsalz,  Kalium-,  Calcium-  und  Magnesiumphosphat  und  etwas  Eisen, 
und  diese  für  den  Körper  unentbehrlichen  Mineralien  bezeichnet  man 
daher  als  N  ä  h  r  s  a  1  z  e. 

Beim  Hunger  und  raineralarmer  Ernährung  sinkt,  dank  der  festeren 
Bindung  des  größeren  Teiles  der  Mineralsalze  in  den  Geweben,  die  Aus- 
scheidung von  Salzen  durch  den  Harn  (und  Kot)  schon  nach  wenigen 
Tagen  auf  einen  immer  geringeren  Wert  ab;  die  nunmehr  zur  Aus- 
scheidung gelangenden  Salze  sind  fast  ausschließlich  solche,  welche  zur 
Konstitution  der  Gewebe  gehören  und,  bei  dem  Abschmelzen  des  Organ- 
eiweißes  (und  Organfettes)  frei  geworden,  der  Ausscheidung  durch  Nieren 
(und  Darm)  verfallen.  Werden  dann  wiederum  Mineralsalze  mit  der 
Nahrung  gegeben,  so  halten  die  Gewebe  und  das  Blut  zunächst  einen 
recht  beträchtlichen  Bruchteil,  günstigen  Falles  bis  zu  9>  Proz.,  der 
Salze  zurück,  um  auf  ihren    ifrüheren    Miueralgehalt   zu   gelangen,  und 


28  -  IMMANUEL    MINK. 

erst  iiacbdem  die  Gewebe  und  Säfte  ilireii  liestaiid  an  Salzen  ergänzt 
haben,  erfolgt  nunmehr  die  Ausscheidung  entsprechend  der  Salzeinfuhr  ^. 

Steht  es  danach  fest,  dal>  der  Kiirper  der  steten  Zufuhr  der  Nähr- 
salze bedarf,  so  wissen  wir  doch  nichts  über  die  Menge,  in  welcher  jede 
einzelne  Mineralverbindung  geboten  werden  muß,  wenn  der  Bedarf  ge- 
deckt werden  soll,  sodalJ  der  Organismus  von  seinen  Mineralstoffen  nichts 
einzubüßen  braucht.  Groß  können  jedenfalls  die  erforderlichen  Mineral- 
niengen  nicht  sein,  ist  ja  doch  auch  die  Ausscheidung  an  Salzen  nicht 
beträchtlich,  insofern  sie  für  die  späteren  Hungertage  rund  4  g  pro 
Tag  beträgt.  Vom  wissenschaftlichen  Standpunkte  wäre  es  von  größtem 
Interesse,  die  Bedarfsgröße  des  Körpers  au  jedem  einzelneu  Salze  zu 
kennen.  Für  die  Praxis  und  Hygiene  der  Ernährung  fällt  indes  glück- 
licherweise dieser  Mangel  unseres  Wissens  durchaus  nicht  ins  Gewicht, 
insofern  tausendfältige  Erfahrung  lehrt,  daß  die  aus  Nahrungsmitteln 
des  Pflanzen-  und  Tierreiches  zusammengesetzte,  sog.  gemischte  Kost 
des  Menschen,  welche  deu  Bedarf  an  Eiweiß  und  Fett 
deckt,  in  der  Regel  auch  genügend  Mineralstoffe  bietet, 
häufig  sogar  einen  Ueberschuß  daran.  Außer  der  Nahrung  führt  auch 
das  Trinkwasser  dem  Körper  Mineralverbinduugen,  hauptsächlich  kohlen- 
sauren Kalk  (etwa  zu  0,04  Proz.)  und  etwas  Magnesia  zu. 

Nur  in  Bezug  auf  e  i  n  Salz  scheinen  die  tierischen  und  pflanzlichen 
Nahrungsmittel  nicht  genügend  zu  bieten,  nämlich  Kochsalz.  Koch- 
salz ist  der  quantitativ  überwiegende  Mineralbestandteil  aller  tierischen 
Flüssigkeiten :  Blutserum,  Lymphe,  Verdauungssäfte  u.  s.  w.,  die  davon 
etwa  ^4  Proz.  enthalten.  Auch  in  den  späteren  Hungertagen  treten 
noch  0,3  g  NaCl  täglich  mit  dem  Harn  heraus.  Aus  dem  NaCl  der 
Ernährungsflüssigkeit  bildet  sich  durch  die  Thätigkeit  der  Drüsenzellen 
des  Magens  die  Salzsäure,  welche  einen,  für  die  Pepsinverdauung  un- 
entbehrlichen Bestandteil  des  Magensaftes  abgiebt.  Der  civihsierte 
Mensch  begnügt  sich  in  der  Regel  nicht  mit  dem  in  den  Nahrungs- 
mitteln präformiert  enthaltenen  NaCl,  vielmehr  fügt  er  NaCl  noch  mehr 
oder  weniger  reichlich  den  Speisen  zu.  Das  Bedürfnis  nach  Kochsalz 
erscheint  instinktiv,  und  wo  es  nicht  befriedigt  werden  kann,  bricht  es 
gelegentlich  mit  elementarer  Gewalt  hervor.  Um  so  berechtigter  ist  die 
Frage,  ob  die  besondere  Aufnahme  von  NaCl  —  außer  dem  in  den  Nah- 
rungsmitteln präformierten  NaCl  —  einem  notwendigen  stofflichen  Be- 
dürfnis entspricht.  Statistische  Zusammenstellungen  lehren,  daß  der 
Genuß  des  Kochsalzes  so  verbreitet  ist,  daß  auf  den  Kopf  der  Be- 
völkerung pro  Tag  etwa  20  g  NaCl  kommen.  Während  nun  Liebig 
mit  großer  Emphase  die  Notwendigkeit  des  NaCl-Genusses  für  den 
Menschen  verfochten  und  deshalb  jede  Besteuerung  dieses  unentbehr- 
lichen Nährsalzes  als  ungerecht  und  widersinnig  verworfen  hat*),  ist 
man  mehr  und  mehr  zur  Ueberzeugung  gelangt,  daß  zur  Befriedigung 
des  materiellen  Bedarfes  nur  geringe  Mengen  von  NaCl,  etwa  2  g  für 
den  Erwachsenen  im  Tag,  erforderlich  sind,  und  daß  alles  NaCl,  was 
über  diesen  absolut  notwendigen  Bedarf  genossen  Avird,  nur  den  Wert 
eine.s  Würzstoffes  hat,  dazu  bestimmt,  den  Speisen  den  bei  uns  beliebten, 
leicht  salzigen,  pikanten  Geschmack  zu  erteilen,  der  uns  die  Speiseauf- 


*)  „Die  Salzsteuer  ist  die  häßlichste,  den  Verstand  des  Mensehen  entehrende  und 
unnatürlichste  aller  Steuern  auf  dem  Kontinente ;  man  sieht,  daß  sich  im  Instinkt  eines 
Schafes  oder  Ochsen  mehr  Weisheit  kundgiebt,  als  in  den  Anordnungen  des  Geschöpfes, 
■welches  seltsamer  Weise  häufig  genug  sich  als  Ebenbild  des  Inbegriffes  alier  Güte  und 
Vernunft  betrachtet".     (Liebig,  Chemische  Briefe,  2.  Bd  ,  31.  Brief,  4.  Aufl.,  S.  123.) 

28 


EiQzclernäbruog  und  Massenornäbrung.  29 

nähme  erleichtert,  den  Appetit  anregt  uiul  vielleicht  auch  die  Verdau- 
ung und  Aufsaui^ung  der  NahrungsstotVe  fördert;  \vir  konnuen  auf  diesen 
Punkt  noch  gelegentlich  der  Würz-  und  üenubstotle  zurück.  Ist  somit 
vom  Kochsalz  als  Niihrsalz  nur  wenig  (2  g)  für  den  Köri)er  dringend 
erforderlich,  so  hat  doch  der  GenuB  weit  größerer  NaCl-Mengen  so 
günstige  Folgen  für  die  Hefrieiiigung  des  Geschmackes,  für  die  Förde- 
rung des  Appetites  und  damit  der  reicidicheren  Nahrungsaufnahme,  so- 
wie endlich  für  die  Anregung  der  Abscheidung  der  Venlauungssafte, 
somit  für  die  Förderung  der  Ernährung,  dalÄ  man  keinen  (Irund  hat, 
der  Einschränkung  des  Salzgenusses  das  Wort  zu  reden.  Am  ehesten 
noch  könnte  es  bei  ausschlieLUichem  Fleischgenuß  zu  einem  Kochsalz- 
mangel kommen,  weil  das  Fleisch  nach  Bunge*  nur  0,07  Proz.  NaCl 
enthalt  und  somit  2  kg  davon  gegessen  werden  müßten,  nur  um  den 
notwendigen  NaCl-Bedarf  zu  decken.  Allein  es  giebt  gerade  fast  aus- 
schließlich von  Fleisch  lebende  Völkerstämme,  die  sich  dabei  trotzdem 
des  NaCl-Genusses  enthalten ,  so  die  Samojeden,  Tungusen,  Ostjacken 
u.  a.,  ohne  daß  bisher  bei  ihnen  Störungen  des  Wohlbetindeus,  welche 
auf  den  NaCl-Mangel  sich  deuten  ließen,  bekannt  geworden  sind.  End- 
lich nimmt  der  Säugling  während  des  ganzen  ersten  Lebensjahres  nur 
0,0 — 0,*J  g  NaCl  mit  der  Mutter-  oder  Kuhmilch  auf  und  bestreitet  damit 
nicht  nur  seine  Ausgaben,  sondern  erspart  noch  NaCl  zum  Ansatz  und 
Wachstum  der  Gewebe  und  Organe. 

Ist  auch  keine  Störung  bekannt,  die  mit  Recht  auf  Mangel  an 
Kochsalz  in  der  Nahrung  zu  beziehen  wäre,  so  hat  man  doch  vielfach 
auf  den  Maugel  an  Kalisalzen  in  der  Nahrung  den  Skor- 
but zurückgeführt.  Thatsächlich  tritt  der  Skorbut  nicht  selten  auf  bei 
fortgesetztem  Genuß  von  Salz-  oder  Pökelfleisch  und  gleichzeitiger  Ent- 
behrung frischer  Pflanzenkost  (Gemüse,  Kartofleln).  Nun  enthalt  aller- 
dings das  Salzfleisch  sehr  viel  weniger  Kali  als  das  frische  Fleisch, 
insofern  die  Salzlake  viel  Kaliveri)indungen  ausgelaugt,  dafür  aber 
reichlich  Kochsalz  hinzugegeben  hat.  Dazu  kommt  noch,  daß,  gleich- 
wie nach  Bunge  ^  eingeführte  Kalisalze  dem  Körper  Natriumver- 
bindungen entziehen,  umgekehrt  überreichliche  Kochsalzzufuhr  eine  Ab- 
gabe von  Kalisalzen  seitens  des  Körpers  zur  Folge  haben  kann.  So 
würde  es  zu  verstehen  sein .  wieso  Salzfleisch  einerseits  wenig  Kali 
dem  Körper  zuführt,  andererseits  durch  das  Kochsalz  das  Kali  aus 
dem  Körper  verdrängt,  sodaß  eine  Kaliverarmung  der  Gewebe  und  des 
Blutes  eintritt.  Allein  zweifellos  kommen  auch  Fälle  von  Skorbut  vor, 
wo  weder  ein  Kalimaugel  noch  gesteigerte  Kaliabgabe  vorliegt,  wo 
frisches  Fleisch  und  grünes  Gemüse  reichlich  zur  Verfügung  stand,  so 
einige  Epidemien  in  Kasernen  (Rastatt,  Ingolstadt  u.  a.''),  ferner  ein- 
zelne Gefängnisei^idemien,  die  ungeachtet  der  vorwiegend  vegetabilischen, 
kalireichen  Nahrung  zum  Ausbruch  gekommen  sind.  Zudem  liegen 
einzelne  Beobachtungen  vor,  in  denen  auf  Beigabe  von  Fett  zur  fett- 
armen Gefängniskost  eine  entschiedene  Besserung  eingetreten  ist,  sodaß 
die  Vermutung  nicht  unbegründet  scheint,  daß  auch  durch  einseitige 
fettarme  Kost"  im  Verein  mit  hygienisch  -  ungünstigen  Verhältni.ssen 
(kalte,  feuchte  Kasernenräume  oder  Gefängniszellen,  einförmige  Kost) 
der  Skorbut  hervorgerufen  oder  wenigstens  sein  Auftreten  vorbereitet 
werden  kann. 

Bleibt  sonach  bei  dem  an  sich  geringen  Bedarf  des  Erwachsenen 
an  Mineralstort"en  und  dem  genügend  reichlichen  Vorkommen  von  Salzen 
in   den   Nahrungsmitteln    ein    Salzmangel    kaum  je   zu   befürchten,    so 

29 


30  IMMANUEL    MUXK, 

braiiclite  dasselbe  sclioii  a  priori  für  den  w a  c h  s e n  d c ii  O r g a ni s m u s 
nicht  /uzutrett'en.  liier  liandelt  es  sieh  iiiclit  nur  um  Ersatz  der  (durch 
Harn  und  Kot)  ausgeschiedenen  Mineralverbindungen,  vielmehr  um  Auf- 
speicherung derjenigen  ISalze,  welche  in  die  Konstituti«m  der  durch 
Gewebsansatz  >Yachsenden  Organe  eingehen.  Da  das  Kind  im  ersten 
Jahre  um  5—6  kg  zunimmt  und  an  diesem  Wachstum  das  Knochen- 
system mit  800—850  g  beteiligt  ist,  so  bedarf  es  dafür  rund  280  g 
Kalki)hosi)hat  oder  150  g  Kalk,  sodalS  allein  für  das  Knochenwachstum 
pro  Tag  0,4  g  Kalk  mehr,  als  der  Ausscheidung  entspricht,  zur  Ver- 
fügung stehen  müssen.  Noch  stärker  als  das  Skelett  wächst  das  Muskel- 
system ;  für  den  Ansatz  des  MuskelHeisches  bedarf  es  hauptsächlich 
des  Kaliumphosi)hates.  Auch  die  lilutmenge  nimmt  beträchtlich  zu; 
für  den  Aufbau  der  roten  Blutkörperchen  bedarf  es  des  Eisens,  eben- 
falls erheblich  reichlicher  als  beim  Erwachsenen.  Dasselbe  gilt  für  die 
ganze  Dauer  des  Körperwachstums,  also  bis  gegen  das  18.  Lebensjahr, 
nur  daß  weiterhin  die  Energie  des  Wachstums  abnimmt. 

Bei  diesem  viel  größeren  Bedarf  an  Mineralstotfen  im  wachsenden 
Alter  könnte,  sollte  man  meinen ,  viel  häufiger,  als  beim  Erwachsenen, 
ein  Mangel  an  M  i n  e r a  1  s  t o f  f  e n  eintreten  und  zu  pathologischen 
Folgen  führen.  In  der  That  gilt  eine  Knochenkrankheit,  die  bei  Kin- 
dern der  ersten  Lebensjahre  auftritt,  die  Rhachitis  oder  englische 
Krankheit,  als  Folge  des  Kalkmangels  in  der  Nahrung,  um  so 
mehr  als  in  Versuchen  von  Haubner,  E.  Voit^  u.  a.  an  rasch 
wachsenden  Hunden  durch  Verabreichung  kalkarmen  Futters  Rhachitis 
sich  künstlich  hat  erzeugen  lassen,  d.  h.  eine  Erkrankung  der  Knochen, 
wobei  dieselben  zwar  wachsen,  aber  mangels  genügender  Ablagerung 
von  Erdsalzen  so  weich  bleiben,  daß  durch  die  Muskelbewegungen 
grobe  Verbiegungen,  ja  sogar  Einknickungen  entstehen.  Bei  unzweck- 
mäßiger künstlicher  Autiiitterung  mit  Mehlbrei  oder  Milchmehlsuppen 
kann  leicht  der  Fall  eintreten,  daß  der  für  das  rasch  wachsende  Knochen- 
system erforderliche  Bedarf  von  0,4  g  Kalk  in  resorbierbarer  Form 
nicht  gedeckt  wird,  sodaß  Kalkmangel  sich  einstellt.  Gegen  diese  Theorie 
der  Entstehung  der  Rhachitis  hat  man  allerdings  eingewendet,  daß  auch 
bei  mit  Kuhmilch  ernährten  Kindern  die  Rhachitis  eintritt,  obwohl  doch 
die  Kuhmilch  reichlich  Kalk  (im  Liter  etwa  1,5  g,  davon  allermindestens 
0,5  g  resorbierbar  '•')  bietet.  Allein  wenn  auch  die  Milch  an  sich  eine 
für  das  gesunde  Kind  dem  Bedarf  genügende  Menge  Kalk  liefert,  braucht 
dies  nicht  mehr  der  Fall  zu  sein,  sobald  eine  Verdauungsstörung  (Dys- 
pepsie) vorliegt.  In  letzterem  Fall  kann  die  Absonderung  der  Salzsäure 
seitens  der  Magendrüsen  leiden^",  sodaß  die  Kalkresorption  beeinträch- 
tigt wird,  insofern  phosphorsaurer  Kalk,  in  w^elcher  Form  sich  über- 
wiegend der  Kalk  in  der  Milch  und  in  anderen  Nahrungsmitteln  findet, 
nur  bei  saurer  Reaktion  in  Lösung  geht;  andererseits  kann  eine  zu 
rasche  Fortbewegung  des  Speisebreies  durch  den  Darm  den  an  sich  schwer 
verdaulichen  Kalk  der  Aufsaugung  mehr  oder  weniger  entziehen.  Wie 
dem  auch  sei,  ist  nicht  sowohl  die  mangelnde  Kalkzufuhr,  als  vielmehr 
die  ungenügende  Ausnützung  und  Verwertung  des  an  sich  ausreichend 
zugeführten  Kalkes  als  Ursache  der  Rhachitis  zu  beschuldigen. 

Wird  das  für  das  Wachstum  des  Muskelsystems  benötigte  Kalium- 
phosphat in  ungenügender  Menge  verabreicht,  wie  dies  in  Kemme- 
rich's*^  Versuchen  an  jungen  Hunden  durch  Fütterung  mit  ausge- 
laugtem Fleischmehl  geschehen  ist,  so  bleibt  die  Muskulatur  in  ihrer 
Entwickelung  zurück. 

30 


EiDzelernährung  und  Massenernähniug.  31 

Endlich  hat  v.  Ilocsslin  '  -  ebenfalls  an  jungen,  rasch  wachsen- 
den Hunden  dargethan,  daB,  wenn  sie  nur  so  wenig  Eisen  (4 — 6  nag 
pro  Tag)  erhalten,  als  für  erwachsene  Tiere  sich  als  ausreichend  er- 
wiesen hat,  zwar  das  Wachstum  fortschreitet,  aber  das  lilut  an  Inten- 
sität der  roten  Earbe  einljübt,  blasser  wird,  indem  der  relative  Gehalt 
des  Blutes  an  dem  cisenführenden  Earbstofl,  dem  Hämoglobin,  abnimmt, 
ein  Zustand,  welcher  der  Chlorose  (Bleichsucht)  des  Menschen  annähernd 
entspricht. 

1)  J.   V.   Liebig,    L>ie  organische  Chemie  in  ihrer   Antrevdvny  avf  Agrihnltur  u.   Physiologie, 
Jlraumchtrtuj   1840.   9.    Avji.   1876;     Chemische  Briefe,  4.   Axijl.   1869,   31.  u.   33.  Brief. 
•J)  Förster.  Z.  f.  Biol.  9.  Bd.  297. 

3)  I    Mnnk.   Jierl.  klin.   Uoch.  (1887)   431;    Virch.  Anh.    131.  Bd.   Svppl.   146  jf;  Luciani, 
Da»  Hungern   (1890)    172/. 

4)  G.  Bunge.  Z.  f  phijsiol    Chem.    9.  Bd.   60. 

6)  Derselbe,  Z.  /.   Biol.  9.   Bd.    104.    \0.  Bd    111. 

6)  ImmermRnn,  in  Ziemsstn's  Ilandb.  d.  spez.   Palh.   13.   Bd.   2.    T.  571. 

7)  Vergl    Förster,   in  Petlenko/er's  Ilandb    d.  Ilyg.  (1882)   1.   Bd.   1.    T.  68. 

8)  E    Voit,  Z.  f.  Biol.    16.   Bd    62;  A.   Bagineky.  A.  f.  Phys.  (1881)   357. 

9)  Uffelmann,  Deutsch.   A.  f  klin.   Med.  (1881)  472. 

10)  Seemann.    Virch.  Arch.  77.  Bd.  299. 

11)  Kemmerich.    -I.  /.   d.  ycs.  Phyiiol.   2.  Bd.   75. 

12)  H.  V.  Hoesslin,  Z.  J.  Biol.   18.  Bd.  612. 


§  3.    Die  Ei  weiß  Stoffe. 

Unter  den  organischen  Nahrungsstofl'en  stehen  die  Eiweißkörper 
obenan,  bilden  sie  doch  nächst  dem  Wasser  die  wichtigsten  Bestandteile 
des  Körpers  und  sind  doch  an  deren  chemische  Eigentümlichkeit  der 
leichten  Spaltbarkeit  und  O.xydierbarkeit  die  Lebensvorgänge  geknüpft. 

Während  das  Eiweiß  sich  ebenso  in  den  tierischen  Elüssigkeiten 
(außer  Galle,  Harn,  Schweiß)  wie  in  den  Geweben  findet,  bewegt  sich 
das  quantitative  Vorkommen  desselben  in  den  verschiedenen  Teilen 
innerhalb  weiter  Grenzen.  Am  meisten ,  rund  20  Proz.,  enthält  das 
Blut,  18 — 19  Proz.  die  Muskeln,  dann  folgen  Leber  und  Hühnerei  mit 
13  resp.  12  Proz.,  Gehirn  mit  8-9  Proz.,  Milch  mit  2—4  Proz., 
Lymphe  mit  3^2  Proz.  Der  Gesamtbestand  des  Körpers  an  Eiweiß- 
stoften  ist  rund  auf  10  Proz.  zu  veranschlagen,  sodaß  der  Erwachsene 
von  70  kg  etwa  7  kg  Eiweiß  besitzt  ^  Daneben  schließt  der  Körper 
noch  rund  6  Proz.  stickstotfhaltige  Bestandteile  ein  (Leimstoffe  u.  a.), 
die  nicht  F.iweiß  sind. 

Da  der  Tierkörper  nicht  befähigt  ist,  das  P'.iweiß  aus  den  Elementen 
oder,  wie  die  Pflanze,  aus  Mineralverbindungen  (Ammoniak,  Aniide, 
Nitrate  und  Sulfate),  noch  endlich  aus  sonstigen  N-haltigen  Verbindungen 
und  organischen  Substanzen  synthetisch  aufzubauen,  muß  zum  Ersatz 
des  während  des  Lebens  stetig  erfolgenden  Verbrauches  von  Eiweiß- 
stoffen des  Körpers  entweder  ])tlanzliches  Eiweiß  oder  das  aus  diesem 
im  Körper  der  großen  Pflanzenfresser  umgebildete  Eleischeiweiß  aufge- 
nommen werden.  Das  Nahruiigseiweiß  dient  also  dazu,  den  Eiweißver- 
lust vom  Körper  zu  verhüten  bezw.  einen  Eiweißansatz  am  Körper  her- 
beizuführen. 

Im  Gegensatz  zu  dem  reichlichen  Vorkommen  von  Eiweiß  in 
tierischen  Teilen  enthalten  die  pflanzlichen  Mittel  das  Eiweiß 
spärlicher,  ausgenommen  die  eiweißreichen  Hülsenfrüchte  (Erbsen,  Bohnen 
und  Linsen)  mit  21—25  Proz.  Eiweiß.     Die  Getreide-  oder  Brotfrüchte 

3' 


32fJ  IMMANUEL    MUXK. 

(Weizon,  Koggen,  Mais)  euthiilten  10  — ll'  Proz.,  der  Reis  7  Proz.,  die 
Kartoffeln  nur  1'  ,  Proz.,  die  grünen  Gemüse  und  Kräuter  zuweilen 
noch  unter  1  Proz.  Eiweiß. 

Aus  den  Verhältnissen  des  Stoffverbrauclies  bei  ausschließlicher 
Kiweißzufuhr  (S.  8)  wissen  wir  bereits,  daß,  um  bei  Eiweißniihrung  die 
Kiweißabgiibe  vom  Kiirper  zu  verhüten,  also  auf  ,, Stickstoffgleichgewicht" 
zu  gelangen,  2^^— ömal  so  viel  Nahrungseiweiß  erforderlich  ist,  als  der 
Köri>er  im  Huugerzustande  verbraucht.  Und  zwar  ist,  je  größer  und 
schwerer  das  Individuum,  je  größer  also  die  Eiweißmasse  seines 
Körpers,  desto  mehr  Nahrungseiweiß  erforderlich.  Ist  bei  gleichem 
Körpergewicht  das  Individuum  fettreich,  so  ist  seine  Eiweißmasse  ent- 
sprechend kleiner  und  dem  entsprechend  auch  der  Eiweißverbrauch. 

Auch  der  Fett  Verlust  vom  Körper  kann  durch  Eiweiß- 
g  e  n  u  ß  beschränkt  resp.  verhütet  werden,  doch  leisten  in  dieser 
Hinsicht  erst  22  T.  Eiweiß  so  viel  als  10  T.  Fett  (S.  9).  Soll  daher 
sowohl  der  Eiweiß-  als  der  P^ettbestaud  gewahrt  werden,  so  bedarf  es 
dazu  so  großer  Eiweißmengen,  wie  sie  der  Darm  eben  noch,  aber  wahr- 
scheinlich nicht  für  die  Dauer  zu  bewältigen  mag.  Deshalb  ist  reine 
Eiweißkost  d.  h.  Fleischkost  zwar  theoretisch  möglich,  aber  praktisch 
weder  durchführbar  noch  hygienisch  empfehlenswert,  weil  dabei  die  Ver- 
dauungsorgane nur  einseitig  in  Anspruch  genommen,  zugleich  aber  durch 
die  große  Masse  des  zu  verwertenden  luweißes  überlastet  werden,  so- 
dann auch  die  Nieren  zum  Zweck  der  Ausscheidung  der  aus  dem  zer- 
setzten Eiweiß  gebildeten,  außerordentlich  großen  Menge  von  Harnstoff, 
Harnsäure,  Kreatinin  u.  a.  andauernd  übermäßig  thätig  sein  müssen. 
Alle  diese  Uebelstäude  fallen  fort,  wenn  man  neben  Eiweiß  noch  sog. 
Sparmittel,  wie  Leimstoffe,  Fette,  Kohlehydrate,  giebt.  Der  Zusatz  dieser 
Nährstoffe  zum  Eiweiß  hat  zur  Folge,  daß  nunmehr  mit  Eiweißmengen, 
die  nur  die  Hälfte  oder  gar  nur  ein  Drittel  betragen  von  derjenigen, 
welche  bei  ausschließlichem  Eiweißgenuß  Stickstoft'gleichgewicht  bewirkt 
hat,  ja  äußerstenfalls  noch  unter  der  Größe  des  Eiweißverbrauches  beim 
Hunger  liegen  können,  der  Eiweißbedarf  gedeckt,  d.  h.  die  Eiweißabgabe 
vom  Körper  verhütet  wird.  Aber  wenn  auch  durch  diese  Sparmittel 
der  Eiweißverbrauch  beschränkt  wird,  so  kann  er  dadurch  nicht  aufge- 
hoben werden;  zur  Verhütung  des  Verlustes  von  Körper- 
eiweiß bedarf  es  stets,  wie  groß  auch  die  tägliche  Gabe  der  Spar- 
mittel sein  möge,  auch  wenn  man  damit  bis  an  die  Grenze  der  Lei- 
stungsfähigkeit der  Verdauungsorgane  hinaufsteigt,  der  Zufuhr  von 
Nahrungseiweiß.  Ebenso  kann  Ansatz  von  Eiweiß  am 
Körper  nur  aus  dem  Nahrungseiweiß  erfolgen,  nur  daß 
bei  gleichzeitiger  Einführung  der  Sparmittel,  indem  durch  diese  der 
Eiweißverbrauch  beschränkt  wird,  schon  Eiweißansatz  eintritt  bei  Mengen 
von  Nahrungseiweiß,  die  ohne  die  Sparmittel  noch  nicht  Stickstoffgleich- 
gewicht, also  Verhütung  des  Eiweißverlustes  vom  Körper  bewirkt  hätten. 
Diejenige  Menge  von  Nahrungseiweiß,  die  neben  noch  so  großen  Gaben 
der  Sparmittel  gegeben  werden  muß,  wenn  der  Körper  auf  seinem  Ei- 
weißbestande verharren  soll,  scheint  für  den  erwachsenen  Menschen  für 
die  Dauer  nicht  unter  80  g  absinken  zu  dürfen.  Auf  diese  Frage  nach 
dem  sog.  Eiweißminimum  kommen  wir  noch  bei  der  Feststellung  des 
Kostmaßes  zurück. 

Je  nach  den  in  Bezug  auf  Lösung  und  Fällung  verschiedenen 
Eigenschaften  teilt  die  Chemie  -  die  Eiweißkörper  des  Tier-  und  Pflanzen- 
reiches in    verschiedene   Gruppen :    Albumine,    Globuline,    Albuminate, 

32 


Einzelernäbrung  und  Massenernährung.  33 

Nukleoalbuniinc,  Albuniosen,  reptone,  koagulierte  Albuiuinstoffe.  Inso- 
weit dieselben  im  Daruikanal  gelöst  werden  und  in  die  Silfteinasse  über- 
treten, üben  alle  diese  verscliiedenen  Gruppen,  und  zwar  ob  sie  tierischen 
oder  ptian/.lichen  Ursprunges  sind  ^,  in  äquivalenter  Menge,  d.  li.  auf 
gleichen  Stickstotigeluilt  bezogen,  die  niunliche  stoliliche  Wirkung.  Die 
/.eilen  der  Gewel)e  und  Organe  müssen  otVenbar  die  Fähigkeit  besitzen, 
<las  ihnen  mit  der  Erniihrungstlüssigkeit  zugetragene  Kiweiü  bald  in 
diese,  bald  in  jene  Moditikation  überzuführen,  bilden  sich  doch  aus  den; 
Ei  der  Säugetiere,  das,  soweit  bekannt,  nur  eine  Eiweiliart  (Vitellin, 
«in  Nukleoalbumin)  enthalt,  bei  der  Entwickelung  des  Embryo  die  ver- 
schiedenen Moditikationen  aus,  die  wir  in  den  Geweben  und  Flüssig- 
keiten des  Tierkörpers  finden.  Ebenso  enthält  die  Milch,  die  aus- 
schliebliclie  Nahrung  des  Säuglings,  nur  zwei  EiweiBarten,  und  aus  diesen 
beiden  gehen  alle  übrigen  Eiweißmodifikationen  hervor,  welche  im  wach- 
senden Körper  sich  ablagern. 

Die  Eiweißstofi'e  sind  endlich  auch  das  Bildungsmaterial  für  daraus 
hervorgehende  Abkömmlinge,  sog.  Albuminoide  *,  welche  die  che- 
mische Grundlage  besonderer  Gewebe  vorstellen  und  sich  in  ihren  physi- 
kalischen und  chemischen  Eigenschaften  mehr  oder  weniger  stark  vom 
Eiweiß  unterscheiden,  so  die  koUagene  oder  leimgebende  Substanz,  die 
organische  Grundsubstanz  des  Bindegewebes,  der  Sehnen,  des  Knochens 
und  Knorpels,  so  das  Elastin,  die  Grundsubstanz  des  elastischen  Ge- 
webes, so  Mucin,  die  Grundsubstanz  des  Schleimgewebes,  so  endlich 
Keratin,  die  Grundsubstauz  der  Horngewebe  (Oberhaut,  Haare,  Nägel). 
Auch  diese  Gewebe  fallen,  die  einen  schneller,  die  anderen  langsamer, 
teils  der  mechanischen  Abreibung,  teils  dem  Abschmelzen  anheim,  dabei 
werden  die  charakteristischen  Grundstott'e  frei  und  als  solche  oder,  so- 
weit sie  durch  die  spaltenden  und  oxydierenden  Kräfte  des  Organismus 
iingreifl)ar  sind,  in  Form  von  Umsetzungsprodukten  durch  die  Haut, 
durch  Harn  oder  Kot  ausgeschieden.  Gleichwie  diese  Albuminoide  sich 
AUS  dem  Eiweiß  bilden,  so  bedarf  es  zu  ihrem  Wiederersatz  nur  des 
Eiweißes. 

1)  E.  Bischoflf.    Z.  f.  rat.   Med.  (3)  20.  BJ.    115;    C.  Voit,    in  Uermann't  Handb.  d.   Phys. 
6.  Bd.   1.   T.  (188n  38S. 

2)  Jlierithtr    vergl    die    Ijfhr-   u.   Handbücher    der  Physiologiichen  Chemie    von    Hoppe-Seyler, 

0.  Bange,  Hammarsten  u.  a 

3i   l'eber  die  pfianzluhtn  Eiirgifakörper   vergl.  Ritthaasen,    Die    Eiireifskurper    der  Getreide- 
arttn,    Hiilsenfriirhte    und  Odsamen.    Bonn  (1872)   234;    Th    Weyl,    Z   f.  phj/siol.  Chem. 

1.  Bd    99.  —   Jm  übrigen  iH  auf  die  S.    10  angezogene  JAUeratur  zu  verweisen. 


§  4.     Die  Leimstoffe. 

Nur  in  tierischen  Mitteln  finden  sich  leimgebende  Substanzen,  nie- 
mals im  rfianzenreiche.  Im  Tierkörper  bildet  das  leimgebende  Gewebe, 
das  beim  Kochen  mit  Wasser  sich  zu  dem,  in  der  Hitze  flüssigen,  beim 
Erkalten  gallertig  erstarrenden  Leim  löst,  die  Grundsubstanz  des 
überall  verl»reiteten  Bindegewebes,  der  Sehnen,  der  Knochen  und  Knor- 
])eln.  Die  Knochen  und  Knorpeln  enthalten,  neben  wenig  Eiweiß,  fast 
nur  leimgebende  Substanz,  bis  zu  20  Proz.  des  feuchten  Organs,  noch 
mehr,  bis  zu  21  Proz.  die  Haut  und  die  Lungen,  dagegen  die  Muskeln 
nur  etwa  2  Proz.  (neben  fast  9mal  so  viel  Eiweiß).     Der  Gesamtbestand 

Handbuch  d>r  \\y%\env.    VA.  III.  Ahtig.   1.  H 

33 


34  IMMANTKI,    Ml'NK. 

des  mensclilichen  Körpers  von  rund  70  kg  an  Leinistoffen  wird  von 
V  0  i  t  *  auf  6  Proz.  des  Körpergewichtes  veranschlagt. 

Die  tleischhaltige  Kost  des  Mensdien  enthält  infolge  der  Gegen- 
wart von  leimgebendem  Gewebe,  das  beim  Kochen  mit  Wasser  in  Leim 
übergeht,  etwa  Vio  <^^s  Fleischstickstolfes  in  Form  von  Leimstoöen. 
Ebenso  enthält  die  Fleischbrühe  Leim,  noch  reichlicher,  wenn  Sehnen, 
Knorpel  und  Knochen  mit  zur  Bouillonbereitung  verwendet  werden.  Die 
Leimstotfe  gelangen  im  Darm  des  gesunden  Menschen  vollständig  zur 
Verwertung;  auch  nach  relativ  großen  Gaben  findet  sich  nichts  davon 
im  Kot. 

Die  Bedeutung  des  Leims  als  Nährstoff  läßt  sich  aus  dem,  was  oben 
(S.  10)  über  den  Stoffverbrauch  bei  Zufuhr  von  Leimstoffen  berichtet 
worden  ist,  ableiten.  Der  bis  zu  den  höchsten  Gaben  hinauf  im  Tier- 
körper schnell,  unter  Bildung  von  Harnstoff,  zerfallende  Leim  vermag 
durch  seine  Zersetzung  sowohl  den  Eiweiß-  als  den  Fettverbrauch  be- 
trächtlich zu  beschränken,  derart,  daß  100  g  Leim  imstande  sind,  36  g 
Eiweiß  und  25  g  Fett  zu  ersparen.  Die  Leimstoffe  sind  demnach  sehr 
wertvolle  Sparmittel,  sie  vermögen  eine  gewisse  Menge  Körper-  oder 
Nahrungseiweiß  bezw.  Fett  zu  vertreten,  nicht  aber  das  Nahrungs-  oder 
Körpereiweiß  bezw.  Fett  zu  ersetzen  oder  gar  Eiweiß  bezw.  Fett  zum 
Ansatz  am  Körper  zu  bringen. 

Selbst  in  einer  überwiegend  aus  Fleisch  zusammengesetzten  und 
uur  wenig  pflanzliche  Nahrungsmittel  bietenden  Kost  des  Menschen 
findet  sich  höchstens  Vjo — ^'g  ^^s  Stickstoffs  in  Form  von  Leim  und 
in  dieser  mäßigen  Menge  neben  reichlichem  Eiweiß  ist  der  Leim  dem 
Eiweiß  stofflich  gleichwertig.  Sehr  reich  an  Leimstoffen  ist  Kalbskopf, 
nach  französischer  Art  zubereitet  (en  tortue),  und  die  an  Haut  und 
Sehnen  reichen  Schweinefüße,  sog.  Eisbeine.  Auch  die  aus  Sehneu,  Knor- 
peln und  Knochen  hergestellten  sog.  Knocbenlcimsuppen  haben  vor  sog. 
Wassersuppen  den  Vorzug,  Leimstofle  aus  diesen  sonst  für  die  Ernäh- 
rung nicht  verwerteten  1  eilen  dem  Körper  zuzuführen  und  so  für  das 
in  der  Ernährung  des  armen  Volkes  zumeist  nur  spärlich  gebotene  Ei- 
weiß sparend  einzutreten. 

Da  die  Leim  Stoffe  im  Körper  schnell  zerfallen,  ist  nicht  daran  zu 
denken,  daß  aus  ihnen  sich  die  leimgebenden  Gewebe  bilden.  In  der 
That  fehlt  die  leimgebende  Substanz  sowohl  dem  tierischen  Ei,  und  doch 
bildet  sich  leimgebendes  Gewebe  bei  der  Entwickelung  des  P'mbryo,  als 
auch  in  der  Milch,  und  doch  gelangt  beim  Wachstum  des  Säuglings  leim- 
gebendes Gewebe  zum  Ansatz,  endlich  fehlt  sie  auch  im  Pflanzenfutter, 
und  doch  lagert  sich  im  Körper  des  Pflanzenfressers  leimgebendes  Ge- 
webe ab.  Im  Einklang  damit  steht,  daß,  wie  schon  (S.  33)  bemerkt, 
sich  aus  dem  Eiweiß  auf  dem  Wege  uns  noch  unbekannter  chemischer 
Prozesse  die  leimgebende  Substanz  bildet,  daher  zum  Zweck  der  Neu- 
bildung der  stetig  abschmelzenden  leimgebenden  Gewebe  es  nur  der  Zu- 
fuhr von  Eiweiß  bedarf. 

Anhang.  Sonstige  stickstoffhaltige  Substanzen.  Im 
Körper  wie  in  den  Nahrungsmitteln  finden  sich  weit  verbreitet  die 
Nu  kleine^,  der  chemische  Grundstoff  der  Zellkerne.  Da  dieselben 
weder  durch  die  Verdauungssäfte  gelöst  werden  noch  aus  dem  Darm 
in  die  Säfte  übertreten,  vielmehr  mit  dem  Kot  zur  Ausstoßung  gelangen, 
sind  sie  als  Nährstoffe  nicht  anzusehen. 

34 


Einzelernährung  und  Massenernährung.  35 

Von  den  ainidartij^en  Verbindungen  kann  allenfalls  das  Aspa- 
ragin^,  das  Aniid  der  Annd()l)ernsteinsaure,  das  im  Körper  in  Harn- 
stoff übergeht,  wegen  seiner  reichlichen  Verbreitung  in  Ptianzenstoffen 
(Getreidekürner,  Hülsenfrüchte,  NVurzelknolien ;  so  bildet  es  in  den  Kar- 
toffeln bis  zu  40  Proz.  der  stickstoffhaltigen  Substanz)  in  Betracht 
kommen.  Da  es  indes  beim  Carni-  und  Onmivoren  kein  Eiweiß  er- 
spart, kommt  ihm  wohl  auch  für  den  Menschen  kaum  die  Bedeutung 
eines  Nährstoffs  zu,  es  sei  denn,  daß  es  in  etwas  den  Fettverbrauch 
beschränkt,  was  erst  noch  zu  erweisen  wäre. 

Fleisch  enthält  bis  zu  0,15  Proz.  K  r  e  a  t  i  n  *),  das  Amid  der  Methyl- 
guanidinessigsäure.  In  den  Körper  eingeführt,  geht  es  zumeist  in  das 
Anhydrid,  Kreatinin  über,  das  mit  dem  Harn  austritt.  Eine  Bedeutung 
als  Nährstoff  besitzt  das  Kreatin  nicht,  ebensowenig  wohl  die  im  Fleisch 
vorkommenden  basischen  Körper:  Xanthin,  Hypoxanthin  u.  a.,  welche 
ebenfalls,  wie  es  scheint,  durch  den  Harn  ausgeschieden  werden. 

Au/itr  der  oben  hei  der  itoff liehen    ^^'irhung  des  Leims  {S.   10)  angezogenen  Litteratur : 

1)  C.   Voit,   in   (L.   Hermanns)  Uandb.   d.   Fhysiol.   6.   Bd.   1.    T.   388. 

2)  Bökay.   Z.  /.  physiol.   Chem.    1.   Bd.   157. 

3)  I.   Munk,     Virch.   Arch.   94.   Bd.  436,   98.  Bd.   364;     Voit    und  Politis,    Münchner  akad. 
Sitz-J:er.  (1883)  401;   Z.  f.  Biol.  28.   Bd.  492;  Mauthner.  ebenda  507. 

4)  C.  Voit,  Z  f.  Biol.  4.  Bd.  77. 


§  5.    Die  Fette. 

Fettstoffe  finden  sich  in  der  Pflanzen-  und  Tierwelt  in  reicher  Ver- 
breitung. Bezüglich  ihres  Vorkommens  im  Tierkörper  ist  als  bemerkens- 
wert hervorzuheben,  daß,  während  die  anderen  hauptsächlichen  chemi- 
schen Baustoffe :  Wasser,  Mineralstoffe,  Eiweiß  und  Leimstoffe,  sowohl 
in  den  einzelnen  Organen  wie  in  den  Flüssigkeiten  bei  den  verschiedenen 
Individuen  in  annähernd  gleichen  Mengenverhältnissen  enthalten  sind, 
das  Fett  der  einzige  Bestandteil  ist,  dessen  absolute  und  relative  Menge 
selbst  innerhalb  der  Breite  der  Gesundheit  und  des  Wohlbefindens  von 
Individuum  zu  Individuum  in  weiten  Grenzen  schwankt.  Nach  den  aller- 
dings nur  spärlich  vorliegenden  Bestimmungen  *  scheint  die  Gesamt- 
menge des  Fettes  zwischen  9  und  20  Proz.  zu  betragen  und  kann  auch, 
ohne  daß  die  Individuen  schon  fettleibig  erscheinen,  bis  zu  28  Proz. 
in  die  Höhe  gehen.  Bei  Fettmast  können  30—40  Proz.  des  Körper- 
gewichtes aus  Fett  bestehen.  Von  dem  gegenüber  dem  Gesamtbestande 
verschwindenden  Bruchteile,  der  sich  in  freier,  nur  mikroskopischer  Ver- 
teilung (Tröpfchen-  und  Staubform)  in  den  Gewebszellen  und  in  den 
tierischen  Flüssigkeiten  findet,  abgesehen,  kommt  das  Fett  als  ein  grob 
erkennbares,  wasserarmes  (S.  24)  Gewebe  vor,  dessen  Zellen  mehr  oder 
weniger  prall  mit  Fett  erfüllt  sind,  das  Fettgewebe.  Dieses  ist  zwar  fast 
über  alle  Körperteile  verbreitet,  bevorzugt  aber  für  größere  Anhäufungen 
gewisse  Prädilektionsorte,  die  sog.  Fettdepots:  das  Unterhautzellge- 
webe (auch  Fettpolster  der  Haut  genannt),  das  Fettgewebe  in  der  Bauch- 
höhle (z.  B.  um  die  Nieren  und  das  Gekröse  herum),  und  das  die 
Muskelschläuche  zusammenhaltende  Bindegewebe.  Bei  mittlerem  Fett- 
gehalt finden  sich  im  Hautfettpolster  bis  zu  40  Proz.,  im  Bauchhöhlen- 
fett bis  zu  30  Proz.  und  in  den  Muskeln  bis  zu  10  Proz.  des  Gesamt- 
fettes. Hauptsächlich  in  den  ersteren  beiden  lagert  sich  Fett  ab,  wenn 
Fettansatz  erfolgt,  und  aus  beiden  schwindet  am  ehesten  das  Fett,  wenn 
der  Körper  Fett  verliert  - . 

35  "* 


36  IM  MANU  KL    MUNK. 

Das  Hautfettpolster  schützt  zunächst  als  Luft-  oder  Stoßkissen 
mechanisch  au  denjenigen  Stellen,  wo  die  Haut  einem  Druck  aus- 
gesetzt ist  (Fußsohle,  Hohlhand,  Sitzknorren,  um  die  Gelenke  herum), 
sodann  ist  es  vermöge  seines  schlechten  Wärmel  ei  tun  gs  Ver- 
mögens von  Bedeutung  für  die  Wärmeregulation,  insofern,  je  dicker 
das  Fettpolster,  um  so  mehr  dadurch  die  Wärmeabgabe  seitens  der  darunter 
gelegenen  Teile  (Muskeln ,  Eingeweide  u.  a.)  verhütet  wird.  Daher 
frieren  bei  niederer  Außentemperatur  magere  oder  hagere  Menschen 
viel  eher  als  fette.  Damit  hängt  es  auch  zusammen,  daß  für  die  Be- 
wohner der  arktischen  Zonen  (Eskimos,  Lappländer)  die  starke  Ent- 
wickeluug  des  Unterhautfettgewebes,  nicht  selten  bis  zur  Verunstaltung 
der  Körperform,  charakteristisch  ist. 

Die  einzelnen  Tierfette  haben  eine  verschiedene  Beschaffenheit  oder 
Konsistenz,  von  der  man  3  Arten  unterscheidet,  die  man  als  Oele, 
Schmalze  und  Talge  bezeichnet.  Unter  Oelen  versteht  man  die 
bei  gewöhnlicher  Temperatur  flüssigen  Fette  (Lel)erfett,  z.  T.  auch 
Knochenfett),  unter  Schmalz  die  von  butter-  oder  salbenartiger  Kon- 
sistenz (Milchfett,  Schweinefett)  und  als  Talg  die  festeren,  schwerer 
schmelzbaren  (Rinder-,  Hammelfett).  Im  allgemeinen  ist  das  Fett  des 
Menschen,  der  Fleischfresser,  Omnivoren  und  Vögel  schraalzartig,  das 
von  Wiederkäuern  (Rind,  Hammel)  und  Nagern  (Hase,  Kaninchen)  talg- 
artig. Bekanntlich  wird  die  eigenartige  Konsistenz  der  Tierfette,  deren 
jedes  qualitativ  dieselben  Bestandteile :  Olein,  Palmitin  und  Stearin  ent- 
hält, durch  das  relative  Mengenverhältnis  dieser  3  Konstituentien  be- 
dingt, derart,  daß  je  reicher  der  Gehalt  an  Olein ,  um  so  flüssiger,  je 
höher  der  Gehalt  an  Stearin,  um  so  fester  das  resp.  Fett,  während  die- 
jenigen, in  denen  Olein  und  Palmitin  überwiegen,  schmalzartig  sind. 
Die  pflanzlichen  Fette  sind  meist  flüssig  (Oel)  und  enthalten  zumeist 
Olein  und  Palmitin.  Die  Fette  sind  die  kohlenstoffreichsten  Substanzen, 
insofern  sie  ül)er  ^/^  ihres  Gewichtes  (76,5  Proz.)  Kohlenstoff  ent- 
halten » . 

Die  stoffliche  Wirkung  der  Fette  (S.  11)  erklärt  zugleich  ihre  große 
Bedeutung  als  Nährstoffe.  Der  beim  Hunger  meistens  dreimal 
so  reichliche  Fett-  als  Eiweißverlust  vom  Körper  kann,  wie  schon  er- 
örtert, sowohl  durch  Zufuhr  von  Eiweiß  als  von  Fett  als  von  Kohle- 
hydrat verhütet  werden,  nur  daß  man  hierfür  vom  Nahrungsfett  am 
wenigsten,  von  Eiweiß  und  Kohlehydrat  mehr  als  das  Doppelte  braucht. 
Während  das  Nahrungsfett  gewissermaßen  ohne  Abzug  für  das  sonst 
der  Zerstörung  anheimfallende  Körperfett  eintritt,  bedarf  es  für  100  T. 
Fett  schon  225  T.  Eiweiß  und  gar  240  T.  Kohlehydrat.  Daher  kann 
durch  Eiweiß  sowohl  dem  P^iweiß-  als  dem  Fettverlust  vorgebeugt  wer- 
den, doch  bedarf  es  dazu  so  kolossaler  Eiweißmengen,  wie  sie  der  Darm 
für  die  Dauer  kaum  zu  bewältigen  vermag,  während  bei  einer  Fettzu- 
lage, die  an  sich  dem  Fettbedarf  genügt,  die  Hälfte,  ja  zuweilen  schon 
ein  Drittel  des  bei  ausschließlichem  Eiweißgenuß  erforderlichen  Eiweiß- 
quantums ausreicht,  derart,  daß,  wenn  diese  Eiweißmenge  überschritten 
wird,  es  schon  zum  Eiweißansatz  am  Körper  kommt.  Dagegen  ist  das 
Nahrungsfett,  allein  gegeben,  nicht  befähigt,  den  Eiweißverlust  vom 
Körper  zu  verhüten. 

Wird  mehr  Fett  genossen,  als  dem  Bedarf  entspricht,  so  wird  der 
Ueberschuß  am  Körper  abgelagert.  Der  Fettbedarf  hängt  einmal  von 
der  Außentemperatur  ab,  insofern  bei  Kälte  mehr  Fett  verbraucht  wird 
als  bei  Wärme  (S.  14),   sodann   und  hauptsächlich  von  dem  Verhalten 

36 


EiiizelernäbruDg  und  Massenernäbrung.  37 

der  Muskeln,  insofern  deren  Thätigkeit  den  Fettverbrauch  mächtig  an- 
steigen macht,  sodab  die  Fettzerstörung  im  Tag  unter  Umständen  doppelt 
so  groß  und  darüber  sein  kann,  als  bei  Muskelruhe  (S.  15).  Nimmt 
daher  ein  körperlich  arbeitender  Mensch  nur  so  viel  Fett  (neben  ge- 
nügendem Fiweili)  zu  sich,  als  dem  Kuhebedarf  entspricht,  so  muß  er 
Fett  zusetzen,  und  wenn  die  Fettabgabe  einige  Zeit  hindurch  erfolgt 
und  damit  der  Körper  au  Fett  verarmt  ist,  dann  steigt  auch  der  ¥A- 
weißverbrauch,  wahrscheinlich  weil,  ähnlich  wie  das  Nahrungsfett,  auch 
das  Fett  am  Körper  den  Fiweißumsatz  beschränkt,  und  die  so  bewirkte 
Eiweißersparnis  in  Fortfall  kommt ,  wenn  der  Fettstand  am  Körper 
unter  eine  gewisse  Grenze  gesunken  ist. 

Die  Verdaulichkeit  d.  h.  die  Ausnutzung  und  Verwertung  der  Fette 
im  Darm  *  ist  bei  den  öl-  und  salbenartigen  Fetten  größer  als  bei  den 
talgartigen ;  so  z.  B.  werden  vom  Schweinefett  98  Proz.  ausgenutzt,  vom 
Hammelfett  nur  90  Proz.  Noch  höher  als  der  Talg,  d.  h.  erst  über 
50"  C.  schmelzende  Fette  wie  der  Walrat  werden  vom  Menschen  nur 
noch  zu  10—15  Proz.  verwertet.  Ferner  ist  auf  die  Verwertung  von 
Eiutiuß  der  Umstand,  ob  das  Fett  noch  von  den  Zellhüllen  eingeschlossen 
ist,  wie  im  Fettgewebe,  z.  B.  Speck,  oder  ob  es  frei  d.  h.  durch  Hitze 
aus  den  Zellen  befreit,  „ausgelassen"  ist.  Während  von  210  g  Butter- 
schmalz nur  2^2  Proz.  Fett  mit  dem  Kot  ausgestoßen  wurden,  er- 
schienen von  200  g  Speck  fast  8  Proz.  im  Kot  wieder.  In  Gaben  bis 
zu  100  g  pro  Tag  wird  das  Fett  vom  gesunden  Menschen  leicht  ver- 
daut, zumeist  auch  noch  bei  150  g.  Darüber  hinaus  wird  Fett  auch  noch 
aufgenommen,  aber  schwieriger  und  bei  vielen  Individuen  nicht  ohne 
Beschwerden  oder  gar  Verdauungsstörungen.  Die  obere  Grenze  für  die 
Fettaufnahme  scheint  um  300  g  herum  gelegen  zu  sein. 

Die  in  den  tierischen  Fetten  nur  spärlich,  etwas  reichlicher  in  den 
pflanzlichen  Fetten  präformierten  festen  Fettsäuren^  (Oel-,  Pal- 
mitin-  und  Stearinsäure),  deren  Menge  durch  die  Kochtemperatur  bei 
der  Zubereitung  noch  zunimmt,  werden  im  Dünndarm  durch  den  Bauch- 
speichel aus  den  Fetten  abgespalten.  Als  Nährstotie  haben  sie  die 
gleiche  Bedeutung  wie  die  Fette,  insofern  sie  den  Eiweißverbrauch  be- 
schränken und  auch  die  Fettabgabe  vom  Körper  verhüten  können. 
Werden  gleichzeitig  den  Fettumsatz  deckende  Stotie,  wie  Eiweiß  (Leim) 
und  Kohlehydrate,  gegeben,  so  entgehen  die  Fettsäuren  der  Zerstörung 
und  können  dann,  durch  synthetische  Prozesse  zu  Neutralfett  umgebildet, 
als  Fett  zur  Ablagerung  kommen. 

Bei  dieser  Abspaltung  der  Fettsäuren  aus  Fett  wird  Glycerin 
frei,  daher  dieses  aus  den  Fetts toöen  im  Darm  entsteht.  Ferner  ent- 
halten die  gegorenen  (alkoholischen)  Getränke,  wie  Wein  und  Bier, 
Glycerin,  das  als  Nebenprodukt  bei  der  geistigen  Gärung  des  Zuckers 
entsteht,  in  geringen  Mengen  (0,1 — 1  Proz.,  noch  reichlicher  verfälschte 
Weine).  Zwar  kann  das  Glycerin  den  Eiweißumsatz  nicht  herabsetzen, 
wohl  aber  den  Fettverbrauch  (S.  12),  sodaß  ihm  eine  gewisse  Bedeutung 
als  Nährstoff  nicht  abzusprechen  ist,  obschon  dieselbe  bei  den  winzigen 
Mengen,  die  davon  in  die  Säfte  gelangen,  praktisch  wohl  nicht  erheb- 
lich ist. 

Vergl.  die  bei  der  ttojflichtn    Wirkung  der  Fette  angexogene  I.iUeratur  (8.    12). 

1)  E.   BUchoff.    Z.    f.    rat.   3Ied.    20.   Jid     75;     A.   W.   Volkmann.    Sachs,    akad.    Sitz.-Ber. 
(18741   '.'OL'. 

2)  L.   Pfeiffer.   /   /.   Hm>1    23.   hd.  340 

3)  E.  Schulze  und  Beinecke,  Aniud.  Chem.  142.  Ud.   191. 

37 


38  IMMANUEL    Ml'NK. 

4)  I  Munk,  Vtrch.  Arch.  80.  Bd.  23,  95.  Bd.  430,  123.  Bd.  230;  Rubner,  Z.  /.  Biol. 
15.  lUi.  115;  Fr.  Müller,  Würzig.  Sitz.-Ber.  1885,  Okto!j<;r ;  Arnschink,  Z.  f.  Biol.  26. 
Bd.  4  34 

5)  I  Munk.  Virch.  Ärch.  95.  Bd.  437.  446.  123.  Bd.  230;  0.  Minkowski,  Z. /.  exp.  Path. 
21.   Bd.  373. 


§  6.     Die  Kohlehydrate. 

Die  Kohlehydrate  umfassen  eine  Gruppe  von  Stofteu,  welche  ent- 
weder schon  Zucker  sind  oder  aus  denen  sich  durch  chemische  Agentieu 
oder  durch  die  Verdaungssäfte  Zucker  bildet.  Sie  machen  die  Haupt- 
bestandteile unter  den  organischen  Stotfen  des  Pflanzenreiches  aus  und 
daher  unserer  pflanzlichen  Nahrungsmittel. 

Im  Tierkörper  kommen  sie  nur  in  geringer  Menge  vor*.  Beim 
Hunger  und  bei  Muskelarbeit  können  sie  bis  auf  Spuren  schwinden, 
nehmen  alsdann  auf  reichliche  Zufuhr  von  Nahrung,  besonders  kohle- 
hydratreicher, so  zu,  daß  das  Maximum  ihrer  Gesamtmenge  im  Körper 
des  Erwachsenen  V2 — 1  Proz.  des  Gewichtes  beträgt.  Am  reichlichsten 
enthält  davon  bei  geeigneter  Fütterung  die  Leber  (über  10  Proz.  des 
feuchten  Organes)  in  Form  von  Glykogen  und  etwas  Traubenzucker 
(Glukose,  Dextrose),  sowie  die  Milch  in  Form  von  Milchzucker  (SVg — 6 
Proz.).  Die  Muskeln  enthalten  Glykogen  (zu  0,3 — 1  Proz.),  daneben 
etwas  Zucker,  endlich  Blut  und  Lymphe  Traubenzucker  (zu  0,1 — 0,2 
Proz.).  Die  in  der  Leber  oder  Muskeln  jeweils  angetrofi'enen  Mengen 
entsprechen  nicht  den  überhaupt  gebildeten,  vielmehr  nur  dem  Ueber- 
schuß  der  präformiert  vorhandenen  und  der  neu  gebildeten  über  die 
gleichzeitig  verbrauchten,  insofern  nachgewiesen  ist,  daß  das  Muskel- 
glykogen  bei  der  Thätigkeit  verbraucht,  in  Zucker,  weiterhin  z.  T.  in 
Milchsäure,  z.  T.  in  Kohlensäure  übergeführt  wird.  Auch  für  die  Leber 
ist  ein  solcher  Verbrauch,  wahrscheinlich  durch  Ueberführung  in  Zucker, 
der  mit  dem  Pfortaderblut  in  den  Kreislauf  gelangt,  festgestellt.  Zum 
Ersatz  für  diese  stetig  der  Zerstörung  anheimfallenden  Kohlehydrate 
ist  die  Zufuhr  von  Kohlehydraten  mit  der  Nahrung  nicht  absolut  not- 
wendig, bildet  sich  doch  auch  bei  reiner  Eiweißnahrung  in  der  Leber 
und  in  den  Muskeln  Glykogen  und  enthält  doch  die  Milch  säugender 
Tiere  auch  bei  fast  ausschließlichem  Eiweißfutter  Zucker.  Dies  macht 
es  wahrscheinUch,  daß  aus  dem  nach  Abspaltung  des  Harnstoffs  vom 
Eiweiß  restierenden  kohlenstoö'reichen  Atomkomplex  Stoffe  sich  bilden 
können,  welche  zu  den  Kohlehydraten  zu  rechnen  sind. 

Wofern  die  Kohlehydrate  im  Tierkörper  löslich  sind  oder  in  lös- 
liche Form  (zumeist  Zucker)  übergeführt  werden,  üben  sie  eine  stoff- 
liche Wirkung  (S.  11)  nach  Art  der  Fette  aus  und  sind  demnach  ebenso 
bedeutungsvolle  Nährstoffe  2.  Der  Eiweißumsatz  und  der  Fettverbrauch 
wird  durch  sie  herabgedrückt,  nur  daß  in  Bezug  auf  die  Beschränkung 
des  Eiweißzerfalles  die  Kohlehydrate  erheblich  mehr,  in  Hinsicht  der 
Verhütung  der  Fettabgabe  sehr  viel  weniger  leisten  als  das  Nahrungs- 
fett. Die  Kohlehydrate  sind  (nächst  den  Leirastoffen)  die  wirksamsten 
Sparmittel  für  den  Eiweißumsatz,  derart,  daß  sie,  in  großen  Gaben  neben 
Eiweiß  gereicht,  den  Eiweißverbrauch  sogar  bis  unter  die  Größe  des 
Hungerumsatzes  herabdrücken  können,  sodaß  aus  einer  sonst  nur  den 
Eiweißbedarf  deckenden  Menge  von  Nahrungseiweiß  bereits  Eiweißansatz 
am  Körper  zustande  kommt.  Für  die  Beschränkung  des  Fettverlustes 
dagegen  leisten  erst  24  T.  Kohlehydrate  so  viel  wie  10  T.  Fett.    Werden 

38 


EinzeleroäbruDg  und  MasscDernähruDg.  39 

sie  (neben  Eiweiß)  reichlicher  genossen,  als  zur  Verhütung  der  Fettab- 
gabe genügt,  so  wird  der  üeberschuB  in  Fett  übergeführt  (S.  VJ)  und  als 
solches  am  Körper  abgelagert.  Dagegen  vermag  selbst  die  größte  (jabe 
von  Kohlehydraten,  welche  schon  zum  Fettansatz  führt,  die  Eiweiß- 
abgabe vom  Körper  nicht  zu  verhüten,  also  können  die  Kohlehydrate 
für  das  unersetzliche  Eiweiß  nicht  eintreten;  bei  ausschließlicher  Dar- 
reichung von  Kohlehydraten  (auch  neben  Fett)  büßt  der  Körper  stetig 
von  seinem  Eiweißbestande  ein. 

Am  reichlichsten  verbreitet  von  allen  Kohlehydraten  ist  in  den 
pflanzlichen  Nahrungsmitteln  das  A  m  y  1  u  m  oder  Stärkemehl, 
von  dem  die  Getreide-  oder  Brotfrüchte,  sog.  Cerealien  (Weizen,  Roggen, 
Gerste,  Mais)  rund  ü8  Proz.,  der  Reis  sogar  77  Proz.,  die  Hülsenfrüchte 
oder  Leguminosen  (Bohnen,  Erbsen,  Linsen)  rund  50  Proz.,  die  Knolleo- 
gewächse  (KartoÖelu,  Kastanien)  20  resp.  38  Proz.  enthalten.  Amylum 
wird  durch  die  Verdauungssäfte  (Mund-  und  Bauchspeichel)  zunächst 
in  Stärkegummi  oder  Dextrin  und  weiterhin  in  Zucker  (zumeist  Maltose 
oder  Malzzucker)  umgewandelt,  und  zwar  geschieht  diese  Umwandlung 
leicht  und  in  großem  Umfange  bis  etwa  zu  700  g  hinauf  und  mit  fast 
voller  Verwertung  *,  sodaß  nur  1  Proz.  davon  im  Kot  erscheint,  während 
in  gewissen  Nahrungsmitteln  oder  deren  technischen  Zubereitungen 
(Schwarzbrot)  das  Stärkemehl  nur  zu  90  Proz.  au.sgenutzt  wird.  Die 
als  Zwischenprodukte  der  Amylumverdauung  auftretenden ,  zuweilen, 
wie  in  den  Obstfrüchten,  schon  präformiert  vorhandenen  Dextrine 
oder  Stärkegummi  werden  leicht  und  vollständig  im  Darm   aufgesaugt. 

\Veniger  vollständig  werden  die  Pflanzengummi  verdaut,  z.  B. 
das  arabische  Gummi,  von  dem  nach  Beobachtungen  am  Hunde  ^)  rund 
die  Hälfte  au.sgenützt  wird.  In  größerem  Umfange  sind  die  Pflanzeu- 
sc  h  leime  der  Aufsaugung  fähig,  so  z.  B.  das  mit  Wasser  zum  dicken 
Schleim  aufquellende  Kohlehydrat  der  Altheewurzel,  Salepwurzel,  Quitten- 
kerne u.  s.  w.,  welche  im  Darm  des  Hundes  zu  55—80  Proz.  ausge- 
nutzt werden^.  Ob  diese  Pflanzeugummi  und  -schleime  vollständig  die 
stotfliche  Rolle  der  Kohlehydrate  spielen,  scheint  noch  nicht  sicher, 
noch  weniger  sicher  die  Bedeutung  des  im  Fleisch  der  Obstfrüchte, 
Rüben  u.  a.  enthaltenen,  in  der  wässerigen  Abkochung  beim  Erkalten 
eine   Gallerte  bildenden   Kohlehydrats,    der  sog.  Pektin  Stoffe. 

Von  den  Zuckerarten  finden  sich  in  den  Nahrungsmitteln: 
Rohrzucker  (^im  Saft  der  Rübe,  der  Obstfrüchte,  mancher  Ahorne,  des 
Zuckerrohrs),  Traubenzucker  (im  Saft  der  Trauben  und  Obstfrüchte, 
im  Honig),  Fruchtzucker  oder  Lävulose  (in  Obstsäften  und  im  Honig), 
Milchzucker  (nur  in  der  Milch),  endlich  entsteht  aus  den  Amylaceeu 
durch  die  Verdauungssäfte  Malzzucker  oder  Maltose.  Die  Zucker- 
arten werden  bis  zu  3(X)  g  hinauf  leicht  und  vollständig  verwertet; 
große  Gaben  begünstigen  unter  Umständen  saure  (milch-  und  butter- 
saure) Gärung  und  rufen  dünnflüssige  Entleerungen  hervor. 

Zu  den  Kohlehydraten  gehört  endlich  die  Cellulose,  der  ver- 
breitetste  Pllanzenstotl",  insofern  die  i)fianzlichen  Zellwandungen  haupt- 
sächlich daraus  bestehen.  In  jungen  Pflanzen  ist  sie  zart,  während  sie 
mit  zunehmendem  Alter  durch  Einlagerungen  oder  Inkrustationen  derb 
und  holzig  wird.  Ebenso  wie  sie  durch  chemische  Agentien  kaum  au- 
gegritfen  wird  (außer  durch  konzentrierte  Schwefelsäure),  sind  auch  die 
Verdauungssäfte  unfähig,  sie  in  L(>sung  überzuführen.  Trotzdem  wird 
von  eingeführter  Cellulose  junger  Gemüse  beim  Menschen  nur  50—75 
Proz.   mit   dem  Kot  ausgestoßen*^.     Der   im  Körper   verbliebene  Auteil 

39 


40  IMMANUEL    MUNK, 

wird  durch  eine  von  gewissen  Bakterien  eingeleitete  Gährung '  zersetzt, 
bei  der  liauiitsiichlich  Kolilensiiure  und  l^uIn|)fgas  entstehen.  Demnach 
kann  die  Celhilose,  selbst  insoweit  sie  der  Ausscheidung  mit  dem  Kot 
entzogen  wird,  kaum  als  Niihrstott  erachtet  werden^. 

Da,  wie  oben  erörtert,  die  verdaulichen  Kohlehydrate  sowohl  iu 
Bezug  auf  den  Eiweiß-  als  den  Fettverbrauch  eine  den  Fetten  analoge 
Wirkung  haben,  da  sie  ferner  im  Pflanzenreiche  in  fast  unbegrenzter 
Menge  und  infolgedessen  auch  wohlfeil  uns  zu  Gebote  stehen,  ja  selbst 
noch  bei  Berücksichtigung,  daß  erst  2,4  T.  Kohlehydrate  1  T.  Fett  äqui- 
valent sind,  billiger  sind  als  die  Fette,  so  könnte  man  vom  Standpunkte 
der  wohlfeilen  Ernährung  aus  auf  den  Gedanken  kommen,  den  Fettver- 
lust vom  Körper  ausschließlich  durch  Verabreichung  von  Kohlehydraten 
(ohne  Fett)  verhüten  zu  wollen.  Allein  dann  würden  für  den  ruhenden 
Menschen  schon  mindestens  500  g  Amylum  erforderlich  sein,  und  bei 
starker  Arbeit  müßte  die  Gabe  auf  700—750  g  erhöht  werden.  Solche 
große  Gaben  vermag  zwar  der  Darm  zu  bewältigen,  allein  dabei  ent- 
steht sehr  leicht  saure  (erst  essig-  und  milchsaure,  dann  buttersaure) 
Gährung  im  Darm  und  durch  die  gebildeten  Säuren  Darmreizung^ 
die  reichliche,  dünnflüssige  (diarrhoische)  Entleerungen  zur  Folge  hat. 
Deshalb  thut  man  gut,  mindestens  Vs — V4  der  Kohlehydratration  durch 
Fett  zu  ersetzen,  und  wo  die  Verpflegungskosten  weniger  in  Betracht 
kommen,  läßt  man  zweckmäßig  die  Fettquote  noch  größer  werden, 
so  daß  selbst  bei  stärkster  Arbeit  die  Kohlehydratgabe  nicht  die  Höhe 
von  500  g  überschreitet,  eher  noch  unter  dieser  Grenze  bleibt.  Hierauf 
wird  noch  bei  der  Frage  nach  der  Mischung  der  Nährstoffe  und  der 
Nahrung  zurückzukommen  sein. 

1)  Vergl.  J.   Seegen,   Die  Zuckerbildung  im   Tierkörper,  Berlin  1890. 

2)  Vtrgl.  die  S.   12  angezogene  Litteratur. 

3)  Eubner,  Z   f.  liiol.   15.  Bd.   192. 

4)  Voit  und  Bauer,  ebenda   10.  Bd.  59. 

5)  Voit  und  Hauber,  ebenda  64. 

6)  Weiske,  ebenda  6.  Bd.  456;  v.  Enieriem,  ebenda  21.  Bd.  37. 

7)  Tappeiner,  Z.  J.  Biol.  20.  Bd.  52. 

8)  Mallevre,  Pflüg.  Arch.  49.  Bd.  460;  Zuntz,  ebenda  470. 


§7.    Die  Würz-  und  Genuß  Stoffe. 

Werden  die  im  Vorstehenden  als  Nährstoffe  aufgeführten  Sub- 
stanzen :  Wasser,  Mineralsalze,  Eiweißstoö'e,  Fette  und  Kohlehydrate,  in 
den  den  täglichen  Bedarf  deckenden  Gewichtsmengen  gemischt,  so  muß 
damit,  theoretisch  wenigstens,  der  Stoflverlust  des  Körpers  verhütet  wer- 
den. Versucht  man  aber  ein  solches  Gemenge  aus  den  resp.  reinen 
chemischen  Substanzen  zu  verzehren,  so  wird  es,  auch  nur  für  einen 
Tag,  schwer,  wenn  nicht  ganz  unmöglich,  die  erforderliche  Menge  davon 
aufzunehmen.  Das  Gemenge  vermag  mangels  der  Schmackhaftigkeit 
nicht  den  angenehmen  Gaumenkitzel  zu  erregen,  welcher  zur  Aufnahme 
der  Speise  lockt  und  das  Essen  als  Genuß  erscheinen  läßt.  Nur  mit 
größter  Ueberwindung  und  bei  peinigendem  Hunger  und  auch  da  nur 
noch  mit  Widerwillen  wird  eine  so  geschmacklose  Mischung  verzehrt. 
Außer  der  Schmackhaftigkeit  regt  auch  ein  gewisser  leckerer  Geruch 
der  Speisen  zum  Essen  an.  Erst  durch  die  Gegenwart  solcher  schmecken- 
den und  riechenden  Stoffe,  die  gewöhnlich  als  Würz-  und  Genußstoffe* 

40 


EiuzelernähruDg  und  Massencruähruug.  41 

bezeichnet  werden,  nach  unserer  Definition  aber  zweckmäßig  Würz- 
stoffe im  engeren  Sinne  heißen,  wird  ein  Nahrstoffgemisch  zu  einer 
Nahrung,  deren  Aufnahme  in  einer  dem  Körperbedarf  entsprechenden 
Menge  auch  für  die  Dauer  leicht  wird. 

Die  Würzstoffe  sind  demnach  Substanzen,  welche  dem  Nährstoffge- 
menge erst  den  angenehmen  Geruch  und  Geschmack  verleihen,  gewisser- 
maßen dasselbe  erst  genießbar  machen.  Solche  Würzstoffe  finden  sich 
teils  schon  in  den  uns  von  der  Natur  gelieferten  Nährstottgemengen, 
den  sog.  Nahrungsmitteln,  teils  werden  sie,  zumal  bei  der  Speiseberei- 
tung und  kücheugemäßen  Herstellung,  eigens  hinzugesetzt,  teils  endlich 
entstehen  sie  erst  durch  die  Zubereitung,  die  im  wesentlichen  auf  die 
Wirkung  der  Koch-  oder  Siedehitze  hinausläuft,  aus  anderen  organischen 
Stoflen.  In  die  Gruppe  der  Würzstoffe  gehört,  als  das  wichtigste  Glied, 
das  Kochsalz,  von  dem  wir  schon  gelegentlich  der  Betrachtung  der 
Nährsalze  und  ihrer  Betlarfsgröße  für  den  Körper  (S.  2>^)  feststellen 
konnten,  daß  nur  ein  kleiner  Teil  des  genossenen  Salzes  zum  Ersatz 
des  verbrauchten  und  aus  dem  Körper  ausgeschiedenen  dient,  der  über- 
wiegend größte,  im  Mittel  \g  der  Salzeiufuhr,  die  Rolle  eines  Würz- 
stoffes spielt,  dazu  bestimmt,  dem  Speisegemenge  den  mehr  oder  weniger 
salzigen  und  pikanten  Geschmack  zu  erteilen,  der  sich  allgemeiner  Be- 
liebtheit erfreut.  Ferner  gehören  zu  den  Würzstoffen  auch  die  süß 
schmeckenden  Zucker,  die  andererseits  auch  Nährstoffe  sind,  sowie  die 
den  säuerlichen  Geschmack  und  z.  T.  Geruch  vermittelnden  organischen 
Säuren:  Essig  (verdünnte  Essigsäure),  Citronen-,  Wein-,  Aepfelsäure, 
ebenso  die  tiüchtigen  Fettsäuren  (Butter-,  Kapronsäure),  denen  alter  Käse 
seinen  pikanten  Geruch  und  Geschmack  verdankt;  sodann  bitter  und 
scharf  schmeckende  bezw.  riechende  organische  Stoffe,  wie  sie  im  Pfeffer 
(das  Piperin),  im  Senf  (Seuföl  oder  Schwefelcyanäthyl),  in  der  Zwiebel, 
Petersilie,  Ptettig,  Radieschen  u.  a.,  in  dem  zur  Bierbereitung  benutzten 
Hopfen  (Hopfenbitter)  enthalten  sind,  desgleichen  die  riechenden  und 
schmeckenden  organischen  E.xtraktivstoÖe  des  Fleisches,  die  sog.  Fleisch- 
basen, welche  die  wesentlichen  Bestandteile  der  durch  Kochen  des 
Fleisches  mit  Wasser  hergestellten  Fleischbrühe  (Bouillon)  bilden.  P^nd- 
lich  sind  hier  noch  zu  nennen  diejenigen  Substanzen,  welche  die  wirk- 
samen Stoffe  der  eigentlichen  Gewürze  bilden  und  chemisch  als  äthe- 
rische Oele  bezeichnet  werden,  so  im  Zimmt,  in  der  Muskatnuß,  in  den 
Gewürznelken,  im  Ingwer,  Kümmel,  Koriander,  Anis,  Fenchel,  Kardamom, 
Safran  für  jedes  derselben  charakteristische  ätherische  Oele,  in  der 
Vanille  neben  ätherischem  Oel  das  aromatische  VanilUn. 

Vom  Geruch  und  Geschmack  aus,  auf  welche  die  Würzstofie  zu- 
nächst wirken,  werden  durch  Vermittelung  des  Centralncrvensystems 
Wirkungen  auf  entferntere  Teile  angeregt,  zunächst  auf  die  Verdauungs- 
thätigkeit.  Schon  der  Geruch  eines  leckeren  Mahles  läßt  das  „Wasser 
im  Munde  zusammenlaufen"  d.  h.  die  im  nüchternen  Zustande  sonst 
geringfügige  Absonderung  des  Mundspeichels  mächtig  in  Gang  kommen. 
In  noch  größerem  Umfange  erfolgt  die  Speichelsekretion,  wenn  die 
würzstoffhaltigen  Speisen  in  die  Mundhöhle  eingeführt  werden;  der 
Reiz  des  Kochsalzes,  des  Zuckers,  des  Senfs  und  Pfefiers,  der  äthe- 
rischen Oele  ist  es,  welcher  auf  dem  Wege  des  nervösen  Reflexes  die 
Speichelbildung  antreibt.  Ebenso  wie  die  Abscheidung  von  Speichel, 
wird  nach  Maßgabe  der  Erfahrungen  an  Hunden,  die  eine  operativ  an- 
gelegte Magenfistel  tragen,  durch  den  Geschmacks-  oder  Geruchsreiz 
der  Würzstoffe  auch  die  Sekretion   des  Magensaftes,  die  im  nüchternen 

4> 


42  IMMANUEL    MUNK. 

Zustande  wohl  ij^aiiz  ruht,  retiektorisch  eiiij:;eleitet  uud  höchst  wahr- 
scheinlich auch  die  Muskuhitur  des  Magens  in  Thätigkeit  gesetzt ;  die 
stetige  Durcheiuandermischung  des  Speiseiuhaltes  infolge  der  kräftigen 
Magenbewegungen  tragt  zur  ausgiebigeren  Verdauung  d.  h.  Lösung  des 
Verdauhcheu  und  Ueberführung  des  Gelösten  in  die  Säftemasse  wesent- 
lich bei.  So  ist  es  wohl  zu  verstehen,  warum  man  als  Einleitung  eines 
opulenten  Mahles,  das  an  die  Verdauungssäfte  gröl.iere  Anforderungen  stellt, 
eine  würzstoti'rciche  Speise,  z.  B.  gesalzeneu  Kaviar  und  dazu  ein  Glas 
eines  zucker-  und  alkoholreichen  Weines  reicht.  Nach  Erfahrungen  an 
Hunden  mit  Pancreastisteln  wird  auch  durch  den  Geruch  oder  den  Ge- 
schmack der  in  die  Mundhöhle  eingeführten  Würzstotfe  die  Abscheidung  des 
Pancreassaftes  angeregt,  vielleicht  auch  des  Darmsaftes  und  der  Galle. 
So  wichtig  die  geschilderten  Wirkungen  erscheinen  mögen,  insofern  sie 
die  Schnelligkeit,  mit  welcher  die  Speisen  die  einzelnen  Stadien  der 
Verdauung  durchlaufen,  günstig  zu  beeinflussen  vermögen,  so  scheint 
doch  der  schließUche  Gesamteffekt,  soweit  die  absolute  Größe  und  der 
Umfang,  in  welchem  die  Speisen  ausgenutzt  und  verwertet  werden  und 
ihre  Nährstoffe  in  die  Säftemasse  übertreten,  in  Betracht  kommt,  nicht 
wesentlich  gesteigert  zu  werden.  Auch  von  einem  geschmacklosen  Ge- 
menge, dessen  Aufnahme  nur  mit  Widerstreben  erzwungen  wurde,  wird 
nach  Forster  und  Rijnders  sowie  nach  Flügge^  nicht  nennens- 
wert mehr  an  Nährstoffen  mit  dem  Kot  ausgestoßen,  als  wenn  dasselbe 
gesalzen  und  gewürzt  verabreicht  wird. 

Neben  den  schon  in  den  Nahrungsmitteln  präformiert  enthaltenen 
oder  erst  bei  der  Speisebereitung  zugesetzten  Würzstoffen  kommen  weiter 
zur  Wirkung  gewisse  Würzstoffe,  welche  erst  bei  der  technischen  und 
küchengemäßen  Herstellung  der  Speisen  infolge  Zersetzung  gewisser, 
an  sich  weder  schmeckender  oder  riechender  Substanzen  unter  dem 
Einfluß  der  hohen  Temperatur  entstehen,  so  die  würzig  riechenden  und 
schmeckenden  Stoffe,  welche  beim  Braten  des  Fleisches  und  Backen  des 
Brotes  insbesondere  in  den  der  direkten  Hitze  am  stärksten  ausgesetzten 
Rindenschichten,  der  sog.  liratenkruste  und  Brotkruste,  sich  bilden  oder 
die  säuerlichen  Stoffe  (Essig-  und  Milchsäure),  welche  bei  der  Gährung 
des  Brotteiges  als  Nebenprodukte  frei  werden. 

Gegenüber  diesen  Würzstoffen,  welche  schon  in  den  ersten  Wegen 
(Nasen-  und  Mundhöhle)  ihre  den  Appetit  reizende  und  die  Verdauung 
anregende  Wirkung  üben,  stehen  andere  Substanzen,  welche  zumeist 
nicht  schon  vom  Verdauungskanal  aus,  sondern  erst,  nachdem  sie  aus 
diesem  in  das  Blut  übergetreten  sind  und  mit  dem  Blut  dem  Central- 
nervensystem  (Gehirn)  zugeleitet  worden  sind.  Allgemein  Wirkungen,  und 
zwar  meistens  erregender,  aufmunternder,  erfrischender  Art  üben.  Sub- 
stanzen dieser  Gruppe  bezeichnet  man  als  Genußstoffe  (im  engeren 
Sinne).  Ausnahmslos  sind  es  organische  Substanzen,  die  zufolge  ihrer 
charakteristischen  physiologischen  Wirkung  Nervenreizmittel  genannt  wer- 
den können,  so  der  Alkohol  (Aethylalkoholj,  die  Pflanzenalkaloide  Kotfein 
(Thein)  und  Theobromin  und  das  zu  den  Pyridinbasen  gehörige  Nikotin. 
Sie  bilden  die  wirksamen  Substanzen  der  bei  allen  Kulturvölkern 
weit  verljreiteten  sog.  Genuß  mittel,  unter  denen  man  die  alkohol- 
haltigen (Branntwein,  Bier,  Wein)  und  die  alkaloidhaltigen  (Kaffee,  Thee, 
Kakao,  Tabak)  unterscheidet.  Von  Genußstoff'en,  welche  nur  bei  ein- 
zelnen Völkerschaften  in  Gebrauch  sind,  seien  das  Opium,  der  Haschisch, 
der  Moschus,  die  Koka  genannt. 

Da  diese  Genußstoffe,  den  Alkohol  vielleicht  ausgenommen  (S.  16), 

42 


Einzeloruähruug  und  Massouernäliruug.  43 

keine  Nährstotfe  sind,  insofern  sie  nicht  Ersatz  für  verl)rauchtes  Körper- 
material leisten  können,  sondern  nur  der  allgemeinen  Anregung  und 
dem  Wohlgeschmack  dienen,  ist  es  wohlbegründet,  die  Frage  aufzu- 
werfen, oi)  überhaupt  solche  GenuBstoffe  notwendig  sind  oder  ob  wir 
—  zumal  bei  ihren  im  Verhältnis  zu  den  Nährstotien  hohen  Markt- 
preisen —  nicht  der  Genulistotfe  entraten  können.  Wenn  wir  infolge 
anhaltender  geistiger  oder  körperlicher  Arbeit  erschlati't  und  abgespannt 
sind,  wenn  uns  Müdigkeit  befallt,  sodalJ  der  Fortleitung  der  Willens- 
anregungen vom  Hirn  durch  die  Nerven  zu  den  xMuskeln  sich  beträcht- 
liche Widerstände  in  den  Weg  legen,  dann  sind  es  jene  (ienulistoöe, 
welche  diese  Widerstände,  wenn  auch  nicht  forträumen,  so  doch  wesent- 
lich verringern,  und  wenn  sie  auch  selbst  keine  Kraft  liefern,  doch 
unser  Kraftgefühl  und  unsere  Stimmung,  unseren  Mut  und  unsere  Lust 
zur  Thätigkeit  heben.  Treffend  vergleicht  v.  Pettenkofer  die  Ge- 
nußstoffe mit  dem  Schmieröl,  das,  in  die  Achsen-  Und  Zapfenlager  ge- 
träufelt, die  Keibuugswiderstände  verringert  und  so,  auch  ohne  selbst 
lebendige  Kraft  zu  liefern,  den  Gang  der  Maschine  erleichtert  und  der 
Abnutzung  der  Maschinenteile  vorbeugt.  Es  ist  daher  unberechtigt,  den 
mäßigen  und  bescheidenen  Gebrauch  dieser  Genuß-  und  Reizmittel  zu 
verwerfen.  Schon  der  Umstand  allein,  daß  der  Trieb,  sich  solche  Ge- 
uußstoffe  zu  verschaffen,  zu  allen  Zeiten  und  bei  allen  Völkern  sich 
geltend  gemacht  hat,  spricht  dafür,  daß  das  Verlangen  nach  solchen 
Stoffen  tief  in  der  menschlichen  Xatur  wurzelt.  Gerade  von  diesen 
Genußstoffen  gilt  ein  Wort  Friedrichs  des  Großen,  das  neuerdings  E. 
du  Bois-  Reymond-^  der  Vergessenheit  entrissen  hat :  „Es  ist  wahr, 
daß  wir  einfacher  und  enthaltsamer  leben  können ;  warum  aber  den  Ge- 
nüssen entsagen,  wenn  man  sich  ihrer  erfreuen  kann  ?  Die  wahre  Philo- 
sophie besteht,  meine  ich,  darin,  den  Mißbrauch  zu  verdammen,  ohne 
den  Gebrauch  zu  untersagen;  mau  muß  alles  entbehren  können,  aber 
auf  nichts  verzichten." 

In  der  Tretmühle  des  täglichen  Lebens  bedürfen  wir  von  Zeit  zu 
Zeit  neuer  Eindrücke  und  Anregungen.  Solche  Eindrücke  in  großer 
Zahl  liefert  uns  die  Xatur,  reichlich  auch  noch  die  Kunst,  aber  dies 
nur  für  eindrucksfähige,  empfängliche  Gemüter.  Manche  wohlthätige 
Anregung  geht  auch,  wie  die  Erfahrung  lehrt,  von  diesen  Genußmitteln 
aus,  wie  0.  Funke  dies  treffend  hervorhebt.  Wie  manche  leuchtende 
Idee  ist  schon  aus  einem  Römer  duftenden  Rheinweines  geboren,  die 
nie  den  nüchternen  Wasserkrügen  entsprungen  wäre!  Wie  mancher 
fruchtbare  Gedanke  ist  beim  Glase  schäumenden  Bieres  zur  That  ge- 
reift! Wie  manche  Sorge,  manche  Grille  hat  der  Tabaksrauch  ver- 
scheucht! Und  das  ist  doch  auch  etwas  wert  für  die  vielen  Millionen 
von  Menschen,  welche  ein  freudeleeres,  dürftiges  Dasein  fristen.  Nur 
so  ist  es  zu  verstehen,  warum  gerade  die  im  Kampf  ums  Dasein  schwer 
ringenden  Menschen  nach  diesen  Genußmitteln  sehnlichst  verlangen,  nach 
Bier  und  Branntwein,  nach  Kaffee  oder  Thee,  nach  Tai)ak,  welche  ihnen 
Mut  und  Lust  zur  Arbeit  verleihen,  welche  ihnen  gestatten,  sich  wenigstens 
eine  Zeit  lang  über  ihre  kümmerliche  Lage  hinwegzusetzen  oder  sie 
wenigstens  vorübergehend  zu  vergessen.  Nur  so  ist  es  zu  verstehen, 
weshalb  selbst  bei  bescheidenster  Lebensführung  auf  die  Beschaflung 
dieser  so  begehrten  Genußmittel  ein  beträchtlicher  Teil  der  für  die  ge- 
samte Verköstigung  verwendeten  Ausgaben  entfällt. 

Außer  diesen  Allgemeinwirkungen  entfalten  die  Mehrzahl  der  Ge- 
nußstoffe,  ebenfalls   vom  Centralnervensystem   aus   eingeleitet,   eine  er- 

43 


44  IMMANUEL    MUNK. 

reixonde  ^Virkung  auf  das  Herz  bcvAv.  die  vasomotorischen  Centren, 
von  denen  aus  die  Muskeln  der  mittleren  und  kleinen  Blutgefäße  und  damit 
die  Weite  der  GefalJlichtung  beherrscht  werden,  sodaß  die  Blutverteilung 
eine  Aenderung  erfährt,  bald  im  Sinne  vermehrten,  bald  im  Sinne  ver- 
ringerten /utlusses  von  Blut.  Solche  Wirkung  ist  dem  Alkohol,  dem 
Kotfein  (Thein)  eigentümlich,  auch  den  oben  (S.  41)  als  Würzstotie  an- 
geführten Kxtraktivstotfen  des  Fleisches,  die  indes  auch  zu  den  Genuß- 
stoti'eu  gehören.  Die  Schlagzahl  des  Herzens  und  damit  die  Pulszahl 
steigt  um  6 — 10  Schläge  in  der  Minute,  der  Puls  wird  voller  und  härter 
d.  h.  schwerer  zu  unterdrücken,  die  größere  Energie  der  Herzkontrak- 
tiouen  steigert  den  arteriellen  Blutdruck  und  damit  die  Strömungsge- 
schwindigkeit. Wird,  nachdem  diese  erregende  Anfangswirkung  erzielt 
ist,  mit  der  Zufuhr  der  Genußstotle  fortgefahren,  so  erfolgt  Lähmung 
der  Gefäßmuskeln,  damit  werden  die  Gefäße  der  Haut  und  der  Schleim- 
häute weiter,  das  Gesicht  wird  stark  gerötet.  Diese  Erweiterung  der 
Hautgefäße  und  die  reichlichere  Blutzufuhr  zur  Haut  erzeugt,  zumal 
bei  kalter  oder  feuchter  Außenluft,  zunächst  ein  wohliges,  molliges  Ge- 
fühl, aber  nur  vorübergehend;  weiterhin  hat  die  gesteigerte  Wärmeab- 
gabe an  die  nieder  temperierte  Luft  die  Empfindung  des  Frösteins  zur 
Folge.  Hört  man  zur  rechten  Zeit  mit  der  weiteren  Einführung  auf, 
so  verfliegen  zumeist  die  W  irkungen  auf  Herz  und  Blutströmung  relativ 
schnell. 

Die  allgemein  erregende  Wirkung  der  Genußstofie  kann  gelegent- 
lich ausgenutzt  werden  zur  erfolgreichen  Bekämpfung  des  Hungergefühles 
überall  da,  wo  wie  im  Kriege,  auf  Expeditionen,  oder  auf  Hochgebirgs- 
touren  vorübergehend  d.  h.  bis  zur  Dauer  eines  halben  oder  ganzen 
Tages  Nahrung  nicht  oder  in  ganz  ungenügender  Menge  oder  in  ganz 
ungenießbarer  Form  zur  Verfügung  steht.  Ueber  das  infolge  der  Nah- 
rungsenthaltuug  eintretende  Schwächegefühl  und  die  unangenehmen 
Empfindungen  seitens  des  knurrenden  Magens  hilft,  für  eine  Zeit  lang 
wenigstens,  vorausgesetzt  daß  der  Körper  sonst  in  guter  Verfassung  ist, 
ein  Schluck  Wein  oder  Branntwein,  Katfee  oder  Thee,  Rauch-  oder 
Schnupftabak  hinweg.  Kalter  Kaflee  ist  wegen  seiner  das  Durstgefühl 
bekämpfenden  Eigenschaft  mit  Recht  sehr  geschätzt. 

Wie  das  Gemenge  der  chemisch  reinen  Nährstoffe  erst  durch  den 
Zusatz  der  Würzstoffe  genießbar  d.  h.  ohne  Widerwillen  aufnehrabar 
wird,  so  wird  erst  durch  Gegenwart  von  Genußstotfen  das  an  sich  ge- 
schmacklose chemisch-reine,  sog.  destillierte  Wasser  zu  einem  genieß- 
baren Getränk,  von  dem  es  uns  leicht  wird,  die  zur  Deckung  des  Wasser- 
bedarfes für  den  Körper  in  minimo  notwendigen  zwei  Liter  uns  einzu- 
verleiben. Destilliertes  oder  Regenwasser,  das  frei  von  Salzen  und  ab- 
sorbierten Gasen  und  infolgedessen  geschmacklos  ist,  „fade"  schmeckt^ 
wird  eben  deswegen  verschmäht;  nur  bei  sehr  peinigendem  Durst  ent- 
schließen wir  uns  unter  größtem  Widerwillen ,  solch'  geschmackloses 
Wasser  zu  trinken.  Dagegen  enthält  Quell-  oder  Brunnenwasser  mehr 
oder  weniger  Kohlensäure  absorbiert  und  hat  infolgedessen,  zumal  je 
kühler  es  ist,  einen  desto  angenehmeren  Geschmack.  Je  größer  der 
Gehalt  an  Kohlensäure,  wie  z.  B.  in  den  natürlichen  oder  künstlichen 
Sauerbrunnen  von  Selters,  Vichy  u.  a.,  desto  prickelnder  und  ange- 
nehmer der  Geschmack,  desto  erfrischender  die  Wirkung  solchen  Wassers. 
Daher  erfreuen  sich  auch  diese  Sauerbrunnen  oder  künsthchen  Kohlen- 
säurewässer für  den  Genuß  großer  Beliebtheit.  Umgekehrt  in  dem 
Maße,   als   ein   gutes  Brunnenwasser   beim  Stehen   im  Zimmer   wärmer 

44 


HlinzelernäbruDg  imd  Masaoueruahrung.  46 

wird,  entbindet  sich  mit  waclisentler  Temperatur  immer  mehr  Kohlen- 
säure, sotlali  solch'  „ab.i,'estan(lenes''  Wasser  fade  schmeckt.  Steht  nur 
solches  Wasser  zur  Verfüjj:ung,  so  bedarf  es  wieder,  um  es  ^'eniebbar  zu 
machen,  des  Zusatzes  von  Genubstolfen,  entweder  des  Alkoliols  oder 
des  Zuckers  und  organischer  Säuren  (beider  am  besten  in  Form  der 
Fruchtsäfte),  oder  man  macht  dasselbe  wohlschmeckend,  indem  man  es 
zum  AufgulJ  von  Katfeebohnen  oder  Theeblättern  verwendet. 

Kann  nach  alledem  die  Notwendigkeit  und  die  Wirksamkeit  dieser 
Genul>-  und  iieizmittel  sicherlich  nur  zu  Unrecht  in  Abrede  gestellt 
werden,  so  darf  man  doch  nicht  aul.Ner  Acht  lassen,  daU,  so  anregend 
und  wohlthätig  die  Wirkung  ist,  welche  diese  Genubstotl'e  in  kleinen 
und  mäbigen  Gaben  entfalten,  doch  gerade  das  Gegenteil  sich  zeigt, 
wenn  man  die  GenuBstoffe  im  UebermaB  einführt.  Dann  schlägt 
die  anregende  und  erfrischende  Wirkung  in  das  Gegenteil,  in  eine  er- 
schlaftende  und  lähmende  Wirkung  um.  Schon  ein  einmaliger  über- 
mäBiger  GenuB  kann  diese  Giftwirkung  zur  Folge  haben,  z.  I}.  den  akuten 
Alkoholrausch,  der  nach  Eintritt  tiefen  Schlafes  meist  unter  mäßigen 
Nach  wehen  (Katzenjammer)  vertiiegt.  Der  stetig  und  in  größeren  Mengen 
eingeführte  Alkohol  wirkt  nicht  nur  auf  das  Nervensystem  erschlaffend, 
auch  die  wichtigen  Organe,  welche  der  Verdauung  und  der  Stotfum- 
wandlung  vorstehen  (Magen ,  Leber),  werden  ergriffen ,  und  so  der 
Appetit,  die  Nahrungsaufnahme  und  -Umwandlung  geschädigt;  damit 
bahnt  sich  der  körperliche  Verfall  an  und  schreitet  rapid  fort,  wenn 
weiterhin  Herz  und  Gefäße  sowie  die  Nieren  ergritfen  werden.  Außer- 
dem wirkt  der  gewohnheitsmäßige  Alkoholmißbrauch  •*  psychisch  und 
moralisch  degenerierend,  wird  die  Ursache  von  Geisteskrankheiten,  von  Ver- 
brechen, von  Selbstmord  oder  Mordtrieb.  Uebermäßiger  Genuß  starken 
Kaflees  •'',  durch  Monate  oder  Jahre  fortgesetzt,  erzeugt  schwere  ner- 
vöse Erscheinungen :  Zittern,  Herzklopfen,  unregelmäßige  Herzthätigkeit 
mit  Abnahme  der  Herzenergie  und  konsekutivem  Abfall  des  Blutdruckes, 
Angstgefühle.  Ebenso  führt  Uebermaß  des  Tabaksgenusses  zu  inter- 
mittierender und  arhythmischer  Herzthätigkeit,  zu  allgemeiner  Ab- 
spannung, zum  Darniederliegen  des  Appetites  und  der  Verdauung. 

Wie  jede  Eintönigkeit  in  der  Zusammensetzung  und  in  dem  Ge- 
schmack der  Speisen  Unlust  und  Widerwillen  weckt,  so  gilt  dasselbe  auch 
für  die  Genußstoti'e.  Bei  andauerndem  und  ausschließlichem  Gebrauche 
eines  und  desselben  Genußmittels  stumpft  sich  mit  der  Zeit  die  Er- 
regungsfähigkeit dafür  ab.  und  es  bedarf  stetig  steigender  Gaben,  um 
die  von  uns  gewünschte  Reizwirkung  zu  erzielen,  während  bei  passen- 
dem Wechsel  der  alkoholischen  und  alkaloidhaltigen  Genußraittel  schon 
durch  mäliige  Gaben  auf  die  Dauer  die  gewünschte  Reizwirkung  hervor- 
gerufen wird.     Es  ist  deshalb  nötig,  mit  den  Genußstotlen  zu  wech.seln. 

Genau  dasselbe  gilt  für  die  Würzstotfe.  Auch  hier  ist  eine  i)assende 
Abwechselung  notwendig,  wenn  nicht  gar  bald  die  Lust  zur  Nahrungs- 
aufnahme schwinden  und  Abneigung  gegen  die  stets  gleich  gewürzte 
und  in  gleicher  Weise  zubereitete  Speise  sich  geltend  machen  soll.  Zu- 
mal sind  es  stark  gesalzene  Speisen,  welche,  so  sehr  sie  auch  im  An- 
fang munden  und  den  A]»i)etit  reizen,  bei  stetem  Genuß  Widerwillen 
wecken  und  schließlich  uns  ganz  und  gar  widerstehen.  So  geht  es 
z.  B.  mit  dem  durch  starkes  Salzen  konservierten  Fleisch,  dem  Pökel- 
Heisch,  welches  eben  wegen  seiner  Haltbarkeit  überall  da  mitgenommen 
wird,  wo  der  lU'zug  frischen  Fleisches,  wie  im  Kriege,  auf  Schiffen  und 
Expeditionen,  auf  Schwierigkeiten  stößt  oder  ganz   unmöglich  ist.     Das 

45 


46  niMANl-EL    MUNK. 

uiigonügoiidc  Würzen  einerseits,  der  Mangel  an  Abwechselung  in  den 
zugesetzten  Würzstotlen  anderseits  sind  in  erster  Reihe  die  Ursache 
davon,  daß  bei  der  Massenverköstigung  —  wir  werden  darauf  noch 
naher  im  Abschnitt  „Massenernährung"  eingehen  —  in  Kasernen,  Ge- 
fangnissen, Armen-  und  Siechenhäuseru  ein  großer  Teil  der  Insassen  so 
leicht  von  Abneigung  und  Widerwillen  gegen  die  einförmige  oder  fade 
schmeckende,  reizlose  Kost  ergriflen  werden.  Je  weniger  nun  durch 
das  Essen  das  Gefühl  der  Befriedigung  und  Sättigung  erzeugt  wird, 
mit  je  weniger  Genuß  die  reizlose  Kost  verzehrt  wird,  desto  stärker 
macht  sich  der  Trieb  nach  Genußmitteln  geltend,  und  so  wird  durch 
geschmacklose  Kost  der  übermäßige  Verbrauch  von  Genußmitteln,  und 
unter  ihnen  vorherrschend  der  alkoholischen,  gefördert  und  damit  die 
Gefahren  des  Alkoholmißbrauches  in  drohende  Nähe  gerückt. 

Die  Sucht  nach  Abwechselung  im  Geschmack,  in  der  Form  und 
Konsistenz  der  Speisen  bringt  es  mit  sich,  daß  wir  unseren  stofflichen 
Tagesbedarf  nicht  mit  einer  einzigen  Speise,  z.  B.  dem  an  sich  wohl- 
schmeckenden Brot,  decken,  sondern  selbst  unter  den  kärglichsten  Lebens- 
verhältnissen mindestens  noch  ein  zweites  Gericht,  z.  B.  Milch  oder 
Käse  oder  Kartoffeln  oder  Fleisch  oder  Speck,  genießen,  und  je  mehr 
wir  auf  die  Verpflegungskosten  verwenden  können,  die  Zahl  der  Ge- 
richte und  Einzelspeisen,  ohne  daß  die  Gesamtmenge  der  verzehrten 
Nährstoffe  zuzunehmen  braucht,  um  so  größer  werden  lassen.  Je  mehr 
dem  Bedürfnis  nach  Abwechselung  in  der  Schmackhaftigkeit  durch  die 
Mannigfaltigkeit  der  Speisen  genügt  wird,  desto  leichter  wird  es  uns, 
nicht  nur  so  viel  Nahrung  aufzunehmen,  um  den  stofflichen  Bedarf  zu 
decken,  sondern  noch  einen  Ueberschuß,  der  es  ermöglicht,  uns  einen 
Reservevorrat  an  Eiweiß  und  Fett  anzulegen,  wodurch  wir  einmal  zu 
größeren  körperlichen  Leistungen  befähigt  werden,  sodann  um  so  eher 
in  Zeiten  der  Not  oder  im  Fall  von  Erkrankungen,  bei  denen  die  Stoff- 
aufnahme darniederliegt,  von  unserem  Körpermaterial  zusetzen  können. 

Aus  alledem  ergiebt  sich  die  große  Bedeutung  der  Würz-  und  Ge- 
Dußstoffe  und  die  Notwendigkeit,  in  geeigneter  Weise  mit  ihnen  zu 
wechseln.  Nur  dadurch  wird  es  möglich,  schon  mit  kleinen  Gaben  der- 
selben die  für  Körper  und  Geist  heilsamen  Wirkungen  zu  erzielen  und 
die  schweren  Schädigungen  zu  meiden,  welche  mit  dem  gewohnheits- 
mäßigen reichlichen  Verbrauch,  insbesondere  der  Genußstotfe,  untrennbar 
verknüpft  sind. 

1)  AUgemeintt  über  Würz-  und  Oenufsttofe  findet  sich  hei  C.  Voit,  Münch.  dkad.  Sitz.-Ber. 
(1869)  550;  Z.  f.  Biol.  12.  Bd.  1;  v.  Pettenkofer,  Ueber  Nahrung  und  Fleischexträkt. 
Braunschweig  (1873);  Forster.  in  {PettenJco/er' s)  Handb.  d.  Hyg.  1.  Bd  1.  T.  85;  I, 
Munk  (und  Uffelmann),  Die  Ernährung  des  gesunden  und  kranken  Menschen,  2.  Aufl. 
(1891)   110. 

2)  Flügge.  Beiträge  zur  Hygiene,  Leipzig  (1879)  193. 

3)  E.  du  Bois-Beymond,  Gesammelte  Beden  (1886)  1.  Folge  [aus  der  Rede  „Friedrich  II. 
und  Jean-Jacques  Rousseau''')  337 

4)  Ueber  den  Alkoholmi/sbrauch  vergl.  besonders  A.  Baer,  Der  Alkoholismus,  seine  Verbreitung, 
Berlin  (1878);   Die   Trunksucht  und  ihre  Abwehr,    Wien  und  Leipzig  (1890). 

5)  Mendel,   Berl.  Hin.    Woch.   (1889)  Nr.  40. 


§  8.     Vertretungs-  und  Brennwert  der  organischen 

Nährstoffe. 

Außer  der   bisher  fast   ausschließlich   gewürdigten   stofflichen   Be- 
deutung der  Nährstoffe,  vermöge  deren  sie  zum  Ersatz  für  die  bei  den 

46 


Einzt'Iernähruug  und  Masscuernülirung.  47 

Lebensprozessen  zu  Verlust  •gehenden  Leibesbestandteile  eintreten,  ist 
bei  den  verbrennlichen  orj^'aniscben  Niihrstotlen :  Kiwcili,  Leim,  Fett  und 
Kohlehydrat,  noch  eine  andere  Seite  ihres  Wertes  für  den  Kiirper  darin 
gelegen,  dalJ  bei  den  Spaltungs-  und  Oxydatiunsprozessen,  denen  die- 
selben im  Organismus  unter  Mitwirkung  des  aus  der  atmosphärischen 
Luft  eingeatmeten  Sauerstoftes  anheimfallen ,  die  einerseits  in  ihnen, 
andererseits  im  Sauerstotl"  angehäuften  chemischen  Spannkräfte  oder 
potentiellen  Energien  frei  werden  und  sich  nach  dem  Gesetz  von  der  Er- 
haltung der  Kraft  in  lebendige  Kräfte  umsetzen,  die  beim  ruhenden, 
d.  h.  nicht  arbeitenden  Menschen  bei  weitem  überwiegend  in  Form  von 
^Värme  erscheinen  und  die  Ursache  der  hohen  Eigenwärme  der  sog. 
Warmblüter  oder  Homoiothernien  (Säuger,  Vögel)  abgeben.  '/'Die  für  uns 
wichtigsten  organischen  Stotie :  EiweiLi,  Fett,  Kohlehydrat  sind  hoch  zu- 
sammengesetzt und  niedrig  oxydiert,  d.  h.  sie  erhalten  sehr  viel  weniger 
Sauerstoff"  im  Molekül,  als  zur  Sättigung  oder  vollständigen  Verbrennung 
des  darin  enthaltenen  Kohlenstoifs  und  Wasserstofts  bezw.  auch  Stick- 
stoffs, Schwefels  und  Phosi)hors  erforderlich  ist.  Wie  alle  ungesättigten 
Verbindungen  zeigen  sie  daher  geringe  Stabilität,  dafür  aber  desto 
größere  Neigung,  teils  unter  Aufnahme  von  Sauerstoft',  teils  unter  Ein- 
tritt von  Wasser  ins  Molekül  sich  in  zwei  oder  mehreie  einfacher  zu- 
sammengesetzte und  daher  festere  Verbindungen  zu  spalten.  Sowohl 
bei  den  Spaltungs-  als  insbesondere  bei  den  Oxydationsprozessen  wird 
Wärme  frei.  Die  Größe  der  so  erfolgenden  Wärmebildung  läßt  sich  in 
eigens  dafür  konstruierten  Meßapparaten,  sog.  Kalorimetern,  von  denen 
ein  für  diese  Zwecke  brauchbares  alsbald  beschrieben  werden  soll,  be- 
stimmen, und  zwar  gilt  als  Wärmeeinheit  oder  Kalorie  (große  Kalorie) 
diejenige  Wärmemenge,  welche  1  kg  Wasser  von  0 "  auf  1  °  C,  zu  er- 
heben vermag./  So  viel  Wärme  nun  im  Kalorimeter  frei  wird  ^,  so  viel 
muß  sich  auch  im  Organismus  entwickeln,  vorausgesetzt,  daß  die  End- 
produkte der  Verbrennung  im  Körper  die  gleichen  sind  wie  im  Kalori- 
meter. In  letzterem  werden  die  (stickstofffreien)  Fette  und  Kohlehydrate 
zu  Kohlensäure  und  Wasser  verbrannt,  und  zwar  bildet  dabei  1  g  Fett 
^,3*),  1  g  Stärkemehl  4,1  Kai.;  da  die  Fette  und  Kohlehydrate  auch 
im  Körper,  insoweit  sie  zerstört  werden ,  Kohlensäure  und  Wasser 
liefern,  so  stand  zu  erwarten,  daß  dieselben  auch  im  Körper  9,3  bezü"! 
4,1  Kai.  entbinden  werden.  In  der  That  hat  sich  ihr  physiologisclfer 
Wärmewert  für  den  Körper,  auch  kalorisches  Aequivalent  oder  ^utz- 
efiekt  genannt,  zu  genau  denselben  Werten  9,3  bezw  4,1  Kai.  ergeben. 
Gaiiz_jinders  aber  verhält  es  sich  bei  den  Eiweißkörperu.  Während 
ipi  Kalorimeter  der  gesamte  Kohlenstoff  zu  Kohlensäure,  der  Wasser- 
stoff  zu  Wasser,  der  Schwefel  zu  Schwefelsäure  oxydiert,  der  Stickstoff 
aber  gasförmig  frei  wird,  erfolgt  im  Körper  der  Abbau  des  Eiweißes  nicht 
bis  zum  Stickstoff,  sondern  als  Endprodukt  erscheint  hier  der  Harnstoff 
(neben  Harnsäure  u.  a.),  der  den  gesamten  Stickstoff  des  zersetzten 
Eiweißes,  gebunden  an  Kohlen-,  Sauer-  und  Wasserstoff,  enthält,  und  nur 
die  nach  Abspaltung  des  Harnstoffs  (etwa  ^/g  g  auf  1  g  Eiweiß)  vom  Ei- 
weißmolekül übrig  bleibenden  Kohlen-,  Sauer-  und  Wasserstoffatome  werden 
zu  Kohlensäure  und  Wasser  oxydiert.  Deshalb  muß  der  physiologische 
Wärmewert  des  Eiweißes  kleiner  sein  als  der  im  Kalorimeter  ermittelte, 
in  dem  je    1  g  Eiweiß  5,6 — 5,7  Kai.  frei  werden   läßt.     Von    letzterem 

•)  Nach    den    neuesten   Bestimmungen    von  Stolimann    und    Langbein    läfst    1   g 
Fett  sogar  9,46  Kai.  frei  werden. 

47 


4S 


IMMANUEL    Ml'XK. 


Worte  zieht  sich  der  Verbrennungswert  der  etwa  ',3  des  Eiweißgewichtes 
betragenden  Harnstüti'iuenge,  die  zur  Lösung  des  Harnstoties  erforder- 
liche NV;irmemenge,  die  Verbrennungswärme  des  bei  Eiweißnahrung  ge- 
bildeten Kotes  u.  a.  ab.  Den  physiohjgischen  Wärmewert  des  Eiweißes 
hat  Kubner-  in  Tierversuchen,  entsprechend  den  vorstehenden  Ab- 
leitungen, um  mehr  als  ^'4  niedriger,  im  Mittel  zu  nur  4,1  Kai.  festge- 
stellt, also  zu  dem  gleichem  Werte  wie  bei  den  Kohlehydraten.  Es  be- 
trägt demnach  der  kalorische  Nutzetlekt  von 


I   g  Kohlehydrat  oder  Eiweifi 
I   „  Fett 


4.1   Kai 

9.3     ,. 


Fig.  2. 


d.  h.  bei  gleichem  Gewicht  liefern  die  Fette  im  Körper 
am  meisten  Wärme,  und  zwar  reichlich  2V^mal  so  viel 
als  Eiweiß  oder  Kohlehydrat. 

Während  früher  nach  dem  Vorgang  von  D  u  1 0  n  g  konstruierte  Wasser- 
kalorimeter benutzt  worden  sind,  haben  sich  in  neuerer  Zeit  als  genauer 
und  für  Untersuchungen  bequemer  die  Luftkalorimeter,  wie  sie  von 
d'Arsonval,  J.  Rosenthal  und  E  u  b  n  e  r  angegeben  worden  sind,  erwiesen. 

Fig.  2  giebt  das  Prinzip  des  Rubn er- 
sehen Apparates  ^')  schematisch  wieder.  Er 
besteht  aus  einem  cylindrisch  gestalteten 
Versuchsraum  A  aus  geschwärztem  Weiß- 
blech, den  in  einem  gewissen  Abstand 
ein  Mantel  aus  blankem  Messingblech 
umgiebt.  Eine  in  Ä  eingebrachte  Wärme- 
quelle (verbrennliche  Substanz  oder  Ver- 
suchstier) überträgt  die  Wärme  weitaus 
der  Hauptraenge  nach  an  die  Wandungen 
von  Ä ;  infolge  davon  dehnt  sich  die  Luft 
des  Mantelraumes  c  aus  und  hebt  eine 
leicht  äquilibrierte  Glocke  e,  die  in 
einem  mit  Petroleum  gefüllten  Gefäße  B 
schwimmt.  Die  Führung  der  Aequili- 
brierung  läuft  über  zwei  Rollen,  deren 
eine  im  Centrum  einer  in  Grade  geteilten 
Scheibe  s  befestigt  ist.  Die  Drehung  der 
Rolle  und  damit  auch  die  Hebung  oder  Sen- 
kung der  Glocke  (Volumeter)  wird  durch 
einen  mit  ersterer  verbundenen  Zeiger 
markiert.  Zur  Eliminierung  der  Schwankungen  der  Temperatur  und  des 
I^ruckes  der  umgebenden  Luft  stellt  man  ein  gleiches  Kalorimeter  von  gleicher 
Größe  mit  dem  ersten  auf  und  bestimmt  dessen  Ausschläge  am  Volumeter. 
Die  gefundenen  Ausschläge  lassen  sich  in  das  absolute  Maß,  Kalorien,  über- 
tragen fvergl.  hierüber  die  Originalmitteilungen).  Befindet  sich  ein  Tier  im 
Kalorimeterraum,  so  bedarf  es  der  Ventilation,  zu  welchem  Behufe  durch  den 
Kalorimeterraum  in  der  Richtung  a,  A,  b  mittels  einer  Wasserluftpumpe 
eine  durch  eine  Gasuhr  gemessene  Luftmenge  gesaugt  wird,  wie  durch  den 
Pettenkofer' sehen  Apparat  (Fig.  1,  S.  6).  Durch  Beobachtung  der  Ven- 
tilationsgröße, welche  die  Gasuhr  anzeigt,  und  durch  thermometrische  Messung 
der  in  das  Kalorimeter  einströmenden  und  der  ausströmenden  Luft  ergeben 
sich  die  der  Ableitung  des  Wärmeverlustes  mit  der  Ventilation  entsprechen 
den  Werte. 


-^^ 


^tim^ 


Luftkalorimeter  nach  Rubn  er, 
schematisch. 


48 


Einzoleroähruug  und  Massenernäbrung.  49 

Die  vorliin  abgeleiteten  Werte  für  den  Nutzeffekt  der  Nährstoffe 
nehmen  nuch  nach  anderer  Richtung  unser  Interesse  in  Anspruch.  Wie 
bei  der  Lehre  vom  stofflichen  Verbrauch  angeführt  und  bei  der  Be- 
trachtung der  Bedeutung  der  einzelnen  Nährstoffe  erörtert,  können  die 
verbrennlichen  Nährstoffe  einander  vollständig  oder  innerhalb  gewisser 
Grenzen  vertreten.  So  kann  das  dem  Körper  einverleibte  Eiweiß  auch 
vollständig  für  das  zu  Verlust  gehende  Köri)erfett  eintreten,  zu  dessen 
Schutz  die  Fette  oder  Kohlehydrate  der  Nahrung  dienen,  andererseits 
beschränken  Fette  und  Kohlehydrate  auch  den  Eiweilizerfall,  treten  also 
gewissermalien  für  einen  Teil  des  sonst  zum  Verbrauch  kommenden 
Eiweißes  ein.  ^  Bezug  auf  die  Verhütung  des  Fettverlustes 
vom  Körper  ersetzen  nun  nach  Rubner's*  Ermittelungen  (am 
Hunde)  Eiweiß,  Fett  und  Kohlehydrat  einander  ziemlich 
genau  nach  Maßgabe  ihres  kalorischen  Nutzeffektes,  und 
diese  Vertretbarkeit  bezeichnet  man  auch  als  „Isodynamie".} 

Der  Nachweis,  daß,  von  einer  gewissen  Eiweißmenge  abgesehen, 
deren  Zufuhr  für  den  Köri)er  unentbehrlich  ist. und  deren  Größe  von  den 
gleichzeitig  gegebenen  anderen  Nährstoffen  (Leim,  Fett,  Kohlehydrat) 
abhängt,  insofern  sie  durch  letztere  Sparmittel  tiefer  und  tiefer  herab- 
gedrückt wird  bis  auf  das  sog.  Eiweißminimum,  auf  das  wir  noch  bei 
der  Feststellung  des  täglichen  Kostmaßes  eingehen  werden,  —  daß,  von 
dem  unentbehrlichen  Eiweiß  abgesehen ,  für  den  übrigen  StoÖljedarf 
Fett  und  Kohlehydrate  sich  in  isodynamen  Werten  d.  h.  nach  Maßgabe 
ihres  kalorischen  Aequivalentes  vertreten  können,  hat  manche  Forscher 
2U  der  Neuerung  verführt,  die  Bezeichnung  „Stoffbedarf  durch  die  des 
„Kalorienbedarfes"  zu  ersetzen.  Wir  müssen  dies  Vorgehen  als  ein- 
seitig erachten.  Die  Bewertung  der  verbrennlichen  Nährstoffe  nur  nach 
der  Größe  der  daraus  für  den  Körper  frei  werdenden  Wärme  ist  schon 
deshalb  nicht  zutreffend,  einmal  weil,  wie  schon  Nviederholt  erörtert, 
eine  gewisse  Eiweißmenge  geboten  werden  muß,  die  dem  stofflichen  Er- 
satz des  zu  Verluste  gehenden  Körpereiweißes  dient  und  in  dieser  Hin- 
sicht durch  keinen  anderen  Stoff'  ersetzbar  ist ,  sodaß  für  diese  die 
dabei  frei  werdende  Wärme  nur  von  sekundärer  Bedeutung  ist,  sodann 
weil,  wenn  auch  bei  den  Fetten  und  Kohlehydraten,  sowie  dem  Eiweiß- 
überschuß die  bei  deren  Zerstörung  entwickelte  Wärme  für  den  Körper 
von  wesentlicher  Bedeutung  ist,  doch  auch  ihr  stofflicher  Wert  nicht 
außer  Acht  gelassen  werden  darf,  vermöge  dessen  sie  Körpersubstauz 
vor  dem  Verbrauch  schützen  oder  für  zerstörte  Substanz  eintreten,  end- 
lich weil  selbst  bei  dem  ruhenden  d.  h.  nicht  arbeitenden  Menschen, 
auch  wenn  wir  von  jener  Quote  des  unentbehrlichen  Eiweißes  absehen, 
die  Nährstoffe  nicht  nur  die  Bedeutung  haben,  zum  Zwecke  der  Deckung 
der  Wärmeverluste  und  der  Erhaltung  der  Konstanz  der  Eigenwärme 
W  arme  zu  bilden,  sondern  auch  die  zur  Unterhaltung  der  für  das  Leben 
unerläßlichen  Atem-  und  Ilerzbewegungen,  sowie  der  Drüsen-  und  Darm- 
arbeit erforderliche  lebendige  Kraft  frei  werden  zu  lassen.  Auch  könnte 
die  Bezeichnung  „Kalorienbedarf  zu  der  falschen  Vorstellung  führen, 
daß  alle  Stoffe,  welche  im  Körper  verbrennen,  sich  nach  Maßgabe  ihres 
Inhaltes  an  potentieller  Energie  vertreten,  was  erst  zu  beweisen  wäre, 
nach  den  bisherigen  Erfahrungen  aber  weder  für  den  Alkohol  noch  für 
das  Glycerin  noch  für  die  flüchtigen  Fettsäuren  oder  die  organischen 
Säuren  zutrifft.  So  wichtig  daher  die  Kenntnis  des  kalorischen  Wertes 
und  der  Isodynamie  der  verbrennlichen  Nährstoffe  ist,  so  repräsentiert 
diese  doch  nur  eine  Seite  ihrer  Bedeutung  für  den  Körper,  neben  der 

Handbuch  der  Hygiene.  Bd.  UI.  AbUj.  1.  a 

49  ^ 


50  IMMANUEL    MUNK. 

die  andere,    welcbe    sich  aus   ihrer   rein    stofflichen    "Wirkung   herleitet, 
zum  mindesten  als  ebenbürtig  zu  erachten  ist. 

1)  Vehrr  die  Verhrrnnung^värvu  im  Kalorimeter  vfnjl.  Stohmann.  Journ  f.  pr.  Ch  N.  F. 
\9.  Bd.  115;  Landtrirtsrhaftlirhr  J(i>irf)ii<h.  dSSi)  5 IS;  Stohmann  )/»</ Langbein,  Jourtt. 
f.  pr.  Ch.  42.  Bd.  3G1;  v.  Hechenberg,  ebenda  22.  Bd  1,  223;  B.  Danilewsky,  P/lü- 
ger'i   Areh.   36.   Bd.   237. 

2)  Rubner,  Z.  f.  Biol.  21.  Bd.  237,  250. 

3)  Derselbe,  ebenda  25.  Bd.  289;  Kalorimttrifche  Methodik,  Festschrift  für  0.  Ludwig, 
Marburg  (1891). 

4^  Derielbe,  ebetuia   19.  Bd.  302,   22.  Bd.  50. 


DRITTER    ABSCHNITT. 

Die  >a]iriniJi  des  3Ieiisclieii. 

Die  zum  Stoffersatz  dienenden  Nahrungsstofl'e  werden  nur  zum  Teil 
als  solche  aufgenommen ,  wie  Wasser ,  Salz ,  Zucker,  Schmalz,  zum 
größeren  Teil  in  Form  der  Nahrungsmittel.  Unter  Nahrungsmitteln 
versteht  mau  die  in  der  Natur  vorkommenden  oder  technisch  herge- 
stellten Gemenge  von  Nährstoffen  (ohne  oder  mit  Würz-  und  Genuß- 
stoflen  event.  auch  anderen,  für  den  Körper  gleichgiltigen  oder  wert- 
losen Substanzen);  sie  werden  nach  Plan  und  Anlage  dieses  Handbuches 
einer  speziellen  Bearbeitung  unterzogen,  sodaß  in  dieser  Hinsicht  darauf 
zu  verweisen  ist.  Nur  insoweit  die  Nahrungsmittel  für  die  spezielle 
Ernährungslehre  in  Frage  kommen,  wird  eine  gedrängte  synoptische 
Uebersicht  ihres  stofflichen  Gehaltes  gegeben  werden  müssen. 

Man  versteht  unter  Nahrung  das  Gemisch  von  Nährstoffen, 
Nahrungsmitteln  und  Genußmitteln,  das  den  Menschen  auf  seinem  stoff- 
lichen Bestände  erhält  oder  ihn  in  einen  gewünschten  stofflichen  Zustand 
(Fleischmast,  F'ettmast,  \Yachstum  etc.)  versetzt.  Da  nun,  wie  in  den 
beiden  ersten  Abschnitten  erörtert,  die  Größe  des  Stoffverbrauches  von 
mannigfachen,  inneren  und  äußeren  Bedingungen  abhängt:  Körperge- 
wicht, Lebensalter,  Geschlecht,  Körperzustand,  ob  mager  und  fleiscli- 
reich  oder  mehr  fettreich,  äußere  Temperatur  und  Klima,  Körperverhalteu, 
ob  bei  Körperruhe  oder  Muskelarbeit  u.  a.,  und  dementsprechend  die 
Bedarfsgröße  an  den  zum  StoÖersatz  dienenden  Nährstoffen  innerhalb 
weiter  Grenzen  schwankt,  so  muß  auch  die  Nahrung,  d.  h.  die  Zufuhr 
einer  solchen  Menge  von  Nährstoffen,  daß  damit  der  stottliche  Bestand  des 
betreffenden  Individuums  zum  mindesten  gewahrt  und  seine  körperliche 
Leistungsfähigkeit  auf  die  Dauer  erhalten  bleibt,  quantitativ  verschieden 
sein  Diesen  Teil  der  speziellen  I'>nährungslehre,  welcher  die  täg- 
liche Bedarfsgröße  an  Nährstoffen  unter  den  verschiedenen  Lebensver- 
hältnissen behandelt,  bezeichnet  man  auch  als  die  Lehre  vom  Kost- 
maß. 

Außer  diesen  quantitativen  Verschiedenheiten  in  der  Zufuhr  der 
Nährstoffe  kommen  auch  gewisse  qualitative  Verhältnisse  der  Nahrungs- 
mittel, ihre  iihysikalische  und  chemische  Beschaffenheit,  sowie  ihr  Ver- 
halten im  Darm  in  Betracht,  und  gerade  von  diesen  Momenten  ist  ihre 
Verwertbarkeit,  d.  h.  der  Grad,  in  welchem  sie  verdaut  und  in  ilie 
Säftemasse  des  Körpers  übergeführt  werden,    in   erster  Linie  abhängig 

4.* 
51 


52 


IMMANUEL    MUNK, 


Endlich  ist  für  die  Ziisamnicnsetzuiig  und  Wahl  der  Nahrung  die  Frage 
von  Bedeutung,  ob  es  für  den  Köri)er  z^vecknl:ilMg  ist,  die  Nahrungs- 
mittel ausschließlich  dem  Tier-  oder  Pflanzenreich  oder  beiden  zu  ent- 
nehmen, und,  wenn  letzteres  der  Fall,  welches  die  günstigste  Mischung 
l)tlanzlicher  und  tierischer  Nahrungsmittel  ist.  Endlich  ist  für  die  Ver- 
dauung und  noch  mehr  für  die  Bekömmlichkeit  die  Temperatur  der 
Speisen  und  Getränke,  ob  sie  heiß,  ^^•arm  oder  kalt  genossen  werden, 
von  Bedeutung.  Aus  didaktischen  Gründen  erscheint  es  geraten,  diese 
für  die  Auswahl  und  Zubereitung  der  Nahrung  in  Betracht  kommenden 
allgemeinen  Gesichtspunkte  vorwegzunehmen  und  erst  dann  zur  Fest- 
stellung des  Kostmaßes  zu  schreiten. 

Da  wir  für  die  nachfolgenden  Erörterungen  die  Kenntnis  der  Zu- 
sammensetzung und  des  Gehaltes  der  wichtigeren  Nahrungsmittel  an 
den  einzelnen  Nährstofifen  nicht  entbehren  können,  möge  dieselbe  als 
Mittel  der  zahlreich  vorliegenden  Analysen,  die  von  J.  König  (Die 
menschlichen  Nahruugs-  und  Genußmittel,  I,  3.  Aufl.,  1889)  zusammen- 
gestellt sind,  tabellarisch  vorgeführt  werden. 


In  100  T. 

Wasser 

Eiweifs 

Fett 

Kohle- 
hydrate*) 

Cellulose 

Asche 

Fraaenmilch 

89,7 

2,0 

3.1 

5.0 

— 

0,2 

Kabmilch 

87,7 

3.4 

3.2 

4.8 

— 

0,7 

Käse 

36—60 

25—33 

7-30 

3-7 

— 

3-4 

Fleisch 

76,7 

20,8 

1,5 

0,3 

— 

1,3 

Hühnerei 

73.7 

12,6 

12.1 

— 

— 

1,1 

Weizenmehl 

13,3 

10,2 

0,9 

74.8 

0,3 

0,5 

Roggenmehl 

13,7 

11,5 

2,J 

69,7 

1,6 

1,4 

^\■eizenbrot,  fein 

35.6 

7,1 

0,2 

55,5 

0,3 

1,1 

Roggenbrot 

42,8 

6,1 

0,4 

49,2 

0,5 

1.5 

Pumpernickel 

43.4 

7i7 

1,5 

451 

0,9 

1,4 

Reis 

13.1 

7.0 

0,9 

77.4 

0,6 

1,0 

Mais 

13.1 

9.» 

4.6 

68,4 

2,5 

1,5 

Maccaroni 

10,1 

9.0 

0,3 

79.0 

0,3 

0,5 

Erbsen,  Linsen,  Bohnen 

12—15 

23—26 

lV-2 

49-54 

4-7 

2-3 

Kartoffeln 

75-5 

2,0 

0,2 

20,6 

0,7 

1,0 

Mohrrüben 

87,1 

1,0 

0,2 

9.3 

1,4 

0,9 

Kohlarten 

90 

2-3 

0,5 

4-6 

1—2 

1,3 

Pilze,  frisch 

73-91 

4-8 

0,5 

3-12 

1—5 

I,? 

Obst,  frisch 

84 

0,5 

— 

10 

4 

0,5 

1.  Teil:   Allgemeines. 

§  1.    Bedeutung  der  Zerkleinerung  und  Zubereitung 

der  Nahrung. 

Sollen  im  Darmkanal  die  Nährstoffe  aus  dem  Rohmaterial  der 
Nahrungsmittel  mit  möglichst  geringem  Aufwand  von  Arbeit  und  von 
subjektiven  Beschwerden  ausgezogen  und  in  Lösung  übergeführt  werden, 
so  würde  dies  ohne  weiteres  nur  bei  den  schon  in  flüssiger  Form  ge- 
reichten Nährstoff"en  und  Nahrungsmitteln :  Wasser,  Zucker,  Salz,  Milch 
der  Fall  sein.    Bei  den  übrigen  tierischen  und  vollends  bei  den  pflanz- 


*)  sog.  verdauliche    Kohlehydrate  :    Zucker,   Stärkemehl,    Dextrin  u.  s.  w.  im  Gegen- 
satz zur  Rohfaser  oder  Cellulose. 


52 


EinzelernäbruDg  und  Massenernäbrung.  53 

liehen  NahruDgsmitteln  liegen  die  Nährstoffe  nicht  frei  und  den  Ver- 
dauungssäften  zum  direkten  Angriff  bereit.  Das  organisierte  Gefüge  der 
tierischen  und  ptianzlichen  Teile,  in  welchem  die  Nährstoffe  eingeschlossen 
sind,  erschwert  ihre  Extraktion  aus  den  zelligen  Gebilden  und  in  um 
so  stärkerem  Grade,  je  größer  und  kohärenter  die  eingeführten  Stücke 
sind.  Zwar  ist  auch  dafür  z.  T,  schon  von  der  Natur  gesorgt,  insofern 
der  Eingang  zum  Verdauungsapparat  mit  mechanischen 
Zerkleinerungsvorrichtungen  ausgestattet  ist,  welche,  solange 
sie  zu  funktionieren  vermögen,  die  durch  die  Größe  und  Kohärenz  der 
Stücke  für  die  Verdauung  bedingten  Nachteile  beträchtlich  zu  verringern 
vermögen,  die  Zähne,  von  denen  für  die  grobe  Zerkleinerung  (Ab- 
beißen, Abreißen)  die  meißeiförmigen  Schneide-  und  die  spitzen  scharfen 
Eckzähne,  für  die  feinere  des  Zermalmens  und  Zerreibens  die  mit 
breiter  Krontläche  und  kleinen  Vorsprüngen  versehenen  Mahl-  oder 
Backzähne  in  Betracht  kommen.  Je  feiner  die  Zerkleinerung  erfolgt, 
desto  größer  ist  die  Angriffsfläche  für  die  Verdauungssäfte,  und  desto 
schneller  und  vollständiger  geschieht  die  Extraktion  und  Lösung  des 
Verdaulichen.  Wollen  wir  außerhalb  des  Körpers,  also  in  vitro  aus 
pflanzlichen  oder  tierischen  Gebilden  die  löslichen  Teile  mit  Wasser  oder 
Weingeist  oder  Aether  ausziehen,  so  überzeugen  wir  uns  schnell,  von 
welcher  Bedeutung  die  feine  Verteilung  ist.  In  großen  Stücken  können 
wir  die  organisierten  Teile  tagelang  mit  den  Extraktionsmitteln  über- 
schichtet stehen  lassen,  ja  wir  können  sogar  durch  mechanische  Hilfe, 
z.  B.  Schütteln,  die  Einwirkung  fördern,  ohne  daß  es  uns  gelingt,  mehr 
als  Bruchteile  des  überhaupt  Löslichen  auszuziehen.  Deshalb  ist  auch 
für  die  chemische  Extraktion  und  Lösung  die  möglichste  mechanische 
Zerkleinerung  von  Bedeutung ;  am  vorteilhaftesten  erweist  sich  diejenige, 
bei  welcher  dem  zu  lösenden  Agens  die  größte  Ober-  und  Angriflsfläche 
gegeben  wird,  die  Form  eines  feinen  Pulvers.  Wie  groß  der  Einfluß 
der  Zerkleinerung  schon  allein  durch  die  Zähne  ist,  erhellt  aus  der  un- 
genügenden Verdauung  und  Verwertung  der  Nahrungsmittel,  die  überall 
da  zu  beobachten  ist,  wo  infolge  defekter  Zähne,  wie  z.  B.  im  höheren 
Alter,  das  Kauen  nur  unvollständig  erfolgt.  Hier  kann  man  bei  genauer 
Untersuchung  in  den  Kotabgängen  einzelne  unangegrifl'ene  oder  wenig 
angegi'iffene,  noch  das  pflanzhche  oder  tierische  Gefüge  aufweisende 
Bruchstücke  tinden.  Und  daß  in  solchen  Fällen  der  Zahndefekt  die 
wesentliche  Ursache  der  ungünstigen  Verwertung  der  in  größeren  Stücken 
eingeführten  Nahrung  ist,  geht  daraus  hervor,  daß,  sobald  durch  ein- 
gesetzte künstliche  Zähne  die  Möglichkeit  zum  Zerkauen  der  Nahrung 
wieder  gegeben  ist,  dann  auch  die  Ausnutzung  sich  verbessert  und  der 
Abgang  wenig  oder  gar  nicht  verdauter  Bruchstücke  der  Nahrung  nicht 
mehr  beobachtet  wird.  Beim  Säugling,  dem  das  Gebiß  noch  fehlt,  darf 
mangels  des  Kauens  nur  flüssige  Nahrung  (Milch)  oder  allenfalls  breiig- 
weiche (in  Milch  erweichter  Zwieback  und  Aehnliches)  gegeben  werden. 
Wenn  auch  bei  gesunden  Zähnen  das  Kauen  in  Bezug  auf  die  Zer- 
kleinerung der  Nahrung  Vieles  leisten  kann,  so  thut  man  doch  gut, 
auch  an  die  Kauarbeit  nicht  die  höchsten  Anforderungen  zu  stellen, 
vielmehr  besonders  bei  harter  Konsistenz  und  groben  Stücken  auf  mecha- 
nischem ^Vege  durch  Zerhacken,  Wiegen  oder  Mahlen  der  Nahrungs- 
mittel die  Zerkleinerung  vorher  vorzunehmen  und  nur  die  feinere  Zer- 
mahlung  der  Nahrung  und  deren  Ueberführung  in  eine  ])ulverige  Masse, 
welche  infolge  von  Durchtränkung  mit  dem  Mundspeichel  die  Form  eines 
schlüpfrigen,  plastischen,  zum  Bissen  formierbaren  Breies  annimmt,  den 

53 


54  IMMANUEL    MUNK, 

Kauwerkzeiif^cu  zu  überlassen.  Abgeseheu  von  den  durch  die  feine  Zer- 
kleinerung; beiüiigten  Vorteilen  für  die  cheniisclie  Extraktion  der  Xähr- 
storte  durch  die  Verdauungssäfte,  kommt  auch  noch  hinzu,  daß  in  feiner 
Zerteilung  die  Nahrung  zweifellos  bekömmlicher  ist,  d.  h.  daß  die  Ver- 
dauung ceteris  paribus  ohne  subjektive  Heschwcrden  vor  sich  geht, 
wahroml  grobe  Stücke,  z.  B.  größere  Fleischstücke,  hartgekochte  Eier 
verm(\i,'e  ihrer  physikalischen  Beschaifenheit  einen  mechanischen  Reiz 
auf  die  Magenschleinüiaut  ausüben,  der  sich  uns  durch  das  Gefühl  von 
Druck  und  V()lle,  ja  sogar  nicht  selten  von  mehr  oder  weniger  starkem 
Schmerz  bemerkbar  macht,  sodaß  wir  uns  mehrere  Stunden  nach  der 
Speiseaufnahme  höchst  unbehaglich  fühlen  und  schon  die  Vorstellung 
der  sich  an  die  Verdauung  anschließenden  qualvollen  Stunden  uns  bei 
erneuter  Speiseaufnahme  jeden  Genuß  rauben  kann. 

Von  noch  größerer  Bedeutung  erweist  sich  der  Einfluß  der  Zu- 
bereitung, die  im  wesentlichen  Sache  der  Kochkunst  ist  und  auf  die 
Einwirkung  hoher  Temperaturen,  sei  es  direkt  oder  durch  Vermittelung 
des  Wassers,  hinausläuft.  Im  allgemeinen  werden  nur  von  uncivilisierten 
Völkerstämmen  die  Nahrungsmittel  roh  verzehrt,  und  man  geht  wohl 
nicht  zu  weit,  wenn  man  auch  die  Kunstfertigkeit,  sich  die  Nahrung 
zweckdienlich  und  schmackhaft  zuzubereiten,  mit  als  einen  Gradmesser 
für  die  Kulturstufe,  auf  der  ein  Volk  steht,  betrachtet.  Gerade  die 
Zubereitung  der  Nahrung  ^  ist  auch  in  hygienischer  Hinsicht  hochbedeut- 
sam, sodaß  wir  derselben  eine  etwas  eingehendere  Betrachtung  schenken 
müssen. 

Der  eigentlichen  küchengemäßen  Zubereitung  der  Nahrung  soll  stets 
das  Putzen  und  Reinigen  der  Nahrungsmittel  vorausgehen, 
was  durch  Abspülen  oder  Abwaschen  mit  Wasser  oder  Abreiben  mit 
sauberen  Tüchern  zweckmäßig  geschieht.  Der  Oberfläche  der  Nahrungs- 
mittel haften  alle  möglichen  Kleinlebewesen  (Mikroorganismen)  an,  solche, 
welche  Gärung  oder  Fäulnis  erregen,  oder  solche,  welche  geradezu  als 
pathogen  zu  erachten  sind.  Dieselben  werden  zwar  mit  zweifelloser 
Sicherheit  durch  die  Kochliitze  bei  der  eigentlichen  Zubereitung  ent- 
fenit,  aber  für  diejenigen  Mittel,  welche  wir  roh  genießen,  wie  Obst- 
früchte, Salate,  Radieschen,  Rettig  u.  a.,  ist  die  vorgängige  Entfernung 
der  der  Oberfläche  anhaftenden  Unreinlichkeitcn  dringend  geboten.  Für 
Obstfrüchte  und  Wurzelfrüchte  ist  die  Entfernung  der  auch  bei  sorg- 
fältiger Reinigung  niemals  ganz  unverdächtigen  Oberfläche  durch  Ab- 
schälen mittelst  sauberer  Messer  noch  empfehlenswerter,  zugleich  weil 
die  an  Holzfaser,  Pflanzenwachs  und  anderem  Unverdaulichen  reiche 
Rinde  oder  Schale  nicht  nur  keinen  Nährwert  hat,  sondern  durch  ihre 
Gegenwart  die  Lösung  des  an  sich  Verdaulichen  eher  stört.  Zu  der 
Reinigung  ist  auch  die  Entfernung  verdorbener,  schon  durch  Aussehen 
oder  Geruch  nicht  mehr  als  normal  anzusehender  Teile  zu  rechnen. 

An  die  Reinigung  schließen  sich  eventuell  die  Operationen  zur 
mechanischen  Zerkleinerung  der  Nahrungsmittel  an,  wodurch 
den  Kauwerkzeugen  und  dem  ganzen  Darm  ein  Teil  der  sonst  aufzuwen- 
denden Arljeit  erspart  und  gleichzeitig  die  Verwertung  derselben  gefördert 
wird,  wie  dies  schon  oben  besprochen  worden  ist.  Diese  mechanischen 
Manipulationen  bestehen  in  Zerstampfen,  Zerhacken,  Schaben,  Verreiben 
und  Vermählen.  Weniger  eine  Zerkleinerung  als  eine  Lockerung  des 
Gefüges  bezweckt  das  Klopfen,  das  z.  B.  bei  größeren  Fleischstücken 
dem  eigentlichen  Braten  vorausgeschickt  zu  werden  pflegt. 

Ebenso  pflegt  dem  Kochen  oder  Rösten  das  Würzen   vorauszu- 

54 


EinzelerDäbrung  und  Masseaeruähriing.  55 

gehen,  dessen  Bedeutung  oben  bei  den  Würz-  und  Genußstoffen  erörtert 
worden  ist  (S.  41).  Das  Würzen  Ijestelit  im  Zusatz  von  Kochsalz,  Pfeffer, 
Zwiebeln,  PHanzensäuren,  eigentlicliera  Gewürz  u.  a.  Das  Würzen  ist 
um  so  notwendiger,  je  weniger  Gesclimack  an  sich  die  S])eisen  haben, 
"wie  dies  zumal  bei  einer  Reihe  von  Vegetabilien  :  (Jetreide-  und  Hülsen- 
früchten, Kartoffeln  u.  a.  der  Fall  ist.  Hier  ist  der  Zusatz  von  Würz- 
stoffen geradezu  unerläßlich,  denn  nur  durch  den  würzigen  Geschmack 
und  Geruch  wird  die  Eßlust  geweckt,  sodaß  die  Speiseaufnahme  nicht 
als  Last  empfunden,  Widerwillen  uml  Ekel  ferngehalten  wird.  Gerade 
bei  der  Masseneniährung,  wo  wegen  der  Wohlfeilheit  die  an  sich  wenig 
sclimeckenden  pflanzlichen  Nahrungsmittel  die  Grundlage  und  den  Haupt- 
inhalt der  Verköstigung  bilden,  kommt  es  auf  richtiges,  der  allgemeinen 
Geschmacksrichtung  auge|)aßtes  Würzen,  das  übrigens  bei  den  kleinen 
Mengen,  in  denen  die  Würzstoffe  schon  wirken,  mit  relativ  geringen 
Unkosten  verknüpft  ist,  sehr  viel  mehr  an,  als  auf  ein  stärkeres  Bevor- 
zugen der  höhere  Verptlegungskosten  erfordernden  animalischen  Nahrung. 
Doch  darf  man  auch  hier  nicht  schablonenmäßig  stets  dieselben  Würz- 
stoffe verwenden,  vielmehr  muß  man  wegen  der  bei  andauerndem  Genuß 
derselben  Gewürze  sich  so  leicht  einstellenden  Geruchs-  und  Geschraacks- 
abstumpfung  mit  den  Würzstoffen  wechseln,  um  den  erwünschten  Genuß- 
reiz zu  erzielen  (S.  45). 

Die  eigentliche  Zubereitung  unter  Einwirkung  hoher  Temperaturen, 
die  nmn,  wenn  die  Nahrungsmittel  mit  Wasser  angesetzt  uncl  letzteres 
auf  Kochtemperatur  erhitzt  wird,  als  Kochen  oder  Sieden  und, 
wenn  die  Einwirkung  der  hohen  Temperatur  direkt  und  ohne  Ver- 
mittelung  des  Wassers  erfolgt,  je  nachdem  als  Rösten,  als  Backen 
oder  als  Braten  bezeichnet,  ist  in  Bezug  auf  die  dadurch  bewirkten 
physikalischen  oder  mechanischen  und  chemischen  Veränderungen  z.  T. 
verschieden,  je  nachdem  es  sich  um  tierische  oder  pflanzliche  Nahrungs- 
mittel handelt.  Für  die  Mehrzahl  der  pflanzlichen  Mittel  ist  diese  Art 
der  Zubereitung  geradezu  unerläßlich.  Einmal  liegen  in  den  Vegetabi- 
lien die  Nährstoffe  nicht  frei,  nicht  direkt  den  Verdauungssäften  zu- 
gänglich, vielmehr  sind  sie  in  derbe,  gegen  die  Verdauungssäfte  und  die 
sonstigen  Lösungskräfte,  über  die  der  Darm  verfügt  (Fäulnis,  Gährung), 
außerordentlich  resistente  Cellulosekapseln  eingeschlossen,  daher  sie  vor 
dem  Genuß  fast  ausschließlich  Einwirkungen  erfahren  müssen,  welche 
im  wesentlichen  darauf  hinauslaufen,  die  Cellulosekapseln  zu  sprengen 
und  so  den  Nährstoff'inhalt  ,,aufzuscldießen".  Nun  kann  ein  Teil  dieser 
Arbeit  durch  die  Zerkleinerung  geleistet  werden,  sei  es  durch  mecha- 
nische Hilfsmittel,  insl)e3ondere  diejenigen,  welche  ein  Zerreiben  und 
Zermahlen  l)ezweckt'n  und  bei  der  Verarbeitung  der  Getreidefrüchte  zu 
Mehl  und  der  Hülsenfrüchte  zu  einem  mehlartigen  Pulver  zur  Verwen- 
dung gelangen,  oder  durch  die  mechanischen  Hilfsmittel,  welche  uns  in 
den  Kauwerkzeugen  zur  Verfügung  stehen.  Wenn  jedoch  nur  die  grö- 
beren mechanischen  Methoden,  wie  Zerschneiden  und  Zerhacken,  an- 
gewendet worden  sind,  sodaß  das  pflanzliche  Gefüge  auch  noch  in  den 
zerkleinerten  Stücken  erhalten  ist,  so  vermag  das  Kauen  nur  einen  Teil 
der  Pflanzenzellen  aufzuschließen;  der  griH.sere  Teil  bhnbt  uner()fl"iiet,  und 
ihr  Nährstoffinhalt  würde  sich  auch  i)ei  der  Durchwanderung  des  Darms 
der  Lösung  entziehen  und  somit  dem  Körper  nicht  zu  Gute  kommen, 
sondern  der  Hauptsache  nach  unbenutzt  und  unverwertet  mit  dem  Kot 
ausgestoßen  werden.  Diesen  Nachteilen  beugt  das  Kochen  mit  Wasser 
vor.     Wenn  die  Cellulosekapseln  auch  vom  siedenden  Wasser  nicht  ge- 

55 


56  IMMANUEL   MUNK, 

löst  werden,  so  driogt  dieses  doch  durch  die  interstitiellen  Poren  in 
das  Zellinnere  hinein.  Die  im  Zelliuhalt  mehr  oder  wenig  reichlich 
Yorhanilenen  Starkeniehlkörncr  können  das  Mehrfache  ihres  Gewichtes 
an  Wasser  aufnehmen,  wobei  sie  eine  starke  Yolumszunahme  erfahren, 
„aufquellen";  unter  dem  n);u-htigen  Druck  der  quellenden  Stärkekörner 
werden  die  Zellkapseln  gesprengt,  so  die  Nährstotie  freigelegt  und  dem 
AngriÖ'  der  Verdauungssäfte  zugänglich  gemacht.  Abgesehen  von  diesem 
wichtigen  physikalischen  Vorgange  werden  durch  das  Kochen  auch  be- 
deutsame chemische  Veränderungen  bewirkt.  Durch  das  heiße  Wasser 
wird  das  an  sich  schwerer  verdauliche  rohe  Stärkemehl  zunächst  zum 
Quellen  gebracht,  z.  T.  in  lösliche  Stiirke,  z.  T.  in  einen  gallertigen 
Zustand,  den  Stärkekleister,  übergeführt,  der  vom  Mund-  und  Bauch- 
speichel viel  leichter  gelöst  und  verzuckert  wird,  das  Eiweiß  des  Zell- 
inhalts z.  T.  koaguliert.  Bei  diesem  Verfahren  geht  ein  Teil  der  wasser- 
löslichen StoÖe  in  das  Wasser  über,  es  findet  eine  partielle  Auslaugung 
statt,  durch  die  zwar  auch  mancher  Nährstoft"  entfernt  wird,  aber,  was 
für  die  Verbesserung  des  Geschmackes  von  Bedeutung,  mancher  herbe 
oder  bittere  Stoff,  so  bei  Gemüsen  und  krautartigen  Gewächsen,  deren 
erstes  Absud  in  der  Regel  abgegossen  wird.  In  vielen  Fällen  wird 
vorteilhaft  das  Kochen  so  lange  fortgesetzt,  bis  durch  Imbibition  mit 
Wasser  das  Ganze  eine  gleichmäßige,  breiartige  Konsistenz  annimmt. 
^Verden  derb-konsistente  Vegetabilien,  wie  (unenthülste)  Hülsenfrüchte 
(Erbsen,  Linsen)  nur  einfach  gekocht,  ohne  dabei  zerquetscht  zu  werden, 
so  können  nach  den  Erfahrungen  von  Fr.  Hof  mann  und  Strüm- 
pell^ 40  Proz.  davon  und  mehr  unverändert  mit  dem  Kot  wieder  aus- 
gestoßen werden.  Endlich  werden  durch  die  Siedehitze  die  noch  den 
Nahrungsmitteln  oberflächlich  anhaftenden  oder  schon  ins  Innere  vor- 
gedrungenen kleinen  Lebewesen  (Mikroorganismen)  vollständig  ertötet 
und  wird  damit  manche,  von  selten  der  rohen  Nahrungsmittel  drohende 
Gefahr  abgewendet. 

Eine  wesentlich  andere  Rolle  spielt  das  Kochen  für  die  animalischen 
Mittel,  z.  B.  Milch,  Eier,  Fleisch.  Während  Milch  und  Eier  im  rohen 
Zustand  flüssig  sind  und  daher  ohne  weiteres  der  Verdauung  und  Auf- 
saugung unterliegen  können,  ist  das  Fleisch  von  fest-weicher  Konsistenz  und 
organisiertem  Gefüge.  Allein  im  Gegensatz  zu  den  Pflanzenzellen  haben 
die  Zellen  der  tierischen  Gebilde  entweder  keine  Membran  oder  eine 
nur  so  zarte,  daß  die  Nährstoffe  des  Zellleibes  fast  frei  und  seitens  der 
Verdauungssäfte  direkt  angreifljar  liegen.  Deshalb  kann  auch  das  im 
rohen  Zustande  eingeführte  Fleisch,  vorausgesetzt  daß  es  in  zerkleinertem 
Zustande  (als  gehacktes  oder  gewiegtes)  genossen  oder  auch  nur  durch 
sorgsames  Zerkauen  zerkleinert  wird,  nicht  nur  verdaut  und  ausgenutzt, 
sondern  auch  ohne  Beschwerden  vertragen  werden.  Dagegen  läuft  man 
beim  Genuß  rohen  Fleisches  Gefahr,  im  Fleisch  parasitär  lebende 
Organismen,  Blasenwürmer  oder  Finnen  (Cysticercus)  sowie  Trichhien 
einzuführen,  von  denen  erstere  entweder  Blasenwürmer  frei  werden  lassen, 
die  vom  Darm  aus  ihre  Wanderung  antreten  und  mit  dem  Blutstrom 
zum  Gehirn,  zum  Auge  oder  zur  Haut  gelangen  können,  unter  Um- 
ständen schwere  funktionelle  Störungen  hervorrufend,  oder  durch  Genera- 
tionswechsel zu  Bandwürmern  werden,  während  die  Trichinen,  die  Darm- 
wand durchsetzend  in  die  Muskeln  einwandern  und  durch  ihre  Anhäufung 
in  gewissen  Muskeln  (Kehlkopf,  Zwerchfell)  schwere  Erscheinungen,  ja 
den  Tod  herbeiführen  können.  Noch  größere  Gefahren  können  vom 
Genuß   roher  Milch  drohen,   insofern   bei   der  Maul-  und  Klauenseuche 

56 


Einzclernährung  und  MaFsenernährung.  57 

sowie  bei  der  Perlsucht  (Tuberkulose)  milchender  Tiere  (Kühe,  Schafe) 
die  spezifischen  Kninkhcitskcinie  in  die  Milch  übersehen  und  so  zum 
Aus])ruch  der  resi».  Krankheiten  bei  demjenigen,  der  die  rohe  Milcli 
jeuer  kranken  Tiere  j^'enießt,  Aidaß  ^'eben  kihinen.  F.bonso  kann  die 
Milch  jj;elegentlich  Typlius-  oder  C'liolerabacillcn  enthalten,  dadurch  daß 
die  Aufbewahrungsgefiiße  mit  solch  infiziertem  Wasser  gespült  worden 
sind,  oder  sie  kann  die  Infektionskeime  der  Diphtheritis  und  des  Schar- 
lachs aufgenommen  haben  und  bei  Genuß  im  rohen  Zustande  die  resp. 
Krankheiten  übertragen.  Diese  Gefahren  werden  durch  das  Kochen  der 
Milch  abgewendet,  indem  die  Siedhitze  schon  bei  einer  Einwirkungsdauer 
von  10^15  Minuten  jene  Infektionsträger  ertötet. 

Eine  wesentliche  Bedeutung  hat  die  Zubereitung,  insbesondere  beim 
El  ei  seh,  insofern  dadurch  die  Schmackhaftigkeit  und  Bekömmlichkeit 
gefördert  wird.  Nur  hat  man  hier  streng  zu  unterscheiden  je  nach 
der  Art,  in  welcher  die  Einwirkung  der  hohen  Temperatur  erfolgt. 
Bringt  man  das  Fleisch  in  nicht  zu  großen  Stücken,  zweckmäßig  unter 
Zusatz  von  Salz  und  anderen  Würzstoffen,  mit  Wasser  zusammen  und 
erwärmt  das  Gemenge,  so  erfolgt  eine  Auslaugung  der  in  kaltem  und 
weiterhin  der  in  warmem  Wasser  löslichen  Stoffe:  Salze,  Extraktivstoffe 
(Eleischbasen),  wasserlösliches  Eiweiß  (Albumin)  u.  a.,  und  zwar,  je 
länger  das  Wasser  einwirkt,  in  um  so  stärkerem  Grade.  So  geht  der 
größte  Teil  der  schmeckenden  Würzstoffe  und  des  roten  Farbstoffes,  ein 
Bruchteil  des  Fleischeiweißes,  die  wichtigen  Fleischsalze,  soweit  sie  wasser- 
löslich, weiterhin  auch  ein  Teil  des  in  Leim  übergeführten  Bindegewebes 
und  etwas  Fett  in  das  Kochwasser  über,  das  als  Fleischbrühe  ein 
beliebtes  Genußmittel,  zugleich  eine  passende  Einleitung  zu  einem  größereu 
Mahle  abgiebt.  Sobald  die  Temperatur  der  Fleischbrühe  70"  er- 
reicht ,  gerinnt  das  darin  enthaltene  Eiweiß,  der  rote  F'arbstoff  wird 
unter  Braunfärbung  (Bildung  von  Ilämatin  und  geronnenem  Eiweiß)  zer- 
setzt ;  so  entsteht  ein  brauner  Schaum,  der  seines  mißfarbigen  Aussehens 
wegen  schon  Ijei  der  Zubereitung  abgeschöpft  wird,  obwohl  er  Nährstoffe 
enthält.  Bei  dieser  Art  der  Zubereitung  ist  die  Auslaugung,  also  die 
Gewinnung  einer  wohlschmeckenden  würzigen  Fleischbrühe  (Bouillon) 
die  Hauptsache;  deshalb  wird  das  Kochen  mit  Wasser  in  der  Regel 
mehrere  Stunden  unterhalten,  um  möglichst  vollständig  alles  Wasser- 
lösliche zu  extrahieren.  Das  übrig  bleibende  Kochtleisch  ist,  da  bei 
70 "  zunächst  das  Flweiß  der  Kindenschichten  und  bei  weiterer  Einwir- 
kung der  Hitze  auch  das  der  tieferen  Schichten  gerinnt,  je  nach  der 
Dauer  des  Kochens  um  so  härter,  derber  und  zäher,  und  wenn  auch 
sehr  nährstoffreich  (der  Flweißgehalt  des  Kochfleisches  beträgt  bis  zu 
30  l'roz ).  doch  wenig  schmackhaft,  schwerer  bekömmlich,  iind  es  bedai-f 
zur  Verbesserung  des  Geschmackes  und  der  Bekömnilichkeit  einer  be- 
sonderen   Zubereitung  (Schmoren   unter  Zusatz   von  (iewürz   und  Fett). 

Kommt  es  nicht  auf  die  Herstellung  einer  Fleischl)rülie  an,  sondern 
nur  auf  Erzielung  m()glichster  Schmackhaftigkeit  und  Bekömnilichkeit 
des  Fleisches,  so  erweist  sich  das  Dämpfen^  und  Braten  am  zweck- 
mäßigsten. Das  Dämpfen  ist  eine  in  vielen  Beziehungen  vorteilhafte 
Zubereituugsart,  bei  der  man  nicht  kochendes  Wasser,  sondern  Wasser- 
dami)f  anwendet,  der  nicht  direkt  in  das  Fleisch  eindringt,  sondern  nur 
die  Wandungen  des  im  geschlossenen  Behältnis  befindlichen  Fleisches 
allseitig  erwärmt,  wozu  man  am  besten  einen  doi)pelwandigen  Metall- 
kochtopf (Beck  er 's  Dainpfkochtopf)  verwendet,  zwischen  dessen  dop- 
pelten Wanduugeu  erhitztes  Wasser  sich  befindet ;   für    Fleiscli   ist   es 

57 


58  IMMAMEL    MUNK. 

nicht  nötig,  bis  zu  Siedehitze  zu  erwärmen,  weil  schon  eine  Temperatur 
von  TU^'  genügt,  das  Fleisch  in  denjenigen  Zustand  zu  versetzen,  in  dem 
es  die  uns  angenehme  Beschatlenheit  oder  Konsistenz  hat,  gar  oder 
halbgar  wird,  ohne  daß  dabei  das  Eiweiß  in  den  geronnenen  Zustand 
übergeht.  Indem  die  Temperatur  hier  nicht  so  hoch  gesteigert  zu 
werden  braucht,  werden  dem  Fleisch  alle  seine  Bestandteile,  die  näh- 
renden wie  die  schmeckenden,  erhalten,  zugleich  wird  fast  jede  Zersetzung 
organischer  Stoffe  hierbei  vermieden. 

Ein  anderes,  sehr  zweckmäßiges  Verfahren,  möglichst  schmackhaftes 
und  nahrhaftes  Fleisch  zu  gewinnen,  ist  das  Braten  und  Rösten. 
Hier  setzt  man  das  Fleisch  in  möglichst  großen  Stücken  (ohne  Zusatz 
von  Wasser),  und  wenn  das  Fleisch  mager  ist,  vorteilhaft  unter  Zusatz 
von  Fett  direkt  der  hohen  Temperatur  aus.  Unter  der  Einwirkung  der 
Hitze  gerinnt  zunächst  das  Eiweiß  an  der  Oberfläche,  bei  70^  wird 
schon  der  rote  Farbstoff  zerstört,  das  Fleisch  bräunt  sich.  Indem  die 
Hitze  auf  die  Rindenschichteu  weiter  einwirkt,  erfolgt  je  länger,  desto 
stärker  eine  teilweise  Zersetzung  des  Eiweißes  und  anderer  organischen 
Stoffe  (Extraktivstoffe,  Fett),  weiterhin  eine  gelinde  Verkohlung,  und 
hierbei  entstehen  als  Zersetzungsproduktc  eine  Reihe  scharf  und  pikant 
schmeckender  und  würzig  riechender  Stoffe,  deren  Gegenwart  die  Rinden- 
scbicht,  die  sog.  braune  bis  schwarze  Bratenkruste  auszeichnet.  Auch 
wird  infolge  der  Gerinnung  der  Rindenschichten  dem  Fleischsaft  aus  dem 
Innern  der  Austritt  unmöglich  gemacht,  daher  das  Fleisch  beim  Braten 
saftig  bleibt.  Dank  dem  schlechten  Wärmeleitungsvermögen  *  der  wasser- 
reichen tierischen  Teile  dringt  die  Wärme  nur  so  langsam  nach  innen 
vor,  daß,  während  die  Kruste  durch  ihre  dunkle  Färbung  die  Einwir- 
kung einer  Temperatur  über  100°  verrät,  die  Temperatur  im  Innern 
noch  nicht  70  '^  erreicht,  daher  das  Brateninnere  (wie  z.  B.  beim  Roast- 
beef) noch  rot,  blutig  aussehen,  dabei  doch  halbgar  und  für  den  Genuß 
geeignet  sein  kann. 

Ebenso  zweckmäßig  und  z.  T.  noch  beliebter  sind  die  durch  Rösten 
des  Fleisches  hergestellten  Speisen.  Hier  werden,  damit  die  Hitze  mög- 
lichst direkt  und  allseitig  die  Fleischteile  umspült,  die  letzteren  nicht 
in  der  Bratpfanne,  sondern  am  Spieß  oder  auf  dem  Gitterrost  (grill 
der  Engländer)  der  Hitze  ausgesetzt,  dabei  werden  die  Rindenschichten 
mehr  oder  weniger  stark  verkohlt,  wobei  noch  reichlicher  als  beim 
Braten  aromatisch  und  pikant  riechende  und  schmeckende  Stoffe  ent- 
stehen, während  die  schleunige  Bildung  einer  festen  Kruste  dem  Fleisch- 
safte den  Austritt  aus  dem  Inneren  verwehrt. 

Auch  die  Eier  können  roh  genossen  werden,  doch  auch  bei  ihnen 
geht  zumeist  das  Kochen  derselben  in  Wasser  voraus.  Je  weniger  die 
Temperatur  des  W^assers  den  Siedepunkt  erreicht  und  je  kürzere  Zeit 
sie  einwirkt,  desto  lockerer  ist  die  Gerinnung  des  Eiweißes  und  des 
Eigelbes ;  je  stärker  die  Hitzeeinwirkung  ist,  desto  fester  und  derber 
erfolgt  die  Gerinnung,  und  man  unterscheidet  danach  weich  oder  halb- 
weich (pflaumenweich)  und  hart  gekochte  Eier.  Die  weichgekochten  sind 
leichter  verdaulich  und  besser  bekömmlich  als  die  hartgekochten,  indem 
letztere,  wie  größere  Fleischstücke,  einen  mechanischen  Reiz  auf  die 
Magenschleimhaut  ausüben,  soiaß  ihre  Verdauung  nicht  selten  mit  un- 
angenehmen Empfindungen,  ja  sogar  mit  Schmerzen  verknüpft  ist. 
Es  sei  denn,  daß  aus  den  harten  Eiern  dünne  Scheiben  geschnitten 
werden,  welche  der  Magenoberfläche  eine  große  AngriffsflAche  darbieten. 

5S 


Einzeleruährung  und  Masseaernäbruug.  59 

Entgegen  eiueni  verbreiteten  Volksglauben  sind  weiche  Eier  sogar  leichter 
verdaulich  als  rohe  Eier. 

Erweist  sich  nach  alledem  die  Bedeutung  der  Zubereitung  für 
ptlauzliche  Mittel  als  wesentlich  verschieden  gegenüber  der  bei  anima- 
lischen Nahrungsmitteln,  so  ist  ferner  als  bemerkenswert  hervorzuheben, 
dali  auch  in  Bezug  auf  den  Wassergehalt  der  zubereiteten  Speisen  ein 
fundamentaler  Unterschied  sich  geltend  macht.  Beim  Braten  oder  R<)sten 
bülit  das  Fleisch  etwa  20  Proz.  seines  Wassergehaltes  ein,  gekochtes 
oder  gesottenes  ist  sogar  noch  wasserärmer,  enthält  knajjp  r)5  Proz. 
Wasser.  Dagegen  nimmt  beim  Zubereiten  der  ptiaiizlichen  Nahrungs- 
mittel der  Wassergehalt  ausnahmslos  zu.  Die  Hülsenfrüchte,  z.  B.  Erbsen, 
enthalten  im  rohen  Zustande  nur  12 — 15  Proz.  Wasser;  werden  sie  mit 
Wasser  gar  gekocht,  so  tindeu  sich  im  Erbsbrei  rund  70  Proz.,  in  der 
Erbsensuppe  bis  zu  90  Proz.  Wasser  ^.  Bei  den  Kartoffeln,  die  roh  75  Proz. 
Wasser  führen,  steigt  beim  Garkochen  der  Wassergehalt  auch  bis  zu 
90  Proz.  an.  Wird  aus  Weizen-  oder  Roggenmehl  mit  nur  14  Proz. 
Wasser  ein  Teig  hergestellt  und  dieser  zu  Brot  verbacken,  so  enthält 
das  fertige  Weizen-  oder  Roggenbrot  35—42  Proz.  Wasser,  d.  h.  rund 
3  mal  so  viel  Wasser  als  das  Ausgangsmatcrial.  Mit  anderen  Worten  : 
die  pflanzlichen  Mittel  werden  durch  die  Zubereitung  voluminöser,  wäh- 
rend die  animalischen  dabei  ein  geringeres  Volumen  annehmen.  Will 
man  daher  aus  Vegetabilien  allein  seinen  Bedarf  decken,  so  kommt  man 
zu  sehr  großen,  bei  gehaltarmen  sogar  zu  geradezu  kolossalen  Volumina. 
Auf  diesen  wichtigen  Punkt  wird,  da  das  Volumen  einerseits  zu  dem 
Sättigungsgefühl,  andererseits  zu  der  Verwertung  der  Speisen  im  Darm 
in  Beziehung  steht  und  endlich  auch  für  die  zweckmäßige  Auswahl  der 
Nahrungsmittel  zur  Nahrung  in  Beziehung  steht,  noch  besonders  ein- 
zugehen sein. 

1 )  Vergl.  I.  M unk  und  üffelmann,   Die  Ernährung  des  gesunden  u.  kranken  Menschen,  2.  Auß. 
I  1891)   253. 

2)  Fr.  Hofmann,    hei  Voit,  Manch,  akad.  Sttz-Bir.    1869,   D:z.;    Strämpell,    D.   A.  f.  kUn. 
Med.    \1.   lid    118 

3)  E.   Hüppe,    Uerl.  klin     Woch    (1890)  Nr.  G. 

4)  WolflFhügel  und  Hüppe,   Mät.  d    K.  Gesundheitsamtes   1.   Üd.  395. 

5)  Forator,   Z  J.   Biol.   'J.  Bd.  383. 


§  2.     Volumen,  Form  und  Konsistenz  der  Nahrung. 

Gleichwie  wir  bei  der  Erörterung  der  Würz-  und  Genußstotfe  (S.  40) 
betont  haben,  daß  die  Speisen,  auch  wenn  sie  alle  dem  Bedarf  entsprechen- 
den Nährstoffe  in  der  erforderlichen  Menge  enthalten,  nur  dann  ohne 
Widerwillen  verzehrt  werden,  wenn  sie  einen  uns  angenehmen  Geschmack 
und  (ieruch  haben,  sodaB  uns  die  Nahrungsaufnahme  als  Genuß  erscheint, 
eben.so  muß  die  Nahrung  auch  ein  gewisses  Volumen  und  Gewicht  haben, 
wenn  wir  davon  befriedigt  werden,  wenn  wir  das  für  eine  gehobene 
Stimmung  und  für  die  Arbeitslust  notwendige  Gefühl  der  Sättigung 
haben  sollen,  das  nur  durch  eine  gewisse  mittlere  Füllung  des  Magens 
hervorgerufen  wird.  Nun  hängt  das  Sättiguugsgefühl  von  verschiedenen 
Momenten  ab,  einmal  von  der  Größe,  ab.soluten  und  relativen  Kapazität 
des  Magens,  sodann  sehr  wesentlich  von  der  Gewohnheit.  Wer  von 
Jugend  an  gewöhnt  ist,  ein  großes  Speisevolumen  aufzunehmen,  wie 
das    bei    vorwiegender    PHanzennahruug    der    Fall    ist    und    fast    aus- 

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60  IMMANUEL    MVNK, 

naliinslos  bei  den  niederen  Volksklassen  zutrifft,  die  ihre  Verptleguiig 
um  einen  möglichst  geringen  Preis  bestreiten  müssen,  bei  dem  bleibt 
das  Sättigungsgefühl  aus,  sobald  er  eine  Nveniger  voluminöse  gemischte, 
auch  gehaltreiche  animalische  Mittel  einschließende  Nahrung  genießt, 
selbst  wenn  letztere  in  reichlicherem  Maße  verwertbare  Nährstoffe  ent- 
hält als  die  sonst  gewohnte  ptlanzliche  Nahrung.  Da  hier  Individualität 
und  Gewohnheit  ihr  entscheidendes  Wort  mitsprechen ,  läßt  sich  nur 
ganz  allgemein  feststellen,  welches  das  zweckmäßige  Volumen  für  den 
Durchschnittsmenschen  ist,  ohne  dabei  außer  Acht  zu  lassen,  daß  eine 
Reihe  von  Individuen  von  dem  so  normierten  mittleren  Volumen  nicht 
das  Gefühl  der  Befriedigung  und  Sättigung  erhalten.  Denn  bei  gewohn- 
heitsmäßigem Genuß  einer  sehr  voluminösen,  durch  die  Zubereitung 
sehr  wasserreich  gewordenen  pflanzlichen  Nahrung:  Kartoffeln,  Reis, 
Mais,  Hülsenfrüchte,  Schwarzbrot  findet  eine  Anpassung  des  Magens 
und  Darmkanals  an  die  großen  Speisevolumina  statt,  es  kommt  durch 
die  stete  übermäßige  AnfüUung  zu  einer  dauernden  Erweiterung  des 
gesamten  Verdauungskauais,  Magens  und  Darms,  der  unter  dem  Namen 
„Kartoffelbauch"  bekannt  ist,  weil  er  häufig  bei  den  fast  nur  von  Kar- 
toffeln lebenden  armen  Volksklassen  (Irland,  Ostpreußen,  Oberschlesien 
u.  a.)  beol)achtet  wird. 

Für  den  Durchschnittsmenschen  läßt  sich  auf  Grund  der  vorliegen- 
den Erfahrungen  die  untere  und  obere  Grenze  feststellen,  unter  die  das 
Speisevolumen  nicht  absinken,  resp.  über  die  das  Volumen  nicht  hinaus- 
gehen darf,  wenn  Sättigung  erzielt  bezw.  Ueberfüllung  des  Magens  und 
Darms  vermieden  werden  soll.  Denn  gleichwie  eine  gewisse  mittlere 
Füllung  Sättigungsgefühl  und  damit  gehobene  Stimmung  und  Arbeits- 
lust erzeugt,  so  ruft  eine  Ueberfüllung  das  gerade  Gegenteil  hervor: 
die  schwere  Verdauungsarbeit,  die  dem  Darm  aufgebürdet  wird,  macht 
zu  anderer  Arbeit  unlustig  und  ruft  das  Verlangen  nach  Körperruhe 
hervor.  So  viel  steht  fest,  daß  die  großen  Speisevolumina  der  über- 
wiegend pflanzlichen  Nahrung,  wie  sie  in  Gefängnissen  geboten  werden 
und  ausnahmslos  3000  g  im  Tage  (ohne  das  getrunkene  Wasser  ge- 
rechnet) übersteigen,  entschieden  zu  hoch  sind ;  darüber  wird  von  allen 
einsichtigen  Aerzten,  welche  sich  mit  der  Gefängniskost  beschäftigt 
haben,  einstimmig  Klage  geführte  Andererseits  kann  man  anführen, 
daß  ein  Tagesvolum,  das  erheblich  unter  1500  g  heruntergeht,  für  den 
Durchschnittsmenschen  entschieden  nicht  ausreicht,  um  das  erwünschte 
Sättigungsgefühl  zu  erzeugen.  Förster^  bestimmte  das  tägliche 
Speisevolumen  von  2  jungen  Aerzten  zu  1700  bez.  2140  g,  Uffelmann  ^ 
dasjenige  von  4  in  leidlichen  Verhältnissen  lebenden  Handwerkern  zu 
1575—2080  g,  sein  eigenes  Speisevolumen  zu  1570,  dasjenige  gesunder 
Soldaten ,  die  aus  der  Kompagniemenage  veri)flcgt  wurden  und  dabei 
gut  genährt  und  kräftig  waren,  zu  1600 — 21C0  g.  Danach  kann  man 
•für  den  P^rwachsenen  von  mittlerem  Gewicht  (70  k)  1600 
— 2000  g  als  das  tägliche  mittlere  Speisevolumen  hinstellen 
und  ferner  betonen,  daß  bei  einem  Volumen  von  1400  g  das  Gefühl 
nachhaltiger  Sättigung  kaum  erreicht  wird.  Kann  auch  wohl  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  das  Volumen  selbst  2000  g  übersteigen,  ohne  daß 
das  Gefühl  der  Uebersättigung,  der  Unlust  und  körperlichen  Abge- 
schlagenheit hervorgerufen  wird,  so  darf  doch  für  die  Mehrzahl  das 
Volumen  nicht  2500  g  erreichen,  geschweige  denn  übersteigen.  Von 
diesem  Tagesvolumen  soll  etwa  die  Hälfte  auf  die  Hauptmahlzeit  kommen, 
■welche   für   die   körperlich  arbeitende  Klasse,   wie  noch  bei   der  Mahl- 

6o 


Einzelernührung  und  Masseueruährung.  61 

Zeitenordnung  besprochen  worden  soll,  am  zweckniäBif^'sten  in  die  mitten 
zwischen  die  Ta-^esarheit  fallende  Mittagspause  gelegt  wird. 

Wenn  aud»  im  allgemeinen  die  animalische  Nahrung,  insbesondere 
mageres  Tleisch,  vermöge  ihres  kleinen  Volumens  bei  gleichem  Gehalt 
an  verwertbaren  Nährstoffen  nicht  so  leicht  das  volle  Sättigungsgefühl 
erzeugt,  wie  die  voluminöse  pflanzliche  Nahrung,  so  sei  doch  hervor- 
gehoben, daß  auch  bei  relativ  kleinem  Volumen  manche  Animalien  das 
Gefühl  der  Sättigung  hervorrufen,  so  vor  allem  selbst  pHaumenweiche 
Eier,  welche,  schon  in  mälMger  Menge  genossen  (5— G  Hühnereier  = 
240— 21XJ  g  Eisul)stanz),  entschieden  sättigen,  während  dies  bei  einer 
Fleisch-  oder  Milchquantität,  welche  die  nämliche  Menge  an  Eiweiß  und 
Fett  enthält  (150-200  g  fettes  Bratentieisch,  800  g  Milch)  entweder 
gar  nicht  oder  in  viel  geringerem  Grade  der  Fall  ist.  Insbesondere  ist 
es  der  etwas  reichlichere  Fettgehalt  der  Speisen,  der  selbst  bei 
an  sich  geringem  Speisevolumen  Sättigung  hervorruft,  ein  Punkt,  der 
von  besonderer  Bedeutung  für  die  Masseuernährung  ist,  weil  es  durch 
Fettzusatz  gelingt,  das  Gewicht  selbst  der  sehr  voluminösen  wasser- 
reichen Vegetabilien  wesentlich  herabzusetzen,  ohne  daß  das  Sättigungs- 
gefühl danach  ausbleibt. 

Nächst  dem  Volumen  ist  die  Form  und  Konsistenz  der 
Speisen  von  beachtenswerter  Bedeutung.  Auch  in  dieser  Beziehung  hängt 
so  viel  von  der  Individualität  und  Gewohnheit  ab,  daß  für  alle  Menschen 
giltige  Normen  sich  schwer  aufstellen  lassen,  vielmehr  haben  diese  Be- 
trachtungen wiederum  nur  den  Zweck,  die  oberen  und  unteren  Grenzen 
festzustellen,  innerhalb  deren  sich  die  Form  und  Konsistenz  der  Speisen 
bei  zweckmäßiger  Ernährung  des  Durchschnittsmenschen  bewegen  dürfen. 
Haben  wir  uns  an  eine  gewisse  Konsistenz  eines  bestimmten  Gerichtes, 
z.  B.  die  mittelweiche  oder  breiige,  gewöhnt,  so  mindert  jede  stärkere 
Abweichung  in  der  Konsistenz  sowohl  nach  der  Seite  des  Flüssigen  als 
nach  der  Seite  des  Derbharten  hin  die  Schmackhaftigkeit  und  damit 
die  Eßlust.  Mit  der  Aenderung  der  Form  und  Konsistenz  sind  aber 
auch  objektiv  nachweisbare  Erscheinungen  verbunden,  die  sich  auf  die 
Bekömmlichkeit  oder  Ertragbarkeit  sowie  auf  die  Verwertung  der  Speisen 
im  Dann  beziehen. 

Gerade  das,  was  man  gemeinhin  als  „Verdaulichkeit"  bezeichnet  und 
wonach  man  das  eine  oder  das  andere  Gericht  als  „leicht  verdaulich", 
als  „ziemlich  verdaulich"  oder  als  „schwer  verdaulich"  anspricht,  hat 
mit  der  Verdauung,  d.  h.  mit  dem  Ausziehen,  mit  dem  Ueberführen 
der  Nährstofte  aus  den  Speisen  in  lösliche  Form  und  mit  dem  Ueber- 
tritt  des  Löslichen  in  die  Säftemasse  an  sich  kaum  etwas  zu  thun,  be- 
zieht sich  vielmehr  fast  au.sschließlich  auf  die  Art  der  subjektiven  Em- 
pfindungen, die  wir  nach  dem  Genuß  und  bei  der  Verdauung  der  resp. 
Speise  haben,  also  auf  das,  was  besser  als  „Bekönnnlichkeit"  oder  „Er- 
tragbarkeit" bezeichnet  wird'.  Während  nach  Genuß  einer  Speise  in 
bestimmter  Form,  z.  B.  gebratenes  oder  geröstetes  Fleisch,  die  Ver- 
dauung sich  für  uns  unmerklich  und  ohne  subjektive  Beschwerden  voll- 
zieht (in  diesem  Fall  sjiricht  man  von  „Bekömmlichkeit"),  haben  manche 
bei  einer  anderen  Form  und  Konsistenz  desselben  Gerichtes,  z.  B.  ge- 
kochtes oder  gesottenes  Fleisch,  schon  mehr  oder  weniger  unangenehme 
Kmi)tindungen,  das  Gefühl  von  Völle  und  Druck,  und  nach  Genuß  von 
Kochtleisch  in  größeren  Stücken  häutig  sogar  mehr  oder  weniger  leb- 
hafte Schmerzemptindungeu.  Aehnliclies  trifft  für  flüssige  resp.  pflaumen- 
weich resp.  hart  gekochte  Eier  zu,  für  mehr  oder  minder  vollständig  gar 

6i 


62  IMMAMKL    MINK, 

gekochte  Hülseufrüchte,  für  Kartotielbrei  im  Gegensatz  zu  gekochten, 
aber  in  größeren  Stücken  genossenen  Kartoft'eln.  Je  härter  die  Kon- 
sistenz der  Speisen,  desto  schwerer  bek(3nindicli,  desto  schwerer  ertrag- 
bar erweisen  sie  sich,  während  die  flüssige  und  weiche  oder  breiig-weiche 
Konsistenz  der  Speisen  sich  zugleich  als  leichter  bekiaunilich  erweist. 
Diese  mit  der  derberen  Konsistenz  verbundene  schwerere  Bekömmlich- 
keit macht  sich  bei  manchen  auch  geltend  im  Falle,  wo  flüssige,  also 
an  sich  leicht  bekömudiche  Nahrung  eingeführt  wird,  diese  aber,  wie 
z.  B.  die  Kuhmilch,  im  Magen  zunächst  zu  groben  Klumpen  gerinnt,  ehe 
sie  weiterhin  der  Lösung  unterliegt.  Die  Bekömmlichkeit  ist  indes  in- 
dividuell verschieden.  Ein  sehr  gesunder  Magen  und  Darmkanal  ver- 
trägt auch  Derb-Konsistentes  ohne  wesentliche  Beschwerden,  ja  gerade 
die  ärmeren  Volksklassen,  deren  überwiegend  pflanzliche  Nahrung  wenig 
Schmackhaftigkeit  und  Abwechselung  und  infolgedessen  weniger  Anreiz 
zur  Speiseaufnahme  bietet,  verlangen  häufig  nach  Speisen  derberer  Kon- 
sistenz, welche  bei  dem  Mangel  des  Geschmacks-  und  Geruchsreizes 
für  den  Magen  wenigstens  den  mechanischen  Reiz  liefert,  der  denselben 
zur  Thätigkeit  anregt.  Ja  dieses  mechanischen  Reizes  durch  konsistentere 
Nahrung  bedarf  jeder  sonst  gesunde  Magen ,  wie  es  scheint,  wenigstens 
von  Zeit  zu  Zeit,  liegen  doch  von  zahlreichen  guten  Beobachtern  Er- 
fahrungen darüber  vor,  daß  flüssige  oder  breiig-weiche  Nahrung,  so  be- 
kömmlich sie  an  sich  auch  ist,  für  die  Dauer  nicht  ertragen  wird,  daß 
dabei  die  Eßlust  je  länger  je  mehr  absinkt,  Ekel  und  Widerwillen  gegen 
die  stets  gleich  konsistenten  Speisen  sich  einstellt,  und  daß  der  Appetit 
rege  gehalten  und  die  Speiseaufnahme  in  ausreichender  Menge  erst 
wieder  ermöglicht  wird,  wenn  von  Zeit  zu  Zeit  eine  etwas  konsistentere 
Kost  mit  der  flüssigen  oder  breiig-weichen  abwechselt. 

Dieser  Punkt  ist  auch  hygienisch  in  Rücksicht  auf  die  später  zu 
behandelnde  Massenernährung  von  solcher  Bedeutung,  daß  wir  ein  wenig 
näher  noch  darauf  eingehen  müssen.  Die  flüssige  Form  der  Speisen 
sagt  dem  gesunden  Erwachsenen ,  darüber  dürfen  die  Akten  wohl  als 
geschlossen  gelten,  für  die  Dauer  nicht  zu  ;  ja  selbst  Magenkranke,  denen 
zur  Schonung  des  angegriffenen  Magens  eine  flüssige  Diät  verordnet 
wird,  empfinden  schon  nach  wenigen  Tagen  die  flüssige  Konsistenz  als 
unangenehm  und  fast  unerträglich.  Nicht  viel  besser  steht  es  in  vielen 
Fällen  um  die  breiig- weiche  Konsistenz,  zumal  wenn  die  wenig 
schmeckenden  Vcgetabilien,  z.  B.  Hülsenfrüchte,  Kartoffeln,  die  billigen 
Kohlarten,  fast  den  ausschließlichen  Inhalt  der  Nahrung  bilden  und  diese 
verschiedenen  Nahrungsmittel  allesamt  zu  einem  Brei  verkocht  und  in 
dieser  Form  als  sog.  ,.zusammengekochtes  Essen"  ausgegeben  werden, 
sodaß  selbst  die  Hauptmahlzeit  aus  diesem  einen  und  einzigen  breiigen 
Gericht  besteht.  Gerade  in  den  Gefängnissen,  in  denen  bis  auf  die 
neueste  Zeit  die  Kost  fast  ausschließlich  in  Suppenkonsistenz  geboten 
worden  ist,  haben  gut  beobachtende  Aerzte,  unter  denen  hier  nur  A. 
Baer  und  Hürbin-'  genannt  werden  mögen,  bei  den  meisten  Inhaf- 
tierten schon  nach  kurzer  Zeit  Widerwillen  auftreten  sehen,  weiterhin 
Appetitlosigkeit  bis  zur  Brechneigung  und  Würgbewegungen,  Dyspepsie 
und  zeitweilige  gänzliche  Unmöglichkeit  der  Speiseaufnahme,  infolge 
deren  die  an  sich  schon  entkräfteten  Gefangenen  schnell  herunter- 
kommen, blaß  und  anämisch  werden,  eine  große  Neigung  zu  Erkrankun- 
gen (profuse  Durchfälle  oder  hartnäckige  Verstopfung,  Schwindsucht, 
Skorbut  u.  a.j  zeigen  und  gelegentlich  vorkommenden  en-  oder  epi- 
demischen Krankheiten  zum  Opfer  fallen.     Und  diese  schlechten  Erfah- 

62 


Eiuzeleruäliruiig  und  Massoneruälirung.  63 

run^'eii  haben  sich  wosontlich  gebessert,  seitdem  neuenlings  wenigstens 
von  Zeit  zu  Zeit,  jeden  zweiten  bis  dritten  lag,  eine  etwas  konsistentere 
Kost,  aUerdings  unter  Zusatz  von  ilen  Geschmack  reizenden  Animalien 
(Fleisch,  Hering,  Käse)  verabreicht  wird.  Indes  ist  dabei  nicht  zu  ver- 
gessen, daü  auch  dem  ewigen  Einerlei  in  der  Zubereitung,  der  man- 
gelnden Abwechselung  der  zur  Verkochung  verwandten  Nahrungsmittel 
sowie  endlich  dem  mangelhaften  oder  ungenügendem  Würzen  wohl 
ein  nicht  unbeträchtlicher  Anteil  an  der  Unzuträglichkeit  der  breiig- 
weichen Kost  zukommt.  Uffelmann*  stimmt  zwar  dem  bei.  daß  die 
breiige  Gefängniskost,  die  75— 8U  Proz.  Wasser  einschließt,  thatsächlich 
zu  wasserhaltig  ist,  um  so  mehr,  als  bei  den  Gefangenen  infolge  der 
geringen  Körperbewegung  der  Wasserüberschuß  weniger  vollständig  aus 
dem  Organismus  ausgeschieden  wird,  bringt  aber  Erfahrungen  bei,  aus 
denen  hervorgeht,  daß  nicht  jede  breiige  Kost  auch  bei  anhaltendem 
Genuß  solche  Nachteile  wie  bei  den  Gefangenen  hervorruft.  Das  Mit- 
tagsmahl einer  von  ihm  beobachteten  Kompagnie  Soldaten  lieferte  aus- 
schließlich zusammengekochtes  Pässen  in  Breiform  (allerdings  darin  Fleisch, 
Gemüse,  KartoHeln)  mit  einem  Wassergehalt  von  75  Proz.,  das  Früh- 
stück nur  Milchkatiee  mit  Brot,  das  Abendessen  wiederum  Katfee  mit 
Brot  und  die  Reste  des  Mittagessens,  und  dabei  hatten  die  Soldaten 
genügende  Eßlust,  ein  sehr  frisches  Aussehen  und  erwiesen  sich  auch 
bei  den  Strapazen  des  Dienstes  ausdauernd.  Ferner  hat  er  im  Verein 
mit  W.  Schröder'  die  8 — 15-jährigen  Insassen  einer  mecklenl)urgi- 
schen  Besserungsanstalt  beobachtet,  welche  bei  einer  fast  ausschließlich 
vegetabihschen  Kost  und  zusammengekochtem  Essen  gut  gediehen  ;  aller- 
dings wurden  die  Knaben  täglich  mehrere  Stunden  mit  Feld-  und  (jarten- 
arbeit  beschäftigt.  Danach  meint  Uffelmann,  daß  die  üble  Wirkung 
der  breiigen,  wasserreichen  Kost  nur  dann  sich  geltend  macht,  wenn  die 
Verköstigten,  wie  es  bei  den  Gefangenen  der  Fall  ist,  mangels  reich- 
licher Körperbewegung  und  kräftiger  Muskelarbeit  sich  des  eingeführten 
Wasserüberschusses  durch  Nieren,  Haut  und  Lungen  nicht  leicht  ent- 
ledigen können,  fügt  aber  hinzu,  daß  er  selbst  da,  wo  die  Verköstigten 
kräftige  Muskelarbeit  ausführen,  das  zusammengekochte  Essen  nicht 
gerade  empfelden  möchte,  stehe  doch  so  viel  fest,  daß  für  den  Erwach- 
seneu die  mit  flüssiger  und  breiiger  Kost  abwechselnde  konsistente 
Kost  sich  am  zuträglichsten  erweist. 

Die  Form  und  Konsistenz  der  Speisen  ist  ferner  für  die  Größe  der 
Verwertung  oder  Ausnützung  der  Nahrung  im  Darm  bedeutsam.  Aller- 
dings tritt  dies  weniger  deutlich  bei  der  animalischen  Nahrung  und  beim 
gesunden  Menschen  hervor,  der  Fleisch,  Eier,  Milch,  in  welcher  Form 
und  Konsistenz  auch  immer,  gut  verwertet,  sodaß  nutglichst  wenig  da- 
von unbenutzt  im  Kot  wiedererscheint.  Denn  wenn  auch  hartgekochtes 
Fleisch  und  harte  Eier,  zumal  in  grr)ßeren  Stücken  genossen,  sich  ent- 
schieden weniger  bekömmlich  erweisen  als  weich  gebratenes  Fleisch 
und  jtflaumenweiche  Eier,  so  stellt  sich  doch  zwischen  beiden  kein  wesent- 
licher Unterschied  in  der  Ausnützung  heraus,  es  sei  denn,  daß  so  große 
Stücke  sehnigen  Fleisches  oder  harter  Eier  schnell  geschluckt  worden 
sind,  ohne  zuvor  ordentlich  durch  Kauen  zerkleinert  zu  werden,  daß 
Bruchstücke  davon  bei  der  durch  den  mechanischen  Reiz  angeregten 
schnellen  Darmbewegung  rasch  bis  in  den  Mastdarm  fortgefülirt  und 
mehr  oder  weniger  unverändert  ausgestoßen  werden.  Bei  den  Vege- 
tabilien  hängt  aber  so  viel  von  der  Form  und  K(msistenz  der  Speise 
ab,  daß  im  allgemeinen  die  Ausnutzung  eine  um  so  bessere  ist,  je  mehr 

63 


G4  IMMANUEL    MUNK. 

dieselbe  von  flüssiger  oder  breiig-weicher  Konsistenz  ist,  und  um  so 
schlechter  wird,  in  je  derberer  und  konsistenterer  Form  die  S])eise  ge- 
nossen worden  ist.  Es  ist  dies  schon  oben  gelegentlich  der  Zerkleinerung 
und  Zubereitung  der  Nahrung  (S.  53)  angedeutet  worden.  Wir  kommen 
damit  zu  einer  Frage,  deren  Beantwortung  wegen  ihrer  für  die  Ernäh- 
rung ganz  hervorragenden  Wichtigkeit  eine  besondere  Behandlung 
erheischt. 

1)  A.  Baer,  Die  Gefängnisse,  Strafanstalten  u.  s.  u\,  Berlin  (1871);  Meinert,  Armee-  und 
Mafstneniährung,  Berlin  (1885);  Fr.  Hofmann,  Die  Fleischnahruiig ,  Leipzig  (1880); 
Schuster,  bei  Voit.    Uutenuchung  der  Kost  u.   s.  ic,   München  (1877)   142. 

2)  Forster.  Z.  f.  Biol    y.  Bd.  381. 

3)  Uffelmann  und  Munk,  Ernährung,  2.   Aufl.  (1891)  339. 
4>  ebenda    185 

5»  A.  Baer,    Blätter  für  Gejängnishunde  18    Bd.  309;  Harbin,    18.  Bd.   350. 

6)  Uffelmann.    a.  a.  O    337. 

7)  W.  Schröder,    A.  f.  Uyg.   4.  Bd.   1. 


§  3.    Die  Ausnützung  der  Nahrung  im  Darm. 

Die  Beobachtung  und  Untersuchung  hat  gelehrt,  daß  die  vom  Men- 
schen entleerten  Kotmeugen  je  nach  der  Art,  Menge  und  Konsistenz  der 
genossenen  Speisen  innerhalb  weitester  Grenzen  schwanken.  Und  zwar 
hat  sich  herausgestellt,  daß  im  allgemeinen  am  wenigsten  Kot  ausge- 
schieden wird  bei  rein  animalischer  Nahrung  (so  bei  1400  g  Fleisch 
nur  7G  g  feuchter  und  18,4  g  trockener  Kot),  am  reichlichsten  bei 
reiner  Pflanzeunahrung  (so  bei  2560  g  gelben  Rüben  1090  g  feuchter 
und  74  g  trockener  Kot).  Es  geht  also  von  jeder  Nahrung  bald  ein 
geringer,  bald  ein  größerer  Bruchteil  unverwertet  mit  dem  Kot  heraus, 
und  diesen,  dem  Körper  nicht  zu  Gute  kommenden  Anteil  müssen  wir 
berücksichtigen,  falls  wir  den  Wert  eines  Nahrungsmittels  oder  einer 
Nahrung  mit  dem  eines  oder  einer  anderen  vergleichen  wollen.  Für 
den  Nährwert  kommt  selbstverständlich  nur  derjenige  Anteil  in  Betracht, 
der  aus  dem  Darm  in  die  Körpersäfte  übergetreten  ist,  also  wenn  wir 
die  Einnahmen  an  Speisen  mit  der  Größe  der  Kotausscheidung  ver- 
gleichen, gleichsam  aus  der  Darmhöhle  verschwunden  ist.  Daraus  er- 
giebt  sich  auch  schon,  wie  wir  die  Ausnützung  eines  Nahrungsmittels 
bestimmen.  Wir  brauchen  nur  die  Menge  der  in  den  Körper  mit  den 
Speisen  aufgenommenen  Trockensubstanz,  ferner  der  stickstoffhaltigen 
(im  wesentlichen  Eiweiß)  und  stickstoöfreien  Substanzen  (Fett,  Kohle- 
hydrate) zu  ermitteln  und  gleichzeitig  die  Menge  des  Trockeukotes  und 
der  N-haltigen  bezw.  N-freien  Stotfe,  die  durch  den  Kot  ausgestoßen 
Wfjrden  sind^j,  dann  ergiebt  die  Ditierenz  beider  die  festen,  ferner  die 
N-haltigen  bezw.  N-freien  Stotie,  welche  verschwunden,  d.  h.  in  die 
Säftemasse  übergetreten  sind.  Wenn  wir  bei  der  Frage  von  der  Aus- 
nützung wesentlich  nur  die  festen  Stotie  und  darunter  Eiweiß,  Fett  und 
Kohlehydrate   berücksichtigen,   dagegen   kaum   die  Mineralverbindungen 


*)  Man  verfährt  hierbei  am  besten  so,  dafs  man  die  Nalirungsmittel,  deren  Verwertung 
man  ermitteln  will,  2 — 3  Tage  lan«  giebt  und  mehrere  Stunden  vor  Beginn  des  Versuchs- 
tages und  ebenso  mehrere  Stunden  nach  Aufnahme  der  letzten  Mahlzeit  aus  dieser  Beihe 
der  Versuchsperson  1  g  Petroleumrufs  in  Oblaten  (Gramer,  Z.  f.  phyaiol.  Ch.  6  Bd.  346) 
oder  1  g  Pflanzeiikohle  in  Schüttelmixtur  (Fr  Müller,  Z.  y.  klin.  Med.  12.  Bd.  47)  reicht. 
Man  findet  dann  die  zur  Versuchsreihe  gehörige  Kotmenge  zwischen  2  Portionen  Hufskot 
eingeschlossen. 

64 


EiozeloruäbruDg  und  MassoDernäbning.  65 

( Ascliebestaiidteile),  so  luit  dies  tiarin  seinen  Grund,  daß  die  Mineral- 
stoffe in  der  Kegel  mit  jeder  Nahrung,  wie  dieselbe  auch  zusannncn- 
gesetzt  sein  mag,  reichlich  genug  aufgenommen  werden  (S.  28).  Allein 
bei  dieser  Differenzrechnung  zwischen  den  Bestandteilen  der  Nahrung  und 
denen  des  Kotes  darf  ein  Moment  nicht  außer  acht  gelassen  werden. 
Zu  den  Sjteisen  treten  im  Verlaufe  des  Darmkanals  die  verschiedenen 
Venlauungssafte  hinzu;  wenn  nun  auch  weiterhin  der  größte  Teil  der 
festen  Stoffe  derselben,  zugleich  mit  den  verdaulichen  Stoffen  der  Nah- 
rung, in  das  Blut  über-  bez.  zurücktritt,  so  wird  doch  ein  Bruchteil  von 
den  festen  Stoffen  derselben,  und  zwar  hauptsächlich  von  der  Galle  (ein 
Teil  der  Gallensäuren,  des  Gallenfarljstoffes ,  des  Gallenschleims,  der 
Mineral-  und  ätherlöslichen  fettartigen  Stoffe),  zugleich  mit  dem  Darm- 
schleim, den  Keriisubstanzen  (Nukleinen)  der  zerfallenen  und  abgestoßenen 
Kpithelieu  der  Darmschleimhaut,  im  Verein  mit  dem  unverdaulichen  oder 
unverdauten  Teil  der  Nahrung,  durch  den  Kot  ausgestoßen.  Da  die 
Verdauungssafte,  hauptsachlich  die  Galle,  auch  im  nüchternen  Zustande 
zu  einem  gewissen  Betrage  abgeschieden  werden  und  davon  ein  Bruch- 
teil nicht  wieder  ins  Blut  zurückkehrt,  so  entleert  auch  der  hungernde 
Mensch  in  größeren  Intervallen  Kot,  den  sog.  Hungerkot ',  durch  den 
nach  Fr.  Müller"  pro  Hungertag  etwa  2—3,8  g  Trockensubstanz  mit 
U,ll — 0,3  g  Stickstoff  (zumeist  in  Form  von  Nuklein  und  Mucin)  aus- 
gestoßen werden.  Die  Differenzrechnung  zwischen  Nahrungs-  und  Kot- 
bestandteileu  ist,  wenn  man  den  so  gewonnenen  Wert  direkt  als  den 
ausgenützten  (resorbierten)  Anteil  der  Nahrung  ansehen  w^ollte,  mit 
dem  Fehler  behaftet,  daß  dabei  die  von  den  Verdauungssäften  gelieferte, 
also  aus  dem  Körper  selbst  stammende  Quote  nicht  i)erücksichtigt  ist, 
sodaß  um  die  Größe  der  letzteren  die  thatsächliche  Ausnützung  geringer 
erscheiiit.  Nun  könnte  man  meinen,  die  geeignete  Korrektur  dafür  ein- 
fach in  der  Weise  anbringen  zu  können,  daß  man  die  tägliche  Menge 
des  Huugerkotes  mit  2—3  g  Trockensubstanz  und  0,1-0,3  g  N  von 
der  Trockensubstanz  bezw.  dem  Stickstoff  des  Kotes  in  Abzug  bringt. 
Allein  auch  das  wäre  unrichtig;  denn  sobald  Speisen  in  den  Verdauungs- 
kanal eingeführt  werden,  beginnt  oder  kommt  die  Sekretion  der  Ver- 
dauungssäfte lebhafter  in  Gang,  sodaß  der  von  diesen  gelieferte  Anteil 
der  mit  dem  Kot  ausgestoßenen  Stoffe  gegenüber  dem  Hungerzustande 
beträchtlich  zunimmt.  So  hat  Bieder^  festgestellt,  daß  auch  bei  aus- 
schließlichem Genuß  von  Kohlehydraten,  also  ohne  daß  mit  der  Nahrung 
stickstoffhaltige  Substanz  (Eiweiß)  in  den  Darm  gelangt,  die  Menge  des 
mit  dem  Kot  ausgestoßenen  Stickstoffes  auf  das  2^j.^-fac\ie  des  Wertes 
im  Hungerkot  ansteigt.  Somit  schwankt  die  vom  Körper  gelieferte 
Quote  «les  Kotes,  die  nicht  der  genossenen  Nahrung  entstammt,  je  nach 
der  Qualität  und  Quantität  der  genossenen  Speisen.  Aus  diesen  Grün- 
den ist  der  thatsächlich  verdaute  Anteil  der  Nährstoffe  aus  einem 
Nahrungsmittel  stets  höher  zu  veranschlagen,  als  der  Ausnützungsver- 
such  ergiebt,  und  zwar  um  so  höher,  je  ärmer  das  zu  prüfende  Mittel 
an  Nährstoffen,  insbesondere  den  stickstofilialtigen,  ist.  Je  nährstoff- 
reicher ein  Mittel  ist,  je  größere  Mengen  von  Nährstoffen  damit  bei 
relativ  kleinem  Volumen  eingeführt  werden,  je  mehr  davon  verwertet 
wird,  wie  dies  bei  den  Animalien  der  Fall  ist,  die  eine  relativ  konzen- 
trierte Nährstoffmischung  vorstellen,  desto  schärfer  ist  der  Ausnützungs- 
versuch.  Je  ärmer  an  Nährstoflen  dagegen  das  Nahrungsmittel  ist,  je 
größere  Volumina  daher  für  eine  bestimmte  Nährstoffmenge  eingeführt 
werden  müssen   und  je  größer  somit  die   jedesmal  gelieferte  Kotmenge 

UaDdbucb  der  Hygiene.  Bd.  III.  AbtIg.  1.  5 


66 


IMMANUKL    MUNK, 


ist,  desto  iiiisiclierer  wird  der  Ausiititzuiipsversuch.  Will  man  zwei 
Mittel  in  Bezug  auf  ihre  Ausnutzung  vergleichen,  so  muß  man  von 
jedem  so  viel  geben,  als  etwa  dem  Tagesbedarf  entspricht.  Hierfür 
sind  aber  bei  den  pflanzlichen  Mitteln,  gegenüber  den  animalischen, 
außerordentlich  große  Volumina  erforderlich.  Wenn  das  Tagesvolumen 
der  Speise  2000  g  weit  übersteigt,  wie  dies  z.  B.  in  Ausnützungsver- 
suchen  Rubuer's  mit  Wirsingkohl  (3830  g)  und  gelben  Rüben  (2566  g) 
der  Fall  gewesen  ist,  dann  kann  der  Darm  solch  große  Volumina  kaum 
bewältigen  ;  durch  die  nachrückenden  Speiseanteile  werden  die  zuvor 
aufgenommenen  aus  dem  Darm  gleichsam  verdrängt  und  so  vorzeitig,  noch 
bevor  alle  verwertbaren  Nährstoffe  daraus  ausgezogen  sind,  mit  dem 
Kot  ausgestoßen,  sodaß  beim  Wirsingkohl  360  g  und  bei  den  Rüben 
sogar  1092  g  feuchter  Kot  entleert  worden  sind  und  dieser  ähnlich  wie 
die  genossene  Nahrung  aussah.  Aus  alledem  ergiebt  sich,  daß,  so 
wertvoll  an  sich  die  Ausnützungsversuche  sind,  ihre  Ergebnisse  allen- 
falls zutrefien  für  konzentrierte  Nahrungsmittel,  wie  Fleisch,  Eier,  Milch, 
Weißbrot,  Mehlgebäck  (Maccaroni,  Nudeln),  daß  sie  schon  viel  unzuver- 
lässiger sind,  sobald  die  Speisevolumina  und  auch  die  Kotraengen  größer 
werden,  wie  beim  Schwarzbrot,  Reis,  Erbsen,  Kartoffeln,  und  für  noch 
wasserreichere  und  nährstoffärmere,  außerordentlich  große  Speisevolumina, 
wie  Kohlarten  und  Gemüse,  nur  gewissermaßen  die  untere  Grenze  der 
ungünstigen  Ausnützung  lehren  *.  Solche  Ausnützungsversuche  am  Men- 
schen ^  sind  vereinzelt  von  J.  Ranke,  G.  Meyer,  Fr.  Hofmann, 
Uffelmann,  Forster,  Malfatti,  Constantinidi,  Fr.  Müller, 
Prausnitz,  Zuntz  und  Ad.  Magnus-Levy,  in  größerer  Zahl 
von  Rubner  ausgeführt  worden;  immerhin  ist  die  Zahl  der  ge- 
prüften Versuchspersonen  noch  zu  gering,  als  daß  man  bei  der  Breite 
der  auch  hier  vorkommenden  individuellen  Schwankungen  den  Ergeb- 
nissen ganz  allgemeine  Giltigkeit  zusprechen  darf.  In  nachfolgender 
Tabelle  sind  die  Resultate  dieser  Ausnützungsversuche  zusammengestellt ; 
nach  den  vorstehenden  Darlegungen  braucht  wohl  nicht  noch  erst  her- 
vorgehoben zu  werden,  daß  allen  Zahlenwerten  in  Bezug  auf  die  Aus- 
nützung nur  eine  relative,  keine  absolute  Giltigkeit  zukommt. 


Granam 

resorbiert  in  Proz.   an 

feucht 

trocken 

Trocken- 
substanz 

Eiweifs 

Fett 

Kohle- 
hydrat 

Fleisch  (gebraten) 

884 

367 

95 

97 

95 

_ 

Eier  (weich  gekocht) 

948 

247 

95 

97 

95 

— 

Milch 

2470 

315 

92 

91—99 

95—97 

100 

Milch  and  Käse 

2490 

420 

94 

96 

97 

100 

Weifsbrot 

870 

617 

95 

78—81 

— 

99 

Roggenbrot  (Graubrot) 

— 

438-765 

85-90 

68—78 

— 

93 

Pumpernickel 

— 

423 

81 

58 

— 

89 

Maccaroni 

695 

626 

96 

83 

94 

99 

Mais 

750 

641 

93 

85 

83 

97 

Beis  Cgekocht) 

638 

552 

96 

80 

93 

99 

Erbsenbrei 

— 

521 

91 

83 

— 

96 

Kartoffeln    (gekocht) 

3078 

819 

91 

68 

96 

92 

Kartoffelbrei 

700 

98 

80 

— 

99 

(Wirsingkohl 

3830 

406 

85 

82 

94 

85) 

Am  besten  werden  danach  die  Kohlehydrate  ausgenützt,  und  zwar 
bei  Milch,  Weißbrot,   Maccaroni,   Reis  fast  vollständig,  bei  Erbsenbrei, 


66 


iiinzelernähruDg  und  Massenernährnng.  67 

Kartoftelbrci  und  Mais  bis  auf  3 — 4  Proz.  und  nur  im  Rogfrenbrot,  im 
Punipeniickcl  und  Wirsing  bis  auf  11  Proz.  Die  Fette  werden  zumeist 
bis  auf  .')  Proz.  resorbiert. 

Dagegen  ist  die  Ausnützung  des  Eiweißes  eine  sehr  wechselnde; 
am  besten  in  den  Animalien  bis  höchstens  auf  4  Proz.,  im  Maccaroni 
und  Erbsenbrei  bis  auf  17  Proz.,  im  Weißbrot,  Reis  und  Kartoflelbrei 
bis  auf  2U  Proz.,  im  Roggenbrot  bis  auf  27  Proz.,  in  (ganzen)  Kartoffeln 
bis  auf  .'52  und  im  Pumpernickel  gar  nur  bis  auf  42  Proz. 

In  Rücksicht  auf  die  Verwertung  der  Gesamttrockensubstanz  stellen 
sich  einzelne  Vegetabilien :  Weißbrot,  Maccaroni,  Kochreis,  Kartoffelbrei, 
Erbsenbrei,  Mais  annähernd  so  günstig  wie  die  Animalien  (Fleisch,  Milch, 
Eier). 

Auch  der  schon  (S.  56,  Gl)  berührte  Einfluß  der  Form  und 
Konsistenz  der  Speisen  auf  die  Ausnützung  geht  aus  obiger 
Tabelle  hervor.  "Von  gekochten,  aber  unzerkleinerten  Kartoffeln  wird 
die  Trockensubstanz  nur  zu  91  Proz.,  das  Eiweiß  nur  zu  08  Proz.  und 
die  Kohlehydrate  zu  92  Proz.  ausgenützt ;  bei  zerstampften  und  als 
Kartoffelbrei  zubereiteten  stieg  die  Verwertung  an,  und  zwar  für  die 
Trockensubstanz  auf  95  Proz.,  für  das  Eiweiß  auf  80  Proz.  und  für  die 
Kohlehydrate  auf  96  Proz.  Während  ferner  Hülsenfrüchte  (Erbsen), 
zum  Brei  verkocht,  zu  91  Proz.  der  Trockensubstanz,  83  Proz.  des  Ei- 
weißes und  96  Proz.  der  Kohlehydrate  verwertet  werden ,  beträgt  für 
weichgekochte,  aber  unzerquetschte  Hülsenfrüchte  die  Ausnützung  der 
Trockensubstanz  nur  82  und  die  des  Eiweißes  gar  nur  70  Proz. 

Zu  der  schlechteren  Verwertung  der  Vegetabilien,  die  feingemahlenen 
Mehle  der  Getreidearten  und  Hülsenfrüchte  in  gut  gekochtem  Zustande 
ausgenommen,  wirken  eine  Reihe  von  Umständen  zusammen.  Selbst 
wenn  die  Cellulosekapseln  der  Zellen  bez.  die  Fruchthülsen  durch  das 
Kochen  gesprengt  werden,  reizt  die  Gegenwart  der  Cellulose  mechanisch 
die  Darmschleimhaut,  sodaß  stärkere  Darmbewegungen  eintreten,  welche 
den  Darminhalt  vorschnell,  noch  bevor  das  darin  Verdauliche  vollständig 
in  Lösung  übergeführt  ist,  als  Kot  herausbefördem ;  hat  doch  Fr.  Hof- 
mann gezeigt,  daß  mit  fein  verteilter  Cellulose  gemengtes  Fleisch 
schlechter  ausgenützt  wird,  reichlicher  Kot  liefert  als  ohne  diesen  Zu- 
satz. Von  den  in  den  Vegetabilien  so  reichlich  vorhandenen  Kohle- 
hydraten entzieht  sich  ein  Teil  der  Ueberführung  in  Zucker  und  dem 
Uebertritt  aus  dem  Darm  ins  Rlut  und  fällt  zumeist  der  sauren  Gärung 
anheim,  unter  Bildung  von  Essig-  und  Milchsäure,  welch  letztere  weiter- 
hin im  Dickdarm  in  Buttersäure  übergeht,  unter  Freiwerden  von  Wasser- 
stoff und  Kohlensäure ;  daher  der  unangenehm  sauer  riechende  und  von 
Gasblasen  durchsetzte  Kot.  Die  gebildeten  Säuren  beschleunigen  gleich- 
falls die  Darmbewegungen  und  führen  zu  vorzeitigen  und  häufigen 
Kotentleerungen,  daher  der  reichliche  Gehalt  des  Kotes  an  verdaulichen 
Stoffen,  zu  deren  Auslaugung  und  Resorption  nur  die  Aufenthaltsdauer 
der  pflanzlichen  Nahrung  im  Darm  nicht  hingereicht  hat.  Schließlich 
wirken  auch  die  großen  Speisemengen  gleichfalls  auf  die  vorzeitige 
Ausstoßung  hin,  insofern  der  Darm  nicht  die  kolossalen  Volumina  fa.ssen 
kann,  und  so  durch  die  nachrückenden  Speisen  die  zuvor  aufgenommenen 
einfach  mechanisch  verdrängt  werden.  Wäre  der  Darm  des  Menschen 
auch  nur  annähernd  so  lang  und  geräumig  wie  der  der  großen  Pflanzen- 
fresser, sodaß  die  Speisen  erhel)lich  längere  Zeit  im  Darm  verweilen 
könnten,  so  würde  auch  zweifellos  die  Verwertung  der  Pflanzennahrung 
sehr  viel  günstiger  sein,  als  das  thatsächlich  der  Fall  ist. 

6?  6* 


G8  IMMANUEL    MUNK. 

Schließlich  bleibt   noch   die    Frage   zu   beautworten,   ob    Körper- 
bewegungen u  n  tl  M  u  s  k  e  1  a  r  b  e  i  t  d  i  e  V  e  r  w  e  r  t  u  n  g  der  Nahrung 
beeinflussen.     Theoretisch    sollte    man   einen    solchen   Einfluß    und 
zwar  im  Sinne  der   Herabdrückung   erwarten,   weil,   wie   sicher   festge- 
stellt, die  thätigen   Muskeln   reichlicher   vom    Blut   durchströmt  werden 
als  die  ruhenden,  und  da  die  Muskeln  mindestens  40  Proz.  des  Körper- 
gewichtes in  Anspruch  nehmen,  muß,  wenn  auch  nur  ein  größerer  Teil 
der  Körpermuskeln    in    Thatigkeit   gesetzt   wird,   reichlich   Blut  in    die 
Muskeln  strömen  und  damit  dem  Pfortadergebiet,  also  auch  dem  Darm- 
kanal entzogen  werden.     In  der  That  haben  verschiedene  Autoren  "^  sich 
überzeugt,   daß   die    Magenverdauung,   beim    Hunde   wenigstens,    schon 
durch  mäßige  Körperbewegungen  verzögert  wird  und  daß  bei  ermüden- 
deuder   Muskelarbeit   der    Magensaft    spärlicher   und  säureärmer,   also 
weniger  verdauungstüchtig  abgesondert,  der  Uebertritt  der  Speisen  in  den 
Darm  aber  beschleunigt  wird.     Zu   ähnlichen   Resultaten   ist   Spirig' 
beim  Menschen  gelangt.     Allein  diese  Beobachtungen  beziehen  sich  nur 
auf  die  Zeit,  während  deren  gearbeitet  wird,  und  da  bis   zu   einem  ge- 
wissen   Grade   die   Herabsetzung  der  Verdauungstnergie,   wie   für  den 
Magen,  wohl  auch  für  den  Dünndarm  zutrefl'en  wird,    so   dürfte  an  der 
Verzögerung  der  Verdauung  während  der  Muskelarbeit  nicht  zu  zweifeln 
sein.     Da  indes  nicht  dauernd,  sondern  8  bis  höchstens  10  Stunden  im 
Tage  gearbeitet  wird,  so  ist  die  Möglichkeit  gegeben,   daß  in  den  übri- 
gen 16  resp.  14  Ruhestunden,  insbesondere  wenn  das  Nahrungsvoluraen 
nicht  übermäßig   ist,    die  Verzögerung  eingeholt  werden    kann,    welche 
während  der  Muskelarbeit  stattgefunden  hat,  zumal  nach  den  obigen  Beob- 
achtern der  während  der   Muskelarbeit   spärlicher   und   säureärmer  ge- 
bildete Magensaft  während    der   auf   die   Arbeit  folgenden   Körperruhe 
nunmehr  reichlicher  und  mit  sehr  hohem  Säuregehalt  abgeschieden  wird, 
daher  die  Verdauungsenergie  nun  eine  größere  wird.     Danach  habe  ich 
es  schon    für   wahrscheinlich   erklärt,   daß   auch   die   Ausnützungsgröße 
durch  Körperarbeit  nicht  herabgesetzt  wird**.     Im   Einklang  damit  hat 
S.  Rosenberg^  am  Hunde  gezeigt,  daß  durch  4-stündige,  selbst  sehr 
angestrengte  Arbeit  die  Verwertung  der  Nährstoffe  aus  einem  gemischten 
Futter  (Fleisch,  Reis,  Fettj  nicht  beeinträchtigt  wird,  mag  die  Arbeits- 
periode unmittelbar  nach  der  Futteraufnahme   oder  erst  4  Stunden  da- 
nach, zur  Zeit  wenn  die  Darmverdauung  schon  im  Gang  ist,    beginnen. 
Aehnliches  scheint  aus  den  Selbstversuchen  von  Krumm  ach  er  ^"  her- 
vorzugehen, der  bei  der  gleichen  Kost  an  6  Arbeitstagen  nicht  wesent- 
lich mehr  N-haltige  Substanz  durch  den  Kot  ausschied,  als  an  6  Ruhe- 
tagen.    Ja  mir  scheint  es   sogar   nicht  unwahrscheinlich,   daß   mit   der 
Zunahme  des  Stoffbedarfes  im  Körper  des  kräftig  arbeitenden  Menschen 
die  Verwertung  mancher   Speisen   sich  noch   günstiger  gestalten   kann, 
als  bei  körperlicher  Ruhe,    um  so  mehr  als  die  oben  (S.  63)  schon  be- 
richteten Erfahrungen  vorliegen,   denen   zufolge   fast   ausschließlich  aus 
Vegetabilien  zusammengesetzte  breiige   Kost   entschieden  bekömmlicher 
ist  und   einen   besseren   Nährefl'ekt    hervorbringt,   wenn   bei   der   volu- 
minösen wasserreichen  breiigen   Kost  gearbeitet  wird,   als   wenn   keine 
erhebliche  Körperbewegung  stattfindet. 

1)  C.  Voit.  Z.  f.  Biol    2.  lid.  308. 

2)  Fr.  Möller,    ^irch.  Arch.   131.  Bd.  Suppl    106,   108. 

3)  Bieder,  Z.  f.  Biol    20.  Bd.   378. 

4)  Ter  gl.  hierüber  L  Monk  {und  Uflfelmann),  Ernährung,   189 

5)  J.  Bänke,    Arch.   f.  Anat.  u.  Physiol.  (1862)    311;    G.  Meyer,    Z.  f.  Biol.    7.  Bd.    19; 

68 


Einzcleruährung  und  Massonernährung. 


69 


Fr.  Hofmann.  bti  Voit,  Müneh.  akad.  Sitz -Her.  (1869),  Dezember;  Uffelmann,  Pfiüg. 
Arch.  29.  Hd.  339;  Forster,  Milnch.  äntl.  Intell-ltlaU  (1877),  März;  Malfatti,  Wien, 
akad  Süz.-Htr.  (1884),  Dtzcmixr;  Constantinidi,  Z.  f.  /Hol  23.  Hd.  4;J3  ;  Fr  Müller, 
Z.  f.  kl.  Med.  Vi.  Hd.  45;  Frausnitz,  Z  J.  Hiol.  25.  Hd.  Ö33.  26  Hd.  231;  Zuntz 
und  Ad.  Magnus-Levy,  Fliüg.  Arch  49  Hd.  438;  A.  Magnus-Levy,  53  Hd.  544; 
Eubner.  Z.  f.   Hwl.    15     Hd    115,   16.  Hd.   119. 

6)  J.   Cohn,   1).  A.  f.  kl.   Med.  43    Hd  239;    Salvioli,    .1.   ital.  de  hiol.  (1892)    17.  Hd.  248. 

7)  Bpirig.    I'istert.   Hern  (1H92). 

8)  I.   Munk  (und  Uffelmann).   Ernährung,   192. 

9)  8    Rosenberg,   P/tHg     Arch    52.   Hd.  401. 
10)  Krnmmacher,   Pilüg.   Arch.  47.   Hd.  454. 


§  4.     Unterschiede   der 


animalisch  e  n 
Kost. 


und    pflanzlichen 


Da  dem  Menschen  die  verschiedensten  Nahrungsmittel  aus  dem 
Pflanzen-  und  Tierreich  zu  Gebote  stehen,  so  erhebt  sich  zunächst  die 
Frage :  welche  einzelneu  oder  welche  Konibiiiation  mehrerer  Nahrungsmittel 
geben  für  den  Menschen,  wenn  wir  zunächst  von  dem  Kosteni)unkt  der 
Verpflegung  absehen,  eine  zweckmäßige  Ernährung  ab? 

Die  Lösung  dieser  wichtigen  Frage  wiid  durch  tausendfache  Er- 
fahrung und  Beobachtung  geliefert.  Die  Mehrzahl  der  civilisierten 
Völker  haben  auf  rein  emi)irischeni  Wege  es  als  zweckmäßig  erprobt, 
eine  aus  animalischen  und  vegetabilischen  Nahrungsmitteln  gemischte 
Kost  zu  sich  zu  nehmen.  Es  handelt  sich  nun  darum,  diese  Kostord- 
nung zu  begründen,  um  so  zu  erkennen,  ob  wirklich  vom  physiologischen 
und  hygienischen  Standpunkte  aus  der  gemischten  Kost  der  Vorzug  zu 
geben  ist.  Die  Frage  läßt  sich  gewissermaßen  induktiv  und  deduktiv 
beantworten. 

Schon  aus  den  voraufgegangenen  Erörterungen  über  die  Ausnützung 
und  Verwertung  der  einzelnen  Nahrungsmittel  im  Darm  läßt  sich  ohne 
weiteres  ableiten,  daß  ausschließlich  weder  die  animalischen  noch  die 
pflanzlichen  Nahrungsmittel  eine  Nahrung  abgeben,  d.  h.  ein  Gemisch 
von  Nähr-  und  Genußstoflen,  das  dem  Körperbedarf  genügt.  Wir  wer- 
den später  bei  der  Lehre  vom  Kostmaß  hören,  daß  der  Erwachsene  (von 
rund  70  kg)  bei  mäßiger,  nicht  zu  angestrengter  Arbeit  neben  110  g 
Eiweiß  noch  so  viel  N-freie  Stotfe  braucht,  daß  ihm  dadurch  270  g 
Kohlenstofl'  geliefert  werden.  Berechnet  man  nun  mit  Hilfe  der  Tabelle 
S.  52  über  den  Gehalt  der  einzelnen  Nahrungsmittel  an  Nährstoflen 
und  unter  Beachtung  der  Tabelle  S.  6G,  welche  uns  die  Verwertungs- 
größe der  Nährstotte  im  Darm  lehrt,  wie  viel  von  den  einzelnen  Nah- 
rungsmitteln zur  Deckung  des  Eiweiß-  und  Kohlenstofl  bedarfs  für  den 
mittleren  Arbeiter  erforderlich  ist,  so  ergiebt  sich  in  runden  Zahlen: 


j= 

_ 

2 
'S 

C  V 

Weize 

N  0 

1- 

s 

'3 

.2 

"5 

1 

0 

ei 

FUr  HO 

g  EiweiTs 

1 
2900  1  540 

18  St. 

800 

1650 

1900 

1870 

990 

520 

4500 

.,  270 

,.  c 

3800 

2000 

37  M 

670 

1000 

IIOO 

750 

660 

750 

2550 

Diese  Berechnung  ist  äußerst  lehrreich ;  sie  weist  zunächst  auf  die 
interessante  Thatsache  hin,  daß,  mit  seltenen  Ausnahmen,  keines  der 
gebräuchlichen   Nahrungsmittel   so  zusammengesetzt    ist,   daß  diejenige 


69 


70  iMMANrr:i,  munk. 

Meuge,  welche  dem  Eiweißbedarf  geuügt,  zugleich  auch  anuähernd  den 
Bedarf  au  N-freicn  Stotleu  deckt.  Und  zwar  zeigeu  die  auimalischeu 
Mittel  in  dieser  Hinsicht  einen  prinzipiellen  Uuterschied  gegenüber  den 
vegetabilischen,  insofern  jene  relativ  eiweißreich  und  C-arm,  diese  wie- 
derum relativ  C-reich  und  eiweißarm  sind,  daher  bei  den  Animalieu 
diejenige  Menge,  welche  dem  Eiweißbedarf  genügt,  nur  V4  l^is  höchstens 
*  3  des  C-Bedarfes  bietet,  umgekehrt  hei  den  Vegetabilien  (die  Hülsen- 
früchte ausgenommen)  eine  Quantität,  durch  welche  der  C-Bedarf  ge- 
deckt wird,  nur  *,  5 — ^/^  des  erforderlichen  Eiweißes  liefert. 

Die  extremen  Fälle  herausgegriffen,  würde  der  Erwachsene  mit  540  g 
(magerem)  Fleisch  seinen  Eiweißbedarf  befriedigen;  um  auch  den  C-Ver- 
lust  zu  decken,  müßte  er  mindestens  2000  g,  also  fast  die  4fache  Menge 
aufnehmen,  damit  würde  er  aber  seinen  Darm  überlasten,  ganz  abge- 
sehen von  anderen  damit  verbundenen  Nachteilen,  auf  die  wir  noch  ein- 
gehen werden.  Umgekehrt  verhält  es  sich  bei  den  Kartoffeln,  von 
denen  schon  2^/2  kg  den  C- Verlust  verhüten,  aber  4^/3  kg  zur  Deckung 
des  Eiweißbedarfes  erforderlich  sind.  Repräsentieren  schon  2  V2  kg  Kar- 
toffeln, die  beim  Kochen  noch  mindestens  ^ .,  ihres  Gewichtes  an  Wasser 
aufnehmen,  schon  eine  so  große  Speisemenge,  welche  das  Mittel  des 
zuträglichen  Tagesvolums  weit  übersteigt,  so  stellen  die  für  den  Eiweiß- 
bedarf erforderlichen  4^'o  kg  Kartoffeln,  zu  denen  noch  rund  1  V2  kg 
aus  dem  Kochwasser  hinzutreten,  ein  Volum  vor,  das  der  kurze  und 
wenig  geräumige  Darm  des  Menschen  nicht  für  die  Dauer  beherbergen 
kann,  ohne  dadurch  ausgeweitet  zu  werden  („Kartoffelbauch").  Die  ein- 
fache Betrachtung  dieser  ziffermäßigen  Aufstellung  giebt  die  Beantwor- 
tung, welches  das  geeignetste  Nahrungsmittel  ist,  dahin  an  die  Hand, 
daß  weder  ein  animalisches  noch  ein  vegetabilisches  Mittel  die  für  den 
Stoftljedarf  erforderliche  Zusammensetzung  besitzt,  sondern  daß  erst  eine 
geeignete  Mischung  der  kohlenstoffreichen,  aber  eiweißarmen  Vegeta- 
bilien mit  den  eiweißreichen,  aber  kohlenstoö'ärmeren  Animalien  uns  am 
ehesten  dem  Ideal  einer  zweckmäßigen  und  dabei  doch  nicht  zu  volumi- 
nösen Nahrung  nahekommen  läßt.  Damit  im  Einklang  steht  die  rein 
empirisch  entwickelte  Ernährungsweise  der  überwiegend  vegetabilisch 
sich  verköstigenden  Völkerstämme:  die  Ostasiaten,  insbesondere  die 
Japaner  ^  setzen  zu  ihrer  Reis-  oder  Reisgerstekost  etwas  Fleisch  oder 
Fische,  die  ItaUener  zum  Maismehl  noch  Käse,  die  vorzugsweise  von 
Kartoffeln  und  Brot  lebenden  Landleute  Käse  oder  Buttermilch  oder 
Heringe  hinzu  und  ermöglichen  es  auf  diese  Weise,  mit  kleinerem  Vo- 
lumen des  Hauptnahrungsmittels  ihrem  Stoffbedarf  zu  genügen. 

Des  Hinweises  wert  erscheint  die  ebenfalls  aus  obiger  Aufstellung 
unmittelbar  hervortretende  Thatsache,  daß  von  allen  Nahrungsmitteln 
das  Weizenmehl  am  ehesten  die  richtige  Zusammensetzung  bietet,  inso- 
fern schon  ein  knappes  Fünftel  über  diejenige  Menge,  welche  den  C- 
Verlust  verhütet,  den  Eiweißbedarf  deckt.  Da  ferner  die  Getreidemehle 
sich  mit  Wasser  leicht  zu  einem  Teige  anrühren  lassen  und  dieser  unter 
Zusatz  von  Fett,  Salz  und  Gewürzen  mannigfacher  Zubereitung  (Nudeln, 
Maccaroni,  Knödeln j  fähig  ist,  so  können  die  feinen  Getreidemehle 
bei  geeigneter  Zubereitung  eine  vollständige  Nahrung  abgeben. 
In  der  That  wissen  wir  laut  H.  R  a  n  k  e  's  ^  Bericht  von  den  Holz- 
knechten in  Oberbayern,  daß  sie  sich  fast  ausschUeßlich  von  aus  Mehl 
und  Schmalz  hergestellten  Gebacken  nähren,  ohne,  wenigstens  an  den 
Wochentagen,  animalische  Nahrung  zu  sich  zu  nehmen,  dabei  von  herku- 
lischer Kraft  und  kolossaler  Arbeitsleistungen  fähig  sind. 

70 


Einzelernähruug  und  Massenernähruug.  71 

Wenn  es  demnach  möglich  ist,  aus  -^^ewissen  Vegetabilieu  unter  Zu- 
satz von  Fett  oder  Speiseöl  eine  ausreichende  und  auch  bekömmliclie 
Kost  herzustellen,  muß  dann  nicht  der  sog.  Vegetarismus^,  die 
rein  vegetiibilische  Kostraischung,  als  hygienisch  zulässig  erachtet 
werden  V 

Bei  der  wissenschaftlichen  Erörterung  tlieser  Frage  kommt  natür- 
lich nur  der  strenge,  radikale  Vegetarismus  in  Betracht,  von  dem  alle 
tierischen  Nahrungsmittel,  auch  die  ohne  Schlachten  der  Tiere  gewinn- 
baren (Milch,  Butter,  Käse,  Eier)  nicht  ausgenommen,  von  der  Kost- 
ordnung  ausgeschlossen  werden.  Denn  wo  Milch,  Butter,  Käse,  Eier 
neben  der  ptlanzlichen  Nahrung  genossen  werden,  da  handelt  es  sich,  wie 
selbstverständlich,  schon  um  eine  gemischte  Kostordnung,  die  sich  nur 
fälschlich  noch  zum  Vegetarismus  gemäßigter  Richtung  rechnet.  Die 
vergleichend-anatomischen  und  physiologischen  Thatsachen,  welche  an- 
geblich den  Menschen  als  von  der  Natur  angelegten  Vegetarier  er- 
weisen sollen,  sind  absolut  unzutrefteud.  Die  Beschatfenheit  und  An- 
lage des  menschlichen  Gebisses  läßt  keineswegs  den  Schluß  zu,  daß  der 
Mensch  ein  geborener  Pflanzenfresser  ist,  vollends  nicht  die  Länge  und 
Geräumigkeit  seines  Darmkanals.  Alle  eigentlichen  Pflanzenfresser  * 
(Rind,  Schaf,  Ziege)  haben  einen  außerordentlich  langen  Darmkanal, 
dessen  Länge  2ü — 26mal  so  groß  ist  als  die  Körperläuge,  von  der  Nase 
bis  zum  After  gemessen ;  und  von  dieser  enormen  Länge  abgesehen, 
sind  noch  einzelne  Abschnitte,  so  die  3  Vormägen,  zu  ganz  enormer 
Geräumigkeit  entwickelt.  Dagegen  hat  der  Mensch  einen  verhältnis- 
mäßig kurzen  Darmkaual,  dessen  Länge  nur  das  Ofache  der  Entfernung 
vom  Scheitel  bis  zum  After*)  betriigt,  und  in  diesem  viel  kürzeren 
Darmrohr  ist  kein  Abschnitt  durch  besondere  Geräumigkeit  ausgezeichnet. 
Wenn  wir  ferner  hinzunehmen ,  daß  selbst  ursprünglich  als  reine 
Fleischfresser  angelegte  Tiere,  die  sich  aber  mit  der  Zeit  auch  an  ge- 
mischtes Futter  adaptierten,  wie  Hund  und  Katze,  einen  4— ömal  ihren 
Körper  an  Länge  übertreflonden  Darmkanal  haben,  so  steht  eben  der 
Mensch  in  der  Mitte  zwischen  den  reinen  Pflanzenfressern  und  den 
Fleischfressern ,  welche  auch  gemischtes  Futter  aufnehmen ,  dabei 
aber  letzteren  viel  näher.  So  weisen  im  Gegenteil  die  anatomisch- 
physiologischen Verhältnisse  des  Darmkanals  den  Menschen  auf  rein 
gemischte  Nahrung  hin ;  für  reine  Pflanzennahrung  ist  sein  Darmkanal 
zu  kurz,  und  dies  ist,  wie  schon  oben  (S.  (il)  berührt,  einer  der 
wesentlichen  Gründe,  welche  die  relativ  schlechte  Verwertung  der 
Pttanzennahrung  im  menschlichen  Darm  verständlich  machen. 

Dessenungeachtet  kann  mit  gewissen  Vegetabilien,  die  sich  durch 
hohen  Nährwert  auszeichnen,  wie  die  feinen  Getreidemehle,  bei  geeig- 
neter Zubereitung  und  unter  Zusatz  von  Fett  und  Oel,  eine  ausreichende 
Nahrung  hergestellt  werden,  die  selbst  dem  Stoflbedarf  angestrengter 
Arbeiter  genügt.  Mit  allen  übrigen  Vegetabilien,  Grau-  und  Schwarz- 
brot eingeschlossen ,  kann  zwar  ein  magerer  und  muskelschwacher 
Körper  eben  auf  seinem  Bestände  und  allenfalls  für  mäßige  Arbeit 
leistungsfähig  erhalten  werden,  nicht  aber  ein  fleischreicher,  nmskel- 
starker  Körper  für  die  Dauer  zu  starker  Arbeitsleistung  geeignet.  So 
verhielt  es  sich   mit    dem  nur  57  k  schweren   Vegetarier,   dessen    Kost 


*)  Das  häufif?  anf^eluhrte  Verhältnis  ^Körper-  :  DArmlärif^e  =>  1:6)  bezieht  sich 
auf  die  Län^e  des  Darms  zur  Kesamten  Körperläuge  (vom  Scheitel  bis  zur  Sohle],  ist  also 
beim   Vergleich   mit  anderen  Säugetieren   unzulässig. 


72  IM  MANTEL    MUNK, 

C.  Voit'"^  untersucht  bat  und  der  seit  3  Jahren  nur  von  Schrotbrot, 
Obst  und  Oel  lebte  und  nichts  Warmes  genoß ;  er  befand  sich  dabei 
wohl  uml  konnte  seinem  leichten,  keine  Kiu'perkraft  erfordernden  Ge- 
werl)e  eines  riirniachers  nachgehen ;  zu  größerer  Arbeitsleistung  war  er 
aber  entschieden  nicht  fähig.  Welch'  unverdaulicher  Ballast  bei  solcher 
Nahrung  dem  Kih-per  aufgebürtlet  wird,  geht  daraus  hervor,  daß  von 
dem  Eiweiß  41  Proz.,  von  dem  Fett  30  Proz.  und  von  den  Mineral- 
stofleu  gar  57  Proz.  den  Körper  unbenutzt  mit  dem  Kot  verließen.  J. 
Hart  mann®,  der  über  den  Vegetarismus  durch  opferfreudige  Selbst- 
versuche  zuverlässige  Erfahrungen  gesammelt  hat,  lebte  T'/g  Monate 
lang  nur  von  PÖanzennahrung:  Brot,  Erbsen,  Hafergrütze,  Kartoffeln, 
Gemüse  :  dabei  war  er  zwar  imstande,  seine  (nur  mäßige  Arbeitsleistung 
erheischende)  ärztliche  Thätigkcit  zu  betreiben,  aber  mit  längerer  Dauer 
der  vegetarischen  Diät  nahmen  seine  Körperkräfte  zusehends  ab. 

Hat  es  danach  schon  seine  Schwierigkeit,  den  Bedarf  bei  nur  mäßi- 
ger Arbeit  durch  pflanzliche  Kost  (ausschließlich  der  feinen  Getreide- 
mehle) zu  decken,  so  wird  diese  Schwierigkeit  noch  viel  größer,  wenn 
es  gilt,  für  den  viel  größeren  Stotibedarf  eines  augestrengten  Arbeiters 
durch  ausschließlich  vegetabilische  Kost  den  Ersatz  zu  beschaffen,  ohne 
daß  dabei  die  Leistungsfähigkeit  und  die  Arbeitslust  leidet.  Sind  schon 
die  bei  leichter  Arbeit  erforderlichen  Speisevolumina  aus  Vegetabilien 
einmal  schon  an  sich,  sodann  wegen  der  schlechteren  Verwertung  der 
ptlanzlichen  Nahrungsmittel  so  groß,  daß  der  Darmkanal  sie  nur  eben 
und  mit  Anstrengung  zu  bewältigen  vermag,  so  werden  dieselben  natur- 
gemäß noch  größer  werden  müssen,  wenn  eine  dem  stärkeren  Bedarf 
bei  der  Arbeit  entsprechende  reichlichere  Nährstoffmenge  aus  der  Nah- 
rung gewonnen  werden  soll.  So  muß  der  Darm  dauernd  überlastet 
werden ;  diese  Ueberlastung  aber  führt  dahin,  daß  infolge  schnellerer 
Verdrängung  des  Speisebreies,  infolge  Ueberschwemmung  mit  den 
z.  T.  in  saure  Gärung,  z.  T.  in  Gase  (Kohlensäure,  Wasserstoff") 
übergehenden  Kohlehydraten  und  infolge  so  beschleunigter  Kotentleerung 
die  Ausnutzung  noch  viel  ungünstiger  sich  gestaltet,  als  sie  bei  den 
nämlichen  Vegetabilien  an  sich  schon  ist,  und  daß  somit  auch  mit  dem 
größeren  Volum  der  Bedarf  nicht  gedeckt  wird.  Die  übergroßen  Speise- 
mengen und  die  dauernde  Ueberbürdung  des  Darmkanals  erzeugt  das 
Gefühl  dauernder  Uebersättigung,  raubt  die  Arbeitslust  und  die  zur 
Arbeit  nötige  Elasticität,  schließlich  sinkt  auch  der  Appetit,  das  Ver- 
langen nach  Nahrungsaufnahme,  und  so  werden  bei  stetig  abnehmender 
Arbeitsfähigkeit  die  Speisemengen,  die  genossen  werden,  progressiv  ge- 
ringer. So  ist  es  auch  Hart  mann  ergangen;  schließlich  ist  es  ihm 
nicht  mehr  möglich  geworden,  die  großen  Mengen  pflanzlicher  Nahrung 
hinunterzuwürgen,  die  zur  Deckung  des  Bedarfes  erforderlich  waren, 
so  4,5  kg  Kartoffeln  oder  1,5  kg  Schwarzbrot.  Er  konnte  weiterhin 
nicht  mehr,  als  ^/g  dieser  Mengen  bew'ältigen,  und  wenn  diese  Diät  noch 
eine  Pieihe  von  Tagen  fortgesetzt  wurde,  stellten  sich  Uebelkeit,  Brech- 
neigung und  Durchfälle  ein.  Bei  anderen  wiederum  war  als  Folge 
vegetarischer  Diät  eine  größere  Neigung  zu  Erkrankungen  und  eine 
geringere  \Viderstandsfähi;:keit  des  Körpers  gegen  Erkrankungen  zu 
beobachten ,  dergestalt  daß  der  Vegetarier  bei  derselben  Form  und 
Schwere  der  Erkrankung  schneller  und  mehr  herunterkam,  als  andere 
von  gemischter  Kost  Lebende,  so  in  einem  von  Gramer  ^  beschriebenen 
Falle.  Endlich  lehrt  die  Statistik,  daß  in  früheren  Jahren,  wo  in  Ge- 
fängnissen  die   Kost   eine    ausschließlich    vegetabilische   war,    die   Er- 


Eiuzelernährung  und  MasBenernährung.  73 

kraiikunj^s-  uiul  Sterbezitfer  der  Insassen  eine  viel  höhere  gewesen  ist, 
als  in  neuerer  Zeit,  wo  ilaneben,  weni{,'stens  einen  Taj?  um  den  anderen, 
Aninialieii  vcnil)rciclit  werden ;  es  sei  in  dieser  Hinsicht  nur  auf  die 
statistischen  Zusanmienstellungen  von  A.  Baer**  verwiesen;  freilich 
darf  nidit  vergessen  werden,  dali  gerade  l)ei  der  Gefangnisk(>st  neben 
der  vegetabilischen  Nahrung  als  soiclier  auch  noch  das  ewige  Einerlei 
der  Zubereitung,  die  breiige  Konsistenz  und  der  Mangel  an  Würzstoffen, 
deren  Bedeutung  für  die  Ernährung  schon  in  den  früheren  Kapiteln  be- 
sprochen worden  ist,  den  Apjjetit  und  die  Bekönmilichkeit  ungünstig 
beeinflussen  und  somit  ihrerseits  auch  an  der  auf  die  pflanzliche  Nah- 
rung als  solche  bezogenen  Schädigung  mitbeteiligt  sind. 

Daß  indes  der  Darm  eines  gesunden  Menschen,  zumal  wenn  er  von 
Jugend  auf  an  ausschließliche  Pflanzenkost  gewöhnt  ist,  dieselbe  be- 
wältigen, auch  wenn  sie  nicht  aus  den  noch  am  besten  verwertiiaren 
Mehlgebäcken  besteht,  und  so  viel  davon  verdauen  und  in  seine  Säfte- 
masse  überführen  kann,  daß  selbst  der  für  angestrengte  Arbeit  erforder- 
liche hohe  Nährstott'l>edarf  gedeckt  wird,  lehrt  das  Beispiel  der  sieben- 
bürgischen  Eeldarbeiter,  die  nach  Ohlmüller''  selbst  bei  angestreng- 
tester Erntearbeit  nur  Maismehl  und  Saubohnen  (Fisolen)  genießen,  und 
zwar  in  so  außerordentlich  großen  Mengen,  1300  bez.  120  g,  wie  sie 
wohl  nur  ausnahmsweise  und  sicherlich  nicht  vom  Durchschnittsmenschen 
vertragen  werden,  sodaß  man  wohl  sagen  darf:  diese  Ausnahme  be- 
stätigt nur  die  sonst  geltende  Regel. 

Nach  alledem  kommen  wir  zum  Schluß,  daß  die  ausschließliche 
Pflanzenkost  als  allgemeine  Verpflegungsart  nicht  empfohlen  werden 
kann,  daß  sie  sogar  für  den  kurzen  und  wenig  geräumigen  Darm  des 
Menschen  fast  irrationell  ist.  Aber  die  vegetarische  Bewegung,  so  ein- 
seitig auch  ihre  radikalen  Apostel  vorgegangen  und  so  weit  sie  auch 
über  jedes  berechtigte  Ziel  hinausgeschossen  sind,  hat  doch,  das  muß 
jede  gerechte  Kritik  zugeben,  auch  ihre  Verdienste,  die  wesentlich  darin 
gipfeln,  (laß  sie  gegenüber  dem  gerade  durch  Liebig 's  Lehre  zu  ein- 
seitig in  den  Vordergrund  gerückten  Wert  des  Eiweißes  und  damit  der 
Pleischkost  die  Pflanzennahrung,  deren  Wettschätzung  mehr  in  den 
Hintergrund  gedrängt  worden  war,  in  ihrer  Bedeutung  nachdrücklichst 
hervorgehoben  hat  und  für  die  einfachere  natürliche  Lebensweise  einge- 
treten ist,  die  im  Essen  und  Trinken  Maß  zu  halten  versteht,  endlich  gegen 
jede  Verschwendung  und  Unmäßigkeit  in  den  Genußmitteln,  insbesondere 
in  den  nicht  unbedenklichen  alkoholischen,  aufs  entschiedenste  Front 
gemacht  hat. 

Auf  der  anderen  Seite  hat  gerade  der  Vegetarismus  e  contrario 
gelehrt,  wie  wenig  die  ausschließliche  aninuilische  Kost  berechtigt  ist, 
wenn  er  auch  die  Gefahren  der  Fleischnahrung  ins  Ungebührliche  über- 
trieben hat.  Schon  oben  (S.  69)  ist  bei  der  Betrachtung  der  von  jedem 
einzelnen  Nahrungsmittel  zur  Deckung  des  Tagesbedarfes  an  Eiweiß  und 
N-freien  Stoffen  nötigen  Menge  hervorgehoben  worden,  eine  wie  wenig  dem 
stofflichen  Erfordernis  angepaßte  Zusammensetzung  die  animalischen  Mittel 
haben,  insofern  deren  Reichtum  an  Eiweiß  und  relative  Armut  an  N-freien 
Stoffen  zur  Folge  hat,  daß  der  letzteren  hall)er  '/g  bis  zum  Dreifachen 
mehr  von  dem  betrcflenden  Mittel  aufgenommen  werden  nuiß,  als  zur 
Deckung  des  Eiweißbedarfes  an  sich  erforderlich  wäre.  Sind  die  für 
letzteren  Zweck  aufzuiKihmenden  Speisemengen  z.  T.  gering,  wie  540  g 
Fleisch,  z.  T.  nur  maßig,  wie  2U0U  g  Kuhmilch,  z.  T.  schon  starkes 
Sättigungsgefühl  erzeugend,  wie  ly  Hühnereier,  so  werden  die  zum  Zweck 

73 


74  IMMANUEL    MUNK, 

der  Befriedigung  des  C-Bedarfes  einzuführenden  Speiseraeugen  :  2000  g 
Fleisch,  3^00  g  Milch,  37  Stück  Eier  so  groß,  daß  sie  zwar  für  eineu 
oder  höchstens  wenige  Tage,  sicherlich  nicht  aber  für  die  Dauer  be- 
wältigt werden  können.  Solch'  große  Fleischniengeu,  selbst  in  verschie- 
denster Form  und  Zubereitung  gereicht,  er/;eugen  sehr  bald  Widerwillen, 
zuweilen  auch  Durchfalle;  vollends  wird  wohl  kaum  jemand  für  mehrere 
Tage  den  Genuß  von  je  'M  Eiern  durchführen  können.  Von  diesem 
subjektiven  Momeate  abgesehen ,  hat  die  ausschließlich  animalische 
Nahrung,  wenn  sie  den  C-Bedarf  decken  soll,  den  Nachteil,  daß  ihr 
Eiweißgehalt  das  Doppelte  bis  Vierfache  des  Erforderlichen  beträgt,  und 
daß  durch  die  Aufnahme  so  übermaßig  reichlicher  Eiweißmengen  auch 
der  Eiweißzerfall  im  Körper  enorm  gesteigert  wird,  insofern  ja  von 
dem  überschüssig  zugeführten  Eiweiß  der  bei  weitem  größte  Teil  zer- 
stört und  nur  ein  Bruchteil  zum  Ansatz  am  Körper  erübrigt  wird  (S.  9). 
Wählt  man  statt  mageren  vielmehr  fettes  Fleisch,  so  kann  man 
bei  einem  Fettgehalt  von  etwa  15  Proz.  schon  mit  etwa  1100  g  Fleisch 
ausreichen,  einer  Menge,  die  vielleicht  für  längere  Zeit  zu  genießen 
möglich  wäre,  ebenso  würde  mau  bei  der  Korabination  von  Fleisch, 
Eiern,  Fett  resp.  Milch  zu  Speisevoluraina  gelangen,  die  vielleicht  für 
die  Dauer  erträglich  wären.  Thatsächlich  konnte  Hartman  n*^  bei 
geeigneter  Korabination  der  einzelnen  Mittel  über  zwei  Monate  aus- 
schließlich von  animalischer  Kost  leben  und  leistungsfähig  bleiben.  Die 
Möglichkeit,  das  Leben  zu  fristen  und  eine  gewisse  Leistungsfähigkeit 
dabei  an  den  Tag  zu  legen,  wird  übrigens  auch  durch  das  Beispiel  rein 
von  tierischer  Kost  lebender  Völkerstärame,  wie  der  Eskimos,  der  Tun- 
gusen,  Ostjacken  u.  a.  belegt,  allein  es  sei  hier  gleich  darauf  hinge- 
wiesen, daß  diese  als  fast  reine  Carnivoren  zu  bezeichnenden  Stämme  ge- 
rade diejenigen  sind,  die  vermöge  ihres  sonstigen  Verhaltens  mit  Recht 
als  uncivilisiert  gelten.  Gegen  den  ausschließlichen  Fleischgenuß  führt 
J.  Ranke^"  auch  mit  einem  gewissen  Recht  an,  daß  dadurch  das 
Blut  und  die  Gewebe  mit  den  E.xtraktivstoflfen  und  Salzen  des  Fleisches 
überladen  werden,  von  denen  die  Milchsäure,  das  Kreatin  und  das  phos- 
phorsaure Kali  in  größeren  Gaben  sich  als  Muskel-  und  Nervengifte 
erweisen,  Erraüdung  und  geringere  Leistungsfähigkeit  des  Muskel-  und 
Nervensysteras  nach  sich  ziehen.  Gegen  die  reine  Fleischkost  spricht 
ferner  das  Moment,  daß  dabei  nur  wenig  und  sehr  zäher  Kot  gebildet 
wird,  der  vermöge  seiner  Konsistenz  im  Dickdarm  nur  langsam  fort- 
bewegt wird,  den  Darmwandungen  anhaftet  und  erst  innerhalb  längerer 
Zeiträume  und  unter  Beschwerden  entleert  werden  kann.  Diese  Nach- 
teile können  allerdings  ebenfalls  durch  geeignete  Korabination  von  Fleisch 
mit  Eiern,  Milch  z.  T.  kompensiert  werden.  Schließlich  darf  man  auch 
vom  volkswirtschaftlichen  Standpunkte  und  vom  Gesichtspunkte,  die 
zweckmäßige  Verpflegung  des  Volkes  auch  möglichst  wohlfeil  zu  ermög- 
lichen, nicht  außer  acht  lassen,  daß  die  animalische  Kost,  verglichen 
mit  der  vegetabilischen  und  gemischten,  um  das  Vielfache  teurer  zu 
stehen  komrat  und  schon  deshalb,  selbst  wenn  sie  an  sich  vorteilhafter 
wäre,  als  jede  andere  Kostordnung,  nur  zu  beschränkter  Verbreitung 
gelangen  könnte. 

Somit  sprechen  die  gewichtigsten  Gründe  ebenso  sehr  gegen  die 
ausschließliche  animalische  wie  gegen  die  rein  pflanzliche  Kost.  Die 
Mischung  beider  ist  schon  deshalb  zweckmäßig,  weil  dadurch  die  Nach- 
teile jeder  einzelnen,  bei  der  animalischen  Kost  die  Ueberschwemraung 
mit  Eiweiß  neben  Mangel  der  Kohlehydrate,  die  Neigung  zu  Verstopfung 

74 


EiDzeleraäUruQg  und  MasseoernähruDg.  75 

cveat.  übermäßij^e  Zufuhr  von  Extraktivstotfen,  bei  der  pflanzlichen  Kost 
die  kolossalen  Speisevolumina,  die  L'eberschwemiuung  mit  Kohlehydraten 
neben  häutig  unzureichendem  Gehalt  an  Eiweiß  und  Fett,  die  schlechte 
Verwertung,  die  saure  Giirung  und  Gasbildung  (Kohlensäure,  Wasser- 
stoff, event.  (irubengas)  im  Darmkanal,  die  zuweilen  enorm  reichlichen 
und  häutigen  Kotentleerungen  mögUchst  verhütet  oder  gegenseitig  aus- 
geglichen werden. 

Für  die  Zweckmäßigkeit  einer  aus  Animalien  und 
Vegetabilien  gemischten  Nahrung  spricht  endlich  eine  tausend- 
fältige Erfahrung,  die,  über  jeden  Zweifel  erhaben,  lehrt,  daß  die  neben 
Pflanzenkost  noch  Animalien  genießenden  Völkerstämme  größere  Körper- 
kraft und  größere  Ausdauer  bei  der  Arbeit  besitzen ,  als  die  nur  von 
Pflanzenkost  lebenden,  wenn  wir  die  oben  (S.  73)  berührten  seltenen 
Ausnahmen  beiseite  lassen.  Dasselbe  tritft  auch  für  den  einzelnen 
Menschen  zu,  wie  Hartmann  ^  in  seinen  Selbstversuchen  erfahren  hat, 
insofern  er  bei  ausschließlicher  Pflanzenkost ,  weil  er  für  die  Dauer 
außer  Stande  war,  seinen  Bedarf  deckende  Mengen  davon  zu  genießen, 
leichter  und  kraftloser  wurde,  bei  Fleischkost  zwar  progressiv  schwerer 
wurde,  dabei  aber  sich  nicht  ungestörten  Wohlbefindens  erfreute,  da- 
gegen bei  gemischter  Kost,  die  nicht  mehr  NährstoÖe  bot,  als  die  tierische 
oder  pflanzliche,  außerordentlich  wohl,  kräftig  und  leistungsfähig  war 
und  im  Monat  durchschnittlich  noch  um  800  g  an  Körpergewicht  gewann. 

1)  Vergl.  v  Scherzer,  Bericht  über  die  österreichische  Expedition  nach  China,  Sian,  Japan, 
155;  Wemich,  GiO'jraphLah-med.  Studien  nach  den  Ei-lebaissen  einer  Rtise  um  die  Erde 
(1878);    Arbeiten  aus  der  militärärztlichen  Anstalt  in   Tokio,  J  (1892). 

2)  H.  Eanke.  Z. /.  B,ol.   13.  Bd.   130 

3;  i'eryl.  Baltzer,  Dt€  Nahrungs-  und  Oenuftmittel,  Nordhauten  (1874);  G.  Bange,  Der 
Vegetariauismut,   Berlin  (1885);  Hasson,  Journ    d^hygihu   (1885)  345. 

•4i  Veryl.  hierüber  I.  Monk,  Physiologie  dts  Menschen  und  der  Säugetiere,  3  Aufi.  (1892), 
142,    165. 

5)  C.  Voit,  E.  Voit  und  Constantinidi,  Z.  /.  Biol.  25.  Bd.  232. 

€j  J.  Hartmann,  Untersuchungen  über  die  Ernährung  des  Menschen  mit  vegetabilischer,  ani- 
malischer und  gemischter  Nahrung,   Bemer  Dissert.,  Zürich  (1885). 

7)  Gramer,  Z   f.  physiol  Ch.   6.  Bd.  346. 

8)  A    Baei,   BläUer  für  Gefängniskunde  (1883),    I. 
9i  Ohlmüller,  Z.  f.  Biol.   20.  Bd.   393. 

lOi  J.   Eanke.   Die  Ernährung  des   Menschen,   München  (1876),  227. 


§  5.     Zweckmäßige  Kombination  der  Nahrungsmittel 

zur  Nahrung. 

Nachdem  wir  im  vorhergehenden  Kapitel  die  Erfahrungen  und 
Beobachtungen  kritisch  erörtert  haben,  auf  Grund  deren  wir  zu  dem 
Schluß  gelangt  sind,  daß  eine  aus  Vegetabilien  und  Animalien  gemischte 
Kost  für  das  Wohlbefinden  und  die  Leistungsfähigkeit  am  zuträglichsten 
ist,  erhebt  sich  nunmehr  die  Frage,  welches  Mischungsverhältnis  von 
Animalien  und  Vegetabilien  als  das  beste  anzusehen  ist.  Auch  diese 
Frage  läßt  sich,  da  gerade  in  Bezug  auf  die  Auswahl  der  Nahrungs- 
mittel einmal  die  luilividualität,  soiiann  die  Gewöhnung  von  durch- 
greifender und  entscheidender  Bedeutung  ist,  nicht  streng  und  allge- 
mein beantworten.  Vielmehr  kann  es  sich  auch  hier  nur  darum  han- 
deln, die  unteren  und  oberen  Grenzen  festzustellen,  innerhalb  deren 
sich  die  Quote  der  animalischen  Zulage  zu  der  vegetabilischen  Nahrungs- 

75 


V 


76  IMMANUF.L    MUNK, 

grumllage  bewegen  kann,  so  daß  das  Wohlbefinden  und  andauernde 
I.oistungsfahigkeit  erzielt  und  erhalten  wird. 

Wir  sagen  absichtlieh  und  bewußt  „die  Quote  des  animalischen 
Zuschusses  zu  der  vegetabilischen  Nahrungsgrundlage"  und  betonen  zu- 
gleich, daß  früher  ganz  allgemein  die  Anschauung  geherrscht  hat  und 
noch  neuerdings  von  einigen  sonst  sachverstandigen  Autoren,  wie  Fr. 
Hofmann'  und  J,  König*,  vertreten  wird,  daß  Kraft,  Energie  und 
Ausdauer  zur  Arbeit  nur  geschatfen  und  erhalten  wird  durch  eine  reich- 
liche Zufuhr  von  Animalien  und  besonders  von  Fleisch.  Wenn  König 
dabei  auf  die  kräftigen  und  ausdauernden  englischen  Arbeiter  hinweist, 
die  viel  Fleisch  verzehren,  so  läßt  sich  dagegen  eine  Reihe  der  kräftig- 
sten Völkerstämme  und  einzelner  angestrengt  arbeitender  Volksklassen 
aufzählen,  welche  nur  von  Vegetabilien  mit  einem  geringen  Zuschuß  von 
Animalien  leben,  so  die  Arbeiter  des  schottischen  Hochlandes  und  die 
karpatischen  Lan»lleute,  welche  hauptsächlich  von  Hafermehlkost  leben 
und  dazu  nur  wenig  Animalien  zu  sich  nehmen.  Die  japanischen  Kulis, 
welche  an  Stelle  von  Zugpferden  im  schnellen  Lauf  das  zweirädrige 
Kabriolet  (Jinrikisha)  ziehen  und  dabei  pro  Stunde  mehr  als  T'/jj  km 
(l  deutsche  Meile)  zurücklegen,  nähren  sich  nach  der  auch  von  anderen 
zuverlässigen  Forschern  bestätigten  Schilderung  von  Sc  he  üb  e^  haupt- 
sächlich von  Reis  und  einer  sehr  geringen  Zulage  von  Fischen.  Hus- 
80 n*  nennt  ferner  die  russischen  Bauern,  die  norwegischen  Land- 
bewohner, die  Wasserträger  von  Konstantinopel,  die  bretagnischen  Bauern 
als  solche  Yölkerklassen,  welche  hauptsächlich  Vegetabilien  mit  einer 
relativ  unbedeutenden  Quote  von  Animalien  (Fleisch,  Milch,  Käse)  ge- 
nießen, dal)ei  aber  außerordentlich  kräftig,  leistungsfähig  und  ausdauernd 
bei  der  Arbeit  sind.  Nehmen  wir  endlich  noch  die  schon  oben  berührte 
(S.  70)  Feststellung  hinzu ,  derzufolge  die  streng  arbeitenden  ober- 
bayrischen Holzknechte  nur  von  Mehl  und  Schmalz  sich  ernähren,  so 
kann  so  viel  als  sicher  ausgesprochen  werden ,  daß  bei  einigermaßen 
geeigneter  Auswahl  und  zweckmäßiger  Zubereitung  der  Pflanzenkost  die 
Quote  animalischer  Nahrungsmittel  nicht  groß  zu  sein 
braucht,  um  die  an  solche  Kost  gewöhnten  Menschen  kräftig  und 
leistungsfähig  zu  erhalten. 

Es  handelt  sich  also  nur  um  die  Feststellung  des  hygienisch- 
zweckmäßigen Maximum  und  Minimum  der  animalischen 
Zulage.  In  dieser  Hinsicht  kann  ebenfalls  nur  die  Erfahrung  ent- 
scheiden. Förster-'^  hat  in  der  Kost  zweier  gut  bezahlter  Münchener 
Arbeiter  28  Proz.  des  Gesamteiweißes  in  Form  von  Fleisch  ermittelt, 
in  der  Kost  zweier  Wohlhabenden  dagegen  59  Proz.  C.  Voit*^  be- 
rechnet aus  den  statistischen  Erheljungen  über  den  Fleischverbrauch, 
daß  der  erwachsene  arbeitende  Mensch  etwa  ^3  seines  Eiweißbedarfes 
in  Form  von  Fleisch  deckt.  Uffelmann'  berechnet  aus  den  Speise- 
tabellen einer  Rostocker  Kompagnie  (21 — 22  Jahre  alte  und  im  Durch- 
schnitt 03  kg  schwere  Soldaten)  einen  Verbrauch  an  animahschem  P^i- 
weiß  (Fleisch,  Milchj  von  rund  35  Proz.  des  Gesamteiweißes;  dabei 
nahmen  die  Soldaten  trotz  des  anstrengenden  Ausbildungsdienstes  an 
Gewicht  und  Frische  meistens  zu.  Eine  Ausnahme  davon  machten  nur 
diejenigen  jungen  Leute,  welche  auf  Grund  größerer  Wohlhabenheit 
an  eine  fleischreichere  Kost  gewöhnt  waren,  insofern  diese  bei  jener 
Nahrung  eher  abnahmen.  Ebenso  fand  er  in  der  Kost  von  4  „mittel- 
gut situierten",  sehr  thätigen  Handwerkern  die  Quote  des  animalischen 
Eiweißes  zu  31 — 35  Proz.  vom  Gesamteiweiß.     Danach  wird   man  wohl 

76 


Einzoleruälirung  uud  Masseneruähruug.  77 

sagen  dürfen,  daß  im  allgemeinen  ein  kr;iftiger  Erwachsener 
zweckmäßig  *  / ,  seines  Eiweißbedarfes  den  A  n  i  m  a  1  i  e  n 
(Fleisch,  Eier,  Käse,  Milch),  ",3  den  Vegetabilien  entnehmen 
soll,  und  daß  diese  C,)uote  animalischen  Eiweißes  =  '/s  des  Gesamt- 
eiweißes ihn  auch  zu  starker  Arbeit  leistungsfähig  erhält ,  wofern  er 
nicht  schon  seit  längerer  Zeit  an  reichlicheren  Genuß  von  Animalien 
gewöhnt  war. 

Ueber  die  zulässige  obere  Grenze  des  animalischen  Eiweißes  in 
der  Kost  laßt  sich  schwerer  ein  Urteil  gewinnen.  Selbstverständlich  ist 
erst  eine  solche  Quote  davon  als  unzulässig  zu  erachten,  welche  Störungen 
des  Wohlberindens  oder  gar  Neigung  zu  gewissen  Erkrankungen  zur 
Folge  hat.  Nun  ist  von  gut  beobachtenden  und  erfahrenen  Aerzten 
übereinstimmend  die  zu  reichliche  Zufuhr  tierischer  Nahrung,  insbesondere 
von  Fleisch,  als  die  Ursache  der  Gicht  (Arthritis  urica)  angeschuldigt 
worden,  und  in  der  That  sieht  man  dieselbe  gerade  bei  solchen  Indi- 
viduen auftreten,  welche  an  eine  üppige,  übermäßig  reichliche  Ernährung 
unter  besonderer  Bevorzugung  der  Fleischgerichte  gewöhnt  sind.  Daß 
diese  e  nocentibus  gezogene  Schlußfolgerung  berechtigt  ist,  geht  auch 
daraus  hervor,  daß  eine  starke  Einschränkung  der  Nahrungszufuhr,  ins- 
besondere die  möglichste  Herabsetzung  des  Fleischgenusses,  das  Leiden 
mildert  und  die  konsequente  Einhaltung  einer  blanden  vegetabilischen 
Diät  schließlich  zur  Heilung  resp.  zur  Verhütung  des  Auftretens  neuer 
Gichtanfälle  führen  kann.  Aus  der  Untersuchung  der  Kost  solcher 
Gichtkranken  glaubt  Uffelmann"  erschließen  zu  können,  daß  die 
Gefahr  einer  Gesundiieitsschädigung  droht,  wenn  dauernd  mehr  als  ^/^ 
des  Eiweißbedarfes  durch  Fleisch  gedeckt  wird.  Ist  man  deshalb  von 
Jugend  auf  an  reichliche  Animalien  gewöhnt,  so  wird  man  jedenfalls 
hygienisch  und  diätetisch  richtiger  handeln,  wenn  man  höchstens  ^/j 
seines  Eiweißverbrauches  mit  Fleisch  bestreitet  und  in  das  letzte  Drittel 
sich  andere  Animalien  (Milch,  Eier,  Käse)  und  die  Vegetabilien  (Mehl, 
Brot,  Hülsenfrüchte,  Reis,  Kartotfeln)  teilen  läßt. 

Die  gesicherte  Erfahrungsthatsache,  daß  zu  einer  zweckmäßig 
ausgewählten  und  geeignet  zubereiteten  pflanzlichen 
Nahrung  auch  für  die  Erhaltung  eines  muskelstarken  Körpers 
und  ausdauernder  Leistungsfähigkeit  nur  ein  geringer 
Zuschuß  an  Animalien  erforderlich  ist,  vorausgesetzt  daß 
die  betretlenden  Individuen  niclit  schon  seit  Jahren  an  reichlichere  ani- 
malische Kost  gewöhnt  sind,  ist  deshalb  außerordentlich  belangreich, 
weil  gerade  die  schwer  arbeitende  Klasse  schon  durch  die  Rücksicht 
auf  die  Wohlfeilheit  der  Verköstigung  zu  den  relativ  billigen  Vegeta- 
bilien als  Grundlage  und  Haui)tinhalt  ihrer  Nahrung  getrieben  wird,  zu 
der  sie  nur  einen  je  nach  ihren  Lohn-  und  Erwerbsverhältnissen  wech- 
selnden Zuschuß  der  höher  im  Preise  stehenden  Animalien,  vor  allem 
des  relativ  teuren  Fleisches  sich  gestatten  kann.  Freilich  muß  gleich 
hier  betont  werden,  daß  nicht  alle  Animalien  als  teuer  anzusehen  sind; 
es  giebt  darunter  gehaltreiche,  Eiweiß  und  Fett  bez.  Kohlehydrate  mehr 
oder  weniger  reichlich  bietende,  wie  die  (entsahnte)  süße  Magermilch 
und  der  weiße,  säuerliche  oder  Quarkkäse  (in  Süddeutschland  Topfen 
genannt),  endlich  der  pikant  schmeckende  Salzhäring,  welche  l)ei  be- 
trächtlichem Eiweiß-  und  Fettgehalt  bekiMumlich  und  gut  ausnützbar 
sind  und  welche,  auf  die  gleiche  Nährstotfmenge  berechnet,  nicht  viel 
teuerer  sind  als  die  i)ekönnnlichen,  schmackhaft  zubereiteten  und  gut 
verwertbaren  Vegetabilien  (Mehlgebäck   aus   feinem   Mehl   uud   Schmalz 

77 


78  IMMANUEL    MUNK. 

oder  Oel).  Die  abwechselnde  Zugabe  der  genannten  weniger  teuren  Ani- 
malien  zu  einer  sonst  vegetabilischen  Nahrung  macht  letztere  schmack- 
hafter, erhalt  den  Api)etit  rege  und  gestattet  zugleich,  das  Bedürfnis 
nach  Wechsel  in  Form,  Geschmack,  Zubereitung  und  Konsistenz  der 
Kost  zu  befriedigen.  Die  für  einen  mittleren  Arbeiter  bei  einem  Eiweiß- 
bedarf von  rund  110  g  erforderlichen  37  g  animalisches  Eiweiß  werden 
auch  von  etwa  1  Liter  Vollmilch  oder  Magermilch  oder  125  g  Käse 
oder  2  Salzheringen  zun»  Preise  von  etwa  10 — 15  Pfennig  geliefert 
und  bilden  vollständigen  Ersatz  für  das  Fleischeiweiß,  gleichzeitig  aber 
bieten  sie  sehr  viel  mehr  Fett  und  Kohlehydrat,  daher  süße  Mager- 
milcli,  Quarkkäse  und  Salzheringe  als  höchst  preis- 
werte animalische  Nahrungsmittel  für  die  Volksernäh- 
rung  nur  dringendst  zu  empfehlen  sind. 

Was  endlich  die  Wahl  der  Nahrungsmittel,  um  den  C-Bedarf  zu 
decken,  anlangt,  so  sei  zunächst  als  festgestellt  vorweggenommen  (die 
Beweise  dafür  sollen  im  2.  Teil  dieses  Abschnittes  bei  der  Lehre  vom 
Kostmaß  beigebracht  werden),  daß  für  den  erwachsenen  „mittleren  Ar- 
beiter" die  Zufuhr  von  270  g  Kohlenstoff  erforderlich  ist.  Da  die  gleich- 
zeitig zu  verabreichenden  110  g  Eiweiß  etwa  59  g  C  einschließen,  bleiben 
noch  rund  210  g  C  durch  N-freie  Stoffe  zu  decken.  Dafür  können  so- 
wohl Kohlehydrate  als  Fette  gegeben  werden,  und  zwar  sind  in  dieser 
Hinsicht,  wie  wir  wissen  (S.  12,  49),  die  Kohlehydrate  und  Fette  nicht  in 
gleichen  Mengen  äquivalent,  vielmehr  sind  erst  23 — 24  T.  Kohlehydrat 
isodynam  10  T.  Fett.  Es  fragt  sich  nun,  welches  die  zweckmäßige 
Mischung  von  Fett  und  Kohlehydrat  in  der  Nahrung  ist. 
Der  Bedarf  von  210  g  C  könnte  allein  durch  270  g  Yeit  oder  auch 
durch  620  g  Kohlehydrate  gedeckt  werden.  Da  nun  die  Kohlehydrate 
selbst  in  der  3fachen  Gewichtsmenge  immer  noch  wohlfeiler  sind  als 
Fett,  so  wird  man  in  der  Volksernährung,  wo  es  auf  die  Wohlfeilheit 
der  Verköstigung  wesentlich  ankommt,  auf  die  Kohlehydrate  gewiesen, 
zumal  dieselben  in  der  den  Hauptinhalt  der  Nahrung  bildenden  vege- 
tabilischen Kost  (Brot,  Mehlgebäcke,  Hülsenfrüchte,  Reis,  Kartoffeln) 
schon  an  sich  sehr  reichlich  enthalten  sind.  Allein  es  muß  gleich  betont 
werden,  daß  schon  wegen  des  für  620  g  Kohlehydrate  erforderlichen  kolos- 
salen Nahrungsvolumens:  1100  g  Weißbrot,  1270  g  Roggenbrot,  3000  g 
Kartoffeln  es  nicht  geraten  ist,  den  ganzen  C-Bedarf  durch  Kohlehydrate 
zu  bestreiten,  sondern  höchstens  bis  500  g  Kohlehydrate  zu 
gehen  und  den  Rest  durch  die  120  g  Kohlehydrat  äquivalente  Fett- 
menge =  .50  g  Fett  zu  decken.  Dann  ist  das  Mischungsverhältnis 
von  Kohlehydrat  zu  Fett  =  1  :  10.  Wegen  der  oben  geschilderten  (S. 
72j  Nachteile,  welche  die  Ueberschwemmung  des  Darms  mit  Kohle- 
hydraten hervorrufen  kann,  ersetzt  man  eine  noch  größere  Quote  von 
Kohlehydraten  durch  Fett,  giebt  zweckmäßigerweise,  wo  irgend 
der  Verpflegungssatz  es  gestattet,  70  g  Fett  und  450  g  Kohle- 
hydrate oder  90g  Fett  und  400g  Kohlehydrate  (Mischungs- 
verhältnis =  1  :  6,4  bis  4,4).  Thatsächlich  ist  in  der  Kost  des  Wohl- 
habenden, der  in  Bezug  auf  die  Verpflegung  sich  nicht  durch  die 
Rücksicht  auf  die  Wohlfeilheit  beschränken  zu  lassen  braucht,  schon 
1  Teil  Fett  auf  .3 — 4  Teile  Kohlehydrat  anzutreffen. 

Da  nun  durch  die  fettarmen  Vegetabilien  (Mehl,  Brot,  Kartoffeln) 
neben  450 — .500  g  Kohlehydrat  nur  höchstens  20  g  Fett  zugeführt  werden, 
so  muß  ein  Zuschuß  von  30,  noch  besser  von  50  g  tierischem  Fett  er- 
folgen, entweder  durch  fettreiches  Fleisch  oder,  was  wohlfeiler  ist,  durch 

78 


Eiuzclcrnäliruug  und  Masseneruähning.  79 

Schmalz  oder  Milch  oder  Kiise.  1  Liter  Vollmilch  oder  125  g  halb- 
fetter Käse,  oder  2  Iläriiige,  welche  die  erforderlichen  35  g  animalisches 
Eiweiß  einschließen  (S.  7G),  liefern  zugleich  30 — 26  g  Fett,  sodaß  mit 
diesem  animalischen  Zuschuß  zur  vegetabilischen  Nahrung  zugleich  die 
untere  Grenze  des  Fettbedarfes  erreicht  wird.  In  dem  Maße,  als  noch 
Schmalz  zugelegt  wird,  20—40  g,  wird  zugleich  die  Nahrung  fettreicher 
und  damit  für  den  Körper  vorteilhafter,  insofern  es  bei  dem  höheren 
Fettsatze  nunmehr  nur  400  g  Kohlehydrate  pro  Tag  bedarf.  Statt  des 
Schmalzes  kann  auch  Kunstbutter  (bez.  Speiseöle)  und,  wo  es  mehr 
auf  den  ^Vohlgeschmack  als  die  Wohlfeilheit  der  Kost  ankommt,  Butter 
genossen  werden. 

Ueber  die  Zugabe  von  Würz-  und  Genußstoffen  bezw. 
Genuß  mittein  zur  Nahrung  ist  das  Erforderliche  bereits  früher 
(S.  40)  beigebracht  worden.  Hier  wäre  höchstens  nur  darauf  hinzu- 
weisen, daß  weder  Eier  noch  saure  Speisen  zu  Milch  passen,  insofern 
dadurch  bei  Vielen  Uebelkeit  und  Leibschmerzen  hervorgerufen  werden, 
daß  andererseits  sehr  fette  Speisen  durch  gleichzeitigen  Genuß  verdünnter 
Alcoholica  (Wein,  Liquöre)  ertragbar  und  bekömmlicher  werden. 

1)  Fr    Hofmann.   Btdevtung  der  FUisihnahrwg,  Leipzig  (1880).  81. 

2)  J.   König.    Ihe  menschlichen  Nahrungs-  und  Oenvßmitlel    3.    Ahji.   1.   Bd.   (1889)    141. 

3)  Scheube.   A    f.   11    1.  Bd    382. 

4^  Hnsson.  Joum.  d'hyg.  (1885\  34.'). 

5)  Forster.  Z.  f.  Biol    9    Bd    381. 

6)  C    Voit,    Untersuchung  der  Kost  etc.,  München  (1877),   21. 

7)  üffelmann  (und  Mank),  Ernährung,  324. 


§  6.     Die  geeigneten  Temperaturen  der  Nahrung. 

Hygienisch  und  diätetisch  ist  die  Frage  von  Bedeutung,  ob  die 
verschiedenen  Temperaturen  der  genossenen  Speisen  und  Getränke  für 
die  Verdauungsorgane  und  von  da  auf  den  übrigen  Körper  reflektierend 
gleichgiltig  sind  oder  ob  nicht,  zumal  durch  die  extremen  Temperaturen 
nach  oben  und  unten,  heiße  bezw.  kalte  Speisen  Nachteile  für  den  Men- 
schen bezw.  Störungen  der  Verdauung  oder  des  Allgemeinbefindens  er- 
zeug werden  können  ^ 

Im  Gegensatz  zu  dem  frühesten  Kindesalter,  wo  schon  auf  jede 
mäßige  Abweichung  in  der  Temperatur  der  Speisen  von  der  Körper- 
wärme (38  ")  nach  oben  oder  unten  Verdauungs-  und  Allgemeinstörungen 
(Schmerzen,  Erbrechen,  Durchfall  bez.  Schweiß,  unruhiger  Schlaf)  sich 
einstellen,  zeigt  der  Erwachsene  eine  mehr  oder  minder  ausgebildete 
Gewöhnung  an  höhere  oder  niedere  Temperaturen  der  Speisen.  Nur 
die  als  eiskalt  (von  7  **  C.  abwärts)  und  die  als  heiß  oder  brennend-heiß 
empfundenen  (über  55°)  Temperaturen  der  Speisen  und  Getränke  rufen 
auch  bei  den  meisten  Erwachsenen  eigentümliche,  unangenehme  Sensa- 
tionen hervor,  und  bei  häufigem  Genuß  solcher  eiskalt  oder  heiß  temperierter 
Speisen  können  Schädigungen  und  Erkrankungen  sich  einstellen.  Abnorm 
hohe  und  niedere  Temperaturen  geben  lähmende  bezw.  erregende  Reize 
für  Nerven  und  Muskeln  ab,  und  vom  centralen  Nervensystem  aus  kann 
die  so  bewirkte  Erregung  auf  Ilerz,  Gefäße,  Eingeweide  etc.  reflektieren 
und  die  verschiedensten  Folgen  nach  sich  ziehen. 

Fast  alle  gut  beobachtenden  Aerzte  stimmen  mit  Leube*  darin 
überein,    daß  als   direkte  Folge  des  Genusses   brennend-heißer  Speisen, 


.^U  IMMAM  r.L    MINK. 

aul>LT  dem  bokanntou  r>rennen  im  Munde  und  Schlünde,  ein  akuter 
Magenkatarrh  mit  heftigen  gastralgischen  oder  kardialgisclien  Schmerzen 
aultreten  kann,  und  daß,  wenn  diese  Schädlichkeit  habituell  wird,  chro- 
nischer Magenkatarrh,  ja  bei  besonderer  Prädisposition  auch  kapillare 
Blutungen  in  die  Schleimhaut  erfolgen  oder  gar  ein  chronisches  rundes 
Magengeschwür  sich  ausbilden  kann.  Bei  Versuchen  an  Hunden  haben 
in  der  Tliat  verschiedene  Autoren  ^  infolge  Einführung  eines  ^Vassers 
von  55—65'^  in  den  Magen  Bhitaustritt  und  Geschwürsbildung  experi- 
mentell erzeugen  können.  Zugleich  wird  durch  den  Reiz  der  Hitze  auf 
die  Magenschleimhaut  retiektorisch  die  Herzthätigkeit  beschleunigt. 

Eiskalte  Getränke  schaden  vornehmlich,  wenn  sie  in  großen  Zügen 
bei  durch  Bewegung  oder  Arbeit  erhitztem,  aber  zur  Zeit  ruhendem, 
nicht  mehr  thatigem  Körper  getrunken  werden.  Außer  dem  Gefühl 
eisiger  Kalte  an  den  Zähnen  und  in»  Munde,  die  Speiseröhre  entlang 
und  in  der  Mageugegend  erzeugen  sie  einen  Reiz  auf  die  Magenschleim- 
haut, der  Schmerzen  und  Appetitlosigkeit,  zuweilen  akuten  Katarrh  des 
Magens  und,  von  da  fortgeleitet,  auch  des  Darms  zur  Eolge  haben 
kann.  Große  Mengen  kalten  Trunkes  können  ferner  ein  Absinken  der 
Eigenwärme  des  Körpers  um  ^L, — 1  ^  bewirken.  Der  Reiz  auf  die 
Magenschleimhaut  ruft  reflektorisch  infolge  Kontraktion  der  Hautmuskeln 
(M.  arrectores  pili)  und  der  Muskeln  der  Hautgefäße  Gänsehaut  und 
Erösteln  hervor,  macht  den  Herzschlag  langsamer  und  dabei  energischer, 
was  aus  dem  Härter  werden  des  langsameren  Pulses  hervorgeht,  und 
erregt  reflektorisch  die  Darmmuskeln,  sodaß  die  Darmbewegungen  leb- 
hafter, zuweilen  krampfartig  werden,  infolge  wovon  wieder  kolikartige 
Leibschmerzen  auftreten.  Aehnlich  sind  die  Erscheinungen  nach  Genuß 
kalter  Speisen,  nur  weniger  ausgesprochen,  weil  ja  auch  die  Mengen 
genossener  kalter  Speisen  nicht  so  groß  zu  sein  pflegen  als  die  eis- 
kalten Getränkes  (Wasser,  Bier).  Schließlich  ist  noch  anzuführen,  daß 
man  auch  vom  gewohnheitsmäßigen  Genuß  kühler  Speisen  bei  Arbeitern, 
die  außer  dem  Hause  ihätig  sind  und  deren  Mittagskost  während  des 
Transportes  vom  Hause  zu  der  Arbeitstätte  mehr  oder  weniger  ab- 
kühlt, Nachteile  beobachtet  haben  will ;  die  kalten  Speisen  bilden  kein 
genügendes  Reizmittel  für  den  Magen,  infolgedessen  greift  der  so  Ver- 
köstigte zu  anderen  Reizmitteln,  insbesondere  zu  den  alkoholischen  und 
zwar  zu  den  am  stärksten  wirkenden,  zu  den  Branntweinen. 

Es  bedarf  endlich  nur  des  Hinweises,  daß  der  schnelle  Wechsel  von 
heißen  und  kalten  Ingesta  auch  auf  die  Zähne  nachteilig  einwirkt,  in- 
sofern der  Zahnschmelz  dadurch  rissig  wird,  sodaß  die  Mikroorganismen 
eine  F.intrittspforte  gewinnen,  durch  die  sie  zum  Zahnbein  gelangen  und 
letzteres  bis  zur  kariösen  Zerstörung  angreifen. 

Aus  alledem  geht  hervor,  daß  die  zweckmäßigste  Temperatur  der 
Speisen  diejenige  ist,  welche  der  Blutwärme  entspricht  (38 '^  C.).  Wenn 
auch  im  übrigen  ohne  sichtbare  nachteilige  Folgen  die  Temperatur  der 
Speisen  und  Getränke  nach  oben  und  unten  von  der  Bluttemperatur 
ziemlich  weit  abweichen  kann,  so  sind  doch  -|-  7 "  C.  als  die  äußerste 
untere  und  55  '*  als  die  äußerste  obere  Grenze  zu  erachten,  die,  höchstens 
vorübergehend,  überstiegen  werden  dürfen.  Vorteilhaft  hält  man  sich 
auch  von  diesen  Grenztemperaturen  fern.  Am  schlimmsten  erweist  sich 
hastiger  eiskalter  Trunk  bei  erhitztem,  ruhenden  Körper.  Will  man 
dem  Körper  Wärme  zuführen,  so  geschieht  dies  am  besten  dadurch,  daß 
man  die  Temperatur  des  heißen  Getränkes  (Katfee,  Thee,  Wein,  Grog) 
etwa  50^   C.   erreichen  läßt;    will   man    umgekehrt   Wärme   entziehen, 

80 


Einzelernähriiiig  und  Masseneinährung.  81 

abkühlend  wirken,  so  verwende  man  Getränke  und  Speisen  von  etwa 
10",  ausnahmsweise  von  8°  C.  Auch  liüte  man  siel»  in  Rücksicht  auf 
die  Krhaltun^  der  Zähne,  deren  Kaufunktion  für  die  Ausnützunj^  und 
Bekinnndichkeit  der  Nahrung  wesentlich  ist  (S.  58),  vor  allzu  raschem 
Wechsel  heiüer  und  kalter  Speisen  und  Getränke. 

1)  l'ergl.   die    au*führliche    und    erschöpfende    Itehandlung    dieser    Frage    bei  üffelmann.   Die 
Tetnperatur  unterer  Speisen  und  Getränke,    Wiener   Klinik  (1887)  Heft  9. 

2)  Leabe.   in  v.   Ziemssen's  Ilandb.  der  spez.  Path    u.   Therap.   7.  ßd.   2.    T.  26. 

3)  Kostjurin,  Peter>ö.  med.    »ocÄ.  (1879)  10;  Spaeth,   A.  /.  Hyg.  4.   Bd.  72;  Decker,  Derl. 
kl.    Woch.   (1887)  AV.   21. 


3.  Teil:   Das  Kostinafs. 

Nachdem  wir  im  ersten  Teil  dieses  Abschnittes  die  allgemeinen  Ge- 
sichtspunkte bezüglich  der  Zubereitung  der  Nahrung,  ferner  die  zweck- 
mäßige Auswahl  und  Mischung  der  Nahrungsmittel  erörtert  haben,  kommen 
wir  nunmehr  zu  der  Behandlung  der  Frage:  welches  ist  die  für  die 
verschiedenen  Altersklassen  und  die  wechselnden  äußeren  Lebensverhält- 
nisse angemessene  Nahrung,  d.  h.  das  Gemisch  von  Nährstoffen, 
Nahrungs-  und  Genußmitteln,  das  den  Körper  zum  mindesten  auf  seinem 
stotflichen  Bestände  und  seiner  Leistungsfähigkeit  erhält.  Da  in  den  uns 
von  der  Natur  gebotenen  Nahrungsmitteln  und  Würzstotfen  in  der  Regel 
die  Mineralstotfe  in  erforderlicher  Qualität  und  Quantität  und  ebenso  das 
Wasser  reichlich  zur  Verfügung  stehen  (S.  24,  28),  handelt  es  sich  nur 
um  Feststellung  der  erforderlichen  organischen  Nährstoffe:  Eiweiß,  Fett 
und  Kohlehydrat. 

Nun  haben  wir  bereits  bei  der  Betrachtung  der  Bedingungen  des 
Eiweißverbrauches  bei  Eiweißgenuß  und  bei  der  Bedeutung  des  Nah- 
rungseiweißes erkannt  (S.  9,  32),  daß  der  Organismus  glücklicherweise  be- 
fähigt ist,  sich  mit  den  verschiedensten  Mengen  der  einzelnen  Nährstoffe 
ins  Gleichgewicht  zu  setzen,  vorausgesetzt  daß  eine  gewisse,  für  den  Körper 
unentbehrliche  Menge  Eiweiß  in  der  Zufuhr  enthalten  ist,  insofern,  abge- 
sehen von  jenem  unerläßlichen  Eiweißquantum,  die  Nährstotfe  sich  unter 
einander  innerhalb  ziemlich  weiter  Grenzen  vertreten  können  (S.  49).  In 
Rücksicht  hierauf  ist  die  oben  gegebene  Definition  noch  vom  hygienischen 
Standpunkte  dahin  einzuschränken,  daß  wir  als(Nahrung  dasjenige 
Gemisch  von  Nahrungs-  und  Genußstoffen  bezeichnen,  bei 
welchem  Stoffgleich  gewicht  und  die  jeweils  erforderliche 
körperliche  Leistungsfähigkeit  mit  der  geringsten 
Menge  von  Nährstoffen  erreicht  wird.  \  Da  nun  der  Stoff'ver- 
brauch  der  Individuen  je  nach  Lebensalter,  Körpergewicht  und  -große, 
Körperbestand  (ab.solute  und  relative  Eiweiß-  und  Fettmenge  am  K()rper), 
äußerer  Temperatur  und  Klima,  Ruhe  oder  Arbeit  u.  a.,  wie  im  ersten 
Abschnitt  behandelt,  verschieden  ist,  so  ist  auch  die  Größe  des  zur  Er- 
zielung von  Gleichgewicht  erforderlichen  Stoftersatzes  einem  analogen 
Wechsel  unterworfen,  daher  für  die  hier  vorkommenden,  wichtigsten  oder 
typischen  Falle  die  erforderliche  Nahrung  gesondert  festgestellt  werden 
muß.  Die  zur  Deckung  des  stofflichen  Bedarfes  im  Tage  erforderliche 
Nahrung  bezeichnet  man  auch  als  Kost  maß. 

Wie  bei  den  allgemeinen  Betrachtungen  im  ersten  Teil  dieses  Ab- 
schnittes wiederholt  betont,  hängt  in  Bezug  auf  die  Ernährung  so  vieles 

Handbuch  der  Hygiene.    Hd.  III.  Abtlg.   1.  Q 


82  IMMANUEL    MUNK, 

von  GeNvöhiiuiijx  uiul  Iiulividualität  ab,  daß  dieselbe  Nahrung,  welche  bei 
dem  Kinoii  Sättigung,  15efriediyuiig,  stoffliches  (ileichgewicht  und  Leistungs- 
fähigkeit erzeugt,  bei  dem  Anderen,  ungeachtet  scheinbarer  Ueberein- 
stimmung  mit  Ersterem  in  Bezug  auf  Kürperzustand,  Alter  und  sonstige 
Lebensbedingungen,  nicht  den  gleichen  Xähreö'ekt  hervorruft,  sei  es 
daß  derselbe  ein  wenig  nach  unten  :  langsame  Abnahme  des  Körper- 
gewichtes und  der  Leistungsfähigkeit,  oder  nach  oben :  Zunahme  des 
Körpergewichtes,  frischeres  Aussehen,  größere  Arbeitslust  und  -kraft, 
abweicht.  Deshalb  können  alle  Eruährungsgesetze  und  alle  Vorschriften 
über  das  tägliche  Kostmaß  gewissermaßen  nur  für  den  Durchschnitts- 
menschen (z.  B.  Erwachsene  von  70  kg,  Kinder  vom  2.-5.  Lebens- 
jahre, Greise  von  65—80  Jahren)  gelten;  sie  geben  gewissermaßen  nur 
den  Mittelwert  an,  um  den  herum  die  Nährstotl'menge  schwanken  kann, 
damit  ein  der  vom  Individuum  zu  leistenden  körperlichen  Arbeit  ange- 
messener Stoflljestand  erzielt  oder  erhalten  wird.  Deshalb  ist  die  Kennt- 
nis des  Kostmaß  es  als  des  Durchschnittsbedarfes  an  Nähr- 
stoffen unter  den  verschiedenen  Lebensbedingungen  er- 
forderlich, aber  nicht  zu  dem  Zweck,  diese  Durchschnittsnorm  stets 
sklavisch  und  schablonenhaft  zu  befolgen,  vielmehr  nur  um  einen  sicheren 
Anhalt  zu  haben,  von  dem  aus,  ebenso  wie  der  verständige  Arzt  in  der 
Diätetik,  auch  der  hygienisch  geschulte  und  erfahrene  Verwaltungs- 
beamte, dem  die  Ernährung  in  öflentlichen  Anstalten  anvertraut  ist,  in 
Rücksicht  auf  die  einzelnen  Individuen  Abweichungen  von  der  Kostnorm 
nach  oben  cder  unten  treffen  und  durch  die  Kontrolle  des  nach  kürzerer 
oder  längerer  Zeit  erzielten  Nährefifektes  auf  die  liichtigkeit  prüfen  kann. 
Im  Nachfolgenden  halten  wir  daran  fest,  das  Kostmaß  nach  der 
Bedarfsgröße  an  den  organischen  Nährstoffen  zu  normieren  und  nicht 
im  Sinne  mancher  neueren  Autoren  statt  des  Kostmaßes  die  für  die 
"Wärmeverluste  des  Körpers  erforderliche  Wärmemenge  als  durch  den 
kalorischen  Wert  der  im  Körper  verbrennenden  Nährstoffe  gedeckt  au-' 
zugeben.  Die  Gründe  dafür  sind  an  einer  früheren  Stelle  (S.  49j  bei- 
gebracht ;  hier  möge  nur  auf  jene  Ausführungen  verwiesen  werden, 

4 

Was  die  Methoden  zur  Feststellung  des  Kostmaßes^ 
anlangt,  so  sind  es  in  der  Hauptsache  drei  Wege,  welche  hier  gangbar  sind 
und  welche  sämtlich  betreten  werden  müssen,  weil  kein  einzelner  von  ihnen 
sichere,  einwandsfreie  Resultate  liefert.  Bei  der  ersten  Methode  giebt  man 
Individuen  von  mittlerer  Größe  und  Köiperbestand  eine  bestimmte  Nahrung,  mit 
der  man  so  lange  wechselt,  bis  für  mehrere  Tage  stoffliches  Gleichgewicht  ein- 
getreten ist,  was  durch  die  Bestimmung  von  Harnstoff',  Kohlensäure  und  Wasser 
kontrolliert  wird,  insofern  der  in  den  Ausscheidungen  gefundene  Stickstoff 
und  Kohlenstoff  annähernd  der  Einnahme  entsprechen  muß.  Da  aber,  wie 
schon  wiederholt  betont,  der  Organismus  mit  der  Fähigkeit  ausgestattet  ist, 
sich  mit  den  verschiedensten  Nährstoffinengen  ins  Gleichgewicht  zu  setzen, 
und  diese  Erfahrung  in  einer  Reihe  nach  dieser  Methode  ausgeführter  Ver- 
suche sich  bestätigt  hat  (vergl.  §  1),  kann  diese  Methode  als  entscheidend 
nicht  wohl  angesehen  werden. 

Die  zweite  Methode  besteht  darin,  daß  man  ftlr  eine  größere  Anzahl 
unter  denselben  Bedingungen  (öffentliche  Anstalten,  Kasernen,  Schiffe) 
lebender  und  gleichmäßig  verpflegter  Individuen  den  Gesamtverbrauch  an 
Nahrungsmitteln  feststellt  und  daraus  das  Mittel  der  auf  den  Kopf  der  Ver- 
köstigten treffenden  Mengen   von   Nährstoffen   berechnet.     Man    geht   hierbei 

82 


EiDzelerDähmng  und  MaseenerDäbruDg.  83 

von  der  Erwägung  aus,  daß  die  in  erster  Linie  vom  wechselnden  Körper- 
bestand und  -gewicht  der  so  Verpflegten  resultierenden  Schwankungen  im 
StoftVerbrauch  und  demgemäß  auch  im  Stoflersatz,  im  Bedarf  an  Nährstoffen, 
endlich  die  je  nach  Gewöhnung  und  Appetit  schwankende  GröGe  der  Nah- 
rungsaufnahme, insofern,  sei  es  überhaupt  oder  nur  an  einzelnen  Tagen,  die 
einen  zu  viel,  die  anderen  zu  wenig  von  den  ihnen  gebotenen  Speisemengen 
genießen,  daß,  sage  ich.  diese  zum  Teil  durch  thatsächliche  innere  Momente, 
zum  Teil  durch  die  Willkür  bedingten  Unterschiede  mehr  und  mehr  sich 
verwischen  und  die  wahren  Mittelwerte  hervortreten  lassen,  je  größer  die 
Zahl  der  Verpflegten  ist.  Aber  selbst  wenn  diese  der  Methode  zu  Grunde 
geli'gte  Voraussetzung  zutrifft,  ruht  die  Feststellung  des  thatsächlichen  Ge- 
samtverbrauchos  an  Nährstoffen  aus  den  verwendeten  und  ihrem  Gewicht 
nach  bekannten  Nahrungsmitteln  deshalb  auf  unsicheren  Grundlagen,  weil 
die  Nahrungsmittel  selbst  in  Bezug  auf  die  stoffliche  Zusammensetzung  in 
ziemlich  weiten  Grenzen  schwanken  können,  sodaß  die  Benützung  von  aus 
anderweitigen  Analysen  gezogenen  Mittelwerten  die  also  berechnete  Nährstoft- 
nienge  mehr  oder  wenig  weit  von  der  thatsächlich  darin  vorhandenen  ab- 
weichen lassen  kann,  endlich,  was  hauptsächlich  für  die  bei  der  Massen- 
ernährung bevorzugten  Vegetabilien  zutrifft,  die  bei  der  Speisebereitung  ent- 
fernten Schalen,  Hülsen,  vortrockneten  und  verholzten  Teile  der  pflanzlichen 
Nahrungsmittel,  die  sog.  KUchenabfälle,  ihrer  Menge  und  Zusammensetzung 
nach  einmal  je  nach  Boden  und  Klima,  sodann  je  nach  Jahreszeit,  Art  und 
Dauer  der  Aufbewahrung  bis  um  das  Doppelte  des  Gewichtes  schwanken 
können,  sodaß  demnach  die  Menge  der  für  die  Speisebereitung  restierenden 
Nährstoffe  im  gleichen  Gewicht  der  Vegetabilien  zu  verschiedenen  Zeiten 
eine  ganz  verschiedene  sein  kann.  Nur  eine  die  Untersuchung  außerordent- 
lich kompliziert  und  mühsam  machende  sorgfältige  chemische  Analyse  der 
in  den  Speisen  wirklich  vorhandenen  Nährstoffe  vermag  diese  als  grob  und 
allerhöchstens  approximativ  zu  erachtende  Methode  zu  einer  sicheren  zu 
gestalten. 

Deshalb  thut  man  gut,  noch  eine  dritte  Methode,  gleichsam  zur  Er- 
gänzung der  beiden  anderen,  zu  benutzen,  die  darauf  beruht,  daß  man  bei 
einzelnen,  unter  bekannten  und  einfachen  Verhältnissen  lebenden  Menschen 
die  in  der  nach  Belieben  aufgenommenen  Kost  vorhandenen  Nährstoft'mengen, 
am  besten  eine  Eeihe  von  Tagen  hindurch,  feststellt  und  —  fügen  wir  hinzu 
—  zugleich  den  Nähreffekt  dieser  Kost  kontrolliert;  bleibt  dabei  das  Individuum 
auf  seinem  Gewicht,  gesund  und  leistungsfähig,  so  darf  man  diese  Nahrung 
unter  den  betreffenden  Verhältnissen  als  ausreichend  erklären.  Diese  zuerst 
von  Forster  eingeführte  Methode  der  Untersuchung  einer  nach  Belieben 
aufgenommenen  Nahrung  scheint  uns,  wofern  sie  verläßliche  Resultate  geben 
soll,  der  Kontrolle  des  Nähreffektes  zu  bedürfen,  weil  die  Erfahrung  lehrt, 
daß  die  nach  Belieben  aufgenommene  Nahrung  gelegentlich  und  mehrere 
Tage  hindurch  unter  dem  Bedarf  bleiben  kann,  und  dann  wiederum  eine  Reihe 
von  Tagen  folgen  können,  an  denen,  gleichsam  zum  Ausgleich,  mehr  Nah- 
rung aufgenommen  wird. 

Je  näher  nun  die  nach  vorstehenden  drei  Methoden  gefundenen  Zahlen- 
werte einander  liegen,  desto  größere  Gewähr  ist  geliefert,  daß  die  daraus 
gezogenen  Mittelwerte  dem  wirklichen  d.  h.  erforderlichen  Kostmaß  unter  den 
resp.  Bedingungen  nahe  kommen. 

\)    Vtrgl.  C.  Voit,    Z.  J.   Biol.    12.  Bd.   51.    und  Utiteriuch.  dfr  Kost    etc.  (1877);    Forster, 
Z.  J.  Biol.   9.  Bd.   381;  Meinert,   Armee-  und    Volksemährung,  Berlin  (1880). 

83  ß* 


84  IMMANUEL   MUNK, 

§  1.     Kost  maß  der  Erwachsenen. 
a)  Bei  Ruhe  u  u  d  1  e  i  ch  t  e  r  Arbeit. 

Hierüber  lies^eu  nach  allen  drei  Methoden  (S.  82)  gewonnene  Fest- 
stellungen und  Berechnungen  vor. 

Nach  der  ersten  Methode  bestimmt,  hat  der  70  kg  schwere  kräftige 
Arbeiter  von  v.  Petteukofer  und  Voit^  bei  reichlicher  gemischter 
Kost  verbraucht: 

137  g  Eiweiß,  65  g  Fett  und  352  g  Kohlehydrate. 
Dagegen  konnte   sich  J.  Ranke^,   der   ebenfalls   70  kg  schwer,   aber 
fettreich  war,    eine   Woche    lang   ins   Gleichgewicht   setzen   mit   einem 
Kostmaß  von 

100  g  Eiweiß,  100  g  Fett,  240  g  Kohlehydrate, 
Beneke^,  der  62  kg  wog,  sogar  mit  nur 

90  g  Eiweiß,  79  g  Fett  und  285  g  Kohlehydrate. 
Förster^    hat  in  der   nach   Belieben   aufgenommenen   Kost  eines  29 
Jahre  alten,  70  kg  schweren  Arztes  das  Kostraaß  ermittelt  (3.  Methode)  zu 

130  g  Eiweiß,  95  g  Fett,  325  g  Kohlehydrate, 
ferner  bei  einem  65-jährigen,  62  kg  schweren  Manne 

116  g  Eiweiß,  68  g  Fett,  345  g  Kohlehydrate; 
desgleichen  Beaunis-'  bei  einem  48-jährigen  Arzte 

92  g  Eiweiß,  61  g  Fett,  235  g  Kohlehydrate, 
endlich  H  o  c  h  ^ ,  25  Jahre  alt,  in  seiner  Kost 

108  g  Eiweiß,  77  g  Fett,  378  g  Kohlehydrate. 

Daraus  ergiebt  sich  als  Mittel  für  den  ruhenden  oder  leicht  arbeitenden 
Erwachsenen  von  62 — 70  kg  Gewicht: 

110  g  Eiweiß,  78  g  Fett,  310  g  Kohlehydrate 
oder,  wenn  wir  22  g  Fett  durch  (22  X  2,3  =)  50  g  Kohlehydrate  er- 
setzen : 

'  110  g  Eiweiß,  56  g  Fett,1370  g  Kohlehydrate. 

Da,  wie  wir  gleich  erörtern  werden,  die  Eiweißnorm  von  110  g  reich- 
lich hoch  ist,  der  leicht  Arbeitende  schon  mit  lüO  g  Eiweiß  auskommt, 
so  genügt  für  den  ruhenden  oder  leicht  arbeitenden  Er- 
wachsenen (von  62 — 70  kg)  ein  Kostmaß  '  von : 

100  g  Eiweiß,  56  g  Fett,  400-450  g  Kohlehydrate' 
(Wärmewert  brutto,  d.  h.  ohne  Berücksichtigung  der  Ausnützung, 
\=  2571—2776  Kalorien), 
wobei  zu  bemerken  ist,  daß  der  ruhende  Mensch  schon  mit  400  g  Kohle- 
hydrate ausreicht,  während  bei  leichter  Arbeit  vorteilhaft  450  g  Kohle- 
hydrate gegeben  werden.  Von  den  100  g  Eiweiß  sollen  rund  90  g  ver- 
daulich sein,  was  dadurch  zu  erreichen  ist,  daß  etwa  Vs  ^^^r  Norm  = 
33  g  Eiweiß  in  Form  von  Animalien  (Fleisch,  Hering,  Milch,  Käse)  ge- 
geben wird. 

Für  die  leicht  arbeitende  Frau  kann  das  Kostmaß  auf  etwa 
*l ^ — ^/ß  der  Norm  für  den  erwachsenen  Mann  reduziert  werden,  zumal 
dieselbe  zumeist  etwa  um  10  kg  leichter  ist  als  der  Mann,  und  auch, 
da  sie  relativ  fettreicher  und  eiweiß-  oder  fleischärmer  ist,  einen  ge- 
ringeren Stofifverbrauch  hat: 

85—90  g  Eiweiß,  40  g  Fett,  320—360  g  Kohlehydrate 


(2033—2218  Kai.). 


84 


EinzelernähruDg  und  MassenernähniDg.  85 

b)  Bei  mäßiger,  nicht  zu  angestrengter  Arbeit. 

Für  die  Kostration  bei  mäßiger  „mittlerer"  Arbeit  liegen  die  (nach 
der  2.  Methode  gewonnenen)  Bestimmungen  von  Pia  yfa  i  r  ^,  Ilildes- 
heim'^  und  C.  Voit^°  an  Soldaten  im  Garnison-  und  Manöverdienst 
vor,  ferner  eine  (nach  Methode  3  gewonnene)  Bestimmung  von  lloch*^ 
an  einem  Schuhmacher.     Es  fanden 

Play  fair  I20  g  Eiweifs  40  g  Fett  530  g  Kohlehydrate 

Bild  es  heim  117   ,)        •<  35   m  <<  540  „  „ 

Voit  117  „        „  26  „  „  547   „ 

Hoch  Q8  .,       „  64  „  „  460  ., 


Mittel  113  .,       „  41   „     „  520  „  „ 

äquivalent       1 13   .,        ,,  56  ..     ,,  485  „  „ 

(bei  Ersatz  von   35   g  Kohlehydrat  durch    15  g   Fett). 

Eine  Ration  von  100—110  g  Eiweiß,  56  g  Fett  und  50o  g 
Kohlehydrate  (3022  Kai,  bietend)  ist  allen  Erfahrungen  zufolge 
für  den  erwachsenen  „mittleren  Arbeiter"  mehr  als  genügend, 
"Während  Voit  früher  118  g  Eiweiß  als  erforderlich  angesehen  hat. 

Die  erwachsene  Arbeitsfrau  findet  schon  bei  mittlerer  Ar- 
beit ihr  Auslangen  mit 

90  g  Eiweiß,  40  g  Fett,  400  g  Kohlehydrate  (2380  Kai.) 

Die  vorstehenden  Kostsätze  bei  Ruhe  und  leichter  Arbeit  einer- 
seits, mittlerer  Arbeit  andererseits  sind  von  zahlreichen  Autoren  teils 
im  Ganzen,  teils  in  Bezug  auf  die  Eiweißgabe  als  zu  hoch  erachtet 
worden.  Bei  der  Wichtigkeit  des  Gegenstandes  ist  eine  kritische  Be- 
handlung dieser  Einwendungen  geboten. 

Was  zunächst  die  Höhe  des  sowohl  bei  leichter  als  mittlerer  Ar- 
beit von  Voit  auf  118  g  normierten  Eiweißbedarfes  bei  einer 
sonst  ausreichenden  Ration  N-freier  Stoffe  anlangt,  so  sind 
einmal  dagegen  die  oben  berichteten  (S.  84)  Erfahrungen  von  J. 
Ranke  und  Beneke,  sowie  von  Beaunis  anzuführen,  die  da  lehren, 
daß  der  leicht  thätige  Erwachsene  mit  90— 100  g  auskommt,  ferner  die 
Ermittelungen  von  Pflüger  und  Bohland'^  sowie  von  Bohl  and 
und  Bleib  treu ' '^,  die  bei  14  jungen,  kräftigen,  mäßig  arbeitenden 
Männern  einen  Eiweißumsatz  von  im  Mittel  nur  90 — 93  g  gefunden 
haben,  sowie  Erfahrungen  von  Uffelmann  ^^,  denen  zufolge  die  Voit- 
sche  Mittelzahl  entschieden  zu  hoch  ist.  Nakahama*^  hat  den  Ei- 
weißumsatz bei  13  arbeitenden  Menschen  zu  G5 — 103  g,  im  Mittel  zu 
85  g  gefunden,  und  zwar,  um  nur  einige  charakteristische  Beispiele 
herauszugreifen ,  bei  einem  Klempner  von  78  kg  einen  Umsatz  von 
83  g,  bei  einem  täglich  12  Stunden  angestrengt  arbeitenden  Erdbohrer 
von  68  kg  sogar  nur  von  68  g.  Hoch  in  der  Tagesration  eines  sehr 
thätigen  Steinhauers  von  86  kg  (!)  im  Durchschnitt  nur  93  g  Eiweiß. 
Demgemäß  erscheint  es  vollauf  begründet,  die  p]iweißration  des  Er- 
wachsenen von  mittlerem  Gewicht  (65—70  kg)  und  mäßiger,  nicht  zu 
angestrengter  Arbeit  auf  1(X)  g  herunterzusetzen;  daß  100  g  Eiweiß 
pro  Tag  für  die  Dauer  genügen,  ist  durch  die  Erfahrung  sicher- 
gestellt. 

Andere  Autoren  wollen  in  der  Herabsetzung  der  Eiweißnorra  noch  weiter 
gehen.  F.  Hirse  hfeld^*  (73  kg)  hat  durch  einen  Selbstversueh 
gezeigt,   daß    bei   genügender  Ration    von    Kohlehydraten    und   Fetten  (bezw. 

85 


86  IMMANUEL    MUNK, 

Alkohol!  CT  schon  mit  einer  Eiweiügabe  von  40—50  g  für  eine  kurze 
Zeit  (2—8  Tage)  auf  Stickstoftgleichgowicht  bleiben  könne,  und  Kuraa- 
gawa'''  (allerdings  nur  48  kg  schwer!)  setzte  von  55  g  Nahrungseiweiß 
sogar  nur  38  g  um.  Daraufhin  hat  Hirschfold  gemeint,  daß  ein  Er- 
wachsener auch  mit  50  —70  g  Eiweiß  sein  Auskommen  finden  könne,  und 
dabei  auf  die  Japaner  verwiesen,  die  sich  fast  ausschließlich  vom  eiweißarmen 
Eeis  nähren.  Demgegenüber  konnte  I.  Munk"*  erweisen,  daß  nach  den 
Bestimmungen  von  R.  Mori''',  Ejkmann  und  Scheube^^,  sowie  von 
Kellner  und  Y.  Mori*^  die  nur  42  —  58  kg  schweren  Japaner  80— 100  g 
Eiweiß  (von  denen  70 — 77  g  resorbierbar)  aufnehmen;  nach  Mori,  Oi  und 
Jhisima-'*  enthält  die  Truppenreiskost,  bei  der  6  geprüfte  Individuen  sich 
im  Gleichgewicht  befanden,  im  zubereiteten  Zustande  85  g  Eiweiß.  Danach 
müssen  alle  Angaben  von  einer  sehr  geringen  Eiweißaufnahme  der  ost- 
asiatischen Yölkerstämme,  welche  hauptsächlich  von  eiweißarmen  Vegetabilien 
leben,  als  unbegründet  und  irrtümlich  zurückgewiesen  werden. 

Somit  lehren  nach  unserer  Auffassung  die  bisherigen  Versuche  nur,  daß 
ein  Erwachsener  sich  auch  bei  einer  Eiweißzufuhr  von  50  —70  g  eine  kurze 
Zeit  lang  annähernd  auf  Gleichgewicht  erhalten  kann,  nicht  aber,  daß  die 
Gesundheit  und  Widerstandsfähigkeit  sowie  die  Leistungsfähigkeit  bei  stetem 
Genuß  so  geringer  Eiweismengen  keinen  Schaden  leiden.  Im  Gegenteil  liegen 
Untersuchungen  von  I.  Munk"-^  am  Hunde  vor,  nach  denen  eine  infolge 
großer  Gaben  von  Kohlehydraten  und  mäßiger  Fettmenge  auch  bei  geringer 
Eiweißration  ausreichende  Nahrung,  bei  welcher  durch  5 — 6  Wochen  zu- 
nächst Gleichgewicht  erreicht  wird,  weiterhin  in  der  7. — 9.  Woche  zu  Störungen 
in  der  Verdauung  und  Ausnützung  der  Nährstoffe,  insbesondere  des  Fettes 
und  in  mäßigem  Grade  auch  des  Eiweißes,  führt,  infolge  deren  das  Gleich- 
gewicht aufgehoben  wird,  Appetitlosigkeit,  Erbrechen  und  sehr  bald  Schwäche 
und  Kraftlosigkeit  sich  einstellt.  Diese  schweren  Störungen  lassen  sich 
nur  durch  eine  eiweißreiche  Nahrung  (Fleisch)  wirksam  bekämpfen;  unter 
Umständen  verenden  die  Tiere,  ehe  man  sich's  versieht,  wie  in  einem  Falle 
Munks  und  in  2  Fällen  von  Rosenheim  ^^.C  Die  Verdauungsstörungen 
beruhen  zum  größten  Teil,  wie  wenigstens  für  die  Galle  M  u  n  k  hat  bestimmt 
erweisen  können,  auf  spärlicherer  Abscheidung  der  Verdauungssäfte.  Nach  alle- 
dem werden  wir  Bedenken  tragen,  die  Eiweißration  eines  erwachsenen  mitt- 
leren Arbeiters  unter  90  g  herabzudrücken.  Auch  Demuth^s  igt  durch 
12-jährige  Beobachtungen  zu  dem  Ergebnis  gelangt,  daß  jede  Nahrung,  deren 
Eiweißgehalt  unter  90  g  sinkt,  selbst  wenn  sie  mehr  als  genügenden  Wärme- 
wert besitzt,  nicht  geeignet  ist,  auf  die  Dauer  Wohlbefinden  und  Leistungs- 
fähigkeit eines  sog.  mittleren  Arbeiters  von  70  kg  zu  erhalten.  ~) 

Andere  Forscher  wiederum  haben  die  obigen,  für  Ruhe  oder  leichte  sowie 
für  mittlere  Arbeit  aufgestellten  Kostsätze  teils  nur  in  Bezug  auf  das  Eiweiß, 
teils  im  Ganzen  zu  hoch  finden  wollen,  und  zwar  auf  Grund  ihrer  Er- 
mittelungen über  den  Nährstoflfverb rauch  armer  Arbeiterfamlion.  Von  einer 
armen  niederlausitzer  Arbeiterfamilie  hat  Böhm'-**  den  täglichen  Verbrauch 
per  Kopf  zu  64  g  Eiweiß,  17  g  Fett  und  570  g  Kohlehydrat  berechnet, 
Flügge  2-^  den  eines  wenig  leistungsfähigen  Dieners  von  60  kg,  welcher 
annähernd  im  Gleichgewicht  war,  gar  nur  zu  52 --65  g  Eiweiß,  37  g  Fett  und 
290  g  Kohlehydrate,  Meinert^^  aus  der  Kost  armer  sächsischer  Arbeiter- 
familien nur  52—80  g  Eiweiß,  13  —  68  g  Fett  und  300—500  g  Kohle- 
hydrate, endlich  neuerdings  v.  R  echenb  erg  ^'^  aus  der  Kost  der  Handweber 
im  Zittauer  Kreise  65  g  Eiweiß,  49  g  Fett,  485  g  Kohlehydrate.  Wenn  die 
betreffenden  Individuen  von  Jugend  auf  an  so  knappe  Kost  gewöhnt  sind 
und  keine  schwere  Arbeit  zu  verrichten  haben,    kann    auch   bei   so  geringer 

86 


EiDZolerQäbruDg  und  MasseDoroäbmog.  87 

Ration  von  Eiweiß  neben  nur  mäßiger  Gabe  von  Fett  und  Koblebydraten  ein 
wenig  kräftiger,  lleiscbarmer  Körper  allenfalls  auf  Gleicbgewicbt,  aber  nicht 
leistungsfähig  erhalten  werden,  sodaß  man  solche  Rationen  als  die  unterste 
Grenze  der  sog  Erhaltungskost  ansehen  kann.  Und  in  der  That  führen 
alle  diese  Autoren  ohne  Ausnahme  an ,  daß  die  so  karg  Verpflegten  schlecht 
genährt,  schwächlich  und  nur  wenig  leistungsfähig  sind.  Zur  Erhaltung 
eines  mittlt>ren  Arbeiters  von  70  kg  auf  seinem  StotTbestande  und  arbeits- 
tüchtig, dazu  bedarf  es  eben  der  obigen  Rationen  von  100—110  g  Eiweiß, 
56  g  Fett  und  450—500  g  Kohlehydrate. 

c)  Bei  angestrengter  Arbeit. 

Bei  der  Lehre  vom  Stoffverbrauch  (S.  12)  haben  wir  erfahren,  daß 
die  Quelle  für  die  Muskelkraft  oder  Arbeit  in  erster  Linie  die  stick- 
stofffreien Körper-  und  Nahrungsstoffe,  die  Fette  und  Kohlehydrate, 
abgeben  und  daß,  erst  wenn  von  letzteren  weder  am  Körper  noch  in 
der  Nahrung  genügend  zur  Verfügung  steht  bezw.  die  angestrengte 
Arbeit  oder  schnelle  Körperbewegungen  wie  z.  B.  beim  Bergsteigen  zu 
Atemnot  (Dyspnoe)  führen,  dann  auch  das  Eiweiß  mit  in  Zerfall  gezo- 
gen wird.  Da  somit  für  gewöhnlich  bei  schwerer  Arbeit  mehr  N-freie, 
C-haltige  Substanz  verbraucht  wird,  muß  auch  mehr  derartiges  Material 
mit  der  Nahrung  zugeführt  werden.  Nun  beträgt  schon  bei  mittlerer 
Arbeit  die  Kohlehydratration  50 J  g,  und  wie  oben  dargelegt  (S.  78),  ist 
es  nicht  rätlich,  über  diesen  Satz  hinauszugehen.  Also  empfiehlt  es 
sich,  die  bei  mittlerer  Arbeit  56  g  betragende  Fettration  dem  Bedarf 
entsprechend  zu  erhöhen,  und  zwar  genügt,  da  der  Satz  von  Fett,  56  g, 
und  Kohlehydraten ,  500  g ,  bei  mittlerer  Arbeit  schon  reichlich  hoch 
ist,  ein  Zuschuß  von  40—45  g  Fett,  um  den  Mehrverbrauch  an  Fett 
bei  schwerer  gegenüber  mittlerer  Arbeit  zu  decken.  Damit  ist  zu- 
gleich der  Vorteil  erreicht,  daß  der  Darm  nicht  überlastet  und  dadurch 
die  Arbeitslast  herabgedrückt  wird,  sowie  daß  nunmehr  das  Verhältnis 
von  Fett  zu  Kohlehydraten  auf  1  :  5  steigt ;  je  reicher  aber  die  Kost  an 
Fett  ist,  desto  schmackhafter  und  abwechselnder  läßt  sie  sich  herstellen 
und  desto  zweckmäßiger  ist  sie  für  den  Körper  (S.  78). 

Nach  Vorstehendem  läßt  sich  also,  wofern  genügend  Fett  und  Kohle- 
hydrate in  der  Kost  sini,  schon  durch  diese  der  bei  Arbeit  gesteigerte 
Stoffverbrauch  decken,  sodaß  an  sich,  um  die  für  die  Arbeit  erforder- 
liche lebendige  Kraft  frei  werden  zu  lassen,  es  eines  Zuschusses  an 
P^iweiß  nicht  beiürfte.  Um  aber  strenge  Arbeit  leisten  zu  können, 
müssen  die  Arbeitsorgane,  die  Muskeln,  in  gutem  Stande,  kräftig  ent- 
wickelt sein  oder  durch  Wachstum  ihrer  Gewebselemente  sich  zur  Fähig- 
keit kraftvoller  Leistung  entwickeln.  Ein  muskelkräftiger  Körper  ist 
aber,  da  im  Muskel  das  Eiweiß  nächst  dem  Wasser  den  wesentlichsten 
Bestandteil  bildet,  zugleich  eiweißreicher  als  ein  weniger  muskulöser. 
Je  größer  die  Eiweißmasse  am  Körper,  desto  größer  ist  der  Eiweiß- 
zerfall, desto  mehr  Nahrungseiweiß  muß  geboten  werden,  um  den  Körper 
vor  Eiweißverlust  zu  schützen.  Ebenso  bedarf  es  zum  Wachstum  der 
Muskeln,  zur  Zunahme  der  Muskelfasern  an  Zahl  und  Dicke  einer 
über  den  Bedarf  gesteigerten  Eiwciß/:ufuhr.  Di3mnach  muß,  allerdings 
nur  um  die  Muskeln  auf  gutem  Stande  uni  Leistungsfähigkeit  zu  er- 
halten, event.  die  Entwickelung  derselben  und  damit  die  Arbeitsfähig- 
keit zu  fördern,  ein  Zuschuß  auch  in  Bezu^  auf  die  P^iweißration  gegeben 
werden. 

87 


88  IM  MANU  KL    MUNK. 

reber  die  Kost  anj^estreiigter  Arbeiter  liegen  eine  Reihe  von 
sÄintlicli  nach  der  3.  Methode  (S.  !S3)  gewonneneu  Erfahrungen  vor,  bis 
auf  diejenige  Voit  und  v.  Pettenkofer's^,  einen  kräftigen  70  kg 
schweren  Mann  anhmgeud,  an  dem  der  thatsächliche  Verbrauch  aus  den 
Ausscheidungen  bestimmt  worden  ist  (1.  Methode,  S.  82). 

H  Eiweifs       71   p  Kett     567   g   Kohlehydrate  (Arbeiter) 

.,        .,  70  ,,     „        600  ,,  „  (Münch.  Brauknecht) 

173  „  „  352   „  „  (Arbeiter) 

54  .,  ,.  480   ,,  „  (Mechaniker) 

,,        ,,              95  ,,  ,,  422  ,,  ,,  (Dienstmtiun) 

M       „              68  „  „  494   ,.  ..  (Tischler) 


P  1  a  y  f  a  i  r  » 

156 

V.   L  i  e  b  i  K  "* 

'65 

Petteiikofer  u. 

Voit 

137 

V  0  i  t  >« 

'5' 

F  0  r  s  t  e  r  * 

133 

„ 

131 

Mittel     147  „       „  89  „     „        486  „  „ 

Auf  Grund  dieser  Beobachtungen  fordert  Vo  it  für  den  angestrengten 
Arbeiter,  noch  über  die  Mittelwerte  der  N-freien  Stotie  hinausgehend: 
145  g  Eiweiß,  100  g  Eett,  500  g  Kohlehydrate,  indessen  reicht  selbst 
der  angestrengteste  Arbeiter  aus  mit  120—130  g  Eiweiß, 
100  g  Fett,  500  g  Kohlehydrat  (3472—3513  Kai.),  wobei  vorteil- 
haft V:i  der  Eiweißgabe  =  40—43  g  animalisch  in  Form  von  Fleisch, 
Milch,  Käse,  event.  Schmalz  oder  Speck  gereicht  werden  (sodaß  105 — 
115  g  Eiweiß  verwertbar  sind)  und,  um  den  Darm  nicht  zu  überlasten, 
die  Brotration  nicht  750  g  übersteigen  soll. 

Dabei  soll  aber  nicht  verschwiegen  werden,  daß  da,  wo  die  Nah- 
rung fast  eine  rein  vegetabilische  ist  und  von  Animalien  höchstens 
Schmalz  und  Speck  zugelegt  werden,  Ijei  angestrengtester  Arbeit  ge- 
legentlich Speisemengen  aufgenommen  werden ,  welche  das  obige,  für 
alle  Fälle  schwerer  Arbeit  ausreichende  Kostmaß  weit  übersteigen.  Nach 
v.  L  i  e  b  i  g  ^  **  nehmen  die  oberbayrischen  Holzknechte  (in  Mehl,  Brot 
und  Schmalz)  bis  zu  143  g  Eiweiß,  180—300  g  Fett  und  G90— 870  g 
Kohlehydrate  auf,  die  italienischen  Ziegelarbeiter  nach  H.  Ranke^^ 
(in  Mais  und  Käse)  167  g  Eiweiß,  117  g  Fett  und  675  g  Kohlehydrate, 
die  nassauischen  Bergleute  nach  SteinheiP^  (überwiegend  Vegeta- 
bilien)  133  g  Eiweiß,  113  g  Fett,  634  g  Kohlehydrate,  endlich  die 
siebenbürgischen  Feldarbeiter  nach  Ohlmüller^^  (in  Mais  und  Sau- 
bohnen) 150  g  Eiweiß,  75  g  Fett,  940  g  Kohlehydrate.  Alle  diese  über- 
reichlichen Kostrationen  sind  auch  schon  wegen  der  kolossalen  Kohle- 
hydratgaben unzweckmäßig,  am  ehesten  würde  die  Ration  der  Holz- 
knechte den  Anforderungen  entsprechen,  wofern  die  Kohlehydrate  auf 
500  g  herabgemindert  würden ;  auch  dabei  wäre,  selbst  bei  der  niederen 
Quote  von  180  g  Fett,  die  Nahrung  als  das  Bedürfnis  übersteigend  zu 
bezeichnen ;  doch  da  der  Ueberschuß  die  Fettgabe  trifft,  würde  dies 
vielmehr  als  vorteilhaft  gelten  können.  Auch  das  von  Hultgren  und 
Landergren^'^  bestimmte  Kostmaß  9  verschiedener  schwedischer 
Arbeiter,  das  im  Mittel  von  je  9  Tagen  159  g  Eiweiß,  93  g  P'ett  und 
570  g  Kohlehydrate  bot,  ist  in  Bezug  auf  die  Eiweiß-  und  Kohlehydrat- 
gabe als  reichlich  hoch  zu  erachten. 

1)  V.  Pettenkofer    und  Voit,  2.  f.  Biol.  2.  Bd.  488. 

2)  J.   Eanke,    J    /.   Anat.  u.  Fhyaiol.  (1862)   311. 

3)  Beneke,   Marburg,  natunc.   Schriften   11.   Bd.  277. 

4)  Forster,    Z  J.  Biol.   9    Bd.  381. 

5)  Beaunis,  Becherches  exper.,  Paris  (1884)  4. 

6)  Hoch,   Düs,  Roilock  (1888). 

7)  I.   Munk  [und  Uffelmann),  Ernährung,   2.  Aufl.  206. 

88 


I 


EinzelornähruDg  und  Masscnernäbrung.  89 

8)  Playfair.   Med.   Times  and  GazttU  (18C5)   1.   Bd.   460,   2.    ISd.   325. 

9)  Hildesheim,   l>ie  Nonnnldiät  (186ß)  32,   67. 

10)  C.    Voit,    l'iiters.    der   KoU  (1877)   20. 

11)  Pflüger  und  Bohland,   IHilg.  Arch.   36.   ßd.    165. 

12)  Bohland  und  Bleibtreu,  ebenda  38.  Bd.   1. 

13)  yertjl    Uifelmann,    Jahresbericldf    über    die   Fortschritte    und  Leistuntjen    auf  dem   GrbieU 
der  llyyirne   l^83— 90.   —  Nakahama,  A.  f.  Ihjg    8     Bd.  98 

14)  F.   Hirichfeld,     Vtrch.   Arch.    114.   Bd.   350;    P/lügers   Arch.  44.  Bd.    248:     Berl.  klin. 

Ho./i    (1891)  Nr.  26. 

15)  Kumagawa,    Virch.   Arch     116.   Bd.  370. 

16)  I    Munk,    Virch.  Arch.   132.   Bd.    150 

17)  Eintaro  Mori,   A.  f.   Jlyg.   5     Bd.   3.53. 

18)  Ejkmann  und  Scheube,  siehe  bei  Nakahama,  A.  f.  Uyg.  8.  ßd.  98. 
191  Kellner  und  Y    Mori,   Z    f.  Biol.   25.   Bd    102. 

20)  K.  Mori,  G.  Oi  und  S   Jhisima,  Arb.  aus  d  K.jap.  müitärärztl.  Lehranst.  (1892)  1.  Bd.  1. 

21)  I.    Munk,    .1.  /.   I'hysiol.  (1891)  338;    Virch.   Arch.   132.  Bd    91. 

22)  Th    Roeenheim.   .1.  /.  Phytiol.  (1891)  341  ;  Pflüg.   Arch.  53.  Bd.  61. 

23)  Demuth,  Mümh.  med.    »ocA.   (1892)  AV.  43—45. 

24)  Böhm,  1>.    Vierteljahr sschr.  /.  ö//.   Ges. -Pflege   1.   .ßd.   376. 

25)  Flügge,  Beiträge  zur  Jlyg.,  Leipzig  (1877)   93. 

26)  Meinert.   Armee-  und    Volksemährung,   Berlin  (1880)    1.    Bd.    112. 

27)  V    Bechenberg,    Die    Ernährung    der    Handiceber    in    der    Amtihauptmannschaft    Zittau, 
Leipzig  (189U). 

28)  J.   V.   Liebig.   Münch.  akad.  Sitz.-Ber.  (1869)  463. 

29)  H.  Ranke,  Z.  f.  Biol.   13.  Bd.    130. 

30)  Steinheil,  ebenda  13.   Bd.  415. 

31)  Ohlmüller.  ebenda  W.   Bd.  393. 

32)  Hultgren  und  Landergren,    Untertuchung    über    die  Ernährung  schtceditcher  Arbeiter  bei 
frei  geteähUer  Kost,  Stockfiolm  (1891). 


§  2.     Kostmaß  alter  Leute. 

Da  einmal  die  Körpermasse  im  Alter  abnimmt,  andererseits  die 
Arbeitsleistung  zumeist  nur  eine  mäßige  ist,  wird  im  Alter  weniger 
Eiweiß  und  Fett  verbraucht  (S.  IG),  daher  ist  sowohl  der  Bedarf  an 
Eiweiß  als  auch  der  an  Kohlehydraten  und  Fett  geringer,  und  zwar 
an  letzteren  um  so  kleiner,  je  weniger  äußere  Arbeit  geleistet  wird. 

Deshalb  braucht  die  Nahrung  nicht  so  viel  zu  bieten,  als  für  den 
Erwachsenen  bei  Kühe  oder  leichter  Arbeit  erforderlich  ist  (100  g  Eiweiß, 
56  g  Fett  und  400—450  g  Kohlehydrate),  sondern  weniger;  handelt  es 
sich  doch  hier  nicht,  wie  beim  Erwachsenen,  darum,  den  Körper  kräftig 
und  leistungsfähig  zu  erhalten,  sondern  nur  darum,  eben  noch  das 
Gleichgewicht  zu  l)ewahren  und  den  Verlust  von  Körpersubstanz  zu  ver- 
hüten. Hier  kommen  daher  die  oben  (S.  H7)  als  solche  der  Erhal- 
tungskost bezeichneten  Kostsätze  in  Betracht,  wie  sie  in  armen  Ar- 
beiterfamilien erhoben  worden  sind,  für  Arbeiter  aber  durchaus  unzu- 
reichend sind.  Hierher  gehört  auch  das  von  Förster^  bei  einer 
61  kg  schweren  armen  Arbeitsfrau  erhobene  Kostmaß  von  76  g  Eiweiß, 
23  g  Fett  und  ^5;}4  g  Kohlehydrate.  Aehnlich  sind  die  Kostsätze,  die 
ebenfalls  Forster  in  Münchener  Altersversorgungsanstalten  (nach  der 
2.  Methode)  ermittelt  hat,  nämhch  bei  den 

a  I  t  e  n  M  ä  n  II  e  r  II :    ()2  n   Eiweil',  45   g  Fetf,  332   p  Kohleliydratc  (2149  Kai.) 
alten   Frauen:        80  ,,        „  49  >.       ,.      266  ,,  „  ('875       „  ) 

Da  sich  bei  dieser  Verpflegung  die  Pfründner  wohl  und  munter  befanden 
und  mit  der  Verköstigung  zufrieden  waren,  wird  man  diese  wohl  als 
ausreichend  ansehen  dürfen. 

89 


90  IMMANUEL    MUNK, 

Anstatt  der  Forst  er 'scheu  Ivitionen  wird  nnn  sich  auch  mit  den 
Voit  sehen-  Kostmalien  einverstanden  erklären  kinmen,  der  die  Fett- 
quote auf  40  resp.  ;}.ö  g  herabsetzt,  aber  das  Aequivalent  dafür  an 
Kohlehydraten  giebt  und  so  die  Gabe  der  Kohlehydrate  auf  350  resp. 
30J  g  erhöht,  nur  wird  man  elier  jene,  weil  etwas  fettreicher,  auch  für 
zweckmäJMger  halten  dürfen,  zumal  für  solche,  die  früher  an  eine  bessere, 
an  Animalien  reichere  und  daher  fettere  Kost  gewöhnt  waren. 

Bei  der  Verpflegung  alter  Leute  ist  nicht  aulier  Acht  zu  lassen, 
einmal  daß  ihre  Zähne  entweder  teilweise  ausgefallen,  teilweise  ver- 
kümmert und  so  weniger  zum  Kauen  tauglich  sind,  soilann  daß  auch 
ihre  Verdauungsorgane  weniger  funktionstüchtig  sind,  daher  man  dem 
Darm  keine  zu  große  Arbeit  auferlegen  darf.  Vorteilhaft  giebt  man 
ihnen  mindestens  35  resp.  30  g  animalisches  Eiweiß  (weiches  Fleisch, 
Hering,  Milch,  Käse)  und  bevorzugt  die  leichter  verdaulichen  und  gut 
ausnützbaren  Gebäcke  aus  Mehl  und  Schmalz,  ferner  Getreidemehl- 
suppen und  weiches,  nicht  zu  altes  Brot.  Kartotfeln  sind  in  Breiforra, 
bezw.  in  Suppenform  zu  geben. 

Wenn  alte  Leute  noch  bei  ziemlichen  Kräften  sind,  sodaß  sie  eine 
mäßige,  mehr  als  leichte  Arbeit  verrichten,  muß  man  obige  Sätze  auf 
diejenigen  erhöhen,  welche  für  den  Erwachsenen  bei  leichter  Arbeit 
gelten,  also  für  den  alten  Mann  auf  100  g  Eiweiß,  56  g  Fett  und  400 
— 450  g  Kohlehydrate,  für  die  alte  Frau  auf  85  g  Eiweiß,  40  g  Fett  und 
360  g  Kohlehydrate. 

1»  Forster,  Z   f.  liiol.  9.  Bd.  401;  bei  Voit,   Untersuchung  der  Kost  18G 
2)  C.  Voit,    Untersuchung  der  Kost  17;  Z.  f.  Biol.   12.  Bd.  32. 


§  3.     Kostmaß  der  Soldaten. 

Wenn  wir,  der  üblichen  Einteilung  folgend,  die  Ration  der  Sol- 
daten gesondert  besprechen,  so  sind  wir  uns  dabei  bewußt,  nur  aus 
didaktischen  Gründen  und  der  leichten  Uebersicht  halber  so  zu  handeln. 
Denn  der  Soldat  ist  eigentlich  nichts  anderes  als  ein  erwachsener  „mitt- 
lerer Arbeiter"  oder  richtiger,  da  es  sich  um  junge  Leute  von  19 — 24 
Jahren  zumeist  handelt,  ein  eben  erwachsener  Arbeiter  mit  nicht  selten 
nur  mäßig  entwickelter  Muskulatur,  die  durch  die  Dienstübungen  stärker 
entwickelt  und  strafl'er  werden  soll.  Der  Körper  des  jugendlichen  Sol- 
daten ist  in  der  Regel  mehr  reich  an  Eiweiß  als  an  Fett  und  daher 
sein  Eiweißverbrauch  größer  als  der  von  fettreicheren  Erwachsenen  jen- 
seits des  3'J.  Lebensjahres.  Dies  Moment  ist  beachtenswert,  insofern 
die  Eiweißration  auf  der  Höhe  gehalten  werden  muß,  welche  die  körper- 
liche Leistungsfähigkeit  ermöglicht  und  sichert.  Der  Friedens-  und 
Garnisondienst  besteht  aus  einer  etwa  9 -stündigen  Arbeitszeit*,  z.  T. 
mit  einer  Belastung  von  rund  20  kg,  und  entspricht  somit  einer  mäßi- 
gen, nicht  zu  angestrengten  Arbeitsleistung  (S.  85),  daher  für  die 
Garnison  der  Kostsatz  von  100—110  g  Eiweiß,  56  g  Fett  und 
500  g  Kohlehydrate  (3022  Kai.)  zutrifft. 

Anders  ist  es  im  Kriege,  wo,  von  den  Ruhetagen  abgesehen,  zu- 
meist eine  10— 12-.stündige  Arbeitsleistung  mit  24  kg  Belastung  erfordert 
wird,  welche  derjenigen  eines  angestrengt  arbeitenden  Mannes  gleich- 
kommt, sodaß  deshalb  im  Kriege  der  Kostsatz  für  angestrengte  Arbeit 
(S.  88)  bewilligt  werden  muß,  nämlich  120-130  g  Eiweiß,  100  g 
Fett  und  500  g  Kohlehydrate  (3472—3513  Kai). 

90 


EinzelernäbniDg  und  MassoDernäliruDg.  91 

Für  das  Manöver,  wo  9' ^ — lOVo-stündige  Arbeitsleistungen  mit 
20  kg  Belastung  verlangt  werden,  welche  über  die  „mittlere''  Arbeit 
hinausgehen,  ohne,  von  Ausnahmefallen  abgesehen,  schon  in  das  Be- 
reich der  angestrengt(;n  schweren  Arbeit  zu  fallen,  wird  man  vorteilhaft 
dem  Soldaten  einen  mittleren  Kostsatz  zwischen  der  Friedens-  und  der 
Kriegsration  zubilligen,  nämlich  110—120  g  Eiweiß,  75—80  g  Fett 
und  öOO  g  Kohlehydrate  (3200—3285  Kai.). 

Für  die  Ausbildungszeit  der  Mannschaften,  die  sog.  Ilekrutenzeit, 
in  der  mehr  als  mittlere  Arbeit  von  an  den  Dienst  noch  nicht  ge- 
wöhnten Leuten  zu  leisten  ist,  wäre  die  Einhaltung  des  letztgenannten 
Manöversatzes  gleichfalls  wünschenswert,  hat  doch  Studemund*  er- 
mittelt, daß  die  Rekruten  in  der  ihnen  gelieferten  Verpflegung  nebst 
den  von  ihnen  als  Zuschuß  gekauften  Nahrungsmitteln  105  g  Eiweiß, 
54  g  Fett  und  553  g  Kohlehydrate  zu  sich  nehmen,  eine  Ration,  die 
äquivalent  ist  105  g  Eiweiß,  77  g  Fett  und  500  g  Kohlehydraten,  also 
der  oben  geforderten  Manöverportion  gleichkommt. 

Dio  obigen  Kostnormen  genügen  dem  Bedarfe  durchaus.  Die  bayrische 
Spezialkommission^  forderte  für  die  Garnisonverpflegung  118  g  Eiweiß, 
daneben  noch  56  g  Fett,  und  500  g  Kohlehydrate  und  für  dio  Kriegsportion 
145  g  Eiweiß  und  190  g  Fett  neben  500  g  Kohlehydraten.  Abgesehen  da- 
von, daß  190  g  Fett  (neben  500  g  Kohlehydrat)  das  C-Bedürfuis  jedenfalls 
■weit  übersteigen,  ist  auch  zu  berücksichtigen,  daß  erfahrungsgemäß  eine  ganze 
Reihe  von  Menschen  190  g  Fett  i>er  Tag  nicht  ohne  Beschwerden  und  Ver- 
dauungsstörungen vertragen. 

Dagegen  müssen  die  bisher  bei  der  deutschen  Reichsarmee  gel- 
tenden Kostsätze,  nach  M  e  i  n  e  r  t  ^  : 

Eiweifs 
(gewöhnliche  Friedensportion      •      107  g 

Manöverportion 135   x 

kleine  Kriegsportion   (Mittel)  I^S   «• 

beanstandet  werden. 

Wenn  auch  die  Friedens-  und  Manöverportion  genügend  Eiweiß  bieten, 
so  sind  sie  doch  zu  fettarm.  Die  Kriegsportion  bietet  umgekehrt  an  Fett 
und  Kohlehydraten  annähernd  genügend,  dagegen  reicht  die  Eiweißgabe  nur 
sehr  knapp  für  den  Bedarf.  Wenn  schon  in  den  Friedensportionen  der  Ge- 
halt an  Nährstoffen  innerhalb  zu  weiter  Grenzen  schwankt,  sodaß  an  einzelnen 
Tagen  zu  viel,  an  anderen  wiederum  zu  wenig  geboten  wird,  so  ist  dies 
vollends  bei  der  Kriogsportion  der  Fall,  deren  Eiweißgehalt  bald  78  resp.  97, 
bald  133  resp.  150  g,  deren  Fettgehalt  bald  nur  35  g,  bald  wiederum  146  g 
beträgt.  Auch  die  sog.  große  Kriegsjiortion  mit  102  g  Eiweiß,  45  g  Fett 
und  678  g  Kohlehydraten  bietet  an  Eiweiß  und  Kohlehydraten  zu  viel,  da- 
gegen an  Fett  entschieden  viel  zu  wenig.  Aohnliche  Ausstellungen  troffen 
auch  auf  die  Friedens-  und  Kriegsrationen  in  anderen  Ländern  England, 
Oesterreich,  Frankreich.  Italien)  zu.  In  der  niederländischen  Armee  ist  es 
hierum  nach  Forstor''  besser  bestellt,  insofern  in  der  Garnisonration  120  g 
Eiweiß,  60  g  Fett  und  550  g  Kohlehydrate,  in  der  Manöverportion  130  g 
Eiweiß,  75  g  Fett  und  520  g  Kohlehydrate  per  Kopf  und  Tag  entfallen. 

Ebenso  wie  l)ei  der  Kost  des  mittleren  Arbeiters  ist  darauf  zu 
halten,  daß  der  Dann  nicht  ül)erladen  und  d;imit  iiie  Leistungsfäliigkcit 
und  Arbeitslust  beeinträchtigt  wird.  Deshalb  darf  einerseits  die  Brot- 
ration nicht  750  g  i)ro  Tag  übersteigen,  andererseits  muß  mindestens 
Vj  der  Eiweißration   (35  resp.  36  resp.  43  g  Eiweiß)  in  Animalien  ge- 

9t 


Fett 

Kohlehydrate 

35  g 

420  g 

30  „ 

530   M 

90  ., 

470  1. 

92  IMMANUEL    Ml'NK. 

geben  wenien  (200—300  g  SehlachtHeisch  =  150—225  g  knocheiifrei), 
das  Tett  iu  Form  von  Schmalz  oder  !Si)eck  oder  tieischdurchwachsenem 
Speck.  In  welcher  Weise  und  mit  Rücksicht  auf  das  hierbei  mit- 
sprechende Moment  möglichster  Wohlfeilheit  die  Soldatenverpflegung 
l)raktisch  auszuführen  ist ,  soll  bei  der  Massenernährung  besprochen 
werden. 

Weil  nun  im  Kriege  der  Fall  eintreten  kann,  daß  für  1  oder  2  Tage 
die  Zufuhr  der  Muiidverpflegung  auf  SchAvierigkeiteu  stößt  oder  über- 
haujit  ganz  stockt  oder  dieselbe  durch  den  tagelangen  Transport  ver- 
dorben und  ungenießbar  wird,  ist  es  geboten,  für  solche  Notfälle  da- 
durch gesichert  zu  sein,  daß  der  Soldat  eine  wenig  voluminöse,  mög- 
lichst konzentrierte,  haltbare  d.  h.  gegen  spontanes  Verderben  geschützte 
Nahrung  mit  sich  führt,  welche  für  mindestens  zwei  Tage  reicht,  den 
sog.  eisernen  Bestand"^.  Bei  der  Massenernährung  wird  auch  die 
zweckmäßige  Herrichtung  dieser  Konserve  beschrieben  werden  (S,  114). 

1)  Studemund,  Priüg.   Arch.  48.  Bd.  578. 

2)  Beruht  dtr  über  die  Ernährung  der  Soldattn  niedergesetzten  bayrischen  Spezialkommission, 
Münchtn   (1881). 

3)  Meinert,   Armee-  und   Volksemährung,  Berlin  (1880),    1.   Bd.  286. 

4)  Forster.   Uandb    d    llyg.   2.  Bd.   1.   Abt.   1.  Hälfte  386. 

5)  C.   Voit.  Anhaltspunkte  zur  Beurteilung  des  sog.  eisernen  Bestandes,  München  (1876). 


§  4.     Kost  maß  der  Gefangenen. 

Bei  den  Gefangenen  kann  es  nicht  als  Aufgabe  des  Staates  ange- 
sehen werden,  den  Körper  kräftig  und  sehr  leistungsfähig  zu  erhalten. 
Andererseits  darf  die  Nahrung  nicht  so  knapp  sein,  daß  der  Körper  dauernd 
Einbußen  und  dadurch  schließlich  eine  dauernde  Schädigung  der  Ge- 
sundheit erleidet.  Es  muß  somit  eine  Ration  gegeben  werden,  ähnlich 
der  oben  (S.  87)  als  Erhaltungskost  bezeichneten,  bei  der  ein  nicht 
zu  großer  und  nicht  zu  schwerer  Mensch  mit  mäßig  entwickelter  Mus- 
kulatur sich  eben  im  Gleichgewicht  hält,  ein  größerer  und  stärkerer 
zunächst  so  lange  Eiweiß  (Fleisch)  und  Fett  vom  Körper  zuschießt,  bis 
er  sich  mit  der  Nahrung  ins  Gleichgewicht  setzt  und  weiterhin  eben 
noch  im  Gleichgewicht  bleibt  ^ . 

Giebt  man  zu  wenig  Fette  und  Kohlehydrate,  so  büßt  der  Körper 
Fett  von  seinem  Bestände  ein,  und  in  dem  Maße,  als  er  Fett  verliert, 
wird  der  Körper  für  das  gleiche  Gewicht  relativ  reicher  an  Eiweiß, 
daher  steigt  nunmehr  auch  der  Eiweißverbrauch,  und  wenn  die  Eiweiß- 
ration ungenügend  ist,  erfolgt  nunmehr  auch  ein  stetiger  Verlust  von 
Eiweiß.  Knappe  Eiweißration  bei  genügenden  Mengen  von  Fetten  und 
Kohlehydraten  schadet  weniger,  weil  im  ersteren  Falle  der  Körper  nur 
Eiweiß  einbüßt,  bei  ungenügender  Ration  von  Fetten  und  Kohlehydraten 
aber  zunächst  nur  Fett,  weiterhin  auch  Eiweiß  verliert.  Die  Menge  der 
zu  bewilligenden  Kohlehydrate  und  Fette  hängt,  wie  selbstverständlich, 
von  der  Größe  der  geforderten  Arbeitsleistung  ab.  Wird  nur  leichte 
Arbeit  verrichtet,  wie  dies  zumeist  in  den  Gefängnissen  der  Fall 
ist,  so  bedarf  es  nur  einer  Erhaltungskost,  wie  sie  oben  für  ältere,  nur 
leicht  arbeitende  Leute  normiert  ist  (S.  89),  nämlich  90  g  Eiweiß, 
35  g  Fett  und  350  g  Kohlehydrate  (2130  Kai.),  ja  in  sehr  vielen 
Fällen  wird  auch  der  von  Voit  geforderte  niederste  Satz  aus- 
reichen: 85  g  Eiweiß,    30    g   Fett   und   300  g    Kohlehydrate 

92 


Einzelernähruug  und  Massenornährung.  93 

(1858  Kai.),  zumal  wenn  es  sich  um  kleinere,  schwächliche  Männer 
handelt;  für  \Veil)er  dürfte  dieser  Satz,  von  besonders  kräftigen,  großen 
und  schweren  Individuen  abgesehen,  stets  genügen. 

Sehr  viel  höhere  Sätze  kommen  dem  (befangenen  zu,  der  ange- 
strengt arbeitet,  wie  dies  in  der  Kegel  für  das  Zuch  thaus  zutrifft; 
ihm  muli  das  Kostmaß  eines  „mittleren  Arbeiters"  bewilligt  werden  (S.  85) : 
100-110  g  Eiweiß,  56  g  Fett,  5a)  g  K  o  hlehy  drate 
(2980—3020  Kai.). 
Als  Minimum  für  den  mittelstark  arl)eitenden  Gefangenen  fordert  Mei- 
nert-  li'O  g  Eiweilv  45  g  Fett  und  450  g  Kohlehydrate ;  damit  dürften 
Menschen  von  mittlerem  Körpergewicht  und  ziemlich  entwickelter  Mus- 
kulatur nur  ausreichen,  wenn  die  Kost  zweckmäßig  gewählt  und  der 
Zuschuß  an  Animalien  erheblich  ist. 

Ferner  ist  zu  fordern,  daß  mindestens  V.-i  der  Eiweißgabe  (18  resp. 
22  g)  in  Animalien  und  zwar  einen  um  den  anderen  Tag  Fleisch  (100  g 
Schlachtfleisch  =  75  g  knochenfrei),  an  den  Zwischentagen  etwas  Speck 
oder  ein  Hering  oder  Käse  oder  Magermilch  ^  geboten  wird,  und  daß 
die  Fettgabe  nicht  unter  30  g  heruntergeht,  wenn  möglich  diese  Grenze 
überschreitet.  Sodann  ist  auf  die  bereits  früher  hervorgehobenen 
Momente  der  zweckmäßigen  Zubereitung ,  des  guten  Garkochens ,  der 
Abwechselung  in  Form  und  Konsistenz  der  Kost  und  der  Vermeidung 
der  Eintönigkeit  in  der  Kostform  (breiartige  Konsistenz),  endlich  des 
genügenden  Zusatzes   von   Gewürzen  (S.  52 — 64,  45,  46)    zu  verweisen. 

Von  den  Vegetabilien,  welche  die  fast  ausschließlichen  Bestandteile 
der  Kost  bilden,  sollen,  neben  gut  ausgebackenem  Brot,  diejenigen 
bevorzugt  werden,  welche  bei  guter  Zubereitung  eine  relativ  gute  Ver- 
wertung finden,  ohne  den  Darm  zu  überladen,  also  Mehl,  Reis,  Grütze, 
Hülsenfrüchte;  bei  Kartoffeln  und  Gemüsen  vergesse  man  nicht  deren 
Eiweißarmut. 

Die  Praxis  der  Gefangenenverpflegung  hat,  im  Gegensatz  zu  der 
Annen  verköstigung ,  bei  der  es  sich  zumeist  um  Individuen  handelt, 
welche  von  einem  bestimmten  mittleren  Gewichte  und  mittlerer  Ent- 
wickelung  der  Muskulatur  nicht  sehr  weit  abweichen,  mit  der  Schwierig- 
keit zu  kämpfen ,  daß  dabei  die  Individuen  verschiedenster  Körper- 
konstitution und  Lebensalters  sind,  ohne  daß  es,  von  Ausnahmen  allzu 
starker  oder  schwächlicher,  leidender  Gefangener  abgesehen,  möglich 
ist,  individualisierende  Rücksicht  zu  nehmen.  Immerhin  läßt  sich  auch 
hier  manches  bessern ,  wie  noch  bei  der  Massenernährung  in  Gefäng- 
nissen gezeigt  werden  soll.  Unter  allen  Umständen  muß  verhütet  wer- 
den, daß  der  Gefangene  während  der  Haft  infolge  ungenügender  Ver- 
köstigung körperlich  allzu  sehr  herunter-  und  von  Kräften  kommt, 
damit  er  nicht  nach  seiner  Entlassung  arbeits-  und  erwerbsunfähig  wird. 

1)  A.  Baer.  l)it  Gefängnttie,  StrafanstalUn  und  Stra/sytUme  in  hyjienitehrr  Beziehung,  Ber- 
lin (1871);  V.  f  öf.  Ott  8  Bd  601;  BläUer  f  Oefängniskunde  18.  Bd.  Zti\  Voit, 
Z   f    Biol    12.  Bd    32;   Schuster,  bei  Voit,    UnUrsuchung  der  Kost.   München  (1877)   142. 

2)  Meinert,    Ueber  Armee-  u.    Mastenernährung,   Berlin  (1885). 

3)  Krohne  und  Leppmann,  Berl.  klin.    W'och.  (1890)  Nr.  30. 


§  5.     Kostmaß  der  Kinder. 

Gegenüber  den  bisher  betrachteten  Alters-  und  Lebensverhältnissen, 
in   denen   es  hauptsächlich   darauf  ankommt,   den  bereits  vorhandenen 

93 


94  IMMANUEL   MUNK, 

materiellon  Körperbestaud  allein  oder  zugleich  auch  die  Körperkraft  und 
Arbeitsfähigkeit  zu  erhalten,  handelt  es  sich  bei  der  Ernährung  der 
Kinder  oder  der  Individuen  im  wachsenden  Alter  darum,  auch  noch 
Körperstotle,  im  wesentlichen  Wasser,  MineralstoÖ'e,  Eiweiß  und  Fett, 
aus  der  Nahrung  zu  erübrigen,  aus  denen  das  Wachstum  d.  h.  die  Zu- 
nahme der  zelligen  Elemente  au  Zahl  und  umfang  bestritten  werden 
kann.  Die  jeweilige  Stärke  des  Wachstumes  läßt  sich  annähernd  aus 
der  Zunahme  des  Körpergewichtes  erkennen.  Nach  letzterem  geschätzt, 
erfolgt  das  Wachstum  am  schnellsten  und  stärksten  im  1.  Lebensjahre, 
weiterhin  mit  wechselnder,  zumeist  abnehmender  Stärke,  bis  dann  mit 
erreichtem  20.  Lebensjahre  das  Wachstum  im  wesentlichen  beendet  ist. 

In  dem  Maße ,  als  das  Wachstum  erfolgt ,  muß  die  Nahrung  ent- 
sprechend mehr  Nährstotie  bieten,  als  zur  bloßen  Erhaltung  des  Bestan- 
des erforderlich  ist ;  und  zwar  insbesondere  in  Bezug  auf  das  Eiweiß, 
wie  es  scheint,  das  Mehrfache  von  dem  ,  was  thatsächlich  zum  Ansatz 
gelangt,  weil  jede  Vermehrung  der  Eiweißzufuhr  auch  eine  Steigerung 
des  Eiweißverbrauches  zur  Folge  hat,  sodaß  nur  ein  bald  kleiner,  bald 
größerer  Bruchteil  des  Eiweißüberschusses  in  der  Nahrung  für  den  Ei- 
weißansatz übrig  bleibt  (S.  9).  Dieser  zum  Ansatz  gelangende  Bruch- 
teil des  Eiweißüberschusses  der  Nahrung  hängt  einmal  ab  von  der  Gabe 
der  daneben  gereichten  Eiweißsparmittel  (Fett,  Kohlehydrate),  insofern, 
je  größer  die  Gabe  der  letzteren ,  um  so  mehr  Eiweiß  zum  Ansatz  er- 
übrigt wird ,  sodann  von  dem  jeweiligen  Körperzustaude ,  insofern  die 
Bedingungen  zum  Eiweißausatz  im  wachsenden  Körper  offenbar  gün- 
stiger sind  als  in  dem  des  Erwachsenen.  Aber  selbst  unter  den  gün- 
stigsten Umständen  erfolgt  der  Uebergang  von  (totem)  Nahrungseiweiß 
in  lebendiges  Körpereiweiß  nur  unter  mehr  oder  weniger  großen  Ver- 
lusten. 

Von  dem  zur  Ermöglichung  des  Stoffansatzes  erforderlichen  Nah- 
ruDgsüberschuß  über  den  Bedarf  abgesehen,  ist  der  absolute,  zur  Erhal- 
tung des  Körpers  (ohne  Wachstum)  nötige  Stoffbedarf  ein  sehr  viel 
größerer,  auf  die  Gewichtseinheit  (1  kg)  des  Körpers  reduziert,  als  beim 
Erwachsenen,  hauptsächlich  deshalb,  weil,  je  kleiner  das  absolute  Ge- 
wicht ,  desto  relativ  größer  die  Körperoberfläche  und  daher  auch  die 
Wärmeverluste;  zur  Bestreitung  der  letzteren  und  zur  Erhaltung  der 
Eigenwärme  muß  dann  entsprechend  mehr  verbrennlicher  Stoff"  zerstört 
werden  als  bei  einem  großen  Körper. 

Um  von  der  Intensität  des  Körperwachstumes  im  I.Lebensjahre 
eine  Vorstellung  zu  gewinnen,  seien  Mittelzahlen  aus  den  Bestimmungen 
von  Camerer^  U f feimann  ^  Haehner-^,  Ahlfeld*  an  gesunden 
SäugHngen  angeführt.  So  betrug  das  Gewicht  am  Ende  der  1.  Woche  3,03 
kg,  der  6.  Woche  4,26,  10.  Woche  5,13,  15.  Woche  5,79,  20.  Woche  6,37, 
25.  Woche  6,96,  30.  Woche  7,65,  34.  Woche  8,04  kg,  hatte  also  im 
Laufe  von  8  Wochen  von  3  bis  auf  8  kg,  d.  h.  auf  das  22/3-fache  zu- 
genommen. Dementsprechend  steigt  auch  die  Aufnahme  von  Mutter- 
milch von  380  g  am  Ende  der  1.  Woche  auf  534  g  in  der  3.  Woche, 
auf  650  g  in  der  10.  Woche,  auf  770—850  g  in  der  18.— 24.  Woche. 
Berechnet  man  daraus  die  dem  Säugling  zugeführten  Nährstoffe,  so  er- 
giebt  sich,  daß  der  Säugling  2— 2' /a  mal  so  viel  Eiweiß  und 
etwa   5m al   so   viel  Fett  (Kohlehydrate,   durch  Multiplikation  mit 


10 


'23,  auf  Fett  reduziert)  mit  der  Muttermilch  erhält,  als  der  Er- 
wachsene pro  Körperkilo.  Da  die  Kuhmilch  vom  Säugling 
schlechter   verwertet   wird,    auch   wenn   sie   durch   entsprechende  Ver- 

94 


EinzelernähruDg  und  MasEenernähruDg.  95 

düiiiiung  mit  Wasser  der  iMiitteriiiilch  ähnlicher  gemacht  wird,  so  bedarf 
der  Säugling  mehr  von  der  Kuhmilch  als  von  der  Muttermilch. 

Bei  mit  Muttermilch  ernährten  Kinderngfand  Förster^  in  der 
Tagesration : 

in  der     1.  W'ocLe      7   g  Eiweifs,  II   g   Fett,  15  ^  Zucker 

Eude  der    2.        „        12  „       „  20  „     ,,  27   „       ,, 

Ende  des    4.  Monats  19  ,,       „  29  „     ,,  41   ,,       „ 

(Kuhmilch)  5.        „        40  ,,        ,,  37   ,.      .,  50  ,.        ,, 

Vom  9.  Monat  ab,  in  dem  gewöhnlich  die  Entwöhnung  d.  h. 
lie  Entfernung  von  der  Mutterbrust  und  Einleitung  künstlicher  Ernäh- 
rung erfolgt,  bis  z  u  m  E  n  d  e  des  I.Lebensjahres  muß  die  Tages- 
ration etw  a  oö  g  Eiweiß,  30  g  Fett  und  00  g  Kohlehydrate 
bieten.  Diese  Nahrung  wird  der  Hauptsache  nach  mit  der  Kuh- 
milch gegeben ,  entweder  als  solche ,  oder  in  Form  von  Milchsuppeu, 
Milch  mit  Zwieback,  Reisbrei,  eveut.  Fleischsuppen  mit  Eigelb. 

Im  2.  Leb  e  ns  jähre  geht  das  Wachstum  schon  langsamer  vor 
sich,  sodaß  pro  Körperkilo  die  Menge  des  Fettes  und  der  Kohlehydrate 
nicht  mehr  so  groß  zu  sein  braucht,  als  im  1.  Lebensjahre;  dagegen 
ist  zur  Ermöglichung  des  Fleischansatzes  eine  große  Eiweißgabe  vor- 
teilhaft.    Für  das  2.  Lebensjahr  sind  etwa  erforderlich : 

38       g  Eiweifs,   35   g  Fett,  80  g  Kohlehydrate,   d.   h. 
pro  Körperkilo      4,1    ,,         ,,  4   „      „         9   ,,  ,, 

Da  das  Gebiß  im  2,  Jahre  noch  nicht  vollständig  ausgebildet  und 
der  Verdauungsapparat  noch  leicht  reizbar  ist,  insbesondere  auf  den 
mechanischen  Keiz  derberer  Nahrung,  sollen  nur  flüssige  oder  breiige 
oder  weichkonsistente  Speisen  gegeben  werden  :  Milchsuppen  mit  Zwieback 
oder  Weißbrot,  Reis  mit  Milch  gekocht,  Mehlsuppen,  Fleischbrühe,  klein 
geschnittenes,  weich  gebratenes  Fleisch,  weichgekochte  Eier. 

Im  3.  Lebensjahre  wird  das  Gebiß  vollständig,  zugleich  schwindet 
die  übergroße  Reizbarkeit  des  Verdauungsapparates.  Doch  wird  auch 
jetzt  noch  derbkonsisteute  Nahrung  nicht  vertragen.  Vom  3.-6.  Jahre, 
innerhalb  deren  das  Körpergewicht  etwa  von  9 — 18  kg,  also  nur  um 
das  Doppelte  zunimmt,  geht  der  Eiweiß-  und  Fettüberschuß  in  der 
Nahrung  stetig  herunter,  der  der  Kohlehydrate  stetig  in  die  Höhe,  so- 
daß die  Gabe  der  letzteren  3  mal   so  groß  wird,   als   die   des  Eiweißes. 

Nach  F  0  r  s  t  e  r  •''  und  C  a  m  e  r  e  r  ^  nehmen  Kinder  dieses  Alters 
pro  Körjierkilo  3,5  g  Eiweiß,  3  g  Fett,  10  g  Kohlehydrate  auf,  und  diese 
Ration  ist  auch  als  durchaus  genügend  zu  erachten.  Auch  hier  ist 
darauf  zu  sehen,  daß  nicht  zu  Derbkonsistentes  in  der  Kost  geboten  wird. 

Während  im  7. — 10.  Lebensjahre  das  Wachstum  relativ  hingsam 
erfolgt,  sodaß  der  Gewichtszuwachs  pro  Woche  nach  LM"felmann^ 
nur  30—35  g  beträgt,  beginnt  vom  11.  oder  12.  Jahre  ab  ein  stärkeres 
Wachstum,  sodaß  pro  Woche  rund  50  g,  im  13.  und  14.  Jahre  sogar 
rund  100  g  an  Gewicht  gewonnen  werden.  Uffelmann  fand  in  der 
Kost  pro  Tag: 

beim  8 — 9-jährigen   Knaben     6o  g   Eiweifs  44  g  Fett  150  g  Kohlehydrate 

..   12—13     „  „  72   „        „  47   „     „  245  „ 

„   U-15     „  „  79  „        „  48  .,     „  270  „ 

Dabei   sahen   die  Kinder   gesund   und   frisch   aus  und   waren   gut  ent- 
wickelt.    Danach  wird  als  Kostmaß  gelten  können: 

liir   7-jährige  Kinder     55   g   Eiweifs  40  g   Fett  I40  g  Kohlehydrate 

10—11      ,,  „  65   .  45   .,      ,,  200  ,,  „ 

95 


96  IMMANUEL    MUNK, 

In  der  Münelieuer  Wuisenanstalt,  welche  Kinder  dieser  Altersklassen 
beherbergt,  laud  Yoit«  in  der  Kost  79  g  Eiweiß,  37  g  Fett  und  270  g 
Kohlehydrate  als  mittlere  Durchschnittswerte  pro  Kopf;  für  7  — 11-jährigo  Kin- 
der dürfen  diese  Normen  jedenfalls  als  überreichlich  gelten,  während  sie 
für  ältere  sich  eignen,  höchstens  nur  in  Bezug  auf  die  Fettquote  als  etwas 
knapp  anzusehen  sind.  Noch  knapper  an  Eiweiß  und  Fett  und  als  Durch- 
schuittskost  entschieden  zu  niedrig  ist  die  Tagesration  im  Nürnberger  Waisen- 
hause, die  nach  Ohlmüller'  nur  54  —  65  g  Eiweiß,  20  g  Fett  und  242 
— 280  g  Kohlehydrate  bietet.  Dagegen  enthält  die  Kost  der  Wiener  Waisen- 
häuser 77  g  Eiweiß,  50  g  Fett,  238  g  Kohlehydrate  pro  Kopf  und  Tag,  stellt 
sich  also  in  Bezug  auf  die  Fettquote  ebenso  günstig  als  die  der  belgischen 
Waisenhäuser,  deren  Tagesration  noch  um  90  g  Kohlehydrate  höher  ist. 

Vom  Eiweiß  ist  mindestens  '/s  in  Animalien  (Fleisch,  Milch,  Eier, 
Käse)  zu  geben  und  bei  raschem  Wachstum  die  Quote  von  animalischem 
Eiweiß  zweckmäßigerweise  zu  steigern. 

Besteht  die  Kost,  wie  bei  der  ärmeren  Klasse  oder  in  Waisen- 
häusern und  Rettangsanstalten,  fast  ausschließlich  aus  den  schlechter 
ausnützbaren  Vegetabilien ,  so  ist  der  Nährstotigehalt  insbesondere  in 
Bezug  auf  Eiweiß  und  Kohlehydrate  zu  erhöhen ;  alsdann  erweist  sich 
Bewegung  in  freier  Luft  und  leichte  Arbeit  im  Freien  (Garten-  und 
Feldarbeit)  für  den  Xähretfekt  von  Vorteil  (S.  63). 

li  Camerer,  Z.  f.  Biol.  li.  Bd    388,   16.  Bd.  325,   18.  Bd.   220,  20.   Bd.  566,   24.  Bd.    146. 

2)  Ufifelmann,  Hygiene  des  Kindes,  Leipzig  (1871)   190,   264,   315. 

3)  Hähner,  A.  f.  KinderheiVc.  (1880),  April. 

4)  Ahlfeld,    Ueber  die  Ernährung  des  Säuglings  an  der  Mutterhrust,  Leipzig  (1878). 

5)  Forster,  Z   f.  Biol.  9.  Bd.  381. 

6)  C.   Voit,    Untersuchung  der  Kost,  München  (1877)    135. 

7)  Ohlmüller,  Nürnberg.    Verein/,  off.   Ges.-Pßege,  Mitteilungen,  1884. 


§  6.    Kostmaß  nach  Jahreszeiten  und  Klima. 

Bei  niederer  Außentemperatur  bleibt  zwar  der  Eiweißverbrauch  un- 
verändert, dagegen  steigt,  wofern  die  Eigenwärme  des  Menschen  kon- 
stant bleibt,  die  Zerstörung  der  stickstotifreieu ,  kohlenstoffhaltigen 
Substanzen,  des  Fettes,  bis  zu  33  Proz.  über  den  bei  mittlerer 
Außentemperatur  (15"  C.)  beobachteten  Wert  (S.  14).  Daraus  ergiebt 
sich  schon,  wofür  auch  die  Erfahrungen  am  Menschen  und  Tieren 
sprechen,  daß  in  unserem  gemäßigten  Klima  in  der  warmen 
Jahreszeit,  im  Sommer  weniger  Nahrung,  insbesondere  an  Fetten 
und  Kohlehydraten,  erforderlich  ist,  als  in  der  kalten  Jahreszeit, 
im  Winter;  die  Eiweißration  muß  aber  auch  im  Sommer  ebenso  groß 
bleiben  als  im  Winter.  Ferner  geht  hieraus  hervor,  was  ebenfalls  durch 
die  Erfahrung  bestätigt  wird,  daß  eine  Nahrung,  die  im  Winter  den 
Körper  eben  auf  Gleichgewicht  hält,  im  Sommer  Stofiansatz  und  zwar 
hauptsächlich  Fettansatz  bewirkt. 

Steigt  die  Außentemperatur  über  das  Mittel  (15  ^)  bis  zu  23—27  " 
an,  so  nimmt  weder  der  Ei  weiß  verbrauch  noch  der  Fettkonsum  ab  (S.  14). 
Demnach  müßten  einmal  während  der  heißesten  Sommerzeit  im  gemäßigten 
Klima  ebenso  viel  Nährstoffe  gegeben  werden  als  im  Frühling  und  ebenso 
viel  Nährstoffe  auch  in  den  Tropen  als  im  gemäßigten  Klima,  wenig- 
stens ceteris  paribus  d.  h.  für  denselben  Körperzustand  und  die  gleiche 

96 


Einzelernähning  uDd   MassenernähruDg.  97 

Größe  der  Art)eitsleistuiij;.  In  der  Tliat  scheint  dies  auch  zuzutreffen, 
d.  li.  in  den  Tropen,  soweit  Mitteilungen  hierüber  vorliegen  (Hritisch- 
und  Nieilerlandisi-Ji-Ostindien,  Aegyi)ten,  Brasilien),  nicht  weniger  Nah- 
rung verzehrt  zu  worden  ,  als  in  den  gemäßigten  Zonen,  wofern  gleich 
schwere  und  gleich  muskulöse  Individuen  i)ei  etwa  derselben  mittleren 
Arbeit  verglichen  werden.  Die  Aufnahme  dieser  für  die  Frlialtung  des 
Stoflbestaudi'S  erforderlichen  großen  NahrstoÖmenge  und  die  Zerstörung 
der  verbrennlichen  Nährstoffe  hat  aber  eine  reichliche  VVärmebilduDg 
zur  Folge,  «leren  schnelle  und  vollständige  Ableitung  nach  außen  geboten 
ist,  wenn  der  Körper  auf  seiner  Eigenwärme  verharren  soll.  Wird  noch 
gar  im  Tropenklima  gearbeitet  und  dadurch  die  Verbrennung  der  C- 
haltigen  Sui)Stan/en  gesteigert,  so  muß  der  Ueberschuß  au  gebildeter 
Warme  noch  größer  werden.  Zweifellos  erklärt  sich  daraus  zum  größten 
Teil  die  geringe  körperliche  Leistungsfähigkeit  der  Men- 
schen in  den  Tropen.  Ebenso  ist  die  Mehrzerstörung  von  Fett  und 
die  dadurch  reichlich  gebildete  Wärme  auch  die  Ursache  der  minderen 
Arbeitsfähigkeit,  <lie  in  den  heißen  Tagen  selbst  bei  uns,  im  gemäßigten 
Klima  zu  beobachten  ist  und  die  um  so  größer  ist,  je  schwerer  es  wird, 
des  Wärmeüberschusses  sich  zu  entledigen ,  wie  dies  besonders  an 
,, schwülen"  Sommertagen  bei  wenig  bewegter  und  ziemlich  feuchter 
Luft  der  Fall  ist,  noch  schwieriger  bei  solchen  Menschen,  die  bei  hoher 
Umgebungstemperatur  arbeiten  müssen^,  Arbeiter  in  Tunnels,  Berg- 
werken, Heizer  von  Dampfmaschinen  und  Dampfschiffen  u.  a.  Hier 
kommt  zu  der  schwer  abzuleitenden  Wärme,  die  durch  die  Zerstörung 
der  zur  Erhaltung  der  Arbeitsfähigkeit  erforderlichen  reichlichen  Nah- 
rungsmenge gebildet  wird,  noch  die  aus  dem  gesteigerten  Arbeitskonsum 
resultierende  Wärme  hinzu,  sodaß  bei  Unmöglichkeit,  diesen  enormen 
Wärmeüberschuß  nach  außen  abzugeben,  die  Eigentemperatur  bis  zu 
einer  gefahrdrohenden  Höhe  ansteigen  kann. 

Es  wäre  von  Bedeutung,  wenn  es  gelänge,  während  der  heißen 
Sommerzeit  im  gemäßigtenKlima,  noch  mehr  in  den  Tro- 
pen eine  Nahrung  so  zu  kombinieren,  daß  der  stoffliche  Bedarf  gedeckt, 
dabei  aber  möglichst  wenig  Wärme  gebi  1  det  wi  rd.  Dieser 
Forderung  durch  die  Auswahl  der  Nährstoffe  zu  genügen,  ist  theoretisch 
unmöglich,  seitdem  wir  durch  Rubner  wissen  (S.  49),  daß  die  ver- 
brennlichen Nährstoffe  einander  nach  Maßgabe  ihres  Wärmewertes  ver- 
treten ,  sodaß  1  T.  Fett  äquivalent  ist  2,3  T.  Eiweiß  oder  Kohlehydrat 
und  1  T.  Fett  ebenso  viel  Wärme  bildet  wie  die  beiden  letzteren. 
Wenn  nun  die  Erfahrung  lehrt,  daß  in  der  kalten  Zone  über- 
haupt und  bei  uns  im  gemäßigten  Klima  während  des 
Winters  die  Fette,  in  d  en  T  r  op  en  die  Koh  1  ehy  dra  te  (Reis, 
Mais ,  Feigen ,  Datteln ,  Zuckerrohr)  bevorzugt  werden,  so  kann 
dies  nicht  darin  gelegen  sein ,  daß  die  Fette  in  äquivalenten  Mengen 
etwa  mehr  Wärme  bilden  als  Eiweiß  und  Kohlehydrate;  noch  weniger 
wäre  es  verständlich,  wenn,  wieC.  Voit*  irrtündich  meinte,  die  Kohle- 
hydrate sogar  mehr  zur  Wärmeerzeugung  geeignet  wären  als  das  Fett  ^. 
Vielmehr  beruht  der  Grund  für  diese  Bevorzugung  der  Kohlehydrate 
sowohl  bei  uns  im  Sommer  als  in  den  Tropen  auf  einer  instinktiven 
Abneigung  gegen  Fettspeisen,  die  ihrerseits  wieder  auf  die  im  heißen 
Sommer  sowie  in  den  Tropen  unzweifelhaft  vorhandene  größere  Reiz- 
barkeit des  Verdauungsapparates  und  dessen  leichtere  Disposition  zu 
Erkrankungen  (Dyspepsie,  Erbrechen,  Diarrhöen),  welche  durch  Fett- 
genuß meist  gesteigert  wird,  zurückzuführen  ist.    Nach  den  Erfahrungen 

Hindhuch  der  Ilypene.  Bd.  III.  Abtlg.  1.  7 

97 


98  IMMANUEL    Ml'NK, 

bei  den  ostasiatischcii  Völkorstäinnieii  •*  scheint  der  kohlehydratreiche 
und  mäßig  Eiweiß  l)ietende  Reis  neben  magerem  Rind-  oder  Fischfleisch 
die  geeignete  Nahrung  für  tropisches  und  subtropisches  Klima  zu  sein. 

Umgekehrt  herrscht  in  den  Polar/.onen  ein  großes  Verlangen  nach  Fett; 
in  kalter  rmgebungsteniperatur  ist  der  Verdauungsai)parat  gefestigter 
und  zur  Verarbeitung  selbst  großer  Mengen  an  Fett  ohne  jegliche  Störung 
des  Wohlbetindens  geeigneter,  wie  denn  auch  die  Eskimos  und  Lapp- 
länder erstaunliche  Mengen  von  fettem  Fischfleisch  und  Fischthrau  zu 
sich  nehmen.  Auch  bei  uns  tiudet  sich  in  der  nach  Belieben  aufgenom- 
menen Kost  im  Winter  mehr  Fett  als  im  Sommer;  so  fand  Uffel- 
m  a  n  n  ^  in  seiner  eigenen  Kost  im  Januar  und  Februar  7G  g,  im  April 
und  Mai  68  g  und  im  Juli — August  50  g  Fett  pro  Tag,  ferner  in  der 
Kost  von  4  gut  situierten  Handwerkern  im  Mittel  pro  Kopf  und  Tag 
im  Dezember — Februar  73  g,  April— Mai  6ö  g,  Juli— August  53  g  Fett. 

Demnach  wird  man  bei  uns  während  des  S  o  m  m  e  r  s  und  in  den 
Tropen  überhaupt  mageres  Fleisch  und  abgerahmte  Milch,  ferner  den 
Reis,  zu  Mehl  verarbeitete  Hülsenfrüchte,  reifes  süßes  Obst  als  Haupt- 
nahrungsmittel bevorzugen  und  alle  Speisen  und  Getränke :  Wasser  (am 
besten  abgekocht),  Fruchtsäfte,  Kaöee  und  Thee  (keine  Spirituosen !)  zur 
Verhütung  der  Wärmezufuhr  und  zur  Begünstigung  der  Wärmeableitung 
im  allgemeinen  kühler,  von  8 — 10 **  C,  genießen,  dabei  sich  aber  der 
Gefahren  des  kalten  Trunkes  und  eiskalter  Speisen  (S.  79)  erinnern. 

Umgekehrt  sind  für  unsere  Winterzeit  sowie  für  die  Verpflegung 
in  den  arktischen  Regionen  zu  empfehlen:  fettes  Fleisch,  Voll- 
milch, fetter  Käse,  Gebäcke  von  Mehl  und  Schmalz,  mit  Schmalz  bereiteter 
Brei  von  Hülsenfrüchten,  und  zwar  sind,  um  die  VVärmezufuhr,  neben  der 
Wärmebildung,  möglichst  zu  fördern,  alle  Speisen  und  die  Getränke 
(Kafiee,  Thee,  sehr  verdünnte  Spirituosen)  heiß,  d.  h.  45 — 5ü "  C.  warm 
zu  genießen. 

1)  stapf,  Arch.  f.  (Anat.  u.)  Physiol.  ri879)  Suppl.   74. 

2)  C.   Voit,  in  Hermann's  Handb    d    Physiol.  6.   Dd.  1.    T.   556. 

3)  Vergl.  hierüber  I.   Munk  und  Uffelmann,  Ernährung,   2.   Avfl.  222,  371. 

4)  Scheube,   A.  f.  H.   1.   Bd.  352. 


§  7.    Verteilung  des  Kostraaßes  auf  verschiedene 
Mahlzeiten. 

Kaum  je  wird  vom  civilisierten  Menschen  die  Tagesration  auf  ein- 
mal aufgenommen,  gewöhnlich  in  einzelnen  Portionen  oder  Mahlzeiten, 
die  zeitlich  mehr  oder  weniger  auseinanderliegen,  je  nach  der  Zahl  der 
Mahlzeiten,  je  nach  den  allgemeinen  Lebensverhältnissen,  insbesondere 
Schlafenszeit,  Beginn  der  Tagesarbeit  und  deren  Dauer  u.  s.  w.  Min- 
destens hält  der  Erwachsene  drei,  noch  häufiger  fünf  Mahlzeiten,  von 
denen  jede  einzelne  indes  nicht  gleichwertig  ist.  In  der  Regel  wird 
eine  Mahlzeit  eingenommen,  die  zugleich  auch  am  meisten  an  Nähr- 
stoffen bietet,  die  sog.  Hauptmahlzeit,  daneben  noch  eine  größere,  die 
indes  die  Hauptmahlzeit  an  Menge  der  gebotenen  Nährstoöe  nur  zur  Hälfte 
bis  zu  zwei  Dritteln  erreicht,  und  welche  je  nach  der  zeitlichen  An- 
ordnung der  Hauptmahlzeit  entweder  das  zweite  Frühstück  (Gabelfrüh- 
stück, d6jeuner  ü  la  fourchette)  oder  die  Abendmahlzeit  bildet ;  endlich 
wird  ausnahmslos  noch  nach  dem  Verlassen  des  Bettes  ein  Morgen- 
imbiß oder  erstes  Frühstück  eingenommen.     Wo  die    Hauptmahlzeit  in 

98 


Einzeleruäbrung  und  Masseneruähnmg  99 

die  Mitte  des  Taj^cs  (12  —  1  Uhr)  fällt,  wird  zwischen  diese  und  den 
Morgeninihiü  sowie  zwischen  llauiitniahlzeit  un<l  Abendessen  je  noch 
eine  Zwischenmahlzeit  (zweites  Frühstück  bezw.  Vespermahlzeit  oder 
Jause)  eingelegt. 

Weshalb  wird  die  Tagesration  nicht  in  einer  Mahlzeit  eingenommen 
und  wie  viel  Mahlzeiten  sind  vom  Standpunkte  der  Hygiene  aus  zweck- 
maüigV  Der  erste  und  Hauptgrund  für  die  Teilung  des  täglichen 
Kostmaües  liegt  in  dessen  Volumen;  wie  oben  erörtert  (S.  ÜO),  er- 
reicht das  tägliche  Speisegemenge  (ohne  Getränke)  ein  Gewicht  von 
annähernd  2  kg;  das  ist  aber  eine  so  große  Menge,  daß  sie  der  Magen 
eines  normalen  Menschen  entweder  überhaupt  nicht  beherliergen  könnte, 
oder,  wenn  schon,  dadurcli  außerordentlich  überlastet  würde,  daher,  an- 
statt des  befriedigenden  Sättigungsgefühles,  das  zumeist  schon  durch 
Füllung  mit  Speisen  im  Gewicht  von  700— HÜO  g  erzielt  wird,  die  un- 
angenehme, peinigende  Empfindung  der  Völle  und  Ueberladung  sich  ein- 
stellt und  anhalten  würde,  bis  der  größere  Teil  des  Inhaltes  den 
Magen  verlassen  hat.  Die  für  die  Bewältigung  des  enormen  Speise- 
volumens erforderliche  angestrengte  Thätigkeit  des  Verdauungsapparates 
und  der  großen  l'nterleibsdrüsen  (Leber,  Bauchspeicheldrüse,  Milz)  lenkt 
den  Hauptstrom  des  Blutes  in  diese  und  aus  den  Arbeitsorganen  (Mus- 
keln) und  Gehirn  ab,  sodaß  die  Verrichtungen  der  letzteren  gestört 
werden  und  eine  allgemeine  geistige  Abgeschlagenheit  —  plenus  venter 
non  studet  libenter  —  und  körperliche  Erschlaffung  uns  befällt,  eine 
Unlust  zu  jedweder  Thätigkeit,  oft  ein  fast  unwiderstehlicher  Hang  zum 
Schlafen.  Endlich  kommt  auch  noch  in  Betracht,  daß  die  übermäßige 
Ausdehnung  des  Magen-  und  Darmkanals,  sobald  sie  habituell  wird,  zu 
einer  andauernden  Erweiterung  dieser  Organe  und  zur  Erschwerung 
ihrer  Beweglichkeit  und  damit  auch  der  regelmäßigen  Fortschiebung  der 
Speisen  den  Darmkanal  entlang  führt. 

Sodann  ist  die  Ueberlastung  des  Darmkanals  auch  von  Nachteil  in 
Bezug  auf  die  Verwertung  der  Nahrung;  wie  J.  Ranke'  aus  Selbst- 
versuchen erfahren,  gingen  bei  reiner  Fleischkost  von  dem  Tagesquan- 
tum v(m  1800  g,  als  er  dies,  zwar  mit  Widerwillen,  in  einer  einzigen 
Mahlzeit  hinunterzwang,  12  Proz.  der  Trockensubstanz  unbenutzt  mit 
dem  Kot  heraus,  bei  Verteilung  auf  3  Mahlzeiten,  im  Abstände  von  je 
4 — G  Stunden,  aber  nur  5  Proz, 

Entsprechend  der  Aufnahme  der  ganzen  Kostration  auf  einmal  und 
dem  infolgedessen  massenhaften  Uebertritt  der  Nährstotie  in  die  Säfte 
werden  auch  die  stofflichen  Zersetzungen  in  für  den  Körper  unzweck- 
mäßiger Weise  mächtig  angefacht,  während,  sobald  das  im  Blut  kreisende 
Material  in  den  Geweben  zerstört  ist,  es  von  da  ab  bis  zur  Mahlzeit 
des  nächsten  Tages,  nicht  selten  durch  viele  Stunden  hindurch  an  im 
Blute  kreisenden  zersetzlichen  Nährstoffen  mangelt,  sodaß  die  verbrenn- 
licheu  Bestandteile,  in  erster  Linie  das  Eiweiß,  der  Gewebe  und  Organe 
herhalten  müssen  und  in  bald  kleinem,  bald  größerem  Umfange  unter 
die  Bedingungen  des  Zerfalls  geraten.  Eiweißgenuß  läßt  auch  den  Ei- 
weißumsatz sehr  bald  ansteigen,  die  Steigerung  der  HarnstotVausschei- 
dung  beginnt  beim  Menschen  ^  schon  eine  Stunde  danach,  erreicht  in 
der  5. — 7.  Stunde  ihr  Maximum,  sinkt  dann  verhältnismäßig  schnell  ab, 
sodaß  bereits  in  der  lö.  Stunde  der  niedrige  Wert  des  nüchternen  Zu- 
standes  erreicht  ist,  der  nun  die  folgenden  10  Stunden  hindurch  bis  zur 
Aufnahme  der  nächsten  eiweißreichen  Mahlzeit  fortbesteht.  Während 
dieser  10  Stunden  der  wie  im  nüchternen  Zustande  niedrigen  Harnstoff- 

7* 

99 


100  IMMANUEL    MUNK, 

ausfnlir  befinden  sich  die  Gewebe  und  Organe  gleichsam  im  Eiweiß- 
hunger. Wird  aber  die  Tagesration  nicht  auf  einmal  genossen,  sondern 
in,  sagen  wir,  durch  je  5  Stunden  voneinander  getrennten  Mahlzeiten, 
sodaß  zu  einer  Zeit,  wo  die  Zersetzungsgröße,  aus  der  stündlichen  Harn- 
stotiausscheidung  gemessen,  wieder  absinken  würde,  nunmehr  eine  neue 
Speiseaufnahme  und  damit  wieder  eine  Erhebung  der  zum  Absinken 
tendierenden  Zersetzungsintensität  erfolgt,  dann  läuft  der  Umsatz  des 
Eiweißes  mehr  gleichmäßig  ab,  und  es  kann  nicht  so  bald  Mangel  an 
aus  der  Nahrung  resorbiertem  und  mit  dem  Blutstrom  cirkulierenden, 
zersetzlichen  Eiweiß  eintreten ,  sodaß  das  eigene  Eiweiß  des  Körpers 
angegrirt'en  zu  werden  brauchte.  Vermutlich  verhält  es  sich  ähn- 
lich mit  der  Zerstörung  der  stickstofffreien  Stoffe,  Fette  und  Kohle- 
hydrate, doch  fehlt  es  in  dieser  Hinsicht  an  entscheidenden  experimen- 
tellen Erfahrungen  in  Hezug  auf  den  stündlichen  Ablauf  der  Kohlen- 
säureausscheidung nach  Aufnahme  der  ganzen  Tagesration  einerseits, 
nach  Teilung  derselben  in  einzelne  Mahlzeiten  andererseits.  Bezüglich 
der  Aufeinanderfolge  der  Mahlzeiten  ist  zu  beachten,  daß  der  angefüllte 
Magen  sich  je  nach  der  Art  der  eingeführten  Nahrung  zwischen  3  und  7 
Stunden  entleert  und,  daß  man  daher  gut  thut,  nach  einer  größeren 
Mahlzeit  (Hauptmahlzeit)  mindestens  6  Stunden  verfließen  zu  lassen, 
ehe  man  wieder  zu  einem  größeren  Mahl  (Abendessen)  schreitet. 

Welche  Ein  teil  ung  d  er  Mahlzeiten  und  welche  Anzahl 
derselben  die  zweckmäßigste  ist,  hängt  in  erster  Linie  von  den  Lebens- 
gewohnheiten und  der  Größe  und  Dauer  der  Arbeitsleistung  ab.  Wer, 
wie  die  arbeitende  Klasse,  bereits  am  frühen  Morgen  mit  der  Arbeit 
beginnt,  nimmt  vorteilhaft  vorher  einen  kleinen  Morgenimbiß  (erstes 
Frühstück),  der,  vorausgesetzt  daß  die  Abendmahlzeit  ausreichend  ge- 
wesen ist,  nicht  groß  zu  sein  braucht,  ist  doch  während  des  Schlafes  der 
Stoffverbrauch,  besonders  der  stickstofffreien  Substanzen  der  niedrigste, 
der  überhaupt  vorkommt  (S.  13).  Die  Hauptmahlzeit  wird  dann 
zweckmäßig  zur  Mittagszeit  (12 — 1  Uhr)  eingenommen,  die  zugleich  auch 
in  die  Mitte  der  Arbeitszeit  fällt,  nachdem  schon  vorher  5  Stunden  die 
Arbeit  geleistet  worden  ist  und  noch  ebenso  lange  zu  leisten  ist;  der 
gesteigerte  Stoffverbrauch  bei  der  Arbeit  macht  um  diese  Zeit  eine 
reichliche  Stoffaufnahme  notwendig,  die  aber  wiederum  nicht  übermäßig 
reichlich  sein  darf,  um  die  Arbeitslust  und  die  Arbeitsfähigkeit  nicht 
herabzudrückeu.  Nach  gethaner  Arbeit  ist  dann  die  Aufnahme  einer 
mäßigen,  aber  sättigenden  Abendmahlzeit  vorteilhaft,  um  die  bei 
der  Arbeit  verbrauchten  Stoffe  zu  ersetzen  und  wo  möglich  einen  kleinen 
Vorrat  davon  für  den  nächsten  Arbeitstag  anzulegen.  Da  bei  dem  ge- 
steigerten Stoffverbrauch  durch  die  Arbeit  der  Morgenimbiß  nicht  ge- 
nügt, um  bis  zum  Mittagsmahl  das  die  Arbeitslust  beeinträchtigende 
Hungergefühl  zurückzudrängen,  so  empfiehlt  sich  zwischen  8  und  9  Uhr 
die  Aufnahme  eines  mäßigen  Frühstückes  und  etwa  3  Stunden  nach 
der  Hauptmahlzeit  die  Einnahme  des  Vesperbrotes.  Auf  rein  em- 
pirischem Wege  hat  sich  bei  der  arbeitenden  Klasse  diese  als  zweck- 
mäßig zu  bezeichnende  Mahlzeitenordnung  herausgebildet. 

Die  körperlich  nur  leicht  oder  vorwiegend  geistig  arbeitende  Be- 
völkerungsklasse bedarf  nur  dreier  Mahlzeiten,  auch  kann  die  zeitliche 
Anordnung  und  Verteilung  derselben  eine  andere  sein.  Da  diese  erst 
später  am  Morgen,  zwischen  8  und  9  Uhr,  ihre  Thätigkeit  beginnt, 
hält  der  Morgenimbiß  bis  zur  Mittagszeit  vor,  wo  zweckmäßig  ein 
größeres,  auch  Fleisch  und  Fett   bietendes   Frühstück  (Gabelfrühstück) 


EinzelernäbniDg  und  Massenernährung.  101 

am  Platze  ist.  Die  Hauptiiiablzeit  wird  (hiiiii  nach  beendeter  Tages- 
arboit.  um  5  oder  (>  l'br,  eingenoninicn,  und  wenn  dieselbe  genügend 
und  gehaltreich  ist,  hillt  ihre  Wirkung  noch  so  lange  vor,  daü  auch  am 
nächsten  Morgen  noch  das  Verlangen  nach  Speisen  ein  nur  geringes  ist. 
Wird  erst  spat  zu  Bett  gegangen,  so  kann  noch  zwischen  8  und  ü  Uhr 
ein  kleiner  Al)endimbiB  eingenommen  werden.  Jedenfalls  muli  davor 
gewarnt  werden,  die  Hauptmahlzeit  erst  am  späten  Abend,  zwischen  7 
und  8  Uhr,  einzunehmen,  weil  die  Verdauung  eines  kopiösen  Mahles 
nicht  so  schnell  erfolgt,  als  daß  nicht,  wofern  man  nicht  erst  spät,  d.  h. 
mindestens  2  Stunden  nach  der  Mahlzeit,  zu  Bett  geht,  die  Ruhe  des 
Scblafes  dadurch  gestört  werden  kiumte. 

Immerhin  hängt  auch  hier  viel  von  der  Gewöhnung  ab ;  so  ist  es 
z,  B.  in  England  und  auch  in  Holland  Brauch,  statt  des  Morgenimbisses 
ein  reichliches,  eiweiß-  und  fettreiches  Frühstück  einzunehmen. 

Gleichwie  bei  dem  starken  Stotfverbrauch  infolge  der  Arbeit  die 
Wirkung  der  einzelnen  Mahlzeit  nicht  5— G  Stunden  vorhält,  sondern 
sich  schon  in  der  Zwischenzeit  Hungergefühl  einstellt,  das  durch  eine, 
wenn  auch  nur  kleine  Zwischenmahlzeit  beschwichtigt  wird,  so  ist  es 
auch  bei  dem  Säugling,  in  dessen  Körper  ein  lebhafter  Stotiumsatz  vor 
sich  geht  (S.  15,  ^4)  und  bei  dem  teils  dieserhalb,  teils  wegen  des  zum 
Wachstum  erforderlichen  StoÖänsatzes  ein  so  großes  Bedürfnis  nach 
Nahrung  besteht,  geboten ,  demselben  alle  3  Stunden  entweder  Mutter- 
brust oder  künstliche  Nahrung  (Kuhmilch  in  Verdünnung)  zu  geben. 
Auch  für  das  wachsende  Alter  überhaupt  d.  h.  bis  zum  15.  Lebens- 
jahre gilt  die  Kegel  einer  mindestens  fünfmaligen  Nahrungsaufnahme 
pro  Tag. 

Wie  man  aber  auch  immer  die  Verteilung  und  zeitliche  Ordnung 
der  Mahlzeiten  vornimmt,  stets  halte  man  darauf,  die  einmal  geübten 
und  gewohnten  Fßzeiten  regelmäßig  beizubehalten,  einmal  um  durch  Ver- 
schiebung derselben  nicht  erst  das  die  Arbeitslust  herabsetzende  Hun- 
gergefühl auftreten  zu  lassen  ,  sodann  wegen  der  Gleichmäßigkeit,  mit 
der  dann  die  Verdauungs-  und  Zersetzungsvorgänge  im  Körper  ablaufen. 

Einen  wie  großen  Bruchteil  der  Tagesration  sollen 
die  einzelnen  Mahlzeiten  enthalten?  Darüber  kann  nur  die 
Erfahrung  entscheiden.  Theoretisch  laßt  sich  höchstens  sagen,  daß  für 
die  arbeitende  Klasse  der  Morgenimbiß  so  viel  bieten  muß ,  daß  man 
zwar  nicht  gesättigt,  al)er  doch  ohne  Hungergefühl  an  die  Arbeit  gehen 
kann,  das  Mittagessen  so  beschaffen  sein  muß,  daß  man  sich  vollständig 
gesättigt  und  befriedigt,  nicht  al)er  überladen  fühlen  soll,  und  das 
Abendessen  so  viel  enthalten  soll ,  als  zur  Sättigung  erforderlich  ist. 
Nach  Forster's^  Bestimmungen  der  Nährstoffniengen  in  den  einzelnen, 
nach  Belieben  aufgenommenen  Mahlzeiten  von  Arbeitern  enthielt 

das  Frühstück  (Morgenimbifs)  I4  Proz. 

,,    Mittagessen  45       ,, 

,,    Abeoiiessen  35       ,, 

beide   Zwischenmahlzeiten   (zu>Rininen)      6       ,, 

der  gesamten  in  der  Tagesration  enthaltenen  Nährstoffe. 

Bei  den  auf  ihre  Kostordnung  untersuchten  Aerzten ,  welche  nur 
3  Mahlzeiten  einnahmen,  trafen  auf  das 

Frühstück      12   Proz. 
Mittagessen   47      ., 
Abendessen  3 1      ,1 

der  gesamten  Tagesration. 

lOI 


102  IMMANUEL    MUNK, 

Die  Mittagskost  dreier  gut  bezahlter  Münchencr  Arbeiter  cnt- 
liielt  nach  den  Bestimmungen  von  Voit"*  im  Mittel  von  10  Tagen  an- 
nähernd die  Hälfte  der  Nährstoffe  der  Tagesration  (und 
zwar  vom  Fett  ^/j,  dagegen  von  den  Kohlehydraten  nur  '/s  tler  Tages- 
ration), die  der  norddeutschen  Arbeiter  nach  Uffelmann's^  Berech- 
nungen nur  40  Proz.  der  Tagesration  (und  zwar  vom  Eiweiß  ^/ß,  vom 
Fett  'Ig  und  von  den  Kohlehydraten  V.s  der  Tagesration),  das  Abend- 
essen rund  28  Proz.  des  Tagesl)edarfes  (und  zwar  ziemheh  gleich- 
mäßig für  Eiweiß,  Fett  und  Kohlehydrate). 

Auch  diese,  auf  rein  empirischem  Wege  ausgebildete  Verteilung 
der  Nährstoti'e  über  die  einzelnen  Mahlzeiten  kann  vom  physiologischen 
und  hygienischen  Gesichtspunkte  nur  als  durchaus  zweckmäßig  erachtet 
werden.  Besteht  wie  bei  den  körperlich  leicht  oder  nur  geistig  Arbei- 
tenden die  Einteilung  in  Morgenimbiß,  (zur  Mittagszeit  eingenommenem) 
Frühstück  und  (in  den  Vorabend  fallender)  Hauptmahlzeit,  so  wird  ersteres 
15  Proz.,  das  Frühstück  35  Proz.  und  das  Mittagessen  50  Proz.  der 
Gesamtnährstoflfe  enthalten  dürfen. 

1)  J.  Ranke,  Die  Ernährung  des  Menschen,  München  (1876)   309. 

2)  C.  Voit,    rhysiol.-chem.    Untersuch.,    Augsburg    (1857)    42;    H.    Oppenheim,    Pflüg.   Arch. 
23    Bd.  446. 

3)  Forster.  Z.  f.  Biol.  9.  Bd.  383,  392. 

4)  C.   Voit,   Z.  f.  Illol.  12.  Bd    46;    Untersuch,  d.  Kost  u.  «.  ««.,   München  (1877)  28. 

5)  üffelmann  {und  Munk>,  Ernährung,  2.   Aufl.  381. 


Anhang. 

Hygiene  des  Essens  und  der  Verdauung. 

Der  durch  die  Erfahrungen  des  täglichen  Lebens  belegte,  unzweifel- 
hafte Einfluß  des  Nervensystems,  wie  auf  andere  Abscheidungen 
von  Drüsen,  so  auch  auf  die  der  Verdauungssäfte  und  nicht  minder  auf 
die  peristaltischen,  d.  h.  während  der  Verdauung  in  regelmäßiger  Folge 
von  oben  nach  unten  ablaufenden  Bewegungen  des  Darmkanals  bildet 
ein  vom  diätetisch-hygienischen  Standpunkte  für  die  Speiseaufnahme 
höchst  beachtenswertes  Moment.  Die  vom  Hirn  zum  Verdauungsapparat 
heruntersteigenden  Nervenbahnen  sind  die  VVege,  auf  denen  die  geistigen 
Erregungen  oder  Gemütsbewegungen:  Zorn,  Aerger,  Schreck,  Auf- 
regungen jeder  Art  zu  dem  Verdauungskanal  gelangen  und  dort  ihre 
subjektiv  als  Völle,  Druck  in  der  Herzgrube,  sowie  schwerere  Bekömm- 
lichkeit, objektiv  als  Verlangsamung  der  Verdauung  event.  auch  als 
vorzeitige  Ausstoßung  des  Speisebreies,  bevor  dessen  Nährstoffe  voll- 
ständig verwertet  sind,  sich  darstellenden  Störungen  hervorrufen.  Mit 
Recht  sagt  daher  C.  Voit':  „bei  Aerger  und  Kummer  bekommt  uns 
das  Essen  nicht,  und  wir  magern  dabei  ab ;  .  .  .  wir  verdauen  gewiß 
anders  bei  Aussicht  in  eine  heitere  Gegend  als  auf  Kerker-  und  Kloster- 
niauern".  Ja  erfahrene  und  gut  beobachtende  Aerzte  behaupten  sogar, 
daß  für  gewisse  Verdauungsstörungen,  die  als  nervöse  Dyspepsie  be- 
zeichnet werden ,  der  Anlaß  zu  ihrer  Entstehung  in  psychischen  Emo- 
tionen: Aerger,  Schreck,  heftige  Aufregung,  zu  suchen  ist,  die  den  Be- 
treffenden gerade  bei  einer  Mahlzeit  überfallen  haben.  Daraus  ergiebt 
sich  die  wichtige  Regel,  eine  größere  Mahlzeit  nicht  zu  beginnen,  bevor 
die  ^Yogen  der  heftigsten  Aufregung  sich  gelegt  und  eine  mehr  ruhige 
Stimmung  Platz  gegriffen  hat. 


EinzelernähruDg  und  MasscuernähruDg.  103 

Zur  Hygiene  des  Verhaltens  beim  Essen  selbst  übergehend,  ist  zu- 
nächst hervorzuheben,  daU  langsames  Essen  von  wesentlichem  Vor- 
teil ist.  (jelegentlich  der  Frage  von  der  Bedeutung  der  Zerkleinerung 
der  Nahrungsmittel  ist  schon  iler  \Vi  cht  igkeit  des  Kaueus  gedacht 
worden  (S.  ä."});  hier  ist  noch  hinzuzufügen,  dali  auch  nur  bei  sorg- 
fältigem, einige  Zeit  in  Anspruch  nehmenden  Kauen  die  Durchtränkung 
des  Gekauten  mit  dem  Mundsaft,  die  sog.  Einspeichelung,  in  genügen- 
dem Unifange  erfolgen  kann.  Abgesehen  von  der  chemischen  Wirkung 
des  Speichels  aut  das  Stärkemehl,  welche  nur  noch  eine  Zeit  lang  im 
Magen  nachwirken  kann ,  ist  die  Einspeichelung  für  das  Schlüpfrig- 
machen und  die  leichtere  Schlingfähigkeit  von  Bedeutung,  sowie  auch 
für  den  Ablauf  der  Magenverdauuug.  Deshalb  soll  man  langsam  essen 
und  die  Sjjcisen  gehörig  zerkauen,  was  für  die  Bekömmlichkeit  und  für 
die  Ausnützung  von  Bedeutung  ist.  Wenngleich  ein  gesunder  Magen 
auch  derbere  Bissen  vertragen  kann ,  so  hat  doch  für  gewöhnlich 
das  schnelle  Hinabschlingen  der  Speisen  zur  Folge,  daß  dieselben,  un- 
gekaut  in  größeren  Stücken  in  den  Magen  gelangend,  dort  das  Gefühl 
von  Druck,  unter  Umständen  auch  Schmerz  hervorrufen  können.  Wer 
häutig  auf  Reisen  genötigt  ist,  seine  Mahlzeit  während  des  nur  wenige 
Minuten  dauernden  Aufenthaltes  in  der  Bahnhofshalle  einzunehmen, 
lernt  die  nach  hastigem  Essen  eintretenden  Verdauungsbeschwerden 
kennen;  solche  Verst()ße,  häufig  wiederholt,  werden  nicht  selten  der 
Anlaß  zu  chronischen  Magen-  und  Darmleiden. 

Man  hat  viel  über  die  Frage  gestritten,  ob  man  neben  den  schon 
ein  reichliches  Volumen  ausmachenden  Speisen  der  Hauptmahl- 
zeit noch  Flüssiges  zu  sich  nehmen  soll,  und  wie  viel  Flüssigkeit 
ohne  Schaden  für  die  Verdauung  gestattet  werden  kann.  Fest  steht 
zunächst,  daß  ein  Teller  (250—400  ccm)  Fleischbrühe  als  Einleitung 
zu  einem  größeren  Mahl  zweckmäßig  ist;  die  Würz-  und  Genußstoffe 
der  Fleischbrühe  regen  die  Sekretion  der  Verdauungssäfte  an  (S.  41) 
und  bereiten  so  den  Magen  und  Darmkanal  für  die  ihnen  obliegenden 
Verrichtungen  in  geeigneter  Weise  vor.  Daneben  noch  eine  größere 
Menge,  wenn  auch  nur  *;4  —  '/o  1  Flüssigkeit  in  Form  von  Wasser  oder 
Bier  zu  sich  zu  nehmen,  kann  nicht  empfohlen  werden,  schon  wegen 
der  Gefahr,  den  Magensaft  so  zu  verdünnen,  daß  seine  Verdauungs- 
fähigkeit dadurch  wesentlich  leidet.  Allenfalls  ist  kohlensaures,  z.  B. 
Selters-,  Wasser  gestattet,  scheint  doch  die  Kohlensäure  einen  Reiz  für 
die  Abscheidung  des  Magensaftes  -  aljzugeben.  Dagegen  ist  ein  Glas 
guten  Weins  zu  emi)fehlen ;  der  Alkohol  in  geringen  Mengen  und  in 
mäßiger  Konzentration  scheint  auf  die  Abscheidung  des  Alagensaftes 
und  die  Magenbewegungen  eher  günstig  zu  wirken  ^.  Bei  sehr  fetten 
Speisen  erweist  sich  für  Viele,  die  an  sich  Fette  nicht  gut  vertragen  oder 
danach  unter  Verdauungsbeschwerden  zu  leiden  haben,  auch  eine  kleine 
Menge  Alkohol  in  stärkerer  Konzentration,  z.  B.  ein  Gläschen  Cognac, 
sehr  vorteilhaft. 

Von  nicht  geringer,  h.äufig  nicht  genug  gewürdigter  Bedeutung  ist 
die  Hygiene  der  Verdauungszeit,  d.  h.  ein  zweckmäßiges  Ver- 
halten nach  dem  Essen,  insbescmdere  nach  der  Hauittmahlzeit. 
Nach  jedem  größeren  Mahl,  das  Befriedigung  und  Sättigung  bringt, 
fühlen  wir  uns  zunächst  abgespannt  und  arbeitsunlustig,  und  um  so 
stärker,  je  reichlicher  das  Mahl  gewesen,  am  stärksten,  wenn  dabei 
Ueberladung  des  Magens  stattgefunden  hat.  Es  fragt  sich  nun:  sollen 
wir  nach  dem  größeren  Mahl  dem  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  bestehen- 

'03 


104  IMMANUEL    MUNK. 

den  Hang  zum  Schlaf  nachgeben  oder  nur  sitzend  der  Körperruhe 
pflegen  oder  sollen  wir  leiciite  Körperbewegungen  machen  ?  Darüber  kann 
kein  Zweifel  sein,  daß  sehr  viele  Menschen  schon  durch  mäßige  Körper- 
bewegungen in  unmittelbarem  Anschluß  an  die  Hauptmahlzeit  angestrengt 
und  von  überströmender  Hitze  befallen  werden,  daß  sie  dagegen  ruhiges 
Sitzen  als  ein  Behagen  empfinden,  bei  ruhigem  Verhalten  am  wenigsten 
unter  Verdauungsbeschwerden  leiden  und  dann  sehr  viel  eher  wieder 
frisch  und  arbeitsfähig  werden.  Dies  trifft  für  die  Mehrzahl  der  Er- 
wachsenen und  in  der  Blüte  des  Lebens  Stehenden  zu.  Jedenfalls  liegt 
kein  Grund  dazu  vor,  mit  vollem  Magen  sich  stark  zu  bewegen,  zumal 
die  Bethätiguug  der  Muskeln  den  Blutstrom  zu  ihnen  uud  von  dem  einer 
reichlichen  Blutdurchströmung  für  seine  mechanischen  und  chemischen 
Prozesse  bedürftigen  Darmkanal  ableitet''').  Für  den  gesunden  Er- 
wachsenen bedarf  es  andererseits  nicht  des  Schlafes,  vorausgesetzt,  daß 
er  seinen  Magen  nicht  überladen  hat.  Die  Notwendigkeit  des  Schlafens 
nach  der  Hauptmahlzeit  liegt  allenfalls  für  ältere  schwächliche,  sowie 
für  zwar  erwachsene  und  kräftige,  aber  magenleidende,  endlich  auch 
für  nervöse  und  bleichsüchtige  Individuen  vor ;  sie  alle  werden  danach 
von  Müdigkeit  übermannt  und  am  ehesten  wieder  frisch,  wenn  sie  kurze 
Zeit,  V2  Ijis  höchstens  1  Stunde  vollste  Körperruhe  pflegen  können. 

Ebenso  wie  körperliche  Arbeit  fällt  auch  geistige  Thätigkeit  nach 
der  Hauptmahlzeit  den  meisten  schwer;  während  der  ersten  Verdau- 
ungsstunde soll  nur  der  Darm  thätig  sein,  alle  anderen  Arbeitsorgane 
sollen  möglichst  ruhen.  Verstöße  gegen  diese  Regel  werden  leider  häufig 
genug  begangen  und  nicht  selten  mit  Nervosität  und  chronischem  Nerven- 
leiden, Neurasthenie,  gebüßt. 

Daß  endlich  der  normale  Ablauf  der  Verdauung  nicht  dadurch  ge- 
stört werden  darf,  daß  die  Verdauungsorgane  und  großen  Unterleibs- 
drüsen durch  unbequeme  Stellungen  oder  Lagen  oder  durch  unzweck- 
mäßige, fest  ansitzende,  den  Unterleib  zusammenschnürende  Kleidungs- 
stücke gedrückt  und  dadurch  die  für  die  Funktion  der  Organe  so 
wichtige  flotte  Blutdurchströmung  gehindert  oder  gar  gestaut  wird, 
bedarf  kaum  des  Hinweises. 

1)  C.  Voit.  in  Hermann's  Handb.  d.  Physiol.  (1881)   6.  Bd.   1.   I.  425. 

2)  L.  Wolff,   Z.  f.  Min.  Med.   14.  Bd.  3. 
3;  Klikowicz,    Virch.   Ärch.   102.  Bd  360. 


*)  Nur  wegen  dieser  subjektiven  Beschwerden  wird  vor  körperlicher  Arbeit  unmittel- 
bar nach  reichlichem  Essen  gewarnt.  Selbst  wenn  durch  die  Körperbewegungen  der  Ver- 
dauung.>ablauf  verlangsamt  wird ,  wird  das  Verlorene  in  der  folgenden  Ruheperiode 
wieder  eingeholt,  sodafs  eine  Verschlechterung  in  der  Verwertung  der  Nahrung  durch  die 
körperliche  Arbeit  nicht  bedingt  wird  (S.  68). 


4 


104 


VIERTER  ABSCHNITT. 

Die  3lasseiieriiähruiig. 

Während  bei  der  Ernährung  des  Einzelnen  oder  einer  Reihe  zu 
einer  Fiiniilie  bezw.  einem  Haushalt  gehörender  Individuen  der  einzelne 
zu  Verköstigende  oder  der  Haushaltungsvorstand  die  Nahrung  nach 
Qualität  und  Quantität  aus  eigener  ICntschließung  heraus  und  auf  eigene 
Verantwortung  hin  nach  dem  Prinzip  der  individuellen  Freiheit  wälilt, 
versteht  man  unter  M  a  s  s  e  n  e  r  n  ä  h  r  u  n  g  diejenigen  Fälle 
der  E  r  n  ä  ii  r  u  n  g  unter  resp.  gleichen  Verhältnissen  lebender  Menschen- 
gruppen, in  denen  die  Kost  nicht  nach  eigener  Wahl  und 
Verantwortung  geregelt  und,  was  außerdem  noch  in  Betracht 
kommt  und  die  Wahl  der  Lebensmittel  mitbestimmt,  entweder  ganz 
oder  zum  Teil  aus  öffentlichen  Mitteln,  sei  es  des  Staates 
oder  des  Gemeindeverbandes,  bestritten  wird.  Die  ötfentliche 
Gesundheitsi)tlt'ge  nuiß  die  Verantwortung  für  die  sanitär  richtige 
Zusammenstellung  der  Kost  in  den  Fällen  der  Massenernährung  den 
staatlichen  oder  kommunalen  Organen  zuschieben,  denen  die  Pflicht  zur 
Verköstigung  jener  Menschengruppen  obliegt.  Deshalb  ist  die  Be- 
trachtung der  Massenernährung  in  Rücksicht  auf  die  hierbei  geltenden 
Prinzipien  Gegenstand  der  Hygiene*. 

Gleichwie  das  Kostmaß  des  Einzelnen  je  nach  seinem  Körperzu- 
stande, seinen  Lebensverhältnissen  und  nach  der  zu  leistenden  äußeren 
Arbeit,  wie  wir  im  vorigen  Abschnitt  an  den  typischen  Fällen  be- 
sprochen haben,  ein  sehr  verschiedenes  ist,  so  wird  auch  bei  der 
Massenernährung  die  zu  verlangende  Menge  der  Nährstotie  den  resp. 
Lebensverhältnissen  sich  anzupassen  haben.  Was  der  Einzelne  unter 
den  entsi)rechenden  Lcl)ensl)edingungen  an  Nährstotlen  bedarf,  das 
bildet  auch  die  Grundlage  für  die  Kostberechnung  der  Massenernährung  '-, 
insofern  das  dem  jeweiligen  Bedarf  entsprechende  Einzelkostmaß  mit 
der  Zahl  der  in  der  gemeinsam  zu  verpflegenden  Gruppe  vereinigten 
Individuen  (Wais(j'nkinder,  Korrigi'nden,  Pfründner,  Gefangene,  Soldaten 
u.  s.  w.)  multipliziert  wird.  Diese  Berechnung  ist  zwar,  theoretisch 
betrachtet,  mit  der  i)rinzipiellen  Un.sicherheit  beliaftet,  daß  die  zu  einer 
Gruppe  gehörenden  Menschen,  wenn  sie  auch  sonst  unter  gleichen  Ver- 
hältnissen leben  und  annähernd  die  gleiche  Arl)eit  verrichten,  doch  in 
Bezug  auf  ihren  Körperzustand,  d.  h.  Körpergewicht  und  -große,  B^leisch- 

105 


IOC  IMMANUEL    MUNK. 

und  Fettreichtum  sehr  verschieden  sein  können ,  sodaß  auch  für  den 
Einzelnen  ein  verschiedenes  Kostiuaß  als  ausreichend  zutreffen  würde, 
für  die  grr)ßeren  und  für  die  ffeischreicheren  ein  höheres  Kostniaß  als 
für  die  kleineren  und  für  die  fettreicheren.  Glücklicherweise  gleichen 
sich  in  der  Ernährungspraxis  diese  Unterschiede ,  wie  die  Erfahrung 
lehrt,  um  so  mehr  aus,  je  größer  die  Zahl  der  zu  einer  Gruppe  ver- 
einigten Menschen  ist :  was  der  eine  weniger  genießt,  nimmt  der  andere 
mehr  auf. 

Bei  der  Wahl  der  Lebensmittel  für  die  Massenernährung  wird,  da, 
wie  schon  augeführt,  dieselbe  entweder  ganz  oder  teilweise  aus  öffent- 
lichen Mitteln  zu  bestreiten  ist,  mit  Recht  Rücksicht  auf  möglichste 
Wohlfeilheit  der  Nahrung  genommen ,  aber  nur  so  weit ,  als  sich  die 
Wühlfeilheit  mit  diätetischer  und  hygienischer  Zweckmäßigkeit  ver- 
einigen läßt.  Gegenüber  der  Ernährung  des  Einzelnen  oder  einer  Haus- 
haltung ist  durch  den  Ankauf  der  Lebensmittel  und  die  Zubereitung 
derselben  im  Großen  für  die  Masseuernährung  von  vornherein  schon 
eine  beträchtliche  Verbilligung  gegeben.  Andererseits  darf  selbstver- 
ständlich die  Rücksicht  auf  Wohlfeilheit  nicht  das  hauptsächlich  be- 
stimmende Prinzip  sein,  nicht  so  weit  gehen,  daß  die  Schmackhaftigkeit, 
die  Bekömmlichkeit,  die  Verwertung  der  Nahrung  oder  das  Verlangen 
nach  Nahrungsaufnahme  darunter  wesentlich  litte  oder  gar  ganz  unge- 
eignete Nahrungsmittel  gewählt  würden. 

Mit  Recht  hebt  Uffelmann^  als  ein  bedeutsames  Moment,  das 
hygienisch  im  höchsten  Maße  zu  beachten  ist,  hervor:  die  Verhütung 
der  Ausbreitung  von  Krankheitserregern  durch  die  Massenernährung 
und  damit  die  Verhütung  endemischer  Erkrankungen  unter  der  zu- 
sammenlebenden Menschengruppe.  Insbesondere  sind  solche  Lebens- 
mittel, welche  erfahrungsgemäß  häutig  Krankheitskeime  führen  und  zu 
übertragen  geeignet  sind,  wie  insbesondere  Milch,  Schweinefleisch  u.  a., 
bei  der  Zubereitung  durch  Sieden,  Braten  u.  a.  unschädlich  zu  machen 
sowie  bei  der  Zubereitung  und  Austeilung  der  Nahrung  schon  kranke 
oder  erkrankungsverdächtige  Individuen  auszuschließen, 

1)  Forster,    Ferhdig.  d.   10.  internat.  med.  Kongrusses,  Berlin  (1890)  5.  Bd.  91. 

2)  C.  Voit,  Unters,  der  Kost  in  einigen  öffentlichen  Anstalten,  München  (187  7);  Förster,  im 
Edbch.  d  Jlyg.  2.  Bd.  1.  Abt.  1.  Uülfte  (1882)  369;  Panum,  Nord.  med.  Arkiv  16.  £d. 
No.  24;  Meinert,  Armee-  u.  Volksernährung,  Berlin  (1880;.  Diese  Werke  sind  in  den 
nachfolgenden  Kapiteln  stets  gemeint,    wenn  Voit    oder  Förster    oder   Meinert  citiert  toird. 

3)  TJffelmann  (u    Munk),  Ernährung,  2.  Aufl.  373. 


§  \.     Massenernährung  von  Kindern  und  jugendlichen 

Individuen. 

Waisenhäuser.  Die  Insassen  der  Waisenanstalten  sind  zumeist 
Kinder  von  6—15  Jahren.  Nun  haben  sich  oben  (S.  95)  als  ange- 
messene Kostsätze  herausgestellt: 

für 


Eiweifs 

Fett 

Kohlehydrate 

7-jähri 

ge 

K 

nder 

55  g 

40   g 

140  g 

8-9       „ 

it 

6o  „ 

44  1. 

150  „ 

10—11       „ 

„ 

65  „ 

45  .. 

200  „ 

12  —  13       ,, 

11 

72  „ 

47  „ 

245  „ 

14-15       „ 

„ 

79  .. 

48  „ 

270  „ 

Daraus  ergiebt  sich   schon,   wie   schwierig    es   ist,    Kinder   dieser 
weiten  Altersgrenze  so  zu  verpflegen,  daß  jedes  die  erforderliche  Nähr- 

106 


Einzoleruährung  uud  Masseueruährung.  107 

stoflfnienge  eriüilt,  oliiie  daß,  was  in  Rücksiclit  auf  Wolilfeilheit  geboten 
ist,  eine  Verschwendiiiijjj  der  Nahrung  stattfindet.  Die  Kostration  der 
ältesten  Waisenkinder  ist  in  Bezug  auf  die  Kiweili-  und  Koldeliydrat- 
menge  reieldich  um  die  lliilfte  gr()lier  als  die  der  jüngsten  Altersklasse. 
Jedenfalls  muß  man,  damit  die  Krnahrung  für  die  höheren  Altersklassen 
nicht  zu  knaj)])  wird,  durchschnittlich  pro  Kopf,  ohne  Unter- 
schied des  Alters,  die  höchsten  Sätze  geben,  also  etwa  75  g  Eiweiß, 
45  g  Fett  und  270  g  Kohlehydrate.  Am  nächsten  kommt  dieser 
Norm  die  Kost  der  belgischen  Waisenhäuser  mit  77  g  Eiweiß,  49g 
Fett,  3.'>U  g  Kohlehydrate,  während  die  des  M  ü  neben  er  Waisenhau.ses 
nach  Voit  *  zwar  genügend  Eiweiß  und  Kohlehydrate,  aber  etwas  wenig, 
nur  37  g  Fett,  ebenso  viel  als  nach  Forster  in  Amsterdam,  die  der 
Berliner  Waisenhäuser  nach  iMeinert-  gar  nur  18  g  Fett,  dafür 
aber  eine  unzweckmäßig  hohe,  weil  von  so  jugendlichen  Individuen  kaum 
zu  bewältigende  Kohlehydratgabe,  445  g  (!),  bietet.  Nach  den  Berichten 
sollen  auch  die  Pfleglinge  der  belgischen  und  des  Münchener  Waisen- 
hauses sich  durch  ein  gesundes,  frisches  Aussehen  und  eine  ihrem  Alter 
entsprechende  Entwickelung  auszeichnen. 

Abgesehen  von  der  Quantität,  kommt  noch  die  Qualität  der  Kost 
wesentlich  in  Betracht,  handelt  es  sich  doch  um  jugendliche,  wachsende 
Individuen,  die  an  sich  einer  leicht  verdaulichen  Kost  bedürfen,  und  ist 
doch  andererseits  infolge  der  zumeist  ungünstigen  Bedingungen,  unter 
denen  die  Pfleglinge  vor  ihrer  Aufnahme  in  die  Anstalt  gelebt  haben, 
ihr  Ernährungszustand  ein  dürftiger,  nicht  selten  geradezu  kläglicher, 
uud  sind  durch  die  voraufgegangene  ungenügende  und  unzweckmäßige 
Ernährung  gewisse  Konstitutionserkraukungen,  wie  die  Skroi)hulose  und 
Rhachitis  (englische  Krankheit),  hervorgerufen  oder  wenigstens  gefördert 
worden.  Deshalb  ist  vom  Eiweiß  mindestens  Vs  (25  g)  in  leicht  ver- 
daulichen Animalien:  Fleisch  oder  Fisch  (auch  Häring),  xMilch,  Käse  zu 
geben  und  bei  schlechtem  Ernährungszustande,  rhachitischen  oder  skro- 
phulösen  Erscheinungen,  endlich  bei  raschem  Wachstum  die  Quote  der 
Animalien  auf  30 — 40  g  zu  steigern.  Von  den  die  Nahrungsgrundlage 
ausmachenden  Vegetabilien  empfehlen  sich  neben  ausgebackenem,  kleieu- 
freien  Roggenbrot  am  meisten  Reis,  Getreidemehle,  Hülsenfrüchte  in 
Suppen-  und  Breiform,  mit  Schmalz  hergestellte  Mehlgebäcke,  Kartoffeln 
weich  gekocht  und  wo  möglich  in  Breiform  (Purree),  von  Gemüsen 
am  meisten  Mohrrüben ;  zum  Morgen-  und  Vespergetränk  Milch  und 
Mehlsuppen.  Mit  der  Kartoffel-  und  Brotration  gehe  man  nicht  über 
300  g  hinaus,  höchstens  für  die  oberste  Altersklasse.  Der  alkoholischen 
und  alkaloidhaltigen  Genußmittel  bedarf  es  nicht,  dagegen  sei  die  Kost 
gut  gewürzt  (Kochsalz,  Zwiebeln,  Supi)enkräuter  u.  a.)  und  werde  ab- 
wechselnd in  flüssiger,  breiiger  und  weichkonsistenter  Form  verabreicht. 

Uffelmann"  giebt  sehr  zweckmäßige  und  dabei  wohlfeile  Kom- 
binationen für  die  Tagesration,  aus  denen  wir  gewissermaßen  als  be- 
herzigenswerte Beispiele  zwei  herausgreifen:  300  ccm  Milch,  12<>g  Fleisch, 
250  g  Kartotlein,  275  g  Brot,  100  g  Getreide-  oder  llülsenfruchtmehl, 
30  g  Käse  (Weißkäse,  Quark),  20  g  Schmalz;  diese  Ration  l>ietet  80g 
Eiweiß,  44  g  Fett  und  2G(>  g  Kohlehydiate  (davon  fast  42  g  animali- 
sches Eiweiß).  Ferner  450  ccm  Milch,  250  g  Kartoffeln  ,  275  g  Brot, 
150  g  Gemü.se,  100  g  Grütze,  25  g  Schmalz,  im  ganzen  74  g  Eiweiß 
(davon  30  g  animalisches  Eiweiß),  41  g  Fett  und  205  g  Kohlehydrate.  Das 
Früh.stück  und  Vesperbrot  besteht  aus  der  halben  Portion  .Milch  und  Brot, 
das  Mittag  aus  einer  Mehl-,  Grütz-  oder  Reissuppe,  Fleisch  mit  Kartotl'eln 

107 


108  IMMAXTKl,    MrNK. 

oder  (loniüso  und  Ilcriiif]:  mit  Kartoffeln,  das  Abendbrot  aus  einer  Grütz- 
oder Mehlsui)pe,  sowie  Brot  und  Käse  oder  Kartoffeln  mit  Selimalz  und 
Brot.  Besonders  für  jüngere  Kinder  ist  die  Einschiel)ung  eines  aus  einer 
Mehl-  oder  Brotsuppe  bestehenden  zNveiten  Frühstücks  sehr  zweckmäßig. 
Wie  Forst  er'  hervorhebt,  wird  von  Kindern,  die  sich  wenig  be- 
wegen, bei  ziemlich  hoher  Lufttemperatur,  15  —  22",  außerordentlich 
viel  Wasser  in  Damplform  abgegeben,  offenbar  wegen  der  im  Verhältnis 
zum  Körpergewicht  relativ  kolossalen  Oberfläche  (Haut);  der  tägliche 
Verlust  an  Wasserdampf  für  ein  etwa  11  Jahr  altes  Kind  von  25  kg 
berechnet  sich  zu  GOO — 1080  g,  und  noch  sehr  viel  mehr  bei  Körper- 
bewegung. Zur  Deckung  des  Wasserbedürfnisses  empfiehlt  Forster 
außer  Milch  und  Trinkwasser  noch  reife  Früchte:  Obst,  Beeren. 

Korrektionsanstalten.  In  Besserungsanstalten  werden  mei- 
stens junge  Menschen  von  10—16  Jahren,  seltener  jüngere,  gesteckt, 
die  schon  früh  einen  Hang  zu  Vergehen  und  sogar  Verbrechen  zeigen 
und  weder  durch  die  Schule  noch  die  Familienerziehung  von  ihren  bösen 
Trieben  und  ihrem  Hang  zur  Faulheit  abgebracht  werden  können. 
Häufig  treten  sie,  nachdem  sie  dem  Elternhause  entlaufen,  vor  der  Auf- 
greifung wüst  herumvagabondiert  sind,  auch  körperlich  verwahrlost  in 
die  Anstalt,  sodaß  für  ihre  Ernährung  dieselben  Grundsätze  wie  für 
die  Waisenkinder  gelten  müssen  ;  wäre  es  doch  grausam,  solche  Indivi- 
duen, denen  noch  nicht  die  volle  Erkenntnis  von  der  Strafl)arkeit  ihrer 
Handlungen  innewohnt,  auch  am  Körper  durch  schlechte  Kost  zu  strafen. 
Man  wird  ihnen  demnach,  wie  10 — 16-jährigen  Kindern,  die  Sätze 
65—80  g  Eiweiß,  45  g  Fett  und  250—280  g  Kohlehydrate  (oder  40  g 
Fett  und  220 — 300  g  Kohlehydrate),  und  zwar  durchschnittlich  pro 
Kopf,  ohne  Unterschied  des  Alters,  die  höheren  Sätze  bewilligen  müssen. 
In  praxi  müssen  die  Sätze,  was  das  Eiweiß  anlangt,  noch  erhöht  werden, 
wenn ,  wie  in  manchen  Korrektionsanstalten,  die  Kost  ausschließlich 
vegetabilisch  ist  und  es  nur  2— 4mal  in  der  Woche  100 — 130  g  Fleisch 
giebt. 

In  der  mecklenburgischen  Korrektionsanstalt  (zu  Gehlsdorf)  wurden 
fl886j  zwar  täglich  70  ccm  Milch  pro  Kopf,  aber  nur  2mal  in  der  Woche 
je  100  g  (knochenfreiesj  Fleisch,  sonst  nur  Vegetabilien  TKartoffeln,  Erbsen, 
Kohl,  Mohrrüben ,  Reis  und  Aepfel  u.  s.  w.)  in  zusainmengekochtem  Essen 
und  in  Breiform  gegeben,  nach  W.  Schröder''  pro  Tag  87  g  Eiweiß, 
50  g  Fett  und  508  g  (!)  Kohlehydrate  Tdavon  nur  3 — 13  g,  ausnahmsweise 
31  g  animalisches  Eiweiß).  Obwohl  dabei  die  Insassen  gut  gediehen  und 
sich  bei  Erkrankungen  sehr  resistent  erwiesen ,  welch'  seltenen  Nähreffekt 
bei  diesem  vegetabilischen  breiigen  Essen  Schröder  der  körperlichen  Be- 
schäftigung, den  Garten-  und  Feldarbeiten,  zuschreibt  (vergl.  auch  S.  63), 
so  möchte  diese  Kostform  doch  nicht  allgemein  zu  empfehlen  sein. 

Erziehungsanstalten,  Pensionen,  Alumnate.  Für  Zög- 
linge dieser  Anstalten  treffen  dieselben  Kostsätze  zu,  wie  für  9  — 15- 
jährige  Kinder,  nämlich  75  —  8iJ  g  Eiweiß,  45  g  F'ett  und 
270  g  Kohlehydrate.  Noch  ältere  Zöglinge,  16  —  18-jährige 
brauchen  zu  ihrem  Gedeihen  das  Kostmaß  der  Erwachsenen  bei  Ruhe 
(S.  84),  also  100g  Eiweiß,  56  g  Fett  und  400  g  Kohlehydrate. 
Für  die  Kombinati<m  der  Kost  ist  zu  beachten,  daß  es  sich  um 
Kinder  der  besseren  Stände  handelt,  die  an  eine  gute,  reichlich 
Animalien  enthaltende  Nahrung  gewöhnt  sind,  und  daß  deshalb  die  Quote 

lo8 


» 


EinzelcrüühruDg  und  Masseueruühruug.  109 

der  ADiiDiilieii  höher  sein  muß  als  in  der  Waisen-  und  Korrigendenkost. 
/weckniaüig  ist  es,  wie  dies  in  den  deutschen  Kadettenhausern  ge- 
schieht, deren  Kostordnung  in  dieser  Hinsicht  als  Beispiel  gelten  kann, 
per  Kopf  V^  1  Milch  (als  1.  Frühstück)  und  den  jüngeren  150  -2U0,  den 
alteren  2(X) — 250  g  Fleisch  (teils  als  solches,  teils  als  Wurst,  letztere  zum 
Belag  für  das  Butterbrot  des  2.  Frühstücks  und  des  Abendessens)  zu 
geben ;  für  eine  entsprechende  Fleischmenge  können  auch  Käse  und  Eier 
eintreten.  Außer  Brot,  von  dem  an  die  jüngeren  oOO— 350  g,  an  die 
ältesten  450  g  verabreiclit  werden,  emi)fehlen  sich  von  Vegetabilien :  Mehl, 
(Irütze,  Reis,  Hülsenfrüchte,  Kartoffeln,  Gemüse,  frisches  und  ge- 
trocknetes Obst.  Alkoholische  Genußmittel  werden  nur  ausnahmsweise, 
alkaloidhaltige  (Kaffee,  Thee)  überhaupt  nicht  gegeben.  Diese  zweck- 
mäßige Ernährung  wird  in  ihrem  Nähreffekt  durch  genügende  körper- 
liche Bewegungen:  Turnen,  Schwinmien,  militärische  Dienstübungen 
unterstützt ;  ist  es  doch  sicher  festgestellt,  daß  selbst  die  gehaltreichste 
Kostration  ohne  genügende  Muskelübung  die  Muskeln  nicht  zur  rechten 
Entwickeluug  bringt. 

In  der  Haushaltungsscbule  der  Kruppschen  Gußstahltabrik  (in 
Essen),  in  der  junge  Mädchen  von  14  — 18  Jahren  zur  Ausführung 
aller  zum  Haushalt  gehurigen  Arbeiten,  die  sich  als  angestrengte  Tbätigkeit 
charakterisieren,  angehalten  werden,  entfielen  pro  Kopf  und  Tag  nach  den  Be- 
rechnungen von  Prausnitz*^  101  g  Eiweiß,  75  g  Fett  und  415  g  Kohle- 
hydrate. Das  ist  für  jugendliche  Individuen  eine  mehr  als  ausreichende 
Kost.  Es  zeigte  sich  demgemäß,  daß  das  Körpergewicht  der  Mädchen,  das 
im  Durchschnitt  fast  45  kg  betrug,  unter  diese  Kost  innerhalb  3  Monaten 
um  2  kg  zunahm.  Die  gesamte  Tageskost  wurde  für  54  Pfennige  pro  Kopf 
beschafft. 

n  Voit,  a    a.   0.    125. 

2.  Meinert,  a.  a.   O.  2.  Bd.   165. 

3     Uflfelmann.  a    a.   O.  375. 

4i  Forster.   a.  a.   O.  376. 

5,  W    Schröder,  A.  f.   U.  4.  Bd.   1. 

6)  W.  Prausnitz,  ebenda   15.  Bd.  387. 


§  2.    Massenernährung   der  Soldaten. 

Bei   der   Ableitung  des   Kostmaßes   für   die  Soldaten  (S.  90)   sind 
wir  zu  dem  Ergebnis  gelangt,  daß 

in   der  Garnison    lOO — IIO  g  Eiweifs,        56  g  Fett,  50O  g   Kohlehydrate, 
im  Manöver  HO— 120  „        „      75— 80  „      „       500  „  „ 

im   Krieg  120— 130  „        „  lOO  ,,     „       500  „ 

dem  Bedarfe  durchaus  genügen  und  daß  für  die  Rekrutenzeit  wegen 
der  für  die  an  den  Dienst  noch  nicht  gewiUiuten  und  ungeübten  Leute 
erforderlichen  griißeren  Arbeitsleistung  der  Manöversatz  zuzui)illigen  ist, 
z.  T.  auch  weil  die  infolge  der  Üienstübungen  sich  ausi)ildende  Zu- 
nahme der  Muskelmasse  einen  gewissen  Ueberschuß  an  stotilichem 
Material,  insbesondere  an  Eiweiß,  über  den  Verbrauch  erheischt.  In 
den  nicht  seltenen  Pallien,  wo  im  Kriege  andauernd  große  Strapazen 
zu  überstehen  sind,   also  ganz   ausnahmsweise  große  Arbeits- 

109 


110  IMMANIKL    Ml'NK. 

le  ist  Uli  gen  verhiiigt  werden,  würde  die  obige  Kriegsnition  auf  140  g 
Eiweiß  und  120  bis  125  g  Fett  zu  erhöhen  sein. 

Diesen  K  o  s  t  n  o  r  m  e  n  genügen  die  bei  den  meisten  Armeen 
des  In-  und  Auslandes  zur  Zeit  bestehenden  Friedens-  und 
Kriegsportionen  z.  T.  weder  in  quantitativer  noch  in 
(jua  li  t  at  iver  Hinsicht.  Wir  haben  auch  schon  erörtert  (S.  91), 
»laß  z.  B.  in  der  deutschen  R  e  i  c  h  s  a  r  m  e  e  die  F  r  i  e  d  e  ii  s  p  o  r  t  i  o  n 
zwar  genügend  Eiweiß  (107  g)  bietet,  aber  zu  wenig  an  Kohlehydraten 
(420  g)  und  vollends  zu  wenig  an  Fett  (35  g) ;  die  große  Friedens- 
oder Manöverportion  enthält  zwar  reichlich  Eiweiß  (135  g)  und 
Kohlehydrate  (530  g),  aber  noch  weniger,  fast  minimal  Fett  (30  g). 
Zudem  sind  die  angeführten  Portionen  Durchschnitte  aus  den  Rationen 
einer  ganzen  Woche,  und  an  den  einzelnen  Tagen  schwankt  der  Gehalt 
der  Tagesportionen  innerhalb  zu  weiter  Grenzen,  so  nach  Buchholz 
z.  B.  für  das  Eiweiß  zwischen  72  und  122  g;  für  den  Nähretl'ekt  kann 
es  durchaus  nicht  gleichgiltig  sein,  ob  an  dem  einen  Tage  zu  wenig, 
an  dem  anderen  zu  viel  aufgenommen  wird.  In  noch  höherem  Grade 
ist  dieser  wechselnde  Gehalt  an  der  (kleinen)  Kriegsportion  aus- 
zusetzen, deren  Eiweißmenge  zwischen  78  und  150  g,  also  um  das 
Doppelte,  deren  Fettgehalt  sogar  zwischen  35  und  150  g,  also  von  einem 
Tage  zum  anderen  um  mehr  als  das  4- fache  schwankt,  während  das 
Mittel  nur  115  g  Eiweiß  neben  90  g  Fett  und  470  g  Kohlehydrat  er- 
giebt,  also  letztere  allenfalls  genügend,  Eiweiß  aber  für  die  schweren 
Anstrengungen  des  Kriegsdienstes  entschieden  zu  wenig.  Wenn  nun 
gar  noch ,  wie  dies  F  o  r  s  t  e  r  ^  hervorhebt,  im  Kriege  äußere  Verhält- 
nisse eintreten,  wie  Winterkälte,  anhaltendes  Regenwetter,  Schneetreiben 
oder  Stürme,  welche  größere  Wärmeverluste  oder  Durchnässungen  des 
Körpers  bewirken  und  damit  den  C-Verbrauch  noch  höher  treiben, 
als  er  an  sich  schon  durch  die  anstrengende  Kriegsarbeit  ist,  dann  muß 
auch  der  Bedarf  an  stickstofffreien  Stoffen  höher  sein,  und  da  man 
zTseckmäßig  nicht  die  Gabe  von  500  g  Kohlehydrat  übersteigen  soll, 
muß  unter  solchen  klimatischen  und  VVitterungsunbilden  die  tägliche 
Fettration  noch  höher  als  100  g,  auf  etwa  125  g  bemessen  werden, 
wofern  der  Körper  auf  seinem  Bestände  und  auf  seiner  Leistungsfähig- 
fähigkeit erhalten  werden  soll.  Demgegenüber  bietet  die  für  solche 
Fälle  außerordentlicher  Leistungen  vorgesehene  sog.  große  Kriegs- 
ration 192  g  Eiweiß  und  678  g  Kohlehydrate,  also  beides  mehr  als 
reichlich,  dagegen  nur  45  g  Fett;  zweckmäßiger  wäre  es  und  würde 
den  Darm  weniger  belasten,  wenn  nur  500  g  Kohlehydrate  und  anstatt 
der  so  fortfallenden  178  g  Kohlehydrate  das  Aequivalent  von  77  g  Fett 
gegeben  würde;  dann  wären  darin  (45  +  77=)  122  g  Fett,  was  der 
eben  abgeleiteten  Norm  für  außerordentliche  Fälle  gleichkäme. 

Die  eingangs  aufgestellten  Kostnormen  sind  somit  als  Mittelsätze 
zu  verstehen ,  dürfen  aber  nicht  als  solche  Rationen  aufgefaßt  w^erden, 
welche  unter  allen  Umständen  bei  dem  entsprechenden  Dienst  genügen. 
Während  nur  in  den  seltensten  Fällen  von  diesen  Sätzen  sich  etwas 
abziehen  lassen  wird,  ohne  daß  damit  das  stoffliche  Gleichgewicht  und 
die  Leistungsfähigkeit  gestört  wird,  können  zahlreiche  Fälle  eintreten, 
unter  denen,  wie  am  obigen  Beispiel  gezeigt,  die  resp.  Ration  mehr 
oder  weniger  beträchtlich  noch  erhöht  werden  muß. 

Die  Mischung  der  Nahrungsmittel  anlangend,  ist  noch  mehr  als 
in  der  Kost  des  „mittleren  Arbeiters"  darauf  zu  halten,  daß  der  Darm 
nicht,   wie  dies  der  Fall  wäre,  wenn  nur  Vegetabilien  gegeben  würden, 


Eiuzolerniilirimg  und  Massenernährung.  111 

überlastet  wird  und  dadurch  die  Arbeitslust  und  -fahii^keit  sinkt.  Des- 
halb empfiehlt  es  sich,  mindestens  Va  ^^r  Kiweiß^jjabe  {.'33  resp.  3() 
resp.  4.'i  g)  in  Animalien  zu  geben,  wozu  2(,KJ— 300  g  Schlachttleisch 
=  150—225  g  knochenfrei  erlorderlich  sind.  Indes  iiietet  die  Friedens- 
portion nur  15U  g  Fleisch,  also  zu  wenig,  die  Manöverportion  allerdings 
250  g,  also  geniigenel.  Mehr  als  reichlich  Fleisch,  350  resp.  5<)0  g, 
sind  in  der  kleinen  bezw.  großen  Feldportion  enthalten,  so  daß  dieselben 
in  dieser  Hinsicht  zu  keiner  Beanstandung  Anlaß  geben ;  die  größere 
Fleischmenge  bietet  dem  Körper  leicht  verdauliches  Eiweiß  in  sozu- 
sagen konzentriertester  Form,  ohne  den  Darm  zu  überladen,  was  für 
die  Krni()glichung  großer  Arbeitsleistungen  von  Belang  ist. 

Den  Hauptbestandteil  der  Vegetabilien  soll  schmackhaftes ,  aus- 
gebackenes  Brot  in  einer  750  g  pro  Tag  nicht  übersteigenden  Menge 
bilden.  Dagegen  entspricht  die  Qualität  des  z.  B.  in  Deutschland  den 
Soldaten  gelieferten  schwarzen,  mit  relativ  großen  Kleienschüppchen 
durchsetzten  Kommißbrotes  nicht  allen  berechtigten  Anforderungen. 
Häufig  ist  es  zu  säuerlich,  nicht  genügend  beim  Gähren  des  Teiges  auf- 
gegangen und  infolge  davon  nicht  locker  und  porös  genug,  um  von  den 
Verdauungssäften  allseitig  durchtränkt  zu  werden ,  wird  infolgedessen, 
sowie  wegen  der  Cellulosepartikel  im  Darm  schlecht  verwertet,  etwa  wie 
der  Pumpernickel,  sodaß  19  Proz.  der  Trockensubstanz  und  über  Vs 
der  stickstottlialtigen  Substanz  durch  den  Kot  ausgestoßen  werden.  Mit 
Recht  rät  daher  Uffelmann-,  dies  Brot  dadurch  zu  verbessern,  daß 
man  die  im  gebeutelten  Ptoggenmehl  hinterbleibende  Kleie  sehr  fein  ver- 
mählen läßt.  Dadurch  wird  die  Ausnutzung  des  Brotes  wesentlich 
besser  (S.  G7),  noch  besser,  wenn  die  Gärung  so  geleitet  würde,  daß 
ein  lockeres,  poröses  Gebäck  resultierte. 

Bei  dem  relativ  leichtem  Verderben ,  dem  das  Brot  zumal  in  der 
Feuchtigkeit  beim  Transport  ausgesetzt  ist  (altbacken  werden,  verschimmeln 
u.  a.),  hat  man  den  Versuch  gemacht,  für  den  Kriegsfall  das  Brot  z.  T. 
oder  ganz  durch  ein  wasserärmeres,  infolgedessen  weniger  voluminöses 
und  gehaltreicheres  Gebäck,  den  Zwieback,  zu  ersetzen,  der  bei  nur  12 
bis  15  Proz.  Wasser  etwas  mehr  Eiweiß  (8,5  Proz.)  und  die  Hälfte  mehr 
an  Kohlehydraten  (75  Proz.)  enthält.  Bei  allen  unzweifelhaften  Vor- 
zügen und  bei  der  großen  Haltbarkeit  des  Zwiebacks  hat  man  leider 
die  Erfahrung  gemacht,  daß  er  wegen  seines  weniger  ausgeprägten, 
nicht  säuerlichen ,  eher  etwas  faden  Geschmackes  schon  nach  einiger 
Zeit  nur  mit  Unlust  verzehrt  wird  und  auch  wegen  seiner  festeren  Form 
in  größeren  Mengen  weniger  bekömmlich  ist,  als  das  Brot,  sodaß  er 
allenfalls  das  letztere  bis  zu  einem  gewissen  Grade  vertreten,  nicht  aber 
für  die  Dauer  ersetzen  kann. 

Abgesehen  von  den  nicht  weiter  zu  beanstandenden  Getreidemehlen, 
Grütze,  Reis,  Hülsenfrüchten,  Gemüsen,  welche  in  der  Regel  mit  dem 
Fleisch  zusammengekocht  gegeben  werden,  ist  die  Ration  an  Kar- 
toffeln, welche  in  den  verschiedenen  Portionen  1500— 20CX3  g  pro 
Mann  und  Kopf  i)etragen  soll,  entschieden  zu  hoch.  Man  wird  Roth 
und  Lex^  beistimmen,  wenn  sie  die  Ration  auf  4(X)— 800  g  herab- 
setzen wollen,  zumal  auch  in  der  englischen  Soldatenportion  nur  450  g 
Kartoffeln  geliefert  werden. 

Daraus  ergiebt  sich  zur  Erzielung  des  obigen  Kostmaßes 
in  der  Garnison  im  wesentlichen  eine  Kombination  von  150  g 
Fleisch,  750  g  P>rot,  400  g  Kartoffeln,  70  g  Reis  und  «lazu  noch  45  g 
Schmalz;  im  Manöver  dasselbe,  nur  250  g  Fleisch  und  05  g  Schmalz; 

III 


IIJ  IMMANUEL    MUNK, 

im  Kriege,  sonst  dasselbe,  nur  350  g  Fleisch  und  80  g  Schmalz  oder 
Speck. 

Wie  für  jeden  Erwachsenen,  so  erweisen  sich  auch  beim  Soldaten, 
vollends  bei  Strapazen  und  Entbehrungen,  die  alkaloidhaltigen  Genuß- 
niittel,  in  erster  Einie  Kartee  und  'J'abak ,  von  hervorragender  Be- 
deutung, wenn  es  gilt,  das  Hunger-  und  Durstgefühl  für  einige  Zeit  zu 
beschwichtigen ,  die  Stimmung  und  das  Kraftgefühl  zu  heben  und  so 
die  sinkemlen  Kräfte  für  einen  gegebenen  Zweck  energisch  anzu- 
spannen. Dagegen  erweisen  sich  die  alkoholischen  Genußmittel,  beson- 
ders die  den  Alkohol  in  ziemlicher  Konzentration  enthaltenden  Brannt- 
weine, in  dieser  Beziehung  als  trügerische  Reizmittel,  insofern  sehr  bald 
die  Keizwirkung  vertiiegt  und  die  entgegengesetzte  Wirkung,  eine  all- 
gemeine k()rperiiche  und  geistige  Erschlart'ung,  eintritt. 

Auch  auf  die  zweckmäßige  Einteilung  der  Tagesration  in  einzelne 
Mahlzeiten  wird  seitens  der  Verptlegungsvorstände  geachtet  werden 
müssen,  damit  nicht  zeitweise  der  Magen  überladen  und  die  Leistungs- 
fähigkeit beinträciitigt  wird,  zu  anderer  Zeit  wiederum  Hungergefühle 
sich  einstellen ,  welche  vom  Centralnervensystem  aus  eine  allgemeine 
Depression,  das  Gefühl  der  Schwäche  und  Arbeitsunfähigkeit  erzeugen. 
Es  wäre  wünschenswert,  daß  das  Frühstück  etwa  20  Proz.,  das  Mittag- 
essen 50  Proz.  und  das  Abendessen  etwa  30  Proz.  von  den  gesamten 
Nährstorten  der  Tagesration  enthalten.  Da  in  der  Regel  noch  zwei 
Zwischenmahlzeiten  genossen  werden,  so  ist  unter  Frühstück  der  Morgen- 
imbiß und  die  Zwischenmahlzeit  (2.  Frühstück),  unter  Abendessen  das 
Abendbrot  nebst  dem  Vesperbrot  gemeint.  Allein  in  der  deutschen 
Armee  ist  noch  z.  Z.  die  zumeist  kompagnieweise  erfolgende  Ver- 
pflegung gewöhnlich  so  beschatten,  daß  dieser  wünschenswerte  Nährstoff- 
gehalt in  den  gelieferten  Mahlzeiten,  einschließlich  der  pro  Kopf  und 
Tag  entfallenden  750  g  Brot,  sich  nicht  findet,  am  ehesten  noch  im 
Mittagessen.  Zum  Frühstück  und  zum  Abend  wird  in  der  Regel  Kaffee 
oder  eine  Mehlsuppe  geliefert  und,  wenn  die  Leute  dazu  je  250  g  Brot 
genießen,  können  mit  der  Suppe  und  dem  Brot  20  resp.  30  Proz.  der 
Tagesgabe  an  Eiweiß  und  Kohlehydraten  vielleicht  knapp  gedeckt  werden, 
aber  dann  fehlt  es  in  beiden  Mahlzeiten  mindestens  an  je  15—20  g  Fett, 
da,  wie  schon  erwähnt,  keine  der  Friedens-  oder  Kriegsportionen  extra 
Fett  (Schmalz)  liefert.  Kein  Wunder,  wenn  daher  sich  ein  sog.  Fett- 
hunger ausbildet,  wenn  der  Mangel  an  Fett  in  der  gelieferten  Ver- 
pflegung die  Leute  instinktiv  dazu  treibt,  Fett  in  Form  von  Speck  oder 
Schmalz  oder  Käse  aus  der  kargen  Löhnung  oder  aus  eigenen  Mitteln 
zu  bestreiten.  Eine  etwas  niedrige  Fettquote  findet  sich  auch  im 
Mittagessen,  das  nach  den  Bestimmungen  von  Uffelmann*)  an  der 
Mittagskost  einer  sonst  gut  verpflegten  Infanteriekompagnic  im  Mittel 
57  g  Eiweiß,  20  g  Fett  und  190  g  Kohlehydrate  per  Kopf  bietet. 

Demgegenüber  bietet  die  österreichische  Friedensportion  eigens  20  g 
Fett,  die  Kriegsportion  bis  zu  100  g  Fett  in  Form  von  Speck  oder  fettem 
Schweinefleisch,  die  holländische  Portion  Rindfleisch  mit  Schweinefleisch  und 
mit  Speck  abwechselnd,  sodaß  an  den  Schweinefleisch-  und  Specktagen  70 
bis  150  g  Fett  in  der  Tageskost  sind. 

Der  demnach  offenkundige  Mangel  an  Fett  in  den  Portionen  des 
deutschen  Reichsheeres  (neben  einem  gleichfalls  nicht  zu  rechtfertigenden 
enormen  Ueberschuß  von  Kartoffeln)  hat  zu  Vorschlägen,  wie  dem  abzu- 


EinzelorDähruug  und  Masseuoruäliruug.  113 

helfen  sei,  geführt ;  imJes  hiit  sich  bisher  die  Ileresverwaltung  gegen 
fast  jede  Neuerung  mit  der  Angabe  gesperrt,  dab  mit  dem  für  die  Ver- 
])Hegung  verfügbaren  geringen  (ieldbetrag,  pro  Kopf  und  'Jag  etwa  28 
Pfennige  (außer  dem  extra  gelieferten  Hrot),  Besseres  sicli  nicht  leisten 
lasse,  vollends  nicht  ein  Zuschuß  an  dem  teuren  Fett.  Demgegenüber  hat 
hat  Buch  hol  tz  ^)  nicht  nur  nachgewiesen,  daß  sich  ohne  Erhöhung  der 
Verpflegungskosten  die  Ration  zweckmäßiger  und  fettreicher  herstellen 
läßt ,  sondern  auch  30  verschiedene ,  sehr  rationell  kombinierte  Kost- 
rationen angegeben ,  von  denen  bei  den  üblichen  Preisen  des  Einkaufes 
der  Lebensmittel  im  Großen  keine  den  Satz  von  28  Pfg.  pro  Koj)f  und 
Tag  übersteigt.  Dabei  bieten  diese  Rationen  im  Mittel  1 15  g  Eiweiß, 
5ü  g  Fett  und  ö(X)  g  Kohlehydrate,  also  dem  theoretischen  und  praktisch 
erprobten  Bedarf  entsprechend. 

Im  Felde,  ja  schon  im  Manöver  ist  häufig  aus  Mangel  an  Zeit  die 
Einhaltung  der  Mahlzeitordnung  unmöglich,  sodaß  die  weit  überwiegende 
Quote  der  Tagesportion  in  einer  Hauptmahlzeit  aufgenommen  werden 
muß,  die  dann,  wenn  irgend  möglich,  in  die  Mitte  oder  an  den  Schluß  des 
angestrengten  Dienstes  (8 — lO-stündiger  Marsch  mit  20  kg  Belastung)  zu 
verlegen  ist.  Höchst  selten  muß  für  diese  einzunehmende  Hauptmahl- 
zeit einschließlich  deren  Zubereitung  eine  Zeit  gewählt  werden,  wie  sie 
sich  eben  bietet,  ohne  daß  genügend  Muße  bleibt,  das  Fleisch  nebst 
Gemüse,  Kartofleln  u.  s.  w.  regelrecht  abzukochen ;  sondern  nur  so  viel, 
um  das  Fleisch  allenfalls  genießbar  herzustellen  und  nach  Verzehr 
desselljen  sofort  weiterzumarschieren.  Bei  einer  solchen ,  nur  reich- 
lich Eiweiß  neben  wenig  Fett  bietenden  Mahlzeit  erfolgt  die  Resorption 
und  der  Zerfall  des  Eiweißes  zu  schnell,  als  daß  nach  7 — 10  Stunden 
noch  im  Blute  von  der  Nahrung  herrührendes ,  zersetzbares  Eiweiß- 
material vorhanden  wäre;  dann  sinkt  der  Eiweißumsatz  auf  die  Größe 
des  Huugerwertes  ab.  Einen  gleichmäßigeren  Ablauf  des  Eiweißzer- 
falles und  damit  eine  vorteilhaftere  Wirkung  in  Bezug  auf  den  Nähr- 
effekt, das  Kraft-  und  Sättigungsgefühl  erzielt  man  dadurch,  daß  man 
neben  Fleisch  stärkemehlreiche  Mittel,  wie  Kartofleln,  oder  wenn  selbst 
zu  deren  Abkochung  die  Zeit  nicht  reicht,  Brot  verzehren  läßt,  sodaß 
etwa  100—150  g  Kohlehydrate  zu  gleicher  Zeit  in  den  Darm  gelangen, 
welche  nach  ihrem  Uebertritt  in  die  Säfte  die  Zerstörung  des  Eiweißes 
(und  Fettes)  beschränken  und  damit  einen  gleichmäßigeren  Ablauf  in 
der  Resorption  und  Zersetzung  des  Eiweiß  bewirken. 

Die  Schwierigkeit,  mit  welcher  früher  die  Verpflegung  im  Kriege 
oder  auf  Expeditionen  zu  kämpfen  hatte,  daß  nämlich  die  Animalien, 
insbesondere  das  frische  Fleisch,  infolge  des  tagelangen  Transportes, 
aber  auch  z.  B.  das  Brot  durch  Verschimmeln  verdarb  und  ungenießbar 
wurde,  hat  sich  in  neuerer  Zeit  wesentlich  ermäßigt  infolge  der  fabrik- 
mäßigen Herstellung  von  konservierten  Lebensmitteln ,  welche  mit 
kleinerem  Volumen  und  Gewicht  und  also  leichterer  Transportfähigkeit, 
als  die  frischen,  große  Haltbarkeit  verbinden.  Aus  dieser  Gruppe  der 
Konserven*)  sei  hier  nur  als  auf  die  wichtigsten  hingewiesen: 
Büchsenfleisch,  Salz-  oder  P()kelfleisch,  Speck,  Erbswurst,  Zwieimck, 
Suppentafeln,  gemahlene  Kafl'eebohnen  u.  a.  Wenn  auch  die  meisten 
von  ihnen  nicht  den  angenehmen  Geschmack  der  frischen  oder  frisch 
zubereiteten  Substanzen  haben  und  deshall)  zum  dauernden  Genuß  nicht 
wohl  geeignet  sind,   so  können  sie  doch  als  zeitweiser  Ersatz  der  nicht 


*)  Da«  Nähere  über  ihre  Zusainmon^etaunK  biehj  auter  ,,Nahran){smiltel' 
Handbuch  der  Ily^ene.    Bd    HI.  Abtlg.  1  8 

>«3 


114  IMMANUEL    MUNK. 

ZU  bescbaffeudeu  frischen  Lebensmittel  außerordentliche  Bedeutung  ge- 
win non. 

Im  Feindesland  oder  auf  Expeditionen  kann  aber  auch  der  Fall 
sich  ereij^nen,  daß  infolge  schlechter  Wege  oder  aus  Mangel  an  Trans- 
portmitteln oder  infolge  Abschneidung  des  der  Truppe  nachrückenden 
Transportes  seitens  des  Feindes  für  1  —  2  Tage  die  Zufuhr  von  Lebens- 
mitteln ganz  stockt.  Für  solche  Notfälle  dient  der  von  den  Mann- 
schaften mitzuführende  eiserne  Bestand.  Derselbe  muß  eine  wenig 
voluminöse,  möglichst  konzentrierte,  unbegrenzt  haltbare  Nahrung  für 
mindestens  2  Tage  abgeben,  d.  h.  alle  Nährstotie  und  Genußmittel  in 
für  'J  Tage  ausreichender  Menge  enthalten,  also  240—260  g  Eiweiß, 
160—200  g  Fett  und  1000  g  Kohlehydrate  außer  den  Gewürzen  und 
Genußmittelu,  entweder  an  sich,  schon  im  rohen  Zustand  schmackhaft 
und  genießbar  sein  oder  dies  durch  kurzes  Kochen  mit  Wasser  werden, 
und  alles  in  allem  höchstens  das  Gewicht  von  2  kg  erreichen,  um  die 
Mannschaften  nicht  zu  sehr  zu  beschweren.  Auch  die  Herstellung  des 
eisernen  Bestandes  ist  durch  die  Verwendung  der  oben  genannten  Kon- 
serven wesentlich  erleichtert  worden. 

Die  beim  deutschen  lieichsheer  vorgeschriebene,  auf  3  Tage  be- 
messene eiserne  Portion  bietet  nach  Gauser'^  im  Ganzen  entweder 
1500  g  Zwieback,  1100  g  Salzfleisch  und  375  g  Reis  (pro  Tag  133  g 
Eiweiß,  23  g  Fett,  470  g  Kohlehydrate)  oder  500  g  Zwieback,  510  g 
Speck,  376  g  Graupen  (pro  Tag  70  g  Eiweiß,  136  g  Fett,  465  g  Kohle- 
hydrate). Die  erstere  Kombination  ist  zu  fettarm,  die  zweite  wiederum 
eiweißarm;  zudem  sind  beide,  auch  im  zubereiteten  Zustande,  wenig 
schmackhaft,  sodaß  sie  allenfalls  zur  Not  genießbar  sind,  aber  zumeist 
mit  Widerwillen  und  Unlust  verzehrt  werden.  Endlich  haben  sie  ein 
Gewicht  von  3  kg;  ein  solches  von  2  kg,  d.  h.  eine  für  nur  2  Tage 
reichende  Portion,  sollte  nicht  überschritten  werden. 

Als  passende  Kombinationen  für  auf  2  Tage  bemessene,  1770— 
1950  g  wiegende  eiserne  Bestände  empfiehlt  Uffelmann^  mehrere, 
z.  B.  700  g  Schinken  mit  Speck,  lOUO  g  Zwieback,  150  g  Kartoflel- 
präserve,  40  g  KaÖee,  20  g  Kochsalz. 

Auch  die  Lieferung  von  Tabak  als  eines  wichtigen  Genußmittels  ist 
zu  befürworten.  Die  österreichische  Kriegsportion  bietet  35  g 
Rauchtabak  pro  Kopf  und  Tag,  während  in  der  großen  Kriegsportion 
des  deutschen  Heeres  nur  im  Feindesland  50  g  Tabak  vorgesehen  sind, 
welche  auf  dem  Wege  der  Requisition  beschaut  werden  können. 

1)  Forster,  a.  a.   O.  380. 

2)  Uffelmann,  a.  a.  O.  404,  407,  412. 

3)  Eoth   k  Lex.    MüüärgemndheiUpflege  2.   Bd.   .57.5. 

4)  Buchholtz,   Ratgeber  für  den  Menagebetrieb  der  Truppen,  Berlin  (1882)   129,  133. 

5)  Gauser.   A.  f.  H.  3.  Bd.  500. 


§.  3.  Massenernährung  der  Gefangenen. 

Die  Gefängniskost  soll,  wie  oben  (S.  92)  besprochen,  nicht  mehr 
Nährstofle  (und  Genußstoffe)  bieten,  als  zur  Erhaltung  des  stofflichen 
Gleichgewichtes  eben  ausreicht.  Ein  Mehr  würde  den  Zweck  der  Be- 
strafung vereiteln,  ein  Weniger  die  Gesundheit  gefährden  und  damit 
die  Erwerbsfähigkeit   nach  der  Entlassung  aus  der  Strafhaft  schädigen, 

114 


Einzelernähruiii;  und  Massoneruährung.  115 

unter  l'niständen  so^ar  viTiiiclitcn.  Für  den  nioralisch  noch  nicht  ganz 
Verkommenen  bietet  das  Leben  im  Gefängnis  eine  Reihe  von  jisychisch- 
deprimierenden  umi  damit  auch  die  Funktion  der  Organe,  u.  a.  auch 
des  Verdauungsapparates  schädigenden  Momenten:  der  Aufenthalt  in  ge- 
schlossenen Räumen,  der  Mangel  an  freier  Bewegung,  die  stete  Beauf- 
sichtigung ,  die  andersartige  Beschäftigung ,  als  die  Inhaftierten  sie 
draußen  geübt  (Dütenkleben,  Verfertigung  von  Pappschachteln,  Cigarren- 
wickeln  u.  a.),  Grund  genug,  diese  mit  der  Strafliaft  unerläßlich  ver- 
bundenen, morahsch  und  somatisch  ungünstigen  KinHüsse  nicht  noch 
durch  eine,  sei  es  quantitativ,  sei  es  qualitativ,  mangelhafte  Ernährung 
zu  steigern. 

Für  die  nur  leichte  Arbeit  verrichtenden  Insassen 
der  Gefängnisse  haben  wir  oben  ein  Kostniaß  von 

90  g  Eiweiß,  35  g  Fett  und  350  g  Kohlehydrate  (2130  Kai.) 
abgeleitet  und  für  kleinere,  schwächliche  Männer,  sowie  für 
Weiber  (mit  Ausnahme  besonders  großer  und  schwerer)  den  niedrigsten 
Satz  von  C.  Voit: 

85g  Eiweiß,  30g  Fett,  300g  Kohlehydrate  (1858  Kai.) 
zugelassen. 

Dagegen  muß  den  in  der  Regel  stark  arbeitenden  Zucht- 
häuslern der  Satz  für  „mittlere  Arbeit"  mit 

100—110  g   Eiweiß,    56   g   Fett    und   500  g    Kohlehydrate 
(3a)U  Kai.) 
bewilligt   werden.     Dieselbe  Ration   kommt   auch  den  Insassen   der 
Arbeitshäuser  zu. 

Nun  enthält  allerdings  das  Speiseregulativ  verschiedener  deutscher 
Strafanstalten  Kostsätze,  welche  den  vorstehenden  Normen  sich  nähern, 
ja   sie  z.  T.  zu  übersteigen  scheinen,   so  z.  B.  nach  A.  Baer  '  in  den 
Gefängnissen  117  g  Eiweiß,  32  g  Fett,  597  g  Kohlehydrate, 
Zuchthäusern  140  „       „        35  „     „      736  „  „ 

Da  indes  die  Gewichtsmengen  nur  dem  Speisetarif  entnommen  bez. 
aus  den  verwendeten  Rohmaterialien  berechnet  sind ,  ohne  die  bei  der 
fast  ausschließlich  pflanzlichen  Kost  beträchtlichen,  zwischen  2  und 
30  Proz.  schwankenden  Küchenabfälle  in  Abzug  zu  bringen,  so  dürften 
sich  die  angegebenen  Sätze,  die  Küchenabfälle  zu  rund  20  Proz.  ge- 
schätzt, um  ein  volles  Fünftel  ermäßigen,  sodaß  die  Tagesration  in  den 
Gefängnissen  nur  94  g  Eiweiß,  25  g  Fett,  480  g  Kohlehydrate  ein- 
schließt. Thatsächlich  bot  die  tägliche  Kost  in  der  Strafanstalt 
Plötzensee  (bei  Berlin)  nach  den  Bestimmungen  von  Meinert^  im 
Mittel  nur  72  g  Eiweiß,  2H  g  Fett  und  550  g  Kohlehydrate,  und  dabei 
wurden  von  21  auf  ihr  Körpergewicht  geprüften  Leuten  16  erheblich 
magerer  und  nur  5  schwerer. 

Der  generelle  Mißstand,  an  dem,  von  England  abgesehen,  die  Ge- 
fängniskost der  meisten  Länder  litt,  war  der,  daß  sie  fast  nur  Vege- 
tabilien,  sehr  wenig  Animalien  und  nicht  jeden  Tag,  zu  wenig  Fett  und 
zu  viel  Kohlehydrate  bot.  Neuerdings  hat  sich  in  dieser  Hinsicht  ein 
vorteilhafter  Wandel  vollzogen.  Selbst  wenn  die  thatsächlich  in  der 
Kost  enthaltene  Menge  der  einzelnen  Nährstofl'e  die  obigen  Kostsätze 
erreicht,  so  ist  damit  noch  nicht  gesagt,  daß  die  daraus  ausgenutzten 
Xährstotfe  dem  Bedarf  genügen,  solange  wir  nichts  ülier  die  Verwertung 
der  Kost  im  Darni  wissen.  In  dieser  Hinsicht  ist  sicher  einmal,  daß 
die  Vegetabilien  schon  an  sich,  mit  wenigen  Ausnahmen,  schlechter  ver- 
wertet   werden   und    noch   um   so  schlechter,  je  weniger  sorgfältig  die 

8* 
"5 


1  U)  I M M A N VEL    AI l' N K , 

Zubereitung,  je  größer  das  Volumen  ist  und  je  größere  und  derbere 
Stüeke  sieh  darin  finden.  Kndlich  ist  für  die  Ausnützung  i)lianzlicher 
Kost  auch  die  freie  Köri)erbe\vegung,  wie  es  scheint,  nicht  ohne  Einfluß. 
Bezüglich  aller  dieser  Momente  ist  auf  den  1.  Teil  des  3.  Abschnittes 
zu  verweisen.  Ist  es  somit  schon  für  den  frei  Lebenden  außerordentlich 
schwer,  von  einer  rein  pflanzlichen  Kost  auf  die  Dauer,  unbeschadet 
seiner  Gesundheit  und  Leistungsfähigkeit,  zu  leben,  so  scheint  nach  den 
Erfahrungen  zahlreicher,  gut  beobachtender  Aerzte  dies  für  den  Ge- 
fangenen rein  unm()glich  zu  sein.  Audi  mußte  es  schon  die  Auf- 
merksamkeit auf  sich  lenken,  daß  in  England,  wo  den  Gefangenen 
täglich  117  g  Eleisch  verabreicht  werden,  die  Erkrankungs- und  Sterbe- 
ziffer (Morbidität  und  Mortalität)  der  Insassen  erheblich  niedriger  war, 
als  in  den  anderen  Ländern,  wo  sehr  wenig  Auimalien  und  Fleisch  nur 
selten  gegeben  wurde. 

Welchen  Unterschied  in  Bezug  auf  die  Ausnutzung  ein  Zuschuß 
an  Animalien  und  ein  entsjjrechender  Abzug  an  den  Vegetabilien  be- 
dingt, ergeben  Schuster 's  ^)  Untersuchungen  über  die  Ausnützung 
der  Nahrung.  Im  Zuchthause,  wo  nur  Vegetabilien  (Brot,  Hülsen- 
früchte, Kartoffeln ,  Gemüse)  zur  Verwendung  gelangten  und  es  nur 
3  mal  in  Woche  je  60  g  Eleisch  gab,  wurden  von  den  gebotenen  104  g 
Eiweiß  nur  78  g  =  72  Proz.  thatsächlich  ausgenützt,  dagegen  im  Ge- 
fängnis, wo  es  täglich  116  g  Eleisch  und  weniger  Vegetabilien  (nur 
etwa  =*/5  so  viel  als  im  Zuchthaus)  gab,  wurden  von  den  eingeführten 
87  g  sogar  76  g  Eiweiß  =  87  Proz.  im  Darm  verwertet. 

Bezüglich  des  niedrigsten  Zuschusses  von  Animalien,  der 
die  sonst  vegetal)ilische  Nahrung  zu  einer  ersprießlichen  zu  gestalten  ver- 
mag, gehen  die  Ansichten  der  Gefängnisärzte  auseinander.  In  den  belgi- 
schen Gefängnissen,  sowie  in  dem  Strafgefängnis  Plötzensec  sah  man  durch 
Verabreichung  von  je  100  g  Schlachtfleisch  (=  80  g  knochenfrei)  an 
nur  4  Tagen  der  Woche  und  von  etwas  (50  ccm)  Milch  eine  entschiedene 
Besserung  im  Befinden  und  in  der  Eßlust ;  noch  bessere  Resultate  haben 
Krohne  und  Leppmann^  in  der  Strafanstalt  Moabit  (bei  Berlin) 
dadurch  erzielt,  daß  sie ,  ohne  wesentliche  P>höhung  der  Verpflegungs- 
kosten, Häringe,  Magermilch  und  Käse  in  die  Kost  der  fleischfreien 
Tage  einfügten.  Auch  Buttermilch  dürfte  sich  we,.,'en  ihres  Eiweiß-  und 
Zuckergehaltes  und  ihrer  leichten  Verdaulichkeit,  aber  in  Rücksicht  auf 
die  zahlreichen  darin  vorhandenen  Garungserreger  (Mikroorganismen) 
nur  für  Gefangene  mit  intaktem  Verdauungsapparat  empfehlen  ^. 

Wenn  auch  der  erwähnte  Zuschuß  von  Animalien  zur  Pflanzennahrung 
genügt,  um  die  Eßluft  rege  zu  halten  und  den  Körper  vor  Erkrankungen 
zu  bewahren,  so  giebt  es  doch  in  jeder  Anstalt  eine  kleinere  oder  größere 
Zahl  von  Menschen,  für  welche  dieser  Zuschuß  nicht  hinreicht,  zumeist 
deshalb,  weil  die  Betreffenden  vor  ihrer  Einlieferung  an  reichliche 
Mengen  von  Animalien  gewöhnt  waren  oder  einen ,  insbesondere  gegen 
derbere,  cellulosereiche  pflanzliche  Kost  emi)findlichen  Verdauungsapparat 
besitzen  oder  schon  leidend  und  schwächlich  hineingekommen  oder 
durch  irgend  eine  an  sich  nicht  schwere  P>krankung  schwach  und 
appetitlos  geworden  sind.  Solche  Individuen  erhalten  nach  Baer's 
nachahmenswertem  und  auch  vielfach  befolgten  Vorgang  eine  Extrazulage 
von  125 — 150  g  Eleisch  oder  von  500  ccm  Milch,  auf  Anordnung  des 
Arztes  unter  Umständen  P'leisch  und  Milch,  Magenkranke  daneben  noch 
statt  der  gewöhnlichen  schweren,  hülseufruchtreichen  Kost  leichter  ver- 
dauliche Mehlgerichte  und  Gemüse  (s.  später). 

ii6 


Einzelernährung  iinil  Massenornilhning.  117 

Da  die  zur  Kost  vt'rwcndi'ten  Vej,'ctaliilioii  Kett  nur  minimal  ent- 
halten, bedarf  es  zur  Erreicliunj^'  der  l'ett(}U(»te  eines  besonderen  Zu- 
schusses, und  zwar  wird  in  den  preußischen  Gefangnissen  per  Tag  25  g 
Fett  extra  veralifolgt.  Wenn  damit  auch  für  den  leicht  arbeitenden 
Gefangenen  annähernd  der  Bedarf  gedeckt  werden  kann,  ist  dies  nicht 
für  den  arbeitenden  Zuchthäusler  der  Fall,  der,  um  seinen  Kettsat/,  von 
5G  g  zu  erreichen,  entweder  45  g  Schmalz  oder  neben  25  g  Fett  noch 
etwa  GO  g  Fettkäse  erhalten  müßte. 

Unter  den  Vegetabilien  steht  quantitativ  obenan  das  Brot,  wovon 
in  Preußen  (325—050  g,  anderswo  f)(X) — 850  g  verabreicht  werden. 
650  g  Brot  genügen  dem  Bedarf  des  leicht  und  schwerer  arbeitenden 
Gefangenen.  Das  gelieferte  Brot  ist  Roggenbrot  von  ganzem  Korn,  sog. 
Schrotljrot,  und  wegen  der  Beimischung  der  gesamten  Kleie  weniger 
bekömmlich  und  schlechter  ausnützbar  (S.  07)  als  solches,  das  nur  einen 
Teil  der  Kleie  enthält,  wie  das  Kommißbrot,  das  auch  schon  schlecht 
genug  ausgenützt  wird.  Durch  feinere  Vermahlung  der  Kleienbeimengung 
würde  auch  hier  das  Brot  ohne  wesentliche  Verteuerung  sich  besser 
bekömmlich  und  besser  ausnützbar  herstellen  lassen. 

Nächst  dem  Brot  kommen  die  Hülsenfrüchte,  welche  sehr  hohen 
Eiweiß-  und  Kohlehydrat-  und  mäßigen  Fettgehalt  besitzen  und,  mit  Wasser 
gar  gekocht,  in  Suppen-  und  Breiform  auch  gut  im  Darm  verwertet 
werden.  Leider  sind  sie  wenig  schmackhaft  und  nur  durch  Gewür/e, 
über  welche  der  knapp  zugeschnittene  VerpHegungsetat  nicht  verfügt, 
schmackhaft  herzustellen.  Zudem  werden  sie  von  vielen  schlecht  ver- 
tragen und  durch  reichliche  Gasbildung  im  Darm  lästig.  Man  sollte 
sie  deshalb  in  der  Kost  beschränken  und  statt  ihrer  einen  Tag  um  den 
anderen  die  leicht  verdaulichen  Getreidemehlgebäcke  oder  Reis  geben. 
Gefangene,  welche  die  Hülsenfrüchte  schlecht  vertragen,  können  im 
Gefängnis  Plötzensee  auf  ärztliche  Verordnung  statt  derselben  Fleisch- 
brühe mit  Reis  oder  Gries  und  Gemüse  neben  Fleisch  bekommen.  Auch 
diese  von  Baer  eingeführte  „Mittelkost"  hat  sich  als  sehr  zweckmäßig 
bewährt. 

Reichlich  enthält  das  Mittag-  und  Abendessen  auch  Kartoffeln,  von 
denen  indes  nicht  mehr  als  höchstens  500  g  pro  Kopf  und  Tag  gegeben 
werden  sollten.  Daneben  werden  Getreidemehle  zu  Suppen,  (irütze  zu 
Suppen  und  Brei,  Kohl-  und  Rübenarten  zum  Mittag-  und  Abendessen 
verwendet. 

Von  den  Würzstoffen,  welche  zur  Schmackhattigkeit  der  Speisen 
und  zum  Regehalten  des  Appetits  wesentlich  beitragen,  können  aus 
ökonomischen  Rücksichten  nur  Kochsalz,  Zwiebeln,  Suppengrünes  und 
allenfalls  Essig  verwendet  werden.  Kaffee  giebt  es  nicht,  statt  desselben 
am  Morgen  eine  Suppe,  event.  dazu  50  ccm  Milch.  Dagegen  ist  es  in 
den  preußischen  Anstalten  den  Gefangenen  gestattet,  sich  andere  Ge- 
nußmittel, wie  Tabak,  event.  Bier  oder  einen  lläring  oder  auch  Zucker, 
aus  dem  durch  überstündiges  Arbeiten  erzielten  Verdienst  anzukaufen;  sie 
werden  von  der  Gefängnisverwaltung  etwa  zum  Sell)Stkostenpreis  abgelassen. 

Selbst  wenn  man  von  <lem  in  der  Gefängniskost  zumeist  vorhandenen 
l' ebermaß  der  Vegetabilien,  der  geringen  Fettration  und  dem  nur  an 
einigen  Tagen  genügenden  Zuschuß  an  Animalien  absieht ,  so  liegt 
wesentlich  in  der  Zubereitung  der  Kost  und  insbesondere  des  Mit- 
tag- und  Abendessens  der  wunde  Punkt,  welcher  früher  in  noch  hidierem 
Grade  als  in  neuerer  Zeit,  wo  sich  schon  vieles  in  dieser  Beziehung  ge- 
bessert hat,  die  Kost  zu  einer  ungünstigeren  und  für  die  Dauer  Vielen 

H7 


llÖ  IMMANUEL    MUNK. 

unerträglichen  gestaltet  hat.  Die  mangelhafte,  nicht  sorgfältige  Zube- 
reitung, SDtiaß  die  Vegetabilien  nur  halbgar  werden,  die  geringe  Schmack- 
haft igkeit  infolge  des  Mangels  oder  ungenügenden  Zusatzes  von  Ge- 
würzen, die  stete  Eintönigkeit  in  Geschmack,  Form  und  Konsistenz, 
vor  allem  die  stets  sich  gleich  bleibende  breiartige  Konsistenz  des  sog. 
zusanimengekochten  Essens,  alle  diese  Momente,  die  schon  im  1.  Teil 
des  o.  Abschnittes  beleuchtet  wurden  (S.  55  —  62),  sind  es,  welche 
insbesondere  in  früherer  Zeit,  bevor  man  darauf  zu  achten  gelernt  hat, 
zu  dem  „Abgegessenseiu",  Appetitlosigkeit  bis  zur  Brechneigung  und 
Würgebewegung,  Dyspepsie  und  zeitweise  gänzlicher  Abstinenz  der  Nah- 
rungsaufnahme geführt  haben,  infolge  deren  die  an  sich  schon  wenig 
kräftigen  Leute  schnell  herunterkommen,  bald  unter  unstillbaren  Durch- 
fällen, bald  unter  hartnäckiger  Verstopfung,  und  schließlich  der  Lungen- 
schwindsucht oder  interkurrenten  Krankheiten  zum  Opfer  fallen.  Wir 
haben  bereits  gesehen,  daß  das  breiige  zusammengekochte  Essen  außer- 
ordentlich wasserreich  ist,  80  Proz.  Wasser  und  darüber  enthält,  und 
daß  darin  die  schädliche  Wirkung  zu  liegen  scheint,  insofern  der  Ge- 
fangene bei  der  geringen  Körperbewegung,  die  er  sich  machen  kann, 
nicht  imstande  ist,  sich  dieses  Wasserüberschusses  zu  entledigen.  Des- 
halb empfiehlt  es  sich,  etwa  einen  Tag  um  den  Tag  die  breiige  mit 
weichkonsistenter  Kost  abwechseln  zu  lassen,  ferner  durch  Zugabe  von 
Animalien  und  durch  verständige  und  dabei  ökonomische  Abwechselung 
in  den  zugesetzten  Gewürzen  auch  Aenderungen  im  Geschmack  der 
Speisen,  endlich  durch  eine,  dem  Zusatz  der  Animalien  entsprechende 
und  den  obigen  Kostnormen  angepaßte  Verringerung  der  Vegetabilien 
und  des  Wassers  eine  Verkleinerung  des  Volums  der  täg- 
lichen Speisen  eintreten  zu  lassen.  Letzteres  ist  ein  um  so  drin- 
genderes Postulat,  als  noch  jetzt  die  zubereiteten  Speisen  einschließlich 
des  verzehrten  Brotes  mindestens  2750  g  wiegen,  was  entschieden  zu 
hoch  ist.  Ein  Tagesvolum,  das  2000  g,  vollends  2300  g  übersteigt, 
ist  viel  zu  groß,  überlastet  den  Darm  und  führt  bei  habitueller 
Einführung  zu  einer  dauernden  Erweiterung  des  Verdauungsapparates 
mit  Herabsetzung  seiner  chemischen  und  motorischen  Funktion  (S.  60). 

Während  in  Oesterreich  schon  im  Strafurteil  die  Einschiebung  eines 
Fasttages  ein-  bis  zweimal  im  Monat  als  Straf  Verschärfung  ausge- 
sprochen werden  kann,  wird  in  Preußen  von  der  vorübergehenden 
Nahrungsentziehung  nur  als  Disziplinarstrafe  gegen  renitente, 
sich  der  Anstaltszucht  nicht  fügende  Gefangene  in  seltensten  Fällen 
Gebrauch  gemacht;  selbstverständlich  darf  dieses  Mittel  nur  bei 
noch  leidlich  kräftigen  und  sonst  gesunden,  nie  aber  bei  schon  ent- 
kräfteten Menschen  angewendet  werden.  Auch  die  Verschärfung  der 
Strafhaft  durch  Verurteilung  zu  Wasser  und  Brot  ist  als  eine 
teilweise  Entziehung  der  Nahrung  anzusehen,  da  das  Brot  zwar  wert- 
volle Nahrungsstoffe  enthält,  aber  selbst  bei  der  größten  Menge,  die 
davon  neben  Wasser  aufgenommen  werden  kann,  sagen  wir  750  g,  keine 
Nahrung  vorstellt,  weil  darin  zwar  50  g  Eiweiß  und  340  g  Kohlehydrate 
sind,  davon  aber  nur  35  g  Eiweiß  und  310  g  Kohlehydrate  resorbierbar, 
eine  Nährstotlmenge,  die  selbst  bei  größter  Körperruhe  weit  davon  ent- 
fernt ist,  dem  Bedarf  zu  genügen. 

Die  Untersuchungsgefangenen  sind  von  den  Strafgefangenen 
insofern  zu  trennen ,  als  es  sich  hier  ja  nicht  um  zu  Strafe  verur- 
teilte Individuen  handelt,  sondern  nur  um  solche,  welche  zur  Ver- 
hütung  der  Gefahr   einer  Verdunkelung  des  Thatbestandes   bei   freiem 

ii8 


Einzelernähning  und  MassenernäbruDg.  119 

Verkehr  mit  der  Außenwelt  oder  wegen  Fluchtverdachtes  u.  s.  w.  unter 
sorgfältiger  Aufsicht  gehalten  werden ,  ohne  daß  aber  die  Möglichkeit 
ausgeschlossen  ist,  sie  als  unschuldig  zu  erkennen  oder  mangels  ge- 
nügender Beweise  freisprechen  zu  müssen.  Deshalh  muß  durch  quanti- 
tativ und  qualitativ  genügende  Kost  gesorgt  werden,  daß  solche  nur  in 
Sicherheitshaft  (Jenommene  an  ihrem  Wohlbefinden  und  ihrer  Leistungs- 
fähigkeit keinen  Schaden  leiden ;  auch  muß  es  ihnen,  wie  dies  in  vielen 
Ländern  und  mit  Recht  erlaubt  ist,  gestattet  werden,  sich  aus  eigenen 
oder  ihrer  Verwandten  oder  Freunde  Mitteln  nach  ihrer  Wahl  zu  be- 
köstigen oder  wenigstens  zu  der  gelieferten  Kost  sich  die  ihnen  wün- 
schenswert erscheinenden  Zuschüsse  durch  Ankauf  von  der  Gefängnis- 
verwaltung zu  i)eschaffen. 

Was  endlich  die  jugendlichen  Gefangenen  im  Alter  von 
15 — 18  Jahren  anlangt,  so  muß  bei  ihrer  Ernährung  einmal  berück- 
sichtigt werden,  daß  ihr  Körper  gerade  in  rascher  Entwickelung  be- 
griffen ist  und  deshalb  durch  eine  unzweckmäßige  oder  ungenügende 
Ernährung  schwer,  event.  für  das  ganze  fernere  Leben  geschädigt  werden 
kann.  In  Rücksicht  auf  das  rapide  Körperwachstum  muß  man  ihnen 
annähernd  dieselbe  Ration  als  den  schon  erwachsenen  Gefangenen  be- 
willigen, also 

85—90  g  Eiweiß,  35  g  Fett  und  350  g  Kohlehydrate  (rund 

2100  Kai). 
Von  Animalien  ist  mindestens  einen  Tag  um  den  anderen  Fleisch  (125  g 
Schlachttieisch  =  100  g  kuochenfrei),  an  den  Zwischentagen  ein  Hering 
oder  50  g  Käse,  an  allen  Tagen  zweckmäßigerweise  200 — 250  g  Milch 
zu  geben.  Die  Brotration  soll  500  g  nicht  erreichen,  geschweige  denn 
übersteigen.  Von  sonstigen  Vegetabilien  sind  zu  verwenden:  Getreide- 
mehl und  Hülsenfruchtmehl  zu  Suppen,  Kartotieln,  nicht  über  350  g 
pro  Tag,  grüne  und  Wurzelgemüse  (Kohl,  Morrüben).  Alkaloidhaltiger 
oder  alkoholischer  Genußmittel  bedarf  es  nicht.  Zweckmäßige  Zu- 
sammenstellungen für  die  Tagesration  jugendlicher  Gefangenen  giebt 
Uffelmann^;  eine  solche  besteht  z.  B.  aus  250  g  Milch,  125  g 
Schlachtfleisch,  450  g  Brot,  350  g  Kartotteln,  125  g  Mehl  zu  Suppen, 
150  g  Gemüse,  30  g  Schmalz.  Die  gelegentlich  in  Gefängnissen  auftretenden 
Skorbutepideraien,  welche  den  größten  Teil  der  schon  an  sich 
wenig  resistenten  Gefangenen  befallen  und  infolge  der  Blutverluste  und 
Entkräftung  oder  sich  anschließender  Nachkrankheiten  (allgemeine  Wasser- 
sucht) einen  großen  Prozentsatz  von  Opfern  gefordert  haben,  sind  dank 
den  hygienisch-günstigeren  Verhältnissen  (trockne  Gefängniszellen,  reich- 
liche Lüftung,  bessere  und  zweckmäßigere  Ernährung)  höchst  selten 
geworden.  Den  kali reichen  Wurzelgewächsen  und  frischen  grünen 
Gemüsen  (Kartotfeln,  Rüben,  Mohrrüben,  Kohl)  rühmt  man  eine  auti- 
skorbutische  Wirkung  nach;  in  ähnlicher  Weise  soll  auch  der  größere 
Fettgehalt  '    der  Kost  von  günstigem  Einfluß  sein  (vergl.  S.  29). 

1)  A.   Baer,   Die  (itf<ingnitse,  Strafanstalten  und  Strafsysteme,    Berlin  (1871);    Vf.  öf-  Ott. 
8     lid.   601;    BlätUr  für  Gffängniikunde    18.   Bd    323. 

2)  Melnert,  a    a.  O. 

3)  Schuster,  hti  Voit  a.  a.   O.   14  2. 

4)  Krohne  &  Leppmann.   Berl    klin.    Woeh.  (1890)  No.  30. 

5)  C.   Voit.    Miinrh.  med.    Hoch    (1886)   No.    1  f. 

6)  Uffelmann,  a.  a.   O    379. 

7)  Felix,    r    /.  öff.  Oei.  3    Bd    Hl;  vergl    aurh   LUeratur  S.  31   {No.   5—7). 


I  iq 


120  IMMANIKL    MUNK, 

V?   4.     M  as  se  T1  ern  ährung    in    A  rnie  n  h  äiisern    und   Ver- 
so  rgii  iigsan  s  t  alten. 

Während  in  den  Armenhäusern  solche  r.eute  verpflegt  werden, 
welche,  z.  T.  noch  in  «len  besten  Jahren  stehend  und  ziemlich  arbeits- 
fähig, infolge  längerer  Arbeits-  und  P'rwerbslosigkeit  dem  (Jemeinde- 
verband  zur  Last  fallen ,  für  die  ihnen  gewährte  Kost  und  Wohnung 
aber  noch  mehr  oder  weniger  Arbeit  zu  leisten  haben,  linden  in  Ver- 
sorgungsanstalten solche  Individuen  rnterkunft,  welche  durch  Alter 
oder  körperliche  Gebrechen  (unheilbare  chronische  Kränkelten,  Siechtum, 
Blindheit,  Taubstummheit)  arbeits-  und  erwerbsunfähig  geworden  sind; 
danach  bezeichnet  man  die  Versorgungsanstalten  als  Altersversorgungs- 
anstalten oder  Pfründen,  Sicchenhäuser,  Idioten-,  Blinden-  und  Taub- 
stummenanstalten. In  der  Mehrzahl  dieser  Anstalten  werden  die  ver- 
mögenslosen Insassen  aus  öfl'entlichen  oder  privaten  Mitteln,  oder  aus 
solchen  milder  Stiftungen  verpflegt,  doch  giebt  es  auch  Anstalten,  in 
denen  mäßig  situierte ,  aber  allein ,  ohne  Familienanhang  dastehende 
Individuen  der  verschiedensten  Altersklassen  sich  Unterkunft  und  Ver- 
pflegung im  geselligen  Zusammenleben  durch  Einkauf  in  die  Anstalt 
sichern,  sog.  Mädchen-  und  Frauenheime,  Witwenheime  u.  s.  w. ,  noch 
andere,  in  welche  die  Aufnahme  weder  durch  Bezahlung  noch  auf  Grund 
der  Mittellosigkeit  erfolgt,  sondern  nur  durch  jahrelange  Dienste  für 
den  Staat  erworben  werden  kann,  wie  die  Invalidenhäuser.  Für  die 
Ernährung  dieser  verschiedenen  Klassen  ist  einmal  zu  berücksichtigen, 
ob  dieselbe  unentgeltlich ,  zu  Lasten  des  Staates  oder  der  Gemeinde  zu 
erfolgen  hat  —  in  diesen  Fällen  wird  die  Verpflegung  möglichst  öko- 
nomisch zu  leiten  sein  —  oder  ob  es  sich  um  zahlende ,  den  besseren 
Ständen  angehörige  und  vor  dem  Eintritt  in  die  Anstalt  an  eine  reich- 
liche Verköstigung  gewöhnte  Individuen  handelt'. 

Für  alle  älteren,  nicht  arbeitenden  Insassen  dieser  An- 
stalten wird  im  allgemeinen  als  Erhaltungskost  (S.  89)  die 
Voit'sche^  Norm  ausreichen: 

80— 90  g  Eiweiß,  35— 40  g  Fett,  300-350  g  Kohlehydrate, 
und   zwar  die  höheren  Werte   für   die  Männer,    die  niedrigeren   für 
die  Weiber.     Die   dauernd   bettlägerigen  Siechen   werden   infolge   des 
geringen  Stoß'verbrauches  bei  Körperruhe  schon  mit  250  g  Kohlehydrate 
auskommen. 

Für  die  an  eine  bessere,   an   Animalien   reichere  Kost 
G  ewöhn  ten: 
80-90  g  Eiweiß,  50- 55  g  Fett,  250— 300  g  Kohlehydrate. 

Endlich  für  die    arbeitenden    Armenhäusler  zur  Erhaltung 
ihrer  Arbeitsfähigkeit  die  Ration  des  ,.mittleren  Arbeiters"  (S.  85)  mit 
100—110  g  Eiweiß,  56  g  Fett,  500  g  Kohlehydrate. 

Die  Kost  der  im  mittleren  Lebensalter  stehenden,  arbeitenden 
Insassen  der  Armenhäuser  wird  qualitativ  der  verbesserten  Gefängnis- 
kost (S.  115)  etwa  entsprechen  (lürfen,  derart  daß  dieselben  pro  Tag 
650 — 750  g  Brot,  femer  Hülsenfrüchte,  Kartoffeln  (etwa  500—600  g). 
Reis,  Getreidemehle,  Kohl-  und  Rübenarten,  von  Animalien  zweckmäßig 
200  g  Milch,  25  g  Schmalz,  4 mal  in  der  Woche  je  150  g  Fleisch, 
an  den  fleischfreien  Tagen  1—2  Häringe  oder  Käse  erhalten.  In  Bezug 
auf  Gewürze,  Genußstofle,  Form  und  Konsistenz  der  Nahrung  trifl't  das 
bei  der  Gefängniskost  Angeführte  auch  hier  zu. 


Einzelcrnährung  und  MaBsenornährung.  121 

Bei  der  Verpflegung  der  alten,  nicht  arbeitenden  Pfründ- 
ner  ist  zu  liedeiikon,  dali  dieselben  wegen  defekter  Zähne  die  Nahrung 
nur  ungenügend  /u  kauen  vermögen  und  daü  dalier  die  Speisen  schon 
in  flüssiger  oder  breiiger  Form  und  in  einem  der  Zerkleinerung  nur 
wenig  l)edürttigen  Zustande  der  weichen  Konsistenz  gereicht  werden 
müssen,  daü  ferner  die  mit  dem  Alter  fortsclireitende  Abnahme  der 
Energie  der  Organfunktiouen  auch  den  Venlauungsapi)arat  triflt,  daher 
sie  eine  voluminöse,  derbe,  cellulosereiche,  blähende  Kost,  z.  B.  Legu- 
minosen, Schwarzbrot,  schlecht  vertragen,  endlich  daß  die  mangelnde 
Körperbewegung  bez.  körperliche  Arbeit  weder  eine  zu  wasserreiche 
(S.  »i'J)  noch  zu  voluminöse  Kost  gestattet.  Deshalb  werden  die  leichter 
verdaulichen,  weniger  Ballast  liefernden  und  relativ  gut  ausnützbaren 
Vegetaltilien  die  Grundlage  der  Kost  bilden  müssen  :  weiches,  gut  aus- 
gebackenes  Weilibrot  (Weizenbrot),  Mehl  zu  Suppen  und  zu  Ge- 
backen (mit  Schmalz),  Reis  und  Kartoflelu  in  Suppen-  und  Breiform; 
von  Animalien  täglich  Milch  und  3 mal  wöchentlich  Fleisch,  an  den 
anderen  4  Tagen  entweder  ein  Zuschuß  an  Milch  oder  Käse  oder  Iläring. 
Auf  die  Tagesration  wären  mit  Uffelmann^  zurechnen:  4(^XJ  g  Brot, 
sex.)  g  Milch,  125  g  Reis  (abwechselnd  mit  1(X)  g  Mehl),  250  g  Kar- 
tofleln,  20  g  Schmalz;  3 mal  wöchentlich  je  125  g  Fleisch,  an  den  4 
anderen  Tagen  je  200  g  Milch  mehr  und  50  g  Käse  oder  1  Häring. 
An  Genußmitteln  Katiee  und  event.  etwas  Tabak.  Weiber  werden  auch 
schon  mit  300  g  Brot  pro  Tag  ausreichen. 

Auch  für  die  bettlägerigen  Siechen  wird  vorstehende  Kostord- 
nung sich  zweckmäßig  erweisen.  Selbst  jüngere  oder  im  mittleren 
Lebensalter  stehende  Sieche  dürfen  wegen  der  andauernden  Bettlage 
kein  Uebermaß  von  Vegetabilien  erhalten,  auch  wenn  sonst  ihr  Ver- 
dauungsapparat gut  funktioniert.  Nur  werden  sie  wegen  ihres  geringeren 
Bedarfes  an  Kohlehydraten  bei  der  steten  Körperruhe  schon  mit  3(X)  g 
Brot  und  150  g  Kartotfeln  auskomnien  können. 

In  den  Anstalten,  wo  Pfleglinge  der  besseren  Stände  zum 
größten  Teil  gegen  einmalige  Vorausbezahlung,  sog.  Einkauf,  oder  gegen 
Entrichtung  eines  jährlichen  Pensionsgeldes  Unterkunft  und  Verpflegung 
finden,  darf  die  Wohlfeilheit  der  Verköstigung  weniger  in  Betracht 
kommen  und  muß  hier  besondere  Berücksichtigung  dem  Umstand  zu 
teil  werden ,  daß  die  Pfleglinge  von  früh  an  oder  wenigstens  seit  einer 
Reihe  von  Jahren  eine  an  Animalien  mehr  oder  weniger  reiche, 
nur  mäßig  voluminöse  Kost  zu  sich  genommen  haben  und  infolgedessen 
eine  vorwiegend  vegetabili.sche  Kost  weder  ihrem  Geschmack  entspriciit, 
noch  den  Appetit  rege  erhält,  noch  endlich  dem  stofllichen  Bedürfnis 
ihres  anders  gewöhnten  Körpers  genügt.  liier  würde  es  zweckmäßig 
sein,  neben  300 — 400  g  Weißbrot  oder  gutem  Roggenbrot  (die  kleineren 
Zahlen  beziehen  sich  auch  hier  auf  weibliche  Personen)  2(X)  g  Kartotteln, 
100  g  Reis  oder  Mehl,  von  Animalien  täglich  je  300  g  Milch  und  ir)0  g 
Fleisch,  30— 35  g  Schmalz,  sowie  40  g  Käse  oder  1  Häring  oder  40  g  Wurst 
zu  geben,  dann  würde  die  Ration  von  80—90  g  Eiweiß,  50  —  55  g  Fett, 
250-  300  g  Kohlehydrate  erreicht  werden.  Von  Genußmitteln  täglich 
Katt'ee  und  '/j — Vg  1  Bier,  event.  Tabak.  Diese  Kombination,  welche 
weit  über  die  Hälfte  des  Eiweißes  in  Animalien  bietet,  giebt  zugleich  die 
Möglichkeit,  in  jeder  Mahlzeit  Animalien  zu  haben,  so  zum  Frühstück 
und  Vcspeibrot  Kartee  mit  Milch,  Brot  und  Schmalz;  zum  Mittag  neben 
einer  Fleisch-  oder  Mehlsuppe  und  Griesbrei  Fleisch  nebst  Kartotteln, 
zum    Abendbrot   ein   Mehlgebäck   und   Brot,    dazu   Käse   oder    Hering 


122  IMMANUEL    MUNK, 

oder  Wurst.  Diese  höchst  zweckmäßige  Kost  läßt  sich  beim  Einkauf 
im  ("iroßen  zu  80— 10(^  Pfg.  ))r(>  Kopf  und  Tag  herstellen,  was  den 
Verpriogungsetat  solcher  Anstaltuii  nicht  übersteigt. 

Was  endlich  die  Verkiistigung  unbemittelter  sonst  gesunder,  aber 
blinder,  taubstummer  oder  geistesschwacher  Menschen  an- 
langt, so  werden  für  die  Erwachsenen  unter  ihnen,  da  dieselben  keine 
nennenswerte  Arbeit  verrichten,  etwa  die  oberen  Sätze  für  die  Pfründner: 
90  g  Eiweiß,  40  g  Fett,  350  g  Kohlehydrate  als  Minimalration  zutretfen. 
Jüngere,  noch  im  Entwickelungsalter  stehende  Individuen  dieser  Klassen 
sind  nach  den  oben  bei  den  Waisenkindern  entsprechenden  Alters  (S.  106) 
abgeleiteten  Grundsätzen  in  quantitativer  und  qualitativer  Hinsicht  zu 
ernähren. 

11   Forster,  a    a    O.  401  ;   Z.  f.   B.   9.   Bd    401  ;  hei  Voit,    Untersuchung  der  Kost   186. 
21   C    Voit.    Unters,  d.  Kost  17;   Z.  f.   B.    12.  Bd.  32. 
3)  Uflfelmann,  o.  a.   O.  390. 


§  5.     Massenernährung  in  Volksküchen. 

Unter  Volksküchen  sind  gemeinnützige  Anstalten  zu  verstehen, 
deren  Aufgabe  es  ist,  für  die  einer  geordneten  Haushaltung  entbehrenden 
oder  fern  von  ihrer  Wohnstätte  arbeitenden ,  minder  situierten  Leute 
zu  möglichst  billigem  Preise  einzelne  zweckmäßig  kombinierte,  gut  zu- 
bereitete ,  sättigende  Mahlzeiten  zu  liefern.  Einmal  infolge  des  Ein- 
kaufes der  Lebensmittel  im  Großen,  sodann  wegen  der  Zubereitung  der 
Nahrung  in,  50  bis  Hunderten  von  Einzelportionen  entsprechenden 
Massen,  endlich  infolge  der  unentgeltlichen  Thätigkeit  des  Leitungs- 
und Aufsichtspersonals,  und  weil  der  für  sonstige  Speiseanstalten 
beanspruchte  Unternehmergewinn  hier  fortfällt,  werden  Ijei  dieser  Art 
des  Betriebes  erhebliche  Ersparnisse  gemacht,  welche  jedem  Einzelnen 
entsprechend  zu  Gute  kommen,  sodaß  er  für  denselben  Geldbetrag  eine 
viel  nahrhaftere  und  besser  zubereitete  Mahlzeit  erhalten  kann,  als  dies 
in  allen  denjenigen  Speiseanstalten  der  Fall  ist,  welche  zum  Zweck  des 
Gewinnes  betrieben  werden,  und  selbst  in  der  eigenen  Haushaltung,  in- 
sofern dem  wirtschaftlich  schlechter  Situierten  beim  Einkauf  der  Lebens- 
mittel, des  Feuerungsmaterials  u.  s.  w.  im  Kleinverkehr  erheblich  größere 
Kosten  erwachsen.  Solche  Volksküchen ,  welche  aus  den  eigenen  P^in- 
nahmen  auch  ihre  Ausgaben  bestreiten  und  somit  des  Odiums ,  daß 
ihrem  Besucher  eine  Wohlthat  oder  Unterstützung  zu  teil  wird ,  ent- 
behren, eignen  sich  in  größeren  Städten  für  deren  zahlreiche,  in  kleinen 
Verhältnissen  lebende,  aber  zum  Zweck  ihrer  Arbeitsfähigkeit  einer 
guten  nahrhaften  Kost  bedürfende  arbeitende  Volksklasse,  sodann  in  in- 
dustriellen Centren  für  das  große  Arbeiterpersonal,  und  haben  sich  auch 
wesentlich  an  solchen  Orten  Volks-  und  Arl)eiterküchen  entwickelt,  die 
bei  guter  Leitung  und  genügendem  Verständnis  für  die  Geschmacks- 
richtung des  sie  besuchenden  Publikums  je  länger,  desto  besser  pro- 
sperieren. Endlich  ist  in  neuerer  Zeit  von  den  Besitzern  oder  Leitern 
großer  industrieller  Unternehmungen  der  dankenswerte  und  erfolgreiche 
Versuch  gemacht  worden ,  gleichwie  die  Arbeiter  in  nicht  zu  großer 
Entfernung  von  der  Arbeitstätte  um  einen  sehr  mäßigen  Preis  anzu- 
siedeln, so  sie  auch  zum  Selbstkostenpreise  gut  und  möglichst  bilHgzu  ver- 
pflegen. Von  solchen  Arbeiterküchen,  sog.  Menagen,  seien  als  Beispiel 

122 


Einzeleroäbrung  und  MassenornäbruDg.  123 

die  Verpflegungsanstalten  genannt,  die  auf  den  großartigen  Industrie- 
anlagen von  Krupp  (in  Essen,  Westfalen)  errichtet  sind. 

Diese  Anstalten  liefern  bei  uns  in  Deutschland  entweder  nur  die 
Hauptmahlzeit,  das  Mittagessen,  oder  auch  noch  das  Abendessen;  in 
einigen  kann  man  auch  Milchkaflee  oder  Thee  oder  leichtes  Bier  zu 
wohlfeilen  Preisen  erhalten.  Daneben  giebt  es  seit  Jahren  in  England, 
neuerdings  auch  bei  uns  sog.  Volks kaffee-  oder  Theeh  auser,  in 
welchen  die  resp.  Getränke  nebst  einen  Imbiß  (Brot,  Butter,  Milch,  Käse, 
Wurst)  abgegeben  werden.  Endlich  giebt  es  noch  Volksküchen  in  Eng- 
land, Erankreich,  Belgien,  in  denen  jedermann  nach  Belieben  einzelne  zu- 
bereitete Nahrungsmittel  oder  Gerichte  sowie  Kaflee,  Thee,  Bier  wohl- 
feil kaufen  kann ,  also  z.  B.  1  Portion  Eleischbrühe  oder  Eleisch  oder 
Reis  oder  KartoÖeln  oder  Brot  oder  Gemüse  u,  s.  w.  Dagegen  sind  die 
sog.  Suppenanstalten,  welche  zwar  eine  mehr  oder  minder  gehalt- 
reiche, warme  Suppe  liefern  und  nur  für  die  Verpflegung  derjenigen  in 
Betracht  kommen,  um  deren  sociale  Lage  es  so  traurig  bestellt  ist,  daß 
sie  nicht  einmal  die  Kosten  einer  halben  Mittagsportion  aus  der  Volks- 
küche (für  15  Pfg. )  bestreiten  können,  hier  nicht  mitzurechnen, 
weil  eben  das  von  ihnen  gelieferte  Gericht  weit  davon  entfernt  ist, 
selbst  bei  reichlichem  Genuß  von  Brot,  eine  Mahlzeit  abzugeben. 

Das  Mittagessen,  die  hauptsächliche  oder  sogar  einzige  von 
den  Volksküchen  gelieferte  Mahlzeit,  schließt  nach  den  Bestimmungen 
von  Eorster*  und  C.  Voit^  bei  süddeutschen  Arbeitern  45  —  48 
Proz.  der  gesamten  Nährstofl'e  der  Tagesration  ein;  nach  den  Ermitt- 
lungen von  Uf  fei  mann'  an  norddeutschen  Arbeitern  nur  40  Proz. 
der  Tagesration,  darin  reichlich  die  Hälfte  der  täglichen  Eettquote,  aber 
nur  Vg  der  Kohlehydrate.  Da  nun  das  tägliche  Kostmaß  eines  „mitt- 
leren Arbeiters"  (S^  85)  110  g  Eiweiß,  56  g  Fett  und  500  g  Kohle- 
hydrate enthalten  soll,  so  müßte  das  Mittagessen,  wenn  es  ausreichen 
und  den  Gewohnheiten  der  Arbeiter  entsprechen  soll,  etwa  50  g  Ei- 
weiß, 30  g  Yeti  und  160  g  Kohlehydrate  bieten.  Aeltere, 
weniger  stark  arbeitende  Männer  und  die  Arbeiterinnen  werden  schon 
mit  40  g  Eiweiß,  25—30  g  Fett  und  100  g  Kohlehydrate  in  der  xMittags- 
kost  ausreichen.  Inwieweit  diese  NährstoÖmengen  in  den  vorhandenen 
Anstalten  erreicht  werden,  soll  nachher  erörtert  werden. 

Die  Kombination  der  Nahrungsmittel  zum  Mittagessen  anlangend, 
würden  einmal  schon  wegen  der  Wohlfeilheit,  sodann  wegen  des  zur 
Sättigung  erforderlichen  größeren  Volums  der  Speisen  die  Vegetabilien 
die  hauptsächlichen  Mittel  bilden  müssen.  An  sich  läßt  sich  dagegen 
um  so  weniger  einwenden,  als  die  Besucher  der  Volksküchen  über- 
wiegend zur  arbeitenden  Klasse  gehören  und  von  Jugend  auf  an  derbere 
vegetabilische  Nahrung  gewöhnt  sind.  Außerdem  wird  das  Gefühl  der 
Sättigung,  welches  für  die  Arbeitsfähigkeit  und  Arbeitslust  unerläßlich 
ist,  erst  durch  ein  gewisses  Volumen  der  Nahrung  herbeigeführt,  und 
ein  solches  Volumen  geben  am  ehesten  die  bei  der  Zubereitung  reich- 
lich Wasser  aufnehmenden  Vegetabilien.  Die  Gefahr,  daß  das  Volumen 
so  groß  wird,  daß  infolge  Ueberladung  des  Darmkanals  die  Leistungs- 
fähigkeit herabgedrückt  wird,  ist  bei  dem  Volksküchenessen  großenteils 
schon  durch  den  niedrigen  Preis  ausgeschlossen,  der  selbst  in  Vegeta- 
bilien nicht  Uebergroßes  zu  leisten  gestattet.  Immerhin  wird  man 
darauf  sehen  müssen,  daß  das  Gewicht  der  Mahlzeit  lOOO  g  nicht  über- 
steigt, es  sei  denn  daß  die  betrettenden  Individuen  von  Jugend  auf  an 
eine  voluminösere   Mahlzeit  gewöhnt  sind.     Dagegen    ist   daran    zu  er- 

123 


124  IMMANUEL    MUNK, 

iiiiiern,  was  schon  früher  gebührend  hervorgehoben  worden  ist  (S.  61), 
daß  auch  schon  bei  kleinerem  Volumen  der  Mahlzeit  Sättigung  ein- 
tritt, wenn  die  Speisen  fettreich  sind.  Und  gerade  dies  ist,  wie  wir 
noch  besprechen  werden,  ein,  wenn  auch  nicht  genereller,  so  doch 
hautiger  .Slilistand  der  Kost  in  Volksküchen,  daß  sie  zu  fettarm  ist; 
unter  die  ol)ige  Quote  von  oO  g  Fett  sollte  der  Gehalt  der  Mahlzeit 
nur  dann  und  auch  dann  nur  wenig  sinken,  wenn  reichlich  Eiweiß  ge- 
boten wird. 

Außer  dem  in  Form  von  Schmalz  bei  der  Zubereitung  der  Speisen 
zugesetzten  Fett  soll  die  Mahlzeit  noch  andere  Animalien  enthalten, 
und  zwar,  wenn  möglich,  jeden  Tag  mindestens  150  g  Schlachtfleisch 
(^  120  g  knochenfrei)  oder  entsprechend  1 — 2  Häringe  und,  was  zur 
Herstellung  mancher  Gerichte  (z.  B.  Milchreis,  Kartotfelpur6e)  erforder- 
lich, Milch  zu  etwa  150  g  i)ro  Kopf.  Behufs  Abwechselung  im  Geschmack 
winl  man  zweckmäßig  bald  Rindfleisch,  bald  fettes  Schweinefleisch,  bald 
Pökelfleisch,  bald  Hammelfleisch,  bald  Häringe,  bald  stark  durch- 
wachsenen Speck  verabreichen.  Von  Vegctabilieu  kommen  hauptsäch- 
lich in  Betracht:  Getreidemehle  zur  Bereitung  von  Klößen,  Hülsen- 
früchte (Erbsen,  Bohnen,  Linsen),  in  Breiform  zubereitet,  Reis  (als 
Milchreis),  Kartotfeln  (höchstens  500  g  pro  Kopf),  Mohrrüben  und 
Kohlarten,  Backobst  (als  Zusatz  zu  Mehlklößen  oder  zu  Reis,  sog. 
Apfel  reis). 

Sodann  ist  die  größte  Sorgfalt  auf  die  Zubereitung  zu  verwenden, 
insbesondere  darauf,  daß  die  Vegetabilien  gar  und  weich  gekocht 
sind,  sowie  daß  durch  geeignete  Abwechselung  in  den  zugesetzten 
Gewürzen:  Salz,  Zwiebeln,  Petersilie,  Senf,  Essig  u.  s.  w ,  und  in  der 
Zubereitung:  Kochen,  Braten,  Dämpfen,  Rösten,  auch  dem  Geschmacks- 
bedürfnis gebührende  Rechnung  getragen  wird;  läßt  sich  doch  nachweisen, 
daß  gerade  das  Uebersehen  dieser  Umstände  die  Ursache  für  die  Ab- 
nahme im  Besuche  solcher  Volksküchen  ist  und  daß  an  diesen  Miß- 
ständen schließlich  auch  solch  gemeinnützige  Unternehmungen  zu  Grunde 
gehen  können.  Auch  Abwechselung  in  Form  und  Konsistenz  wird  ge- 
boten sein,  derart  daß  breiige  Gerichte,  sog.  zusammengekochtes  Essen 
(S.  62),  und  weich -konsistentere  einander  ablösen.  Deshalb  hat  es 
keinen  rechten  Sinn,  hier  Kostordnungen  aufzustellen,  da  dieselben  in 
den  verschiedenen  Ländern ,  ja  schon  in  den  verschiedenen  Gegenden 
desselben  Landes  verschieden  sein  müssen.  Nur  um  ein  Beispiel  für 
eine  solche  Mittagsportion  zu  geben,  greife  ich  aus  11  von  Uffel- 
m  a  n  n  ^  für  den  Geschmack  des  Norddeutschen  gemachten  Vorschlägen 
einen  heraus.  Mohrrüben  und  Kartofleln  mit  Rindfleisch  für  100  Per- 
sonen :  25  kg  Mohrrüben,  60  kg  Kartofleln,  2  kg  Schmalz,  34  kg  fettes 
Rindfleisch,  3  kg  Salz;  in  der  Einzelportion  50  g  Eiweiß,  32  g  Fett 
und  161  g  Kohlehydrate  bietend,  also  mögliebst  entsprechend  obiger 
Forderung,  und  um  .80  Pfg.  erhältlich. 

Andere  Kostrationen  für  Volksküchen,  welche  dem  Geschmack  der 
Süddeutschen  Rechnung  tragen,  hat  C.  Voit^  aufgestellt;  dieselben 
bieten  etwa  65  g  Eiweiß,  34  g  Fett  und  160  g  Kohlehydrate,  also  mehr, 
als  für  das  Mittagessen  erforderlich,  und  sind  auch  kaum  für  den  Preis 
von  30  Pfg.  herzustellen. 

Auch  einige  der  von  Mein  er t*  für  das  Mittagessen  von  mäßig 
situierten  Arbeiterfamilien  vorgeschlagenen  Kostrationen  sind  für  Volks- 
küchenportionen brauchbar,  endlich  auch  die  Kochrezepte  von  Lina 
Morgenstern  ■%  der  Begründerin  der  Berliner  Volksküchen.     Gerade 

124 


Einzelcrnähruüg  und  MassoinTnähriiug.  125 

bei  dem  Bedürfnis  uacli  dauernder  Abwechselung  im  Geschmack,  Korm, 
Volumen  und  Konsistenz  der  Gerichte  ist  es  wünsciienswert,  daß  das- 
selbe Gericht  höchstens  alle  Woche  ein  null  oder  noch  seltener  wieder- 
kehrt; denn  nur  durch  i)assenden  Wechsel  in  Geschmack  und  Konsistenz 
der  Speisen  wird  die  KGlust  rege  gehalten. 

Ein  ebenfalls  wichtiges  Moment,  welches  das  Prosperieren  der  den 
Arbeitstätten  nahe  gelegenen  Volksküchen  z.  T.  erklärt,  ist ,  daß  die 
zu  genießenden  Si)eisen  warm  sind.  Gerade  der  im  Freien  Arbeitende 
hat,  zumal  bei  kalter  und  feuchter  Luft  oder  beim  Arbeiten  in  kühlen, 
feuchten  liiiumen,  das  ausg«'si)r<)chcne  Bedürfnis  nach  warmen  Speisen, 
ja  sogar  nach  sehr  warmen  Speisen  (50*'  C.)  und  fühlt  sich  von  einem 
kühlen  Mittagessen  wenig  befriedigt  (S.  80).  Dies  ist  auch  der  Grund, 
weshalb  selbst  verheiratete  Arbeiter,  die  sich  früher  das  zu  Hause  be- 
reitete Mittagessen  nach  der  Arbeitstätte  haben  bringen  lassen  ,  diese 
Art  der  Verpflegung  aufgeben,  weil  die  Speisen  schon  auf  dem  Transport 
mehr  oder  weniger  kühl  werden,  und  nun  die  Volksküchen  aufsuchen, 
nur  um  sich  eines  warmen  Essens  zu  erfreuen.  Auch  scheint  es,  als  ob 
das  kalte  Essen  für  die  Dauer  weniger  bekömmlich  und  von  geringerem 
Kähreti'ekt  sei  als  warmes. 

Ein  von  der  Volksküche  zu  lieferndes  Abendessen  muß  in  Be- 
zug auf  die  Quantität  der  darzubietenden  Nährstoffe  die  Erfahrung  be- 
rücksichtigen, daß  der  Arbeiter  nach  den  erhobeneu  Bestimmungen  als 
Abendmahlzeit  eine  Speisemenge  zu  sich  nimmt,  welche  mehr  als  ';4  und 
weniger  als  V»  (rund  2S  Proz.)  der  Tagesration  enthält.  Demnach 
wird  das  Abendessen  rund  30  g  Eiweiß,  20  g  Fett  und  140  g 
Kühlehydrate  bieten  müssen.  Aeltere  Leute  und  Arbeiterinnen 
werden  schon  mit  25  g  Eiweiß,  15  g  Fett  und  90 —100  g  Kohlehydrate 
ausreichen.  Außer  Brot,  KartolTeln,  Schmalz  werden  hier  Mehl,  Reis 
und  Milch  zu  Suppen,  eiweißreicher  Käse  (Quark),  billige  Wurst  (Blut- 
wurst) als  wesentliche  Ingredienzen  für  das  Abendessen  in  Betracht 
kommeD. 

Von  Interesse  ist  noch  eine  kurze  BotracbtuDg,  inwieweit  die  be- 
stehenden Volksküchen  im  allgemeinen  den  obigen  Anforderungen  in  bezug 
auf  die  Quantität  in  der  für  den  Arbeiter  wichtigsten  Hauptmahlzeit  (Mittag- 
essen) genügen.  Die  in  dieser  Beziehung  erhobenen  Bestimmungen  sind  auf 
die  oben  (S.  82)  als  2.  Methode  geschilderte  Art  gew^onuen,  indem  man  aus 
dem  Gewicht  der  zur  Speisebereitung  verwendeten  einzelnen  Rohmaterialien, 
nach  einem  Abzug  von  15—20  Proz.  lür  die  sog.  Kü^-henabfälle,  auf  Grund  der 
vorliegenden  Nahruugsniitteltabellen  den  Nährstoffgehalt  berechnet  und  die 
erhaltenen  Werte  durch  die  Zahl  der  ausgegebenen  Einzelporlionen  dividiert 
hat      So  fanden  durch  Rechnung 


Eiweifä 

Fett 

Kohlehydrat 

Fl  ü  ifXe"  in   Leipzig  . 

28  ^' 

23    K 

93   g 

M  e  i  n  e  r  t  *   in    Dresden 

38  .. 

10    „ 

100  „ 

Voi  t»  iu   Berlin   (1866)    . 

47  ., 

23   .. 

'93  •• 

Flagge  in  Berlin  (187S) 

39  .. 

44  M 

«45     n 

Danach  wäre  die  Berliner  Volksküchenportiou  ,  die  für  25  Pfg.  ab- 
gegeben wird,  die  gehaltsreichste  und  entspräche  am  ehesten  der  obigen, 
theoretisch  erforderten  Mittagsratiou,  enthielte  sogar  in  Bezug  auf  Fett  mehr  als 
das  Minimum  des  Verlangten.  Dagegen  läßt  es  die  Dresdener  Anstalt  insbe- 
sondere an  Fett,  aber  auch  an  Kiweiü  fehlen,  die  Leipziger  liefert  etwa  nur 
'/j  des  Erfordernisses   für  das  Mittagessen.     Allein    diese  summarischen  Be- 


126  IMMANUEL    MUNK. 

rechnuDgou  aus  dorn  Speisotarif  rosp.  dem  verwendeten  Rohmaterial  der  Ge- 
richte sind  otleuhar  mit  großen  Fehlern  verknüpft.  Denn  obwohl  auch  neuer- 
dings z.  B.  in  Berlin  die  gleiciien  Gerichte  genau  nach  denselben  Koch- 
rezepten hergestellt  werden,  wie  in  früheren  Jahren,  hat  die  auf  Veranlassung 
von  H.  Blaschko'  1891  seitens  Proskauer  und  Buchholtz  direkt 
ausgeführte  Analyse  der  in  je  einer  Portion  von  6  verschie- 
denen Gerichten  der  Berliner  Volksküchen  enthaltenen  Nährstoffe 
wesentlich  andere  Resultate  ergeben,  als  die  durch  Berechnung  ermittelten. 
Proskauer  und  Buchholtz  fanden  nämlich  in  den  einzelnen  Gerichten 
den  Gehalt  an  Eiweiß  zwischen  14  und  62  g,  an  Fett  zwischen  8  und  55  g, 
an  Kohlehydraten  zwischen  82  und  132  g  schwanken :  daraus  ergiebt  sich 
als  mittlerer  Gehalt  einer  Mittagsportion  nur  37  g  Eiweiß,  32  g  Fett,  100  g 
Kohlehydrate,  und  dabei  betrug  das  Gewicht  einer  Portion  1080 — 1400  g, 
war  also  offenbar  schon  größer,  als  es  sein  sollte.  Eine  solche  Nährstoffmenge 
kann  nur  für  ältere  oder  weibliche  Personen  zum  Mittagessen  ausreichen; 
erwachsene  kräftige  Personen  müßten  wenigsten  noch  100  g  Brot  dazu  ge- 
nießen, um  damit  eine  Ration  von  44  g  Eiweiß,  32  g  Fett  und  150  g 
Kohlehydraten  zu  erzielen ,  die  für  ihr  Bedürfnis  ausreichen  könnte.  Wenn 
gar  noch  die  Mehrzahl  der  Volksküchenbesucher  nur  ^j^  Portion  für  15  Pfg. 
entnahm,  die  nur  ■'  -  der  ganzen  Portion  und  also  nur  26  g  Eiweiß,  19  g 
Fett  und  90  g  Kohlehydrate  enthält,  so  muß  diese  Nährstoffmenge  selbst  für 
ältere  oder  weibliche  Personen  als  unzureichend  erachtet  werden.  Dagegen 
bieten  die  Berliner  Volksküchen  den  von  ihren  Besuchern  dankbar  aner- 
kannten Vorteil,  täglich  zwei  bis  drei  Gerichte  herzustellen  (z.  B.  weiße  Bohnen, 
Kartoffeln  und  Rindfleisch ;  Erbsen,  Kartoffeln  und  Schweinefleisch ;  Schneide- 
bohnen und  Fleischklöße),  unter  denen  jeder  nach  Belieben  Auswahl  treffen 
kann,  daher  ältere  und  schwächliche  Leute  die  leichter  verdauliche,  weniger 
voluminöse  Kost  vorziehen  (z.  B.  Schneidebohnen  und  Fleischklöße), 
während  der  Arbeiter  die  mehr  sättigende,  voluminösere  Kost  bevorzugt 
(z.  B.  Erbsen,  Kartoffeln  und  Schweinefleisch).  Auch  sonst  wird  dem  Ge- 
schmack und  dem  Bedürfnis  nach  Abwechselung  im  vollsten  Umfange  Rech- 
nung getragen;  im  Ganzen  werden  54  Gerichte  nach  den  zweckmäßigen 
Mor genst er n'scheu  Rezepten  gekocht,  sodaß  erst  etwa  jeden  20.  Tag  das- 
selbe Gericht  wiederkehrt,  von  besonders  beliebten  Gerichten  (z.  B.  Erbsen, 
Sauerkraut  und  Pökelfleisch)  abgesehen.  Ungeachtet  der  unentgeltlichen 
Thätigkeit  des  Aufsichtspersonals  und  einer  möglichst  billigen  Verwaltung 
und  ungeachtet  der  den  Volksküchen  von  Zeit  zu  Zeit  zu  Teil  werdenden  Zu- 
wendungen und  Geschenke  gestattet  die  Höhe  der  Lebensmittelpreise  nicht, 
für  25  Pfg.  eine  den  Anforderungen  an  die  Hauptmahlzeit  für  einen  Arbeiter 
vollständig  entsprechende  Ration  zu  verabfolgen. 

Die  schon  oben  citierte  (S.  122)  Menage  der  Krupp 'sehen  Guß- 
stahl-Fabrik (in  Essen)  dient  dazu,  die  große  Zahl  unverheirateter  und  der- 
jenigen verheirateten  Arbeiter ,  welche  ihre  Familie  in  der  Heimat  zurück- 
gelassen haben,  gegen  mäßige  Vergütigung  zu  verpflegen.  1892  belief  sich 
die  Zahl  der  Verköstigten  auf  über  800.  Nach  der  (wohl  nicht  ganz  scharfen) 
Berechnung  von  Prausnitz^  erhält  jeder  pro  Tag  18  g  Kaffee,  36  g  Butter 
und  400  g  Roggenbrot.     Es  waren  in  dem  von  der  Anstalt  gelieferten 

Mittag-    und  Abendessen       I15  g  Eiweifs,     81   g  Fett,  480  g  Kohlehydrate 
dazu  in  Butter  und   Brot       24  „         „  32  „     „       197  „  ,, 

insgesamt     139  g  Eiweifs,   113  g  Fett,  677  g  Kohlehydrate. 

Ein  solches  Kostmaß  ist  (wenn  wirklich  verabreicht,  d.  h.  nicht  bloß  berechnet) 
selbst  für  angestrengteste  Arbeit  als  reichlicli  anzusehen.  Die  gesamte  Ver- 
pflegung stellte  sich  pro  Kopf  und  Tag  auf  80  Pfg. 

126 


Eiuzelernähning  und  Massenernäbrang.  127 


1) 

Forster. 

a. 

a. 

O. 

407  ;   Z 

/. 

JJ.  9. 

Bd. 

383,   392. 

2) 

C.   Voit. 

Z. 

/. 

B. 

12 

HJ. 

46 

Unter  1.  d 

Kott 

14, 

3) 

üffelmann. 

a 

a. 

O, 

381, 

383 

4) 

Meinert 

a 

ti 

O 

2 

Bd 

71. 

28. 


6)  Lina  Horg;enstem,   Kochrezepte,  6.  Au/i.,  Berlin  (1890);   l>ie  Berliner  Volksküchen,  Berlin 
(1870). 

6)  Flügge.   Beitrüge  zur   Hygiene,  Leipzig  (1879)   91. 

7)  H    Blaschko .    Feitachrift    zum  2b-jähngcn  Jubiläum    der    Berliner   Volksküchen,    Btrlin 
(1891). 

8)  Prausnitz,    .1.  /.  Uyg.    16.   Bd.   387. 


§  6.    Massenernähruug  auf  Seeschiffen. 

Die  Ernährung  auf  Seeschitien,  gleichviel  ob  Kriegs-  oder  Kauf- 
fahrteischitieu,  hat,  wie  begreiflich,  mit  einer  großen  Reihe  von  Schwierig- 
keiten zu  kämpfen,  insofern  nur  ein  Teil  der  gewohnten  und  beliebten 
Lebensmittel  im  frischen  Zustande,  svie  auf  dem  Festlande,  genossen 
werden  kann,  ein  anderer  uns  nur  im  konservierten  oder  trockenen  Zu- 
stande zu  Gebote  steht,  auch  die  Mannigfaltigkeit  in  der  Auswahl  der 
Speisen  wegen  der  immerhin  nur  beschränkten  Zahl  der  frisch  oder 
konserviert  mitgeführten  Lebensmittel  eine  begrenzte  ist.  Dazu  kommt 
der  für  viele  Passagiere  höchst  lästig  empfundene  Mangel  an  Bewegung, 
der  auch  die  Verdauungsvorgänge  nachteilig  beinflußt,  sodaß  Verdauungs- 
störungen ,  bald  mit  Verstopfung ,  bald  mit  Durchfällen  auftretend,  am 
Bord  von  Seeschitien  leider  häuüge  Erscheinungen  sind,  ganz  abgesehen 
von  der  Seekrankheit,  unter  der  die  meisten  Passagiere  in  den  ersten 
Tagen  der  Seereise  leiden,  manche  sogar  für  die  ganze  Dauer  ihres 
Aufenthaltes  an  Bord.  Und  wenn  auch  gerade  in  Bezug  auf  die 
Verpflegung  sich  einmal  durch  die  kürzere  Fahrtdauer,  sodann  durch 
Mitnahme  von  frischen  Nahrungsmitteln  und  lebendem  Schlachtvieh  an 
Bord  in  Bezug  auf  die  Mannigfaltigkeit  und  Abwechselung  der  Kost 
vieles  zum  Vorteil  geändert  hat,  insbesondere  der  so  gefürchtete  Skorbut 
glücklicherweise  ein  seltener  Gast  geworden  ist,  so  sind  doch  die 
Gesundheits-  und  Verdauungsstörungen  der  Seereiseuden  immerhin  noch 
häufig  genug,  um  eine  zweckmäßige  Ernährung  der  davon  Betroffenen 
zu  erschweren,  wenn  nicht  gar  zu  vereiteln. 

In  Bezug  auf  die  Beköstigung  sind  selbstverständlich  die  zumeist 
schwer  arbeitenden  Mannschaften  von  den  nicht  arbeitenden,  in  Ruhe 
und  körperlicher  Unthätigkeit  verharrenden  Reisenden  oder  Passagieren 
zu  trennen.  Den  Mannschaften  wird  das  Kost  maß  der  an- 
gestrengt arbeitenden  Erwachsenen  mit  130g  Eiweiß,  100g 
Fett  und  500  g  Kohlehydrate  zugebilligt  werden  müssen,  dagegen  den 
Passagieren,  soweit  sie  erwachsen  sind,  das  Kostmaß  der  Er- 
wachsenen bei  Ruhe  mit  100  g  J^iweiß,  50  g  Fett  und  40u  g 
Kohlehydrate,  den  weiblichen  Erwachsenen  ^/g  der  Männerratiou ,  also 
80  g  Eiweiß,  40  g  Fett  und  320  g  Kohlehydrate,  den  noch  jugendlichen 
Passagieren  die  ihrem  Alter  entsprechenden  Kostsätze  (S.  '.»5).  Die  in 
der  sonst  recht  brauchbaren,  von  der  deutschen  Admiralität  heraus- 
gegebenen Anleitung  über  die  Verpflegung  auf  Seeschiflen  •  aufgestellten 
Kostsätze,  und  zwar  für  die  Mannschaften  bei  angestrengter  Arbeit  mit 
150  g  Eiweiß,  80  g  Fett  und  50()  g  Kohlehydrate,  sind  in  Bezug  auf 
die   Eiweißgabe   reichlich   hoch,   auf  die  Fettgabe   eher   zu   klein ;    der 

127 


128  IMMANUEL    MINK. 

Kostsatz  bei  mäßiger  Arbeit  mit  120  g  Eiweiß,  50  g  Fett  und  500  g 
Kolilehyilrate  in  Bezug  auf  die  Eiweißquote  als   reichlich  zu  erachten. 

Für  die  minder  situierten  Passagiere  des  Zwischendecks  der  großen 
Seedampfer  darf  die  Tagesration  nicht  unter  die  für  erwachsene  ruhende 
M;inner,  Frauen  resp.  Kinder  oben  angegebenen  Kostsätze  absinken. 
Den  an  reichlichere  Xahrungsaufnalime  gew()hnten  Kajütenpassagieren 
wird  mehr  in  qualitativer  und  quantitativer  Hinsicht  zu  gewähren  sein, 
z.  B.  125  g  Eiweiß,  80—100  g  Fett,  350  g  Kohlehydrate,  neben  reich- 
lichen Genußmitteln  (Kaflee,  Thee,  Kakao,  Fleischextrakt,  Bier);  den 
Frauen  und  Kindern  entspiechend  reiclilichere  Kostsätze  als  die  für 
Zwischendeckreisende,  insbesondere  in  Bezug  auf  die  Eiweiß-  und  Fett- 
quote. Mit  diesen  als  den  in  der  Ktigel  reichlich  und  mehr  oder  weniger 
gut  veri)tlegten  Reisenden  hat  sich  die  hygienische  Aufsicht  des  Staates 
kaum  zu  befassen,  wohl  aber  mit  der  ärmeren  Klasse,  welche  im 
Zwischendeck  untergebracht  wird. 

In  Uücksicht  auf  die  Wohlfeilheit  der  Verpflegung  bilden  für  die 
Mannschaften  und  die  Zwischendeckbewohner  die  Vegetabilien  die  Grund- 
lage der  Nahrung.  Vor  allem  Brotgebäcke,  auf  den  Seeschitfen  zumeist 
diejenigen,  die  sich  am  haltbarsten  erweisen,  der  Zwieback;  bei  dauerndem 
Genuß  wird  er  indes  den  meisten  bald  zuwider,  seine  feste  Konsistenz 
und  sein,  für  die  Mohrzahl  fader  Geschmack  lassen  für  die  Dauer 
manches  zu  wünschen  übrig,  ebenso  seine  Bekömmlichkeit.  In  Rück- 
sicht darauf  wird  auf  den  großen,  den  Ocean  durchquerenden  Dampfern 
in  der  Schitfsbäckerei  täglich  frisches  Weißbrot  gebacken,  allerdings  haupt- 
sächlich für  die  Kajütenreisenden.  Ferner  Getreidemehle,  Hülsenfrüchte, 
teils  als  solche ,  teils  als  Mehl ,  ferner  Reis ,  Grütze ,  Graupe.  Von 
Gemüsen  Kohl-  und  Rübenarten,  frisch  und  präserviert,  desgleichen 
Kartotleln.  Den  frischen  Gemüsen  und  dem  ebenfalls  mitzuführenden 
Citronensaft  werden  antiskorbutische  Wirkungen  nachgerühmt.  Endlich 
frisches  und  getrocknetes  Obst.  Von  Animalien  Fleisch,  teils  frisch  von 
lebend  mitgenommenem  Vieh  oder  kurz  vor  der  Abfahrt  geschlachtet  und 
in  Eiskammern  frisch  erhalten,  teils  konserviert  in  Form  von  Salzfleisch, 
Pökelfleisch,  Rauchfleisch,  Büchsenfleiscli,  Speck,  event.  gesalzene  und 
getrocknete  Fische.  Ferner  präservierte  und  kondensierte  Milch,  Butter, 
Käse,  Schmalz,  endlich  Eier,  zum  Abschluß  der  Luft  mit  Wasserglas 
überzogen.  Als  Genußmittel  Kafi'ee,  Thee,  Kakao,  Bier,  event.  aus- 
nahmsweise Branntwein.  Besonderer  Wert  muß  auf  das  Trinkwasser 
gelegt  werden,  das  mitzunehmen  ist;  wofern  es  bei  länj^erer  Fahrt  nicht 
gut  bleibt,  muß  es  vor  dem  Genuß  gekocht  und  zum  Zwecke  der 
Schmackhaftigkeit  mit  Genußmitteln  (Thee,  Citronensaft,  etwas  Alkohol) 
versetzt  werden. 

Besondere  Aufmerksamkeit  soll  gerade  auf  Schiffen  der  Abwechse- 
lung in  den  Gerichten  geschenkt  werden,  und  ist  sie  event.  durch  Ver- 
schiedenheit der  Zubereitung  anzustreben.  Bei  herrschendem  Darm- 
katarrh sind  leicht  verdauliche,  mehlartige  und  beim  Kochen  mit  Wasser 
schleimartige  Lösungen  gebende  Stoff"e  und  Hammelfleisch  zu  reichen, 
stark  gesalzenes  Fleisch,  Kohl  und  Hülsenfrüchte  zu  meiden.  Bei  auf- 
tretendem Skorbut  sollen  nur  frische  Nahrungsmittel  gegeben  werden, 
und  wenn  solche  nicht  in  genügender  Menge  mehr  vorhanden,  der  nächste 
Hafen  zur  Beschaff"ung  frischer  Nahrungsmittel  angelaufen  werden.  In 
heißen  Gegenden  darf  nicht  zu  viel  Fett  gegeben,  nach  Genuß  von  Salz- 
fleisch nicht  zu  viel  Wasser  getrunken  werden.     I3ei   einer   Temperatur 

128 


i 


EinzelernähniDg  und  MasscDernäbrüDg.  129 

von  mehr  als  25"  C.  im  Zwischendeck  müssen  die  Mahlzeiten  auf  Deck 
eingenommen  werden. 

Als  Kostrationen  für  Zwi  sehen  deckpassagiere  *  sind 
die  auf  den  Hamburger  großen  transatlantischen  I)amy)fem  ausgegebenen 
höchst  empfehlenswert.  Es  giebt  dort  pro  Kojif  und  Tag:  375  g  frisches 
Rindtleisch  viermal  in  der  Woche,  an  den  anderen  drei  Tagen  280  g 
Salzfleisch  oder  140  g  Speck ;  70  g  Butter,  :'.5  g  Katfee,  4  g  Thee,  70  g 
Zucker;  auLserdem  Suppen  von  Reis,  Erbsen,  Linsen,  Bohnen,  Graupen, 
ferner  Kohl  und  Kartotfeln,  Backobst;  Brot  bis  zur  Sättigung.  Täglich 
giebt  es  Suppe,  Fleisch  und  Kartoffeln,  zweimal  in  der  Woche  Mehl- 
speise mit  Backobst. 

Als  Kostration  für  die  Mannschaft  auf  Kauffahrtei- 
schiffen empfiehlt  Gaertner'  pro  Kopf  und  Tag:  500  g  Rindfleisch 
(oder  375  g  Schweinefleisch  oder  250  g  Speck  oder  375  g  Fische),  70  g 
Butter  oder  Schmalz,  20  g  Kaffee,  4  g  Thee,  35  g  Gemüse,  150  g  Back- 
obst, 600  g  Zwieback  und  Mehl,  35  g  Zucker,  35  ccm  Essig.  Ferner 
Hülsenfrüchte  und  Grütze  bis  zur  Sättigung.  Täglich  Bier  zu  V2  Liter. 
An  dieser  sonst  sehr  zweckmäßigen  Kostordnung  ist  nur  der  Mangel 
an  Kartotfeln,  an  die  bei  uns  die  arbeitende  Klasse  gewöhnt  ist,  aus- 
zusetzen. 

Aehnlich  ist  die  Kostration  für  die  Mannschaften  der 
deutschen  Marine^;  zum  Fleisch  giebt  es  pro  Kopf  und  Tag 
entweder  300  g  Erbsen  bez.  Bohnen  oder  200  g  Reis  (mit  15  g  Zucker 
zuzubereiten)  oder  1500  g  Kartoff'eln  —  eine  entschieden  zu  große  Menge. 
Ausnahmsweise  giebt  es  70—140  ccm  Branntwein  pro  Tag. 

1)  Anleitung    über    die    Verpflegung    auf  Seeschifen,    herauigegeben    von  der  K    deutschen 

Admiralität,    litrlin  (1885). 
2i   Reincke,   D.    V  f.  öf.   Ges.  (1881);  UflFelmann,  a    a.   O.  418. 
3)  Oaertner,   Anleitung  zur  Oetundheitspßege  an  Bord  von  Kauffahrteischiffen,    herausgegeben 

vom  K.  Oesundheittamt,  Berlin  (1888). 


Anhang . 

1.   Massen  ernährung   in   Zeiten   von  E  pidemien, 
von    Krieg  und   Teuerung. 

Die  sichergestellten  Erfahrungen,  daß  durch  die  Lebensmittel  Keime 
epidemischer  Krankheiten,  mit  Sicherheit  des  Unterleibstyphus,  der 
Ruhr,  der  asiatischen  Cholera,  der  Diphtherie,  verbreitet  werden  und 
so  die  Seuchen  immer  weitere  Kreise  ergreifen  können ,  andererseits 
die  Thatsache,  daß  der  Genuß  einer  zweckmäßig  zusammengesetzten 
und  den  Verdauungsapparat  nicht  schädigenden  Nahrung  den  Körper 
hinsichtlich  seiner  Widerstandskraft  gegen  das  Eindringen  der  Seuchen 
und,  wenn  dieselben  ihn  ergriffen ,  im  Kampfe  gegen  die  Seuchen  zu 
unterstützen  vermag,  legen  der  öffentlichen  Gesundheitspflege,  d.  h.  den 
staatlichen  und  kommunalen  Behörden  die  unabweisliche  Pflicht  *  auf, 
in  Zeiten  von  Epidemien  die  Ernährung  breiter  Volksschichten  an- 
dauernd zu  kontrollieren  und,  wo  dieselbe  nicht  in  einer  angemessenen 
Weise  durchgeführt  werden  kann,  die  Ernährung  dieser  selbst  gefährdeten 
und   zugleich   die   Allgemeinheit   gefährdenden   Individuen,   desgleichen 

Handbuch  der  Hj^ieo«-  ^-  Hl.  Abtlg.  1.  1< 

129 


130  IMMANUEL    MUNK. 

der  bereits  verseuchten  und  erkrankten  in  die  Hand  zu  nehmen  und 
ebenso  Fürsorj^e  für  die  zwecknuißi^^e  Verkösti^'ung  der  alleinstehenden 
oder  ihrer  bisherigen  Pfleger  beraubten  Menschen  zu  tretl'en.  Insbe- 
sondere ist  es  auch  Sache  der  ötfentlicheu  Hygiene,  daß  nicht  von  den 
verseuchten  Häusern  oder  Hausständen  durch  Kranke  oder  von  der 
Krankheit  Genesende  Kraukheitskeime  auf  Lebensmittel  übertragen 
und  so  die  Weiterverbreitung  der  Seuche  gefördert  wird.  In  erster 
Linie  ist  hierbei  im  Auge  zu  behalten,  daß  gewisse  Nahrungsmittel 
vor  allem  Milch,  Fleisch,  Gemüse,  Obst  und  Wasser  jeder  Art,  auch 
die  künstlich  hergestellten  kohlensäurehaltigen,  Träger  von  Krank- 
heitskeimen sein  können  ^  und  daß  daher  zu  Zeiten  von  Epidemien 
solche  Nahrungsmittel  erst  genossen  werden  dürfen ,  nachdem  durch 
mindestens  halbstündige  Einwirkung  von  Siedehitze,  sei  es  direkt  oder 
in  Form  von  siedendem  Wasser,  also  durch  Braten,  Rösten,  Kochen, 
jene  Keime  ertötet  oder  wenigstens  unschädlich  gemacht  sind.  Deshalb 
müssten  nicht  nur  in  Bezug  auf  diesen  Punkt  durch  nachdrücklichste 
Belehrung  die  großen  Massen  des  Volkes  zur  peinlichsten  Befolgung 
bei  der  Auswahl  und  Zubereitung  der  Nahrungsmittel  angehalten,  viel- 
mehr auch  der  gesamte  Verkehr  mit  Lebensmitteln  einer  durchgreifen- 
den, strengen  Kontrolle  unterworfen,  insbesondere  alle  Maßregeln  er- 
gritfen  werden,  welche  geeignet  sind  zu  verhüten,  daß  Kranke  oder  von 
der  Seuche  Genesende  oder  der  Ansteckung  Verdächtige  mit  den  be- 
tretfenden  Lebensmitteln  bei  der  Auswahl,  Zubereitung  oder  Verteilung 
in  Berührung  kommen,  oder  endlich,  daß  aus  verseuchten  Räumen 
Lebensmittel  in  den  allgemeinen  Verkehr  gelangen. 

Sodann  ist  daran  zu  erinnern,  daß  gewisse  Lebensmittel,  auch  wenn 
sie  selbst  von  Krankheitskeimen  frei  sind,  doch  der  Entwickelung  der 
Seuche  und  deren  Weiterverbreitung  dadurch  Vorschub  leisten  können, 
daß  durch  ihren  Genuß  der  Verdauungsapparat  geschädigt  und  durch 
die  gesetzten  Verdauungsstörungen  bezw.  durch  gewisse  in  den  Darm 
eingeführte  oder  dort  sich  bildende  giftige  Stoffe,  sog.  Toxine,  der  ganze 
Körper  geschwächt  und  damit  die  Widerstandskraft  gegen  die  ein- 
dringende Seuche  beträchtlich  herabgedrückt  wird.  In  die  Reihe  dieser 
Nahrungsmittel  gehören :  saure  und  verdorbene  Milch,  verdorbenes  Brot 
oder  Brotmehle,  unreifes  Obst,  die  derben  cellulosereichen,  schwer  ver- 
daulichen Gurken,  unreines  Trinkwasser.  Auch  vor  dem  Genuß  solcher 
verdorbener  Lebensmittel  ist  aufs  eindringlichste  zu  warnen. 

Wünschenswert  wäre  es  auch,  wenn,  wozu  bereits  in  der  Cholera- 
epidemie 1892  der  erste  Anlauf  gelegentlich  genommen  worden  ist, 
öffentliche  Anstalten  eröffnet  würden,  in  denen  zu  Zeiten  von  Epidemien 
die  am  meisten  gefährdeten,  aber  auch  am  wenigsten  entbehrlichen 
Mittel,  wie  Milch  und  Trinkwasser,  keimfrei  und  für  den  Genuß  un- 
schädlich gemacht  würden. 

Endlich  ist  dafür  zu  sorgen,  daß  alle  die,  welche  weder  selbst  noch 
von  Hausständen  aus  sich  unter  Anwendung  obiger  Vorsichtsmaßregeln 
verköstigen  können,  aus  bereits  bestehenden,  in  Bezug  auf  den  Verkehr 
und  die  Zubereitung  der  Lebensmittel  aufs  peinlichste  kontrollierten 
Speiseanstalten ,  Volksküchen,  Suppenanstalten  u.  s.  w.  oder  aus  eigens 
errichteten  und  von  Organen  der  öffentlichen  Hygiene  geleiteten  und 
überwachten  Speiseanstalten  ihre  Kost  erhalten. 

Zur  wirksamen  Ermöglichung  einer  solchen  Massenernährung  bei 
Epidemien  müssen  bereits  vorher  in  den  epidemienfreien  Zeiten  geeignete 

130 


EinielerDäbning  und  Massenernähnmg.  131 

Vorbereitungen  getroflen  werden.  Ks  sind  daher  alle  die  Kinrichtiniiien, 
welche  den  Massen  der  Hevölkerung  die  lU'scliartinii,'  der  Ki>st  erleichtern, 
wie  Volksküchen,  öflentliche  Speiseanstalten  u.  s.  w.  thunlichst  zu  unter- 
stützen und  zwocknialiig  zu  organisieren.  Entsprechend  den  zu  stellen- 
den hygienischen  Anforderungen  bedürfen  all'  diese  Anstalten ,  um  in 
Zeiten  der  Gefahr  ihren  Zweck  zu  erfüllen,  schon  von  vornherein,  nicht 
erst  beim  Ausbruch  der  Kpidemie  sachkundiger  Leitung  und  Auf- 
sicht, die  von  hygienisch  geschulten  Aerzten  oder  im  Staats-  bezw.  im 
Gemeindedienst  stehenden  Sanitatsbeamten  auszuüben  ist. 

In  mancher  Hinsicht  einfacher,  in  anderer  wieder  schwieriger  gestaltet 
sich  die  Aufgabe  der  Massen  ernäh  ru  n  g  in  Zeiten  von  Krieg, 
Teuerung  oder  Notstand.  Hier  liegt  es  den  Organen  der  ötient- 
lichen  Gesundheitspflege  ob ,  einmal  die  gesamten  z.  Z.  vorhandenen 
Lebensmittel  in  eine  Hand  zu  bringen,  wenn  möglich  für  fernere  Be- 
schattung solcher  zu  sorgen  und  eine  gerechte  Verteilung  der  unent- 
behrlichen Lebensmittel  entweder  um  Bezahlung  (die  wiederum  ver- 
schieden abzustufen  ist  je  nach  der  materiellen  Lage  der  Betrttienden, 
sodaü  jedenfalls  die  minder  Situierten  sehr  viel  geringere  Preise  zu 
entrichten  brauchen  als  die  Bemittelten)  oder  an  die  Armen  bezw.  schlecht 
Situierten  unentgeltlich  zu  bewirken.  Auch  ist  durch  Belehrung  die  Her- 
stellung guter  und  nahrhafter  Gerichte  zu  fördern  und  dafür  zu  sorgen, 
daß  die  allein  d.  h.  in  keinem  engeren  Familien  verbände  Stehenden  in  von 
Organen  der  öfl'entlichen  Ge5undheitsi)tlege  kontrollierten  Kosthäusern, 
Volksküchen,  Suppenanstalten  nach  Maßgabe  der  zur  Verfügung  stehen- 
den Nahrungsmittel  verpflegt  werden.  Zu  diesen  unentbehrliciieu  Lebens- 
mitteln, deren  jeweilige  Menge  genau  festgestellt  werden  muß,  gehören: 
Brot,  Milch,  Kartoft'eln ,  Hülsenfrüchte,  Fett  und  Salz.  Sehr  zweck- 
mäßig und  in  mancher  Hinsicht  vorbildlich  ist  in  dieser  Hinsicht  wäh- 
rend der  Belagerung  von  Paris  im  Winter  1870,1  verfahren  worden,  wie 
uns  Germain  S6e^  berichtet. 

Insbesondere  sind  nach  dem  bekannten  Spruch:  Not  macht  er- 
finderisch, die  breiten  Volksschichten  darauf  nachdrücklichst  hinzuweisen, 
minderwertige  oder  bei  genügendem  Vorrat  von  Lebensmitteln  wenig 
geschätzte  Materialien  -,  die  aber  bei  geeigneter  Zubereitung  einen  mehr 
oder  minder  großen  Nährwert  gewinnen  können,  sorgfältigst  in  genieß- 
bare und  verwertbare  Form  überzuführen  ,  wie  Sehnen  ,  Muskelbinden 
(Fascien),  Knorpel,  Knochen,  Haut,  Blut  (zur  Herstellung  von  ziem- 
lich wohlschmeckender  \Vurst),  Eingeweide,  oder  solche  Substanzen,  die 
für  gewöhnlich  seltener  oder  nur  ausnahmsweise  zur  menschlichen  Er- 
nährung benutzt  werden ,  wie  Fleisch  von  Pferden  und  Kaninchen 
(lapins),  im  ganzen  Umfange,  als  sie  zur  Verfügung  stehen,  für  die 
Ernährung  zu  verwenden,  wie  dies  auch  in  Paris  1^10  geschehen  ist, 
oder  endlich,  um  die  Mehlvorräte  nicht  vorzeitig  zu  erschöpfen,  zur 
Brotbereitung  neben  3  T.  Getreidemehl  1  T.  Kartottelmehl  zu  ver- 
wenden, wie  das  in  den  ärmeren  Gegenden  von  Oberschlesieu  der  Fall 
ist,  wenn  das  Getreidemehl  hoch,  dagegen  die  KartoHeln  niedrig  im 
Preise  stehen;  S(»lches,  ziemlich  wohlschmeckende  Brot  wird  nach  den 
Versuchen  von  Zuntz  und  Levy*  im  Harm  des  Menschen  so  gut 
verwertet  wie  Brot  aus  reinem  Mehl.  Unter  h()herem  Druck  im  Dampf- 
topfe (Papin'schen  Topfe)  mit  Wasser  ausgekochte  Sehnen,  Fascien, 
Knor]>el,  Knochen,  Haut  liefern  mehr  oder  weniger  reichlich  Leimstofl'e, 
die  das  Nahrungseiweiß  bis  zu  einem  gewissen  Grade  vertreten  können 
(S.   10,  33),  zerkleinerte  Knochen  auch  noch  Fett,  während  Pferde-  und 

y* 

>3' 


132  IMMANUEL    MUNK. 

KaiiincheuÜeiscli  ebenso  eiweißreich  und  ziemlich  so  fetthaltig  sind,  als 
das  für  gewiUmlich  genossene  Fleisch  der  Schlachttiere.  Aus  Rinder- 
talg und  allen  möglichen  Fettabfallen  läßt  sich  ein  butterähnliches  Fett, 
Kunstbutter  oder  Margarine,  herstellen,  das  im  Darm  des  Menschen 
fast  ebenso  gut  verwertet  wird  als  Butter  und  Schmalz. 

Neben  den  öffentlichen,  staatlichen  und  kommunalen  Organen  können 
in  Zeiten  der  Not  und  Teuerung  auch  die  human  und  hochherzig 
denkenden  Mitbürger  zur  Linderung  der  Not  beitragen  durch  Zusam- 
menfassung der  wenig  leistenden  Eiuzelthätigkeit  zu  Vereinen,  welche 
die  hygienische  Ueberwachung  über  die  zweckmäßige  Ausnutzung  und 
Verwertung   der  zur  \'erteilung   gelangenden  Lebensmittel   übernehmen. 

1)  Forster.    Verhdlg.   d     10    internat.  med.    Kongresses   in   Berlin  (1890)  5.   ÜJ.   99. 

2i  üflfelmann,  a    a.   O.  422—424. 

3i  Oermain  See.   litgime  alimeiUaire  pendant  le  siegt  de  Paris  (1872). 

4i  Zuntz  .V   Ad.   Magnus-Levy.   Pflag.   Arch.  49.   Bd.  438. 


2.    Allgemeines  über  Ernährung  in  Krankenhäusern. 

Ganz  besondere  Schwierigkeiten  bietet  die  Massenernährung  in 
Krankenhäusern  ',  insofern  es  sich  hier  einmal  um  möglichst  ungleich- 
artige Individuen,  d.  h.  unter  den  verschiedensten  Ernährungs-  und 
Körperzuständen  stehende  Menschen  handelt,  die  dementsprechend 
einen  innerhalb  weiter  Grenzen  schwankenden  Eiweiß-  und  Fettverbrauch 
haben,  insofern  weiter  durch  manche  Krankheiten  sowohl  der  Appetit 
und  die  Nahrungsaufnahme  beeinträchtigt,  als  die  Verwertung  der  Nah- 
rung im  Darm  geschädigt  wird,  andererseits  aber  auch  wegen  der  Em- 
pfindlichkeit und  leichten  Vulnerabilität  des  Darmkanals  die  qualitative 
Zusammensetzung  der  Nahrung  außerordentlich  achtsam  geregelt  werden 
muß,  dergestalt  daß  alle  cellulosehaltigen  Nahrungsmittel  und  die  derb- 
konsistente Zubereitung  derselben  ausgeschlossen  bleiben.  Ganz  be- 
sondere Sorgfalt  erheischt  die  Ernährung  der  Genesenden  oder  Re- 
konvalescenten,  weil  der  während  der  überstandenen  Krankheit  erfolgte 
stoffliche  Verlust  vom  Körper,  der  nunmehr  häufig  einen  mehr  oder 
weniger  ausgesprochenen  Heißhunger  erwachen  läßt,  gebieterisch  Ersatz 
fordert,  sodaß  mehr  Nahrung  genossen  werden  muß,  als  für  den  ge- 
sunden ruhenden  Menschen  sonst  benötigt  ist,  andererseits  aber  die 
während  der  Krankheit  teilweise  unterbrochene  oder  wenigstens  außer- 
ordentlich herabgesetzte  Thätigkeit  der  Verdauungsorgane  nur  ganz  all- 
mählich und  gleichsam  schrittweise  gesteigert  werden  darf,  wenn  nicht 
Indigestionen,  Verdauungsbeschwerden,  und  damit  eine  Verringerung  des 
wieder  erwachten  Appetites,  event.  sogar,  wie  bei  manchen  schwereren 
Darmerkrankungen  (Typhus,  Ruhr  u.  s.  w.),  ein  Rückfall  (VViederauftritt 
von  Fieber,  Ilecidivieren  der  Krankheit)  zu  befürchten  ist.  Aus  allen 
diesen  Gründen  muß  dem  Arzt  in  Bezug  auf  die  diätetischen  Anord- 
nungen die  größte  Freiheit  gelassen  werden,  um  der  individualisierenden 
Behandlung  möglichst  gerecht  zu  werden. 

So  sehr  auch  vom  ärztlichen  Standpunkte  die  Freiheit  und  Not- 
wendigkeit einer  streng  individualisierenden  Kostordnung  betont  werden 
muß,  .so  ist  es  aus  praktischen  Gründen  und  aus  Verwaltungsrücksichten 
einfach  unmöglich,  eine  solche  Verköstigung,  bei  welcher  der  Einzelne 
gleichsam  ä  la   carte   verpflegt   wird,   durchzuführen.     Vielmehr  ist   es 

132 


EiDzelerDäbruDg  und  Massenomährung.  133 

unerläßlich  und  auch  durch  die  ErfIlhrun^'en  vollauf  gerechtfertigt,  eine 
feststehende,  beschrankte  Zahl  von  Kostformen  aufzustellen,  z.  B.  für 
schwer,  für  leichter  Fiebernde,  für  Rekonvalesceuten  und  für  Kranke 
mit  gesunder  Verdauung,  die  nur  wegen  eines  äußerlichen  oder  den 
Körperbestand  kaum  angreifenden  Leidens  das  Spital  aufgesucht  haben. 
Innerhalb  dieser  4 — 5  verschiedenen  Kostformen  kann  die  individuali- 
sierende Behandlung  des  Arztes  noch  genügend  zur  (Jeltung  gelangen, 
insofern  es  gestattet  ist,  das  eine  oder  andere ,  für  den  betreffenden 
Patienten  nicht  geeignete  Gericht  fortzulassen  und  durch  eine  Extra- 
verordnung zu  ersetzen  oder  zu  der  Diätform  noch  Extrazulagen  wohl- 
schmeckender, nahrhafter  und  leicht  verdaulicher  Sjjeisen  und  Genuß- 
mittel zu  bewilligen. 

Au  dieser  Stelle  kann  die  Massenernährung  in  Spitälern  nur  in  den 
Grundzügen  erörtert  werden,  insoweit  sie  für  die  allgemeine  Hygiene  der 
Ernährung  in  Betracht  kommt,  während  bezüglich  der  Diätetik  der 
Krankenernährung  auf  die  entsprechenden  Lehr-  und  Handbücher  *  ver- 
wiesen werden  muß. 

Bei  akut-fieberhaften  Krankheiten,  bei  denen  der  Appetit 
darniederliegt  und  auch  die  Verdauungsorgane  in  ihren  Funktionen  stark 
beeinträchtigt  sind,  erweist  sich  eine  flüssige  Kost  aus  Milch,  Milchsuppeu 
und  Fleischbrühe,  beide  mit  weichgekochtem  Gries,  Sago,  Reis  oder  Ge- 
treidemehleu  versetzt,  als  die  geeignetste,  es  sei  denn,  daß  wegen  starker 
Durchfälle  eine  spezielle  Gegenanzeige  gegen  Milch-  und  Milchsuppen  vor- 
liegt. Weniger  stark  fiebernde,  sog.  chronische  Fieberkranke  können  zu 
derselben  Kostform  eine  fett-  und  kohlehydrathaltige  Zulage  in  Form  von 
Ei  und  Weißbrot  oder  Zwieback  bekommen.  Gerade  für  die  Fieber- 
kranken ist  früher  entschieden  ein  zu  niedriges  Kostmaß  gegeben  worden ; 
neuerdings  hat  sich  dies  erheblich  gebessert.  Jedenfalls  sollte  man  selbst 
für  die  schwer  Fiebernden  nicht  unter  60  g  Eiweiß,  50  g  Fett  und  70  g 
Kohlehydrate  heruntergehen,  was  bei  Darreichung  von  je  Vg  Liter  Milch, 
zweimal  des  Tages,  und  je  einmal  V2  Liter  Fleischbrühe  und  Milch- 
suppe mit  30  g  Gries,  Sago,  Reis  zu  erreichen  ist;  zugleich  wird  mit 
der  reichlichen  Flüssigkeitszufuhr  in  dieser  Nahrung  das  Durstgefühl 
der  stark  Fiebernden  zweckmäßig  gestillt. 

Chronisch  Fiebernde  erhalten  zu  dieser  flüssigen  Kost  eine  Zu- 
lage von  1 — 2  Eiern,  entweder  weichgekocht  zu  genießen  oder  mit  der 
Fleisch-  resp.  Milchsuppe  verrührt,  und  50—80  g  Weißbrot;  dadurch  steigt 
der  Nährwert  dieser  Kost  auf  70  —  75  g  Eiweiß ,  55  —  60  g  Fett  und 
95—110  g  Kohlehydrate. 

Fieberfreie  Rekonvalesceuten  und  Magenkranke,  bei 
denen  keine  besondere  diätetische  Kur  angezeigt  ist,  erhalten  des  Morgens 
und  Nachmittags,  wie  die  Fiel)ernden,  je  Vg  Liter  Milch  oder  Milchkaffee 
(mit  '/4  Liter  Milch),  zum  Mittag  20ü  g  gebratenes  Fleisch,  mit  400  g 
kartofifelbrei,  zum  Abendessen  ^j ^  Liter  Gries-  oder  Mehlsuppe,  außerdem 
für  den  ganzen  Tag  200  g  Weißbrot  oder  100  g  Weißbrot  und  150  g 
Schwarzbrot,  wofern  letzteres  überhaupt  in  Rücksicht  auf  den  Ver- 
dauungsapparat zuzulassen  ist,  und  20  g  Butter.  Eine  solche  Kost 
enthält  etwa  105  g  Eiweiß,  50— (50  g  Fett  und  270  g  Kohlehydrate, 
ist  somit  für  ruhende  Individuen  von  mäßigem  Köri)ergewicht  als  aus- 
reichend anzusehen ,  kann  sogar  schon  im  abgemagerten  Körper  zum 
Ansatz  von  Eiweiß  und  Fett  führen.  Durch  Zulage  von  2  Eiern  wird 
der  Nährstoffgehalt  noch  um  12  g  Eiweiß  und  10  g  Fett  erhöht. 

Die    fieberfreien    Kranken    mit    normaler    Verdauung    können    wie 

'33 


134  IMMAM'EL    Ml'NK, 

Gesunde  ernährt  werden.  Außer  je  V2  I^iter  Milchkaffee  zum  Früh- 
stück und  Vesper,  erhalten  sie  zum  Mittag  2UÜ— 250  g  gebratenes 
Fleisch  mit  400—500  g  Kartoffeln  oder  Gemüse  oder  Mehlklößchen, 
zum  Abendessen  60  g  Wurst  oder  100  g  Käse  oder  1  Hering  mit  Kar- 
toffeln oder  ^4  Liter  Mehl-  oder  Brotsuppe;  außerdem  für  den  Tag 
150  g  Weißbrot,  350  g  Schwarzbrot  und  20  g  I^utter.  Eine  solche 
Kost  enthält  ca.  115  g  Eiweiß,  55  g  Fett  und  425  g  Kohlehydrate,  ist 
also  für  ruhende  Individuen  für  mehr  als  ausreichend  zu  erachten. 

Innerhalb  der  3  erstbeschriebenen  Kostnormen  für  Kranke  und 
Rekonvalescenten  muß  es  dem  behandelnden  Arzt  überlassen  bleiben, 
durch  Verordnung  von  Extrazulagen  in  Form  von  Milch,  Eiern,  Schabe- 
fleisch, Schinken,  Huhn,  Taube,  Zucker,  Backobst,  Kompott  der  indi- 
vidualisierenden Behandlung  thunlichst  gerecht  zu  werden. 

Bei  fieberhaften  Krankheiten  spielen  als  diätetische  und  thera- 
peutische Mittel  die  Alcoholica  in  Form  von  Wein,  Branntwein,  Cognac 
eine  bedeutsame  Rolle ;  außer  ihrer  anregenden  Wirkung  auf  das  Nerven- 
system und  auf  das  Herz  erweisen  sie  sich  als  Sparmittel,  welche  den 
übermäßigen  Konsum  von  Eiweiß  und  Fett  im  Fieber  beschränken. 
Auch  für  Rekonvalescenten  sind  die  Genußmittel  von  Bedeutung,  sowohl 
die  alkoholischen  in  Form  von  Wein,  Branntwein  und  gutem,  vollständig 
vergorenem  Bier,  als  die  alkaloidhaltigen  in  Form  von  schwachen 
Kaffee-  und  Theeaufgüssen.  Durch  Zusatz  von  Cognac  oder  leichten 
Kaffee  gelingt  es,  selbst  solchen  Patienten,  die  an  sich  einen  Wider- 
willen gegen  Milch  haben,  dieselbe  bis  zu  beträchtlicher  Menge  einzu- 
verleiben. 

Eine  besondere  Beachtung  verdient  die  Qualität  der  Nahrung  für 
Rekonvalescenten,  insofern  hier  alle  gröberen,  infolge  der  Gegenwart 
von  derber  Cellulose  den  Darmkanal  insultierenden  Nahrungsmittel  ausge- 
schlossen sind,  so  Kleienbrot,  Hülsenfrüchte,  Salat,  Gurken,  Kohlarten, 
Pilze,  Schwämme,  Obst,  ebenso  auch  alle  mit  organischen  Säuren,  z.  B. 
Essig ,  bereiteten  Speisen ,  weil  letztere  erfahrungsgemäß  leicht  zu'*In- 
digestionen  führen.  Am  bekömmlichsten  erweisen  sich  die  Kartoffeln  in 
Breiform  (Püree)  oder  mit  Fleischbrühe  gekocht,  der  Reis  in  Form  von 
Milchreis.  Obst  werde  nur  vollständig  zerkocht  als  Apfel-  oder  Pflaumen- 
muß gegeben. 

Gegen  die  oben  aufgestellten  qualitativen  und  quantitativen  An- 
forderungen an  die  Kost  für  Kranke  und  Bettlägerige  bleiben  von  den 
bisher  bekannt  gewordenen  Kostordnungen  der  Krankenhäuser  die  Mehr- 
zahl mehr  oder  weniger  zurück. 

Nach  R  e  nk  ^  bietet  im  Münchener  Krankenhaus  (links  der  Isar)  die 
Fieberkost  fi/^-Kost)  nur  20—38  g  Eiweiß,  18  —  26  g  Fett  und  30—150  g 
Kohlehydrate,  die  sog.  Vg-Kost  48  g  Eiweiß,  15  g  Fett  und  145  g  Kohle- 
hydrate, die  Rekonvalescenten-,  sog.  ^/4-Kost  55 — 63  g  Eiweiß,  33 — 48  g 
Fett  und  160 — 175  g  Kohlehydrate,  bleibt  also  selbst  hinter  den  mäßigsten  An- 
forderungen zurück.  Günstieer  stellt  sich  die  Verköstigung  in  den  englischen 
Spitälern  ;  hier  giebt  das  Mittel  der  Liätsätze  10  verschiedener  Krankenhäuser, 
von  Renk  berechnet,  für  die  Rekonvalescentenkost  Erwachsener  96  g  Ei- 
weiß, 47  g  Fett  und  338  g  Kohlehydrate. 

Nach  Kirchner^  sowie  Roth  und  Lex^  giebt  es  in  preußi- 
schen Militärlazaretten  4  Diätformen,    deren  Gehalt    sich  berechnet: 

134 


EinzelernäbruDg  und  Masseneroäbrung. 


135 


I 

1 1 2  g  Eiweir« 

53  t?  ^''-•" 

553   »C  Kohlehydrate 

11 

76  ..       .. 

38  ,.     „ 

320  .. 

111 

45  .•       .. 

29  ..     .. 

172   ,. 

IV 

21     ,,          ,, 

15  ..     .. 

137   .. 

Vorausgesetzt  daD  diese  Nährstoffmengen  wirklich  verabreicht  werden 
(sie  sind  nach  dem  Siieiseregulativ  und  aus  dein  suininariscben  Verbrauch 
an  Rohmaterial  berechnet  und  daher  mit  den  schon  wiederholt  (S.  83,  126) 
erörterten  Ungenauigkoiton  und  Fehlern  behaftet),  würde  I — III  als  Kost  für 
normal  Verdauende  resp.  Rekouvalescenten  resp.  Fiebernde  acceptabel  sein, 
dagegen  ist  Form  IV  für  akut  Fiebernde  entschieden  zu  gehaltarm. 

Die  Verpflegung  in  den  englischen  und  französischen  Militärspitälern 
mit  ihren  7  resp.  10  Kostformen  ist  zu  kompliziert ;  es  sei  dieserhalb  auf  die 
Beschreibung  tlorselben  seitens  H  usson  ^  und  Kirchner^  verwiesen.  Die 
5  im  Charit  e  krankenhause*'  zu  Berlin  bestehenden  Diätformen  sind, 
dem  Regulativ  entsprechend  verabreicht,  an  sich  für  die  betreffenden  Kranken 
kaum  zureichend,  können  dies  aber  durch  die  vielfach  gewährten  Extrazulagen 
werden ;  auch  hierüber  sind  die  Speiseregulative  zu  vergleichen. 

Am  ehesten  noch  entsprechen  den  Anforderungen  die  Diätsätze, 
welche  in  den  großen  Berliner  städtischen  Kranken- 
häusern '  (Moabit,  am  Urban,  Friedrichshain)  üblich  sind.  Es  sind  dort 
4  Diätformen  vorhanden,  von  denen  I  an  fieberfreie  Kranke  mit  normaler 
Verdauung,  II  an  Rekouvalescenten  und  Kranke  mit  leichteren  Verdauungs- 
störungen, III  an  chronisch  oder  leicht  Fiebernde,  IV  an  schwer 
Fiebernde,  die  nur  Flüssiges  genießen  können,  verabreicht  werden. 


1 

2  mal  je  '/»  1  Milchkaffee  oder 
V,   1  Milch. 

200—260  g  Bratenfleisch  mit 
Kartoffeln  oder  Gemüse 
oder  Klöfsen. 

185  g  Fleischspeise  oder  1 
Hering  mit  Kartoffeln, 
126  g  Käse  oder  '/^  1 
Gries-   oder  Reissuppe. 


II 

Kaffee  oder  Milch  wie  I. 


200  g  Braten  mit  Kartoffel- 
brei, Graupen,  Milchreis, 
Mohrrüben. 

^/^  1  Milchsuppe  mit  Sago, 
Gries,   Mehl  oder  Reis. 


III   und  IV 
2  mal  je   »/,    1   Milch. 

Y,  1  Suppe  aus  167  g  Fleisch, 
mit  Graupen,  Gries,  Reis. 

Yj   1  Milchsuppe  wie  II. 


Dazu  für  den  ganzen  Tag: 
I  u 


350  g  Graubrot  (oder 
250  g  Brot  u.  20  g 
Butter)  und  160  g 
Semmel. 


III 


200  g  Weifsbrot  oder  !  50  g  Semmel  oder  60 
100  g  Weifsbrot  u.  i       g  Zwieback. 


250  g  Graubrot. 


IV 


Neben  der  regelmäßigen  Kost  in  den  4  Diätformen  können  den 
Kranken  als  „Extra  diät"  verabfolgt  werden:  Braten,  Beefsteak,  Ge- 
flügel (Iluhn,  Taube),  Schabefleisch,  Schinken,  Hering,  Käse,  Zwieback, 
Wein,  Branntwein,  Kompott,  Backobst  u.  a. 

Die  regulativmäßige  Beköstigung  ergiebt  (nach  der  allerdings  wenig 
genauen  Berechnung  aus  dem  verbrauchten  Ilohmaterial  an  Nahrungs- 
mitteln) ohne  Extradiät  für 


I. 

107  g  Eiweifa 

31   g  Fett 

423  g  Kohlehydrate. 

II. 

97  "       .. 

30  ..      .. 

308  .. 

11. 

62  „       „ 

44   ..     .. 

118  „ 

t'l. 

50  „       „ 

39    ,.       n 

88  „ 

•35 


136 


IMMANUEL    MUNK, 


Diese  an  und  für  sich  geeij]^neten  Diätformen  können  noch  dem  oben 
Erörterten  durch  kleine  Zuhigen  noch  zweckmäßiger  und  nährstoifreicher, 
insbesondere,  was  wünschenswert,  fettreicher  gestaltet  werden. 

Auch  auf  Abwechselung  des  Mittag-  und  Abendessens  an  den  ein- 
zelnen Tagen  wird  gebührend  Rücksicht  genommen,  wie  z.  B.  folgender 
"Wochenspeisenzettel  aus   dem  Krankenhause   am  Urban  (Berlin)   lehrt: 


Ta^ 

Warte-  und 

r)i(>nstnf>rsr>nnl 

Kranke  in  der 

1 

I.  Form            II.  Form 

III.  Form 

IV.  Form 

ts            Kalbsbraten,   saure  Gurken      Kalbfleisch  mit       „  ...                  .     _, 

.?                        mit   Kartoffeln                      Griesklöfsen         »«-"hsuppe  mit  Graupen 

S 

a 
o 

CG 

TS 

S             Harzkäse 

< 

Milchsuppe  mit  Reis 

a 

CS 

i 

Rindfleisch  mit  BrUhreis, 
Kartoffeln 

Rindfleisch  mit          „  ...                 ..  ^  . 
Brühgraupen            Bruhsuppe  mU  Gnes 

5 

-c 
a 

«B 
< 

Mettwurst 

Milchsuppe  mit  Hafermehl 

s 

?            Hammelfleisch  mit  Brüh- 
ls                             kartoffeln 

s    1 

Hammelfleisch 

mit  Kartoffel-           Brühsuppe  mit  Reis 
brei           j 

a 
Q 

n     1 

o    1         Boaletten                                           Milcbsuppe  mit  Gries 

<    1 

JS 

u 
o 

«•       Schweinefleisch  mit  Kohlrüben,      Kalbfleisch           „    -u                 •.  ^ 

.=                            Kartoffeln                        mit  Brühhirse        B'-^^suppe  mit  Graupen 

S     !                                                                i 

'S      ; 

S                3  Eier 

< 

2  Eier 

Milchsuppe  mit  Sago 

i 

Rindfleisch  mit  weifsen  Bohnen, 
Kartoffeln 

Rindfleisch  mit 
Brühkartoffeln 

Brühsuppe  mit  Gries 

a 
a 
o 
Q 

a 

-4 

Biersuppe 

Milchsuppe  mit  Hirse                     l 

bc 

.2 

g 

Schweinepökelfleisch,  Erbsen  mit 
Kartoffeln 

Kalbfleisch              „  ...                 .^  „  . 
.,  -,.,  ,     .              Bruhsuppe  mit  Reis 
mit  Milchreis                        '"^ 

s> 
u 

Ex. 

S    1                Jauersche  Wurst 

-ö    1 

Milchsuppe  mit  Mehl 

TS 
S 
o 

J3 

e'       Hammelfleisch,  Mohrrüben  mit  Hammelfleisch 

.s                          Kartoffeln                      mit  Mohrrüben 

S 

Brühsuppe  mit  Graupen 

s 

CG 

< 

Hering  mit 
Kartoffeln 

Milchsupp) 

i  mit  Reis 

Auch  ist  zu  beachten,  daß  die  Rekonvalescentenkost  II  möglichst 
zweckmäßig  zusammengestellt  ist,  nur  breiig-weiche  Gemüse  und  Bei- 
lagen zum  Fleisch  enthält.  Dabei  kommt  die  I.  Form  auf  etwa  60, 
IL  auf  48,  III.  auf  38  und  IV.  auf  28  Pfennige  zu  stehen. 

136 


EinzelernähniDg  und  Massenernährung.  137 

In  Bezug  auf  die  Kost  für  kranke  Kinder  lassen  sich,  wegen 
der  großen  Altersverschiedenheiten  und  infolgedessen  auch  der  außer- 
ordentlich wechselnden  üeiJMrfsgntße  an  NährstoHen  (S.  95)  schwer  he- 
stininite  Diätfornien  aufstellen,  (lanz  allgemein  läßt  sich  nur  sagen,  daß 
man  am  besten  von  tler  Milch  und  deren  Zubereitungen  als  Grundlage  aus- 
geht. Fiebern  de  Kinder  l)edürfen  nur  der  Milch  und  der  .Milchspeisen, 
Abkochungen  von  Milch  mit  Getreidemehlen,  mit  (jries  und  Sago. 
Chronisch  Fiebernde  können  zu  der  Milch  und  der  Milchsuppe  Fleisch- 
brühe, mit  Eigelb  abgezogen,  und  weich  zerkochten  Reis  bekonmien, 
^Veißbrot  oder  Zwieback,  die  gn'jßeren  Kinder  auch  etwas  Kalb-  oder 
Schai)erieisch.  Nicht  fiebernde  Kinder  mit  normaler  Verdauung  und 
Rekonvalescenten  erhalten  zum  Mittag,  außer  Suppe,  weichgebratenes 
F'leisch  mit  Kartotl'elbrei,  Milchreis  oder  Mehlklößchen,  abends  außer 
einer  Mehl-  oder  Milchsuppe  Weißbrot  mit  Fleisch  oder  Schinken  oder 
ein  weichgekochtes  Ei.  Bezüglich  der  Mengen  der  zu  verabreichenden 
Speisen  lassen  sich  bindende  Normen  kaum  aufstellen;  im  allgemeinen 
sind  die  einzelnen  Speisen  den  kleinen  Patienten,  wenn  nicht  eine  Gegen- 
anzeige vorliegt,  in  solcher  Menge  zu  reichen,  als  danach  verlangt  wird. 
Wer  sich  für  die  einzelnen  Kostformen  interessiert,  wie  sie  in  den 
Kinderkrankhäusern  in  St.  Petersburg  und  Berlin  üblich  sind,  sei  auf 
die  Beschreibungen  von  llauchfuß"  und  Uffelmann^  verwiesen . 

1)  Fr.  Benk,  bei  C    Voit.   Untersuchung  der  Kost  (1877)  66;  F.  Hirschfeld,  Grundziige  der 
KrankenemähT^ng,   Berlin  (1892)   21. 

2)  Bauer,    in  v    Ziemssen's  Handb.    d.    allg.   Therapie    1.   Bd.    1;    I.   Mank  &  üffelmann, 
llandb.   d.   Ernährung  des    .Venschen  2.   Auß.   (1891)  429. 

3)  Kirchner,   Orundrifs  der  Mililürhygiene   1891   m.   Folge  im  B^rscheinen. 

4)  Eoth   &  Lex,    Müitärgesundheitspflege  2    Bd. 
6)   Hnsson,   Etüde  sur  les  höpitaux  (1862). 

6)  Spinola,    Chariti-  Annal.  (1877);    Die    naturwissenschaftliehen   und   mediz.  Staats  an  stalten 
Berlins,  Festschrift  (1886)   354. 

7)  Die    Anstalten  der  Stadt  Berlin,   Festschrift  (1886)   116. 

8)  Baachfuss,  Die  Krankenkost  in  Kinder spit^ilem,    in  Oerhardt's  llandb.  der  Kinderkrank- 
heiten  1.   Bd.  2.   T.   631. 

»)  UflFelmann,  o.  a.  0.  587. 


137 


Register*). 


Abgegessensein  118. 

Ädamkiewicz  10. 

Aerzte,  Kost  der  lOl. 

Ahlfeld  96. 

Albuminoide  33. 

Alkohol,  Einflufs  auf  StofiPwechsel   16. 

Alter  s.  Lebensalter. 

Altersversorgungsanstalten  120. 

—  Kost  in   89. 
Amylum  39. 
Animalische  Kost  69. 
Ansatz  s.  Mästung  17. 
Arbeiter  s.   Stoffwechsel. 
Arbeiterküchen  122. 
Arbeitshäuser   115. 
Argutinsky  13. 
Amschnik  12.  38. 

Asche,  Einflufs  auf  Stoffwechsel  16. 
Aschenbestandteile  26. 
Asparagin  35. 
Ausnutzung  der  Nahrung  64  ff. 

—  Einflüsse  auf  68. 

Baer.  A    64.  93. 

Baltzer  75. 

Bauer   137. 

Beaunis  88. 

Becker's  üampfkochtopf  57. 

Bekömmlichkeit  der  Nahrung  61. 

Belgische  Gefängniskost  116. 

Beneke  88. 

Benzoesäure  16. 

Berdez   17 

Berliner  städtische  Spitäler   153. 

—  Kost  der   135  ff. 
Bidder  8. 

Bier,   Einflufs  auf  Stoffwechsel   16. 
Bischoff,  C.  25. 
Bischoff.  E    7.  25.  37. 
Blaschko,  H.  126. 


Blindenanstalten  120. 

Böhm  89. 

Bohland  89. 

Bokay  35 

du  Bois  Reymond,  E.  46. 

Borax   16. 

Borsäure  16. 

Branntwein,  Einflufs  auf  Stoffwechsel   16. 

Breiform  der  Speisen  107. 

Brennwert  der  organ.  Nährstoffe  46. 

Buchholz  114. 

Büchsenfleisch  113. 

Bunge,  G.  20.  31. 

Buttermilch  als  Gefängniskost  116. 

Calorie  47. 

Calorimeter  47. 

Camerer   15.   16.  96. 

Cellulose  39. 

Charitekrankenhaas,  Kost  im  135. 

Chossat  8. 

Coffein,  Wirkung  auf  Stoffwechsel    17. 

Cohn,  J.  69. 

Constantinidi  69. 

Cramer  64.   75. 

Dampfkochtopf  57. 

Dampfschiffe,  Ernährung   127. 

Danilewsky  50. 

Darmarbeit  13. 

Dehn   17. 

Deutschland ,    Ernährung    der   Soldaten     in 

112    ff. 
Dextrin  39. 
Diätformen  134  ff. 
Dnbelir  17. 
Durst  24. 
Dyspnoe,  durch  Arbeit  12.   13. 

Eier,  Zubereitung  der  58. 


*)  Von  den  Autoren  sind  nur  diejenigen  ins  Register  aufgenommen  worden,  deren 
Kamen  in  dem  Abschnitte  über  Ernährung  seltener  genannt  werden,  weil  nur  diese  bei 
der  Auffindung  irgend  einer  Thatsache  u.  s.  w.   zur  Führung  dienen  können. 


138 


IMMANUEL  MUNK,  Emzelemäbruiig  uud  Masseuernährung.         139 


Eijkmann  89. 

Eisbein  34 

Eiserner  Bestand  9*2.    114. 

Eiweifsbedarf  85. 

Eiweirsersparnis    12. 

Eiweifsstoffe  31 

Elastin   33 

Englische  Krankenhäuser,   Kost  der  134. 

Englische' Krankheit   107. 

Epidemien,  K>>Nt   in    129. 

Erbswurst   113. 

Erhaltungskost  87.   92. 

Ernährung,  s.  Ma:>seiiernähraog. 

—  s.  a.   StoflVecLsel. 
Essig  zur  Würze    117. 
Etzinger  10. 
Extradiät    135. 

Feldarbeit,  Nutzen  der  96. 
Felix   119. 
Fette  35    116. 

—  hchlechte  Wärmeleiter  36- 

—  verschiedene  Arten   36. 

—  Bedeutung  als  Nährstoff  36. 

—  s.  a    Stoffwechsel. 
Fettbestimmung  durch  die  Atemgnse  5. 
Fettbildung  aus  Kohlehydraten  19 

—     ans  Kiweifs   19. 
Fettdepots  35. 
Fettmästung  17. 
Fettpolster  35. 
Fettsäuren   37,  s.  a.  Fette. 
Fettverlust  durch  Eiweifs  beschränkt  32. 
Fleischkost,   reine  73. 
Fleischmästung  17. 
Flügge  46    89.   125.   127. 
Fränkel,  A.   13. 
Frauenheime    120. 
Friedensportion  91. 
Funke.  0    43. 

(iärtner  129. 

Gauser   114. 

Gefangenkost  92. 

Gefängniskost   114   ff. 

Genufsmittel  42  ff. 

Genufsstoffe  40  ff. 

Geppert  17. 

Germain  See   132. 

Gewürze  für  Volksküchen    124. 

Glycerin   37. 

Graupen  114 

llähner  OG. 

Hartmann,  J.    75. 

Hauber  40. 

Heifse  Speisen   79. 

Heringe  bei   Ticfängniskost  116. 

Hering  für  Massenernahrung  93. 

Herzog  Carl  Theodor  14 

Hirschfeld,  F.    13.  89.    137. 

Hoch   88. 

V.  Hoesslin   16.  31. 

Hofmann,   Fr.   59.   64.   69. 

Holland.   Krnährung  der  Soldaten   in    112. 

Holzknechte,  Nahrung  der  70. 


Huppe  59. 

Hultgren  89. 

Hungerkot   65. 

Hunger,   .Stoffwechsel  im  7. 

Hungerstrafe  1 1 8. 

Husson   75    79.    137. 

Idiotenanstalten   120. 

Ihisima  89 

Immermann  31. 

Infektion  der  Nahrungsmittel   129. 

—  liiirth  Nahrungsmittel   130. 
Invalidenhäuser  120. 
Isodynamie  49. 

Käse  für  Massenernährung   107. 

Kalbskopf  34. 

Kalisalze  29 

Kalkmangel  30 

Kalorie  47. 

Kalorienbedarf  49. 

Kalorimeter  47. 

Kalte  Speisen  80. 

Kartoffeln  tur  Masseuernährung  111. 

Katzenstein   13 

Kauen   103 

Keller   17.   89. 

Kemmerich  31. 

Keratin   33. 

Kinderkrankenhäuser,  Kost  der  137. 

Kinderkost  93.    137. 

Kirchner  137. 

Kjeldahl  5. 

Klikowicz   104. 

V.  Knieriem  40. 

Knochensuppen  34. 

Kochen  der  Nahrung  56. 

Kochsalz,    Einäufs    auf  Stoffwechsel  16-  28. 

Körperbestand  3. 

Kohlehydrate  38. 

—  s.  auch  Stoffwechsel. 
Kohlenstoff,  Bestimmung  3. 
Kollagen  33. 

Kommifsbrot  für  Masseuernährung  111. 
Konserven  f.  Masseuernährung  113  ff. 
Kostjurin  81. 
Kost,   animalische  69. 

—  pflanzliche  69. 

—  der  Arbeiter  aus  Schweden  88. 

—  „         „  „     Deutschland  10-'. 

—  „  Bergleute  88.  97. 

—  „  Heizer  97. 

—  „  Ilolzknechte  aus  Siebenbürgen  88. 

—  ,,  Japaner  88. 

—  ,,  Tunnelarbciter  97. 

—  ,,  Zie^celurbeiter  aus   Italien  88. 

—  s.  auch   Kostmafs. 
Kostmafs  81. 

—  bei  Arbeit  84  ff. 

—  der  alten   Leute  89. 

—  „  Erwachsenen  84. 

—  ,,  Gefangenen  92. 

—  „  Kinder  93. 

—  .,  Soldaten  90. 

—  Methoden  zur  Feststellung  des  82 

—  nach  Jahreszeiten  96. 


139 


140 


IMMANl'KL    MUNK, 


Kostmafs   nncli   Klinifi  96. 

Krankenhäuser,  Kost  in   132  ff. 

Krankenkost  132  ff. 

Kreatin   .'i5. 

Krieg.   M,issenernälirun{;  bei   131. 

Kriegsportion  9 1 . 

Krohne  93    119 

Kmmmacher  69. 

Krupp's  Arbeitermenage   123.    126. 
—        Haiisbaltungsschule   109. 

Küchenabfälle  bei  Berechnung  der  Kost  ab- 
zuziehen   115. 

Knmagava  12.  89. 

Kohlensäurebestimmung  5. 

Liandergren  89. 

Langbein  50. 

LebedefF  12. 

Lebensalter,   Einflufs  auf  StoflFwechsel  15. 

Lehmann   8. 

Leimstoffe  33. 

—  als  Nährstoff  10.   34. 

—  ..    Sparstoff  34. 
Leo,  H.   7. 
Leppmann  93.   119. 
Leube  81. 

Lewin,  L.   13. 

Lex   114.  137. 

Lina  Morgenstern  127. 

Loewy.  A.   13    14. 

Luciani  8. 

Lnftkalorimeter  48. 

9Iagermilch  als  Gefängniskost  116. 

Magnus-Levy  69.  132. 

Mahlzeiten,  Verteilung  der  Kost  auf  die  98. 

Malfatti  69. 

Mallevre   40. 

Manöverkost   91. 

Marine,  Kost  der  deutschen   129. 

Mästung  17. 

Massenemährung  105. 

—  bei  Epidemien  129. 

—  in  Alumnaten   108. 

—  ,,    Armenhäusern   120. 

—  „    HaushaltUDgsschulen    109. 

—  „    Korrektionsanstalten   108. 

—  „    Krankenhäusern    132. 

—  im  Kriege   129. 

—  Methodik  der  3. 

—  in  Volksküchen   122. 

—  ,,    Waisenhäusern    106. 

—  von  Gefangenen  114. 

—  ,,     Kindern   106. 

—  ,,     Kranken   132, 

—  ,,     Soldaten    109. 
Matrosenkost  129 
Mauthner  35. 

Meinert  64.   83.  89.  93.   106. 

Menagen   122. 

Mendel  46. 

V    Mering  13. 

Meyer.  G    68. 

Militärlazarette,  Kost  der  134  ff 

Mineralsalze,  s-  Asche. 


Mineralstoffe  s    auch  Asche  26. 

—  M)iiii;el   an   30. 
Minkowski,  0.  38. 
Mittelkost  117. 
Mittelsalze  1 G. 

Moabit.   Siiafanstfilt  in    116. 
Morgenstern  127. 
Mori  89. 

Müller,  Fr.  38.  64. 
München,  Krankenhaus   134. 
Muskelarbeit,  Einflufs  d.  auf  Ausnutzung  der 
Nahrung   68. 

Kahrung  51. 

—  Ausnützung  64. 

—  Backen   35. 

—  Braten   57.   58. 

—  Definition   81. 

—  Form  59.  61. 

—  gemischte   75. 

—  Kochen  35. 

—  Konsistenz   59.   61  ff. 

—  Rösten   55.  58. 

—  Temperatur  79. 

—  Volumen  der  59. 

—  Zerkleinerung  54. 

—  Zubereitung  52. 
Nahrungsentziehung  118. 
Nahrungsmittel,    Zusammensetzung  der  52. 
Nahrungsstoffe  21. 

Nährsalze  27. 

Nakahama  89. 

Nerven,  Einflufs  auf  Verdauung  102. 

V.  Noorden  10. 

Nukleine  34. 

Obernier  17. 

Oel  36. 

Oertel  25. 

Oesterreich,  Ernährung  der  Soldaten  in  112. 

Ohlmüller  75.  89.  96. 

Oi,  G    89. 

Oppenheim,  A.   13.  102. 

Panum  106. 

Paris.  Kost  bei  Belagerung  131. 

Pektinstoffe  39. 

Pettenkofer's  Respirationsapparat  5. 

Pfeiffer,  L.  37. 

Pflanzengammi  39. 

Pflanzenschleim  39. 

Pflanzliche  Kost  69. 

Pfründner  120. 

Playfair  89. 

Plötzensee  115  ff. 

Politis  35. 

Pollitzer  10. 

Prausnitz  69.  109.  127. 

Proskauer  126. 

Püreekartoffeln   134. 

Ranke  2.  8.   10.   12. 
Eauchfufs   137. 
V.  Eechenberg  50.  89. 
Beichardt  25. 


140 


Einzolernäbning  und  Massenernähning. 


141 


Beincke  129. 

Beinecke  37. 

Bekonvalescenten,   Kost  für  134.    136. 

Bespirationsapparat  vou  Pettenkofer  4. 

Bhachitis  30.   107. 

Bintaro  Mori  89. 

Bitthaasen  33 

Boienberg.   8.   G9. 

Bosenheim,  Th.  89. 

Both  &  Lei    114.    137. 

Boax   17 

Babner*!  Kalorimeter  48. 

Sättigung,  Gefühl  der  59. 

SäuglingskoBt  94. 

Saücylsänre   16. 

Salvioli  69. 

Scharling  16. 

T.  Scherier  75. 

Scheabe  79.  98. 

Schlaf  13 

Schleich  14. 

Schmalz  36. 

Schmidt  8. 

Schroeder.  W.  64.   109. 

Schulze,  E.,  und  Reiuecke  37. 

Schuster  64. 

Schweinsfüfse  34. 

Scrophulose  107. 

See   131 

Seegen  40 

Seekrankheit  127. 

Seemann  31. 

Seeschiffe,  Ernährnag  auf  127, 

Senator  S.    14 

Siechenhäuser  120. 

Siechenkost  121. 

Skorbut  in   Gefängnissen   119. 

Sommerkost  96. 

Spaeth  81. 

Speck   113 

Speck,  Dr    14. 

Speisevolumen,  tägliches  60. 

Spinola   137. 

Spirig  69 

Suppen  an  stalten  123. 

Suppentafeln   113. 

SUpf  98 

Steinheil  89. 

StickstofFbestimmung  nach  Kjeldahl  4. 

Stickstcffgleichgewicht  9. 

Stoffwechsel  bti  Arbeit   12. 

—  bei  Eiweifszafuhr  8. 

—  „     Fettzufuhr   11. 

—  „    Hunger  7. 


Stoffwechsel  bei   Kohlehydratzufuhr   11. 

—  bei  Leiuizufuhr   10. 

—  ,,    verschied.   Körperzustünden   14. 

—  „    verschied.  LebensHlterii  14. 

—  ,,    wechselnder  Aufsentemperatur   13. 
Stohmann  60. 

Strassmann,  Fr.   17. 
Strümpel  59. 
Studemund  92. 

Tabak  114, 
Talg  36. 
Tappeiner  40. 

Taubstummenanstalten   120. 
Temperatur,  Eiuflufs  auf  Stoffwechsel    13. 
Teuerung,  Massenernährung  bei  131. 
Tropenkost  96  ff. 

Untersuchungsgefangene  118   ff, 

VegetariBmua  69.  71. 
Veiten   14. 

Verdaulichkeit  (Pseudo-)  61. 
Verdauung   102  ff. 

-        s.   a.   Darmarbeit, 
Vertretungswert  der  organ.  Nährstoffe  46  ff 
Vitellin  33. 

Völle  nach  Nahrungsaufnahme  61. 
Volkmann,  A.  W.  7.  25, 
Volkskaffeehäuser  123. 
Volksküchen  122.   125. 

M'aisenanstalten,  Kost  in  96. 

Wasser  als  Nahrungsstoff  21. 

Wasserbedarf  23 

Wassergehalt  der  Organe  21.  24. 

Wasser  und  Brot,  Verurteilung  zu   118. 

Wasserverloat  durch  die  Haut  23, 

Weiske  40. 

Wernich  75. 

Weyl,  Th.  33. 

Winterkost  96, 

Wolff,  L     104, 

Wolfhügel  59 

Würzstofife  40  ff. 

Zerkleinerung  <ier  Nahrung  52   ff. 
Zubereitung  iler  Nahrung  54. 
Zuchthäuser   115  ff. 
Zuckerarten  .'S9. 

Zusammengekochtes  Essen  64  124, 
Zwieback  lür  Masseiiernährung  111. 
Zwischendeckspassagiere  128    129, 


141 


Yerlag  Ton  Gustar  Fischer  In  Jena. 

/^_„  ^1^__^j-,l^J     Dr   med    Eugen,   VorstHnd   des  Laboratoriums  der  Dr.  Brehmer'schen 
V7/;cl|Ht;V>  iSlVl,    „pi,^„^,^,(   für  Lanuenkranke  zu  Oörbersdorf  i.  Schi  ,   Die  Unter- 

siichung  des  Auswurfs  anf  Tnberkelbaclllen.  Mit  i  Tafei  in  Farben- 
druck uiiü  inelircreii  in  Ui  ii  Text  gedruckten  ll(i|/.schnitluii.  Frei»:  broscb.  3  Mi^rk, 
Keb.  3   Mark   60  Pf. 

/^nrloi»     ^^    Patü,  I.  Assistentarst  der  Grossherzoelich  SSchsischen  Lundes-Irren-Hell- 

VTULltir^  Anstalt  Jeri;i,  l>lo  Oelstessf^runsen  nach  Kopfvorletzunsen 

unter  besonderer  l^erücksu'liiiKung  ihrer  jjeriehibiir/thctien  Heurttieilunt;.  1880  Preis; 
2  Mark  40  Pf. 

Handwörterbuch  der  Staatswissenschaften.  "X*; 

von  Dr.  J  Conrad,  Professor  der  Staatswissenschaften  zu  Halle  a.  S  ,  Dr.  L.  Elster, 
Professor  der  Staatswissenschaften  zu  Breslau ,  Dr.  W.  Lezis ,  Professor  der  Staats- 
wissenschuften zu  Götfingeu,  Dr.  Edg  Loeifing,  Professor  der  Rechte  zu  Halle  a.  S. 
Erster  bis  Fünfter  Band.  Preis:  brosch.  86  Mark,  geb.  96  Mark.  Vollständig 
in  6  Bänden  im  Umfauee  von  ungefähr  380  Bogen  grofs  Lexikon  8°,  welche  bis  Ende 
des  Jahres  1893  erscheinen  sollen.  Der  Preis  des  Werkes  wird  100  Mark  für 
broschierte  und  112  Mark  für  gebundene  Exemplare  nicht  übersteigen.  Nach  dem 
vollständigen  Erscheinen  des  Werkes  tritt  ein   höherer  Ladenpreis  in   Kraft. 

Ein  derartitjts  Nachschlagewerk  besitzt  teeder  die  deutsche  noch  die  auiländische 
Litteratur. 

Das  ,, Handwörterbuch"  giebt  eine  Darstellung  des  thattächlichcn  Inhalts  der  wirt- 
schnftliehen  und  sozialen  Erscheinungen  Es  geht  weit  über  die  Grenzen  einer  lediglich 
renra/tungsrechtlichen  Behandlung  der  gegenwärtig  in  Deutschland  bestehenden  loirtscha/t- 
lichen  und  sozialen   Ordnung  hinaus. 

Das  ..Hnndwörterbuch"  bietet  die  gesamte  teirtschafüiche  Gesetzgebung  aller  Kultur- 
Vinder.  eine  detaülierfe  Statistüc.  die  Hauptergebnisse  der  parlamentarischen  und  littera- 
risrhfn    lUflcussion   und   eine    vollständige  bibliographische    l'ebersicht. 

H^'  Ansfährliche  Probehefte  und  Prospekte  sind  anentgeltlich  durch  jede 
Buchhandlung  Deutschlands  und  des  Auslandes  xu  heziehen    '^^H 

Der  sechste   Band  ist  im   Druck  und  erscheint  zum  Schlüsse  des  Jahres   1893. 

TTl^'L.Q     Dr    Edwin,  o.  ö.   Professor  der  allgemeinen  Pathologie  und   der  pathologischen 

JVieuö,  ^^gj^^jp  ^„  jp^  iniversitiit  züricii  Bje  allgemeine  Pathologie 
oder  die  Lehre  von  den  Ursachen  und  dem  Wesen  der  Krank- 
heitsproeesse. 

Erster  Theil:  Die  Krankheitsursachen.  —  Allgemeine  pathologische  Aetiologie.  Mit 
66  tlieilweise  farbigen  Abbildungen  im  Text  und  8  Farbentafeln.  1887. 
Preis:  U  Mark. 
Zweiter  Theil :  Die  krankhaften  Stömngen  des  Baues  und  der  Zusammensetzung  des 
menschlichen  Körpers.  Mit  79  farbigen  Abbildungen  im  Text  und 
4  7  Farbentafeln.      1889.      Preis:  30  Mark. 

T  llcflO*     ^^    Alexander,    ord.   Professor    der    allgemeinen   Pathologie  an   der  Kgl.   Uni- 

ijusii»,,  versität  zu  Florenz.  Diagnostik  der  Bakterien  des  Wassers. 

Zweite  sehr  vermehrte  Auflage,  ins  Deutsctie  übersetzt  von  Dr.  ined.  K.  Teuscher 
in  Jena  Mit  einem  Vorworte  von  Dr.  P.  Baumgarten,  Professor  der  pathologi- 
schen  Anatomie  an  der  Universität  Tübingen.      1893.      Preis:   3   Mark. 

NaUWerck     ^"'   "**    ^'   ^Pctionstechnlk    für    Stndirende    nnd 

Aerzte.       Mit     41     Abbildungen.       1891.      Preis:    brosch.    'i    Mark 
60  Pf.,  gebunden   3   Mark    10  Pf. 
Neilineister     ^^    Richard,    Docent    an    der    Universität  Jenn,    Lehrbucll    der 
physiologisehen  Chemie.   Erster  Theil     1893.  Preis:  7  Mark 
Inhalt:    Einleitung       Erhaltung    von    Stoff    und    Kraft.      Das  Thier-    und     Pflanzen- 
lebcn.    —    Erster  Abschnitt       Die    chemischen   Processe    in    den   thierischen   Zellen  und 
die  Zellbestandtheile.   —   Zweiter  Abschnitt       Die  Nahrungsstoffe.   —   Dritter  Abschnitt. 
Die  Fermente.  —  Vierter  Abschnitt.      Die  Verdauung.   —   Fünfter  Abschnitt.      Die  Re- 
sorption nnd   die  nächsten  Schicksale  der  resorbirten   Nährstoffe    —  Sechster   Abschnitt. 
Der  Bedarf    an   Nahrung   und    die   Bedeutung    der  Nährstoffe    für    den  Organitmat.    — 
Schluss.      Die   Nahrungsmittel   and   die   Nahrung    der   Kulturvölker. 


Verlag  Ton  GiistaT  Fischer  in  Jena. 


Ppn70l(lt     ^'   Fraai,  o.  ö.  Professor  Rii  der  UniversitÄt  Erlangen,  AclterC   nn(l 

X  t?u/.uiutj  ,^^>„pre    narnprohoii    und    ihr    praktischer   Werth. 

Knrzo  Ai.leitun^'  v.iir  llun.iu.ter>ucluuii:  in  .ier  Praxis  für  Aerztc  u.ul  tSiudierci.de 
Dritte  veränderte  AurtHRe.  Mit  zwei  Holzschnitten.  Kl.  8.  1890.  Preis:  broschiert 
80  Pf.,  gebunden   1  Mk.    10   Pf.,   u'eluinden    und  durchschossen  1   Mk.  40  Pf. 


Soeben    erschien: 


und  die  Bestrebungen  zur 
88.    Preis:  4  Mark  50  Pf. 


PipcrPr     Dr.  Conrad,  Profe.^sor  der  Psychiatrie  an  der  TTniversität  Würzburp,  GrilTld- 

^   /^      '  ri«^;  der  niedicinischen  ElectrieitUtslehre.    Für  Aerztc  und 

S^udircnde.     Mit   •J4   Figuren    in  Chromolithographie.     Dritte  Auflage.     Preis:    2   Mark 

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TT     1    1   1  Dr    C,  R.  o.  Professor  nnd  I.   Assistent  am  pathnlog.  Institut  der 

von   IVaillCien,   Universität    Freiburp    in    Baden,    Tecllllilc     dCr     histOlO- 

Cischen   UnterSUCllUns:  pathologisch-anatomischer  Präparate.     Für  Studirende 

und  Aerzte.      Dritte  vermehrte    und  verbesserte  Auflage.     Ergänzungsheft    zu  Ziegler's 
'        Lehrbuch  der  allgemeinen  und  speciellen  pathologischen  Anatomie.    1893.    Preis  brosch. 

2  Mark  40  Pf.,  geb.  2  Mark  80  Pf. 
^     V  •  Dr    A    F    W  .    a.  o.  Professor    der    Botanik    an    der    Universität  Bonn, 

feCnimper,  Anleitung  zur  iniltrosliopischen  Tlntcrsnchiing  der 

NahriingS-    und    Genussmittel.      Mit   79   Holzschnitten.      I886.     Preis:  3  M. 

TrÜdino'er   otto  Di<^  Arhelterwohnungsfrage 

®        '  Lösung  derselben.     Gekrönte  Preisschritt.      18 
ViprOrrlt       ^^     ™^^-    Hermann,    Professor    an   der  Universität  Tübingen,    AnatO- 

^  mische,    physiologische    und    physikalische    Daten 

und    Tahellen   zum  Gebrauche  für  Mediciner      2.  wesentlich  vermehrte  und  gänz- 
lich    umgearbeitete  Auflage.     1893.     Preis:  brosch.   11   Mark,  eleg.  gebunden   12  Mark. 
Inhalt.      I.    Anatomischer  Teil:  Körperlänge;    Dimensionen  des  Körpers;  Körper- 
gewicht;   Wachstum;    Gewicht    von    Körperorgai.en ;    Dimensionen    und    Volume. i    von 
Herz    Lunge,  Leber;    Körpervolumen   und  Körperoberfläche;    Specifisches  Gewicht  des 
Körpers  und  seiner  Bestandteile;  Schädel  und  Gehirn;  Wirbelsäule  samt  Rückenmark; 
Muskeln-  Skelett;  Bru.<<tkorb ;  Becken;  Kindsschädel;  Verdauungsapparat;  Respirations- 
organe;  Harn-  und  Geschlechtsorgane;  Haut,  Haargebilde ;  Ohr;  Auge;  Nase;  Nerven: 
Gcfä.sssystem  (ohne  Herz);  Lymphgefässe  und -Drüsen ;  Vergleich  zwischen  rechter  nnd 
linker  Körperhälfte;   Embryo  und  Fötus;  Vergleich  zwischen  beiden  Geschlechtern.  — 
II    Physiologischer  und  physiologisch-chemischer  Teil:  Blut  und  Blutbeweguner;  Atmung; 
Verdauung;    Leberfunktion    fohne    Gallenbildung);    Perspiration    und    Schweissbildung; 
Lymphe  undChylus;  Harnbereitung;   Wärmebildung;  Gesamtstoffwechsel;  Stoflfwechsel 
beim  Kind;  Muskelphysjologie;   Allgemeine  Nerphenphysiologie ;  Tastsinn;  Gehorssinn; 
Gesichtssinn;  Geschmackssinn;  Geruchssinn;   Physiologie  der  Zeugung;    Festigkeit  des 
Schlafs;    Sterblichkeitstafel.    —    III.   Physikalischer  Teil :    Thermometer.skalen ;    Atmo- 
sphärische Luft;  Specifisches  Gewicht;  Dichte  und  Volum  des  Wassers;  Schmelzpunkte; 
Siedepunkte:    Wärme;    Schallgeschwindigkeit;    Spektrum;    Elektrische  Masse  und  Ein- 
heiten;  Elektrischer  Widerstand.  —  Anhang:  Praktisch-medicinische  Analckten.     Klima- 
tische Kurorte;  Temperatur  der  Speisen  und  Getränke;    Daner  der   Bettruhe;    Inkuba- 
tionszeit der  Infektionskrankheiten;    Maximaldosen;    Medicinalgewicht;    Medicinalmass; 
Dosenbestimmung    nach    den  Lebensaltern  ;    Letale  Dosen  differenter  Stoffe;    Trauben- 
zucker im  diabetischen  Harn;   E.^sudate  nnd  Transsudate;    Elektrischer  Leitungswider- 
stand    des  Körpers    und    seiner   Teile;    Erregbarkeitsskala    der    Nerven    und  Muskeln; 
Festigkeit  der  Knochen;  Massstäbe  für  Sonden,  Bougies,  Katheter. 
TT    •  Hugo    de,     ord.     Professor      der    Botanik     an     der    Universität    Amsterdam, 

VneS,    Die  pflanzen  und  Thiere  in   den  dunkeln  Räumen  der 

Botterdamer    Wasserleitung.     Bericht  über  die  biologischen  Untersuchungen 
der  Crenothrix-C.mmissi'.n  zu  RotterdHm  vom  Jahre  1887.     1890-     Preis :    1  Mark  80  T 
WpvI      D*"    "^^      Studien    zur   StraSSenhygiene  mit  besonderer  BerOcksi 
^J     ?    tigung  der  Müllverbrennung.     Reisebericht  dem  .Magistrat  der  Stadt  Berlin 
sUttet,    mit  dessen  Genehmigung  erweitert  und  veröffentlicht.     Mit  5  Abbuchungen  im 
Text  und  11  Tafeln.     1893.     Preis:  4  M.  50  Pf. 


KrommauDscbe  «nchdruckerei  (Hermann  1-ohlej  in  Jena. 


I 


Die  Gebrauchsgegenstände 

im  Anschluss  an  die 

Gesetzuebunu'  dus   Deutschen   Reichs   und  an 

die  der  übriüen  Kulturstaaten. 


Von 

Dr.  Theodor  Weyl. 

Mit   1   Abbildung. 


-^;3F>!^- 


JENÄ, 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER. 

1894- 


)iese  Abliandluntc  Ijildet  zut^leicli  <lie  11.  Lieferung  des 

llaiHllMichs  der  H.vü:ieiie 

herausgejjebcn  von  Dr.  THt-nt^DK  W'Kvr.  in  Bj-rbn. 


DRITTER  BAND.     ERSTK  ARTHILTNÜ 
DRITTK  MKFl.KnNG. 


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Preis  nir  «leii   Kinzel verkauf : '3  M.  —  Pf. 


Vorhicj  von  Gustav  Fischer  in  Jena. 


HANDBUCH  DER  HY&IENE 

in    8 — 10   Bänden. 
Ilorausgcgoben  von  Dr.  med.  TIuhmIof  IVcyl  in  Berlin. 

Das  .Jlandbuch  der  n.vtfloiie"  stellt  sich  niclit  in  (hni  Dienst,  einer  l»c 
slinnnten  Scliule,  sondern  will  sich  einen  niöj^lichst  nnpartciischen  Standpnnkl 
bewahren;  es  sind  deshall»  die  ^'er1reter  der  verschieih'nsten  Schnlen  znr  Mit- 
aiheit  an  denisellien  aut'i:ef(ir(h'rt  worden.  Für  die  Kapitel  praktischen  Inhalts 
wurden  vorzugsweise  solche  ^litarheiter  herangezoj^en,  welche  durch  ihre  bcrufs- 
niüLMtre  Beschäfti.uung  besonders  geeignet  waren,  das  übernonnnenc  Thema  zu 
bearbeiten.  Es  ist  deswegen  ein  großer  Teil  der  Herren  Mitarbeiter  aus  den 
IJeihen  der  Architekten  und  Ingenieure  gewählt,  worden.  Wo  indessen  bei  einzelnen 
Kapiteln  neben  der  r>earbeitnng  durch  die  Techniker  die  Mitarbeit  des  hygienisch 
ausgebihleten  Mediziners  ertonh-riich  war,  hat  der  Herr  Herausgeber  eine  Vei- 
teilung  des  StotVes  vorgenominen,  und  es  wird  ihm  hotlentlich  geglückt  sein,  die 
Zuständigkeit  des  I^Iediziners  einerseits  und  die  (h>s  Technikers  andererseits  in 
zntreHender  Weise  zu  begrenzen. 

Die  Gewerbehygiene  soll  entspreclMMid  iiirer  Wichtigkeit  eine  besonders  ein 
gehende  Bearbeitung  finden;  Abschnitte  wie  Strassenh/qiene,  allgemeine  Bauhygin 
und   Wohntaigshi/gioie   werden  eine   so   ausführliclH^  Darstellung   finden,    wie  sn- 
bisher  in  deutscher  Sprache  wohl  noch  nicht  versucht  wurde. 

Der  lialdcriologie  als  solcher  wnide  eine  besondere  Abteilung  nicht  gewidmet. 
Sie  erxheint  aber  als  eine  der  zaidreichen  Methoden,  deren  die  Hygiene  bedarf, 
in  allen  denjenigen  Kapiteln,  in  denen  sie,  wie  in  der  Lehre  vom  Boden,  vom 
Trinkwasser,  in  der  Theorie  der  Infektionskrankheiten,  zur  Lösung  der  hygieni- 
schen Fragen  ihre  Hilfe  leiht  und  hantig  den  Ansschlag  giebt. 

Das  ,,Hiiiidl)iieli  der  Hy};u'iie'*  soll  in  etwa,  lOliänden  im  Gesamt 
I'ni  fange    von    2(i(i    liis    höchstens    2H)    Druckbogen    erscheinen. 

Die  Bände  werden  in  iler  nachstehenden  Kinleilung  herausgegeben  werden: 

BAND  I,  Abteilung  1: 

*Orgaijisatinii    der  öffeiitliciieii    Gesuiidlieilspilege    in    den    Kuiturstaateu    (Prof. 

F  i  u  k  e  1  n  b  u  r  g  iu  Bonn). 
*Boden  (Prof.  von  Fodor  in  Budapest). 
*Klima  (Prof.  Aßmanii  in  Berlin). 

*Kbniato]ogie  und  Tropcnhy^ionc  (Dr.  Sclicllung  in  Königsberg  i.  P.) 
^Kleidung  (Prof.  Kratschnier  in  Wien). 
Abteilung  2 : 

Trinkw'a.sscr  und  Trinkwasserversorgung: 
*a)  Wasservcr.sorgung,  technische  Kapitel  (Uberingenieur  Gesten   in  Berlin" 

b)  Bakteriologie  des  Trinkwassers  (Prof.  Löffler  in   Greifswald). 
*c)  Clioniisclie  Untersucliung  des  Trinkwassers  (Direktor  Dr.  Sondtner  in 
München), 
d)  Beurteilung  des  Trinkwassers  (die  unter  b  und  c  genannten  Herren), 


n^ 


BAND  II:  Städtereinigung. 
Abteilung  1: 

*Einleitung:    Die    Notwendigkeit  der  Städtereinigung  und  ihre  Erfolge  (Prof 

Blasius  in  Braunschweig). 
*AV)fuhrsystenie  (Prof.  B  1  as  i  u  s). 

*Schweminkanalisation  (Prof.  B  ü  s  i  n  g  in  Berlin-Friedenau). 
*Rieselfelder : 

a)  Anlage,  Bewirtschaftting  und  wirtschaftliche  Ergebnisse  (Landwirt  Georg 
H.  Gfrson   in    B  ibn'. 

Fortsclziing  auf  der  j.  Seite  des   Umschlags. 


I 

.'rot. 

I 


DIE  GEBRAUCHSGEGENSTÄNDE 

IM  ANSCIILUSS  AN  DIE 

GKSKTZGKIUNG    DES  DEUTSCHEN  KEICHS  UND  AN   DIE 
DEll  ÜinaGEN  KILTIRSTAATEN. 

BEARBEITET 


VON 


I)R   THEODOR  WEYL. 


MIT  1  ABBILDUNG  IM  TEXT. 


HANDBUCH    DER    HYGIENE. 

HERAUSGEGEBEN   VON 
DR.  THEODOR  WEYL. 

DRITTER  BAND.    ER.STE  ABTEILUNG. 
u  Iim; 


JENA, 
VERLA(t  von  (tUSIAV  FISCHER. 

1094. 


I 

II 


Inhaltsübersicht. 


Seile 

Einleitung 339 

Abschnitt  I.     Das  Reichsgesetz  betreffend  den  Verkehr 
mit  blei-  und  zinkhaltigen  Gegenständen. 

Vom  25.  Juni   1887 340 

Kap.  I.     Die  blei-  und  zinkhaltigen  Gegenstände 340 

A.  Die  Kochgeschirre 340 

a)  Die  metallenen  emaillierten  Kochgeschirre 340 

b)  Die  irdenen  glasierten  Kochgeschirre 342 

B.  Die  verzinnten  Gefäße 345 

1.  Die  Konservebüchsen 345 

ß)  Die  Verzinnung  der  Konservebüchsen 345 

ß)  Die  Lötung  der  Konservebüchsen 345 

2.  Die  verzinnten  kupfernen  Gefäße 348 

Anhang.     Der  Uebergang  von  Zinn  aus  verzinnten  Gefäßen 

in  die  Speisen 349 

C.  Die  Zinngeräte 351 

1.  Zinnteller  und  Zinnkrüge S.jl 

2.  Zinnfolien 351 

3.  Bierdruckapparate 353 

4.  Faßhähne 354 

5.  Bierdeckel,  Siphons,  Kindersaugtiaschen 355 

D.  Geräte  aus  reinem  oder  fast  reinem  Blei 35G 

1.  Mühlsteine 35t5 

2.  Flaschenschrot 35G 

E.  Blei-  und  zinkhaltiger  Kautschuk 357 

Kap.    II.     Gesetzliche    Bestimmungen    über    den    Verkehr    mit 

blei-  und  zinkhaltigen  Gegenständen          358 

a)  Deutschland ...  358 

b)  Belgien ...  360 

c)  Frankreich       361 

d)  Oesterreich 361 

e)  Vereinigte  Staaten 361 


338  iQbalt. 

Soita 

Kap.  in.     Die  Ersatzmittel  für  blei-  und  zinkhaltige  Gegenstände  361 

1.  Die  kupfernen  Gefäße 362 

2.  Die  Nickel-Gefalie 362 

3.  Die  Aluminium-Gefaße 364 

Ä.bschnitt  II.  Das  Re  i  chsgesetz  vom  5.  Juli  1S87  be- 
treffend die  Verwendung  gesundheits- 
schädlicher Farben  bei  der  Herstellung 
von  Nahrungsmitteln  und  Gebrauchs- 
gegenständen       3G7 

Einleitung 367 

Kap.  I.     Die  Farbstoffe 368 

Einteilung 368 

Anorganische  Fai'bstoffe 369 

Die  vermeintliche  Kupfervergiftung  und  die    Reverdissage    .  373 

Anorganische  Fai'bstoffe  (Fortsetzung) 377 

Organische  Farbstoffe 377 

Die  Giftigkeit  der  organischen  Farbstoffe 378 

Erläuterungen  zu  §  1 384 

Vorschläge  zur  Regelung  der  Farbstofffrage 385 

Erläuterungen  zu  §  2 385 

„    §  3 386 

,.    §  4 388 

.    §  5 390 

,.    §  6 392 

..    §  7 392 

Die  Vergiftungen  durch  gefärbte  Gewebe 394 

Erläuterungen  zu  §  8 399 

.    §  9 399 

„    §  10 400 

,.    §  11 400 

,    §  12—15 401 

Kap.  n.     UeberbUck    über  die  Gesetzgebung  der   Kulturstaaten 

betreffend  giftige  Farben 401 

Abschnitt  III.  Die  Kaiserliche  Verordnung  vom 
24.  Februar  1882  über  das  gewerbs- 
mäßige    Verkaufen      und     Feilhalten 

vonPetroleum 403 

Kegister 406 


Kinleituii^. 

Dem  Spracligehraucli  nach  bezeichnet  mau  als  Gebrauclisge<;en- 
stände  iliejeni;,'en  (Gerätschaften,  welche  zur  Zubereitung  und  Aufl)e- 
wahrung  von  Nahrungsmitteln  gehören,  ferner  die  zum  Färben  der 
Kleider,  der  Vorhänge,  der  Möbelüberzüge,  der  Spielwaren,  der  Nah- 
rungsmittel benutzten  Farben,  die  Cosmetica  und  Pomaden,  schließ- 
lich auch  das  Petroleum. 

Die  Ueberwachung  der  Herstellung  und  des  Handels  mit  diesen 
Gebrauchsgegenständen  ist  geboten,  weil  letztere  bei  mangelhafter 
Herstellung  wohl  geeignet  erscheinen,  die  menschliche  Gesundheit  zu 
gefährden. 

Die  Gesetzgebung,  welche  die  Gebrauchsgegenstände  betrifft,  ist 
nirgends  ausgebildeter  als  im  Deutschen  Reiche. 

Es  scheint  daher  gerechtfertigt,  diese  Gesetzgebung  zum  Ausgangs- 
punkt einer  Besprechung  der  Lehre  von  den  Gebrauchsgegenständen 
zu  nehmen. 

Im  folgenden  ist  dies  nur  in  Rücksicht  auf  die  hygienischen 
Gesichtspunkte  geschehen,  welche  hierbei  in  Betracht  kommen,  während 
die  strafrechtliche  Würdigung  dieser  Materie  den  juristischen  Kom- 
mentaren *   überlassen  werden  muß. 

Die  Gesetzgebung  in  Deutschland  hat  die  Gesundheits- 
schädigungen durch  Gebrauchsgegenstände  in  dreifacher  Weise  zu 
treffen  gesucht;  zunächst  durch  das  Gesetz  vom  2;").  Juni  18H7  be- 
treffend den  Verkehr  mit  blei-  und  zinkhaltigen  Gegen- 
ständen, ferner  durch  das  Gesetz  vom  5.  Juli  betreffend  die 
Verwendung  gesundheitsschädlicher  Farben  bei  der 
Herstellung  von  Nahrungsmitteln,  G  e  n  u  ß  m  i  1 1  e  1  n  u  n  d 
Gebrauchsgegenständen,  endlich  durch  die  Verordnung  vom 
24.  Februar  1>!H2  ü  b er  das  zweckmäßige  Verkaufen  und  Feil- 
hai t  e  n  des  Petroleums. 

Die  übrigen  Kulturstaaten  sind  der  deutschen  Gesetzgebung 
meist  in  gleichem  Sinne  gefolgt  oder  waren  ihr  bereits,  wie  z.  B. 
Frankreich,  vorangegangen. 

1)  Fr.  Meyer  u  C.  Finkelnbnrg,  Da»  Gttetz  betrrfend  den  Verkehr  mit  NahningtmUleln  etc. , 
hcnrie  die  auf  Gnind  Jrsfelben  erlassenen  Verordnungen,  3.  Auflage,  Berlin,  Springer.  Sehr 
empfehlenswert!  R.  Hau,  Die  lieichxjesetze  vom  25.  Juni,  .5.  und  12.  Juli  1887  mit 
den  Motiven,  den  AuKjiihrtingsheslimmunyen  und  einem  sehr  eingehenden  Jnhaltsverzeirhiiis, 
Sördlingen,  C.  H.  Heck.  Sehr  empfehlfiitinrt  .'  Joief  Bauer,  Die  litichsgeietze  bctreß'end 
den  Verkehr  mit  Salirungtmitteln,  U enu/smitteln  und  Oebrauchtgeg-nsUinden,  Leipzig,  1890, 
V erlag smagazin,  184  S.  Enthält  innig  Originelle».  Henzen,  lieichtgesetz  betreffend  den 
Verkehr  mit  Nahrungsmitteln,  Oenu/tmitteln  und  UebrauchsgegentUinden,  Paderborn  1892. 
Lohmann,  Lebemmiitelpolizei,  I^ripzig  lS9i,Oi(ntJirr.  Gerichtliche  Knttcheidungen 
betreffend  die  Gesetze  über  Verkehr  mit  Sahrungtmitleln,  Genu ff  mittein  und  Gebrauchsgegen- 
ständen, herausgegeben   vom  Kais.  Gesundfieittamt,   Jlcrlin,  Julius  Springer 

Handbuch  der  Hygiene.   Bd.  lU.  Abtl«.  1.  22 


ABSCHNITT  I. 

Das  Reiclisgesetz  beti*effeiicl  den  Vorkehr  mit  blei-  und 
zinkhaltigen  Gegenständen  \    Tom  15.  Juni  1887. 

Kapitel  1. 

Die  blei-  und  zinkhaltigen  Gegenstände. 

Die  blei-  und  zinkhaltigen  Gegenstände,  welche  in  diesem  Kapitel 
besprochen  werden  sollen,  sind  die  folgenden:  Kochgeschirre,  Konserve- 
büchsen. Zinnfolien,  Bierdruckapparate,  Flaschenverschlüsse,  Mühlsteine 
und  Kautschukartikel. 

A.    Die  Kochgescliirre  ^  *. 

Die  Kochgeschirre  zerfallen  in  metallene  und  in  irdene. 

a)  Die  metallenen  Kochgeschirre. 

Die  metallenen  Kochgeschirre  kommen  hier  nur  so  weit  in  Be- 
tracht, als  bei  ihrer  Herstellung  das  Blei  eine  Rolle  spielt. 

Die  ohne  Hilfe  von  Blei  hergestellten  metallenen  Kochge- 
schirre wurden  in  ein  besonderes  Kapitel:  Die  Ersatzmittel  für  blei- 
und  zinkhaltige  Gegenstände  (S.  361)  verwiesen.  Geschirre  aus  fast 
reinem  Blei,  welche  früher  nicht  selten  gewesen  sind  (siehe 
WolffhügeP),  kommen  jetzt  wohl  kaum  mehr  in  den  Handel*). 

Am  häufigsten  werden  eiserne,  innen  emaillierte  Kochgefäße  be- 
nutzt. Das  Emaillieren  findet  statt,  um  einerseits  das  Auflösen 
und  Verletzen  der  Substanz  des  Kochgeschirrs  durch  die  Speisen  und 
um  andererseits  den  Uebertritt  von  Eisen  oder  diesem  beigemengten 
Metallen,  z.  B.  von  Arsen,  in  die  Speisen  zu  verhindern. 

Emaillen**)  sind  Glasfüße  ^^  mit  denen  man  Metallgefäße  überzieht, 
während    die  entsprechenden  Ueberzüge    der  Thongefäße    als  Glasuren 


( 


*)  Hierher  gehörten  eigentlich  auch  die  bleiernen  Wasserleitangsröhren. 
Dieselben    werden     aber    besser    bei     der    Lehre    vom    Trinkwasser    (Bd.    I,     Abteilung    2 
dieses  Handbuches)  besprochen. 
**)  von  Smaltum,  Schmelz. 


Die  Gebrauchsgegenstände.  341 

bezeichnet  werden*).  Als  geeignetes  Material  für  die  Glasuren  haben 
sich  seit  alters  namentlich  Bleisilikate  erwiesen,  welche  man  auf  das  zu 
emaillierende,  vorher  von  jeder  Unsauberkeit  aufs  sorgsamste  befreite 
Gefäß  mit  Hilfe  eines  Pinsels  aufträgt  und  dann  im  Feuer  mit  der  Unter- 
lage fest  verbindet.  In  fast  allen  Fällen  bringt  man  zuerst  eine  Grund- 
masse  auf  die  Innenfläche  des  Gefäßes.  Diese  Masse  muß  ungefähr  den- 
selben Ausdehnungskoeffizienten  wie  die  metallische  Unterlage  haben,  weil 
sie  anderenfalls  beim  Erkalten  abblättern  würde.  Hierüber  kommt  die 
Deckmasse,  welche  nach  dem  Erkalten  des  Gefäßes  in  einem  zweiten 
Prozesse  eingebrannt  wird.  Ein  langsames  Abkühlen  befördert  die  Halt- 
barkeit der  Emaille  ungemein. 

Die  Horstelluii!^^  einer  ju^ut  liafteiulen,  durch  chemische  Stoffe  nicht 
angreifbaren  Emaille   bedarf  großer   Erfahrung  und   Geschicklichkeit, 

Während  man  sich  nun  aber  früher  mit  der  Gewinnung  einer 
Emaille  begnügte,  die  den  ästhetischen  und  technischen  An- 
sprüchen genügte,  hat  in  den  letzten  Jahrzehnten  auch  die  Hygiene 
gewisse  Forderungen  an  die  Emaillen  zu  stellen  begonnen. 

Die  Emaille  darf  an  die  Speisen  kein  Blei  abgeben, 
darf  nicht  abblättern  oder  rissig  werden.  Diese  P)eding- 
ungen  werden  erfüllt,  wenn  die  Emaille  die  richtige  Zusammensetzung 
besitzt  und  bei  genügend  hoher  Temperatur  eingebrannt  ist. 

Daß  diesen  Bedingungen  nicht  immer  genügt  wird,  liegt  haupt- 
sächlich darin,  daß  die  Unterhaltung  der  hohen  Temperaturen  kost- 
spielig ist.  Auch  kommt  in  Betracht,  daß  die  Glasur  mit  steigendem 
Gehalte  an  Bleioxyd  glänzender  und  elastischer  wird.  Ein  hoher 
Grad  von  Elasticität  l)efördert  aber  die  Haltbarkeit  der  Glasur. 

Ob  eine  Glasur  im  Sinne  des  t>  1  des  Deutschen 
Reichsgesetzes  bleifrei  ist,  erfährt  man  in  derselben  Weise, 
wie  dies  Seite  344  bei  Untersuchung  der  Glasuren  für  irdene  Gefäße 
geschildert  wurde. 

Die  Weißfärbung  der  Emaille  in  Kochgeschirren  wird  durch 
Zinnoxyd,  eine  Blaufärbung  durch  Kobaldoxyd  hervorgerufen. 

Die  zum  Färben  der  Emaille  angewandten  Oxyde,  z.  B.  Zinnoxyd,  dürfen 
nicht  in  direkte  Berührung  mit  dem  Eisen  (Blech)  kommen,  weil  sie  durch  diese 
reduziert  werden  würden.  Man  setzt  sie  deshalb  der  Deckmasse,  nicht 
der  Grundmasse  zu. 

Zinkoxj-d  liefert  gleichfalls  eine  schön  glänzende  Glasur,  löst  sich 
aber  in  schwachen  Säuren  leichter  als  Bleioxyd  und  wird  deshalb  wenig 
angewandt. 

Das  Emaillieren  findet  in  besonderen  Oefen  statt.  Die 
Temperatur  ist  die  des  schmelzenden  Messings,  also  700 — 1000**. 
Diese  Temperatur  wirkt  bei  kleineren  Gefäßen  (Kochtöpfen,  Kasserollen) 
nur  10 — 20  Minuten  ein,  nachdem  die  feucht  aufgetragene  Emaille  zuerst 
bei  40 — 50,  dann  bei  einer  allmählich  bis  auf  200 — 300"  gesteigerten 
Temperatur  vorgetrocknet  ist. 

Mit  den  Fortschritten  der  Technik  sind  die  bleihaltigen  Emaillen 
entbehrlich  geworden  und  durch  die  bleifreien  (rlasuren  im  Be- 
griffe verdrängt  zu  werden. 


*)  Die  Emaillen  der  ScIimuckt^SKenstände  und  anderer  kostbarer  Oefäfse  (z.  B.  C  1  o  i- 
•  onn^,  Limoges)  enthalten  fast  stets  Zusätze,  aoi  die  Emailleu  zu  färben.  Die 
meisten  derselben  sind  mehr  oder  minder  giftig. 

OO* 
3 


M2  TU.   WEYL, 

(icscliirro  mit  l)lcifreicn  (ilnsiiren  bezeichnet  man  als  Gesund- 
heit s  -  oder  S  a  n  i  t  ä  t  s  g  e  s  c  h  i  r  r  e. 

Im  folgenden  sind  einijie  Recepte^  blei freier  Emails  mit- 
geteilt. 

Ixecept  I.  a)  Grundmasse:  Eine  Schmelze  aus  75  Teilen  feinem 
Sand,  45  Teilen  Borax  und  1  Teil  Magnesia  wird  pulverisiert  und  mit 
20  Teilen  Sand  und  10  Teilen  Thou  und  U^  Teil  Magnesia  gemischt, 
b)  Die  zu  dieser  Grundmasse  gehörige  Deckmasse  besteht  aus  30 
Teilen  Feldspat,  G  Teilen  Salpeter,  2  Teilen  Magnesia,  22  Teilen  Borax 
und  18  Teilen  Zinnoxyd.  Die  geschmolzene  und  gemahlene  Mischung 
wird  mit  7  Teilen  Thon  und  ^/j  Teil  Magnesia  vermengt  und  mit  Wasser 
gekocht. 

JRecept  II  ist  für  das  in  Deutschland  sehr  verbreitete  Kochgeschirr 
des  Eisenwerkes  in  Thale  (Harz)  bestimmt.  Das  Email  besteht  aus  12 
Teilen  ungebranntem  Gips  und  1  Teil  Borax. 

Analyse  von  Glasuren  und  Emaillen.  1 — 2  g  der  fein  zer- 
kleinerten Emaille  werden  mit  der  4 — 5-facheu  Menge  Kalium-Natrium- 
karbonat geschmolzen.  Die  erkaltete  und  zerkleinerte,  mit  Wasser  unter 
Zusatz  von  etwas  Salpeter  eingerührte  Masse  wird  mit  Salpetersäure 
übersättigt,  eingedampft,  wieder  mit  Wasser  aufgenommen  und  der 
Prozeß  des  Eindampfens  bis  zur  Trocknung  unter  Zusatz  von  Salpeter- 
säure nochmals  wiederholt.  Jetzt  wird  mit  heißem  Wasser  aufgenommen 
und  von  dem  unlöslichen  Rückstande  abfiltriert. 

Im  Rückstande  verbleiben  Zinnoxyd  und  Kieselsäure.  Ersteres  wird 
mit  Schwefelammonium  extrahiert,  letztere  verbleibt  als  in  Schwefel- 
ammon  unlöslich  zurück.  Die  oben  erhaltene  wässerige  Lösung  kann 
enthalten:  Blei,  Eisenoxyd,  Thonerde,  Magnesia,  Kalk.  Baryt.  Diese  Stoffe 
werden  in  üblicher  Weise  getrennt  und  identifiziert. 

Ueber  „Bleifreiheit"  der  Emaillen  im  Sinne  des  §1  des  Reichs- 
gesetzes s.  S.  344. 

h)  Die  irdenen  glasierten  Gefäfse. 

Die  wegen  ihres  niedrigen  Preises  noch  immer  in  großem  Um- 
fange zur  Bereitung  und  Aufljewahrung  der  Speisen  benutzten  „Töpfer- 
waren" oder  irdenen  Gefäße  bestehen  ihrer  Masse  nacli  aus  reinem 
oder  mit  Sand  vermischtem  Thon.  Letzterer  wird  auf  der  Drehscheibe 
geformt,  dann  an  der  Luft  getrocknet.  Um  nun  zu  verhindern,  daß 
in  diese  porösen  Gefäße  Flüssigkeiten  eindringen,  müssen  die  Töpfer- 
waren, um  gebrauchsfähig  zu  werden,  mit  einer  undurchlässigen  Glasur 
versehen  werden. 

Letztere  besteht  aus  einem  Alum  inium -Bl  ei  silikat  (Blei- 
glasurj.  wie  man  es  durch  Mischen  von  Bleiglanz  (Bleisulfid,  Schwefel- 
bleij  mit  Lehm  (Thon  oder  Sandj  und  Brennen  der  Mischung  gewinnt. 

Beim  Erliitzen  oxydiert  sich  der  Schwefel  des  Bleiglanzes  und 
entweicht  als  schwefelige  Säure  (Rö.sten  des  Bleiglanzes)*. 

Die  lufttrockenen  Gefäße  werden  nun  glasiert.  Dies  geschieht 
entweder  durch  Eintauchen  oder  durch  Begießen  oder  durch  Bestäuben. 

Durch  Eintauchen  in  die  mit  Wasser  angerührte  Glasur  lassen 
sich  nur  vorher  gebrannte  (verglühte)  Gefäße  glasieren.  Ueberdies  ist 
der  Arbeiter  bei  diesem  Verfahren  einer  Bleivergiftung,  der  sogenannten 


Die  Gebrauchsgegenstände.  343 

Töpferkrankheit*\  in  hohem  Maße  ausgesetzt,  weil  seine  Hände 
mit  der  V)leihaltigen  Glasur  in  fortwährende  Berührung  kommen. 

Dagegen  wendet  man  häufiger  das  Glasieren  durch  Begießung 
an.  Diese  Methode  ist  schon  deshalb  allen  übrigen  vorzuziehen,  weil  sie 
den  Arbeiter  am  sichersten  vor  Bleivergiftung  bewahrt. 

Beim  Glasieren  durch  Bestäuben  wird  die  Glasur  auf  das  mit 
einem  feuchten  Lehmüberzuge  versehene  Gefäß  aufgesiebt.  Natürlich  ist 
auch  dies  Verfahren  im  höchsten  Maße  gesundheitsschädlich.  Es  findet 
trotzdem  im  großen  Umfange  bei  der  Glasierung  der  billigen  Ware  An- 
wendung. 

Auf  das  Glasieren  folgt  das  „Brennen"  der  Töpferwaren,  ein 
Prozeß,  der  IG  bis  18  Stunden  erfordert.  Um  die  Herstellungskosten 
der  Ware  nicht  zu  sehr  zu  erhöhen,  wendet  man  eine  möglichst  niedrige 
Temperatur  an  und  spart  an  Brennmaterial  so  viel,  als  man  kann. 

Hat  die  Glasur  die  richtige  Zusammensetzung  und  ist  das  Ein- 
brennen der  Glasur  gut  gelungen,  so  besteht  keine  Gefahr,  daß  die 
Glasur  beim  Zubereiten  der  Speisen  oder  bei  ihrer  AuftDewahrung  an 
die  im  Gefäße  befindlichen  Speisen  Blei  abgiebt,  weil  das  beim  Brennen 
entstandene  und  mit  dem  Tlion  aufs  innigste  vereinigte  Blei-Aluminium- 
Silikat  in  verdünnten  Säuren  und  Alkalien  absolut  unlöslich  ist. 

"War  dagegen  das  Mischungsverhältnis  zwischen  Blei  und  Sand 
ein  unrichtiges,  so  kann  trotz  richtigen  Brennens  Blei  abgegeben 
werden,  weil  die  Base  (das  Bleioxvd)  nicht  genügend  Säure  (Silikat) 
zur  Vereinigung  tindet. 

Die  Technik  hat  längst  auch  blei freie  Glasuren  herzustellen 
gelernt.  Dieselben  i)estehen  z.  B.  aus  Aluminiumsilikat  oder  Alumi- 
niumborat in  Verbindung  mit  mehr  oder  weniger  Kalk  und  Alkalien. 
Zu  den  bleifreien  Glasuren  gehört  auch  die  Glasur  des  Porzellans. 
Aber  diese  bleifreien  Glasuren  sind  zumeist  sehr  schwerflüssig,  d.  h. 
sie  haben  einen  hohen  Schmelzpunkt.  Letztere  zu  erzeugen .  ist 
einerseits  sehr  kostspielig,  verteuert  also  die  Waren,  andererseits  ver- 
trägt nicht  jedes  Töpfermaterial  eine  so  hohe  Temjjeratur,  wie  sie  zum 
Einbrennen  der  bleifreien  Glasur  erforderlich  ist.  Weiterhin  muß  eine 
Glasur,  um  nicht  abzublättern,  ungefähr  denselben  Ausdehnungskoeffi- 
zienten haben,  wie  ihre  Unterlage.  Diesem  Postulat  entsi»rechen  aber 
die  billi^'en  Thone  und  die  bleihaltigen  (Glasuren  meist  besser  als  die- 
selben Thone  bei  Anwendung  der  bleifreien  Glasur,  Also  nicht 
die  Unmöglichkeit,  blei  freie  Glasuren  herzustellen, 
sondern  der  Wunsch,  eine  möglichst  billige  und  halt- 
bare Ware  in  den  Handel  zu  bringen,  ist  die  \'eranlas- 
sung  dafür,  daß  die  bleihaltigen  Glasuren  noch  immer 
ausgedehnte  Anwendung  in  der  Keramik  finden.  Der 
Grund  dafür,  daß  früher,  d.  h.  vor  Erlaß  der  betreffenden  (iesetze, 
sehr  häufig  stark  bleihaltige  Glasuren  zur  Anwendung  kamen,  liegt 
darin,  daß  eine  Glasur  bis  zu  einem  gewissen  (irade  um  so  leicht- 
flüssiger wird,  je  mehr  Blei  die  (Jlasur  enthält.  Es  wurde  also  bei 
Anwendung  einer  stark  bleihaltigen  (ilasur  Feuerungsmaterial,  d.  h. 
Geld  gespart. 

Hiernach    gestalten   sich  die  Verhältnisse  bei  Herstellung  billiger 


•)  S.   über   diese  in  Bd.   VlII  des  H«n(rt)uches,   wo  die  Gewer>)ehjgiene  abgehandelt  wird. 

s 


344  TH.    WEYL. 

glasierter,  irdener  (lefäße  izanz  ähnlich,  wie  dies  oben  für  die  billicjen 
eisernen  nnd  e  ni  a  i  1 1  i  e  r  t  e  n  Kochgeschirre  ausgeführt  wurde  (S.  .'541). 

Angaben  darüber,  ob  das  R.(l.  vom  25.  Juni  ISST  einen  wesent- 
lichen EinHuLs  auf  die  Herstellung  bleifreier  Glasuren  und  Emaillen 
ausgeübt   hat,   scheinen   nur   in    geringer   Zahl   verörtentlicht    zu   sein. 

Sendter-**  berichtet,  daß  in  der  ihm  unterstellten,  amtlichen 
Untersucluingsstation  zu  München  seit  1884  2009  Töpfergeschirre 
untersucht  wurden. 

Von  diesen  mußten  1307,  also  65  Proz.  wegen  schlechter  Glasur 
auf  Grund  des  K.(i.  vom  2.").  Juni  1S87  beanstandet  werden.  Nament- 
lich die  ..böhmischen",  durch  den  Hausierhandel  vertriebenen  Gefäße 
waren  fehlerhaft. 

In  2()^t  quantitativ  untersuchten  Fällen  fanden  sich  im  Mittel 
jeder,  nach  den  Angaben  des  R.G.  geprüften  Glasur  (siehe  Seite  344 
unten)  102  mg  Blei. 

In  dem  von  Th.  Weyl*^  beschriebenen  Falle  gab  ein  eiserner, 
innen  emaillierter  Topf  V)eim  Zubereiten  von  Maccaroni  an  dieselben 
Blei  ab  und  rief  die  Symptome  einer  akuten  Bleivergiftung  bei  den- 
jenigen Personen   hervor,   welche   von    dem  Gericht   gegessen   hatten. 

Ob  eine  Glasur  Blei  a  b  g  i  e  b  t ,  erfährt  man  nach  der  in 
§  1  des  Reichsgesetzes  betreffend  den  Verkehr  mit  blei-  und  zink- 
haltigen Gegenständen  vorgeschlagenen  Methode,  welche  im  folgenden 
eine  beweisendere  Form  erhalten  hat. 

Man  füllt  das  zu  prüfende  Gefäß  mit  einer  4-proz.  Essigsäure  bis 
fast  zum  Rande  und  erhält  die  saure  Lösung  in  dem  Gefäße  unter  Er- 
satz des  verdampfenden  Wassers  eine  halbe  Stunde  im  Kochen.  Dann 
dampft  man  die  Lösung  bis  auf  die  Hälfte  ein  und  leitet  in  die  noch 
warme  Flüssigkeit  Schwefelwasserstoff  bis  zur  Sättigung.  Ein  brauner 
Niederschlag,  der  auf  Schwefelblei  deutet,  wird  ausgewaschen  und  in 
Salpetersäure  gelöst.  Dann  wird  zur  Trockne  abgedampft,  wieder  in 
Wasser  gelöst  aud  mit  verdünnter  Schwefelsäure  versetzt.  Ein  weißer 
Niederschlag  (Bleisulfat)  deutet  auf  die  Anwesenheit  von  Blei. 

Aber  auch  schon  äußerlich,  d.  h.  ohne  chemische  Untersuchung 
ist  man  bisweilen  imstande,  eine  Glasur  als  eine  solche  zu  erkennen, 
welche  an  die  Speisen  Blei  abgiebt. 

Gefäße,  die  mit  einer  derartigen  Glasur  versehen  sind,  geben  beim 
Anklopfen  einen  dumpfen  Klang  und  haben  häufig  eine  rauhe,  körnige, 
blasige  oder  rissige  Oberfläche  und  sollen  sich  mit  dem  Messer  ritzen 
lassen. 

Am  sichersten  und  für  gerichtliche  Fälle  allein 
entscheidend  bleibt  aber  die  oben  angegebene  chemi- 
sche Untersuchung. 

1)  Wolfhögel,  Arb.  Kais.  Ges.-Amt,  2.  Bd.  112  (1887).  Diese  ausgezeichnete  Abhandlung 
tei  jedem  auf  das  dringlichste  empfohlen,  der  sich  mit  dem  vorliegenden  Gesetze  beschäftigt; 
JoHes.   Oesundheü.   13.   Bd.   275;    Bucliner,   Bayr.   Gew.  Bl.  20.   Bd.   203. 

la)  K.  B  Lehmann,  Die  Methoden  der  praktischen  Hygiene,  Wiesbaden  1890.  Vergl.  nament- 
lich den  sehr  übersichtlichen  Abschnitt  18,  511.  Aber  auch  an  anderen  Orten  bringt  dal 
unentbehrliche    Werk   Lehmann  s  für  den  vorliegenden  Zweck  brauchbares  Material  bei. 

2)  Steht  Muspratt,  Chemie.  4.    Aufl.   2.   Bd.    1743  jf. 

3)  Muspratt.   Chemie,  4.   Aufl.  2.   Bd    1764. 

4)  Muspratt.  Chemie.  4.   Aufl.  2.   Bd.    1774. 

5)  Sendtner,    Arch.  f.  Uyg.   17.  Bd.  434   (1893). 


Die  Gebrauchsgegenstände.  345 

6)  Th.   Weyl.   DextUcht  med.    Wochenichr.  (1892)   So    IS. 

7)  Siehe  auch  K.   B.   Lehmann,   iJie   Methoden  der  pralUuchen  Hygiene.  515. 

8)  Die  technischen  llandbiicher  enthalteix  eine  Fülle  von  Rezepten  zur  Oetoinnung  brauchbarer 
Glasuren.  Die  von  Stockmeyer  (Hyg.  Jidsch  (1893)  1034)  angegebene  hat  rieh  nach 
den    Angaben  des   Auton  besonders  bewährt. 


B.    Die  Yerzinnteii  Geftls.se. 

1 .    Die    K  0  n  s  e  r  V  e  b  ü  c  h  s  e  n. 

a)  Die  Verzinnung  der  Konservebüchsen. 
t 

Die  Kon^ervel)ücli.seii  bestehen  wie  die  gewöhnlichen  Kochtöpfe 
aus  Eisen.  Das  zur  Herstellung  der  Büchsen  benutzte  dünne  Blech 
heißt  Weißblech,  weil  es  gewöhnlich  vor  der  Verwendung  verzinnt 
wird :  im  Gegensatz  zu  den  dickeren  Blechplatten,  die  unverzinnt  Ver- 
wendung tinden  und  als  Schwarz  blech  bezeichnet  werden. 

Um  Blech  zu  verzinnen,  wird  seine  Oberfläche  mit  Säuren  aufs  sorg- 
samste gereinigt,  dann  in  schmelzenden  Talg,  zuletzt  in  geschmolzenes 
Zinn  getaucht.  Durch  den  Talg,  welcher  reduzierend  wirkt,  wird  das 
Zinn  vor  der  sonst  an  der  Luft  eintretenden  Oxydation  bewahrt*). 

Da  nun  das  Handelszinn  meistens  größere  oder  geringere  Mengen 
Blei  enthält,    die    aber    nur    selten   1  Proz.   überschreiten,    gestattet^ 
§  1  Absatz  2  des  Reichsgesetzes  vom  25.  Juni  1888,  nur  eine  solche \ 
Metalllegierung   zur    Verzinnung   des    Geschirrs   anzuwenden,   welche  ■ 
keinen   höheren    Bleigehalt    als    einen    solchen    von    1  Proz.  besitzt,  i 
weil    dieser   Bleigehalt    unter   den   gegebenen    Verhältnissen    die   Ge-  \ 
sundheit    erfahrungsgemäß    nicht    schädigt  und    die   Forderung,    zur  ! 
Verzinnung   nur   chemisch  reines,   also   bleifreies  Zinn    zu   benutzen, 
den   Preis    der   verzinnten    Geräte    bedeutend    erhöht   haben   würde. 
Das  R.  G.  (§  1  und  §  3)  betont,  daß  diese  Beschränkung  in  der  An- 
wendung  des  höchstens  einprozentigen,   bleihaltigen   Zinns  zum  Ver- 
zinnen sich  nur  auf  die  Innenseite   der  Konservebüchsen   bezieht, 
weil   die   Verzinnung  ja   nur   hier   mit   dem  Inhalte   des   Gefäßes   in 
Berührung  kommt. 

6)   Die  Lötung  der  Konservebüchsen. 

Weiterhin  verbietet  das  R.  G.  (?;  1  Absatz  2)  die  Anwendung 
eines  Lotes,  das  mehr  als  10  Proz.  Blei  enthält.  Aber  auch  dieses 
Verbot  gilt  nur  für  die  Innenseite  der  Büchsen. 

Nach  den  in  der  Litteratur  vorkommenden  Angaben  steht  es 
außer  Frage,  daß  die  Konserven  aus  dem  Lot  Blei  herauslösen 
können  *. 

Es  scheint  daher  auf  den  ersten  Blick  verwunderlich,  daß  die 
Anwendung  eines  bleihaltigen  Lotes  überhaupt  gestattet  wurde. 

Demgegenüi)er  ist  zu  bemerken,  daß  ein  Lot  um  so  leichtflüssiger 
wird,  je  reicher  dasselbe  an  Blei  ist.  Es  kann  aber  für  die  Auflötung 
des  Deckels  der  gefüllten  Konservebüchsen  überhaupt  nur  ein  bei 
niederer  Temperatur  schmelzliares  Lot,  eben  dieses  Schnei  Hot, 
benutzt  werden,  weil  ein  sehr  bleiarmes  oder  ein  bleifreies  Lot,  also 


*)  Auch  die  elektrische  Verzinnung  wird  t^eilbt. 

7 


:>46  TH.    WEYL, 

ein  Hartlot,  erst  bei  so  hoher  Temperatur  flüssiu-  Avird.  (hiß  die 
Koiij-orven  bei  seiner  Anwendunii  verl)reiinen  würden.  Ferner  hat 
die  Erfahrunj;  ^^ezAMjit,  daß  bei  Anwendung  dieses  Lotes,  welches 
höchstens  1»»  Proz.  Blei  enthält,  ein  Uebergang  von  Blei  in  die  Kon- 
serven nicht  stattfindet. 

Nach  Karmarsch  u.  Heeren-'  kann  man  anch  Lote  von  ge- 
ringerem Bleigehalt  herstellen.  Dieselben  sind  aber,  wie  die  im  folgenden 
aufgeführten,  brüchig : 

1   Teil  Blei,  2   Teile  Zinn.   1    Teil   Wismut,  Schmelzpunkt   124   Grad  Celsius 
3      .,  „2        ,.  .,      5      ..  .,  „  91      „ 

Am  besten  wäre  es,  die  an  der  Innenseite  gelöteten  Konserve- 
büchsen („Löt dosen")  überhaupt  abzuschaffen  und  sie  durch  soge- 
nannte „Falz dosen"  zu  ersetzen.  Letztere  werden  im  maschinellen 
Großbetriebe  in  der  Weise  hergestellt,  daß  man  den  ,, Körper"  oder 
Mantel  der  Büchse  mit  einem  Rande  oder  Falz  versieht,  mit  welchem 
man  den  Boden  und  den  Deckel  durch  Umbiegen  des  Falzes  und 
starken  Druck  auf  den  umgebogenen  Teil  vereinigte  Dann  bringt 
man  der  größeren  Sicherheit  wegen  gleichfalls  ein  Lot  an,  dasselbe 
liegt  aber  an  der  Außenseite  der  Büchse  und  kann  mit  dem  In- 
halte derselben  nicht  in  Berührung  kommen  2, 

Man  sollte  derartige  Büchsen,  welche  das  Lot  an  der  Außenseite 
tragen,  auch  außerhalb  Frankreichs,  wo  dieselben  obligatorisch  sind, 
zwangsweise  einführen. 

Namentlich  müßte  dieses  geschehen,  wenn  sich  eine  Angabe  von 
P  i  n  e  1 1  e  '^  bestätigen  sollte,  nach  welcher  die  Fabrikanten  der  Kon- 
servebüchsen außer  Stande  wären,  sich  eines  nur  10-proz.  Bleilotes 
zu  bedienen,  da  dasselbe  zu  schwerflüssig  sei. 

Allerdings  wird  man,  wenn  die  Falzdose  obligatorisch  werden 
soll,  daran  denken  müssen,  daß  zur  Dichtung  derselben  die  Einlage 
eines  Dichtungsringes  notwendig  wird,  weil  ohne  einen  solchen  ein 
absolut  hermetischer  Schluß  nicht  zu  erzielen  ist. 

Bei  Untersuchung  derartiger,  bisher  stets  aus  Frankreich  be- 
zogener Dichtungsringe  fand  nun  Reuß*  einen  Gehalt  an  Mennige, 
also  an  Bleioxyd,  von  mehr  als  60  Proz.,  während  die  deutschen  oder 
aus  Wien  bezogenen  Ringe  ungefähr  die  gleiche  Menge  Blei  enthielten. 
Derartige  Ringe  geben  nun  aber  an  Konserven,  z.  B.  an  Spargel,  wenn 
man  dieselben  in  der  Büchse  wie  üblich  sterilisiert,  so  viel  Blei  ab, 
daß  die  Spargelbrühe  60  Proz.  des  in  den  Ringen  vorhandenen  Bleies 
enthielt.  Uebrigens  kommen  jetzt  bleifreie  Dichtungsringe  in  den 
Handel,  welche  auf  Veranlassung  von  Reuß*  hergestellt  werden. 

Russische  Konserven  scheinen,  wenigstens  vor  einigen  Jahren, 
bisweilen  stark  bleihaltig  gewesen  zu  sein.  Rj  äl  tsch  ewski '  ^  fand 
in  solchen  bis  zu  0,37  Proz.  Blei,  während  das  Lot  59  —  69  Proz. 
Blei  enthielt. 

Einen  üblen  Ruf  genossen  auch  die  amerikanischen  Konserve- 
büchsen, weil  sie  mit  einem  sehr  bleihaltigen  Lot  und  zwar  auf  der 
Innenseite  gelötet  waren  ^.  Seit  Erlaß  des  Reichsgesetzes  vom  25.  Juni 
18><7  scheinen  die  Büchsen  jedoch  den  Ansprüchen  dieses  Gesetzes 
zu  entprechen:  wenigstens  gilt  dies,  wie  Hinze,  Hasterlick  und 
Stock meier^^  angeben,  für  die  zum  Export  nach  Deutschland  be- 
stimmten Dosen. 


Die  Gebrauchsgegenstände.  347 

Pinette^  fand  hol  dcrartijfen  Untersuchungen 

Verzinnung  Lot 

a)  in  einer   KonservebUclise  mit 

amerikanischen  Früchten  .  0,55  Proi.    Blei     50,80   Proz.   Hlei 

b)  in   einer   Kon.servebüchse   von 

Corned  beef  .     .      unwägbare  Spuren  von  Blei      50,0t)       „  ,, 

Unter  welchen  B  e  d  i  n  }j;  u  n  j,'  e  n  Blei  aus  de  in  Zinn  u  n  d 
aus  dem  Lot  in  die  Konserven  übergeht,  läßt  sicli  im  ein- 
zelnen Falle  nicht  immer  mit  wünschenswerter  Sicherheit  feststellen. 
Bisweilen  tindet  man  in  den  Konserven  Bleikügelchen.  Dies  immer- 
hin äuLserst  seltene  Vorkommnis  kann  sich  natürlich  nur  ereignen, 
wenn  ilie  Lötstelle  im  Innern  der  Büciise  liegt  und  wenn  beim  Zu- 
löten sehr  unachtsam  verfahren  wurde.  Weiterhin  lösen  sauer 
reagierende  Konserven,  also  namentlich  Früchte,  Blei  auf.  Ferner 
sind  Fälle  beobachtet,  in  denen  der  Inhalt  der  Büchse  infolge  von 
Bakterienwachstum  eine  saure  Reaktion  annahm'^. 

p]in  besonders  starkes  Lösungsvermögen  für  Blei  besitzt  nach 
RochaiMp'*  das  Olivenöl.     So  enthielten 

Blei  in  mg 
pro  k  Konserve 

Sardinen 68 

Makrelen 83 

Thunfisch 75 

Sardinen  (nach  langer  Aufbewahrung)  168 

Aber  das  frische  Oel  löst  nach  Versuchen  von  Th.  Weyl  unter 
den  für  den  vorliegenden  Fall  in  Betracht  kommenden  Verhältnissen 
kein  Blei  auf.  Dagegen  geschieht  dieses  leicht,  wenn  das  Oel  ranzig 
wird,  also  sauer  reagiert.  Deshalb  sollten  Oelkonserven  nur  in  völlig 
mit  Oel  gefüllten  Büchsen  verwahrt  werden ;  denn  der  zutretende 
Sauerstotf  läßt  das  Oel  leicht  ranzig  und  dann  sauer  werden.  Die 
abgespaltenen  Fettsäuren  (z.  B.  Oelsäure)  lösen  das  Blei  sehr  leicht 
zu  Ölsäuren!  Blei. 

Auch  bei  alkalischer  Reaktion  der  Konserve  kann  Blei 
aufgelöst  werden.  Die  Fischkonserven  z.  B.,  welche  vielfach  stark 
alkalisch  reagieren,  enthalten  häufig  als  Zersetzungsprodukte  der  Ei- 
weißstotfe  Amine  und  Amide,  welche  sich  mit  Blei  zu  verbinden  im- 
stande sind  '  '. 

Der  Nachweis,  daß  eine  Verzinnung  mehr  als  1  Proz., 
ein  Lot  mehr  als  10  Proz.  Blei  enthält,  ist  ausschließlich  durch 
Gewichtsanalyse  zu  führen.  Alle  sonst  bekannten  Methoden,  auch  die 
miniinetrische  von  Renard,  liefert  unsichere  Resultate,  wie  die  im 
Kaiserlichen  Gesundheitsamte  angestellten   Untersuchungen  zeigen*. 

Erinnert  mag  daran  werden,  daß  nach  Beckurts'  ein  dunkel- 
gefärbter Ueberzug,  der  sich  bisweilen  auf  der  Wand  von  Büchsen  zeigt, 
welche  mit  Gemüsen  gefüllt  waren,  aus  Zinnsulfür  besteht. 

Das  Zinnsulfür  kann  sich  nach  R  e  u  ß  ^  nur  bilden,  wenn  aus  den 
Eiweißkörpern  der  Konserven  durch  tiefgehende  bakterielle  Zersetzung 
Schwefelwasserstoti"  entstanden  ist.  Dieser  dunkle  Ueberzug  ist  von  dem 
moir^eartigen  (moiree  metallique)  zu  unterscheiden.  Letzterer  beruht  auf 
der  Ausscheidung  von  Zinnkrystallen,  welche  sich  bilden,  wenn  die  Kon- 
serven sauer  reagieren.  Ueber  den  Nachweis  von  Zinnsulfür  in 
Konservebüchsen  siehe  die  unter  No.  7  und  No.  8  citierte  Litteratur. 

9 


SiS  TII,    WEYL, 

Ob  der  von  H  am  e  1  -  Roo  s '*^  enipfolileiie  Lack  ..Verver"  die 
Henuislösunp:  von  Blei  aus  der  Ver/.inmin.Lj  der  Büclise  wirklich 
hindert,  sollte  noch  genauer  fest, «,'cst eilt  werden. 

Da  sauer  rea<iierende  (betränke,  wie  Wein,  Bier  und  Fruchtsäfte, 
Blei  aufzulösen  verniöjjen,  untersaj^^t  das  R.  G.  in  J5  3,  daß  Gefäße, 
die  zur  Herstellung;  der  oben  benannten  Flüssifj;keiten  bestimmt  sind, 
aus  einem  Materiale  hergestellt  werden,  welches  mehr  als  10  Proz, 
Blei  enthält,  und  an  der  Innenseite  mit  einem  mehr  als  1  proz. 
bleihaltigen  Lote  gelötet  oder  einer  mehr  als  1  proz.  bleihaltigen 
Legierung  verzinnt  werden. 

Die  el)en  genannten  Gerätschaften  unterliegen  also  den  gleichen 
Bestimmungen  wie  die  Konservebüchsen. 

1)  Uhland's    Techn.  lidach.  (1892)  6.  Bd.  188.     DU  dort  beschriebenen  Maschinen  von  Kirch- 
en liefern  in   10  Stunden  5000   Dosen  mit  10  000    Vertchlüssen 

2)  ^ergl.   über  die  Fabrikation  von  Konserveb'dchsen  Kirkland,  in  Hyg.  lidsch.  (1893)  917. 

3)  Pinetto.   Chem.  Ztg.  (1891)   15.  Bd.   1109. 
4^  Eeuss,  Chem.   Ztg.  (1891)   15.   Bd.   1522. 

5)  Kirkland,   Rev.  intern.  JaU.  (1893)  6.  Bd.    182. 

6)  WolflFhügel,  Arb.   Kais.   Oesd.-Amt  2.   Bd.   112  (1887). 

7)  Beckurts,  Chem.  Ztg.  (1889^   1259  u.   1523. 

8)  ReusB.  Chem.   Ztg.  (1889)   1428  u.    1602. 

9)  Kamarach  u.  Heeren,   Techn.    Wörterbuch.  2.  Auft.  5.   Bd.    654. 

10)  Hamel-Boos,   Rev.  inUm.  fals.   (1893)  6.  Bd.   182. 

11)  Rjältscheweki,  Diss.  inaug.  St.  Petersburg  1886   (russisch),    Referat  iti  Deutsch.   Medix.- 
Zeitung  (1886)   922  u.  in  Industrie- BläUer  (1886)  No.   48,  382. 

12)  Siehe  Hyg.   Rdsch.  (1893)  1034. 

13)  Hamlet,   IJyg.  Rdsch.  (1893)  918. 

14)  Eochard.   Encyclopedie  d'Hygiine   2.  Bd.   882   (1890). 

2.  Die  verzinnten  kupfernen  Gefäße. 

Aehnlich  wie  bei  den  verzinnten  Konservenbüchsen  liegen  auch 
die  Verhältnisse  bei  den  verzinnten  Kupferkesseln.  Daß  durch 
derartige  (lefäße  wirklich  Bleivergiftungen  entstehen  können,  beweisen 
eine  große  Reihe  in  der  Litteratur  niedergelegter  Beobaclitungen,  aus 
denen  wir  nur  die  folgenden  herausgreifen,  welche  von  Hoenig- 
schmidt  herrührend 

Von  dem  aus  150  Mann  bestehenden  Halbbataillon  des  7.  öster- 
reichischen Infanterieregiments,  das  in  Tione  (Südtirol)  in  Garnison 
lag,  erkrankten  im  Laufe  weniger  Tage  45  Mann  unter  fast  gleich- 
artigen Symptomen.  Alle  Leute  klagten  über  reißende  Schmerzen  in 
verschiedenen  Muskelgruppen,  namentlich  in  den  Brustmuskeln.  Sie 
hatten  das  Gefühl,  als  wenn  ihnen  der  Thorax  zusammengeschnürt 
sei  und  als  wenn  die  Muskeln  der  Extremitäten  starr  wären.  In  zwei 
schwereren  Fällen  ließen  sich  die  Kontrakturen  der  Extremitäten- 
muskeln auch  objektiv  nachweisen.  Namentlich  die  Beuger  des  Unter- 
schenkels waren  ergriffen.  Auch  Anästhesien  der  Hände  wurden  be- 
obachtet. 

Die  Bauchmuskeln  waren  kontrahiert,  das  Abdomen  fühlte  sich 
brettartig  hart  an.  In  allen  Fällen  bestand  Stuhlverstopfung  und 
Strangurie.  Die  meisten  Fälle  verliefen  fieberlos.  Ein  Fall  endete 
letal.  Die  Sektion  ergab  hier  ein  massenhaftes  linksseitiges  Exsudat, 
das  die  linke  Lunge  komprimiert  hatte.  Durch  das  Auffinden  des 
blaugrauen  Saumes  am  Zahnfleisch  war  die  Diagnose:  Bleivergiftung 
klinisch   gesichert.     Auch   die  Bestätigung  derselben  durch  den  Che- 


Die  Gebrauchsgegenstände.  349 

mikor  ließ  nicht  lan^e  auf  sich  warten.  Es  fand  sich  niinilich.  daß 
die  aus  KuidVr  liestchondcn  Kochkesscd,  welche  täglich  benutzt  wurden, 
mit  einem  stark  bleihaltigen  Zinn  verzinnt  worden  waren. 

Bei  einer  anderen  Kompagnie  desselben  Regimentes,  welche  in 
Cieto  (Südtirol)  stationiert  war,  erkrankten  gleichfalls  mehrere  Mann 
unter  den  geschilderten  Symptomen.  Hier  ergab  die  chemische  Unter- 
suchung einen  (iehalt  von  89,«)  Proz.  Blei  in  der  Legierung.  Die- 
selbe enthielt  also  mehr  als  den  dritten  Teil  ihres  (Jewichtes  an  Blei. 

Auf  «Jrund  des  vorstehenden  sowie  vieler  anderer  Fälle  gestattet 
das  R.(l.  in  vj  1  auf  der  Innenseite  von  Kochgeräten  u.  s.  w.  nur 
eine  Verzinnung  mit  einer  nicht  mehr  als  1  Proz.  Blei  haltenden 
Metalllegierung. 

r>  Hoenigichmidt.  CentraJbl. /.  cdlgtm.  Oesdpfig  ,  2.  Bd.   20. 

Anhang. 
Der    Uebergang    von    Zinn    aus    verzinnten   Gefassen   in   die    Speisen. 

Anhangsweise  soll  hier  noch  der  Uebergang  von  Zinn  aus 
verzinnten  Gefäßen  in  die  Speisen  besprochen  werden,  wel- 
cher eine  so  große  Litteratur  hervorgerufen  hat,  daß  es  nahezu  aus- 
sichtslos ist,  dieselbe  vollständig  sammeln  zu  wollen. 

Den  Uebergang  nennenswerter  Zinnmengen  aus  der  Verzinnung 
in  die  Speisen,  namentlich  in  die  Konserven,  scheinen  zuerst  englische 
Forscher,  wie  A.  Menke*  und  H ebner*,  beobachtet  zu  haben. 

Dann  stellten  namentlich  Ungar  und  Bodländer^  eingehende 
Untersuchungen  über  diese  Frage  an. 

Nach  ihren  Ermittelungen  enthielten  Spargel,  welche  in  ver- 
zinnten Konservenbüchsen  aufbewahrt  worden  waren,  im  Mittel  aus 
7  Analysen  mit  Spargel  verschiedener  Büchsen  i^^O^G^)  metallisches 
Zinn.  Das  Metall  befand  sich  in  den  Konserven  in  unlöslicher  Ver- 
bindung und  konnte  aus  denselben  zwar  mit  Hilfe  einer  Salzsäure 
von  8  Proz.,  aber  nicht  mit  einer  solchen  von  0,5  Proz.  HCl  extrahiert 
werden.  Aus  dieser  Beobachtung  wird  zu  schließen  sein,  daß  eine 
Aetzung  der  Magen-  oder  Darmsclileimhaut  durch  Aufnahme  von  zinn- 
haltigen Konserven  nicht  zu  fürchten  ist,  weil  dasselbe  nicht  im  Magen 
in  Chlorzinn  übergeht.  Zwar  ließen  sich  bei  einem  Hunde,  welcher 
mehr  als  2  kg  von  Spargel-,  Aprikosen-  und  Erdbeerkonserven  mit 
einem  Zinngehalt  von  im  Mittel  (»,017  Proz.  genossen  hatte,  kleine 
Mengen  Zinn  im  Harne,  ferner  in  Leber,  Gehirn,  Rückenmark,  Mus- 
keln und  Herz,  aber  nicht  im  Blut  nachweisen.  Doch  betrug  die 
hier  gefundene  Zinnmenge  nur  wenige  Milligramm  Zinn. 

Immerhin  war  eine  Resorption  des  Metalls  durch  die  Darm-  und 
Magenschleimhaut  erwiesen.  Das  Tier  zeigte  aber  nach  der  Aufnahme 
jener  großen  Menge  von  Ziiinkonserven  keinerlei  krankhafte  Sym- 
ptome. Auch  Herr  Bodl  ander,  der  innerhalb  dreier  Tage  1)14  g 
Spargel-  und  12(X)  g  Aprikosenkonserven,  welche  beide  zinnhaltig  ge- 
wesen waren  (beide  Konserven  enthielten  ungefähr  <),(»24  g  Zinn),  ge- 
nossen hatte,  fühlte  sein  Wohlltetinden  in  keiner  Weise  gestört,  ob- 
gleich der  im  Laufe  der  nächsten  2  Tage  gesammelte  Harn  8'/,  mg 
Zinn   enthielt. 

Ein  Diener  der  genannten  Autoren  verzehrte  innerhalb  4  Tagen 
1,08  kg   Spargel,   dazu   1,<)27  kg   Aprikosen    und   etwa   0,2")  kg   Erd- 


350  TU.    WEYL, 

beoiHMi.  also  jodonfalls  eine  sehr  j-Moße.  für  normale  Verhältnisse  kaum 
in  InnracliT  konimende  Men^e  von  Konserven.  Während  aber  die 
Gesamtmenge  des  mit  den  Konserven  autVenommenen  Zinns  etwa 
O.ö  fi  betrug,  fanden  sich  in  den  ersten  (i  Tagen  nach  Aufnahme  der 
Zinnkonserven  im  Harne  des  Dieners  nur  4  mg  Zinn.  Diese  That- 
sache  deutet  allerdings  auf  eine  sehr  geringe  oder  sehr  langsame  Re- 
sorption des  Zinns.  Der  Diener  blieb  bei  guter  Gesundlieit  trotz  der 
formidablen  Menge  genossener  Konserven.  Es  scheint  daher  immerhin 
zweifelhaft,  ob  bei  vernünftigem  Genüsse  von  in  richtig  hergestellten 
Zinnbüciisen  konserviertem  Gemüse  eine  Schädigung  der  Gesundheit 
infolge  aufgenommenen  Zinns  eintreten  wird. 

Hunde  und  Kaninchen,  denen  Ungar  und  B Ödländer  längere 
Zeit  kleine  Dosen  nicht  ätzender  Zinnpräparate,  z.  B.  weinsaures 
Zinnoxydnlnatrium,  essigsaures  Zinnteträthyl,  per  os  gegeben  hatten, 
gingen  schließlich  zu  Grunde. 

Ferner  lieobachtete  Sedwigk-*  einen  Fall,  in  welchem  Birnen, 
die  in  einem  kupfernen  und  verzinnten  Kessel  gekocht  und  wohl 
einige  Zeit  in  demselben  gestanden  hatten,  Durchfälle  und  Erbrechen 
erzeugten.     Das  Obst  enthielt  „beträchtliche"  Mengen  von  Zinn. 

Ebenfalls  zinnhaltig  erwiesen  sich  Ananas,  Aprikosen  und  Pfir- 
siche, welche  in  Weißblechdosen  konserviert  worden  waren. 

Quantitative  Analysen  scheinen  zu  fehlen. 

In  letzter  Zeit  ist  durch  H.  A.  Weber ^  von  neuem  die  Auf- 
merksamkeit auf  den  Zinngehalt  von  Konserven  und  auf  die  durch 
diese  Verunreinigung  angeblich  hervorgerufenen  Vergiftungserschei- 
nungen gelenkt  worden. 

Es  erkrankte  nämlich  in  Mansfield  (Ohio)  im  April  1890  ein  Ehe- 
paar nach  dem  Genüsse  einer  Kürbißkonserve  (pumkin  pie),  welche, 
wie  die  chemische  Untersuchung  ergab,  424  mg  Zinn  pro  kg  Kon- 
serve enthielt. 

Im  Anschluß  an  diesen  Fall  wurden  nun  von  Weber  eine  größere 
Zahl  anderer  Konserven  untersucht.  Diese  enthielten  folgende  Zinn- 
mengen in  mg  pro  kg  Konserve: 

1)  Milch  o 

2)  Erbsen  69 

3)  Birnen   84 

4)  Ananas  98 — I55 

5)  Lachs    134 

6)  Blaubeeren   300 

7)  Pfirsiche  324 

8)  Kirschen  4I4 

9)  Kürbis  424 

10)  Brombeeren   600. 

Daß  die  in  den  Fällen  von  Sedwigk  und  Weber  beobachteten 
Gesundheitsstörungen  wirklich  als  Zinnvergiftungen  zu  bezeichnen 
seien,  wird  der  Arzt  den  geschilderten  Symptomen  nicht  mit  Sicher- 
heit entnehmen  können. 

Sell^  bestreitet  die  Giftigkeit  kleiner  Dosen  von  Zinn  auf  Grund 
von  Versuchen,  die  im  Kaiserlichen  Gesundheitsamt  angestellt  wurden, 
und  Feldkirch''  macht  darauf  aufmerksam,  daß  in  den  großen  Wiener 
Verzinnungsanstalten  niemals  specifische  Gewerbekrankheiten  beob- 
achtet wurden,  die  auf  eine  Zinnvergiftung  zu  beziehen  seien. 

Soweit    bisher    die   Ermittelungen   reichen,    dürfte 


Die  Gebrauchsgegenstände.  351 

ein  Grund  zur  Annahme  einer  ökonomischen  Zinnver- 
^'  i  f  t  u  n  g  n  i  c  li  t  v  o  r  1  i  e  jx  e  n. 

Die  Fra^'c.  durch  welche  in  den  Konserven  enthaltene  Stoffe  das 
Zinn  auftieiöst  wird,  ist  in  ähnlicher  Weise  zu  beantworten,  wie  dies 
Seite  H47  bei  der  durch  Konserven  verursachten  Bleiverj^iftung  ge- 
schehen ist. 

Nach  Untersuchungen  von  R.  Kayser*  wirkt  von  den  in  den 
Konserven  enthaltenen  Ptianzensäuren  die  Weinsäure  am  stärksten 
zinnlösend.     Dann  fol^^Mi  Apfel.säure  und  2— 4-i)roz.  Essigsäure. 

Verdünnte    Kochsalzlösung   löst   nur    gerin^'e    Mengen    von    Zinn. 

Entslfhen  in  den  Konserven  Säuren  durch  Bakterienwirkung,  so 
wirken  dieselben  wie  die  präformierten  Säuren  ^. 

Bei  den  alkalisch  reagierenden  Fischkonserven  sind  es  die  Amine 
und  Amide.  welche  durch  einen  nicht  sehr  tief  greifenden  Fäulnis- 
prozeli  aus  den  Eiweißstotfen  der  Fische  entstehen  und  zinnlösend 
wirken. 

Es  ist  übrigens  zuletzt  kaum  mehr  zweifelhaft,  dali  ein  großer 
Teil  der  nach  dem  (lenuß  von  Konserven  aus  verzinnten  Büchsen 
auftretenden  (iesundheitsstörunj^en  auf  die  Bildung  von  Ptomainen  * 
zurückzuführen  sein  wird.  Derartige  Stoffe  können  sich  bilden,  wenn 
die  Konserven  mangelhaft  sterilisiert  wurden,  oder  wenn  eine  Neu- 
infektion erfolgte,  nachdem  die  Konserven  sterilisiert  wurden.  Dieses 
kann  eintreten,  wenn  der  Verschluß  der  Büchsen  undicht  wurde  oder 
wenn  eine  geöffnete  Konservenbüchse  mit  ihrem  Inhalte  der  Luft  aus- 
gesetzt war. 

1)   k.  Menke.   Chemical  Xefs.  July   1878,   5. 
•J)  Hehner,    The  Analyst  il88üj    218. 

3)  Ungar    und    Bodländer ,    CentraUd.   f.    allgem     Gesdpß.,    Ergänxungibd.     1,    49    (1888); 
Zexttchr.   /.   Uyy.   2.   Bd.    241    (1887). 

4)  Bedwigk,   Rev.   intern,  /als.   (1888)   56. 

5)  H    A.  Weber,  Bev.  vtUm.  /als.  5.   Bd.    142. 

6)  8eU  und  Feldkirch,    Hyg.  Jidsch.  (1893)  1034. 

7)  Hamlet,  llyg.  lidsch.  (1893)  918 

8)  Griffitlit    geirann   aus  /auUn    Sardinen    eine  gi/tige    Base,    das  Sardinin  C^^H^^NO^,  Ber. 
Deutsch,  chem    Oei.  (1893)  Itef.  823. 


C.    Die  ZiiiiigerUte. 

Zu  den  Zinngeräten  werden  gezählt:  die  Zinnteller  und  Zinn- 
krüge, die  Zinnfolien,  die  Bierdruckapparate,  die  Faßhähne,  die  Zinn- 
beschläge der  Biergläser  und  die  Siphons. 

1 .    Zinnteller  und  Z  i  n  n  k  r  ü  g  e. 

Zinnteller  und  Zinnkrüge  sind  nicht  mehr  modern  und 
daher  nur  noch  in  wenigen  Gegenden  Deutschlands,  namentlich  in 
einigen  Teilen  Bayerns  in  Gebrauch.  Sie  sind  durch  Gcfiiße  aus  Glas, 
aus  Steingut  und  Porzellan  l)einahe  verdrängt. 

Die  Zinnfolien  dagegen  besitzen  eine  große  Wichtigkeit  für  den 
Handel  und  verdienen  eine  eingehendere  Besprechung. 

2.    Die  Z  i  n  nfo  1  ien. 
Die  Zinnfolien    bilden   ein   beliebtes  Verpackungsmittel,    weil   sie 

«3 


352  TH.    WEYL. 

verhältnismäßig  leicht  sind,  die  AVarcn  vor  Feuchtigkeit  schützen,  sich 
allen  Formen  leicht  anschmiegen  und  wegen  ihres  milden  Glanzes  das 
Auge  erfreuen. 

Sie  werden,  um  ihren  Preis  herabsetzen  zu  können,  aus  Zinn  her- 
gestellt, dem  absichtlich  Blei  zugefügt  wird.  Diesem  Mißbrauch  tritt 
das  R.G.  in  Jj  3  entgegen,  indem  es  nur  einen  Bleigehalt  von  höchstens 
1  Proz.  zuläßt,  weil  dies  der  maximale  Bleigehalt  des  besten  Handels- 
zinns ist.  welcher  indes  eine  Gefahr  für  die  Gesundheit  erfahrungs- 
gemäß nicht  hervorruft. 

Die  Anwendung  bleifreien  Zinns  für  die  Herstellung  der 
ZinYifolien  vorzuschreiben,  ist  aus  denselben  Gründen  unterblieben, 
welche  S.  345  bei  Besprechung  der  verzinnten  Konservebüchsen  ange- 
geben wurden. 

Aber  das  deutsche  Reichsgesetz  ordnet  in  J^  3  die  Verwendung 
dieser  höchstens  1  Proz.  Blei  enthaltenden  Zinnfolien  nur  f ü  r  die 
Verpackung  von  Käse,   Schnupftabak  und  Kautabak   an. 

Zur  Erklärung  dieser  Vorschrift  sei  zunächst  daran  erinnert, 
daß  Schnupftabak  und  Kautabak  sehr  leicht  aus  einer  bleihaltigen 
Zinnfolie  Blei  aufnehmen,  namentlich  wenn  der  Tabak  feucht  ver- 
packt wurde.  Gegen  diese  Bleiaufnahme  schützt  eine  Papierlage 
zwischen  Folie  und  Tabak  nicht,  auch  nicht  das  Ankleben  des  Papiers 
an  die  Zinnfolie,  weil  einige  Klebestoffe  mit  der  Zeit  saure  Reaktion 
annehmen  und  dann  erst  recht  Blei  lösen  *), 

Durch  Käse  wird  das  Blei  mit  großer  Leichtigkeit  aus  der  Folie 
herausgelöst,  weil  im  Käse  freie  flüchtige  Fettsäuren  enthalten  sind, 
die  sich  beim  Reifen  des  Käses  unter  Einwirkung  der  Bakterien  aus 
den  Eiweißstoffen  des  Käses  bilden. 

Für  andere  Waren  a  1 1  e  r  A  r  t  w  i  r  d  {d  i  e  Anwendung 
von  Zinnfolien,  welche  reich  an  Blei  sind,  ja  von  reinen 
Bleifolien  durch  das  R, G,  nicht  verhindert,  obgleich  die 
technischen  Erläuterungen  zum  R.G,  vom  25,  Juni  1887  wissen,  daß 
W  i  1 1  s  t  e  i  n  in  Metallkapseln,  die  zum  Verwahren  von  Flaschen- 
korken, von  Fleisch extraktbüchsen  benutzt  wurden,  einen  hohen  Ge- 
halt an  Blei  bemerkt  hat  und  obgleich  Hilger  und  Gurt  ähnliche 
Beobachtungen  an  der  Umhüllung  des  Korkes  einer  Vichywasser-Flas che 
machen  konnten  ^, 

Seit  Erlaß  des  Reichsgesetzes  vom  25,  Juni  1887  hat  nun  noch 
Bertschinger  2  in  der  Metallkapsel  eines  französischen  Rotweines 
92  Proz,  Blei  gefunden.  Die  Kapsel  selbst  war,  wie  in  dem  Falle 
von  Hilger  und  Gurt,  mit  Bleikarbonat  überzogen. 

Auch  für  die  Verpackun  g  des  Thees  sind  Zinnfolien  von 
beliebigem  Bleigehalt  gestattet,  weil,  wie  die  Erläuterungen  zum  ge- 
nannten Gesetze  angeben,  der  Thee  nur  absolut  trocken  versandt 
werden  könne,  da  er,  feucht  versandt,  verderben  würde  ^, 

Es  liegen  aber  auch  über  den  Bleigehalt  des  Thees  bereits  einige 
Beobachtungen  vor.  So  enthielt  ein  „Schwarzthee"  in  einem  von 
Bertschinger^  beobachteten  Falle  Bleikarbonat  als  grobes  dem 
Thee  beigemischtes  Pulver.  Dasselbe  stammte  aus  der  Umhüllung 
des  Thees, 

Auch   Sendtner*    fand   bei   der   Untersuchung   von   16  Folien, 


*)  Es  ist  auch    nacbgewiescD,    dafs  man  dem  Tabak    absichtlich    Bleisalze  als  „Beize" 
zasetzt. 

14 


Die  Gebrauchsgegenstände,  353 

die  zur  Vcrpiirkung  von  Thee  dienten,  12nial  die  folpenden  prozen- 
tischen nieinien^'en  :  97,  98,  88,  81,  97,  60,  74,  98,  76,  97,  98,  97!  *  » 

Dab  nun  die  (Jefiihr  einer  Bleiver^nftun^'  nahe  lie^'t.  wenn  Stopfen 
benutzt  wenk'ii,  die  mit  einer  stark  hicihalti^^en  Folie  umkleidet  waren 
(S.  ,'{f)2).  oder  wenn  Blei  aus  der  Folie  in  den  Thee  gerät,  dürfte 
kaum  in  Ahrede  ^M'stellt  werden. 

Auch  der  Einwand,  daß  eine  Bleiverfjiftunp:  bei  dem  verhältnis- 
mäßig seltenen  (iebrauche  des  Vichyw assers  und  des  stets  nur  in 
kleiner  Menge  benutzten  Fleischextraktes  kaum  zu  erwarten  steht, 
weil  jedenfalls  nur  verschwindend  kleine  Bleimengen  in  den  Körper 
gelangen,  scheint  nicht  stichhaltig,  weil  auch  durch  wiederholte 
Aufnahme  sehr  kleiner  Bleimengcn  eine  Vergiftung  zustande  kommt. 

\Vährend  aber  in  den  bisher  erwähnten  Fällen  eine  Bleivergiftung 
durch  bleihaltige  Zinnfolien  nahe  lag.  aber,  soweit  die  Angaben  reichen, 
nicht  zur  Beobachtung  kam,  erkrankte  in  dem  von  Bernstein*  be- 
obachteten Falle  in  Petersburg  eine  ganze  Familie  nach  dem  Genüsse 
von  Thee,  in  welchem  durch  chemische  Untersuchung  Blei  nachge- 
wiesen worden  war.  Das  Blei  fand  sich  in  weiß  gefärbten  Stücken, 
die  aus  kohlensaurem  Blei  bestanden.  Als  Grund  der  Verunreinigung 
wurde  ermittelt .  daß  der  chinesische  Thee  stets  in  Bleikisten  ver- 
sandt wird.  Oti'enbar  ist  der  feucht  gewordene  oder  noch  in  einem 
relativ  feuchten  Zustande  verpackte  Thee  imstande,  das  Blei  aufzu- 
lösen .  welche  unter  dem  Einflüsse  der  atmosphärischen  Luft  in  Blei- 
karbonat übergeht. 

Das  R.G.  vom  25.  Juni  1887  erscheint  hiernach  der 
\' e r b e  s s e r  u n  g  in  dem  Sinne  dringend  bedürftig,  daß 
die  Anwendung  von  Zinnfolien,  die  mehr  als  1  Proz. 
Blei  enthalten,  zur  Verpackung  aller  zum  Genuß  be- 
stimmter Waren  verboten  würde. 

Es  dürfte  nicht  angemessen  sein,  zu  warten,  bis  die  Zahl  der 
durch  schlechte  Zinnfolien  hervorgerufenen  Bleivergiftungen  sich 
stark  vermehrt  hat;  die  Gesetzgebung  soll  vielmehr  auch  vorbeugend 
wirken. 

Allerdings  bleibt  zu  bedenken,  daß  ein  großer  Teil  der  in  Zinn- 
folie verpackten  Waren  vom  Aus  lande  bezogen  wird.  Aber  dem- 
gegenüber darf  man  erwarten ,  daß  die  Zwischenhändler  ihre  aus- 
ländischen Geschäftsfreunde  sehr  schnell  bewegen  werden,  den  Zinn- 
folien den  vorgeschriebenen  Feingehalt  zu  geben,  wenn  die  in- 
ländischen Aufsichtsbehörden  eine  wirksame  Kontrolle  der  Folien 
unterhalten  und  den  Verkäufer  im  Bedarfsfalle  zur  Strafe  ziehen. 

1)  Wolffhügel,   Jrb.  Kais.   Gesd.-AnU  ?.   ßd.   153. 

2)  Bertschinger,   Chem.   Ztg.  liep.  (1891)   No.   42. 

3)  Bertschinger.  Chem    Ztg.  Rep.  (1891)  289. 

4)  Sendtner,    Arch.  J.  Uyg.   17.   Bd.  434  (1893). 

5)  Bernstein,   liff.   in  DetUtcht   Medizinal- Ztüung  (1886)  23. 

6)  Hilger  und  Curt,    VierUlj.  f.  Sahrun,jsm.    1.   Bd.,  156  (1887). 

3.    B  i  e  r  d  r  u  c  k  a  p  p  a  r  a  t  e  (B  i  e  r  p  r  e  s  s  i  o  n  e  n). 

Die  Bier  d  ru  ck  vor  rieh  t  u  n  gen  *  (Bierpressionen)  haben  die 
Aufgabe,  das  Bier,  welches,  um  nicht  zu  verderben  und  um  schmack- 
haft zu  sein ,  eine  bestimmte  niedere  Temperatur  besitzen  muß,  dem 
Ausschänke  zuzuleiten,  während  sich  das  mit  dem  Bier  gefüllte  Ge- 
fäß im  Keller  betindet. 

«5 


3f)4  TH.    WEYL, 

Zu  diesem  Zwecke  pHejit  man  das  Bier  unter  starkem  Ueber- 
druck,  z,  B.  dem  Druck  der  verdichteten  Kolilensäure,  in  das  Schank- 
lokal  zu  hellen.  Hierbei  müssen  Röhren  durchhiufen  werden,  deren 
etwaijier  BhMgehalt  sich  dem  sauer  reagierenden  Biere  mitteilt. 

Aus  diesen  (Jründen  kann  die  Anwendung  von  Bleiröhren  für 
Bierdruckleitungen  nicht  gestattet  werden  (J;  1  letzter  Absatz  des  K.G.). 
Man  wählt  vieimehi-  für  diesen  Zweck  Zinnröhren,  die  sieh  gut  be- 
währt haben. 

Obgleich  nun  bei  der  Kürze  der  Leitungen  der  Preis  von  Röhren 
aus  reinem  Zinn  niciit  in  Betracht  käme,  hat  das  Gesetz  dennoch 
einen  Bleigehalt  der  Bierleitungen  bis  zu  1  Proz.  zugelassen  und 
hierdurch  den  Preis  dieser  Api)arate  bedeutend  verringert,  ohne  daß 
—  wie  die  Erfahrung  gezeigt  hat  —  die  Gesundheit  beeinträchtigt 
würde  *). 

1)  Gesundheit sitigcnieur  (1892)   213;  E.  von  Esmarch,   Vierteljahrsch.  J.  ger.   Med.   3.  Folge 
3.   Bd.  206   (1892). 

2)  8chnat2,    Ueber  die   Mängel  des  hexitigen  Bierausschankes. 

4.   F  a  ß  h  ä  h  n  e. 

Faßhähne  zum  Abfüllen  von  Essig,  Wein  und  Branntwein,  auch 
Trichter  zum  Einfüllen  der  genannten  Flüssigkeiten  werden,  wie 
die  folgenden  Angaben  beweisen,  aus  Bleizinnlegierungen  hergestellt, 
deren  Bleigehalt  häutig  ein  sehr  bedeutender  ist. 

So  fanden  Engler  u.  Rupp^  bei  der  Untersuchung  von  33 
Faßhähnen,  die  aus  verschiedenen  Ländern  stammten,  nur  in  einem 
Hahn  unter  10  Proz.,  in  3  zwischen  20  und  30  Proz.,  in  10  zwischen 
30  und  40  Proz.,  in  2  zwischen  40  und  50  Proz.,  in  2  zwischen  50 
und  60  Proz.,  in  5  zwischen  60  und  70  Proz.,  in  einem  zwischen  70 
und  80  Proz.,  in  3  zwischen  80  und  90  Proz.,  in  2  sogar  über  90  Proz. 
Blei.     Letztere  bestanden  hiernach  also  aus  fast  reinem  Blei. 

Ferner  untersuchte  E.  Falk  (Zwickau)  ^  92  Faßhähne.  88  Proz. 
derselben  enthielten  mehr  als  10  Proz.  Blei.  Der  Bleigehalt  der 
übrigen  Proben  schwankte  zwischen  30  und  40  Proz.  und  betrug  in 
einem  Falle  sogar  66  Proz.  Blei.  Sendtner'^  fand  in  einem  zum 
Abfüllen  von  Essig  benutzten  Trichter  70  Proz.  Zinn  und  26  Proz. 
Blei,  in  Faßhähnen  30—70  Proz.  Blei. 

Daß  aus  diesen  Hähnen  Blei  in  die  mehr  oder  minder  sauer 
reagierenden  Flüssigkeiten,  welche  durch  die  Hähne  entleert  werden, 
uufl  damit  zugleich  in  den  menschlichen  Körper  gelangt,  steht  außer 
allem  Zweifel  fest,  obgleich  entsprechende  Fälle  von  Vergiftungen 
bisher  nicht  beschrieben  zu  sein  scheinen. 

Es  haben  deshalb  auch  bereits  die  amtlichen  Organe  in 
Deutschland  nicht  gezögert,  das  Publikum  auf  die  Gefahren,  welche 
die  Benutzung  dieser  Hähne  mit  sich  bringt,  aufmerksam  zu  machen. 

Hierher  gehört: 

a)  Der  Runderlaß  de.s  preußischen  Ministers  für  Handel 
und  Gewerbe  vom  21.  April   1891; 


*)  Bei  den  Bierdruckapparaten  sind  starke  Krümmungen  der  Leitungsröhren  nicht  zu- 
zulassen, damit  man  mit  einer  kräftigen  Bürste  und  unter  Anwendung  einiger  Liter  reinen 
Wassers  den  nach  längerem  Gebrauch  in  den  Röhren  sich  absetzenden  Schmutz  leicht  be- 
seitigen kaun  I. 

I6 


Die  Gebrauchsgegenstände.  355 

b)  eine  Bekanntmachung  des  Berliner  Polizeipräsidenten 
vom  5.  Dezember  1891,  laut  welcher  die  genannte  Behörde  Faßhähne 
aufkaufen  und  untersuchen  läßt,  um  diejenigen  Besitzer  von  Faßhähnen, 
in  welchen  mehr  als  10  Proz.  Blei  gefun<len  wird,  öffentlich  namhaft  zu 
machen ; 

c)  ein  Erlaß  des  Ministeriums  zu  Sachsen-Alten  bürg, 
welcher  dem  unter  a)  genannten  Erlaß  entspricht. 

Aus  der  oben  erwähnten  Bekanntmachunfi;  des  Polizeipräsidenten 
dürfte  hervorstehen,  daß  die  mehr  als  10  Proz.  Blei  entii  al- 
tenden Faßhähne  durch  das  Re  ic  h  Sf^esetz  vom  25.  Juni 
1887  niciit  j^etr offen  werden.  Es  ersieht  sich  andererseits 
hierdurch  die  Nötijiuns\  das  j;enannte  Gesetz  in  entsprechender  Weise 
zu  aniendieren.  wie  dies  auch  schon  verschiedentlich  vorgeschlagen 
wurde. 

1)  Engler  u.  Bupp,   Chem.  Ztg.  Bep.   16.  Bd.  227.     Auch  in  Uyg.  Rdtch.  (1893)    133. 

2»  E.   Falk.  Zeäschr.  f.  angew.  Chem.  (1893)   434. 

3)  Sendtner,  Arch.  f.  Hyg.  (1893)   17.   Bd.  436.      Siehe  dort  auch  ireiUre  LiUeratur. 


5.   Bierdeckel,   Siphons,   M e t a II t e i  1  e   an    Kinder- 
saugfl  asch  en. 

Die  Bierdeckel  fallen,  wie  bei  der  Verhandlung  des  Reich.stages 
über  das  R.(i.  vom  25.  Juni  ISST  widerspruchslos  konstatiert  wurde, 
unter  den  ij  1  des  genannten  Gesetzes,  dürfen  also  nur  höchstens 
1  Proz.  Blei  enthalten. 

Trotzdem  sind  dieselben  von  E.  Falk^  (Zwickau)  auch  noch 
nach  Erlaß  des  R.  G.  vom  25.  Juni  18S7  stark  bleihaltig  gefunden 
worden.  So  mußten  von  16  untersuchten  Bierglasdeckeln  5  mit  einem 
Gehalt  von  lO.ß.  11,09,  18,50,  21.54.  22,62  Proz.  Blei  auf  Grund  von 
§  1  des  angeführten  Gesetzes  beanstandet  werden.  Ein  Beschlag  ent- 
hielt sogar  52.13  Proz.  Blei. 

Nach  E.  Leger^  enthielt  der  Deckel  eines  Steinguttopfes,  in 
welchem  Chinawein  aufbewahrt  wurde,  22,4  Proz.  Zinn  und  76,8 
Proz.  Blei. 

Beim  Aufbewahren  des  Weines  ver flüchtete  sich  der  Alkohol, 
oxydierte  sich  am  Deckel  bei  Zutritt  von  Luft  zu  Essigsäure.  Letztere 
löste  dann  Blei  zu  essigsaurem  Blei,  welches  beim  Bewegen  des 
Deckels  in  den  Wein  geriet. 

Die  Ventile  für  kohlens;iurehaltigc(ietränke,  sogenannte  Siphons, 
werden  durch  die  Kohlensäure,  mit  welcher  sie  in  Berührung  kommen, 
leicht  angegrirt'en.  Sie  dürfen  deshalb  höchstens  1  Proz.  Blei  ent- 
halten und  fallen  unter  4>  1  des  R.G.  vom  25.  Juni  1SS7.  Vergl.  das 
Urteil  des  Reichsgerichts  S.  3()(». 

Da  der  alkalisch  reagierende  Speichel  Blei  löst,  ist  es  wohl  ge- 
rechtfertigt, daß  die  zur  Herstellung  der  Metallteile  an  Kinder- 
saugflaschen  l)enutzten  Zinnbleilegierungen  nach  ij  1  des  R.G. 
höchstens  1  Proz.  Blei  enthalten  dürfen. 

Die  Analyse  der  Zinnbleilegierungen,  welche  zur  Her- 
stellung von  Bierdrurkapparaten,  Zapfiiähnen.  Zinnfolien  u.  s.  w. 
dienen,  geschieht  in  fol^a-nder  Weise. 

Handbuch  der  Hygiene,    bd.  Hl.  AbtIg.  1.  23 


350  TIl.    WKYL, 

Ungefähr  2  g  der  Legieruug  werden  fein  zerschnitten  oder  geraspelt 
in  einem  zunächst  bedeckten  Glase  mit  reiner  Salpetersäure  bis  zur 
Lösung  digeriert.  Dann  wird  zur  Trockne  verdampft  und  mit  salpeter- 
säurehaltigem Wasser  digeriert. 

Im  Rück  st  an  de  bleibt  das  Zinnoxyd,  welches  nach  dem 
Trocknen  und  Glühen  gewogen  wird.  —  Das  Filtrat  wird  unter  Zusatz 
verdünnter  Schwefelsäure  eingedampft.  Der  entstandene  Niederschlag 
von  B 1  e  i  s  u  1  f  a  t  wird  mit  Alkohol  auf  das  Filter  gebracht  und  nach 
dem  Trocknen  gewogen.  In  dem  schwefelsäurehaltigen  Filtrate  vom  Blei- 
niederschlage ist  etwa  vorhandenes  Kupfer  zu  finden. 

1)    E    Falk,   Zeütchr.  J.   anguc.  Chemie  (1893)  434. 
2^    E.   Leger,  Eevve  d'hygihie  (1888)  10.  £d.  1088. 


D.    Geräte  aus  reinem  oder  fast  reinem  Blei. 

In  diese  Abteilung;  gehören  die  Mülilsteine  und  das  Flaschen- 
sclirot.  Früher  stellte  man  wohl  auch  Trinkbecher  und  AVeinkannen 
aus  reinem  Blei  her.     Doch  dies  hat  jetzt  —  zum  Glück  —  aufgehört. 

1 .  Die  ]\I  ü  h  1  s  t  e  i  n  e. 

Häufiger  in  Frankreich,  seltener  in  Deutschland,  wird  das  Blei 
als  Metall  oder  in  Form  von  Kitten  zum  Ausbessern  gesprungener 
Mühlsteine  sowie  zur  Korrektur  ihres  Schwerpunktes  verwandte  In 
beiden  Fällen  ist  das  Blei  leicht  durch  andere  Materialien,  z.  B.  durch 
Cenient,  namentlich  aber  durch  Eisenkitt  ersetzbar. 

Daß  Bleivergiftungen  eintreten  können,  wenn  das  Mahlgut  mit 
einer  bleihaltigen  Mahlfläche  in  Berührung  tritt,  steht  außer  Frage, 
und  das  Verbot  des  §  5  des  R.G.  vom  25.  Juni  1^87,  Mühlsteine 
unter  Verwendung  von  Blei  oder  von  bleihaltigen  Stoffen  an  der  Mahl- 
fläche herzustellen,  ist  wohl  begründet. 

1)  Pritzkow,  Zeitsckr. /.  Hyg.  und  Infekt.  17.   Bd.   164  (1894). 

2.   B 1  e  i  s  c  h  r  0 1  zum  F 1  a  s  c  h  e  n  r  e  i  n  i  g  e  n. 

Beim  Reinigen  von  Flaschen  mittels  Bleischrot  bleiben  leicht 
Bleikörner  in  der  Hasche  zurück,  namentlich  wenn  der  Boden  der 
Flasche  in  das  Innere  derselben  eingezogen  ist,  wie  dies  liäufig  ge- 
schieht, um  das  Volumen  des  in  der  Flasche  enthaltenen  Stoffes  größer 
erscheinen  zu  lassen,  als  es  der  Wirklichkeit  entspricht. 

Es  ist  sicher,  daß  der  Flascheninhalt  Blei  angreift,  wenn  derselbe 
sauer  reagiert. 

Aber  auch  nicht  saure  Flüssigkeiten,  z.  B.  Wasser  nehmen  beim 
Schütteln  mit  Bleikugeln,  wenn  der  Sauerstoff,  also  die  atmosphärische 
Luft,  Zutritt  hat,  Blei  auf.  Aus  diesen  Gründen  untersagt  der  3.  Ab- 
satz des  §  3  des  R.G.  vom  25.  Juni  1887  die  AuflDewahrung  von  Ge- 
tränken in  Gefäßen,  in  welchen  sich  Rückstände  von  bleihaltigem 
Schrot  befinden. 

Das  bleihaltige  Schrot  läßt  sich  durch  Sand,  durch  Papier,  durch 
Zeuglappen,  endlich  wohl  am  sichersten  durch  Porzellankügelchen 
ersetzen. 


Die  Gebrauchsgegenstände,  357 

E.   Blei-  und  zinkhaltiirer  Kautschuk. 

Der  Milchsaft  tropischer  Artocarpeen,  z.  B.  der  Feigenarten, 
namentlich  aber  von  Syphonia  elastica,  auch  von  Euphorbiaceen  und 
Apocynoen  hat  die  Eigenschaft,  an  der  Luft  zu  einer  höchst  elasti- 
schen Masse  zu  erhärten. 

Um  diese  Masse  für  technische  Zwecke  benutzbar  zu  machen,  wird 
sie  in  kochendem  Wasser  erweicht  und  durch  Maschinenkraft  zerrissen. 
Hierauf  bringt  man  sie  durch  kaltes  Wasser,  das  unter  Druck  auf  den 
weichen  Kautschuk  auffällt  und  gewisse  Unreinlichkeiten,  wie  Sandkörner, 
Reste  des    Stammes    und    Holzfasern  mit   sich    fortführt,    zum    Erstarren. 

Die  in  Platten  gegossene  oder  gepreßte  Masse  komm  t  als  Halb- 
produkt in  den  Handel.  Sie  wird  meist  in  vulkanisiertem  Zustande 
weiter  verarbeitet. 

Durch  das  Vulkanisieren  wird  der  Kautschuk  gegen  Lösungs- 
mittel und  gegen  Temperatureinflüsse  unempfindlicher.  Das  Vulkanisieren 
geschah  früher  durch  Eintauchen  der  Kautschukplatten  in  geschmolzenen 
Schwefel.  Jetzt  mischt  man  entweder  die  erweichten  Platten  in  Misch- 
maschinen mit  Schwefel  oder  taucht  sie  in  ein  Gemisch  von  Schwefel- 
kohlenstoff" und  Chlorschwefel.  Letzteres  Verfahren  ist  das  am  meisten 
angewandte. 

Auch  das  Antimonsulfuret,  auch  Kermes  minerale  genannt, 
welches  ein  Gemisch  von  SbgOg  und  SbjSg  ist,  wird  zum  Vulkanisieren 
des  Kautschuks  benutzt  ^ . 

Von  diesen  Znsätzen  sind  für  die  Gesundheitspflefjje  solche  Ma- 
terialien von  Wichtigkeit,  welche  durch  den  Speichel  oder  die  Milch 
dem  Kautschuk  entzogen  werden  können,  und  wenn  sie  in  den 
menschlichen  Organismus  gelangen,  diesen  zu  schä- 
digen geeignet  sind. 

Ob  hierher  das  Zinkoxyd  gehört,  welches  sich  in  den  Spiel- 
waren und  Warzenhütchen  u.  dergl.  vor  Erlaß  des  R.(t.  häufig  bis 
zu  40— HO  Proz.  findet,  scheint  zweifelhaft.  Nach  Bulowsky*  wird 
dreifach  Schwefelantimon  Sb-iSg  durch  Speichel  oder  durch  Milch  aus 
Kautsciiuk  nicht  herausgelöst,  auch  Blei  geht  unter  den  genannten 
Bedingun^^en  nur  langsam  in  den  Speichel  über,  dagegen  wird  Zink- 
o.xyd  von  Speichel  und  von  Milcii  sehr  schnell  aufgenommen. 

Das  K.(i.  vom  25.  Juni  18H7  verbietet  in  {?  2  die  Verwendung 
von  zinkhaltigem  K  a  u  t  s  c  h  u  k  zur  Herstellung  von  Saugflaschen, 
Saugringen  und  Warzenhüten,  weil  die  Einverleibung  heterogener 
Bestandteile  in  den  kindlichen  Körper  nach  Möglichkeit  verhindert 
werden  muB. 

Zur  Herstellung  von  Trinkbechern.  Spielwaren  und  Leitungen  für 
Bier.  Wein  und  Essi^^  darf  der  zinkhaltige  Kautschuk  ver- 
wendet werden  (K.G.  §  2). 

Nach  demsell)en  (resetz  (^  2)  ist  die  Anwendung  bleihaltigen 
Kautschuks  für  Saugflaschen,  Warzenhütchen,  Saugringe.  Trinkbecher, 
Spielwaren  und  für  Schläuche  zu  Bier-,  Wein-  und  Essigleitungen  mit 
vollem  Rechte  untersagt.  Die  massiven  Spiell)älle  dagegen  dürfen 
Blei  enthalten,  weil  sie  aus  den  Abfällen  der  Eabrikation  hergestellt 
werden  und  bei  dem  Verl)0t  eines  Bleigehaltes  einen  zu  hohen  Preis 
haben  müßten.  Außerdem  werden  dieselben  Säuglingen  und  kleineren 
Kindern  schon  wcjcn    ihres  licdien  Gewichtes   kaum  in  ilie  Hand  ge- 

'23* 


358  TU.  WEYL, 

geben,  sondern  meist  nur  als  Spiel  hülle  für  größere  Knaben  oder 
—  seltener  —  als  Billardbälle  benutzt. 

Andere  Zusätze  zu  Kautschuk,  wie  Schwerspath ,  Gips, 
Thon,  Asphalt  sind  hygienisch  ohne  Belang. 

Ueber  russischen  Kautschuk  berichtet  Bulowsky^.  Bälle, 
Puppen.  Katzen,  Saughütchen  enthielten  bis  bX  Proz.  Zinkoxyd  und 
bis  zu  27  Proz.  Antimon.  Dagegen  fehlten  Blei  und  Arsenik  fast 
stets. 

Zum  Nachweis  von  Blei  und  Zink  im  Kautschuk  kann 
man  die  zerschnitteneu  Objekte  in  schmelzenden  Salpeter  eintragen.  Hierbei 
oxydieren  sich  die  organischen  Stoffe.  Die  Oxydation  ist  beendet,  sobald 
die  Schmelze  rein  weiß  erscheint.  Nach  dem  Erkalten  löst  man  die 
Schmelze  in  schwefelsäurehaltigem  Wasser  und  filtriert.  Im  Filtrate 
erkennt  mau  das  Zink  mittels  Schwefelwasserstoff.  Ein  auf  dem  Filter 
zurückbleibender  Niederschlag  ist  mit  Schwefelwasserstoff  auf  Blei 
zu  prüfen. 

Dagegen  ist  eine  starke  „Beschwerung"  des  Kautschuks  durch 
Bestimmung  des  specifischen  Gewichtes  mit  einiger  Sicherheit  nachzu- 
weisen. Denn  je  leichter  und  weicher  ein  Kautschukgegenstand  ist,  je 
niedriger  also  sein  specifisches  Gewicht,  um  so  höher  ist  sein  Gehalt  an 
reinem  Kautschuk. 

Die  grauen  Kautschuk  gegenstände  enthalten  fast  stets 
Zinkoxyd. 

Ueber  gefärbten  Kautschuk  siehe  S.  390  ff. 

1)  Eud.  von  Wagner,  Hdbch.  der  ehem.   Technologie,  12.  Aufl.  707  (1886). 

2)  Bulowsky,  Arch.  f.  Uyg.,  (1892)  15.  Bd.   125. 

Kapitel  2. 

Die  Oesetze  u.  s.  w.  über  den  Verkehr  mit  blei-  und  zink- 
haltij^en  Gegenständen. 

a)  Deutschland. 

Gesetz,  betreffend  den  Verkehr  mit  blei-  und 
zinkhaltigen   Gegenständen.    Vom  25.  Juni  1887.     (Reichs- 
Gesetzblatt  No.  22,  S.  273.) 

§  1.  Eß-,  Trink-  und  Kochgeschirr  sowie  Flüssigkeitsmaße 
dürfen  nicht 

1.  ganz  oder  teilweise  aus  Blei  oder  einer  in  100  Gewichtsteilen 
mehr  als  10  Gewichtsteile  Blei  enthaltenden  Metalllegierung  her- 
gestellt, 

2.  an  der  Innenseite  mit  einer  in  100  Gewichtsteilen  mehr  als 
einen  Gewichtsteil  Blei  enthaltenden  Metalllegierung  verzinnt  oder 
mit  einer  in  100  Gewichtsteilen  Blei  enthaltenden  Metalllegierung 
gelötet, 

3.  mit  Email  oder  Glasur  versehen  sein,  welche  bei  halbstündigem 
Kochen  mit  einem  in  100  Gewichtsteilen  4  Gewichtsteile  Essig- 
säure enthaltenden  Essig  an  den  letzteren  Blei  abgeben. 

Auf  Geschirre  und  Flüssigkeitsmaße  aus  bleifreiem  Britannia- 
metall  findet  die  Vorschrift  in  Ziffer  2  betreffs  des  Lotes  nicht  An- 
wendung. 


Die  Gebrauchsgegenstände.  359 

Zur  Horstellunfj:  von  Druckvorrichtini^'eii  zum  Ausschank  von 
Bier,  sowie  von  Siphons  für  kohlensäurclialti^'o  (iotränke  und  von 
Metallteilen  für  KindersaugHaschen  dürfen  nur  Metalllogierungen  ver- 
wendet werden,  welche  in  l<xi  (Iowichtsteilen  nicht  mehr  als  einen 
Gewichtsteil   lUci  enthalten. 

§  2.  Zur  Herstellung  von  Mundstücken  für  Saugtlaschen,  Saug- 
ringen und  Warzenhütchen  darf  blei-  oder  zinkhaltiger  Kautschuk 
nicht  verwendet  sein. 

Zur  Herstellung  von  Trinkbeckern  und  von  Sjiielwaren.  mit  Aus- 
nahme der  massiven  Bälle,  darf  bleihaltiger  Kautschuk  nicht  verwendet 
sein. 

Zu  Leitungen  für  Bier,  Wein  oder  Essig  dürfen  bleihaltige  Kaut- 
schukschläuche nicht  verwendet  werden. 

>;  3.  (i eschirre  und  Gefäße  zur  Verfertigung  von  Getränken  und 
Fruchtsäften  dürfen  in  denjenigen  Teilen,  welche  bei  dem  l)e- 
stimmungsgemäßen  oder  vorauszusehenden  (Gebrauche  mit  dem  Inhalt 
in  unmittelbare  Berührung  kommen,  nicht  den  Vorschriften  des  >;  1 
zuwider  hergestellt  sein. 

Konservenbüchsen  müssen  auf  der  Innenseite  den  Bedingungen 
des  §  1  entsprechend  hergestellt  sein. 

Zur  Aufbewahrung  von  (betränken  dürfen  Gefäße  nicht  verwendet 
sein,  in  welchen  sich  Rückstände  von  bleihaltigem  Schrote  befinden. 
Zur  Packung  von  Schnupf-  und  Kautabak,  sowie  Käse  dürfen  Metall- 
folien nicht  verwendet  sein,  welche  in  \{K)  Gewichtsteilen  mehr  als 
einen  Gewichtsteil  Blei  enthalten. 

§  4.  Mit  Geldstrafe  bis  zu  einhundertfünfzig  Mark  oder  mit  Haft 
wird  bestraft: 

1.  wer  Gegenstände  der  im  >j  1,  ij  2  Abs.  1  und  2.  v^  '.)  Abs.  1  und  2 
bezeichneten  Art  den  daselbst  getroti'enen  Bestimmungen  zuwider 
gewerltsmäßig  herstellt ; 

2.  wer  Gegenstände,  welche  den  Bestimmungen  im  >;  1,  >j  2  Abs.  1 
und  2  und  Jj  8  zuwider  hergestellt,  aufbewahrt  oder  verpackt  sind, 
gewerbsmäßig  verkauft  oder  feilhält; 

3.  wer  Druckvorrichtungen,  welche  den  Vorschriften  im  ;;  1  Abs.  3 
nicht  entsprechen ,  zum  Ausschank  von  Bier  oder  bleihaltige 
Schläuche  zur  Leitung  von  Bier,  Wein  oder  Plssig  gewerbsmäßig 
verwendet. 

§  ö.  Gleiche  Strafe  trifft  denjenigen,  welcher  zur  Verfertigung 
von  Nahrungs-  und  Genußmitteln  bestimmte  Mühlsteine  unter  Ver- 
wendung von  Blei  oder  bleihaltigen  Stoffen  an  der  Mahltiäche  her- 
stellt oder  derartig  hergestellte  Mühlsteine  zur  Verfertigung  von  Nah- 
rungs- oder  (ienußmitteln  verwendet. 

tj  f).  Neben  der  in  den  vj>5  4  und  ö  vorgesehenen  Strafe  kann 
auf  Einziehung  der  (iegenstände,  welche  den  betreffenden  Vorschriften 
zuwider  hergestellt,  verkauft,  feilgehalten  oder  verwendet  sind,  sowie 
der  vorschriftswidrig  hergestellten  Mühlsteine  erkannt  werden. 

Ist  die  Verfolgung  oder  Verurteilung  einer  bestimmten  Person 
nicht  ausführbar,  so  kann  auf  die  Einziehung  selbständig  erkannt 
werden. 

{5  7.  Die  Vorschriften  des  Gesetzes,  betreffend  den  \'erkelir  mit 
Nahrungsmitteln,  Genußmitteln  und  Gebrauchsgegenständen,  vom 
14.  Mai  1H79  (Reichs-Gesetzblatt  S.  145)  bleiben  unl»erührt.    Die  Vor- 


360  TH.    WEYL. 

Schriften    in    den    ij?;  It).    17    desselben   finden  auch  bei  Zuwiderhand- 
lungen gegen  die  Vorschriften  des  gegenwärtigen  Gesetzes  Anwendung. 
Jj  8.     Dieses  Gesetz  tritt  am   1.  Oktober  1.S88  in  Kraft. 

Das  Berliner  Polizei-Präsidium  macht  die  Gewerbetreibenden 
auf  das  R.G.  betreffend  den  Verkehr  mit  blei-  und  zinkhaltigen  Gegen- 
ständen aufmerksam.     Veröff.  Kais.  Ges. -Amt  (1889)  41. 

Verfügung  des  Berliner  Polizei-Präsidiums  vom  11.  April 
1892  behandelt  die  Reinhaltung  der  in  öffentlichen  Schanklokalen  be- 
nutzten Biergläser.  Gesundheitsingenieur  (1892)  213  und  Veröff.  Kais. 
Ges.-Amt  (1892)  330. 

Die  Großhzgl.  Mecklenburgische  Landesregierung  hat 
die  Aichämter  angewiesen,  Flüssigkeitsmasse,  welche  aus  einer 
Zinnlegierung  besteht,  die  weniger  als  90  Proz.  reines  Zinn  oder  mehr 
als  10  Proz.  Blei  enthält,  nicht  zu  aichen.  Veröff.  Kais.  Ges.-Amt  (1888) 
657. 

Das  Sachsen-Meiningen'sche  Statsministerium  hat  am 
2.  November  1888  bestimmt,  daß  Bleiröhren  zu  Wasserleitungszwecken 
nicht  benutzt  werden  sollen.     Veröff.  Kais.  Ges.-Amt  (1888)  738. 

Das  Berliner  Polizei-Präsidium  warnt  unterm  12.  Juli  1892 
vor  Anwendung  von  Flaschen  verschlußkorken  aus  bleihaltigen 
Zinnlegierungen.     Veröff.  Kais.  Ges.-Amt  (1892)  521. 

Das  Berliner  Polizei-Präsidium  warnt  am  20.  Dezember  1888 
und  26.  Juni  1891  vor  der  unvorsichtigen  Anwendung  von 
Schrot  beim  Flaschenr  einigen.  Veröff.  Kais.  Ges.-Amt  (1891)  413. 

Vergl.  auch  die  auf  S.  354  angeführten  Erlasse  u.  s.  w.  über  F  a  ß  - 
häh  ne. 

Siphons  mit  einem  Gehalt  von  27,5  Proz.  Blei,  welche  vor 
dem  Erlaß  des  R.G.  vom  25.  Juni  1887  hergestellt  sind, 
dürfen  ausgeliehen  werden.  Laut  Urteil  des  Reichsgerichtes  (III.  Straf- 
senat) vom  20.  März  1890.    Veröff.  Kais.  Ges.-Amt  (1891)  97. 

Nach  einem  Urteil  des  Kgl.  Oberlandesgerichtes  München 
vom  7.  August  1889  ist  zu  verfolgen,  wer  Zinnteller,  die  aus  einer 
in  100  Gewichtsteilen  mehr  als  10  Gewuchtsteile  Blei  enthaltenen  Legie- 
rung hergestellt  sind,  gewerbsmäßig  feilhält,  ohne  zu  wissen,  daß  deren 
Gebrauch  die  menschliche  Gesundheit  zu  beschädigen  geeignet  ist.  Auf 
Grund  des  R.G.  vom  25.  Juni  1887  betreffend  den  Verkehr  mit  blei-  und 
zinkhaltigen  Gegenständen.     Veröff.  Kais.  Ges.-Amt  (1891)  83. 

Verurteilung  wegen  fahrlässiger  Herstellung  bleiab- 
gebender Geschirre  durch  das  Landgericht  Passau.  Die  inkriminierten 
7  Geschirre  gaben  beim  Kochen  mit  4  Proz.  Essigsäure  0,277  g  Blei  ab. 
Viertel],  f.  Nahrgsm.  (1890)  5,  252. 

Eine  ausführliche  und  sehr  beachtenswerte  Verordnung  über  Bier- 
druckapparate u.  s.  w.  erließ  unterm  6.  Januar  1891  der  Regierungs- 
präsident   zu    Düsseldorf.     Veröff.  Kais.  Ges.-Amt  (1891)  734. 

h)  Belgien. 

Eine  Königl.  Verordnung  vom  10.  Dezember  1890  bestimmt 
den  Gehalt  an  Blei,  Zink,  Arsen  und  Antimon  in  Gefäßen  aller  Art, 
welche  zum  Aufbe  w  ahr  en  von  Nahrungsmitteln  benutzt  werden 
dürfen.     Veröff.  Kais.  Ges.-Amt  (1891)  338. 

Eine    Königl.    Verordnung    vom    15.  Juni    1891    empfiehlt    für 


Die  Gebrauchsgegenstände.  361 

Bierdruckeinrichtungen  die  Verwendung  von  Röhren  aus  Zinn, 
Glas  oder  Porzellan.  Verzinnte  Bleirohren  sind  nicht  haltbar.  Ueber  die 
Schädlichkeit  kupferner  Röhren  seien  die  Ansichten  noch  geteilt. 

Eine  Koni  gl.  Verordnung  vom  15.  September  1891  bestimmt, 
daß  Legierungen  von  Antimon  oder  Zinn  mit  oder  ohne  Kupfer  mit  einem 
Höchstgehalte  von  15  Proz.  Antimon  gestattet  sind:  a)  zur  Herstellung 
von  Siphonköpfen  für  Mineralwässer,  b)  für  Gebrauchsgegen- 
stände, wie  Tischbestecke,  Zuckerdosen,  Beschläge  an  Bierkrügen,  über- 
haupt für  alle  Getaße  u.  s.  w.,  die  nur  kurze  Zeit  mit  den  Nahrungs- 
mitteln in  Berührung  bleiben. 

c)  Frankreich. 
In  Frankreich  wurde  der  Verkehr  mit  blei-  und  zinkhaitifren 
Gegenständen  bereits  vor  Erlaß  des  Deutschen  R.G.  vom  25.  Juni 
1887  behördlich  überwacht,  weil  sich  die  gelehrten  Körperschaften  des 
Landes  und  der  hygienische  Beirat  des  Ministers  des  Innern  schon 
seit  der  Mitte  der  sechziger  Jahre  dieses  Jahrhunderts  eingehend 
mit  der  Schädliciikeit  des  Bleis  beschäftigt  hatten.  Ferner  kommen 
in  Betracht: 

l)DasComite  consultatif  d'hygiene  publique  hat  die  An- 
wendung von  Metall  verschlussen  an  Milchflaschen  widerraten 
Veröff.  Kais.  Ges.-Amt  (1888)  G22. 

2)  Der  Polizeiprä fekt  von  Paris  verbot  die  Verwendung  von 
bleihaltigen  Zinnfolien  zum  Einwickeln  von  Nahrungsmitteln.  Die  be- 
nutzten Zinnfolien  sollen  mindestens  97  Proz.  Zinn  enthalten.  Diese  Ver- 
ordnung wurde  durch  den  französischen  Handelsminister  allen  Präfekten 
zur  Nachachtung  empfohlen.     VeröfF.  Kais.  Ges.-Amt  (1889)  644. 

d)  Oesterreich. 

Laut  Erlaß  der  K.  K.  Stadthalterei  von  Oesterreich  vom 
11.  Oktober  1892  soll  der  Handel  mit  glasierten  Gefäßen  wegen 
möglicher  Bleivergiftung  sorgsam  überwacht  werden.  Viertelj.  f.  Nah- 
rungsm. (1893)    1.  Heft  82. 

K.  K.  Böhm.  Stadthalterei-Erlaß  vom  25.  Juli  1891:  Deckel 
und  Deckelreifen  für  Trinkgefäße  dürfen  nur  aus  einer  Ziun- 
Bleilegierung  hergestellt  sein,  welche  auf  10  Teile  Zinn  nicht  mehr  als 
1   Teil  Blei  enthält.     Vierteljschr.  f.  Nahrungsm.  (1892)  229. 

Das  österreichische  Justiz  min  isterum  hat  unterm  21. 
März  1888  angeordnet,  daß  die  Eß-  und  Trinkgeschirre  aus 
Zinkblech  wegen  ihrer  Gefahren  für  die  Gesundheit  durch  solche  aus 
Thon  oder  Weißblech  zu  ersetzen  sind.  Veröff.  Kais.  Ges.-Amt  (1888)  456. 

e)   Vereinigte  Staaten. 
In   densell)en   ist  kein  Bundesgesetz  über  den  Verkehr  mit  blei- 
und   zinkhaltigen    (Jegenständen   in  Kraft.     Nur   einige   Einzelstaaten 
haben  diese  Materie  geordnet. 

Kapitel  3. 
Die  Ersatzmittel  für  blei-  iiiul  zinkhaltige  GegcnstUnde. 

Als  Ersatzmittel  für  blei-  und  zinkhaltige  (iegenstände  kommen 
solche  aus  Ivupfer,  aus  Nickel  und  aus  Aluminium  in  Betracht. 


302  TU.    WKYL, 

Im  foljiomlon  wird  hauptsächlich  nur  auf  die  Kochpcfäße.  welche  aus 
den  aniieiiebenen  Metallen  her^^estellt  sind,  einj>ejianjien,  weil  diesen 
fast  allein  eine  hervorragende  liygienische  Bedeutung  zukommt. 

1 .  Die  k  u  p  f  e  r  n  e  n  ( 1  e  f  ä  ß  e. 

Ueber  die  Frage,  unter  welchen  Verhältnissen  die  Benutzung 
kupferner  Gefäße  im  Haushalte  zu  einer  Kupfervergiftung  führen  kann, 
beziehentlich  ob  eine  solche  ül)erhaupt  wahrscheinlich  ist,  wird  — 
um  Wiederholungen  zu  vermeiden  —  im  Zusammenhange  mit  der 
Reverdissage,  und  zwar  auf  S.  o7o  berichtet. 

2.   Die  Nickelgefäße. 

Das  reine  Nickel  ist  durch  seinen  silberartigen  Glanz,  seine  Wider- 
standsfähigkeit gegen  Sauerstoff,  Wasser  und  schwache  Säuren,  sowie 
durch  seine  Walzliarkeit,  welche  auch  dem  schwer  duktilen,  durch 
Schmelzen  im  Großbetriebe  erhaltenen  Nickel  mit  Hilfe  eines  geringen 
Zusatzes  von  Magnesia  und  auch  von  Mangan  ^  wiedergegeben  wird, 
zur  Herstellung  von  Gerätschaften  aller  Art  wohl  geeignet. 

Die  in  den  Handel  kommenden  Nickelgeschirre  sind  auf  zweierlei 
Weise  hergestellt:  durch  Vernickelung  oder  durch  Plattierung  eiserner 
Gefäße. 

Die  Anwendung  vernickelter  Kochgeschirre  kann  nicht  em- 
pfohlen werden,  weil  dieselben  der  Hitze  und  den  in  manchen  Nahrungs- 
mitteln vorhandenen  oder  bei  deren  Herstellung  sich  entwickelnden 
Säuren  nicht  widerstehen.  Auf  diese  nickelplattierten  Gefäße  bezieht 
sich  auch  die  Warnung  der  Wiener  Sanitätsbehörde  =^. 

Die  Verwendbarkeit  der  nickelplattierten  Kochge- 
schirre ist  am  eingehendsten  von  Birnbaum^,  ferner  von 
Geerkens*,  von  Labor  de  und  Riebe-'',  endlich  von  Rohde^ 
untersucht  worden. 

Roh  de  ^  hatte  in  seinem  Haushalte  5  Jahre  hindurch  Nickel- 
kochgeschirre in  beständigem  Gebrauche  und  benutzte  sie  auch  aus- 
schließlich zum  Einmachen  von  Früchten  aller  Art.  Während  der 
ganzen  Zeit  trat  weder  bei  ihm  noch  bei  seiner  Gemahlin  irgend 
welche  Gesundheitsstörung  auf.  WMr  sind  daher  wohl  berechtigt, 
die  aus  einer  g  u  ten  Fa  b  rik  sta  mm  enden  Nickel  g  esc  h  irre 
als  völlig  unschädlich  zu  bezeichnen,  w^enn  nur  dafür  Sorge 
getragen  wird,  daß  die  gekochten  Speisen  nicht  unnötig  lange  Zeit 
in  dem  Nickelgeschirr  stehen  bleiben  oder  wohl  gar  in  demselben 
überhaupt  aufl)ewahrt  werden. 

Es  ist  aber  nach  Roh  de  denkbar,  daß  die  wenig  gebrauchten, 
beziehentlich  die  überhaupt  noch  nicht  benutzten  Nickelgeschirre  durch 
Säuren  leichter  angreifl>ar  sind,  als  diejenigen  Gefäße,  welche  bereits 
längere  Zeit  im  Gebrauche  stehen  *). 

Im  Gegensatze  zu  Roh  de  sah  Geerkens*,  daß  2  1  Milch, 
welche  in  einer  großen  Nickelschale  bei  gewöhnlicher  Zimmertemperatur 
8  Tage  standen,  0.022  g  Nickel  aufgenommen  hatten.  Natürlich  war 
die  Milch  während  dieser  Zeit  in  Gärung,  vielleicht  sogar   in  Fäulnis 


*)  Es  würden  also  hier  ähnliche  Verhältnisse  wie  bei    den  Aluminiumgefäfsen  (S.  364) 
obwalten. 

24 


Die  Gebrauchsgegenstände.  3G3 

übor^'cpanfion  und  hatte  Milchsäure  oder  andere  Fettsäuren,  z.  B.  Essij,'- 
säure  ^'eliihU't.  Dii's  erklärt  den  liefund  zur  (Jenü^^e.  beweist  aber 
auch,  was  ei^'entlich  selbstverständlich  war.  daß  Nickelschalen  zur 
Aut'bewahrunj;  von  Säuren  oder  leicht  Säure  bildenden  Nahrun'rs- 
mitteln  nicht  l)enutzt  werden  können.  In  diesem  Sinne  lautet  auch 
das  Urteil  von  (Jecrkens  und  Schulz*,  und  La  bor  de  und 
Rio  he  ^  sind  der^deichen  Meinung'. 

Durchaus  abweichend  hiervon  sind  die  \'ersuchser^iebnisse  von 
Birnbaum.  Derselbe  kochte  in  einem  nickelplattierten  Eisentopfe 
von  4<>0  com  Inhalt,  dessen  beide  Henkel  mit  Kupfer  und  Hartlot 
befestijzt  waren ,  200  com  Essijjsäure  von  3,5  Proz.  in  der  0,5  Koch- 
salz ^'elöst  waren,  bei  auf^^ele^^tem  Deckel  eine  Stunde  lanj;.  Die 
priine,  stark  sauer  reaj^nerende  Lösunji  enthielt  U,095  ^^  Nickel.  Als 
ferner  in  einer  j^estielten  Kasserolle  von  4(H)  ccm  Inhalt  Sauer- 
kirschen eine  halbe  Stunde  jzekocht  worden  waren,  ließ  sich  in  den 
Kirschen  Nickel  leicht  nachweisen.  Gleichzeitig  war  das  Gefäli  und 
der  Deckel  mit  einem  grauen  Ueberzug  von  basischem  Nickelsalz 
überzogen.  Die  (Jefäße,  welche  Birnbaum  benutzte,  waren  also 
leichter  angreititar  als  die  von  Roh  de  und  anderen  benutzten. 

Wenn  nun  aber  w  i  r  k  1  i  c  h  a  u  s  N  i  c  k  e  1  g  e  s  c  h  i  r  r  e  n  N  i  c  k  e  1 
in  die  Speisen  geraten  sollte,  so  dürfte  dasselbe  die  Ge- 
sundheit trotzdem  in  keiner  Weise  schädigen.  Hierfür 
spricht  einmal  der  Versuch,  den  Roh  de  an  sich  und  an  seiner  Ge- 
mahlin anstellte,  ferner  aber  der  Umstand,  daß  Tierversuche  von 
Riebe  und  La  bor  de,  ferner  von  Roh  de  zeigen,  wie  große  Mengen 
Nickel  ein  Hund  ohne  jede  Schädigung  seiner  (Jesundheit  vertragen 
kann.  So  erhielt  der  Hund  von  Riche  u.  Labor  de  im  Verlaufe 
von  160  Tagen  im  ganzen  21,35  g  Nickel  als  schwefelsaures  Nickel. 
Erst  nach  Aufnahme  von  1,5—2  g  des  Salzes  zeigten  sich  Vergiftungs- 
erscheinungen. Dieselben  bildeten  sich  aber  zurück,  und  nachdem 
der  Hund  getötet  war,  fanden  sich  in  den  Organen  keinerlei  patho- 
logische Veränderungen.  Dagegen  wurden  die  folgenden  Nickel- 
mengen in  den  Organen  etc.  nachgewiesen.  Nieren -f  Blut  (ca.  150  g) 
+  Lungen  -f-  Herz  -+-  Magen  nebst  Darm  enthielten  2  mg,  x  mg  die 
Leber.  7  mg  das  Gehirn. 

Roh  de  gab  einer  16  kg  schweren  Hündin  zugleich  mit  dem  aus 
reinem  P'leisch  bestehenden  Futter  0,2094  g  einer  wässerigen  Lösung 
von  essigsaurem  Nickel.  In  dem  schwarz  gefärbten  Kote  wurden 
0,2094  g  Nickel  wiedergefunden. 

Auch  van  H  a  m  e  1  -  R  o  o  s  ^  ist  von  der  L^nscliädlichkeit  der 
Nickelgeschirre  üi)erzeut;t. 

Käse  läßt  sich  nach  Heibig*  in  nickel])lattierten  Gefäßen  nicht 
aun)ewahren.  da  dieselben  von  den  im  Käse  enthaltenen  Säuren  an- 
gegriffen werden. 

1)  K.  von   Wagner,   Ildbch.   der  ehem.    Technolog.    12.   Aufl.  (1886)   65. 

2)  Indxiitru-hlätUr  (1886)   96   u.    l'JB. 

3)  Birnbaum,  JjingUr's  polyteehn.  Journal  (1883)   249.   Hd.   515  u.   564. 

4)  Geerkeni,  ixehe  Schall    in  Dimjler'a    polyteehn.  Journal   250    Bd.    S.  421     und    251.  Bd. 
S.   \-l'>. 

5)  Laborde  u.   Riche,  Joum.   de  pharmacie  et  de  chimie  (1886)   {mir  nicht  zugänglich). 

6)  Rohde.    Arch.  f.   Hygiene  (1889)  9.   Bd.  331. 
1)  van  Hamel-Roos,   Hev.   intern.  JaU.   1.   Bd.  31. 

8>  Heibig,   PharmaeetU.  CeiUralh.  (1892)  341,  ref.  in  llyg.  Rdsch.  (1892)   906. 


;iÖ4  TH.    WEYL. 

.'^.  Die  Alu  111  i  11  i  u  in  i,^  e  f  ä  ß  e. 

Uober  die  VerweiidUaikeit  des  Aluiiiiiiiuins,  wie  es  jetzt  in  großem 
Umfange  zu  billigem  Preise  durch  Elektrolyse^  gewonnen  wird,  zur 
Herstellung  von  Gebrauchsgegenständen,  liegen  eine  große  Reihe 
exakter  Untersuchungen  vor. 

Die  ersten  Versuche  über  diese  Frage  scheinen  Lül)l)ert*  und 
Röscher  veröti'oiitlicht  zu  haben. 

Dieselben  ließen  reines  I>  1  a  1 1  a  1  u  in  i  n  i  u  lu  für  4  Tage  bei 
Zimmertemiieratur  in  Lösungen  von  Alkoholen.  Aethern.  Aldehyden, 
Ketonen,  organischen  und  anorganischen  Säuren ,  in  Alkylaminbasen, 
in  wässerigen  Lösungen  von  Sublimat,  Salicylsäure  und  Karbolsäure, 
endlich  in  Rotwein .  KatTee  und  Thee  stehen.  Die  Konzentration  der 
angewandten  Reagentien  wurde  mannigfach  variiert.  Hierbei  waren 
nur  die  Alkohole.  Aether,  Aldehyde  und  Ketone,  soweit  die  aus- 
schließlich (j  u  a  1  i  t  a  t  i  v  angestellten  Versuche  ein  Urteil  gestatteten, 
außer  Stande,  das  Aluiiiiiiiuiiiblech  anzugreifen,  während  dies  durch 
die  übrigen  Reagentien  fast  ausnahmslos  erfolgte. 

Die  Verfasser  schließen  aus  ihren  Versuchen,  daß  Aluminium 
zur  Herstellung  von  Konservebüchsen,  Feldflaschen, 
Geschirren  nicht  geeignet  sei.  Während  die  Versuche  der 
Verfasser  ohne  jeden  Zweifel  auf  völlig  richtigen  Beol)aclitungen  be- 
ruhten, haben  die  im  folgenden  zu  schildernden  Erfahrungen 
anderer  Forscher  ergeben,  daß  Aluminium  nur  in  Gestalt 
des  Blattaliiminiuins  jene  große  Emptindlichkeit  gegen  die  oben 
genannten  Reagentien  besitzt,  aber  im  gewalzten  Zustande  an- 
gewandt, durch  Säuren,  ja  durch  Alkalien  in  derjenigen  Konzen- 
tration, in  welcher  dieselben  bei  Herstellung  und  Aufbewahrung  der 
Nahrungsmittel  in  Betracht  kommen,  kaum  angegriffen  werden. 

Dies  geht  namentlich  aus  den  Mitteilungen  von  G.  Lunge  und 
E.  Schmidt^  hervor,  welche  gewalztes,  von  der  Aluminium-In- 
dustrie-Aktien- Gesellschaft  in  Neuhausen  hergestelltes  Aluminium- 
blech benutzten.     Dasselbe  enthielt: 

0.44  gebundenes  Silicium 

O.il  krystallinisches  Silicium 

o,25  Eisen  und  Spuren  von  Kupfer 

99. 20  Aluminium 


Sie  Stellten  genau  gewogene  Streifen  des  Aluminiumbleches  in  Ge- 
fäße, die  mit  den  unten  aufgeführten  Flüssigkeiten  gefüllt  waren, 
ließen  dieselben  6  Tage  einwirken  und  ermittelten  dann  durch  genaue 
Wägung  einen  etwa  eingetretenen  Verlust.     So  entstand  Tabelle  1. 

Tabelle  1. 

Gewichtsverlust   in    mg    bei    6-tägiger   Einwirkung   der 
nachstehenden  Flüssigkeiten  auf  gewalztes  Aluminium- 
blech bei  Zimmertemperatur. 

Verluste  in  mg 
pro  100  qc. 

Gewöhnlicher  Rotwein  2,84 

,,  Weißwein  3.27 

Branntwein  1,08 

26 


Die  Gebrauchsgegenstände.  365 

Verluste  in  mg 

pro   100  qc. 

50-proz.  Alkohol  0,6i 

Weinsäure  5  proz.  I.HS 

„         1       ,,  2.58 

EssigsSure  5  proz.  3.8.'> 

>.         1       *t  4.3d 

Citronensäure  6  proz.  2.15 

1     ,.  i.ao 

Milchsäure  5  proz.  4,77 

Buttersäure  1,31 

Kafl'ee  0,50 

Thee  O,oo 

Bier  O.oo 

Borsäure  4   proz.  1,77 

Karbolsäure  5  proz.  0,23 

l       „  0,49 

Salicylsäure  1/400  6.35 

Die  mit  ileiii  Branntwein  in  Berührung  gewesenen  Bleche  zeigten 
eigentümliche  Auswüchse  von  weißliclier  Farbe.  Sie  bestanden  aus 
Thonerdehydrat  und  saLsen  auf  einer  kleinen  Vertiefung.  Diese  merk- 
würdige \'eränderuiig  ist  nach  Annahme  der  Verfasser  eine  zufällige 
und  durch  eine  nicht  homogene  Beschaffenheit  des  benutzten  Bleches 
l»edingt  *). 

Eine  Feldflasche  von  ca.  2(H)  g  fiewicht  würde  nach  Lunge  und 
Schmidt  durch  Wein,  der  in  ihr  aufliewahrt  wurde,  erst  in  55  Jahren 
auf  die  Hälfte  ihres  Gewichts  reduziert  sein. 

In  den  Versuchen  von  Ohlmüller  und  Heise*  wurde  beim 
Zubereiten  und  Stehenlassen  von  Speisen  in  Gefäßen  aus  gewalztem 
Aluminium  zwar  anfänglich  etwas  Metall  aufgelöst.  i)eim  längeren 
Gebrauche  aber  werden  die  (iefäBwände  offenbar  infolge  eigentüm- 
licher Obertlächenveränderungen  weniger  angreifbar. 

Eine  Schädigung  der  Gesundheit  trat  aber  beim  Genüsse  von 
Speisen  nicht  ein ,  wenn  diese  in  Aluminiumgefäßen  zubereitet  oder 
aufbewahrt  worden  waren. 

Aehnlich  lauten  die  Erfahrungen  von  Plagge  und  Lel)l)in^. 
Auf  (irund  ihrer  eingehenden  Ver.^uche.  die  sich  auf  eine  sehr  große 
Reihe  (|  ua  n t  i  t a  t  i  ver  Bestimmungen  stützen,  komiiieii  sie  zu  dem 
Resultate,  daß  gegen  die  Verwendung  des  Aluminiums  zur  Herstellung 
von  Trink-  und  Kochgeschirren,  wenn  die  genannten  Gefäße  aus  einem 
Stück  ohne  Naht  und  ohne  Kitt  hergestellt  sind,  sanitäre  Bedenken 
nicht  bestehen.  — — 

Von  besonderem  Interesse  {ist  noch  ein  Versuch  am  Menschen. 
Es  verzehrten  nämlich  2  Diener  IV»  Jahr  hindurch  täglich  Fleisch, 
(iemüse  und  Kaffee  in  2  vorschriftsmäßigen  Fricdciisportioiicn.  zeit- 
weise auch  in  Krie;.:sportionen,  längere  Zeit  hindurch  auch  gebratenen 
Speck,  kurz  nachdem  die  genannten  (ierichte  in  Aluminiumgefäßen 
hergestellt  worden  waren.  Beide  Leute  befanden  sich  während  der 
ganzen  Zeit  durchaus  wohl.  In  ihrem  Harn  ließ  sich  kein  Aluminium 
nachweisen,  obgleich  Mengen  von  lOLitern  hierzu  benutzt  worden  waren, 

Bier  veränderte  sich  nach  Aubry"  in  einer  Almiiiniuniriasche 
bei  Temperaturen  zwischen  5  und  12°  C  äußerlich  gar  nicht.  Der 
Geschmack  blieb  voll  erhalten.  Höchstens  schmeckte  es  etwas  nach 
Metall,    wie    jedes    Bier,    das    aus    Metallgefäßen    getrunken     wird. 


*)  Identische  BeobachtuDgeo  machten  auch  Ohlmüller  und  Hei««*   und  fertigten 
von  diesen  EfOorescenzen  gute  Photographien  an. 

27 


366  TU.  WEYL.  Die  Gebrauchsgegenstände. 

Bei  1(1— 12"  C  während  3  Wochen  ^'ohaltcnes  Bier  führte  pro  Liter 
Snij:  Ahiniinium  in  Lösnnj:  über.  Auch  dieKolilensäure  des  gärenden 
Bieres  greift  Aluniiiiiuni  kaum  an. 

Vüv  (iärgefäße  und  zu  Bierpressionen  kann  Alnniiniuni 
gleichfalls  ohne  Bedenken  angewandt  werden.  Nur  darf  man  die  zur 
Reinigung  der  Röhren  benutzte  Sodalösung  nicht  allzulange  einwirken 
lassen,  weil  sonst  das  Metall  angegriften  wird. 

Sdiließlich  sei  noch  erwähnt,  daß  Cl.  Winkler'  einen  aus 
Aluminium  hergestellten  Speiselöffel  seit  16  Jahren  in  seiner  eigenen 
Wirtschaft  benutzte.  Der  Löffel  wog  anfänglich  25,493  g.  Während 
der  16  Jahre  hatte  er  nur  ö.Sö  Proz.  abgenommen.  Er  würde  also 
erst  in  273  Jahren  verbraucht  werden,  wenn  die  Abnahme  immer 
gleichmäßig  stattfände.  Gleiclizeitig  waren  ein  Löffel  von  Neusilber 
und  ein  anderer  von  Silber  im  Gebrauch.  Ersterer  hatte  während 
der  16  Jahre  5,62,  letzterer  8,78  Proz.  abgenommen. 

Dieser  einfache  Versuch  ist  für  das  vorliegende  Thema  von  grund- 
legender Bedeutung.  Er  zeigt,  daß  die  Benutzung  eines  Aluminium- 
löffels nicht  gesundheitsgefährlich  ist,  und  daß  ein  derartiger  Löffel 
trotz  tä;:lichen  Gebrauches  einer  geringeren  Abnutzung  unterliegt  als 
ein  silberner  Löffel. 

Nach  allen  bisher  vorliegenden  Erfahrungen  ist 
das  reine  gewalzte  Aluminium  zur  Herstellung  von 
Koch-  und  Trinkgeschirren  wohl  geeignet,  da  der- 
artige Gefäße  haltbar  sind  und  die  Gesundheit  nicht 
zu  s c li ä d i  g e n  vermöge n. 

Allerdings  macht  demgegenüber  Robert^  darauf  aufmerksam, 
daß  nach  einer  Untersuchung  von  Siem  auch  die  ..allerindifferen- 
testen"  Salze  des  Aluminiums  bei  Tieren  zu  Fettentartung  der  Leber, 
ferner  zu  Magendarmentzündung  und  hyaliner  Degeneration  der 
Nierenepithelien  führen,  daß  ferner  die  tödliche  Dose  für  das  Kilo 
Kaninchen  300  mg,  für  das  Kilo  Katze  250—280  mg,  für  das  Kilo 
Hund  250  mg  Aluminium  betrage.  Aber  in  den  Versuchen  von 
Siem  handelte  es  sich  um  intravenöse  oder  subkutane  Dar- 
reichung der  Aluminiumsalze:  also  um  Verhältnisse,  welche  mit  denen 
kaum  vergleichl^ar  sein  dürften,  die  bei  Zubereitung  oder  Aufbe- 
wahrung der  Speisen  und  Getränke  in  Aluminiumgefäßen  in  Betracht 
kommen. 

Ferner  ist  aber  bereits  durch  die  oben  erwähnten,  von  Wink- 
ler', Ohlmüller  und  Heise*,  Plagge  und  Lebbin^  ange- 
stellten Versuche  der  Einwurf  Kobert's  widerlegt. 

Der  Hygieniker  dürfte  also  kaum  in  der  Lage  sein, 
einen  begründeten  Einwand  gegen  die  Benutzung  der 
A 1  u  m  i  n  i  u  m  g  e  f  ä  ß  e  bei  Zubereitung  und  Aufbewahrung 
von  Speisen  zu  erheben^. 

1)  Bichards,   Aluminivm,  London  1890,  2.  edit. 

2)  Labbert  >/.  Eoscher,  Pharmac.  Centralh.  (1891)  No.  39  u.  40. 

3)  G    Lunge   u.  E.   Schmidt,  Zeüschr.  f.  angev:.  C'hem.  (1892)   7. 

4)  Ohlmüller  u.  Heise,   Arb.   Kais.  Gea.-Amt  (1893)  7.   Bd.  377. 

5)  Flagge  u    Lebbin,     VeröffenÜ.  aus   dem  Gebiet  des   Militär-Sanüätsicesens,    herausgeg.    von 
der   Med.   Abteil,   d.  preu/s.    Kriegsminist.   (1893)   3.   Heft. 

6j  L.   Anbry.   Rej.  in  Centralbl.  f.  allgem.   Gsdpfl.  (1893;  201. 

7)  Cl.  Winkler.   Zeitschr.  f.  angew.  Chem.  (1892)   69. 

8)  Kobert,   Chem.   Ztg.  (1892)    16.  Bd.  821. 

9;  ttrgl.  Ch    Schmitz.  Hyg.  lidich.  (1894)  33. 

28 


ABSCHNITT  II. 

Das  Reiclisjioset/   vom  5.  Juli  1887,   betreltVml  die 

Yerweiiduii^  2;osiiiidlieitssch{ldlicher  Farben  bei  der 

Herstelluni»  von  XaUrunj^sinitteln,  (weiuissmittelii  und 

(iebrauclisgegenstäuden  *). 

Einleitung. 

Die  Farbe  spielt  im  Haiislialte  des  Kiilturmensclien  eine  sehr 
liedeutende  Rolle.  Wir  färl>eii  die  Gefienstände.  welche  uns  miij^eben.  in- 
dem wir  die  Natur  nachahmen,  weil  wir  sie  voneinander  zu  unter- 
scheiden wünschen,  weil  wir  den  Kontrast  lieben,  und  zuletzt  auch, 
wir  müssen  es  gestehen,  um  durch  die  Farbe  die  Wirklichkeit  zu  er- 
setzen und  um  diese  Wahrheit  zu  verschleiern. 

Die  Gesundheitsptiege  und  der  Staat  nehmen  an  der  Anwendung 
der  Farben  aus  mannigfachen  Gründen  ein  Interesse. 

Die  Gesundheitspflege  verlangt  zunächst,  daß  die  Farben,  welche 
im  menschlichen  Haushalte  Verwendung  finden,  unschädlich  seien. 
Der  Staat  verlangt  aus  sogenannten  Iniheren,  moralischen  Gründen, 
daß  durch  Anwendung  der  Farben  nicht  der  Schein  einer  besseren 
Qualität  zu  Ungunsten  des  Käufers  hervorgerufen  werde. 

Dies  sind  die  Motive,  welche  den  Staat,  als  den  Vollstrecker  der 
begründeten  Anforderungen  der  öffentlichen  Gesundheitspflege,  ver- 
anlaßten.  die  Anwendung  der  Farbstoffe  zum  Färben  von  Nahrungs- 
mitteln   und  (Tei)rauchsgegenständen    zu    regeln    und  zu    überwachen. 

Im  folgenden  ist  die  Lehre  von  den  P\arben.  soweit  sie  hygi- 
enisches Interesse  dari)ietet,  im  Anschluß  an  das  Reichsgesetz  vom 
5.  Juni  1XS7.  betreffend  die  Verwendung  gesundheitsschädlicher  Farben 
bei  der  Herstellung  von  Nahrungsmitteln,  Genußmitteln  und  Gebrauchs- 
gegenständen, er(">rtert  worden. 

•)  Jeder  Ilygieniker,  welcher  sich  mit  diesem  höchst  verwickelten  Them»  zu  be- 
schäftigen wünscht,  sei  auf  die  gehaltvolle  Arbeit  von  Seil  (Arbeiten  des  Kais  Ges. -Amt. 
2.  Bd.  232)  verwiesen.  Es  liütte  den  in  diesem  Handbuche  zur  Verfügung  stehenden  Raum 
bedeutend  überstiegen,  wenn  an  dieser  Stelle  alle  in  der  angeführten  Abhandlung  erwähnten 
Thatsachen  und  lichtvollen  Hcgründungen,  die  zur  Aufstellung  des  R.O.  vom  fi.  Juli  1887 
über  die  Verwendung  gesundheitsschädlicher  Farben  u.  s.  w.  geführt  haben,  wiederholt 
worden  wären. 

29 


368  TU.    WEYL, 

In  einem  weiteren  Kapitel  fand  dann  auch  die  Gesetzgebung  der 
übrigen  Kulturstaaten  Erwähnung  ^ 

1)    l>r<;/.  die  S.  339  ati/'geführten  Kommentare  von  Menzen,    Fr.   Meyer  u.  C.   Finkeinburg, 
R    Haas.  Lohmann  n.  Jos.  Baaer. 


Kapitel  I. 

Die  Farbstoffe. 

Da  die  im  menschlichen  Haushalte  angewendeten  Farben  höchst 
mannigfaltiger  Art  sind,  kann  nur  derjenige,  welcher  sich  mit  der 
Herstellung  und  dem  Nachweis  der  Farbstoffe  sitezialistisch  beschäftigt, 
in  die  schwierigen,  hier  in  Betracht  kommenden  theoretischen  und 
praktischen  Prol3leme  der  analytischen  und  synthetischen,  der  organi- 
schen und  anorganischen  Chemie  so  tief  eindringen,  daß  er  über  die- 
selben ein  selbständiges  Urteil  abzugeben  vermag. 

So  viel  Zeit  und  Arbeitskraft  wird  aber  der  Hygieniker  kaum, 
der  Verwaltungsbeamte  erst  recht  nicht  dem  vergleichsweise  unwich- 
tigen Kai)itel  von  der  Hygiene  der  Farbstoffe  widmen  können. 

Dies  sind  die  Gründe,  weshalb  im  folgenden  über  das  unglaublich 
ausgebreitete  und  verwickelte  Kapitel  der  Farbstoffe  nur  so  viel  ge- 
sagt wurde,  als  zum  Verständnis  der  Gesetzgebung  unbedingt  erforder- 
lich schien. 

Einteilung  der  Farbstoffe. 

Die  Farbstoffe  lassen  sich  nach  verschiedenen  Gesichtspunkten 
einteilen:  zunächst  in  natürlich  vorkommende  und  in  künst- 
lich hergestellte. 

Diese  Einteilung  dürfte  nicht  mehr  zeitgemäß  sein,  da  es  der 
stetig  fortschreitenden  organischen  Synthese  gelungen  ist,  eine  größere 
Anzahl  früher  nur  aus  den  Pflanzen  gewinnbarer  Farbstoffe  im  Labo- 
ratorium künstlich  herzustellen.  Dies  gilt  z.  B.  vom  Indigo,  den  man 
bis  zu  Bayer's  Synthese  nur  aus  der  Indigopflanze  gewann  und  vom 
A 1  i  z  a  r  i  n  ,  welches  vor  G  r  a  e  1)  e  und  L  i  e  b  e  r  m  a  n  n '  s  denkwürdigen 
Arbeiten  nur  die  Krappwurzel  lieferte. 

Daß  die  synthetische  Chemie  bei  diesen  beiden  Resultaten  nicht 
stehen  blieb,  bedarf  keiner  Erörterung. 

Andererseits  hat  man  die  Farbstoffe  nach  ihrer  Verwendung 
in  Baum  wol  len  färb  Stoffe,  Leder  farbstoffe,  Papierfarb- 
stoffe  geteilt.  Auch  diese  Einteilung  ist  für  unsere  Zwecke  unbrauch- 
bar, weil  derselbe  Farbstoff  nicht  allzu  selten  zur  Färbung  verschie- 
dener Materialien  dienen  kann.  So  färbt  das  Fuchsin  sowohl  Wolle 
als  auch  Seide. 

Diese  Einteilung  der  Farbstoffe  ist  zwar  unwissenschaftlich,  aber 
noch  immer  im  Gebrauch,  weil  sie  vielen  praktischen  Bedürfnissen 
genügt. 

Malerfarben  zum  Tünchen  der  Wände  u.  s.  w.  mengt  man  mit 
Gips  oder  Schwerspat  und  suspendiert  sie  in  Wasser  (Wasser färben), 
Leimwasser  (Leimfarben)  oder  Oel  fOelfarben). 

Die  von  Kindern  benutzten  Tuschfarben  sind  billige,  durch  Honig 
CHoni  gfar  ben) ,  Gummi,  Leimwasser  oder  Hausenblase,  bisweilen  auch 
durch  Harze  und  Balsame  verdickte  Farben. 

30 


Dio  Gebrauchsgegenstände.  869 

Die  Metall  färben  (Bronze  färben,  Brokat  färben)  bestehen 
zum  größten  Teil  aus  einer  Zink-Kupferlegierung.  Bisweilen  ist  in  ihnen 
auch  Zinn  enthalten.  Man  stellt  sie  durch  feinste  mechanische  Zerkleine- 
rung der  Komponenten  her  und  ist  imstande,  die  Teile  dieser  Legierungen 
durch  Erwiirmen  i^Anlaufenlassen)  bei  Gegenwart  von  Beizen  und  Teer- 
f\\rben  mannigfach  zu  variieren.  Die  Fabrikation  dieser  Farben  ist  durch 
Fabrikgeheimnis  geschützt. 

Lackfarben  sind  Lösungen  oder  Suspensionen  der  in  Wasser  un- 
löslichen Verbindungen  organischer  Farbstoffe  mit  Metallo.xyden.  Hierher 
gehören  z.  B.  Alizarinlack  und  Karminlack,  welche  aus  der  Thonerdever- 
bindung  des  Alizarins  und  des  Cochenillefarbstotfes  bestehen. 

Sie  setzten  eine  sehr  feine  Pulverung  und  absolute  Trockenheit  des 
Farbstoffes  voraus.  Als  Lösungsmittel  dienen  Spiritus  oder  fette  Oele 
(z.  B.  Leinöl). 

Diejenige  Periode  endlich,  welche  die  Farbs  toffe  nach  ihr^T 
Farbe  anordnete,  ist  zum  Glück  längst,  überwunden.  Diese  Anord- 
nung trennt  Farbstoffe  voneinander,  welche  ihrer  chemischen  Kon- 
stitution nach,  wie  das  rot  färbende  Fuchsin  und  das  blau  färliende 
Viktoriablau,  eng  zusammengehören,  und  setzt  Farbstoffe,  wie  Schwein- 
furter  Grün  und  Malacliitgrün.  nebeneinander,  die  durchaus  keine 
chemische  Verwandtschaft  zu  einander  besitzen. 

In  der  folgenden  Ueb  er  sieht  über  die  Fari)en  sind 
dieselben  nach  ihrem  Gehalte  a  n  K  o  h  1  e  n  s  t  o  f  f  o  d  e  r  nach 
der  Ab  Wesenheit  desselben  in  anorganische  und  orga- 
nische Farbstoffe  geteilt. 

Die  Karbonate  pflegt  man  trotz  ihres  Gehaltes  an  Kohlenstoffen  zu 
den  anorganischen  Farbstoffen  zu  rechnen. 

Die  anorganischen  Farbstoffe  zerfallen  in  eine  größere 
Anzahl  von  Abteilungen,  welche  durch  die  in  den  Far])Stoffen  ent- 
haltenen Metalle  charakterisiert  werden. 

Die  organisciien  Farbstoffe  wurden  nach  den  in  ihnen  ent- 
tenen  chromophoren  Grui)i)en  (siehe  S.  IJTilJ  eingeteilt. 

Die  Farbstoffe  unbekannter  Konstitution  bilden  einen  Anhang  zu 
den  organischen  Farbstoffen, 

Eine  allgemeine  Theorie  der  Farben,  aus  welcher  begreiflich 
würde,  weshalb  gewisse  Körper  blau,  andere  grün  gefiirbt  sind,  ist  un- 
bekannt. 

Für  die  an  o  rgan  is  c  h  en  Körper  vermögen  wir  sogar  nicht  einmal 
einzusehen,  weshalb  die  einen  von  ihnen  gefärbt,  die  anderen  ungefärbt 
sind.  Ueber  dio  für  organische  Stoffe  aufgestellte  Farbstofftheorie  ist 
Seite  379  das  Wichtigste  gesagt. 


1.  .\nore;aiifselie  Farbstoift»  oder  Erdfarben. 

Die  anorgiiiiiscluMi  Farl)stoffe  oder  Erdfarben  wer(bMi  durch  ein- 
fache mechaniscjie  und  chemische  T'rozesse  aus  den  in  der  Natur  fertig 
vorkommenden,  häutig  diircii  ber^Miiäiniisciien  Hetriel)  geförderten 
Materialien  herge>tellt  '. 

31 


370  TU.    WEYL. 

So  findet  man  den  roten  Ocker,  ein  Gemisch  von  Eiseuoxyd  und 
Thon,  in  der  Natur  fertig  gebildet  vor.  Da  dieses  Gemisch  aber  als 
Verunreinigung  Sand  enthält ,  muG  zur  Herstellung  einer  reinen,  gut 
deckenden  Ockerfarbe  das  natürlich  vorkommende  Produkt  zuerst  aufs 
feinste  gemahlen,  dann  geschlemmt  werden.  Bei  letzterem  Prozesse  bleiben 
die  .schweren   Sandkörner  zurück. 

In  anderen  Fällen  nuiclit  man  eine  hj'dratische  Verbindung  durch 
Glühen  (Kalcinieren)  wasserfrei. 

Das  Königs-  oder  Kobaltblau  (auch  Thenardblau  ge- 
nannte ist  z.  B.  ein  Gemisch  von  Kobaltoxyd  und  Thonerdehydrat  (Alu- 
miniumoxydhydrat). Man  stellt  es  dar  durch  Glühen  eines  gut  ge- 
mahlenen und  vorgetrockneten  Gemisch  von  Aluminiumhydrat  und  schwefel- 
saurem Kobaltoxyd.  Durch  das  Kalcinieren  wird  die  Schwefelsäure  des 
Kobaltsalzes  und  das  Hydratwasser  des  Aluminiumhydratoxydes  ausge- 
trieben.    Es  bleiben  zurück:  Aluminiumoxyd  und  Kobaltoxyd. 

1)  Siehe  Oentele.  Lehrbuch  der  Farbenfahrikation  (1880);  Bersoh.  Fabrikation  der  Erdfarben, 
Chem  -techn.  Biblith.  41.  Bd,  Wien,  Hartleben]  Bersch,  Fabrikation  der  Mineral- u.  Lack- 
farben. Chem.-teehii.  Bibl.  33.  Bd.,  Wien,  Ilartleben  ;  K.  B.  Lehmann,  Die  Methoden  der 
praktischen  Hygiene,    Wiesbaden   1890. 

Im  folgenden  sollen  die  wichtigsten  anorganischen  Farben 
(Erdfarben)  kurz  aufgezählt  werden. 

1.  Kalkftirbeii. 

Kreide  (Marmorweiß),  Schlemmkreide)  ist  kohlensaurer 
Kalk,  CaCOg.     Als  billige  Wasserfarbe  für  Anstrich  benutzt. 

2.  Barytfarben. 

Blanc-fix,  Permanent  weiß,  ist  gefälltes  Baryumsulf  at,  BaSO  ^ . 
Billige  Wasserfarbe.     Nicht  giftig. 

3.  »J^  Chromfarben   s.   a.   Bleifarben.    Alle   Chromfarben 

sind  giftig. 

Bleichromate:  a)  Neutrales  Bleichromat,  PbCrO^  oder  Chrom- 
gelb, b;  basicher Bleichromat  PbCrO^-j-PbfOH),  oder  Chromat  (Chrom- 
zinnober, österreichischer  Zinnober),  c)  Gemisch  von  neutralem  und  basi- 
schem Bleichromat  oder  Chromorange. 

Auf  die  Giftigkeit  des  Bleichromats  bei  Anwendung  desselben 
zum  Färben  von  Gebrauchsgegenständen  liat  in  neuerer  Zeit  zunächst 
wieder  Th.  Weyn  die  Aufmerksamkeit  gelenkt.  Derselbe  fand 
Bleichromat  in  (iarnen,  deren  Staub  eine  ausgedehnte  Reihe  von 
Bleivergiftungen  bei  den  mit  dem  Abhaspeln  der  Garne  beschäftigten 
Frauen  verursacht  hatte.  Weiterhin  ermittelte  derselbe  Forscher  in 
einem  Sattlergarne .  das  in  einer  Berliner  Sattlerwerkstatt  benutzt 
wurde,  mehr  als  21  Proz.  Bleioxyd. 

Diese  Beobachtungen  wurden  von  K.  B.  L  e  h  m  a  n  n  ^  bestätigt 
und  erweitert.  Aus  seinen  eingehenden  Unter.suchungen  sei  an  dieser 
Stelle  nur  mitgeteilt,  daß  er  das  Bleichromat  in  den  verschiedensten 
Gebrauchsgegenständen ,  wie  Nähgarn,  Baumwollenzeug,  Strickgarn, 
gelbem  Wagenlack,  gelbem  Lack  für  Milcheimer,  in  gelb  angemalten 
Vögeln  aus  Gummi,  in  Zündschnur,  orange  und  gelben  Federhaltern, 

32 


Die  Gebrauchsgegenständo.  371 

/.Ulli  Teil  recht  häutig,  vorfand.  Zurkcrsarhcii,  S('i(h'ii/.ouf.r  und  Papier 
waren  (hijiegen  stets  frei  von  lUeichroniat.  oliuh'icli  iccht  zahlieiche 
Troheii   zur   rnter.suchun^'  kamen. 

Ferner  faiKU'ii  —  aUes  folgende  nacli  K.  1!.  Lehmann-  — 
Delpech  und  llillairet  lih'iehroniat  in  einer  künstlicli  gefärliten 
Butter;  (ialippe  sen.  ermittelte,  daß  die  gelhe  Farhe  de.s  Back- 
werkes, welche  man  durch  Eigelh  zu  erzeugen  pflegt,  durch  Chrom- 
gell)  liervorgeliracht  war:  Bouchardat  entdeckte  Bleichromat  in 
Leinewand,  die  zum   Finhüllen    amerikanisdier  Schinken   Itenntzt  war. 

In  der  Society  of  Dyers  and  Colorists  zu  Bradfoid  wurde  vor 
iiedruckten  Strumpf-  und  Flanellwaren  gewarnt.  Dieselben  sind  nament- 
licli  wegen  der  Anwendung  von  Chronigelb  und  Chroniorange  ge- 
fähr licli  ^. 

Eine  Verurteilung  wegen  Anwendung  von  Chromgelb 
bei  Herstellung  von  Backwaren  ist  durch  das  Reichsgericht  am  2.  Dez. 
1889  erfolgt'. 

Chromgrün  ist  Chromoxyd  Cr.,03.  Druckfarbe  für  Papier  (Bank- 
noten) und  Zeugdruck. 

Ueber  andere,  zum  Gelb  färben  von  Nahrungsmitteln  be- 
nutzte Farben  siehe  unter  Nitrofarbstoffe  (S.  379). 

1)  Th.   Weyl.   Zeitschr.  f.   Hygiene,  (1889)  6.   Bd.   369  und  544. 

2)  K.  B    Lehmann.  Arch   f.  Hyy.  (1893)   16.  Bd.  314  und  19.   Bd.   115. 

3)  Deutsche    Fä  r  b  e  r  z  e  i  t  u  „  y  (1888)   24.    Bd.    201    und  202. 
4i  Vierteljschr.  f.   Sahranymuttelchemie  (1890)  5.    Bd.    388. 

4.  Zinkfarbeii. 

Z  i  II  k  w  e  i  li ,  Zinko.xyd  ZnO.  Zum  Anstreichen  der  Wände  eine 
viel  benutzte  Oelfarbe. 

Ziukgelb  ist  ein  basisches  Zinkchromat  ZnCrO^ -|-Zn(0H)2. 

5.  Manganfarbeii.     Sie  gelten  als  nicht  giftig. 

Umbra,  ein  Gemenge  von  Mangan,  Thonerde  und  Eisenhydroxyden. 
Braune  Malerfarl)e. 

Bister  oder  Manganbraun  Mn^O^.  Zum  Färben,  Drucken 
oder  Malen   benutzt. 

6.  Eisciil'arbeii. 

Ei  se  nro  t  F._,03,  gelber  oder  brauner  Ocker,  Rötel,  Neapelrot.  Als 
billige  Anstrichfarbe  für  Holz ,  Eisen  (Schiffe)  viel  benutzt.  Nicht 
giftig,  wenn  nicht  mit  Arsen  u.  s.  w.  verunreinigt. 

7.  v||-  Uraiilarbcii.     Alle  Uranfarben  sind  giitij^. 

f  Das  uransaure  Natron  U,,0,Na.,,  seltener  das  entsprechende  Amonium- 
salz,  findet  als  Urangelb  in  der  üelmalerei,  namentlich  aber  zum  Färben 
von  Emaillen  und  Glasflüssen,  in  der  Porzellanmalerei  wegen  seiner  großen 
Beständigkeit  ausgedehnte  Anwendung.  Die  Uran  salze  sind  giftig. 
Die  tödliche  Dosis  beträgt  bei  subkutaner  oder  intravenöser 
Darreichung  nach  Woroschilski  '  : 

für   Kaninchen  I     mj?    Uranoxyd   pro  Kilo  Tier 

für  Uund  und  Ziege  2     ,,  ,,  ,,        ,,  ,, 

Handbuch  der  Hygiene.   Bd    III    Abtl(    1.  24 


Im    Harn 

Tier 

erliielt  Urannitrat 

Eiweifs     Zucker 

in 

(lelatinekapseln 

—             — 

0,0  f.   g 

Spuren          — 

fo,05   „ 
\o,05    ,. 

o,i92           — 

(  0,05    „ 
[  O,0f>    ,, 

0.227         0,406 

/o.Of.    „ 

\o,o:.  „ 

1112  TU.   WKYL, 

Chittenden  und  Lambert-  fütterten  Hunde  mit  Urannitrat  in 
Gelatinokapseln.  Die  Resultato  eines  ihrer  Versuche  sind  aus  der  fol- 
genden Tabelle  zu  ersehen: 

Vcrsuciistat; 

1 

II 

111 

IV. 

Der  Hund  erhielt  im  Verlaufe  von  12  Versuchstagen  im  ganzen 
1,35  g  Urannitrat    und    verlor    seinen  Appetit   erst  am   11.  Versuchstage. 

Jedenfalls  kann  die  Giftigkeit  des  Urannitrats  nach  diesem  Versuche 
keine  sehr  bedeutende  sein. 

Nach  Robert^  ruft  das  Urau  Nephritis  und  Glykosurie  hervor. 
Der  Tod  erfolgt  durch  Urämie.  Die  Dosis,  welche  die  genannten  Er- 
scheinungen erzeugt,  ist  in  dem  citierten  Referate  nicht  angegeben.  Nach 
Robert  ist  Uran  giftiger  als  Arsen. 

Nach  Custier-*  sterben  Kaninchen,  denen  zwei  Dosen  von  je  0,015  g 
Urannatriumnitrat  subkutan  gegeben  waren,  innerhalb  4 — 5  Tagen  im 
Coma  ohne  Eintritt  von  Konvulsionen. 

1)  Siehe    Plagge    und    Lebbin,     Veröff.    aus    dem   Gebiete   des    Müüär-Sauitätswesens   (1893) 

3.  JJejt  4  5. 

2)  Chittenden  u„d  Lambert,   Zeitschr   f.  Biologie  (1889)  25    Bd.   513 

3)  Eobert.     Viertel j sehr.    f.    Nahrgsm.    5.    Bd.    98  und     li'ochenschri/t.  für  die  Interessen  der 
Phamiacie  u    s.  w.  (1890)   16.  Jahrg.    106. 

4)  Gastier,     7'hise    u.    s.    w.    Paris    1891  (?),    siehe    Virchow-Hirsch ,    Jahresbericht   (1891) 
1.   Bd.    396. 

8.  *A-  Bleifarben. 

J 
B.leioxyd    (Massicot,    Bleiglätte)  PbO    und  Mennige  PbjO^,    gelb,     fl 

Als  Wasser-  und  Oelfarbe  benutzt. 

B  1  e  i  w  e  i  ß ,  ein  basisches  Bleikarbonat  2  PbC03  .  Pb(0H)2,  als  Maler- 
farbe benutzt. 

Bleichromate,  verschieden  gelbe  bis  rote  und  orange  Farben. 
Siehe  Chrom  (S.  370). 

A 11  e  B 1  e  i  f  a r  b  e n  o  h  n  e  A u  .s  n  a  h  in  e  sind  auch  in  kleinen 
Dosen  giftig. 

Bleihaltige  Spitzen'. 

Die  mit  der  Hand  hergestellten  Spitzen  nehmen  während  der  Arbeit 
eine  gelbliche  Farbe  an.  Um  dieselben  schön  weiß  zu  machen,  schüttet 
man  Bleiweiß  auf  Papier,  legt  auf  dieses  die  Spitzen,  dann  wieder  Papier, 
wieder  Bleiweiß  und  Spitzen  u.  s.  w.  Nun  wird  ein  derartig  hergestellter 
Haufen  tüchtig  geklopft  Hierbei  nehmen  die  Spitzen  Bleiweiß  auf  und 
werden  schön  weiß.  Gleichzeitig  gelangt  aber  auch  das  Bleiweiß  in  die 
Luft  des  Arbeitsraumes  und  giebt  oft  genug  zu  Bleivergiftungen  unter 
den  Spitzenarbeiterinnen  Veranlassung. 

1)  Cannstett's  Jahresbericht  (1856)   7.   Bd.  61   u.    VierUljschr.  f.  NahrwigsmiUelchem..  (1889) 

4.  Bd.   228. 

34 


Dio  Gebrauohsgogen.stiuidp.  373 

9.  -^  (^tM'cksilln'rfarlH'n. 

Sie  sind  alle  giftig  oder  verdäclitig. 

Zinnober  Hg 8.  Dient  als  Malerfarbe,  zum  Färben  von  Siegel- 
lack. Seine  Giftigkeit  ist  zweifelhaft.  Seine  Anwendung  zum  Färben 
von  Nahrungsmitteln  ist  auf  Grund  von  i?  1  des  R.G.  vom  Tj.  Juli  18)S7 
verboten. 

10.  KuptVrlarbeii. 

Bremerblau  oder  Bremer  grün  besteht  im  wesentlichen  aus 
Kupferoxydhydrat  Cu(OH)j.  Die  mit  Kupferoxydhydrat  hergestellte 
Wasser-  oder  Leimfarbe  ist  hellblau,  die  Oelfarbe  hat  anfangs  die 
gleiche  Färbung,  geht  aber  nach  kurzer  Zeit  in  Grün  über,  indem  sich 
das  Kupfer  mit  den  Säuren  des  Geis  vereinigt. 

Mineralblau,  Bergblau,  Kupferlasur  und  Malachit  sind 
Molekularverbindungen  des  Kupferkarbonats  mit  dem  Kupferoxydhydrat, 
z.  B.  2CuC03.Cu(OH),. 

Gel  blau,  eine  beliebte  Malerfarbe,  besteht  aus  einer  Verreibung 
von  Sehwefelkupfer  CuS  in  Gel  und  Firnissen. 

Grünspan   besteht  aus  essigsaurem  Kupfer  (OH^CGO).^Cu -j-HjjG. 

Der  blaue  Grünspan  ist  ein  essigsaures  Kupfer,  z.  B.  (CHj 
COG),Cu  -h  Cu(GH)2  +  aq. 

Vergl.  auch  unter  Arsenfarben  (S.  377). 

Die  vermeintliche  Kupfervergiftung  und  die  Reverdissage. 

Das  Kupfer  gelaii.ut  in  den  tieriselien  und  iiHan/.lit'lien  Organismus 
aus  dem  meist  kupferlialtigen  Ackerboden,  lieziehentlicli  aus  den 
PHan/.en,  die  Kupfer  aus  dem  r)oden  aufnehmen.  Daher  finden  wir 
das  Kupfer,  natürlich  nur  in  Spuren,  in  fast  allen  Körperteilen,  und 
/war  so  regelmäfsig,  daß  es  manche  Forscher,  wie  Orfila,  Churcli 
und  Sonnenschein,  als  einen  normalen  liiistandteil  des  mensch- 
lichen Körpers  ansehen  '. 

Speisen,  die  in  kupfernen  Gefäßen  gekocht  wurden, 
ciitiialten  fast  stets  kleine  Mengen  von  Kupfer.  Die  Lösung  des 
Kupfers  erfolgt  hier  nicht  nur  durch  sauer  reagierende  Speisen,  welche, 
wie  die  Obstarten,  Citronensäure,  Weinsäure,  Aepfelsäure  enthalten. 
Auch  kochende  Fette,  namentlich  wenn  sie  ranzig  sind  und  in  nicht 
sauber  gereinigten,  also  Kupfero.xyd  haltenden  Gefäßen  gekocht  weiden, 
führen  das  gelöste  Kupfer  in  fettsaure  Kui)fersalz(^  über,  die  ihresteils 
in  dem  kochenden  Fette  gelöst  bleiben.  Auch  Salze,  wie  z.  B.  (his 
Kochsalz,  lösen  Kupfer  auf. 

Die  Kohlensäure  der  Mineralwässer  löst  das  Kujifer. 
Deshalb  sollten  Ballons,  in  denen  derartige  Wässer  aufbewahrt  werden, 
gut  verzinnt  sein  *  ^ 

Von  besonderem  Interesse  ist  das  Verhalten  der  grünen 
Gemüse  zum  Kupf(!r.  Die  (W'müse  werden,  um  sie  zu  konser- 
vieren, auf  ein  Sieb  in  einen  Kessel  mit  kochendem  Wasser  gebracht. 
Dort  bU'iben  sie  15 — 8  Minuten,  werden  dann  mit  kaltem  Wasser  ge- 
waschen und  durch  Abtropfen  oberHächiich  getrocknet.  Dann  füllt 
man  sie  in  Kon.servebüchsen,  welche  aus  Glas  oder  Blech  (S.  273  und 
:54r))  bestehen  und  beläßt  sie  eine  gewisse  Zeit  im  Autoklaven  bei  120"  C, 
also  bei  einem  Veberdruck  von  1  V«  -1 ''/4  Atmosphären.  Hierbei  geht 
die  grüne  Farbe  verloren  ^. 

35  •■^** 


374  TH.   WEYL. 

Die  Wiodoiherstellunj,'  dorselben  —  Reverdissage  {ionannt  —  be- 
wirkt man  durch  künstlichen  Zusatz  von  Kupfer.  Derselbe  kann  er- 
toljj;en.  indem  man  das  Abkochen  der  Konserven  in  kupfernen  Kesseln 
vornimmt  und  die  Konserven  in  diesen  Kesseln  eine  bestimmte  Zeit 
verweilen   läßt. 

Diese  Methode  bringt  aber  den  Nachteil  mit  sich,  daß  die  Kon- 
trolle über  die  Mengen  der  aufgenommenen  Kupfermengen  ver- 
loren geht. 

Deshalb  zieht  Mayihofer'^  mit  vollem  Recht  jene  Methode  der 
Reverdissage  vor,  bei  welcher  man  einem  bestimmten  Quantum  von 
Gemüsen  beim  „Konservieren"  eine  bestimmte  Menge  einer  Lösung 
von  Kupfersulfat  (Kupfervitriol)  zusetzt. 

Der  Gehalt  der  künstlich  gekupferten  Konserven  an  Kupfer  schwankt 
innerhalb  weiter  Grenzen. 

Die  höchsten  Kupfermengen,  welche  man  bisher  in  gekupferten 
Konserven  und  zwar  in  französischen  Erbsen  gefunden  hat,  sind  pro 
kg  Konserve:  180 — 270  mg  Kupfer. 

Deutsche  und  schweizer  Konserven  enthalten  nach  Tschirch 
pro  kg  Konserve  im  Durchschnitt  nur  .'50  -100  mg  Kupfei- ,  selten 
140  mg,  aber  kaum  mehr  •"*. 

Mayrhofer^  fand  in  deutschen  Konserven  folgende  Werte : 

Cliiuois  47 — 76  mg  Kupfer  pro   kg  Kouserve 

Gurkeu,  grün  45         „          ,,  .,       „ 

Mandeln  22 — 36     ,,          ,,  „       ,,          ,, 

Reineclauden  18         ,,          ,,  ,,      ,,          ,, 

Wie  Mayrhofer's  Versuche  zeigten,  genügen  24  mg  Kupfer 
vollständig,  um  1  kg  Erbsen  schön  grün  zu  färben. 

Das  Kupfer  ist  in  den  Konserven  zum  größten  Teil  als  Kupfer- 
phyllocyanat,  zum  Teil  auch  als  Eiweiß-Kupferverbindung  (Kupfer- 
leguminatj,  vielleicht  auch,  aber  jedenfalls  nur  zum  kleineren  Teil, 
als  fettsaures  Kupfersalz  (Kupfer oleat)  enthalten.  Das  Kupferphyllo- 
cyanat  entsteht  durch  Verbindung  des  Kupfers  mit  einem  Zersetzungs- 
produkt des  Chlorophylls,  der  von  Tschirch  entdeckten  Phyllo- 
cyaninsäure  ^. 

Die  relative  Ungiftigkeit  des  Kupfers  und  seiner  meisten  Salze 
ist  durch  ältere  Versuche,  namentlich  von  G  a  1  i  p  p  e  und  von  T  o  u  s- 
saint,  du  Moulin  und  Gautier*  bewiesen  worden. 

Galippe-'  nahm  14  Monate  hindurch  Speisen,  die  in  kupfernen 
Gefäßen  gekocht,  erkaltet  und  deutlich  kupferhaltig  waren,  ohne  jede 
Störung  seiner  Gesundheit  zu  sich.  Auch  Toussaint  genoß  länger 
als  6  Monate  hindurch  täglich,  und  zwar  völlig  ungestraft,  Kupfer  mit 
Citronensaft  und  P^ssigpflaumen. 

Weitere  Versuche  über  Kupferwirkung  beim  Menschen  haben  dann 
Lehmann  und  s^ine  Mitarbeiter  sowie  Tschirch  angestellt. 

Sie  ergeben  alle  das  gleiche  Resultat:  Erst  in  einer  Dosis  von 
0,1  g  ruft  das  Kupfer  leichte  Vergiftungssymptome,  wie  schnell  ver- 
schwindende Diarrhöen,  Uebelkeit  und  Erbrechen  hervor. 

Es  fragt  sich  nun,  welche  Nahrungsmengen  dazu  ge- 
hören, um  dem  menschlichen  Körper  diese  toxische 
Dosis  von  100  mg  Kupfer  zuzuführen. 

Hierüber  geben  Versuche  von  Lehmann''  Auskunft: 

36 


Die  Gebrauchsgegeiistiindo.  375 

Eine  Mahlzeit   bustehend  aus: 

300  ctin   Suppe   in   Kuprer  geiioclit  =  20   lun   Kupfer 

I  I    Wein,  der   in   Kupfer  >tand  =  50 

50  ccm  Kssig,  der  in  Kupfer  stand  =  10 

50  ji  Fett,  das  zum  Hratcn  diente  =        5      ,,  ,, 

200  K  stiirkst   ^cei^upferte^   Erbaen  =  50     ,,  ,, 

500  g  stark   kupferh»Itit;en   Urotes  =  60     „ 
enthält  in  Samma  höchstens   195   mg  Kupfer. 

Es  ist  mm  selbstverständlich,  daß  ciiio  Mahlzeit  mit  einem  so 
liohcii  KuitfiTixi'lialt.  der  sirh  nur  diircli  Einhaltung'  von  cxccptionellon 
lUMliuLMinucn  cnnöulichen  licLs,  kaum  jemals  in  Wirklichkeit  auf  den 
Tisch  kommen  dürfte,  .ledenfalls  könnte  dieselbe  nur  einem  sehr 
wenif,'  emjjtindsamen  Gaumen  munden. 

Erinnern  wir  uns  ferner,  daß  zu  therapeutischen  Zwecken  sehr 
^M-oße  ^lenjien  von  Kupfersulfat,  z.  H.  als  lirechmittel  bis  zu  (».1  und 
darüber  pro  dosi,  an  demselben  Ta^^e  mehrfach  auch  bei  Kindern 
^'e^'eben  wurden,  ohne  daß  tiefer^n-eifende  Störunjj;en  eintraten, 
so  kommen  wir  zu  dem  Resultate,  daß  die  Gefahr  der  ökono- 
mischen Kupfervergiftung  von  den  Aerzten.  nament- 
lich aber  vom  Publikum  bedeutend  überschätzt 
worden  ist. 

Allerdings  sind  in  der  Litteratur  eine  Reihe  von  Fällen  be- 
>chrieiien.  in  denen  es  sich  um  eine  wahrhafte  Kupfervergiftung,  so- 
gar um  Fälle  mit  tödlichem  Ausgang  gehandelt  haben  soll. 

Die  meisten  dieser  Fälle  halten  aber  einer  strengen  Kritik  nicht 
-tand*).  Es  scheint  vielmehr,  daß  manche  dieser  \'ergiftungen  auf  die 
Wirkungen  von  Bakteriengiften,  sogenannten  Ptomainen  zurückge- 
führt werden  müssen. 

Aber  es  wäre  immerhin  denkbar,  daß  sich  bei  dauerndem  Ge- 
nüsse von  kui)ferhaltigen  Konserven  mit  einem  sehr  geringen  Ge- 
halte an  Kupfer  eine  chronische  Kupfervergiftung  herausbilden 
könnte. 

Dem  widersprechen  die  oben  (S.  374)  citierten  Versuche  von 
Galipi)e  und  ähnliche  Experimente,  die  Lehmann  an  sich  und  an 
seinen  Schülern  anstellte. 

Aus  allen  diesen  Gründen  kann  man  verstehen,  weshalb  die  freie 
Vereinigung  bayrischer  Chemiker  auf  ihrer  zu  Regensburg  im  Jahre 
\x\^'J  abgehaltenen  Versammlung  die  Resolution  mit  Einstimmigkeit 
annehmen  konnte,  daß  20  mg  Kui)fer  in  1  kg  Konserven 
als    der    Gesundheit    nicht    schädlich   zu    erachten  seien. 

Tschirch  will  sogar  50  mg  pro  Kilo  Konserve  gestatten,  weil 
bei  dieser  Kupfermenge  nicht  einmal  leichte  Diarrhöen  zu  erwarten 
seien,  selbst  wenn  täglich  1  kg  der  gekujjferten  Konserven  ver- 
zehrt werden  sollte*.  Dagegen  möchte  van  Ilamel-Roos^  die 
Kujiferung  der  Konserven  überhaui»t  verbieten,  und  die  Versamm- 
lung von  Chemikern  und  Mikroskojji  ke  r  n  zu  Wien  sprach 
sich  IHOl   in  gleichem  Sinne  aus'. 

Dieser  puristische  Standpunkt  dürfte  sich  nur  schwer  aufrecht 
erhalten  lassen.  Zunächst  hat  Mayrhofer*  auch  in  nicht  absicht- 
lich gekupferten  Konserven  die  nachfolgend  aufgeführten  Kupfer- 
mengen gefunden. 

Es  enthielten : 

37 


376 

mg  pro  Kilo   Konserve 


TH.   WEYL, 

Ananas-Erdbeeren 

8       mg  pr 

Johannisbeeren 

8        „        , 

Stachelbeeren 

4              M              1 

Haselnüsse 

3'1     ..       . 

Weichselkirschen 

2,2     „         , 

Aprikosen 

1.0     „         , 

Ferner  sind  zur  Zeit  außer  der  Kupferung  keine  brauchbaren 
^lethoden  bekannt,  um  den  grünen  Gemüsen  ihre  schöne  grüne 
Farbe  wiederzugeben,  welche  sie  beim  „Konservieren"  verloren  haben. 

Und  ist  es  nicht  klar,  daß  die  nicht  gekupferten,  also  unansehn- 
lichen Gemüsekonserven  in  der  Konkurrenz  den  ansehnlichen  und 
gekupferten  Waren  gegenüber  unterliegen  müssen  V 

Außerdem  setzt  der  von  van  Hamel-Roos  und  von  den  Wiener 
Chemikern  vertretene  Standpunkt  eine  derartige  Ausbildung  der 
Nahrungsmitteli)olizei  voraus,  wie  sie  bisher  wohl  kein  Land  besitzt 
und  in  den  nächsten  10  Jahren  auch  kaum  besitzen  dürfte. 

Gesetzgebung  die  Reverdissage  betreffend'^. 

Die  Gesetzgebung  der  Kultur  Staaten  beurteilt  die 
Anwendung  des  Kupfers  zum  Färben  der  Nahrungs- 
mittel in  verschiedener  Weise. 

In  Deutschland  ist  die  Anwendung  des  Kupfers  auf  Grund 
des  §  1  des  R.G.  vom  5.  Juli  1887  (Farbengesetz)  verboten  (S.  384  ti".). 

Ebenso  in  Oester reich  auf  Grund  der  Verordnung  des  öster- 
reichischen Staatsministeriums  vom  I.Mai  1886  und  des  österreichischen 
^Ministeriums  des  Innern  vom  5.  Juni  1888.  Auch  die  Einfuhr  ge- 
kupferter  Konserven  ist  auf  Grund  einer  Verordnung  des  österreichi- 
schen Finanzministeriums  nicht  gestattet^. 

In  der  Schweiz  ist  die  Materie  nicht  einheitlich  geregelt.  In  den 
Kantonen  Genf,  Zürich  und  Bern  ist  die  Kupferung  untersagt,  im  Kanton 
St.  Gallen  dürfen  100  g  Konserven   höchstens   10    mg  Kupfer    enthalten. 

In  Italien  gestattet  §  130  des  Nahrungsmittelgesetzes  0,1  mg 
Kupfer  im  Kilo  Konserven^. 

In  Frankreich  ist  die  Reverdissage  gestattet  und  eine  Grenze  für 
den  Kupfergehalt  der  Konserven  nicht  festgesetzt  3. 

In  Belgien  wurden  durch  Ministerialerlaß  vom  17.  Juni  1891  die 
Kupferfarben  als  giftig  bezeichnet  ^. 

In  Spanien  sind  Kupfersalze  durch  Königl.  Verordnung  vom 
9.  Dezember  1891   zum  Färben  von  Nahrungsmitteln  verboten  ^". 

In  England  ist  auf  Grund  der  Act  to  repeal  the  adulteration  of 
Food  vom  11.  August  1875  den  Sachverständigen  zur  Entscheidung  über- 
lassen, welche  Nahrungsmittel  in  gesundheitsgefährlicher  Weise  absicht- 
lich verändert  sind  3. 

Andere   Anwendungen    der   Kupfersalze  ^. 

Auch  gegen  die  Invasion  pflanzlicher  Parasiten  wendet  man  das 
Kupfer  und  zwar  teils  allein,  teils  in  Verbindung  mit  Kalk  (Bordelaiser 
Suppe  oder  Brühe)  an.  So  schützt  man  die  Rebstöcke  vor  der 
Peronospora  viticola  (Mildew)  durch  Besprengen  mit  einer  Kupfer- 
Kalklösung.  In  ähnlicher  Weise  hat  man  auch  die  Kartoffeln  gegen 
die  Phytophthora  infestans  geschützt. 


Die  Gebrauchsgegenstände.  377 

Ebenfalls  j?ehört  das  Einlegen  der  Wcizenkönicr  in  Kiipfcrsiilfat- 
lösung  vor  der  Aussjuit  (in  der  Absicht,  die  den  8anien  ;iiiß(;rlicli  an- 
hängenden Sporen  zu  töten),  liierlicr. 

In  Belgien  und  Nordfrankreicli  ist  ein  Zusatz  von  Kupfervitriol 
zun»  Mehl  in  (Jebrauch.     Derselbe  soll  das  Mehl  backfähiger  machen. 

1)  C.  0  Lehmann.  Lthrbuch  der  physiolof;.  Chemie,  (1850)  1  //</.  4.')9 ;  Oorap-Besane, 
Lehrbuch  der  phyiiolog  Chemie,  4.  Aufi  ,  3  Hd  llü  (1878);  Hoppe-Seyler,  l'hytwlog. 
Chemie   (1S79),   67,   287,   314,   453,   71)5. 

2)  Mayrhofer,  Bericht  über  die  Verhandlung  bayr.  Chemiker- V er samiidung  in  Augsburg  1891 
(18avJ)   77. 

3)  Tschirch,  Das  Kupfer  (1893);  ein  unentbehrliches  Werk  für  denjenigen,  welcher  aich  mit 
der   Frage  der  Iteverdisaage  beschäftigt. 

4)  K.  B.  Lehmann,  Kericht  über  die  Verliandlungen  bayr.  Chemiker- Versammlung  in  Regent- 
burg    1892,    16    (1893). 

5)  K.   B.   Lehmann,   Münchener  med     Woch.  (1891)  No.   35  und  36. 

6)  van  Hamel-Roos,  lUv.  intern,  fal».  6.  Bd.   100. 

7)  Vierteljschr.  f.  Nahrungsmittelchen  (1891)   557. 

8)  Veröf.   Kais.   Ges.- Amt  (1890)   373. 

9)  Veröß.  Kais.  Ges.- Amt  (1892)    133  und  335. 

10)  Veröff    Kais.   Ges.-Amt,  (1892)  875. 

11)  Der  Metallarbeiter  (1889)   15.   Bd.   386  f. 

11.   v|^  Kadmiuiiifarbeii.     Sie   sind   giftig. 
Kadmiumgelb  (Jaune  brillant),    ist    Schwefelkadmium  Cd S. 
Beliebte  Malerfarbe. 

\'l.  vj|-  Antimoiit'arbeii.    Sie   sind  giftig. 

Goldschwefel  Sb^jS^  (wohl  auch  SbgSj)  dient  zum  Vulkani- 
sieren und  Färben  von  Kautschuk. 

13.  Ziiiiifarben. 

Mu  si  vgo  1  d  ,  Schwefelzinn  SnSo.  Wird  zu  unechten  Vergoldungen, 
zum  Bronzieren  von  Puppen,  Schmuckgegenständen,  für  Zeugdruck  be- 
nützt.    Giftig. 

14.  *|^  Arsenfarben.    Alle  Arsen  färben  sind  giftig. 

Schweinfurter  Grün,  ein  Doppelsalz  von  essigsaurem  und 
arsenigsaurem  Kupfer  (CH.j  C00)2Cu  +  AsaO^Cua.  Früher  zum  Färben 
von  Papier  (Tapeten),  Teppichen,  seltener  von  Kleiderstoffen  u.  s.  w.  be- 
nutzt.    Sehr  giftig. 

Scheele's  Grün,  arsenigsaures  Kupfer,  Cu  (AsO  3)3.  Kaum  m6hr 
benutzt.     Sehr  giftig. 

3.  Organische  Farbstoffe. 

Alle  organischen  Farbstotte  enthalten  Kohlenstoff. 

Sie  zerfallen  in  natürlich  vorkonimende  und  in  künst- 
lich erzeugte.  Zu  den  letzteren  gehören  die  meisten  derselben, 
zu  den  er.stercn  z.  B.  Karmin,  Indigo  und  Alizarin.  Von  den  natür- 
lich vorkommenden  Farbstoffen  sind  in  den  letzten  Jahren  mehrere 
wie  Indigo  und  Alizarin  künstlich  hergestellt  worden.  Das  Material, 
:ius  dem  bei  weitem  die  meisten  organischen  P^irbstoffe  hergestellt 
werden,  ist  der  St  ei  nko  h  1  en  t  eer.  Sie  werden  deshalb  auch  Teer- 
larben  genannt. 

39 


.■>78  TU.    WEYL, 

Nicht  jeder  Farbstoff  färbt  jedes  Gewebe  oder  jede 
Substanz.  Es  muß  vielmehr  eine  bestimmte  Verwandtschaft  des  Farb- 
stofts  zur  Faser  vorhanden  sein ,  damit  Färbung  eintritt.  So  ist  z.  B. 
Indigkarmin  für  Wolle  und  Seide  ein  vortrefflicher  Farbstoff,  während 
Baumwolle  durch  Indigkarmin  nicht  gefärbt  wird. 

Es  gelingt  aber  auch  die  Baumwolle  mit  Indigkarmin  zu  färben, 
wenn  man  diese  vorher  mit  gewissen  Stoffen ,  die  man  Beizen  nennt, 
behandelt.  Farbstoffe,  welche  ohne  Beize  auf  die  Gewebe  aufziehen  (die 
Gewebe  färben),  heißen  Substantive  Farbstoffe,  adjektive  solche, 
die  nur  gebeizte  Gewebe  färben. 

Als  Beizen  Averden  eine  große  Reihe  von  Stoffen  benutzt ,  von 
denen  die  folgenden  erwähnt  werden  mögen : 

Schwefelsaure  Thouerde  (Aluminiumsulfat),  Eisenoxydulsulfat,  Zinn- 
chloriir,  chromsaure  Salze,  z.  B.  Kaliumbichromat,  Kupfersalze,  Bleiacetat, 
Gerbsäure,  Olivenöl  und  Ricinusöl,  Türkischrotöl ,  Eiweiß.  Die  Beizen 
pflegt  man  auf  den  zu  färbenden  Geweben  in  unlöslicher  Form  nieder- 
zuschlagen. In  diesem  Zustande  fixieren  sie  den  Farb.stoff  am  sichersten 
auf  der  Faser,  indem  sich  eine  unlösliche  Verbindung,  ein  Farblack, 
auf  der  Faser  bildet.  Stoffe ,  welche  derartige  Niederschläge  bilden, 
nennt  man  Fixier  mittel.  Zu  denselben  gehören:  arseusaures  Natron, 
kieselsaures  Natron,  Brechweinstein  (Antimonkaliumtartrat)  u.  s.  w. 

Viele  dieser  Beizen  und  Fixiermittel  sind  zwar  giftig,  wie  Natrium- 
arsenat  und  Brechweinstein.  Es  darf  aber  nicht  vergessen  werden ,  daß 
diese  Stoffe  bei  sorgsamer  Arbeit  nur  zu  einem  sehr  kleinen  Teil  im  ge- 
fa.rbten  Gewebe  zurückbleiben ,  zum  größten  Teil  aber  aus  demselben 
durch  das  Auswaschen  beseitigt  werden. 

Die  Gewebe  werden  ferner,  nach  häufig  sehr  komplizierten  Ver- 
fahren, mit  Farben  oder  Farbmustern  bedruckt. 

1)   P.  Julias,   I>ie  künstlichen   organischen    Farbstoffe,  Berlin   1887. 
2i  Nietzki.   Chemie  der  organischen  Farb&toße  (1889). 

3)  Lehne,    TabcUar.    Uebersicht  über  die  künsü.  organ.  Farbstoffe,  Berlin  1893. 

4)  G.   Schaltz,   Die  Chemie  des  Steinkohlenteers,   2   Bände,    2.    Aufl. 

h)  G.  Schaltz  und  P.  Julias,    Tabellarische  Uebersicht  der  organischen  Farbstoffe,    2.    Aufl. 

6)  E.   Poppe,    Unsere  Farben  und  Farbioaren,   Leipzig  (ohne  Jahr). 

7)  Kertesz,    Die   Anilin/arbstoffe :    Eigenschaften,    Anwendung    und   Reaktion,    Braunschn^eig 

188ö. 

8)  Mühlhäuser,    Technik  der  Rosanilivfarhstoffe  (1889). 

9)  Heumann ,    Die  Anilinfarben   und     ihre  Fabrikation,     1.   Bd.:    Triphenylmethanf arbstoße 
(1888K 

10;  Friedländer,   Fortschritte  der   Teerfarbenfabrikation,  2  Bde. 

11)  Caro,   Entirickfhing  der  Teerfarbeninduatrie,  Ber.  d.  Deutsch,  ehem.  Ges.  (1892). 
12 1  Hummel-Knecht,  Färberei  und  Bleicherei  der  Gespinnstfasem,  Berlin   1888. 
13)  Th.   Weyl.    iJie   Teerfarben,  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Schädlichkeit  und  Gesetzgebung. 
Lieferung    1   und  2  (1889). 

Uebersicht   über   die   organischen   Farbstoffe  mit  besonderer    Rücksicht 
auf  deren  Giftigkeit^   ^   ^^. 

Einige  organische  Farbstoffe ,  aber  nur  sehr  wenige ,  besitzen 
giftige  Eigenschaften.  Eine  Regel,  aus  welcher  man  die  Giftig- 
keit oder  Ungiftigkeit  organischer  Farbstoffe  ohne  Anstellung  von 
Versuchen  ableiten  könnte,  ist  selbst  für  diejenigen  Farbstoffe  un- 
bekannt, deren  Konstitution  festgestellt  wurde. 

Versuche  über  Giftigkeit  organischer  Farbstoffe  liegen  nur  in  sehr 
geringer  Zahl  vor. 

40 


Die  Gebranchsgegenständo.  379 

Die  or^'unisclu'n  Failistotle  zerfallen  in  eine  Anzahl  von  Klassen, 
welche  durch  die  in  denselben  enthaltenen  chroniophoren  Gruppen  •' 
charakterisiert  sind. 

1.  Nitroso-Farbstorte.     ('hromophore  Gruppe  NO— . 

\'ertreter:  Naph  t  h  ol^rü  n   H. 
SO, Na  SUjNaX 

C,„H,— 0  0— CoHj,  oder  C..oH,„N,0,„FeNa,S,. 

^NO Fe NO  ^ 

Vom  Mapen  aus  un^iftig  (Th.  WeyP). 

2)  Nitrofarbstoft'e.  Die  chroniophorc  Gruppe  NOg  —  tritt  in 
Phenole  ein.     Die  Salze  dieser  Nitrophenole  sind  Farbstoffe. 

\ertreter:  1)  »|^  Pikrinsäure  C«  H,  (NO^j^  (OII),  ^^fti^r. 
Dient  in  Paris  zum  (ielbfärben  lebender  Blumen  "*. 

2)  ^ft-  Dinitrokresol  C«H  (NO,),  (CH;;)  (OH)  (resp.  das  Ka- 
lium- oder  Ammoniumsalz),    Safransurrogat,  Viktoriagelb.     Giftig*. 

Die  tödliche  Dosis  bei  subkutaner  Darreichung  beträgt  für  <las 
Kaninchen  0,11  g  per  Kilo,  für  den  Hund  nur  14  — 16  mg.  Auch 
vom  Magen  aus  tötet  das  Safransurrogat,  nur  ist  die  Dosis  lethalis  in 
diesem  Falle  eine  höhere.  Für  den  Menschen  scheint  die  tödliche  Dosis 
bei  stomachaler  Darreichung  nach  T  h.  Weyl  0,0ß  g  pro  Kilo  zu  be- 
tragen -. 

Das  Safran  Surrogat  wird  in  großem  Umfange  zum  Gelbfärben  von 
Backwaaren,   von  Likören,  von  Butter  benutzt  •''. 

Der  Regierungspräsident  zu  Oppeln  verbietet  unter  dem  11).  April 
1889  die  Verwendung  des  Safransurrogates  (Dinitrokresol  -  Salz)'  zum 
Färben  von  Nahrungsmitteln^^.  Viertelj.  f.  Nahrungsm.  4.  Bd.  392  (s. 
Ver.  Kais.  Ges.-Amt,  1889,  441). 

3)  ^  Martiusgelb  Cio  H.^  Ng  O^Na -f  H,  0  ,  Dinitro-a- 
Naphthol  oder 

CH     C(OH) 

CH|^  \c/    ,C(NOj) 
CH     /  C  \      CH 
CH    C(NO,,) 

Auch  das  Amnion-  und  Kalksalz  kommen  in  den  Handel. 

Das  Martiusgelb  ist  für  Kaninchen,  wie  es  scheint,  kaum  giftig. 
Hunde  dagegen  gehen  nach  stomachaler  und  nach  subkutaner  und 
intravenöser  Darreichung;  zu  (irunde.  (ienaueres  siehe  bei  Caze- 
neuve*,  namentlich  aber  bei  Th.  Weyl-. 

Es  dient  in  Frankreich  und  in  Italien  zum  Färben  von  Maccaroni  -. 

4)  Napht holgelb  C,o  H^  N...  0«  SNa., ,  das  Natronsalz  der 
Dinitro-«-Naphth(>lsulfosäure,  also  eine  Sulfosäure  des  Martiusgelbs,  ist 
bei  subkutaner  und  intravenöser  Dosis  auch  in  größerer  Dosis  un- 
giftig und  sollte  daher  überall  an  Stelle  des  Martiusgelbcs  zum 
Färben  von  Nahrun^'smitteln  Anwendung  finden-'.  Seine  Xiiance  ist 
die  des  Martiusgelbcs. 

5)  Aurantia  C, .,  H»,  Ng  0,.^,  das  Ammoniunisalz  eines  Hexa- 
nitrodiphenvlamins 

C«H,(N0,),\ 

„         TT  V/^      \  /N    (MI4    ) 

C,H,(NOj),/ 

4» 


380  TH.   WEYL, 

Wird  zum  Färben  von  Wolle,  Seide,  namentlich  von  Leder,  aber 
im  ganzen  recht  wenig  benutzt.  Ist  unter  gewissen,  aber  nicht  näher 
bekannten  Verhältnissen  giftig  2. 

Die  Litterat ur  über  die  Gelbfärbung  von  Nahrungs- 
mitteln ist  unter  Xo.  7  zusammengestellt. 

3.  Azotarbstoffe.  Sehr  artenreiche  FarbstoflFldasse,  deren  Ver- 
treter besonders  massenhafte  Anwendung'  finden. 

Chroniophore  Gruppe:  — N=-X —  (Azogruppe). 

Dieselbe  kann  einfach  oder  auch  mehrfach  vorhanden  sein.  In 
letzterem  Falle  spricht  man  von  Disazo färben.  Von  besonderer 
Wichtigkeit  sind  die  sogenannten  Kongofarbstoffe,  welche  Baum- 
wolle (ihne  Beize  färben.     Dieselben  leiten  sich  vom  Benzidin  ab. 

Nach  Th.  Weyl-  scheinen  bei  weitem  die  meisten  Azofarben 
ungiftig  zu  sein.  Bis  zu  einem  gewissen  Grade  giftig  erwiesen  sich 
vom  Magen  aus  M  e  t  a  n  i  1  g  e  1  b 

/(3)  N=N-C,H,-NH-CeH, 

^•^     *\(1)  S03Na 

TT  ^   TT   /(4)S03Na,  ß 

N  a  p  h  1 0 1  s  c  h  w  a  r  z  P 

P     „  /(SOaNa)^  /(SO^Na), 

^»<'^-'^\N=N-C,oH,-N=N-C,oH,\(OH)/9 

wirkt  vom  Unterhautzellgewebe  aus  giftig  (Th.  Weyl  2). 

Nach  B  a  r  i  1 1  e  *  werden  in  Paris  Apfelsinen  durch  Färben  mit 
Biebricher  Scharlach 

C   H    /  (4)803  Na  /S03Na 

«     *  \(1)  N=N— C,  H3\N=N— C,  0  Hg  OH  {ß) 
in    „Blutapfelsinen"  verwandelt. 

Chemische  gelbe  Nitro-  und  Azofarbstoffe  werden  nach  Casali" 
zum  Hellfärben  von  Nahrungsmitteln  benutzt. 

Der  Safran  Algeri  extra  ist  nach  Posseto  ^^  ein  Gemisch  von 
Martiusgelb  +  Tropaeolin  000  No.  2  +  Crocein  (s.  auch  S.  379  [Nitro- 
farbstoffe]  und  die  S.  384  unter  7  angeführte  Litteratur. 

4.  Triphenylmethan  -  oder  RosaniliiifarbstoflPe.  Sie  werden 
auch  Anilinfarben  genannt,  weil  sie  durch  Oxydation  des  Anilins 
und  seiner  Homologen  entstehen, 

Chromophore  Gruppe: 

^X        II 

In  diese  Gruppe  gehören  einige  der  wichtigsten  und  am  längsten 
bekannten  „Anilinfarben",  wie  das  Fuchsin 
/CH3(3) 
(1)C6H3^ 
/  ^NH2(4) 

C — (l)CgH4NH2(4;-l-4Hj,0  (salzsaures  Tripara-amido-meta-tolyl-diphenyl- 
\ri)C,H,NH,Cl(4)  carbinol-anhydrid) 

I 

42 


Die  Gebrauchsgegenstände.  381 


und  das  Malachitgrün 


3(C((1)C,H,-(4)N(CH3),       )^oZnCl,+2H,0,   das 


Zinkchloriddoppelsalz     des     Tetramethyl-dipara-amido-triphenyl-carbinols. 

Die  Farl)stoff('  diesor  (Jrui)i)o  \v(>rdon  durch  Oxydation  des  Anilins, 
hczichcntlich  seiner  Homologen  dargestellt.  Da  man  früher  als  Oxy- 
dationsmittel die  Arsensäure  benutzte,  konnten  die  gewonnenen  Farb- 
stoffe Arsen  enthalten,  wenn  die  Reinigung  der  Produkte  unvollständig 
geblieben  war.  Dies  galt  namentlich  für  einige  als  C  e  r  i s  e ,  M  a  r  r  o  n  , 
(t  r  e  n  a  d  i  n  e  bezeichnete  Farbstoffe. 

Alle  Fu  clisin  vergiftu  nge  n  scheinen  Arsen  Vergif- 
tungen gewesen  zu  sein.  Sic  waren  früher  nicht  selten,  werden 
aber  in  den  letzten  Jahren  kaum  mehr  beobachtet,  seitdem  man  als 
Oxydationsmittel  nicht  mehr  die  Arsensäure,  sondern  das  Nitrobenzol 
in  schwefelsaurer  Lösung  anwendet  (Coupier's  Verfahren). 

Das  reine  Fuchsin  ist  auch  in  Dosen  von  0,5  g  täg- 
lich für  den  Menschen  nicht  giftig. 

Hierfür  sprechen  die  folgenden  Beobachtungen : 

a)  ältere  Versuche  von  C 1  o  u  e  t ,  B  e  r  g  e  r  o  n  ,  G  r  a  n  d  h  o  m  m  e '  ^ , 
die  Th.  Wcyl-  zusammengestellt  hat, 

b)  folgender  „Fall",  welchen  Cazeneuve^'  in  jüngster  Zeit 
beschreibt. 

Ein  Mann  von  Gl  Jahren  war  seit  29  Jahren  l)einahe  ununterbrochen 
in  der  bekannten  Fabrik  von  Durand  et  Huguenin  mit  dem  Sieben  von 
Fuchsin,  das  nach  dem  Arsensäureverfahren  hergestellt  wurde,  beschäftigt. 
Bei  dieser  Arbeit  entwickelten  sich  bedeutende  Staubmengen,  denen  der 
Arbeiter  ungeschützt  gegenüberstand.  Trotzdem  erkrankte  er  niemals. 
Er  nahm  einer  mäßigen  Schätzung  nach  täglich  1 — 2  dg  Fuchsin  mit  dem 
Staube  auf.  Das  Fuchsin  ist  also  durchaus  unschädlich  und  gegen  seine 
Anwendung  zum  Färben  von  Bäckereien —  nach  Cazeneuve  — nichts 
einzuwenden. 

Der  Pariser  Polizeipräsident  hat  diese  Anwendung  nach  Cazeneuve 
seit  1890  wirklich  gestattet. 

Un  giftig     sind    ferner    nach     Grandhomme*^     Anilinblau, 

A  n  ilin  vi  ol  et  t  (Dahlia)  und  Malachitgrün.     Das   Pyoktannin 

(ein    Gemisch    ])lauor    und    violetter   Farbstoffe    dieser    Gruppe)    und    das 

'  Fuchsin  S  (eine  Trisulfosäure  des  Fuchsins)  scheinen  gleichfalls  ungiftig 

zu  sein. 

Lichtgrün  SF  (==  Säuregrün)  wird  nach  Planchen*  in  Paris 
zum  Färben  natürlicher  Blumen  benutzt. 

Auch  glasierte  Thon waren  worden  mit  Anilinfarben  gefärbt, 
und  zwar  derart,  daß  die  Farbe  durch  eine  glasurfreio  Stelle  unter  die 
Glasur  tritt  »•*. 

ö.  RosolsHiirofarbstoffe  oder  Aiirine. 
Chromopliorc   Gruppe: 


43 


3S2 


TH.    WEYL, 


Wonifz  hcnutzto  Farbstoffe. 

Dio  rt'iiuMi  Farbstoffe  dieser  (Iruppe,  z.B.  Rosolsäure,  Ko- 


ralliii,    Päonin.  sind  iiiclit   uit'tij 


Das  ReichsKesetz  vom  5.  Juli 


ISST  (Farbenuesetz)  zählt  das  Koralliii  unter 
r..  IMithaleYiie. 


die 


i^iftigen  Farben. 


Chroniophore  Gruppe : 


'\ 


R— CO 


Zu    diesen    Farbstoffen    jieliört   das  Eosin,   das  Alkalisalz  eines 
Tetrabromtluoresceins, 

CgHBr.,— OK 

/  >0 

C— CgHBrg— OK 


\ 


CgH^— CO— 0 


und  das  E  ryt  li  r  os  in. 

Eos  in,  Erj'throsin  sind  nach  G  ran  dhomme  *-,  der  die  ge- 
nannten Farbstoffe  Kaninchen  in  großen  Dosen  per  os  einverleibte, 
nicht  giftig.  Das  Eosin  scheint  aber  unter  Umständen  die  mensch- 
liche Haut  reizen  zu  können  (S.  395). 

Nach  P 1  a  n  c  h  0  n  ^  ^vird  Eosin  zum  Färben  frischer  Blumen  in 
Paris  benutzt. 

7.  Anthrachinonfarben. 


Chromophore  Gruppe : 


CO 


\ 


CO 

Sehr  wichtige  Farbstoffklasse,  zu  welcher  das  Alizarin  gehört. 
Das  Alizarin  ist  kein  Farbstoff,  erzeugt  aber  auf  der  mit  Metalloxyden 
gebeizten  (S.  37S)  Baumwolle  Farbstoffe.  Nach  P.  P]hrlich  '*  sterben 
Kaninchen,  denen  man  1  ccm  einer  gesättigten  Lösung  von  Alizarin- 
blau S  des  Handels  (=  Alizarinblau  -f  Natriumbisulfit)  subkutan  in- 
jiziert, binnen   ^j^  Stunde. 

8.  Die  Indamine  (chromophore  Gruppe     N<^  _  \ 


\r. 


und  die 


'.    Indophenole    (chromophore    Gruppe   N<^  |    werden  wenig 

i I 


benutzt. 

10.  Methylenblau-liruppe   (Thionin- Gruppe,  Lauth'sche 
Farbstoffe). 


44 


Die  Gebrauchsgegenstände.  383 

Chromophorc  (Jruijpi- 

I 

Hierher  gehört  das  wichtige  M  e  t  h  y  1  c  ii  1)  1  u  u  ,   welches  gebeizte 
Baumwolle  hliiii  f:iri»t. 

^N(CH3), 

NC  ^ 

\N(CH3)2 


l\ 


Gl 


Methylenblau-Chlorhydrat. 

Nach  Cazeneuve'  ruft  das  Methylenblau  bei  Hunden  erst  in 
großen  Dosen  Störungen  der  Gesundheit  hervor. 

Dagegen  bewirken  nach  Galliard^'*  schon  kleine  Dosen  von  0,10 
— 0,20  g  beim  Menschen  Unbehagen. 

Diese  Angaben  von  Galliard  erwecken  wenig  Zutrauen,  weil  das 
Methylenblau  bekanntlich  in  Dosen  von  mehr  als  0,5  g  sehr  häutig 
Kranken  ohne  sichtbare  Störungen  gereicht  wird.  Vielleicht  war  das 
Präparat  von  Galliard  unrein.  Jedenfalls  ist  bei  allen  Versuchen  über 
Giftigkeit  des  Methylenblaus  zu  bedenken,  daß  dasselbe  häufig  als  Ch  1  or- 
zin kdoppelsalz  in  den  Handel  kommt. 


11.  Aziiie. 

Chromophore  Gruppe 


Hierher  gehört  das  *^  Safran  in 

•'  >C,H  /      )C,H.,(CH3) 

C1'^'^C„H,(NH2) 

Dasselbe  ist  nach  Th.  WeyP*  vom  subkutanen  Gewebe  aus 
auch  in  kleiner  Dosis  (0,05  g  pro  kg  Hund)  ein  starkes  Gilt,  während 
vom  Magen  aus  große  Dosen  erst  nach  längerer  Zeit  Diarrhöen  her- 
vorrufen (Cazeneuve  und  LepineM. 

Das  Safranin  dient  zum  Rotfärben  von  gebeizter  Baumwolle  und 
auch  von  Likören. 

12.    Indigo.     Indigblau  C,6H,,NjO,. 
Constitution:     ,.    „/(D^Ox  /C0(1)\ 

\(2)NH/  NNH(2)/ 

45 


3.^4  TH.   VVEYL, 

Mi'ist  aus  der  Indiuoiirian/A'  gewonnen,  oh^'oioh  auch  küustlicli 
herstellltar. 

AuLhm-  dem  TndiL:;hlau  wird  auch  eine  Tndi^dthui-Disulfosäure 
C,,..II^(IIS(),)oNo()j  .  und  zwar  ihr  Xatriunisalz  unter  dem  Namen 
..Säclisi  seh  l)la  u"  zum  Färlx'ii  von  Sei(h'  und  von  gebeizter  Wolle 
angewandt. 

Das  Indigldau  ist  ungiftig,  \ergl.  aber  S.  397  über  die  Wirkung 
wollener,  freie  Schwefelsäure  enthaltender  Strümpfe  auf  die  Haut. 

l.">.   Oriranist'he  Farbstoffe  uubekaimter  Konstitution. 

llierlier  gehören  z.  B.  der  W  ei  n  far  b  s  t  o  f  f,  der  Heide  Ibec r- 
farb  Stoff,  der  Orleanfarbstoff  (kommt  nach  Polenske  als 
deutsche  B  ut  t  erfarbe  ^ '  in  den  Handel),  die  Cochenille  und 
das  Gummigutt,  der  eingetrocknete  Milchsaft  mehrerer  in  Slam 
wachsenden  Garciniaarten,  welcher  eine  giftige,  gell)e  Malerfarbe  liefert. 

Die  natürlich  vorkommenden  Farbstoffe,  welche 
größten  teils  un  giftig  zu  sein  scheinen,  sollten  in  viel 
gröliereni  Umfange  als  bisher  zum  Färben  der  Nah- 
rungsmittel benutzt  werden. 

1 )  P.  Cazeneave,   La  colorations  des  vins,  Paris   1886. 

2)  Th.  Weyl,  Die  Teer  färben  mit  besond  Rücksicht  auf  Schädlichkeit  und  Gesetzgebung; 
vergl.   K.  B.  Lehmann,   Die  Methoden  der  praht.  Hygiene  54.S. 

3>  0.  N.  Witt.  Her.  Deutsch,  ehem.  Ges.  (1876)  9.  Bd.  522  und  Chem.  Ztg.  (1880)  4.  Bd. 
422 

4)  Planchon,  Hyg.  Rdsch    (1892)  859. 

5)  Val.  Gerlach,  Zeitschr.  f.  angero.  Chem.  (1888)  290  u.  348,  bestätigte  die  Versuche  von 
Th.  Weyl. 

6)  Arch.   yenir.   de  mid.  (1886)    Vol.  I  753. 

7)  üeber  Gelbfärbung  von  Nahrungsmitteln  vergleiche  Coreil,  Viertelj.  f.  Nah- 
rungtm.  (1889)  16G;  Posseto,  Z.  f.  Nahrungamittdchem  6.  Bd.  51  und  Chem.  Ztg. 
(1891)  No.  9,  S.  96;  Th.  Weyl,  Die  Teerfarben  48  ff.;  Casali,  Viertelj.  f.  'i^ahrunysm. 
(1890)  516;  E.  Leeds,  'J'he  Ajialyst  12.  Bd.  150  (siehe  Ber.  chem.  Ges.  (1887)  20  Bd. 
Ibb  {Ref.),   Arch.  f.   Pharmacie  220.    Bd.  467). 

8)  Barille,   Uyg.  Rdsch.  (1892)   1092. 

9)  Casali,    Viertel),  f.   Nahrungsm.  (1890)  516. 

10)  Posseto,  Chem.   Ztg.  (1891)   No.  9    S.  96. 

11)  Cazeneuve,   Ann.  d'hygiene  (1892)   28    Bd.    126. 

\'i.)  Grandhomme,  Die  Fabriken  der  Aktien-Gesellschaft  Farbwerke  vorm.  Meister,  Lucius  u. 
Brüniny   3.   Aufl.   (1893). 

13)  D  R.t.  62  443. 

14)  P.  Ehrlich,   Sauer stofbedürfnis  des   Organismus  (1885)   107. 

15)  GaUiard,   Uyg.  Rdsch.  (1892j    104. 

16)  Th.   Weyl,  Zeüschr.  f.  Hyg.  (1889)   7.  Bd    35. 

17)  Polenske,  Arb.   Kais.   Ges.-Amt.   (1890)   6.   Bd.    123. 

18)  Siehe  auch  die  älteren  Versuche  von  Eolenborg  und  Kohl,  Viertelj.  f.  ger.  Med.  (1870) 
12.    Bd.  300. 


Das  R.  ( / .  V  o  ni  ;").  Juli  1 8M7  über   die  \'  e  r  w  e  n  d  u  n  g  gesund- 
heitsschädlicher F  a  r  1j  e  n. 

>5  1.  Gesundheitsschädliche  Farben  dürfen  zur  Herstellung  von 
Nahrungs-  und  Genu/smitteln,  welche  zum  Verkauf  bestimmt  sind, 
nicht  verwendet  werden. 

Gesundheitsschädliche  Farben  im  Sinne  dieser  Bestimmung  sind 
diejenigen  Farbstoffe  und  Färb  Zubereitungen,  welche:  Antimon,  Arsen., 
Baryum,  Chrom,  Kupfer,  Quecksilber,  Uran,  Zink,  Zinn.,  Gummigutti, 
Korallin,  Pikrinsäure  enthalten. 

46 


Die  Gebranrhsgegpnstiinrle.  385 

Vorsililü^e  zur  Ucgclmii;  der  larbstotlTrage. 

Zu  den  anorganischen  und  orgunisolu'n  Farlien,  welclie  aut  (irund 
des  2.  Absatzes  im  vorstehenden  Paragraidien  als  gesundheitsgetiUir- 
lich  gelten,  sollten  auf  (irund  der  Thatsachen,  die  auf  S.  'M>6  ;J«4  mit- 
geteilt wurden,  noch  folgende  organische  Farben  treten: 

Dinitrokressol  (Safransurrogat),  Martiusgelb,  Auran- 
tia,  Saffranin,  vielleicht  auch  Methylenblau. 

Dagegen  könnte  das  nicht  giftige  Korall  in  und  seine  Homo- 
logen aus  der  Liste  der  giftigen  Farben  gestrichen  werden. 

Auch  das  Kupfer  ist  nicht  giftig  (S.  :J7:>),  wenn  nicht 
die  Säuren,  mit  denen  es  sich  zu  Salzen  verband,  giftig  sind,  (iiftige 
Kupfersalze  wären  also  z.  B.  die  Arsenverbindungen  des  Kupfers,  das 
Cyankupfer  u.  dergl. 

Da  die  Zahl  der  vorhandenen  organischen  Farbstoffe  bereits  eine 
unübersehl)ar  große  ist,  da  sich  diese  Zahl  beinahe  täglich  vermehrt, 
und  es  ausgeschlossen  erscheint,  daß  jeder  einzelne  dieser  Farbstotfe 
„auf  (liftigkeif*  geprüft  wird,  bleiben  nur  zwei  Wege  übrig,  um  die 
Frage  der  Anwendung  von  Fariten  in  der  Industrie  der 
Nahrungsmittel,  Genußmittel  und  Gebrauchsgegenstände  einer 
grundsätzlichen  Lösung  zuzuführen. 

Der  eine,  zugleich  der  einfachste,  wäre  dieser :  Die  Anwendung 
alk-r  Farltstoffe  zum  Färben  von  Nahrungsmitteln  u.  s.  w.  wird  unter- 
lagt. Diesen  rigorosen  Standi»unkt  dürfte  die  Gesetzgebung  wohl 
niemals  einzunehmen  gesonnen  sein.  Denn  er  wäre  gleichbedeutend 
mit  der  Aufgabe  vieler  liebgewordener  und  notwendiger  Unterschei- 
dungsmerkmale. 

Viel  gangbarer  scheint  der  zweite  Weg,  welchen  Th.  WeyP 
^chon  vor  längerer  Zeit  vorgeschlagen  hat. 

Er  besteht  darin,  daß  zur  Färbung  von  Nahrungsmitteln  u.  s.  w. 
nur  eine  bestimmte  Zahl  als  ungiftig  erkannter  Farbstoffe  angewandt 
werden  darf.  Welches  diese  Farbstoffe  sind,  bestimmt  die  zuständige 
Behörde.  Dieselbe  setzt  auch  fest,  welche  größte  Menge  von  einem 
Farbstoffe  für  einen  bestimmten  Zweck  benutzt  werden  darf.  Neue 
Farbstoffe  dürfen  nur  für  den  genannten  Zweck  benutzt  werden,  wenn 
dieselben  nach  amtlicher  Prüfung  als  ungiftig  erkannt  sind.  Alle  „zu- 
gelassenen" Farbstoffe  müssen  leicht,  auch  in  kleiner  Menge,  nach- 
weisbar sein. 

Krläuteruiigen  zu  §  3. 

sj  2.  Zur  Aufbeivahrung  oder  Verpackung  von  Nahrungs-  und 
(retiuj's mittein,  welche  zum  Verkauf  bestimmt  sind^  dürfen  Gefä/se, 
L'mhüllungen  oder  Schutzhedeckungen,  zu  deren  Herstellung  Farben  der 
im  vj  1  Absatz  2  bezeichneten  Art  verwendet  sind,  nicht  benutzt  werden. 
Auf  die  Verwendung  von:  schwefelsaurem  Bari/um  {Schwerspnth,  blanc 
ßue),  Barytfarblacken,  welche  von  kohlensaurem  ßaryunt  frei  sind, 
Chromoxyd,  Kupfer,  Zinn,  Zink  und  deren  Legierungen  als  Metall- 
farben, Zinnober,  Zinnoxyd,  Schwefelzinn  als  Musivgold,  sowie  alle  in 
Glasmassen,  Glasuren  oder  Emaille  eingebrannte  Farben  und  auf  den 
äujseren  Anstrich  von  Gefäjsen  aus  wasserdichten  Stoffen  finden  diese 
Bestimmungen  nicht  Anwendung. 

Die  Umhüllungen  und  Scliutzl)edeckungen  zur  Aufbewahrung  uml 
Verpackung  von  Nahrungsmitteln  u.  s.  w.   bestehen    zumeist  aus  ge- 

47 


386  TU.   WEYL, 

färbt  ein  Papier.  Letzteres  wird  entweder  „in  der  Masse  gefärbt" 
und  enthält  dann  in  allen  seinen  Teilen  und  Querschnitten  den  Farh- 
stotl',  oder  dasselbe  ist  nur  teilweise,  z.  B.  auf  einer  Seite  uefärbt. 

Da  nun  nachgewiesen  ist.  daß  die  Farbe  der  ünihüllun^,  z.  B. 
durch  Abltröckeln,  oder  durch  Einwirkung  des  vielleicht  sauer  oder 
alkalisch  reagierenden  Inhaltes  auf  die  Unihiillung  in  den  unihüUten 
Gegenstand  und  hierdurch  in  den  menschlichen  Stoft'wechsel  gelangen 
kann,  mußte  die  Anwendung  der  in  s^  1  genannten  Stoffe  für  Um- 
hüllungen u.  s.  w.  untersagt  werden. 

Der  v5  2  gestattet  nun  einige  Ausnahmen.  Es  ist  dies  ge- 
schehen, weil  einige  der  zur  Färbung  von  Einwickelpapieren  u.  s.  w. 
benutzten  F'arben,  wie  Schwerspat  (BaS04),  Zinnober  (IlgS),  Zinn- 
oxyd (SnO,,)  wegen  ihrer  Schwerlöslichkeit  zu  Vergiftungen  wohl  kaum 
Veranlassung  geben  können.  Ein  weiterer  Schutz  gegen  an  sich 
giftige  Farben  liegt  darin,  daß  dieselben  zum  Färben  von  Papier  meist 
nur  als  Lackfarben  Verwendung  finden.  Der  Gesetzgeber  nimmt 
(vielleicht  auf  Grund  ungenügender  experimenteller 
Erfahrungen)  an.  daß  diese  Lackfarben  u.  s.  \\.  im  menschlichen 
Organismus  schädliche  Eigenschaften  nicht  entfalten  werden  (vergl. 
S.  389). 

Unter  den  i^  2  fallen  ferner  auch  die  Schutzanstriche  von 
Eimern  und  Fässern,  soweit  sie  zur  Aufbewahrung  und  Ver- 
packung von  Nahrungsmitteln  dienen. 

Die  übrigen  in  §  2  nicht  zugelassenen  Farben  gelten  als  giftig. 
Dies  gilt  z.  B.  für  das  Blei,  welches  sich  nach  Herz^  in  Perga- 
menti)apier  findet,  das  zum  Einwickeln  von  Käse  benutzt  wird. 

Es  enthielt  pro  Kilo  ;}2  bis  2700  mg  Blei. 

Aehnlich  steht  es  mit  dem  Arsen. 

A.  Frank"  fand  in  dem  grünen  Papier ,  das  zur  Etikettierung 
und  Einwickelung  einer  Schachtel  diente,  welche  Vichypastillen  in 
Originalverpackung  enthielt,  so  viel  Arsen  als  Seh  wein  fürt  er  Grün  , 
daß  ein  Stückchen  des  grünen  Pai)iers  von  der  Größe  eines  Quadrat- 
centimeters  zur  Erzeugung  mehrerer  Arsenspiegel  genügte. 

Hengefeld^  beobachtete  in  der  holländischen  Stadt  Hillegom 
eine  Anzahl  von  Vergiftungen,  welche  sich  auf  den  Genuß  von  Bonbons 
zurückführen  ließen,  die  inmitScheele'schem  Grün  gefärbten 
Papier  eingewickelt  waren. 

Ein  arsenhaltiges  Löschpapier  wurde  in  Schweden  beob- 
achtet *. 

Nach  S  en  dtn  er 's  ■''  in  München  angestellten  Beobachtungen, 
waren  unter  l)-!!  Buntpapieren  17,7  %  mit  Schweinfurter  Grün  gefärbt. 

1)  Herz,    UjTelmaniis  Jahretbericht  pro   1892,  87. 

2)  A.   Frank.    VitrUljuhr.  /.  Nakrungsm.  (1886)  1.  Bd.    155;  auch  Li dimtrieblätter  (ISSG)  5. 

3)  Hengefeld,    VietUlJochr    f.   Nahrun^em.  (1888)   3.   Bd.  448. 

4)  VierUljschr.  f.  Nahruiignm    (1892)   7     Bd.   217. 

5)  Sendtner,  Arch  f.  Uyy.  (1893)    17.  Bd.  429. 

Urläuteruiiseii  zu  §  3  (Cosmetica). 

§  .3.  Zur  Herstellung  von  kosmetischen  Mitteln  {Mitteln  zur 
Reinigung,  Pflege  oder  Färbung  der  Haut.,  des  Haares  oder  der  Mund- 
höhle).^ welche  zum  Verkauf  bestimmt  sind,  dürfen  die  in  §  1  Absatz  2 
bezeichneten  Stoffe  nicht  verwendet  werden. 

48 


Die  Gebrauchsgegenstände.  387 

Auf  schwefelsaures  Barifum  (Schwerspat ,  Uanc  fixe),  Schwefel- 
kadmium, Chromoxyd,  Zinnober,  Zinkoxyd,  Zinnoxyd,  Schwefelzink,  sowie 
auf  Kupfer,  Zinn,  Zink  und  deren  Legierungen  in  Form  von  Puder 
findet  diese  Bestimmung  nicht  Ayiwendung. 

Nach  den  Krläiitcrungen,  welche  dem  Gesetze  beigegeben  sind 
(SelP),  fallen  unter  den  Jj  3  die  Seifen,  die  Pomaden,  Haaröle,  Schön- 
heitswässer, die  verschiedenen  Arten  von  Goldcream,  die  Scliminken 
und  Lippenpomaden,  die  Puder,  die  Zahn-  und  Mundmittel  (Zahnpulver, 
Zahnseifen.  Zahnwässer). 

DaLs  die  oben  genannten  Präparate  sehr  häufig  gesundheitsschäd- 
liche Stoti'e  enthalten,  geht  aus  der  folgenden  Zusammenstellung  her- 
vor, die  auf  \'ollständigkeit  natürlich  keinen  Anspruch  macht. 

Im  französischen  Poudre  ist  bisweilen  4U  bis  90  Proz.  Bleiweiß 
enthalten  ^. 

Reich  an  schädlichen  Stoffen  scheinen  die  Haarfärbemittel, 
bisweilen  auch  die  Kopfwässer  zu  sein. 

Hoyt's  Hiawatba  Hair  Restoratine  ist  eine  ammoniakalische 
Silberlösung.  Bleihaltig  sind  die  folgenden  Mittel:  Clark 's 
Distilled  Restoratine  for  the  Hair,  Circassian  Hair  Regenerator,  R  i  n  g '  s 
Vegetable  Ambrosia  ^. 

Eau  de  f^es  Eau  magique,  Eau  de  Castille  sind  Lösungen  von 
Bleisalzen  in  Natriumhyposulfit^. 

Quecksilber,  Zink,  Blei  und  Wismut  enthält:  Perry's 
Moth  and  Freekle  Lotion  ^. 

Eau  de  Figaro  besteht  aus  drei  Lösungen :  a)  Silbernitrat  und 
Kupfersulfat,  b)  Schwefelnatrium,  c)  Cyankalium.  Letzteres  beseitigt  die 
schwarzen  Flecken,  welche  etwa  auf  der  Kopfhaut  bei  Anwendung  der 
Lösung  a  entstanden  sind-^ ! 

Eau  de  Floride  enthält  Schwefelblumen,  Bleiacetat  und 
Rosenwasser. 

Lait  antephelique,  ein  Mittel  gegen  Sommersprossen,  enthält 
Sublimat  (Quecksilberchlorid)  und  ein  Bleisalz  in  wässeriger  Lösung. 
Lait  Mamilla:  Borax,  Kupfersalz,  mit  Benzoetinktur  und  Mirbanöl. 
Eau  royal  Windsor:  Bleioxyd  und  Glycerin^. 

Auch  Sendtner*  beobachtete,  und  zwar  in  München,  zahlreiche 
bleihaltige  Haarwässer  und  Schminken.  van  Hamel-Roos^  er- 
wähnt eine  Anzahl  von  blei-  und  kupferhaltigen  Toilettemitteln.  Be- 
sonders bemerkenswert  ist  das  Hygienica  benannte  Haarfärbemittel.  Es 
enthält   10  Proz.  Bleisalze  in  Natriumhyposulfit  gelöst. 

Vergiftungen  durch  Anwendung  bleihaltiger  Schminken  u.  s.  w. 
hat  SelP  gesammelt.  Gut  beobachtet  scheinen  auch  die  F'älle  von 
Sapolini*'  zu  sein.  Derselbe  sah  in  9  Fällen  Gehörstörungen  durch 
eine  Haartinktur,  welche  Silbernitrat  enthielt.  Beim  Nichtgebrauch 
des  Mittels  verschwand  das  Ohrensausen ,  um  sich  beim  Gebrauche 
wieder  einzustellen. 

Ein  großer  Teil  der  Toilettenmittel,  mit  denen  der  mitteleuropäische 
Markt  überschwemmt  wird,  ist  französischen,  englischen  und  ameri- 
kanischen Ursprungs.  In  welchem  Umfange  die  Herstellung  der  Geheim- 
mittel in  dem  letztgenannten  Lande  betrieben  wird,  zeigt  die  nach- 
folgende Notiz '. 

Handbuch  der  Hy^cne.  Bd.  III.  Abtlg.  1.  25 

49 


388  TU.    WEYL, 

1880/81  gab  es  in  der  Union  563  Fabriken,  welche  Patentarzeneien 
herstellten.  Dieselben  arbeiteten  mit  einem  Betriebskapital  von  mehr  als 
45  Millionen  Mark,  beschäftigten  4015  Arbeiter  und  produzierten  in  dem 
genannten  Jahre  Waren  im  Werte  von  mehr  als  62  Millionen   M. 

Die  von  dem  Verbote  aiisgenommenen  und  im  vorliegenden 
Paragraphen  einzeln  aufgeführten  Störte  gelten  wegen  ihrer  Schwer- 
löslichkeit als  ungiftig. 

Hier  wären  neue  Untersuchungen  dringend  geboten. 

Analysen  von  Seifen,  die  solche  Störte  enthalten,  welche  durch 
den  vorstehenden  Paragraphen  als  gesundheitsschädlich  erklärt  werden, 
scheinen  in  der  Litteratur  selten  zu  sein.  Wenn  aber  die  im  folgenden 
erwähnte  Notiz  den  thatsächlichen  Verhältnissen  entspricht,  dürften 
gesundheitsschädliche  Störte  in  Seifen  verbreiteter  sein,  als  man  bisher 
annimmt. 

Eine  aus  100  kg  Talg  und  35  kg  Harz  mit  14-  bis  15-grädiger 
Natronlauge  gesottene  Kernseife  nimmt  auf:  120  kg  einer  Mischung  aus 
Wasserglas,  Talk  und  Krj'stallsoda.  Bei  den  sogenannten  Hochver- 
mehrten, d.  h.  besonders  billigen  und  daher  besonders  schlechten  Seifen 
„ist  nichts  schlecht  genug,  was  nicht  darin  Platz  fände"  '^. 

Weitere  Litteratur  über  Geheimmittel  ist  unter  No.  9  angegeben. 

1)  SeU.  Arb.  Kais.   Gesdh.-Amt  2.   Bd.  256. 

2)  Viertel/sehr.  J.  2\ahrungimütelchem.   (1887)   2.   Bd.   614. 

3)  Vierteijschr. /.  Nahrung smtUelchevi.  (1886)   \.  Bd.  168;  nach  Industrieblätter    (1886)28. 

4)  Sendtner.  Arch.  f.  Uyg.  (1893)    17.  Bd. 

5)  van   Hamel-Eoos,  Rev.  intern,  /als.   6.  Bd.  38. 

6)  Sapolini,  Referat  in  AUgem.  mediz.  Centralzeitung  (1886)  244  und  Beilage  der  Industrie- 
Blätter  von  1886   No.  4  7,   228. 

7)  Vierteljechr.  f.   Nahrungim.   2.   Bd.    151. 

8)  Industrieblätter  (1886)    117. 

9)  Paschkis,   Kosmetik  für  Aerzte,  2.   Aufl.   (1893). 

Erläuterungen  zu  §  4. 

§  4.     Zur   Herstellung   von   zum    Verkauf  hestimmfen   Spielwaren 
(einschlief stich    der    Bilderbogen,    Bilderbücher    und    Tuschfarben    für 
Kinder),    Blumentopf  gittern   und  künstlichen  Christbäumen    dürfen  die 
im  §  1  Abs.  2  bezeichneten  Farben  nicht  verwendet  werden. 
Auf  die  im  ^  2  Abs.  2  bezeichneten  Stoffe.,  sowie  auf 

Schwefelantimon    und    Schwefelkadmium    als     Färbemittel    der 

Gummimasse, 
Bleioxyd  in  Firnis., 

Bleiweifs   als  Bestandteil   des   sogenannten  Wachsgusses,  jedoch 
nur,   sofern   dasselbe   nicht  ein  Gewichtsteil  in  100  Gewichts- 
teilen der  Masse  übersteigt, 
chromsaures   Blei    (für   sich    oder    in   Verbindung   mit   schwefel- 
saurem  Blei)    als    Oel-    oder  Lackfarbe    oder   mit  Lack-    oder 
Firnisüberzug, 
die   in    Wasser   unlöslichen   Zinkverbindungen,    bei  Gummispiel- 
waren jedoch  nur.,  soweit  sie  als  Färbemittel  der  Gummimasse., 
als  Oel-  oder  Lackfarben   oder  mit  Lack-  oder  Firnisüberzug 
verwendet  werden, 
alle  in  Glasuren  oder  Emails  eingebrannten  Farben 
findet  diese  Bestimmung  nicht  Anwendung. 


Die  Gebrauchsgegenstände.  380 

Soweit  zur  IletsteJlung  von  Spielwaren  die  in  den  ^^  7  und  S  he- 
jseichneten  Gegenstände  verwendet  werden,  finden  auf  letztere  lediglich 
die   Vorschriften  der  Ü?;  7  und  -S  Anwendung. 

Dieser  Paragraph  {.restattet  in  Altsatz  2  nur  die  Anwendung  solcher 
Farben  zur  Herstellung  von  Spie  1  wäre  n  ( Bilderbogen,  Bilderbücher, 
Tuschfarben  für  Kinder),  von  denen  man  annimmt,  dal.s  sie  unter  den 
Umständen,  unter  welchen  sie  l)ei  Herstellung  der  genannten  (legen- 
stände Anwendung  tinden,  ihre  Schädlichkeiten  nicht  zu  entfalten 
imstande  sind. 

Das  Gesetz  erwähnt  zunächst  Schwefelantimon  und  Schwefelkad- 
mium, welche  dem  Kautschuk'*)  eine  gelbbraune  oder  gelbe  Farbe  er- 
teilen und  in  die  Gummimasse  derartig  eingebettet  sind,  daß  dieselben 
durch  den  Speichel  der  Kinder  aus  dem  Gummi  nicht  herausgelöst 
werden  können  '. 

Ueber  das  Schwefelkadniium  scheinen  ^'ersuche  in  der  ange- 
deuteten Richtung  zu  fehlen.  Nach  Bulowski  ist  allerdings  Schwefel- 
antimon in  Speichel  unlöslich,  dagegen  löst  sich  Blei,  wenn  auch  lang- 
sam, Zinkoxyd  dagegen  schnell  in  Speichel  auf^. 

Daß  diejenigen  schwefelhaltigen  Stofl'e,  welche  man  dem  (iummi 
bei  der  Vulkanisierung  zusetzt,  um  das  Produkt  schwerer  flüssig  und 
von  den  Temi)eratureintlüssen  unabhängiger  zu  machen,  bei  der  Be- 
rührung mit  Speichel  Schwefelwasserstoff  entbinden,  wird  von  B  u  1  o  w  s  k  i 
bestritten.  Allerdings  sind  seine  Versuche  vielleicht  nicht  völlig  ein- 
wurfsfrei '. 

Das  Gesetz  gestattet  ferner  die  Anwendung  solcher  Farben,  an 
deren  Giftigkeit  kein  Zweifel  besteht,  sobald  dieselben  als  Oel-  oder 
Lackfarben  benutzt  werden.  Ja  selbst,  wenn  die  Farben  nur  mit  einem 
Lack-  oder  Firnis ü  berz  ug  versehen  sind,  dürfen  dieselben  zum  Be- 
malen u.  s.  w.  der  Spielwaren  benutzt  werden. 

Dieses  Zugeständnis  wird  von  den  technischen  Erläuterungen, 
welche  dem  Gesetze  beigegeben  sind,  als  ein  Kompromiß  zwischen  den 
Forderungen  der  Gesundheitspflege  und  den  Wünschen  der  Fabri- 
kanten motiviert ;  und  es  würde  gewiß  auch  schwer  sein,  einen  anderen 
Grund  für  dieses  immerhin  bedenkliche  Zugeständnis  anzugeben. 

Für  die  Giftigkeit  der  P)leilacke  sprechen  die  folgenden 
Fälle. 

Ein  Stier  starb  nach  Aufnahme  größerer  Mengen  von  Harzfarbe,  die 
zu   •■'/^   aus  Bleiweiß  bestand  ^. 

Von  7  Kühen ,  die  an  einem  noch  feuchten  Mennige  -  Anstriche  ge- 
leckt hatten,  mit  welchem  die  eisernen  Stallgeräte  überzogen  waren, 
starben  5  am  Tage  nach  der  Vergiftung.  In  diesem  Falle  können  die 
aufgenommenen  Bloimengen  verhältnismäßig    nur    geringe  gewesen  sein  ^. 

Kitt  aus  Mennige,  der  zum  Befestigen  der  Blechverkleidungen  von 
Schilfen  benutzt  wird,  verursachte  bei  den  hiermit  beschäftigten  Arbeitern 
Bleivergiftung,  indem  sie  den  bleihaltigen  Staub  einatmeten  *. 

Von  den  Arbeitern,  welche  die  in  Berlin  über  den  Humboldt-Hafen 
führende  Eisenbahnbrücke  mit  Mennige  anstrichen,  sollen  vnele  erkrankt, 
einige  auch  gestorben  sein,  weil  sie  den  bleihaltigen  Staub  verschluckten. 
Ich  habe  nicht  feststellen  können  ,  ob  diese  Angabe  der  Wahrheit  ent- 
spricht *. 


*)  Ueber  Knufschuk  n.  s.   w.   siehe  S.   390. 

25* 
5« 


3i>0  TU.    WEYL. 

Ein  Arbeiter,  der  mit  dem  Abholieln  eines  zum  Ueberziehen  von 
Maßstäben  benutzten  gelben  Lackes  beschäftigt  war,  erkrankte  an  Blei- 
vergiftung.    Der  Lack,  sogenannter  Chromgelblack,    enthielt  Chromblei  ^. 

\'orstelieiule  Anjiaben  zeijuen  zur  Genüge,  wie  vorsichtig  man  bei 
der  Henutzung  von  Gegenständen  sein  muß,  welche  mit  Bleilacken  und 
dergleichen  gefärbt  sind. 

Zu  den  giftigen  Spielwaren  gehören  auch  die  sogenannten  Pharao- 
schlangen. Diesell)en  enthalten  Quecksilberrhodanid.  Es  soll  aber 
auch  derartiges  Spielzeug  existieren ,  welches  aus  der  giftfreien  (?) 
Mischung  von  Chromsäure  mit  organischen  Substanzen  besteht'. 

Der  "Regierungspräsident  von  Schleswig  warnt  am  IG.  Aug.  1889  vor 
dem  Ankauf  der  Pharaoschlangen. 

Der  letzte  Absatz  des  §  4  bestimmt,  daß  die  in  §  7  und  8  er- 
wähnten Gegenstände,  falls  sie  7.ur  Herstellung  von  Spielwaren  be- 
nutzt werden  sollten,  in  100  Quadratcentimeter  des  fertigen  Gegen- 
standes nicht  mehr  als  2  mg  Arsen  enthalten  dürfen. 

Ueber  die   Bestimmung  der  Arsens  siehe  S.  394. 

TJeber  die  hygienischen  Gesichtspunkte,  die  bei  der 
Untersuchung  von  Spielwaren,  welche  aus  Kautschuk 
hergestellt  werden,  maßgebend  sind,  berichtet  unter  Berück- 
sichtigung der  massenhaften  Litteratur  Bulowski'. 

Aus  dieser  ausführlichen  Arbeit  seien  noch  die  folgenden  Punkte 
hervorgehoben : 

Zur  öberflächenfärbung  der  Kautschukspielwaren  (es  kamen 
meist  russische  Fabrikate  zur  Untersuchung),  werden  die  folgenden  Farben 
benutzt:  für  weiß  Zinkweiß  oder  Ki-eide,  selten  Blei  weiß ;  für  schwarz 
Ruß ;  für  hellbraun  Terra  umbra ;  für  grün  Zinnober ;  für  blau  Ultra- 
marin oder  Berliner  Blau;  für  rot  Zinnober  oder  englisch  Rot  (Eisen- 
oxyd in  verschiedener  Reinheit) ;  für  gelb  gelber  Ocker,  sehr  selten 
Bleichromat.  —  Die  russischen  Gummiwaren  enthalten  bis  zu  65  Proz. 
Asche.  Blei  fehlte  stets,  dagegen  fand  sich  bis  zu  58  Proz.  Zinkoxyd. 
Auch  Arsenik  wurde  nicht  aufgefunden.  Dies  ist  einigermaßen  auffallend, 
da  viele  zum  Rotfärben  benutzte  Ockerarten  Arsen  zu  enthalten  pflegen. 
Dasselbe  gilt  auch  für  Terra  umbra. 

1)  Bulowski,  Areh.  f.  Hyy.  (1892)    15.  Bd.   125. 

2)  Hyg.  Bdsch.  (1893)  757. 

3)  Viertel; sehr.  f.  Nahrung smiUdcJum.  (1889)  4.  Bd.  229. 

4)  Viertel/sehr.  f.   Xahrvngimütelchem.  (1889)  4.  Bd.   369. 

5)  CentraM.  /.    Textüindustrie   (1886)   17.   Bd.   809. 

6)  Ber.  deutsch.   Fabrikinsp.   (1889>   228. 

7)  VierUi/schr.  /.  Nahrungumitulchem.   (1890j   5.  Bd.   230. 

8)  Veröffend.  Kais.  Ges.-Amt  rl889)  685. 

Erläutenuisen  zu  §  5. 

§  5.  Zur  Herstellung  von  Buch-  und  Steindruck  auf  den  in  den 
^§  2,  .3  und  4  bezeichneten  Gegenständen  dürfen  nur  solche  Farben 
nicht  verwendet  werden,  welche  Arsen  enthalten. 

Dieser  Paragraph  verbietet  nur  die  Anwendung  von  arsenhaltigen 
Farben  zur  Bedrückung  der  in  J^  2,  3  und  4  angegebenen  Materialien, 

52 


Die  Gebrauchsgegenstände.  391 

ohne  (lab.  wie  die  Erläuterun^'en  zuiii  (ie>etzent\vurf  sa^'en.  aus  der 
Litteratur  Erfahrunjien  über  die  schädliche  Wirkung  von  Drucksachen 
vorlägen,  welche  mit  Hilfe  giftiger  Farben  hergestellt  sind. 

Seit  ErlaLs  des  Gesetzes  sind  nun  von  verschiedenen  Seiten  der- 
artige Erfahrungen  gemacht  worden.  Dieseliien  bctretlen  zwar  nicht 
Drucksachen,  welche  für  die  in  cj  2.  '.)  und  4  genannten  Materialien 
bestimmt  waren,  sie  zeigen  ai»er.  dab  (iesundheits>törungen  durch  Be- 
nutzung von  Drucksachen  auftreten  können,  welche  mit  Hilfe  von  gif- 
tigen Farben  hergestellt  sind. 

Arsen  V  er  g  iftu  n  gen  durch  Banknoten,  welche  mit  grünem 
Aufdruck  versehen  sind,  wurden  mehrmals  beobachtet.  Zunächst  in 
Washington  bei  Arbeiterinnen,  die  in  einer  Bank  mit  dem  Sortieren 
von  Banknoten  beschäftigt  waren.  Dann  in  Lausanne  bei  zwei  Bank- 
beamten, welche  eine  größere  Zahl  der  mit  grünem  Aufdruck 
versehenen  französischen  ö(  »-Frank-Banknoten  gezählt  hatten  ^ . 

Ferner  enthalten  die  billigen  japanischen  Papierartikel,  wie  Fächer 
und  Schirme,  welche  überdies  leicht  abschmutzen,  auf  ihren  grün  ge- 
färbten Partien  häufig  bis  zu  (-»,11 — o,o8  mg  As^Oa  pro  qcm  ^. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  sind  aber  die  Beobachtungen  von 
F.  Schul  er  über  die  bei  Herstellung  von  Briefmarken  be- 
obachteten Vergiftungen  ^. 

Es  erkrankte  nämlich  im  Jahre  isx4  in  Bern  ein  mit  dem  Stanzen 
von  Briefmarken  beschäftigter  Arbeiter.  Diesem  einen  Falle  folgten 
weitere,  in  welchen  es  sich  um  solche  Personen  handelte,  die  mit  der 
Herstellung  grüner  Marken  beschäftigt  waren.  Aehnliche  Erkran- 
kungen wurden  iss7  l)eol)achtet.  welche  zur  genaueren  Untersuchung 
der  in  Betracht  kommenden  Verhältnisse  führten. 

Es  stellte  sich  heraus,  daß  die  zur  Herstellung  der  Marken  be- 
nutzten Farben  beim  Drucken  abstäubten  und  die  Druckerpresse  sowie 
die  Arbeitstische  mit  farbigem  Staub  überdeckten,  ferner  daß  die  mit 
dem  Zählen  der  fertigen,  mit  ^larken  l>edruckten  Bogen  beschäftigten 
Arbeiter  die  Finger  befeuchteten  und  auf  diese  Weise  mit  den  Farben 
in  Berührung  kamen. 

Weiterhin  ergab  die  chemische  Untersuchung,  daß  die  mit  Oel 
angeriebenen  Druckfarben  zwar  frei  von  Arsen  waren,  aber  reich- 
liche Mengen  von  Blei  enthielten.  Die  gleichfalls  angewandten 
trockenen  Farben  waren  fast  stets  frei  von  Blei  und  Arsen. 

Daß  es  sich  bei  den  erkrankten  Arbeitern  um  Bleivergiftung  ge- 
handelt hat.  steht  außer  Zweifel. 

Es  folgt  also  aus  den  Beobachtungen  Schuler 's,  daß  bei  An- 
wendung von  Bleifarben  zum  Drucken  von  Papier  Bleivergiftungen 
auftreten  können. 

Vielleicht  bieten  die  vorstehend  mitgeteilten  Erfahrungen  Veran- 
lassung, das  Gesetz  in  dem  Sinne  abzuändern,  daß  die  Anwendung 
giftiger  Farben  für  Drucksachen  aller  Art  untersagt 
w  i  rd. 

1)  Vierteljichr.  f.  IsahrMngtmitttUhem.  (1889)  4.   Bd.  368;    auch  Zeittehr.  /    SahrvnytmUUl- 
hygitne  (1889)   202. 

2)  I'eutich.   med.    ^Vochentchr.   ilS'JS)    1032. 

3)  F.   Schaler,   Las   ChromlUi  in  der  Industrie,   Korrt$pondenxblatt  f .  Schveixer  AerzU  [\%9'1) 
68  (A'o.   3;. 


53 


'^\)'2  TU.    WEYL. 

ErlJiuteruugiMi  /u  §  6. 

j;  1).  Tusch fnrhen  jeder  Art  dürfen  als  frei  von  gesundheitsschäd- 
lichen Stoffen,  beziehungsweise  giftfrei  nicht  verkauft  oder  feilgehalten 
werden,  wenn  sie  den  Vorschriften  im  ij  4  Abs.  1  und  2  nicht  ent- 
sprechen. 

Durch  diesen  Para.uiaitluMi  werden  nicht  alle  [Malerfarben  ohne 
Ausnahme,  sondern  nur  die  meist  billij^^en,  von  Kindern  zum  Tuschen 
und  Kolorieren  benutzten  Tuschfarben  getroffen.  Man  hat  gerade 
die  Tuschfarben  giftfrei  im  Sinne  des  y:J  4  Absatz  1  und  2  hergestellt 
wissen  wollen,  weil  Kinder  mit  den  Tuschfarben  nicht  vorsichtig  um- 
gehen, sie  in  den  Mund  nehmen  und  dergleichen.  Andererseits  sind 
in  mehreren  Tuschfarben  giftige  Beimengungen,  namentlich  Arsen  ge- 
funden worden,  welche  zu  Vergiftungen  Anlali  geben  konnten.  Letz- 
teres gilt  z.  B.  für  Terra  di  Siena,  Terre  d'Oml)re.  Es  sind  dies  meist 
gelbliche  oder  braune  Farben,  zu  deren  Herstellung  das  bisw^eilen 
arsenhaltige  Eisenoxyd  (s.  S.  371)  benutzt  wird. 

Die  ^sj  7.  'S.  1)  beschäftigen  sich  fast  ausschließlich 
mit  dem  Arsen  und  verbieten  seine  Verwendung  zum 
Färben  solcher  Gegenstände,  mit  denen  der  Mensch 
d a u e  r  n  d  o d e r  h ä u f i g  in  B e r  ü h r  u n  g  t  r  i  1 1. 

Erlliiiteriingcn  zu  §  7. 

i;  7.  Zur  Herstellung  von  zum  Verkauf  bestimmten  Tapeten,  Möbel- 
stoffen, Teppichen,  Stoffen  zu  Vorhängen  oder  Bekleidungsgegenständen, 
Masken,  Kerzen,  sowie  künstlichen  Blättern,  Blumen  und  Früchten 
dürfen  Farben,  welche  Arsen  enthalten,  nicht  verwendet  werden. 

Auf  die  Verwendung  arsenhaltiger  Beizen  oder  Fixierungsmittel 
zum  Zweck  des  Färbens  oder  Bedrückens  von  Gespinnsien  oder  Ge- 
weben findet  diese  Bestimmung  nicht  Anwendung.  Doch  dürfen  derartig 
bearbeitete  Gesimmsie  oder  Gewebe  zur  Herstellung  der  im  Absatz  1 
bezeichneten  Gegenstände  nicht  verwendet  werden,  ivenn  sie  das  Arsen 
in  wasserlöslicher  Form  oder  in  solcher  Menge  enthalten,  dafs  sich  in 
1(J()  qdm  des  fertigen  Gegenstandes  mehr  als  2  mg  Arsen  vorfinden. 
Der  Reichskanzler  ist  ermächtigt,  nähere  Vorschriften  über  das  bei  der 
Feststellung   des  Arsengehaltes    anzuwendende    Verfahren  zu   erlassen. 

Das  Arsen  kann,  den  Annahmen  der  Autoren  zufolge,  in  drei- 
facher Weise  schädlich  einwirken  : 

1)  vom  Magen  und  vom  subkutanen  Gewebe  aus, 

2)  durch  f^inatmung, 

3)  von  der  Haut  aus. 

Die  [Möglichkeit  der  Arsenvergiftung  nach  1)  wird  nicht  bestritten, 
kommt  jedoch  für  das  Verständnis  des  vorliegenden  Paragraphen 
nicht  in  Betracht.  Eine  Arsenvergiftung  nach  2)  ist  nur  insofern  kon- 
trovers, als  es  noch  immer  zweifelhaft  erscheint,  ob  dieselbe  eintritt, 
wenn  sich  ein  Mensch  längere  Zeit  oder  fortdauernd  in  einem  Räume 
aufliält,  dessen  Tapeten  odei-  Möbel  mit  arsenhaltigen  Farben  gefäi'bt  sind. 

Der  Gesetzgeber  hält  den  Beweis,  daß  durch  arsenhaltige  Gewebe 
aller  Art  eine  chronische  A  rsen  Vergiftung  entstehen  kann, 
für  erbracht.  Er  verbietet  deshalb  alle  Tapeten,  Möbelstoife,  Teppiche 
und  die  zur  Dekoration  dienenden  künstlichen  Blumen,  Blätter  und 
Früchte,  welche  mit  arsenhaltigen  Farben  gefärbt  sind. 

54 


Dio  Gebrauchsgegenstände.  393 

Die  wicliti^isten  Arsenfarbeii  sind  S.  377  erwähnt. 

Wie  die  Arsenvorgiftunj^  in  Räumen,  deren  Tajjeten  oder  Möhel- 
stoffe  arsenhaltig  sind,  zustande  konunt,  ist  noch  nicht  mit  Sicherheit 
festgestellt.  Am  wahrscheinlichsten  scheint  es,  daß  der  arsenhaltige 
Staub,  welcher  sich  l»eini  Abstäuben  der  Wände  und  Möbel  entwick(dt, 
schädlich  wirkt.  An  ein  \'erdani])fen  der  zum  Färben  Itenut/ten  Arsen- 
verbindungen  unter  den  hier  in  Frage  kommenden  Bedingungen  wird 
dagegen  kaum  zu  denken  sein,  wenigstens  widerstreitet  diese  Annahme 
unseren  Kenntnis.sen  über  die  chemisclien  Eigenschaften  der  Arsen- 
farben -  '^ 

Dagegen  kann  sich,  wie  Gosio'  entdeckte,  unter  dem  Kintluß 
gewisser  Mikroorganismen,  namentlich  des  Pcnicillium  lirevicaule,  aber 
auch  des  Mucor  mucedo,  des  Aspergillus  glaucus  und  virescens,  aus 
Arsensäure  eine  flüchtige  Arsenverltindung  bilden.  Diese  ist  wohl 
imstande,  eine  Arsenvergiftung  zu  erzeugen. 

Daß  aber  die  genannten  Schimmelpilze  auf  feuchten  Wänden 
schmarotzen  können,  wird  keinem  Zweifel  unterliegen  dürfen.  Ferner 
ist  an  dieser  Stelle  daran  zu  erinnern,  dali  die  Tapezierer  dem  Klei.ster, 
um  ihn  besser  zu  konservieren,  sogenanntes  Schwabenpulver  *),  welches 
im  wesentlichen  aus  Schweint'urtcr  (irün  besteht,  zuzusetzen  pflegen. 
Dies  ist  also  eine  Substanz,  aus  welcher  die  olDcngenannten  Mikro- 
organismen Arsenwasserstoif  erzeugen  könnten. 

Die  Entdeckung  von  Gosio  macht  auch  eine  chronische 
Arsen  Vergiftung  bei  Bewohnern  von  Zimmern  ver- 
ständlich, deren  Tapeten  oder  M  ö  1)  e  1  s  t  o  f  f  e  Arsen  ent- 
halten. Denn  die  Entbindung  der  flüchtigen  Arsenverbindung  wird 
durch  die  Mikroorganismen  lange  Zeit  hindurch  und  nur  in  kleinen 
Mengen  erfolgen  können-. 

Sendtner^  beobachtete  in  einem  Zimmer  drei  übereinander  be- 
findliche Maueranstriche,  deren  jeder  arsenhaltig  war. 

Die  oben  (S.  392)  unter  3  erwähnte  Arsen  Vergiftung  von 
der  Haut  aus,  z.  B.  durch  arsenhaltige  Haarwässer  und  Schminken, 
soll  durch  die  Bestimmungen  von  §  3  dieses  Gesetzes  verhindert  werden. 

Ueber   arsenhaltige  Zündhölzer  berichtet   E.  Pfeiffer*. 

Arsen  Vergiftungen  durch  Ch ristbau mkerzen,  welche 
vielleicht  mit  Scheele's  Grün  gefärbt  waren,  wurden  in  London  be- 
obachtet '. 

Buntpai>iere  enthalten  in  Deutschland  trotz  des  R.G.  vom  5.  Juli 
1887  nicht  allzu  selten  Arsen. 

So  fand  Sendtner^  in  München  im  Jahre  1801  bei  181  Unter- 
suchungen 32  mal.  also  in  17,7  Proz.,  und  1802  noch  in  14  Proz.  der 
Fälle  Arsen. 

Günstiger  waren  die  Resultate  in  Berlin''. 

Hier  wurden  untersucht: 


Jahr 

Proben 

arsenhaltig 

1889 

3 

keine 

1890 

la 

keine 

1891 

13 

3 

G  a  1 1  0  w  e  n  g  '     i»rü 

ifte 

in     L  0  n  d 

0  n 

ICK)     1 

tenproben     auf 

*)  Der  Zusatz  vod  Scbwabeopulver  zum  Kleister   ist  durch  Eriaft  des  Ueriiner  Polizei* 
prXsidenteo  verboten. 

55 


304  TU.  WEYL, 

Arsen.  Von  diesen  waren  frei  von  .\rsen:  24,  enthielten  Arsen:  20, 
aber  nnr  in  Spuren.  In  den  übrigen  öG  Nvurde  1— (KK^  mg  arseniger 
Säure  pro  «pn  gefunden. 

Von  der  chemiscli-technisclien  Versuchsstation  in  Stockholm 
wurden  1884—01  0G32  Proben  von  Tapeten,  Geweben,  Farben  u.  s.  w. 
auf  Arsen  geprüft.     Es  wurden  gefunden: 

58   Proz.  der  Proben  frei  von  Arsen 
41       ,,         ,,  ,,        «rsenhaltig. 

Ueber  Arsen  Vergiftungen  durch  Kleidungsstoffe, 
welche  mit  Arsenfarben  gefärl)t  waren,  e.xistiert  eine  umfangreiche 
Kasuistik,  welche  Seil''  ausführlich  wiedergegeben  hat. 

Vor  Erlali  des  Reichsgesetzes  spielten  namentlich  die  Arsen- 
vergiftungen durch  grüne,  mit  Schweinfurter  Grün  gefärbte 
Ballkleider  eine  gewisse  Rolle. 

Der  zweite  Abschnitt  dieses  Paragraphen  gestattet  die  An- 
wendung arsenhaltiger  Beizen  oder  Fixierungsmittel  zum  Färben  oder 
Bedrucken  beliebiger  Gespinnste  oder  Gewebe. 

Finden  aber  die  mit  arsenhaltigen  Beizen  hergestellten  Gewebe 
zu  den  im  1.  Absätze  dieses  Paragraphen  genannten  Zwecken  Ver- 
wendung, so  darf  ihr  Gehalt  an  Arsen  eine  gewisse  Minimalgrenze 
nicht  überschreiten. 

Das  Verfahren,  welches  bei  Ermittelung  des  Arsens  in  den  oben 
genannten  Geweben  einzuschlagen  ist,  wurde  durch  einen  Erlaß  des 
Reichskanzlers  vom  10.  April  1888  festgelegt. 

Dasselbe  könnte  wesentlich  vereinfacht  werden. 

1)  Oosio,   Rivista  cCigiene  t  sanüa  pubblica  (1893)  No.  8,   9,   10,   11;    siehe  auch  Fr.  Abba, 
Biv,   d'igiene  e  sanitä  pubblica  (1893)   A'o.   23. 

2)  Der  Fall  von  chronischer  Areenveryiflung    durch  arsenhaltigen  Maueranstrich    (Chem.  Ztg. 
(1887 1  433)  kann  —  aus  hier  nicht  viederzugebenden  Gründen  —  als  apokryph  gelten. 

3)  Sendtner,  Arch.  f.  Hyg    (1893)   17.  Bd.  433. 

4)  E    Pfeiffer,  Chem.  Ztg.  (1887)    416. 

6)    Vierteljahr  Schrift  f.   Nahrungsmittelchem.   (1889)  369. 

6)  Wemich  u.  Wehmer,    6.   Gesamtbericht    über    das    Sanüäts-    und  Medizinnhcesen    in    der 
Stadt  Berlin  mährend  der  Jahre  1889,   1890  u.    1891    (1893)   320. 

7)  Galloweng,    Vierteljschr.  f.  Nahrungsmittelchem.  (1890)  4.   Bd.   99. 

8)  Seil,   Arb.   Kais.  Oes.-Amt.  2.  Bd.    276  ff. 

Aiihaiiff. 

Die  Vergiftungen  durch  gefärbte  Gewebe. 

Im  Anschluß  an  diesen  Paragraphen  sollen  die  Ver- 
giftungen oder  Störungen  der  Gesundheit  durch  Tragen 
gefärbter  Gewebe  näher  erörtert  werden. 

Für  die  durch  Arsenfarben  gefärbten  Kleider,  z.  B.  für  die  oben 
fS.  304)  erwähnten  grünen  Ballkleider,  ist  diese  Frage  bereits  bejaht 
worden^. 

Wie  steht  es  nun  aber  mit  den  zahllosen  Vergiftungen  beim 
Tragen  gefärbter  Strümpfe,  von  Halsrüschen,  Halsbändern, 
Unterkleidern,  Taillen  und  Lederartikeln  aller  Art,  z.  B. 
den  zeitweise  viel  getragenen  Tricottaillen  V 

Eine  große  Zahl  dieser  Vergiftungen  (sie  werden  häufig  von  den 
Zeitungen  als  „An  ilin  Vergiftungen"  bezeichnet,  weil  man  an- 
nimmt,  daß   die  Gewebe,   welche  zu  den  genannten  Vergiftungen  die 

'^6 


Die  Gebrauchsgegenstände.  395 

Veranlassung  gofreben  haben,  mit  Anilinfarben  frefäri)t  sind)  gehört 
vergangenen  Zeiten  an. 

Früher  .stellte  man  bekanntlich  die  sogenannten  Anilinfarben 
durch  Oxydation  des  Anilins  l)e/.iehentlich  seiner  Homologen  dar  und 
benutzte  die  giftige  Arsensäure  als  Oxydationsmittel.  So  gewann  man 
das  Fuchsin,  den  Haujitvertreter  der  sogenannten  Anilinfarben  (S.  :\x\), 
durch  Oxydation  von  je  1  Molekül  Paratoluidin,  1  Molekül  Ortho- 
toluidin  und   1   Molekül  Anilin  mittels  Arsensäure. 

Bei  dieser  Darstellung  des  Fuchsins  blieb  im  fertigen  Produkt 
leicht  eine  mehr  oder  minder  große  Arsenmenge  haften,  wenn  das 
Fuchsin  nicht  durch  mehrfaches  Umkrystallisieren  und  Fällen  gereinigt 
worden  war.  Diese  Reinigung  war  aber  kostspielig  und  unterblieb, 
um  die  Ware  zu  einem  miÜMgen.  dnrch  die  Konkurrenz  aufgedrungenen 
Preise  verkaufen  zu  können.  Bei  Benutzung  dieses  Fuchsins  zum 
Färben  von  Kleiderstotfen,  von  Nähseide  und  Bändern  ging  das  Arsen 
natürlich  auf  die  Faser  zugleich  mit  dem  Farbstoffe  über. 

Ein  derartig  arsenhaltiges  Fuchsin  hat  nun  die  zahlreichen  Ver- 
giftungen verursacht,  welche  sich  beim  Tragen  von  mit  Fuchsin  ge- 
färbten Stoffen  einstellten.  Natürlich  gehören  hierher  auch  die  Arsen- 
vergiftungen nach  dem  Genüsse  von  Wein,  der  mit  arsenhaltigem 
Fuchsin  gefärbt  ist. 

Aus  dieser  Darstellung  folgt,  daß  die  Vergiftungen  durch  arsen- 
haltiges Fuchsin  auf  Rechnung  des  Arsens,  nicht  des  Fuchsins  zu 
schreiben  sind.  Es  geht  dies  auch  aus  besonderen,  mit  reinem  Fuchsin 
angestellten  Fütterungsversuchen  hervor.  Das  Fuchsin  wurde  sogar 
zeitweise  in  der  menschlichen  Therapie  angewandt '-. 

Man  hat  nun  in  dem  sogenannten  Coupierprozeß  ein  Verfahren 
kennen  gelernt,  welches  die  Arsensäure  durch  ein  anderes  Oxydations- 
mittel :  nämlich  das  Nitrobenzol  in  schwefelsaurer  Lösung  ersetzt. 
Das  Nitrobenzol  ist  zwar  bekanntlich  gleichtalls  ein  Gift  und  gewiß 
ein  sehr  kräftiges;  es  ist  aber  Hüchtig  und  läßt  sich  deshalb  aus  dem 
Endprodukt  der  Reaktion,  also  aus  dem  F'uchsin,  mit  Leichtigkeit  be- 
seitigen. Gewebe,  welche  mit  diesem  nach  C  o  u  p  i  e  r  hergestellten 
Fuchsin  gefärbt  worden  waren,  schienen  bisher  zu  Vergiftungen  keinen 
Anlaß  gegeben  zu  haben. 

Nun  sind  aber  in  den  Tageszeitungen  und  auch  in  der  technischen 
Litteratur  Vergiftungen  beschrieben,  in  welchen  die  angeschuldigten 
Gewebe  sicher  nicht  mit  Fuchsin  oder  mit  diesem  Farbstoffe  nahe- 
stehenden Farben,  sondern  mit  Stoffen  gefärbt  waren,  welche  ganz 
anderen  Farbstoffgruppen  angehörten. 

So  beobachtete  Th.  Weyl  '  ein  rotseidenes  Halstuch,  das  bei 
seinem  Besitzer  einen  stark  juckenden .  bläschenförmigen  Ausschlag 
hervorgerufen  hatte.  Dasselbe  war  mit  Eosin  gefäriit  und  erregte  auch 
bei  Th.  Weyl  an  der  Handwurzel  nach  mehrstündigem  Tragen  eine 
starke  Rötung,  sowie  empfindliches  Jucken.  Andere  Personen  waren 
gegen  die  Wirkungen  des  Halstuches  immun.  Eine  Beize  (siehe  unten) 
ließ  sich  in  dem  Halstuche  nicht  nachweisen. 

Ebenfalls  von  Th.  Weyl  rührt  die  Beobachtung  eines  roten 
Taillenfutters  her.  welches  auf  Hals  und  Schultern  einen  Hautaus- 
schlag erzeugt  hatte.     Es  war  mit  Safran  in  gefärlit*. 

Mitteilenswert  erscheint  auch  folgender  Fall  * : 

Nach  dem  Textil  Record  erkrankte  Prof.  Bohannan  von  der 
Ohio-Universität  infolge  Tragens  von  mit  Kor  all  in  gefärbten  Unter- 

57 


otX)  TH.    WEVL. 

l)eiQkleiilein.  Zunächst  stellte  sich  starkes  Jucken  an  den  unteren 
Extremitäten  ein,  dann  zeijiten  sich  mehrere  IW  Pickel,  die  wie 
Wespenstiche  aussahen  und  den  {ganzen  Ober-  und  Unterschenkel  über- 
deckten. Das  Jucken  dauerte  :>  Taue.  Allmählich  ging  die  starke 
Schwellung  der  FülSe  zurück.  Die  Wiederherstellung  erfolgte  erst  nach 
17  Tagen.  Der  sehr  rol)USte  Patient  hatte  während  der  Krankheit 
12  Pfund  an  Körpergewicht  verloren. 

In  eine  zweite  Kategorie  gehören  die  folgenden  Fälle: 

Ein  mit  Vermessungsarbeiten  im  Schweizer  Hochgebirge  beschäftigter 
Ingenieur  verletzte  sich  an  dem  Dorncngestrüpp  die  Hände  und  legte 
sich  dann  in  Betten,  die  mit  roten  Ueberzügen  versehen  waren.  Die 
Hände  entzündeten  sich.     Die  Heilung  beanspruchte  Wochen  ^. 

Ein  14 -jähriges  Mädchen,  welches  farbige  Strümpfe  trug,  hatte 
sich  beim  Schlittschuhlaufen  eine  kleine  Entzündung  am  Fuß  zuge- 
zogen.    Es  starb  an  ..Blutvergiftung"'. 

Eine  Frau,  welche  bereits  getragene  rote  Strümpfe  wusch,  er- 
krankte unter  Anschwellung  des  ganzen  Armes.  Sie  hatte  an  der  Hand 
eine  Hautal)scliülferung  *. 

In  diesen  Fällen  koinzidierte  das  Tragen  eines  gefärbten  Kleidungs- 
stücks oder  die  Berührung  eines  gefärbten  Gewebes  mit  dem  Vor- 
handensein einer  Wunde.  Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  man  für 
diese  Fälle  nicht  ohne  weiteres  die  Berührung  mit  einem  gefärbten 
Gegenstande  wird  verantwortlich  machen  können. 

Eher  wird  man  daran  denken  müssen,  daß  durch  die  Hautschrunden 
pathogene  Keime,  z.  B.  Eiterkokken,  in  den  Körper  einwanderten  und 
hier  Entzündung  erregten,  welche  unter  geeigneten  Bedingungen,  z.  B. 
wenn  die  eingedrungenen  Keime  eine  hohe  Virulenz  besaßen ,  zum 
Tode  führen  konnte. 

In  eine  dritte  Kategorie  gehören  diejenigen  Fälle,  in  welchen 
man  in  dem  gefärbten  Gewebe  eine  giftige  Beize  nachge- 
wiesen hat. 

Unter  den  giftigen  Beizen ,  welche  auf  der  menschlichen  Haut 
Entzündungen,  Erytheme,  Ekzeme  der  verschiedensten  Art  zu  erzeugen 
vermögen,  sind  die  Arsen-  und  die  Antimon  beizen  besonders 
hervorzuheben. 

Nach  einem  anonymen  Autor  ^  ist  die  Anwendung  von  Arsen 
zum  Färben  oder  Drucken  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Nord- 
amerika durch  Gesetz  weder  verboten  noch  eingeschränkt.  So  wird 
das  arseniksaure  Natron  als  Ersatz  für  Kuhdünger  bei  Fixieren  von 
Beizen  benutzt.  Auf  Calicot  und  auf  Garnen  findet  man  arseniksaure 
Thonerde  und  arseniksaures  Eisen.  Die  erwähnten  Arsenverbindungen 
sind  zwar  unlöslich  und  daher  nicht  gefährlich;  doch  muß  daran  er- 
innert werden ,  daß  die  Sekrete  der  Haut  sehr  wohl  imstande  sein 
könnten,  die  unlöslichen  Verbindungen  in  lösliche  überzuführen.  Auch 
wird  diese  Arbeit  vielleicht  durch  die  Mikroorganismen,  welche  sich 
auf  der  Haut  und  in  den  Kleiderstoffen  finden ,  unterstützt  werden 
können. 

Derselbe  Anonymus  erkennt  an,  daß  billige  Gewebe  schlecht  aus- 
gewaschen werden.  Er  erwähnt  auch  eine  Beize  für  gewisse  Teer- 
farbstoffe, die  aus  Arsenik,  Glycerin  und  Soda  besteht. 

Ferner  fügt  man  in  Färbereien  den  Albuminlösungen,  welche  zum 
Fixieren  von  Farben  dienen,  Arsenik  hinzu,  um  sie  vor  Zersetzung 
zu  bewahren. 


Die  Gebrauchsgegeu3täiule.  397 

Dali  A  n  t  iiiHi  II  l)ei /(Ml  die  inciiscliliche  Haut  schädigeu,  ist  eine 
auch  in  Fürherkreisen  anerkannte  Thatsache '". 

R.  Kayser  "  beobachtete  einen  baumwollenen  Hosenstoff,  welcher 
auf  den  Schenkeln  starke  Ekzeme  veranlagte.  In  1  i|dm  des  Stoffes 
fanden  sich  0,(K')  <r  Antimon. 

Nach  C.  Hischoff-  dienen  Antinioni)ei/.en  haui)tsächlich  zur 
Fixation  von  Anilinfarben  in  der  Hauinwollenfäri)erei.  Die  ^'efärbten 
(Jarne  enthalten  die  Antimon veri)indunj,'  meist  in  wasser- unlöslicher 
F<irni.  In  einem  Paar  baumwollener  Strümpfe  von  On  —  70  g  Ge- 
wicht sind  im  Maximum  0,25  fjj  Antimon  enthalten. 

Sendtner'^  fand  in  München  mehrfach  Antimon  in  roten 
Strümjifen.  die  ein  Ekzem  hervor^'erufen  hatten.  Auch  enthalten  die 
modernen  Plüsche  von  meer^n-üner  und  olivengrüner  Farbe  häutig 
Antimon  •^. 

Das  R.(i.  vom  5.  Juli  1887  verbietet  weder  die  Anwendung  des 
Antimon  zum  Beizen  von  Kleidungsstoffen,  noch  setzt  es  einen  maxi- 
malen Gehalt  an  Antimon  in  den  genannten  Geweben  fest. 

Diesen  Fehler  sucht  die  freie  Vereinigung  bayerischer  Chemiker 
zu  verbessern,  indem  sie  vorschlägt,  daß  Gewebe  nicht  mehr  als  2  mg 
Antimon  pro  (plm  enthalten  dürfen'*. 

Demgegenüber  muB  aber  hervorgehoben  werden,  dali  H.  Forth  ^^ 
Wirkwaren,  welche  mit  Antimontartrat  gebeizt  waren,  22  Tage  auf 
der  blolk-n  Haut  getragen  hat  ohne  irgend  welche  schädliche  Ein- 
wirkungen zu  verspüren.  Die  Wirkwaren  enthielten  21  mg  Antimon 
auf  1  ([dm. 

Wahrscheinlich  ist  die  menschliche  Haut  in  ihrer  Reizbarkeit 
gegen  Antimon  individuell  ebenso  verschieden  wie  gegen  Eosin 
(S.  3HÖ). 

\'on  weiteren  Beizen  sei  noch  das  z  i  n  n  s  a  u  r  e  Natron 
erwähnt.  Es  ist  nach  dem  oben  citierten  Anonymus  meist  arsenhaltig 
und  wird  bei  der  Herstellung  von  Cretonnes  benutzt. 

Ferner  scheint  in  einem  von  Th.  Weyl  beobachteten  Falle  die 
Schwefelsäure,  welche  in  der  Färberei  namentlich  zum  Schönen  (Avi- 
vieren)  gewisser  Farbstoffe,  seltener  aber  als  Beize  lienutzt  wird,  zu 
einer  Hauterkrankung  Anlali  gei^^eben  zu  hai)en.  Der  Fall  betraf  eine 
Frau,  die  nach  längerem  Tragen  blauer,  mit  Indigo  gefärbter  wollener 
Strümpfe  auf  den  Unterschenkeln  erst  Rötung,  dann  einen  blasigen 
Ausschlag  l)ekam. 

Die  chemische  Untersuchung  wies  in  dem  Wasserextrakt  der 
Strümiife  freie  Schwefelsäure  nach.  Offenbar  hatte  dieselbe  ähnlich 
hautreizend  gewirkt  wie  ein  Umschlag  von  Moorerde,  welche  gleichfalls 
freie  Schwefelsäure  enthält. 

Ueber  die  durch  gefäriites  Leder  hervorgerufenen  „Ver- 
giftungen" finden  sich  in  der  Litteratur  nur  spärliche  Angaben. 

Einige   Fälle   werden    von    Eitner'*"'  mitgeteilt    und   zergliedert. 

Im  Sommer  1875  stellte  sich  bei  einem  Schuhmacher,  der  einen 
neuen  Hut  trug,  starker  Kopfschmerz  und  Ausschlag  auf  der  Stirn  ein. 
Auch  die  Augen  entzündeten  sich.  Das  Hutleder  war  mitGrenadin 
gefärbt.  Die  genannte  Farbe  ist  ein  Nciienprodukt  der  Fuchsindar- 
stellung und  enthielt  wahrscheinlich  Arsen,  da  man  in  dem  angebenen 
Jahre  als  O.xydationsmittel  bei  Herstellung  des  Fuchsins  wohl  meist 
noch  die  Arsensäure  anwandte  (S.  381). 

Ein  ähnlicher  Fall  ereignete  sich  in  Bern.    Das  Hutleder  soll 

59 


398  TH.    WEYL. 

mit  Az  oflavin  gefärbt  gewesen  sein.  Nach  Eitner  ist  letzteres 
nicht  sehr  wahrscheinlich,  da  sich  der  genannte  Farbstotl'  zum  Färben 
des  Leders  nicht  eignet. 

In  einem  tlritten  Falle  war  das  Schweißleder  einer  Oftiziers- 
mütze  stark  l)leihaltig  gefunden  worden.  Bleiweiß  spielt  nach  Ei  tu  er 
in  der  Lederfärberei  eine  bedeutende  Rolle. 

In  einem  weiteren  Falle  enthielt  das  aus  Wachstuch  be- 
stehende Schweißleder  0,Or>r)(;  g  lileiweiß  pro  Quadratzoll.  In  der 
Wachstuchfütterung  eines  Hutes  waren  2,4:5:5  g  Bleiweiß  enthalten. 

In  dem  durch  von  Hößlin  beobachteten  Falle  entstand  eine 
Pikrinsäure-Dermatitis  durch  Tragen  gelber,  mit  Pikrinsäure 
gefärbter  Halbschuhe*^. 

Die  vorstehende  t^ebersicht  hat  gezeigt,  daß  bei  der  Entscheidung 
über  einen  Fall  von  Gesundheitsschädigung  durch  gefärbte  Stoffe  oder 
durch  Beizen    auf  folgende  Faktoren  Rücksicht  zu  nehmen  sein  wird: 

1)  Auf  die  persönliche  Disposition.  Dies  beweist  der  oben 
erwähnte  Fall  mit  dem  durch  Eosin  gefärbten  rotseidenen  Tuche  und 
vielleicht  auch  die  Beobachtung  von  Forth  über  „Immunität"  gegen 
Antinionl>eizen.  2)  Auf  die  Natur  der  Farbstoffe.  Unter  den  zum 
Färben  von  Kleidern  benutzten  Farbstoffen  giebt  es  offenbar  neben 
einer  großen  Zahl  ungiftiger  wenige  giftige.  Vielleicht  gehört  zu  letz- 
teren das  Saffranin.  3)  Auf  die  Beizen.  Hier  kommen  namentlich 
die  Arsenbeizen  und  die  Antimonbeizen  in  Betracht.  Aber  vielleicht 
wirkt  auch  die  freie,  wenn  auch  verdünnte  Schwefelsäure  auf  die  Haut 
mancher  Menschen  ätzend.  4)  Die  Einwanderung  von  Mikroorganismen, 
welche  von  der  Haut  oder  von  den  Kleidern  herstammen  und  durch 
Kratzwunden  und  dergleichen  in  den  Körper  einwandern.  Bei  dieser 
Gelegenheit  sei  ferner  daran  erinnert,  daß  Kratzreflexe  namentlich  im 
Sommer  durch  Insektenstiche,  besonders  durch  Raupen  ausgelöst 
werden.  Es  bilden  sich  Hautausschläge,  und  im  gegebenen  Falle  dürfte 
es  schwer  sein,  deren  Aetiologie  mit  Sicherheit  festzustellen. 

Ob  also  in  einem  gegebenen  Falle  wirklich  eine  Vergiftung  durch 
gefärbte  Stoffe,  eine  sogenannte  ,, Anilinvergiftung"  vorliegt,  oder  ob 
andere  Faktoren,  ^.  B.  die  oben  genannten,  ob  einzelne  von  ihnen  oder 
alle  in  Betracht  kommen,  das  wird  sich  nach  Lage  unserer  jetzigen 
Kenntnisse  im  einzelnen  Falle  nur  selten  mit  Bestimmtheit  entscheiden 
lassen. 

Das  eine  scheint  sicher:  die  Gefahr  der  Anilinvergiftung 
ist  übertrieben  worden. 

Von  den  Vergiftungen,  welche  beim  Tragen  gefärbter  Stoffe  auf- 
treten, sind  die  Gewerbe-Hautkrankheiten'^  zu  trennen. 

Dieselben  treten  bei  den  mit  der  Herstellung  und  Verpackung 
von  Farben  u.  s.  w.  beschäftigten  Arbeitern  auf  und  werden  in  Band  8 
dieses  Handbuches  (Gewerbehygiene)  besprochen  werden. 

1)  Seil,  Arb.  Kais.   Oe».-Amt,   2.   ßd.    276. 

2i   Th    Weyl,   Lhe   Teer/arben  (1889)    1.    L/g.    8. 

3)  Th.   Weyl.   bisher  nicht  veröffentlicht. 

4j  Th,   Weyl,   Zeitsrhr.  J.   Hyg    (1889;  7.  Bd.   3ö. 

5)  Alfred  Hirschberg,  Deuttche  Färberzeitung  (1888)  24.  Bd.  201  und  212. 

6)  Centralbl.  f.    Textilinduttrie  (1886)    17.   Bd.    808. 

7)  Centralbl.   f.    Ttxtüinduttrie  (1888)    19.    Bd.    148. 

8)  Centralbl.  f.    Textilinduttrie  (1886)    17.   Bd.   761. 

9)  Deutsche  Färlerzeitung  (1887)   2.5.   Bd.  83. 

10)   Spindler,  Centralbl.  f.   TexlilinduUrie  (1886)    17.    Bd.  858. 
llj   Kayser,   Rep.  analyt.  Chem.  (1883)   121. 

60 


Die  Gebrauchsgegenstände.  399 

12)  Bisohoff,   Rep.    analyt.    Chem.    (1883)    306;   da$elbtt   zahlreiche  Analysen   antimonhaUig*r 
Oarjie. 

13)  Sandtner,   Areh.  f.   Ilyg.  (1893)   17.   lid.   433. 

14)  $ifhe  Prior   in   lJiimmer'$   Iltustr    Lexikon   der    Verfälschungen   S.    99,    Spalte   2. 

15)  H.   Forth.   Centralbl.  j.    Textilindustrie   (,1889)    20.   Bd.   246. 

16)  Eitner.   Der  Gerber  (1890)   73. 

17)  Induitrie-nUitter  (1887)   333. 

18)  BUschko,    Deutsch,   med.    H'ochenschr.   (1891)    und  Sitzungsber.   der   lierl.  med.   OeseUtch. 
20,    /id.    ir.4. 

19)  von  Hösslin,    Münch.  med     U'oeheiisehr.   (1888)  637. 

20)  Vergl    Soll,  Arb.  Kau.   Oes-Amt,   2.  ßd.  267. 

Erläuteruiii?eii  zu  §  8. 

§  8.  Die  Vorschriften  des  ^  7  finden  auch  auf  die  Herstellung 
von  zum  Verkauf  bestimmten  Schreibmuterialicn,  Lampen-  und  Licht- 
schirmen sowie  Lichtmanschetten  Anwendung. 

Die  Herstellung  der  Oblaten  unterliegt  den  Bestimmungen  im  ^  1, 
jedoch  sofern  sie  nicht  zum  Genüsse  bestimmt  sind,  mit  der  Mafsgabe, 
da/s  die  Verwendung  von  schwefelsaurem  Baryum  {Schwerspat,  blanc 
fixe),   Chromoxyd  und  Zinnober  gestattet  ist. 

Schreibmaterialien,  naineiitlich  Briefbogen,  Kuverts,  Lösch- 
blätter. Bleistifte  und  Tinte,  kommen  mit  dem  Munde  des  Schreibenden 
in  mehr  oder  minder  intime  Berührung.  Hierbei  könnten  Ar.senver- 
giftungen  entstehen,  welche  durch  ?;  ><  vermieden  werden  sollen. 

Das  Gesetz  erwähnt  auch  Lampen-  und  Lichtschirme, 
ferner  Lichtmanschetten ,  weil  die  Befürchtung  besteht,  dali  die  ge- 
nannten Objekte   Arsen   verdampfen   lassen,   wenn  sie  erhitzt  werden. 

Die  für  den  Genuß  bestimmten  Oblaten  dürfen  die 
in  ^  1  erwähnten  giftigen  Farben  oder  mit  ihrer  Hilfe  hergestellten 
Farbezubereitungen  nicht  enthalten. 

Dagegen  soll  es  gestattet  sein,  gewisse  unlösliche  und  als  unschäd- 
lich geltende  Farben,  wie  Schwerspat,  Chromoxyd  und  Zinnober,  für 
solche  Oblaten  zu  benutzen,  welche  zum  Verschließen  der  Briefe,  zum 
Befestigen  der  Löschblätter  u.  s.  w.  benutzt  werden. 

Diese  Oblaten  werden  bei  der  Art  ihrer  Verwendung  zu  Ver- 
giftungen kaum  Anlaß  geben  können,  selbst  wenn  ,sie  mit  giftigen 
Farben  gefärbt  sind. 

Eiiiluterungen  zu  §  9. 

J;  9.  Arsenhaltige  Wasser-  oder  Leimfarbeyi  dürfen  zur  Herstellung 
des  Anstrichs  von  Fufsböden,  Decken,  Wändeti,  Thüren,  Fenstern  der 
Wohn-  oder  Geschäftsräume,  von  Roll-,  Zug-  oder  Klappläden  oder 
Vorhängen,  von  Möbeln  und  sonstigen  häuslichen  Gebrauchsgegenständen 
nicht  verwendet  werden. 

Dieser  Paragraph  untersagt  die  Anwendung  arsenhaltiger  Farben 
zum  Anstrich  von  Decken.  Fußböden  u.  s.  w.  Die  Anwendung 
arsenhaltiger  Farben  für  Kunst  malerci  wird  dagegen  durch  >j  S*  nicht 
getroffen. 

Wichtig  ist  es,  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  es  nach  ij  9 
gleichgiltig  ist,  ob  diejenigen  Fenster,  Thüren,  Wände,  beziehentlich 
die  Häuser,  in  denen  sich  die  angestrichenen  Fenster.  Thüren  und 
Wände  betiuden,  zum  Verkaufe  bestimmt  sind  oder  nur  von  dem  Bau- 

6i 


400  Tll.    ^YEYL, 

herrn  zu  ci-rncm  Gebrauche  benutzt  werden  :  die  Anwendung  der  arsen- 
haltigen Farben  ist  i  n  j  e  d  e  m  F  alle  verboten. 

Ueber  die  zur  weiteren  Erläuterung  dieses  Paragraphen  dienende 
Kasuistik  siehe  SelP   und  die  unter  -  angeführte  Litteratur. 

Auch  Sendtner  '  macht  einige  hierher  gehörige  Angaben. 

1)  Seil.   Arb.  Kais.  Oes.-Amt  2.    Bd.  284. 

2)  Vergleiche    auch    die    mit  Kritik  {.')    zu    benutztnden   Angaben    in  Chem.   Zeug.  (1887)   49G. 

3)  Sendtner,  Arch.  f.  Uyg.    17.  Bd.  429. 

Erläuterungen  zu  §  10. 

55  10.  Auf  die  Verwendung  von  Farben,  welche  die  im  §  1  Abs.  2 
bezeiclineten  Stoffe  nicht  als  konstituierende  Bestandteile,  sondern  nur 
als  Verunreinigungen,  und  zivar  höchstens  in  einer  Menge  enthalten, 
welche  sich  bei  den  in  der  Technik  gebräuchlichen  Darstellungsverfahren 
nicht  vermeiden  läfst,  finden  die  Bestimmungen  der  ^'i;  2  bis  9  nicht 
Änioendung. 

Dieser  Paragraph  ist  notwendig,  um  die  im  chemischen  Großbe- 
triebe hergestellten  Produkte  in  den  Verkehr  bringen  zu  können,  selbst 
wenn  dieselben  kleine  Mengen  solcher  Stoffe  enthalten  sollten,  welche 
nach  §  1  Absatz  2  in  ihnen  niclit  enthalten  sein  sollten.  Der  Gesetz- 
geber nimmt  mit  diesem  Paragraph  z.  B.  auf  die  Ockerfarben  Rück- 
sicht, welche  arsensaures  Eisen  zu  enthalten  pflegen.  Dasselbe  läßt 
sich  aus  dem  für  Herstellung  der  Ockerfarben  benutzten  Eisen  nur 
beseitigen,  wenn  man  den  Preis  des  Endproduktes  l)edeutend  steigern 
wollte.  Aehnlich  steht  es  mit  der  in  technischen  Betrieben  in  größter 
Menge  benutzten  Schwefelsäure  und  Salzsäure.  Dieselben  lassen  sich 
zwar  arsenfrei  herstellen,  aber  der  Preis  der  Säuren  würde  hierdurch 
bedeutend  erhöht  werden. 

Das  Gesetz  gestattet  einen  solchen  Gehalt  an  diesen  fremden  Be- 
standteilen (Verunreinigungen),  wie  er  sich  in  den  besten  technischen 
Produkten  nach  Lage  der  bekannten  Methoden  als  notwendig  heraus- 
stellt. 

Erläuterungen  zu  §  11. 

§  11.  Auf  die  Färbung  von  Pelzwaren  finden  die  Vorschriften 
dieses  Gesetzes  keine  Anwendung. 

Zum  Färben  der  Pelzwaren  werden  giftige  Farben,  wie  Bleiweiß 
und  Quecksilbersalze,  benutzt.  Der  Gesetzgeber  gestattet  deren  An- 
wendung, weil  er  annimmt,  daß  Pelzwaren  mit  dem  Munde  nicht  in 
Berührung  kommen  und  daher  Vergiftungen  nicht  veranlassen  werden, 
selbst  wenn  dieselben  schädliche  Stoff"e  enthalfen. 

Daß  diese  Annahme  den  thatsächlichen  Verhältnissen  wenig  ent- 
spricht, muß  anerkannt  werden.  Denn  man  sieht  gar  nicht  zu  selten, 
daß  Erwachsene,  namentlich  aber  Kinder,  die  Pelzmuffe,  den  Pelz- 
kragen längere  Zeit  an  das  Gesicht,  also  auch  an  den  Mund  drücken. 

Es  scheint  aber  allerdings  fraglich,  ob  die  Herstellung  billiger 
Pelzwaren  ohne  die  in  §  11  ausgesprochene  Duldung  möglich  ist. 

Die  §§  12,  13,  14  und  1.5  sind  ohne  hygienisches  Interesse. 


62 


Die  Gebrauchsgegenstände.  401 


Kapitel  II. 

Ueberblick  über  die  Gesetzgebung  der  Kulturstaaten 
betreffend  giftige  Farben*). 

1.  Belgien. 

a)  Reglement  relativ  a  la  coloration  artificielle  des  denrees  aliinen- 
taires  vom  10.  Dezenil)er  1890. 

Die  Anwendung  giftiger  Farben  zum  Färben  von  Nahrungsmitteln 
u.  s.  w.  ist  verboten.  Ferner  verboten  ist  der  \'erkauf  von  Nahrungs- 
mitteln u.  s.  w.,  die  mit  giftigen  Farben  gefärbt  sind. 

Veröf.  Kais.  Ges.-Amt  (1891)  338. 

b)  Eine  umfangreiche  Liste  von  giftigen  und  nicht  giftigen  Farben, 
welche  beim  Färben  von  Nahrungsmitteln  u.  s.  w.  gebraucht,  be- 
ziehentlich nicht  gebraucht  werden  dürfen,  zählt  der  Erlali  des 
belgischen  Ministers  der  Industrie  u.  s.  w.  vom  17.  Juni  1891  auf. 

Veröf.  Kais.   Ges.-Amt  (1891)   298  itnd  315. 

2.    Deutschland. 
Siehe  die  ausführlichen  Erläuterungen  auf  S.  384  bis  400. 

3.  England. 

Food  and  Drugs  Acts  of  1875  and  1879. 

.  .  .  Es  ist  verboten,  zu  misclien,  zu  färben,  zu  verunreinigen  .  .  . 
irgend  ein  Kahrungsnüttel,  so  da/s  dieses  gesundheitsschädlich  wird, 
oder  ein  derartig  verändertes  Nahrungsmittel  zu  verkaufen, 

4.  Frankreich. 

Auf  Grund  eines  von  Wurtz  im  Jahre  1881  erstatteten  Berichtes 
wurde  ein  Gesetz  über  Anwendung  von  Farben  zum  Färben  von 
Nahrungsmitteln  u.  s.  w.  erlassen.  Demselben  ist  eine  Liste  von 
giftigen  und  von  erlaubten  Farben  beigefügt.  Es  scheint,  daß  in  den 
letzten  Jahren  eine  mildere  Praxis  Platz  gegriffen  hat.  Vergleiche  die 
unter  '  angegebene  Litteratur. 

1)  Th.  Weyl,  Dit  Teerfarben,   1.  Liejrg.,  28,  vorliegenden  Buches  S.  381  ;    Veröfi.  Kais.  Ges.- 
Amt  (1888)  368  und  706;  (1891)519. 

5.  Italic  n. 

Laut  Ministerialbeschluß  vom  18.  Juni  1890,  welcher  auf  >;  43  des 
Gesetzes  vom  22.  Dezember  1888  über  die  öffentliche  Gesundheits- 
pflege beruht,  wurde  veröffentlicht:  a)  ein  Verzeichnis  von  30  Farben, 
die  als  „giftig"'  zum  Färben  von  Nahrungsmitteln  u.  s.  w.  nicht  be- 
nutzt werden  dürfen;  b)  ein  Verzeichnis  von  Farben,  mit  denen  Spiel- 
zeug  nicht   gefärbt   werden   darf;    c)   ein    Verzeichnis    von    Farben. 


•)  Vergl.  auch  die  unter  Reverdissage  (S.  377)  abgedruckte  Litteratur. 

63 


4*^2  TH.  WEYL,  Die  Gebrauchsgegenstände. 

welche   zum    Färben    von    ( t  e  b  r  a  u  c  h  s  g  e  g  e  n  s  t  ä  n  d  e  n   (z.  B.  Gar- 
dinen) nicht  benutzt  werden  dürfen. 

Siehe    Veröff.  Kais.   Ges.- Amt  ^1890)  685. 

6.  0  e  .s  t  e  r  r  e  i  c  h  -  U  n  g  a  r  n. 

Von  neuen  gesetzlichen  Maßnalnnen  seien  die  folgenden  erwähnt 
In  Oesterreich  ist  bei  Auswahl  derjenigen  Farben,  welche  zum 
Färben  von  Nahrungsmitteln  gestattet  werden,  der  k.  k.  oesterr. 
Ministerialerlaß  vom  1.  Mai  18S<3  maßgebend.  Die  Be- 
stimmungen dieses  Erlasses  sind  mit  dem  Inhalte  des  deutschen  R.G. 
vom  ö.  Dez.  1887  ungefähr  identisch. 

Der  ö  s  t  e  r  r.  Minister  des  Innern  verbietet  nach  der  Prager 
med.  "Wochenschrift  vom  5.  Januar  1887  die  Anwendung  der  Rosol- 
säure  zum  Färben  von  Eßwaren. 

Siehe   Veröf.  Kait.  Ges.- Amt  (1887)  351. 

Ein  Erlaß  desselben  Ministers  vom  24.  April  1889  ver- 
bietet die  Anwendung  der  aus  Anilin  oder  aus  Teerbestandteilen  her- 
gestellten Farben  zum  Färben  der  Schalen  von  Eiern,  die  zum  Genuß 
bestimmt  sind. 

Siehe   Veröff.  Kais.  Ges.- Amt  (1889)  682. 

Durch  Erlaß  der  k.  k.  österr.  Statthalt  e  r  ei  in  Linz  vom 
26.  Dezember  1889  wird  die  Anwendung  von  Anilinrot  zum  Färben 
von  Kinderpfeifen  verboten. 

Siehe    Veröff.  Kais.  Ges.-Amt  (1890)   145. 

Das  Ungar i sehe  Mini  St eri  um  des  Innern  verbietet  die 
Anwendung  von  Dinitrokresol  und  von  Korallin  zum  Färben  von 
Nahrungsmitteln  u.  s.  w.  unterm  12.  Mai  1889. 

S.    Veröff.  kais.   Ges.-Amt  (1889)  513. 

Vergl.  auch   Th.    Weyl,  die  Teerfarben,   1.  Lieferung,  31  /*. 

7.   Schweiz. 

Nach  einer  für  den  Kanton  Bern  giltigen  Verordnung  vom  15. 
November  1892  sind  Pikrinsäure,  Dinitrokresol,  Martiusgelb,  Aurantia, 
Orange  II,  Metanilgelb,  Safranin  zum  Färben  von  Nahrungsmitteln 
u.  s.  w.  verboten.  Der  Verein  Schweizer  analytischer  Chemiker 
(Schweiz.  Wochenschr.  f.  Pharmacie  1891)  fügte  Methylenblau  und 
Aethylenblau  hinzu.  Siehe  Tschirch,  Das  Kupfer,  S.  1,  Anmkg.  3 
und  4;  vergl.  auch  die  unter  Reverdissage,  S.  377  abgedruckte 
Litteratur. 


64 


ABSCHNITT  III. 

Die  Kaisei'liclie  Verordnung  über  das  gewerbs- 

mUssige  Verkaufen  und  Feilhalten  von  Petroleum 

vom  24.  Februar  1882. 

Das  Rohpetroleum,  wie  es  der  Erde  entquillt,  ist  ein  Gemisch 
einer  großen  Reihe  verschiedener  Kohlenwasserstoffe'. 

Durch  Destillation  vermag  man  dasselbe  in  eine  Reihe  von 
Fraktionen  zu  spalten,  von  welchen  diejenige,  welche  bei  150— 3(X)" 
übergeht,  für  Brennzwecke  benutzt  wird. 

Sind  dem  ., Brenn  -  Petroleum"  größere  Mengen  höher  als  300" 
siedende  Anteile  beigemengt,  so  brennt  dasselbe  in  den  Lampen  ge- 
wöhnlicher Konstruktion  schlecht,  weil  sich  die  Dochte  verschmieren, 
und  weil  eine  vollkommene  Verbrennung  der  hoch  siedenden  Fraktionen 
nur  bei  sehr  hohen  Temperaturen  erfolgt,  die  bei  der  Verbrennung  in 
der  Lampe  nicht  erreicht  werden. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  sind  aber  die  niedriger  als  150" 
siedenden  Bestandteile.  Werden  diese  dem  Brennpetroleum  beige- 
mengt, so  entzündet  sich  dasselbe  schon  bei  einer  niedrigeren  Tem- 
peratur, als  wenn  dasselbe  nur  die  bei  150 — 300"  siedenden  Anteile 
enthält.  Es  können  also  unter  diesen  Verhältnissen  gefährliche  Ex- 
plosionen auftreten. 

Dies  sind  die  Gründe,  weshalb  in  i?  1  der  Kaiserlichen  Verord- 
nung vom  24.  Fcl»ruar  1SH2  gefordert  wird,  daß  Petroleum,  welches 
schon  bei  weniger  als  21  "  und  7H0  mm  Druck  entflammbare  Dämpfe 
abgiebt,  im  Handel  als  „feuergefährlich"  oder,  falls  das  Petro- 
leum im  Kleinhandel  abgegeben  wird,  nur  unter  der  Bezeichnung 
„Nur  mit  besonderen  Vorsichtsmaßregeln  zu  Brenn- 
zwecken verwendbar"  bezeichnet  werden  muß. 

Don  Vorkauf  eines  Petroleums,  das  schon  l»ei  weniger  als  21  " 
brennbare  Dämpfe  abgiebt,  überhaupt  zu  untersagen,  ging  deshalb 
nicht  an,  weil  ein  derartiges  Petroleum  für  technische  Zwecke,  z.  B. 
als  Lösungsmittel  für  Harze,  Fette  u.  dergl.  ausgedehnte  \'erwendung 
findet. 

Es  lassen  sich  ferner  Lampen  konstruieren,  in  welchen  das  in  Jj  1 
der  Verordnung  als  ,, feuergefährlich"  bezeichnete  Petroleum  ohne  (je- 

Iluidbucb  der  Hjgieae.    Bd.  III.  Abll(.  1.  2G 

65 


4t  U 


TM.    WKYI. 


fahr  verbrannt  werden  kann.  Der  i;  1  bezieht  sich  also  nur 
a  u  f  L a  ni  p  e n  g e  w ö  h n  1  i  c li  e r  Ar  t. 

Die  Temperatur,  bei  welcher  ein  Petroleum  entflammbare  Dämpfe 
entwickelt,  heil.st  sein  E  n  t  f  1  a  m  m  u  ii  g  s  p  u  n  k  t. 

>j  2  der  Kaiserl.  Verordnung  bestimmt,  daß  die  Feststellung  des 
Entflammungspunktes  (Testpunkt)  mit  dem  Abel' sehen  Petroleum- 
prüfer (siehe  die  Figur)  zu  erfolgen  habe. 


Der  Abel'sche  Petroleumprüfer  besteht  aus  dem Petroleum- 
gefäß  G,  dem  Gefälideckel  D  mit  der  Zündvorrichtung  b,  dem  auf  dem 
Deckel  D  befestigten  Triebwerk  T,  dem  Wasserbad  W,  dem  Dreifuß  F 
mit  Umhüllmjgsmantel  U  und  Spirituslampe  L  zur  Erwärmung  bezw. 
Warmhaltung  des  Wasserbades,  dem  Thermometer  ti,  welches  in  das 
Petroleumgefäß  eintaucht,  und  einem  zweiten  Thermometer  (^,  welches 
die  Temperatur  des  Wasserbades  anzeigt,  c  ist  ein  Trichter  zum  Füllen 
des  Wasserbades. 

65 


Die  Gebrauchsgegenstände.  405 

Um  eine  Prüfung  des  E  n  t  t'l  amni  uugs  ji  uuk  tcs  mit  Hilfe 
des  Abel'  schon  Apparates  vorzunehmen,  verfährt  man  folgendermaßen : 
Man  füllt  das  Petroloumgefäß  mit  Petroleum  bis  zur  Marke  h,  verschließt 
es  mit  dem  Deckel  und  hängt  es  in  das  auf  ungefähr  55 "  mit  Hilfe 
der  Spirituslampe  vorgewärmte  Wasserbad.  Dann  befestigt  man  die 
beiden  Thermometer  /,  und  U  und  heizt  das  Wasserbad  mit  Hilfe  der 
Sj)irituslampe.  Jetzt  wird  das  ZündHämmchen  entzündet  und  die  Zünd- 
Hamme  entsprechend  der  Größe  einer  auf  dem  Gefäßdeckel  befindlichen 
weißen  Glasperle  reguliert.  Ist  das  Triebwerk  T  aufgezogen,  so  kann 
die  Prüfung  beginnen.  Dieselbe  muß  mehrfach  wiederholt  werden,  um 
das  Resultat  zu  sichern.  Derjenige  Wärmegrad,  bei  welchem 
eine  größere  blaue  Flamme  aus  dem  durch  das  Trieb- 
werk geöffneten  Schieber  blitzartig  heraustritt,  ist 
der  Entflammungspunkt  des  untersuchten  Petroleums. 
Eine  dem  amtlich  geprüften  Apparate  boigegebeno  Tabelle  gestattet  den 
Entflammungspunkt  auf  den  Normalbarometcrstand  umzurechnen. 

Wegen  weiterer  Einzelheiten  sei  auf  die  unter  *)  citierten 
„Vorschriften"   verwiesen. 

vj  3  bestimmt,  daß  die  Verordnunfx  auf  das  in  den  Apotheken  zu 
Heilzwecken  feilgehaltene  Petroleum  nicht  Anwendung'  tindet. 

ij  4.  Als  Petroleum  im  Sinne  dieser  Verordnung  gelten  das  Roh- 
petroleum und  seine  Destillationsprodukte. 

t;  5.     Die  Verordnung  ist  seit  dem  1.  Januar  18H.3  in  Kraft. 

11   verifl.  Höfer,   />as   Erdöl  und  »eine  F^rwondfen  (1888);  Oeatsch,    Lt  Parole,   Paris   1892; 

Bchädler,    Ttrhnologk  der  Mineralöle  (1887). 
2)   l>te    yorschrtj'ten  hetrefend  den  AheCschen  Petroleumprober,  herausgegeben  von  der  Kaiserl. 

Normal- Aichungs-Kommisiion,    Berlin   1883.     Diesen  l'orschri/UH  ist  die  Fig.  1   aw/Ä.  404 

entnommen. 


26* 
67 


Register. 


Abel's  Petroleumprüfer  404. 

Alaminiumgefäfse  364  ff. 

Anilinblaa  381. 

Anilinfarben  380. 

Anilinvergiftung  394. 

Anstrichfarben,  giftige  399. 

Anthrachinonfarben  382. 

Antimonbeizen  396.  397. 

Antimonfarben  377. 

Arsen  386 

Arsenbeilen   396. 

Arsenbestimmang  390. 

Arsenfarben  377. 

Arsengehalt      von      Gebrauchsgegenständen 

392   IT. 
Arsenvergiftung  390. 

—  chronische  392. 

—  durch  Fuchsin   395. 

—  durch  Kleiderstoffe  394. 
Arseniksaure  Thonerde  als  Beize  396. 
Aubry   über  Bier  in  Aluminiumgefäfsen   365. 
Aurantia  379. 

Aurine  381. 
Azine  382. 
Azofarben  380. 

Rarille  über  Blutapfelsinen  380. 

Bayer,  A.,   über  d.  Indigo  368. 

Beckurta  überZinnsnlfür  in  Konservebiichsen 

347. 
Beizen  378.  396. 
Bergblau  373. 
Bergeron  381 

Bernstein  über  Bleivergiftung  353. 
Bersch  über  Erdfarben  370. 
Bertschinger  über  Zinnfolien  352. 
Bierdeckel  355  ff. 
Bierdruekapparate  353. 


Bierpressionen  353. 

Birnbaum  über  Nickelgefäfse  362. 

Bister  371. 

Bischoff,  C,  über  Antimonbeizen  397. 

Blanc  fix  370. 

Blaschko  über  Hautkrankheiten  durch  Farben 

399. 
Blei  im  Kautschuk  358. 
Bleichromate  370. 
Bleifarben  372. 
Bleifreie  Glasur  341.  343. 
Bleigeschirre  340. 
Bleilacke,  giftige  389. 
Bleischrot  356. 

Blutvergiftung,  sogenannte  396. 
Bodländer  über  Zinn  in  Konserven  349. 
Bordelaiser  Brühe  376. 
Bouchardat  über  Bleichromat  371. 
Bremerblau  373. 
Bremergrün  373. 
Briefmarken,  giftige  390. 
Brokatfarben  369. 
Bronzefarben  369. 
Bulowsky  über  russischen  Kautschuk  358. 

—  über  giftigen  Kautschuk  389. 
Buntpapiere,  arsenhaltige  393. 

Cazeneuve  über  Fuchsin  381. 

—  über  Martiusgelb  379. 

—  ,,     Methylenblau  383. 

—  ,,     Safranin  383. 
Cerise  381. 

Chittenden  Urangelb  ist  giftig  371. 
Christbaumkerzen,  arsenhaltige  393. 
Chromgelb  ist  giftig  371. 
Chromgrün  371. 
Chromorange  370. 
Chnrch  373. 


68 


TH.  WEYL,  Die  Gebrauchsgegenstände. 


407 


Cloisonne  341. 

Clouet  :?8l 

Cochenille  3B4. 

Cosmetioa  386. 

Conpier   Verfahren   381.  395. 

Curt  s..    HilKer  352 

Gastier  87  2. 

D&hlia  S81. 

Deckmaise  der  Emaille  S41. 
Delpech   üher   BIcichromat  371. 
Dinitrokresol  379. 
Dis&zofarben  380. 

Ehrlich.  F.,  über  Alizarinblaa  382. 

Eimer,   Anstrichfarbeu   für   385. 

Eiienfarben  371. 

Eiserne  Oefäase  340. 

Emaillieren  340. 

Emaillen,  gefärbte  340. 

Eitner  üder   Färbung  von   Leder   397. 

Eng^ler  über   Fafshähne  354. 

Entflammnngspankt  des  Petroleums  404. 

Eosin  38'^. 

Erdfarben  369. 

Erdöl.  Litteratur  über  405,  s.  a.   Petroleum 

Erythrosin  382. 

Esmarch.  E.  v.,  über  Bierpressionen   354. 

Falk,  E.,  über  Bierdeckel   355. 

—  iilier   Fafshähne    354. 
Falzdose  346. 

Farben.  nii<>rganische  369. 

—  für   Kautschuk  390. 

—  ortjanische   377. 
Farblack   378. 
Farbstoffe,  natürliche  384. 
Fasshähne  354. 

Finkelnbarg's  Kommentar  339. 
Frank,  A  ,  über  Arsen  in   Papier  386. 
Fuchsin  380. 

—  Entstehung  des  395. 

—  innerlich  gegeben   395. 

—  ungiftig  395. 
Fuchsin  8.  381. 

Gaitier  374. 
Oalippe   37  4. 

Oalliard   ül>er   Methylenblau    382. 
Oalloweng   über   Arsen   in    Tapeten   393. 
Gebrauchsgegenstände,  Detinition  339 
Oeerkens   über  Nickelgefäfse  362. 
Gefärbte  Emaille   341. 
Gefärbte  Kleider,  Vergiftungen  durch   394. 
Oefässe.   irdene   342 

Gelbfärbung  von  Nahrung.smitteln   371.  380. 
Gerlach   über  Safransurrogat   384 
Gesetze  lietrefTend  den  Verkehr  mit  blei-  und 
zinkhaltigen  Gegenständen   358  IT. 

—  über   Fafshähne   3.04    ff. 

—  K'iftige    Farb.-n    4<il    ff. 
Gesondheitsgeschirr  842. 
Giftige  Briefmarken  39Ci 
Giftige  Farben   ;i78   ff.   385. 
Glasflüsse  340. 

Glasur,  schlechte  344. 


Glasuren,  bliifreie   343. 

Goldschwefel  377. 

Gosio  über  Bakterien  etc.,    die  Arsenverbin- 

duiigen  sersetzen  393. 
Grabe  über  Alizarin  368 
Grandhomme  381. 

über  Eosin  382 
Grenadin  381 

—  giftig  397. 
Grünspan  373. 

Grundmasse  der  Emaillen  341 
Gummi gutt  384. 

Haarförbemittel  387. 

Halsrüschen,  gefärbte  394 

van  Hamel-Boos  gegen  Keverdissage  373. 

—  über  Cosmetica  387. 

—  ,,     den  Lack  Verver  348. 

—  ,,     Nickelgefäfse  363. 
Hartlot  346. 

Hastarlick     über    amerikanische    Konserven 

346. 
Hautkrankheiten  durch   Farben  398. 
Heibig  über  Käse  in  Nickelgefäfsen   363. 
Hehner  über  Zinn  in   Konserven  349. 
Heise  s.  Ohlmüller. 
Hengefeld  über  giftiges  Papier  386. 
Hilger  über  Zinnfolien   352. 
Hillairet  s.   Delpech 
Hize  über  amerik.  Konserven   346 
Hönigschmidt  über  Bleivergiftung  348. 
V    Hösslin  über  Pikrinsäure-Dermatitis  398. 
Honigfarben  368. 

Indamine  382. 
Indigo  368.   383. 
Indophenole  382. 
Irdene  Gefäase  342. 

Kadmiumfarben  377. 
Kautschuk  357   ff. 

—  Beschwerung  des   358. 

—  Färbung  des  358.   390. 
Kayser,  E. ,  über  giftige  Beizen   397. 

—  über  Verzinnung  350. 
Kermes  minerale  357. 
Kindersaugflaschen  355. 
Kobaltblau  370. 

Kobert  über  Giftigkeit  d.   Aluminiums  366. 

Kochgeschirre  340. 

KoDgofarben  380. 

Königsblau  370. 

Konservebüchsen  345. 

Konserven,  amerikanische   346. 

—  Kupfergehalt  374    ff. 

—  russische  346. 

—  Zinngebalt  der  349. 
Kopfwasser  387. 
Korallin  .'i82. 

—  Wrgiftung   durch    385. 
Kreide   370. 
Kupferfarben  373. 
Kupferkessel,   verzinnte  348. 
Kupferne  Gefässe  362 
Kupfervergiftung  373. 


69 


4(^S 


TU.    WEYL. 


I.aborde  s.   Riche. 

Lackfarben   369. 

Lambert  >    Chittenden. 

Lebbin   ;•    Plapfje- 

Lederfarben  397. 

Leger  über  Bierdeckel  3.'>.'>. 

Lehmann,  K.  B.,  über  Gitti^-keit  dei  Cliroi 

färben   370. 

—     über  Kupfer  374. 
Lepine  s.  Cazeneuve. 
Lene  412. 
Lichtgrön  381. 
Liebermann  s.  Grabe. 
Limoges  341. 

Löschpapier,  arsenhaltig  386. 
Lötdose  346. 
Löten  345  fr. 

Lübbert  über  Aluminiumgefäfäe  364. 
Lange.   G.,  über  Aluminium  364    365. 

.Malachitgrün   381. 

Malerfarben  .'568 

Manganbraun  371. 

Manganfarben  371. 

Marron  381. 

Martiuggelb  379. 

Mayrhofer  über  Reverdissage  374. 

Hehl,  gekupfertes  377. 

Menke.  Ä.,  über  Zinn  in  Konserven  349. 

Metallfarben  369. 

Metanilgelb  380. 

Methylenblau  383. 

Mirbanöl  in  Cosmetica  387. 

du  Moniin  374. 

Mühlsteine  356. 

Musivgold  37  7, 

Nahrungsmittel,  gelb  gefärbte  380. 
Naphtholgelb  S.   379. 
Naphtholgrün  379. 
Naphtholschwarz  380. 
Natürliche  Farbstoffe  384. 
Nickelgefässe  262. 
Nitrofarbstoff©  379. 
Nitrosofarben  379. 

Oblaten,  giftige  399. 
Ocker  370. 
Oel,  hleilösend  347. 
Oelfarben  368. 
Ohlmüller   365. 
Orange  II  380. 
Orfila  373. 
Organische  Farben  377. 

Päonin  382. 

Papier,   Färbung  des  386. 

Paschkis  388. 

Pelzwaren,   F'arben  für  400. 

Pergamentpapier,  Blei  in  386. 

Permanentweiss  370. 

Peronospora,  Schutz  gegen  376 

Petroleum  für  Brennzwecke  403. 

—     Te-tpunkt  des  403. 
Petroleumprüfer  404. 
Pharaoschlangen  390. 


Phthaleine  382. 
Phyllocyaninsäure  374. 
Pikrinsäure  giftig  379    398. 
Pinette  über  amerik.   Konserven  347. 

—  über   l..öten  346. 
Plagge  365. 

Planchon     über     künstliche     Färbung     von 

ninmcn   381. 
Polenske  über  deutsche  Butterfarbe  384. 
Pomaden  387. 
Posseto  über  Safran  380. 
Pritzkow  über  Mühlsteine  356. 
Puder  387. 

Quecksilberfarben  373. 

Kapp  .s.   tangier. 

Kenard  über  Prüfung  auf  Blei   347. 

Renss  über  Dichtungsringe  346. 

—  Zinnsulfur    in    Konservebüchsen   347. 
Reverdissage  373. 

—  Gesetze  über  376. 
Rjältschewski  346. 

Riche  über  Nickelgefäfse  362. 
Robert  über  Uranfarben   372. 
Rochard    über  Lösung    von  Blei    durch   Oel 
;U7. 

Rohde  über  Nickelgefäfse  362. 
Rosanilinfarbstoffe  380. 
Röscher  s.   Lübbert. 
RoBolsäure  382. 
Rötel  371. 

Sächsischblau  384. 

Safranin  giftig  382 

Safransurrogat  379. 

Sanitätsgeschirr  342. 

Sapolini  über    eine  giftige  Haartinktur    387. 

Saugflaschen  355. 

Scheele's  Grün  377.  386. 

Schminken  387. 

Schmidt,  E.,  s.  Lunge. 

Schneilot  345. 

Schnutz  über  d.  Bierausschank   354 

Schreibmaterialien,  giftige  399. 

Schuler  über  giftige  Briefmarken   390. 

Schulz  s.   Geerkens. 

Schwarzblech   345. 

Schwefelsäure  als  Beize  397. 

Schweinfurter  Grün  377.  386. 

Schweissleder,  giftiges  397  flf. 

Sedwigk  über  Zinnvergiftung  350 

Seifen,  Verfälschung  der  388 

Seil  über  Arsenvergiftnngen   394. 

—  über  bleihaltige  Schminken   386 

—  ,.     giftige  Farben  etc.  367. 

—  Zinn  ungiftig  350. 
Bendtner  über  Anstrichfarben  400. 

—  über  Antimonbeizen   397. 

—  ,,  Arsen  in  Buntpapieren  386. 

—  ,,  Arsen  im  Maueranstrich 

—  ,,  bleihaltige  Haarwässer  387. 

—  „  bleihaltige  Trichter  354. 

—  „  Töpfergeschirre  344. 

—  ,,  Zinnfolien  352. 
Siem  s.  Kobert. 


Die  Gebrauchsgegenstände. 


409 


Siphoni  355 

Sommersprosien,  Mittel  gegen  887. 

Sonnonichein   373. 

Spielwaren   389 

—  Hus   Kautschuk   390. 
Spitzen,   Meilmlii^e  372 

Stockmeyer    über    amerikanische    Koii!>erven 

34  G 
Strümpfe,  gefkrbt«  394. 

Taillen,  >,'efärbte  394. 
Tapeten,  arsenhaltige  393. 
Thee.   \'erpackung  des  352. 
Thönardblaa  370. 
Töpferkrankheit  343. 
ToQssaint  374 

Tschirch  über  Reverdissage  374. 
Taschfarben  368.  392. 

l'mbra  371. 
Ungar  s.  Bodl.änder. 
Uranfarben  371. 

Vergiftungen  durch  „Anilin'*  394   ff. 
Verver,  ein   Lack   348. 
Veriinnnng  345. 

—  L'ntersuchung  auf  Blei  347. 
Viktoriagelb  379. 
Vulkanisieren  357. 

IVasserfarben   3G8 
Waiierleitungsröhren.  bleierne  340. 


Weber,  H    A.,  üljer  Zinnvergiftung   350. 

Weinfarbstoff  384. 

Weissblech  345. 

Weyl,  Th.,   über  Atufarben  380. 

—  über   |{leiverxil'tuiig   344. 

—  Fuchsin   ist  uu^iltiK  381. 

—  über  Giftijjkeit    d.   Chromfarben    370. 

—  ,,      MartiusKelb   379. 

—  „      MeUnÜKelb   38(». 

—  „     Naphthol(,'clb  S.   379. 

—  „     Naphtholschwara  380. 

—  ,,     Orange  II  380. 

—  ,,     Safransurrogat  379. 

—  ,,     Safranin  383. 

—  Vergiftungen     durch     gefärbte    Stoffe 

395. 
Winkler,  Cl.,   über  Aluminiumgefäfse   366 
Wittstein  über  blcihaiti(;e  Metallkapseln  352. 
Wolfhügel   über  Gebrauchsgegenstünde   340. 
Woroschilski  über  Uranfarben  372. 

Zinkfarben  371. 

Zinnbleilegierung,  Analyse  der  356. 

Zinnfarben  377. 

Zinnfolien  351   ff. 

Zinngeräte  351. 

Zinnkrüge   351. 

Zinnsaures  Natron  als  Beize  397. 

Zinnsulfur   in  Konservebücbsen  347. 

Zinnteller   351. 

Zinnvergiftung  349  ff. 

Zündhölzer,  arsenhaltige  393. 


71 


b)  Vermeintliche  Gefuhreu  für  die  uireiitliclicficsiimllicit  (ilcr  II  cra  n  syc  bor). 
*Landwirtschal'tlicho   Verwertung   der  Fäkalien    (Direktor   Dr.   J.  H,  Vogel 

in  Berlin). 
Flußverunreinigung  (Privatdozeut  Dr.  Jurisch  in  Berlin). 
Abteilung  2: 

♦Leichenwesen  einschließlich  der  Feuerbestattung  (Modizinalrat  Wcrnich  in 

Berlin). 
*Abdeckereiwesen  (Medizinalassessor  Welnncr  in  Borlin). 
*Straßenhygiene,  d.  i.  Straßenpilasterung,   -reinigun;^  und  -bosprenguiig,   sowio 

Beseitigung  der  festen  Abfälle  (Bauinspektor  E.  R  i  c  h  t  e  r  in  Hamburg). 

ItAND  III:  Nahrungsmittel  und  Ernährung. 
Abteilung   1  : 

*Einzelernährung  und  Massenernährung  (Privatdozent  J.  M  u  u  k  in  Berlin). 

*Nahrungs-  und  Gcnußmittcl  (Prof.  Stutzer  in  Bonn). 

♦Gebrauchsgegenstände,  Emaillen,  Farben  (der  Her  ausge  berj. 
Abteilung  2 : 

Fleischschau  (Direktor  Dr.  Hertwig  in  Berlin). 

*Nahrungsmittelpolizei  (Prof.  F  i  n  k  e  1  n  b  u  r  g  in  Bonn). 

DAND  IV:  Allgemeine  Bau-(Wohnuiigs-)Hygieno. 

♦Einleitung:  Einfluß  der  Wohnung  auf  die  Gesundheit  (8anitätsrat  Dr.  Olden- 

d  o  r  f  f  in  Berlin). 
*Das   Wohnungselend  der  großen  Städte    (Dr.  A  1  b  r  e  c  h  t    von    der    Central- 

stelle  für  Arbeiterwohlfahrt  in  Berlin). 
1^  Eigentliche  Wohnungshygienc : 

a)  Bain»lat/, ,  Baumaterialien,  Anlage  von  Landhäusern,  Mietskasernen, 
Arbeiterwohnhäusern  und  billigen  Wnlinungen  überhaupt.  Gesetzliche 
Maßnalimen  zur  Begünstigung  gemeinnütziger  Baugesellschaften  (Dozent 
( ■  h  r.  Nußbaum  in  Hannover). 

b)  Stadtbaupläne,  Bauordnungen,  behördliche  Maßnahmen  gegen  ungesunde 
Wohnungen  (Baurat  Stubben  in  Köln). 

2)  Heizung  und  Ventilation  (städt.  Ingenieur  Schmidt  in  Dresden). 

3)  Beleuchtung: 

a)  *Theoretischor  Teil  (Prof.  Weber  in  Kiel). 

b)  Gasbeleuchtung  (Gasanstaltsdirektor  Pcppig  und  Ingenieur  Rosen- 
boorn,  beide  in  Kiel). 

c  Elektrische  Beleuchtung  und  andere  Anwondiingon  des  elektr.  Stromes 
im  Dienste  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  (Dr.  K  a  1 1  m  a  n  n ,  Elektriker 
der  Stadt  Berlin). 

BAND  V;  Spezielle  Bauhygienc  [Teil  AJ. 
Abteilungl: 

Krankenhäuser. 

a)  Aerztliche  Ansprüche  an  Krankenhäuser. 

b)  Bau  der  Krankenhäuser. 

c)  Verwaltung  der  Krankenhäuser  (Direktor  Merke  in  Moabit- Berlin). 
Aerztliche  Ansprüche  an  militärische  Bauten:    Militärlazarette  u.  s.  w.  (Ober- 
stabsarzt V  i  1 1  a  r  e  t  in  Spandau). 

Abteilung  2 : 

Gefängnishygieno  (Geheimrat  Dr.  Baer  in   Berlin). 

HAND  VI:  Spezielle  Bauhygiene  [Teil  Bj. 

♦Markthallen  und  Viehhöfe  (Baurat  Ost  hoff  in  Berlin). 

♦Volksbäder  (Bauinspektor  R.  Schnitze  in  Köln). 

♦Theaterhygiene  (Prof.  B  ü  s  i  n  g  in  Berlin-Friedenau). 

Unterkünfte     für    Obdachlose,     Wärmehallon    (Privatdocout    und    Baumeister 

Knauff  in  Berlin). 
♦Schiffshygiene  (Dr.  D.  Knien  kam  pff  in  Bremen). 
Eisenbahnhygiene  (Sanitätsrat  Brachmer  in   Berlin). 


BAND  Vli.  Al.toiiuiig  1  : 

Ck>tfeutlK'her  Kindcröcliutz  ^Privatdozcut  Dr.  II.   Neumauu  in  BcrlinV 
Abteilung  2: 

*Schulhygione  vOberrealschulprofessor  Dr.  L.  Burgcrstein  uiul  k.  k.  ('St<>rr. 
Vicosekretär  im  Miu.  d.  lun.  Dr.  Notolitzki  [medizinische  Kapitel]  beide 
in  Wien). 
BAND   VIII:  Gewerbehygiene. 
Allgemeiner  Teil: 

*Allgemeine  Gewerbehygiene  und  Fabrikgesetzgebung  (Dr.  Roth,  Reg.-   "lu^ 

Medizinalrat  in  Köslin). 
*Fürsorge  für  Arbeiterinnen  und  deren  Kinder  (Dr.  Agnes  B 1  u  h  m). 
^Maschinelle  Einrichtungen  gegen  Unfälle  (Prof.  Kraft  in  Brunn). 
Spezieller  Teil: 

Die  Unterhandlungen  mit  den  Herren  Mitarbeitern    sind    noch  nicht  beendet. 

Demnächst  werden  erscheinen: 

1;  Hygiene  der  Berg-  und  Tunnelarbeiter. 

a)  Technische    Abschnitte  (Bergrat    Meissner    im    preußischen    Handels- 
ministerium in  Berlin). 
b^  Medizinische  Abschnitte  (San.-Rat  Dr.  Füller  in  NeunkirchenV 
"2^  Hygiene  der  HflttenarV)eiter  ^Bergassessor  Saeger  in  Fried richshüttc). 
3^  Hygiene  der  chemischen  Großindustrie. 

a"»  Anorganische  Betriebe,  namentlich  anorganische  Säuren  und  deren  Salze 

(^ Privatdozent  Dr.  Heinzcrling  in  Darmstadt). 
\i)  Bearbeitung  des  Phosphors  (Oberstabsarzt  Dr.  Hei  big  in  Dresden 
c^  Organische  Betriebe  (Dr.  Fr.  Gold  seh  midt  in  Nürnberg). 
4)  Hygiene  der  Glasarbeiter    und  Spiegelbeleger    ^^Physikus  Dr.  Schäfer  in 

Bublit/,  Pommern). 
öl  Hygiene    der    Te.xtilindustrie    (Dr.    Netolitzki,     Viccsckretär    im    k.    k. 

osterr.    Ministerium   dos  Innern  i. 
8»  Hygiene  der  Borstenarl»eiter  iDr.  Fr.  Gold  seh  midt  in  Nürnberg». 
7)  Hygiene  der  Handarbeiterinnen  [Schneiderinneu   etc.]    (Frl.    Dr.  med.  Agu. 

B 1  u  h  m  in  Berlinl 
H\  Hygiene  der  Tabakarlieiter  (Grhrzgl.  bad.  Fabrikinspektor  Schelleuberg 
in  Karlsruhe  1. 
BAND  IX:  Aetiolngie  tind  Prophylaxe  der  Infektionskrankheit-eu. 

Bakteriologie  und  Epidemiologie  der  Infektionskrankheiten  (Prof.  Weichsel- 
baum in  Wien). 
Immunität  und  Schutzimpfung  (Prof  Emmerich  in  München». 
Desinfektion  und  Prophylaxe  der  Infektionskrankheiten  (der  Herausgeber). 
BAND  X :  Ergänzungsband.  Generalregister  zu  allen  Bänden. 
.\lkoholismus  (Dr.  Lep]>mann  in  Berlin^. 
Hygiene   der  Prostitution   (Prof   Neisser  in  Breslau). 

Die  mit  einem  *  bezeichneten  Manuskripte  liegen  entweder  bereits  gedruckt 
vor  oder  sind  in  den  Händen  de.s  Herrn  Herau.'^gebers.  Um  ein  rasches  Erscheinen 
des  Werkes  herbeizuführen,  wird  gleirhzeiti;^  ;in  mehreren  F>änden  gedruckt  und 
die  Ausgabe  derselben  je  nacli  N'dlJendung  des  Druckes  eines  jeden  Abschnittes 
oder  einer  Abteilung  erfolgen.  Auf  «lie.se  Weise  hofft  die  Verlagshandlung  das 
vollständige  Erscheinen  bis  zum  Ende  des  Jahres  1804,  spätestens  bis  zum 
Frühjahr  189.^  zu  sichern.  Grössere  Ab.sciinitte  werden  stets  eine  besondere 
Lieferung  bilden,  deshalb  werden  die  Lieferungen  in  verschiedenem  Umfange  und 
zu  verschiedenen  Preisen  erscheinen ;  der  Preis  des  voll  ständigen  Werkes 
wird  sich  nach  dem  Umfange  richten,  den  Betrag  von  M.  fK)  aber 
keinesfalls   übersteigen. 

Die  bereits  erschienenen  Abschnitte  des  Werkes  können  von  jeder  Buch- 
handlung zur  Ansicht  geliefert  werden. 

Bestellungen  auf  das  „Handbuch  der  Hygiene"  nimmt  eine  jede  Sortimeots- 
buchhandlung  Deutschlands  und  des  Auslandes  entgegen. 

truiumauaKhe  Uuchdruckrrei  (HemiaDu  fohl«)  ia  Jroa. 


Zu  (Ion  volIstJtndls:  vorlloffCMidon  Unndcn  I,  III,  IV  und 
VII  des  llaiidbiK'lK's  drr  llyirioiie  sind  Klnlmnddecken  In  luiH»- 
fVanz  hersrsti'IIt  w<nd«'n ,  die  /um  Preise  von  1  Mk.  20  Pf. 
durch  Jede  l>uelih:indlun!r  /u  be/lehen  sin<l. 

Die  VerlaKshandlanß:. 


Fleischbeschau. 


Bearbeitet  von 


Dr.  R.  Edelmann, 

Direktor  der  städt.  Flcisrhltcschaii,  Dorcnl   für  FloiscLlx.schaii  an  der  Köuigl. 


tierärztl.  Hot-hschule  zu  Dresden. 


Mit  29  Abbildungen  im  Text. 


Generalregister  zum  dritten  Bande. 


■»tt«- 


J  E  N  A 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER. 

1896. 


Handbucli  der  Hygiene 

hGrausgegebon  von  Dr.  THEODOR  WEYL  iu  Berlin. 

27.  Lioferuiiir. 


DIIITTKK  HAND.    ZWEITE  ABTEILUNG. 


Preis  lur  Abnehmer  des  ganzen  Werkes:    2  M.  -    Pf. 
Preis  für  den  Einzelverkauf: 4M.  —  Pf. 


Verlag  von  Gustav  Fischer  in  Jena. 


HANDBUCH  DEH  HY&IEIE 

in    10    Bänden. 

Herausgegeben  von  Dr.  med.  Theodor  Wcyl  in  Berlin. 

Das  ..llaiidbuch  der  Hygiene"  stellt  sich  nicht  in  den  Dienst  einer  be- 
stimmten Schule,  sondern  will  sich  einen  möglichst  unparteiischen  Standpunkt 
l)e\vahren;  es  sind  deshalb  die  Vertreter  der  verschiedensten  Schulen  zur  Mit- 
arbeit an  demselben  aufgefordert  worden.  Für  die  Kapitel  praktischen  Inhalts 
wurden  vorzugsweise  solche  Mitarbeiter  herangezogen,  welche  durch  ihre  berufs- 
mäßige Beschäftigung  besonders  geeignet  waren,  das  übernommene  Thema  zu 
bearbeiten.  Es  ist  deswegen  ein  großer  Teil  der  Herren  Mitarbeiter  aus  den 
Reihen  der  Architekten  und  Ingenieure  gewählt  worden.  Wo  indessen  bei  einzelnen 
Kaiuteln  neben  der  Bearbeitung  durch  die  Techniker  die  Mitarbeit  des  hygienisch 
ausgebihleten  Mediziners  erforderlich  war,  hat  der  Herr  Herausgeber  eine  Ver- 
teilung des  Stoffes  vorgenommen,  und  es  wird  ihm  hoifentlich  geglückt  sein,  die 
Zuständigkeit  des  Mediziners  einerseits  und  die  des  Technikers  andererseits  in 
zutreffender  ^Yeise  zu  begrenzen. 

Die  Gewerbehygiene  soll  entsprechend  ihrer  Wichtigkeit  eine  besonders  ein- 
gehende Bearbeitung  finden;  Abschnitte  wie  Strassenhygiene,  allgemeine  Bauhygiene 
und  Wohnungshygiene  werden  eine  so  ausführliche  Darstellung  finden,  wie  sie 
bisher  in  deutscher  Sprache  wohl  noch  nicht  versucht  wurde. 

Der  Bakteriologie  als  solcher  wurde  eine  besondere  Abteilung  nicht  gewidmet. 
Sie  erscheint  aber  als  eine  der  zahlreichen  Methoden,  deren  die  Hygiene  bedarf 
in  allen  denjenigen  Kapiteln,  in  denen  sie,  wie  in  der  Lehre  vom  Boden,  vom 
Trinkwasser,  in  der  Theorie  der  Infektionskrankheiten,  zur  Lösung  der  hygieni- 
schen Fragen  ihre  Hilfe  leiht  und  häufig  den  Ausschlag  giebt. 

Das  „Handbuch  der  Hygiene"  soll  in  etwa  10  Bänden  im  Gesamt- 
Umfange    von   200    bis    höchstens    250    Druckbogen    erscheinen. 

Die  Bände  werden  in  der  nachstehenden  Einteilung  herausgegeben  werden: 

BAND  I  ist  vollständig  erschienen.     Abteilung  1 

Vorwort  vom  Herausgeber. 

♦Organisation  der  öffentlichen    Gesundheitspflege   in   den   Kulturstaaten   (Prof. 

Finkelnburg  in  Bonn).    Einzelpreis  M.  — ,80,  Subskriptionspreis  M.  — ,80. 

♦Boden  (Prof.  von  Fodor  in  Budapest).     E.-Pr.  M.  4,50,  S.-Pr.  M.  3,60. 

♦Klima  (Prof.  Aßmann  in  Berlin).  1   E.-Pr.  M.  2,50. 

♦Klimatologie  u.  Tropenhygiene  (Dr.  Schellong  in  Königsbg.).]   S.-Pr.  M.  2, — . 

♦Kleidung  (Prof.  Kratschmer  in  Wien).     E.-Pr.  M.  2,—,  S.-Pr.  M.   1,50. 

Abteilung  2:     Trinkwasser   und  Trinkwasserversorgung:     Bereits  erschienen. 

♦a)  Wasserversorgung,  technische  Kapitel  (Oberingenieur  Oesten  in  Berlin). 

*b)  Bakteriologie  des  Trinkwassers  (Prof.  Löffler  in  Greifswald). 

♦c)  Chem.  Untersuchung  des  Trinkwassers  (Direk.  Dr.  Sendtnerin  München). 

d)  Beurteilung  des  Trinkwassers  (die  unter  b  und  c  genannten  Herren). 

BAKD  II:  Städtereinigung.     Abteilung  1: 

♦Einleitung:  Die  Notwendigkeit  der  Städtereinigung  und  ihre  \         Bereits 


I 


Erfolge  (Prof.  Blasius  in  Braunschweig),  [     erschienen. 

♦Abfuhrsysteme  (Prof  Blasius).  j  E.-Pr.  M.  8,—. 

""  Schwemmkanalisation  (Prof  B  ü  s  i  n  g  in  Berlin-Friedenau).   I    S.-Pr.  M.  G, — . 
♦Rieselfelder :     a)  Anlage,  Bewirtschaftung  und  wirtschaftliche  " 

Ergebnisse  (Landwirt  Georg    H.  Gerson    in   Berlin).  Bereits 

b)  Vermeinthche  Gefahren   für    die    öffentliche  Gesundheit        erschienen. 

(der  Herausgeber).  (  E.-Pr.  M.  1,80. 

♦Landwirtschaft!.  Verwertung  der  Fäkalien  (Direkt.  Dr.  J.  H.       S.-Pr.  M.  1,20. 

Vogel  in  Berlin). 
Flnßverunreinigung  (Privatdozent  Dr.  Jurisch  in  Berlin). 

Fortsetzung  auf  der  3.  Seite  des   Umschlags. 


HA^'DBÜCH  DER  HYGIENE 

IX  ZEH>  ßl>DEN. 

BEARBEITET   VON 

Dr.  Albrecht,  Berlin ;  Prof.  AssMAJfN,  Berlin ;  Geheimrat  Dr.  Baer,  Berlin ;  Prof. 
Blasits,  Braunschweig ;  Dr.  Agnes  Bluhm,  Berlin;  öanitätsrat  Dr.  Braehmer, 
Berlin;  Oberrealscbulprofessor  Dr.  L.  Burgersteix,  Wien;  Prof.  Büsing,  Berlin- 
Friedenau ;  Direktor  Dr.  Edelmann,  Dresden ;  Prof.  Finkelnburg,  Bonn ;  Prof. 
V.  FoDOR,  Budapest ;  Sanitätsrat  Dr.  Füller,  Neuiikirchen ;  Landwirt  Georg  H. 
Gerson,  Berlin ;  Dr.  F.  GoLDSCH>aDT,  Nürnberg ;  Pris-atdozent  Dr.  Heinzerling, 
Darmstadt ;  Oberstabsarzt  Dr.  Helbig  ,  Dresden ;  Prof.  Hüeppe  ,  Prag ;  Privat- 
dozent Dr.  JuRiscH ,  Berlin;  Stadt -Elektriker  Dr.  Kallmann,  Berlin;  Privat- 
dozent und  Baumeister  Knaufe,  Berlin;  Prof.  Kraft,  Brunn;  Prof.  Kratschmer, 
Wien;  Oberstabsarzt  Dr.  Krocker,  Berlin;  Dr.  D.  Kulenkampff,  Bremen;  Dr. 
Lepp>[ann.  Berlin  ;  Prof.  Loeffler,  Greifs wald;  Bergrat  Meissntsr,  Berlin;  Direktor 
Merke,  Moabit  -  Berlin ;  Dr.  E.  ]\Ietschnikoff,  Paris;  Prof.  J.  Munk  ,  Berlin; 
Prof.  Neisser,  Breslau;  k.  k.  österr.  Sekretär  im  Min.  d.  Innern  Dr.  Neto- 
LITZKY,  Wien ;  Privatdozent  Dr.  H.  Neumann,  Berlin ;  Dozent  Chr.  Nussbalth, 
Hannover;  Oberingenieur  Oesten,  Berlin;  Dr.  Oldendorff,  Berlin;  Baurat  Ost- 
hoff, Berlin;  Bauinspektor  E.  Richter,  Hamburg;  Ingenieur  Eosenboom,  Kiel; 
Eeg.-  und  Medizinalrat  Dr.  Roth,  Oppeln ;  Bauinspektor  Ruppel,  Hamburg ;  Berg- 
assessor Saeger,  Friedrichshütte;  Pnysikus  Dr.  Schäfer,  Danzig;  Fabrikinspektor 
Schellenberg  ,  Karlsruhe ;  Dr.  Schellong,  Königsberg  i.  P. ;  städt.  Ingenieur 
Schmidt,  Dresden ;  Bauinspektor  R.  Schtjltze,  Köln ;  Inspektor  Dr.  Sendtner, 
München ;  Dr.  med.  So>rMERFELD,  BerUn ;  Direktor  Dr.  \\  .  Son"NE  ,  Darmstadt ; 
Baurat  Stübben,  Köln ;  Prof.  Stutzer,  Bonn ;  Direktor  Dr.  J.  H.  Vogel,  Berlin ; 
Prof.  Weber,  Kiel;  Reg.-  und  Medizinalrat  Dr.  Wehmer,  Coblenz;  Prof.  Weichsel- 
BAUM,  Wien;    Medizinalrat  Dr.  Wernich  ,   Berhn;    Dr.   Th.  Weyl,   Berlin;   Dr. 

Zadek,  Berlin. 

HERAUSGEGEBEN  VON 

Dr.  med.  th.  TSTEYLr, 

PRIVATDOCENTEN    DER    TECHNISCHEN    HOCHSCHULE   ZU 
CHARLOTTENBURG-BERLIN. 


DRITTER  BAND. 
MIT  53  ABBILDUNGEN  LM  TEXT. 


^- 


JENA, 
VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER. 

1896. 


HASDBUCH  DER  HYGIENE. 


HERAUSGEGEBEN  VON 


DR.  MED.  TH.  ISTEYL, 

PRIVATDOCENTEN    AN    DER    TECHNISCHEN    HOCHSCHULE    ZU 
CHARLOTTENBURG-BERLIN. 


DRITTER  BAND. 

NAHRUNGSMITTEL,  ERNÄHRUNG,  FLEISCHBESCHAU. 


BEARBEITET  VON 

Prof.  Dr.  Immanuel  Müxk,  Berlin ;  Prof.  Dr.  Albert  Stutzer,  Bonn ;  Dr.  Theodor 
Weyl,  Berlin;  Direktor  Dr.  R.  Edelmann,  Dresden. 


MIT  53  ABBILDUNGEN  IM  TEXT. 


JENA, 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER. 

1896. 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Inhalt. 


Erste  Abteilung: 

Seite 

Einzelemährung    und  Massenernährung   von   Prof.  Dr.  Immanuel 

M  u  n  k  in  Berlin 1 

Nahrungs- vind  Gfenußmittel  von  Prof.  Dr.  Albert  Stutzer  in  Bonn     149 
Die  Gebrauchsgegenstände    im  Anschluß   an    die   Gesetzgebung    des 
Deutschen  Reichs   und    an  die   der    übrigen  Kulturstaaten  von 
Dr.  Theodor  Weyl  in  Berlin 339 

Zweite  Abteilung: 

Fleischbeschau  von  Direktor  Dr.  R.  Edelmann  in  Dresden      .     .     411 
Generalregister  zu  Band  3 547 


FLEISCHBESCHAU. 


BEARBEITET  VON 


DB   R.  EDELMAo^l^, 

DIREKTOR    DER    STADT.    FLEISCHBESCHAU,    DOCENT    FÜR    FLKISCHBESCHAU    AN    DER 
KÖNIGL.    TIERÄRZTL.    HOCHSCHULE    ZU    DRESDEN. 


MIT  29  ABBILDUNGEN  IM  TEXT. 


DRITTER  BAND,  ZWEITE  ABTEILUNG. 

(SCHLUSS  DES  DRITTEN  BANDES.) 
GENERALREGISTER  ZUM  DRITTEN  BANDE. 


-Ä:.-e4- 


JENA, 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER. 

1896. 


Inhaltsübersicht. 


Seite 

Einleitung 411 

Notwendigkeit  der  Fleischbeschau 412 

Fleischbeschau-Statistik 414 

Litteratur 420 

Litteratur  über  Fleischbeschau  .^ 420 

I.  Kapitel.     Allgemeines 42 1 

1.  Wesen  der  Fleischbeschau .     .  421 

2.  Zweck  und  Aufgaben  der  Fleischbeschau  .                .  422 

3.  Ausbreitungsgebiet  der  Fleischbeschau 422 

4.  Schlachttiere 423 

Gesetzliche  Bestimmungen  über  das  Alter  der  Schlachttiere  424 

5.  Schlachtung  und  Schlachtmethoden 424 

Gesetzliche  Bestimmungen    über    das  Schlachten  von  Tieren  428 

6.  Notschlachtungen 428 

Gesetzliche  Bestimmungen  über  Notschlachtungeii  und  über 

dif  Verwertung  des  Fleisches  kranker  Tiere 430 

Litteratur 434 

II.  Kapitel.     Organisation  der  Fleischbeschau.  435 

1.  Grundlagen  der  Fleischbeschau 435 

A.  Technische  Grundlagen 435 

B.  Gesetzliche  Grundlagen           43<j 

Litteratur 438 

2.  Einteilung  der  Fleischbeschau 438 

3.  Ausführung  der  Fleischbeschau 431» 

A.  Beschau  der  Schlachttiere 440 

B.  Beschau  von  eingeführtem  frischen  Fleischf  441 
Litteratur                  443 


IV  Inhalt. 

Seite 

4.  Verwortuiig  beschlagnahmten  Fleisches 443 

A.  Nicht  bankwürdiges  Fleisch  im  allgemeinen 443 

B.  Zur   menschlichen  Nahrung    bedingungsweise    geeignetes 
Fleisch 444 

Litteratur 450 

C.  Zur  menschlichen  Nahrung  ungeeignetes  Fleisch     .     .  450 

5.  Die  Freibänke 451 

Litteratur 453 

Anhang.     Derzeitiger  Stand    der  Fleischbeschau    in 

deneuropäischenStaaten        454 

1.  Deutschland 454 

A.  Allgemeine  Fleischbeschau 454 

B.  Trichinenschau 456 

C.  Fleischbeschau  in  den  Roßschlächtereien  und  der  Handel 

mit  Roßfleisch 458 

2.  Oesterreich 459 

3.  Frankreich 460 

4.  Italien 460 

5.  Belgien .  461 

6.  England * 461 

Litteratur ...  461 

III.  Kapitel.     Fleischkunde 462 

1.  Unterscheidungsmerkmale    des    Fleisches    der  verschiedenen 
Schlachttiere 462 

2.  Betrügerische  Unterschiebungen  von  Fleisch  und  deren  Er- 
kennung; Pferdefleischnachweis 463 

Litteratur 468 

8.  Aufblasen  von  Fleisch 468 

Litteratur .  468 

4.  Abnorme     Fleischbeschaffenheit     innerhalb     phj^siologischer 

Grenzen,  vom  sanitätspolizeilichen  Standpunkte  beurteilt  469 

A.  Ungeborene  Tiere 469 

B.  Unreife  Tiere 469 

C.  Magere  und  abgemagerte  Tiere 469 

D.  Abnorme  Färbung  des  Fettes 470 

E.  Geruchs-  und  Geschmacksabnormitäten  des  Fleisches      .  470 
Litteratur 471 

Anhang. 

A.  Mangelhaft  ausgeblutete  Tiere 471 

B.  Fleisch  verendeter  Tiere 471 


I 


Inhalt.  V 

Seite 

5.   Postmortale   Veriinderun^cn   des   Fleisches 172 

A.  Gäruug  iukI    Fäulnis 172 

B.  IiKsektf'iihirven  und  Schimmelbildung  auf  Fleisch         .  llü 

C.  Leuchtendes  Fleisch 174 

D.  Verschiedenes .     .  174 

Litteratur 474 

IV.  Kapitel.     Pathologie  der  Schlachttiere  in  ihrer  Be- 
deutung für  die  Fleischbeschau    475 

1.  Bei  der  Lebendbeschau  der  Schlachttiere    besonders   zu  be- 
rücksichtigende Erkrankungen 475 

2.  Lokale  Erkrankungen  der  Gewebe  und  Organe 470 

Organkrankheiten  der  Schlachttiere,    welche  durch  tierische 

Parasiten  veranlaßt  werden 476 

A.  Parasiten  der  Haut 476 

B.  Parasiten  im  Respiratioiisapparat 477 

C.  Parasiten  des  Verdauungsapparates 477 

Distomum  hepaticum 477 

Distomum  lanceolatum 478 

D.  l'arasiten  an  Bi-ust-   und  BauchfeU 479 

E.  Parasiten  im  Gehirn 479 

Litteratur 480 

3.  Allgemeinerkrankungeu  der  Schlachttiere 480 

A.  Durch    tierische    Parasiten    v^eranlaßte  Allgemeinerkrank- 
ungen der  Schlachttiere  (Invasionskrankheiten)  ....  480 

1.  Parasiten,  welche  durch  Fleischgenuß  auf  den  Menschen 

übertragbar  sind 480 

a)  Die  Trichine 480 

Litteratur 485 

h)  Die  Finnen 485 

1.  Die  Schweinefinne 486 

2.  Die  Rinderfinne 487. 

Litteratur 490 

2.  Parasiten,    welche  nur  indirekt  dem  Menschen  schäd- 
lich werden  können    490 

a)  Die   Echinokokken 49U 

Litteratur 492 

b)  Die   Pentastomen 493 

Litteratur 493 

3.  Parasiten  im  Fleisch,  welche  dem  Menschen  nicht  nach- 
weislich schädlich  sind 494 

Die  Sarkosporidien 494 

Litteratur 495 


VI  Inhalt. 

Seite 

Anhang.     Die  Verkalkungen  in  der  Muskulatur  des 

Schweines 495 

B.  Infektionskrankheiten  der  Schlachttiere 495 

1.  Auf  den  Menschen  übertragbare  Infektionskrankheiten  496 

a)  Tuberkulose 496 

LiUeratur 505 

b^  Milzbrand,  Rauschbrand,  Tollwut,  Rotz     ....  505 

LiUeratur 507 

c)  Maul-  und  Klauenseuche      ...          507 

d)  Pocken 508 

e)  Tetanus 508 

LiUeratur 509 

f)  Malignes  Oedem 509 

g)  Aktinomykose 509 

h)  Botryomykose 511 

LiUeratur 511 

Anhang.     Pyämische  Erkrankungen 511 

Septikämischo  Erkrankungen 512 

Multiple   Muskelblutungen  beim  Schwein       .     .  514 

Putride  Intoxikationen 514 

LiUeratur .  514 

2.  Den  Schlachttieren  eigentümliche  Infektionskrankheiten, 
welche  nicht  auf  den  Menschen  übertragbar  sind  .     .  515 

a)  Seuchenhafte  Schweinekrankheiten 515 

1.  Schweinerotlauf 515 

2.  Schweineseuche  und  Schweinepest 515 

Litteratur 517 

b)  Lungenseuche  des  Rindes 517 

c)  Rinderpest 518 

d)  Bösartiges  Katarrhalfieber  des  Rindes       .     .     ,     .  518 

e)  Wild-  und  Rinderseuche 518 

f)  Diphtherie  der  Kälber 519 

g)  Ruhr  der  Kälber 519 

h)  Muskelstrahlenpilze 519 

Litteratur 520 

C.  Bluterkrankungen  und  konstitutionelle  Krankheiten    .     .  520 

1.  Anämie 520 

2.  Hydrämie  und  Wassersucht 521 

3.  Leukämie 521 

4.  Hämoglobinämie  und  Hämoglobinurie 522 

5.  Ikterus 522 

6.  Urämie 522 

7.  Rhachitis 523 


Inhalt.  VII 

Seite 

8.  Osteoporose 523 

9.  Osteomalacie 523 

10.  Sarkomatose  und  Carcinomatose 524 

Litteratur 524 

D.  Intoxikationen  und  Autointoxikationen  bei  Schlachttieren  524 

Gebärparese 525 

Litteratur 526 

V.  Kapitel.     Untersuchung   und  Beurteilung  des  Flei- 
sches von  Geflügel,  Wild,  Fischen  etc.,  sowie  ver- 

schiedenerFleischpräparate 526 

1.  Geflügel 526 

2.  Wildbret 527 

3.  Fische 527 

4.  Verschiedene  zu  Speisezwecken  verwendete  Tiere   ....  528 

5.  Gefrorenes  Fleisch    ...          528 

6.  Würste 529 

7.  Mit  Konservierungssalzen  behandeltes  Fleisch 531 

8.  Büchsenkonserven 533 

9.  Tierische  Fette 534 

Litteratur 535 

VI.  Kapitel.     Fleisch-  und  Wurstvergiftungen   .     .  536 

1.  Fleischvergiftungen 536 

2.  Hackfleischvergiftungen 542 

3.  Wurstvergiftungen 543 

Litteratur 545 

Verzeichnis  der  Abbildungen 546 

Register 547 


I 


Einleitung. 

Mit  den  Fortschritten  der  Ernährungslehre  hat  die  Sorge  für  die 
Beschattung  einer  gesunden  Fleischnahrung  für  den  Menschen 
nicht  gleichen  Schritt  gehalten.  Die  gewaltigen  Errungenschaften  der 
modernen  Kultur,  der  bedeutende  Aufschwung  von  Handel  und  Ver- 
kehr in  Verbindung  mit  der  Vervollkommnung  der  Technik,  haben 
ihre  "Wirkungen  zwar  auch  auf  die  Fleischnahrungsmittel  der  Menschen 
geäußert,  jedoch  weniger  nach  der  sanitären  Richtung  hin,  als  viel- 
mehr zu  Gunsten  der  leichteren  Beschattung,  rationelleren  Herstel- 
lung und  händlerischen  Verbreitung  dieser  Nahrungsmittel.  So  groß 
auch  die  Bedeutung  dieser  Fortschritte  sich  in  allgemein  volkswirt- 
schaftlicher Beziehung  gestalten  mag.  so  gering  ist  doch  im  allge- 
meinen der  Nutzen  anzuschlagen,  welchen  sie  in  gesundheitlicher  Be- 
ziehung für  die  Fleischnahrung  dem  einzelnen  Menschen  mit  sich 
brachten.  Mit  dem  Zeitpunkte,  wo  das  Fleisch  der  zur  menschlichen 
Nahrung  dienenden  Tiere  und  die  daraus  hergestellten  Erzeugnisse 
begannen  Gegenstände  des  Handels  zu  werden,  waren  die  Grenzen 
der  Kontrollierbarkeit  dieser  Nahrungsmittel  durch  den  Einzelnen 
überschritten,  und  der  Selbstschutz,  welcher  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  liezüglich  der  Abstammung  des  Fleisches  von  kranken  Tieren 
in  früheren  Zeiten  von  vielen  einzelnen  Menschen  ausgeübt  werden 
konnte,  ist  mit  dem  Anwachsen  von  Handel  und  Verkehr  so  gut  wie 
unmöglich  geworden.  Hierzu  kommt .  daß  dieser  Selbstschutz  in 
früheren  Zeiten  und  in  einzelnen  Ländern  eine  Unterstützung  fand 
in  Maßnahmen,  welche  seitens  der  Obrigkeiten  und  auch  teilweise 
seitens  der  beteiligten  Gewerbetreibenden  zwecks  Beschattung  einer 
möglichst  gesunden  Fleischnahrung  getrotten  wurden.  Wenn  auch 
die  meisten  dieser  im  Interesse  der  Fleischhygiene  erlassenen  Maß- 
regeln, deren  Entstehung  und  Wandlungen  bis  in  die  ersten  geschicht- 
lichen Zeiten  verfolgt  werden  können ,  in  vieler  Beziehung  einer 
Kritik  von  der  Höhe  unserer  derzeitigen  wissenschaftlichen  Kennt- 
nisse nicht  standzuhalten  vermögen,  so  geben  sie  dennoch  Zeugnis, 
daß  man  sich  schon  frühzeitig  gewisser  Gefahren  bewußt  gewesen 
ist,  welche  den  Menschen  aus  der  Fleischnahrung  drohen  und  deren 
Althaltung  im  Interesse  des  Einzelnen,  wie  auch  des  Wohles  eines 
Volkes  liegt. 

Gegenüber  dem  Alter  der  Fleischbeschau,  in  welchen  Be- 
griff man  alle  die  angedeuteten  Maßnahmen  zusammenfassen  kann,  ist 

Handbuch  der  Hjgicoe.     Bd.  HI.    Abtli?.  i.  27 


412  EDELMANN. 

es  um  so  auffallender,  daß  ihre  Entwickelung  keineswegs  im  gleichen  Ver- 
liältnis  steht  mit  den  Fortschritten  der  Wissenschaft  auf  den  Gebieten 
der  Medizin  und  Hygiene.  Es  kann  in  diesem  AVerke  nicht  auf  die 
Geschichte  der  Fleischbeschau  eingegangen  werden,  für 
deren  Studium  die  Abhandlungen  von  Gräber  ^  Goltz ''^,  Adler^, 
Morot'.  Koch^  u.  a.,  sowie  der  betreffende  Abschnitt  in  Oster- 
t  a  g  's  Handbuch  der  Fleischbeschau  zu  empfehlen  sind.  Jedoch  die  That- 
sache  mag  nicht  unerwähnt  bleiben,  daß  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
mit  dem  Aufschwünge  der  zoologischen,  physiologischen  und  allgemein 
medizinischen  Wissenschaften  sich  vielfach  ein  Rückschritt  in  der  Wert- 
schätzung einer  Ueberwachung  iles  Fleischverkehrs  geltend  machte,  der 
allerdings  auch  manchen  anderen  hier  nicht  zu  erörternden  Zeitverhält- 
nissen mit  zugeschrieben  werden  kann.  Jedenfalls  sind,  selbst  von 
wissenschaftlicher  Seite,  die  aus  dem  Fleische  kranker  Tiere  drohenden 
Gefahren  für  den  menschlichen  Organismus  und  die  Fleischschäd- 
lichkeiten an  und  für  sich,  von  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts 
bis  in  die  neueste  Zeit,  vielfach  unterschätzt  worden.  Die  jatro- 
chemisclie  Schule  mit  ihren  Anschauungen  über  die  bedeutenden 
Wirkungen  der  Verdauungssäfte  besonders,  mag  viel  dazu  beige- 
tragen haben ,  Besorgnisse  zu  beseitigen  und  alte  bestehende  Vor- 
sichtsmaßregeln als  überflüssig  hinzustellen. 

Erst  der  allerneuesten  Zeit  war  es  vorbehalten,  auch  auf  diesem 
Gebiete  teilweise  Wandel  zu  schaffen  und  mit  veralteten  Anschau- 
ungen aufzuräumen.  Während  die  Fortschritte  in  den  medizinischen 
Wissenschaften  im  allgemeinen  und  in  der  Veterinärmedizin  im  be- 
sonderen allmählich  einer  wissenschaftlichen  Fleischbe- 
schau die  Wege  ebneten,  forderten  die  in  ihrer  wahren  Natur  nun- 
mehr erkannten  periodisch  auftretenden,  epidemischen  Fleischver- 
giftungen und  Trichinosen  unter  den  Menschen  die 
praktische  Verwirklichung  und  Nutzbarmachung  der  Fleischbeschau 
zur  Fürsorge  für  die  menschliche  Gesundheit.  Diese  Fürsorge  ist  um 
so  dringlicher,  als,  wie  schon  angedeutet,  der  Einzelne  vielfach  nicht 
imstande  ist  sich  selbst  zu  schützen  und  das  Fleisch  eines  einzigen 
kranken  Tieres  seine  schädlichen  Wirkungen  auf  eine  beträchtliche 
Zahl  von  Menschen  zu  äußern  vermag. 

Notwendigkeit  der  Fleischbeschau. 

Geht  schon  aus  dem  oben  erwähnten  Vorkommen  von  Massen- 
erkrankungen von  Menschen  infolge  von  Fleischschädlichkeiten  (vergL 
Kap.  VI)  das  Bedürfnis  hervor,  diesen  durch  Maßregeln,  durch  die 
Einführung  einer  Fleischbeschau  zu  begegnen,  so  ergiebt 
sich  die  Notwendigkeit  hierzu  weiterhin  aus  folgenden  Verhältnissen : 

\)  Dem  Fleische  selbst  sind  zahlreiche  ihm  anhaftende  Schäd- 
lichkeiten nicht  anzusehen,  weshalb  der  Konsument  sich  gegen  die- 
selben nicht  schützen  kann. 

2)  Ebensowenig  vermag  der  Konsument  die  Herkunft  und  Ab- 
stammung des  Fleisches  zu  kontrollieren. 

3)  Es  ist  bekannt  und  wissenschaftlich  einwandsfrei  bewiesen,  daß 
die  Fleischnahrung  die  Quelle  einer  größeren  Menge  von  Schädlich- 
keiten bilden  kann,  als  irgend  ein  anderes  Nahrungsmittel. 

4)  Die  Medizinalstatistik  zeigt,  daß  im  Gefolge  einer  guten 
Fleischbeschau  gewisse  Krankheiten  der  Menschen   an  Häufigkeit  ab- 


Fleischbeschau.  413 

nehmen.      Für    einzelne    Entozoen    des    Menschen,    welche    mit    dem 
Fleisch  übertragen  werden,  liegen  hierfür  zahlenmäßige  Beweise  vor: 

Bezüglich  der  Cysticerkenkrankheit  bei  Menschen  in 
Berlin  fand  schon  Virchow*  eine  Abnahme  der  Finnen  in  den 
Jahren  1875 — 1891.  Während  er  früher  diesen  Parasiten  in  je  31  unter- 
suchten menschlichen  Gehirnen  einmal  fand,  hatte  sich  bis  Ende  1891 
dieses  Verhältnis  auf  1  :  280  verringert,  nachdem  im  Jahre  1883  in 
Berlin  die  obligatorische  Fleischbeschau  eingeführt  worden  war.  Be- 
sonders augenfällig  ergiebt  sich  die  Abnahme  der  Finnen  aus  den  Be- 
richten von  Hirschberg ',  dessen  Untersuchungen  sich  in  Berlin  auf 
die  Augen  finnen  erstreckten.  Dieselben  kamen  in  Berlin  1853 — 1885 
in  dem  Verhältnis  1  :  1000  vor;  zeitweilig  stieg  dasselbe  auf  1  :  420 
(1876),  1  :  450  (1879)  und  1  :  800  (1877).  In  den  4  folgenden  Jahren 
bis  1889  war  unter  den  30000  Augenkranken  der  Hirs  ch  be  rg' sehen 
Klinik  nur  ein  einziger  mit  einer  Augenfinne.  In  den  weiteren 
ö  Jahren  bis  Ende  1894  beobachtete  er  unter  43  000  Augenkranken  nur 
2  Fälle,  die  beide  von  auswärts  waren.  Während  Hirsch berg  in 
den  Jahren  1869  bis  1885  bei  60000  Augenkranken  70  Fälle 
von  Augenfinnen  gefunden  hatte  (1  :  857),  sind  in  den  fol- 
genden 9  Jahren  unter  dem  Einflüsse  der  Fleischbeschau 
unter  73  000  Augenkranken  nur  3  Fälle  von  Augenfinnen 
beobachtet  worden  (1  :  24  300),  und  unter  diesen  waren  noch  2  Fälle 
von  auswärts.  Auch  Haugg'^  konstatierte  eine  beständige  Abnahme  der 
Finnen  beim  Menschen. 

Das  Vorkommen  der  Taenia  solium  bezeichnet  B  o  1 1  i  n  g  e  r  ^ 
geradezu  als  einen  Gradmesser  der  Qualität  der  Fleischbeschau,  und  mit 
der  Zeit  wird  man  dieses  auch  bezüglich  der  Taenia  niediocanellata 
sagen  können,  deren  Häufigkeit  zur  Zeit  noch  nicht  in  Al)nahme  begriffen 
zusein  scheint.  Nach  Bollinger  kommt  die  Taenia  solium  in  München 
so    gut  wie  gar  nicht    mehr   vor. 

Auch  eine  Abnahme  der  Echinokokkenkrankheit  der  Men- 
.schen  ist  nach  Virchow  in  Berlin  zu  konstatieren.  Bis  zum  Jahre 
1888  hat  genannter  Forscher  im  Laufe  eines  Jahres  5 — 9  mal  Echino- 
kokken feststellen  können.  Vom  Jahre  1888  ab  sank  die  Zahl  der  Fälle 
auf  3 — 1  im  Jahre  herab,  trotzdem  das  Untersuchungsmaterial  erheblich 
zunahm. 

Ebenso  treten  günstige  Wechselbeziehungen  zwischen 
Fleischbeschau  und  der  Helminthiasis  der  Hunde  hervor. 
Nach  Deffke's^"  Untersuchungen  ist  die  Zahl  der  Entozoen  besitzen- 
den Hunde  in  Berlin  bedeutend  zurückgegangen,  was  D.  besonders  an 
dem  seltenen  Vorkommen  der  Taenia  marginata  nachweist.  Trotz- 
dem in  Berlin  immer  noch  62  Proz.  aller  Hunde  mit  Entozoen  behaftot 
sind,  fand  D.  die  Taenia  marginata  nur  bei  7  Proz.  der  untersuchten 
Hunde,  wohingegen  Krabbe'*  dieselbe  in  Island  bei  fast  75  Proz., 
Schoene'"'*  in  Sachsen  bei  bis  zu  27  Proz.  der  Hunde  beobachtete. 
Der  Umstand,  daß  die  Fleischbeschau  für  eine  Vernichtung  der  bei  Schlacht- 
tieren sehr  häufig  vorkommenden  mit  dem  Cysticercus  tenuicollis  behafteten 
Eingeweide  derart  Sorge  trägt,  daß  sie  von  Hunden  nicht  aufgenommen 
werden   können,   hat  dieses  günstige  Verhältnis  herbeigeführt. 

öl  Die  Ergebnisse  der  neueren,  wissenschaftlichen  Fleischbeschau 
in  ganzen  Ländern  nnd  in  einzelnen  Städten,  liefern  ein  ziemlich  ge- 
naues Bild  von  der  Häufigkeit  des  Vorkommens  kranker  Schlachttiere. 


114  EDELMANN, 

Dio  lJ«'triol>>«roMillatc  «lor  -5H>   preußischen   SchlaehtliJiuser   im   Jahre   1894 

waren  nach  Schnialtz'"  folgende: 

von  673328  geschlachteten  Rindern  wurden  gänz- 
lich verworfen 39^5  =  »r'"  Proz. 

von  07S  204  geschlachteten  Kälhorn  wurden  gänz- 
lich verworfen •   •       1829  =  0,18     „ 

von  1098140  geschlachteten  Schafen  und  Ziegen 

wurden  gänzlich  verworfen      1126  =  0,1       „ 

von  2324945   geschlachteten   Schweinen   wurden 

gänzlich  verworfen 12675  =  °.'>^     n 

Teilweise   verworfen    bez.   unter   Deklaration    verkauft    wurden: 

5315.5  Rinder  =  0,-8  Proz.         274  Kälber        =  0,028  Proz. 

1821  Schafe  u.  Ziegen  =  0,10      „         15367  Schweine  =  o,g6        „ 

Bei  Kälbern,  Schafen  und  Ziegen,  sowie  Schweinen  können  die  Zahlen  keinen 
Anspruch  auf  absolute  Genauigkeit  machen,  da  in  den  Tabellen  nicht  angegeben  wird, 
wieviel  der  tuberkul«">s  befundenen  Tiere  vernichtet  oder  teilweise  verwertet  wurden. 

Tuberkulose  wurde  festgestellt  bei: 

67984  Rindern  =  lo.oti  Proz.       15877  Schweinen  =  0,68  Proz. 
504  Kälbern  =     0,05      „  853  Schafen        =  0,07      „ 

Finnen  sind  bei  710  Rindern  =  0,1  Proz.  und  5569  Schweinen  =  0,23 
Proz.  gefunden  worden.  —  Mit  Trichinen  waren  behaftet  603  Schweine 
=  0,02:.  Proz. 

An  Pferden  wurden  in  den  öffentlichen  Schlachthäusern  und  den  314  selb- 
ständigen Rofsschlächtereien  geschlachtet  52394.  Darunter  waren  10  rotzige  und 
4;j  tuberkulTtse.  Gänzlich  vernichtet  wurde  das  Fleisch  von  356,  teil- 
weise von  35.T  Pferden. 

Bericht  über  «lie  Fleischbeschau  im  Köni^'eieh  Sachsen"  vom  Jahre  1894. 

Ueber  die  Ergebnisse  der  Fleischbeschau  liegen  Berichte  aus  25  Städten  vor. 
In  denselben  sind  untersucht  worden:  78886  Kinder  (41,2  Proz.  der  in  Sachsen 
überhaupt  geschlachteten),  380170  Schweine  (45,5  Proz.),  188509  Kälber,  130243 
Schafe.  1562  Ziegen,  4852  Pferde,  389  Hunde. 

Von  diesen  Tieren  waren  wegen  gröfserer  oder  kleinerer  Mängel  und  Krankheiten 
zu  beanstanden,  ohne  Rücksicht  auf  die  folgende  Verwertung  (Freigabe,  Nicht- 
bankwürdigkeit, Verwerfung): 

22230  Rinder  =  28,.3  Proz.  der  geschlachteten, 

I  264  Kälber  =  0,0  „ 

4821  Schafe  =  3,7  ,, 

21  Ziegen  =  1,3  „ 

16449  Schweine  =  4,3  „ 

139  Pferde  =  3,9 

24  Hund  e  =  6,1  „ 

Es  wurden  vernichtet  mit  allen  Organen: 

619  Rinder  =  0,78  Proz. 

36  Schafe  =  0,02      „ 

321  Schweine  =  0,08      „ 

2  Ilunde  =  o,.-,o      „ 

Der  Freibank  waren  zu  überweisen : 

1084  Rinder        =  i,3     Proz.         174  Kälber  =  0,09  Proz. 

66  Schafe         =  0,0.0      „  3    Ziegen  =  0,19      „ 

3870  Schweine  =  1,02      „ 

Von  einzelnen  Organen  und  Teilen  wurden  beschlagnahmt  und 
vernichtet: 

Bei  Rindern:  15501  Lungen,  180  Herzen,  5891  Lebern,  593  Milzen,  1351  Mägen 
und  Gedärme,  358  Nieren,  1851  Uteri,  222  Euter,  128  Kopfteile,  145  Zungen,  139  ver- 
schiedene Teile.  —  Bei  Kälbern:  197  Lungen.  13  Herzen,  404  Lebern,  33  Milzen, 
62  Mägen  und  Gedärme,  420  Nieren,  6  verschiedene  Teile.  —  Bei  Schafen:  2542 
Lungen,  7  Herzen,  2227  Lebern,  17  Milzen,  11  Mägen  und  Gedärme,  19  Nieren,  159 
Uteri,  9  Euter,  1 1  verschiedene  Teile.  —  Bei  Ziegen:  10  Lungen,  5  Lebern,  1  Milz, 
1  Magen.  —  Bei  S  ch  weinen :  9011  Lungen,  365  Herzen,  6895  Lebern,  673  Milzen, 
2267  Mägen  und  Gedärme,  304  Nieren,  478  Uteri,  42V2  Euter,  69  Kojjfteile,  16  Zungen, 


I.S6 

Kälber 

= 

0,0  s 

Proz 

6 

Ziegen 

= 

0,3  8 

36 

Pferde 

= 

1,0  5 

Fleischbeschau. 


415 


205  verechiedene  Teile.  —  Bei  Pferden:  45  Lunpen,  4  Herzen,  15  Lebern,  3  Milzen, 
5  MüRen  und  Gedärme,  5  Nieren,  2  Uteri,  1  Euter,  1  Zunpe,  16  verschiedene  Teile.  — 
Bei  Hunden:  12  Lungen,  1  Leber,  1  Milz. 

Von  hauptsächlich  vorkommenden  Krankheiten  warden  folgende  festgestellt : 


Krankheit  bez.  Grund  zur 
Beanstandung 


Zahl  der  beanstandeten  Tiere 
Rind  '  Kalb     Schaf   Schwein 


Abmagerung  bez.  Unreife      .    .    . 

Abscesse 

Aktinomykose 

Distomatose 

Echinokokken  

Euterkrankheiten 

Finnen  

Gebärmuttererkrankungen     .    .    . 
Herzbeutel- und  Herzentzündungen 

Ikterus  

Knochenbrüche    

Kryptorchismus 

Lebererkrankungen 

Lungenerkrankungen      

Lnngenwürmer 

Magendarmerkrankungen  .... 

Muskelblutungen 

Muskelkonkremente 

Muskelstrahlenpilze 

Miescher'sche  Schläuche    .... 

Nabelvenenentzündung 

Nierenkrankheiten 

Peritonitis 

Pleuritis 

Pyämie  und  Septikämie    .... 

Rhachitis 

Rotlauf,  allgemeiner 

Rotlauf,  Urticaria 

Schweineseuche 

Transportschäden 

Trichinen 

Trächtige  Uteri 

Verschiedenes 

Tuberkulose     


•4 
814 
269 

2076 

39 
81 

2257 
108 

^_ 

70 

64 

56 

8 

I 

I 

6 
20 

501 
384 

84 
10 

86 

54 

— 

130 

144 

56 

33 

9 

250 

5 

129 

II 

I  144 

158 

16911 

104 
341 

303 

1268 
1536 


'3 

23 


340 

529 

703 

26 


157 
143 
207 


3 
21 1 

47 

210 

2230 

•3<2 

25 

216 

98 

76 

205 

611 

«355 
937 
150 

30 
39 
20 

2 

190 
28 

74 
6 

4 
165 

36 
11 

86 

28 

487 

732 

834« 


Ergebnisse  der  Fleischbeschau  in  Baden  '*  im  .lahre  l!s94. 


&s 

B 

e 
Ml 

Beschlagnahmte  Teile  u.  Eingeweide 

Dem  Konsum 

a 
3 

Dem  K 

onsum 

gewerbsmäfsig  geschlachteter  Tiere 

Tier- 

S  B 

entzogen 

ja 
2 

entzogen 

®  i 

.s  • 

gattODg 

(«eworb 
Schlac 

Stück 

Proz. 

J5 
ja 

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0 

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Proz. 

0 

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3 

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.n 
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N 

£ 
.2 

WS 

.  « 

■r 

Bullen 

8  246 

10 

0,1s 

61 

5 

8,2 

Ochsen 

20233 

8 

0,03 

342 

28 

8,18 

Kühe 

22811 

143 

0,6« 

5393 

802 

14.8 

Us 

538 

3164 

1929 

235 

114 

1400 

Rinder 

68846 

27 

0,03 

1199 

116 

9,« 

Pferde 

I  180 

31 

2,62 

36 

6 

16,6 

Kälber 

121  244 

*5 

0,08 

1084 

54 

4,9 

)•■ 

Schafe 

25558 

6 

0,02 

29 

Ziegen 

7  373 

8 

0,10 

39 

5 

13,0 

93 

4411 

3189     46 

80 

106 

Schweine 

215277 

79 

0,03 

874 

39 

4,4  6 

41Ö 


KDELMANN, 


Krsrohnisso  der  stHdtiscIion  FU'isi-lihescIiau  in  Iterlin  ''•  1803/04. 

lu  den  Schlachthäusern,  einschliefslich  dem  Polizcischlachthausc,  worden  ge- 
schlachtet: 144  928  Rinder,  557  573  Schweine.  119  187  Kälber.  417  747  Hammel.  Die 
gröfsten  Schlachttaee  waren  der  10.  Dezember  mit  1017  Rindern,  der  21.  Dezember 
mit  4084  Schweinen  der  21.  März  mit  2396  Kälbern  und  der  28.  August  mit  2881 
Hammeln.  Von  jüdischen  Schächtorn  wurden  10 061  Rinder,  6590  Kälber, 
4159  Hammel  geschlachtet.  Das  ritualmäfsig  geschlachtete  koschere  Fleisch  (die 
VordervierteH  ergiebt  nur  1.24  Proz.  des  in  Berlin  geschlachteten  und  1,04  Proz.  des 
Berliner  Konsums  überhaupt. 

.\n  ganzen  Schlachttieren  wurden  im  Polizeischlachthanse  und  von  der 
städtischen  Fleischbeschau  in  den  öffentlichen  Schlachthäusern  beanstandet  bez.  ver- 
worfen folgende  Tiere: 


Krankheit 


Rinder     Schweine     Kälber       Hammel  ,    Summa 


a)  Tuberkulose 

b    Finnen 

c)  Trichinen 

d)  Rotlauf 

e)  Wassersucht 

f)  Gelbsucht 

g^  Milzbrand 

h)  Entzünd.  versch.  Art    . 
i)  Strahlenpilze      .    .    .    . 

k)  Kalkkonkremente  .    .    . 

1)  Ekelerregende    Be- 
schaffenheit     

m^  Blutig,  zertreten   .    .    . 

n)  Zu  spät  gestochen    .    . 

o)  Andere  Krankheiten 

In  den  Schlachthofställen 
verendet      


1827 
276 


35 
I 

5 
25 


10 

30 

41 
16 


436 

2585 

123 

243 

29 

72 

26 

6 

45 

39 

14 

27 

599 

335 


76 


64 

7 

106 


53 
10 


17 


57 
22 

14 


7 
18 

165 
6 


2356 

2861 

123 

243 

185 
102 

5 
17' 

6 

45 

65 

70 

286 

631 
360 


Aufserdem  wurden  6610  ungeborene  Kälber  der  Abdeckerei  überwiesen. 

Von  den  unter  a,  b,  i,  k,  0  genannten  Tieren  konnten  im  gekochten  Zu- 
stande verwertet  werden  336  Rinder,  1988  Schweine,  1  Kalb.  1  Hammel,  zusammen 
2321  Tiere  mit  ca.  4500  Ctr.  Fleischgewicht  Das  Kochen  des  Fleisches  findet,  soweit 
es  von  tuberkulösen  Tieren  abstammt,  im  Ro  hrbec  k 'sehen  Apparate  (s  u.)  statt; 
in  dem  B  ecker-üllm  an  n'schen  Apparate  (s.  u.)  wird  das  Kochen  des  Fleisches  von 
schwachfinnigen  Tieren,  von  solchen,  deren  Fleisch  mit  Kalkkonkrementen,  Duncker- 
schen  Strahlenpilzen,  M  iescher'schen  Schläuchen  und  mit  multiplen  Blutungen  durch- 
setzt ist  vorgenommen. 

An  einzelnen  Organen  wurden  dem  Verkehre  entzogen : 


Krankheiten 

-  von  Rindern 

von  Schweinen 

von 

Kälbern 

von  Schafen 

Lungen  Lebern 

Lungen  Lebern 

Lungen  Lebern 

Lungen  Lebern 

veralt  Entzflnd. 

178           38 

8559       122 

23 

I 

2466           4 

Abscesse  . 

20;         432 

762       210 

2 

27 

2       — 

Echinokokken  . 

2670        693 

5976     3377 

— 

4778      2213 

Fadenwürmer  . 

7          ~~ 

3858       - 

— 

— 

881 1        — 

Diatomen      .    . 

49        1535 

—           17 

— 

2 

—       2064 

Aufserdem  wurden  beschlagnahmt 

wegen  Fäulnis :  1 7  Lungen,  2  Lebern,  44  kg  Fleisch ; 

Aktinomykose:  99  Rinderzungen,  74  Rinderkiefer; 
„      blutiger  Beschaffenheit:  1278,.=!  kg  Fleisch. 

Von  einzelnen  besonders  häufig  beobachteten  Krankheiten  sind 
folgende  zu  erwähnen: 

Tnberkulose  wurde  festgestellt  bei 
21  181  Rindern      =  14,0     Proz.  (im  Vorjahre  14,1    Proz.) 

3953  Schweinen  =    0,7        „    („  „  i,z      „       auffallender  Rückgang!) 

130  Kälbern      =    0,11       „    (  ,,  „  0,15     „     ) 

20  Schafen       =    0,004     ,. 

6 


Fleischbeschau.  417 

An  Gelbsucht  waren  erkrankt:  4  Rinder,  17  KÄlbt»r,  31  Schafe,  93  Schweine, 
von  welchen  7  Kälber.  18  Schafe,  71    Schweine  beschlapuahmt  wurden. 

Die  Wassersucht  war  bei  7  Rindern,  36  Kälbern.  104  Schafen  und  22  Schweinen 
in  einem  so  hoch  ausjjobildoten  Grade  zugegen,  dafs  deren  Vernichtung  erfolgen 
niufste. 

Wegen  Rotlauf  waren  236  Schweine  zu  beschlagnahmen. 

Scbweineseuche  gab  398  mal  Veranlassung  zur  Zurückweisung  des  Fleisches, 
jedoch  wurde  die  Krankheit  bedeutend  häufiger  beobachtet. 

F>ine  ekelerregende  Beschaffenheit  hatte  das  Fleisch  hol  8  Rindern, 
9  Kälbern.  8  Schafen,  35  Schweinen     Von  letzteren  bosassen  32  einen  fischigen  Geruch. 

An  Neubildungen,  welche  auf  die  Beschaffenheit  des  Fleisches  von  Einflufs 
waren,  wurden  beobachtet:  Sarkome  bei  2  Rindern  und  2  Schweinen  und  Lympho- 
sarkome bei  einem  Kalbe.  In  allen  Fällen  sassen  die  Neubildungen  in  der  Muskel- 
sabstanz selbst. 

Wegen  Entzündungen  verschiedener  Orgaue  und  wegen  deren 
Ausgänge  sind  21  Rinder,  101  Kälber,  10  Schafe,  24  Schweine  beanstandet  worden. 
Bei  den  Rindern  spielte  die  Fremdkörper-Pneumonio  in  Verbindung  mit  einer  trauma- 
tischen Haubcnzwerchfellentzündung  die  Hauptrolle.  Bei  den  Kälbern  kamen  vielfach 
peptische  Magengeschwüre  mit  folgender  Perforativperitonitis  vor. 

Finnen  wurden  gefunden  in  geringer  Zahl  bei  27(5  Rindern  und  1707  Schweinen. 
Stark  finnig  waren  877  Schweine. 

Trieb  inen  haltige  Schweine  sind  122  beschlagnahmt  worden,  davon  waren 
39  stark,  34  mittelstark  und  49  schwach  trichinös. 

Kalkkonkrem ente  waren  bei  45  Schweinen  Grund  zur  Vernichtung 

Multiple  Ecchymosen  wurden  sehr  oft,  D  unck  er 'sehe  Strahle  np  ilze 
nur  G  mal  gefunden. 

In  den  städtischen  Untersuchangsstationen  sind  an  eiagenüirtem  Fleisclie  unter- 
sacht  worden: 

163087  Rinderviertel.  156  981  Kälber,  39  598  Schafe,  96  714  Schweine  mit  einem 
Oebührenerträgnis  von  220921,50  M. 

Unter  diesem  Fleisch  waren  12  461  Rinderviertol,  3130  Schweine  dänischen  Ur- 
sprungs: ferner  2366  russische  Schweine,  147  Bakonyer,  847  Wildschweine,  sowie  32 
australische  Rinderviertel. 

Ferner  gelangten  8272  Schinken  und  2321  Speckseiten  zur  Untersuchung.  Ein 
amerikanischer  Schinken  war  stark  trichinös.  Ein  Fütterungsversuch  mit  den  unver- 
sehrt erscheinenden  Trichinen  verlief  resultatlos. 

Beschlagnahmt  wurden:  491  Rinderviertel,  86  Köpfe,  89  Zungen,  25  Lebern 
IS  Lungen  vom  Rinde ;  84  Schweine,  294  Kälber,  5  Schafe,  5  Ziegen  und  8  Ziegen- 
lämmer; 207  kg  Fleisch  verschiedener  Art  und  101  verschiedene  Fleisch-  und  Ein- 
gaweideteile. 

Resultate  der  Fleischbeschau  am  stildtischen  Vieh-  und  Schlachthofe  zu  Leipzig''' 

flir  das  Jahr  1894. 

Es  wurden  gänzlich  verworfen  von: 

22570  geschlachteten  Rindern        279  =  i,:i     Proz. 
57894  „  Kälbern         88  =  0,2 

45719  II  Schafen  2  =  0,004     „ 

102  192  „  Schweinen  575  =  o,f.        „ 

1058  „  Pferden  2  =  0,13      „ 

Der  Freibank  wurden  überwiesen: 

414  Rinder  =  1,8  Proz.         48  Kälber        =  o,i  Proz. 
13  Schafe  =  I         ,,  715  S  ch  wein  e  =  0,7       „ 

Aufserdem  wurden  an  einzelnen  Eingewoiden  von  Tieren,  deren  Fleisch  zur 
rnenschlichcn  Nahrung  zugelassen  werden  konnte,  beschlagnahmt  und  vernichtet: 

Bei  Rindern:  6859  Lungen,  18  Herzen,  1772  Lebern,  2ö2  Milzen,  803  Mägen 
Itez.  Därme,  63  Nieren  354  Uteri,  40  Euter,  2  Harnblasen,  27  Zungen  und  50  andere 
Kopftoile.  —  Bei  Kälbern:  24  Lungen,  48  Lebern,  3  Milzen,  11  Mägen  und  Ge- 
därme, 112  Nieren  und  1  Harnblase.  -  Bei  Schafen  und  Ziegen:  539  Lungen, 
299  Lobern,  2  Mägen  und  Därme,  4  Nieren  und  32  Uteri.  —  Bei  Schweinen: 
2504  Lungen.  4  Herzen,  2083  Lebern,  70  Milzen,  1121  Mägen  und  Därme,  S(j  Nieren. 
58  Uteri,  9  Euter  und  10  Netze.  —  Bei  Pferden:  17  Lungen.  1  Leber,  2  Milzen. 

Bei  der  Untersuchung  des  von  auswärts  eingeführten  Fleisches 


418 


EDELMANN, 


wurden    beschlagnahmt:    8  ganze  Kinder,    16  Rinderviertel,   5  ganze  Kälber,  1  ganze» 
und  1  halbes  Schwein,  230  Schweiuslebcrn,  35  verschiedene  Fleischstücke. 


Erpebuisse  der  Schlachtvieh-  ini<l  Fleiscliheschau  der  Staidt  Dresden  '^ 
vom  .laliro  1M>''>. 

Auftrieb    zu    den  Vieh  markten; 

28  635  Rinder  (12154  Ochsen.  8955  Kühe  und  Kalben.  7526  Bullen).  66  lOO 
Kälber.  53  84«  Schafe,  8  Ziegen,  1350.50  Schweine  (130  744  Land-,  4306  Bakonyer- 
Schweine  —  181  alter  Bestand). 

Schlachtungen: 
21683  Rinder  (8675  Ochsen,  5845  Kühe  und  Kalben,  7163  Bullen,  60564  Kälber 
43  355  Schafe.  3  Ziegen,    106906  Schweine   (102  419  Land-.  4487  Bakonyer-Schweine), 
1097  Pferde. 

Beanstandungen   und   Beschlag  nahraungen: 
a)  ganzer  Tiere: 


üesamt- 

Beschlagnahmt  und 

Tiergattung 

samme 
der  bean- 
standeten 

Vernichtet 

Zur  Freibank, 
roh,  gekocht 

Nur  das  Fett 

ausge- 
schmolyen  zur 

Bankwürdig 

Tiere 

oder  gepökelt 

Freibank 

Stück    Proz. 

Stück 

Proz. 

Stück    Proz. 

Stück    Proz. 

Stück    Proz. 

Rinder  zus.     .    . 

8424    38,85 

74 

0,34 

496 

2,28 





21  113 

97  38 

Ochsen      .    .    . 

3333     38,42 

'5 

0.1 7 

HS 

1,67 

— 

— 

8515 

98. 16 

Kühe  u.  Kalben 

2995     5I>25 

44 

0.75 

254 

4-34 

— 

— 

5  547 

94  91 

Bullen  .... 

2096     29,26 

15 

0,21 

97 

1,35 

— 

— 

7051 

98,44 

Kälber     .... 

664    ,     1,09 

32 

O,0.T 

162 

0,26 

— 

- 

60370 

99, «9 

Schafe     .... 

1152    1     2,65 

14 

0,03 

86 

0,19 

— 

— 

43255 

99. 7» 

Schweine  zus.    . 

6143   1    5-7 

15 

0,01 

1332 

1,24 

35« 

0,33 

105  201 

98  42 

Landschweine  . 

5744 

56 

15 

0.01 

"73 

1,14 

31Ö 

0,30 

100915 

98  .05 

Bakonyer  .    .    . 

399 

8,9 

— 

159 

3,54 

42 

0,93 

4  286 

95,5  3 

Pferde     .... 

43 

3.91 

17 

1,54 

~ 

~ 

I  080 

98  46 

b 

einz  eine  r  0 

r gan  e: 

TS 

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c)  Fleisch 

Tiergattung 

a 

s 

1 

«0 

0 

E3 

a 

a 

2 

OD 

l-I 

1^ 

kg 

Kinder  .    .    . 

6509 

47 

1726 

158 

III 

215 

539 

45 

32 

99 

97 

654,0 

Kälber  .    .    . 

lOI 

— 

199 

10 

5 

375 

— 

— 

— 

— 

3 

2,75 

Schafe   .    .    . 

707 

— 

474 

3 

5 

»3 

— 

2 

— 

I 

4,5 

Schweine  .    . 

2913 

169 

1882 

212 

S70 

121 

382 

14 

2 

2 

260 

372.0 

Pferde  .    .    . 

21 

- 

5 

2 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

(Siehe  Tabelle  S.  419.) 

Von  eingeführtem  frischen  Fleisch  wurden  im  Jahre  1895  zur  Be- 
schau gestellt: 

Rindfleisch:  526701,0  kg  (7538  Viertel,  1575  Schofs  mit  Lende,  714  Ein- 
geweide, 3^34  Zungenj.  Davon  wurden  zurückgewiesen  262  Stücke  =  8137,5  kg  und 
beschlagnahmt  150  Stücke  =  2613,40  kg. 

Kalbfleisch:  329  592,5  kg  (6323  ganze  Kälber,  41  Rücken,  2132  Keulen,  2555 
Keulen  mit  Rücken,  1042  Lebern,  4965  Eingeweide,  6  Zungen).  Zurückgewiesen  148 
Stücke  =  1191,40  kg.  beschlagnahmt  76  Stücke  =  180,35  kg. 


Fleischbeschau. 


419 


Die  Krank  lioiten.  welche  zur  Boschla«' nähme  t,'anzpr'riereVeran 
lassunp  paben.    sind  in  folgender  Tabelle  zusaninienK'estellt: 


Krankheit 


Abmagerung 

Abscesse 

BauchwasBereucht 

Blutige  Infiltration 

Cystitis  purulenta 

Embolien 

P'.ntzQndungen  Terschied.  Organe 

Finnen  

Gebärmuttererkrankungen     .    .    . 

Hautentzündungen      

Herzbeutel-   u.  Herzentzündungen 

Hitzschlag 

Ikterus  

Kreislaufstörungen     

Kryptorchismus 

Leuk.  Ljmphomatose 

Magen-  und  Darmentzündung  .    . 
Mangelhafte  Ansblutung  .... 

Melanose 

Morbus  maculosus 

Muskelblutungen 

Muskeldegeneration 

Muskelkonkremente 

Nabelvenencntzündung 

Nierenerkrankungen 

Osteomyelitis 

Peritonitis  und  Pleuritis  .... 
Pyämie  und  Septikämie    .... 

Rotlauf,  allgemeiner 

Urticaria 

Schweinepest 

Schweineseuche 

Schwergeburt 

Transporiverletzungen 

Trichinen      

Umfängliche  Verletzungen    .    .   . 

Unreife      

Urämie 

Wassersucht 

Verschiedenes      


Rinder 


9  ^ 


107 


Kälber 

I  !  1 


—   !      4 


Schafe 


5 
60 


Schweine 


C  O  t.     c 


2 


141 


Pferde 


53 


100 


91      2 

—  I      I 

6i      6 


,ra  , Hammelfleisch:  10494.0  kg  (361  ganze  Hammel,  20  Rücken,  90  Keulen 
198  Keulen  mit  Rücken,  121  Eingeweide.  Zurückgewiesen :  13  Stücke  =  60,1  kg,  be- 
schlagnahmt 4  Stücke  =  6,2  kg. 

Ziegenfleisch:  124,5  kg  als  8  ganze  Ziegen,  von  denen  1  Stück  =  13,0kg 
zurückgewiesen  wurde. 

Schweinefleisch:  284  022,5  kg  (1164  ganze  Schweine,  138!»  halbe  Schweine, 
1120  Keulen.  1U97  Carr^s,  3792  Keulen  mit  Carr^s.  31570  Lebern,  1128  Eingeweide, 
6  Zungen).  Zurückgewiesen:  190  Stücke  ==  1869,85  kg.  beschlagnahmt  727  Stücke 
=  1495,35  kg.  475  Stücke  für  Privatgebraucb,  wovon  157  Stücke  auf  Trichinen  unter- 
sucht wurden. 

Pferdefleisch:  150,0  kg  (4  Viertel  und  1  Eingeweide),  beschlagnahmt 
1  Stück  =  6,N  kg. 

Den  Trichinenscha  u  vo  rschri  ften  gemäfs  wurde  295  778  kg  einge- 
führtes verarbeitetes  Schweinefleisch   (8596,5  kg  gepi'.kelteii,  71 630,5  kg 


420  EDELMANN, 

Schinkon  und  peräuchertos  Fleisch,  215  551,0  kg  Wurst)  behandelt,  davon  mufsten 
9  Stücke  ficprikoltes  =  23,0  kg,  3497  Stücke  Schinken  und  geräuchertes  Fleisch 
=  17  515,5  kp  und  571  Würste  =  7G6,0  kg  in  den  Schauämtern  untersucht  werden, 
während  das  Uebrige  mit  Nachweis  einer  bereits  anderwärts  erfolgten  Untersuchung 
nur  zur  Kontrolle  angemeldet  wurde.  Beschlagnahmt  wurden  3  amerikanische 
Schinken  wegen  Trichinen  und  4  Schinken  wegen  Kinnen. 

1)  Gr&ber,    llütorisches  zur  Kntirickelung  dir  iifcnüicfien  Oesundheäspflege  auf  dem  Gebiete 

der   FUitchnahrung,   Inaug.-Diit.,  Leipzig   1884. 
3)  Goltz,   Arch.  J.  animal.   }\ahmng$mittelkunde   6.  Bd.    123,    151,   161. 

3)  Adler,    Die  Fleitchteuerungspolitüc    der   deutschen  Städte    heim    Ausgange    des  Mittelalters, 

Tübingen    1893 

4)  Morot.    liic.  de  med.   vä.  {\6^0)  Sept  ,  Progrh   vitir.  de  Paris  (IS91),  Xo.  2,  lief.  Zeitschr. 
/.   Fleisch-  u.   Müchhyg.  3.  Bd.  35. 

5)  Koch.  Berl.  tierämtl.    U ochenschr.  ^891)  380. 

6)  Zeitschr.  /.   Fleisch-  u.   Milchhyg.   2.   Bd.    140. 

1)  Hirschberg,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Milchhi/g.  2.  Bd.  140;  D.  med.  Wochenschr.  (1892) 
jSo  1(1.  —  25.  Jahresbericht  seiner  Klinik,  Berlin  1893,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Milclüiyg. 
4.    lid.    120. 

8)  Hangg.    l'eher  den  Cysticercus  cellulosae  des  Menschen,  Inaug.-Diss.,  Erlangen  1890. 

9)  Bollinger.   Münch.  med.    Wochenschr.  (1888)  No.  31,   OsteHag's  Handb.   2.   Bd.   7. 

10)  Deffke.   Arch.  f.  irissfnschajtl.  u   prakt    Tierheilkunde  13.  Bd.   1   u.  283. 

11)  Krabbe.    Virch.   Arch.  (1863)  225 

12)  Schoene.   Beitrag  zur  Statistik  der  Entozoen  im  JJunde,  Inaug.-IHss.,  Leipzig  1886. 

13)  Schmaltz.   Berl.  tierärztl.    Wochenschr.  (1895)  No,  32,  33,  34. 

14)  Edelmann,  Sachs.    Veteriwirbericht  (1894)   156. 

15)  JJ.  tierärztl.    Wochenschr.  3.   Bd.  177. 

16)  Hertwig,   Aus  dem   Vencaltungsbericht  des  Magistrats  zu  Berlin,  No.  31,  Berlin  1894. 

17)  Hengst,   Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.   Milchhyg.  5.  Bd    135. 

18)  Edelmann,   Deutsch,  tierärztl.    Wochenschr.  4.   Bd.   140. 

Litteratur  übor  Fleischbeschau. 

1.    Wis  senschaftliche    Lehr-    und  Handbücher. 

Oerlach,  Die  Fleischkost  des  Menschen  vom  sanitären  vnd  marktpolizeiiichen  Standpunkte, 
Berlin  1875. 

Falk,  Das  Fleisch,  Marburg  1880. 

Baraj'iski.    Anleitung  zur    Vieh-  und  Fleischbeschau,     Wien  und  Leipzig   1882,    3.   Aufl.    1887. 

Schmidt-Mälheim,  Handb.  d    Fleischkunde,  Leipzig  1884. 

Villain  et  Bascon,   Manuel  de  l'inspecteur  des    Viandes,  Paris  1885,   2    Aufl.   1890. 

Villain,    La   riande  saine,  Paris  1894;  La  viande  malade,  Paris   1894. 

Postolka  u.  Toscano,   Die  animaliichen  Nahrungs-  und  Genu/tmittel  des  Menschen,    Wien  1893. 

Btröse,  Hilfstajfln  für  das  Obduktionsbuch,  Göttingen  1894. 

Ostertag,  Handb.  d.  Fleischbeschau,  StuttgaH  1892,  2.  Aufl  1895,  733  SS.  Auf  dieses  vorzüg- 
liche, den  jetzigen  Standpunkt  der  wissenschaftlichen  und  praktischen  Fleischbeschau  völlig 
umfassende  Werk  sei  hiermit  ganz  besonders  mit  dem  Bemerken  hingeviiesen,  dafs  natur- 
gemäfs  der  Verf.  vorliegender  Abhandlung  in  vielen  Punkten  sich  an  die  Ost  er  tag'  sehe 
Bearbeitung  anlehnen  mvfste. 

Schwarz,  Bau,  Einrichtung  und  Betrieb  von  öffentlichen.  Schlachthöfen,  Berlin  1894,  enthält 
auch  viele,  besonders  die  Organisation  der  Fleischbeschau  betretende,  interessante  Einzel- 
heiten. 

2.  Für  Laien-  Flei  s  chb  eschauer  bestimmte  Bücher  und  p  opulär  e 

Litte  ratur. 

Lydtin.  Anleitung  zur  Ausübung  der  Fleischbeschau  für  badische  Fleischbeschauer,  Karlsruhe 
1878,   2    Aufl.   1890. 

Schwarznecker,  Anleitung  zur  Begutachtung  der  Schlachttiere  und  des  Fleisches,  Berlin  1894. 

Mölter.   L'.itfaden  zum    Unterricht  in  der  Fleischbeschau,   2     Aufl  ,   München   1894. 

Schenk.   Katechismus  der  praktischen  Schlachtvieh-  und  Fleischbeschau,    Wiesbaden   1894. 

Simon,   Grundrifs   der  gesamten   Fleischbeschau,   Berlin   1894. 

Eischoeder,   Leitfaden  der  praktischen  F'leischbesr.hau,  Berlin  1895. 

Hengst  und  Schmidt,  Das  Fleisch  unserer  Schlachttiere.  Die  Bedeutung  der  Fleischnahrung, 
sowie  die  sachgemäfse  Beurteilung  und  die  Verwendung  des  F'leisches  der  Schlachttiere 
im  Haushalte.      16  Farbendrucklafeln  nebst  Erläuterung.     Leipzig  1894. 


Fleischbeschau.  421 

3.    l>  i  e     Trichinenichau    behandelnde    S  c  h  rij  te  n. 

Au*  der  gro/ten   Zahl  der  ersehienentn   Anleitungen,    Leitj<iden    u.   dergl.,   welche  vielfach 

nur  da*  für  dte   Au*bildunij  von    Trichinenschauern   notdürftigste  ilaterial  enthalten,   seien  hier 

folijeiide  ertcähnt: 

Bupprecht,   Iter   Trichinentueher  etc.,   14    Aufi  ,  HetUtädt  1887. 

Wolflf.    l>ie    Untersuchung  de*   Fleuche*  auf   Trichinen,  7.    Aufi ,   Breslau   1893. 

Peokert,    Kurze   Anleitung  zur   Trichinenschau   etc.,    Merseburg    1893. 

Weifl,    IjChrkursu*   der  praktischen  Trichinen-  und  Finnenschau  etc.,    2.  Aufl.,    Düsseldorf  I69i. 

Long   und  Preaise.   Praktische   Anleitung  zur    Trichinenschau,   Berlin    1895. 

John«,  Der  Trichxnenschauer.  Berlin  1886,  5  Aufl.  1896.  166  SS.  Dieses  ausgezeichnete 
Buch  verdient  ganz  besondere  Empfehlung.  Es  enthält  nicht  nur  alles,  was  der  prak- 
tische Trtchinenschauer  bei  der  Ausübung  seines  Berufes  wissen  mu/s,  sondern  bietet  auch 
dem  wissenscha/llich  Gebildelen  Gelegenheit,  sich  schnell  über  alU  bei  der  Trichinenschau 
in   Betracht  kommenden    Verhältnisse  zu  orientieren. 

4.  Die  Gesetzgebung  der  Fleischbeschau  byttreffende    Werke. 

ßchmidt-Mülheim,  Der  Verkehr  mit  Fleischwaren  und  das  Nahrungsmitttlgesetx  vom  14.  Mai 
1879,    Berlin   1887,   2.    Aufl.,  bearbeitet  von   Goltz-  Halle  a.   S.,    Wiesbaden    1895. 

Schlampp,  Die  Fleischbeschau-Gesetzgebung  in  den  sämtlichen  Bundesstaaten  des  deutschen 
lUiches.   StuUgart   1892 

Würibarg,  Die  Sahrungsmittet-Gesetzgebung  im  Deutschen  Reiche  und  in  den  einzelnen  Bundes- 
staaten. Leipzig  1894.  Ein  sehr  instruktives  Werk,  welches  unter  juristitcher  Beleuchtung 
die  Gesetzgebung  über  Nahrungsmittel  erschöpfend  behandelt  und  vom  Verf  mannigfach 
benutzt  teer  den  mu/ste. 

5.   Zeit  t  ehr  ift  e  n. 

Schmidt- Mölheim,  Zeitschrift  für  Fleischbeschau  und  Fleischproduktion,  sowie  für  verwandte 
Wusensgebiete,  begründet  Karlsruhe  (1885/^6)  Nach  dem  Erscheinen  von  3  Bänden  tcurde 
Oktober  1888  der  Titel  abgeändert  in  Archiv  für  animalische  Xahrungsmittelkunde,  das 
bis  1894  erschienen  ist  und  in  Bd.  6 — 8  von  Dr.  Anton  Sticker  in  Köln  herausgegeben 
wurde. 

Oitertag,   Zeitsehr.  f.  Fleisch-  u.  Müchhyg.,  begründet  Berlin  (1890),  Monatsschr. 

Aufserdem  enthalten  fast  alle  tierärztlichen  Fachzeitschriften  zerstreute  Veröffentlichungeti  aus  der 
Fleischbeschau  und  animalischen  Nahrungsmittelkunde.  Bei  der  Reichhaltigkeit  der  Litteratur 
an  Mitteilungen  aus  den  letztgenannten  Gebieten,  besonders  tn  kasuistischer  Beziehung,  ist 
es  dem  Verf.  unmöglich,  in  dieser  Bearbeitung  alle  VeröjTentlichungen  aufzuführen.  Die 
in  den  folgenden  Abschnitten  gegebenen  Litteraturangahen  können  daher  einen  Anspruch 
auf  absolute    Vollständigkeit  nictit  machen. 


I.  Kapitel. 

Vll^onieines. 
1.  Wesen  der  Fleischbeschau. 

Unter  Fleischbeschau  versteht  man  ganz  im  allgemeinen  die 
Untersuchung  von  Fleisch  und  der  aus  demselben  hergestellten  Pro- 
dukte auf  ihre  ordnungsmäßige  Aitstammung  und  Beschatfonheit  als 
Nahrungsmittel  für  Menschen.  Da  diese  Untersuchung  in  voll- 
kommener Ausführung  sich  auch  auf  das  Schlachttier  im  lebenden 
Zustande  und  insbesondere  nach  dessen  Schlachtung  auf  sämtliche 
Eingeweide  des  Tieres  zu  erstrecken  hat,  so  wäre  es  richtiger,  von 
einer  Schlachtvieh-  und  Fleischbeschau  zu  sprechen. 

Sobald  im  Sinne  dieser  Beschau  von  dem  Begriff  Fleisch 
die  Rede  ist,  so  ist  darunter  nicht  nur  die  (juergcstreiftf  Muskulatur 
des  tieri>chen  Körpers  samt  den  damit  in  organi.sclior  Verl)in(lung 
stehenden  (ieweben,  als  Fett,  Bindegewebe,  Nerven,  Blut-  und  Lymph- 
gefäßen. Lymphdrüsen  und  selbst  Knochen  und  Knorpel  zu  verstehen, 


422  EDELMANN, 

soiulern  es  sind  violniohr  alle  zum  Genuese  für  Menschen  geeigneten 
Teile  der  Schlachttiere  darunter  zu  suhsuniniieren.  Wenn  einzelne 
dieser  Teile  in  sanitärer  Hinsicht  eine  besondere  Beurteilung  ver- 
dienen, welche  von  der  des  Fleisches  im  eigentlichen  Sinne  abweicht, 
so  wird  dies  besonders  hervorzuheben  sein. 

2.  Zweck  und  Aufgaben  der  Fleischbeschau. 

Zu  den  Zwecken  und  Aufgaben  der  Fleischbeschau  gehört  in 
erster  Linie  die  Abhaltung  von  Schädlichkeiten,  welche 
durch  den  F 1  e  i  s  c  h  g  e  n  u  ß  der  menschlichen  .Gesundheit 
drohen.  Gleichzeitig  übernimmt  eine  gut  organisierte  Fleischbeschau 
die  Aufgabe,  in  kommerzieller  Beziehung  das  Publikum 
beim  Fleischeinkauf  vor  Ueber vorteilung  und  Täusch- 
ung zu  schützen,  indem  sie  das  nach  seiner  Abstammung  oder  Be- 
schaffenheit nicht  vollkommen  einwandsfreie  Fleisch  dem  Deklarations- 
zwange beim  X'erkaufe  unterwirft. 

Bei  Erfüllung  dieser  Hauptzwecke  vermag  die  Fleischbeschau 
auch  der  Veterinärpolizei  durch  Entdeckung  von  Tierseuchen 
wichtige  Dienste  zu  leisten,  und  durch  möglichst  vollkommene  u  n  - 
schädliche  Beseitigung  aller  Produkte  von  Krank- 
heiten samt  deren  Erregern  in  allgemein  hygienischer  Be- 
ziehung für  Menschen  und  Tiere  nutzbringend  zu  wirken. 

3.  Ausbreitun ssgebiet  der  Fleischbeschau. 

Als  Objekte  dienen  der  Fleischbeschau  zunächst  die  landes- 
üblichen S  chlachttiere  (s.  S.  423),  welche  lebend  und  nach  der 
Schlachtung  durch  geeignete  Sachverständige  (s.  S.  439)  zu  unter- 
suchen sind.  Diese  Untersuchung  läßt  sich  am  vollkommensten  bei 
den  Tieren  ausführen ,  welche  in  öffentlichen  Schlachthäusern  ge- 
schlachtet werden.  Es  lassen  sich  zwar  auch  die  in  den  zerstreut 
liegenden  Privatschlachtstätten  eines  Gemeinwesens  geschlachteten 
Tiere  einer  Beschau  unterwerfen,  jedoch  bleibt  diese  aus  naheliegen- 
den Gründen  umständlich  und  weniger  zuverlässig.  Bei  einer  Beschau 
in  einem  öffentlichen  Schlachthause  erstreckt  sich  diese,  der  Gleich- 
mäßigkeit wegen,  auch  auf  die  für  Privatzwecke  geschlachteten 
Tiere,  obgleich  es  nur  im  öffentlichen  Interesse  liegt,  daß  diejenigen 
Tiere  untersucht  werden,  deren  fleisch  als  Nahrungsmittel  für  Menschen 
frisch  gewerbsmäßig  verwertet  werden  soll,  oder  das 
zur  Herstellung  von  Fleisch  waren  für  den  Handelsverkehr 
dient.  (Ueber  Schlachthöfe  und  Viehraärkte  vgl.  dies.  Handb. 
6.  Bd.  23  ff.) 

Zu  einer  vollkommenen  Fleischbeschau  gehört  auch  eine  Kon- 
trolle der  aus  den  Schlachttieren  hergestellten  Fleisch  waren  ,  sowie 
die  Beschau  der  übrigen  zur  menschlichen  Ernährung  dienenden 
im  Handel  befindlichen  Tiere  (Wildpret,  Geflügel,  Fische, 
Krustentiere,  Amphibien,  Muscheln). 

Bei  den  mannigfachen  Schwierigkeiten  jedoch,  welche  sich  dieser 
Ausdehnung  der  Fleischbeschau  entgegenstellen  und  in  anbetracht 
des  Fehlens  überhaupt  jeglicher  Fleischbeschau  in  vielen  Gegenden 
Deutschlands ,  bleibt  als  nächstliegendes  Bedürfnis  vor  allem  eine 
Beschau  der  Schlachttiere  anzustreben.  Bezüglich  der  Fleischwaren 


» 


Fleischbeschau.  423 

und  der  ül)ri!Zon  Fleischsortcii ,  kann  man  sicli  vorläuHfi,  auf  eine 
allgemeine  marktpolizeiliche  Kontrolle  beschränken.  Für  letztere 
allmählich  die  erforderlichen  (Jrundlagen  l)ehuf.s  Anbahnung  einer 
wissenschaftlichen  Beschau  zu  gewinnen,  bleibt  eine  dankl)are  Auf- 
gabe der  ausübenden  Fleischbeschaubeamten,  besonders  in  den  großen 
Städten. 

4.  Schlachttiere. 

Die  in  Deutsciiland  vorzugsweise  zum  Zwecke  der  Verwertung 
als  Nahrungsmittel  für  Menschen  zur  Schlachtung  kommenden  Tiere, 
teilt  man  ein  in  Großvieh.  Schweine  und  Kleinvieh. 

Zum  Großvieh  gelKiren  Rinder,  Pferde,  Esel  und  Maul- 
tiere. Die  Rinder  kommen  zur  Schlachtung  als  männliche  Tiere 
(Bullen,  Farren ,  Samenrinder,  Stiere),  als  geschnittene,  kastrierte 
männliche  Individuen  (Ochsen,  Schnittochsen),  als  weibliche  Tiere, 
(Kühe,  Kall)en,  Kalbinnen,  Färsen,  (^)uienen).  Büffel  werden  in 
Deutschland  nur  als  gelegentlich  aus  dem  Auslande  importierte  Tiere 
geschlachtet. 

Die  Schweine  (auch  Stechvieh  in  Oesterreich  genannt)  schlachtet 
man  vorwiegend  als  kastrierte  männliche  und  weibliche  Tiere;  doch 
gelangen  auch  Eber  und  Muttersauen  und  mitunter  Kryptorchiden 
zur  Schlachtung,  ebenso  wie  gelegentlich  ganz  junge  Tiere  als 
Ferkel,  Spanferkel,  Frischlinge  oder  Milchschweine. 

Unter  Kleinvieh  versteht  man  Kälber,  Schafe  und  Ziegen. 

Von  sonstigen  Haustieren  gelangen  noch  folgende  zur  Schlach- 
tung und  Verspeisung: 

Hunde,  welche  auch  in  einigen  Städten  (z.  B,  Chemnitz, 
Leipzig,  Dresden)  dem  Schlachtzwange  sowie  der  Fleischbeschau 
unterliegen.  In  Chemnitz  wurden  in  den  Jahren  ISHO,  91  und  92 
auf  dem  Schlachthofe  untersucht  312,  280  und  271  Hunde:  in  Leip- 
zig in  den  gleichen  Jahren  ICS,  9(3  und  61'^  Stück.  In  München 
hat  der  Handel  mit  Hundefleisch  so  erheblich  zugenommen,  daß  die 
Behörden  beabsichtigen,  denselben  durch  geeignete  Maßnahmen  zu 
überwachen.  Ebenso  scheint  in  Belgien  viel  Hundefleisch  in  den 
Konsum  zu  gelangen. 

Katzen  werden  ebenfalls  gelegentlich  mit  geschlachtet  und 
auch  in  betrügerischer  Absicht  mitunter  als  Hasen  in  den  Handel  gc- 
l>racht  (s.  unten). 

Kaninchen  schlachtet  man  in  großer  Zahl,  jedoch  meist  nur 
für  den  Hausgebrauch.  In  einzelnen  Gegenden  Frankreichs  bildet 
Kaninchenfleisch  einen  nicht  unbedeutenden  Konsumartikol. 

Das  schlachtbare  Hausgeflügel  mag  hier  unberücksichtigt 
bleiben. 

Das  Alter  der  Schi  ach  ttiere  ist  mit  von  Einfluß  auf  die 
Beschaffenheit  ihres  Fleisches,  dessen  Güte  von  verschiedenen  hier 
nicht  zu  erörternden  Faktoren,  wie  Geschlecht,  Fütterung,  Mastzustand 
(Grawitz',  Die  Gewebsveränderungen  bei  der  Mästung),  Haltung 
der  Tiere,  beeinflußt  wird  und  im  übrigen  sich  nach  den  Körper- 
regionen richtet,  denen  es  entnommen  ist.  Das  geeignetste  Alter  zur 
Schlachtung  bewegt  sich,  für  gemästete  Tiere,  bei  Rindern  zwischen 
:\  und  <■)  Jahren,  bei  Schweinen  zwischen  '/,  und  1'/,  Jahren,  bei 
Schafen  zwischen  1   und  4  Jahren.     Kälber   sollten  nicht  unter  3 


424  EDELMANN, 

bis  4  Wochen,  Spanferkel  niclit  nntor  2,  Ziegen  und  Lämmer 
nicht  unter  o  Wochen  geschhichtet  werden.  Da  Fleisch  zu  junger 
Tiere  im  Nähr-  und  Genußwerte  dem  von  älteren  Tieren  nachsteht, 
so  ist  das  Mindest -Schlachtalter  der  Kälber  vielfach  in  Fleischbe- 
schau-Verordnungen und  -Regulativen  festgesetzt  worden. 

Nach  Würzburg'  ist  das  Schlachten  von  Kälbern  unzulässig  in  Hessen- 
Nassau,  wenn  dieselben  noch  nicht  8  Schneidezähne  haben,  in  Sachsen-Alten- 
burg  (Verord.  d.  Landesregierung  v.  2.  Nov.  1852  u.  7.  April  1856),  wenn  sie  noch 
nicht  14  Tage,  im  Über-Elsafs,  wenn  sie  noch  nicht  20  Tage,  im  Herzogtum 
Koburg,  wenn  sie  noch  nicht  3  Wochen  alt  sind    i Kälber  von   kranken  Kühen  sind 

Sieichfalls  vom  Schlachten  ausgeschlossen),  in  Lothringen  bei  einem  geringeren 
ewicht  als  50  kg.  In  Reufs  ä.  L.  ist  vor  demselben  Alter  und  bei  einem  Gewicht 
der  Tiere,  mit  Ausnahme  des  Felles,  des  Kopfes  und  des  Gehänges,  von  weniger  als 
36  Pfund,  jeder  Kauf  und  Verkauf  verboten.  Kälber  dürfen  in  Oberfranken  nicht 
zum  Zweck  des  Verkaufs  geschlachtet  werden,  wenn  sie  noch  nicht  8  Schneidezähne 
haben,  desgleichen  in  Unter  franken,  wenn  sie  aufserdem  noch  nicht  14  Tage  alt 
sind.  Das  Fleisch  gilt  zwar  als  geniefsbar,  abernichtbank  fähig  in  der  Pfalz  (wenn 
noch  nicht  6  Schneidezähne  vorhanden  sind  oder  das  Fleisch  mager,  von  welker  Be- 
schaffenheit und  verwaschen  rötlicher  Farbe  ist,  oder  das  Knochenmark  sehr  blutreich 
erscheint),  in  Baden  (desgl.)  vor  dem  14.  Lebenstage  der  Tiere  ;  vor  gleichem  Alter 
in  Hessen  loder  beim  Vorhandensein  von  Durchfall  oder  Nabelgeschwüren),  Herzog- 
tum Gotha,  Schwarzburg-Rudolstadt;  vor  dem  20.  Lebenstage  im  Unter- 
Elsafs. 

5.  Schlachtung  und  Schlachtmethoden. 

Die  handwerksmäßige  Schlachtung  der  Tiere  beginnt  mit  der 
Tötung  derselben,  welche  in  Deutschland  ausnahmslos  durch  Blut- 
entziehung erfolgt.  Letztere  muß  eine  möglichst  vollkommene  sein. 
weil  der  Blutgehalt  des  Fleisches  seine  Haltbarkeit  wesentlich  be- 
einflußt. Ein  möglichst  vollkommenes  Ausbluten  wird  erzielt,  wenn 
Herz  und  Atmung  recht  lange  in  Thätigkeit  bleiben.  Da  beides 
wesentlich  von  der  Intaktheit  der  Medulla  oblongata  mit  den  Centren 
für  Atmung,  Herzthätigkeit  und  Vasomotoren  abhängt,  so  würden  die- 
jenigen Tötungsarten  die  besten  sein,  bei  welchen  das  verlängerte 
Mark  nicht  verletzt  wird.  Die  Blut  entz  iehung  erfolgt  beim  Groß- 
vieh durch  den  Bruststich ,  bei  Kleinvieh  und  Schweinen  durch 
den  Halsstich  oder  Halsschnitt.  Letzterer  wird  auch  bisweilen  bei 
Rindern  angewendet,  insbesondere  ausschließlich  bei  der  Schlachtung 
der  Tiere  nach  dem  israelitischen  Ritual.  Aus  Humanitätsrück- 
sichten sollte  jeder  Blutentziehung  eine  Betäubung  des  Schlacht- 
tieres vorangehen,  welche  auch  bei  den  meisten  Schlachtungen, 
mit  Ausnahme  derjenigen  nach  jüdischem  Ritus,  vorgenommen  wird. 
Mit  dieser  Betäubung  wird  gleichzeitig  bezweckt,  die  starken  Ab- 
wehrbewegungen der  Tiere  zu  verringern  und  die  daraus  für  den 
Menschen  erwachsenden  Gefahren  abzuwenden.  Nach  der  Ausführung 
dieses  Betäubungs-  etc.  Verfahrens  unterscheidet  man  folgende  sog. 
Schlachtmethoden: 

A.  Methoden,  welche  wesentlich  auf  das  Grofshim  wirken. 

1)  Der  Stirnschlag,  mittels  schwerer  Holzkeule,  Hammer  oder 
Knopfaxt  ausgeführt,  findet  bei  allen  Schlachttieren  Anwendung  und  ver- 
anlaßt, bei  sicherer  Ausführung,  sofortiges  Niederstürzen  und  Betäubung. 
Ebenso  wirkt: 

2)  Der  Stirn  schlag  mittels  der  Hackenbouterolle    oder 

14 


Fleischbeschau. 


425 


^^ 


des  Bolzouhammors,    wohei    ein    runder,    meißelartiger  Stift  in   das 
Großhirn  eindringt. 

3)  Der  Stirnschlag  unter  Benutzung  der  sog.  S  chlac  h  t  m  as  k  e 
oder  Bouterollo  von  Bruneau.  Die  Beschaffenheit  dieses  Apparates, 
welcher  ausschließlich  bei  Rindern  Anwendung  rindet,  geht  aus  der  Ab- 
bildung 1  hervor.  Der  Bolzen  (Boulon,  Bouterolle«  wird  in  das  Ge- 
hirn   hineingetrieben ,    worauf  das   Tier 

sofort  niederstürzt.  Rissling-''  zieht  an 
Stelle  des  soliden  Bolzens  einen  starken 
Hohlcyliuder  vor.  Kleine  Aenderungen 
an  der  Maske  stammen  von  K  ö  g  1  e  r 
(Seh w a r z*).  Nach  Abnahme  der  Maske 
wird  in  der  Regel  ein  Rohrstäbchen  in 
die  Oetfnung  des  Schädeldaches  einge- 
führt, um  weitere  Himteile  zu  zerstören. 
Die  dadurch  entstehenden  konvulsivi- 
schen Zuckungen  machen  zwar  einen 
widerwärtigen  Eindruck,  erfolgen  jedoch 
bei  aufgehobenem  Bewußtsein.  Der  von 
D  e  mb  o  ^  ^  ausgesprochene  Zweifel  über 
die  Zuverlässigkeit  der  Wirkung  der 
Schlachtmaske,  ist  durch  eine  statistische 
Zusammenstellung  Siedamgrotzky's^ 
als  widerlegt  zu  erachten. 

4)  Der  Stirn  schlag  mittels  des  Federbolzenapparates 
nach  K  1  ein  schmid  t  ^,^,  bez.  des  Bo  Izenapp  a  ra  te  s  nachKögler^. 
Beide  Instrumente  wirken  als  Bouterollen  und  dienen  zum  Betäuben  von 
Schweinen  und  Schafen  (Fig.  2  u.  Fig.  4,  S.  426). 


Fig.    1.     Kopf  vom  Rinde  mit  an- 
gelegter Schlachtmaske. 


3 


itiriiMiiiifini'iiiiiiiiri — '■ 


Fig.  2.  Senkrechter  Durchschnitt  durch  das  Mittelstück  einer  Rinderschlachtmaske. 
(Mach  Kögler.)  a  FUhrunKsrinne  im  i^chiagbolzen,  b  eisernes  Mittelstück,  c  Führungs- 
schraube für  den  Schlagbolzen,  d  Lederwerk   der   Maske. 

5)  Das  Erschießen  der  Schlachttiere  mittels  der  Schußmaske 
von  Siegm,und^.     Ein    ähnlicher    Apparat,    ohne    das    Lederwerk     der 


'5 


42(3 


EDELMANN, 


Maske  wird  ueuerdiiigs  durch  die  Patroneufabrik  S  t  ahel  in  WoUishofeu 
bei  Zürich  hergestellt  und  durch  die  Firma  Arthur  Stoff  in  Erfurt  in 
den  Handel  gebracht  (Fig.  3).  lieber  die  Anwendung  und  Wirkung  dieser 
Apparate,  welche  besonders  zu  empfehlen  sind,  seitdem  die  Patronen  mit 
rauch-  und  knallschwachem  Pulver  geladen  werden,  ist  nichts  weiter  zu 
sagen.  (Vergl.  die  Veröffentl.  von  Edelmann  ^*',  Bayersdörfer 
und    Görig '^   und  Fuchs'*.) 


B.  Methoden,  welche  die  Leitung  zwischen  Gehirn  und  Hückenmark 

unterbrechen. 

1)  Der  Genickschlag  \Yird  mittels  der  Axt,  Hackenbouterolle, 
Keule  oder  schweren  Hammers  ausgeführt.  Es  ist  besonders  bei  stark 
gehörnten  oder  alten  Schafen  die  beste  Betäubungsart. 

2)  Beim  Genickstich  wird 
ein  dolchartiges,  starkes  Messer 
zwischen  Atlas  und  Occiput  einge- 
trieben und  damit  die  Medulla  oblon- 
gata  zerstört. 

Bei  beiden  Methoden  stürzen 
die  Tiere  meist  sofort  zusammen.  Beim 
Genickstich  bleibt  jedoch  das  Be- 
wußtsein noch  einige  Zeit  erhalten 
und  sind  daher  die  Tiere  anfangs  nur 
wehrlos.  Aus  diesem  Grunde  ist  dieses 
Verfahren  zu  verwerfen,    dem  außer- 


Fitr.  3.  Kopf  vom  J^hde-  mit  dem 
Schufsapparat  für  Grofsvit-h  nach  8  t  a  h  e  1  - 
Stoff. 


dem  die  mit  der  Zerstörung  der  Me- 
dulla verbundene  ungünstige  Beein- 
flussung des  Ausblutens  als  Nachteil 
anhaftet. 
Als  älteste  Schlachtmethode,  die  aber  ohne  Betäubung  der  Tiere 
ausgeführt  wird,  ist  zu  erwähnen : 

C.  Das  Schächten  nach  israelitischem  Ritus,  welches 

und     Kleinvieh 


bei  Rindern 
Anwendung 
werden    die 


Fig.  4.  Senkrechter  Durclischnitt  durch  einen 
Bolzenapparat  zur  Betäubung  von  Schweinen.  (Nach 
K  ö  g  1  e  r.)  a  Schlagbolzen  ,  h  Führungsrinne  im 
Bolzen ,  c  Führungsschraube  für  den  Schlagbolzen, 
d  eiserner  Mittelcylinder,  e  Oehr  zur  Befestigung  des 
hölzernen  Stiels. 

r6 


findet.  Hierzu 
Tiere  gefesselt  und  niederge- 
legt, worauf  ihnen  von  einem 
mosaischen  Kultusdiener  mit- 
tels eines  besonderen,  breiten 
und  sehr  scharfen  Messers 
der  Hals  bis  zur  Wirbelsäule 
durchschnitten  wird.  Der  Tod 
der  Tiere  erfolgt  durch  lang- 
sames Verbluten  aus  den 
großen  Halsgefäßen.  Das 
Niederlegen  und  Fesseln 
großer  und  kräftiger  Rinder 
ist  oft  mit  Schwierigkeiten 
und  Gefahren  für  den  Schläch- 
ter verbunden  und  wird  meist 
zur  erheblichen  Quälerei  für 
das  Tier.  lieber  die  Vorteile 
und  Nachteile  des  Schächtens 
vom     humanitären,      physio- 


Fleischbeschau.  427 

logischen  und  hygienischen  Standpunkte,  sowie  seine  Berechtigung  in 
ritueller  Beziehung,  ist  seit  Mitte  dieses  Jahrhunderts  ein  heftiger  Streit  ge- 
führt worden,  auf  den  hier  nicht  näher  eingegangen  werden  kann.  Es  sei 
nur  erwähnt,  dali  das  Schächten  ohne  vorherige  Betäubung  im  Königreich 
Sachsen  und  in  der  Schweiz  verboten  wurden  ist,  eine  Maßregel,  welche  aus 
Humanitätsrücksichten  die  vollste  Billigung  verdient.  Im  übrigen  muß  auf  die 
Arbeiten  und  Veröffentlichungen  von  Kayserling*^^  Bauwerker '^i 
Dembo  •*,»*,  StrebeH',  Ehrmann'«,  Mitter  meier'»,Joger  2", 
Kleinschmidtsi,  Fenner^ä^  Mandela,  Vollers^*^  Friede- 
mann ^'^  u.  a.,  den  Abschnitt  in  Ostertag's  Handbuch  2«^  sowie  die 
Sammlung  von  254  Gutachten  über  das  Schächten  ^^,  herausgegeben  vom 
Komitee*'  zur  Abwehr  antisemitischer  Angriffe,  verwiesen  werden. 
Endlich  ist  noch  anzufiihron  die  nur  in  England  angewendete: 

D.  Englische  Patentmethode.  Nach  Betäubung  des  Rindes  mittels 
Stirnschlag  werden  die  Lungen  komprimiert,  indem  man  durch  eine 
zwischen  den  Rippen  eingesetzte  Kanüle  mit  dem  Blasebalge  Luft  in 
den  Thoraxraum  treibt.  Dabei  bleibt  alles  Blut  im  Körper,  welches 
die  Saftigkeit  und  den  Nährwert  des  Fleisches  zwar  erhöht,  dessen  Halt- 
barkeit aber  erheblich  l)eeinträchtigt. 

Daß  auch  versucht  worden  ist,  Schlacht tiere  mittels  Dyna- 
mit und  durch  den  elektrischen  Strom  zu  töten,  mag  als 
Curiosum  nicht  verschwiegen  bleiben. 

Ueber  den  weiteren  Verlauf  des  handwerksmäßigen 
Schlachtens  mögen  folgende  skizzenhafte  Bemerkungen  einigen 
Aufschluß  geben, 

Rinder  und  Pferde  werden  in  Rückenlage  teilweise  enthäutet. 
Darauf  erfolgt  Absetzung  der  Füße  im  Carpal-  bez.  Tarsalgelenk  und 
des  Kopfes  (wobei  die  Hörner  der  Rinder  abgehackt  werden,  um  an  der 
Haut  zu  verbleiben),  das  Abdomen  wird  in  der  Mittellinie  behufs  Heraus- 
nahme der  zusammenhängenden  großen  Fettmasson  des  Netzes  eine  kurze 
Strecke  geöffnet.  Nachdem  noch  das  Brustbein  sagittal  und  das  Becken 
in  der  Symphyse  durchsägt,  Penis,  Hoden  und  ev.  Euter  abgeschnitten 
worden  sind,  wird  das  Tier  an  einem  zwischen  Achillessehne  und  Unter- 
schenkelbein durchgesteckten  Balken  in  die  Höhe  gezogen,  um  weiter 
abgehäutet  und  schließlich,  bis  auf  die  in  situ  verbleibenden  Nieren,  aus- 
genommen zu  werden. 

Bei  Schweinen  erfolgt  durch  das  sog.  Brühen  in  Wasser  von 
60 — 70  °  C.  eine  Lockerung  der  Haare  und  Epidermis,  welche  durch  Ab- 
schaben entfernt  werden.  Nach  Abspülung,  Aufhängen  an  den  Beuge- 
sehnen der  Zehen  der  Hinterfüße,  findet  die  Herausnahme  der  Einge- 
weide statt;  nur  die  Nieren  läßt  man  meist  in  der  Lage,  wenn  sie  nicht 
mit  dem  retroperitonealen  Fettpolster  (Schmeer,  Liesen,  Flohmen)  heraus- 
genommen werden. 

Kleinvieh  wird  teil.s  auf  einem  Schrägen  liegend,  teils  hängend 
nach  Entfernung  der  Füße  abgehäutet  und  hierauf  ausgenommen,  wobei 
immer  die  Nieren,  mitunter  Leber  und  Milz,  sowie  die  Brusteingeweide 
in  situ  bleiben. 

Zum  Zweck  der  Zerlegung  werden  Großvieh  und  Schweine  in 
der  Regel  sofort  nach  der  Schlachtung  in  sagittaler  Richtung  durch 
Spaltung  der  Wirbelsäule    in  zyiei  Hälften  zerlegt ;    Kleinvieh  bleibt  zu- 

Haadbuch  der  Hyreoe.     Bd    III.    Abtlg.  2.  28 

«7 


428  EDELMANN, 

meist  vorläutig  ungeteilt.     Auf   eine    weitere  Zerlegung    kann    hier  nicht 
eingegangen  werden  i^s.  Stutzer  S.  208  dies.  Bds.). 

Behufs  Verwertung  werden  von  den  Eingeweiden  Mägen  und  Ge- 
därme entleert  und  sorgfältig  gereinigt.  Ueber  die  weitere  Ausnützung 
der  Eingeweide,  des  Fettes  und  der  sog.  Schlachtabfälle  siehe  Stutzer, 
Bd.  III  Abt.  I,  218  d.  Handbuchs. 

Gesetzliche  Bestimmungen  über  das  Sclilai-hton  von  Tieren  nach  Wernicb 
und  W  e  h  ui  e  r  * '. 

In  Preussen  enthalten  die  MinisterialerlaBse  v.  16.  Dezbr.  1889  n.  25.  März  1890 
i^Veröffentl.  des  kaiserl.  Gesundheitsamts  1890  55  und  23)  über  das  Verfahren 
beim  Schlachten  des  Viehes  nähere  Angaben.  Im  Anschlufs  an  sie  wurden 
in  den  einzelnen  Landestcilen  entsprechende  Polizeiverordnungen  erlassen.  —  Im 
Reg.-Bez.  Coblenz  ist  durch  Polizeiverordnung  v.  23.  September  1891  der  Genick- 
stich verboten 

In  Uajern  wurde  das  Verfahren  beim  Töten  der  Schlachttiere 
durch  den  Erlafs  des  Staatsministeriums  des  Innern  v.  19.  Februar  1890  (Veröffentl. 
des  kaiserl.  Gesundheitsamts  1890,  116i  geregelt. 

Im  Königreich  Sachsen  schreibt  die  Verordnung  des  Ministeriums  des  Innern  v. 
21. März  1892,  das  Betäuben  der  Schlachttiere  betr..  vor,  dafs  beim  Schlachten 
sämtlicher  Tiere,  mit  Ausnahme  des  Federviehs,  der  Blutentziehung  die  Betäubung 
vorausgehen  müsse. 

Das  Schächteu  nach  Jüdischem  Ritus  betreffen  folgende  Verordnungen: 

In  Preussen  untersagte  ein  Erlafs  der  Minister  des  Innern  und  der  geistlichonf 
Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten  vom  14.  Januar  1889  (Veröffentl.  des 
Kaiserl.  Gesundheitsamts  114j  alle  unnötigen  Tierquälereien  und  traf  besondere  Ver- 
ordnungen für  ein  schonendes  Niederlegen  der  Tiere,  sichere  Befestigung  des  Kopfes 
und  dergl. 

In  Bayern  erging    hierüber  am  12.  Juli  1889    ein  Erlafs    des  Staatsministeriums 
des  Innern  (Veröffentl.  d.  Kaiserl.  Gesundheitsamts  508). 

Im  Königreich  Sachsen  ist  das  Schächten  nach  obiger  Verordnung  verboten, 
wenn  ihm  nicht  eine  Betäubung  vorangeht. 

Für  Baden  sind  die  Bestimmungen  über  die  rituelle  Schlachtmethode  des 
Schächtens  in  der  Minist-Verord.  v.  29.  März  1888  enthalten.  (Veröffentl.  d.  Kaiserl. 
Gesundheitsamts  531.) 

Nach  Ostertag*-  bestimmt  in  Meiningen  ein  Ausschreiben  v.  29.  Mal  1891  die 
Vermeidung  unnötiger  Tierquälereien  beim  Schächten  unter  Anlehnung  an  den  oben 
erwähnten  preufs.  Erlafs. 

In  der  Schweiz  wurde  im  August  1893  die  Aufnahme  des  Schächtverbotes  in  die 
Bundesverfassung  durch  Volksabstimmung  mit  187  000  gegen  112  000  Stimmen  und  mit 
11  V»  gegen  lö  ',2  Kantonstimmen  beschlossen. 

6.  Die  Notschlaelituniieii. 

Eine  besondere  Erwähnung  verdient  eine  Art  von  Schlachtungen, 
welche,  allenthalben  als  Notschlachtungen  bezeichnet,  in  sanitäts- 
polizeilicher Beziehung  die  größte  Beachtung  erfordern. 

Bei  den  Notschlachtungen  handelt  es  sich  um  verunglückte  oder 
kranke  Tiere,  deren  Leben  mehr  oder  weniger  gefährdet  erscheint, 
und  welche  deshalb,  um  wenigstens  das  Fleisch  als  Nahrungsmittel 
für  Menschen  noch  zu  retten,  schleunigst  abgeschlachtet,  not  ge- 
schlachtet werden.  Wenn  nun  auch  mancherlei  Krankheiten,  welche 
Veranlassung  zu  Notschlaohtungen  geben,  dem  Fleische  der  Tiere 
keine  der  menschlichen  Gesundheit  nachteiligen  Eigenschaften  ver- 
leihen, so  giebt  es  dennoch  auch  einige,  welche  bedenklichster  Art 
.sind  und  schon  oft  Leben  und  Gesundheit  zahlreicher  Menschen  ge- 
fährdet haben.  Sehr  zutreffend  sagt  Schmidt- Mülheim^^:  „Wo 
immer  die  menschliche  Gesundheit  nachwei.slich  durch  Fleischgenuß 
geschädigt  worden  ist,  da  hat  es  sich  kaum  je  um  Fleisch  gehandelt^ 
welches    aus    öffentlichen    Schlachthäusern     mit    geregelter    Fleisch- 

i8 


Fleischbeschau.  429 

hepchaii  h(M-vnrpin<r.  sondern  nni  solches,  wolchos  von  lu'inilirh  not- 
geschhu'liteten  Tieren  herrührte.''  Dies  ist  n:ichj;e\viesen  für  eine 
ganze  Reihe  von  epidemischen  Fleischvergiftungen,  von 
denen  Hollinger^'  mit  Recht  behauptet,  dal5  mindestens  *l(,  dieser 
Krkrankungen  mit  Notschlachtungen  zusammenliängen. 

Ueber  die  Häufigkeit  der  N  ot  seh  lach  t  u  n  ge  n  giebt  die 
Statistik  des  (irol5herzoj.^tums  Raden  beachtenswerte  Aufschlüsse. 
Nach  Lydtin''-  kommen  in  Raden  auf  KHX)  Rinderschlachtungen 
(einschl.  der  Kälber)  10  Notschlachtungen ;  auf  den  ganzen  deutschen 
Viehbestand  übertragen,  wurden  im  Jahre  1891  etwa  160000  Not- 
schlachtungen vorgenommen. 

Von  Fällen,  welche  gesundheitsschädliches  Fleisch  lieferten,  kamen 
in  Raden  ISSS/Jl  auf: 


1000 

gewerbl 

Schlachtungen 

1000 

Notschlachtungen 

bei  Rindern 

','■ 

Fälle 

128 

Fälle 

..    Kälbern 

0,4 

4,y 

., 

„    Schafen 

0,2 

,, 

20,2 

,j 

,.    Zielen 

0,8 

,, 

72,5 

,, 

..    Schweincr 

0,3 

1, 

63,4 

,, 

..     Pferden 

14.2 

„ 

44.-» 

•5 

Die  Notschlachtungen  schließen  demgemäß,  gegenüber  den  ge- 
werblichen Schlachtungen,  bei  Rindern  eine  80  mal  größere  Gefahr  ein, 
Itei  Kälbern  ist  letztere  12  mal.  bei  Schafen  KAhnal,  bei  Ziegen  90mal. 
l»ei  Schweinen  211  mal  und  bei  Pferden  omal  größer. 

Erhellt  daraus  schon  die  sanitäre  Redenklichkeit  der  Notschlach- 
tungen im  allgemeinen,  so  wird  diese  noch  gesteigert,  wenn  man 
erwägt,  daß  es  sich  bei  den  Notschlachtungen,  wie  Ostertag^^ 
(S.  fiOö)  zutreffend  bemerkt:  „durchaus  nicht  immer  um  typische  Er- 
krankungen, sondern  in  vielen  Fällen  um  K  r  an  khei  t  en  dunklen 
T'rsprungs  (kryptogenetische  Sepsis)  handelt".  Aus  diesem  (irunde 
ist.  selbst  für  einen  wissenschaftlich  gebildeten  Fleischbeschauer,  die 
Reurteilung  notgeschlachteter  Tiere  in  gewissen  Fällen  mit  Schwierig- 
keiten verbunden,  die  seine  Kenntnisse  und  Gewissenhaftigkeit  niclit 
selten  auf  eine  harte  Probe  stellen.  Zu  einem  sachgemäßen  Unter- 
suchungsverfahren notgeschlachteter  Rinder  giebt  Maier^'  An- 
weisungen. 

Basenau^^  schlägt  vor,  das  Fleisch  notgeschlachteter  Tiere,  welche 
der  Sepsis  oder  Pyämio  verdächtig  sind,  bakteriologisch  zu  untersuchen. 
Er  gebt  davon  aus,  daß  nach  Gärtner  und  Forster  3  Tage  altes 
normales  Fleisch  nur  in  den  äußersten  Randznnen  Bakterien  enthält  und 
selbst  10  Tage  altes  solche  nur  bis  zu  einer  Tiefe  von  1  cm  aufweist.  Finden 
sich  bei  dem  suspekten  Fleisch  in  Ausstrichdcckglaspräparaten  aus  der  Tiefe 
von  kompakten  Fleischstücken  Mikroorganismen,  so  ist  das  Fleisch  vom 
Genüsse  auszuschließen.  Bei  negativem  Befunde  im  Deckglaspräparate 
hat  man  mit  viel  Material  und  3 — 4  Fächer  Verdünnung  Platten  zu  gießen 
und  bis  zweimal  24  Stunden  auf  die  Entwickelung  von  Kolonien  zu 
warten.    Treten  letztere  auf,  so  Beschlagnahmung  ;  anderenfalls  Freigabe. 

In  Anbetracht  der  erwiesenermaßen  aus  den  Not.schlachtungen 
den  Menschen  drohenden  Gefahr  müßte  mit  strengen  gesetz- 
lichen Mitteln  darauf  hingearbeitet  werden,  die  Not- 
schlachtungen einer  tierärztlichen  Kontrolle  zu  unter- 

'2b* 

«9 


430  EDELMANN. 

stelloii  (D  a  in  ha  eher"'''),  llienlurcli  würde  im  sanitären  Interesse 
der  Bevölkerunii  sclion  viel  erreicht  wertlen,  und  die  Staaten,  welche 
sieh  nicht  zur  Einführung  einer  alljienieinen  Fleisclibeschau  ent- 
schließen können,  sollten  wenigstens  mit  der  Ein  rieh  tun  g  einer 
obligatorischen  tierärztlichen  Beschau  aller  not- 
geschlachteten Tiere  nicht  zögern.  Damit  würden  sich  die 
Wege  für  eine  allgemeine  Fleischbeschau  von  selbst  ebnen.  Bezüglich 
der  hierbei  zu  berücksichtigenden  Einzelfragen  sei  auf  das  er- 
schöi)fende.  ausgezeichnete  Referat  Lydtin's^^  gelegentlich  der 
Würzlturger  Versammlung  des  Deutschen  Vereins  für  öffentliche  Ge- 
sundheitspflege verwiesen. 

Oesotzliolie  ßcstiiniiiuii?en  Über  yotschlachtuiigen. 

Von  Staaten  und  Landscliaftoii,  welche  eine  allgemeine  Fleischbeschau  nicht  be- 
sitzen, haben  die  naclipenannten  für  die  Verwertung  des  Fleisches  kranker  Tiere  und 
insbesondere  des  von  Notschlachtungen  stammenden  Fleisches  ihre  Aufmerksamkeit 
gewidmet  und  diesbezügliche  Verordnungen  ^"^  erlassen. 

PreiLssen,  Reg.-Bez.  Breslau.  Nach  der  Polizoiverordnung,  betr.  den  Verkauf 
des  Fleisches  von  Tieren,  die  wegen  einer  Krankheit  geschlachtet  worden  sind,  vom 
13.  September  1873  darf  solches  nur  mit  der  auf  Grund  tierärztlichen  Zeugnisses  er- 
folgten Genehmigung  der  Ortspolizeibehörde  verkauft  werden. 

Rtjg.-Bez.  Liegnitz.     Desgl.  vom  3.  September  1873. 

Reg.-Bez.  Stade.  Aehnliche  Bestimmungen  durch  Polizeiverordnung  vom 
20.  November  1893. 

Reg.-Bez.  Minden  ^■'.  Die  Polizeiverordnung  vom  9.  April  1895  verbietet  den 
Verkauf  des  Fleisches  notgeschlachteter  und  kranker  Tiere,  sofern  derselbe  nicht 
durch  Bescheinigung  eines  approb.  Tierarztes  genehmigt  ist.  Der  Verkauf  hat  unter 
Angabe  der  Krankheiten  zu  erfolgen.  Ueber  Beanstandung  von  Tieren  und  deren 
Teilen  hat  der  Tierarzt  der  Ortspolizeibehörde  Anzeige  zu  erstatten.  Die  Behörde 
hat  die  unschädliche  Beseitigung  der  Tiere  zu  veranlassen. 

Reg.-Bez.  Bromberg'"'.  Polizei  Verordnung  vom  18.  April  1894  giebt  ähnliche 
Vorschrilten.     Verkauf  des  Fleisches  unter  Deklaration  leider  nicht  angeordnet. 

Sachsen.  Das  Rundschreiben  der  kgl.  Kommission  für  das  Veterinärwesen  an 
sämtliche  Tierärzte  vom  23.  Dezember  1889  enthält  eine  Belehrung  über  die  Be- 
urteilung des  Fleisches  notgeschlachteter  Tiere.  —  Die  Ministerialverordnung*' 
betr.  den  Verkauf  von  Fleisch  und  Fett  kranker  Tiere  vom  17.  De- 
zember 1892  nebst  Ausführungsverordnung  sei,  weil  sie  am  meisten  dem  derzeitigen 
wissenschaftlichen  Standpunkte  der  Beurteilung  des  Fleisches  kranker  Tiere  für  den 
menschlichen  Genufs  entspricht,  hier  zum  Abdruck  gebracht. 

Verordnung,    den  Verkauf  von  Fleisch    und  von  Fett  kranker  Tiere 
betrefifend,  vom  17.  Dezember  1892. 

§1.  Es  ist  verboten,  Fleisch  einschliefslich  des  Fettes  von 
Tieren  feil  zu  halten  und  zu  verkaufen,  welche  mit  einer  der  nachstehend  benannten 
Krankheiten  behaftet  waren,  als  Milzbrand,  Rauschbrand,  Wutkrankheit, 
Rotz- (^Wurm-)  Krankheit,  eitrige  und  jauchige  Blutvergiftung, 
üochgr adi  ger  Rotlauf,  hochgradige  Gelbsucht; 

ferner  von  kranken  Tieren,  welche  zwar  an  keiner  der  vorstehend  genannten 
Krankheiten  gelitten  haben,  bei  denen  aber  anhaltendes  hochgradiges  Fieber  oder  aus- 
gedehnte Entzündung  und  Eiterung  vorhanden  gewesen  ist; 

sowie  von  Tieren,  welche  infolge  von  Vergiftungen  erkrankt  waren,  sofern  nicht 
die  Geniefsbarkeit  durch  tierärztlichen  Ausspruch  festgestellt  ist ; 

endlich  von  umgestandonen,  ungeborenen  oder  totgeborenen 
Tieren. 

Soweit  nicht  besondere  Bestimmungen  einschlagen,  ist  derartiges  Fleisch,  ein- 
schliefslich 4es  Fettes,  zu  vernichten,  oder  nur  zu  technischen  Zwecken  zu 
verwenden. 

§2.  Gleichfalls  verboten  ist  das  Feilhalten  und  der  Verkauf  des 
Fleisches,  ausschliefslich  des  Fettes, 

a)  von  Tieren,   welche  wegen   erheblicher  Verletzungen   geschlachtet  worden  sind, 

20 


Fleischbeschau.  431 

wenn  die  Schlachtunp  später  als  12  Stunden  nach  der  Verletzung,'  erfolg  ist 
und  die  Genicfsbarkeit  des  Fleisches  nicht  ausdrücklich  durch  den  Ausspruch 
eines  Tierarztes  bestätipt  wird : 

b)  von  Tieren,  deien  Fleisch  mit  Finneu.  Mi  os  cher'echen  Schläuchen,  Strahlen- 
pilzen, Konkrementen  oder  Blutungen,  oder 

c)  mit  Trichinen  in  so  profser  Zahl  durchsetzt  ist,  dafs  solches  seiner  Beschaffen- 
heit nach  sich  auffällig  von  gesundem  Fleische  unterscheidet ; 

d)  von  Tieren  mit  hochgradiger  und  ausgebreiteter  Tuberkulose,  sobald  dieselben 
zugleich  erheblich  abgemagert  waren  und  ihr  Fleisch  eine  von  gesundem  Fleische 
abweichende  BeschaÖenheit  zeigt,  oder 

e;  von  solchen  Tieren    mit  verallgemeinerter  (generalisierter)  Tuberkulose,    welche 
zugleich  hochgradig  abgemagert  waren  oder  tuberkulöse  Einlagerungen  in  ihrem 
Fleische  und  den  Knochen  oder  den  zugehörigen  Lymphdrüsen  aufweisen ; 
f)  von    tieberhaft    erkrankt    gewesenen  Tieren,    bei  welchen    sich    eine   akute  ver- 
allgemeinerte Miliartuberkulose  vorfindet. 
Das  Fett  der  vorstehend  genannten  Tiere    darf  im  ausgeschmolzenen  Zustande 
unter  Angabe    des  Fehlers  als   menschliches  Nahrungsmittel  verkauft  werden; 
in  den  unter  c,  d.  e  und  f  gedachten  Fällen,    jedoch   nur    unter   der  Bedingung  und 
Voraussetzung,  dafs  das  Ausschmelzen  auf  den  unter  tierärzthcher  Aufsicht  stehenden 
Schlachthöfen  bei  einer  Temperatur  von  mindestens  +  100"  C  stattgefunden  hat. 

Können  diese  Bedingungen  nicht  erfüllt  werden,  so  darf  das  Fett  nur  technisch 
verwertet  werden,  oder  es  ist  zu  vernichten. 

Das  Fleisch  in  den  unter  a  bezeichneten  Fällen  darf  zur  Fütterung  für  Tiere 
verwendet  werden.  Dagegen  ist  das  Fleisch  in  den  Fällen  unter  b,  c,  d,  e  und  f  zu 
vernichten. 

§  3.  Verboten  ist  das  Feilhalten  und  der  Verkauf  des  Fleisches  im 
rohen  Zustande  von  Tieren,  deren  F'leisch  sich  zwar  in  seinem  Aeufseren  nicht 
vom  Ansehen  gesunden  Fleisches  unterscheidet,  aber 

a)  in  mäfsiger  Zahl  von  Finnen  oder 

b)  „        „  „        ,.    Trichinen  durchsetzt  ist ; 

c)  von  Tieren   mit   verallgemeinerter  Tuberkulose,    so    lange  dieselben  nicht  hoch- 

gradig abgemagert  waren  und  Fleisch  und  Knochen  sowohl  als  auch  die  zu- 
?ehörigen  Lymphdrüsen  frei  von  Tuberkulose  sind,  auch  die  tuberkulösen  Organe 
eicht  entfernt  werden  können. 

Dagegen  darf  das  Fleisch  in  dem  unter  a  genannten  Falle  in  vollständig  gar 
gekochtem  oder  auch  gut  durchgepökeltem  Zustande, 

in  den  unter  b  und  c  genannten  Fällen  jedoch  nur,  nachdem  es  in  einem  unter 
tierärztlicher  Aufsicht  stehenden  Schlachthofe  durch  Kochen  vollständig  unschädhch 
gemacht  (sterilisiert)  worden  ist,  jedoch  in  allen  Fällen  (a,  b  und  c)  nur  unter  Angabe 
des  Fehlers  verkauft  werden 

Das  Fett  darf  in  dem  unter  a  genannten  Falle  in  ausgeschmolzenem  Zustande 
ohne  weitere  Beschränkung,  in  den  unter  b  und  c  genannten  Fällen  jedoch  nur  dann 
als  menschliches  Nahrungsmittel  unter  Angabe  des  Fehlers  verkauft  werden,  nach- 
dem es  in  einem  unter  tierärztlicher  Aufsicht  stehenden  Schlachthofe  geschmolzen 
worden  ist 

t;  4.  Von  sonstigen  kranken  Tieren,  deren  Fleisch  nicht  unter  die  vorstehenden 
Verbote  fällt,  sind  die  krankhaft  entarteten,  d.  h.  mit  Blut  durchtränkten,  entzündlich 
veränderten  oder  mit  Eiterherden,  Kalkablagerungen  oder  Neubildungen,  mit  Einschlufs 
der  Tuberkeln  oder  tierischen  und  pflanzlichen  Schmarotzer  durchsetzten  Fleischteile 
oder  Organe  vom  Verkaufe  auszuschliefsen  und  zu  vernichten. 

§  5.  Bei  Handhabung  gegenwärtiger  Verordnung  sind  die  näheren  Bestimmungen 
der  beigefügten  Anweisung  zur  Richtschnur  zu  nehmen.  In  allen  zweifelhaften  Fällen 
bähen  die  Ortspolizeibehörden  den  Ausspruch  eines  Tierarztes  einzuholen  und  ihren 
Entscheidungen  zu  Grunde  zu  legen. 

sj  6.  Zuwiderhandlungen  gegen  die  vorstehenden  Anordnungen  werden,  soweit 
nicht  anderweite  Strafvorschriften  einschlagen,  mit  Geldstrafe  bis  zu  150  M.  oder  mit 
Haft  bestralt. 

Dresden,  am  17.  Dezember  1892. 

Ministerium  des  Innern. 
V.  M  e  t  z  s  c  h. 

Gebhardt 

Anweisung  für  die  Ansfiihning  der  Verordnnnp  vom  17.  I>e/.ember  IMh?, 
den  Verkauf  von  Fleiseh  und  >on  Fett  kninkcr  Tioii'  belrenen<i. 

Für  die  Beurteilung  der  Gesundheitsfchädlichkeit  des  Fleisches  von  kranken 
Tieren  sind  folgende  Grundsätze  mafsgebend : 


43l'  EDELMANN, 

vj  1.    In  jedem  Falle  als  gesundheitsschädlich  ist  das  Fleisch  einschliefs- 
lich  (los  Fettes  zu  erachten  von  Tieren,  welche  an: 
a^  Milzbrand, 

b)  Raaschbrand, 

c)  Wutkrankheit. 

d)  R  otz -  Wu  rni -)Kran  kh  eit 
gelitten  haben;    ferner 

e )  bei  eitriger  und  jauchiger  Blutvergiftung    (Pyämie   und   Septikämie)    im 

Anschlufs  an 

&&)  ausgebreitete  Entzündungen   äufserer  Teile    mit  Uebergang    in  Eiterung 
oder  Brand  und  Schwellung  der   zugehörigen  Lymphdrüsen  (namentlich 
beim  Durchliegen,    brandigem  Rotlauf,    fortschreitender    septischer  oder 
eitriger  Entzündung  des  Zellgewebes  des  Euters  etc.), 
bb)  eitrige .    septische    oder    sonstige    infektiöse   Entzündung    innerer  Teile 
mit  Ausbreitung    auf   die  zugehörigen  Lymphdrüsen  oder   benachbarten 
serösen  Häute    (namentlich  Lungenentzündungen    mit  Ausgang  in  Eite- 
rung  oder  Brand,    heftiger    (ruhrartiger)  Darmentzündung,    Berstungen 
des  Magens.  Darms  oder   der  Harnblase,  Gebärmutterentzündung,  Puer- 
peralfieber, phlegmonöse  Gebärmutterentzündung),  Aaspocken; 
fl  bei  Rotlauf   der  Schweine,    wenn    ausgebreitete    blaurote  Färbung   der  Haut 
oder  blutige  Durchtränkungen    im  Zellgewebe,   Speck  oder  in  inneren  Organen 
gefunden  werden  ; 
g^   bei  hochgradiger  Gelbsucht,    wenn  Muskeln  und  Fett  deutlich  gelbe  Farbe 

zeigen  (namentlich  bei  Lupinose,  Nabelveneuentzündung  junger  Tiere) ; 
h)   bei  Vergiftungen,    wenn  anzunehmen  ist,   dafs  die    giftigen  Stoffe  ins  Blut 
aufgenommen  und  in  dem  Fleische  in  solchen  Mengen  enthalten  sind,  dafs  das- 
selbe die  Gesundheit  des  Menschen  gefährdet,    oder  dasselbe  Ekel  und  Wider- 
willen   erregt,    daher    namentlich  bei  Vergiftungen    durch  scharfe,    narkotische, 
metallische    und    stark    riechende    Mittel  (Tabak,  Niefswurz,  Brechnufs,  Opium 
und  seine  Alkaloide.  Phosphor,  Arsenik,  Quecksilber,  Karbolsäure  etc.) ; 
i)   bei    anhaltendem     hochgradigen    Fieber     oder    ausgedehnten 
Entzündungen  und  Eiterung,  wenn  sogenannte  typhöse  Erscheinungen 
(grofse    Hinfälligkeit.     Eingenommenheit     des    Kopfes,     blaurote  Färbung     der 
Schleimhäute    oder  Anschwellung  äufserer  Teile)    vorhanden  gewesen  sind    und 
bei    der  Sektion  Entmischung    des  Blutes,  Mürbheit    beziehentlich  Erweichung 
der  parenchymatösen  Organe,  Herz,  Leber,   Nieren,  Blutungen  und  blutigseröse 
Ergiefsungen  in  den  Körperhöhlen    gefunden  werden    (so  namentlich  bei  Diph- 
theritis  der  Kälber,    brandiger  Bräune,    schweren  Fällen  der  Kopfkrankheit  der 
Rinder,  Nierenentzündungen),    dagegen    ausgenommen    die    nervöse   oder  para- 
lytische Form  des  Gebärfiebers. 
S  2.     Als    gesundheitsschädlich  bez.  verdorben    im   rohen    wie    gekochten 
Zustande  ist  das  Fleisch  zu  erachten,  das  Fett  hingegen  im  ausgeschraol- 
z  e  D  e  n  Zustande  im  Handel  zuzulassen  bei  folgenden  Krankheiten : 

a)  bei  erheblichen  Verletzungen,  wenn  die  Tiere  später  als  12  Stunden 
nach  denselben  geschlachtet  worden  sind  und  bei  der  Sektion  ausgedehnte  Blu- 
tungen, Zertrümmerung  von  Gewebe,  Austritt  von  Magen-,  Darrainhalt  oder 
Harn  in  die  Bauchhöhle  etc.  vorgefunden  wird  ; 

b)  bei  Finnen,  wenn  dieselben  in  so  grofser  Zahl  vorkommen,  dafs  sie  auf  jeder 
Schnittfläche  zu  sehen  sind,  oder  das  Fleisch  eine  hellere  Farbe  und  wässerige 
Beschaffenheit  angenommen  hat ; 

c)  bei  Trichinen,  wenn  sie  in  so  grofsor  Zahl  vorkommen,  dafs  das  Fleisch 
eine  vom  gesunden  Fleische  abweichende  Beschaffenheit  zeigt; 

d)  bei  M  ies  ch  e  r 'sehen  Schläuchen,  Strahlenpilzen,  Konkremen- 
ten und  Blutungen,  wenn  dieselben  im  Fleische  in  so  grofser  Zahl  vor- 
handen sind,  dafs  dasselbe  in  seiner  Beschaffenheit  auffällig  von  der  des 
Fleisches  gesunder  Tiere  verschieden  ist; 

e)  bei  Tuberkulose, 

aa  1  wenn  dieselbe  hochgradig  und  ausgebreitet  ist,  zu  erheblicher 
Abmagerung  geführt  hat  und  das  Fleisch  seiner  Beschaffenheit  nach 
sich  auffällig  von  gesundem  Fleische  unterscheidet ; 

bb)  wenn  dieselbe  verallgemeinert  (generalisiert)  ist,  d.  h.  wenn  die 
Ausbreitung  der  tuberkulösen  Prozesse  im  Körper  nur  durch  den  Blut- 
strom 'mit  Ausnahme  des  Pfortaderblutstromes)  stattgefunden  haben 
kann,  gleichzeitig  hochgradige  Abmagerung  vorhanden  ist,  oder  das 
Fleisch  und  die  Knochen  oder  die  zugehörigen  Lymphdrüsen  von  Tu- 
berkeln durchsetzt  sind; 


\ 


Fleischbeschau.  433 

cc)  wenn  solche  in  Form    einer    niil    Fieber    V(>rbundenon  (akuten^ 
verallgemeinerten  (embolischon"»  Miliartuberkulose  auftritt. 
Da»  Fett  von  Tieren,    welche    an    einer    der  vorstehond    unter  a,  b  und  d  be- 
zeichneten Krankheiten    gelitten    haben,    darf  im  ausgeschmolzenen  Zustande  unter 
ausdrücklicher  Angabe  seiner  Abstammung   ohne  weitere  Beschränkung, 

das  von  Tieren  mit  einer  der  unter  c  und  e  genannten  Krankheiten,  aber  nur 
unter  der  Voraussetzung  zum  Verkauf  zugelassen  werden,  dafs 

1)  das  Ausschmelzen  derartigen  Fettes  nur  auf  unter  tierärztlicher  Aufsicht  stehen- 
den Schlachtöfen  erfolgt: 

2)  das  Abschöpfen  oder  Ablassen  des  Fettes  nicht  eher  beginnt,  bis  in  demselben 
mittels  Thermometers  eine  Temperatur  von  mindestens  +  100 "  C  festgestellt 
worden   ist : 

3^  der  Verkauf    desselben    unter    ausdrücklicher  Angabe    seiner  Abstammung  von 

kranken  Tieren  auf  der  Freibank  erfolgt. 

t?3.    Nur    in  vollständig    gar    gekochtem    oder    in    vollständig 

durchgepökeltem    Zustande    und    unter  Angabe    des    Fehlers    darf   finniges 

Fleisch,  soweit  sein  Verkauf  nicht  nach  §  2  verboten  ist,    feilgeboten  und  verkauft 

werden 

Kochen  und  Pökeln  hat  unter  polizeilicher  Kontrolle,  und  letzteres  immer  nur 
in  der  Weise  zu  geschehen,  dafs  vor  beendeter  Pökelung  kein  Teil  aus  dem  Pökelfafs 
entfernt  werden  kann.  Die  Pökelung  hat  mindestens  4  Wochen  anzudauern  und  darf 
nicht  in  Stücken  über  2  kg  Schwere  erfolgen. 

Das  Fett  solcher  unter  §  3  fallender  Tiere  darf  in  ausgeschraolzenem  Zustande 
ohne  weitere  Beschränkung  als  menschliches  Nahrungsmittel  feilgeboten  und  verkauft 
werden. 

§  4.  Nur  in  vollständig  durchgekochtem  Zustande  darf  das  Fleisch 
feilgeboten  und  verkauft  werden,  welches : 

a)  mit  Trichinen  durchsetzt  ist,    soweit   es  nicht    unter  die  Bestimmungen  des 

§  2  fällt; 
bi  von  Tieren  abstammt,  die  an  hochgradiger  bez.  verbreiteter  oder 
an  verallgemeinerter  (generalisierter)  Tuberkulose  litten,  unter  der 
Voraussetzung,  dafs  die  Tiere  selbst  nicht  hochgradig  abgemagert  waren,  in 
deren  Fleische  und  in  den  Knochen  oder  den  zugehörigen  Lymphdrüsen  keine 
tuberkulösen  Herde  enthalten  sind,  die  tuberkulösen  Organe  sich  leicht  aus 
dem  Schlachtstücke  entfernen  lassen  und  das  Fleisch  seiner  Beschaffenheit 
nach  sich  nicht  auffällig  von  gesundem  Fleische  unterscheidet,  bez.  kein  ekel- 
erregendes Ansehen  zeigt,  und  unter  der  Bedingung,  dafs 

aa)  die  Kochung  in  einem  Roh  rbe  c  k'schen  oder  einem  diesem  an  Leistungs- 
fähigkeit mindestens  gleichstehenden  Damptkochapparat  in  Stücken  nicht 
über   5  kg  Schwere    in    der  Weise    erfolgt,    dafs   im  Innern    desselben 
durch  etwa  '/^  Stunde  lang  mindestens  eine  Temperatur  von  +  100 "  C 
eingewirkt  hat; 
bb)  die  Aufstellung  und  der  Betrieb  dieser  Apparate  nur  unter  fortlaufender 
behördlicher  Aufsicht,  insbesondere  der  Betrieb  derselben  auf  Schlacht- 
höfen unter  Kontrolle    der    daselbst    angestellten  Tierärzte,    aufserhalb 
solcher  unter  Kontrolle    eines    durch    die  Ortspolizeibehörde  hierzu  ver- 
pflichteten Tierarztes  erfolgt,  und 
CO  der  Verkauf    derartigen    Fleisches    auf    der    Freibank    unter    deutlicher 
Bezeichnung    seiner   Abstammung    von    einem    kranken    Tiere    bewirkt 
wird. 
Das  Fett  unter  diesen  Paragraphen    fallender  Tiere   darf  nur  unter  Befolgung 
der  in  $  2  dieser  Anweisung  unter  1,  2  und  3  aufgeführten  Bestimmungen  als  mensch- 
liches Nahrungsmittel  feilgeboten  und  verkauft  werden. 

Anhalt.  Verordnung,  betr.  den  Verkauf  und  Genufs  des  Fleisches  von  kranken, 
verletzten  und  verendeten  Tieren  etc.  etc.  vom  24.  November  1S88,  nebst  Ausführungs- 
anweisung.    Der  vorigen  ähnlich. 

Reuss  !i.  L.  Verordnung,  betr.  die  Abstellung  einiger  Uebelstände  beim  Betreiben 
des  Fleischhauerhandwerks,   vom  21.  November  18")3. 

Reuss  j.  L.  Bekanntmachung  des  Landratsamtes  in  Gera,  betr.  das  Schlachten 
von  krankem  Vieh,  vom  0.  Januar  18G6.  Aehnliche  Verordnungen  bestehen  für  den 
oberländischen  Bezirk  (Schleiz  und  Lobenstein)  seit  18ü5. 

Im  übrigen  vergl.  den  Abschnitt  „die  gesetzlichen  Grundlagen  der  Fleisch- 
beschau" S.  436 ,  sowie  den  Anhang  zu  Kapitel  II.  Soweit  für  einzelne  Krankheiten 
der  Schlachttiere  besondere  gesetzliche  üostimmungen  getroflfen  worden  sind,  werden 
dieselben  dort  Erwähnung  finden. 

»i 


434  EDELMANN, 

Alle  die  aufiiozählteu.  j^egen  das  Inverkehrbringen  von  krankem 
Fleisch  sich  richtenden  Verordnunjren  gewähren  jedoch  der  mensch- 
lichen Gesundheit  nur  in  selir  lieschränktem  Malk^  einen  Schutz,  Da 
sie  naturizeniäli  nur  Anwendung  finden,  wenn  Sachverständige  Schlacht- 
tiere oder  Fleisch  nach  ihnen  beurteilen,  so  können  sie  eine  allge- 
meine prophylaktische  "Wirkung  nur  durch  ihre  Strafbestimmungen 
äußern. 

1)  Grawiti,   Berl.  ticrärzü.    )\'ochenschr.  (1892)  No.  26. 

2)  Würzburg,   NahrungsmiUelgetetx<jebung   194. 

3)  Bissling,  Zeitschr.  f.  FUisch-  u.  MUchhyg.   5.   Bd.    111. 

4)  Schwarz,   Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  }lilchhyg.  3.   Bd.   171. 

5)  Siedamgrotzky,  Ber.  üb.  d.    Veteriruirwtsen  im  Königr.  Sachsen  (1894)  185. 
61  Kleinschmidt.  1).  Fkischei-ztg.  {I887j. 

7)  Kühnert,  Zeitschr.  f.  FUischbesch.  u.   FUischprod.  (1888)   131. 

8)  Kögler.   Bcr.   üb.  d.    Veterinäricesen  im  Königr.   Sachsen  (189(i)   102. 

9)  Siegmund,   Rtvtie  vä<r.  (1882)   576. 

10)  Edelmann,   D.  tierärUl.    }\'ochenschr.  (1894)  101. 

lli  Bayeredörfer  und  Göhrig.   Z).  tierärztl.    Wochenschr.  (1894)   104, 

12)  Fuchs.   Gesundheit  (1894). 

13)  Kayserling,    Ueber  das  ScMchten,   Aarau  1856. 

14)  Bauwerker,  Das  rituelle  Schächten  der  Israeliten  im  Lichte  der  Misienscha/t,  Kaisers- 
lautem  1882. 

15)  Sembo,  Anatomisch-physiologische  Grundlagen  der  verschiedenen  Methoden  des  Vieh- 
schlachtens,  Leipzig  1894. 

16)  Dembo,  Bas  Schächten  im    Vergleich  mit  anderen  Schlachtmethoden,  Leipzig  1894. 
I7j   Strebel.   Zur  Schächtjrage,  D.  Fleischerztg.  Xo.  51. 

18)  Ehrmann,  Tierschutz  und  Menschentrutz.  Sämtliche  Jür  und  gegen  das  Schächten 
geltend  gemachten  Momente  kritisch  beleuchtet,  nebst  einer  Sammlung  aller  Gutachten  her- 
vorragender Fachmänner  und  einer  Abbildung  der  Zecha'schen  Legemethode,  FVank/urt  a.  M, 
1885.      Arch. /.    Tierheilkunde    11.   Bd    336. 

19  I  Mittermaier,  iJie  Schacht/rage,  Gesundheit  (1894)  No.  8,  (1895);  D.  tierärztl.  Wochenschr. 
3.   Bd.  187. 

20)  Joger,  Zeitschr.  J.  Fleisch-  u.  Milchhyg.  4.   Bd.  226. 

21)  Kleinschmidt,  Berl.  tierärztl.    ^Vochtnschr.  (1894)  529. 

22)  Fenner,  Berl.  tierär:.tl.    Wochenschr.  (1894)  467. 

23)  Mandel,  Revue  vetir.  (1882)  560;  D.  tierärztl.    Wochenschr.  3.   Bd.  143. 

24)  Völlers,  Hamb.  MiUeil.  f.    Tierärzte   1     Bd.  3. 

25)  Friedemann,  Berl.  tierärztl.    Wochenschr.  (1895)  194. 
26j   Ostertag's  Uandh.   67. 

27)  Gutachten  über  das  jüdisch-rituelle  Schlachtverfahren  {„Schächten'-),  Berlin  1894. 

28)  Gutachten  des  Lehrerkollegiums  der  Tier  arzneischule  in  Bern,  Schweiz.  Arch.  f.  Tierheilk. 
(188ö\   Rdsch   f.    Tiermed.  (1886)   118. 

29j  Wernich  und  Wehmer,  Lehrb.  d.  offetUl.  Oesundheitsw.   175,  Stuttgart  1894. 

30 1  Schmidt-Mülheim,  Lehrb.  d.  Fleischk.  247. 

31  j  Bollinger,  Zur  Aetiologie  der  Infektionskrankheiten,  München   1881. 

32)  Lydtin,    Ber.    d.   18.    Vers.  d.   D.    Vtr.  f.  öffentl.  Gesdhtspfl.    1893,    Zeitschr.  f.  Fleisch' 

u.    Milchhyg.   4.   Bd.   18. 
33j  Ostertag,  Uandb.  d.  Fleischbesch.   605. 
34)  Maier,   Zeitschr.  f.   Fleisch-  u.  Milchhyg.   3.   Bd.  U.   12. 
35i   Basenau,   Arch.  f.  Uyg.  20.  Bd.  H.   3. 

36j  Dambacher.  Zeitschr.  f.  Fleuch-  u.  Milchhyg.  3.   Bd.  No.  8. 
37)  Lydtin's    Thesen    zur     Vers.    d.    D.    Ver.  J.  ößentl.   Gesdhtspfl.,    Zeitschr.    f.    Fleisch-  u. 

Milchhyg.,   3.   Bd.   59  ;  Hyg.  Rdsch.  (1893)   183. 
38j   Würzburg.   Nahrungamiltelgesetzgebung  184. 

39)  VerößenÜ.  d.  Kaiterl.  Gesundheitsamts   19.  Bd.   500, 

40)  Berl.  tierärztl.    Wochenschr.  (1894)  301, 

41)  Gesetz-  und  Verordnungtblatt  f.  d.  Königreich  Sachsen.  1.  Stück  v.  Jahre  1893.  — 
Ostertag,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u    Milchhyg.  3.   Bd.  87   {Besprechung). 

42)  Ostertag's  Handbuch  d.-  Fleischbesch.   137. 


24 


Fleischbeschau.  435 

II.  Kapitel. 

Orirniiisallon  der  Floisclibeschrtu. 
1.  Orrundlai^eu  der  Fleischbeschau. 

Die  Fleischbeschau  hat  sich  allniälilicli  zu  einem  selbständigen 
Gebiete  der  Tiermedizin  entwickelt,  mit  welchem  die  letztere  berufen 
ist,  an  der  Lösung  hervorragender  Aufgaben  der  Hygiene  mitzuwirken. 
Ihre  Grundlagen  findet  die  Schlachtvieh-  und  Fleischbeschau  in 
technischer  Heziehung  in  der  medizinischen  und  veterinär- 
medizinischen Wissenschaft,  während  gesetz  liehe  IJesti  m  m  un  gen 
die  praktische  Ausführung  beeinflussen. 

A.  Technische  Grundlagen  der  Fleischbeschau. 

Als  technische  Grundlagen  der  Fleischbeschau  dienen  alle  Ge- 
biete der  wissenschaftlichen  und  in  einem  nicht  geringen  Grade  auch 
der  praktischen  Tiermedizin. 

Der  Anatomie,  besonders  auch  der  vergleichenden  Anatomie 
der  Haustiere ,  bedarf  der  Fleischbeschaubeamte  zur  Erkennung  und 
Würdigung  der  normalen  Verhältnisse,  sowohl  beim  Vergleich  der  einzelnen 
Schlachttiere  miteinander,  als  auch  besonders  gegenüber  krankhaften 
Veränderungen.  Dabei  spielen  auch  die  topographisch-anatomi- 
schen Verhältnisse  der  Schlachttiere  behufs  schneller  Auffindung 
einzelner,  diagnostisch  wichtiger  Organe  und  Teile  (z.  B.  Lymphdrüsen) 
eine  bedeutende  Rolle.  Daß  gründliche  physiologische  Kenntnisse 
bei  der  Fleischbeschau  zum  Verständnis  der  verschiedensten  Lebens- 
prozesse der  Tiere  gebraucht  werden,  bedarf  ebensowenig  der  Erörterung 
als  die  Notwendigkeit  umfassendsten  Wissens  auf  allen  Gebieten  der 
pathologischen  Anatomie  und  Parasitenkunde,  insbesondere 
auch  der  Bakteriologie  mit  allen  ihren  bei  den  Haus-  und  Schlachttieren 
besonderen  Eigentümlichkeiten.  In  Konsequenz  hiervon  erfordert  der 
Fleischbeschaudienst  selbstverständlich  Fertigkeiten  in  der  mikroskopi- 
schen und  bakteriologischen  Technik,  ebenso  wie  gewisse 
chemische  Kenntnisse  und  analytische  Fertigkeiten  zum 
Verständnis  von  Umsetzungsvorgängen  an  tierischen  Teilen  und  behufs 
Anstellung  einfacher  chemischer  Untersuchungen  nicht  entbehrt  werden 
können.  Hieran  schließen  sich  die  Gebiete  der  Pharmakologie  und 
Tf>.\  i  k  olo  gi  e  ,  aus  welchen  der  Fleischbeschaubeamte  schöpfen  mulJ, 
um  sich  in  einschlagenden  Fällen  über  die  Einwirkung  und  den  Ueber- 
gang  von  Arznei-  und  Giftstoffen  auf  das  Fleisch  der  Schlachttiere  Rechen- 
schaft ablegen  zu  können.  Auf  die  Tierzucht  und  die  Gesund- 
heitslehre (Diätetik)  der  landwirtschaftlichen  Haustiere  muß  bei  der 
Fleischbeschau  nicht  selten  zurückgegriffen  werden  behufs  Orientierung 
über  Rassen-,  Aufzuchts-  und  Futterungsverhältnisse  mit  ihren  außer- 
ordentlich verschiedenen  Einfiüssen  auf  unsere  Schlachttiere.  Nicht  zu 
vergessen  sind  die  tierärztlichen  Spezialgebiete  der  Seuchenlehro 
und  Veterinärpolizei,  sowie  der  Staatstierheilkunde  und  die 
allgemeine  Gesetzeskunde,  welche  gleichfalls,  abgesehen  von 
den  weiter  unten  zu  besprechenden  besonderen  gesetzlichen  Bestimmungen, 

»5 


436  EDELMANN, 

zum  Wissen  und  Können  des  Fleischbeschaubeamten  gehören  müssen, 
und  auf  denen  seine  Thätigkeit  nicht  selten  in  Anspruch  genom- 
men wird. 

Aus  dieser  Aufzählung  erhellt  zur  Geuüge,  daß  uur  in  dem 
Studium  der  Tiermedizin  i)ei  besomlerer  PHegc  ihres  Spezialgebietes, 
der  Fleisohbescliau.  für  das  jetzt  allenthalben  besondere  Lehrstühle 
an  den  tierärztlichen  Hochschulen  Deutschlands  bestehen,  eine  gründ- 
liche Vorbereitung  für  die  Ausübung  der  Fleischbeschau  erblickt 
werden  kann.  Daher  sind  auch  die  Tierärzte  in  erster  Linie  dazu 
befähigt  und  berufen,  die  Untersuchung  der  Schlaclitticre,  sowie  von 
animalischen  Nahrungsmitteln  behufs  Beurteilung  ihrer  Verwendbar- 
keit zur  menschlichen  Nahrung  vorzunehmen  und  damit  als  Sach- 
verständige die  Fleischbeschau  auszuüben  und  zu  überwachen. 

B.  Gesetzliche  Grundlagen  der  Fleischbeschau. 
Bei  der  Ausübung  der  Fleischbeschau  in  einem  Genieindebezirke 
kommen  in  erster  Linie  die  hierzu  erlassenen  wohlfahrtspolizeilichen 
ortsstatutarischen  Bestimmungen  und  Vorschriften  in  Frage, 
welche  die  von  der  Landesgesetzgebung  nach  dieser  Richtung 
etwa  gesteckten  Grenzen  nicht  überschreiten  dürfen.  Außerdem  sind 
gewisse  reichsgesetzliche  Bestimmungen,  besonders  in  Ueber- 
tretungsfällen  zu  beachten,  sowie  auch  die  Entscheidungen  höherer 
richterlicher  Instanzen  als  Kommentare  für  zweifelhafte  Fälle,  zur 
Festlegung  gesetzlicher  Begriflfe  und  zur  richtigen  Deutung  des  Sinnes 
gewisser  Gesetzesstellen  heranzuziehen. 

Aus  der  Reiclisg'esetzg'ebiing"  kommen  für  die  Fleischbeschau  und  Nahrungs- 
mittelpolizei in  Betracht: 

1.  Das   Strafsresetzbuch   füi-   das  Deutsclie   Reich   vom  15.   Mai   1871   mit 

folgenden  Paragraphen : 

*5  "263,  der  sogenannte  Betrugsparagraph,  gewährt  die  Möglichkeit,  Personen  zu 
bestrafen,  welche  im  Vorkehr  mit  Fleisch  betrügerische  Handlungen  vornehmen. 

§  824  findet  wirksame  Anwendung  sobald  infolge  einer  Veränderung  von  Nahrungs- 
mitteln eine  Zerstörung  der  menschlichen  Gesundheit  in  Frage  kommt,  welche  nach 
§  326  bestraft  wird,  wenn  fahrlässige  Handlungen  vorliegen. 

Nach  §  367,  Zitf.  7  wird  der  Verkauf  und  das  Feilhaiton  verfälschter  oder  ver- 
dorbener Efswaren,  insbesondere  trichinonhaltigen  Fleisches  bestraft. 

Bis  zu  einem  gewissen  Grade  sind  auch  die  5;§  222,  226,  230  und  232  (fahr- 
lässige Tötung  und  Körperverletzung'  einschlagend  besonders  auch  bei  der  Beurteilung 
der  Uebcrtretungen  und  Vergehen  gegen  die  hier  zu  beachtenden  Amts-,  Berufs-  und 
Gewerbspflichten. 

2.  Das  Heiclisiaresetz,  betreffend  die  Abwehr  und  Unterdrückung  von  Vieh- 
seuchen,  vom  "V— %»  •  -icix,-   nebst   den   dazu   für  die   einzelnen  Bundesstaaten  er- 

'  1.  Mai  1894 

lassenen  Ausführungsverordnungen. 

Nach  den  ?§  ,31  und  33  ist  das  Schlachten  und  der  Genufs  des  Fleisches  railz- 
brand  kranker  Tiere  verboten. 

Desgleichen  nach  den  §*  36  und  39  bei  Tollwut. 

S  4.3  ordnet  die  unschädliche  Beseitigung  der  Kadaver  rotzkranker  Tiere  an. 

Die  Instruktion  vom  27.  Juni  1S95  zum  vorgenannten  Reichsge- 
setze enthält  beachtliche  Bestimmungen  in 

§  62  bezüglich  der  Häute  der  mit  .\I  a  u  1  -  und  Klauenseuche  behafteten  Tiere. 

^  89  wegen  der  Verwertung  der  Lungen,  des  Fleisches  und  der  Häute  lungen- 
8  euchekranker  Rinder. 

§  97*"  rücksichtlich  der  Häute  pockenkranker  Schafe. 

5?  124  dgl.  bei  räudekranken  Pferden  und  Schafen. 

3.  Das  Reichsgesetz ,  3Iaßregeln  gegen  die  Rinderpest  betreffend  vom 
7.  April  1S69  nebst  Instruktionen.  Die  unschädliche  Beseitigung  rinderpestkrauker 
Tiere  wird  vorgeschrieben. 

26 


Fleischbeschau.  437 

4.  Das  GeseU,  hetrelTfiul  »hii  \tik»'lir  mit  Naliiuii:r>iiiittflii.  (iciiiiliniittclu 
und  (iebruiichsjroiri'ii^täiidfii,  V(Hii  U.  Mai  1S7*.>.  Dieses  so^jonannt«  Nahrun^jsmittel- 
l^esctz  befoljjt  nacli  Würzbur»;'  im  wosontliclien  zwei  Ziele:  VerhQtun;;  und  Be- 
k&miifuo^  der  Unlauterkeit  im  Verkehr  mit  Nahrunps-  und  Genufsmitteln  sowie  der 
durch  den  Genufs  oder  Gebrauch  der  Nabrunjfsmittel  etc  dem  Menschen  drohenden 
Gefahren.  Von  den  17  Paragraphen  des  Gesetzes  enthalten  die  vier  ersten  Bestim- 
mungen über  die  vorbeugende  Kontrolle.  In  den  ??s  5 — 7  wird  der  Erlafs  von  Aus- 
führungsbestimmungen vorgesehen,  während  die  !;§  8  -16  die  eigentlichen  strafrecht- 
lichen Vorschrilten  enthalten  und  der  letzte  Paragraph  sich  auf  die  otleotlichen 
Untersuchungsanstalten  bezieht. 

Von  wesentlicher  Bedeutung  für  die  vorliegende  Materie  sind  die  §!j  lU— 14, 
bezüglich  deren  Auslegung  und  Anwendung  auf  die  erschöpfenden  Auseinandersetsangen 
io  den  Werken  von  Schmidt- Mülheim',  Würzburg,  Ostertag^,  sowie 
die  zahlreich  erschienenen  Artikel  in  Zeitschriften  verwiesen  werden  mufs  (Schraidt- 
Mülheim*,  Ostertag*,  Bleisch*^,  Schilling',  Heidenhain **,  Haselbach''', 
S  c  b  m  al  tz  '",  Maier  ".  H  i  m  nie  Ist  o  fs  "  u.  A.). 

Die  Lebensmittel  fälschung  ohne  Gefährdung  der  mensch- 
lichen Gesundheit  wird  in  den  i?s  10  und  11  behandelt.  Nach  denselben  wird 
bestraft : 

1)  Das  Nachmachen  oder  die  Verfälschung  von  Nahrungs-  oder  Genufs- 
mitteln und 

2i   Das    Verkaufen     oder    Feilhalten    nachgemachter    oder    ver- 
fälschter oder  verdorbener  Nahrungs-  oder  Genufsmittel 
sobald    diese   Handlungen  zum   Zwecke    der   Täuschung  im  Handel    und   Ver- 
kehr begangen  werden. 

Demnach  ist  der  Verkauf  nachgemachter,  verfälschter  oder  verdorbener  Nah- 
rangs-  etc.  Mittel  an  und  für  sich  nicht  verboten,  sondern  nur  dann  stratbar. 
wenn  er  unter  „Verschweigung   dieses  Urastandes"    oder    „unter   einer  zur  Täuschung 

geeigneten  Bezeichnung"    erfolgt.    Dergleichen  Nahrungsmittel   unterliegen   also  dem 
•  eklarationszwango. 

Von  prinzipieller  Bedeutung  ist  die  Auslegung  der  Begriffe  „Nachroachen''.  „Ver- 
fälschen" und  „Verdorben". 

Unter  ,,NaohinjU'heii"  ist  zu  verstehen,  „die  HersteUnng  eines  Nah- 
rungsmittels in  der  Weise  oder  zu  dem  Zwecke,  dafs  es  ein  anderes 
zu  sein  scheint    als  es  in  Wirklichkeit  ist". 

Die  „Vernüschiin^''''  eines  Nahrungsmittels  hat  immer  eine  Abweichung 
von  dem  echten  und  normalen  zur  Voraussetzung.  Hierbei  kommt  die 
Verschlechterung   mit  in  Frage,  ist  aber  durchaus  nicht  notwendig. 

Zur  Beurteilung  einer  Verfälschung  kommt  das  Wesen  und  die  normale 
Herstellungs-  und  Fabrikations  weise  der  Nahrungsmittel  in  Be- 
tracht. Sobald  daher  ein  Nahrungsmittel  seiner  Herstellung  oder  seinem  Wesen  nach 
von  dem  echten  und  normalen  abweicht,  ist  es  als  verfälscht  zu  betrachten.  Eine 
Vorfälschung  kann  darin  beruhen,  dafs 

a)  an  dem  Nahrungsmittel  substantielle  Veränderungen  durch  Ent- 
nehmen oder  Zusetzen  von  Stoflfen  vorgenommen  werden  yi.  B.  Abrahmen  von  Milch, 
Zusatz  von  Pferdefleisch  zur  Cervelatwursti  oder 

b)  die  Nahrungsmittel  mit  einem  ihrem  Wesen  nicht  entsprechen- 
den Schein  einer  besseren  Beschaffenheit  versehen  werden  ^Färbung 
von  Wurst  mit  Farbstoffen!. 

Die  Merkmale  des  gesetzlichen  Begriffs  des  Yerdorhonseins  hat  man  dahin  auf- 
zufassen, da/s  die  als  Nahrungsmittel  lür  Menschen  verkaufte  Ware  in  ihrer  Taug- 
lichkeit als  solches  im  Vergleiche  mit  der  normalen  Beschaffen- 
heit erheblich  herabgesetzt  ist.  Es  wird  also  keineswegs  eine  völlige  Un- 
branchbarkeit  oder  üntauglichkeit  des  betreffenden  Nahrungsmittels  erfordert  (Würz- 
burgi.  Nahrungsmittel,  welche  vermöge  besonderer  Eigenschaften  bei  Kenntnis  des 
wahren  Sachverbaltes  entweder  gar  nicht  gekauft  oder  wenigstens  nicht  mit  dem  bei 
normaler  Herkunft  dafür  zuzubilligenden  Preise  bezahlt  werden  würden,  sind  ebenfalls 
als  verdorben  im  Sinne  des  Nahrungsmittelgesetzes  aufzufassen  lOstertagi.  I>a8  in 
die  letztere  Kategorie  gehörige  Fleisch  wird  in  den  Entscheidungen  der  Fleischbeschau- 
beamten auch  vielfach  als  „minderwertig"  oder  „mangelhaft"  bezeichnet. 
Wenn  damit  eine  Trennung  des  Hegriffes  Verdorben  in  „Verdorben  im  Sinne  des  Sprach- 
gebrauches" und  ..Verdorben  im  Sinne  des  N.M.G.  aber  noch  geeignet  zur  mensch- 
Uchen  Nahrung-  [Minderwertig  o<ler  Mangelhaft  (Schmaltz)J  beabsichtigt  wird,  seist 
dies  für  forensische  Zwecke  jedenfalls  besonders  hervorzuheben.  Denn  das  im  Sinne 
des  Sprachgebrauches  verdorbene  Fleisch  ist  nur  in  den  seltensten  Fällen  nach  §  10, 
sondern  vielmehr  nach  a  12  des  N.-M.-G   zu  beurteilen.     Als  Verdorben  im  Sinne  des 


438  EDELMANN, 

N.-M.-G.  ist  nach  Üstertap  alles  Fleisch  zu  bezeichnen,  welches,  ohne  gesund- 
heitsschädlich zu  sein, 

a)  objektive  Veränderungen  seiner  Substanz  aufweist  (s.  S.  440) 
oder 

b^  von  Tieren  stammt,  welche  mit  einer  erh  ebl  ichen  inn  e  r  en 
oder  äufseren  Krankheit  behaftet  waren. 

Neben  §  10  des  Nahrungsraittelgesetzes  behält  §  367  ZiflF.  7  des  Str.-G.,  welcher 
auch  den  BegriflF  Verdorben  enthält  (s.  S.  436!.  seine  Giltigkeit,  und  unterliegen  dem 
letzteren  alle  diejenigen  Fälle,  bei  denen  der  umstand  der  Täuschung  nicht 
in  Frage  kommt.  Auch  kann  nach  diesem  Paragraphen  des  Str.-G.  das  hoch- 
gradig verdorbene  und  zur  menschlichen  Nahrung  ungeeignete 
Fleisch  (s.  S.  441)  beurteilt  werden. 

Es  mag  nicht  unerwähnt  bleiben,  dafs  die  Wahl  des  Wortes  „verdorben"  im 
Nahrungsmittelgesetze  keine  glückliche  gewesen  ist  und  schon  manche  Verwirrung 
gestiftet  hat,  vor  allem  wegen  der  Eigenschaften,  welche  der  Sprachgebrauch  und  die 
allgemeine  Auffassung  der  Menschen  mit  diesem  Begriffe  verbinden.  Wie  schon  er- 
wähnt, ist  jedoch  ein  Verdorbensein,  wie  es  unter  §  10  des  N.-M.-G.  fällt,  keinesfalls 
gleichbedeutend  mit  Verwesung  oder  Fäulnis  zu  verstehen. 

Eine  Beschädigung  oder  Zerstörung  der  menschlichen  Gesund- 
heit wird  nach  den  ^t?  12—14  bestraft. 

Dienach  §  12  in  Frage  kommende  Gesundheitsschädlichkeit"  des 
Nahrungsmittels  mufs  objektiv  sein  und  dem  Gegenstande  anhaften.  Es  ist  nicht 
erforderlich,  dafs  eine  Gesundheitsschädigung  thatsächlich  stattgefunden 
hat.  sondern  schon  die  Möglichkeit,  dafs  das  Nahrungsmittel  geeignet  ist,  die 
menschliche  Gesundheit  zu  beschädigen,  genügt  zur  strafrechtlichen  Verfolgung.  Auch 
der  Versuch  ist  strafbar. 

Bei  der  nach  §  13  zu  bestrafenden  Gesundheitszerstörung  ist  ebenfalls 
nicht  erforderlich,  dafs  der  Tod  infolge  der  Wirkung  des  Nahrungsmittels  eintritt. 
Vielmehr  wird  nach  v.  Schwarze'^  auch  der  Fall  unter  das  „Zerstören"  zu  stellen 
sein,  in  welchem  die  Zerstörung  nur  die,  jedoch  mit  Notwendigkeit  nach  und  nach  sich 
entwickelnde  Wirkung  des  Genusses  ist.  Bei  der  Zerstörung  wird  man  insbesondere 
das  „Siechtum"  aus  t?  224  des  Str.-G.  herbeiziehen  können. 

§  14  ermöglicht  bei  Fahrlässigkeit  eine  mildere  Beurteilung. 

Die  zur  Zeit  giltigen  landesgesetzllehen  Voi-schriften  für  die  Fleischbeschau 
in  den  einzelnen  Bundesstaaten  siehe  ö.  4.54  ff. 

Die  Besprechung  örtlicher  Torsehrifteu  für  die  Fleischbeschau,  wie  sie  in  Orts- 
gesetzen, Regulativen  u.  dgl.  in  zahlreichen  Gemeinwesen  in  Kraft  sind,  mufs  füglich 
hier  unterbleiben. 

1)  Würzburg,  Nahrungsmittelgesetzgebung   18. 

2)  Schmidt- Mülheim,   Der  Verkehr  mü  Fleischvaren  und  das  Nahrungsmütelgesetz.  Wiesbaden 
1895   2.  Avfl. 

3)  Ostertag.   /landbuch  der  Fleischbeschau   71 — 101. 

4)  Schmidt-Mülheim.   Zeitschr.  für  Fleischbeschau  2.  Bd.,  4.  Bd.   19.     Veröffentlichungen  des 
Kaiser/.   Gesundheitsamtes    11.   Bd.   No.    1. 

5)  Ostertag.    Zeitschr    f.    Fleisch-  u.   Müchhyg.    1.   Bd.  37,   2.   Bd.   83. 

6)  Bleisch,    Arch    f.    Tierheilk.   17.  Bd.  305. 

7)  Schilling.   Berl.  tierärzÜ.    Wochenschr.  (1892)  No.    13. 

8)  Heidenhain.    Vierteljahr sschr.  f.  ger.   Med.  52.  Bd.   137. 

9)  Haselbach.   Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.   Müchhyg.  2.   Bd.  84. 

lOi  Schmaltz,   Berl.  tierärztl.   Wochenschr.  (1892)  413,   Deutscher  Veterinärkalender,  Abschnitt 

Fleischschau. 
11)  Maier.   Berl.  tierärztl.    Wochenschr.  (1892)  411. 
12j  Himmelatora,    Wochenschr.  j.   Tterheilk.  u.    Viehzucht  (1894)  No.   7. 
13;   Ostertag,   Handbuch  96. 
14)  V.  Schwarze  in  Würzbnrg.  Nahrungsmittelgetetzgtbung  92. 

2.   Einteilunj?  der  Fleischbeschau. 

Eine  Einteilung  des  Gebietes  der  Fleischbeschau  in  eine  makro- 
skopische und  mikroskopische  oder  in  die  eigentliche 
Fleischbeschau  und  die  Trichinenschau  ist  aus  naheliegen- 
den Gründen  nicht  angängig.  Die  letztere  bildet  nur  ein  sehr  be- 
schränktes Gebiet  der  Fleischbeschau  und  sollte  auch  immer  nur  als 

28 


Fleischbeschau.  439 

Trichinenschau  zur  Venneiduiiji  von  Mißverständnissen  bezeichnet 
werden,  ebenso  wie  es  un}2;ereclitfertigt  ist ,  den  Personen ,  welche 
sich  mit  dem  Untersuchen  von  Schweinetieiscli  auf  Trichinen  be- 
schäftigten, die  Amtsbezeiclinun^'  Fleischbeschauer  beizulej^en. 

Die  Teilung'  der  Fleischbeschau  in  die  Beschau  der  Schlacht- 
t  i  e  r  e  und  die  B  e  s  cii  a  u  des  in  ei  n  e  m  G  e  m  e  i  n  d  e  b  e  z  i  r  k  ein- 
geführten frischen  Fleisches  und  von  Fleischwaren 
betrifft  nicht  das  Wesen ,  sondern  nur  die  Ausführung  der  Fleisch- 
beschau. 

Da  in  neuerer  Zeit  mit  der  Verallgemeinerung  der  Fleischbeschau 
auch  Laien  zu  ihrer  Ausübung  als  empirische  Fl  ei  seh  be- 
schau er  herangezogen  und  hierzu  besonders  vorgebildet  werden, 
so  könnte  man  vielleicht  von  einer  empirischen  Fleischbe- 
schau im  Gegensatz  zu  einer  nach  wissenschaftlichen  Grundsätzen 
und  Erfahrungen,  von  wissenschaftlich  gebildeten  Sachverständigen 
ausgeführten  wissenschaftlichen  Fleischbeschau  sprechen. 
Der  Kürze  wegen  finden  diese  Bezeichnungen  auch  häufige  Ver- 
wendung. —  Als  außerordentliche  Fleischbeschau  werden 
in  Orten  mit  geregelter,  allgemein  verbindlicher  Fleischbe.-^chau  die 
von  den  Polizeiorganen ,  häufig  unter  Hinzuziehung  eines  tierärzt- 
lichen Fleischbeschaubeamten  ,  vorgenommenen  Revisionen  der 
Fleischereien,  Fleisch-  und  Wurstwarengeschäfte  bezeichnet.  Bei  diesen 
Revisionen  wird  auf  verdorbenes  Fleisch  u.  s,  w.  gefahndet,  sowie  nach- 
gesehen, ob  alles  vorhandene  Fleisch  von  untersuchten  Tieren  ab- 
stammt und  auch  den  sonstigen  Fleischbeschauvorschriften  allent- 
halben entsprochen  worden  ist. 

8.  Ausfuhrulli;  der  Fleischbeschau. 

Die  Ausführung  der  P'leischbeschau  hat  durch  Sachverständige 
zu  erfolgen  und  muß  durch  gesetzliche  Bestimmungen  geregelt  sein. 
Am  zweckmäßigsten  läßt  sich  eine  Fleischschau  in  den  Schlachthöfen  *) 
einrichten  (s.  S.  422),  jedoch  kann  dieselbe  auch  ambulatorisch  aus- 
geübt werden  (G  i  r  a  r  d  '  •',  H  e  r  t  w  i  g  >  '*,  Pauli'').  Die  geeignetsten 
Sachverständigen  sind,  wie  S.  436  auseinandergesetzt  wurde,  die 
Tierärzte,  denen  man  deshalb  auch  in  Städten  und  größeren 
Dörfern  die  Fleischbeschau  zu  übertragen  pflegt.  Behufs  Kenn- 
zeichnung dieser  Art  der  tierärztlichen  Thätigkeit  hat  Schmidt- 
Mülheim  für  die  Tierärzte  der  Fleischbeschau  die  Bezeichnung 
S  a  n  i  t  ä  t  s  t  i  e  r  ä  r  z  t  e  (s.  S.  44(1)  in  Vorschlag  gebracht,  welche  auch  seit- 
dem vielfach  gebraucht  wird.  Auf  dem  flachen  Lande  kann  es  sich 
Wegendes  Mangels  an  Tierärzten  nötig  machen,  empirische  Fleischbe- 
schauer anzustellen,  welche  besonders  auszubilden  und  zu  verpflichten 
sind.  Denselben  ist  jedoch  nur  die  Befugnis  zuzusprechen  gesunde 
S  c  h  1  a  c  h  1 1  i  e  r  e  zu  beurteilen,  während  sie  bei  der  Entdeckung  er- 
heblicher Krankheiten  und  ^'e^än(lerungen  einem  Tierarzt  die  endgiltige 
Verfügung  zu  überlassen  haben,  ebenso  wie  sie  sich  der  Beurteilung 
von  Notschlachtungen  im  allgemeinen  enthalten  müssen.  Obgleich 
einer  von  empirischen  Fleischbeschauern  ausgeführten  Beschau  natur- 
gemäß erhebliche  Mängel  anhaften,  so  ist  diese  Einrichtung  immerhin 
dem  gänzlichen  Fehlen  einer  Fleischbeschau  vorzuziehen,  und  die  in  Süd- 


•)  Osthoff,    Ueber  Schlachthöfe,    Viehmürkte    und    MHrktliallen,    Hd.    VI,    S.   1    fl. 
dieses  Handbuches. 

29 


44(t  EDELMANN, 

deutschlainl  mit  den  Laieiifleischbeschauern  gemachten  Erfahrungen 
sind  auch  im  großen  und  ganzen  günstige  (Leberecht '"'^,  Maier^'*, 
Zimmerer*")  Ueber  die  bei  Einführung  einer  allgemeiner  Fleisch- 
beschau zu  beobachtenden  Gesichtspunkte  und  zu  tretfenden  Maß- 
nahmen, vergl.  Peters  und  Fi  s  o  h  oed  er    -. 

A.  Beschau  der  Schlachttiere. 

Bei  den  Schlacht  t  i  er  en  mul.v  eine  Untersuchung  vor  und 
nach  d  e  r  S  c  h  1  a  c  h  t  u  n  g  erfolgen  ;  die  Zeit  zwischen  Lebendbeschau 
und  der  Beschau  nach  der  Schlachtung  darf  nicht  zu  lang  sein.  Bei 
der  Untersuchung  der  ausgeschlachteten  Tiere  (vgl.  Fischoeder^^) 
sind  alle  Eingeweide,  das  Blut  und  die  BeschafiFenheit  von  Fleisch 
und  Fett  zu  berücksichtigen.  Einzelne  in  pathognostischer  Beziehung 
besonders  wichtige  Organe  (z.  B.  die  Lymphdrüsen)  erfordern  nicht 
selten  eine  sehr  aufmerksame  Untersuchung. 

Bei  den  Schweinen  ist  außerdem  eine  mikroskopische 
LTntersuchung  des  Fleisches  auf  Trichinen  vorzunehmen, 
welche  in  der  Regel  von  hierfür  besonders  ausgebildeten  Laien,  d.  h. 
Trichinenschauern,  ausgeführt  wird  (Ausführung  s.  Kap.  IV. 
3,  A,  1). 

Das  Urteil,  welches  schließlich  der  Sachverständige  bezüglich  dei' 
Verwertung  des  Schlachttieres  als  menschliches  Nahrungsmittel  zu 
fällen  hat,  kann  sich  nach  folgenden  Richtungen  bewegen: 

1 )  Das  Fleisch  ist  zum  niensciillclien  (xemisse  geeignet  und  zwar : 

a)  bank würdig,  sobald  das  Tier  gesund,  oder  doch  nur  mit 
unerheblichen,  lokalen  krankhaften  Veränderungen  behaftet  ist  und 
sich  in  einem  guten,  marktgängigen  Ernährungszustande  befindet. 
Solches  Fleisch  kann  in  den  freien  Verkehr  gelangen,  nachdem  etwaige 
kranke  Teile  entfernt  und  vernichtet  worden  sind, 

b )  nicht  bank  w  ü  r  d  i  g,  aber  nicht  gesundheitsschädlich.  Hierher 
gehört : 

a)  Fleisch,  welches  wegen  geringgradiger  objektiver  Ver- 
änderungen seiner  Substanz  oder  hinsichtlich  seiner  Ab- 
stammung von  erheblich  kranken  Tieren  als  ,, verdorben 
im  Sinne  des  N.-M.-G."  und  daher  als  „minderwertig"  oder  „mangel- 
haft'" zu  bezeichnen  ist  (z.  B.  das  urinös  riechende  Fleisch  von  Ebern 
und  Spitzebern,  sobald  der  Geruch  nicht  zu  stark  ist,  in  Farbe  und 
Konsistenz  abweichende  Fleischsorten  etc.j, 

ß)  Fleisch,  welches  bedingungsweise  schädlich  ist  für 
den  Menschen,  dem  aber  durch  geeignete  Beh  an  dl  ung 
(Kochen,  Pökeln,  Sterilisieren,  Ausschmelzen)  die  ihm  anhaftende 
Schädlichkeit  genommen  werden  kann, 

/)  Fleisch  von  hochgradig  abgemagerten  Tieren,  dessen 
Genußwert  den  marktgängigen  Fleischpreisen  nicht  entspricht, 

*();  Fleisch  von  unreifen  oder  nicht  genügend  entwickelten 
Kälbern. 

2)  Das  Fleisch  ist  zum  menschlichen  Genüsse  ungeeignet  und 
zu  vernichten  oder  technisch  zu  verwerten. 

Hierher  gehört  vom  Standpunkte  der  Fleischbeschau  nicht  allein 
solches  Fleisch,  „welches  schon  die  Gesundheit  der  Menschen  geschädigt 
hat,  oder  bezüglich  dessen  der  begründete  Verdacht  besteht,  daß 
dieser  Fall  eintreten  könnte",  sondern  „alles  Fleisch,  dessen  Unschäd- 
lichkeit nicht  feststeht"  (Ostertagj: 

30 


Fleischbeschau.  441 

a)  Unbedingt  j;  e  s  u  n  d  h  e  i  t  s  s  c  h  ä  d  1  i  c  h  e  s  Fleisch, 

b)  hoch^Mudig  verdorlienes  Fleisch,  welches  wegen 
starker  Veränderungen  seiner  Substanz  (Fäulnis,  Wässrigkeit,  Para- 
sitengehalt u.  s.  w.)  die  Eigenschaften  eines  für  Menschen  brauchbaren 
Nahrungsmittels  verloren  hat. 

Das  in  den  freien  Verkehr  zuzulassende,  bankwürdige  Fleisch 
ist  am  besten  durch  Aufdrücken  von  Far  1»  t- n  s  te  in  pel  n  als 
solches  zu  bezeichnen,  ebenso  wie  das  nicht  bank würdige,  der  Frei- 
bank zu  überweisende  Fleisch  eine  besondere,  recht  auffällige  Kenn- 
zeichnung verdient. 

B.  Beschau  von  eingeführtem  frischen  Fleisch. 

Fast  nirgends  findet  in  einem  Gemeinwesen  die  Deckung  des 
Fleischbedarfes  allein  durch  im  Orte  geschlachtete  Tiere  statt,  sondern 
es  erfolgt  meist  eine  Zufuhr  frischen  Fleisches  von  auswärts.  Kommt 
dieses  aus  Orten  ohne  obligatorische  Fleischbeschau,  so  kann  sich 
damit,  selbst  wenn  der  Bestimmungsort  eine  strenge  Fleischbeschau 
besitzt,  die  (iefahr  einer  Gesundheitsschädigung  der  Einwohner  ver- 
binden. Wenn  nun  auch  durch  strenge  Einfuhrvorschriften  und  sorg- 
fältige Untersuchung  des  Fleisches  am  Orte  dieser  Gefahr  vorgebeugt 
werden  kann,  so  l)leibt  das  aus  Orten  ohne  obligatorische  Fleisch- 
beschau eingeführte  Fleisch  gegenüber  dem  von  im  Orte  geschlachteten 
und  der  Fleischbeschau  unterworfenen  Tieren  stammenden  immer  eine 
Ware  zweifelhafter  Beschaffenheit.  Deshalb  ist  es  nicht  allein  zweck- 
mäßig, dergleichen  Fleisch  mit  bc'^onderen  Stenipelabdrücken,  welche  sich 
von  denen  auf  dem  Fleische  der  im  Orte  geschlachteten  Tiere  auffällig 
unterscheiden,  zu  versehen,  sondern  es  ist  auch  gerechtfertigt,  daß 
die  Stätten,  an  denen  eingeführtes  Fleisch  verkauft  wird,  durch  ent- 
sprechende Inschriften  (Eingeführtes  Fleisch,  Auswärts  geschlachtetes 
Fleisch  u.  s.  w.)  kenntlich  gemacht  werden. 

Da  die  Abgabe  eines  absolut  sicheren  Gutachtens  über  die  Ver- 
wertbarkeit eines  Schlachttieres  zur  menschlichen  Nahrung  abhängig 
ist  von  einer  sachverständigen  Untersuchung  desselben  vor  und  nach 
der  Schlachtung,  so  liegt  es  auf  der  Hand,  daß  die  Untersuchung  des 
Fleisches  am  Einfuhrorte  das  Fehlen  dieser  Bedingungen  nicht  er- 
gänzen kann.  Es  kann  Fleisch  von  kranken  Tieren  stammen  und 
selbst  gesundheitsschädliche  Eigenschaften  besitzen,  ohne  daß  es  in 
seinen  Bestandteilen  auffallende  Veränderungen  er- 
kennen läßt.  Die  Möglichkeit  der  Entdeckung  von  Krankheiten  an 
eingeführtem  Fleische  sinkt  außerdem  mit  der  Verringerung  der 
Größe  der  Fleischstücke  und  vielfach  muß,  selbst  bei  größeren  Stücken, 
sich  der  nachuntersuchende  Sachverständige  auf  die  Feststellung  des 
Unverdorbenscins  beschränken. 

Wenn  in  einem  Gemeinwesen  die  Einfuhr  von  frischem  Fleisch 
nicht  soweit  beschränkt  werden  kann,  daß  nur  aus  Orten  mit  einer 
obligatorischen  Fleischbeschau,  oder  doch  von  Tieren,  welche  vor  und 
nach  der  Schlachtung  tierärztlich  untersucht  worden  sind,  stam- 
mendes Fleisch  zur  Einfuhr  zugelassen  wird ,  so  sollte  man  vor- 
schreiben, daß 

1)  nur  ganze  ungeteilte  Tiere,  oder  von  Großvieh  mindestens  nur 
Viertel  eingeführt  werden,  und 

2)  die  wichtigsten  Eingeweide:  Lunge,  Herz,  Leber,  Milz,  Nieren, 
Uterus     sich    im    natürliclien     Zusammenhange      mit    dem    Fleische 

31 


442  EDELMANN, 

betiiuieii.  Diese  Bediniiuiiii-  ist  allerdings  bezüglich  der  Milz  beim 
Schlachten  nicht  leicht  zu  erfüllen  wegen  der  innigen  Verbindung 
dieses  Organs  mit  dem  Magen.  Hinsichtlich  des  Uterus  müßte  dann 
das  Fleisch  hochträchtiger  Tiere  von  der  Einfuhr  überhaupt  ausge- 
schlossen bleiben. 

Mit  einer  solchen  Maßregel  wird  allerdings  der  Transport  des 
Fleisches,  sobald  es  sich  um  eine  umfänglichere  Einfuhr  handelt, 
ganz  erheblich  erschwert,  und  letztere  damit  von  selbst  beschränkt. 
Außerdem  fehlen  von  den  Eingeweiden  zur  Untersuchung  noch  Magen 
und  Darmkanal,  welche  ebenfalls  erheblich  erkrankt  sein  können  und 
deren  Beibringung  im  exenterierten  Zustande,  wegen  der  leicht  mög- 
lichen Unterschiebungen,  nicht  beweiskräftig  ist. 

Da  eine  Beschränkung  der  Fleischeinfuhr  besonders  aus  Rücksichten 
auf  die  Volksernährung,  die  Fleischversorgung  und  die  Fleischpreise 
in  einem  Gemeinwesen  häufig  nicht  erwünscht  erscheint,  und  vor 
allem  auch  in  großen  Städten  die  Zufuhr  besonders  wertvoller  einzel- 
ner Fleischstücke  (Lenden  und  Roastbeef,  sowie  Keulenstücke  vom 
Kind,  Schweinskeulen  und  -Rücken,  Kalbskeulen,  Zungen,  Lebern  etc.) 
angeblich  nicht  entbehrt  werden  kann,  so  sieht  man  sich  häufig  ge- 
nötigt, obige  Vorbedingungen  fallen  zu  lassen  und  sich  auf  die  Bei- 
l)ringung  des  Nachweises  zu  beschränken,  daß  das  Fleisch  von  einem 
Tiere  stammt,  welches  nach  der  Schlachtung  tierärztlich  untersucht 
und  für  gesund  befunden  worden  ist.  Vielfach  wird  auch  diese 
Forderung  aus  Zweckmäßigkeitsgründen  noch  als  eine  zu  weitgehende 
betrachtet,  und  man  giebt  sich  mit  Zeugnissen  von  Ortspolizeibehörden 
zufrieden,  deren  Zweifelhaftigkeit  in  sanitärer  Beziehung  nicht  er- 
örtert zu  werden  l»raucht. 

Daß  unter  solchen  Verhältnissen  die  Nachuntersuchung  des  ein- 
geführten frischen  Fleisches  eine  besonders  strenge  sein  muß,  liegt 
auf  der  Hand :  ebenso  wie  es  dann  Pflicht  der  Behörden  ist,  für  eine 
möglichste  Kenntlichmachung  des  eingeführten  Fleisches  in  der  oben 
erwähnten  Art  Sorge  zu  tragen,  damit  das  Publikum,  welches  ohne- 
dies noch  in  ausgiebigster  Weise  getäuscht  werden  kann,  sich  Auf- 
schluß über  die  Herkunft  des  Fleisches  zu  verschaffen  vermag. 

Die  Einfuhr  von  Hackfleisch  ist  unter  allen  Umständen  zu 
verbieten,  und  es  sind  auch  Vorkehrungen  zu  treffen,  daß  nicht  etwa 
oberflächlich  angesalzenes  Fleisch  als  konserviertes  der  Beschau  ent- 
zogen wird. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Trichinengefahr  sind  vom  Standpunkte  der 
Trichinenschau  an  das  eingeführte  frische  Schweinefleisch 
und  die  daraus  hergestellten  Fleischwaren  besondere  Bedingungen  zu 
stellen.  Die  beste  Sicherheit  gewährt  entschieden  eine  obligatorische 
Untersuchung  alles  eingeführten  Schweinefleisches  auf  Trichinen, 
gleichgiltig,  ob  es  bereits  auswärts  untersucht  worden  ist  oder  nicht 
(Berlin.  Leipzig,  Chemnitz  u.  a.  O.j.  Dieselbe  ist  auch  nicht  unbe- 
rechtigt, da  die  Erfahrung  gelehrt  hat,  daß  vielfach  die  erste  Unter- 
suchung auf  Trichinen  nicht  mit  der  erforderlichen  Sorgfalt  ausgeübt 
wird.  So  wurden  in  Berlin  1890  91  7,  1891/92  7,  1892/93  8, 
1893,94  4  eingeführte  Schweine,  welche  bereits  am  Schlachtorte  unter- 
sucht waren,  trichinös  befunden.  Auch  in  anderen  Städten  hat  man 
ähnliche  Erfahrungen  gemacht. 

Vielfach  beschränkt  man  sich  auf  die  Forderung  eines  glaub- 
haften Nachweises,  daß  am  Orte,  aus  dem  das  Schweinefleisch  stammt, 

32 


Fleischbeschau.  443 

die  obligatorische  Trichinenschau  besteht,  bez.  daß  das  Fleisch 
untersucht  worden  ist.  Eine  solche  Kontrolle  hat  sich  naturgemäß 
auch  auf  die  Schweinefleischwaren  (Wurst,  Schinken,  Speck  etc.)  zu 
erstrecken.  Seh  weine  fleisch  waren  außer  deutschen  Ur- 
sprungs, insbesondere  amerikanische,  sollten  nach  den  vor- 
liegenden Erfahrungen  stets  untersucht  werden,  auch  wenn  sie  mit 
Zeugnissen  über  eine  bereits  erfolgte  Untersuchung  eingehen. 

Die  schlicßliche  Verfügung  des  Sachverständigen  über 
eingeführtes  Fleisch  kann  lauten: 

1)  Auf  Zulassung  zum  freien  Verkehr  unter  den  oben  erwähnten 
Bedingungen, 

2)  auf  Zurückweisung  aus  dem  Ortsgebiete,  wenn  die  Einfuhr- 
bedingungen nicht  allenthalben  erfüllt  sind,  aber  das  Fleisch  weder 
verdorben  ist,  noch  Merkmale  aufweist,  daß  es  von  einem  kranken 
Tiere  abstammt, 

3)  auf  Beschlagnahmung  und  Vernichtung,  sobald  Krankheits- 
erscheinungen am  Fleische  wahrzunehmen  sind,  oder  dasselbe  ver- 
dorben ist. 

Eine  Ueberweisung  von  eingeführtem  Fleische  an  eine  Freibank 
des  Einfuhrortes  sollte  nicht  zulässig  sein,  da  einmal  der  Sachver- 
ständige keine  Garantie  für  die  vollkommene  Unschädlichkeit  des 
Fleisches  für  Menschen  übernehmen  kann,  und  außerdem  dieser  Um- 
stand benutzt  werden  könnte,  um  Fleisch  vom  Lande  in  der  Stadt 
vorteilhafter  zu  verwerten  zum  Nachteil  für  die  in  der  betreffenden 
Stadt  wohnenden  Fleischer. 

15)  Girard,   Compt.  rend.   du  Congr.  inUm.  d^hyg.  et  de  demograph.  ä  Paris  1890. 

16)  Hertwig,   OsUrtag'»  Zeittchr.   3.  Bd.   Heft  7   Ref.,    Verhandlungen  der  deutschen  Gesellseh, 
f.    Oesundheitspjiege  zu   Berlin   1892. 

17)  Pauli,  Adams    Wochenschr.  (1885)  476. 

18)  Leberecht,   Zeitschr.  J.  Fleisch-  u.   Milchhyg.   2.  Bd.  IL  9. 

19)  Maier,   Ad  ,   Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.   Milchhyg.  2.  Bd.  H.   10. 

20)  Zimmerer,   Zeittchr.  /.   Fleisch-  u.   Milchhyg.  2.    Bd.   II.    11. 

21)  Fischoeder,  Zeittchr.  f.  J<leisch-  u.   Milchhyg.  2.   Bd.   86  u.   103. 

22)  Feten  und  Fischoeder,  Berl.  tierärzU.    Wochenschr.  (1896)  No.  5. 

4.  Verwertung  beschiagiiahinten  Fleisches. 

A.  Nicht  bankwürdiges  Fleisch  im  allgemeinen. 

Das  beschlagnahmte  und  für  nicht  bankwürdig  erklärte  Fleisch 
wird  in  Orten  mit  geregelter  Fleischbeschau  einer  Freibank  (S.  451) 
zu  überweisen  und  daselbst  unter  Deklaration  zu  verkaufen  sein. 

In  Orten  ohne  geregelte  Fleischbeschau,  besonders  aber  auf  dem 
Lande,  kann  nach  Befinden  nicht  bankwürdiges  Fleisch  dem  Besitzer, 
von  dem  das  Schlachttier  stammte,  wenn  dieser  es  nicht  selbst  ge- 
schlachtet hat,  zur  Verwendung  im  eigenen  Haushalt  nach  Erfüllung 
etwaiger,  in  sanitärer  Beziehung  zu  stellender  Bedingungen  zurück- 
gegeben werden. 

Ob  bei  einer  Freibanküberweisung  das  Fleisch  im  rohen  Zu- 
stande zu  verkaufen,  oder  ob  es  erst  besonderen  Zubereitungsverfahren 
zu  unterwerfen  ist,  wird  sowohl  von  den  örtlichen  Bestimmungen,  als 
auch  besonders  vom  Grunde  der  Nichtbankwürdigkeit  des  P^leisches 
abhängen. 

Jedenfalls  erfordert  dasjenige  Fleisch,  welches  oben  unter  (i  des 
nicht  bankwürdigen  aufgeführt  wurde,  eine  besondere  Behandlung, 
bevor  es  der  Freibank  übergeben  werden  kann  (s.  B). 

Uudbuch  der  Hygiene.     Bd.  III.   AbUg.  i.  29 


444  EDELMANN, 

B.  Zur  menschlichen  Nahrung    bedingungsweise  geeignetes  Fleisch. 

Im  Interesse  der  Volkswirtschaft  und  der  Volksernälirung  muß 
die  Fleischbeschau  bestrebt  sein,  bei  strenger  Erfüllung  aller  sani- 
tären Forderungen,  möglichst  viel  Fleisch  für  den  Konsum  zu  er- 
halten. Dieser  Grundsatz  hat  mit  der  Ausbreitung  der  Fleischbeschau 
mehr  und  mehr  dazu  geführt.  ]\Iittel  und  Wege  zu  finden,*  auch  an 
und  für  sich  gesundheitsschädliches  Fleisch  zur  menschlichen  Nahrung 
geeignet  zu  machen.  Von  hierher  gehörigem  Fleisch  kommt  beson- 
ders in  Betracht :  Schwachfinniges,  trichinöses  Fleisch,  sowie 
das  Fleisch  von  Tieren,  welche  an  gewissen  Formen  von  Tuber- 
kulose gelitten  haben. 

Streng  genommen  nicht  zu  dieser  Fleischkategorie  zu  rechnen 
ist  das  Fleisch,  welches  mit  Mie  seh  er 'sehen  Schläuchen, 
D  u  n  c  k  e  r  'sehen  Strahlenpilzen,  Kalkkon  krementen  oder 
multiplen  Blutungen  durchsetzt  ist,  da  Gesundheitsschädigungen 
von  Menschen  infolge  des  Genusses  derartigen  Fleisches  einwandsfrei 
noch  nicht  beobachtet  worden  sind.  Vorsichtshalber  und  teilweise 
auch  aus  kommerziellen  Gründen  wird  jedoch  bisweilen  auch  Fleisch 
der  letztgenannten  Arten  besonderen  Verfahren  unterworfen,  bevor 
man  es  in  den  Verkehr  gelangen  läßt. 

Zur  Beseitigung  der  Gesundheitsschädlichkeit  bei  den  vorerwähn- 
ten Fleischarten  kommen  wesentlich  4  Verfahren  in  Anwendung:  Das 
Kochen,  das  Dämpfen  des  Fleisches  in  Dampfkoch- 
apparaten, das  Ausschmelzen  und  das  Pökeln. 

«)  Das  einfache  Kochverfahren  eignet  sich  zur  Unschädlich- 
machung schwachfinnigen  Fleisches.  Für  widerstandsfähigere  Para- 
siten, insbesondere  zur  Abtötung  zahlreicher  Mikroorganismen  und 
deren  Sporen ,  ist  es  in  Anbetracht  des  schlechten  AVärmeleitungs- 
vermögens  des  Fleisches  nicht  sicher  genug  und  bei  chemischen 
Giften  ganz  wirkungslos  (Ost  er  tag).  Ueber  das  Eindringen  der 
Wärme  in  größere  Fleischstücke  und  Fleischwaren  sind  Versuche  von 
Gerlach'^2^  Rupprecht^^,  Küchenmeister^',  Wolffhügel 
und  Hueppe'^^,  Petri'^,  Perroncito,  Leuckart,  Hert- 
wig^',  Duncker^^  u.  A.  angestellt  worden,  aus  denen  hervorgeht, 
daß  die  Temperatur  in  größeren  Fleischstücken  (über 
3 — 4  kg)  selbst  bei  mehrstündigem  Kochen  in  gewöhn- 
lichen Kesseln  oder  Töpfen,  bez.  beim  Braten  im 
Innern  der  Fleischstücke  niemals  100^^  C  erreicht. 

Beispielsweise  ergaben  die  im  kaiserl.  Gesundheitsamte  von 
Wolffhügel  und  Hueppe  angestellten  Versuche  folgende  Re- 
sultate : 

1)  Drei  in  eine  14,25  kg  schwere  Kalbskeule  versenkte  Thermometer  zeigten 
nach  3  Vj-Btündigem  Braten  in  einer  Temperatur  von  103"  C,  71,  76  und  89"  C. 

2;  Desgl.  bei  einem  4,5  kg  schweren  geräucherten  Schweineschinken 
nach  4-8tündigem  Kochen  in  Salzwasser  mit  einer  Maximaltemperatur  von  102  <*  C, 
75,  77  und  78^^  C. 

3j  Desgl.  93,  96  und  98'  C  bei  einem  3  kg  schweren,  frischen  Stück  Kalb- 
fleisch nach  3-stündigem  Braten,  wobei  die  Hitze  in  der  Bratröhre  auf  155"  C  ge- 
stiegen war. 

4/91  und  92  "  C  wurden  im  Innern  eines  3  kg  schweren  Stückes  Ri  n  d fiele  c  h, 
mit  kochendem  Wasser  angesetzt,  nach  2 '^-ständigem  Kochen  erzielt,  wobei  eine 
Temperatur  von  105 "  C  im  Wasser  erreicht  wurde. 

5)  In  einem  ebensolchen  Stück  RindÜeisch,  aber  mit  kaltem  Wasser  angesetzt, 
stieg  die  Temperatur  auf  95  und  96 "  C. 

34 


Fleischbeschau. 


445 


Da  Finnen  schon  bei  einer  Temperatur  von  +50'*  C  absterben, 
so  genügt  es,  schwachtinnigcs  Fleisch  so  lange  in  einem  gewöhnlichen 
Kessel  zu  kochen,  bis  die  das  Durchgekochtseiu  anzeigende  Verände- 
rung der  Muskelfarbe  in  Grau  bis  Weißgrau  (Schweinetieisch)  eingetreten 
ist.  Dieses  Verfahren  ist  überall  leicht  auszuführen,  besitzt  aber  die 
Nachteile,  daß  dabei  dem  Fleische  verhältnismäßig  viele  lösliche  Nähr- 
stoffe entzogen  werden.  Letzteres  wird  vermieden,  sowie  eine  höhere 
Temperatur  erzielt  bei  dem  B  e  c  k  e  r  -  U 1 1  m  a  n  n  'sehen  K  o  c  h  a  p  p  alr  a  t. 
Derselbe  tindet  ausgedehnte  Anwendung  in  großen  Speiseanstalten, 
Kasernen  u.  dergl.,  ist  für  sanitätspolizeiliche  Zwecke  jedoch  meines 
Wissens  bisher  ausschließlich  auf  dem  Berliner  Schlachthofe  zur 
Verwendung  gelangt  und  hat  sich  daselbst  sehr  gut  bewährt 
(Hertwig«^). 


Fig.  5.     Becker-Ullmann'  scber  Kocbapparat. 


Der  Apparat  zerfallt  in  mehrere  Abteilungen,  welche  aus  emailliertem  Eisen  be- 
stehen, mit  einer  Dampfzuleitung  verbunden  sind  und  durch  einen  doppelwandigen, 
darapfdicht  schliefsenden  Deckel  verschlossen  werden.  Die  Abteilungen  smd  in  einem 
doppelwandigen  Holzkasten  aufgestellt,  der  aufsen  mit  Kacheln  belegt  ist  und  dessen 
Wandraum  mit  schlechten  Wärmeleitern  ausgefüllt  ist.  In  die  Abteilungen  wird 
Wasser  und  Fleisch  hineingebracht  und  beide  durch  zugeleiteten  Dampf  erhitzt,  wobei 
eine  Temperatur  bis  zu  92  '  C  innerhalb  2  Stunden  erreicht  wird. 

Nacn  Hertwig's  Versuchen  mit  Fleiechstücken  von  6  —  12  cm  Durchmesser 
iegt  die  Temperatur  in  denselben  innerhalb  2  Stunden  auf  86  bezw.  Itl.S"  C. 

ß)  Das  Dllinpfeii   von  Fleisch   in  Dampfkochapparaten  ist  ein 

Fortschritt  der  allcrneuesten  Zeit,  der  den  gemeinschaftlichen  Be- 
mühungen von  Ilertwig-',  Duncker'"  und  Kohrbeck^*  in 
Berlin  zu  verdanken  ist.  Das  Verfahren  verfolgt  den  Zweck,  durch 
Anwendung  gespannten  Dampfes  hohe  Temperaturen  im  Innern  von 
mit  gewissen  Infcktionsstotfen  behaftetem  Fleisch  zu  erzielen  und  damit 
größere  Fleischmengen  unter  möglichst  geringer  Beeinträchtigung  ihres 
Nähr-  und  Genußwertes  geeignet  zur  menschlichen  Nahrung  zu  machen. 

35  "^ 


446 


EDELMANN, 


Der  Apparat,  mit  welchem  die  ersten  diesbezüglichen  Versuche  ange- 
stellt wurden,  ist  der  von  Rohrbeck  in  Berlin  konstruierte  Dampf- 
desinfektor, welcher  ursprünglich  zur  Desinfektion  infizierter 
Kleidungsstücke  u.  s.  w.  bestimmt,  dem  beregten  Zwecke  dienstbar 
gemacht  wurde. 


Fig.   6.     Patent-Fleisch-Desinfektor,   Fleischsterilisator  nach    Dr.   Hermann  Rohr^ 
beck   in  Berlin    mit  nebenstehendem  Dampfkessel. 


Der  Apparat  stellt  einen  liegenden,  cylindrischen,  doppelwandigen,  eisernen  Kessel 
dar,  dessen  Stirnseiten  durch  verschraubbare  eiserne  Thüren  fest  geschlossen  werden 
können.  Im  Innenraum  befinden  sich  ausziehbare  Roste,  auf  welche  das  zu  dämpfende 
Fleisch  gelegt  wird,  während  am  Boden  befindliche  Zinkblechschalen  zum  Auflfangon  des 
ablaufenden  Fettes,  von  Fleischbrühe  und  Kondenswasser  dienen.  Innenraum  und  Mantel- 
raum des  Kessels  sind  mit  einer  Dampfleitung  verbunden  und  mit  Manometern  versehen. 
Zum  Mantelraum  führt  aufeerdem  eine  Kaltwasserleitung.  Eine  Dampf-  und  bez.  Wasser- 
ableitung aus  dem  Mantel-  und  Innenraum  des  Kessels  führt  in   das  Siel   (Schleufse). 

Nach  Beschickung  des  Apparates  kann  Dampf  in  den  Mantel-  oder  Innenraum 
nach  besonderer  Betriebsvorschrift  gelassen  und  dadurch  im  Innern  eine  Temperatur 
bis  zu  120"  C  bei  einem  Dampfdruck  von  1  Atmosphäre  und  gesättigtem  Dampfe  er- 
reicht werden. 

Eigentümlich  und  von  Vorteil  ist  es,  dafs  der  Apparat  mit  Druckdifferenzen  infolge 
Kondensation  arbeitet.  Letztere  wird  durch  Berieseln  des  Innenmantels  mit  kaltem 
Wasser  nach  Abstellung  des  Dampfes  bewirkt.  Infolgedessen  sinkt  die  Temperatur 
im  Innenraum,  woselbst  sich  ein  negativer  Druck  bemerkbar  macht  und  ein  Teil  der 
bei  der  Kondensierung  des  Dampfes  freiwerdenden  latenten  Wärme  sich  den  im 
Apparate  befindlichen  Fleischmassen  mitteilt 

In  einige  Stücke  des  Fleisches  legt  man  vor  Beginn  des  Verfahrens  Kontakt- 
pyrometer (Tig.  7)  ein,  welche  von  Duncker  sehr  zweckmäfsig  auf  Grund  des 
Schmelzens  von  gewissen  Metalllegierungen  bei  bestimmten  Temperaturen  konstruiert 
worden  sind.  Die  Pyrometer  werden  mit  einem  elektrischen  Läutewerk  verbunden, 
Ihre  Konstruktion  ist  aus  der  nebenstehenden  Abbildung  nebst  der  dazu  gehörigen 
Legende  leicht  verständlich.  Bezüglich  der  Funktionierung  der  Pyrometer  sei  be- 
merkt, dafs  der  elektrische  Strom,  in  welchen  das  Pyrometer  und   das  dazu  gehörige 

36 


Fleischbeschau. 


447 


L&utewerk  einpeschaltet  worden  sind,  so  lanpe  unterbrochen  sind,  als  die  Spiralfeder  b 
durch  das  isolierte  Plättchen  c  von  der  Berühruiij;  mit  der  gegenüberstehenden 
Leitung  «  zurückgehalten  wird.  Der  Kontakt  kann  erst  hergestellt  werden,  sobald 
die  Metalllegierung  des  Plättchens  c  derart  weich  geworden  und  ihrem  Schmelz- 
punkt nahegekommen  ist ,  dals  die  Spitze  der  Spiralfeder  das  l'lättchen  durchbohren 
kann.  Geschieht  letzteres,  so  schliefst  sich  bei  der  Berührung  der  Spiralfeder  mit  dem 
gegenüberstehenden,  verbreiterten  Ende  der  Leitung  e  der  elektriscuo  Strom  und  das 
Läutewerk  ertönt.  Dieser  Zeitpunkt  wird  gekommen  sein,  wenn  die  Temperatur  im 
Innern  der  FleischstQcko  die  bestimmte  gewünschte  Höhe  (z.  B.  100"  C.)  erreicht  hat. 

Die  von  Hertwig  (I.e.)  mit  dem  beschriebenen  Apparate  ange- 
stellten Versuche  haben  ergeben,  daß  innerhalb  2 — 2^2  Stunden  in 
Fleischstücken  bis  zu  5,0  kg  eine  Temperatur  bis  zu  108°  C  erreicht 
wurde  bei  einer  Maximaltemperatur  im  Innenraum  des  Apparates 
von  115—118"  C.  Dabei  war  der  Gewichtsverlust  des  Fleisches  ge- 
ringer als  beim  Kochen  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  und  das 
Fleisch  sehr  saftreich,  von  würzigem,  ange- 
nehmen, an  gebratenes  Fleisch  erinnernden 
Geschmack  und  Geruch.  Diese  Versuchser- 
gebnisse sind  weiterhin  von  Maske  ^^  sowie 
von  Noack^a  bestätigt  worden.  Rohr- 
beck'sehe  Apparate  sind  bis  jetzt  auf  einer 
Anzahl  von  Schlachthöfen  in  Gebrauch  (Berlin, 
Dresden  ,  Lübeck,  Eisenach ,  Halle  ,  Neiße, 
Potsdam  u.  s.  w.)  und  werden  auch  regierungs- 
seitig empfohlen  (vgl.  Kgl.  sächs.  Verordn.  vom 
17.  Dezember  18". »2  S.  430). 

Der  Apparat  findet  hauptsächlich  Ver- 
wendung zur  Unschädlichmachung  von  Fleisch 
tuberkulöser  Tiere  (s.  Kap.  IV,  3.  B.lmit  gewissen 
Formen  der  Erkrankung,  bei  denen  die  Knochen, 
Muskeln  und  Lymphdrüsen  des  Fleisches  frei 
von  tuberkulösen  Prozessen  sind  oder  letztere, 
soweit  Lymphdrüsen  in  Frage  kommen ,  sich 
als  alte  Herde  einer  längst  abgelaufenen  Er- 
krankung charakterisieren.  Für  trichinöses 
Fleisch  liefert  das  Dampfkochverfahren  mehr 
(iarantie  als  das  gewöhnliche  Kochen.  — 
Selbstverständlich  kann  der  Apparat  zum 
Kochen  finnigen  u.  s.  w.  Fleisches  benutzt 
werden ,  wobei  man  sich  natürlich  mit  einer 
Temperatur  von  70 — 75"  begnügen  kann. 

Ob  septisch  oder  pyä misch  infi- 
ziertes P' leise h  durch  Hitzegrade, 
wie  sie  im  Roh  rbeckschen  Ajjparate  er- 
zeugt werden  können,  von  seinen  giftigen 
Eigenschaften  zu  befreien  ist,  be- 
darf noch  der  Erforschung.  Nach  den 
Untersuchungen  van  Ermen^^em's  (siehe 
Kap.  II)  wurden  Toxalbumine  durch  Tempe- 
raturen von  1<H> — 120"  C.  nicht  zerstört.  Daß 
Toxine  durch  Kochen  und  Braten  unter  ge- 
wöhnliehen Verhältnissen  nicht  entgiftet  wer- 
den, ist  seit  lanjzem  bekannt  und  durch  zahl- 
reiche     Fleischvergiftungen      bei     Menschen 


Fig.  7.  Kontakt-  Pyro- 
meter im  senlciechten  Durch- 
schnitt nach  D  a  n  c  k  e  r, 
a  MessinghUlse,  b  Spiralfeder, 
cLegieruDgsplättchen,  isoliert 
liegend  auf  d  Hartgummi- 
Stöpsel ,  e  Ansatzdrihte  für 
die  eleiitrische  Leitung. 


37 


448 


EDELMANN, 


belebt.  Fleisch  in  diMi  ersten  Stadien  der  Fäulnis  dürfte 
auch  durch  das  Danipfkocliverfahren  nicht  schmackhafter  gemacht  werden 
können,  selbst  wenn  die  darin  befindlichen  Fäulnistoxine  vernichtet 
werden  sollten.  Auch  dürften  aus  faulendem  Fleisch  die  darin  ent- 
standenen Ammoniaksalze  kaum  vollkommen  austreibbar  sein. 

Dieselben  Zwecke  wie  der  Ro  hrb  e  ck'sche  Apparat  verfolgt  ein 
von  der  Firma  R  i  e  t's  c  h  e  1  &  H  e  n  n  e  b  e  r  g ,  Berlin  und  Dresden 
konstruierter  Flei  seh  dämpf  er ,  dessen  Einrichtung,  Wirkung  und 
Verwendung  aus  den  beifolgenden  Abbildungen  und  deren  Legenden 
ersichtlich  ist. 


Y\^.  b.     Fleisch-Dämpfer  von   R  i  e  t  s  c  h  e  1    o^   Ileuueberg.     Aeufsere  Ansicht. 

Auch  dieser  Apparat  findet  mehr  und  mehr  Verbreitung,^  nicht 
zum  geringsten  wegen  seiner  Billigkeit  gegenül)er  dem  Ro  h  r  b  e  c k  'sehen, 
dessen  Vorzug  der  Kondensierungseinrichtung  dem  Rietschel  und 
H'en  neber  g 'sehen  Heischdämpfer  abgeht.  Er  ist  aufgestellt  z.  B. 
in  Leipzig,    Zwickau,  Stettin,  Spandau,    und  liegen   günstige  Berichte 

38 


Fleischbeschau. 


449 


Fig.  9.     Fleischdämpfer  von  Rietscbel  &  HenDeberg.     Vertikalschnitt. 

BachstabenerklaruDg :  a  Kochkessel,  b  Deckel  desselben,  c  Heizkörper  für  direkten  Dampf, 
d  Dampfzufiibrung  vom  Betriebskessel  her,  t  Dampfableitung  und  Kondenstopf  mit  auto- 
matisch wirkendem  Wasserabscheider,  /  Säule  mit  Gegengewicht  zum  Ausbalancieren  des 
Deckels  ,  g  Sicherheitsventil  und  h  Manometer  für  den  Kochkessel,  t  Drahtkörbe  für  das 
Fleisch,  2;  Lufthahn,  l  AblaTshahn. 


Über  den  Betrieb  des  Apparates  vor  von  Rieck^S  Liebe  ^\ 
Falk^^ 

Gleichen  Zwecken,  wie  die  oben  besprochenen  Apparate  sollen 
dienen:  der  Desinfektor  von  Budenberg-Dortmund  nach  einer 
Mitteilung  von  Clausnitzer-^',  sowie  der  Seiffert'sche  Dampf-, 
Schmelz-  und  Koch  ap  parat  (W.  Boese  jun.  Breslau). 

y)  Ueber  das  Ausschmelzvorfahren,  welches  für  das  Fett  kranker 
Tiere  (vor  allem  finniger,  tuberkulöser  und  trichinöser  Schweine)  Ver- 
wendung findet,  braucht  nicht  viel  gesagt  zu  werden.  Das  zerschnittene 
oder  zermahlene  Fett  wird  in  gewöhnlichen  Kesseln  ausgeschmolzen, 
wobei  die  Temperatur  bis  auf  15<J*'  C  steigt.  Auch  Mantelkessel  mit 
Dampfdurchströmung  eignen  sich  für  diesen  Zweck. 

39 


450  EDELMANN, 

d)  Vermittels  des  handwerksmäßigen  Pökclverfalirens.  wie  es 
der  Fleischer  anwendet,  läßt  sich  finniges  nnd  trichinöses  Fleisch 
ebenfalls  unschädlich  machen,  sofern  nur  die  Pökelung  genügend 
lange  (4  Wochen)  erfolgt  und  die  Fleischstücke  nicht  über  2  kg 
schwer  sind.  Das  Verfahren  eignet  sich  besonders  für  die  Fleisch- 
beschau auf  dem  flachen  Lande,  wo  für  den  schnellen  Absatz 
größerer  Mengen  gekochten  Fleisches  Schwierigkeiten  bestehen,  während 
Pökelfleisch  im  Haushalt  allmählich  verbraucht  werden  kann.  Aber 
auch  auf  den  Schlachthöfen  wird  das  P(")kelungsverfahren  bei  finnigem 
Schweinefleisch  dem  Kochverfahren  mehr  und  mehr  vorgezogen,  weil 
bei  dem  ersteren  das  Fleisch  nicht  an  Gewicht  einbüßt  und  auch  vom 
Publikum  im  allgemeinen  lieber  gekauft  wird  als  gekochtes  Schweine- 
fleisch.    Vergl.  auch  Stutzer  dies.  Handb.  3.  Bd.  221. 

Auf  mit  pathogenen  Bakterien  oder  deren  Stoff- 
wechselprodukten infiziertes  Fleisch  sind  die  giftzer- 
störenden Wirkungen  des  Pökeins  sehr  gering.  Vergl. 
die  Arbeiten  von  B  osh  ammer  ^''^  über  die  Einwirkung  des  Pökeins 
auf  Bakterien,  Forst  er-*"'  über  die  Beeinflussung  pathogener 
Bakterien  (Stapliylokokken,  Erysipelkokken,  Schweinerotlaufl3akterien) 
und  von  Tuberkelbacillen. 

Das  ßättcherverfahern  (vergl.  Stutzer  dies.  Handb.  3.  Bd. 
222)  kann  für  die  praktische  Fleischbeschau  wegen  seiner  Langwierig- 
keit nicht  in  Betracht  kommen.  Ueber  den  Einfluß  des  Räucherns 
auf  Fäulniserreger,  Staphylokokken,  Proteusarten  siehe  die  Arbeiten 
von  Beut'S  auf  Tuberkelbacillen  die  zuletzt  zitierte  von  Förster^"'. 

22)  Gerlach,  Die   Trichinen,  Hannover  1866. 

23)  Eupprecht,    VierUlj.  f.  gerichtl.   31ed.  N.  F.  42.  Bd.   111. 

24)  Küchenmeister,  Zeitschr.  f.  Med.  Chirurg.   Geburtsh.  N.  F.  (1863)  309. 

25)  Wolffhügel  und  Hüppe,   Mitteü.   d.  KaiaerL.  Oesundheitsamtes  1.  ßd. 

26)  Petri,   Arbeit,  aus  d.   Kaiserl.   Oesundheitsamt  6.   Bd.   2. 

27)  Hertwig,   Dtsch.    Vierteljahrsschr.  f.  öfentl.  Gesundheüspß.  (1892)   24.  Bd.   392. 

28j  Duncker,  Zeitschr.  f.  fleiech-  u.  Müchhyg.  2.  Bd.  H.  2 ;  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u. 
}Iilchhyg.  2.  Bd.  II.   12. 

29)  Hertwig,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Müchhyg.  1.  Bd.  U.  4.;  Bericht  über  d.  städt. 
Fleischbeschau  zu  Berlin  (1890/91);  Zeitschr.  f.  fleisch-  u.  Milchhyg.  2.  Bd.  212  j 
Ottertag's   Handb.   706. 

30)  Dxmcker,  Ueber  das  Eindringen  des  Wasserdamp/es  in  Desinfektionsobjekte,  Leipzig, 
Georg  Thieme,  1892  ;  Die  physikal.  Prüfung  der  Desinfektion  mit  Wasserdampf.  Deutsche 
Medizin.   Ztg.  (1892)  No.  85  —  91. 

31)  Rohrbeck,  Deutsche  med.  Wochenachr.  (1890)  No.  50;  Der  Gesundheitsingenieur  (1894) 
No.  2  u.   3. 

32)  Maske,   Zeitschr.  f.   Fleisch-  u.   Milchhyg.   3.  Bd.    115. 

33)  Noack,   Dtsch.  tierärztl.    Wochenschr.  (1895)  No.  32. 

34)  Rieck,  Arch.  f.   TürheiOc.  21.   Bd.   168. 

35)  Liebe,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.   Milchhyg.  4.   Bd.   143. 

36)  Falk,   Zeitschr.  f.   Fleisch-  u.   Milchhyg.  5.   Bd.  H    7. 

37)  Clausnitzer,   Zeitschr.  f.   Fleisch-  u.  Müchhyg.  4.  Bd.    107. 
37aj  Boshammer,  Inaug.-Diss  ,  Greifswald  1888. 

376)  Forster,    Münch.  med.    Wochenschr.  (1889),    Ref.  Berl.    t.    Wochenschr.  (1889)  287.  — 

Ibid.  (1890)  No.    16,  lief.  Arch.  f.  Nahrung smitulk.  5.   Bd.   94. 
37c)  Beu,  CerUralbl.  f.  Bakteriolog.  8.   Bd.  513. 

C.  Zur  menschlichen  Nahrung  ungeeignetes  Fleisch. 

Die  bei  der  Fleischbeschau  beschlagnahmten  Tiere  oder  Teile  der- 
selben müssen,  sofern  sie  in  jeder  Beziehung  ungeeignet  zur 
menschlichen  Nahrung  sind,  vernichtet,  unschädlich  beseitigt 
oder  technisch  verwertet  werden.    Dies  wird   auf  größeren  Schlacht- 

40 


Fleischbeschau.  451 

höfen  in  den  sop:.  Sanitätsanstalten,  Polizeischlachthäusern,  Contuniaz- 
anstalten  u.  diil.  Itosorj^t,  indem  (hiselhst,  entweder  eine  Vernichtung 
unmittelbar  erfolgt,  oder  eine  Ueherfidirung  nach  jjesunderen  Vernicii- 
tungs-  und  Ausnutzungsanstalten  (Talgsciimelzen,  Cavillereien,  Ab- 
deckereien, Poudrettefaltriken,  Knochenmehlfabriken)  vorbereitet  wird. 
Kann  die  Ueberführung  tierischer  Teile  nach  diesen  Anstalten  nicht 
unter  sicherer  polizeilicher  Aufsicht  erfolgen,  welche  auch  die  Ver- 
nichtung oder  Ausnutzung  zu  überwachen  iiat,  so  emjihehlt  es  sich, 
das  Fleisch  durcli  UeiiergielSen  mit  stark  riechenden  StoHen  (Karbol- 
säure, Petroleum,  Steinkohlentheer  etc.)  oder  mit  zersetzenden  StoH'en 
(Mineralsäuren)  zu  denaturieren,  für  Nahrungszwecke  unbrauchbar  zu 
machen.  Auf  kleineren  Schlachtluifen  sind  in  der  Regel  die  Peseitigungs- 
verfahren  von  den  Schlachthofl)eamtcn  oder  Tierärzten  selbt  zu  ül)er- 
wachen.  welche  auch  bei  einer  ambulatorischen  Fleischbeschau  die  \'er- 
nichtung  einzelner  Eingeweide  oder  kleinerer  Teile  in  der  Kegel  unter 
ihrer  unmittelbaren  Aufsicht  durch  Verbrennen  in  den  Feuerungen 
der  Haushaltungskessel  oder  mittels  Vergrabens  nach  Denaturierung 
bewirken  lassen.  Für  ganze  Tiere  muß  unter  solchen  Verhältnissen 
die  Ortspolizei  die  Ueberwachung  übernehmen. 

Unstatthaft  ist  es  in  jedem  Falle,  krankhafte  Teile  auf 
die  D  ü  n  ger  st  ätte  zu  werfen,  ebenso  wie  eine  Verwendung 
von  Fleisch  kranker  Tiere  zur  Fütterung  von  Hunden,  Schweinen  etc. 
nur  in  sehr  beschränktem  Maße  und  ausschließlich  in  solchen  Fällen 
zugelassen  werden  sollte,  in  denen  eine  Uebertraguug  von  Krankheiten, 
sowie  eine  etwaige  mißbräuchliche  Verwertung  des  Fleisches  für 
Menschen  sicher  ausgeschlossen  sind. 

Eine  Verordnung  des  König),  sächsischen  Ministeriums  des  Innern  vom  16.  Jan. 
1890  verbietet  das  Wegwerfen  und  Eingraben  tuberkulöser  Teile  auf  Düngerhaufen. 

Ausführliches  über  die  Verwertung  und  Beseitigung  von  Tier- 
kadavern siehe  bei  Weh  m  er,  Abdeckereiwesen,  2.  Bd.  2.  Abtlg. 
107  ff.  dies.  Handb. 

5.  Die  FreibSiikc. 

Eine  Freibank  ist  eine  öffentliche  Verkaufsstelle  für  Fleisch, 
welches  aus  irgend  einem  Grunde  nur  unter  gewissen  \'oraussetzun- 
gen  oder  Bedingungen  in  den  Verkehr  gelangen  darf  und  deshalb 
dem  allgemeinen  freien  Verkehr  entzogen  worden  ist.  Zum  Wesen 
der  Freibank  und  aller  den  gleichen  Zwecken  dienenden  Einrichtungen 
gehört  der  D  e  k  1  a  r  a  t  i  o  n  s  z  w  a  n  g ,  die  Bekanntgabe  des  (1  rundes, 
aus  welchem  das  betreffende  Fleisch  der  Freibank  übergeben  wurde, 
sowie  die  Voraus.set2ung,  daß  das  Fleisch  nur  im  eigenen 
Haushalte  des  Käufers  benutzt,  keinesfalls  aber  ge- 
werbsmäßig zur  Herstellung  von  Speisen,  Würsten 
u.  dergl.  verwertet  wird. 

Dazu  kommt  noch  ein  niedrigerer  Verkaufspreis  der 
Freibankwaren  und  die  Abgabe  in  nur  kleinen  Gewichts- 
mengen —  meist  nur  iiis  zu  2 — 3  kg. 

Das  Institut  der  Freibänke  ist  keineswegs  etwas  Neues.  Schon  im 
Jahre  1248  finden  wir  in  einer  der  Metzgerzunft  zu  Basel  durch  den 
Bischof    Lütold    erteilten    Urkunde'*     eine    Einteilung    der    Fleisch- 

4» 


452  EDELMANN, 

verkaufstände  des  Marktes,  der  Fleischbänke,  nach  der  Beschaffenheit 
und  Herkunft  des  daselbst  verkauften  Fleisches  mit  der  Verfügung,  daß 
das  „unsaubere  Fleisch  außerhalb  der  Metzig"  verkauft  werden  solle. 
Nach  Ostertag^^  schreibt  das  Augsburger  St  a  dtr  echt  (1276) 
bereits  vor:  „Swelch  Fleisch  mauger  ein  varch  sieht,  das  phinnik  ist, 
das  soll  er  niemen  gäben  wände  mit  wizzen."  Solches  Fleisch  durfte 
nicht  auf  den  gewöhnlichen  Fleischbänken  verkauft  werden,  sondern  der 
Verkauf  mußte,  entfernt  von  diesen,  auf  einer  freistehenden  Bank  ge- 
schehen. Im  Mittelalter  gab  es  fast  in  allen  Städten  Deutschlands  Frei- 
bänke, jedoch  sind  sie  aus  dieser  Periode  nur  in  Siiddeutschland  für  die 
Neuzeit  erhalten  worden  und  bestehen  daselbst  nicht  nur  in  den  Städten, 
sondern  auch  auf  dem  flachen  Lande.  In  Norddeutschland  werden  eben- 
falls mit  der  Ausbreitung  der  Fleischbeschau  Freibänke  eingeführt.  Ende 
des  mit  dem  1.  Mai  beginnenden  Berichtsjahres  1894/95  waren  im  König- 
reich Preußen  290  öffentliche  Schlachthäuser  vorhanden;  aus  144 Orten 
wird  das  Vorhandensein  einer  Freibank  angegeben  und  aus  53  das 
Fehlen  einer  solchen  gemeldet.  Ob  die  übrigen  93  Orte  mit  Schlacht- 
höfen eine  Freibank  besitzen  oder  nicht,  ist  aus  den  Berichten  nicht  er- 
sichtlich. Im  Königreich  Sachsen  bestehen  gegenwärtig  Freibänke  in 
28  Städten  mit  einer  geregelten  Fleischbeschau.  —  Erwähnung  finden 
die  Freibänke,  oder  diesen  gleich  zu  erachtende  Einrichtungen,  in  den 
Fleischbeschau  -  Vorschriften  des  Reg.  -  Bez.  Bromberg,  Königreichs 
Bayern,  Sachsen,  Württemberg,  Großherzogtums  Baden,  Hessen, 
Herzogtums  Gotha,  Fürstentums  Schwarzburg-Rudolstadt  und  in 
denen  für  die  Re  i  chs  land  e.  Empfohlen  ist  die  Errichtung  von  Frei- 
bänken seitens  der  Pro\änzialregierungen    von  Posen    und  Schlesien. 

Die  Notwendigkeit  und  der  Nutzen  der  Freibänke  für 
die  Fleischbeschau  erhellt  ohne  weiteres  aus  der  S.  440  gegebenen 
Einteilung  des  Fleisches  der  Schlachttiere.  Ließe  man  das  unter  den 
daselbst  aufgestellten  Begriff  „Nichtbankwürdig"  gehörige  Fleisch  in 
den  freien  Verkehr  gelangen,  so  würde  ein  solches  Verfahren  in  vielen 
Fällen  ein  Vergehen  gegen  das  Nahrungsmittelgesetz,  zum  mindesten 
aber  eine  Uebervorteilung  des  Konsumenten  mit  sich  bringen.  Letzterer 
kann  mit  Recht  verlangen,  daß  er  in  den  Fleischerläden  eines  Ortes  mit 
einer  Fleischbeschau  nur  von  gesunden  oder  nur  ganz  unerheblich 
kranken  Tieren  abstammendes  Fleisch  tadelloser  Beschaffenheit  erhält. 
Dieser  in  kommerzieller  Beziehung  berechtigten  Forderung  kann  der 
Fleischbeschaubeamte  nur  mit  Hilfe  der  Freibank  entsprechen,  will  er 
nicht  dem  Viehproduzenten  ganz  erhebliche  Verluste  zufügen  und 
sowohl  dem  Nationalvermögen  beträchtliche  Werte,  als  auch  der 
Volksernährung  schätzbare  Nährstoffe  unnötigerweise  entziehen.  Denn 
ein  großer  Teil  der  bei  Bestehen  einer  Freibank  daselbst  zu  ver- 
wertenden Fleischsorten,  die  von  kranken  Tieren  abstammen,  aber 
nicht  gesundheitsschädlich  sind,  oder  denen  doch  ihre  gesundheits- 
schädlichen Eigenschaften  genommen  werden  können,  müßte  beim 
Fehlen  einer  Freibank  der  Vernichtung  anheimfallen. 

Die  aus  dem  letzteren  Umstände  erwachsenden  Verluste  sind 
ganz  enorm,  und  aus  diesem  Grunde  hat  auch  die  Landwirtschaft, 
die  besonders  in  Norddeutschland  der  Fleischbeschau  keineswegs 
günstig  gesinnt  i.st,  für  die  Freibänke  Partei  genommen.  Auf  der 
XIX.  Plenarversammlung  des  Deutschen  Landwirtschaftsrates*"  im 
Jahre  1891  wurde  beschlossen,    allenthalben    für    die  Errichtung  von 

42 


Fleischbeschau.  453 

Freibänken  zu  sorgen  und  in  diesem  Sinne  bei  den  zuständigen  Re- 
gierungs-  und  Ortspolizeibehörden  vorstellig  zu  werden.  Von  in  der 
Fleischbeschau  erfahrenen  Tierärzten  ist  die  überwiegende  Mehrzahl 
für  die  Errichtung  von  Freibänken,  was  in  zahlreichen  Journalartikeln 
zum  Ausdruck  gekommen  ist  (Schm  idt-M  ülh  eim  *  ^  Adam'*, 
H  art  en  st  ein  *\  Schwarz**,  Messner '^,  La  ho"'    u.  A.). 

Von  den  Gegnern  der  Frei  b  an  k  werden  mannigfache  Einwen- 
dungen gegen  dieselbe  erhoben.  Die  Nichtberechtigung  der  letzteren, 
welche  hier  nicht  diskutiert  werden  kann,  charakterisiert  sich  teil- 
weise schon  durch  die  Kreise,  aus  denen  die  Einwände  kommen. 
Seitens  der  Fleischer  wird  über  die  Willkür  der  Fleischbeschau- 
beamten bei  den  Ueberweisungen  an  die  Freibänke,  über  die 
ihnen  durch  die  letzteren  erwachsende  Konkurrenz,  sowie  über  den 
angeblich  aus  dem  billigeren  Verkauf  entstehenden  Druck  auf  die 
Fleischpreise  geklagt.  Auch  wird  behauptet,  daß  in  wissenschaftlicher 
Beziehung  die  Grenze  des  Gesundheitsschädlichen  keineswegs  allent- 
halben feststehe  und  Mißgriffe  nicht  ausgeschlossen  seien. 

Ein  Haupteinwand  geht  dahin,  daß  die  Kontrolle  über  den  Ver- 
bleib des  Freibanktieisches  sehr  schwierig  und  es  in  größeren  Gemein- 
wesen keineswegs  ausgeschlossen  sei,  daß  solches  Fleisch  doch  in  den 
freien  Verkehr  gelange  oder  in  gewerbsmäßiger  Weise  mißbräuchlich 
verwertet  werde.  Es  wird  daher  vielfach  gefordert,  daß  Freibank- 
fleisch nur  in  gekochtem  Zustande  verkauft  werden  möchte,  weil 
dann  eine  unrechtmäßige  Verwertung  weniger  leicht  möglich  sei.  Die 
allgemeine  Erfüllung  dieser  Forderung  würde  den  Nutzen,  welchen 
die  Freibank  mit  sich  bringt,  erheblich  verringern,  denn  durch  das 
Kochen  wird  eine  Abminderung  des  Verkaufswertes  des  Fleisches 
nach  Noack'"  um  50 — 60  Proz.  und  damit  ein  Verlust  erheblicher 
Werte  für  den  Viehproduzenten  herbeigeführt.  Die  allgemeine 
Abkochung  von  nicht  bankwürdigem  Fleische  könnte  man  höchstens 
in  ganz  großen  Städten  befürworten,  wiewohl  auch  hier  die  miß- 
bräuchliche Verwertung  größerer  Mengen  von  Freibankfleisch  durch 
scharfe  behördliche  Ueberwachung  verhindert  werden  kann,  die  außer- 
dem in  der  Denunziation  seitens  mitwissender  Personen  eine  Unter- 
stützung findet.  Eine  mißbräuchliche  Verwendung  geringer  Mengen 
Freibankfleisch  aber,  die  sich  schließlich  auch  bei  obligatorischer 
Kochung  nicht  vermeiden  läßt,  kann  gegenüber  den  großen  aus  dem 
Verkaufe  rohen  Fleisches  auf  der  Freibank  für  Viehbesitzer  und 
Publikum  erwachsenden  Vorteilen  nicht  in  Betracht  kommen. 

Daß  es  sich  empfiehlt,  das  der  Freibank  überwiesene  Fleisch 
durch  besondere  Stempel  als  solches  zu  kennzeichnen,  wurde 
schon  oben  angedeutet.  Die  Verwaltung  der  Freibank  sollte  nur  in 
der  Hand  der  Behörde  liegen  oder  doch  unter  ihrer  Verantwortung  ge- 
schehen. Eine  Rückgabe  von  nichtbankwürdigem  Fleisch,  auch  wenn 
es  als  solches  gekennzeichnet  oder  abgekocht  worden  ist,  an  einen 
Fleischer  zum  Verkauf  oder  Verwertung  im  eigenen  Geschäft,  wie 
dies  an  einzelnen  Orten  behufs  Vermeidung  der  Errichtung  einer 
eigentlichen  Freibank  zu  geschehen  pflegt,  ist  aus  naheliegenden 
Gründen  entschieden  zu  verwerfen. 

38)  Gräber,  Historische»  *ur  Enticiekel.    d.  OffenU.   Oesundheitspfl.  auf  d.  Otbiete  d.   Fleisch- 

nahrung,   Inau(j.-Dus.,  Ltipzig   1884. 
89)  Gitertag.   Handbuch  53. 
40)    VerJiandlungtba-icht     der     XIX.    PUnarversammlung     des     deutschen     Landunritchaftsrats. 

Berlin    1891. 

43 


454  EDELMANN, 

41)  Schmidt-Mülheim.   Ar-ch    /.  animal.   Xahrungsvtittel künde  4.  Bd.    17. 

42)  Adam.    Uocheiischr.  J.    Tierheilk.  (1889)  451. 

43)  Hartenstein,    Arch.  _/.  trissensch.  u.  prakt.   Tierheilkunde  16.  Bd.  H.  4,   5. 

44)  Schwarz.   ZriUehr.  /.   Fleisch-  u    Milchhyg.    1.   Dd    95. 

45)  Messner,    Tierärzü.  Zentralbl.   15.   Bd.   Xo.   17. 

46)  Laho,    Annal.  helg.  42.  Jahrg.  647. 

47)  Noack,   Dtsch.  tierärzü.    Wochenschr.  (1895)  273. 


Anhang. 

Derzeiti£;er  Stand  der  rieiselibescliaii  in  den 
europäischen  Staaten. 

1.  Deutschland. 

Seitens  der  Reichsregierung  hat  weder  die  allgemeine  Fleisch- 
beschau noch  die  Trichinenschau  bei  den  Schweinen  eine 
einheitliche  Regelung  ^",  <8^  49  erfahren,  so  wünschenswert  dies  auch 
im  Interesse  einer  gleichmäßigen  Handhabung  dieser  Gebiete  der 
öffentlichen  Wohlfahrt  sein  würde  (Seh neide m  ü  hl ''"). 

A.    Allgemeine  Fleischbeschau. 

Von  den  einzelnen  Bundesstaaten  haben  eine  allge- 
meine Fleischbeschau  eingeführt :  Bayern,  Württemberg,  Baden, 
Hessen,  Sachsen  -  Meiningen,  Sachsen  -  Koburg  -  Gotha,  Schwarzburg- 
Rudolstadt,  Elsaß-Lothringen  sowie  einzelne  Provinzen  und  Regierungs- 
bezirke Preußens.  Von  Städten  und  größeren  Gemeinwesen  mit  einer 
geregelten  Fleischbeschau  giebt  es,  sowohl  in  Preußen,  als  auch  in  den 
übrigen  Bundesstaaten  eine  große  Anzahl,  doch  können  deren  orts- 
statutarische Bestimmungen  hier  keine  Erwähnung  finden. 

In  Bayern  ist  nur  „die  Fleischbeschau  bei  Pferdeschlachtungen"  durch  Ministerial- 
entschliefsuDg  vom   31.  Oktober   1874  für  das  ganze  Königreich  einheitlich  geregelt. 

Für  die  Beschau  der  übrigen   Schlachtliere    gelten    die    für  die  einzelnen  Regierungs- 
bezirke auf  Grund    der  Art.  74,  75  und   145    des  Polizeistrafgesetzes    von  1871  erlassenen 
oberpolizeilichen   Vorscbrilten. 
Letztere  datieren  in  : 

Ober  bayern  vom  2.  Juni  1862  (abgeändert  durch  Bekanntmachung  der  Kgl.  Reg. 
vom  20.   Juni   1882   und  Ausschreiben  ders.  v.   16.  Februar  1890); 

Niederbayern  vom  21.  Juli  1876  (ergänzt  durch  Bekanntmachung  d.  Kgl.  Reg. 
vom   10.  Januar   1892) ; 

der  Pfalz  vom  4.  April  1884; 

der  Oberpfalz  und  Regensburg  vom  8.  Oktober  1872  (abgeändert  durch  die 
Bekanntmachung  der  Kgl    Reg.  vom  9.   November  1875  und  31.   Juli    1883); 

Ober  franken  vom  23.  Juni  1881  (abgeändert  durch  die  Bekanntmachung  der 
Kgl.   Reg.   vom   19,  Juni   1892); 

Mittelfranken  vom   18.  Februar  1885; 

Unterfranken  und  Aschaffenburg  vom  10.  September  1874  (ergänzt  durch 
Ausschreiben   d.   Kgl.   Reg.   vom   15.  Mai    1875); 

Schwaben  und  Neuburg  vom  11.  April  1872  (ergänzt  durch  die  Regieruugs- 
entschliefbungen   vom  23.  Dezember  1875  und  21.   Dezember   1882). 

Die  erwähnten  Verordnungen  schreiben  sämtlich  eine  Beschau  vor  und  nach  dem 
Schlachten  vor.  Erstere  darf  nur  bei  Notschlachtungen  infolge  von  Unglücksfällen  unter- 
bleiben. Als  Sachverständige  sind  in  jeder  Gemeinde  Fleischbeschauer  zu 
verpflichten,  welche  in  erster  Linie  als  wissenschaftlich  gebildete  Flei.sch- 
beschauer  der  Zahl  der  Tierärzte  zu  entnehmen  sind.  Wo  dies  nicht  angeht,  können 
aach  Laien  als  sogen,  empirische  Fleischbeschauer  Verwendung  finden.  Im  allgemeinen 
dürfen  die  empirischen  Fleischbeschauer  nur  über  gesunde  Schlachttiere  verfügen;  bei  der 
Entdeckung  von  Krankheiten  der  Schlachttiere  ist  die  Entscheidung  über  die  Verwertbar- 
keit   des  Fleisches    von  Tierärzten    zu   fällen.     Ueber    die  Zulässigkeit    des  Fleisches    ge- 

44 


Fleischbeschau.  455 

schlacbteter  Pferde  zur  mensclilicheu  Nahruug  können  autsch  liefslich  die 
Tierärzte  entscheiden. 

In  Württemberg  reKelt  die  VerfUgunK  des  Minist,  des  Innern  betr.  die  Beauf- 
•ichtiituufc  des  Verkehrs  mit  Fleisch  vum  21.  August  1879  uebst  Belehruni;  des  Kgl. 
Mediziualkollegiums  für  Fleischbeschaukommissionen,  sowie  ein  Erlafs  des  Minist,  des 
Innern  betr.  die  Führung  von  Fleischbeschaaregistern  vom  29.  Dezember  1886  die  Fleisch- 
beschau. Die  Ausübung  der  letzteren  wird  in  die  Hand  von  Fleischbeschau- 
kommissionen gelegt,  welche  in  jeder  Gemeinde  zu  bilden  sind,  und  denen  Tierärzte 
möglichst  angehören  sollen.  Beschau  in  der  Kegel  vor  und  nach  der  Schlachtung  der 
Tiere;  nur  für  Kleinvieh  sind  Ausnahmen  gestattet.  Pferde  sind  iu  jedem  Falle  doppelt 
zu  besichtigen. 

Baden.  Die  Fleischschauordaang  vom  26.  November  1878  nebst  Dienstanweisung 
schreibt  die  Beschau  sowohl  vor  als  auch  nach  der  Schlachtung  vor.  Als 
Fleischbeschauer  fungieren  Tierärzte  nnd  solche  empirische  Fleisch- 
bescbauer,  welche  sich  durch  eine  vor  einem  Hezirkstierarzte  abzulegende  Prüfung  als 
befähigt  erwiesen  haben.  Bei  kranken  Schlachttieren  kaou  nur  der  zu  diesem  Zwecke 
gemäfs  Ministerialerlafs  vom  11.  Januar  1886  für  die  betr.  Gemeinde  verpflichtete  Tier- 
arzt entscheiden. 

Hessen.  Fleischschauordnung  vom  10.  April  1880  nebst  Instruktion  und  Anleitung 
für  die  Fleischbeschauer.  Hierzu  sind  Erlasse  des  Ministers  des  Innern  und  der  Justiz  an 
die  Kreisämter  unter  dem  12.  Mai  1880,  dem  20.  März  1886,  dem  5  Mai  1890  und  dem 
22.  Februar  1892  ergangen  und  die  Instruktion  durch  Erlafs  des  Minist,  des  Innern  vom 
12.  Oktober  1883  vervollständigt  worden.  Beschau  vor  und  nacli  der  Schlachtung 
durch  empirische  und  tierärztliche  Fleischbeschauer.  Bei  Pferden  ist 
die  zweite  Beschau  stets  von  Tierärzten  vorzunehmen,  welchen  auch  ausschliefslich  die 
Verfügung  über  kranke  Schlachttiere  (ausgenommen  bei  Scbafvieb,  Ziegen  und 
Kälbern)  zu  überlassen  ist. 

Für  Sachsen-Melningren  sind  in  dem  Ausschreiben  des  Ministeriums,  Abteilung  des 
Innern,  vom  11.  März  18b6  ähnliche  Bestimmungen  für  die  Fleischbeschau  wie  in  Hessen 
getroffen.  Die  Beurteilung  des  Fleisches  regelt  die  Verfügung  des  Staatsministeriums  betr. 
die  Vieh-  und   Fleischbeschau  vom  3.  Mai   1886. 

Sachsen-Koburg-Gotha.  Im  Koburgischen  Landesteile  soll  nach  einer  Ver- 
ordnung, den  Fleischverkauf  betr.  vom  27.  Januar  1838,  alles  V'ieh,  dessen  Fleisch  zum 
Verkauf  bestimmt  ist,  vor  dem  Aufhauen  gehörig  von  Aerzten,  Tierärzten  oder  ökono- 
mischen Sachverständigen  besichtigt  werden.  —  Das  Herzogtum  Gotha  hat  durch 
Ministerialverordnung  vom  22.  Dezember  1891  nebst  Dienstanweisung  für  die  Fleisch- 
beschauer bez.  durch  deren  Abänderung  vom  7.  April  1893  die  obligatorische  Fleisch- 
beschau eingeführt.  Die  Ausführung  der  Beschau  durch  empirische  und  tierärztliche 
Fleischbeschauer  geschieht  ähnlich  wie  in   Baden. 

In  Sohwarzburpr-Rudolstadt  besteht  ebenfalls  eine  allgemeine  Fleischbeschau,  ein- 
gefiihrt  durch  die  Verordnung  vom  3.  September  1892  nebst  Abänderung  und  Ergänzung 
vom  23.  Dezember  1893.  Bei  der  Anstellung  der  Fleischbeschauer  können  empirische  Be- 
schauer von  einer  Gemeinde,  in  der  ein  Tierarzt  wohnt,  nur  mit  besonderer  Genehmigung 
des  Ministeriums  Verwendung  finden       Beschau    vor  und  nach  der  Schlachtung. 

Sohwarzburö:-Sondershausen '°  ^  hat  durch  die  Fleischbeschauordnung 
vom  16.  April  1895  eine  allgemeine  Schlachtvieh-  und  Fleischbeschau  eingeführt.  Ausbil- 
dung und  Prüfung  empirischer  Fleischbesch.iuer  durch  den  Bezirkstierarzt.  Beschau 
vor  und  nach  der  Schlachtung  sowie  des  eingeführten  Fleisches. 
Verordnung  regelt  zugleich  die  obligatorische  Trichinenschau. 

Elsaß-Lot hring^en.  Unterelsafs.  Verordnung  vom  28.  Juni  1889  betr.  das 
Metxgergewerbe  und  den  Fleischhandel  nebst  Dienstanweisung  für  die  Fleischbeschauer  vom 
18.  Juli   1890. 

Oberelsnfs.  Verordnung  vom  10.  Mai  1884  betr.  die  Beaufsichtigung  des 
Metzgergewerbes  und  Fleischhandels  nebst  Dienstanweisung  vom  20.  Oktober  1884  und 
Ergänzungsverordnung  vom    14.  Mai    1890 

Lothringen.      Verordnung  vom    1.  Januar   1895  nebst  Dienstanweisung. 

Allen  Verordnungen  ist  die  Vorschrift  der  Beschau  vor  und  nach  der 
Schlachtung  der  zur  gewerbsmäfsigen  Verwertung  bestimmten  Schlachttiere  gemeinsam. 
Als  Fleischbeschauer  sind  in  erster  Linie  Tierärzte  zu  verwenden,  welche  bei  Pferden, 
kranken  Tieren  und  Notscblachtungen  ausschliefslich  zuständig  sind.  Laien- 
fleischbeschauer  haben  ihre  Befähigung  durch  eine  vom  zuständigen  Kreistierarzt  absubaltende 
Prüfung  nachzuweisen. 

Vom  Königreich  Preußen  hat  die  Provinz  Hessen  -  Nassau  durch  Polizeiverord- 
nung des  Oberpräsidenten  nebst  Ausrührungsvorschriiteu  und  Dienstanweisung  für  die 
SchlachtvJehbeschauer  und  sonstigen  Sachverständigen  vom  1.  Juli  1892  eine  obliga- 
torische    Fleischbeschau     eingefiihrt.       Untersuchung     vor     und     nach     der 

4S 


456  EDELMANN, 

Schlacht  UDtf.  Empirische,  von  lien  Kreistieräriten  zu  prüfende  Fleischbeschauer  und 
Tierirxte  sind  zur  Ausübung  der  Beschau  zu  verpflichten.  Letztere  sind  allein  kompetent 
bei  Pferden  und  bei  der  zweiten  Untersuchung  von  Notschlaehtungen.  Bei  krank  befundenen 
Tieren  sind  Tierärzte  heninzuziehen,  sobald  die  Geniefsbarkeit  des  Fleisches  in  Frage  steht, 

Weiterhin   besteht  im  Oberamtsbezirk 

Si^nuiring:eu  eine  Verordnung  vom  22.  Dezember  1887  über  das  Schlachten  und 
über  den   Verkehr  mit  Fleisch  und   Fleischwaren.     Aehnliche  Verhältnisse  wie  in  Baden. 

Im  Regierungsbezirk  Potsdam  hat  der  Regierungspräsident  den  Städten  seines  Be' 
zirkes  durch  Rundschreiben  vom  31.  März  1893  die  Einführung  einer  Vieh-  und  Fleisch- 
beschau empfohlen  und  gleichzeitig  den  Entwurf  einer  diesbezüglichen  Polizeiverordnung 
lugehen   lassen. 

Im  Keg.-Bez.  Danzig  tritt  vom  I.Oktober  1896  nach  einer  Polizei-Verord- 
nung ''l^  betr.  die  Untersuchung  des  Schlachtviehes  vom  18.  Mai  1896  nebst 
Anweisung,  betr.  die  Anstellung  und  die  Obliegenheiten  der  Schlacht- 
viehbeschauer    eine  obligatorische  Schlachtvieh-    und   Fleischbeschau    in  Wirksamkeit. 

Aufserdem  haben  schon  im  August  1893  die  Königl.  Minister  für  Landwirtschaft  u.  s.  w., 
des  Innern  und  der  Medizinalangelegenheiten  die  Einführung  einer  allgemeinen  Fleisch- 
beschau angeregt  und  diese  Anregung  Anfang  des  Jahres  1895  durch  erneuten  ErlaTs  an  die 
Oberpr&sidenten  der  Provinzen   wiederholt. 

Von  den  freien  Reichsstädten  besitzt  Hamburg  eine  obligatorische  Fleisch» 
beschau  durch  Gesetz  vom  19.  März  1894  betr.  die  Eintührung  des  Schlachtzwanges  und 
einer  Fleischbeschau;  Bremen  durch  Verordnung  vom  21.  Februar  1889  betr.  die  Ein- 
führung geschlachteten  Fleisches  und  die  Untersuchung  des  Schlachtviehes  und  des  frischen 
Fleisches  auf  dem  Schlachthofe;  Lübeck  durch  Verordnung  vom  10.  September  1884  betr. 
die  Untersuchung  des  Schlachtviehes  und  des  frischen  Fleisches  in  der  Stadt  Lübeck  und 
deren   Vorstädten. 

B.    Trichinenschau. 

Die  aus  den  amerikanischen  Schweinefleischwaren 
drohende  Trichinengefahr  hatte  der  Reichsregierung  Veranlassung  ge- 
geben, durch  Kaiserliche  Verordnung  vom  6.  März  1883  nebst 
Bekanntmachung  des  Reichskanzlers  vom  12.  April  1883, 
die  Einfuhr  von  Schweinen  und  Schweinefleischwaren  aus  Amerika 
zu  verbieten.  Das  Verbot  wurde  am  3.  September  1891  für  lebende 
Schweine  vollständig,  für  Schweineiieischwaren  insoweit  aufgehoben, 
als  diese  mit  einer  amerikanischen  Fleisch-  und  Trichinenschauurkunde 
versehen  sind;  auch  die  Bestimmungen  der  Bekanntmachung  des 
Reichskanzlers  vom  12.  April  1883  wurden  mit  dem  19.  November 
1891  außer  Wirkung  gesetzt. 

Alle  diese  Vorschriften  können  jedoch  als  eine  Regelung  der 
Trichinenschau  von  Reichswegen  nicht  betrachtet  werden. 

Im  Königreich  Preußen  haben  die  Minister  des  Innern  und  der  geistlichen  u.  s.  w. 
Angelegenheiten  durch  Erlafs  vom  4.  Januar  1875  den  Regierungen  die  Einführung  der 
obligatorischen  mikroskopischen  Fleischschau  dringend  empfohlen.  Infolgedessen  wurde 
eine  Trichinenschau  durch  Verordnungen  der  Regierungspräsidenten  u.  s.  w.  in  allen 
prenfsischen  Landesteilen  eingeführt.  Eine  Ausnahme  bilden  z.  Zt.  nur  die  Reg. -Bez. 
Aachen,  Trier,  Sigmaringen,  Königsberg,  Stralsund,  Köslin  und  die 
Provinz  Schleswig-Holstein.  Im  Reg.  -  Bez.  Aachen  bestehen  nur  Vorschriften 
für  die  Untersuchungen  amerikanischer  Speckseiten.  Im  Reg. -Bez.  Königsberg  ist  die 
Trichinenschau  in  einzelnen  Kreisen,  im  Reg. -Bez.  Köslin  in  22  von  insgesamt  23  Städten 
durchgeführt,  ohne  dafs  daselbst  allgemeine  Vorschriften  bestehen  mit  Ausnahme  einer 
Polizeiverordnung  für  den  gesamten  Reg. -Bez.,  in  welcher  die  Untersuchung  der  von  aus- 
wärts eingeführten  Schweinefleischwaren  angeordnet  wird,  sofern  sie  nicht  schon  untersucht 
waren.  Im  Reg.-Bez.  Sigmaringen  fehlen  gänzlich  Bestimmungen  für  die  Trichinen- 
schau und  in  der  Provinz  Schleswig-Holstein,  dem  Reg.-Bez.  Trier,  sowie  dem 
Reg.-Bez.  Stralsund  ist  dieselbe  nur  fakultativ  eingeführt. 

Aufserdem  sind  die  Vorschriften  für  die  Trichinenschau  in  folgenden  Provinzen  mit 
besonderen  Beschränkungen  verbunden.  So  erstreckt  sich  ihre  Wirksamkeit  in  den  Pro- 
vinzen Westpreufsen,  Brandenburg,  Schlesien,  sowie  in  den  Reg.-Bez. 
Posen    (ausgenommen  alles   Tom  Auslande    eingeführte  Schweinefleisch,  das  unbedingt  zu 

46 


Fleischbeschau.  457 

ontersuchcn  i«t),  Stralsund,  Hannover,  Hildes  lieim,  Stade,  Minden,  Wies- 
baden (die  Städte  Frankfurt  a./M.  und  Wiesbaden  sind  au-sgeschlossen),  Köln,  Koblenz, 
Trier  lediglich  auf  die  Urte  bez.  Kreise,  in  denen  die  einschlttgi^^en  Beatitnmungen  oder 
die   bestellten    Trichinenschnuer   bekannt  gemacht   sind. 

In  Hayorn  ist  im  Reg. -Her.  M  i  1 1  e  1  f  r  a  n  k  o  n  durch  Oberpolizeil.  Vorschrift  zu 
Art.  74,  Zitr  1  des  Poliseistrafgesetzbuches  über  die  Aufstellung  und  Dienslesthätigkeit  der 
Trichinenschauer,  vom  19  Januar  1881  nebst  Bckanutiniichung  der  Uegieruiig  von  Mittel- 
franken V.  25.  Juli  1881  die  Trichinenschau  obli(;atorisch  und  im  Keg.-Iiez.  Kheinpfals 
durch  Oberpolizeil.  Vorschriften  d.  Kgl.  Regierung  v.  4.  April  1881  fakultativ  eingeführt. 
Die  anderen   Landesteile  eiitbehren  allgemeiner  Kegicrungsvorschriften. 

Slichscn  be>itzt  eine  obligatorische  für  das  ganze  I.iand  einheitlich  geregelte  Tricbinen- 
acbau  seit  dem  Jahre  1888.  Derzeitig  ist  die  Revidierte  Verordnung,  Mafsregeln  zum 
Schatze  gegen  die  Trichinenkrankheit  bei  den  Menschen  betr.  vom  10.  .Miirz  1893  nebst 
Vorschriften   für  die   Untersuchung  des  Schweinefleisches  auf  Trichinen  mafsgebend. 

In  W  ilrifoinbergr  kann  nach  §  10  der  S.  455  angelührten  \'erordnung  die  mikro- 
skopische Untersuchung  des  Schweinefleisches  durch  ortspolizeiliche  Vorschriften  angeordnet 
werden.     An   einer  landesgesetzlichen   Regelung  der  Trichinenschau  fehlt  es  demgemärs. 

Für  Buden  ist  ebenfalls  in  §  13  der  S.  455  erwähnten  Verordnung  den  Ortspolizei- 
behörden  die  Kinführung  einer  Trichinenschau  anheimgegeben.  Hierauf  weisen  aufserdem 
die  Erlasse  des  Ministers  des  Innern  vom  25.  Oktober  1887,  vom  18.  November  1888 
sowie   vom   22.   Dezember   1890  hin. 

Hessen.  Die  S.  455  genannte  Verordnung  enthält  in  §  60  Bestimmungen  über  die 
fakultative  Trichinenschau. 

In  Meeklenburg'-Schwerin  forderte  das  zuständige  Ministerium  durch  verschiedene 
Rundschreiben  auf,  eine  Trichinenschau  obligatorisch  nach  einem  übersandten  Normalstatut, 
betr.  die  Untersuchung  des  Schweinefleisches  auf  Trichinen  einzurichten.  Das  Rund- 
schreiben vom  7.  September  1889  enthält  Vorschriften  für  die  bestellten  Trichinenschauer 
behufs  Ausübung  der  Trichinenschau.  Ein  Ministerialerlafs,  betr.  ,, Trichinenschau'',  vom 
7.  Juni  1888  bezeichnet  die  Trichinenschau  im  allgemeinen  als  einen  freien  Gewerbebetrieb; 
nur  Behörden,  welche  für  die  Trichinenschau  Personen  eidlich  in  Pflicht  nehmen,  können 
von  diesen  die  Ablegung  einer  Prüfung  vor  dem  Kreisphysikus  verlangen;  Frauen  sind  bis 
auf  weiteres  von  der  Trichinenschau  auszuschliefsen.  —  Das  Ministerialcirkular  an  die 
Kreisphysiker  vom   16.  September  1890  betriflTt  die  Revisionen   der  Tricbinenschauer. 

Sachsen-Weimar.  Schon  durch  Ministerialbekanntmachung  vom  1.  Februar  1866, 
betr.  den  Schutz  des  Publikums  zur  Verhütung  der  Triihinenerkrankung  und  dos  beim 
Auffinden  von  Trichinen  zu  beobachtende  Verfahren,  wurde  von  jedem,  der  gewerbsmäfsig 
rohes  oder  zubereitetes  Schweinefleisch  feilbietet,  gefordert,  dafs  er  sich  über  die  Trichinen- 
freiheit des  Fleisches  ausweisen  könne.  Weitere  Ministerialbekanntmachungen  vom  6.  Mai 
1866  und  30.  August  1868  regelten  die  Ausführung  der  Trichinenschau  und  die  Prüfung 
der  Schauer.  —  Durch  Ministerialbekanntmachung  vom  23.  Januar  1868,  betr.  die  Einführung 
der  obligatorischen  Fleischschau  auf  Trichinen  ,  wird  die  Untersuchung  aller  zur  gewerbs- 
mäfsigen  Verwertung  bestimmten  .Schweine  angeordnet  und  dies  durch  Bekanntmachung 
vom  30.  März  1882  auch  auf  die  von  Fleischern  oder  Gastwirten  für  ihren  Hausbedarf 
geschlachteten   Schweine  ausgedehnt. 

.Mccklenburgr-StrelitZ  führte  durch  Verordnung,  betr.  die  Einführung  der  obligatori- 
schen Fleischbeschau  in  den  Städten,  vom  26.  Oktober  1880  eine  Trichinenschau  ein. 
Hierzu  noch  besondere  Verordnung,  betr.  die  Untersuchung  von  Schweinefleisch  auf  Tri- 
chinen  in  der   Residenzstadt  Neustrelitz,  vom  8.   Februar   1890. 

Für  Oldenburi^  ordnet  die  Bekanntmachung  des  Staatsministeriums,  betr.  die  Unter- 
suchung des  Schweinefleisches,  vom  22.  November  1883  eine  Trichinenschau  für  das  ge- 
werbsmäfsig zu  verwertende  Fleisch  an. 

Brannschwei^  hat  bereits  1866  durch  das  Gesetz,  betr.  den  Schutz  des  Publikums 
gegen  den  (ienufs  trichinenhaltigen  Fleisches,  vom  16.  März,  nebst  Ausführungsverordnung 
vom  18.  März  g.  J.  eine  obligatorische  Trichinenschau  für  das  ganze  Land  eingerichtet. 
Durch  Bekanntmachung  des  herzogl.  Obersanitätskollegiums  vom  30.  September  188S  wird 
eine  Nachprüfung  der  Trichinenschiiuer  alle  5  Jahre  angeordnet.  In  einem  Rundschreiben 
vom  25.  März  1891  wurde  den  Physici  eine  Anleitung  des  Obersanitätskollegiums  zur 
Untersuchung  der  geschlachteten  Schweine  auf  Trichinen  übersandt.  Ein  Oesttz  v.  4.  Juni 
1893  betrifft  den  Schutz  des  Publikums  gegen  den  Genufs  trichinenhaltigen  Wildschweine- 
fleisches. 

Saohsen-Melnlnpen.  Durch  Rundschreiben  des  Ministeriums,  Abteilung  des  Innern, 
betr.  die  polizeilichen  \'orkehrungen  gegen  die  Trichinenkrankheit,  vom  27.  Januar  1866 
wurde  eine  obligatorische  Trichinenschau  eingeführt  Das  Ausschreiben  desselben  Mini- 
steriums vom   13.   Oktober   1878   enthält  einige  Erläuterungen  betr.   der  Ausführung. 

Saclisen-Koburp-Gotha.  Im  Herzogtum  Koburg  obligatorische  Trichinen- 
schau    durch   Verordnung   vom   28.  Februar   1887,     betr.     die    Untersuchung    des  Schweioe- 

47 


458  EDELMANN, 

floisches.  —  Im  Herzogtum  Gotha  desgl.  durch  Verordnung  vom  10.  November  1884. 
Eine  Verordo.  v.  20.  August  1892   bestimmt  die  Erliebung  der  Gebühren  durch  die  Gemeinden. 

Anhlllt.  Durch  Verordnung  vom  16.  März  1876,  betr.  die  mikroskopische  Unter- 
suchung des  Fleisches  auf  Trichinen,  ist  eine  obligatorische  Trichinenschau  eingeführt. 
Eine  Verordnung  vom  18.  Oktober  1880  betrifft  die  Untersuchung  des  Schweinefleisches 
auf  Finnen.  Nachprüfungen  der  ötTentlichen  Fleisch-  (Trichinen-)schauer  werden  durch 
die  Verordnung  vom  25.  Oktober  1879  angeordnet.  Instruktion  für  den  Fleischschauer 
vom   1.   April   1890. 

Sclnvarzblirg-Soildorshauseu  hat  durch  die  Fleischbeschauordnung  vom 
16.  April  1895  die  bereits  1870  eingeführte  obligatorische  Trichinenschau  neu  ge* 
regelt. 

Sl'hwarzburg- Iludolst«(lt.  Verordnung,  die  zwangsweise  Einführung  der 
mikroskopischen  Untersuchung  de»  Schweinefleisches  betr.,  vom  19.  Dezember  1869.  Hierzu 
Abänderungen  vom  8.  Oktober  1885,  sowie  Ergänzungen  vom  21.  Mai  1886  und 
26.  April   1889. 

Beul)  ä.  L.  Durch  Regierungsverordnung  vom  9.  Februar  1887,  betr.  die  zwangs- 
weise Einführung  der  mikroskopischen  Untersuchung  des  Schweinefleisches  auf  Trichinen, 
ist  eine  obligatorische  Trichinenschau  eingeführt  worden.  Weitere  Bekanntmachungen 
vom  16.  Februar  1887,  sowie  vom  13.  Oktober  1887,  betreffen  die  Instruktion  sowie  die 
Unterrichtskurse  für  Trichinenschauer. 

KeuH  j.  L.  be.-iitzt  eine  obligatorische  Trichinenschau  im  Fürstentum  Gera 
darch   Verordnung  des   dortigen  Landratsamtes  vom   21.   April   1887. 

Das  F'ürstentum  S  c  h  1  e  i  z  hat  keine  eigentliche  obligatorische  Trichinenschau,  sondern 
verpflichtet  durch  Polizeiverordnung  vom  11,  Februar  1887,  die  mikroskopische  Unter- 
suchung des  Schweinefleisches  auf  Trichinen  betr.,  ausschüefslich  die  Fleischer,  Fleisch- 
händier,  Gast-  und  Schankwirte,  welche  Schweine  zum  gewerbsmäfsigen  Verbrauch 
schlachten,   zu  deren  Untersuchung  durch  einen  amtlichen   Fleisch-(Trichinen-Jächauer. 

Scliauniburg'- Lippe.  Polizeiverordnung,  betr.  die  Einführung  einer  obligatori- 
schen Trichinenschau  etc.  etc.  vom  19.  August  1887  nebst  Reglement  d.  D.  f.  d.  Prüfung 
und  Anstellung  der  öQ'entl.  Fleischbeschauer. 

Lippe-Detuiold.  Verordnung,  betr.  die  zwangsweise  mikroskopische  Unter- 
suchung des  Schweinefleisches  auf  Trichinen,  nebst  Ausführungsbestimmungen  vom  16.  No- 
vember  1875   mit  Nachtrag  vom   6.  November  1877. 

Lübeck.  Obligatorische  Trichinenschau  durch  Verordnung  vom  16.  September 
1884,  betr.  die  Untersuchung  des  Schlachtviehes  und  des  frischen  Fleisches  in  der  Stadt 
Lübeck  und  deren  Vorstädten.  Desgl.  Anweisung  für  die  in  dem  öffentlichen  Schlacht- 
hause beschäftigten  beeidigten  Trichinenschauer.  Nachträge  v.  6.  Februar  1895  und 
2.  August  1895  regeln  die  Probenentnahme. 

Bremen.  Durch  Verordnung  vom  24.  Januar  1875,  betr.  den  Schutz  gegen  den 
Genufs  trichineohaltigen  Schweinefleisches,  nebst  Ausführungsbekanntmachung  des  Medizinal- 
amtes, obligatorische  Trichinenschau.  Instruktion  für  die  Beschauer  vom  19.  April 
1882  mit  Nachtrag  vom  25.  März  1886.  Statut  für  die  zur  Untersuchung  des  Schweine- 
fleisches auf  dem  stadtbremischen  Schlachthofe  zugelassenen  Fleischbeschauer  vom  11.  Mai 
1887,  nebst  Nachtrag  vom  28.  Oktober   1887. 

Hamburg'  besitzt  eine  obligatorische  Trichinenschau.     (Siehe  Gesetz  S.  456.) 

In  Sachsen- Altenburg  bestehen  regierungsseitig  keine  Vorschriften  für  die  Trichinen- 
schau;  nur  einzelne  Städte  haben  sie  obligatorisch  eingeführt. 

Ueber   W  aldeck  war  nichts  in  Erfahrung  zu  bringen. 

In  Elsaß- Lothringen  bleibt  die  Einführung  der  Trichinenschau  den  Ortspolizei- 
bebörden  überlassen. 

C.  Fleischbeschau  in  den  Boss('Pferde}8chlächtereien  und  der 
Handel  mit  Ross;;Pferde)fleisch. 

Soweit  über  diesen  Gegenstand  nicht  in  den  unter  A  (S.  454  ff.)  ange- 
führten gesetzlichen  Bestimmungen  Vorschriften  enthalten  sind,  werden 
dieselben  in  den  nachstehend  genannten  Landesteilen  durch  besondere 
Verordnungen  gegeben. 

Preußen.  Minist.  -  Erl.  betr.  die  Regelung  des  Pferdeschlächtereibetriebes  vom 
2.  Juni   1888. 

Reg.-Bez.  Gumbinnen.  Polizei- Verord.  betr.  die  Beaufsichtigung  des  Rorsschlächterei- 
Gewerbes  vom   7.   Juli    1887. 

Prov.  Brandenburg.  Polizei- Verord.  betr.  das  Schlachten  von  Pferden,  Eseln 
und  den  Verkauf  des  Fleisches  vom  14.  Dezember  1888. 

48 


Fleischbeschau.  459 

BerÜD.      Polizei-Verord.  betr.  Kofsschlächterei  vom  30.  Auf^st  1887. 

l'rov.  Posen.  Polizei-Verord.  betr.  das  Schlachten  von  Pferden,  Eseln  und  Maul- 
tieren  zum   Verkauf  des  Fleisches  vom   4.  Juli    1891. 

Prov.  Schlesien.     Desgl.  vom   9.  Juli    1889. 

Prov.  Sachsen.  Polizei-Verord.  betr.  die  Regelung  des  Betriebes  der  Rofs- 
Schlächterei      und     des    Verkehrs    mit    Korstleisch ,    nebst     Aasführangsbestimmungen     vom 

16.  März   1893. 

Reg. -Bez.  Schleswig.  Polizei-Verord.  betr.  Pferdefleisrhbescbaa  vom  7.  Sep- 
tember  1878. 

Reg.-Bez.  II  i  Idesheim.  Polisei-Verord.  betr.  den  Gewerbebetrieb  der  Rofsschlächter 
vom   27.   August   1880. 

Prov.  Westfalen.  Polizei-Verord.  betr.  die  Regelung  des  Betriebes  der  Pferde- 
metzgerei und  des  Verkehrs  mit  Pferdetieisch ;  mit  Ausführungs- Anweis,  vom  11.  De- 
zember  1889. 

Rheinprovinz.     Desgl.   vom  28.  Juli   1890. 

Sadiseil.  Verord.  d.  Minist,  d.  Inn.  vom  9.  April  1873  betr.  das  Ausschlachten 
von   Pferden   zum  Verbrauche  des  Fleisches  :ils  menschliche  Nahrung. 

Mockleulnirtr-Sohworin.  Normalstatut  betr.  Pferdeschlächtereien  für  die  Städte 
u.   s.  w     vom   30.   Mai    1886. 

Sachsen-AVeiiuar.  Verord.  d  Suats-Minist.  betr.  den  Betrieb  der  Rorsschläcbtereien 
vom  J.    Dezember   1880. 

Oldoilhurir.      Desgl.  vom  4.  September  1884. 

Anhalt.  Verord.  das  Ausschlachten  von  Pferden  zum  Verkauf  betr.  vom  12.  März 
und   7.   MhI    1879. 

Si-hwarzbursr-Rudolstadt.  Verord.  d.  Minist,  betr.  den  Betrieb  der  Rofsschlächterei 
vom   21.  Januar   1881   und  vom   21.  Juni    1889. 

Bremen.  Polizei- Verord.  betr.  das  Schlachten  von  Pferden  in  der  Stadt  Bremen 
und  im   Landgebiet  vom   29.  April   1876  und  vom  22.  Dezember   1883. 

Mit  Ausnahme  von  Sachsen-Weimar,  Oldenburg  und  Bremen  wird  allenthalben  eine 
B  e  s  c  h  au  der  Pferde  vor  und  nach  der  Schlachtung  vorgeschrieben.  Bei  Un- 
glücksfällen sind  unter  bestimmten  Voraussetzungen  in  den  Provinzen  Posen ,  Sachsen. 
Westfalen,  Rheinprovinz,  im  Reg  -Bez.  Gumbinnen  und  in  Mecklenburg-Schwerin  Ausnahmen 
bezüglich  der  Lebendbeschau  zulässig.  Sachverständige  sind,  mit  sehr  wenigen  Aus- 
nahmen,  nur  approbierte  Tierärzte. 

2.  Oesterreich. 

In  Oesterreich  sind  für  einzelne  Kronländer  schon  seit  einer 
Reihe  von  Jahren  Vieh- und  Fleischbeschau- Vorschriften  in 
Giltigkeit  (vgl.  auch  Postolka  und  Toskano^^). 

Niederösterreich.  Vieh-  und  Fleischbeschau-Ordnung  für  N.-Oe.  vom  26  Sep- 
tember 1886  nebst  Dienstinstruktion.  —  Niederösterr.  Statthalterei- Verord.  vom  12.  Ok- 
tober 1850,  Regulativ  hinsichtlich  der  Pferdefleisch- Ausschrotung.  —  Desgl.  Verord.  vom 
28.  Februar  1867.  —  Erlafs  des  K.  K.  Minister,  d.  Innern  vom  7.  Juni  1882  betr.  das 
frühzeitige  Schlachten  der  Kälber.  —  Verord.  d.  K.  K.  N.-Oe.  Statthalterei  vom  4.  Fe- 
bruar 1890  betr.  das  Verbot  des  Verkaufes  von  aufgeblasenem  Fleische  und  derlei  Lungen. 
—  Hierüber   noch   eine   Verordnung  für   die   Stadt  Wien. 

Oberösterreich.  Vieh- und  Fleischbeschau-Ordnung  für  O.-Oe.  vom  23.  Januar 
1856   nebst   Belehrung  f.   d.   Fleischbeschauer. 

Salzburg.  Vieh-  und  Fleischbeschau-Ordnung  vom  5.  August  1856  (in  Abände- 
rung begriffen).  —  Landesregierungserlafs  vom  10.  August  1871  betr.  die  Pferde- 
scblächtereien. 

Steiermark.  V.-  u.  F.-Ordnung  vom  30.  September  1868  nebst  Belehrung.  — 
Statthalterei-Krlafs  vom  12.  Juli  1874  betr.  strengere  Handhabung  der  Fleischbeschau. 
Desgl.  vom  31.  Juni  1883  betr.  die  Beschau  bei  Privatschlachtungen  —  Desgl.  vom 
4.  September  1871  betr.  die  sanitäre  Ueberwachung  der  Pferdeschlächtereien.  —  Desgl 
vom    28.  Januar    1872    betr.    die    Fleischbeschau    bei   Pferdeschlachtungen.  —  Desgl.  vom 

17.  Dezember    1873   betr.  die   Ausschrotung   und   Verwertung  von  Pferdefleisch. 

Kärnten  und  Krain  besitzen  Fleischbeschau-Ordnungen  aus  älterer  Zeit.  Die  zum 
größten  Teile  noch  giltigen  Vorschriften  wurden  durch  Verord.  des  früheren  illyriscben 
Gaberniums  vom  17.  August  1839  erlassen  und  unter  dem  1.  Februar  1840,  sowie 
€.   Dezember   1844  ergänzt. 

Küstenland.  Verord.  der  K  K.  küstenländischen  Statthalterei,  betr.  die  Vieh- 
und  Fleischbeschau  in   der  Grafschaft  Görs  und  Gradiska  und  in  Istrien  vom  4.  Juli   1893. 

Handbach  der  HTSiene.    Bd.  11t.    Abtif.  1.  30 

49 


4G0  EDELMANN, 

Tirol  und  Vorarlberg.  Verordg.  und  F.B.O.  Kundmachung  betr.  Verordg.  de» 
K.   K.   Statthalters  vom   18.   Febr.  und   23.  Juli   1886. 

Böhmen.  Die  alte  Fleischbeschau-Ordnung  vom  27.  Dezember  1810  wird  nicht  mehr 
gehandhabt.     Neue  Maßregeln  sind  in  Bearbeitung. 

Mähren.  Statthaltereiverord.  vom  10.  Juni  1875  betr.  die  Handhabung  der  Be- 
stimmungen über  die  Vieh-  und  Fleischbeschau.  —  Desgl.  vom  26.  Januar  1882  betr.  die 
Führung  der  Beschauprotokolle.  —  Desgl.  vom  12.  Novbr.  1882  betr.  die  Vornahme  der 
Beschau  bei  der  Schlachtung  von  Külbern.  —  Desgl.  vom  24.  Juli  1885  betr.  die  genaue 
Handhabung  der  Bestimmungen  über  die  Vieh-  und  Fleischbeschau.  —  Desgl.  vom  12.  März 
1887  betr.  die  Notschlachtung  seuchenkninker  und  verdächtiger  Tiere.  —  Verord.  d.  K.  K. 
Statthalterei  vom  18.  Juli  1876  und  4.  Oktober  1881  betr.  die  sanitäre  Ueberwachung  der 
Pferdeschlächtereien. 

Schlesien.  Vieh-  und  Fleischbeschau  -  Ordnung  vom  9.  Juli  1857.  —  Kund- 
machung der  K.  K.  Landesregierung  vom  7.  April  1883  betr.  die  Vornahme  der  Fleischbeschau 
bei  perlsüchtigen  Tieren. 

Galizien.     Vieh-  und  Fleischbeschau-Ordnung  vom  28.  Juni   1888. 

Bukowina.      Nur  die  Stadt  Czernowitz  besitzt  einige  Vorschriften. 

In  Dalmatien  fehlen  Bestimmungen  für  eine   Fleischbeschau. 

Aus  dem   Königreich  Ungarn  sind  keine  Fleischbeschau- Vorschriften   bekannt. 

Die  Trichinenschau  ist  in  Oesterreich  nur  in  sehr  beschränktem  Maße  organisiert. 
Einzelne  diesbezügliche  Erlasse  haben  nur  eine  lokale  Bedeutung  und  richten  sich  in  erster 
Linie  gegen  die  amerikanischen  Schweinefleischwaren. 

3.  Frankreich. 

In  Frankreich^*  besteht  keine  allgemeine  staatlich  geregelte  Fleischbeschau.  Nur  die 
größeren  Städte  besitzen  eine  solche,  während  es  Schlachthöfe  fast  allenthalben,  selbst 
in  den   kleinsten  Städten  giebt. 

Die  Berechtigung  zur  Einrichtung  einer  Fleischbeschau  verleiht  den  Polizeibehörden 
Art.  13  u.  20  des  Dekrets  vom  19. — 22,  Juli  1791,  relatifä  1' Organisation 
d'une  police  municipale  et  correctionelle,  sowieArt.  97  des  Gesetzes 
vom  5.  April  1884  sur  l'organisation  municipale,  während  Straf bestimmungen 
im  Code  penal  und  im  Gesetz  vom  27.  März  1851  enthalten  sind.  Letzteres  Gesetz,  sowie 
die  vom  10.  März  und  1.  April  1851  entsprechen,  dem  deutschen  Nahrungsmittelgesetz  vom 
14.  Mai   1879. 

Hinsichtlich  des  Fleisches  kranker  Tiere  sind  im  Viehseuchengesetz  vom  14.  u.  21.  Juli 
1881,  sur  la  police  sanitaire  des  animaux  für  einzelne  daselbst  aufgeführte  Seuchen  Be- 
stimmungen getroffen.  Die  Verwendung  des  Fleisches  tuberkulöser  rotlauf-  und 
lungenseuchekranker  Tiere  regelt  Art.   11   des  Erlasses  vom   28.  Juli   1888. 

Für  die  Einfuhr  ausländischen  frischen  Fleisches  werden  in  sanitärer 
Beziehung  im  Dekret  vom  26.  Mai  1888,  portant  reglement  d'admini- 
stration  publique  relativement  ä  l'entree  en  France  des  viandes 
fraiches  importees  de  l'etranger  Vorschriften  erlassen. 

Sehr  ausführliche  Fleischbeschauvorscliriften  besitzt  Paris  und  auch  Bordeaux.  Vor- 
schriften für  eine  Trichinenschau  bestehen  in  Frankreich  nicht.  Das  im  Jahre  1883 
erlassene  Einfuhrverbot  für  amerikanisches  Schweinefleisch  ist  durch  Gesetz  vom 
5.  Dezember  1891  wieder  aufgehoben  worden.  Jedoch  ist  die  Einfuhr  nur  über  die 
Häfen  Dünkirchen,  Havre,  Bordeaux,  Marseille  unter  Beibringung  von  üntersuchungscerti- 
fikaten  amerikanischer  Behörden  gestattet.  Bei  der  Ankunft  der  Waren  hat  eine  Unter- 
suchung durch  einen  französischen  Gesundheitsbeamten  stattzufinden. 

4.  Italien. 

Für  das  Königreich  Italien  bestehen  im  Rcgolamente  vom  3.  August  1890  Vor- 
schriften für  die  Behandlung  und  denVerkaufdesFleischesvonSchlacht- 
tieren,  Wild,   Geflügel  etc. 

Nach  denselben  müssen  Ortschaften  mit  über  6000  Einwohnern  Schlachthöfe  errichten. 
Die  Schlachttiere  werden  vor  wie  nach  der  Schlachtung  von  Sanitätsbeamten  untersucht. 
Alles  zur  menschlichen  Nahrung  zu  verwendende  Fleisch  ist  mit  einem  Stempel  zu  ver- 
sehen, dessen  F'arbe  bei  Fleisch  verschiedener  Qualität  verschieden  ist  und  die  Fleisch- 
gattung kennzeichnet.  In  Orten  mit  über  20000  Einwohnern  darf  in  demselben  Laden 
weder  Fleisch  verschiedener  Qualitäten,  noch  Fleisch  verschiedener  Tiergattungen  verkauft 
werden.  Außerdem  enthält  die  Verordnung  Vorschriften  über  die  Verwendung  des  Fleisches^ 
kranker  Tiere  (z.  B.  Fleisch  von  Tieren,  welche  mit  Tuberkulose  im  Anfangsstadium  behaftet 
sind,  d.  h.  bei  denen  nur  ein    einzelnes  Organ  erkrankt  ist,   darf  nur  unter  dem  ausdrück- 

50 


Fleischbeschau.  461 

lieben  Vermerk,  daß  dieses  Fleisch  nur  gekocht  genossen  werden  darf,  verkauft  werden) 
über  die  Beschaffenheit  der  Fleischverkaufsstätten,  Kontrolle  der  Fabriken,  welche  Fleisch- 
konserven herstellen,  die  Einfuhr  von  Fleisch  und  dergl.  Letztere  wird  auch  t<eref;elt 
durch  den  Ministerialerlaß  vom  31.  August  1892  und  die  Bekanntmachung  vom  8.  De- 
zember  1892. 

Trichinenschau  Vorschriften  bestehen  nur  gegenüber  dem  amerikanischen 
Schweinefleisch,  welches  nach  Bestimmungen  des  Ministeriums  d.  1.  vom  17.  Oktober  1891 
nur  nach    vorgängiger  Untersuchung     auf  Trichinen    in  den   Verkehr  gebracht  werden  darf. 

5.  Belgien. 

In  Belgien''*  wurde  am  9.  Februar  1891  eine  König!.  Verord.  über  den  Verkehr 
mit  Fleisch,  über  Schlachten,  F  1  e  i  sc  h  u  n  t  er  s  uc  h  u  n  g  ,  Verkauf  der 
verschiedenen  Fleisch. irten  und  Zubereitungen,  sowie  über  den 
Transport  des  Fleisches  erlassen.  Daran  schließen  sich  weitere  Ausführungsver- 
ordnungen vom   20.  und   28.  Juni   1801. 

In  einem  Ministerialerlaß  vom  28.  April  1891  wird  die  Ausführung  der  Fleischunter- 
suchung  auf  Grund  von  Art.  3  und  8  des  Reglements  vom  9.  Februar  1891  geregelt.  — 
üeber  die  Einrichtung  der  Fleischbeschau  erging  ein  Kundschreiben  **  vom  10.  Januar 
1892  an  die  Gouverneure  der  Provinzen.  —  Die  Taxen  für  die  Fleischuntersuchungen  sind 
durch  Erlaß  vom   20.   Dezember   1891    bestimmt. 

Durch  Verord."  vom  23.  Juli  1894  wurde  die  Anlage  B  der  Verord.  vom  28.  April 
1891,  woselbst  Vorschriften  für  die  Beurteilung  kranker  Schlachttiere  enthalten  sind,  nicht 
zum   Vorteil  für  die  öffentliche   Gesundheitspflege  abgeändert. 

Eine  Verord.'^  vom  20.  Dezember  1894  regelt  den  Eisenbahntransport  von  Schlacht- 
fleiscb. 

Hinsichtlich  der  Trichinenschau  war  in  Belgien  schon  am  28.  April  1881  durch 
einen  Ministerialerlaß  die  Aufmerksamkeit  der  Behörden  auf  die  Verhütung  der  Trichinose 
gelenkt  worden.  Am  26.  Februar  1893  veröffentlichte  der  Ackerbauminister  ein  Gutachten 
des  „Conseil  superieur  d'hygiene  publique"  betr.  Vorsichtsmaßregeln  gegen  die  Trichinose 
und  veranlaßte  gleichzeitig  die  ihm  untergeordneten  Behörden  für  die  mikroskopische 
Untersuchung  alles  zum  Verzehren  bestimmten  Schweinefleisches  zu  sorgen.  Der  H  a  n  d  e  1 
mit  Fleisch  ist  durch  Gesetz**  v.  4.  August  1890  geregelt.  Dasselbe  wurde  abgeändert 
durch  Gesetz  '^  v.  30.  Dezember  1895 

6.  England. 

In  England  bestehen  gesetzliche  Bestimmungen,  nach  denen  es  lediglich  den 
städtischen  Gesundheitsbehörden  gestattet  ist,  für  die  Errichtung  öffentlicher  Schlachthäuser 
zu  sorgen.  Die  Fleischbeschau  wird  hierbei  nicht  berücksichtigt  und  besteht  auch  in 
England  nicht.  In  einzelnen  Gemeinwesen  sind  sogen.  Inspektors  of  nuisances  angestellt 
zur  Revision  des  feilgebotenen  Fleisches.  Der  Handel  mit  Roßfleisch  ist  den  Be- 
stimmungen der  Säle  of  Horseflesh  etc.  Regulating  Acte  vom  24.  Juni  1894  unter- 
worfen. 

Von  den  übrigen  in  Betracht  kommenden  europäischen  Sta;iten  sind  allgemeine  landes- 
gesetzliche Vorschriften  über  Fleischbeschau  nicht  bekannt  geworden.  Jedoch  wird  eine 
solche  in  zahlreichen  großen  Städten  ausgeübt,  üeber  die  Fleischbeschau  in  Holland 
vergl.  K  0  c  h  's  *'  Mitteilungen. 

47)  Wörzbtirg,   NahrungsmitUlgesetzgebung  138  /f*. 

48)  Schlampp,   FUüchbeichaugesftzgebung. 

49)  Wemich  ^md  Wehmer,  Lehrbuch  des  öfentl.   Oesundheüstcesens  ,    Stuttgart  1894    1 26  jf. 

50)  Schneidemühl,    Tiermedizinische    Vorträge  2.  Bd.   9.  u.    10.   Be/t,  Leipzig   1892. 
50  o)    VerUßentl.    d.    Knis.   Getundheitsmntes  (1895)  578. 

51)  Postolka  und  Toskano,    Die  animal.   Sahnmgs-  und  Genu/smittel  etc.   3)0. 

52)  Villain  et  Bascou.   Manuel  de  V inspecteur  des  viandes,   Paris    1890  457   f. 

68)    Verößentl.    d.     Katserl.   Gesundheitsamtes  (1891)    No.  40.    —   Arch.  f.   anxmal.   Nahrungs- 

mittelkunde,  7.  Jahrg.   So.   1    m.    2  {deutsche    Wiedergabe  des  Gesetzes). 
54)    Verößentl.  d.   Katserl.   Oei-undheitsamUs  (1892)  No.  2  7   446 

65)  Verößentl.  d.    Katserl.   GesundheitsamUs  (1804)   837. 

66)  Mon.  belg.  (1894)  4117,    Verößentl.  d.  Kaiserl.  GesundheitsamUs  (1895)   208. 

57)  Koch,  Zeitschr.  J.  Fleisch-  u.    Milchhyg.   5.   Bd.    103,   186. 

58)  Verößentl.  d.   Kaiserl.  GesundheitsamUs  (1891)  337. 

59)  Ibidem  (1886)  228. 

593)   Mitteil.  f.  VeUrinärbeamte  4   Ser.  Xo.  7,  Beil.  d   Berl.  tierärztl.  Wochcnfchr.  (\89&)  No.2&. 

5.  30» 


462  EDELMANN, 

III.  Kapitel. 

Fleiselikuiide. 

1.  Untei-scheiduiigsmerkmale  des  Fleisches  der  Terschiedenen 

Schlaohttiere. 

Die  Erkennung  des  Fleisches  der  verschiedenen  Schlachttiere 
macht  an  der  Hand  etwa  zugehöriger  Eingeweide,  sowie  bei  umfang- 
reichen Stücken  Fleisch  und  sobald  sich  größere  Knochen  daran  be- 
finden, keine  erheblichen  Schwierigkeiten.  Beim  Fehlen  von  Knochen 
und  an  sehr  kleinen,  wenig  Fett  enthaltenden  Stücken  ist  die  Unter- 
scheidung nicht  immer  leicht,  manchmal  sogar  unmöglich.  Als  An- 
haltspunkte sind  stets  zu  verwenden  F'arbe,  Faserung,  Konsistenz  und 
der  durch  Fettsäuren  bedingte  Geruch  des  Fleisches  (Villain^), 
sowie  die  Beschaffenheit  und  Anordnung  des  Fettes.  Die  folgende 
Beschreibung  bezieht  sich  auf  Fleisch  und  Fett  im  ausgekühlten  Zu- 
stande. 

fiindfleisch  besitzt  im  allgemeinen  eine  rote  Farbe  mit  einem 
leichten  Stich  ins  bräunliche.  Sie  wird  aber  von  Alter,  Geschlecht 
und  Ernährungszustand  des  Tieres  wesentlich  beeinflußt.  Konsistenz 
derb,  Schnittflächen  glänzend,  Geruch  eigentümlich.  Bindegewebe 
weiß  und  feucht.  Das  Fleisch  ist  mehr  oder  weniger  mit  Fett  durch- 
wachsen. Das  Fett,  Rindstalg,  ist  von  ziemlich  fester  Konsistenz, 
weiß  bis  gelb  und  von  eigentümlichem  Geruch.  —  Das  Fleisch  von 
M  as  to  c  h  s  e  n  ist  lebhaft  dunkelziegelroth,  mäßig  grobfaserig,  glänzend 
und  infolge  der  Fettdurchwachsung  auf  der  Schnittfläche  marmoriert. 
Fett  weiß  bis  weißlichgelb  und  hart;  Knochenmark  rötlichgelb,  steif 
und  krümlig.  Aehnlich  diesem  ist  das  Fleisch  und  Fett  gemästeter 
Kalben  oder  Färsen  und  gem  äs  teter  j  u  n  ger  Kühe.  —  Das 
Fleisch  alter,  abgemolkener  Kühe  zeigt  hellere  Färbung,  derbere 
Faserung,  das  Bindegewebe  tritt  stärker  hervor  und  ist  fest  oder 
schlaff  und  stärker  durchfeuchtet.  Fett  gelb  bis  intensiv  citronen- 
gelb,  nicht  so  fest  und  findet  sich  weniger  als  Durchwachsung  im 
Fleisch,  als  vielmehr  in  Unterhaut,  Netz,  Gekröse,  Nierenkapsel;  Ge- 
ruch unter  Umständen  nach  Milch  (B  a  r  a  n  s  k  i).  —  J  u  n  g  r  i  n  d  e  r  be- 
sitzen ein  schlaffes,  feinfaseriges,  blaß-  bis  hellziegelrotes,  wenig  durch- 
wachsenes Fleisch;  Fett  weiß  und  fest.  —  Bei  Bullen  findet  man 
ein  grobfaseriges,  dunkelkupferrotes,  derbes,  fettarmes,  trockenes 
Fleisch,  das  in  größeren  Massen  und  besonders  an  Stellen,  wo  sich 
Fascien  auf  den  Muskeln  befinden,  einen  leicht  bläulichen  Anflug 
erhält.  Fett  weiß.  Junge  gemästete  Bullen  unterscheiden  sich  im 
Fleisch,  abgesehen  von  dessen  gröberer  Faserung,  wenig  von  Mast- 
ochsen. 

Kalbfleisch  ist  im  allgemeinen  blaß,  grau  bis  graurötlich,  von 
dünner,  etwas  zäher  Faser,  ohne  Fettdurchwachsung.  Geruch  speci- 
fisch  und  abweichend  von  dem  des  Rindfleisches,  bei  altschlachtetem 
Fleisch  säuerlich  (0  st  er  tag).  Fett  an  den  Ablagerungsstellen  röt- 
lichgelb bis  weißgelb,  schlaff,  schmierig;  Knochenmark  rosenrot. 
Alter  und  Ernährung  beeinflussen  Fleisch  und  Fett  erheblich. 

Schaf-,  Hammel-  oder  Schöpsenfleisch  zeichnet  sich  durch  feste, 
dichte,  feine  Faserung  und  dunkelbraunrote  Färbung  aus.  Geruch 
specifisch,  leicht  ammoniakalisch,  an  Schafstall  erinnernd.     Eigentliche 

52 


Fleischbeschau.  403 

Durchwachsun^'  nicht  vorhaiulen,  dagegen  Itei  gemästeten  Tieren 
reichliche  P'ettniengen  zwischen  den  einzelnen  Muskeln,  sowie  in  der 
Subcutis  und  der  Nierenkapsel.  Talg  rein  weiß,  hart,  fast  spröde, 
fast  geruciilos;  Knochenmark  steif,  leicht  rötlich. 

Ziej;eiit!eisch  ist  im  allgemeinen  heller  als  Schaftieisch.  Charak- 
teristisch ist  die  geringe  Fettentwickelung  in  der  Subcutis  und  zwischen 
den  Muskeln  gegenüber  der  starken  Fettanhäufung  um  die  Nieren 
herum.  Figentünilich  ist  der  an  lebende  Ziegen  mahnende  Geruch 
des  Fleisches,  der  besonders  bei  Böcken  unangenehm  ist.  Das  Fett 
gleicht  dem  der  Schafe. 

St'hweiiieneisch  ist  in  seiner  Farbe  sehr  abhängig  vom  Alter 
und  Mastzustande  der  Tiere,  sowie  von  der  Körperregion,  der  die 
Muskeln  entstammen  und  erscheint  weilUichgrau,  graurot  bis  dunkel- 
rot, von  geringer  Konsistenz  und  feiner  Faserung.  Es  ist  stark  mit 
Fett  durchwachsen,  welches  auch  die  größeren  Muskelbündel  umhüllt. 
Schnittfläche  der  Muskeln  fettig  glänzend.  Geruch  undefinierbar. 
Das  Fett,  welches  in  größeren  zusammenhängenden  Massen  als  Speck 
in  der  Subcutis  und  als  Schmeer  (Liesen,  Flohmen)  in  der  Bauchhöhle 
auftritt,  ist  rein  weiß  und  mäßig  fest.  Knochenmark  weich  und  rosarot. 
Das  Fleisch  von  Ebern  und  vielfach  das  von  Kryptorchiden  besitzt 
einen  ekelhaften  urinösen  Geruch,  der  manchmal  schon  am  frischen 
Fleische  wahrnehmbar  ist,  vielfach  aber  erst  beim  Kochen  und  Braten 
auftritt. 

Beim  Kochen  nimmt  Schweinefleisch  eine  weißgraue 
bis  weißliche  Farbe  an;  das  aller  übrigen  Tiere  wird 
grau  bis  dunkelgrau. 

Pferdefleisch  fällt  auf  durch  seine  dunkelrote,  braunrote  bis 
braune  Farbe,  bekommt  beim  Liegen  an  der  Luft  einen  bläulichen 
Glanz  und  wird  später  dabei  auch  schwarzrot  bis  schwarz.  Faserung 
sehr  fein :  keine  Durchwachsung.  Geruch  eigentümlich  süßlich-wider- 
lich. Fett  weich  und  ölig,  hellgold- bis  dunkelgelb,  nur  bei  gut  ge- 
mästeten Pferden  mehr  weiß  und  fester:  Knochenmark  wachsgelb, 
schmierig.  Beim  Kochen  von  Pferdefleisch  fallen  auf  der  Fleischbrühe 
die  leicht  zu  größeren  Fettaugen  zusammenfließenden,  intensiv  gelben 
Fetttropfen  auf. 

Huiidefleiseh  ist  dunkelbraun,  feinfaserig,  wenig  durchwachsen. 
Dagegen  im  Perimysium  externum  und  der  Subcutis  meist  reichliches 
Fett.  Farbe  des  letzteren  weiß,  weißgrau:  Konsistenz  schmierig.  Fett 
und  Fleisch  besitzen  einen  sehr  widerlichen  Geruch. 

Ueber  die  allgemeine  Beschaffenheit,  die  Qualitäten, 
die  chemische  Zusammensetzung  des  Fleisches  der 
Schlachttiere,  dessen  Zubereitung  und  Konservierung  s. 
Stutzer,  Nahrungs-  und  Genußmittel  Bd.  III  d.  Ilandb.  Abth.  I 
S.  2071!. 

2.  Betrügerische  Unterschiebungen  von  Fleisch  und  deren 

Erkennung. 

Im  Handel  mit  Fleisch  und  bei  der  Herstellung  von  Fleisch- 
nahrungsmitteln wird  mitunter  versucht,  Fleisch  von  Tieren,  welches 
nur  einen  geringen  Genußwert  besitzt,  für  solches  von  höherem 
Werte  unterzuschieben.  Die  Aufdeckung  dergleichen  lietrügerischer 
Handlungen    bereitet   dem  Sachverständigen    oft  große  Mühe  und  ist, 

53 


4(U  EDELMANN. 

besonders  bei  zubereiteten  Fleisclinahrungsniittcln  mitunter  ganz 
unmöiilicli.  Soweit  sich  Knochen  mit  dem  verdächtigen  Fleische  ver- 
binden, sind  diese  in  erster  Linie  zur  Vergleichung  heranzuziehen 
und  im  ülirigen  aber  alle  charakteristischen  Eigentümlichkeiten  von 
Fleisch  und  Fett  zu  berücksichtigen,  welche  von  den  einzelnen  Fleisch- 
arten beschrieben  worden  sind.  Bezüglich  der  mannigfachen  Skelett- 
unterschiede muß  auf  die  Lehrbücher  der  Anatomie  der  Haustiere 
von  Ellenberge r  und  Müller,  Sussdorf,  Franck,  sowie  auf 
die  einer  sehr  instruktiven  Arbeit  von  Martin^  entnommene 
Zusammenstellung  im  0  s  t  er  tag'schen  Handbuche  verwiesen  werden. 
Einige  Besonderheiten  und  Unterscheidungsmerkmale  zwischen  den 
zuweilen  miteinander  zu  vergleichenden  Tierarten  sind  im  folgenden 
zusammengestellt. 

Ziege  und  Schaf.  Beim  Vergleich  der  ganzen  geschlachteten 
Tiere  ist  die  Ziege  langbeiniger  und  besonders  in  den  Flanken  länger 
als  das  Schaf.  Das  Schaf  hat  einen  runden  Rücken  und  eine  fleischige 
abgerundete  Kruppe,  die  Ziege  aber  ein  scharfes,  hohes  Widerrist,  einen 
scharfen  Rücken  und  eine  seitlich  abfallende  Kruppe  (Goltz  ^). 
Ziegen  sind  meist  kurzschwänziger  (12  Schwanzwirbel)  gegenüber 
den  Schafen  (18—24  SchW.),  jedoch  giebt  es  auch  schwanzlose  Schaf- 
rassen (3  SchW.)  und  kurzschwänzige  mit  12—16  Schwanzwirbeln. 
Ziegenknochen  sind  im  allgemeinen  von  schlankerer  Gestalt  als  die 
Schafknochen  (Martin).  An  der  etwas  kleberigen  Oberfläche  der 
geschlachteten  Ziege  haften  meist  Ziegenhaare;  die  Hautmuskeln  der 
Ziege  sind  dunkler  als  die  der  Schafe.  —  In  der  Subcutis  der  Ziegen 
weniger  Fett  und  auch  die  Muskeln  weniger  von  Fett  umhüllt  als 
die  der  Schafe;  charakteristischer  Ziegengeruch.  Am  Kopfskelett  der 
Ziege  fehlt  die  äußere  Thränengrube,  welche  der  Gesichtsfläche  des 
Thränenbeins  vom  Schafe  eigentümlich  ist ;  ebenso  hat  die  Ziege  kein 
sogen.  Klauensäckchen. 

Schaf  und  Reh  unterscheiden  sich  nach  Martin  durch  den 
allenthalben  zierlicheren,  schlanken  Knochenbau  des  letzteren.  Von 
feineren  Skelettunterschieden  sei  erwähnt,  daß  die  bei  Schaf  und 
Ziege  ein  ovales  Loch  bildende  Ellenbogenspalte  (Spat,  interosseum) 
beim  Reh  sehr  lang  ist.  Das  Thränenbein  ist  zwar  beim  Reh  auch 
grubig  vertieft,  jedoch  erscheint  seine  Gesichtsplatte  unvollständig.  — 
Beim  Reh  ist  die  Fettschicht  unter  der  Haut  nicht  so  entwickelt  als 
beim  Schaf,  das  Fleisch  ist  fettarm  und  besitzt  den  vom  Schafgeruch 
zu  unterscheidenden  Wildgeruch. 

Schwein  und  Hund.  Außer  den  mannigfachen  Skelettunter- 
schieden ist  hervorzuheben,  daß  die  Farbe  des  Hundefleisches  viel 
dunkler  ist  als  die  des  Schweinefleisches  und  sich  von  der  des  letzteren 
besonders  an  gekochtem  Fleische  (s.  S.  403)  unterscheidet.  Die  Mus- 
kulatur des  Hundes  ist  schmieriger,  das  Fett  öliger  und  der  Geruch 
ganz  anders  als  beim  Schwein. 

Hase  (Kaninchen)  und  Katze.  Von  Skelettunterschieden  seien  be- 
sonders hervorgehoben:  Die  nach  vorn  gerichteten  Querfortsätze  der 
Lendenwirbel  laufen  beim  Hasen  in  je  einen  nach  hinten  und  vorn 
gerichteten  Fortsatz  aus,  bei  der  Katze  endigen  sie  spitz.  Beim 
Hasen  findet  man  an  den  Körpern  der  3  ersten  Lumbalwirbel  dorn- 
artige ventrale  Fortsätze.  Die  Rippen  des  Hasen  sind  flach  und 
breit,  die  der  Katze  rundlich.  Radius  und  Ulna  sind  bei  der  Katze 
vollkommen  getrennt,   bei  den  Leporiden  verwachsen.    Am  Humerus 

54 


Fleischbeschau.  465 

der  Katze  ein  lünf^licher  Spalt  über  doin  inneren  Condylus  des 
distalen  Endes  (Forani.  sui)racondyloi(leuni).  Das  Feniur  des  Hasen 
besitzt  unterhalb  des  Trochanter  major  einen  besonderen  starken 
Unulreher,  der  bei  der  Katze  fehlt.  —  Bei  ganzen  Tieren  würde 
man  am  Kopfe,  dem  Penisknochen  und  dem  Schwänze  sofort  die 
Katze  erkennen,  we.shalb  diese  Teile  bei  betrügerischem  Verkaufe  der 
geschlachteten  Tiere  entfernt  werden.  Ein  Ilase  würde  außerdem 
durch  die  Schulnerletzungen  auflallen,  die  natürlich  beim  ^^^eschlachteten 
zahmen  Kaninchen  fehlen.  —  Das  Fleisch  der  Katze  ist  lieller  als 
Hasentlcisch :  das  Katzenfett  erscheint  weililich  gegenül)er  dem  honig- 
gelben Ilasenfett. 

Im  übrigen  vergl.  Goubau.x-*  über  die  betrügerische  Unter- 
schiebung von  Katzen-  als  Kaninchenfleisch,  Oster  tag 's  Handbuch, 
S.  '2(X)  und  einen  von  Stoedter^*  beschriebenen  Fall. 

Kind  und  Pferd;  Pferdetleisehnaehweis.  An  ganzen  Vierteln 
fällt  beim  Pferde  die  Länge  der  Extremitäten  und  des  Thorax  gegen- 
üiter  dem  Pdnde  auf,  während  Itei  letzterem  das  Becken  wieder 
länger  ist  als  beim  Pferde.  Die  Fleischeigentümlichkeiten  sind  S.  4(33 
besprochen  worden.  Die  zahlreichen  osteologischen  Verschieden- 
heiten müssen  hier  unberücksichtigt  bleiben.  Selten  wird  es  sich 
jedoch  darum  handeln,  größere  Stücken  Fleisch  zu  begutachten ;  viel 
häuriger  macht  es  sich  notwendig,  Pferdefleisch  in  zubereiteten 
Kahrungsmitteln,  insbesondere  in  der  Wurst  nachzuweisen.  Dies  war 
bis  vor  wenigen  Jahren  mit  Sicherheit  unmöglich.  Erst  den  Arbeiten 
KiebeTs''  ist  eine  sichere  wissenschaftliche  Methode  des  Pferde- 
fleischnachweises zu  verdanken.  Niebel  fand  im  Pferdefleisch 
konstant  erhebliche  Mengen  von  Glykogen  (0,373 — 1,072  Proz.), 
dessen  kleinste  Werte  den  Glykogengehalt  des  Fleisches  anderer 
Schlachttiere  übertreffen.  Zur  Darstellung  des  Glykogens  bediente 
sich  Niebel  des  K  ü  1  z  "sehen  Verfahrens  : 

Das  zu  untersuchende  Fleisch  (50  g)  wird  mit  3 — 4  Proz.  Aetzkali 
und  dem  4-fachen  Volumen  Wasser  auf  dem  Wasserbade  6 — 8  Stunden 
erhitzt,  bis  dasselbe  vollständig  zerkocht  ist.  Nachdem  die  Flüssigkeit 
bis  auf  die  Hälfte  eingedampft  und  erkaltet  ist,  werden  die  N-haltigen 
Substanzen  durch  abwechselnden  Zusatz  von  Salzsäure  und  Quecksilber- 
jodid- Jodkaliumlösung  (Brücke  'sches  Reagenz)  gefällt. 

Alsdann  wird  der  Niederschlag  auf  ein  Filter  gebracht,  das  Filtrat 
nochmals  durch  Zusatz  von  Salzsäure  und  Quecksilberjodid- Jodkalium- 
lösung geprüft,  ob  auch  sämtliche  N-haltigen  Bestandteile  ausgefällt  sind, 
der  Rückstand  in  einer  Reibschale  unter  Zusatz  von  Salzsäure,  Queck- 
silber-Jodkaliumlösung und  Wasser  verrieben  und  wieder  filtriert.  Letztere 
Operation  wird  so  oft  wiederholt,  bis  das  Filtrat  auf  Zusatz  von  Alkohol 
keine  Trübung  mehr  erkennen  läßt.  Das  Filtrat  bildet  alsdann  gewöhn- 
lich eine  klare  und,  bei  Anwesenheit  von  Glykogen,  opalescierende  Flüssig- 
keit. Zeitweilig ,  speziell  im  Sommer,  erscheint  die  Flüssigkeit  etwas 
getrübt.  Um  dieses  zu  vermeiden,  setzt  man,  wenn  die  Flüssigkeit  nach 
Zusatz  von  Salzsäure  und  Quecksilberjodid-Jodkaliumlösung  sich  nicht 
klar  abgesetzt  hat,  soviel  Natriumhydrat  hinzu,  daß  die  Mischung  noch 
schwach  sauer  reagiert,  säuert  darauf  mit  Salzsäure  wieder  etwas  mehr 
an  und  filtriert;  alsdann  ist  das  Filtrat  stets  8ch<'in  klar.  Zur  Ab- 
scheidung des  Gl3kogens  wird  das  Filtrat  unter  Umrühren  mit  dem 
2 '/j-fachen  Volumen  90-proz.  Alkohols  versetzt  und,  nachdem  das  Glykogen 

SS 


466  EDELMANN, 

sich  abgesetzt  hat,  filtriert.  Letzteres  wird  darauf  mit  60-proz.,  dann 
mit  90-proz.,  schließlich  mit  absolutem  Alkohol,  mit  Aether  und  wieder 
mit  absolutem  Alkohol  gewaschen  und  nach  dem  Trocknen  bei  110  Grad 
gewogen. 

Weiterhin  fand  Niebel,  daß  im  Pferdefleisch  das  Glykogen  nach 
einer  gewissen  Zeit  in  Traubenzucker  übergeht,  worauf  er  den 
Zuckergehalt  von  Pferdefleischwaren  nach  einer  besonderen  Methode 
mittels  Fe  hling 'scher  Lösung  feststellte.  Dabei  war  aber  zu  be- 
rücksichtigen, daß  das  Fleisch  und  besonders  auch  Flcischwaren  noch 
andere  reduzierende  Substanzen,  z.  B.  Kreatinin  enthalten,  daß  durch 
Gewürzstärke  in  Würsten  die  Menge  der  Kohlenhydrate  vermehrt 
wird,  sowie  daß  auch  Stärkemehl  in  Substanz  gewissen  Würsten  ab- 
sichtlich beigemengt  zu  werden  pflegt.  Ist  letzteres  nicht  der  Fall,  so 
kann  auf  Grund  der  vergleichenden  Untersuchungen  Niebel's  eine 
Heisch-  oder  Wurstware  als  mit  Pferdefleisch  versetzt  betrachtet  werden, 
sobald  der  gefundene  Wert  der  Kohlehydrate  auf  die 
entfettete  Trockensubstanz  berechnet,  1  Proz.  der 
letzteren  übersteigt.  Bei  den  untersuchten  Pferdefleischwürsten 
überstieg  die  Gesamtmenge  der  darin  enthaltenen 
Kohlehydrate  den  Maximalgehalt  der  Kohlehydrate  in 
der  gewöhnlichen  Wurst  um  das  Elffache.  Es  ist  bekannt, 
daß  auch  das  Fleisch  von  Hunden ,  Katzen ,  Föten  und  nüchternen 
Kälbern  (NiebeP)  einen  hohen  Glykogengehalt  besitzt.  Erstere 
beiden  Tierarten  kommen  für  Verfälschungen  von  Wurst  etc.  nicht  in 
Betracht  und  beim  Zusatz  größerer  Mengen  fötalen  oder  nüchternen 
Kalbfleisches  fehlt  der  Wurst  die  braunrote  Farbe,  welche  den 
Würsten,  die  Pferdefleisch  enthalten,  eigentümlich  ist.  Auf  die  braun- 
rote Farbe  legt  Niebel'  einen  so  großen  Wert,  daß  er  das  Vor- 
handensein von  Pferdefleisch  für  erwiesen  erachtet,  sobald  neben 
dem  Nachweis  von  Glykogen  die  braunrote  Färbung 
des  Objektes  zugegen  ist. 

Naturgemäß  findet  auch  dieses  exakte  Niebel  'sehe  Verfahren 
seine  Grenzen,  sobald  nur  geringe  Pferdefleischmengen  zur  Ver- 
fälschung benutzt  wurden.  Da  aber  alsdann  eine  Verfälschung  sich 
nicht  lohnen  würde,  so  ist  keineswegs  zu  befürchten,  daß  die  Methode 
für  die  Praxis  nicht  ausreichen  könnte. 

Zur  schnellen  Orientierung,  ob  eine  Fleischware  der  Pferdefleisch- 
verfälschung verdächtig  ist  oder  nicht,  hat  Verf.  gemeinschaftlich  mit 
Herrn  Dr.  Bräutigam  auf  Grund  der  Niebel 'sehen  Forschungen 
eine  Methode  für  diagnostische  Zwecke  ausfindig  gemacht. 
Diese  Methode  von  Bräutigam  und  Edelmann^  stützt  sich  auf 
die  von  Claude  Bernard  zuerst  angegebene  charakteristische 
Farbenreaktion  des  Glykogens  mit  Jod.  Das  Verfahren  ist 
folgendes : 

1)  Eine  kleine  Menge  des  zu  untersuchenden  Fleisches  (50  g)  wird  möglichst  fein 
zerkleinert,  mit  der  vierfachen  Menge  Wasser  eine  Stunde  lang  gekocht  und  die  so  er- 
haltene Fleischbrühe  in  der  unter  4  und  5  angegebenen  Weise  behandelt.  Tritt  hierbei 
die  dort  angegebene  Reaktion  nicht  oder  nicht  sicher  ein,  so  wird 

2)  der  Masse  Aetzkali  (3  Proz.  auf  die  Fleischmenge  berechnet)  in  der  gleichen 
Menge  Wasser  gelöst,  eugesetzt  und  diese  weiter  auf  dem  Wasserbade  bis  zum  Zerfall  der 
Muskelfasern   erhitzt. 

3)  Die  so  erhaltene  Fleischabkochung  wird  kollert,  bis  auf  das  Gewicht  der  ver- 
wendeten Fleischmenge  eingedickt  und  filtriert. 

56 


Fleischbeschau.  467 

4)  Nach  völligem  Erkalten  wird  diese  Fleischlösuog  vorsichtig  mit  verdünnter 
Salpetersäure  (&&)  behufs  Abscbeidung  der  meisten  Eiweirskürper  und  Entfärbung  versetzt 
und  abermals  tiltriert. 

5"!  Dieses  Filtrat  (oder  nach  Befinden  die  unter  1  gewonnene  und  gleichfalls  mit 
verdünnter  Sal|)eter>iiure  mogesÄuerte  und  filtrierte  Fleischbrühe)  wird  mit  Jodwasser  be- 
handelt, welches  nnin  im  Keagensglas  vorsichtig  auf  dHs  Filtrat  schichtet.  Hiermit  bildet 
sich  an  der  UerUhrungsstelle  beider  Flüssigkeiten  bei  der  Anwesen- 
heit von  Pferdefleisch  sofort  eine  burgunderrote  Zone,  deren 
Stärke  und  Intensität  von  der  Menge  des  in  der  untersuchten  Probe 
vorhandenen  Pferdefleisches  bez.  von  dem  Reichtum  des  letzteren 
an    Glykogen    abhängig    ist. 

Es  gelang  mit  dieser  Methode  Glykogen  selbst  in  solchen  Fleisch- 
gemischen  nachzuweisen,  welche  nur  ">  Proz.  Pferdefleisch  enthielten. 
Die  Farbenreaktion  muß  einwandsfrei  vorhanden  sein  und  wegen  leicht 
unterlaufender  Täuschungen  darf  dieselbe  auch  nur  bei  Tageslicht 
angestellt  werden.  liauptbedingung  vor  Ausführung  des  Verfahrens 
ist  die  Abwesenheit  von  Stärke,  weshalb  ein  kleiner  Teil  des 
Objektes  durch  Kochen  und  Zusatz  von  Jod  oder  Lugol'scher 
Lösung  auf  Stärke  vorzuprüfen  ist.  Enthält  das  Objekt  Stärke,  so  findet 
folgende  Modifikation  des  Verfahrens  Anwendung: 

1)  Das  in  der  Fleischware  vielleicht  vorhandene  Glykogen  wird  ausschlieBlich  durch 
Erwärmen  der  mit  der  nötigen  Menge  Wasser  übergossenen  Fleischmenge  auf  dem 
Wasserbade  extrahiert,  wnzu  mehrere  Stunden   erforderlich  sind. 

2)  Das  filtrierte  Extrakt  wird  sehr  vorsichtig  auf  dem  Wasserbade  bis  auf  ein  Drittel 
d  es   Gewichtes  der  verarbeiteten  Fleischmenge  eingedickt. 

3)  Dem  eingedickten  Safte  setzt  man  konzentrierte  Essigsäure  im 
doppelten  bis  dreifachen  Volumen  hinzu,  wodurch  das  Stärkemehl  (oft  erst  nach  Stunden) 
gefällt  wird. 

4)  Die  den  Niederschlag  enthaltende  Flüssigkeit  wird  durch  doppelte  bis  dreifache 
Filter  sorgfältigst  filtriert  und  durch  Jodzusatz  zu  einem  kleinen  Teile  derselben  auf 
Stärke  geprüft.  ist  noch  solche  vorhanden,  so  muß  abermals  Essigsäure  hinzugesetzt 
und  filtriert  werden. 

6)  Auf  die  von  Stärke  befreite  Flüssigkeit  kann  direkt  Jodwasser  geschichtet  werden 
zum  Glykogennachweis.  Da  aber  durch  den  Essigsäurezusatz  das  Extrakt  um  das  Doppelte 
bis  Dreifache  verdünnt  worden   ist,  so  versucht  man  negativenfalls 

6)  Das  präsumtive  Glykogen  durch  Zusatz  von  Alkohol  in  10 — 12-facher  Meuge 
zu  fallen. 

7)  Die  getrübte  alkoholische  Flüssigkeit  wird  durch  ein  möglichst  kleines  Filterchen 
filtriert. 

8)  Die  auf  letzterem  etwa  zurückgehaltenen  Glykogenspuren  löst  man  durch  einige 
Tropfen  heißen,  mit  Essigsäure  schwach  angesäuerten  Wassers  und  prüft  die  ablaufende 
Flüssigkeit  sehr  vorsichtig  mittels  Jodwassers  auf  Glykogen. 

Das  gesamte  Verfahren  der  geschilderten  Untersuchung  stärke- 
mehlhaltiger  Objekte  ist  hintereinander  und  in  allen  Teilen  vor- 
sichtig auszuführen,  wegen  der  Gefahr,  daß  Dextrin  sich  bilden 
und  Glykogen  vortäuschen  könnte.  Einzelheiten  sind  in  den  betr. 
Arbeiten  nachzulesen. 

Es  sei  noch  besonders  betont,  daß  das  Verfahren  von  Bräutigam 
und  Edelmann  vorzugsweise  einen  diaijiiostischen  •'  Wert  besitzt. 
Für  forensische  Zwecke  ist  unter  allen  Umständen  Glykogen 
aus  der  als  suspekt  erkannten  Fleiselnvare  darzustellen  und  event. 
durch  eine  (|uantltatlve  eheniische  .Vnalyse  der  Glykosrengehalt 
der  Ware  zu  ermitteln. 

Die  von  Court  f  oy  und  C  o  r  e m  a n  ' s  •"  empfohlene  Modifikation 
des  Verfahrens  von  Bräutigam  und  Edelmann  kann  nicht  em- 
pfohlen werden. 

57 


468  EDELMANN. 

Ein  ^^•eiteres  Verfahren  des  Pferdefleischnacliweises  stammt  von 
Hasterlik^",  welcher  die  hohe  Jodzahl  des  Pter defettes 
zur  Erkennung  benutzte.  Die  HübTsche  Jodzahl  des  Pferde- 
fettes, auch  des  intramuskulären,  beträgt  74 — 83  gegenüber  40—44 
beim  Rindstalg  und  60,6  beim  Schweinefett.  Bei  Ausführung  der 
im  Original  nachzulesenden  Methode  ist  ausschließlich  das  von  allem 
sichtbaren  Fett  befreite  Magerfleisch  zu  verwenden.  Hasterlik 
hält  das  Vorhandensein  von  Pferdefleisch  für  erwiesen, 
sobald  die  Jodzahl  80  erreicht  oder  übersteigt. 

Die  Mitteilung  Jüngers"^*,  daß  Pferdefleisch  mikroskopisch  au 
der  Gestalt  der  intramuskulären  Fettzellen  nachgewiesen  werden  könne, 
bedarf  noch  weiterer  Bestätigung.  Ueber  den  Handel  mit  Roßfleisch 
erlassene  gesetzliche  Bestimmungen  s.  S.  458. 

li  ViUain,  Eecueil  (1888)  443  u.  616.  —  Eevue  sanit.  de  Bordeaux  2.  Bd. 
'i)  Martin,  Zeitachr.  f.  Fleisch-  u.  Müchliyg.  1.  Bd.  69,  93.  145,  170,  191. 
3i  Goltz.  Zeitschr.  f.  Fleischschau  und  Fleischkons.  3.   Bd.  32. 

4)  Goubaux.  Arch.  ceter..  Publ.  ä  V  ecole  d!  AI  fort  8.   Bd.  (1883)  646. 
4a)  Stoedter,  Hamburg.   MiUeil.  f.   Tierärzte  2.  ßd.  Hft.   11. 

5)  Niebel,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Müchhyg.   1.   Bd    185  u.   210. 

6)  Niebel,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.   Milchhyg.  5.  Bd.   130. 

7)  Niebel,   Zeitschr.  f.   Fleisch-  u.   Milchhyg    5.  Bd.  86. 

8j  Bräutigam  und  Edelmann,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Milchhyg.  4.  Bd    83    —  PharmtKCut. 
Centralhalle   (1894)  ö.   u.   6.   Heft. 

9)  Bräntigam  und  Edelmann,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Müchhyg.  5.  Bd.    107. 
9a)  Courtfoy  u.  Coremans,   Annales  belg.  44.  Bd.  476. 

\(')  Hasterlik.   Aus  dem  Arch.  f.  Hyg.  (1893),  liej.  in  O  stertag'  s  Zeitschr.   3.  Bd.  12.  Heft. 
llj  Jungers,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.   Milclihyy.  3.   Bd    12.  Heft. 

3.  Aufblasen  Ton  Fleisch. 

In  vielen  Gegenden  herrscht  in  Fleischerkreisen  die  Unsitte 
(Schmidt-  Mülheim  ^  =* ,  M  o  r  o  t  ^  ^  u.  A.) ,  Kälber  und  Schafe 
vor  dem  Enthäuten  aufzublasen,  indem  mit  dem  Munde  oder  mit 
Luftpumpen  und  Blasebälgen  Luft  in  das  Unterhautbindegewebe  ge- 
preßt und  durch  Streichen  weiter  verbreitet  wird.  Wenn  auch  die  so 
behandelten  Tiere  sich  vielleicht  etwas  besser  enthäuten  lassen,  so 
geht  doch  der  eigentliche  Zweck  des  Aufljlasens  dahin,  den  Tieren 
ein  besseres,  volleres  Aussehen  zu  geben.  Das  Aufblasen  läuft 
also  wesentlich  auf  eine  Täuschung  des  Publikums  hinaus.  Dabei 
kommen  aber  auch  sanitäre  Bedenken  in  Betracht,  da  mit  der  Luft 
Schmutz  und  Mikroorganismen  aller  Art  in  das  Bindegewebe  des 
Fleisches  künstlich  hineingebracht  werden ;  außerdem  ist  das  Auf- 
blasen mit  dem  Munde  höchst  ekelerregend.  Aus  allen  diesen  Gründen 
ist  aufgeblasenes  Fleisch,  wozu  auch  aufgeblasene  Lungen  zu  rechnen 
sind,  als  verdorben  im  Sinne  d.  N.-G.  zu  erachten  und 
nur  unter  Deklaration  zu  verkaufen.  An  zahlreichen  Orten 
ist  das  Aufblasen  längst  und  mit  Recht  polizeilich  verboten  worden, 
was  übrigens  bereits  im  15.  Jahrhundert  der  Fall  war  (Bass^*). 

12)  Schmidt-Mülheim.  Zeitschr.  f.   Tiermedizin  11.  Bd.   83.  —  Zeitschr,  f.  Fleischbeschau  u. 
Fleischproduktion  (1886)  83. 

13)  Morot,   lievue  veter.  (1893)  589. 

14 1  Baas.   Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.   Müchhyg.  3.  Bd.  52. 


58 


Fleischbeschau.  469 


4.  Abnorme  FlcIsehboschaflVulu'it  iiiiicrhalb  i)hysH»loe:iseher 
Grenzen,  vom  sanitiltspollzeillchen  Stjunlpiinkte  beurteilt. 

A.  Ungeboreno  Tiere. 

Die  Erkennungsmerkiiiale  ganzer  Föten  können  hier  unberück- 
sichtigt bleiben.  Das  Fleisch  hat  eine  schlaffe,  wässerige  Beschaffen- 
heit, das  Fett  ist  sulzig  und  das  Mark  der  Röhrenknochen  rot. 
Fötales  Fleisch  ist  als  hochgradig  verdorben  (verfälscht  n.  Schmidt- 
Mülheim  *  ^)  zu  beurteilen  und  auch  der  Verkauf  unter  Deklaration 
nicht  zuzulassen. 

B.  Unreife  Tiere. 

Hier  kommen  fast  nur  zu  junge  Kälber  in  Betracht,  während  bei 
Ferkeln,  Lämmern  und  Zickeln  selten  nach  dem  Alter  gefragt  wird. 
Der  Begriff  Unreife  wird  in  den  verschiedenen  Gegenden  Deutsch- 
lands verschieden  bemessen.  Während  man  in  Norddeutschland, 
besonders  in  Mecklenburg  und  Holstein,  vielfach  die  Kälber  schon 
im  Alter  von  3 — 4  Tagen  schlachtet,  läßt  man  sie  in  Süddeutschland 
durchgängig  viel  älter,  2 — 3  Wochen  alt,  werden.  In  den  meisten 
Gegenden  Deutschlands  verlangt  das  Publikum  ein  Kalbfleisch  von 
Tieren,  die  mindestens  8 — 10  Tage  alt  sind. 

Das  Fleisch  unreifer  Kälber  ist  stark  durchfeuchtet,  schlaff, 
graurot,  mürbe,  leicht  zerreißlich.  Das  später  zur  Fettkapsel  der 
Niere  sich  entwickelnde  Gewebe  ist  ödematös,  schmutziggelb-  oder 
graurot,  zähe  mit  einzelnen  Fettläppchen. 

Die  Erkennungszeichen  des  Alters  der  Kälber  im  frühen  Lebens- 
alter s.  Ostertag's  Handbuch  S.  222.  Die  polizeilichen  Vorschriften 
über  das  zulässige  Alter  der  Schlachtkälber  sind  bereits  im  Kap.  I,  4 
S.  424  besprochen  worden. 

Bei  der  Beurteilung  unreifen  Fleisches  sind  die  lokalen  Ge- 
pflogenheiten zu  berücksichtigen.  In  Gegenden,  wo  das  Publikum 
voraussetzt,  daß  die  Kälber  ein  bestimmtes  Alter  erreichen,  ist  un- 
reifes Fleisch  als  verdorben  i.  S.  d.  N.-G.  anzusehen  und  unter 
Deklaration  zu  verkaufen. 

C.  Magere  und  abgemagerte  Tiere. 

Die  Unterscheidung  zwischen  Magerkeit  und  Abmagerung  ist 
weder  immer  leicht,  noch  auch  sind  die  Merkmale  dieser  beiden  Zu- 
stände hier  kurz  auseinanderzusetzen.  Es  sei  zur  genauen  Orientierung 
hierüber  auf  Ostertag's"'  Veröffentlichung,  sowie  auf  die  er- 
schöpfenden Darlegungen  in  seinem  Handbuch  (S.  225  ff.)  verwiesen, 
(s.  auch  M  0  r  0 1  * " ,  Paule  '  *  u.  A.)  „Magerkeit  ist  ein  physiologischer 
Zustand  bei  vollkommenem  Wohlbefinden  des  Individuums."  Nach 
Oster  tag  sind  mager  alle  in  der  Entwickelung  begriffenen  Tiere, 
die  meisten  männlichen  Zuchttiere  und  alle  Kühe  stark  milchender 
Rassen.  „Abmagerung  ist  ein  pathologischer  oder  im  hohen  Alter 
sich  abspielender  Prozeß",  bei  welchem  der  gewöhnliche  Ernährungs- 
zustand unter  die  Norm  sinkt.  Dabei  tritt  neben  Fettschwund  auch 
eine  Umfangsverminderung  der  Muskulatur  ein. 

Das  Fleisch  magerer  Tiere  hat  allein  wenig  Fettgehalt,  ist  sonst 
aber   derb,   straff  und   in    der   Regel   dunkler   gefärbt     Am   Fleisch 

59 


470  EDELMANN, 

abgemafzerter  Tiere  fällt  in  der  Rogel  eine  Schlartheit,  Blässe 
und  Wolklieit  nebst  stärkerer  Durchfeuclitung  und  autiälligem  Hervor- 
treten der  bindege^Yebigcn  Elemente  auf.  Sehr  häutig  ist  infolge 
einer  Indräniischen  Cachexie,  besonders  bei  jüngeren  und  älteren 
Tieren,  Wässerigkeit  des  Fleisches  vorhanden. 

Das  Fleisch  magerer  Tiere  unterliegt  keinen  Verkehrsbe- 
schränkungen. Bei  einem  abgemagerten  Tiere  kommt  es  auf  die  Ur- 
sache der  Abmagerung  und  die  substantiellen  Veränderungen  des 
Fleisches  an,  ob  dasselbe  als  verdorben  i.  S.  d.  N,-G.  unter  Deklaration 
zu  verkaufen  oder  als  verdorben  und  ungeeignet  zum  Genüsse  zu 
vernichten  ist. 

D.  Abnorme  Färbung  des  Fettes. 

Bei  Rindern,  welche  ausschließlich  auf  der  Weide  gemästet  worden 
sind,  findet  man  zumeist  eine  intensive  Gelbfärbung  des  Fettes.  Auch 
bei  Schweinen,  welche  mit  Mais  oder  Baumwollensamenmehl  gefüttert 
wurden,  beobachtet  man  mindergradige  gelbe  Verfärbung  des  Fettes. 
Ebenso  bekommt  das  Fett  von  Kälbern,  welche  mit  Baumwollen- 
samenmehl- oder  Erdnußtränken  ernährt  worden  sind,  eine  sattere 
schmutziggelbe  Farbe.  Werden  Schweine  mit  Fischen  gefüttert,  so 
zeigt  das  Fett  ein  schwachgraues  Kolorit. 

Die  Gelbfärbung  der  Weidetiere  ist  nicht  zu  beanstanden,  in  der 
Regel  auch  nicht  die  erwähnte  bei  Kälbern.  Bezüglich  des  Einflusses 
des  Fischfutters  bei  Schweinen  s.  unten  unter  E. 

E.  Geruchs-  und  Geschmacksabnormitäten  des  Fleisches. 

Diese  sind  als  Sexu  aleige  n  tu  m  li  chkeiten  bei  Ebern, 
Kryptorchiden,  Ziegen-  und  mitunter  Schafböcken  vorhanden.  Eber- 
fleisch und  bisweilen  solches  von  Kryptorchiden  riecht  und  schmeckt 
urinös  (Brebeck^^,  Jansen-^),  das  Fleisch  von  Ziegen-  und 
Schafböcken  besitzt  einen  unangenehmen,  widerlichen,  bockigen  Ge- 
ruch und  Geschmack. 

Durch  Fütterung  gewisser  Stoff"e  vermag  das  Fleisch  ebenfalls 
einen  abnormen  Geruch  und  Geschmack  anzunehmen.  Bei  Schweinen 
erhält  das  Fleisch  durch  anhaltende  Verabreichung  von  Fischen 
einen  thranigen  (Hertwig^^),  durch  die  von  Spülicht  einen  faden 
oder  ranzigen  Geruch.  Nach  Verfütterung  von  Bockshorn  (Trigo- 
nella  foenum  graecum)  nimmt  nach  Beobachtungen  in  Frankreich 
(Mo rot -2)  das  Pleisch  einen  an  Schweinemist  erinnernden  Geruch 
und  Geschmack  an. 

Auch  durch  Aufnahme  oder  Einverleibung  riechender 
Stoffe  in  den  Körper  kann  das  Fleisch  einen  abnormen  Geruch  und 
Geschmack  annehmen.  Dies  liegt  zwar  nicht  innerhalb  der  physio- 
logischen Grenzen,  mag  aber  an  dieser  Stelle  des  Zusammenhangs 
wegen  erwähnt  werden.  Von  solchen  Stoffen,  die  zufällig  aufge- 
nommen oder  als  Medikamente  verabreicht  werden  und  bei  Not- 
schlachtungen in  Frage  kommen,  sind  insbesondere  zu  erwähnen: 
Aether,  Anis,  Asa  foetida,  Baldrian,  Benzin,  Kampher 
(Herssillet^')  Karbolsäure  (ReTtw ig^*),  Chlor,  Chloro- 
form, Fenchel,  Petroleum,  Teer  (Liebe  ^^).  Durch  Inhalation 
von    Karbolsäure-,    Chlor-,    Aether-  und   Chloroformdämpfen   werden 

60 


Fleischbeschau.  471 

dem  Fleisch  ebenfalls  die  entsprechenden  Geruchs-  und  fleschniacks- 
abnorniitäten  verliehen. 

Ueber  das  nach  Ammoniak  riechende  und  schmeckende  Fleisch 
urämischer  Tiere  s.  Kap.  IV,  3,  C. 

In  den  vorerwähnten  Fällen  verschwindet  beim  Erkalten  des 
Fleisches  vielfach  der  abnorme  Geruch,  um  el)enso,  wie  der  Geschmack, 
beim  Braten  oder  Kochen  des  Fleisches  wieder  hervorzutreten.  Deshalb 
muß  mit  verdächtijzem  Fleische  eine  K  o  c  h  p  r  o  b  c  n  a  c  h  24  S  t  u  n  d  e  n 
angestellt  werden,  die  unter  Umständen  und  besonders  bei 
Kryptorchiden  negativ  ausfallen  kann  (Hin  tzen -"). 

Alles  Fleisch,  welches  abnorm  riecht  oder  schmeckt,  ist,  wenn 
es  überhaupt  zur  menschlichen  Nahrung  geeignet  ist,  verdorben  i.  S. 
d.  N.-G.  und  nur  unter  Deklaration  zu  verkaufen. 

16)  Schmidt-Mülheim,  Zeitschr.  f.  FUischschau  und  FUischproduktion  (1886)    145. 

16)  Ostertag,   ZtUschr.  f.   Fleisch-  u.   Mtlchhyg.  1.   Bd.   74. 

17)  Morot.    Ittc.    de  med.  vä.    (1893)    No.  4  m.   6 ,    Ref.    ZeiUchr.  f.    Fleisch-   u.    Milchhyg. 
3.    IUI    162. 

18)  Paule,   liec.  de  med.  vä.  (1892)   274. 

19)  Brebeck,   Aus  d.    Verh.  d.   Generalver sammig.  d.    Vereins   Rheinpreufs.  Tierärzte,  ref.  i.  d. 
Berl.   T.    Wochenschr.   417. 

20)  Jansen,  Berl.   T.    Wochenschr.  (1892)  369. 

21)  Hertwig.   Zeitschr   f.   Mikrosk.  u.  Fleischbeschau  (1884). 

22)  Morot.  Bulla,  agricol.  (\S9 2)  Janvier,  ref.  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Milchhyg.  2.  Bd.  130. 
23 1  Herssilet,    Progres.  veUr.  (1892)   A'o.   7.  —   Berl.   T.    Wochenschr.  (1892)   197. 

24)  Hertwig,    Ber.    über  d.   städt    Fleischbeschau,    Berlin    1894.   —   Zeitschr.   f.  Fleisch-    u. 
.Mtlchhyg.  4     Bd     120. 

25)  Liebe.  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Milchhyg.  4.   Bd.   132. 

26)  Hintxen,  Ibid.  3.   Bd.   119. 

Anhang. 

A.  Mangelhaft  ausgeblutete  Tiere. 

Sobald  Fleisch  viel  Blut  enthält  oder  Schlachttiere  mangelhaft  aus- 
geblutet sind,  ist  die  Ursache  dieser  Abnormität  (Krankheit  oder  konse- 
kutive Herzschwäche  bei  Ueberanstrengung,  Krämpfen,  Hitzschlag  etc.) 
für  die  Beurteilung  entscheidend.  War  die  mangelhafte  Ausblutung  die 
Folge  einer  Krankheit,  welche  das  Tier  dem  natürlichen  Tode  schon 
nahe  gebracht  hatte,  so  hän^t  es  von  der  Natur  dieser  Krankheit  ab,  ob 
das  Fleisch  überhaupt  zum  menschlichen  Genüsse  zugelassen  werden 
kann,  oder  ob  es  als  verdorben  i.  S.  d.  N.-G.  unter  Angabe  des  Fehlers 
zu  verkaufen  ist.  Letzteres  ist  als  Regel  anzusehen  bei  allen  mangelhaft 
ausgebluteten  Tieren. 

B.  Fleisch  verendeter  Tiere. 

Das  Fleisch  verendoter  l'irre,  im  Gegensatz  zu  dem  von  ge- 
schlachteten Tieren  :il)staimneiiden,  kennzeichnet  sich  durch  hohen 
Blutgehalt  und  Saftreichtum,  durch  abweichende  Konsistenz  und  Farbe, 
sowie  durch  einige  andere  Merkmale,  welche  von  Mandel^**  zu- 
sammengestellt worden  sind.  Solches  Fleisch  ist  zwar  nicht  unbedingt  als 
gesundheitsschädlich,  wohl  aber  stets  als  hochgradig  verdorben  anzu- 
sehen. Objektive  gesundheit.s  schädliche  Eigenschaften  können 
dem  Fleische  verendeter  Tiere  anhaften,  wenn  die  Tiere  an  einer  Krank- 
heit oder  Vergiftung  gestorben  sind ,  welche  dem  Fleische  gesundheita- 
schädliche  Stoflfe  zugeführt  hat  (Septikämie,  Pyämie,  Milzbrand  etc.),  oder 

6i 


472  EDELMANN, 

an  dem  Fleische  sich  bereits  Fäulnis,  die  sehr  leicht  eintritt,  bemerkbar 
macht.  —  Das  Fleisch  von  Tieren,  welche  infolge  Blitzschlags,  gewaltsamer 
Gehirn-  oder  Rückenmarksverletzungen,  durch  innere  Verblutung  und  dergl. 
plötzlich  tödlich  verunglückt  sind,  ist  wegen  seiner  abnormen  Herkunft  als 
verdorben  im  Sinne  des  Nahrungsmittelgesetzes  zu  beurteilen  und  kann 
günstigsten  Falles  unter  Deklaration  verkauft  werden. 

5.  Die  postmortalen  YerUiiderungen  des  Fleisches. 

A.  Gärung  und  Fäulnis. 

Die  ersten  Veränderungen  der  tierischen  Gewebe  nach  dem 
Tode  sind  physikalisch-chemischer  Natur :  Gerinnungserscheinungen, 
Farbenveränderungen,  Aenderung  der  Reaktion.  Die  eintretende 
Gerinnung  prägt  sich  am  deutlichsten  aus  als  Erstarrung  des  Fettes 
in  den  Fettzellen  und  als  Gerinnung  des  Myosins  in  den  querge- 
streiften Muskeln.  Letztere,  bedingt  durch  Säurebildung  im  Muskel, 
hat  den  Eintritt  der  Muskelstarre  (Totenstarre)  zur  Folge.  Damit 
erlaugt  die  Muskulatur  eine  saure  Reaktion,  ein  Zustand,  der  von 
W.  Eber-',  welcher  zuerst  die  Zersetzungsvorgänge  des  Fleisches 
in  ein  gewisses  System  gebracht  hat,  als  einfache  Säuerung  des 
Fleisches  bezeichnet  wird.  An  diese  schließt  sich  die  saure 
Gärung,  welche  in  zwei  Formen  auftreten  kann. 

a.  Die  einfache  saure  Gärung  beginnt  mit  der  durch  Zunahme 
der  Abspaltung  freier  Milchsäure  und  durch  Bildung  sauren,  phosphor- 
sauren Kalis  eintretenden  Lösung  der  Muskelstarre  und  bedingt  das 
sogen.  ..Reifwerden"  des  Fleisches.  Letzteres  wird  mürber  und  verliert 
allmählich  die  Fähigkeit,  auf  seinen  Schnittflächen  eine  lebhaft  schar- 
lachrote Farbe  anzunehmen.  Die  Schnittflächen  werden  hellbraun  bis 
gelb.  Im  Fleische  kommt  es  nach  einiger  Zeit  zur  Bildung  von  Spuren 
von  Schwefelwasserstoff'  (Haut-gout). 

b.  Die  stinkende  saure  Gärung  tritt  bei  Fleisch  ein,  welches  nicht 
hat  auskühlen  können ;  so  bei  Wild,  das  lebenswarm  dicht  zusammen- 
gepackt oder  bei  Fleisch  geschlachteter  Tiere,  wenn  es  lebenswarm 
aufeinandergeschichtet  wurde.  Der  Zustand  wird  beim  Wild  als  „ver- 
hitzt"  (Peters^"),  beim  Fleisch  als  „versticken,  stickigwerden"  be- 
zeichnet. Beim  Wild  lassen  sich  die  Haare  büschelweise  aus  dem 
Fell  reißen,  die  Subcutis  ist  grün  gefärbt,  ebenso  die  Muskelschnitt- 
flächen ;  Gasblasen  können  auftreten.  Die  beiden  letzteren  Verände- 
rungen beobachtet  man  auch  an  Fleischstücken.  Die  stinkenden  Pro- 
dukte enthalten  sehr  viel  HqS. 

Der  Nachweis  der  Gärungsprozesse  ist  aus  den  be- 
schriebenen Veränderungen  nicht  schwer  zu  führen.  Notwendig  ist 
die  Anwesenheit  einer  sauren  Reaktion  und  das  Fehlen  von  Ammoniak 
fs.  Fäulnisnachweisj. 

c)  Die  Fäulnis  des  Fleisches  ist  eine  parasitäre  Zersetzung,  die 
W.  Eber  als  ammon  iakalische  Gärung  charakterisiert.  Sie 
wird  aufgehalten  durch  sachgemäße  Behandlung  und  Aufbewahrung 
oder  Konservierung  des  Fleisches  und  begünstigt  vor  allem  durch 
Wärme  und  Feuchtigkeit.  Letztere  beiden  Faktoren  erleichtern  die 
Ansiedelung  von  verschiedenen  Mikroorganismen  (Kraus  ^■^).  Von 
den  fäulniserregenden  Bakterien  spielen  die  der  Proteusgruppe 
die  Hauptrolle.     Die  Fäulnis  beginnt  in  der  Regel  an  der  Oberfläche 


Fleischbeschau.  473 

des  Fleisches  und  dringt,  den  Rindegewebszüfien  folgend,  in  die  Tiefe 
vor.  Die  ^luskelfaser  selbst  widersteht  der  Fäulnis  einige  Zeit.  Aus 
den  Eiweißkörpern  und  Leinisubstanzen  bilden  die  Fäulniserreger 
Giftstoffe  (Faul  nis toxi ne)  neben  Ammoniak,  Kohlen- 
säure, Schwefelwasserstoff,  aromatischen  Stoffen.  Jedoch 
treten  „stinkende,  faulige"  Geruchstofl'e  keineswegs  bei  jeder 
Fäulnis  auf  (sie  fehlen  in  faulenden  Fleischwürsten  und  Salzfleisch 
sehr  häutig),  ebenso,  wie  lebhafte  Farbenveränderungen  durchaus 
nicht  charakteristisch  sind.  Konsistenzveränderungen  machen  sich 
nur  bei  höheren  Graden  der  Fäulnis  bemerkbar.  Alkalescenz  allein, 
wie  Schmidt-Mülheim"'"  annahm,  ist  kein  Kriterium  der  Fäulnis. 
Die  verschiedengradigsten  Gärungs-  und  Fäulnisprozesse  können 
naturgemäß  sich  nebeneinander  abspielen,  und  diese  Mischprozesse 
sind  mitunter  schwer  zu  beurteilen. 

Zum  objektiven  Nachweis  der  Fäulnis  hat  W.  Eber 
den  Nachweis  von  freiem  Ammoniak  bewährt  gefunden.  Die 
Eber  'sehe  F  ä  u  1  n  i  s  p  r  o  b  e  gründet  sich  darauf,  daß  bei  Zusammen- 
treffen von  Ammoniak-  und  Salzsäuredämpfen  sich  graue  bis  weiße 
Salmiaknebel  bilden. 

Die  Ausführung  der  Salmiakprobe  muß  unter  gewissen  Vorsichts- 
maßregeln, deren  Einzelheiten  im  Original  nachzulesen  sind,  geschehen. 
Reagens:  Acid.  hydrochloric.  pur.  1,0,  Alkohol  3,0,  Aether  1,0.  Von 
dieser  Mischung  wird  soviel  in  ein  ca.  2  cm  weites  Reagensglas  gegossen, 
daß  dessen  Boden  etwa  1  cm  hoch  bedeckt  ist.  Das  Glas  ist  verschließbar 
mit  einem  Gummistopfen,  durch  welchen  ein  bis  nahe  zur  Flüssigkeit 
herabreichender  Glasstab  gesteckt  ist.  An  diesen  Glasstab  wird  eine  kleine 
Probe  des  zu  untersuchenden  Gegenstandes  gebracht,  oder  von  dem 
letzteren  mit  dem  Glasstab  Saft  abgestrichen.  Nachdem  das  Reagens 
im  Probierglas  geschüttelt  worden  ist,  damit  sich  das  Glas  mit  Salzsiiure- 
dämpfen  füllen  konnte,  wird  der  Glasstab  eingesenkt.  Die  eintretende 
Reaktion  ist,  je  nach  der  Menge  des  der  Probe  entströmenden  freien 
Ammoniaks,  verschieden.  Es  bilden  sich  graue,  rauchblaue  oder 
weiße  Nebel,  welche,  von  der  Probe  ausgehend,  sich  zum  Flüssigkeits- 
spiegel senken.  Fehlen  Nebel,  so  ist  kein  Ammoniak  vorhanden.  Selbst- 
verständlich darf  in  den  Räumen,  wo  untersucht  wird,  kein  freies 
Ammoniak  zugegen  sein;  auch  soll  die  zu  untersuchende  Probe  nicht 
kälter  sein  als  das  Reagensglas.  Bei  Lakeobjekten  ist  wegen  des 
sich  bildenden  Trimethylamins  ^  ^   die  Probe  nicht  verwendbar. 

Weil  Fäulnis  nur  oberflächlich  vorhanden  sein  kann,  sind  zum 
Nachweis  des  Verdorbenseins  größerer  Fleischstücke  stets  die  inneren 
Teile  zu  untersuchen, 

IJeurteiluiii;.  Während  Fleisch  im  Zustande  sauerer  Gär  u  n  g 
zum  Genüsse  für  Menschen  geeignet  ist,  mulS  das  in  stinken  der  saure  r 
Gärung  befindliche  mindestens  als  hochgradig  verdorben,  wenn  nicht 
als  gesundheitsschädlich  bezeichnet  werden.  Letzteres  ist  bei  faulen- 
dem Fleisch  stets  der  Fall.  Die  Fäulnistoxine  sind  starke  (liffe  für 
den  Menschen,  die  auch  durch  küchenmäßige  Zubereitung  dc<.  Fleisches 
nicht  zerstört  werden  (s.  Fleisch-  und  Wurstvergiftungen  Kaji.  II). 
Vergl.  auch  W.  Eber^^',  Die  Beurteilung  von  FalUebern. 

B.     Insektenlarven  und  Schimmelbildung  auf  Fleisch. 
Im  Sommer   kann   es  leicht  vorkommen,   daß  Fliegen   ihre  Eier 

63 


474  EDELMANN, 

auf  Fleiscli  loizon,  aus  dcuen  sich  die  Fliegenlarveu  (Maden)  ent- 
wickeln. Hierbei  kommen  besonders  in  Betracht  die  stahlblaue 
Schmeißfliege  (Musca  voinitoria),  die  graue  Fleisch  fliege 
(Sarcophaga  carnaria)  und  die  Stubenfliege  (Musca  domestica). 

Von  Schimmelpilzen  können  verschiedene  auf  der  Ober- 
fläche des  Fleisches  eine  Verschimmelung  veranlassen.  Eine  Rot- 
färbung kann  durch  den  Bacillus  i)ro(ligiosus,  die  seltener  vor- 
kommende Blaufärbung,  durch  den  Bacillus  cyanogenus  hervor- 
gerufen wertlen. 

IJourtciluna;.  Wenn  nicht  substantielle  Veränderungen  (Fäulnis) 
am  Fleische  vorliegen,  hat  die  Ansiedelung  der  Pilze  auf  der  Ober- 
fläche nichts  zu  bedeuten.     Die  Oberfläche  ist  einfach  abzutragen. 

C.     Leuchtendes  Fleisch. 

Ein  phosphoreszierendes  Leuchten  von  Fleisch  (S  c  h  m  i  d  t  -  M  ü  1- 
heim^-,  Moule^^,  Dubois-**,  Piehler^^  u.  A.)  kann  durch 
verschiedene  Leuchtbakterien  (Nuesch-^")  (Photobacterium 
Pflügeri,  Bacterium  phosphorescens  u.  a.)  hervorgerufen  werden.  Die 
Bakterien  halten  sich  mitunter  an  gewissen  Stellen  (z.  B.  morsche  Balken) 
von  Fleischaufljewahrungsräumen  auf  und  können  von  hier  aus  das 
Fleisch  ])efallen.    Auch  bei  Würsten  hat  man  ein  Leuchten  beobachtet. 

Beurteilnng.  Gesundheitsschädlichkeit  liegt  nicht  vor.  Inwie- 
weit leuchtendes  Fleisch  als  verdorben  zu  gelten  hat,  wird  von  seiner 
sonstigen  Beschaffenheit  und  dem  Umfange  der  Bakterienansiedelung 
abhängen. 

D.     Verschiedenes. 

Eine  Absorption  von  Riechstoffen  kann  bei  unzweckmäßiger  Auf- 
bewahrung des  Fleisches  erfolgen.  Besonders  leicht  werden  angezogen 
und  festgehalten :  Karbolsäure-,  Chlor-,  Terpentin-,  Teerdämpfe  und  Tabaks- 
rauch. Der  entsprechende  Geruch  und  Geschmack  tritt  in  der  Regel  erst 
bei  oder  nach  der  Zubereitung  des  Fleisches  auf 

Metallgifte  können  dem  Fleische  von  unzweckmäßig  hergestellten 
Aufbewahrungsgefäßen  (Blechbüchsen)  oder  Verarbeitungsmaschinen  mit- 
geteilt werden.     Vergl.  dies.  Bd.  S.  345  ff. 

Für  Mikroorganismen  aller  möglichen  Arten  bietet  das  Fleisch 
einen  günstigen  Nährboden.  Ihre  Ansiedelung  und  Entwickelung  wird 
durch  unrichtige  Aufbewahrung  des  Fleisches  begünstigt.  Gewisse  Er- 
reger menschlicher  Krankheiten  (Typhus,  Cholera,  Scharlach  u.  a.)  ge- 
deihen ebenfalls  auf  dem  Fleische,  weshalb  dieses  von  den  Stätten  der- 
artiger Erkrankungsfälle  fernzuhalten  ist. 
26a)  Handel,   Deutsch.    T.    Wockenschr.  (1894;  No.  47. 

21)  Eber.  .Arch.  f.  animal.  Nahrungsmittdk  6.  Bd.  Hjt.  2  m  3,  Arch.  f.  Tkrkeilk.  17.  Bd. 
IJ/t.  3,  18  Bd.  H/t.  1 — 2.  —  Enticurf  einer  Instruktion  zur  Untersuchung  und  strafrecht- 
lichen Beurteilung  animaler,  zur  menschlichen  Nahrung  bestimmter  zersetzter  Organ-  und 
Körperteile,    Berlin   1892. 

28)  Peters,  Berl.   T.    Wochenschr.  (1893)  No.   12. 

29)  Kraus,  Friedreich' s  BUitter  f.  ger.  Medic.  u  Sanitätspolizei  (1890)  343,  ref.  Zeitschr.  f. 
Fleisch-  u.   Müchhyg.    1.   Bd.   79. 

30j  Schmidt-Mülheim.   Zeitschr.  f.   Fleischbesch.  u.  Fleischprod    (1888)  68. 

31)  Berl.    T.    Wochenschr.   (1893)   98. 

32)  Schmidt-Mülheim,  Zeüschr.  f  Fleischbeschau  u.  Fleischproduktion  {\i9%)  \02,  (1887)  36 

33)  Moule.   Ric.-BuUetin  (1886)  52. 

34)  Dabois.  L' echo  franc    (188S)  543 

3.5)  Piehler.    Bayrische    Wochenschr.  (1892)  No.  8. 

36)  Naesch,   Ueber  leuchtende  Bakterien,  Broschüre.   Basel  1885 

36a)  Zeitschr.  f.  Heisch-  u.  Müchhyg.   6.   Bd.  21. 

64 


Fleischbeschau.  475 


IV.  Kapitel. 

Patholoüie  der  Sclilacliltiere  in  ihrer  iJodeutuiii;  für 
die  Fleiselihoscliaii. 

1.     Bei  dor  LohciHlbcschaii  der  Schlaehttiere  besonders  zu 
bcrücksic'htis;ende  Erkraiikuii^;eii. 

Die  Beschau  der  vSchlachttiere  im  lebenden  Zustande  soll  be- 
sonders diejenij,'en  Krankheiten  und  Zustände  ermitteln,  welche,  weil 
sie  durch  die  Schlachtunji  verwischt,  durch  die  Entfernung  der  Haut 
beseitijit  werden  oder  keine  auffälligen  Veränderungen  an  den  Ein- 
geweiden oder  (lonj  Fleische  hervorrufen,  bei  der  Untersuchung  nach 
der  Schlachtung  nicht  oder  nicht  mit  Sicherheit  erkannt  werden  können. 
Die  Lebendbeschau  hat  daher  unter  Anwendung  aller  diagnostischen 
Hilfsmittel  (Thermometer,  Perkussion,  Auskultation,  event.  diagnostische 
Impfung)  vor  allem  das  Allgemeinbefinden  der  Tiere  zu  be- 
rücksichtigen und  dabei  gleichzeitig  über  Alter,  Ernährungs- 
zustand, äußere  Erkrankungen  zu  befinden.  Im  Besonderen 
kommt  folgendes  in  Betracht, 

A.  Die  Ermittelung  von  Tierseuchen,  welche  vete- 
rinärpolizeilich bekämpft  werden.  Hierher  gehören:  Rin- 
derpest, Maul-  und  Klauenseuche  bei  Wiederkäuern  und 
Schweinen,  Milzbrand  beim  Rind,  Schaf  und  sehr  selten  beim  Schwein, 
<owie  Rauschl)rand  beim  Rinde,  Rotlauf  der  Schweine  als  allge- 
meiner Rotlauf  und  Rotlauf-Urticaria,  Rotz  der  Pferde,  Die  Pocken- 
Seuche  der  Schafe,  die  Räude  des  Pferdegeschlechts  und  der  Schafe, 
sowie  die  Tollwut  besitzen  für  die  Fleischbeschau  nur  eine  unterge- 
ordnete Bedeutung.  Soweit  diese  Seuchen  auf  den  Menschen  übertrag- 
bar sind,  soll  durch  die  Lebendbeschau  gleichzeitig  eine  Infektion  der 
Menschen  bei  der  event,  Schlachtung  solcher  Tiere  verhütet  werden, 

B,  Die  Erkennung  anderer  Infektionskrankheiten 
und  septischer  Erkrankungen,  Zu  ersteren  gehören  insbe- 
sondere Tetanus,  malignes  Oedem,  Wild-  und  Rinder- 
seuche, bösartiges  K  atar  r  h  alf  ie  b  er  der  Rinder,  Ruhr  der 
Kälber.  Die  septischen  Erkrankungen  verlangen  als  sogen.  Kälber- 
lähme, s  e  p  t  i  s  c  h  e  E  n  t  e  r  i  t  i  s  und  M  a  s  t  i  t  i  s,  sowie  S  e  p  t  i  c  ä  m  i  e 
im  Anschlüsse  an  eine  Retentio  secundinarum,  große  Aufmerksamkeit 
seitens  der  Sachverständigen. 

C,  Durch  sorgfältige  Beachtung  verdächtiger  Symptome  kann 
auch  die  Diagnose  auf  solche  Vergiftungen,  welche  an  den 
Eingeweiden  keine  auffälligen  Veränderungen  hervorrufen,  durch  die 
Lebendbeschau  unterstützt  werden, 

D.  Von  sonstigen  äußerlich  sichtl)aren  Verände- 
rungen, die  bei  der  Lebendbeschau  zu  beachten  sind,  aber  hier  nicht 
alle  aufgeführt  werden  können,  seien  nur  folgende  erwähnt: 

H  a  u  t  k  r  a  n  k  h  c  i  t  e  n  (parasitäre  Ausschläge  als  Scabies,  Herpes, 
Trichophyton,  Warzen,  Schrotausschlag  beim  Schwein  (Zscin»kke''. 
01t'",  Lu  n  ger  shau  s  en  ' '  etc.),  Geschwülste  ( Aktinon)ykome, 
Melanome,  Botryomykome,  Sarkome.  Carcinome  u.  a,),  Mißl)i  Idun  gen 
verschiedenster  Art,  A  bscesse,  Geschwüre  und  Beulen,  Ge- 
le n  k  e  r  k  ra  n  k  u  n  ge  n ,   insbesondere  sogen.  Gelenkgallen   (Hydrops 

Handbuch  der  Hygiene.     Bd.  III.     Abtlg.  2.  g,  31 


47(5  EDELMANN, 

Art.")  und  Verletzungen,  K  n  o  c  li  o  ii  v  e  r  ä  n  d  e  r  u  n  ii  e  n,  E  r  k  r  a  n  k  u  n- 
gen  der  Klauen  und  Hufe,  Brüche  (Nabel-,  Leisten-,  Bauch-^ 
Flankenbrüche),  Vorfälle  von  After  oder  Scheide.  —  Ausflüsse 
und  abnorme  Sekrete  oder  Exkrete  aus  den  natürlichen  Körperöffnungen, 
Störungen  in  den  psychischen  oder  motorischen  Funk- 
tionen weisen  auf  innere  Veränderungen  hin.  welche  sonst  vielleicht 
bei  der  Untersuchung  nach  der  Schlachtung  unbeachtet  geblieben 
wären. 

Insoweit  einzelne  der  vorerwähnten  Seuchen  und  Krankheiten 
eine  Bedeutung  für  die  sanitäre  Beurteilung  des  Fleisches  besitzen, 
werden  sie  später  bei  den  einzelnen  Krankheitsgruppen  behandelt 
werden. 

2.    Lokale  Erkrankungen  der  Gewebe  und  Organe. 

Auf  die  allgemeine  j)athologische  Anatomie  der  lokalen  Gewebs- 
und Organerkrankungen  der  Schlachttiere  kann  bei  den  engen  Grenzen, 
welche  dem  Abschnitt  „Fleischbeschau"  des  Handbuches  der  Hygiene 
gesteckt  sind  und  in  Anbetracht  der  Zwecke,  denen  dasselbe  dienen 
soll,  nicht  eingegangen  werden.  Es  dürfte  auch  eine  Besprechung 
dieser  Erkrankungen  und  Abnormitäten  um  so  mehr  unterbleiben 
können,  als  ihre  Erkennung  und  Würdigung  für  Jedermann  leicht 
sein  wird,  welcher  allgemeine  Kenntnisse  in  der  Pathologie  und 
pathologischen  Anatomie  besitzt.  Außerdem  ist  die  sanitätspolizeiliche 
Bedeutung  der  lokalen  Erkrankungen  in  der  Regel  eine  geringe,  so- 
daß  meist  nur  die  Verwendbarkeit  des  betreffenden  erkrankten  Organs 
als  menschliches  Nahrungsmittel  in  Frage  kommt.  In  dieser  Be- 
ziehung ist  bei  der  Beurteilung  der  betreffenden  Lokalerkrankung  Ur- 
sache und  Ausbreitung  zu  berücksichtigen. 

Ganz  eng  begrenzte  Krankheitsherde  werden  besonders  in  wert- 
vollen Organen,  sorgfältig  zu  entfernen  sein,  worauf  das  Organ  selbst 
zum  freien  Verkehr  zugelassen  werden  kann.  Bei  multiplem  Auf- 
treten krankhafter  Prozesse  oder  bei  größerer  Ausdehnung  eines 
solchen  in  einem  Organ  wird  das  ganze  Organ  zu  vernichten  sein. 
Eine  bedingungsweise  Verwertung  (Freibanküberweisung)  dürfte  sich 
nur  in  sehr  wenigen  Fällen  bei  wertvollen  Organen  (z.  B.  Lebern; 
und  gewissen  Krankheiten  ermöglichen  lassen. 

Zum  eingehenden  Studium  der  allgemeinen  pathologischen  Ana- 
tomie der  Schlachttiere  vom  Standpunkte  der  Sanitätspolizei  kann 
das  betreffende  vorzüglich  bearbeitete  Kapitel  in  Ostertag's  Hand- 
buch S.  233—324  angelegentlichst  empfohlen  werden. 

An  dieser  Stelle  mögen  nur  ganz  kurz  Erwähnung  finden  die 
für  die  Fleischbeschau  unter  Umständen  wichtigen 

Oreankrankheiten  *j  der  Sehlachttiere,  welche  durch  tierische 
Parasiten  Teranlasst  werden. 

A.     Parasiten  der  Haut. 

Beim  Rind  kommt  in  der  Unterhaut  die  Larve  von  Oestrus 
bovis  (Dassel-,  Biesfliegej  vor,   welche  die   sogen.  Dasselbeulen  er- 


*)  Die  parasitären  AllgemeinerkraDkungen  s.  S.  480. 

66 


Fleischbeschau.  477 

/eii^'t.  Die  ersten  Entwickeln n;jssta(lieii  dieser  Larven  leben  im  siib- 
cluralen  Fettfjewebe  des  Hückenmarkskanals  nach  Keobachtnnpen 
von  Hinrichsen*,  Hörne-   und  Kuser-'. 

In  der  Haut  des  S  ch  wein  es  erzeufit  Dem  od  ex  phylloides 
suis  pustulüse  Ausschläge.  Zuweilen  kommt  S  a  r  c  o  p  t  e  s  s  q  u  a  m  i- 
f  er  u  s  vor. 

Beim  Schaf  veranlaßt  aus^'ebreitetes  Auftreten  von  Dermato- 
coptes  Ovis  mitunter  kachektische  Zustände.  Beim  Pferd  beobachtet 
man  Sarcoptes-  und  Dermatocoptes-Räude. 

B.     Parasiten  im  Respirationsapparat. 

In  der  Nase  und  deren  Nebenhöhlen  erzeugt  beim  Schafe 
die  Larve  von  Oestrus  ovis  (Schaibremse)  Reizungszustände. 

In  der  Lunge  veranlaßt  beim  Rind  und  Kalbe  Strongylus 
micrurus,  beim  Schafe  und  der  Ziege  Str.  filaria,  beim 
Schafe  außerdem  Pseudalius  ovis  pulmonalis(Koch)  sive 
Pseudalius  capillaris  (A.  Müller)  und  beim  Schweine  Str. 
paradoxus  meist  nur  geringgradige  bronchitische  oder  pneumonische 
Veränderungen.  Massenhafte  Invasionen  haben  besonders  bei  Schafen, 
mitunter  kachektische  Zustände  zur  Folge. 

C.     Parasiten  des  Verdauungsapparates. 

Im  S  c  h  1  u  n  d  k  0  p  f  und  Magen  des  Pferdes  findet  man  nicht 
selten  die  Larven  von  Gastrus  e(|ui  und  G.  h  aem  orrh  oi  dal  is. 

Im  Labmagen  des  Rindes  sitzt  St  ron  gylu  s  convolutus 
(Ostertag*)  unter  dem  F>i)ithel  und  erzeugt  linsengroße  Flecke 
mit  centraler  Oetfnung.  —  Bei  Schaf  und  Ziege  kommt  Stron- 
gylus contortus  ebenfalls  im  Labmagen  vor  und  erzeugt  bei 
starker  Invasion  Kachexie  (Ma  gen  wurm  seuche).  —  Im  Pansen 
der  Wiederkäuer  Amphistomum  conicum. 

Von  Dar  m  parasitcn  hat  fast  ausscliließlich  T  a  e  n  i  a  e  x  p  a  n  s  a 
beim  Schafe  Bedeutung,  welche  gelegentlich  als  Bandwurmseuche 
anämische  Zustände  veranlaßt.  —  Beim  Schwein  erzeugt  Echino- 
rhynchus  gigas  im  Dünndarme  Entzündungsherde,  welche  mit 
Tuberkulose  verwechselt  werden  können.  -  Die  Taenia  echino- 
coccus  des  Hundes  ist  von  Interesse  wegen  der  Echinokokken  der 
Schlachttiere;  die  ebenfalls  lieiiii  Hunde  schmarotzende  Taenia 
margin  ata  und  T.  coenurus  wegen  ihrer  Beziehungen  zum 
Cysticercus  tenuicollis  und  bez.  zum  Coenurus  cerebralis.  —  Die 
vorkommenden  Askariden  sind  bedeutungslos. 

In  der  Leber  schmarotzen  zwei  für  die  Fleischbeschau  wichtige 
Trematoden,  die  sogenannten  Leberegel:  Distomum  hepaticum  und 
Distomum  lanceolatum. 

Distomum  hepaticum. 

Vorkoiiiiiu'ii  und  Zooloi-Msches.  Das  große  Doppelioch  kommt 
in  den  (iallcn^'ängen  der  Lclici-  von  Rind,  Schaf.  Ziege  und  Schwein 
vor.  Auf  embulische  Weise  verirrte  Distomen  oder  (leren  Teberreste 
können  gelegentlich  auch  in  den  Lungen,  in  der  Milz,  der  Subcuti.s, 
den  Muskeln  und  unter  der   Serosa   von    Brust-  und  Bauchhöhle  ge- 

;i  1  * 

6? 


478 


EDELMANN, 


fumloii  wordoii.  Ihre  Gestalt  ist  aus  der  foljienden  Abbildung  ersicht- 
lich, eine  Beschreibung  der  speziellen  Anatomie  kann  hier  unterbleiben. 
Nur  bezüglich  der  Invasion  der  Distonien  sei  erwähnt,  daß  sie  ihre 
Embryonalentwickelung  teils  im  Freien,  teils  in  Wasserschnecken  der 
Gattung  Lymnaeus  (Leuckart)  durchmachen  und  mit  dem  Futter 
oder  Wasser  von  den  Tieren  aufijenommen  werden. 


Fig. 
Fig. 


10. 

11. 


Distomum  hepaticum,  ca.   2,5-fach  vergröfsert.     (Nach   Leuciiart.) 
Distomum  lanceolatum,   10-fach  vergr.     (Nach   Leuckart.) 


Befund  und  Bedeutung.  Vereinzelte  Exemplare  erzeugen  in  der 
Leber  keine  sichtbaren  Veränderungen.  Bei  zahlreichem  Vorkommen 
findet  man  Katarrh  der  Gallengänge,  Verdickung  der  Wandungen  und 
selbst  Verkalkung  der  letzteren.  In  Verbindung  hiermit  kann  es  zu  Ver- 
.stopfungen  einzelner  Gänge,  Gallenretentionscysten  und  Abscessen 
kommen,  welche  sich  auch  im  Anschluß  an  durch  junge  Leberegel 
veranlaßte  parenchymatöse  Blutungen  entwickeln  können.  Das  Leber- 
gewebe selbst  ist  meist  wenig  affiziert,  nur  in  wenigen  Fällen  kommt 
es  zu  einer  partiellen  oder  ausgebreiteten  Induration  und  Cirrhose. 
Während  das  Allgemeinbefinden  des  Rindes  und  der  Schw^eine  durch 
die  Leberegelinvasion  in  der  Regel  nicht  beeinträchtigt  wird,  führt  die 
Leberegelseuche  bei  Schafen,  durch  Erzeugung  schwerer  Ver- 
dauungsstörungen und  Kachexien,  große  Verluste  herbei. 

Untersuchung.  Ausdrücken  der  Hauptgallengänge, Einschnitte 
in  die  Leber,  sodaß  die  Hauptgänge  getroffen  werden. 

Distomum  lanceolatum. 
Vorkommen  und  Zoologisches.    Das  lancettförmige  Doppelloch 

68 


Fleischbeschau.  479 

kommt  weit  wonipor  häufig;  als  D.  hepaticnni  und  hauptpächlich 
bei  Schafen,  seltener  hei  Rindern,  Ziepen  und  Schweinen  vor.  Es 
ist  erheldicji  kleiner  und  .sciilanker  als  das  voripe  (s.  Abbildung). 

Befand  und  Bedcutuni?.  Der  Parasit  ruft  nur  panz  perinpe  Er- 
scheinungen in  der  Leber  hervor  und  ist  auf  das  Allpenieinbefind(?n 
der  Tiere  so  put  wie  einflußlos.  Er  ist  mit  Sicherheit  nur  durch 
Einschneiden  der  pröLNcren  (lallenpänpe  und  Ausdrücken  derselben 
zu  eiitdrcki'ii. 

BeurteiluiiiT  der  Distomatose.  Sobald  die  Distomen  durch 
Herausschneiden  der  (iallenpänpe  sicher  entfernt  werden  können, 
kann  die  Leber  zum  Verkehr  freigegeben  werden.  Bei  massenhaften 
Invasionen,  Indurativ-  oder  Eiterungsprozessen  ist  das  ganze  Organ 
zu  vernichten. 

Die  Beurteilung  der  im  Gefolge  der  Leberegelseuche  sich  ein- 
stellenden kachektischen  Zustände  bei  Schafen  hängt  von  den  allge- 
meinen Veränderungen  ab. 

In  Hessen  und  Saehsen-Meiuingeu  Ut  FleUch  von  Tieren,  die  an  der  Egel- 
seuche  gelitten  haben,  bei  wesentlich  verändertem  Aasseben  als  aDgeniefsbar  zu  erklären; 
anderenfalls  ist  es  minderwertig. 

In  der  Muskulatur  des  Schweines  ist  von  Leunis,  später 
von  Duncker^,  ein  nur  mikroskopisch  sichtbares  Distomum  gefunden 
worden,  das  bei  der  Seltenheit  seines  Vorkommens  keine  Bedeutung  hat. 
Schellenberg^   fand  in  F r o s c h muskeln  jugendliche  Distomen. 

D.     Parasiten  an  Brust-  und  Bauchfell. 

Unter  den  Parietal-  und  Visceralblättern  der  Pleura  und  des 
Peritoneums  kommt  besonders  häufig  beim  Schafe  (26,4  Proz.  fand 
01t'  in  Stettin  mit  Cyst.  ten.  behaftet),  aber  auch  bei  Schwein  und 
Rind  der  d  ü  n  n  h  a  1  s  i  g e  B 1  a s  e  n  w  u  r  m  (Cysticercus  t  e  n  u  i  c  o  1 1  i sj 
vor.  Ausnahmsweise  sitzt  der  Parasit  auch  im  Innern  der  Einge- 
weide, besonders  in  der  Leber  (Semmer**),  woselbst  er  bei  älteren 
Tieren  höchstens  Erbsengröße  erreicht  und  meist  frühzeitig  der  Ver- 
käsung und  Verkalkung  anheimfällt  (Verwechselung  mit  Tuberkulose). 
Bei  der  Invasion  junger  Källjer  erzeugt  der  Schmarotzer  in  der 
Leber  geschlängelte,  mit  grünlich-l)räunlichen  Massen  gefüllte  Gänge. 

Für  gewöhnlich  trifft  man  den  Cyst.  tenuicoUis  als  sehr  ver- 
schieden große  Blasen  an  Netz,  Gekröse  und  Leber.  Kleine  Exem- 
plare wölben  die  Serosa  nur  vor,  größere  bilden  dünngestielte,  i)lasige, 
serumgefüllte,  von  der  betreffenden  Serosa  umgebene  Appendices. 
Aus  der  Schwanzblase  läßt  sich  der  lange,  gefaltete  Hals  leicht  heraus- 
stülpen. Er  besitzt  einen  Skolex  mit  28 — 40  Haken.  Die  Bewaffnung 
unterscheidet  den  Cyst.  tenuicoll.  von  der  Rindertinne,  die  größere 
Zahl  der  Haken  und  die  eigentümliche  Form  einzelner  derselben 
von  der  Schweinefinne  (s.  S.  487). 

Bonrtoilunff.  Der  Cyst.  tenuicoUis  ist  die  Finne  der  beim  Hunde 
lebenden  T.  marginata.  Für  den  Menschen  ist  der  Cyst.  tenuicoll. 
unschädlich;  bei  der  Fleischbeschau  muß  er  als  parasitäres  Gebilde 
entfernt  und  vernichtet  werden. 

£.     Parasiten  im  Gehirn. 
Beim  Schafe  erzeugt  der  Coenurus  cerebralis,  die  Vorstufe 


480  EDELMANN, 

der  luMin  Hunde  schmarotzenden  Taenia  coenurus,  die  sogen.  Dreh- 
krankheit. Die  (iröße  der  Coeiiurushlasen  und  ihr  Sitz  ist  ver- 
schieden. Beim  Kinde  treten  sie  seltener  auf.  Für  die  Fleischbeschau, 
welche  nur  für  Vernichtung  der  betr.  (iehirne  zu  sorgen  hat,  sonst 
bedeutungslos. 

Ausführliches  über  die  Parasiten  der  Schlachttiere  s.  in  Zürn 
„Die  tierischen  Parasiten",  Johne  im  ersten  Bande  von  Birch- 
H  i  rsc  h  f  el  d  "s  jiatholog.  Anatomie    und  in  Ostcrtag's  Handbuch. 

Die  Beurteiluim:  derjenigen  Organe,  welche  Parasiten 
beherbergen,  soweit  dieselbe  nicht  schon  besprochen  wurde,  richtet 
sich  nach  dem  (irade  der  Invasion,  nach  der  Bedeutung,  welche  das  Organ 
für  die  menschliche  Ernährung  besitzt,  und  der  Art  und  Weise,  wie  das- 
selbe vom  Fleischer  handwerksmäßig  behandelt  wird.  Durch  letzteres 
können  gewisse  Parasiten  vollkommen  entfernt  werden  (Darm,  Pansen). 
Im  allgemeinen  sind  alle  Parasiten  so  zu  beseitigen,  daß  ihre  Ueber- 
tragung  auf  empfängliche  Individuen  verhindert  wird.  In  sanitärer  Be- 
ziehung kruinen  vereinzelte  Parasiten  die  Verwertbarkeit  des  Organs 
als  Nahrungsmittel  nach  ihrer  Entfernung  nicht  beeinträchtigen.  Bei 
Anwesenheit  mehrerer  sind  nicht  infizierte  Teile  wertvoller  Organe 
eventuell  unter  Deklaration  zu  verkaufen.  Geringwertige  Organe 
aber  und  stark  durchsetzte  werden  ganz  beseitigt. 

Iq  Hessen  und  Saclisen-Memin|?en  ist  das  Fleisch  der  mit  der  Drehkrank- 
heit behafteten  Tiere,  je  nach  dem  Stadium  der  Erkrankung  und  dem  Ernährungszustande, 
als  minderwertig  oder  ungenießbar  2u  erklären.  Dasselbe  gilt  in  üesseil  von  den  mit  der 
wurmigen   Lungenseuche  behafteten   Schafen. 

1)  Hinrichsen,  Ztschr.  f.  Fleisch-  u.  Müchhyg.  5.  Bd.   106. 

2)  Home,  Ztschr.  f.  Fleisch-  u.    Müchhyg.  5.  Bd.   126. 

3)  Enser.   Ztschr.  f.  Fleisch-  u.   Müchhyg.   5.  Bd.    127,   6.   Bd.   127. 

4)  Ostertag,  Ztschr.  f.  Fleisch-  u.   Milchhyg.    1.   Bd.  4. 

5)  Duncker,   Ztschr  f.   Mikrotkopie  u.  Fleischbeschau  (1884)  39. 

6)  Schellenberg,   Ztschr.  f.  Fleisch-  u.   Milchhyg.  5.   Bd.   170. 

7)  01t.   Zt'^chr.  f.    Fleisch-  u.   Milchhyg.  4     Bd.   200 

8)  Bemmer,  Ztschr.  f.   Tiermed.   \2.  Bd    1.  m    2.  Heft. 

9)  Zachokke.   Schweiz.   Arch.  f.   Tierheük.  30.   Bd.   72. 

10)  01t.   Ztüsrhr.  f.  Fleisch-  u.   Müchhyg.    6.   Bd.   5. 

11)  LungerBhaasen,  Zeitschr.  f.   Tiermed.  21.  Bd.  1.  u.  2.  Heft. 


3.    Allj^emeinerkrankungeii  der  Schlachttiere. 

A.    Durch  tierische  Parasiten  veranlasste  Allgemeinerkrankungen  der 
Schlachttiere  (Invasionskrankheiten). 

1.     Parasiten,  welche  durch  Fleisch  genuß  auf  den 
Menschen  übertragbar  sind. 

a)  Die  Trichine. 

Durch  Aufnahme  von  Trichinen  mit  der  Nahrung  entsteht  bei 
empfänglichen  Individuen  die  Trichinose.  Diese  Gefahr  droht  dem 
Menschen  durch  den  Genuß  von  Schweinefleisch,  da  die  Muskulatur 
des  Schweines  Muskeltrichinen,  den  geschlechtslosen  Zustand 
der  Darmtrichinen,  enthalten  kann. 

Zoologisches.  Die  geschlechtsreife  Form  der  zu  den  Nematoden 
(Farn.  Trichotracheliden)  gehörigen  Trichina  spiralis  lebt  als  männ- 

70 


Fleischbeschau. 


481 


Hoher  und  weihlicher  Haarwurni  im  langgestreckten  Zustande;  im  i)unn- 
•darm  des  Menschen  und  verschiedener  Säugetiere.  Die  Männchen  sind 
1,5  mm  lang  und  0,04  mm  dick  und  besitzen  zwei  Schwanzanhänge 
(Geschlechtszapfen»;  die  Weibchen  3 — 4  mm 
lang  und  0,0*!  mm  dick.  Charakteristisch  für 
die  Trichine  ist  das  vordere,  zugespitzte  und 
hintere,  abgerundete  Leibesende,  sowie  von  inneren 
Organen ,  abgesehen  von  den  Geschlechtswerk- 
zeugen, der  sogen.  Zellenkörper,  eine  Reihe 
ijroßer,  kernhaltiger  Zellen,  welche  um  den 
Schlund  herum  liegen. 

Von  Säugetieren  beherbergen  Trichinen : 
Haus-  und  Wildschwein,  Ratte,  Fuchs,  Marder, 
Iltis,  Bär,  Katze  etc.  Durch  Fütterung  können 
sie  auf  eine  ganze  Reihe  anderer  Säugetiere, 
nicht  aber  auf  Vögel  und  Kaltblüter  über- 
tragen werden ;  bei  Vögeln  entwickeln  sich 
höchstens  Darmtrichinen,  aber  keine  Muskel- 
trichinen. 

Der  eigentliche  Hauptwirt  der  Trichine 
sind  jedenfalls  die  Ratten,  die  sich  leicht  und 
auch  untereinander  infizieren.  Nach  Leisering'-* 
waren  in  Deutschland  22,1  Proz.  Ratten  aus  Ab- 
deckereien ,  5,3  Proz.  aus  Schlachthäusern  und 
0,3  Proz.  aus  anderen  Lokalitäten  trichinös.  B  i  1  - 
1  i  n  g  s  '  **  fand  in  der  Abdeckerei  in  Boston  76  Proz  , 
in  einer  großen  Exportschlächterei  daselbst  100 
Proz.  und  in  der  Stadt  Bo.ston  nur  10  Proz.  der 
Ratten  trichinenhaltig.  Von  den  Ratten  werden 
Tiere  angesteckt,  welche  mit  ihnen  in  Berührung 
kommen  und  sie  gelegentlich  fressen  (Schwein, 
Bär,  Katze,  Marder,  Iltis).  Bezüglich  der  Frage, 
ob  Darmtrichinen  und  wandernde  Trichinen  auf 
einen  neuen  Wirt  überzugehen  vermögen ,  s. 
Ostertagi*. 

Entwickelung  der  Trichine.  Nach  Auf- 
nahme von  Fleisch,  welches  Muskeltrichinen  ent- 
hält ,  wachsen  letztere  im  Darm ,  werden  ge- 
schlechtsreif und  damit  zum  entwickelten  Wurm. 
Die  Weibchen  bohren  sich,  nach  erfolgter  Be- 
gattung, in  die  Darmwand  ein(Askanazj'i  *, 
Cerfontaine^*)  und  dringen  zum  Me- 
senterium und  selbst  zu  den  Mesen- 
teriallyniphdrüsen  vor.  (Unwirksamkeit 
der  medikamentösen  Behandlung  der  Trichine!) 
Geisse'*  hat  hingegen  nur  ein  Eindringen 
der  weiblichen  Darmtrichinen  in  die  Schlauch- 
drüsen des  Darmes  beobachtet.  Jedes  Weibchen 
gebiert  während  der  H — 7  wöchentlichen  Lebens- 
zeit 1500—2000,  nach  Braun»  sogar  8000  bis  .,  •"!?•.  *.^-  0«*fhlechu- 
lOOaj  0,1mm  lange  Embryonen,  welche  mit  ^^^^^  ä  Weibchen.  (Nach 
dem    Lymphstrom    in    das    Blut    gelangen    und      Leuckart.)    Vergr.  120. 


71 


482 


EDELMANN, 


mit  diesem  sich  im  ganzen  Körper  verbreiten :  einige  wandern  viel- 
leicht auch  aktiv  im  Bindegewebe.  Die  Trichinen  siedeln  sich  aus- 
schließlich in  der  quergestreiften  Muskulatur  (Herz  ausgenommen)  an 
und  dringen  zu  dem  Zwecke  aus  den  Kajullaren  teils  durch  Diapedese, 
teils  mittels  Durchbohrung  der  Wand  in  das  Bindegewebe.  Daselbst 
wandern  sie  bis  an  Widerstand  bietende  Punkte  (Sehnen ,  i'ascien, 
Knochen  etc.)  und  dringen  dann  in  den  Sarkolemmaschlauch  ein.  Schon 
am  10.  —  14.  Tage  nach  der  Aufnahme  des  trichinösen  Fleisches  kann 
man  die  ersten  wandernden  Embryonen  in  der  Muskulatur  antreffen. 
Der  contraktile  Inhalt  des  Muskelschlauches  wird  von  den  Embryonen 
zerstört.  Schließlich  gelangen  dieselben  zur  Ruhe  und  rollen  sich,  inner- 
halb des  Sarkolemmas  liegend,  spiralig  zusammen.  Damit  hat  die 
Wanderung  des  Embrj^os  ihr  Ende  erreicht,  derselbe  ist  gewachsen 
bis  auf  1  mm  Länge  und  nunmehr  zur  Muskeltrichine  geworden. 
Für  die  Muskeltrichine,  der  Geschlechtswerkzeuge  fehlen,  ist  charakte- 
ristisch ihr  vorderes  spitzes  und  ihr  hinteres  stumpfes 
Leibesende,  der  Zellenkörper  und  ihre  Lage  innerhalb  des 

Muskelschlauches.  — 
Bald  beginnt  die  Ency- 
stierung  der  Muskeltrichi- 
nen mit  meist  citronen- 
oder  augenförmigen,  in  der 
Längsrichtung  der  Muskel- 
fasern liegenden  Kapseln. 
Die  ersten  Spuren  der 
letzteren  bemerkt  man  mit 
der  5.  Woche  nach  der  In- 
fektion und  trifft  9—12 
Wochen    nach     derselben 

allenthalben  vollendete 
Kapseln  an.  Die  Kapsel 
selbst  ist  strukturlos, 
homogen,  glänzend, 
besitzt  eine  doppelte 
Kontur  und  ist  anfangs 
durchsichtig.  An  den  Polen 
der  Kapseln  bilden  sich  im  kollabierten  Muskelschlauch  Fettzellen  und  nach 
Ablauf  eines  Vierteljahrs  lagern  sich  auch  Kalksalze  daselbst  ab.  Letztere 
inkrustieren  allmählich  die  ganze  Kapsel  und  nach  Befinden  auch  die  Trichine 
selbst.  Diese  Verkalkung  der  Kapsel  kann  mit  9  Monaten  schon  eine  voll- 
kommene sein,  dauert  aber  meist  l^/g  Jahr.  In  der  Kapsel  können  die 
Muskeltrichinen  noch  viele  Jahre  (31  Jahre  beim  Menschen  sicher  beob- 
achtet) lebensfähig  bleiben. 

Widerstandsfähigkeit  der  Trichinen  im  Fleisch.  Die  Trichinen 
sterben  nach  Plana  bei  56*^  C,  nach  Leuckart^'  bei  62 — 70"  C 
infolge  Eiweißgerinnung.  Da  Fleisch  ein  schlechter  Wärmeleiter  ist 
und  höhere  Temperaturen  nur  langsam  eindringen  läßt  (s.  S.  444),  so 
kann  man  in  gekochtem  oder  gebratenem  Fleisch  die  Trichinen  erst  für 
vernichtet  ansehen,  wenn  dasselbe  eine  weißgraue  Farbe  angenommen  hat. 
—  Niedere  Temperaturgrade  (20 — 25"  unter  Null)  vermochten  die  Trichinen 
nicht  sicher  zu  töten.  —  Oberflächliches  Einsalzen  mit  oder  ohne  Räucherung 
tötete  die  Trichinen  nicht  immer.  Durch  Pökelung  können  die  Trichinen 
in  oberflächlichen  Fleischschichten  erst  in  14  Tagen,  in  tieferen  erst  nach 


Fig.  13.  Eingekapselte  Trichinen. 
Vergr.  60. 


(Nach  L  e  u  c  k  a  r  t.) 


72 


Fleischbeschau.  483 

50 — GO  Tagen  vernichtet  werden.  Heiße  Räucherung  wirkt,  teils  durch 
die  Wärme,  teils  durch  die  Kresole  des  Rauches,  vernichtend  auf"  die 
Parasiten,  jedoch  bei  großen  Pleischstücken  nur  langsam. 

Die  Äiishreitunir  der  Tricliinen  in  der  Muskulatur  ist  keine  {j[leicli- 
mäßige.  Am  zahlreichsten  tiiidet  man  sie  in  den  Zwerrhfell- 
p  feil  er  n  und  dem  Z  w  er  oli  fei  1 .  was  II  ei  t  z  m  a  n  n  "'  dadurch  er- 
klärt, (laß  die  Embryonen  am  leichtesten  im  Augenblicke  der  Muskel- 
kontraktion stecken  bleiben,  weil  während  dieses  Moments  der  Kapillar- 
durchmesser vorübergehend  verengert  wird.  In  Anbetraciit  der  immer- 
währenden Thätigkeit  der  Respirationsmuskeln  würde  damit  ihr  starker 
Trichinengehalt  nicht  auffällig  sein.  Auf  diese  beiden  Muskeln  folgen 
hinsichtlich  der  Häutigkeit  der  Trichineninvasion:  Zunge.  Kehl- 
k  0 1»  f  m  u  s  k  e  1  n  ,  Lenden-,  Kaumuskeln  und  Bauchmuskeln 
(Hertwig'",  Johne  ^**,  0  ste  rtag  * '•').  Daher  sind  die  Proben 
zur  Untersuchung  eines  Schweines  aus  den  genannten  Muskeln  zu  ent- 
nehmen. Werden  bei  sorgfältiger  mikroskopischer  Unter- 
suchung (s.  u.)  der  aufgeführten  Muskeln  keine  Tri- 
chinen gefunden,  so  ist  anzunehmen,  daß  auch  in  der 
übrigen  Muskulatur  keine  vorhanden  sind;  oder  selbst 
wenn  vereinzelte  Exemplare  in  der  letzteren  vor- 
kommen sollten,  könnte  doch  der  Genuß  solchen 
Fleisches  niemals  nachteilige  Folgen  mit, sich  bringen. 
Im  Fett  kommen  keine  Trichinen  vor:  Speckseiten  können  sie 
enthalten ,  sobald  sich  Muskulatur,  insbesondere  die  Hautmuskeln, 
daran  befinden. 

Die  Häufigkeit  der  Trichinose  bei  Schweinen,  woselbst  sie  keine 
charakteristi.^^chen  klinischen  Erscheinungen  hervorruft,  ist  sehr  verschieden. 
Nach  Eulenburg's-"  Zusammenstellungen  bewegte  sich  im  König- 
reich Preußen  die  Verhältniszahl  der  trichinösen  Schweine  zwischen 
1:1985  in  den  Jahren  1876—1889  und  1:2377  im  Jahre  1892/93. 
In  der  Provinz  Posen  sind  trichinöse  Schweine  außerordentlich  häufig, 
1884  betrug  im  Kreise  Schroda  das  Verhältnis  1  :  68.  —  Im  König- 
reich Sachsen,  das  seit  1888  eine  obligatorische  Trichinenschau  be- 
sitzt, berechnet  sich  das  Verhältnis  im  7 -jährigen  Durchschnitt  auf 
1  :  8077 ,  wobei  sich  ein  steter  Rückgang  der  Zahl  der  trichinösen 
Schweine  bemerkbar  macht.  Aus  Oesterreich-Ungarn  kommende  Schweine 
erwiesen  sich  in  Sachsen  häufiger  trichinös  als  inländische.  —  Das 
amerikanische  Schweinefleisch  zeigte  sich,  nach  den  in  Deutsch- 
land gemachten  Erfahrungen,  in  4 — 8  Proz.  der  Fälle  mit  Trichinen  behaftet. 

Zur  Ei'keniHiiii^  der  Trichinen  im  Fleische  bedarf  es  einer  sorg- 
fältigen mikroskopischen  Untersuchung  desselben,  am  besten  bei  einer 
schwachen.  ."><) fachen  Vergrößerung.  Diese  Untersuchung  kann  dazu 
ausgebildeten  Laien  (T  r  i  c  h  i  n  e  n  s  c  h  a  u  e  r  n )  überlassen  werden. 
Letztere  schneiden  aus  den  Muskeln,  welche  erfahrungsgemäß  den 
Parasiten  am  häufigsten  l)eherbergen  (s.  oben),  Proben  in  Wallnuß- 
größe  heraus.  In  größeren  Schlachthöfen  werden  die  Proben  von 
besonderen  Probenentnehmern.  Proben  holern  entnommen. 
Aus  den  Proben  werden  Q  uetsch  p  räparate  zwischen  zwei  starken 
Glasplatten,  oder  besser  auf  einem  C  om  pressor  i  u  m.  in  einer 
Ausdehnung  von  je  P/\,  cm  Länge  und  '  ^  —  1  cm  Breite  angefertigt 
und  durchmustert.     Ihre  Zaiil  sollte  mindestens  20  betragen. 


484  EDELMANN, 

Zu  Präpnrnton  von  nicht  mehr  uaiiz  frischem,  ijetrübtem  Fleisch 
ist  etwas  Essigsäure  zur  Auflielhuiii.  zu  P()kelt1eisch  oder  Scliinken, 
behufs  Aufqueilunu,  verdünnte  Kalihiuge  zuzusetzen. 

Bezüijlich  der  Untersuchung  von  S  c  h  w  e  i  n  c  f  1  e  i  s  c  h  w  a  r  e  n  sind 
bei  SchiniaMi  etc.  die  Proben  stets  am  Knochen  bez.  an  den  Sehnen- 


Fig.   14.     Compressoriuin.     Nach  Mechaniker  J.  C.  F.  Oeltzsch  in  Dresden. 

ansätzen  zu  entnehmen.  Eine  Wurstuntersuchung  ist  aus  nahe- 
liegenden Gründen  von  sehr  zweifelhaftem  Werte. 

Für  Venvechseluiigeii  mit  Trichinen  in  ihren  verschiedenen  Zu- 
ständen im  Fleische  kommen  in  Betracht:  Kalkkonkr emen te, 
Miescher'sche  Schläuche,  Muskel  Strahlenpilze,  Tyrosin- 
krystalle  (Schinken),  deren  Eigentümlichkeiten  jedoch  bei  aufmerk- 
samer Untersuchung  vor  Täuschungen  schützen.  Zufällig  in  das  Prä- 
parat können  Essigälchen  gelangen,  welche  sich  meist  schon  durch 
ihre  lebhaft  schlängelnden  Bewegungen  verraten.  Sie  sind  doppelt 
so  groß  als  Muskeltrichinen,  hinten  und  vorn  zugespitzt,  besitzen  keinen 
Zellenkörper  und  liegen  meist  in  der  Zusatzflüssigkeit,  seltener  zwischen 
den  Muskelfasern.  Ueber  sogen.  Pseudot  rieh  inen,  welche  als 
trichinenähnliche  Ptundwürmer  in  der  Muskulatur  verschiedener  Tiere 
(Ratte.  Hase,  Maulwurf,  Maus,  Geflügel.  Fische)  vorkommen,  s.  Johne, 
„Der  Trichinenschauer". 

Beurteilung.  Trichinöses  Fleisch  ist  ein  gesundheitsschädliches 
Nahrungsmittel,  dessen  Gefährlichkeit  noch  besonders  dadurch  erhöht 
wird,  daß  an  dem  Fleische  makroskopisch  in  der  Regel  keinerlei  ver- 
dächtige Erscheinungen  auf  die  Anwesenheit  der  Parasiten  hinweisen. 
Der  Genuß  des  Fleisches  veranlaßt  beim  Menschen  die  Trichinose, 
welche  in  10  —  40  Proz.  der  Fälle  tödlich  verläuft  und  bisweilen 
epidemisch  auftritt.  Die  umfänglichste  Epidemie  war  die  zu  Heders  - 
1  e  b  e  n  i.  J.  ISGo,  wo  von  2rXXJ Einwohnern  337  erkrankten  und  101  starben, 
und  zu  Deesdorf  und Nienhagen  mit 503  Krankheits-  und  6G  Todes- 
fällen. Im  Königreich  Sachsen  sind  von  18(50 — 1891  nach  Johne 
117  Erkrankungsgruppen  mit  3964  Erkrankungs-  und  1 13  Todesfällen  (ca. 
2,8  Proz.j  festgestellt  worden.  Die  Epidemien  betreifen  faßt  ausschließlich 
Orte  Nord-  und  Mitteldeutschlands,  woselbst  allgemein  verbreitet  die 
Unsitte  besteht.  Fleisch  in  rohem  bez.  mangelhaft  zu- 
bereitetem Zustande,  oder  in  nur  schwach  geräucherten 
Fleisch  Würsten,  zu  genießen.  In  Süddeutschland,  wo  dies 
nicht  der  Fall  ist,  gehören  Trichinosen  zu  den  größten  Seltenheiten, 
trotzdem  auch  dort  erwiesenermaßen  trichinöse  Schweine  vorkommen. 
Auch  durch  den  Genuß  trichinenhaltigen  Fleisches  von  Wild- 
schweinen sind  bereits  mehrere  Fälle  von  Erkrankungen  bei 
Menschen  veranlaßt  worden. 

Massregeln.     Als    Grundsatz    muß    gelten,    daß    alles    trichinöse 

74 


Fleischbeschau.  485 

Fleisch  vom  W'rkohrc  aus7.iischli(j|Jen  und  iinschädlicli  zu  l)Oseiti;,'en 
ist.  Darauf  zielt  auch  >;  ;-^<)7  ZitV.  7  des  Deutsdiou  Strafges(.'tzl»uches 
hin,  nach  welchem  der  Verkauf  trichinenhaltif^en  Fleisches  verboten 
ist.  Ein^jeweide  und  Fett  sind  im  allj^emeinen.  wef^en  der  (Jefahr  der 
absichtlichen  oder  unabsichtlichen  Verschlepiiung  einzelner  Muskel- 
teile, wie  <las  Fleisch  zu  behandeln. 

Da  die  Trichinen  durch  höhere  Temperaturfirade  abgetötet  werden 
können,  so  ist,  vom  wissenschaftlichen  St;m(ii)Uiikte,  f^'egen  eine  unter 
sachverständi^'er  Aufsicht  erfol^^ende  Kochun^i;  des  Fleisches  und  Aus- 
schmelzung  des  Fettes  mit  foljiendem  Verkauf  unter  Deklaration  nichts 
einzuwenden.  Dies  ist  auch  bereits  in  einzelnen  Staaten  in  gesetz- 
lichen Hostimmunj^'en  - '   zum  Ausdruck  gelanj,'t. 

Pr^lll^n.  Die  Erlasse  des  Ministers  der  geistl.  u.  s.  w.  Angelegenheiten  vom 
18.  Januar  und   24.   November   1876   hissen  bei  trichinösen  Schweinen   zu : 

1)  Das  Abhäuten  und  das  Kntfernen  von  Borsten,  sowie  die  freie  V'erwertung  von 
Haut  und   Borsten. 

8)  Das  einfache  Ausschmelzen  alles  Fettes  und  die  beliebige  Verwendung  desselben. 
(Letzteres  widerspricht  den  Bestimmungen  des  N.-M.-O.  und  darauf  fuBender  Reichsgerichts- 
enticheiduDgeu.) 

3)  Die   Verwendung  geeigneter  Teile  zur  Bereitung  von  Seife  oder  Leim. 

4)  Die  chemische  Verarbeitung  des  ganzen   Körpers. 

Königreich  SachsCü.  Nach  der  Ministerial-Verordnung  vom  17.  Dezember  1892 
(»  S.  430)  darf  das  Fleisch  trichinöser  Schweine,  welches  sich  seiner  Beschaffenheit 
nach  nicht  aufrällig  vom  gesunden  Fleisch  unterscheidet,  unter  Angabc  des  F'ehlers  verkauft 
werden,  nachdem  es  auf  einem,  unter  tierärztlicher  Aufsicht  stehenden  Schlachthofe  in 
einem  K  oh  r  b  e  c  k 'sehen  etc.  Apparate  sterilisiert  worden  ist.  Ebenso  kann  das 
Fett  in  den  Verkehr  gebracht  werden,  nachdem  es  unter  gleichen  Bedingungen  aus- 
geschmolzen und  tierärztlicherseits  vor  dem  Abschöpfen  des  Fettes  eine  Temperatur  von 
mindestens    +    100°  C  festgestellt  worden  ist. 

Ueber  die  ^'esetzliche  Rejj;eluns  der  Trichinenschau  s.  S.  456. 

Ausführliches  über  die  Tri  chi  nen  kran  k  hei  t  und  besonders 
über  die  Trichinenschau  s.  in  den  Si>ezialwerken  von  .lohne, 
Der  Tricliiiienschauer.  Ostertag,  Handbuch  der  Fleischbeschau  u.a. 

9)  Leisering  s    Braun.   Die  tierischen  Paratiten  des   Menschen,    \yürzburg    1895. 

10)  BUlings  ».  Johne.   Der   Tnrhtnentchauer  S.  42. 

11)  Ostertag,   Ztsrhr.  f.   Fleisch-  u    Müchhyg    3.   Bd.   45. 

12)  Aikanazy,   Centralbl.  J.   Diol.  u    Parasitenk.  (1894)   15.  Bd.   225. 

13)  Cerfontaine,  Arch   de  biolog.  (1893)   13    Bd.    125.  —  lief.  v.  Edelmann,   Deutsch.  Ztschr. 
f.    Tumud    (1894)    2.   u.   3.    Heft. 

14)  Oeiiie.   Deutsch     Arch.  f.  klin    Med.  55.   Bd.,  Featschr.   156,  Liaug.-Diss..   Kiel  1894. 
15^  Leackart.    UnUrs    über   Trichina  spiralis,  1.    Aufl.,  Leipzig   1860,   2.    Aufl.   1866. 

16)  Heitzmann.   ()  ster  tag's  Handliuch  395. 

17)  Hertwig,   liericM  üb.   d.  ttädt.   Fleischbeschau,  Berlin   1884. 
18  >   Johne,    Drr    Trichinenschauer  41. 

19 1  Oitertag,   Ztschr  f   FUiseh- u    Mdchhyg.  3.  Bd.  133 

20     Ealenburg    Tnchinosettatistik  s.  Johne'  s    Triehinenschauer  30. 

21)   Würzburg,   SahrungtmüUlgesetzgebung  176. 

h)  Die  Finnen. 

Die  Finnen  im  Fleische  der  Schlachttiere  ^^elten,  sobald  sie  vom 
Menschen  mit  der  Xahruniz  auffieriommeii  werden,  Veranlassung  zur 
Entwickeluns  von  Handwürmern,  deren  Larvenzustäiide  sie  sind. 
Unter  den  Schlachttieren  kommen  nur  beim  Schwein  und  Kind  echte 
Finnen  vor ,  die  bei  jeder  der  beiden  Tiergattungen  distinkter 
Art  sind. 

75 


186  EDELMANN, 

Allgemeines  und  Zoologisches.  Die  Finnen  sitzen  im  Bindege- 
webe dos  Körpers,  liauptsiicliliih  in  dem  der  (juergestreiften  Muskulatur. 
Sie  stellen  runde  oder  längliche,  durchscheinende,  farblose  bis  grauweise 
Bläschen  von  Hirsekorn-  bis  Doppelerbsengröße  vor,  welche  mit  einer 
serösen  Flüssigkeit  gefüllt  sind  und  im  Innern,  als  Einstülpung  der 
Blasenwand,  die  Anlage  des  zukünftigen  Bandwurms,  den  S  k  o  1  e  x ,  als 
weißlich  durchschimmernden  Punkt  erkennen  lassen.  Gegen  das  umgebende 
Gewebe  sind  die  Finnen  durch  den  sog.  Finnenbalg,  eine  feine  binde- 
gewebige, durch  die  Reaktion  des  Zellgewebes  entstandene  Hülle,  abge- 
schlossen. Bei  mikroskopischer  Untersuchung  einer  Finne,  deren  Skolex 
durch  schwachen  Druck  zwischen  zwei  Glasplatten  vorgestülpt  worden 
ist,  bemerkt  man  an  dem  kugeligen  oder  birnförmigen  sog.  Kopfe 
4  Saugnäpfe  und  mitunter  noch  Hakenkränze.  Am  sogen.  Halse  deutet 
eine  Querstreifung  auf  die  zukünftigen  Glieder  hin  und  in  seinem 
Parenchym  sind  zahlreiche  Kalkkörperchen  eingelagert.  Die  Ent- 
wickelung  der  Finnen  im  Tierkörper  geschieht  infolge  Aufnahme  von 
Bandwurmeiern ,  deren  mit  Haken  versehene  Embryonen  vom  Darm  in 
das  Bindegewebe  der  verschiedensten  Stellen  des  Körpers  wandern.  — 
Die  Finnen  können  im  Körper  Degenerationsprozessen:  Koagu- 
lationsnekrose.  Verkäsung,  Verkalkung  anheimfallen  und  verlieren  damit 
zumeist  ihre  Entwickelungsfähigkeit  (Ostertag*^^  Morot*^).  —  Die 
Lebensfähigkeit  der  Finnen  ist  keine  erhebliche,  bei  Temperaturen 
von  49 '^  C.  nach  Ferro  ncito  und  von  65*^  C.  (Skolex  zerdrückbar 
wie  Rindertalg),  nach  Hertwig^*,  gehen  die  Finnen  zu  Grunde,  ebenso 
tötet  sie  Kochsalzlösung  sehr  bald.  Den  Tot  ihres  Wirtes  überleben  die 
Finnen  nach  Perroncito  nur  14  Tage;  vgl.  Ostertag^^. 

1.  Die  Schweinefinne. 

Die  Schweinefinne  (Cysticercus  cellulosae)  ist  der  Larven- 
zustand  des  Einsiedlerbandwurmes  (Taenia  solium)  des  Men- 
schen. Der  Skolex  besitzt  4  Saugnäpfe,  sowie  ein  Rostellum  mit  einem 
doppelten  Hakenkranze  von  22 — 28  Haken,  welche  der  Rinderfinne 
fehlen. 

Vorkommen.  Die  Schweinefinne  wird  im  Bindegewebe  vorzugs- 
weise beim  zahmen  und  wilden  Schwein  gefunden ;  nur  sehr  selten 
beobachtet  man  sie  bei  Hund,  Bär,  Katze,  Reh,  Affe  und  Mensch. 
Lieblingssitze  sind  das  intermuskuläre  Gewebe  von  Herz, 
Zunge,  Bauch-,  Zwerchfell-,  Lenden-,  Kau-,  Nacken-,  Zwischenrippen- 
muskeln und  der  Adduktoren  des  Hinterschenkels.  Bei  starker  Invasion 
trifft  man  sie  in  allen  Muskeln  des  Körpers,  im  Panniculus  adiposus 
und  im  Gehirn;  sehr  selten  in  Lunge  und  Leber.  Bei  hochgradiger 
Finnigkeit  erscheint  die  Muskulatur  wässerig  und  graurot  verfärbt. 
Bei  starker  Invasion  sind  Pinnen  bisweilen  unter  der  Schleimhaut 
der  Zunge  schon  am  lebenden  Tier  zu  erkennen. 

Häufigkeit.  Die  Zahl  der  finnigen  Schweine  ist  im  .steten  Rück- 
gang begriffen.  Im  Königreich  P reu ß  en  kam  nach  einem  siebenjährigen 
Durchschnitt  (1876 — 1882)  auf  305  geschlachtete  Schweine  1  finniges, 
1886 — 1889  auf  552  Schweine  1  finniges  (Johne).  In  den  östlichen 
Provinzen  sind  finnige  Schweine  viel  häufiger  als  in  den  westlichen; 
1892  kam  in  der  gesamten  Monarchie  auf  1290  Schweine  1  finniges, 
in    den    östlichen    Provinzen     dagegen     auf     604    Schweine     1     finniges 

76 


Fleischbeschau.  487 

(OstertagK  In  den  Schlachthüten  des  Königreichs  Sachsen  wurden 
1893  auf  2()3  Schweine  1  finniges  und  18'J4  auf  288  Schweine  1  finniges 
gefunden.  Dabei  ist  zu  bedenken,  daß  in  den  sächsischen  Schlachthöfen 
über    ein     Viertel    der    geschlachteten    Schweine     Österreich-ungarischen 


Fig     15.  Fig.   16. 

Fig.  15.  Finne  von  Taenia  solinm  mit  eingezogenem  Kopf.  Vergr.  1  :  6.  (Nach 
Heller.) 

Fig.  16.  Kopf  von  Taenia  solium  mit  vorgestelltem  Kostellum.  Vergr.  50.  (Nach 
Z  i  eg  1  e  r.) 

Ursprungs  ist,  unter  denen  Finnen  weit  häufiger  vorkommen,  als  unter 
den  inländischen  Schweinen.  In  Berlin  kam  im  siebenjährigen  Durch- 
schnitt auf  173  Schweine   1    finniges. 

Verwechseluiitfon  der  Schweinefinnen  geschehen  am  häufigsten 
mit  dem  frülien  Entwickelungsstadium  von  Cj'sticercus  tenuicollis. 
der  voüständig  unschiullich  für  den  Menschen  ist  (s.  S.  47'.0.  Es  ist 
zu  beachten,  daß  der  dünnhalsige  Blasenwurm  nur  an  oder  unter 
der  serösen  Auskleidung  von  Brust  und  Bauchliöhle,  sowie  den 
Serösen  der  Eingeweide,  niemals  aber  in  dem  Bindegewebe 
der  Muskulatur  vorkommt.  Am  isolierten  Exemplar  fällt  der 
dünne  Hals,  sowie  am  Skolex  das  Vorhandensein  von  mehr  als  'Jx  Haken 
(2>^— 4<»)  auf.  Diese  größere  Hakenzahl  kennzeichnet,  nach  den  Unter- 
suchungen von  Schwarz-',  ganz  besonders  den  Cyst.  tenuicoll. 
gegenüber  der  echten  Finne,  wobei  weiter  beachtenswert  ist,  daß 
die  Haken  des  Cyst.  tenuicollis  mehr  sichelförmig,  die  des  Cyst 
cellulosae  mehr  sensenförmig  sind.  Nach  Schwarz  besitzen  einzelne 
kleine  Haken  des  ersteren  einen  gespaltenen.  Hügelmutterartigen 
Wurzelfortsatz,  der  bei  den  Haken  der  echten  Finne  niemals  gefumlen 
wurde  (s.  Fig.  17  u.  18,  S.  488). 

2.  Die  Rinder finne. 

Die  Kinderfinne  (Cysticercus  inermis,  Cyst.  bovis,  Cyst.  taeniae 
mediocanellatae  s.  saginatae)  ist   die  Vorstufe   der   Taenia  medio- 

77 


4.^ 


EDELMANN, 


c  a  u  e  1 1  a  t  a  s.  s  a  ^  i  n  a  t  a  des  Menschen.  Die  Farbe  der  Blasen  wand 
ist  grau  bis  jiranrötlich,  am  Skolex  ]>etinden  sich  nur  vier  Saugnäpfe, 
dagegen  keine  Hak  e  n. 


Fig.   17. 

Fig.  17. 
Fig.  18. 


Fig.   18. 

Haken  der  Schweinefinne. 
Haken  des  Cysticercus  tenuicollis. 


„^^r^^^SKÄ- 


Vorkoinmen.  Die  Rinderfinne  kommt  bei  älteren  Kälbern  und 
bei  Rindern  im  intermuskulären  Bindegewebe  meist  nur  in  geringer 
Zahl  vor.  Ueber  ihre  Entwickelung  sind  von  Hertwig^"  inter- 
essante Versuche  angestellt  worden.  Prädilektionsstellen  sind  die 
Kaumuskeln,  sowohl  die  inneren  (M.  pterygoid.  medial,  et 
lateral.)  ( H  e  r  t  w  i  g  -  ^  K  a  1 1  m  a  n  n  ^  ^ ),  als  auch  die  äußeren  (M. 
masseterj  (Glage-^)    und    das    Herz.     Nächstdem   kommen    sie    in 

Zunge,  Zwerchfell-,  Brust-,  Unterschulter- 
muskeln vor.  Bei  starken  Invasionen  werden 
ille  Muskeln  und  auch  die  Eingeweide 
Lunge.  Leber,  Gehirn)  befallen,  doch  haben 
auch  bei  ganz  schwachen  Invasionen  Noack^", 
VV  0 1  f  f  h  ü  g  e  1  ■' ""  und  M  e  j  e  r  '  ^  Finnen  in 
den  Lymphdrüsen  und  der  Lunge  gefunden. 

Häufigkeit.  Nachdem  durch  H  e  r  t  w  i  g 
auf  den  Sitz  der  Rinderfinnen  aufmerksam 
gemacht  worden  ist,  werden  dieselben  jedes 
•Jahr  häufiger  gefunden.  In  Preußen  ent- 
fällt für  1892  auf  1631  Rinder  1  finniges. 
In  Sachsen  fand  man  1894  in  25  Schlacht- 
höfen je  1  finniges  Rind  unter  1120  geschlach- 
teten Rindern.  In  Berlin  war  1889/90  das 
Verhältnis  1  :  400,  1S93/94  1  :  526.  In 
Leipzig  1894  1 :  480.  Eine  ausführliche  Sta- 
tistik s.  in  0  s  t  e  r  t  a  g '  s  Zeitschrift  für  Pleisch- 
und  Milchhygiene,  VL  Bd.  S.  103  u.   149. 

Für  Verwechselungen  mit  Rinderfinnen  können  nur  kleine 
Echinokokken,  welche  bei  massenhaften  Invasionen  auch  in  der 
Muskulatur  sitzen  können,  .sowie  der  Cysticerc.  tenuicollis  in 
Betracht  kommen.  Die  charakteristischen  Merkmale  dieser  beiden 
Para.siten  s.  dasei b«^t. 

Beurteilung  der  Finnen.  Da  infolge  des  Genusses  finnigen 
Fleisches  sich  beim  Men.schen  die  betreffenden  Bandwürmer  entwickeln 
und  diese,  abgesehen  von  der  Nahrungsentziehung,  für  den  betreffenden 
Wirt  Verdauungsstörungen,  nervöse  Alterationen  etc.  zur  Folge  haben 


:ä 


Fig.  19.  Kopf  der  Taenia 
saginata  zasammeDgezogen.  (Nach 
Ziegler.) 


Fleischbeschau.  489 

können,  so  ist  tinnifjes  Fleisch  als  gesundheitsschädlich  zu 
be^'utachten.  Bei  der  Taenia  soliuiii  koinnit  auHerdem  nocii  die  (ie- 
fahr  der  Autoinfektion  des  betrctVenden  Menschen  mit  Finnen  in 
Betracht.  .  \'er<j:l.  im  übrigen  die  Verötfentlichungen  über  Rinder- 
finnen von  Fischöder ^*,  Ostertag^-'.  Hartenstein-*®, 
Glage",  Schmaltz^»»,  Kabitz»». 

Massreuelii.  In  Anbetracht  dessen,  daß  die  Finnen  durch 
Kochen.  IJratcn  oder  Pökeln  leicht  unschädlich  gemacht  werden  können, 
ist  tinniges  Fleisch  nur  im  rohen  Zustande  gesundh«'itsschädlich. 
Daher  kann  finniges  Fleisch,  nacii  vorheriger  Pökelung  oder  Kochung, 
unter  Deklaration  in  den  Verkehr  gebracht  werden,  vorausgesetzt, 
daß  es  nur  schwachfinnig,  d.  h.  nicht  so  stark  mit  Finnen  durch- 
setzt ist,  daß  es  wegen  seiner  erheblichen,  substantiellen  Veränderung 
als  hochgradig  verdorben  und  ungeeignet  zur  menschlichen  Nahrung 
anzusehen  ist.  Wenn  die  von  Perroncito  bei  thermo-mikroskoi)i- 
schen  Untersuchungen  gemachte  Beobachtung,  daß  Finnen  in  üi)er 
14  Tagen  altem  Fleische  abgestorben  sind,  sich  bei  weiteren  Experi- 
menten, die  gegenwärtig  an  zahlreichen  deutschen  Schlachtiiöfen  unter- 
nommen werden,  bestätigen  sollte,  so  würden  jedenfalls  zukünftig 
die  Maßregeln  über  die  Verwertung  schwachfinnigen  Fleisches  eine 
Milderung  erfahren  müssen.  Nach  genügend  langer  Aufl>ewahrung 
schwachtinnigen  Fleisches  in  Kühlräumen  dürfte  alsdann  vielleicht  eine 
Ueberweisung  desselben  an  die  Freibank  im  rohen  Zustande  allge- 
mein sich  rechtfertigen  lassen. 

Zur  Feststellung,  ob  ein  Tier  stark  oder  schwach  finnig  ist,  sind 
Schnitte  in  die  Muskulatur  an  verschiedenen  Körperstellen  zu  machen. 
Findet  man  dabei  auf  jeder  Schnittfläche  mindestens  eine 
Finne,  so  ist  das  betreffende  Fleisch  als  stark  finnig 
von  dem  Verkehr  auszuschließen.  Das  Fett  ist  durch 
Pökeln  oder  Auslassen  unschädlich  zu  machen  und  kann,  selbst  bei 
sehr  starken  Invasionen,  dann  genossen  werden.  Das  Reichsgericht 
hat  in  einer  Entscheidung  vom  25.  März  1894  der  Annahme,  daß 
das  Fett  von  einem  finnigen  Schweine  als  verdorben  anzusehen  ist, 
beigestimmt. 

Von  bebördliehen  A'orsehriften  über  die  Verwertunir  finniiror 
Tiere  seien  folgende  erwähnt: 

Preußen.  Erlafs  der  Ministerien  des  Innern  und  der  geistlichen 
u.  s.  w.  A  n  Re  1  e  g  6  n  h  e  i  t  e  n  vom  16  F'  e  b  r  u  a  r  1876.  Dhs  durch  Ausschmelzen  oder 
Auskochen  gewonnene  Fett  kann  unbedingt,  das  magere  P'leisch  aber  nur  dann  zum  Ver- 
kaufe sowie  aum  häuslichen  Gebrauche  zugelassen  werden,  wenn  dasselbe  wenig  mit  Finnen 
durchsetzt  und  unter  polizeilicher  Aufsicht  nach  vorheriger  Zerkleinerung  vollständig  gar 
gekocht  ist.  Stark  tinnige  Tiere  sind  unter  Polizeiaufsicht  zu  vernichten  oder  wie  trichinöse 
Tiere    (s.   d  )   technisch   zu   verwerten. 

In  Baveril  kann  nach  dem  (iutachten  des  Obermedizinalausschusses 
vom  20.  Mai  1882  das  Fett  stark  finniger  Schweine  verwertet  werden,  das  Fleisch  aber 
ist  zu  vernichten.  Fleisch  mit  vereinzelten  Finnen  ist  unter  Polizeiaufsicht  zu  kochen  und 
im   HHUsgebrauch  oder  auf  der  Freibank  zu  verwerten. 

SiU'hsen.  Verord.  v.  17.  Dez.  1892,  Verkauf  von  Fleisch  und  Fett 
kranker  Tiere  betr.  (s.  S.  430).  Hei  stark  finnigen  Tieren  ist  das  Fleisch 
au  vernichten,  das  Fett  nach  Ausschmelzen  unter  polizeilicher  Aufsicht  unter  Deklaration 
zu  verkaufen.  Von  schwach  finnigen  Tieren  darf  das  Fleisch  n:ieh  Kochuiig  oder 
Pökelung  untrr  Angabe  des  Fehlers  verkauft  worden;  das  F'ett  ist  nath  dem  Ausschmelzen 
frei  zugeben.  —  Nach  einer  V  e  r  o  r  d  n.  d.  K  <i  n  i  g  1.  K  om  ni  i  s  a  i  o  n  I".  d.  Veterinär- 
wescn  v.  24.  Oktober  189.')  wird  deti  Hezirkstierärzten  und  den  mit  den  bezirkstier- 
ärztlichen Funktionen  betrauten  Schliichthoftierärzten  die  Hefugnis  erteilt,  in  Fällen,  wu 
lediglich  eine   Finne  nachgewiesen  worden  ist  und  in   denen    bei  Kindern  und   Schweinen. 


4VK.)  EDELMANN, 

trotz  geDAuer  Untorsuchuni;  der  in  BetrHclit  kommenden  Muskeln  und  entsprechender  Zer- 
legang,  keine  weiteren  Finnen  gefunden  werden ,  dispeusationsweise  zu  genehmigen ,  dafs 
d»s  Fleisch    solcher  Schlachtliere    im    rohen  Zustande    auf  der  Freihank  verkauft  werde. 

In  Alllialt.  SchauniJmrg-Lippc  und  ReuR  j.  l..  (s.  die  Verord.  S.  458)  gelten 
ähnliche  Vor>clirl(teii  wie  die  in  der  k  Sachs.  Ministerialverorduung  uud  soll,  im  Falle  des 
Zweifels,  über  den  Grad  der  Finnigkeit  der  zuständige  Kreistierarzt  bez.  Amtsarzt  befragt 
werden. 

Für  die  Reg.-Bez.  Erfurt  und  ^tirnsberg ,  sowie  für  Hambursr  ist  der  Genuß 
finnigen  Schweinefleisches  anter  allen   Umständen  verboten. 

Von  Fisch  Parasiten  sei  hier  die  Vorstufe  (P  1  ero  cer  co  i  d)  eines 
ebenfalls  beim  Menschou  vorkommenden  Bandwurmes  des  Bothriocephalus 
latus  erwähnt,  welche  in  Deutschland  von  Zschokke  in  Perca 
fluviatilis  (Barsch)  des  Rheins,  von  Max  Braun  in  Esox  lucius 
(Hecht)  und  Lota  vulgaris  (Quappe)  Ostpreußens  gefunden  worden  ist. 

22)  Ostertag,  Monatssehr.  /.  prakt.   Tierheilk.  (1889)    1.  Heft. 
23>  Morot.   L<joii.  Joum.  (1890)   529. 

24)  Hertwig,  Zeittchr   f.  Fleisch-  u.   Milchhyg.  2.  Bd.   11.  Heft. 
26 1  Schwarz,   Zeitschr    f.   Fleisch-  u.   Milchhyg.    3.   Bd.   5.   Heft. 
26i   Hertwig,   Zeitschr.  f.   Fleisch-  u.   Milchhyg.    1.   Bd.    107     131. 

27)  Hertwig.  Jahresher.   über  d.   Berl.   Fleischbeschau    1888/89. 

28)  Kalimann,    Wochentchr.  f.    Tierheilk.  u.    Viehz.  (1888)  457. 

29)  Glage,   Zettschr.  f.   Fleisch-  u     Milchhyg.   5.   Bd.   208. 

30)  Noack.   D.   tierärzü.    ^\  ochenschr.   3.   Bd.    64. 

30n)   WolflFhügel.   Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Müchhygiene  6.   Bd.   170. 

31)  Mejer,   D.   tierärzü.    Wochenschr.   3.   Bd.   64. 

32)  Würzbarg,  Xahrungsmittelgesetzgebung  177. 

33)  Ostertag.   Zeitschr.  f.   Fleisch-  u.   Milchhyg.   6.    Bd.  69. 

34)  Fischöder,  Ibid.  6.  Bd.   44. 
351  Ostertag,    Ibid.  6    Bd.  63. 

36)  Hartenstein,  Ibid.  6.   Bd.   61. 

37)  Glage    Ibid.   6.   Bd.   123. 

38    Schmaltz,   Berl    T.    Wochenschr.   (1895)   613. 

39)  Kabitz,  Zeitschr.  f.   Fleisch-  u.   Milchhyg.   5.   Bd.   223. 

2.  Parasiten  der  Schlachttiere,  welche  nur  indirekt 
dem  Menschen  schädlich  werden  können. 

a)  Die  Echinokokken. 

Die  Echinokokken  sind  die  Vorstufen  (Finnenstadien)  der  Taenia 
echinococcus  des  Hundes,  des  dreigliederigen  Hundebandwurnis  und 
werden  auch  Echinococcus  veterinorum  s.  polyinorphus, 
Tierhülsenwurm,  genannt.  Der  Echinococcus  polymorphus  tritt  bei  den 
Schlachttieren,  wie  auch  beim  Menschen,  in  zwei  Formen  auf,  als: 

1;  einfacher  uniloculärer  Echinococcus  in  der  Gestalt  ein- 
facher, mit  Flüssigkeit  gefüllter  Blasen,  die  von  Leuckart,  sobald  sie 
sekundäre  Blasen  enthalten,  Echinococcus  hydatitosus  s.  granu- 
losus  genannt  werden;  und 

2)  multilokularer  Echinococcus  (E.  multilocularis),  welcher 
eine  eigentümliche  Struktur  besitzt.  Von  diesem  ist  neuerdings  durch 
die  Untersuchungen  von  Mangold^s^  Müller^*  u.  A.  festgestellt 
worden ,  daß  er  die  spezifische  Vorstufe  einer  besonderen  Spezies  der 
Taenia  echinococcus  bildet. 

1.     Der  einfache  Echinococcus. 
Dieser  als  „Wasserblasen"  von  den  Fleischern  bezeichnete  Parasit 

8o 


Fleischbeschau. 


4!»1 


Stellt  lilasen  von  Krbseii-  bis  Kiiidskopf^aüUe  vor,  welche  mit  einer 
serösen  Flüssij,'keit  angefüllt  sind  und  von  einer  bindegewebigen  llülle 
umschlossen  werden. 

Die  Blason  selbst  bestehen  aus  einer  lamollösen  Membran,  welcher 
innen  kurz  j^ostielte ,  die  Skolices  umschließende  Brutkapseln  un- 
mittelbar ansitzen,  oder  aus  der  sich  sekundäre  Blasen  (Tochterblasen) 
entwickeln,  welche  teils  mit  der  Hauptmeiubran  verbunden  sind,  teils 
losgelöst  in  der  Flüssigkeit  der  Blase  schwimmen  und  ebenfalls  Brut- 
kapseln mit  oder  ohne  Skolices  umhüllen.  Der  Skolex  trägt  einen  Haken- 
kranz.  —  Die  Echinokokken  können,  wie  die  Finnen,  degenerieren, 
verkäsen,  vereitern,  verkalken,  verknorpeln. 


Fig.  20.  Geschlossene  und  bei  der  Präparation  geplatzte  Brutkapseln  ia  ihrem  Zu- 
sammenhange mit  der  Blasenwand.     (Nach  L  e  u  c  k  a  r  t.) 

Vorkonimoii.  Echinokokken  findet  man  häufig  beim  Rind,  Schwein 
und  Schaf,  mitunter  bei  Pferd,  Ziege,  Ilund.  Ihr  Sitz  ist  vorzugs- 
weise Le])er  und  Lunge,  nächstdem  Milz  und  Nieren,  seltener  Peri- 
toneum, Knochen,  Euter,  Muskeln  und  Herz  (Becker^'',  Wörner^'^, 
Storch^',  Friese^"  u.  A.). 

Häufigkeit.  Nach  Mejer's-**-*  Untersuchungen  kamen  in  Leipzig 
Echinokokken  vor  bei  13  Proz.  der  geschlachteten  Schale,  bei  3^/^  Proz. 
der  einheimischen  und  21,47  Proz.  der  ungarischen  Schweine.  In  25 
Schlachthöfen  Sachsens  wurden  1894  von  den  Rindern  2,8  Proz.,  von 
Schafen  1,1  Proz.,  von  Schweinen  0,6  Proz.  mit  Echinokokken  behaftet 
befunden.  Nach  Sahlmann***  ist  die  Hälfte  der  Schlachttiere  in 
Güstrow  mit  Echinokokken  behaftet.  Olt*^  fand  von  pommerschen 
Schlachttieren  in  Stettin  bei  7,1  Proz.  der  Rinder,  7,3  Proz.  der  Schweine 
und  2."), 8  Proz.  der  Schafe  Echinokokken.  öurin^**  beobachtete  in 
I^fusk:!!!   29  Proz,  bei  Schweinen. 


'J.     Der  multilokulare  Echinococcus. 

Der  multilokulare  oder  alveoläre  Echinococcus  charaktcri.siert 
sich  folgendermaßen.  Er  bildet  beim  Kinde  verschieden  große, 
im  interparenchymatösen  Bindegewebe  eingelagerte  Geschwülste.  Diese 
bestehen  aus  einer  centralen,  meist  verkästen  und  /..  T.  ver- 
kalkten und  aus  einer  peripheren  Zone  mit  elastischer  Konsistenz. 
Charakteristisch  ist.  daß  die  ganze  Geschwulst  von  einem  netz- 
artigen, starken  Bindegewcsbsgerüst  durchsetzt  wird.  \on 
der  die  elastische  Randpartie  bildenden  Multcrcystenwand  stülpen 
sich  Bläschen  aus,  welche  sich  ab.schnüren  und  allmählich  vom   Binde- 

Haodbuch  der  Hji^ene.    Rd.  Hl.     Abtl;.  2.  g  32 


492  EDELMANN, 

gewebe  uinliüllt  werden.  Auf  diese  Weise  zeigt  der  Echinococcus 
eine  immerwährende  Tendenz  zur  peripheren  Ausbreitung.  Der  von 
Ostertag*'"'  beim  Schweine  beobachtete  eine  Fall  von  Alveolar- 
echinococcus zeigte  sich  als  linsenförmige  Knötchen  und  rundliche 
bez.  streifige  Beläge  auf  der  Pleura. 

S'orkoiumen  beim  Rinde  vorzugsweise  in  der  Leber,  seltener  in 
Milz.  Lunge,  Niere. 

Häufigkeit.  Ostertag  hat  beim  Rinde  in  Berlin  innerhalb  13  Mo- 
naten 30  Fälle  gesehen.  Nach  M  e  j  e  r  hat  es  sich  in  Leipzig  in  7  Proz. 
aller  Echinococcusfälle  um  E.  multiloc.  gehandelt. 

Ver  Wechsel  Uli  2:eii  verkäster  gewöhnlicher  Echinokokken  und  be- 
sonders des  E.  multilocularis  sind  leicht  möglich  mit  Tuberkulose, 
wenn  die  charakteristische  Beschaffenheit  der  Parasiten  und  insbe- 
sondere der  korrespondieren- 
den Lymphdrüsen  nicht  be- 
achtet wird. 

Bei  der  Beurteilung  der 

Echinokokkenbefunde    ist    zu 

bedenken,   daß  die  Aufnahme 

.,y         «        ^    ,  -  des  Parasiten  mit  der  Nahrung 

:../  /'  '■-    %   '- ^*'  für     den     Menschen     keine 

/  #^».-^|ji^#  nachteiligen   Folgen  haben 

""%:         /',     '  *    '""  würde.     Deshalb  sind  echino- 

/  kokkenhaltige  Teile  des  Tier- 

c  körpers  höchstens  als  verdor- 

Fig.  21.  Echinococcus  multilocularis  der  Leber  ^CU  ZU  betrachten,  SObald 
des  Rindes,     a  Bindegewebsgerüst,    h  Cystenwand,    dieselben    stark    mit    dem    Pa- 

c  Hohlraum,  d  Lebergewebe.  rasitcu  durchsctzt  siud.     Ein- 

zelne Echinokokken  sind  nach 
sorgfältiger  Untersuchung  zu  entfernen  und  die  Teile  anstandslos 
freizugeben. 

Als  prophylaktische  Massregcl  ist  ganz  besonders  wichtig  die 
Beseitigung  der  mit  Echinokokken  durchsetzten  Teile,  derartig, 
daß  Hunde  sie  nicht  verzehren  können.  Dadurch  wird  die 
Entwickelung  der  Taenia  echinococcus  bei  den  Hunden  verhindert  und 
infolgedessen  die  bekannte,  dem  Menschen  durch  seinen  vielfach  intimen 
Verkehr  mit  Hunden  drohende  Gefahr  der  Echinokokkeninvasion  all- 
mählich verringert.  Nur  durch  eine  richtig  arbeitende  Fleischbe- 
schau kann  diese  gefährliche  Krankheit  der  Menschen,  welche  nach 
Peiper^'  im  proportionalen  Verhältnis  zur  Verbreitung  der  Echino- 
kokken unter  den  Tieren  steht,  bekämpft  werden.  Vgl.  auch  Mosler^^, 
Madelung  *S  Weit  hoff*'. 

In  der  Pfalz  gelten  mit  Echinokokken  durchsetzte  Teile  für  ungeniefsbar  (s.  Best. 
S.  454,  Würzburg  S    192). 

33)  Mangold,    Ueber  den  mxätilokxtlären  Echinococcus  und  seine  Tänie,  Inaug  -Diss.   Tübingen 
1892,   Jlerl.  Min.    Wochenschr.   (1892)  Nr.    2  u.   3. 

34)  Müller,   München,  med     Wochenschr.  (1893)  Nr.   13. 

35)  Becker,  Berl.  tierärzü.    Wochenschr.  (1893)  331. 

36)  Wörner,    Wochenschr.  f.   Tierheük.  %.    Viehzucht  (1893). 

37)  Btorcli,   Berl.  tierärzü.    Wochenschr.  (1893)  272. 

38)  Friese,  Berl.  tierärzä.    Wochenschr.  (1891)    180. 

39)  Mejer,  Zeitschr,  f.  Ileisch-  u.   Milchhyg.  2.   Bd.   125. 

-^  82 


Fleischbeschau.  493 

40)  Sahlmann,  Osttrtay'i  Handb.  424. 

41)  01t,   Ztitschr.  f.    fUisch-  u.   MiUhhyg.  4.  Bd.   131. 

42)  Oarin,   Compt.  rend.  de  la  Soc.  mid.  vit.  de   Motcou  1893/94. 

43)  Ostertag,   D.  ZeUuhr.  f.    Tiermed.   13.    lid.    172. 

44)  Peiper,     l'eber    die    Verbreitung    der    Eehiiwkokkenkrankheit    in    Vorpommern,    Monograph. 
StuUijart    1894.    D.   med.    U'ochenschr.  (1895)    Verein$beü.    IC. 

45)  Mosler,   D.  med.    Wochenschr    (188G)  Kr.   7  u.   8. 

46)  Hadelang,    Beiträge    mecklenburger  Aerzte    über  die  Echinokokkenkrankheit  bei  Menaehen, 
StuUgart   1885. 

47)  Weithoff.   D.  med.    }Vochen3chr.  (1892)  Nr.  41. 

b)  Die  Pentaatomen. 

Die  Bedeutung  der  Pentastomen  für  die  Nahrungsmittelpolizei  ist  nur 
eine  untergeordnete,  da  ausschließlich  die  Larve  des  bei  den  Haustieren, 
in  der  Nasen-  und  Stirnhöhle  von  Hund,  Pferd  und  Ziege  lebenden  Pen- 
tastomum  taenioides,  das  Pentastomum  denticulatum  in  Betracht 
kommt.  Das  Pentastomum  denticulatum  ist  platt,  weiB,  durchscheinend, 
4 — 6  mm  lang  und  1,2 — 1,3  mm  breit,  segmentiert  und  mit  zahlreichen 
Dornen  besetzt. 

Vorkommen.  Die  Larven  sind  gefunden  worden  bei  Hasen, 
Ziegen,  Schafen  und  Rindern  unter"  dem  Bauchfelle,  in  der  Dünn- 
darmwand und  den  Mesenterialdrüsen,  wo  sie  am  häufigsten  sitzen,  sowie 
in  Leber  und  Lunge,  Milz  und  Darmbeinlymphdrüsen.  Eine  massenhafte 
Invasion  bei  einem  Rinde  beschreibt  Lungwitz  *^. 

Häufigkeit.  Bei  den  Rindern  Rumäniens  wird  das  Pent.  dentic.  nach 
B  a  b  e  s  ■*  ^  ma.ssenhaft  beobachtet.  In  Deutschland  kommt  es  zwar  seltener 
vor,  doch  sind  nach  Ostertag^''  auch  hier  zahlreiche  Rinder  damit 
behaftet. 

Erkennung.  Am  häufigsten  und  wichtigsten  sind  die  Erscheinungen 
der  Pentastomen-Invasion  in  den  Gekrösdrüsen,  woselbst  sie  hirse- 
korn-  bis  erbsengroße  Herde  von  gelbgrüner  oder  grauer 
Farbe  hervorruft.  Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  der  brei- 
oder  mörtelartigen  Herdmassen  findet  man  Pentastomen  intakt  oder 
degeneriert,  oder  deren  charakteristische  Krallen. 

Für  Verwechselungen  der  Pentastomenherde  in  den  Lymphdrüsen 
kommen  besonders  t  u  tj  e  r  k  u  1  ö  s  e  Einlagerungen  in  Betracht.  Bei 
richtiger  Würdigung  der  Eigentümlichkeiten  beider  Prozesse  und  nach 
mikroskopischer  Untersuchung  eines  Quetschpräparates  (s.  S.  499)  kann  die 
Diagnose  nicht  zweifelhaft  sein. 

Beurteilung  und  Mafsregeln.  Beim  Menschen  kommt  sowohl  das 
Pent.  denticulatum,  als  auch  das  Pent.  taenioides  vor,  über  deren  Schäd- 
lichkeiten die  Ansichten  noch  geteilt  sind.  Die  Aufnahme  der  Larve 
durch  Fleischnahrung  dürfte  für  den  Menschen  weniger  in  Betracht 
kommen  als  die  Infektion  durch  Pentastomeneier  vom  Hunde  aus.  Gleich- 
wohl sind  die  mit  Pentastomenlarven  durchsetzten  Teile  sorgfaltigst  zu 
vernichten,  damit  sie  nicht  Hunden  zugänglich  werden  und  daselbst  zur 
Entwickelung  des  Pent.  taenioides  Veranlassung  geben. 

48)  Lungwitf,  Zeitschr.  f.  FUxtch-  u.   MiUhhyg.   3.   lid.   218. 

49)  Babes.    ttrüralbl. /.   BakUr    5.   Bd.   Nr.    1. 

50)  Ostertag,   Zeitichr.  f.  Fleisch-  u.    Milchhyg.  2.    Bd.  4. 


8j  32* 


494 


EDELMANN. 


3.  Parasiten  im  Fleisch,  welche  dem  Menschen  nicht 
n  a  c  h  w  e  i  s  1  i  c  h  schädlich  s  i  n  d. 

Die  Sarkosporidien. 

Von  den  Sarkosporidien,  welche  in  die  Mischeriden  und 
Balbianiden  zerfallen,  kommen  bei  den  Schlachttieren  die  Psoro- 
spermienschläuche  und  die  Psorospermieusäckchen  (Johne)  vor. 


langen  und  0,2  mm  breiten  Schläuche,    sind  schon   mit  bloßem 


^?1 


1.     Die  P  s  0  r  0  s  p  e  r  m  i  e  n  s  c  h  1  ä  u  c  h  e. 

Die  Psorospermieu-  oder  Miescher'schen  Schläuche  sind  lang- 
gestreckte, spindelförmige,  eigentümlich  granulierte  Gebilde,  welche 
in  der  Regel  erst  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  der  quer- 
gestreiften Muskulatur  sichtbar  werden.     Die  größeren,    bis  zu  1  cm 

Auge 
als  grauweiße  Stellen  der  Mus- 
kulatur bemerkbar.  Die  Gebilde 
liegen  innerhalb  der  Sar- 
kolemmaschläuche,  deren 
Inhalt  unverändert  ist.  Die  Psoro- 
spermienschläuche  bestehen  aus 
einer  Umhüllungsmembran,  ge- 
füllt mit  zahllosen  runden, 
Sichel-,  bohnen-  oder  nie- 
renförmigen  Körperchen 
(Spor  0  z  oiten).  Die  Parasiten 
können  verkalken  und  bei  ober- 
flächlicher Untersuchung  mit  ver- 
kalkten Trichinen  verwechselt 
werden. 

Vorkommen.  Die  M  i  e  - 
seh  er 'sehen  Schläuche  sind  gefunden  worden  in  der  quergestreiften 
Muskulatur  von  Schwein,  Schaf,  Pferd,  Rind,  Ziege,  Hase  und  Huhn. 
Am  häufigsten  sind  sie  bei  den  Schweinen,  von  denen  fast  keines  gänz- 
lich frei  davon  ist  und  woselbst  die  Schläuche  in  allen  Muskeln, 
vornehmlich  in  den  Bauch-  und  Zwerchfellmuskeln,  sitzen. 


'^^H 


Fig.  22.  Miescher  '  sehe  Schläuche  in 
der  Muskulatur  ;  schwach  vergröfsert.  (Nach 
L  e  u  c  k  ar  t.) 


2.     Die  Psorospermieusäckchen. 

Diese  cystenförmigen  Psorospermien  (Balbiana  gigantea)  sitzen 
im  intermuskulären  Bindegewebe,  vor  allem  des  Schlundes  bei 
Schaf,  Ziege  und  Pferd.  Sie  sind  mit  einem  eiterähnlichen  Inhalte  ge- 
füllt und  kommen  beim  Schaf  oft  massenhaft  im  Schlünde  vor  (Moule^^, 
Morot-'^2) 

Beurteilung.  Eine  Schädigung  der  menschlichen  Gesundheit 
durch  den  Genuß  psorospermienhaltigen  Fleisches  ist  bisher  noch  nicht 
beobachtet  worden.  Fleisch  mit  diesen  Parasiten  ist  deshalb  nicht 
zu  beanstanden  (Railliet-'^^'),  so  lange  die  Parasiten  nicht  so 
massenhaft  vorkommen,  daß  dessen  Aussehen  und  Beschaffenheit  er- 
heblich vom  Normalen  abweicht.  Dann  ist  das  Fleisch  als  hoch- 
gradig verdorben  zu  vernichten.  Sobald  Konsistenz,  Farbe  und 
Fettgehalt   der   Muskulatur    normal   sind ,    jedoch   zahlreiche    Psoro- 


Fleischbeschau.  495 

sperraienschläuche ,  besonders  verkalkte,  mit  bloßem  Auge  sichtbar 
sind,  so  ist  das  Fleisch  unter  Deklaration  zu  verkaufen.  —  Die  mit 
den  Psorospermiencysten  behafteten  Schafschlünde  sind  zu  vernichten. 

In  Sachsen  ist  das  Fleisch  in  deu  erstgenannten  Fällen  zu  vernichten  und  das 
Fett  nach  Ausschmelzuug  auf  der  Freibank  zu  verkaufen  (s.  Verord.  S.  430).  In  Berlin 
darf  das  Fleisch  nur  nach  Kochuug  im  Rohrbeck'schen  Apparat  in  den  Verkehr  gelungen 
(Würzb  urg,  S.   191). 

51)  Moule,  necueü  de  med.  vit    (1886)  125. 

52)  Morot,  Recueil  BiJl.  (1886)  369. 

53)  Eaüliet,   Recueil  de  mid.   vet.  (1886)   149. 

Anhang. 
Die  Verkalkungen  in  der  Muskulatur  des  Schweines. 

In  der  ]\Iuskulatur  des  Schweines  werden  bei  der  Trichinenschau 
ziemlich  häufig  sogen.  Kalkkonkremente  gefunden,  deren  Ent- 
stehung auf  verschiedene  tierische  oder  pflanzliche  Parasiten  zurück- 
zuführen ist.  Mitunter  lassen  sich  die  Erreger  (Trichinen,  Finnen, 
Echinokokken,  Miescher'sche  Schläuche;  Strahlenpilze)  dieser  Ver- 
kalkungen nach  Behandlung  der  letzteren  mit  Säuren  nachweisen  und 
dann  sind  dieselben  nach  der  Dignität  dieser  Erreger  in  sanitärer 
Beziehung  zu  beurteilen. 

Es  giebt  jedoch  auch  eine  Anzahl  von  Verkalkungen,  deren  Aetio- 
logie  bisher  nicht  aufzuklären  war  und  für  diese  mag  immerhin  die  Be- 
zeichnung Konkremente,  Konkretionen  beibehalten  werden.  Letztere 
findet  man  am  häufigsten  in  den  Bauch-  und  Zwercbfellmuskeln, 
sowie  den  Adduktoren  der  Hinterschenkel,  woselbst  sie  oft  mit  bloßem 
Auge  erkennbar  sind.  Ihre  Menge  hat  über  die  Verwertung  des 
Fleisches  zu  entscheiden.  Vereinzelte  Konkremente  haben  nichts  zu 
bedeuten ;  Fleisch  mit  mäßig  zahlreichen  und  makroskopisch  sichtbaren 
Konkrementen  gehört  auf  die  Freibank,  während  bei  massenhaftem 
Vorhandensein  der  Konkremente  und  anderen  substantiellen  Ver- 
schlechterungen des  Fleisches  dasselbe  dem  Verkehre  gänzlich  zu 
entziehen  ist. 

Näheres  über  diese  Konkremente  s.  Ostertag's  Handbuch. 

In  Sachsen  ist  Fleisch  mit  Konkrementen  wie  das,  welches  M  i  e  sc  h  er. 'sehe  Schläuche 
enthält,  zu  behandeln.  In  Berlin  mufs  es  im  Dampfsterilisierapparat  gekocht  werden. 
(Würzb  urg,  S.   191.) 

B.  Infektionskrankheiten  der  Schlaehttiere. 

Bei  der  folgenden  Besprechung  der  durch  pflanzliche  Parasiten 
hervorgerufenen  Krankheiten  —  den  Infektionskrankheiten^*  —  der 
Schlachttiere  wird  auf  das  Wesen,  die  Symptomatologie,  und  die  Aetio- 
logie  derselben  nicht  näher  eingegangen  werden,  da  ein  besonderer 
Abschnitt  dieses  Handbuches  (Bd.  IX)  die  Infektionskrankheiten 
eingehend  behandelt.  Nur  für  einige  wichtige,  den  Tieren  spezifische 
Infektionskrankheiten,  sollen  ätiologische  Einzelheiten  Erwähnung 
finden. 


85 


496 


EDELMANN, 


1 .    Auf  den  Menschen 


übertragbare 


Infektionskrank 


h  e  i  t  e  n  d  e  r  S  c  h  1  a  c  h  1 1  i  e  r  e. 

a)  Tuberkulose. 

Die  Tuberkulose  kommt  bei  allen  Schlachttieren  vor,  und  ist 
diejenige  Krankheit,  welche  die  Fleischbeschaubeamten  am  meisten 
beschäftigt.  Sie  ist  eine  chronisch  verlaufende  durch  den  Tuberkel- 
bacillus  veranlaßte  Krankheit  und  ätiologisch  identisch  mit  der  Tuber- 
kulose des  Menschen.  Auf  die  Aetiologie  und  pathologische  Anatomie 
der  hochwichtigen  Krankheit  kann  hier  nicht  eingegangen  werden. 
In  dieser  Beziehung  ist  auf  die  Spezialwerke  und  Abhandlungen  zu 
verweisen.  Nur  gewisse  Eigentümlichkeiten^''  der  tuberkulösen  Er- 
krankungen bei  den  einzelnen  Tiergattungen  dürften  Erwähnung  ver- 
dienen : 

Befund.  Beim  Rind  tritt  die  Tuberkulose  wesentlich  (vergl. 
Johne"*^,  Eber- J  ohne  •''•\  Ostertag 's  Handbuch,  Schneide- 
rn ühl'^'  u.  A.)  in  zwei  verschiedenen,  auch  häufig  gemeinschaftlich 
vorkommenden  Formen  auf,  nämlich  als  Tuberkulose  der  serösen  Häute 
(Perlsucht)  und  als  Tuberkulose  der  Organe.  Die  Tuberkulose 
der  serösen  Häute  kennzeichnet  sich  durch  die  Entwickelung  ver- 
schieden großer  Knötchen  und  Knoten  auf  dem  Brust-  und  Bauchfell, 
die  isoliert  stehen  oder  zusammenfließen   und   unter   Umständen   ge- 

I  waltige      Auflagerungen 

im  Gewicht  von  20 — 50  kg 
bilden  können.  In  den- 
selben macht  sich  früh- 
zeitig Verkalkung  be- 
merkbar. Durch  Ver- 
schmelzung kleiner 
schlaffer  Granulations- 
knötchen  entstehen  bis- 
weilen auch  mehr  oder 
weniger  dicke  schwarten- 
artige Auflagerungen. 

Bezüglich  der  Tu- 
berkulose der  Or- 
gane und  Schleim- 
häute wird  am  häufig- 
sten primär  der  Respi- 
rationsapparat befallen, 
nächstdem  der  Digestionstraktus  und  der  Genitalapparat.  Auch 
eine  primäre  Erkrankung  des  Euters  durch  direkte  Infektion  von  der 
Zitzenöffnung  aus  muß  nach  Bang^",  sowie  den  eigenen  Erfahrungen 
des  Verf.  für  möglich  erachtet  werden.  Sekundär  können  alle 
Teile  des  Körpers  infiziert  werden.  Von  der  Art  und  dem  Wege 
der  Infektion,  sowie  dem  anatomischen  Bau  der  einzelnen  Organe, 
wird  das  Krankheitsbild  in  denselben  beeinflußt. 

Die  tuberkulösen  Prozesse  bei  den  Kindern  neigen  meist  zur 
trockenen  Verkäsung  und  Verkalkung.  Generalisierung  der 
Tuberkulose  kann  sich  an  jede  Organtuberkulose  mit  erweichten  Herden 
anschließen ;  sie  charakterisiert  sich  an  jungen  Tieren  in  erster  Linie 
durch  Erkrankung  der  Milz,  bei  älteren  durch  die  der  Nieren. 
Knochentuberkulose  tritt  nicht  zu  häufig  auf. 


Fig.  23.    Kleinknotige  Serosentuberkulose  vom  Brast 
feil  des  Rindes.     Nach  Eber-Johne. 


86 


Fleischbeschau. 


497 


Tiergattungen 


Beim  Kalbe  findet  man,  entsprechend  der  placentaren  Ueber- 
tragung,  sehr  häutig  die  Erscheinungen  einer  embolischen  Tuberkulose 
in  den  verschiedensten  Organen,  vor  allem  in  Milz,  Leber  und  Nieren, 
sodann  aber  auch  Erkrankungen  auf  Grund  einer  Infektion  vom  Ver- 
dauungstrakte aus  mit  folgender  Verbreitung.  Generalisierung  liegt 
in  der  Mehrzahl  der  Fälle  vor. 

Die  verhältnismäßig  sehr  selten  vorkommende  Tuberkulose  beim 
Schafe  bietet  im  allgemeinen  das  Bild  der  Rindertuberkulose  mit 
Ausnahme  der  Serösener- 
krankung.  Aehnlich  tritt 
die  Krankheit  bei  der  Ziege 
auf,  woselbst  man  auch 
schon  Perlsucht  und  Lungen- 
prozesse beobachtet  hat, 
wie  sie  bei  der  mensch- 
lichen Phthise  vorkommen. 
Generalisierung  bei  beiden 
nicht  selten. 

Beim  Schweine  herr- 
schen tuberkulöse  Erkrank- 
ungen des  Verdauungsap- 
parates vor,  von  denen 
aus  sekundäre  Infektionen 
verschiedener   Organe   und 

besonders  häutig  Generalisierungen  erfolgen ,  welche  sich  in  den 
weitaus  meisten  Fällen  durch  Milztuberkulose  charakterisieren.  Pri- 
märe respiratorische  Tuberkulose  ist  seltener  als  beim  Rinde,  noch 
viel  seltener  Serosentuberkulose.  Verkalkung  macht  sich  schon  zeitig 
in  den  tuberkulösen  Herden  bemerkbar.  Bei  generalisierter  Tuber- 
kulose findet  man  sehr  häufig  Erkrankungen  der  Muskellymphdrüsen 
und  Knochen. 

Die  seltene  Pferdetuberlcalose  ähnelt  der  der  Rinder  ohne  deren 
Tendenz  zur  Verkalkung  zu  besitzen.  Vielmehr  macht  sich  zentrale 
Erweichung  bemerkbar.  Die  L3'mphdrüsen  der  ergriffenen  Organe 
hyperplasieren  bedeutend.     Infektion  meist  von  den  Lungen  aus. 

Das  Bild  der  Tuberkulose  beim  Hunde  erinnert  nach  Jensen 
sehr  an  die  Rindertuberkulose  und  zeichnet  sich  auch  durch  Serosen- 
tuberkulose aus  (J  0  h  n  e  -  E  b  e  r). 


Fig.  24.      Grofsknotige    Serosentuberkulose    vom 
Bauchfell  des  Rindes.     (Nach  Eber-Johne.) 


Häufigkeit.  Bei  Rindern  ist  die  Tuberkulose  die  weitverbreitetste 
Krankheit.  Eine  sichere  Statistik  für  das  ganze  Reich  fehlt  und  däa 
Auftreten  der  Krankheit  ist  auch  regionär  verschieden.  Sichere  Unter- 
lagen sind  nur  aus  den  Schlachthöfen  vorhanden,  bei  denen  jedoch  ein 
richtiges  Bild  immer  noch  von  der  Art  der  Untersuchung  und  Be- 
urteilung seitens  der  Sachverständigen  abhängt.  Immerbin  wird  0  s  t  e  r  - 
t  ag  's  ^  '  Annahme,  daß  in  Deutachland  mindestens  jedes  vierte  Rind  tuber- 
kulös sei,  den  Thatsachen  entsprechen.  Königreich  Pre  u  ßen  ^^  1893/94 
Durchschnitt  aus  290  Schlachthäusern  10,09  Proz.,  den  niedrigsten  Prozent- 
satz hat  der  Reg.-Bez.  Münster  mit  0,98,  den  höchsten  Reg.-Bez. 
Stralsund  mit  30,07  Proz.,  Berlin  hatte  11,03  Proz.,  Magdeburg 
16,54  Proz.,  Schleswig  2G,80  Proz.;  —  Königreich  Sachsen  1893  aus 
20  Schlachthäusern  Durchschnitt  18,20  Proz.,  den  höchsten  Prozentsatz 
hat    Leipzig   mit    28,1    Proz.    (s.    auch    Rieck'sf^"    Arbeit);    1894    aus 


8; 


498  EDELMANN, 

25  Scblachtliäusem  Durchschnitt  21,5  Proz.,  den  höchsten  Prozentsatz  hat 
Löbau  mit  45,5  Proz.,  Leipzig  hat  29,4  Proz.,  Dresden  23,3  Proz. ;  Dresden 
(1895)  31,2  Proz.;  —  Großherzogtum  Baden  1894  3,13  Proz. 

Kälber.  Königreich  Preußen  1893/94  0,04  Proz. ;  Sachsen  189a 
0,12  Proz.,   1894  0,18  Proz.;  Baden   1894  0,009  Proz. 

Schafe  und  Ziegen.  Königreich  Preußen  1893/94  0,07  Proz.; 
Sachsen  1893  Schafe  0,11  Proz.,  1894  0,15  Proz.,  Ziegen  1893 
0,14  Proz.,   18! »4  0,0  Proz. 

Bei  Schweinen  steigt  die  Tuberkuloseziffer  von  Jahr  zu  Jahr  an. 
Die  schnelle  Zunahme  der  Krankheit  beim  Schwein  ist  wesentlich  auf 
die  Zunahme  der  Rindertuberkulose,  die  Vervollkommnung  des  Molkerei- 
wesens und  die  Verfütterung  der  dabei  gewonnenen  Rückstände  an 
Schweine  zurückzuführen.  Preußen  1893/94  0,G6  Proz.;  Sachsen 
1893  1,64  Proz.,  davon  Riesa  mit  5,05  Proz.,  Pirna  mit  3,9  Proz.,  Dresden 
mit  2,5  Proz.,  Leipzig  mit  1,8  Proz.,  1894  2,2  Proz.,  darunter  Meißen  mit 
5,9  Proz.,  Dresden  mit  3,2  Proz.  (Dresden  1895  3,6  Proz.),  Leipzig 
mit  2,6  Proz. 

Unter  den  Pferden  in  Sachsen  1893  0,08  Proz.  tuberkulös,  1894 
0,1  Proz. 

Bei  den  geschlachteten  Hunden  wurden  1893  in  Sachsen  0,34  Proz. 
tuberkulös  gefunden. 

Die  Erkennung  der  gewöhnlich  vorkommenden  Fälle  von  Tuber- 
kulose ist  für  den  Untersucher  nicht  schwer,  sobald  er  mit  den  viel- 
fältig variierenden  Entwickelungsformen  der  tuberkulösen  Krankheits- 
prozesse und  deren  Metamorphosen  vertraut  ist.  Da  eine  auszugs- 
weise Wiedergabe  der  für  die  Diagnose  verwertbaren  charakteristischen 
pathologisch  -  anatomischen  Eigentümlichkeiten  der  verschiedenen 
tuberkulösen  Infektionen  nicht  von  Wert  ist,  so  muß  auch  in  dieser 
Beziehung  auf  die  einschlägigen  Lehrbücher  verwiesen  werden. 

Für  die  Diagnose  ist  besonders  verwertbar  das  spezifische 
Verhalten  der  Lymphdrüsen.  Die  letzteren  bilden  nicht  nur 
gewissermaßen  Filter  für  die  in  die  Lymphbahn  irgend  eines  Organes 
gelangten  Tuberkelbacillen,  sondern  sie  scheinen  denselben  auch  be- 
sonders günstige  Ansiedelungs-  und  Entwickelungsbedingungen  zu 
bieten.  Man  findet  daher  die  Lymphdrüsen  der  Organe  nicht  selten 
tuberkulös  erkrankt,  ohne  daß  in  den  letzteren  selbst  sich 
makroskopisch  tuberkulöse  Herde  nachweisen  lassen. 
Auf  diese  Thatsache,  sowie  auf  den  Umstand,  daß  die  Tuberkel- 
bacillen durch  die  Epithelien  der  Schleimhäute  der 
Eingangspforten  des  Körpers,  ohne  daselbst  krank- 
hafte Prozesse  zu  veranlassen,  hindurchdringen 
können,  um  erst  in  den  korrespondierenden  Lymph- 
drüsen eine  typische  Affektion  zu  erzeugen,  verdient,, 
zum  Verständnis  der  Infektion,  besonders  hingewiesen  zu  werden. 
Daher  sind  zur  Ermittelung  tuberkulöser  Infektionsherde  in  erster 
Linie  die  Lymphdrüsen  der  Organe  durch  Anschneiden 
zu  untersuchen  und  hierbei  vor  allem  auch  die  der  natür- 
lichen Eingangspforten  zu  berücksichtigen  (Kehlgangs- 
und Retropharyngeallymphdrüsen,  Bronchial-  und  Mediastinallymph- 
drüsen ,  Mesenterial-  und  Portallymphdrüsen ,  Schamlymphdrüsen). 
Bei  zweifelhaften  Organerkrankungen  sichert  ebenfalls  der 
Lymphdrüsenbefund    die    Diagnose,    da    als    Regel    gelten 


I 


Fleischbeschau.  499 

k  ii  n  II .  il  a  ß  b  e  i  j  e  (l  c  r  0  r  g  a  ii  t  u  b  e  r  k  ii  1  o  s  e  die  korrespon- 
dierenden L  y  ni  p  h  d  r  ü  s  e  n  in  t  y  p  i  s  c  li  e  r  W  e  i  s  e  mit  a  f  f  i  z  i  e  r  t 
sind. 

Es  bedarf  keiner  Hervorhebung,  daß  die  eigentlichen  Entwicke- 
lungs-  und  Aufbauverhältnisse  der  tuberkulösen  Granulationen  aus 
kleinsten  durchscheinenden,  grauen  Knötchen  mit  folgender  centraler 
Trübung  und  Zerfall,  nebst  der  Tendenz,  durch  Bildung  sekundärer 
Knötchen  in  die  Umgebung  zu  proliferieren,  ebenfalls  beachtenswerte 
Kennzeichen  sind.  Zur  sicheren  Erkennung  etwa  zweifelhafter  Knöt- 
chen empfiehlt  sich  die  von  Oster tag^*^  vorgeschlagene  mikro- 
skopische Untersuchung  eines  Quetschpräparates  bei 
etwa  40-facher  Vergrößerung.  Man  kann  hierbei  schon  deutlich  die 
runden  oder  mehr  länglichen  Riesenzellen  sehen,  welche  bekannter- 
maßen in  den  Tuberkeln  der  Haustiere  besonders  schön  ausgebildet 
sind.  Diese  Methode  eignet  sich  auch  sehr  zur  Durchsuchung  ver- 
dächtiger Lymphdrüsen  auf  makroskopisch  noch  nicht  wahrnehmbare 
Tuberkeleruptiouen,  welche  sich  als  rundliche,  herdförmige 
Trübungen  mit  Riesenzellen  in  der  ^Mitte  und  epitheli- 
0 i d e n  Zellen  in  der  Umgebung  vom  normalen  L y m [)  h  - 
drüsenge  webeabheben. 

Selbstverständlich  dient  auch  der  Nachweis  der  Tuberkel- 
bacillen  zur  Sicherung  der  Diagnose,  Derselbe  kann  aber,  selbst 
bei  echter  Tuberkulose,  negativ  ausfallen,  da  erfahrungsgemäß  in  stark 
verkästen  Herden  die  Auffindung  von  Bacillen  oft  fehlschlägt. 
Gleichwohl  sind  solche  Herde  infektiös,  wie  das  Tierexperiment 
ausweist.  Dieses  ist  jedoch  bei  der  Verzögerung  der  Entscheidung 
für  die  praktische  Fleischbeschau  nicht  verwertbar. 

Für  Verwechselunsen  tuberkulöser  Prozesse  kommen  besonders 
in  Betracht:  degenerierte  Echinokokken  und  Finnen,  aktinomykotische 
Veränderungen,  Pentastomenherde  in  den  Lymphdrüsen,  Pseudalius- 
knötchen  in  den  Schaflungen  und  Schweineseucheprozesse  in  den 
Schweinslungen.  Die  eigentümlichen  Merkmale  dieser  Erkrankungen 
sowohl,  wie  diejenigen  der  Tuberkulose  schützen  in  Verbindung  mit 
der  Untersuchung  eines  Quetschpräparates  vor  einer  falschen  Diagnose. 

Bezüglich  der  Ausbreitung  der  Tuberkulose  im  Tierliörper 
ist  es  bei  der  Fleischbeschau  von  entscheidender  Bedeutung,  festzu- 
stellen, ob  eine  lokale  oder  generalisierte  Tuberkulose 
vorliegt. 

Als  lokale  Tuberkulose  vom  Standpunkte  der  Fleischbeschau 
ist  eine  tuberkulöse  Erkrankung  solange  aufzufassen,  als  sie  rein 
örtlich  auf  ein  Organ  beschränkt  ist  oder  sich  von 
einem  Primärorgan  nur  percontiguitatem  oder  durch 
dieLymphbahn  oder  durch  den  Sekretstrom  oder  durch 
den  Pfortaderblutlauf,  in  jedem  Falle  aber  ohne  Ver- 
mittelung  des  großen  Blutkreislaufes,  hat  verbreiten 
können. 

Beispiele:  Tuberkulose  der  Retropharyngeallymphdrüsen ;  Tuber- 
kulose der  Lungen  und  Bronchialhnnphdrüsen ;  Tuberkulose  des  Darms 
und  der  Mesenterialdrüsen ;  Tuberkulose  des  Darms  oder  Uterus  und  des 
Peritoneums  :  Tuberkulose  der  Pleura  und  des  Peritoneums  ;  Tuberkulose 
der  Lungen  und  der  Pleura;  Tuberkulose  der  Lunge  (tuberkulöse  Broncho- 
pneumonie) und  des  Darms ;  Tuberkulose  des  Darms  und  der  Leber. 

89 


500  EDELMANN, 

Die  lokalisierte  Tuberkulose  ist  bei  den  Schlachttieren  vor- 
herrschend, da  die  tuberkulösen  Prozesse  in  der  Regel  bacillenarm 
sind  und  einzelne  in  den  lUutstroin  gelangte  Bacillen  keine  Generali- 
sierung zur  Folge  haben,  sondern  im  Blute  zu  Grunde  gehen  (Nocard, 
Johne). 

Generalisiert,  ireiieroll  oder  verallgemeinert  nennt  man  eine 
Tuberkulose  dann,  wenn  ihre  Verbreitung  von  einem 
Priniärherd  aus  nur  vermittels  des  Blut-  oder  Haupt- 
1  y  m  p  h  s  t  r  0  m  e  s  (D  u  c  t  u  s  t  h  o  r  a  c  i  c  u  s)  erfolgen  konnte.  Die 
Gen  er  al  i  sierung  finde  t  ihren  Ausdr  u  ck  in  einer  Erkrankung 
von  Körperteilen,  zu  denen  Bacillen  nur  durch  den  Blutstrom  gelangt 
sein  können,  insbesondere  von  Milz,  Nieren,  Muskeln,  Knochen  und 
solchen  Lymphdrüsen,  deren  Versorgungsgebiet  nicht  primär  infiziert 
worden  ist. 

Von  der  Menge  und  der  Virulenz  der  in  den  Blutstrom  ge- 
langenden Tuberkelbacillen  ist  das  Bild  der  entstehenden  generali- 
sierten Tuberkulose  abhängig. 

Zur  Feststellung,  welche  von  beiden  Formen  der  Tuberkulose  in 
einem  konkreten  Falle  vorliegt,  ist  eine  eingehende  planmäßige 
Untersuchung  des  Schlachttieres  erforderlich.  Für  dieselbe 
hat  Ostertag"^  beachtenswerte  Winke  gegeben.  Im  allgemeinen 
ist  davon  auszugehen,  daß,  nachdem  eine  Krankheit  als  Tuberkulose 
erkannt  worden  ist,  die  Untersuchung  des  betreffenden  Tieres  an 
den  peripheren,  seltener  erkrankten  Teilen  (Fleisch -Lymphdrüsen, 
Knochen  etc.)  zu  beginnen  hat  um,  nach  den  Eingeweiden  vorwärts- 
schreitend, von  letzteren  ebenfalls  zunächst  die  weniger  häufig  er- 
krankten (Milz,  Nieren)  zu  berücksichtigen  und  dann  erst  die  Prä- 
dilektionsorgane  (Respirations-,  Verdauungsapparat)  zu  untersuchen. 
Jedes  Anschneiden  erweichter  tuberkulöser  Herde 
ist  zu  vermeiden,  ebenso  wie  eine  Verunreinigung  gesunder 
Organe  mit  tuberkulösen  Zerfallsmassen. 

Ein  ungefähres  Bild  von  der  Ausbreitung  der  Tuber- 
kulose im  Körper  der  einzelnen  Schlachttiere  giebt  folgende  Zu- 
sammenstellung, welche  dem  Berichte  über  die  Fleischbeschau  in 
Dresden'^ ^"*  vom  Jahre  1895  entnommen  ist.  In  Dresden  wurden 
1895  festgestellt  bei  Rindern  6769  Fälle  von  Tuberkulose  = 
31.22  Proz.  der  geschlachteten  Rinder,  bei  Kälbern  224  =  0,36  Proz., 
bei  Schafen  40  =  0,09  Proz.,  bei  Schweinen  3594  =  3,36  Proz., 
bei  Pferden  1  =  0,09  Proz. 

(Siehe  Tabelle  S.  501.) 

Ylriilenz  der  Teile  tuberkulöser  Tiere.  Bei  der  erwiesenen 
Identität  der  Erreger  der  menschlichen  und  tierischen  Tuberkulose 
und  der  Thatsache,  daß  Tuberkelbacillen  vom  Verdauungstrakt  aus 
den  Organismus  zu  infizieren  vermögen,  müssen  alle  tuberkulösen 
Organe  als  infektiös  und  gesundheitsschädlich  für 
Menschen  angesehen  werden.  Hierzu  gehören  auch  diejenigen, 
deren  Lymphdrüsen  nur  erkrankt  sind,  da  es  leicht  mög- 
lich ist,  daß  in  der  Entwickelung  begriffene  und  deshalb  besonders 
virulente  Tuberkelknötchen  bei  der  makroskopischen  Untersuchung 
des  Parenchyms  der  Organe  übersehen  werden.  Hieraus  ergiebt  sich 
auch   die   selbstverständliche  Bedingung,  ein  tuberkulöses  Organ  als 

90 


Fleischbeschau. 


501 


TJer- 
gattung 


L>ie    l'uberkulose    wurü«]   iihcIjkii wiesen   als 


lokale 
Tab«rkalote 


hochKradiKe  a, 
ausKcbreitete 
Tuberkalose 


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verallgemeinerte  (^eneralUierte)  Taberkolose 


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beiden  vor- 
stehenden Spalten 
aufgeführt.  Fällen 
waren  ergriffen 


'A 


Rind 

5-83 

Kalb 

69 

Schaf 

23 

Schwein 

1082 

Pferd 

I 

570 

38 

2' 
I345I 


.^10  92  45 

117  30  ' 

14  10  I 

"167  377  232 


169 

86 

3 

558 


31      123      19 

64        21   I     1 

508       49        I 


in  toto    gesundheitsschädlich  anzusehen,  selbst  wenn  schein- 
bar nur  vereinzelte  Herde  darin  vorkommen  sollten. 

Bezüglich  der  Virulenz  des  Fleisches  resp.  der  quergestreiften 
Musliulatur  ist  davon  auszugehen,  daß  die  Muskulatur  nur  äußerst 
selten  der  Sitz  tuberkulöser  Prozesse  ist,  daß  Tuberkelbacillen  dahin 
in  der  Regel  nur  mit  dem  Blutstrom  verschleppt  werden  können,  in 
letzterem  aber  nur  selten  und  relativ  sehr  kurze  Zeit  Tuberkelbacillen 
cirkulieren. 

Ueber  die  Virulenz  des  Fleisches  sind  zahlreiche  Fütterungs-  und 
Impfversuche  an  Tieren  angestellt  worden,  bei  denen  aber,  wie  Oster- 
tag  mit  Recht  hervorhebt,  meist  die  Ausbreitung  und  besondere  Be- 
schaffenheit der  Tuberkulose  in  dem  Tiere,  von  dem  die  Versuchs- 
muskulatur stammte,  unberücksichtigt  geblieben  ist.  Von  den  Versuchen 
verdienen  die  von  Nocard^*,  Galtier*",  Forster,  Bang,  Bol- 
linger*^  durch  Hagemann  und  Kas  tner**^.  St  ei  nh  e  i  l***^,  Os  ter- 
tag^^,  Perron  cito  ^'=',  Klepzow'^*  besondereBeachtung,  jedoch  können 
deren  Einzelergebnisse  hier  nicht  Erwähnung  finden.  Ostertag"'  resümiert 
aus  den  Versuchsergebnissen  „daß  das  Fleisch  bez.  der  Fleisch- 
eaft  tuberkul  öser  Tiere  in  derRegel  gar  keine  oder  nicht 
genug  Bacillen  enthält,  um  bei  Versuchstieren  Tuber- 
kulose hervorzurufen.  Nur  bei  hochgradigster  Tuberkulose  und 
bei  eiteriger  Erweichung  der  tuberkulösen  Herde  ist  das  Fleisch  infektiös. 
Hierbei  ist  aber  noch  sehr  zu  bedenken,  daß  selbst  die  gleiche  Emi)räng- 
lichkeit  des  Menschen  für  Tuberkulose  wie  bei  den  Versuchstieren 
vorausgesetzt,  die  Menge  Tuberkelbacillen,  welche  bei  intra- 
peritonealer Impfung  Tube  rkulose  hervorruft,  noch  nicht 
hinreicht,  um  auch  auf  dem  Wege  des  Verdauungstraktus 
zu  infizieren,  daß  also  ein  positives  Impfe rgebnis  noch 
nicht  gleichbedeutend  ist  mit  Gesundheitsschädlichkeit 
des  Fleisches  beim  Genüsse". 

Von  denselben  Gesichtspunkten  sind  die  von  Butel''"  zusammen- 
gestellten Resultate  einiger  E.xperimente  über  die  Ansteckungsfähigkeit 
des  Blutes  und  des  Muskelsaftes  tuberkulöser  Tiere  zu  betrachten.  Be- 
züglich der  Infektiosität  des  Blutes  führt  Butel  5G  Impfungen 
von    Villemi n,    Gosaelin,    Toussaint,    Galtier,   Jeannel    an, 


91 


502  EDELMANN, 

von  denen  28  positive  Resultate  ergaben.  Weniger  erfolgreich  waren 
G7  Versuche  mit  Muskel saft  angestellt  von  Bollinger,  Gratia  und 
Lienaux,  Peuch,  Galtier,  Veyssiöre  und  Humbert,  Arloing, 
Nocard,  unter  denen  nur  in  14  Fällen  eine  Virulenz  des  Muskelsaftes 
vorhanden  war. 

Vom  Stand  punkte  der  Fleiselil)eseliau  wird  das  Fleisch  tuber- 
kulöser Tiere  liiiisiehtlich  seiner  Gesundheitsschädlichkeit  für  den 
Menschen  folgendermaßen  zu  beurteilen  sein : 

1)  Bei  rein  lokaler  Tuberkulose    ist   das   Fleisch   unschädlich. 

1^)  Bei  generalisierter  Tuberkulose  muß  zunächst  eine  Ge- 
sundheitsschädlichkeit vorausgesetzt  werden.  Dies  hat  John e^" 
bereits  1883  ganz  besonders  betont  und  sich  gleichzeitig  das  Verdienst 
erworben,  auf  die  Auseinanderhaltung  der  Begriffe  lokale  und  generali- 
sierte Tuberkulose  mit  ihren  sanitätspolizeilichen  Konsequenzen  hin- 
gewiesen zu  haben. 

Für  die  Zwecke  der  Praxis  empfiehlt  es  sich,  auseinanderzuhalten 
eine  Generalisierung  im  engeren  Sinne  mit  Beschränkung 
auf  die  Eingeweide,  insbesondere  auf  Milz  oder  Nieren  und  eine 
Generalisierung  im  weiteren  Sinne  mit  tuberkulösen  Herden 
in  der  Muskulatur,  oder  den  zugehörigen  Lymphgefäßen 
und  Lym  phdr  ü  sen  oder  den  Knochen.  Behufs  Ermittelung  einer 
derartigen  Ausbreitung  der  Generalisierung  sind  die  größeren,  leicht 
zugänglichen  Lymphdrüsen  des  Körpers  (Bug-  und  Achsellymphdrüsen, 
Kniekehlen-,  Kniefalten-,  Leistenlymphdrüsen)  anzuschneiden,  sowie 
möglichst  viele  Knochendurchschnittsfiächen  zu  untersuchen. 

a)  Bei  der  erstgenannten  Form,  der  Generalisierung  im 
engeren  Sinne,  wird  eine  Gesundheitsschädlichkeit  nur  dann  an- 
zunehmen sein ,  wenn  die  Generalisierung  frisch  ist,  d.  h.  wenn  die 
infolge  der  Generalisierung  in  Milz  oder  Nieren  entstandenen  Knötchen 
noch  klein  sind  (nach  Ostertag  noch  nicht  die  Größe  eines  Hanf- 
kornes erreicht  haben)  oder,  wenn  neben  älteren  Knötchen  ver- 
dächtige Symptome  einer  frischen  Generalisierung  vorhanden  sind, 
was  besonders  bei  Gegenwart  eitriger  Kavernen  in  Lunge,  Bronchial-, 
Mesenterialdrüsen  oder  Leber  leicht  zu  befürchten  ist. 

b)  Bei  der  Generalisierung  im  weiteren  Sinne  ist  das 
Fleisch  im  großen  ganzen  stets  als  gesundheitsschädlich  zu 
betrachten. 

3)  In  Fällen,  in  denen  es  zweifelhaft  ist,  ob  eine  rein  lokale 
Tuberkulose  oder  gleichzeitig  eine  frische  Generalisierung  vorliegt 
muß   das  Fleisch   als  der  Virulenz  verdächtig  angesehen  werden 

Für  die  Verwertung  des  Fleisches  tuberkulöser  Tiere  ist  es  im 
nationalökonomischen  Interesse  von  großer  Bedeutung,  daß  die  Tuberkel- 
bacillen  nur  wenig  widerstandsfähig  gegen  höhere  Temperaturgrade  sind. 
Nach  Bang's''^  Versuchen  sind  85**  C,  nach  denen  von  Jersin, 
Forster^2  jq — 7.50  q  jq  Minuten  hindurch  genügend,  um  Tuberkel- 
bacillen  zu  töten.  Darauf  gründet  sich  die  Nutzbarmachung 
infizierten  tuberkulösen  Fleisches  für  die  menschliche 
Nahrung  durch  Kochung  in  Damp  fkoch  apparaten. 

Gegen  Pökelung  (Klepzow'^^'')  und  Pökelung  mit  folgender 
ßäucherung  sind  die  TuberkelVjacillen  nach  Forster's'^  Untersuch- 
ungen sehr  resistent. 

92 


Fleischbeschau.  503 

lUMirti'iliing;.  Jedes  tuberkulöse  Organ  ist  als  gesundheitsschäd- 
lich derartig  zu  beseitigen,  daß  eine  Verstreuuug  tuberkulösen  Materiales 
veruiiedeii  wird. 

Bezüglich  der  Verwertung  des  Fleisches  tuberkulöser  Schlachttiere 
kann  ich  mich  auf  Grund  eigener  praktischer  Erfahrungen  den  von 
Ost  er  tag,  sowie  im  allgemeinen  den  von  Eber- Johne  aufgestellten 
Grundsätzen  anschließen. 

1)  Das  Eleisch  ist  ohne  Beschränkung  zum  freien 
Verkehr  zuzulassen  bei  lokaler  unerheblicher  Tuberkulose,  sofern 
sich  die  tuberkulösen  Teile  leicht  entfernen  lassen  und  sich  das  Tier 
in  gutem  Ernährungszustande  betindet. 

2)  Das  Fleisch  ist  nur  unter  Deklaration  bez.  auf  der 
Freibank  zu  verkaufen,  sobald  die  tuberkulösen  Tiere  nicht  er- 
heblich abgemagert  sind.     Der  Verkauf  kann  stattfinden 

a)  im  rohen  Zustande 

«)  bei    zweifellos    lokaler    aber   ausgebreiteter    Tuberkulose   (aus- 
gebreiteter  Serosentubcrkulose,    starker  Tuberkulose   mehrerer 
Orgaue   mit   erheblicher  Vergrößerung   und   Degeneration   der- 
selben) ; 
ß)  bei  generalisierter  Tuberkulose,    welche  sich  bezüglich  der  Er- 
scheinungen der  Generalisierung  auf  Milz  oder  Nieren  beschränkt 
und  die  sicher  als  abgelaufen  anzusehen  ist; 
bj  nach    vorheriger    Kochung   in    Dampfkochapparaten 
(Hertwig '*)  (s.  S.  445), 
et)  wenn  es  zweifelhaft  ist,  ob  bei  lokaler  Tuberkulose  nicht  doch 

eine  Generalisierung  vorliegt, 
ß)  in  frischen  Fällen  generalisierter  Tuberkulose,  die  sich  auf  die 

Eingeweide  (Milz,  Nieren)  beschränkt. 
3.  Das  Fleisch  ist  zu  vernichten  oder  nur  technisch 
zu  verwerten  von  Tieren,  welche 

a)  mit  lokaler  Tuberkulose  behaftet,  gleichzeitig  erheblich  al)gemagert 
sind  und  deren  Fleisch  deshall),  oder  weil  es  substantielle  Ver- 
änderungen autweist,  als  hochgradig  verdorbenes  Nahrungs- 
mittel anzusehen  ist; 

b)  generalisierte  Tuberkulose  mit  Ergriffensein  der  Muskulatur, 
der  Fleischljmphdrüscn  oder  der  Knochen  aufweisen ; 

c)  Erscheinungen  einer  erst  vor  ganz  kurzer  Zeit  stattgehabten 
allgemeinen  Blutinfektion  (akute  Miliartuberkulose  von  Leber, 
Lunge,  Milz,  Nieren,  Milztumor.  Schwellung  der  meisten  Lymi»h- 
drüsen)  erkennen  lassen; 

Das  Fett  der  unter  2  a  fallenden  Tiere  kann  im  rohen  Zustande, 
das  der  übrigen  nach  Ausschmelzung  bei  Temperaturen  von  min- 
destens lOJ"  C  unter  Deklaration  verkauft  werden. 

Die  jsresetzHchen  Vorschrifton    über  die  Verwertung  tuberkulöser  Sclilaclit 

tiere  können  naturKcmkÜ  nicht  EiiizeUieiten  und  alle  vorkommenden  Mö^liclikeiteu  be- 
rücküichtii^en  ,  sondern  müssen  all^^emein  gehalten  sein  und  den  Sachver- 
stand! gen   einicen   Spielraum   ^ewJihrcn. 

Königreich  PreuKcu.  Der  Erlaß  der  Minister  des  Innern,  der  Landwirtschaft, 
des  Kultus  und  des  Handels  vom  2C.  März  1892  hält  an  der  tradititmellcn  Bezeichnung 
,, Perlsucht"  für  Tuberkulose  fest,  l&ßt  auch  leider  die  Tuberkulose  der  anderen  Schiachtticre 
unberücksichtigt  (Os  ter  tag  ",  P  1  ft  u  t '",  Schmaltz^',  Fischoeder^''u.  A.).  Eine 
gesundheitsschädliche  BeschafTenheit  des  Fleisches  von  perlsUchiigem  Rindvieh  ist, 
der  Regel  nach,  nur  dann  anzunehmen,  wenn  das  Fleisch  I'erlknoten  enthält  oder  das  perl» 
süchtige    Tier,    ohne  daß  sich  in  seinem  Fleische  Perlknoten    finden  lassen,  abgemagert  ist. 

93 


504  EDELMANN, 

Dagegen  ist  das  Fleisch  eines  perlsiichtigen  Tieres  für  genießbar  (nicht  gesundheits- 
schfidlich)  zu  halten,  wenn  das  Tier  gut  genährt  ist  und 

1)  die  Perlknoten   ausschließlich   in  einem  Organ  vorgefunden  werden,  oder 

2)  falls  zwei  oder  mehrere  Organe  daran  erkrankt  sind,  diese  Organe  in  derselben 
Körperliöhle  liegen  und  miteinander  direkt  oder  durch  Lymphgefäße  oder  durch  solche 
Blutgefäße  verbunden  sind,  welche  nicht  dem  großen  Kreislauf,  sondern  dem  Lungen-  oder 
Pfortader-Kreislauf  angehören.  Das  Fleisch  von  gut  genährten  Tieren,  auch  wenn 
eine  der  unter  Ziffer  1  und  2  bezeichneten  Erkrankungen  vorliegt,  kann  in  der  Kegel 
nicht  als  minderwertig  erachtet  und  der  Verkauf  desselben  nicht  unter  polizeiliche 
Aufsicht  gestellt  werden.  Solches  Fleisch  ist  daher  in  Zukunft  dem  freien 
Verkehr  zu  überlassen;  in  zweifelhaften  Fällen  wird  die  Entscheidung  eines 
approbierten   Tierarztes  einzuholen  sein. 

Ob  das  Fleisch  von  perlsüchtigem  Vieh  für  verdorben  zu  erachten  ist,  und 
der  Verkauf  desselben  gegen  die  Vorschrift  von  §  367,  7  des  St.G.B.  oder  gegen  die 
Bestimmungen  des  Nahrungsmittelgesetzes  verstößt,  fällt  der  richterlichen  Ent- 
scheidung   anheim 

Königreich  IJavcni.  Die  oberpolizeilichen  Vorschriften  in  Bezug  auf  die  Beschau 
der  mit  den  Erscheinungen  der  Tuberkulose  (Perlsucht  und  Lungenschwindsucht)  behafteten 
Rinder  und  Schweine  vom  25.   Juni    1892   lauten: 

§  1.  Bei  lokalisierter  Tuberkulose  ist  das  Fleisch  dem  freien  Verkehr  zu  über- 
lassen, sobald  das  Tier  sich  im  guten  Ernährungszustand  befindet  und  die  kranken  Organe 
entfernt  sind. 

§  2.  Das  Fleisch  von  Rindern  und  Schweinen,  die  an  allgemeiner  (generali- 
sierter) und  vorgeschrittener  Tuberkulose  leiden  und  dabei  gleichzeitig  ab- 
gemagert sind,  dann  solches  Fleisch,  welches  selbst  tuberkulöse  Herde  ent- 
hält, ist  als  gesundheitsschädlich  vom  menschlichen  Genüsse  aus- 
zuschließen. —  Ist  in  diesen  Fällen  der  Fleischbeschauer  nicht  selbst  Tierarzt,  so  kann 
die  Nachbeschau  durch  einen   approbierten  Tierarzt  verlangt  werden. 

§  3.  In  zweifelhaften  Fällen  (Tuberkulose  der  Organe  einer  oder  mehrerer  Körper- 
böhlen,  Uebergang^formen  zwischen  lokaler  und  allgemeiner  Tuberkulose)  ist  die  Ent- 
scheidung eines  approbierten  Tierarztes  einzuholen.  Derselbe  kann  je  nach 
Ausbreitung,  Stadium  und  Intensität  der  Krankheitserscheinungen  und  je  nach  dem  all- 
gemeinen Ernährungszustande  des  Tieres  das  Fleisch  unter  bestimmten  Bedingungen  und 
Beschränkungen  dem   Verkehre   überlassen. 

Königreich  Sachsen.  Aus  der  Anweisung  zur  Verordnung  vom  17.  Dezember  1892, 
den  Verkauf  von  Fleisch  und  von  Fett  kranker  Tiere  betreffend,  welche  auf  Seite  430  ab- 
gedruckt ist,   kommen   hier  in   Betracht  die  §§   2,   3   und  4. 

Die   in  "WUrtteinlicr;? ,   Baden,   Sachsen -3Ieinin^eu,    Gotha,  Schwarzbiirg- 

Rudolstadt  und  Elsaß  -  Lothringen  bestehenden  Vorschriften  beschränken  sich ,  nach 
Würz  bürg,  im  wesentlichsten  auf  Ausschließung  des  Fleisches  vom  menschlichen  Genuß 
bei  ausgebreiteter  Tuberkulose. 

Großherzogtum  Hessen.  Verfügung  des  Ministeriums  des  Innern  und  der  Justiz, 
Abteilung  für  öffentliche  Gesundheitspflege,  vom  12.  Oktober  1883.  Das  Fleisch  tuber- 
kulöser Tiere  ist  als  ungenießbar  zu  erklären,  wenn  das  Tier  an  generalisierter  Tuber- 
kulose gelitten  hat ;  ferner,  wenn  die  Tiere  im  Ernährungszustande  bereits  sehr  zurück- 
gegangen sind,  oder  das  Fleisch  wegen  seiner  Beschaffenheit  im  allgemeinen  als  menschliches 
Nahrungsmittel  nicht  geeignet  erscheint. 

In  allen  übrigen  Fällen  von  Tuberkulose  ist  das  Fleisch  als  genießbar  aber  nicht 
ladenrein  zu  erkennen. 

Herzogtum  Anhalt.  Anweisung  zur  Ausführung  der  Verordnung  vom  24.  November 
1888.  Das  Fleisch  eines  perlsüchtigen  Tieres  ist  noch  für  genießbar  zu  erachten,  wenn 
das  Tier  gut  genährt  ist  und  die  Perlknoten  ausschließlich  in  einem  Organe  vorgefunden 
werden,  oder  wenn  bei  deren  Auffindung  in  mehreren  Organen  letztere  doch  Organe  der- 
selben Körperhöhle  und  miteinander  direkt  oder  durch  Lymphgefäße  bez.  durch  solche 
Blutgefäße,  welche  nicht  dem  großen  Kreislauf,  sondern  dem  Lungen-  oder  Pforladerkreislauf 
angehören,  verbunden  sind.   —  In  anderen  Fällen  ist  das  Fleisch  ungenießbar. 

Mecklenhurg-Sclnverin  ".  Rundschreiben  an  die  Bezirkstierärzte  betr.  die  sanitäre 
Beurteilung  des  i-leisches  tuberkulöser  Tiere,  vom   9.  Mai   1895. 

1.  Als  Nahrungsmittel  gänzlich  auszuschließen  und  nur  technisch  zu  verwerten,  sind 
Tiere,  bei  welchen 

a)  im    Fleisch,    in    den  Knochen    oder  den    zugehörigen  Lymphdrüsen    tuberkulöse  Ver- 
änderungen bemerkt  werden; 

b)  oder    sich   die    Erscheinungen    der    akuten  mit  Fieber  verlaufenden    Miliartuberkulose 
vorfinden  ; 

c)  oder    die   Abmagerung    des    Körpers    schon    weiter    vorgeschritten    ist    und    entweder 
Tuberkeln    zahlreich    und    ausgebreitet    vorhanden  sind,    oder  aber  die  Merkmale  der 

94 


Fleischbeschau.  5Q5 

sich  durch  die  Verbreitung  des  Giftes    auf    deu   Wegen  des  großen  Kreislaufes  kenn- 
zeichneudeD   allgemeinen  Tuberkulose  vorliegen. 

2.  Im  gekochten  Zustande  (Ro  h  r  b  e  c  k  'scher  Dampfkochappara«)  für  den  Genießenden 
nicht  gesundheitsschädlich  und  deshalb  mit  dieser  Beschränkung  als  Nahrungsmittel  zuzu- 
lassen, ist  das  Fleisch  solcher  Tiere,  welche  zwar  in  dem  in  Ziffer  1  c  beschriebenen  Um- 
fang tuberkulös  krank  sind,  aber  deren  Körper  noch  gut  genährt  oder  doch  nur  unbe- 
deutend abgemagert   ist. 

3.  Im  übrigen  fehlt  es  an  einem  sanitätspolizeilithen  Bedürfnis  und  widerspricht  es 
volkswirtschaftlichen  Interessen,  das  Fleisch  von  Tieren,  bei  welchen  sich  tuberkulöse  Ver- 
änderunfcten  in  einem  geringeren  Grade  zeigen,  als  in  Zifler  1  und  2  angegeben  ist,  lediglich 
wegen   Tuberkulose  dem   freien   Verkehr  zu  entziehen. 

54)  Bollinger,  lieber  die  Venrendbarkeit  des  an  Infektionskrankheiten  leidenden  Scklachlviehe» 
D.    Vurtelj.  J.  öff.   Oesähtspfi.  (1890/91)  23.  Bd.  96.  ' 

55)  Eber-Johne,  Abschnitt  Tuberkulose  in  Koch's  Encyklopädie  d.  Tierheük.  10.  Bd.  386 436. 

56)  Bang,   Ütsch.  Zeitschr.  f.    Tiei-med.   11.   Bd.   45. 

57)  Ostortag'a   Handbuch  507. 

58)  Schmaltz,   Berl.  tierärztl.    iVochenschr.   (1895)  Nr.   32  u.   33. 

59)  Rieck.   Berl.   Arch.  30.   Bd.   1.  —  Berl.  tierärztl.    Wochenschr.   (1893)  Xr.   15. 

60)  Ostertag'a  Hamlb.   2.   Bd.   522. 

61)  Ostertag,   Zeitschr.  f.  Fleisch-  u    Milchhyg.   1.   Bd.  Nr.    1.   2.   —  Handb.  526. 

62)  Nocard,   Rev.  mid.  vä.  Paris  5.   Bd.    569,  ref.  D.  med     Wochenschr.   14    Bd.   660. 

63)  Galtier,  Jourii    de  med.  vet.  et  de  Zool.  (1Ö91)  Nr.  1,  ref.  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Mdchhyg. 

2.  Bd.    1.  Hejt.   —  Joum.   de  mid.  vet.  (1892)   Aug.,  ref.  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Milchhyg. 

3.  Bd.   1.  Heft.  —  necueil  de  mid.  vet.  (1893)  AV.   8,  ref.  Zeitschr.  f.  Heisch  u.  Milchhyg. 
3.   Bd.   178.  —  Joum.  de  mid.  vit.  20.   Bd.  449. 

64)  Bollinger,  Hag  em  an  n's  Untersuchungen  über  dieinfektiosität  des  Blutes  tuberk.  Binder 
.München,   med.    Wochenschr.  (1893)  Nr.    50. 

65)  Kastner ,  Experimentelle  Beitrüge  zur  Infektiosität  des  Fleisches  perlsüchtiger  Binder. 
Inaug.-Diss.  München  1889.  —  Ein  weiterer  Beitrag  zur  Lehre  ton  der  Infektiosität  des 
Fleisches  perlsüchtiger  Rinder,  Münch.  med.  Wochenschr.  (1892)  No.  20,  Zeitschr.  f.  Fleisch- 
u.    Milchhyg    2.   Bd.    196. 

6'3)  Steinheil,    Ueber  die  Infektiosität  des  Fleisches  tuberk.  Rinder,  Inaug  -Dias.  München  1889. 

67)  Ostertag,   Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.   Milchhyg.  2.  Bd.   1.  Heft. 

68)  PerroncitO,  Centr.  f.  Bakt.  11.  Bd.  Nr.  14.  —  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Milchhyg.  2.  Bd. 
9.   He/t. 

69)  Ostertag,  Handb.  538. 

70)  Johne.  Die  Geschichte  der  Tuberkulose  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Tuberkulose 
des  Rindes  und  die  sich  hieran  knüpfenden  medizinal-  und  veterinär-polizeilichen  Konse- 
quenzen, Leipzig  1883,   D.   Zeitschr.  f.    Tiermed.  2    Bd    67. 

71  >  Bang,   D    Zeitschr.  f.   Tiermed.    17.  Bd.    1.  Heft. 

72)  Forster,  Hyg.  Hdsch.  2.  Bd.  (1892)  869.  —  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Milchhyg.  3.  Bd.  32. 
—  Forster  wnd  de  Man,  Hyg.  Rdsch.  3.  Bd.,  ref.  Berl.  tierärztl.  Wochenschr.  (1893)  638. 

73)  Forster,   München,  med.    Wochenschr.   (1890)   16. 

74)  Hartwig,   D.    Viertel),  f.  öff.  Oesdhtspß.  (1892)   24.   Bd.   392. 

75)  Ostertag,  Zeitschr.  f.   Fleisch-  u    Milchhyg.   2    Bd.  8.  u.   10.   HeJt. 

76)  Plaut,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Mdchhyg    2.   Bd.  2.   Heft. 

77)  Schmaltz.   Berl.  tierärztl.    Wochenschr.  (1892)  Nr.  24. 

78)  Fischoeder,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  a.   Milchhyg.  2.  Bd.   8.   24.   45. 

79)  Verö[}entl.   des  Kaiterl.   Gesundheitsamtes    19.   Bd.    501. 
79a)  Klepxow,   Russ.    Arch.  f.    Veterinärmed.  (1895)   176. 
79i)  Klepzow,  Ibid.   108. 

79c)  Schneidemühl,  Die  Tuberkulose  der  Menschen  und  der  Tiere  vom  sanitäts- und  Veterinär- 
polizeilichen  Standpunkte  erörtert.      Tiermed.    Vorträge  3.   Bd.  (1895)  Heft  8/10, 

l%d)  Edelmann.   Deutsch,  t     Wochenschr.  (189G)   141. 

79«^  Batel,  Die  Vemendung  des  Fleisches  tuberkulöser  Tiere  und  die  öffentl.  Gesundheits- 
pflege,   Verhandlungen  d.    VI.   intemat.   tierärztl.   Kongr.,  Bern    1895. 

b)  Milzbrand,  Hauschbrand,  Tollwut,  Rotz. 

Die  Zusammenfassung  dieser  Seuchen  erscheint  für  den  vor- 
liegenden Zweck  deshalb  angebracht,  weil  durch  die  Bestimmungen 
des  Reichsviehseuchengesetzes  jedwede  Verwertung  des 
Fleisches  von  Tieren,  welche  mit  diesen  Seuchen  behaftet  sind, 

95 


506  EDELMANN, 

V  erböte  ii  u  n  d  d  i  e  V  e  r  ii  i  c  li  t  u  n  i^-  d  e  r  K  a  d  a  v  er  vorge- 
schrieben worden  ist. 

Der  Rauschbrand  ist  zwar  auf  den  Menschen  nichtübertragbar 
und  im  genannten  Gesetz  nicht  besonders  erwähnt  worden;  er  wird 
aber  fast  allenthalben  wie  Milzbrand  behandelt.  Besonders  vorge- 
schrieben  ist   letzteres  in   Sachsen   und    Sa  chs  en- iM  einingen. 

Der  Milzbrand  tritt  in  erster  Linie  beim  Schaf,  sodann  bei  Rind 
und  Pferd  auf,  während  das  Schwein  sehr  selten  davon  ergriffen  wird. 
Beim  Wild  kommt  er  ebenfalls  vor.  —  Befund:  Hochgradiger  Milz- 
tumor mit  Verflüssigung  der  Pulpa,  theerartige  Beschaffenheit  des  Blutes, 
Blutungen  in  den  verschiedensten  Orgauen,  Degenerationen  der  großen 
Parenchyme,  sulzige  oder  hämorrhagische  Infiltrate  im  Bindegewebe  der 
verschiedensten  Organe.  Im  Blute,  in  der  Milz,  den  serösen  Flüssig- 
keiten etc.  die  charakteristischen  An  thraxbacillen,  durch 
deren  mikroskopische  Feststellung  stets  in  Zweifelsfällen  die  Diag- 
nose zu  stützen  ist. 

Beurteilung:.  Der  Genuß  des  Fleisches  milzbrandkranker 
Tiere  ist  zwar  für  gewöhnlich  ohne  nachteilige  Folgen  gewesen. 
Dennoch  ist  das  Fleisch,  auf  Grund  des  oben  erwähnten  Gesetzes,  aus 
mannigfachen  sanitäts-  und  veterinärpolizeilichen  Gründen  zu  ver- 
nichten. 

Der  Kauselibrand  kommt  gewöhnlich  nur  bei  jüngeren  Rindern 
vor  und  charakterisiert  sich  durch  das  Auftreten  von  ödematösen,  gas- 
haltigen, knisternden  Anschwellungen  bei  hohem  Fieber.  Dieselben 
treten  in  der  Subcutis  und  im  intermuskulären  Gewebe,  besonders  an 
Oberschenkel,  Schulter,  Unterbrust,  Kreuz  auf,  von  wo  aus  sie  sich 
schnell  ausdehnen. 

Ursache  der  Krankheit  sind  die  Rauschbrandbacillen,  gerade, 
3 — 6  (.1  lange  und  ca.  1  fi  breite  bewegliche  Stäbchen,  welche  nur  im 
Bindegewebe  und  den  Muskeln,  niemals  im  Blute  leben.  Bei  Sporen- 
bildung sitzen  die  Sporen,  welche  sehr  resistent  gegen  Hitze  sind,  end- 
ständig (Kitt«o). 

Befand.  Blutig-sulzige  Beschaffenheit  des  Bindegewebes  der  An- 
schwellungen, Nekrose  der  Haut  daselbst,  saftreiche,  mit  Gasblasen 
durchsetzte  Muskulatur  an  den  erkrankten  Stellen.  Das  vorhandene 
Gas  besitzt  einen  widerlich  faden  Geruch.  Hämorrhagien  unter 
den  Serösen  und  mitunter  hämorrhagische  Ergüsse  in  Brust-  und  Bauch- 
höhle, Degeneration  der  großen  Parenchyme,  keine  Blutverände- 
rung und  Fehlen  eines  erheblichen  Milztumors.  —  Für 
Verwechselungen  kommen  mechanische  Emphyseme,  Milzbrand  und 
malignes  Oedem  in  Betracht. 

Beurteilung.  Das  Fleisch  rauschbrandkranker  Tiere  ist  zwar 
nicht  gesundheitsschädlich  für  den  Menschen,  aber  doch  als  hoch- 
gradig verdorbenes  Nahrungsmittel  zu  vernichten. 

Die  Tollwut  kann  bei  Schlachttieren  mit  Sicherheit  nur  auf  Grund 
der  beobachteten  charakteristischen  klinischen  Symptome  festgestellt 
werden,  deren  Auseinandersetzung  hier  unterbleiben  muß.  Beurteilung. 
Obwohl  Erkrankungen  von  Menschen  durch  den  Genuß  des  Fleisches 
%vutkranker  Tiere  noch  nicht  beobachtet  wurden,  rechtfertigt  sich  dennoch 
dessen   unschädliche  Beseitigung    wegen    der    Gefahr   der  Wundinfektion 

96 


Fleischbeschau. 


507 


beim    Zerlegen 
Gründen. 


der    Kadaver    und     aus    anderen    veterinärpolizeilichen 


Die  Rotzkraiikhcit  wird  unter  den  Schlachttieren  nur  beim  Pferde- 
geschlecht beobaciitet  und  veranlaßt  durch  den  Bacillus  mallei. 
Die  Krankheit  charakterisiert  sich  durch  das  Auftreten  von  Granulations- 
knötchen,  durch  deren  Zerfall  auf  den  Schleimhituten  und  in  der  Haut 
Geschwüre  entstehen.  Vorwiegend  erkrankt  der  Respirationsapparat 
und  die  zugehörigen  Lymphdrüsen.  Die  Erkrankung  der  Haut  (Ilotz- 
geschwüre,  Lymphangitis  (VVurmstränge)  und  Phlegmone)  wird  als  Wurm 
bezeichnet.  — 

IJefund.  Für  die  Erkennung  der  Rotzkrankheit  ist  die  Untersuchung 
im  Leben  und  die  Beachtung  der  charakteristischen  Symptome  in  der 
Nase,  den  Kehlgangslymphdrüsen  und  an  der  Haut  von  größter  Be- 
deutung. Bei  der  Sektion  Knötchen,  Geschwüre  und  unregelmäßige 
strahlige  Narben  auf  der  Schleimhaut  des  Respirationsap])arates.  In 
der  Lunge,  welche  vorwiegend  erkrankt  ist,  Rotzneubildungen  als  kleine 
Rotzknötchen  oder  als  größere  Infiltrationen  (Rotzgewächse).  Infolge 
embolischer  Verschleppung  der  Bacillen  können  auch  Rotzknoten  in  Milz, 
Leber,  Nieren,  Hoden,  Gehirn,  Muskeln  und  Knochen  auftreten. 


Fig.  25.  Nasenscheidewand  vom  Pferd  mit  Rotzgeschwüren  und  einer  Rotznarbe. 
(Nach  0  s  t  erta  g.) 

Verweehseluiigeii  sind  mit  einer  ganzen  Anzahl  von  Krank- 
heiten geschehen.  In  Zweifelsfällen  hat  die  mikroskopische  Untersuchung 
an  Lymphdrüsen  etc.,  die  Bakterienkultur  auf  Kartotieln  und  das  Tier- 
experiment durch  Impfung  von  Meerschweinchen  zu  entscheiden.  — 

Beurtciluns:.  Wiewohl  bereits  vielfach  Fleisch  rotzkranker  Tiere 
von  Menschen  ohne  Schaden  für  ihre  Gesundheit  genossen  worden  ist, 
so  ist  dennoch  das  Verbot  jeglicher  Verwertung  der  Kadaver 
aus  den  bei  der  Tollwut  angeführten  Gründen  gerechtfertigt. 

80)  Kitt,   Centralbl. /.  BaH.    1     Bd.  684    (1887).    —    D.  Zeüschr.  f.    Türmed.   13.   Bd.  267. 


c)  Maul-  und  Klauenseuche. 

Diese  Krankheit,  auch  Ap  h  tlie  nseuch  e  genannt,  spielt  für  die 
Fleischbeschau  im  engeren  Sinne  eine  untergeordnete  Rolle.  Wohl 
aber  kann  hier  die  Fleischbeschau  der  Veterinärpolizei  schätzbare  Dienste 
leisten.  Die  Aphthenseuche  kommt  beim  Klauenvieh  vor,  woselbst  unter 
fieberhaftem  Allgemeinleiden  Bläschen,  Aphthen,  auttreten,  die  mit  einer 
klaren  Flüssigkeit  gefüllt  sind.    Diese  sitzen  bei  Rindern  am  Nasenspiegel, 

Handbuch  der  Hj^cdc      lid    IH.    Abtlg.  2.  33 

97 


508  EDELMANN, 

an  den  Lippen  und  allen  Teilen  der  Maulschleimhaut,  sowie  am  Saume 
und  im  Spalte  der  Klauen.  Seiteuer  sind  Aphthen  am  Euter,  dem  Grunde 
der  Höruer  und  den  äußeren  Genitalien.  Beim  Schweine  treten  die  Blasen 
in  erster  Linie  an  den  Klauen,  daneben  al)er  auch  auf  der  Rüsselscheibe 
auf.  Schafe  erkranken  vorwiegend  am  Saumband  der  Klauen.  Beim 
Platzen  hinterlassen  die  Aphthen  gerötete  Erosionen,  welche  sich  leicht 
mit  Epithel  bedecken.  —  Die  Aetiologie  der  Seuche  ist  noch  dunkel, 
der  jedenfalls  belebte  Infektionserreger  noch  nicht  sicher  bekannt. 

Beurteilung.  Die  Aphthenseuche  kommt  auch  beim  Menschen  vor, 
auf  den  sie  meist  durch  die  Milch  aphthenkranker  Kühe  übertragen  wird. 
Alle  Teile,  welche  Bläschen  oder  deren  Folgezustände  erkennen  lassen, 
können,  soweit  sie  nicht  als  wertlos  vernichtet  werden  (Klauen),  nach 
Abbrühen  mit  heißem  Wasser  in  den  Verkehr  (Freibank)  gebracht  werden. 
Das  Fleisch  ist  in  der  Regel  freizugeben ;  nur  bei  septischen  oder  pyämi- 
schen  Nachkrankheiten  der  Seuche  ist  eine  entsprechende  vorsichtige 
Beurteilung  unter  Erwägung  aller  Verhältnisse  am  Platze. 

In  3Iitt6llrankcn  wird  das  Fleisch  an  Aphthenseuche  erkrankter  Tiere  (die  Nach- 
krankheiten ausgenommen)  für  ungenießbar  erklärt,  ebenso  in  SacllsCll-Meinillgen  und 
Anhalt;  irj  Hessen  gilt  es  als  genießbar,  aber  nicht  ladenrein.  (S.  d.  entspr.  Bestimmungen 
S.  454  ff..  Würz  bürg  S.    188.) 

d)  Pocken. 

Pockenerkrankungen  kommen  gelegentlich  bei  Rind  und  Schaf, 
seltener  bei  Pferd  und  Schwein  vor.  Sie  alle  sind  auf  den  Menschen 
durch  absichtliche  oder  zufällige  Infektion  übertragbar  und  werden  jeden- 
falls durch  ein-  und  denselben,  noch  unbekannten  InfektionstofF  hervor- 
gerufen. 

Da  pockenkranke  Tiere  selten  zur  Schlachtbank  kommen  und  deshalb 
die  Krankheit  für  die  Fleischbeschau  so  gut  wie  bedeutungslos  ist,  so 
kann  hier  schnell  darüber  hinweggegangen  werden. 

Beurteilung.  Das  Fleisch  pockenkranker  Tiere  ist  in  der  Regel 
zum  freien  Verkehr  zuzulassen,  dafern  nicht  Symptome  eines  erheblichen 
Allgemeinleidens  vorliegen.  Letzterenfalls  würde  das  Fleisch  als  ver- 
dorben im  Sinne  des  N.-M.-G.  der  Freibank  zu  überweisen  oder  auch, 
höheren  Grades,  als  gesundheitsschädlich  zu  beurteilen  sein.  Das 
Letztere  hat  stets  zu  geschehen,  sobald  die  Pockenkrankheit,  wie  dies 
bei  Schafen  mitunter  der  Fall  ist,  einen  bösartigen  Verlauf  (Aas-  und 
Brandpocken;  nimmt. 

In  Mittelfranken  und  Württemberg'  erachtet  man  das  Fleisch  pockenkranker  Tiere 
für  ungenießbar;  ebenso  in  Aulialt  bei  Brand-  und  Aaspocken.  (S.  d.  Bestimmungen 
S.  454  fr..   Würz  bürg  .S.    188). 

e)  Tetanus. 

Der  durch  die  Tetanusbacillen  (Nicolaier-Rosenbach)  ver- 
anlaßte  Starrkrampf  tritt  am  häufigsten  beim  Pferd  im  Anschluß 
an  eine  Wundinfektion ,  nächstdem  bei  Kühen  infolge  Retentio  secun- 
dinarum  auf.  Erkrankte  Tiere  fallen  zumeist  der  Xotschlachtung  anheim, 
und  sichert  in  diesen  Fällen  das  klinische  Krankheitsbild  die  Diagnose. 

Sektionsbefund.  Obwohl  charakteristische,  pathologisch  -  anato- 
mische Veränderungen  fehlen,  sind  bei  den  in  vorgeschritteneren 
Stadien  der  Krankheit  geschlachteten  Tieren  für  die  Fleischbeschau  fol- 
gende Umstände  beachtenswert.    Blut   schvvarzrot,    schlecht    geronnen, 


Fleischbeschan.  509 

Farbstoff  leiclit  abgebend  ;  diiher  kiuineii  Imbibiiioneii,  Kkchyniosen  und 
Blutunterlautiingen  an  verschiedenen  Stellen  zugegen  sein ;  venöse 
Stauung.  Lungen  meist  hyperaniisch,  ödeniatös.  Das  Herz  zeigt  ejii- 
und  endocanliale  Hhitungen ,  hier  und  an  Leber  und  Nieren  jiaren- 
chymatöse  Degeneration.  Milz  blutreich,  schhilV.  Mu.^kulatur  schnell 
erstarrend,  nieist  normal;  nur  an  den  besonders  befallenen  Gruppen 
erscheint  das  Muskelgewebe  mißfarl)ig  graurot,  wie  gekocht,  mürbe,  von 
Blutungen  durchsetzt  und  inikr<»skopisch  ist  ein  Verlust  der  Quer- 
streifung und  sciioUiger  Zerfall  wahrzunehmen. 

Ueurteiluiiii-.  Line  Ueliertragung  der  Tetanusbacillen ,  die  sieb 
überhaupt  nicht  im  lUute  befinden,  durch  das  Fleisch  ist  nicht  zu  be- 
fürchten unil  würde  auch  nach  Sorniani^^  unbedenklich  sein.  Vor 
allem  kommt  bezüglich  des  Fleischgenusses  das  Krankheitsstadium  in 
Betracht.  In  sehr  zeitig  geschlachteten  Fällen,  solange  die  tetanischen 
Erscheinungen  auf  w'enige  Muskeln  beschränkt  sind  und  eine  Trübung 
des  Allgemeinbefindens  nicht  vorliegt,  wird  das  Fleisch  nicht  zu  bean- 
standen sein.  Bei  leichten  Fallen  von  Allgemeinerkrankung  kann  bei 
Rindern  vielleicht  eine  Ueberweisung  an  die  Freibank  verfügt  werden, 
während  in  schweren  Fällen  das  Fleisch,  als  hochgradig  verdorben,  un- 
bedingt zu  vernichten  ist.  Die  Forderung  Sosna's**^,  das  Fleisch 
aller  tetanischen  Tiere  zu  vernichten,  ist  zu  weitgehend.  Durch  Ein- 
wirkung von  t)5  "  können  die  giftigen  Stofi'wechseli)rodukte  der  Tetanus- 
bacillen zerstört  werden  (Ki  tasato  "^^j. 

81)  Somiani,    Bolletino  d     Societä    med.-chirurg.    di    Pavia    (1889)    Xo,   1,    ref.  Zeitschr.  f. 
Fleisch-  u.   Milchhyg.   1.   lid.  26. 

82)  Sosna,   Berl.  tierärztl.    Wochmschr.   (1893)   14. 

83)  Kitasato.  Zeitschr.  f.  Ilyg.   10.   Bd.  267  —  305. 

f)  Malignes  Oedem. 

Die  durch  die  charakteristischen  Oedembacillen  veranlaßte  Krankheit 
tritt  spontan  nur  bei  Pferden  auf,  woselbst  sie  schnell  auftretende  und 
vorwärts  schreitende  Oedeme  in  der  Subcutis  unter  heftigem,  fieberhaftem 
Allgemeinleiden  veranlaßt.  —  Der  anatomische  Befund  bietet,  abge- 
sehen von  den  Erscheinungen  der  Allgemeininfektion  und  den  Ver- 
änderungen an  den  ödematösen  Stellen,  nichts  Besonderes.  Bisweilen 
findet  eine  Verwechselung  der  Oedembacillen  mit  Milzbrandbacillen  statt. 
Doch  sind  letztere  unbeweglich,  erstere  beweglich. 

Beurteilung.  Wenn  auch  die  Oedembacillen  normaliter  im  Darm- 
inhalte des  Menschen  als  Saprophyten  vorkommen  und  daher  ihre  Ein- 
verleibung mit  dem  Fleische  jedenfalls  unschädlich  sein  würde,  so  wird 
dennoch  das  letztere  wegen  mannigfacher  objektiver  Veränderungen  meist 
als  hochgradig  verdorbenes  Nahrungsmittel  gänzlich  vom  Verkehr 
auszuschließen  sein. 

g)  Aktinomykose. 
Die  Strahlenpilzkrankheit  wird  hervorgerufen  durch  die  Ansiedelung 
des  Actinomyces  bovis  im  Körper  und  kommt  am  häufigsten  bei 
Rind  und  Schwein,  sehr  selten  bei  Pferd  und  Sciiaf  vor.  Der  Pilz  er- 
zeugt, je  nach  der  Tierart  und  der  Körpergegend,  Phosionen,  Geschwülste 
(Aktinomykome")  und  Abscesse. 

Hefuiid.  Beim  Rinde  findet  man  am  häufigsten  die  Zunge 
erkrankt  und  daselbst  Veränderungen  von  der  einfachen  aktinomykotischen 

33* 

99 


510  EDELMANN. 

Erosion  und  dem  lokalen  oder  disseminierten  Knötchen  bis  zur  ausge- 
dehnten aktinomykotischen  Intiltriition  der  Schleimhaut  und  der  Musku- 
latur der  Zunge  (Holzzunge).  Ausgangspunkt  der  Erkrankung  ist, 
wie  Heuschel  und  Falk*^'  richtig  betonen,  sehr  häulig  die  kleine 
Vertiefung  der  Schleimhaut  vor  dem  Kückenwulst  der  Zunge.  Nächst 
der    Zunge    liudet    mau    häutig    aktinomykotische    Auftreibuugeu    des 


Fig.   26.     Actinomyces  bovis  a  ca.  200  mal,  b  ca.  500  mal  vergröfscrt.  (Nach  Johne.) 

Unter-  und  Oberkiefers  (sogen.  Wurm).  In  Schlund,  Rachen 
und  den  Vormagen  kommen  gestielte  Aktinomykome  vor,  in  den 
Lungen  kleinste  Knötchen  bis  kopfgroße  Geschwülste  und  ausgedehnte 
Infiltrate.  Die  Geschwülste  bieten  im  großen  ganzen  myxomatöse  Schnitt- 
flächen mit  herdweiser  eitriger  Einschmelzung.  Auch  in  der  Haut  und 
der  Unterbaut  können  sich  an  verschiedenen  Stellen  des  Körpers 
Aktinomykome  entwickeln;  ebenso  im  Euter.  Endlich  sind  aktinomy- 
kotische Erkrankungen  in  Darm,  Milz,  Nieren,  Leber,  am  Bauchfell, 
Zwerchfell,  Brustbein,  Rippen,  wenn  auch  sehr  selten,  beobachtet  worden. 

Die  Aktinomykome  des  Rindes  sind  im  allgemeinen  fibröse,  sarko- 
raatöse  oder  auch  myxofibromatöse  Geschwülste,  auf  deren  Schnittflächen 
man  eingelagerte  Stecknadelkopf-  bis  erbsengroße,  schleimig  -  eitrige 
Herde  findet.  In  diesen  erkennt  man  schon  mit  bloßem  Auge  sand- 
korngroße, gell)e  Körnchen,  welche  sich  bei  mikroskopischer  Unter- 
suchung als  Aktinomycesrasen  erweisen. 

Beim  Schwein  sind  die  Tonsillen  am  häufigsten  Sitz  der 
Aktinomykose  fJohne^^).  Außerdem  finden  sich  nicht  selten  im  Euter 
und  in  der  Kehlgegend,  sowie  bei  den  Kastrationsnarben  der  Bauch- 
wand, kalte  A bscesse,  in  deren  Eiter  ebenfalls  die  Aktinomyces- 
rasen nachzuweisen  sind.  —  Beim  Schafe  hat  Grips ^^  einen  Fall 
von  Lungenaktiuo mykose  beobachtet. 

Eine  Generalisierung  der  Aktinomykose  kann  ebenfalls  statt- 
finden und  ist  von  Hertwig^'  und  Messner  ^^'^  bei  Rind  und 
Schwein,  von  Jensen^*  beim  Rinde  und  KnolP^  beim  Schwein  be- 
obachtet worden. 

100 


Fleischbeschau.  511 

Verweehseluiiireii  siud  mit  verschiedenen  Geschwülsten  und  mit 
Tuberkulose  möglich ,  jedoch  bei  aufmerksamer  Untersuchung  und 
mikroskopischer  Prüfung  zu  vermeiden.  Gegenüber  der  Tuber- 
kulose ist  besonders  a  u  f  d  i  e  fast  r  e  g  e 1 m  ä  ß  i  g  e I n  t  a  k  t  h  e  i  t 
der  korrespon  d  iere  ndeii  Lymphdrüsen  bei  uktino  myko- 
tisch e  n  Erkrankungen  hinzu  w  eisen. 

Beurteiluiii;.  Obgleich  die  Aktinoniykose  auch  beim  Menschen 
vorkommt,  so  ist  dennoch  eine  Uebertragung  durch  den  Fleischgenuü 
auszuschließen.  Nur  bei  Generalisierung  muß  das  ganze  Tier  dem  Ver- 
kehr entzogen  werden.  Hei  partiell  erkrankten  Organen  (Zunge,  Kopf)  sind 
die  aktinomykotisch  erkrankten  Stellen  sorgfältigst  zu  entfernen  und 
die  übrigen  Teile  freizugeben.  In  größerer  Ausdehnung  aftizierte  Teile 
sind  als  hochgradig  verdorben  zu  vernichten. 

h)  Botryomykose. 

Im  Anschluß  an  die  Aktinomykose  mag  hier  die    Botryomykose  Er- 
wähnung finden,  obwohl  sie  beim  Menschen  noch  nicht  beobachtet  wurde. 
Sie  besitzt  für  die  Fleischbeschau  eine  unter- 
geordnete Bedeutung,    da  sie  verhältnismäßig 

selten    und    fast     ausschließlich    beim    Pferde  ^-^  .\ 

vorkommt.    Hier  tritt  sie  auf  in  Gestalt  fibröser  <^^iJr^C  -) 

Knoten  und  Geschwülste,  welche  central  in  er-  ^.  ,      -  ,  -"^^  '•  .. 

weichten  gelbbräunlichen  Stellen  gelblichweiße,  .  ■'   .        T 

sandkorngroße  Körnchen  enthalten.      Letztere 
sind  pathognomisch  (John  e  ^")  und  bestehen 
aus  traubenförmigen  Konglomeraten  dicht  zu- 
sammenliegender   Mikrokokkenhaufen.      Diese  ''^^^^,'^^^^3 
sind  verschieden  benannt  worden :  Botryomyces  *"         ^^ 
(Bollinger),    Discomyces   er^ui   (Rivolta),              Fig.  27.  Botryomyceskolonie. 
Micrococcus    ascoformans    (Johne),    Micro-      (Nach  Rabe.) 
coccus  botryogenus  (Rabe^^). 

Betirteilung.  Eine  Generalisierung  botryomykotischer  Prozesse  wurde 
bisher  noch  nicht  beobachtet.  Die  erkrankten  Teile  sind  als  hoch- 
gradig verdorben  zu  vernichten. 

84)  Henschel  und  Falk,  Zeüschr.  /.  Fleisch-  u.   Müchhyg.  2.  Bd.  167. 

85)  Johne,   Ij.   ZeiUchr.  f.    Tiermed.  7.   Bd.   141.   —  Centralbl.  f.  d.  med.    U'iasensch.  (1882) 
Xr.   15. 

86)  Grips.  Hamburger  Mitteü.  f.    Tierärzte  2.   Dd.   1.   Heft. 

87)  Hertwig,   OtteHag't  Handb.   559. 

87a1  Messner.   Zeitachr.  f.  Fleisch-  u.   ililchhyg.  6.  Bd.  ^\. 

88)  Jensen.   Monatth.  f.  prakt.    Tierhetlk.  4.   lid.  4.   Heft. 

89)  KnoU,    herl.  tierärztl.    Wochentchr.  (1891)   213. 

90)  Johne,   1>.   ZeU$chr.  f.   Ttermed.    12.   Bd.   73  u.   204. 

91)  Habe,   D.  Zeitschr.  f.    Tiermed.   12.   Bd.   138. 

Anhang. 

a)  P  y  ä  m  i  s  c  h  e  E  r  k  r  a  n  k  u  n  g  e  n. 

Die  verschiedenen  Formen  der  Pyämie  charakterisieren  sich  patho- 
logisch-anatomisch durch  metastatische  oder  embolische  Entzündungen 
und  Eiterungen,  welche  sich  an  eine  lokale  Infektion  oder  Eiterung  an- 
schließen. Auch  eine  Osteomyelitispyämie  kann,  als  Ausdruck  der 
Generalisierung    der    Eitererreger,    auftreten.     Letztere    gehören    ver- 


512  EDELMANN, 

schiedencn  Bakterienarteu,  meist  den  Gattuugeu  Staphylococcus 
und  Streptococcus  au.  Wiihrend  des  Verlaufes  der  eigen tlicheu 
Pyaniie,  d.  h.  solange  die  Mikroorganismen  im  Blute  kreisen,  ist  das 
Allgemeiulietinden  der  Tiere  erheblich  getrübt,  Abmagerung  stellt  sich 
ein  und  nach  der  Schlachtung  machen  sich  leichte  Degenerationen 
der  Parenchyme,  Milztumor,  punktförmige  Blutungen  in  der  Niere  etc. 
bemerkbar.  Letztere  Erscheinungen  sprechen  dafür,  daß  von  denpyogenen 
Mikroorganismen  erzeugte  deletäre  Stotfe  im  Blute  vorhanden  sind.  . 

Erkennung.  Die  Pyämieformeu  der  Schlachttiere  treten  als  sehr 
verschiedene  Krankbeitsbilder  auf.  Am  häufigsten  kommt  die  pj^ämische 
Form  der  sogen.  Kälberlähme  vor,  welche  sich  infolge  eitriger  In- 
fektion des  Nabels  entwickelt.  Sie  macht  sich  bemerkbar  als  Polyarthritis 
pyaemica,  welche  besonders  die  Karpal-  und  Tarsalgelenke,  Ellenbogen- 
und  Kniegelenke  betrifft  (Utz^^^ 

Außerdem  findet  man  noch  bei  Schweinen,  wenn  auch  selten,  im 
Gefolge  der  Schweineseuche  pyämische  Abscesse  in  Leber,  Milz  und 
Muskulatur,  sowie  bei  Schafen  und  Kälbern,  im  Anschluß  an  eitrige 
Pneumonien,  multiple  Abscesse  in  zahlreichen  Eingeweiden  und  insbe- 
sondere auch  in  den  Muskellymphdrüsen. 

Beurteilung.  Da  die  Erreger  der  Eiterungen  bei  Tieren  jeden- 
falls identisch  mit  denen  beim  Menschen  sind,  und  dieselben  in  den 
Gewebssäften  sicher  chemische  GiftstoÖe  erzeugen,  so  muß  das  Fleisch 
pyämischer  Tiere,  während  die  Krankheit  als  solche  besteht, 
als  g  esun  d  hei  tsschädlich  angesehen  werden  (Dambacher^^). 
Mannigfache  Erkrankungen  sind  auch  bereits  bei  den  Menschen  durch 
den  Genuß  des  Fleisches  pyämischer  Tiere  beobachtet  worden  (siehe 
Fleischvergiftungen  S.  536).  Außerdem  wird  das  Fleisch  wegen  der 
mannigfachen  Abscesse,  besonders  wenn  dieselben  in  der  Muskulatur  oder 
deren  Lymphdrüsen  auftreten,  oder  sobald  dasselbe  infolge  Kachexie  oder 
VVässerigkeit  vom  normalen  erheblich  abweicht,  als  hochgradig  ver- 
dorbenes Nahrungsmittel  vom  Verkehr  auszuschließen  sein.  —  Nur  die 
abgeheilten  Formen  der  Pyämie  mit  abgekapselten  Ab- 
scesse n,  welche  sich  auf  die  Eingeweide  beschränken,  lassen  bei  sonst 
gut  genährten  Tieren  eine  mildere  Beurteilung  zu,  die  sich  nach  der 
Hochgradigkeit  der  Erkrankung  zu  richten  hat  (Freigabe  oder  Frei- 
banküberweisung). 

b)  Septikämische  Erkrankungen. 

Die  Septikämie  hat  für  die  Fleischbeschau,  besonders  auf  dem 
flachen  Lande,  die  allergrößte  Bedeutung.  Sie  spielt  eine  große  Rolle 
bei  Notschlachtungen  (S.  428)  und  erfordert  vom  Ijeurteilenrlen  Sach- 
verständigen größte  Gewissenhaftigkeit  und  gründlichste  Kenntnisse. 
Die  Septikämie  ist  ihrem  Wesen  nach  bei  den  Haustieren  noch  nicht 
genügend  erforscht.  Sie  ist  entweder  eine  schNvere  Vergiftung  des  Ge- 
samtorganismus, eine  septische  Intoxikation,  veranlaßt  durch 
die  Aufnahme  von  Produkten  bakteritischer  Zersetzungen  (Toxine,  Fer- 
mente, toxigene  Substanzen)  in  das  Blut,  oder  eine  septische  In- 
fektion des  Blutes  mit  pathogenen  Bakterien,  welche  sich  in  demselben 
vermehren  und  Toxalbumine  erzeugen,  oder  eine  Kombination 
von    Intoxikation    und    Infektion.     Als   Erzeuger   der   toxischen    Sub- 

102 


Fleischbeschau.  613 

Stanzen  dürften  pathogene  Staphylokokken  und  Streptokokken  eine 
Rolle  spielen.  An  den  Ansiedelun^'sorten  dieser  deletären  Or^'anismen 
fehlt  es  nicht  selten  an  auffallenden  krankhaften  Ver- 
änderungen. Auch  würde  es  einen  v  erhil  ngnis  volle  n  Irrtum 
bedeuten  (Oster tag),  Sepsis  nur  dann  anzunehmen,  wenn 
Nekrose  und  Fäulnis  (stinkender  Brand)  an  einem  Primär- 
herde zugegen  sind. 

Die  Erkenn  uns  der  Septikäniie  ist  am  geschlachteten  Tiere  oft 
recht  schwer  und  eine  sichere  Diagnose  läßt  sich  vielfach  nur  unter 
Würdigung  des  klinischen  Verlaufes  der  vorangegangenen  Erkrankung 
in  Verbindung  mit  einer  richtigen  Deutung  der  oft  wenig  auffallenden 
pathologisch- anatomischen  Veränderungen  stellen. 

Von  den  klinischen  Erscheinungen  ist  hervorzuheben 
starke  psychische  Depression,  große  Schwäche  und  hohes 
Fieber,  das,  wie  Ostertag  sehr  richtig  hervorhebt,  bei  Rindern  nur 
bei  septischen  Erkrankungen  und  den  typischen  Infektionskrankheiten 
beobachtet  winl.  Bei  der  Sektion  sind  in  erster  Linie  zu  beachten 
die  regelmäßigen  und  meist  auffälligen  trüben  Schwel- 
lungen der  Leber,  des  Herzeus  und  der  Nieren,  sowie  häufig  kleine 
Blutaustretungen  im  subserösen  Bindegewebe  und  das  schon  oben  er- 
wähnte Fehlen  stärkerer  Veränderungen  an  den  übrigen  Eingeweiden. 

Die  septikämischen  Erkrankungen  der  Schlachttiere  treten  nach 
Ostertag^*  hauptsächlich  in  folgenden  Formen  auf: 

1)  Die  septische  Form  der  Kälberlälime  (Polyarthritis  septica)  in- 
folge septischer  Nabelinfektion.  Abgesehen  von  den  Parenchj'merkran- 
kungen  ist  seröse  Arthritis  mit  sulziger  Infiltration  der  periartikulären 
Teile,  besonders  der  Tarsal-   nnd  Karpalgelenke,  vorhanden. 

2)  Die  hämorrhagische  Enteritis  der  Kälber.  Schneller  Verlauf, 
so  daß  es  gar  nicht  zu  Trübungen  der  Pareuchyme  kommt ;  Erscheinungen 
der  hämorrhagischen  Enteritis,  hämorrhagische  Schwellung  der  Mesenterial- 
drüsen,  Petechien  unter  den  serösen  Häuten. 

3i  Die  septische  Metritis  der  Kühe  kommt  ziemlich  oft  vor  im  An- 
schluß an  Retention  der  Eihäute  oder  Verletzungen  der  Geburtswege. 
In  letzteren  in  der  Regel  diphtheritische  Verschorfungen  und  Geschwüre. 

4)  Septische  Darmerkrankungen  der  Rinder.  Symptomatologie 
noch  lückenhaft.  Jede  mit  schwereren  Allgemeinleiden  einhergehende 
Darmentzündung  bei  Rindern  ist  verdächtig. 

5)  Septische  Euterentzündungen  der  Kühe.  Erhebliche,  sich  schnell 
ausbreitende  Entzündung  des  Euters  mit  sehr  schwerem  Allgemein- 
leiden.    Sektion  :  Euterbefund,  Parenchymveränderungen,  Blutungen. 

6;  Petechialfieber,  Blutfleckenkrankheit,  Morbus  maculosus,  beim 
Pferd  (sogen.  Pferdetyphus),  sehr  selten  beim  Rind  vorkommend.  Wesen 
und  Aetiologie  noch  nicht  sicher  bekannt.  Eine  Infektions-  oder  Intoxi- 
kationskrankheit, welche  sich  charakterisiert  durch  Blutungen  in  sämt- 
lichen Organen,  blutig-seröse  Ergüsse  in  Haut  und  Subkutis,  den  Schleim- 
häuten und  in  der  Muskulatur,  welche  zum  brandigen  Zerfall  neigen.  Die 
Blutungen ,  nebst  den  hochgradigen  Degenerationen  von  Herz ,  Leber, 
Nieren,  Skelettmuskulatur,  lassen  das  Petechialfieber  der  Septikämie  ver- 
wandt erscheinen,  wenn  auch  sein  Verlauf  vielfach  erheblich  von  dem 
anderer  Septikämieformen  abweicht. 

Beurteilung.  Auf  Grund  der  bei  den  zahlreich  vorgekommenen 
Fleischvergiftungen  gewonnenen  Erfahrung,  daß  das  Fleisch  mit  Sepsis 

103 


514  EDELMANN, 

behafteter  Schlachttiere  die  menschliche  Gesundheit  erheblich  zu  schä- 
digen geeignet  ist,  muß  jedes  Erscheinungen  der  Sepsis  zeigende  oder 
derselben  erheblich  verdächtige,  geschlachtete  Tier  vom  Genüsse 
ausgeschlossen  werden. 

c)  Multiple  Muskelblutungeu  bei  Schweinen. 

Mit  den  bei  septischen  Erkrankungen  auftretenden  Blutungen  dürfen 
nicht  verwechselt  werden  die  multiplen  Hämorrhagien,  welche 
nicht  selten  bei  Mastschweinen  vorkommen.  Hauptsächlich  findet 
man  sie  im  Zwerchfell,  sodann  in  Bauch-  und  Lendenmuskeln, 
seltener  vereinzelt  in  Extremitätenmuskeln  oder  über  die  gesamte  Mus- 
kulatur verteilt.  EUinger^^  hebt  hervor,  daß  er  die  Blutungen  be- 
sonders häufig  im  M.  obturator.  internus  gefunden  habe.  —  Die  Ent- 
stehung dieser  Muskelblutungen  ist  auf  Zerreißung  von  Muskelfibrilleu 
zurückzuführen  (0  s t  er  t a  g  ^  '^).  Als  Grund  hierfür  muß  die  hochgradige 
Fettiufiltration  des  contraktilen  Inhaltes  der  Muskelschläuche  bei  ge- 
mästeten Schweinen  angesehen  werden,  welche  die  Muskeln  zu  plötzlichen, 
stärkeren  Arbeitsleistungen  unfähig  macht.  Da  solche  häufig  den 
Schweinen  vor  ihrer  Schlachtung  (Transport  etc.)  zugemutet  werden,  so 
ist  es  erklärlich,  wenn  einzelne  Muskelfasern  den  Ansprüchen  nicht  ge- 
wachsen sind  und  zerreißen. 

Beiirteihing.  Gesundheitsschädlichkeit  des  Fleisches  liegt  zwar  nicht 
vor,  jedoch  erhält  die  Muskulatur,  infolge  multipler  Blutungen,  ein  er- 
heblich vom  Normalen  abweichendes  Aussehen.  Deshalb  sind  kleinere 
Partien  zu  entfernen.  Beim  Ergriifensein  zahlreicher  Muskeln  ist  das 
Fleisch  unter  Deklaration  zu  verkaufen. 

d)  Putride  Intoxikationen. 

Die  neuerdings  vom  Krankheitsbilde  der  Septikämie  abgetrennte 
putride  Intoxikation  oder  Saprämie(Ostertag)  ist  in  der  prakti- 
schen Fleischbeschau  verhältnismäßig  selten  zu  beobachten,  weil  septische 
Vorgänge  zumeist  mit  einhergehen.  Die  Saprämie  ist  eine  Blutvergiftung 
durch  Resorption  der  Stoffwechselprodukte  von  Sapro  phyten  (Fäulnis- 
bakterien). Dieselben  veranlassen  zwar  ein  Allgemeinleiden;  dasselbe  ist 
aber  nicht  erheblich,  weil  die  im  Blute  vorhandenen  Giftstoffe  jedenfalls 
durch  die  lebenden,  gesunden  Zellen  zerstört  werden.  Parenchymerkran- 
kungen  fehlen  bei  der  Sektion  saprämischer  Tiere  vollständig.  Zur 
Beobachtung  gelangen  rein  saprämische  Krankheitsbilder  mitunter  bei  der 
Pericarditis  traumatica  der  Rinder.  Das  Fleisch  dieser  Tiere 
wird  jedoch,  in  Anbetracht  der  Erheblichkeit  des  Leidens,  meist  der  Frei- 
bank zu  übergeben  sein.  Nicht  selten  ist  es  wäßrig,  oder  es  sind 
weitere  Organ erkrankungen  vorhanden,  weshalb  mitunter  die  Vernichtung 
des  als  hochgradig  verdorben  zu  betrachtenden  Fleisches  geboten  er- 
scheint. 

92)  TJtz,    Tierärztl.   MiUeü.  (1890)   161. 

93)  Dambacher,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.   Milchhyg.  3.  Bd.  5. 

94)  Ostertag,   Jlandb.  482. 

95)  Ellinger,  ßtrl.  tierärztl.    Wbchenschr.  (1895)   109. 

96j  Ostertag,  Arch,  /.  wissemch.  u.  praht.   Tierheilk.   15.  Bd.  4.  u.   5.  Heft. 


104 


Fleischbeschau.  515 

2.    Den    Schlacht  ti er en   eigentümliche   Infektion  skran  k- 
heiteu,  welche  nicht  auf  den  Menschen  übertragbar  sind. 

a)  Seuchenhafte  Schweinekrankheiteu. 

1)  Sch\Y  e  ine  rut  lauf. 

Der  Schweinerotlauf,  wegen  seiner  Aetiologie  auch  Stäbchen- 
rotlauf  genannt,  ist  eine,  besonders  bei  edlen  Schweinen  seuchenhaft 
auftretende,  akut  verlaufende  Krankheit,  hervorgerufen  durch  spezitische, 
von  Löffler  entdeckte  Bacillen.  Sie  verläuft  mit  den  Symptomen 
einer  Septikämie,  deren  pathologisch-anatomischen  Befund  sie  teilt  (s. 
die  Arbeiten  von  L  öf  fler '-•',  Seh  ü  tz  ***,  Lydtin  undSchotte- 
lius '-'"  u.  A.). 

Die  Schweinerotlauf bacillen  sind  etwa  0,8 — 1,5  fx.  lang,  0,1 — 0,2  (i 
breit  und  färben  sich  mit  basischen  Anilinfarben,  sowie  auch  nach  Gram. 
In  Xährgelatine  nehmen  Stichkulturen  bei  Zimmertemperatur  nach  3  bis 
4  Tagen  die  charakteristische  Gläserbürstenform  an  (Schottelius). 
Die  Bacillen  sind  zwar  gegen  atmosphärische  Einflüsse  nicht  besonders 
widerstandsfähig,  lassen  sich  aber  durch  die. üblichen  Zubereitungs-  und 
Konservierungsmethoden  des  Fleisches  nach  Petri's  ^"°  Untersuchungen 
nicht  töten.     Kochen  in  Dampfkochapparaten  vernichtet  die  Bacillen. 

Häufigkeit.  Nur  aus  Baden  liegen  statistische  Erhebungen  von 
den  Jahren  1875 — 84  vor,  nach  denen  1,8  Proz.  des  Schweinebestandes 
an  Rotlauf  erkrankten. 

Befund.  Dunkle  Hautröte,  die  sich  bis  in  den  Panniculus  adi- 
posus  erstreckt,  zuerst  an  den  abhängigen  Körperstellen  und  den  inneren 
Schenkelflächen,  dann  aber  auch  an  den  übrigen  Hautpartien.  Geringe 
Totenstarre  oder  Fehlen  derselben.  Darmentzündung  mit  besonderer 
AÖektion  der  LymphfoUikel,  sowie  Schwellung  und  Hämorrhagien  der 
Mesenterialdrüsen.  Milz  geschwollen  und  blauroth.  Blutungen  unter 
den  serösen  Häuten.  Starke  Degenerationen  von  Leber,  Herz,  Nieren 
und  Muskeln.  —  Bei  geschlachteten  Tieren  fallen  natürlich  diese  Er- 
scheinungen weniger  auf  als  bei  verendeten. 

Erkennung  aus  dem  charakteristischen  anatomischen  Befunde  in 
Verbindung  mit  dem  Bacillennachweise  und  der  Anlegung  einer  Stich- 
kultur. 

Für  Verwechselungen  kommen  in  Betracht  mechanische  und 
thermische  Ery theme,  Urticaria,  das  seltene  Kopferysipel 
und  die  Seh  wein  eseu  che.  Durch  Vergleichung  der  einzelnen 
Symptome  läßt  sich  die  richtige  Diagnose  unschwer  stellen. 

Bezüglich  der  Urticaria,  dem  sog.  Nesselfieber  der  Schweine,  scheint 
durch  neuere  Untersuchungen  von  Lorenz*  <>i,  Jenseni'^^^  Lüpke*"^ 
u.  A.  ein  ätiologischer  Zusammenhang  mit  dem  Schweinerotlauf  erbracht 
zu  sein.  Die  Krankheit  besteht  in  einem  unter  leichtem  Allgemeinleidea 
auftretenden  hämorrhagischen  Quaddelausschlag  über  dem  ganzen  Körper. 
Derselbe  zeigt  sich  nach  der  Schlachtung  meist  als  rote,  rhombische 
Flecke,  die  sich  bis  in  die  Subcutis  erstrecken. 

2)  S  c  h  w  e  i  n  e  s  e  u  c  h  e  und  Schweinepest. 

Während  bis  vor  kurzem  Schweineseuche  und  Schweinepest  für  zwei 
verschiedene  Krankheiten    angesehen   wurden,    kommt   man  jetzt,   auf 


516  EDELMANN, 

(irimd  neuerer  Untersuchungen,  mehr  und  mehr  dazu,  dieselben 
als  identisch  und  nur  als  verschiedene  Zustände  ein  und  derselben 
Krankheit  aufzufassen.  (Zs  ch  ok  ke^^'S  Prus^^ia^  Schin  dclkai"^"). 
Obschon  die  Symptome  beider  Krankheiten  von  einander  abweichen, 
scheinen  sie  dennoch  ätiologisch  gleich  zu  sein  Bei  beiden  Krankheiten 
findet  man  ovoide  Bakterien  (Coccobakterien)  von  1,2—1,5  ii  Länge 
und  0,5  u  Breite,  welche  morphologisch  übereinstimmen  und  nur  in 
ihren  biologischen  Verhältnissen  kleine  Verschiedenheiten  aufweisen. 

Allen  Krankheitsformen  gemeinsam  sind  die  Erscheinungen  eines 
schweren  oder  leichteren  fieberhaften  Allgenieinleidens,  das  sich,  be- 
sonders bei  den  im  akuten  Stadium  geschlachteten  Tieren,  in  den  be- 
kannten trüben  Schwellungen  der  Parenchyme,  mangelhafter  Totenstarre, 
nach  Befinden  Blutungea  in  den  Nieren,  Milztumor  u.  s.  w.  äußert. 

Befund.  Die  Seh  weineseu  che,  auch  deutsche  Schweine- 
seuche genannt,  im  Gegensatz  zur  amerikanischen  Schweine- 
seuche,  die  man  als  Schweinepest  abtrennte,  wurde  zuerst  von  S  c  h  ü  t  z  ^  '^  ■' 
und  Löffle  r  anatomisch  und  bakteriologisch  untersucht.  Man  unter- 
schied eine  ex  an  thematische,  pektorale  und  intestinale 
Form,  welche  nicht  selten  miteinander  vereinigt  vorkommen. 

Die  exan  thematische  Form  kommt  wesentlich  beiden  perakut 
und  akut,  unter  dem  Bilde  einer  eigentlichen  Septikämie,  verlaufenden 
Fallen  vor  und  zeichnet  sich  aus  durch  rote  bis  livide  Färbung  der 
Haut  an  den  abhängigen  Körperstellen  mit  Oedem  des  Fettgewebes. 

Bei  der  pektoralen  Form  findet  man  eine  Pleuropneumonie  mit 
multipler  Nekrose.  Pericarditis  und  Pleuritis  können  mit  einhergehen. 
Schwellung  der  Bronchialdrüsen,  seltener  Verkäsung. 

Die  sogen.  Intestinale  Form  nähert  sich  dem  Krankheitsbilde, 
das  man  bisher  als  Schweinepest  (amerikanische  Schweineseuche, 
hog-cholera,  pig-fever,  swine-plague)  abtrennte.  Hier  findet  man  im 
Darmkanale,  besonders  im  Dickdarm,  umfangreiche  Geschwüre,  welche 
oft  knopfartig  hervorragen ,  mit  kroupös  -  diphtheritischem  Belag,  oder 
umfangreiche  Nekrosen  und  Verkäsungen.  Mesenterialdrüsen  geschwollen, 
induriert,  bisweilen  verkäst.  Nicht  selten  beobachtet  man  hämorrhagisch- 
nekrotische  Stellen  und  Verschorfungen  am  Kopf,  an  der  Zungen-, 
Backen-,  Gaumen-,  Kehldeckelschleimhaut,  am  Zahnfleisch  und  den 
Tonsillen.  Häufig  kommt  bei  den  mehr  chronisch  verlaufenden  Formen 
auch  Hautnekrose  vor.  Gerade  die  letztgenannten  diphtheritisch-nekro- 
tischen  Prozesse  an  verschiedenen  Körperteilen  dürften,  in  Verbindung 
mit  geringen  biologischen  Verschiedenheiten  der  gefundenen  Krankheits- 
erreger, zur  Aufstellung  des  besonderen  Krankheitsbildes  der  Schweine- 
pest geführt  haben  (vgl.  die  Arbeiten  von  Schütz^"^,  Selander^^', 
Salmon'^S  Frosch'osa^  Bang^^s,  Deupser^io,  Graf- 
fun der  ^'^  u.  A.j. 

Auf  die  Residuen  dieser  Seuchen  wird  von  Ostertag  mit  Recht 
besonders  hingewiesen.  Bei  der  pektoralen  Form  findet  man  Sequester 
in  den  Lungen  und  pleuritische  Verwachsungen;  bei  der  sog.  intesti- 
nalen Form  Verkäsungen  der  Darrawand  und  Indurationen  der  Me- 
senterialdrüsen. 

Für  Verwechselungen  kommt  am  meisten  die  Tuberkulose  in 
Betracht,  sodann  aber  auch  der  S  ch  weine  rotlau  f.  Bezüglich  der 
ersteren  sei  besonders  darauf  hingewiesen ,  daß  eine  Erkrankung  der 
Lymphdrüsen  bei  diesen  Seuchen  zu  den  Seltenheiten  gehört,  während 
sie  bei  Tuberkulose  die  Regel  bildet  und  daß,  sobald  bei  den  Schweine- 

ic6 


Fleischbeschau.  517 

seiicheformen  eine  Verkäsung  einer  Drüse  vorkommt,  dieselbe  zumeist 
total  ist  und  keine  herdweise,  wie  bei  der  Tul)erkulose. 

Beurteilung.  Wenn  auch  das  Gesamtbild  der  vorbesprochenen 
drei  seuchenhaften  Schweinekrankheiten  dem  der  Septikänne  sehr  ähn- 
lich ist,  so  sind  dennoch  sicher  die  durch  die  si)ezitischen  Mikroorganismen 
erzeugten  Toxine  anderer  Art,  als  bei  der  eigentlichen  Sepsis.  Bei 
keiner  der  drei  aufgeführten  Scliweineseuchen  ist  bisher  eine  Schädigung 
der  menschlichen  Gesundheit  durch  den  Genuß  des  Fleisches  daran 
leidender  Tiere  beobachtet  worden.  Für  die  Verwertung  des  Fleisches 
kommt  in  Betracht,  in  welchem  Stadium  der  Krankheit  die  Tiere  ge- 
schlachtet werden.  Bei  abgelaufenen  Erkrankungen  kann  nach  Be- 
finden eine  Freigabe  des  Fleisches  erfolgen,  dafern  sich  eine  solche 
nicht  aus  veterinärpolizeilichen  Gründen  verbietet.  Erfolgt  die  Schlach- 
tung im  Anfange  des  akuten  Stadiums,  so  wird  eine  Uei)erweisung  des 
Fleisches  an  die  Freibank  notwendig  sein,  während  in  späteren  Stadien 
das  Fleisch  als  hochgradig  verdorbenes  Nahrungsmittel  zu  vernichten, 
oder  nur  technisch  zu  verwerten  ist. 

Neuerdings  ist  für  die  vorgenannten  drei  Seuchen  der  Schweine  in 
den  meisten  Staaten  Deutsclilands  die  Anzeigepflicht  eingeführt  und 
vielfach  aus  prophylaktischen  Gründen  vorgeschrieben  worden,  dafs  eine  Ab- 
gabe des  Fleisches  von  mit  diesen  Seuchen  behafteten  Tieren  nur  nach  vor- 
heriger Pökelung  oder  Kochung  erfolgen  darf, 

Preufsen,  Mioisterialerlafs  vom  9.  Juli  1894.  —  Sachsen,  Verordnung  des 
Ministeriums  des  Innern  vom   10.  Mai   1895. 

97)  Löfifler,   Arbeiten  aus  dem  haiserl.   Gesundheitsamt   1.   Bd.  46. 

98)  Schütz,  Arch.  f.    Tierheük.  (1885)   272.   361,  (1886)  30.  —  Arh.  a.  d.  Kaiserl.  Gesund- 
heitsamt (1885)  57. 

99)  Lydtin  und  Schottelins,  Der  Rollauf  der  Schn-eine,  seine  Entstehung  und  Verhütung  etc. 
Wiesbade/i   1885. 

100)  Petri.    Arb.  a    d.  Kaiserl.  Gesundheitsamt  6.   ßd.  2.   Heft. 

101)  Lorenz.   Arch.  f.    Tierheilk.   18.   Bd.   39.  —  Bad    tierärztl.   Mitted.  27.  Bd.  No.  3. 
102^  Jensen.  D.  Zeitschr.  f.    IHermed.   18.  Bd.   278,   19.   Bd.  40. 

103)  Lüpke.   Ostertag's  Handb.   586. 

104)  Zschokke,  Schveiz.   Arch.  f.    Tierheük.   37.   Bd.   170  u.   283. 

104a)  Pru8,   Oesterr.  Zeitschr.  f.  icissenschaftl.    Veterinärk.   7.  Bd..  3.   Heft. 
1046)   Schindelka,   Tierärztl.  CetUralbl.  (1896)  Heft  1—4. 

105)  Schütz,    Arb.  a.  d.   Kaistrl.   Gesundheitsamt  (1886)  376. 

106)  Schütz,   Arch.  f.   Tierheilk    (1888)  376. 

107)  Seiander,   Centralbl.  f.  Bakt    3.  Bd    No    12. 

108)  Salmon,  Hog-Cholera,    Washington   1889 
108a)  Frosch,   Centralbl.  f.  Bakt.  Bd    9. 

109)  Bang,   Maanedskriit  for  Dyrlaeger  4     Bd.   194. 
110,  Deupser.   Berl.  tierärztl.    Wochenschr.  (1894)  100. 
111)  Graffunder,   Berl.  tierärztl.    Wochenschr.  (1894)  39. 

b)  Lungenseuche  des  Rindes. 

Für  die  Fleischbeschau  .spielt  diese  Seuche  nur  eine  untergeordnete 
Rolle,  da  sie  nur  selten  zum  Einschreiten  aus  sanitären  Gründen  Ver- 
anlassung giebt.  Die  Lungenseuche  ist  eine  chronisch  verlaufende,  infek- 
tiöse Erkrankung  des  Respirationsapparates  der  Rinder,  deren  Erreger 
noch  der  weiteren  Erforschung  bedürfen. 

Befund.  Charakteristisch  ist  die  in  der  Regel  einseitig  auftretende 
Pleuropneumonie,  welche  sich  durch  auffallend  starke  Beteiligung  (Hyper- 
ämie, Oedem  etc.)  des  interlobulären  Lungengewebes,  sowie  durch  das 
Auftreten     verschiedenaltriger    Hepatisationsstadien     nebeneinander     aus- 

107 


518  EDELMANN, 

zeichnet   (marmorierte    Schnittfläche    der   Lunge).     Pleuritis   serofibrinosa. 
Sequestevbililung  kann  vorkommen. 

Beurteilung.  Das  Fleisch  von  lungenseuchekranken  Tieren  ist  in 
der  Regel  bankwiirdig.  Erfolgt  die  Schlachtung  während  des  akuten, 
tieberhaften  Zustandes,  so  ist  das  Fleisch  dem  Deklarationszwange  zu 
unterwerfen.  Haben  sich  sekundäre  krankhafte  Veränderungen  (Ab- 
magerung, Oedeme,  Wässrigkeit  des  Fleisches)  entwickelt,  so  ist  eine 
Vernichtung  des  Tieres  angezeigt. 

Nach  dem  Reichsviehseuchengesetz  sind  die  Lungen  1  m  tief  zu  vergraben.  Das 
Fleisch  darf  vor  völligem  Erkalten   nicht  aus  dem  Gehöft  ausgeführt  werden. 

c)  Rinderpest. 

Nur  der  Vollständigkeit  wegen  mag  diese  höchst  infektiöse  Seuche  Erwähnung  finden, 
die  seit  Jahren  in  Deutschland  nicht  aufgetreten  ist.  Ihre  Aetiologie  ist  noch  nicht  auf- 
geklärt, die  Beschreibung  des  anatomischen  Befundes  kann  hier  unterbleiben.  Zu  Ver- 
wechselungen mit  Rinderpest  haben  Veranlassung  gegeben  Vergiftungen  und  das  bös- 
artige  Katarrhallieber. 

Obgleich  das  Fleisch  pestkranker  Rinder  dem  Menschen  nicht  schädlich  ist,  so  ist 
dennoch  aus  veterinärpolizeilichen  Gründen  die  gesetzliche  Vorschrift,  daß  die  Kadaver 
der  wegen  Rinderpest  getöteten  bez,  an  dieser  Krankheit  gefallenen  Tiere  zu  verscharren 
sind,  vollständig  gerechtfei  tigt. 

d)  Bösartiges  Katarrhalfleber  des  Rindes. 

Das  bösartige  Katarrhalfleber  (Kopfkraiikheit)  der  Rinder  ist  eine 
ätiologisch  noch  nicht  aufgeklärte,  sicher  infektiöse  Krankheit,  welche 
sich  durch  hochgradige  katarrhalische,  kroupöse  oder  brandige  Ent- 
zündungszustände  der  Schleimhäute  der  Nase  mit  ihren  Nebenhöhlen, 
Augenentzündung  unter  hochgradigem  Allgemeinleiden  und  nervösen 
Zufällen  auszeichnet.  Sekundäre  verschiedengradige  Entzündungen  des 
Verdauungs-  und  selbst  des  Urogenitalapparates  können  eintreten.  Das 
Katarrhalfleber  kommt  meist  sporadisch,  jedoch  auch  endemisch  vor. 

Der  Sektionsbefimd  entspricht  den  erwähnten  klinischen  Er- 
scheinungen. Besonders  hervorzuheben  ist  die  Aöektion  der  Augen  und 
das  Fehlen  von  Degenerationen  der  Parenchyme,  beides  wegen  der 
differentiell-diagnostischen  Bedeutung  gegenüber  der  Rinderpest. 

Beurteilung.  Gesundheitsschädigungen  durch  den  Fleischgenuß 
sind  bis  jetzt  nicht  beobachtet  worden.  Bei  Beschränkung  der  Krank- 
heit auf  die  Respirationswege  kann  das  Fleisch  unter  Deklaration  ver- 
kauft werden.  In  vorgeschritteneren  Krankheitsstadien  dürfte,  zugleich 
wegen  der  schnell  eintretenden  Abmagerung,  das  Fleisch  als  hochgradig 
verdorbenes  Nahrungsmittel  zu  beurteilen  sein. 

e)  Wild-  und  Rinderseuche. 

Bei  Hoch-  und  Schwarzwild,  sowie  bei  Rindern  und  Schweinen,  tritt 
meist  endemisch,  eine  Seuche  auf,  welche  zuerst  von  Bollinger^^^  ^Is 
besondere  Krankheit  erkannt  wurde,  und  nach  den  Untersuchungen  von 
Kitt  ^'  2a  durch  die  Bakterien  der  Septikämia  hämorrhagica  (Hüppe  ii2b^ 
(Schweineseuche-  (?)  Geflügelcholerabakterien)  veranlaßt  wird.  Die  Krank- 
heit tritt  in  zwei  bis  drei  Formen  auf,  deren  anatomischer  Befund  dem 
klinischen  Verlauf  entspricht. 

Eefund.  Die  exanthematische  Form  ist  die  gewöhnlichste  beim 
Rinde    und    verläuft   innerhalb    3  Tagen  unter  schwerem  Allgemeinleiden 

io8 


Fleischbeschau.  510 

* 

tödlich.  Man  tiiidot  erhebliche  ödematöse  Anschwellungen  des  Binde- 
gewebes an  Gesicht,  Kehlgang,  Zunge,  Hals,  Triel ;  Hämorrhagien  in  den 
verschiedensten  Organen,  parenchymatöse  Degenerationen.  Die  pektorale 
Form,  welche  mehr  beim  Wilde  auftritt  und  in  5 — 6  Tagen  zum  Tode 
führt,  charakterisiert  sich  als  eine  kroupöse  Pneumonie  mit  Pleuritis. 

Beide  Formen  sind  in  der  Regel  begleitet  von  einer  hämorrha- 
gischen  Enteritis. 

Verwechselungen  sind  am  ehesten  mit  Milzbrand  und  Lungen - 
Seuche  möglich.  Das  Fehlen  von  Milztumor  und  Anthraxhacillen  in 
dem  nicht  theerartigen  Blute  schützt  vor  Verwechselung  mit  Anthrax; 
die  Gleichaltrigkeit  des  pneumonischen  Prozesses  vor  einer  solchen  mit 
Lungcn.^ouche. 

Beurteilung.  Eine  direkte  Gesundheitsschädlichkeit  des  Fleisches 
ist  noch  nicht  beobachtet  worden.  Da  bei  dem  schnellen  Verlauf  der 
Krankheit  das  Fleisch  in  der  Regel  die  Eigenschaften  eines  hochgradig 
verdorbenen  Nahrungsmittels  annimmt,  so  ist  dasselbe  vom  Genüsse  aus- 
zuschließen.   Dies  rechtfertigt  sich  auch  aus  veterinärpolizeilichen  Gründen. 

f)  Diphtherie  der  Kälber. 

Bei  Saugkälbern  kommt  mitunter  eine  kroupös-diphtheritische  Entzün- 
dung der  Maul-  und  Rachenschleimhaut  vor,  welche  unter  Allgemeinleiden 
meist  innerhalb  4 — 5  Tagen  tödlich  verläuft.  Die  Krankheit  ist  zuerst 
von  Dam  mann  beschrieben  worden.  Sie  hat  nach  den  Untersuchungen 
Löffler's  zu  der  Diphtheritis  des  Menschen  keine  ätiologischen  Be- 
ziehungen. 

Beurteilung.  Erlahrungen  über  etwaige  nachteilige  Eigenschaften 
des  Fleisches  liegen  nicht  vor.  Wenn  die  Tiere  auf  der  Höhe  der  Krank- 
heit zur  Schlachtung  gelangen,  dürfte,  schon  wegen  des  Allgemeinleidens, 
das  Fleisch  als  ungeeignet  zur  menschlichen  Nahrung  zu  begutachten  sein. 

g)  Ruhr  der  Kälber. 

Die  enzootisch  auftretende  sogen,  weiße  Ruhr  der  Kälber  führt  nicht 
selten  zu  Notschlachtungen.  Nach  Jensen  ^^^  wird  die  Krankheit 
hervorgerufen  durch  einen,  vielleicht  mit  dem  Bacterium  coli  commune 
identischen  Erreger. 

Befund.  Abmagerung ,  Enteritis ,  Petechien  unter  den  Serösen, 
schmutzigrote  Verfärbung  der  Skelettmuskulatur. 

Beurteilung.  Wenn  die  Kälber  frühzeitig  geschlachtet  werden,  ist 
in  der  Regol  eine  Ueberweisung  des  Fleisches  an  die  Freibank  noch 
angängig.  In  späteren  Krankheitsstadien  erlangt  das  Fleisch  die  Eigen- 
schaften eines  gesundheitsschädlichen  Nahrungsmittels. 

h)  Muskolstrahlenpilze. 

Im  Schweinefleisch  wurden  von  Duncker'''  Gei)ilde  gefunden, 
welche  nach  ihrem  Bau  dem  Strahlen])ilz  des  Rindes  ähnlich  waren. 
Dieselben  sind  zwar  nicht  identisch  mit  dem  Actinomyces  bovis,  jedoch 
zweifellos  pilzlicher  Natur  (Jolme '  * '')  und  verdienen  auch  wegen 
ihres  Aussehens  die  Bezeichnung  Strahlenpilze.  AuLkt  beim  Schwein 
sind  die  Pilze  von  Ilertwig''"  beim  Schafe  und  von  Falk*^*  beim 
Kalbe  gefunden  worden. 

109 


520 


EDELMANN, 


Befund.  Innerhalb  normaler  Muskelfasern  zeigen  sich  bei  schwacher 
Vergrößerung  einzelne  schnuitzigbraune  Stellen,  in  welchen  scharf  um- 
schriebene (hnikle,  in  der  Mitte  hellere  Körper 
mit  wulstigem  Rande  liegen.  An  letzterem 
macht  sich  bei  starker  Vergrößerung  eine  deut- 
lich radiäre  Streifung  bemerkbar.  Nach  Her t- 
wig^'**  sitzen  die  Pilze  vorwiegend  in  den 
Zwerchfellpfeileri),  Bauchmuskeln  uudZwischen- 
rippenmuskehi.  Bei  massenhaftem  Vorkommen 
ist  in  der  Regel  das  Fleisch  wässrig  und  ver- 
färbt. Im  allgemeinen  werden  die  Pilze  selten 
gefunden.  Verkalkung  der  Rasen  dürfte  eben- 
falls möglich  sein  (s.  S.  495). 

Beurteilung.  Bei  starker  Invasion  mit 
ihren  Begleiterscheinungen  ist  das  Fleisch  als 
hochgradig  verdorben  vom  Genüsse  auszu- 
schließen ;  das  Fett  kann  ausgeschmolzen  und 
verzehrt  werden.  Sind  nur  einige  Muskeln  er- 
gritien,  so  sind  ausschließlich  diese  zu  ent- 
fernen. 


Fig.  28.  Sogenannter 
Muskelstrahlenpilz,  240-fach 
vergr.     (Nach  Ostertag.) 


Im  Königreich  Sachsen  ist  nach  der  Verordnung 
vom  17.  Dezbr.  1892  Fleisch,  welches  Strahlenpilze  in  so 
großer  Zahl  enthält,  daß  solches  seiner  Beschaffenheit  nach 
sich  auffällig  von  gesundem  Fleische  unterscheidet,  zu  ver- 
nichten und  das  ausgeschmolzene  Fett  solcher  Tiere  unter 
Angabe  des  Fehlers  zu  verkaufen. 


112)  BoUinger,  Eine  neue  Wild-  und  Rinderseuche,  welche  im  Sommer  1878  in  der  Umgebung 
von  München  beobachtet  vmrde,  München  1878. 

112a)  Kitt,  Revue  f.  Tierheilk.  (1885)  HO.  —  Jahresber.  d.  Münch.  Tierarzneischule  (lS8b/8G). 
1126)  Hueppe,   Berl.  Hin.    Wochenschr.  (1886)  No.  44.  45.  46. 

113)  Jensen,  Maanedskrift  for  Lyrlaeger  4.  Bd.   140. 

114)  Dnncker,   Zeitschr.  f.   Mikroskop,  u.   Fleischschau  (1884)  39. 

115)  Johne,   D.   Zeüschr.  J.    Tiermed.  (1887)    140. 

116)  Hartwig,  Zeitschr.  J.  Fleisch-  u.  Milchhyg.   2.  Bd.  171. 

117)  Falk,   Zeitschr.  f.   Fleisch-  u.   Milchhyg.  3.   Bd.   128. 

118)  Hertwig,  Arch.  f.  vrissensch.  u.  prakt.   Tierheilk.  (1886)  365. 

C.  Bluterkrankungen  und  konstitutionelle  Erkrankungen. 

1.  Anämie. 

Bei  den  Schlachttieren  kommen  anämische  Zustände,  entweder 
symptomatisch,  als  Ausdruck  verschiedener  Störungen  in  den 
vegetativen  Funktionen  des  Organismus  vor,  oder  sie  treten  auf  als 
sogen,  perniciöse  Anämien.  Die  ersteren  haben  für  die  Fleisch- 
beschau nur  in  vorgeschritteneren  Stadien  Bedeutung,  die  letzteren 
sind  wegen  des  einhergehenden  fieberhaften  Allgemeinleidens  und  der 
dunklen  Aetiologie  stets  suspekt. 

Befund.  Die  höhergradigen  symptomatischen  Anämien  sind 
stets  von  Abmagerung  begleitet  und  liieten ,  abgesehen  von  dem 
schwachen  Deckvermögen  des  Blutes  und  etwaigen  chronischen  Lokal- 
erkrankungen (Eingeweidewürmer,  chronische  Darm-  und  Lungen- 
leiden etc.)  keinen  besonderen  pathologischen  Befund.  Bei  der  selten 
vorkommenden    perniciösen    Anämie    fallen    eine  Degeneration   der 


I 


Fleischbeschau.  521 

Parenchyiue  und  an  der  Skeletmuskulatur  Erscheinungen  auf,  welche 
in  Verbindung'  mit  Petechien  unter  den  Serösen  auf  toxische  Ein- 
wirkunj,'tMi  hinweisen. 

Beurteilunu:.  Bei  der  symptomatischen  Anämie  hängt  die 
Beurteilung  des  Fleisches  von  dem  eventuell  nachweisbaren  (jrund- 
ieiden  ab.  In  der  Regel  ist  das  Fleisch  bankwürdig  und  nur  in  sehr 
hochgradigen  Fällen  als  verdorbenes  Nahrungsmittel  i.  S.  d.  X.-G.  unter 
Deklaration  zu  verkaufen.  —  Die  perniciöse  Anämie  macht  das 
Fleisch  stets  zu  einem  für  den  menschlichen  Genuß  ungeeigneten 
Nahrungsmittel. 

2.  Hydrämie  und  Wassersucht. 

Wassersüchtige  Zustände  treten  unter  den  Schlachttiereu  besonders 
bei  Schafen  und  Jungrindern  auf  infolge  mechanischer  Störungen  im 
Blutlauf  (Herzfehler,  chronische  Leberleiden  etc),  als  entzündliche 
Hydropsien,  sowie  als  eigentliche  Hydrämie,  als  Blut  wässerigkeit. 
Die  erstgenannten  beiden  Formen  bedürfen  keiner  Erörterung;  die 
eigentliche  Hydrämie  ist  in  der  Regel  Folgezustaud  einer  schweren 
Anämie  und  führt  nicht  selten  zur  hydrä  mischen  Kachexie. 

Befund.  Dünnflüssiges,  helles,  wenig  deckendes  und  schlecht 
geriunemles  Blut,  Abmagerung,  Ascites,  Hydrothorax,  Hydropericardium 
oder  Anasarka  mit  VVässerigkeit  der  Muskulatur  und  blasser  Färbung 
der  letzteren  ( F  a  1  k  ^  ^  ^). 

Beurteilulis.  Wegen  seiner  substantiellen  Veränderungen  ist  das 
Fleisch  meist  als  hochgradig  verdorben  zu  vernichten.  Nur  in  ganz 
leichten  Fällen,  ohne  autiällige  Durchfeuchtung  der  Muskulatur,  und  bei 
Abwesenheit  erheblicher  Abmagerung,  ist  ein  Verkauf  unter  Deklaration 
zu  rechtfertigen. 

3.  Leukämie. 

Leukämie  kommt  verhältnismäßig  selten  bei  Rind,  Kalb  und  Pferd 
vor,  aus  unbekannten  Ursachen  sich  entwickelnd  und  erst  in  höher- 
gradiger  Ausbildung  sich  äußernd. 

Befund.  Blut  blaß,  schlatfe,  gallertartige  Gerinsel  bildend,  Vermehrung 
der  Leukocyten  bis  auf  1 :  20  und  selbst  1 : 1  der  roten  Blutkiirperchen. 
Nach  den  vorwiegenden  Veränderungen  in  den  betreuenden  Organen 
spricht  man  von  lienaler,  lymphatischer  und  myelogener 
Leukämie,  welche  vergesellschaftet  auftreten  können.  Erstere  beiden 
Formen  sind  von  oft  erheblichen  Hyperplasien  der  Milz  und  der  ge- 
samten Lymphdrüsen  des  Körpers  begleitet ;  die  diÖuse  Hyperplasie  des 
roten  Knochenmarks  fällt  weniger  auf,  jedoch  ist  letzteres  entweder  blaß 
und  selbst  eiterähnlich  oder  himbeergeleeartig.  Leukamische  Tumoren  und 
Infiltrate  in  Lunge,  Leber,  Nieren,  sowie  auf  den  serösen  und  Schleim- 
Häuten.  In  schweren  Fällen  Blutungen  in  und  unter  den  letztgenannten 
Häuten  und  auch  in  der  Muskulatur,  die  meist  autl'allend  hell  ist. 

Beurteil uni^.  Wegen  der  meist  vorhandenen  Veränderungen  des 
Knoclienmarkes  und  der  Lymphdrüsen  wird  das  Fleisch  zu  einem 
hochgradig  verdorbenen  Nahrungsmittel.  Als  solches  ist  auch 
in  der  Regel  das  Fleisch  bei  den  lienalen  Formen  zu  beurteilen,  die 
in  vorgeschritteneren  Stadien  stets  auch  von  Störungen  in  der  all- 
gemeinen Ernährung  begleitet  sind. 


02l'  EDELMANN, 

Pseudoleukämische  Zustünde  verschiedenen  Ursprungs, 
■welche  bei  den  Schlachttieron  häufiger  vorkommen  als  echte  Leukämie, 
sind  wie  letztere  seihst  zu  beurteilen. 

4.  II  ä  m  o  g  1  o  b  i  n  ii  ni  i  e  u  n  d  Hämoglobinurie. 

Die  Aussclieiduiig  von  Blutfarl)Stoti'  enthaltendem  Harn  wird  nicht 
selten  als  sog.  schwarze  Haniwinde,  Hämoglobinurie  bei  Pferden,  sowie 
bei  Rindern  beobachtet  und  bei  den  letzteren  fälschlicherweise  auch 
als  Blutharnen  bezeichnet. 

Das  Auftreten  von  Hämoglobin  im  Harn  setzt  eine  teilweise 
Trennung  desselben  von  den  Erythrocyten  und  Auflösung  im  Blutserum 
voraus. 

Die  Aetiologie  des  Leidens  ist  bei  beiden  Tiergattungen  noch 
dunkel.  Autointoxikationen  durcli  Stoffwechselprodukte  und  Erkältungen 
werden  bei  Pferden,  bei  Rindern  Intoxikationen,  Infektionen  und  eben- 
falls Erkältungen  als  veranlassende  Ursachen  beschuldigt. 

Bofuiid.  Lackfarbenes,  schlecht  gerinnendes  But.  Beim  Pferd 
Muskelveränderungen,  l)esonders  an  den  Psoas-  und  Kruppenmuskeln. 
Dieselben  sind  ödematös,  blaß,  unter  Umständen  wie  gekocht  aussehend. 
Verlust  der  Querstreifung,  körniger  Zerfall  des  Muskelsaftes.  Nieren- 
hyperämie und  akute  parencliyraatöse  Nephritis.  Beim  Rind  anämische 
Erscheinungen,  Muskeln  schlaff'  und  blaß,  bisweilen  Ikterus  und  Darm- 
entzündungen. 

Beurteilung.  In  frischen  und  leichten  Fällen  kann  bei  Rind  und 
Pferd  das  Fleisch  in  den  freien  Verkehr  gelangen.  Bei  schwererer 
und  protrahierter  Erkrankung  kommt  es  auf  den  objektiven  Befund, 
besonders  an  der  Muskulatur  an,  ob  das  Fleisch  noch  unter  Deklaration 
verkauft  werden  kann,  oder  als  hochgradig  verdorben  zu  vernichten 
ist.  Letzteres  ist  stets  notwendig,  sobald  infolge  von  Decubitus  Fieber 
eingetreten,  oder  eine  septische  Infektion  zu  vermuten  ist. 

5.  Ikterus. 

Die  aus  bekannten  Ursachen  entstehende  Gelbsucht  kommt  sympto- 
matisch bei  allen  Schlachttieren  vor  und  kennzeichnet  sich  durch  eine 
stärkere  oder  geringere  Gelbfärbung  der  Gewebe. 

Befund.  Die  verschiedenen  Körpergewebe  gelb  bis  gelbgrün  ge- 
färbt, teils  durch  diffuse  Imbibition  mit  Gallen farbstoff,  teils  durch 
krystallinische  Hämatoidinablagerungen.  In  schweren  Fällen  Ver- 
änderungen an  Leber,  Nieren  und  Herz.  Gelbsucht  kann  nur  bei 
Tageslicht  sicher  erkannt  werden  (Hertwig '^o). 

Beurteilung.  Die  Entscheidung  über  die  Verwertbarkeit  schwach 
ikterischer  Tiere  ist,  besonders  bei  Schweinen,  erst  24  Stunden  nach 
der  Schlachtung  zu  treffen,  da  dieselben  erfahrungsgemäß  häufig  viel 
heller  werden.  Nach  dem  Grad  der  Gelbfärbung  und  sonstiger  krank- 
hafter Befunde  ist  zu  entscheiden,  ob  das  Fleisch  in  den  freien  Ver- 
kehr gelangen  kann,  oder  der  Freibank  zu  übergeben  bez.  zu  ver- 
nichten ist. 

6.  Urämie. 

Harnbestandteile  werden  dem  Blute  der  Schlachttiere  zumeist 
durch   Resorption    von    retiniertem    Harn    beigemischt.      Solche    Harn- 


Fleischbeschau.  523 

zurückhaltun,i,'ou  beobachtet  man  bei  miinulicheii  Rindern  und  Schafen 
nach  Kinkleniniuii,i,UMi  von  Konkroiuentt'n  in  der  ILininihre  mit  folj,'ender 
Bhisenberstiin^'  oder  Nekrose  der  ILirnriihre  und  Iliirnintiltration  in  das 
iimliej^ende  (lewebe.  Von  den  schweren  klinischen  Symptomen  sei  her- 
vor^'ehoben,  daß  urämische  Tiere  schon  aus  einer  ;i;ewissen  Entfernung 
durch  intensiven  Harngeruch  (besonders  des  FAspiriums)  auffallen. 

IJof'iiiid.  Nach  der  Dauer  der  Krankheit  verschieden.  Harngeruch, 
Ansammlung  von  Harn  in  der  Bauchhöhle  mit  Peritonitis  oder  llarn- 
intiltration  in  iler  Subcutis  des  Bauches.  Im  Bindegewebe  und  den 
Muskeln  in  schweren  Fällen  sulzig-urinöse  Transsudate  und  Blutungen. 
Der  dem  Fleisch  anhaftende  Harn-  oder  Ammoniakgeruch  verschwindet 
beim  Erkalten  mitunter,  tritt  aber  beim  Erwärmen  wieder  hervor. 

Beurteil uiiu:.  Das  Fleisch  urämischer  Tiere  ist  als  hochgradig 
verdorbenes  Nahrungsmittel  gänzlich  dem  Verkehre  zu  entziehen. 

7.  Rhachitis. 

Die  Rhachitis  wird  mitunter  bei  jungen  Schweinen  beobachtet, 
woselbst  sie  sich  in  der  Regel  aus  unzweckmäßiger  Ernährung  ent- 
wickelt. 

Befund.  Auftreibungen  der  Gelenke,  der  Rippen,  verkümmertes 
Wachstum  der  Knochen,  Verkrümmungen  der  Schenkel  und  der  Wirbel- 
säule.    Erscheinungen  von  Anämie. 

Beurteiluiii?.  Leichte  Fälle  mit  nur  lokalen  Knochenveränderungen 
sind  bedeutungslos;  bei  erheblicherer  Erkrankung  ist  das  Fleisch  nur 
unter -Deklaration  zu  verkaufen,  wenn  nicht  etwa  hochgradige  Anämie 
mit  substantiellen  Veränderungen  des  Fleisches  dessen  Ausschluß  vom 
Konsum  bedingen. 

8.  Osteoporose,  Osteopsathyrose. 

Die  sogen.  Knochenbrücbigkeit  oder  Markflüssigkeit  wird  gewöhnlich 
nur  bei  tragenden  und  milchenden  Kühen,  sporadisch  und  auch  enzootisch 
auftretend,  beobachtet.  Ihre  Ursachen  dürften  wesentlich  in  Kalkmangel 
beruhen;  ihre  Hauptmerkmale  sind  Entkalkung  und  Resorption  der 
kompakten  Knochensubstanz,  nebst  Umwandlung  des  Knochenmarks  in 
eine  blutreiche,  weichflüssige  Masse.  Häuflge  Knochenbrüche,  Ernährungs- 
störungen. 

Befund.  Die  erwähnten  Veränderungen  an  den  Knochen  und  deren 
Mark,  Gelenkentzündungen,  Knochenfrakturen.  Erscheinungen  allgemeiner 
Kachexie. 

Beurteilung.  Bei  vorgeschrittenem  Leiden,  das  stets  mit  erheblicher 
Abmagerung  einhergeht,  wird  das  Fleisch  in  der  Regel  zu  einem  hoch- 
gradig verdorbenen  Nahrungsmittel.  Ist  der  Ernährungszustand  noch 
leidlich  und  sind  die  Knochenmarksveränderungen  nicht  zu  auffallig,  dann 
kann  Verkauf  unter  Deklaration  stattfinden ,  während  in  ganz  leichten 
Fällen  das  Fleisch  freizugeben  ist. 

9.   Osteomalacic. 

Obwohl  von  manchen  Autoren  die  eben  beschriebene  Krankheit  auch 
als  Osteomalacie  bezeichnet  wird,  so  dürfte  sich  doch  die  Beibehaltung 
des  letzteren  Begriffes  als  „Knochenerweichung  älterer  Tiere"  *  * '  wegen 
mancher    Eigentümlichkeiten    gegenüber    der    Osteoporose    rechtfertigen. 

Handbuch  der  Hjglene.     Bd.  MI.    AbtIg.  S.  34 

"3 


Ö24  EDELMANN, 

Die  chronisch  verlaufende  Krankheit  tritt  bei  Pi'erden,  Schweinen  (Schnüffel- 
krankheit) und  Ziegen  auf  und  charakterisiert  sich  durch  erhebliche 
Deformierung  und  Vergrößerung  der  Gesichtsknochen.  Unter  Aufsaugung 
der  Knochensalze  bildet  sich  vom  Periost  aus  neue  osteoide  Substanz, 
wodurch  die  Knochen  oft  eine  unförmliche  Größe  und  Gestalt  annehmen, 
schwammig  und  weich   werden. 

Befund.     Die  erwähnten  Knochenveränderungen. 

Beurteilung.  Da  die  Tiere  in  der  Regel  geschlachtet  werden,  ehe 
es  zu  Allgemeinerkrankungen  kommt,  wird  die  freie  Verwendbarkeit  des 
Fleisches  nicht  beschränkt. 

10.  Sarkomatose  und  Card n omatose. 

Sarkome  und  Carcinome  kommen  als  lokale  Geschwulstbildungen 
bei  allen  Schlachttieren  an  verschiedeneu  Organen  vor.  Für  gewöhn- 
lich haben  sie  ausschließlich  die  Bedeutung  örtlicher  Erkrankungen, 
als  welche  sie  nur  die  Beschlagnahme  der  betreffenden  Organe  un(l 
Teile  notwendig  machen.  Mitunter  können  jedoch  Sarkome  und  Carci- 
nome auf  metastatischem  Wege  generalisiert  werden,  über  den  ganzen 
Organismus  verbreitet  vorkommen,  sodaß  man  von  einer  allge- 
meinen Sarkomatose  (Eggeling  ^-2,  Misselwitz  u.  Schaller  ^^s^ 
Hertwig^--*,  Semmer'^s^  Metz^-^  Görig^^?^  Lungwitz  i^^, 
Grams^-^,  Rogner  ^^")  und  Carcinomatose  (Henschen^^) 
sprechen  kann.  Bei  Pferden  spielen  in  dieser  Beziehung  die  Melano- 
sarkome  eine  gewisse  Rolle;  sie  kommen  aber  auch  beim  Rinde  vor 
(Hert  wig '  32).  Bei  längerer  Dauer  von  dergleichen  Allgemeiner- 
krankungen tritt  in  der  Regel  Abmagerung  und  Kachexie  ein. 

Beurteilung.  Liegt  eine  allgemeine  Sarkomatose  oder  Carcino- 
matose vor,  bei  welcher  Fleisch,  Knochen  oder  Lymphdrüsen  zwischen 
den  Muskeln  mit  Metastasen  durchsetzt  sind,  so  ist  das  Fleisch  als 
hochgradig  verdorbenes  Nahrungsmittel  von  jeglichem  Verkehr  auszu- 
schließen. 

119)  Falk,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Milchhyg.  4.  Bd.  210. 

120)  Hertwig.    Wochenschr.  f.    Tierheük.  u.    Viehz.  (1884). 

121)  Siedamgrotzky,  Haubner's  Landwirtich.    Tierheilk  ,  Berlin  1893,   230. 

122)  Eggeling,    Areh    f.   Tierheilk.  (1885)  105, 

123)  Misselwitz- Schaller,   5    Schlachthof ber.   Chemnitz   1888. 

124)  Hertwig,   Ber.  üb.   d.  städt.  Fleischbeschau,  Berlin   1891. 

125)  Semmer,   Z>.  Zeitschr.  f.   Tiermed.  18.   Bd.  451. 

126)  Metz,  D.  tierärztl.    Wochenschr.  (1893)  123. 

127)  Görig,   D.  tierärztl.    Wochenschr.  (1893)  221. 

128)  Lungwiiz,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.   Milchhyg.  4.   Bd.   146. 

129)  Grams,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  MilcKhyg.    1.  Bd.  8.  Heft. 

130)  Eogner,  Zeitschr.  J.  Fleisch-  u.  Müchhyg.  3.  Bd.   249. 

131)  Henschel,    Wochenschr.  f.   Tierheilk.  n.    Viehz.  (1888)  216. 

132)  Hertwig.  Ibidem  (1886)  462. 

D.  Intoxikationen  und  Autointoxikationen  bei  Schlachttieren. 

Die  Intoxikationen  der  Schlachttiere  interessieren  hier  nur  in- 
soweit, als  eine  Vergiftung  des  Fleisches  oder  Veränderungen  desselben 
durch  die  Giftwirkung  in  Frage  kommen,  welche  seine  Verwend- 
barkeit als  menschliches  Nahrungsmittel  beeinflussen  könnten.  Was 
die  Ursachen  und  die  Diagnostik  der  Vergiftungen  bei  Tieren  im  ein- 
zelnen anlangt,  muß  auf  die  Lehrbücher  der  Toxikologie  verwiesen 
werden. 

114 


Fleischbeschau.  525 

Der  Befund  an  vergifteten  geschlachteten  Tieren  ist  nach  der  Art 
des  Giftes  sehr  verschieden.  Deutliche  Verän(lerun;j;en  werden  sich  nur 
infolge  Einverleibung  von  scharfen,  ätzenden  (Jilten  (Arsen,  Phosphor,  Sal- 
peter, Brechweinstein,  .Mkalien,  Säuren  u.  a.)  oder  nach  solchen  (Jiften 
zeigen,  welche  Veränderungen  des  Blutes  bedingen  (chlorsaures  Kali, 
Chloroform,  Phosphor  u.  a.).  Manche  Gifte  verraten  sich  auch  durch 
ihren  Geruch,  den  sie  den  Körpergeweben  mitteilen  (Chloroform,  Karbol- 
säure, Phosphor). 

Bei  der  BeiirteiluDir  des  Fleisches  hierher  gehöriger  Schlacht- 
tiere handelt  es  sich  meist  um  solche,  welche  mit  giftigen  Medikamenten 
behandelt  und  notgeschlachtet  worden  sind.  In  dieser  Beziehung  ist 
der  Eintluli  der  Medikamente  auf  die  Genießbarkeit  des  Fleisches  der 
Schlachttiere  bis  in  die  neueste  Zeit  vielfach  überschätzt  worden.  Erst 
die  exakten  Untersuchungen  von  Harms  ^  über  Nux  vomica  und  Tar- 
tarus stibiatus ,  A  n  a  c  k  e  r  *  über  Nux  vomica ,  von  F  e  s  e  r  -^  über 
Strychnin  und  Eserin ,  Spallanzani  u.  Zappa*  sowie  Sonnen- 
schein^ über  Arsenik,  Ellen  berger  u.  Hofmeister"  über  Blei- 
und  Kupfersalze,  La  ho  u.  Mosselmann'  über  Blei  u.  A.  haben 
mancherlei  Aufklärung  gegeben,  die  durch  die  Untersuchungen  von 
Fröhner  u.  Knudsen^  Bestätigung,  bez.  erhebliche  Erweiterungen 
erfahren  haben. 

Auf  Grund  der  Untersuchungen  der  genannten  u.  a.  Forscher,  sowie 
ihrer  eigenen  Versuche  mit  Stryclinin  und  Eserin ,  Pilocarpin  und 
Veratrin,  stellen  Fröhner  u.  Knudsen  den  durch  frühere  und  spätere 
Erfahrungen  bestätigten  Satz  auf,  daß  „die  niedikam  en  teile  Be- 
handlung eines  Tieres  mit  irgend  einem  Arzneimittel 
niemals  eine  Gesundheitsschädlichkeit  (des  Fleisches)  zur 
Folge  haben  kann".  Dieser  Lehrsatz  bezieht  sich  jedoch  nur  auf 
das  Fleisch  einschließlich  Herz,  Leber  und  Nieren.  Magen  und  Darm 
und  vielleicht  auch  das  Euter  (Schmidt'*)  vergifteter  Tiere  sind 
stets  gesundheitsgefährlich.  Wohl  zu  beachten  ist,  daß  bei  der  ver- 
zögerten Giftwirkung  ätzender  Stoffe  sich  septische  und  pyämische  Pro- 
zesse anschließen  können ,  die  natürlich  eine  andere  Beurteilung  er- 
fordern. 

In  Oberbajeni,  Ober-,  3Iittol-Fraiikeii,  Wiirttemborar,  Baden,  Elsaß-Lotliringen 

gilt  das  Fleisch  verKÜleter  Tiere  als  uiixeiiiefsbar,  iu  der  Pfalz  selbst  bei  HehaiKlIuiig  von 
Tieren  mit  uiltigen  StoflFen  in  (iröfserer  Menge  kurz  vor  der  Schlachtung.  In  Sachseil 
und  Anhalt  können  nur  approbierte  Tierärzte  entscheiden,  und  sie  haben  das  Fleiscl»  für 
ungeuiefsl)ar  zu  erklären,  sobald  die  giftigen  Stoffe  im  Fleische  in  solchen  Mengen  ent- 
halten sind,  dafs  dadurch  die  Gesundheit  der  Menschen  gefährdet  oder  Ekel  und  Wider- 
willen erregt  wird.  In  SacUsen-Meining^eu  kann  der  I'hysikus  oder  ein  approbierter 
Tierarzt  bei  leichteren  Vergiltungen  das  Fleisch  unter  gewissen  Bedingungen  für  minder- 
wertig erklären. 

Als  Autoiiitoxikationen  bezeichnet  man  Allgemeinerkrankungen, 
welche  durch  Aufsaugung  von  Stoffwechselprodukten  des  eigenen 
Körpers  veranlaßt  werden.  Die  Urämie,  welche  eigentlich  hierher  ge- 
hört, ist  aus  verständlichen  Gründen  bei  den  Bluterkrankungen  (S.  522) 
besprochen  worden,  ebenso  die  Hämoglobinäinie  (S.  522),  deren  Wesen 
als  Autointoxikation  noch  ebensowenig  feststeht,  wie  «las  der  hier  noch 
zu  besprechenden 

Geblirparose. 

Diese  beim  Kinde,  seltener  bei  Ziege  und  Schwein  vorkommende 
Krankheit  wird   auch  als   Milchfieber,    Kalbefiel)er,    Gebärfieber,    Puer- 

ii4* 


526  EDELMANN, 

peralfieber  bezeichnet  und  gehört  vielleicht  nach  den  neueren  Unter- 
suchungen von  Guillebeau  und  Hess^*^  besser  unter  die  chirur- 
gischen Krankheiten ,  welche  durch  Wundschraerz  und  Aufsaugung  von 
Toxinen  aus  infizierten  Verletzungen  in  den  Geburtswegen  oder  deren 
Adnexen  entstehen.  Die  Krankheit  tritt  kurz  nach  der  Geburt  auf 
und  charakterisiert  sich  durch  Lähmung  der  motorischen  und  sensiblen 
Nervenbahnen,  welche,  vom  Hinterteil  beginnend,  nach  vorwärts  schreiten 
kann  und  auch  Blase  und  Darm  betritit.    Psyche  stark  deprimiert. 

Befand  bei  der  Sektion  negativ,  sofern  nicht  etwa  Komplikationen 
mit  Sepsis  vorliegen,  welche  sich  aus  den  angeführten  Merkmalen  er- 
kennen läßt. 

Beurteilung.  Gesundheitsschädigungen  von  Menschen  sind  durch 
den  Genuß  des  Fleisches  wegen  Gebärparese  notgeschlachteter  Tiere  noch 
nicht  beobachtet  worden.  In  der  Regel  handelt  es  sich  um  sehr  gut 
genährte  Kühe.  Jedoch  ist  das  Fleisch  solcher  Tiere  meist  als  verdorbenes 
Nahrungsmittel  i.  S.  d.  N.-G.,  besonders  wenn  bei  der  Notschlachtung  ein 
mangelhaftes  Ausbluten  erfolgte,  unter  Deklaration  zu  verkaufen.  Bei 
septischen  Komplikationen  hat  eine  Vernichtung  zu  erfolgen.  Vorsicht 
ist,  wie  Ostertag  trefiend  hervorhebt,  geboten  wegen  der  den  Tieren 
nicht  selten  verabreichten,  stark  riechenden  Medikamente  (Aether, 
Kampher,  Terpentinöl). 

1)  Harms,    Mitteü.  a.  d.  tierärzü.  Praxis  im  preuß.  Staate    (1872)    173,    Ibid.  (1874)   174. 

2)  Anacker,   Der   Tierarzt  29.   Bd.  No.   12. 

3)  Feser,  Jakresber.  der  hUnigl.   Central- Tier arzneischvle  zu  München  {1878  u.  1885). 

4)  Spallanzani  uud  Zappa,  Clinica  veterinaria  (1886). 

5)  Sonnenschein,  Chemisch.  Cetüralbl.  (1873)  805. 

6)  Ellenberger,  tind  Hofmeister,   Ärch.  f.   Tierheilk.  (1884)  216. 

7)  Laho  und  Mosselmann,  Annal.  de  med.  vet.   (1893)  No.  2/3. 

8i  Fröhner  und  Knudsen,  Jlonatsh.  f.  prakt.   Tierheilk.   1.  Bd.  529,  2.  Bd.  262. 
9)  Schmidt,   Berl.  tierärztl.    Wochemchr.   (1891)   No.  32. 
10)  Guillebeau  und  Hess,  Schweizer  Arch.  f.   Tierheilk.  (1895)  3,  Heft. 


V.  Kapitel. 

üntersuclumg   uud   Beurteilung   des   Fleisches  von 

Geflügel,   Wild,   Fischen   etc.   sowie   verschiedener 

Fleischpräparate  *). 

1.  Oeflügel. 

Von  dem  Marktgeflügel  haben  einige  Sorten  weißes  Fleisch  (Huhn, 
Kapaun,  Poularde,  Truthahn)  andere  dunkleres  Fleisch  (Gans,  Ente, 
Taube\  Totes  Geflügel  sollte  nur  im  gerupften  Zustande  zu  Markte 
kommen. 

Bei  der  Beurteilung  ist  zu  achten  auf  die  Kennzeichen  der  Schlach- 
tung: Schnittwunde  mit  blutig  infiltrierten  Rändern,  Ausblutung.  Mit- 
unter werden  Schnitte  erst  post  mortem  beigebracht.  Bisweilen  wird 
auch  die  Tötung  durch  Zerschneiden  der  großen  Halsgefäße  vom  Rachen 
aus  mittels  einer  Scheere  bewirkt.  Die  Haut  darf  nicht  verfärbt,  welk 
oder  geschrumpft  sein  und  keine  Leichenflecke  aufweisen.  Letztere 
finden    sich    besonders    bei    den   wegen    Geflügelcholera    in    der 


*)  Vergl.  Stutzer  3.  Bd.  dies.  Handb.  S.  229  flf. 

Ii6 


Fleischbeschau.  527 

Agonie  geschlachteten  Tieren,  welche  auch  eine  blutreichere,  unter 
Umständen  degenerierte  Muskulatur  besitzen.  Nachweis  der  Bakterien 
in  Blutstropfen  aus  der  Tiefe  der  Muskulatur.  Marktgeflügel  mit  den 
Erscheinungen  der  Geflügelcholera  oder  Diphtherie  ist  als  hochgradig 
verdorben  zu  beschlagnahmen.  —  Abnormer  Geschmack  des  Ge- 
flügelfleisches ist  vielfach  auf  die  von  den  Tieren  aufgenommene  Nahrung 
zurückzuführen.  So  wird  erzeugt  ein  Oel-  oder  Thran  gesch  m  ack 
durch  Fütterung  von  Oelkuchen ,  Leinsamen,  Raps;  ein  Fisch- 
oder  Thrangeschmack  durch  Aufnahme  oder  Verfütterung  von 
Fischen,  Muscheln;  ein  bitterer  Geschmack  durch  Verabreichung 
größerer  Mengen  Kohlrüben  (vergl.  die  Arbeiten  von  NiebeP" 
Lableri"). 

Besondere  Beachtung  verdienen  etwa  noch  im  Geflügel  befindliche 
Eingeweide  wegen  ihrer  größeren  Fäulnisfähigkeit. 

2.  Wildbret. 

Fleisch  von  "Wildbret  zeichnet  sich  durch  seinen  Blutgehalt  aus, 
der  die  Fäulnis  bei  unzweckmäßiger  Aufl)ewiihrung  begünstigt,  trotzdem 
Wildbret  der  Fäulnis  verhältnismäßig  lange  widersteht. 

Beurteilung.  Wildbret  muß  Schußwunden  aufweisen.  Post- 
mortal beigebrachten  SchußöÖnungen  fehlen  die  Blutuuterlaufungen. 
Nicht  waidgerecht  erlegtes  Wild  ist  marktpolizeilich  zu  beanstanden. 
Ebenso  Wildbret,  bei  dem  objektive  Merkmale  der  Fäulnis  nachzuweisen 
sind.  Auf  Grund  des  beliebten  BegriÖes  haut-goüt  dürfen  keine  Kon- 
zessionen in  sanitärer  Beziehung  gemacht  werden.  Hierüber  und  über 
verhitztes  Wild  s.  S.  472.  Die  Unterschiede  zwischen  Hase  und  Katze, 
Schaf  und  Reh  wurden  S,  464  aufgeführt. 


3.  Fische. 

Hier  interessieren  nur  die  tot  zu  Markte  kommenden,  nicht  kon- 
servierten Fische.  Dieselben  müssen  nach  Postolka  u.  Toskano^ 
im  frischen  Zustande  im  Wasser  untersinken  und  glänzende,  schleim- 
freie Schuppen  haben  ;  Augen  prall  hervortretend.  Maul  und  Kiemen- 
deckel geschlossen,  Kiemen  rot.     Fleisch  fest. 

Länger  „abgestandene"  Fische  haben  rot  umränderte,  zurück- 
gesunkene Augen  mit  getrübter  Cornea  und  schwimmen  mit  Eintritt 
der  Fäulnis  auf  dem  Wasser.  Gelb  oder  schmutzig  rot  verfärbte 
Kiemen;  Fleisch  welk  und  ungleichmäßig  rot;  Schuppen  leicht  zu  ent- 
fernen. 

Bereits  in  Fäulnis  übergegangene  Fische  zeigen  an  den 
Kiemen  Fäulnisgeruch  und  schwimmen  schließlich  auf  dem  Wasser. 
Betrügereien  werden  versucht  durch  starkes  Auswaschen  und  Färben 
der  Kiemen  mit  Anilinfarben  oder  Blut  und  Herausnehmen  der  Augen. 
—  Geschwürige  Stellen  an  der  Oberfläche  der  Fische  deuten  auf  All- 
gemeinerkrankung hin,  ebenso  Leibesauftreibungen. 

Beurteilung.  Alle  Fische  mit  Krankheits-  oder  Fäulniserschei- 
nungen sind  verdächtig,  gesundheitsnachteilig  zu  sein  und  daher  zu 
beschlagnahmen.  Durch  faulige  Fische  und  Krustentiere  können  schwere 
Vergiftungen  veranlaßt  werden,  welche  die  Wurstvergiftungen  (s.  S.  543) 
an  Heftigkeit  übertreffen  (K  ober  1 2,  Arustarnoff^,  Hirschfeld  8'', 
Knoch  •*''  u.  A.). 

"7 


528  EDELMANN, 

l'obcr  Kaviar,  seine  Bereitung,  IJeurteilung  und  Verfälschungen 
giebt  eine  schöne  Arbeit  Niebel's''  Auskunft. 

4.  VersehuMleiie  zu  Speisezweckeii  verwendete  Tiere. 

Krebse  und  Hu  m  ui  e  ru  sollten  nur  lebend  auf  den  Markt  kommen. 
Kranke  Tiere  (Krebsi)est)  liegen  im  Wasser  auf  dem  Rücken.  Hinter- 
leib an  der  Unterseite  matt,  milchig.  —  Nach  dem  Tode  gekochte 
Krebse  "■  haben  die  mittlere  Schwanzflosse  nicht  eingezogen.  Vor  dem 
Ankauf  gekochter  Krebse  ist  wegen  der  leicht  eintretenden  Fäulnis  zu 
warnen.  Von  einer  iMassenerkrankung  nach  dem  Genuß  von  Hummern, 
welche  an  einer  Darmentzündung  erkrankt  waren,  berichtet  Simon*^. 
Ueber  Vergiftungen  durch  den  Genuß  von  niederen  Seetieren  (Arthro- 
poden, P^chinodermen,  Mollusken)  macht  Sp  riugfeld ''■'   iMitteilung. 

Bei  F  rosch sehen  kel  n  kommt  es  auf  Abwesenheit  von  Fäulnis 
an.     Krötenschenkel  verraten  sich  durch  die  schwarzgrüne  Farbe. 

Austern  und  Miesmuscheln  müssen  ganz  frisch  sein.  Kranke 
Miesmuscheln,  die  schon  schwere  Vergiftungen  erzeugt  haben  (Vircho  w', 
Schmidt-Mülheim«,  Cameron",  Wolffi%  Dutertre^S 
Bardet^*),  besitzen  nach  Schmidt  mann  ^^  einen  süßlich-ekelhaften, 
an  verdorbene  Sardinen  oder  schlechte  Austern  erinnernden  Geruch, 
während  gesunde  Muscheln  nach  Seewasser  riechen.  Abgekocht  werden 
kranke  Muscheln  gelblich,  während  gesunde  weiß  bleiben;  das  Sudwasser 
erscheint  nach  giftigen  Muscheln  bläulich.  —  Kranke  Austern  besitzen 
nach  Barde t  ein  milchiges  Aussehen.  Daß  durch  Austern  unter  ge- 
wissen Verhältnissen  der  Typhus  übertragen  werden  kann,  scheint  nach 
den  Untersuchungen  von  Foote^^'*  nicht  unwahrscheinlich. 

Beurteilung  s.  vorstehend  unter  Fische. 

5.  Oefrorenes  Fleiscli. 

Gefrorenes  Fleisch  hat  neuerdings  eine  Bedeutung  erlangt,  seitdem 
viehreiche  überseeische  Länder,  vor  allem  Austrahen,  dasselbe  nach 
Europa  importieren.  Das  vollständig  durchfrorene  Fleisch  hält  sich 
vorzüglich,  ohne  an  seinem  Nährweit  Einbuße  zu  erleiden.  Das  Auf- 
tauen hat  in  trockener  Luft  und  langsam  zu  erfolgen,  wenn  nicht 
Fleischsaft  und  damit  gelöste  Eiweißkörper  verloren  gehen  sollen.  Im 
Geschmack  steht  gefrorenes  Fleisch  dem  frischen,  aber  gereiften,  nach, 
doch  ist  es  unter  dauernder  Einwirkung  der  Fleischmilchsäure  sehr 
mürbe  geworden. 

Beurteil unj?.  Durch  das  Gefrieren  des  Fleisches  werden  die 
meisten  bei  den  Schlachttieren  in  Betracht  kommenden  Infektionserreger 
nicht  getötet  (vergl.  ()stertag^2%  Eberlein '*").  Rinderfinnen 
dürften  schon  durch  die  Dauer  der  Aufbewahrung  zu  Grunde  gehen. 
Wenn  nicht  am  Produktionsorte  eine  dem  Bezugsorte  analoge  Fleisch- 
beschau besteht,  welche  Garantien  für  die  Gesundheitsunschädlichkeit  des 
Fleisches  liefert,  ist  das  gefrorene  Fleisch  stets  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  als  suspekt  zu  erachten  und  nur  unter  Deklaration  zu  verkaufen. 
Die  Untersuchung  gefrorenen  Fleisches  am  Verbrauchsorte  macht  er- 
hebliche Schwierigkeiten;  ein  Anschneiden  aller  zugänglichen  Lymph- 
drüsen ist  notwendig. 

Aufgetautes  gefrorenes  Fleisch  ist  nach  Maljean^*  an  den  roten 
Blutkörperchen  zu  erkennen,  die  entfärbt,  deformiert  sind  und  im  grün- 

ii8 


Fleischbeschau.  529 

licheu  Serum  sclnvinmion.     Im  letzteren  tiiidet  sich  das  Hämo^dobiii  in 
I'orm  unregeliiuißifjer,  gelblichhriuiiier  Krystalle. 

().  Würsto. 

Die  Arten  der  Würste  und  deren  Herstelhing  siml  nach  den  ver- 
schiedenen Ländern  und  (Jegenden  aulierordentlich  verschieden.  Dies 
bezieht  sich  besontiers  auf  diejenigen  Wurstsorten,  welche  größere  Mengen 
vegetabilischer  Zusätze  enthalten.  Viele  Würste  sind  nur  zum  schnellen 
Verzehren  bestimmt;  zur  Haltbarmachung  werden  die  Würste  entweder 
nur  geräuchert  oder  erst  gekocht  und  dann  geräuchert.  Nach  der 
Zusammensetzung  der  Füllung  kann  man  folgende  Wurstarten  unter- 
scheitlen : 

Fl  eisch  Würste  als  Brat-,  Koch-  oder  Brühwürste  (Saucieschen, 
Jauer'sche,  Bier-,  Knoblauch-  etc.  Würste)  und  Dauerwürste  (Cervelat-, 
Mett-,  Salami-,  ^lortadella-,  Schlack-  und  Knackwürste). 

Blutwürste  (Rot-,  Schwarz-,  Ilöselwurst,  Plunzen  etc.). 

Sülzwürste  (.Schwartenwurst,  Preßkopf,  Preßsack  etc.). 

Eingeweide-  oder  Weißwürste  ( Leber-,  Zwiebel-,  Sardellen-, 
TrüÖ'el-,  Brägen-,  Kochwurst  etc). 

Würste  mit  größerem  Gehalt  au  vegetabilischen 
Substanzen  (Grütze-,  Reis-,  Brot-,  Milch-,  Rosinen-,  Kartoftel- 
wurst  etc.). 

Die  rntersiiehuiiff  von  Wurst  ist  schwierig.  Zusammensetzung 
und  Parasitengehalt  sind  schwer  zu  eruieren.  Bezüglich  der  Untersuchung 
auf  Finnen  s.  Schmidt-Mülheim'-''  und  Ris  sling  ^^''.  Das  Ver- 
fahren des  letzteren  ist  Folgendes: 

Mau  bereitet  aus  Aetznatron ,  Pottasche  oder  einem  anderen  leicht 
löslichen  Alkali  eine  Lauge  von  ca.  1,15  spec.  Gewicht  =  19°  Beaumee. 
Dieselbe  wird,  nachdem  sie  sich  möglichst  wasserhell  geklärt  hat,  in  ein 
genügend  breites  und,  wenn  es  sein  kann,  nach  unten  zugespitztes  Glas- 
gefäß (von  1  —  4  Liter  Inhalt)  gegossen.  Hierauf  wird  die  zu  unter- 
suchende fein  zerhackte  Fleisch-  oder  Wurstmasse  unter  Beigabe  einer 
geringen  Menge  Lauge,  möglichst  ohne  Quetschungen,  zu  einem  gleich- 
mäßigen dünnen  Brei  verrührt  und  dann  der  bereiteten  Lauge  zugefügt. 
Sehr  fette  Wurst  kann  mit  etwas  Aether  gut  durchgeschüttelt  werden. 
Nach  einigem  Umrühren  der  ganzen  Masse  sondern  sich  vorhandene 
Finnen  sofort  nach  unten  ab  und  sind  auch  durch  kräftiges  Umrühren 
nicht  wieder  mit  der  übrigen  Fleischraasse  zu  vereinigen.  Das  Verhalten 
der  Finnen  in  mehr  oder  weniger  gesättigter  Lauge  ist  folgendes :  Bei 
über  21''Beaum.  schwimmen  die  Finnen  gleich  der  idjrigen  Fleischmasse. 
Bei  18 — U* "  senken  sie  sich  unter  öfterem  Auf-  und  Niedersteigen  lang- 
sam nach  unten.  Bei  15 "  dagegen  sinken  alle  Finnen  oder  Teile  von 
Finnenköpfchen  eilends  in  höchstens  einigen  Sekunden  zu  Boden.  Fleisch 
sinkt  bei  19"  Beaum.  der  Lauge  nicht,  und  bei  15  "^  sinken  nur  die 
schwersten  fetteren  Fasern  ganz  langsam  unter.  Lst  die  Masse  einiger- 
maßen fein  gehackt,  so  bleiben  die  Finnen  nicht  an  den  Floischfasern 
haften.  Hat  man  kein  Aräometer  zur  Bestimmung  des  spezitischen 
Gewichts  der  Lauge ,  .so  verfährt  man  folgendermaßen :  Mau  stellt  eine 
so  konzentrierte  Lauge  her,  daß  fettarme  Fleischstückchen  sehr  hoch  an 
der  Oberfläche  schwimmen.  Nachdem  dieser  der  Fleischbrei  zugefügt 
ist,  gießt  man  unter  beständigem  Umrühren    so   lange  Wasser  nach,    bis 

119 


530  EDELMANN, 

einzelne  Fleischteilchen  anfangen  sich  zu  senken.  Sind  Finnen  vorhanden^ 
so  sinken  dieselben  zuerst  unter  und  sind  dann  sehi'  leicht  durch  Ab- 
gießen der  übrigen  Masse  zu  isolieren.  Der  Nachweis,  daß  die  aufge- 
fundeneu Finnen  einer  dem  Menschen  schädlichen  Tänienart  angehören, 
ist  hierauf  durch  das  Mikroskop  ohne  Mühe  zu  erbringen. 

lieber  den  Pf erdetieischii achweis  s.  S.  465.  Im  übrigen  kaun  sieb 
die  ÜDtersucbuug  Nveseutlich  nur  erstrecken  auf  Verdorbenseiü,  Ranzig- 
keit, Gehalt  von  Stärkemehl,  künstliche  Färbung. 

Verdorbene  Würste  haben  ein  schmieriges  Aeußere,  Blasen- 
bildung unter  der  Schale,  die  mürbe  und  brüchig  ist  und  sich  abhebt 
von  der  Masse.  Blutwurst  wird  hellrot  auf  der  Schnittfläche  und  die 
Speckfelder  grün ;  Geruch  sauer.  Leberwurstschnittfläche  rötet  sich 
beim  Verderben  und  zeigt  ebenfalls  saueren  Geruch.  Fleischwürste 
werden  mißfarbig,  rötlichgelb  mit  Verfärbung  des  Fettes.  Sülzwürste 
werden  weich  und  bröckelig,  sauer  und  stinkend.  Im  übrigen  sind 
Schimmelbildung,  Geschmack  und  die  Fäulniserscheinungen  (s.  S.  472) 
zu  beachten.  Kohlehydratreiche  Würste  faulen  unter  Umständen  sehr 
schnell  und  stark.  —  Ranzigkeit  ist  durch  den  Geschmack  der 
Wurst  festzustellen ;  der  exakte  Nachweis  der  Ranzigkeit  und  des 
Grades  derselben  muß  vom  Chemiker  geführt  werden. 

Fleischwürste,  deren  Füllung  einen  grauen  Rand  besitzt,  oder 
die  auch  in  toto  grau  geworden  sind,  können  nicht  ohne  weiteres  als 
verdorben  beurteilt  werden,  sondern  sind  auf  die  übrigen  Merkmale  des 
Verdorbenseins  genau  zu  prüfen.  Das  Grauwerden  der  Wurst  ist 
nach  Falk  und  O  pp  erm  ann  ^^■'  auf  verschiedene  Ursachen  zurück- 
zuführen und  kann  bei  vollkommen  guten  Würsten  (Cervelatwurst)  vor- 
kommen. 

Stärkemehl  ist  durch  Behandlung  der  Wurst  mit  Jodtinktur 
oder  Lugol'scher  Lösung  und  auch  mikroskopisch  leicht  zu  erkennen. 
Quantitative  Bestimmungen  müssen  den  Berufschemikern  überlassen 
bleiben. 

Farbstoffe  werden  Würsten  zugesetzt  zur  Erzielung  einer  schönen, 
roten  Farbe  und  auch  zur  Verdeckung  der  Anfangserscheiuungen  des 
Verdorbenseins.  Verwendung  finden  Karmin  (Cochenille)  und  Anilin- 
farbstoflfe  (Azofarben,  Fuchsin,  Safranin  u.  a.).  —  Zum  Farbstotthach- 
weis  ist  eine  Probe  Wurst  nach  Petsch  ^^  mit  ammoniakhaltigem  Alkokol 
zu  schütteln,  welcher  sich  rot  färbt.  Klinger  und  Bujard''  em- 
pfehlen für  Cochenille  die  Extraktion  mit  Glycerin.  Nach  Bischoff^^ 
färbt  eine  Azofarbe  beim  Kochen  der  Wurstprobe  mit  Wasser  dasselbe 
rot ;  bei  Färbung  mit  Karminsurrogat  färbt  sich  das  obenaufschwimmende 
Fett  rot.  Marpmann^^  sucht  auf  mikroskopischem  Wege  die  Natur 
des  Farbstofl'es  zu  ermitteln,  indem  er  davon  ausgeht,  daß  die  Farben 
zu  den  einzelnen  tierischen  Gewebsbestandteilen  in  einem  bestimmten 
Affinitätsverhältnis  stehen  (Kern-  und  Protoplasmafarben).  Der  genaue 
Nachweis  ist  vom  Chemiker  zu  führen. 

Beurteilung.  Verdorbene,  ranzige  und  faulende  Würste 
sind  gesundheitsschädlich  (s.  Wurstvergiftungen  S.  543).  Ein 
Mehlzusatz  ist  als  Verfälschung  zu  beurteilen,  sobald  ein  solcher 
in  der  betreö'enden  Gegend  und  bei  der  betreö'enden  W'urst  nicht  üblich 
ist,  oder  das  übliche  Quantum  überschritten  wird.  Als  letzteres  wird 
im   allgemeinen   1 — 2  Proz.,   an    manchen  Orten  (Solingen)  4  Proz,  bei 


Fleischbeschau.  531 

Fleischküchwurst  aDgcseheii.  Genaueres  s.  Ostertag's  Handbuch, 
S.  657—665.  —  Gefärbte  lleischwaren  sind  als  verfälscht  nur 
unter  Deklaration  zu  verkaufen,  sofern  nicht  etwa  ein  sch:i(lliclier  Farb- 
stotl'  die  Beschla'Miahnie  verhuiL't. 


7.  Mit  Koiiservieruiiiissalzoii  behandeltes  Fleisch. 

Ueber  die  hauptsächlichsten  Ivonservierungsniethoden  des  Fleisches, 
deren  Einfluß  auf  das  Fleisch  und  auf  dessen  Verwendbarkeit  als 
Nahrungsmittel,  ist  das  Wichtigste  bereits  von  Stutzer  S.  219  fl.  dies. 
Bandes  des  Handbuches  mitgeteilt  worden.  Hier  sei  nur  zweier  Arten 
von  Iv  on  s ervesalz  en  gedacht,  welche  neuerdings  in  ganz  ausge- 
dehnter Weise  zur  Konservierung  von  Fleisch,  besonders  zu  dem  Zwecke 
verwendet  werden,  dem  letzteren  möglichst  lange  die  Eigenschaften  des 
frischen  Fleisches  zu  erhalten. 

Die  hierher  gehörenden  Konservierungsmittel  bestehen  vorwiegend 
aus  Schwefel-  bez.  schwefligsauren  Salzen  (Treuenit,  Meat- 
Preserve,  Caruat,  Sozolith,  Fleischerhaltungskrystall-Excelsior  u.  a.) 
oder  aus  Borsäure  und  bor  saure  Salze  enthaltenden  Substanzen 
(Barmenit,  Konservesalz  verschiedener  Firmen,  Boroglyzin,  Präservesalz 
u.  a.).  Ueber  die  Zusammensetzung  dieser  und  anderer  gebräuchlicher 
Konservesalze  vergl.  Plagge  und  Trappt-'',  Kämmerer  ^^a^ 
Polenske-*',  sowie  Ostertag's  Handbuch  S.  680  ft. 

Die  beregten  Konservierungssalze  kommen  teils  in  wässerigen 
Lösungen,  teils  als  mit  Kochsalz  versetzte  Salzgemische  in  den  Handel. 
Bei  ihrer  Verwendung  werden  entweder  größere  Fleischstücke  mit  den 
Salzlösungen  bestrichen  bez.  mit  den  Salzgemischen  auf  der  Oberfläche 
eingerieben,  oder  es  werden  die  Konservierungsmittel  den  Pökellaken 
zugesetzt  bez.  die  zu  konservierenden  Fleischstücke  in  Lösungen  der 
Mittel  eingelegt. 

Ein  ziemlich  ausgedehnter  Verbrauch  von  Konservesalzen,  insbe- 
sondere der  Sulfite  und  Sulfate,  findet  beim  Hackfleisch  statt,  indem 
man  beabsichtigt,  durch  die  Mittel  dem  Hackfleisch  eine  schöne  rote  Farbe 
zu  verleihen  und  dessen  Grauwerdtn  zu  verhindern.  Das  aus  über- 
seeischen Ländern  eingeführte  Pökelfleisch,  vornehmlich  das  sog.  amerika- 
nische Trockenpökelfleisch ,  ist  fast  ausnahmslos  mit  Borsäure  und 
borsaureu  Salzen  konserviert,  welch  letztere  auch  in  der  Kouservierungs- 
fltissigkeit  der  im  Handel  befindlichen  Schweinsleberu  (Faßlebern)  ent- 
halten sind. 

Nachweis  der  Konservesalze.  Behufs  Erkennung,  ob  ein  frisch 
aussehendes  Fleisch,  insbesondere  Hackfleisch,  mit  Sulfiten  versetzt 
ist,  kann  das  von  Kämmerer  2-'  empfohlene  Vorprüfungsverfahren 
verwendet  werden. 

Zu  demselben  wird  Kalium jodatpapier  verwendet,  welches  je- 
doch nicht  vermittels  des  offizinellen  Kalium  jodatum  (KJ)  hergestellt 
wird,  sondern  Kalium  jodicum  (KJO^)  neutrales,  jodsaures  Kali 
enthält.  Von  diesem  Papier  legt  man  einen  befeuchteten  Streifen 
auf  eine  reine  Glasplatte  und  auf  das  Papier  eine  Probe 
Fleisch.  Letzteres  benetzt  man  mit  einer  passenden 
Menge  reiner,  besonders  von  Stickstoffsauerstoffver- 
bindungen freier  verdünnter  Schwefelsäure  (1:8),  worauf 

121 


532  EDELMANN, 

bei  Anwesenheit  selbst  sehr  geringer  Mengen  Dinatr ium- 
sul  fites  sogleich  eine  intensive  Bläuung  des  Papiers 
durch  Bildung  von  Jodstärke  eintritt.  Bei  nicht  mit  Dinatrium- 
sulfit  versetztem  Fleisch  macht  sich  keine  Bläuung,  oder  eine  solche  nur 
sehr  schwach,  erst  nach  einiger  Zeit  bemerkbar.  Letzterer  Fall  tritt  ein, 
wenn  das  Fleisch  nicht  mehr  ganz  frisch  ist,  doch  kann  derselbe  kaum 
mit  der  durch  Sulfite  hervorgerufenen  sofortigen  Bläuung  verwechselt 
werden. 

Manche  Proben  lassen  beim  Uebergießen  mit  der  verdünnten  Schwefel- 
säure sogleich  den  Geruch  der  schwefligen  Säure  erkennen. 

Es  ist  zu  beachten,  daß  sich  gesalzenes  Fleisch  auf  diese  Weise 
nicht  prüfen  läßt,  weil  der  durch  den  Zusatz  von  Schwefelsäure  frei 
werdende  Chlorwasserstoff  sich  mit  der  Jodsäure  ebenfalls  sofort  in  be- 
kannter Weise  umsetzt.  Ebensowenig  lassen  sich  in  mit  Salpeter  be- 
handeltem Fleisch  wegen  dessen  Nitritgehaltes  mittels  des  Kaliumjodat- 
papiers  Sulfite  erkennen,  da  in  diesem  Falle  die  Nitrite  eine  sofortige 
starke  Bläuung  hervorrufen.  Immerhin  kommen  diese  letzterwähnten 
Verhältnisse  für  die  Praxis  nicht  sehr  in  Betracht. 

In  Nürnberg  vermochten  mit  dem  beschriebenen  Verfahren  zwei 
Assistenten  der  städtischen  Untersuchungsanstalt  an  zwei  Vormittagen 
in  den  Stunden  von  7 — 12  Uhr  114  Fleischerläden  zu  kontrollieren 
und  in  denselben  51  Sorten  Hackfleisch  auf  Sulfite  zu  prüfen.  Das 
Resultat  der  Kontrolle  war  folgendes: 

Von  den  51  geprüften  Hackfleischsorten  erwiesen  sich  17  Proben 
=  33,33  Proz.  als  mit  Natriumsulfit  versetzt. 

Die  einzelnen  Proben  wiesen  auf: 

Dinatriumsulfit  entsprechend  Schwefeldioxyd 

o  349  Proz.  o,i776  Proz.  als  Höchstgehalt 

0,0070     ,,  0,003.5       „        „  Niedrigstgehalt 

0,1016     ,,  O.0512       ,,        „  Mittelgehalt. 

Es  mag  nicht  unerwähnt  bleiben,  daß  in  einigen  Fällen  das  Hack- 
fleisch dick  mit  Konservesalz  bestreut  vorgefunden 
wurde. 

Für  die  Prüfung  auf  Borsäure  giebt  es  Verfahren  zur  Vor- 
untersuchung, welche  zwar  nicht  ganz  so  bequem  sind,  wie  das  Käm- 
mer er 'sehe,  jedoch  auch  von  Nichtchemikern  ausgeführt  werden  können. 
Hierher  gehört  besonders: 

Die  Flammenprobe.  Man  tränkt  etwa  10  g  des  verdächtigen 
Fleisches  mit  Sodalösung  und  verascht  es  in  einem  Platin-  oder  Porzellan- 
glühschälchen.  Die  veraschte,  nach  Befinden  noch  Kohlepartikei  ent- 
haltende Masse  wird  vorsichtig  (wegen  des  Aufschäumens)  mit  verdünnter 
Schwefelsäure  (1:10)  neutralisiert.  Dann  setzt  man  5  ccm  konzentrierte 
Schwefelsäure  und  5  ccm  Methylalkohol  hinzu  und  entzündet  die  Mischung. 
Bei  Anwesenheit  von  Borsäure  zeigt  die  Flamme,  besonders  beim  Um- 
rühren, eine  smaragdgrüne  Farbe.  Zwar  färben  bekanntlich  Kupfer- 
und  Baryumsalze  die  Flamme  ebenfalls  grün,  jedoch  kommen  diese  bei 
Fleisch  nicht  in  Betracht. 

Beurteilung.  Ueber  die  Schädlichkeit  oder  Unschädlichkeit  der 
Sulfite  und  Borakate  bestehen,  selbst  unter  namhaften  Autoren,  noch  er- 


Fleischbeschau.  533 

hebliche  Kuntroverseu  (Pfeiffer,  Polli,  Bernatzek  und  Braun 
über  6ultite,  Pülli2»\  Liebreich  ^s^  über  Borakate,  vergl.  auch 
P 1  a  g  K^  e  und  T  r  a  p  p ,  S.  107  ff.,  sowie  0  s  t  e  r  t a  g '  s  Handbuch  S.  682  ff,)- 
Immerhin  sollte  die  Verwendung  der  genannten  beiden  ^Mittel  solange 
unstatthaft  sein,  als  nicht  ihre  Unschädlichkeit  für  den 
Menschen  zweifellos  feststeht.  Denn  selbst  wenn  auch  nur 
ganz  geringe,  an  und  für  sich  vielleicht  unschädliche  Salzmengeu  einem 
bestimmten  Fleischquantum  zugesetzt  werden,  so  ist  es  doch,  bei  der 
ausgedehnten  Verwendung,  welche  heutzutage  die  Konservierungsmittel 
finden,  nicht  unwahrscheinlich,  daß  der  Mensch  schließlich  unbewußt 
mehr  Borsäure  oder  Dinatriunisulfit  seinem  Körper  zuführt,  als  dem- 
selben zuträglich  sind.  Zudem  ist  zu  bedenken,  daß  mit  den  genannten 
Mitteln  auch  bereits  verdorbenem  Fleisch  das  Aussehen  von 
frischem  beigebracht  werden  kann,  wobei  nicht  allein  das 
Publikum  über  die  wahre  Beschaffenheit  des  Fleisches  getäuscht,  sondern 
auch  die  Gefahr  einer  Schädigung  der  menschlichen  Gesundheit  durch 
Fäulnisgifte  bedeutend  erhöht  wird.  Aus  allen  diesen  Gründen  erscheint 
die  Verwendung  der  beregten  Konservierungsmittel  bedenklich.  Bei  der 
strafrechtlichen  Beurteilung  von  mit  den  genannten  Konser- 
vierungsmitteln versetztem  Fleische  hängt  es  von  der  Menge  der  darin  ent- 
haltenen Salze  ab,  ob  das  Fleisch  nur  als  verfälscht,  oder  als  gesund- 
heitsschädlich anzusehen  und  der  Hersteller  oder  Verkäufer  des- 
selben wegen  Zuwiderhandlung  gegen  §  10  oder  §  12  des  Nahrungsmittel- 
gesetzes zur  Verantwortung  zu  ziehen  ist.  Das' letztere  wird  nur  in  den 
seltensten  Fällen  angängig  sein,  wenn  relativ  größere  Mengen  der  Salze 
dem  Fleische  zugesetzt  wurden,  oder  letzteres  wegen  bereits  einge- 
tretener Fäulnis,  welche  durch  das  Salz  verdeckt  wurde,  die  Eigen- 
schaften eines  gesundheitsschädlichen  Nahrungsmittels  erlangt,  oder 
auch  solche  wirklich  bethätigt  hatte.  In  den  übrigen  Fällen  ist  mit 
derartigen  Konservierungsmitteln  behandeltes  Fleisch  als  „verfälschte 
Ware"  zu  betrachten.  Denn  es  kann  ein  Zusatz  von  borsäurehaltigen 
oder  aus  unterschwefligsauren  Salzen  bestehenden  Konservierungsmitteln 
zum  frischen  oder  gepökelten  Fleische  nicht  als  ein  im  gewöhnlichen 
reellen  Handelsverkehr  mit  Fleisch  vom  Konsumenten  vorausgesetzter 
Bestandteil  des  Fleisches  gelten  (vergl.  Oster  tag  "^^a^  Edelmann--*). 
In  der  Schweiz  ist  durch  Verfügung-*"  des  Schweizer  Landwirt- 
schaftsdepartements vom  13.  Februar  1895  jede  Einfuhr  von  mit  Borax 
oder  anderen  Borpräparaten  konserviertem  Fleisch  verboten.  Im  Kanton 
Zürich-"-'  wurde  durch  Beschluß  des  Regierungsrates  vom  16.  De- 
zember 1893  die  Verwendung  von  chemischen  .Mitteln  zur  Fleischkon- 
servierung, mit  Ausnahme  von  Kochsalz  und  Salpeter,  für  sämtliches 
zum  Verkaufe  bestimmte  und  der  Fleischbeschau  unterliegende  Fleisch 
untersagt.  —  Das  Kaiserl.  deutsche  Marineamt  hat  bei  allen 
Konservelieferungen  zur  Bedingung  gemacht,  daß  die  Konserven  frei 
von  Borsäure  sind. 

8.  Büchsenkoiiservoii. 

Bei  Büchsenkonserven ,  welche  als  Corned  beef  [Rind-],  Corned 
rautton  [Hammel-],  Corned  brown,  Corned  pork  [SchweinetleischJ,  sowie 
als  Rinds-  und  Schweinszungen  und  andere  zubereitete  Fleischspeisen 
(Goulasch,  Paprikafleisch  etc.)  in  den  Handel  kommen,  ist  fast  nur 
festzustellen,    ob    ein    Verdorbeusein    vorliegt    oder    nicht.      Vielleicht 

123 


534 


EDELMANN, 


kommt  noch  der  Pferdefleischnachweis  in  Betracht.  Aeußerlich  dürfen 
die  Büchsen  keine  Auftreibung  (durch  Gasansanimlung)  und  keine 
doppelten  Lötlöcher  zeigen.  Die  das  Fleisch  umhüllende  Gallert  muß 
fest  sein  und  darf  keine  Gasblasen  enthalten.  Geruch  angenehm  nach 
frisch  gekochtem  Fleisch.  Auch  der  Fleischinhalt  selbst  ist  zu  unter- 
suchen. 

Beurteilung.  Konserven  mit  verflüssigter  Gallert,  Gasblasen- 
bildung, dumpfem  oder  fauligem  Geruch,  sind  als  gesundheitsschädlich 
dem  Verkehre  zu  entziehen,  denn  es  ist  bekannt,  daß  durch  den  Genuß 
derselben  den  ^Vurstvergiftungen  gleiche  Krankheitsfälle  erzeugt  werden 
(Schmidt-Mülheim -0,   Hamlet-^   Boucherau   und   Noir^s). 


9.  Tierische  Fette. 

Die  Beurteilung  der  tierischen  Fette  (Schweinefett,  Talg,  Butter) 
vom  allgemeinen  marktpolizeihchen  Standpunkte  kann  sich  fast  nur  auf 
den  jeweiligen  Zustand  (frisch  oder  verdorben),  bez.  auf  den  Ver- 
dacht einer  Verfälschung  erstrecken.  Weitere  Untersuchungen  sind 
dem  Chemiker  zu  überlassen. 

Schweinefett,  Schweineschmalz,  welches  besonders  aus  Amerika 
unter  verschiedenen  Bezeichnungen  in  den  Handel  kommt,  ist  vielfach 
verfälscht,  durch  Beimischung  von  Wasser  unter  Alkalizusatz,  sowie 
von  fremden  Fetten  und  Oelen.  Hauptsächlich  wird  Baumwollensamenöl 
(Kottonöl)  verwendet  und  zu  50  Proz.  und  darüber  zugesetzt.  Der 
Nachweis  derartiger  Verfälschungen,  sowie  der  Ranzigkeit,  kann  nur 
vom  Chemiker  geführt   werden.     Zur  Kontrolle  des  Fettmarktes  behufs 

Ermittelung  der  verdächtigen  Sorten  eignet 
sich  das  sogen.  Butterrefraktometer 
von  Zeiß  in  Jena,  welches  Verf.  für  all- 
gemeine marktpolizeiliche  Zwecke  bewährt 
gefunden  hat,  während  Polenske^^"' 
nicht  damit  zufrieden  ist. 

Fig.  29.  Bulterrefraktometer  von  Zeifs,  Jena. 
A  Feststehende  Hälfte  des  Pristnengehäuses,  ß  be- 
wegliche Hälfte,  C  Charnier,  D  Ansatzstutzen  für 
einen  Gummischlauch  zur  Zuleitung  des  warmen 
Wassers,  E  Ansatzstutzen  für  einen  Gummischlauch 
zur  Ableitung  des  warmen  Wassers,  F  Verschlufsstift 
für  das  Prismengehäuse,  Q  Oefifnung  zur  Justierung 
der  Skala,    H   Stütze  für  5,    J  Beleuchtungsspiegel. 


Für  die  Untersuchung  der  bei  gewöhnlicher  Temperatur  nicht  flüssigen 
Fette  muß  der  Apparat  auf  eine  entsprechend  höhere  Temperatur  ge- 
bracht und  erhalten  werden.  Dies  geschieht  durch  eine  Warmwasser- 
heizvorrichtung.  Beim  Gebrauch  wird  auf  die  eine  Hälfte  des  Prismen- 
gehäuses B  das  filtrierte  flüssige  Fett  gebracht  und  das  Prisma  von  B 
an  das  von  A  'angedrückt.  Darauf  wird  durch  das  Okular  die  Mikrometer- 
skala im  Inneren  des  Tubus  beobachtet,  die  gefundene  Eefraktion  mit  der 
Temperatur,  sowie  mit  den  zulässigen  Grenzwerten  einer  aufgestellten 
Tabelle  verglichen.  Neuerdings  ist  von  Wollny  der  Apparat  durch  ein 
sogen.  Indikatorthermometer  verbessert  worden,  dessen  Skala  nicht 
die  Temperaturgrade,  sondern  gleich  die  zulässigen  Grenzwerte  für  Butter 


124 


Fleischbeschau.  535 

und  Schweinefett  enthält,  sodaß  aus  der  Vergleichung  der  Mikrometer- 
werte und  der  Thermometergrade  sich  ohne  weiteres  ergiebt,  ob  die  Probe 
verdächtig  ist  oder  nicht.  Näheres  s.  die  Gebrauchsanweisung  zum 
Apparat  und  die  einschlägige  Litteratur. 

Das  im  Kleinhandel  befindliche  sogen.  Wurstfett  wird  durch 
Abschöpfen  der  zum  Kochen  der  Würste  notwendigen  Wurstbrühe  ge- 
wonnen. Es  ist  ein  stark  wasserhaltiges  Mischfett  von  grauer  bis  grau- 
grünlicher Farbe,  das  nach  den  Wurstgewürzen  schmeckt  und  kleine 
Fleisch-  und  ungeschmolzene  Talgpartikel  etc.  enthält.  Es  ist  leicht 
verderblich. 

Bei  den  beiden  Talgarten,  Rinder-  und  Hammeltalg,  die  roh 
und  ausgelassen  in  den  Handel  gelangen,  kommt  es  fast  nur  auf  den 
Konservierungszustand  au.  Abnorm  riechender  und  in  der  Farbe  ver- 
änderter Talg  ist  nur  technisch  zu  verwerten. 

Die  Prüfung  der  Butter  hat  sich  auf  Wasser-  und  Käsegehalt, 
sowie  auf  Ranzigkeit  und  Verfälschungen  zu  erstrecken.  Letztere 
werden  zumeist  mit  Margarine  vorgenommen,  und  ist  der  Beweis  hier- 
für nur  durch  die  chemische  Untersuchung  zu  erbringen.  Aus  einer 
Anzahl  von  Butterproben  sind  die  verdächtigen  meist  leicht  durch  das 
Butterrefraktometer  herauszufinden. 

Vgl.  die  Arbeiten  über  Untersuchung  von  Butter,  Schweinefett,  Käse 
von  Polenske-*™,  Ostertag^^h^  Hefelmann^-'  u.  A. 

Beurteilung.  Ranziges  Fett  ist  gesundheitsschädlich.  Gegen 
Verfälschung  kann  nur  vorgegangen  werden,  wenn  der  Verkauf  des 
Fettes  unter  einer  zur  Täuschung  geeigneten  Bezeichnung  stattgefunden 
hat.  In  dieser  Beziehung  erkennen  die  Gerichte  Benennungen  wie  „ge- 
reinigtes Fett,  Mischfett,  raffiniertes  Fett,  Speisefett"  nicht  als  aus- 
schließlich auf  Schweinefett  allein  anwendbare  Bezeichnungen  an.  Es 
empfiehlt  sich,  durch  Gesetz  den  Begriff  „Schweinefett" 
fes  tzu  legen. 

1)  Fostolka  und  Toskano,   Die  animalischen  Sahrungs-  und  Oenufsmittel  det  Menschen,   188. 

\a)  Niebel,   Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.    Milchhyg.   6.   Bd.   3. 

1*)  Labler,  Hegers  Zeüschr.  (1895)  Xo.  23. 

'2)  Kobert,   Pharm.  Ztg.  (1885)  Xo.  61   und  D.  Med.  Ztg.  (1885)   738. 

3)  Arustamoflf- uJstracAan,  Centralbl.  f.   Bakteriol.  u.   ParasUenk.  (1891)   7.   Bd.   119. 
3a)  Hirschfeld.    VieHelj.  f.  ger.   Med.  53.   Bd.   283. 

36.  Knoch,  D.   Med.  Ztg.  (1885)  868. 

4)  Niebel,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.  Milchhyg.    4.   Bd.    5  u.  21. 
6)   Zeitschr.  f.   Fleisch-  u.    Milchhyg.   3.   Bd.    168. 

6)  Simon,  Zeitschr.  f.   Fleisch    u.   Milchhyg.   2.   Bd.  28. 

6a)  Springfeld,  D.    Vierteljahr sschr.  J.  öffentl.  Oesdhtspfi.   26.   Bd.  3.   Heft. 

1)  Virchow,    D    Med.  Ztg.  (1885)   1042,   1089,    1114. 

8)  Schmidt-Mülheim,    Zeitschr.    f.    Fleischbeschau    u.   Fleischproduktion    (1885)  No.   5.    — 
Zeitschr.  f.   Fleischbeschau  u.   Fleischproduktion   (18ö8)   14. 

9)  Cameron,    Lancet  (1890)  Jvli  26.  —    Centralbl.    f.  Hin.   Med.  (1891)   No.   18.   —  Arch. 
f.  animal.   Nahrung smittelk.   (1891)   128. 

10)  Wolff,    Centralbl    f.  med     Uissensch.   26.   Bd. 

11)  Dutertre,  Em,  Annal.  d'hyg   publ.   Paris,   19.  Bd.   176. 

12)  Bardet,    .München,  med.    Hochenschr.   (1893)   No.  45. 

12a)  Ostertag.   Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.   Milchhyg.  (1894)  No.   12. 
12J)   Eberlein,   Arch    f.    Tierheük.  (1895)  310 

13)  Schmidtmann,  Zeitschr.  f.  Medizinal- Beamte  (1888)  No.   1   u.  2. 
13a)  Foote,    The  med.  News,   März   1895 

14)  Maljean.    Rec     de    mid.    vetir.    (1892)    3.   Bd.,    ref.    Zeitschr.    f.    Fleisch-    «.   Milchhyg. 
2.   Bd.   131 

16)  Schmidt-Mülheim,   D.  Zeitschr.  /.    Tiermed.  (1884)   374. 

125 


536  •    EDELMANN, 


Ifta)  Falk  und  Oppermann,   D.  FUischer-Ztg.  (1892). 

15^;)  Kissling.  Ztiitschr.  f.  Fleisch-  u.   ililchhyg.  6.  Bd.   71. 

IG'»    Petsch,   Zeitfchr.  f.    Vtt.-Kunde  6.  Bd    No.   1. 

17)  Klinger  und  Bajard,   Ostertag's  Ilandh.  667. 

18)  BiachoflF,   OsteHag's  Handb.  668. 

19)  Marpmaim,    Zcitschr.    f.    angewandte    Mikroskopie    1.  Bd.    12;    rej.    von  Edelmann    i« 
D.   titrärztl.    Wochenschr.    3.  Bd.   172. 

20)  Schmidt-Mülheim,  Arch.  f.  anitnal,  Ndhrungsmittelk.  5.   Bd.   63. 

21)  Hamlet,  Chemiker- Ztg.   17.   Bd. 

22)  Boucherau  und  Noir,    Arch.  d.  med.  milit.  (1889). 

22a)  Herrn.    Kämmerer ,     Forschungsberichte     über    Lebensmittel    und    ihre    Beziehungen    zur 

Hygiene,   über  forense  Chemie  und  Pharmakognosie.    München,    2.   Jahrg.    10.   Uft.   257. 
226)  PoUi,  Ber.  d.  DeiU^ch.  Chem.   GeseUsch.   10.   Bd.   1382   (1877). 
22c)  Liebreich,   Berl.  klin.    Wochenschr.  (1887)   605. 
22f/)  Ostertag,  Zeitschr.  f.  Fleisch-  u     MUchhyg.   2.   Bd.  85. 
22t)  Edelmann,  D.  t.    Wochenschr.  (1896)  Xo.  8. 
22/)    Veröf.  d.   Kaiserl.  Gesundheitsamts  (1895)    194. 
22p)  Ibid.  (1894)  867. 

22h)  Ostertag.   Zeitschr.  f.  Fleisch-  u.   Müchhyg.  6    Bd.   69. 
22 1)  Hefelmann,  D.  t.    Wochenschr.  (1896)  95. 

22/:)  Plagge  und  Trapp,   Die  Methoden  der  FleisclJeoiiservierung,  Berlin   1893. 
22Z)  Polenske,   Arbeit.  Kaiserl.   Gesundheitsamt.   11.   Bd.   Z.Heft. 
22m)  Polenske,  Ibidem. 


VI.  Kapitel. 

Fleisch-  und  Wurstvergiftiiiigeii. 

Infolge  des  Genusses  von  Fleisch,  Fleisch-  0(ier  Wurstwaren 
kommen  nicht  selten  beim  Menschen  Erkrankungen  vor,  welche  unter 
dem  Symptomenbilde  von  Vergiftungen  auftreten  und  daher  auch  als 
solche  bezeichnet  werden.  Diese,  mitunter  eine  endemische  Verbreitung 
zeigenden  Vergiftungen,  sind  aber  weder  ätiologisch,  noch  ihrem  Wesen 
nach  einheitlicher  Natur,  sondern  sie  weisen  nach  beiden  Richtungen 
hin  oft  sehr  erhebliche  Verschiedenheiten  auf.  Im  großen  und  ganzen 
kann  man  drei  Gruppen  dieser  auf  Fleischgenuß  zurückzuführenden 
Vergiftungen  unterscheiden,  nämlich  die  eigentlichen  Fleisch- 
vergiftungen, die  sogen.  Hackfleischvergiftungen  und  die 
Wurstvergiftungen.  Nicht  immer  sind  diese  Gruppen  scharf 
auseinanderzuhalten,  sondern  manchmal  muß,  auf  Grund  der  Krankheits- 
symptome, in  Verbindung  mit  der  Art  der  schädlichen  Fleischnahrung 
eine  kombinierte  Ursache  der  Vergiftung  angenommen  werden.  Unter 
die  Gruppe  der  Wurstvergiftungen  sind  ferner  die  Vergiftungen  durch 
den  Genuß  von  Fischen,  Muscheln  und  Krustentiere  zu  rechnen,  welche 
gemeinhin  als  Vergiftungen  durch  Fischgift  bezeichnet 
werden.  Letztere,  die  bereits  S.  527  eine  kurze  Erwähnung  fanden, 
mögen  hier  unberücksichtigt  bleiben. 

1.  Die  Fleischvergiftungen. 

Obwohl  die  Bedeutung  der  Fleischvergiftungen  schon  seit  geraumer 
Zeit  in  der  medizinischen  Welt  gewürdigt  worden  ist,  so  hat  man  doch 
ihren  Ursprung  und  ihr  Wesen  erst  in  den  letzten  beiden  Jahrzehnten 
näher  kennen  gelernt.  Während  man  früher  zumeist  geneigt  war,  als 
Ursache  der  Fleischvergiftungen  eine  Erkrankung  der  Schlachttiere  an 
Milzbrand   oder  Typhus    vorauszusetzen    und   eine  unmittelbare  üeber- 

126 


Fleischbeschau.  537 

tragung  der  betreffenden  Kninkheitserreger  auf  den  Menschen  an/u- 
nebmen,  kann  heute  diesen  beiden  Krankheiten  eine  ursächliche  Be- 
deutung bei  den  eigentlichen  Fleischvergiftungen  fast  vollständig 
abgesprochen  werden.  Boll  in  ger  '  hat  schon  187(j  darauf  aufmerksam 
gemacht,  daß  eine  Anthra.xübertragung  ganz  andere  Krankheitsbilder 
zur  Folge  hat,  als  sie  bei  Fleischvergiftungen  vorkommen.  Und  be- 
züglich des  Typhus  wies  er  zutreffend  darauf  hin,  daß  eine  dem  Typhus 
des  Menschen  entsprechende  Krankheit  bei  den  Tieren  überhaupt  nicht 
vorkommt.  Dagegen  hob  Bolliuger  die  Bedeutung  der  septischen 
und  pyämischen  Krankheiten  der  Schlachttiere  als  Ursachen  der 
Fleischvergiftungen  bei  den  Menschen  ganz  besonders  hervor  und  ver- 
mochte seine  Behauptung  vier  Jahre  später  durch  die  Thatsache  zu 
belegen,  daß  innerhalb  dieser  Zeit  11  gniliere  Massenvergiftungeu  mit 
etwa  lüOO  Krkraukungsfällen  vorgekommen  waren,  welche  überwiegend 
auf  Fleisch  von  septisch  oder  pyämisch  erkrankten  Schlachttieren 
zurückgeführt  werden  konnten. 

Gleichzeitig  hatte  Si  edamgrotzky  -  sich  mit  dieser  naturgemäß 
für  die  Tierärzte  besonders  wichtigen  Frage  des  Ursprungs  der  Fleisch- 
vergiftungen beschäftigt  und  sich  damit  das  große  Verdienst  erworben, 
die  tierärztliche  Welt  auf  die  Bedeutung  dieser  P'rage  nachdrücklich 
hingewiesen  zu  haben. 

IVesen.  Das  Wesen  der  Fleischvergiftungen  beruht  entweder  in 
einer  Intoxikation  des  menschlichen  Körpers  mit  den  von  Fäulnis- 
oder Eiteruugserregern  oder  von  Sepsis  veranlassenden  Mikroorganismen 
im  Fleische  erzeugten  chemischen  Giften  (Toxine,  Toxalbumine,  toxi- 
gene  Substanzen,  Fermente),  oder  auch  in  einer  Infektion  mit  diesen 
Mikroorganismen  selbst,  oder  endlich  in  einer  g  e  m  e  i  n  s  a  m  e  n  Wirkung 
von  toxischen  Substanzen  und  Infektionserregern. 

Der  Charakter  der  durch  die  Aufnahme  von  im  Fleisch  vorhandenen 
animalischen  Giften  beim  Menschen  entstehenden  Krankheit,  welche  von 
Bollinger  als  Sepsis  in  testinalis,  von  Gaffky  als  infek- 
tiöse Enteritis  bezeichnet  wird,  ist  ein  sehr  wechselnder.  Bol- 
linger sagt  darüber:  „Von  der  einfachen  Verdauungsstörung,  dem 
Magenkatarrh,  dem  Brechdurchfall  bis  zu  schweren  febrilen  Erkran- 
kungen, die  gelegentlich  unter  dem  Bilde  des  sogen.  Schleimfiebers,  des 
gastrischen  Fiebers,  des  Ileotyphus,  der  Dysenterie  verlaufen,  existiert 
eine  förmliche  Stufenleiter.  ...  Zu  dem  Gebiete  der  Fleischvergiftungen 
gehören  wahrscheinlich  auch  manche  Erkrankungen,  die  unter  dem 
Bilde  des  Petechialtyphus,  des  fieberhaften  Ikterus  (Weil'sche  Krank- 
heit) verlaufen.  .  .  .  Durch  Versuche  (Kocher's)  an  Tieren  ist  nach- 
gewiesen, daß  derartige  septische  und  bacilläre  Gifte  vom  Verdauungs- 
kanal aus  in  den  Körper  einzudringen  und  schwere  entzündliche  Prozesse 
(z.  B.  infektiöse  Knochenmarkentzündung)  zu  verursachen  vermögen,  ohne 
an  der  Eintrittsstelle  Spuren  zu  hinterlassen".  Audi  choleraverdächtige 
Erkrankungen  sind  nicht  selten  im  Gefolge  von  Heischvergiftungen  be- 
obachtet worden.  Entsprechend  der  Erkrankungsform  sind  daher  die 
Erscheinungen  der  Fleischvergiftung  sehr  verschieden  und  sie  werden 
naturgemäß  ganz  erheblich  durch  die  Menge  des  genossenen  Fleisches, 
dessen  Zubereitung  u.  s.  w.  beeinflußt.  Wenn  demgemäß  ein  einheit- 
liches typisches  Krankheitsbild  bei  der  Fleischvergiftung  nicht  besteht, 
so  dürfte  es  nur  aus  dem  Zusammenhange  einer  dem  Symptomen- 
komplex entsprechenden,  konkreten  Erkrankung  mit  der  Aufnahme  einer 

127 


538  EDELMANN. 

bestimmten  Fleischnahrung  möglich  sein,  beim  Fehlen  anderweiter  krank- 
machender Einflüsse  eine  Diagnose  auf  Fleischvergiftung  zu  stellen. 

Ursachen.  Die  Veranlassung  zu  Fleischvergiftungen  giebt  ent- 
weder das  Fleisch  von  Schlachttieren,  welche  mit  gewissen  Krankheiten 
behaftet  gewesen  waren,  oder  Fleisch,  welches  postmortal  mit  pathogenen 
Mikroorganismen  infiziert  worden  ist.  Die  letzteren  gehören  je- 
doch, streng  genommen,  nicht  unter  die  Fleischver- 
giftungen im  engeren  Sinne  (s.  S.  539).  In  ersterer  Hinsicht 
kommen  ganz  besonders  die  p y am i sehen  und  septikä mischen 
Erkrankungen  der  Schlachttiere  mit  ihren  mannigfachen 
Formen  (S.  511  ff.)  und  ihrer  meist  dunklen  Aetiologie  in  Betracht.  Ins- 
besondere sind  es  gewisse  Darmerkrankungen  bei  Rindern ,  eigenartig 
verlaufende  Euterentzündungen  der  Kühe,  bestimmte  Allgemeiner- 
krankungen post  partum  bei  Kühen .  sowie  auf  Infektionen  vom  Nabel 
aus  zurückführbare  Krankheiten  der  Kälber,  welche,  auf  septischer  Basis 
beruhend,  dem  Fleisch  giftige  Eigenschaften  verleihen.  Da  diese  Er- 
krankungen der  Tiere,  wie  schon  früher  (S.  428)  erwähnt  wurde,  sehr 
häufig  zur  Notschlachtung  derselben  Veranlassung  geben,  so  ist  es  nicht 
auffallend,  daß  die  weitaus  meisten  Fleischvergiftungen 
auf  notgesch lachtet e  Tiere   zurückzuführen   sind. 

Daß  der  Milzbrand  der  Tiere  als  Ursache  der  Fleischvergiftungen 
nur  eine  ganz  untergeordnete  Rolle  spielt,  wurde  schon  angedeutet  und 
auch  bei  Besprechung  dieser  Seuche  (S.  506j  betont,  daß  eine  Anthrax- 
erkrankung  von  Menschen  durch  den  Genuß  des  Fleisches  milzbrand- 
kranker Tiere  noch  nicht  einwandsfrei  bewiesen  worden  ist.  Bezüglich 
der  sogenannten  typhösen  Erkrankungen  der  Schlachttiere  sei  erwähnt, 
daß,  wenn  sie  einmal  bei  der  Entstehung  von  Fleischvergiftungen  in 
Frage  kommen,  stets  der  Verdacht  vorliegt,  daß  die  als  Typhus  be- 
zeichnete Tierkrankheit  septischer  oder  pyämischer  Natur  gewesen  ist, 
bez.  daß  Sepsis  oder  Pyämie  sich  mit  dem  sogen.  Typhus  (Petechial- 
fieber s.  S.  513)  kombinierten. 

Von  einem  kranken  Schlachttiere  kann  nun  entweder  das  ge- 
samte Fleisch  schädHche  Eigenschaften  besitzen,  oder  es  können 
sich  die  letzteren  auch  nur  auf  einzelne  Eingeweide  der  Tiere 
beschränken.  Beidemal  kann  die  Virulenz  des  Fleisches  oder  Ein- 
geweides sehr  verschieden  und  demzufolge  der  Grad  der  Vergiftung 
sehr  wechselnd  sein.  Die  Virulenz  des  PTeisches  ist  abhängig  von  der 
Schwere  und  Art  der  Erkrankung  des  Schlachttieres,  von  dem  Zeit- 
punkte der  Schlachtung  und  dem  Ausbluten  des  Tieres ,  von  der  Art 
der  Aufljewahrung  und  der  Zubereitung  des  Fleisches,  ßezüghch  der 
Aufbewahrung  muß  angenommen  werden,  daß  unter  gewissen  Verhält- 
nissen fWärme,  Feuchtigkeit)  die  Giftigkeit  des  Fleisches  durch  die 
weiteren  Lebenswirkungen  der  in  ihm  vorhandenen  Infektionserreger 
eine  postmortale  Steigerung  erfährt,  oder,  daß  letztere  durch  die 
Ansiedelung  neuer  Keime  infolge  Bildung  von  Kadavertoxinen  ver- 
anlaßt wird.  Die  Zubereitung  des  Fleisches  spielt  insofern  eine  be- 
deutende Rolle,  als  erfahrungsgemäß  der  Genuß  des  rohen  Fleisches  in 
der  Regel  viel  schwerere  Störungen  zur  Folge  hatte,  als  der  von  ge- 
kochten oder  gebratenen  Fleischspeisen.  Durch  diese  Zubereitung 
werden  Infektionserreger,  welche  im  Fleische  selbst  sitzen,  vielfach  ab- 
getötet und  damit  die  Gefahr  abgewendet,  welche  dem  Menschen  durch 
die  Reproduktion  dieser  Infektionserreger  bei  Einverleibung  in  seinen 
Verdauungsapparat  droht.   Daß  die  dem  Fleische  anhaftenden  chemischen 

128 


Fleischbeschau.  539 

Giftstoffe  durch  das  küchen mäßige  Kochen  oder  Braten  nicht  zerstört 
werden,  hat  die  Erfahrung  mannigfach  gelehrt,  und  dies  bildet  einen 
Beweis  dafür,  daß  (bis  Wesen  einer  ganzen  Anzahl  von  Fleischver- 
giftungen eine  Intoxikation  ist.  Selbstverständlich  können  diese  toxi- 
schen Substanzen  durch  die  Zubereitung  des  Fleisches  durch  Aus- 
laugung, oder  Bildung  anderer  chemischer  Verbindungen,  eine  Vermin- 
derung erfahren,  was  gleichzeitig  eine  Abschwächung  der  Giftigkeit  des 
Fleisches  an  und  für  sich  in  sich  schließt.  Hierfür  spricht  auch  die 
Beobachtung,  daß  in  gewissen  Fällen  die  Fleischbrühe  hervor- 
ragende toxische  Wirkungen  besessen  hat. 

Soweit  einzelne  Eingeweide,  insbesondere  Leber  und  Nieren 
der  Schlachttiere,  sich  giftig  erwiesen,  während  das  Fleisch  selbst,  die 
Muskulatur  der  betreffenden  Tiere,  unschädlich  war,  muß  angenommen 
werden,  daß  diese  Organe  entweder  ausschließlich  der  Sitz  der  toxiko- 
genen  Elemente  waren,  oder  vermöge  ihrer  physiologischen  I'unktionen 
größere  Mengen  giftiger  Substanzen  aufnehmen  konnten. 

Was  endlich  die  Fälle  anlangt,  in  denen  das  giftig  wirkende  Fleisch 
erst  post  mortem  seine  Virulenz  erlangt  hat,  so  gehören  diese, 
wie  schon  angedeutet  wurde,  eigentlich  nicht  hierher,  sondern  fallen 
unter  die  schon  S.  472  besprochenen  postmortalen  Veränderungen  des 
Fleisches,  woselbst  auch  schon  auf  deren  Bedeutung  hingewiesen  wurde. 
Bezüglich  ihrer  Aetiologie  und  klinischen  Erscheinungen  sind  die  Ver- 
giftungen durch  postmortale  Veränderungen  des  Fleisches  den  sogen. 
Wurstvergiftungen  (S.  543)  zu  subsumieren,  üeber  die  bei  faulen- 
dem Fleisch  sich  bildenden  Giftstoffe,  die  Kada  veralkaloid  e  oder 
Fäulnistoxine,  haben  die  Arbeiten  von  Brieger^,  Bocklisch-*, 
Arnold**  u.  A.  Aufklärung  verschafft.  Doch  sind  die  von  den 
gesamten  Autoren  dargestellten  Ptomaine  meist  un- 
giftig. Vielleicht  sind  diese  Stoffe  nur  die  Zersetzungsprodukte  bisher 
kaum  bekannter,  höchst  giftiger  Fäulnisprodukte. 

Aetiologie  der  Fleischgif'tigkeit.  lieber  diejenigen  Kleinlebe- 
wesen ,  welche  in  den  kranken  Schlachttieren,  bez.  in  dem  von  ihnen 
abstammenden  Fleische  die  toxischen  Substanzen  erzeugen,  oder  auch  in 
dem  letzteren  selbst  sich  aufhalten  und  beim  Genüsse  des  Fleisches  auf 
den  Menschen  pathogen  wirken,  besitzen  wir  noch  verhältnismäßig  wenig 
Erfahrungen.  Es  kommt  dies  zum  größten  Teil  daher,  daß  in  der  Regel 
zu  dem  Zeitpunkt,  an  welchem  eine  Fleischvergiftung  als  solche  erkannt 
wird,  von  dem  schädlichen  Fleische  keine  oder  nur  sehr  spärliche  Ueberreste 
vorhanden  sind,  welche  außerdem  noch  meist  für  die  bakteriologische 
Untersuchung,  infolge  eingetretener  Fäulnis,  ein  sehr  wenig  geeignetes 
Material  bilden.  Nach  den  Zusammenstellungen  von  Gstertag^  in 
seinem  Handbuche  und  einigen  vom  Verf.  in  der  Litteratur  gefundenen 
Angaben  liegen  folgende  Arbeiten  vor,  bei  denen  die  pathogene  Wirkung 
der  gefundenen  Mikroben  stets  experimentell  nachgewiesen  wurde. 

Zuerst  hat  Johne  ^  bei  der  Fleischvergiftung  in  Lauterbach  (1884) 
im  Fleische  einen  pathogenen,  milzbrandähnlichen  Bacillus  gefunden. 

Gärtner'^  wies  bei  der  Fleischvergiftung  in  Fraukenliausen  (1888) 
innerhalb  der  Blutgefäße  einen  Bacillus  nach,  den  er  Bacillus  enteritidis 
nannte.  Das  von  demselben  produzierte  chemische  Gi  ft  wurde  durch 
Kochen  nicht  zerstört.  —  Denselben  Bacillus  fand  Johne**  bei  der 
Cottaer  Fleischvergiftung  (1889),  jedoch  nur  im  Bindegewebe  liegend 
und  neuerdings  auch  im  Fleisch  von  Würsten,  welche  1894  in  Bischofs- 

Handbuch  der  Hygiene.     Bd.  III.    Abtlg.  a.  35 

129 


540  EDELMANN, 

werda  ^  eine  Massenerkrankung  veranlaßt  hatten.  —  Karlinski^^ 
vermochte  den  Bac.  enterit.  Gärtner  noch  in  getrocknetem  Schaffleisch, 
welches  toxisch  gewirkt  hatte,  nachzuweisen. 

Gaffky  und  Paak^^  isolierten  aus  Pferdefleischwürsten,  welche, 
wie  auch  das  Fleisch,  in  Röhrsdorf  (1885)  eine  Vergiftung  veranlaßt 
hatten,  pathogene,  bewegliche  Mikroorganismen,  die  sie  Wurstbacillen 
nannten  und  die  in  anderen  Fleisch-  und  Wurstsorten  nicht  zu  finden 
waren. 

Bei  der  Fleischvergiftung  zu  Rotterdam  (1892)  fanden  Po  eis  und 
D  h  0  n  t  ^2  kurze  und  aufserordentlich  feine  Stäbchen  mit  abgerundeten 
Enden  besonders  in  den  Blutgefäßen  des  intramuskulären  Gewebes.  Die 
Bacillen  produzierten  toxische  Stoffe.  Kälber  starben  5  Stunden  nach 
der  intravenösen  Injektion  einer  Reinkultur. 

Bei  der  Fleischvergiftung  zu  Moorseele  (1892)  wies  vanErmengem*^ 
im  Mark  des  Oberschenkels  eines  der  die  Ursache  bildenden  Kälber  die 
von  ihm  als  Bacilles  de  Moorseele  bezeichneten  Mikroben  oder  Bacillen 
nach.  —  Die  Stäbchen  zeigen  große  Beweglichkeit  und  besitzen  zahl- 
reiche (4 — 8),  lange  Geißeln,  welche  sich  mit  L  öf  f  ler'scher  Flüssig- 
keit leicht  färben  lassen.  Mit  dem  Bacillus  enteritidis  Gärtner  sind 
die  Bacillen  van  Ermengem's  nicht  identisch.  Letztere  produzieren 
ein  Toxalbumin,  welches  durch  Erhitzung  auf  100  —  120*^  C.  nicht  zer- 
stört wird.  —  Holst  ^^*  fand  bei  einer  in  der  Irrenanstalt  zu  Gaustadt 
vorgekommenen  Fleischvergiftung  von  81  Personen  mit  4  Todesfällen  Ba- 
cillen, welche  er  mit  denjenigen  van  Ermengem's  für  identisch  hält. 
Dieselben  waren  dem  Bact.  coli  commune  ähnlich.  Ursache  der  Epidemie 
war  ein  Kalbsbraten. 

Flügge  ^"^  hat  bei  der  Breslauer  Massenerkrankung  (1893)  Teile 
des  giftigen  Fleisches  an  Mäuse  verfüttert,  in  deren  Darm  sich  darauf 
eine  Reinkultur  von  Bakterien  vorfand,  die  dem  Bacterium  coli  ähnlich 
waren.  Dasselbe  vermehrt  sich  sehr  schnell  im  Organismus  und  wirkt 
schließlich  wie  ein  Toxin. 

Basenau^^  züchtete  aus  dem  Fleische  einer  Kuh,  welche  wegen 
Erkrankung  nach  dem  Kalben  notgeschlachtet  worden  war,  den  Bacillus 
bovis  mortificans.  Derselbe  besitzt  die  Größe  der  Typhusbacillen,  ist 
beweglich,  wächst  in  und  auf  geschlachtetem  Fleische  und  wird  durch 
eine  Minute  dauernde  Einwirkung  von  70*^  C.  getötet.  Er  ist  pathogen 
bei  Impfung  und  Verfütterung  für  Mäuse,  weiße  Ratten,  Meerschweinchen 
und  Kälber. 

K  u  b  0  r  n  ^  6  fand  in  dem  Fleische  einer  umgestandenen  Kuh,  durch 
welches  30  Personen  in  Denis  (Belgien)  erkrankt  waren,  den  Staphylo- 
coccus  pyogenes  flavus. 

Inwieweit  nun  die  vorgenannten,  oder  auch  andere,  noch  unbekannte 
Bakterien,  welche  in  dem  giftig  wirkenden  Fleische  kranker  Schlachttiere 
vorhanden  sind,  durch  ihre  Einverleibung  in  den  menschlichen  Ver- 
dauungsapparat selbst  schädlich  wirken,  oder  durch  die  von  ihnen  be- 
reits im  Fleische  erzeugten  Giftstoffe,  bedarf  noch  der  Aufklärung. 
Die  Schnelligkeit  des  Auftretens  der  ersten  Krankheitserscheinungen 
nach  dem  Fleischgenusse  spricht  mehr  für  eine  Intoxikation.  An  diese 
können  sich  jedoch  die  Folgen  der  Infektion  anschließen,  indem  die 
schnell  wachsenden  und  in  die  Blutbahn  proliferierenden  Mikroben  (z. 
B.  Bacillus  enteritidis  Gärtner)  ihre  deletären  Wirkungen  äußern  durch 

130 


Fleischbeschau.  541 

ihre  Giftbildung  nicht  nur  im  Verdauungsapparat,  sondern  auch  erst 
in  den  Blut-  und  Lyniphbalmen  des  Körpers. 

In  den  schwereren  und  protrahierten  Fällen  von  Fleischvergiftung 
müssen  wir  unbedingt  eine  septische  Infektion  des  menschlichen 
Körpers  annehmen,  da  reine  Intoxikationen  schneller  verlaufen  und  ent- 
weder bald  letal  enden,  oder,  infolge  Zerstörung  ihrer  Giftstoöe  durch 
die  Thätigkeit  der  lebenden  Zellen  des  menschlichen  Organismus,  in 
Genesung  übergehen. 

Es  mag  nicht  unerwähnt  bleiben,  daß  bei  einer  gan/en  Anzahl  von 
Fleischvergiftungsfällen  beobachtet  worden  ist,  daß  reichlicher  Alkohol- 
genuß  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  die  Erkrankung  der  be- 
treuenden Personen  verhütete  oder  abschwächte. 

Kasuistik  der  FleiscliTergiftnngen.  Eine  erstmalige  kritische 
Aufzählung  der  bis  dahin  beobachteten  Fälle  findet  man  in  der 
obenerwähnten  Arbeit  von  Siedamgrotzky-  aus  dem  Jahre  1880, 
deren  Inhalt  von  Bollinger^  in  seinem  mehr  genannten  Vortrage 
mit  verarbeitet  worden  ist.  Die  Bollinge  r'sche  Kasuistik  führt 
17  endemische  Fleischvergiftungen  mit  fast  2400  Erkrankungs-  und 
35  Todesfällen  auf.  Diese  Kasuistik  hat  Ostertag^,  welcher  1892 
einen  Vortrag  über  diesen  Gegenstand  gehalten  hatte,  in  sein  Handbuch 
aufgenommen  und  dieselbe  vermehrt  durch  55  aus  der  Litteratur  der 
letzten  15  Jahre  bekannt  gewordene  Vergiftungen  infolge  Fleischgenuß. 
Letztere  55  Fälle  umfassen  mehr  als  2700  Erkrankungen,  von  denen 
der  überwiegende  Teil  auf  Deutschland  entfällt. 

Das  Studium  auch  dieser  Massenerkrankungen  beweist,  wie  Ost er- 
tag  zutreöend  hervorhebt,  „aufs  neue  die  b  esondere  Gefährlich- 
keit des  Fleisches  von  Kälbern,  welche  im  Anschluß  an 
Nabelinfektion  septisch  erkrankten,  ferner  derjenigen 
Kühe,  welche  wegen  entzündlicher  Prozesse  nach  dem 
Kalben,  oder  wegen  eigentümlicher  Darm-  und  Euterer- 
krankungen notgeschlachtet  werden  mußten",  üeber  Einzel- 
heiten, insbesondere  über  die  Zahl  der  bei  den  einzelnen  Endemien 
erkrankten  und  gestorbenen  Personen,  über  die  Ursache  der  Er- 
krankungen ,  deren  Erscheinungen  (S.  542)  und  Verlauf,  muß  auf  die 
angeführte  Litteratur,  welche  sich  noch  durch  Fälle  aus  den  letzten 
beiden  Jahren  würde  vermehren  lassen,  verwiesen  werden. 

Behufs  Erkennung  der  Giftigkeit  Yon  Fleisch  kann  zwar  eine 
Prüfung  desselben  auf  Bakterien  in  der  von  Basenau'^  vor- 
geschlagenen Weise  (S.  429)  unternommen  werden,  jedoch  würde  eine 
solche  bakteriologische  Untersuchung  für  die  Praxis  immer  nur  der 
äußerste  Notbehelf  bleiben  können. 

Der  Schwerpunkt  ist  vielmehr  auf  eine  Prophylaxe  der  Fleisch- 
vergiftungen durch  die  Fleischbeschau  zu  legen,  auf  eine  ge- 
wissenhafte tierärztliche  Untersuchung  der  Schlachttiere  vor  und 
nach  der  Schlachtung,  die ,  wie  schon  öfter  betont  wurde, 
mindestens  bei  Notschlachtungen  unter  allen  Umstünden  staat- 
lich angeordnet  werden  sollte.  Zwar  wird  es  selbst  für  den  ge- 
übten Sachvcrstäntligen  zweifelhafte  Fälle  geben ,  in  welchen  ihm  die 
Abgabe  eines  Urteiles  nicht  leicht  sein  wird ;  aber  gleichwohl  wird 
derselbe,  bei  Beachtung  und  Würdigung  aller  klinischen  und  patholo- 
gischen Eigentümlichkeiten  der  septischen  und  i)yämischen  Erkran- 
kungen, auf  die  S.  511  ti'.  kurz  hingewiesen  wurde,  die  Entstehung  von 
Fleischvergiftungen   nahezu   vollständig,   sicher   aber  insoweit   verhüter 

13'  ^^* 


542  EDELMANN, 

könuen,  als  dies  nach  dem  derzeitigen  Stande  unserer  wissenschaftlichen 
Fleischbeschau  überhaupt  möglich  ist. 

3.  Die  Hackfleischvergiftungeii. 

Die  Vergiftungen  durch  gehacktes  Fleisch  müssen  als  besondere 
Gruppe  der  Fleischvergiftungen  betrachtet  Averden,  weil  sie,  hinsichtlich 
ihrer  Aetiologie,  nicht  zu  den  besprochenen  Fleischvergiftungen  im  eigent- 
lichen Sinne  gehören  und,  wegen  ihrer  Symptomatologie,  erheblich  von 
den  Wurstvergiftungen  abweichen. 

IVeseii  und  Erscheinungen.  Wenngleich  das  Wesen  der  Hack- 
fleischvergiftungen noch  nicht  aufgeklärt  ist,  so  dürfte  denselben  dennoch 
entweder  eine  Infektion  mit  septisch  wirkenden,  fakultativen  Saprophyten, 
welche  sich  auf  dem  Fleische  angesiedelt  haben,  oder  auch  eine  In- 
toxikation mit  besonderen,  durch  die  Lebensthätigkeit  von  Bakterien 
im  Fleische  gebildeten  Toxinen  zu  Grunde  liegen.  —  Die  Erscheinungen, 
welche  von  Haupt  bei  der  Epidemie  in  Chemnitz  (1886)  beobachtet 
und  von  S  c  h  m  i  d  t  -  M  ü  1  h  e  i  m  ^ '  mitgeteilt  worden  sind,  waren  graduell 
von  der  Menge  des  Fleischgenusses  abhängig  und  ähnelten  vielfach  denen, 
wie  sie  bei  den  eigentlichen  Fleischvergiftungen  beobachtet  werden: 
Uebelkcit,  Eingenommensein  des  Kopfes,  Mattigkeit,  Erbrechen,  ruhr- 
artiger Durchfall,  Kopfschmerzen,  Schwindel  und  große  Hinfälligkeit; 
bei  Kindern  Steigerung  bis  zu  choleraartigen  Symptomen.  Einige  Er- 
krankte schwebten  tagelang  in  Lebensgefahr,  jedoch  fand  bei  allen 
Genesung,  wenn  auch  bei  einigen  sehr  verzögert,  statt.  Bei  der  Endemie 
im  Jahre  1879  waren  2  Personen  gestorben. 

Ursaclien.  Hervorgerufen  wurden  die  Hackfleischvergiftungen  durch 
den  Genuß  von  rohem  Hackfleisch,  welches  anscheinend  noch  völlig 
unverdorben  war  und  im  gebratenen  Zustande  keinerlei  Erkrankung 
oder  nur  ganz  geringe  Unpäßlichkeit  veranlaßte.  Das  Fleisch  stammte 
bei  den  größeren  Massenerkrankungen  nachgewiesenermaßen  von  Tieren, 
welche  seitens  der  Fleischbeschau  in  den  freien  Verkehr  gelassen  worden 
waren,  deren  Fleisch  auch  sonst  keinerlei  Erkrankungen  veranlaßt  und  das 
nur  und  ausschließlich  als  Hackfleisch  giftig  gewirkt  hatte.  Daher  bleibt 
nur  die  Annahme  übrig,  daß  in  dem  Hackfleische  vor  oder  nach  der 
Zerkleinerung  sich  Mikroorganismen  angesiedelt  und  daselbst  schnell 
vermehrt  haben.  Letzteres  wurde  begünstigt  durch  die  hohe  Außen- 
temperatur, da  die  Hackfleischvergiftungen  nur  im  Frühjahr  und  Sommer 
beobachtet  wurden,  durch  das  leichtere  Eindringen  der  Luft  in  das 
zerkleinerte  Fleisch  und  durch  dessen,  nicht  selten  künstlich  vermehrten 
Feuchtigkeitsgehalt.  Ob  nun  bei  den  Menschen,  welche  derartiges 
Fleisch  genossen  hatten,  die  Fleischbakterien  selbst  durch  Vermehrung  der 
Toxinbildung  im  Verdauungsapparat  giftig  wirkten,  oder  ob  die  von 
ihnen  schon  im  Fleische  erzeugten  Zersetzungsprodukte  allein  die  Krank- 
heit herbeifülirten,  entzieht  sich  der  sicheren  Beurteilung.  Das  Auf- 
treten der  ersten  Symptome  kurz  nach  dem  Genüsse  des  Fleisches 
(4  Stunden)  spricht  mehr  für  eine  Intoxikation,  die  allerdings  mit  einer 
Infektion  kombiniert  sein  kann,  auf  welche  dann  die  späteren  schweren 
Symptome  zurückzuführen  sind. 

Kasuistik.  Wie  Ostertag  in  seinem  Handbuche,  der  die 
folgende  Kasuistik  entnommen  ist,  zutreff'end  hervorhebt,  sind  Hack- 
fleischvergiftungen größeren  Umfangs  bis  jetzt  nur  in  sächsischen  und 
thüringischen    Orten    beobachtet  worden,    woselbst   viel   rohes   Fleisch 

132 


Fleischbeschau.  543 

oder  diesem  ähnliche,  uur  leicht  angeräucherte  Bratwürste  genossen 
werden. 

In  Chemnitz  erkrankten  1879  infolge  Genusses  von  Mettwurst 
und  rohem  Rindfleisch  241  Persduen,  von  denen  2  starben.  Ebendaselbst 
erkrankten  188G  nach  dem  Genuß  von  Hackfleisch  IGO  Personen.  — 
Kleinere  Endemien  wurden  nach  dem  Genuß  von  rohem  Hackfleisch  in 
den  letzten  (i  Jahren  beobachtet  in  Dresden  (11  Personen),  in  Gerb- 
stadt (über  50  Personen)  und  in  Gera  (30  Erkrankungen).  Isolierte 
Fälle,  die  sich  fast  jeden  Sommer  ereignen,  sind  dem  Verf.  wiederholt 
bekannt  geworden. 

Prophylaktisch  empfahl  S  c  h  ni  i  d  t  -  M  ü  1  h  e  i  m  ein  polizeiliches 
Verbot   der   Aufbewahrung   von   rohem    Hackfleisch  an    Sommertagen. 

3.  Die  Wurstrergiftungen. 

Als  Wurstvergiftungen  (Botulisnius ,  Allantiasis)  müssen  gewisse 
Fälle  von  Vergiftungen  durch  Fleischgenuß  besonders  besprochen 
werden,  welche  sich  wegen  ihrer  eigentümlichen,  von  denen  der  beiden 
vorigen  Gruppen  abweichenden  Symptome-  als  eigenartig  charakte- 
risieren. 

Wesen  und  Erscheinungen.  Ueber  das  Wesen  der  Wurstver- 
giftungen herrscht  noch  ebensowenig  Klarheit  wie  über  die  eigentlichen 
Fleischvergiftungen.  Jedoch  handelt  es  sich  auch  hier  zweifellos  um 
eine  Intoxikation  des  menschlichen  Organismus  durch  Toxine,  welche 
im  wesentlichen  von  Fäulnis bakterien  erzeugt  worden  sind.  Die 
Toxine  können  teilweise  bereits  in  dem  schädlichen  Nahrungsmittel  ge- 
bildet worden  sein  (Ehrenberg^^  u.  A.),  teilweise  aber  auch  erst 
im  menschlichen  Verdauungsapparate  durch  die  mit  aufgenommenen 
Fäulniskeime  erzeugt  werden.  —  Für  die  Symptomatologie  sind, 
besonders  charakteristisch  die  Sehstörungen,  welche  bei  den 
eigentlichen  Fleischvergiftungen  überaus  selten  beobachtet  werden. 
Paresen  im  Gebiete  des  Opticus.  Oculomotorius,  Trochlearis,  Abducens, 
sowie  des  N.  lacrimalis  und  X.  trigeminus  kommen  bei  nahezu  allen 
Wurstvergiftungen  einzeln  oder  vergesellschaftet  vor.  Daneben  bestehen 
die  bekannten,  vom  Verdauuugsapparat  ausgehenden  Erscheinungen: 
Uebelkeit,  Erbrechen,  Leibschmerzen,  Verstopfung,  seltener  Durchfall, 
welcher  sich  erst  nach  einigen  Tagen  einstellt.  Von  N  i  e  d  n  e  r  ^  ■'  sind  auch 
Ulcerationen  im  Mund  und  Schlund  im  Gefolge  einer  Wurstvergiftung 
beobachtet  worden.  Weiterhin  bestehen  hochgradiges  Schwächegefühl, 
Eingenommenheit  des  Sensoriums  etc.  —  Bezüglich  der  Inkubations- 
zeit bestehen  ebenso  große  Verschiedenheiten,  wie  hinsichtlich  der 
Schwere  und  Dauer  der  Krankheit.  —  Die  Mortalität  ist  weit 
höher  als  bei  den  Fleischvergiftungen.  Müller-*^  schätzt  dieselbe 
auf  ein  Drittel  aller  Erkraukuugsfälle  und  Senkpiehl-^  berechnete 
aus  412  Erkrankungen  von  1789  bis  1886  mit  165  Todesfällen  die 
Mortalität  auf  40  Proz. 

Ursachen.  Wie  es  schon  der  Name  ausdrückt,  werden  die  Wurst- 
vergiftungen in  erster  Linie  durch  den  Genuß  von  verdorbenen  Würsten 
veranlaßt.  Die  Verderbnis  und  damit  die  Giftigkeit  der  Würste  ist  auf  die 
Thätigkeit  von  Fäulnisbakterieu  zurückzuführen,  welche  in  der  Wurst- 
masse gute  Entwickelungsbedingungen  finden.  Diejenigen  sogen.  Wurst- 
vergiftungen, welche  durch  Würste  veranlaßt  werden,  zu  denen  Fleisch 
septisch   oder  pyämisch   erkrankter    Tiere    verarbeitet 

133 


544  EDELMANN, 

wurde,  gehören  nicht  zu  den  eigentlichen  Wurstver- 
giftungen und  unterscheiden  sich  a  u  c  li  symptomatisch 
von  diesen. 

Von  Würsten,  welche  besonders  häufig  zu  Vergiftungen  führten, 
sind  vor  allem  Blut,-  Leber-,  sowie  andere  Eingeweide-  und  Sülzwürste 
zu  erwähnen,  welche  in  gewissen  Gegenden  ziemlich  voluminös  her- 
gestellt und  durch  Räucherung  zu  Dauerwürsten  gemacht  werden. 
Der  Wurstinhalt  widersteht  schon  an  und  für  sich  wenig  der  Fäulnis 
und  bei  dem  großen  Umfang,  den  die  meist  gelegentlich  sogen.  Haus- 
schlachtungen für  den  eigenen  Bedarf  hergestellten  ^Yürste  besitzen, 
kann  es  leicht  vorkommen ,  daß,  wegen  der  nicht  genügend  lange  vor- 
genommenen Kochung,  im  Inneren  der  Würste  befindliche  Fäulnis- 
keime unzerstört  bleiben.  Dem  Einfluß  der  letzteren  fällt  das  leicht 
verderbliche  Wurstmaterial  um  so  eher  anheim,  wenn  durch  Räuche- 
ruug  nicht  die  Entwickelung  der  Fäulniskeime  schnell  verhindert 
wird.  Ist  aber  letzteres,  nach  den  Untersuchungen  von  Beu^-, 
bei  ungepökeltem  Material  schon  an  und  für  sich  schwer,  so  wird 
die  keimtötende  Wirkung  des  Räucherns  bei  sehr  voluminösen  Würsten 
wegen  der  schweren  Diirchdringbarkeit  derselben  nur  gering  sein 
und  besonders  auch  dann  im  Stich  lassen ,  wenn ,  wie  dies  in  den 
Haushaltungen  auf  dem  Lande  noch  vielfach  geschieht,  die  Räucherung 
nur  stundenweise  (tagsüber)  erfolgt.  Daß  jeder  Gehalt  an  Kohlehydraten 
(Stärkemehl,  Grütze,  Semmel,  Brot  etc.)  die  Verderbnis  der  Würste 
begünstigt,  liegt  auf  der  Hand. 

Ein  Beweis  dafür,  daß  die  Giftigkeit  der  Würste  auf  Fäulniserreger 
zurückzuführen  ist,  liegt  in  dem  Umstände,  daß  auch  andere  in  Zer- 
setzung begriffene  Fleischspeisen  den  Wurstvergiftungen  völlig  analoge 
Erkrankungen  veranlaßten.  So  sind  Vergiftungen  beobachtet  worden  durch 
partiell  zersetzten  Schinken,  durch  fauliges  Fleisch  und  durch  die  Brühe 
von  solchem,  durch  gärendes  Pökelfleisch,  infolge  Genusses  von  ge- 
bratenen Gänsen,  welche  mau  unausgeweidet  hatte  im  Keller  hängen 
lassen,  durch  aufgehobene  Hammelbratenbrühe,  durch  verdorbene 
Büchsenkonserven  etc. 

An  die  Wurstvergiftungen  sind  anzureihen  die  durch  ver- 
dorbene Fische,  Krusten-  und  Schaltiere  veranlaßten 
Erkrankungen.  Bei  der  Fäulnis  der  letzteren  bilden  sich  Gifte, 
welche  das  Wurstgift  an  Intensität  der  Wirkung  übertreßen. 

Kasuistik.  Die  meisten  Wurstvergiftungen  haben  sich  in  W'ürttem- 
berg  ereignet,  woselbst  schon  Justinus  Kerner^^  im  Jahre  1820 
die  Aufmerksamkeit  der  Mediziner  auf  dieselben  lenkte.  Das  über- 
wiegende Vorkommen  im  Württemberger  Lande  ist  nach  Ostertag^*, 
der  in  seinem  Handbuche  die  hauptsächlichsten  Fälle,  welche  unten 
mitgeteilt  werden,  zusammenstellt,  nicht  allein  auf  den  daselbst  sehr 
umfänglichen  Wurstverbrauch  zurückzuführen,  sondern  auch  „in  dem 
mangelnden  Verständnisse  zu  suchen,  mit  welchem  gewisse  Wurstarten, 
wie  Leber-  und  Blutwürste,  als  Dauerwürste  früher  hergestellt  w^urden," 
Dies  hat  sich  übrigens  gebessert,  sodaß  sich  jetzt  Wurstvergiftungen 
seltener  ereignen.  Auch  in  Bayern  und  Baden  sind  mehrere  Fälle  be- 
obachtet worden;  und  daß  auch  in  Xorddeutschland  solche  vorkommen, 
Ijeweisen,  nach  Ostertag,  die  Publikanden  der  Kgl.  Regierung  zu 
Arnsberg  vom  18.  Januar  1822  und  16.  Dezember  1825,  in  welchen, 
unter  Bezugnahme  auf  eine  vorgekommene  Wurstvergiftung,  vor  dem 
Genüsse  breiiger,  saurer  und  übelriechender  Wurst  gewarnt  wird. 

'34 


I 


Fleischbeschau.  545 

K  e  r  n  e  r  erwähnt  als  ersten  Fall  eine  Wurstvergiftung  zu  K 1  e  i  n  e  n  s- 
heim  bei  Wildliad  vom  Jahre  1793.  Es  folgten  weitere  Ej)idenuen  aus 
Moosberg,  Breiten  berg,  Reichen  b  ach,  Stammeuhain  und 
aus  dem  Sulzer  Oboramt  mit  zusammen  7G  Erkrankungen  und  37  Todes- 
fällen. 1822  berichtet  Kern  er  von  98  weiteren  Fällen,  von  denen  34 
mit  dem  Tode  endeten.  Dabei  waren  zweimal  Massenerkrankungen  nach 
dem  Genüsse    sauer    gewordener  Blunzen    und    zersetzter   anderer  Wurst. 

Weiß  berichtet  1824  über  29  Erkrankungen  mit  3  Todesfällen  in 
Murrhardt  nach  dem  Genuß  verdorbener  Wurst. 

Von  den  württembergischen  Aerzten  Bach,  Faber,  Schütz, 
Berg,  Reuß  werden  aus  den  50er  Jahren  im  Württembergischen 
Correspondenzblatt  zahlreiche  Erkrankungen  nach  schlechter  Wurst  ge- 
meldet. 

Weiß  stellte  18G3  in  demselben  Blatte  G2  Fälle  zusammen.  Eben- 
daselbst berichteten  18G9  Josenhaus  und  Baumann  über  2  kleinere 
Epidemien  nach  Genuß  von  6  Wochen  alter  Hirnleberwurst  und  gewöhn- 
licher Leberwurst.     Ebensolche  Fälle  beobachtete  auch  Hedinger. 

Nauwerck^*  teilt  die  Erkrankungen  von  10  Personen  aus 
Gamertingen  mit,  welche  Schwartenmagen  genossen  hatten.  Zwei 
Personen  starben. 

Eine  Aufführung  der  einzelnen  in  Norddeutschland  beobachteten 
Fälle,  welche  in  den  verschiedensten  ärztlichen  Fachschriften  zerstreut 
beschrieben  werden,  würde  zu  weit  führen. 

In  neuerer  Zeit  sind  auch  mehrfache  Vergiftungen  durch  zersetzten 
Schinken,  sowie  durch  andere,  der  Fäulnis  anheimgefallene  Fleischspeisen 
mitgeteilt  worden,  bezüglich  deren  Kasuistik  ebenfalls  auf  die  Litteratur 
verwiesen  werden  muß. 

Als  Prophylaxe  gegen  Wurstvergiftungen  empfiehlt  sich  eine  wieder- 
holte öffentliche  Belehrung  des  Publikums  über  die  richtige  Herstellung 
von  Würsten,  unter  besonderer  Warnung  vor  der  Verwendung  schlechten 
Fleisclies  und  mangelhaft  gereinigter  Därme.  Jedenfalls  darf  auch  von 
notgeschlachteten  Tieren  kein  Fleisch  zur  Wurst  verarbeitet 
werden. 

Die  in  Württemberg  behördlich  erlassenen  Vorbeugungsmaßregeln 
werden  von  Ostertag  auf  S.  646—647  seines  Handbuchs  wörtlich 
mitgeteilt. 

1)  BoUinger ,    Utber  FUischvergiftung ,   intestinale    Sepsis    und    Abdominaltj/phus ,    München 
18«1 

2)  Siedamgrotzky,   lieber  Fleischvergiftungen,    Vorträge  für   Tierärzte  3.   Ser.  Jena   1880. 

3)  Brieger,    lierl.  klin.    Wochenschr.    (1886)    No-    18    und   als    Monographie:    Die    Ptomaine, 
llerlin    1886. 

4)  Bockli8ch.   Der.  d.  ehem.  Oes.  20.   Bd.   1441. 

4a)  Arnold,  Jahreiber.   d.    Tierarzneischule  Hannover   1883/84    132. 

6)  Ostertag,   JJandb.  620    —  Zeüschr.  /.    Ileisch-  u.    Milchhyg.   2.   Bd.   193.  210.    227. 

6)  Johne,  Ber.  über  das  Sachs.    Veterinänresen  (188.5)  47. 

7)  Gärtner,  Correspondembl.  der  ärztl.    Vereine  von   Thüringen  (1888). 

8)  Johne,  Ber.  über  d.  Sachs.   Veterinärwesen  (1889).  —   21.  Jahreeber.  d.  Landesmedizinal- 
CoUegiums. 

9)  Johne,   Ber.  über  d.  Sachs.    Veterinärtoesen  (1894)  58. 

10)  Karlinski,   Ccntralbl.  f.   BakUriolog.   6.   Bd.  289  (1889). 

11)  Gaffky-Paak.   Arb.   Kaia.   Oes.-Amt  4.   Bd.  2.  lieft. 

12)  Peels  und  Dhont.    Holland.   ZeUschr.   20.  Bd.  265.   —    Zeitschr.  f.   Fleisch-  u.    Milchhyg. 
ö    Bd.   29. 

13)  van  Ermengem,     Travaux  du  laboratoire  d' hygiine  de  l' universiti  de  Gand  (1892),    ref. 
Zeitschr.  f.   Fleisch-  U7id  Milchhyg.    3.    Bd.    IGO. 

'35 


Ö4G  EDELMANN, 

13a)  Holst,    Xorsk.   Slagaz.    f.    Laegevidenik.    (1894)    2so.    9;    Etf.    Zeüschr.   /.  Fleisch-  u. 

Müchhyg.   5.    Bd    232. 
14)   Flügge,     MUteüung     von    H  e  rrtnann-  ßrtslau.   —   Zeittchr.    /.    Fleisch-    u.     Milchhyg. 

4.   lid.   211. 
IM  Ba«enau.   Areh.  f.  Uyg.  20.   Bd.   3    Heft. 
\CA  Kuborn.    AUgem.  med.   Central-Ztg.  (1894)  No.  94. 

17)  Schmidt-Mülheim,  Ztitschr  J.  Fleischbeschau  u.   Fleischprodukt.   1.  Bd.   118,  2.  Bd.  96. 
18i  Ehrenberg.   Z<Uschr  f.  phys.  Chemie  (1887)   11.    Bd.   239. 
19)  Niedner.   Jierl.  Idin.    Wochenschr.  (1866)  No.   1. 

2u;  Müller-Minden,  />as    Wurstgift,  D.  klin.  Wochenschr.  {\^G%)  No.  35.  37.   39.  40.41.49. 
21)   Senkpiehl,    Ueber  Masstnerkrankungen    nach  Fleischgenufs.,    besonders    durch    Wurst-    und 

Fleischgi/t,  Inaug.-Diss.   Berlin    1887    (Sammlung  suvitl.   Litteratur angaben). 
22^  Ben.   Centralhl   f.  Bakteriol.   8.    Bd.  513  (1890). 
23 1  Justinus  Kemer,    Neue  Beobachtungen    über    die    in    Württemberg    so  häufig   vorjallenden 

tödlichen   Vergiftungen  durch  den  Genu/s  geräucherter  Würste,   Tübingen  1820.  —  Das  Fett- 

gxft  oder  die  Fettsäure  und  deren  Wirkung  auj  den  tierischen  Organitmus,   Tübingen  1822. 

24)  Ostertag,   Uandb.  643. 

25)  Nauwerck,  Centralhl.  J.  allgem.  Gesdhtspfl.  6.  Bd.   166. 


Verzeichnis  der  Abbildungen. 

Seite 

Fig.      1.     Kopf  vom  Rind   mit  angelegter  Schlachtmaske.     Original 425 

,,        2.     Senkrechter  Durchschnitt    durch    das    Mittelstück    der    Rinderschlachtmaske. 

Nach  K  ö  g  1  e  r 425 

„        3.     Kopf  vom  Rind  mit  Schufsapparat  für  Grofsvieh.     Nach  Stoff    .     .     .     ,  426 
,,       4.     Senkrechter    Durchschnitt    durch    einen    Bolzenapparat    zur  Betäubung    von 

Schweinen.     Nach   Kögler 426 

„       5.     Beck  e  r- U  1  1  m  a  nn  '  scher  Koehapparat         445 

,,       6.     Fleibchsterilisator  nach  Dr.  Hermann   Rohrbeck  in  Berlin     ....  446 

„        7.     Kontakt-Pyrometer  im  senkrechten  Durchschnitt.     Nach  Duncker             .  447 

„       8.     Fleisch-Dämpfer  von  Rietschel  und  Henneberg.     Aeufsere  Ansicht  .  448 

.,       9.     Derselbe  Apparat  im  Vertikalschnitt 449 

.,      10.     Distomum  hepaticum.     Nach  Leuckart 478 

,,     11.     Distomum   lanceolatum.     Nach   Leuckart 478 

,,      12.     Geschlechtsreife  Trichinen.     Nach  Leuckart 481 

,,      13.     Eingekapselte  Trichinen.     Nach  Leuckart 482 

,,      14.     Kompressorium  zur  Untersuchung  von  Fleisch  auf  Trichinen.   Nach  Oeltz  seh  484 

16.     Finne  von  Taenia  solium  mit  eingezoKenem   Kopf.     Nach  Heller    .     .  487 

„      16.     Kopf  von  Taenia  solium  mit  vorgestelltem  Rostellum.     Nach  Ziegler  487 

,,     17.     Haken  der  Schweinefinne.     Original        488 

,,     18.     Haken  von  Cysticercus  tenuicollis.     Original 488 

,.      19.     Kopf  von  Taenia  saginata.     Nach  Ziegler 488 

.,     20.     Brutkapseln  von  Echinococcus  polymorphus.     Nach  Leuckart    .     .     .     .  491 

21.     Echinococcus  multilocularis  der  Leber  des  Rindes.     Original 492 

,.     22.     M  i  e  sc  h  er '  sehe  Schläuche  in  der  Muskulatur.     Nach   Leuckart        .     .  494 

23.     Kleinknotige    Serosentuberkulose    vom  Brustfell    des  Rindes.     Nach  Eber- 
Johne        496 

..     24.     Grofsknotige  Serosentuberkulose    vom  Bauchfell  des  Rindes.     Nach  Eber- 

Johne 497 

,.     25.     Nasenscheidewand    vom    Pferd    mit    Rotzgeschwüren    und    einer    Rotznarbe. 

Nach  Ostertag 507 

.,     26.     Actinomyces  bovis.     Nach  Johne 6IO 

„     27.     Botryomyces-Kolonie.     Nach  Rabe 511 

„     28.     Sogenannter  Muskelstrahlenpilz   vom  Schwein.     Nach   Ostertag       .     .     .  520 

..     29      Butterrefraktometer  von  Zeifs  in  Jena 534 


136 


Generalregister 

zum  dritten  Bande. 


Abbe's  Refraktometer   196, 
Abbildaogenverzeichiiis,    Abschnitt  Fleisch- 
beschau 546. 
Äbel's   Petroleumiirüfer  404. 
Abgegessensein  US. 
Abmagerang  bei  Schlacbttieren  469. 
Ackerbohne  255. 
Adam,  FreibanktVage  453. 
Adametz,  fadeuziehende  Milch    1G9. 

—  Reifung  der  Käse  2ü3. 
AdamkiewicE  10. 

Adler,    Geschichtliches    über    Fleischbeschau 

412. 
Aepfel  264. 
Aepfelsäare  298. 
Aepfel  wein  'J97. 
Aerzte.  Kost  der  101. 
Ahlfeld  96. 

Aktinomykose  bei  Schlacbttieren  509. 
Alaan  im  Brot  253. 
Albumin  der  Milch   158. 
Albaminoide  33. 
Ale  292. 
Aleoronat  252. 
Alkohol,   Eiijflufs  auf  StoflFwechsel   16. 

—  im   Wein   283. 
Allantiasis  543. 
AUgemeinerkrankangen     der    Schlachttiere 

4öO. 
Alpha-Separator  165.   167. 
Alter  der  Kühe   157. 

—  der  Schlachttierc  423,  gesetzliche  Be- 

stimmungen 424. 

—  s.   Lebensalter. 
Altersversorgongsanstalten  1 20. 

—  Ko.st    in    80. 
Aluminiumgef&fse  304  ff. 
Ammoniakalische  Gärung    des  Fleisches    s. 

Fäulnis  4  72. 
Ammoniakgeruch    des  Fleisches  bei  Urfimie 

.523. 
Amphistomen  der  Wiederkäuer  477. 
Amylam  39. 
Anacker,  Nux  vomica  bei  Scblachttieren  525. 


Anämie  bei  Schlacbttieren  .020. 

Angilbert,    Konservierung  von  Fleisch  220. 

Anilinblau  381. 

Anilinfarben  380. 

Anilin  Vergiftung  394. 

Animalische  Kost  69. 

Ansatz  ^.  Mü.Ntuug  17. 

Anstrichfarben,  giftige  399. 

Anthrachinonfarben  382. 

Antimonbeizen  3'.i6.  397. 

Antimonfarben  377. 

Aphthenseuche  der   Schlachttiere  507. 

Appert'fches  Verfahren  220. 

Arbeiter  s.  Stoffwechsel. 

Arbeiterküchen  122. 

Arbeitshäuser  115. 

Argutinsky  13. 

Arloing,  Fleiscbvirulenz  bei  Tuberkulose  502. 

Arnold,  Kadaveralkaloide  539. 

Amschink   12.  38. 

Arrak  245.  301. 

Arsen  386. 

—  -Beizen   396. 

—  -Bestimmung  390. 

—  -Farben  377. 

—  -Gehalt    von    Gebrauchsgegenständen 

392  ff 

—  -Vergiftung  390. 

—  —     chronische  392. 

—  —     durch  Fuchsin  395. 

—  —     durch  Kleiderstoffe  394. 
Arseniksaure  Thonerde  als  Beize  396. 
ArustamoflF.   Vergiftung  durch  Fischgift  527. 
Asche,  Kiiiflufs  auf  StitTwechsel    16. 
Aschenbestandteile  26. 

Askanazy,   Trichiuenentwickelung  481. 
Askariden  t>ei  Scblachttieren  477. 
Asparagin  3.'). 
Altwater,     Verdaulichkeit    von    Fischfleisch 

232. 
Aubry  über  Bier  in  Aluniiniumgefäf>en  368. 
Aufblasen  von   Fleisch  468. 
Aurantia  379. 
Aurine  381. 


548 


Register. 


Äuiblatang.  manpe'hafte  bei  Tieren  471. 
Aasmelken  der   Kühe   15C. 
Aasnutzung  der  Nahrung  G4   ff. 

—  Kiutiüise  auf  68 
Ausschmeliverfahren  für  Fett  kranker  Tiere 

449. 
Aastem  234. 

—  HeurteilunEc  der  528. 
Auszngmehl  237. 

Antointoxikationen    bei    Scblachttiereu  525. 
Azine  382. 

Azofarben  380. 

Itabes.  Penta>tomen  493. 
Bacilles  de  Moorsele  540. 
Bacillus  acidi  lactici   167.  194. 

—  bovia  roortificans  im   Fl>-ische  540. 

—  butyri  colloideus   194. 

—  butyri  fluorescens  194. 

—  cyanogenus  168. 

—  enteritidis  Gärtner    bei  Fleischver- 

giftungen 539.   540. 
Backfähigkeit  237.  24  2. 
Backpulver  zur  Brotbereitung  247. 
Baden.    Ergebnisse  der  Fleischbeschau    415. 
Baer.  A.  64.  93. 
Bakterien  167. 

—  pathogene   171. 

—  -Gehalt  des  Fleisches  429. 
Balbianiden  im  Fleische  494. 
Baltzer  75. 

Bandwurm  228. 

Bang,    Einflufs    der    Wärme    auf   Tuberkel- 
bacillen  502. 

—  Fleischvirulenz  bei  Tuberkulose   501. 

—  Tuberkulose  496   ff. 

Baranski.  Anleitung  zur  Fleischbeschau  420. 
Bardet.  Vergiftung  durch  Muscheln  528. 
Barff.  Boroglycerin  221 
Barille  über  Blutapfelsinen  380. 
Barmenit  221.  531. 

Basenau.  bakteriologische  Untersuchung  von 
Fleisch  429. 

—  Fleischvergiftungsätiologie  540. 
Bass.  Aufblasen  von  Fleisch  468. 
Bauer  137. 

Bauhin.  Kartoffel  257. 
Bauwerker,  Schächten  427. 
Bayer,  A..  über  den  Indigo  36S. 
Bayersdörfer,  Schufsapparat  426. 
Beauuia  88. 

Becchi.  Prüfung  von  .Schmalz  231. 
Becker,  Echinokokkenvorkommen  491. 
Becker's  Dampfkochtopf  57. 
Becker-Ullmann'scher  Kochapparat  445. 
Beckurts  über  Zinnsulfür  in  Konservebiichsen 

347. 
Beerenfrüchte  264. 
Beerenwein  297. 
Beijerink    Blauwerden  der  Käse  204. 

—  KeijT   163. 
Beizen  378.  396. 
Bekömmlichkeit  der  Nahrung  61. 
Belgien.    Fleischbeschau-Gesetzgebung  461. 
Belgische  Gefängniskost  116. 

Beneke  88. 


Benioesäure  16. 

Berdez   17. 

Bergblau  373 

Bergeron  381. 

Berlin.    Ergebnisse  der  Fleischbeschan  416. 

Berliner  städtische  Spitäler  135. 

—  —     Kost  der   135  ff. 

Bematzek.  Zuträglichkeit  oder  Schädlichkeit 

der  Sulfite   533. 
Bernstein  über  Bleivergiftung  353. 
Bersch  über  Erdfarben   370. 
Bertschinger  über  Zinnfolien   352. 
Beschau  der  Schlachttiere  440. 
Beschlagnahmtes  Fleisch,    Verwertung  443. 
Betäubung  der  Schlacbttiere  424. 

—  — ,  gesetzliche  Bestimmungen  428. 
Betrügereien  im  Fieischhandel  463. 

Ben,  Einflufs  des  Räucberns  auf  Bakterien  450. 

—  keimtötende  Wirkung   des  Räucherns 

544. 
V.  Bibra,  Bestandteile  des  Fleisches  215. 
Bidder  8. 

Biedert,  Fh.,  Bahmgemenge  188. 
Bier,  Bestandteile  291. 

—  Einflufs  auf  Stoffwechsel   16. 

—  Fälschung  des  295. 

—  Geschmack  des  293. 

—  Herstellung  des  287, 

—  Untersuchung  des    295. 

—  verschiedene   Sorten  291. 
Bierdeckel  355  ff. 
Bierdruckapparate  353. 
Bierpressionen  293.   353. 
Billings.   Trichinöse  Ratten  481. 
Birnbaum  über  Nickelgetäfse  362. 
Birnen  264. 

—  -Wein  298. 

Bischoflf,  Farbstoffnachweis  in   Wurst  530. 

—  C.   25. 

—  —  über  Antimonbeizen  397. 

—  E.  7.   25.  37. 
Bisquit  249. 
Bister  371. 

Blanc  fix  370. 
Blaschko.  H    126. 

—  über  Hautkrankheiten    durch    Farben 

399. 
Blaufärbung,  bacilläre  bei  Fleisch  474. 
Blei-Chromate  370. 

—  -Farben  372. 

—  -freie  Glasur  341.   343. 

—  -Geschirre  340. 

—  -Lacke,  giftige  389. 

—  -Schrot   356. 

—  im   Kautschuk  358. 
Bleisch.   Xahrungsmittelgesetz  437. 
Bleuler.   Fleischexirakt  betreffend  224. 
Blindenanstalten  120. 

Blut  219. 

—  -Entziehung  bei   der  Schlachtung  424. 

—  -Erkrankungen  bei  Schlachttieren  520. 

—  -Fleckenkrankheit  des  Pferdes   513. 

—  -Vergiftung,  sog.   396. 
Bocklisch,  Kadaveralkaloide  539. 
Bodländer  über  Ziiin  in  Konserven   349. 
Böhm  89. 


Register. 


549 


Bohland  89. 
Bohnen  'J'i4. 
da  fioii-Beymond,  £    4G. 

—  Kiit.Nteliung  der  Milchsäure  im   Fleisch 

210. 
Bolcay  35 

—  Nuklein   169. 
Bollinger,   Botryomyces   511. 

—  Ficisi'liverKil'tunnen   537   ff 

—  Fleischvirulenz  hei  Tuherkulose    501. 

—  Notschlachtuiiijon   429. 

—  Vorkommen   der   Taenia  solium    413. 

—  Wild-   uud   Kinder^euche   518. 
Bollmehl  237. 

Bolienhammer  425. 

Borakate  zur  Fleischkonservierun^  531. 

Borax   IG.    170. 

Bordelaiser  Hriihe  376. 

Boroglycerin  von  B;irff  221. 

Boroglyiin  531. 

Borpräparate,    Verhot    der    Verwmdung  für 

Fleischkouservierung   633. 
Borsäure  16 

—  und  borsaure  Salze  zur  Fleischkonser- 

vierung 631. 

Boshammer,  Einflufs  des  Pökeins  auf  Bak- 
terien 450. 

Bothriocephalus  latas,  Vorstufe  des  490. 

Botryomykose  bei  Tieren  511. 

Botalismus  543. 

Boachardat  über  Bleichromat  371. 

Boucherau  und  Noir,  Vergiftung  durch 
Hüchsenkonserven   534. 

Boassingaalt,  Zusammensetzung  der  Milch 
156. 

BoateroUe  425. 

Boutroux,  L.,  Brotbereitung  247. 

Bräutigam  und  Edelmann,  Pferdeäeiscb- 
nachweis   46G. 

Brandpilze  in  Mehl  241. 

Branntwein.  Einflufs  auf  Stoffwechsel  16. 

—  Herstellung   von   299. 

Braun,  M.,   Bothriocepbalenfinnen  490. 

—  Trichineuembryonenzahl   481. 

—  und      Bernatzek,      Zuträglichkeit 

oder  Schädlichkeit  der  Sulfite  533. 
Braunkohl  261. 
Brebeck,      F'leisch     von     Kryptorchiden     der 

Schweine  470. 
Breiform  der  Speisen    107. 
Bremerblaa  373. 
Bremergrün  373. 

Brennwert  der  organischen  Nährstoffe  46. 
Briefmarken,  giftige  390 
Brieger,  L.,  Kadaveralkaloide  539. 

—      l'toinaine    539. 
Brokatfarben  369. 
Bronzefarben  369. 
Brot,  Backen  von  248. 

—  Herstellung  von   245. 

—  Lockerung  vou   246. 

—  Schimmelbildung  im   252. 

—  ungesäuertes   249. 

—  Veränderungen  beim  Aufbewahren  252. 

—  Verdaulichkeit  von   248 

—  Verfälschung  von   252. 


Brot,  verschiedene  Sorten  von  248. 

Bruch   200. 

firuchroii  245. 

Bruneaa.  Schlachtmiiske  426. 

Buchholtz   114. 

Bachweizen   256. 

Budonbergs'  Fleischdesinfoktor  449. 

Büchsenfleisch   1 13. 

Büchsenkonservun  533. 

Bückling   2;).l. 

Bujard.   Furbstoffnachwei»   in   Wurst  630. 

Bulowski   über  giftigen  Kautschuk   389. 

—  über  russischen  Kautschuk  868. 
Bunge,  G.  20.  31. 

Buntpapiere,   arsenhaltige  393. 

Butel,   Fleischvirulenz  bei  Tuberkulose   601. 

Butter,  Ausbeute  von    190. 

—  Bakterien   in   der   194. 

—  Brechungsexponent  der   194. 

—  chemische  Eigenschaften   der  192. 

—  Färben  der    102. 

—  Geruch   der   195. 

—  Geschmack   der   193. 

—  Herstellung  von    190. 

—  Konservierung  der  796. 

—  -Milch  als  Gefängniskost   116. 

—  physikalische  Eigenschaften  der    193. 

—  präservierte   192. 

—  Prüfung  der  535. 

—  Ranzigwerden  der   194.   197. 

—  -Refraktometer  nach   Zeifs   534. 

—  Schmelz-    uud    Erstarrungspunkt     der 

193. 

—  spezifisches  Gewicht  der   193. 

—  Stallgeschmack  der   194, 

—  Unterschied  von  Margarine   198. 

—  Untersuchung  der   195. 

—  Veränderungen  der,  beim  Aufbewahren 

194. 

—  Verfälschungen  der   195. 

—  Verpackung   der    194. 
Buttersäure   158. 

Calorie  47. 

Calorimeter  47. 

Camerer   15.   16.  96. 

Cameron,   \ergiftung  durch   Muscheln   528. 

Carcinomatose  bei  Scblachtticren   524. 

Cardamom    309. 

Carnat  531. 

Cayennepfeffer  309. 

Cazeneuve  über  Fuchsin   381. 

—  ,,       Martiusgelb   379. 

—  ,,       Methylenblau  383. 

—  ,,       Safraniu   383. 
Cellulose  39.  237. 
Cenlrifuge    164     168. 
Cerealicn,  Mehl  der  236. 
Cerfontaine,  Triobinenentwickelung  481. 
Cerise  3Sl. 

Cbaptalisieren   2H0. 
Charitekrankenhaus,  Kost  im   136. 
Charque  dulce    222. 
Chemnitz,   IIundcHeischkonsum  4X3. 
Chittenden,   l'rangolb   ist  giftig   372. 
Chlornatrium  305. 


550 


Register. 


Chokolade  325. 

Chossat  s. 

Christbaamkerzen.  arsenlmltige  393. 

Chromgelb,  ^.'itti^es  371. 

Chromgrün   371. 

Chromorange  3  70. 

Church  373. 

Cichorienkaflfee  322. 

Cigarren  312. 

Claasnitzer,     IJudeuberg's    Fleisehdesiu- 

lekti.r   449. 
Cloisonne  341. 
Clouet  381. 

Clussius.  Kartcffel  257. 
Cochenille  384. 

Coenurus  cerebralis  der  Scli.ife  479. 
Coffein,    Wirkung  auf  Stoffwechsel    17. 
Cognac  301. 
Cohn,  J.  69. 
Coloradokäfer  259. 
Colostrum   151.  185 
Compressoriom  für  Trichinenunterbuchungen 

483. 
Constantinidi  69. 
Comed  beef  221.   533. 

—  mutton,   browD,  pork  533. 
Cosmetica  386. 

Coupier'a  Verfahren  381.   395. 

Cramer  64.  75. 

Cort  s   Hilger  352. 

Custier  372. 

Cysticerkenkrankheit  bei  Menschen  413. 

Cysticercus  cellulosae  bei  Tieren  486. 

—  inermis  des  Rindes  487. 

—  tenuicollis  bei  Schlachttieren  479. 

Dahlia  381. 

Dambacher,    Fleisch  pyämischer  Tiere    512. 

—  Kontrolle  der  Notschlachtungen    430. 
Dampfkochapparate  für  Fleisch  445  fl'. 
Dampfkochtopf  57. 

Dampfschiffe,  Ernährung   127. 

Dampftopf,  Papin'scher  216. 

Danilewsky  50. 

Dari   236. 

Darmarbeit   13. 

Darrmalz  288. 

Dasselfliegen,  Larven  beim  Rinde  476. 

Deckmaase  der  Emaille  341. 

Deffl^e,   Helminthiasis  der  Uui.de  413. 

Dehn   17. 

Deklarationszwang  im  Nabrungsmittelgesetz 

437. 
Delpech  über  Bleichromat  371. 
Dembo,  Betäubung  ven  Schlachttieren  425. 

—  Schächten  427. 

Demodex  phylloides  des  Schreines  47  7. 
Denaeyer,  A.,  Pepton  225. 
Dermatocoptes-Räude  bei  Schlachttieren  477. 
Deupser.   .Schweineseuche  516. 
Deutschland,    Ernährung    der     Soldaten    in 
112  ff. 

—  Fleischbeschau-Gesetzgebung  in    454. 
Dextrin  39. 

Dhont,  Fleischvergiftung  540. 


Diazofarben  380. 

Dinitrokresol  379. 

Diphtherie  der   Kälber  519. 

Diplococcus   169. 

Discomyces  equi  511. 

Distomen  in  dtr  Muskuhitur  479. 

Distomum  hepaticum  bei  Schlaclittieren  477. 

—  liineeolatum   bei  Schlachttieren  478. 
Dorsch  233. 

Drake.  Francis,  Kartoffel  257. 
Drenkhan,  Milchpulver   180. 
Dresden,  Fleischbeschauergebnisse  418. 
'Dubelir  17. 

Dubois,  Pliosphorescenz  des  Fleisches  474. 
Düngerhaufen,      Verbot      des     Wegwerfens 

tuberkulöser  Tierteile  auf  451. 
Dünnenberger,  C,  Brotgärung  246. 
Dulcin  326. 
Duncker,  .Muskeldistomen  479. 

—  Muskelstrahlenpilze  519. 

—  Sterilisierungsapparat      von     Rohr- 

b  e  c  k  445. 

—  Wärmeleitungsvermögen  des  Fleisches 

444. 

—  Kontaktpyrometer  446  f. 
Dürr  ha  236. 

Durst  24. 

Dutertre,  Vergiftung  durch  Muscheln  528. 

Dyspnoe  durch  Arbeit  12,  13. 

Eber,  W.,  postmortale  Fleischveränderungen 
472. 

—  Salmiakfäulnisprobe  473. 

—  A.,  Tuberkulose  496  ff. 
Eberlein,      Infektionsstoffe      im     gefrorenen 

Fleisch  528. 
Echinokokken  228. 

—  bei  Menschen  413. 

—  der  Schlachttiere  490. 
Edelfäule  264. 

Edelmann,  chemische  Fleischkonservierungs- 
mittei  533. 

—  Fleischbeschau    in    Sachsen    414,     in 

Dresden  418. 

—  Schufsapparat  426. 

—  Tuberkulosestatistik  500. 

—  u.    Bräutigam,    Pferdefleischnach- 

weis 466. 
Eggeling,  Sarkomatose  524. 
Ehrenberg,  Wurstvergiftung  543. 
Ehrlich,  F.,  über  Alizarinblau  382. 
Ehrmann,  Schächten  427. 
Eier,  Eigenschaften  und  Bestandteile  der  205. 

—  Erkennung  des  Alters  der  206. 

—  Konservierung  der  206. 

—  Zubereitung  der  58. 
Eierschalen  206. 

Eigelb  206. 

Eijkmann  89. 

Eimer,  Anstrichfarben  für  385. 

Eingeführtes  Fleisch,  Beschau  441. 

—  Verlügung    des  Untersuchenden   über 

dasselbe  443. 
Eisbein  34. 
Eisenfarben  371. 
Eiserne  Gefäfse  340. 


Register. 


551 


Eiserner  Bostaud  92.  114. 

Eitner  über  Fiirbunt;  von   Leder  397. 

Eiweirs  206. 

—  -Bedarf  85 

—  -Ersparnis   12 

—  -Stofle   31. 
Elastin  33. 

EUenberger,     Blei-     und     Kupfersalze     bei 

Tieren  525. 
Ellinger,  Mu.skelblutuncen  bei  Schweinen  514. 
Emaillen,  (;efärbte   341. 
Emaillieren  340. 
Empirische  Fleisciibeschnuer  439. 
England.    Fleischbe»chau-fiesetzgebung  461. 
Engler  iit)er   Fafshähne  354 
Englische  Krankenhäuser,  Kost  der   134. 

—  Krankheit   107. 

Engström,  Sierilisieren  des  Kalims  195. 
Enteritis   haemorrh.igica  der  Kälber  513. 

—  .-e)i:icii   der  Kinder  513. 
Entflammangspunkt  des  Petroleums  404. 
Eosin  382. 

Epidemien,  Kost  in   129. 

Erhse  255. 

Erbswurst  113. 

Erdfarben  369. 

Erdkohlrabi  261. 

Erdnüsse  251. 

Erdöl,   Litt.   405  s.  a.  Petroleum. 

Erhaltungskost  87.  92. 

van  Ermengem,   FleischvergiftuDg  540. 

Ernährung  .->.  Massenernährung. 

—  s    H.   Stoffwechsel. 
ErschieCsen  der  Schlachttiere  425. 
Erythrosin  382. 

Esmarch.  E.  v.,  über  Bierpressioneu  354. 
Essig  306. 

—  zur  Würze   117. 
Essigsprit  306. 
Etzinger   10. 

Engling.   Kalk  im   Käse  200. 
Eulenburg,  Trichinosestatistik  483. 
Extradiät    135. 
ExtraktstoflFe,  stickstofffreie  237. 

Fäulnis  des  F'leisches  472. 
Fäulnisprobe  nach  W.  Eber  473. 
Fäulnistozine  473. 

—  bei   Fleischvergiftungen   539. 
Fahlberg,  Saccharin   326. 

Falk,  das  Fleisch,  Buch   420. 

—  Fleischdämpfer    von    Kietschel    & 

Henneberg  449. 

—  Hydrämie   521. 

—  Muskeistrahlenpil/.e  519. 

—  Zungenaktinomykose  510. 

—  und   Op  permann,  Grauwerden  der 

Wurst  530. 
Falk,  E.   über   Hierdeckel   355. 

—  über  Fafshkhne  364. 
Falzdose  346. 
FamiUen,  Traubensaft  278. 
Farhen,  anorganische  369. 

—  lür   Kautschuk   390. 

—  organische  377. 
Farblack  378. 


Farbmall  288. 

Farbstoffe  in   Würsten  530. 

—  natürliche    384. 
Fafshähne    304. 
Fafslebern  531. 
Federbolzenapparat  425. 
Feldarbeit,  Nutzen   der  96 
Felix  119. 

Fenner,  Schächtfrage  427. 
Feser,    Stryclmin    und    Eserin    bei  Schlacht- 
tieren  525. 
Fette  35.   116    210.   219. 
Fett,  abnorme  Färbung  bei  Schlachttieren  470. 

—  Ausschmelzen  des  Fettes  kranker  Tiere 

449. 

—  Bedeutung  als   Nährstoff  36. 

—  Bestimmung  durch  die  Atemgase  5. 

—  -Bildung  aus   Eiweifs   19. 

—  —     aus  Kohlehydraten    19. 

—  -Depots  35. 

—  der  Cerealien  237. 

—  -Käse   199. 

—  -Mästung   17. 

—  -Polster  35. 

—  -Säuren   37   s.  u.  Fette. 

—  schlechte  Wärmeleiter  36 

—  tierische,  Beurteilung  534. 

—  -Verlust  durch  Eiweifs  beschränkt  32. 

—  verschiedene  Arten  36. 

—  s.   a.   Stoffwechsel. 
Finkelnburg's  Kommentar  339. 
Finne   227. 

Finnen  bei   Schlacbttieren  485. 

—  bei  Menschen  413. 
Fische  232. 

—  Beschau  und   Beurteilung  527. 
Fischer,  M..  Bestandteile  d.  Roggens  238.  239. 
Fischfinnen  490. 

Fischgeruch  des  Fleisches  470. 
Fischoeder,  Leitfaden  der  Fleischbeschau  420. 

—  preufs.   Tuberkuloseerlafs  503. 

—  Rinderfinnen  489. 

—  Untersuchung  der  Schlachttiere  440. 
Flachmüllerei  236. 

Fleisch,    allgemeine  Beschaffenheit  des  207. 

—  Bakteriengehalt  429. 

—  Bacterium  coli  im  540. 

—  Begriff  für  die   Fleischbeschau  421. 

—  Beschau  des   eingelührten  441. 

—  Bestandteile  des  211. 

—  Beurteilung  durch   die  Fleischbeschau 

440. 

—  chemische  Analyse  von   231. 

—  der  Fische  232* 

—  Fälschung  von   230. 

—  gebratenes  218 

—  gedämpftes  217. 

—  gedünstetes  217. 

—  gefrorenes   231.   628. 

—  gekochtes  216. 

—  gepökeltes  221. 

—  gesalzenes  221. 

—  geschmortes  217. 

—  geUucknetes  222. 

—  kranker  Tiere,  gesetzl.  Bestimmungen 

430. 


552 


Register. 


Fleisch,  Leuchten  des   229.   474. 

—  mit   Koiiservierungssnlzen  behandeltes 

531. 

—  Räiuheru  von   222.  450. 

—  ungeeignet  zur  menschlichen  Nahrung 

450. 

—  Untersuchung  von   229. 

—  Verdaulichkeit  von  216. 

—  von   Krustentieren  234.  528. 

—  von   Muscheln  234    528. 

—  von   Säugetieren  und  Vögeln   207. 

—  Zersetzung  des,  beim  .Aufbewahren  228. 

—  Zubereitung  des   215. 
Fleischheschan  150.  411  ff. 

—  ambulatorische  439. 

—  Aufgaben   der  422. 

—  Ausbreitungsgebiet  der  422. 

—  Ausführung  der  439. 

—  Aufserordentliche  439. 

—  Einteilung  der  438. 

—  Ergebnisse  der  413  flf. 

—  —     in  Baden  415. 

—  —      „  Berlin  416. 

—  —      „   Dresden   418. 

—  —       ,,  Leipzig  417. 

—  —      „   Preufsen  414. 

—  —      .,  Sachsen   414. 

—  Geschichte  der  412. 

—  -Gesetzgebung     in    den    europäischen 

Staaten  454. 

—  Litteratur  der  421. 

—  Wesen  der  421. 

—  s.   8.   Fleisch. 
Fleischabnormitäten,  physiologische  469. 
Fleiachdämpfer  v.   Rietschel&Henne- 

b  e  r  g  448  f. 

Fleiacheinfuhr,     Bedingungen    der    Fleisch- 
beschau 441. 

Fleischerhaltungskrystall-Excelsior  531. 

Fleischextrakt  223. 

Fleischfliegen   474. 

Fleischkonserven  219. 

—  in   Büchsen   533. 

—  Prüfung  von  231. 
Fleischkost,  reine  73. 
Fleischkunde  4G2. 
Fleischmäatung  17. 
Fleischsuppe  216. 

Fleisch-  und  Wurstvergiftungen  536. 
Fleischmann,  W.,   iMelkezeit  156. 

—  Menge  der   Milch    154. 

—  .Milchasche   160. 

—  Milchtransportkanne   154. 

—  Mikhfettkügekhen   161. 

—  spezifisches  Gewicht   der  Butter    193. 

—  spezifisches  Gewicht  d,  Milchfettes  162. 

—  Ziegenmilch  und  Schafmilch   189. 
Flügge  46.   89.    125    127. 

—  Heischvergittung   540. 
Flugbrand   241. 

Föten,   Fleisch   von  469. 

Foote,  Typhusübertragung  durch  Austern  528. 

Forelle  23». 

Forster,  Bakterien  im  Fleisch  429. 

—  Einflufs   des    Pökeins    auf  pathogene 

Bakterien  450. 


Forster,  Einflufs  des  Räucherns  auf  Tuberkel- 
bacillen  450. 

—  Einllufs  der  Wärme,  der  Pökelung  und 

Käucherung     auf    Tuberkelbacillen 
502. 

—  Fleischvirulenz  bei  Tuberkulose  501, 
Fraenkel,  A.  13. 

Frankel,  C,  Sterilisierapparat  179. 
Frank,  A.,   über  Arsen  in   Papier  386. 
Frankreich  ,     Fleischbeschau  -  Gesetzgebung 

460. 
Frauenheime  120. 
Frauenmilch  187. 
Freibänke  45  t. 

Freibankfleisch,  Verwertung  443. 
Freudenreich,  E.  von,  Blähung  der  Käse  204. 

—  Bakterien  in  der  Milch   170. 
Friedemann,  Schächtfrage  427. 
Friedensportion  91. 

Friese,  Echinokokkenvorkommen   491. 
Fröhner,  Fleisch  vergifteter  Tiere  525. 
Frosch,  Schweinepest  516. 
Froschschenkel,    Untersuchung,    Beurteilung 

528. 
Früchte,  frische  263. 
Frühkartoffeln  258. 
Fuchs,  Schufsapparat  426. 
Fuchsin  380;  als  Wurstfarbo   530. 

—  Entstehung  des  395. 

—  innerlich  gegeben  395. 

—  ungiftig  395. 
Fuchsin,  S.  381. 

Fürstenberg,  Theorie  der  Milchbildung  151. 
Funke,  0.  4  3. 

Futter,    Beschaffenheit  des  157. 
Futterwechsel  157. 

Ciiärung,  saure  beim  Fleische  472. 
Gaertner  129. 

—  Bakterien  im  Fleisch  429. 

—  Fleischvergiftung  539. 

Gaffky  und  Paak,    Fleischvergiftung    540. 

Gaitier  374. 

Galippe  374. 

Galliard  über  Methylenblau  382. 

Gallisieren  280. 

Galloweng  über  Arsen  in  Tapeten  393. 

Galtier,  Blutvirulenz  bei  Tuberkulose  501. 

—  Fleischvirulenz  bei  Tuberkulose  501. 

502. 
Gastruslarven  beim  Pferde  477. 
Gauser  114. 

Gebärparese  bei  Kühen  525. 
Gebrauchsgegenstände,  Definition  339. 
Geerkens  über  Nickelgefäfse  362. 
Gefängniskost  114  fi". 
Gefärbte  Emaille   341. 
Gefärbte  Kleider,  Vergiftungen  durch  394. 
Gefäfse,   irdene  342. 
Gefangenkost  92. 
Geflügel,  Fleisch  von  214.  526. 
Gefiügelcholera  526. 
Geflügeldiphtherie  527. 
Geflügelfleisch,   Beurteilung  526. 
Gefrorenes  Fleisch  231.  528. 
Geifse,  Trichinenentwickelung  481. 


Register. 


553 


Oelbf&rbang^  von  Nahrun^csmitlcln  371.  380. 

Oemüse   2iH.   262. 

Oenickschlag    zur    Uetäubuii«  der  SchUcht- 

liero   41'0. 
Genickstich  4'.'6. 
Genursoiittel  42  iV    149. 
Genursstoffe  40  tT. 
Oeppert  17. 

Oerlach,    die   Fleischkost  der  Menschen  etc. 
420. 

—  £iiiiiriu);eii  der  Wärme  in  Fleisch  444. 

—  über  Saffransiirrogat  384. 
Germain  See   13?. 

Gerste  '.'3('>.   •J4t'. 

Geruchsabnormit&ten  des  Fleisches  470. 

—  —  durch  .Medikamente  526. 
Geschichte  der  Fleischbeschau  412 
Oeschmacksabnormitäten  des  Fleisches  470. 

—  des  Cieriügeldeisehes  527. 

Gesetze  betreffend  den  Verkehr  mit  blei- 
and  zinkhaltigen   Gegenständen   358  ff. 

—  über  Fafshähne  354  ff. 

—  M      giftige    Farben   401  ff. 
Gesetzliche  Grandlagen  der  Fleischbeschau 

436. 

Gesundheitsgeschirr  342. 

Gesundheitsschädlich,  Begriff  im  Nahrungs- 
mittelgesetz  438. 

Gesundheitszerstörang,  Begriff  im  Nahrungs- 
mittelges«. tz    438. 

GewerbsmäCsige  Schlachttingen  422. 

Gewürze  3i»7. 

—  tür  Volksküchen   124. 
Gewürznelken  309. 

Gifte,    metallische  im  Fleische  4<4. 
Giftige   Briefmarken   390. 

—  Farben   878  ff    385. 

Girard,    ambulatorische   Fleischbeschau  439. 

Glage,   Rinderfiunen  488.   489. 

Glasflüsse  340. 

Glasur,   schlechte   344. 

Glasuren,   bleifreie  343. 

Glycerin  37. 

Glykogeii  im   Pierdefleisch  465. 

Görig,  .Sarkumatuse  524. 

—  SchufsappHrat  426. 
Goldschwefel  37  7. 

Goltz,    Geschichtliches    über    Fleischbeschau 

412. 
Goodfellow,   Brot  249. 

Gorup-Besanez.   Albumin  und  Kasein   158. 
Gosio    über    Bakterien    etc.,     die    Arsenver- 

biii'lungen   zersetzen  393 
GoBselin,  Blutviruletiz  bei  Tuberkulose  501. 
Gonbauz,      Katzen-     und     Uasenfleischunter- 

schiede   46.^. 
Grabe  Über  Alizarin   36H, 
Gräber,  Historische»  über  Hygiene  der  Fleisch- 

niihrutig   412.   453. 
Oraffunder,   Schweinepest  516. 
Grahambrot  249. 
Grams.   Sarkumato.se  524. 
Granat   234. 
Orandhomme  381. 

—  über   Kusin   382. 
Graneele  234. 


Gratia,  Fleischviruienz  bei  Tuberkulose  502. 

Graubrot  249 

Graupen    114.  244. 

Grawitz,   (lewebsveränderung  durch  MXstung 

4  23. 
Grenadine  381. 

—  giftig   31)7. 
Gries  244. 

Grips,  Aktiiiomykose  beim  Schaf  510. 

Grofsvieh  als  Schlaclittiere  423. 

Grotenfeld,   Hotwerden  der  Milch    169. 

Grünkohl  261. 

Grünmalz  288. 

Grünspan  373. 

Grütze   244. 

Grundlagen  der  Fleischbeschau   435. 

Grundmasse  der  Emaille  341. 

Guillebeaa     und     Hess,    Gebärparese    der 

Kühe  526. 
Gummigut   384. 
Ourin,   Kcbiuokokkenbäufigkeit  491. 

Haarfärbemittel  387. 

Haberland,  F.,  S.jabohne  256. 

Hackenbouterolle  424. 

Hackfleisch,   Verbot   der  Einfuhr  442. 

Hackfleischvergiftungen  542. 

Hähner  96. 

Hämoglobinämie  und  Hämoglobinurie  .^22. 

Hafer  236.   240. 

Hagemann,  Fleischvirulenz   bei  Tuberkulose 

501. 
Halsrüschen,  gefärbte  394. 
van  Hamel-Roos  gegen   Keverdissage  375. 

—  über  Cosmetica  387. 

—  ,,     den   Lack  Verver  348. 

—  .,     Nickelgefäfse  363. 

Hamlet,   Vergiftung  durch  Büchsenkonserven 

534. 
Hammarsten,  phosphorsaurer  Kalk  im  Käse 

200. 

—  Zusammensetzung  des  Käsestofls   159. 
Hammelfleisch  213. 

—  Eigenschaften   462. 
Hansen,   Reinzucht  der  Hefe  300. 
Harms,   Nux  vomica-Vergiftung  525. 

—  Tartarus  stibiatus- Vergiftung  525. 
Harngeruch   des   Fleisches    bei   Urämie  523. 
Hartenstein,   Freibankfrago  453. 

—  Kiiiderfinnen  489. 
Hartlot  346. 
Hartmann,  J.   75. 

Hase,  Unterscheidung  von  Kiitze  464. 
Haselbach,  Nahrungsmittelgesetz  437. 
Hasterlik,  Jodzahl  des  Pferdefettes  231. 

—  Pt'erdeÜeischaachweis  468. 

—  über  amerikanische   Konserven  346. 
Hauber  40. 

Haugg,   Finnen   beim  Menschen  413. 
Hausgeflügel  als  Schlaclittiere  423. 
Haut-goüt   des    Fleisches  472. 
Hautkrankheiten   durch   Farben  398. 
Hefe   "JSd. 

—  Reinkultur   der   298.   300. 
Hefelmann.   Butterprüfuugsmetboden  535. 
Hefenmehl  247. 


554 


Register. 


Hehiier,  über  Zinn  in  Konserven  349. 
Heidenhain.   Nahruiifrsmittelpeset?,  437. 

—  Theorie   der   Milclibilduiip;   151. 
Heincke.    (Jcwinnunf;  von  Klippliseh   233. 
Heise  s.  O  h  1  m  ü  1 1  e  r. 

Heifse  Speisen  79. 

Heitimann.  Trichinen  im  Zwerchfell  483. 
Heibig.  über  Küse  in  Nickel jjeläfsen   363. 
Hellriegel.   Hodenbakterien   254. 
Helminthiasis  der  Hunde,  Wechselbeziehun- 

>;eii   zur   Kleischbeschau  413. 
Hengefeld.  über  giftipes  Papier  386. 
Hengst.  Fleisclibeschau  in   Leipzig  417. 

—  und   Schmidt,    das  Fleisch   unserer 
Schl.ichttiere  420. 

Henkel.  Th.,  Citronensäure  in  der  Milch  160. 
Henschel,  Sarkomatose  524. 

—  Zungenaktiuomykose   510. 
Hering  233. 

—  bei  Gefängniskost  116. 

—  für  Massenernährunff  93. 
Herssilet.  Kampferpcrucli   des  Fleisches  470. 
Hertwig,  Aktinomykose  510. 

—  ambulatorische  Fleischbeschau  439. 

—  Dampfkochung    des    Fleisches    tuber- 

kulöser Tiere  503. 

—  der   Be  c  k  e  r  -  U  1 1  ma  n  n 'sehe  Koch- 

apparat 445,    Dampfkochung  445. 

—  Fleischbeschau  in  Berlin  416. 

—  Ikterus    522. 

—  Karbolsäuregeruch  des  Fleisches  470. 

—  Lebensfähigkeit  der  Finnen  486. 

—  Melanosarkome  beim  Rind  524. 

—  Muskelstrahlenpilze  519.   520. 

—  Rinderfinnen   488. 

—  Sarkomalose  524. 

—  Thrangeruch  von  Fleisch   470. 

—  Trichinengehalt  der  Muskeln  483. 

—  Wärmeleitungsvermögen  des  Fleisches 

444 
Herz  218. 

Herzog  Carl  Theodor  14. 
Hess.   Gebärparese  der   Kühe  526. 
Heubner,  Ernährung  der  Kinder  188. 
Hilger.  über  Zinnfolien  352. 
Hillairet  ?.  Delpech. 
Himmelstofs,   Nahrungsmittelgesetz  437. 
Hinrichsen,  Oestruslarven  477. 
Hintzen,  Fleisch  von  Schweinskryptorchiden 

471. 
Hirschberg.  Augenfinnen  413. 
Hirschfeld.   Vergiftung  durch  Fischgift   527. 

—  F.    13.   89.    137. 
Hirschhornsalz  247. 
Hirse  236. 

Hize,  über  amerikanische  Konserven  346. 

Hoch  88. 

Hochmüllerei  237. 

Hönigschmidt    über  Bleivergiftung  348. 

V.  Hoefslin   16.  31. 

—  über  Pikrinsäure-Dermatitis  398. 
Hofmann,  Ernährung  der  Kinder   188. 

—  F.,  Charque  dulce  222. 

—  59.   64.   69. 

Hofmeister,  Blei-  und  Eupfersalze  bei  Tieren 
525. 


Holland,  Ernährung  der  Soldaten  in    112. 
Holst.    l'Meischvergiftuug   540. 
Holzknechte,  Nahrung  der  70. 
Holzzunge  bei  Scblachttieron  510. 
Honig  268. 
Honigfarben  368. 
Homo,   Oestruslarven  477. 
Hülsenfrüchte  253. 
Hueppe  59. 

—  Bac.  cyanogenus   168. 

—  Bakterien  der  Butter  194. 

—  Kartoflfelbacillus   169 

—  Milchgärung   167. 

—  Rotwerden   der  Milch   169, 

—  Wärmeleitungsvermögen  des  Fleisches 

444. 
Hultgren  89. 
Humbert,    Fleischvirulenz    bei    Tuberkulose 

502. 
Hummer  234,  Untersuchung  und  Beurteilung 

528. 
Hunde  als  Schlachttiere  423. 
Hundefieisch,   Eigenschaften  463. 

—  Unterschiede  von  Schweinefleisch  464. 
Hundefleischkonsum  423. 
Hundhausen,  Aleuronat  252. 

Hunger,  Stoffwechsel  im  7. 

Hungerkot  65. 

Hungerstrafe  118. 

Husson  75.  79.  137. 

Hutzucker  269. 

Hydrämie  bei  Schlachttieren  521. 

Hygiene  des  Kuhstalls  153. 

Idiotenanstalten  120. 

Ihisima  89. 

Ikterus  bei  Schlachttieren  522. 

Ilges.  R  ,  Destillierapparat  301. 

Immermann  31. 

Indamine  382. 

Indigo  368.  383. 

Indophenole  382. 

Infektion  der  Nahrungsmittel  129. 

—  durch  „  130 
Infektionskrankheiten  der  Schlachttiere  495. 
Ingwer  310. 

Insektenlarven  auf  Fleisch  473. 
Intoxikationen,  putride  b.  Schlachttieren  514. 
Intoxikationen    und    Autointoxikationen    bei 

Schlachttieren  524. 
Invalidenhäuser  120. 

Invasionskrankheiten  der  Schlachttiere  480. 
Irdene  Gefäfse  342. 
Isodynamie  49. 
Italien,  Fleischbeschau-Gesetzgebung  460. 

Jansen,  Fleisch  von  Schweinskryptorchiden 

470. 
Jean,  Oleorefraktometer  196. 
Jeannel,    Blutvirulenz  bei  Tuberkulose  501. 
Jensen,  Aktinomykose  510. 

—  Kälberruhr  519. 

—  Rotlauf  und   Urticaria    bei  Schweinen 

515. 
Jersin,    Einflufs    der  Wärme   auf  Tuberkel- 
bacillen  502. 


Register. 


555 


Jodglykogenreaktion    bei   ITerdeHeiitch  46C. 
Jodzahl  des   Pierdrieites   231.  468. 
Joger,  Scliiichteii  4 '.27. 
Jotme,  Aktinoiiiyk<>>e  ölO. 

—  der  Tric)iiiien»chHuer  421. 

—  FleischvertjiltuiiK  539.  540. 

—  .Micrococcus  ascuforinans  511. 

—  .MuskelstrRlilenj.ilze  519. 

—  Trichinen^ehHlt  der  Muskeln   483. 

—  Tuberkulose  496  tf. 
JuDgbicr  290. 

Jüngers.   Fferdedeischnachweiü  468. 

Kabeljaa  233. 

Kabitz,   Kindertinnen  489. 

Kachexie,    hydrümische,     bei    Schhichttieren 

521. 
Kadaveralkaloide     bei     Fleischvergiftungen 

Ö39. 
Kadmiamfarben  377. 
Kälberdiphtherie  519. 
Kälberlähme,   py>imische  512. 

—  septische   513. 
Kälberruhr  519. 

Kämmerer,   Kouservesiilze  für  Fleisth  531. 
Kaffee,   br>tHndteiIe  des  319. 

—  Fälschungen  des  321. 

—  Geschichte  des  315. 

—  L'rspruiit:  de»   315. 
Kaffeebohnen,  Zuhereituu^  der  316. 
Kaffeesurrogate  3-.>l. 
Kaisermehl  237. 

Kakao  323. 

Kalbefieber  der  Kühe  525. 

Kalbfleisch  209.  212. 

—  KiKenschafteii  462. 
Kalbshim   18U. 
Kalbskopf  34. 
Kalisalze   29. 

Kaliamjodidpapier    zum  Nachweis  von  Sul- 

liten    531. 
Kalkkonkremente  in  der  Muskulatur  495. 
Kalkmangel  30. 
Kallmann.   Kinderfinnen  488. 
Kalorie  4  7. 
Kalorienbedarf  49. 
Kalorimeter  47. 
Kalte  Speisen  80. 
Kaninchen  als  Schlachttiere   423. 
Kapern   31i). 

Karlinski,  Hacilius  enteritidis  Gärtner  540. 
Kartoffel,   Hestandteile  der  259. 

—  für  Ma>senerDährung   111. 

—  Geschichte  der  256. 

—  Zu.sHmmensetzuog   260. 
Kartoffelkäfer  259. 
Kartoffelkrankheit  258. 
Kartoffelmehl   in    Wurst  231.   530. 
Kartoffelstärke  267. 

Käse,  Hiikterieii   und  Schimmelpilze  im   202. 

—  Kliiuwcrden  der  204. 

—  Edamer   203. 

—  für  .Mtisseiiernfthrung   107. 

—  Goud.i-    203. 

—  Iliirt-   20U. 

—  Lab-  200. 

Hftodbuch  der  Hjgleoe.     Bd.  III.    Abtl«.  2. 


Käse,   Keaktion  der  frischen   202. 

—  Keifen   der   200. 

—  Kolwerden  der  204. 

—  Sauer-   2m  1. 

—  Scliwarzwerden   der   204. 

—  Ursprung;,     Uestaudleile ,    Ilerslelluntf 

der    199. 

—  Veränderungen  beim  Aufbewahren  der 

202. 

—  Verfälschung    und    Untersuchaog    der 

204. 

—  Weich-   200. 
Käsestoff   168.   163.    199. 

Kastner.  l'Icischvirulenz  bei  Tuberkalose  601. 
Katarrhalfieber,  l>ösartiKes,  des  Kindes  618. 
Katze,   Unterscheidung  von   Hasen  464. 

—  »Is  Schlachitier  423. 
Katzenstein   13. 

Kauen   Ui3. 
Kautabak  312. 
Kautschuk  357  ff. 

—  Beschwerung  des   358. 

—  Färbung  des   358.  390. 
Kaviar  234-.  528. 

Kayser,  R  ,  über  giftige  Beizen  397. 

—  über  Verzinnung  350. 
Kayserling.  Schächten  427. 
Kefir   lö.ö.   187. 

Keller   17.  89. 
Kemmerich  31. 

—  Fieischextrakt  223. 
Keratin  33. 

Kermes  niinir»le  357. 

Kemer,  Justinus,  Wurstvergiftungen  544. 

Kinderkost  93.   137. 

Kinderkrankenhäuser,   Kost  der   137. 

Kindermehl  274. 

Kindermilch  274. 

Kindersangflaschen  355. 

BLirchner.  W.   137. 

—  Bereitung   von   Ketir    186. 

—  Brie-Käse  201. 

—  das  Melken   151. 

—  Separator  für  Milch   165. 

—  Transport  der  Milch   154. 
Kitasato,  Tetanusbacillcn  509. 
Kitt.   Kiiuschbrand  506. 

—  Wild-  und  Kinderseuche  518. 
Kjeldahl  5. 

Kleber  237.   262. 

Kleie  237. 

Kleinvieh  als  Schlachttiere  423. 

Kleinschmidt,    Federbolzenapparat  425. 

—  Sch:ichten   427. 
Kleister  266. 

V.  Klenze,  Verdaulichkeit  der  Käse  206. 
Klepzow,   Finäufs  des  Pökeins  auf  Tuberkel- 
bacillen   502. 

—  Kleischvirulenz   bei  Tuberkulose  501. 
Klikowics   104. 

Klinger  und  Bujard,   FArbstolTuachweis  iu 

Wurst  530. 
Klippfisch  233. 
V.  Knieriem  40. 

Knoch,   \erniftung  durch   Fischgilt  527. 
Knochenerweichung  bei  Schlachttiereu  623. 

36 


ÖÖ(i 


Register. 


Knochensappell  34. 

Knoll.  Aktinoniykose  510. 

Knudsen.  Fleisch  vergifteter  Tiere  525. 

Kobaltblau  370. 

Kobert.  ülier  Giftigkeit  des  Aluminiums  366. 

—  Vergiftungen  durch  Fischgift  527. 
Koch,    Gescliichtliches    über    Fleischbeschau 

412. 

—  Tuberkulin   228. 

Kochapparat ,     Becker- Ullmnnn'  scher 

445. 
Kochen  der  Nahrung  56. 
Kochgeschirre  340. 
Kochsalz  305. 

—  Einflufs  auf  Stoflfwechsel   16.  28. 
Kochverfahren  für  Fleisch  444. 
Kögler,   Betäubungsinstrumente  425. 
König,  J.,  Analysen  von  Erbsen   255. 

—  Bestandteile     der     Krustentiere     und 

Muscheln  235. 

—  Bestandteile  der  Ochsenzunge  219. 

—  Bieranalysen  291. 

—  Brotanalysen  250. 

—  chemische    Bestandteile    von    Fleisch- 

konserven 222. 

—  Kaffeeanalysen  319. 

—  Zusammensetzung  der  Käse  201. 

—  Zusammensetzung     der     Kindermehle 

275. 
Königsblau  370. 
Körperbestand  3. 
Kohlarten  261. 
Kohlehydrate  38.  237. 

—  Gehalt  der  Wurst  an   530. 

—  in   Fleischwaren  466. 

—  s.   a.  Stoffwechsel. 
Kohlensäure-Bestimmung  5. 
Kohlenstoff-Bestimmung  3. 
Kohlrabi  261. 

Kohlrübe  261. 
Kokosbutter  198. 
Kollagen  33. 
Kommilsbrot  249. 

—  für  Massenernährung  111. 
Kongofarben  380. 

Konkremente  in  der  Muskulatur  495. 
Konservebüchsen  345. 
Eonserven,  amerikanische  346. 

—  Fleischkonserven,    Untersuchung,  Be- 

urteilung 533. 

—  für  Massenernährung  113  ff. 

—  Kupfergehalt  374  ff. 

—  russische  346. 

—  Zinngehalt  der  349. 

Konservieren  durch  Trocknen  271. 

Konservierung  des  Fleisches  220.  531. 

Konservierungssalze  für  Fleisch  531. 

Konstitutionelle  Krankheiten   bei  Schlacht- 
tieren 520. 

Kopfkrankheit,  bösartige,  des  Rindes  518. 
Kopfwasser  387. 
Korallin  382. 

—  Vergiftung  durch  395. 
Korn  236. 

Kombranntwein  303. 
Kornrade  241. 


Kost,  animalische  69. 

—  pflanzliche  69. 

—  der  Arbeiter  in  Deutschland    102. 

—  ,,  „  „    Schweden  88. 

—  ,,     Bergleute  88.  97. 

—  „     Heizer  97. 

—  „     Ilolzknechte     aus    Siebenbürgen 

88. 

—  ,,     Japaner  88. 

—  in  Krankenhäusern   132  fi'. 

—  der  Tunnelarbeiter  97. 

—  ,,    Ziegelarheiter  aus  Italien  88. 

—  s.  a.  Kostmafs. 
Kostjurin  81. 
Kostmals  81. 

—  bei  Arbeit  84  ff. 

—  der  alten  Leute  89. 

—  ,,    F>wachsenen  84. 

—  ,,    Gefangenen   92. 

—  ,,    Kinder  93. 

—  „     Soldaten  90. 

—  Methoden  zur  Feststellung  des   82. 

—  nach  Jahreszeiten   96. 

—  ,,     Klima  96. 

Krabbe,  Echinokokkeu  bei  Hunden  413. 

Krabben  234. 

Krankenhäuser,  Kost  in   132  ff. 

Krankenkost  132  ff. 

Krankheiten  der  Schlachttiere,    Ermittelung 

bei   der   Lebendbeschau  475. 
Kroatin  35. 
Krebse  234. 

—  Untersuchung  u.  Beurteilung  528. 
Kreide  180.  370. 

Krieg,  Massenernährung  bei    131. 

Kriegsportion  91. 

Kreusler,  U.,    Backfähigkeit  von  Mehl  238. 

242. 
Krohne  93.  119. 

Krüger,  R.,  Bakterien  der  Butter  194. 
Krummacher  69. 
Krupp's  Arbeitermenage  123.   126. 

—  Haush.'iltungsschule  109, 
Kuborn,  Fleischvergiftung  540. 
Küchenabfälle ,    bei    Berechnung    der    Kost 

abzuziehen    115. 
Küchenmeister,  Wärmeleitung  des  Fleisches 

444. 
Kümmel  307. 
Kuhfleisch  211.  462. 
Kuhmilch,  Abkühlung  153. 

—  amphotere  Reaktion   162. 

—  Aschenbestandteile  der  160. 

—  Aufrahmung  der  163. 

—  Aufrahmung     durch     Centrifugalkraft 

164. 

—  bittere   170. 

—  blaue   168. 

—  chemische  Eigenschaften  der  157. 

—  Citronensäure  in  der  160. 

—  dünne   166. 

—  Entrahmung  der   180. 

—  fadenziehende   169. 

—  Fettkügelchen  der  161. 

—  Gase  der  160.  162. 

—  Gewinnung   151. 


ßegister. 


007 


Kuhmilch,  bolsteiuUches  Verfahren  der  Auf- 
rahniuug  164. 

—  koadeusierte    179. 

—  Konseryierun^  der   170. 

—  Kuhexkreineiite  iu  der   184. 

—  lange   Wei    IG'J. 

—  Meii(?e  der    154. 

—  Methoden  der  Untersuciiunfi;  182. 

—  physikalische  EigenschafteD  der    160. 

163. 

—  Probenahme  der   181. 

—  Qualität  der   154.   155. 

—  rote    169. 

—  saure   167. 

—  schleimige   169. 

—  Schmelzpunkt  des  Fettes  der   163. 

—  Siedepunkt    162. 

—  spezitisches  Gewicht  der  101.  162.  ISa. 

—  Stallprobe  der   181. 

—  Sterilisation  der    171.   172. 

—  Swartz'sches    Verfahren    der    Aufrah- 

muug  164.   190. 

—  Trockensubstanz  der  158. 

—  Tuberkelbacillen   in  der  184. 

—  Uebertragung  von  Krankheiten  durch 

die   170. 

—  ündurchsichtigkeit  der   161. 

—  Ursprung   151. 

—  Veränderungen  beim  Aufbewahren  der 

166. 

—  Verarbeitung  der   163. 

—  Verfälschungen  der   180. 

—  Verunreinigung  mit  Exkrementen  152. 

—  Viskosität   162. 

—  ZähÜüssigkeit  der    162. 

—  Zusätze  von   Chemikalien   zur   171. 

—  Zusatz   vcjn    Wasser    183. 
Knmagawa  12.  89. 

Kumys    185. 
Kunstbutter    197.   535. 
Kunstkäse   2(i4. 
Kupferfarben  373. 
Kupferkessel,  verzinnte  348. 
Kupferne  Gefäfse  302. 
Kupfervergiftung  373. 

Lab  199. 
Laberdan  2S3. 

Labiche,  Prüfung  von  Schmalz  231. 
Labkäse   199. 

Labler,     Geschmacksabnormitäten     des     Ge- 
flügels  527. 
Laborde  s.   Riebe. 
Lackfarben  369. 

Lafar,  Fr.,   Bakterien  der  Hutter   194. 
Laho,   Bleivergiftungen   bei  Tieren   525. 

—  Freibankfrage   453. 
Laienfleischbeschauer  439. 

—  I.iit.    für   die   420. 
Laktationsperiode   156. 
Laktokrit   183. 
Lambert  .-.  Chittenden. 
Landergren  89. 
Langbein  50. 

Lassar,  Leuchten   des  Fleisches   229. 
Lavoisier,  Oxydation  des  Alkohols  306. 


Lawrence,  .Milchkühler   153. 

Lebbin  .«.   Plagge. 

Lebodeff  1'.'. 

Lebendbesohau  der  Schlachttiere,  Berück- 
sichtigung von  Krankheiten  bei  derselben 
475. 

Lebensalter,  Einllufs  auf  Stoffwechsel   15. 

Leber    218. 

Leberecht,  Fleischbeschau  auf  dem  Lande 
439. 

Leberegel  bei  Schlachttieren  477. 

Lederfarben  397. 

Lefeldt,  W.,  C'entrifugo   165. 

—  Knetmaschine  für   Butter    191. 
Leger  über  Bierdeckel   355. 
Lehmann   8. 

Lehmann,  K.  B.,  Fleischextrakt  betreffend 
2 -'4. 

—  über  Brot  249. 

—  .,     Giftigkeit  der  Chromfarben  370. 

—  „      Kupfer    374. 
Leimstoffe  33. 

—  als  Nährstoff  10.   34. 

—  „    Sparstoff  34. 

Leipzig.   P'leischbeschauergebnisse  417. 

Leisering,  Uäufigkeit  der  trichin.  Ratten  481. 

Leo,  H.   7. 

Lepine  s.  Cazeneuve. 

Leppmann  93.  119. 

Leube  81. 

Leuchtendes  Fleisch  474. 

Leue  412. 

Leukämie  bei  Schlachttieren  521. 

Leuckart,   Distomenentwickelung  478. 

—  Trichinen  226. 

—  Wärmeleitungsvermögen  des  Fleisches 

444. 

—  Widerstandsfähigkeit     der    Trichinen 

482. 
Lewin,  L.  13. 
Lex  114.  137. 
Lichtgrün  381. 

Liebe,  I''ieischdämiit'er  von  Rietschel  & 
Ueniieberg  449. 

—  Teergeruch   beim   Fleische  470. 
Liebermann  ?.   Grabe. 

Liebig,  J.   von,   Fleischextrakt  223. 

Liebreich.  Schädlichkeit  oder  Unschädlich- 
keit der  Borakate   533. 

Lienatiz,  Fleischvirulenz  bei  Tuberkulose 
502. 

Likör  304. 

Limoges  .'!41. 

Lina  Morgenstern  127. 

Linse  255. 

Lintner,  C,  WUrzebereitung  288. 

Litteratur  über  Fleischbeschau  420. 

Löffler,   ."^chweincrotlauf  615. 

Löschpapier,  arsenhaltig  386. 

Lötdose  34  6. 

Löten  345  ff. 

Loewy,  A     13.    14. 

Lokalerkrankungen  der  tierischen  Gewebe 
und  (Jrgane,  Bedeutung  für  die  Fleisch- 
beschau 476. 

Lolkes.  F.,   Häucheröfen  222. 


30* 


558 


Register. 


Long    und    Preufse,    Anleitung    zur    Tri- 

chinenscbau  421. 
Lorenz,    Urticaria   uud    Schweinerotlauf  515. 
Lnciani  S. 
Luebbert.    Stapbylococcus    pyogenes    aureus 

168. 

—  über  Aluminiumgeläfse  3G4. 
Lüpke.   Kotlauf  und  Urticaria  bei  Schweiueu 

515. 
Luftcalorimeter  48. 
Lunge  219. 

Lunge.  G.  über  Aluminium  364.  366. 
Lungenseuche  228. 

—  des  Hiudes  517. 
Lungershausen,  Scbrotausschlag  d.  Schweines 

475. 
Lungwitz.  Sarkomatose  524. 
Lutter  300. 
Lydtin,  Anleitung  zur  Fleischbeschau  420. 

—  Kontrolle  der  Notschlachtungen    430. 

—  Notschlachtungen  in  Baden  429. 

—  Schweinerotlauf  515. 

^faafsen,  Sterilisieren  der  Milch  178. 
Mach,  E    und  Portele,  C,  Untersuchung 

der  Weinbeeren   264. 
Madelung,  Echinokokken  beim  Menschen  492. 
Mälzerei  238.  287. 
Märcker,    M.,    Backfähigkeit  von  Mehl  237. 

—  Maltose  289. 
Mästung  17. 

Magenwurmseuche  der  Schafe  477. 
Magerkäse  199. 

Magerkeit    und   Abmagerung    bei    Schlacht- 
tieren 469. 
Magermilch  185. 

—  als   Gefängniskost  116. 
Magnus-Levy  69.  132. 

Mahlzeiten,  Verteilung  der  Kost  auf  die  98. 
Maier,    Fleisclibeschau  auf  dem  Lande  439. 

—  Nahrungsmittelgesetz  437. 

—  Untersuchung  notgeschlachteter  Rinder 
429. 

Mais  236.  240.  244. 

Malachitgrün  381. 

Malerfarben  368. 

Malfatti  69. 

Malignes  Oedem  der  Pferde  509. 

Maljean,    Erkennung    aufgetauten    Fleisches 

528. 
Malleose  40. 
Maltose  289. 
Malzeau,    Prüfung    von    gefrorenem    Fleisch 

2,31. 
Malzkaffee  323. 
Mandel,    Merkmale  des  Fleisches  verendeter 

Tiere  471. 

—  Schächtfrage  427. 
Manganbraun  371. 
Manganfarben  371. 

Mangelhaft,  Begriflf  bei  Schlachttieren  437. 

Mangold,  Echinocc.  multiloc.  490. 

Manöverkost  91. 

Margarine  197.  535. 

Marine,  Kost  der  deutschen  129. 

Marktpolizei  181.  423. 


Marpmann,  Farbstoflfnachweis  in  Wurst  530. 
Marron  381. 

Martin,    Knochenunterschiede    bei    verschie- 
denen Tieren  464, 
Martiusgelb  379. 

Maske,  liohrbeck's  Fleischsterilisator  447. 
Massenernährung  105. 

—  bei  Epidemien   129. 

—  in   Alumnaten    108. 

—  „   Armeuliäusern    120. 

—  ,,    Ilauslialtungsschulen   109. 

—  ,,   Korrektionsanstalten   108. 

—  ,,    Krankenhäusern   132. 

—  im  Kriege  129. 

—  Methodik   3. 

—  in  Volksküchen   122. 

—  ,,   Waisenhäusern  106. 

—  von  Gefangenen  114. 

—  „     Kindern   106 

—  ,,     Kranken   132. 

—  „     Soldaten   109. 
Mastitis  septica  der  Kühe  513. 
Mate  315. 

Matjesheringe  233. 
Matrosenkost  r^9. 
Maul-  und  Klauenseuche    der    Schlachttiere 

228.  507. 
Mauthner  35. 

Mayrhofer  über  Reverdissage  374. 
Meat-Preserve  531. 
Meerrettig  261. 

Mege-Mouries,  Kunstbutter  197. 
Mehl  236. 

—  chemische  Bestandteile  von   237. 

—  Farbe  von  242. 

—  gekupfertes  377. 

—  Nachweis  von  Roggen-  in  Weizenmehl 

243. 

—  Veränderungen  beim  Aufbewahren  240. 

—  verdorbenes  242. 

—  Verfälschungen   240. 

—  Verunreinigungen  des  240. 
Mehlzusatz  bei  Würsten  529.  530. 
Meinert  64.  83.  89.  93.  106. 
Mejer,  Echinokokkenhäufigkeit  491  f. 

—  Rinderfinnen  488. 
Melasse  269. 

Melken  151. 

Melkzeiten  156. 

Menagen  122. 

Mendel  46. 

Menge,  K.,  Sarcina  und  I'rotococcus   169. 

Menke,  A.   über  Zinn  in  Konserven  349. 

Merck,  E.,   Pepton  225. 

V.  Mering  13. 

Messner,  Aktinomykose  510. 

—  P^reibankfrage  453. 
Metallfarben  369. 
Metanilgelb  380. 
Methylenblau  383. 

Metritis  septica  der  Kühe  513. 

Metz,  Sarkomatose  524. 

Meyer,  Ad.,  spezifisches  Gewicht  der  Butter 

193. 
Meyer,  G.  68. 
Microcoecus  ascoformans  511. 


Register. 


559 


Micrococcas  botryoKenai  511. 
Miescher'ächo  Schläuche  im  Fleische  494. 
Hiesmaschel  234. 

—  Veririitunßen  durch  528. 
Mikroorganismen  im  Fleische  474. 
Milchfehler   17U. 

Milchpal  ver  180. 
Milchseram  lö8. 
Milchzucker  l.'iO.  1G3.   183. 

—  (M-winnuiitj  des   150. 
Militärlazarette,   Kost  der  134  S. 
Milzbrand  licr  Schlachttiere  228.  506. 
Milzbrandbacillen  in  Kuustbutter  198. 
Minderwertig.     I3c>,'riir     bei     Schlachtticren 

437. 
Mineralsalze   >.  Asche. 
Mineralstoffe  26. 

—  Mangel  an   30. 

—  s.  a.  Aitche. 
Minkowski.  0    38. 
Mirbanöl  in  Cosmetica  387. 
Mischbrot  249.  251. 
Misselwitz.   Sarkomatose  524. 
Mittelkost  117. 
Mittelsalze   16. 

Mittermaier,  Scbächtfrage  427. 
Moabit,  Strafanstalt  in   116. 
Möhre  2 Co. 

Mölter.  Leitfaden  der  Fleischbeschau  420. 

Mokka  3 1  7. 

Morbus  maculosus  des  Pferdes  513. 

Morgenstern  127. 

Mori  89. 

Morot,  Aufblasen  von  Fleisch  468. 

—  Degeneration   der  Finnen  486. 

—  Geschichtliches    über    Fleischbeschau 

412. 

—  Geruch    des  Fleisches  bei  Trigonella- 

Fütterung  470. 

—  Magerkeit  und  Abmagerung  469. 

—  Psorospermien  494. 

Mosler,    Echinokokken  beim   Menschen  492. 
Mosselmann,  Bleivergiftungen  bei  Tieren  525. 
Mo8t  278. 
Moulä,   Psorospermien  494. 

—  Phosphorescenz  des  Fleisches  474. 
du  Motilin   374. 

Mucor  racemosuB   202. 

Mühlsteine  356. 

Müller,  Ecliinococc.  multiloc.  490. 

—  Thurgau,  Edelfkule   265. 

—  WurbtverKiltuiig  543. 

—  Fr    3s.  64. 
München.   Kninkeuhaus   134. 

Multiple   Muskelblutungen    bei    Schweinen 

514. 
Musivgold    377. 
Muskatnufs  3U9. 
Muskelarbeit,    Einflufs    auf   Ausnutzung  der 

.Nahriuig   68. 
Muskelblutungen,    multiple    bei    Schweinen 

.M4 
Muskeldistomen  beim  Schwein  479. 
Muskelstrablenpilze  beim  Schwein  519. 
Mutterkorn  im  Mebl  241. 


Nachlauf  300. 

Nachmachen,  Begriff  im  Nfthrungsniittult.'esetz 

437. 
Nährsalze  27. 
Nährstoffe    149. 
Nahrung  51.   149. 

—  Ausnutzung  64. 

—  Braten   57.   5b. 

—  Backen   55. 

—  Definition  81. 

—  Form   .^9.   61. 

—  gemischte   75. 

—  Kochen   55. 

—  Konsistenz   59.  61  ff. 

—  Konten   55.   58. 

—  Temi)eratur  79. 

—  Volumen   59. 

—  Zerkleinerung  54. 

—  Zubereitung    52. 
Nahrtingsentziehung  118. 
Nahrungsmittel  149. 

—  gelbgefärbte  380. 

—  Zusammensetzung  der  52. 

—  -Gesetz  437. 

—  -Polizei   150. 
Nahrungsstoffe  21. 
Nakahania  89. 
Naphtholgelb  370. 
Naphtholgrün  379. 
Naplitholscliwarz  380. 
Natron,  doppelknhlensaures   170. 
Natürliche  Farbstoffe  384. 
Naumann,  Fleischsuppe  216. 

—  Pökelflüssigkeit  221. 
Nauwerck,  Wurstvergiftung  545. 
Nelkenpfeffer  309. 

Newen.  Eintiufs  auf  Verdauung   102. 
Neuhaufs,  G  r  o  n  w  a  1  d  und  O  e  h  1  m  a  n  n  , 

Sterilisierapparat   175.    179. 
Nickelgefäfse  262. 
Niebel,     Bereitung,     Beurteilung     etc.      des 

Kaviars  528. 

—  Abnormer  Fleischgeschmack    bei  Ge- 

flüirel  527. 

—  Glykogen  im   Fleisch  230.  465. 

—  Pferdefleischnachweis  465  ff. 
Niedner,  Wurstvergiftung  543. 
Nieren  218. 

Nitrofarbstoffe  379. 

Nitrosofarben  379. 

Noack,  Dampfkochverfahren  für  Fleisch  447. 

—  Kiiiderfinuen  488. 

—  Wertminderung    des    Fleisches    durch 

Kochen   453. 
Nocard,  Fleischvirulenz  bei  Tuberkulose  601. 

502. 
Nördlinger,  Erdnufsbrot  251. 
Noir.     \ergiftung    durch    Büchsenkouserven 

534. 
V.  Noorden   10. 
Notschlachtungen  428 

—  t:e>etzlalie   Besiimmungen   430. 

—  Ilaiiligkeit   in   Baden  429. 
Notwendigkeit  der  Fleischbeschau  412. 
Nuesch.    1,0111  litbakterien  474. 
Nukleine  34. 


13 


560 


Register. 


Obernier  17 

Oblaten,  ^:il"ti^'e  399. 

Obst  -^63. 

Obstwein  'J97. 

Ocker  370. 

Ochsenfleisch  211.  462. 

Oedem,  muligues  bei  Pferden  509. 

Oel  36.   270. 

—  bleilösend  347. 
Oelfarben  368. 
Oertel  Jö. 

Oesterreich,  Ernährung  der  Soldaten  in  112. 

—  Fleischbescb.'iu-Gesetzgebung    in  459. 
Oestras  bovis,   Larven  von  476. 

—  ovis,   Larven  von  477. 
Ohlmüller  75.  89.  96.  365. 
Oi.  G.  89. 

Gidiam  aurantiacum  202. 

01t.  Echiiii.>kokkeuhäufigkeit  491. 

—  Häutigkeit  d.  Cyst.  tenuicoll.  479. 

—  Schrotiiusschlag  des  Schweines  475. 
Oppenheim.  H.   13.   102. 

Oppermann.  Grauwerden  der  Wurst  530. 
Orange  II  380. 
Orfila  373. 

Organisation  der   Fleischbeschau  435. 
Organische  Farben  377. 
Organkrankheiten  der  Schlachttiere  476. 
Osteomalacie  bei  Scblacbttieren  523. 
Osteoporose,    Osteopsathyrose    bei    Schlacht- 

lieren   523. 
Ostertag,  Hutterprüfungsmetboden  535. 

—  Degeneration  der  Finnen  486. 

—  Echicocc.  multiloc.  beim  Schwein  492. 

—  Fleisch-  und  Wurstvergiftungen    541. 

544. 

—  Fleischvirulenz  bei  Tuberkulose  501. 

—  Geschichte  der  Freibänke  452. 

—  Handbuch  der  Fleischbeschau  420. 

—  Infektiosität  gefrorenen  Fleisches  528. 

—  Magerkeit  und  Abmagerung  469. 

—  mit  Konservesalzen  behandeltes  Fleisch 

533. 

—  Muskelblutungen   bei  Schweinen  514. 

—  Nahrungsmittelgesetz  437. 

—  Notschlachtungen  429. 

—  Pentastomenlarven  493. 

—  Preufs.  Tuberkuloseerlafs   503. 

—  Rinderfinnen  488.  489. 

—  Trichinengehalt  der  Muskeln  483. 

—  Trichinenübertragung   481. 

—  Tuberkulose  496  fi". 

—  Zeitschrift  421. 

Paak,  Fleischvergiftung  540. 

Päonin  382. 

Fankreaspepton  225. 

Panum  lO»'. 

Papier,  Färbung  des  386. 

Paprika  308. 

Paraguaythee   315. 

Parasiten  im   Fleisch   226.   476  ff. 

Paris.  Kost  bei,  Belagerung  von   131. 

Parmentier,  KartoflFel  258. 

Paschkis  388. 

Pasteurisieren  294. 


Patentmethode,    englische,    zum    Schlachten 

von   Tieren   427. 
Pathologie  der  Schlachttiere  475. 
Paul6,   Magerkeit  und  Abmagerung  469. 
Pauli,   Fleischbeschau  .'luf  dem  Lande  439. 
Payen,  A.,   Schlachtgewicht  der  Fische  232. 
Peiper,    Ecliinokokken   beim  Menschen  492. 
Pektinstoffe  39. 
Pelzwaren,   Farben  für  400. 
Penicillium  glaacam  202. 
Penkert,   Anleitung  zur  Trichinenschau  421. 
Pentastomen  bei  Schlachttieren    493. 
Pepsinpepton  225. 
Pepton   -.^23.   224. 
Pergamentpapier,   Hlei  in  386. 
Pericarditis  traumatica  der  Rinder  514, 
Permanentweils  370. 
Peronospora,  Schutz  gegen  376. 
Perroncito,    Fleischvirulenz  bei  Tuberkulose 

501. 

—  Rinderfinnen  489. 

—  Wärmeleitungsvermögen  des  Fleisches 
444. 

Petechialfieber  des  Pferdes  513. 

Petiotisieren  2  79. 

Peters,  W.  L.,  Brotbereitung  247. 

—  verhitztes  Wild  472. 

Petri,  Bacillen  des  Schweinerotlaufs  515. 

—  Sterilisieren  der  Milch   178. 

—  Wärmeleitungsvermögen  des  Fleisches 
444. 

Petroleum  für  Brennzwecke  403. 

—  Testpunkt  des  403. 
Petroleumprüfer  404. 

Petsch,   Farbstoffuachweis  in   Wurst  530. 
Pettenkofer,  Fleischextrakt  223. 
Pettenkofer's  Respirationsapparat  5. 
Peuch,  Fleischvirulenz  bei  Tuberkulose  502. 
Pfeffer  307. 

Pferde  als  Schlachttiere  423. 
Pferdebohnen  251. 
Pferdefleisch  214. 

—  -Bescbau,    gesetzliche    Bestimmungen 
458. 

—  Eigenschaften  463. 
Pferdefleischnachweis  465. 
Pferdeschlachtungen,  Beschau  der  458. 
Pfeiffer,  L.  37, 

—  Nutzen  oder  Schädlichkeit  der  Sulfite 
533. 

Pflanzengummi  39. 

Pflanzenschleim  39, 

Pflanzliche  Kost  69. 

Pflüger,  Leuchten  des  Fleisches  229,  474. 

—  Milchgase   160, 
Pfründner  120. 
Pharaoschlangen  390. 
Phosphorescenz  des  Fleisches  474. 
Phthaleine  382. 
Phyllocyaninsäure  374. 

Plana,    Widerstandsfähigkeit    der    Trichinen 

482. 
Pictet,  E.,  Sterilisieren  der  Milch   178. 
Piehler,    Phosphorescenz  des  Fleisches  474. 
Pikrinsäure,  giftig  379.  398, 
Pilze  265. 


H 


Register. 


561 


Pinette  über  amerikanische  Konserven   347. 

—  über  Löten  346. 
Flagge  365. 

—  und    Trapp,     Fleisclikonservieruiif^ 
531. 

Flanchon ,    über    künstliche     Färbung    von 

Hlumen   381. 
Plaut,  preußischer  Tuberkuloseerlafs  S03. 
Playfair  89. 

Plerocercoid   des  Bothriucephalus  latus  490. 
Plötzensee  115  (f. 
Pocken  «ier  Sclilachttiere  508. 
Pökelverfahren,  Eindafs  auf  krankes  Fleisch 

Poels  und   Ühont,   Fleischvergiftung  540. 
Polenske,   Huttcrprüfungsmcthoden   535. 

—  Butterrefraktometer  534. 

—  deutsche  Butterfarbe  384. 

—  Fleischkonservesalzo  531. 
Folitis  35 

FoUi,  Zuträ(;liclikeit  oder  Schädlichkeit  der 
Borakate  533. 

—  Zuträi^Iichkeit  oder  Schädlichkeit  der 
Sultite   533. 

Pollitzer  10. 

PolyarthritlB  pyaeinica  der  Kälber  512. 

—  septica  der   Kalber  513. 
Pomaden  387. 

Popoflf,   Verdaulichkeit  von   Fischfleisch  232. 

Verdaulichkeit  von   Fleisch  215. 
Popp  und  Becker,  Sterilisierapparat  179. 
Porter  292. 

PossetO,   über  Safran  380. 
Postmortale   Fleischveränderungen  472. 
Fostolka    und    Toskano,    Fleischbeschau- 
Gesetze  in   Oesterreich  459. 

—  —     Lehrbuch   420. 
Präservesalz  .'531. 
Prausnitz  69     109.   127. 

—  Brot  249. 

Preufse  und  Long,  Anleitung  zur  Trichinen- 
schau 421. 

Preafsen.  Ergebnisse  der  Fleischbeschau  414. 

Pritzkow,   über  Mühlsteine  356. 

PrivatschlachtnngeQ  422. 

Probemelken   155. 

Probenentnehmer  der  Trichinenschau  483. 

ProBkauer   126. 

Protococcus  prodigiosus   109. 

Prus,    St  hweineseuche   616. 

Pseudalius  bei   Schlachttiercn  477. 

Pseudoleukämie  bei   Schlachttieren  522. 

Pseudotrichinen  484. 

Psorospermien  im  Fleische  494. 

Ptomaine  229.  539. 

Puder  3^(7. 

Puerperalfieber  der  Kühe  625. 

Pumpernickel   239.  249. 

Püree- KRrtofTeln    139- 

Putride  Intoxikationen  bei  Schlachttieren  514 

Fyämiache  Erkrankungen  der  Schlachttiere 
511. 

—  Erkrankungen,    Ursache  von  Fleisch- 
vergiftungen  537  ff. 

Pyrometer  nach  D  u  n  c  k  e  r  446  f. 


Q,uark  VoO. 
Quecksilberfarben  378. 

Itabe,    MiiTococ'cus  botryogenus  511. 
Räucherung,  Einflufs  auf  kranke»  Fleisch  45ü 
Rahm   190 

—  sterilisierter    196. 
Rahmmesser  183. 

Railliet,   Fleischpsorospermien  494. 

Ranke  2.   8.   10.   12. 

Rapp  s.  E  n  g  1  e  r. 

Rauber,  A.,    Theorie   der  Milchbildung   161. 

Raachfleisch  214. 

Rauchfufs    137. 

Rauschbrand  der  Schlachttiere  606. 

Reaktion  des  Fleisches  472.  473. 

Rebenschädlinge  282 

V.  Rechenberg  50.  89. 

Recknagel,  spezifisches  Gewicht  der  Milch  162. 

Reh,   Unterscheidung  v.  Schaf  464. 

Reichardt  25. 

Reichsgesetzgebung    für  die   Fleischbeschau 

436. 
Reichsstrafgesetzbuch  4 36. 
Reichsviehseuchengesetz  436. 
Reihlen,  A.,  Schaumweinfabrikation   304. 
Reincke   129. 
Reinecke  37. 

Reinicke,  A.,  Bestandteile  des  Milchfettes  158. 
Reis  '-'4  4. 
Reisbier  293. 

Rekonvalescenten,  Kost  für  134.   136. 
Renard,   über   Prüfung   auf  Blei  347. 
Respirationsapparat  von  P  e  tt  e  n  kofer  4. 
Renfs,   über  Dichtungsringe   346. 

—  ,,      Zinnsulfür   in  KonservebQchsen 
347. 

Reverdissage  373. 

—  ("iesetze  über  376. 
Rhachitis  30.   107. 

—  bei   Schweinen  523. 
Riebe,   über  Nickelgefäfse  362. 
Riechstoffe,  AIjsorption  des  Fleisches  474. 

—  Einwirkung  auf  Fleisch  470. 
Bieck,   Fleiscbdämpfer  vonRietschel  und 

Henneberg  449. 

—  Tuberkulosestatistik  497. 
Riedel,   Duicin   327. 

Rietschel     und      Ilenneberg's     Fleisch- 

(liiinjifer   448  f. 
Rinderfinnen  487. 
Rinderpest  2  28.   518. 
Rinderpestgesetz  437- 
Rinderseuche  518. 
Rindfleisch  208.  211. 

—  chemische  Bestandteile  des   212. 

—  Eigenschaften  462. 

—  Unterscheidung  von  Pferdefleisch  466 
Rintaro   Mori   89. 

Rissling,  Schlachtmaskenverbesserung  425. 

—  Untersuchung  der  Wurst    auf  Finnen 
529. 

Ritthaasen  33. 

—  Pr.'tein  des  Mehles  237. 
Rituelles  Schlachten  der  Israeliten  426. 
Rivolta,   Dyscomyce»  eijui  511. 


15 


Ö&2 


Register. 


Rjältschewski  346. 

Robert,   iibir   Uraiitarben  372 

Rochard,  über  Lösung  von  Blei  duicl»  Oel 
Ml. 

Rötel  371. 

Roggen   236. 

Roggcnmehl.  Zusammensetzung  239. 

Rogner,  Sarkom.itose  524. 

Rohde,   über  Nickelgeiäfse   362. 

Rolirbeck's  Fleischsterilisieruiigsappaiat  445. 
440. 

Rohrzucker  268. 

Rosanilinfarbstoffe  380. 

Röscher  s.  Lü  b  be  r  t. 

Rosenberg,  S.  69. 

Rosenheim,  Th.  89. 

Rosenkohl   261. 

Rosolsäure  382. 

Rolsfleisch,  Gesetzliche  Bestimmungen  für 
He>cliiiu  und  Handel  458,  s.  Pferdefleiscb. 

Rofsschlächtereien,  Gesetzliche  Bestimmun- 
gen für  die  Schlachtvieh-  und  Fleisch- 
beschau daselbst  458. 

Rostpilze  im  .Mehl   241. 

Rotfärbung,  bacilliire,  beim  F^leisch  474. 

Roth  und    Lex   114.   137. 

Rotz   228. 

Rotzbacillen  in  Kunstbutter  198. 

Rotzkrankheit  des  Pferdes  507. 

Roux  17. 

Rnbner.   Brot  249. 

—  Kalorimeter  48. 
Rübe,  rote  261. 
Rübenzucker  268. 
Ruhr  der  Kälber  519. 
Rum  301. 

Rupprecht,  der  Trichinenschauer  421. 

—  Wärmeleitung  des  Fleisches  444. 
Rnser,   OestrusUrven  477. 

Saccharin  326. 

Sachsen,  Ergebnisse  der  Fleischbeschau  414. 

Sächsischblaa  384. 

Sättigung,  Gefühl  der  59. 

Säuerung  des  Fleisches  472. 

Säuglingskost  04. 

Safran  310. 

—  Kiftig  382. 
Safransnrrogat  379. 
Sago  '<;67. 

Sahlmann.  Echinokokkenhäufigkeit  491. 

Saibling  233. 

Saki  245. 

Salat  262. 

Salicylsäure  16. 

Salm  233. 

Salmiak-Fänlnisprobe  nach  W.  Eber  473. 

Salmon,  Üehweineseuche  516. 

Salvioli  6?. 

SanitätBgeschirr  342. 

Sanitätstierärzte  439. 

Sapolini.  über  eine  giftige  Haartinktur  387. 

Saprämie  bei  Schlachttieren  514. 

Sarcina  rosea    169. 

Sarcoptes  squamiferus  bei  Schweinen  477. 

—  -Räude  bei  Schlachttieren  477. 


Sardelle  233. 

Sardinen  233. 

Sarkomatose   bei  Schlachttieren  524. 

Sarkosporidien  im  Fleische  494. 

Sartori,   G,   Milchbrot  251. 

Sauerkäse  199. 

Sauerteig  246. 

Saugflascben  355. 

Schächten  der  Schlachttiere   426. 

Schächtverbot  428. 

Schäfer,  J.,  Sterilisiertöpfe  173. 

Schaf,    Unterscheidung   von    der   Ziege    und 

vom   Kell   464. 
Schaffleisch  209    213. 

—  Eigeiischafteu  462. 
Schafmilch  188. 
Schaller,  Sarkomatose  524. 
Scharling   16. 
Schaumwein  304. 
Scheele's  Grün  377.  386. 
Schellenberg,  Muj.keldistomen  479. 
Schenk,  Katecliismus  der  Fleischbeschau  420. 
Scherff'sches    \"erfahreu    zur    Kondensierung 

der  Milch    ISO. 

V.  Scherzer  75. 

Scheuhe  79.  98. 

SchifiFsz wiehack  249. 

Schilling,   Nahrungsmittelgesetz  437. 

Schimmelbildung  auf  Fleisch  473. 

Schindelka,  Sehweineseuche  516. 

Schlachtabfälle  218. 

Schlachtalter  der  Kälber  469. 

Schlachten  von  Tieren,  gesetzliche  Be- 
stimmungen 428,  haudwerksmäfsige  Aus- 
führung 427. 

Schlachthäuser,  Betriebsresultate  in  Preufsen 
414. 

Schlachthöfe,  Fleischbeschau  auf  439. 

Schlachtmaske  425. 

Schlachtmethoden  424. 

Schlachttiere  422.  423. 

—  Beschau   der  440. 
Schlachtung  424. 
Schlaf   13. 

Schlampp,    Fleischbeschaugesetzgebung  421. 

Schleich  14. 

Schlempe  300. 

Schlinck,  Verarbeitung  von  Kokosöl   198. 

Schlofsberger,  Bestandteile  des  Fleisches  von 

Wild   215. 
Schmaltz,    Betriebsresultate  der  preufsischen 

Schlachthäuser  414. 

—  Nahrungsmittelgesetz  437. 

—  l'reufs.  Tuberkuloseerlafs  503. 

—  Kinderfinnen  489. 

—  Tuberkulüsestatistik  497. 
Schmalz  36.   231.  534. 
Schmeifsfliegen  am  Fleisch  474. 
Schmidt   8. 

—  E.  .«.  Lunge. 

—  Giftigkeit  des  Euters  einer  mit  Vera- 

trum beh.indelten  Kuh   525. 

—  -Mülheim,  Ammoniakgehalt  des  Flei- 

sches 473. 

—  —     Aufblasen  von  Fleisch  468. 

—  —     Fleischbeschau-Zeitschrift  421. 


i6 


Register. 


563 


Schmidt-Mälheim,  fötales  Fleisch  460. 

—  —      Fri'il)aiikrriij;<'   453. 

—  —      lliickflfischverjjiftuug  642. 

—  —      Handbuch  420. 

—  —     NahruiiK^iiiitfelKesetz  421.  437. 

—  —     Notschliu-htiiii^eii   428. 

—  —     Phosphoresceiiz  b.  Fleische   474. 

—  —     schleimige  Milch    1C9. 

—  —      Untersuchung     der     Wurst      auf 

Finnen   629. 

—  —     Verjfiftunff     durch     Biichseokon- 

serven   534. 

—  —      Vergiftung    durch    Miesmuscheln 

528. 
Schmierbrand   241. 
Schminken  .SS7. 

Schmöger,  Uirotation  des  Milchzuckers  163. 
Schnecken   234. 

Schneidemühl,   Fleischbeschau-Gesetzgebung 
454. 

-  Tuberkulose  496  ff. 
Sohnellhefe  247. 
Schnellot  345. 
Schnellräucberang  222. 
Schnupftabak  312. 
Schnutz.   Hierpressionen   293. 
Schoene,   Kchinokokken  bei   Hunden  413. 
Schöpsenfleisch  213. 

—  Kigcnscbaften   462. 
Scholz,   Kartoffel   257. 
Schottelius,  Schweinerotlauf  515. 
Schrank,   l'nfersuchung  von   Milch    184. 
Schreibmaterialien,  giftige  399. 
Schroeder.  W.  G4.   109. 

Schütz,   Scliweinerotlauf  515. 

—  Seliweineseuclie  516 

Schüler,  über  giftige  Briefmarken  890. 

Schulz  s.  Geerkens. 

Schulze,  £.,  Bestandteile  des  Milchfettes  158. 

—  und   K  ei  n  ec  ke  37. 

—  W.,  Geschmack  des  Bieres   294. 
Schufsmaske  425 

Schuster  04. 

Schwämme  266. 

Schwarz,  Freibankfrage  453 

—  Schlachthöfe,  Bau  und  Einrichtung  420. 

—  Schlachtmaske  425. 

—  Unterscheidungsmerkmale     des     Cyst. 

tenuicoll.  v.  Cyst.  cellulos.   487. 
Schwarzbleeh  345. 
Schwarzbrot   249. 

V.  Schwarze.   Nalirungsmittelgesetz  438. 
Schwarznecker,  Anleitung  420. 
Schwefelsäure  als  Beize    397. 
Schwefelsaure  und  schwefligsaure  Salze  zur 

Fleisclikonservierung  531. 
Schweflige  Säure    168. 
Schweine  als  Schlachttierc  423 

-  -Fett,   Untersuchung,  Beurteilung  634. 

—  -Finnen  486. 

—  -Fleisch   210.   213. 

—  —     Eigenschaften  463. 

—  —     Unterscheidung  von  Hunde6eisch 

464. 

—  -Fleischwaren,  Trichinenschau   443. 

—  -Pest  616. 


Schweine-K'itliiuf  615. 

—  -Schmalz   231.   534. 
-      -Seuche   51.'). 

Schweinfurter  Orän  37  7.   386. 

SchweinsfüfBe  .14. 

Schweinslebern,  konservierte  531. 

Schweifsleder,   giftiges  397  ff. 

Sedwigk,   über  Zinnvergiftung  360. 

See    131. 

Seefische  233 

Seegen   40. 

Seekrankheit  127. 

Seemann  31 . 

See8chifi"e.   ErnÄhmng  auf  127, 

Seetiere,   niedere,   Beurteilung  628. 

Seifen,   Verfälschung  der  388. 

Seiffert's    Damiif-,  Schmelz-  u.   Kocbaiiparat 

449. 
Seiander,  Schweineseuche  516. 
Seil,   über  Arsenvergiftungen   394. 

—  ,,       bleihaltige  Schminken  386. 

—  ,,       Brotbereilung  260. 

—  ,,      giftige  Farben  etc.   367. 

—  Zinn,  uiigiftig  360. 
Semmer,  Cysticerc.   tenuicoll.  479. 

—  Sarkomatose  524. 
Senator  8.   14. 

Sendtner,  über  Anstrichfarben  400. 

—  über  Antimonbeizen   397. 

—  ,,     Arsen  in   Bunfpaiiieren   386. 

—  ,,  ,,       im  Maueranstrich   393. 

—  ,,     bleihaltige  Haarwässer  387. 

—  „  ,,  Trichter  354. 

—  ,,     Töpfergeschirre  344. 

—  „      Zinnfolien   352. 
Senf  307. 

Senkpiehl.  Wurstvergiftung  543. 
Septikämische  Erkrankungen  der  Schlacht- 
tiere 512. 

—  —     Ursache  von   Fleischvergiftungen 

537  ff. 
Sezualeigentümlichkeiten  beim  Fleisch  470. 
Siechenhäuser  12'K 
Siechenkost  121. 
Siedamgrotzky,    Fleischvergiftungen    537  ff. 

—  Knochenerweichung  523. 
Siegmnnd,  Schufsmaske  425. 
Siem  8.   Kobert. 

Simon,     Erkrankungen     durch     Genufs    von 
Hummern   528. 

—  Orundrifs  der  Fleischbeschau  420. 
Siphons  355. 

Sivoy,   Kartoffel   257. 

Skorbut  in   Gefängnissen    119. 

Skrofulöse   107. 

Sojabohnen   251.  266. 

Sommerkost  96. 

Sommersprossen.  Mittel  gegen  387. 

Sonnenschein  373. 

—  Arsenik   bei  Srhlachttieren   626 
Sormani,  Tetanusbacillen   509. 

Sosna,   Fleisch   tetanuskranker  Tiere  609 
Soxhlet,     F.,     Citronensäure     in     der     Milch 
ICO. 

—  Oxydation  der  Butter   196. 

—  Sterilinicrappiirat    171. 


17 


564 


Register. 


Soxhlet,  F.,  Unterschied  zwischen  Kuh-  und 
Fraueiimilcli   188. 

—  Zähflüssigkeit  der  Milch  162. 
Sozolith  531. 

Spaeth  81. 

Spätkartofifeln  258. 

Spallanzani.  Arsenik  bei  Schlachttieren  525. 

Spanferkel.  Alter  423.  424. 

Spargel  262. 

Speck   113 

Speck,  Dr.    14. 

Speisevolumen,  tägliches  60. 

Spielwaren  3S9. 

—  aus  Kautschuk  390. 
Spinat  262. 

Spinola  137. 

Spirig  69. 

Spitzen,  bleihaltige  372. 

Springfeld,    Vergiftung   durch    niedere    See- 

liere  528. 
Sprott  233. 
Stärkemehl   266. 

—  Nachweis  von,   in  Wurst  231.    530. 
Stapf  98. 

Staphylococcus    pyogenes    aureus    168.  170. 
198. 

—  pyogenes  flavus  im  Fleische  540. 
Starrkrampf  bei  Schlachttieren  508. 
Stechvieh  423. 

Steckrübe  261. 
Steinbeil  89. 

—  Fleibchvirulenz  bei  Tuberkulose   501. 
Steinobst  264. 

Steinsalz  305. 

Stempelung  des  Fleisches  441.  453. 
Stickigwerden  des  Fleisches  472 
Stickstoffbestimmting    nach    K  j  e  1  d  a  h  1  4. 
Stickstoffgleichgewicht  9. 
Stimschlag  als  Betäubungsmittel  424. 
Stockfisch  233 

Btockmoyer    über   amerikanische    Konserven 
346. 

—  Glasur  von   345. 

Stoedter,    Beurteilung  der  Abstammung  von 

Fleisch  nach  Knochenteilen  465. 
Stoffwechsel  bei  Arbeit  12. 

—  bei  Eiweifszufuhr  8. 

—  „    Fettzufuhr   11. 

—  „    Hunger   7. 

—  ,,     Kohlehydratzufuhr  11. 

—  ,,     Leimzufuhr  10. 

—  „     verschied.  Körperzuständen   14, 

—  ,,  ,,  Lebensaltern   14. 

—  „    wechselnder  Aufsentemperatur  13. 
Stohmann  50. 

Storch,  Echinokokkenvorkommen  491. 

Stout  292. 

Strafsmann,  Fr.   17. 

Strebel,   .Schächten  427. 

Ströse,  Hilfstafeln  420. 

Strongyliden  bei  Schlachttieren  477. 

Strümpel  59. 

Strümpfe,  gefärbte  394. 

Stubenfliegen  am  Fleische  474. 

Stademnnd  92. 

Stutzer,  A,,  Analysen  von  Kindermehl  275, 


Stutzer,  A.,    Apparat  zur  Sterilisierung  von 
Milch   173.    174. 

—  -     F"'laschenverschlufs   172. 

—  Prüfung  der  Verdaulichkeit  v.  Fleisch 

232. 

—  Prüfung  von  Handelspeptonen  232. 

—  Verdaulichkeit  von  Fleisch  215. 

—  Wertschätzung      der     vegetabilischen 

Nalirungsmittel  239. 

—  Wirkung  der  Pflanzensäuren   263. 
SüCsrahmbutter  192. 
Süfswasserfische  233. 

Süfsweine  281. 

Sulfite  und  Sulfate  zur  Fleischkonservierung 

531. 
Suppenanstalten  123. 
Suppentafeln  113. 

Tabak  114. 

—  Bestandteile  des  311. 

—  Geschichte  des  311. 

—  Verarbeitung  des   311. 
Taenia  solium  413.  486. 

—  medio-canellata  413.  487. 
Tänien  bei  Schlachttieren  477. 
Taillen,  gefärbte  394. 

Talg  36. 

Talgarten,  Beurteilung  535. 

Tapeten,  arsenhaltige  393. 

Tapiocca  268. 

Tappeiner  40. 

Taubstummenanstalten  120. 

Technische  Grundlagen    der    Fleischbeschau 

435. 
Temperatur,  Einflufs  auf  Stoffwechsel   13. 
Tetanus  bei  .Schlachttieren   508. 
Teuerung,  Massenernährung  bei   131. 
Thee  313 

—  Verpackung  des   352. 

Thenardblau  370. 

Tierkadaver,  Beseitigung  451. 

Tierseuchen,    Ermittelung    bei    der   Fleisch- 
beschau 475. 

Thörner,   W.,  Untersuchung  von  Milch   184. 
Thrangeschmack  des  Geflügels  527. 
Tötung  der  Schlachttiere  424. 
Töpferkrankheit  343. 
Tollwut  der  Schlachttiere  506. 
Tomate  263. 
Toussaint  374. 

—  Blutvirulenz  bei  Tuberkulose  501. 
Toxine  bei   Fleischvergiftunxen   537  ff. 
Trapp,   Fleischkonservierung   531. 
Traubenzucker  im  Fleische  466. 
Tresterwein  279. 

Treuenit  531. 

Trichina  spiralis  bei  Schlachttieren  480. 

Trichine  2  26. 

Trichinenepidemien  484. 

Trichinenschau  bei  eingeführtem  Fleisch  442. 

—  Litteratur  421. 
Trichinenschau-Gesetzgebung  456. 
Trichinenschauer   483. 
Tropenkost  96  flf. 

Tschirch,   über  Reverdissage  374. 
Tuberkelbacillen  228.  499  ff. 


i8 


Register. 


5G5 


Taberkulose  der  Schlachtiiere  496. 
Tuachfarben  308    392 
Typhas  des  Pferdes  513. 

l'mbra  371. 

Ungar  s    li  o  d  lüiid  e  r. 

Unreife  Tiere  469 

Untersuchangsgefangene   118  tT. 

Urämie   bfi   SchUchtliereu  522. 

Uranfarben  371. 

Urticaria  der  Schweine  615. 

ÜU,   Kälberlähme    512. 

Vanille  310. 

Vegetabilische  NabrunK&mittel  235. 

Vegetarismus  69.   71  ff. 

Veiten    14. 

Verdaulichkeit  i  ISeudo-)  61. 

Verdauung   102  ff. 

—  .-.   ;i.   Diirmurbeit, 

Verdorben,    Begriff  im  Nahrungsmittelgesetz 

437. 

-      im   Strafgesetzbuch  436.   438. 
Verendete  Tiere,    Fleisch  derselben  471. 
Verfälschung,     Begriff    im    Niihrungsmittel- 

kresfctz  437. 
Vergiftungen  bei  Schlachttieren  524. 

—  ilurili  ..Anilin"  394  ff. 
Verhitztes  Wild   472 
Vernichtung  von   Fleisch  451. 
Verschnittweine  282. 
Vertretungswert  der  organischen  Nähratoffe 

46  ir. 

Verver,  ein   Lack    348. 
Verzinnung  345. 

—  Untersuchung  auf  Blei   347. 
Veyisiere,    Fleischvirulenz    bei  Tuberkulose 

5<'2. 
Viktoriagelb  379. 
Villain,   Fleisch^eruch  462. 

—  La  viande  saine  420. 

—  et     B  a  s  c  o  u ,      Fleischbeschaugesetze 

Frankreichs   460. 

—  —      Manuel  etc.   Lehrbuch  420. 
Villemin,   Blutviruleiiz  bei  Tuberkulose  501. 
Vircbow.  Kcliinokokken  beim  Menschen  413. 

—  Finnen   beim   Menschen  413. 

—  Trichine  226 

—  Vergiftung  d.   Miesmuscheln   528. 
Vitellin  33 

Völle  nach   Nahrungsaufnahme   61. 
Volt,  Theorie  der   .Milchbildung   151. 
Volkmann,  A.   W.   7.   25. 
Volkskaffeehäuser   123 
Volksküchen    122.    125. 
Völlers.   Schächtfrage  427. 
Vorlauf  .iOO. 

de  Vries.   Blauwerden  der  Käse  204 
Vulkanisieren  357. 

fV&rmeleitangivermSgen  des  Fleisches  444. 

Waisenanstalt,   Kost  in   96. 

Wasser  als   Nahrungsstoff  81. 

Wasser  und   Brot,   Verurteilung  zu    118. 

Wasserbedarf  23. 

Wasserfarben    368. 


Wassergehalt  der  Organe  21.   24. 
Wasserleitungsröhren,  bleierne  34u. 
Wassersucht   bei   Schlachttiereu  521. 
Wasserverlust  durch  die  Haut  23. 
Wassmath,   llarnienit  221. 
Weber,  H.   A.,   über  Zinnvergiftung   350. 
Weigmann,   Bakterien   der  Innigen   VVei   2<>4 

—  Bakterien   im   Käse   202 

—  Bakterien  im  Kahm    190.   191. 

—  fadenziehende  Milch    169. 

—  Lochbildung  im   Käse  203. 
Wein,   Bestandteile  des  281. 

—  Fälschungen   des   285. 

—  Geschichte  des   276. 

—  Herstellung  des  278. 

—  Untersuchung  des    286. 

—  Veränderungen  beim  Aufbewahren  des 

284. 

—  verschiedene   Sorten  281. 
Weinbergschnecke  234. 
Weinfarbstoff  384. 

Weinwurm,    Bestandteile    des    Roggenmebls 

239.     ■ 
Weiske  40. 

Weiis,    Lehrkursus  der  Trichinenschau   421. 
Weifsbier  292. 
Weiisblech  345. 
Weifsbrot  248. 
Weifskohl  262. 

Weithoff.  Echinokokken  beim  Menschen  492. 
Weizen  236. 

Weizenmehl,  Bestandteile  239. 
Wernich  75. 

Wesen  der  Fleischbeschau  421. 
Weyl,  Th.  33. 

—  Fuchsin  ist  unj^iftig  381. 

—  über  Azofarben  380. 

—  ,,     Bleivergiftung  344 

—  „     Dinitrokresol     zum    Färben    der 

Butter   192. 

—  ,,     Giftigkeit   der  Chromfarben  370. 

—  „     Marliusgelb   379. 

—  ,,     Metanilnelb   330. 

—  .,     Nnphtholgelb  37'J. 

—  ,,      Naphthulsch%var«  380. 

—  „     Orange  II  380. 

—  ,,     Protein  des  Mehies  237. 

—  ,,     Safranin   383. 

—  „     Safrausurrogat  379. 

—  ,,     Sterilisieren   der  Milch    178 

—  Vergiftungen    durch     gefärbte    Stotl'e 

395. 
Wild  und  Oclliinel,  Fleisch  von  214.  526.  527. 
Wild-  und  Rinderseuche  518. 
Wildbret,   Beurteilung  527. 
Winkler,  Gl.,   über  Aluminiumgefäfse  366. 
Winterkost  96. 
Wirsing   262. 
Wisky  303. 
Wittmack,    Haare   von  Weizen   und   Ro^'gen 

243. 
Wittstein,  üb.  bleihaltige  Mciallkapseln  352. 
Wörner,  Echinokokkenvotküuimeu  491. 
Wolff,   Vergiftung  durch  Muscheln   628. 

—  Untersuchung  auf  Trichinen  421. 
Wolff,   L.    104. 


»9 


50G 


Register. 


Wolff.  E.  von,  Bestandteile  des  Schaffleisches 
214. 

—  Bestandteile  des  Schweinefleisches  213. 

—  „  ,,    Ochsenfleibches    211. 
212. 

—  QiialitÄt  der  Milch   156. 
Wolffhügel  69. 

—  Eindringen  der  Wärme  in  Fleisch  444. 

—  Rinderfinnen  488. 

—  über  Gebrauchsgegenstände  340. 
Wollny,  E.,  Brechungsexponeuten  des  Butter- 
fettes  196. 

Woroschilski,  über  Ur.infarben  371. 

Wracke  261. 

Würzburg,  Alter  der  Sehlachttiere  424. 

—  Nahrungsmittelgesetzgebung  421.  437. 
Würze  288. 

WürzstoflFe  40  ff. 
Wurst  231.  529. 

—  -Bacillen   540. 

—  -Fett,  Beurteilung  535. 

—  Untersuchung  529. 

—  -Vergiftungen   543. 
Wurtelgewächse  260. 


Zappa.  Arsenik  bei  Schlachttieren   525. 
Zeitschriften  für  Fleischbeschau  421. 
Zellstoff  237. 

Zerkleinerung  der  Nahrung  52  flF. 
Zerlegting  der  Schlachttiere  427. 


Ziege,   rnterschiede  vom  Schaf  464. 
Ziegenfleisch,  Figenschaften  463. 
Ziegenmilch  188. 
Zimmerer,    Fieischbesch.au    auf    dem    Lande 

440. 
Zimmt  310. 
Zinkfarben  371. 
Zinn-Bieilegierung,  Analyse  der  356. 

—  -Farben  377. 

—  -Folien   351  ff. 

—  -Geräte  351. 
-—     -Krüge  351 

—  -saures  Natron  als  Beize  397. 

—  -Sulfür  in  Konservebüchsen  347. 

—  -Teller  351. 

—  -Vergiftung  349  ff. 
Zschokke,   Botbriocephalenfinnen  490. 

—  Sehrot.ausschlag  des  Schweines  475. 

—  Schweineseuche  516. 
Zubereitung  der  Nahrung  54. 
Zuchthäuser  115  ff. 

Zucker.   Fälschungen  von   269. 

—  Herstellung  des  268. 
Zuckerarten  39. 
Zündhölzer,  arsenhaltige  393. 
Zunge  219. 

Zusammengekochtes  Essen  64.  124. 
Zweck  der  Fleischbeschau  422. 
Zwieback  für  Massenernährung  111. 
Zwiebel  261. 
Zwischendeckspassagiere  128.   129. 


Berichtigungen. 


S.  421.     Unter  3  einzuschalten:    Duncker,    Anleitung   zur    mikroshopiachen  Fleischschau    und 

zur   Untersuchung  der  gewöhnlicheren  Genu/smittel,   Geicebe  etc.     ßerlin  1878. 
S    424.     Unter  5  mufs  es  Zeile   10  und   11    heifsen :    Die  Blutentziehung  erfolgt  bei  Grofs- 
vieh  und  Schweinen  durch  den  Bruststich,  bei  Kleinvieh  durch  den  Halsstich  oder 
Halsschnitt. 
439.     Unter  3  ist  in  Zeile   11    hinter  Sanitätstierärzte  zu  streichen   (s.   S.  440). 
Vorletzter  Absatz,   letzte  Zeile  stieg  statt  legt. 
Sechste  Zeile  von   unten  Kap.  II  anstatt  II. 
Fünfter  Absatz,  vorletzte  Zeile  Kap.   II  anstatt  II. 

In  der  ersten  Zeile  des  vierten  Absatzes    fehlt  an  dem  Worte  „Vorschriften"  der 
Hinweis  auf  die  Litteraturangabe  No.   32. 
489.     Hinter  Bayern  fehlt  die  Angabe,  dafs  in  Baden  die  Verwertung  finnigen  Fleisches 
eine  analoge  ist.     (Erlafs  d.  Grofsherzogl.  Ministeriums  d.  Innern   v.  10.  Febr.   1870.) 


S 

S  445. 
S.  447. 
S.  473. 
S.  489. 


FrommaanKhe  Bachdruckerei  (Hermann  Fohle)  in  Jena.  —  1575 


n 


Pr. 
-Pr. 

Pr. 
Pr. 


M. 
M. 

M. 
M. 


3,60. 
3,50. 

2,80. 
o 


a 

CO     <D 

®  .2 


Bereits 
erschienen. 


Abteilung  2:     *Leichenwe8en    einschl.    der    Feuerbe- ^ 

stattung  (Med. -Rat  Dr.  Wernich  in  Berlin).      | 

*Abdeckcreiwesen  (Medizinalrat  \V  e  h  m  o  r  in  Coblouz).  j 

*Straßonhygiene,  d.  i.  Straßenpflasteruug,   -reinigung  u.  \ 

-besprengung,  sowie  Beseitigung  der  festen   Abfalle  ! 

(Bauinspoktor  E.  Richter  in  Hamburg).  J 

BAND  III  ist  vollständig  erschienen.     Nahrungsmittel  und  Ernährung, 

Abteilung  1: 

*Einzelernährung    und    Massenemährung    (Prof.    .1.     M  u  n  k 

in  Berlin).     E.-Pr.  M.  3,—,  S.-Pr.  M.  3,—. 
*Nahrungs-    und    Genußmittel     (Prof.     Stutzer    in    Bonn). 

E.-Pr.  M.  4,50,  S.-Pr.  M.  3,50. 
*Gebrauchsgegenstände,    Emaillen ,    Farben    (der    Heraus- 
gebor).     E.-Pr.  M.  2,—,  S.-Pr.  M.  1,50. 
Abteilung  2:    *Fleischbeschau    (Direktor  Dr.  Edelmann    in 
Dresden).     E.-Pr.  :\I.  2,—,   S.-Pr.  M.  4.—. 
BAND  IV  ist  vollständig  erschienen.     Allgemeine  Bau-  und  Wohnungshygiene 
Abteilung  1: 

*1)  Einleitung:    Einfluß   der  Wohnung  auf    die    Gesundheit 

(Sanitätsrat  Dr.  Oldendorffin  Berlin). 
*2)  Das  Wohnungselend  der  großen  Städte  (Dr.  AI  brecht 

von  der  Centralstelle  für  Arbeiterwohlfahrt  in  Berlin). 
*3)  Beleuchtung: 

a)  *Theoretischer  Teil  (Prof.  Weber  in  Kiel). 

♦Gasbeleuchtung  (Ingenieur  Rosenboom  in  Kiel). 
♦Elektrische  Beleuchtung  und  andere  Anwendungen  des 
elektr.  Stromes  im  Dienste  der  öffentlichen  Gesundheits- 
pflege (Dr.  Kall  mann,  Elektriker  der  Stadt  Berlin). 
Heizung  und  Ventilation  (städt.  Ingenieur  Schmidt  in 
Dresden). 
Abteilung  2:     Bereits  erschienen. 

*1)  Hygiene  des  Siiidtebaus  (Baurat  Stubben  in  Köln). 
Wohnungsauft:eher     und     Wohnungsämter     (Reg.  -      und 
Medizinalrat  Dr.  A.  Wernich  in  Berlin). 
Das  Wohnhaus,     a)  *Bau-  u.  Einrichtung  d.  Wohnhauses 
(Doz.  Chr.  Nußbaum  in  Hannover). 

b)  *Bakteriologie  der  Wohnung  (Prof.  H  ü  p  p  e  in  Prag). 

c)  *Gesetze,  Verordn.  u.  s.  w.  betreffend  billige  Wohnungen 
(Reg.-  u.  Med. -Rat  Dr.  A.  Wernich  in  Berlin). 

Spezielle  Bauhygiene  [Teil  A].      Abteilung  1:     Krankenhäuser 


o 


b) 
c) 


E.-Pr. 
S.-Pr. 


4,50. 
3,60. 


Pr.  M.  2,80. 
Pr.  M.  2.—. 


*4) 


*2) 
*3) 


}1 


-Pr. 
Pr. 

Pr. 
Pr. 


M.  4,50. 
M.  3.—. 


M.  3,50. 
M.  2.50. 


E.-Pr.  M.  9,50. 
S.-Pr.  M.  4.50. 


BAND  V: 


a) 


1  E.-Pr. 
j   S.-Pr. 


M. 
M. 


1,80. 
].2(>. 


*Bau    der   Krankenhäuser   (Bauinspektor   Ruppel    in    Hamburg),     Er 
schienen, 
b)  Verwaltung  der  Krankenhäuser  (Direktor  Merke  in  Moabit-Berlin). 
Abteilung  2:     (refängnishygiene  (Geheimrat  Dr.  Baer  in  Berlin). 
BAND  VI:  Spezielle  Bauhygiene  [Teil  B]. 

♦Markthallen  und  Viehhöfe  (Baurat  0  s  t  h  o  f  f  in  Berlin).     E.-Pr.  M 

S.-Pr.  M.  1,50. 
♦Volksbäder  (Bauinspektor  R.  Schnitze  in  Köln). 
♦Theaterhygiene  (Prof.  B  ü  s  i  n  g  in  Berlin-Friedenau). 
♦Asyle,  niedere  Herbergen,  Volksküchen  u.  s.  w.  (Privat- 
docent  und  Baumeister  K  n  a  u  f  f  und  der  Heraus- 
geber, beide  in  Berlin). 
♦Schiffshygiene  (Dr.  D.  Kulenkampff  in  Bremen). 
Eisenbahnhygiene  (Sanitätsrat  Dr.  Brach  mer  in  Berlin). 
Aerztliche  Ansprüche  an  militärische  Bauten:    Militärlazarette  u.  s.  w 
Stabsarzt  Dr.   Kroc.  ker  in   Berlin). 
BAND  VII  ist  vollständig  erschienen.     Abteilung  1: 

♦Schulhygiene  (Oberrealschulprofe.ssor  Dr.  L.  Bnrger.stein  u.  k.  k.  österr. 
Sekretär  i.  Min.  d.  Inn.  Dr.  Netolitzky  [mediz.  Kapitel]  beide  in  Wien). 
E.-Pr.  M.   10,60,  S.-Pr.  M.  8,—. 


E.-Pr.  M,  2,5»  >. 
S.-Pr.  M.  2,—. 


(Ober- 


Bereits 

erschienen. 

E.-Pr.  M.  6,—. 

S.-Pr.  M.  4,50. 


Bereits 

erschienen. 

E..Pr.  M.  9,—. 

S.-Pr.  M.  7.—. 


Im  Er- 
scheinen. 


A  b  t  e  i  1  u  u  g  2 : 

*Oeffentlicher  Kinderschutz  (Privatdozent  Dr.  H.  Neumann  in  Berliu).    E  -Pr. 
M.  7,—,  S.-Pr.  M.  4,80. 
BAND  VIII:  Gewerbehygiene. 

Allgemeiner  Teil:    *Allgemeine  Gewerbehygiene  und  Fabrik- 
gesetzgebung (Dr.  Roth,  Reg.-  u.  Med. -Rat  in  Oppeln). 
*Fürsorge    für    Arbeiterinnen    und    deren    Kinder    (Frl.    Dr. 

Agnes  Blüh m). 
*Maschinelle  Einrichtungen  gegen  Unfälle    (Prof.  Kraft    in 

Brunn). 
*Die  Lüftung  der  Werkstätten  (Prof.  Kraft  in  Brunn). 
Spezieller  Teil:     1)  Hygiene  der  Berg-  und  Tunnelarbeiter. 
*a)  Technische  Abschnitte  (Bergrat   Meissner  im  preußi- 
schen Handelsministerium  in  Berlin). 
*b)  Medizinische  Abschnitte  (San. -Rat  Dr.  Füller  in  Neun- 
kirchen). 
*2)  Hygiene    der  jHüttenarbeiter    (Bergassessor    S  a  e  g  e  r  in 

Friedrichshütte). 

Weiter  werden  erscheinen   (die  Unterhandlungen  mit  den  Herren  Mitarbeitern 
sind    noch  nicht  beendet): 

*3)  Hygiene  der  chemischen  Großindustrie. 
*a)  Medizinalstatistische    Einleitung   (Med. -Rat    Dr.  Roth  in 

Oppeln). 
*b)  Anorganische  Betriebe,  namentlich  anorganische  Säuren  und 
deren  Salze.  (Privatdoz.  Dr.  Heinzerlin  g  in  Darmstadt). 
*c)  Bearbeitung  des  Phosphors  (Oberstabsarzt  Dr.  H  e  1  b  i  g  in 

Dresden). 

*d)  Organische  Betriebe  (Dr.  F.  G  o  1  d  s  c  h  m  i  d  t  in  Nürnberg). 

*4)  Hygiene  der  Glasarbeiter  u.  Spiegelbeleger  (Phys.  Dr.  Schäfer  in  Danzig). 

'''5)  Hygiene  der  Textilindustrie  (Dr.  Netolitzky,  Sekretär  im  k.  k.  österr. 

Ministerium  des  Innern). 
*6)  Hygiene  der  Tabakarbeiter  (Grhrzgl.  bad.  Fabrikinspektor  ]  Bereits  ersch. 
Schellenberg  in  Karlsruhe).  >  E.-P.  M.  1,80. 

*7)  Hygiene  der  Bäckereien  (Dr.  Zadek  in  Berlin).  j    S.-P.  M.  1,20. 

BAND  IX:  Aetiologie  und  Prophylaxe  der  Infektionskrankheiten. 

Bakteriologie  und  Epidemiologie  der  Infektionskrankheiten  (Prof.  Weichsel- 

b  a  u  m  in  Wien). 
Immunität  und  Schutzimpfung  (E.  Metschnikoff  in  Paris). 
Desinfektion  und  Prophylaxe  der  Infektionskrankheiten  (der  Herausgeber). 
BAND  X:  Ergänzungsband. 

Alkoholismus  (Dr.  Leppmann  in  Berlin). 

Hygiene  der  Prostitution  (Prof.  N  e  i  s  s  e  r  in  Breslau). 

Die  mit  einem  *  bezeichneten  Manuskripte  liegen  entweder  bereits  gedruckt 
vor  oder  sind  in  den  Händen  des  Herrn  Herausgebers.  Um  ein  rasches  Erscheinen 
des  Werkes  herbeizuführen,  wird  gleichzeitig  an  mehreren  Bänden  gedruckt  und 
die  Ausgabe  derselben  je  nach  Vollendung  des  Druckes  eines  jeden  Abschnittes 
oder  einer  Abteilung  erfolgen.  Grössere  Abschnitte  werden  stets  eine  besondere 
Lieferung  bilden,  deshalb  werden  die  Lieferungen  in  verschiedenem  Umfange  und 
zu  verschiedenen  Preisen  erscheinen ;  der  Preis  des  vollständigen  Werkes 
wird  sich  nach  dem  Umfange  richten,  den  Betrag  von  M.  90  aber 
keinesfalls   übersteigen. 

Die  bereits  erschienenen  Abschnitte  des  Werkes  können  von  jeder  Buch- 
handlung zur  Ansicht  geliefert  werden. 

Bestellungen  auf  das  „Handbuch  der  Hygiene"  nimmt  eine  jede  Sortiments- 
buchhandlung Deutschlands  und  des  Auslandes  entgegen. 


f  rommauDScbe  Buchdrackerei  (Hermaan  Fohle)  Jena.  —  1575 


RA      Weyl,  Theodor 

^25        Handbuch  der  Hygiene 

W5 

Bd. 3 

Biological 
^  Me<ical 


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UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY 


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