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Des ganzen Werkes Lieferung 2.
HANDBUCH DER HVGIENi
HERAUSGEGEBEN VON
DR THEODOR WEVL
IN BERLIN.
DRITTER BAND. ERSTE ABTEILUNG.
ERSTE LIEFERUNG.
Einzelernährung
und Massenernährung
Dr. mo<]. Iininaiiiicl lluiik,
Pri vatdo centen an der Uni vorsi tä t in Uorlin.
Mit 2 Abbilduuffcn.
JENA,
VERLAG VON GUSTAV FISCHKR.
1893.
Yerlng ron Gnstay Fischer In Jena.
T^in'5'WQ'ncrP'r ^'" ®^'''' "• ** Professor der Psychiatrie an der Universität Jena,
-'-^^^^ " "'^*,*->^'^ ^ I>iroktor der Landes - Trren - Anstalt und psychiatrischen Klinik,
Die pathologische Histologie der Grossliirnrinden-Erkrankung
bei der Hll^emeiiieu proprosMveii Paralyse mit l)e>on<lerer Herücksichtiguiij; der acuten
und Krülifoimen. Monographisch bearbeitet. Mit einer lithographischen Tafel und
einer Abbildung im Text. 1893. Preis: 4 Mark
Ccntralblatt fi'^^* Bakteriologie und Parasitenknnde. in Ver-
bindung mit IJeh. Iloirath Prot. Dr. L e u c k » r t in Leipzig und
Prof. Dr. Loeffler in Greifswald herausgegeben von Dr. Oscar Uhlworm in Cassel.
Erscheint im Umfange von ca. 2 Bogen wöchentlich mit Abbildungen. Der Preis des
Jahrgangs beträgt 28 Mark.
/>«." „Centralhlatt für Bakteriologie und Parasitenhunde",
für welchem du hervorragendsten Forscher des Li- itnd Auslandes ihre Mitwirkung he-
thätigt haben, tnll den nugenblicklichen Stand der theorrtischen und praktischen Forschungen
auf dem Oesnmmt gebiete der Bakteriologie. Gährungsphysiologic und Parasitenknnde, sowie
der damit in Beziehung stehenden Wissengfächer wiedergeben, soicohl durch Originalaufsätze
und du7-ch ein wöchentliches systematisches Verzeichniss der neuesten einschlagenden
Literatur, als auch durch Referate, welche in gedrängter Kürze regelmässig jede Woche
eine Cebersicht über die neuesten einschlagenden Publikationen aller Länder zu geben bestimmt
sind. Die hohe Bedeutung der oben genannten Fächer für die Wissenschaft und Praxis
des Mediziners, Zoologen, Botanikers, Gähmngschemikers etc. ist heute allgemein anerkannt.
Um die angedeuteten Ziele zu erreichen , zerfällt der Inhalt des Centralblattes für
Bakteriologie und Parasitenkunde in folgende Abtheilungen:
1) (h'iffiiialci/rbeitetl. Las Centralblatt für Bakteriologie und Parasiten-
kunde hat , entsprechend seinem Charakter als zusammenfassendes Organ , eine grosse
Masse tehr wertheoller Veröffentlichungen aus allen cinilisirten Ländern bringen können
und kann auch für die Zukunft auf allen einschlagenden Gebieten viele neue Original-
aufsätze aus den berufensten Federn versprechen.
2) Referate, Es soll die Aufgabe derselben sein . den Inhalt aller diesbezüg-
lichen wichtigen , im In- und Auslande selbständig oder in periodischen Schriften er-
scheinenden Arbeiten über Bakteriologie, Gähi-ungsphysiologie und Parasitologie, Injektions-
krankheiten des Menschen und über die durch thierische und pflanzliche Feinde verursachten
Krankheiten bei Pflanzen und Thieren, die gegen dieselben anempfohlenen Vorbeugnngs- und
Bckämpfungsmittel. sowie über alles, was dazu beitragen kann, 7insere Kenntnisse von dem
Leben der PUze und anderer Schmarotzer zu erweitem, in knapper, streng wissenschaft-
licher Form wiederzugeben. Objektivität der Darstelluvg wird möglichst streng gewahrt,
sachliche Kritik jedoch nicht ausgeschlossen , sofern sie sich von allem. Persönlichen Jrei-
hält Durch Namensunter Schrift der Referenten ist die Gediegenheit der Besprechungen
möglichst gesichert.
Sy Zuffammenfassende ZTeber.sichten. Da centralisirende, wöchentlich
berichterstattende Organe bisher auf dem Gebiete der Bakteriologie und Parasitologie nicht
bestanden haben, so berichtet das Centralblatt auch in längeren Zwischenräumen über die
wichtigsten Gegenstände in besonderen, zusammenfassenden Uebersichten.
4) Systematisch geordnete wöchentliche JJehersichten über die
neueste bakteriologische und parasitologische TAtteratur aller
LÜnder f dieselben geben ein möglichst vollständiges Bild aller Leistungen der letzten
Wochen.
5) BericJite über Untersuchungsmethoden, Instrumente u. s. w.
Bei dem grossen Werihe, welchen für experimentelle Untersuchungen die genaue Kenntniss
und Darstellung der Versuchs- und Untersuchungs- resp. Züchtungsmethoden hat, hat das
Centralblatt für Bakteriologie und Parasitenknnde auch dieser Rubrik eine sehr sorgfältige
und eingehende Berücksichtigung geuridmet. Alles, was für Verbesserung oder Vereinfachung
der Untertuchungsmethoden von Wichtigkeit sein kann, v)ird daher schnell und ausführlich
den Lesern . wenn wünschentwerth unter Zuhilfenahme von Abbildungen , durch Original-
aufsälze oder Referate zur Kenntniss gebracht-
O) Berichte und Originalabhandlungen über Impfung und
Schutzitnpfnng, soivie künstliche Infektionskrankheiten.
7) Berichte über alle die Entwicklungshemmung und Ver-
nichtnnf/ der Bakterien und andere Parasiten betreffenden Fragen.
S) Berichte über die in das Gebiet der Bakteriologie und
Parasitologie einschlagenden Vortrüge und Verhandlungen auf
Naturforscherversammlungen, ärztlichen und sonstigen Kon-
gressen.
9) Berichte und Beschreibungen der für baktetnologische
und parasitologische Forschungen eingerichteten Institute und
sonstigen Anstalten,
EIi\ZELERMlIl!Ui\G
ÜNl) MASSEIERMHEÜNG
BEARBEITET
VON
Dr. med. IMMANUEL MÜNK,
PRIVATDOCENTEN AN DER UNIVERSITÄT IN BERLIN.
MIT ZWEI ABBILDUNGEN IM TEXT.
HANDBUCH DER HYGIENE
HERAUSGEGEBEN VON
DE THEODOR "WEYL.
DRITTER BAND. ERSTE ABTEILUNG.
JENA,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1893.
6^3
Inhaltsübersicht.
Seit«
Einleitung 1
Erster Absohnltt : Der Stoffverbrauch des Menschen 3
1. Körperbestand, Methodik 3
2. Verbrauch beim Hunger 7
3. „ bei Eiweißzufuhr 8
4. „ „ Zufuhr von Leimstoffen 10
6. „ „ Fetten und Kohlehydraten 11
6. „ „ Arbeit 12
7. „ „ wechselnder Außentemperatur 13
8. „ n ^ Abhängigkeit vom Körperzustande und vom
Lebensalter 14
9. Einfluß einiger wichtigen organischen und Mineralstoffe auf
den Verbrauch 16
10. Eiweißansatz und Fettansatz (Fleisch- und Fettmästungi . . 17
Zweiter Abschnitt: Die Bedeutung der Nahrungsstoffe 21
1. Das Wasser 21
2. Die Mineralstoffe (Aschenbestandteile) 26
3. Die Eiweißstoffe . 31
4. Die Leimstoffe 33
5. Die Fette 35
6. Die Kohlehydrate 38
7. Die Würz- und Genußstoffe 40
8. Vertretungs- und Brennwert der organischen Nährstoffe . . 46
Dritter Abschnitt: DieNahrungdesMenschen . . . . 51
1. Teil: Allgemeines 52
1. Bedeutung der Zerkleinerung und Zubereitung der Nahrung 52
2. Volumen, Form und Konsistenz der Nahrung 59
3. Die Auanützung der Nahrung im Darm 64
IV Inhalt.
Seite
4. Unterschiede der animalischen und pflanzlichen Kost ... HO
5. Zweckmäßige Kombination der Nahrungsmittel zur Nahrung 75
6. Die geeigneten Temperaturen der Nahrung 79
2. Teil: Das Kostmaß 81
1. Kostmaß der Erwachsenen 84
a) bei Ruhe und leichter Arbeit 84
b) bei mäßiger, nicht zu angestrengter Arbeit 85
c) bei angestrengter Arbeit 87
2. Kostmaß alter Leute 89
3. „ der Soldaten 90
4. „ der Gefangenen 92
5. „ der Kinder 93
6. „ nach Jahreszeiten und Klima 96
7. Verteilung des Kostmaßes auf verschiedene Mahlzeiten . . 98
Anhang: Hygiene des Essens und der Verdauung .... 102
Vierter Abschnitt: DieMassenernährung 105
1. Massenernährung von Kindern und jugendlichen Individuen 106
Waisenhäuser 106
Korrektionsanstalten 108
Alumnate 108
2. Massenernährung der Soldaten 109
3. „ „ Gefangenen 114
4. „ in Armenhäusern und Versorgungsanstalten 120
5. „ „ Volksküchen 122
6. „ auf Seeschiffen 127
Anhang: 1. Massenernährung in Zeiten von Epidemien,
Krieg, Teuerung 129
2. Allgemeines über Ernährung in Krankenhäusern 132
Register 138
Abbildungen.
Fig. 1. Respirationsapparat von Pettenkofer 6
Fig. 2. Luftkalorimeter nach Rubner 48
Einleitung.
Nach laugem Kampf der hin- und henvogenden Anschauungen hat
sich als der einzig durchgreifende Unterschied zwischen dem Reiche
des Organisierten oder der Lebewesen und dem anorganischen Reiche,
der starren Welt des Unbelebten, herausgestellt, daß in den Objekten
der unbelebten Natur die Mineralteilchen, wenn auch zu bestimmten
Formen (Krystallen) angeordnet, im ruhenden stabilen Gleichgewicht
und von der Umgebung fast unabhängig verharren, während jedes Lebe-
wesen oder Organismus von seiner Umgebung abhängig ist und anderer-
seits dieselbe auch wieder beeinflußt, insofern die den Tierleib kon-
stituierenden Stoffe stetig umgesetzt, verbraucht und, insoweit sie un-
brauchbar geworden, ausgeschieden, zum Ersatz der verbrauchten aber
wiederum Stoffe der Außenwelt aufgenommen und zu Bestandteilen des
Tierkörpers umgebildet, „assimiliert'' werden. Es befindet sich daher
jeder Organismus, ungeachtet scheinbarer Konstanz der äußeren Form
und Beschaffenheit, in einem steten Fluß, in einem steten Wechsel der
ihn zusammensetzenden und die Kraftäußerung, deren Gesamtheit sich
als Li'ben darstellt, bedingenden Stoffe, daher der „Stoffwechsel" das
Charakteristikum der Lebewesen ist.
Der Chemismus des tierischen Stoffwechsels besteht der Hauptsache
nach aus Oxydationen oder Verbrennungen und Spaltungsprozessen,
durch welche die hoch zusammengesetzten und niedrig oxydierten, ver-
brennlichen organischen Bestandteile des Tierkörpers, in erster Linie
die Eiweiß- und Fettkörper, mit Hilfe des aus der atmosphärischen
Luft durch die Atmung aufgenommenen Sauerstoffes in einfach zu-
sammengesetzte und hoch oxydierte Verbindungen verwandelt und als
solche, hauptsächlich in Form von Wasser, Kohlensäure, Ammoniakver-
bindungen (Harnstoff u. a.), Schwefelsäure nach außen abgegeben werden.
Bei diesem Zerfall jener organischen Stoffe werden die in ihnen und im
Sauerstoff aufgespeicherten chemischen Spannkräfte oder potentiellen
Energien frei und gehen in lebendige Kräfte : Wärme, Muskelbewegung
(und elektrische Phänomene) über, sodaß die Lebenserscheinungen an
die Zersetzung der organischen Verbindungen des Tierleibes und an den
Luftsauerstoff geknüpft sind.
Der menschliche Körper giebt dauernd ab durch die Lungen:
Kohlensäure und Wasserdampf, durch die Nieren: Harnstoff (Harn-
säure etc.), Wasser, Mineralsalze, durch die Haut: Wasser, Hauttalg,
wenig Kohlensäure, durch den Darm: Residuen der Verdauungssäfte
Hmndbach der Hygiene. Bd. III. AbtIg. A. l
2 Einleitung.
nebst Schleim und Epithelicn, ferner von der Oberfläche der Haut und
Schleimhäute die sich abstoßenden Epidernioidalgebilde (Ilaare, Nägel,
Oherhautschuppen) und Schleim. Ferner erleidet der Körper zeitweilige,
nicht unerhebliche Verluste durch die Absonderung von Milch resp.
Samen, Menstrualblut u. a.
Für diese Ausgaben muß, soll der Bestand des Körpers und die
Funktion der Orgaue gewahrt bleiben, Ersatz beschatt't werden, und
dies Ersatzmaterial bieten die sog. N ahrungsst off e. In der Phy-
siologie versteht man darunter jede chemische Substanz, durch welche
ein für die Zusammensetzung des Körpers notwendiger Stoft' hergestellt
oder dessen Abgabe verhütet resp. eingeschränkt wird. Im Sinne der
Hygiene ist diese Definition noch dahin einzuschränken, daß ein Stotf,
der sonst dieser Anforderung genügt, nur dann als Nährstoff an-
zusehen ist, wenn er auch dauernd genossen werden kann,
ohne das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit des Körpers zu be-
einträchtigen, d. h. ohne auf den Körper eine schädliche
Wirkung zu üben.
Durch die Beobachtung und Erfahrung ist festgestellt, daß unter
den verschiedenen, seitens der Natur gebotenen Stofien, von dem für
das Leben unerläßlichen Sauerstotf der atmosphärischen Luft abgesehen,
nur Wasser, Mineralstoffe, Eiweißkörper, Fette und
Kohlehydrate zu den notwendigen und unentbehrlichen Nährstoffen
gehören, welche auch den hygienischen Anforderungen genügen.
Um nun über den jeweiligen Bedarf an Nährstoifen klar zu sehen,
muß man die Größe des Stofifverbrauches unter den verschiedenen Lebens-
bedingungen beim gesunden Menschen (das kranke Individuum
braucht, als in das Bereich der Pathologie fallend, hier nicht berück-
sichtigt zu werden) und die Wirkung der einzelnen Nährstoffe auf den
Stoffverbrauch im Körper kennen.
Litteratnr: Von größeren Darstellungen der Lehre von der Ernährung seien genannt:
Die grundlegende, monographische Bearbeitung der ,, Physiologie des allgemeinen Stoffwechsels
und der Ernährung^- von C. V. Voit in (L. Hermann' s) Handbuch der Physiologie VI, 1. T,
(I881), ferner die Vorzugspreise die hygienische Seite ins Auge fassenden Abhandlungen von
J. Forster, über ,,EmähTting*^ und „Massenemährung'^ in (v. Ziemssen's und v. Pettenkofer' s)
Handbuch der Hygüne /, 1. Abt. (1882). und II, 1. Abt. 1. Hälfte, 369 (1882), ferner das
ausjührliche und sorgfältige Werk J. König's „Die menschlichen Nahrungs- und Oenu/smittel"
/, 3. Aufl. (1889), endlich die mehr populäre Darstellung von J. Bänke „Die Ernährung des
Menschen-' (1876); von bis auf die neueste Zeit fortgeführten und auch die Bedürfnisse des
Arztes hinsichts der Diätetik berücksichtigenden Darstellungen „Die Ernährung des gesunden
und kranken Menschen^' von I. Munk und J. Uffelmann, 2. Aufl. (1891).
In der nachfolgenden Bearbeitung sind von der aufserordeutlich angeschwoUenen
Litteratur über Stoffwechsel und Ernährung nur diejenigen Veröffentlichungen herangezogen,
in denen die in der Darstellung behandelten grundlegenden Erfahrungen mitgeteilt sind oder
in denen sich eine gute Zusammenfassung des bis dahin Geleisteten findet, sodafs es mit
Hilfe derselben leicht möglich ist, zu den Quellen aufzusteigen. Auch wo in kontroversen
Fragen die Darstellung sich für die uns am wahrscheinlichsten dünkende Anschauung ent-
scheidet, findet der Leser auch die gegnerischen Auffassungen, wenn nicht schon im Text,
so doch in den Litteraturangaben berücksichtigt, sodafs er auf Grund eingehenden Studiums
der QueUen selbst sich eine Meinung zu bilden vermag.
ERSTER ABSCHNITT.
Der Stoffverbrauch des 3Ieiisclien.
§1. Körperbestand. Methodik.
Die Physiologie lehrt, daß der stoffliche Gesaiutverbrauch des
Körpers sich aus dem Umsatz der letzten biologischen Einheiten, der
Zellen, summiert, deren jeder einzelnen die Fähigkeit der Stotfzersetzung
und Stoffiiufnahme zukommt. Aus der durch die Blutkapillaren in die
Gewebsmascheo, z. T. durch Filtration (Transsudation) gesetzten sog.
Parenchymflüssigkeit oder Lymphe nehmen die Gewebszellen je nach
ihren chemischen Affinitäten Stoffe auf, um sie weiterhin durch die
jeder Zelle eigene chemische Thätigkeit mit Hilfe des dem Kapillarblut
entzogenen Blutsauerstoffes zu verarbeiten '. Je größer die Zahl der
Zellen, also die Körpermasse, desto mehr Material wird in der Zeit-
einheit zersetzt; daher hat ein großer Organismus absolut
einen bedeutenderen Stoff Umsatz als ein kleinerer.
Abgesehen von der Quantität, ist der Stoöverbrauch auch von der
Qualität der Zellen abhängig, daher die verschiedenen Gewebe einen
innerhalb weiter Grenzen schwankenden Stoflumsatz zeigen. Von allen
Organen haben die Muskeln und die Drüsen, zumal wenn sie thätig
sind, den gr()ßten, dagegen die Knochen, die Haut und das Fettgewebe
an sich den kleinsten Stoffumsatz.
Der Körper des erwachsenen Menschen besteht nach A.
W. Volkmann 2 und Bischoff^ zu 16 Proz. aus Knochen, dem
sog. Skelett, zu 42 Proz. aus Muskeln, zu 10 — 28 Proz. aus Fettgewebe;
in den Rest teilen sich die Drüsen, die Eingeweide, die Haut, das
Nervensystem u. a. Die wesentlichen Baustoffe des Körpers bilden :
Wasser, Eiweiß (+ leimgebende Substanz), Fett und Mineral-
stoff e (Aschebestandteile). Die daneben vorkommenden, stickstoff-
haltigen, sog. Extraktivstoffe (Harnstoff, Harnsäure, Kroatin u. a.) be-
tragen ebenso wie die stickstotlfreien, sog. Kohlehydrate (Glykogen,
Zucker) höchstens je 1 Proz. des Körpergewichtes, sodaß sie ohne er-
heblichen Fehler außer Rechnung bleiben können.
Es bestehen 1(X) T. xMenscli im Mittel aus 64 T. Wasser, 16 T.
Eiweiß (4- Leim), 14 T. Fett und 5 T. Asche. Die Fettmenge unterliegt
selbst bei gesunden Menschen, wie bekannt, den weitesten Schwankungen,
4 IMMANUEL MUNK.
etwa von 9 bis zu 28 Proz. des Kih-pergcwichtos; in dem Maße, als der
Fettgehalt ziniinnut, sinkt die i)rozentisclie Wassermenge, da das Fett-
gewebe selbst nur 10 Proz. Wasser einschließt, zumeist auch der Eiweiß-
gehalt, Da die Muskeln rund 42 T. des Gesamtkörpers ausmachen und
selbst 21 Proz. Eiweiß und 75 Proz. Wasser enthalten, ist rund die
Hälfte des gesamten Körpereiweißes und noch mehr als die Hälfte des
gesamten Körperwassers in den Muskeln aufgespeichert.
^letbodeu zur Messung des gesamten Stoffve rb raucbos*.
Der Stolfumsatz während einer bestimmten Zeit, am besten einer 24-stündigen
Periode wird ermittelt einerseits durch Bestimmung der Stoifo, welche in
den auf diese Tagesperiode troffeudeu Ausscheidungen durch Harn und Kot,
durch Lungen und Haut enthalten sind, andererseits durch Bestimmung
der mit den Einnahmen: eingeatmete Luft sowie Speisen und Getränke, in
den Körper eingeführten Stoffe.
Die Bilanz des Wassers ergiebt sich einfach aus der Differenz zwischen
dem mit dem Getränk direkt und mit der Nahrung eingeführten Wasser und
dem durch Harn, Kot und die Atmung abgegebeneu Wasser; ebenso die
Bilanz der Aschebestandteile aus der Differenz zwischen Einnahme durch
Nahrung resp. Getränk und Ausgabe durch Harn resp. Kot.
Die Berechnung des zersetzten Eiweißes basiert auf der für den Fleisch-
fresser und Menschen ermittelten Thatsache, daß die, leicht zu messende,
Stickstoffausscheidung durch den Harn ein direktes Maß
ftlr die Größe des Eiweißumsatzes abgiebt^, insofern alles zer-
störte Eiweiß (vorausgesetzt, daß die Versuchsperson keine besonderen stoff-
lichen Ausgaben, wie Menstruation, Gravidität, Laktation u. a. erleidet) in
Form von stickstoffbaltigen Endprodukten (Harnstoff, Harnsäure u. a.) aus
dem Körper einzig und allein durch den Harn austritt*;. Die Menge des
aus dem Darm in die Körpersäfte übergetretenen, resorbierten Nahrungs-
eiweißes ergiebt sich aus der Differenz zwischen dem Stickstoff in der einge-
führten Nahrung und dem aupgestoßenen Kot. Den Stickstoff im Harn, in
den Nahrungsmitteln und im Kot bestimmt man einfach nach der Methode
von Kjeldahl: Ueberführung des Stickstoffs organischer Substanzen in
Ammoniak durch Erhitzen mit konzentrierter Schwefelsäure und Bestimmung
der Menge des gebildeten Ammoniaks durch Ueberdestillieren des letzteren
in eine vorgelegte Säure (Schwefelsäure) von bekanntem Gehalt (vgl. hier-
über Z. f analyt. Chem. 22. Bd. 366; Pflüger's Arch. 46. Bd. 581). Da
das Eiweiß im Mittel 16 Proz.Stickstoff enthält, so entspricht 1 T. Stickstoff
(100,16 =) 6,25 T Eiweiß.
Kohlenstoff wird ausgeschieden durch Harn, durch Kot und durch
die Atmung. Im Harn und Kot bestimmt man den Kohlenstoff durch die
Elementaranalyse: beim V»^rbrennen kohlenstoffhaltiger Substanzen bei Gegen-
wart von Sauerstoff entsteht Kohlensäure, die durch Kalilauge gebunden
wird (vgl. Fresenius, Anleitung zur quantitativen Analyse, 6. Aufl. [18771,
2). Bestimmt man ferner bei der in einem Atemapparat, z. B. dem gleich
zu beschreibenden von Pettenkofer, sich aufhaltenden Versuchsperson,
die innerhalb 24 Stunden gasförmig ausgeschiedene Kohlensäure, so ergiebt
sich daraus durch Multiplikation mit 0,273 die Menge des ausgehauchten
Kohlenstoffes. Addiert man zu letzterem den im Harn und Kot gefundenen
•) Nur bei intensivem Schwitzen infolge starker Muskelarbeit kann nach Argu-
tinsky (Arch f d. ges. Physiol. 46. Bd. 594) Veo — Vsi «^^s durch den Harn ausge-
schiedenen Stickstoffs mit dem Schweis austreten.
Einzeleroäbruog und MasseuerDäbruDg. 5
Kohleustoff. 80 giebt die Summe die Gesamtausscbeidung an Kohleustoff. Ist
mehr Kohlenstoff auegeschieden, als mit der Nahrung aufgenommen ward,
so ist Kohlenstoff vom Körper zu Verlust gegangen ; ist die Koblenstoffaiis-
scbeidung kleiner, als die Kohlenstoffeinfubr mit der Nahrung, so ist Kohlen-
stoff im Körper zurückgeblieben oder zum Ansatz gelangt; ist nur ebenso viel
Kohlenstoff ausgeschieden, als die genossene Nahrung enthält, dann besteht
Gleichgewicht zwischen den Kohlenstoffeinnabmen und -ausgaben. Ange-
nommen, es hätte sich so ergeben, daß das Versuchsindividuum zwar eben-
soviel Stickstoff ausgeschieden hat, als in der Einfuhr mit der Nahrung ent-
halten war, aber 42 g Kohlenstoff mehr abgegeben, so würde, da Stickstoff-,
also auch Eiweißgleichgewicht besteht, der mehr abgegebene Kohlenstoft auf
zerstörtes Körperfett (dies ist ja der wesentlichste kohlenstoffhaliige, stick-
stofffreie Bestandteil des Körpersj zu beziehen sein. Da nun das Körperfett
im Mittel 76,5 Proz. Kohlenstoff enthält, hat man den Kohlenstoffwert nur mit
(100 76,5 =) 1,3 zu multiplizieren, um die entsprechende Fettraenge zu finden.
In unserem Falle würden also 42 X 1-3 = 54,6 g Körperfett zum Verlust
gegangen sein.
Der Respirationsapparat von v. Pettenkofer^ (Fig, 1) besteht
aus der fast 13 cbm fassenden, mit Fenster und Thür versehenen Kammer A von
Eisenblech, in der sich ein Mensch die ganze Versuchszeit aufhalten event.
umhergehen, Arbeit leisten, schlafen u. s. w. kann. Durch diese Kammer
V hindurch wird mittels einer (von einer Dampfmaschine getriebenen) Luft-
I pumpe, die mit dem Rohr c in Verbindung steht, stetig ein Luftstrom (min-
< destens 20 cbm Luft in der Stunde fördernd) hindurchgesogen. Von der aus
der KaoHüer oben und unten durch das Rohr E herausgesogenen und mit
den Ausatmungsprodukten (Kohlensäure. Wassergasj beladenen Luft, deren
Gesamtvolum (nachdem sie sich in den mit Wasser getränkten Bimstein-
stücken des Kastens 0 mit Wasserdampf gesättigt hat) die große Gasuhr B
mißt, wird durch eine Zweigleitung a mittels einer (gleichfalls von der
Dampfmaschine bedienten) Luftpumpe e ein Bruchteil der Ausatmungsluft
zunächst zu einem, mit konzentrierter Schwefelsäure gefüllten Kugeiapparat s,
welcher den Wasserdampf bindet, dann durch die mit Barytwasser beschickten
Röhren k und /, welche die Kohlensäure fixieren, und schließlich durch das
Ruhr ö zu einer kleinen Gasuhr C getrieben, welche das Volum dieser
analysierten Luftmenge mißt. Die aus der Kammer herausgesogene Luft
wird durch solche ersetzt, welche von außen durch die Thür- und Fenster-
fugen eindringt; auch von dieser Luft wird durch eine Zweigleitung «, eine
Probe mittels der Pumpe e, entnommen und genau so wie der durch a
streichende Anteil der Kammerluft analysiert. Hat man nun so ermittelt, in
welcher Weise die aus der Kammer hcrausgesogene Luft gegen die Außen-
luft in Bezug auf den Kohlensäure- und Wassergehalt verändert ist, so kann
man, da die Gesamtmenge der durch die Kammer durchgesogenen Luftmenge
an der Gasuhr B und die Größe des durch die Zweigleitung a hindurch-
gestrichenen und analysierten Luftvolums an der Gasuhr C sich direkt ab-
lesen läßt, berechnen, welche quantitative Gesamtveränderung die Luft wäh-
rend der Versuchsdauer durch den in der Kammer A atmenden Menschen
erfahren hat. Der Wassergehalt des durch die Leitung a streichenden Luft-
stromes wird durch die Gewichtszunahme des (vorher gewogenen) Kugel-
apparates s. die Kohlensäure aus dem neben Baryt vorhamlenen kohlensauren
Baryt des Inhaltes der Röhren k und l titrimetrisch ermittelt (vgl. Annal. d.
ehem., Suppl. [1862], 2. Bd. 1). Somit wird nur der Wasserdampf und die
Kohlensäure, welche die Versuchsperson ausgeatmet hat, direkt und scharf
bestimmt, der Sauerstoffgehalt — und das ist ein Mangel dieser Methode —
6 IMMANUEL MUNK,
wie bei der organischen Elcmentaranalyse mir indirekt, durch Differenz-
rechnung. Die Differenz zwischen dem Anfangsgewicht der Versuchsperson
plus allen direkt bestimmten Einnahmen (Nahrung und Getränke) und den
gleichfalls bestimmten Ausgaben (Harn, Kot. Atmung) plus dem Endgewicht
ergiebt die Sauerstoffaufnahme ; auf diese häufen sich somit alle Fehler.
Angenommen, es wären innerhalb der 24-stündigen Versuchsdauer ins-
gesamt 500 cbm Luft, an der Gasuhr B gemessen, aus der Kammer heraus-
gesogen worden, während der durch a geleitete Bruchteil der Kammerluft,
an der Gasuhr C zu ^'^ cbm bestimmt, eine Gewichtszunahme von s um
0 44 g, also einen Wassergehalt von 0,44 g und einen Kohlensäuregehalt der
Einzelernäbning und Masäenernährung. 7
Bohren k und l von 0,465 g ergeben hätte, so würden, da der analysierte
Zweigstrora nur (0,25/500 ^) '/söoo ^'^'" gesamten Kammerluft beträgt, im
ganzen 2000 X 0,44 = 8S0 g Wasserdampf und 2000 X 0,465 = 930 g
Kohlensäure innerhalb 24 Stunden von der Versuchsperson ausgehaucht wor-
den sein.
1) Hoppe-Seyler, Med.-chem. unter»., Berlin (1865 — 71), 1. Bd. 133, 2. Bd. 293; Pflögsr,
dfiifn Areh. 6. Bd 44, lO. Bd. 251, 641, II. Bd. 222, 18. Bd. 217.
•J A W. Volkm&nn, Sachs, akad. Sitz-Ber. (1874) 202.
3 E. Bischoflf, Z. f. ration. Med 20. Bd. 76.
4) C. Voit, /.. /. Biol. 2. Bd. 307; Pettenkofer und Voit, ebenda 2. Bd. 478.
5) Aufur den unter 4) angegebenen Steilen noch J. Bänke, Arch. /. Anat. u. Physiol. (1862)
3»1 ; Graber, Z. J. Biol. 16. Bd. 367, 19. Bd 563; Pettenkofer und Voit, ebenda 16.
Bd. 508; H. Leo, Arch. /. d. gea. Physiol. 26 Bd. 218.
6) Pettenkofer, Annal. d. Chem. Suppl. (1862) 2. Bd. 1 ; hier ist auch die Methode der KohUn-
täurebestimmung itn Baryttcasser beschrieben, und eine Reihe KontroUanalysen gegeben.
§ 2. Verbrauch beim Hunger.
unter Hunger versteht man denjenigen Zustand, bei welchem keine
Nahrung genossen wird, sodaß die Einnahmen des Körpers einzig und
allein aus dem Sauerstoff der atmosphärischen Luft bestehen (absolute
Inauition oder Karenz), oder nur ^Vasser, sonst aber keine Nahrung ein-
geführt wird. Von solchen Beobachtungen am Menschen liegen außer
denen von Pettenkofer und Voit^ sowie J. Ranke ^, welche nur
den 1. bezw. 2. Huugertag betreuen, aus neuester Zeit Versuchsreihen
von Senator, I. Munk, Fr. Müller, Zuntz und C. Lehmann''
an zwei 6 resp. 10 Tage lang hungernden Menschen vor , sowie von
L u c i a n i * am 30 Tage lang hungernden Menschen. Infolge der mit
den Lebensprozessen (Atmung, Herzthätigkeit, Wärmebildung u. a.) vor
sich gehenden Stotfzersetzungen und durch die Ausscheidung der ver-
brauchten Stoflfe aus dem Körper erleiden die Hungernden eine Abnahme
an Körpersubstanz, die sich schon grob durch den Verlust des Körper-
gewichtes anzeigt. Dieser Substanzverlust ist an den ersten beiden
Hungertagen, an denen von der voraufgegangenen Ernährung her noch
Residuen von leicht zersetzlichem Material vorhanden sind, am stärksten,
wird weiterhin, absolut genommen, immer geringer, sodaß er pro Tag
nur 0,8 — 1 Proz. des jeweiligen Körpergewichtes beträgt; es zehrt der
Organismus somit von seiner eigenen Körpersubstanz.
Während am L Hungertag der kräftige Arbeiter von 71 kg Ge-
wicht 78 g Eiweiß und 215 g Fett zerstörte, betrug bei einem ebenso
schweren, aber fetteren Manne der Verlust am 2. Hungertage nur 50 g
Eiweiß und 205 g Fett. Je fettreicher das Individuum, um so kleiner
ist dessen Eiweißverbrauch, je fettärmer, um so größer, weil, je ge-
ringer die Fettmenge, um so gr()ßer iür das gleiche Körpergewicht die
Eiweißmenge am Körper ist. Bei einem mageren Mann von 57 kg Ge-
wicht fanden wir am 1. resp. 5., resp. 10. Tage einen Verbrauch von
95 resp. G7 resp. (X) g Eiweiß und von 170 resp. 166 resp. lt)5 g Fett,
bei einem anderen von fast 60 kg am 1., 2., 6. Hungertage einen Ver-
brauch von 63, 63, iS2 g Eiweiß und je 160 g Fett. Der 30 Tage lang
hungernde, 62 kg schwere und etwas fettreichere Mann zerstörte am
1. HuDgertag 104 g Eiweiß, am 10. Tage 51 g Eiweiß und 170 g Fett,
am 20. Tage 33 g Eiweiß und 170 g Fett.
Der Gewichtsverlust beim Hungern trifft zu etwa ^/^ auf Abgabe
8 IMMANUEL MUNK,
von Wasser und nur zu Vs auf Verlust von Körpereiweiß und Körper-
fett, und zwar wird etwa 2— 4nial so viel Fett als Eiweili, bei Mageren
absolut und relativ mehr Eiweiß, bei Fetteren, ebenso in den späteren
Ilunirortagen absolut und relativ weniger Eiweiß zerstört. Nimmt daher,
wie in den meisten Beobachtungsreihen, der Hungernde so viel Trink-
wasser auf, daß die Wasserausgaben ziemlich gedeckt werden, so büßt
er in den spateren Ilungertagen nur je 200—800 g vom Körper ein,
ohne Wasser das 2 ^j^- 3fache. Deshalb wird auch die absolute Karenz
schlechter und nur für kürzere Zeit vertragen, als wenn dabei Aufnahme
von Wasser erfolgt.
Wegen der, je nach dem Körperzustande, wechselnden Größe des
Verlustes an Eiweiß, Fett und Wasser tritt der Hungertod bei den
verschiedenen Individuen nach verschiedener Dauer des Hungerns ein.
Bei Wassergenuß scheint der erwachsene Mensch es bis zu G Wochen
aushalten zu können, bei völliger Karenz vermutlich nur 3 — 4 Wochen.
Je fetter die Individuen sind, desto geringer ist ihr Eiweißverbrauch,
und desto länger ist der Eintritt des Hungertodes hinausgeschoben.
Je jünger und kleiner die Individuen, desto relativ d. h. pro Körper-
kilo größer ist, worauf noch einzugehen sein wird (S. 15), ihr Eiweiß-
und Fettverbrauch, daher erliegen Kinder dem Hungertode schon sehr
früh, ein- bis zweijährige etwa schon am 5. Tage, nachdem sie höchstens
V4 ihres Körpergewichtes eingebüßt haben, während Erwachsene zu-
meist erst nach Verlust von ^/^ — V2 ihres Anfangsgewichtes zu Grunde
gehen. Am längsten ertragen ältere, noch ziemlich kräftige Menschen
die Xahrungsentziehung, weil bei ihnen wiederum der Stoflfverbrauch
relativ kleiner ist als bei muskulösen, also fleischreichen, im kräftigsten
Lebensalter stehenden Menschen (S, 16).
Daß der Hauptsache nach das Körpereiweiß und Körperfett beim
Hunger der Zerstörung anheimfällt, wird durch die anatomische und
chemische Untersuchung der Organe von Verhungerten bestätigt^.
Das Fett des Fettgewebes ist bis auf Spuren und die eiweißreichen
Organe, Muskeln und Drüsen, um V3 — V2 ihres Anfangsgewichtes ge-
schwunden; außerdem sind alle Gewebe, entsprechend dem Wasserver-
lust, erhebUch trockner, d. h. von geringerem Wassergehalt als in
der Norm.
1) Pettenkofer und Voit, Z. f. Biol. 2. Bd. 478, 5. Bd. 369.
2) Eanke, Arch. f. Anat. u. Physiol. (1862), 311.
3) Senator, Zuntz, Lehmann, MüUer und Mnnk, Berl. Min. Wochenschr. (1887) Nr. 24;
Virchow's Arch. 131. Bd., Supplementheft.
4) Luciani, Fisiologia del digiuno. Firenze (1889); Das Uungern, Leipzig (1890).
5) Chossat, Mimoires presentis ä l'Acadimie des sciences 8. Bd. 438 (1843); Bidder und
Schmidt, Verdauungssä/te u. Stoffwechsel (1852) 292; Voit, Z. f. Biol. 2. Bd. 307.
§ 3. Verbrauch bei Eiweißzufuhr.
Man könnte meinen, einen Hungernden, der pro Tag etwa 60 g
Eiweiß umsetzt und von seinem Körper einbüßt, dadurch vor dem Ei-
weißverlust zu bewahren, daß man ihm 60 g Nahrungseiweiß giebt.
Allein dies ist keineswegs der Fall '. Jede Eiweißzufuhr steigert
den Eiweißumsatz, sodaß bei 60 g Nahrungseiweiß z. B. 100 g
Eiweiß umgesetzt, also nunmehr 40 g Eiweiß, d. h. nur ^/g so viel als
beim Hunger, vom Körper abgegeben werden. Je größer die Menge des
Einzelernähruiig uud Masseueruuhrung. U
Nahningseiweiües ist, desto mehr wird der Eiweißverlust vom Körper be-
schrankt, und wenn die Kiweißnienge in der Nahrung etwa das 4fache
des Hungeruinsatzes beträgt, kann lieini Menschen die Eiweißabgabe
vom Körper aufgehoben werden, sodaß der Mensch sich mit der darge-
reichten Eiweißmenge auf seinem Eiweißbestande erhält. Dann besteht
sog. Stickstoffgleichgewicht, wobei ebenso viel Eiweiß zerfällt,
als mit der Nahrung zugeführt wird, sodaß der Eiweißl)estand des
Körpers uuangegritien bleibt.
Die Eiweißmenge, mit der ein Mensch ins Stickstotigleichgewicht
gelangt, ist für verschiedene Individuen selbst von gleichem Körperge-
wicht nicht die nämliche, insofern hier wesentlich der jeweilige Korper-
zustand mitspielt, in erster Linie der Eiweiß - und Eettbestand des
Körpers. Je magerer ein Individuum, desto größer ist seine Eiweiß-
masse und desto größer sein Eiweißumsatz, daher es auch entsprechend
größerer Mengen von Nahrungseiweiß zur Erzielung von Stickstotigleich-
gewicht bedarf. Je fetter umgekehrt ein Mensch ist, desto absolut und
relativ geringer ist, für dasselbe Körpergewicht betrachtet, seine Eiweiß-
masse und daher dem entsprechend geringer sein Eiweißumsatz ; außer-
dem soll das Körperfett, gleichwie wir es vom Nahrungsfett kennen
lernen werden (S. 11), auch seinerseits den Eiweißumsatz beschränken.
Aus diesen beiden Gründen kommt ein fetter Mensch mit ge-
ringeren Mengen von Nahrungseiweiß ins Gleichge-
wicht als ein fettarmer von gleichem Körpergewicht.
Geht man mit der Eiweißzufuhr über die Menge hinaus, bei der
Stickstort'gleichgewicht erzielt worden ist, so wird vom Ueberschuß nur
ein Bruchteil im Körper zurückbehalten, „angesetzt", aber vermöge der
Tendenz des Tierkörpers, seinen Eiweißumsatz gleichsam der Eiweiß-
zufuhr anzupassen, tritt weiterhin auch mit der größeren Eiweißmenge
Stickstotigleichgewicht ein : es kann daher durch keine auch
noch so große Menge von Nahrungseiweiß für die Dauer
Eiweißansatz bewirkt werden, d h. eine Fleischmästung ist
durch ausschließliche Eiweißzufuhr nicht möglich, um so weniger, als
ausschließlicher Eiweißgenuß, selbst in Form von magerem Fleisch, dem
Menschen schon nach kurzer Zeit widersteht, zumal sehr große Mengen,
mindestens 250—270 g Eiweiß = 1200—1300 g Fleisch, nur zur Er-
zielung von Stickstotfgleichgewicht nötig sind (J. Ranke 2).
Das Nahrungs ei wei ß kann nicht nur zum Ersatz für das
verl)rauchte, resp. sonst zu Verlust gehende Körpereiweiß, sondern auch
zum Ersatz des zerstörten Kör per fettes eintreten, und
zwar sind nach den Ermittelungen von Rubner^ erst 225 g Eiweiß
mit loO g Fett gleichwertig, „isodynam". Daher sind auch zur
Verhütung des Fettverlustes vom K()rper große Eiweißgaben erforder-
lich, solch' große Gaben, wie sie der Darm vorübergehend, aber nicht
für die Dauer bewältigen kann. Wird durch das Nahrungseiweiß nicht
nur der Eiweiß-, sondern auch der Fettverlust vom Körper verhütet,
dann bleibt das Individuum auf seinem stotllichen Bestände. Dies ist
Datürlich bei einem fettreicheren Individuum, das an sich weniger Ei-
weiß zersetzt, leichter möglich, als bei einem mageren d. h. fettarmen
und relativ eiweißreicheren. Wenn danach auch ein gut genährter,
mäßig fettreicher Mensch mit reinem iMweiß (Fleisch) vorübergehend
auf seinem Stoftbestand, also auf Körpergleichgewicht erhalten wenlen
kann, so gelingt es kaum auf die Dauer, und vollends nicht bei einem
mageren Menschen.
10 IMMANUEL MUNK,
In ileu Körper eingeführt, wird das Naliruugseiweiß, auch das geronnene
oder koagulierte, durch die Verdauungssäfte i,Mageusaft, Bauchspcichel) in
eigentümliche lösliche Modifikatiouon verwandelt, die als Albumosen und
Peptone bezeichnet worden und auch durch künstliche Verdauung außerhalb
des Körpers dargestellt werden können. Für gewisse Zwecke, besonders bei
Magen- und Darmkrauken, hält mau es gelegentlich für vorteilhaft, die Ver-
dauungsarbeit dem angegrifi'eneu Magen und Darm zu ersparen und den
Kranken gleich die Verdauungsprodukte zu reichen, die in Form der sog.
Handelspeptone zumeist Albumosen neben wenig Pepton enthalten. Ver-
suche * haben nun gelehrt, daß die Albumosen und Peptone dieselbe stoff-
liche Wirkung üben, wie das genuine Eiweiß und daß beide daher in stoff-
licher Hinsicht das Eiweiß vertreten können.
1) Voit, bez. Voit und v. Pettenkofer, Z. f. Biol. 3. Bd. 1, 7. Bd. 133.
2) J. Eanke, Z. f. Anat. u. Physiol. (18621 345.
3) Rubner. Z y. Biol 19. Bd. 302, 22. Bd. ."JO.
4) Adamkiewicz, Virch. Arch. 75 Bd. 144; Zuntz und Pollitzer, Arch. f. d. ges. Physiol.
37. Bd. 301, 313; I Munk, Therapeut. MonatshefU (1888), Juni\ Deutsch, med. Woch.
(1889; Nr. 2 ; V. Noorden, TherapeiU. Monatshefte (1892) Juni.
§ 4. Verbrauch bei Zufuhr von Leimstoffe n.
Im Muskclfleisch, in den Drüsen, in der Lunge, Haut, Knochen,
Sehnen, Knorpel unserer Schlachttiere ist mehr oder weniger leimgeben-
des Gewebe vorhanden, das beim Kochen mit Wasser, der gewöhnlichsten
Art der Zubereitung der Nahrung, in Leimstoflfe übergeht, unter denen
man den Sehnen - oder Knochenleim als Glutin vom Knorpelleim, dem
Chondrin unterscheidet. Die Leimstoffe sind Abkömmlinge der Eiweiß-
stotie, denen sie nahe stehen, ohne indes Eiweiß zu sein. Gleichwie
sich der Leim, wenn auch stickstofthaltig, doch vom Eiweiß schon in
chemischer Hinsicht (höherer N-Gehalt, geringerer C- und S-Gehalt,
weniger komplexer Bau des Moleküls) unterscheidet, so ist auch die
stoffliche Wirkung ^ eine wesentlich andere. Der Leim wird selbst in
großen Gaben schnell aus dem Darmrohr in die Säfte übergeführt und
sehr leicht, zumeist schon innerhalb der nächsten 24 Stunden, voll-
ständig zerstört und zwar noch leichter als Eiweiß. Wie Eiweiß wird
er in Harnstoff umgewandelt, der durch den Harn austritt, während die
nach der Harnstoffabspaltung restierende Atomgruppe zu Kohlensäure,
Wasser und Schwefelsäure oxydiert wird. Durch die Zerstörung des
Leims wird der Eiweißumsatz so herabgedrückt, daß nunmehr
nur wenig Nahrungseiweiß genügt, den Körper auf seinem Eiweißbestande
zu erhalten, und zwar ersparen 100 g Leim besten Falles 36 g Eiweiß.
Als Eiweißsparer kann keiner der sonstigen Nährstoffe (Fett, Kohlehydrate)
mit dem Leim konkurrieren. Ebenso wird durch den Leim der Fett-
verbrauch beschränkt, und zwar sollen 100 g Leim etwa 25 g
Körperfett ersparen. Dagegen ist der Leim nicht imstande, das Körper-
eiweiß gänzlich vor dem Verbrauch zu bewahren oder gar Eiweiß am
Körper zum Ansatz zu bringen. Wie groß auch die Gabe der Leim-
stoff'e ist, so bedarf es daneben immer der Darreichung von Nahrungs-
eiweiß, und zwar, wie es scheint, etwa halb so viel, als an Eiweiß beim
Hunger verbraucht wird, wenn der Körper von seinem EiweLßbestande
nichts hergeben soll.
1) Voit resp. Pettenkofer und Voit, Z. f. Biol. 2. Bd. 227, 8. -Bd. 297, 371, 10. Bd. 202,
212; Etzinger, Z. f. Biol. 10. Bd. 97; I. Monk, Virch. Arch. 101. Bd. HO.
Eiozelernähriing uud Masscnoniälirung. 11
§5. Verbrauch bei Zufuhr von Fetten und Kohle-
hydraten.
Giebt man einem hungernden Menschen, der pro Körperkilo 1 g
Eiweiß und 3 g Fett verbraucht, nur Nahrungs f ett, selbst bis zu den
höchsten Gaben, die überhaupt vertragen werden, so wird das Nahrungs-
fett nach seinem Uebergang aus dem Darm in die Säfte zu Kohlensäure
und \\ asser verbrannt und kann dadurch eine entsprechende xMenge des
sonst zum Verbrauch kommenden Körper fettes vor der Zer-
störung bewahren, dagegen wird der Eiweißverbrauch dadurch
kaum geändert ^ . Indem so zwar das Körperfett geschont, aber das
Körpereiweiß abgegeben wird, muß schließlich ein nur mit Fett er-
nährter Mensch an Eiweißverlust zu Grunde gehen, wenn auch später
als ein hungernder.
Dasselbe trifft für die Kohlehydrate (Stärkemehl, Zucker) zu,
wenn sie ausschließlich gegeben werden-. Diese vermögen durch ihre
Oxydation zu Kohlensäure und Wasser den Eiweißumsatz bald mehr,
bald weniger herunterzudrücken und den Fettverbrauch er-
heblich einzuschränken. Infolge der mehr oder minder großen
Eiweißabgabe und eventuell auch noch des Fettverlustes vom Körper
geht der Mensch bei ausschließlicher Ernährung mit Kohlehydraten zu
Grunde, indes sehr viel später als beim Hungern.
Bei ausschließlicher Ernährung mit 150 g Fett und 400 g Kohle-
hydrat im Tag büßte J. Ranke^ 54 g Eiweiß ein, also etwas weniger
als am 1. Hungertage, dagegen wurde nicht nur der Fettverlust vom
Körper verhütet, sondern sogar 80 g Fett im Körper zurückbehalten
„angesetzt".
Anders verhält es sich, wenn Fette oder Kohlehydrate neben Ei-
weiß gegeben werden. Bei gleichzeitigem Genuß von Eiweiß
und Fett'* ist der Eiweißumsatz kleiner als bei ausschließlicher Ei-
weißzufuhr; man sagt daher, „das Fett übt eine eiweißersparende Wir-
kung''. Was für das Nahrungsfett gilt, soll nach Voit auch für das
Kör])erfett zutreffen. Man kann daher mit solchen Mengen von Nahrungs-
eiweiß, welche an sich die Abgabe von Körpereiweiß nicht zu verhüten
imstande sind, Stickstoffgleichgewicht erreichen, wenn man zum Nah-
rungseiweiß noch Fett hinzugiebt. Zumeist gelingt es, durch Zusatz
von Fett zum Eiweiß auf Stickstoffgleichgewicht zu kommen mit Eiweiß-
mengen, die nur halb so groß sind, als diejenigen, welche bei ausschließ-
licher Darreichung von Eiweiß zum Gleichgewicht geführt haben. Hat
man diejenige Menge Nahrungseiweiß ermittelt, welche neben einem
genügenden Fettquantuni Gleichgewicht bewirkt, und man steigert nun-
mehr die Eiweißmenge, so wird der üeberschuß als Eiweiß am Körper
abgelagert, „angesetzt". Indem ferner das Nahrungsfett durch seine
Zerstörung für das sonst dem Zerfall unterliegende Körperfett eintritt,
wird auch der Fettverbrauch beschränkt, und wenn mehr
Nahrungsfett gegeben wird, als dem Fettverbrauch entspricht, kommt
der üeberschuß davon als Fett am Köri)er zur Ablagerung '. Daraus
ergiebt sich die M(>glichkeit, durch genügende Mengen von Nalirungs-
eiweiß und -fett mäßigen Eiweiß- und beträchthchen Fettansatz (Fleisch-
und Fettmästung) zu erzielen '^.
Von den Komponenten (Paarungen) der Fette: den festen Fettsäuren
(Oelsäure, Palmitinsäure, Stearinsäure) und dem Glycerin wirken die
Fettsäuren' auf den Eiweiß - und Fettverbrauch genau so wie die
12 IMMANUEL MUNK,
äquivalente Fettmcuge. Die andere Kouipoiiente, das Glycerin^, da-
gegen ist auf den Eiweißumsatz von gar keinem Einfluß, während es
die Fettzerstöruug einschränkt.
Noch stärker, als seitens der Fette (aber schwächer als seitens der
Leimstoäe [S. lOj), ist der e i w ei ß sparen d e Einfluß der Kohle-
hydrate"'. Zusatz von Zucker oder von i^tärkemehl, das im Darm-
rohr durch die Verdauungssäfte (Mund- und Bauchspeichel) in Zucker
übergeführt wird, zu einer Gabe von Nahrungseiweiß, die an sich nicht
ausreicht, sodaß der Körper noch Eiweiß verliert, hebt die Eiweißab-
gabe auf, und zwar leisten in Hinsicht der Eiweißersparnis
die Kohlehydrate mehr als sogar die gleiche Menge Fett.
Durch die Zerstörung der eingeführten Kohlehydrate wird auch der
Fett verbrauch beschränkt, aber in nicht so starkem Maße wie
durch die Fette ^'^. In Bezug auf die Fähigkeit, den Fett-
verlust aufzuheben, sind erst 24 T. Kohlehydrat gleich-
wertig, „isodynani" mit 10 T. Fett.
Durch sehr große Gaben von Kohlehydraten neben
Eiweiß (etwa 8 — lOnial so viel Kohlehydrate als Eiweiß) läßt sich
St ick Stoffgleichgew i cht resp. Eiweißansatz erreichen mit
Eiweißgaben, welche noch unter dem niedrigsten Werte
des Eiweißumsatzes im Hunge rzus tan de gelegen sind'^
Reichliche Zufuhr von Eiweiß und Kohlehydraten beschränkt den
Eiweiß- und Fettverbrauch so stark, daß viel Eiweiß und viel Fett,
letzteres noch stärker als ersteres, am Körper zur Ablagerung kommt.
1) Voit btz. Voit vnd Pettenkofer, Z. f. Biol. 5. Bd. 331, 383.
2) Dieselben, Z. f. Biol. 5. B. 431, 9. Bd 435; Rubner. ebenda 22. Bd. 272.
3) J. Ranke. Ernährung des Menschen, München (18 7 G), 220
4) Voit bez. Voit und Pettenkofer, Z. f. Biol. 5. li. 329, 9. Bd. 1.
5) Lebedefif. Med Centralbl. (1882) Nr. 8; I Munk, Virch. Arch. 95. Bd. 416.
6) Pflüger, dessen Arch 51. Bd. 317, 52. Bd. 239.
7) I. Munk, Arch. f (Anat u.) Physiol. (1879) 371; Virch. Arch. %0. Bd. 10, ^b.Bd. 434;
Arch. f. d. ges- Physiol 46. Bd. 333.
8) Derselbe, Virch. Arch 76. Bd. 119; Arch f. d. ges. Physiol. 46. Bd. 313; Amschink,
Z. f. Biol. 23. Bd. 413.
9) Hoppe Seyler, Virch. Arch. 10. Bd. 144; Voit und Pettenkofer, Z. f. Biol 5. Bd. 431,
9. Bd. 435.
10) Rubner, ebenda 19. Bd. 312, 357.
11) I. Munk, Virch. Arch. 101. Bd. 112, 131. .ßd. Suppl. 225 ; Zumagawa, ebenda 116. Bd. 370.
§ 6. Verbrauch bei Arbeit.
Im strikten Gegensatz zu Liebig, der den Zerfall des Muskel-
eiweißes als Quelle für die Muskelkraft ansah, hat Voit, z. T. im Verein
mit Fetten kofer * festgestellt, daß ceteris paribus weder beim Hunger
noch bei der nämlichen gemischten Kost, welche dem Bedarf genügt,
ein wesentlicher Unterschied im Eiweißverbrauch zu beobachten ist, mag
das betreuende Individuum ruhen oder sogar angestrengte Arbeit leisten.
Die Muskelthätigkeit an sich übt auf den Eiweißumsatz
kaum einen Einfluß aus. Nur wenn die Arbeit zur Kurzatmigkeit
(Dyspnoe) führt, wie z. B. beim schnellen Bergsteigen, dann erfolgt auch
eine mehr oder weniger bedeutende Zunahme des Eiweißzerfalles ^.
Wenn nun der Eiweißumsatz nicht wesentlich geändert wird, dann
mußte die schon von Lavoisier bei der Muskelthätigkeit festgestellte,
sehr beträchtliche Steigerung der Kohlensäureausscheidung durch die
Eiuzclcmäbniug und MassGDcrnähruug. 13
Atmung, neben entsj)rechend vernielnter Zinialinie des Sauerstoflver-
brauchs, auf eine erhöbte Zersttuun-,' der amb ren, stickstofffreien Be-
standteile (b'S Kiirpers be/.w. der genossenen Nabrung, also auf Steige-
rung der Oxydation von Fetten oder Koblebydrateu bezogen werden^.
Bekanntlich verbraucht der Muskel bei seiner Thätigkeit das Glykogen,
ein starkeartiges Kohlehydrat, bezw. den ihm mit dem Blutstrom zuge-
führten Zucker und bildet daraus, neben Milchsäure, reichlich Kohlen-
säure und Wasser, vin der 'J'hat fanden Betten kofer und Voit*
bei ihrem 70 kg schweren kräftigen Arbeiter, der im Ilungerzustande
und bei Kulie 78 g Kiweiß und 215 g Fett zerstörte, nach 8— 10-stündiger
Arbeit den Fettverbrauch bis auf 380 g, also um reichlich ^1 ^ ansteigen,
\(ährend der Eiweißumsatz gleich blieb. Derselbe Arbeiter setzte bei
gemischter überreichlicher Kost und Ruhe 137 g Eiweiß und 215 g
Fett um und bei derselben Kost und bei Arbeit 137 g Eiweiß und 323 g
Fett, also 50 Proz. mehr Fett als bei Ruhe. Zugleich war die Menge
des dampfförmig durch Haut und Lungen ausgeschiedenen Wassers bei
der Arbeit 1,7 bis 2.1 mal so groß als bei Ruhe. Also bewirkt die
Arbeit zumeist nur eine Steigerung des Fettverbrauches
und der Wasserverdampfung. Nur wenn stickstofffreie Substanzen
(Kohlehydrate und Fette) weder vom Körper noch aus der Nahrung in
genügender Menge verfügbar sind oder die Nahrung selbst so unzu-
reichend ist, daß schon in der Ruhe der Eiweißumsatz größer ist als
die Eiweißzufuhr, oder endlich wenn die forcierte Arbeit zu sichtbarer
Atemnot (Dyspnoe) führt, dann kommt es zu einer mehr oder weniger
erheblichen Steigerung des Eiweißzerfalles-''.
Wie die Thätigkeit der willkürlichen Muskeln, steigert auch die
Darm arbeit bei der Verdauung-' (Thätigkeit der Darmmuskeln und
-drüsen) die Sauerstoffaufnahme und Kohlcnsäureausscheidung, im Mittel
um 10 Proz. der Hungerwerte, höchst wahrscheinlich auch auf Kosten
einer Zunahme des Fettverbrauches.
Umgekehrt sinkt im Schlafe *', im Zustande größtmöglicher Ruhe,
wo außer dem Herzen und den Atemmuskeln die ganze Körpermusku-
latur in Ruhe ist, die Kohlensäureausscheidung besten Falles um 30 Proz.
gegenüber dem wachen Zustand, und zwar ist hier ebenfalls der Eiweiß-
umsatz, nicht geändert, sodaß zweifellos weniger Fett zerstört wird, und
zwar um so weniger, je vollständiger die Muskelruhe ') ist.
1) Voit, Z. J. liiol 2. Bd. 339; Voit und Pettenkofer, ebenda 459
V) A Fraenkel. Virch. Arch. 67. Bd. 273; H. Oppenheim, Arch. f. d ge$. Physiol. 22. Bd.
40 u. 23 Bd. 446.
3) Zunt«, Arch. /. (Anat. u.) Phytiol. (1890) 367; G. Katzenstein, Arch. f. d. ges. Physiol.
49 Bd. 330; A. Loewy, ebe7ida 405
•1) Argutinsky. Arch. /. </. </fs. Phya 46. Bd. 552; I. Munk, Arch. f. {Anat. u.) Physici.
(IS'.'n) 5.07; F. Hirschfeld. Virch Arch 122 Bd .001
5) Znntt Mnd V. Mering. Arch f. d. ges Phys. 32 Bd 173; A. Loewy, ebenda 43 Bd. 515.
6) Pettenkofer und Voit, Z. J Biol. 2 Bd. 544; L. Lewin, ebenda 17. Bd. 71.
7) Bnbner, J-etUchri/t /. C. Ludwig (1887) 259; A. Loewy, Berl. klin. U'ocA. (1891) 434.
§ 7. V erb r au eil bei wechselnder A ußen tenii)eratur.
Vermöge eines fein abgestimmten Regulationsmechanismus bleibt
beim gesunden Menschen, wie bei allen Warmblütern, die Eigenwärme
unverändert, wie weit auch die Temi)eratur der umgebenden oder Außen-
luft nach oben oder unten schwanken möge, ob der Mensch in den
14 IMMANUEL MUNK,
Polarzonen oder im gemäßigten Klima oder am Aeqiiator lebt. Wie
nun insbesondere die Untersuchungen von Pflüger, Voit und deren
Schülern* gelehrt haben, steigt, Konstanz der Eigenwärme voraus-
gesetzt, die Kohlensäureausscheidung, wenn man von einer
mittleren Temperatur von 15" C. ausgeht, bei niederer Außen-
t e m p e r a t u r r e c h t b e t r ä c h 1 1 i c h , so z. B. beim Absinken der
Lufttemperatur von 15 " bis zu 4 ^' um volle 3ö Proz. beim (hungernden
und ruhenden) Menschen-, während bei letzterem auf Steige-
rung der Lufttemperatur über 15" kaum eine Abnahme
der Kohlensäureausscheidung erfolgt. Da durch die Kälte
der Eiweißzerfall '^ ^ nicht nachweisbar geändert wird, ist Zunahme der
Kohlensäureausscheidung nur auf gesteigerten Fettverbrauch
zu beziehen.
Die Zunahme des Fettzerfalls bei niederer Außentemperatur ist
zumeist durch unwillkürliche Muskelthätigkeit (Zittern vor Frost) be-
dingt. Die schon von Senator und Speck gemachte Angabe, daß
auch bei niedriger Umgebungstemperatur bei Ausschluß jeder Muskel-
bewegung die Kohlensäureabgabe nur sehr wenig ansteigt, konnte von
A. Loewy * dahin präzisiert werden, daß, solange keine Muskelspannung
und kein Muskelzittern auftritt, beim Menschen wenigstens auch bei
niederer Außentemperatur der Gaswechsel ungeändert bleibt. Anderer-
seits leisten die erwähnten unwillkürlichen Bewegungen für die Erhal-
tung der Eigenwärme bei starkem Absinken der Außentemperatur nur
wenig gegenüber den weit wirksameren Mitteln zur Beschränkung der
Wärmeabgabe seitens der Körperoberfläche (Kleidung, Wohnung), sowie
zur Steigerung der Wärmebildung (willkürliche Muskelbewegung, Zerfall
der reichlicher aufgenommenen Nahrung). Umgekehrt wird bei hoher
Außentemperatur die Wärmeabgabe seitens der Körperoberfläche be-
fördert (dünne Kleidung, reichliche Schweißabscheidung, kalte Bäder)
und die Wärmebildung (ruhiges Körperverhalten, Zerfall einer weniger
Wärme bildenden Nahrung) eingeschränkt; durch beide Momente wird
die Erhaltung der Eigenwärme auch bei hoher Lufttemperatur er-
möglicht.
Wird beim Menschen durch warme Vollbäder oder Dampfbäder
die Eigenwärme gesteigert^, so nimmt der Eiweißzerfall häufig
mehr oder weniger stark zu, während der Fettverbrauch eher etwas
kleiner werden kann.
1) Pflüger, dessen Arch. 12. Bd. 282, 333, IS. Bd. 2i7 ; Veiten, ebenda 21. Bd. 398; Voit,
Z f. Biol 14. Bd. 57.
2) Herzog Carl Theodor in Bayern, Z. f. Biol. 14. Bd. 51.
3) Senator. Virch. Arch. 45. Bd. 363.
4) A. Loewy. Pflüger' s Arch. 46. Bd. 189.
5) Schleich. Arch. f. exper. Path. 4. Bd. 82.
§8. Verbrauch in Abhängigkeit vom Körperzustande
und vom Lebensalter.
Wie schon Eingangs unserer Betrachtungen (S. 3) angedeutet worden
ist, sind es die Gewebszellen, an welche der Stoffumsatz geknüpft ist. Je
schwerer nun ein Mensch ist, desto größer ist ceteris paribus die Zahl
oder Masse der stoffzerlegenden Zellen und desto größerauch der
Verbrauch an Eiweiß und Fett. Der 71 kg schwere Arbeiter verbrauchte
14
EinzelernähniDg und MasseneroähruQg. 15
am 1. Hungertage (S. 7) 78 g Eiweiß und 215 g P'ett, der nur 59
kg schwere Hungerkünstler 63 g Eiweili und l&) g Fett.
Aber auch bei annähernd gleichem Gewicht kann der Körper-
zustand verschieden sein, je nachdem das Individuum mager d. h.
fettarm und dafür eiweiß- oder fleischreich (muskulös) ist oder fett-
reicher und daher eiweiß- oder fleischärmer ist. Je eiweißreicher der
Körper, desto größer ist auch dessen Eiweißumsatz; je fettreicher, desto
kleiner ist der Eiweißumsatz, einmal weil die absolute Masse der stofl-
zerlegenden eiweißhaltigen /.eilen geringer ist, wahrend die Fettzellen
nur wenig am Stoflwechsel beteiligt sind, sodann weil das Körperfett
den Eiweißzerfall einschränkt. Der muskulöse, also eiweißreiche Ar-
beiter von 71 kg verbrauchte im Hungerzustande 78 g Eiweiß und 215 g
Fett, der ebenso schwere, aber fettreiche und daher eiweißärmere Ranke
(S. 7) nur 50 g Eiweiß und 204 g Fett. Somit hat der wechselnde
Körperzustand einen beträchtlichen Einfluß auf den Eiweißumsatz, da-
gegen so gut wie gar keinen auf den Fettverbrauch.
Da Frauen in der Regel ein geringeres Körpergewicht haben als
gleichalterige Männer, so wird ihr Eiweiß- und Fettverbrauch kleiner
sein, und da sie ferner mehr fettreich als eiweißreich smd, so wird ihr
Eiweißumsatz noch niedriger sein, als er des geringeren Körpergewichtes
wegen schon an sich wäre. Man kann im Durchschnitt rechnen, daß
Frauen nur ^/^ — */. so viel an Eiweiß und Fett verbrau-
chen als Männer.
Von größtem Einfluß auf den Stotfverbrauch ist das Lebensalter.
Selbstverständlich kann man den absoluten Stofl"verbrauch eines 8 kg
schweren, einjährigen Kindes nicht direkt mit dem eines 70 kg schweren,
25— 50- jähr igen Mannes vergleichen ; ein solcher Vergleich ist nur zu-
lässig, wenn man den StoöVerb rauch auf die Einheit des Gewichts, 1 kg
Körper, reduziert. In dieser Beziehung berechnet sich aus Bestimmungen
von C a m e r e r ^ etwa Folgendes : es beträgt pro Körperkilo der tägliche
Eiweißumsatz eines IVo-jährigeu Kindes fast 4 g, des 3-jahrigen 2*/^ g,
des 7-jährigen 2^/^ g, des 9-j;ihrigen 2 g, des 13-jahrigen I-/3 g, des
15-jährigen l'/s o-> d. h. während im 2. Lebensjahre der Eiweißver-
brauch noch 2'/sjmal so groß ist als beim Erwachsenen, sinkt er
weiterhin ab, sodaß er im 10. Lebensjahre nur wenig über '/g mehr
beträgt; mit dem 15. Lebensjahr ist der Eiweißumsatz nur gleich groß
als beim Erwachsenen. Aehnlich wie der aus dem Harnstickstotf be-
rechnete Eiweißumsatz verläuft die Kurve der Kohlensäurcausscheidung-,
sodaß der relative Mehrverbrauch von Fett bei Kindern gegenüber Er-
wachsenen jedenfalls lange nicht so erheblich sein kann als der vom
Eiweiß. Der Mehrverbrauch an Eiweiß bei jungen Individuen erklärt
sich einmal daraus, daß dieselben wenig Fett und relativ viel Eiweiß
am Körper haben, und daß entsprechend den größeren Eiweißmassen
auch der P'iweißumsatz reichlicher ist ; hauptsächlich aber daraus, daß, je
kleiner das Individuum, desto relativ größer dessen Körperoberflache ist,
und da volle *j^ des gesamten Wärmeverlustes seitens der Oberflache
(durch die Haut) erfolgen, so begreift es sich, daß kleinere Individuen
relativ mehr Wärme verlieren und daher, soll ihre Eigenwarme konstant
bleiben, mehr StoÖ' (Körpersubstanz, Nahrung) verbrennen müssen als
große, sodaß für die Gewichtseinheit des Kindes beträchtlich mehr Ei-
weiß und auch mehr Fett zerstört werden muß als beim Erwachsenen'.
Dieser relative Mehrverbrauch von Eiweiß und auch von Fett zeigt sich
15
Ui IMMANUEL MUNK,
schon beim Hun«jern (S. 8), daher Kinder um so eher dem Hunger
erlioizen, je jünger sie sind.
Bei altereu Leuten, etwa jenseits des 60. Lebensjahres scheint der
StotiVerbrauch kleiner zu sein als im kräftigen Lebensalter. Zum
größeren Teil ist dies dadurch bedingt, dali bei älteren Leuten die Ar-
beitsleistung, welche den Stotlunisatz so außerordentlich steigert, zumeist
nur eine maßige ist, zum anderen Teil ist es auf die im Alter sich ein-
stellende Abnahme der Körpermasse und der wärmeabgebenden Oberfläche
zurückzuführen.
1) Camerer, Z. f. Biol. 14. Dd 394, IG. Bd 2h, 20. Bd 5G6, 24. Bd. 141.
2) Scharling. Ann. Chem. 45. Bd 214; J. Forster, Handb. d. Hijg. 1. Bd 1. T. 76.
3) Eubner, Z. f. Biol. 19. Bd 535; H. v. Hoesslin, Arch. f. {Anat. u) Physiol. (1888) 323.
§ 9. Einfluß einiger wichtigen organischen und
Mineralstoffe auf den Verbrauch.
Wasser. Je mehr Wasser getrunken wird, desto größer ist ceteris
paribus die Harnmenge. Der selbst um das 3fache reichlichere Harn-
strom entführt etwas mehr Stickstofl, im Mittel 3—5 Proz., aus dem
Körper, und nur beim Hunger kann die Mehrausfuhr an Harnstickstoff
bis auf 10 Proz. und darüber ansteigend Bei durch längere Zeit fort-
gesetztem gesteigerten Wassergenuß und dadurch bedingter Vermehrung
des Harnvulums wird weiterhin sogar jede Steigerung des Harnstick-
stofls vermißt. Der durch den Körper cirkulierende vermehrte Flüssig-
keitsstrom laugt die löslichen , stickstoffhaltigen Endprodukte des Ei-
weißzerfalls aus den Geweben besser aus und leitet sie den Nieren zu,
sodaß sie reichlicher als in der Norm durch den Harn austreten; ab
und zu mag dadurch auch in den Gewebszellen ein stärkerer Eiweiß-
zerfall angeregt werden. So kann unter Umständen überreichlicher
Wassergenuß zu einer Steigerung des Eiweißumsatzes führen.
Mineralsalze. Das am meisten und für die Ernährung wich-
tigste Salz, das Kochsalz (Chlornatiiuni), wirkt ebenso wie Chlor-
kali um schon in mäßigen Gaben, 2 g, noch stärker in größeren Gaben
harntreibend, diuretisch; teils infolge der größeren Hurnmenge und der
dadurch bedingten besseren Auslaugung der löslichen Stoffe aus den
Geweben, teils durch direkte Wirkung; der Salze auf die Gewebszellen
wird der Eiweißumsatz ein wenig gesteijiert. Sehr große Gaben können
die stoffzerlegende Fähigkeit der Zellen beeinträchtigen und den Eiweiß-
umsatz ein wenig herabdrücken ^.
Aehnlich diesen beiden Salzen können die sog. Mittelsalze
wirken: Glaubersalz, Salpeter, Salmiak, Natriumacetat, — Phosphat und
— Borat (Borax). Auch sie können in größeren Gaben die Harnmenge
beträchtlich und den Eiweißumsatz mäßig in die Höhe treiben.
Dieselbe Wirkung entfalten Borsäure, Benzoesäure, Sali-
cylsäure und deren Salze.
Alkohol Dieser in den verschiedenen geistigen Getränken (Wein,
Bier, Branntwein) in wechselnder Menge enthaltene und mehr oder
weniger reichlich konsumierte Stoff" ^ der Aethylalkohol oder Weingeist,
hat in kleinen, eine erregende V\ irkung übenden Gaben (V^ — ^/s ccm
per Körperkilo) bei sonst ausreichender Nahrung eine mäßige, 6 — 7 Proz.
betragende Herabsetzung des Eiweißumsatzes zur Folge. Die Sauer-
stoffaufnahme und Kohlensäureausscheidung ist entweder unverändert
i6
EinzclürnäbruDg und Massenernährung. 17
«der nur gerinj^füf^ig gesteigert. Da nun der Alkohol zu rund 92 Proz.
im Ivöri)er verbrannt wird und ungeachtet dessen der Gaswechsel kaum
zunimmt, der Eiweißumsatz eher herabgesetzt ist, so muß der Alkohol
anderes KiM-permaterial, Körper- oder Nahrungsfett vor der Zerstr)rung
schützen. In mäßiger Gabe ist somit der Alkohol ein Sparmittel,
das den Eiweiß- und Eettverbrauch mäßig herabsetzt. Dessen unge-
achtet ilarf der Alkohol sciion deshalb nicht mit den auch als 8i)ar-
mittel wirkenden Nährstotien (Leim, Kohlehydrate, Eettj i)arallelisiert
werden, weil er in größeren Gaben (2 — 3 ccm pro Köri)erkilo und Tag),
die zumeist eine berauschende bezw. betäubende Wirkung haben, den
Eiweißzerfall um 4—10 Proz. steigert.
Coffein. Auch von dem Coti'ein oder Thein, dem wirksamen Be-
standteil ( Alkaloid) der aus der Kaffee- und Theepflanze hergestellten
Getränke, nahm man früher eine den Stoftverbrauch herabsetzende Wir-
kung an. Neuere, sorgfältiger angestellte Versuche ^ am Menschen haben
indes gelehrt, daß z. T. Hand in Hand mit der dadurch bedingten
harntreibenden Wirkung (Zunahme der Harnmenge) eine geringe Stei-
gerung des Eiweißumsatzes nach Kaffeegenuß eintritt; der Fettverbraucli
scheint nicht beeintiußt zu werden.
1) Voit. Unters, über den Einßuj's des Kochsalzes, des Kaffees 7tnd der Mnskelbewegungen,
München 1860, S Gl ; Forster, Z. f. Diol. 14. Bd. 175; Dubelir, ebenda 28. Bd. 237; I.
Mank, \'irch Arch. 94 Z/<i. 449; Oppeaheim, Ärch.f. d. ges Phys 22. Bd. 49, 23 Bd. 446.
2) Voit, a. a O : Dehn, Anh. f d. yca. Phijs. 13. Bd. 367; Dubelir, a. a. 0.
3 Obernier, Arch.f d ges. Phys. 2 Bd 508; Fr. Strassmann, ebenda ■i^. Bd. Ä\b; I. Mank,
Arch.j. [Anat. u) Phys (1879) 163; Zuntz und Berdez, Fortschr. d. Med. (1887) Nr. 1;
Oeppert, Z f. exper. Path 22. Bd. 367; Keller, Z. f. physiol. Chem. 13. Bd 128.
4) Voit, a. a 0.\ Äonx, Compt. rend. de V Acad. Tl. Bd. 426, 77. Bd. 489; Dehn, n. a. O.
§ 10. Eiweißansatz und Fettansatz (Fleisch- und Fett-
mästung).
Als erste und oberste Bedingung jeder Art von Mast gilt , wie
selbstverständlich, daß dem Körper mehr Nährstoffe zugeführt werden,
als er unter den jeweiligen inneren und äußeren Bedingungen zu zer-
setzen vermag. Die Verdauungsorgane sind in der Norm befähigt,
doppelt so viel und mehr zu bewältigen und in die Säftemasse übertreten
zu las.sen, als dem Bedarf entspricht. Der aufgesparte Nahrungsüberschuß
bewirkt die Mast.
Aus den Verhältnissen des Stoflverbrauches unter den verschie-
denen inneren und äußeren Bedingungen geht mit Bestimmtheit hervor,
daß einzig und allein das N a h r u n g s e i w e i ß die (^) u e 1 1 e für E i -
weißansatz am K()rper bilden kann. Wenn auch die sog. Spar-
mittel wie Leim, Fette und Kohleiiydrate den Eiweißumsatz einschränken,
der Leim das PMweiß sogar bis zu einem gewissen Grade vertreten kann,
so verliert doch, wie groß auch die Gabe der Sparmittel ist, wofern
daneben kein Eiweiß gereicht wird, der Mensch dauernd von seinem
Eiweißbestande und geht schließlich an „Eiweißhunger", an den Eiweiß-
verlusten seines Körpers zu Grunde. Auf der anderen Seite haben wir
schon gesehen, daß, wie groß auch die Menge des genossenen Eiweißes ist,
wofern es ausschließlich und ohne jedes Sparmittel gegeben wird, kaum
je daraus P'iweißansatz zustande kommt, weil der Mensch zumeist nur
befähigt ist, so große Mengen von Eiweiß zu verzehren, als für den
Eiweißverbrauch erforderlich, und nur ausnahmsweise oder nur vorüber-
lUndbuch der Hygiene. Bd. III. Abtlg. 1. 2
18 IMMANUEL MUNK,
gebend cintMi solclieu Ueberschuß davon be^Yältigt, daß daraus Eiweiß-
aDsatz erfolgcu kaiia (S. 9). Zur Erzieluiig von EiAve ißaiisatz
bedarf es daher stets der Beigabe eines S p a r m i 1 1 e 1 s
zum Eiweiß. Obwohl in Hinsicht der Eiweißersparnis der Leim
(S. 10) sehr viel mehr leistet als das Eett, und sogar mehr als die
Kohlehydrate, so tritt er doch wegen der durch ihn hervorgerufenen dick-
lichen Konsistenz der Speisen gegenüber den Kohlehydraten und Fetten
mehr zurück. ^Venn, wie wir später sehen werden, der Erwachsene bei
Ruhe oder leichter Arbeit mit 100 g Eiweiß, 60 g Eett und 400 g
Kohlehydrate seineu Stotibedarf deckt, so würde durch Erhöhung
der E i w e i ß m e n g e z. B. auf 130 g und gleichzeitige Stei-
gerung der Fett- oder Kohlehydration auf 100 g bez. 500g
Eiweißansatz zustande kommen, und zwar um so reichlicher, je
mehr die Fett- und Kohlehydration erhöht wird ^
Da nun die eiweißsparenden Mittel: Leim, Fett und Kohlehydrate,
zugleich den Fettverbrauch beschränken bezw. für das sonst zum Ver-
lust gehende Körperfett eintreten, so wird durch die zum Zwecke der
Erzielung von Eiweißansatz erforderliche Steigerung in der Gabe der
Sparmittel zumeist auch Fettansatz bewirkt. Wenn z. B. durch 100 g Ei-
weiß, 60 g Fett und 400 g Kohlehydrate der Eiweiß- und Fettverbrauch des
ruhenden oder leicht arbeitenden Mannes gedeckt wird und man steigert
die Fettgabe auf 100 g oder die Kohlehydration auf 500 g, so sind
40 g Fett bezw. 100 g Kohlehydrate über den Fettl}edarf überschüssig,
können daher zum Ansatz kommen. Um beim Menschen Fettansatz zu
erzielen, muß man neben 100 — 110 g Eiweiß mehr als 60 g Fett + 400 g
Kohlehydrate geben, also z. B. 90 — 100 g Fett und 500 g Kohlehydrate.
Es fragt sich nur noch, da, wie früher erörtert (S. 11), es über
allen Zweifel feststeht, daß alles Nahrungsfett, insoweit es nicht
unter die Bedingungen der Zerstörung gerät, als Fett am Körper abge-
lagert wird, zur Fettmast führt, ob nur die Fette die Qu el le für
Fettablagerung vorstellen oder nicht auch die Kohlehydrate und Ei-
weißkörper Fettbildner sind^. Das der Zerstörung nicht anheimfallende
Nahrungsfett geht direkt in die Zellen des Tierkörpers über und wird
in den Fettbehältern (Unterhautfettgewebe, lockeres Bindegewebe um
die Eingeweide herum , Bindegewebe zwischen den Muskelschläuchen,
Knochenmark) abgelagert. Auch aus festen Fettsäuren kann sich, in-
soweit sie der Zerstörung entgehen, durch Zusammentritt mit Glyzerin
auf synthetischem Wege Fett bilden und als solches am Körper ab-
lagern ^.
Die Kohlehydrate sollten nach J. v. Lieb ig die wesentlichste
Quelle für die Fettbildung sein, weil die Pflanzenfresser sich am besten
und schnellsten mästen lassen, wenn reichliche Kohlehydrate im Futter
gegeben werden. Im Pflanzenfutter ist im Verhältnis zu den Kohle-
hydraten Fett nur spärlich enthalten; außerdem seien, hob Lieb ig
hervor, die Mastfette selbst durchaus anderer Art und Zusammensetzung
als die Fette im Futter. Da aber schon Regnault und Reiset ge-
funden hatten, daß die Kohlehydrate im Körper zerstört werden und
die Kohlensäureausscheidung noch stärker als die Sauerstofläufnahme
steigern und Voit und Pettenkofer sich überzeugt haben wollten,
daß die Kohlehydrate bis zu den größten Gaben (600 — 700 g) im Orga-
nismus leicht und schnell zerfallen, so schlössen sie, daß die Kohle-
hydrate durch ihre Zerstörung das aus anderen Quellen : Nahrungsfett
(und -eiweiß) stammende Fett vor der Verbrennung schützen, sodaß
i8
EinzelernähniDg und MasseDernähning. 19
jene gewissermaßen durch den Zerfall der Kohlehydrate ersparten Fette
zum Ansatz kommen können. Nach ihnen sollte also die Fettbildung
aus Kohlehydraten nicht direkt, sondern nur indirekt erfolgen. Nun
sind aber neuerdings bei Omnivoren (Schwein), liei Ilerbivoren (Schaf),
bei Vögeln, endlich selbst bei dem in P.ezug auf die im 'l'ierkörper ab-
laufenden chemischen Prozesse dem Menschen so nahe stehenden Hund '
so große Fettmengen zum Ansatz gebracht worden, wie solche durch
das gleichzeitig gegebene Nahrungsfett und selbst unter der gleich zu
erörternden Annahme, daß auch aus dem zerfallenden Eiweiß sich bis
zu 45 Proz. Fett synthetisch bilden könne, nicht entferntest gedeckt
werden : für die Entstehung des größten Teiles von dem bei kohlehydrat-
reicher, genügend Eiweiß und nur wenig Fett bietender Nahrung ange-
setzten Fett müssen zweifellos die Kohlehydrate als Quelle in An-
spruch genommen werden. In Hinsicht der direkten Fettbildung
aus Kohlehydraten ist zu berücksichtigen, daß erst 24 T. Kohle-
hydrate gleichwertig oder isodynam sind mit 10 T. Fett (S. 12).
Die Frage, ob auch aus dem zerfallenden Eiweiß sich Fett bilden
kann, ist kontrovers oder wenigstens nicht beweiskräftig zu beantworten.
Wenn bei dem Eiweißzerfall im Körper vom Eiweiß sich Harnstoff ab-
spaltet, in den zwar der ganze Stickstoff, aber nur ein Teil des Kohlen-
stoffs, Wasserstoffs und Sauerstoffs und nichts vom Schwefel des Eiweiß-
moleküls übergeht, so bleiben (außer Schwefel, der zu Schwefelsäure
oxydiert wird) Gruppen von Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Sauerstoffatomen
übrig, welche, wofern sie in mäßiger Menge vorhanden, zu Kohlensäure
und Wasser verbrannt werden. Ist aber die Menge dieser Atomgruppen
größer, als unter den jeweiligen Bedingungen im Organismus angegriffen
werden kann, so sollte dieser Ueberschuß nach Voit und Petten-
kofer in Fett umgebildet werden. Doch muß man Pflüger ^ darin
beiptiichtcn, daß für eine solche Fettbildung aus Eiweiß, welche unter
krankhaften Bedingungen im Körper sicher zustande kommt (sog.
fettige Entartung der eiweißreichen zelligen Elemente^ unter normalen
Bedingungen es noch an zwingenden direkten Beweisen fehlt. Nichts-
destoweniger ist auch in der Norm eine Fettbildung aus zerfallendem
Eiweiß höchst wahrscheinlich ; dieselbe dürfte aber erst auf einem Um-
wege zustande kommen. Festgestellt ist, daß auch nach reiner Eiweiß-
fütterung bei Tieren der Gehalt der Leber und auch der Muskeln an
Kohlehydraten (Glykogen) zunimmt. Da nun aus den Kohlehydraten,
wie eben erörtert, zweifellos Fett entsteht, kann sich durch das Zwischen-
glied des Glykogen hindurch aus Eiweiß Fett bilden.
Da die Muskelthätigkeit in erster Linie den Fettverbrauch außer-
ordentlich steigert (S. Ii3) und umgekehrt Köri)erruhe im wachen Zu-
stand ihn herabsetzt, und zwar noch stärker Kühe im Schlaf, so kann
bei einer den Bedarf deckenden Nahrung bei vorwiegender Einhal-
tung von Körperruhe Fett gespart werden und sich am Körper ab-
lagern.
Mäßige Gaben von Alkohol, welche nicht berauschen, setzen gleich-
falls den Fettverbrauch herab (S. 17), daher bei Zugabe von Alkohol
zu einer sonst genügenden Nahrung Fettansatz erfolgen kann.
F^benso kann, da bei hoher Außentemi)eratur der Fettverbrauch ge-
ringer ist, als bei niedriger Außentemperatur (S. 14), eine im Winter
den Bedarf deckende Nahrung im Sommer zum Fettansatz führen.
Endlich liegt nach den Erfahrungen der Tierzüchter in der man-
gelnden Bethätigung des Geschlechtstriebes ein die Fettbildung be-
.)*
19
20 IMMANTET, MUNK.
güiistigoiides Moment : „vorschiiitteue" Tiere lassen sich schnellerauf
Fett mästen als unversehrte.
Von der noch rätselhaften sog. individuellen Disposition
abgesehen , kraft deren in gewissen Familien die Fettbildung oder
wenigstens die Neigung zum Fettansatz gleichsam angeboren ist und
sich durch Vererbung auf die Nachkommen überträgt, handelt es
sich in den meisten F allen bei il e r F e 1 1 m ä s t u n g um eine
zu reichliche Aufnahme fett b ilden der Nährstoff e (Fette,
Kohlehydrate) im Verhältnis zu dem jeweils statthabenden
Fettverbrauch.
1) Voit, Ueber die Ursachen der Fettablagerung. Rede, München 1883.
2) Ueber die Fettbildung im Tierkörper vergl. auch Voit, Z. f. Biol f). Bd. 137, 6. Bd. 371 .
Hoppe-Seyler, Physiol. Chem. (1877 — 81), 1002; G. Bonge, llandh. d. phijsiol. Chem. 2;
Au/{. (1889) 355; I. Munk, Berl. Hin. U'och. (1889) AV. 9; Pflüger, dessen Arch. 51.
Bd 317, 52. Bd. 1. 239.
3) I. Munk. Arch. f. Physiol. (1883) 273, (1890) 378; Virch. Arch. 95. Bd. 437, \2Z. Bd.
230. 284.
4) I. Munk. Virch. Arch. 101. Bd. 130; Rubner, Z. f. Biol. 23. Bd. 273.
5) Pflüger, tf««««n Arch. 51. Bd. 229.
ZWEITER ABSCHNITT.
Die Bedeutuiij; der >ahrungsstoffe.
Die wesentlichen chemischen Baustoffe des Körpers: Eiweiß, Fett,
"Wasser, Mineralstotie (Aschebestandteile), erleiden mit dem Ablauf der
Lebensprozesse stetig Verluste, deren Größe je von den äußeren und
inneren Lebensbedingungen, wie im ersten Abschnitt erörtert, abhängt.
Der für die Erhaltung des Stoffbestandes und damit der körperlichen
Leistungsfähigkeit erforderliche Ersatz wird durch chemische Substanzen
beschafft, die wir Nahrungsstoffe oder Nährstoffe nennen
(S. 2). Zu den Nährstoffen gehören einmal diejenigen Substanzen, welche
mit den zu Verlust gehenden Stoffen, also auch mit den wesentlichen
Baustoflen des Körpers chemisch identisch sind, wie Wasser, Mine-
ralstoffe, Eiweiß, Fett, oder stotllich gleichwertig sind, insofern sie
den Verbrauch z. B. von Eiweiß und Fett verhüten bezw. beschränken,
wie die Leimstoffe und die Kohlehydrate, oder endlich eine
Kraftrjuelle für die Leistungen des Körpers abgeben, wie der Sauer-
stoff der Luft. Es sei hier nur noch daran erinnert, daß der Tier-
körper nicht befähigt ist, seine komplizierten organischen Bestandteile
(Eiweiß, Fett) aus den Elementen : Kohlenstoff", Wasserstoff", Sauerstoff
bezw. Stickstoff" und Schwefel aufzubauen; vielmehr muß er sie stets
als fertige Verbindungen dem Pflanzenleib entnehmen, sei es unmittel-
bar durch direkte Aufnahme der Pflanzen selbst oder erst mittelbar,
durch Genuß des Fleisches der mit Pflanzen ernährten Herbivoreu.
Man teilt wohl auch die Nährstoffe ein in anorganische: Wasser,
WineralstoÖe (Aschebestandteile), und in organische (Eiweiß, Leim-
stoffe, Fett, Kohlehydrate).
§ 1. Das Wasser.
Die Rolle des Wassers als Nährstoff erhellt schon aus seiner^ Be-
deutung als Bestandteil des Körpers. Rund 64 Proz. des Körpergewichtes
Erwachsener, also fast * g, entfallen auf das Wasser (S. 3); bei Neu-
geborenen und jungen Kindern flndcn sich sogar 60— 70 Proz. Wasser.
Das Wasser ist nicht nur in den Flüssigkeiten des Körpers reich-
lich, zu 78 — 99 Proz., enthalten : Blut, Lymphe, Verdauungssäfte, Harn u. a.,
auch^die als fest und kompakt imponierenden Organe: Kuorjjel, Knochen,
enthalten beträchtliche Wassermengen, 17—54 Proz., und nur das P'ettge-
22 IMMANUEL MUNK,
webe iiml ilie Zähne uehnien mit 10 resp. 6 Proz. Wasser die unterste
Stelle ein. Selbst strati' entwickeltes Muskelgewebe enthält rund 75 Proz.
Wasser, sodaß, da die Muskeln über - r^ des Körpergewichtes ausmachen,
reichlich die Hälfte des gesaraten Körperwassers in den Muskeln ein-
geschlossen ist * .
Abgesehen von den die(")rgane durchsetzenden wasserreichen Flüssig-
keiten : Blut (78 Proz.) und Lymphe (95 Proz. Wasser), sind die letzten
Formelemente, die Zellen, als in Wasser aufgequollen zu betrachten. Schon
daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß das Wasser für die physikalisch-
chemischen Prozesse des Lebens unerläßlich ist. Wie die chemischen
Vorgänge sich ohne Gegenwart von Wasser nicht abspielen können —
Corpora non aguut nisi fluida — , so gilt dies auch für die Organismen:
auch sie vertragen den Verlust von Wasser (Austrocknung) unter eine
gewisse Grenze nicht, ohne ihre Funktionsfähigkeit und ihre Lebens-
thätigkeit einzubüßen. Auch ist das Wasser das Lösungsmittel für
die mannigfachen wichtigen Stoffe, welche die liestandteile des Körpers
und der aufgenommenen Nahrung bilden. Nur vermöge des großen
Wassergehaltes ist die leichte Beweglichkeit des Blutes und damit die
^löglichkeit gegeben, zu allen Teilen des Körpers getrieben zu werden
und diesen das chemische Bedarfsmaterial, einschließlich des an den
Blutfarbstoif gebundenen, für das Leben unerläßlichen Sauerstoffs, zu-
zuführen, sowie die beim Stofiwechsel der Gewebe verbrauchten oder
frei gewordenen Stoffe abzuleiten und den Ausscheidungsorganen zu
überantworten. Die gesamten Vorgänge der Stoffzufuhr, des Stoffum-
satzes und der Ausscheidungen, also der gesamte Stoffwechsel ist an die
Gegenwart des Wassers gebunden. Ebenso ist der Vorgang der Nerven-
leitung und der Muskelzusammenziehung nur möglich, wenn der Nerv
resp. Muskel einen gewissen Wassergehalt besitzen und von Flüssig-
keiten (Blut, Lymphe) umspült sind.
Unter den Mitteln, welche der Regelung und Ausgleichung der
Eigenwärme des Menschen dienen, spielt das Wasser eine hervorragende
Rolle : die Wasserverdunstung durch Lunge und Haut macht einen Teil
der im Körper bei den Spaltungen und Oxydationen gebildeten Wärme
„latent" und verhütet dadurch ein Ansteigen der Temperatur des Kör-
pers. Dieser Wärmeverlust durch Wasserverdunstung, deren Umfang
je nach der Außentemperatur, Muskelthätigkeit u. a. innerhalb weiter
Grenzen schwankt, beträgt bei mittlerer Außentemperatur etwa 20 Proz.
der gesamten Wärmeabgaben und kann, sobald die Außentemperatur
sich über 20 "^ C erhebt, noch größer werden 2.
Der Mensch büßt stetig Wasser durch Harn, Kot,
Lunge und Haut ein, nur daß die Gesamtabgabe an Wasser und
ihre Verteilung auf die einzelnen Ausscheidungsposten weiten Schwan-
kungen unterliegt. Das Verständnis für diese Differenzen in der Wasser-
abgabe wird durch die Erfahrung eröffnet, daß beim gesunden
Menschen die Organe ihren Wassergehalt mit größter
Zähigkeit festzuhalten streben, sodaß er höchstens ifür kurze
Zeit auch nur um wenige Prozent nach oben und unten um das Mittel
schwankt. Nur im protrahierten Hungerzustande, bei profusen Diar-
rhöen, bei der Cholera, kann der Wassergehalt des Blutes für längere Zeit
um 2 — 3 Proz., der der Muskeln um 5 Proz. abnehmen, allein schon dann
zeigen sich schwere Störungen in den Körperfunktionen, die schließlich
zum Stillstand der tierischen Maschine (Herz, Atmung) führen können.
Die wichtigsten Organe, welche über den Wassergehalt der Gewebe
EinzeleruähruDg und MasseDoroäbrung. 23
wachen, sind die Nieren. Wird viel Wasser mit Speise und Trank ein-
geführt, so werden die Gewebe nicht wasserreicher, viehnehr wird, zu-
mal bei nie>ierer Außentemperatur, der Ueberschuli innerhalb weniger
Stunden ilurch den liarn entfernt. Umgekehrt ist die Harnausscheidung
um so spärlicher, je weniger Flüssigkeit aufgenommen worden ist.
Zwischen Nieren und Haut besteht ein gewisser Antagonismus, derge-
stalt dali, wofern, wie bei hoher Außentemperatur und vollends bei
starker Muskelarbeit, viel Wasser durch die schwitzende Haut (und die
Lungen) abdunstet, proi)ortional die mit dem Harn austretende Wasser-
menge absinkt : das Umgekehrte gilt für Körperruhe und niedrige Außen-
temperatur. Endlich wird auch die Ausscheidung V(m Harnwasser in
die Höhe getrieben, je mehr wasserlösliche Stoße durch den Harn aus-
treten; unter diesen harntreibenden „diuretischen'' Substanzen nimmt
der Harnstoti" und das Kochsalz die erste Stelle ein. Je mehr Eiweiß
(Fleisch) genossen, ferner je gesalzener die Speisen sind, und je reich-
licher daher Harnstoti bezw. Kochsalz durch den Harn austritt, desto
größer wird die Harnwassermenge.
Steht schon die einfach physikalische Wasser a bdu n stung
durch die Haut in Abhängigkeit von der Außentemperatur bezw.
dem wechselnden Blutreichtum der Haut, so wird diese Abhängigkeit
noch größer durch die Thätigkeit der Schweißdrüsen. Diese werden
eiimial durch hohe Umgebungstemperatur, zumal bei schwacher Luft-
bewegung (sog. Schwüle), womöglich noch stärker durch Muskelarbeit,
ferner auch durch warme Kleidung, Genuß warmer säuerlicher oder
alkoholischer Getränke (warme Citronenlimonade u. a.), endlich durch
Gemütsaffekte (Freude, Schreck, auch Angst und Zorn) zur Thätigkeit
und nicht selten zu ganz kolossaler Leistung angetrieben, sodaß in kurzer
Zeit V2 — 1 kg Schweiß abgesondert wird und verdunstet. Ebenso
wird die Wasserabdunstung von den Lungen, da die Exspirationsluft
immer mit Wasserdampf gesättigt ist, um so reichlicher, je häutiger und
z. T. auch je tiefer die Atemzüge werden. So kann infolge der
Zunahme der Atemfrequenz bei ^Muskelarbeit auch die von den Lungen
abdunstende Wasserdampfmenge gegenüber der Körperruiie auf das
Doppelte ansteigen. Der mit gemischter Kost ernährte 71 kg schwere
Arbeiter von Pettenkofer und Voit^ schied bei Körperruhe 828 —
931 g Wasser durch Lungen und Haut aus, bei nur mäßiger Arbeit
1410—1727 g, also volle 70— 8G Proz. mehr, während die mit Harn
und Kot austretenden Wassermengen bei Ruhe und Arbeit keine wesent-
lichen Aenderungen zeigten (vgl. auch S. 13).
Ist somit die Größe der Wasserabgabe vom Körper unter den
wechselnden Bedingungen sehr verschieden — sie schwankt beim Er-
wachsenen etwa zwischen 22(X)- -3000g —, so wird auch der Wasser-
bedarf den wechselnden Verhältnissen entsprechen, also auch zwischen
220J und 30. K) g betragen. Allein das zum Ersatz der Wasserverluste
bestinunte Wasser braucht nicht insgesamt als solches aufgenommen zu
werden, vielmehr entstellt ein Teil davon im Körper durch O.xydation
des gesamten Wasserstoffs vom zerfallenden Fett und eines Teiles vom
\Vasserstoff des umgesetzten Eiweißes*), und zwar nach Voit etwa Vn des
gesamten Wasserverlustes, sodaß nur Vo der obigen Werte für den
Wasserbedarf, also 1825—2500 g in Form von präformiertem Wasser
•) insoweit der Wasserstoff nicht iu das Molekill des aus dem Eiweiß sich abipaltendea
Harnstoffs übergeht.
13
24 IMMANUEL MUNK,
genossen zu werden brauchen. Demgegenüber beträgt die tbatsächliche
Wasseraufnabme in Speise und Trank bei erwachsenen, mäßig sich er-
nährenden und arbeitenden Menschen nach Förster^ 2200—3500 g,
ist also reichlicher als erforderlich. Jedenfalls geht daraus hervor, daß
das Wasser der quantitativ bedeutsamste Nährstoff ist.
Das Bedürfnis des Ki'trpers nach Wasser ist so groß, daß wir selbst
solche Nährstotigemenge, welche, wie das Brod, rund zur Hälfte aus
Wasser bestehen, als trocken, d. h. wasserarm bezeichnen.
Wie schon angedeutet, entledigt sich der Körper des über den Be-
darf zugeführlen W assers, je nachdem, vorherrschend durch die Nieren
oder durch Lungen und Haut. Der reichliche Wasserstrom laugt ein
wenig mehr Harnstoti aus den Geweben und kann unter Umständen
auch den Eiweißverbraucli in geringem Maße steigern.
Vermittelst eines fein abgestimmten nervösen Mechanismus erhalten
wir aufs prompteste Kunde, ob die Wasserausgaben größer als die
"Wassereinnahmen sind, ob also eine Verarmung des Blutes und der Ge-
webe an Wasser droht. In diesem Falle erwachen eigentümliche un-
angenehme Gefühle, das sog. Durstgefühl, das, solange es nur lokal,
in der Schleimhaut des Mundes und Rachens auftritt, durch Anfeuch-
tung mit Wasser beschwichtigt werden kann, nicht aber, sobald, infolge
Abnahme des Wassergehaltes des Blutes und der Gewebe auch nur um
2 — 3 Proz., sich allgemeines Durstgefühl einstellt. Dies höchst
unbehagliche, sehr bald geradezu peinigende Gefühl schwindet erst nach
reichlichem Genuß von W asser. Ist die Wasseraufnahme nicht möglich,
so wird das Durstgefühl immer quälender, während umgekehrt die
Hungergefühle mit der Dauer des Hungerns schwächer werden. Daher
erträgt der Mensch das Hungern länger als das Dürsten. Bei dauernd
herabgesetzter Flüssigkeitszufuhr, sodaß die Wasserabgaben ein wenig
größer sind als die Wassereinnahmen, kommt es zumeist zu einer Re-
duktion des Wassergehaltes im Blute um 2 Proz. Oertel ^ will neuer-
dings durch Beobachtung am Menschen gefunden haben, daß durch starke
Beschränkung der Flüssigkeitszufuhr und gleichzeitige Steigerung der
"VN'asserausgaben seitens der Nieren und Haut allmählich der Schwund
des Körperfettes eingeleitet wird.
Umgekehrt haben schon Bischoff undVoif^ gefunden, daß
ungenügende Nahrung, bei welcher der Körper von seinem Be-
stände, insbesondere von seinem Eiweiß und Fett einbüßt, den Körper
wasserreicher macht, indem das Wasser teilweise au die Stelle
des geschwundenen Eiweißes tritt, daher gerade die eiweißreichen Organe
(Muskeltleisch) einen größeren Wassergehalt aufweisen. Solch' schlecht
bezw. unzweckmäßig ernährte oder durch Krankheiten, bei denen die
Nahrungsaufnahme darniederlag, fieischärmer und magerer gewordene
Individuen bezeichnet der Volksmund tretiend als „aufgeschwemmt" oder
gedunsen. Auf den Wasserreichtum des Körpers ist auch der Fettge-
halt von Einfluß. Je fettreicher der Körper, desto geringer sein Wasser-
gehalt; so hat Bischoff' in einer fetten menschlichen Leiche, die
19 Proz. Fett enthielt, nur 60 Proz. Wasser gefunden, Volkmann*
bei nur 13 Proz. Fett dagegen 66 Proz. Wasser. Es erklärt sich dies
daraus, daß, je mehr Fettgewebe vorhanden, der prozentische Wasser-
gehalt des Körpers absinken muß, weil das Fettgewebe nur 10 Proz.
Wasser einschließt , während alle übrigen Gewebe, insbesondere das
seiner Masse nach prävaherende Fleisch, zumeist 75 Proz. Wasser und
mehr enthalten.
24
Einzelernähning und Massenernährung. 25
Aus Vorstehendem erhellt auch, daß das Körpergewicht allein
keinen KückschluLN auf den jeweiligen Körper z ustand
gestattet, weil, selbst wenn Fleisch und Eiweiß schwindet, doch dieser
Verlust mehr oder weniger stark durch Aufspeicherung von Wasser aus-
geglichen werden kann. Ob ein saldier Zustand besteht, laßt sich durch
einen einfachen Versuch ermitteln. Man braucht einem solchen Menschen
nur eine den liedarf übersteigende und dabei eiweißreiche (tleischreiche)
Nahrung zu geben ; dann sieht man das vorher aufgespeicherte Wasser
nunmehr mit dem reichlichen und harnstotlreichen Harn „in Strömen
den Korper verlassen". Unter diesen Umständen kann der Körper,
ungeachtet des nunmehr erfolgenden Ansatzes von Eiweiß resp. Fett,
infolge der reichlichen Abgabe des zuvor aufgespeicherten Wassers in
den ersten Tagen sogar leichter werden. Durch reichliche und eiweiß-
reiche Nahrung kann man daher einen durch kärgliche Kost aufge-
schwemmten K()rper am ehesten wieder auf seinen normalen Wasser-
gehalt zurückführen.
Der durch kärgliche oder unzweckmäßige Kost erzeugte größere
Wasserreichtum der Organe dürfte eine Schwächung und geringere
Resistenz gegen krankmachende Agentien zur Folge haben ; er soll nach
V, Pettenkofer die Ursache davon sein, daß die armen, kärglich er-
nährten Volksklassen zumeist zu Infektionskrankheiten : Cholera, Typhus
etc. starker disponiert sind und vermöge der geringeren Widerstands-
fähigkeit in größerer Zahl dahingeraflt werden. Daher die größere
Morbidität und Mortalität der ärmeren Volksklassen.
Aus der großen Rolle, die das Wasser als der in quantitativer
Hinsicht bedeutsamste Nahrungsstoff spielt, ergiebt sich die Notwendig-
keit, Wasser als Genuß- oder Trinkwasser stets in ausreichender Menge
zur Verfügung zu haben. Die Hygiene hat aber nicht nur die Ver-
sorgung mit genügender Quantität des Genußwassers zu verlangen, viel-
mehr muß sie auch über die (Qualität ^ desselben wachen, insofern das
Trinkwasser so beschaffen sein muß, daß es ohne Widerwillen aufge-
nommen werden kann und auch bei stetem Genuß auf den Körper keine
schädliche Wirkung übt. Das Trinkwasser muß genießbar d. h. farb-
und geruchlos sowie von reinem, erfrischendem Geschmack, ferner von
allen Verunreinigungen frei sein, welche für den menschlichen Körper
sich als different oder gar als krankmachend erweisen, z. B. Fäulnis-
Stoffe (Ammoniak, Nitrite u. a.), tierische und pflanzliche Keime,
die als Erreger des Typhus und der Cholera anzusehen sind.
In welcher Weise den Anforderungen an die Quantität und Qualität
des Trinkwassers genügt werden kann, wird in dem Abschnitt „Wasser-
versorgung" gezeigt werden.
1) lieber den Wassergehalt der Gevtbe vfryl. die physiologisch- chemischen Lehr- und lland-
büchfr ton Oornp-Besanez, Hoppe-Seyler, Bungo und Hammarsten.
2) Hubner, .1. / //. 11. Hd. Ih/t '2 u 3.
3) Pettenkofer und Voit, Z f. Biol. 2. Bd. 480.
4) Förster. eUnda 'J. Jid. 387.
5) Oertel. ^tllg. Therapie d. Kreislauftstörungen, Leipzig (1884), 127.
6) C. Bischofif und Voit, Gesetze der Ernährung des Fhisch/ressers (1860) 210.
7) E. Bischofif. Z. /. rat. Med. 20. Jid. 75.
8) A. W. Volkmann. Sachs, akad. Sitz.-Ber. (1874) 202.
9) E. Seichardt. Gt-undlayen zur Beurteilung des l'rinkvassers, 4. -4«//., und die AbUilung:
Wasserversorgung in diesem Handbuche
25
26 IMMANUEL MUNK.
§ '2. Die Mineralstoffe (A.scheb e sta lul tei 1 e).
Der Körper im Ganzen wie jedes einzelne Organ oder Gewebe haßt
ebenso wie alle anderen pflanzlichen oder tierischen Gel)ilde beim Ver-
brennen eine Asche zurück, aus unverl)rennlichen Mineralstotfen be-
stehend. Diese Aschcbestaudteile hat man früher als rein zufällige,
gleichgiltige Beimengungen aufgefaßt, gleichsam als toten Ballast, den
die organisierten Teile mit sich herumschleppen und der, beim Zerfall
des Organisierten frei geworden, baldmöglichst aus dem Körper (durch
Harn und Kot) entfernt werden muß. Die Bedeutung dieser Asche-
bestandteile und ihren hohen Wert für Pflanze und Tier zuerst erkannt
zu haben, ist das große Verdienst Justus v. Liebig's^
Das Samenkorn kann sich nicht zur Pflanze entwickeln, wenn nicht
der Boden ihm gewisse Mineralstofle : Kali, Kalk, Eisen, in Verbindung
mit PhosphorsAure und Schwefelsäure liefert. Die geerntete Frucht hat
während ihres Wachstums dem Boden jene Mineralstofle entnommen,
für die nunmehr, soll der Boden ferner ertragsfähig sein, durch die
Düngung Ersatz beschaflt werden muß, daher man in neuerer Zeit die
wichtigen Nährsalze des Bodens als künstliche Düngsalze ihm direkt zu-
führt. Ohne diesen von Zeit zu Zeit erfolgenden Ersatz an Mineral-
stoff'en würden unsere Kulturböden bald früher, bald später veröden aus
Mangel an jenen für das Pflanzenwachstum wichtigen und unentbehr-
lichen Mineralstoff"en. Schon daraus läßt sich erschließen, daß lebendige,
funktionsfähige organische Substanz nicht ohne gewisse Mineralstotfe
sich bilden kann.
Genau dasselbe triff't für den Tierkörper zu ; auch in ihm kann sich
lebensfähige, organisierte Substanz nicht ohne gewisse Mineralbestand-
teile aufbauen ; diese Mineralstofle sind als zur Konstitution der Gewebe
gehörig anzusehen und daher, wie manche Erfahrungen über deren Aus-
scheidung lehren (S. 27), fester verbunden mit der organisierten Substanz,
wahrscheinlich dem Zelleiweiß. Außer diesen Aschebestandteilen der
Gewebe finden sich Mineralstofl'e in der die Gewebszellen umspülenden
Flüssigkeit: Blut und Gewebsflüssigkeit (Lymphe), aber in diesen
Flüssigkeiten befindet sich der größere Teil der Mineralstofle in ein-
facher Lösung, der kleinere in festerer Bindung. Der einfach gelöste
Anteil wird verhältnismäßig schnell durch Nieren und Darm ausge-
schieden und durch die aus der Nahrung in die Säfte übergehenden
Mineralstofle wieder ersetzt, während jene Gewebsmineralien erst beim
Zerfall oder Abschmelzen des Organisierten frei werden, in den Säfte-
strom geraten und, wofern kein Bedarf an ihnen vorhanden ist, eben-
falls den Ausscheidungsorganen überantwortet werden.
Ferner hat schon Liebig erwiesen, daß in allen tierischen Ge-
weben und Säften gewisse Mineralstofle, wie Natron, Kali, Kalk, Mag-
nesia, Eisen in Verbindung mit Chlor und Phosphorsäure, ausnahmslos
sich auffinden lassen. Nur in Bezug auf die Menge und Verteilung dieser
einzelnen Stoffe bestehen gewisse Diff"erenzen, die sich indes der Haupt-
sache nach dahin zusammenfassen lassen, daß in den Flüssigkeiten des
Körpers (Blutplasma, Lymphe, Magensaft, Bauchspeichel, Harn und
Schweiß) die Verbindung des Natron mit Chlor, Chlornatrium oder
Kochsalz bei weitem überwiegt über die Verbindungen des Kali und
der Erden (Kalk, Magnesiaj mit der Phosphorsäure, sog. Kaliumphosphat
und Erdphosphate (Kalk-, Magnesiumphosphat), dagegen in den Ge-
weben (Blutkörperchen, Muskel, Leber, Milch u. a.) die an Phosphor-
26
EinzelorDäbruDg und MasscneroähruDg. 27
säure gebundenen Kali- und selbst Erdsalze bei weitem überwiegen das
nur spärlich uiizutretlcnde Chlornatriuni (bez. Chlorkiiliuni). Nur in den
Knochen tindeii sich fast ausschließlich Krdsalze, hauptsachlich Kalk-
phüsj)hat und wenig Magnesiuniphosphat, daneben etwas Erdkarbonat
und Kluorcalciuin.
Wahrend aber die Weichteile des Körpers einen Aschengehalt von
nur ^/^ — l'/s Proz. besitzen, schließen die Knorpel 7 Proz., die Knochen
(im feuchten Zustande) sogar 54—37 Proz. Mineralstoffe ein. Von der
Gesamtasche des menschlichen Körpers, die sich auf etwa 4^, ., Proz.
veranschlagen labt und beim Erwachsenen von 70 kg rund Ü'/ö ^g be-
trägt, entfallen auf die Knochen (inkl. Knorpel) reichlich volle ^/^ des
Aschebestandes oder rund 2,7 kg Asche, sodaß auf die übrigen Teile,
welche absolut 8G Proz. des Körpergewichtes ausmachen, allesamt nur
Ve des Aschebestandes oder rund ',„ kg Asche kommt.
Die Bedeutung der M i n e r a 1 s t o f f e für den Körper läßt sich
schon aus vorstehenden Verhältnissen und aus den physiologischen Be-
dingungen ihrer Ausscheidung erschließen. Fest steht, daß, trotz der
Zähigkeit, mit welcher der Körper seinen Miueralbestand zu wahren
strebt, auch beim Hunger, und wenn keine Mineralsalze mit der Nah-
rung gegeben werden, dauernd Kochsalz, Alkali- und Erdphosphate, so-
wie Spuren von Eisen durch den Harn, Erdphosphate und wenig Eisen-
salze auch durch den Kot zur Ausscheidung gelangen. Infolgedessen
laugt sich, wofern diese Stoffe aus der Nahrung nicht ersetzt werden,
der Körper stetig jene Mineralsalze durch den Harn aus, und wenn der
Mineralbestand des Körpers unter eine gewisse Grenze gesunken ist,
dann geht der Mensch zu Grunde, auch wenn alle sonstigen Nährstoffe
(Eiweiß, Fett, Wasser) in genügender Menge geboten werden. In einem
solchen Versuche Forster's^ am Hunde, wobei die Zufuhr von Mine-
ralstotfen bis auf sehr geringe Mengen reduziert war, traten schon in
der 3. Woche Störungen seitens des Nervensystems auf, zum Zeichen,
daß dies gegen die Salzentziehung am empfindlichsten ist, und in der
4. Woche Verdauungsstörungen, zugleich mit sichtlichem körperlichen
und geistigen Verfall, obwohl während der ganzen Dauer der mineral-
armen Fütterung nur etwa 40 g von dem auf 1500 g zu veranschlagen-
den Gesamtbestande au Mineralsalzen zu Verlust gegangen waren. Da-
nach scheint schon nach 4 Wochen ein Erwachsener bei sonst den Be-
darf deckender Ernährung zu Grunde zu gehen, wofern die Zufuhr von
Mineralstotfen nur unter eine gewisse untere Grenze sinkt. Soll daher
der Aschebestand gewahrt werden, so bedarf es stetig der Zufuhr von
Kochsalz, Kalium-, Calcium- und Magnesiumphosphat und etwas Eisen,
und diese für den Körper unentbehrlichen Mineralien bezeichnet man
daher als N ä h r s a 1 z e.
Beim Hunger und raineralarmer Ernährung sinkt, dank der festeren
Bindung des größeren Teiles der Mineralsalze in den Geweben, die Aus-
scheidung von Salzen durch den Harn (und Kot) schon nach wenigen
Tagen auf einen immer geringeren Wert ab; die nunmehr zur Aus-
scheidung gelangenden Salze sind fast ausschließlich solche, welche zur
Konstitution der Gewebe gehören und, bei dem Abschmelzen des Organ-
eiweißes (und Organfettes) frei geworden, der Ausscheidung durch Nieren
(und Darm) verfallen. Werden dann wiederum Mineralsalze mit der
Nahrung gegeben, so halten die Gewebe und das Blut zunächst einen
recht beträchtlichen Bruchteil, günstigen Falles bis zu 9> Proz., der
Salze zurück, um auf ihren ifrüheren Miueralgehalt zu gelangen, und
28 - IMMANUEL MINK.
erst iiacbdem die Gewebe und Säfte ilireii liestaiid an Salzen ergänzt
haben, erfolgt nunmehr die Ausscheidung entsprechend der Salzeinfuhr ^.
Steht es danach fest, dal> der Kiirper der steten Zufuhr der Nähr-
salze bedarf, so wissen wir doch nichts über die Menge, in welcher jede
einzelne Mineralverbindung geboten werden muß, wenn der Bedarf ge-
deckt werden soll, sodalJ der Organismus von seinen Mineralstoffen nichts
einzubüßen braucht. Groß können jedenfalls die erforderlichen Mineral-
niengen nicht sein, ist ja doch auch die Ausscheidung an Salzen nicht
beträchtlich, insofern sie für die späteren Hungertage rund 4 g pro
Tag beträgt. Vom wissenschaftlichen Standpunkte wäre es von größtem
Interesse, die Bedarfsgröße des Körpers au jedem einzelneu Salze zu
kennen. Für die Praxis und Hygiene der Ernährung fällt indes glück-
licherweise dieser Mangel unseres Wissens durchaus nicht ins Gewicht,
insofern tausendfältige Erfahrung lehrt, daß die aus Nahrungsmitteln
des Pflanzen- und Tierreiches zusammengesetzte, sog. gemischte Kost
des Menschen, welche deu Bedarf an Eiweiß und Fett
deckt, in der Regel auch genügend Mineralstoffe bietet,
häufig sogar einen Ueberschuß daran. Außer der Nahrung führt auch
das Trinkwasser dem Körper Mineralverbinduugen, hauptsächlich kohlen-
sauren Kalk (etwa zu 0,04 Proz.) und etwas Magnesia zu.
Nur in Bezug auf e i n Salz scheinen die tierischen und pflanzlichen
Nahrungsmittel nicht genügend zu bieten, nämlich Kochsalz. Koch-
salz ist der quantitativ überwiegende Mineralbestandteil aller tierischen
Flüssigkeiten : Blutserum, Lymphe, Verdauungssäfte u. s. w., die davon
etwa ^4 Proz. enthalten. Auch in den späteren Hungertagen treten
noch 0,3 g NaCl täglich mit dem Harn heraus. Aus dem NaCl der
Ernährungsflüssigkeit bildet sich durch die Thätigkeit der Drüsenzellen
des Magens die Salzsäure, welche einen, für die Pepsinverdauung un-
entbehrlichen Bestandteil des Magensaftes abgiebt. Der civihsierte
Mensch begnügt sich in der Regel nicht mit dem in den Nahrungs-
mitteln präformiert enthaltenen NaCl, vielmehr fügt er NaCl noch mehr
oder weniger reichlich den Speisen zu. Das Bedürfnis nach Kochsalz
erscheint instinktiv, und wo es nicht befriedigt werden kann, bricht es
gelegentlich mit elementarer Gewalt hervor. Um so berechtigter ist die
Frage, ob die besondere Aufnahme von NaCl — außer dem in den Nah-
rungsmitteln präformierten NaCl — einem notwendigen stofflichen Be-
dürfnis entspricht. Statistische Zusammenstellungen lehren, daß der
Genuß des Kochsalzes so verbreitet ist, daß auf den Kopf der Be-
völkerung pro Tag etwa 20 g NaCl kommen. Während nun Liebig
mit großer Emphase die Notwendigkeit des NaCl-Genusses für den
Menschen verfochten und deshalb jede Besteuerung dieses unentbehr-
lichen Nährsalzes als ungerecht und widersinnig verworfen hat*), ist
man mehr und mehr zur Ueberzeugung gelangt, daß zur Befriedigung
des materiellen Bedarfes nur geringe Mengen von NaCl, etwa 2 g für
den Erwachsenen im Tag, erforderlich sind, und daß alles NaCl, was
über diesen absolut notwendigen Bedarf genossen Avird, nur den Wert
eine.s Würzstoffes hat, dazu bestimmt, den Speisen den bei uns beliebten,
leicht salzigen, pikanten Geschmack zu erteilen, der uns die Speiseauf-
*) „Die Salzsteuer ist die häßlichste, den Verstand des Mensehen entehrende und
unnatürlichste aller Steuern auf dem Kontinente ; man sieht, daß sich im Instinkt eines
Schafes oder Ochsen mehr Weisheit kundgiebt, als in den Anordnungen des Geschöpfes,
■welches seltsamer Weise häufig genug sich als Ebenbild des Inbegriffes alier Güte und
Vernunft betrachtet". (Liebig, Chemische Briefe, 2. Bd , 31. Brief, 4. Aufl., S. 123.)
28
EiQzclernäbruog und Massenornäbrung. 29
nähme erleichtert, den Appetit anregt uiul vielleicht auch die Verdau-
ung und Aufsaui^ung der NahrungsstotVe fördert; \vir konnuen auf diesen
Punkt noch gelegentlich der Würz- und üenubstotle zurück. Ist somit
vom Kochsalz als Niihrsalz nur wenig (2 g) für den Köri)er dringend
erforderlich, so hat doch der GenuB weit größerer NaCl-Mengen so
günstige Folgen für die Hefrieiiigung des Geschmackes, für die Förde-
rung des Appetites und damit der reicidicheren Nahrungsaufnahme, so-
wie endlich für die Anregung der Abscheidung der Venlauungssafte,
somit für die Förderung der Ernährung, dalÄ man keinen (Irund hat,
der Einschränkung des Salzgenusses das Wort zu reden. Am ehesten
noch könnte es bei ausschlieLUichem Fleischgenuß zu einem Kochsalz-
mangel kommen, weil das Fleisch nach Bunge* nur 0,07 Proz. NaCl
enthalt und somit 2 kg davon gegessen werden müßten, nur um den
notwendigen NaCl-Bedarf zu decken. Allein es giebt gerade fast aus-
schließlich von Fleisch lebende Völkerstämme, die sich dabei trotzdem
des NaCl-Genusses enthalten , so die Samojeden, Tungusen, Ostjacken
u. a., ohne daß bisher bei ihnen Störungen des Wohlbetindeus, welche
auf den NaCl-Mangel sich deuten ließen, bekannt geworden sind. End-
lich nimmt der Säugling während des ganzen ersten Lebensjahres nur
0,0 — 0,*J g NaCl mit der Mutter- oder Kuhmilch auf und bestreitet damit
nicht nur seine Ausgaben, sondern erspart noch NaCl zum Ansatz und
Wachstum der Gewebe und Organe.
Ist auch keine Störung bekannt, die mit Recht auf Mangel an
Kochsalz in der Nahrung zu beziehen wäre, so hat man doch vielfach
auf den Maugel an Kalisalzen in der Nahrung den Skor-
but zurückgeführt. Thatsächlich tritt der Skorbut nicht selten auf bei
fortgesetztem Genuß von Salz- oder Pökelfleisch und gleichzeitiger Ent-
behrung frischer Pflanzenkost (Gemüse, Kartofleln). Nun enthalt aller-
dings das Salzfleisch sehr viel weniger Kali als das frische Fleisch,
insofern die Salzlake viel Kaliveri)indungen ausgelaugt, dafür aber
reichlich Kochsalz hinzugegeben hat. Dazu kommt noch, daß, gleich-
wie nach Bunge ^ eingeführte Kalisalze dem Körper Natriumver-
bindungen entziehen, umgekehrt überreichliche Kochsalzzufuhr eine Ab-
gabe von Kalisalzen seitens des Körpers zur Folge haben kann. So
würde es zu verstehen sein . wieso Salzfleisch einerseits wenig Kali
dem Körper zuführt, andererseits durch das Kochsalz das Kali aus
dem Körper verdrängt, sodaß eine Kaliverarmung der Gewebe und des
Blutes eintritt. Allein zweifellos kommen auch Fälle von Skorbut vor,
wo weder ein Kalimaugel noch gesteigerte Kaliabgabe vorliegt, wo
frisches Fleisch und grünes Gemüse reichlich zur Verfügung stand, so
einige Epidemien in Kasernen (Rastatt, Ingolstadt u. a.''), ferner ein-
zelne Gefängnisei^idemien, die ungeachtet der vorwiegend vegetabilischen,
kalireichen Nahrung zum Ausbruch gekommen sind. Zudem liegen
einzelne Beobachtungen vor, in denen auf Beigabe von Fett zur fett-
armen Gefängniskost eine entschiedene Besserung eingetreten ist, sodaß
die Vermutung nicht unbegründet scheint, daß auch durch einseitige
fettarme Kost" im Verein mit hygienisch - ungünstigen Verhältni.ssen
(kalte, feuchte Kasernenräume oder Gefängniszellen, einförmige Kost)
der Skorbut hervorgerufen oder wenigstens sein Auftreten vorbereitet
werden kann.
Bleibt sonach bei dem an sich geringen Bedarf des Erwachsenen
an Mineralstort"en und dem genügend reichlichen Vorkommen von Salzen
in den Nahrungsmitteln ein Salzmangel kaum je zu befürchten, so
29
30 IMMANUEL MUXK,
braiiclite dasselbe sclioii a priori für den w a c h s e n d c ii O r g a ni s m u s
nicht /uzutrett'en. liier liandelt es sieh iiiclit nur um Ersatz der (durch
Harn und Kot) ausgeschiedenen Mineralverbindungen, vielmehr um Auf-
speicherung derjenigen ISalze, welche in die Konstituti«m der durch
Gewebsansatz >Yachsenden Organe eingehen. Da das Kind im ersten
Jahre um 5—6 kg zunimmt und an diesem Wachstum das Knochen-
system mit 800—850 g beteiligt ist, so bedarf es dafür rund 280 g
Kalki)hosi)hat oder 150 g Kalk, sodalS allein für das Knochenwachstum
pro Tag 0,4 g Kalk mehr, als der Ausscheidung entspricht, zur Ver-
fügung stehen müssen. Noch stärker als das Skelett wächst das Muskel-
system ; für den Ansatz des MuskelHeisches bedarf es hauptsächlich
des Kaliumphosi)hates. Auch die lilutmenge nimmt beträchtlich zu;
für den Aufbau der roten Blutkörperchen bedarf es des Eisens, eben-
falls erheblich reichlicher als beim Erwachsenen. Dasselbe gilt für die
ganze Dauer des Körperwachstums, also bis gegen das 18. Lebensjahr,
nur daß weiterhin die Energie des Wachstums abnimmt.
Bei diesem viel größeren Bedarf an Mineralstotfen im wachsenden
Alter könnte, sollte man meinen , viel häufiger, als beim Erwachsenen,
ein Mangel an M i n e r a 1 s t o f f e n eintreten und zu pathologischen
Folgen führen. In der That gilt eine Knochenkrankheit, die bei Kin-
dern der ersten Lebensjahre auftritt, die Rhachitis oder englische
Krankheit, als Folge des Kalkmangels in der Nahrung, um so
mehr als in Versuchen von Haubner, E. Voit^ u. a. an rasch
wachsenden Hunden durch Verabreichung kalkarmen Futters Rhachitis
sich künstlich hat erzeugen lassen, d. h. eine Erkrankung der Knochen,
wobei dieselben zwar wachsen, aber mangels genügender Ablagerung
von Erdsalzen so weich bleiben, daß durch die Muskelbewegungen
grobe Verbiegungen, ja sogar Einknickungen entstehen. Bei unzweck-
mäßiger künstlicher Autiiitterung mit Mehlbrei oder Milchmehlsuppen
kann leicht der Fall eintreten, daß der für das rasch wachsende Knochen-
system erforderliche Bedarf von 0,4 g Kalk in resorbierbarer Form
nicht gedeckt wird, sodaß Kalkmangel sich einstellt. Gegen diese Theorie
der Entstehung der Rhachitis hat man allerdings eingewendet, daß auch
bei mit Kuhmilch ernährten Kindern die Rhachitis eintritt, obwohl doch
die Kuhmilch reichlich Kalk (im Liter etwa 1,5 g, davon allermindestens
0,5 g resorbierbar '•') bietet. Allein wenn auch die Milch an sich eine
für das gesunde Kind dem Bedarf genügende Menge Kalk liefert, braucht
dies nicht mehr der Fall zu sein, sobald eine Verdauungsstörung (Dys-
pepsie) vorliegt. In letzterem Fall kann die Absonderung der Salzsäure
seitens der Magendrüsen leiden^", sodaß die Kalkresorption beeinträch-
tigt wird, insofern phosphorsaurer Kalk, in w^elcher Form sich über-
wiegend der Kalk in der Milch und in anderen Nahrungsmitteln findet,
nur bei saurer Reaktion in Lösung geht; andererseits kann eine zu
rasche Fortbewegung des Speisebreies durch den Darm den an sich schwer
verdaulichen Kalk der Aufsaugung mehr oder weniger entziehen. Wie
dem auch sei, ist nicht sowohl die mangelnde Kalkzufuhr, als vielmehr
die ungenügende Ausnützung und Verwertung des an sich ausreichend
zugeführten Kalkes als Ursache der Rhachitis zu beschuldigen.
Wird das für das Wachstum des Muskelsystems benötigte Kalium-
phosphat in ungenügender Menge verabreicht, wie dies in Kemme-
rich's*^ Versuchen an jungen Hunden durch Fütterung mit ausge-
laugtem Fleischmehl geschehen ist, so bleibt die Muskulatur in ihrer
Entwickelung zurück.
30
EiDzelernährung und Massenernähniug. 31
Endlich hat v. Ilocsslin ' - ebenfalls an jungen, rasch wachsen-
den Hunden dargethan, daB, wenn sie nur so wenig Eisen (4 — 6 nag
pro Tag) erhalten, als für erwachsene Tiere sich als ausreichend er-
wiesen hat, zwar das Wachstum fortschreitet, aber das lilut an Inten-
sität der roten Earbe einljübt, blasser wird, indem der relative Gehalt
des Blutes an dem cisenführenden Earbstofl, dem Hämoglobin, abnimmt,
ein Zustand, welcher der Chlorose (Bleichsucht) des Menschen annähernd
entspricht.
1) J. V. Liebig, L>ie organische Chemie in ihrer Antrevdvny avf Agrihnltur u. Physiologie,
Jlraumchtrtuj 1840. 9. Avji. 1876; Chemische Briefe, 4. Axijl. 1869, 31. u. 33. Brief.
•J) Förster. Z. f. Biol. 9. Bd. 297.
3) I Mnnk. Jierl. klin. Uoch. (1887) 431; Virch. Anh. 131. Bd. Svppl. 146 jf; Luciani,
Da» Hungern (1890) 172/.
4) G. Bunge. Z. f phijsiol Chem. 9. Bd. 60.
6) Derselbe, Z. /. Biol. 9. Bd. 104. \0. Bd 111.
6) ImmermRnn, in Ziemsstn's Ilandb. d. spez. Palh. 13. Bd. 2. T. 571.
7) Vergl Förster, in Petlenko/er's Ilandb d. Ilyg. (1882) 1. Bd. 1. T. 68.
8) E Voit, Z. f. Biol. 16. Bd 62; A. Bagineky. A. f. Phys. (1881) 357.
9) Uffelmann, Deutsch. A. f klin. Med. (1881) 472.
10) Seemann. Virch. Arch. 77. Bd. 299.
11) Kemmerich. -I. /. d. ycs. Phyiiol. 2. Bd. 75.
12) H. V. Hoesslin, Z. J. Biol. 18. Bd. 612.
§ 3. Die Ei weiß Stoffe.
Unter den organischen Nahrungsstofl'en stehen die Eiweißkörper
obenan, bilden sie doch nächst dem Wasser die wichtigsten Bestandteile
des Körpers und sind doch an deren chemische Eigentümlichkeit der
leichten Spaltbarkeit und O.xydierbarkeit die Lebensvorgänge geknüpft.
Während das Eiweiß sich ebenso in den tierischen Elüssigkeiten
(außer Galle, Harn, Schweiß) wie in den Geweben findet, bewegt sich
das quantitative Vorkommen desselben in den verschiedenen Teilen
innerhalb weiter Grenzen. Am meisten , rund 20 Proz., enthält das
Blut, 18 — 19 Proz. die Muskeln, dann folgen Leber und Hühnerei mit
13 resp. 12 Proz., Gehirn mit 8-9 Proz., Milch mit 2—4 Proz.,
Lymphe mit 3^2 Proz. Der Gesamtbestand des Körpers an Eiweiß-
stoften ist rund auf 10 Proz. zu veranschlagen, sodaß der Erwachsene
von 70 kg etwa 7 kg Eiweiß besitzt ^ Daneben schließt der Körper
noch rund 6 Proz. stickstotfhaltige Bestandteile ein (Leimstoffe u. a.),
die nicht F.iweiß sind.
Da der Tierkörper nicht befähigt ist, das P'.iweiß aus den Elementen
oder, wie die Pflanze, aus Mineralverbindungen (Ammoniak, Aniide,
Nitrate und Sulfate), noch endlich aus sonstigen N-haltigen Verbindungen
und organischen Substanzen synthetisch aufzubauen, muß zum Ersatz
des während des Lebens stetig erfolgenden Verbrauches von Eiweiß-
stoffen des Körpers entweder ])tlanzliches Eiweiß oder das aus diesem
im Körper der großen Pflanzenfresser umgebildete Eleischeiweiß aufge-
nommen werden. Das Nahruiigseiweiß dient also dazu, den Eiweißver-
lust vom Körper zu verhüten bezw. einen Eiweißansatz am Körper her-
beizuführen.
Im Gegensatz zu dem reichlichen Vorkommen von Eiweiß in
tierischen Teilen enthalten die pflanzlichen Mittel das Eiweiß
spärlicher, ausgenommen die eiweißreichen Hülsenfrüchte (Erbsen, Bohnen
und Linsen) mit 21—25 Proz. Eiweiß. Die Getreide- oder Brotfrüchte
3'
32fJ IMMANUEL MUXK.
(Weizon, Koggen, Mais) euthiilten 10 — ll' Proz., der Reis 7 Proz., die
Kartoffeln nur 1' , Proz., die grünen Gemüse und Kräuter zuweilen
noch unter 1 Proz. Eiweiß.
Aus den Verhältnissen des Stoffverbrauclies bei ausschließlicher
Kiweißzufuhr (S. 8) wissen wir bereits, daß, um bei Eiweißniihrung die
Kiweißabgiibe vom Kiirper zu verhüten, also auf ,, Stickstoffgleichgewicht"
zu gelangen, 2^^— ömal so viel Nahrungseiweiß erforderlich ist, als der
Köri>er im Huugerzustande verbraucht. Und zwar ist, je größer und
schwerer das Individuum, je größer also die Eiweißmasse seines
Körpers, desto mehr Nahrungseiweiß erforderlich. Ist bei gleichem
Körpergewicht das Individuum fettreich, so ist seine Eiweißmasse ent-
sprechend kleiner und dem entsprechend auch der Eiweißverbrauch.
Auch der Fett Verlust vom Körper kann durch Eiweiß-
g e n u ß beschränkt resp. verhütet werden, doch leisten in dieser
Hinsicht erst 22 T. Eiweiß so viel als 10 T. Fett (S. 9). Soll daher
sowohl der Eiweiß- als der P^ettbestaud gewahrt werden, so bedarf es
dazu so großer Eiweißmengen, wie sie der Darm eben noch, aber wahr-
scheinlich nicht für die Dauer zu bewältigen mag. Deshalb ist reine
Eiweißkost d. h. Fleischkost zwar theoretisch möglich, aber praktisch
weder durchführbar noch hygienisch empfehlenswert, weil dabei die Ver-
dauungsorgane nur einseitig in Anspruch genommen, zugleich aber durch
die große Masse des zu verwertenden luweißes überlastet werden, so-
dann auch die Nieren zum Zweck der Ausscheidung der aus dem zer-
setzten Eiweiß gebildeten, außerordentlich großen Menge von Harnstoff,
Harnsäure, Kreatinin u. a. andauernd übermäßig thätig sein müssen.
Alle diese Uebelstäude fallen fort, wenn man neben Eiweiß noch sog.
Sparmittel, wie Leimstoffe, Fette, Kohlehydrate, giebt. Der Zusatz dieser
Nährstoffe zum Eiweiß hat zur Folge, daß nunmehr mit Eiweißmengen,
die nur die Hälfte oder gar nur ein Drittel betragen von derjenigen,
welche bei ausschließlichem Eiweißgenuß Stickstoft'gleichgewicht bewirkt
hat, ja äußerstenfalls noch unter der Größe des Eiweißverbrauches beim
Hunger liegen können, der Eiweißbedarf gedeckt, d. h. die Eiweißabgabe
vom Körper verhütet wird. Aber wenn auch durch diese Sparmittel
der Eiweißverbrauch beschränkt wird, so kann er dadurch nicht aufge-
hoben werden; zur Verhütung des Verlustes von Körper-
eiweiß bedarf es stets, wie groß auch die tägliche Gabe der Spar-
mittel sein möge, auch wenn man damit bis an die Grenze der Lei-
stungsfähigkeit der Verdauungsorgane hinaufsteigt, der Zufuhr von
Nahrungseiweiß. Ebenso kann Ansatz von Eiweiß am
Körper nur aus dem Nahrungseiweiß erfolgen, nur daß
bei gleichzeitiger Einführung der Sparmittel, indem durch diese der
Eiweißverbrauch beschränkt wird, schon Eiweißansatz eintritt bei Mengen
von Nahrungseiweiß, die ohne die Sparmittel noch nicht Stickstoffgleich-
gewicht, also Verhütung des Eiweißverlustes vom Körper bewirkt hätten.
Diejenige Menge von Nahrungseiweiß, die neben noch so großen Gaben
der Sparmittel gegeben werden muß, wenn der Körper auf seinem Ei-
weißbestande verharren soll, scheint für den erwachsenen Menschen für
die Dauer nicht unter 80 g absinken zu dürfen. Auf diese Frage nach
dem sog. Eiweißminimum kommen wir noch bei der Feststellung des
Kostmaßes zurück.
Je nach den in Bezug auf Lösung und Fällung verschiedenen
Eigenschaften teilt die Chemie - die Eiweißkörper des Tier- und Pflanzen-
reiches in verschiedene Gruppen : Albumine, Globuline, Albuminate,
32
Einzelernäbrung und Massenernährung. 33
Nukleoalbuniinc, Albuniosen, reptone, koagulierte Albuiuinstoffe. Inso-
weit dieselben im Daruikanal gelöst werden und in die Silfteinasse über-
treten, üben alle diese verscliiedenen Gruppen, und zwar ob sie tierischen
oder ptian/.lichen Ursprunges sind ^, in äquivalenter Menge, d. li. auf
gleichen Stickstotigeluilt bezogen, die niunliche stoliliche Wirkung. Die
/.eilen der Gewel)e und Organe müssen otVenbar die Fähigkeit besitzen,
<las ihnen mit der Erniihrungstlüssigkeit zugetragene Kiweiü bald in
diese, bald in jene Moditikation überzuführen, bilden sich doch aus den;
Ei der Säugetiere, das, soweit bekannt, nur eine Eiweiliart (Vitellin,
«in Nukleoalbumin) enthalt, bei der Entwickelung des Embryo die ver-
schiedenen Moditikationen aus, die wir in den Geweben und Flüssig-
keiten des Tierkörpers finden. Ebenso enthält die Milch, die aus-
schliebliclie Nahrung des Säuglings, nur zwei EiweiBarten, und aus diesen
beiden gehen alle übrigen Eiweißmodifikationen hervor, welche im wach-
senden Körper sich ablagern.
Die Eiweißstofi'e sind endlich auch das Bildungsmaterial für daraus
hervorgehende Abkömmlinge, sog. Albuminoide *, welche die che-
mische Grundlage besonderer Gewebe vorstellen und sich in ihren physi-
kalischen und chemischen Eigenschaften mehr oder weniger stark vom
Eiweiß unterscheiden, so die koUagene oder leimgebende Substanz, die
organische Grundsubstanz des Bindegewebes, der Sehnen, des Knochens
und Knorpels, so das Elastin, die Grundsubstanz des elastischen Ge-
webes, so Mucin, die Grundsubstanz des Schleimgewebes, so endlich
Keratin, die Grundsubstauz der Horngewebe (Oberhaut, Haare, Nägel).
Auch diese Gewebe fallen, die einen schneller, die anderen langsamer,
teils der mechanischen Abreibung, teils dem Abschmelzen anheim, dabei
werden die charakteristischen Grundstott'e frei und als solche oder, so-
weit sie durch die spaltenden und oxydierenden Kräfte des Organismus
iingreifl)ar sind, in Form von Umsetzungsprodukten durch die Haut,
durch Harn oder Kot ausgeschieden. Gleichwie diese Albuminoide sich
AUS dem Eiweiß bilden, so bedarf es zu ihrem Wiederersatz nur des
Eiweißes.
1) E. Bischoflf. Z. f. rat. Med. (3) 20. BJ. 115; C. Voit, in Uermann't Handb. d. Phys.
6. Bd. 1. T. (188n 38S.
2) Jlierithtr vergl die Ijfhr- u. Handbücher der Physiologiichen Chemie von Hoppe-Seyler,
0. Bange, Hammarsten u. a
3i l'eber die pfianzluhtn Eiirgifakörper vergl. Ritthaasen, Die Eiireifskurper der Getreide-
arttn, Hiilsenfriirhte und Odsamen. Bonn (1872) 234; Th Weyl, Z f. phj/siol. Chem.
1. Bd 99. — Jm übrigen iH auf die S. 10 angezogene JAUeratur zu verweisen.
§ 4. Die Leimstoffe.
Nur in tierischen Mitteln finden sich leimgebende Substanzen, nie-
mals im rfianzenreiche. Im Tierkörper bildet das leimgebende Gewebe,
das beim Kochen mit Wasser sich zu dem, in der Hitze flüssigen, beim
Erkalten gallertig erstarrenden Leim löst, die Grundsubstanz des
überall verl»reiteten Bindegewebes, der Sehnen, der Knochen und Knor-
])eln. Die Knochen und Knorpeln enthalten, neben wenig Eiweiß, fast
nur leimgebende Substanz, bis zu 20 Proz. des feuchten Organs, noch
mehr, bis zu 21 Proz. die Haut und die Lungen, dagegen die Muskeln
nur etwa 2 Proz. (neben fast 9mal so viel Eiweiß). Der Gesamtbestand
Handbuch d>r \\y%\env. VA. III. Ahtig. 1. H
33
34 IMMANTKI, Ml'NK.
des mensclilichen Körpers von rund 70 kg an Leinistoffen wird von
V 0 i t * auf 6 Proz. des Körpergewichtes veranschlagt.
Die tleischhaltige Kost des Mensdien enthält infolge der Gegen-
wart von leimgebendem Gewebe, das beim Kochen mit Wasser in Leim
übergeht, etwa Vio <^^s Fleischstickstolfes in Form von Leimstoöen.
Ebenso enthält die Fleischbrühe Leim, noch reichlicher, wenn Sehnen,
Knorpel und Knochen mit zur Bouillonbereitung verwendet werden. Die
Leimstotfe gelangen im Darm des gesunden Menschen vollständig zur
Verwertung; auch nach relativ großen Gaben findet sich nichts davon
im Kot.
Die Bedeutung des Leims als Nährstoff läßt sich aus dem, was oben
(S. 10) über den Stoffverbrauch bei Zufuhr von Leimstoffen berichtet
worden ist, ableiten. Der bis zu den höchsten Gaben hinauf im Tier-
körper schnell, unter Bildung von Harnstoff, zerfallende Leim vermag
durch seine Zersetzung sowohl den Eiweiß- als den Fettverbrauch be-
trächtlich zu beschränken, derart, daß 100 g Leim imstande sind, 36 g
Eiweiß und 25 g Fett zu ersparen. Die Leimstoffe sind demnach sehr
wertvolle Sparmittel, sie vermögen eine gewisse Menge Körper- oder
Nahrungseiweiß bezw. Fett zu vertreten, nicht aber das Nahrungs- oder
Körpereiweiß bezw. Fett zu ersetzen oder gar Eiweiß bezw. Fett zum
Ansatz am Körper zu bringen.
Selbst in einer überwiegend aus Fleisch zusammengesetzten und
uur wenig pflanzliche Nahrungsmittel bietenden Kost des Menschen
findet sich höchstens Vjo — ^'g ^^s Stickstoffs in Form von Leim und
in dieser mäßigen Menge neben reichlichem Eiweiß ist der Leim dem
Eiweiß stofflich gleichwertig. Sehr reich an Leimstoffen ist Kalbskopf,
nach französischer Art zubereitet (en tortue), und die an Haut und
Sehnen reichen Schweinefüße, sog. Eisbeine. Auch die aus Sehneu, Knor-
peln und Knochen hergestellten sog. Knocbenlcimsuppen haben vor sog.
Wassersuppen den Vorzug, Leimstofle aus diesen sonst für die Ernäh-
rung nicht verwerteten 1 eilen dem Körper zuzuführen und so für das
in der Ernährung des armen Volkes zumeist nur spärlich gebotene Ei-
weiß sparend einzutreten.
Da die Leim Stoffe im Körper schnell zerfallen, ist nicht daran zu
denken, daß aus ihnen sich die leimgebenden Gewebe bilden. In der
That fehlt die leimgebende Substanz sowohl dem tierischen Ei, und doch
bildet sich leimgebendes Gewebe bei der Entwickelung des P'mbryo, als
auch in der Milch, und doch gelangt beim Wachstum des Säuglings leim-
gebendes Gewebe zum Ansatz, endlich fehlt sie auch im Pflanzenfutter,
und doch lagert sich im Körper des Pflanzenfressers leimgebendes Ge-
webe ab. Im Einklang damit steht, daß, wie schon (S. 33) bemerkt,
sich aus dem Eiweiß auf dem Wege uns noch unbekannter chemischer
Prozesse die leimgebende Substanz bildet, daher zum Zweck der Neu-
bildung der stetig abschmelzenden leimgebenden Gewebe es nur der Zu-
fuhr von Eiweiß bedarf.
Anhang. Sonstige stickstoffhaltige Substanzen. Im
Körper wie in den Nahrungsmitteln finden sich weit verbreitet die
Nu kleine^, der chemische Grundstoff der Zellkerne. Da dieselben
weder durch die Verdauungssäfte gelöst werden noch aus dem Darm
in die Säfte übertreten, vielmehr mit dem Kot zur Ausstoßung gelangen,
sind sie als Nährstoffe nicht anzusehen.
34
Einzelernährung und Massenernährung. 35
Von den ainidartij^en Verbindungen kann allenfalls das Aspa-
ragin^, das Aniid der Annd()l)ernsteinsaure, das im Körper in Harn-
stoff übergeht, wegen seiner reichlichen Verbreitung in Ptianzenstoffen
(Getreidekürner, Hülsenfrüchte, NVurzelknolien ; so bildet es in den Kar-
toffeln bis zu 40 Proz. der stickstoffhaltigen Substanz) in Betracht
kommen. Da es indes beim Carni- und Onmivoren kein Eiweiß er-
spart, kommt ihm wohl auch für den Menschen kaum die Bedeutung
eines Nährstoffs zu, es sei denn, daß es in etwas den Fettverbrauch
beschränkt, was erst noch zu erweisen wäre.
Fleisch enthält bis zu 0,15 Proz. K r e a t i n *), das Amid der Methyl-
guanidinessigsäure. In den Körper eingeführt, geht es zumeist in das
Anhydrid, Kreatinin über, das mit dem Harn austritt. Eine Bedeutung
als Nährstoff besitzt das Kreatin nicht, ebensowenig wohl die im Fleisch
vorkommenden basischen Körper: Xanthin, Hypoxanthin u. a., welche
ebenfalls, wie es scheint, durch den Harn ausgeschieden werden.
Au/itr der oben hei der itoff liehen ^^'irhung des Leims {S. 10) angezogenen Litteratur :
1) C. Voit, in (L. Hermanns) Uandb. d. Fhysiol. 6. Bd. 1. T. 388.
2) Bökay. Z. /. physiol. Chem. 1. Bd. 157.
3) I. Munk, Virch. Arch. 94. Bd. 436, 98. Bd. 364; Voit und Politis, Münchner akad.
Sitz-J:er. (1883) 401; Z. f. Biol. 28. Bd. 492; Mauthner. ebenda 507.
4) C. Voit, Z f. Biol. 4. Bd. 77.
§ 5. Die Fette.
Fettstoffe finden sich in der Pflanzen- und Tierwelt in reicher Ver-
breitung. Bezüglich ihres Vorkommens im Tierkörper ist als bemerkens-
wert hervorzuheben, daß, während die anderen hauptsächlichen chemi-
schen Baustoffe : Wasser, Mineralstoffe, Eiweiß und Leimstoffe, sowohl
in den einzelnen Organen wie in den Flüssigkeiten bei den verschiedenen
Individuen in annähernd gleichen Mengenverhältnissen enthalten sind,
das Fett der einzige Bestandteil ist, dessen absolute und relative Menge
selbst innerhalb der Breite der Gesundheit und des Wohlbefindens von
Individuum zu Individuum in weiten Grenzen schwankt. Nach den aller-
dings nur spärlich vorliegenden Bestimmungen * scheint die Gesamt-
menge des Fettes zwischen 9 und 20 Proz. zu betragen und kann auch,
ohne daß die Individuen schon fettleibig erscheinen, bis zu 28 Proz.
in die Höhe gehen. Bei Fettmast können 30—40 Proz. des Körper-
gewichtes aus Fett bestehen. Von dem gegenüber dem Gesamtbestande
verschwindenden Bruchteile, der sich in freier, nur mikroskopischer Ver-
teilung (Tröpfchen- und Staubform) in den Gewebszellen und in den
tierischen Flüssigkeiten findet, abgesehen, kommt das Fett als ein grob
erkennbares, wasserarmes (S. 24) Gewebe vor, dessen Zellen mehr oder
weniger prall mit Fett erfüllt sind, das Fettgewebe. Dieses ist zwar fast
über alle Körperteile verbreitet, bevorzugt aber für größere Anhäufungen
gewisse Prädilektionsorte, die sog. Fettdepots: das Unterhautzellge-
webe (auch Fettpolster der Haut genannt), das Fettgewebe in der Bauch-
höhle (z. B. um die Nieren und das Gekröse herum), und das die
Muskelschläuche zusammenhaltende Bindegewebe. Bei mittlerem Fett-
gehalt finden sich im Hautfettpolster bis zu 40 Proz., im Bauchhöhlen-
fett bis zu 30 Proz. und in den Muskeln bis zu 10 Proz. des Gesamt-
fettes. Hauptsächlich in den ersteren beiden lagert sich Fett ab, wenn
Fettansatz erfolgt, und aus beiden schwindet am ehesten das Fett, wenn
der Körper Fett verliert - .
35 "*
36 IM MANU KL MUNK.
Das Hautfettpolster schützt zunächst als Luft- oder Stoßkissen
mechanisch au denjenigen Stellen, wo die Haut einem Druck aus-
gesetzt ist (Fußsohle, Hohlhand, Sitzknorren, um die Gelenke herum),
sodann ist es vermöge seines schlechten Wärmel ei tun gs Ver-
mögens von Bedeutung für die Wärmeregulation, insofern, je dicker
das Fettpolster, um so mehr dadurch die Wärmeabgabe seitens der darunter
gelegenen Teile (Muskeln , Eingeweide u. a.) verhütet wird. Daher
frieren bei niederer Außentemperatur magere oder hagere Menschen
viel eher als fette. Damit hängt es auch zusammen, daß für die Be-
wohner der arktischen Zonen (Eskimos, Lappländer) die starke Ent-
wickeluug des Unterhautfettgewebes, nicht selten bis zur Verunstaltung
der Körperform, charakteristisch ist.
Die einzelnen Tierfette haben eine verschiedene Beschaffenheit oder
Konsistenz, von der man 3 Arten unterscheidet, die man als Oele,
Schmalze und Talge bezeichnet. Unter Oelen versteht man die
bei gewöhnlicher Temperatur flüssigen Fette (Lel)erfett, z. T. auch
Knochenfett), unter Schmalz die von butter- oder salbenartiger Kon-
sistenz (Milchfett, Schweinefett) und als Talg die festeren, schwerer
schmelzbaren (Rinder-, Hammelfett). Im allgemeinen ist das Fett des
Menschen, der Fleischfresser, Omnivoren und Vögel schraalzartig, das
von Wiederkäuern (Rind, Hammel) und Nagern (Hase, Kaninchen) talg-
artig. Bekanntlich wird die eigenartige Konsistenz der Tierfette, deren
jedes qualitativ dieselben Bestandteile : Olein, Palmitin und Stearin ent-
hält, durch das relative Mengenverhältnis dieser 3 Konstituentien be-
dingt, derart, daß je reicher der Gehalt an Olein , um so flüssiger, je
höher der Gehalt an Stearin, um so fester das resp. Fett, während die-
jenigen, in denen Olein und Palmitin überwiegen, schmalzartig sind.
Die pflanzlichen Fette sind meist flüssig (Oel) und enthalten zumeist
Olein und Palmitin. Die Fette sind die kohlenstoffreichsten Substanzen,
insofern sie ül)er ^/^ ihres Gewichtes (76,5 Proz.) Kohlenstoff ent-
halten » .
Die stoffliche Wirkung der Fette (S. 11) erklärt zugleich ihre große
Bedeutung als Nährstoffe. Der beim Hunger meistens dreimal
so reichliche Fett- als Eiweißverlust vom Körper kann, wie schon er-
örtert, sowohl durch Zufuhr von Eiweiß als von Fett als von Kohle-
hydrat verhütet werden, nur daß man hierfür vom Nahrungsfett am
wenigsten, von Eiweiß und Kohlehydrat mehr als das Doppelte braucht.
Während das Nahrungsfett gewissermaßen ohne Abzug für das sonst
der Zerstörung anheimfallende Körperfett eintritt, bedarf es für 100 T.
Fett schon 225 T. Eiweiß und gar 240 T. Kohlehydrat. Daher kann
durch Eiweiß sowohl dem P^iweiß- als dem Fettverlust vorgebeugt wer-
den, doch bedarf es dazu so kolossaler Eiweißmengen, wie sie der Darm
für die Dauer kaum zu bewältigen vermag, während bei einer Fettzu-
lage, die an sich dem Fettbedarf genügt, die Hälfte, ja zuweilen schon
ein Drittel des bei ausschließlichem Eiweißgenuß erforderlichen Eiweiß-
quantums ausreicht, derart, daß, wenn diese Eiweißmenge überschritten
wird, es schon zum Eiweißansatz am Körper kommt. Dagegen ist das
Nahrungsfett, allein gegeben, nicht befähigt, den Eiweißverlust vom
Körper zu verhüten.
Wird mehr Fett genossen, als dem Bedarf entspricht, so wird der
Ueberschuß am Körper abgelagert. Der Fettbedarf hängt einmal von
der Außentemperatur ab, insofern bei Kälte mehr Fett verbraucht wird
als bei Wärme (S. 14), sodann und hauptsächlich von dem Verhalten
36
EiiizelernäbruDg und Massenernäbrung. 37
der Muskeln, insofern deren Thätigkeit den Fettverbrauch mächtig an-
steigen macht, sodab die Fettzerstörung im Tag unter Umständen doppelt
so groß und darüber sein kann, als bei Muskelruhe (S. 15). Nimmt
daher ein körperlich arbeitender Mensch nur so viel Fett (neben ge-
nügendem Fiweili) zu sich, als dem Kuhebedarf entspricht, so muß er
Fett zusetzen, und wenn die Fettabgabe einige Zeit hindurch erfolgt
und damit der Körper au Fett verarmt ist, dann steigt auch der ¥A-
weißverbrauch, wahrscheinlich weil, ähnlich wie das Nahrungsfett, auch
das Fett am Körper den Fiweißumsatz beschränkt, und die so bewirkte
Eiweißersparnis in Fortfall kommt , wenn der Fettstand am Körper
unter eine gewisse Grenze gesunken ist.
Die Verdaulichkeit d. h. die Ausnutzung und Verwertung der Fette
im Darm * ist bei den öl- und salbenartigen Fetten größer als bei den
talgartigen ; so z. B. werden vom Schweinefett 98 Proz. ausgenutzt, vom
Hammelfett nur 90 Proz. Noch höher als der Talg, d. h. erst über
50" C. schmelzende Fette wie der Walrat werden vom Menschen nur
noch zu 10—15 Proz. verwertet. Ferner ist auf die Verwertung von
Eiutiuß der Umstand, ob das Fett noch von den Zellhüllen eingeschlossen
ist, wie im Fettgewebe, z. B. Speck, oder ob es frei d. h. durch Hitze
aus den Zellen befreit, „ausgelassen" ist. Während von 210 g Butter-
schmalz nur 2^2 Proz. Fett mit dem Kot ausgestoßen wurden, er-
schienen von 200 g Speck fast 8 Proz. im Kot wieder. In Gaben bis
zu 100 g pro Tag wird das Fett vom gesunden Menschen leicht ver-
daut, zumeist auch noch bei 150 g. Darüber hinaus wird Fett auch noch
aufgenommen, aber schwieriger und bei vielen Individuen nicht ohne
Beschwerden oder gar Verdauungsstörungen. Die obere Grenze für die
Fettaufnahme scheint um 300 g herum gelegen zu sein.
Die in den tierischen Fetten nur spärlich, etwas reichlicher in den
pflanzlichen Fetten präformierten festen Fettsäuren^ (Oel-, Pal-
mitin- und Stearinsäure), deren Menge durch die Kochtemperatur bei
der Zubereitung noch zunimmt, werden im Dünndarm durch den Bauch-
speichel aus den Fetten abgespalten. Als Nährstotie haben sie die
gleiche Bedeutung wie die Fette, insofern sie den Eiweißverbrauch be-
schränken und auch die Fettabgabe vom Körper verhüten können.
Werden gleichzeitig den Fettumsatz deckende Stotie, wie Eiweiß (Leim)
und Kohlehydrate, gegeben, so entgehen die Fettsäuren der Zerstörung
und können dann, durch synthetische Prozesse zu Neutralfett umgebildet,
als Fett zur Ablagerung kommen.
Bei dieser Abspaltung der Fettsäuren aus Fett wird Glycerin
frei, daher dieses aus den Fetts toöen im Darm entsteht. Ferner ent-
halten die gegorenen (alkoholischen) Getränke, wie Wein und Bier,
Glycerin, das als Nebenprodukt bei der geistigen Gärung des Zuckers
entsteht, in geringen Mengen (0,1 — 1 Proz., noch reichlicher verfälschte
Weine). Zwar kann das Glycerin den Eiweißumsatz nicht herabsetzen,
wohl aber den Fettverbrauch (S. 12), sodaß ihm eine gewisse Bedeutung
als Nährstoff nicht abzusprechen ist, obschon dieselbe bei den winzigen
Mengen, die davon in die Säfte gelangen, praktisch wohl nicht erheb-
lich ist.
Vergl. die bei der ttojflichtn Wirkung der Fette angexogene I.iUeratur (8. 12).
1) E. BUchoff. Z. f. rat. 3Ied. 20. Jid 75; A. W. Volkmann. Sachs, akad. Sitz.-Ber.
(18741 '.'OL'.
2) L. Pfeiffer. / /. Hm>1 23. hd. 340
3) E. Schulze und Beinecke, Aniud. Chem. 142. Ud. 191.
37
38 IMMANUEL Ml'NK.
4) I Munk, Vtrch. Arch. 80. Bd. 23, 95. Bd. 430, 123. Bd. 230; Rubner, Z. /. Biol.
15. lUi. 115; Fr. Müller, Würzig. Sitz.-Ber. 1885, Okto!j<;r ; Arnschink, Z. f. Biol. 26.
Bd. 4 34
5) I Munk. Virch. Ärch. 95. Bd. 437. 446. 123. Bd. 230; 0. Minkowski, Z. /. exp. Path.
21. Bd. 373.
§ 6. Die Kohlehydrate.
Die Kohlehydrate umfassen eine Gruppe von Stofteu, welche ent-
weder schon Zucker sind oder aus denen sich durch chemische Agentieu
oder durch die Verdaungssäfte Zucker bildet. Sie machen die Haupt-
bestandteile unter den organischen Stotfen des Pflanzenreiches aus und
daher unserer pflanzlichen Nahrungsmittel.
Im Tierkörper kommen sie nur in geringer Menge vor*. Beim
Hunger und bei Muskelarbeit können sie bis auf Spuren schwinden,
nehmen alsdann auf reichliche Zufuhr von Nahrung, besonders kohle-
hydratreicher, so zu, daß das Maximum ihrer Gesamtmenge im Körper
des Erwachsenen V2 — 1 Proz. des Gewichtes beträgt. Am reichlichsten
enthält davon bei geeigneter Fütterung die Leber (über 10 Proz. des
feuchten Organes) in Form von Glykogen und etwas Traubenzucker
(Glukose, Dextrose), sowie die Milch in Form von Milchzucker (SVg — 6
Proz.). Die Muskeln enthalten Glykogen (zu 0,3 — 1 Proz.), daneben
etwas Zucker, endlich Blut und Lymphe Traubenzucker (zu 0,1 — 0,2
Proz.). Die in der Leber oder Muskeln jeweils angetrofi'enen Mengen
entsprechen nicht den überhaupt gebildeten, vielmehr nur dem Ueber-
schuß der präformiert vorhandenen und der neu gebildeten über die
gleichzeitig verbrauchten, insofern nachgewiesen ist, daß das Muskel-
glykogen bei der Thätigkeit verbraucht, in Zucker, weiterhin z. T. in
Milchsäure, z. T. in Kohlensäure übergeführt wird. Auch für die Leber
ist ein solcher Verbrauch, wahrscheinlich durch Ueberführung in Zucker,
der mit dem Pfortaderblut in den Kreislauf gelangt, festgestellt. Zum
Ersatz für diese stetig der Zerstörung anheimfallenden Kohlehydrate
ist die Zufuhr von Kohlehydraten mit der Nahrung nicht absolut not-
wendig, bildet sich doch auch bei reiner Eiweißnahrung in der Leber
und in den Muskeln Glykogen und enthält doch die Milch säugender
Tiere auch bei fast ausschließlichem Eiweißfutter Zucker. Dies macht
es wahrscheinUch, daß aus dem nach Abspaltung des Harnstoffs vom
Eiweiß restierenden kohlenstoö'reichen Atomkomplex Stoffe sich bilden
können, welche zu den Kohlehydraten zu rechnen sind.
Wofern die Kohlehydrate im Tierkörper löslich sind oder in lös-
liche Form (zumeist Zucker) übergeführt werden, üben sie eine stoff-
liche Wirkung (S. 11) nach Art der Fette aus und sind demnach ebenso
bedeutungsvolle Nährstoffe 2. Der Eiweißumsatz und der Fettverbrauch
wird durch sie herabgedrückt, nur daß in Bezug auf die Beschränkung
des Eiweißzerfalles die Kohlehydrate erheblich mehr, in Hinsicht der
Verhütung der Fettabgabe sehr viel weniger leisten als das Nahrungs-
fett. Die Kohlehydrate sind (nächst den Leirastoffen) die wirksamsten
Sparmittel für den Eiweißumsatz, derart, daß sie, in großen Gaben neben
Eiweiß gereicht, den Eiweißverbrauch sogar bis unter die Größe des
Hungerumsatzes herabdrücken können, sodaß aus einer sonst nur den
Eiweißbedarf deckenden Menge von Nahrungseiweiß bereits Eiweißansatz
am Körper zustande kommt. Für die Beschränkung des Fettverlustes
dagegen leisten erst 24 T. Kohlehydrate so viel wie 10 T. Fett. Werden
38
EinzeleroäbruDg und MasscDernähruDg. 39
sie (neben Eiweiß) reichlicher genossen, als zur Verhütung der Fettab-
gabe genügt, so wird der üeberschuB in Fett übergeführt (S. VJ) und als
solches am Körper abgelagert. Dagegen vermag selbst die größte (jabe
von Kohlehydraten, welche schon zum Fettansatz führt, die Eiweiß-
abgabe vom Körper nicht zu verhüten, also können die Kohlehydrate
für das unersetzliche Eiweiß nicht eintreten; bei ausschließlicher Dar-
reichung von Kohlehydraten (auch neben Fett) büßt der Körper stetig
von seinem Eiweißbestande ein.
Am reichlichsten verbreitet von allen Kohlehydraten ist in den
pflanzlichen Nahrungsmitteln das A m y 1 u m oder Stärkemehl,
von dem die Getreide- oder Brotfrüchte, sog. Cerealien (Weizen, Roggen,
Gerste, Mais) rund ü8 Proz., der Reis sogar 77 Proz., die Hülsenfrüchte
oder Leguminosen (Bohnen, Erbsen, Linsen) rund 50 Proz., die Knolleo-
gewächse (KartoÖelu, Kastanien) 20 resp. 38 Proz. enthalten. Amylum
wird durch die Verdauungssäfte (Mund- und Bauchspeichel) zunächst
in Stärkegummi oder Dextrin und weiterhin in Zucker (zumeist Maltose
oder Malzzucker) umgewandelt, und zwar geschieht diese Umwandlung
leicht und in großem Umfange bis etwa zu 700 g hinauf und mit fast
voller Verwertung *, sodaß nur 1 Proz. davon im Kot erscheint, während
in gewissen Nahrungsmitteln oder deren technischen Zubereitungen
(Schwarzbrot) das Stärkemehl nur zu 90 Proz. au.sgenutzt wird. Die
als Zwischenprodukte der Amylumverdauung auftretenden , zuweilen,
wie in den Obstfrüchten, schon präformiert vorhandenen Dextrine
oder Stärkegummi werden leicht und vollständig im Darm aufgesaugt.
\Veniger vollständig werden die Pflanzengummi verdaut, z. B.
das arabische Gummi, von dem nach Beobachtungen am Hunde ^) rund
die Hälfte au.sgenützt wird. In größerem Umfange sind die Pflanzeu-
sc h leime der Aufsaugung fähig, so z. B. das mit Wasser zum dicken
Schleim aufquellende Kohlehydrat der Altheewurzel, Salepwurzel, Quitten-
kerne u. s. w., welche im Darm des Hundes zu 55—80 Proz. ausge-
nutzt werden^. Ob diese Pflanzeugummi und -schleime vollständig die
stotfliche Rolle der Kohlehydrate spielen, scheint noch nicht sicher,
noch weniger sicher die Bedeutung des im Fleisch der Obstfrüchte,
Rüben u. a. enthaltenen, in der wässerigen Abkochung beim Erkalten
eine Gallerte bildenden Kohlehydrats, der sog. Pektin Stoffe.
Von den Zuckerarten finden sich in den Nahrungsmitteln:
Rohrzucker (^im Saft der Rübe, der Obstfrüchte, mancher Ahorne, des
Zuckerrohrs), Traubenzucker (im Saft der Trauben und Obstfrüchte,
im Honig), Fruchtzucker oder Lävulose (in Obstsäften und im Honig),
Milchzucker (nur in der Milch), endlich entsteht aus den Amylaceeu
durch die Verdauungssäfte Malzzucker oder Maltose. Die Zucker-
arten werden bis zu 3(X) g hinauf leicht und vollständig verwertet;
große Gaben begünstigen unter Umständen saure (milch- und butter-
saure) Gärung und rufen dünnflüssige Entleerungen hervor.
Zu den Kohlehydraten gehört endlich die Cellulose, der ver-
breitetste Pllanzenstotl", insofern die i)fianzlichen Zellwandungen haupt-
sächlich daraus bestehen. In jungen Pflanzen ist sie zart, während sie
mit zunehmendem Alter durch Einlagerungen oder Inkrustationen derb
und holzig wird. Ebenso wie sie durch chemische Agentien kaum au-
gegritfen wird (außer durch konzentrierte Schwefelsäure), sind auch die
Verdauungssäfte unfähig, sie in L(>sung überzuführen. Trotzdem wird
von eingeführter Cellulose junger Gemüse beim Menschen nur 50—75
Proz. mit dem Kot ausgestoßen*^. Der im Körper verbliebene Auteil
39
40 IMMANUEL MUNK,
wird durch eine von gewissen Bakterien eingeleitete Gährung ' zersetzt,
bei der liauiitsiichlich Kolilensiiure und l^uIn|)fgas entstehen. Demnach
kann die Celhilose, selbst insoweit sie der Ausscheidung mit dem Kot
entzogen wird, kaum als Niihrstott erachtet werden^.
Da, wie oben erörtert, die verdaulichen Kohlehydrate sowohl iu
Bezug auf den Eiweiß- als den Fettverbrauch eine den Fetten analoge
Wirkung haben, da sie ferner im Pflanzenreiche in fast unbegrenzter
Menge und infolgedessen auch wohlfeil uns zu Gebote stehen, ja selbst
noch bei Berücksichtigung, daß erst 2,4 T. Kohlehydrate 1 T. Fett äqui-
valent sind, billiger sind als die Fette, so könnte man vom Standpunkte
der wohlfeilen Ernährung aus auf den Gedanken kommen, den Fettver-
lust vom Körper ausschließlich durch Verabreichung von Kohlehydraten
(ohne Fett) verhüten zu wollen. Allein dann würden für den ruhenden
Menschen schon mindestens 500 g Amylum erforderlich sein, und bei
starker Arbeit müßte die Gabe auf 700—750 g erhöht werden. Solche
große Gaben vermag zwar der Darm zu bewältigen, allein dabei ent-
steht sehr leicht saure (erst essig- und milchsaure, dann buttersaure)
Gährung im Darm und durch die gebildeten Säuren Darmreizung^
die reichliche, dünnflüssige (diarrhoische) Entleerungen zur Folge hat.
Deshalb thut man gut, mindestens Vs — V4 der Kohlehydratration durch
Fett zu ersetzen, und wo die Verpflegungskosten weniger in Betracht
kommen, läßt man zweckmäßig die Fettquote noch größer werden,
so daß selbst bei stärkster Arbeit die Kohlehydratgabe nicht die Höhe
von 500 g überschreitet, eher noch unter dieser Grenze bleibt. Hierauf
wird noch bei der Frage nach der Mischung der Nährstoffe und der
Nahrung zurückzukommen sein.
1) Vergl. J. Seegen, Die Zuckerbildung im Tierkörper, Berlin 1890.
2) Vtrgl. die S. 12 angezogene Litteratur.
3) Eubner, Z f. liiol. 15. Bd. 192.
4) Voit und Bauer, ebenda 10. Bd. 59.
5) Voit und Hauber, ebenda 64.
6) Weiske, ebenda 6. Bd. 456; v. Enieriem, ebenda 21. Bd. 37.
7) Tappeiner, Z. J. Biol. 20. Bd. 52.
8) Mallevre, Pflüg. Arch. 49. Bd. 460; Zuntz, ebenda 470.
§7. Die Würz- und Genuß Stoffe.
Werden die im Vorstehenden als Nährstoffe aufgeführten Sub-
stanzen : Wasser, Mineralsalze, Eiweißstoö'e, Fette und Kohlehydrate, in
den den täglichen Bedarf deckenden Gewichtsmengen gemischt, so muß
damit, theoretisch wenigstens, der Stoflverlust des Körpers verhütet wer-
den. Versucht man aber ein solches Gemenge aus den resp. reinen
chemischen Substanzen zu verzehren, so wird es, auch nur für einen
Tag, schwer, wenn nicht ganz unmöglich, die erforderliche Menge davon
aufzunehmen. Das Gemenge vermag mangels der Schmackhaftigkeit
nicht den angenehmen Gaumenkitzel zu erregen, welcher zur Aufnahme
der Speise lockt und das Essen als Genuß erscheinen läßt. Nur mit
größter Ueberwindung und bei peinigendem Hunger und auch da nur
noch mit Widerwillen wird eine so geschmacklose Mischung verzehrt.
Außer der Schmackhaftigkeit regt auch ein gewisser leckerer Geruch
der Speisen zum Essen an. Erst durch die Gegenwart solcher schmecken-
den und riechenden Stoffe, die gewöhnlich als Würz- und Genußstoffe*
40
EiuzelernähruDg und Massencruähruug. 41
bezeichnet werden, nach unserer Definition aber zweckmäßig Würz-
stoffe im engeren Sinne heißen, wird ein Nahrstoffgemisch zu einer
Nahrung, deren Aufnahme in einer dem Körperbedarf entsprechenden
Menge auch für die Dauer leicht wird.
Die Würzstoffe sind demnach Substanzen, welche dem Nährstoffge-
menge erst den angenehmen Geruch und Geschmack verleihen, gewisser-
maßen dasselbe erst genießbar machen. Solche Würzstoffe finden sich
teils schon in den uns von der Natur gelieferten Nährstottgemengen,
den sog. Nahrungsmitteln, teils werden sie, zumal bei der Speiseberei-
tung und kücheugemäßen Herstellung, eigens hinzugesetzt, teils endlich
entstehen sie erst durch die Zubereitung, die im wesentlichen auf die
Wirkung der Koch- oder Siedehitze hinausläuft, aus anderen organischen
Stoflen. In die Gruppe der Würzstoffe gehört, als das wichtigste Glied,
das Kochsalz, von dem wir schon gelegentlich der Betrachtung der
Nährsalze und ihrer Betlarfsgröße für den Körper (S. 2>^) feststellen
konnten, daß nur ein kleiner Teil des genossenen Salzes zum Ersatz
des verbrauchten und aus dem Körper ausgeschiedenen dient, der über-
wiegend größte, im Mittel \g der Salzeiufuhr, die Rolle eines Würz-
stoffes spielt, dazu bestimmt, dem Speisegemenge den mehr oder weniger
salzigen und pikanten Geschmack zu erteilen, der sich allgemeiner Be-
liebtheit erfreut. Ferner gehören zu den Würzstoffen auch die süß
schmeckenden Zucker, die andererseits auch Nährstoffe sind, sowie die
den säuerlichen Geschmack und z. T. Geruch vermittelnden organischen
Säuren: Essig (verdünnte Essigsäure), Citronen-, Wein-, Aepfelsäure,
ebenso die tiüchtigen Fettsäuren (Butter-, Kapronsäure), denen alter Käse
seinen pikanten Geruch und Geschmack verdankt; sodann bitter und
scharf schmeckende bezw. riechende organische Stoffe, wie sie im Pfeffer
(das Piperin), im Senf (Seuföl oder Schwefelcyanäthyl), in der Zwiebel,
Petersilie, Ptettig, Radieschen u. a., in dem zur Bierbereitung benutzten
Hopfen (Hopfenbitter) enthalten sind, desgleichen die riechenden und
schmeckenden organischen E.xtraktivstoÖe des Fleisches, die sog. Fleisch-
basen, welche die wesentlichen Bestandteile der durch Kochen des
Fleisches mit Wasser hergestellten Fleischbrühe (Bouillon) bilden. P^nd-
lich sind hier noch zu nennen diejenigen Substanzen, welche die wirk-
samen Stoffe der eigentlichen Gewürze bilden und chemisch als äthe-
rische Oele bezeichnet werden, so im Zimmt, in der Muskatnuß, in den
Gewürznelken, im Ingwer, Kümmel, Koriander, Anis, Fenchel, Kardamom,
Safran für jedes derselben charakteristische ätherische Oele, in der
Vanille neben ätherischem Oel das aromatische VanilUn.
Vom Geruch und Geschmack aus, auf welche die Würzstofie zu-
nächst wirken, werden durch Vermittelung des Centralncrvensystems
Wirkungen auf entferntere Teile angeregt, zunächst auf die Verdauungs-
thätigkeit. Schon der Geruch eines leckeren Mahles läßt das „Wasser
im Munde zusammenlaufen" d. h. die im nüchternen Zustande sonst
geringfügige Absonderung des Mundspeichels mächtig in Gang kommen.
In noch größerem Umfange erfolgt die Speichelsekretion, wenn die
würzstoffhaltigen Speisen in die Mundhöhle eingeführt werden; der
Reiz des Kochsalzes, des Zuckers, des Senfs und Pfefiers, der äthe-
rischen Oele ist es, welcher auf dem Wege des nervösen Reflexes die
Speichelbildung antreibt. Ebenso wie die Abscheidung von Speichel,
wird nach Maßgabe der Erfahrungen an Hunden, die eine operativ an-
gelegte Magenfistel tragen, durch den Geschmacks- oder Geruchsreiz
der Würzstoffe auch die Sekretion des Magensaftes, die im nüchternen
4>
42 IMMANUEL MUNK.
Zustande wohl ij^aiiz ruht, retiektorisch eiiij:;eleitet uud höchst wahr-
scheinlich auch die Muskuhitur des Magens in Thätigkeit gesetzt ; die
stetige Durcheiuandermischung des Speiseiuhaltes infolge der kräftigen
Magenbewegungen tragt zur ausgiebigeren Verdauung d. h. Lösung des
Verdauhcheu und Ueberführung des Gelösten in die Säftemasse wesent-
lich bei. So ist es wohl zu verstehen, warum man als Einleitung eines
opulenten Mahles, das an die Verdauungssäfte gröl.iere Anforderungen stellt,
eine würzstoti'rciche Speise, z. B. gesalzeneu Kaviar und dazu ein Glas
eines zucker- und alkoholreichen Weines reicht. Nach Erfahrungen an
Hunden mit Pancreastisteln wird auch durch den Geruch oder den Ge-
schmack der in die Mundhöhle eingeführten Würzstotfe die Abscheidung des
Pancreassaftes angeregt, vielleicht auch des Darmsaftes und der Galle.
So wichtig die geschilderten Wirkungen erscheinen mögen, insofern sie
die Schnelligkeit, mit welcher die Speisen die einzelnen Stadien der
Verdauung durchlaufen, günstig zu beeinflussen vermögen, so scheint
doch der schließUche Gesamteffekt, soweit die absolute Größe und der
Umfang, in welchem die Speisen ausgenutzt und verwertet werden und
ihre Nährstoffe in die Säftemasse übertreten, in Betracht kommt, nicht
wesentlich gesteigert zu werden. Auch von einem geschmacklosen Ge-
menge, dessen Aufnahme nur mit Widerstreben erzwungen wurde, wird
nach Forster und Rijnders sowie nach Flügge^ nicht nennens-
wert mehr an Nährstoffen mit dem Kot ausgestoßen, als wenn dasselbe
gesalzen und gewürzt verabreicht wird.
Neben den schon in den Nahrungsmitteln präformiert enthaltenen
oder erst bei der Speisebereitung zugesetzten Würzstoffen kommen weiter
zur Wirkung gewisse Würzstoffe, welche erst bei der technischen und
küchengemäßen Herstellung der Speisen infolge Zersetzung gewisser,
an sich weder schmeckender oder riechender Substanzen unter dem
Einfluß der hohen Temperatur entstehen, so die würzig riechenden und
schmeckenden Stoffe, welche beim Braten des Fleisches und Backen des
Brotes insbesondere in den der direkten Hitze am stärksten ausgesetzten
Rindenschichten, der sog. liratenkruste und Brotkruste, sich bilden oder
die säuerlichen Stoffe (Essig- und Milchsäure), welche bei der Gährung
des Brotteiges als Nebenprodukte frei werden.
Gegenüber diesen Würzstoffen, welche schon in den ersten Wegen
(Nasen- und Mundhöhle) ihre den Appetit reizende und die Verdauung
anregende Wirkung üben, stehen andere Substanzen, welche zumeist
nicht schon vom Verdauungskanal aus, sondern erst, nachdem sie aus
diesem in das Blut übergetreten sind und mit dem Blut dem Central-
nervensystem (Gehirn) zugeleitet worden sind. Allgemein Wirkungen, und
zwar meistens erregender, aufmunternder, erfrischender Art üben. Sub-
stanzen dieser Gruppe bezeichnet man als Genußstoffe (im engeren
Sinne). Ausnahmslos sind es organische Substanzen, die zufolge ihrer
charakteristischen physiologischen Wirkung Nervenreizmittel genannt wer-
den können, so der Alkohol (Aethylalkoholj, die Pflanzenalkaloide Kotfein
(Thein) und Theobromin und das zu den Pyridinbasen gehörige Nikotin.
Sie bilden die wirksamen Substanzen der bei allen Kulturvölkern
weit verljreiteten sog. Genuß mittel, unter denen man die alkohol-
haltigen (Branntwein, Bier, Wein) und die alkaloidhaltigen (Kaffee, Thee,
Kakao, Tabak) unterscheidet. Von Genußstoff'en, welche nur bei ein-
zelnen Völkerschaften in Gebrauch sind, seien das Opium, der Haschisch,
der Moschus, die Koka genannt.
Da diese Genußstoffe, den Alkohol vielleicht ausgenommen (S. 16),
42
Einzeloruähruug und Massouernäliruug. 43
keine Nährstotfe sind, insofern sie nicht Ersatz für verl)rauchtes Körper-
material leisten können, sondern nur der allgemeinen Anregung und
dem Wohlgeschmack dienen, ist es wohlbegründet, die Frage aufzu-
werfen, oi) überhaupt solche GenuBstoffe notwendig sind oder ob wir
— zumal bei ihren im Verhältnis zu den Nährstotien hohen Markt-
preisen — nicht der Genulistotfe entraten können. Wenn wir infolge
anhaltender geistiger oder körperlicher Arbeit erschlati't und abgespannt
sind, wenn uns Müdigkeit befallt, sodalJ der Fortleitung der Willens-
anregungen vom Hirn durch die Nerven zu den xMuskeln sich beträcht-
liche Widerstände in den Weg legen, dann sind es jene (ienulistoöe,
welche diese Widerstände, wenn auch nicht forträumen, so doch wesent-
lich verringern, und wenn sie auch selbst keine Kraft liefern, doch
unser Kraftgefühl und unsere Stimmung, unseren Mut und unsere Lust
zur Thätigkeit heben. Treffend vergleicht v. Pettenkofer die Ge-
nußstoffe mit dem Schmieröl, das, in die Achsen- Und Zapfenlager ge-
träufelt, die Keibuugswiderstände verringert und so, auch ohne selbst
lebendige Kraft zu liefern, den Gang der Maschine erleichtert und der
Abnutzung der Maschinenteile vorbeugt. Es ist daher unberechtigt, den
mäßigen und bescheidenen Gebrauch dieser Genuß- und Reizmittel zu
verwerfen. Schon der Umstand allein, daß der Trieb, sich solche Ge-
uußstoffe zu verschaffen, zu allen Zeiten und bei allen Völkern sich
geltend gemacht hat, spricht dafür, daß das Verlangen nach solchen
Stoffen tief in der menschlichen Xatur wurzelt. Gerade von diesen
Genußstoffen gilt ein Wort Friedrichs des Großen, das neuerdings E.
du Bois- Reymond-^ der Vergessenheit entrissen hat : „Es ist wahr,
daß wir einfacher und enthaltsamer leben können ; warum aber den Ge-
nüssen entsagen, wenn man sich ihrer erfreuen kann ? Die wahre Philo-
sophie besteht, meine ich, darin, den Mißbrauch zu verdammen, ohne
den Gebrauch zu untersagen; mau muß alles entbehren können, aber
auf nichts verzichten."
In der Tretmühle des täglichen Lebens bedürfen wir von Zeit zu
Zeit neuer Eindrücke und Anregungen. Solche Eindrücke in großer
Zahl liefert uns die Xatur, reichlich auch noch die Kunst, aber dies
nur für eindrucksfähige, empfängliche Gemüter. Manche wohlthätige
Anregung geht auch, wie die Erfahrung lehrt, von diesen Genußmitteln
aus, wie 0. Funke dies treffend hervorhebt. Wie manche leuchtende
Idee ist schon aus einem Römer duftenden Rheinweines geboren, die
nie den nüchternen Wasserkrügen entsprungen wäre! Wie mancher
fruchtbare Gedanke ist beim Glase schäumenden Bieres zur That ge-
reift! Wie manche Sorge, manche Grille hat der Tabaksrauch ver-
scheucht! Und das ist doch auch etwas wert für die vielen Millionen
von Menschen, welche ein freudeleeres, dürftiges Dasein fristen. Nur
so ist es zu verstehen, warum gerade die im Kampf ums Dasein schwer
ringenden Menschen nach diesen Genußmitteln sehnlichst verlangen, nach
Bier und Branntwein, nach Kaffee oder Thee, nach Tai)ak, welche ihnen
Mut und Lust zur Arbeit verleihen, welche ihnen gestatten, sich wenigstens
eine Zeit lang über ihre kümmerliche Lage hinwegzusetzen oder sie
wenigstens vorübergehend zu vergessen. Nur so ist es zu verstehen,
weshalb selbst bei bescheidenster Lebensführung auf die Beschaflung
dieser so begehrten Genußmittel ein beträchtlicher Teil der für die ge-
samte Verköstigung verwendeten Ausgaben entfällt.
Außer diesen Allgemeinwirkungen entfalten die Mehrzahl der Ge-
nußstoffe, ebenfalls vom Centralnervensystem aus eingeleitet, eine er-
43
44 IMMANUEL MUNK.
reixonde ^Virkung auf das Herz bcvAv. die vasomotorischen Centren,
von denen aus die Muskeln der mittleren und kleinen Blutgefäße und damit
die Weite der GefalJlichtung beherrscht werden, sodaß die Blutverteilung
eine Aenderung erfährt, bald im Sinne vermehrten, bald im Sinne ver-
ringerten /utlusses von Blut. Solche Wirkung ist dem Alkohol, dem
Kotfein (Thein) eigentümlich, auch den oben (S. 41) als Würzstotie an-
geführten Kxtraktivstotfen des Fleisches, die indes auch zu den Genuß-
stoti'eu gehören. Die Schlagzahl des Herzens und damit die Pulszahl
steigt um 6 — 10 Schläge in der Minute, der Puls wird voller und härter
d. h. schwerer zu unterdrücken, die größere Energie der Herzkontrak-
tiouen steigert den arteriellen Blutdruck und damit die Strömungsge-
schwindigkeit. Wird, nachdem diese erregende Anfangswirkung erzielt
ist, mit der Zufuhr der Genußstotle fortgefahren, so erfolgt Lähmung
der Gefäßmuskeln, damit werden die Gefäße der Haut und der Schleim-
häute weiter, das Gesicht wird stark gerötet. Diese Erweiterung der
Hautgefäße und die reichlichere Blutzufuhr zur Haut erzeugt, zumal
bei kalter oder feuchter Außenluft, zunächst ein wohliges, molliges Ge-
fühl, aber nur vorübergehend; weiterhin hat die gesteigerte Wärmeab-
gabe an die nieder temperierte Luft die Empfindung des Frösteins zur
Folge. Hört man zur rechten Zeit mit der weiteren Einführung auf,
so verfliegen zumeist die W irkungen auf Herz und Blutströmung relativ
schnell.
Die allgemein erregende Wirkung der Genußstofie kann gelegent-
lich ausgenutzt werden zur erfolgreichen Bekämpfung des Hungergefühles
überall da, wo wie im Kriege, auf Expeditionen, oder auf Hochgebirgs-
touren vorübergehend d. h. bis zur Dauer eines halben oder ganzen
Tages Nahrung nicht oder in ganz ungenügender Menge oder in ganz
ungenießbarer Form zur Verfügung steht. Ueber das infolge der Nah-
rungsenthaltuug eintretende Schwächegefühl und die unangenehmen
Empfindungen seitens des knurrenden Magens hilft, für eine Zeit lang
wenigstens, vorausgesetzt daß der Körper sonst in guter Verfassung ist,
ein Schluck Wein oder Branntwein, Katfee oder Thee, Rauch- oder
Schnupftabak hinweg. Kalter Kaflee ist wegen seiner das Durstgefühl
bekämpfenden Eigenschaft mit Recht sehr geschätzt.
Wie das Gemenge der chemisch reinen Nährstoffe erst durch den
Zusatz der Würzstoffe genießbar d. h. ohne Widerwillen aufnehrabar
wird, so wird erst durch Gegenwart von Genußstotfen das an sich ge-
schmacklose chemisch-reine, sog. destillierte Wasser zu einem genieß-
baren Getränk, von dem es uns leicht wird, die zur Deckung des Wasser-
bedarfes für den Körper in minimo notwendigen zwei Liter uns einzu-
verleiben. Destilliertes oder Regenwasser, das frei von Salzen und ab-
sorbierten Gasen und infolgedessen geschmacklos ist, „fade" schmeckt^
wird eben deswegen verschmäht; nur bei sehr peinigendem Durst ent-
schließen wir uns unter größtem Widerwillen , solch' geschmackloses
Wasser zu trinken. Dagegen enthält Quell- oder Brunnenwasser mehr
oder weniger Kohlensäure absorbiert und hat infolgedessen, zumal je
kühler es ist, einen desto angenehmeren Geschmack. Je größer der
Gehalt an Kohlensäure, wie z. B. in den natürlichen oder künstlichen
Sauerbrunnen von Selters, Vichy u. a., desto prickelnder und ange-
nehmer der Geschmack, desto erfrischender die Wirkung solchen Wassers.
Daher erfreuen sich auch diese Sauerbrunnen oder künsthchen Kohlen-
säurewässer für den Genuß großer Beliebtheit. Umgekehrt in dem
Maße, als ein gutes Brunnenwasser beim Stehen im Zimmer wärmer
44
HlinzelernäbruDg imd Masaoueruahrung. 46
wird, entbindet sich mit waclisentler Temperatur immer mehr Kohlen-
säure, sotlali solch' „ab.i,'estan(lenes'' Wasser fade schmeckt. Steht nur
solches Wasser zur Verfüjj:ung, so bedarf es wieder, um es ^'eniebbar zu
machen, des Zusatzes von Genubstolfen, entweder des Alkoliols oder
des Zuckers und organischer Säuren (beider am besten in Form der
Fruchtsäfte), oder man macht dasselbe wohlschmeckend, indem man es
zum AufgulJ von Katfeebohnen oder Theeblättern verwendet.
Kann nach alledem die Notwendigkeit und die Wirksamkeit dieser
Genul>- und iieizmittel sicherlich nur zu Unrecht in Abrede gestellt
werden, so darf man doch nicht aul.Ner Acht lassen, daU, so anregend
und wohlthätig die Wirkung ist, welche diese Genubstotl'e in kleinen
und mäbigen Gaben entfalten, doch gerade das Gegenteil sich zeigt,
wenn man die GenuBstoffe im UebermaB einführt. Dann schlägt
die anregende und erfrischende Wirkung in das Gegenteil, in eine er-
schlaftende und lähmende Wirkung um. Schon ein einmaliger über-
mäBiger GenuB kann diese Giftwirkung zur Folge haben, z. I}. den akuten
Alkoholrausch, der nach Eintritt tiefen Schlafes meist unter mäßigen
Nach wehen (Katzenjammer) vertiiegt. Der stetig und in größeren Mengen
eingeführte Alkohol wirkt nicht nur auf das Nervensystem erschlaffend,
auch die wichtigen Organe, welche der Verdauung und der Stotfum-
wandlung vorstehen (Magen , Leber), werden ergriffen , und so der
Appetit, die Nahrungsaufnahme und -Umwandlung geschädigt; damit
bahnt sich der körperliche Verfall an und schreitet rapid fort, wenn
weiterhin Herz und Gefäße sowie die Nieren ergritfen werden. Außer-
dem wirkt der gewohnheitsmäßige Alkoholmißbrauch •* psychisch und
moralisch degenerierend, wird die Ursache von Geisteskrankheiten, von Ver-
brechen, von Selbstmord oder Mordtrieb. Uebermäßiger Genuß starken
Kaflees •'', durch Monate oder Jahre fortgesetzt, erzeugt schwere ner-
vöse Erscheinungen : Zittern, Herzklopfen, unregelmäßige Herzthätigkeit
mit Abnahme der Herzenergie und konsekutivem Abfall des Blutdruckes,
Angstgefühle. Ebenso führt Uebermaß des Tabaksgenusses zu inter-
mittierender und arhythmischer Herzthätigkeit, zu allgemeiner Ab-
spannung, zum Darniederliegen des Appetites und der Verdauung.
Wie jede Eintönigkeit in der Zusammensetzung und in dem Ge-
schmack der Speisen Unlust und Widerwillen weckt, so gilt dasselbe auch
für die Genußstoti'e. Bei andauerndem und ausschließlichem Gebrauche
eines und desselben Genußmittels stumpft sich mit der Zeit die Er-
regungsfähigkeit dafür ab. und es bedarf stetig steigender Gaben, um
die von uns gewünschte Reizwirkung zu erzielen, während bei passen-
dem Wechsel der alkoholischen und alkaloidhaltigen Genußraittel schon
durch mäliige Gaben auf die Dauer die gewünschte Reizwirkung hervor-
gerufen wird. Es ist deshalb nötig, mit den Genußstotlen zu wech.seln.
Genau dasselbe gilt für die Würzstotfe. Auch hier ist eine i)assende
Abwechselung notwendig, wenn nicht gar bald die Lust zur Nahrungs-
aufnahme schwinden und Abneigung gegen die stets gleich gewürzte
und in gleicher Weise zubereitete Speise sich geltend machen soll. Zu-
mal sind es stark gesalzene Speisen, welche, so sehr sie auch im An-
fang munden und den A]»i)etit reizen, bei stetem Genuß Widerwillen
wecken und schließlich uns ganz und gar widerstehen. So geht es
z. B. mit dem durch starkes Salzen konservierten Fleisch, dem Pökel-
Heisch, welches eben wegen seiner Haltbarkeit überall da mitgenommen
wird, wo der lU'zug frischen Fleisches, wie im Kriege, auf Schiffen und
Expeditionen, auf Schwierigkeiten stößt oder ganz unmöglich ist. Das
45
46 niMANl-EL MUNK.
uiigonügoiidc Würzen einerseits, der Mangel an Abwechselung in den
zugesetzten Würzstotlen anderseits sind in erster Reihe die Ursache
davon, daß bei der Massenverköstigung — wir werden darauf noch
naher im Abschnitt „Massenernährung" eingehen — in Kasernen, Ge-
fangnissen, Armen- und Siechenhäuseru ein großer Teil der Insassen so
leicht von Abneigung und Widerwillen gegen die einförmige oder fade
schmeckende, reizlose Kost ergriflen werden. Je weniger nun durch
das Essen das Gefühl der Befriedigung und Sättigung erzeugt wird,
mit je weniger Genuß die reizlose Kost verzehrt wird, desto stärker
macht sich der Trieb nach Genußmitteln geltend, und so wird durch
geschmacklose Kost der übermäßige Verbrauch von Genußmitteln, und
unter ihnen vorherrschend der alkoholischen, gefördert und damit die
Gefahren des Alkoholmißbrauches in drohende Nähe gerückt.
Die Sucht nach Abwechselung im Geschmack, in der Form und
Konsistenz der Speisen bringt es mit sich, daß wir unseren stofflichen
Tagesbedarf nicht mit einer einzigen Speise, z. B. dem an sich wohl-
schmeckenden Brot, decken, sondern selbst unter den kärglichsten Lebens-
verhältnissen mindestens noch ein zweites Gericht, z. B. Milch oder
Käse oder Kartoffeln oder Fleisch oder Speck, genießen, und je mehr
wir auf die Verpflegungskosten verwenden können, die Zahl der Ge-
richte und Einzelspeisen, ohne daß die Gesamtmenge der verzehrten
Nährstoffe zuzunehmen braucht, um so größer werden lassen. Je mehr
dem Bedürfnis nach Abwechselung in der Schmackhaftigkeit durch die
Mannigfaltigkeit der Speisen genügt wird, desto leichter wird es uns,
nicht nur so viel Nahrung aufzunehmen, um den stofflichen Bedarf zu
decken, sondern noch einen Ueberschuß, der es ermöglicht, uns einen
Reservevorrat an Eiweiß und Fett anzulegen, wodurch wir einmal zu
größeren körperlichen Leistungen befähigt werden, sodann um so eher
in Zeiten der Not oder im Fall von Erkrankungen, bei denen die Stoff-
aufnahme darniederliegt, von unserem Körpermaterial zusetzen können.
Aus alledem ergiebt sich die große Bedeutung der Würz- und Ge-
Dußstoffe und die Notwendigkeit, in geeigneter Weise mit ihnen zu
wechseln. Nur dadurch wird es möglich, schon mit kleinen Gaben der-
selben die für Körper und Geist heilsamen Wirkungen zu erzielen und
die schweren Schädigungen zu meiden, welche mit dem gewohnheits-
mäßigen reichlichen Verbrauch, insbesondere der Genußstotfe, untrennbar
verknüpft sind.
1) AUgemeintt über Würz- und Oenufsttofe findet sich hei C. Voit, Münch. dkad. Sitz.-Ber.
(1869) 550; Z. f. Biol. 12. Bd. 1; v. Pettenkofer, Ueber Nahrung und Fleischexträkt.
Braunschweig (1873); Forster. in {PettenJco/er' s) Handb. d. Hyg. 1. Bd 1. T. 85; I,
Munk (und Uffelmann), Die Ernährung des gesunden und kranken Menschen, 2. Aufl.
(1891) 110.
2) Flügge. Beiträge zur Hygiene, Leipzig (1879) 193.
3) E. du Bois-Beymond, Gesammelte Beden (1886) 1. Folge [aus der Rede „Friedrich II.
und Jean-Jacques Rousseau''') 337
4) Ueber den Alkoholmi/sbrauch vergl. besonders A. Baer, Der Alkoholismus, seine Verbreitung,
Berlin (1878); Die Trunksucht und ihre Abwehr, Wien und Leipzig (1890).
5) Mendel, Berl. Hin. Woch. (1889) Nr. 40.
§ 8. Vertretungs- und Brennwert der organischen
Nährstoffe.
Außer der bisher fast ausschließlich gewürdigten stofflichen Be-
deutung der Nährstoffe, vermöge deren sie zum Ersatz für die bei den
46
Einzt'Iernähruug und Masscuernülirung. 47
Lebensprozessen zu Verlust •gehenden Leibesbestandteile eintreten, ist
bei den verbrennlichen orj^'aniscben Niihrstotlen : Kiwcili, Leim, Fett und
Kohlehydrat, noch eine andere Seite ihres Wertes für den Kiirper darin
gelegen, dalJ bei den Spaltungs- und Oxydatiunsprozessen, denen die-
selben im Organismus unter Mitwirkung des aus der atmosphärischen
Luft eingeatmeten Sauerstoftes anheimfallen , die einerseits in ihnen,
andererseits im Sauerstotl" angehäuften chemischen Spannkräfte oder
potentiellen Energien frei werden und sich nach dem Gesetz von der Er-
haltung der Kraft in lebendige Kräfte umsetzen, die beim ruhenden,
d. h. nicht arbeitenden Menschen bei weitem überwiegend in Form von
^Värme erscheinen und die Ursache der hohen Eigenwärme der sog.
Warmblüter oder Homoiothernien (Säuger, Vögel) abgeben. '/'Die für uns
wichtigsten organischen Stotie : EiweiLi, Fett, Kohlehydrat sind hoch zu-
sammengesetzt und niedrig oxydiert, d. h. sie erhalten sehr viel weniger
Sauerstoff" im Molekül, als zur Sättigung oder vollständigen Verbrennung
des darin enthaltenen Kohlenstoifs und Wasserstofts bezw. auch Stick-
stoffs, Schwefels und Phosi)hors erforderlich ist. Wie alle ungesättigten
Verbindungen zeigen sie daher geringe Stabilität, dafür aber desto
größere Neigung, teils unter Aufnahme von Sauerstoft', teils unter Ein-
tritt von Wasser ins Molekül sich in zwei oder mehreie einfacher zu-
sammengesetzte und daher festere Verbindungen zu spalten. Sowohl
bei den Spaltungs- als insbesondere bei den Oxydationsprozessen wird
Wärme frei. Die Größe der so erfolgenden Wärmebildung läßt sich in
eigens dafür konstruierten Meßapparaten, sog. Kalorimetern, von denen
ein für diese Zwecke brauchbares alsbald beschrieben werden soll, be-
stimmen, und zwar gilt als Wärmeeinheit oder Kalorie (große Kalorie)
diejenige Wärmemenge, welche 1 kg Wasser von 0 " auf 1 ° C, zu er-
heben vermag./ So viel Wärme nun im Kalorimeter frei wird ^, so viel
muß sich auch im Organismus entwickeln, vorausgesetzt, daß die End-
produkte der Verbrennung im Körper die gleichen sind wie im Kalori-
meter. In letzterem werden die (stickstofffreien) Fette und Kohlehydrate
zu Kohlensäure und Wasser verbrannt, und zwar bildet dabei 1 g Fett
^,3*), 1 g Stärkemehl 4,1 Kai.; da die Fette und Kohlehydrate auch
im Körper, insoweit sie zerstört werden , Kohlensäure und Wasser
liefern, so stand zu erwarten, daß dieselben auch im Körper 9,3 bezü"!
4,1 Kai. entbinden werden. In der That hat sich ihr physiologisclfer
Wärmewert für den Körper, auch kalorisches Aequivalent oder ^utz-
efiekt genannt, zu genau denselben Werten 9,3 bezw 4,1 Kai. ergeben.
Gaiiz_jinders aber verhält es sich bei den Eiweißkörperu. Während
ipi Kalorimeter der gesamte Kohlenstoff zu Kohlensäure, der Wasser-
stoff zu Wasser, der Schwefel zu Schwefelsäure oxydiert, der Stickstoff
aber gasförmig frei wird, erfolgt im Körper der Abbau des Eiweißes nicht
bis zum Stickstoff, sondern als Endprodukt erscheint hier der Harnstoff
(neben Harnsäure u. a.), der den gesamten Stickstoff des zersetzten
Eiweißes, gebunden an Kohlen-, Sauer- und Wasserstoff, enthält, und nur
die nach Abspaltung des Harnstoffs (etwa ^/g g auf 1 g Eiweiß) vom Ei-
weißmolekül übrig bleibenden Kohlen-, Sauer- und Wasserstoffatome werden
zu Kohlensäure und Wasser oxydiert. Deshalb muß der physiologische
Wärmewert des Eiweißes kleiner sein als der im Kalorimeter ermittelte,
in dem je 1 g Eiweiß 5,6 — 5,7 Kai. frei werden läßt. Von letzterem
•) Nach den neuesten Bestimmungen von Stolimann und Langbein läfst 1 g
Fett sogar 9,46 Kai. frei werden.
47
4S
IMMANUEL Ml'XK.
Worte zieht sich der Verbrennungswert der etwa ',3 des Eiweißgewichtes
betragenden Harnstüti'iuenge, die zur Lösung des Harnstoties erforder-
liche NV;irmemenge, die Verbrennungswärme des bei Eiweißnahrung ge-
bildeten Kotes u. a. ab. Den physiohjgischen Wärmewert des Eiweißes
hat Kubner- in Tierversuchen, entsprechend den vorstehenden Ab-
leitungen, um mehr als ^'4 niedriger, im Mittel zu nur 4,1 Kai. festge-
stellt, also zu dem gleichem Werte wie bei den Kohlehydraten. Es be-
trägt demnach der kalorische Nutzetlekt von
I g Kohlehydrat oder Eiweifi
I „ Fett
4.1 Kai
9.3 ,.
Fig. 2.
d. h. bei gleichem Gewicht liefern die Fette im Körper
am meisten Wärme, und zwar reichlich 2V^mal so viel
als Eiweiß oder Kohlehydrat.
Während früher nach dem Vorgang von D u 1 0 n g konstruierte Wasser-
kalorimeter benutzt worden sind, haben sich in neuerer Zeit als genauer
und für Untersuchungen bequemer die Luftkalorimeter, wie sie von
d'Arsonval, J. Rosenthal und E u b n e r angegeben worden sind, erwiesen.
Fig. 2 giebt das Prinzip des Rubn er-
sehen Apparates ^') schematisch wieder. Er
besteht aus einem cylindrisch gestalteten
Versuchsraum A aus geschwärztem Weiß-
blech, den in einem gewissen Abstand
ein Mantel aus blankem Messingblech
umgiebt. Eine in Ä eingebrachte Wärme-
quelle (verbrennliche Substanz oder Ver-
suchstier) überträgt die Wärme weitaus
der Hauptraenge nach an die Wandungen
von Ä ; infolge davon dehnt sich die Luft
des Mantelraumes c aus und hebt eine
leicht äquilibrierte Glocke e, die in
einem mit Petroleum gefüllten Gefäße B
schwimmt. Die Führung der Aequili-
brierung läuft über zwei Rollen, deren
eine im Centrum einer in Grade geteilten
Scheibe s befestigt ist. Die Drehung der
Rolle und damit auch die Hebung oder Sen-
kung der Glocke (Volumeter) wird durch
einen mit ersterer verbundenen Zeiger
markiert. Zur Eliminierung der Schwankungen der Temperatur und des
I^ruckes der umgebenden Luft stellt man ein gleiches Kalorimeter von gleicher
Größe mit dem ersten auf und bestimmt dessen Ausschläge am Volumeter.
Die gefundenen Ausschläge lassen sich in das absolute Maß, Kalorien, über-
tragen fvergl. hierüber die Originalmitteilungen). Befindet sich ein Tier im
Kalorimeterraum, so bedarf es der Ventilation, zu welchem Behufe durch den
Kalorimeterraum in der Richtung a, A, b mittels einer Wasserluftpumpe
eine durch eine Gasuhr gemessene Luftmenge gesaugt wird, wie durch den
Pettenkofer' sehen Apparat (Fig. 1, S. 6). Durch Beobachtung der Ven-
tilationsgröße, welche die Gasuhr anzeigt, und durch thermometrische Messung
der in das Kalorimeter einströmenden und der ausströmenden Luft ergeben
sich die der Ableitung des Wärmeverlustes mit der Ventilation entsprechen
den Werte.
-^^
^tim^
Luftkalorimeter nach Rubn er,
schematisch.
48
Einzoleroähruug und Massenernäbrung. 49
Die vorliin abgeleiteten Werte für den Nutzeffekt der Nährstoffe
nehmen nuch nach anderer Richtung unser Interesse in Anspruch. Wie
bei der Lehre vom stofflichen Verbrauch angeführt und bei der Be-
trachtung der Bedeutung der einzelnen Nährstoffe erörtert, können die
verbrennlichen Nährstoffe einander vollständig oder innerhalb gewisser
Grenzen vertreten. So kann das dem Körper einverleibte Eiweiß auch
vollständig für das zu Verlust gehende Köri)erfett eintreten, zu dessen
Schutz die Fette oder Kohlehydrate der Nahrung dienen, andererseits
beschränken Fette und Kohlehydrate auch den Eiweilizerfall, treten also
gewissermalien für einen Teil des sonst zum Verbrauch kommenden
Eiweißes ein. ^ Bezug auf die Verhütung des Fettverlustes
vom Körper ersetzen nun nach Rubner's* Ermittelungen (am
Hunde) Eiweiß, Fett und Kohlehydrat einander ziemlich
genau nach Maßgabe ihres kalorischen Nutzeffektes, und
diese Vertretbarkeit bezeichnet man auch als „Isodynamie".}
Der Nachweis, daß, von einer gewissen Eiweißmenge abgesehen,
deren Zufuhr für den Köri)er unentbehrlich ist. und deren Größe von den
gleichzeitig gegebenen anderen Nährstoffen (Leim, Fett, Kohlehydrat)
abhängt, insofern sie durch letztere Sparmittel tiefer und tiefer herab-
gedrückt wird bis auf das sog. Eiweißminimum, auf das wir noch bei
der Feststellung des täglichen Kostmaßes eingehen werden, — daß, von
dem unentbehrlichen Eiweiß abgesehen , für den übrigen StoÖljedarf
Fett und Kohlehydrate sich in isodynamen Werten d. h. nach Maßgabe
ihres kalorischen Aequivalentes vertreten können, hat manche Forscher
2U der Neuerung verführt, die Bezeichnung „Stoffbedarf durch die des
„Kalorienbedarfes" zu ersetzen. Wir müssen dies Vorgehen als ein-
seitig erachten. Die Bewertung der verbrennlichen Nährstoffe nur nach
der Größe der daraus für den Körper frei werdenden Wärme ist schon
deshalb nicht zutreffend, einmal weil, wie schon Nviederholt erörtert,
eine gewisse Eiweißmenge geboten werden muß, die dem stofflichen Er-
satz des zu Verluste gehenden Körpereiweißes dient und in dieser Hin-
sicht durch keinen anderen Stoff' ersetzbar ist , sodaß für diese die
dabei frei werdende Wärme nur von sekundärer Bedeutung ist, sodann
weil, wenn auch bei den Fetten und Kohlehydraten, sowie dem Eiweiß-
überschuß die bei deren Zerstörung entwickelte Wärme für den Körper
von wesentlicher Bedeutung ist, doch auch ihr stofflicher Wert nicht
außer Acht gelassen werden darf, vermöge dessen sie Körpersubstauz
vor dem Verbrauch schützen oder für zerstörte Substanz eintreten, end-
lich weil selbst bei dem ruhenden d. h. nicht arbeitenden Menschen,
auch wenn wir von jener Quote des unentbehrlichen Eiweißes absehen,
die Nährstoffe nicht nur die Bedeutung haben, zum Zwecke der Deckung
der Wärmeverluste und der Erhaltung der Konstanz der Eigenwärme
W arme zu bilden, sondern auch die zur Unterhaltung der für das Leben
unerläßlichen Atem- und Ilerzbewegungen, sowie der Drüsen- und Darm-
arbeit erforderliche lebendige Kraft frei werden zu lassen. Auch könnte
die Bezeichnung „Kalorienbedarf zu der falschen Vorstellung führen,
daß alle Stoffe, welche im Körper verbrennen, sich nach Maßgabe ihres
Inhaltes an potentieller Energie vertreten, was erst zu beweisen wäre,
nach den bisherigen Erfahrungen aber weder für den Alkohol noch für
das Glycerin noch für die flüchtigen Fettsäuren oder die organischen
Säuren zutrifft. So wichtig daher die Kenntnis des kalorischen Wertes
und der Isodynamie der verbrennlichen Nährstoffe ist, so repräsentiert
diese doch nur eine Seite ihrer Bedeutung für den Körper, neben der
Handbuch der Hygiene. Bd. UI. AbUj. 1. a
49 ^
50 IMMANUEL MUNK.
die andere, welcbe sich aus ihrer rein stofflichen "Wirkung herleitet,
zum mindesten als ebenbürtig zu erachten ist.
1) Vehrr die Verhrrnnung^värvu im Kalorimeter vfnjl. Stohmann. Journ f. pr. Ch N. F.
\9. Bd. 115; Landtrirtsrhaftlirhr J(i>irf)ii<h. dSSi) 5 IS; Stohmann )/»</ Langbein, Jourtt.
f. pr. Ch. 42. Bd. 3G1; v. Hechenberg, ebenda 22. Bd 1, 223; B. Danilewsky, P/lü-
ger'i Areh. 36. Bd. 237.
2) Rubner, Z. f. Biol. 21. Bd. 237, 250.
3) Derselbe, ebenda 25. Bd. 289; Kalorimttrifche Methodik, Festschrift für 0. Ludwig,
Marburg (1891).
4^ Derielbe, ebetuia 19. Bd. 302, 22. Bd. 50.
DRITTER ABSCHNITT.
Die >a]iriniJi des 3Ieiisclieii.
Die zum Stoffersatz dienenden Nahrungsstofl'e werden nur zum Teil
als solche aufgenommen , wie Wasser , Salz , Zucker, Schmalz, zum
größeren Teil in Form der Nahrungsmittel. Unter Nahrungsmitteln
versteht mau die in der Natur vorkommenden oder technisch herge-
stellten Gemenge von Nährstoffen (ohne oder mit Würz- und Genuß-
stoflen event. auch anderen, für den Körper gleichgiltigen oder wert-
losen Substanzen); sie werden nach Plan und Anlage dieses Handbuches
einer speziellen Bearbeitung unterzogen, sodaß in dieser Hinsicht darauf
zu verweisen ist. Nur insoweit die Nahrungsmittel für die spezielle
Ernährungslehre in Frage kommen, wird eine gedrängte synoptische
Uebersicht ihres stofflichen Gehaltes gegeben werden müssen.
Man versteht unter Nahrung das Gemisch von Nährstoffen,
Nahrungsmitteln und Genußmitteln, das den Menschen auf seinem stoff-
lichen Bestände erhält oder ihn in einen gewünschten stofflichen Zustand
(Fleischmast, F'ettmast, \Yachstum etc.) versetzt. Da nun, wie in den
beiden ersten Abschnitten erörtert, die Größe des Stoffverbrauches von
mannigfachen, inneren und äußeren Bedingungen abhängt: Körperge-
wicht, Lebensalter, Geschlecht, Körperzustand, ob mager und fleiscli-
reich oder mehr fettreich, äußere Temperatur und Klima, Körperverhalteu,
ob bei Körperruhe oder Muskelarbeit u. a., und dementsprechend die
Bedarfsgröße an den zum StoÖersatz dienenden Nährstoffen innerhalb
weiter Grenzen schwankt, so muß auch die Nahrung, d. h. die Zufuhr
einer solchen Menge von Nährstoffen, daß damit der stottliche Bestand des
betreffenden Individuums zum mindesten gewahrt und seine körperliche
Leistungsfähigkeit auf die Dauer erhalten bleibt, quantitativ verschieden
sein Diesen Teil der speziellen I'>nährungslehre, welcher die täg-
liche Bedarfsgröße an Nährstoffen unter den verschiedenen Lebensver-
hältnissen behandelt, bezeichnet man auch als die Lehre vom Kost-
maß.
Außer diesen quantitativen Verschiedenheiten in der Zufuhr der
Nährstoffe kommen auch gewisse qualitative Verhältnisse der Nahrungs-
mittel, ihre iihysikalische und chemische Beschaffenheit, sowie ihr Ver-
halten im Darm in Betracht, und gerade von diesen Momenten ist ihre
Verwertbarkeit, d. h. der Grad, in welchem sie verdaut und in ilie
Säftemasse des Körpers übergeführt werden, in erster Linie abhängig
4.*
51
52
IMMANUEL MUNK,
Endlich ist für die Ziisamnicnsetzuiig und Wahl der Nahrung die Frage
von Bedeutung, ob es für den Köri)er z^vecknl:ilMg ist, die Nahrungs-
mittel ausschließlich dem Tier- oder Pflanzenreich oder beiden zu ent-
nehmen, und, wenn letzteres der Fall, welches die günstigste Mischung
l)tlanzlicher und tierischer Nahrungsmittel ist. Endlich ist für die Ver-
dauung und noch mehr für die Bekömmlichkeit die Temperatur der
Speisen und Getränke, ob sie heiß, ^^•arm oder kalt genossen werden,
von Bedeutung. Aus didaktischen Gründen erscheint es geraten, diese
für die Auswahl und Zubereitung der Nahrung in Betracht kommenden
allgemeinen Gesichtspunkte vorwegzunehmen und erst dann zur Fest-
stellung des Kostmaßes zu schreiten.
Da wir für die nachfolgenden Erörterungen die Kenntnis der Zu-
sammensetzung und des Gehaltes der wichtigeren Nahrungsmittel an
den einzelnen Nährstofifen nicht entbehren können, möge dieselbe als
Mittel der zahlreich vorliegenden Analysen, die von J. König (Die
menschlichen Nahruugs- und Genußmittel, I, 3. Aufl., 1889) zusammen-
gestellt sind, tabellarisch vorgeführt werden.
In 100 T.
Wasser
Eiweifs
Fett
Kohle-
hydrate*)
Cellulose
Asche
Fraaenmilch
89,7
2,0
3.1
5.0
—
0,2
Kabmilch
87,7
3.4
3.2
4.8
—
0,7
Käse
36—60
25—33
7-30
3-7
—
3-4
Fleisch
76,7
20,8
1,5
0,3
—
1,3
Hühnerei
73.7
12,6
12.1
—
—
1,1
Weizenmehl
13,3
10,2
0,9
74.8
0,3
0,5
Roggenmehl
13,7
11,5
2,J
69,7
1,6
1,4
^\■eizenbrot, fein
35.6
7,1
0,2
55,5
0,3
1,1
Roggenbrot
42,8
6,1
0,4
49,2
0,5
1.5
Pumpernickel
43.4
7i7
1,5
451
0,9
1,4
Reis
13.1
7.0
0,9
77.4
0,6
1,0
Mais
13.1
9.»
4.6
68,4
2,5
1,5
Maccaroni
10,1
9.0
0,3
79.0
0,3
0,5
Erbsen, Linsen, Bohnen
12—15
23—26
lV-2
49-54
4-7
2-3
Kartoffeln
75-5
2,0
0,2
20,6
0,7
1,0
Mohrrüben
87,1
1,0
0,2
9.3
1,4
0,9
Kohlarten
90
2-3
0,5
4-6
1—2
1,3
Pilze, frisch
73-91
4-8
0,5
3-12
1—5
I,?
Obst, frisch
84
0,5
—
10
4
0,5
1. Teil: Allgemeines.
§ 1. Bedeutung der Zerkleinerung und Zubereitung
der Nahrung.
Sollen im Darmkanal die Nährstoffe aus dem Rohmaterial der
Nahrungsmittel mit möglichst geringem Aufwand von Arbeit und von
subjektiven Beschwerden ausgezogen und in Lösung übergeführt werden,
so würde dies ohne weiteres nur bei den schon in flüssiger Form ge-
reichten Nährstoff"en und Nahrungsmitteln : Wasser, Zucker, Salz, Milch
der Fall sein. Bei den übrigen tierischen und vollends bei den pflanz-
*) sog. verdauliche Kohlehydrate : Zucker, Stärkemehl, Dextrin u. s. w. im Gegen-
satz zur Rohfaser oder Cellulose.
52
EinzelernäbruDg und Massenernäbrung. 53
liehen NahruDgsmitteln liegen die Nährstoffe nicht frei und den Ver-
dauungssäften zum direkten Angriff bereit. Das organisierte Gefüge der
tierischen und ptianzlichen Teile, in welchem die Nährstoffe eingeschlossen
sind, erschwert ihre Extraktion aus den zelligen Gebilden und in um
so stärkerem Grade, je größer und kohärenter die eingeführten Stücke
sind. Zwar ist auch dafür z. T, schon von der Natur gesorgt, insofern
der Eingang zum Verdauungsapparat mit mechanischen
Zerkleinerungsvorrichtungen ausgestattet ist, welche, solange
sie zu funktionieren vermögen, die durch die Größe und Kohärenz der
Stücke für die Verdauung bedingten Nachteile beträchtlich zu verringern
vermögen, die Zähne, von denen für die grobe Zerkleinerung (Ab-
beißen, Abreißen) die meißeiförmigen Schneide- und die spitzen scharfen
Eckzähne, für die feinere des Zermalmens und Zerreibens die mit
breiter Krontläche und kleinen Vorsprüngen versehenen Mahl- oder
Backzähne in Betracht kommen. Je feiner die Zerkleinerung erfolgt,
desto größer ist die Angriffsfläche für die Verdauungssäfte, und desto
schneller und vollständiger geschieht die Extraktion und Lösung des
Verdaulichen. Wollen wir außerhalb des Körpers, also in vitro aus
pflanzlichen oder tierischen Gebilden die löslichen Teile mit Wasser oder
Weingeist oder Aether ausziehen, so überzeugen wir uns schnell, von
welcher Bedeutung die feine Verteilung ist. In großen Stücken können
wir die organisierten Teile tagelang mit den Extraktionsmitteln über-
schichtet stehen lassen, ja wir können sogar durch mechanische Hilfe,
z. B. Schütteln, die Einwirkung fördern, ohne daß es uns gelingt, mehr
als Bruchteile des überhaupt Löslichen auszuziehen. Deshalb ist auch
für die chemische Extraktion und Lösung die möglichste mechanische
Zerkleinerung von Bedeutung ; am vorteilhaftesten erweist sich diejenige,
bei welcher dem zu lösenden Agens die größte Ober- und Angriflsfläche
gegeben wird, die Form eines feinen Pulvers. Wie groß der Einfluß
der Zerkleinerung schon allein durch die Zähne ist, erhellt aus der un-
genügenden Verdauung und Verwertung der Nahrungsmittel, die überall
da zu beobachten ist, wo infolge defekter Zähne, wie z. B. im höheren
Alter, das Kauen nur unvollständig erfolgt. Hier kann man bei genauer
Untersuchung in den Kotabgängen einzelne unangegrifl'ene oder wenig
angegi'iffene, noch das pflanzhche oder tierische Gefüge aufweisende
Bruchstücke tinden. Und daß in solchen Fällen der Zahndefekt die
wesentliche Ursache der ungünstigen Verwertung der in größeren Stücken
eingeführten Nahrung ist, geht daraus hervor, daß, sobald durch ein-
gesetzte künstliche Zähne die Möglichkeit zum Zerkauen der Nahrung
wieder gegeben ist, dann auch die Ausnutzung sich verbessert und der
Abgang wenig oder gar nicht verdauter Bruchstücke der Nahrung nicht
mehr beobachtet wird. Beim Säugling, dem das Gebiß noch fehlt, darf
mangels des Kauens nur flüssige Nahrung (Milch) oder allenfalls breiig-
weiche (in Milch erweichter Zwieback und Aehnliches) gegeben werden.
Wenn auch bei gesunden Zähnen das Kauen in Bezug auf die Zer-
kleinerung der Nahrung Vieles leisten kann, so thut man doch gut,
auch an die Kauarbeit nicht die höchsten Anforderungen zu stellen,
vielmehr besonders bei harter Konsistenz und groben Stücken auf mecha-
nischem ^Vege durch Zerhacken, Wiegen oder Mahlen der Nahrungs-
mittel die Zerkleinerung vorher vorzunehmen und nur die feinere Zer-
mahlung der Nahrung und deren Ueberführung in eine ])ulverige Masse,
welche infolge von Durchtränkung mit dem Mundspeichel die Form eines
schlüpfrigen, plastischen, zum Bissen formierbaren Breies annimmt, den
53
54 IMMANUEL MUNK,
Kauwerkzeiif^cu zu überlassen. Abgeseheu von den durch die feine Zer-
kleinerung; beiüiigten Vorteilen für die cheniisclie Extraktion der Xähr-
storte durch die Verdauungssäfte, kommt auch noch hinzu, daß in feiner
Zerteilung die Nahrung zweifellos bekömmlicher ist, d. h. daß die Ver-
dauung ceteris paribus ohne subjektive Heschwcrden vor sich geht,
wahroml grobe Stücke, z. B. größere Fleischstücke, hartgekochte Eier
verm(\i,'e ihrer physikalischen Beschaifenheit einen mechanischen Reiz
auf die Magenschleinüiaut ausüben, der sich uns durch das Gefühl von
Druck und V()lle, ja sogar nicht selten von mehr oder weniger starkem
Schmerz bemerkbar macht, sodaß wir uns mehrere Stunden nach der
Speiseaufnahme höchst unbehaglich fühlen und schon die Vorstellung
der sich an die Verdauung anschließenden qualvollen Stunden uns bei
erneuter Speiseaufnahme jeden Genuß rauben kann.
Von noch größerer Bedeutung erweist sich der Einfluß der Zu-
bereitung, die im wesentlichen Sache der Kochkunst ist und auf die
Einwirkung hoher Temperaturen, sei es direkt oder durch Vermittelung
des Wassers, hinausläuft. Im allgemeinen werden nur von uncivilisierten
Völkerstämmen die Nahrungsmittel roh verzehrt, und man geht wohl
nicht zu weit, wenn man auch die Kunstfertigkeit, sich die Nahrung
zweckdienlich und schmackhaft zuzubereiten, mit als einen Gradmesser
für die Kulturstufe, auf der ein Volk steht, betrachtet. Gerade die
Zubereitung der Nahrung ^ ist auch in hygienischer Hinsicht hochbedeut-
sam, sodaß wir derselben eine etwas eingehendere Betrachtung schenken
müssen.
Der eigentlichen küchengemäßen Zubereitung der Nahrung soll stets
das Putzen und Reinigen der Nahrungsmittel vorausgehen,
was durch Abspülen oder Abwaschen mit Wasser oder Abreiben mit
sauberen Tüchern zweckmäßig geschieht. Der Oberfläche der Nahrungs-
mittel haften alle möglichen Kleinlebewesen (Mikroorganismen) an, solche,
welche Gärung oder Fäulnis erregen, oder solche, welche geradezu als
pathogen zu erachten sind. Dieselben werden zwar mit zweifelloser
Sicherheit durch die Kochliitze bei der eigentlichen Zubereitung ent-
fenit, aber für diejenigen Mittel, welche wir roh genießen, wie Obst-
früchte, Salate, Radieschen, Rettig u. a., ist die vorgängige Entfernung
der der Oberfläche anhaftenden Unreinlichkeitcn dringend geboten. Für
Obstfrüchte und Wurzelfrüchte ist die Entfernung der auch bei sorg-
fältiger Reinigung niemals ganz unverdächtigen Oberfläche durch Ab-
schälen mittelst sauberer Messer noch empfehlenswerter, zugleich weil
die an Holzfaser, Pflanzenwachs und anderem Unverdaulichen reiche
Rinde oder Schale nicht nur keinen Nährwert hat, sondern durch ihre
Gegenwart die Lösung des an sich Verdaulichen eher stört. Zu der
Reinigung ist auch die Entfernung verdorbener, schon durch Aussehen
oder Geruch nicht mehr als normal anzusehender Teile zu rechnen.
An die Reinigung schließen sich eventuell die Operationen zur
mechanischen Zerkleinerung der Nahrungsmittel an, wodurch
den Kauwerkzeugen und dem ganzen Darm ein Teil der sonst aufzuwen-
denden Arljeit erspart und gleichzeitig die Verwertung derselben gefördert
wird, wie dies schon oben besprochen worden ist. Diese mechanischen
Manipulationen bestehen in Zerstampfen, Zerhacken, Schaben, Verreiben
und Vermählen. Weniger eine Zerkleinerung als eine Lockerung des
Gefüges bezweckt das Klopfen, das z. B. bei größeren Fleischstücken
dem eigentlichen Braten vorausgeschickt zu werden pflegt.
Ebenso pflegt dem Kochen oder Rösten das Würzen vorauszu-
54
EinzelerDäbrung und Masseaeruähriing. 55
gehen, dessen Bedeutung oben bei den Würz- und Genußstoffen erörtert
worden ist (S. 41). Das Würzen Ijestelit im Zusatz von Kochsalz, Pfeffer,
Zwiebeln, PHanzensäuren, eigentlicliera Gewürz u. a. Das Würzen ist
um so notwendiger, je weniger Gesclimack an sich die S])eisen haben,
"wie dies zumal bei einer Reihe von Vegetabilien : (Jetreide- und Hülsen-
früchten, Kartoffeln u. a. der Fall ist. Hier ist der Zusatz von Würz-
stoffen geradezu unerläßlich, denn nur durch den würzigen Geschmack
und Geruch wird die Eßlust geweckt, sodaß die Speiseaufnahme nicht
als Last empfunden, Widerwillen uml Ekel ferngehalten wird. Gerade
bei der Masseneniährung, wo wegen der Wohlfeilheit die an sich wenig
sclimeckenden pflanzlichen Nahrungsmittel die Grundlage und den Haupt-
inhalt der Verköstigung bilden, kommt es auf richtiges, der allgemeinen
Geschmacksrichtung auge|)aßtes Würzen, das übrigens bei den kleinen
Mengen, in denen die Würzstoffe schon wirken, mit relativ geringen
Unkosten verknüpft ist, sehr viel mehr an, als auf ein stärkeres Bevor-
zugen der höhere Verptlegungskosten erfordernden animalischen Nahrung.
Doch darf man auch hier nicht schablonenmäßig stets dieselben Würz-
stoffe verwenden, vielmehr muß man wegen der bei andauerndem Genuß
derselben Gewürze sich so leicht einstellenden Geruchs- und Geschraacks-
abstumpfung mit den Würzstoffen wechseln, um den erwünschten Genuß-
reiz zu erzielen (S. 45).
Die eigentliche Zubereitung unter Einwirkung hoher Temperaturen,
die nmn, wenn die Nahrungsmittel mit Wasser angesetzt uncl letzteres
auf Kochtemperatur erhitzt wird, als Kochen oder Sieden und,
wenn die Einwirkung der hohen Temperatur direkt und ohne Ver-
mittelung des Wassers erfolgt, je nachdem als Rösten, als Backen
oder als Braten bezeichnet, ist in Bezug auf die dadurch bewirkten
physikalischen oder mechanischen und chemischen Veränderungen z. T.
verschieden, je nachdem es sich um tierische oder pflanzliche Nahrungs-
mittel handelt. Für die Mehrzahl der pflanzlichen Mittel ist diese Art
der Zubereitung geradezu unerläßlich. Einmal liegen in den Vegetabi-
lien die Nährstoffe nicht frei, nicht direkt den Verdauungssäften zu-
gänglich, vielmehr sind sie in derbe, gegen die Verdauungssäfte und die
sonstigen Lösungskräfte, über die der Darm verfügt (Fäulnis, Gährung),
außerordentlich resistente Cellulosekapseln eingeschlossen, daher sie vor
dem Genuß fast ausschließlich Einwirkungen erfahren müssen, welche
im wesentlichen darauf hinauslaufen, die Cellulosekapseln zu sprengen
und so den Nährstoff'inhalt ,,aufzuscldießen". Nun kann ein Teil dieser
Arbeit durch die Zerkleinerung geleistet werden, sei es durch mecha-
nische Hilfsmittel, insl)e3ondere diejenigen, welche ein Zerreiben und
Zermahlen l)ezweckt'n und bei der Verarbeitung der Getreidefrüchte zu
Mehl und der Hülsenfrüchte zu einem mehlartigen Pulver zur Verwen-
dung gelangen, oder durch die mechanischen Hilfsmittel, welche uns in
den Kauwerkzeugen zur Verfügung stehen. Wenn jedoch nur die grö-
beren mechanischen Methoden, wie Zerschneiden und Zerhacken, an-
gewendet worden sind, sodaß das pflanzliche Gefüge auch noch in den
zerkleinerten Stücken erhalten ist, so vermag das Kauen nur einen Teil
der Pflanzenzellen aufzuschließen; der griH.sere Teil bhnbt uner()fl"iiet, und
ihr Nährstoffinhalt würde sich auch i)ei der Durchwanderung des Darms
der Lösung entziehen und somit dem Körper nicht zu Gute kommen,
sondern der Hauptsache nach unbenutzt und unverwertet mit dem Kot
ausgestoßen werden. Diesen Nachteilen beugt das Kochen mit Wasser
vor. Wenn die Cellulosekapseln auch vom siedenden Wasser nicht ge-
55
56 IMMANUEL MUNK,
löst werden, so driogt dieses doch durch die interstitiellen Poren in
das Zellinnere hinein. Die im Zelliuhalt mehr oder wenig reichlich
Yorhanilenen Starkeniehlkörncr können das Mehrfache ihres Gewichtes
an Wasser aufnehmen, wobei sie eine starke Yolumszunahme erfahren,
„aufquellen"; unter dem n);u-htigen Druck der quellenden Stärkekörner
werden die Zellkapseln gesprengt, so die Nährstotie freigelegt und dem
AngriÖ' der Verdauungssäfte zugänglich gemacht. Abgesehen von diesem
wichtigen physikalischen Vorgange werden durch das Kochen auch be-
deutsame chemische Veränderungen bewirkt. Durch das heiße Wasser
wird das an sich schwerer verdauliche rohe Stärkemehl zunächst zum
Quellen gebracht, z. T. in lösliche Stiirke, z. T. in einen gallertigen
Zustand, den Stärkekleister, übergeführt, der vom Mund- und Bauch-
speichel viel leichter gelöst und verzuckert wird, das Eiweiß des Zell-
inhalts z. T. koaguliert. Bei diesem Verfahren geht ein Teil der wasser-
löslichen StoÖe in das Wasser über, es findet eine partielle Auslaugung
statt, durch die zwar auch mancher Nährstoft" entfernt wird, aber, was
für die Verbesserung des Geschmackes von Bedeutung, mancher herbe
oder bittere Stoff, so bei Gemüsen und krautartigen Gewächsen, deren
erstes Absud in der Regel abgegossen wird. In vielen Fällen wird
vorteilhaft das Kochen so lange fortgesetzt, bis durch Imbibition mit
Wasser das Ganze eine gleichmäßige, breiartige Konsistenz annimmt.
^Verden derb-konsistente Vegetabilien, wie (unenthülste) Hülsenfrüchte
(Erbsen, Linsen) nur einfach gekocht, ohne dabei zerquetscht zu werden,
so können nach den Erfahrungen von Fr. Hof mann und Strüm-
pell^ 40 Proz. davon und mehr unverändert mit dem Kot wieder aus-
gestoßen werden. Endlich werden durch die Siedehitze die noch den
Nahrungsmitteln oberflächlich anhaftenden oder schon ins Innere vor-
gedrungenen kleinen Lebewesen (Mikroorganismen) vollständig ertötet
und wird damit manche, von selten der rohen Nahrungsmittel drohende
Gefahr abgewendet.
Eine wesentlich andere Rolle spielt das Kochen für die animalischen
Mittel, z. B. Milch, Eier, Fleisch. Während Milch und Eier im rohen
Zustand flüssig sind und daher ohne weiteres der Verdauung und Auf-
saugung unterliegen können, ist das Fleisch von fest-weicher Konsistenz und
organisiertem Gefüge. Allein im Gegensatz zu den Pflanzenzellen haben
die Zellen der tierischen Gebilde entweder keine Membran oder eine
nur so zarte, daß die Nährstoffe des Zellleibes fast frei und seitens der
Verdauungssäfte direkt angreifljar liegen. Deshalb kann auch das im
rohen Zustande eingeführte Fleisch, vorausgesetzt daß es in zerkleinertem
Zustande (als gehacktes oder gewiegtes) genossen oder auch nur durch
sorgsames Zerkauen zerkleinert wird, nicht nur verdaut und ausgenutzt,
sondern auch ohne Beschwerden vertragen werden. Dagegen läuft man
beim Genuß rohen Fleisches Gefahr, im Fleisch parasitär lebende
Organismen, Blasenwürmer oder Finnen (Cysticercus) sowie Trichhien
einzuführen, von denen erstere entweder Blasenwürmer frei werden lassen,
die vom Darm aus ihre Wanderung antreten und mit dem Blutstrom
zum Gehirn, zum Auge oder zur Haut gelangen können, unter Um-
ständen schwere funktionelle Störungen hervorrufend, oder durch Genera-
tionswechsel zu Bandwürmern werden, während die Trichinen, die Darm-
wand durchsetzend in die Muskeln einwandern und durch ihre Anhäufung
in gewissen Muskeln (Kehlkopf, Zwerchfell) schwere Erscheinungen, ja
den Tod herbeiführen können. Noch größere Gefahren können vom
Genuß roher Milch drohen, insofern bei der Maul- und Klauenseuche
56
Einzclernährung und MaFsenernährung. 57
sowie bei der Perlsucht (Tuberkulose) milchender Tiere (Kühe, Schafe)
die spezifischen Kninkhcitskcinie in die Milch übersehen und so zum
Aus])ruch der resi». Krankheiten bei demjenigen, der die rohe Milcli
jeuer kranken Tiere j^'enießt, Aidaß ^'eben kihinen. F.bonso kann die
Milch jj;elegentlich Typlius- oder C'liolerabacillcn enthalten, dadurch daß
die Aufbewahrungsgefiiße mit solch infiziertem Wasser gespült worden
sind, oder sie kann die Infektionskeime der Diphtheritis und des Schar-
lachs aufgenommen haben und bei Genuß im rohen Zustande die resp.
Krankheiten übertragen. Diese Gefahren werden durch das Kochen der
Milch abgewendet, indem die Siedhitze schon bei einer Einwirkungsdauer
von 10^15 Minuten jene Infektionsträger ertötet.
Eine wesentliche Bedeutung hat die Zubereitung, insbesondere beim
El ei seh, insofern dadurch die Schmackhaftigkeit und Bekömmlichkeit
gefördert wird. Nur hat man hier streng zu unterscheiden je nach
der Art, in welcher die Einwirkung der hohen Temperatur erfolgt.
Bringt man das Fleisch in nicht zu großen Stücken, zweckmäßig unter
Zusatz von Salz und anderen Würzstoffen, mit Wasser zusammen und
erwärmt das Gemenge, so erfolgt eine Auslaugung der in kaltem und
weiterhin der in warmem Wasser löslichen Stoffe: Salze, Extraktivstoffe
(Eleischbasen), wasserlösliches Eiweiß (Albumin) u. a., und zwar, je
länger das Wasser einwirkt, in um so stärkerem Grade. So geht der
größte Teil der schmeckenden Würzstoffe und des roten Farbstoffes, ein
Bruchteil des Fleischeiweißes, die wichtigen Fleischsalze, soweit sie wasser-
löslich, weiterhin auch ein Teil des in Leim übergeführten Bindegewebes
und etwas Fett in das Kochwasser über, das als Fleischbrühe ein
beliebtes Genußmittel, zugleich eine passende Einleitung zu einem größereu
Mahle abgiebt. Sobald die Temperatur der Fleischbrühe 70" er-
reicht , gerinnt das darin enthaltene Eiweiß, der rote F'arbstoff wird
unter Braunfärbung (Bildung von Ilämatin und geronnenem Eiweiß) zer-
setzt ; so entsteht ein brauner Schaum, der seines mißfarbigen Aussehens
wegen schon Ijei der Zubereitung abgeschöpft wird, obwohl er Nährstoffe
enthält. Bei dieser Art der Zubereitung ist die Auslaugung, also die
Gewinnung einer wohlschmeckenden würzigen Fleischbrühe (Bouillon)
die Hauptsache; deshalb wird das Kochen mit Wasser in der Regel
mehrere Stunden unterhalten, um möglichst vollständig alles Wasser-
lösliche zu extrahieren. Das übrig bleibende Kochtleisch ist, da bei
70 " zunächst das Flweiß der Kindenschichten und bei weiterer Einwir-
kung der Hitze auch das der tieferen Schichten gerinnt, je nach der
Dauer des Kochens um so härter, derber und zäher, und wenn auch
sehr nährstoffreich (der Flweißgehalt des Kochfleisches beträgt bis zu
30 l'roz ). doch wenig schmackhaft, schwerer bekömmlich, iind es bedai-f
zur Verbesserung des Geschmackes und der Bekömnilichkeit einer be-
sonderen Zubereitung (Schmoren unter Zusatz von (iewürz und Fett).
Kommt es nicht auf die Herstellung einer Fleischl)rülie an, sondern
nur auf Erzielung m()glichster Schmackhaftigkeit und Bekömnilichkeit
des Fleisches, so erweist sich das Dämpfen^ und Braten am zweck-
mäßigsten. Das Dämpfen ist eine in vielen Beziehungen vorteilhafte
Zubereituugsart, bei der man nicht kochendes Wasser, sondern Wasser-
dami)f anwendet, der nicht direkt in das Fleisch eindringt, sondern nur
die Wandungen des im geschlossenen Behältnis befindlichen Fleisches
allseitig erwärmt, wozu man am besten einen doi)pelwandigen Metall-
kochtopf (Beck er 's Dainpfkochtopf) verwendet, zwischen dessen dop-
pelten Wanduugeu erhitztes Wasser sich befindet ; für Fleiscli ist es
57
58 IMMAMEL MUNK.
nicht nötig, bis zu Siedehitze zu erwärmen, weil schon eine Temperatur
von TU^' genügt, das Fleisch in denjenigen Zustand zu versetzen, in dem
es die uns angenehme Beschatlenheit oder Konsistenz hat, gar oder
halbgar wird, ohne daß dabei das Eiweiß in den geronnenen Zustand
übergeht. Indem die Temperatur hier nicht so hoch gesteigert zu
werden braucht, werden dem Fleisch alle seine Bestandteile, die näh-
renden wie die schmeckenden, erhalten, zugleich wird fast jede Zersetzung
organischer Stoffe hierbei vermieden.
Ein anderes, sehr zweckmäßiges Verfahren, möglichst schmackhaftes
und nahrhaftes Fleisch zu gewinnen, ist das Braten und Rösten.
Hier setzt man das Fleisch in möglichst großen Stücken (ohne Zusatz
von Wasser), und wenn das Fleisch mager ist, vorteilhaft unter Zusatz
von Fett direkt der hohen Temperatur aus. Unter der Einwirkung der
Hitze gerinnt zunächst das Eiweiß an der Oberfläche, bei 70^ wird
schon der rote Farbstoff zerstört, das Fleisch bräunt sich. Indem die
Hitze auf die Rindenschichteu weiter einwirkt, erfolgt je länger, desto
stärker eine teilweise Zersetzung des Eiweißes und anderer organischen
Stoffe (Extraktivstoffe, Fett), weiterhin eine gelinde Verkohlung, und
hierbei entstehen als Zersetzungsproduktc eine Reihe scharf und pikant
schmeckender und würzig riechender Stoffe, deren Gegenwart die Rinden-
scbicht, die sog. braune bis schwarze Bratenkruste auszeichnet. Auch
wird infolge der Gerinnung der Rindenschichten dem Fleischsaft aus dem
Innern der Austritt unmöglich gemacht, daher das Fleisch beim Braten
saftig bleibt. Dank dem schlechten Wärmeleitungsvermögen * der wasser-
reichen tierischen Teile dringt die Wärme nur so langsam nach innen
vor, daß, während die Kruste durch ihre dunkle Färbung die Einwir-
kung einer Temperatur über 100° verrät, die Temperatur im Innern
noch nicht 70 '^ erreicht, daher das Brateninnere (wie z. B. beim Roast-
beef) noch rot, blutig aussehen, dabei doch halbgar und für den Genuß
geeignet sein kann.
Ebenso zweckmäßig und z. T. noch beliebter sind die durch Rösten
des Fleisches hergestellten Speisen. Hier werden, damit die Hitze mög-
lichst direkt und allseitig die Fleischteile umspült, die letzteren nicht
in der Bratpfanne, sondern am Spieß oder auf dem Gitterrost (grill
der Engländer) der Hitze ausgesetzt, dabei werden die Rindenschichten
mehr oder weniger stark verkohlt, wobei noch reichlicher als beim
Braten aromatisch und pikant riechende und schmeckende Stoffe ent-
stehen, während die schleunige Bildung einer festen Kruste dem Fleisch-
safte den Austritt aus dem Inneren verwehrt.
Auch die Eier können roh genossen werden, doch auch bei ihnen
geht zumeist das Kochen derselben in Wasser voraus. Je weniger die
Temperatur des W^assers den Siedepunkt erreicht und je kürzere Zeit
sie einwirkt, desto lockerer ist die Gerinnung des Eiweißes und des
Eigelbes ; je stärker die Hitzeeinwirkung ist, desto fester und derber
erfolgt die Gerinnung, und man unterscheidet danach weich oder halb-
weich (pflaumenweich) und hart gekochte Eier. Die weichgekochten sind
leichter verdaulich und besser bekömmlich als die hartgekochten, indem
letztere, wie größere Fleischstücke, einen mechanischen Reiz auf die
Magenschleimhaut ausüben, soiaß ihre Verdauung nicht selten mit un-
angenehmen Empfindungen, ja sogar mit Schmerzen verknüpft ist.
Es sei denn, daß aus den harten Eiern dünne Scheiben geschnitten
werden, welche der Magenoberfläche eine große AngriffsflAche darbieten.
5S
Einzeleruährung und Masseaernäbruug. 59
Entgegen eiueni verbreiteten Volksglauben sind weiche Eier sogar leichter
verdaulich als rohe Eier.
Erweist sich nach alledem die Bedeutung der Zubereitung für
ptlauzliche Mittel als wesentlich verschieden gegenüber der bei anima-
lischen Nahrungsmitteln, so ist ferner als bemerkenswert hervorzuheben,
dali auch in Bezug auf den Wassergehalt der zubereiteten Speisen ein
fundamentaler Unterschied sich geltend macht. Beim Braten oder R<)sten
bülit das Fleisch etwa 20 Proz. seines Wassergehaltes ein, gekochtes
oder gesottenes ist sogar noch wasserärmer, enthält knajjp r)5 Proz.
Wasser. Dagegen nimmt beim Zubereiten der ptiaiizlichen Nahrungs-
mittel der Wassergehalt ausnahmslos zu. Die Hülsenfrüchte, z. B. Erbsen,
enthalten im rohen Zustande nur 12 — 15 Proz. Wasser; werden sie mit
Wasser gar gekocht, so tindeu sich im Erbsbrei rund 70 Proz., in der
Erbsensuppe bis zu 90 Proz. Wasser ^. Bei den Kartoffeln, die roh 75 Proz.
Wasser führen, steigt beim Garkochen der Wassergehalt auch bis zu
90 Proz. an. Wird aus Weizen- oder Roggenmehl mit nur 14 Proz.
Wasser ein Teig hergestellt und dieser zu Brot verbacken, so enthält
das fertige Weizen- oder Roggenbrot 35—42 Proz. Wasser, d. h. rund
3 mal so viel Wasser als das Ausgangsmatcrial. Mit anderen Worten :
die pflanzlichen Mittel werden durch die Zubereitung voluminöser, wäh-
rend die animalischen dabei ein geringeres Volumen annehmen. Will
man daher aus Vegetabilien allein seinen Bedarf decken, so kommt man
zu sehr großen, bei gehaltarmen sogar zu geradezu kolossalen Volumina.
Auf diesen wichtigen Punkt wird, da das Volumen einerseits zu dem
Sättigungsgefühl, andererseits zu der Verwertung der Speisen im Darm
in Beziehung steht und endlich auch für die zweckmäßige Auswahl der
Nahrungsmittel zur Nahrung in Beziehung steht, noch besonders ein-
zugehen sein.
1 ) Vergl. I. M unk und üffelmann, Die Ernährung des gesunden u. kranken Menschen, 2. Auß.
I 1891) 253.
2) Fr. Hofmann, hei Voit, Manch, akad. Sttz-Bir. 1869, D:z.; Strämpell, D. A. f. kUn.
Med. \1. lid 118
3) E. Hüppe, Uerl. klin Woch (1890) Nr. G.
4) WolflFhügel und Hüppe, Mät. d K. Gesundheitsamtes 1. Üd. 395.
5) Forator, Z J. Biol. 'J. Bd. 383.
§ 2. Volumen, Form und Konsistenz der Nahrung.
Gleichwie wir bei der Erörterung der Würz- und Genußstotfe (S. 40)
betont haben, daß die Speisen, auch wenn sie alle dem Bedarf entsprechen-
den Nährstoffe in der erforderlichen Menge enthalten, nur dann ohne
Widerwillen verzehrt werden, wenn sie einen uns angenehmen Geschmack
und (ieruch haben, sodaB uns die Nahrungsaufnahme als Genuß erscheint,
eben.so muß die Nahrung auch ein gewisses Volumen und Gewicht haben,
wenn wir davon befriedigt werden, wenn wir das für eine gehobene
Stimmung und für die Arbeitslust notwendige Gefühl der Sättigung
haben sollen, das nur durch eine gewisse mittlere Füllung des Magens
hervorgerufen wird. Nun hängt das Sättiguugsgefühl von verschiedenen
Momenten ab, einmal von der Größe, ab.soluten und relativen Kapazität
des Magens, sodann sehr wesentlich von der Gewohnheit. Wer von
Jugend an gewöhnt ist, ein großes Speisevolumen aufzunehmen, wie
das bei vorwiegender PHanzennahruug der Fall ist und fast aus-
59
60 IMMANUEL MVNK,
naliinslos bei den niederen Volksklassen zutrifft, die ihre Verptleguiig
um einen möglichst geringen Preis bestreiten müssen, bei dem bleibt
das Sättigungsgefühl aus, sobald er eine Nveniger voluminöse gemischte,
auch gehaltreiche animalische Mittel einschließende Nahrung genießt,
selbst wenn letztere in reichlicherem Maße verwertbare Nährstoffe ent-
hält als die sonst gewohnte ptlanzliche Nahrung. Da hier Individualität
und Gewohnheit ihr entscheidendes Wort mitsprechen , läßt sich nur
ganz allgemein feststellen, welches das zweckmäßige Volumen für den
Durchschnittsmenschen ist, ohne dabei außer Acht zu lassen, daß eine
Reihe von Individuen von dem so normierten mittleren Volumen nicht
das Gefühl der Befriedigung und Sättigung erhalten. Denn bei gewohn-
heitsmäßigem Genuß einer sehr voluminösen, durch die Zubereitung
sehr wasserreich gewordenen pflanzlichen Nahrung: Kartoffeln, Reis,
Mais, Hülsenfrüchte, Schwarzbrot findet eine Anpassung des Magens
und Darmkanals an die großen Speisevolumina statt, es kommt durch
die stete übermäßige AnfüUung zu einer dauernden Erweiterung des
gesamten Verdauungskauais, Magens und Darms, der unter dem Namen
„Kartoffelbauch" bekannt ist, weil er häufig bei den fast nur von Kar-
toffeln lebenden armen Volksklassen (Irland, Ostpreußen, Oberschlesien
u. a.) beol)achtet wird.
Für den Durchschnittsmenschen läßt sich auf Grund der vorliegen-
den Erfahrungen die untere und obere Grenze feststellen, unter die das
Speisevolumen nicht absinken, resp. über die das Volumen nicht hinaus-
gehen darf, wenn Sättigung erzielt bezw. Ueberfüllung des Magens und
Darms vermieden werden soll. Denn gleichwie eine gewisse mittlere
Füllung Sättigungsgefühl und damit gehobene Stimmung und Arbeits-
lust erzeugt, so ruft eine Ueberfüllung das gerade Gegenteil hervor:
die schwere Verdauungsarbeit, die dem Darm aufgebürdet wird, macht
zu anderer Arbeit unlustig und ruft das Verlangen nach Körperruhe
hervor. So viel steht fest, daß die großen Speisevolumina der über-
wiegend pflanzlichen Nahrung, wie sie in Gefängnissen geboten werden
und ausnahmslos 3000 g im Tage (ohne das getrunkene Wasser ge-
rechnet) übersteigen, entschieden zu hoch sind ; darüber wird von allen
einsichtigen Aerzten, welche sich mit der Gefängniskost beschäftigt
haben, einstimmig Klage geführte Andererseits kann man anführen,
daß ein Tagesvolum, das erheblich unter 1500 g heruntergeht, für den
Durchschnittsmenschen entschieden nicht ausreicht, um das erwünschte
Sättigungsgefühl zu erzeugen. Förster^ bestimmte das tägliche
Speisevolumen von 2 jungen Aerzten zu 1700 bez. 2140 g, Uffelmann ^
dasjenige von 4 in leidlichen Verhältnissen lebenden Handwerkern zu
1575—2080 g, sein eigenes Speisevolumen zu 1570, dasjenige gesunder
Soldaten , die aus der Kompagniemenage veri)flcgt wurden und dabei
gut genährt und kräftig waren, zu 1600 — 21C0 g. Danach kann man
•für den P^rwachsenen von mittlerem Gewicht (70 k) 1600
— 2000 g als das tägliche mittlere Speisevolumen hinstellen
und ferner betonen, daß bei einem Volumen von 1400 g das Gefühl
nachhaltiger Sättigung kaum erreicht wird. Kann auch wohl in der
Mehrzahl der Fälle das Volumen selbst 2000 g übersteigen, ohne daß
das Gefühl der Uebersättigung, der Unlust und körperlichen Abge-
schlagenheit hervorgerufen wird, so darf doch für die Mehrzahl das
Volumen nicht 2500 g erreichen, geschweige denn übersteigen. Von
diesem Tagesvolumen soll etwa die Hälfte auf die Hauptmahlzeit kommen,
■welche für die körperlich arbeitende Klasse, wie noch bei der Mahl-
6o
Einzelernührung und Masseueruährung. 61
Zeitenordnung besprochen worden soll, am zweckniäBif^'sten in die mitten
zwischen die Ta-^esarheit fallende Mittagspause gelegt wird.
Wenn aud» im allgemeinen die animalische Nahrung, insbesondere
mageres Tleisch, vermöge ihres kleinen Volumens bei gleichem Gehalt
an verwertbaren Nährstoffen nicht so leicht das volle Sättigungsgefühl
erzeugt, wie die voluminöse pflanzliche Nahrung, so sei doch hervor-
gehoben, daß auch bei relativ kleinem Volumen manche Animalien das
Gefühl der Sättigung hervorrufen, so vor allem selbst pHaumenweiche
Eier, welche, schon in mälMger Menge genossen (5— G Hühnereier =
240— 21XJ g Eisul)stanz), entschieden sättigen, während dies bei einer
Fleisch- oder Milchquantität, welche die nämliche Menge an Eiweiß und
Fett enthält (150-200 g fettes Bratentieisch, 800 g Milch) entweder
gar nicht oder in viel geringerem Grade der Fall ist. Insbesondere ist
es der etwas reichlichere Fettgehalt der Speisen, der selbst bei
an sich geringem Speisevolumen Sättigung hervorruft, ein Punkt, der
von besonderer Bedeutung für die Masseuernährung ist, weil es durch
Fettzusatz gelingt, das Gewicht selbst der sehr voluminösen wasser-
reichen Vegetabilien wesentlich herabzusetzen, ohne daß das Sättigungs-
gefühl danach ausbleibt.
Nächst dem Volumen ist die Form und Konsistenz der
Speisen von beachtenswerter Bedeutung. Auch in dieser Beziehung hängt
so viel von der Individualität und Gewohnheit ab, daß für alle Menschen
giltige Normen sich schwer aufstellen lassen, vielmehr haben diese Be-
trachtungen wiederum nur den Zweck, die oberen und unteren Grenzen
festzustellen, innerhalb deren sich die Form und Konsistenz der Speisen
bei zweckmäßiger Ernährung des Durchschnittsmenschen bewegen dürfen.
Haben wir uns an eine gewisse Konsistenz eines bestimmten Gerichtes,
z. B. die mittelweiche oder breiige, gewöhnt, so mindert jede stärkere
Abweichung in der Konsistenz sowohl nach der Seite des Flüssigen als
nach der Seite des Derbharten hin die Schmackhaftigkeit und damit
die Eßlust. Mit der Aenderung der Form und Konsistenz sind aber
auch objektiv nachweisbare Erscheinungen verbunden, die sich auf die
Bekömmlichkeit oder Ertragbarkeit sowie auf die Verwertung der Speisen
im Dann beziehen.
Gerade das, was man gemeinhin als „Verdaulichkeit" bezeichnet und
wonach man das eine oder das andere Gericht als „leicht verdaulich",
als „ziemlich verdaulich" oder als „schwer verdaulich" anspricht, hat
mit der Verdauung, d. h. mit dem Ausziehen, mit dem Ueberführen
der Nährstofte aus den Speisen in lösliche Form und mit dem Ueber-
tritt des Löslichen in die Säftemasse an sich kaum etwas zu thun, be-
zieht sich vielmehr fast au.sschließlich auf die Art der subjektiven Em-
pfindungen, die wir nach dem Genuß und bei der Verdauung der resp.
Speise haben, also auf das, was besser als „Bekönnnlichkeit" oder „Er-
tragbarkeit" bezeichnet wird'. Während nach Genuß einer Speise in
bestimmter Form, z. B. gebratenes oder geröstetes Fleisch, die Ver-
dauung sich für uns unmerklich und ohne subjektive Beschwerden voll-
zieht (in diesem Fall sjiricht man von „Bekömmlichkeit"), haben manche
bei einer anderen Form und Konsistenz desselben Gerichtes, z. B. ge-
kochtes oder gesottenes Fleisch, schon mehr oder weniger unangenehme
Kmi)tindungen, das Gefühl von Völle und Druck, und nach Genuß von
Kochtleisch in größeren Stücken häutig sogar mehr oder weniger leb-
hafte Schmerzemptindungeu. Aehnliclies trifft für flüssige resp. pflaumen-
weich resp. hart gekochte Eier zu, für mehr oder minder vollständig gar
6i
62 IMMAMKL MINK,
gekochte Hülseufrüchte, für Kartotielbrei im Gegensatz zu gekochten,
aber in größeren Stücken genossenen Kartoft'eln. Je härter die Kon-
sistenz der Speisen, desto schwerer bek(3nindicli, desto schwerer ertrag-
bar erweisen sie sich, während die flüssige und weiche oder breiig-weiche
Konsistenz der Speisen sich zugleich als leichter bekiaunilich erweist.
Diese mit der derberen Konsistenz verbundene schwerere Bekömmlich-
keit macht sich bei manchen auch geltend im Falle, wo flüssige, also
an sich leicht bekömudiche Nahrung eingeführt wird, diese aber, wie
z. B. die Kuhmilch, im Magen zunächst zu groben Klumpen gerinnt, ehe
sie weiterhin der Lösung unterliegt. Die Bekömmlichkeit ist indes in-
dividuell verschieden. Ein sehr gesunder Magen und Darmkanal ver-
trägt auch Derb-Konsistentes ohne wesentliche Beschwerden, ja gerade
die ärmeren Volksklassen, deren überwiegend pflanzliche Nahrung wenig
Schmackhaftigkeit und Abwechselung und infolgedessen weniger Anreiz
zur Speiseaufnahme bietet, verlangen häufig nach Speisen derberer Kon-
sistenz, welche bei dem Mangel des Geschmacks- und Geruchsreizes
für den Magen wenigstens den mechanischen Reiz liefert, der denselben
zur Thätigkeit anregt. Ja dieses mechanischen Reizes durch konsistentere
Nahrung bedarf jeder sonst gesunde Magen , wie es scheint, wenigstens
von Zeit zu Zeit, liegen doch von zahlreichen guten Beobachtern Er-
fahrungen darüber vor, daß flüssige oder breiig-weiche Nahrung, so be-
kömmlich sie an sich auch ist, für die Dauer nicht ertragen wird, daß
dabei die Eßlust je länger je mehr absinkt, Ekel und Widerwillen gegen
die stets gleich konsistenten Speisen sich einstellt, und daß der Appetit
rege gehalten und die Speiseaufnahme in ausreichender Menge erst
wieder ermöglicht wird, wenn von Zeit zu Zeit eine etwas konsistentere
Kost mit der flüssigen oder breiig-weichen abwechselt.
Dieser Punkt ist auch hygienisch in Rücksicht auf die später zu
behandelnde Massenernährung von solcher Bedeutung, daß wir ein wenig
näher noch darauf eingehen müssen. Die flüssige Form der Speisen
sagt dem gesunden Erwachsenen , darüber dürfen die Akten wohl als
geschlossen gelten, für die Dauer nicht zu ; ja selbst Magenkranke, denen
zur Schonung des angegriffenen Magens eine flüssige Diät verordnet
wird, empfinden schon nach wenigen Tagen die flüssige Konsistenz als
unangenehm und fast unerträglich. Nicht viel besser steht es in vielen
Fällen um die breiig- weiche Konsistenz, zumal wenn die wenig
schmeckenden Vcgetabilien, z. B. Hülsenfrüchte, Kartoffeln, die billigen
Kohlarten, fast den ausschließlichen Inhalt der Nahrung bilden und diese
verschiedenen Nahrungsmittel allesamt zu einem Brei verkocht und in
dieser Form als sog. ,.zusammengekochtes Essen" ausgegeben werden,
sodaß selbst die Hauptmahlzeit aus diesem einen und einzigen breiigen
Gericht besteht. Gerade in den Gefängnissen, in denen bis auf die
neueste Zeit die Kost fast ausschließlich in Suppenkonsistenz geboten
worden ist, haben gut beobachtende Aerzte, unter denen hier nur A.
Baer und Hürbin-' genannt werden mögen, bei den meisten Inhaf-
tierten schon nach kurzer Zeit Widerwillen auftreten sehen, weiterhin
Appetitlosigkeit bis zur Brechneigung und Würgbewegungen, Dyspepsie
und zeitweilige gänzliche Unmöglichkeit der Speiseaufnahme, infolge
deren die an sich schon entkräfteten Gefangenen schnell herunter-
kommen, blaß und anämisch werden, eine große Neigung zu Erkrankun-
gen (profuse Durchfälle oder hartnäckige Verstopfung, Schwindsucht,
Skorbut u. a.j zeigen und gelegentlich vorkommenden en- oder epi-
demischen Krankheiten zum Opfer fallen. Und diese schlechten Erfah-
62
Eiuzeleruäliruiig und Massoneruälirung. 63
run^'eii haben sich wosontlich gebessert, seitdem neuenlings wenigstens
von Zeit zu Zeit, jeden zweiten bis dritten lag, eine etwas konsistentere
Kost, aUerdings unter Zusatz von ilen Geschmack reizenden Animalien
(Fleisch, Hering, Käse) verabreicht wird. Indes ist dabei nicht zu ver-
gessen, daü auch dem ewigen Einerlei in der Zubereitung, der man-
gelnden Abwechselung der zur Verkochung verwandten Nahrungsmittel
sowie endlich dem mangelhaften oder ungenügendem Würzen wohl
ein nicht unbeträchtlicher Anteil an der Unzuträglichkeit der breiig-
weichen Kost zukommt. Uffelmann* stimmt zwar dem bei. daß die
breiige Gefängniskost, die 75— 8U Proz. Wasser einschließt, thatsächlich
zu wasserhaltig ist, um so mehr, als bei den Gefangenen infolge der
geringen Körperbewegung der Wasserüberschuß weniger vollständig aus
dem Organismus ausgeschieden wird, bringt aber Erfahrungen bei, aus
denen hervorgeht, daß nicht jede breiige Kost auch bei anhaltendem
Genuß solche Nachteile wie bei den Gefangenen hervorruft. Das Mit-
tagsmahl einer von ihm beobachteten Kompagnie Soldaten lieferte aus-
schließlich zusammengekochtes Pässen in Breiform (allerdings darin Fleisch,
Gemüse, KartoHeln) mit einem Wassergehalt von 75 Proz., das Früh-
stück nur Milchkatiee mit Brot, das Abendessen wiederum Katfee mit
Brot und die Reste des Mittagessens, und dabei hatten die Soldaten
genügende Eßlust, ein sehr frisches Aussehen und erwiesen sich auch
bei den Strapazen des Dienstes ausdauernd. Ferner hat er im Verein
mit W. Schröder' die 8 — 15-jährigen Insassen einer mecklenl)urgi-
schen Besserungsanstalt beobachtet, welche bei einer fast ausschließlich
vegetabihschen Kost und zusammengekochtem Essen gut gediehen ; aller-
dings wurden die Knaben täglich mehrere Stunden mit Feld- und (jarten-
arbeit beschäftigt. Danach meint Uffelmann, daß die üble Wirkung
der breiigen, wasserreichen Kost nur dann sich geltend macht, wenn die
Verköstigten, wie es bei den Gefangenen der Fall ist, mangels reich-
licher Körperbewegung und kräftiger Muskelarbeit sich des eingeführten
Wasserüberschusses durch Nieren, Haut und Lungen nicht leicht ent-
ledigen können, fügt aber hinzu, daß er selbst da, wo die Verköstigten
kräftige Muskelarbeit ausführen, das zusammengekochte Essen nicht
gerade empfelden möchte, stehe doch so viel fest, daß für den Erwach-
seneu die mit flüssiger und breiiger Kost abwechselnde konsistente
Kost sich am zuträglichsten erweist.
Die Form und Konsistenz der Speisen ist ferner für die Größe der
Verwertung oder Ausnützung der Nahrung im Darm bedeutsam. Aller-
dings tritt dies weniger deutlich bei der animalischen Nahrung und beim
gesunden Menschen hervor, der Fleisch, Eier, Milch, in welcher Form
und Konsistenz auch immer, gut verwertet, sodaß nutglichst wenig da-
von unbenutzt im Kot wiedererscheint. Denn wenn auch hartgekochtes
Fleisch und harte Eier, zumal in grr)ßeren Stücken genossen, sich ent-
schieden weniger bekömmlich erweisen als weich gebratenes Fleisch
und jtflaumenweiche Eier, so stellt sich doch zwischen beiden kein wesent-
licher Unterschied in der Ausnützung heraus, es sei denn, daß so große
Stücke sehnigen Fleisches oder harter Eier schnell geschluckt worden
sind, ohne zuvor ordentlich durch Kauen zerkleinert zu werden, daß
Bruchstücke davon bei der durch den mechanischen Reiz angeregten
schnellen Darmbewegung rasch bis in den Mastdarm fortgefülirt und
mehr oder weniger unverändert ausgestoßen werden. Bei den Vege-
tabilien hängt aber so viel von der Form und K(msistenz der Speise
ab, daß im allgemeinen die Ausnutzung eine um so bessere ist, je mehr
63
G4 IMMANUEL MUNK.
dieselbe von flüssiger oder breiig-weicher Konsistenz ist, und um so
schlechter wird, in je derberer und konsistenterer Form die S])eise ge-
nossen worden ist. Es ist dies schon oben gelegentlich der Zerkleinerung
und Zubereitung der Nahrung (S. 53) angedeutet worden. Wir kommen
damit zu einer Frage, deren Beantwortung wegen ihrer für die Ernäh-
rung ganz hervorragenden Wichtigkeit eine besondere Behandlung
erheischt.
1) A. Baer, Die Gefängnisse, Strafanstalten u. s. u\, Berlin (1871); Meinert, Armee- und
Mafstneniährung, Berlin (1885); Fr. Hofmann, Die Fleischnahruiig , Leipzig (1880);
Schuster, bei Voit. Uutenuchung der Kost u. s. ic, München (1877) 142.
2) Forster. Z. f. Biol y. Bd. 381.
3) Uffelmann und Munk, Ernährung, 2. Aufl. (1891) 339.
4> ebenda 185
5» A. Baer, Blätter für Gejängnishunde 18 Bd. 309; Harbin, 18. Bd. 350.
6) Uffelmann. a. a. O 337.
7) W. Schröder, A. f. Uyg. 4. Bd. 1.
§ 3. Die Ausnützung der Nahrung im Darm.
Die Beobachtung und Untersuchung hat gelehrt, daß die vom Men-
schen entleerten Kotmeugen je nach der Art, Menge und Konsistenz der
genossenen Speisen innerhalb weitester Grenzen schwanken. Und zwar
hat sich herausgestellt, daß im allgemeinen am wenigsten Kot ausge-
schieden wird bei rein animalischer Nahrung (so bei 1400 g Fleisch
nur 7G g feuchter und 18,4 g trockener Kot), am reichlichsten bei
reiner Pflanzeunahrung (so bei 2560 g gelben Rüben 1090 g feuchter
und 74 g trockener Kot). Es geht also von jeder Nahrung bald ein
geringer, bald ein größerer Bruchteil unverwertet mit dem Kot heraus,
und diesen, dem Körper nicht zu Gute kommenden Anteil müssen wir
berücksichtigen, falls wir den Wert eines Nahrungsmittels oder einer
Nahrung mit dem eines oder einer anderen vergleichen wollen. Für
den Nährwert kommt selbstverständlich nur derjenige Anteil in Betracht,
der aus dem Darm in die Körpersäfte übergetreten ist, also wenn wir
die Einnahmen an Speisen mit der Größe der Kotausscheidung ver-
gleichen, gleichsam aus der Darmhöhle verschwunden ist. Daraus er-
giebt sich auch schon, wie wir die Ausnützung eines Nahrungsmittels
bestimmen. Wir brauchen nur die Menge der in den Körper mit den
Speisen aufgenommenen Trockensubstanz, ferner der stickstoffhaltigen
(im wesentlichen Eiweiß) und stickstoöfreien Substanzen (Fett, Kohle-
hydrate) zu ermitteln und gleichzeitig die Menge des Trockeukotes und
der N-haltigen bezw. N-freien Stotfe, die durch den Kot ausgestoßen
Wfjrden sind^j, dann ergiebt die Ditierenz beider die festen, ferner die
N-haltigen bezw. N-freien Stotie, welche verschwunden, d. h. in die
Säftemasse übergetreten sind. Wenn wir bei der Frage von der Aus-
nützung wesentlich nur die festen Stotie und darunter Eiweiß, Fett und
Kohlehydrate berücksichtigen, dagegen kaum die Mineralverbindungen
*) Man verfährt hierbei am besten so, dafs man die Nalirungsmittel, deren Verwertung
man ermitteln will, 2 — 3 Tage lan« giebt und mehrere Stunden vor Beginn des Versuchs-
tages und ebenso mehrere Stunden nach Aufnahme der letzten Mahlzeit aus dieser Beihe
der Versuchsperson 1 g Petroleumrufs in Oblaten (Gramer, Z. f. phyaiol. Ch. 6 Bd. 346)
oder 1 g Pflanzeiikohle in Schüttelmixtur (Fr Müller, Z. y. klin. Med. 12. Bd. 47) reicht.
Man findet dann die zur Versuchsreihe gehörige Kotmenge zwischen 2 Portionen Hufskot
eingeschlossen.
64
EiozeloruäbruDg und MassoDernäbning. 65
( Ascliebestaiidteile), so luit dies tiarin seinen Grund, daß die Mineral-
stoffe in der Kegel mit jeder Nahrung, wie dieselbe auch zusannncn-
gesetzt sein mag, reichlich genug aufgenommen werden (S. 28). Allein
bei dieser Differenzrechnung zwischen den Bestandteilen der Nahrung und
denen des Kotes darf ein Moment nicht außer acht gelassen werden.
Zu den Sjteisen treten im Verlaufe des Darmkanals die verschiedenen
Venlauungssafte hinzu; wenn nun auch weiterhin der größte Teil der
festen Stoffe derselben, zugleich mit den verdaulichen Stoffen der Nah-
rung, in das Blut über- bez. zurücktritt, so wird doch ein Bruchteil von
den festen Stoffen derselben, und zwar hauptsächlich von der Galle (ein
Teil der Gallensäuren, des Gallenfarljstoffes , des Gallenschleims, der
Mineral- und ätherlöslichen fettartigen Stoffe), zugleich mit dem Darm-
schleim, den Keriisubstanzen (Nukleinen) der zerfallenen und abgestoßenen
Kpithelieu der Darmschleimhaut, im Verein mit dem unverdaulichen oder
unverdauten Teil der Nahrung, durch den Kot ausgestoßen. Da die
Verdauungssafte, hauptsachlich die Galle, auch im nüchternen Zustande
zu einem gewissen Betrage abgeschieden werden und davon ein Bruch-
teil nicht wieder ins Blut zurückkehrt, so entleert auch der hungernde
Mensch in größeren Intervallen Kot, den sog. Hungerkot ', durch den
nach Fr. Müller" pro Hungertag etwa 2—3,8 g Trockensubstanz mit
U,ll — 0,3 g Stickstoff (zumeist in Form von Nuklein und Mucin) aus-
gestoßen werden. Die Differenzrechnung zwischen Nahrungs- und Kot-
bestandteileu ist, wenn man den so gewonnenen Wert direkt als den
ausgenützten (resorbierten) Anteil der Nahrung ansehen w^ollte, mit
dem Fehler behaftet, daß dabei die von den Verdauungssäften gelieferte,
also aus dem Körper selbst stammende Quote nicht i)erücksichtigt ist,
sodaß um die Größe der letzteren die thatsächliche Ausnützung geringer
erscheiiit. Nun könnte man meinen, die geeignete Korrektur dafür ein-
fach in der Weise anbringen zu können, daß man die tägliche Menge
des Huugerkotes mit 2—3 g Trockensubstanz und 0,1-0,3 g N von
der Trockensubstanz bezw. dem Stickstoff des Kotes in Abzug bringt.
Allein auch das wäre unrichtig; denn sobald Speisen in den Verdauungs-
kanal eingeführt werden, beginnt oder kommt die Sekretion der Ver-
dauungssäfte lebhafter in Gang, sodaß der von diesen gelieferte Anteil
der mit dem Kot ausgestoßenen Stoffe gegenüber dem Hungerzustande
beträchtlich zunimmt. So hat Bieder^ festgestellt, daß auch bei aus-
schließlichem Genuß von Kohlehydraten, also ohne daß mit der Nahrung
stickstoffhaltige Substanz (Eiweiß) in den Darm gelangt, die Menge des
mit dem Kot ausgestoßenen Stickstoffes auf das 2^j.^-fac\ie des Wertes
im Hungerkot ansteigt. Somit schwankt die vom Körper gelieferte
Quote «les Kotes, die nicht der genossenen Nahrung entstammt, je nach
der Qualität und Quantität der genossenen Speisen. Aus diesen Grün-
den ist der thatsächlich verdaute Anteil der Nährstoffe aus einem
Nahrungsmittel stets höher zu veranschlagen, als der Ausnützungsver-
such ergiebt, und zwar um so höher, je ärmer das zu prüfende Mittel
an Nährstoffen, insbesondere den stickstofilialtigen, ist. Je nährstoff-
reicher ein Mittel ist, je größere Mengen von Nährstoffen damit bei
relativ kleinem Volumen eingeführt werden, je mehr davon verwertet
wird, wie dies bei den Animalien der Fall ist, die eine relativ konzen-
trierte Nährstoffmischung vorstellen, desto schärfer ist der Ausnützungs-
versuch. Je ärmer an Nährstoflen dagegen das Nahrungsmittel ist, je
größere Volumina daher für eine bestimmte Nährstoffmenge eingeführt
werden müssen und je größer somit die jedesmal gelieferte Kotmenge
UaDdbucb der Hygiene. Bd. III. AbtIg. 1. 5
66
IMMANUKL MUNK,
ist, desto iiiisiclierer wird der Ausiititzuiipsversuch. Will man zwei
Mittel in Bezug auf ihre Ausnutzung vergleichen, so muß man von
jedem so viel geben, als etwa dem Tagesbedarf entspricht. Hierfür
sind aber bei den pflanzlichen Mitteln, gegenüber den animalischen,
außerordentlich große Volumina erforderlich. Wenn das Tagesvolumen
der Speise 2000 g weit übersteigt, wie dies z. B. in Ausnützungsver-
suchen Rubuer's mit Wirsingkohl (3830 g) und gelben Rüben (2566 g)
der Fall gewesen ist, dann kann der Darm solch große Volumina kaum
bewältigen ; durch die nachrückenden Speiseanteile werden die zuvor
aufgenommenen aus dem Darm gleichsam verdrängt und so vorzeitig, noch
bevor alle verwertbaren Nährstoffe daraus ausgezogen sind, mit dem
Kot ausgestoßen, sodaß beim Wirsingkohl 360 g und bei den Rüben
sogar 1092 g feuchter Kot entleert worden sind und dieser ähnlich wie
die genossene Nahrung aussah. Aus alledem ergiebt sich, daß, so
wertvoll an sich die Ausnützungsversuche sind, ihre Ergebnisse allen-
falls zutrefien für konzentrierte Nahrungsmittel, wie Fleisch, Eier, Milch,
Weißbrot, Mehlgebäck (Maccaroni, Nudeln), daß sie schon viel unzuver-
lässiger sind, sobald die Speisevolumina und auch die Kotraengen größer
werden, wie beim Schwarzbrot, Reis, Erbsen, Kartoffeln, und für noch
wasserreichere und nährstoffärmere, außerordentlich große Speisevolumina,
wie Kohlarten und Gemüse, nur gewissermaßen die untere Grenze der
ungünstigen Ausnützung lehren *. Solche Ausnützungsversuche am Men-
schen ^ sind vereinzelt von J. Ranke, G. Meyer, Fr. Hofmann,
Uffelmann, Forster, Malfatti, Constantinidi, Fr. Müller,
Prausnitz, Zuntz und Ad. Magnus-Levy, in größerer Zahl
von Rubner ausgeführt worden; immerhin ist die Zahl der ge-
prüften Versuchspersonen noch zu gering, als daß man bei der Breite
der auch hier vorkommenden individuellen Schwankungen den Ergeb-
nissen ganz allgemeine Giltigkeit zusprechen darf. In nachfolgender
Tabelle sind die Resultate dieser Ausnützungsversuche zusammengestellt ;
nach den vorstehenden Darlegungen braucht wohl nicht noch erst her-
vorgehoben zu werden, daß allen Zahlenwerten in Bezug auf die Aus-
nützung nur eine relative, keine absolute Giltigkeit zukommt.
Granam
resorbiert in Proz. an
feucht
trocken
Trocken-
substanz
Eiweifs
Fett
Kohle-
hydrat
Fleisch (gebraten)
884
367
95
97
95
_
Eier (weich gekocht)
948
247
95
97
95
—
Milch
2470
315
92
91—99
95—97
100
Milch and Käse
2490
420
94
96
97
100
Weifsbrot
870
617
95
78—81
—
99
Roggenbrot (Graubrot)
—
438-765
85-90
68—78
—
93
Pumpernickel
—
423
81
58
—
89
Maccaroni
695
626
96
83
94
99
Mais
750
641
93
85
83
97
Beis Cgekocht)
638
552
96
80
93
99
Erbsenbrei
—
521
91
83
—
96
Kartoffeln (gekocht)
3078
819
91
68
96
92
Kartoffelbrei
700
98
80
—
99
(Wirsingkohl
3830
406
85
82
94
85)
Am besten werden danach die Kohlehydrate ausgenützt, und zwar
bei Milch, Weißbrot, Maccaroni, Reis fast vollständig, bei Erbsenbrei,
66
iiinzelernähruDg und Massenernährnng. 67
Kartoftelbrci und Mais bis auf 3 — 4 Proz. und nur im Rogfrenbrot, im
Punipeniickcl und Wirsing bis auf 11 Proz. Die Fette werden zumeist
bis auf .') Proz. resorbiert.
Dagegen ist die Ausnützung des Eiweißes eine sehr wechselnde;
am besten in den Animalien bis höchstens auf 4 Proz., im Maccaroni
und Erbsenbrei bis auf 17 Proz., im Weißbrot, Reis und Kartoflelbrei
bis auf 2U Proz., im Roggenbrot bis auf 27 Proz., in (ganzen) Kartoffeln
bis auf .'52 und im Pumpernickel gar nur bis auf 42 Proz.
In Rücksicht auf die Verwertung der Gesamttrockensubstanz stellen
sich einzelne Vegetabilien : Weißbrot, Maccaroni, Kochreis, Kartoffelbrei,
Erbsenbrei, Mais annähernd so günstig wie die Animalien (Fleisch, Milch,
Eier).
Auch der schon (S. 56, Gl) berührte Einfluß der Form und
Konsistenz der Speisen auf die Ausnützung geht aus obiger
Tabelle hervor. "Von gekochten, aber unzerkleinerten Kartoffeln wird
die Trockensubstanz nur zu 91 Proz., das Eiweiß nur zu 08 Proz. und
die Kohlehydrate zu 92 Proz. ausgenützt ; bei zerstampften und als
Kartoffelbrei zubereiteten stieg die Verwertung an, und zwar für die
Trockensubstanz auf 95 Proz., für das Eiweiß auf 80 Proz. und für die
Kohlehydrate auf 96 Proz. Während ferner Hülsenfrüchte (Erbsen),
zum Brei verkocht, zu 91 Proz. der Trockensubstanz, 83 Proz. des Ei-
weißes und 96 Proz. der Kohlehydrate verwertet werden , beträgt für
weichgekochte, aber unzerquetschte Hülsenfrüchte die Ausnützung der
Trockensubstanz nur 82 und die des Eiweißes gar nur 70 Proz.
Zu der schlechteren Verwertung der Vegetabilien, die feingemahlenen
Mehle der Getreidearten und Hülsenfrüchte in gut gekochtem Zustande
ausgenommen, wirken eine Reihe von Umständen zusammen. Selbst
wenn die Cellulosekapseln der Zellen bez. die Fruchthülsen durch das
Kochen gesprengt werden, reizt die Gegenwart der Cellulose mechanisch
die Darmschleimhaut, sodaß stärkere Darmbewegungen eintreten, welche
den Darminhalt vorschnell, noch bevor das darin Verdauliche vollständig
in Lösung übergeführt ist, als Kot herausbefördem ; hat doch Fr. Hof-
mann gezeigt, daß mit fein verteilter Cellulose gemengtes Fleisch
schlechter ausgenützt wird, reichlicher Kot liefert als ohne diesen Zu-
satz. Von den in den Vegetabilien so reichlich vorhandenen Kohle-
hydraten entzieht sich ein Teil der Ueberführung in Zucker und dem
Uebertritt aus dem Darm ins Rlut und fällt zumeist der sauren Gärung
anheim, unter Bildung von Essig- und Milchsäure, welch letztere weiter-
hin im Dickdarm in Buttersäure übergeht, unter Freiwerden von Wasser-
stoff und Kohlensäure ; daher der unangenehm sauer riechende und von
Gasblasen durchsetzte Kot. Die gebildeten Säuren beschleunigen gleich-
falls die Darmbewegungen und führen zu vorzeitigen und häufigen
Kotentleerungen, daher der reichliche Gehalt des Kotes an verdaulichen
Stoffen, zu deren Auslaugung und Resorption nur die Aufenthaltsdauer
der pflanzlichen Nahrung im Darm nicht hingereicht hat. Schließlich
wirken auch die großen Speisemengen gleichfalls auf die vorzeitige
Ausstoßung hin, insofern der Darm nicht die kolossalen Volumina fa.ssen
kann, und so durch die nachrückenden Speisen die zuvor aufgenommenen
einfach mechanisch verdrängt werden. Wäre der Darm des Menschen
auch nur annähernd so lang und geräumig wie der der großen Pflanzen-
fresser, sodaß die Speisen erhel)lich längere Zeit im Darm verweilen
könnten, so würde auch zweifellos die Verwertung der Pflanzennahrung
sehr viel günstiger sein, als das thatsächlich der Fall ist.
6? 6*
G8 IMMANUEL MUNK.
Schließlich bleibt noch die Frage zu beautworten, ob Körper-
bewegungen u n tl M u s k e 1 a r b e i t d i e V e r w e r t u n g der Nahrung
beeinflussen. Theoretisch sollte man einen solchen Einfluß und
zwar im Sinne der Herabdrückung erwarten, weil, wie sicher festge-
stellt, die thätigen Muskeln reichlicher vom Blut durchströmt werden
als die ruhenden, und da die Muskeln mindestens 40 Proz. des Körper-
gewichtes in Anspruch nehmen, muß, wenn auch nur ein größerer Teil
der Körpermuskeln in Thatigkeit gesetzt wird, reichlich Blut in die
Muskeln strömen und damit dem Pfortadergebiet, also auch dem Darm-
kanal entzogen werden. In der That haben verschiedene Autoren "^ sich
überzeugt, daß die Magenverdauung, beim Hunde wenigstens, schon
durch mäßige Körperbewegungen verzögert wird und daß bei ermüden-
deuder Muskelarbeit der Magensaft spärlicher und säureärmer, also
weniger verdauungstüchtig abgesondert, der Uebertritt der Speisen in den
Darm aber beschleunigt wird. Zu ähnlichen Resultaten ist Spirig'
beim Menschen gelangt. Allein diese Beobachtungen beziehen sich nur
auf die Zeit, während deren gearbeitet wird, und da bis zu einem ge-
wissen Grade die Herabsetzung der Verdauungstnergie, wie für den
Magen, wohl auch für den Dünndarm zutrefl'en wird, so dürfte an der
Verzögerung der Verdauung während der Muskelarbeit nicht zu zweifeln
sein. Da indes nicht dauernd, sondern 8 bis höchstens 10 Stunden im
Tage gearbeitet wird, so ist die Möglichkeit gegeben, daß in den übri-
gen 16 resp. 14 Ruhestunden, insbesondere wenn das Nahrungsvoluraen
nicht übermäßig ist, die Verzögerung eingeholt werden kann, welche
während der Muskelarbeit stattgefunden hat, zumal nach den obigen Beob-
achtern der während der Muskelarbeit spärlicher und säureärmer ge-
bildete Magensaft während der auf die Arbeit folgenden Körperruhe
nunmehr reichlicher und mit sehr hohem Säuregehalt abgeschieden wird,
daher die Verdauungsenergie nun eine größere wird. Danach habe ich
es schon für wahrscheinlich erklärt, daß auch die Ausnützungsgröße
durch Körperarbeit nicht herabgesetzt wird**. Im Einklang damit hat
S. Rosenberg^ am Hunde gezeigt, daß durch 4-stündige, selbst sehr
angestrengte Arbeit die Verwertung der Nährstoffe aus einem gemischten
Futter (Fleisch, Reis, Fettj nicht beeinträchtigt wird, mag die Arbeits-
periode unmittelbar nach der Futteraufnahme oder erst 4 Stunden da-
nach, zur Zeit wenn die Darmverdauung schon im Gang ist, beginnen.
Aehnliches scheint aus den Selbstversuchen von Krumm ach er ^" her-
vorzugehen, der bei der gleichen Kost an 6 Arbeitstagen nicht wesent-
lich mehr N-haltige Substanz durch den Kot ausschied, als an 6 Ruhe-
tagen. Ja mir scheint es sogar nicht unwahrscheinlich, daß mit der
Zunahme des Stoffbedarfes im Körper des kräftig arbeitenden Menschen
die Verwertung mancher Speisen sich noch günstiger gestalten kann,
als bei körperlicher Ruhe, um so mehr als die oben (S. 63) schon be-
richteten Erfahrungen vorliegen, denen zufolge fast ausschließlich aus
Vegetabilien zusammengesetzte breiige Kost entschieden bekömmlicher
ist und einen besseren Nährefl'ekt hervorbringt, wenn bei der volu-
minösen wasserreichen breiigen Kost gearbeitet wird, als wenn keine
erhebliche Körperbewegung stattfindet.
1) C. Voit. Z. f. Biol 2. lid. 308.
2) Fr. Möller, ^irch. Arch. 131. Bd. Suppl 106, 108.
3) Bieder, Z. f. Biol 20. Bd. 378.
4) Ter gl. hierüber L Monk {und Uflfelmann), Ernährung, 189
5) J. Bänke, Arch. f. Anat. u. Physiol. (1862) 311; G. Meyer, Z. f. Biol. 7. Bd. 19;
68
Einzcleruährung und Massonernährung.
69
Fr. Hofmann. bti Voit, Müneh. akad. Sitz -Her. (1869), Dezember; Uffelmann, Pfiüg.
Arch. 29. Hd. 339; Forster, Milnch. äntl. Intell-ltlaU (1877), März; Malfatti, Wien,
akad Süz.-Htr. (1884), Dtzcmixr; Constantinidi, Z. f. /Hol 23. Hd. 4;J3 ; Fr Müller,
Z. f. kl. Med. Vi. Hd. 45; Frausnitz, Z J. Hiol. 25. Hd. Ö33. 26 Hd. 231; Zuntz
und Ad. Magnus-Levy, Fliüg. Arch 49 Hd. 438; A. Magnus-Levy, 53 Hd. 544;
Eubner. Z. f. Hwl. 15 Hd 115, 16. Hd. 119.
6) J. Cohn, 1). A. f. kl. Med. 43 Hd 239; Salvioli, .1. ital. de hiol. (1892) 17. Hd. 248.
7) Bpirig. I'istert. Hern (1H92).
8) I. Munk (und Uffelmann). Ernährung, 192.
9) 8 Rosenberg, P/tHg Arch 52. Hd. 401.
10) Krnmmacher, Pilüg. Arch. 47. Hd. 454.
§ 4. Unterschiede der
animalisch e n
Kost.
und pflanzlichen
Da dem Menschen die verschiedensten Nahrungsmittel aus dem
Pflanzen- und Tierreich zu Gebote stehen, so erhebt sich zunächst die
Frage : welche einzelneu oder welche Konibiiiation mehrerer Nahrungsmittel
geben für den Menschen, wenn wir zunächst von dem Kosteni)unkt der
Verpflegung absehen, eine zweckmäßige Ernährung ab?
Die Lösung dieser wichtigen Frage wiid durch tausendfache Er-
fahrung und Beobachtung geliefert. Die Mehrzahl der civilisierten
Völker haben auf rein emi)irischeni Wege es als zweckmäßig erprobt,
eine aus animalischen und vegetabilischen Nahrungsmitteln gemischte
Kost zu sich zu nehmen. Es handelt sich nun darum, diese Kostord-
nung zu begründen, um so zu erkennen, ob wirklich vom physiologischen
und hygienischen Standpunkte aus der gemischten Kost der Vorzug zu
geben ist. Die Frage läßt sich gewissermaßen induktiv und deduktiv
beantworten.
Schon aus den voraufgegangenen Erörterungen über die Ausnützung
und Verwertung der einzelnen Nahrungsmittel im Darm läßt sich ohne
weiteres ableiten, daß ausschließlich weder die animalischen noch die
pflanzlichen Nahrungsmittel eine Nahrung abgeben, d. h. ein Gemisch
von Nähr- und Genußstoflen, das dem Körperbedarf genügt. Wir wer-
den später bei der Lehre vom Kostmaß hören, daß der Erwachsene (von
rund 70 kg) bei mäßiger, nicht zu angestrengter Arbeit neben 110 g
Eiweiß noch so viel N-freie Stotfe braucht, daß ihm dadurch 270 g
Kohlenstofl' geliefert werden. Berechnet man nun mit Hilfe der Tabelle
S. 52 über den Gehalt der einzelnen Nahrungsmittel an Nährstoflen
und unter Beachtung der Tabelle S. 6G, welche uns die Verwertungs-
größe der Nährstotte im Darm lehrt, wie viel von den einzelnen Nah-
rungsmitteln zur Deckung des Eiweiß- und Kohlenstofl bedarfs für den
mittleren Arbeiter erforderlich ist, so ergiebt sich in runden Zahlen:
j=
_
2
'S
C V
Weize
N 0
1-
s
'3
.2
"5
1
0
ei
FUr HO
g EiweiTs
1
2900 1 540
18 St.
800
1650
1900
1870
990
520
4500
., 270
,. c
3800
2000
37 M
670
1000
IIOO
750
660
750
2550
Diese Berechnung ist äußerst lehrreich ; sie weist zunächst auf die
interessante Thatsache hin, daß, mit seltenen Ausnahmen, keines der
gebräuchlichen Nahrungsmittel so zusammengesetzt ist, daß diejenige
69
70 iMMANrr:i, munk.
Meuge, welche dem Eiweißbedarf geuügt, zugleich auch anuähernd den
Bedarf au N-freicn Stotleu deckt. Und zwar zeigeu die auimalischeu
Mittel in dieser Hinsicht einen prinzipiellen Uuterschied gegenüber den
vegetabilischen, insofern jene relativ eiweißreich und C-arm, diese wie-
derum relativ C-reich und eiweißarm sind, daher bei den Animalieu
diejenige Menge, welche dem Eiweißbedarf genügt, nur V4 l^is höchstens
* 3 des C-Bedarfes bietet, umgekehrt hei den Vegetabilien (die Hülsen-
früchte ausgenommen) eine Quantität, durch welche der C-Bedarf ge-
deckt wird, nur *, 5 — ^/^ des erforderlichen Eiweißes liefert.
Die extremen Fälle herausgegriffen, würde der Erwachsene mit 540 g
(magerem) Fleisch seinen Eiweißbedarf befriedigen; um auch den C-Ver-
lust zu decken, müßte er mindestens 2000 g, also fast die 4fache Menge
aufnehmen, damit würde er aber seinen Darm überlasten, ganz abge-
sehen von anderen damit verbundenen Nachteilen, auf die wir noch ein-
gehen werden. Umgekehrt verhält es sich bei den Kartoffeln, von
denen schon 2^/2 kg den C- Verlust verhüten, aber 4^/3 kg zur Deckung
des Eiweißbedarfes erforderlich sind. Repräsentieren schon 2 V2 kg Kar-
toffeln, die beim Kochen noch mindestens ^ ., ihres Gewichtes an Wasser
aufnehmen, schon eine so große Speisemenge, welche das Mittel des
zuträglichen Tagesvolums weit übersteigt, so stellen die für den Eiweiß-
bedarf erforderlichen 4^'o kg Kartoffeln, zu denen noch rund 1 V2 kg
aus dem Kochwasser hinzutreten, ein Volum vor, das der kurze und
wenig geräumige Darm des Menschen nicht für die Dauer beherbergen
kann, ohne dadurch ausgeweitet zu werden („Kartoffelbauch"). Die ein-
fache Betrachtung dieser ziffermäßigen Aufstellung giebt die Beantwor-
tung, welches das geeignetste Nahrungsmittel ist, dahin an die Hand,
daß weder ein animalisches noch ein vegetabilisches Mittel die für den
Stoftljedarf erforderliche Zusammensetzung besitzt, sondern daß erst eine
geeignete Mischung der kohlenstoffreichen, aber eiweißarmen Vegeta-
bilien mit den eiweißreichen, aber kohlenstoö'ärmeren Animalien uns am
ehesten dem Ideal einer zweckmäßigen und dabei doch nicht zu volumi-
nösen Nahrung nahekommen läßt. Damit im Einklang steht die rein
empirisch entwickelte Ernährungsweise der überwiegend vegetabilisch
sich verköstigenden Völkerstämme: die Ostasiaten, insbesondere die
Japaner ^ setzen zu ihrer Reis- oder Reisgerstekost etwas Fleisch oder
Fische, die ItaUener zum Maismehl noch Käse, die vorzugsweise von
Kartoffeln und Brot lebenden Landleute Käse oder Buttermilch oder
Heringe hinzu und ermöglichen es auf diese Weise, mit kleinerem Vo-
lumen des Hauptnahrungsmittels ihrem Stoffbedarf zu genügen.
Des Hinweises wert erscheint die ebenfalls aus obiger Aufstellung
unmittelbar hervortretende Thatsache, daß von allen Nahrungsmitteln
das Weizenmehl am ehesten die richtige Zusammensetzung bietet, inso-
fern schon ein knappes Fünftel über diejenige Menge, welche den C-
Verlust verhütet, den Eiweißbedarf deckt. Da ferner die Getreidemehle
sich mit Wasser leicht zu einem Teige anrühren lassen und dieser unter
Zusatz von Fett, Salz und Gewürzen mannigfacher Zubereitung (Nudeln,
Maccaroni, Knödeln j fähig ist, so können die feinen Getreidemehle
bei geeigneter Zubereitung eine vollständige Nahrung abgeben.
In der That wissen wir laut H. R a n k e 's ^ Bericht von den Holz-
knechten in Oberbayern, daß sie sich fast ausschUeßlich von aus Mehl
und Schmalz hergestellten Gebacken nähren, ohne, wenigstens an den
Wochentagen, animalische Nahrung zu sich zu nehmen, dabei von herku-
lischer Kraft und kolossaler Arbeitsleistungen fähig sind.
70
Einzelernähruug und Massenernähruug. 71
Wenn es demnach möglich ist, aus -^^ewissen Vegetabilieu unter Zu-
satz von Fett oder Speiseöl eine ausreichende und auch bekömmliclie
Kost herzustellen, muß dann nicht der sog. Vegetarismus^, die
rein vegetiibilische Kostraischung, als hygienisch zulässig erachtet
werden V
Bei der wissenschaftlichen Erörterung tlieser Frage kommt natür-
lich nur der strenge, radikale Vegetarismus in Betracht, von dem alle
tierischen Nahrungsmittel, auch die ohne Schlachten der Tiere gewinn-
baren (Milch, Butter, Käse, Eier) nicht ausgenommen, von der Kost-
ordnung ausgeschlossen werden. Denn wo Milch, Butter, Käse, Eier
neben der ptlanzlichen Nahrung genossen werden, da handelt es sich, wie
selbstverständlich, schon um eine gemischte Kostordnung, die sich nur
fälschlich noch zum Vegetarismus gemäßigter Richtung rechnet. Die
vergleichend-anatomischen und physiologischen Thatsachen, welche an-
geblich den Menschen als von der Natur angelegten Vegetarier er-
weisen sollen, sind absolut unzutrefteud. Die Beschatfenheit und An-
lage des menschlichen Gebisses läßt keineswegs den Schluß zu, daß der
Mensch ein geborener Pflanzenfresser ist, vollends nicht die Länge und
Geräumigkeit seines Darmkanals. Alle eigentlichen Pflanzenfresser *
(Rind, Schaf, Ziege) haben einen außerordentlich langen Darmkanal,
dessen Länge 2ü — 26mal so groß ist als die Körperläuge, von der Nase
bis zum After gemessen ; und von dieser enormen Länge abgesehen,
sind noch einzelne Abschnitte, so die 3 Vormägen, zu ganz enormer
Geräumigkeit entwickelt. Dagegen hat der Mensch einen verhältnis-
mäßig kurzen Darmkaual, dessen Länge nur das Ofache der Entfernung
vom Scheitel bis zum After*) betriigt, und in diesem viel kürzeren
Darmrohr ist kein Abschnitt durch besondere Geräumigkeit ausgezeichnet.
Wenn wir ferner hinzunehmen , daß selbst ursprünglich als reine
Fleischfresser angelegte Tiere, die sich aber mit der Zeit auch an ge-
mischtes Futter adaptierten, wie Hund und Katze, einen 4— ömal ihren
Körper an Länge übertreflonden Darmkanal haben, so steht eben der
Mensch in der Mitte zwischen den reinen Pflanzenfressern und den
Fleischfressern , welche auch gemischtes Futter aufnehmen , dabei
aber letzteren viel näher. So weisen im Gegenteil die anatomisch-
physiologischen Verhältnisse des Darmkanals den Menschen auf rein
gemischte Nahrung hin ; für reine Pflanzennahrung ist sein Darmkanal
zu kurz, und dies ist, wie schon oben (S. (il) berührt, einer der
wesentlichen Gründe, welche die relativ schlechte Verwertung der
Pttanzennahrung im menschlichen Darm verständlich machen.
Dessenungeachtet kann mit gewissen Vegetabilien, die sich durch
hohen Nährwert auszeichnen, wie die feinen Getreidemehle, bei geeig-
neter Zubereitung und unter Zusatz von Fett und Oel, eine ausreichende
Nahrung hergestellt werden, die selbst dem Stoflbedarf angestrengter
Arbeiter genügt. Mit allen übrigen Vegetabilien, Grau- und Schwarz-
brot eingeschlossen , kann zwar ein magerer und muskelschwacher
Körper eben auf seinem Bestände und allenfalls für mäßige Arbeit
leistungsfähig erhalten werden, nicht aber ein fleischreicher, nmskel-
starker Körper für die Dauer zu starker Arbeitsleistung geeignet. So
verhielt es sich mit dem nur 57 k schweren Vegetarier, dessen Kost
*) Das häufif? anf^eluhrte Verhältnis ^Körper- : DArmlärif^e => 1:6) bezieht sich
auf die Län^e des Darms zur Kesamten Körperläuge (vom Scheitel bis zur Sohle], ist also
beim Vergleich mit anderen Säugetieren unzulässig.
72 IM MANTEL MUNK,
C. Voit'"^ untersucht bat und der seit 3 Jahren nur von Schrotbrot,
Obst und Oel lebte und nichts Warmes genoß ; er befand sich dabei
wohl uml konnte seinem leichten, keine Kiu'perkraft erfordernden Ge-
werl)e eines riirniachers nachgehen ; zu größerer Arbeitsleistung war er
aber entschieden nicht fähig. Welch' unverdaulicher Ballast bei solcher
Nahrung dem Kih-per aufgebürtlet wird, geht daraus hervor, daß von
dem Eiweiß 41 Proz., von dem Fett 30 Proz. und von den Mineral-
stofleu gar 57 Proz. den Körper unbenutzt mit dem Kot verließen. J.
Hart mann®, der über den Vegetarismus durch opferfreudige Selbst-
versuche zuverlässige Erfahrungen gesammelt hat, lebte T'/g Monate
lang nur von PÖanzennahrung: Brot, Erbsen, Hafergrütze, Kartoffeln,
Gemüse : dabei war er zwar imstande, seine (nur mäßige Arbeitsleistung
erheischende) ärztliche Thätigkcit zu betreiben, aber mit längerer Dauer
der vegetarischen Diät nahmen seine Körperkräfte zusehends ab.
Hat es danach schon seine Schwierigkeit, den Bedarf bei nur mäßi-
ger Arbeit durch pflanzliche Kost (ausschließlich der feinen Getreide-
mehle) zu decken, so wird diese Schwierigkeit noch viel größer, wenn
es gilt, für den viel größeren Stotibedarf eines augestrengten Arbeiters
durch ausschließlich vegetabilische Kost den Ersatz zu beschaffen, ohne
daß dabei die Leistungsfähigkeit und die Arbeitslust leidet. Sind schon
die bei leichter Arbeit erforderlichen Speisevolumina aus Vegetabilien
einmal schon an sich, sodann wegen der schlechteren Verwertung der
ptlanzlichen Nahrungsmittel so groß, daß der Darmkanal sie nur eben
und mit Anstrengung zu bewältigen vermag, so werden dieselben natur-
gemäß noch größer werden müssen, wenn eine dem stärkeren Bedarf
bei der Arbeit entsprechende reichlichere Nährstoffmenge aus der Nah-
rung gewonnen werden soll. So muß der Darm dauernd überlastet
werden ; diese Ueberlastung aber führt dahin, daß infolge schnellerer
Verdrängung des Speisebreies, infolge Ueberschwemmung mit den
z. T. in saure Gärung, z. T. in Gase (Kohlensäure, Wasserstoff")
übergehenden Kohlehydraten und infolge so beschleunigter Kotentleerung
die Ausnutzung noch viel ungünstiger sich gestaltet, als sie bei den
nämlichen Vegetabilien an sich schon ist, und daß somit auch mit dem
größeren Volum der Bedarf nicht gedeckt wird. Die übergroßen Speise-
mengen und die dauernde Ueberbürdung des Darmkanals erzeugt das
Gefühl dauernder Uebersättigung, raubt die Arbeitslust und die zur
Arbeit nötige Elasticität, schließlich sinkt auch der Appetit, das Ver-
langen nach Nahrungsaufnahme, und so werden bei stetig abnehmender
Arbeitsfähigkeit die Speisemengen, die genossen werden, progressiv ge-
ringer. So ist es auch Hart mann ergangen; schließlich ist es ihm
nicht mehr möglich geworden, die großen Mengen pflanzlicher Nahrung
hinunterzuwürgen, die zur Deckung des Bedarfes erforderlich waren,
so 4,5 kg Kartoffeln oder 1,5 kg Schwarzbrot. Er konnte weiterhin
nicht mehr, als ^/g dieser Mengen bew'ältigen, und wenn diese Diät noch
eine Pieihe von Tagen fortgesetzt wurde, stellten sich Uebelkeit, Brech-
neigung und Durchfälle ein. Bei anderen wiederum war als Folge
vegetarischer Diät eine größere Neigung zu Erkrankungen und eine
geringere \Viderstandsfähi;:keit des Körpers gegen Erkrankungen zu
beobachten , dergestalt daß der Vegetarier bei derselben Form und
Schwere der Erkrankung schneller und mehr herunterkam, als andere
von gemischter Kost Lebende, so in einem von Gramer ^ beschriebenen
Falle. Endlich lehrt die Statistik, daß in früheren Jahren, wo in Ge-
fängnissen die Kost eine ausschließlich vegetabilische war, die Er-
Eiuzelernährung und MasBenernährung. 73
kraiikunj^s- uiul Sterbezitfer der Insassen eine viel höhere gewesen ist,
als in neuerer Zeit, wo ilaneben, weni{,'stens einen Taj? um den anderen,
Aninialieii vcnil)rciclit werden ; es sei in dieser Hinsicht nur auf die
statistischen Zusanmienstellungen von A. Baer** verwiesen; freilich
darf nidit vergessen werden, dali gerade l)ei der Gefangnisk(>st neben
der vegetabilischen Nahrung als soiclier auch noch das ewige Einerlei
der Zubereitung, die breiige Konsistenz und der Mangel an Würzstoffen,
deren Bedeutung für die Ernährung schon in den früheren Kapiteln be-
sprochen worden ist, den Apjjetit und die Bekönmilichkeit ungünstig
beeinflussen und somit ihrerseits auch an der auf die pflanzliche Nah-
rung als solche bezogenen Schädigung mitbeteiligt sind.
Daß indes der Darm eines gesunden Menschen, zumal wenn er von
Jugend auf an ausschließliche Pflanzenkost gewöhnt ist, dieselbe be-
wältigen, auch wenn sie nicht aus den noch am besten verwertiiaren
Mehlgebäcken besteht, und so viel davon verdauen und in seine Säfte-
masse überführen kann, daß selbst der für angestrengte Arbeit erforder-
liche hohe Nährstott'l>edarf gedeckt wird, lehrt das Beispiel der sieben-
bürgischen Eeldarbeiter, die nach Ohlmüller'' selbst bei angestreng-
tester Erntearbeit nur Maismehl und Saubohnen (Fisolen) genießen, und
zwar in so außerordentlich großen Mengen, 1300 bez. 120 g, wie sie
wohl nur ausnahmsweise und sicherlich nicht vom Durchschnittsmenschen
vertragen werden, sodaß man wohl sagen darf: diese Ausnahme be-
stätigt nur die sonst geltende Regel.
Nach alledem kommen wir zum Schluß, daß die ausschließliche
Pflanzenkost als allgemeine Verpflegungsart nicht empfohlen werden
kann, daß sie sogar für den kurzen und wenig geräumigen Darm des
Menschen fast irrationell ist. Aber die vegetarische Bewegung, so ein-
seitig auch ihre radikalen Apostel vorgegangen und so weit sie auch
über jedes berechtigte Ziel hinausgeschossen sind, hat doch, das muß
jede gerechte Kritik zugeben, auch ihre Verdienste, die wesentlich darin
gipfeln, (laß sie gegenüber dem gerade durch Liebig 's Lehre zu ein-
seitig in den Vordergrund gerückten Wert des Eiweißes und damit der
Pleischkost die Pflanzennahrung, deren Wettschätzung mehr in den
Hintergrund gedrängt worden war, in ihrer Bedeutung nachdrücklichst
hervorgehoben hat und für die einfachere natürliche Lebensweise einge-
treten ist, die im Essen und Trinken Maß zu halten versteht, endlich gegen
jede Verschwendung und Unmäßigkeit in den Genußmitteln, insbesondere
in den nicht unbedenklichen alkoholischen, aufs entschiedenste Front
gemacht hat.
Auf der anderen Seite hat gerade der Vegetarismus e contrario
gelehrt, wie wenig die ausschließliche aninuilische Kost berechtigt ist,
wenn er auch die Gefahren der Fleischnahrung ins Ungebührliche über-
trieben hat. Schon oben (S. 69) ist bei der Betrachtung der von jedem
einzelnen Nahrungsmittel zur Deckung des Tagesbedarfes an Eiweiß und
N-freien Stoffen nötigen Menge hervorgehoben worden, eine wie wenig dem
stofflichen Erfordernis angepaßte Zusammensetzung die animalischen Mittel
haben, insofern deren Reichtum an Eiweiß und relative Armut an N-freien
Stoffen zur Folge hat, daß der letzteren hall)er '/g bis zum Dreifachen
mehr von dem betrcflenden Mittel aufgenommen werden nuiß, als zur
Deckung des Eiweißbedarfes an sich erforderlich wäre. Sind die für
letzteren Zweck aufzuiKihmenden Speisemengen z. T. gering, wie 540 g
Fleisch, z. T. nur maßig, wie 2U0U g Kuhmilch, z. T. schon starkes
Sättigungsgefühl erzeugend, wie ly Hühnereier, so werden die zum Zweck
73
74 IMMANUEL MUNK,
der Befriedigung des C-Bedarfes einzuführenden Speiseraeugen : 2000 g
Fleisch, 3^00 g Milch, 37 Stück Eier so groß, daß sie zwar für eineu
oder höchstens wenige Tage, sicherlich nicht aber für die Dauer be-
wältigt werden können. Solch' große Fleischniengeu, selbst in verschie-
denster Form und Zubereitung gereicht, er/;eugen sehr bald Widerwillen,
zuweilen auch Durchfalle; vollends wird wohl kaum jemand für mehrere
Tage den Genuß von je 'M Eiern durchführen können. Von diesem
subjektiven Momeate abgesehen , hat die ausschließlich animalische
Nahrung, wenn sie den C-Bedarf decken soll, den Nachteil, daß ihr
Eiweißgehalt das Doppelte bis Vierfache des Erforderlichen beträgt, und
daß durch die Aufnahme so übermaßig reichlicher Eiweißmengen auch
der Eiweißzerfall im Körper enorm gesteigert wird, insofern ja von
dem überschüssig zugeführten Eiweiß der bei weitem größte Teil zer-
stört und nur ein Bruchteil zum Ansatz am Körper erübrigt wird (S. 9).
Wählt man statt mageren vielmehr fettes Fleisch, so kann man
bei einem Fettgehalt von etwa 15 Proz. schon mit etwa 1100 g Fleisch
ausreichen, einer Menge, die vielleicht für längere Zeit zu genießen
möglich wäre, ebenso würde mau bei der Korabination von Fleisch,
Eiern, Fett resp. Milch zu Speisevoluraina gelangen, die vielleicht für
die Dauer erträglich wären. Thatsächlich konnte Hartman n*^ bei
geeigneter Korabination der einzelnen Mittel über zwei Monate aus-
schließlich von animalischer Kost leben und leistungsfähig bleiben. Die
Möglichkeit, das Leben zu fristen und eine gewisse Leistungsfähigkeit
dabei an den Tag zu legen, wird übrigens auch durch das Beispiel rein
von tierischer Kost lebender Völkerstärame, wie der Eskimos, der Tun-
gusen, Ostjacken u. a. belegt, allein es sei hier gleich darauf hinge-
wiesen, daß diese als fast reine Carnivoren zu bezeichnenden Stämme ge-
rade diejenigen sind, die vermöge ihres sonstigen Verhaltens mit Recht
als uncivilisiert gelten. Gegen den ausschließlichen Fleischgenuß führt
J. Ranke^" auch mit einem gewissen Recht an, daß dadurch das
Blut und die Gewebe mit den E.xtraktivstoflfen und Salzen des Fleisches
überladen werden, von denen die Milchsäure, das Kreatin und das phos-
phorsaure Kali in größeren Gaben sich als Muskel- und Nervengifte
erweisen, Erraüdung und geringere Leistungsfähigkeit des Muskel- und
Nervensysteras nach sich ziehen. Gegen die reine Fleischkost spricht
ferner das Moment, daß dabei nur wenig und sehr zäher Kot gebildet
wird, der vermöge seiner Konsistenz im Dickdarm nur langsam fort-
bewegt wird, den Darmwandungen anhaftet und erst innerhalb längerer
Zeiträume und unter Beschwerden entleert werden kann. Diese Nach-
teile können allerdings ebenfalls durch geeignete Korabination von Fleisch
mit Eiern, Milch z. T. kompensiert werden. Schließlich darf man auch
vom volkswirtschaftlichen Standpunkte und vom Gesichtspunkte, die
zweckmäßige Verpflegung des Volkes auch möglichst wohlfeil zu ermög-
lichen, nicht außer acht lassen, daß die animalische Kost, verglichen
mit der vegetabilischen und gemischten, um das Vielfache teurer zu
stehen komrat und schon deshalb, selbst wenn sie an sich vorteilhafter
wäre, als jede andere Kostordnung, nur zu beschränkter Verbreitung
gelangen könnte.
Somit sprechen die gewichtigsten Gründe ebenso sehr gegen die
ausschließliche animalische wie gegen die rein pflanzliche Kost. Die
Mischung beider ist schon deshalb zweckmäßig, weil dadurch die Nach-
teile jeder einzelnen, bei der animalischen Kost die Ueberschwemraung
mit Eiweiß neben Mangel der Kohlehydrate, die Neigung zu Verstopfung
74
EiDzeleraäUruQg und MasseoernähruDg. 75
cveat. übermäßij^e Zufuhr von Extraktivstotfen, bei der pflanzlichen Kost
die kolossalen Speisevolumina, die L'eberschwemiuung mit Kohlehydraten
neben häutig unzureichendem Gehalt an Eiweiß und Fett, die schlechte
Verwertung, die saure Giirung und Gasbildung (Kohlensäure, Wasser-
stoff, event. (irubengas) im Darmkanal, die zuweilen enorm reichlichen
und häutigen Kotentleerungen mögUchst verhütet oder gegenseitig aus-
geglichen werden.
Für die Zweckmäßigkeit einer aus Animalien und
Vegetabilien gemischten Nahrung spricht endlich eine tausend-
fältige Erfahrung, die, über jeden Zweifel erhaben, lehrt, daß die neben
Pflanzenkost noch Animalien genießenden Völkerstämme größere Körper-
kraft und größere Ausdauer bei der Arbeit besitzen , als die nur von
Pflanzenkost lebenden, wenn wir die oben (S. 73) berührten seltenen
Ausnahmen beiseite lassen. Dasselbe tritft auch für den einzelnen
Menschen zu, wie Hartmann ^ in seinen Selbstversuchen erfahren hat,
insofern er bei ausschließlicher Pflanzenkost , weil er für die Dauer
außer Stande war, seinen Bedarf deckende Mengen davon zu genießen,
leichter und kraftloser wurde, bei Fleischkost zwar progressiv schwerer
wurde, dabei aber sich nicht ungestörten Wohlbefindens erfreute, da-
gegen bei gemischter Kost, die nicht mehr NährstoÖe bot, als die tierische
oder pflanzliche, außerordentlich wohl, kräftig und leistungsfähig war
und im Monat durchschnittlich noch um 800 g an Körpergewicht gewann.
1) Vergl. v Scherzer, Bericht über die österreichische Expedition nach China, Sian, Japan,
155; Wemich, GiO'jraphLah-med. Studien nach den Ei-lebaissen einer Rtise um die Erde
(1878); Arbeiten aus der militärärztlichen Anstalt in Tokio, J (1892).
2) H. Eanke. Z. /. B,ol. 13. Bd. 130
3; i'eryl. Baltzer, Dt€ Nahrungs- und Oenuftmittel, Nordhauten (1874); G. Bange, Der
Vegetariauismut, Berlin (1885); Hasson, Journ d^hygihu (1885) 345.
•4i Veryl. hierüber I. Monk, Physiologie dts Menschen und der Säugetiere, 3 Aufi. (1892),
142, 165.
5) C. Voit, E. Voit und Constantinidi, Z. /. Biol. 25. Bd. 232.
€j J. Hartmann, Untersuchungen über die Ernährung des Menschen mit vegetabilischer, ani-
malischer und gemischter Nahrung, Bemer Dissert., Zürich (1885).
7) Gramer, Z f. physiol Ch. 6. Bd. 346.
8) A Baei, BläUer für Gefängniskunde (1883), I.
9i Ohlmüller, Z. f. Biol. 20. Bd. 393.
lOi J. Eanke. Die Ernährung des Menschen, München (1876), 227.
§ 5. Zweckmäßige Kombination der Nahrungsmittel
zur Nahrung.
Nachdem wir im vorhergehenden Kapitel die Erfahrungen und
Beobachtungen kritisch erörtert haben, auf Grund deren wir zu dem
Schluß gelangt sind, daß eine aus Vegetabilien und Animalien gemischte
Kost für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit am zuträglichsten
ist, erhebt sich nunmehr die Frage, welches Mischungsverhältnis von
Animalien und Vegetabilien als das beste anzusehen ist. Auch diese
Frage läßt sich, da gerade in Bezug auf die Auswahl der Nahrungs-
mittel einmal die luilividualität, soiiann die Gewöhnung von durch-
greifender und entscheidender Bedeutung ist, nicht streng und allge-
mein beantworten. Vielmehr kann es sich auch hier nur darum han-
deln, die unteren und oberen Grenzen festzustellen, innerhalb deren
sich die Quote der animalischen Zulage zu der vegetabilischen Nahrungs-
75
V
76 IMMANUF.L MUNK,
grumllage bewegen kann, so daß das Wohlbefinden und andauernde
I.oistungsfahigkeit erzielt und erhalten wird.
Wir sagen absichtlieh und bewußt „die Quote des animalischen
Zuschusses zu der vegetabilischen Nahrungsgrundlage" und betonen zu-
gleich, daß früher ganz allgemein die Anschauung geherrscht hat und
noch neuerdings von einigen sonst sachverstandigen Autoren, wie Fr.
Hofmann' und J, König*, vertreten wird, daß Kraft, Energie und
Ausdauer zur Arbeit nur geschatfen und erhalten wird durch eine reich-
liche Zufuhr von Animalien und besonders von Fleisch. Wenn König
dabei auf die kräftigen und ausdauernden englischen Arbeiter hinweist,
die viel Fleisch verzehren, so läßt sich dagegen eine Reihe der kräftig-
sten Völkerstämme und einzelner angestrengt arbeitender Volksklassen
aufzählen, welche nur von Vegetabilien mit einem geringen Zuschuß von
Animalien leben, so die Arbeiter des schottischen Hochlandes und die
karpatischen Lan»lleute, welche hauptsächlich von Hafermehlkost leben
und dazu nur wenig Animalien zu sich nehmen. Die japanischen Kulis,
welche an Stelle von Zugpferden im schnellen Lauf das zweirädrige
Kabriolet (Jinrikisha) ziehen und dabei pro Stunde mehr als T'/jj km
(l deutsche Meile) zurücklegen, nähren sich nach der auch von anderen
zuverlässigen Forschern bestätigten Schilderung von Sc he üb e^ haupt-
sächlich von Reis und einer sehr geringen Zulage von Fischen. Hus-
80 n* nennt ferner die russischen Bauern, die norwegischen Land-
bewohner, die Wasserträger von Konstantinopel, die bretagnischen Bauern
als solche Yölkerklassen, welche hauptsächlich Vegetabilien mit einer
relativ unbedeutenden Quote von Animalien (Fleisch, Milch, Käse) ge-
nießen, dal)ei aber außerordentlich kräftig, leistungsfähig und ausdauernd
bei der Arbeit sind. Nehmen wir endlich noch die schon oben berührte
(S. 70) Feststellung hinzu , derzufolge die streng arbeitenden ober-
bayrischen Holzknechte nur von Mehl und Schmalz sich ernähren, so
kann so viel als sicher ausgesprochen werden , daß bei einigermaßen
geeigneter Auswahl und zweckmäßiger Zubereitung der Pflanzenkost die
Quote animalischer Nahrungsmittel nicht groß zu sein
braucht, um die an solche Kost gewöhnten Menschen kräftig und
leistungsfähig zu erhalten.
Es handelt sich also nur um die Feststellung des hygienisch-
zweckmäßigen Maximum und Minimum der animalischen
Zulage. In dieser Hinsicht kann ebenfalls nur die Erfahrung ent-
scheiden. Förster-'^ hat in der Kost zweier gut bezahlter Münchener
Arbeiter 28 Proz. des Gesamteiweißes in Form von Fleisch ermittelt,
in der Kost zweier Wohlhabenden dagegen 59 Proz. C. Voit*^ be-
rechnet aus den statistischen Erheljungen über den Fleischverbrauch,
daß der erwachsene arbeitende Mensch etwa ^3 seines Eiweißbedarfes
in Form von Fleisch deckt. Uffelmann' berechnet aus den Speise-
tabellen einer Rostocker Kompagnie (21 — 22 Jahre alte und im Durch-
schnitt 03 kg schwere Soldaten) einen Verbrauch an animahschem P^i-
weiß (Fleisch, Milchj von rund 35 Proz. des Gesamteiweißes; dabei
nahmen die Soldaten trotz des anstrengenden Ausbildungsdienstes an
Gewicht und Frische meistens zu. Eine Ausnahme davon machten nur
diejenigen jungen Leute, welche auf Grund größerer Wohlhabenheit
an eine fleischreichere Kost gewöhnt waren, insofern diese bei jener
Nahrung eher abnahmen. Ebenso fand er in der Kost von 4 „mittel-
gut situierten", sehr thätigen Handwerkern die Quote des animalischen
Eiweißes zu 31 — 35 Proz. vom Gesamteiweiß. Danach wird man wohl
76
Einzoleruälirung uud Masseneruähruug. 77
sagen dürfen, daß im allgemeinen ein kr;iftiger Erwachsener
zweckmäßig * / , seines Eiweißbedarfes den A n i m a 1 i e n
(Fleisch, Eier, Käse, Milch), ",3 den Vegetabilien entnehmen
soll, und daß diese C,)uote animalischen Eiweißes = '/s des Gesamt-
eiweißes ihn auch zu starker Arbeit leistungsfähig erhält , wofern er
nicht schon seit längerer Zeit an reichlicheren Genuß von Animalien
gewöhnt war.
Ueber die zulässige obere Grenze des animalischen Eiweißes in
der Kost laßt sich schwerer ein Urteil gewinnen. Selbstverständlich ist
erst eine solche Quote davon als unzulässig zu erachten, welche Störungen
des Wohlberindens oder gar Neigung zu gewissen Erkrankungen zur
Folge hat. Nun ist von gut beobachtenden und erfahrenen Aerzten
übereinstimmend die zu reichliche Zufuhr tierischer Nahrung, insbesondere
von Fleisch, als die Ursache der Gicht (Arthritis urica) angeschuldigt
worden, und in der That sieht man dieselbe gerade bei solchen Indi-
viduen auftreten, welche an eine üppige, übermäßig reichliche Ernährung
unter besonderer Bevorzugung der Fleischgerichte gewöhnt sind. Daß
diese e nocentibus gezogene Schlußfolgerung berechtigt ist, geht auch
daraus hervor, daß eine starke Einschränkung der Nahrungszufuhr, ins-
besondere die möglichste Herabsetzung des Fleischgenusses, das Leiden
mildert und die konsequente Einhaltung einer blanden vegetabilischen
Diät schließlich zur Heilung resp. zur Verhütung des Auftretens neuer
Gichtanfälle führen kann. Aus der Untersuchung der Kost solcher
Gichtkranken glaubt Uffelmann" erschließen zu können, daß die
Gefahr einer Gesundiieitsschädigung droht, wenn dauernd mehr als ^/^
des Eiweißbedarfes durch Fleisch gedeckt wird. Ist man deshalb von
Jugend auf an reichliche Animalien gewöhnt, so wird man jedenfalls
hygienisch und diätetisch richtiger handeln, wenn man höchstens ^/j
seines Eiweißverbrauches mit Fleisch bestreitet und in das letzte Drittel
sich andere Animalien (Milch, Eier, Käse) und die Vegetabilien (Mehl,
Brot, Hülsenfrüchte, Reis, Kartotfeln) teilen läßt.
Die gesicherte Erfahrungsthatsache, daß zu einer zweckmäßig
ausgewählten und geeignet zubereiteten pflanzlichen
Nahrung auch für die Erhaltung eines muskelstarken Körpers
und ausdauernder Leistungsfähigkeit nur ein geringer
Zuschuß an Animalien erforderlich ist, vorausgesetzt daß
die betretlenden Individuen niclit schon seit Jahren an reichlichere ani-
malische Kost gewöhnt sind, ist deshalb außerordentlich belangreich,
weil gerade die schwer arbeitende Klasse schon durch die Rücksicht
auf die Wohlfeilheit der Verköstigung zu den relativ billigen Vegeta-
bilien als Grundlage und Haui)tinhalt ihrer Nahrung getrieben wird, zu
der sie nur einen je nach ihren Lohn- und Erwerbsverhältnissen wech-
selnden Zuschuß der höher im Preise stehenden Animalien, vor allem
des relativ teuren Fleisches sich gestatten kann. Freilich muß gleich
hier betont werden, daß nicht alle Animalien als teuer anzusehen sind;
es giebt darunter gehaltreiche, Eiweiß und Fett bez. Kohlehydrate mehr
oder weniger reichlich bietende, wie die (entsahnte) süße Magermilch
und der weiße, säuerliche oder Quarkkäse (in Süddeutschland Topfen
genannt), endlich der pikant schmeckende Salzhäring, welche l)ei be-
trächtlichem Eiweiß- und Fettgehalt bekiMumlich und gut ausnützbar
sind und welche, auf die gleiche Nährstotfmenge berechnet, nicht viel
teuerer sind als die i)ekönnnlichen, schmackhaft zubereiteten und gut
verwertbaren Vegetabilien (Mehlgebäck aus feinem Mehl uud Schmalz
77
78 IMMANUEL MUNK.
oder Oel). Die abwechselnde Zugabe der genannten weniger teuren Ani-
malien zu einer sonst vegetabilischen Nahrung macht letztere schmack-
hafter, erhalt den Api)etit rege und gestattet zugleich, das Bedürfnis
nach Wechsel in Form, Geschmack, Zubereitung und Konsistenz der
Kost zu befriedigen. Die für einen mittleren Arbeiter bei einem Eiweiß-
bedarf von rund 110 g erforderlichen 37 g animalisches Eiweiß werden
auch von etwa 1 Liter Vollmilch oder Magermilch oder 125 g Käse
oder 2 Salzheringen zun» Preise von etwa 10 — 15 Pfennig geliefert
und bilden vollständigen Ersatz für das Fleischeiweiß, gleichzeitig aber
bieten sie sehr viel mehr Fett und Kohlehydrat, daher süße Mager-
milcli, Quarkkäse und Salzheringe als höchst preis-
werte animalische Nahrungsmittel für die Volksernäh-
rung nur dringendst zu empfehlen sind.
Was endlich die Wahl der Nahrungsmittel, um den C-Bedarf zu
decken, anlangt, so sei zunächst als festgestellt vorweggenommen (die
Beweise dafür sollen im 2. Teil dieses Abschnittes bei der Lehre vom
Kostmaß beigebracht werden), daß für den erwachsenen „mittleren Ar-
beiter" die Zufuhr von 270 g Kohlenstoff erforderlich ist. Da die gleich-
zeitig zu verabreichenden 110 g Eiweiß etwa 59 g C einschließen, bleiben
noch rund 210 g C durch N-freie Stoffe zu decken. Dafür können so-
wohl Kohlehydrate als Fette gegeben werden, und zwar sind in dieser
Hinsicht, wie wir wissen (S. 12, 49), die Kohlehydrate und Fette nicht in
gleichen Mengen äquivalent, vielmehr sind erst 23 — 24 T. Kohlehydrat
isodynam 10 T. Fett. Es fragt sich nun, welches die zweckmäßige
Mischung von Fett und Kohlehydrat in der Nahrung ist.
Der Bedarf von 210 g C könnte allein durch 270 g Yeit oder auch
durch 620 g Kohlehydrate gedeckt werden. Da nun die Kohlehydrate
selbst in der 3fachen Gewichtsmenge immer noch wohlfeiler sind als
Fett, so wird man in der Volksernährung, wo es auf die Wohlfeilheit
der Verköstigung wesentlich ankommt, auf die Kohlehydrate gewiesen,
zumal dieselben in der den Hauptinhalt der Nahrung bildenden vege-
tabilischen Kost (Brot, Mehlgebäcke, Hülsenfrüchte, Reis, Kartoffeln)
schon an sich sehr reichlich enthalten sind. Allein es muß gleich betont
werden, daß schon wegen des für 620 g Kohlehydrate erforderlichen kolos-
salen Nahrungsvolumens: 1100 g Weißbrot, 1270 g Roggenbrot, 3000 g
Kartoffeln es nicht geraten ist, den ganzen C-Bedarf durch Kohlehydrate
zu bestreiten, sondern höchstens bis 500 g Kohlehydrate zu
gehen und den Rest durch die 120 g Kohlehydrat äquivalente Fett-
menge = .50 g Fett zu decken. Dann ist das Mischungsverhältnis
von Kohlehydrat zu Fett = 1 : 10. Wegen der oben geschilderten (S.
72j Nachteile, welche die Ueberschwemmung des Darms mit Kohle-
hydraten hervorrufen kann, ersetzt man eine noch größere Quote von
Kohlehydraten durch Fett, giebt zweckmäßigerweise, wo irgend
der Verpflegungssatz es gestattet, 70 g Fett und 450 g Kohle-
hydrate oder 90g Fett und 400g Kohlehydrate (Mischungs-
verhältnis = 1 : 6,4 bis 4,4). Thatsächlich ist in der Kost des Wohl-
habenden, der in Bezug auf die Verpflegung sich nicht durch die
Rücksicht auf die Wohlfeilheit beschränken zu lassen braucht, schon
1 Teil Fett auf .3 — 4 Teile Kohlehydrat anzutreffen.
Da nun durch die fettarmen Vegetabilien (Mehl, Brot, Kartoffeln)
neben 450 — .500 g Kohlehydrat nur höchstens 20 g Fett zugeführt werden,
so muß ein Zuschuß von 30, noch besser von 50 g tierischem Fett er-
folgen, entweder durch fettreiches Fleisch oder, was wohlfeiler ist, durch
78
Eiuzclcrnäliruug und Masseneruähning. 79
Schmalz oder Milch oder Kiise. 1 Liter Vollmilch oder 125 g halb-
fetter Käse, oder 2 Iläriiige, welche die erforderlichen 35 g animalisches
Eiweiß einschließen (S. 7G), liefern zugleich 30 — 26 g Fett, sodaß mit
diesem animalischen Zuschuß zur vegetabilischen Nahrung zugleich die
untere Grenze des Fettbedarfes erreicht wird. In dem Maße, als noch
Schmalz zugelegt wird, 20—40 g, wird zugleich die Nahrung fettreicher
und damit für den Körper vorteilhafter, insofern es bei dem höheren
Fettsatze nunmehr nur 400 g Kohlehydrate pro Tag bedarf. Statt des
Schmalzes kann auch Kunstbutter (bez. Speiseöle) und, wo es mehr
auf den ^Vohlgeschmack als die Wohlfeilheit der Kost ankommt, Butter
genossen werden.
Ueber die Zugabe von Würz- und Genußstoffen bezw.
Genuß mittein zur Nahrung ist das Erforderliche bereits früher
(S. 40) beigebracht worden. Hier wäre höchstens nur darauf hinzu-
weisen, daß weder Eier noch saure Speisen zu Milch passen, insofern
dadurch bei Vielen Uebelkeit und Leibschmerzen hervorgerufen werden,
daß andererseits sehr fette Speisen durch gleichzeitigen Genuß verdünnter
Alcoholica (Wein, Liquöre) ertragbar und bekömmlicher werden.
1) Fr Hofmann. Btdevtung der FUisihnahrwg, Leipzig (1880). 81.
2) J. König. Ihe menschlichen Nahrungs- und Oenvßmitlel 3. Ahji. 1. Bd. (1889) 141.
3) Scheube. A f. 11 1. Bd 382.
4^ Hnsson. Joum. d'hyg. (1885\ 34.').
5) Forster. Z. f. Biol 9 Bd 381.
6) C Voit, Untersuchung der Kost etc., München (1877), 21.
7) üffelmann (und Mank), Ernährung, 324.
§ 6. Die geeigneten Temperaturen der Nahrung.
Hygienisch und diätetisch ist die Frage von Bedeutung, ob die
verschiedenen Temperaturen der genossenen Speisen und Getränke für
die Verdauungsorgane und von da auf den übrigen Körper reflektierend
gleichgiltig sind oder ob nicht, zumal durch die extremen Temperaturen
nach oben und unten, heiße bezw. kalte Speisen Nachteile für den Men-
schen bezw. Störungen der Verdauung oder des Allgemeinbefindens er-
zeug werden können ^
Im Gegensatz zu dem frühesten Kindesalter, wo schon auf jede
mäßige Abweichung in der Temperatur der Speisen von der Körper-
wärme (38 ") nach oben oder unten Verdauungs- und Allgemeinstörungen
(Schmerzen, Erbrechen, Durchfall bez. Schweiß, unruhiger Schlaf) sich
einstellen, zeigt der Erwachsene eine mehr oder minder ausgebildete
Gewöhnung an höhere oder niedere Temperaturen der Speisen. Nur
die als eiskalt (von 7 ** C. abwärts) und die als heiß oder brennend-heiß
empfundenen (über 55°) Temperaturen der Speisen und Getränke rufen
auch bei den meisten Erwachsenen eigentümliche, unangenehme Sensa-
tionen hervor, und bei häufigem Genuß solcher eiskalt oder heiß temperierter
Speisen können Schädigungen und Erkrankungen sich einstellen. Abnorm
hohe und niedere Temperaturen geben lähmende bezw. erregende Reize
für Nerven und Muskeln ab, und vom centralen Nervensystem aus kann
die so bewirkte Erregung auf Ilerz, Gefäße, Eingeweide etc. reflektieren
und die verschiedensten Folgen nach sich ziehen.
Fast alle gut beobachtenden Aerzte stimmen mit Leube* darin
überein, daß als direkte Folge des Genusses brennend-heißer Speisen,
.^U IMMAM r.L MINK.
aul>LT dem bokanntou r>rennen im Munde und Schlünde, ein akuter
Magenkatarrh mit heftigen gastralgischen oder kardialgisclien Schmerzen
aultreten kann, und daß, wenn diese Schädlichkeit habituell wird, chro-
nischer Magenkatarrh, ja bei besonderer Prädisposition auch kapillare
Blutungen in die Schleimhaut erfolgen oder gar ein chronisches rundes
Magengeschwür sich ausbilden kann. Bei Versuchen an Hunden haben
in der Tliat verschiedene Autoren ^ infolge Einführung eines ^Vassers
von 55—65'^ in den Magen Bhitaustritt und Geschwürsbildung experi-
mentell erzeugen können. Zugleich wird durch den Reiz der Hitze auf
die Magenschleimhaut retiektorisch die Herzthätigkeit beschleunigt.
Eiskalte Getränke schaden vornehmlich, wenn sie in großen Zügen
bei durch Bewegung oder Arbeit erhitztem, aber zur Zeit ruhendem,
nicht mehr thatigem Körper getrunken werden. Außer dem Gefühl
eisiger Kalte an den Zähnen und in» Munde, die Speiseröhre entlang
und in der Mageugegend erzeugen sie einen Reiz auf die Magenschleim-
haut, der Schmerzen und Appetitlosigkeit, zuweilen akuten Katarrh des
Magens und, von da fortgeleitet, auch des Darms zur Eolge haben
kann. Große Mengen kalten Trunkes können ferner ein Absinken der
Eigenwärme des Körpers um ^L, — 1 ^ bewirken. Der Reiz auf die
Magenschleimhaut ruft reflektorisch infolge Kontraktion der Hautmuskeln
(M. arrectores pili) und der Muskeln der Hautgefäße Gänsehaut und
Erösteln hervor, macht den Herzschlag langsamer und dabei energischer,
was aus dem Härter werden des langsameren Pulses hervorgeht, und
erregt reflektorisch die Darmmuskeln, sodaß die Darmbewegungen leb-
hafter, zuweilen krampfartig werden, infolge wovon wieder kolikartige
Leibschmerzen auftreten. Aehnlich sind die Erscheinungen nach Genuß
kalter Speisen, nur weniger ausgesprochen, weil ja auch die Mengen
genossener kalter Speisen nicht so groß zu sein pflegen als die eis-
kalten Getränkes (Wasser, Bier). Schließlich ist noch anzuführen, daß
man auch vom gewohnheitsmäßigen Genuß kühler Speisen bei Arbeitern,
die außer dem Hause ihätig sind und deren Mittagskost während des
Transportes vom Hause zu der Arbeitstätte mehr oder weniger ab-
kühlt, Nachteile beobachtet haben will ; die kalten Speisen bilden kein
genügendes Reizmittel für den Magen, infolgedessen greift der so Ver-
köstigte zu anderen Reizmitteln, insbesondere zu den alkoholischen und
zwar zu den am stärksten wirkenden, zu den Branntweinen.
Es bedarf endlich nur des Hinweises, daß der schnelle Wechsel von
heißen und kalten Ingesta auch auf die Zähne nachteilig einwirkt, in-
sofern der Zahnschmelz dadurch rissig wird, sodaß die Mikroorganismen
eine F.intrittspforte gewinnen, durch die sie zum Zahnbein gelangen und
letzteres bis zur kariösen Zerstörung angreifen.
Aus alledem geht hervor, daß die zweckmäßigste Temperatur der
Speisen diejenige ist, welche der Blutwärme entspricht (38 '^ C.). Wenn
auch im übrigen ohne sichtbare nachteilige Folgen die Temperatur der
Speisen und Getränke nach oben und unten von der Bluttemperatur
ziemlich weit abweichen kann, so sind doch -|- 7 " C. als die äußerste
untere und 55 '* als die äußerste obere Grenze zu erachten, die, höchstens
vorübergehend, überstiegen werden dürfen. Vorteilhaft hält man sich
auch von diesen Grenztemperaturen fern. Am schlimmsten erweist sich
hastiger eiskalter Trunk bei erhitztem, ruhenden Körper. Will man
dem Körper Wärme zuführen, so geschieht dies am besten dadurch, daß
man die Temperatur des heißen Getränkes (Katfee, Thee, Wein, Grog)
etwa 50^ C. erreichen läßt; will man umgekehrt Wärme entziehen,
80
Einzelernähriiiig und Masseneinährung. 81
abkühlend wirken, so verwende man Getränke und Speisen von etwa
10", ausnahmsweise von 8° C. Auch liüte man siel» in Rücksicht auf
die Krhaltun^ der Zähne, deren Kaufunktion für die Ausnützunj^ und
Bekinnndichkeit der Nahrung wesentlich ist (S. 58), vor allzu raschem
Wechsel heiüer und kalter Speisen und Getränke.
1) l'ergl. die au*führliche und erschöpfende Itehandlung dieser Frage bei üffelmann. Die
Tetnperatur unterer Speisen und Getränke, Wiener Klinik (1887) Heft 9.
2) Leabe. in v. Ziemssen's Ilandb. der spez. Path u. Therap. 7. ßd. 2. T. 26.
3) Kostjurin, Peter>ö. med. »ocÄ. (1879) 10; Spaeth, A. /. Hyg. 4. Bd. 72; Decker, Derl.
kl. Woch. (1887) AV. 21.
3. Teil: Das Kostinafs.
Nachdem wir im ersten Teil dieses Abschnittes die allgemeinen Ge-
sichtspunkte bezüglich der Zubereitung der Nahrung, ferner die zweck-
mäßige Auswahl und Mischung der Nahrungsmittel erörtert haben, kommen
wir nunmehr zu der Behandlung der Frage: welches ist die für die
verschiedenen Altersklassen und die wechselnden äußeren Lebensverhält-
nisse angemessene Nahrung, d. h. das Gemisch von Nährstoffen,
Nahrungs- und Genußmitteln, das den Körper zum mindesten auf seinem
stotflichen Bestände und seiner Leistungsfähigkeit erhält. Da in den uns
von der Natur gebotenen Nahrungsmitteln und Würzstotfen in der Regel
die Mineralstotfe in erforderlicher Qualität und Quantität und ebenso das
Wasser reichlich zur Verfügung stehen (S. 24, 28), handelt es sich nur
um Feststellung der erforderlichen organischen Nährstoffe: Eiweiß, Fett
und Kohlehydrat.
Nun haben wir bereits bei der Betrachtung der Bedingungen des
Eiweißverbrauches bei Eiweißgenuß und bei der Bedeutung des Nah-
rungseiweißes erkannt (S. 9, 32), daß der Organismus glücklicherweise be-
fähigt ist, sich mit den verschiedensten Mengen der einzelnen Nährstoffe
ins Gleichgewicht zu setzen, vorausgesetzt daß eine gewisse, für den Körper
unentbehrliche Menge Eiweiß in der Zufuhr enthalten ist, insofern, abge-
sehen von jenem unerläßlichen Eiweißquantum, die Nährstotfe sich unter
einander innerhalb ziemlich weiter Grenzen vertreten können (S. 49). In
Rücksicht hierauf ist die oben gegebene Definition noch vom hygienischen
Standpunkte dahin einzuschränken, daß wir als(Nahrung dasjenige
Gemisch von Nahrungs- und Genußstoffen bezeichnen, bei
welchem Stoffgleich gewicht und die jeweils erforderliche
körperliche Leistungsfähigkeit mit der geringsten
Menge von Nährstoffen erreicht wird. \ Da nun der Stoff'ver-
brauch der Individuen je nach Lebensalter, Körpergewicht und -große,
Körperbestand (ab.solute und relative Eiweiß- und Fettmenge am K()rper),
äußerer Temperatur und Klima, Ruhe oder Arbeit u. a., wie im ersten
Abschnitt behandelt, verschieden ist, so ist auch die Größe des zur Er-
zielung von Gleichgewicht erforderlichen Stoftersatzes einem analogen
Wechsel unterworfen, daher für die hier vorkommenden, wichtigsten oder
typischen Falle die erforderliche Nahrung gesondert festgestellt werden
muß. Die zur Deckung des stofflichen Bedarfes im Tage erforderliche
Nahrung bezeichnet man auch als Kost maß.
Wie bei den allgemeinen Betrachtungen im ersten Teil dieses Ab-
schnittes wiederholt betont, hängt in Bezug auf die Ernährung so vieles
Handbuch der Hygiene. Hd. III. Abtlg. 1. Q
82 IMMANUEL MUNK,
von GeNvöhiiuiijx uiul Iiulividualität ab, daß dieselbe Nahrung, welche bei
dem Kinoii Sättigung, 15efriediyuiig, stoffliches (ileichgewicht und Leistungs-
fähigkeit erzeugt, bei dem Anderen, ungeachtet scheinbarer Ueberein-
stimmung mit Ersterem in Bezug auf Kürperzustand, Alter und sonstige
Lebensbedingungen, nicht den gleichen Xähreö'ekt hervorruft, sei es
daß derselbe ein wenig nach unten : langsame Abnahme des Körper-
gewichtes und der Leistungsfähigkeit, oder nach oben : Zunahme des
Körpergewichtes, frischeres Aussehen, größere Arbeitslust und -kraft,
abweicht. Deshalb können alle Eruährungsgesetze und alle Vorschriften
über das tägliche Kostmaß gewissermaßen nur für den Durchschnitts-
menschen (z. B. Erwachsene von 70 kg, Kinder vom 2.-5. Lebens-
jahre, Greise von 65—80 Jahren) gelten; sie geben gewissermaßen nur
den Mittelwert an, um den herum die Nährstotl'menge schwanken kann,
damit ein der vom Individuum zu leistenden körperlichen Arbeit ange-
messener Stoflljestand erzielt oder erhalten wird. Deshalb ist die Kennt-
nis des Kostmaß es als des Durchschnittsbedarfes an Nähr-
stoffen unter den verschiedenen Lebensbedingungen er-
forderlich, aber nicht zu dem Zweck, diese Durchschnittsnorm stets
sklavisch und schablonenhaft zu befolgen, vielmehr nur um einen sicheren
Anhalt zu haben, von dem aus, ebenso wie der verständige Arzt in der
Diätetik, auch der hygienisch geschulte und erfahrene Verwaltungs-
beamte, dem die Ernährung in öflentlichen Anstalten anvertraut ist, in
Rücksicht auf die einzelnen Individuen Abweichungen von der Kostnorm
nach oben cder unten treffen und durch die Kontrolle des nach kürzerer
oder längerer Zeit erzielten Nährefifektes auf die liichtigkeit prüfen kann.
Im Nachfolgenden halten wir daran fest, das Kostmaß nach der
Bedarfsgröße an den organischen Nährstoffen zu normieren und nicht
im Sinne mancher neueren Autoren statt des Kostmaßes die für die
"Wärmeverluste des Körpers erforderliche Wärmemenge als durch den
kalorischen Wert der im Körper verbrennenden Nährstoffe gedeckt au-'
zugeben. Die Gründe dafür sind an einer früheren Stelle (S. 49j bei-
gebracht ; hier möge nur auf jene Ausführungen verwiesen werden,
4
Was die Methoden zur Feststellung des Kostmaßes^
anlangt, so sind es in der Hauptsache drei Wege, welche hier gangbar sind
und welche sämtlich betreten werden müssen, weil kein einzelner von ihnen
sichere, einwandsfreie Resultate liefert. Bei der ersten Methode giebt man
Individuen von mittlerer Größe und Köiperbestand eine bestimmte Nahrung, mit
der man so lange wechselt, bis für mehrere Tage stoffliches Gleichgewicht ein-
getreten ist, was durch die Bestimmung von Harnstoff', Kohlensäure und Wasser
kontrolliert wird, insofern der in den Ausscheidungen gefundene Stickstoff
und Kohlenstoff annähernd der Einnahme entsprechen muß. Da aber, wie
schon wiederholt betont, der Organismus mit der Fähigkeit ausgestattet ist,
sich mit den verschiedensten Nährstoffinengen ins Gleichgewicht zu setzen,
und diese Erfahrung in einer Reihe nach dieser Methode ausgeführter Ver-
suche sich bestätigt hat (vergl. § 1), kann diese Methode als entscheidend
nicht wohl angesehen werden.
Die zweite Methode besteht darin, daß man ftlr eine größere Anzahl
unter denselben Bedingungen (öffentliche Anstalten, Kasernen, Schiffe)
lebender und gleichmäßig verpflegter Individuen den Gesamtverbrauch an
Nahrungsmitteln feststellt und daraus das Mittel der auf den Kopf der Ver-
köstigten treffenden Mengen von Nährstoffen berechnet. Man geht hierbei
82
EiDzelerDähmng und MaseenerDäbruDg. 83
von der Erwägung aus, daß die in erster Linie vom wechselnden Körper-
bestand und -gewicht der so Verpflegten resultierenden Schwankungen im
StoftVerbrauch und demgemäß auch im Stoflersatz, im Bedarf an Nährstoffen,
endlich die je nach Gewöhnung und Appetit schwankende GröGe der Nah-
rungsaufnahme, insofern, sei es überhaupt oder nur an einzelnen Tagen, die
einen zu viel, die anderen zu wenig von den ihnen gebotenen Speisemengen
genießen, daß, sage ich. diese zum Teil durch thatsächliche innere Momente,
zum Teil durch die Willkür bedingten Unterschiede mehr und mehr sich
verwischen und die wahren Mittelwerte hervortreten lassen, je größer die
Zahl der Verpflegten ist. Aber selbst wenn diese der Methode zu Grunde
geli'gte Voraussetzung zutrifft, ruht die Feststellung des thatsächlichen Ge-
samtverbrauchos an Nährstoffen aus den verwendeten und ihrem Gewicht
nach bekannten Nahrungsmitteln deshalb auf unsicheren Grundlagen, weil
die Nahrungsmittel selbst in Bezug auf die stoffliche Zusammensetzung in
ziemlich weiten Grenzen schwanken können, sodaß die Benützung von aus
anderweitigen Analysen gezogenen Mittelwerten die also berechnete Nährstoft-
nienge mehr oder wenig weit von der thatsächlich darin vorhandenen ab-
weichen lassen kann, endlich, was hauptsächlich für die bei der Massen-
ernährung bevorzugten Vegetabilien zutrifft, die bei der Speisebereitung ent-
fernten Schalen, Hülsen, vortrockneten und verholzten Teile der pflanzlichen
Nahrungsmittel, die sog. KUchenabfälle, ihrer Menge und Zusammensetzung
nach einmal je nach Boden und Klima, sodann je nach Jahreszeit, Art und
Dauer der Aufbewahrung bis um das Doppelte des Gewichtes schwanken
können, sodaß demnach die Menge der für die Speisebereitung restierenden
Nährstoffe im gleichen Gewicht der Vegetabilien zu verschiedenen Zeiten
eine ganz verschiedene sein kann. Nur eine die Untersuchung außerordent-
lich kompliziert und mühsam machende sorgfältige chemische Analyse der
in den Speisen wirklich vorhandenen Nährstoffe vermag diese als grob und
allerhöchstens approximativ zu erachtende Methode zu einer sicheren zu
gestalten.
Deshalb thut man gut, noch eine dritte Methode, gleichsam zur Er-
gänzung der beiden anderen, zu benutzen, die darauf beruht, daß man bei
einzelnen, unter bekannten und einfachen Verhältnissen lebenden Menschen
die in der nach Belieben aufgenommenen Kost vorhandenen Nährstoft'mengen,
am besten eine Eeihe von Tagen hindurch, feststellt und — fügen wir hinzu
— zugleich den Nähreffekt dieser Kost kontrolliert; bleibt dabei das Individuum
auf seinem Gewicht, gesund und leistungsfähig, so darf man diese Nahrung
unter den betreffenden Verhältnissen als ausreichend erklären. Diese zuerst
von Forster eingeführte Methode der Untersuchung einer nach Belieben
aufgenommenen Nahrung scheint uns, wofern sie verläßliche Resultate geben
soll, der Kontrolle des Nähreffektes zu bedürfen, weil die Erfahrung lehrt,
daß die nach Belieben aufgenommene Nahrung gelegentlich und mehrere
Tage hindurch unter dem Bedarf bleiben kann, und dann wiederum eine Reihe
von Tagen folgen können, an denen, gleichsam zum Ausgleich, mehr Nah-
rung aufgenommen wird.
Je näher nun die nach vorstehenden drei Methoden gefundenen Zahlen-
werte einander liegen, desto größere Gewähr ist geliefert, daß die daraus
gezogenen Mittelwerte dem wirklichen d. h. erforderlichen Kostmaß unter den
resp. Bedingungen nahe kommen.
\) Vtrgl. C. Voit, Z. J. Biol. 12. Bd. 51. und Utiteriuch. dfr Kost etc. (1877); Forster,
Z. J. Biol. 9. Bd. 381; Meinert, Armee- und Volksemährung, Berlin (1880).
83 ß*
84 IMMANUEL MUNK,
§ 1. Kost maß der Erwachsenen.
a) Bei Ruhe u u d 1 e i ch t e r Arbeit.
Hierüber lies^eu nach allen drei Methoden (S. 82) gewonnene Fest-
stellungen und Berechnungen vor.
Nach der ersten Methode bestimmt, hat der 70 kg schwere kräftige
Arbeiter von v. Petteukofer und Voit^ bei reichlicher gemischter
Kost verbraucht:
137 g Eiweiß, 65 g Fett und 352 g Kohlehydrate.
Dagegen konnte sich J. Ranke^, der ebenfalls 70 kg schwer, aber
fettreich war, eine Woche lang ins Gleichgewicht setzen mit einem
Kostmaß von
100 g Eiweiß, 100 g Fett, 240 g Kohlehydrate,
Beneke^, der 62 kg wog, sogar mit nur
90 g Eiweiß, 79 g Fett und 285 g Kohlehydrate.
Förster^ hat in der nach Belieben aufgenommenen Kost eines 29
Jahre alten, 70 kg schweren Arztes das Kostraaß ermittelt (3. Methode) zu
130 g Eiweiß, 95 g Fett, 325 g Kohlehydrate,
ferner bei einem 65-jährigen, 62 kg schweren Manne
116 g Eiweiß, 68 g Fett, 345 g Kohlehydrate;
desgleichen Beaunis-' bei einem 48-jährigen Arzte
92 g Eiweiß, 61 g Fett, 235 g Kohlehydrate,
endlich H o c h ^ , 25 Jahre alt, in seiner Kost
108 g Eiweiß, 77 g Fett, 378 g Kohlehydrate.
Daraus ergiebt sich als Mittel für den ruhenden oder leicht arbeitenden
Erwachsenen von 62 — 70 kg Gewicht:
110 g Eiweiß, 78 g Fett, 310 g Kohlehydrate
oder, wenn wir 22 g Fett durch (22 X 2,3 =) 50 g Kohlehydrate er-
setzen :
' 110 g Eiweiß, 56 g Fett,1370 g Kohlehydrate.
Da, wie wir gleich erörtern werden, die Eiweißnorm von 110 g reich-
lich hoch ist, der leicht Arbeitende schon mit lüO g Eiweiß auskommt,
so genügt für den ruhenden oder leicht arbeitenden Er-
wachsenen (von 62 — 70 kg) ein Kostmaß ' von :
100 g Eiweiß, 56 g Fett, 400-450 g Kohlehydrate'
(Wärmewert brutto, d. h. ohne Berücksichtigung der Ausnützung,
\= 2571—2776 Kalorien),
wobei zu bemerken ist, daß der ruhende Mensch schon mit 400 g Kohle-
hydrate ausreicht, während bei leichter Arbeit vorteilhaft 450 g Kohle-
hydrate gegeben werden. Von den 100 g Eiweiß sollen rund 90 g ver-
daulich sein, was dadurch zu erreichen ist, daß etwa Vs ^^^r Norm =
33 g Eiweiß in Form von Animalien (Fleisch, Hering, Milch, Käse) ge-
geben wird.
Für die leicht arbeitende Frau kann das Kostmaß auf etwa
*l ^ — ^/ß der Norm für den erwachsenen Mann reduziert werden, zumal
dieselbe zumeist etwa um 10 kg leichter ist als der Mann, und auch,
da sie relativ fettreicher und eiweiß- oder fleischärmer ist, einen ge-
ringeren Stofifverbrauch hat:
85—90 g Eiweiß, 40 g Fett, 320—360 g Kohlehydrate
(2033—2218 Kai.).
84
EinzelernähruDg und MassenernähniDg. 85
b) Bei mäßiger, nicht zu angestrengter Arbeit.
Für die Kostration bei mäßiger „mittlerer" Arbeit liegen die (nach
der 2. Methode gewonnenen) Bestimmungen von Pia yfa i r ^, Ilildes-
heim'^ und C. Voit^° an Soldaten im Garnison- und Manöverdienst
vor, ferner eine (nach Methode 3 gewonnene) Bestimmung von lloch*^
an einem Schuhmacher. Es fanden
Play fair I20 g Eiweifs 40 g Fett 530 g Kohlehydrate
Bild es heim 117 ,) •< 35 m << 540 „ „
Voit 117 „ „ 26 „ „ 547 „
Hoch Q8 ., „ 64 „ „ 460 .,
Mittel 113 ., „ 41 „ „ 520 „ „
äquivalent 1 13 ., ,, 56 .. ,, 485 „ „
(bei Ersatz von 35 g Kohlehydrat durch 15 g Fett).
Eine Ration von 100—110 g Eiweiß, 56 g Fett und 50o g
Kohlehydrate (3022 Kai, bietend) ist allen Erfahrungen zufolge
für den erwachsenen „mittleren Arbeiter" mehr als genügend,
"Während Voit früher 118 g Eiweiß als erforderlich angesehen hat.
Die erwachsene Arbeitsfrau findet schon bei mittlerer Ar-
beit ihr Auslangen mit
90 g Eiweiß, 40 g Fett, 400 g Kohlehydrate (2380 Kai.)
Die vorstehenden Kostsätze bei Ruhe und leichter Arbeit einer-
seits, mittlerer Arbeit andererseits sind von zahlreichen Autoren teils
im Ganzen, teils in Bezug auf die Eiweißgabe als zu hoch erachtet
worden. Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes ist eine kritische Be-
handlung dieser Einwendungen geboten.
Was zunächst die Höhe des sowohl bei leichter als mittlerer Ar-
beit von Voit auf 118 g normierten Eiweißbedarfes bei einer
sonst ausreichenden Ration N-freier Stoffe anlangt, so sind
einmal dagegen die oben berichteten (S. 84) Erfahrungen von J.
Ranke und Beneke, sowie von Beaunis anzuführen, die da lehren,
daß der leicht thätige Erwachsene mit 90— 100 g auskommt, ferner die
Ermittelungen von Pflüger und Bohland'^ sowie von Bohl and
und Bleib treu ' '^, die bei 14 jungen, kräftigen, mäßig arbeitenden
Männern einen Eiweißumsatz von im Mittel nur 90 — 93 g gefunden
haben, sowie Erfahrungen von Uffelmann ^^, denen zufolge die Voit-
sche Mittelzahl entschieden zu hoch ist. Nakahama*^ hat den Ei-
weißumsatz bei 13 arbeitenden Menschen zu G5 — 103 g, im Mittel zu
85 g gefunden, und zwar, um nur einige charakteristische Beispiele
herauszugreifen , bei einem Klempner von 78 kg einen Umsatz von
83 g, bei einem täglich 12 Stunden angestrengt arbeitenden Erdbohrer
von 68 kg sogar nur von 68 g. Hoch in der Tagesration eines sehr
thätigen Steinhauers von 86 kg (!) im Durchschnitt nur 93 g Eiweiß.
Demgemäß erscheint es vollauf begründet, die p]iweißration des Er-
wachsenen von mittlerem Gewicht (65—70 kg) und mäßiger, nicht zu
angestrengter Arbeit auf 1(X) g herunterzusetzen; daß 100 g Eiweiß
pro Tag für die Dauer genügen, ist durch die Erfahrung sicher-
gestellt.
Andere Autoren wollen in der Herabsetzung der Eiweißnorra noch weiter
gehen. F. Hirse hfeld^* (73 kg) hat durch einen Selbstversueh
gezeigt, daß bei genügender Ration von Kohlehydraten und Fetten (bezw.
85
86 IMMANUEL MUNK,
Alkohol! CT schon mit einer Eiweiügabe von 40—50 g für eine kurze
Zeit (2—8 Tage) auf Stickstoftgleichgowicht bleiben könne, und Kuraa-
gawa''' (allerdings nur 48 kg schwer!) setzte von 55 g Nahrungseiweiß
sogar nur 38 g um. Daraufhin hat Hirschfold gemeint, daß ein Er-
wachsener auch mit 50 —70 g Eiweiß sein Auskommen finden könne, und
dabei auf die Japaner verwiesen, die sich fast ausschließlich vom eiweißarmen
Eeis nähren. Demgegenüber konnte I. Munk"* erweisen, daß nach den
Bestimmungen von R. Mori''', Ejkmann und Scheube^^, sowie von
Kellner und Y. Mori*^ die nur 42 — 58 kg schweren Japaner 80— 100 g
Eiweiß (von denen 70 — 77 g resorbierbar) aufnehmen; nach Mori, Oi und
Jhisima-'* enthält die Truppenreiskost, bei der 6 geprüfte Individuen sich
im Gleichgewicht befanden, im zubereiteten Zustande 85 g Eiweiß. Danach
müssen alle Angaben von einer sehr geringen Eiweißaufnahme der ost-
asiatischen Yölkerstämme, welche hauptsächlich von eiweißarmen Vegetabilien
leben, als unbegründet und irrtümlich zurückgewiesen werden.
Somit lehren nach unserer Auffassung die bisherigen Versuche nur, daß
ein Erwachsener sich auch bei einer Eiweißzufuhr von 50 —70 g eine kurze
Zeit lang annähernd auf Gleichgewicht erhalten kann, nicht aber, daß die
Gesundheit und Widerstandsfähigkeit sowie die Leistungsfähigkeit bei stetem
Genuß so geringer Eiweismengen keinen Schaden leiden. Im Gegenteil liegen
Untersuchungen von I. Munk"-^ am Hunde vor, nach denen eine infolge
großer Gaben von Kohlehydraten und mäßiger Fettmenge auch bei geringer
Eiweißration ausreichende Nahrung, bei welcher durch 5 — 6 Wochen zu-
nächst Gleichgewicht erreicht wird, weiterhin in der 7. — 9. Woche zu Störungen
in der Verdauung und Ausnützung der Nährstoffe, insbesondere des Fettes
und in mäßigem Grade auch des Eiweißes, führt, infolge deren das Gleich-
gewicht aufgehoben wird, Appetitlosigkeit, Erbrechen und sehr bald Schwäche
und Kraftlosigkeit sich einstellt. Diese schweren Störungen lassen sich
nur durch eine eiweißreiche Nahrung (Fleisch) wirksam bekämpfen; unter
Umständen verenden die Tiere, ehe man sich's versieht, wie in einem Falle
Munks und in 2 Fällen von Rosenheim ^^.C Die Verdauungsstörungen
beruhen zum größten Teil, wie wenigstens für die Galle M u n k hat bestimmt
erweisen können, auf spärlicherer Abscheidung der Verdauungssäfte. Nach alle-
dem werden wir Bedenken tragen, die Eiweißration eines erwachsenen mitt-
leren Arbeiters unter 90 g herabzudrücken. Auch Demuth^s igt durch
12-jährige Beobachtungen zu dem Ergebnis gelangt, daß jede Nahrung, deren
Eiweißgehalt unter 90 g sinkt, selbst wenn sie mehr als genügenden Wärme-
wert besitzt, nicht geeignet ist, auf die Dauer Wohlbefinden und Leistungs-
fähigkeit eines sog. mittleren Arbeiters von 70 kg zu erhalten. ~)
Andere Forscher wiederum haben die obigen, für Ruhe oder leichte sowie
für mittlere Arbeit aufgestellten Kostsätze teils nur in Bezug auf das Eiweiß,
teils im Ganzen zu hoch finden wollen, und zwar auf Grund ihrer Er-
mittelungen über den Nährstoflfverb rauch armer Arbeiterfamlion. Von einer
armen niederlausitzer Arbeiterfamilie hat Böhm'-** den täglichen Verbrauch
per Kopf zu 64 g Eiweiß, 17 g Fett und 570 g Kohlehydrat berechnet,
Flügge 2-^ den eines wenig leistungsfähigen Dieners von 60 kg, welcher
annähernd im Gleichgewicht war, gar nur zu 52 --65 g Eiweiß, 37 g Fett und
290 g Kohlehydrate, Meinert^^ aus der Kost armer sächsischer Arbeiter-
familien nur 52—80 g Eiweiß, 13 — 68 g Fett und 300—500 g Kohle-
hydrate, endlich neuerdings v. R echenb erg ^'^ aus der Kost der Handweber
im Zittauer Kreise 65 g Eiweiß, 49 g Fett, 485 g Kohlehydrate. Wenn die
betreffenden Individuen von Jugend auf an so knappe Kost gewöhnt sind
und keine schwere Arbeit zu verrichten haben, kann auch bei so geringer
86
EiDZolerQäbruDg und MasseDoroäbmog. 87
Ration von Eiweiß neben nur mäßiger Gabe von Fett und Koblebydraten ein
wenig kräftiger, lleiscbarmer Körper allenfalls auf Gleicbgewicbt, aber nicht
leistungsfähig erhalten werden, sodaß man solche Rationen als die unterste
Grenze der sog Erhaltungskost ansehen kann. Und in der That führen
alle diese Autoren ohne Ausnahme an , daß die so karg Verpflegten schlecht
genährt, schwächlich und nur wenig leistungsfähig sind. Zur Erhaltung
eines mittlt>ren Arbeiters von 70 kg auf seinem StotTbestande und arbeits-
tüchtig, dazu bedarf es eben der obigen Rationen von 100—110 g Eiweiß,
56 g Fett und 450—500 g Kohlehydrate.
c) Bei angestrengter Arbeit.
Bei der Lehre vom Stoffverbrauch (S. 12) haben wir erfahren, daß
die Quelle für die Muskelkraft oder Arbeit in erster Linie die stick-
stofffreien Körper- und Nahrungsstoffe, die Fette und Kohlehydrate,
abgeben und daß, erst wenn von letzteren weder am Körper noch in
der Nahrung genügend zur Verfügung steht bezw. die angestrengte
Arbeit oder schnelle Körperbewegungen wie z. B. beim Bergsteigen zu
Atemnot (Dyspnoe) führen, dann auch das Eiweiß mit in Zerfall gezo-
gen wird. Da somit für gewöhnlich bei schwerer Arbeit mehr N-freie,
C-haltige Substanz verbraucht wird, muß auch mehr derartiges Material
mit der Nahrung zugeführt werden. Nun beträgt schon bei mittlerer
Arbeit die Kohlehydratration 50 J g, und wie oben dargelegt (S. 78), ist
es nicht rätlich, über diesen Satz hinauszugehen. Also empfiehlt es
sich, die bei mittlerer Arbeit 56 g betragende Fettration dem Bedarf
entsprechend zu erhöhen, und zwar genügt, da der Satz von Fett, 56 g,
und Kohlehydraten , 500 g , bei mittlerer Arbeit schon reichlich hoch
ist, ein Zuschuß von 40—45 g Fett, um den Mehrverbrauch an Fett
bei schwerer gegenüber mittlerer Arbeit zu decken. Damit ist zu-
gleich der Vorteil erreicht, daß der Darm nicht überlastet und dadurch
die Arbeitslast herabgedrückt wird, sowie daß nunmehr das Verhältnis
von Fett zu Kohlehydraten auf 1 : 5 steigt ; je reicher aber die Kost an
Fett ist, desto schmackhafter und abwechselnder läßt sie sich herstellen
und desto zweckmäßiger ist sie für den Körper (S. 78).
Nach Vorstehendem läßt sich also, wofern genügend Fett und Kohle-
hydrate in der Kost sini, schon durch diese der bei Arbeit gesteigerte
Stoffverbrauch decken, sodaß an sich, um die für die Arbeit erforder-
liche lebendige Kraft frei werden zu lassen, es eines Zuschusses an
P^iweiß nicht beiürfte. Um aber strenge Arbeit leisten zu können,
müssen die Arbeitsorgane, die Muskeln, in gutem Stande, kräftig ent-
wickelt sein oder durch Wachstum ihrer Gewebselemente sich zur Fähig-
keit kraftvoller Leistung entwickeln. Ein muskelkräftiger Körper ist
aber, da im Muskel das Eiweiß nächst dem Wasser den wesentlichsten
Bestandteil bildet, zugleich eiweißreicher als ein weniger muskulöser.
Je größer die Eiweißmasse am Körper, desto größer ist der Eiweiß-
zerfall, desto mehr Nahrungseiweiß muß geboten werden, um den Körper
vor Eiweißverlust zu schützen. Ebenso bedarf es zum Wachstum der
Muskeln, zur Zunahme der Muskelfasern an Zahl und Dicke einer
über den Bedarf gesteigerten Eiwciß/:ufuhr. Di3mnach muß, allerdings
nur um die Muskeln auf gutem Stande uni Leistungsfähigkeit zu er-
halten, event. die Entwickelung derselben und damit die Arbeitsfähig-
keit zu fördern, ein Zuschuß auch in Bezu^ auf die P^iweißration gegeben
werden.
87
88 IM MANU KL MUNK.
reber die Kost anj^estreiigter Arbeiter liegen eine Reihe von
sÄintlicli nach der 3. Methode (S. !S3) gewonneneu Erfahrungen vor, bis
auf diejenige Voit und v. Pettenkofer's^, einen kräftigen 70 kg
schweren Mann anhmgeud, an dem der thatsächliche Verbrauch aus den
Ausscheidungen bestimmt worden ist (1. Methode, S. 82).
H Eiweifs 71 p Kett 567 g Kohlehydrate (Arbeiter)
., ., 70 ,, „ 600 ,, „ (Münch. Brauknecht)
173 „ „ 352 „ „ (Arbeiter)
54 ., ,. 480 ,, „ (Mechaniker)
,, ,, 95 ,, ,, 422 ,, ,, (Dienstmtiun)
M „ 68 „ „ 494 ,. .. (Tischler)
P 1 a y f a i r »
156
V. L i e b i K "*
'65
Petteiikofer u.
Voit
137
V 0 i t >«
'5'
F 0 r s t e r *
133
„
131
Mittel 147 „ „ 89 „ „ 486 „ „
Auf Grund dieser Beobachtungen fordert Vo it für den angestrengten
Arbeiter, noch über die Mittelwerte der N-freien Stotie hinausgehend:
145 g Eiweiß, 100 g Eett, 500 g Kohlehydrate, indessen reicht selbst
der angestrengteste Arbeiter aus mit 120—130 g Eiweiß,
100 g Fett, 500 g Kohlehydrat (3472—3513 Kai.), wobei vorteil-
haft V:i der Eiweißgabe = 40—43 g animalisch in Form von Fleisch,
Milch, Käse, event. Schmalz oder Speck gereicht werden (sodaß 105 —
115 g Eiweiß verwertbar sind) und, um den Darm nicht zu überlasten,
die Brotration nicht 750 g übersteigen soll.
Dabei soll aber nicht verschwiegen werden, daß da, wo die Nah-
rung fast eine rein vegetabilische ist und von Animalien höchstens
Schmalz und Speck zugelegt werden, Ijei angestrengtester Arbeit ge-
legentlich Speisemengen aufgenommen werden , welche das obige, für
alle Fälle schwerer Arbeit ausreichende Kostmaß weit übersteigen. Nach
v. L i e b i g ^ ** nehmen die oberbayrischen Holzknechte (in Mehl, Brot
und Schmalz) bis zu 143 g Eiweiß, 180—300 g Fett und G90— 870 g
Kohlehydrate auf, die italienischen Ziegelarbeiter nach H. Ranke^^
(in Mais und Käse) 167 g Eiweiß, 117 g Fett und 675 g Kohlehydrate,
die nassauischen Bergleute nach SteinheiP^ (überwiegend Vegeta-
bilien) 133 g Eiweiß, 113 g Fett, 634 g Kohlehydrate, endlich die
siebenbürgischen Feldarbeiter nach Ohlmüller^^ (in Mais und Sau-
bohnen) 150 g Eiweiß, 75 g Fett, 940 g Kohlehydrate. Alle diese über-
reichlichen Kostrationen sind auch schon wegen der kolossalen Kohle-
hydratgaben unzweckmäßig, am ehesten würde die Ration der Holz-
knechte den Anforderungen entsprechen, wofern die Kohlehydrate auf
500 g herabgemindert würden ; auch dabei wäre, selbst bei der niederen
Quote von 180 g Fett, die Nahrung als das Bedürfnis übersteigend zu
bezeichnen ; doch da der Ueberschuß die Fettgabe trifft, würde dies
vielmehr als vorteilhaft gelten können. Auch das von Hultgren und
Landergren^'^ bestimmte Kostmaß 9 verschiedener schwedischer
Arbeiter, das im Mittel von je 9 Tagen 159 g Eiweiß, 93 g P'ett und
570 g Kohlehydrate bot, ist in Bezug auf die Eiweiß- und Kohlehydrat-
gabe als reichlich hoch zu erachten.
1) V. Pettenkofer und Voit, 2. f. Biol. 2. Bd. 488.
2) J. Eanke, J /. Anat. u. Fhyaiol. (1862) 311.
3) Beneke, Marburg, natunc. Schriften 11. Bd. 277.
4) Forster, Z J. Biol. 9 Bd. 381.
5) Beaunis, Becherches exper., Paris (1884) 4.
6) Hoch, Düs, Roilock (1888).
7) I. Munk [und Uffelmann), Ernährung, 2. Aufl. 206.
88
I
EinzelornähruDg und Masscnernäbrung. 89
8) Playfair. Med. Times and GazttU (18C5) 1. Bd. 460, 2. ISd. 325.
9) Hildesheim, l>ie Nonnnldiät (186ß) 32, 67.
10) C. Voit, l'iiters. der KoU (1877) 20.
11) Pflüger und Bohland, IHilg. Arch. 36. ßd. 165.
12) Bohland und Bleibtreu, ebenda 38. Bd. 1.
13) yertjl Uifelmann, Jahresbericldf über die Fortschritte und Leistuntjen auf dem GrbieU
der llyyirne l^83— 90. — Nakahama, A. f. Ihjg 8 Bd. 98
14) F. Hirichfeld, Vtrch. Arch. 114. Bd. 350; P/lügers Arch. 44. Bd. 248: Berl. klin.
Ho./i (1891) Nr. 26.
15) Kumagawa, Virch. Arch 116. Bd. 370.
16) I Munk, Virch. Arch. 132. Bd. 150
17) Eintaro Mori, A. f. Jlyg. 5 Bd. 3.53.
18) Ejkmann und Scheube, siehe bei Nakahama, A. f. Uyg. 8. ßd. 98.
191 Kellner und Y Mori, Z f. Biol. 25. Bd 102.
20) K. Mori, G. Oi und S Jhisima, Arb. aus d K.jap. müitärärztl. Lehranst. (1892) 1. Bd. 1.
21) I. Munk, .1. /. I'hysiol. (1891) 338; Virch. Arch. 132. Bd 91.
22) Th Roeenheim. .1. /. Phytiol. (1891) 341 ; Pflüg. Arch. 53. Bd. 61.
23) Demuth, Mümh. med. »ocA. (1892) AV. 43—45.
24) Böhm, 1>. Vierteljahr sschr. /. ö//. Ges. -Pflege 1. .ßd. 376.
25) Flügge, Beiträge zur Jlyg., Leipzig (1877) 93.
26) Meinert. Armee- und Volksemährung, Berlin (1880) 1. Bd. 112.
27) V Bechenberg, Die Ernährung der Handiceber in der Amtihauptmannschaft Zittau,
Leipzig (189U).
28) J. V. Liebig. Münch. akad. Sitz.-Ber. (1869) 463.
29) H. Ranke, Z. f. Biol. 13. Bd. 130.
30) Steinheil, ebenda 13. Bd. 415.
31) Ohlmüller. ebenda W. Bd. 393.
32) Hultgren und Landergren, Untertuchung über die Ernährung schtceditcher Arbeiter bei
frei geteähUer Kost, Stockfiolm (1891).
§ 2. Kostmaß alter Leute.
Da einmal die Körpermasse im Alter abnimmt, andererseits die
Arbeitsleistung zumeist nur eine mäßige ist, wird im Alter weniger
Eiweiß und Fett verbraucht (S. IG), daher ist sowohl der Bedarf an
Eiweiß als auch der an Kohlehydraten und Fett geringer, und zwar
an letzteren um so kleiner, je weniger äußere Arbeit geleistet wird.
Deshalb braucht die Nahrung nicht so viel zu bieten, als für den
Erwachsenen bei Kühe oder leichter Arbeit erforderlich ist (100 g Eiweiß,
56 g Fett und 400—450 g Kohlehydrate), sondern weniger; handelt es
sich doch hier nicht, wie beim Erwachsenen, darum, den Körper kräftig
und leistungsfähig zu erhalten, sondern nur darum, eben noch das
Gleichgewicht zu l)ewahren und den Verlust von Körpersubstanz zu ver-
hüten. Hier kommen daher die oben (S. H7) als solche der Erhal-
tungskost bezeichneten Kostsätze in Betracht, wie sie in armen Ar-
beiterfamilien erhoben worden sind, für Arbeiter aber durchaus unzu-
reichend sind. Hierher gehört auch das von Förster^ bei einer
61 kg schweren armen Arbeitsfrau erhobene Kostmaß von 76 g Eiweiß,
23 g Fett und ^5;}4 g Kohlehydrate. Aehnlich sind die Kostsätze, die
ebenfalls Forster in Münchener Altersversorgungsanstalten (nach der
2. Methode) ermittelt hat, nämhch bei den
a I t e n M ä n II e r II : ()2 n Eiweil', 45 g Fetf, 332 p Kohleliydratc (2149 Kai.)
alten Frauen: 80 ,, „ 49 >. ,. 266 ,, „ ('875 „ )
Da sich bei dieser Verpflegung die Pfründner wohl und munter befanden
und mit der Verköstigung zufrieden waren, wird man diese wohl als
ausreichend ansehen dürfen.
89
90 IMMANUEL MUNK,
Anstatt der Forst er 'scheu Ivitionen wird nnn sich auch mit den
Voit sehen- Kostmalien einverstanden erklären kinmen, der die Fett-
quote auf 40 resp. ;}.ö g herabsetzt, aber das Aequivalent dafür an
Kohlehydraten giebt und so die Gabe der Kohlehydrate auf 350 resp.
30J g erhöht, nur wird man elier jene, weil etwas fettreicher, auch für
zweckmäJMger halten dürfen, zumal für solche, die früher an eine bessere,
an Animalien reichere und daher fettere Kost gewöhnt waren.
Bei der Verpflegung alter Leute ist nicht aulier Acht zu lassen,
einmal daß ihre Zähne entweder teilweise ausgefallen, teilweise ver-
kümmert und so weniger zum Kauen tauglich sind, soilann daß auch
ihre Verdauungsorgane weniger funktionstüchtig sind, daher man dem
Darm keine zu große Arbeit auferlegen darf. Vorteilhaft giebt man
ihnen mindestens 35 resp. 30 g animalisches Eiweiß (weiches Fleisch,
Hering, Milch, Käse) und bevorzugt die leichter verdaulichen und gut
ausnützbaren Gebäcke aus Mehl und Schmalz, ferner Getreidemehl-
suppen und weiches, nicht zu altes Brot. Kartotfeln sind in Breiforra,
bezw. in Suppenform zu geben.
Wenn alte Leute noch bei ziemlichen Kräften sind, sodaß sie eine
mäßige, mehr als leichte Arbeit verrichten, muß man obige Sätze auf
diejenigen erhöhen, welche für den Erwachsenen bei leichter Arbeit
gelten, also für den alten Mann auf 100 g Eiweiß, 56 g Fett und 400
— 450 g Kohlehydrate, für die alte Frau auf 85 g Eiweiß, 40 g Fett und
360 g Kohlehydrate.
1» Forster, Z f. liiol. 9. Bd. 401; bei Voit, Untersuchung der Kost 18G
2) C. Voit, Untersuchung der Kost 17; Z. f. Biol. 12. Bd. 32.
§ 3. Kostmaß der Soldaten.
Wenn wir, der üblichen Einteilung folgend, die Ration der Sol-
daten gesondert besprechen, so sind wir uns dabei bewußt, nur aus
didaktischen Gründen und der leichten Uebersicht halber so zu handeln.
Denn der Soldat ist eigentlich nichts anderes als ein erwachsener „mitt-
lerer Arbeiter" oder richtiger, da es sich um junge Leute von 19 — 24
Jahren zumeist handelt, ein eben erwachsener Arbeiter mit nicht selten
nur mäßig entwickelter Muskulatur, die durch die Dienstübungen stärker
entwickelt und strafl'er werden soll. Der Körper des jugendlichen Sol-
daten ist in der Regel mehr reich an Eiweiß als an Fett und daher
sein Eiweißverbrauch größer als der von fettreicheren Erwachsenen jen-
seits des 3'J. Lebensjahres. Dies Moment ist beachtenswert, insofern
die Eiweißration auf der Höhe gehalten werden muß, welche die körper-
liche Leistungsfähigkeit ermöglicht und sichert. Der Friedens- und
Garnisondienst besteht aus einer etwa 9 -stündigen Arbeitszeit*, z. T.
mit einer Belastung von rund 20 kg, und entspricht somit einer mäßi-
gen, nicht zu angestrengten Arbeitsleistung (S. 85), daher für die
Garnison der Kostsatz von 100—110 g Eiweiß, 56 g Fett und
500 g Kohlehydrate (3022 Kai.) zutrifft.
Anders ist es im Kriege, wo, von den Ruhetagen abgesehen, zu-
meist eine 10— 12-.stündige Arbeitsleistung mit 24 kg Belastung erfordert
wird, welche derjenigen eines angestrengt arbeitenden Mannes gleich-
kommt, sodaß deshalb im Kriege der Kostsatz für angestrengte Arbeit
(S. 88) bewilligt werden muß, nämlich 120-130 g Eiweiß, 100 g
Fett und 500 g Kohlehydrate (3472—3513 Kai).
90
EinzelernäbniDg und MassoDernäliruDg. 91
Für das Manöver, wo 9' ^ — lOVo-stündige Arbeitsleistungen mit
20 kg Belastung verlangt werden, welche über die „mittlere'' Arbeit
hinausgehen, ohne, von Ausnahmefallen abgesehen, schon in das Be-
reich der angestrengt(;n schweren Arbeit zu fallen, wird man vorteilhaft
dem Soldaten einen mittleren Kostsatz zwischen der Friedens- und der
Kriegsration zubilligen, nämlich 110—120 g Eiweiß, 75—80 g Fett
und öOO g Kohlehydrate (3200—3285 Kai.).
Für die Ausbildungszeit der Mannschaften, die sog. Ilekrutenzeit,
in der mehr als mittlere Arbeit von an den Dienst noch nicht ge-
wöhnten Leuten zu leisten ist, wäre die Einhaltung des letztgenannten
Manöversatzes gleichfalls wünschenswert, hat doch Studemund* er-
mittelt, daß die Rekruten in der ihnen gelieferten Verpflegung nebst
den von ihnen als Zuschuß gekauften Nahrungsmitteln 105 g Eiweiß,
54 g Fett und 553 g Kohlehydrate zu sich nehmen, eine Ration, die
äquivalent ist 105 g Eiweiß, 77 g Fett und 500 g Kohlehydraten, also
der oben geforderten Manöverportion gleichkommt.
Dio obigen Kostnormen genügen dem Bedarfe durchaus. Die bayrische
Spezialkommission^ forderte für die Garnisonverpflegung 118 g Eiweiß,
daneben noch 56 g Fett, und 500 g Kohlehydrate und für dio Kriegsportion
145 g Eiweiß und 190 g Fett neben 500 g Kohlehydraten. Abgesehen da-
von, daß 190 g Fett (neben 500 g Kohlehydrat) das C-Bedürfuis jedenfalls
■weit übersteigen, ist auch zu berücksichtigen, daß erfahrungsgemäß eine ganze
Reihe von Menschen 190 g Fett i>er Tag nicht ohne Beschwerden und Ver-
dauungsstörungen vertragen.
Dagegen müssen die bisher bei der deutschen Reichsarmee gel-
tenden Kostsätze, nach M e i n e r t ^ :
Eiweifs
(gewöhnliche Friedensportion • 107 g
Manöverportion 135 x
kleine Kriegsportion (Mittel) I^S «•
beanstandet werden.
Wenn auch die Friedens- und Manöverportion genügend Eiweiß bieten,
so sind sie doch zu fettarm. Die Kriegsportion bietet umgekehrt an Fett
und Kohlehydraten annähernd genügend, dagegen reicht die Eiweißgabe nur
sehr knapp für den Bedarf. Wenn schon in den Friedensportionen der Ge-
halt an Nährstoffen innerhalb zu weiter Grenzen schwankt, sodaß an einzelnen
Tagen zu viel, an anderen wiederum zu wenig geboten wird, so ist dies
vollends bei der Kriogsportion der Fall, deren Eiweißgehalt bald 78 resp. 97,
bald 133 resp. 150 g, deren Fettgehalt bald nur 35 g, bald wiederum 146 g
beträgt. Auch die sog. große Kriegsjiortion mit 102 g Eiweiß, 45 g Fett
und 678 g Kohlehydraten bietet an Eiweiß und Kohlehydraten zu viel, da-
gegen an Fett entschieden viel zu wenig. Aohnliche Ausstellungen troffen
auch auf die Friedens- und Kriegsrationen in anderen Ländern England,
Oesterreich, Frankreich. Italien) zu. In der niederländischen Armee ist es
hierum nach Forstor'' besser bestellt, insofern in der Garnisonration 120 g
Eiweiß, 60 g Fett und 550 g Kohlehydrate, in der Manöverportion 130 g
Eiweiß, 75 g Fett und 520 g Kohlehydrate per Kopf und Tag entfallen.
Ebenso wie l)ei der Kost des mittleren Arbeiters ist darauf zu
halten, daß der Dann nicht ül)erladen und d;imit iiie Leistungsfäliigkcit
und Arbeitslust beeinträchtigt wird. Deshalb darf einerseits die Brot-
ration nicht 750 g i)ro Tag übersteigen, andererseits muß mindestens
Vj der Eiweißration (35 resp. 36 resp. 43 g Eiweiß) in Animalien ge-
9t
Fett
Kohlehydrate
35 g
420 g
30 „
530 M
90 .,
470 1.
92 IMMANUEL Ml'NK.
geben wenien (200—300 g SehlachtHeisch = 150—225 g knocheiifrei),
das Tett iu Form von Schmalz oder !Si)eck oder tieischdurchwachsenem
Speck. In welcher Weise und mit Rücksicht auf das hierbei mit-
sprechende Moment möglichster Wohlfeilheit die Soldatenverpflegung
l)raktisch auszuführen ist , soll bei der Massenernährung besprochen
werden.
Weil nun im Kriege der Fall eintreten kann, daß für 1 oder 2 Tage
die Zufuhr der Muiidverpflegung auf SchAvierigkeiteu stößt oder über-
haujit ganz stockt oder dieselbe durch den tagelangen Transport ver-
dorben und ungenießbar wird, ist es geboten, für solche Notfälle da-
durch gesichert zu sein, daß der Soldat eine wenig voluminöse, mög-
lichst konzentrierte, haltbare d. h. gegen spontanes Verderben geschützte
Nahrung mit sich führt, welche für mindestens zwei Tage reicht, den
sog. eisernen Bestand"^. Bei der Massenernährung wird auch die
zweckmäßige Herrichtung dieser Konserve beschrieben werden (S, 114).
1) Studemund, Priüg. Arch. 48. Bd. 578.
2) Beruht dtr über die Ernährung der Soldattn niedergesetzten bayrischen Spezialkommission,
Münchtn (1881).
3) Meinert, Armee- und Volksemährung, Berlin (1880), 1. Bd. 286.
4) Forster. Uandb d llyg. 2. Bd. 1. Abt. 1. Hälfte 386.
5) C. Voit. Anhaltspunkte zur Beurteilung des sog. eisernen Bestandes, München (1876).
§ 4. Kost maß der Gefangenen.
Bei den Gefangenen kann es nicht als Aufgabe des Staates ange-
sehen werden, den Körper kräftig und sehr leistungsfähig zu erhalten.
Andererseits darf die Nahrung nicht so knapp sein, daß der Körper dauernd
Einbußen und dadurch schließlich eine dauernde Schädigung der Ge-
sundheit erleidet. Es muß somit eine Ration gegeben werden, ähnlich
der oben (S. 87) als Erhaltungskost bezeichneten, bei der ein nicht
zu großer und nicht zu schwerer Mensch mit mäßig entwickelter Mus-
kulatur sich eben im Gleichgewicht hält, ein größerer und stärkerer
zunächst so lange Eiweiß (Fleisch) und Fett vom Körper zuschießt, bis
er sich mit der Nahrung ins Gleichgewicht setzt und weiterhin eben
noch im Gleichgewicht bleibt ^ .
Giebt man zu wenig Fette und Kohlehydrate, so büßt der Körper
Fett von seinem Bestände ein, und in dem Maße, als er Fett verliert,
wird der Körper für das gleiche Gewicht relativ reicher an Eiweiß,
daher steigt nunmehr auch der Eiweißverbrauch, und wenn die Eiweiß-
ration ungenügend ist, erfolgt nunmehr auch ein stetiger Verlust von
Eiweiß. Knappe Eiweißration bei genügenden Mengen von Fetten und
Kohlehydraten schadet weniger, weil im ersteren Falle der Körper nur
Eiweiß einbüßt, bei ungenügender Ration von Fetten und Kohlehydraten
aber zunächst nur Fett, weiterhin auch Eiweiß verliert. Die Menge der
zu bewilligenden Kohlehydrate und Fette hängt, wie selbstverständlich,
von der Größe der geforderten Arbeitsleistung ab. Wird nur leichte
Arbeit verrichtet, wie dies zumeist in den Gefängnissen der Fall
ist, so bedarf es nur einer Erhaltungskost, wie sie oben für ältere, nur
leicht arbeitende Leute normiert ist (S. 89), nämlich 90 g Eiweiß,
35 g Fett und 350 g Kohlehydrate (2130 Kai.), ja in sehr vielen
Fällen wird auch der von Voit geforderte niederste Satz aus-
reichen: 85 g Eiweiß, 30 g Fett und 300 g Kohlehydrate
92
Einzelernähruug und Massenornährung. 93
(1858 Kai.), zumal wenn es sich um kleinere, schwächliche Männer
handelt; für \Veil)er dürfte dieser Satz, von besonders kräftigen, großen
und schweren Individuen abgesehen, stets genügen.
Sehr viel höhere Sätze kommen dem (befangenen zu, der ange-
strengt arbeitet, wie dies in der Kegel für das Zuch thaus zutrifft;
ihm muli das Kostmaß eines „mittleren Arbeiters" bewilligt werden (S. 85) :
100-110 g Eiweiß, 56 g Fett, 5a) g K o hlehy drate
(2980—3020 Kai.).
Als Minimum für den mittelstark arl)eitenden Gefangenen fordert Mei-
nert- li'O g Eiweilv 45 g Fett und 450 g Kohlehydrate ; damit dürften
Menschen von mittlerem Körpergewicht und ziemlich entwickelter Mus-
kulatur nur ausreichen, wenn die Kost zweckmäßig gewählt und der
Zuschuß an Animalien erheblich ist.
Ferner ist zu fordern, daß mindestens V.-i der Eiweißgabe (18 resp.
22 g) in Animalien und zwar einen um den anderen Tag Fleisch (100 g
Schlachtfleisch = 75 g knochenfrei), an den Zwischentagen etwas Speck
oder ein Hering oder Käse oder Magermilch ^ geboten wird, und daß
die Fettgabe nicht unter 30 g heruntergeht, wenn möglich diese Grenze
überschreitet. Sodann ist auf die bereits früher hervorgehobenen
Momente der zweckmäßigen Zubereitung , des guten Garkochens , der
Abwechselung in Form und Konsistenz der Kost und der Vermeidung
der Eintönigkeit in der Kostform (breiartige Konsistenz), endlich des
genügenden Zusatzes von Gewürzen (S. 52 — 64, 45, 46) zu verweisen.
Von den Vegetabilien, welche die fast ausschließlichen Bestandteile
der Kost bilden, sollen, neben gut ausgebackenem Brot, diejenigen
bevorzugt werden, welche bei guter Zubereitung eine relativ gute Ver-
wertung finden, ohne den Darm zu überladen, also Mehl, Reis, Grütze,
Hülsenfrüchte; bei Kartoffeln und Gemüsen vergesse man nicht deren
Eiweißarmut.
Die Praxis der Gefangenenverpflegung hat, im Gegensatz zu der
Annen verköstigung , bei der es sich zumeist um Individuen handelt,
welche von einem bestimmten mittleren Gewichte und mittlerer Ent-
wickelung der Muskulatur nicht sehr weit abweichen, mit der Schwierig-
keit zu kämpfen , daß dabei die Individuen verschiedenster Körper-
konstitution und Lebensalters sind, ohne daß es, von Ausnahmen allzu
starker oder schwächlicher, leidender Gefangener abgesehen, möglich
ist, individualisierende Rücksicht zu nehmen. Immerhin läßt sich auch
hier manches bessern , wie noch bei der Massenernährung in Gefäng-
nissen gezeigt werden soll. Unter allen Umständen muß verhütet wer-
den, daß der Gefangene während der Haft infolge ungenügender Ver-
köstigung körperlich allzu sehr herunter- und von Kräften kommt,
damit er nicht nach seiner Entlassung arbeits- und erwerbsunfähig wird.
1) A. Baer. l)it Gefängnttie, StrafanstalUn und Stra/sytUme in hyjienitehrr Beziehung, Ber-
lin (1871); V. f öf. Ott 8 Bd 601; BläUer f Oefängniskunde 18. Bd. Zti\ Voit,
Z f Biol 12. Bd 32; Schuster, bei Voit, UnUrsuchung der Kost. München (1877) 142.
2) Meinert, Ueber Armee- u. Mastenernährung, Berlin (1885).
3) Krohne und Leppmann, Berl. klin. W'och. (1890) Nr. 30.
§ 5. Kostmaß der Kinder.
Gegenüber den bisher betrachteten Alters- und Lebensverhältnissen,
in denen es hauptsächlich darauf ankommt, den bereits vorhandenen
93
94 IMMANUEL MUNK,
materiellon Körperbestaud allein oder zugleich auch die Körperkraft und
Arbeitsfähigkeit zu erhalten, handelt es sich bei der Ernährung der
Kinder oder der Individuen im wachsenden Alter darum, auch noch
Körperstotle, im wesentlichen Wasser, MineralstoÖ'e, Eiweiß und Fett,
aus der Nahrung zu erübrigen, aus denen das Wachstum d. h. die Zu-
nahme der zelligen Elemente au Zahl und umfang bestritten werden
kann. Die jeweilige Stärke des Wachstumes läßt sich annähernd aus
der Zunahme des Körpergewichtes erkennen. Nach letzterem geschätzt,
erfolgt das Wachstum am schnellsten und stärksten im 1. Lebensjahre,
weiterhin mit wechselnder, zumeist abnehmender Stärke, bis dann mit
erreichtem 20. Lebensjahre das Wachstum im wesentlichen beendet ist.
In dem Maße , als das Wachstum erfolgt , muß die Nahrung ent-
sprechend mehr Nährstotie bieten, als zur bloßen Erhaltung des Bestan-
des erforderlich ist ; und zwar insbesondere in Bezug auf das Eiweiß,
wie es scheint, das Mehrfache von dem , was thatsächlich zum Ansatz
gelangt, weil jede Vermehrung der Eiweißzufuhr auch eine Steigerung
des Eiweißverbrauches zur Folge hat, sodaß nur ein bald kleiner, bald
größerer Bruchteil des Eiweißüberschusses in der Nahrung für den Ei-
weißansatz übrig bleibt (S. 9). Dieser zum Ansatz gelangende Bruch-
teil des Eiweißüberschusses der Nahrung hängt einmal ab von der Gabe
der daneben gereichten Eiweißsparmittel (Fett, Kohlehydrate), insofern,
je größer die Gabe der letzteren , um so mehr Eiweiß zum Ansatz er-
übrigt wird , sodann von dem jeweiligen Körperzustaude , insofern die
Bedingungen zum Eiweißausatz im wachsenden Körper offenbar gün-
stiger sind als in dem des Erwachsenen. Aber selbst unter den gün-
stigsten Umständen erfolgt der Uebergang von (totem) Nahrungseiweiß
in lebendiges Körpereiweiß nur unter mehr oder weniger großen Ver-
lusten.
Von dem zur Ermöglichung des Stoffansatzes erforderlichen Nah-
ruDgsüberschuß über den Bedarf abgesehen, ist der absolute, zur Erhal-
tung des Körpers (ohne Wachstum) nötige Stoffbedarf ein sehr viel
größerer, auf die Gewichtseinheit (1 kg) des Körpers reduziert, als beim
Erwachsenen, hauptsächlich deshalb, weil, je kleiner das absolute Ge-
wicht , desto relativ größer die Körperoberfläche und daher auch die
Wärmeverluste; zur Bestreitung der letzteren und zur Erhaltung der
Eigenwärme muß dann entsprechend mehr verbrennlicher Stoff" zerstört
werden als bei einem großen Körper.
Um von der Intensität des Körperwachstumes im I.Lebensjahre
eine Vorstellung zu gewinnen, seien Mittelzahlen aus den Bestimmungen
von Camerer^ U f feimann ^ Haehner-^, Ahlfeld* an gesunden
SäugHngen angeführt. So betrug das Gewicht am Ende der 1. Woche 3,03
kg, der 6. Woche 4,26, 10. Woche 5,13, 15. Woche 5,79, 20. Woche 6,37,
25. Woche 6,96, 30. Woche 7,65, 34. Woche 8,04 kg, hatte also im
Laufe von 8 Wochen von 3 bis auf 8 kg, d. h. auf das 22/3-fache zu-
genommen. Dementsprechend steigt auch die Aufnahme von Mutter-
milch von 380 g am Ende der 1. Woche auf 534 g in der 3. Woche,
auf 650 g in der 10. Woche, auf 770—850 g in der 18.— 24. Woche.
Berechnet man daraus die dem Säugling zugeführten Nährstoffe, so er-
giebt sich, daß der Säugling 2— 2' /a mal so viel Eiweiß und
etwa 5m al so viel Fett (Kohlehydrate, durch Multiplikation mit
10
'23, auf Fett reduziert) mit der Muttermilch erhält, als der Er-
wachsene pro Körperkilo. Da die Kuhmilch vom Säugling
schlechter verwertet wird, auch wenn sie durch entsprechende Ver-
94
EinzelernähruDg und MasEenernähruDg. 95
düiiiiung mit Wasser der iMiitteriiiilch ähnlicher gemacht wird, so bedarf
der Säugling mehr von der Kuhmilch als von der Muttermilch.
Bei mit Muttermilch ernährten Kinderngfand Förster^ in der
Tagesration :
in der 1. W'ocLe 7 g Eiweifs, II g Fett, 15 ^ Zucker
Eude der 2. „ 12 „ „ 20 „ ,, 27 „ ,,
Ende des 4. Monats 19 ,, „ 29 „ ,, 41 ,, „
(Kuhmilch) 5. „ 40 ,, ,, 37 ,. ., 50 ,. ,,
Vom 9. Monat ab, in dem gewöhnlich die Entwöhnung d. h.
lie Entfernung von der Mutterbrust und Einleitung künstlicher Ernäh-
rung erfolgt, bis z u m E n d e des I.Lebensjahres muß die Tages-
ration etw a oö g Eiweiß, 30 g Fett und 00 g Kohlehydrate
bieten. Diese Nahrung wird der Hauptsache nach mit der Kuh-
milch gegeben , entweder als solche , oder in Form von Milchsuppeu,
Milch mit Zwieback, Reisbrei, eveut. Fleischsuppen mit Eigelb.
Im 2. Leb e ns jähre geht das Wachstum schon langsamer vor
sich, sodaß pro Körperkilo die Menge des Fettes und der Kohlehydrate
nicht mehr so groß zu sein braucht, als im 1. Lebensjahre; dagegen
ist zur Ermöglichung des Fleischansatzes eine große Eiweißgabe vor-
teilhaft. Für das 2. Lebensjahr sind etwa erforderlich :
38 g Eiweifs, 35 g Fett, 80 g Kohlehydrate, d. h.
pro Körperkilo 4,1 ,, ,, 4 „ „ 9 ,, ,,
Da das Gebiß im 2, Jahre noch nicht vollständig ausgebildet und
der Verdauungsapparat noch leicht reizbar ist, insbesondere auf den
mechanischen Keiz derberer Nahrung, sollen nur flüssige oder breiige
oder weichkonsistente Speisen gegeben werden : Milchsuppen mit Zwieback
oder Weißbrot, Reis mit Milch gekocht, Mehlsuppen, Fleischbrühe, klein
geschnittenes, weich gebratenes Fleisch, weichgekochte Eier.
Im 3. Lebensjahre wird das Gebiß vollständig, zugleich schwindet
die übergroße Reizbarkeit des Verdauungsapparates. Doch wird auch
jetzt noch derbkonsisteute Nahrung nicht vertragen. Vom 3.-6. Jahre,
innerhalb deren das Körpergewicht etwa von 9 — 18 kg, also nur um
das Doppelte zunimmt, geht der Eiweiß- und Fettüberschuß in der
Nahrung stetig herunter, der der Kohlehydrate stetig in die Höhe, so-
daß die Gabe der letzteren 3 mal so groß wird, als die des Eiweißes.
Nach F 0 r s t e r •'' und C a m e r e r ^ nehmen Kinder dieses Alters
pro Körjierkilo 3,5 g Eiweiß, 3 g Fett, 10 g Kohlehydrate auf, und diese
Ration ist auch als durchaus genügend zu erachten. Auch hier ist
darauf zu sehen, daß nicht zu Derbkonsistentes in der Kost geboten wird.
Während im 7. — 10. Lebensjahre das Wachstum relativ hingsam
erfolgt, sodaß der Gewichtszuwachs pro Woche nach LM"felmann^
nur 30—35 g beträgt, beginnt vom 11. oder 12. Jahre ab ein stärkeres
Wachstum, sodaß pro Woche rund 50 g, im 13. und 14. Jahre sogar
rund 100 g an Gewicht gewonnen werden. Uffelmann fand in der
Kost pro Tag:
beim 8 — 9-jährigen Knaben 6o g Eiweifs 44 g Fett 150 g Kohlehydrate
.. 12—13 „ „ 72 „ „ 47 „ „ 245 „
„ U-15 „ „ 79 „ „ 48 ., „ 270 „
Dabei sahen die Kinder gesund und frisch aus und waren gut ent-
wickelt. Danach wird als Kostmaß gelten können:
liir 7-jährige Kinder 55 g Eiweifs 40 g Fett I40 g Kohlehydrate
10—11 ,, „ 65 . 45 ., ,, 200 ,, „
95
96 IMMANUEL MUNK,
In der Münelieuer Wuisenanstalt, welche Kinder dieser Altersklassen
beherbergt, laud Yoit« in der Kost 79 g Eiweiß, 37 g Fett und 270 g
Kohlehydrate als mittlere Durchschnittswerte pro Kopf; für 7 — 11-jährigo Kin-
der dürfen diese Normen jedenfalls als überreichlich gelten, während sie
für ältere sich eignen, höchstens nur in Bezug auf die Fettquote als etwas
knapp anzusehen sind. Noch knapper an Eiweiß und Fett und als Durch-
schuittskost entschieden zu niedrig ist die Tagesration im Nürnberger Waisen-
hause, die nach Ohlmüller' nur 54 — 65 g Eiweiß, 20 g Fett und 242
— 280 g Kohlehydrate bietet. Dagegen enthält die Kost der Wiener Waisen-
häuser 77 g Eiweiß, 50 g Fett, 238 g Kohlehydrate pro Kopf und Tag, stellt
sich also in Bezug auf die Fettquote ebenso günstig als die der belgischen
Waisenhäuser, deren Tagesration noch um 90 g Kohlehydrate höher ist.
Vom Eiweiß ist mindestens '/s in Animalien (Fleisch, Milch, Eier,
Käse) zu geben und bei raschem Wachstum die Quote von animalischem
Eiweiß zweckmäßigerweise zu steigern.
Besteht die Kost, wie bei der ärmeren Klasse oder in Waisen-
häusern und Rettangsanstalten, fast ausschließlich aus den schlechter
ausnützbaren Vegetabilien , so ist der Nährstotigehalt insbesondere in
Bezug auf Eiweiß und Kohlehydrate zu erhöhen ; alsdann erweist sich
Bewegung in freier Luft und leichte Arbeit im Freien (Garten- und
Feldarbeit) für den Xähretfekt von Vorteil (S. 63).
li Camerer, Z. f. Biol. li. Bd 388, 16. Bd. 325, 18. Bd. 220, 20. Bd. 566, 24. Bd. 146.
2) Ufifelmann, Hygiene des Kindes, Leipzig (1871) 190, 264, 315.
3) Hähner, A. f. KinderheiVc. (1880), April.
4) Ahlfeld, Ueber die Ernährung des Säuglings an der Mutterhrust, Leipzig (1878).
5) Forster, Z f. Biol. 9. Bd. 381.
6) C. Voit, Untersuchung der Kost, München (1877) 135.
7) Ohlmüller, Nürnberg. Verein/, off. Ges.-Pßege, Mitteilungen, 1884.
§ 6. Kostmaß nach Jahreszeiten und Klima.
Bei niederer Außentemperatur bleibt zwar der Eiweißverbrauch un-
verändert, dagegen steigt, wofern die Eigenwärme des Menschen kon-
stant bleibt, die Zerstörung der stickstotifreieu , kohlenstoffhaltigen
Substanzen, des Fettes, bis zu 33 Proz. über den bei mittlerer
Außentemperatur (15" C.) beobachteten Wert (S. 14). Daraus ergiebt
sich schon, wofür auch die Erfahrungen am Menschen und Tieren
sprechen, daß in unserem gemäßigten Klima in der warmen
Jahreszeit, im Sommer weniger Nahrung, insbesondere an Fetten
und Kohlehydraten, erforderlich ist, als in der kalten Jahreszeit,
im Winter; die Eiweißration muß aber auch im Sommer ebenso groß
bleiben als im Winter. Ferner geht hieraus hervor, was ebenfalls durch
die Erfahrung bestätigt wird, daß eine Nahrung, die im Winter den
Körper eben auf Gleichgewicht hält, im Sommer Stofiansatz und zwar
hauptsächlich Fettansatz bewirkt.
Steigt die Außentemperatur über das Mittel (15 ^) bis zu 23—27 "
an, so nimmt weder der Ei weiß verbrauch noch der Fettkonsum ab (S. 14).
Demnach müßten einmal während der heißesten Sommerzeit im gemäßigten
Klima ebenso viel Nährstoffe gegeben werden als im Frühling und ebenso
viel Nährstoffe auch in den Tropen als im gemäßigten Klima, wenig-
stens ceteris paribus d. h. für denselben Körperzustand und die gleiche
96
Einzelernähning uDd MassenernähruDg. 97
Größe der Art)eitsleistuiij;. In der Tliat scheint dies auch zuzutreffen,
d. li. in den Tropen, soweit Mitteilungen hierüber vorliegen (Hritisch-
und Nieilerlandisi-Ji-Ostindien, Aegyi)ten, Brasilien), nicht weniger Nah-
rung verzehrt zu worden , als in den gemäßigten Zonen, wofern gleich
schwere und gleich muskulöse Individuen i)ei etwa derselben mittleren
Arbeit verglichen werden. Die Aufnahme dieser für die Frlialtung des
Stoflbestaudi'S erforderlichen großen NahrstoÖmenge und die Zerstörung
der verbrennlichen Nährstoffe hat aber eine reichliche VVärmebilduDg
zur Folge, «leren schnelle und vollständige Ableitung nach außen geboten
ist, wenn der Körper auf seiner Eigenwärme verharren soll. Wird noch
gar im Tropenklima gearbeitet und dadurch die Verbrennung der C-
haltigen Sui)Stan/en gesteigert, so muß der Ueberschuß au gebildeter
Warme noch größer werden. Zweifellos erklärt sich daraus zum größten
Teil die geringe körperliche Leistungsfähigkeit der Men-
schen in den Tropen. Ebenso ist die Mehrzerstörung von Fett und
die dadurch reichlich gebildete Wärme auch die Ursache der minderen
Arbeitsfähigkeit, <lie in den heißen Tagen selbst bei uns, im gemäßigten
Klima zu beobachten ist und die um so größer ist, je schwerer es wird,
des Wärmeüberschusses sich zu entledigen , wie dies besonders an
,, schwülen" Sommertagen bei wenig bewegter und ziemlich feuchter
Luft der Fall ist, noch schwieriger bei solchen Menschen, die bei hoher
Umgebungstemperatur arbeiten müssen^, Arbeiter in Tunnels, Berg-
werken, Heizer von Dampfmaschinen und Dampfschiffen u. a. Hier
kommt zu der schwer abzuleitenden Wärme, die durch die Zerstörung
der zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit erforderlichen reichlichen Nah-
rungsmenge gebildet wird, noch die aus dem gesteigerten Arbeitskonsum
resultierende Wärme hinzu, sodaß bei Unmöglichkeit, diesen enormen
Wärmeüberschuß nach außen abzugeben, die Eigentemperatur bis zu
einer gefahrdrohenden Höhe ansteigen kann.
Es wäre von Bedeutung, wenn es gelänge, während der heißen
Sommerzeit im gemäßigtenKlima, noch mehr in den Tro-
pen eine Nahrung so zu kombinieren, daß der stoffliche Bedarf gedeckt,
dabei aber möglichst wenig Wärme gebi 1 det wi rd. Dieser
Forderung durch die Auswahl der Nährstoffe zu genügen, ist theoretisch
unmöglich, seitdem wir durch Rubner wissen (S. 49), daß die ver-
brennlichen Nährstoffe einander nach Maßgabe ihres Wärmewertes ver-
treten , sodaß 1 T. Fett äquivalent ist 2,3 T. Eiweiß oder Kohlehydrat
und 1 T. Fett ebenso viel Wärme bildet wie die beiden letzteren.
Wenn nun die Erfahrung lehrt, daß in der kalten Zone über-
haupt und bei uns im gemäßigten Klima während des
Winters die Fette, in d en T r op en die Koh 1 ehy dra te (Reis,
Mais , Feigen , Datteln , Zuckerrohr) bevorzugt werden, so kann
dies nicht darin gelegen sein , daß die Fette in äquivalenten Mengen
etwa mehr Wärme bilden als Eiweiß und Kohlehydrate; noch weniger
wäre es verständlich, wenn, wieC. Voit* irrtündich meinte, die Kohle-
hydrate sogar mehr zur Wärmeerzeugung geeignet wären als das Fett ^.
Vielmehr beruht der Grund für diese Bevorzugung der Kohlehydrate
sowohl bei uns im Sommer als in den Tropen auf einer instinktiven
Abneigung gegen Fettspeisen, die ihrerseits wieder auf die im heißen
Sommer sowie in den Tropen unzweifelhaft vorhandene größere Reiz-
barkeit des Verdauungsapparates und dessen leichtere Disposition zu
Erkrankungen (Dyspepsie, Erbrechen, Diarrhöen), welche durch Fett-
genuß meist gesteigert wird, zurückzuführen ist. Nach den Erfahrungen
Hindhuch der Ilypene. Bd. III. Abtlg. 1. 7
97
98 IMMANUEL Ml'NK,
bei den ostasiatischcii Völkorstäinnieii •* scheint der kohlehydratreiche
und mäßig Eiweiß l)ietende Reis neben magerem Rind- oder Fischfleisch
die geeignete Nahrung für tropisches und subtropisches Klima zu sein.
Umgekehrt herrscht in den Polar/.onen ein großes Verlangen nach Fett;
in kalter rmgebungsteniperatur ist der Verdauungsai)parat gefestigter
und zur Verarbeitung selbst großer Mengen an Fett ohne jegliche Störung
des Wohlbetindens geeigneter, wie denn auch die Eskimos und Lapp-
länder erstaunliche Mengen von fettem Fischfleisch und Fischthrau zu
sich nehmen. Auch bei uns tiudet sich in der nach Belieben aufgenom-
menen Kost im Winter mehr Fett als im Sommer; so fand Uffel-
m a n n ^ in seiner eigenen Kost im Januar und Februar 7G g, im April
und Mai 68 g und im Juli — August 50 g Fett pro Tag, ferner in der
Kost von 4 gut situierten Handwerkern im Mittel pro Kopf und Tag
im Dezember — Februar 73 g, April— Mai 6ö g, Juli— August 53 g Fett.
Demnach wird man bei uns während des S o m m e r s und in den
Tropen überhaupt mageres Fleisch und abgerahmte Milch, ferner den
Reis, zu Mehl verarbeitete Hülsenfrüchte, reifes süßes Obst als Haupt-
nahrungsmittel bevorzugen und alle Speisen und Getränke : Wasser (am
besten abgekocht), Fruchtsäfte, Kaöee und Thee (keine Spirituosen !) zur
Verhütung der Wärmezufuhr und zur Begünstigung der Wärmeableitung
im allgemeinen kühler, von 8 — 10 ** C, genießen, dabei sich aber der
Gefahren des kalten Trunkes und eiskalter Speisen (S. 79) erinnern.
Umgekehrt sind für unsere Winterzeit sowie für die Verpflegung
in den arktischen Regionen zu empfehlen: fettes Fleisch, Voll-
milch, fetter Käse, Gebäcke von Mehl und Schmalz, mit Schmalz bereiteter
Brei von Hülsenfrüchten, und zwar sind, um die VVärmezufuhr, neben der
Wärmebildung, möglichst zu fördern, alle Speisen und die Getränke
(Kafiee, Thee, sehr verdünnte Spirituosen) heiß, d. h. 45 — 5ü " C. warm
zu genießen.
1) stapf, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. ri879) Suppl. 74.
2) C. Voit, in Hermann's Handb d Physiol. 6. Dd. 1. T. 556.
3) Vergl. hierüber I. Munk und Uffelmann, Ernährung, 2. Avfl. 222, 371.
4) Scheube, A. f. H. 1. Bd. 352.
§ 7. Verteilung des Kostraaßes auf verschiedene
Mahlzeiten.
Kaum je wird vom civilisierten Menschen die Tagesration auf ein-
mal aufgenommen, gewöhnlich in einzelnen Portionen oder Mahlzeiten,
die zeitlich mehr oder weniger auseinanderliegen, je nach der Zahl der
Mahlzeiten, je nach den allgemeinen Lebensverhältnissen, insbesondere
Schlafenszeit, Beginn der Tagesarbeit und deren Dauer u. s. w. Min-
destens hält der Erwachsene drei, noch häufiger fünf Mahlzeiten, von
denen jede einzelne indes nicht gleichwertig ist. In der Regel wird
eine Mahlzeit eingenommen, die zugleich auch am meisten an Nähr-
stoffen bietet, die sog. Hauptmahlzeit, daneben noch eine größere, die
indes die Hauptmahlzeit an Menge der gebotenen Nährstoöe nur zur Hälfte
bis zu zwei Dritteln erreicht, und welche je nach der zeitlichen An-
ordnung der Hauptmahlzeit entweder das zweite Frühstück (Gabelfrüh-
stück, d6jeuner ü la fourchette) oder die Abendmahlzeit bildet ; endlich
wird ausnahmslos noch nach dem Verlassen des Bettes ein Morgen-
imbiß oder erstes Frühstück eingenommen. Wo die Hauptmahlzeit in
98
Einzeleruäbrung und Masseneruähnmg 99
die Mitte des Taj^cs (12 — 1 Uhr) fällt, wird zwischen diese und den
Morgeninihiü sowie zwischen llauiitniahlzeit un<l Abendessen je noch
eine Zwischenmahlzeit (zweites Frühstück bezw. Vespermahlzeit oder
Jause) eingelegt.
Weshalb wird die Tagesration nicht in einer Mahlzeit eingenommen
und wie viel Mahlzeiten sind vom Standpunkte der Hygiene aus zweck-
maüigV Der erste und Hauptgrund für die Teilung des täglichen
Kostmaües liegt in dessen Volumen; wie oben erörtert (S. ÜO), er-
reicht das tägliche Speisegemenge (ohne Getränke) ein Gewicht von
annähernd 2 kg; das ist aber eine so große Menge, daß sie der Magen
eines normalen Menschen entweder überhaupt nicht beherliergen könnte,
oder, wenn schon, dadurcli außerordentlich überlastet würde, daher, an-
statt des befriedigenden Sättigungsgefühles, das zumeist schon durch
Füllung mit Speisen im Gewicht von 700— HÜO g erzielt wird, die un-
angenehme, peinigende Empfindung der Völle und Ueberladung sich ein-
stellt und anhalten würde, bis der größere Teil des Inhaltes den
Magen verlassen hat. Die für die Bewältigung des enormen Speise-
volumens erforderliche angestrengte Thätigkeit des Verdauungsapparates
und der großen l'nterleibsdrüsen (Leber, Bauchspeicheldrüse, Milz) lenkt
den Hauptstrom des Blutes in diese und aus den Arbeitsorganen (Mus-
keln) und Gehirn ab, sodaß die Verrichtungen der letzteren gestört
werden und eine allgemeine geistige Abgeschlagenheit — plenus venter
non studet libenter — und körperliche Erschlaffung uns befällt, eine
Unlust zu jedweder Thätigkeit, oft ein fast unwiderstehlicher Hang zum
Schlafen. Endlich kommt auch noch in Betracht, daß die übermäßige
Ausdehnung des Magen- und Darmkanals, sobald sie habituell wird, zu
einer andauernden Erweiterung dieser Organe und zur Erschwerung
ihrer Beweglichkeit und damit auch der regelmäßigen Fortschiebung der
Speisen den Darmkanal entlang führt.
Sodann ist die Ueberlastung des Darmkanals auch von Nachteil in
Bezug auf die Verwertung der Nahrung; wie J. Ranke' aus Selbst-
versuchen erfahren, gingen bei reiner Fleischkost von dem Tagesquan-
tum v(m 1800 g, als er dies, zwar mit Widerwillen, in einer einzigen
Mahlzeit hinunterzwang, 12 Proz. der Trockensubstanz unbenutzt mit
dem Kot heraus, bei Verteilung auf 3 Mahlzeiten, im Abstände von je
4 — G Stunden, aber nur 5 Proz,
Entsprechend der Aufnahme der ganzen Kostration auf einmal und
dem infolgedessen massenhaften Uebertritt der Nährstotie in die Säfte
werden auch die stofflichen Zersetzungen in für den Körper unzweck-
mäßiger Weise mächtig angefacht, während, sobald das im Blut kreisende
Material in den Geweben zerstört ist, es von da ab bis zur Mahlzeit
des nächsten Tages, nicht selten durch viele Stunden hindurch an im
Blute kreisenden zersetzlichen Nährstoffen mangelt, sodaß die verbrenn-
licheu Bestandteile, in erster Linie das Eiweiß, der Gewebe und Organe
herhalten müssen und in bald kleinem, bald größerem Umfange unter
die Bedingungen des Zerfalls geraten. Eiweißgenuß läßt auch den Ei-
weißumsatz sehr bald ansteigen, die Steigerung der HarnstotVausschei-
dung beginnt beim Menschen ^ schon eine Stunde danach, erreicht in
der 5. — 7. Stunde ihr Maximum, sinkt dann verhältnismäßig schnell ab,
sodaß bereits in der lö. Stunde der niedrige Wert des nüchternen Zu-
standes erreicht ist, der nun die folgenden 10 Stunden hindurch bis zur
Aufnahme der nächsten eiweißreichen Mahlzeit fortbesteht. Während
dieser 10 Stunden der wie im nüchternen Zustande niedrigen Harnstoff-
7*
99
100 IMMANUEL MUNK,
ausfnlir befinden sich die Gewebe und Organe gleichsam im Eiweiß-
hunger. Wird aber die Tagesration nicht auf einmal genossen, sondern
in, sagen wir, durch je 5 Stunden voneinander getrennten Mahlzeiten,
sodaß zu einer Zeit, wo die Zersetzungsgröße, aus der stündlichen Harn-
stotiausscheidung gemessen, wieder absinken würde, nunmehr eine neue
Speiseaufnahme und damit wieder eine Erhebung der zum Absinken
tendierenden Zersetzungsintensität erfolgt, dann läuft der Umsatz des
Eiweißes mehr gleichmäßig ab, und es kann nicht so bald Mangel an
aus der Nahrung resorbiertem und mit dem Blutstrom cirkulierenden,
zersetzlichen Eiweiß eintreten , sodaß das eigene Eiweiß des Körpers
angegrirt'en zu werden brauchte. Vermutlich verhält es sich ähn-
lich mit der Zerstörung der stickstofffreien Stoffe, Fette und Kohle-
hydrate, doch fehlt es in dieser Hinsicht an entscheidenden experimen-
tellen Erfahrungen in Hezug auf den stündlichen Ablauf der Kohlen-
säureausscheidung nach Aufnahme der ganzen Tagesration einerseits,
nach Teilung derselben in einzelne Mahlzeiten andererseits. Bezüglich
der Aufeinanderfolge der Mahlzeiten ist zu beachten, daß der angefüllte
Magen sich je nach der Art der eingeführten Nahrung zwischen 3 und 7
Stunden entleert und, daß man daher gut thut, nach einer größeren
Mahlzeit (Hauptmahlzeit) mindestens 6 Stunden verfließen zu lassen,
ehe man wieder zu einem größeren Mahl (Abendessen) schreitet.
Welche Ein teil ung d er Mahlzeiten und welche Anzahl
derselben die zweckmäßigste ist, hängt in erster Linie von den Lebens-
gewohnheiten und der Größe und Dauer der Arbeitsleistung ab. Wer,
wie die arbeitende Klasse, bereits am frühen Morgen mit der Arbeit
beginnt, nimmt vorteilhaft vorher einen kleinen Morgenimbiß (erstes
Frühstück), der, vorausgesetzt daß die Abendmahlzeit ausreichend ge-
wesen ist, nicht groß zu sein braucht, ist doch während des Schlafes der
Stoffverbrauch, besonders der stickstofffreien Substanzen der niedrigste,
der überhaupt vorkommt (S. 13). Die Hauptmahlzeit wird dann
zweckmäßig zur Mittagszeit (12 — 1 Uhr) eingenommen, die zugleich auch
in die Mitte der Arbeitszeit fällt, nachdem schon vorher 5 Stunden die
Arbeit geleistet worden ist und noch ebenso lange zu leisten ist; der
gesteigerte Stoffverbrauch bei der Arbeit macht um diese Zeit eine
reichliche Stoffaufnahme notwendig, die aber wiederum nicht übermäßig
reichlich sein darf, um die Arbeitslust und die Arbeitsfähigkeit nicht
herabzudrückeu. Nach gethaner Arbeit ist dann die Aufnahme einer
mäßigen, aber sättigenden Abendmahlzeit vorteilhaft, um die bei
der Arbeit verbrauchten Stoffe zu ersetzen und wo möglich einen kleinen
Vorrat davon für den nächsten Arbeitstag anzulegen. Da bei dem ge-
steigerten Stoffverbrauch durch die Arbeit der Morgenimbiß nicht ge-
nügt, um bis zum Mittagsmahl das die Arbeitslust beeinträchtigende
Hungergefühl zurückzudrängen, so empfiehlt sich zwischen 8 und 9 Uhr
die Aufnahme eines mäßigen Frühstückes und etwa 3 Stunden nach
der Hauptmahlzeit die Einnahme des Vesperbrotes. Auf rein em-
pirischem Wege hat sich bei der arbeitenden Klasse diese als zweck-
mäßig zu bezeichnende Mahlzeitenordnung herausgebildet.
Die körperlich nur leicht oder vorwiegend geistig arbeitende Be-
völkerungsklasse bedarf nur dreier Mahlzeiten, auch kann die zeitliche
Anordnung und Verteilung derselben eine andere sein. Da diese erst
später am Morgen, zwischen 8 und 9 Uhr, ihre Thätigkeit beginnt,
hält der Morgenimbiß bis zur Mittagszeit vor, wo zweckmäßig ein
größeres, auch Fleisch und Fett bietendes Frühstück (Gabelfrühstück)
EinzelernäbniDg und Massenernährung. 101
am Platze ist. Die Hauptiiiablzeit wird (hiiiii nach beendeter Tages-
arboit. um 5 oder (> l'br, eingenoninicn, und wenn dieselbe genügend
und gehaltreich ist, hillt ihre Wirkung noch so lange vor, daü auch am
nächsten Morgen noch das Verlangen nach Speisen ein nur geringes ist.
Wird erst spat zu Bett gegangen, so kann noch zwischen 8 und ü Uhr
ein kleiner Al)endimbiB eingenommen werden. Jedenfalls muli davor
gewarnt werden, die Hauptmahlzeit erst am späten Abend, zwischen 7
und 8 Uhr, einzunehmen, weil die Verdauung eines kopiösen Mahles
nicht so schnell erfolgt, als daß nicht, wofern man nicht erst spät, d. h.
mindestens 2 Stunden nach der Mahlzeit, zu Bett geht, die Ruhe des
Scblafes dadurch gestört werden kiumte.
Immerhin hängt auch hier viel von der Gewöhnung ab ; so ist es
z, B. in England und auch in Holland Brauch, statt des Morgenimbisses
ein reichliches, eiweiß- und fettreiches Frühstück einzunehmen.
Gleichwie bei dem starken Stotfverbrauch infolge der Arbeit die
Wirkung der einzelnen Mahlzeit nicht 5— G Stunden vorhält, sondern
sich schon in der Zwischenzeit Hungergefühl einstellt, das durch eine,
wenn auch nur kleine Zwischenmahlzeit beschwichtigt wird, so ist es
auch bei dem Säugling, in dessen Körper ein lebhafter Stotiumsatz vor
sich geht (S. 15, ^4) und bei dem teils dieserhalb, teils wegen des zum
Wachstum erforderlichen StoÖänsatzes ein so großes Bedürfnis nach
Nahrung besteht, geboten , demselben alle 3 Stunden entweder Mutter-
brust oder künstliche Nahrung (Kuhmilch in Verdünnung) zu geben.
Auch für das wachsende Alter überhaupt d. h. bis zum 15. Lebens-
jahre gilt die Kegel einer mindestens fünfmaligen Nahrungsaufnahme
pro Tag.
Wie man aber auch immer die Verteilung und zeitliche Ordnung
der Mahlzeiten vornimmt, stets halte man darauf, die einmal geübten
und gewohnten Fßzeiten regelmäßig beizubehalten, einmal um durch Ver-
schiebung derselben nicht erst das die Arbeitslust herabsetzende Hun-
gergefühl auftreten zu lassen , sodann wegen der Gleichmäßigkeit, mit
der dann die Verdauungs- und Zersetzungsvorgänge im Körper ablaufen.
Einen wie großen Bruchteil der Tagesration sollen
die einzelnen Mahlzeiten enthalten? Darüber kann nur die
Erfahrung entscheiden. Theoretisch laßt sich höchstens sagen, daß für
die arbeitende Klasse der Morgenimbiß so viel bieten muß , daß man
zwar nicht gesättigt, al)er doch ohne Hungergefühl an die Arbeit gehen
kann, das Mittagessen so beschaffen sein muß, daß man sich vollständig
gesättigt und befriedigt, nicht al)er überladen fühlen soll, und das
Abendessen so viel enthalten soll , als zur Sättigung erforderlich ist.
Nach Forster's^ Bestimmungen der Nährstoffniengen in den einzelnen,
nach Belieben aufgenommenen Mahlzeiten von Arbeitern enthielt
das Frühstück (Morgenimbifs) I4 Proz.
,, Mittagessen 45 ,,
,, Abeoiiessen 35 ,,
beide Zwischenmahlzeiten (zu>Rininen) 6 ,,
der gesamten in der Tagesration enthaltenen Nährstoffe.
Bei den auf ihre Kostordnung untersuchten Aerzten , welche nur
3 Mahlzeiten einnahmen, trafen auf das
Frühstück 12 Proz.
Mittagessen 47 .,
Abendessen 3 1 ,1
der gesamten Tagesration.
lOI
102 IMMANUEL MUNK,
Die Mittagskost dreier gut bezahlter Münchencr Arbeiter cnt-
liielt nach den Bestimmungen von Voit"* im Mittel von 10 Tagen an-
nähernd die Hälfte der Nährstoffe der Tagesration (und
zwar vom Fett ^/j, dagegen von den Kohlehydraten nur '/s tler Tages-
ration), die der norddeutschen Arbeiter nach Uffelmann's^ Berech-
nungen nur 40 Proz. der Tagesration (und zwar vom Eiweiß ^/ß, vom
Fett 'Ig und von den Kohlehydraten V.s der Tagesration), das Abend-
essen rund 28 Proz. des Tagesl)edarfes (und zwar ziemheh gleich-
mäßig für Eiweiß, Fett und Kohlehydrate).
Auch diese, auf rein empirischem Wege ausgebildete Verteilung
der Nährstoti'e über die einzelnen Mahlzeiten kann vom physiologischen
und hygienischen Gesichtspunkte nur als durchaus zweckmäßig erachtet
werden. Besteht wie bei den körperlich leicht oder nur geistig Arbei-
tenden die Einteilung in Morgenimbiß, (zur Mittagszeit eingenommenem)
Frühstück und (in den Vorabend fallender) Hauptmahlzeit, so wird ersteres
15 Proz., das Frühstück 35 Proz. und das Mittagessen 50 Proz. der
Gesamtnährstoflfe enthalten dürfen.
1) J. Ranke, Die Ernährung des Menschen, München (1876) 309.
2) C. Voit, rhysiol.-chem. Untersuch., Augsburg (1857) 42; H. Oppenheim, Pflüg. Arch.
23 Bd. 446.
3) Forster. Z. f. Biol. 9. Bd. 383, 392.
4) C. Voit, Z. f. Illol. 12. Bd 46; Untersuch, d. Kost u. «. ««., München (1877) 28.
5) üffelmann {und Munk>, Ernährung, 2. Aufl. 381.
Anhang.
Hygiene des Essens und der Verdauung.
Der durch die Erfahrungen des täglichen Lebens belegte, unzweifel-
hafte Einfluß des Nervensystems, wie auf andere Abscheidungen
von Drüsen, so auch auf die der Verdauungssäfte und nicht minder auf
die peristaltischen, d. h. während der Verdauung in regelmäßiger Folge
von oben nach unten ablaufenden Bewegungen des Darmkanals bildet
ein vom diätetisch-hygienischen Standpunkte für die Speiseaufnahme
höchst beachtenswertes Moment. Die vom Hirn zum Verdauungsapparat
heruntersteigenden Nervenbahnen sind die VVege, auf denen die geistigen
Erregungen oder Gemütsbewegungen: Zorn, Aerger, Schreck, Auf-
regungen jeder Art zu dem Verdauungskanal gelangen und dort ihre
subjektiv als Völle, Druck in der Herzgrube, sowie schwerere Bekömm-
lichkeit, objektiv als Verlangsamung der Verdauung event. auch als
vorzeitige Ausstoßung des Speisebreies, bevor dessen Nährstoffe voll-
ständig verwertet sind, sich darstellenden Störungen hervorrufen. Mit
Recht sagt daher C. Voit': „bei Aerger und Kummer bekommt uns
das Essen nicht, und wir magern dabei ab ; . . . wir verdauen gewiß
anders bei Aussicht in eine heitere Gegend als auf Kerker- und Kloster-
niauern". Ja erfahrene und gut beobachtende Aerzte behaupten sogar,
daß für gewisse Verdauungsstörungen, die als nervöse Dyspepsie be-
zeichnet werden , der Anlaß zu ihrer Entstehung in psychischen Emo-
tionen: Aerger, Schreck, heftige Aufregung, zu suchen ist, die den Be-
treffenden gerade bei einer Mahlzeit überfallen haben. Daraus ergiebt
sich die wichtige Regel, eine größere Mahlzeit nicht zu beginnen, bevor
die ^Yogen der heftigsten Aufregung sich gelegt und eine mehr ruhige
Stimmung Platz gegriffen hat.
EinzelernähruDg und MasscuernähruDg. 103
Zur Hygiene des Verhaltens beim Essen selbst übergehend, ist zu-
nächst hervorzuheben, daU langsames Essen von wesentlichem Vor-
teil ist. (jelegentlich der Frage von der Bedeutung der Zerkleinerung
der Nahrungsmittel ist schon iler \Vi cht igkeit des Kaueus gedacht
worden (S. ä."}); hier ist noch hinzuzufügen, dali auch nur bei sorg-
fältigem, einige Zeit in Anspruch nehmenden Kauen die Durchtränkung
des Gekauten mit dem Mundsaft, die sog. Einspeichelung, in genügen-
dem Unifange erfolgen kann. Abgesehen von der chemischen Wirkung
des Speichels aut das Stärkemehl, welche nur noch eine Zeit lang im
Magen nachwirken kann , ist die Einspeichelung für das Schlüpfrig-
machen und die leichtere Schlingfähigkeit von Bedeutung, sowie auch
für den Ablauf der Magenverdauuug. Deshalb soll man langsam essen
und die Sjjcisen gehörig zerkauen, was für die Bekömmlichkeit und für
die Ausnützung von Bedeutung ist. Wenngleich ein gesunder Magen
auch derbere Bissen vertragen kann , so hat doch für gewöhnlich
das schnelle Hinabschlingen der Speisen zur Folge, daß dieselben, un-
gekaut in größeren Stücken in den Magen gelangend, dort das Gefühl
von Druck, unter Umständen auch Schmerz hervorrufen können. Wer
häutig auf Reisen genötigt ist, seine Mahlzeit während des nur wenige
Minuten dauernden Aufenthaltes in der Bahnhofshalle einzunehmen,
lernt die nach hastigem Essen eintretenden Verdauungsbeschwerden
kennen; solche Verst()ße, häufig wiederholt, werden nicht selten der
Anlaß zu chronischen Magen- und Darmleiden.
Man hat viel über die Frage gestritten, ob man neben den schon
ein reichliches Volumen ausmachenden Speisen der Hauptmahl-
zeit noch Flüssiges zu sich nehmen soll, und wie viel Flüssigkeit
ohne Schaden für die Verdauung gestattet werden kann. Fest steht
zunächst, daß ein Teller (250—400 ccm) Fleischbrühe als Einleitung
zu einem größeren Mahl zweckmäßig ist; die Würz- und Genußstoffe
der Fleischbrühe regen die Sekretion der Verdauungssäfte an (S. 41)
und bereiten so den Magen und Darmkanal für die ihnen obliegenden
Verrichtungen in geeigneter Weise vor. Daneben noch eine größere
Menge, wenn auch nur *;4 — '/o 1 Flüssigkeit in Form von Wasser oder
Bier zu sich zu nehmen, kann nicht empfohlen werden, schon wegen
der Gefahr, den Magensaft so zu verdünnen, daß seine Verdauungs-
fähigkeit dadurch wesentlich leidet. Allenfalls ist kohlensaures, z. B.
Selters-, Wasser gestattet, scheint doch die Kohlensäure einen Reiz für
die Abscheidung des Magensaftes - aljzugeben. Dagegen ist ein Glas
guten Weins zu emi)fehlen ; der Alkohol in geringen Mengen und in
mäßiger Konzentration scheint auf die Abscheidung des Alagensaftes
und die Magenbewegungen eher günstig zu wirken ^. Bei sehr fetten
Speisen erweist sich für Viele, die an sich Fette nicht gut vertragen oder
danach unter Verdauungsbeschwerden zu leiden haben, auch eine kleine
Menge Alkohol in stärkerer Konzentration, z. B. ein Gläschen Cognac,
sehr vorteilhaft.
Von nicht geringer, h.äufig nicht genug gewürdigter Bedeutung ist
die Hygiene der Verdauungszeit, d. h. ein zweckmäßiges Ver-
halten nach dem Essen, insbescmdere nach der Hauittmahlzeit.
Nach jedem größeren Mahl, das Befriedigung und Sättigung bringt,
fühlen wir uns zunächst abgespannt und arbeitsunlustig, und um so
stärker, je reichlicher das Mahl gewesen, am stärksten, wenn dabei
Ueberladung des Magens stattgefunden hat. Es fragt sich nun: sollen
wir nach dem größeren Mahl dem in der Mehrzahl der Fälle bestehen-
'03
104 IMMANUEL MUNK.
den Hang zum Schlaf nachgeben oder nur sitzend der Körperruhe
pflegen oder sollen wir leiciite Körperbewegungen machen ? Darüber kann
kein Zweifel sein, daß sehr viele Menschen schon durch mäßige Körper-
bewegungen in unmittelbarem Anschluß an die Hauptmahlzeit angestrengt
und von überströmender Hitze befallen werden, daß sie dagegen ruhiges
Sitzen als ein Behagen empfinden, bei ruhigem Verhalten am wenigsten
unter Verdauungsbeschwerden leiden und dann sehr viel eher wieder
frisch und arbeitsfähig werden. Dies trifft für die Mehrzahl der Er-
wachsenen und in der Blüte des Lebens Stehenden zu. Jedenfalls liegt
kein Grund dazu vor, mit vollem Magen sich stark zu bewegen, zumal
die Bethätiguug der Muskeln den Blutstrom zu ihnen uud von dem einer
reichlichen Blutdurchströmung für seine mechanischen und chemischen
Prozesse bedürftigen Darmkanal ableitet'''). Für den gesunden Er-
wachsenen bedarf es andererseits nicht des Schlafes, vorausgesetzt, daß
er seinen Magen nicht überladen hat. Die Notwendigkeit des Schlafens
nach der Hauptmahlzeit liegt allenfalls für ältere schwächliche, sowie
für zwar erwachsene und kräftige, aber magenleidende, endlich auch
für nervöse und bleichsüchtige Individuen vor ; sie alle werden danach
von Müdigkeit übermannt und am ehesten wieder frisch, wenn sie kurze
Zeit, V2 Ijis höchstens 1 Stunde vollste Körperruhe pflegen können.
Ebenso wie körperliche Arbeit fällt auch geistige Thätigkeit nach
der Hauptmahlzeit den meisten schwer; während der ersten Verdau-
ungsstunde soll nur der Darm thätig sein, alle anderen Arbeitsorgane
sollen möglichst ruhen. Verstöße gegen diese Regel werden leider häufig
genug begangen und nicht selten mit Nervosität und chronischem Nerven-
leiden, Neurasthenie, gebüßt.
Daß endlich der normale Ablauf der Verdauung nicht dadurch ge-
stört werden darf, daß die Verdauungsorgane und großen Unterleibs-
drüsen durch unbequeme Stellungen oder Lagen oder durch unzweck-
mäßige, fest ansitzende, den Unterleib zusammenschnürende Kleidungs-
stücke gedrückt und dadurch die für die Funktion der Organe so
wichtige flotte Blutdurchströmung gehindert oder gar gestaut wird,
bedarf kaum des Hinweises.
1) C. Voit. in Hermann's Handb. d. Physiol. (1881) 6. Bd. 1. I. 425.
2) L. Wolff, Z. f. Min. Med. 14. Bd. 3.
3; Klikowicz, Virch. Ärch. 102. Bd 360.
*) Nur wegen dieser subjektiven Beschwerden wird vor körperlicher Arbeit unmittel-
bar nach reichlichem Essen gewarnt. Selbst wenn durch die Körperbewegungen der Ver-
dauung.>ablauf verlangsamt wird , wird das Verlorene in der folgenden Ruheperiode
wieder eingeholt, sodafs eine Verschlechterung in der Verwertung der Nahrung durch die
körperliche Arbeit nicht bedingt wird (S. 68).
4
104
VIERTER ABSCHNITT.
Die 3lasseiieriiähruiig.
Während bei der Ernährung des Einzelnen oder einer Reihe zu
einer Fiiniilie bezw. einem Haushalt gehörender Individuen der einzelne
zu Verköstigende oder der Haushaltungsvorstand die Nahrung nach
Qualität und Quantität aus eigener ICntschließung heraus und auf eigene
Verantwortung hin nach dem Prinzip der individuellen Freiheit wälilt,
versteht man unter M a s s e n e r n ä h r u n g diejenigen Fälle
der E r n ä ii r u n g unter resp. gleichen Verhältnissen lebender Menschen-
gruppen, in denen die Kost nicht nach eigener Wahl und
Verantwortung geregelt und, was außerdem noch in Betracht
kommt und die Wahl der Lebensmittel mitbestimmt, entweder ganz
oder zum Teil aus öffentlichen Mitteln, sei es des Staates
oder des Gemeindeverbandes, bestritten wird. Die ötfentliche
Gesundheitsi)tlt'ge nuiß die Verantwortung für die sanitär richtige
Zusammenstellung der Kost in den Fällen der Massenernährung den
staatlichen oder kommunalen Organen zuschieben, denen die Pflicht zur
Verköstigung jener Menschengruppen obliegt. Deshalb ist die Be-
trachtung der Massenernährung in Rücksicht auf die hierbei geltenden
Prinzipien Gegenstand der Hygiene*.
Gleichwie das Kostmaß des Einzelnen je nach seinem Körperzu-
stande, seinen Lebensverhältnissen und nach der zu leistenden äußeren
Arbeit, wie wir im vorigen Abschnitt an den typischen Fällen be-
sprochen haben, ein sehr verschiedenes ist, so wird auch bei der
Massenernährung die zu verlangende Menge der Nährstotie den resp.
Lebensverhältnissen sich anzupassen haben. Was der Einzelne unter
den entsi)rechenden Lcl)ensl)edingungen an Nährstotlen bedarf, das
bildet auch die Grundlage für die Kostberechnung der Massenernährung '-,
insofern das dem jeweiligen Bedarf entsprechende Einzelkostmaß mit
der Zahl der in der gemeinsam zu verpflegenden Gruppe vereinigten
Individuen (Wais(j'nkinder, Korrigi'nden, Pfründner, Gefangene, Soldaten
u. s. w.) multipliziert wird. Diese Berechnung ist zwar, theoretisch
betrachtet, mit der i)rinzipiellen Un.sicherheit beliaftet, daß die zu einer
Gruppe gehörenden Menschen, wenn sie auch sonst unter gleichen Ver-
hältnissen leben und annähernd die gleiche Arl)eit verrichten, doch in
Bezug auf ihren Körperzustand, d. h. Körpergewicht und -große, B^leisch-
105
IOC IMMANUEL MUNK.
und Fettreichtum sehr verschieden sein können , sodaß auch für den
Einzelnen ein verschiedenes Kostiuaß als ausreichend zutreffen würde,
für die grr)ßeren und für die ffeischreicheren ein höheres Kostniaß als
für die kleineren und für die fettreicheren. Glücklicherweise gleichen
sich in der Ernährungspraxis diese Unterschiede , wie die Erfahrung
lehrt, um so mehr aus, je größer die Zahl der zu einer Gruppe ver-
einigten Menschen ist : was der eine weniger genießt, nimmt der andere
mehr auf.
Bei der Wahl der Lebensmittel für die Massenernährung wird, da,
wie schon augeführt, dieselbe entweder ganz oder teilweise aus öffent-
lichen Mitteln zu bestreiten ist, mit Recht Rücksicht auf möglichste
Wohlfeilheit der Nahrung genommen , aber nur so weit , als sich die
Wühlfeilheit mit diätetischer und hygienischer Zweckmäßigkeit ver-
einigen läßt. Gegenüber der Ernährung des Einzelnen oder einer Haus-
haltung ist durch den Ankauf der Lebensmittel und die Zubereitung
derselben im Großen für die Masseuernährung von vornherein schon
eine beträchtliche Verbilligung gegeben. Andererseits darf selbstver-
ständlich die Rücksicht auf Wohlfeilheit nicht das hauptsächlich be-
stimmende Prinzip sein, nicht so weit gehen, daß die Schmackhaftigkeit,
die Bekömmlichkeit, die Verwertung der Nahrung oder das Verlangen
nach Nahrungsaufnahme darunter wesentlich litte oder gar ganz unge-
eignete Nahrungsmittel gewählt würden.
Mit Recht hebt Uffelmann^ als ein bedeutsames Moment, das
hygienisch im höchsten Maße zu beachten ist, hervor: die Verhütung
der Ausbreitung von Krankheitserregern durch die Massenernährung
und damit die Verhütung endemischer Erkrankungen unter der zu-
sammenlebenden Menschengruppe. Insbesondere sind solche Lebens-
mittel, welche erfahrungsgemäß häutig Krankheitskeime führen und zu
übertragen geeignet sind, wie insbesondere Milch, Schweinefleisch u. a.,
bei der Zubereitung durch Sieden, Braten u. a. unschädlich zu machen
sowie bei der Zubereitung und Austeilung der Nahrung schon kranke
oder erkrankungsverdächtige Individuen auszuschließen,
1) Forster, Ferhdig. d. 10. internat. med. Kongrusses, Berlin (1890) 5. Bd. 91.
2) C. Voit, Unters, der Kost in einigen öffentlichen Anstalten, München (187 7); Förster, im
Edbch. d Jlyg. 2. Bd. 1. Abt. 1. Uülfte (1882) 369; Panum, Nord. med. Arkiv 16. £d.
No. 24; Meinert, Armee- u. Volksernährung, Berlin (1880;. Diese Werke sind in den
nachfolgenden Kapiteln stets gemeint, wenn Voit oder Förster oder Meinert citiert toird.
3) TJffelmann (u Munk), Ernährung, 2. Aufl. 373.
§ \. Massenernährung von Kindern und jugendlichen
Individuen.
Waisenhäuser. Die Insassen der Waisenanstalten sind zumeist
Kinder von 6—15 Jahren. Nun haben sich oben (S. 95) als ange-
messene Kostsätze herausgestellt:
für
Eiweifs
Fett
Kohlehydrate
7-jähri
ge
K
nder
55 g
40 g
140 g
8-9 „
it
6o „
44 1.
150 „
10—11 „
„
65 „
45 ..
200 „
12 — 13 ,,
11
72 „
47 „
245 „
14-15 „
„
79 ..
48 „
270 „
Daraus ergiebt sich schon, wie schwierig es ist, Kinder dieser
weiten Altersgrenze so zu verpflegen, daß jedes die erforderliche Nähr-
106
Einzoleruährung uud Masseueruährung. 107
stoflfnienge eriüilt, oliiie daß, was in Rücksiclit auf Wolilfeilheit geboten
ist, eine Verschwendiiiijjj der Nahrung stattfindet. Die Kostration der
ältesten Waisenkinder ist in Bezug auf die Kiweili- und Koldeliydrat-
menge reieldich um die lliilfte gr()lier als die der jüngsten Altersklasse.
Jedenfalls muß man, damit die Krnahrung für die höheren Altersklassen
nicht zu knaj)]) wird, durchschnittlich pro Kopf, ohne Unter-
schied des Alters, die höchsten Sätze geben, also etwa 75 g Eiweiß,
45 g Fett und 270 g Kohlehydrate. Am nächsten kommt dieser
Norm die Kost der belgischen Waisenhäuser mit 77 g Eiweiß, 49g
Fett, 3.'>U g Kohlehydrate, während die des M ü neben er Waisenhau.ses
nach Voit * zwar genügend Eiweiß und Kohlehydrate, aber etwas wenig,
nur 37 g Fett, ebenso viel als nach Forster in Amsterdam, die der
Berliner Waisenhäuser nach iMeinert- gar nur 18 g Fett, dafür
aber eine unzweckmäßig hohe, weil von so jugendlichen Individuen kaum
zu bewältigende Kohlehydratgabe, 445 g (!), bietet. Nach den Berichten
sollen auch die Pfleglinge der belgischen und des Münchener Waisen-
hauses sich durch ein gesundes, frisches Aussehen und eine ihrem Alter
entsprechende Entwickelung auszeichnen.
Abgesehen von der Quantität, kommt noch die Qualität der Kost
wesentlich in Betracht, handelt es sich doch um jugendliche, wachsende
Individuen, die an sich einer leicht verdaulichen Kost bedürfen, und ist
doch andererseits infolge der zumeist ungünstigen Bedingungen, unter
denen die Pfleglinge vor ihrer Aufnahme in die Anstalt gelebt haben,
ihr Ernährungszustand ein dürftiger, nicht selten geradezu kläglicher,
uud sind durch die voraufgegangene ungenügende und unzweckmäßige
Ernährung gewisse Konstitutionserkraukungen, wie die Skroi)hulose und
Rhachitis (englische Krankheit), hervorgerufen oder wenigstens gefördert
worden. Deshalb ist vom Eiweiß mindestens Vs (25 g) in leicht ver-
daulichen Animalien: Fleisch oder Fisch (auch Häring), xMilch, Käse zu
geben und bei schlechtem Ernährungszustande, rhachitischen oder skro-
phulösen Erscheinungen, endlich bei raschem Wachstum die Quote der
Animalien auf 30 — 40 g zu steigern. Von den die Nahrungsgrundlage
ausmachenden Vegetabilien empfehlen sich neben ausgebackenem, kleieu-
freien Roggenbrot am meisten Reis, Getreidemehle, Hülsenfrüchte in
Suppen- und Breiform, mit Schmalz hergestellte Mehlgebäcke, Kartoffeln
weich gekocht und wo möglich in Breiform (Purree), von Gemüsen
am meisten Mohrrüben ; zum Morgen- und Vespergetränk Milch und
Mehlsuppen. Mit der Kartoffel- und Brotration gehe man nicht über
300 g hinaus, höchstens für die oberste Altersklasse. Der alkoholischen
und alkaloidhaltigen Genußmittel bedarf es nicht, dagegen sei die Kost
gut gewürzt (Kochsalz, Zwiebeln, Supi)enkräuter u. a.) und werde ab-
wechselnd in flüssiger, breiiger und weichkonsistenter Form verabreicht.
Uffelmann" giebt sehr zweckmäßige und dabei wohlfeile Kom-
binationen für die Tagesration, aus denen wir gewissermaßen als be-
herzigenswerte Beispiele zwei herausgreifen: 300 ccm Milch, 12<>g Fleisch,
250 g Kartotlein, 275 g Brot, 100 g Getreide- oder llülsenfruchtmehl,
30 g Käse (Weißkäse, Quark), 20 g Schmalz; diese Ration l>ietet 80g
Eiweiß, 44 g Fett und 2G(> g Kohlehydiate (davon fast 42 g animali-
sches Eiweiß). Ferner 450 ccm Milch, 250 g Kartoffeln , 275 g Brot,
150 g Gemü.se, 100 g Grütze, 25 g Schmalz, im ganzen 74 g Eiweiß
(davon 30 g animalisches Eiweiß), 41 g Fett und 205 g Kohlehydrate. Das
Früh.stück und Vesperbrot besteht aus der halben Portion .Milch und Brot,
das Mittag aus einer Mehl-, Grütz- oder Reissuppe, Fleisch mit Kartotl'eln
107
108 IMMAXTKl, MrNK.
oder (loniüso und Ilcriiif]: mit Kartoffeln, das Abendbrot aus einer Grütz-
oder Mehlsui)pe, sowie Brot und Käse oder Kartoffeln mit Selimalz und
Brot. Besonders für jüngere Kinder ist die Einschiel)ung eines aus einer
Mehl- oder Brotsuppe bestehenden zNveiten Frühstücks sehr zweckmäßig.
Wie Forst er' hervorhebt, wird von Kindern, die sich wenig be-
wegen, bei ziemlich hoher Lufttemperatur, 15 — 22", außerordentlich
viel Wasser in Damplform abgegeben, offenbar wegen der im Verhältnis
zum Körpergewicht relativ kolossalen Oberfläche (Haut); der tägliche
Verlust an Wasserdampf für ein etwa 11 Jahr altes Kind von 25 kg
berechnet sich zu GOO — 1080 g, und noch sehr viel mehr bei Körper-
bewegung. Zur Deckung des Wasserbedürfnisses empfiehlt Forster
außer Milch und Trinkwasser noch reife Früchte: Obst, Beeren.
Korrektionsanstalten. In Besserungsanstalten werden mei-
stens junge Menschen von 10—16 Jahren, seltener jüngere, gesteckt,
die schon früh einen Hang zu Vergehen und sogar Verbrechen zeigen
und weder durch die Schule noch die Familienerziehung von ihren bösen
Trieben und ihrem Hang zur Faulheit abgebracht werden können.
Häufig treten sie, nachdem sie dem Elternhause entlaufen, vor der Auf-
greifung wüst herumvagabondiert sind, auch körperlich verwahrlost in
die Anstalt, sodaß für ihre Ernährung dieselben Grundsätze wie für
die Waisenkinder gelten müssen ; wäre es doch grausam, solche Indivi-
duen, denen noch nicht die volle Erkenntnis von der Strafl)arkeit ihrer
Handlungen innewohnt, auch am Körper durch schlechte Kost zu strafen.
Man wird ihnen demnach, wie 10 — 16-jährigen Kindern, die Sätze
65—80 g Eiweiß, 45 g Fett und 250—280 g Kohlehydrate (oder 40 g
Fett und 220 — 300 g Kohlehydrate), und zwar durchschnittlich pro
Kopf, ohne Unterschied des Alters, die höheren Sätze bewilligen müssen.
In praxi müssen die Sätze, was das Eiweiß anlangt, noch erhöht werden,
wenn , wie in manchen Korrektionsanstalten, die Kost ausschließlich
vegetabilisch ist und es nur 2— 4mal in der Woche 100 — 130 g Fleisch
giebt.
In der mecklenburgischen Korrektionsanstalt (zu Gehlsdorf) wurden
fl886j zwar täglich 70 ccm Milch pro Kopf, aber nur 2mal in der Woche
je 100 g (knochenfreiesj Fleisch, sonst nur Vegetabilien TKartoffeln, Erbsen,
Kohl, Mohrrüben , Reis und Aepfel u. s. w.) in zusainmengekochtem Essen
und in Breiform gegeben, nach W. Schröder'' pro Tag 87 g Eiweiß,
50 g Fett und 508 g (!) Kohlehydrate Tdavon nur 3 — 13 g, ausnahmsweise
31 g animalisches Eiweiß). Obwohl dabei die Insassen gut gediehen und
sich bei Erkrankungen sehr resistent erwiesen , welch' seltenen Nähreffekt
bei diesem vegetabilischen breiigen Essen Schröder der körperlichen Be-
schäftigung, den Garten- und Feldarbeiten, zuschreibt (vergl. auch S. 63),
so möchte diese Kostform doch nicht allgemein zu empfehlen sein.
Erziehungsanstalten, Pensionen, Alumnate. Für Zög-
linge dieser Anstalten treffen dieselben Kostsätze zu, wie für 9 — 15-
jährige Kinder, nämlich 75 — 8iJ g Eiweiß, 45 g F'ett und
270 g Kohlehydrate. Noch ältere Zöglinge, 16 — 18-jährige
brauchen zu ihrem Gedeihen das Kostmaß der Erwachsenen bei Ruhe
(S. 84), also 100g Eiweiß, 56 g Fett und 400 g Kohlehydrate.
Für die Kombinati<m der Kost ist zu beachten, daß es sich um
Kinder der besseren Stände handelt, die an eine gute, reichlich
Animalien enthaltende Nahrung gewöhnt sind, und daß deshalb die Quote
lo8
»
EinzelcrüühruDg und Masseueruühruug. 109
der ADiiDiilieii höher sein muß als in der Waisen- und Korrigendenkost.
/weckniaüig ist es, wie dies in den deutschen Kadettenhausern ge-
schieht, deren Kostordnung in dieser Hinsicht als Beispiel gelten kann,
per Kopf V^ 1 Milch (als 1. Frühstück) und den jüngeren 150 -2U0, den
alteren 2(X) — 250 g Fleisch (teils als solches, teils als Wurst, letztere zum
Belag für das Butterbrot des 2. Frühstücks und des Abendessens) zu
geben ; für eine entsprechende Fleischmenge können auch Käse und Eier
eintreten. Außer Brot, von dem an die jüngeren oOO— 350 g, an die
ältesten 450 g verabreiclit werden, emi)fehlen sich von Vegetabilien : Mehl,
(Irütze, Reis, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Gemüse, frisches und ge-
trocknetes Obst. Alkoholische Genußmittel werden nur ausnahmsweise,
alkaloidhaltige (Kaffee, Thee) überhaupt nicht gegeben. Diese zweck-
mäßige Ernährung wird in ihrem Nähreffekt durch genügende körper-
liche Bewegungen: Turnen, Schwinmien, militärische Dienstübungen
unterstützt ; ist es doch sicher festgestellt, daß selbst die gehaltreichste
Kostration ohne genügende Muskelübung die Muskeln nicht zur rechten
Entwickeluug bringt.
In der Haushaltungsscbule der Kruppschen Gußstahltabrik (in
Essen), in der junge Mädchen von 14 — 18 Jahren zur Ausführung
aller zum Haushalt gehurigen Arbeiten, die sich als angestrengte Tbätigkeit
charakterisieren, angehalten werden, entfielen pro Kopf und Tag nach den Be-
rechnungen von Prausnitz*^ 101 g Eiweiß, 75 g Fett und 415 g Kohle-
hydrate. Das ist für jugendliche Individuen eine mehr als ausreichende
Kost. Es zeigte sich demgemäß, daß das Körpergewicht der Mädchen, das
im Durchschnitt fast 45 kg betrug, unter diese Kost innerhalb 3 Monaten
um 2 kg zunahm. Die gesamte Tageskost wurde für 54 Pfennige pro Kopf
beschafft.
n Voit, a a. 0. 125.
2. Meinert, a. a. O. 2. Bd. 165.
3 Uflfelmann. a a. O. 375.
4i Forster. a. a. O. 376.
5, W Schröder, A. f. U. 4. Bd. 1.
6) W. Prausnitz, ebenda 15. Bd. 387.
§ 2. Massenernährung der Soldaten.
Bei der Ableitung des Kostmaßes für die Soldaten (S. 90) sind
wir zu dem Ergebnis gelangt, daß
in der Garnison lOO — IIO g Eiweifs, 56 g Fett, 50O g Kohlehydrate,
im Manöver HO— 120 „ „ 75— 80 „ „ 500 „ „
im Krieg 120— 130 „ „ lOO ,, „ 500 „
dem Bedarfe durchaus genügen und daß für die Rekrutenzeit wegen
der für die an den Dienst noch nicht gewiUiuten und ungeübten Leute
erforderlichen griißeren Arbeitsleistung der Manöversatz zuzui)illigen ist,
z. T. auch weil die infolge der Üienstübungen sich ausi)ildende Zu-
nahme der Muskelmasse einen gewissen Ueberschuß an stotilichem
Material, insbesondere an Eiweiß, über den Verbrauch erheischt. In
den nicht seltenen Pallien, wo im Kriege andauernd große Strapazen
zu überstehen sind, also ganz ausnahmsweise große Arbeits-
109
110 IMMANIKL Ml'NK.
le ist Uli gen verhiiigt werden, würde die obige Kriegsnition auf 140 g
Eiweiß und 120 bis 125 g Fett zu erhöhen sein.
Diesen K o s t n o r m e n genügen die bei den meisten Armeen
des In- und Auslandes zur Zeit bestehenden Friedens- und
Kriegsportionen z. T. weder in quantitativer noch in
(jua li t at iver Hinsicht. Wir haben auch schon erörtert (S. 91),
»laß z. B. in der deutschen R e i c h s a r m e e die F r i e d e ii s p o r t i o n
zwar genügend Eiweiß (107 g) bietet, aber zu wenig an Kohlehydraten
(420 g) und vollends zu wenig an Fett (35 g) ; die große Friedens-
oder Manöverportion enthält zwar reichlich Eiweiß (135 g) und
Kohlehydrate (530 g), aber noch weniger, fast minimal Fett (30 g).
Zudem sind die angeführten Portionen Durchschnitte aus den Rationen
einer ganzen Woche, und an den einzelnen Tagen schwankt der Gehalt
der Tagesportionen innerhalb zu weiter Grenzen, so nach Buchholz
z. B. für das Eiweiß zwischen 72 und 122 g; für den Nähretl'ekt kann
es durchaus nicht gleichgiltig sein, ob an dem einen Tage zu wenig,
an dem anderen zu viel aufgenommen wird. In noch höherem Grade
ist dieser wechselnde Gehalt an der (kleinen) Kriegsportion aus-
zusetzen, deren Eiweißmenge zwischen 78 und 150 g, also um das
Doppelte, deren Fettgehalt sogar zwischen 35 und 150 g, also von einem
Tage zum anderen um mehr als das 4- fache schwankt, während das
Mittel nur 115 g Eiweiß neben 90 g Fett und 470 g Kohlehydrat er-
giebt, also letztere allenfalls genügend, Eiweiß aber für die schweren
Anstrengungen des Kriegsdienstes entschieden zu wenig. Wenn nun
gar noch , wie dies F o r s t e r ^ hervorhebt, im Kriege äußere Verhält-
nisse eintreten, wie Winterkälte, anhaltendes Regenwetter, Schneetreiben
oder Stürme, welche größere Wärmeverluste oder Durchnässungen des
Körpers bewirken und damit den C-Verbrauch noch höher treiben,
als er an sich schon durch die anstrengende Kriegsarbeit ist, dann muß
auch der Bedarf an stickstofffreien Stoffen höher sein, und da man
zTseckmäßig nicht die Gabe von 500 g Kohlehydrat übersteigen soll,
muß unter solchen klimatischen und VVitterungsunbilden die tägliche
Fettration noch höher als 100 g, auf etwa 125 g bemessen werden,
wofern der Körper auf seinem Bestände und auf seiner Leistungsfähig-
fähigkeit erhalten werden soll. Demgegenüber bietet die für solche
Fälle außerordentlicher Leistungen vorgesehene sog. große Kriegs-
ration 192 g Eiweiß und 678 g Kohlehydrate, also beides mehr als
reichlich, dagegen nur 45 g Fett; zweckmäßiger wäre es und würde
den Darm weniger belasten, wenn nur 500 g Kohlehydrate und anstatt
der so fortfallenden 178 g Kohlehydrate das Aequivalent von 77 g Fett
gegeben würde; dann wären darin (45 + 77=) 122 g Fett, was der
eben abgeleiteten Norm für außerordentliche Fälle gleichkäme.
Die eingangs aufgestellten Kostnormen sind somit als Mittelsätze
zu verstehen , dürfen aber nicht als solche Rationen aufgefaßt w^erden,
welche unter allen Umständen bei dem entsprechenden Dienst genügen.
Während nur in den seltensten Fällen von diesen Sätzen sich etwas
abziehen lassen wird, ohne daß damit das stoffliche Gleichgewicht und
die Leistungsfähigkeit gestört wird, können zahlreiche Fälle eintreten,
unter denen, wie am obigen Beispiel gezeigt, die resp. Ration mehr
oder weniger beträchtlich noch erhöht werden muß.
Die Mischung der Nahrungsmittel anlangend, ist noch mehr als
in der Kost des „mittleren Arbeiters" darauf zu halten, daß der Darm
nicht, wie dies der Fall wäre, wenn nur Vegetabilien gegeben würden,
Eiuzolerniilirimg und Massenernährung. 111
überlastet wird und dadurch die Arbeitslust und -fahii^keit sinkt. Des-
halb empfiehlt es sich, mindestens Va ^^r Kiweiß^jjabe {.'33 resp. 3()
resp. 4.'i g) in Animalien zu geben, wozu 2(,KJ— 300 g Schlachttleisch
= 150—225 g knochenfrei erlorderlich sind. Indes iiietet die Friedens-
portion nur 15U g Fleisch, also zu wenig, die Manöverportion allerdings
250 g, also geniigenel. Mehr als reichlich Fleisch, 350 resp. 5<)0 g,
sind in der kleinen bezw. großen Feldportion enthalten, so daß dieselben
in dieser Hinsicht zu keiner Beanstandung Anlaß geben ; die größere
Fleischmenge bietet dem Körper leicht verdauliches Eiweiß in sozu-
sagen konzentriertester Form, ohne den Darm zu überladen, was für
die Krni()glichung großer Arbeitsleistungen von Belang ist.
Den Hauptbestandteil der Vegetabilien soll schmackhaftes , aus-
gebackenes Brot in einer 750 g pro Tag nicht übersteigenden Menge
bilden. Dagegen entspricht die Qualität des z. B. in Deutschland den
Soldaten gelieferten schwarzen, mit relativ großen Kleienschüppchen
durchsetzten Kommißbrotes nicht allen berechtigten Anforderungen.
Häufig ist es zu säuerlich, nicht genügend beim Gähren des Teiges auf-
gegangen und infolge davon nicht locker und porös genug, um von den
Verdauungssäften allseitig durchtränkt zu werden , wird infolgedessen,
sowie wegen der Cellulosepartikel im Darm schlecht verwertet, etwa wie
der Pumpernickel, sodaß 19 Proz. der Trockensubstanz und über Vs
der stickstottlialtigen Substanz durch den Kot ausgestoßen werden. Mit
Recht rät daher Uffelmann-, dies Brot dadurch zu verbessern, daß
man die im gebeutelten Ptoggenmehl hinterbleibende Kleie sehr fein ver-
mählen läßt. Dadurch wird die Ausnutzung des Brotes wesentlich
besser (S. G7), noch besser, wenn die Gärung so geleitet würde, daß
ein lockeres, poröses Gebäck resultierte.
Bei dem relativ leichtem Verderben , dem das Brot zumal in der
Feuchtigkeit beim Transport ausgesetzt ist (altbacken werden, verschimmeln
u. a.), hat man den Versuch gemacht, für den Kriegsfall das Brot z. T.
oder ganz durch ein wasserärmeres, infolgedessen weniger voluminöses
und gehaltreicheres Gebäck, den Zwieback, zu ersetzen, der bei nur 12
bis 15 Proz. Wasser etwas mehr Eiweiß (8,5 Proz.) und die Hälfte mehr
an Kohlehydraten (75 Proz.) enthält. Bei allen unzweifelhaften Vor-
zügen und bei der großen Haltbarkeit des Zwiebacks hat man leider
die Erfahrung gemacht, daß er wegen seines weniger ausgeprägten,
nicht säuerlichen , eher etwas faden Geschmackes schon nach einiger
Zeit nur mit Unlust verzehrt wird und auch wegen seiner festeren Form
in größeren Mengen weniger bekömmlich ist, als das Brot, sodaß er
allenfalls das letztere bis zu einem gewissen Grade vertreten, nicht aber
für die Dauer ersetzen kann.
Abgesehen von den nicht weiter zu beanstandenden Getreidemehlen,
Grütze, Reis, Hülsenfrüchten, Gemüsen, welche in der Regel mit dem
Fleisch zusammengekocht gegeben werden, ist die Ration an Kar-
toffeln, welche in den verschiedenen Portionen 1500— 20CX3 g pro
Mann und Kopf i)etragen soll, entschieden zu hoch. Man wird Roth
und Lex^ beistimmen, wenn sie die Ration auf 4(X)— 800 g herab-
setzen wollen, zumal auch in der englischen Soldatenportion nur 450 g
Kartoffeln geliefert werden.
Daraus ergiebt sich zur Erzielung des obigen Kostmaßes
in der Garnison im wesentlichen eine Kombination von 150 g
Fleisch, 750 g P>rot, 400 g Kartoffeln, 70 g Reis und «lazu noch 45 g
Schmalz; im Manöver dasselbe, nur 250 g Fleisch und 05 g Schmalz;
III
IIJ IMMANUEL MUNK,
im Kriege, sonst dasselbe, nur 350 g Fleisch und 80 g Schmalz oder
Speck.
Wie für jeden Erwachsenen, so erweisen sich auch beim Soldaten,
vollends bei Strapazen und Entbehrungen, die alkaloidhaltigen Genuß-
niittel, in erster Einie Kartee und 'J'abak , von hervorragender Be-
deutung, wenn es gilt, das Hunger- und Durstgefühl für einige Zeit zu
beschwichtigen , die Stimmung und das Kraftgefühl zu heben und so
die sinkemlen Kräfte für einen gegebenen Zweck energisch anzu-
spannen. Dagegen erweisen sich die alkoholischen Genußmittel, beson-
ders die den Alkohol in ziemlicher Konzentration enthaltenden Brannt-
weine, in dieser Beziehung als trügerische Reizmittel, insofern sehr bald
die Keizwirkung vertiiegt und die entgegengesetzte Wirkung, eine all-
gemeine k()rperiiche und geistige Erschlart'ung, eintritt.
Auch auf die zweckmäßige Einteilung der Tagesration in einzelne
Mahlzeiten wird seitens der Verptlegungsvorstände geachtet werden
müssen, damit nicht zeitweise der Magen überladen und die Leistungs-
fähigkeit beinträciitigt wird, zu anderer Zeit wiederum Hungergefühle
sich einstellen , welche vom Centralnervensystem aus eine allgemeine
Depression, das Gefühl der Schwäche und Arbeitsunfähigkeit erzeugen.
Es wäre wünschenswert, daß das Frühstück etwa 20 Proz., das Mittag-
essen 50 Proz. und das Abendessen etwa 30 Proz. von den gesamten
Nährstorten der Tagesration enthalten. Da in der Regel noch zwei
Zwischenmahlzeiten genossen werden, so ist unter Frühstück der Morgen-
imbiß und die Zwischenmahlzeit (2. Frühstück), unter Abendessen das
Abendbrot nebst dem Vesperbrot gemeint. Allein in der deutschen
Armee ist noch z. Z. die zumeist kompagnieweise erfolgende Ver-
pflegung gewöhnlich so beschatten, daß dieser wünschenswerte Nährstoff-
gehalt in den gelieferten Mahlzeiten, einschließlich der pro Kopf und
Tag entfallenden 750 g Brot, sich nicht findet, am ehesten noch im
Mittagessen. Zum Frühstück und zum Abend wird in der Regel Kaffee
oder eine Mehlsuppe geliefert und, wenn die Leute dazu je 250 g Brot
genießen, können mit der Suppe und dem Brot 20 resp. 30 Proz. der
Tagesgabe an Eiweiß und Kohlehydraten vielleicht knapp gedeckt werden,
aber dann fehlt es in beiden Mahlzeiten mindestens an je 15—20 g Fett,
da, wie schon erwähnt, keine der Friedens- oder Kriegsportionen extra
Fett (Schmalz) liefert. Kein Wunder, wenn daher sich ein sog. Fett-
hunger ausbildet, wenn der Mangel an Fett in der gelieferten Ver-
pflegung die Leute instinktiv dazu treibt, Fett in Form von Speck oder
Schmalz oder Käse aus der kargen Löhnung oder aus eigenen Mitteln
zu bestreiten. Eine etwas niedrige Fettquote findet sich auch im
Mittagessen, das nach den Bestimmungen von Uffelmann*) an der
Mittagskost einer sonst gut verpflegten Infanteriekompagnic im Mittel
57 g Eiweiß, 20 g Fett und 190 g Kohlehydrate per Kopf bietet.
Demgegenüber bietet die österreichische Friedensportion eigens 20 g
Fett, die Kriegsportion bis zu 100 g Fett in Form von Speck oder fettem
Schweinefleisch, die holländische Portion Rindfleisch mit Schweinefleisch und
mit Speck abwechselnd, sodaß an den Schweinefleisch- und Specktagen 70
bis 150 g Fett in der Tageskost sind.
Der demnach offenkundige Mangel an Fett in den Portionen des
deutschen Reichsheeres (neben einem gleichfalls nicht zu rechtfertigenden
enormen Ueberschuß von Kartoffeln) hat zu Vorschlägen, wie dem abzu-
EinzelorDähruug und Masseuoruäliruug. 113
helfen sei, geführt ; imJes hiit sich bisher die Ileresverwaltung gegen
fast jede Neuerung mit der Angabe gesperrt, dab mit dem für die Ver-
])Hegung verfügbaren geringen (ieldbetrag, pro Kopf und 'Jag etwa 28
Pfennige (außer dem extra gelieferten Hrot), Besseres sicli nicht leisten
lasse, vollends nicht ein Zuschuß an dem teuren Fett. Demgegenüber hat
hat Buch hol tz ^) nicht nur nachgewiesen, daß sich ohne Erhöhung der
Verpflegungskosten die Ration zweckmäßiger und fettreicher herstellen
läßt , sondern auch 30 verschiedene , sehr rationell kombinierte Kost-
rationen angegeben , von denen bei den üblichen Preisen des Einkaufes
der Lebensmittel im Großen keine den Satz von 28 Pfg. pro Koj)f und
Tag übersteigt. Dabei bieten diese Rationen im Mittel 1 15 g Eiweiß,
5ü g Fett und ö(X) g Kohlehydrate, also dem theoretischen und praktisch
erprobten Bedarf entsprechend.
Im Felde, ja schon im Manöver ist häufig aus Mangel an Zeit die
Einhaltung der Mahlzeitordnung unmöglich, sodaß die weit überwiegende
Quote der Tagesportion in einer Hauptmahlzeit aufgenommen werden
muß, die dann, wenn irgend möglich, in die Mitte oder an den Schluß des
angestrengten Dienstes (8 — lO-stündiger Marsch mit 20 kg Belastung) zu
verlegen ist. Höchst selten muß für diese einzunehmende Hauptmahl-
zeit einschließlich deren Zubereitung eine Zeit gewählt werden, wie sie
sich eben bietet, ohne daß genügend Muße bleibt, das Fleisch nebst
Gemüse, Kartofleln u. s. w. regelrecht abzukochen ; sondern nur so viel,
um das Fleisch allenfalls genießbar herzustellen und nach Verzehr
desselljen sofort weiterzumarschieren. Bei einer solchen , nur reich-
lich Eiweiß neben wenig Fett bietenden Mahlzeit erfolgt die Resorption
und der Zerfall des Eiweißes zu schnell, als daß nach 7 — 10 Stunden
noch im Blute von der Nahrung herrührendes , zersetzbares Eiweiß-
material vorhanden wäre; dann sinkt der Eiweißumsatz auf die Größe
des Huugerwertes ab. Einen gleichmäßigeren Ablauf des Eiweißzer-
falles und damit eine vorteilhaftere Wirkung in Bezug auf den Nähr-
effekt, das Kraft- und Sättigungsgefühl erzielt man dadurch, daß man
neben Fleisch stärkemehlreiche Mittel, wie Kartofleln, oder wenn selbst
zu deren Abkochung die Zeit nicht reicht, Brot verzehren läßt, sodaß
etwa 100—150 g Kohlehydrate zu gleicher Zeit in den Darm gelangen,
welche nach ihrem Uebertritt in die Säfte die Zerstörung des Eiweißes
(und Fettes) beschränken und damit einen gleichmäßigeren Ablauf in
der Resorption und Zersetzung des Eiweiß bewirken.
Die Schwierigkeit, mit welcher früher die Verpflegung im Kriege
oder auf Expeditionen zu kämpfen hatte, daß nämlich die Animalien,
insbesondere das frische Fleisch, infolge des tagelangen Transportes,
aber auch z. B. das Brot durch Verschimmeln verdarb und ungenießbar
wurde, hat sich in neuerer Zeit wesentlich ermäßigt infolge der fabrik-
mäßigen Herstellung von konservierten Lebensmitteln , welche mit
kleinerem Volumen und Gewicht und also leichterer Transportfähigkeit,
als die frischen, große Haltbarkeit verbinden. Aus dieser Gruppe der
Konserven*) sei hier nur als auf die wichtigsten hingewiesen:
Büchsenfleisch, Salz- oder P()kelfleisch, Speck, Erbswurst, Zwieimck,
Suppentafeln, gemahlene Kafl'eebohnen u. a. Wenn auch die meisten
von ihnen nicht den angenehmen Geschmack der frischen oder frisch
zubereiteten Substanzen haben und deshall) zum dauernden Genuß nicht
wohl geeignet sind, so können sie doch als zeitweiser Ersatz der nicht
*) Da« Nähere über ihre Zusainmon^etaunK biehj auter ,,Nahran){smiltel'
Handbuch der Ily^ene. Bd HI. Abtlg. 1 8
>«3
114 IMMANUEL MUNK.
ZU bescbaffeudeu frischen Lebensmittel außerordentliche Bedeutung ge-
win non.
Im Feindesland oder auf Expeditionen kann aber auch der Fall
sich ereij^nen, daß infolge schlechter Wege oder aus Mangel an Trans-
portmitteln oder infolge Abschneidung des der Truppe nachrückenden
Transportes seitens des Feindes für 1 — 2 Tage die Zufuhr von Lebens-
mitteln ganz stockt. Für solche Notfälle dient der von den Mann-
schaften mitzuführende eiserne Bestand. Derselbe muß eine wenig
voluminöse, möglichst konzentrierte, unbegrenzt haltbare Nahrung für
mindestens 2 Tage abgeben, d. h. alle Nährstotie und Genußmittel in
für 'J Tage ausreichender Menge enthalten, also 240—260 g Eiweiß,
160—200 g Fett und 1000 g Kohlehydrate außer den Gewürzen und
Genußmittelu, entweder an sich, schon im rohen Zustand schmackhaft
und genießbar sein oder dies durch kurzes Kochen mit Wasser werden,
und alles in allem höchstens das Gewicht von 2 kg erreichen, um die
Mannschaften nicht zu sehr zu beschweren. Auch die Herstellung des
eisernen Bestandes ist durch die Verwendung der oben genannten Kon-
serven wesentlich erleichtert worden.
Die beim deutschen lieichsheer vorgeschriebene, auf 3 Tage be-
messene eiserne Portion bietet nach Gauser'^ im Ganzen entweder
1500 g Zwieback, 1100 g Salzfleisch und 375 g Reis (pro Tag 133 g
Eiweiß, 23 g Fett, 470 g Kohlehydrate) oder 500 g Zwieback, 510 g
Speck, 376 g Graupen (pro Tag 70 g Eiweiß, 136 g Fett, 465 g Kohle-
hydrate). Die erstere Kombination ist zu fettarm, die zweite wiederum
eiweißarm; zudem sind beide, auch im zubereiteten Zustande, wenig
schmackhaft, sodaß sie allenfalls zur Not genießbar sind, aber zumeist
mit Widerwillen und Unlust verzehrt werden. Endlich haben sie ein
Gewicht von 3 kg; ein solches von 2 kg, d. h. eine für nur 2 Tage
reichende Portion, sollte nicht überschritten werden.
Als passende Kombinationen für auf 2 Tage bemessene, 1770—
1950 g wiegende eiserne Bestände empfiehlt Uffelmann^ mehrere,
z. B. 700 g Schinken mit Speck, lOUO g Zwieback, 150 g Kartoflel-
präserve, 40 g KaÖee, 20 g Kochsalz.
Auch die Lieferung von Tabak als eines wichtigen Genußmittels ist
zu befürworten. Die österreichische Kriegsportion bietet 35 g
Rauchtabak pro Kopf und Tag, während in der großen Kriegsportion
des deutschen Heeres nur im Feindesland 50 g Tabak vorgesehen sind,
welche auf dem Wege der Requisition beschaut werden können.
1) Forster, a. a. O. 380.
2) Uffelmann, a. a. O. 404, 407, 412.
3) Eoth k Lex. MüüärgemndheiUpflege 2. Bd. .57.5.
4) Buchholtz, Ratgeber für den Menagebetrieb der Truppen, Berlin (1882) 129, 133.
5) Gauser. A. f. H. 3. Bd. 500.
§. 3. Massenernährung der Gefangenen.
Die Gefängniskost soll, wie oben (S. 92) besprochen, nicht mehr
Nährstofle (und Genußstoffe) bieten, als zur Erhaltung des stofflichen
Gleichgewichtes eben ausreicht. Ein Mehr würde den Zweck der Be-
strafung vereiteln, ein Weniger die Gesundheit gefährden und damit
die Erwerbsfähigkeit nach der Entlassung aus der Strafhaft schädigen,
114
Einzelernähruiii; und Massoneruährung. 115
unter l'niständen so^ar viTiiiclitcn. Für den nioralisch noch nicht ganz
Verkommenen bietet das Leben im Gefängnis eine Reihe von jisychisch-
deprimierenden umi damit auch die Funktion der Organe, u. a. auch
des Verdauungsapparates schädigenden Momenten: der Aufenthalt in ge-
schlossenen Räumen, der Mangel an freier Bewegung, die stete Beauf-
sichtigung , die andersartige Beschäftigung , als die Inhaftierten sie
draußen geübt (Dütenkleben, Verfertigung von Pappschachteln, Cigarren-
wickeln u. a.), Grund genug, diese mit der Strafliaft unerläßlich ver-
bundenen, morahsch und somatisch ungünstigen KinHüsse nicht noch
durch eine, sei es quantitativ, sei es qualitativ, mangelhafte Ernährung
zu steigern.
Für die nur leichte Arbeit verrichtenden Insassen
der Gefängnisse haben wir oben ein Kostniaß von
90 g Eiweiß, 35 g Fett und 350 g Kohlehydrate (2130 Kai.)
abgeleitet und für kleinere, schwächliche Männer, sowie für
Weiber (mit Ausnahme besonders großer und schwerer) den niedrigsten
Satz von C. Voit:
85g Eiweiß, 30g Fett, 300g Kohlehydrate (1858 Kai.)
zugelassen.
Dagegen muß den in der Regel stark arbeitenden Zucht-
häuslern der Satz für „mittlere Arbeit" mit
100—110 g Eiweiß, 56 g Fett und 500 g Kohlehydrate
(3a)U Kai.)
bewilligt werden. Dieselbe Ration kommt auch den Insassen der
Arbeitshäuser zu.
Nun enthält allerdings das Speiseregulativ verschiedener deutscher
Strafanstalten Kostsätze, welche den vorstehenden Normen sich nähern,
ja sie z. T. zu übersteigen scheinen, so z. B. nach A. Baer ' in den
Gefängnissen 117 g Eiweiß, 32 g Fett, 597 g Kohlehydrate,
Zuchthäusern 140 „ „ 35 „ „ 736 „ „
Da indes die Gewichtsmengen nur dem Speisetarif entnommen bez.
aus den verwendeten Rohmaterialien berechnet sind , ohne die bei der
fast ausschließlich pflanzlichen Kost beträchtlichen, zwischen 2 und
30 Proz. schwankenden Küchenabfälle in Abzug zu bringen, so dürften
sich die angegebenen Sätze, die Küchenabfälle zu rund 20 Proz. ge-
schätzt, um ein volles Fünftel ermäßigen, sodaß die Tagesration in den
Gefängnissen nur 94 g Eiweiß, 25 g Fett, 480 g Kohlehydrate ein-
schließt. Thatsächlich bot die tägliche Kost in der Strafanstalt
Plötzensee (bei Berlin) nach den Bestimmungen von Meinert^ im
Mittel nur 72 g Eiweiß, 2H g Fett und 550 g Kohlehydrate, und dabei
wurden von 21 auf ihr Körpergewicht geprüften Leuten 16 erheblich
magerer und nur 5 schwerer.
Der generelle Mißstand, an dem, von England abgesehen, die Ge-
fängniskost der meisten Länder litt, war der, daß sie fast nur Vege-
tabilien, sehr wenig Animalien und nicht jeden Tag, zu wenig Fett und
zu viel Kohlehydrate bot. Neuerdings hat sich in dieser Hinsicht ein
vorteilhafter Wandel vollzogen. Selbst wenn die thatsächlich in der
Kost enthaltene Menge der einzelnen Nährstofl'e die obigen Kostsätze
erreicht, so ist damit noch nicht gesagt, daß die daraus ausgenutzten
Xährstotfe dem Bedarf genügen, solange wir nichts ülier die Verwertung
der Kost im Darni wissen. In dieser Hinsicht ist sicher einmal, daß
die Vegetabilien schon an sich, mit wenigen Ausnahmen, schlechter ver-
wertet werden und noch um so schlechter, je weniger sorgfältig die
8*
"5
1 U) I M M A N VEL AI l' N K ,
Zubereitung, je größer das Volumen ist und je größere und derbere
Stüeke sieh darin finden. Kndlich ist für die Ausnützung i)lianzlicher
Kost auch die freie Köri)erbe\vegung, wie es scheint, nicht ohne Einfluß.
Bezüglich aller dieser Momente ist auf den 1. Teil des 3. Abschnittes
zu verweisen. Ist es somit schon für den frei Lebenden außerordentlich
schwer, von einer rein pflanzlichen Kost auf die Dauer, unbeschadet
seiner Gesundheit und Leistungsfähigkeit, zu leben, so scheint nach den
Erfahrungen zahlreicher, gut beobachtender Aerzte dies für den Ge-
fangenen rein unm()glich zu sein. Audi mußte es schon die Auf-
merksamkeit auf sich lenken, daß in England, wo den Gefangenen
täglich 117 g Eleisch verabreicht werden, die Erkrankungs- und Sterbe-
ziffer (Morbidität und Mortalität) der Insassen erheblich niedriger war,
als in den anderen Ländern, wo sehr wenig Auimalien und Fleisch nur
selten gegeben wurde.
Welchen Unterschied in Bezug auf die Ausnutzung ein Zuschuß
an Animalien und ein entsjjrechender Abzug an den Vegetabilien be-
dingt, ergeben Schuster 's ^) Untersuchungen über die Ausnützung
der Nahrung. Im Zuchthause, wo nur Vegetabilien (Brot, Hülsen-
früchte, Kartoffeln , Gemüse) zur Verwendung gelangten und es nur
3 mal in Woche je 60 g Eleisch gab, wurden von den gebotenen 104 g
Eiweiß nur 78 g = 72 Proz. thatsächlich ausgenützt, dagegen im Ge-
fängnis, wo es täglich 116 g Eleisch und weniger Vegetabilien (nur
etwa =*/5 so viel als im Zuchthaus) gab, wurden von den eingeführten
87 g sogar 76 g Eiweiß = 87 Proz. im Darm verwertet.
Bezüglich des niedrigsten Zuschusses von Animalien, der
die sonst vegetal)ilische Nahrung zu einer ersprießlichen zu gestalten ver-
mag, gehen die Ansichten der Gefängnisärzte auseinander. In den belgi-
schen Gefängnissen, sowie in dem Strafgefängnis Plötzensec sah man durch
Verabreichung von je 100 g Schlachtfleisch (= 80 g knochenfrei) an
nur 4 Tagen der Woche und von etwas (50 ccm) Milch eine entschiedene
Besserung im Befinden und in der Eßlust ; noch bessere Resultate haben
Krohne und Leppmann^ in der Strafanstalt Moabit (bei Berlin)
dadurch erzielt, daß sie , ohne wesentliche P>höhung der Verpflegungs-
kosten, Häringe, Magermilch und Käse in die Kost der fleischfreien
Tage einfügten. Auch Buttermilch dürfte sich we,.,'en ihres Eiweiß- und
Zuckergehaltes und ihrer leichten Verdaulichkeit, aber in Rücksicht auf
die zahlreichen darin vorhandenen Garungserreger (Mikroorganismen)
nur für Gefangene mit intaktem Verdauungsapparat empfehlen ^.
Wenn auch der erwähnte Zuschuß von Animalien zur Pflanzennahrung
genügt, um die Eßluft rege zu halten und den Körper vor Erkrankungen
zu bewahren, so giebt es doch in jeder Anstalt eine kleinere oder größere
Zahl von Menschen, für welche dieser Zuschuß nicht hinreicht, zumeist
deshalb, weil die Betreffenden vor ihrer Einlieferung an reichliche
Mengen von Animalien gewöhnt waren oder einen , insbesondere gegen
derbere, cellulosereiche pflanzliche Kost emi)findlichen Verdauungsapparat
besitzen oder schon leidend und schwächlich hineingekommen oder
durch irgend eine an sich nicht schwere P>krankung schwach und
appetitlos geworden sind. Solche Individuen erhalten nach Baer's
nachahmenswertem und auch vielfach befolgten Vorgang eine Extrazulage
von 125 — 150 g Eleisch oder von 500 ccm Milch, auf Anordnung des
Arztes unter Umständen P'leisch und Milch, Magenkranke daneben noch
statt der gewöhnlichen schweren, hülseufruchtreichen Kost leichter ver-
dauliche Mehlgerichte und Gemüse (s. später).
ii6
Einzelernährung iinil Massenornilhning. 117
Da die zur Kost vt'rwcndi'ten Vej,'ctaliilioii Kett nur minimal ent-
halten, bedarf es zur Erreicliunj^' der l'ett(}U(»te eines besonderen Zu-
schusses, und zwar wird in den preußischen Gefangnissen per Tag 25 g
Fett extra veralifolgt. Wenn damit auch für den leicht arbeitenden
Gefangenen annähernd der Bedarf gedeckt werden kann, ist dies nicht
für den arbeitenden Zuchthäusler der Fall, der, um seinen Kettsat/, von
5G g zu erreichen, entweder 45 g Schmalz oder neben 25 g Fett noch
etwa GO g Fettkäse erhalten müßte.
Unter den Vegetabilien steht quantitativ obenan das Brot, wovon
in Preußen (325—050 g, anderswo f)(X) — 850 g verabreicht werden.
650 g Brot genügen dem Bedarf des leicht und schwerer arbeitenden
Gefangenen. Das gelieferte Brot ist Roggenbrot von ganzem Korn, sog.
Schrotljrot, und wegen der Beimischung der gesamten Kleie weniger
bekömmlich und schlechter ausnützbar (S. 07) als solches, das nur einen
Teil der Kleie enthält, wie das Kommißbrot, das auch schon schlecht
genug ausgenützt wird. Durch feinere Vermahlung der Kleienbeimengung
würde auch hier das Brot ohne wesentliche Verteuerung sich besser
bekömmlich und besser ausnützbar herstellen lassen.
Nächst dem Brot kommen die Hülsenfrüchte, welche sehr hohen
Eiweiß- und Kohlehydrat- und mäßigen Fettgehalt besitzen und, mit Wasser
gar gekocht, in Suppen- und Breiform auch gut im Darm verwertet
werden. Leider sind sie wenig schmackhaft und nur durch Gewür/e,
über welche der knapp zugeschnittene VerpHegungsetat nicht verfügt,
schmackhaft herzustellen. Zudem werden sie von vielen schlecht ver-
tragen und durch reichliche Gasbildung im Darm lästig. Man sollte
sie deshalb in der Kost beschränken und statt ihrer einen Tag um den
anderen die leicht verdaulichen Getreidemehlgebäcke oder Reis geben.
Gefangene, welche die Hülsenfrüchte schlecht vertragen, können im
Gefängnis Plötzensee auf ärztliche Verordnung statt derselben Fleisch-
brühe mit Reis oder Gries und Gemüse neben Fleisch bekommen. Auch
diese von Baer eingeführte „Mittelkost" hat sich als sehr zweckmäßig
bewährt.
Reichlich enthält das Mittag- und Abendessen auch Kartoffeln, von
denen indes nicht mehr als höchstens 500 g pro Kopf und Tag gegeben
werden sollten. Daneben werden Getreidemehle zu Suppen, (irütze zu
Suppen und Brei, Kohl- und Rübenarten zum Mittag- und Abendessen
verwendet.
Von den Würzstoffen, welche zur Schmackhattigkeit der Speisen
und zum Regehalten des Appetits wesentlich beitragen, können aus
ökonomischen Rücksichten nur Kochsalz, Zwiebeln, Suppengrünes und
allenfalls Essig verwendet werden. Kaffee giebt es nicht, statt desselben
am Morgen eine Suppe, event. dazu 50 ccm Milch. Dagegen ist es in
den preußischen Anstalten den Gefangenen gestattet, sich andere Ge-
nußmittel, wie Tabak, event. Bier oder einen lläring oder auch Zucker,
aus dem durch überstündiges Arbeiten erzielten Verdienst anzukaufen; sie
werden von der Gefängnisverwaltung etwa zum Sell)Stkostenpreis abgelassen.
Selbst wenn man von <lem in der Gefängniskost zumeist vorhandenen
l' ebermaß der Vegetabilien, der geringen Fettration und dem nur an
einigen Tagen genügenden Zuschuß an Animalien absieht , so liegt
wesentlich in der Zubereitung der Kost und insbesondere des Mit-
tag- und Abendessens der wunde Punkt, welcher früher in noch hidierem
Grade als in neuerer Zeit, wo sich schon vieles in dieser Beziehung ge-
bessert hat, die Kost zu einer ungünstigeren und für die Dauer Vielen
H7
llÖ IMMANUEL MUNK.
unerträglichen gestaltet hat. Die mangelhafte, nicht sorgfältige Zube-
reitung, SDtiaß die Vegetabilien nur halbgar werden, die geringe Schmack-
haft igkeit infolge des Mangels oder ungenügenden Zusatzes von Ge-
würzen, die stete Eintönigkeit in Geschmack, Form und Konsistenz,
vor allem die stets sich gleich bleibende breiartige Konsistenz des sog.
zusanimengekochten Essens, alle diese Momente, die schon im 1. Teil
des o. Abschnittes beleuchtet wurden (S. 55 — 62), sind es, welche
insbesondere in früherer Zeit, bevor man darauf zu achten gelernt hat,
zu dem „Abgegessenseiu", Appetitlosigkeit bis zur Brechneigung und
Würgebewegung, Dyspepsie und zeitweise gänzlicher Abstinenz der Nah-
rungsaufnahme geführt haben, infolge deren die an sich schon wenig
kräftigen Leute schnell herunterkommen, bald unter unstillbaren Durch-
fällen, bald unter hartnäckiger Verstopfung, und schließlich der Lungen-
schwindsucht oder interkurrenten Krankheiten zum Opfer fallen. Wir
haben bereits gesehen, daß das breiige zusammengekochte Essen außer-
ordentlich wasserreich ist, 80 Proz. Wasser und darüber enthält, und
daß darin die schädliche Wirkung zu liegen scheint, insofern der Ge-
fangene bei der geringen Körperbewegung, die er sich machen kann,
nicht imstande ist, sich dieses Wasserüberschusses zu entledigen. Des-
halb empfiehlt es sich, etwa einen Tag um den Tag die breiige mit
weichkonsistenter Kost abwechseln zu lassen, ferner durch Zugabe von
Animalien und durch verständige und dabei ökonomische Abwechselung
in den zugesetzten Gewürzen auch Aenderungen im Geschmack der
Speisen, endlich durch eine, dem Zusatz der Animalien entsprechende
und den obigen Kostnormen angepaßte Verringerung der Vegetabilien
und des Wassers eine Verkleinerung des Volums der täg-
lichen Speisen eintreten zu lassen. Letzteres ist ein um so drin-
genderes Postulat, als noch jetzt die zubereiteten Speisen einschließlich
des verzehrten Brotes mindestens 2750 g wiegen, was entschieden zu
hoch ist. Ein Tagesvolum, das 2000 g, vollends 2300 g übersteigt,
ist viel zu groß, überlastet den Darm und führt bei habitueller
Einführung zu einer dauernden Erweiterung des Verdauungsapparates
mit Herabsetzung seiner chemischen und motorischen Funktion (S. 60).
Während in Oesterreich schon im Strafurteil die Einschiebung eines
Fasttages ein- bis zweimal im Monat als Straf Verschärfung ausge-
sprochen werden kann, wird in Preußen von der vorübergehenden
Nahrungsentziehung nur als Disziplinarstrafe gegen renitente,
sich der Anstaltszucht nicht fügende Gefangene in seltensten Fällen
Gebrauch gemacht; selbstverständlich darf dieses Mittel nur bei
noch leidlich kräftigen und sonst gesunden, nie aber bei schon ent-
kräfteten Menschen angewendet werden. Auch die Verschärfung der
Strafhaft durch Verurteilung zu Wasser und Brot ist als eine
teilweise Entziehung der Nahrung anzusehen, da das Brot zwar wert-
volle Nahrungsstoffe enthält, aber selbst bei der größten Menge, die
davon neben Wasser aufgenommen werden kann, sagen wir 750 g, keine
Nahrung vorstellt, weil darin zwar 50 g Eiweiß und 340 g Kohlehydrate
sind, davon aber nur 35 g Eiweiß und 310 g Kohlehydrate resorbierbar,
eine Nährstotlmenge, die selbst bei größter Körperruhe weit davon ent-
fernt ist, dem Bedarf zu genügen.
Die Untersuchungsgefangenen sind von den Strafgefangenen
insofern zu trennen , als es sich hier ja nicht um zu Strafe verur-
teilte Individuen handelt, sondern nur um solche, welche zur Ver-
hütung der Gefahr einer Verdunkelung des Thatbestandes bei freiem
ii8
Einzelernähning und MassenernäbruDg. 119
Verkehr mit der Außenwelt oder wegen Fluchtverdachtes u. s. w. unter
sorgfältiger Aufsicht gehalten werden , ohne daß aber die Möglichkeit
ausgeschlossen ist, sie als unschuldig zu erkennen oder mangels ge-
nügender Beweise freisprechen zu müssen. Deshalh muß durch quanti-
tativ und qualitativ genügende Kost gesorgt werden, daß solche nur in
Sicherheitshaft (Jenommene an ihrem Wohlbefinden und ihrer Leistungs-
fähigkeit keinen Schaden leiden ; auch muß es ihnen, wie dies in vielen
Ländern und mit Recht erlaubt ist, gestattet werden, sich aus eigenen
oder ihrer Verwandten oder Freunde Mitteln nach ihrer Wahl zu be-
köstigen oder wenigstens zu der gelieferten Kost sich die ihnen wün-
schenswert erscheinenden Zuschüsse durch Ankauf von der Gefängnis-
verwaltung zu i)eschaffen.
Was endlich die jugendlichen Gefangenen im Alter von
15 — 18 Jahren anlangt, so muß bei ihrer Ernährung einmal berück-
sichtigt werden, daß ihr Körper gerade in rascher Entwickelung be-
griffen ist und deshalb durch eine unzweckmäßige oder ungenügende
Ernährung schwer, event. für das ganze fernere Leben geschädigt werden
kann. In Rücksicht auf das rapide Körperwachstum muß man ihnen
annähernd dieselbe Ration als den schon erwachsenen Gefangenen be-
willigen, also
85—90 g Eiweiß, 35 g Fett und 350 g Kohlehydrate (rund
2100 Kai).
Von Animalien ist mindestens einen Tag um den anderen Fleisch (125 g
Schlachttieisch = 100 g kuochenfrei), an den Zwischentagen ein Hering
oder 50 g Käse, an allen Tagen zweckmäßigerweise 200 — 250 g Milch
zu geben. Die Brotration soll 500 g nicht erreichen, geschweige denn
übersteigen. Von sonstigen Vegetabilien sind zu verwenden: Getreide-
mehl und Hülsenfruchtmehl zu Suppen, Kartotieln, nicht über 350 g
pro Tag, grüne und Wurzelgemüse (Kohl, Morrüben). Alkaloidhaltiger
oder alkoholischer Genußmittel bedarf es nicht. Zweckmäßige Zu-
sammenstellungen für die Tagesration jugendlicher Gefangenen giebt
Uffelmann^; eine solche besteht z. B. aus 250 g Milch, 125 g
Schlachtfleisch, 450 g Brot, 350 g Kartotteln, 125 g Mehl zu Suppen,
150 g Gemüse, 30 g Schmalz. Die gelegentlich in Gefängnissen auftretenden
Skorbutepideraien, welche den größten Teil der schon an sich
wenig resistenten Gefangenen befallen und infolge der Blutverluste und
Entkräftung oder sich anschließender Nachkrankheiten (allgemeine Wasser-
sucht) einen großen Prozentsatz von Opfern gefordert haben, sind dank
den hygienisch-günstigeren Verhältnissen (trockne Gefängniszellen, reich-
liche Lüftung, bessere und zweckmäßigere Ernährung) höchst selten
geworden. Den kali reichen Wurzelgewächsen und frischen grünen
Gemüsen (Kartotfeln, Rüben, Mohrrüben, Kohl) rühmt man eine auti-
skorbutische Wirkung nach; in ähnlicher Weise soll auch der größere
Fettgehalt ' der Kost von günstigem Einfluß sein (vergl. S. 29).
1) A. Baer, Die (itf<ingnitse, Strafanstalten und Strafsysteme, Berlin (1871); Vf. öf- Ott.
8 lid. 601; BlätUr für Gffängniikunde 18. Bd 323.
2) Melnert, a a. O.
3) Schuster, hti Voit a. a. O. 14 2.
4) Krohne & Leppmann. Berl klin. Woeh. (1890) No. 30.
5) C. Voit. Miinrh. med. Hoch (1886) No. 1 f.
6) Uffelmann, a. a. O 379.
7) Felix, r /. öff. Oei. 3 Bd Hl; vergl aurh LUeratur S. 31 {No. 5—7).
I iq
120 IMMANIKL MUNK,
V? 4. M as se T1 ern ährung in A rnie n h äiisern und Ver-
so rgii iigsan s t alten.
Während in den Armenhäusern solche r.eute verpflegt werden,
welche, z. T. noch in «len besten Jahren stehend und ziemlich arbeits-
fähig, infolge längerer Arbeits- und P'rwerbslosigkeit dem (Jemeinde-
verband zur Last fallen , für die ihnen gewährte Kost und Wohnung
aber noch mehr oder weniger Arbeit zu leisten haben, linden in Ver-
sorgungsanstalten solche Individuen rnterkunft, welche durch Alter
oder körperliche Gebrechen (unheilbare chronische Kränkelten, Siechtum,
Blindheit, Taubstummheit) arbeits- und erwerbsunfähig geworden sind;
danach bezeichnet man die Versorgungsanstalten als Altersversorgungs-
anstalten oder Pfründen, Sicchenhäuser, Idioten-, Blinden- und Taub-
stummenanstalten. In der Mehrzahl dieser Anstalten werden die ver-
mögenslosen Insassen aus öfl'entlichen oder privaten Mitteln, oder aus
solchen milder Stiftungen verpflegt, doch giebt es auch Anstalten, in
denen mäßig situierte , aber allein , ohne Familienanhang dastehende
Individuen der verschiedensten Altersklassen sich Unterkunft und Ver-
pflegung im geselligen Zusammenleben durch Einkauf in die Anstalt
sichern, sog. Mädchen- und Frauenheime, Witwenheime u. s. w. , noch
andere, in welche die Aufnahme weder durch Bezahlung noch auf Grund
der Mittellosigkeit erfolgt, sondern nur durch jahrelange Dienste für
den Staat erworben werden kann, wie die Invalidenhäuser. Für die
Ernährung dieser verschiedenen Klassen ist einmal zu berücksichtigen,
ob dieselbe unentgeltlich , zu Lasten des Staates oder der Gemeinde zu
erfolgen hat — in diesen Fällen wird die Verpflegung möglichst öko-
nomisch zu leiten sein — oder ob es sich um zahlende , den besseren
Ständen angehörige und vor dem Eintritt in die Anstalt an eine reich-
liche Verköstigung gewöhnte Individuen handelt'.
Für alle älteren, nicht arbeitenden Insassen dieser An-
stalten wird im allgemeinen als Erhaltungskost (S. 89) die
Voit'sche^ Norm ausreichen:
80— 90 g Eiweiß, 35— 40 g Fett, 300-350 g Kohlehydrate,
und zwar die höheren Werte für die Männer, die niedrigeren für
die Weiber. Die dauernd bettlägerigen Siechen werden infolge des
geringen Stoß'verbrauches bei Körperruhe schon mit 250 g Kohlehydrate
auskommen.
Für die an eine bessere, an Animalien reichere Kost
G ewöhn ten:
80-90 g Eiweiß, 50- 55 g Fett, 250— 300 g Kohlehydrate.
Endlich für die arbeitenden Armenhäusler zur Erhaltung
ihrer Arbeitsfähigkeit die Ration des ,.mittleren Arbeiters" (S. 85) mit
100—110 g Eiweiß, 56 g Fett, 500 g Kohlehydrate.
Die Kost der im mittleren Lebensalter stehenden, arbeitenden
Insassen der Armenhäuser wird qualitativ der verbesserten Gefängnis-
kost (S. 115) etwa entsprechen (lürfen, derart daß dieselben pro Tag
650 — 750 g Brot, femer Hülsenfrüchte, Kartoffeln (etwa 500—600 g).
Reis, Getreidemehle, Kohl- und Rübenarten, von Animalien zweckmäßig
200 g Milch, 25 g Schmalz, 4 mal in der Woche je 150 g Fleisch,
an den fleischfreien Tagen 1—2 Häringe oder Käse erhalten. In Bezug
auf Gewürze, Genußstofle, Form und Konsistenz der Nahrung trifl't das
bei der Gefängniskost Angeführte auch hier zu.
Einzelcrnährung und MaBsenornährung. 121
Bei der Verpflegung der alten, nicht arbeitenden Pfründ-
ner ist zu liedeiikon, dali dieselben wegen defekter Zähne die Nahrung
nur ungenügend /u kauen vermögen und daü dalier die Speisen schon
in flüssiger oder breiiger Form und in einem der Zerkleinerung nur
wenig l)edürttigen Zustande der weichen Konsistenz gereicht werden
müssen, daü ferner die mit dem Alter fortsclireitende Abnahme der
Energie der Organfunktiouen auch den Venlauungsapi)arat triflt, daher
sie eine voluminöse, derbe, cellulosereiche, blähende Kost, z. B. Legu-
minosen, Schwarzbrot, schlecht vertragen, endlich daß die mangelnde
Körperbewegung bez. körperliche Arbeit weder eine zu wasserreiche
(S. »i'J) noch zu voluminöse Kost gestattet. Deshalb werden die leichter
verdaulichen, weniger Ballast liefernden und relativ gut ausnützbaren
Vegetaltilien die Grundlage der Kost bilden müssen : weiches, gut aus-
gebackenes Weilibrot (Weizenbrot), Mehl zu Suppen und zu Ge-
backen (mit Schmalz), Reis und Kartoflelu in Suppen- und Breiform;
von Animalien täglich Milch und 3 mal wöchentlich Fleisch, an den
anderen 4 Tagen entweder ein Zuschuß an Milch oder Käse oder Iläring.
Auf die Tagesration wären mit Uffelmann^ zurechnen: 4(^XJ g Brot,
sex.) g Milch, 125 g Reis (abwechselnd mit 1(X) g Mehl), 250 g Kar-
tofleln, 20 g Schmalz; 3 mal wöchentlich je 125 g Fleisch, an den 4
anderen Tagen je 200 g Milch mehr und 50 g Käse oder 1 Häring.
An Genußmitteln Katiee und event. etwas Tabak. Weiber werden auch
schon mit 300 g Brot pro Tag ausreichen.
Auch für die bettlägerigen Siechen wird vorstehende Kostord-
nung sich zweckmäßig erweisen. Selbst jüngere oder im mittleren
Lebensalter stehende Sieche dürfen wegen der andauernden Bettlage
kein Uebermaß von Vegetabilien erhalten, auch wenn sonst ihr Ver-
dauungsapparat gut funktioniert. Nur werden sie wegen ihres geringeren
Bedarfes an Kohlehydraten bei der steten Körperruhe schon mit 3(X) g
Brot und 150 g Kartotfeln auskomnien können.
In den Anstalten, wo Pfleglinge der besseren Stände zum
größten Teil gegen einmalige Vorausbezahlung, sog. Einkauf, oder gegen
Entrichtung eines jährlichen Pensionsgeldes Unterkunft und Verpflegung
finden, darf die Wohlfeilheit der Verköstigung weniger in Betracht
kommen und muß hier besondere Berücksichtigung dem Umstand zu
teil werden , daß die Pfleglinge von früh an oder wenigstens seit einer
Reihe von Jahren eine an Animalien mehr oder weniger reiche,
nur mäßig voluminöse Kost zu sich genommen haben und infolgedessen
eine vorwiegend vegetabili.sche Kost weder ihrem Geschmack entspriciit,
noch den Appetit rege erhält, noch endlich dem stofllichen Bedürfnis
ihres anders gewöhnten Körpers genügt. liier würde es zweckmäßig
sein, neben 300 — 400 g Weißbrot oder gutem Roggenbrot (die kleineren
Zahlen beziehen sich auch hier auf weibliche Personen) 2(X) g Kartotteln,
100 g Reis oder Mehl, von Animalien täglich je 300 g Milch und ir)0 g
Fleisch, 30— 35 g Schmalz, sowie 40 g Käse oder 1 Häring oder 40 g Wurst
zu geben, dann würde die Ration von 80—90 g Eiweiß, 50 — 55 g Fett,
250- 300 g Kohlehydrate erreicht werden. Von Genußmitteln täglich
Katt'ee und '/j — Vg 1 Bier, event. Tabak. Diese Kombination, welche
weit über die Hälfte des Eiweißes in Animalien bietet, giebt zugleich die
Möglichkeit, in jeder Mahlzeit Animalien zu haben, so zum Frühstück
und Vcspeibrot Kartee mit Milch, Brot und Schmalz; zum Mittag neben
einer Fleisch- oder Mehlsuppe und Griesbrei Fleisch nebst Kartotteln,
zum Abendbrot ein Mehlgebäck und Brot, dazu Käse oder Hering
122 IMMANUEL MUNK,
oder Wurst. Diese höchst zweckmäßige Kost läßt sich beim Einkauf
im ("iroßen zu 80— 10(^ Pfg. ))r(> Kopf und Tag herstellen, was den
Verpriogungsetat solcher Anstaltuii nicht übersteigt.
Was endlich die Verkiistigung unbemittelter sonst gesunder, aber
blinder, taubstummer oder geistesschwacher Menschen an-
langt, so werden für die Erwachsenen unter ihnen, da dieselben keine
nennenswerte Arbeit verrichten, etwa die oberen Sätze für die Pfründner:
90 g Eiweiß, 40 g Fett, 350 g Kohlehydrate als Minimalration zutretfen.
Jüngere, noch im Entwickelungsalter stehende Individuen dieser Klassen
sind nach den oben bei den Waisenkindern entsprechenden Alters (S. 106)
abgeleiteten Grundsätzen in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu
ernähren.
11 Forster, a a O. 401 ; Z. f. B. 9. Bd 401 ; hei Voit, Untersuchung der Kost 186.
21 C Voit. Unters, d. Kost 17; Z. f. B. 12. Bd. 32.
3) Uflfelmann, o. a. O. 390.
§ 5. Massenernährung in Volksküchen.
Unter Volksküchen sind gemeinnützige Anstalten zu verstehen,
deren Aufgabe es ist, für die einer geordneten Haushaltung entbehrenden
oder fern von ihrer Wohnstätte arbeitenden , minder situierten Leute
zu möglichst billigem Preise einzelne zweckmäßig kombinierte, gut zu-
bereitete , sättigende Mahlzeiten zu liefern. Einmal infolge des Ein-
kaufes der Lebensmittel im Großen, sodann wegen der Zubereitung der
Nahrung in, 50 bis Hunderten von Einzelportionen entsprechenden
Massen, endlich infolge der unentgeltlichen Thätigkeit des Leitungs-
und Aufsichtspersonals, und weil der für sonstige Speiseanstalten
beanspruchte Unternehmergewinn hier fortfällt, werden Ijei dieser Art
des Betriebes erhebliche Ersparnisse gemacht, welche jedem Einzelnen
entsprechend zu Gute kommen, sodaß er für denselben Geldbetrag eine
viel nahrhaftere und besser zubereitete Mahlzeit erhalten kann, als dies
in allen denjenigen Speiseanstalten der Fall ist, welche zum Zweck des
Gewinnes betrieben werden, und selbst in der eigenen Haushaltung, in-
sofern dem wirtschaftlich schlechter Situierten beim Einkauf der Lebens-
mittel, des Feuerungsmaterials u. s. w. im Kleinverkehr erheblich größere
Kosten erwachsen. Solche Volksküchen , welche aus den eigenen P^in-
nahmen auch ihre Ausgaben bestreiten und somit des Odiums , daß
ihrem Besucher eine Wohlthat oder Unterstützung zu teil wird , ent-
behren, eignen sich in größeren Städten für deren zahlreiche, in kleinen
Verhältnissen lebende, aber zum Zweck ihrer Arbeitsfähigkeit einer
guten nahrhaften Kost bedürfende arbeitende Volksklasse, sodann in in-
dustriellen Centren für das große Arbeiterpersonal, und haben sich auch
wesentlich an solchen Orten Volks- und Arl)eiterküchen entwickelt, die
bei guter Leitung und genügendem Verständnis für die Geschmacks-
richtung des sie besuchenden Publikums je länger, desto besser pro-
sperieren. Endlich ist in neuerer Zeit von den Besitzern oder Leitern
großer industrieller Unternehmungen der dankenswerte und erfolgreiche
Versuch gemacht worden , gleichwie die Arbeiter in nicht zu großer
Entfernung von der Arbeitstätte um einen sehr mäßigen Preis anzu-
siedeln, so sie auch zum Selbstkostenpreise gut und möglichst bilHgzu ver-
pflegen. Von solchen Arbeiterküchen, sog. Menagen, seien als Beispiel
122
Einzeleroäbrung und MassenornäbruDg. 123
die Verpflegungsanstalten genannt, die auf den großartigen Industrie-
anlagen von Krupp (in Essen, Westfalen) errichtet sind.
Diese Anstalten liefern bei uns in Deutschland entweder nur die
Hauptmahlzeit, das Mittagessen, oder auch noch das Abendessen; in
einigen kann man auch Milchkaflee oder Thee oder leichtes Bier zu
wohlfeilen Preisen erhalten. Daneben giebt es seit Jahren in England,
neuerdings auch bei uns sog. Volks kaffee- oder Theeh auser, in
welchen die resp. Getränke nebst einen Imbiß (Brot, Butter, Milch, Käse,
Wurst) abgegeben werden. Endlich giebt es noch Volksküchen in Eng-
land, Erankreich, Belgien, in denen jedermann nach Belieben einzelne zu-
bereitete Nahrungsmittel oder Gerichte sowie Kaflee, Thee, Bier wohl-
feil kaufen kann , also z. B. 1 Portion Eleischbrühe oder Eleisch oder
Reis oder KartoÖeln oder Brot oder Gemüse u, s. w. Dagegen sind die
sog. Suppenanstalten, welche zwar eine mehr oder minder gehalt-
reiche, warme Suppe liefern und nur für die Verpflegung derjenigen in
Betracht kommen, um deren sociale Lage es so traurig bestellt ist, daß
sie nicht einmal die Kosten einer halben Mittagsportion aus der Volks-
küche (für 15 Pfg. ) bestreiten können, hier nicht mitzurechnen,
weil eben das von ihnen gelieferte Gericht weit davon entfernt ist,
selbst bei reichlichem Genuß von Brot, eine Mahlzeit abzugeben.
Das Mittagessen, die hauptsächliche oder sogar einzige von
den Volksküchen gelieferte Mahlzeit, schließt nach den Bestimmungen
von Eorster* und C. Voit^ bei süddeutschen Arbeitern 45 — 48
Proz. der gesamten Nährstofl'e der Tagesration ein; nach den Ermitt-
lungen von Uf fei mann' an norddeutschen Arbeitern nur 40 Proz.
der Tagesration, darin reichlich die Hälfte der täglichen Eettquote, aber
nur Vg der Kohlehydrate. Da nun das tägliche Kostmaß eines „mitt-
leren Arbeiters" (S^ 85) 110 g Eiweiß, 56 g Fett und 500 g Kohle-
hydrate enthalten soll, so müßte das Mittagessen, wenn es ausreichen
und den Gewohnheiten der Arbeiter entsprechen soll, etwa 50 g Ei-
weiß, 30 g Yeti und 160 g Kohlehydrate bieten. Aeltere,
weniger stark arbeitende Männer und die Arbeiterinnen werden schon
mit 40 g Eiweiß, 25—30 g Fett und 100 g Kohlehydrate in der xMittags-
kost ausreichen. Inwieweit diese NährstoÖmengen in den vorhandenen
Anstalten erreicht werden, soll nachher erörtert werden.
Die Kombination der Nahrungsmittel zum Mittagessen anlangend,
würden einmal schon wegen der Wohlfeilheit, sodann wegen des zur
Sättigung erforderlichen größeren Volums der Speisen die Vegetabilien
die hauptsächlichen Mittel bilden müssen. An sich läßt sich dagegen
um so weniger einwenden, als die Besucher der Volksküchen über-
wiegend zur arbeitenden Klasse gehören und von Jugend auf an derbere
vegetabilische Nahrung gewöhnt sind. Außerdem wird das Gefühl der
Sättigung, welches für die Arbeitsfähigkeit und Arbeitslust unerläßlich
ist, erst durch ein gewisses Volumen der Nahrung herbeigeführt, und
ein solches Volumen geben am ehesten die bei der Zubereitung reich-
lich Wasser aufnehmenden Vegetabilien. Die Gefahr, daß das Volumen
so groß wird, daß infolge Ueberladung des Darmkanals die Leistungs-
fähigkeit herabgedrückt wird, ist bei dem Volksküchenessen großenteils
schon durch den niedrigen Preis ausgeschlossen, der selbst in Vegeta-
bilien nicht Uebergroßes zu leisten gestattet. Immerhin wird man
darauf sehen müssen, daß das Gewicht der Mahlzeit lOOO g nicht über-
steigt, es sei denn daß die betrettenden Individuen von Jugend auf an
eine voluminösere Mahlzeit gewöhnt sind. Dagegen ist daran zu er-
123
124 IMMANUEL MUNK,
iiiiiern, was schon früher gebührend hervorgehoben worden ist (S. 61),
daß auch schon bei kleinerem Volumen der Mahlzeit Sättigung ein-
tritt, wenn die Speisen fettreich sind. Und gerade dies ist, wie wir
noch besprechen werden, ein, wenn auch nicht genereller, so doch
hautiger .Slilistand der Kost in Volksküchen, daß sie zu fettarm ist;
unter die ol)ige Quote von oO g Fett sollte der Gehalt der Mahlzeit
nur dann und auch dann nur wenig sinken, wenn reichlich Eiweiß ge-
boten wird.
Außer dem in Form von Schmalz bei der Zubereitung der Speisen
zugesetzten Fett soll die Mahlzeit noch andere Animalien enthalten,
und zwar, wenn möglich, jeden Tag mindestens 150 g Schlachtfleisch
(^ 120 g knochenfrei) oder entsprechend 1 — 2 Häringe und, was zur
Herstellung mancher Gerichte (z. B. Milchreis, Kartotfelpur6e) erforder-
lich, Milch zu etwa 150 g i)ro Kopf. Behufs Abwechselung im Geschmack
winl man zweckmäßig bald Rindfleisch, bald fettes Schweinefleisch, bald
Pökelfleisch, bald Hammelfleisch, bald Häringe, bald stark durch-
wachsenen Speck verabreichen. Von Vegctabilieu kommen hauptsäch-
lich in Betracht: Getreidemehle zur Bereitung von Klößen, Hülsen-
früchte (Erbsen, Bohnen, Linsen), in Breiform zubereitet, Reis (als
Milchreis), Kartotfeln (höchstens 500 g pro Kopf), Mohrrüben und
Kohlarten, Backobst (als Zusatz zu Mehlklößen oder zu Reis, sog.
Apfel reis).
Sodann ist die größte Sorgfalt auf die Zubereitung zu verwenden,
insbesondere darauf, daß die Vegetabilien gar und weich gekocht
sind, sowie daß durch geeignete Abwechselung in den zugesetzten
Gewürzen: Salz, Zwiebeln, Petersilie, Senf, Essig u. s. w , und in der
Zubereitung: Kochen, Braten, Dämpfen, Rösten, auch dem Geschmacks-
bedürfnis gebührende Rechnung getragen wird; läßt sich doch nachweisen,
daß gerade das Uebersehen dieser Umstände die Ursache für die Ab-
nahme im Besuche solcher Volksküchen ist und daß an diesen Miß-
ständen schließlich auch solch gemeinnützige Unternehmungen zu Grunde
gehen können. Auch Abwechselung in Form und Konsistenz wird ge-
boten sein, derart daß breiige Gerichte, sog. zusammengekochtes Essen
(S. 62), und weich -konsistentere einander ablösen. Deshalb hat es
keinen rechten Sinn, hier Kostordnungen aufzustellen, da dieselben in
den verschiedenen Ländern , ja schon in den verschiedenen Gegenden
desselben Landes verschieden sein müssen. Nur um ein Beispiel für
eine solche Mittagsportion zu geben, greife ich aus 11 von Uffel-
m a n n ^ für den Geschmack des Norddeutschen gemachten Vorschlägen
einen heraus. Mohrrüben und Kartofleln mit Rindfleisch für 100 Per-
sonen : 25 kg Mohrrüben, 60 kg Kartofleln, 2 kg Schmalz, 34 kg fettes
Rindfleisch, 3 kg Salz; in der Einzelportion 50 g Eiweiß, 32 g Fett
und 161 g Kohlehydrate bietend, also mögliebst entsprechend obiger
Forderung, und um .80 Pfg. erhältlich.
Andere Kostrationen für Volksküchen, welche dem Geschmack der
Süddeutschen Rechnung tragen, hat C. Voit^ aufgestellt; dieselben
bieten etwa 65 g Eiweiß, 34 g Fett und 160 g Kohlehydrate, also mehr,
als für das Mittagessen erforderlich, und sind auch kaum für den Preis
von 30 Pfg. herzustellen.
Auch einige der von Mein er t* für das Mittagessen von mäßig
situierten Arbeiterfamilien vorgeschlagenen Kostrationen sind für Volks-
küchenportionen brauchbar, endlich auch die Kochrezepte von Lina
Morgenstern ■% der Begründerin der Berliner Volksküchen. Gerade
124
Einzelcrnähruüg und MassoinTnähriiug. 125
bei dem Bedürfnis uacli dauernder Abwechselung im Geschmack, Korm,
Volumen und Konsistenz der Gerichte ist es wünsciienswert, daß das-
selbe Gericht höchstens alle Woche ein null oder noch seltener wieder-
kehrt; denn nur durch i)assenden Wechsel in Geschmack und Konsistenz
der Speisen wird die KGlust rege gehalten.
Ein ebenfalls wichtiges Moment, welches das Prosperieren der den
Arbeitstätten nahe gelegenen Volksküchen z. T. erklärt, ist , daß die
zu genießenden Si)eisen warm sind. Gerade der im Freien Arbeitende
hat, zumal bei kalter und feuchter Luft oder beim Arbeiten in kühlen,
feuchten liiiumen, das ausg«'si)r<)chcne Bedürfnis nach warmen Speisen,
ja sogar nach sehr warmen Speisen (50*' C.) und fühlt sich von einem
kühlen Mittagessen wenig befriedigt (S. 80). Dies ist auch der Grund,
weshalb selbst verheiratete Arbeiter, die sich früher das zu Hause be-
reitete Mittagessen nach der Arbeitstätte haben bringen lassen , diese
Art der Verpflegung aufgeben, weil die Speisen schon auf dem Transport
mehr oder weniger kühl werden, und nun die Volksküchen aufsuchen,
nur um sich eines warmen Essens zu erfreuen. Auch scheint es, als ob
das kalte Essen für die Dauer weniger bekömmlich und von geringerem
Kähreti'ekt sei als warmes.
Ein von der Volksküche zu lieferndes Abendessen muß in Be-
zug auf die Quantität der darzubietenden Nährstoffe die Erfahrung be-
rücksichtigen, daß der Arbeiter nach den erhobeneu Bestimmungen als
Abendmahlzeit eine Speisemenge zu sich nimmt, welche mehr als ';4 und
weniger als V» (rund 2S Proz.) der Tagesration enthält. Demnach
wird das Abendessen rund 30 g Eiweiß, 20 g Fett und 140 g
Kühlehydrate bieten müssen. Aeltere Leute und Arbeiterinnen
werden schon mit 25 g Eiweiß, 15 g Fett und 90 —100 g Kohlehydrate
ausreichen. Außer Brot, KartolTeln, Schmalz werden hier Mehl, Reis
und Milch zu Suppen, eiweißreicher Käse (Quark), billige Wurst (Blut-
wurst) als wesentliche Ingredienzen für das Abendessen in Betracht
kommeD.
Von Interesse ist noch eine kurze BotracbtuDg, inwieweit die be-
stehenden Volksküchen im allgemeinen den obigen Anforderungen in bezug
auf die Quantität in der für den Arbeiter wichtigsten Hauptmahlzeit (Mittag-
essen) genügen. Die in dieser Beziehung erhobenen Bestimmungen sind auf
die oben (S. 82) als 2. Methode geschilderte Art gew^onuen, indem man aus
dem Gewicht der zur Speisebereitung verwendeten einzelnen Rohmaterialien,
nach einem Abzug von 15—20 Proz. lür die sog. Kü^-henabfälle, auf Grund der
vorliegenden Nahruugsniitteltabellen den Nährstoffgehalt berechnet und die
erhaltenen Werte durch die Zahl der ausgegebenen Einzelporlionen dividiert
hat So fanden durch Rechnung
Eiweifä
Fett
Kohlehydrat
Fl ü ifXe" in Leipzig .
28 ^'
23 K
93 g
M e i n e r t * in Dresden
38 ..
10 „
100 „
Voi t» iu Berlin (1866) .
47 .,
23 ..
'93 ••
Flagge in Berlin (187S)
39 ..
44 M
«45 n
Danach wäre die Berliner Volksküchenportiou , die für 25 Pfg. ab-
gegeben wird, die gehaltsreichste und entspräche am ehesten der obigen,
theoretisch erforderten Mittagsratiou, enthielte sogar in Bezug auf Fett mehr als
das Minimum des Verlangten. Dagegen läßt es die Dresdener Anstalt insbe-
sondere an Fett, aber auch an Kiweiü fehlen, die Leipziger liefert etwa nur
'/j des Erfordernisses für das Mittagessen. Allein diese summarischen Be-
126 IMMANUEL MUNK.
rechnuDgou aus dorn Speisotarif rosp. dem verwendeten Rohmaterial der Ge-
richte sind otleuhar mit großen Fehlern verknüpft. Denn obwohl auch neuer-
dings z. B. in Berlin die gleiciien Gerichte genau nach denselben Koch-
rezepten hergestellt werden, wie in früheren Jahren, hat die auf Veranlassung
von H. Blaschko' 1891 seitens Proskauer und Buchholtz direkt
ausgeführte Analyse der in je einer Portion von 6 verschie-
denen Gerichten der Berliner Volksküchen enthaltenen Nährstoffe
wesentlich andere Resultate ergeben, als die durch Berechnung ermittelten.
Proskauer und Buchholtz fanden nämlich in den einzelnen Gerichten
den Gehalt an Eiweiß zwischen 14 und 62 g, an Fett zwischen 8 und 55 g,
an Kohlehydraten zwischen 82 und 132 g schwanken : daraus ergiebt sich
als mittlerer Gehalt einer Mittagsportion nur 37 g Eiweiß, 32 g Fett, 100 g
Kohlehydrate, und dabei betrug das Gewicht einer Portion 1080 — 1400 g,
war also offenbar schon größer, als es sein sollte. Eine solche Nährstoffmenge
kann nur für ältere oder weibliche Personen zum Mittagessen ausreichen;
erwachsene kräftige Personen müßten wenigsten noch 100 g Brot dazu ge-
nießen, um damit eine Ration von 44 g Eiweiß, 32 g Fett und 150 g
Kohlehydraten zu erzielen , die für ihr Bedürfnis ausreichen könnte. Wenn
gar noch die Mehrzahl der Volksküchenbesucher nur ^j^ Portion für 15 Pfg.
entnahm, die nur ■' - der ganzen Portion und also nur 26 g Eiweiß, 19 g
Fett und 90 g Kohlehydrate enthält, so muß diese Nährstoffmenge selbst für
ältere oder weibliche Personen als unzureichend erachtet werden. Dagegen
bieten die Berliner Volksküchen den von ihren Besuchern dankbar aner-
kannten Vorteil, täglich zwei bis drei Gerichte herzustellen (z. B. weiße Bohnen,
Kartoffeln und Rindfleisch ; Erbsen, Kartoffeln und Schweinefleisch ; Schneide-
bohnen und Fleischklöße), unter denen jeder nach Belieben Auswahl treffen
kann, daher ältere und schwächliche Leute die leichter verdauliche, weniger
voluminöse Kost vorziehen (z. B. Schneidebohnen und Fleischklöße),
während der Arbeiter die mehr sättigende, voluminösere Kost bevorzugt
(z. B. Erbsen, Kartoffeln und Schweinefleisch). Auch sonst wird dem Ge-
schmack und dem Bedürfnis nach Abwechselung im vollsten Umfange Rech-
nung getragen; im Ganzen werden 54 Gerichte nach den zweckmäßigen
Mor genst er n'scheu Rezepten gekocht, sodaß erst etwa jeden 20. Tag das-
selbe Gericht wiederkehrt, von besonders beliebten Gerichten (z. B. Erbsen,
Sauerkraut und Pökelfleisch) abgesehen. Ungeachtet der unentgeltlichen
Thätigkeit des Aufsichtspersonals und einer möglichst billigen Verwaltung
und ungeachtet der den Volksküchen von Zeit zu Zeit zu Teil werdenden Zu-
wendungen und Geschenke gestattet die Höhe der Lebensmittelpreise nicht,
für 25 Pfg. eine den Anforderungen an die Hauptmahlzeit für einen Arbeiter
vollständig entsprechende Ration zu verabfolgen.
Die schon oben citierte (S. 122) Menage der Krupp 'sehen Guß-
stahl-Fabrik (in Essen) dient dazu, die große Zahl unverheirateter und der-
jenigen verheirateten Arbeiter , welche ihre Familie in der Heimat zurück-
gelassen haben, gegen mäßige Vergütigung zu verpflegen. 1892 belief sich
die Zahl der Verköstigten auf über 800. Nach der (wohl nicht ganz scharfen)
Berechnung von Prausnitz^ erhält jeder pro Tag 18 g Kaffee, 36 g Butter
und 400 g Roggenbrot. Es waren in dem von der Anstalt gelieferten
Mittag- und Abendessen I15 g Eiweifs, 81 g Fett, 480 g Kohlehydrate
dazu in Butter und Brot 24 „ „ 32 „ „ 197 „ ,,
insgesamt 139 g Eiweifs, 113 g Fett, 677 g Kohlehydrate.
Ein solches Kostmaß ist (wenn wirklich verabreicht, d. h. nicht bloß berechnet)
selbst für angestrengteste Arbeit als reichlicli anzusehen. Die gesamte Ver-
pflegung stellte sich pro Kopf und Tag auf 80 Pfg.
126
Eiuzelernähning und Massenernäbrang. 127
1)
Forster.
a.
a.
O.
407 ; Z
/.
JJ. 9.
Bd.
383, 392.
2)
C. Voit.
Z.
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B.
12
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46
Unter 1. d
Kott
14,
3)
üffelmann.
a
a.
O,
381,
383
4)
Meinert
a
ti
O
2
Bd
71.
28.
6) Lina Horg;enstem, Kochrezepte, 6. Au/i., Berlin (1890); l>ie Berliner Volksküchen, Berlin
(1870).
6) Flügge. Beitrüge zur Hygiene, Leipzig (1879) 91.
7) H Blaschko . Feitachrift zum 2b-jähngcn Jubiläum der Berliner Volksküchen, Btrlin
(1891).
8) Prausnitz, .1. /. Uyg. 16. Bd. 387.
§ 6. Massenernähruug auf Seeschiffen.
Die Ernährung auf Seeschitien, gleichviel ob Kriegs- oder Kauf-
fahrteischitieu, hat, wie begreiflich, mit einer großen Reihe von Schwierig-
keiten zu kämpfen, insofern nur ein Teil der gewohnten und beliebten
Lebensmittel im frischen Zustande, svie auf dem Festlande, genossen
werden kann, ein anderer uns nur im konservierten oder trockenen Zu-
stande zu Gebote steht, auch die Mannigfaltigkeit in der Auswahl der
Speisen wegen der immerhin nur beschränkten Zahl der frisch oder
konserviert mitgeführten Lebensmittel eine begrenzte ist. Dazu kommt
der für viele Passagiere höchst lästig empfundene Mangel an Bewegung,
der auch die Verdauungsvorgänge nachteilig beinflußt, sodaß Verdauungs-
störungen , bald mit Verstopfung , bald mit Durchfällen auftretend, am
Bord von Seeschitien leider häuüge Erscheinungen sind, ganz abgesehen
von der Seekrankheit, unter der die meisten Passagiere in den ersten
Tagen der Seereise leiden, manche sogar für die ganze Dauer ihres
Aufenthaltes an Bord. Und wenn auch gerade in Bezug auf die
Verpflegung sich einmal durch die kürzere Fahrtdauer, sodann durch
Mitnahme von frischen Nahrungsmitteln und lebendem Schlachtvieh an
Bord in Bezug auf die Mannigfaltigkeit und Abwechselung der Kost
vieles zum Vorteil geändert hat, insbesondere der so gefürchtete Skorbut
glücklicherweise ein seltener Gast geworden ist, so sind doch die
Gesundheits- und Verdauungsstörungen der Seereiseuden immerhin noch
häufig genug, um eine zweckmäßige Ernährung der davon Betroffenen
zu erschweren, wenn nicht gar zu vereiteln.
In Bezug auf die Beköstigung sind selbstverständlich die zumeist
schwer arbeitenden Mannschaften von den nicht arbeitenden, in Ruhe
und körperlicher Unthätigkeit verharrenden Reisenden oder Passagieren
zu trennen. Den Mannschaften wird das Kost maß der an-
gestrengt arbeitenden Erwachsenen mit 130g Eiweiß, 100g
Fett und 500 g Kohlehydrate zugebilligt werden müssen, dagegen den
Passagieren, soweit sie erwachsen sind, das Kostmaß der Er-
wachsenen bei Ruhe mit 100 g J^iweiß, 50 g Fett und 40u g
Kohlehydrate, den weiblichen Erwachsenen ^/g der Männerratiou , also
80 g Eiweiß, 40 g Fett und 320 g Kohlehydrate, den noch jugendlichen
Passagieren die ihrem Alter entsprechenden Kostsätze (S. '.»5). Die in
der sonst recht brauchbaren, von der deutschen Admiralität heraus-
gegebenen Anleitung über die Verpflegung auf Seeschiflen • aufgestellten
Kostsätze, und zwar für die Mannschaften bei angestrengter Arbeit mit
150 g Eiweiß, 80 g Fett und 50() g Kohlehydrate, sind in Bezug auf
die Eiweißgabe reichlich hoch, auf die Fettgabe eher zu klein ; der
127
128 IMMANUEL MINK.
Kostsatz bei mäßiger Arbeit mit 120 g Eiweiß, 50 g Fett und 500 g
Kolilehyilrate in Bezug auf die Eiweißquote als reichlich zu erachten.
Für die minder situierten Passagiere des Zwischendecks der großen
Seedampfer darf die Tagesration nicht unter die für erwachsene ruhende
M;inner, Frauen resp. Kinder oben angegebenen Kostsätze absinken.
Den an reichlichere Xahrungsaufnalime gew()hnten Kajütenpassagieren
wird mehr in qualitativer und quantitativer Hinsicht zu gewähren sein,
z. B. 125 g Eiweiß, 80—100 g Fett, 350 g Kohlehydrate, neben reich-
lichen Genußmitteln (Kaflee, Thee, Kakao, Fleischextrakt, Bier); den
Frauen und Kindern entspiechend reiclilichere Kostsätze als die für
Zwischendeckreisende, insbesondere in Bezug auf die Eiweiß- und Fett-
quote. Mit diesen als den in der Ktigel reichlich und mehr oder weniger
gut veri)tlegten Reisenden hat sich die hygienische Aufsicht des Staates
kaum zu befassen, wohl aber mit der ärmeren Klasse, welche im
Zwischendeck untergebracht wird.
In Uücksicht auf die Wohlfeilheit der Verpflegung bilden für die
Mannschaften und die Zwischendeckbewohner die Vegetabilien die Grund-
lage der Nahrung. Vor allem Brotgebäcke, auf den Seeschitfen zumeist
diejenigen, die sich am haltbarsten erweisen, der Zwieback; bei dauerndem
Genuß wird er indes den meisten bald zuwider, seine feste Konsistenz
und sein, für die Mohrzahl fader Geschmack lassen für die Dauer
manches zu wünschen übrig, ebenso seine Bekömmlichkeit. In Rück-
sicht darauf wird auf den großen, den Ocean durchquerenden Dampfern
in der Schitfsbäckerei täglich frisches Weißbrot gebacken, allerdings haupt-
sächlich für die Kajütenreisenden. Ferner Getreidemehle, Hülsenfrüchte,
teils als solche , teils als Mehl , ferner Reis , Grütze , Graupe. Von
Gemüsen Kohl- und Rübenarten, frisch und präserviert, desgleichen
Kartotleln. Den frischen Gemüsen und dem ebenfalls mitzuführenden
Citronensaft werden antiskorbutische Wirkungen nachgerühmt. Endlich
frisches und getrocknetes Obst. Von Animalien Fleisch, teils frisch von
lebend mitgenommenem Vieh oder kurz vor der Abfahrt geschlachtet und
in Eiskammern frisch erhalten, teils konserviert in Form von Salzfleisch,
Pökelfleisch, Rauchfleisch, Büchsenfleiscli, Speck, event. gesalzene und
getrocknete Fische. Ferner präservierte und kondensierte Milch, Butter,
Käse, Schmalz, endlich Eier, zum Abschluß der Luft mit Wasserglas
überzogen. Als Genußmittel Kafi'ee, Thee, Kakao, Bier, event. aus-
nahmsweise Branntwein. Besonderer Wert muß auf das Trinkwasser
gelegt werden, das mitzunehmen ist; wofern es bei länj^erer Fahrt nicht
gut bleibt, muß es vor dem Genuß gekocht und zum Zwecke der
Schmackhaftigkeit mit Genußmitteln (Thee, Citronensaft, etwas Alkohol)
versetzt werden.
Besondere Aufmerksamkeit soll gerade auf Schiffen der Abwechse-
lung in den Gerichten geschenkt werden, und ist sie event. durch Ver-
schiedenheit der Zubereitung anzustreben. Bei herrschendem Darm-
katarrh sind leicht verdauliche, mehlartige und beim Kochen mit Wasser
schleimartige Lösungen gebende Stoff"e und Hammelfleisch zu reichen,
stark gesalzenes Fleisch, Kohl und Hülsenfrüchte zu meiden. Bei auf-
tretendem Skorbut sollen nur frische Nahrungsmittel gegeben werden,
und wenn solche nicht in genügender Menge mehr vorhanden, der nächste
Hafen zur Beschaff"ung frischer Nahrungsmittel angelaufen werden. In
heißen Gegenden darf nicht zu viel Fett gegeben, nach Genuß von Salz-
fleisch nicht zu viel Wasser getrunken werden. I3ei einer Temperatur
128
i
EinzelernähniDg und MasscDernäbrüDg. 129
von mehr als 25" C. im Zwischendeck müssen die Mahlzeiten auf Deck
eingenommen werden.
Als Kostrationen für Zwi sehen deckpassagiere * sind
die auf den Hamburger großen transatlantischen I)amy)fem ausgegebenen
höchst empfehlenswert. Es giebt dort pro Kojif und Tag: 375 g frisches
Rindtleisch viermal in der Woche, an den anderen drei Tagen 280 g
Salzfleisch oder 140 g Speck ; 70 g Butter, :'.5 g Katfee, 4 g Thee, 70 g
Zucker; auLserdem Suppen von Reis, Erbsen, Linsen, Bohnen, Graupen,
ferner Kohl und Kartotfeln, Backobst; Brot bis zur Sättigung. Täglich
giebt es Suppe, Fleisch und Kartoffeln, zweimal in der Woche Mehl-
speise mit Backobst.
Als Kostration für die Mannschaft auf Kauffahrtei-
schiffen empfiehlt Gaertner' pro Kopf und Tag: 500 g Rindfleisch
(oder 375 g Schweinefleisch oder 250 g Speck oder 375 g Fische), 70 g
Butter oder Schmalz, 20 g Kaffee, 4 g Thee, 35 g Gemüse, 150 g Back-
obst, 600 g Zwieback und Mehl, 35 g Zucker, 35 ccm Essig. Ferner
Hülsenfrüchte und Grütze bis zur Sättigung. Täglich Bier zu V2 Liter.
An dieser sonst sehr zweckmäßigen Kostordnung ist nur der Mangel
an Kartotfeln, an die bei uns die arbeitende Klasse gewöhnt ist, aus-
zusetzen.
Aehnlich ist die Kostration für die Mannschaften der
deutschen Marine^; zum Fleisch giebt es pro Kopf und Tag
entweder 300 g Erbsen bez. Bohnen oder 200 g Reis (mit 15 g Zucker
zuzubereiten) oder 1500 g Kartoff'eln — eine entschieden zu große Menge.
Ausnahmsweise giebt es 70—140 ccm Branntwein pro Tag.
1) Anleitung über die Verpflegung auf Seeschifen, herauigegeben von der K deutschen
Admiralität, litrlin (1885).
2i Reincke, D. V f. öf. Ges. (1881); UflFelmann, a a. O. 418.
3) Oaertner, Anleitung zur Oetundheitspßege an Bord von Kauffahrteischiffen, herausgegeben
vom K. Oesundheittamt, Berlin (1888).
Anhang .
1. Massen ernährung in Zeiten von E pidemien,
von Krieg und Teuerung.
Die sichergestellten Erfahrungen, daß durch die Lebensmittel Keime
epidemischer Krankheiten, mit Sicherheit des Unterleibstyphus, der
Ruhr, der asiatischen Cholera, der Diphtherie, verbreitet werden und
so die Seuchen immer weitere Kreise ergreifen können , andererseits
die Thatsache, daß der Genuß einer zweckmäßig zusammengesetzten
und den Verdauungsapparat nicht schädigenden Nahrung den Körper
hinsichtlich seiner Widerstandskraft gegen das Eindringen der Seuchen
und, wenn dieselben ihn ergriffen , im Kampfe gegen die Seuchen zu
unterstützen vermag, legen der öffentlichen Gesundheitspflege, d. h. den
staatlichen und kommunalen Behörden die unabweisliche Pflicht * auf,
in Zeiten von Epidemien die Ernährung breiter Volksschichten an-
dauernd zu kontrollieren und, wo dieselbe nicht in einer angemessenen
Weise durchgeführt werden kann, die Ernährung dieser selbst gefährdeten
und zugleich die Allgemeinheit gefährdenden Individuen, desgleichen
Handbuch der Hj^ieo«- ^- Hl. Abtlg. 1. 1<
129
130 IMMANUEL MUNK.
der bereits verseuchten und erkrankten in die Hand zu nehmen und
ebenso Fürsorj^e für die zwecknuißi^^e Verkösti^'ung der alleinstehenden
oder ihrer bisherigen Pfleger beraubten Menschen zu tretl'en. Insbe-
sondere ist es auch Sache der ötfentlicheu Hygiene, daß nicht von den
verseuchten Häusern oder Hausständen durch Kranke oder von der
Krankheit Genesende Kraukheitskeime auf Lebensmittel übertragen
und so die Weiterverbreitung der Seuche gefördert wird. In erster
Linie ist hierbei im Auge zu behalten, daß gewisse Nahrungsmittel
vor allem Milch, Fleisch, Gemüse, Obst und Wasser jeder Art, auch
die künstlich hergestellten kohlensäurehaltigen, Träger von Krank-
heitskeimen sein können ^ und daß daher zu Zeiten von Epidemien
solche Nahrungsmittel erst genossen werden dürfen , nachdem durch
mindestens halbstündige Einwirkung von Siedehitze, sei es direkt oder
in Form von siedendem Wasser, also durch Braten, Rösten, Kochen,
jene Keime ertötet oder wenigstens unschädlich gemacht sind. Deshalb
müssten nicht nur in Bezug auf diesen Punkt durch nachdrücklichste
Belehrung die großen Massen des Volkes zur peinlichsten Befolgung
bei der Auswahl und Zubereitung der Nahrungsmittel angehalten, viel-
mehr auch der gesamte Verkehr mit Lebensmitteln einer durchgreifen-
den, strengen Kontrolle unterworfen, insbesondere alle Maßregeln er-
gritfen werden, welche geeignet sind zu verhüten, daß Kranke oder von
der Seuche Genesende oder der Ansteckung Verdächtige mit den be-
tretfenden Lebensmitteln bei der Auswahl, Zubereitung oder Verteilung
in Berührung kommen, oder endlich, daß aus verseuchten Räumen
Lebensmittel in den allgemeinen Verkehr gelangen.
Sodann ist daran zu erinnern, daß gewisse Lebensmittel, auch wenn
sie selbst von Krankheitskeimen frei sind, doch der Entwickelung der
Seuche und deren Weiterverbreitung dadurch Vorschub leisten können,
daß durch ihren Genuß der Verdauungsapparat geschädigt und durch
die gesetzten Verdauungsstörungen bezw. durch gewisse in den Darm
eingeführte oder dort sich bildende giftige Stoffe, sog. Toxine, der ganze
Körper geschwächt und damit die Widerstandskraft gegen die ein-
dringende Seuche beträchtlich herabgedrückt wird. In die Reihe dieser
Nahrungsmittel gehören : saure und verdorbene Milch, verdorbenes Brot
oder Brotmehle, unreifes Obst, die derben cellulosereichen, schwer ver-
daulichen Gurken, unreines Trinkwasser. Auch vor dem Genuß solcher
verdorbener Lebensmittel ist aufs eindringlichste zu warnen.
Wünschenswert wäre es auch, wenn, wozu bereits in der Cholera-
epidemie 1892 der erste Anlauf gelegentlich genommen worden ist,
öffentliche Anstalten eröffnet würden, in denen zu Zeiten von Epidemien
die am meisten gefährdeten, aber auch am wenigsten entbehrlichen
Mittel, wie Milch und Trinkwasser, keimfrei und für den Genuß un-
schädlich gemacht würden.
Endlich ist dafür zu sorgen, daß alle die, welche weder selbst noch
von Hausständen aus sich unter Anwendung obiger Vorsichtsmaßregeln
verköstigen können, aus bereits bestehenden, in Bezug auf den Verkehr
und die Zubereitung der Lebensmittel aufs peinlichste kontrollierten
Speiseanstalten , Volksküchen, Suppenanstalten u. s. w. oder aus eigens
errichteten und von Organen der öffentlichen Hygiene geleiteten und
überwachten Speiseanstalten ihre Kost erhalten.
Zur wirksamen Ermöglichung einer solchen Massenernährung bei
Epidemien müssen bereits vorher in den epidemienfreien Zeiten geeignete
130
EinielerDäbning und Massenernähnmg. 131
Vorbereitungen getroflen werden. Ks sind daher alle die Kinrichtiniiien,
welche den Massen der Hevölkerung die lU'scliartinii,' der Ki>st erleichtern,
wie Volksküchen, öflentliche Speiseanstalten u. s. w. thunlichst zu unter-
stützen und zwocknialiig zu organisieren. Entsprechend den zu stellen-
den hygienischen Anforderungen bedürfen all' diese Anstalten , um in
Zeiten der Gefahr ihren Zweck zu erfüllen, schon von vornherein, nicht
erst beim Ausbruch der Kpidemie sachkundiger Leitung und Auf-
sicht, die von hygienisch geschulten Aerzten oder im Staats- bezw. im
Gemeindedienst stehenden Sanitatsbeamten auszuüben ist.
In mancher Hinsicht einfacher, in anderer wieder schwieriger gestaltet
sich die Aufgabe der Massen ernäh ru n g in Zeiten von Krieg,
Teuerung oder Notstand. Hier liegt es den Organen der ötient-
lichen Gesundheitspflege ob , einmal die gesamten z. Z. vorhandenen
Lebensmittel in eine Hand zu bringen, wenn möglich für fernere Be-
schattung solcher zu sorgen und eine gerechte Verteilung der unent-
behrlichen Lebensmittel entweder um Bezahlung (die wiederum ver-
schieden abzustufen ist je nach der materiellen Lage der Betrttienden,
sodaü jedenfalls die minder Situierten sehr viel geringere Preise zu
entrichten brauchen als die Bemittelten) oder an die Armen bezw. schlecht
Situierten unentgeltlich zu bewirken. Auch ist durch Belehrung die Her-
stellung guter und nahrhafter Gerichte zu fördern und dafür zu sorgen,
daß die allein d. h. in keinem engeren Familien verbände Stehenden in von
Organen der öfl'entlichen Ge5undheitsi)tlege kontrollierten Kosthäusern,
Volksküchen, Suppenanstalten nach Maßgabe der zur Verfügung stehen-
den Nahrungsmittel verpflegt werden. Zu diesen unentbehrliciieu Lebens-
mitteln, deren jeweilige Menge genau festgestellt werden muß, gehören:
Brot, Milch, Kartoft'eln , Hülsenfrüchte, Fett und Salz. Sehr zweck-
mäßig und in mancher Hinsicht vorbildlich ist in dieser Hinsicht wäh-
rend der Belagerung von Paris im Winter 1870,1 verfahren worden, wie
uns Germain S6e^ berichtet.
Insbesondere sind nach dem bekannten Spruch: Not macht er-
finderisch, die breiten Volksschichten darauf nachdrücklichst hinzuweisen,
minderwertige oder bei genügendem Vorrat von Lebensmitteln wenig
geschätzte Materialien -, die aber bei geeigneter Zubereitung einen mehr
oder minder großen Nährwert gewinnen können, sorgfältigst in genieß-
bare und verwertbare Form überzuführen , wie Sehnen , Muskelbinden
(Fascien), Knorpel, Knochen, Haut, Blut (zur Herstellung von ziem-
lich wohlschmeckender \Vurst), Eingeweide, oder solche Substanzen, die
für gewöhnlich seltener oder nur ausnahmsweise zur menschlichen Er-
nährung benutzt werden , wie Fleisch von Pferden und Kaninchen
(lapins), im ganzen Umfange, als sie zur Verfügung stehen, für die
Ernährung zu verwenden, wie dies auch in Paris 1^10 geschehen ist,
oder endlich, um die Mehlvorräte nicht vorzeitig zu erschöpfen, zur
Brotbereitung neben 3 T. Getreidemehl 1 T. Kartottelmehl zu ver-
wenden, wie das in den ärmeren Gegenden von Oberschlesieu der Fall
ist, wenn das Getreidemehl hoch, dagegen die KartoHeln niedrig im
Preise stehen; S(»lches, ziemlich wohlschmeckende Brot wird nach den
Versuchen von Zuntz und Levy* im Harm des Menschen so gut
verwertet wie Brot aus reinem Mehl. Unter h()herem Druck im Dampf-
topfe (Papin'schen Topfe) mit Wasser ausgekochte Sehnen, Fascien,
Knor]>el, Knochen, Haut liefern mehr oder weniger reichlich Leimstofl'e,
die das Nahrungseiweiß bis zu einem gewissen Grade vertreten können
(S. 10, 33), zerkleinerte Knochen auch noch Fett, während Pferde- und
y*
>3'
132 IMMANUEL MUNK.
KaiiincheuÜeiscli ebenso eiweißreich und ziemlich so fetthaltig sind, als
das für gewiUmlich genossene Fleisch der Schlachttiere. Aus Rinder-
talg und allen möglichen Fettabfallen läßt sich ein butterähnliches Fett,
Kunstbutter oder Margarine, herstellen, das im Darm des Menschen
fast ebenso gut verwertet wird als Butter und Schmalz.
Neben den öffentlichen, staatlichen und kommunalen Organen können
in Zeiten der Not und Teuerung auch die human und hochherzig
denkenden Mitbürger zur Linderung der Not beitragen durch Zusam-
menfassung der wenig leistenden Eiuzelthätigkeit zu Vereinen, welche
die hygienische Ueberwachung über die zweckmäßige Ausnutzung und
Verwertung der zur \'erteilung gelangenden Lebensmittel übernehmen.
1) Forster. Verhdlg. d 10 internat. med. Kongresses in Berlin (1890) 5. ÜJ. 99.
2i üflfelmann, a a. O. 422—424.
3i Oermain See. litgime alimeiUaire pendant le siegt de Paris (1872).
4i Zuntz .V Ad. Magnus-Levy. Pflag. Arch. 49. Bd. 438.
2. Allgemeines über Ernährung in Krankenhäusern.
Ganz besondere Schwierigkeiten bietet die Massenernährung in
Krankenhäusern ', insofern es sich hier einmal um möglichst ungleich-
artige Individuen, d. h. unter den verschiedensten Ernährungs- und
Körperzuständen stehende Menschen handelt, die dementsprechend
einen innerhalb weiter Grenzen schwankenden Eiweiß- und Fettverbrauch
haben, insofern weiter durch manche Krankheiten sowohl der Appetit
und die Nahrungsaufnahme beeinträchtigt, als die Verwertung der Nah-
rung im Darm geschädigt wird, andererseits aber auch wegen der Em-
pfindlichkeit und leichten Vulnerabilität des Darmkanals die qualitative
Zusammensetzung der Nahrung außerordentlich achtsam geregelt werden
muß, dergestalt daß alle cellulosehaltigen Nahrungsmittel und die derb-
konsistente Zubereitung derselben ausgeschlossen bleiben. Ganz be-
sondere Sorgfalt erheischt die Ernährung der Genesenden oder Re-
konvalescenten, weil der während der überstandenen Krankheit erfolgte
stoffliche Verlust vom Körper, der nunmehr häufig einen mehr oder
weniger ausgesprochenen Heißhunger erwachen läßt, gebieterisch Ersatz
fordert, sodaß mehr Nahrung genossen werden muß, als für den ge-
sunden ruhenden Menschen sonst benötigt ist, andererseits aber die
während der Krankheit teilweise unterbrochene oder wenigstens außer-
ordentlich herabgesetzte Thätigkeit der Verdauungsorgane nur ganz all-
mählich und gleichsam schrittweise gesteigert werden darf, wenn nicht
Indigestionen, Verdauungsbeschwerden, und damit eine Verringerung des
wieder erwachten Appetites, event. sogar, wie bei manchen schwereren
Darmerkrankungen (Typhus, Ruhr u. s. w.), ein Rückfall (VViederauftritt
von Fieber, Ilecidivieren der Krankheit) zu befürchten ist. Aus allen
diesen Gründen muß dem Arzt in Bezug auf die diätetischen Anord-
nungen die größte Freiheit gelassen werden, um der individualisierenden
Behandlung möglichst gerecht zu werden.
So sehr auch vom ärztlichen Standpunkte die Freiheit und Not-
wendigkeit einer streng individualisierenden Kostordnung betont werden
muß, .so ist es aus praktischen Gründen und aus Verwaltungsrücksichten
einfach unmöglich, eine solche Verköstigung, bei welcher der Einzelne
gleichsam ä la carte verpflegt wird, durchzuführen. Vielmehr ist es
132
EiDzelerDäbruDg und Massenomährung. 133
unerläßlich und auch durch die ErfIlhrun^'en vollauf gerechtfertigt, eine
feststehende, beschrankte Zahl von Kostformen aufzustellen, z. B. für
schwer, für leichter Fiebernde, für Rekonvalesceuten und für Kranke
mit gesunder Verdauung, die nur wegen eines äußerlichen oder den
Körperbestand kaum angreifenden Leidens das Spital aufgesucht haben.
Innerhalb dieser 4 — 5 verschiedenen Kostformen kann die individuali-
sierende Behandlung des Arztes noch genügend zur (Jeltung gelangen,
insofern es gestattet ist, das eine oder andere , für den betreffenden
Patienten nicht geeignete Gericht fortzulassen und durch eine Extra-
verordnung zu ersetzen oder zu der Diätform noch Extrazulagen wohl-
schmeckender, nahrhafter und leicht verdaulicher Sjjeisen und Genuß-
mittel zu bewilligen.
Au dieser Stelle kann die Massenernährung in Spitälern nur in den
Grundzügen erörtert werden, insoweit sie für die allgemeine Hygiene der
Ernährung in Betracht kommt, während bezüglich der Diätetik der
Krankenernährung auf die entsprechenden Lehr- und Handbücher * ver-
wiesen werden muß.
Bei akut-fieberhaften Krankheiten, bei denen der Appetit
darniederliegt und auch die Verdauungsorgane in ihren Funktionen stark
beeinträchtigt sind, erweist sich eine flüssige Kost aus Milch, Milchsuppeu
und Fleischbrühe, beide mit weichgekochtem Gries, Sago, Reis oder Ge-
treidemehleu versetzt, als die geeignetste, es sei denn, daß wegen starker
Durchfälle eine spezielle Gegenanzeige gegen Milch- und Milchsuppen vor-
liegt. Weniger stark fiebernde, sog. chronische Fieberkranke können zu
derselben Kostform eine fett- und kohlehydrathaltige Zulage in Form von
Ei und Weißbrot oder Zwieback bekommen. Gerade für die Fieber-
kranken ist früher entschieden ein zu niedriges Kostmaß gegeben worden ;
neuerdings hat sich dies erheblich gebessert. Jedenfalls sollte man selbst
für die schwer Fiebernden nicht unter 60 g Eiweiß, 50 g Fett und 70 g
Kohlehydrate heruntergehen, was bei Darreichung von je Vg Liter Milch,
zweimal des Tages, und je einmal V2 Liter Fleischbrühe und Milch-
suppe mit 30 g Gries, Sago, Reis zu erreichen ist; zugleich wird mit
der reichlichen Flüssigkeitszufuhr in dieser Nahrung das Durstgefühl
der stark Fiebernden zweckmäßig gestillt.
Chronisch Fiebernde erhalten zu dieser flüssigen Kost eine Zu-
lage von 1 — 2 Eiern, entweder weichgekocht zu genießen oder mit der
Fleisch- resp. Milchsuppe verrührt, und 50—80 g Weißbrot; dadurch steigt
der Nährwert dieser Kost auf 70 — 75 g Eiweiß , 55 — 60 g Fett und
95—110 g Kohlehydrate.
Fieberfreie Rekonvalesceuten und Magenkranke, bei
denen keine besondere diätetische Kur angezeigt ist, erhalten des Morgens
und Nachmittags, wie die Fiel)ernden, je Vg Liter Milch oder Milchkaffee
(mit '/4 Liter Milch), zum Mittag 20ü g gebratenes Fleisch, mit 400 g
kartofifelbrei, zum Abendessen ^j ^ Liter Gries- oder Mehlsuppe, außerdem
für den ganzen Tag 200 g Weißbrot oder 100 g Weißbrot und 150 g
Schwarzbrot, wofern letzteres überhaupt in Rücksicht auf den Ver-
dauungsapparat zuzulassen ist, und 20 g Butter. Eine solche Kost
enthält etwa 105 g Eiweiß, 50— (50 g Fett und 270 g Kohlehydrate,
ist somit für ruhende Individuen von mäßigem Köri)ergewicht als aus-
reichend anzusehen , kann sogar schon im abgemagerten Körper zum
Ansatz von Eiweiß und Fett führen. Durch Zulage von 2 Eiern wird
der Nährstoffgehalt noch um 12 g Eiweiß und 10 g Fett erhöht.
Die fieberfreien Kranken mit normaler Verdauung können wie
'33
134 IMMAM'EL Ml'NK,
Gesunde ernährt werden. Außer je V2 I^iter Milchkaffee zum Früh-
stück und Vesper, erhalten sie zum Mittag 2UÜ— 250 g gebratenes
Fleisch mit 400—500 g Kartoffeln oder Gemüse oder Mehlklößchen,
zum Abendessen 60 g Wurst oder 100 g Käse oder 1 Hering mit Kar-
toffeln oder ^4 Liter Mehl- oder Brotsuppe; außerdem für den Tag
150 g Weißbrot, 350 g Schwarzbrot und 20 g I^utter. Eine solche
Kost enthält ca. 115 g Eiweiß, 55 g Fett und 425 g Kohlehydrate, ist
also für ruhende Individuen für mehr als ausreichend zu erachten.
Innerhalb der 3 erstbeschriebenen Kostnormen für Kranke und
Rekonvalescenten muß es dem behandelnden Arzt überlassen bleiben,
durch Verordnung von Extrazulagen in Form von Milch, Eiern, Schabe-
fleisch, Schinken, Huhn, Taube, Zucker, Backobst, Kompott der indi-
vidualisierenden Behandlung thunlichst gerecht zu werden.
Bei fieberhaften Krankheiten spielen als diätetische und thera-
peutische Mittel die Alcoholica in Form von Wein, Branntwein, Cognac
eine bedeutsame Rolle ; außer ihrer anregenden Wirkung auf das Nerven-
system und auf das Herz erweisen sie sich als Sparmittel, welche den
übermäßigen Konsum von Eiweiß und Fett im Fieber beschränken.
Auch für Rekonvalescenten sind die Genußmittel von Bedeutung, sowohl
die alkoholischen in Form von Wein, Branntwein und gutem, vollständig
vergorenem Bier, als die alkaloidhaltigen in Form von schwachen
Kaffee- und Theeaufgüssen. Durch Zusatz von Cognac oder leichten
Kaffee gelingt es, selbst solchen Patienten, die an sich einen Wider-
willen gegen Milch haben, dieselbe bis zu beträchtlicher Menge einzu-
verleiben.
Eine besondere Beachtung verdient die Qualität der Nahrung für
Rekonvalescenten, insofern hier alle gröberen, infolge der Gegenwart
von derber Cellulose den Darmkanal insultierenden Nahrungsmittel ausge-
schlossen sind, so Kleienbrot, Hülsenfrüchte, Salat, Gurken, Kohlarten,
Pilze, Schwämme, Obst, ebenso auch alle mit organischen Säuren, z. B.
Essig , bereiteten Speisen , weil letztere erfahrungsgemäß leicht zu'*In-
digestionen führen. Am bekömmlichsten erweisen sich die Kartoffeln in
Breiform (Püree) oder mit Fleischbrühe gekocht, der Reis in Form von
Milchreis. Obst werde nur vollständig zerkocht als Apfel- oder Pflaumen-
muß gegeben.
Gegen die oben aufgestellten qualitativen und quantitativen An-
forderungen an die Kost für Kranke und Bettlägerige bleiben von den
bisher bekannt gewordenen Kostordnungen der Krankenhäuser die Mehr-
zahl mehr oder weniger zurück.
Nach R e nk ^ bietet im Münchener Krankenhaus (links der Isar) die
Fieberkost fi/^-Kost) nur 20—38 g Eiweiß, 18 — 26 g Fett und 30—150 g
Kohlehydrate, die sog. Vg-Kost 48 g Eiweiß, 15 g Fett und 145 g Kohle-
hydrate, die Rekonvalescenten-, sog. ^/4-Kost 55 — 63 g Eiweiß, 33 — 48 g
Fett und 160 — 175 g Kohlehydrate, bleibt also selbst hinter den mäßigsten An-
forderungen zurück. Günstieer stellt sich die Verköstigung in den englischen
Spitälern ; hier giebt das Mittel der Liätsätze 10 verschiedener Krankenhäuser,
von Renk berechnet, für die Rekonvalescentenkost Erwachsener 96 g Ei-
weiß, 47 g Fett und 338 g Kohlehydrate.
Nach Kirchner^ sowie Roth und Lex^ giebt es in preußi-
schen Militärlazaretten 4 Diätformen, deren Gehalt sich berechnet:
134
EinzelernäbruDg und Masseneroäbrung.
135
I
1 1 2 g Eiweir«
53 t? ^''-•"
553 »C Kohlehydrate
11
76 .. ..
38 ,. „
320 ..
111
45 .• ..
29 .. ..
172 ,.
IV
21 ,, ,,
15 .. ..
137 ..
Vorausgesetzt daD diese Nährstoffmengen wirklich verabreicht werden
(sie sind nach dem Siieiseregulativ und aus dein suininariscben Verbrauch
an Rohmaterial berechnet und daher mit den schon wiederholt (S. 83, 126)
erörterten Ungenauigkoiton und Fehlern behaftet), würde I — III als Kost für
normal Verdauende resp. Rekouvalescenten resp. Fiebernde acceptabel sein,
dagegen ist Form IV für akut Fiebernde entschieden zu gehaltarm.
Die Verpflegung in den englischen und französischen Militärspitälern
mit ihren 7 resp. 10 Kostformen ist zu kompliziert ; es sei dieserhalb auf die
Beschreibung tlorselben seitens H usson ^ und Kirchner^ verwiesen. Die
5 im Charit e krankenhause*' zu Berlin bestehenden Diätformen sind,
dem Regulativ entsprechend verabreicht, an sich für die betreffenden Kranken
kaum zureichend, können dies aber durch die vielfach gewährten Extrazulagen
werden ; auch hierüber sind die Speiseregulative zu vergleichen.
Am ehesten noch entsprechen den Anforderungen die Diätsätze,
welche in den großen Berliner städtischen Kranken-
häusern ' (Moabit, am Urban, Friedrichshain) üblich sind. Es sind dort
4 Diätformen vorhanden, von denen I an fieberfreie Kranke mit normaler
Verdauung, II an Rekouvalescenten und Kranke mit leichteren Verdauungs-
störungen, III an chronisch oder leicht Fiebernde, IV an schwer
Fiebernde, die nur Flüssiges genießen können, verabreicht werden.
1
2 mal je '/» 1 Milchkaffee oder
V, 1 Milch.
200—260 g Bratenfleisch mit
Kartoffeln oder Gemüse
oder Klöfsen.
185 g Fleischspeise oder 1
Hering mit Kartoffeln,
126 g Käse oder '/^ 1
Gries- oder Reissuppe.
II
Kaffee oder Milch wie I.
200 g Braten mit Kartoffel-
brei, Graupen, Milchreis,
Mohrrüben.
^/^ 1 Milchsuppe mit Sago,
Gries, Mehl oder Reis.
III und IV
2 mal je »/, 1 Milch.
Y, 1 Suppe aus 167 g Fleisch,
mit Graupen, Gries, Reis.
Yj 1 Milchsuppe wie II.
Dazu für den ganzen Tag:
I u
350 g Graubrot (oder
250 g Brot u. 20 g
Butter) und 160 g
Semmel.
III
200 g Weifsbrot oder ! 50 g Semmel oder 60
100 g Weifsbrot u. i g Zwieback.
250 g Graubrot.
IV
Neben der regelmäßigen Kost in den 4 Diätformen können den
Kranken als „Extra diät" verabfolgt werden: Braten, Beefsteak, Ge-
flügel (Iluhn, Taube), Schabefleisch, Schinken, Hering, Käse, Zwieback,
Wein, Branntwein, Kompott, Backobst u. a.
Die regulativmäßige Beköstigung ergiebt (nach der allerdings wenig
genauen Berechnung aus dem verbrauchten Ilohmaterial an Nahrungs-
mitteln) ohne Extradiät für
I.
107 g Eiweifa
31 g Fett
423 g Kohlehydrate.
II.
97 " ..
30 .. ..
308 ..
11.
62 „ „
44 .. ..
118 „
t'l.
50 „ „
39 ,. n
88 „
•35
136
IMMANUEL MUNK,
Diese an und für sich geeij]^neten Diätformen können noch dem oben
Erörterten durch kleine Zuhigen noch zweckmäßiger und nährstoifreicher,
insbesondere, was wünschenswert, fettreicher gestaltet werden.
Auch auf Abwechselung des Mittag- und Abendessens an den ein-
zelnen Tagen wird gebührend Rücksicht genommen, wie z. B. folgender
"Wochenspeisenzettel aus dem Krankenhause am Urban (Berlin) lehrt:
Ta^
Warte- und
r)i(>nstnf>rsr>nnl
Kranke in der
1
I. Form II. Form
III. Form
IV. Form
ts Kalbsbraten, saure Gurken Kalbfleisch mit „ ... . _,
.? mit Kartoffeln Griesklöfsen »«-"hsuppe mit Graupen
S
a
o
CG
TS
S Harzkäse
<
Milchsuppe mit Reis
a
CS
i
Rindfleisch mit BrUhreis,
Kartoffeln
Rindfleisch mit „ ... .. ^ .
Brühgraupen Bruhsuppe mU Gnes
5
-c
a
«B
<
Mettwurst
Milchsuppe mit Hafermehl
s
? Hammelfleisch mit Brüh-
ls kartoffeln
s 1
Hammelfleisch
mit Kartoffel- Brühsuppe mit Reis
brei j
a
Q
n 1
o 1 Boaletten Milcbsuppe mit Gries
< 1
JS
u
o
«• Schweinefleisch mit Kohlrüben, Kalbfleisch „ -u •. ^
.= Kartoffeln mit Brühhirse B'-^^suppe mit Graupen
S ! i
'S ;
S 3 Eier
<
2 Eier
Milchsuppe mit Sago
i
Rindfleisch mit weifsen Bohnen,
Kartoffeln
Rindfleisch mit
Brühkartoffeln
Brühsuppe mit Gries
a
a
o
Q
a
-4
Biersuppe
Milchsuppe mit Hirse l
bc
.2
g
Schweinepökelfleisch, Erbsen mit
Kartoffeln
Kalbfleisch „ ... .^ „ .
., -,., , . Bruhsuppe mit Reis
mit Milchreis '"^
s>
u
Ex.
S 1 Jauersche Wurst
-ö 1
Milchsuppe mit Mehl
TS
S
o
J3
e' Hammelfleisch, Mohrrüben mit Hammelfleisch
.s Kartoffeln mit Mohrrüben
S
Brühsuppe mit Graupen
s
CG
<
Hering mit
Kartoffeln
Milchsupp)
i mit Reis
Auch ist zu beachten, daß die Rekonvalescentenkost II möglichst
zweckmäßig zusammengestellt ist, nur breiig-weiche Gemüse und Bei-
lagen zum Fleisch enthält. Dabei kommt die I. Form auf etwa 60,
IL auf 48, III. auf 38 und IV. auf 28 Pfennige zu stehen.
136
EinzelernähniDg und Massenernährung. 137
In Bezug auf die Kost für kranke Kinder lassen sich, wegen
der großen Altersverschiedenheiten und infolgedessen auch der außer-
ordentlich wechselnden üeiJMrfsgntße an NährstoHen (S. 95) schwer he-
stininite Diätfornien aufstellen, (lanz allgemein läßt sich nur sagen, daß
man am besten von tler Milch und deren Zubereitungen als Grundlage aus-
geht. Fiebern de Kinder l)edürfen nur der Milch und der .Milchspeisen,
Abkochungen von Milch mit Getreidemehlen, mit (jries und Sago.
Chronisch Fiebernde können zu der Milch und der Milchsuppe Fleisch-
brühe, mit Eigelb abgezogen, und weich zerkochten Reis bekonmien,
^Veißbrot oder Zwieback, die gn'jßeren Kinder auch etwas Kalb- oder
Schai)erieisch. Nicht fiebernde Kinder mit normaler Verdauung und
Rekonvalescenten erhalten zum Mittag, außer Suppe, weichgebratenes
F'leisch mit Kartotl'elbrei, Milchreis oder Mehlklößchen, abends außer
einer Mehl- oder Milchsuppe Weißbrot mit Fleisch oder Schinken oder
ein weichgekochtes Ei. Bezüglich der Mengen der zu verabreichenden
Speisen lassen sich bindende Normen kaum aufstellen; im allgemeinen
sind die einzelnen Speisen den kleinen Patienten, wenn nicht eine Gegen-
anzeige vorliegt, in solcher Menge zu reichen, als danach verlangt wird.
Wer sich für die einzelnen Kostformen interessiert, wie sie in den
Kinderkrankhäusern in St. Petersburg und Berlin üblich sind, sei auf
die Beschreibungen von llauchfuß" und Uffelmann^ verwiesen .
1) Fr. Benk, bei C Voit. Untersuchung der Kost (1877) 66; F. Hirschfeld, Grundziige der
KrankenemähT^ng, Berlin (1892) 21.
2) Bauer, in v Ziemssen's Handb. d. allg. Therapie 1. Bd. 1; I. Mank & üffelmann,
llandb. d. Ernährung des .Venschen 2. Auß. (1891) 429.
3) Kirchner, Orundrifs der Mililürhygiene 1891 m. Folge im B^rscheinen.
4) Eoth & Lex, Müitärgesundheitspflege 2 Bd.
6) Hnsson, Etüde sur les höpitaux (1862).
6) Spinola, Chariti- Annal. (1877); Die naturwissenschaftliehen und mediz. Staats an stalten
Berlins, Festschrift (1886) 354.
7) Die Anstalten der Stadt Berlin, Festschrift (1886) 116.
8) Baachfuss, Die Krankenkost in Kinder spit^ilem, in Oerhardt's llandb. der Kinderkrank-
heiten 1. Bd. 2. T. 631.
») UflFelmann, o. a. 0. 587.
137
Register*).
Abgegessensein 118.
Ädamkiewicz 10.
Aerzte, Kost der lOl.
Ahlfeld 96.
Albuminoide 33.
Alkohol, Einflufs auf StofiPwechsel 16.
Alter s. Lebensalter.
Altersversorgungsanstalten 120.
— Kost in 89.
Amylum 39.
Animalische Kost 69.
Ansatz s. Mästung 17.
Arbeiter s. Stoffwechsel.
Arbeiterküchen 122.
Arbeitshäuser 115.
Argutinsky 13.
Amschnik 12. 38.
Asche, Einflufs auf Stoffwechsel 16.
Aschenbestandteile 26.
Asparagin 35.
Ausnutzung der Nahrung 64 ff.
— Einflüsse auf 68.
Baer. A 64. 93.
Baltzer 75.
Bauer 137.
Beaunis 88.
Becker's üampfkochtopf 57.
Bekömmlichkeit der Nahrung 61.
Belgische Gefängniskost 116.
Beneke 88.
Benzoesäure 16.
Berdez 17
Berliner städtische Spitäler 153.
— Kost der 135 ff.
Bidder 8.
Bier, Einflufs auf Stoffwechsel 16.
Bischoff, C. 25.
Bischoff. E 7. 25. 37.
Blaschko, H. 126.
Blindenanstalten 120.
Böhm 89.
Bohland 89.
Bokay 35
du Bois Reymond, E. 46.
Borax 16.
Borsäure 16.
Branntwein, Einflufs auf Stoffwechsel 16.
Breiform der Speisen 107.
Brennwert der organ. Nährstoffe 46.
Buchholz 114.
Büchsenfleisch 113.
Bunge, G. 20. 31.
Buttermilch als Gefängniskost 116.
Calorie 47.
Calorimeter 47.
Camerer 15. 16. 96.
Cellulose 39.
Charitekrankenhaas, Kost im 135.
Chossat 8.
Coffein, Wirkung auf Stoffwechsel 17.
Cohn, J. 69.
Constantinidi 69.
Cramer 64. 75.
Dampfkochtopf 57.
Dampfschiffe, Ernährung 127.
Danilewsky 50.
Darmarbeit 13.
Dehn 17.
Deutschland , Ernährung der Soldaten in
112 ff.
Dextrin 39.
Diätformen 134 ff.
Dnbelir 17.
Durst 24.
Dyspnoe, durch Arbeit 12. 13.
Eier, Zubereitung der 58.
*) Von den Autoren sind nur diejenigen ins Register aufgenommen worden, deren
Kamen in dem Abschnitte über Ernährung seltener genannt werden, weil nur diese bei
der Auffindung irgend einer Thatsache u. s. w. zur Führung dienen können.
138
IMMANUEL MUNK, Emzelemäbruiig uud Masseuernährung. 139
Eijkmann 89.
Eisbein 34
Eiserner Bestand 9*2. 114.
Eiweifsbedarf 85.
Eiweirsersparnis 12.
Eiweifsstoffe 31
Elastin 33
Englische Krankenhäuser, Kost der 134.
Englische' Krankheit 107.
Epidemien, K>>Nt in 129.
Erbswurst 113.
Erhaltungskost 87. 92.
Ernährung, s. Ma:>seiiernähraog.
— s. a. StoflVecLsel.
Essig zur Würze 117.
Etzinger 10.
Extradiät 135.
Feldarbeit, Nutzen der 96.
Felix 119.
Fette 35 116.
— hchlechte Wärmeleiter 36-
— verschiedene Arten 36.
— Bedeutung als Nährstoff 36.
— s. a Stoffwechsel.
Fettbestimmung durch die Atemgnse 5.
Fettbildung aus Kohlehydraten 19
— ans Kiweifs 19.
Fettdepots 35.
Fettmästung 17.
Fettpolster 35.
Fettsäuren 37, s. a. Fette.
Fettverlust durch Eiweifs beschränkt 32.
Fleischkost, reine 73.
Fleischmästung 17.
Flügge 46 89. 125. 127.
Fränkel, A. 13.
Frauenheime 120.
Friedensportion 91.
Funke. 0 43.
(iärtner 129.
Gauser 114.
Gefangenkost 92.
Gefängniskost 114 ff.
Genufsmittel 42 ff.
Genufsstoffe 40 ff.
Geppert 17.
Germain See 132.
Gewürze für Volksküchen 124.
Glycerin 37.
Graupen 114
llähner OG.
Hartmann, J. 75.
Hauber 40.
Heifse Speisen 79.
Heringe bei Ticfängniskost 116.
Hering für Massenernahrung 93.
Herzog Carl Theodor 14
Hirschfeld, F. 13. 89. 137.
Hoch 88.
V. Hoesslin 16. 31.
Hofmann, Fr. 59. 64. 69.
Holland. Krnährung der Soldaten in 112.
Holzknechte, Nahrung der 70.
Huppe 59.
Hultgren 89.
Hungerkot 65.
Hunger, .Stoffwechsel im 7.
Hungerstrafe 1 1 8.
Husson 75 79. 137.
Idiotenanstalten 120.
Ihisima 89
Immermann 31.
Infektion der Nahrungsmittel 129.
— liiirth Nahrungsmittel 130.
Invalidenhäuser 120.
Isodynamie 49.
Käse für Massenernährung 107.
Kalbskopf 34.
Kalisalze 29
Kalkmangel 30
Kalorie 47.
Kalorienbedarf 49.
Kalorimeter 47.
Kalte Speisen 80.
Kartoffeln tur Masseuernährung 111.
Katzenstein 13
Kauen 103
Keller 17. 89.
Kemmerich 31.
Keratin 33.
Kinderkrankenhäuser, Kost der 137.
Kinderkost 93. 137.
Kirchner 137.
Kjeldahl 5.
Klikowicz 104.
V. Knieriem 40.
Knochensuppen 34.
Kochen der Nahrung 56.
Kochsalz, Einäufs auf Stoffwechsel 16- 28.
Körperbestand 3.
Kohlehydrate 38.
— s. auch Stoffwechsel.
Kohlenstoff, Bestimmung 3.
Kollagen 33.
Kommifsbrot für Masseuernährung 111.
Konserven f. Masseuernährung 113 ff.
Kostjurin 81.
Kost, animalische 69.
— pflanzliche 69.
— der Arbeiter aus Schweden 88.
— „ „ „ Deutschland 10-'.
— „ Bergleute 88. 97.
— „ Heizer 97.
— „ Ilolzknechte aus Siebenbürgen 88.
— ,, Japaner 88.
— ,, Tunnelarbciter 97.
— ,, Zie^celurbeiter aus Italien 88.
— s. auch Kostmafs.
Kostmafs 81.
— bei Arbeit 84 ff.
— der alten Leute 89.
— „ Erwachsenen 84.
— ,, Gefangenen 92.
— „ Kinder 93.
— ., Soldaten 90.
— Methoden zur Feststellung des 82
— nach Jahreszeiten 96.
139
140
IMMANl'KL MUNK,
Kostmafs nncli Klinifi 96.
Krankenhäuser, Kost in 132 ff.
Krankenkost 132 ff.
Kreatin .'i5.
Krieg. M,issenernälirun{; bei 131.
Kriegsportion 9 1 .
Krohne 93 119
Kmmmacher 69.
Krupp's Arbeitermenage 123. 126.
— Haiisbaltungsschule 109.
Küchenabfälle bei Berechnung der Kost ab-
zuziehen 115.
Knmagava 12. 89.
Kohlensäurebestimmung 5.
Liandergren 89.
Langbein 50.
LebedefF 12.
Lebensalter, Einflufs auf StoflFwechsel 15.
Lehmann 8.
Leimstoffe 33.
— als Nährstoff 10. 34.
— .. Sparstoff 34.
Leo, H. 7.
Leppmann 93. 119.
Leube 81.
Lewin, L. 13.
Lex 114. 137.
Lina Morgenstern 127.
Loewy. A. 13 14.
Luciani 8.
Lnftkalorimeter 48.
9Iagermilch als Gefängniskost 116.
Magnus-Levy 69. 132.
Mahlzeiten, Verteilung der Kost auf die 98.
Malfatti 69.
Mallevre 40.
Manöverkost 91.
Marine, Kost der deutschen 129.
Mästung 17.
Massenemährung 105.
— bei Epidemien 129.
— in Alumnaten 108.
— ,, Armenhäusern 120.
— „ HaushaltUDgsschulen 109.
— „ Korrektionsanstalten 108.
— „ Krankenhäusern 132.
— im Kriege 129.
— Methodik der 3.
— in Volksküchen 122.
— ,, Waisenhäusern 106.
— von Gefangenen 114.
— ,, Kindern 106.
— ,, Kranken 132,
— ,, Soldaten 109.
Matrosenkost 129
Mauthner 35.
Meinert 64. 83. 89. 93. 106.
Menagen 122.
Mendel 46.
V Mering 13.
Meyer. G 68.
Militärlazarette, Kost der 134 ff
Mineralsalze, s- Asche.
Mineralstoffe s auch Asche 26.
— M)iiii;el an 30.
Minkowski, 0. 38.
Mittelkost 117.
Mittelsalze 1 G.
Moabit. Siiafanstfilt in 116.
Morgenstern 127.
Mori 89.
Müller, Fr. 38. 64.
München, Krankenhaus 134.
Muskelarbeit, Einflufs d. auf Ausnutzung der
Nahrung 68.
Kahrung 51.
— Ausnützung 64.
— Backen 35.
— Braten 57. 58.
— Definition 81.
— Form 59. 61.
— gemischte 75.
— Kochen 35.
— Konsistenz 59. 61 ff.
— Rösten 55. 58.
— Temperatur 79.
— Volumen der 59.
— Zerkleinerung 54.
— Zubereitung 52.
Nahrungsentziehung 118.
Nahrungsmittel, Zusammensetzung der 52.
Nahrungsstoffe 21.
Nährsalze 27.
Nakahama 89.
Nerven, Einflufs auf Verdauung 102.
V. Noorden 10.
Nukleine 34.
Obernier 17.
Oel 36.
Oertel 25.
Oesterreich, Ernährung der Soldaten in 112.
Ohlmüller 75. 89. 96.
Oi, G 89.
Oppenheim, A. 13. 102.
Panum 106.
Paris. Kost bei Belagerung 131.
Pektinstoffe 39.
Pettenkofer's Respirationsapparat 5.
Pfeiffer, L. 37.
Pflanzengammi 39.
Pflanzenschleim 39.
Pflanzliche Kost 69.
Pfründner 120.
Playfair 89.
Plötzensee 115 ff.
Politis 35.
Pollitzer 10.
Prausnitz 69. 109. 127.
Proskauer 126.
Püreekartoffeln 134.
Ranke 2. 8. 10. 12.
Eauchfufs 137.
V. Eechenberg 50. 89.
Beichardt 25.
140
Einzolernäbning und Massenernähning.
141
Beincke 129.
Beinecke 37.
Bekonvalescenten, Kost für 134. 136.
Bespirationsapparat vou Pettenkofer 4.
Bhachitis 30. 107.
Bintaro Mori 89.
Bitthaasen 33
Boienberg. 8. G9.
Bosenheim, Th. 89.
Both & Lei 114. 137.
Boax 17
Babner*! Kalorimeter 48.
Sättigung, Gefühl der 59.
SäuglingskoBt 94.
Saücylsänre 16.
Salvioli 69.
Scharling 16.
T. Scherier 75.
Scheabe 79. 98.
Schlaf 13
Schleich 14.
Schmalz 36.
Schmidt 8.
Schroeder. W. 64. 109.
Schulze, E., und Reiuecke 37.
Schuster 64.
Schweinsfüfse 34.
Scrophulose 107.
See 131
Seegen 40
Seekrankheit 127.
Seemann 31.
Seeschiffe, Ernährnag auf 127,
Senator S. 14
Siechenhäuser 120.
Siechenkost 121.
Skorbut in Gefängnissen 119.
Sommerkost 96.
Spaeth 81.
Speck 113
Speck, Dr 14.
Speisevolumen, tägliches 60.
Spinola 137.
Spirig 69
Suppen an stalten 123.
Suppentafeln 113.
SUpf 98
Steinheil 89.
StickstofFbestimmung nach Kjeldahl 4.
Stickstcffgleichgewicht 9.
Stoffwechsel bti Arbeit 12.
— bei Eiweifszafuhr 8.
— „ Fettzufuhr 11.
— „ Hunger 7.
Stoffwechsel bei Kohlehydratzufuhr 11.
— bei Leiuizufuhr 10.
— ,, verschied. Körperzustünden 14.
— „ verschied. LebensHlterii 14.
— ,, wechselnder Aufsentemperatur 13.
Stohmann 60.
Strassmann, Fr. 17.
Strümpel 59.
Studemund 92.
Tabak 114,
Talg 36.
Tappeiner 40.
Taubstummenanstalten 120.
Temperatur, Eiuflufs auf Stoffwechsel 13.
Teuerung, Massenernährung bei 131.
Tropenkost 96 ff.
Untersuchungsgefangene 118 ff,
VegetariBmua 69. 71.
Veiten 14.
Verdaulichkeit (Pseudo-) 61.
Verdauung 102 ff.
- s. a. Darmarbeit,
Vertretungswert der organ. Nährstoffe 46 ff
Vitellin 33.
Völle nach Nahrungsaufnahme 61.
Volkmann, A. W. 7. 25,
Volkskaffeehäuser 123.
Volksküchen 122. 125.
M'aisenanstalten, Kost in 96.
Wasser als Nahrungsstoff 21.
Wasserbedarf 23
Wassergehalt der Organe 21. 24.
Wasser und Brot, Verurteilung zu 118.
Wasserverloat durch die Haut 23,
Weiske 40.
Wernich 75.
Weyl, Th. 33.
Winterkost 96,
Wolff, L 104,
Wolfhügel 59
Würzstofife 40 ff.
Zerkleinerung <ier Nahrung 52 ff.
Zubereitung iler Nahrung 54.
Zuchthäuser 115 ff.
Zuckerarten .'S9.
Zusammengekochtes Essen 64 124,
Zwieback lür Masseiiernährung 111.
Zwischendeckspassagiere 128 129,
141
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vollständigen Erscheinen des Werkes tritt ein höherer Ladenpreis in Kraft.
Ein derartitjts Nachschlagewerk besitzt teeder die deutsche noch die auiländische
Litteratur.
Das ,, Handwörterbuch" giebt eine Darstellung des thattächlichcn Inhalts der wirt-
schnftliehen und sozialen Erscheinungen Es geht weit über die Grenzen einer lediglich
renra/tungsrechtlichen Behandlung der gegenwärtig in Deutschland bestehenden loirtscha/t-
lichen und sozialen Ordnung hinaus.
Das ..Hnndwörterbuch" bietet die gesamte teirtschafüiche Gesetzgebung aller Kultur-
Vinder. eine detaülierfe Statistüc. die Hauptergebnisse der parlamentarischen und littera-
risrhfn lUflcussion und eine vollständige bibliographische l'ebersicht.
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die Zellbestandtheile. — Zweiter Abschnitt Die Nahrungsstoffe. — Dritter Abschnitt.
Die Fermente. — Vierter Abschnitt. Die Verdauung. — Fünfter Abschnitt. Die Re-
sorption nnd die nächsten Schicksale der resorbirten Nährstoffe — Sechster Abschnitt.
Der Bedarf an Nahrung und die Bedeutung der Nährstoffe für den Organitmat. —
Schluss. Die Nahrungsmittel and die Nahrung der Kulturvölker.
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Inhalt. I. Anatomischer Teil: Körperlänge; Dimensionen des Körpers; Körper-
gewicht; Wachstum; Gewicht von Körperorgai.en ; Dimensionen und Volume. i von
Herz Lunge, Leber; Körpervolumen und Körperoberfläche; Specifisches Gewicht des
Körpers und seiner Bestandteile; Schädel und Gehirn; Wirbelsäule samt Rückenmark;
Muskeln- Skelett; Bru.<<tkorb ; Becken; Kindsschädel; Verdauungsapparat; Respirations-
organe; Harn- und Geschlechtsorgane; Haut, Haargebilde ; Ohr; Auge; Nase; Nerven:
Gcfä.sssystem (ohne Herz); Lymphgefässe und -Drüsen ; Vergleich zwischen rechter nnd
linker Körperhälfte; Embryo und Fötus; Vergleich zwischen beiden Geschlechtern. —
II Physiologischer und physiologisch-chemischer Teil: Blut und Blutbeweguner; Atmung;
Verdauung; Leberfunktion fohne Gallenbildung); Perspiration und Schweissbildung;
Lymphe undChylus; Harnbereitung; Wärmebildung; Gesamtstoffwechsel; Stoflfwechsel
beim Kind; Muskelphysjologie; Allgemeine Nerphenphysiologie ; Tastsinn; Gehorssinn;
Gesichtssinn; Geschmackssinn; Geruchssinn; Physiologie der Zeugung; Festigkeit des
Schlafs; Sterblichkeitstafel. — III. Physikalischer Teil : Thermometer.skalen ; Atmo-
sphärische Luft; Specifisches Gewicht; Dichte und Volum des Wassers; Schmelzpunkte;
Siedepunkte: Wärme; Schallgeschwindigkeit; Spektrum; Elektrische Masse und Ein-
heiten; Elektrischer Widerstand. — Anhang: Praktisch-medicinische Analckten. Klima-
tische Kurorte; Temperatur der Speisen und Getränke; Daner der Bettruhe; Inkuba-
tionszeit der Infektionskrankheiten; Maximaldosen; Medicinalgewicht; Medicinalmass;
Dosenbestimmung nach den Lebensaltern ; Letale Dosen differenter Stoffe; Trauben-
zucker im diabetischen Harn; E.^sudate nnd Transsudate; Elektrischer Leitungswider-
stand des Körpers und seiner Teile; Erregbarkeitsskala der Nerven und Muskeln;
Festigkeit der Knochen; Massstäbe für Sonden, Bougies, Katheter.
TT • Hugo de, ord. Professor der Botanik an der Universität Amsterdam,
VneS, Die pflanzen und Thiere in den dunkeln Räumen der
Botterdamer Wasserleitung. Bericht über die biologischen Untersuchungen
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I
Die Gebrauchsgegenstände
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HANDBUCH DER HY&IENE
in 8 — 10 Bänden.
Ilorausgcgoben von Dr. med. TIuhmIof IVcyl in Berlin.
Das .Jlandbuch der n.vtfloiie" stellt sich niclit in (hni Dienst, einer l»c
slinnnten Scliule, sondern will sich einen niöj^lichst nnpartciischen Standpnnkl
bewahren; es sind deshall» die ^'er1reter der verschieih'nsten Schnlen znr Mit-
aiheit an denisellien aut'i:ef(ir(h'rt worden. Für die Kapitel praktischen Inhalts
wurden vorzugsweise solche ^litarheiter herangezoj^en, welche durch ihre bcrufs-
niüLMtre Beschäfti.uung besonders geeignet waren, das übernonnnenc Thema zu
bearbeiten. Es ist deswegen ein großer Teil der Herren Mitarbeiter aus den
IJeihen der Architekten und Ingenieure gewählt, worden. Wo indessen bei einzelnen
Kapiteln neben der r>earbeitnng durch die Techniker die Mitarbeit des hygienisch
ausgebihleten Mediziners ertonh-riich war, hat der Herr Herausgeber eine Vei-
teilung des StotVes vorgenominen, und es wird ihm hotlentlich geglückt sein, die
Zuständigkeit des I^Iediziners einerseits und die (h>s Technikers andererseits in
zntreHender Weise zu begrenzen.
Die Gewerbehygiene soll entspreclMMid iiirer Wichtigkeit eine besonders ein
gehende Bearbeitung finden; Abschnitte wie Strassenh/qiene, allgemeine Bauhygin
und Wohntaigshi/gioie werden eine so ausführliclH^ Darstellung finden, wie sn-
bisher in deutscher Sprache wohl noch nicht versucht wurde.
Der lialdcriologie als solcher wnide eine besondere Abteilung nicht gewidmet.
Sie erxheint aber als eine der zaidreichen Methoden, deren die Hygiene bedarf,
in allen denjenigen Kapiteln, in denen sie, wie in der Lehre vom Boden, vom
Trinkwasser, in der Theorie der Infektionskrankheiten, zur Lösung der hygieni-
schen Fragen ihre Hilfe leiht und hantig den Ansschlag giebt.
Das ,,Hiiiidl)iieli der Hy};u'iie'* soll in etwa, lOliänden im Gesamt
I'ni fange von 2(i(i liis höchstens 2H) Druckbogen erscheinen.
Die Bände werden in iler nachstehenden Kinleilung herausgegeben werden:
BAND I, Abteilung 1:
*Orgaijisatinii der öffeiitliciieii Gesuiidlieilspilege in den Kuiturstaateu (Prof.
F i u k e 1 n b u r g iu Bonn).
*Boden (Prof. von Fodor in Budapest).
*Klima (Prof. Aßmanii in Berlin).
*Kbniato]ogie und Tropcnhy^ionc (Dr. Sclicllung in Königsberg i. P.)
^Kleidung (Prof. Kratschnier in Wien).
Abteilung 2 :
Trinkw'a.sscr und Trinkwasserversorgung:
*a) Wasservcr.sorgung, technische Kapitel (Uberingenieur Gesten in Berlin"
b) Bakteriologie des Trinkwassers (Prof. Löffler in Greifswald).
*c) Clioniisclie Untersucliung des Trinkwassers (Direktor Dr. Sondtner in
München),
d) Beurteilung des Trinkwassers (die unter b und c genannten Herren),
n^
BAND II: Städtereinigung.
Abteilung 1:
*Einleitung: Die Notwendigkeit der Städtereinigung und ihre Erfolge (Prof
Blasius in Braunschweig).
*AV)fuhrsystenie (Prof. B 1 as i u s).
*Schweminkanalisation (Prof. B ü s i n g in Berlin-Friedenau).
*Rieselfelder :
a) Anlage, Bewirtschaftting und wirtschaftliche Ergebnisse (Landwirt Georg
H. Gfrson in B ibn'.
Fortsclziing auf der j. Seite des Umschlags.
I
.'rot.
I
DIE GEBRAUCHSGEGENSTÄNDE
IM ANSCIILUSS AN DIE
GKSKTZGKIUNG DES DEUTSCHEN KEICHS UND AN DIE
DEll ÜinaGEN KILTIRSTAATEN.
BEARBEITET
VON
I)R THEODOR WEYL.
MIT 1 ABBILDUNG IM TEXT.
HANDBUCH DER HYGIENE.
HERAUSGEGEBEN VON
DR. THEODOR WEYL.
DRITTER BAND. ER.STE ABTEILUNG.
u Iim;
JENA,
VERLA(t von (tUSIAV FISCHER.
1094.
I
II
Inhaltsübersicht.
Seile
Einleitung 339
Abschnitt I. Das Reichsgesetz betreffend den Verkehr
mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen.
Vom 25. Juni 1887 340
Kap. I. Die blei- und zinkhaltigen Gegenstände 340
A. Die Kochgeschirre 340
a) Die metallenen emaillierten Kochgeschirre 340
b) Die irdenen glasierten Kochgeschirre 342
B. Die verzinnten Gefäße 345
1. Die Konservebüchsen 345
ß) Die Verzinnung der Konservebüchsen 345
ß) Die Lötung der Konservebüchsen 345
2. Die verzinnten kupfernen Gefäße 348
Anhang. Der Uebergang von Zinn aus verzinnten Gefäßen
in die Speisen 349
C. Die Zinngeräte 351
1. Zinnteller und Zinnkrüge S.jl
2. Zinnfolien 351
3. Bierdruckapparate 353
4. Faßhähne 354
5. Bierdeckel, Siphons, Kindersaugtiaschen 355
D. Geräte aus reinem oder fast reinem Blei 35G
1. Mühlsteine 35t5
2. Flaschenschrot 35G
E. Blei- und zinkhaltiger Kautschuk 357
Kap. II. Gesetzliche Bestimmungen über den Verkehr mit
blei- und zinkhaltigen Gegenständen 358
a) Deutschland ... 358
b) Belgien ... 360
c) Frankreich 361
d) Oesterreich 361
e) Vereinigte Staaten 361
338 iQbalt.
Soita
Kap. in. Die Ersatzmittel für blei- und zinkhaltige Gegenstände 361
1. Die kupfernen Gefäße 362
2. Die Nickel-Gefalie 362
3. Die Aluminium-Gefaße 364
Ä.bschnitt II. Das Re i chsgesetz vom 5. Juli 1S87 be-
treffend die Verwendung gesundheits-
schädlicher Farben bei der Herstellung
von Nahrungsmitteln und Gebrauchs-
gegenständen 3G7
Einleitung 367
Kap. I. Die Farbstoffe 368
Einteilung 368
Anorganische Fai'bstoffe 369
Die vermeintliche Kupfervergiftung und die Reverdissage . 373
Anorganische Fai'bstoffe (Fortsetzung) 377
Organische Farbstoffe 377
Die Giftigkeit der organischen Farbstoffe 378
Erläuterungen zu § 1 384
Vorschläge zur Regelung der Farbstofffrage 385
Erläuterungen zu § 2 385
„ § 3 386
,. § 4 388
. § 5 390
,. § 6 392
.. § 7 392
Die Vergiftungen durch gefärbte Gewebe 394
Erläuterungen zu § 8 399
. § 9 399
„ § 10 400
,. § 11 400
, § 12—15 401
Kap. n. UeberbUck über die Gesetzgebung der Kulturstaaten
betreffend giftige Farben 401
Abschnitt III. Die Kaiserliche Verordnung vom
24. Februar 1882 über das gewerbs-
mäßige Verkaufen und Feilhalten
vonPetroleum 403
Kegister 406
Kinleituii^.
Dem Spracligehraucli nach bezeichnet mau als Gebrauclisge<;en-
stände iliejeni;,'en (Gerätschaften, welche zur Zubereitung und Aufl)e-
wahrung von Nahrungsmitteln gehören, ferner die zum Färben der
Kleider, der Vorhänge, der Möbelüberzüge, der Spielwaren, der Nah-
rungsmittel benutzten Farben, die Cosmetica und Pomaden, schließ-
lich auch das Petroleum.
Die Ueberwachung der Herstellung und des Handels mit diesen
Gebrauchsgegenständen ist geboten, weil letztere bei mangelhafter
Herstellung wohl geeignet erscheinen, die menschliche Gesundheit zu
gefährden.
Die Gesetzgebung, welche die Gebrauchsgegenstände betrifft, ist
nirgends ausgebildeter als im Deutschen Reiche.
Es scheint daher gerechtfertigt, diese Gesetzgebung zum Ausgangs-
punkt einer Besprechung der Lehre von den Gebrauchsgegenständen
zu nehmen.
Im folgenden ist dies nur in Rücksicht auf die hygienischen
Gesichtspunkte geschehen, welche hierbei in Betracht kommen, während
die strafrechtliche Würdigung dieser Materie den juristischen Kom-
mentaren * überlassen werden muß.
Die Gesetzgebung in Deutschland hat die Gesundheits-
schädigungen durch Gebrauchsgegenstände in dreifacher Weise zu
treffen gesucht; zunächst durch das Gesetz vom 2;"). Juni 18H7 be-
treffend den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegen-
ständen, ferner durch das Gesetz vom 5. Juli betreffend die
Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der
Herstellung von Nahrungsmitteln, G e n u ß m i 1 1 e 1 n u n d
Gebrauchsgegenständen, endlich durch die Verordnung vom
24. Februar 1>!H2 ü b er das zweckmäßige Verkaufen und Feil-
hai t e n des Petroleums.
Die übrigen Kulturstaaten sind der deutschen Gesetzgebung
meist in gleichem Sinne gefolgt oder waren ihr bereits, wie z. B.
Frankreich, vorangegangen.
1) Fr. Meyer u C. Finkelnbnrg, Da» Gttetz betrrfend den Verkehr mit NahningtmUleln etc. ,
hcnrie die auf Gnind Jrsfelben erlassenen Verordnungen, 3. Auflage, Berlin, Springer. Sehr
empfehlenswert! R. Hau, Die lieichxjesetze vom 25. Juni, .5. und 12. Juli 1887 mit
den Motiven, den AuKjiihrtingsheslimmunyen und einem sehr eingehenden Jnhaltsverzeirhiiis,
Sördlingen, C. H. Heck. Sehr empfehlfiitinrt .' Joief Bauer, Die litichsgeietze bctreß'end
den Verkehr mit Salirungtmitteln, U enu/smitteln und Oebrauchtgeg-nsUinden, Leipzig, 1890,
V erlag smagazin, 184 S. Enthält innig Originelle». Henzen, lieichtgesetz betreffend den
Verkehr mit Nahrungsmitteln, Oenu/tmitteln und UebrauchsgegentUinden, Paderborn 1892.
Lohmann, Lebemmiitelpolizei, I^ripzig lS9i,Oi(ntJirr. Gerichtliche Knttcheidungen
betreffend die Gesetze über Verkehr mit Sahrungtmitleln, Genu ff mittein und Gebrauchsgegen-
ständen, herausgegeben vom Kais. Gesundfieittamt, Jlcrlin, Julius Springer
Handbuch der Hygiene. Bd. lU. Abtl«. 1. 22
ABSCHNITT I.
Das Reiclisgesetz beti*effeiicl den Vorkehr mit blei- und
zinkhaltigen Gegenständen \ Tom 15. Juni 1887.
Kapitel 1.
Die blei- und zinkhaltigen Gegenstände.
Die blei- und zinkhaltigen Gegenstände, welche in diesem Kapitel
besprochen werden sollen, sind die folgenden: Kochgeschirre, Konserve-
büchsen. Zinnfolien, Bierdruckapparate, Flaschenverschlüsse, Mühlsteine
und Kautschukartikel.
A. Die Kochgescliirre ^ *.
Die Kochgeschirre zerfallen in metallene und in irdene.
a) Die metallenen Kochgeschirre.
Die metallenen Kochgeschirre kommen hier nur so weit in Be-
tracht, als bei ihrer Herstellung das Blei eine Rolle spielt.
Die ohne Hilfe von Blei hergestellten metallenen Kochge-
schirre wurden in ein besonderes Kapitel: Die Ersatzmittel für blei-
und zinkhaltige Gegenstände (S. 361) verwiesen. Geschirre aus fast
reinem Blei, welche früher nicht selten gewesen sind (siehe
WolffhügeP), kommen jetzt wohl kaum mehr in den Handel*).
Am häufigsten werden eiserne, innen emaillierte Kochgefäße be-
nutzt. Das Emaillieren findet statt, um einerseits das Auflösen
und Verletzen der Substanz des Kochgeschirrs durch die Speisen und
um andererseits den Uebertritt von Eisen oder diesem beigemengten
Metallen, z. B. von Arsen, in die Speisen zu verhindern.
Emaillen**) sind Glasfüße ^^ mit denen man Metallgefäße überzieht,
während die entsprechenden Ueberzüge der Thongefäße als Glasuren
(
*) Hierher gehörten eigentlich auch die bleiernen Wasserleitangsröhren.
Dieselben werden aber besser bei der Lehre vom Trinkwasser (Bd. I, Abteilung 2
dieses Handbuches) besprochen.
**) von Smaltum, Schmelz.
Die Gebrauchsgegenstände. 341
bezeichnet werden*). Als geeignetes Material für die Glasuren haben
sich seit alters namentlich Bleisilikate erwiesen, welche man auf das zu
emaillierende, vorher von jeder Unsauberkeit aufs sorgsamste befreite
Gefäß mit Hilfe eines Pinsels aufträgt und dann im Feuer mit der Unter-
lage fest verbindet. In fast allen Fällen bringt man zuerst eine Grund-
masse auf die Innenfläche des Gefäßes. Diese Masse muß ungefähr den-
selben Ausdehnungskoeffizienten wie die metallische Unterlage haben, weil
sie anderenfalls beim Erkalten abblättern würde. Hierüber kommt die
Deckmasse, welche nach dem Erkalten des Gefäßes in einem zweiten
Prozesse eingebrannt wird. Ein langsames Abkühlen befördert die Halt-
barkeit der Emaille ungemein.
Die Horstelluii!^^ einer ju^ut liafteiulen, durch chemische Stoffe nicht
angreifbaren Emaille bedarf großer Erfahrung und Geschicklichkeit,
Während man sich nun aber früher mit der Gewinnung einer
Emaille begnügte, die den ästhetischen und technischen An-
sprüchen genügte, hat in den letzten Jahrzehnten auch die Hygiene
gewisse Forderungen an die Emaillen zu stellen begonnen.
Die Emaille darf an die Speisen kein Blei abgeben,
darf nicht abblättern oder rissig werden. Diese P)eding-
ungen werden erfüllt, wenn die Emaille die richtige Zusammensetzung
besitzt und bei genügend hoher Temperatur eingebrannt ist.
Daß diesen Bedingungen nicht immer genügt wird, liegt haupt-
sächlich darin, daß die Unterhaltung der hohen Temperaturen kost-
spielig ist. Auch kommt in Betracht, daß die Glasur mit steigendem
Gehalte an Bleioxyd glänzender und elastischer wird. Ein hoher
Grad von Elasticität l)efördert aber die Haltbarkeit der Glasur.
Ob eine Glasur im Sinne des t> 1 des Deutschen
Reichsgesetzes bleifrei ist, erfährt man in derselben Weise,
wie dies Seite 344 bei Untersuchung der Glasuren für irdene Gefäße
geschildert wurde.
Die Weißfärbung der Emaille in Kochgeschirren wird durch
Zinnoxyd, eine Blaufärbung durch Kobaldoxyd hervorgerufen.
Die zum Färben der Emaille angewandten Oxyde, z. B. Zinnoxyd, dürfen
nicht in direkte Berührung mit dem Eisen (Blech) kommen, weil sie durch diese
reduziert werden würden. Man setzt sie deshalb der Deckmasse, nicht
der Grundmasse zu.
Zinkoxj-d liefert gleichfalls eine schön glänzende Glasur, löst sich
aber in schwachen Säuren leichter als Bleioxyd und wird deshalb wenig
angewandt.
Das Emaillieren findet in besonderen Oefen statt. Die
Temperatur ist die des schmelzenden Messings, also 700 — 1000**.
Diese Temperatur wirkt bei kleineren Gefäßen (Kochtöpfen, Kasserollen)
nur 10 — 20 Minuten ein, nachdem die feucht aufgetragene Emaille zuerst
bei 40 — 50, dann bei einer allmählich bis auf 200 — 300" gesteigerten
Temperatur vorgetrocknet ist.
Mit den Fortschritten der Technik sind die bleihaltigen Emaillen
entbehrlich geworden und durch die bleifreien (rlasuren im Be-
griffe verdrängt zu werden.
*) Die Emaillen der ScIimuckt^SKenstände und anderer kostbarer Oefäfse (z. B. C 1 o i-
• onn^, Limoges) enthalten fast stets Zusätze, aoi die Emailleu zu färben. Die
meisten derselben sind mehr oder minder giftig.
OO*
3
M2 TU. WEYL,
(icscliirro mit l)lcifreicn (ilnsiiren bezeichnet man als Gesund-
heit s - oder S a n i t ä t s g e s c h i r r e.
Im folgenden sind einijie Recepte^ blei freier Emails mit-
geteilt.
Ixecept I. a) Grundmasse: Eine Schmelze aus 75 Teilen feinem
Sand, 45 Teilen Borax und 1 Teil Magnesia wird pulverisiert und mit
20 Teilen Sand und 10 Teilen Thou und U^ Teil Magnesia gemischt,
b) Die zu dieser Grundmasse gehörige Deckmasse besteht aus 30
Teilen Feldspat, G Teilen Salpeter, 2 Teilen Magnesia, 22 Teilen Borax
und 18 Teilen Zinnoxyd. Die geschmolzene und gemahlene Mischung
wird mit 7 Teilen Thon und ^/j Teil Magnesia vermengt und mit Wasser
gekocht.
JRecept II ist für das in Deutschland sehr verbreitete Kochgeschirr
des Eisenwerkes in Thale (Harz) bestimmt. Das Email besteht aus 12
Teilen ungebranntem Gips und 1 Teil Borax.
Analyse von Glasuren und Emaillen. 1 — 2 g der fein zer-
kleinerten Emaille werden mit der 4 — 5-facheu Menge Kalium-Natrium-
karbonat geschmolzen. Die erkaltete und zerkleinerte, mit Wasser unter
Zusatz von etwas Salpeter eingerührte Masse wird mit Salpetersäure
übersättigt, eingedampft, wieder mit Wasser aufgenommen und der
Prozeß des Eindampfens bis zur Trocknung unter Zusatz von Salpeter-
säure nochmals wiederholt. Jetzt wird mit heißem Wasser aufgenommen
und von dem unlöslichen Rückstande abfiltriert.
Im Rückstande verbleiben Zinnoxyd und Kieselsäure. Ersteres wird
mit Schwefelammonium extrahiert, letztere verbleibt als in Schwefel-
ammon unlöslich zurück. Die oben erhaltene wässerige Lösung kann
enthalten: Blei, Eisenoxyd, Thonerde, Magnesia, Kalk. Baryt. Diese Stoffe
werden in üblicher Weise getrennt und identifiziert.
Ueber „Bleifreiheit" der Emaillen im Sinne des §1 des Reichs-
gesetzes s. S. 344.
h) Die irdenen glasierten Gefäfse.
Die wegen ihres niedrigen Preises noch immer in großem Um-
fange zur Bereitung und Aufljewahrung der Speisen benutzten „Töpfer-
waren" oder irdenen Gefäße bestehen ihrer Masse nacli aus reinem
oder mit Sand vermischtem Thon. Letzterer wird auf der Drehscheibe
geformt, dann an der Luft getrocknet. Um nun zu verhindern, daß
in diese porösen Gefäße Flüssigkeiten eindringen, müssen die Töpfer-
waren, um gebrauchsfähig zu werden, mit einer undurchlässigen Glasur
versehen werden.
Letztere besteht aus einem Alum inium -Bl ei silikat (Blei-
glasurj. wie man es durch Mischen von Bleiglanz (Bleisulfid, Schwefel-
bleij mit Lehm (Thon oder Sandj und Brennen der Mischung gewinnt.
Beim Erliitzen oxydiert sich der Schwefel des Bleiglanzes und
entweicht als schwefelige Säure (Rö.sten des Bleiglanzes)*.
Die lufttrockenen Gefäße werden nun glasiert. Dies geschieht
entweder durch Eintauchen oder durch Begießen oder durch Bestäuben.
Durch Eintauchen in die mit Wasser angerührte Glasur lassen
sich nur vorher gebrannte (verglühte) Gefäße glasieren. Ueberdies ist
der Arbeiter bei diesem Verfahren einer Bleivergiftung, der sogenannten
Die Gebrauchsgegenstände. 343
Töpferkrankheit*\ in hohem Maße ausgesetzt, weil seine Hände
mit der V)leihaltigen Glasur in fortwährende Berührung kommen.
Dagegen wendet man häufiger das Glasieren durch Begießung
an. Diese Methode ist schon deshalb allen übrigen vorzuziehen, weil sie
den Arbeiter am sichersten vor Bleivergiftung bewahrt.
Beim Glasieren durch Bestäuben wird die Glasur auf das mit
einem feuchten Lehmüberzuge versehene Gefäß aufgesiebt. Natürlich ist
auch dies Verfahren im höchsten Maße gesundheitsschädlich. Es findet
trotzdem im großen Umfange bei der Glasierung der billigen Ware An-
wendung.
Auf das Glasieren folgt das „Brennen" der Töpferwaren, ein
Prozeß, der IG bis 18 Stunden erfordert. Um die Herstellungskosten
der Ware nicht zu sehr zu erhöhen, wendet man eine möglichst niedrige
Temperatur an und spart an Brennmaterial so viel, als man kann.
Hat die Glasur die richtige Zusammensetzung und ist das Ein-
brennen der Glasur gut gelungen, so besteht keine Gefahr, daß die
Glasur beim Zubereiten der Speisen oder bei ihrer AuftDewahrung an
die im Gefäße befindlichen Speisen Blei abgiebt, weil das beim Brennen
entstandene und mit dem Tlion aufs innigste vereinigte Blei-Aluminium-
Silikat in verdünnten Säuren und Alkalien absolut unlöslich ist.
"War dagegen das Mischungsverhältnis zwischen Blei und Sand
ein unrichtiges, so kann trotz richtigen Brennens Blei abgegeben
werden, weil die Base (das Bleioxvd) nicht genügend Säure (Silikat)
zur Vereinigung tindet.
Die Technik hat längst auch blei freie Glasuren herzustellen
gelernt. Dieselben i)estehen z. B. aus Aluminiumsilikat oder Alumi-
niumborat in Verbindung mit mehr oder weniger Kalk und Alkalien.
Zu den bleifreien Glasuren gehört auch die Glasur des Porzellans.
Aber diese bleifreien Glasuren sind zumeist sehr schwerflüssig, d. h.
sie haben einen hohen Schmelzpunkt. Letztere zu erzeugen . ist
einerseits sehr kostspielig, verteuert also die Waren, andererseits ver-
trägt nicht jedes Töpfermaterial eine so hohe Temjjeratur, wie sie zum
Einbrennen der bleifreien Glasur erforderlich ist. Weiterhin muß eine
Glasur, um nicht abzublättern, ungefähr denselben Ausdehnungskoeffi-
zienten haben, wie ihre Unterlage. Diesem Postulat entsi»rechen aber
die billi^'en Thone und die bleihaltigen (Glasuren meist besser als die-
selben Thone bei Anwendung der bleifreien Glasur, Also nicht
die Unmöglichkeit, blei freie Glasuren herzustellen,
sondern der Wunsch, eine möglichst billige und halt-
bare Ware in den Handel zu bringen, ist die \'eranlas-
sung dafür, daß die bleihaltigen Glasuren noch immer
ausgedehnte Anwendung in der Keramik finden. Der
Grund dafür, daß früher, d. h. vor Erlaß der betreffenden (iesetze,
sehr häufig stark bleihaltige Glasuren zur Anwendung kamen, liegt
darin, daß eine Glasur bis zu einem gewissen (irade um so leicht-
flüssiger wird, je mehr Blei die (Jlasur enthält. Es wurde also bei
Anwendung einer stark bleihaltigen (ilasur Feuerungsmaterial, d. h.
Geld gespart.
Hiernach gestalten sich die Verhältnisse bei Herstellung billiger
•) S. über diese in Bd. VlII des H«n(rt)uches, wo die Gewer>)ehjgiene abgehandelt wird.
s
344 TH. WEYL.
glasierter, irdener (lefäße izanz ähnlich, wie dies oben für die billicjen
eisernen nnd e ni a i 1 1 i e r t e n Kochgeschirre ausgeführt wurde (S. .'541).
Angaben darüber, ob das R.(l. vom 25. Juni ISST einen wesent-
lichen EinHuLs auf die Herstellung bleifreier Glasuren und Emaillen
ausgeübt hat, scheinen nur in geringer Zahl verörtentlicht zu sein.
Sendter-** berichtet, daß in der ihm unterstellten, amtlichen
Untersucluingsstation zu München seit 1884 2009 Töpfergeschirre
untersucht wurden.
Von diesen mußten 1307, also 65 Proz. wegen schlechter Glasur
auf Grund des K.(i. vom 2."). Juni 1S87 beanstandet werden. Nament-
lich die ..böhmischen", durch den Hausierhandel vertriebenen Gefäße
waren fehlerhaft.
In 2()^t quantitativ untersuchten Fällen fanden sich im Mittel
jeder, nach den Angaben des R.G. geprüften Glasur (siehe Seite 344
unten) 102 mg Blei.
In dem von Th. Weyl*^ beschriebenen Falle gab ein eiserner,
innen emaillierter Topf V)eim Zubereiten von Maccaroni an dieselben
Blei ab und rief die Symptome einer akuten Bleivergiftung bei den-
jenigen Personen hervor, welche von dem Gericht gegessen hatten.
Ob eine Glasur Blei a b g i e b t , erfährt man nach der in
§ 1 des Reichsgesetzes betreffend den Verkehr mit blei- und zink-
haltigen Gegenständen vorgeschlagenen Methode, welche im folgenden
eine beweisendere Form erhalten hat.
Man füllt das zu prüfende Gefäß mit einer 4-proz. Essigsäure bis
fast zum Rande und erhält die saure Lösung in dem Gefäße unter Er-
satz des verdampfenden Wassers eine halbe Stunde im Kochen. Dann
dampft man die Lösung bis auf die Hälfte ein und leitet in die noch
warme Flüssigkeit Schwefelwasserstoff bis zur Sättigung. Ein brauner
Niederschlag, der auf Schwefelblei deutet, wird ausgewaschen und in
Salpetersäure gelöst. Dann wird zur Trockne abgedampft, wieder in
Wasser gelöst aud mit verdünnter Schwefelsäure versetzt. Ein weißer
Niederschlag (Bleisulfat) deutet auf die Anwesenheit von Blei.
Aber auch schon äußerlich, d. h. ohne chemische Untersuchung
ist man bisweilen imstande, eine Glasur als eine solche zu erkennen,
welche an die Speisen Blei abgiebt.
Gefäße, die mit einer derartigen Glasur versehen sind, geben beim
Anklopfen einen dumpfen Klang und haben häufig eine rauhe, körnige,
blasige oder rissige Oberfläche und sollen sich mit dem Messer ritzen
lassen.
Am sichersten und für gerichtliche Fälle allein
entscheidend bleibt aber die oben angegebene chemi-
sche Untersuchung.
1) Wolfhögel, Arb. Kais. Ges.-Amt, 2. Bd. 112 (1887). Diese ausgezeichnete Abhandlung
tei jedem auf das dringlichste empfohlen, der sich mit dem vorliegenden Gesetze beschäftigt;
JoHes. Oesundheü. 13. Bd. 275; Bucliner, Bayr. Gew. Bl. 20. Bd. 203.
la) K. B Lehmann, Die Methoden der praktischen Hygiene, Wiesbaden 1890. Vergl. nament-
lich den sehr übersichtlichen Abschnitt 18, 511. Aber auch an anderen Orten bringt dal
unentbehrliche Werk Lehmann s für den vorliegenden Zweck brauchbares Material bei.
2) Steht Muspratt, Chemie. 4. Aufl. 2. Bd. 1743 jf.
3) Muspratt. Chemie, 4. Aufl. 2. Bd 1764.
4) Muspratt. Chemie. 4. Aufl. 2. Bd. 1774.
5) Sendtner, Arch. f. Uyg. 17. Bd. 434 (1893).
Die Gebrauchsgegenstände. 345
6) Th. Weyl. DextUcht med. Wochenichr. (1892) So IS.
7) Siehe auch K. B. Lehmann, iJie Methoden der pralUuchen Hygiene. 515.
8) Die technischen llandbiicher enthalteix eine Fülle von Rezepten zur Oetoinnung brauchbarer
Glasuren. Die von Stockmeyer (Hyg. Jidsch (1893) 1034) angegebene hat rieh nach
den Angaben des Auton besonders bewährt.
B. Die Yerzinnteii Geftls.se.
1 . Die K 0 n s e r V e b ü c h s e n.
a) Die Verzinnung der Konservebüchsen.
t
Die Kon^ervel)ücli.seii bestehen wie die gewöhnlichen Kochtöpfe
aus Eisen. Das zur Herstellung der Büchsen benutzte dünne Blech
heißt Weißblech, weil es gewöhnlich vor der Verwendung verzinnt
wird : im Gegensatz zu den dickeren Blechplatten, die unverzinnt Ver-
wendung tinden und als Schwarz blech bezeichnet werden.
Um Blech zu verzinnen, wird seine Oberfläche mit Säuren aufs sorg-
samste gereinigt, dann in schmelzenden Talg, zuletzt in geschmolzenes
Zinn getaucht. Durch den Talg, welcher reduzierend wirkt, wird das
Zinn vor der sonst an der Luft eintretenden Oxydation bewahrt*).
Da nun das Handelszinn meistens größere oder geringere Mengen
Blei enthält, die aber nur selten 1 Proz. überschreiten, gestattet^
§ 1 Absatz 2 des Reichsgesetzes vom 25. Juni 1888, nur eine solche \
Metalllegierung zur Verzinnung des Geschirrs anzuwenden, welche ■
keinen höheren Bleigehalt als einen solchen von 1 Proz. besitzt, i
weil dieser Bleigehalt unter den gegebenen Verhältnissen die Ge- \
sundheit erfahrungsgemäß nicht schädigt und die Forderung, zur !
Verzinnung nur chemisch reines, also bleifreies Zinn zu benutzen,
den Preis der verzinnten Geräte bedeutend erhöht haben würde.
Das R. G. (§ 1 und § 3) betont, daß diese Beschränkung in der An-
wendung des höchstens einprozentigen, bleihaltigen Zinns zum Ver-
zinnen sich nur auf die Innenseite der Konservebüchsen bezieht,
weil die Verzinnung ja nur hier mit dem Inhalte des Gefäßes in
Berührung kommt.
6) Die Lötung der Konservebüchsen.
Weiterhin verbietet das R. G. (?; 1 Absatz 2) die Anwendung
eines Lotes, das mehr als 10 Proz. Blei enthält. Aber auch dieses
Verbot gilt nur für die Innenseite der Büchsen.
Nach den in der Litteratur vorkommenden Angaben steht es
außer Frage, daß die Konserven aus dem Lot Blei herauslösen
können *.
Es scheint daher auf den ersten Blick verwunderlich, daß die
Anwendung eines bleihaltigen Lotes überhaupt gestattet wurde.
Demgegenüi)er ist zu bemerken, daß ein Lot um so leichtflüssiger
wird, je reicher dasselbe an Blei ist. Es kann aber für die Auflötung
des Deckels der gefüllten Konservebüchsen überhaupt nur ein bei
niederer Temperatur schmelzliares Lot, eben dieses Schnei Hot,
benutzt werden, weil ein sehr bleiarmes oder ein bleifreies Lot, also
*) Auch die elektrische Verzinnung wird t^eilbt.
7
:>46 TH. WEYL,
ein Hartlot, erst bei so hoher Temperatur flüssiu- Avird. (hiß die
Koiij-orven bei seiner Anwendunii verl)reiinen würden. Ferner hat
die Erfahrunj; ^^ezAMjit, daß bei Anwendung dieses Lotes, welches
höchstens 1»» Proz. Blei enthält, ein Uebergang von Blei in die Kon-
serven nicht stattfindet.
Nach Karmarsch u. Heeren-' kann man anch Lote von ge-
ringerem Bleigehalt herstellen. Dieselben sind aber, wie die im folgenden
aufgeführten, brüchig :
1 Teil Blei, 2 Teile Zinn. 1 Teil Wismut, Schmelzpunkt 124 Grad Celsius
3 ., „2 ,. ., 5 .. ., „ 91 „
Am besten wäre es, die an der Innenseite gelöteten Konserve-
büchsen („Löt dosen") überhaupt abzuschaffen und sie durch soge-
nannte „Falz dosen" zu ersetzen. Letztere werden im maschinellen
Großbetriebe in der Weise hergestellt, daß man den ,, Körper" oder
Mantel der Büchse mit einem Rande oder Falz versieht, mit welchem
man den Boden und den Deckel durch Umbiegen des Falzes und
starken Druck auf den umgebogenen Teil vereinigte Dann bringt
man der größeren Sicherheit wegen gleichfalls ein Lot an, dasselbe
liegt aber an der Außenseite der Büchse und kann mit dem In-
halte derselben nicht in Berührung kommen 2,
Man sollte derartige Büchsen, welche das Lot an der Außenseite
tragen, auch außerhalb Frankreichs, wo dieselben obligatorisch sind,
zwangsweise einführen.
Namentlich müßte dieses geschehen, wenn sich eine Angabe von
P i n e 1 1 e '^ bestätigen sollte, nach welcher die Fabrikanten der Kon-
servebüchsen außer Stande wären, sich eines nur 10-proz. Bleilotes
zu bedienen, da dasselbe zu schwerflüssig sei.
Allerdings wird man, wenn die Falzdose obligatorisch werden
soll, daran denken müssen, daß zur Dichtung derselben die Einlage
eines Dichtungsringes notwendig wird, weil ohne einen solchen ein
absolut hermetischer Schluß nicht zu erzielen ist.
Bei Untersuchung derartiger, bisher stets aus Frankreich be-
zogener Dichtungsringe fand nun Reuß* einen Gehalt an Mennige,
also an Bleioxyd, von mehr als 60 Proz., während die deutschen oder
aus Wien bezogenen Ringe ungefähr die gleiche Menge Blei enthielten.
Derartige Ringe geben nun aber an Konserven, z. B. an Spargel, wenn
man dieselben in der Büchse wie üblich sterilisiert, so viel Blei ab,
daß die Spargelbrühe 60 Proz. des in den Ringen vorhandenen Bleies
enthielt. Uebrigens kommen jetzt bleifreie Dichtungsringe in den
Handel, welche auf Veranlassung von Reuß* hergestellt werden.
Russische Konserven scheinen, wenigstens vor einigen Jahren,
bisweilen stark bleihaltig gewesen zu sein. Rj äl tsch ewski ' ^ fand
in solchen bis zu 0,37 Proz. Blei, während das Lot 59 — 69 Proz.
Blei enthielt.
Einen üblen Ruf genossen auch die amerikanischen Konserve-
büchsen, weil sie mit einem sehr bleihaltigen Lot und zwar auf der
Innenseite gelötet waren ^. Seit Erlaß des Reichsgesetzes vom 25. Juni
18><7 scheinen die Büchsen jedoch den Ansprüchen dieses Gesetzes
zu entprechen: wenigstens gilt dies, wie Hinze, Hasterlick und
Stock meier^^ angeben, für die zum Export nach Deutschland be-
stimmten Dosen.
Die Gebrauchsgegenstände. 347
Pinette^ fand hol dcrartijfen Untersuchungen
Verzinnung Lot
a) in einer KonservebUclise mit
amerikanischen Früchten . 0,55 Proi. Blei 50,80 Proz. Hlei
b) in einer Kon.servebüchse von
Corned beef . . unwägbare Spuren von Blei 50,0t) „ ,,
Unter welchen B e d i n }j; u n j,' e n Blei aus de in Zinn u n d
aus dem Lot in die Konserven übergeht, läßt sicli im ein-
zelnen Falle nicht immer mit wünschenswerter Sicherheit feststellen.
Bisweilen tindet man in den Konserven Bleikügelchen. Dies immer-
hin äuLserst seltene Vorkommnis kann sich natürlich nur ereignen,
wenn ilie Lötstelle im Innern der Büciise liegt und wenn beim Zu-
löten sehr unachtsam verfahren wurde. Weiterhin lösen sauer
reagierende Konserven, also namentlich Früchte, Blei auf. Ferner
sind Fälle beobachtet, in denen der Inhalt der Büchse infolge von
Bakterienwachstum eine saure Reaktion annahm'^.
p]in besonders starkes Lösungsvermögen für Blei besitzt nach
RochaiMp'* das Olivenöl. So enthielten
Blei in mg
pro k Konserve
Sardinen 68
Makrelen 83
Thunfisch 75
Sardinen (nach langer Aufbewahrung) 168
Aber das frische Oel löst nach Versuchen von Th. Weyl unter
den für den vorliegenden Fall in Betracht kommenden Verhältnissen
kein Blei auf. Dagegen geschieht dieses leicht, wenn das Oel ranzig
wird, also sauer reagiert. Deshalb sollten Oelkonserven nur in völlig
mit Oel gefüllten Büchsen verwahrt werden ; denn der zutretende
Sauerstotf läßt das Oel leicht ranzig und dann sauer werden. Die
abgespaltenen Fettsäuren (z. B. Oelsäure) lösen das Blei sehr leicht
zu Ölsäuren! Blei.
Auch bei alkalischer Reaktion der Konserve kann Blei
aufgelöst werden. Die Fischkonserven z. B., welche vielfach stark
alkalisch reagieren, enthalten häufig als Zersetzungsprodukte der Ei-
weißstotfe Amine und Amide, welche sich mit Blei zu verbinden im-
stande sind ' '.
Der Nachweis, daß eine Verzinnung mehr als 1 Proz.,
ein Lot mehr als 10 Proz. Blei enthält, ist ausschließlich durch
Gewichtsanalyse zu führen. Alle sonst bekannten Methoden, auch die
miniinetrische von Renard, liefert unsichere Resultate, wie die im
Kaiserlichen Gesundheitsamte angestellten Untersuchungen zeigen*.
Erinnert mag daran werden, daß nach Beckurts' ein dunkel-
gefärbter Ueberzug, der sich bisweilen auf der Wand von Büchsen zeigt,
welche mit Gemüsen gefüllt waren, aus Zinnsulfür besteht.
Das Zinnsulfür kann sich nach R e u ß ^ nur bilden, wenn aus den
Eiweißkörpern der Konserven durch tiefgehende bakterielle Zersetzung
Schwefelwasserstoti" entstanden ist. Dieser dunkle Ueberzug ist von dem
moir^eartigen (moiree metallique) zu unterscheiden. Letzterer beruht auf
der Ausscheidung von Zinnkrystallen, welche sich bilden, wenn die Kon-
serven sauer reagieren. Ueber den Nachweis von Zinnsulfür in
Konservebüchsen siehe die unter No. 7 und No. 8 citierte Litteratur.
9
SiS TII, WEYL,
Ob der von H am e 1 - Roo s '*^ enipfolileiie Lack ..Verver" die
Henuislösunp: von Blei aus der Ver/.inmin.Lj der Büclise wirklich
hindert, sollte noch genauer fest, «,'cst eilt werden.
Da sauer rea<iierende (betränke, wie Wein, Bier und Fruchtsäfte,
Blei aufzulösen verniöjjen, untersaj^^t das R. G. in J5 3, daß Gefäße,
die zur Herstellung; der oben benannten Flüssifj;keiten bestimmt sind,
aus einem Materiale hergestellt werden, welches mehr als 10 Proz,
Blei enthält, und an der Innenseite mit einem mehr als 1 proz.
bleihaltigen Lote gelötet oder einer mehr als 1 proz. bleihaltigen
Legierung verzinnt werden.
Die el)en genannten Gerätschaften unterliegen also den gleichen
Bestimmungen wie die Konservebüchsen.
1) Uhland's Techn. lidach. (1892) 6. Bd. 188. DU dort beschriebenen Maschinen von Kirch-
en liefern in 10 Stunden 5000 Dosen mit 10 000 Vertchlüssen
2) ^ergl. über die Fabrikation von Konserveb'dchsen Kirkland, in Hyg. lidsch. (1893) 917.
3) Pinetto. Chem. Ztg. (1891) 15. Bd. 1109.
4^ Eeuss, Chem. Ztg. (1891) 15. Bd. 1522.
5) Kirkland, Rev. intern. JaU. (1893) 6. Bd. 182.
6) WolflFhügel, Arb. Kais. Oesd.-Amt 2. Bd. 112 (1887).
7) Beckurts, Chem. Ztg. (1889^ 1259 u. 1523.
8) ReusB. Chem. Ztg. (1889) 1428 u. 1602.
9) Kamarach u. Heeren, Techn. Wörterbuch. 2. Auft. 5. Bd. 654.
10) Hamel-Boos, Rev. inUm. fals. (1893) 6. Bd. 182.
11) Rjältscheweki, Diss. inaug. St. Petersburg 1886 (russisch), Referat iti Deutsch. Medix.-
Zeitung (1886) 922 u. in Industrie- BläUer (1886) No. 48, 382.
12) Siehe Hyg. Rdsch. (1893) 1034.
13) Hamlet, IJyg. Rdsch. (1893) 918.
14) Eochard. Encyclopedie d'Hygiine 2. Bd. 882 (1890).
2. Die verzinnten kupfernen Gefäße.
Aehnlich wie bei den verzinnten Konservenbüchsen liegen auch
die Verhältnisse bei den verzinnten Kupferkesseln. Daß durch
derartige (lefäße wirklich Bleivergiftungen entstehen können, beweisen
eine große Reihe in der Litteratur niedergelegter Beobaclitungen, aus
denen wir nur die folgenden herausgreifen, welche von Hoenig-
schmidt herrührend
Von dem aus 150 Mann bestehenden Halbbataillon des 7. öster-
reichischen Infanterieregiments, das in Tione (Südtirol) in Garnison
lag, erkrankten im Laufe weniger Tage 45 Mann unter fast gleich-
artigen Symptomen. Alle Leute klagten über reißende Schmerzen in
verschiedenen Muskelgruppen, namentlich in den Brustmuskeln. Sie
hatten das Gefühl, als wenn ihnen der Thorax zusammengeschnürt
sei und als wenn die Muskeln der Extremitäten starr wären. In zwei
schwereren Fällen ließen sich die Kontrakturen der Extremitäten-
muskeln auch objektiv nachweisen. Namentlich die Beuger des Unter-
schenkels waren ergriffen. Auch Anästhesien der Hände wurden be-
obachtet.
Die Bauchmuskeln waren kontrahiert, das Abdomen fühlte sich
brettartig hart an. In allen Fällen bestand Stuhlverstopfung und
Strangurie. Die meisten Fälle verliefen fieberlos. Ein Fall endete
letal. Die Sektion ergab hier ein massenhaftes linksseitiges Exsudat,
das die linke Lunge komprimiert hatte. Durch das Auffinden des
blaugrauen Saumes am Zahnfleisch war die Diagnose: Bleivergiftung
klinisch gesichert. Auch die Bestätigung derselben durch den Che-
Die Gebrauchsgegenstände. 349
mikor ließ nicht lan^e auf sich warten. Es fand sich niinilich. daß
die aus KuidVr liestchondcn Kochkesscd, welche täglich benutzt wurden,
mit einem stark bleihaltigen Zinn verzinnt worden waren.
Bei einer anderen Kompagnie desselben Regimentes, welche in
Cieto (Südtirol) stationiert war, erkrankten gleichfalls mehrere Mann
unter den geschilderten Symptomen. Hier ergab die chemische Unter-
suchung einen (iehalt von 89,«) Proz. Blei in der Legierung. Die-
selbe enthielt also mehr als den dritten Teil ihres (Jewichtes an Blei.
Auf «Jrund des vorstehenden sowie vieler anderer Fälle gestattet
das R.(l. in vj 1 auf der Innenseite von Kochgeräten u. s. w. nur
eine Verzinnung mit einer nicht mehr als 1 Proz. Blei haltenden
Metalllegierung.
r> Hoenigichmidt. CentraJbl. /. cdlgtm. Oesdpfig , 2. Bd. 20.
Anhang.
Der Uebergang von Zinn aus verzinnten Gefassen in die Speisen.
Anhangsweise soll hier noch der Uebergang von Zinn aus
verzinnten Gefäßen in die Speisen besprochen werden, wel-
cher eine so große Litteratur hervorgerufen hat, daß es nahezu aus-
sichtslos ist, dieselbe vollständig sammeln zu wollen.
Den Uebergang nennenswerter Zinnmengen aus der Verzinnung
in die Speisen, namentlich in die Konserven, scheinen zuerst englische
Forscher, wie A. Menke* und H ebner*, beobachtet zu haben.
Dann stellten namentlich Ungar und Bodländer^ eingehende
Untersuchungen über diese Frage an.
Nach ihren Ermittelungen enthielten Spargel, welche in ver-
zinnten Konservenbüchsen aufbewahrt worden waren, im Mittel aus
7 Analysen mit Spargel verschiedener Büchsen i^^O^G^) metallisches
Zinn. Das Metall befand sich in den Konserven in unlöslicher Ver-
bindung und konnte aus denselben zwar mit Hilfe einer Salzsäure
von 8 Proz., aber nicht mit einer solchen von 0,5 Proz. HCl extrahiert
werden. Aus dieser Beobachtung wird zu schließen sein, daß eine
Aetzung der Magen- oder Darmsclileimhaut durch Aufnahme von zinn-
haltigen Konserven nicht zu fürchten ist, weil dasselbe nicht im Magen
in Chlorzinn übergeht. Zwar ließen sich bei einem Hunde, welcher
mehr als 2 kg von Spargel-, Aprikosen- und Erdbeerkonserven mit
einem Zinngehalt von im Mittel (»,017 Proz. genossen hatte, kleine
Mengen Zinn im Harne, ferner in Leber, Gehirn, Rückenmark, Mus-
keln und Herz, aber nicht im Blut nachweisen. Doch betrug die
hier gefundene Zinnmenge nur wenige Milligramm Zinn.
Immerhin war eine Resorption des Metalls durch die Darm- und
Magenschleimhaut erwiesen. Das Tier zeigte aber nach der Aufnahme
jener großen Menge von Ziiinkonserven keinerlei krankhafte Sym-
ptome. Auch Herr Bodl ander, der innerhalb dreier Tage 1)14 g
Spargel- und 12(X) g Aprikosenkonserven, welche beide zinnhaltig ge-
wesen waren (beide Konserven enthielten ungefähr <),(»24 g Zinn), ge-
nossen hatte, fühlte sein Wohlltetinden in keiner Weise gestört, ob-
gleich der im Laufe der nächsten 2 Tage gesammelte Harn 8'/, mg
Zinn enthielt.
Ein Diener der genannten Autoren verzehrte innerhalb 4 Tagen
1,08 kg Spargel, dazu 1,<)27 kg Aprikosen und etwa 0,2") kg Erd-
350 TU. WEYL,
beoiHMi. also jodonfalls eine sehr j-Moße. für normale Verhältnisse kaum
in InnracliT konimende Men^e von Konserven. Während aber die
Gesamtmenge des mit den Konserven autVenommenen Zinns etwa
O.ö fi betrug, fanden sich in den ersten (i Tagen nach Aufnahme der
Zinnkonserven im Harne des Dieners nur 4 mg Zinn. Diese That-
sache deutet allerdings auf eine sehr geringe oder sehr langsame Re-
sorption des Zinns. Der Diener blieb bei guter Gesundlieit trotz der
formidablen Menge genossener Konserven. Es scheint daher immerhin
zweifelhaft, ob bei vernünftigem Genüsse von in richtig hergestellten
Zinnbüciisen konserviertem Gemüse eine Schädigung der Gesundheit
infolge aufgenommenen Zinns eintreten wird.
Hunde und Kaninchen, denen Ungar und B Ödländer längere
Zeit kleine Dosen nicht ätzender Zinnpräparate, z. B. weinsaures
Zinnoxydnlnatrium, essigsaures Zinnteträthyl, per os gegeben hatten,
gingen schließlich zu Grunde.
Ferner lieobachtete Sedwigk-* einen Fall, in welchem Birnen,
die in einem kupfernen und verzinnten Kessel gekocht und wohl
einige Zeit in demselben gestanden hatten, Durchfälle und Erbrechen
erzeugten. Das Obst enthielt „beträchtliche" Mengen von Zinn.
Ebenfalls zinnhaltig erwiesen sich Ananas, Aprikosen und Pfir-
siche, welche in Weißblechdosen konserviert worden waren.
Quantitative Analysen scheinen zu fehlen.
In letzter Zeit ist durch H. A. Weber ^ von neuem die Auf-
merksamkeit auf den Zinngehalt von Konserven und auf die durch
diese Verunreinigung angeblich hervorgerufenen Vergiftungserschei-
nungen gelenkt worden.
Es erkrankte nämlich in Mansfield (Ohio) im April 1890 ein Ehe-
paar nach dem Genüsse einer Kürbißkonserve (pumkin pie), welche,
wie die chemische Untersuchung ergab, 424 mg Zinn pro kg Kon-
serve enthielt.
Im Anschluß an diesen Fall wurden nun von Weber eine größere
Zahl anderer Konserven untersucht. Diese enthielten folgende Zinn-
mengen in mg pro kg Konserve:
1) Milch o
2) Erbsen 69
3) Birnen 84
4) Ananas 98 — I55
5) Lachs 134
6) Blaubeeren 300
7) Pfirsiche 324
8) Kirschen 4I4
9) Kürbis 424
10) Brombeeren 600.
Daß die in den Fällen von Sedwigk und Weber beobachteten
Gesundheitsstörungen wirklich als Zinnvergiftungen zu bezeichnen
seien, wird der Arzt den geschilderten Symptomen nicht mit Sicher-
heit entnehmen können.
Sell^ bestreitet die Giftigkeit kleiner Dosen von Zinn auf Grund
von Versuchen, die im Kaiserlichen Gesundheitsamt angestellt wurden,
und Feldkirch'' macht darauf aufmerksam, daß in den großen Wiener
Verzinnungsanstalten niemals specifische Gewerbekrankheiten beob-
achtet wurden, die auf eine Zinnvergiftung zu beziehen seien.
Soweit bisher die Ermittelungen reichen, dürfte
Die Gebrauchsgegenstände. 351
ein Grund zur Annahme einer ökonomischen Zinnver-
^' i f t u n g n i c li t v o r 1 i e jx e n.
Die Fra^'c. durch welche in den Konserven enthaltene Stoffe das
Zinn auftieiöst wird, ist in ähnlicher Weise zu beantworten, wie dies
Seite H47 bei der durch Konserven verursachten Bleiverj^iftung ge-
schehen ist.
Nach Untersuchungen von R. Kayser* wirkt von den in den
Konserven enthaltenen Ptianzensäuren die Weinsäure am stärksten
zinnlösend. Dann fol^^Mi Apfel.säure und 2— 4-i)roz. Essigsäure.
Verdünnte Kochsalzlösung löst nur gerin^'e Mengen von Zinn.
Entslfhen in den Konserven Säuren durch Bakterienwirkung, so
wirken dieselben wie die präformierten Säuren ^.
Bei den alkalisch reagierenden Fischkonserven sind es die Amine
und Amide. welche durch einen nicht sehr tief greifenden Fäulnis-
prozeli aus den Eiweißstotfen der Fische entstehen und zinnlösend
wirken.
Es ist übrigens zuletzt kaum mehr zweifelhaft, dali ein großer
Teil der nach dem (lenuß von Konserven aus verzinnten Büchsen
auftretenden (iesundheitsstörunj^en auf die Bildung von Ptomainen *
zurückzuführen sein wird. Derartige Stoffe können sich bilden, wenn
die Konserven mangelhaft sterilisiert wurden, oder wenn eine Neu-
infektion erfolgte, nachdem die Konserven sterilisiert wurden. Dieses
kann eintreten, wenn der Verschluß der Büchsen undicht wurde oder
wenn eine geöffnete Konservenbüchse mit ihrem Inhalte der Luft aus-
gesetzt war.
1) k. Menke. Chemical Xefs. July 1878, 5.
•J) Hehner, The Analyst il88üj 218.
3) Ungar und Bodländer , CentraUd. f. allgem Gesdpß., Ergänxungibd. 1, 49 (1888);
Zexttchr. /. Uyy. 2. Bd. 241 (1887).
4) Bedwigk, Rev. intern, /als. (1888) 56.
5) H A. Weber, Bev. vtUm. /als. 5. Bd. 142.
6) 8eU und Feldkirch, Hyg. Jidsch. (1893) 1034.
7) Hamlet, llyg. lidsch. (1893) 918
8) Griffitlit geirann aus /auUn Sardinen eine gi/tige Base, das Sardinin C^^H^^NO^, Ber.
Deutsch, chem Oei. (1893) Itef. 823.
C. Die ZiiiiigerUte.
Zu den Zinngeräten werden gezählt: die Zinnteller und Zinn-
krüge, die Zinnfolien, die Bierdruckapparate, die Faßhähne, die Zinn-
beschläge der Biergläser und die Siphons.
1 . Zinnteller und Z i n n k r ü g e.
Zinnteller und Zinnkrüge sind nicht mehr modern und
daher nur noch in wenigen Gegenden Deutschlands, namentlich in
einigen Teilen Bayerns in Gebrauch. Sie sind durch Gcfiiße aus Glas,
aus Steingut und Porzellan l)einahe verdrängt.
Die Zinnfolien dagegen besitzen eine große Wichtigkeit für den
Handel und verdienen eine eingehendere Besprechung.
2. Die Z i n nfo 1 ien.
Die Zinnfolien bilden ein beliebtes Verpackungsmittel, weil sie
«3
352 TH. WEYL.
verhältnismäßig leicht sind, die AVarcn vor Feuchtigkeit schützen, sich
allen Formen leicht anschmiegen und wegen ihres milden Glanzes das
Auge erfreuen.
Sie werden, um ihren Preis herabsetzen zu können, aus Zinn her-
gestellt, dem absichtlich Blei zugefügt wird. Diesem Mißbrauch tritt
das R.G. in Jj 3 entgegen, indem es nur einen Bleigehalt von höchstens
1 Proz. zuläßt, weil dies der maximale Bleigehalt des besten Handels-
zinns ist. welcher indes eine Gefahr für die Gesundheit erfahrungs-
gemäß nicht hervorruft.
Die Anwendung bleifreien Zinns für die Herstellung der
ZinYifolien vorzuschreiben, ist aus denselben Gründen unterblieben,
welche S. 345 bei Besprechung der verzinnten Konservebüchsen ange-
geben wurden.
Aber das deutsche Reichsgesetz ordnet in J^ 3 die Verwendung
dieser höchstens 1 Proz. Blei enthaltenden Zinnfolien nur f ü r die
Verpackung von Käse, Schnupftabak und Kautabak an.
Zur Erklärung dieser Vorschrift sei zunächst daran erinnert,
daß Schnupftabak und Kautabak sehr leicht aus einer bleihaltigen
Zinnfolie Blei aufnehmen, namentlich wenn der Tabak feucht ver-
packt wurde. Gegen diese Bleiaufnahme schützt eine Papierlage
zwischen Folie und Tabak nicht, auch nicht das Ankleben des Papiers
an die Zinnfolie, weil einige Klebestoffe mit der Zeit saure Reaktion
annehmen und dann erst recht Blei lösen *),
Durch Käse wird das Blei mit großer Leichtigkeit aus der Folie
herausgelöst, weil im Käse freie flüchtige Fettsäuren enthalten sind,
die sich beim Reifen des Käses unter Einwirkung der Bakterien aus
den Eiweißstoffen des Käses bilden.
Für andere Waren a 1 1 e r A r t w i r d {d i e Anwendung
von Zinnfolien, welche reich an Blei sind, ja von reinen
Bleifolien durch das R, G, nicht verhindert, obgleich die
technischen Erläuterungen zum R.G, vom 25, Juni 1887 wissen, daß
W i 1 1 s t e i n in Metallkapseln, die zum Verwahren von Flaschen-
korken, von Fleisch extraktbüchsen benutzt wurden, einen hohen Ge-
halt an Blei bemerkt hat und obgleich Hilger und Gurt ähnliche
Beobachtungen an der Umhüllung des Korkes einer Vichywasser-Flas che
machen konnten ^,
Seit Erlaß des Reichsgesetzes vom 25, Juni 1887 hat nun noch
Bertschinger 2 in der Metallkapsel eines französischen Rotweines
92 Proz, Blei gefunden. Die Kapsel selbst war, wie in dem Falle
von Hilger und Gurt, mit Bleikarbonat überzogen.
Auch für die Verpackun g des Thees sind Zinnfolien von
beliebigem Bleigehalt gestattet, weil, wie die Erläuterungen zum ge-
nannten Gesetze angeben, der Thee nur absolut trocken versandt
werden könne, da er, feucht versandt, verderben würde ^,
Es liegen aber auch über den Bleigehalt des Thees bereits einige
Beobachtungen vor. So enthielt ein „Schwarzthee" in einem von
Bertschinger^ beobachteten Falle Bleikarbonat als grobes dem
Thee beigemischtes Pulver. Dasselbe stammte aus der Umhüllung
des Thees,
Auch Sendtner* fand bei der Untersuchung von 16 Folien,
*) Es ist auch nacbgewiescD, dafs man dem Tabak absichtlich Bleisalze als „Beize"
zasetzt.
14
Die Gebrauchsgegenstände, 353
die zur Vcrpiirkung von Thee dienten, 12nial die folpenden prozen-
tischen nieinien^'en : 97, 98, 88, 81, 97, 60, 74, 98, 76, 97, 98, 97! * »
Dab nun die (Jefiihr einer Bleiver^nftun^' nahe lie^'t. wenn Stopfen
benutzt wenk'ii, die mit einer stark hicihalti^^en Folie umkleidet waren
(S. ,'{f)2). oder wenn Blei aus der Folie in den Thee gerät, dürfte
kaum in Ahrede ^M'stellt werden.
Auch der Einwand, daß eine Bleiverfjiftunp: bei dem verhältnis-
mäßig seltenen (iebrauche des Vichyw assers und des stets nur in
kleiner Menge benutzten Fleischextraktes kaum zu erwarten steht,
weil jedenfalls nur verschwindend kleine Bleimengen in den Körper
gelangen, scheint nicht stichhaltig, weil auch durch wiederholte
Aufnahme sehr kleiner Bleimengcn eine Vergiftung zustande kommt.
\Vährend aber in den bisher erwähnten Fällen eine Bleivergiftung
durch bleihaltige Zinnfolien nahe lag. aber, soweit die Angaben reichen,
nicht zur Beobachtung kam, erkrankte in dem von Bernstein* be-
obachteten Falle in Petersburg eine ganze Familie nach dem Genüsse
von Thee, in welchem durch chemische Untersuchung Blei nachge-
wiesen worden war. Das Blei fand sich in weiß gefärbten Stücken,
die aus kohlensaurem Blei bestanden. Als Grund der Verunreinigung
wurde ermittelt . daß der chinesische Thee stets in Bleikisten ver-
sandt wird. Oti'enbar ist der feucht gewordene oder noch in einem
relativ feuchten Zustande verpackte Thee imstande, das Blei aufzu-
lösen . welche unter dem Einflüsse der atmosphärischen Luft in Blei-
karbonat übergeht.
Das R.G. vom 25. Juni 1887 erscheint hiernach der
\' e r b e s s e r u n g in dem Sinne dringend bedürftig, daß
die Anwendung von Zinnfolien, die mehr als 1 Proz.
Blei enthalten, zur Verpackung aller zum Genuß be-
stimmter Waren verboten würde.
Es dürfte nicht angemessen sein, zu warten, bis die Zahl der
durch schlechte Zinnfolien hervorgerufenen Bleivergiftungen sich
stark vermehrt hat; die Gesetzgebung soll vielmehr auch vorbeugend
wirken.
Allerdings bleibt zu bedenken, daß ein großer Teil der in Zinn-
folie verpackten Waren vom Aus lande bezogen wird. Aber dem-
gegenüber darf man erwarten , daß die Zwischenhändler ihre aus-
ländischen Geschäftsfreunde sehr schnell bewegen werden, den Zinn-
folien den vorgeschriebenen Feingehalt zu geben, wenn die in-
ländischen Aufsichtsbehörden eine wirksame Kontrolle der Folien
unterhalten und den Verkäufer im Bedarfsfalle zur Strafe ziehen.
1) Wolffhügel, Jrb. Kais. Gesd.-AnU ?. ßd. 153.
2) Bertschinger, Chem. Ztg. liep. (1891) No. 42.
3) Bertschinger. Chem Ztg. Rep. (1891) 289.
4) Sendtner, Arch. J. Uyg. 17. Bd. 434 (1893).
5) Bernstein, liff. in DetUtcht Medizinal- Ztüung (1886) 23.
6) Hilger und Curt, VierUlj. f. Sahrun,jsm. 1. Bd., 156 (1887).
3. B i e r d r u c k a p p a r a t e (B i e r p r e s s i o n e n).
Die Bier d ru ck vor rieh t u n gen * (Bierpressionen) haben die
Aufgabe, das Bier, welches, um nicht zu verderben und um schmack-
haft zu sein , eine bestimmte niedere Temperatur besitzen muß, dem
Ausschänke zuzuleiten, während sich das mit dem Bier gefüllte Ge-
fäß im Keller betindet.
«5
3f)4 TH. WEYL,
Zu diesem Zwecke pHejit man das Bier unter starkem Ueber-
druck, z, B. dem Druck der verdichteten Kolilensäure, in das Schank-
lokal zu hellen. Hierbei müssen Röhren durchhiufen werden, deren
etwaijier BhMgehalt sich dem sauer reagierenden Biere mitteilt.
Aus diesen (Jründen kann die Anwendung von Bleiröhren für
Bierdruckleitungen nicht gestattet werden (J; 1 letzter Absatz des K.G.).
Man wählt vieimehi- für diesen Zweck Zinnröhren, die sieh gut be-
währt haben.
Obgleich nun bei der Kürze der Leitungen der Preis von Röhren
aus reinem Zinn niciit in Betracht käme, hat das Gesetz dennoch
einen Bleigehalt der Bierleitungen bis zu 1 Proz. zugelassen und
hierdurch den Preis dieser Api)arate bedeutend verringert, ohne daß
— wie die Erfahrung gezeigt hat — die Gesundheit beeinträchtigt
würde *).
1) Gesundheit sitigcnieur (1892) 213; E. von Esmarch, Vierteljahrsch. J. ger. Med. 3. Folge
3. Bd. 206 (1892).
2) 8chnat2, Ueber die Mängel des hexitigen Bierausschankes.
4. F a ß h ä h n e.
Faßhähne zum Abfüllen von Essig, Wein und Branntwein, auch
Trichter zum Einfüllen der genannten Flüssigkeiten werden, wie
die folgenden Angaben beweisen, aus Bleizinnlegierungen hergestellt,
deren Bleigehalt häutig ein sehr bedeutender ist.
So fanden Engler u. Rupp^ bei der Untersuchung von 33
Faßhähnen, die aus verschiedenen Ländern stammten, nur in einem
Hahn unter 10 Proz., in 3 zwischen 20 und 30 Proz., in 10 zwischen
30 und 40 Proz., in 2 zwischen 40 und 50 Proz., in 2 zwischen 50
und 60 Proz., in 5 zwischen 60 und 70 Proz., in einem zwischen 70
und 80 Proz., in 3 zwischen 80 und 90 Proz., in 2 sogar über 90 Proz.
Blei. Letztere bestanden hiernach also aus fast reinem Blei.
Ferner untersuchte E. Falk (Zwickau) ^ 92 Faßhähne. 88 Proz.
derselben enthielten mehr als 10 Proz. Blei. Der Bleigehalt der
übrigen Proben schwankte zwischen 30 und 40 Proz. und betrug in
einem Falle sogar 66 Proz. Blei. Sendtner'^ fand in einem zum
Abfüllen von Essig benutzten Trichter 70 Proz. Zinn und 26 Proz.
Blei, in Faßhähnen 30—70 Proz. Blei.
Daß aus diesen Hähnen Blei in die mehr oder minder sauer
reagierenden Flüssigkeiten, welche durch die Hähne entleert werden,
uufl damit zugleich in den menschlichen Körper gelangt, steht außer
allem Zweifel fest, obgleich entsprechende Fälle von Vergiftungen
bisher nicht beschrieben zu sein scheinen.
Es haben deshalb auch bereits die amtlichen Organe in
Deutschland nicht gezögert, das Publikum auf die Gefahren, welche
die Benutzung dieser Hähne mit sich bringt, aufmerksam zu machen.
Hierher gehört:
a) Der Runderlaß de.s preußischen Ministers für Handel
und Gewerbe vom 21. April 1891;
*) Bei den Bierdruckapparaten sind starke Krümmungen der Leitungsröhren nicht zu-
zulassen, damit man mit einer kräftigen Bürste und unter Anwendung einiger Liter reinen
Wassers den nach längerem Gebrauch in den Röhren sich absetzenden Schmutz leicht be-
seitigen kaun I.
I6
Die Gebrauchsgegenstände. 355
b) eine Bekanntmachung des Berliner Polizeipräsidenten
vom 5. Dezember 1891, laut welcher die genannte Behörde Faßhähne
aufkaufen und untersuchen läßt, um diejenigen Besitzer von Faßhähnen,
in welchen mehr als 10 Proz. Blei gefun<len wird, öffentlich namhaft zu
machen ;
c) ein Erlaß des Ministeriums zu Sachsen-Alten bürg,
welcher dem unter a) genannten Erlaß entspricht.
Aus der oben erwähnten Bekanntmachunfi; des Polizeipräsidenten
dürfte hervorstehen, daß die mehr als 10 Proz. Blei entii al-
tenden Faßhähne durch das Re ic h Sf^esetz vom 25. Juni
1887 niciit j^etr offen werden. Es ersieht sich andererseits
hierdurch die Nötijiuns\ das j;enannte Gesetz in entsprechender Weise
zu aniendieren. wie dies auch schon verschiedentlich vorgeschlagen
wurde.
1) Engler u. Bupp, Chem. Ztg. Bep. 16. Bd. 227. Auch in Uyg. Rdtch. (1893) 133.
2» E. Falk. Zeäschr. f. angew. Chem. (1893) 434.
3) Sendtner, Arch. f. Hyg. (1893) 17. Bd. 436. Siehe dort auch ireiUre LiUeratur.
5. Bierdeckel, Siphons, M e t a II t e i 1 e an Kinder-
saugfl asch en.
Die Bierdeckel fallen, wie bei der Verhandlung des Reich.stages
über das R.(i. vom 25. Juni ISST widerspruchslos konstatiert wurde,
unter den ij 1 des genannten Gesetzes, dürfen also nur höchstens
1 Proz. Blei enthalten.
Trotzdem sind dieselben von E. Falk^ (Zwickau) auch noch
nach Erlaß des R. G. vom 25. Juni 18S7 stark bleihaltig gefunden
worden. So mußten von 16 untersuchten Bierglasdeckeln 5 mit einem
Gehalt von lO.ß. 11,09, 18,50, 21.54. 22,62 Proz. Blei auf Grund von
§ 1 des angeführten Gesetzes beanstandet werden. Ein Beschlag ent-
hielt sogar 52.13 Proz. Blei.
Nach E. Leger^ enthielt der Deckel eines Steinguttopfes, in
welchem Chinawein aufbewahrt wurde, 22,4 Proz. Zinn und 76,8
Proz. Blei.
Beim Aufbewahren des Weines ver flüchtete sich der Alkohol,
oxydierte sich am Deckel bei Zutritt von Luft zu Essigsäure. Letztere
löste dann Blei zu essigsaurem Blei, welches beim Bewegen des
Deckels in den Wein geriet.
Die Ventile für kohlens;iurehaltigc(ietränke, sogenannte Siphons,
werden durch die Kohlensäure, mit welcher sie in Berührung kommen,
leicht angegrirt'en. Sie dürfen deshalb höchstens 1 Proz. Blei ent-
halten und fallen unter 4> 1 des R.G. vom 25. Juni 1SS7. Vergl. das
Urteil des Reichsgerichts S. 3()(».
Da der alkalisch reagierende Speichel Blei löst, ist es wohl ge-
rechtfertigt, daß die zur Herstellung der Metallteile an Kinder-
saugflaschen l)enutzten Zinnbleilegierungen nach ij 1 des R.G.
höchstens 1 Proz. Blei enthalten dürfen.
Die Analyse der Zinnbleilegierungen, welche zur Her-
stellung von Bierdrurkapparaten, Zapfiiähnen. Zinnfolien u. s. w.
dienen, geschieht in fol^a-nder Weise.
Handbuch der Hygiene, bd. Hl. AbtIg. 1. 23
350 TIl. WKYL,
Ungefähr 2 g der Legieruug werden fein zerschnitten oder geraspelt
in einem zunächst bedeckten Glase mit reiner Salpetersäure bis zur
Lösung digeriert. Dann wird zur Trockne verdampft und mit salpeter-
säurehaltigem Wasser digeriert.
Im Rück st an de bleibt das Zinnoxyd, welches nach dem
Trocknen und Glühen gewogen wird. — Das Filtrat wird unter Zusatz
verdünnter Schwefelsäure eingedampft. Der entstandene Niederschlag
von B 1 e i s u 1 f a t wird mit Alkohol auf das Filter gebracht und nach
dem Trocknen gewogen. In dem schwefelsäurehaltigen Filtrate vom Blei-
niederschlage ist etwa vorhandenes Kupfer zu finden.
1) E Falk, Zeütchr. J. anguc. Chemie (1893) 434.
2^ E. Leger, Eevve d'hygihie (1888) 10. £d. 1088.
D. Geräte aus reinem oder fast reinem Blei.
In diese Abteilung; gehören die Mülilsteine und das Flaschen-
sclirot. Früher stellte man wohl auch Trinkbecher und AVeinkannen
aus reinem Blei her. Doch dies hat jetzt — zum Glück — aufgehört.
1 . Die ]\I ü h 1 s t e i n e.
Häufiger in Frankreich, seltener in Deutschland, wird das Blei
als Metall oder in Form von Kitten zum Ausbessern gesprungener
Mühlsteine sowie zur Korrektur ihres Schwerpunktes verwandte In
beiden Fällen ist das Blei leicht durch andere Materialien, z. B. durch
Cenient, namentlich aber durch Eisenkitt ersetzbar.
Daß Bleivergiftungen eintreten können, wenn das Mahlgut mit
einer bleihaltigen Mahlfläche in Berührung tritt, steht außer Frage,
und das Verbot des § 5 des R.G. vom 25. Juni 1^87, Mühlsteine
unter Verwendung von Blei oder von bleihaltigen Stoffen an der Mahl-
fläche herzustellen, ist wohl begründet.
1) Pritzkow, Zeitsckr. /. Hyg. und Infekt. 17. Bd. 164 (1894).
2. B 1 e i s c h r 0 1 zum F 1 a s c h e n r e i n i g e n.
Beim Reinigen von Flaschen mittels Bleischrot bleiben leicht
Bleikörner in der Hasche zurück, namentlich wenn der Boden der
Flasche in das Innere derselben eingezogen ist, wie dies liäufig ge-
schieht, um das Volumen des in der Flasche enthaltenen Stoffes größer
erscheinen zu lassen, als es der Wirklichkeit entspricht.
Es ist sicher, daß der Flascheninhalt Blei angreift, wenn derselbe
sauer reagiert.
Aber auch nicht saure Flüssigkeiten, z. B. Wasser nehmen beim
Schütteln mit Bleikugeln, wenn der Sauerstoff, also die atmosphärische
Luft, Zutritt hat, Blei auf. Aus diesen Gründen untersagt der 3. Ab-
satz des § 3 des R.G. vom 25. Juni 1887 die AuflDewahrung von Ge-
tränken in Gefäßen, in welchen sich Rückstände von bleihaltigem
Schrot befinden.
Das bleihaltige Schrot läßt sich durch Sand, durch Papier, durch
Zeuglappen, endlich wohl am sichersten durch Porzellankügelchen
ersetzen.
Die Gebrauchsgegenstände, 357
E. Blei- und zinkhaltiirer Kautschuk.
Der Milchsaft tropischer Artocarpeen, z. B. der Feigenarten,
namentlich aber von Syphonia elastica, auch von Euphorbiaceen und
Apocynoen hat die Eigenschaft, an der Luft zu einer höchst elasti-
schen Masse zu erhärten.
Um diese Masse für technische Zwecke benutzbar zu machen, wird
sie in kochendem Wasser erweicht und durch Maschinenkraft zerrissen.
Hierauf bringt man sie durch kaltes Wasser, das unter Druck auf den
weichen Kautschuk auffällt und gewisse Unreinlichkeiten, wie Sandkörner,
Reste des Stammes und Holzfasern mit sich fortführt, zum Erstarren.
Die in Platten gegossene oder gepreßte Masse komm t als Halb-
produkt in den Handel. Sie wird meist in vulkanisiertem Zustande
weiter verarbeitet.
Durch das Vulkanisieren wird der Kautschuk gegen Lösungs-
mittel und gegen Temperatureinflüsse unempfindlicher. Das Vulkanisieren
geschah früher durch Eintauchen der Kautschukplatten in geschmolzenen
Schwefel. Jetzt mischt man entweder die erweichten Platten in Misch-
maschinen mit Schwefel oder taucht sie in ein Gemisch von Schwefel-
kohlenstoff" und Chlorschwefel. Letzteres Verfahren ist das am meisten
angewandte.
Auch das Antimonsulfuret, auch Kermes minerale genannt,
welches ein Gemisch von SbgOg und SbjSg ist, wird zum Vulkanisieren
des Kautschuks benutzt ^ .
Von diesen Znsätzen sind für die Gesundheitspflefjje solche Ma-
terialien von Wichtigkeit, welche durch den Speichel oder die Milch
dem Kautschuk entzogen werden können, und wenn sie in den
menschlichen Organismus gelangen, diesen zu schä-
digen geeignet sind.
Ob hierher das Zinkoxyd gehört, welches sich in den Spiel-
waren und Warzenhütchen u. dergl. vor Erlaß des R.(t. häufig bis
zu 40— HO Proz. findet, scheint zweifelhaft. Nach Bulowsky* wird
dreifach Schwefelantimon Sb-iSg durch Speichel oder durch Milch aus
Kautsciiuk nicht herausgelöst, auch Blei geht unter den genannten
Bedingun^^en nur langsam in den Speichel über, dagegen wird Zink-
o.xyd von Speichel und von Milcii sehr schnell aufgenommen.
Das K.(i. vom 25. Juni 18H7 verbietet in {? 2 die Verwendung
von zinkhaltigem K a u t s c h u k zur Herstellung von Saugflaschen,
Saugringen und Warzenhüten, weil die Einverleibung heterogener
Bestandteile in den kindlichen Körper nach Möglichkeit verhindert
werden muB.
Zur Herstellung von Trinkbechern. Spielwaren und Leitungen für
Bier. Wein und Essi^^ darf der zinkhaltige Kautschuk ver-
wendet werden (K.G. § 2).
Nach demsell)en (resetz (^ 2) ist die Anwendung bleihaltigen
Kautschuks für Saugflaschen, Warzenhütchen, Saugringe. Trinkbecher,
Spielwaren und für Schläuche zu Bier-, Wein- und Essigleitungen mit
vollem Rechte untersagt. Die massiven Spiell)älle dagegen dürfen
Blei enthalten, weil sie aus den Abfällen der Eabrikation hergestellt
werden und bei dem Verl)0t eines Bleigehaltes einen zu hohen Preis
haben müßten. Außerdem werden dieselben Säuglingen und kleineren
Kindern schon wcjcn ihres licdien Gewichtes kaum in ilie Hand ge-
'23*
358 TU. WEYL,
geben, sondern meist nur als Spiel hülle für größere Knaben oder
— seltener — als Billardbälle benutzt.
Andere Zusätze zu Kautschuk, wie Schwerspath , Gips,
Thon, Asphalt sind hygienisch ohne Belang.
Ueber russischen Kautschuk berichtet Bulowsky^. Bälle,
Puppen. Katzen, Saughütchen enthielten bis bX Proz. Zinkoxyd und
bis zu 27 Proz. Antimon. Dagegen fehlten Blei und Arsenik fast
stets.
Zum Nachweis von Blei und Zink im Kautschuk kann
man die zerschnitteneu Objekte in schmelzenden Salpeter eintragen. Hierbei
oxydieren sich die organischen Stoffe. Die Oxydation ist beendet, sobald
die Schmelze rein weiß erscheint. Nach dem Erkalten löst man die
Schmelze in schwefelsäurehaltigem Wasser und filtriert. Im Filtrate
erkennt mau das Zink mittels Schwefelwasserstoff. Ein auf dem Filter
zurückbleibender Niederschlag ist mit Schwefelwasserstoff auf Blei
zu prüfen.
Dagegen ist eine starke „Beschwerung" des Kautschuks durch
Bestimmung des specifischen Gewichtes mit einiger Sicherheit nachzu-
weisen. Denn je leichter und weicher ein Kautschukgegenstand ist, je
niedriger also sein specifisches Gewicht, um so höher ist sein Gehalt an
reinem Kautschuk.
Die grauen Kautschuk gegenstände enthalten fast stets
Zinkoxyd.
Ueber gefärbten Kautschuk siehe S. 390 ff.
1) Eud. von Wagner, Hdbch. der ehem. Technologie, 12. Aufl. 707 (1886).
2) Bulowsky, Arch. f. Uyg., (1892) 15. Bd. 125.
Kapitel 2.
Die Oesetze u. s. w. über den Verkehr mit blei- und zink-
haltij^en Gegenständen.
a) Deutschland.
Gesetz, betreffend den Verkehr mit blei- und
zinkhaltigen Gegenständen. Vom 25. Juni 1887. (Reichs-
Gesetzblatt No. 22, S. 273.)
§ 1. Eß-, Trink- und Kochgeschirr sowie Flüssigkeitsmaße
dürfen nicht
1. ganz oder teilweise aus Blei oder einer in 100 Gewichtsteilen
mehr als 10 Gewichtsteile Blei enthaltenden Metalllegierung her-
gestellt,
2. an der Innenseite mit einer in 100 Gewichtsteilen mehr als
einen Gewichtsteil Blei enthaltenden Metalllegierung verzinnt oder
mit einer in 100 Gewichtsteilen Blei enthaltenden Metalllegierung
gelötet,
3. mit Email oder Glasur versehen sein, welche bei halbstündigem
Kochen mit einem in 100 Gewichtsteilen 4 Gewichtsteile Essig-
säure enthaltenden Essig an den letzteren Blei abgeben.
Auf Geschirre und Flüssigkeitsmaße aus bleifreiem Britannia-
metall findet die Vorschrift in Ziffer 2 betreffs des Lotes nicht An-
wendung.
Die Gebrauchsgegenstände. 359
Zur Horstellunfj: von Druckvorrichtini^'eii zum Ausschank von
Bier, sowie von Siphons für kohlensäurclialti^'o (iotränke und von
Metallteilen für KindersaugHaschen dürfen nur Metalllogierungen ver-
wendet werden, welche in l<xi (Iowichtsteilen nicht mehr als einen
Gewichtsteil lUci enthalten.
§ 2. Zur Herstellung von Mundstücken für Saugtlaschen, Saug-
ringen und Warzenhütchen darf blei- oder zinkhaltiger Kautschuk
nicht verwendet sein.
Zur Herstellung von Trinkbeckern und von Sjiielwaren. mit Aus-
nahme der massiven Bälle, darf bleihaltiger Kautschuk nicht verwendet
sein.
Zu Leitungen für Bier, Wein oder Essig dürfen bleihaltige Kaut-
schukschläuche nicht verwendet werden.
>; 3. (i eschirre und Gefäße zur Verfertigung von Getränken und
Fruchtsäften dürfen in denjenigen Teilen, welche bei dem l)e-
stimmungsgemäßen oder vorauszusehenden (Gebrauche mit dem Inhalt
in unmittelbare Berührung kommen, nicht den Vorschriften des >; 1
zuwider hergestellt sein.
Konservenbüchsen müssen auf der Innenseite den Bedingungen
des § 1 entsprechend hergestellt sein.
Zur Aufbewahrung von (betränken dürfen Gefäße nicht verwendet
sein, in welchen sich Rückstände von bleihaltigem Schrote befinden.
Zur Packung von Schnupf- und Kautabak, sowie Käse dürfen Metall-
folien nicht verwendet sein, welche in \{K) Gewichtsteilen mehr als
einen Gewichtsteil Blei enthalten.
§ 4. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft
wird bestraft:
1. wer Gegenstände der im >j 1, ij 2 Abs. 1 und 2. v^ '.) Abs. 1 und 2
bezeichneten Art den daselbst getroti'enen Bestimmungen zuwider
gewerltsmäßig herstellt ;
2. wer Gegenstände, welche den Bestimmungen im >; 1, >j 2 Abs. 1
und 2 und Jj 8 zuwider hergestellt, aufbewahrt oder verpackt sind,
gewerbsmäßig verkauft oder feilhält;
3. wer Druckvorrichtungen, welche den Vorschriften im ;; 1 Abs. 3
nicht entsprechen , zum Ausschank von Bier oder bleihaltige
Schläuche zur Leitung von Bier, Wein oder Plssig gewerbsmäßig
verwendet.
§ ö. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher zur Verfertigung
von Nahrungs- und Genußmitteln bestimmte Mühlsteine unter Ver-
wendung von Blei oder bleihaltigen Stoffen an der Mahltiäche her-
stellt oder derartig hergestellte Mühlsteine zur Verfertigung von Nah-
rungs- oder (ienußmitteln verwendet.
tj f). Neben der in den vj>5 4 und ö vorgesehenen Strafe kann
auf Einziehung der (iegenstände, welche den betreffenden Vorschriften
zuwider hergestellt, verkauft, feilgehalten oder verwendet sind, sowie
der vorschriftswidrig hergestellten Mühlsteine erkannt werden.
Ist die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person
nicht ausführbar, so kann auf die Einziehung selbständig erkannt
werden.
{5 7. Die Vorschriften des Gesetzes, betreffend den \'erkelir mit
Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen, vom
14. Mai 1H79 (Reichs-Gesetzblatt S. 145) bleiben unl»erührt. Die Vor-
360 TH. WEYL.
Schriften in den ij?; It). 17 desselben finden auch bei Zuwiderhand-
lungen gegen die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes Anwendung.
Jj 8. Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1.S88 in Kraft.
Das Berliner Polizei-Präsidium macht die Gewerbetreibenden
auf das R.G. betreffend den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegen-
ständen aufmerksam. Veröff. Kais. Ges. -Amt (1889) 41.
Verfügung des Berliner Polizei-Präsidiums vom 11. April
1892 behandelt die Reinhaltung der in öffentlichen Schanklokalen be-
nutzten Biergläser. Gesundheitsingenieur (1892) 213 und Veröff. Kais.
Ges.-Amt (1892) 330.
Die Großhzgl. Mecklenburgische Landesregierung hat
die Aichämter angewiesen, Flüssigkeitsmasse, welche aus einer
Zinnlegierung besteht, die weniger als 90 Proz. reines Zinn oder mehr
als 10 Proz. Blei enthält, nicht zu aichen. Veröff. Kais. Ges.-Amt (1888)
657.
Das Sachsen-Meiningen'sche Statsministerium hat am
2. November 1888 bestimmt, daß Bleiröhren zu Wasserleitungszwecken
nicht benutzt werden sollen. Veröff. Kais. Ges.-Amt (1888) 738.
Das Berliner Polizei-Präsidium warnt unterm 12. Juli 1892
vor Anwendung von Flaschen verschlußkorken aus bleihaltigen
Zinnlegierungen. Veröff. Kais. Ges.-Amt (1892) 521.
Das Berliner Polizei-Präsidium warnt am 20. Dezember 1888
und 26. Juni 1891 vor der unvorsichtigen Anwendung von
Schrot beim Flaschenr einigen. Veröff. Kais. Ges.-Amt (1891) 413.
Vergl. auch die auf S. 354 angeführten Erlasse u. s. w. über F a ß -
häh ne.
Siphons mit einem Gehalt von 27,5 Proz. Blei, welche vor
dem Erlaß des R.G. vom 25. Juni 1887 hergestellt sind,
dürfen ausgeliehen werden. Laut Urteil des Reichsgerichtes (III. Straf-
senat) vom 20. März 1890. Veröff. Kais. Ges.-Amt (1891) 97.
Nach einem Urteil des Kgl. Oberlandesgerichtes München
vom 7. August 1889 ist zu verfolgen, wer Zinnteller, die aus einer
in 100 Gewichtsteilen mehr als 10 Gewuchtsteile Blei enthaltenen Legie-
rung hergestellt sind, gewerbsmäßig feilhält, ohne zu wissen, daß deren
Gebrauch die menschliche Gesundheit zu beschädigen geeignet ist. Auf
Grund des R.G. vom 25. Juni 1887 betreffend den Verkehr mit blei- und
zinkhaltigen Gegenständen. Veröff. Kais. Ges.-Amt (1891) 83.
Verurteilung wegen fahrlässiger Herstellung bleiab-
gebender Geschirre durch das Landgericht Passau. Die inkriminierten
7 Geschirre gaben beim Kochen mit 4 Proz. Essigsäure 0,277 g Blei ab.
Viertel], f. Nahrgsm. (1890) 5, 252.
Eine ausführliche und sehr beachtenswerte Verordnung über Bier-
druckapparate u. s. w. erließ unterm 6. Januar 1891 der Regierungs-
präsident zu Düsseldorf. Veröff. Kais. Ges.-Amt (1891) 734.
h) Belgien.
Eine Königl. Verordnung vom 10. Dezember 1890 bestimmt
den Gehalt an Blei, Zink, Arsen und Antimon in Gefäßen aller Art,
welche zum Aufbe w ahr en von Nahrungsmitteln benutzt werden
dürfen. Veröff. Kais. Ges.-Amt (1891) 338.
Eine Königl. Verordnung vom 15. Juni 1891 empfiehlt für
Die Gebrauchsgegenstände. 361
Bierdruckeinrichtungen die Verwendung von Röhren aus Zinn,
Glas oder Porzellan. Verzinnte Bleirohren sind nicht haltbar. Ueber die
Schädlichkeit kupferner Röhren seien die Ansichten noch geteilt.
Eine Koni gl. Verordnung vom 15. September 1891 bestimmt,
daß Legierungen von Antimon oder Zinn mit oder ohne Kupfer mit einem
Höchstgehalte von 15 Proz. Antimon gestattet sind: a) zur Herstellung
von Siphonköpfen für Mineralwässer, b) für Gebrauchsgegen-
stände, wie Tischbestecke, Zuckerdosen, Beschläge an Bierkrügen, über-
haupt für alle Getaße u. s. w., die nur kurze Zeit mit den Nahrungs-
mitteln in Berührung bleiben.
c) Frankreich.
In Frankreich wurde der Verkehr mit blei- und zinkhaitifren
Gegenständen bereits vor Erlaß des Deutschen R.G. vom 25. Juni
1887 behördlich überwacht, weil sich die gelehrten Körperschaften des
Landes und der hygienische Beirat des Ministers des Innern schon
seit der Mitte der sechziger Jahre dieses Jahrhunderts eingehend
mit der Schädliciikeit des Bleis beschäftigt hatten. Ferner kommen
in Betracht:
l)DasComite consultatif d'hygiene publique hat die An-
wendung von Metall verschlussen an Milchflaschen widerraten
Veröff. Kais. Ges.-Amt (1888) G22.
2) Der Polizeiprä fekt von Paris verbot die Verwendung von
bleihaltigen Zinnfolien zum Einwickeln von Nahrungsmitteln. Die be-
nutzten Zinnfolien sollen mindestens 97 Proz. Zinn enthalten. Diese Ver-
ordnung wurde durch den französischen Handelsminister allen Präfekten
zur Nachachtung empfohlen. VeröfF. Kais. Ges.-Amt (1889) 644.
d) Oesterreich.
Laut Erlaß der K. K. Stadthalterei von Oesterreich vom
11. Oktober 1892 soll der Handel mit glasierten Gefäßen wegen
möglicher Bleivergiftung sorgsam überwacht werden. Viertelj. f. Nah-
rungsm. (1893) 1. Heft 82.
K. K. Böhm. Stadthalterei-Erlaß vom 25. Juli 1891: Deckel
und Deckelreifen für Trinkgefäße dürfen nur aus einer Ziun-
Bleilegierung hergestellt sein, welche auf 10 Teile Zinn nicht mehr als
1 Teil Blei enthält. Vierteljschr. f. Nahrungsm. (1892) 229.
Das österreichische Justiz min isterum hat unterm 21.
März 1888 angeordnet, daß die Eß- und Trinkgeschirre aus
Zinkblech wegen ihrer Gefahren für die Gesundheit durch solche aus
Thon oder Weißblech zu ersetzen sind. Veröff. Kais. Ges.-Amt (1888) 456.
e) Vereinigte Staaten.
In densell)en ist kein Bundesgesetz über den Verkehr mit blei-
und zinkhaltigen (Jegenständen in Kraft. Nur einige Einzelstaaten
haben diese Materie geordnet.
Kapitel 3.
Die Ersatzmittel für blei- iiiul zinkhaltige GegcnstUnde.
Als Ersatzmittel für blei- und zinkhaltige (iegenstände kommen
solche aus Ivupfer, aus Nickel und aus Aluminium in Betracht.
302 TU. WKYL,
Im foljiomlon wird hauptsächlich nur auf die Kochpcfäße. welche aus
den aniieiiebenen Metallen her^^estellt sind, einj>ejianjien, weil diesen
fast allein eine hervorragende liygienische Bedeutung zukommt.
1 . Die k u p f e r n e n ( 1 e f ä ß e.
Ueber die Frage, unter welchen Verhältnissen die Benutzung
kupferner Gefäße im Haushalte zu einer Kupfervergiftung führen kann,
beziehentlich ob eine solche ül)erhaupt wahrscheinlich ist, wird —
um Wiederholungen zu vermeiden — im Zusammenhange mit der
Reverdissage, und zwar auf S. o7o berichtet.
2. Die Nickelgefäße.
Das reine Nickel ist durch seinen silberartigen Glanz, seine Wider-
standsfähigkeit gegen Sauerstoff, Wasser und schwache Säuren, sowie
durch seine Walzliarkeit, welche auch dem schwer duktilen, durch
Schmelzen im Großbetriebe erhaltenen Nickel mit Hilfe eines geringen
Zusatzes von Magnesia und auch von Mangan ^ wiedergegeben wird,
zur Herstellung von Gerätschaften aller Art wohl geeignet.
Die in den Handel kommenden Nickelgeschirre sind auf zweierlei
Weise hergestellt: durch Vernickelung oder durch Plattierung eiserner
Gefäße.
Die Anwendung vernickelter Kochgeschirre kann nicht em-
pfohlen werden, weil dieselben der Hitze und den in manchen Nahrungs-
mitteln vorhandenen oder bei deren Herstellung sich entwickelnden
Säuren nicht widerstehen. Auf diese nickelplattierten Gefäße bezieht
sich auch die Warnung der Wiener Sanitätsbehörde =^.
Die Verwendbarkeit der nickelplattierten Kochge-
schirre ist am eingehendsten von Birnbaum^, ferner von
Geerkens*, von Labor de und Riebe-'', endlich von Rohde^
untersucht worden.
Roh de ^ hatte in seinem Haushalte 5 Jahre hindurch Nickel-
kochgeschirre in beständigem Gebrauche und benutzte sie auch aus-
schließlich zum Einmachen von Früchten aller Art. Während der
ganzen Zeit trat weder bei ihm noch bei seiner Gemahlin irgend
welche Gesundheitsstörung auf. WMr sind daher wohl berechtigt,
die aus einer g u ten Fa b rik sta mm enden Nickel g esc h irre
als völlig unschädlich zu bezeichnen, w^enn nur dafür Sorge
getragen wird, daß die gekochten Speisen nicht unnötig lange Zeit
in dem Nickelgeschirr stehen bleiben oder wohl gar in demselben
überhaupt aufl)ewahrt werden.
Es ist aber nach Roh de denkbar, daß die wenig gebrauchten,
beziehentlich die überhaupt noch nicht benutzten Nickelgeschirre durch
Säuren leichter angreifl>ar sind, als diejenigen Gefäße, welche bereits
längere Zeit im Gebrauche stehen *).
Im Gegensatze zu Roh de sah Geerkens*, daß 2 1 Milch,
welche in einer großen Nickelschale bei gewöhnlicher Zimmertemperatur
8 Tage standen, 0.022 g Nickel aufgenommen hatten. Natürlich war
die Milch während dieser Zeit in Gärung, vielleicht sogar in Fäulnis
*) Es würden also hier ähnliche Verhältnisse wie bei den Aluminiumgefäfsen (S. 364)
obwalten.
24
Die Gebrauchsgegenstände. 3G3
übor^'cpanfion und hatte Milchsäure oder andere Fettsäuren, z. B. Essij,'-
säure ^'eliihU't. Dii's erklärt den liefund zur (Jenü^^e. beweist aber
auch, was ei^'entlich selbstverständlich war. daß Nickelschalen zur
Aut'bewahrunj; von Säuren oder leicht Säure bildenden Nahrun'rs-
mitteln nicht l)enutzt werden können. In diesem Sinne lautet auch
das Urteil von (Jecrkens und Schulz*, und La bor de und
Rio he ^ sind der^deichen Meinung'.
Durchaus abweichend hiervon sind die \'ersuchser^iebnisse von
Birnbaum. Derselbe kochte in einem nickelplattierten Eisentopfe
von 4<>0 com Inhalt, dessen beide Henkel mit Kupfer und Hartlot
befestijzt waren , 200 com Essijjsäure von 3,5 Proz. in der 0,5 Koch-
salz ^'elöst waren, bei auf^^ele^^tem Deckel eine Stunde lanj;. Die
priine, stark sauer reaj^nerende Lösunji enthielt U,095 ^^ Nickel. Als
ferner in einer j^estielten Kasserolle von 4(H) ccm Inhalt Sauer-
kirschen eine halbe Stunde jzekocht worden waren, ließ sich in den
Kirschen Nickel leicht nachweisen. Gleichzeitig war das Gefäli und
der Deckel mit einem grauen Ueberzug von basischem Nickelsalz
überzogen. Die (Jefäße, welche Birnbaum benutzte, waren also
leichter angreititar als die von Roh de und anderen benutzten.
Wenn nun aber w i r k 1 i c h a u s N i c k e 1 g e s c h i r r e n N i c k e 1
in die Speisen geraten sollte, so dürfte dasselbe die Ge-
sundheit trotzdem in keiner Weise schädigen. Hierfür
spricht einmal der Versuch, den Roh de an sich und an seiner Ge-
mahlin anstellte, ferner aber der Umstand, daß Tierversuche von
Riebe und La bor de, ferner von Roh de zeigen, wie große Mengen
Nickel ein Hund ohne jede Schädigung seiner (Jesundheit vertragen
kann. So erhielt der Hund von Riche u. Labor de im Verlaufe
von 160 Tagen im ganzen 21,35 g Nickel als schwefelsaures Nickel.
Erst nach Aufnahme von 1,5—2 g des Salzes zeigten sich Vergiftungs-
erscheinungen. Dieselben bildeten sich aber zurück, und nachdem
der Hund getötet war, fanden sich in den Organen keinerlei patho-
logische Veränderungen. Dagegen wurden die folgenden Nickel-
mengen in den Organen etc. nachgewiesen. Nieren -f Blut (ca. 150 g)
+ Lungen -f- Herz -+- Magen nebst Darm enthielten 2 mg, x mg die
Leber. 7 mg das Gehirn.
Roh de gab einer 16 kg schweren Hündin zugleich mit dem aus
reinem P'leisch bestehenden Futter 0,2094 g einer wässerigen Lösung
von essigsaurem Nickel. In dem schwarz gefärbten Kote wurden
0,2094 g Nickel wiedergefunden.
Auch van H a m e 1 - R o o s ^ ist von der L^nscliädlichkeit der
Nickelgeschirre üi)erzeut;t.
Käse läßt sich nach Heibig* in nickel])lattierten Gefäßen nicht
aun)ewahren. da dieselben von den im Käse enthaltenen Säuren an-
gegriffen werden.
1) K. von Wagner, Ildbch. der ehem. Technolog. 12. Aufl. (1886) 65.
2) Indxiitru-hlätUr (1886) 96 u. l'JB.
3) Birnbaum, JjingUr's polyteehn. Journal (1883) 249. Hd. 515 u. 564.
4) Geerkeni, ixehe Schall in Dimjler'a polyteehn. Journal 250 Bd. S. 421 und 251. Bd.
S. \-l'>.
5) Laborde u. Riche, Joum. de pharmacie et de chimie (1886) {mir nicht zugänglich).
6) Rohde. Arch. f. Hygiene (1889) 9. Bd. 331.
1) van Hamel-Roos, Hev. intern. JaU. 1. Bd. 31.
8> Heibig, PharmaeetU. CeiUralh. (1892) 341, ref. in llyg. Rdsch. (1892) 906.
;iÖ4 TH. WEYL.
.'^. Die Alu 111 i 11 i u in i,^ e f ä ß e.
Uober die VerweiidUaikeit des Aluiiiiiiiuins, wie es jetzt in großem
Umfange zu billigem Preise durch Elektrolyse^ gewonnen wird, zur
Herstellung von Gebrauchsgegenständen, liegen eine große Reihe
exakter Untersuchungen vor.
Die ersten Versuche über diese Frage scheinen Lül)l)ert* und
Röscher veröti'oiitlicht zu haben.
Dieselben ließen reines I> 1 a 1 1 a 1 u in i n i u lu für 4 Tage bei
Zimmertemiieratur in Lösungen von Alkoholen. Aethern. Aldehyden,
Ketonen, organischen und anorganischen Säuren , in Alkylaminbasen,
in wässerigen Lösungen von Sublimat, Salicylsäure und Karbolsäure,
endlich in Rotwein . KatTee und Thee stehen. Die Konzentration der
angewandten Reagentien wurde mannigfach variiert. Hierbei waren
nur die Alkohole. Aether, Aldehyde und Ketone, soweit die aus-
schließlich (j u a 1 i t a t i v angestellten Versuche ein Urteil gestatteten,
außer Stande, das Aluiiiiiiiuiiiblech anzugreifen, während dies durch
die übrigen Reagentien fast ausnahmslos erfolgte.
Die Verfasser schließen aus ihren Versuchen, daß Aluminium
zur Herstellung von Konservebüchsen, Feldflaschen,
Geschirren nicht geeignet sei. Während die Versuche der
Verfasser ohne jeden Zweifel auf völlig richtigen Beol)aclitungen be-
ruhten, haben die im folgenden zu schildernden Erfahrungen
anderer Forscher ergeben, daß Aluminium nur in Gestalt
des Blattaliiminiuins jene große Emptindlichkeit gegen die oben
genannten Reagentien besitzt, aber im gewalzten Zustande an-
gewandt, durch Säuren, ja durch Alkalien in derjenigen Konzen-
tration, in welcher dieselben bei Herstellung und Aufbewahrung der
Nahrungsmittel in Betracht kommen, kaum angegriffen werden.
Dies geht namentlich aus den Mitteilungen von G. Lunge und
E. Schmidt^ hervor, welche gewalztes, von der Aluminium-In-
dustrie-Aktien- Gesellschaft in Neuhausen hergestelltes Aluminium-
blech benutzten. Dasselbe enthielt:
0.44 gebundenes Silicium
O.il krystallinisches Silicium
o,25 Eisen und Spuren von Kupfer
99. 20 Aluminium
Sie Stellten genau gewogene Streifen des Aluminiumbleches in Ge-
fäße, die mit den unten aufgeführten Flüssigkeiten gefüllt waren,
ließen dieselben 6 Tage einwirken und ermittelten dann durch genaue
Wägung einen etwa eingetretenen Verlust. So entstand Tabelle 1.
Tabelle 1.
Gewichtsverlust in mg bei 6-tägiger Einwirkung der
nachstehenden Flüssigkeiten auf gewalztes Aluminium-
blech bei Zimmertemperatur.
Verluste in mg
pro 100 qc.
Gewöhnlicher Rotwein 2,84
,, Weißwein 3.27
Branntwein 1,08
26
Die Gebrauchsgegenstände. 365
Verluste in mg
pro 100 qc.
50-proz. Alkohol 0,6i
Weinsäure 5 proz. I.HS
„ 1 ,, 2.58
EssigsSure 5 proz. 3.8.'>
>. 1 *t 4.3d
Citronensäure 6 proz. 2.15
1 ,. i.ao
Milchsäure 5 proz. 4,77
Buttersäure 1,31
Kafl'ee 0,50
Thee O,oo
Bier O.oo
Borsäure 4 proz. 1,77
Karbolsäure 5 proz. 0,23
l „ 0,49
Salicylsäure 1/400 6.35
Die mit ileiii Branntwein in Berührung gewesenen Bleche zeigten
eigentümliche Auswüchse von weißliclier Farbe. Sie bestanden aus
Thonerdehydrat und saLsen auf einer kleinen Vertiefung. Diese merk-
würdige \'eränderuiig ist nach Annahme der Verfasser eine zufällige
und durch eine nicht homogene Beschaffenheit des benutzten Bleches
l»edingt *).
Eine Feldflasche von ca. 2(H) g fiewicht würde nach Lunge und
Schmidt durch Wein, der in ihr aufliewahrt wurde, erst in 55 Jahren
auf die Hälfte ihres Gewichts reduziert sein.
In den Versuchen von Ohlmüller und Heise* wurde beim
Zubereiten und Stehenlassen von Speisen in Gefäßen aus gewalztem
Aluminium zwar anfänglich etwas Metall aufgelöst. i)eim längeren
Gebrauche aber werden die (iefäBwände offenbar infolge eigentüm-
licher Obertlächenveränderungen weniger angreifbar.
Eine Schädigung der Gesundheit trat aber beim Genüsse von
Speisen nicht ein , wenn diese in Aluminiumgefäßen zubereitet oder
aufbewahrt worden waren.
Aehnlich lauten die Erfahrungen von Plagge und Lel)l)in^.
Auf (irund ihrer eingehenden Ver.^uche. die sich auf eine sehr große
Reihe (| ua n t i t a t i ver Bestimmungen stützen, komiiieii sie zu dem
Resultate, daß gegen die Verwendung des Aluminiums zur Herstellung
von Trink- und Kochgeschirren, wenn die genannten Gefäße aus einem
Stück ohne Naht und ohne Kitt hergestellt sind, sanitäre Bedenken
nicht bestehen. — —
Von besonderem Interesse {ist noch ein Versuch am Menschen.
Es verzehrten nämlich 2 Diener IV» Jahr hindurch täglich Fleisch,
(iemüse und Kaffee in 2 vorschriftsmäßigen Fricdciisportioiicn. zeit-
weise auch in Krie;.:sportionen, längere Zeit hindurch auch gebratenen
Speck, kurz nachdem die genannten (ierichte in Aluminiumgefäßen
hergestellt worden waren. Beide Leute befanden sich während der
ganzen Zeit durchaus wohl. In ihrem Harn ließ sich kein Aluminium
nachweisen, obgleich Mengen von lOLitern hierzu benutzt worden waren,
Bier veränderte sich nach Aubry" in einer Almiiiniuniriasche
bei Temperaturen zwischen 5 und 12° C äußerlich gar nicht. Der
Geschmack blieb voll erhalten. Höchstens schmeckte es etwas nach
Metall, wie jedes Bier, das aus Metallgefäßen getrunken wird.
*) Identische BeobachtuDgeo machten auch Ohlmüller und Hei««* und fertigten
von diesen EfOorescenzen gute Photographien an.
27
366 TU. WEYL. Die Gebrauchsgegenstände.
Bei 1(1— 12" C während 3 Wochen ^'ohaltcnes Bier führte pro Liter
Snij: Ahiniinium in Lösnnj: über. Auch dieKolilensäure des gärenden
Bieres greift Aluniiiiiuni kaum an.
Vüv (iärgefäße und zu Bierpressionen kann Alnniiniuni
gleichfalls ohne Bedenken angewandt werden. Nur darf man die zur
Reinigung der Röhren benutzte Sodalösung nicht allzulange einwirken
lassen, weil sonst das Metall angegriften wird.
Sdiließlich sei noch erwähnt, daß Cl. Winkler' einen aus
Aluminium hergestellten Speiselöffel seit 16 Jahren in seiner eigenen
Wirtschaft benutzte. Der Löffel wog anfänglich 25,493 g. Während
der 16 Jahre hatte er nur ö.Sö Proz. abgenommen. Er würde also
erst in 273 Jahren verbraucht werden, wenn die Abnahme immer
gleichmäßig stattfände. Gleiclizeitig waren ein Löffel von Neusilber
und ein anderer von Silber im Gebrauch. Ersterer hatte während
der 16 Jahre 5,62, letzterer 8,78 Proz. abgenommen.
Dieser einfache Versuch ist für das vorliegende Thema von grund-
legender Bedeutung. Er zeigt, daß die Benutzung eines Aluminium-
löffels nicht gesundheitsgefährlich ist, und daß ein derartiger Löffel
trotz tä;:lichen Gebrauches einer geringeren Abnutzung unterliegt als
ein silberner Löffel.
Nach allen bisher vorliegenden Erfahrungen ist
das reine gewalzte Aluminium zur Herstellung von
Koch- und Trinkgeschirren wohl geeignet, da der-
artige Gefäße haltbar sind und die Gesundheit nicht
zu s c li ä d i g e n vermöge n.
Allerdings macht demgegenüber Robert^ darauf aufmerksam,
daß nach einer Untersuchung von Siem auch die ..allerindifferen-
testen" Salze des Aluminiums bei Tieren zu Fettentartung der Leber,
ferner zu Magendarmentzündung und hyaliner Degeneration der
Nierenepithelien führen, daß ferner die tödliche Dose für das Kilo
Kaninchen 300 mg, für das Kilo Katze 250—280 mg, für das Kilo
Hund 250 mg Aluminium betrage. Aber in den Versuchen von
Siem handelte es sich um intravenöse oder subkutane Dar-
reichung der Aluminiumsalze: also um Verhältnisse, welche mit denen
kaum vergleichl^ar sein dürften, die bei Zubereitung oder Aufbe-
wahrung der Speisen und Getränke in Aluminiumgefäßen in Betracht
kommen.
Ferner ist aber bereits durch die oben erwähnten, von Wink-
ler', Ohlmüller und Heise*, Plagge und Lebbin^ ange-
stellten Versuche der Einwurf Kobert's widerlegt.
Der Hygieniker dürfte also kaum in der Lage sein,
einen begründeten Einwand gegen die Benutzung der
A 1 u m i n i u m g e f ä ß e bei Zubereitung und Aufbewahrung
von Speisen zu erheben^.
1) Bichards, Aluminivm, London 1890, 2. edit.
2) Labbert >/. Eoscher, Pharmac. Centralh. (1891) No. 39 u. 40.
3) G Lunge u. E. Schmidt, Zeüschr. f. angev:. C'hem. (1892) 7.
4) Ohlmüller u. Heise, Arb. Kais. Gea.-Amt (1893) 7. Bd. 377.
5) Flagge u Lebbin, VeröffenÜ. aus dem Gebiet des Militär-Sanüätsicesens, herausgeg. von
der Med. Abteil, d. preu/s. Kriegsminist. (1893) 3. Heft.
6j L. Anbry. Rej. in Centralbl. f. allgem. Gsdpfl. (1893; 201.
7) Cl. Winkler. Zeitschr. f. angew. Chem. (1892) 69.
8) Kobert, Chem. Ztg. (1892) 16. Bd. 821.
9; ttrgl. Ch Schmitz. Hyg. lidich. (1894) 33.
28
ABSCHNITT II.
Das Reiclisjioset/ vom 5. Juli 1887, betreltVml die
Yerweiiduii^ 2;osiiiidlieitssch{ldlicher Farben bei der
Herstelluni» von XaUrunj^sinitteln, (weiuissmittelii und
(iebrauclisgegenstäuden *).
Einleitung.
Die Farbe spielt im Haiislialte des Kiilturmensclien eine sehr
liedeutende Rolle. Wir färl>eii die Gefienstände. welche uns miij^eben. in-
dem wir die Natur nachahmen, weil wir sie voneinander zu unter-
scheiden wünschen, weil wir den Kontrast lieben, und zuletzt auch,
wir müssen es gestehen, um durch die Farbe die Wirklichkeit zu er-
setzen und um diese Wahrheit zu verschleiern.
Die Gesundheitsptiege und der Staat nehmen an der Anwendung
der Farben aus mannigfachen Gründen ein Interesse.
Die Gesundheitspflege verlangt zunächst, daß die Farben, welche
im menschlichen Haushalte Verwendung finden, unschädlich seien.
Der Staat verlangt aus sogenannten Iniheren, moralischen Gründen,
daß durch Anwendung der Farben nicht der Schein einer besseren
Qualität zu Ungunsten des Käufers hervorgerufen werde.
Dies sind die Motive, welche den Staat, als den Vollstrecker der
begründeten Anforderungen der öffentlichen Gesundheitspflege, ver-
anlaßten. die Anwendung der Farbstoffe zum Färben von Nahrungs-
mitteln und (Tei)rauchsgegenständen zu regeln und zu überwachen.
Im folgenden ist die Lehre von den P\arben. soweit sie hygi-
enisches Interesse dari)ietet, im Anschluß an das Reichsgesetz vom
5. Juni 1XS7. betreffend die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben
bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchs-
gegenständen, er(">rtert worden.
•) Jeder Ilygieniker, welcher sich mit diesem höchst verwickelten Them» zu be-
schäftigen wünscht, sei auf die gehaltvolle Arbeit von Seil (Arbeiten des Kais Ges. -Amt.
2. Bd. 232) verwiesen. Es liütte den in diesem Handbuche zur Verfügung stehenden Raum
bedeutend überstiegen, wenn an dieser Stelle alle in der angeführten Abhandlung erwähnten
Thatsachen und lichtvollen Hcgründungen, die zur Aufstellung des R.O. vom fi. Juli 1887
über die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben u. s. w. geführt haben, wiederholt
worden wären.
29
368 TU. WEYL,
In einem weiteren Kapitel fand dann auch die Gesetzgebung der
übrigen Kulturstaaten Erwähnung ^
1) l>r<;/. die S. 339 ati/'geführten Kommentare von Menzen, Fr. Meyer u. C. Finkeinburg,
R Haas. Lohmann n. Jos. Baaer.
Kapitel I.
Die Farbstoffe.
Da die im menschlichen Haushalte angewendeten Farben höchst
mannigfaltiger Art sind, kann nur derjenige, welcher sich mit der
Herstellung und dem Nachweis der Farbstoffe sitezialistisch beschäftigt,
in die schwierigen, hier in Betracht kommenden theoretischen und
praktischen Prol3leme der analytischen und synthetischen, der organi-
schen und anorganischen Chemie so tief eindringen, daß er über die-
selben ein selbständiges Urteil abzugeben vermag.
So viel Zeit und Arbeitskraft wird aber der Hygieniker kaum,
der Verwaltungsbeamte erst recht nicht dem vergleichsweise unwich-
tigen Kai)itel von der Hygiene der Farbstoffe widmen können.
Dies sind die Gründe, weshalb im folgenden über das unglaublich
ausgebreitete und verwickelte Kapitel der Farbstoffe nur so viel ge-
sagt wurde, als zum Verständnis der Gesetzgebung unbedingt erforder-
lich schien.
Einteilung der Farbstoffe.
Die Farbstoffe lassen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten
einteilen: zunächst in natürlich vorkommende und in künst-
lich hergestellte.
Diese Einteilung dürfte nicht mehr zeitgemäß sein, da es der
stetig fortschreitenden organischen Synthese gelungen ist, eine größere
Anzahl früher nur aus den Pflanzen gewinnbarer Farbstoffe im Labo-
ratorium künstlich herzustellen. Dies gilt z. B. vom Indigo, den man
bis zu Bayer's Synthese nur aus der Indigopflanze gewann und vom
A 1 i z a r i n , welches vor G r a e 1) e und L i e b e r m a n n ' s denkwürdigen
Arbeiten nur die Krappwurzel lieferte.
Daß die synthetische Chemie bei diesen beiden Resultaten nicht
stehen blieb, bedarf keiner Erörterung.
Andererseits hat man die Farbstoffe nach ihrer Verwendung
in Baum wol len färb Stoffe, Leder farbstoffe, Papierfarb-
stoffe geteilt. Auch diese Einteilung ist für unsere Zwecke unbrauch-
bar, weil derselbe Farbstoff nicht allzu selten zur Färbung verschie-
dener Materialien dienen kann. So färbt das Fuchsin sowohl Wolle
als auch Seide.
Diese Einteilung der Farbstoffe ist zwar unwissenschaftlich, aber
noch immer im Gebrauch, weil sie vielen praktischen Bedürfnissen
genügt.
Malerfarben zum Tünchen der Wände u. s. w. mengt man mit
Gips oder Schwerspat und suspendiert sie in Wasser (Wasser färben),
Leimwasser (Leimfarben) oder Oel fOelfarben).
Die von Kindern benutzten Tuschfarben sind billige, durch Honig
CHoni gfar ben) , Gummi, Leimwasser oder Hausenblase, bisweilen auch
durch Harze und Balsame verdickte Farben.
30
Dio Gebrauchsgegenstände. 869
Die Metall färben (Bronze färben, Brokat färben) bestehen
zum größten Teil aus einer Zink-Kupferlegierung. Bisweilen ist in ihnen
auch Zinn enthalten. Man stellt sie durch feinste mechanische Zerkleine-
rung der Komponenten her und ist imstande, die Teile dieser Legierungen
durch Erwiirmen i^Anlaufenlassen) bei Gegenwart von Beizen und Teer-
f\\rben mannigfach zu variieren. Die Fabrikation dieser Farben ist durch
Fabrikgeheimnis geschützt.
Lackfarben sind Lösungen oder Suspensionen der in Wasser un-
löslichen Verbindungen organischer Farbstoffe mit Metallo.xyden. Hierher
gehören z. B. Alizarinlack und Karminlack, welche aus der Thonerdever-
bindung des Alizarins und des Cochenillefarbstotfes bestehen.
Sie setzten eine sehr feine Pulverung und absolute Trockenheit des
Farbstoffes voraus. Als Lösungsmittel dienen Spiritus oder fette Oele
(z. B. Leinöl).
Diejenige Periode endlich, welche die Farbs toffe nach ihr^T
Farbe anordnete, ist zum Glück längst, überwunden. Diese Anord-
nung trennt Farbstoffe voneinander, welche ihrer chemischen Kon-
stitution nach, wie das rot färbende Fuchsin und das blau färliende
Viktoriablau, eng zusammengehören, und setzt Farbstoffe, wie Schwein-
furter Grün und Malacliitgrün. nebeneinander, die durchaus keine
chemische Verwandtschaft zu einander besitzen.
In der folgenden Ueb er sieht über die Fari)en sind
dieselben nach ihrem Gehalte a n K o h 1 e n s t o f f o d e r nach
der Ab Wesenheit desselben in anorganische und orga-
nische Farbstoffe geteilt.
Die Karbonate pflegt man trotz ihres Gehaltes an Kohlenstoffen zu
den anorganischen Farbstoffen zu rechnen.
Die anorganischen Farbstoffe zerfallen in eine größere
Anzahl von Abteilungen, welche durch die in den Far])Stoffen ent-
haltenen Metalle charakterisiert werden.
Die organisciien Farbstoffe wurden nach den in ihnen ent-
tenen chromophoren Grui)i)en (siehe S. IJTilJ eingeteilt.
Die Farbstoffe unbekannter Konstitution bilden einen Anhang zu
den organischen Farbstoffen,
Eine allgemeine Theorie der Farben, aus welcher begreiflich
würde, weshalb gewisse Körper blau, andere grün gefiirbt sind, ist un-
bekannt.
Für die an o rgan is c h en Körper vermögen wir sogar nicht einmal
einzusehen, weshalb die einen von ihnen gefärbt, die anderen ungefärbt
sind. Ueber dio für organische Stoffe aufgestellte Farbstofftheorie ist
Seite 379 das Wichtigste gesagt.
1. .\nore;aiifselie Farbstoift» oder Erdfarben.
Die anorgiiiiiscluMi Farl)stoffe oder Erdfarben wer(bMi durch ein-
fache mechaniscjie und chemische T'rozesse aus den in der Natur fertig
vorkommenden, häutig diircii ber^Miiäiniisciien Hetriel) geförderten
Materialien herge>tellt '.
31
370 TU. WEYL.
So findet man den roten Ocker, ein Gemisch von Eiseuoxyd und
Thon, in der Natur fertig gebildet vor. Da dieses Gemisch aber als
Verunreinigung Sand enthält , muG zur Herstellung einer reinen, gut
deckenden Ockerfarbe das natürlich vorkommende Produkt zuerst aufs
feinste gemahlen, dann geschlemmt werden. Bei letzterem Prozesse bleiben
die .schweren Sandkörner zurück.
In anderen Fällen nuiclit man eine hj'dratische Verbindung durch
Glühen (Kalcinieren) wasserfrei.
Das Königs- oder Kobaltblau (auch Thenardblau ge-
nannte ist z. B. ein Gemisch von Kobaltoxyd und Thonerdehydrat (Alu-
miniumoxydhydrat). Man stellt es dar durch Glühen eines gut ge-
mahlenen und vorgetrockneten Gemisch von Aluminiumhydrat und schwefel-
saurem Kobaltoxyd. Durch das Kalcinieren wird die Schwefelsäure des
Kobaltsalzes und das Hydratwasser des Aluminiumhydratoxydes ausge-
trieben. Es bleiben zurück: Aluminiumoxyd und Kobaltoxyd.
1) Siehe Oentele. Lehrbuch der Farbenfahrikation (1880); Bersoh. Fabrikation der Erdfarben,
Chem -techn. Biblith. 41. Bd, Wien, Hartleben] Bersch, Fabrikation der Mineral- u. Lack-
farben. Chem.-teehii. Bibl. 33. Bd., Wien, Ilartleben ; K. B. Lehmann, Die Methoden der
praktischen Hygiene, Wiesbaden 1890.
Im folgenden sollen die wichtigsten anorganischen Farben
(Erdfarben) kurz aufgezählt werden.
1. Kalkftirbeii.
Kreide (Marmorweiß), Schlemmkreide) ist kohlensaurer
Kalk, CaCOg. Als billige Wasserfarbe für Anstrich benutzt.
2. Barytfarben.
Blanc-fix, Permanent weiß, ist gefälltes Baryumsulf at, BaSO ^ .
Billige Wasserfarbe. Nicht giftig.
3. »J^ Chromfarben s. a. Bleifarben. Alle Chromfarben
sind giftig.
Bleichromate: a) Neutrales Bleichromat, PbCrO^ oder Chrom-
gelb, b; basicher Bleichromat PbCrO^-j-PbfOH), oder Chromat (Chrom-
zinnober, österreichischer Zinnober), c) Gemisch von neutralem und basi-
schem Bleichromat oder Chromorange.
Auf die Giftigkeit des Bleichromats bei Anwendung desselben
zum Färben von Gebrauchsgegenständen liat in neuerer Zeit zunächst
wieder Th. Weyn die Aufmerksamkeit gelenkt. Derselbe fand
Bleichromat in (iarnen, deren Staub eine ausgedehnte Reihe von
Bleivergiftungen bei den mit dem Abhaspeln der Garne beschäftigten
Frauen verursacht hatte. Weiterhin ermittelte derselbe Forscher in
einem Sattlergarne . das in einer Berliner Sattlerwerkstatt benutzt
wurde, mehr als 21 Proz. Bleioxyd.
Diese Beobachtungen wurden von K. B. L e h m a n n ^ bestätigt
und erweitert. Aus seinen eingehenden Unter.suchungen sei an dieser
Stelle nur mitgeteilt, daß er das Bleichromat in den verschiedensten
Gebrauchsgegenständen , wie Nähgarn, Baumwollenzeug, Strickgarn,
gelbem Wagenlack, gelbem Lack für Milcheimer, in gelb angemalten
Vögeln aus Gummi, in Zündschnur, orange und gelben Federhaltern,
32
Die Gebrauchsgegenständo. 371
/.Ulli Teil recht häutig, vorfand. Zurkcrsarhcii, S('i(h'ii/.ouf.r und Papier
waren (hijiegen stets frei von lUeichroniat. oliuh'icli iccht zahlieiche
Troheii zur rnter.suchun^' kamen.
Ferner faiKU'ii — aUes folgende nacli K. 1!. Lehmann- —
Delpech und llillairet lih'iehroniat in einer künstlicli gefärliten
Butter; (ialippe sen. ermittelte, daß die gelhe Farhe de.s Back-
werkes, welche man durch Eigelh zu erzeugen pflegt, durch Chrom-
gell) liervorgeliracht war: Bouchardat entdeckte Bleichromat in
Leinewand, die zum Finhüllen amerikanisdier Schinken Itenntzt war.
In der Society of Dyers and Colorists zu Bradfoid wurde vor
iiedruckten Strumpf- und Flanellwaren gewarnt. Dieselben sind nament-
licli wegen der Anwendung von Chronigelb und Chroniorange ge-
fähr licli ^.
Eine Verurteilung wegen Anwendung von Chromgelb
bei Herstellung von Backwaren ist durch das Reichsgericht am 2. Dez.
1889 erfolgt'.
Chromgrün ist Chromoxyd Cr.,03. Druckfarbe für Papier (Bank-
noten) und Zeugdruck.
Ueber andere, zum Gelb färben von Nahrungsmitteln be-
nutzte Farben siehe unter Nitrofarbstoffe (S. 379).
1) Th. Weyl. Zeitschr. f. Hygiene, (1889) 6. Bd. 369 und 544.
2) K. B Lehmann. Arch f. Hyy. (1893) 16. Bd. 314 und 19. Bd. 115.
3) Deutsche Fä r b e r z e i t u „ y (1888) 24. Bd. 201 und 202.
4i Vierteljschr. f. Sahranymuttelchemie (1890) 5. Bd. 388.
4. Zinkfarbeii.
Z i II k w e i li , Zinko.xyd ZnO. Zum Anstreichen der Wände eine
viel benutzte Oelfarbe.
Ziukgelb ist ein basisches Zinkchromat ZnCrO^ -|-Zn(0H)2.
5. Manganfarbeii. Sie gelten als nicht giftig.
Umbra, ein Gemenge von Mangan, Thonerde und Eisenhydroxyden.
Braune Malerfarl)e.
Bister oder Manganbraun Mn^O^. Zum Färben, Drucken
oder Malen benutzt.
6. Eisciil'arbeii.
Ei se nro t F._,03, gelber oder brauner Ocker, Rötel, Neapelrot. Als
billige Anstrichfarbe für Holz , Eisen (Schiffe) viel benutzt. Nicht
giftig, wenn nicht mit Arsen u. s. w. verunreinigt.
7. v||- Uraiilarbcii. Alle Uranfarben sind giitij^.
f Das uransaure Natron U,,0,Na.,, seltener das entsprechende Amonium-
salz, findet als Urangelb in der üelmalerei, namentlich aber zum Färben
von Emaillen und Glasflüssen, in der Porzellanmalerei wegen seiner großen
Beständigkeit ausgedehnte Anwendung. Die Uran salze sind giftig.
Die tödliche Dosis beträgt bei subkutaner oder intravenöser
Darreichung nach Woroschilski ' :
für Kaninchen I mj? Uranoxyd pro Kilo Tier
für Uund und Ziege 2 ,, ,, ,, ,, ,,
Handbuch der Hygiene. Bd III Abtl( 1. 24
Im Harn
Tier
erliielt Urannitrat
Eiweifs Zucker
in
(lelatinekapseln
— —
0,0 f. g
Spuren —
fo,05 „
\o,05 ,.
o,i92 —
( 0,05 „
[ O,0f> ,,
0.227 0,406
/o.Of. „
\o,o:. „
1112 TU. WKYL,
Chittenden und Lambert- fütterten Hunde mit Urannitrat in
Gelatinokapseln. Die Resultato eines ihrer Versuche sind aus der fol-
genden Tabelle zu ersehen:
Vcrsuciistat;
1
II
111
IV.
Der Hund erhielt im Verlaufe von 12 Versuchstagen im ganzen
1,35 g Urannitrat und verlor seinen Appetit erst am 11. Versuchstage.
Jedenfalls kann die Giftigkeit des Urannitrats nach diesem Versuche
keine sehr bedeutende sein.
Nach Robert^ ruft das Urau Nephritis und Glykosurie hervor.
Der Tod erfolgt durch Urämie. Die Dosis, welche die genannten Er-
scheinungen erzeugt, ist in dem citierten Referate nicht angegeben. Nach
Robert ist Uran giftiger als Arsen.
Nach Custier-* sterben Kaninchen, denen zwei Dosen von je 0,015 g
Urannatriumnitrat subkutan gegeben waren, innerhalb 4 — 5 Tagen im
Coma ohne Eintritt von Konvulsionen.
1) Siehe Plagge und Lebbin, Veröff. aus dem Gebiete des Müüär-Sauitätswesens (1893)
3. JJejt 4 5.
2) Chittenden u„d Lambert, Zeitschr f. Biologie (1889) 25 Bd. 513
3) Eobert. Viertel j sehr. f. Nahrgsm. 5. Bd. 98 und li'ochenschri/t. für die Interessen der
Phamiacie u s. w. (1890) 16. Jahrg. 106.
4) Gastier, 7'hise u. s. w. Paris 1891 (?), siehe Virchow-Hirsch , Jahresbericht (1891)
1. Bd. 396.
8. *A- Bleifarben.
J
B.leioxyd (Massicot, Bleiglätte) PbO und Mennige PbjO^, gelb, fl
Als Wasser- und Oelfarbe benutzt.
B 1 e i w e i ß , ein basisches Bleikarbonat 2 PbC03 . Pb(0H)2, als Maler-
farbe benutzt.
Bleichromate, verschieden gelbe bis rote und orange Farben.
Siehe Chrom (S. 370).
A 11 e B 1 e i f a r b e n o h n e A u .s n a h in e sind auch in kleinen
Dosen giftig.
Bleihaltige Spitzen'.
Die mit der Hand hergestellten Spitzen nehmen während der Arbeit
eine gelbliche Farbe an. Um dieselben schön weiß zu machen, schüttet
man Bleiweiß auf Papier, legt auf dieses die Spitzen, dann wieder Papier,
wieder Bleiweiß und Spitzen u. s. w. Nun wird ein derartig hergestellter
Haufen tüchtig geklopft Hierbei nehmen die Spitzen Bleiweiß auf und
werden schön weiß. Gleichzeitig gelangt aber auch das Bleiweiß in die
Luft des Arbeitsraumes und giebt oft genug zu Bleivergiftungen unter
den Spitzenarbeiterinnen Veranlassung.
1) Cannstett's Jahresbericht (1856) 7. Bd. 61 u. VierUljschr. f. NahrwigsmiUelchem.. (1889)
4. Bd. 228.
34
Dio Gebrauohsgogen.stiuidp. 373
9. -^ (^tM'cksilln'rfarlH'n.
Sie sind alle giftig oder verdäclitig.
Zinnober Hg 8. Dient als Malerfarbe, zum Färben von Siegel-
lack. Seine Giftigkeit ist zweifelhaft. Seine Anwendung zum Färben
von Nahrungsmitteln ist auf Grund von i? 1 des R.G. vom Tj. Juli 18)S7
verboten.
10. KuptVrlarbeii.
Bremerblau oder Bremer grün besteht im wesentlichen aus
Kupferoxydhydrat Cu(OH)j. Die mit Kupferoxydhydrat hergestellte
Wasser- oder Leimfarbe ist hellblau, die Oelfarbe hat anfangs die
gleiche Färbung, geht aber nach kurzer Zeit in Grün über, indem sich
das Kupfer mit den Säuren des Geis vereinigt.
Mineralblau, Bergblau, Kupferlasur und Malachit sind
Molekularverbindungen des Kupferkarbonats mit dem Kupferoxydhydrat,
z. B. 2CuC03.Cu(OH),.
Gel blau, eine beliebte Malerfarbe, besteht aus einer Verreibung
von Sehwefelkupfer CuS in Gel und Firnissen.
Grünspan besteht aus essigsaurem Kupfer (OH^CGO).^Cu -j-HjjG.
Der blaue Grünspan ist ein essigsaures Kupfer, z. B. (CHj
COG),Cu -h Cu(GH)2 + aq.
Vergl. auch unter Arsenfarben (S. 377).
Die vermeintliche Kupfervergiftung und die Reverdissage.
Das Kupfer gelaii.ut in den tieriselien und iiHan/.lit'lien Organismus
aus dem meist kupferlialtigen Ackerboden, lieziehentlicli aus den
PHan/.en, die Kupfer aus dem r)oden aufnehmen. Daher finden wir
das Kupfer, natürlich nur in Spuren, in fast allen Körperteilen, und
/war so regelmäfsig, daß es manche Forscher, wie Orfila, Churcli
und Sonnenschein, als einen normalen liiistandteil des mensch-
lichen Körpers ansehen '.
Speisen, die in kupfernen Gefäßen gekocht wurden,
ciitiialten fast stets kleine Mengen von Kupfer. Die Lösung des
Kupfers erfolgt hier nicht nur durch sauer reagierende Speisen, welche,
wie die Obstarten, Citronensäure, Weinsäure, Aepfelsäure enthalten.
Auch kochende Fette, namentlich wenn sie ranzig sind und in nicht
sauber gereinigten, also Kupfero.xyd haltenden Gefäßen gekocht weiden,
führen das gelöste Kupfer in fettsaure Kui)fersalz(^ über, die ihresteils
in dem kochenden Fette gelöst bleiben. Auch Salze, wie z. B. (his
Kochsalz, lösen Kupfer auf.
Die Kohlensäure der Mineralwässer löst das Kujifer.
Deshalb sollten Ballons, in denen derartige Wässer aufbewahrt werden,
gut verzinnt sein * ^
Von besonderem Interesse ist das Verhalten der grünen
Gemüse zum Kupf(!r. Die (W'müse werden, um sie zu konser-
vieren, auf ein Sieb in einen Kessel mit kochendem Wasser gebracht.
Dort bU'iben sie 15 — 8 Minuten, werden dann mit kaltem Wasser ge-
waschen und durch Abtropfen oberHächiich getrocknet. Dann füllt
man sie in Kon.servebüchsen, welche aus Glas oder Blech (S. 273 und
:54r)) bestehen und beläßt sie eine gewisse Zeit im Autoklaven bei 120" C,
also bei einem Veberdruck von 1 V« -1 ''/4 Atmosphären. Hierbei geht
die grüne Farbe verloren ^.
35 •■^**
374 TH. WEYL.
Die Wiodoiherstellunj,' dorselben — Reverdissage {ionannt — be-
wirkt man durch künstlichen Zusatz von Kupfer. Derselbe kann er-
toljj;en. indem man das Abkochen der Konserven in kupfernen Kesseln
vornimmt und die Konserven in diesen Kesseln eine bestimmte Zeit
verweilen läßt.
Diese Methode bringt aber den Nachteil mit sich, daß die Kon-
trolle über die Mengen der aufgenommenen Kupfermengen ver-
loren geht.
Deshalb zieht Mayihofer'^ mit vollem Recht jene Methode der
Reverdissage vor, bei welcher man einem bestimmten Quantum von
Gemüsen beim „Konservieren" eine bestimmte Menge einer Lösung
von Kupfersulfat (Kupfervitriol) zusetzt.
Der Gehalt der künstlich gekupferten Konserven an Kupfer schwankt
innerhalb weiter Grenzen.
Die höchsten Kupfermengen, welche man bisher in gekupferten
Konserven und zwar in französischen Erbsen gefunden hat, sind pro
kg Konserve: 180 — 270 mg Kupfer.
Deutsche und schweizer Konserven enthalten nach Tschirch
pro kg Konserve im Durchschnitt nur .'50 -100 mg Kupfei- , selten
140 mg, aber kaum mehr •"*.
Mayrhofer^ fand in deutschen Konserven folgende Werte :
Cliiuois 47 — 76 mg Kupfer pro kg Kouserve
Gurkeu, grün 45 „ ,, ., „
Mandeln 22 — 36 ,, ,, „ ,, ,,
Reineclauden 18 ,, ,, ,, ,, ,,
Wie Mayrhofer's Versuche zeigten, genügen 24 mg Kupfer
vollständig, um 1 kg Erbsen schön grün zu färben.
Das Kupfer ist in den Konserven zum größten Teil als Kupfer-
phyllocyanat, zum Teil auch als Eiweiß-Kupferverbindung (Kupfer-
leguminatj, vielleicht auch, aber jedenfalls nur zum kleineren Teil,
als fettsaures Kupfersalz (Kupfer oleat) enthalten. Das Kupferphyllo-
cyanat entsteht durch Verbindung des Kupfers mit einem Zersetzungs-
produkt des Chlorophylls, der von Tschirch entdeckten Phyllo-
cyaninsäure ^.
Die relative Ungiftigkeit des Kupfers und seiner meisten Salze
ist durch ältere Versuche, namentlich von G a 1 i p p e und von T o u s-
saint, du Moulin und Gautier* bewiesen worden.
Galippe-' nahm 14 Monate hindurch Speisen, die in kupfernen
Gefäßen gekocht, erkaltet und deutlich kupferhaltig waren, ohne jede
Störung seiner Gesundheit zu sich. Auch Toussaint genoß länger
als 6 Monate hindurch täglich, und zwar völlig ungestraft, Kupfer mit
Citronensaft und P^ssigpflaumen.
Weitere Versuche über Kupferwirkung beim Menschen haben dann
Lehmann und s^ine Mitarbeiter sowie Tschirch angestellt.
Sie ergeben alle das gleiche Resultat: Erst in einer Dosis von
0,1 g ruft das Kupfer leichte Vergiftungssymptome, wie schnell ver-
schwindende Diarrhöen, Uebelkeit und Erbrechen hervor.
Es fragt sich nun, welche Nahrungsmengen dazu ge-
hören, um dem menschlichen Körper diese toxische
Dosis von 100 mg Kupfer zuzuführen.
Hierüber geben Versuche von Lehmann'' Auskunft:
36
Die Gebrauchsgegeiistiindo. 375
Eine Mahlzeit bustehend aus:
300 ctin Suppe in Kuprer geiioclit = 20 lun Kupfer
I I Wein, der in Kupfer >tand = 50
50 ccm Kssig, der in Kupfer stand = 10
50 ji Fett, das zum Hratcn diente = 5 ,, ,,
200 K stiirkst ^cei^upferte^ Erbaen = 50 ,, ,,
500 g stark kupferh»Itit;en Urotes = 60 „
enthält in Samma höchstens 195 mg Kupfer.
Es ist mm selbstverständlich, daß ciiio Mahlzeit mit einem so
liohcii KuitfiTixi'lialt. der sirh nur diircli Einhaltung' von cxccptionellon
lUMliuLMinucn cnnöulichen licLs, kaum jemals in Wirklichkeit auf den
Tisch kommen dürfte, .ledenfalls könnte dieselbe nur einem sehr
wenif,' emjjtindsamen Gaumen munden.
Erinnern wir uns ferner, daß zu therapeutischen Zwecken sehr
^M-oße ^lenjien von Kupfersulfat, z. H. als lirechmittel bis zu (».1 und
darüber pro dosi, an demselben Ta^^e mehrfach auch bei Kindern
^'e^'eben wurden, ohne daß tiefer^n-eifende Störunjj;en eintraten,
so kommen wir zu dem Resultate, daß die Gefahr der ökono-
mischen Kupfervergiftung von den Aerzten. nament-
lich aber vom Publikum bedeutend überschätzt
worden ist.
Allerdings sind in der Litteratur eine Reihe von Fällen be-
>chrieiien. in denen es sich um eine wahrhafte Kupfervergiftung, so-
gar um Fälle mit tödlichem Ausgang gehandelt haben soll.
Die meisten dieser Fälle halten aber einer strengen Kritik nicht
-tand*). Es scheint vielmehr, daß manche dieser \'ergiftungen auf die
Wirkungen von Bakteriengiften, sogenannten Ptomainen zurückge-
führt werden müssen.
Aber es wäre immerhin denkbar, daß sich bei dauerndem Ge-
nüsse von kui)ferhaltigen Konserven mit einem sehr geringen Ge-
halte an Kupfer eine chronische Kupfervergiftung herausbilden
könnte.
Dem widersprechen die oben (S. 374) citierten Versuche von
Galipi)e und ähnliche Experimente, die Lehmann an sich und an
seinen Schülern anstellte.
Aus allen diesen Gründen kann man verstehen, weshalb die freie
Vereinigung bayrischer Chemiker auf ihrer zu Regensburg im Jahre
\x\^'J abgehaltenen Versammlung die Resolution mit Einstimmigkeit
annehmen konnte, daß 20 mg Kui)fer in 1 kg Konserven
als der Gesundheit nicht schädlich zu erachten seien.
Tschirch will sogar 50 mg pro Kilo Konserve gestatten, weil
bei dieser Kupfermenge nicht einmal leichte Diarrhöen zu erwarten
seien, selbst wenn täglich 1 kg der gekujjferten Konserven ver-
zehrt werden sollte*. Dagegen möchte van Ilamel-Roos^ die
Kujiferung der Konserven überhaui»t verbieten, und die Versamm-
lung von Chemikern und Mikroskojji ke r n zu Wien sprach
sich IHOl in gleichem Sinne aus'.
Dieser puristische Standpunkt dürfte sich nur schwer aufrecht
erhalten lassen. Zunächst hat Mayrhofer* auch in nicht absicht-
lich gekupferten Konserven die nachfolgend aufgeführten Kupfer-
mengen gefunden.
Es enthielten :
37
376
mg pro Kilo Konserve
TH. WEYL,
Ananas-Erdbeeren
8 mg pr
Johannisbeeren
8 „ ,
Stachelbeeren
4 M 1
Haselnüsse
3'1 .. .
Weichselkirschen
2,2 „ ,
Aprikosen
1.0 „ ,
Ferner sind zur Zeit außer der Kupferung keine brauchbaren
^lethoden bekannt, um den grünen Gemüsen ihre schöne grüne
Farbe wiederzugeben, welche sie beim „Konservieren" verloren haben.
Und ist es nicht klar, daß die nicht gekupferten, also unansehn-
lichen Gemüsekonserven in der Konkurrenz den ansehnlichen und
gekupferten Waren gegenüber unterliegen müssen V
Außerdem setzt der von van Hamel-Roos und von den Wiener
Chemikern vertretene Standpunkt eine derartige Ausbildung der
Nahrungsmitteli)olizei voraus, wie sie bisher wohl kein Land besitzt
und in den nächsten 10 Jahren auch kaum besitzen dürfte.
Gesetzgebung die Reverdissage betreffend'^.
Die Gesetzgebung der Kultur Staaten beurteilt die
Anwendung des Kupfers zum Färben der Nahrungs-
mittel in verschiedener Weise.
In Deutschland ist die Anwendung des Kupfers auf Grund
des § 1 des R.G. vom 5. Juli 1887 (Farbengesetz) verboten (S. 384 ti".).
Ebenso in Oester reich auf Grund der Verordnung des öster-
reichischen Staatsministeriums vom I.Mai 1886 und des österreichischen
^Ministeriums des Innern vom 5. Juni 1888. Auch die Einfuhr ge-
kupferter Konserven ist auf Grund einer Verordnung des österreichi-
schen Finanzministeriums nicht gestattet^.
In der Schweiz ist die Materie nicht einheitlich geregelt. In den
Kantonen Genf, Zürich und Bern ist die Kupferung untersagt, im Kanton
St. Gallen dürfen 100 g Konserven höchstens 10 mg Kupfer enthalten.
In Italien gestattet § 130 des Nahrungsmittelgesetzes 0,1 mg
Kupfer im Kilo Konserven^.
In Frankreich ist die Reverdissage gestattet und eine Grenze für
den Kupfergehalt der Konserven nicht festgesetzt 3.
In Belgien wurden durch Ministerialerlaß vom 17. Juni 1891 die
Kupferfarben als giftig bezeichnet ^.
In Spanien sind Kupfersalze durch Königl. Verordnung vom
9. Dezember 1891 zum Färben von Nahrungsmitteln verboten ^".
In England ist auf Grund der Act to repeal the adulteration of
Food vom 11. August 1875 den Sachverständigen zur Entscheidung über-
lassen, welche Nahrungsmittel in gesundheitsgefährlicher Weise absicht-
lich verändert sind 3.
Andere Anwendungen der Kupfersalze ^.
Auch gegen die Invasion pflanzlicher Parasiten wendet man das
Kupfer und zwar teils allein, teils in Verbindung mit Kalk (Bordelaiser
Suppe oder Brühe) an. So schützt man die Rebstöcke vor der
Peronospora viticola (Mildew) durch Besprengen mit einer Kupfer-
Kalklösung. In ähnlicher Weise hat man auch die Kartoffeln gegen
die Phytophthora infestans geschützt.
Die Gebrauchsgegenstände. 377
Ebenfalls j?ehört das Einlegen der Wcizenkönicr in Kiipfcrsiilfat-
lösung vor der Aussjuit (in der Absicht, die den 8anien ;iiiß(;rlicli an-
hängenden Sporen zu töten), liierlicr.
In Belgien und Nordfrankreicli ist ein Zusatz von Kupfervitriol
zun» Mehl in (Jebrauch. Derselbe soll das Mehl backfähiger machen.
1) C. 0 Lehmann. Lthrbuch der physiolof;. Chemie, (1850) 1 //</. 4.')9 ; Oorap-Besane,
Lehrbuch der phyiiolog Chemie, 4. Aufi , 3 Hd llü (1878); Hoppe-Seyler, l'hytwlog.
Chemie (1S79), 67, 287, 314, 453, 71)5.
2) Mayrhofer, Bericht über die Verhandlung bayr. Chemiker- V er samiidung in Augsburg 1891
(18avJ) 77.
3) Tschirch, Das Kupfer (1893); ein unentbehrliches Werk für denjenigen, welcher aich mit
der Frage der Iteverdisaage beschäftigt.
4) K. B. Lehmann, Kericht über die Verliandlungen bayr. Chemiker- Versammlung in Regent-
burg 1892, 16 (1893).
5) K. B. Lehmann, Münchener med Woch. (1891) No. 35 und 36.
6) van Hamel-Roos, lUv. intern, fal». 6. Bd. 100.
7) Vierteljschr. f. Nahrungsmittelchen (1891) 557.
8) Veröf. Kais. Ges.- Amt (1890) 373.
9) Veröß. Kais. Ges.- Amt (1892) 133 und 335.
10) Veröff Kais. Ges.-Amt, (1892) 875.
11) Der Metallarbeiter (1889) 15. Bd. 386 f.
11. v|^ Kadmiuiiifarbeii. Sie sind giftig.
Kadmiumgelb (Jaune brillant), ist Schwefelkadmium Cd S.
Beliebte Malerfarbe.
\'l. vj|- Antimoiit'arbeii. Sie sind giftig.
Goldschwefel Sb^jS^ (wohl auch SbgSj) dient zum Vulkani-
sieren und Färben von Kautschuk.
13. Ziiiiifarben.
Mu si vgo 1 d , Schwefelzinn SnSo. Wird zu unechten Vergoldungen,
zum Bronzieren von Puppen, Schmuckgegenständen, für Zeugdruck be-
nützt. Giftig.
14. *|^ Arsenfarben. Alle Arsen färben sind giftig.
Schweinfurter Grün, ein Doppelsalz von essigsaurem und
arsenigsaurem Kupfer (CH.j C00)2Cu + AsaO^Cua. Früher zum Färben
von Papier (Tapeten), Teppichen, seltener von Kleiderstoffen u. s. w. be-
nutzt. Sehr giftig.
Scheele's Grün, arsenigsaures Kupfer, Cu (AsO 3)3. Kaum m6hr
benutzt. Sehr giftig.
3. Organische Farbstoffe.
Alle organischen Farbstotte enthalten Kohlenstoff.
Sie zerfallen in natürlich vorkonimende und in künst-
lich erzeugte. Zu den letzteren gehören die meisten derselben,
zu den er.stercn z. B. Karmin, Indigo und Alizarin. Von den natür-
lich vorkommenden Farbstoffen sind in den letzten Jahren mehrere
wie Indigo und Alizarin künstlich hergestellt worden. Das Material,
:ius dem bei weitem die meisten organischen P^irbstoffe hergestellt
werden, ist der St ei nko h 1 en t eer. Sie werden deshalb auch Teer-
larben genannt.
39
.■>78 TU. WEYL,
Nicht jeder Farbstoff färbt jedes Gewebe oder jede
Substanz. Es muß vielmehr eine bestimmte Verwandtschaft des Farb-
stofts zur Faser vorhanden sein , damit Färbung eintritt. So ist z. B.
Indigkarmin für Wolle und Seide ein vortrefflicher Farbstoff, während
Baumwolle durch Indigkarmin nicht gefärbt wird.
Es gelingt aber auch die Baumwolle mit Indigkarmin zu färben,
wenn man diese vorher mit gewissen Stoffen , die man Beizen nennt,
behandelt. Farbstoffe, welche ohne Beize auf die Gewebe aufziehen (die
Gewebe färben), heißen Substantive Farbstoffe, adjektive solche,
die nur gebeizte Gewebe färben.
Als Beizen Averden eine große Reihe von Stoffen benutzt , von
denen die folgenden erwähnt werden mögen :
Schwefelsaure Thouerde (Aluminiumsulfat), Eisenoxydulsulfat, Zinn-
chloriir, chromsaure Salze, z. B. Kaliumbichromat, Kupfersalze, Bleiacetat,
Gerbsäure, Olivenöl und Ricinusöl, Türkischrotöl , Eiweiß. Die Beizen
pflegt man auf den zu färbenden Geweben in unlöslicher Form nieder-
zuschlagen. In diesem Zustande fixieren sie den Farb.stoff am sichersten
auf der Faser, indem sich eine unlösliche Verbindung, ein Farblack,
auf der Faser bildet. Stoffe , welche derartige Niederschläge bilden,
nennt man Fixier mittel. Zu denselben gehören: arseusaures Natron,
kieselsaures Natron, Brechweinstein (Antimonkaliumtartrat) u. s. w.
Viele dieser Beizen und Fixiermittel sind zwar giftig, wie Natrium-
arsenat und Brechweinstein. Es darf aber nicht vergessen werden , daß
diese Stoffe bei sorgsamer Arbeit nur zu einem sehr kleinen Teil im ge-
fa.rbten Gewebe zurückbleiben , zum größten Teil aber aus demselben
durch das Auswaschen beseitigt werden.
Die Gewebe werden ferner, nach häufig sehr komplizierten Ver-
fahren, mit Farben oder Farbmustern bedruckt.
1) P. Julias, I>ie künstlichen organischen Farbstoffe, Berlin 1887.
2i Nietzki. Chemie der organischen Farb&toße (1889).
3) Lehne, TabcUar. Uebersicht über die künsü. organ. Farbstoffe, Berlin 1893.
4) G. Schaltz, Die Chemie des Steinkohlenteers, 2 Bände, 2. Aufl.
h) G. Schaltz und P. Julias, Tabellarische Uebersicht der organischen Farbstoffe, 2. Aufl.
6) E. Poppe, Unsere Farben und Farbioaren, Leipzig (ohne Jahr).
7) Kertesz, Die Anilin/arbstoffe : Eigenschaften, Anwendung und Reaktion, Braunschn^eig
188ö.
8) Mühlhäuser, Technik der Rosanilivfarhstoffe (1889).
9) Heumann , Die Anilinfarben und ihre Fabrikation, 1. Bd.: Triphenylmethanf arbstoße
(1888K
10; Friedländer, Fortschritte der Teerfarbenfabrikation, 2 Bde.
11) Caro, Entirickfhing der Teerfarbeninduatrie, Ber. d. Deutsch, ehem. Ges. (1892).
12 1 Hummel-Knecht, Färberei und Bleicherei der Gespinnstfasem, Berlin 1888.
13) Th. Weyl. iJie Teerfarben, mit besonderer Rücksicht auf Schädlichkeit und Gesetzgebung.
Lieferung 1 und 2 (1889).
Uebersicht über die organischen Farbstoffe mit besonderer Rücksicht
auf deren Giftigkeit^ ^ ^^.
Einige organische Farbstoffe , aber nur sehr wenige , besitzen
giftige Eigenschaften. Eine Regel, aus welcher man die Giftig-
keit oder Ungiftigkeit organischer Farbstoffe ohne Anstellung von
Versuchen ableiten könnte, ist selbst für diejenigen Farbstoffe un-
bekannt, deren Konstitution festgestellt wurde.
Versuche über Giftigkeit organischer Farbstoffe liegen nur in sehr
geringer Zahl vor.
40
Die Gebranchsgegenständo. 379
Die or^'unisclu'n Failistotle zerfallen in eine Anzahl von Klassen,
welche durch die in denselben enthaltenen chroniophoren Gruppen •'
charakterisiert sind.
1. Nitroso-Farbstorte. ('hromophore Gruppe NO— .
\'ertreter: Naph t h ol^rü n H.
SO, Na SUjNaX
C,„H,— 0 0— CoHj, oder C..oH,„N,0,„FeNa,S,.
^NO Fe NO ^
Vom Mapen aus un^iftig (Th. WeyP).
2) Nitrofarbstoft'e. Die chroniophorc Gruppe NOg — tritt in
Phenole ein. Die Salze dieser Nitrophenole sind Farbstoffe.
\ertreter: 1) »|^ Pikrinsäure C« H, (NO^j^ (OII), ^^fti^r.
Dient in Paris zum (ielbfärben lebender Blumen "*.
2) ^ft- Dinitrokresol C«H (NO,), (CH;;) (OH) (resp. das Ka-
lium- oder Ammoniumsalz), Safransurrogat, Viktoriagelb. Giftig*.
Die tödliche Dosis bei subkutaner Darreichung beträgt für <las
Kaninchen 0,11 g per Kilo, für den Hund nur 14 — 16 mg. Auch
vom Magen aus tötet das Safransurrogat, nur ist die Dosis lethalis in
diesem Falle eine höhere. Für den Menschen scheint die tödliche Dosis
bei stomachaler Darreichung nach T h. Weyl 0,0ß g pro Kilo zu be-
tragen -.
Das Safran Surrogat wird in großem Umfange zum Gelbfärben von
Backwaaren, von Likören, von Butter benutzt •''.
Der Regierungspräsident zu Oppeln verbietet unter dem 11). April
1889 die Verwendung des Safransurrogates (Dinitrokresol - Salz)' zum
Färben von Nahrungsmitteln^^. Viertelj. f. Nahrungsm. 4. Bd. 392 (s.
Ver. Kais. Ges.-Amt, 1889, 441).
3) ^ Martiusgelb Cio H.^ Ng O^Na -f H, 0 , Dinitro-a-
Naphthol oder
CH C(OH)
CH|^ \c/ ,C(NOj)
CH / C \ CH
CH C(NO,,)
Auch das Amnion- und Kalksalz kommen in den Handel.
Das Martiusgelb ist für Kaninchen, wie es scheint, kaum giftig.
Hunde dagegen gehen nach stomachaler und nach subkutaner und
intravenöser Darreichung; zu (irunde. (ienaueres siehe bei Caze-
neuve*, namentlich aber bei Th. Weyl-.
Es dient in Frankreich und in Italien zum Färben von Maccaroni -.
4) Napht holgelb C,o H^ N... 0« SNa., , das Natronsalz der
Dinitro-«-Naphth(>lsulfosäure, also eine Sulfosäure des Martiusgelbs, ist
bei subkutaner und intravenöser Dosis auch in größerer Dosis un-
giftig und sollte daher überall an Stelle des Martiusgelbcs zum
Färben von Nahrun^'smitteln Anwendung finden-'. Seine Xiiance ist
die des Martiusgelbcs.
5) Aurantia C, ., H», Ng 0,.^, das Ammoniunisalz eines Hexa-
nitrodiphenvlamins
C«H,(N0,),\
„ TT V/^ \ /N (MI4 )
C,H,(NOj),/
4»
380 TH. WEYL,
Wird zum Färben von Wolle, Seide, namentlich von Leder, aber
im ganzen recht wenig benutzt. Ist unter gewissen, aber nicht näher
bekannten Verhältnissen giftig 2.
Die Litterat ur über die Gelbfärbung von Nahrungs-
mitteln ist unter Xo. 7 zusammengestellt.
3. Azotarbstoffe. Sehr artenreiche FarbstoflFldasse, deren Ver-
treter besonders massenhafte Anwendung' finden.
Chroniophore Gruppe: — N=-X — (Azogruppe).
Dieselbe kann einfach oder auch mehrfach vorhanden sein. In
letzterem Falle spricht man von Disazo färben. Von besonderer
Wichtigkeit sind die sogenannten Kongofarbstoffe, welche Baum-
wolle (ihne Beize färben. Dieselben leiten sich vom Benzidin ab.
Nach Th. Weyl- scheinen bei weitem die meisten Azofarben
ungiftig zu sein. Bis zu einem gewissen Grade giftig erwiesen sich
vom Magen aus M e t a n i 1 g e 1 b
/(3) N=N-C,H,-NH-CeH,
^•^ *\(1) S03Na
TT ^ TT /(4)S03Na, ß
N a p h 1 0 1 s c h w a r z P
P „ /(SOaNa)^ /(SO^Na),
^»<'^-'^\N=N-C,oH,-N=N-C,oH,\(OH)/9
wirkt vom Unterhautzellgewebe aus giftig (Th. Weyl 2).
Nach B a r i 1 1 e * werden in Paris Apfelsinen durch Färben mit
Biebricher Scharlach
C H / (4)803 Na /S03Na
« * \(1) N=N— C, H3\N=N— C, 0 Hg OH {ß)
in „Blutapfelsinen" verwandelt.
Chemische gelbe Nitro- und Azofarbstoffe werden nach Casali"
zum Hellfärben von Nahrungsmitteln benutzt.
Der Safran Algeri extra ist nach Posseto ^^ ein Gemisch von
Martiusgelb + Tropaeolin 000 No. 2 + Crocein (s. auch S. 379 [Nitro-
farbstoffe] und die S. 384 unter 7 angeführte Litteratur.
4. Triphenylmethan - oder RosaniliiifarbstoflPe. Sie werden
auch Anilinfarben genannt, weil sie durch Oxydation des Anilins
und seiner Homologen entstehen,
Chromophore Gruppe:
^X II
In diese Gruppe gehören einige der wichtigsten und am längsten
bekannten „Anilinfarben", wie das Fuchsin
/CH3(3)
(1)C6H3^
/ ^NH2(4)
C — (l)CgH4NH2(4;-l-4Hj,0 (salzsaures Tripara-amido-meta-tolyl-diphenyl-
\ri)C,H,NH,Cl(4) carbinol-anhydrid)
I
42
Die Gebrauchsgegenstände. 381
und das Malachitgrün
3(C((1)C,H,-(4)N(CH3), )^oZnCl,+2H,0, das
Zinkchloriddoppelsalz des Tetramethyl-dipara-amido-triphenyl-carbinols.
Die Farl)stoff(' diesor (Jrui)i)o \v(>rdon durch Oxydation des Anilins,
hczichcntlich seiner Homologen dargestellt. Da man früher als Oxy-
dationsmittel die Arsensäure benutzte, konnten die gewonnenen Farb-
stoffe Arsen enthalten, wenn die Reinigung der Produkte unvollständig
geblieben war. Dies galt namentlich für einige als C e r i s e , M a r r o n ,
(t r e n a d i n e bezeichnete Farbstoffe.
Alle Fu clisin vergiftu nge n scheinen Arsen Vergif-
tungen gewesen zu sein. Sic waren früher nicht selten, werden
aber in den letzten Jahren kaum mehr beobachtet, seitdem man als
Oxydationsmittel nicht mehr die Arsensäure, sondern das Nitrobenzol
in schwefelsaurer Lösung anwendet (Coupier's Verfahren).
Das reine Fuchsin ist auch in Dosen von 0,5 g täg-
lich für den Menschen nicht giftig.
Hierfür sprechen die folgenden Beobachtungen :
a) ältere Versuche von C 1 o u e t , B e r g e r o n , G r a n d h o m m e ' ^ ,
die Th. Wcyl- zusammengestellt hat,
b) folgender „Fall", welchen Cazeneuve^' in jüngster Zeit
beschreibt.
Ein Mann von Gl Jahren war seit 29 Jahren l)einahe ununterbrochen
in der bekannten Fabrik von Durand et Huguenin mit dem Sieben von
Fuchsin, das nach dem Arsensäureverfahren hergestellt wurde, beschäftigt.
Bei dieser Arbeit entwickelten sich bedeutende Staubmengen, denen der
Arbeiter ungeschützt gegenüberstand. Trotzdem erkrankte er niemals.
Er nahm einer mäßigen Schätzung nach täglich 1 — 2 dg Fuchsin mit dem
Staube auf. Das Fuchsin ist also durchaus unschädlich und gegen seine
Anwendung zum Färben von Bäckereien — nach Cazeneuve — nichts
einzuwenden.
Der Pariser Polizeipräsident hat diese Anwendung nach Cazeneuve
seit 1890 wirklich gestattet.
Un giftig sind ferner nach Grandhomme*^ Anilinblau,
A n ilin vi ol et t (Dahlia) und Malachitgrün. Das Pyoktannin
(ein Gemisch ])lauor und violetter Farbstoffe dieser Gruppe) und das
' Fuchsin S (eine Trisulfosäure des Fuchsins) scheinen gleichfalls ungiftig
zu sein.
Lichtgrün SF (== Säuregrün) wird nach Planchen* in Paris
zum Färben natürlicher Blumen benutzt.
Auch glasierte Thon waren worden mit Anilinfarben gefärbt,
und zwar derart, daß die Farbe durch eine glasurfreio Stelle unter die
Glasur tritt »•*.
ö. RosolsHiirofarbstoffe oder Aiirine.
Chromopliorc Gruppe:
43
3S2
TH. WEYL,
Wonifz hcnutzto Farbstoffe.
Dio rt'iiuMi Farbstoffe dieser (Iruppe, z.B. Rosolsäure, Ko-
ralliii, Päonin. sind iiiclit uit'tij
Das ReichsKesetz vom 5. Juli
ISST (Farbenuesetz) zählt das Koralliii unter
r.. IMithaleYiie.
die
i^iftigen Farben.
Chroniophore Gruppe :
'\
R— CO
Zu diesen Farbstoffen jieliört das Eosin, das Alkalisalz eines
Tetrabromtluoresceins,
CgHBr.,— OK
/ >0
C— CgHBrg— OK
\
CgH^— CO— 0
und das E ryt li r os in.
Eos in, Erj'throsin sind nach G ran dhomme *-, der die ge-
nannten Farbstoffe Kaninchen in großen Dosen per os einverleibte,
nicht giftig. Das Eosin scheint aber unter Umständen die mensch-
liche Haut reizen zu können (S. 395).
Nach P 1 a n c h 0 n ^ ^vird Eosin zum Färben frischer Blumen in
Paris benutzt.
7. Anthrachinonfarben.
Chromophore Gruppe :
CO
\
CO
Sehr wichtige Farbstoffklasse, zu welcher das Alizarin gehört.
Das Alizarin ist kein Farbstoff, erzeugt aber auf der mit Metalloxyden
gebeizten (S. 37S) Baumwolle Farbstoffe. Nach P. P]hrlich '* sterben
Kaninchen, denen man 1 ccm einer gesättigten Lösung von Alizarin-
blau S des Handels (= Alizarinblau -f Natriumbisulfit) subkutan in-
jiziert, binnen ^j^ Stunde.
8. Die Indamine (chromophore Gruppe N<^ _ \
\r.
und die
'. Indophenole (chromophore Gruppe N<^ | werden wenig
i I
benutzt.
10. Methylenblau-liruppe (Thionin- Gruppe, Lauth'sche
Farbstoffe).
44
Die Gebrauchsgegenstände. 383
Chromophorc (Jruijpi-
I
Hierher gehört das wichtige M e t h y 1 c ii 1) 1 u u , welches gebeizte
Baumwolle hliiii f:iri»t.
^N(CH3),
NC ^
\N(CH3)2
l\
Gl
Methylenblau-Chlorhydrat.
Nach Cazeneuve' ruft das Methylenblau bei Hunden erst in
großen Dosen Störungen der Gesundheit hervor.
Dagegen bewirken nach Galliard^'* schon kleine Dosen von 0,10
— 0,20 g beim Menschen Unbehagen.
Diese Angaben von Galliard erwecken wenig Zutrauen, weil das
Methylenblau bekanntlich in Dosen von mehr als 0,5 g sehr häutig
Kranken ohne sichtbare Störungen gereicht wird. Vielleicht war das
Präparat von Galliard unrein. Jedenfalls ist bei allen Versuchen über
Giftigkeit des Methylenblaus zu bedenken, daß dasselbe häufig als Ch 1 or-
zin kdoppelsalz in den Handel kommt.
11. Aziiie.
Chromophore Gruppe
Hierher gehört das *^ Safran in
•' >C,H / )C,H.,(CH3)
C1'^'^C„H,(NH2)
Dasselbe ist nach Th. WeyP* vom subkutanen Gewebe aus
auch in kleiner Dosis (0,05 g pro kg Hund) ein starkes Gilt, während
vom Magen aus große Dosen erst nach längerer Zeit Diarrhöen her-
vorrufen (Cazeneuve und LepineM.
Das Safranin dient zum Rotfärben von gebeizter Baumwolle und
auch von Likören.
12. Indigo. Indigblau C,6H,,NjO,.
Constitution: ,. „/(D^Ox /C0(1)\
\(2)NH/ NNH(2)/
45
3.^4 TH. VVEYL,
Mi'ist aus der Indiuoiirian/A' gewonnen, oh^'oioh auch küustlicli
herstellltar.
AuLhm- dem TndiL:;hlau wird auch eine Tndi^dthui-Disulfosäure
C,,..II^(IIS(),)oNo()j . und zwar ihr Xatriunisalz unter dem Namen
..Säclisi seh l)la u" zum Färlx'ii von Sei(h' und von gebeizter Wolle
angewandt.
Das Indigldau ist ungiftig, \ergl. aber S. 397 über die Wirkung
wollener, freie Schwefelsäure enthaltender Strümpfe auf die Haut.
l.">. Oriranist'he Farbstoffe uubekaimter Konstitution.
llierlier gehören z. B. der W ei n far b s t o f f, der Heide Ibec r-
farb Stoff, der Orleanfarbstoff (kommt nach Polenske als
deutsche B ut t erfarbe ^ ' in den Handel), die Cochenille und
das Gummigutt, der eingetrocknete Milchsaft mehrerer in Slam
wachsenden Garciniaarten, welcher eine giftige, gell)e Malerfarbe liefert.
Die natürlich vorkommenden Farbstoffe, welche
größten teils un giftig zu sein scheinen, sollten in viel
gröliereni Umfange als bisher zum Färben der Nah-
rungsmittel benutzt werden.
1 ) P. Cazeneave, La colorations des vins, Paris 1886.
2) Th. Weyl, Die Teer färben mit besond Rücksicht auf Schädlichkeit und Gesetzgebung;
vergl. K. B. Lehmann, Die Methoden der praht. Hygiene 54.S.
3> 0. N. Witt. Her. Deutsch, ehem. Ges. (1876) 9. Bd. 522 und Chem. Ztg. (1880) 4. Bd.
422
4) Planchon, Hyg. Rdsch (1892) 859.
5) Val. Gerlach, Zeitschr. f. angero. Chem. (1888) 290 u. 348, bestätigte die Versuche von
Th. Weyl.
6) Arch. yenir. de mid. (1886) Vol. I 753.
7) üeber Gelbfärbung von Nahrungsmitteln vergleiche Coreil, Viertelj. f. Nah-
rungtm. (1889) 16G; Posseto, Z. f. Nahrungamittdchem 6. Bd. 51 und Chem. Ztg.
(1891) No. 9, S. 96; Th. Weyl, Die Teerfarben 48 ff.; Casali, Viertelj. f. 'i^ahrunysm.
(1890) 516; E. Leeds, 'J'he Ajialyst 12. Bd. 150 (siehe Ber. chem. Ges. (1887) 20 Bd.
Ibb {Ref.), Arch. f. Pharmacie 220. Bd. 467).
8) Barille, Uyg. Rdsch. (1892) 1092.
9) Casali, Viertel), f. Nahrungsm. (1890) 516.
10) Posseto, Chem. Ztg. (1891) No. 9 S. 96.
11) Cazeneuve, Ann. d'hygiene (1892) 28 Bd. 126.
\'i.) Grandhomme, Die Fabriken der Aktien-Gesellschaft Farbwerke vorm. Meister, Lucius u.
Brüniny 3. Aufl. (1893).
13) D R.t. 62 443.
14) P. Ehrlich, Sauer stofbedürfnis des Organismus (1885) 107.
15) GaUiard, Uyg. Rdsch. (1892j 104.
16) Th. Weyl, Zeüschr. f. Hyg. (1889) 7. Bd 35.
17) Polenske, Arb. Kais. Ges.-Amt. (1890) 6. Bd. 123.
18) Siehe auch die älteren Versuche von Eolenborg und Kohl, Viertelj. f. ger. Med. (1870)
12. Bd. 300.
Das R. ( / . V o ni ;"). Juli 1 8M7 über die \' e r w e n d u n g gesund-
heitsschädlicher F a r 1j e n.
>5 1. Gesundheitsschädliche Farben dürfen zur Herstellung von
Nahrungs- und Genu/smitteln, welche zum Verkauf bestimmt sind,
nicht verwendet werden.
Gesundheitsschädliche Farben im Sinne dieser Bestimmung sind
diejenigen Farbstoffe und Färb Zubereitungen, welche: Antimon, Arsen.,
Baryum, Chrom, Kupfer, Quecksilber, Uran, Zink, Zinn., Gummigutti,
Korallin, Pikrinsäure enthalten.
46
Die Gebranrhsgegpnstiinrle. 385
Vorsililü^e zur Ucgclmii; der larbstotlTrage.
Zu den anorganischen und orgunisolu'n Farlien, welclie aut (irund
des 2. Absatzes im vorstehenden Paragraidien als gesundheitsgetiUir-
lich gelten, sollten auf (irund der Thatsachen, die auf S. 'M>6 ;J«4 mit-
geteilt wurden, noch folgende organische Farben treten:
Dinitrokressol (Safransurrogat), Martiusgelb, Auran-
tia, Saffranin, vielleicht auch Methylenblau.
Dagegen könnte das nicht giftige Korall in und seine Homo-
logen aus der Liste der giftigen Farben gestrichen werden.
Auch das Kupfer ist nicht giftig (S. :J7:>), wenn nicht
die Säuren, mit denen es sich zu Salzen verband, giftig sind, (iiftige
Kupfersalze wären also z. B. die Arsenverbindungen des Kupfers, das
Cyankupfer u. dergl.
Da die Zahl der vorhandenen organischen Farbstoffe bereits eine
unübersehl)ar große ist, da sich diese Zahl beinahe täglich vermehrt,
und es ausgeschlossen erscheint, daß jeder einzelne dieser Farbstotfe
„auf (liftigkeif* geprüft wird, bleiben nur zwei Wege übrig, um die
Frage der Anwendung von Fariten in der Industrie der
Nahrungsmittel, Genußmittel und Gebrauchsgegenstände einer
grundsätzlichen Lösung zuzuführen.
Der eine, zugleich der einfachste, wäre dieser : Die Anwendung
alk-r Farltstoffe zum Färben von Nahrungsmitteln u. s. w. wird unter-
lagt. Diesen rigorosen Standi»unkt dürfte die Gesetzgebung wohl
niemals einzunehmen gesonnen sein. Denn er wäre gleichbedeutend
mit der Aufgabe vieler liebgewordener und notwendiger Unterschei-
dungsmerkmale.
Viel gangbarer scheint der zweite Weg, welchen Th. WeyP
^chon vor längerer Zeit vorgeschlagen hat.
Er besteht darin, daß zur Färbung von Nahrungsmitteln u. s. w.
nur eine bestimmte Zahl als ungiftig erkannter Farbstoffe angewandt
werden darf. Welches diese Farbstoffe sind, bestimmt die zuständige
Behörde. Dieselbe setzt auch fest, welche größte Menge von einem
Farbstoffe für einen bestimmten Zweck benutzt werden darf. Neue
Farbstoffe dürfen nur für den genannten Zweck benutzt werden, wenn
dieselben nach amtlicher Prüfung als ungiftig erkannt sind. Alle „zu-
gelassenen" Farbstoffe müssen leicht, auch in kleiner Menge, nach-
weisbar sein.
Krläuteruiigen zu § 3.
sj 2. Zur Aufbeivahrung oder Verpackung von Nahrungs- und
(retiuj's mittein, welche zum Verkauf bestimmt sind^ dürfen Gefä/se,
L'mhüllungen oder Schutzhedeckungen, zu deren Herstellung Farben der
im vj 1 Absatz 2 bezeichneten Art verwendet sind, nicht benutzt werden.
Auf die Verwendung von: schwefelsaurem Bari/um {Schwerspnth, blanc
ßue), Barytfarblacken, welche von kohlensaurem ßaryunt frei sind,
Chromoxyd, Kupfer, Zinn, Zink und deren Legierungen als Metall-
farben, Zinnober, Zinnoxyd, Schwefelzinn als Musivgold, sowie alle in
Glasmassen, Glasuren oder Emaille eingebrannte Farben und auf den
äujseren Anstrich von Gefäjsen aus wasserdichten Stoffen finden diese
Bestimmungen nicht Anwendung.
Die Umhüllungen und Scliutzl)edeckungen zur Aufbewahrung uml
Verpackung von Nahrungsmitteln u. s. w. bestehen zumeist aus ge-
47
386 TU. WEYL,
färbt ein Papier. Letzteres wird entweder „in der Masse gefärbt"
und enthält dann in allen seinen Teilen und Querschnitten den Farh-
stotl', oder dasselbe ist nur teilweise, z. B. auf einer Seite uefärbt.
Da nun nachgewiesen ist. daß die Farbe der ünihüllun^, z. B.
durch Abltröckeln, oder durch Einwirkung des vielleicht sauer oder
alkalisch reagierenden Inhaltes auf die Unihiillung in den unihüUten
Gegenstand und hierdurch in den menschlichen Stoft'wechsel gelangen
kann, mußte die Anwendung der in s^ 1 genannten Stoffe für Um-
hüllungen u. s. w. untersagt werden.
Der v5 2 gestattet nun einige Ausnahmen. Es ist dies ge-
schehen, weil einige der zur Färbung von Einwickelpapieren u. s. w.
benutzten F'arben, wie Schwerspat (BaS04), Zinnober (IlgS), Zinn-
oxyd (SnO,,) wegen ihrer Schwerlöslichkeit zu Vergiftungen wohl kaum
Veranlassung geben können. Ein weiterer Schutz gegen an sich
giftige Farben liegt darin, daß dieselben zum Färben von Papier meist
nur als Lackfarben Verwendung finden. Der Gesetzgeber nimmt
(vielleicht auf Grund ungenügender experimenteller
Erfahrungen) an. daß diese Lackfarben u. s. \\. im menschlichen
Organismus schädliche Eigenschaften nicht entfalten werden (vergl.
S. 389).
Unter den i^ 2 fallen ferner auch die Schutzanstriche von
Eimern und Fässern, soweit sie zur Aufbewahrung und Ver-
packung von Nahrungsmitteln dienen.
Die übrigen in § 2 nicht zugelassenen Farben gelten als giftig.
Dies gilt z. B. für das Blei, welches sich nach Herz^ in Perga-
menti)apier findet, das zum Einwickeln von Käse benutzt wird.
Es enthielt pro Kilo ;}2 bis 2700 mg Blei.
Aehnlich steht es mit dem Arsen.
A. Frank" fand in dem grünen Papier , das zur Etikettierung
und Einwickelung einer Schachtel diente, welche Vichypastillen in
Originalverpackung enthielt, so viel Arsen als Seh wein fürt er Grün ,
daß ein Stückchen des grünen Pai)iers von der Größe eines Quadrat-
centimeters zur Erzeugung mehrerer Arsenspiegel genügte.
Hengefeld^ beobachtete in der holländischen Stadt Hillegom
eine Anzahl von Vergiftungen, welche sich auf den Genuß von Bonbons
zurückführen ließen, die inmitScheele'schem Grün gefärbten
Papier eingewickelt waren.
Ein arsenhaltiges Löschpapier wurde in Schweden beob-
achtet *.
Nach S en dtn er 's ■'' in München angestellten Beobachtungen,
waren unter l)-!! Buntpapieren 17,7 % mit Schweinfurter Grün gefärbt.
1) Herz, UjTelmaniis Jahretbericht pro 1892, 87.
2) A. Frank. VitrUljuhr. /. Nakrungsm. (1886) 1. Bd. 155; auch Li dimtrieblätter (ISSG) 5.
3) Hengefeld, VietUlJochr f. Nahrun^em. (1888) 3. Bd. 448.
4) VierUljschr. f. Nahruiignm (1892) 7 Bd. 217.
5) Sendtner, Arch f. Uyy. (1893) 17. Bd. 429.
Urläuteruiiseii zu § 3 (Cosmetica).
§ .3. Zur Herstellung von kosmetischen Mitteln {Mitteln zur
Reinigung, Pflege oder Färbung der Haut., des Haares oder der Mund-
höhle).^ welche zum Verkauf bestimmt sind, dürfen die in § 1 Absatz 2
bezeichneten Stoffe nicht verwendet werden.
48
Die Gebrauchsgegenstände. 387
Auf schwefelsaures Barifum (Schwerspat , Uanc fixe), Schwefel-
kadmium, Chromoxyd, Zinnober, Zinkoxyd, Zinnoxyd, Schwefelzink, sowie
auf Kupfer, Zinn, Zink und deren Legierungen in Form von Puder
findet diese Bestimmung nicht Ayiwendung.
Nach den Krläiitcrungen, welche dem Gesetze beigegeben sind
(SelP), fallen unter den Jj 3 die Seifen, die Pomaden, Haaröle, Schön-
heitswässer, die verschiedenen Arten von Goldcream, die Scliminken
und Lippenpomaden, die Puder, die Zahn- und Mundmittel (Zahnpulver,
Zahnseifen. Zahnwässer).
DaLs die oben genannten Präparate sehr häufig gesundheitsschäd-
liche Stoti'e enthalten, geht aus der folgenden Zusammenstellung her-
vor, die auf \'ollständigkeit natürlich keinen Anspruch macht.
Im französischen Poudre ist bisweilen 4U bis 90 Proz. Bleiweiß
enthalten ^.
Reich an schädlichen Stoffen scheinen die Haarfärbemittel,
bisweilen auch die Kopfwässer zu sein.
Hoyt's Hiawatba Hair Restoratine ist eine ammoniakalische
Silberlösung. Bleihaltig sind die folgenden Mittel: Clark 's
Distilled Restoratine for the Hair, Circassian Hair Regenerator, R i n g ' s
Vegetable Ambrosia ^.
Eau de f^es Eau magique, Eau de Castille sind Lösungen von
Bleisalzen in Natriumhyposulfit^.
Quecksilber, Zink, Blei und Wismut enthält: Perry's
Moth and Freekle Lotion ^.
Eau de Figaro besteht aus drei Lösungen : a) Silbernitrat und
Kupfersulfat, b) Schwefelnatrium, c) Cyankalium. Letzteres beseitigt die
schwarzen Flecken, welche etwa auf der Kopfhaut bei Anwendung der
Lösung a entstanden sind-^ !
Eau de Floride enthält Schwefelblumen, Bleiacetat und
Rosenwasser.
Lait antephelique, ein Mittel gegen Sommersprossen, enthält
Sublimat (Quecksilberchlorid) und ein Bleisalz in wässeriger Lösung.
Lait Mamilla: Borax, Kupfersalz, mit Benzoetinktur und Mirbanöl.
Eau royal Windsor: Bleioxyd und Glycerin^.
Auch Sendtner* beobachtete, und zwar in München, zahlreiche
bleihaltige Haarwässer und Schminken. van Hamel-Roos^ er-
wähnt eine Anzahl von blei- und kupferhaltigen Toilettemitteln. Be-
sonders bemerkenswert ist das Hygienica benannte Haarfärbemittel. Es
enthält 10 Proz. Bleisalze in Natriumhyposulfit gelöst.
Vergiftungen durch Anwendung bleihaltiger Schminken u. s. w.
hat SelP gesammelt. Gut beobachtet scheinen auch die F'älle von
Sapolini*' zu sein. Derselbe sah in 9 Fällen Gehörstörungen durch
eine Haartinktur, welche Silbernitrat enthielt. Beim Nichtgebrauch
des Mittels verschwand das Ohrensausen , um sich beim Gebrauche
wieder einzustellen.
Ein großer Teil der Toilettenmittel, mit denen der mitteleuropäische
Markt überschwemmt wird, ist französischen, englischen und ameri-
kanischen Ursprungs. In welchem Umfange die Herstellung der Geheim-
mittel in dem letztgenannten Lande betrieben wird, zeigt die nach-
folgende Notiz '.
Handbuch der Hy^cne. Bd. III. Abtlg. 1. 25
49
388 TU. WEYL,
1880/81 gab es in der Union 563 Fabriken, welche Patentarzeneien
herstellten. Dieselben arbeiteten mit einem Betriebskapital von mehr als
45 Millionen Mark, beschäftigten 4015 Arbeiter und produzierten in dem
genannten Jahre Waren im Werte von mehr als 62 Millionen M.
Die von dem Verbote aiisgenommenen und im vorliegenden
Paragraphen einzeln aufgeführten Störte gelten wegen ihrer Schwer-
löslichkeit als ungiftig.
Hier wären neue Untersuchungen dringend geboten.
Analysen von Seifen, die solche Störte enthalten, welche durch
den vorstehenden Paragraphen als gesundheitsschädlich erklärt werden,
scheinen in der Litteratur selten zu sein. Wenn aber die im folgenden
erwähnte Notiz den thatsächlichen Verhältnissen entspricht, dürften
gesundheitsschädliche Störte in Seifen verbreiteter sein, als man bisher
annimmt.
Eine aus 100 kg Talg und 35 kg Harz mit 14- bis 15-grädiger
Natronlauge gesottene Kernseife nimmt auf: 120 kg einer Mischung aus
Wasserglas, Talk und Krj'stallsoda. Bei den sogenannten Hochver-
mehrten, d. h. besonders billigen und daher besonders schlechten Seifen
„ist nichts schlecht genug, was nicht darin Platz fände" '^.
Weitere Litteratur über Geheimmittel ist unter No. 9 angegeben.
1) SeU. Arb. Kais. Gesdh.-Amt 2. Bd. 256.
2) Viertel/sehr. J. 2\ahrungimütelchem. (1887) 2. Bd. 614.
3) Vierteijschr. /. Nahrung smtUelchevi. (1886) \. Bd. 168; nach Industrieblätter (1886)28.
4) Sendtner. Arch. f. Uyg. (1893) 17. Bd.
5) van Hamel-Eoos, Rev. intern, /als. 6. Bd. 38.
6) Sapolini, Referat in AUgem. mediz. Centralzeitung (1886) 244 und Beilage der Industrie-
Blätter von 1886 No. 4 7, 228.
7) Vierteljechr. f. Nahrungim. 2. Bd. 151.
8) Industrieblätter (1886) 117.
9) Paschkis, Kosmetik für Aerzte, 2. Aufl. (1893).
Erläuterungen zu § 4.
§ 4. Zur Herstellung von zum Verkauf hestimmfen Spielwaren
(einschlief stich der Bilderbogen, Bilderbücher und Tuschfarben für
Kinder), Blumentopf gittern und künstlichen Christbäumen dürfen die
im § 1 Abs. 2 bezeichneten Farben nicht verwendet werden.
Auf die im ^ 2 Abs. 2 bezeichneten Stoffe., sowie auf
Schwefelantimon und Schwefelkadmium als Färbemittel der
Gummimasse,
Bleioxyd in Firnis.,
Bleiweifs als Bestandteil des sogenannten Wachsgusses, jedoch
nur, sofern dasselbe nicht ein Gewichtsteil in 100 Gewichts-
teilen der Masse übersteigt,
chromsaures Blei (für sich oder in Verbindung mit schwefel-
saurem Blei) als Oel- oder Lackfarbe oder mit Lack- oder
Firnisüberzug,
die in Wasser unlöslichen Zinkverbindungen, bei Gummispiel-
waren jedoch nur., soweit sie als Färbemittel der Gummimasse.,
als Oel- oder Lackfarben oder mit Lack- oder Firnisüberzug
verwendet werden,
alle in Glasuren oder Emails eingebrannten Farben
findet diese Bestimmung nicht Anwendung.
Die Gebrauchsgegenstände. 380
Soweit zur IletsteJlung von Spielwaren die in den ^^ 7 und S he-
jseichneten Gegenstände verwendet werden, finden auf letztere lediglich
die Vorschriften der Ü?; 7 und -S Anwendung.
Dieser Paragraph {.restattet in Altsatz 2 nur die Anwendung solcher
Farben zur Herstellung von Spie 1 wäre n ( Bilderbogen, Bilderbücher,
Tuschfarben für Kinder), von denen man annimmt, dal.s sie unter den
Umständen, unter welchen sie l)ei Herstellung der genannten (legen-
stände Anwendung tinden, ihre Schädlichkeiten nicht zu entfalten
imstande sind.
Das Gesetz erwähnt zunächst Schwefelantimon und Schwefelkad-
mium, welche dem Kautschuk'*) eine gelbbraune oder gelbe Farbe er-
teilen und in die Gummimasse derartig eingebettet sind, daß dieselben
durch den Speichel der Kinder aus dem Gummi nicht herausgelöst
werden können '.
Ueber das Schwefelkadniium scheinen ^'ersuche in der ange-
deuteten Richtung zu fehlen. Nach Bulowski ist allerdings Schwefel-
antimon in Speichel unlöslich, dagegen löst sich Blei, wenn auch lang-
sam, Zinkoxyd dagegen schnell in Speichel auf^.
Daß diejenigen schwefelhaltigen Stofl'e, welche man dem (iummi
bei der Vulkanisierung zusetzt, um das Produkt schwerer flüssig und
von den Temi)eratureintlüssen unabhängiger zu machen, bei der Be-
rührung mit Speichel Schwefelwasserstoff entbinden, wird von B u 1 o w s k i
bestritten. Allerdings sind seine Versuche vielleicht nicht völlig ein-
wurfsfrei '.
Das Gesetz gestattet ferner die Anwendung solcher Farben, an
deren Giftigkeit kein Zweifel besteht, sobald dieselben als Oel- oder
Lackfarben benutzt werden. Ja selbst, wenn die Farben nur mit einem
Lack- oder Firnis ü berz ug versehen sind, dürfen dieselben zum Be-
malen u. s. w. der Spielwaren benutzt werden.
Dieses Zugeständnis wird von den technischen Erläuterungen,
welche dem Gesetze beigegeben sind, als ein Kompromiß zwischen den
Forderungen der Gesundheitspflege und den Wünschen der Fabri-
kanten motiviert ; und es würde gewiß auch schwer sein, einen anderen
Grund für dieses immerhin bedenkliche Zugeständnis anzugeben.
Für die Giftigkeit der P)leilacke sprechen die folgenden
Fälle.
Ein Stier starb nach Aufnahme größerer Mengen von Harzfarbe, die
zu •■'/^ aus Bleiweiß bestand ^.
Von 7 Kühen , die an einem noch feuchten Mennige - Anstriche ge-
leckt hatten, mit welchem die eisernen Stallgeräte überzogen waren,
starben 5 am Tage nach der Vergiftung. In diesem Falle können die
aufgenommenen Bloimengen verhältnismäßig nur geringe gewesen sein ^.
Kitt aus Mennige, der zum Befestigen der Blechverkleidungen von
Schilfen benutzt wird, verursachte bei den hiermit beschäftigten Arbeitern
Bleivergiftung, indem sie den bleihaltigen Staub einatmeten *.
Von den Arbeitern, welche die in Berlin über den Humboldt-Hafen
führende Eisenbahnbrücke mit Mennige anstrichen, sollen vnele erkrankt,
einige auch gestorben sein, weil sie den bleihaltigen Staub verschluckten.
Ich habe nicht feststellen können , ob diese Angabe der Wahrheit ent-
spricht *.
*) Ueber Knufschuk n. s. w. siehe S. 390.
25*
5«
3i>0 TU. WEYL.
Ein Arbeiter, der mit dem Abholieln eines zum Ueberziehen von
Maßstäben benutzten gelben Lackes beschäftigt war, erkrankte an Blei-
vergiftung. Der Lack, sogenannter Chromgelblack, enthielt Chromblei ^.
\'orstelieiule Anjiaben zeijuen zur Genüge, wie vorsichtig man bei
der Henutzung von Gegenständen sein muß, welche mit Bleilacken und
dergleichen gefärbt sind.
Zu den giftigen Spielwaren gehören auch die sogenannten Pharao-
schlangen. Diesell)en enthalten Quecksilberrhodanid. Es soll aber
auch derartiges Spielzeug existieren , welches aus der giftfreien (?)
Mischung von Chromsäure mit organischen Substanzen besteht'.
Der "Regierungspräsident von Schleswig warnt am IG. Aug. 1889 vor
dem Ankauf der Pharaoschlangen.
Der letzte Absatz des § 4 bestimmt, daß die in § 7 und 8 er-
wähnten Gegenstände, falls sie 7.ur Herstellung von Spielwaren be-
nutzt werden sollten, in 100 Quadratcentimeter des fertigen Gegen-
standes nicht mehr als 2 mg Arsen enthalten dürfen.
Ueber die Bestimmung der Arsens siehe S. 394.
TJeber die hygienischen Gesichtspunkte, die bei der
Untersuchung von Spielwaren, welche aus Kautschuk
hergestellt werden, maßgebend sind, berichtet unter Berück-
sichtigung der massenhaften Litteratur Bulowski'.
Aus dieser ausführlichen Arbeit seien noch die folgenden Punkte
hervorgehoben :
Zur öberflächenfärbung der Kautschukspielwaren (es kamen
meist russische Fabrikate zur Untersuchung), werden die folgenden Farben
benutzt: für weiß Zinkweiß oder Ki-eide, selten Blei weiß ; für schwarz
Ruß ; für hellbraun Terra umbra ; für grün Zinnober ; für blau Ultra-
marin oder Berliner Blau; für rot Zinnober oder englisch Rot (Eisen-
oxyd in verschiedener Reinheit) ; für gelb gelber Ocker, sehr selten
Bleichromat. — Die russischen Gummiwaren enthalten bis zu 65 Proz.
Asche. Blei fehlte stets, dagegen fand sich bis zu 58 Proz. Zinkoxyd.
Auch Arsenik wurde nicht aufgefunden. Dies ist einigermaßen auffallend,
da viele zum Rotfärben benutzte Ockerarten Arsen zu enthalten pflegen.
Dasselbe gilt auch für Terra umbra.
1) Bulowski, Areh. f. Hyy. (1892) 15. Bd. 125.
2) Hyg. Bdsch. (1893) 757.
3) Viertel; sehr. f. Nahrung smiUdcJum. (1889) 4. Bd. 229.
4) Viertel/sehr. f. Xahrvngimütelchem. (1889) 4. Bd. 369.
5) CentraM. /. Textüindustrie (1886) 17. Bd. 809.
6) Ber. deutsch. Fabrikinsp. (1889> 228.
7) VierUi/schr. /. Nahrungumitulchem. (1890j 5. Bd. 230.
8) Veröffend. Kais. Ges.-Amt rl889) 685.
Erläutenuisen zu § 5.
§ 5. Zur Herstellung von Buch- und Steindruck auf den in den
^§ 2, .3 und 4 bezeichneten Gegenständen dürfen nur solche Farben
nicht verwendet werden, welche Arsen enthalten.
Dieser Paragraph verbietet nur die Anwendung von arsenhaltigen
Farben zur Bedrückung der in J^ 2, 3 und 4 angegebenen Materialien,
52
Die Gebrauchsgegenstände. 391
ohne (lab. wie die Erläuterun^'en zuiii (ie>etzent\vurf sa^'en. aus der
Litteratur Erfahrunjien über die schädliche Wirkung von Drucksachen
vorlägen, welche mit Hilfe giftiger Farben hergestellt sind.
Seit ErlaLs des Gesetzes sind nun von verschiedenen Seiten der-
artige Erfahrungen gemacht worden. Dieseliien bctretlen zwar nicht
Drucksachen, welche für die in cj 2. '.) und 4 genannten Materialien
bestimmt waren, sie zeigen ai»er. dab (iesundheits>törungen durch Be-
nutzung von Drucksachen auftreten können, welche mit Hilfe von gif-
tigen Farben hergestellt sind.
Arsen V er g iftu n gen durch Banknoten, welche mit grünem
Aufdruck versehen sind, wurden mehrmals beobachtet. Zunächst in
Washington bei Arbeiterinnen, die in einer Bank mit dem Sortieren
von Banknoten beschäftigt waren. Dann in Lausanne bei zwei Bank-
beamten, welche eine größere Zahl der mit grünem Aufdruck
versehenen französischen ö( »-Frank-Banknoten gezählt hatten ^ .
Ferner enthalten die billigen japanischen Papierartikel, wie Fächer
und Schirme, welche überdies leicht abschmutzen, auf ihren grün ge-
färbten Partien häufig bis zu (-»,11 — o,o8 mg As^Oa pro qcm ^.
Von besonderer Wichtigkeit sind aber die Beobachtungen von
F. Schul er über die bei Herstellung von Briefmarken be-
obachteten Vergiftungen ^.
Es erkrankte nämlich im Jahre isx4 in Bern ein mit dem Stanzen
von Briefmarken beschäftigter Arbeiter. Diesem einen Falle folgten
weitere, in welchen es sich um solche Personen handelte, die mit der
Herstellung grüner Marken beschäftigt waren. Aehnliche Erkran-
kungen wurden iss7 l)eol)achtet. welche zur genaueren Untersuchung
der in Betracht kommenden Verhältnisse führten.
Es stellte sich heraus, daß die zur Herstellung der Marken be-
nutzten Farben beim Drucken abstäubten und die Druckerpresse sowie
die Arbeitstische mit farbigem Staub überdeckten, ferner daß die mit
dem Zählen der fertigen, mit ^larken l>edruckten Bogen beschäftigten
Arbeiter die Finger befeuchteten und auf diese Weise mit den Farben
in Berührung kamen.
Weiterhin ergab die chemische Untersuchung, daß die mit Oel
angeriebenen Druckfarben zwar frei von Arsen waren, aber reich-
liche Mengen von Blei enthielten. Die gleichfalls angewandten
trockenen Farben waren fast stets frei von Blei und Arsen.
Daß es sich bei den erkrankten Arbeitern um Bleivergiftung ge-
handelt hat. steht außer Zweifel.
Es folgt also aus den Beobachtungen Schuler 's, daß bei An-
wendung von Bleifarben zum Drucken von Papier Bleivergiftungen
auftreten können.
Vielleicht bieten die vorstehend mitgeteilten Erfahrungen Veran-
lassung, das Gesetz in dem Sinne abzuändern, daß die Anwendung
giftiger Farben für Drucksachen aller Art untersagt
w i rd.
1) Vierteljichr. f. IsahrMngtmitttUhem. (1889) 4. Bd. 368; auch Zeittehr. / SahrvnytmUUl-
hygitne (1889) 202.
2) I'eutich. med. ^Vochentchr. ilS'JS) 1032.
3) F. Schaler, Las ChromlUi in der Industrie, Korrt$pondenxblatt f . Schveixer AerzU [\%9'1)
68 (A'o. 3;.
53
'^\)'2 TU. WEYL.
ErlJiuteruugiMi /u § 6.
j; 1). Tusch fnrhen jeder Art dürfen als frei von gesundheitsschäd-
lichen Stoffen, beziehungsweise giftfrei nicht verkauft oder feilgehalten
werden, wenn sie den Vorschriften im ij 4 Abs. 1 und 2 nicht ent-
sprechen.
Durch diesen Para.uiaitluMi werden nicht alle [Malerfarben ohne
Ausnahme, sondern nur die meist billij^^en, von Kindern zum Tuschen
und Kolorieren benutzten Tuschfarben getroffen. Man hat gerade
die Tuschfarben giftfrei im Sinne des y:J 4 Absatz 1 und 2 hergestellt
wissen wollen, weil Kinder mit den Tuschfarben nicht vorsichtig um-
gehen, sie in den Mund nehmen und dergleichen. Andererseits sind
in mehreren Tuschfarben giftige Beimengungen, namentlich Arsen ge-
funden worden, welche zu Vergiftungen Anlali geben konnten. Letz-
teres gilt z. B. für Terra di Siena, Terre d'Oml)re. Es sind dies meist
gelbliche oder braune Farben, zu deren Herstellung das bisw^eilen
arsenhaltige Eisenoxyd (s. S. 371) benutzt wird.
Die ^sj 7. 'S. 1) beschäftigen sich fast ausschließlich
mit dem Arsen und verbieten seine Verwendung zum
Färben solcher Gegenstände, mit denen der Mensch
d a u e r n d o d e r h ä u f i g in B e r ü h r u n g t r i 1 1.
Erlliiiteriingcn zu § 7.
i; 7. Zur Herstellung von zum Verkauf bestimmten Tapeten, Möbel-
stoffen, Teppichen, Stoffen zu Vorhängen oder Bekleidungsgegenständen,
Masken, Kerzen, sowie künstlichen Blättern, Blumen und Früchten
dürfen Farben, welche Arsen enthalten, nicht verwendet werden.
Auf die Verwendung arsenhaltiger Beizen oder Fixierungsmittel
zum Zweck des Färbens oder Bedrückens von Gespinnsien oder Ge-
weben findet diese Bestimmung nicht Anwendung. Doch dürfen derartig
bearbeitete Gesimmsie oder Gewebe zur Herstellung der im Absatz 1
bezeichneten Gegenstände nicht verwendet werden, ivenn sie das Arsen
in wasserlöslicher Form oder in solcher Menge enthalten, dafs sich in
1(J() qdm des fertigen Gegenstandes mehr als 2 mg Arsen vorfinden.
Der Reichskanzler ist ermächtigt, nähere Vorschriften über das bei der
Feststellung des Arsengehaltes anzuwendende Verfahren zu erlassen.
Das Arsen kann, den Annahmen der Autoren zufolge, in drei-
facher Weise schädlich einwirken :
1) vom Magen und vom subkutanen Gewebe aus,
2) durch f^inatmung,
3) von der Haut aus.
Die [Möglichkeit der Arsenvergiftung nach 1) wird nicht bestritten,
kommt jedoch für das Verständnis des vorliegenden Paragraphen
nicht in Betracht. Eine Arsenvergiftung nach 2) ist nur insofern kon-
trovers, als es noch immer zweifelhaft erscheint, ob dieselbe eintritt,
wenn sich ein Mensch längere Zeit oder fortdauernd in einem Räume
aufliält, dessen Tapeten odei- Möbel mit arsenhaltigen Farben gefäi'bt sind.
Der Gesetzgeber hält den Beweis, daß durch arsenhaltige Gewebe
aller Art eine chronische A rsen Vergiftung entstehen kann,
für erbracht. Er verbietet deshalb alle Tapeten, Möbelstoife, Teppiche
und die zur Dekoration dienenden künstlichen Blumen, Blätter und
Früchte, welche mit arsenhaltigen Farben gefärbt sind.
54
Dio Gebrauchsgegenstände. 393
Die wicliti^isten Arsenfarbeii sind S. 377 erwähnt.
Wie die Arsenvorgiftunj^ in Räumen, deren Tajjeten oder Möhel-
stoffe arsenhaltig sind, zustande konunt, ist noch nicht mit Sicherheit
festgestellt. Am wahrscheinlichsten scheint es, daß der arsenhaltige
Staub, welcher sich l»eini Abstäuben der Wände und Möbel entwick(dt,
schädlich wirkt. An ein \'erdani])fen der zum Färben Itenut/ten Arsen-
verbindungen unter den hier in Frage kommenden Bedingungen wird
dagegen kaum zu denken sein, wenigstens widerstreitet diese Annahme
unseren Kenntnis.sen über die chemisclien Eigenschaften der Arsen-
farben - '^
Dagegen kann sich, wie Gosio' entdeckte, unter dem Kintluß
gewisser Mikroorganismen, namentlich des Pcnicillium lirevicaule, aber
auch des Mucor mucedo, des Aspergillus glaucus und virescens, aus
Arsensäure eine flüchtige Arsenverltindung bilden. Diese ist wohl
imstande, eine Arsenvergiftung zu erzeugen.
Daß aber die genannten Schimmelpilze auf feuchten Wänden
schmarotzen können, wird keinem Zweifel unterliegen dürfen. Ferner
ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dali die Tapezierer dem Klei.ster,
um ihn besser zu konservieren, sogenanntes Schwabenpulver *), welches
im wesentlichen aus Schweint'urtcr (irün besteht, zuzusetzen pflegen.
Dies ist also eine Substanz, aus welcher die olDcngenannten Mikro-
organismen Arsenwasserstoif erzeugen könnten.
Die Entdeckung von Gosio macht auch eine chronische
Arsen Vergiftung bei Bewohnern von Zimmern ver-
ständlich, deren Tapeten oder M ö 1) e 1 s t o f f e Arsen ent-
halten. Denn die Entbindung der flüchtigen Arsenverbindung wird
durch die Mikroorganismen lange Zeit hindurch und nur in kleinen
Mengen erfolgen können-.
Sendtner^ beobachtete in einem Zimmer drei übereinander be-
findliche Maueranstriche, deren jeder arsenhaltig war.
Die oben (S. 392) unter 3 erwähnte Arsen Vergiftung von
der Haut aus, z. B. durch arsenhaltige Haarwässer und Schminken,
soll durch die Bestimmungen von § 3 dieses Gesetzes verhindert werden.
Ueber arsenhaltige Zündhölzer berichtet E. Pfeiffer*.
Arsen Vergiftungen durch Ch ristbau mkerzen, welche
vielleicht mit Scheele's Grün gefärbt waren, wurden in London be-
obachtet '.
Buntpai>iere enthalten in Deutschland trotz des R.G. vom 5. Juli
1887 nicht allzu selten Arsen.
So fand Sendtner^ in München im Jahre 1801 bei 181 Unter-
suchungen 32 mal. also in 17,7 Proz., und 1802 noch in 14 Proz. der
Fälle Arsen.
Günstiger waren die Resultate in Berlin''.
Hier wurden untersucht:
Jahr
Proben
arsenhaltig
1889
3
keine
1890
la
keine
1891
13
3
G a 1 1 0 w e n g ' i»rü
ifte
in L 0 n d
0 n
ICK) 1
tenproben auf
*) Der Zusatz vod Scbwabeopulver zum Kleister ist durch Eriaft des Ueriiner Polizei*
prXsidenteo verboten.
55
304 TU. WEYL,
Arsen. Von diesen waren frei von .\rsen: 24, enthielten Arsen: 20,
aber nnr in Spuren. In den übrigen öG Nvurde 1— (KK^ mg arseniger
Säure pro «pn gefunden.
Von der chemiscli-technisclien Versuchsstation in Stockholm
wurden 1884—01 0G32 Proben von Tapeten, Geweben, Farben u. s. w.
auf Arsen geprüft. Es wurden gefunden:
58 Proz. der Proben frei von Arsen
41 ,, ,, ,, «rsenhaltig.
Ueber Arsen Vergiftungen durch Kleidungsstoffe,
welche mit Arsenfarben gefärl)t waren, e.xistiert eine umfangreiche
Kasuistik, welche Seil'' ausführlich wiedergegeben hat.
Vor Erlali des Reichsgesetzes spielten namentlich die Arsen-
vergiftungen durch grüne, mit Schweinfurter Grün gefärbte
Ballkleider eine gewisse Rolle.
Der zweite Abschnitt dieses Paragraphen gestattet die An-
wendung arsenhaltiger Beizen oder Fixierungsmittel zum Färben oder
Bedrucken beliebiger Gespinnste oder Gewebe.
Finden aber die mit arsenhaltigen Beizen hergestellten Gewebe
zu den im 1. Absätze dieses Paragraphen genannten Zwecken Ver-
wendung, so darf ihr Gehalt an Arsen eine gewisse Minimalgrenze
nicht überschreiten.
Das Verfahren, welches bei Ermittelung des Arsens in den oben
genannten Geweben einzuschlagen ist, wurde durch einen Erlaß des
Reichskanzlers vom 10. April 1888 festgelegt.
Dasselbe könnte wesentlich vereinfacht werden.
1) Oosio, Rivista cCigiene t sanüa pubblica (1893) No. 8, 9, 10, 11; siehe auch Fr. Abba,
Biv, d'igiene e sanitä pubblica (1893) A'o. 23.
2) Der Fall von chronischer Areenveryiflung durch arsenhaltigen Maueranstrich (Chem. Ztg.
(1887 1 433) kann — aus hier nicht viederzugebenden Gründen — als apokryph gelten.
3) Sendtner, Arch. f. Hyg (1893) 17. Bd. 433.
4) E Pfeiffer, Chem. Ztg. (1887) 416.
6) Vierteljahr Schrift f. Nahrungsmittelchem. (1889) 369.
6) Wemich u. Wehmer, 6. Gesamtbericht über das Sanüäts- und Medizinnhcesen in der
Stadt Berlin mährend der Jahre 1889, 1890 u. 1891 (1893) 320.
7) Galloweng, Vierteljschr. f. Nahrungsmittelchem. (1890) 4. Bd. 99.
8) Seil, Arb. Kais. Oes.-Amt. 2. Bd. 276 ff.
Aiihaiiff.
Die Vergiftungen durch gefärbte Gewebe.
Im Anschluß an diesen Paragraphen sollen die Ver-
giftungen oder Störungen der Gesundheit durch Tragen
gefärbter Gewebe näher erörtert werden.
Für die durch Arsenfarben gefärbten Kleider, z. B. für die oben
fS. 304) erwähnten grünen Ballkleider, ist diese Frage bereits bejaht
worden^.
Wie steht es nun aber mit den zahllosen Vergiftungen beim
Tragen gefärbter Strümpfe, von Halsrüschen, Halsbändern,
Unterkleidern, Taillen und Lederartikeln aller Art, z. B.
den zeitweise viel getragenen Tricottaillen V
Eine große Zahl dieser Vergiftungen (sie werden häufig von den
Zeitungen als „An ilin Vergiftungen" bezeichnet, weil man an-
nimmt, daß die Gewebe, welche zu den genannten Vergiftungen die
'^6
Die Gebrauchsgegenstände. 395
Veranlassung gofreben haben, mit Anilinfarben frefäri)t sind) gehört
vergangenen Zeiten an.
Früher .stellte man bekanntlich die sogenannten Anilinfarben
durch Oxydation des Anilins l)e/.iehentlich seiner Homologen dar und
benutzte die giftige Arsensäure als Oxydationsmittel. So gewann man
das Fuchsin, den Haujitvertreter der sogenannten Anilinfarben (S. :\x\),
durch Oxydation von je 1 Molekül Paratoluidin, 1 Molekül Ortho-
toluidin und 1 Molekül Anilin mittels Arsensäure.
Bei dieser Darstellung des Fuchsins blieb im fertigen Produkt
leicht eine mehr oder minder große Arsenmenge haften, wenn das
Fuchsin nicht durch mehrfaches Umkrystallisieren und Fällen gereinigt
worden war. Diese Reinigung war aber kostspielig und unterblieb,
um die Ware zu einem miÜMgen. dnrch die Konkurrenz aufgedrungenen
Preise verkaufen zu können. Bei Benutzung dieses Fuchsins zum
Färben von Kleiderstotfen, von Nähseide und Bändern ging das Arsen
natürlich auf die Faser zugleich mit dem Farbstoffe über.
Ein derartig arsenhaltiges Fuchsin hat nun die zahlreichen Ver-
giftungen verursacht, welche sich beim Tragen von mit Fuchsin ge-
färbten Stoffen einstellten. Natürlich gehören hierher auch die Arsen-
vergiftungen nach dem Genüsse von Wein, der mit arsenhaltigem
Fuchsin gefärbt ist.
Aus dieser Darstellung folgt, daß die Vergiftungen durch arsen-
haltiges Fuchsin auf Rechnung des Arsens, nicht des Fuchsins zu
schreiben sind. Es geht dies auch aus besonderen, mit reinem Fuchsin
angestellten Fütterungsversuchen hervor. Das Fuchsin wurde sogar
zeitweise in der menschlichen Therapie angewandt '-.
Man hat nun in dem sogenannten Coupierprozeß ein Verfahren
kennen gelernt, welches die Arsensäure durch ein anderes Oxydations-
mittel : nämlich das Nitrobenzol in schwefelsaurer Lösung ersetzt.
Das Nitrobenzol ist zwar bekanntlich gleichtalls ein Gift und gewiß
ein sehr kräftiges; es ist aber Hüchtig und läßt sich deshalb aus dem
Endprodukt der Reaktion, also aus dem F'uchsin, mit Leichtigkeit be-
seitigen. Gewebe, welche mit diesem nach C o u p i e r hergestellten
Fuchsin gefärbt worden waren, schienen bisher zu Vergiftungen keinen
Anlaß gegeben zu haben.
Nun sind aber in den Tageszeitungen und auch in der technischen
Litteratur Vergiftungen beschrieben, in welchen die angeschuldigten
Gewebe sicher nicht mit Fuchsin oder mit diesem Farbstoffe nahe-
stehenden Farben, sondern mit Stoffen gefärbt waren, welche ganz
anderen Farbstoffgruppen angehörten.
So beobachtete Th. Weyl ' ein rotseidenes Halstuch, das bei
seinem Besitzer einen stark juckenden . bläschenförmigen Ausschlag
hervorgerufen hatte. Dasselbe war mit Eosin gefäriit und erregte auch
bei Th. Weyl an der Handwurzel nach mehrstündigem Tragen eine
starke Rötung, sowie empfindliches Jucken. Andere Personen waren
gegen die Wirkungen des Halstuches immun. Eine Beize (siehe unten)
ließ sich in dem Halstuche nicht nachweisen.
Ebenfalls von Th. Weyl rührt die Beobachtung eines roten
Taillenfutters her. welches auf Hals und Schultern einen Hautaus-
schlag erzeugt hatte. Es war mit Safran in gefärlit*.
Mitteilenswert erscheint auch folgender Fall * :
Nach dem Textil Record erkrankte Prof. Bohannan von der
Ohio-Universität infolge Tragens von mit Kor all in gefärbten Unter-
57
otX) TH. WEVL.
l)eiQkleiilein. Zunächst stellte sich starkes Jucken an den unteren
Extremitäten ein, dann zeijiten sich mehrere IW Pickel, die wie
Wespenstiche aussahen und den {ganzen Ober- und Unterschenkel über-
deckten. Das Jucken dauerte :> Taue. Allmählich ging die starke
Schwellung der FülSe zurück. Die Wiederherstellung erfolgte erst nach
17 Tagen. Der sehr rol)USte Patient hatte während der Krankheit
12 Pfund an Körpergewicht verloren.
In eine zweite Kategorie gehören die folgenden Fälle:
Ein mit Vermessungsarbeiten im Schweizer Hochgebirge beschäftigter
Ingenieur verletzte sich an dem Dorncngestrüpp die Hände und legte
sich dann in Betten, die mit roten Ueberzügen versehen waren. Die
Hände entzündeten sich. Die Heilung beanspruchte Wochen ^.
Ein 14 -jähriges Mädchen, welches farbige Strümpfe trug, hatte
sich beim Schlittschuhlaufen eine kleine Entzündung am Fuß zuge-
zogen. Es starb an ..Blutvergiftung"'.
Eine Frau, welche bereits getragene rote Strümpfe wusch, er-
krankte unter Anschwellung des ganzen Armes. Sie hatte an der Hand
eine Hautal)scliülferung *.
In diesen Fällen koinzidierte das Tragen eines gefärbten Kleidungs-
stücks oder die Berührung eines gefärbten Gewebes mit dem Vor-
handensein einer Wunde. Es liegt auf der Hand, daß man für
diese Fälle nicht ohne weiteres die Berührung mit einem gefärbten
Gegenstande wird verantwortlich machen können.
Eher wird man daran denken müssen, daß durch die Hautschrunden
pathogene Keime, z. B. Eiterkokken, in den Körper einwanderten und
hier Entzündung erregten, welche unter geeigneten Bedingungen, z. B.
wenn die eingedrungenen Keime eine hohe Virulenz besaßen , zum
Tode führen konnte.
In eine dritte Kategorie gehören diejenigen Fälle, in welchen
man in dem gefärbten Gewebe eine giftige Beize nachge-
wiesen hat.
Unter den giftigen Beizen , welche auf der menschlichen Haut
Entzündungen, Erytheme, Ekzeme der verschiedensten Art zu erzeugen
vermögen, sind die Arsen- und die Antimon beizen besonders
hervorzuheben.
Nach einem anonymen Autor ^ ist die Anwendung von Arsen
zum Färben oder Drucken in den Vereinigten Staaten von Nord-
amerika durch Gesetz weder verboten noch eingeschränkt. So wird
das arseniksaure Natron als Ersatz für Kuhdünger bei Fixieren von
Beizen benutzt. Auf Calicot und auf Garnen findet man arseniksaure
Thonerde und arseniksaures Eisen. Die erwähnten Arsenverbindungen
sind zwar unlöslich und daher nicht gefährlich; doch muß daran er-
innert werden , daß die Sekrete der Haut sehr wohl imstande sein
könnten, die unlöslichen Verbindungen in lösliche überzuführen. Auch
wird diese Arbeit vielleicht durch die Mikroorganismen, welche sich
auf der Haut und in den Kleiderstoffen finden , unterstützt werden
können.
Derselbe Anonymus erkennt an, daß billige Gewebe schlecht aus-
gewaschen werden. Er erwähnt auch eine Beize für gewisse Teer-
farbstoffe, die aus Arsenik, Glycerin und Soda besteht.
Ferner fügt man in Färbereien den Albuminlösungen, welche zum
Fixieren von Farben dienen, Arsenik hinzu, um sie vor Zersetzung
zu bewahren.
Die Gebrauchsgegeu3täiule. 397
Dali A n t iiiHi II l)ei /(Ml die inciiscliliche Haut schädigeu, ist eine
auch in Fürherkreisen anerkannte Thatsache '".
R. Kayser " beobachtete einen baumwollenen Hosenstoff, welcher
auf den Schenkeln starke Ekzeme veranlagte. In 1 i|dm des Stoffes
fanden sich 0,(K') <r Antimon.
Nach C. Hischoff- dienen Antinioni)ei/.en haui)tsächlich zur
Fixation von Anilinfarben in der Hauinwollenfäri)erei. Die ^'efärbten
(Jarne enthalten die Antimon veri)indunj,' meist in wasser- unlöslicher
F<irni. In einem Paar baumwollener Strümpfe von On — 70 g Ge-
wicht sind im Maximum 0,25 fjj Antimon enthalten.
Sendtner'^ fand in München mehrfach Antimon in roten
Strümjifen. die ein Ekzem hervor^'erufen hatten. Auch enthalten die
modernen Plüsche von meer^n-üner und olivengrüner Farbe häutig
Antimon •^.
Das R.(i. vom 5. Juli 1887 verbietet weder die Anwendung des
Antimon zum Beizen von Kleidungsstoffen, noch setzt es einen maxi-
malen Gehalt an Antimon in den genannten Geweben fest.
Diesen Fehler sucht die freie Vereinigung bayerischer Chemiker
zu verbessern, indem sie vorschlägt, daß Gewebe nicht mehr als 2 mg
Antimon pro (plm enthalten dürfen'*.
Demgegenüber muB aber hervorgehoben werden, dali H. Forth ^^
Wirkwaren, welche mit Antimontartrat gebeizt waren, 22 Tage auf
der blolk-n Haut getragen hat ohne irgend welche schädliche Ein-
wirkungen zu verspüren. Die Wirkwaren enthielten 21 mg Antimon
auf 1 ([dm.
Wahrscheinlich ist die menschliche Haut in ihrer Reizbarkeit
gegen Antimon individuell ebenso verschieden wie gegen Eosin
(S. 3HÖ).
\'on weiteren Beizen sei noch das z i n n s a u r e Natron
erwähnt. Es ist nach dem oben citierten Anonymus meist arsenhaltig
und wird bei der Herstellung von Cretonnes benutzt.
Ferner scheint in einem von Th. Weyl beobachteten Falle die
Schwefelsäure, welche in der Färberei namentlich zum Schönen (Avi-
vieren) gewisser Farbstoffe, seltener aber als Beize lienutzt wird, zu
einer Hauterkrankung Anlali gei^^eben zu hai)en. Der Fall betraf eine
Frau, die nach längerem Tragen blauer, mit Indigo gefärbter wollener
Strümpfe auf den Unterschenkeln erst Rötung, dann einen blasigen
Ausschlag l)ekam.
Die chemische Untersuchung wies in dem Wasserextrakt der
Strümiife freie Schwefelsäure nach. Offenbar hatte dieselbe ähnlich
hautreizend gewirkt wie ein Umschlag von Moorerde, welche gleichfalls
freie Schwefelsäure enthält.
Ueber die durch gefäriites Leder hervorgerufenen „Ver-
giftungen" finden sich in der Litteratur nur spärliche Angaben.
Einige Fälle werden von Eitner'*"' mitgeteilt und zergliedert.
Im Sommer 1875 stellte sich bei einem Schuhmacher, der einen
neuen Hut trug, starker Kopfschmerz und Ausschlag auf der Stirn ein.
Auch die Augen entzündeten sich. Das Hutleder war mitGrenadin
gefärbt. Die genannte Farbe ist ein Nciienprodukt der Fuchsindar-
stellung und enthielt wahrscheinlich Arsen, da man in dem angebenen
Jahre als O.xydationsmittel bei Herstellung des Fuchsins wohl meist
noch die Arsensäure anwandte (S. 381).
Ein ähnlicher Fall ereignete sich in Bern. Das Hutleder soll
59
398 TH. WEYL.
mit Az oflavin gefärbt gewesen sein. Nach Eitner ist letzteres
nicht sehr wahrscheinlich, da sich der genannte Farbstotl' zum Färben
des Leders nicht eignet.
In einem tlritten Falle war das Schweißleder einer Oftiziers-
mütze stark l)leihaltig gefunden worden. Bleiweiß spielt nach Ei tu er
in der Lederfärberei eine bedeutende Rolle.
In einem weiteren Falle enthielt das aus Wachstuch be-
stehende Schweißleder 0,Or>r)(; g lileiweiß pro Quadratzoll. In der
Wachstuchfütterung eines Hutes waren 2,4:5:5 g Bleiweiß enthalten.
In dem durch von Hößlin beobachteten Falle entstand eine
Pikrinsäure-Dermatitis durch Tragen gelber, mit Pikrinsäure
gefärbter Halbschuhe*^.
Die vorstehende t^ebersicht hat gezeigt, daß bei der Entscheidung
über einen Fall von Gesundheitsschädigung durch gefärbte Stoffe oder
durch Beizen auf folgende Faktoren Rücksicht zu nehmen sein wird:
1) Auf die persönliche Disposition. Dies beweist der oben
erwähnte Fall mit dem durch Eosin gefärbten rotseidenen Tuche und
vielleicht auch die Beobachtung von Forth über „Immunität" gegen
Antinionl>eizen. 2) Auf die Natur der Farbstoffe. Unter den zum
Färben von Kleidern benutzten Farbstoffen giebt es offenbar neben
einer großen Zahl ungiftiger wenige giftige. Vielleicht gehört zu letz-
teren das Saffranin. 3) Auf die Beizen. Hier kommen namentlich
die Arsenbeizen und die Antimonbeizen in Betracht. Aber vielleicht
wirkt auch die freie, wenn auch verdünnte Schwefelsäure auf die Haut
mancher Menschen ätzend. 4) Die Einwanderung von Mikroorganismen,
welche von der Haut oder von den Kleidern herstammen und durch
Kratzwunden und dergleichen in den Körper einwandern. Bei dieser
Gelegenheit sei ferner daran erinnert, daß Kratzreflexe namentlich im
Sommer durch Insektenstiche, besonders durch Raupen ausgelöst
werden. Es bilden sich Hautausschläge, und im gegebenen Falle dürfte
es schwer sein, deren Aetiologie mit Sicherheit festzustellen.
Ob also in einem gegebenen Falle wirklich eine Vergiftung durch
gefärbte Stoffe, eine sogenannte ,, Anilinvergiftung" vorliegt, oder ob
andere Faktoren, ^. B. die oben genannten, ob einzelne von ihnen oder
alle in Betracht kommen, das wird sich nach Lage unserer jetzigen
Kenntnisse im einzelnen Falle nur selten mit Bestimmtheit entscheiden
lassen.
Das eine scheint sicher: die Gefahr der Anilinvergiftung
ist übertrieben worden.
Von den Vergiftungen, welche beim Tragen gefärbter Stoffe auf-
treten, sind die Gewerbe-Hautkrankheiten'^ zu trennen.
Dieselben treten bei den mit der Herstellung und Verpackung
von Farben u. s. w. beschäftigten Arbeitern auf und werden in Band 8
dieses Handbuches (Gewerbehygiene) besprochen werden.
1) Seil, Arb. Kais. Oe».-Amt, 2. ßd. 276.
2i Th Weyl, Lhe Teer/arben (1889) 1. L/g. 8.
3) Th. Weyl. bisher nicht veröffentlicht.
4j Th, Weyl, Zeitsrhr. J. Hyg (1889; 7. Bd. 3ö.
5) Alfred Hirschberg, Deuttche Färberzeitung (1888) 24. Bd. 201 und 212.
6) Centralbl. f. Textilinduttrie (1886) 17. Bd. 808.
7) Centralbl. f. Ttxtüinduttrie (1888) 19. Bd. 148.
8) Centralbl. f. Textilinduttrie (1886) 17. Bd. 761.
9) Deutsche Färlerzeitung (1887) 2.5. Bd. 83.
10) Spindler, Centralbl. f. TexlilinduUrie (1886) 17. Bd. 858.
llj Kayser, Rep. analyt. Chem. (1883) 121.
60
Die Gebrauchsgegenstände. 399
12) Bisohoff, Rep. analyt. Chem. (1883) 306; da$elbtt zahlreiche Analysen antimonhaUig*r
Oarjie.
13) Sandtner, Areh. f. Ilyg. (1893) 17. lid. 433.
14) $ifhe Prior in lJiimmer'$ Iltustr Lexikon der Verfälschungen S. 99, Spalte 2.
15) H. Forth. Centralbl. j. Textilindustrie (,1889) 20. Bd. 246.
16) Eitner. Der Gerber (1890) 73.
17) Induitrie-nUitter (1887) 333.
18) BUschko, Deutsch, med. H'ochenschr. (1891) und Sitzungsber. der lierl. med. OeseUtch.
20, /id. ir.4.
19) von Hösslin, Münch. med U'oeheiisehr. (1888) 637.
20) Vergl Soll, Arb. Kau. Oes-Amt, 2. ßd. 267.
Erläuteruiii?eii zu § 8.
§ 8. Die Vorschriften des ^ 7 finden auch auf die Herstellung
von zum Verkauf bestimmten Schreibmuterialicn, Lampen- und Licht-
schirmen sowie Lichtmanschetten Anwendung.
Die Herstellung der Oblaten unterliegt den Bestimmungen im ^ 1,
jedoch sofern sie nicht zum Genüsse bestimmt sind, mit der Mafsgabe,
da/s die Verwendung von schwefelsaurem Baryum {Schwerspat, blanc
fixe), Chromoxyd und Zinnober gestattet ist.
Schreibmaterialien, naineiitlich Briefbogen, Kuverts, Lösch-
blätter. Bleistifte und Tinte, kommen mit dem Munde des Schreibenden
in mehr oder minder intime Berührung. Hierbei könnten Ar.senver-
giftungen entstehen, welche durch ?; >< vermieden werden sollen.
Das Gesetz erwähnt auch Lampen- und Lichtschirme,
ferner Lichtmanschetten , weil die Befürchtung besteht, dali die ge-
nannten Objekte Arsen verdampfen lassen, wenn sie erhitzt werden.
Die für den Genuß bestimmten Oblaten dürfen die
in ^ 1 erwähnten giftigen Farben oder mit ihrer Hilfe hergestellten
Farbezubereitungen nicht enthalten.
Dagegen soll es gestattet sein, gewisse unlösliche und als unschäd-
lich geltende Farben, wie Schwerspat, Chromoxyd und Zinnober, für
solche Oblaten zu benutzen, welche zum Verschließen der Briefe, zum
Befestigen der Löschblätter u. s. w. benutzt werden.
Diese Oblaten werden bei der Art ihrer Verwendung zu Ver-
giftungen kaum Anlaß geben können, selbst wenn ,sie mit giftigen
Farben gefärbt sind.
Eiiiluterungen zu § 9.
J; 9. Arsenhaltige Wasser- oder Leimfarbeyi dürfen zur Herstellung
des Anstrichs von Fufsböden, Decken, Wändeti, Thüren, Fenstern der
Wohn- oder Geschäftsräume, von Roll-, Zug- oder Klappläden oder
Vorhängen, von Möbeln und sonstigen häuslichen Gebrauchsgegenständen
nicht verwendet werden.
Dieser Paragraph untersagt die Anwendung arsenhaltiger Farben
zum Anstrich von Decken. Fußböden u. s. w. Die Anwendung
arsenhaltiger Farben für Kunst malerci wird dagegen durch >j S* nicht
getroffen.
Wichtig ist es, darauf aufmerksam zu machen, daß es nach ij 9
gleichgiltig ist, ob diejenigen Fenster, Thüren, Wände, beziehentlich
die Häuser, in denen sich die angestrichenen Fenster. Thüren und
Wände betiuden, zum Verkaufe bestimmt sind oder nur von dem Bau-
6i
400 Tll. ^YEYL,
herrn zu ci-rncm Gebrauche benutzt werden : die Anwendung der arsen-
haltigen Farben ist i n j e d e m F alle verboten.
Ueber die zur weiteren Erläuterung dieses Paragraphen dienende
Kasuistik siehe SelP und die unter - angeführte Litteratur.
Auch Sendtner ' macht einige hierher gehörige Angaben.
1) Seil. Arb. Kais. Oes.-Amt 2. Bd. 284.
2) Vergleiche auch die mit Kritik {.') zu benutztnden Angaben in Chem. Zeug. (1887) 49G.
3) Sendtner, Arch. f. Uyg. 17. Bd. 429.
Erläuterungen zu § 10.
55 10. Auf die Verwendung von Farben, welche die im § 1 Abs. 2
bezeiclineten Stoffe nicht als konstituierende Bestandteile, sondern nur
als Verunreinigungen, und zivar höchstens in einer Menge enthalten,
welche sich bei den in der Technik gebräuchlichen Darstellungsverfahren
nicht vermeiden läfst, finden die Bestimmungen der ^'i; 2 bis 9 nicht
Änioendung.
Dieser Paragraph ist notwendig, um die im chemischen Großbe-
triebe hergestellten Produkte in den Verkehr bringen zu können, selbst
wenn dieselben kleine Mengen solcher Stoffe enthalten sollten, welche
nach § 1 Absatz 2 in ihnen niclit enthalten sein sollten. Der Gesetz-
geber nimmt mit diesem Paragraph z. B. auf die Ockerfarben Rück-
sicht, welche arsensaures Eisen zu enthalten pflegen. Dasselbe läßt
sich aus dem für Herstellung der Ockerfarben benutzten Eisen nur
beseitigen, wenn man den Preis des Endproduktes l)edeutend steigern
wollte. Aehnlich steht es mit der in technischen Betrieben in größter
Menge benutzten Schwefelsäure und Salzsäure. Dieselben lassen sich
zwar arsenfrei herstellen, aber der Preis der Säuren würde hierdurch
bedeutend erhöht werden.
Das Gesetz gestattet einen solchen Gehalt an diesen fremden Be-
standteilen (Verunreinigungen), wie er sich in den besten technischen
Produkten nach Lage der bekannten Methoden als notwendig heraus-
stellt.
Erläuterungen zu § 11.
§ 11. Auf die Färbung von Pelzwaren finden die Vorschriften
dieses Gesetzes keine Anwendung.
Zum Färben der Pelzwaren werden giftige Farben, wie Bleiweiß
und Quecksilbersalze, benutzt. Der Gesetzgeber gestattet deren An-
wendung, weil er annimmt, daß Pelzwaren mit dem Munde nicht in
Berührung kommen und daher Vergiftungen nicht veranlassen werden,
selbst wenn dieselben schädliche Stoff"e enthalfen.
Daß diese Annahme den thatsächlichen Verhältnissen wenig ent-
spricht, muß anerkannt werden. Denn man sieht gar nicht zu selten,
daß Erwachsene, namentlich aber Kinder, die Pelzmuffe, den Pelz-
kragen längere Zeit an das Gesicht, also auch an den Mund drücken.
Es scheint aber allerdings fraglich, ob die Herstellung billiger
Pelzwaren ohne die in § 11 ausgesprochene Duldung möglich ist.
Die §§ 12, 13, 14 und 1.5 sind ohne hygienisches Interesse.
62
Die Gebrauchsgegenstände. 401
Kapitel II.
Ueberblick über die Gesetzgebung der Kulturstaaten
betreffend giftige Farben*).
1. Belgien.
a) Reglement relativ a la coloration artificielle des denrees aliinen-
taires vom 10. Dezenil)er 1890.
Die Anwendung giftiger Farben zum Färben von Nahrungsmitteln
u. s. w. ist verboten. Ferner verboten ist der \'erkauf von Nahrungs-
mitteln u. s. w., die mit giftigen Farben gefärbt sind.
Veröf. Kais. Ges.-Amt (1891) 338.
b) Eine umfangreiche Liste von giftigen und nicht giftigen Farben,
welche beim Färben von Nahrungsmitteln u. s. w. gebraucht, be-
ziehentlich nicht gebraucht werden dürfen, zählt der Erlali des
belgischen Ministers der Industrie u. s. w. vom 17. Juni 1891 auf.
Veröf. Kais. Ges.-Amt (1891) 298 itnd 315.
2. Deutschland.
Siehe die ausführlichen Erläuterungen auf S. 384 bis 400.
3. England.
Food and Drugs Acts of 1875 and 1879.
. . . Es ist verboten, zu misclien, zu färben, zu verunreinigen . . .
irgend ein Kahrungsnüttel, so da/s dieses gesundheitsschädlich wird,
oder ein derartig verändertes Nahrungsmittel zu verkaufen,
4. Frankreich.
Auf Grund eines von Wurtz im Jahre 1881 erstatteten Berichtes
wurde ein Gesetz über Anwendung von Farben zum Färben von
Nahrungsmitteln u. s. w. erlassen. Demselben ist eine Liste von
giftigen und von erlaubten Farben beigefügt. Es scheint, daß in den
letzten Jahren eine mildere Praxis Platz gegriffen hat. Vergleiche die
unter ' angegebene Litteratur.
1) Th. Weyl, Dit Teerfarben, 1. Liejrg., 28, vorliegenden Buches S. 381 ; Veröfi. Kais. Ges.-
Amt (1888) 368 und 706; (1891)519.
5. Italic n.
Laut Ministerialbeschluß vom 18. Juni 1890, welcher auf >; 43 des
Gesetzes vom 22. Dezember 1888 über die öffentliche Gesundheits-
pflege beruht, wurde veröffentlicht: a) ein Verzeichnis von 30 Farben,
die als „giftig"' zum Färben von Nahrungsmitteln u. s. w. nicht be-
nutzt werden dürfen; b) ein Verzeichnis von Farben, mit denen Spiel-
zeug nicht gefärbt werden darf; c) ein Verzeichnis von Farben.
•) Vergl. auch die unter Reverdissage (S. 377) abgedruckte Litteratur.
63
4*^2 TH. WEYL, Die Gebrauchsgegenstände.
welche zum Färben von ( t e b r a u c h s g e g e n s t ä n d e n (z. B. Gar-
dinen) nicht benutzt werden dürfen.
Siehe Veröff. Kais. Ges.- Amt ^1890) 685.
6. 0 e .s t e r r e i c h - U n g a r n.
Von neuen gesetzlichen Maßnalnnen seien die folgenden erwähnt
In Oesterreich ist bei Auswahl derjenigen Farben, welche zum
Färben von Nahrungsmitteln gestattet werden, der k. k. oesterr.
Ministerialerlaß vom 1. Mai 18S<3 maßgebend. Die Be-
stimmungen dieses Erlasses sind mit dem Inhalte des deutschen R.G.
vom ö. Dez. 1887 ungefähr identisch.
Der ö s t e r r. Minister des Innern verbietet nach der Prager
med. "Wochenschrift vom 5. Januar 1887 die Anwendung der Rosol-
säure zum Färben von Eßwaren.
Siehe Veröf. Kait. Ges.- Amt (1887) 351.
Ein Erlaß desselben Ministers vom 24. April 1889 ver-
bietet die Anwendung der aus Anilin oder aus Teerbestandteilen her-
gestellten Farben zum Färben der Schalen von Eiern, die zum Genuß
bestimmt sind.
Siehe Veröff. Kais. Ges.- Amt (1889) 682.
Durch Erlaß der k. k. österr. Statthalt e r ei in Linz vom
26. Dezember 1889 wird die Anwendung von Anilinrot zum Färben
von Kinderpfeifen verboten.
Siehe Veröff. Kais. Ges.-Amt (1890) 145.
Das Ungar i sehe Mini St eri um des Innern verbietet die
Anwendung von Dinitrokresol und von Korallin zum Färben von
Nahrungsmitteln u. s. w. unterm 12. Mai 1889.
S. Veröff. kais. Ges.-Amt (1889) 513.
Vergl. auch Th. Weyl, die Teerfarben, 1. Lieferung, 31 /*.
7. Schweiz.
Nach einer für den Kanton Bern giltigen Verordnung vom 15.
November 1892 sind Pikrinsäure, Dinitrokresol, Martiusgelb, Aurantia,
Orange II, Metanilgelb, Safranin zum Färben von Nahrungsmitteln
u. s. w. verboten. Der Verein Schweizer analytischer Chemiker
(Schweiz. Wochenschr. f. Pharmacie 1891) fügte Methylenblau und
Aethylenblau hinzu. Siehe Tschirch, Das Kupfer, S. 1, Anmkg. 3
und 4; vergl. auch die unter Reverdissage, S. 377 abgedruckte
Litteratur.
64
ABSCHNITT III.
Die Kaisei'liclie Verordnung über das gewerbs-
mUssige Verkaufen und Feilhalten von Petroleum
vom 24. Februar 1882.
Das Rohpetroleum, wie es der Erde entquillt, ist ein Gemisch
einer großen Reihe verschiedener Kohlenwasserstoffe'.
Durch Destillation vermag man dasselbe in eine Reihe von
Fraktionen zu spalten, von welchen diejenige, welche bei 150— 3(X)"
übergeht, für Brennzwecke benutzt wird.
Sind dem ., Brenn - Petroleum" größere Mengen höher als 300"
siedende Anteile beigemengt, so brennt dasselbe in den Lampen ge-
wöhnlicher Konstruktion schlecht, weil sich die Dochte verschmieren,
und weil eine vollkommene Verbrennung der hoch siedenden Fraktionen
nur bei sehr hohen Temperaturen erfolgt, die bei der Verbrennung in
der Lampe nicht erreicht werden.
Von besonderer Wichtigkeit sind aber die niedriger als 150"
siedenden Bestandteile. Werden diese dem Brennpetroleum beige-
mengt, so entzündet sich dasselbe schon bei einer niedrigeren Tem-
peratur, als wenn dasselbe nur die bei 150 — 300" siedenden Anteile
enthält. Es können also unter diesen Verhältnissen gefährliche Ex-
plosionen auftreten.
Dies sind die Gründe, weshalb in i? 1 der Kaiserlichen Verord-
nung vom 24. Fcl»ruar 1SH2 gefordert wird, daß Petroleum, welches
schon bei weniger als 21 " und 7H0 mm Druck entflammbare Dämpfe
abgiebt, im Handel als „feuergefährlich" oder, falls das Petro-
leum im Kleinhandel abgegeben wird, nur unter der Bezeichnung
„Nur mit besonderen Vorsichtsmaßregeln zu Brenn-
zwecken verwendbar" bezeichnet werden muß.
Don Vorkauf eines Petroleums, das schon l»ei weniger als 21 "
brennbare Dämpfe abgiebt, überhaupt zu untersagen, ging deshalb
nicht an, weil ein derartiges Petroleum für technische Zwecke, z. B.
als Lösungsmittel für Harze, Fette u. dergl. ausgedehnte \'erwendung
findet.
Es lassen sich ferner Lampen konstruieren, in welchen das in Jj 1
der Verordnung als ,, feuergefährlich" bezeichnete Petroleum ohne (je-
Iluidbucb der Hjgieae. Bd. III. Abll(. 1. 2G
65
4t U
TM. WKYI.
fahr verbrannt werden kann. Der i; 1 bezieht sich also nur
a u f L a ni p e n g e w ö h n 1 i c li e r Ar t.
Die Temperatur, bei welcher ein Petroleum entflammbare Dämpfe
entwickelt, heil.st sein E n t f 1 a m m u ii g s p u n k t.
>j 2 der Kaiserl. Verordnung bestimmt, daß die Feststellung des
Entflammungspunktes (Testpunkt) mit dem Abel' sehen Petroleum-
prüfer (siehe die Figur) zu erfolgen habe.
Der Abel'sche Petroleumprüfer besteht aus dem Petroleum-
gefäß G, dem Gefälideckel D mit der Zündvorrichtung b, dem auf dem
Deckel D befestigten Triebwerk T, dem Wasserbad W, dem Dreifuß F
mit Umhüllmjgsmantel U und Spirituslampe L zur Erwärmung bezw.
Warmhaltung des Wasserbades, dem Thermometer ti, welches in das
Petroleumgefäß eintaucht, und einem zweiten Thermometer (^, welches
die Temperatur des Wasserbades anzeigt, c ist ein Trichter zum Füllen
des Wasserbades.
65
Die Gebrauchsgegenstände. 405
Um eine Prüfung des E n t t'l amni uugs ji uuk tcs mit Hilfe
des Abel' schon Apparates vorzunehmen, verfährt man folgendermaßen :
Man füllt das Petroloumgefäß mit Petroleum bis zur Marke h, verschließt
es mit dem Deckel und hängt es in das auf ungefähr 55 " mit Hilfe
der Spirituslampe vorgewärmte Wasserbad. Dann befestigt man die
beiden Thermometer /, und U und heizt das Wasserbad mit Hilfe der
Sj)irituslampe. Jetzt wird das ZündHämmchen entzündet und die Zünd-
Hamme entsprechend der Größe einer auf dem Gefäßdeckel befindlichen
weißen Glasperle reguliert. Ist das Triebwerk T aufgezogen, so kann
die Prüfung beginnen. Dieselbe muß mehrfach wiederholt werden, um
das Resultat zu sichern. Derjenige Wärmegrad, bei welchem
eine größere blaue Flamme aus dem durch das Trieb-
werk geöffneten Schieber blitzartig heraustritt, ist
der Entflammungspunkt des untersuchten Petroleums.
Eine dem amtlich geprüften Apparate boigegebeno Tabelle gestattet den
Entflammungspunkt auf den Normalbarometcrstand umzurechnen.
Wegen weiterer Einzelheiten sei auf die unter *) citierten
„Vorschriften" verwiesen.
vj 3 bestimmt, daß die Verordnunfx auf das in den Apotheken zu
Heilzwecken feilgehaltene Petroleum nicht Anwendung' tindet.
ij 4. Als Petroleum im Sinne dieser Verordnung gelten das Roh-
petroleum und seine Destillationsprodukte.
t; 5. Die Verordnung ist seit dem 1. Januar 18H.3 in Kraft.
11 verifl. Höfer, />as Erdöl und »eine F^rwondfen (1888); Oeatsch, Lt Parole, Paris 1892;
Bchädler, Ttrhnologk der Mineralöle (1887).
2) l>te yorschrtj'ten hetrefend den AheCschen Petroleumprober, herausgegeben von der Kaiserl.
Normal- Aichungs-Kommisiion, Berlin 1883. Diesen l'orschri/UH ist die Fig. 1 aw/Ä. 404
entnommen.
26*
67
Register.
Abel's Petroleumprüfer 404.
Alaminiumgefäfse 364 ff.
Anilinblaa 381.
Anilinfarben 380.
Anilinvergiftung 394.
Anstrichfarben, giftige 399.
Anthrachinonfarben 382.
Antimonbeizen 396. 397.
Antimonfarben 377.
Arsen 386
Arsenbeilen 396.
Arsenbestimmang 390.
Arsenfarben 377.
Arsengehalt von Gebrauchsgegenständen
392 IT.
Arsenvergiftung 390.
— chronische 392.
— durch Fuchsin 395.
— durch Kleiderstoffe 394.
Arseniksaure Thonerde als Beize 396.
Aubry über Bier in Aluminiumgefäfsen 365.
Aurantia 379.
Aurine 381.
Azine 382.
Azofarben 380.
Rarille über Blutapfelsinen 380.
Bayer, A., über d. Indigo 368.
Beckurta überZinnsnlfür in Konservebiichsen
347.
Beizen 378. 396.
Bergblau 373.
Bergeron 381
Bernstein über Bleivergiftung 353.
Bersch über Erdfarben 370.
Bertschinger über Zinnfolien 352.
Bierdeckel 355 ff.
Bierdruekapparate 353.
Bierpressionen 353.
Birnbaum über Nickelgefäfse 362.
Bister 371.
Bischoff, C, über Antimonbeizen 397.
Blanc fix 370.
Blaschko über Hautkrankheiten durch Farben
399.
Blei im Kautschuk 358.
Bleichromate 370.
Bleifarben 372.
Bleifreie Glasur 341. 343.
Bleigeschirre 340.
Bleilacke, giftige 389.
Bleischrot 356.
Blutvergiftung, sogenannte 396.
Bodländer über Zinn in Konserven 349.
Bordelaiser Brühe 376.
Bouchardat über Bleichromat 371.
Bremerblau 373.
Bremergrün 373.
Briefmarken, giftige 390.
Brokatfarben 369.
Bronzefarben 369.
Bulowsky über russischen Kautschuk 358.
— über giftigen Kautschuk 389.
Buntpapiere, arsenhaltige 393.
Cazeneuve über Fuchsin 381.
— über Martiusgelb 379.
— ,, Methylenblau 383.
— ,, Safranin 383.
Cerise 381.
Chittenden Urangelb ist giftig 371.
Christbaumkerzen, arsenhaltige 393.
Chromgelb ist giftig 371.
Chromgrün 371.
Chromorange 370.
Chnrch 373.
68
TH. WEYL, Die Gebrauchsgegenstände.
407
Cloisonne 341.
Clouet :?8l
Cochenille 3B4.
Cosmetioa 386.
Conpier Verfahren 381. 395.
Curt s.. HilKer 352
Gastier 87 2.
D&hlia S81.
Deckmaise der Emaille S41.
Delpech üher BIcichromat 371.
Dinitrokresol 379.
Dis&zofarben 380.
Ehrlich. F., über Alizarinblaa 382.
Eimer, Anstrichfarbeu für 385.
Eiienfarben 371.
Eiserne Oefäase 340.
Emaillieren 340.
Emaillen, gefärbte 340.
Eitner üder Färbung von Leder 397.
Eng^ler über Fafshähne 354.
Entflammnngspankt des Petroleums 404.
Eosin 38'^.
Erdfarben 369.
Erdöl. Litteratur über 405, s. a. Petroleum
Erythrosin 382.
Esmarch. E. v., über Bierpressionen 354.
Falk, E., über Bierdeckel 355.
— iilier Fafshähne 354.
Falzdose 346.
Farben. nii<>rganische 369.
— für Kautschuk 390.
— ortjanische 377.
Farblack 378.
Farbstoffe, natürliche 384.
Fasshähne 354.
Finkelnbarg's Kommentar 339.
Frank, A , über Arsen in Papier 386.
Fuchsin 380.
— Entstehung des 395.
— innerlich gegeben 395.
— ungiftig 395.
Fuchsin 8. 381.
Gaitier 374.
Oalippe 37 4.
Oalliard ül>er Methylenblau 382.
Oalloweng über Arsen in Tapeten 393.
Gebrauchsgegenstände, Detinition 339
Oeerkens über Nickelgefäfse 362.
Gefärbte Emaille 341.
Gefärbte Kleider, Vergiftungen durch 394.
Oefässe. irdene 342
Gelbfärbung von Nahrung.smitteln 371. 380.
Gerlach über Safransurrogat 384
Gesetze lietrefTend den Verkehr mit blei- und
zinkhaltigen Gegenständen 358 IT.
— über Fafshähne 3.04 ff.
— K'iftige Farb.-n 4<il ff.
Gesondheitsgeschirr 842.
Giftige Briefmarken 39Ci
Giftige Farben ;i78 ff. 385.
Glasflüsse 340.
Glasur, schlechte 344.
Glasuren, bliifreie 343.
Goldschwefel 377.
Gosio über Bakterien etc., die Arsenverbin-
duiigen sersetzen 393.
Grabe über Alizarin 368
Grandhomme 381.
über Eosin 382
Grenadin 381
— giftig 397.
Grünspan 373.
Grundmasse der Emaillen 341
Gummi gutt 384.
Haarförbemittel 387.
Halsrüschen, gefärbte 394
van Hamel-Boos gegen Keverdissage 373.
— über Cosmetica 387.
— ,, den Lack Verver 348.
— ,, Nickelgefäfse 363.
Hartlot 346.
Hastarlick über amerikanische Konserven
346.
Hautkrankheiten durch Farben 398.
Heibig über Käse in Nickelgefäfsen 363.
Hehner über Zinn in Konserven 349.
Heise s. Ohlmüller.
Hengefeld über giftiges Papier 386.
Hilger über Zinnfolien 352.
Hillairet s. Delpech
Hize über amerik. Konserven 346
Hönigschmidt über Bleivergiftung 348.
V Hösslin über Pikrinsäure-Dermatitis 398.
Honigfarben 368.
Indamine 382.
Indigo 368. 383.
Indophenole 382.
Irdene Gefäase 342.
Kadmiumfarben 377.
Kautschuk 357 ff.
— Beschwerung des 358.
— Färbung des 358. 390.
Kayser, E. , über giftige Beizen 397.
— über Verzinnung 350.
Kermes minerale 357.
Kindersaugflaschen 355.
Kobaltblau 370.
Kobert über Giftigkeit d. Aluminiums 366.
Kochgeschirre 340.
KoDgofarben 380.
Königsblau 370.
Konservebüchsen 345.
Konserven, amerikanische 346.
— Kupfergehalt 374 ff.
— russische 346.
— Zinngebalt der 349.
Kopfwasser 387.
Korallin .'i82.
— Wrgiftung durch 385.
Kreide 370.
Kupferfarben 373.
Kupferkessel, verzinnte 348.
Kupferne Gefässe 362
Kupfervergiftung 373.
69
4(^S
TU. WEYL.
I.aborde s. Riche.
Lackfarben 369.
Lambert > Chittenden.
Lebbin ;• Plapfje-
Lederfarben 397.
Leger über Bierdeckel 3.'>.'>.
Lehmann, K. B., über Gitti^-keit dei Cliroi
färben 370.
— über Kupfer 374.
Lepine s. Cazeneuve.
Lene 412.
Lichtgrön 381.
Liebermann s. Grabe.
Limoges 341.
Löschpapier, arsenhaltig 386.
Lötdose 346.
Löten 345 fr.
Lübbert über Aluminiumgefäfäe 364.
Lange. G., über Aluminium 364 365.
.Malachitgrün 381.
Malerfarben .'568
Manganbraun 371.
Manganfarben 371.
Marron 381.
Martiuggelb 379.
Mayrhofer über Reverdissage 374.
Hehl, gekupfertes 377.
Menke. Ä., über Zinn in Konserven 349.
Metallfarben 369.
Metanilgelb 380.
Methylenblau 383.
Mirbanöl in Cosmetica 387.
du Moniin 374.
Mühlsteine 356.
Musivgold 37 7,
Nahrungsmittel, gelb gefärbte 380.
Naphtholgelb S. 379.
Naphtholgrün 379.
Naphtholschwarz 380.
Natürliche Farbstoffe 384.
Nickelgefässe 262.
Nitrofarbstoff© 379.
Nitrosofarben 379.
Oblaten, giftige 399.
Ocker 370.
Oel, hleilösend 347.
Oelfarben 368.
Ohlmüller 365.
Orange II 380.
Orfila 373.
Organische Farben 377.
Päonin 382.
Papier, Färbung des 386.
Paschkis 388.
Pelzwaren, F'arben für 400.
Pergamentpapier, Blei in 386.
Permanentweiss 370.
Peronospora, Schutz gegen 376
Petroleum für Brennzwecke 403.
— Te-tpunkt des 403.
Petroleumprüfer 404.
Pharaoschlangen 390.
Phthaleine 382.
Phyllocyaninsäure 374.
Pikrinsäure giftig 379 398.
Pinette über amerik. Konserven 347.
— über l..öten 346.
Plagge 365.
Planchon über künstliche Färbung von
ninmcn 381.
Polenske über deutsche Butterfarbe 384.
Pomaden 387.
Posseto über Safran 380.
Pritzkow über Mühlsteine 356.
Puder 387.
Quecksilberfarben 373.
Kapp .s. tangier.
Kenard über Prüfung auf Blei 347.
Renss über Dichtungsringe 346.
— Zinnsulfur in Konservebüchsen 347.
Reverdissage 373.
— Gesetze über 376.
Rjältschewski 346.
Riche über Nickelgefäfse 362.
Robert über Uranfarben 372.
Rochard über Lösung von Blei durch Oel
;U7.
Rohde über Nickelgefäfse 362.
Rosanilinfarbstoffe 380.
Röscher s. Lübbert.
RoBolsäure 382.
Rötel 371.
Sächsischblau 384.
Safranin giftig 382
Safransurrogat 379.
Sanitätsgeschirr 342.
Sapolini über eine giftige Haartinktur 387.
Saugflaschen 355.
Scheele's Grün 377. 386.
Schminken 387.
Schmidt, E., s. Lunge.
Schneilot 345.
Schnutz über d. Bierausschank 354
Schreibmaterialien, giftige 399.
Schuler über giftige Briefmarken 390.
Schulz s. Geerkens.
Schwarzblech 345.
Schwefelsäure als Beize 397.
Schweinfurter Grün 377. 386.
Schweissleder, giftiges 397 flf.
Sedwigk über Zinnvergiftung 350
Seifen, Verfälschung der 388
Seil über Arsenvergiftnngen 394.
— über bleihaltige Schminken 386
— ,. giftige Farben etc. 367.
— Zinn ungiftig 350.
Bendtner über Anstrichfarben 400.
— über Antimonbeizen 397.
— ,, Arsen in Buntpapieren 386.
— ,, Arsen im Maueranstrich
— ,, bleihaltige Haarwässer 387.
— „ bleihaltige Trichter 354.
— „ Töpfergeschirre 344.
— ,, Zinnfolien 352.
Siem s. Kobert.
Die Gebrauchsgegenstände.
409
Siphoni 355
Sommersprosien, Mittel gegen 887.
Sonnonichein 373.
Spielwaren 389
— Hus Kautschuk 390.
Spitzen, Meilmlii^e 372
Stockmeyer über amerikanische Koii!>erven
34 G
Strümpfe, gefkrbt« 394.
Taillen, >,'efärbte 394.
Tapeten, arsenhaltige 393.
Thee. \'erpackung des 352.
Thönardblaa 370.
Töpferkrankheit 343.
ToQssaint 374
Tschirch über Reverdissage 374.
Taschfarben 368. 392.
l'mbra 371.
Ungar s. Bodl.änder.
Uranfarben 371.
Vergiftungen durch „Anilin'* 394 ff.
Verver, ein Lack 348.
Veriinnnng 345.
— L'ntersuchung auf Blei 347.
Viktoriagelb 379.
Vulkanisieren 357.
IVasserfarben 3G8
Waiierleitungsröhren. bleierne 340.
Weber, H A., üljer Zinnvergiftung 350.
Weinfarbstoff 384.
Weissblech 345.
Weyl, Th., über Atufarben 380.
— über |{leiverxil'tuiig 344.
— Fuchsin ist uu^iltiK 381.
— über Giftijjkeit d. Chromfarben 370.
— ,, MartiusKelb 379.
— „ MeUnÜKelb 38(».
— „ Naphthol(,'clb S. 379.
— „ Naphtholschwara 380.
— ,, Orange II 380.
— ,, Safransurrogat 379.
— ,, Safranin 383.
— Vergiftungen durch gefärbte Stoffe
395.
Winkler, Cl., über Aluminiumgefäfse 366
Wittstein über blcihaiti(;e Metallkapseln 352.
Wolfhügel über Gebrauchsgegenstünde 340.
Woroschilski über Uranfarben 372.
Zinkfarben 371.
Zinnbleilegierung, Analyse der 356.
Zinnfarben 377.
Zinnfolien 351 ff.
Zinngeräte 351.
Zinnkrüge 351.
Zinnsaures Natron als Beize 397.
Zinnsulfur in Konservebücbsen 347.
Zinnteller 351.
Zinnvergiftung 349 ff.
Zündhölzer, arsenhaltige 393.
71
b) Vermeintliche Gefuhreu für die uireiitliclicficsiimllicit (ilcr II cra n syc bor).
*Landwirtschal'tlicho Verwertung der Fäkalien (Direktor Dr. J. H, Vogel
in Berlin).
Flußverunreinigung (Privatdozeut Dr. Jurisch in Berlin).
Abteilung 2:
♦Leichenwesen einschließlich der Feuerbestattung (Modizinalrat Wcrnich in
Berlin).
*Abdeckereiwesen (Medizinalassessor Welnncr in Borlin).
*Straßenhygiene, d. i. Straßenpilasterung, -reinigun;^ und -bosprenguiig, sowio
Beseitigung der festen Abfälle (Bauinspektor E. R i c h t e r in Hamburg).
ItAND III: Nahrungsmittel und Ernährung.
Abteilung 1 :
*Einzelernährung und Massenernährung (Privatdozent J. M u u k in Berlin).
*Nahrungs- und Gcnußmittcl (Prof. Stutzer in Bonn).
♦Gebrauchsgegenstände, Emaillen, Farben (der Her ausge berj.
Abteilung 2 :
Fleischschau (Direktor Dr. Hertwig in Berlin).
*Nahrungsmittelpolizei (Prof. F i n k e 1 n b u r g in Bonn).
DAND IV: Allgemeine Bau-(Wohnuiigs-)Hygieno.
♦Einleitung: Einfluß der Wohnung auf die Gesundheit (8anitätsrat Dr. Olden-
d o r f f in Berlin).
*Das Wohnungselend der großen Städte (Dr. A 1 b r e c h t von der Central-
stelle für Arbeiterwohlfahrt in Berlin).
1^ Eigentliche Wohnungshygienc :
a) Bain»lat/, , Baumaterialien, Anlage von Landhäusern, Mietskasernen,
Arbeiterwohnhäusern und billigen Wnlinungen überhaupt. Gesetzliche
Maßnalimen zur Begünstigung gemeinnütziger Baugesellschaften (Dozent
( ■ h r. Nußbaum in Hannover).
b) Stadtbaupläne, Bauordnungen, behördliche Maßnahmen gegen ungesunde
Wohnungen (Baurat Stubben in Köln).
2) Heizung und Ventilation (städt. Ingenieur Schmidt in Dresden).
3) Beleuchtung:
a) *Theoretischor Teil (Prof. Weber in Kiel).
b) Gasbeleuchtung (Gasanstaltsdirektor Pcppig und Ingenieur Rosen-
boorn, beide in Kiel).
c Elektrische Beleuchtung und andere Anwondiingon des elektr. Stromes
im Dienste der öffentlichen Gesundheitspflege (Dr. K a 1 1 m a n n , Elektriker
der Stadt Berlin).
BAND V; Spezielle Bauhygienc [Teil AJ.
Abteilungl:
Krankenhäuser.
a) Aerztliche Ansprüche an Krankenhäuser.
b) Bau der Krankenhäuser.
c) Verwaltung der Krankenhäuser (Direktor Merke in Moabit- Berlin).
Aerztliche Ansprüche an militärische Bauten: Militärlazarette u. s. w. (Ober-
stabsarzt V i 1 1 a r e t in Spandau).
Abteilung 2 :
Gefängnishygieno (Geheimrat Dr. Baer in Berlin).
HAND VI: Spezielle Bauhygiene [Teil Bj.
♦Markthallen und Viehhöfe (Baurat Ost hoff in Berlin).
♦Volksbäder (Bauinspektor R. Schnitze in Köln).
♦Theaterhygiene (Prof. B ü s i n g in Berlin-Friedenau).
Unterkünfte für Obdachlose, Wärmehallon (Privatdocout und Baumeister
Knauff in Berlin).
♦Schiffshygiene (Dr. D. Knien kam pff in Bremen).
Eisenbahnhygiene (Sanitätsrat Brachmer in Berlin).
BAND Vli. Al.toiiuiig 1 :
Ck>tfeutlK'her Kindcröcliutz ^Privatdozcut Dr. II. Neumauu in BcrlinV
Abteilung 2:
*Schulhygione vOberrealschulprofessor Dr. L. Burgcrstein uiul k. k. ('St<>rr.
Vicosekretär im Miu. d. lun. Dr. Notolitzki [medizinische Kapitel] beide
in Wien).
BAND VIII: Gewerbehygiene.
Allgemeiner Teil:
*Allgemeine Gewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung (Dr. Roth, Reg.- "lu^
Medizinalrat in Köslin).
*Fürsorge für Arbeiterinnen und deren Kinder (Dr. Agnes B 1 u h m).
^Maschinelle Einrichtungen gegen Unfälle (Prof. Kraft in Brunn).
Spezieller Teil:
Die Unterhandlungen mit den Herren Mitarbeitern sind noch nicht beendet.
Demnächst werden erscheinen:
1; Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter.
a) Technische Abschnitte (Bergrat Meissner im preußischen Handels-
ministerium in Berlin).
b^ Medizinische Abschnitte (San.-Rat Dr. Füller in NeunkirchenV
"2^ Hygiene der HflttenarV)eiter ^Bergassessor Saeger in Fried richshüttc).
3^ Hygiene der chemischen Großindustrie.
a"» Anorganische Betriebe, namentlich anorganische Säuren und deren Salze
(^ Privatdozent Dr. Heinzcrling in Darmstadt).
\i) Bearbeitung des Phosphors (Oberstabsarzt Dr. Hei big in Dresden
c^ Organische Betriebe (Dr. Fr. Gold seh midt in Nürnberg).
4) Hygiene der Glasarbeiter und Spiegelbeleger ^^Physikus Dr. Schäfer in
Bublit/, Pommern).
öl Hygiene der Te.xtilindustrie (Dr. Netolitzki, Viccsckretär im k. k.
osterr. Ministerium dos Innern i.
8» Hygiene der Borstenarl»eiter iDr. Fr. Gold seh midt in Nürnberg».
7) Hygiene der Handarbeiterinnen [Schneiderinneu etc.] (Frl. Dr. med. Agu.
B 1 u h m in Berlinl
H\ Hygiene der Tabakarlieiter (Grhrzgl. bad. Fabrikinspektor Schelleuberg
in Karlsruhe 1.
BAND IX: Aetiolngie tind Prophylaxe der Infektionskrankheit-eu.
Bakteriologie und Epidemiologie der Infektionskrankheiten (Prof. Weichsel-
baum in Wien).
Immunität und Schutzimpfung (Prof Emmerich in München».
Desinfektion und Prophylaxe der Infektionskrankheiten (der Herausgeber).
BAND X : Ergänzungsband. Generalregister zu allen Bänden.
.\lkoholismus (Dr. Lep]>mann in Berlin^.
Hygiene der Prostitution (Prof Neisser in Breslau).
Die mit einem * bezeichneten Manuskripte liegen entweder bereits gedruckt
vor oder sind in den Händen de.s Herrn Herau.'^gebers. Um ein rasches Erscheinen
des Werkes herbeizuführen, wird gleirhzeiti;^ ;in mehreren F>änden gedruckt und
die Ausgabe derselben je nacli N'dlJendung des Druckes eines jeden Abschnittes
oder einer Abteilung erfolgen. Auf «lie.se Weise hofft die Verlagshandlung das
vollständige Erscheinen bis zum Ende des Jahres 1804, spätestens bis zum
Frühjahr 189.^ zu sichern. Grössere Ab.sciinitte werden stets eine besondere
Lieferung bilden, deshalb werden die Lieferungen in verschiedenem Umfange und
zu verschiedenen Preisen erscheinen ; der Preis des voll ständigen Werkes
wird sich nach dem Umfange richten, den Betrag von M. fK) aber
keinesfalls übersteigen.
Die bereits erschienenen Abschnitte des Werkes können von jeder Buch-
handlung zur Ansicht geliefert werden.
Bestellungen auf das „Handbuch der Hygiene" nimmt eine jede Sortimeots-
buchhandlung Deutschlands und des Auslandes entgegen.
truiumauaKhe Uuchdruckrrei (HemiaDu fohl«) ia Jroa.
Zu (Ion volIstJtndls: vorlloffCMidon Unndcn I, III, IV und
VII des llaiidbiK'lK's drr llyirioiie sind Klnlmnddecken In luiH»-
fVanz hersrsti'IIt w<nd«'n , die /um Preise von 1 Mk. 20 Pf.
durch Jede l>uelih:indlun!r /u be/lehen sin<l.
Die VerlaKshandlanß:.
Fleischbeschau.
Bearbeitet von
Dr. R. Edelmann,
Direktor der städt. Flcisrhltcschaii, Dorcnl für FloiscLlx.schaii an der Köuigl.
tierärztl. Hot-hschule zu Dresden.
Mit 29 Abbildungen im Text.
Generalregister zum dritten Bande.
■»tt«-
J E N A
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1896.
Handbucli der Hygiene
hGrausgegebon von Dr. THEODOR WEYL iu Berlin.
27. Lioferuiiir.
DIIITTKK HAND. ZWEITE ABTEILUNG.
Preis lur Abnehmer des ganzen Werkes: 2 M. - Pf.
Preis für den Einzelverkauf: 4M. — Pf.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
HANDBUCH DEH HY&IEIE
in 10 Bänden.
Herausgegeben von Dr. med. Theodor Wcyl in Berlin.
Das ..llaiidbuch der Hygiene" stellt sich nicht in den Dienst einer be-
stimmten Schule, sondern will sich einen möglichst unparteiischen Standpunkt
l)e\vahren; es sind deshalb die Vertreter der verschiedensten Schulen zur Mit-
arbeit an demselben aufgefordert worden. Für die Kapitel praktischen Inhalts
wurden vorzugsweise solche Mitarbeiter herangezogen, welche durch ihre berufs-
mäßige Beschäftigung besonders geeignet waren, das übernommene Thema zu
bearbeiten. Es ist deswegen ein großer Teil der Herren Mitarbeiter aus den
Reihen der Architekten und Ingenieure gewählt worden. Wo indessen bei einzelnen
Kaiuteln neben der Bearbeitung durch die Techniker die Mitarbeit des hygienisch
ausgebihleten Mediziners erforderlich war, hat der Herr Herausgeber eine Ver-
teilung des Stoffes vorgenommen, und es wird ihm hoifentlich geglückt sein, die
Zuständigkeit des Mediziners einerseits und die des Technikers andererseits in
zutreffender ^Yeise zu begrenzen.
Die Gewerbehygiene soll entsprechend ihrer Wichtigkeit eine besonders ein-
gehende Bearbeitung finden; Abschnitte wie Strassenhygiene, allgemeine Bauhygiene
und Wohnungshygiene werden eine so ausführliche Darstellung finden, wie sie
bisher in deutscher Sprache wohl noch nicht versucht wurde.
Der Bakteriologie als solcher wurde eine besondere Abteilung nicht gewidmet.
Sie erscheint aber als eine der zahlreichen Methoden, deren die Hygiene bedarf
in allen denjenigen Kapiteln, in denen sie, wie in der Lehre vom Boden, vom
Trinkwasser, in der Theorie der Infektionskrankheiten, zur Lösung der hygieni-
schen Fragen ihre Hilfe leiht und häufig den Ausschlag giebt.
Das „Handbuch der Hygiene" soll in etwa 10 Bänden im Gesamt-
Umfange von 200 bis höchstens 250 Druckbogen erscheinen.
Die Bände werden in der nachstehenden Einteilung herausgegeben werden:
BAND I ist vollständig erschienen. Abteilung 1
Vorwort vom Herausgeber.
♦Organisation der öffentlichen Gesundheitspflege in den Kulturstaaten (Prof.
Finkelnburg in Bonn). Einzelpreis M. — ,80, Subskriptionspreis M. — ,80.
♦Boden (Prof. von Fodor in Budapest). E.-Pr. M. 4,50, S.-Pr. M. 3,60.
♦Klima (Prof. Aßmann in Berlin). 1 E.-Pr. M. 2,50.
♦Klimatologie u. Tropenhygiene (Dr. Schellong in Königsbg.).] S.-Pr. M. 2, — .
♦Kleidung (Prof. Kratschmer in Wien). E.-Pr. M. 2,—, S.-Pr. M. 1,50.
Abteilung 2: Trinkwasser und Trinkwasserversorgung: Bereits erschienen.
♦a) Wasserversorgung, technische Kapitel (Oberingenieur Oesten in Berlin).
*b) Bakteriologie des Trinkwassers (Prof. Löffler in Greifswald).
♦c) Chem. Untersuchung des Trinkwassers (Direk. Dr. Sendtnerin München).
d) Beurteilung des Trinkwassers (die unter b und c genannten Herren).
BAKD II: Städtereinigung. Abteilung 1:
♦Einleitung: Die Notwendigkeit der Städtereinigung und ihre \ Bereits
I
Erfolge (Prof. Blasius in Braunschweig), [ erschienen.
♦Abfuhrsysteme (Prof Blasius). j E.-Pr. M. 8,—.
"" Schwemmkanalisation (Prof B ü s i n g in Berlin-Friedenau). I S.-Pr. M. G, — .
♦Rieselfelder : a) Anlage, Bewirtschaftung und wirtschaftliche "
Ergebnisse (Landwirt Georg H. Gerson in Berlin). Bereits
b) Vermeinthche Gefahren für die öffentliche Gesundheit erschienen.
(der Herausgeber). ( E.-Pr. M. 1,80.
♦Landwirtschaft!. Verwertung der Fäkalien (Direkt. Dr. J. H. S.-Pr. M. 1,20.
Vogel in Berlin).
Flnßverunreinigung (Privatdozent Dr. Jurisch in Berlin).
Fortsetzung auf der 3. Seite des Umschlags.
HA^'DBÜCH DER HYGIENE
IX ZEH> ßl>DEN.
BEARBEITET VON
Dr. Albrecht, Berlin ; Prof. AssMAJfN, Berlin ; Geheimrat Dr. Baer, Berlin ; Prof.
Blasits, Braunschweig ; Dr. Agnes Bluhm, Berlin; öanitätsrat Dr. Braehmer,
Berlin; Oberrealscbulprofessor Dr. L. Burgersteix, Wien; Prof. Büsing, Berlin-
Friedenau ; Direktor Dr. Edelmann, Dresden ; Prof. Finkelnburg, Bonn ; Prof.
V. FoDOR, Budapest ; Sanitätsrat Dr. Füller, Neuiikirchen ; Landwirt Georg H.
Gerson, Berlin ; Dr. F. GoLDSCH>aDT, Nürnberg ; Pris-atdozent Dr. Heinzerling,
Darmstadt ; Oberstabsarzt Dr. Helbig , Dresden ; Prof. Hüeppe , Prag ; Privat-
dozent Dr. JuRiscH , Berlin; Stadt -Elektriker Dr. Kallmann, Berlin; Privat-
dozent und Baumeister Knaufe, Berlin; Prof. Kraft, Brunn; Prof. Kratschmer,
Wien; Oberstabsarzt Dr. Krocker, Berlin; Dr. D. Kulenkampff, Bremen; Dr.
Lepp>[ann. Berlin ; Prof. Loeffler, Greifs wald; Bergrat Meissntsr, Berlin; Direktor
Merke, Moabit - Berlin ; Dr. E. ]\Ietschnikoff, Paris; Prof. J. Munk , Berlin;
Prof. Neisser, Breslau; k. k. österr. Sekretär im Min. d. Innern Dr. Neto-
LITZKY, Wien ; Privatdozent Dr. H. Neumann, Berlin ; Dozent Chr. Nussbalth,
Hannover; Oberingenieur Oesten, Berlin; Dr. Oldendorff, Berlin; Baurat Ost-
hoff, Berlin; Bauinspektor E. Richter, Hamburg; Ingenieur Eosenboom, Kiel;
Eeg.- und Medizinalrat Dr. Roth, Oppeln ; Bauinspektor Ruppel, Hamburg ; Berg-
assessor Saeger, Friedrichshütte; Pnysikus Dr. Schäfer, Danzig; Fabrikinspektor
Schellenberg , Karlsruhe ; Dr. Schellong, Königsberg i. P. ; städt. Ingenieur
Schmidt, Dresden ; Bauinspektor R. Schtjltze, Köln ; Inspektor Dr. Sendtner,
München ; Dr. med. So>rMERFELD, BerUn ; Direktor Dr. \\ . Son"NE , Darmstadt ;
Baurat Stübben, Köln ; Prof. Stutzer, Bonn ; Direktor Dr. J. H. Vogel, Berlin ;
Prof. Weber, Kiel; Reg.- und Medizinalrat Dr. Wehmer, Coblenz; Prof. Weichsel-
BAUM, Wien; Medizinalrat Dr. Wernich , Berhn; Dr. Th. Weyl, Berlin; Dr.
Zadek, Berlin.
HERAUSGEGEBEN VON
Dr. med. th. TSTEYLr,
PRIVATDOCENTEN DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE ZU
CHARLOTTENBURG-BERLIN.
DRITTER BAND.
MIT 53 ABBILDUNGEN LM TEXT.
^-
JENA,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1896.
HASDBUCH DER HYGIENE.
HERAUSGEGEBEN VON
DR. MED. TH. ISTEYL,
PRIVATDOCENTEN AN DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE ZU
CHARLOTTENBURG-BERLIN.
DRITTER BAND.
NAHRUNGSMITTEL, ERNÄHRUNG, FLEISCHBESCHAU.
BEARBEITET VON
Prof. Dr. Immanuel Müxk, Berlin ; Prof. Dr. Albert Stutzer, Bonn ; Dr. Theodor
Weyl, Berlin; Direktor Dr. R. Edelmann, Dresden.
MIT 53 ABBILDUNGEN IM TEXT.
JENA,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1896.
Alle Rechte vorbehalten.
Inhalt.
Erste Abteilung:
Seite
Einzelemährung und Massenernährung von Prof. Dr. Immanuel
M u n k in Berlin 1
Nahrungs- vind Gfenußmittel von Prof. Dr. Albert Stutzer in Bonn 149
Die Gebrauchsgegenstände im Anschluß an die Gesetzgebung des
Deutschen Reichs und an die der übrigen Kulturstaaten von
Dr. Theodor Weyl in Berlin 339
Zweite Abteilung:
Fleischbeschau von Direktor Dr. R. Edelmann in Dresden . . 411
Generalregister zu Band 3 547
FLEISCHBESCHAU.
BEARBEITET VON
DB R. EDELMAo^l^,
DIREKTOR DER STADT. FLEISCHBESCHAU, DOCENT FÜR FLKISCHBESCHAU AN DER
KÖNIGL. TIERÄRZTL. HOCHSCHULE ZU DRESDEN.
MIT 29 ABBILDUNGEN IM TEXT.
DRITTER BAND, ZWEITE ABTEILUNG.
(SCHLUSS DES DRITTEN BANDES.)
GENERALREGISTER ZUM DRITTEN BANDE.
-Ä:.-e4-
JENA,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1896.
Inhaltsübersicht.
Seite
Einleitung 411
Notwendigkeit der Fleischbeschau 412
Fleischbeschau-Statistik 414
Litteratur 420
Litteratur über Fleischbeschau .^ 420
I. Kapitel. Allgemeines 42 1
1. Wesen der Fleischbeschau . . 421
2. Zweck und Aufgaben der Fleischbeschau . . 422
3. Ausbreitungsgebiet der Fleischbeschau 422
4. Schlachttiere 423
Gesetzliche Bestimmungen über das Alter der Schlachttiere 424
5. Schlachtung und Schlachtmethoden 424
Gesetzliche Bestimmungen über das Schlachten von Tieren 428
6. Notschlachtungen 428
Gesetzliche Bestimmungen über Notschlachtungeii und über
dif Verwertung des Fleisches kranker Tiere 430
Litteratur 434
II. Kapitel. Organisation der Fleischbeschau. 435
1. Grundlagen der Fleischbeschau 435
A. Technische Grundlagen 435
B. Gesetzliche Grundlagen 43<j
Litteratur 438
2. Einteilung der Fleischbeschau 438
3. Ausführung der Fleischbeschau 431»
A. Beschau der Schlachttiere 440
B. Beschau von eingeführtem frischen Fleischf 441
Litteratur 443
IV Inhalt.
Seite
4. Verwortuiig beschlagnahmten Fleisches 443
A. Nicht bankwürdiges Fleisch im allgemeinen 443
B. Zur menschlichen Nahrung bedingungsweise geeignetes
Fleisch 444
Litteratur 450
C. Zur menschlichen Nahrung ungeeignetes Fleisch . . 450
5. Die Freibänke 451
Litteratur 453
Anhang. Derzeitiger Stand der Fleischbeschau in
deneuropäischenStaaten 454
1. Deutschland 454
A. Allgemeine Fleischbeschau 454
B. Trichinenschau 456
C. Fleischbeschau in den Roßschlächtereien und der Handel
mit Roßfleisch 458
2. Oesterreich 459
3. Frankreich 460
4. Italien 460
5. Belgien . 461
6. England * 461
Litteratur ... 461
III. Kapitel. Fleischkunde 462
1. Unterscheidungsmerkmale des Fleisches der verschiedenen
Schlachttiere 462
2. Betrügerische Unterschiebungen von Fleisch und deren Er-
kennung; Pferdefleischnachweis 463
Litteratur 468
8. Aufblasen von Fleisch 468
Litteratur . 468
4. Abnorme Fleischbeschaffenheit innerhalb phj^siologischer
Grenzen, vom sanitätspolizeilichen Standpunkte beurteilt 469
A. Ungeborene Tiere 469
B. Unreife Tiere 469
C. Magere und abgemagerte Tiere 469
D. Abnorme Färbung des Fettes 470
E. Geruchs- und Geschmacksabnormitäten des Fleisches . 470
Litteratur 471
Anhang.
A. Mangelhaft ausgeblutete Tiere 471
B. Fleisch verendeter Tiere 471
I
Inhalt. V
Seite
5. Postmortale Veriinderun^cn des Fleisches 172
A. Gäruug iukI Fäulnis 172
B. IiKsektf'iihirven und Schimmelbildung auf Fleisch . llü
C. Leuchtendes Fleisch 174
D. Verschiedenes . . 174
Litteratur 474
IV. Kapitel. Pathologie der Schlachttiere in ihrer Be-
deutung für die Fleischbeschau 475
1. Bei der Lebendbeschau der Schlachttiere besonders zu be-
rücksichtigende Erkrankungen 475
2. Lokale Erkrankungen der Gewebe und Organe 470
Organkrankheiten der Schlachttiere, welche durch tierische
Parasiten veranlaßt werden 476
A. Parasiten der Haut 476
B. Parasiten im Respiratioiisapparat 477
C. Parasiten des Verdauungsapparates 477
Distomum hepaticum 477
Distomum lanceolatum 478
D. l'arasiten an Bi-ust- und BauchfeU 479
E. Parasiten im Gehirn 479
Litteratur 480
3. Allgemeinerkrankungeu der Schlachttiere 480
A. Durch tierische Parasiten v^eranlaßte Allgemeinerkrank-
ungen der Schlachttiere (Invasionskrankheiten) .... 480
1. Parasiten, welche durch Fleischgenuß auf den Menschen
übertragbar sind 480
a) Die Trichine 480
Litteratur 485
h) Die Finnen 485
1. Die Schweinefinne 486
2. Die Rinderfinne 487.
Litteratur 490
2. Parasiten, welche nur indirekt dem Menschen schäd-
lich werden können 490
a) Die Echinokokken 49U
Litteratur 492
b) Die Pentastomen 493
Litteratur 493
3. Parasiten im Fleisch, welche dem Menschen nicht nach-
weislich schädlich sind 494
Die Sarkosporidien 494
Litteratur 495
VI Inhalt.
Seite
Anhang. Die Verkalkungen in der Muskulatur des
Schweines 495
B. Infektionskrankheiten der Schlachttiere 495
1. Auf den Menschen übertragbare Infektionskrankheiten 496
a) Tuberkulose 496
LiUeratur 505
b^ Milzbrand, Rauschbrand, Tollwut, Rotz .... 505
LiUeratur 507
c) Maul- und Klauenseuche ... 507
d) Pocken 508
e) Tetanus 508
LiUeratur 509
f) Malignes Oedem 509
g) Aktinomykose 509
h) Botryomykose 511
LiUeratur 511
Anhang. Pyämische Erkrankungen 511
Septikämischo Erkrankungen 512
Multiple Muskelblutungen beim Schwein . . 514
Putride Intoxikationen 514
LiUeratur . 514
2. Den Schlachttieren eigentümliche Infektionskrankheiten,
welche nicht auf den Menschen übertragbar sind . . 515
a) Seuchenhafte Schweinekrankheiten 515
1. Schweinerotlauf 515
2. Schweineseuche und Schweinepest 515
Litteratur 517
b) Lungenseuche des Rindes 517
c) Rinderpest 518
d) Bösartiges Katarrhalfieber des Rindes . . , . 518
e) Wild- und Rinderseuche 518
f) Diphtherie der Kälber 519
g) Ruhr der Kälber 519
h) Muskelstrahlenpilze 519
Litteratur 520
C. Bluterkrankungen und konstitutionelle Krankheiten . . 520
1. Anämie 520
2. Hydrämie und Wassersucht 521
3. Leukämie 521
4. Hämoglobinämie und Hämoglobinurie 522
5. Ikterus 522
6. Urämie 522
7. Rhachitis 523
Inhalt. VII
Seite
8. Osteoporose 523
9. Osteomalacie 523
10. Sarkomatose und Carcinomatose 524
Litteratur 524
D. Intoxikationen und Autointoxikationen bei Schlachttieren 524
Gebärparese 525
Litteratur 526
V. Kapitel. Untersuchung und Beurteilung des Flei-
sches von Geflügel, Wild, Fischen etc., sowie ver-
schiedenerFleischpräparate 526
1. Geflügel 526
2. Wildbret 527
3. Fische 527
4. Verschiedene zu Speisezwecken verwendete Tiere .... 528
5. Gefrorenes Fleisch ... 528
6. Würste 529
7. Mit Konservierungssalzen behandeltes Fleisch 531
8. Büchsenkonserven 533
9. Tierische Fette 534
Litteratur 535
VI. Kapitel. Fleisch- und Wurstvergiftungen . . 536
1. Fleischvergiftungen 536
2. Hackfleischvergiftungen 542
3. Wurstvergiftungen 543
Litteratur 545
Verzeichnis der Abbildungen 546
Register 547
I
Einleitung.
Mit den Fortschritten der Ernährungslehre hat die Sorge für die
Beschattung einer gesunden Fleischnahrung für den Menschen
nicht gleichen Schritt gehalten. Die gewaltigen Errungenschaften der
modernen Kultur, der bedeutende Aufschwung von Handel und Ver-
kehr in Verbindung mit der Vervollkommnung der Technik, haben
ihre "Wirkungen zwar auch auf die Fleischnahrungsmittel der Menschen
geäußert, jedoch weniger nach der sanitären Richtung hin, als viel-
mehr zu Gunsten der leichteren Beschattung, rationelleren Herstel-
lung und händlerischen Verbreitung dieser Nahrungsmittel. So groß
auch die Bedeutung dieser Fortschritte sich in allgemein volkswirt-
schaftlicher Beziehung gestalten mag. so gering ist doch im allge-
meinen der Nutzen anzuschlagen, welchen sie in gesundheitlicher Be-
ziehung für die Fleischnahrung dem einzelnen Menschen mit sich
brachten. Mit dem Zeitpunkte, wo das Fleisch der zur menschlichen
Nahrung dienenden Tiere und die daraus hergestellten Erzeugnisse
begannen Gegenstände des Handels zu werden, waren die Grenzen
der Kontrollierbarkeit dieser Nahrungsmittel durch den Einzelnen
überschritten, und der Selbstschutz, welcher bis zu einem gewissen
Grade liezüglich der Abstammung des Fleisches von kranken Tieren
in früheren Zeiten von vielen einzelnen Menschen ausgeübt werden
konnte, ist mit dem Anwachsen von Handel und Verkehr so gut wie
unmöglich geworden. Hierzu kommt . daß dieser Selbstschutz in
früheren Zeiten und in einzelnen Ländern eine Unterstützung fand
in Maßnahmen, welche seitens der Obrigkeiten und auch teilweise
seitens der beteiligten Gewerbetreibenden zwecks Beschattung einer
möglichst gesunden Fleischnahrung getrotten wurden. Wenn auch
die meisten dieser im Interesse der Fleischhygiene erlassenen Maß-
regeln, deren Entstehung und Wandlungen bis in die ersten geschicht-
lichen Zeiten verfolgt werden können , in vieler Beziehung einer
Kritik von der Höhe unserer derzeitigen wissenschaftlichen Kennt-
nisse nicht standzuhalten vermögen, so geben sie dennoch Zeugnis,
daß man sich schon frühzeitig gewisser Gefahren bewußt gewesen
ist, welche den Menschen aus der Fleischnahrung drohen und deren
Althaltung im Interesse des Einzelnen, wie auch des Wohles eines
Volkes liegt.
Gegenüber dem Alter der Fleischbeschau, in welchen Be-
griff man alle die angedeuteten Maßnahmen zusammenfassen kann, ist
Handbuch der Hjgicoe. Bd. HI. Abtli?. i. 27
412 EDELMANN.
es um so auffallender, daß ihre Entwickelung keineswegs im gleichen Ver-
liältnis steht mit den Fortschritten der Wissenschaft auf den Gebieten
der Medizin und Hygiene. Es kann in diesem AVerke nicht auf die
Geschichte der Fleischbeschau eingegangen werden, für
deren Studium die Abhandlungen von Gräber ^ Goltz ''^, Adler^,
Morot'. Koch^ u. a., sowie der betreffende Abschnitt in Oster-
t a g 's Handbuch der Fleischbeschau zu empfehlen sind. Jedoch die That-
sache mag nicht unerwähnt bleiben, daß bis zu einem gewissen Grade
mit dem Aufschwünge der zoologischen, physiologischen und allgemein
medizinischen Wissenschaften sich vielfach ein Rückschritt in der Wert-
schätzung einer Ueberwachung iles Fleischverkehrs geltend machte, der
allerdings auch manchen anderen hier nicht zu erörternden Zeitverhält-
nissen mit zugeschrieben werden kann. Jedenfalls sind, selbst von
wissenschaftlicher Seite, die aus dem Fleische kranker Tiere drohenden
Gefahren für den menschlichen Organismus und die Fleischschäd-
lichkeiten an und für sich, von der Mitte des vorigen Jahrhunderts
bis in die neueste Zeit, vielfach unterschätzt worden. Die jatro-
chemisclie Schule mit ihren Anschauungen über die bedeutenden
Wirkungen der Verdauungssäfte besonders, mag viel dazu beige-
tragen haben , Besorgnisse zu beseitigen und alte bestehende Vor-
sichtsmaßregeln als überflüssig hinzustellen.
Erst der allerneuesten Zeit war es vorbehalten, auch auf diesem
Gebiete teilweise Wandel zu schaffen und mit veralteten Anschau-
ungen aufzuräumen. Während die Fortschritte in den medizinischen
Wissenschaften im allgemeinen und in der Veterinärmedizin im be-
sonderen allmählich einer wissenschaftlichen Fleischbe-
schau die Wege ebneten, forderten die in ihrer wahren Natur nun-
mehr erkannten periodisch auftretenden, epidemischen Fleischver-
giftungen und Trichinosen unter den Menschen die
praktische Verwirklichung und Nutzbarmachung der Fleischbeschau
zur Fürsorge für die menschliche Gesundheit. Diese Fürsorge ist um
so dringlicher, als, wie schon angedeutet, der Einzelne vielfach nicht
imstande ist sich selbst zu schützen und das Fleisch eines einzigen
kranken Tieres seine schädlichen Wirkungen auf eine beträchtliche
Zahl von Menschen zu äußern vermag.
Notwendigkeit der Fleischbeschau.
Geht schon aus dem oben erwähnten Vorkommen von Massen-
erkrankungen von Menschen infolge von Fleischschädlichkeiten (vergL
Kap. VI) das Bedürfnis hervor, diesen durch Maßregeln, durch die
Einführung einer Fleischbeschau zu begegnen, so ergiebt
sich die Notwendigkeit hierzu weiterhin aus folgenden Verhältnissen :
\) Dem Fleische selbst sind zahlreiche ihm anhaftende Schäd-
lichkeiten nicht anzusehen, weshalb der Konsument sich gegen die-
selben nicht schützen kann.
2) Ebensowenig vermag der Konsument die Herkunft und Ab-
stammung des Fleisches zu kontrollieren.
3) Es ist bekannt und wissenschaftlich einwandsfrei bewiesen, daß
die Fleischnahrung die Quelle einer größeren Menge von Schädlich-
keiten bilden kann, als irgend ein anderes Nahrungsmittel.
4) Die Medizinalstatistik zeigt, daß im Gefolge einer guten
Fleischbeschau gewisse Krankheiten der Menschen an Häufigkeit ab-
Fleischbeschau. 413
nehmen. Für einzelne Entozoen des Menschen, welche mit dem
Fleisch übertragen werden, liegen hierfür zahlenmäßige Beweise vor:
Bezüglich der Cysticerkenkrankheit bei Menschen in
Berlin fand schon Virchow* eine Abnahme der Finnen in den
Jahren 1875 — 1891. Während er früher diesen Parasiten in je 31 unter-
suchten menschlichen Gehirnen einmal fand, hatte sich bis Ende 1891
dieses Verhältnis auf 1 : 280 verringert, nachdem im Jahre 1883 in
Berlin die obligatorische Fleischbeschau eingeführt worden war. Be-
sonders augenfällig ergiebt sich die Abnahme der Finnen aus den Be-
richten von Hirschberg ', dessen Untersuchungen sich in Berlin auf
die Augen finnen erstreckten. Dieselben kamen in Berlin 1853 — 1885
in dem Verhältnis 1 : 1000 vor; zeitweilig stieg dasselbe auf 1 : 420
(1876), 1 : 450 (1879) und 1 : 800 (1877). In den 4 folgenden Jahren
bis 1889 war unter den 30000 Augenkranken der Hirs ch be rg' sehen
Klinik nur ein einziger mit einer Augenfinne. In den weiteren
ö Jahren bis Ende 1894 beobachtete er unter 43 000 Augenkranken nur
2 Fälle, die beide von auswärts waren. Während Hirsch berg in
den Jahren 1869 bis 1885 bei 60000 Augenkranken 70 Fälle
von Augenfinnen gefunden hatte (1 : 857), sind in den fol-
genden 9 Jahren unter dem Einflüsse der Fleischbeschau
unter 73 000 Augenkranken nur 3 Fälle von Augenfinnen
beobachtet worden (1 : 24 300), und unter diesen waren noch 2 Fälle
von auswärts. Auch Haugg'^ konstatierte eine beständige Abnahme der
Finnen beim Menschen.
Das Vorkommen der Taenia solium bezeichnet B o 1 1 i n g e r ^
geradezu als einen Gradmesser der Qualität der Fleischbeschau, und mit
der Zeit wird man dieses auch bezüglich der Taenia niediocanellata
sagen können, deren Häufigkeit zur Zeit noch nicht in Al)nahme begriffen
zusein scheint. Nach Bollinger kommt die Taenia solium in München
so gut wie gar nicht mehr vor.
Auch eine Abnahme der Echinokokkenkrankheit der Men-
.schen ist nach Virchow in Berlin zu konstatieren. Bis zum Jahre
1888 hat genannter Forscher im Laufe eines Jahres 5 — 9 mal Echino-
kokken feststellen können. Vom Jahre 1888 ab sank die Zahl der Fälle
auf 3 — 1 im Jahre herab, trotzdem das Untersuchungsmaterial erheblich
zunahm.
Ebenso treten günstige Wechselbeziehungen zwischen
Fleischbeschau und der Helminthiasis der Hunde hervor.
Nach Deffke's^" Untersuchungen ist die Zahl der Entozoen besitzen-
den Hunde in Berlin bedeutend zurückgegangen, was D. besonders an
dem seltenen Vorkommen der Taenia marginata nachweist. Trotz-
dem in Berlin immer noch 62 Proz. aller Hunde mit Entozoen behaftot
sind, fand D. die Taenia marginata nur bei 7 Proz. der untersuchten
Hunde, wohingegen Krabbe'* dieselbe in Island bei fast 75 Proz.,
Schoene'"'* in Sachsen bei bis zu 27 Proz. der Hunde beobachtete.
Der Umstand, daß die Fleischbeschau für eine Vernichtung der bei Schlacht-
tieren sehr häufig vorkommenden mit dem Cysticercus tenuicollis behafteten
Eingeweide derart Sorge trägt, daß sie von Hunden nicht aufgenommen
werden können, hat dieses günstige Verhältnis herbeigeführt.
öl Die Ergebnisse der neueren, wissenschaftlichen Fleischbeschau
in ganzen Ländern nnd in einzelnen Städten, liefern ein ziemlich ge-
naues Bild von der Häufigkeit des Vorkommens kranker Schlachttiere.
114 EDELMANN,
Dio lJ«'triol>>«roMillatc «lor -5H> preußischen SchlaehtliJiuser im Jahre 1894
waren nach Schnialtz'" folgende:
von 673328 geschlachteten Rindern wurden gänz-
lich verworfen 39^5 = »r'" Proz.
von 07S 204 geschlachteten Kälhorn wurden gänz-
lich verworfen • • 1829 = 0,18 „
von 1098140 geschlachteten Schafen und Ziegen
wurden gänzlich verworfen 1126 = 0,1 „
von 2324945 geschlachteten Schweinen wurden
gänzlich verworfen 12675 = °.'>^ n
Teilweise verworfen bez. unter Deklaration verkauft wurden:
5315.5 Rinder = 0,-8 Proz. 274 Kälber = 0,028 Proz.
1821 Schafe u. Ziegen = 0,10 „ 15367 Schweine = o,g6 „
Bei Kälbern, Schafen und Ziegen, sowie Schweinen können die Zahlen keinen
Anspruch auf absolute Genauigkeit machen, da in den Tabellen nicht angegeben wird,
wieviel der tuberkul«">s befundenen Tiere vernichtet oder teilweise verwertet wurden.
Tuberkulose wurde festgestellt bei:
67984 Rindern = lo.oti Proz. 15877 Schweinen = 0,68 Proz.
504 Kälbern = 0,05 „ 853 Schafen = 0,07 „
Finnen sind bei 710 Rindern = 0,1 Proz. und 5569 Schweinen = 0,23
Proz. gefunden worden. — Mit Trichinen waren behaftet 603 Schweine
= 0,02:. Proz.
An Pferden wurden in den öffentlichen Schlachthäusern und den 314 selb-
ständigen Rofsschlächtereien geschlachtet 52394. Darunter waren 10 rotzige und
4;j tuberkulTtse. Gänzlich vernichtet wurde das Fleisch von 356, teil-
weise von 35.T Pferden.
Bericht über «lie Fleischbeschau im Köni^'eieh Sachsen" vom Jahre 1894.
Ueber die Ergebnisse der Fleischbeschau liegen Berichte aus 25 Städten vor.
In denselben sind untersucht worden: 78886 Kinder (41,2 Proz. der in Sachsen
überhaupt geschlachteten), 380170 Schweine (45,5 Proz.), 188509 Kälber, 130243
Schafe. 1562 Ziegen, 4852 Pferde, 389 Hunde.
Von diesen Tieren waren wegen gröfserer oder kleinerer Mängel und Krankheiten
zu beanstanden, ohne Rücksicht auf die folgende Verwertung (Freigabe, Nicht-
bankwürdigkeit, Verwerfung):
22230 Rinder = 28,.3 Proz. der geschlachteten,
I 264 Kälber = 0,0 „
4821 Schafe = 3,7 ,,
21 Ziegen = 1,3 „
16449 Schweine = 4,3 „
139 Pferde = 3,9
24 Hund e = 6,1 „
Es wurden vernichtet mit allen Organen:
619 Rinder = 0,78 Proz.
36 Schafe = 0,02 „
321 Schweine = 0,08 „
2 Ilunde = o,.-,o „
Der Freibank waren zu überweisen :
1084 Rinder = i,3 Proz. 174 Kälber = 0,09 Proz.
66 Schafe = 0,0.0 „ 3 Ziegen = 0,19 „
3870 Schweine = 1,02 „
Von einzelnen Organen und Teilen wurden beschlagnahmt und
vernichtet:
Bei Rindern: 15501 Lungen, 180 Herzen, 5891 Lebern, 593 Milzen, 1351 Mägen
und Gedärme, 358 Nieren, 1851 Uteri, 222 Euter, 128 Kopfteile, 145 Zungen, 139 ver-
schiedene Teile. — Bei Kälbern: 197 Lungen. 13 Herzen, 404 Lebern, 33 Milzen,
62 Mägen und Gedärme, 420 Nieren, 6 verschiedene Teile. — Bei Schafen: 2542
Lungen, 7 Herzen, 2227 Lebern, 17 Milzen, 11 Mägen und Gedärme, 19 Nieren, 159
Uteri, 9 Euter, 1 1 verschiedene Teile. — Bei Ziegen: 10 Lungen, 5 Lebern, 1 Milz,
1 Magen. — Bei S ch weinen : 9011 Lungen, 365 Herzen, 6895 Lebern, 673 Milzen,
2267 Mägen und Gedärme, 304 Nieren, 478 Uteri, 42V2 Euter, 69 Kojjfteile, 16 Zungen,
I.S6
Kälber
=
0,0 s
Proz
6
Ziegen
=
0,3 8
36
Pferde
=
1,0 5
Fleischbeschau.
415
205 verechiedene Teile. — Bei Pferden: 45 Lunpen, 4 Herzen, 15 Lebern, 3 Milzen,
5 MüRen und Gedärme, 5 Nieren, 2 Uteri, 1 Euter, 1 Zunpe, 16 verschiedene Teile. —
Bei Hunden: 12 Lungen, 1 Leber, 1 Milz.
Von hauptsächlich vorkommenden Krankheiten warden folgende festgestellt :
Krankheit bez. Grund zur
Beanstandung
Zahl der beanstandeten Tiere
Rind ' Kalb Schaf Schwein
Abmagerung bez. Unreife . . .
Abscesse
Aktinomykose
Distomatose
Echinokokken
Euterkrankheiten
Finnen
Gebärmuttererkrankungen . . .
Herzbeutel- und Herzentzündungen
Ikterus
Knochenbrüche
Kryptorchismus
Lebererkrankungen
Lungenerkrankungen
Lnngenwürmer
Magendarmerkrankungen ....
Muskelblutungen
Muskelkonkremente
Muskelstrahlenpilze
Miescher'sche Schläuche ....
Nabelvenenentzündung
Nierenkrankheiten
Peritonitis
Pleuritis
Pyämie und Septikämie ....
Rhachitis
Rotlauf, allgemeiner
Rotlauf, Urticaria
Schweineseuche
Transportschäden
Trichinen
Trächtige Uteri
Verschiedenes
Tuberkulose
•4
814
269
2076
39
81
2257
108
^_
70
64
56
8
I
I
6
20
501
384
84
10
86
54
—
130
144
56
33
9
250
5
129
II
I 144
158
16911
104
341
303
1268
1536
'3
23
340
529
703
26
157
143
207
3
21 1
47
210
2230
•3<2
25
216
98
76
205
611
«355
937
150
30
39
20
2
190
28
74
6
4
165
36
11
86
28
487
732
834«
Ergebnisse der Fleischbeschau in Baden '* im .lahre l!s94.
&s
B
e
Ml
Beschlagnahmte Teile u. Eingeweide
Dem Konsum
a
3
Dem K
onsum
gewerbsmäfsig geschlachteter Tiere
Tier-
S B
entzogen
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2
entzogen
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Bullen
8 246
10
0,1s
61
5
8,2
Ochsen
20233
8
0,03
342
28
8,18
Kühe
22811
143
0,6«
5393
802
14.8
Us
538
3164
1929
235
114
1400
Rinder
68846
27
0,03
1199
116
9,«
Pferde
I 180
31
2,62
36
6
16,6
Kälber
121 244
*5
0,08
1084
54
4,9
)•■
Schafe
25558
6
0,02
29
Ziegen
7 373
8
0,10
39
5
13,0
93
4411
3189 46
80
106
Schweine
215277
79
0,03
874
39
4,4 6
41Ö
KDELMANN,
Krsrohnisso der stHdtiscIion FU'isi-lihescIiau in Iterlin ''• 1803/04.
lu den Schlachthäusern, einschliefslich dem Polizcischlachthausc, worden ge-
schlachtet: 144 928 Rinder, 557 573 Schweine. 119 187 Kälber. 417 747 Hammel. Die
gröfsten Schlachttaee waren der 10. Dezember mit 1017 Rindern, der 21. Dezember
mit 4084 Schweinen der 21. März mit 2396 Kälbern und der 28. August mit 2881
Hammeln. Von jüdischen Schächtorn wurden 10 061 Rinder, 6590 Kälber,
4159 Hammel geschlachtet. Das ritualmäfsig geschlachtete koschere Fleisch (die
VordervierteH ergiebt nur 1.24 Proz. des in Berlin geschlachteten und 1,04 Proz. des
Berliner Konsums überhaupt.
.\n ganzen Schlachttieren wurden im Polizeischlachthanse und von der
städtischen Fleischbeschau in den öffentlichen Schlachthäusern beanstandet bez. ver-
worfen folgende Tiere:
Krankheit
Rinder Schweine Kälber Hammel , Summa
a) Tuberkulose
b Finnen
c) Trichinen
d) Rotlauf
e) Wassersucht
f) Gelbsucht
g^ Milzbrand
h) Entzünd. versch. Art .
i) Strahlenpilze . . . .
k) Kalkkonkremente . . .
1) Ekelerregende Be-
schaffenheit
m^ Blutig, zertreten . . .
n) Zu spät gestochen . .
o) Andere Krankheiten
In den Schlachthofställen
verendet
1827
276
35
I
5
25
10
30
41
16
436
2585
123
243
29
72
26
6
45
39
14
27
599
335
76
64
7
106
53
10
17
57
22
14
7
18
165
6
2356
2861
123
243
185
102
5
17'
6
45
65
70
286
631
360
Aufserdem wurden 6610 ungeborene Kälber der Abdeckerei überwiesen.
Von den unter a, b, i, k, 0 genannten Tieren konnten im gekochten Zu-
stande verwertet werden 336 Rinder, 1988 Schweine, 1 Kalb. 1 Hammel, zusammen
2321 Tiere mit ca. 4500 Ctr. Fleischgewicht Das Kochen des Fleisches findet, soweit
es von tuberkulösen Tieren abstammt, im Ro hrbec k 'sehen Apparate (s u.) statt;
in dem B ecker-üllm an n'schen Apparate (s. u.) wird das Kochen des Fleisches von
schwachfinnigen Tieren, von solchen, deren Fleisch mit Kalkkonkrementen, Duncker-
schen Strahlenpilzen, M iescher'schen Schläuchen und mit multiplen Blutungen durch-
setzt ist vorgenommen.
An einzelnen Organen wurden dem Verkehre entzogen :
Krankheiten
- von Rindern
von Schweinen
von
Kälbern
von Schafen
Lungen Lebern
Lungen Lebern
Lungen Lebern
Lungen Lebern
veralt Entzflnd.
178 38
8559 122
23
I
2466 4
Abscesse .
20; 432
762 210
2
27
2 —
Echinokokken .
2670 693
5976 3377
—
4778 2213
Fadenwürmer .
7 ~~
3858 -
—
—
881 1 —
Diatomen . .
49 1535
— 17
—
2
— 2064
Aufserdem wurden beschlagnahmt
wegen Fäulnis : 1 7 Lungen, 2 Lebern, 44 kg Fleisch ;
Aktinomykose: 99 Rinderzungen, 74 Rinderkiefer;
„ blutiger Beschaffenheit: 1278,.=! kg Fleisch.
Von einzelnen besonders häufig beobachteten Krankheiten sind
folgende zu erwähnen:
Tnberkulose wurde festgestellt bei
21 181 Rindern = 14,0 Proz. (im Vorjahre 14,1 Proz.)
3953 Schweinen = 0,7 „ („ „ i,z „ auffallender Rückgang!)
130 Kälbern = 0,11 „ ( ,, „ 0,15 „ )
20 Schafen = 0,004 ,.
6
Fleischbeschau. 417
An Gelbsucht waren erkrankt: 4 Rinder, 17 KÄlbt»r, 31 Schafe, 93 Schweine,
von welchen 7 Kälber. 18 Schafe, 71 Schweine beschlapuahmt wurden.
Die Wassersucht war bei 7 Rindern, 36 Kälbern. 104 Schafen und 22 Schweinen
in einem so hoch ausjjobildoten Grade zugegen, dafs deren Vernichtung erfolgen
niufste.
Wegen Rotlauf waren 236 Schweine zu beschlagnahmen.
Scbweineseuche gab 398 mal Veranlassung zur Zurückweisung des Fleisches,
jedoch wurde die Krankheit bedeutend häufiger beobachtet.
F>ine ekelerregende Beschaffenheit hatte das Fleisch hol 8 Rindern,
9 Kälbern. 8 Schafen, 35 Schweinen Von letzteren bosassen 32 einen fischigen Geruch.
An Neubildungen, welche auf die Beschaffenheit des Fleisches von Einflufs
waren, wurden beobachtet: Sarkome bei 2 Rindern und 2 Schweinen und Lympho-
sarkome bei einem Kalbe. In allen Fällen sassen die Neubildungen in der Muskel-
sabstanz selbst.
Wegen Entzündungen verschiedener Orgaue und wegen deren
Ausgänge sind 21 Rinder, 101 Kälber, 10 Schafe, 24 Schweine beanstandet worden.
Bei den Rindern spielte die Fremdkörper-Pneumonio in Verbindung mit einer trauma-
tischen Haubcnzwerchfellentzündung die Hauptrolle. Bei den Kälbern kamen vielfach
peptische Magengeschwüre mit folgender Perforativperitonitis vor.
Finnen wurden gefunden in geringer Zahl bei 27(5 Rindern und 1707 Schweinen.
Stark finnig waren 877 Schweine.
Trieb inen haltige Schweine sind 122 beschlagnahmt worden, davon waren
39 stark, 34 mittelstark und 49 schwach trichinös.
Kalkkonkrem ente waren bei 45 Schweinen Grund zur Vernichtung
Multiple Ecchymosen wurden sehr oft, D unck er 'sehe Strahle np ilze
nur G mal gefunden.
In den städtischen Untersuchangsstationen sind an eiagenüirtem Fleisclie unter-
sacht worden:
163087 Rinderviertel. 156 981 Kälber, 39 598 Schafe, 96 714 Schweine mit einem
Oebührenerträgnis von 220921,50 M.
Unter diesem Fleisch waren 12 461 Rinderviertol, 3130 Schweine dänischen Ur-
sprungs: ferner 2366 russische Schweine, 147 Bakonyer, 847 Wildschweine, sowie 32
australische Rinderviertel.
Ferner gelangten 8272 Schinken und 2321 Speckseiten zur Untersuchung. Ein
amerikanischer Schinken war stark trichinös. Ein Fütterungsversuch mit den unver-
sehrt erscheinenden Trichinen verlief resultatlos.
Beschlagnahmt wurden: 491 Rinderviertel, 86 Köpfe, 89 Zungen, 25 Lebern
IS Lungen vom Rinde ; 84 Schweine, 294 Kälber, 5 Schafe, 5 Ziegen und 8 Ziegen-
lämmer; 207 kg Fleisch verschiedener Art und 101 verschiedene Fleisch- und Ein-
gaweideteile.
Resultate der Fleischbeschau am stildtischen Vieh- und Schlachthofe zu Leipzig'''
flir das Jahr 1894.
Es wurden gänzlich verworfen von:
22570 geschlachteten Rindern 279 = i,:i Proz.
57894 „ Kälbern 88 = 0,2
45719 II Schafen 2 = 0,004 „
102 192 „ Schweinen 575 = o,f. „
1058 „ Pferden 2 = 0,13 „
Der Freibank wurden überwiesen:
414 Rinder = 1,8 Proz. 48 Kälber = o,i Proz.
13 Schafe = I ,, 715 S ch wein e = 0,7 „
Aufserdem wurden an einzelnen Eingewoiden von Tieren, deren Fleisch zur
rnenschlichcn Nahrung zugelassen werden konnte, beschlagnahmt und vernichtet:
Bei Rindern: 6859 Lungen, 18 Herzen, 1772 Lebern, 2ö2 Milzen, 803 Mägen
Itez. Därme, 63 Nieren 354 Uteri, 40 Euter, 2 Harnblasen, 27 Zungen und 50 andere
Kopftoile. — Bei Kälbern: 24 Lungen, 48 Lebern, 3 Milzen, 11 Mägen und Ge-
därme, 112 Nieren und 1 Harnblase. - Bei Schafen und Ziegen: 539 Lungen,
299 Lobern, 2 Mägen und Därme, 4 Nieren und 32 Uteri. — Bei Schweinen:
2504 Lungen. 4 Herzen, 2083 Lebern, 70 Milzen, 1121 Mägen und Därme, S(j Nieren.
58 Uteri, 9 Euter und 10 Netze. — Bei Pferden: 17 Lungen. 1 Leber, 2 Milzen.
Bei der Untersuchung des von auswärts eingeführten Fleisches
418
EDELMANN,
wurden beschlagnahmt: 8 ganze Kinder, 16 Rinderviertel, 5 ganze Kälber, 1 ganze»
und 1 halbes Schwein, 230 Schweiuslebcrn, 35 verschiedene Fleischstücke.
Erpebuisse der Schlachtvieh- ini<l Fleiscliheschau der Staidt Dresden '^
vom .laliro 1M>''>.
Auftrieb zu den Vieh markten;
28 635 Rinder (12154 Ochsen. 8955 Kühe und Kalben. 7526 Bullen). 66 lOO
Kälber. 53 84« Schafe, 8 Ziegen, 1350.50 Schweine (130 744 Land-, 4306 Bakonyer-
Schweine — 181 alter Bestand).
Schlachtungen:
21683 Rinder (8675 Ochsen, 5845 Kühe und Kalben, 7163 Bullen, 60564 Kälber
43 355 Schafe. 3 Ziegen, 106906 Schweine (102 419 Land-. 4487 Bakonyer-Schweine),
1097 Pferde.
Beanstandungen und Beschlag nahraungen:
a) ganzer Tiere:
üesamt-
Beschlagnahmt und
Tiergattung
samme
der bean-
standeten
Vernichtet
Zur Freibank,
roh, gekocht
Nur das Fett
ausge-
schmolyen zur
Bankwürdig
Tiere
oder gepökelt
Freibank
Stück Proz.
Stück
Proz.
Stück Proz.
Stück Proz.
Stück Proz.
Rinder zus. . .
8424 38,85
74
0,34
496
2,28
21 113
97 38
Ochsen . . .
3333 38,42
'5
0.1 7
HS
1,67
—
—
8515
98. 16
Kühe u. Kalben
2995 5I>25
44
0.75
254
4-34
—
—
5 547
94 91
Bullen ....
2096 29,26
15
0,21
97
1,35
—
—
7051
98,44
Kälber ....
664 , 1,09
32
O,0.T
162
0,26
—
-
60370
99, «9
Schafe ....
1152 1 2,65
14
0,03
86
0,19
—
—
43255
99. 7»
Schweine zus. .
6143 1 5-7
15
0,01
1332
1,24
35«
0,33
105 201
98 42
Landschweine .
5744
56
15
0.01
"73
1,14
31Ö
0,30
100915
98 .05
Bakonyer . . .
399
8,9
—
159
3,54
42
0,93
4 286
95,5 3
Pferde ....
43
3.91
17
1,54
~
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I 080
98 46
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2
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1^
kg
Kinder . . .
6509
47
1726
158
III
215
539
45
32
99
97
654,0
Kälber . . .
lOI
—
199
10
5
375
—
—
—
—
3
2,75
Schafe . . .
707
—
474
3
5
»3
—
2
—
I
4,5
Schweine . .
2913
169
1882
212
S70
121
382
14
2
2
260
372.0
Pferde . . .
21
-
5
2
—
—
—
—
—
—
(Siehe Tabelle S. 419.)
Von eingeführtem frischen Fleisch wurden im Jahre 1895 zur Be-
schau gestellt:
Rindfleisch: 526701,0 kg (7538 Viertel, 1575 Schofs mit Lende, 714 Ein-
geweide, 3^34 Zungenj. Davon wurden zurückgewiesen 262 Stücke = 8137,5 kg und
beschlagnahmt 150 Stücke = 2613,40 kg.
Kalbfleisch: 329 592,5 kg (6323 ganze Kälber, 41 Rücken, 2132 Keulen, 2555
Keulen mit Rücken, 1042 Lebern, 4965 Eingeweide, 6 Zungen). Zurückgewiesen 148
Stücke = 1191,40 kg. beschlagnahmt 76 Stücke = 180,35 kg.
Fleischbeschau.
419
Die Krank lioiten. welche zur Boschla«' nähme t,'anzpr'riereVeran
lassunp paben. sind in folgender Tabelle zusaninienK'estellt:
Krankheit
Abmagerung
Abscesse
BauchwasBereucht
Blutige Infiltration
Cystitis purulenta
Embolien
P'.ntzQndungen Terschied. Organe
Finnen
Gebärmuttererkrankungen . . .
Hautentzündungen
Herzbeutel- u. Herzentzündungen
Hitzschlag
Ikterus
Kreislaufstörungen
Kryptorchismus
Leuk. Ljmphomatose
Magen- und Darmentzündung . .
Mangelhafte Ansblutung ....
Melanose
Morbus maculosus
Muskelblutungen
Muskeldegeneration
Muskelkonkremente
Nabelvenencntzündung
Nierenerkrankungen
Osteomyelitis
Peritonitis und Pleuritis ....
Pyämie und Septikämie ....
Rotlauf, allgemeiner
Urticaria
Schweinepest
Schweineseuche
Schwergeburt
Transporiverletzungen
Trichinen
Umfängliche Verletzungen . . .
Unreife
Urämie
Wassersucht
Verschiedenes
Rinder
9 ^
107
Kälber
I ! 1
— ! 4
Schafe
5
60
Schweine
C O t. c
2
141
Pferde
53
100
91 2
— I I
6i 6
,ra , Hammelfleisch: 10494.0 kg (361 ganze Hammel, 20 Rücken, 90 Keulen
198 Keulen mit Rücken, 121 Eingeweide. Zurückgewiesen : 13 Stücke = 60,1 kg, be-
schlagnahmt 4 Stücke = 6,2 kg.
Ziegenfleisch: 124,5 kg als 8 ganze Ziegen, von denen 1 Stück = 13,0kg
zurückgewiesen wurde.
Schweinefleisch: 284 022,5 kg (1164 ganze Schweine, 138!» halbe Schweine,
1120 Keulen. 1U97 Carr^s, 3792 Keulen mit Carr^s. 31570 Lebern, 1128 Eingeweide,
6 Zungen). Zurückgewiesen: 190 Stücke == 1869,85 kg. beschlagnahmt 727 Stücke
= 1495,35 kg. 475 Stücke für Privatgebraucb, wovon 157 Stücke auf Trichinen unter-
sucht wurden.
Pferdefleisch: 150,0 kg (4 Viertel und 1 Eingeweide), beschlagnahmt
1 Stück = 6,N kg.
Den Trichinenscha u vo rschri ften gemäfs wurde 295 778 kg einge-
führtes verarbeitetes Schweinefleisch (8596,5 kg gepi'.kelteii, 71 630,5 kg
420 EDELMANN,
Schinkon und peräuchertos Fleisch, 215 551,0 kg Wurst) behandelt, davon mufsten
9 Stücke ficprikoltes = 23,0 kg, 3497 Stücke Schinken und geräuchertes Fleisch
= 17 515,5 kp und 571 Würste = 7G6,0 kg in den Schauämtern untersucht werden,
während das Uebrige mit Nachweis einer bereits anderwärts erfolgten Untersuchung
nur zur Kontrolle angemeldet wurde. Beschlagnahmt wurden 3 amerikanische
Schinken wegen Trichinen und 4 Schinken wegen Kinnen.
1) Gr&ber, llütorisches zur Kntirickelung dir iifcnüicfien Oesundheäspflege auf dem Gebiete
der FUitchnahrung, Inaug.-Diit., Leipzig 1884.
3) Goltz, Arch. J. animal. }\ahmng$mittelkunde 6. Bd. 123, 151, 161.
3) Adler, Die Fleitchteuerungspolitüc der deutschen Städte heim Ausgange des Mittelalters,
Tübingen 1893
4) Morot. liic. de med. vä. {\6^0) Sept , Progrh vitir. de Paris (IS91), Xo. 2, lief. Zeitschr.
/. Fleisch- u. Müchhyg. 3. Bd. 35.
5) Koch. Berl. tierämtl. U ochenschr. ^891) 380.
6) Zeitschr. /. Fleisch- u. Milchhyg. 2. Bd. 140.
1) Hirschberg, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhi/g. 2. Bd. 140; D. med. Wochenschr. (1892)
jSo 1(1. — 25. Jahresbericht seiner Klinik, Berlin 1893, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milclüiyg.
4. lid. 120.
8) Hangg. l'eher den Cysticercus cellulosae des Menschen, Inaug.-Diss., Erlangen 1890.
9) Bollinger. Münch. med. Wochenschr. (1888) No. 31, OsteHag's Handb. 2. Bd. 7.
10) Deffke. Arch. f. irissfnschajtl. u prakt Tierheilkunde 13. Bd. 1 u. 283.
11) Krabbe. Virch. Arch. (1863) 225
12) Schoene. Beitrag zur Statistik der Entozoen im JJunde, Inaug.-IHss., Leipzig 1886.
13) Schmaltz. Berl. tierärztl. Wochenschr. (1895) No, 32, 33, 34.
14) Edelmann, Sachs. Veteriwirbericht (1894) 156.
15) JJ. tierärztl. Wochenschr. 3. Bd. 177.
16) Hertwig, Aus dem Vencaltungsbericht des Magistrats zu Berlin, No. 31, Berlin 1894.
17) Hengst, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 5. Bd 135.
18) Edelmann, Deutsch, tierärztl. Wochenschr. 4. Bd. 140.
Litteratur übor Fleischbeschau.
1. Wis senschaftliche Lehr- und Handbücher.
Oerlach, Die Fleischkost des Menschen vom sanitären vnd marktpolizeiiichen Standpunkte,
Berlin 1875.
Falk, Das Fleisch, Marburg 1880.
Baraj'iski. Anleitung zur Vieh- und Fleischbeschau, Wien und Leipzig 1882, 3. Aufl. 1887.
Schmidt-Mälheim, Handb. d Fleischkunde, Leipzig 1884.
Villain et Bascon, Manuel de l'inspecteur des Viandes, Paris 1885, 2 Aufl. 1890.
Villain, La riande saine, Paris 1894; La viande malade, Paris 1894.
Postolka u. Toscano, Die animaliichen Nahrungs- und Genu/tmittel des Menschen, Wien 1893.
Btröse, Hilfstajfln für das Obduktionsbuch, Göttingen 1894.
Ostertag, Handb. d. Fleischbeschau, StuttgaH 1892, 2. Aufl 1895, 733 SS. Auf dieses vorzüg-
liche, den jetzigen Standpunkt der wissenschaftlichen und praktischen Fleischbeschau völlig
umfassende Werk sei hiermit ganz besonders mit dem Bemerken hingeviiesen, dafs natur-
gemäfs der Verf. vorliegender Abhandlung in vielen Punkten sich an die Ost er tag' sehe
Bearbeitung anlehnen mvfste.
Schwarz, Bau, Einrichtung und Betrieb von öffentlichen. Schlachthöfen, Berlin 1894, enthält
auch viele, besonders die Organisation der Fleischbeschau betretende, interessante Einzel-
heiten.
2. Für Laien- Flei s chb eschauer bestimmte Bücher und p opulär e
Litte ratur.
Lydtin. Anleitung zur Ausübung der Fleischbeschau für badische Fleischbeschauer, Karlsruhe
1878, 2 Aufl. 1890.
Schwarznecker, Anleitung zur Begutachtung der Schlachttiere und des Fleisches, Berlin 1894.
Mölter. L'.itfaden zum Unterricht in der Fleischbeschau, 2 Aufl , München 1894.
Schenk. Katechismus der praktischen Schlachtvieh- und Fleischbeschau, Wiesbaden 1894.
Simon, Grundrifs der gesamten Fleischbeschau, Berlin 1894.
Eischoeder, Leitfaden der praktischen F'leischbesr.hau, Berlin 1895.
Hengst und Schmidt, Das Fleisch unserer Schlachttiere. Die Bedeutung der Fleischnahrung,
sowie die sachgemäfse Beurteilung und die Verwendung des F'leisches der Schlachttiere
im Haushalte. 16 Farbendrucklafeln nebst Erläuterung. Leipzig 1894.
Fleischbeschau. 421
3. l> i e Trichinenichau behandelnde S c h rij te n.
Au* der gro/ten Zahl der ersehienentn Anleitungen, Leitj<iden u. dergl., welche vielfach
nur da* für dte Au*bildunij von Trichinenschauern notdürftigste ilaterial enthalten, seien hier
folijeiide ertcähnt:
Bupprecht, Iter Trichinentueher etc., 14 Aufi , HetUtädt 1887.
Wolflf. l>ie Untersuchung de* Fleuche* auf Trichinen, 7. Aufi , Breslau 1893.
Peokert, Kurze Anleitung zur Trichinenschau etc., Merseburg 1893.
Weifl, IjChrkursu* der praktischen Trichinen- und Finnenschau etc., 2. Aufl., Düsseldorf I69i.
Long und Preaise. Praktische Anleitung zur Trichinenschau, Berlin 1895.
John«, Der Trichxnenschauer. Berlin 1886, 5 Aufl. 1896. 166 SS. Dieses ausgezeichnete
Buch verdient ganz besondere Empfehlung. Es enthält nicht nur alles, was der prak-
tische Trtchinenschauer bei der Ausübung seines Berufes wissen mu/s, sondern bietet auch
dem wissenscha/llich Gebildelen Gelegenheit, sich schnell über alU bei der Trichinenschau
in Betracht kommenden Verhältnisse zu orientieren.
4. Die Gesetzgebung der Fleischbeschau byttreffende Werke.
ßchmidt-Mülheim, Der Verkehr mit Fleischwaren und das Nahrungsmitttlgesetx vom 14. Mai
1879, Berlin 1887, 2. Aufl., bearbeitet von Goltz- Halle a. S., Wiesbaden 1895.
Schlampp, Die Fleischbeschau-Gesetzgebung in den sämtlichen Bundesstaaten des deutschen
lUiches. StuUgart 1892
Würibarg, Die Sahrungsmittet-Gesetzgebung im Deutschen Reiche und in den einzelnen Bundes-
staaten. Leipzig 1894. Ein sehr instruktives Werk, welches unter juristitcher Beleuchtung
die Gesetzgebung über Nahrungsmittel erschöpfend behandelt und vom Verf mannigfach
benutzt teer den mu/ste.
5. Zeit t ehr ift e n.
Schmidt- Mölheim, Zeitschrift für Fleischbeschau und Fleischproduktion, sowie für verwandte
Wusensgebiete, begründet Karlsruhe (1885/^6) Nach dem Erscheinen von 3 Bänden tcurde
Oktober 1888 der Titel abgeändert in Archiv für animalische Xahrungsmittelkunde, das
bis 1894 erschienen ist und in Bd. 6 — 8 von Dr. Anton Sticker in Köln herausgegeben
wurde.
Oitertag, Zeitsehr. f. Fleisch- u. Müchhyg., begründet Berlin (1890), Monatsschr.
Aufserdem enthalten fast alle tierärztlichen Fachzeitschriften zerstreute Veröffentlichungeti aus der
Fleischbeschau und animalischen Nahrungsmittelkunde. Bei der Reichhaltigkeit der Litteratur
an Mitteilungen aus den letztgenannten Gebieten, besonders tn kasuistischer Beziehung, ist
es dem Verf. unmöglich, in dieser Bearbeitung alle VeröjTentlichungen aufzuführen. Die
in den folgenden Abschnitten gegebenen Litteraturangahen können daher einen Anspruch
auf absolute Vollständigkeit nictit machen.
I. Kapitel.
Vll^onieines.
1. Wesen der Fleischbeschau.
Unter Fleischbeschau versteht man ganz im allgemeinen die
Untersuchung von Fleisch und der aus demselben hergestellten Pro-
dukte auf ihre ordnungsmäßige Aitstammung und Beschatfonheit als
Nahrungsmittel für Menschen. Da diese Untersuchung in voll-
kommener Ausführung sich auch auf das Schlachttier im lebenden
Zustande und insbesondere nach dessen Schlachtung auf sämtliche
Eingeweide des Tieres zu erstrecken hat, so wäre es richtiger, von
einer Schlachtvieh- und Fleischbeschau zu sprechen.
Sobald im Sinne dieser Beschau von dem Begriff Fleisch
die Rede ist, so ist darunter nicht nur die (juergcstreiftf Muskulatur
des tieri>chen Körpers samt den damit in organi.sclior Verl)in(lung
stehenden (ieweben, als Fett, Bindegewebe, Nerven, Blut- und Lymph-
gefäßen. Lymphdrüsen und selbst Knochen und Knorpel zu verstehen,
422 EDELMANN,
soiulern es sind violniohr alle zum Genuese für Menschen geeigneten
Teile der Schlachttiere darunter zu suhsuniniieren. Wenn einzelne
dieser Teile in sanitärer Hinsicht eine besondere Beurteilung ver-
dienen, welche von der des Fleisches im eigentlichen Sinne abweicht,
so wird dies besonders hervorzuheben sein.
2. Zweck und Aufgaben der Fleischbeschau.
Zu den Zwecken und Aufgaben der Fleischbeschau gehört in
erster Linie die Abhaltung von Schädlichkeiten, welche
durch den F 1 e i s c h g e n u ß der menschlichen .Gesundheit
drohen. Gleichzeitig übernimmt eine gut organisierte Fleischbeschau
die Aufgabe, in kommerzieller Beziehung das Publikum
beim Fleischeinkauf vor Ueber vorteilung und Täusch-
ung zu schützen, indem sie das nach seiner Abstammung oder Be-
schaffenheit nicht vollkommen einwandsfreie Fleisch dem Deklarations-
zwange beim X'erkaufe unterwirft.
Bei Erfüllung dieser Hauptzwecke vermag die Fleischbeschau
auch der Veterinärpolizei durch Entdeckung von Tierseuchen
wichtige Dienste zu leisten, und durch möglichst vollkommene u n -
schädliche Beseitigung aller Produkte von Krank-
heiten samt deren Erregern in allgemein hygienischer Be-
ziehung für Menschen und Tiere nutzbringend zu wirken.
3. Ausbreitun ssgebiet der Fleischbeschau.
Als Objekte dienen der Fleischbeschau zunächst die landes-
üblichen S chlachttiere (s. S. 423), welche lebend und nach der
Schlachtung durch geeignete Sachverständige (s. S. 439) zu unter-
suchen sind. Diese Untersuchung läßt sich am vollkommensten bei
den Tieren ausführen , welche in öffentlichen Schlachthäusern ge-
schlachtet werden. Es lassen sich zwar auch die in den zerstreut
liegenden Privatschlachtstätten eines Gemeinwesens geschlachteten
Tiere einer Beschau unterwerfen, jedoch bleibt diese aus naheliegen-
den Gründen umständlich und weniger zuverlässig. Bei einer Beschau
in einem öffentlichen Schlachthause erstreckt sich diese, der Gleich-
mäßigkeit wegen, auch auf die für Privatzwecke geschlachteten
Tiere, obgleich es nur im öffentlichen Interesse liegt, daß diejenigen
Tiere untersucht werden, deren fleisch als Nahrungsmittel für Menschen
frisch gewerbsmäßig verwertet werden soll, oder das
zur Herstellung von Fleisch waren für den Handelsverkehr
dient. (Ueber Schlachthöfe und Viehraärkte vgl. dies. Handb.
6. Bd. 23 ff.)
Zu einer vollkommenen Fleischbeschau gehört auch eine Kon-
trolle der aus den Schlachttieren hergestellten Fleisch waren , sowie
die Beschau der übrigen zur menschlichen Ernährung dienenden
im Handel befindlichen Tiere (Wildpret, Geflügel, Fische,
Krustentiere, Amphibien, Muscheln).
Bei den mannigfachen Schwierigkeiten jedoch, welche sich dieser
Ausdehnung der Fleischbeschau entgegenstellen und in anbetracht
des Fehlens überhaupt jeglicher Fleischbeschau in vielen Gegenden
Deutschlands , bleibt als nächstliegendes Bedürfnis vor allem eine
Beschau der Schlachttiere anzustreben. Bezüglich der Fleischwaren
»
Fleischbeschau. 423
und der ül)ri!Zon Fleischsortcii , kann man sicli vorläuHfi, auf eine
allgemeine marktpolizeiliche Kontrolle beschränken. Für letztere
allmählich die erforderlichen (Jrundlagen l)ehuf.s Anbahnung einer
wissenschaftlichen Beschau zu gewinnen, bleibt eine dankl)are Auf-
gabe der ausübenden Fleischbeschaubeamten, besonders in den großen
Städten.
4. Schlachttiere.
Die in Deutsciiland vorzugsweise zum Zwecke der Verwertung
als Nahrungsmittel für Menschen zur Schlachtung kommenden Tiere,
teilt man ein in Großvieh. Schweine und Kleinvieh.
Zum Großvieh gelKiren Rinder, Pferde, Esel und Maul-
tiere. Die Rinder kommen zur Schlachtung als männliche Tiere
(Bullen, Farren , Samenrinder, Stiere), als geschnittene, kastrierte
männliche Individuen (Ochsen, Schnittochsen), als weibliche Tiere,
(Kühe, Kall)en, Kalbinnen, Färsen, (^)uienen). Büffel werden in
Deutschland nur als gelegentlich aus dem Auslande importierte Tiere
geschlachtet.
Die Schweine (auch Stechvieh in Oesterreich genannt) schlachtet
man vorwiegend als kastrierte männliche und weibliche Tiere; doch
gelangen auch Eber und Muttersauen und mitunter Kryptorchiden
zur Schlachtung, ebenso wie gelegentlich ganz junge Tiere als
Ferkel, Spanferkel, Frischlinge oder Milchschweine.
Unter Kleinvieh versteht man Kälber, Schafe und Ziegen.
Von sonstigen Haustieren gelangen noch folgende zur Schlach-
tung und Verspeisung:
Hunde, welche auch in einigen Städten (z. B, Chemnitz,
Leipzig, Dresden) dem Schlachtzwange sowie der Fleischbeschau
unterliegen. In Chemnitz wurden in den Jahren ISHO, 91 und 92
auf dem Schlachthofe untersucht 312, 280 und 271 Hunde: in Leip-
zig in den gleichen Jahren ICS, 9(3 und 61'^ Stück. In München
hat der Handel mit Hundefleisch so erheblich zugenommen, daß die
Behörden beabsichtigen, denselben durch geeignete Maßnahmen zu
überwachen. Ebenso scheint in Belgien viel Hundefleisch in den
Konsum zu gelangen.
Katzen werden ebenfalls gelegentlich mit geschlachtet und
auch in betrügerischer Absicht mitunter als Hasen in den Handel gc-
l>racht (s. unten).
Kaninchen schlachtet man in großer Zahl, jedoch meist nur
für den Hausgebrauch. In einzelnen Gegenden Frankreichs bildet
Kaninchenfleisch einen nicht unbedeutenden Konsumartikol.
Das schlachtbare Hausgeflügel mag hier unberücksichtigt
bleiben.
Das Alter der Schi ach ttiere ist mit von Einfluß auf die
Beschaffenheit ihres Fleisches, dessen Güte von verschiedenen hier
nicht zu erörternden Faktoren, wie Geschlecht, Fütterung, Mastzustand
(Grawitz', Die Gewebsveränderungen bei der Mästung), Haltung
der Tiere, beeinflußt wird und im übrigen sich nach den Körper-
regionen richtet, denen es entnommen ist. Das geeignetste Alter zur
Schlachtung bewegt sich, für gemästete Tiere, bei Rindern zwischen
:\ und <■) Jahren, bei Schweinen zwischen '/, und 1'/, Jahren, bei
Schafen zwischen 1 und 4 Jahren. Kälber sollten nicht unter 3
424 EDELMANN,
bis 4 Wochen, Spanferkel niclit nntor 2, Ziegen und Lämmer
nicht unter o Wochen geschhichtet werden. Da Fleisch zu junger
Tiere im Nähr- und Genußwerte dem von älteren Tieren nachsteht,
so ist das Mindest -Schlachtalter der Kälber vielfach in Fleischbe-
schau-Verordnungen und -Regulativen festgesetzt worden.
Nach Würzburg' ist das Schlachten von Kälbern unzulässig in Hessen-
Nassau, wenn dieselben noch nicht 8 Schneidezähne haben, in Sachsen-Alten-
burg (Verord. d. Landesregierung v. 2. Nov. 1852 u. 7. April 1856), wenn sie noch
nicht 14 Tage, im Über-Elsafs, wenn sie noch nicht 20 Tage, im Herzogtum
Koburg, wenn sie noch nicht 3 Wochen alt sind i Kälber von kranken Kühen sind
Sieichfalls vom Schlachten ausgeschlossen), in Lothringen bei einem geringeren
ewicht als 50 kg. In Reufs ä. L. ist vor demselben Alter und bei einem Gewicht
der Tiere, mit Ausnahme des Felles, des Kopfes und des Gehänges, von weniger als
36 Pfund, jeder Kauf und Verkauf verboten. Kälber dürfen in Oberfranken nicht
zum Zweck des Verkaufs geschlachtet werden, wenn sie noch nicht 8 Schneidezähne
haben, desgleichen in Unter franken, wenn sie aufserdem noch nicht 14 Tage alt
sind. Das Fleisch gilt zwar als geniefsbar, abernichtbank fähig in der Pfalz (wenn
noch nicht 6 Schneidezähne vorhanden sind oder das Fleisch mager, von welker Be-
schaffenheit und verwaschen rötlicher Farbe ist, oder das Knochenmark sehr blutreich
erscheint), in Baden (desgl.) vor dem 14. Lebenstage der Tiere ; vor gleichem Alter
in Hessen loder beim Vorhandensein von Durchfall oder Nabelgeschwüren), Herzog-
tum Gotha, Schwarzburg-Rudolstadt; vor dem 20. Lebenstage im Unter-
Elsafs.
5. Schlachtung und Schlachtmethoden.
Die handwerksmäßige Schlachtung der Tiere beginnt mit der
Tötung derselben, welche in Deutschland ausnahmslos durch Blut-
entziehung erfolgt. Letztere muß eine möglichst vollkommene sein.
weil der Blutgehalt des Fleisches seine Haltbarkeit wesentlich be-
einflußt. Ein möglichst vollkommenes Ausbluten wird erzielt, wenn
Herz und Atmung recht lange in Thätigkeit bleiben. Da beides
wesentlich von der Intaktheit der Medulla oblongata mit den Centren
für Atmung, Herzthätigkeit und Vasomotoren abhängt, so würden die-
jenigen Tötungsarten die besten sein, bei welchen das verlängerte
Mark nicht verletzt wird. Die Blut entz iehung erfolgt beim Groß-
vieh durch den Bruststich , bei Kleinvieh und Schweinen durch
den Halsstich oder Halsschnitt. Letzterer wird auch bisweilen bei
Rindern angewendet, insbesondere ausschließlich bei der Schlachtung
der Tiere nach dem israelitischen Ritual. Aus Humanitätsrück-
sichten sollte jeder Blutentziehung eine Betäubung des Schlacht-
tieres vorangehen, welche auch bei den meisten Schlachtungen,
mit Ausnahme derjenigen nach jüdischem Ritus, vorgenommen wird.
Mit dieser Betäubung wird gleichzeitig bezweckt, die starken Ab-
wehrbewegungen der Tiere zu verringern und die daraus für den
Menschen erwachsenden Gefahren abzuwenden. Nach der Ausführung
dieses Betäubungs- etc. Verfahrens unterscheidet man folgende sog.
Schlachtmethoden:
A. Methoden, welche wesentlich auf das Grofshim wirken.
1) Der Stirnschlag, mittels schwerer Holzkeule, Hammer oder
Knopfaxt ausgeführt, findet bei allen Schlachttieren Anwendung und ver-
anlaßt, bei sicherer Ausführung, sofortiges Niederstürzen und Betäubung.
Ebenso wirkt:
2) Der Stirn schlag mittels der Hackenbouterolle oder
14
Fleischbeschau.
425
^^
des Bolzouhammors, wohei ein runder, meißelartiger Stift in das
Großhirn eindringt.
3) Der Stirnschlag unter Benutzung der sog. S chlac h t m as k e
oder Bouterollo von Bruneau. Die Beschaffenheit dieses Apparates,
welcher ausschließlich bei Rindern Anwendung rindet, geht aus der Ab-
bildung 1 hervor. Der Bolzen (Boulon, Bouterolle« wird in das Ge-
hirn hineingetrieben , worauf das Tier
sofort niederstürzt. Rissling-'' zieht an
Stelle des soliden Bolzens einen starken
Hohlcyliuder vor. Kleine Aenderungen
an der Maske stammen von K ö g 1 e r
(Seh w a r z*). Nach Abnahme der Maske
wird in der Regel ein Rohrstäbchen in
die Oetfnung des Schädeldaches einge-
führt, um weitere Himteile zu zerstören.
Die dadurch entstehenden konvulsivi-
schen Zuckungen machen zwar einen
widerwärtigen Eindruck, erfolgen jedoch
bei aufgehobenem Bewußtsein. Der von
D e mb o ^ ^ ausgesprochene Zweifel über
die Zuverlässigkeit der Wirkung der
Schlachtmaske, ist durch eine statistische
Zusammenstellung Siedamgrotzky's^
als widerlegt zu erachten.
4) Der Stirn schlag mittels des Federbolzenapparates
nach K 1 ein schmid t ^,^, bez. des Bo Izenapp a ra te s nachKögler^.
Beide Instrumente wirken als Bouterollen und dienen zum Betäuben von
Schweinen und Schafen (Fig. 2 u. Fig. 4, S. 426).
Fig. 1. Kopf vom Rinde mit an-
gelegter Schlachtmaske.
3
itiriiMiiiifini'iiiiiiiiri — '■
Fig. 2. Senkrechter Durchschnitt durch das Mittelstück einer Rinderschlachtmaske.
(Mach Kögler.) a FUhrunKsrinne im i^chiagbolzen, b eisernes Mittelstück, c Führungs-
schraube für den Schlagbolzen, d Lederwerk der Maske.
5) Das Erschießen der Schlachttiere mittels der Schußmaske
von Siegm,und^. Ein ähnlicher Apparat, ohne das Lederwerk der
'5
42(3
EDELMANN,
Maske wird ueuerdiiigs durch die Patroneufabrik S t ahel in WoUishofeu
bei Zürich hergestellt und durch die Firma Arthur Stoff in Erfurt in
den Handel gebracht (Fig. 3). lieber die Anwendung und Wirkung dieser
Apparate, welche besonders zu empfehlen sind, seitdem die Patronen mit
rauch- und knallschwachem Pulver geladen werden, ist nichts weiter zu
sagen. (Vergl. die Veröffentl. von Edelmann ^*', Bayersdörfer
und Görig '^ und Fuchs'*.)
B. Methoden, welche die Leitung zwischen Gehirn und Hückenmark
unterbrechen.
1) Der Genickschlag \Yird mittels der Axt, Hackenbouterolle,
Keule oder schweren Hammers ausgeführt. Es ist besonders bei stark
gehörnten oder alten Schafen die beste Betäubungsart.
2) Beim Genickstich wird
ein dolchartiges, starkes Messer
zwischen Atlas und Occiput einge-
trieben und damit die Medulla oblon-
gata zerstört.
Bei beiden Methoden stürzen
die Tiere meist sofort zusammen. Beim
Genickstich bleibt jedoch das Be-
wußtsein noch einige Zeit erhalten
und sind daher die Tiere anfangs nur
wehrlos. Aus diesem Grunde ist dieses
Verfahren zu verwerfen, dem außer-
Fitr. 3. Kopf vom J^hde- mit dem
Schufsapparat für Grofsvit-h nach 8 t a h e 1 -
Stoff.
dem die mit der Zerstörung der Me-
dulla verbundene ungünstige Beein-
flussung des Ausblutens als Nachteil
anhaftet.
Als älteste Schlachtmethode, die aber ohne Betäubung der Tiere
ausgeführt wird, ist zu erwähnen :
C. Das Schächten nach israelitischem Ritus, welches
und Kleinvieh
bei Rindern
Anwendung
werden die
Fig. 4. Senkrechter Durclischnitt durch einen
Bolzenapparat zur Betäubung von Schweinen. (Nach
K ö g 1 e r.) a Schlagbolzen , h Führungsrinne im
Bolzen , c Führungsschraube für den Schlagbolzen,
d eiserner Mittelcylinder, e Oehr zur Befestigung des
hölzernen Stiels.
r6
findet. Hierzu
Tiere gefesselt und niederge-
legt, worauf ihnen von einem
mosaischen Kultusdiener mit-
tels eines besonderen, breiten
und sehr scharfen Messers
der Hals bis zur Wirbelsäule
durchschnitten wird. Der Tod
der Tiere erfolgt durch lang-
sames Verbluten aus den
großen Halsgefäßen. Das
Niederlegen und Fesseln
großer und kräftiger Rinder
ist oft mit Schwierigkeiten
und Gefahren für den Schläch-
ter verbunden und wird meist
zur erheblichen Quälerei für
das Tier. lieber die Vorteile
und Nachteile des Schächtens
vom humanitären, physio-
Fleischbeschau. 427
logischen und hygienischen Standpunkte, sowie seine Berechtigung in
ritueller Beziehung, ist seit Mitte dieses Jahrhunderts ein heftiger Streit ge-
führt worden, auf den hier nicht näher eingegangen werden kann. Es sei
nur erwähnt, dali das Schächten ohne vorherige Betäubung im Königreich
Sachsen und in der Schweiz verboten wurden ist, eine Maßregel, welche aus
Humanitätsrücksichten die vollste Billigung verdient. Im übrigen muß auf die
Arbeiten und Veröffentlichungen von Kayserling*^^ Bauwerker '^i
Dembo •*,»*, StrebeH', Ehrmann'«, Mitter meier'»,Joger 2",
Kleinschmidtsi, Fenner^ä^ Mandela, Vollers^*^ Friede-
mann ^'^ u. a., den Abschnitt in Ostertag's Handbuch 2«^ sowie die
Sammlung von 254 Gutachten über das Schächten ^^, herausgegeben vom
Komitee*' zur Abwehr antisemitischer Angriffe, verwiesen werden.
Endlich ist noch anzufiihron die nur in England angewendete:
D. Englische Patentmethode. Nach Betäubung des Rindes mittels
Stirnschlag werden die Lungen komprimiert, indem man durch eine
zwischen den Rippen eingesetzte Kanüle mit dem Blasebalge Luft in
den Thoraxraum treibt. Dabei bleibt alles Blut im Körper, welches
die Saftigkeit und den Nährwert des Fleisches zwar erhöht, dessen Halt-
barkeit aber erheblich l)eeinträchtigt.
Daß auch versucht worden ist, Schlacht tiere mittels Dyna-
mit und durch den elektrischen Strom zu töten, mag als
Curiosum nicht verschwiegen bleiben.
Ueber den weiteren Verlauf des handwerksmäßigen
Schlachtens mögen folgende skizzenhafte Bemerkungen einigen
Aufschluß geben,
Rinder und Pferde werden in Rückenlage teilweise enthäutet.
Darauf erfolgt Absetzung der Füße im Carpal- bez. Tarsalgelenk und
des Kopfes (wobei die Hörner der Rinder abgehackt werden, um an der
Haut zu verbleiben), das Abdomen wird in der Mittellinie behufs Heraus-
nahme der zusammenhängenden großen Fettmasson des Netzes eine kurze
Strecke geöffnet. Nachdem noch das Brustbein sagittal und das Becken
in der Symphyse durchsägt, Penis, Hoden und ev. Euter abgeschnitten
worden sind, wird das Tier an einem zwischen Achillessehne und Unter-
schenkelbein durchgesteckten Balken in die Höhe gezogen, um weiter
abgehäutet und schließlich, bis auf die in situ verbleibenden Nieren, aus-
genommen zu werden.
Bei Schweinen erfolgt durch das sog. Brühen in Wasser von
60 — 70 ° C. eine Lockerung der Haare und Epidermis, welche durch Ab-
schaben entfernt werden. Nach Abspülung, Aufhängen an den Beuge-
sehnen der Zehen der Hinterfüße, findet die Herausnahme der Einge-
weide statt; nur die Nieren läßt man meist in der Lage, wenn sie nicht
mit dem retroperitonealen Fettpolster (Schmeer, Liesen, Flohmen) heraus-
genommen werden.
Kleinvieh wird teil.s auf einem Schrägen liegend, teils hängend
nach Entfernung der Füße abgehäutet und hierauf ausgenommen, wobei
immer die Nieren, mitunter Leber und Milz, sowie die Brusteingeweide
in situ bleiben.
Zum Zweck der Zerlegung werden Großvieh und Schweine in
der Regel sofort nach der Schlachtung in sagittaler Richtung durch
Spaltung der Wirbelsäule in zyiei Hälften zerlegt ; Kleinvieh bleibt zu-
Haadbuch der Hyreoe. Bd III. Abtlg. 2. 28
«7
428 EDELMANN,
meist vorläutig ungeteilt. Auf eine weitere Zerlegung kann hier nicht
eingegangen werden i^s. Stutzer S. 208 dies. Bds.).
Behufs Verwertung werden von den Eingeweiden Mägen und Ge-
därme entleert und sorgfältig gereinigt. Ueber die weitere Ausnützung
der Eingeweide, des Fettes und der sog. Schlachtabfälle siehe Stutzer,
Bd. III Abt. I, 218 d. Handbuchs.
Gesetzliche Bestimmungen über das Sclilai-hton von Tieren nach Wernicb
und W e h ui e r * '.
In Preussen enthalten die MinisterialerlaBse v. 16. Dezbr. 1889 n. 25. März 1890
i^Veröffentl. des kaiserl. Gesundheitsamts 1890 55 und 23) über das Verfahren
beim Schlachten des Viehes nähere Angaben. Im Anschlufs an sie wurden
in den einzelnen Landestcilen entsprechende Polizeiverordnungen erlassen. — Im
Reg.-Bez. Coblenz ist durch Polizeiverordnung v. 23. September 1891 der Genick-
stich verboten
In Uajern wurde das Verfahren beim Töten der Schlachttiere
durch den Erlafs des Staatsministeriums des Innern v. 19. Februar 1890 (Veröffentl.
des kaiserl. Gesundheitsamts 1890, 116i geregelt.
Im Königreich Sachsen schreibt die Verordnung des Ministeriums des Innern v.
21. März 1892, das Betäuben der Schlachttiere betr.. vor, dafs beim Schlachten
sämtlicher Tiere, mit Ausnahme des Federviehs, der Blutentziehung die Betäubung
vorausgehen müsse.
Das Schächteu nach Jüdischem Ritus betreffen folgende Verordnungen:
In Preussen untersagte ein Erlafs der Minister des Innern und der geistlichonf
Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten vom 14. Januar 1889 (Veröffentl. des
Kaiserl. Gesundheitsamts 114j alle unnötigen Tierquälereien und traf besondere Ver-
ordnungen für ein schonendes Niederlegen der Tiere, sichere Befestigung des Kopfes
und dergl.
In Bayern erging hierüber am 12. Juli 1889 ein Erlafs des Staatsministeriums
des Innern (Veröffentl. d. Kaiserl. Gesundheitsamts 508).
Im Königreich Sachsen ist das Schächten nach obiger Verordnung verboten,
wenn ihm nicht eine Betäubung vorangeht.
Für Baden sind die Bestimmungen über die rituelle Schlachtmethode des
Schächtens in der Minist-Verord. v. 29. März 1888 enthalten. (Veröffentl. d. Kaiserl.
Gesundheitsamts 531.)
Nach Ostertag*- bestimmt in Meiningen ein Ausschreiben v. 29. Mal 1891 die
Vermeidung unnötiger Tierquälereien beim Schächten unter Anlehnung an den oben
erwähnten preufs. Erlafs.
In der Schweiz wurde im August 1893 die Aufnahme des Schächtverbotes in die
Bundesverfassung durch Volksabstimmung mit 187 000 gegen 112 000 Stimmen und mit
11 V» gegen lö ',2 Kantonstimmen beschlossen.
6. Die Notschlaelituniieii.
Eine besondere Erwähnung verdient eine Art von Schlachtungen,
welche, allenthalben als Notschlachtungen bezeichnet, in sanitäts-
polizeilicher Beziehung die größte Beachtung erfordern.
Bei den Notschlachtungen handelt es sich um verunglückte oder
kranke Tiere, deren Leben mehr oder weniger gefährdet erscheint,
und welche deshalb, um wenigstens das Fleisch als Nahrungsmittel
für Menschen noch zu retten, schleunigst abgeschlachtet, not ge-
schlachtet werden. Wenn nun auch mancherlei Krankheiten, welche
Veranlassung zu Notschlaohtungen geben, dem Fleische der Tiere
keine der menschlichen Gesundheit nachteiligen Eigenschaften ver-
leihen, so giebt es dennoch auch einige, welche bedenklichster Art
.sind und schon oft Leben und Gesundheit zahlreicher Menschen ge-
fährdet haben. Sehr zutreffend sagt Schmidt- Mülheim^^: „Wo
immer die menschliche Gesundheit nachwei.slich durch Fleischgenuß
geschädigt worden ist, da hat es sich kaum je um Fleisch gehandelt^
welches aus öffentlichen Schlachthäusern mit geregelter Fleisch-
i8
Fleischbeschau. 429
hepchaii h(M-vnrpin<r. sondern nni solches, wolchos von lu'inilirh not-
geschhu'liteten Tieren herrührte.'' Dies ist n:ichj;e\viesen für eine
ganze Reihe von epidemischen Fleischvergiftungen, von
denen Hollinger^' mit Recht behauptet, dal5 mindestens *l(, dieser
Krkrankungen mit Notschlachtungen zusammenliängen.
Ueber die Häufigkeit der N ot seh lach t u n ge n giebt die
Statistik des (irol5herzoj.^tums Raden beachtenswerte Aufschlüsse.
Nach Lydtin''- kommen in Raden auf KHX) Rinderschlachtungen
(einschl. der Kälber) 10 Notschlachtungen ; auf den ganzen deutschen
Viehbestand übertragen, wurden im Jahre 1891 etwa 160000 Not-
schlachtungen vorgenommen.
Von Fällen, welche gesundheitsschädliches Fleisch lieferten, kamen
in Raden ISSS/Jl auf:
1000
gewerbl
Schlachtungen
1000
Notschlachtungen
bei Rindern
','■
Fälle
128
Fälle
.. Kälbern
0,4
4,y
.,
„ Schafen
0,2
,,
20,2
,j
,. Zielen
0,8
,,
72,5
,,
.. Schweincr
0,3
1,
63,4
,,
.. Pferden
14.2
„
44.-»
•5
Die Notschlachtungen schließen demgemäß, gegenüber den ge-
werblichen Schlachtungen, bei Rindern eine 80 mal größere Gefahr ein,
Itei Kälbern ist letztere 12 mal. bei Schafen KAhnal, bei Ziegen 90mal.
l»ei Schweinen 211 mal und bei Pferden omal größer.
Erhellt daraus schon die sanitäre Redenklichkeit der Notschlach-
tungen im allgemeinen, so wird diese noch gesteigert, wenn man
erwägt, daß es sich bei den Notschlachtungen, wie Ostertag^^
(S. fiOö) zutreffend bemerkt: „durchaus nicht immer um typische Er-
krankungen, sondern in vielen Fällen um K r an khei t en dunklen
T'rsprungs (kryptogenetische Sepsis) handelt". Aus diesem (irunde
ist. selbst für einen wissenschaftlich gebildeten Fleischbeschauer, die
Reurteilung notgeschlachteter Tiere in gewissen Fällen mit Schwierig-
keiten verbunden, die seine Kenntnisse und Gewissenhaftigkeit niclit
selten auf eine harte Probe stellen. Zu einem sachgemäßen Unter-
suchungsverfahren notgeschlachteter Rinder giebt Maier^' An-
weisungen.
Basenau^^ schlägt vor, das Fleisch notgeschlachteter Tiere, welche
der Sepsis oder Pyämio verdächtig sind, bakteriologisch zu untersuchen.
Er gebt davon aus, daß nach Gärtner und Forster 3 Tage altes
normales Fleisch nur in den äußersten Randznnen Bakterien enthält und
selbst 10 Tage altes solche nur bis zu einer Tiefe von 1 cm aufweist. Finden
sich bei dem suspekten Fleisch in Ausstrichdcckglaspräparaten aus der Tiefe
von kompakten Fleischstücken Mikroorganismen, so ist das Fleisch vom
Genüsse auszuschließen. Bei negativem Befunde im Deckglaspräparate
hat man mit viel Material und 3 — 4 Fächer Verdünnung Platten zu gießen
und bis zweimal 24 Stunden auf die Entwickelung von Kolonien zu
warten. Treten letztere auf, so Beschlagnahmung ; anderenfalls Freigabe.
In Anbetracht der erwiesenermaßen aus den Not.schlachtungen
den Menschen drohenden Gefahr müßte mit strengen gesetz-
lichen Mitteln darauf hingearbeitet werden, die Not-
schlachtungen einer tierärztlichen Kontrolle zu unter-
'2b*
«9
430 EDELMANN.
stelloii (D a in ha eher"'''), llienlurcli würde im sanitären Interesse
der Bevölkerunii sclion viel erreicht wertlen, und die Staaten, welche
sieh nicht zur Einführung einer alljienieinen Fleisclibeschau ent-
schließen können, sollten wenigstens mit der Ein rieh tun g einer
obligatorischen tierärztlichen Beschau aller not-
geschlachteten Tiere nicht zögern. Damit würden sich die
Wege für eine allgemeine Fleischbeschau von selbst ebnen. Bezüglich
der hierbei zu berücksichtigenden Einzelfragen sei auf das er-
schöi)fende. ausgezeichnete Referat Lydtin's^^ gelegentlich der
Würzlturger Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Ge-
sundheitspflege verwiesen.
Oesotzliolie ßcstiiniiiuii?en Über yotschlachtuiigen.
Von Staaten und Landscliaftoii, welche eine allgemeine Fleischbeschau nicht be-
sitzen, haben die naclipenannten für die Verwertung des Fleisches kranker Tiere und
insbesondere des von Notschlachtungen stammenden Fleisches ihre Aufmerksamkeit
gewidmet und diesbezügliche Verordnungen ^"^ erlassen.
PreiLssen, Reg.-Bez. Breslau. Nach der Polizoiverordnung, betr. den Verkauf
des Fleisches von Tieren, die wegen einer Krankheit geschlachtet worden sind, vom
13. September 1873 darf solches nur mit der auf Grund tierärztlichen Zeugnisses er-
folgten Genehmigung der Ortspolizeibehörde verkauft werden.
Rtjg.-Bez. Liegnitz. Desgl. vom 3. September 1873.
Reg.-Bez. Stade. Aehnliche Bestimmungen durch Polizeiverordnung vom
20. November 1893.
Reg.-Bez. Minden ^■'. Die Polizeiverordnung vom 9. April 1895 verbietet den
Verkauf des Fleisches notgeschlachteter und kranker Tiere, sofern derselbe nicht
durch Bescheinigung eines approb. Tierarztes genehmigt ist. Der Verkauf hat unter
Angabe der Krankheiten zu erfolgen. Ueber Beanstandung von Tieren und deren
Teilen hat der Tierarzt der Ortspolizeibehörde Anzeige zu erstatten. Die Behörde
hat die unschädliche Beseitigung der Tiere zu veranlassen.
Reg.-Bez. Bromberg'"'. Polizei Verordnung vom 18. April 1894 giebt ähnliche
Vorschrilten. Verkauf des Fleisches unter Deklaration leider nicht angeordnet.
Sachsen. Das Rundschreiben der kgl. Kommission für das Veterinärwesen an
sämtliche Tierärzte vom 23. Dezember 1889 enthält eine Belehrung über die Be-
urteilung des Fleisches notgeschlachteter Tiere. — Die Ministerialverordnung*'
betr. den Verkauf von Fleisch und Fett kranker Tiere vom 17. De-
zember 1892 nebst Ausführungsverordnung sei, weil sie am meisten dem derzeitigen
wissenschaftlichen Standpunkte der Beurteilung des Fleisches kranker Tiere für den
menschlichen Genufs entspricht, hier zum Abdruck gebracht.
Verordnung, den Verkauf von Fleisch und von Fett kranker Tiere
betrefifend, vom 17. Dezember 1892.
§1. Es ist verboten, Fleisch einschliefslich des Fettes von
Tieren feil zu halten und zu verkaufen, welche mit einer der nachstehend benannten
Krankheiten behaftet waren, als Milzbrand, Rauschbrand, Wutkrankheit,
Rotz- (^Wurm-) Krankheit, eitrige und jauchige Blutvergiftung,
üochgr adi ger Rotlauf, hochgradige Gelbsucht;
ferner von kranken Tieren, welche zwar an keiner der vorstehend genannten
Krankheiten gelitten haben, bei denen aber anhaltendes hochgradiges Fieber oder aus-
gedehnte Entzündung und Eiterung vorhanden gewesen ist;
sowie von Tieren, welche infolge von Vergiftungen erkrankt waren, sofern nicht
die Geniefsbarkeit durch tierärztlichen Ausspruch festgestellt ist ;
endlich von umgestandonen, ungeborenen oder totgeborenen
Tieren.
Soweit nicht besondere Bestimmungen einschlagen, ist derartiges Fleisch, ein-
schliefslich 4es Fettes, zu vernichten, oder nur zu technischen Zwecken zu
verwenden.
§2. Gleichfalls verboten ist das Feilhalten und der Verkauf des
Fleisches, ausschliefslich des Fettes,
a) von Tieren, welche wegen erheblicher Verletzungen geschlachtet worden sind,
20
Fleischbeschau. 431
wenn die Schlachtunp später als 12 Stunden nach der Verletzung,' erfolg ist
und die Genicfsbarkeit des Fleisches nicht ausdrücklich durch den Ausspruch
eines Tierarztes bestätipt wird :
b) von Tieren, deien Fleisch mit Finneu. Mi os cher'echen Schläuchen, Strahlen-
pilzen, Konkrementen oder Blutungen, oder
c) mit Trichinen in so profser Zahl durchsetzt ist, dafs solches seiner Beschaffen-
heit nach sich auffällig von gesundem Fleische unterscheidet ;
d) von Tieren mit hochgradiger und ausgebreiteter Tuberkulose, sobald dieselben
zugleich erheblich abgemagert waren und ihr Fleisch eine von gesundem Fleische
abweichende BeschaÖenheit zeigt, oder
e; von solchen Tieren mit verallgemeinerter (generalisierter) Tuberkulose, welche
zugleich hochgradig abgemagert waren oder tuberkulöse Einlagerungen in ihrem
Fleische und den Knochen oder den zugehörigen Lymphdrüsen aufweisen ;
f) von tieberhaft erkrankt gewesenen Tieren, bei welchen sich eine akute ver-
allgemeinerte Miliartuberkulose vorfindet.
Das Fett der vorstehend genannten Tiere darf im ausgeschmolzenen Zustande
unter Angabe des Fehlers als menschliches Nahrungsmittel verkauft werden;
in den unter c, d. e und f gedachten Fällen, jedoch nur unter der Bedingung und
Voraussetzung, dafs das Ausschmelzen auf den unter tierärzthcher Aufsicht stehenden
Schlachthöfen bei einer Temperatur von mindestens + 100" C stattgefunden hat.
Können diese Bedingungen nicht erfüllt werden, so darf das Fett nur technisch
verwertet werden, oder es ist zu vernichten.
Das Fleisch in den unter a bezeichneten Fällen darf zur Fütterung für Tiere
verwendet werden. Dagegen ist das Fleisch in den Fällen unter b, c, d, e und f zu
vernichten.
§ 3. Verboten ist das Feilhalten und der Verkauf des Fleisches im
rohen Zustande von Tieren, deren F'leisch sich zwar in seinem Aeufseren nicht
vom Ansehen gesunden Fleisches unterscheidet, aber
a) in mäfsiger Zahl von Finnen oder
b) „ „ „ ,. Trichinen durchsetzt ist ;
c) von Tieren mit verallgemeinerter Tuberkulose, so lange dieselben nicht hoch-
gradig abgemagert waren und Fleisch und Knochen sowohl als auch die zu-
?ehörigen Lymphdrüsen frei von Tuberkulose sind, auch die tuberkulösen Organe
eicht entfernt werden können.
Dagegen darf das Fleisch in dem unter a genannten Falle in vollständig gar
gekochtem oder auch gut durchgepökeltem Zustande,
in den unter b und c genannten Fällen jedoch nur, nachdem es in einem unter
tierärztlicher Aufsicht stehenden Schlachthofe durch Kochen vollständig unschädhch
gemacht (sterilisiert) worden ist, jedoch in allen Fällen (a, b und c) nur unter Angabe
des Fehlers verkauft werden
Das Fett darf in dem unter a genannten Falle in ausgeschmolzenem Zustande
ohne weitere Beschränkung, in den unter b und c genannten Fällen jedoch nur dann
als menschliches Nahrungsmittel unter Angabe des Fehlers verkauft werden, nach-
dem es in einem unter tierärztlicher Aufsicht stehenden Schlachthofe geschmolzen
worden ist
t; 4. Von sonstigen kranken Tieren, deren Fleisch nicht unter die vorstehenden
Verbote fällt, sind die krankhaft entarteten, d. h. mit Blut durchtränkten, entzündlich
veränderten oder mit Eiterherden, Kalkablagerungen oder Neubildungen, mit Einschlufs
der Tuberkeln oder tierischen und pflanzlichen Schmarotzer durchsetzten Fleischteile
oder Organe vom Verkaufe auszuschliefsen und zu vernichten.
§ 5. Bei Handhabung gegenwärtiger Verordnung sind die näheren Bestimmungen
der beigefügten Anweisung zur Richtschnur zu nehmen. In allen zweifelhaften Fällen
bähen die Ortspolizeibehörden den Ausspruch eines Tierarztes einzuholen und ihren
Entscheidungen zu Grunde zu legen.
sj 6. Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Anordnungen werden, soweit
nicht anderweite Strafvorschriften einschlagen, mit Geldstrafe bis zu 150 M. oder mit
Haft bestralt.
Dresden, am 17. Dezember 1892.
Ministerium des Innern.
V. M e t z s c h.
Gebhardt
Anweisung für die Ansfiihning der Verordnnnp vom 17. I>e/.ember IMh?,
den Verkauf von Fleiseh und >on Fett kninkcr Tioii' belrenen<i.
Für die Beurteilung der Gesundheitsfchädlichkeit des Fleisches von kranken
Tieren sind folgende Grundsätze mafsgebend :
43l' EDELMANN,
vj 1. In jedem Falle als gesundheitsschädlich ist das Fleisch einschliefs-
lich (los Fettes zu erachten von Tieren, welche an:
a^ Milzbrand,
b) Raaschbrand,
c) Wutkrankheit.
d) R otz - Wu rni -)Kran kh eit
gelitten haben; ferner
e ) bei eitriger und jauchiger Blutvergiftung (Pyämie und Septikämie) im
Anschlufs an
&&) ausgebreitete Entzündungen äufserer Teile mit Uebergang in Eiterung
oder Brand und Schwellung der zugehörigen Lymphdrüsen (namentlich
beim Durchliegen, brandigem Rotlauf, fortschreitender septischer oder
eitriger Entzündung des Zellgewebes des Euters etc.),
bb) eitrige . septische oder sonstige infektiöse Entzündung innerer Teile
mit Ausbreitung auf die zugehörigen Lymphdrüsen oder benachbarten
serösen Häute (namentlich Lungenentzündungen mit Ausgang in Eite-
rung oder Brand, heftiger (ruhrartiger) Darmentzündung, Berstungen
des Magens. Darms oder der Harnblase, Gebärmutterentzündung, Puer-
peralfieber, phlegmonöse Gebärmutterentzündung), Aaspocken;
fl bei Rotlauf der Schweine, wenn ausgebreitete blaurote Färbung der Haut
oder blutige Durchtränkungen im Zellgewebe, Speck oder in inneren Organen
gefunden werden ;
g^ bei hochgradiger Gelbsucht, wenn Muskeln und Fett deutlich gelbe Farbe
zeigen (namentlich bei Lupinose, Nabelveneuentzündung junger Tiere) ;
h) bei Vergiftungen, wenn anzunehmen ist, dafs die giftigen Stoffe ins Blut
aufgenommen und in dem Fleische in solchen Mengen enthalten sind, dafs das-
selbe die Gesundheit des Menschen gefährdet, oder dasselbe Ekel und Wider-
willen erregt, daher namentlich bei Vergiftungen durch scharfe, narkotische,
metallische und stark riechende Mittel (Tabak, Niefswurz, Brechnufs, Opium
und seine Alkaloide. Phosphor, Arsenik, Quecksilber, Karbolsäure etc.) ;
i) bei anhaltendem hochgradigen Fieber oder ausgedehnten
Entzündungen und Eiterung, wenn sogenannte typhöse Erscheinungen
(grofse Hinfälligkeit. Eingenommenheit des Kopfes, blaurote Färbung der
Schleimhäute oder Anschwellung äufserer Teile) vorhanden gewesen sind und
bei der Sektion Entmischung des Blutes, Mürbheit beziehentlich Erweichung
der parenchymatösen Organe, Herz, Leber, Nieren, Blutungen und blutigseröse
Ergiefsungen in den Körperhöhlen gefunden werden (so namentlich bei Diph-
theritis der Kälber, brandiger Bräune, schweren Fällen der Kopfkrankheit der
Rinder, Nierenentzündungen), dagegen ausgenommen die nervöse oder para-
lytische Form des Gebärfiebers.
S 2. Als gesundheitsschädlich bez. verdorben im rohen wie gekochten
Zustande ist das Fleisch zu erachten, das Fett hingegen im ausgeschraol-
z e D e n Zustande im Handel zuzulassen bei folgenden Krankheiten :
a) bei erheblichen Verletzungen, wenn die Tiere später als 12 Stunden
nach denselben geschlachtet worden sind und bei der Sektion ausgedehnte Blu-
tungen, Zertrümmerung von Gewebe, Austritt von Magen-, Darrainhalt oder
Harn in die Bauchhöhle etc. vorgefunden wird ;
b) bei Finnen, wenn dieselben in so grofser Zahl vorkommen, dafs sie auf jeder
Schnittfläche zu sehen sind, oder das Fleisch eine hellere Farbe und wässerige
Beschaffenheit angenommen hat ;
c) bei Trichinen, wenn sie in so grofsor Zahl vorkommen, dafs das Fleisch
eine vom gesunden Fleische abweichende Beschaffenheit zeigt;
d) bei M ies ch e r 'sehen Schläuchen, Strahlenpilzen, Konkremen-
ten und Blutungen, wenn dieselben im Fleische in so grofser Zahl vor-
handen sind, dafs dasselbe in seiner Beschaffenheit auffällig von der des
Fleisches gesunder Tiere verschieden ist;
e) bei Tuberkulose,
aa 1 wenn dieselbe hochgradig und ausgebreitet ist, zu erheblicher
Abmagerung geführt hat und das Fleisch seiner Beschaffenheit nach
sich auffällig von gesundem Fleische unterscheidet ;
bb) wenn dieselbe verallgemeinert (generalisiert) ist, d. h. wenn die
Ausbreitung der tuberkulösen Prozesse im Körper nur durch den Blut-
strom 'mit Ausnahme des Pfortaderblutstromes) stattgefunden haben
kann, gleichzeitig hochgradige Abmagerung vorhanden ist, oder das
Fleisch und die Knochen oder die zugehörigen Lymphdrüsen von Tu-
berkeln durchsetzt sind;
\
Fleischbeschau. 433
cc) wenn solche in Form einer niil Fieber V(>rbundenon (akuten^
verallgemeinerten (embolischon"» Miliartuberkulose auftritt.
Da» Fett von Tieren, welche an einer der vorstehond unter a, b und d be-
zeichneten Krankheiten gelitten haben, darf im ausgeschmolzenen Zustande unter
ausdrücklicher Angabe seiner Abstammung ohne weitere Beschränkung,
das von Tieren mit einer der unter c und e genannten Krankheiten, aber nur
unter der Voraussetzung zum Verkauf zugelassen werden, dafs
1) das Ausschmelzen derartigen Fettes nur auf unter tierärztlicher Aufsicht stehen-
den Schlachtöfen erfolgt:
2) das Abschöpfen oder Ablassen des Fettes nicht eher beginnt, bis in demselben
mittels Thermometers eine Temperatur von mindestens + 100 " C festgestellt
worden ist :
3^ der Verkauf desselben unter ausdrücklicher Angabe seiner Abstammung von
kranken Tieren auf der Freibank erfolgt.
t?3. Nur in vollständig gar gekochtem oder in vollständig
durchgepökeltem Zustande und unter Angabe des Fehlers darf finniges
Fleisch, soweit sein Verkauf nicht nach § 2 verboten ist, feilgeboten und verkauft
werden
Kochen und Pökeln hat unter polizeilicher Kontrolle, und letzteres immer nur
in der Weise zu geschehen, dafs vor beendeter Pökelung kein Teil aus dem Pökelfafs
entfernt werden kann. Die Pökelung hat mindestens 4 Wochen anzudauern und darf
nicht in Stücken über 2 kg Schwere erfolgen.
Das Fett solcher unter § 3 fallender Tiere darf in ausgeschraolzenem Zustande
ohne weitere Beschränkung als menschliches Nahrungsmittel feilgeboten und verkauft
werden.
§ 4. Nur in vollständig durchgekochtem Zustande darf das Fleisch
feilgeboten und verkauft werden, welches :
a) mit Trichinen durchsetzt ist, soweit es nicht unter die Bestimmungen des
§ 2 fällt;
bi von Tieren abstammt, die an hochgradiger bez. verbreiteter oder
an verallgemeinerter (generalisierter) Tuberkulose litten, unter der
Voraussetzung, dafs die Tiere selbst nicht hochgradig abgemagert waren, in
deren Fleische und in den Knochen oder den zugehörigen Lymphdrüsen keine
tuberkulösen Herde enthalten sind, die tuberkulösen Organe sich leicht aus
dem Schlachtstücke entfernen lassen und das Fleisch seiner Beschaffenheit
nach sich nicht auffällig von gesundem Fleische unterscheidet, bez. kein ekel-
erregendes Ansehen zeigt, und unter der Bedingung, dafs
aa) die Kochung in einem Roh rbe c k'schen oder einem diesem an Leistungs-
fähigkeit mindestens gleichstehenden Damptkochapparat in Stücken nicht
über 5 kg Schwere in der Weise erfolgt, dafs im Innern desselben
durch etwa '/^ Stunde lang mindestens eine Temperatur von + 100 " C
eingewirkt hat;
bb) die Aufstellung und der Betrieb dieser Apparate nur unter fortlaufender
behördlicher Aufsicht, insbesondere der Betrieb derselben auf Schlacht-
höfen unter Kontrolle der daselbst angestellten Tierärzte, aufserhalb
solcher unter Kontrolle eines durch die Ortspolizeibehörde hierzu ver-
pflichteten Tierarztes erfolgt, und
CO der Verkauf derartigen Fleisches auf der Freibank unter deutlicher
Bezeichnung seiner Abstammung von einem kranken Tiere bewirkt
wird.
Das Fett unter diesen Paragraphen fallender Tiere darf nur unter Befolgung
der in $ 2 dieser Anweisung unter 1, 2 und 3 aufgeführten Bestimmungen als mensch-
liches Nahrungsmittel feilgeboten und verkauft werden.
Anhalt. Verordnung, betr. den Verkauf und Genufs des Fleisches von kranken,
verletzten und verendeten Tieren etc. etc. vom 24. November 1S88, nebst Ausführungs-
anweisung. Der vorigen ähnlich.
Reuss !i. L. Verordnung, betr. die Abstellung einiger Uebelstände beim Betreiben
des Fleischhauerhandwerks, vom 21. November 18")3.
Reuss j. L. Bekanntmachung des Landratsamtes in Gera, betr. das Schlachten
von krankem Vieh, vom 0. Januar 18G6. Aehnliche Verordnungen bestehen für den
oberländischen Bezirk (Schleiz und Lobenstein) seit 18ü5.
Im übrigen vergl. den Abschnitt „die gesetzlichen Grundlagen der Fleisch-
beschau" S. 436 , sowie den Anhang zu Kapitel II. Soweit für einzelne Krankheiten
der Schlachttiere besondere gesetzliche üostimmungen getroflfen worden sind, werden
dieselben dort Erwähnung finden.
»i
434 EDELMANN,
Alle die aufiiozählteu. j^egen das Inverkehrbringen von krankem
Fleisch sich richtenden Verordnunjren gewähren jedoch der mensch-
lichen Gesundheit nur in selir lieschränktem Malk^ einen Schutz, Da
sie naturizeniäli nur Anwendung finden, wenn Sachverständige Schlacht-
tiere oder Fleisch nach ihnen beurteilen, so können sie eine allge-
meine prophylaktische "Wirkung nur durch ihre Strafbestimmungen
äußern.
1) Grawiti, Berl. ticrärzü. )\'ochenschr. (1892) No. 26.
2) Würzburg, NahrungsmiUelgetetx<jebung 194.
3) Bissling, Zeitschr. f. FUisch- u. MUchhyg. 5. Bd. 111.
4) Schwarz, Zeitschr. f. Fleisch- u. }lilchhyg. 3. Bd. 171.
5) Siedamgrotzky, Ber. üb. d. Veteriruirwtsen im Königr. Sachsen (1894) 185.
61 Kleinschmidt. 1). Fkischei-ztg. {I887j.
7) Kühnert, Zeitschr. f. FUischbesch. u. FUischprod. (1888) 131.
8) Kögler. Bcr. üb. d. Veterinäricesen im Königr. Sachsen (189(i) 102.
9) Siegmund, Rtvtie vä<r. (1882) 576.
10) Edelmann, D. tierärUl. }\'ochenschr. (1894) 101.
lli Bayeredörfer und Göhrig. Z). tierärztl. Wochenschr. (1894) 104,
12) Fuchs. Gesundheit (1894).
13) Kayserling, Ueber das ScMchten, Aarau 1856.
14) Bauwerker, Das rituelle Schächten der Israeliten im Lichte der Misienscha/t, Kaisers-
lautem 1882.
15) Sembo, Anatomisch-physiologische Grundlagen der verschiedenen Methoden des Vieh-
schlachtens, Leipzig 1894.
16) Dembo, Bas Schächten im Vergleich mit anderen Schlachtmethoden, Leipzig 1894.
I7j Strebel. Zur Schächtjrage, D. Fleischerztg. Xo. 51.
18) Ehrmann, Tierschutz und Menschentrutz. Sämtliche Jür und gegen das Schächten
geltend gemachten Momente kritisch beleuchtet, nebst einer Sammlung aller Gutachten her-
vorragender Fachmänner und einer Abbildung der Zecha'schen Legemethode, FVank/urt a. M,
1885. Arch. /. Tierheilkunde 11. Bd 336.
19 I Mittermaier, iJie Schacht/rage, Gesundheit (1894) No. 8, (1895); D. tierärztl. Wochenschr.
3. Bd. 187.
20) Joger, Zeitschr. J. Fleisch- u. Milchhyg. 4. Bd. 226.
21) Kleinschmidt, Berl. tierärztl. ^Vochtnschr. (1894) 529.
22) Fenner, Berl. tierär:.tl. Wochenschr. (1894) 467.
23) Mandel, Revue vetir. (1882) 560; D. tierärztl. Wochenschr. 3. Bd. 143.
24) Völlers, Hamb. MiUeil. f. Tierärzte 1 Bd. 3.
25) Friedemann, Berl. tierärztl. Wochenschr. (1895) 194.
26j Ostertag's Uandh. 67.
27) Gutachten über das jüdisch-rituelle Schlachtverfahren {„Schächten'-), Berlin 1894.
28) Gutachten des Lehrerkollegiums der Tier arzneischule in Bern, Schweiz. Arch. f. Tierheilk.
(188ö\ Rdsch f. Tiermed. (1886) 118.
29j Wernich und Wehmer, Lehrb. d. offetUl. Oesundheitsw. 175, Stuttgart 1894.
30 1 Schmidt-Mülheim, Lehrb. d. Fleischk. 247.
31 j Bollinger, Zur Aetiologie der Infektionskrankheiten, München 1881.
32) Lydtin, Ber. d. 18. Vers. d. D. Vtr. f. öffentl. Gesdhtspfl. 1893, Zeitschr. f. Fleisch'
u. Milchhyg. 4. Bd. 18.
33j Ostertag, Uandb. d. Fleischbesch. 605.
34) Maier, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 3. Bd. U. 12.
35i Basenau, Arch. f. Uyg. 20. Bd. H. 3.
36j Dambacher. Zeitschr. f. Fleuch- u. Milchhyg. 3. Bd. No. 8.
37) Lydtin's Thesen zur Vers. d. D. Ver. J. ößentl. Gesdhtspfl., Zeitschr. f. Fleisch- u.
Milchhyg., 3. Bd. 59 ; Hyg. Rdsch. (1893) 183.
38j Würzburg. Nahrungamiltelgesetzgebung 184.
39) VerößenÜ. d. Kaiterl. Gesundheitsamts 19. Bd. 500,
40) Berl. tierärztl. Wochenschr. (1894) 301,
41) Gesetz- und Verordnungtblatt f. d. Königreich Sachsen. 1. Stück v. Jahre 1893. —
Ostertag, Zeitschr. f. Fleisch- u Milchhyg. 3. Bd. 87 {Besprechung).
42) Ostertag's Handbuch d.- Fleischbesch. 137.
24
Fleischbeschau. 435
II. Kapitel.
Orirniiisallon der Floisclibeschrtu.
1. Orrundlai^eu der Fleischbeschau.
Die Fleischbeschau hat sich allniälilicli zu einem selbständigen
Gebiete der Tiermedizin entwickelt, mit welchem die letztere berufen
ist, an der Lösung hervorragender Aufgaben der Hygiene mitzuwirken.
Ihre Grundlagen findet die Schlachtvieh- und Fleischbeschau in
technischer Heziehung in der medizinischen und veterinär-
medizinischen Wissenschaft, während gesetz liehe IJesti m m un gen
die praktische Ausführung beeinflussen.
A. Technische Grundlagen der Fleischbeschau.
Als technische Grundlagen der Fleischbeschau dienen alle Ge-
biete der wissenschaftlichen und in einem nicht geringen Grade auch
der praktischen Tiermedizin.
Der Anatomie, besonders auch der vergleichenden Anatomie
der Haustiere , bedarf der Fleischbeschaubeamte zur Erkennung und
Würdigung der normalen Verhältnisse, sowohl beim Vergleich der einzelnen
Schlachttiere miteinander, als auch besonders gegenüber krankhaften
Veränderungen. Dabei spielen auch die topographisch-anatomi-
schen Verhältnisse der Schlachttiere behufs schneller Auffindung
einzelner, diagnostisch wichtiger Organe und Teile (z. B. Lymphdrüsen)
eine bedeutende Rolle. Daß gründliche physiologische Kenntnisse
bei der Fleischbeschau zum Verständnis der verschiedensten Lebens-
prozesse der Tiere gebraucht werden, bedarf ebensowenig der Erörterung
als die Notwendigkeit umfassendsten Wissens auf allen Gebieten der
pathologischen Anatomie und Parasitenkunde, insbesondere
auch der Bakteriologie mit allen ihren bei den Haus- und Schlachttieren
besonderen Eigentümlichkeiten. In Konsequenz hiervon erfordert der
Fleischbeschaudienst selbstverständlich Fertigkeiten in der mikroskopi-
schen und bakteriologischen Technik, ebenso wie gewisse
chemische Kenntnisse und analytische Fertigkeiten zum
Verständnis von Umsetzungsvorgängen an tierischen Teilen und behufs
Anstellung einfacher chemischer Untersuchungen nicht entbehrt werden
können. Hieran schließen sich die Gebiete der Pharmakologie und
Tf>.\ i k olo gi e , aus welchen der Fleischbeschaubeamte schöpfen mulJ,
um sich in einschlagenden Fällen über die Einwirkung und den Ueber-
gang von Arznei- und Giftstoffen auf das Fleisch der Schlachttiere Rechen-
schaft ablegen zu können. Auf die Tierzucht und die Gesund-
heitslehre (Diätetik) der landwirtschaftlichen Haustiere muß bei der
Fleischbeschau nicht selten zurückgegriffen werden behufs Orientierung
über Rassen-, Aufzuchts- und Futterungsverhältnisse mit ihren außer-
ordentlich verschiedenen Einfiüssen auf unsere Schlachttiere. Nicht zu
vergessen sind die tierärztlichen Spezialgebiete der Seuchenlehro
und Veterinärpolizei, sowie der Staatstierheilkunde und die
allgemeine Gesetzeskunde, welche gleichfalls, abgesehen von
den weiter unten zu besprechenden besonderen gesetzlichen Bestimmungen,
»5
436 EDELMANN,
zum Wissen und Können des Fleischbeschaubeamten gehören müssen,
und auf denen seine Thätigkeit nicht selten in Anspruch genom-
men wird.
Aus dieser Aufzählung erhellt zur Geuüge, daß uur in dem
Studium der Tiermedizin i)ei besomlerer PHegc ihres Spezialgebietes,
der Fleisohbescliau. für das jetzt allenthalben besondere Lehrstühle
an den tierärztlichen Hochschulen Deutschlands bestehen, eine gründ-
liche Vorbereitung für die Ausübung der Fleischbeschau erblickt
werden kann. Daher sind auch die Tierärzte in erster Linie dazu
befähigt und berufen, die Untersuchung der Schlaclitticre, sowie von
animalischen Nahrungsmitteln behufs Beurteilung ihrer Verwendbar-
keit zur menschlichen Nahrung vorzunehmen und damit als Sach-
verständige die Fleischbeschau auszuüben und zu überwachen.
B. Gesetzliche Grundlagen der Fleischbeschau.
Bei der Ausübung der Fleischbeschau in einem Genieindebezirke
kommen in erster Linie die hierzu erlassenen wohlfahrtspolizeilichen
ortsstatutarischen Bestimmungen und Vorschriften in Frage,
welche die von der Landesgesetzgebung nach dieser Richtung
etwa gesteckten Grenzen nicht überschreiten dürfen. Außerdem sind
gewisse reichsgesetzliche Bestimmungen, besonders in Ueber-
tretungsfällen zu beachten, sowie auch die Entscheidungen höherer
richterlicher Instanzen als Kommentare für zweifelhafte Fälle, zur
Festlegung gesetzlicher Begriflfe und zur richtigen Deutung des Sinnes
gewisser Gesetzesstellen heranzuziehen.
Aus der Reiclisg'esetzg'ebiing" kommen für die Fleischbeschau und Nahrungs-
mittelpolizei in Betracht:
1. Das Strafsresetzbuch füi- das Deutsclie Reich vom 15. Mai 1871 mit
folgenden Paragraphen :
*5 "263, der sogenannte Betrugsparagraph, gewährt die Möglichkeit, Personen zu
bestrafen, welche im Vorkehr mit Fleisch betrügerische Handlungen vornehmen.
§ 824 findet wirksame Anwendung sobald infolge einer Veränderung von Nahrungs-
mitteln eine Zerstörung der menschlichen Gesundheit in Frage kommt, welche nach
§ 326 bestraft wird, wenn fahrlässige Handlungen vorliegen.
Nach § 367, Zitf. 7 wird der Verkauf und das Feilhaiton verfälschter oder ver-
dorbener Efswaren, insbesondere trichinonhaltigen Fleisches bestraft.
Bis zu einem gewissen Grade sind auch die 5;§ 222, 226, 230 und 232 (fahr-
lässige Tötung und Körperverletzung' einschlagend besonders auch bei der Beurteilung
der Uebcrtretungen und Vergehen gegen die hier zu beachtenden Amts-, Berufs- und
Gewerbspflichten.
2. Das Heiclisiaresetz, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Vieh-
seuchen, vom "V— %» • -icix,- nebst den dazu für die einzelnen Bundesstaaten er-
' 1. Mai 1894
lassenen Ausführungsverordnungen.
Nach den ?§ ,31 und 33 ist das Schlachten und der Genufs des Fleisches railz-
brand kranker Tiere verboten.
Desgleichen nach den §* 36 und 39 bei Tollwut.
S 4.3 ordnet die unschädliche Beseitigung der Kadaver rotzkranker Tiere an.
Die Instruktion vom 27. Juni 1S95 zum vorgenannten Reichsge-
setze enthält beachtliche Bestimmungen in
§ 62 bezüglich der Häute der mit .\I a u 1 - und Klauenseuche behafteten Tiere.
^ 89 wegen der Verwertung der Lungen, des Fleisches und der Häute lungen-
8 euchekranker Rinder.
§ 97*" rücksichtlich der Häute pockenkranker Schafe.
5? 124 dgl. bei räudekranken Pferden und Schafen.
3. Das Reichsgesetz , 3Iaßregeln gegen die Rinderpest betreffend vom
7. April 1S69 nebst Instruktionen. Die unschädliche Beseitigung rinderpestkrauker
Tiere wird vorgeschrieben.
26
Fleischbeschau. 437
4. Das GeseU, hetrelTfiul »hii \tik»'lir mit Naliiuii:r>iiiittflii. (iciiiiliniittclu
und (iebruiichsjroiri'ii^täiidfii, V(Hii U. Mai 1S7*.>. Dieses so^jonannt« Nahrun^jsmittel-
l^esctz befoljjt nacli Würzbur»;' im wosontliclien zwei Ziele: VerhQtun;; und Be-
k&miifuo^ der Unlauterkeit im Verkehr mit Nahrunps- und Genufsmitteln sowie der
durch den Genufs oder Gebrauch der Nabrunjfsmittel etc dem Menschen drohenden
Gefahren. Von den 17 Paragraphen des Gesetzes enthalten die vier ersten Bestim-
mungen über die vorbeugende Kontrolle. In den ??s 5 — 7 wird der Erlafs von Aus-
führungsbestimmungen vorgesehen, während die !;§ 8 -16 die eigentlichen strafrecht-
lichen Vorschrilten enthalten und der letzte Paragraph sich auf die otleotlichen
Untersuchungsanstalten bezieht.
Von wesentlicher Bedeutung für die vorliegende Materie sind die §!j lU— 14,
bezüglich deren Auslegung und Anwendung auf die erschöpfenden Auseinandersetsangen
io den Werken von Schmidt- Mülheim', Würzburg, Ostertag^, sowie
die zahlreich erschienenen Artikel in Zeitschriften verwiesen werden mufs (Schraidt-
Mülheim*, Ostertag*, Bleisch*^, Schilling', Heidenhain **, Haselbach''',
S c b m al tz '", Maier ". H i m nie Ist o fs " u. A.).
Die Lebensmittel fälschung ohne Gefährdung der mensch-
lichen Gesundheit wird in den i?s 10 und 11 behandelt. Nach denselben wird
bestraft :
1) Das Nachmachen oder die Verfälschung von Nahrungs- oder Genufs-
mitteln und
2i Das Verkaufen oder Feilhalten nachgemachter oder ver-
fälschter oder verdorbener Nahrungs- oder Genufsmittel
sobald diese Handlungen zum Zwecke der Täuschung im Handel und Ver-
kehr begangen werden.
Demnach ist der Verkauf nachgemachter, verfälschter oder verdorbener Nah-
rangs- etc. Mittel an und für sich nicht verboten, sondern nur dann stratbar.
wenn er unter „Verschweigung dieses Urastandes" oder „unter einer zur Täuschung
geeigneten Bezeichnung" erfolgt. Dergleichen Nahrungsmittel unterliegen also dem
• eklarationszwango.
Von prinzipieller Bedeutung ist die Auslegung der Begriffe „Nachroachen''. „Ver-
fälschen" und „Verdorben".
Unter ,,NaohinjU'heii" ist zu verstehen, „die HersteUnng eines Nah-
rungsmittels in der Weise oder zu dem Zwecke, dafs es ein anderes
zu sein scheint als es in Wirklichkeit ist".
Die „Vernüschiin^'''' eines Nahrungsmittels hat immer eine Abweichung
von dem echten und normalen zur Voraussetzung. Hierbei kommt die
Verschlechterung mit in Frage, ist aber durchaus nicht notwendig.
Zur Beurteilung einer Verfälschung kommt das Wesen und die normale
Herstellungs- und Fabrikations weise der Nahrungsmittel in Be-
tracht. Sobald daher ein Nahrungsmittel seiner Herstellung oder seinem Wesen nach
von dem echten und normalen abweicht, ist es als verfälscht zu betrachten. Eine
Vorfälschung kann darin beruhen, dafs
a) an dem Nahrungsmittel substantielle Veränderungen durch Ent-
nehmen oder Zusetzen von Stoflfen vorgenommen werden yi. B. Abrahmen von Milch,
Zusatz von Pferdefleisch zur Cervelatwursti oder
b) die Nahrungsmittel mit einem ihrem Wesen nicht entsprechen-
den Schein einer besseren Beschaffenheit versehen werden ^Färbung
von Wurst mit Farbstoffen!.
Die Merkmale des gesetzlichen Begriffs des Yerdorhonseins hat man dahin auf-
zufassen, da/s die als Nahrungsmittel lür Menschen verkaufte Ware in ihrer Taug-
lichkeit als solches im Vergleiche mit der normalen Beschaffen-
heit erheblich herabgesetzt ist. Es wird also keineswegs eine völlige Un-
branchbarkeit oder üntauglichkeit des betreffenden Nahrungsmittels erfordert (Würz-
burgi. Nahrungsmittel, welche vermöge besonderer Eigenschaften bei Kenntnis des
wahren Sachverbaltes entweder gar nicht gekauft oder wenigstens nicht mit dem bei
normaler Herkunft dafür zuzubilligenden Preise bezahlt werden würden, sind ebenfalls
als verdorben im Sinne des Nahrungsmittelgesetzes aufzufassen lOstertagi. I>a8 in
die letztere Kategorie gehörige Fleisch wird in den Entscheidungen der Fleischbeschau-
beamten auch vielfach als „minderwertig" oder „mangelhaft" bezeichnet.
Wenn damit eine Trennung des Hegriffes Verdorben in „Verdorben im Sinne des Sprach-
gebrauches" und ..Verdorben im Sinne des N.M.G. aber noch geeignet zur mensch-
Uchen Nahrung- [Minderwertig o<ler Mangelhaft (Schmaltz)J beabsichtigt wird, seist
dies für forensische Zwecke jedenfalls besonders hervorzuheben. Denn das im Sinne
des Sprachgebrauches verdorbene Fleisch ist nur in den seltensten Fällen nach § 10,
sondern vielmehr nach a 12 des N.-M.-G zu beurteilen. Als Verdorben im Sinne des
438 EDELMANN,
N.-M.-G. ist nach Üstertap alles Fleisch zu bezeichnen, welches, ohne gesund-
heitsschädlich zu sein,
a) objektive Veränderungen seiner Substanz aufweist (s. S. 440)
oder
b^ von Tieren stammt, welche mit einer erh ebl ichen inn e r en
oder äufseren Krankheit behaftet waren.
Neben § 10 des Nahrungsraittelgesetzes behält § 367 ZiflF. 7 des Str.-G., welcher
auch den BegriflF Verdorben enthält (s. S. 436!. seine Giltigkeit, und unterliegen dem
letzteren alle diejenigen Fälle, bei denen der umstand der Täuschung nicht
in Frage kommt. Auch kann nach diesem Paragraphen des Str.-G. das hoch-
gradig verdorbene und zur menschlichen Nahrung ungeeignete
Fleisch (s. S. 441) beurteilt werden.
Es mag nicht unerwähnt bleiben, dafs die Wahl des Wortes „verdorben" im
Nahrungsmittelgesetze keine glückliche gewesen ist und schon manche Verwirrung
gestiftet hat, vor allem wegen der Eigenschaften, welche der Sprachgebrauch und die
allgemeine Auffassung der Menschen mit diesem Begriffe verbinden. Wie schon er-
wähnt, ist jedoch ein Verdorbensein, wie es unter § 10 des N.-M.-G. fällt, keinesfalls
gleichbedeutend mit Verwesung oder Fäulnis zu verstehen.
Eine Beschädigung oder Zerstörung der menschlichen Gesund-
heit wird nach den ^t? 12—14 bestraft.
Dienach § 12 in Frage kommende Gesundheitsschädlichkeit" des
Nahrungsmittels mufs objektiv sein und dem Gegenstande anhaften. Es ist nicht
erforderlich, dafs eine Gesundheitsschädigung thatsächlich stattgefunden
hat. sondern schon die Möglichkeit, dafs das Nahrungsmittel geeignet ist, die
menschliche Gesundheit zu beschädigen, genügt zur strafrechtlichen Verfolgung. Auch
der Versuch ist strafbar.
Bei der nach § 13 zu bestrafenden Gesundheitszerstörung ist ebenfalls
nicht erforderlich, dafs der Tod infolge der Wirkung des Nahrungsmittels eintritt.
Vielmehr wird nach v. Schwarze'^ auch der Fall unter das „Zerstören" zu stellen
sein, in welchem die Zerstörung nur die, jedoch mit Notwendigkeit nach und nach sich
entwickelnde Wirkung des Genusses ist. Bei der Zerstörung wird man insbesondere
das „Siechtum" aus t? 224 des Str.-G. herbeiziehen können.
§ 14 ermöglicht bei Fahrlässigkeit eine mildere Beurteilung.
Die zur Zeit giltigen landesgesetzllehen Voi-schriften für die Fleischbeschau
in den einzelnen Bundesstaaten siehe ö. 4.54 ff.
Die Besprechung örtlicher Torsehrifteu für die Fleischbeschau, wie sie in Orts-
gesetzen, Regulativen u. dgl. in zahlreichen Gemeinwesen in Kraft sind, mufs füglich
hier unterbleiben.
1) Würzburg, Nahrungsmittelgesetzgebung 18.
2) Schmidt- Mülheim, Der Verkehr mü Fleischvaren und das Nahrungsmütelgesetz. Wiesbaden
1895 2. Avfl.
3) Ostertag. /landbuch der Fleischbeschau 71 — 101.
4) Schmidt-Mülheim. Zeitschr. für Fleischbeschau 2. Bd., 4. Bd. 19. Veröffentlichungen des
Kaiser/. Gesundheitsamtes 11. Bd. No. 1.
5) Ostertag. Zeitschr f. Fleisch- u. Müchhyg. 1. Bd. 37, 2. Bd. 83.
6) Bleisch, Arch f. Tierheilk. 17. Bd. 305.
7) Schilling. Berl. tierärzÜ. Wochenschr. (1892) No. 13.
8) Heidenhain. Vierteljahr sschr. f. ger. Med. 52. Bd. 137.
9) Haselbach. Zeitschr. f. Fleisch- u. Müchhyg. 2. Bd. 84.
lOi Schmaltz, Berl. tierärztl. Wochenschr. (1892) 413, Deutscher Veterinärkalender, Abschnitt
Fleischschau.
11) Maier. Berl. tierärztl. Wochenschr. (1892) 411.
12j Himmelatora, Wochenschr. j. Tterheilk. u. Viehzucht (1894) No. 7.
13; Ostertag, Handbuch 96.
14) V. Schwarze in Würzbnrg. Nahrungsmittelgetetzgtbung 92.
2. Einteilunj? der Fleischbeschau.
Eine Einteilung des Gebietes der Fleischbeschau in eine makro-
skopische und mikroskopische oder in die eigentliche
Fleischbeschau und die Trichinenschau ist aus naheliegen-
den Gründen nicht angängig. Die letztere bildet nur ein sehr be-
schränktes Gebiet der Fleischbeschau und sollte auch immer nur als
28
Fleischbeschau. 439
Trichinenschau zur Venneiduiiji von Mißverständnissen bezeichnet
werden, ebenso wie es un}2;ereclitfertigt ist , den Personen , welche
sich mit dem Untersuchen von Schweinetieiscli auf Trichinen be-
schäftigten, die Amtsbezeiclinun^' Fleischbeschauer beizulej^en.
Die Teilung' der Fleischbeschau in die Beschau der Schlacht-
t i e r e und die B e s cii a u des in ei n e m G e m e i n d e b e z i r k ein-
geführten frischen Fleisches und von Fleischwaren
betrifft nicht das Wesen , sondern nur die Ausführung der Fleisch-
beschau.
Da in neuerer Zeit mit der Verallgemeinerung der Fleischbeschau
auch Laien zu ihrer Ausübung als empirische Fl ei seh be-
schau er herangezogen und hierzu besonders vorgebildet werden,
so könnte man vielleicht von einer empirischen Fleischbe-
schau im Gegensatz zu einer nach wissenschaftlichen Grundsätzen
und Erfahrungen, von wissenschaftlich gebildeten Sachverständigen
ausgeführten wissenschaftlichen Fleischbeschau sprechen.
Der Kürze wegen finden diese Bezeichnungen auch häufige Ver-
wendung. — Als außerordentliche Fleischbeschau werden
in Orten mit geregelter, allgemein verbindlicher Fleischbe.-^chau die
von den Polizeiorganen , häufig unter Hinzuziehung eines tierärzt-
lichen Fleischbeschaubeamten , vorgenommenen Revisionen der
Fleischereien, Fleisch- und Wurstwarengeschäfte bezeichnet. Bei diesen
Revisionen wird auf verdorbenes Fleisch u. s, w. gefahndet, sowie nach-
gesehen, ob alles vorhandene Fleisch von untersuchten Tieren ab-
stammt und auch den sonstigen Fleischbeschauvorschriften allent-
halben entsprochen worden ist.
8. Ausfuhrulli; der Fleischbeschau.
Die Ausführung der P'leischbeschau hat durch Sachverständige
zu erfolgen und muß durch gesetzliche Bestimmungen geregelt sein.
Am zweckmäßigsten läßt sich eine Fleischschau in den Schlachthöfen *)
einrichten (s. S. 422), jedoch kann dieselbe auch ambulatorisch aus-
geübt werden (G i r a r d ' •', H e r t w i g > '*, Pauli''). Die geeignetsten
Sachverständigen sind, wie S. 436 auseinandergesetzt wurde, die
Tierärzte, denen man deshalb auch in Städten und größeren
Dörfern die Fleischbeschau zu übertragen pflegt. Behufs Kenn-
zeichnung dieser Art der tierärztlichen Thätigkeit hat Schmidt-
Mülheim für die Tierärzte der Fleischbeschau die Bezeichnung
S a n i t ä t s t i e r ä r z t e (s. S. 44(1) in Vorschlag gebracht, welche auch seit-
dem vielfach gebraucht wird. Auf dem flachen Lande kann es sich
Wegendes Mangels an Tierärzten nötig machen, empirische Fleischbe-
schauer anzustellen, welche besonders auszubilden und zu verpflichten
sind. Denselben ist jedoch nur die Befugnis zuzusprechen gesunde
S c h 1 a c h 1 1 i e r e zu beurteilen, während sie bei der Entdeckung er-
heblicher Krankheiten und ^'e^än(lerungen einem Tierarzt die endgiltige
Verfügung zu überlassen haben, ebenso wie sie sich der Beurteilung
von Notschlachtungen im allgemeinen enthalten müssen. Obgleich
einer von empirischen Fleischbeschauern ausgeführten Beschau natur-
gemäß erhebliche Mängel anhaften, so ist diese Einrichtung immerhin
dem gänzlichen Fehlen einer Fleischbeschau vorzuziehen, und die in Süd-
•) Osthoff, Ueber Schlachthöfe, Viehmürkte und MHrktliallen, Hd. VI, S. 1 fl.
dieses Handbuches.
29
44(t EDELMANN,
deutschlainl mit den Laieiifleischbeschauern gemachten Erfahrungen
sind auch im großen und ganzen günstige (Leberecht '"'^, Maier^'*,
Zimmerer*") Ueber die bei Einführung einer allgemeiner Fleisch-
beschau zu beobachtenden Gesichtspunkte und zu tretfenden Maß-
nahmen, vergl. Peters und Fi s o h oed er -.
A. Beschau der Schlachttiere.
Bei den Schlacht t i er en mul.v eine Untersuchung vor und
nach d e r S c h 1 a c h t u n g erfolgen ; die Zeit zwischen Lebendbeschau
und der Beschau nach der Schlachtung darf nicht zu lang sein. Bei
der Untersuchung der ausgeschlachteten Tiere (vgl. Fischoeder^^)
sind alle Eingeweide, das Blut und die BeschafiFenheit von Fleisch
und Fett zu berücksichtigen. Einzelne in pathognostischer Beziehung
besonders wichtige Organe (z. B. die Lymphdrüsen) erfordern nicht
selten eine sehr aufmerksame Untersuchung.
Bei den Schweinen ist außerdem eine mikroskopische
LTntersuchung des Fleisches auf Trichinen vorzunehmen,
welche in der Regel von hierfür besonders ausgebildeten Laien, d. h.
Trichinenschauern, ausgeführt wird (Ausführung s. Kap. IV.
3, A, 1).
Das Urteil, welches schließlich der Sachverständige bezüglich dei'
Verwertung des Schlachttieres als menschliches Nahrungsmittel zu
fällen hat, kann sich nach folgenden Richtungen bewegen:
1 ) Das Fleisch ist zum niensciillclien (xemisse geeignet und zwar :
a) bank würdig, sobald das Tier gesund, oder doch nur mit
unerheblichen, lokalen krankhaften Veränderungen behaftet ist und
sich in einem guten, marktgängigen Ernährungszustande befindet.
Solches Fleisch kann in den freien Verkehr gelangen, nachdem etwaige
kranke Teile entfernt und vernichtet worden sind,
b ) nicht bank w ü r d i g, aber nicht gesundheitsschädlich. Hierher
gehört :
a) Fleisch, welches wegen geringgradiger objektiver Ver-
änderungen seiner Substanz oder hinsichtlich seiner Ab-
stammung von erheblich kranken Tieren als ,, verdorben
im Sinne des N.-M.-G." und daher als „minderwertig" oder „mangel-
haft'" zu bezeichnen ist (z. B. das urinös riechende Fleisch von Ebern
und Spitzebern, sobald der Geruch nicht zu stark ist, in Farbe und
Konsistenz abweichende Fleischsorten etc.j,
ß) Fleisch, welches bedingungsweise schädlich ist für
den Menschen, dem aber durch geeignete Beh an dl ung
(Kochen, Pökeln, Sterilisieren, Ausschmelzen) die ihm anhaftende
Schädlichkeit genommen werden kann,
/) Fleisch von hochgradig abgemagerten Tieren, dessen
Genußwert den marktgängigen Fleischpreisen nicht entspricht,
*(); Fleisch von unreifen oder nicht genügend entwickelten
Kälbern.
2) Das Fleisch ist zum menschlichen Genüsse ungeeignet und
zu vernichten oder technisch zu verwerten.
Hierher gehört vom Standpunkte der Fleischbeschau nicht allein
solches Fleisch, „welches schon die Gesundheit der Menschen geschädigt
hat, oder bezüglich dessen der begründete Verdacht besteht, daß
dieser Fall eintreten könnte", sondern „alles Fleisch, dessen Unschäd-
lichkeit nicht feststeht" (Ostertagj:
30
Fleischbeschau. 441
a) Unbedingt j; e s u n d h e i t s s c h ä d 1 i c h e s Fleisch,
b) hoch^Mudig verdorlienes Fleisch, welches wegen
starker Veränderungen seiner Substanz (Fäulnis, Wässrigkeit, Para-
sitengehalt u. s. w.) die Eigenschaften eines für Menschen brauchbaren
Nahrungsmittels verloren hat.
Das in den freien Verkehr zuzulassende, bankwürdige Fleisch
ist am besten durch Aufdrücken von Far 1» t- n s te in pel n als
solches zu bezeichnen, ebenso wie das nicht bank würdige, der Frei-
bank zu überweisende Fleisch eine besondere, recht auffällige Kenn-
zeichnung verdient.
B. Beschau von eingeführtem frischen Fleisch.
Fast nirgends findet in einem Gemeinwesen die Deckung des
Fleischbedarfes allein durch im Orte geschlachtete Tiere statt, sondern
es erfolgt meist eine Zufuhr frischen Fleisches von auswärts. Kommt
dieses aus Orten ohne obligatorische Fleischbeschau, so kann sich
damit, selbst wenn der Bestimmungsort eine strenge Fleischbeschau
besitzt, die (iefahr einer Gesundheitsschädigung der Einwohner ver-
binden. Wenn nun auch durch strenge Einfuhrvorschriften und sorg-
fältige Untersuchung des Fleisches am Orte dieser Gefahr vorgebeugt
werden kann, so l)leibt das aus Orten ohne obligatorische Fleisch-
beschau eingeführte Fleisch gegenüber dem von im Orte geschlachteten
und der Fleischbeschau unterworfenen Tieren stammenden immer eine
Ware zweifelhafter Beschaffenheit. Deshalb ist es nicht allein zweck-
mäßig, dergleichen Fleisch mit bc'^onderen Stenipelabdrücken, welche sich
von denen auf dem Fleische der im Orte geschlachteten Tiere auffällig
unterscheiden, zu versehen, sondern es ist auch gerechtfertigt, daß
die Stätten, an denen eingeführtes Fleisch verkauft wird, durch ent-
sprechende Inschriften (Eingeführtes Fleisch, Auswärts geschlachtetes
Fleisch u. s. w.) kenntlich gemacht werden.
Da die Abgabe eines absolut sicheren Gutachtens über die Ver-
wertbarkeit eines Schlachttieres zur menschlichen Nahrung abhängig
ist von einer sachverständigen Untersuchung desselben vor und nach
der Schlachtung, so liegt es auf der Hand, daß die Untersuchung des
Fleisches am Einfuhrorte das Fehlen dieser Bedingungen nicht er-
gänzen kann. Es kann Fleisch von kranken Tieren stammen und
selbst gesundheitsschädliche Eigenschaften besitzen, ohne daß es in
seinen Bestandteilen auffallende Veränderungen er-
kennen läßt. Die Möglichkeit der Entdeckung von Krankheiten an
eingeführtem Fleische sinkt außerdem mit der Verringerung der
Größe der Fleischstücke und vielfach muß, selbst bei größeren Stücken,
sich der nachuntersuchende Sachverständige auf die Feststellung des
Unverdorbenscins beschränken.
Wenn in einem Gemeinwesen die Einfuhr von frischem Fleisch
nicht soweit beschränkt werden kann, daß nur aus Orten mit einer
obligatorischen Fleischbeschau, oder doch von Tieren, welche vor und
nach der Schlachtung tierärztlich untersucht worden sind, stam-
mendes Fleisch zur Einfuhr zugelassen wird , so sollte man vor-
schreiben, daß
1) nur ganze ungeteilte Tiere, oder von Großvieh mindestens nur
Viertel eingeführt werden, und
2) die wichtigsten Eingeweide: Lunge, Herz, Leber, Milz, Nieren,
Uterus sich im natürliclien Zusammenhange mit dem Fleische
31
442 EDELMANN,
betiiuieii. Diese Bediniiuiiii- ist allerdings bezüglich der Milz beim
Schlachten nicht leicht zu erfüllen wegen der innigen Verbindung
dieses Organs mit dem Magen. Hinsichtlich des Uterus müßte dann
das Fleisch hochträchtiger Tiere von der Einfuhr überhaupt ausge-
schlossen bleiben.
Mit einer solchen Maßregel wird allerdings der Transport des
Fleisches, sobald es sich um eine umfänglichere Einfuhr handelt,
ganz erheblich erschwert, und letztere damit von selbst beschränkt.
Außerdem fehlen von den Eingeweiden zur Untersuchung noch Magen
und Darmkanal, welche ebenfalls erheblich erkrankt sein können und
deren Beibringung im exenterierten Zustande, wegen der leicht mög-
lichen Unterschiebungen, nicht beweiskräftig ist.
Da eine Beschränkung der Fleischeinfuhr besonders aus Rücksichten
auf die Volksernährung, die Fleischversorgung und die Fleischpreise
in einem Gemeinwesen häufig nicht erwünscht erscheint, und vor
allem auch in großen Städten die Zufuhr besonders wertvoller einzel-
ner Fleischstücke (Lenden und Roastbeef, sowie Keulenstücke vom
Kind, Schweinskeulen und -Rücken, Kalbskeulen, Zungen, Lebern etc.)
angeblich nicht entbehrt werden kann, so sieht man sich häufig ge-
nötigt, obige Vorbedingungen fallen zu lassen und sich auf die Bei-
l)ringung des Nachweises zu beschränken, daß das Fleisch von einem
Tiere stammt, welches nach der Schlachtung tierärztlich untersucht
und für gesund befunden worden ist. Vielfach wird auch diese
Forderung aus Zweckmäßigkeitsgründen noch als eine zu weitgehende
betrachtet, und man giebt sich mit Zeugnissen von Ortspolizeibehörden
zufrieden, deren Zweifelhaftigkeit in sanitärer Beziehung nicht er-
örtert zu werden l»raucht.
Daß unter solchen Verhältnissen die Nachuntersuchung des ein-
geführten frischen Fleisches eine besonders strenge sein muß, liegt
auf der Hand : ebenso wie es dann Pflicht der Behörden ist, für eine
möglichste Kenntlichmachung des eingeführten Fleisches in der oben
erwähnten Art Sorge zu tragen, damit das Publikum, welches ohne-
dies noch in ausgiebigster Weise getäuscht werden kann, sich Auf-
schluß über die Herkunft des Fleisches zu verschaffen vermag.
Die Einfuhr von Hackfleisch ist unter allen Umständen zu
verbieten, und es sind auch Vorkehrungen zu treffen, daß nicht etwa
oberflächlich angesalzenes Fleisch als konserviertes der Beschau ent-
zogen wird.
Mit Rücksicht auf die Trichinengefahr sind vom Standpunkte der
Trichinenschau an das eingeführte frische Schweinefleisch
und die daraus hergestellten Fleischwaren besondere Bedingungen zu
stellen. Die beste Sicherheit gewährt entschieden eine obligatorische
Untersuchung alles eingeführten Schweinefleisches auf Trichinen,
gleichgiltig, ob es bereits auswärts untersucht worden ist oder nicht
(Berlin. Leipzig, Chemnitz u. a. O.j. Dieselbe ist auch nicht unbe-
rechtigt, da die Erfahrung gelehrt hat, daß vielfach die erste Unter-
suchung auf Trichinen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ausgeübt
wird. So wurden in Berlin 1890 91 7, 1891/92 7, 1892/93 8,
1893,94 4 eingeführte Schweine, welche bereits am Schlachtorte unter-
sucht waren, trichinös befunden. Auch in anderen Städten hat man
ähnliche Erfahrungen gemacht.
Vielfach beschränkt man sich auf die Forderung eines glaub-
haften Nachweises, daß am Orte, aus dem das Schweinefleisch stammt,
32
Fleischbeschau. 443
die obligatorische Trichinenschau besteht, bez. daß das Fleisch
untersucht worden ist. Eine solche Kontrolle hat sich naturgemäß
auch auf die Schweinefleischwaren (Wurst, Schinken, Speck etc.) zu
erstrecken. Seh weine fleisch waren außer deutschen Ur-
sprungs, insbesondere amerikanische, sollten nach den vor-
liegenden Erfahrungen stets untersucht werden, auch wenn sie mit
Zeugnissen über eine bereits erfolgte Untersuchung eingehen.
Die schlicßliche Verfügung des Sachverständigen über
eingeführtes Fleisch kann lauten:
1) Auf Zulassung zum freien Verkehr unter den oben erwähnten
Bedingungen,
2) auf Zurückweisung aus dem Ortsgebiete, wenn die Einfuhr-
bedingungen nicht allenthalben erfüllt sind, aber das Fleisch weder
verdorben ist, noch Merkmale aufweist, daß es von einem kranken
Tiere abstammt,
3) auf Beschlagnahmung und Vernichtung, sobald Krankheits-
erscheinungen am Fleische wahrzunehmen sind, oder dasselbe ver-
dorben ist.
Eine Ueberweisung von eingeführtem Fleische an eine Freibank
des Einfuhrortes sollte nicht zulässig sein, da einmal der Sachver-
ständige keine Garantie für die vollkommene Unschädlichkeit des
Fleisches für Menschen übernehmen kann, und außerdem dieser Um-
stand benutzt werden könnte, um Fleisch vom Lande in der Stadt
vorteilhafter zu verwerten zum Nachteil für die in der betreffenden
Stadt wohnenden Fleischer.
15) Girard, Compt. rend. du Congr. inUm. d^hyg. et de demograph. ä Paris 1890.
16) Hertwig, OsUrtag'» Zeittchr. 3. Bd. Heft 7 Ref., Verhandlungen der deutschen Gesellseh,
f. Oesundheitspjiege zu Berlin 1892.
17) Pauli, Adams Wochenschr. (1885) 476.
18) Leberecht, Zeitschr. J. Fleisch- u. Milchhyg. 2. Bd. IL 9.
19) Maier, Ad , Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 2. Bd. H. 10.
20) Zimmerer, Zeittchr. /. Fleisch- u. Milchhyg. 2. Bd. II. 11.
21) Fischoeder, Zeittchr. f. J<leisch- u. Milchhyg. 2. Bd. 86 u. 103.
22) Feten und Fischoeder, Berl. tierärzU. Wochenschr. (1896) No. 5.
4. Verwertung beschiagiiahinten Fleisches.
A. Nicht bankwürdiges Fleisch im allgemeinen.
Das beschlagnahmte und für nicht bankwürdig erklärte Fleisch
wird in Orten mit geregelter Fleischbeschau einer Freibank (S. 451)
zu überweisen und daselbst unter Deklaration zu verkaufen sein.
In Orten ohne geregelte Fleischbeschau, besonders aber auf dem
Lande, kann nach Befinden nicht bankwürdiges Fleisch dem Besitzer,
von dem das Schlachttier stammte, wenn dieser es nicht selbst ge-
schlachtet hat, zur Verwendung im eigenen Haushalt nach Erfüllung
etwaiger, in sanitärer Beziehung zu stellender Bedingungen zurück-
gegeben werden.
Ob bei einer Freibanküberweisung das Fleisch im rohen Zu-
stande zu verkaufen, oder ob es erst besonderen Zubereitungsverfahren
zu unterwerfen ist, wird sowohl von den örtlichen Bestimmungen, als
auch besonders vom Grunde der Nichtbankwürdigkeit des P^leisches
abhängen.
Jedenfalls erfordert dasjenige Fleisch, welches oben unter (i des
nicht bankwürdigen aufgeführt wurde, eine besondere Behandlung,
bevor es der Freibank übergeben werden kann (s. B).
Uudbuch der Hygiene. Bd. III. AbUg. i. 29
444 EDELMANN,
B. Zur menschlichen Nahrung bedingungsweise geeignetes Fleisch.
Im Interesse der Volkswirtschaft und der Volksernälirung muß
die Fleischbeschau bestrebt sein, bei strenger Erfüllung aller sani-
tären Forderungen, möglichst viel Fleisch für den Konsum zu er-
halten. Dieser Grundsatz hat mit der Ausbreitung der Fleischbeschau
mehr und mehr dazu geführt. ]\Iittel und Wege zu finden,* auch an
und für sich gesundheitsschädliches Fleisch zur menschlichen Nahrung
geeignet zu machen. Von hierher gehörigem Fleisch kommt beson-
ders in Betracht : Schwachfinniges, trichinöses Fleisch, sowie
das Fleisch von Tieren, welche an gewissen Formen von Tuber-
kulose gelitten haben.
Streng genommen nicht zu dieser Fleischkategorie zu rechnen
ist das Fleisch, welches mit Mie seh er 'sehen Schläuchen,
D u n c k e r 'sehen Strahlenpilzen, Kalkkon krementen oder
multiplen Blutungen durchsetzt ist, da Gesundheitsschädigungen
von Menschen infolge des Genusses derartigen Fleisches einwandsfrei
noch nicht beobachtet worden sind. Vorsichtshalber und teilweise
auch aus kommerziellen Gründen wird jedoch bisweilen auch Fleisch
der letztgenannten Arten besonderen Verfahren unterworfen, bevor
man es in den Verkehr gelangen läßt.
Zur Beseitigung der Gesundheitsschädlichkeit bei den vorerwähn-
ten Fleischarten kommen wesentlich 4 Verfahren in Anwendung: Das
Kochen, das Dämpfen des Fleisches in Dampfkoch-
apparaten, das Ausschmelzen und das Pökeln.
«) Das einfache Kochverfahren eignet sich zur Unschädlich-
machung schwachfinnigen Fleisches. Für widerstandsfähigere Para-
siten, insbesondere zur Abtötung zahlreicher Mikroorganismen und
deren Sporen , ist es in Anbetracht des schlechten AVärmeleitungs-
vermögens des Fleisches nicht sicher genug und bei chemischen
Giften ganz wirkungslos (Ost er tag). Ueber das Eindringen der
Wärme in größere Fleischstücke und Fleischwaren sind Versuche von
Gerlach'^2^ Rupprecht^^, Küchenmeister^', Wolffhügel
und Hueppe'^^, Petri'^, Perroncito, Leuckart, Hert-
wig^', Duncker^^ u. A. angestellt worden, aus denen hervorgeht,
daß die Temperatur in größeren Fleischstücken (über
3 — 4 kg) selbst bei mehrstündigem Kochen in gewöhn-
lichen Kesseln oder Töpfen, bez. beim Braten im
Innern der Fleischstücke niemals 100^^ C erreicht.
Beispielsweise ergaben die im kaiserl. Gesundheitsamte von
Wolffhügel und Hueppe angestellten Versuche folgende Re-
sultate :
1) Drei in eine 14,25 kg schwere Kalbskeule versenkte Thermometer zeigten
nach 3 Vj-Btündigem Braten in einer Temperatur von 103" C, 71, 76 und 89" C.
2; Desgl. bei einem 4,5 kg schweren geräucherten Schweineschinken
nach 4-8tündigem Kochen in Salzwasser mit einer Maximaltemperatur von 102 <* C,
75, 77 und 78^^ C.
3j Desgl. 93, 96 und 98' C bei einem 3 kg schweren, frischen Stück Kalb-
fleisch nach 3-stündigem Braten, wobei die Hitze in der Bratröhre auf 155" C ge-
stiegen war.
4/91 und 92 " C wurden im Innern eines 3 kg schweren Stückes Ri n d fiele c h,
mit kochendem Wasser angesetzt, nach 2 '^-ständigem Kochen erzielt, wobei eine
Temperatur von 105 " C im Wasser erreicht wurde.
5) In einem ebensolchen Stück RindÜeisch, aber mit kaltem Wasser angesetzt,
stieg die Temperatur auf 95 und 96 " C.
34
Fleischbeschau.
445
Da Finnen schon bei einer Temperatur von +50'* C absterben,
so genügt es, schwachtinnigcs Fleisch so lange in einem gewöhnlichen
Kessel zu kochen, bis die das Durchgekochtseiu anzeigende Verände-
rung der Muskelfarbe in Grau bis Weißgrau (Schweinetieisch) eingetreten
ist. Dieses Verfahren ist überall leicht auszuführen, besitzt aber die
Nachteile, daß dabei dem Fleische verhältnismäßig viele lösliche Nähr-
stoffe entzogen werden. Letzteres wird vermieden, sowie eine höhere
Temperatur erzielt bei dem B e c k e r - U 1 1 m a n n 'sehen K o c h a p p alr a t.
Derselbe tindet ausgedehnte Anwendung in großen Speiseanstalten,
Kasernen u. dergl., ist für sanitätspolizeiliche Zwecke jedoch meines
Wissens bisher ausschließlich auf dem Berliner Schlachthofe zur
Verwendung gelangt und hat sich daselbst sehr gut bewährt
(Hertwig«^).
Fig. 5. Becker-Ullmann' scber Kocbapparat.
Der Apparat zerfallt in mehrere Abteilungen, welche aus emailliertem Eisen be-
stehen, mit einer Dampfzuleitung verbunden sind und durch einen doppelwandigen,
darapfdicht schliefsenden Deckel verschlossen werden. Die Abteilungen smd in einem
doppelwandigen Holzkasten aufgestellt, der aufsen mit Kacheln belegt ist und dessen
Wandraum mit schlechten Wärmeleitern ausgefüllt ist. In die Abteilungen wird
Wasser und Fleisch hineingebracht und beide durch zugeleiteten Dampf erhitzt, wobei
eine Temperatur bis zu 92 ' C innerhalb 2 Stunden erreicht wird.
Nacn Hertwig's Versuchen mit Fleiechstücken von 6 — 12 cm Durchmesser
iegt die Temperatur in denselben innerhalb 2 Stunden auf 86 bezw. Itl.S" C.
ß) Das Dllinpfeii von Fleisch in Dampfkochapparaten ist ein
Fortschritt der allcrneuesten Zeit, der den gemeinschaftlichen Be-
mühungen von Ilertwig-', Duncker'" und Kohrbeck^* in
Berlin zu verdanken ist. Das Verfahren verfolgt den Zweck, durch
Anwendung gespannten Dampfes hohe Temperaturen im Innern von
mit gewissen Infcktionsstotfen behaftetem Fleisch zu erzielen und damit
größere Fleischmengen unter möglichst geringer Beeinträchtigung ihres
Nähr- und Genußwertes geeignet zur menschlichen Nahrung zu machen.
35 "^
446
EDELMANN,
Der Apparat, mit welchem die ersten diesbezüglichen Versuche ange-
stellt wurden, ist der von Rohrbeck in Berlin konstruierte Dampf-
desinfektor, welcher ursprünglich zur Desinfektion infizierter
Kleidungsstücke u. s. w. bestimmt, dem beregten Zwecke dienstbar
gemacht wurde.
Fig. 6. Patent-Fleisch-Desinfektor, Fleischsterilisator nach Dr. Hermann Rohr^
beck in Berlin mit nebenstehendem Dampfkessel.
Der Apparat stellt einen liegenden, cylindrischen, doppelwandigen, eisernen Kessel
dar, dessen Stirnseiten durch verschraubbare eiserne Thüren fest geschlossen werden
können. Im Innenraum befinden sich ausziehbare Roste, auf welche das zu dämpfende
Fleisch gelegt wird, während am Boden befindliche Zinkblechschalen zum Auflfangon des
ablaufenden Fettes, von Fleischbrühe und Kondenswasser dienen. Innenraum und Mantel-
raum des Kessels sind mit einer Dampfleitung verbunden und mit Manometern versehen.
Zum Mantelraum führt aufeerdem eine Kaltwasserleitung. Eine Dampf- und bez. Wasser-
ableitung aus dem Mantel- und Innenraum des Kessels führt in das Siel (Schleufse).
Nach Beschickung des Apparates kann Dampf in den Mantel- oder Innenraum
nach besonderer Betriebsvorschrift gelassen und dadurch im Innern eine Temperatur
bis zu 120" C bei einem Dampfdruck von 1 Atmosphäre und gesättigtem Dampfe er-
reicht werden.
Eigentümlich und von Vorteil ist es, dafs der Apparat mit Druckdifferenzen infolge
Kondensation arbeitet. Letztere wird durch Berieseln des Innenmantels mit kaltem
Wasser nach Abstellung des Dampfes bewirkt. Infolgedessen sinkt die Temperatur
im Innenraum, woselbst sich ein negativer Druck bemerkbar macht und ein Teil der
bei der Kondensierung des Dampfes freiwerdenden latenten Wärme sich den im
Apparate befindlichen Fleischmassen mitteilt
In einige Stücke des Fleisches legt man vor Beginn des Verfahrens Kontakt-
pyrometer (Tig. 7) ein, welche von Duncker sehr zweckmäfsig auf Grund des
Schmelzens von gewissen Metalllegierungen bei bestimmten Temperaturen konstruiert
worden sind. Die Pyrometer werden mit einem elektrischen Läutewerk verbunden,
Ihre Konstruktion ist aus der nebenstehenden Abbildung nebst der dazu gehörigen
Legende leicht verständlich. Bezüglich der Funktionierung der Pyrometer sei be-
merkt, dafs der elektrische Strom, in welchen das Pyrometer und das dazu gehörige
36
Fleischbeschau.
447
L&utewerk einpeschaltet worden sind, so lanpe unterbrochen sind, als die Spiralfeder b
durch das isolierte Plättchen c von der Berühruiij; mit der gegenüberstehenden
Leitung « zurückgehalten wird. Der Kontakt kann erst hergestellt werden, sobald
die Metalllegierung des Plättchens c derart weich geworden und ihrem Schmelz-
punkt nahegekommen ist , dals die Spitze der Spiralfeder das l'lättchen durchbohren
kann. Geschieht letzteres, so schliefst sich bei der Berührung der Spiralfeder mit dem
gegenüberstehenden, verbreiterten Ende der Leitung e der elektriscuo Strom und das
Läutewerk ertönt. Dieser Zeitpunkt wird gekommen sein, wenn die Temperatur im
Innern der FleischstQcko die bestimmte gewünschte Höhe (z. B. 100" C.) erreicht hat.
Die von Hertwig (I.e.) mit dem beschriebenen Apparate ange-
stellten Versuche haben ergeben, daß innerhalb 2 — 2^2 Stunden in
Fleischstücken bis zu 5,0 kg eine Temperatur bis zu 108° C erreicht
wurde bei einer Maximaltemperatur im Innenraum des Apparates
von 115—118" C. Dabei war der Gewichtsverlust des Fleisches ge-
ringer als beim Kochen unter gewöhnlichen Verhältnissen und das
Fleisch sehr saftreich, von würzigem, ange-
nehmen, an gebratenes Fleisch erinnernden
Geschmack und Geruch. Diese Versuchser-
gebnisse sind weiterhin von Maske ^^ sowie
von Noack^a bestätigt worden. Rohr-
beck'sehe Apparate sind bis jetzt auf einer
Anzahl von Schlachthöfen in Gebrauch (Berlin,
Dresden , Lübeck, Eisenach , Halle , Neiße,
Potsdam u. s. w.) und werden auch regierungs-
seitig empfohlen (vgl. Kgl. sächs. Verordn. vom
17. Dezember 18". »2 S. 430).
Der Apparat findet hauptsächlich Ver-
wendung zur Unschädlichmachung von Fleisch
tuberkulöser Tiere (s. Kap. IV, 3. B.lmit gewissen
Formen der Erkrankung, bei denen die Knochen,
Muskeln und Lymphdrüsen des Fleisches frei
von tuberkulösen Prozessen sind oder letztere,
soweit Lymphdrüsen in Frage kommen , sich
als alte Herde einer längst abgelaufenen Er-
krankung charakterisieren. Für trichinöses
Fleisch liefert das Dampfkochverfahren mehr
(iarantie als das gewöhnliche Kochen. —
Selbstverständlich kann der Apparat zum
Kochen finnigen u. s. w. Fleisches benutzt
werden , wobei man sich natürlich mit einer
Temperatur von 70 — 75" begnügen kann.
Ob septisch oder pyä misch infi-
ziertes P' leise h durch Hitzegrade,
wie sie im Roh rbeckschen Ajjparate er-
zeugt werden können, von seinen giftigen
Eigenschaften zu befreien ist, be-
darf noch der Erforschung. Nach den
Untersuchungen van Ermen^^em's (siehe
Kap. II) wurden Toxalbumine durch Tempe-
raturen von 1<H> — 120" C. nicht zerstört. Daß
Toxine durch Kochen und Braten unter ge-
wöhnliehen Verhältnissen nicht entgiftet wer-
den, ist seit lanjzem bekannt und durch zahl-
reiche Fleischvergiftungen bei Menschen
Fig. 7. Kontakt- Pyro-
meter im senlciechten Durch-
schnitt nach D a n c k e r,
a MessinghUlse, b Spiralfeder,
cLegieruDgsplättchen, isoliert
liegend auf d Hartgummi-
Stöpsel , e Ansatzdrihte für
die eleiitrische Leitung.
37
448
EDELMANN,
belebt. Fleisch in diMi ersten Stadien der Fäulnis dürfte
auch durch das Danipfkocliverfahren nicht schmackhafter gemacht werden
können, selbst wenn die darin befindlichen Fäulnistoxine vernichtet
werden sollten. Auch dürften aus faulendem Fleisch die darin ent-
standenen Ammoniaksalze kaum vollkommen austreibbar sein.
Dieselben Zwecke wie der Ro hrb e ck'sche Apparat verfolgt ein
von der Firma R i e t's c h e 1 & H e n n e b e r g , Berlin und Dresden
konstruierter Flei seh dämpf er , dessen Einrichtung, Wirkung und
Verwendung aus den beifolgenden Abbildungen und deren Legenden
ersichtlich ist.
Y\^. b. Fleisch-Dämpfer von R i e t s c h e 1 o^ Ileuueberg. Aeufsere Ansicht.
Auch dieser Apparat findet mehr und mehr Verbreitung,^ nicht
zum geringsten wegen seiner Billigkeit gegenül)er dem Ro h r b e c k 'sehen,
dessen Vorzug der Kondensierungseinrichtung dem Rietschel und
H'en neber g 'sehen Heischdämpfer abgeht. Er ist aufgestellt z. B.
in Leipzig, Zwickau, Stettin, Spandau, und liegen günstige Berichte
38
Fleischbeschau.
449
Fig. 9. Fleischdämpfer von Rietscbel & HenDeberg. Vertikalschnitt.
BachstabenerklaruDg : a Kochkessel, b Deckel desselben, c Heizkörper für direkten Dampf,
d Dampfzufiibrung vom Betriebskessel her, t Dampfableitung und Kondenstopf mit auto-
matisch wirkendem Wasserabscheider, / Säule mit Gegengewicht zum Ausbalancieren des
Deckels , g Sicherheitsventil und h Manometer für den Kochkessel, t Drahtkörbe für das
Fleisch, 2; Lufthahn, l AblaTshahn.
Über den Betrieb des Apparates vor von Rieck^S Liebe ^\
Falk^^
Gleichen Zwecken, wie die oben besprochenen Apparate sollen
dienen: der Desinfektor von Budenberg-Dortmund nach einer
Mitteilung von Clausnitzer-^', sowie der Seiffert'sche Dampf-,
Schmelz- und Koch ap parat (W. Boese jun. Breslau).
y) Ueber das Ausschmelzvorfahren, welches für das Fett kranker
Tiere (vor allem finniger, tuberkulöser und trichinöser Schweine) Ver-
wendung findet, braucht nicht viel gesagt zu werden. Das zerschnittene
oder zermahlene Fett wird in gewöhnlichen Kesseln ausgeschmolzen,
wobei die Temperatur bis auf 15<J*' C steigt. Auch Mantelkessel mit
Dampfdurchströmung eignen sich für diesen Zweck.
39
450 EDELMANN,
d) Vermittels des handwerksmäßigen Pökclverfalirens. wie es
der Fleischer anwendet, läßt sich finniges nnd trichinöses Fleisch
ebenfalls unschädlich machen, sofern nur die Pökelung genügend
lange (4 Wochen) erfolgt und die Fleischstücke nicht über 2 kg
schwer sind. Das Verfahren eignet sich besonders für die Fleisch-
beschau auf dem flachen Lande, wo für den schnellen Absatz
größerer Mengen gekochten Fleisches Schwierigkeiten bestehen, während
Pökelfleisch im Haushalt allmählich verbraucht werden kann. Aber
auch auf den Schlachthöfen wird das P(")kelungsverfahren bei finnigem
Schweinefleisch dem Kochverfahren mehr und mehr vorgezogen, weil
bei dem ersteren das Fleisch nicht an Gewicht einbüßt und auch vom
Publikum im allgemeinen lieber gekauft wird als gekochtes Schweine-
fleisch. Vergl. auch Stutzer dies. Handb. 3. Bd. 221.
Auf mit pathogenen Bakterien oder deren Stoff-
wechselprodukten infiziertes Fleisch sind die giftzer-
störenden Wirkungen des Pökeins sehr gering. Vergl.
die Arbeiten von B osh ammer ^''^ über die Einwirkung des Pökeins
auf Bakterien, Forst er-*"' über die Beeinflussung pathogener
Bakterien (Stapliylokokken, Erysipelkokken, Schweinerotlaufl3akterien)
und von Tuberkelbacillen.
Das ßättcherverfahern (vergl. Stutzer dies. Handb. 3. Bd.
222) kann für die praktische Fleischbeschau wegen seiner Langwierig-
keit nicht in Betracht kommen. Ueber den Einfluß des Räucherns
auf Fäulniserreger, Staphylokokken, Proteusarten siehe die Arbeiten
von Beut'S auf Tuberkelbacillen die zuletzt zitierte von Förster^"'.
22) Gerlach, Die Trichinen, Hannover 1866.
23) Eupprecht, VierUlj. f. gerichtl. 31ed. N. F. 42. Bd. 111.
24) Küchenmeister, Zeitschr. f. Med. Chirurg. Geburtsh. N. F. (1863) 309.
25) Wolffhügel und Hüppe, Mitteü. d. KaiaerL. Oesundheitsamtes 1. ßd.
26) Petri, Arbeit, aus d. Kaiserl. Oesundheitsamt 6. Bd. 2.
27) Hertwig, Dtsch. Vierteljahrsschr. f. öfentl. Gesundheüspß. (1892) 24. Bd. 392.
28j Duncker, Zeitschr. f. fleiech- u. Müchhyg. 2. Bd. H. 2 ; Zeitschr. f. Fleisch- u.
}Iilchhyg. 2. Bd. II. 12.
29) Hertwig, Zeitschr. f. Fleisch- u. Müchhyg. 1. Bd. U. 4.; Bericht über d. städt.
Fleischbeschau zu Berlin (1890/91); Zeitschr. f. fleisch- u. Milchhyg. 2. Bd. 212 j
Ottertag's Handb. 706.
30) Dxmcker, Ueber das Eindringen des Wasserdamp/es in Desinfektionsobjekte, Leipzig,
Georg Thieme, 1892 ; Die physikal. Prüfung der Desinfektion mit Wasserdampf. Deutsche
Medizin. Ztg. (1892) No. 85 — 91.
31) Rohrbeck, Deutsche med. Wochenachr. (1890) No. 50; Der Gesundheitsingenieur (1894)
No. 2 u. 3.
32) Maske, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 3. Bd. 115.
33) Noack, Dtsch. tierärztl. Wochenschr. (1895) No. 32.
34) Rieck, Arch. f. TürheiOc. 21. Bd. 168.
35) Liebe, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 4. Bd. 143.
36) Falk, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 5. Bd. H 7.
37) Clausnitzer, Zeitschr. f. Fleisch- u. Müchhyg. 4. Bd. 107.
37aj Boshammer, Inaug.-Diss , Greifswald 1888.
376) Forster, Münch. med. Wochenschr. (1889), Ref. Berl. t. Wochenschr. (1889) 287. —
Ibid. (1890) No. 16, lief. Arch. f. Nahrung smitulk. 5. Bd. 94.
37c) Beu, CerUralbl. f. Bakteriolog. 8. Bd. 513.
C. Zur menschlichen Nahrung ungeeignetes Fleisch.
Die bei der Fleischbeschau beschlagnahmten Tiere oder Teile der-
selben müssen, sofern sie in jeder Beziehung ungeeignet zur
menschlichen Nahrung sind, vernichtet, unschädlich beseitigt
oder technisch verwertet werden. Dies wird auf größeren Schlacht-
40
Fleischbeschau. 451
höfen in den sop:. Sanitätsanstalten, Polizeischlachthäusern, Contuniaz-
anstalten u. diil. Itosorj^t, indem (hiselhst, entweder eine Vernichtung
unmittelbar erfolgt, oder eine Ueherfidirung nach jjesunderen Vernicii-
tungs- und Ausnutzungsanstalten (Talgsciimelzen, Cavillereien, Ab-
deckereien, Poudrettefaltriken, Knochenmehlfabriken) vorbereitet wird.
Kann die Ueberführung tierischer Teile nach diesen Anstalten nicht
unter sicherer polizeilicher Aufsicht erfolgen, welche auch die Ver-
nichtung oder Ausnutzung zu überwachen iiat, so emjihehlt es sich,
das Fleisch durcli UeiiergielSen mit stark riechenden StoHen (Karbol-
säure, Petroleum, Steinkohlentheer etc.) oder mit zersetzenden StoH'en
(Mineralsäuren) zu denaturieren, für Nahrungszwecke unbrauchbar zu
machen. Auf kleineren Schlachtluifen sind in der Regel die Peseitigungs-
verfahren von den Schlachthofl)eamtcn oder Tierärzten selbt zu ül)er-
wachen. welche auch bei einer ambulatorischen Fleischbeschau die \'er-
nichtung einzelner Eingeweide oder kleinerer Teile in der Kegel unter
ihrer unmittelbaren Aufsicht durch Verbrennen in den Feuerungen
der Haushaltungskessel oder mittels Vergrabens nach Denaturierung
bewirken lassen. Für ganze Tiere muß unter solchen Verhältnissen
die Ortspolizei die Ueberwachung übernehmen.
Unstatthaft ist es in jedem Falle, krankhafte Teile auf
die D ü n ger st ätte zu werfen, ebenso wie eine Verwendung
von Fleisch kranker Tiere zur Fütterung von Hunden, Schweinen etc.
nur in sehr beschränktem Maße und ausschließlich in solchen Fällen
zugelassen werden sollte, in denen eine Uebertraguug von Krankheiten,
sowie eine etwaige mißbräuchliche Verwertung des Fleisches für
Menschen sicher ausgeschlossen sind.
Eine Verordnung des König), sächsischen Ministeriums des Innern vom 16. Jan.
1890 verbietet das Wegwerfen und Eingraben tuberkulöser Teile auf Düngerhaufen.
Ausführliches über die Verwertung und Beseitigung von Tier-
kadavern siehe bei Weh m er, Abdeckereiwesen, 2. Bd. 2. Abtlg.
107 ff. dies. Handb.
5. Die FreibSiikc.
Eine Freibank ist eine öffentliche Verkaufsstelle für Fleisch,
welches aus irgend einem Grunde nur unter gewissen \'oraussetzun-
gen oder Bedingungen in den Verkehr gelangen darf und deshalb
dem allgemeinen freien Verkehr entzogen worden ist. Zum Wesen
der Freibank und aller den gleichen Zwecken dienenden Einrichtungen
gehört der D e k 1 a r a t i o n s z w a n g , die Bekanntgabe des (1 rundes,
aus welchem das betreffende Fleisch der Freibank übergeben wurde,
sowie die Voraus.set2ung, daß das Fleisch nur im eigenen
Haushalte des Käufers benutzt, keinesfalls aber ge-
werbsmäßig zur Herstellung von Speisen, Würsten
u. dergl. verwertet wird.
Dazu kommt noch ein niedrigerer Verkaufspreis der
Freibankwaren und die Abgabe in nur kleinen Gewichts-
mengen — meist nur iiis zu 2 — 3 kg.
Das Institut der Freibänke ist keineswegs etwas Neues. Schon im
Jahre 1248 finden wir in einer der Metzgerzunft zu Basel durch den
Bischof Lütold erteilten Urkunde'* eine Einteilung der Fleisch-
4»
452 EDELMANN,
verkaufstände des Marktes, der Fleischbänke, nach der Beschaffenheit
und Herkunft des daselbst verkauften Fleisches mit der Verfügung, daß
das „unsaubere Fleisch außerhalb der Metzig" verkauft werden solle.
Nach Ostertag^^ schreibt das Augsburger St a dtr echt (1276)
bereits vor: „Swelch Fleisch mauger ein varch sieht, das phinnik ist,
das soll er niemen gäben wände mit wizzen." Solches Fleisch durfte
nicht auf den gewöhnlichen Fleischbänken verkauft werden, sondern der
Verkauf mußte, entfernt von diesen, auf einer freistehenden Bank ge-
schehen. Im Mittelalter gab es fast in allen Städten Deutschlands Frei-
bänke, jedoch sind sie aus dieser Periode nur in Siiddeutschland für die
Neuzeit erhalten worden und bestehen daselbst nicht nur in den Städten,
sondern auch auf dem flachen Lande. In Norddeutschland werden eben-
falls mit der Ausbreitung der Fleischbeschau Freibänke eingeführt. Ende
des mit dem 1. Mai beginnenden Berichtsjahres 1894/95 waren im König-
reich Preußen 290 öffentliche Schlachthäuser vorhanden; aus 144 Orten
wird das Vorhandensein einer Freibank angegeben und aus 53 das
Fehlen einer solchen gemeldet. Ob die übrigen 93 Orte mit Schlacht-
höfen eine Freibank besitzen oder nicht, ist aus den Berichten nicht er-
sichtlich. Im Königreich Sachsen bestehen gegenwärtig Freibänke in
28 Städten mit einer geregelten Fleischbeschau. — Erwähnung finden
die Freibänke, oder diesen gleich zu erachtende Einrichtungen, in den
Fleischbeschau - Vorschriften des Reg. - Bez. Bromberg, Königreichs
Bayern, Sachsen, Württemberg, Großherzogtums Baden, Hessen,
Herzogtums Gotha, Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt und in
denen für die Re i chs land e. Empfohlen ist die Errichtung von Frei-
bänken seitens der Pro\änzialregierungen von Posen und Schlesien.
Die Notwendigkeit und der Nutzen der Freibänke für
die Fleischbeschau erhellt ohne weiteres aus der S. 440 gegebenen
Einteilung des Fleisches der Schlachttiere. Ließe man das unter den
daselbst aufgestellten Begriff „Nichtbankwürdig" gehörige Fleisch in
den freien Verkehr gelangen, so würde ein solches Verfahren in vielen
Fällen ein Vergehen gegen das Nahrungsmittelgesetz, zum mindesten
aber eine Uebervorteilung des Konsumenten mit sich bringen. Letzterer
kann mit Recht verlangen, daß er in den Fleischerläden eines Ortes mit
einer Fleischbeschau nur von gesunden oder nur ganz unerheblich
kranken Tieren abstammendes Fleisch tadelloser Beschaffenheit erhält.
Dieser in kommerzieller Beziehung berechtigten Forderung kann der
Fleischbeschaubeamte nur mit Hilfe der Freibank entsprechen, will er
nicht dem Viehproduzenten ganz erhebliche Verluste zufügen und
sowohl dem Nationalvermögen beträchtliche Werte, als auch der
Volksernährung schätzbare Nährstoffe unnötigerweise entziehen. Denn
ein großer Teil der bei Bestehen einer Freibank daselbst zu ver-
wertenden Fleischsorten, die von kranken Tieren abstammen, aber
nicht gesundheitsschädlich sind, oder denen doch ihre gesundheits-
schädlichen Eigenschaften genommen werden können, müßte beim
Fehlen einer Freibank der Vernichtung anheimfallen.
Die aus dem letzteren Umstände erwachsenden Verluste sind
ganz enorm, und aus diesem Grunde hat auch die Landwirtschaft,
die besonders in Norddeutschland der Fleischbeschau keineswegs
günstig gesinnt i.st, für die Freibänke Partei genommen. Auf der
XIX. Plenarversammlung des Deutschen Landwirtschaftsrates*" im
Jahre 1891 wurde beschlossen, allenthalben für die Errichtung von
42
Fleischbeschau. 453
Freibänken zu sorgen und in diesem Sinne bei den zuständigen Re-
gierungs- und Ortspolizeibehörden vorstellig zu werden. Von in der
Fleischbeschau erfahrenen Tierärzten ist die überwiegende Mehrzahl
für die Errichtung von Freibänken, was in zahlreichen Journalartikeln
zum Ausdruck gekommen ist (Schm idt-M ülh eim * ^ Adam'*,
H art en st ein *\ Schwarz**, Messner '^, La ho"' u. A.).
Von den Gegnern der Frei b an k werden mannigfache Einwen-
dungen gegen dieselbe erhoben. Die Nichtberechtigung der letzteren,
welche hier nicht diskutiert werden kann, charakterisiert sich teil-
weise schon durch die Kreise, aus denen die Einwände kommen.
Seitens der Fleischer wird über die Willkür der Fleischbeschau-
beamten bei den Ueberweisungen an die Freibänke, über die
ihnen durch die letzteren erwachsende Konkurrenz, sowie über den
angeblich aus dem billigeren Verkauf entstehenden Druck auf die
Fleischpreise geklagt. Auch wird behauptet, daß in wissenschaftlicher
Beziehung die Grenze des Gesundheitsschädlichen keineswegs allent-
halben feststehe und Mißgriffe nicht ausgeschlossen seien.
Ein Haupteinwand geht dahin, daß die Kontrolle über den Ver-
bleib des Freibanktieisches sehr schwierig und es in größeren Gemein-
wesen keineswegs ausgeschlossen sei, daß solches Fleisch doch in den
freien Verkehr gelange oder in gewerbsmäßiger Weise mißbräuchlich
verwertet werde. Es wird daher vielfach gefordert, daß Freibank-
fleisch nur in gekochtem Zustande verkauft werden möchte, weil
dann eine unrechtmäßige Verwertung weniger leicht möglich sei. Die
allgemeine Erfüllung dieser Forderung würde den Nutzen, welchen
die Freibank mit sich bringt, erheblich verringern, denn durch das
Kochen wird eine Abminderung des Verkaufswertes des Fleisches
nach Noack'" um 50 — 60 Proz. und damit ein Verlust erheblicher
Werte für den Viehproduzenten herbeigeführt. Die allgemeine
Abkochung von nicht bankwürdigem Fleische könnte man höchstens
in ganz großen Städten befürworten, wiewohl auch hier die miß-
bräuchliche Verwertung größerer Mengen von Freibankfleisch durch
scharfe behördliche Ueberwachung verhindert werden kann, die außer-
dem in der Denunziation seitens mitwissender Personen eine Unter-
stützung findet. Eine mißbräuchliche Verwendung geringer Mengen
Freibankfleisch aber, die sich schließlich auch bei obligatorischer
Kochung nicht vermeiden läßt, kann gegenüber den großen aus dem
Verkaufe rohen Fleisches auf der Freibank für Viehbesitzer und
Publikum erwachsenden Vorteilen nicht in Betracht kommen.
Daß es sich empfiehlt, das der Freibank überwiesene Fleisch
durch besondere Stempel als solches zu kennzeichnen, wurde
schon oben angedeutet. Die Verwaltung der Freibank sollte nur in
der Hand der Behörde liegen oder doch unter ihrer Verantwortung ge-
schehen. Eine Rückgabe von nichtbankwürdigem Fleisch, auch wenn
es als solches gekennzeichnet oder abgekocht worden ist, an einen
Fleischer zum Verkauf oder Verwertung im eigenen Geschäft, wie
dies an einzelnen Orten behufs Vermeidung der Errichtung einer
eigentlichen Freibank zu geschehen pflegt, ist aus naheliegenden
Gründen entschieden zu verwerfen.
38) Gräber, Historische» *ur Enticiekel. d. OffenU. Oesundheitspfl. auf d. Otbiete d. Fleisch-
nahrung, Inau(j.-Dus., Ltipzig 1884.
89) Gitertag. Handbuch 53.
40) VerJiandlungtba-icht der XIX. PUnarversammlung des deutschen Landunritchaftsrats.
Berlin 1891.
43
454 EDELMANN,
41) Schmidt-Mülheim. Ar-ch /. animal. Xahrungsvtittel künde 4. Bd. 17.
42) Adam. Uocheiischr. J. Tierheilk. (1889) 451.
43) Hartenstein, Arch. _/. trissensch. u. prakt. Tierheilkunde 16. Bd. H. 4, 5.
44) Schwarz. ZriUehr. /. Fleisch- u Milchhyg. 1. Dd 95.
45) Messner, Tierärzü. Zentralbl. 15. Bd. Xo. 17.
46) Laho, Annal. helg. 42. Jahrg. 647.
47) Noack, Dtsch. tierärzü. Wochenschr. (1895) 273.
Anhang.
Derzeiti£;er Stand der rieiselibescliaii in den
europäischen Staaten.
1. Deutschland.
Seitens der Reichsregierung hat weder die allgemeine Fleisch-
beschau noch die Trichinenschau bei den Schweinen eine
einheitliche Regelung ^", <8^ 49 erfahren, so wünschenswert dies auch
im Interesse einer gleichmäßigen Handhabung dieser Gebiete der
öffentlichen Wohlfahrt sein würde (Seh neide m ü hl ''").
A. Allgemeine Fleischbeschau.
Von den einzelnen Bundesstaaten haben eine allge-
meine Fleischbeschau eingeführt : Bayern, Württemberg, Baden,
Hessen, Sachsen - Meiningen, Sachsen - Koburg - Gotha, Schwarzburg-
Rudolstadt, Elsaß-Lothringen sowie einzelne Provinzen und Regierungs-
bezirke Preußens. Von Städten und größeren Gemeinwesen mit einer
geregelten Fleischbeschau giebt es, sowohl in Preußen, als auch in den
übrigen Bundesstaaten eine große Anzahl, doch können deren orts-
statutarische Bestimmungen hier keine Erwähnung finden.
In Bayern ist nur „die Fleischbeschau bei Pferdeschlachtungen" durch Ministerial-
entschliefsuDg vom 31. Oktober 1874 für das ganze Königreich einheitlich geregelt.
Für die Beschau der übrigen Schlachtliere gelten die für die einzelnen Regierungs-
bezirke auf Grund der Art. 74, 75 und 145 des Polizeistrafgesetzes von 1871 erlassenen
oberpolizeilichen Vorscbrilten.
Letztere datieren in :
Ober bayern vom 2. Juni 1862 (abgeändert durch Bekanntmachung der Kgl. Reg.
vom 20. Juni 1882 und Ausschreiben ders. v. 16. Februar 1890);
Niederbayern vom 21. Juli 1876 (ergänzt durch Bekanntmachung d. Kgl. Reg.
vom 10. Januar 1892) ;
der Pfalz vom 4. April 1884;
der Oberpfalz und Regensburg vom 8. Oktober 1872 (abgeändert durch die
Bekanntmachung der Kgl Reg. vom 9. November 1875 und 31. Juli 1883);
Ober franken vom 23. Juni 1881 (abgeändert durch die Bekanntmachung der
Kgl. Reg. vom 19, Juni 1892);
Mittelfranken vom 18. Februar 1885;
Unterfranken und Aschaffenburg vom 10. September 1874 (ergänzt durch
Ausschreiben d. Kgl. Reg. vom 15. Mai 1875);
Schwaben und Neuburg vom 11. April 1872 (ergänzt durch die Regieruugs-
entschliefbungen vom 23. Dezember 1875 und 21. Dezember 1882).
Die erwähnten Verordnungen schreiben sämtlich eine Beschau vor und nach dem
Schlachten vor. Erstere darf nur bei Notschlachtungen infolge von Unglücksfällen unter-
bleiben. Als Sachverständige sind in jeder Gemeinde Fleischbeschauer zu
verpflichten, welche in erster Linie als wissenschaftlich gebildete Flei.sch-
beschauer der Zahl der Tierärzte zu entnehmen sind. Wo dies nicht angeht, können
aach Laien als sogen, empirische Fleischbeschauer Verwendung finden. Im allgemeinen
dürfen die empirischen Fleischbeschauer nur über gesunde Schlachttiere verfügen; bei der
Entdeckung von Krankheiten der Schlachttiere ist die Entscheidung über die Verwertbar-
keit des Fleisches von Tierärzten zu fällen. Ueber die Zulässigkeit des Fleisches ge-
44
Fleischbeschau. 455
schlacbteter Pferde zur mensclilicheu Nahruug können autsch liefslich die
Tierärzte entscheiden.
In Württemberg reKelt die VerfUgunK des Minist, des Innern betr. die Beauf-
•ichtiituufc des Verkehrs mit Fleisch vum 21. August 1879 uebst Belehruni; des Kgl.
Mediziualkollegiums für Fleischbeschaukommissionen, sowie ein Erlafs des Minist, des
Innern betr. die Führung von Fleischbeschaaregistern vom 29. Dezember 1886 die Fleisch-
beschau. Die Ausübung der letzteren wird in die Hand von Fleischbeschau-
kommissionen gelegt, welche in jeder Gemeinde zu bilden sind, und denen Tierärzte
möglichst angehören sollen. Beschau in der Kegel vor und nach der Schlachtung der
Tiere; nur für Kleinvieh sind Ausnahmen gestattet. Pferde sind iu jedem Falle doppelt
zu besichtigen.
Baden. Die Fleischschauordaang vom 26. November 1878 nebst Dienstanweisung
schreibt die Beschau sowohl vor als auch nach der Schlachtung vor. Als
Fleischbeschauer fungieren Tierärzte nnd solche empirische Fleisch-
bescbauer, welche sich durch eine vor einem Hezirkstierarzte abzulegende Prüfung als
befähigt erwiesen haben. Bei kranken Schlachttieren kaou nur der zu diesem Zwecke
gemäfs Ministerialerlafs vom 11. Januar 1886 für die betr. Gemeinde verpflichtete Tier-
arzt entscheiden.
Hessen. Fleischschauordnung vom 10. April 1880 nebst Instruktion und Anleitung
für die Fleischbeschauer. Hierzu sind Erlasse des Ministers des Innern und der Justiz an
die Kreisämter unter dem 12. Mai 1880, dem 20. März 1886, dem 5 Mai 1890 und dem
22. Februar 1892 ergangen und die Instruktion durch Erlafs des Minist, des Innern vom
12. Oktober 1883 vervollständigt worden. Beschau vor und nacli der Schlachtung
durch empirische und tierärztliche Fleischbeschauer. Bei Pferden ist
die zweite Beschau stets von Tierärzten vorzunehmen, welchen auch ausschliefslich die
Verfügung über kranke Schlachttiere (ausgenommen bei Scbafvieb, Ziegen und
Kälbern) zu überlassen ist.
Für Sachsen-Melningren sind in dem Ausschreiben des Ministeriums, Abteilung des
Innern, vom 11. März 18b6 ähnliche Bestimmungen für die Fleischbeschau wie in Hessen
getroffen. Die Beurteilung des Fleisches regelt die Verfügung des Staatsministeriums betr.
die Vieh- und Fleischbeschau vom 3. Mai 1886.
Sachsen-Koburg-Gotha. Im Koburgischen Landesteile soll nach einer Ver-
ordnung, den Fleischverkauf betr. vom 27. Januar 1838, alles V'ieh, dessen Fleisch zum
Verkauf bestimmt ist, vor dem Aufhauen gehörig von Aerzten, Tierärzten oder ökono-
mischen Sachverständigen besichtigt werden. — Das Herzogtum Gotha hat durch
Ministerialverordnung vom 22. Dezember 1891 nebst Dienstanweisung für die Fleisch-
beschauer bez. durch deren Abänderung vom 7. April 1893 die obligatorische Fleisch-
beschau eingeführt. Die Ausführung der Beschau durch empirische und tierärztliche
Fleischbeschauer geschieht ähnlich wie in Baden.
In Sohwarzburpr-Rudolstadt besteht ebenfalls eine allgemeine Fleischbeschau, ein-
gefiihrt durch die Verordnung vom 3. September 1892 nebst Abänderung und Ergänzung
vom 23. Dezember 1893. Bei der Anstellung der Fleischbeschauer können empirische Be-
schauer von einer Gemeinde, in der ein Tierarzt wohnt, nur mit besonderer Genehmigung
des Ministeriums Verwendung finden Beschau vor und nach der Schlachtung.
Sohwarzburö:-Sondershausen '° ^ hat durch die Fleischbeschauordnung
vom 16. April 1895 eine allgemeine Schlachtvieh- und Fleischbeschau eingeführt. Ausbil-
dung und Prüfung empirischer Fleischbesch.iuer durch den Bezirkstierarzt. Beschau
vor und nach der Schlachtung sowie des eingeführten Fleisches.
Verordnung regelt zugleich die obligatorische Trichinenschau.
Elsaß-Lot hring^en. Unterelsafs. Verordnung vom 28. Juni 1889 betr. das
Metxgergewerbe und den Fleischhandel nebst Dienstanweisung für die Fleischbeschauer vom
18. Juli 1890.
Oberelsnfs. Verordnung vom 10. Mai 1884 betr. die Beaufsichtigung des
Metzgergewerbes und Fleischhandels nebst Dienstanweisung vom 20. Oktober 1884 und
Ergänzungsverordnung vom 14. Mai 1890
Lothringen. Verordnung vom 1. Januar 1895 nebst Dienstanweisung.
Allen Verordnungen ist die Vorschrift der Beschau vor und nach der
Schlachtung der zur gewerbsmäfsigen Verwertung bestimmten Schlachttiere gemeinsam.
Als Fleischbeschauer sind in erster Linie Tierärzte zu verwenden, welche bei Pferden,
kranken Tieren und Notscblachtungen ausschliefslich zuständig sind. Laien-
fleischbeschauer haben ihre Befähigung durch eine vom zuständigen Kreistierarzt absubaltende
Prüfung nachzuweisen.
Vom Königreich Preußen hat die Provinz Hessen - Nassau durch Polizeiverord-
nung des Oberpräsidenten nebst Ausrührungsvorschriiteu und Dienstanweisung für die
SchlachtvJehbeschauer und sonstigen Sachverständigen vom 1. Juli 1892 eine obliga-
torische Fleischbeschau eingefiihrt. Untersuchung vor und nach der
4S
456 EDELMANN,
Schlacht UDtf. Empirische, von lien Kreistieräriten zu prüfende Fleischbeschauer und
Tierirxte sind zur Ausübung der Beschau zu verpflichten. Letztere sind allein kompetent
bei Pferden und bei der zweiten Untersuchung von Notschlaehtungen. Bei krank befundenen
Tieren sind Tierärzte heninzuziehen, sobald die Geniefsbarkeit des Fleisches in Frage steht,
Weiterhin besteht im Oberamtsbezirk
Si^nuiring:eu eine Verordnung vom 22. Dezember 1887 über das Schlachten und
über den Verkehr mit Fleisch und Fleischwaren. Aehnliche Verhältnisse wie in Baden.
Im Regierungsbezirk Potsdam hat der Regierungspräsident den Städten seines Be'
zirkes durch Rundschreiben vom 31. März 1893 die Einführung einer Vieh- und Fleisch-
beschau empfohlen und gleichzeitig den Entwurf einer diesbezüglichen Polizeiverordnung
lugehen lassen.
Im Keg.-Bez. Danzig tritt vom I.Oktober 1896 nach einer Polizei-Verord-
nung ''l^ betr. die Untersuchung des Schlachtviehes vom 18. Mai 1896 nebst
Anweisung, betr. die Anstellung und die Obliegenheiten der Schlacht-
viehbeschauer eine obligatorische Schlachtvieh- und Fleischbeschau in Wirksamkeit.
Aufserdem haben schon im August 1893 die Königl. Minister für Landwirtschaft u. s. w.,
des Innern und der Medizinalangelegenheiten die Einführung einer allgemeinen Fleisch-
beschau angeregt und diese Anregung Anfang des Jahres 1895 durch erneuten ErlaTs an die
Oberpr&sidenten der Provinzen wiederholt.
Von den freien Reichsstädten besitzt Hamburg eine obligatorische Fleisch»
beschau durch Gesetz vom 19. März 1894 betr. die Eintührung des Schlachtzwanges und
einer Fleischbeschau; Bremen durch Verordnung vom 21. Februar 1889 betr. die Ein-
führung geschlachteten Fleisches und die Untersuchung des Schlachtviehes und des frischen
Fleisches auf dem Schlachthofe; Lübeck durch Verordnung vom 10. September 1884 betr.
die Untersuchung des Schlachtviehes und des frischen Fleisches in der Stadt Lübeck und
deren Vorstädten.
B. Trichinenschau.
Die aus den amerikanischen Schweinefleischwaren
drohende Trichinengefahr hatte der Reichsregierung Veranlassung ge-
geben, durch Kaiserliche Verordnung vom 6. März 1883 nebst
Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 12. April 1883,
die Einfuhr von Schweinen und Schweinefleischwaren aus Amerika
zu verbieten. Das Verbot wurde am 3. September 1891 für lebende
Schweine vollständig, für Schweineiieischwaren insoweit aufgehoben,
als diese mit einer amerikanischen Fleisch- und Trichinenschauurkunde
versehen sind; auch die Bestimmungen der Bekanntmachung des
Reichskanzlers vom 12. April 1883 wurden mit dem 19. November
1891 außer Wirkung gesetzt.
Alle diese Vorschriften können jedoch als eine Regelung der
Trichinenschau von Reichswegen nicht betrachtet werden.
Im Königreich Preußen haben die Minister des Innern und der geistlichen u. s. w.
Angelegenheiten durch Erlafs vom 4. Januar 1875 den Regierungen die Einführung der
obligatorischen mikroskopischen Fleischschau dringend empfohlen. Infolgedessen wurde
eine Trichinenschau durch Verordnungen der Regierungspräsidenten u. s. w. in allen
prenfsischen Landesteilen eingeführt. Eine Ausnahme bilden z. Zt. nur die Reg. -Bez.
Aachen, Trier, Sigmaringen, Königsberg, Stralsund, Köslin und die
Provinz Schleswig-Holstein. Im Reg. - Bez. Aachen bestehen nur Vorschriften
für die Untersuchungen amerikanischer Speckseiten. Im Reg. -Bez. Königsberg ist die
Trichinenschau in einzelnen Kreisen, im Reg. -Bez. Köslin in 22 von insgesamt 23 Städten
durchgeführt, ohne dafs daselbst allgemeine Vorschriften bestehen mit Ausnahme einer
Polizeiverordnung für den gesamten Reg. -Bez., in welcher die Untersuchung der von aus-
wärts eingeführten Schweinefleischwaren angeordnet wird, sofern sie nicht schon untersucht
waren. Im Reg.-Bez. Sigmaringen fehlen gänzlich Bestimmungen für die Trichinen-
schau und in der Provinz Schleswig-Holstein, dem Reg.-Bez. Trier, sowie dem
Reg.-Bez. Stralsund ist dieselbe nur fakultativ eingeführt.
Aufserdem sind die Vorschriften für die Trichinenschau in folgenden Provinzen mit
besonderen Beschränkungen verbunden. So erstreckt sich ihre Wirksamkeit in den Pro-
vinzen Westpreufsen, Brandenburg, Schlesien, sowie in den Reg.-Bez.
Posen (ausgenommen alles Tom Auslande eingeführte Schweinefleisch, das unbedingt zu
46
Fleischbeschau. 457
ontersuchcn i«t), Stralsund, Hannover, Hildes lieim, Stade, Minden, Wies-
baden (die Städte Frankfurt a./M. und Wiesbaden sind au-sgeschlossen), Köln, Koblenz,
Trier lediglich auf die Urte bez. Kreise, in denen die einschlttgi^^en Beatitnmungen oder
die bestellten Trichinenschnuer bekannt gemacht sind.
In Hayorn ist im Reg. -Her. M i 1 1 e 1 f r a n k o n durch Oberpolizeil. Vorschrift zu
Art. 74, Zitr 1 des Poliseistrafgesetzbuches über die Aufstellung und Dienslesthätigkeit der
Trichinenschauer, vom 19 Januar 1881 nebst Bckanutiniichung der Uegieruiig von Mittel-
franken V. 25. Juli 1881 die Trichinenschau obli(;atorisch und im Keg.-Iiez. Kheinpfals
durch Oberpolizeil. Vorschriften d. Kgl. Regierung v. 4. April 1881 fakultativ eingeführt.
Die anderen Landesteile eiitbehren allgemeiner Kegicrungsvorschriften.
Slichscn be>itzt eine obligatorische für das ganze I.iand einheitlich geregelte Tricbinen-
acbau seit dem Jahre 1888. Derzeitig ist die Revidierte Verordnung, Mafsregeln zum
Schatze gegen die Trichinenkrankheit bei den Menschen betr. vom 10. .Miirz 1893 nebst
Vorschriften für die Untersuchung des Schweinefleisches auf Trichinen mafsgebend.
In W ilrifoinbergr kann nach § 10 der S. 455 angelührten \'erordnung die mikro-
skopische Untersuchung des Schweinefleisches durch ortspolizeiliche Vorschriften angeordnet
werden. An einer landesgesetzlichen Regelung der Trichinenschau fehlt es demgemärs.
Für Buden ist ebenfalls in § 13 der S. 455 erwähnten Verordnung den Ortspolizei-
behörden die Kinführung einer Trichinenschau anheimgegeben. Hierauf weisen aufserdem
die Erlasse des Ministers des Innern vom 25. Oktober 1887, vom 18. November 1888
sowie vom 22. Dezember 1890 hin.
Hessen. Die S. 455 genannte Verordnung enthält in § 60 Bestimmungen über die
fakultative Trichinenschau.
In Meeklenburg'-Schwerin forderte das zuständige Ministerium durch verschiedene
Rundschreiben auf, eine Trichinenschau obligatorisch nach einem übersandten Normalstatut,
betr. die Untersuchung des Schweinefleisches auf Trichinen einzurichten. Das Rund-
schreiben vom 7. September 1889 enthält Vorschriften für die bestellten Trichinenschauer
behufs Ausübung der Trichinenschau. Ein Ministerialerlafs, betr. ,, Trichinenschau'', vom
7. Juni 1888 bezeichnet die Trichinenschau im allgemeinen als einen freien Gewerbebetrieb;
nur Behörden, welche für die Trichinenschau Personen eidlich in Pflicht nehmen, können
von diesen die Ablegung einer Prüfung vor dem Kreisphysikus verlangen; Frauen sind bis
auf weiteres von der Trichinenschau auszuschliefsen. — Das Ministerialcirkular an die
Kreisphysiker vom 16. September 1890 betriflTt die Revisionen der Tricbinenschauer.
Sachsen-Weimar. Schon durch Ministerialbekanntmachung vom 1. Februar 1866,
betr. den Schutz des Publikums zur Verhütung der Triihinenerkrankung und dos beim
Auffinden von Trichinen zu beobachtende Verfahren, wurde von jedem, der gewerbsmäfsig
rohes oder zubereitetes Schweinefleisch feilbietet, gefordert, dafs er sich über die Trichinen-
freiheit des Fleisches ausweisen könne. Weitere Ministerialbekanntmachungen vom 6. Mai
1866 und 30. August 1868 regelten die Ausführung der Trichinenschau und die Prüfung
der Schauer. — Durch Ministerialbekanntmachung vom 23. Januar 1868, betr. die Einführung
der obligatorischen Fleischschau auf Trichinen , wird die Untersuchung aller zur gewerbs-
mäfsigen Verwertung bestimmten .Schweine angeordnet und dies durch Bekanntmachung
vom 30. März 1882 auch auf die von Fleischern oder Gastwirten für ihren Hausbedarf
geschlachteten Schweine ausgedehnt.
.Mccklenburgr-StrelitZ führte durch Verordnung, betr. die Einführung der obligatori-
schen Fleischbeschau in den Städten, vom 26. Oktober 1880 eine Trichinenschau ein.
Hierzu noch besondere Verordnung, betr. die Untersuchung von Schweinefleisch auf Tri-
chinen in der Residenzstadt Neustrelitz, vom 8. Februar 1890.
Für Oldenburi^ ordnet die Bekanntmachung des Staatsministeriums, betr. die Unter-
suchung des Schweinefleisches, vom 22. November 1883 eine Trichinenschau für das ge-
werbsmäfsig zu verwertende Fleisch an.
Brannschwei^ hat bereits 1866 durch das Gesetz, betr. den Schutz des Publikums
gegen den (ienufs trichinenhaltigen Fleisches, vom 16. März, nebst Ausführungsverordnung
vom 18. März g. J. eine obligatorische Trichinenschau für das ganze Land eingerichtet.
Durch Bekanntmachung des herzogl. Obersanitätskollegiums vom 30. September 188S wird
eine Nachprüfung der Trichinenschiiuer alle 5 Jahre angeordnet. In einem Rundschreiben
vom 25. März 1891 wurde den Physici eine Anleitung des Obersanitätskollegiums zur
Untersuchung der geschlachteten Schweine auf Trichinen übersandt. Ein Oesttz v. 4. Juni
1893 betrifft den Schutz des Publikums gegen den Genufs trichinenhaltigen Wildschweine-
fleisches.
Saohsen-Melnlnpen. Durch Rundschreiben des Ministeriums, Abteilung des Innern,
betr. die polizeilichen \'orkehrungen gegen die Trichinenkrankheit, vom 27. Januar 1866
wurde eine obligatorische Trichinenschau eingeführt Das Ausschreiben desselben Mini-
steriums vom 13. Oktober 1878 enthält einige Erläuterungen betr. der Ausführung.
Saclisen-Koburp-Gotha. Im Herzogtum Koburg obligatorische Trichinen-
schau durch Verordnung vom 28. Februar 1887, betr. die Untersuchung des Schweioe-
47
458 EDELMANN,
floisches. — Im Herzogtum Gotha desgl. durch Verordnung vom 10. November 1884.
Eine Verordo. v. 20. August 1892 bestimmt die Erliebung der Gebühren durch die Gemeinden.
Anhlllt. Durch Verordnung vom 16. März 1876, betr. die mikroskopische Unter-
suchung des Fleisches auf Trichinen, ist eine obligatorische Trichinenschau eingeführt.
Eine Verordnung vom 18. Oktober 1880 betrifft die Untersuchung des Schweinefleisches
auf Finnen. Nachprüfungen der ötTentlichen Fleisch- (Trichinen-)schauer werden durch
die Verordnung vom 25. Oktober 1879 angeordnet. Instruktion für den Fleischschauer
vom 1. April 1890.
Sclnvarzblirg-Soildorshauseu hat durch die Fleischbeschauordnung vom
16. April 1895 die bereits 1870 eingeführte obligatorische Trichinenschau neu ge*
regelt.
Sl'hwarzburg- Iludolst«(lt. Verordnung, die zwangsweise Einführung der
mikroskopischen Untersuchung de» Schweinefleisches betr., vom 19. Dezember 1869. Hierzu
Abänderungen vom 8. Oktober 1885, sowie Ergänzungen vom 21. Mai 1886 und
26. April 1889.
Beul) ä. L. Durch Regierungsverordnung vom 9. Februar 1887, betr. die zwangs-
weise Einführung der mikroskopischen Untersuchung des Schweinefleisches auf Trichinen,
ist eine obligatorische Trichinenschau eingeführt worden. Weitere Bekanntmachungen
vom 16. Februar 1887, sowie vom 13. Oktober 1887, betreffen die Instruktion sowie die
Unterrichtskurse für Trichinenschauer.
KeuH j. L. be.-iitzt eine obligatorische Trichinenschau im Fürstentum Gera
darch Verordnung des dortigen Landratsamtes vom 21. April 1887.
Das F'ürstentum S c h 1 e i z hat keine eigentliche obligatorische Trichinenschau, sondern
verpflichtet durch Polizeiverordnung vom 11, Februar 1887, die mikroskopische Unter-
suchung des Schweinefleisches auf Trichinen betr., ausschüefslich die Fleischer, Fleisch-
händier, Gast- und Schankwirte, welche Schweine zum gewerbsmäfsigen Verbrauch
schlachten, zu deren Untersuchung durch einen amtlichen Fleisch-(Trichinen-Jächauer.
Scliauniburg'- Lippe. Polizeiverordnung, betr. die Einführung einer obligatori-
schen Trichinenschau etc. etc. vom 19. August 1887 nebst Reglement d. D. f. d. Prüfung
und Anstellung der öQ'entl. Fleischbeschauer.
Lippe-Detuiold. Verordnung, betr. die zwangsweise mikroskopische Unter-
suchung des Schweinefleisches auf Trichinen, nebst Ausführungsbestimmungen vom 16. No-
vember 1875 mit Nachtrag vom 6. November 1877.
Lübeck. Obligatorische Trichinenschau durch Verordnung vom 16. September
1884, betr. die Untersuchung des Schlachtviehes und des frischen Fleisches in der Stadt
Lübeck und deren Vorstädten. Desgl. Anweisung für die in dem öffentlichen Schlacht-
hause beschäftigten beeidigten Trichinenschauer. Nachträge v. 6. Februar 1895 und
2. August 1895 regeln die Probenentnahme.
Bremen. Durch Verordnung vom 24. Januar 1875, betr. den Schutz gegen den
Genufs trichineohaltigen Schweinefleisches, nebst Ausführungsbekanntmachung des Medizinal-
amtes, obligatorische Trichinenschau. Instruktion für die Beschauer vom 19. April
1882 mit Nachtrag vom 25. März 1886. Statut für die zur Untersuchung des Schweine-
fleisches auf dem stadtbremischen Schlachthofe zugelassenen Fleischbeschauer vom 11. Mai
1887, nebst Nachtrag vom 28. Oktober 1887.
Hamburg' besitzt eine obligatorische Trichinenschau. (Siehe Gesetz S. 456.)
In Sachsen- Altenburg bestehen regierungsseitig keine Vorschriften für die Trichinen-
schau; nur einzelne Städte haben sie obligatorisch eingeführt.
Ueber W aldeck war nichts in Erfahrung zu bringen.
In Elsaß- Lothringen bleibt die Einführung der Trichinenschau den Ortspolizei-
bebörden überlassen.
C. Fleischbeschau in den Boss('Pferde}8chlächtereien und der
Handel mit Ross;;Pferde)fleisch.
Soweit über diesen Gegenstand nicht in den unter A (S. 454 ff.) ange-
führten gesetzlichen Bestimmungen Vorschriften enthalten sind, werden
dieselben in den nachstehend genannten Landesteilen durch besondere
Verordnungen gegeben.
Preußen. Minist. - Erl. betr. die Regelung des Pferdeschlächtereibetriebes vom
2. Juni 1888.
Reg.-Bez. Gumbinnen. Polizei- Verord. betr. die Beaufsichtigung des Rorsschlächterei-
Gewerbes vom 7. Juli 1887.
Prov. Brandenburg. Polizei- Verord. betr. das Schlachten von Pferden, Eseln
und den Verkauf des Fleisches vom 14. Dezember 1888.
48
Fleischbeschau. 459
BerÜD. Polizei-Verord. betr. Kofsschlächterei vom 30. Auf^st 1887.
l'rov. Posen. Polizei-Verord. betr. das Schlachten von Pferden, Eseln und Maul-
tieren zum Verkauf des Fleisches vom 4. Juli 1891.
Prov. Schlesien. Desgl. vom 9. Juli 1889.
Prov. Sachsen. Polizei-Verord. betr. die Regelung des Betriebes der Rofs-
Schlächterei und des Verkehrs mit Korstleisch , nebst Aasführangsbestimmungen vom
16. März 1893.
Reg. -Bez. Schleswig. Polizei-Verord. betr. Pferdefleisrhbescbaa vom 7. Sep-
tember 1878.
Reg.-Bez. II i Idesheim. Polisei-Verord. betr. den Gewerbebetrieb der Rofsschlächter
vom 27. August 1880.
Prov. Westfalen. Polizei-Verord. betr. die Regelung des Betriebes der Pferde-
metzgerei und des Verkehrs mit Pferdetieisch ; mit Ausführungs- Anweis, vom 11. De-
zember 1889.
Rheinprovinz. Desgl. vom 28. Juli 1890.
Sadiseil. Verord. d. Minist, d. Inn. vom 9. April 1873 betr. das Ausschlachten
von Pferden zum Verbrauche des Fleisches :ils menschliche Nahrung.
Mockleulnirtr-Sohworin. Normalstatut betr. Pferdeschlächtereien für die Städte
u. s. w vom 30. Mai 1886.
Sachsen-AVeiiuar. Verord. d Suats-Minist. betr. den Betrieb der Rorsschläcbtereien
vom J. Dezember 1880.
Oldoilhurir. Desgl. vom 4. September 1884.
Anhalt. Verord. das Ausschlachten von Pferden zum Verkauf betr. vom 12. März
und 7. MhI 1879.
Si-hwarzbursr-Rudolstadt. Verord. d. Minist, betr. den Betrieb der Rofsschlächterei
vom 21. Januar 1881 und vom 21. Juni 1889.
Bremen. Polizei- Verord. betr. das Schlachten von Pferden in der Stadt Bremen
und im Landgebiet vom 29. April 1876 und vom 22. Dezember 1883.
Mit Ausnahme von Sachsen-Weimar, Oldenburg und Bremen wird allenthalben eine
B e s c h au der Pferde vor und nach der Schlachtung vorgeschrieben. Bei Un-
glücksfällen sind unter bestimmten Voraussetzungen in den Provinzen Posen , Sachsen.
Westfalen, Rheinprovinz, im Reg -Bez. Gumbinnen und in Mecklenburg-Schwerin Ausnahmen
bezüglich der Lebendbeschau zulässig. Sachverständige sind, mit sehr wenigen Aus-
nahmen, nur approbierte Tierärzte.
2. Oesterreich.
In Oesterreich sind für einzelne Kronländer schon seit einer
Reihe von Jahren Vieh- und Fleischbeschau- Vorschriften in
Giltigkeit (vgl. auch Postolka und Toskano^^).
Niederösterreich. Vieh- und Fleischbeschau-Ordnung für N.-Oe. vom 26 Sep-
tember 1886 nebst Dienstinstruktion. — Niederösterr. Statthalterei- Verord. vom 12. Ok-
tober 1850, Regulativ hinsichtlich der Pferdefleisch- Ausschrotung. — Desgl. Verord. vom
28. Februar 1867. — Erlafs des K. K. Minister, d. Innern vom 7. Juni 1882 betr. das
frühzeitige Schlachten der Kälber. — Verord. d. K. K. N.-Oe. Statthalterei vom 4. Fe-
bruar 1890 betr. das Verbot des Verkaufes von aufgeblasenem Fleische und derlei Lungen.
— Hierüber noch eine Verordnung für die Stadt Wien.
Oberösterreich. Vieh- und Fleischbeschau-Ordnung für O.-Oe. vom 23. Januar
1856 nebst Belehrung f. d. Fleischbeschauer.
Salzburg. Vieh- und Fleischbeschau-Ordnung vom 5. August 1856 (in Abände-
rung begriffen). — Landesregierungserlafs vom 10. August 1871 betr. die Pferde-
scblächtereien.
Steiermark. V.- u. F.-Ordnung vom 30. September 1868 nebst Belehrung. —
Statthalterei-Krlafs vom 12. Juli 1874 betr. strengere Handhabung der Fleischbeschau.
Desgl. vom 31. Juni 1883 betr. die Beschau bei Privatschlachtungen — Desgl. vom
4. September 1871 betr. die sanitäre Ueberwachung der Pferdeschlächtereien. — Desgl
vom 28. Januar 1872 betr. die Fleischbeschau bei Pferdeschlachtungen. — Desgl. vom
17. Dezember 1873 betr. die Ausschrotung und Verwertung von Pferdefleisch.
Kärnten und Krain besitzen Fleischbeschau-Ordnungen aus älterer Zeit. Die zum
größten Teile noch giltigen Vorschriften wurden durch Verord. des früheren illyriscben
Gaberniums vom 17. August 1839 erlassen und unter dem 1. Februar 1840, sowie
€. Dezember 1844 ergänzt.
Küstenland. Verord. der K K. küstenländischen Statthalterei, betr. die Vieh-
und Fleischbeschau in der Grafschaft Görs und Gradiska und in Istrien vom 4. Juli 1893.
Handbach der HTSiene. Bd. 11t. Abtif. 1. 30
49
4G0 EDELMANN,
Tirol und Vorarlberg. Verordg. und F.B.O. Kundmachung betr. Verordg. de»
K. K. Statthalters vom 18. Febr. und 23. Juli 1886.
Böhmen. Die alte Fleischbeschau-Ordnung vom 27. Dezember 1810 wird nicht mehr
gehandhabt. Neue Maßregeln sind in Bearbeitung.
Mähren. Statthaltereiverord. vom 10. Juni 1875 betr. die Handhabung der Be-
stimmungen über die Vieh- und Fleischbeschau. — Desgl. vom 26. Januar 1882 betr. die
Führung der Beschauprotokolle. — Desgl. vom 12. Novbr. 1882 betr. die Vornahme der
Beschau bei der Schlachtung von Külbern. — Desgl. vom 24. Juli 1885 betr. die genaue
Handhabung der Bestimmungen über die Vieh- und Fleischbeschau. — Desgl. vom 12. März
1887 betr. die Notschlachtung seuchenkninker und verdächtiger Tiere. — Verord. d. K. K.
Statthalterei vom 18. Juli 1876 und 4. Oktober 1881 betr. die sanitäre Ueberwachung der
Pferdeschlächtereien.
Schlesien. Vieh- und Fleischbeschau - Ordnung vom 9. Juli 1857. — Kund-
machung der K. K. Landesregierung vom 7. April 1883 betr. die Vornahme der Fleischbeschau
bei perlsüchtigen Tieren.
Galizien. Vieh- und Fleischbeschau-Ordnung vom 28. Juni 1888.
Bukowina. Nur die Stadt Czernowitz besitzt einige Vorschriften.
In Dalmatien fehlen Bestimmungen für eine Fleischbeschau.
Aus dem Königreich Ungarn sind keine Fleischbeschau- Vorschriften bekannt.
Die Trichinenschau ist in Oesterreich nur in sehr beschränktem Maße organisiert.
Einzelne diesbezügliche Erlasse haben nur eine lokale Bedeutung und richten sich in erster
Linie gegen die amerikanischen Schweinefleischwaren.
3. Frankreich.
In Frankreich^* besteht keine allgemeine staatlich geregelte Fleischbeschau. Nur die
größeren Städte besitzen eine solche, während es Schlachthöfe fast allenthalben, selbst
in den kleinsten Städten giebt.
Die Berechtigung zur Einrichtung einer Fleischbeschau verleiht den Polizeibehörden
Art. 13 u. 20 des Dekrets vom 19. — 22, Juli 1791, relatifä 1' Organisation
d'une police municipale et correctionelle, sowieArt. 97 des Gesetzes
vom 5. April 1884 sur l'organisation municipale, während Straf bestimmungen
im Code penal und im Gesetz vom 27. März 1851 enthalten sind. Letzteres Gesetz, sowie
die vom 10. März und 1. April 1851 entsprechen, dem deutschen Nahrungsmittelgesetz vom
14. Mai 1879.
Hinsichtlich des Fleisches kranker Tiere sind im Viehseuchengesetz vom 14. u. 21. Juli
1881, sur la police sanitaire des animaux für einzelne daselbst aufgeführte Seuchen Be-
stimmungen getroffen. Die Verwendung des Fleisches tuberkulöser rotlauf- und
lungenseuchekranker Tiere regelt Art. 11 des Erlasses vom 28. Juli 1888.
Für die Einfuhr ausländischen frischen Fleisches werden in sanitärer
Beziehung im Dekret vom 26. Mai 1888, portant reglement d'admini-
stration publique relativement ä l'entree en France des viandes
fraiches importees de l'etranger Vorschriften erlassen.
Sehr ausführliche Fleischbeschauvorscliriften besitzt Paris und auch Bordeaux. Vor-
schriften für eine Trichinenschau bestehen in Frankreich nicht. Das im Jahre 1883
erlassene Einfuhrverbot für amerikanisches Schweinefleisch ist durch Gesetz vom
5. Dezember 1891 wieder aufgehoben worden. Jedoch ist die Einfuhr nur über die
Häfen Dünkirchen, Havre, Bordeaux, Marseille unter Beibringung von üntersuchungscerti-
fikaten amerikanischer Behörden gestattet. Bei der Ankunft der Waren hat eine Unter-
suchung durch einen französischen Gesundheitsbeamten stattzufinden.
4. Italien.
Für das Königreich Italien bestehen im Rcgolamente vom 3. August 1890 Vor-
schriften für die Behandlung und denVerkaufdesFleischesvonSchlacht-
tieren, Wild, Geflügel etc.
Nach denselben müssen Ortschaften mit über 6000 Einwohnern Schlachthöfe errichten.
Die Schlachttiere werden vor wie nach der Schlachtung von Sanitätsbeamten untersucht.
Alles zur menschlichen Nahrung zu verwendende Fleisch ist mit einem Stempel zu ver-
sehen, dessen F'arbe bei Fleisch verschiedener Qualität verschieden ist und die Fleisch-
gattung kennzeichnet. In Orten mit über 20000 Einwohnern darf in demselben Laden
weder Fleisch verschiedener Qualitäten, noch Fleisch verschiedener Tiergattungen verkauft
werden. Außerdem enthält die Verordnung Vorschriften über die Verwendung des Fleisches^
kranker Tiere (z. B. Fleisch von Tieren, welche mit Tuberkulose im Anfangsstadium behaftet
sind, d. h. bei denen nur ein einzelnes Organ erkrankt ist, darf nur unter dem ausdrück-
50
Fleischbeschau. 461
lieben Vermerk, daß dieses Fleisch nur gekocht genossen werden darf, verkauft werden)
über die Beschaffenheit der Fleischverkaufsstätten, Kontrolle der Fabriken, welche Fleisch-
konserven herstellen, die Einfuhr von Fleisch und dergl. Letztere wird auch t<eref;elt
durch den Ministerialerlaß vom 31. August 1892 und die Bekanntmachung vom 8. De-
zember 1892.
Trichinenschau Vorschriften bestehen nur gegenüber dem amerikanischen
Schweinefleisch, welches nach Bestimmungen des Ministeriums d. 1. vom 17. Oktober 1891
nur nach vorgängiger Untersuchung auf Trichinen in den Verkehr gebracht werden darf.
5. Belgien.
In Belgien''* wurde am 9. Februar 1891 eine König!. Verord. über den Verkehr
mit Fleisch, über Schlachten, F 1 e i sc h u n t er s uc h u n g , Verkauf der
verschiedenen Fleisch. irten und Zubereitungen, sowie über den
Transport des Fleisches erlassen. Daran schließen sich weitere Ausführungsver-
ordnungen vom 20. und 28. Juni 1801.
In einem Ministerialerlaß vom 28. April 1891 wird die Ausführung der Fleischunter-
suchung auf Grund von Art. 3 und 8 des Reglements vom 9. Februar 1891 geregelt. —
üeber die Einrichtung der Fleischbeschau erging ein Kundschreiben ** vom 10. Januar
1892 an die Gouverneure der Provinzen. — Die Taxen für die Fleischuntersuchungen sind
durch Erlaß vom 20. Dezember 1891 bestimmt.
Durch Verord." vom 23. Juli 1894 wurde die Anlage B der Verord. vom 28. April
1891, woselbst Vorschriften für die Beurteilung kranker Schlachttiere enthalten sind, nicht
zum Vorteil für die öffentliche Gesundheitspflege abgeändert.
Eine Verord.'^ vom 20. Dezember 1894 regelt den Eisenbahntransport von Schlacht-
fleiscb.
Hinsichtlich der Trichinenschau war in Belgien schon am 28. April 1881 durch
einen Ministerialerlaß die Aufmerksamkeit der Behörden auf die Verhütung der Trichinose
gelenkt worden. Am 26. Februar 1893 veröffentlichte der Ackerbauminister ein Gutachten
des „Conseil superieur d'hygiene publique" betr. Vorsichtsmaßregeln gegen die Trichinose
und veranlaßte gleichzeitig die ihm untergeordneten Behörden für die mikroskopische
Untersuchung alles zum Verzehren bestimmten Schweinefleisches zu sorgen. Der H a n d e 1
mit Fleisch ist durch Gesetz** v. 4. August 1890 geregelt. Dasselbe wurde abgeändert
durch Gesetz '^ v. 30. Dezember 1895
6. England.
In England bestehen gesetzliche Bestimmungen, nach denen es lediglich den
städtischen Gesundheitsbehörden gestattet ist, für die Errichtung öffentlicher Schlachthäuser
zu sorgen. Die Fleischbeschau wird hierbei nicht berücksichtigt und besteht auch in
England nicht. In einzelnen Gemeinwesen sind sogen. Inspektors of nuisances angestellt
zur Revision des feilgebotenen Fleisches. Der Handel mit Roßfleisch ist den Be-
stimmungen der Säle of Horseflesh etc. Regulating Acte vom 24. Juni 1894 unter-
worfen.
Von den übrigen in Betracht kommenden europäischen Sta;iten sind allgemeine landes-
gesetzliche Vorschriften über Fleischbeschau nicht bekannt geworden. Jedoch wird eine
solche in zahlreichen großen Städten ausgeübt, üeber die Fleischbeschau in Holland
vergl. K 0 c h 's *' Mitteilungen.
47) Wörzbtirg, NahrungsmitUlgesetzgebung 138 /f*.
48) Schlampp, FUüchbeichaugesftzgebung.
49) Wemich ^md Wehmer, Lehrbuch des öfentl. Oesundheüstcesens , Stuttgart 1894 1 26 jf.
50) Schneidemühl, Tiermedizinische Vorträge 2. Bd. 9. u. 10. Be/t, Leipzig 1892.
50 o) VerUßentl. d. Knis. Getundheitsmntes (1895) 578.
51) Postolka und Toskano, Die animal. Sahnmgs- und Genu/smittel etc. 3)0.
52) Villain et Bascou. Manuel de V inspecteur des viandes, Paris 1890 457 f.
68) Verößentl. d. Katserl. Gesundheitsamtes (1891) No. 40. — Arch. f. anxmal. Nahrungs-
mittelkunde, 7. Jahrg. So. 1 m. 2 {deutsche Wiedergabe des Gesetzes).
54) Verößentl. d. Katserl. Oei-undheitsamUs (1892) No. 2 7 446
65) Verößentl. d. Katserl. GesundheitsamUs (1804) 837.
66) Mon. belg. (1894) 4117, Verößentl. d. Kaiserl. GesundheitsamUs (1895) 208.
57) Koch, Zeitschr. J. Fleisch- u. Milchhyg. 5. Bd. 103, 186.
58) Verößentl. d. Kaiserl. GesundheitsamUs (1891) 337.
59) Ibidem (1886) 228.
593) Mitteil. f. VeUrinärbeamte 4 Ser. Xo. 7, Beil. d Berl. tierärztl. Wochcnfchr. (\89&) No.2&.
5. 30»
462 EDELMANN,
III. Kapitel.
Fleiselikuiide.
1. Untei-scheiduiigsmerkmale des Fleisches der Terschiedenen
Schlaohttiere.
Die Erkennung des Fleisches der verschiedenen Schlachttiere
macht an der Hand etwa zugehöriger Eingeweide, sowie bei umfang-
reichen Stücken Fleisch und sobald sich größere Knochen daran be-
finden, keine erheblichen Schwierigkeiten. Beim Fehlen von Knochen
und an sehr kleinen, wenig Fett enthaltenden Stücken ist die Unter-
scheidung nicht immer leicht, manchmal sogar unmöglich. Als An-
haltspunkte sind stets zu verwenden F'arbe, Faserung, Konsistenz und
der durch Fettsäuren bedingte Geruch des Fleisches (Villain^),
sowie die Beschaffenheit und Anordnung des Fettes. Die folgende
Beschreibung bezieht sich auf Fleisch und Fett im ausgekühlten Zu-
stande.
fiindfleisch besitzt im allgemeinen eine rote Farbe mit einem
leichten Stich ins bräunliche. Sie wird aber von Alter, Geschlecht
und Ernährungszustand des Tieres wesentlich beeinflußt. Konsistenz
derb, Schnittflächen glänzend, Geruch eigentümlich. Bindegewebe
weiß und feucht. Das Fleisch ist mehr oder weniger mit Fett durch-
wachsen. Das Fett, Rindstalg, ist von ziemlich fester Konsistenz,
weiß bis gelb und von eigentümlichem Geruch. — Das Fleisch von
M as to c h s e n ist lebhaft dunkelziegelroth, mäßig grobfaserig, glänzend
und infolge der Fettdurchwachsung auf der Schnittfläche marmoriert.
Fett weiß bis weißlichgelb und hart; Knochenmark rötlichgelb, steif
und krümlig. Aehnlich diesem ist das Fleisch und Fett gemästeter
Kalben oder Färsen und gem äs teter j u n ger Kühe. — Das
Fleisch alter, abgemolkener Kühe zeigt hellere Färbung, derbere
Faserung, das Bindegewebe tritt stärker hervor und ist fest oder
schlaff und stärker durchfeuchtet. Fett gelb bis intensiv citronen-
gelb, nicht so fest und findet sich weniger als Durchwachsung im
Fleisch, als vielmehr in Unterhaut, Netz, Gekröse, Nierenkapsel; Ge-
ruch unter Umständen nach Milch (B a r a n s k i). — J u n g r i n d e r be-
sitzen ein schlaffes, feinfaseriges, blaß- bis hellziegelrotes, wenig durch-
wachsenes Fleisch; Fett weiß und fest. — Bei Bullen findet man
ein grobfaseriges, dunkelkupferrotes, derbes, fettarmes, trockenes
Fleisch, das in größeren Massen und besonders an Stellen, wo sich
Fascien auf den Muskeln befinden, einen leicht bläulichen Anflug
erhält. Fett weiß. Junge gemästete Bullen unterscheiden sich im
Fleisch, abgesehen von dessen gröberer Faserung, wenig von Mast-
ochsen.
Kalbfleisch ist im allgemeinen blaß, grau bis graurötlich, von
dünner, etwas zäher Faser, ohne Fettdurchwachsung. Geruch speci-
fisch und abweichend von dem des Rindfleisches, bei altschlachtetem
Fleisch säuerlich (0 st er tag). Fett an den Ablagerungsstellen röt-
lichgelb bis weißgelb, schlaff, schmierig; Knochenmark rosenrot.
Alter und Ernährung beeinflussen Fleisch und Fett erheblich.
Schaf-, Hammel- oder Schöpsenfleisch zeichnet sich durch feste,
dichte, feine Faserung und dunkelbraunrote Färbung aus. Geruch
specifisch, leicht ammoniakalisch, an Schafstall erinnernd. Eigentliche
52
Fleischbeschau. 403
Durchwachsun^' nicht vorhaiulen, dagegen Itei gemästeten Tieren
reichliche P'ettniengen zwischen den einzelnen Muskeln, sowie in der
Subcutis und der Nierenkapsel. Talg rein weiß, hart, fast spröde,
fast geruciilos; Knochenmark steif, leicht rötlich.
Ziej;eiit!eisch ist im allgemeinen heller als Schaftieisch. Charak-
teristisch ist die geringe Fettentwickelung in der Subcutis und zwischen
den Muskeln gegenüber der starken Fettanhäufung um die Nieren
herum. Figentünilich ist der an lebende Ziegen mahnende Geruch
des Fleisches, der besonders bei Böcken unangenehm ist. Das Fett
gleicht dem der Schafe.
St'hweiiieneisch ist in seiner Farbe sehr abhängig vom Alter
und Mastzustande der Tiere, sowie von der Körperregion, der die
Muskeln entstammen und erscheint weilUichgrau, graurot bis dunkel-
rot, von geringer Konsistenz und feiner Faserung. Es ist stark mit
Fett durchwachsen, welches auch die größeren Muskelbündel umhüllt.
Schnittfläche der Muskeln fettig glänzend. Geruch undefinierbar.
Das Fett, welches in größeren zusammenhängenden Massen als Speck
in der Subcutis und als Schmeer (Liesen, Flohmen) in der Bauchhöhle
auftritt, ist rein weiß und mäßig fest. Knochenmark weich und rosarot.
Das Fleisch von Ebern und vielfach das von Kryptorchiden besitzt
einen ekelhaften urinösen Geruch, der manchmal schon am frischen
Fleische wahrnehmbar ist, vielfach aber erst beim Kochen und Braten
auftritt.
Beim Kochen nimmt Schweinefleisch eine weißgraue
bis weißliche Farbe an; das aller übrigen Tiere wird
grau bis dunkelgrau.
Pferdefleisch fällt auf durch seine dunkelrote, braunrote bis
braune Farbe, bekommt beim Liegen an der Luft einen bläulichen
Glanz und wird später dabei auch schwarzrot bis schwarz. Faserung
sehr fein : keine Durchwachsung. Geruch eigentümlich süßlich-wider-
lich. Fett weich und ölig, hellgold- bis dunkelgelb, nur bei gut ge-
mästeten Pferden mehr weiß und fester: Knochenmark wachsgelb,
schmierig. Beim Kochen von Pferdefleisch fallen auf der Fleischbrühe
die leicht zu größeren Fettaugen zusammenfließenden, intensiv gelben
Fetttropfen auf.
Huiidefleiseh ist dunkelbraun, feinfaserig, wenig durchwachsen.
Dagegen im Perimysium externum und der Subcutis meist reichliches
Fett. Farbe des letzteren weiß, weißgrau: Konsistenz schmierig. Fett
und Fleisch besitzen einen sehr widerlichen Geruch.
Ueber die allgemeine Beschaffenheit, die Qualitäten,
die chemische Zusammensetzung des Fleisches der
Schlachttiere, dessen Zubereitung und Konservierung s.
Stutzer, Nahrungs- und Genußmittel Bd. III d. Ilandb. Abth. I
S. 2071!.
2. Betrügerische Unterschiebungen von Fleisch und deren
Erkennung.
Im Handel mit Fleisch und bei der Herstellung von Fleisch-
nahrungsmitteln wird mitunter versucht, Fleisch von Tieren, welches
nur einen geringen Genußwert besitzt, für solches von höherem
Werte unterzuschieben. Die Aufdeckung dergleichen lietrügerischer
Handlungen bereitet dem Sachverständigen oft große Mühe und ist,
53
4(U EDELMANN.
besonders bei zubereiteten Fleisclinahrungsniittcln mitunter ganz
unmöiilicli. Soweit sich Knochen mit dem verdächtigen Fleische ver-
binden, sind diese in erster Linie zur Vergleichung heranzuziehen
und im ülirigen aber alle charakteristischen Eigentümlichkeiten von
Fleisch und Fett zu berücksichtigen, welche von den einzelnen Fleisch-
arten beschrieben worden sind. Bezüglich der mannigfachen Skelett-
unterschiede muß auf die Lehrbücher der Anatomie der Haustiere
von Ellenberge r und Müller, Sussdorf, Franck, sowie auf
die einer sehr instruktiven Arbeit von Martin^ entnommene
Zusammenstellung im 0 s t er tag'schen Handbuche verwiesen werden.
Einige Besonderheiten und Unterscheidungsmerkmale zwischen den
zuweilen miteinander zu vergleichenden Tierarten sind im folgenden
zusammengestellt.
Ziege und Schaf. Beim Vergleich der ganzen geschlachteten
Tiere ist die Ziege langbeiniger und besonders in den Flanken länger
als das Schaf. Das Schaf hat einen runden Rücken und eine fleischige
abgerundete Kruppe, die Ziege aber ein scharfes, hohes Widerrist, einen
scharfen Rücken und eine seitlich abfallende Kruppe (Goltz ^).
Ziegen sind meist kurzschwänziger (12 Schwanzwirbel) gegenüber
den Schafen (18—24 SchW.), jedoch giebt es auch schwanzlose Schaf-
rassen (3 SchW.) und kurzschwänzige mit 12—16 Schwanzwirbeln.
Ziegenknochen sind im allgemeinen von schlankerer Gestalt als die
Schafknochen (Martin). An der etwas kleberigen Oberfläche der
geschlachteten Ziege haften meist Ziegenhaare; die Hautmuskeln der
Ziege sind dunkler als die der Schafe. — In der Subcutis der Ziegen
weniger Fett und auch die Muskeln weniger von Fett umhüllt als
die der Schafe; charakteristischer Ziegengeruch. Am Kopfskelett der
Ziege fehlt die äußere Thränengrube, welche der Gesichtsfläche des
Thränenbeins vom Schafe eigentümlich ist ; ebenso hat die Ziege kein
sogen. Klauensäckchen.
Schaf und Reh unterscheiden sich nach Martin durch den
allenthalben zierlicheren, schlanken Knochenbau des letzteren. Von
feineren Skelettunterschieden sei erwähnt, daß die bei Schaf und
Ziege ein ovales Loch bildende Ellenbogenspalte (Spat, interosseum)
beim Reh sehr lang ist. Das Thränenbein ist zwar beim Reh auch
grubig vertieft, jedoch erscheint seine Gesichtsplatte unvollständig. —
Beim Reh ist die Fettschicht unter der Haut nicht so entwickelt als
beim Schaf, das Fleisch ist fettarm und besitzt den vom Schafgeruch
zu unterscheidenden Wildgeruch.
Schwein und Hund. Außer den mannigfachen Skelettunter-
schieden ist hervorzuheben, daß die Farbe des Hundefleisches viel
dunkler ist als die des Schweinefleisches und sich von der des letzteren
besonders an gekochtem Fleische (s. S. 403) unterscheidet. Die Mus-
kulatur des Hundes ist schmieriger, das Fett öliger und der Geruch
ganz anders als beim Schwein.
Hase (Kaninchen) und Katze. Von Skelettunterschieden seien be-
sonders hervorgehoben: Die nach vorn gerichteten Querfortsätze der
Lendenwirbel laufen beim Hasen in je einen nach hinten und vorn
gerichteten Fortsatz aus, bei der Katze endigen sie spitz. Beim
Hasen findet man an den Körpern der 3 ersten Lumbalwirbel dorn-
artige ventrale Fortsätze. Die Rippen des Hasen sind flach und
breit, die der Katze rundlich. Radius und Ulna sind bei der Katze
vollkommen getrennt, bei den Leporiden verwachsen. Am Humerus
54
Fleischbeschau. 465
der Katze ein lünf^licher Spalt über doin inneren Condylus des
distalen Endes (Forani. sui)racondyloi(leuni). Das Feniur des Hasen
besitzt unterhalb des Trochanter major einen besonderen starken
Unulreher, der bei der Katze fehlt. — Bei ganzen Tieren würde
man am Kopfe, dem Penisknochen und dem Schwänze sofort die
Katze erkennen, we.shalb diese Teile bei betrügerischem Verkaufe der
geschlachteten Tiere entfernt werden. Ein Ilase würde außerdem
durch die Schulnerletzungen auflallen, die natürlich beim ^^^eschlachteten
zahmen Kaninchen fehlen. — Das Fleisch der Katze ist lieller als
Hasentlcisch : das Katzenfett erscheint weililich gegenül)er dem honig-
gelben Ilasenfett.
Im übrigen vergl. Goubau.x-* über die betrügerische Unter-
schiebung von Katzen- als Kaninchenfleisch, Oster tag 's Handbuch,
S. '2(X) und einen von Stoedter^* beschriebenen Fall.
Kind und Pferd; Pferdetleisehnaehweis. An ganzen Vierteln
fällt beim Pferde die Länge der Extremitäten und des Thorax gegen-
üiter dem Pdnde auf, während Itei letzterem das Becken wieder
länger ist als beim Pferde. Die Fleischeigentümlichkeiten sind S. 4(33
besprochen worden. Die zahlreichen osteologischen Verschieden-
heiten müssen hier unberücksichtigt bleiben. Selten wird es sich
jedoch darum handeln, größere Stücken Fleisch zu begutachten ; viel
häuriger macht es sich notwendig, Pferdefleisch in zubereiteten
Kahrungsmitteln, insbesondere in der Wurst nachzuweisen. Dies war
bis vor wenigen Jahren mit Sicherheit unmöglich. Erst den Arbeiten
KiebeTs'' ist eine sichere wissenschaftliche Methode des Pferde-
fleischnachweises zu verdanken. Niebel fand im Pferdefleisch
konstant erhebliche Mengen von Glykogen (0,373 — 1,072 Proz.),
dessen kleinste Werte den Glykogengehalt des Fleisches anderer
Schlachttiere übertreffen. Zur Darstellung des Glykogens bediente
sich Niebel des K ü 1 z "sehen Verfahrens :
Das zu untersuchende Fleisch (50 g) wird mit 3 — 4 Proz. Aetzkali
und dem 4-fachen Volumen Wasser auf dem Wasserbade 6 — 8 Stunden
erhitzt, bis dasselbe vollständig zerkocht ist. Nachdem die Flüssigkeit
bis auf die Hälfte eingedampft und erkaltet ist, werden die N-haltigen
Substanzen durch abwechselnden Zusatz von Salzsäure und Quecksilber-
jodid- Jodkaliumlösung (Brücke 'sches Reagenz) gefällt.
Alsdann wird der Niederschlag auf ein Filter gebracht, das Filtrat
nochmals durch Zusatz von Salzsäure und Quecksilberjodid- Jodkalium-
lösung geprüft, ob auch sämtliche N-haltigen Bestandteile ausgefällt sind,
der Rückstand in einer Reibschale unter Zusatz von Salzsäure, Queck-
silber-Jodkaliumlösung und Wasser verrieben und wieder filtriert. Letztere
Operation wird so oft wiederholt, bis das Filtrat auf Zusatz von Alkohol
keine Trübung mehr erkennen läßt. Das Filtrat bildet alsdann gewöhn-
lich eine klare und, bei Anwesenheit von Glykogen, opalescierende Flüssig-
keit. Zeitweilig , speziell im Sommer, erscheint die Flüssigkeit etwas
getrübt. Um dieses zu vermeiden, setzt man, wenn die Flüssigkeit nach
Zusatz von Salzsäure und Quecksilberjodid-Jodkaliumlösung sich nicht
klar abgesetzt hat, soviel Natriumhydrat hinzu, daß die Mischung noch
schwach sauer reagiert, säuert darauf mit Salzsäure wieder etwas mehr
an und filtriert; alsdann ist das Filtrat stets 8ch<'in klar. Zur Ab-
scheidung des Gl3kogens wird das Filtrat unter Umrühren mit dem
2 '/j-fachen Volumen 90-proz. Alkohols versetzt und, nachdem das Glykogen
SS
466 EDELMANN,
sich abgesetzt hat, filtriert. Letzteres wird darauf mit 60-proz., dann
mit 90-proz., schließlich mit absolutem Alkohol, mit Aether und wieder
mit absolutem Alkohol gewaschen und nach dem Trocknen bei 110 Grad
gewogen.
Weiterhin fand Niebel, daß im Pferdefleisch das Glykogen nach
einer gewissen Zeit in Traubenzucker übergeht, worauf er den
Zuckergehalt von Pferdefleischwaren nach einer besonderen Methode
mittels Fe hling 'scher Lösung feststellte. Dabei war aber zu be-
rücksichtigen, daß das Fleisch und besonders auch Flcischwaren noch
andere reduzierende Substanzen, z. B. Kreatinin enthalten, daß durch
Gewürzstärke in Würsten die Menge der Kohlenhydrate vermehrt
wird, sowie daß auch Stärkemehl in Substanz gewissen Würsten ab-
sichtlich beigemengt zu werden pflegt. Ist letzteres nicht der Fall, so
kann auf Grund der vergleichenden Untersuchungen Niebel's eine
Heisch- oder Wurstware als mit Pferdefleisch versetzt betrachtet werden,
sobald der gefundene Wert der Kohlehydrate auf die
entfettete Trockensubstanz berechnet, 1 Proz. der
letzteren übersteigt. Bei den untersuchten Pferdefleischwürsten
überstieg die Gesamtmenge der darin enthaltenen
Kohlehydrate den Maximalgehalt der Kohlehydrate in
der gewöhnlichen Wurst um das Elffache. Es ist bekannt,
daß auch das Fleisch von Hunden , Katzen , Föten und nüchternen
Kälbern (NiebeP) einen hohen Glykogengehalt besitzt. Erstere
beiden Tierarten kommen für Verfälschungen von Wurst etc. nicht in
Betracht und beim Zusatz größerer Mengen fötalen oder nüchternen
Kalbfleisches fehlt der Wurst die braunrote Farbe, welche den
Würsten, die Pferdefleisch enthalten, eigentümlich ist. Auf die braun-
rote Farbe legt Niebel' einen so großen Wert, daß er das Vor-
handensein von Pferdefleisch für erwiesen erachtet, sobald neben
dem Nachweis von Glykogen die braunrote Färbung
des Objektes zugegen ist.
Naturgemäß findet auch dieses exakte Niebel 'sehe Verfahren
seine Grenzen, sobald nur geringe Pferdefleischmengen zur Ver-
fälschung benutzt wurden. Da aber alsdann eine Verfälschung sich
nicht lohnen würde, so ist keineswegs zu befürchten, daß die Methode
für die Praxis nicht ausreichen könnte.
Zur schnellen Orientierung, ob eine Fleischware der Pferdefleisch-
verfälschung verdächtig ist oder nicht, hat Verf. gemeinschaftlich mit
Herrn Dr. Bräutigam auf Grund der Niebel 'sehen Forschungen
eine Methode für diagnostische Zwecke ausfindig gemacht.
Diese Methode von Bräutigam und Edelmann^ stützt sich auf
die von Claude Bernard zuerst angegebene charakteristische
Farbenreaktion des Glykogens mit Jod. Das Verfahren ist
folgendes :
1) Eine kleine Menge des zu untersuchenden Fleisches (50 g) wird möglichst fein
zerkleinert, mit der vierfachen Menge Wasser eine Stunde lang gekocht und die so er-
haltene Fleischbrühe in der unter 4 und 5 angegebenen Weise behandelt. Tritt hierbei
die dort angegebene Reaktion nicht oder nicht sicher ein, so wird
2) der Masse Aetzkali (3 Proz. auf die Fleischmenge berechnet) in der gleichen
Menge Wasser gelöst, eugesetzt und diese weiter auf dem Wasserbade bis zum Zerfall der
Muskelfasern erhitzt.
3) Die so erhaltene Fleischabkochung wird kollert, bis auf das Gewicht der ver-
wendeten Fleischmenge eingedickt und filtriert.
56
Fleischbeschau. 467
4) Nach völligem Erkalten wird diese Fleischlösuog vorsichtig mit verdünnter
Salpetersäure (&&) behufs Abscbeidung der meisten Eiweirskürper und Entfärbung versetzt
und abermals tiltriert.
5"! Dieses Filtrat (oder nach Befinden die unter 1 gewonnene und gleichfalls mit
verdünnter Sal|)eter>iiure mogesÄuerte und filtrierte Fleischbrühe) wird mit Jodwasser be-
handelt, welches nnin im Keagensglas vorsichtig auf dHs Filtrat schichtet. Hiermit bildet
sich an der UerUhrungsstelle beider Flüssigkeiten bei der Anwesen-
heit von Pferdefleisch sofort eine burgunderrote Zone, deren
Stärke und Intensität von der Menge des in der untersuchten Probe
vorhandenen Pferdefleisches bez. von dem Reichtum des letzteren
an Glykogen abhängig ist.
Es gelang mit dieser Methode Glykogen selbst in solchen Fleisch-
gemischen nachzuweisen, welche nur "> Proz. Pferdefleisch enthielten.
Die Farbenreaktion muß einwandsfrei vorhanden sein und wegen leicht
unterlaufender Täuschungen darf dieselbe auch nur bei Tageslicht
angestellt werden. liauptbedingung vor Ausführung des Verfahrens
ist die Abwesenheit von Stärke, weshalb ein kleiner Teil des
Objektes durch Kochen und Zusatz von Jod oder Lugol'scher
Lösung auf Stärke vorzuprüfen ist. Enthält das Objekt Stärke, so findet
folgende Modifikation des Verfahrens Anwendung:
1) Das in der Fleischware vielleicht vorhandene Glykogen wird ausschlieBlich durch
Erwärmen der mit der nötigen Menge Wasser übergossenen Fleischmenge auf dem
Wasserbade extrahiert, wnzu mehrere Stunden erforderlich sind.
2) Das filtrierte Extrakt wird sehr vorsichtig auf dem Wasserbade bis auf ein Drittel
d es Gewichtes der verarbeiteten Fleischmenge eingedickt.
3) Dem eingedickten Safte setzt man konzentrierte Essigsäure im
doppelten bis dreifachen Volumen hinzu, wodurch das Stärkemehl (oft erst nach Stunden)
gefällt wird.
4) Die den Niederschlag enthaltende Flüssigkeit wird durch doppelte bis dreifache
Filter sorgfältigst filtriert und durch Jodzusatz zu einem kleinen Teile derselben auf
Stärke geprüft. ist noch solche vorhanden, so muß abermals Essigsäure hinzugesetzt
und filtriert werden.
6) Auf die von Stärke befreite Flüssigkeit kann direkt Jodwasser geschichtet werden
zum Glykogennachweis. Da aber durch den Essigsäurezusatz das Extrakt um das Doppelte
bis Dreifache verdünnt worden ist, so versucht man negativenfalls
6) Das präsumtive Glykogen durch Zusatz von Alkohol in 10 — 12-facher Meuge
zu fallen.
7) Die getrübte alkoholische Flüssigkeit wird durch ein möglichst kleines Filterchen
filtriert.
8) Die auf letzterem etwa zurückgehaltenen Glykogenspuren löst man durch einige
Tropfen heißen, mit Essigsäure schwach angesäuerten Wassers und prüft die ablaufende
Flüssigkeit sehr vorsichtig mittels Jodwassers auf Glykogen.
Das gesamte Verfahren der geschilderten Untersuchung stärke-
mehlhaltiger Objekte ist hintereinander und in allen Teilen vor-
sichtig auszuführen, wegen der Gefahr, daß Dextrin sich bilden
und Glykogen vortäuschen könnte. Einzelheiten sind in den betr.
Arbeiten nachzulesen.
Es sei noch besonders betont, daß das Verfahren von Bräutigam
und Edelmann vorzugsweise einen diaijiiostischen •' Wert besitzt.
Für forensische Zwecke ist unter allen Umständen Glykogen
aus der als suspekt erkannten Fleiselnvare darzustellen und event.
durch eine (|uantltatlve eheniische .Vnalyse der Glykosrengehalt
der Ware zu ermitteln.
Die von Court f oy und C o r e m a n ' s •" empfohlene Modifikation
des Verfahrens von Bräutigam und Edelmann kann nicht em-
pfohlen werden.
57
468 EDELMANN.
Ein ^^•eiteres Verfahren des Pferdefleischnacliweises stammt von
Hasterlik^", welcher die hohe Jodzahl des Pter defettes
zur Erkennung benutzte. Die HübTsche Jodzahl des Pferde-
fettes, auch des intramuskulären, beträgt 74 — 83 gegenüber 40—44
beim Rindstalg und 60,6 beim Schweinefett. Bei Ausführung der
im Original nachzulesenden Methode ist ausschließlich das von allem
sichtbaren Fett befreite Magerfleisch zu verwenden. Hasterlik
hält das Vorhandensein von Pferdefleisch für erwiesen,
sobald die Jodzahl 80 erreicht oder übersteigt.
Die Mitteilung Jüngers"^*, daß Pferdefleisch mikroskopisch au
der Gestalt der intramuskulären Fettzellen nachgewiesen werden könne,
bedarf noch weiterer Bestätigung. Ueber den Handel mit Roßfleisch
erlassene gesetzliche Bestimmungen s. S. 458.
li ViUain, Eecueil (1888) 443 u. 616. — Eevue sanit. de Bordeaux 2. Bd.
'i) Martin, Zeitachr. f. Fleisch- u. Müchliyg. 1. Bd. 69, 93. 145, 170, 191.
3i Goltz. Zeitschr. f. Fleischschau und Fleischkons. 3. Bd. 32.
4) Goubaux. Arch. ceter.. Publ. ä V ecole d! AI fort 8. Bd. (1883) 646.
4a) Stoedter, Hamburg. MiUeil. f. Tierärzte 2. ßd. Hft. 11.
5) Niebel, Zeitschr. f. Fleisch- u. Müchhyg. 1. Bd 185 u. 210.
6) Niebel, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 5. Bd. 130.
7) Niebel, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg 5. Bd. 86.
8j Bräutigam und Edelmann, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 4. Bd 83 — PharmtKCut.
Centralhalle (1894) ö. u. 6. Heft.
9) Bräntigam und Edelmann, Zeitschr. f. Fleisch- u. Müchhyg. 5. Bd. 107.
9a) Courtfoy u. Coremans, Annales belg. 44. Bd. 476.
\(') Hasterlik. Aus dem Arch. f. Hyg. (1893), liej. in O stertag' s Zeitschr. 3. Bd. 12. Heft.
llj Jungers, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milclihyy. 3. Bd 12. Heft.
3. Aufblasen Ton Fleisch.
In vielen Gegenden herrscht in Fleischerkreisen die Unsitte
(Schmidt- Mülheim ^ =* , M o r o t ^ ^ u. A.) , Kälber und Schafe
vor dem Enthäuten aufzublasen, indem mit dem Munde oder mit
Luftpumpen und Blasebälgen Luft in das Unterhautbindegewebe ge-
preßt und durch Streichen weiter verbreitet wird. Wenn auch die so
behandelten Tiere sich vielleicht etwas besser enthäuten lassen, so
geht doch der eigentliche Zweck des Aufljlasens dahin, den Tieren
ein besseres, volleres Aussehen zu geben. Das Aufblasen läuft
also wesentlich auf eine Täuschung des Publikums hinaus. Dabei
kommen aber auch sanitäre Bedenken in Betracht, da mit der Luft
Schmutz und Mikroorganismen aller Art in das Bindegewebe des
Fleisches künstlich hineingebracht werden ; außerdem ist das Auf-
blasen mit dem Munde höchst ekelerregend. Aus allen diesen Gründen
ist aufgeblasenes Fleisch, wozu auch aufgeblasene Lungen zu rechnen
sind, als verdorben im Sinne d. N.-G. zu erachten und
nur unter Deklaration zu verkaufen. An zahlreichen Orten
ist das Aufblasen längst und mit Recht polizeilich verboten worden,
was übrigens bereits im 15. Jahrhundert der Fall war (Bass^*).
12) Schmidt-Mülheim. Zeitschr. f. Tiermedizin 11. Bd. 83. — Zeitschr, f. Fleischbeschau u.
Fleischproduktion (1886) 83.
13) Morot, lievue veter. (1893) 589.
14 1 Baas. Zeitschr. f. Fleisch- u. Müchhyg. 3. Bd. 52.
58
Fleischbeschau. 469
4. Abnorme FlcIsehboschaflVulu'it iiiiicrhalb i)hysH»loe:iseher
Grenzen, vom sanitiltspollzeillchen Stjunlpiinkte beurteilt.
A. Ungeboreno Tiere.
Die Erkennungsmerkiiiale ganzer Föten können hier unberück-
sichtigt bleiben. Das Fleisch hat eine schlaffe, wässerige Beschaffen-
heit, das Fett ist sulzig und das Mark der Röhrenknochen rot.
Fötales Fleisch ist als hochgradig verdorben (verfälscht n. Schmidt-
Mülheim * ^) zu beurteilen und auch der Verkauf unter Deklaration
nicht zuzulassen.
B. Unreife Tiere.
Hier kommen fast nur zu junge Kälber in Betracht, während bei
Ferkeln, Lämmern und Zickeln selten nach dem Alter gefragt wird.
Der Begriff Unreife wird in den verschiedenen Gegenden Deutsch-
lands verschieden bemessen. Während man in Norddeutschland,
besonders in Mecklenburg und Holstein, vielfach die Kälber schon
im Alter von 3 — 4 Tagen schlachtet, läßt man sie in Süddeutschland
durchgängig viel älter, 2 — 3 Wochen alt, werden. In den meisten
Gegenden Deutschlands verlangt das Publikum ein Kalbfleisch von
Tieren, die mindestens 8 — 10 Tage alt sind.
Das Fleisch unreifer Kälber ist stark durchfeuchtet, schlaff,
graurot, mürbe, leicht zerreißlich. Das später zur Fettkapsel der
Niere sich entwickelnde Gewebe ist ödematös, schmutziggelb- oder
graurot, zähe mit einzelnen Fettläppchen.
Die Erkennungszeichen des Alters der Kälber im frühen Lebens-
alter s. Ostertag's Handbuch S. 222. Die polizeilichen Vorschriften
über das zulässige Alter der Schlachtkälber sind bereits im Kap. I, 4
S. 424 besprochen worden.
Bei der Beurteilung unreifen Fleisches sind die lokalen Ge-
pflogenheiten zu berücksichtigen. In Gegenden, wo das Publikum
voraussetzt, daß die Kälber ein bestimmtes Alter erreichen, ist un-
reifes Fleisch als verdorben i. S. d. N.-G. anzusehen und unter
Deklaration zu verkaufen.
C. Magere und abgemagerte Tiere.
Die Unterscheidung zwischen Magerkeit und Abmagerung ist
weder immer leicht, noch auch sind die Merkmale dieser beiden Zu-
stände hier kurz auseinanderzusetzen. Es sei zur genauen Orientierung
hierüber auf Ostertag's"' Veröffentlichung, sowie auf die er-
schöpfenden Darlegungen in seinem Handbuch (S. 225 ff.) verwiesen,
(s. auch M 0 r 0 1 * " , Paule ' * u. A.) „Magerkeit ist ein physiologischer
Zustand bei vollkommenem Wohlbefinden des Individuums." Nach
Oster tag sind mager alle in der Entwickelung begriffenen Tiere,
die meisten männlichen Zuchttiere und alle Kühe stark milchender
Rassen. „Abmagerung ist ein pathologischer oder im hohen Alter
sich abspielender Prozeß", bei welchem der gewöhnliche Ernährungs-
zustand unter die Norm sinkt. Dabei tritt neben Fettschwund auch
eine Umfangsverminderung der Muskulatur ein.
Das Fleisch magerer Tiere hat allein wenig Fettgehalt, ist sonst
aber derb, straff und in der Regel dunkler gefärbt Am Fleisch
59
470 EDELMANN,
abgemafzerter Tiere fällt in der Rogel eine Schlartheit, Blässe
und Wolklieit nebst stärkerer Durchfeuclitung und autiälligem Hervor-
treten der bindege^Yebigcn Elemente auf. Sehr häutig ist infolge
einer Indräniischen Cachexie, besonders bei jüngeren und älteren
Tieren, Wässerigkeit des Fleisches vorhanden.
Das Fleisch magerer Tiere unterliegt keinen Verkehrsbe-
schränkungen. Bei einem abgemagerten Tiere kommt es auf die Ur-
sache der Abmagerung und die substantiellen Veränderungen des
Fleisches an, ob dasselbe als verdorben i. S. d. N,-G. unter Deklaration
zu verkaufen oder als verdorben und ungeeignet zum Genüsse zu
vernichten ist.
D. Abnorme Färbung des Fettes.
Bei Rindern, welche ausschließlich auf der Weide gemästet worden
sind, findet man zumeist eine intensive Gelbfärbung des Fettes. Auch
bei Schweinen, welche mit Mais oder Baumwollensamenmehl gefüttert
wurden, beobachtet man mindergradige gelbe Verfärbung des Fettes.
Ebenso bekommt das Fett von Kälbern, welche mit Baumwollen-
samenmehl- oder Erdnußtränken ernährt worden sind, eine sattere
schmutziggelbe Farbe. Werden Schweine mit Fischen gefüttert, so
zeigt das Fett ein schwachgraues Kolorit.
Die Gelbfärbung der Weidetiere ist nicht zu beanstanden, in der
Regel auch nicht die erwähnte bei Kälbern. Bezüglich des Einflusses
des Fischfutters bei Schweinen s. unten unter E.
E. Geruchs- und Geschmacksabnormitäten des Fleisches.
Diese sind als Sexu aleige n tu m li chkeiten bei Ebern,
Kryptorchiden, Ziegen- und mitunter Schafböcken vorhanden. Eber-
fleisch und bisweilen solches von Kryptorchiden riecht und schmeckt
urinös (Brebeck^^, Jansen-^), das Fleisch von Ziegen- und
Schafböcken besitzt einen unangenehmen, widerlichen, bockigen Ge-
ruch und Geschmack.
Durch Fütterung gewisser Stoff"e vermag das Fleisch ebenfalls
einen abnormen Geruch und Geschmack anzunehmen. Bei Schweinen
erhält das Fleisch durch anhaltende Verabreichung von Fischen
einen thranigen (Hertwig^^), durch die von Spülicht einen faden
oder ranzigen Geruch. Nach Verfütterung von Bockshorn (Trigo-
nella foenum graecum) nimmt nach Beobachtungen in Frankreich
(Mo rot -2) das Pleisch einen an Schweinemist erinnernden Geruch
und Geschmack an.
Auch durch Aufnahme oder Einverleibung riechender
Stoffe in den Körper kann das Fleisch einen abnormen Geruch und
Geschmack annehmen. Dies liegt zwar nicht innerhalb der physio-
logischen Grenzen, mag aber an dieser Stelle des Zusammenhangs
wegen erwähnt werden. Von solchen Stoffen, die zufällig aufge-
nommen oder als Medikamente verabreicht werden und bei Not-
schlachtungen in Frage kommen, sind insbesondere zu erwähnen:
Aether, Anis, Asa foetida, Baldrian, Benzin, Kampher
(Herssillet^') Karbolsäure (ReTtw ig^*), Chlor, Chloro-
form, Fenchel, Petroleum, Teer (Liebe ^^). Durch Inhalation
von Karbolsäure-, Chlor-, Aether- und Chloroformdämpfen werden
60
Fleischbeschau. 471
dem Fleisch ebenfalls die entsprechenden Geruchs- und fleschniacks-
abnorniitäten verliehen.
Ueber das nach Ammoniak riechende und schmeckende Fleisch
urämischer Tiere s. Kap. IV, 3, C.
In den vorerwähnten Fällen verschwindet beim Erkalten des
Fleisches vielfach der abnorme Geruch, um el)enso, wie der Geschmack,
beim Braten oder Kochen des Fleisches wieder hervorzutreten. Deshalb
muß mit verdächtijzem Fleische eine K o c h p r o b c n a c h 24 S t u n d e n
angestellt werden, die unter Umständen und besonders bei
Kryptorchiden negativ ausfallen kann (Hin tzen -").
Alles Fleisch, welches abnorm riecht oder schmeckt, ist, wenn
es überhaupt zur menschlichen Nahrung geeignet ist, verdorben i. S.
d. N.-G. und nur unter Deklaration zu verkaufen.
16) Schmidt-Mülheim, Zeitschr. f. FUischschau und FUischproduktion (1886) 145.
16) Ostertag, ZtUschr. f. Fleisch- u. Mtlchhyg. 1. Bd. 74.
17) Morot. Ittc. de med. vä. (1893) No. 4 m. 6 , Ref. ZeiUchr. f. Fleisch- u. Milchhyg.
3. IUI 162.
18) Paule, liec. de med. vä. (1892) 274.
19) Brebeck, Aus d. Verh. d. Generalver sammig. d. Vereins Rheinpreufs. Tierärzte, ref. i. d.
Berl. T. Wochenschr. 417.
20) Jansen, Berl. T. Wochenschr. (1892) 369.
21) Hertwig. Zeitschr f. Mikrosk. u. Fleischbeschau (1884).
22) Morot. Bulla, agricol. (\S9 2) Janvier, ref. Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 2. Bd. 130.
23 1 Herssilet, Progres. veUr. (1892) A'o. 7. — Berl. T. Wochenschr. (1892) 197.
24) Hertwig, Ber. über d. städt Fleischbeschau, Berlin 1894. — Zeitschr. f. Fleisch- u.
.Mtlchhyg. 4 Bd 120.
25) Liebe. Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 4. Bd. 132.
26) Hintxen, Ibid. 3. Bd. 119.
Anhang.
A. Mangelhaft ausgeblutete Tiere.
Sobald Fleisch viel Blut enthält oder Schlachttiere mangelhaft aus-
geblutet sind, ist die Ursache dieser Abnormität (Krankheit oder konse-
kutive Herzschwäche bei Ueberanstrengung, Krämpfen, Hitzschlag etc.)
für die Beurteilung entscheidend. War die mangelhafte Ausblutung die
Folge einer Krankheit, welche das Tier dem natürlichen Tode schon
nahe gebracht hatte, so hän^t es von der Natur dieser Krankheit ab, ob
das Fleisch überhaupt zum menschlichen Genüsse zugelassen werden
kann, oder ob es als verdorben i. S. d. N.-G. unter Angabe des Fehlers
zu verkaufen ist. Letzteres ist als Regel anzusehen bei allen mangelhaft
ausgebluteten Tieren.
B. Fleisch verendeter Tiere.
Das Fleisch verendoter l'irre, im Gegensatz zu dem von ge-
schlachteten Tieren :il)staimneiiden, kennzeichnet sich durch hohen
Blutgehalt und Saftreichtum, durch abweichende Konsistenz und Farbe,
sowie durch einige andere Merkmale, welche von Mandel^** zu-
sammengestellt worden sind. Solches Fleisch ist zwar nicht unbedingt als
gesundheitsschädlich, wohl aber stets als hochgradig verdorben anzu-
sehen. Objektive gesundheit.s schädliche Eigenschaften können
dem Fleische verendeter Tiere anhaften, wenn die Tiere an einer Krank-
heit oder Vergiftung gestorben sind , welche dem Fleische gesundheita-
schädliche Stoflfe zugeführt hat (Septikämie, Pyämie, Milzbrand etc.), oder
6i
472 EDELMANN,
an dem Fleische sich bereits Fäulnis, die sehr leicht eintritt, bemerkbar
macht. — Das Fleisch von Tieren, welche infolge Blitzschlags, gewaltsamer
Gehirn- oder Rückenmarksverletzungen, durch innere Verblutung und dergl.
plötzlich tödlich verunglückt sind, ist wegen seiner abnormen Herkunft als
verdorben im Sinne des Nahrungsmittelgesetzes zu beurteilen und kann
günstigsten Falles unter Deklaration verkauft werden.
5. Die postmortalen YerUiiderungen des Fleisches.
A. Gärung und Fäulnis.
Die ersten Veränderungen der tierischen Gewebe nach dem
Tode sind physikalisch-chemischer Natur : Gerinnungserscheinungen,
Farbenveränderungen, Aenderung der Reaktion. Die eintretende
Gerinnung prägt sich am deutlichsten aus als Erstarrung des Fettes
in den Fettzellen und als Gerinnung des Myosins in den querge-
streiften Muskeln. Letztere, bedingt durch Säurebildung im Muskel,
hat den Eintritt der Muskelstarre (Totenstarre) zur Folge. Damit
erlaugt die Muskulatur eine saure Reaktion, ein Zustand, der von
W. Eber-', welcher zuerst die Zersetzungsvorgänge des Fleisches
in ein gewisses System gebracht hat, als einfache Säuerung des
Fleisches bezeichnet wird. An diese schließt sich die saure
Gärung, welche in zwei Formen auftreten kann.
a. Die einfache saure Gärung beginnt mit der durch Zunahme
der Abspaltung freier Milchsäure und durch Bildung sauren, phosphor-
sauren Kalis eintretenden Lösung der Muskelstarre und bedingt das
sogen. ..Reifwerden" des Fleisches. Letzteres wird mürber und verliert
allmählich die Fähigkeit, auf seinen Schnittflächen eine lebhaft schar-
lachrote Farbe anzunehmen. Die Schnittflächen werden hellbraun bis
gelb. Im Fleische kommt es nach einiger Zeit zur Bildung von Spuren
von Schwefelwasserstoff' (Haut-gout).
b. Die stinkende saure Gärung tritt bei Fleisch ein, welches nicht
hat auskühlen können ; so bei Wild, das lebenswarm dicht zusammen-
gepackt oder bei Fleisch geschlachteter Tiere, wenn es lebenswarm
aufeinandergeschichtet wurde. Der Zustand wird beim Wild als „ver-
hitzt" (Peters^"), beim Fleisch als „versticken, stickigwerden" be-
zeichnet. Beim Wild lassen sich die Haare büschelweise aus dem
Fell reißen, die Subcutis ist grün gefärbt, ebenso die Muskelschnitt-
flächen ; Gasblasen können auftreten. Die beiden letzteren Verände-
rungen beobachtet man auch an Fleischstücken. Die stinkenden Pro-
dukte enthalten sehr viel HqS.
Der Nachweis der Gärungsprozesse ist aus den be-
schriebenen Veränderungen nicht schwer zu führen. Notwendig ist
die Anwesenheit einer sauren Reaktion und das Fehlen von Ammoniak
fs. Fäulnisnachweisj.
c) Die Fäulnis des Fleisches ist eine parasitäre Zersetzung, die
W. Eber als ammon iakalische Gärung charakterisiert. Sie
wird aufgehalten durch sachgemäße Behandlung und Aufbewahrung
oder Konservierung des Fleisches und begünstigt vor allem durch
Wärme und Feuchtigkeit. Letztere beiden Faktoren erleichtern die
Ansiedelung von verschiedenen Mikroorganismen (Kraus ^■^). Von
den fäulniserregenden Bakterien spielen die der Proteusgruppe
die Hauptrolle. Die Fäulnis beginnt in der Regel an der Oberfläche
Fleischbeschau. 473
des Fleisches und dringt, den Rindegewebszüfien folgend, in die Tiefe
vor. Die ^luskelfaser selbst widersteht der Fäulnis einige Zeit. Aus
den Eiweißkörpern und Leinisubstanzen bilden die Fäulniserreger
Giftstoffe (Faul nis toxi ne) neben Ammoniak, Kohlen-
säure, Schwefelwasserstoff, aromatischen Stoffen. Jedoch
treten „stinkende, faulige" Geruchstofl'e keineswegs bei jeder
Fäulnis auf (sie fehlen in faulenden Fleischwürsten und Salzfleisch
sehr häutig), ebenso, wie lebhafte Farbenveränderungen durchaus
nicht charakteristisch sind. Konsistenzveränderungen machen sich
nur bei höheren Graden der Fäulnis bemerkbar. Alkalescenz allein,
wie Schmidt-Mülheim"'" annahm, ist kein Kriterium der Fäulnis.
Die verschiedengradigsten Gärungs- und Fäulnisprozesse können
naturgemäß sich nebeneinander abspielen, und diese Mischprozesse
sind mitunter schwer zu beurteilen.
Zum objektiven Nachweis der Fäulnis hat W. Eber
den Nachweis von freiem Ammoniak bewährt gefunden. Die
Eber 'sehe F ä u 1 n i s p r o b e gründet sich darauf, daß bei Zusammen-
treffen von Ammoniak- und Salzsäuredämpfen sich graue bis weiße
Salmiaknebel bilden.
Die Ausführung der Salmiakprobe muß unter gewissen Vorsichts-
maßregeln, deren Einzelheiten im Original nachzulesen sind, geschehen.
Reagens: Acid. hydrochloric. pur. 1,0, Alkohol 3,0, Aether 1,0. Von
dieser Mischung wird soviel in ein ca. 2 cm weites Reagensglas gegossen,
daß dessen Boden etwa 1 cm hoch bedeckt ist. Das Glas ist verschließbar
mit einem Gummistopfen, durch welchen ein bis nahe zur Flüssigkeit
herabreichender Glasstab gesteckt ist. An diesen Glasstab wird eine kleine
Probe des zu untersuchenden Gegenstandes gebracht, oder von dem
letzteren mit dem Glasstab Saft abgestrichen. Nachdem das Reagens
im Probierglas geschüttelt worden ist, damit sich das Glas mit Salzsiiure-
dämpfen füllen konnte, wird der Glasstab eingesenkt. Die eintretende
Reaktion ist, je nach der Menge des der Probe entströmenden freien
Ammoniaks, verschieden. Es bilden sich graue, rauchblaue oder
weiße Nebel, welche, von der Probe ausgehend, sich zum Flüssigkeits-
spiegel senken. Fehlen Nebel, so ist kein Ammoniak vorhanden. Selbst-
verständlich darf in den Räumen, wo untersucht wird, kein freies
Ammoniak zugegen sein; auch soll die zu untersuchende Probe nicht
kälter sein als das Reagensglas. Bei Lakeobjekten ist wegen des
sich bildenden Trimethylamins ^ ^ die Probe nicht verwendbar.
Weil Fäulnis nur oberflächlich vorhanden sein kann, sind zum
Nachweis des Verdorbenseins größerer Fleischstücke stets die inneren
Teile zu untersuchen,
IJeurteiluiii;. Während Fleisch im Zustande sauerer Gär u n g
zum Genüsse für Menschen geeignet ist, mulS das in stinken der saure r
Gärung befindliche mindestens als hochgradig verdorben, wenn nicht
als gesundheitsschädlich bezeichnet werden. Letzteres ist bei faulen-
dem Fleisch stets der Fall. Die Fäulnistoxine sind starke (liffe für
den Menschen, die auch durch küchenmäßige Zubereitung dc<. Fleisches
nicht zerstört werden (s. Fleisch- und Wurstvergiftungen Kaji. II).
Vergl. auch W. Eber^^', Die Beurteilung von FalUebern.
B. Insektenlarven und Schimmelbildung auf Fleisch.
Im Sommer kann es leicht vorkommen, daß Fliegen ihre Eier
63
474 EDELMANN,
auf Fleiscli loizon, aus dcuen sich die Fliegenlarveu (Maden) ent-
wickeln. Hierbei kommen besonders in Betracht die stahlblaue
Schmeißfliege (Musca voinitoria), die graue Fleisch fliege
(Sarcophaga carnaria) und die Stubenfliege (Musca domestica).
Von Schimmelpilzen können verschiedene auf der Ober-
fläche des Fleisches eine Verschimmelung veranlassen. Eine Rot-
färbung kann durch den Bacillus i)ro(ligiosus, die seltener vor-
kommende Blaufärbung, durch den Bacillus cyanogenus hervor-
gerufen wertlen.
IJourtciluna;. Wenn nicht substantielle Veränderungen (Fäulnis)
am Fleische vorliegen, hat die Ansiedelung der Pilze auf der Ober-
fläche nichts zu bedeuten. Die Oberfläche ist einfach abzutragen.
C. Leuchtendes Fleisch.
Ein phosphoreszierendes Leuchten von Fleisch (S c h m i d t - M ü 1-
heim^-, Moule^^, Dubois-**, Piehler^^ u. A.) kann durch
verschiedene Leuchtbakterien (Nuesch-^") (Photobacterium
Pflügeri, Bacterium phosphorescens u. a.) hervorgerufen werden. Die
Bakterien halten sich mitunter an gewissen Stellen (z. B. morsche Balken)
von Fleischaufljewahrungsräumen auf und können von hier aus das
Fleisch ])efallen. Auch bei Würsten hat man ein Leuchten beobachtet.
Beurteilnng. Gesundheitsschädlichkeit liegt nicht vor. Inwie-
weit leuchtendes Fleisch als verdorben zu gelten hat, wird von seiner
sonstigen Beschaffenheit und dem Umfange der Bakterienansiedelung
abhängen.
D. Verschiedenes.
Eine Absorption von Riechstoffen kann bei unzweckmäßiger Auf-
bewahrung des Fleisches erfolgen. Besonders leicht werden angezogen
und festgehalten : Karbolsäure-, Chlor-, Terpentin-, Teerdämpfe und Tabaks-
rauch. Der entsprechende Geruch und Geschmack tritt in der Regel erst
bei oder nach der Zubereitung des Fleisches auf
Metallgifte können dem Fleische von unzweckmäßig hergestellten
Aufbewahrungsgefäßen (Blechbüchsen) oder Verarbeitungsmaschinen mit-
geteilt werden. Vergl. dies. Bd. S. 345 ff.
Für Mikroorganismen aller möglichen Arten bietet das Fleisch
einen günstigen Nährboden. Ihre Ansiedelung und Entwickelung wird
durch unrichtige Aufbewahrung des Fleisches begünstigt. Gewisse Er-
reger menschlicher Krankheiten (Typhus, Cholera, Scharlach u. a.) ge-
deihen ebenfalls auf dem Fleische, weshalb dieses von den Stätten der-
artiger Erkrankungsfälle fernzuhalten ist.
26a) Handel, Deutsch. T. Wockenschr. (1894; No. 47.
21) Eber. .Arch. f. animal. Nahrungsmittdk 6. Bd. Hjt. 2 m 3, Arch. f. Tkrkeilk. 17. Bd.
IJ/t. 3, 18 Bd. H/t. 1 — 2. — Enticurf einer Instruktion zur Untersuchung und strafrecht-
lichen Beurteilung animaler, zur menschlichen Nahrung bestimmter zersetzter Organ- und
Körperteile, Berlin 1892.
28) Peters, Berl. T. Wochenschr. (1893) No. 12.
29) Kraus, Friedreich' s BUitter f. ger. Medic. u Sanitätspolizei (1890) 343, ref. Zeitschr. f.
Fleisch- u. Müchhyg. 1. Bd. 79.
30j Schmidt-Mülheim. Zeitschr. f. Fleischbesch. u. Fleischprod (1888) 68.
31) Berl. T. Wochenschr. (1893) 98.
32) Schmidt-Mülheim, Zeüschr. f Fleischbeschau u. Fleischproduktion {\i9%) \02, (1887) 36
33) Moule. Ric.-BuUetin (1886) 52.
34) Dabois. L' echo franc (188S) 543
3.5) Piehler. Bayrische Wochenschr. (1892) No. 8.
36) Naesch, Ueber leuchtende Bakterien, Broschüre. Basel 1885
36a) Zeitschr. f. Heisch- u. Müchhyg. 6. Bd. 21.
64
Fleischbeschau. 475
IV. Kapitel.
Patholoüie der Sclilacliltiere in ihrer iJodeutuiii; für
die Fleiselihoscliaii.
1. Bei dor LohciHlbcschaii der Schlaehttiere besonders zu
bcrücksic'htis;ende Erkraiikuii^;eii.
Die Beschau der vSchlachttiere im lebenden Zustande soll be-
sonders diejenij,'en Krankheiten und Zustände ermitteln, welche, weil
sie durch die Schlachtunji verwischt, durch die Entfernung der Haut
beseitijit werden oder keine auffälligen Veränderungen an den Ein-
geweiden oder (lonj Fleische hervorrufen, bei der Untersuchung nach
der Schlachtung nicht oder nicht mit Sicherheit erkannt werden können.
Die Lebendbeschau hat daher unter Anwendung aller diagnostischen
Hilfsmittel (Thermometer, Perkussion, Auskultation, event. diagnostische
Impfung) vor allem das Allgemeinbefinden der Tiere zu be-
rücksichtigen und dabei gleichzeitig über Alter, Ernährungs-
zustand, äußere Erkrankungen zu befinden. Im Besonderen
kommt folgendes in Betracht,
A. Die Ermittelung von Tierseuchen, welche vete-
rinärpolizeilich bekämpft werden. Hierher gehören: Rin-
derpest, Maul- und Klauenseuche bei Wiederkäuern und
Schweinen, Milzbrand beim Rind, Schaf und sehr selten beim Schwein,
<owie Rauschl)rand beim Rinde, Rotlauf der Schweine als allge-
meiner Rotlauf und Rotlauf-Urticaria, Rotz der Pferde, Die Pocken-
Seuche der Schafe, die Räude des Pferdegeschlechts und der Schafe,
sowie die Tollwut besitzen für die Fleischbeschau nur eine unterge-
ordnete Bedeutung. Soweit diese Seuchen auf den Menschen übertrag-
bar sind, soll durch die Lebendbeschau gleichzeitig eine Infektion der
Menschen bei der event, Schlachtung solcher Tiere verhütet werden,
B, Die Erkennung anderer Infektionskrankheiten
und septischer Erkrankungen, Zu ersteren gehören insbe-
sondere Tetanus, malignes Oedem, Wild- und Rinder-
seuche, bösartiges K atar r h alf ie b er der Rinder, Ruhr der
Kälber. Die septischen Erkrankungen verlangen als sogen. Kälber-
lähme, s e p t i s c h e E n t e r i t i s und M a s t i t i s, sowie S e p t i c ä m i e
im Anschlüsse an eine Retentio secundinarum, große Aufmerksamkeit
seitens der Sachverständigen.
C, Durch sorgfältige Beachtung verdächtiger Symptome kann
auch die Diagnose auf solche Vergiftungen, welche an den
Eingeweiden keine auffälligen Veränderungen hervorrufen, durch die
Lebendbeschau unterstützt werden,
D. Von sonstigen äußerlich sichtl)aren Verände-
rungen, die bei der Lebendbeschau zu beachten sind, aber hier nicht
alle aufgeführt werden können, seien nur folgende erwähnt:
H a u t k r a n k h c i t e n (parasitäre Ausschläge als Scabies, Herpes,
Trichophyton, Warzen, Schrotausschlag beim Schwein (Zscin»kke''.
01t'", Lu n ger shau s en ' ' etc.), Geschwülste ( Aktinon)ykome,
Melanome, Botryomykome, Sarkome. Carcinome u. a,), Mißl)i Idun gen
verschiedenster Art, A bscesse, Geschwüre und Beulen, Ge-
le n k e r k ra n k u n ge n , insbesondere sogen. Gelenkgallen (Hydrops
Handbuch der Hygiene. Bd. III. Abtlg. 2. g, 31
47(5 EDELMANN,
Art.") und Verletzungen, K n o c li o ii v e r ä n d e r u n ii e n, E r k r a n k u n-
gen der Klauen und Hufe, Brüche (Nabel-, Leisten-, Bauch-^
Flankenbrüche), Vorfälle von After oder Scheide. — Ausflüsse
und abnorme Sekrete oder Exkrete aus den natürlichen Körperöffnungen,
Störungen in den psychischen oder motorischen Funk-
tionen weisen auf innere Veränderungen hin. welche sonst vielleicht
bei der Untersuchung nach der Schlachtung unbeachtet geblieben
wären.
Insoweit einzelne der vorerwähnten Seuchen und Krankheiten
eine Bedeutung für die sanitäre Beurteilung des Fleisches besitzen,
werden sie später bei den einzelnen Krankheitsgruppen behandelt
werden.
2. Lokale Erkrankungen der Gewebe und Organe.
Auf die allgemeine j)athologische Anatomie der lokalen Gewebs-
und Organerkrankungen der Schlachttiere kann bei den engen Grenzen,
welche dem Abschnitt „Fleischbeschau" des Handbuches der Hygiene
gesteckt sind und in Anbetracht der Zwecke, denen dasselbe dienen
soll, nicht eingegangen werden. Es dürfte auch eine Besprechung
dieser Erkrankungen und Abnormitäten um so mehr unterbleiben
können, als ihre Erkennung und Würdigung für Jedermann leicht
sein wird, welcher allgemeine Kenntnisse in der Pathologie und
pathologischen Anatomie besitzt. Außerdem ist die sanitätspolizeiliche
Bedeutung der lokalen Erkrankungen in der Regel eine geringe, so-
daß meist nur die Verwendbarkeit des betreffenden erkrankten Organs
als menschliches Nahrungsmittel in Frage kommt. In dieser Be-
ziehung ist bei der Beurteilung der betreffenden Lokalerkrankung Ur-
sache und Ausbreitung zu berücksichtigen.
Ganz eng begrenzte Krankheitsherde werden besonders in wert-
vollen Organen, sorgfältig zu entfernen sein, worauf das Organ selbst
zum freien Verkehr zugelassen werden kann. Bei multiplem Auf-
treten krankhafter Prozesse oder bei größerer Ausdehnung eines
solchen in einem Organ wird das ganze Organ zu vernichten sein.
Eine bedingungsweise Verwertung (Freibanküberweisung) dürfte sich
nur in sehr wenigen Fällen bei wertvollen Organen (z. B. Lebern;
und gewissen Krankheiten ermöglichen lassen.
Zum eingehenden Studium der allgemeinen pathologischen Ana-
tomie der Schlachttiere vom Standpunkte der Sanitätspolizei kann
das betreffende vorzüglich bearbeitete Kapitel in Ostertag's Hand-
buch S. 233—324 angelegentlichst empfohlen werden.
An dieser Stelle mögen nur ganz kurz Erwähnung finden die
für die Fleischbeschau unter Umständen wichtigen
Oreankrankheiten *j der Sehlachttiere, welche durch tierische
Parasiten Teranlasst werden.
A. Parasiten der Haut.
Beim Rind kommt in der Unterhaut die Larve von Oestrus
bovis (Dassel-, Biesfliegej vor, welche die sogen. Dasselbeulen er-
*) Die parasitären AllgemeinerkraDkungen s. S. 480.
66
Fleischbeschau. 477
/eii^'t. Die ersten Entwickeln n;jssta(lieii dieser Larven leben im siib-
cluralen Fettfjewebe des Hückenmarkskanals nach Keobachtnnpen
von Hinrichsen*, Hörne- und Kuser-'.
In der Haut des S ch wein es erzeufit Dem od ex phylloides
suis pustulüse Ausschläge. Zuweilen kommt S a r c o p t e s s q u a m i-
f er u s vor.
Beim Schaf veranlaßt aus^'ebreitetes Auftreten von Dermato-
coptes Ovis mitunter kachektische Zustände. Beim Pferd beobachtet
man Sarcoptes- und Dermatocoptes-Räude.
B. Parasiten im Respirationsapparat.
In der Nase und deren Nebenhöhlen erzeugt beim Schafe
die Larve von Oestrus ovis (Schaibremse) Reizungszustände.
In der Lunge veranlaßt beim Rind und Kalbe Strongylus
micrurus, beim Schafe und der Ziege Str. filaria, beim
Schafe außerdem Pseudalius ovis pulmonalis(Koch) sive
Pseudalius capillaris (A. Müller) und beim Schweine Str.
paradoxus meist nur geringgradige bronchitische oder pneumonische
Veränderungen. Massenhafte Invasionen haben besonders bei Schafen,
mitunter kachektische Zustände zur Folge.
C. Parasiten des Verdauungsapparates.
Im S c h 1 u n d k 0 p f und Magen des Pferdes findet man nicht
selten die Larven von Gastrus e(|ui und G. h aem orrh oi dal is.
Im Labmagen des Rindes sitzt St ron gylu s convolutus
(Ostertag*) unter dem F>i)ithel und erzeugt linsengroße Flecke
mit centraler Oetfnung. — Bei Schaf und Ziege kommt Stron-
gylus contortus ebenfalls im Labmagen vor und erzeugt bei
starker Invasion Kachexie (Ma gen wurm seuche). — Im Pansen
der Wiederkäuer Amphistomum conicum.
Von Dar m parasitcn hat fast ausscliließlich T a e n i a e x p a n s a
beim Schafe Bedeutung, welche gelegentlich als Bandwurmseuche
anämische Zustände veranlaßt. — Beim Schwein erzeugt Echino-
rhynchus gigas im Dünndarme Entzündungsherde, welche mit
Tuberkulose verwechselt werden können. - Die Taenia echino-
coccus des Hundes ist von Interesse wegen der Echinokokken der
Schlachttiere; die ebenfalls lieiiii Hunde schmarotzende Taenia
margin ata und T. coenurus wegen ihrer Beziehungen zum
Cysticercus tenuicollis und bez. zum Coenurus cerebralis. — Die
vorkommenden Askariden sind bedeutungslos.
In der Leber schmarotzen zwei für die Fleischbeschau wichtige
Trematoden, die sogenannten Leberegel: Distomum hepaticum und
Distomum lanceolatum.
Distomum hepaticum.
Vorkoiiiiiu'ii und Zooloi-Msches. Das große Doppelioch kommt
in den (iallcn^'ängen der Lclici- von Rind, Schaf. Ziege und Schwein
vor. Auf embulische Weise verirrte Distomen oder (leren Teberreste
können gelegentlich auch in den Lungen, in der Milz, der Subcuti.s,
den Muskeln und unter der Serosa von Brust- und Bauchhöhle ge-
;i 1 *
6?
478
EDELMANN,
fumloii wordoii. Ihre Gestalt ist aus der foljienden Abbildung ersicht-
lich, eine Beschreibung der speziellen Anatomie kann hier unterbleiben.
Nur bezüglich der Invasion der Distonien sei erwähnt, daß sie ihre
Embryonalentwickelung teils im Freien, teils in Wasserschnecken der
Gattung Lymnaeus (Leuckart) durchmachen und mit dem Futter
oder Wasser von den Tieren aufijenommen werden.
Fig.
Fig.
10.
11.
Distomum hepaticum, ca. 2,5-fach vergröfsert. (Nach Leuciiart.)
Distomum lanceolatum, 10-fach vergr. (Nach Leuckart.)
Befund und Bedeutung. Vereinzelte Exemplare erzeugen in der
Leber keine sichtbaren Veränderungen. Bei zahlreichem Vorkommen
findet man Katarrh der Gallengänge, Verdickung der Wandungen und
selbst Verkalkung der letzteren. In Verbindung hiermit kann es zu Ver-
.stopfungen einzelner Gänge, Gallenretentionscysten und Abscessen
kommen, welche sich auch im Anschluß an durch junge Leberegel
veranlaßte parenchymatöse Blutungen entwickeln können. Das Leber-
gewebe selbst ist meist wenig affiziert, nur in wenigen Fällen kommt
es zu einer partiellen oder ausgebreiteten Induration und Cirrhose.
Während das Allgemeinbefinden des Rindes und der Schw^eine durch
die Leberegelinvasion in der Regel nicht beeinträchtigt wird, führt die
Leberegelseuche bei Schafen, durch Erzeugung schwerer Ver-
dauungsstörungen und Kachexien, große Verluste herbei.
Untersuchung. Ausdrücken der Hauptgallengänge, Einschnitte
in die Leber, sodaß die Hauptgänge getroffen werden.
Distomum lanceolatum.
Vorkommen und Zoologisches. Das lancettförmige Doppelloch
68
Fleischbeschau. 479
kommt weit wonipor häufig; als D. hepaticnni und hauptpächlich
bei Schafen, seltener hei Rindern, Ziepen und Schweinen vor. Es
ist erheldicji kleiner und .sciilanker als das voripe (s. Abbildung).
Befand und Bedcutuni?. Der Parasit ruft nur panz perinpe Er-
scheinungen in der Leber hervor und ist auf das Allpenieinbefind(?n
der Tiere so put wie einflußlos. Er ist mit Sicherheit nur durch
Einschneiden der pröLNcren (lallenpänpe und Ausdrücken derselben
zu eiitdrcki'ii.
BeurteiluiiiT der Distomatose. Sobald die Distomen durch
Herausschneiden der (iallenpänpe sicher entfernt werden können,
kann die Leber zum Verkehr freigegeben werden. Bei massenhaften
Invasionen, Indurativ- oder Eiterungsprozessen ist das ganze Organ
zu vernichten.
Die Beurteilung der im Gefolge der Leberegelseuche sich ein-
stellenden kachektischen Zustände bei Schafen hängt von den allge-
meinen Veränderungen ab.
In Hessen und Saehsen-Meiuingeu Ut FleUch von Tieren, die an der Egel-
seuche gelitten haben, bei wesentlich verändertem Aasseben als aDgeniefsbar zu erklären;
anderenfalls ist es minderwertig.
In der Muskulatur des Schweines ist von Leunis, später
von Duncker^, ein nur mikroskopisch sichtbares Distomum gefunden
worden, das bei der Seltenheit seines Vorkommens keine Bedeutung hat.
Schellenberg^ fand in F r o s c h muskeln jugendliche Distomen.
D. Parasiten an Brust- und Bauchfell.
Unter den Parietal- und Visceralblättern der Pleura und des
Peritoneums kommt besonders häufig beim Schafe (26,4 Proz. fand
01t' in Stettin mit Cyst. ten. behaftet), aber auch bei Schwein und
Rind der d ü n n h a 1 s i g e B 1 a s e n w u r m (Cysticercus t e n u i c o 1 1 i sj
vor. Ausnahmsweise sitzt der Parasit auch im Innern der Einge-
weide, besonders in der Leber (Semmer**), woselbst er bei älteren
Tieren höchstens Erbsengröße erreicht und meist frühzeitig der Ver-
käsung und Verkalkung anheimfällt (Verwechselung mit Tuberkulose).
Bei der Invasion junger Källjer erzeugt der Schmarotzer in der
Leber geschlängelte, mit grünlich-l)räunlichen Massen gefüllte Gänge.
Für gewöhnlich trifft man den Cyst. tenuicoUis als sehr ver-
schieden große Blasen an Netz, Gekröse und Leber. Kleine Exem-
plare wölben die Serosa nur vor, größere bilden dünngestielte, i)lasige,
serumgefüllte, von der betreffenden Serosa umgebene Appendices.
Aus der Schwanzblase läßt sich der lange, gefaltete Hals leicht heraus-
stülpen. Er besitzt einen Skolex mit 28 — 40 Haken. Die Bewaffnung
unterscheidet den Cyst. tenuicoll. von der Rindertinne, die größere
Zahl der Haken und die eigentümliche Form einzelner derselben
von der Schweinefinne (s. S. 487).
Bonrtoilunff. Der Cyst. tenuicoUis ist die Finne der beim Hunde
lebenden T. marginata. Für den Menschen ist der Cyst. tenuicoll.
unschädlich; bei der Fleischbeschau muß er als parasitäres Gebilde
entfernt und vernichtet werden.
£. Parasiten im Gehirn.
Beim Schafe erzeugt der Coenurus cerebralis, die Vorstufe
480 EDELMANN,
der luMin Hunde schmarotzenden Taenia coenurus, die sogen. Dreh-
krankheit. Die (iröße der Coeiiurushlasen und ihr Sitz ist ver-
schieden. Beim Kinde treten sie seltener auf. Für die Fleischbeschau,
welche nur für Vernichtung der betr. (iehirne zu sorgen hat, sonst
bedeutungslos.
Ausführliches über die Parasiten der Schlachttiere s. in Zürn
„Die tierischen Parasiten", Johne im ersten Bande von Birch-
H i rsc h f el d "s jiatholog. Anatomie und in Ostcrtag's Handbuch.
Die Beurteiluim: derjenigen Organe, welche Parasiten
beherbergen, soweit dieselbe nicht schon besprochen wurde, richtet
sich nach dem (irade der Invasion, nach der Bedeutung, welche das Organ
für die menschliche Ernährung besitzt, und der Art und Weise, wie das-
selbe vom Fleischer handwerksmäßig behandelt wird. Durch letzteres
können gewisse Parasiten vollkommen entfernt werden (Darm, Pansen).
Im allgemeinen sind alle Parasiten so zu beseitigen, daß ihre Ueber-
tragung auf empfängliche Individuen verhindert wird. In sanitärer Be-
ziehung kruinen vereinzelte Parasiten die Verwertbarkeit des Organs
als Nahrungsmittel nach ihrer Entfernung nicht beeinträchtigen. Bei
Anwesenheit mehrerer sind nicht infizierte Teile wertvoller Organe
eventuell unter Deklaration zu verkaufen. Geringwertige Organe
aber und stark durchsetzte werden ganz beseitigt.
Iq Hessen und Saclisen-Memin|?en ist das Fleisch der mit der Drehkrank-
heit behafteten Tiere, je nach dem Stadium der Erkrankung und dem Ernährungszustande,
als minderwertig oder ungenießbar 2u erklären. Dasselbe gilt in üesseil von den mit der
wurmigen Lungenseuche behafteten Schafen.
1) Hinrichsen, Ztschr. f. Fleisch- u. Müchhyg. 5. Bd. 106.
2) Home, Ztschr. f. Fleisch- u. Müchhyg. 5. Bd. 126.
3) Enser. Ztschr. f. Fleisch- u. Müchhyg. 5. Bd. 127, 6. Bd. 127.
4) Ostertag, Ztschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 1. Bd. 4.
5) Duncker, Ztschr f. Mikrotkopie u. Fleischbeschau (1884) 39.
6) Schellenberg, Ztschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 5. Bd. 170.
7) 01t. Zt'^chr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 4 Bd. 200
8) Bemmer, Ztschr. f. Tiermed. \2. Bd 1. m 2. Heft.
9) Zachokke. Schweiz. Arch. f. Tierheük. 30. Bd. 72.
10) 01t. Ztüsrhr. f. Fleisch- u. Müchhyg. 6. Bd. 5.
11) LungerBhaasen, Zeitschr. f. Tiermed. 21. Bd. 1. u. 2. Heft.
3. Allj^emeinerkrankungeii der Schlachttiere.
A. Durch tierische Parasiten veranlasste Allgemeinerkrankungen der
Schlachttiere (Invasionskrankheiten).
1. Parasiten, welche durch Fleisch genuß auf den
Menschen übertragbar sind.
a) Die Trichine.
Durch Aufnahme von Trichinen mit der Nahrung entsteht bei
empfänglichen Individuen die Trichinose. Diese Gefahr droht dem
Menschen durch den Genuß von Schweinefleisch, da die Muskulatur
des Schweines Muskeltrichinen, den geschlechtslosen Zustand
der Darmtrichinen, enthalten kann.
Zoologisches. Die geschlechtsreife Form der zu den Nematoden
(Farn. Trichotracheliden) gehörigen Trichina spiralis lebt als männ-
70
Fleischbeschau.
481
Hoher und weihlicher Haarwurni im langgestreckten Zustande; im i)unn-
•darm des Menschen und verschiedener Säugetiere. Die Männchen sind
1,5 mm lang und 0,04 mm dick und besitzen zwei Schwanzanhänge
(Geschlechtszapfen»; die Weibchen 3 — 4 mm
lang und 0,0*! mm dick. Charakteristisch für
die Trichine ist das vordere, zugespitzte und
hintere, abgerundete Leibesende, sowie von inneren
Organen , abgesehen von den Geschlechtswerk-
zeugen, der sogen. Zellenkörper, eine Reihe
ijroßer, kernhaltiger Zellen, welche um den
Schlund herum liegen.
Von Säugetieren beherbergen Trichinen :
Haus- und Wildschwein, Ratte, Fuchs, Marder,
Iltis, Bär, Katze etc. Durch Fütterung können
sie auf eine ganze Reihe anderer Säugetiere,
nicht aber auf Vögel und Kaltblüter über-
tragen werden ; bei Vögeln entwickeln sich
höchstens Darmtrichinen, aber keine Muskel-
trichinen.
Der eigentliche Hauptwirt der Trichine
sind jedenfalls die Ratten, die sich leicht und
auch untereinander infizieren. Nach Leisering'-*
waren in Deutschland 22,1 Proz. Ratten aus Ab-
deckereien , 5,3 Proz. aus Schlachthäusern und
0,3 Proz. aus anderen Lokalitäten trichinös. B i 1 -
1 i n g s ' ** fand in der Abdeckerei in Boston 76 Proz ,
in einer großen Exportschlächterei daselbst 100
Proz. und in der Stadt Bo.ston nur 10 Proz. der
Ratten trichinenhaltig. Von den Ratten werden
Tiere angesteckt, welche mit ihnen in Berührung
kommen und sie gelegentlich fressen (Schwein,
Bär, Katze, Marder, Iltis). Bezüglich der Frage,
ob Darmtrichinen und wandernde Trichinen auf
einen neuen Wirt überzugehen vermögen , s.
Ostertagi*.
Entwickelung der Trichine. Nach Auf-
nahme von Fleisch, welches Muskeltrichinen ent-
hält , wachsen letztere im Darm , werden ge-
schlechtsreif und damit zum entwickelten Wurm.
Die Weibchen bohren sich, nach erfolgter Be-
gattung, in die Darmwand ein(Askanazj'i *,
Cerfontaine^*) und dringen zum Me-
senterium und selbst zu den Mesen-
teriallyniphdrüsen vor. (Unwirksamkeit
der medikamentösen Behandlung der Trichine!)
Geisse'* hat hingegen nur ein Eindringen
der weiblichen Darmtrichinen in die Schlauch-
drüsen des Darmes beobachtet. Jedes Weibchen
gebiert während der H — 7 wöchentlichen Lebens-
zeit 1500—2000, nach Braun» sogar 8000 bis ., •"!?•. *.^- 0«*fhlechu-
lOOaj 0,1mm lange Embryonen, welche mit ^^^^^ ä Weibchen. (Nach
dem Lymphstrom in das Blut gelangen und Leuckart.) Vergr. 120.
71
482
EDELMANN,
mit diesem sich im ganzen Körper verbreiten : einige wandern viel-
leicht auch aktiv im Bindegewebe. Die Trichinen siedeln sich aus-
schließlich in der quergestreiften Muskulatur (Herz ausgenommen) an
und dringen zu dem Zwecke aus den Kajullaren teils durch Diapedese,
teils mittels Durchbohrung der Wand in das Bindegewebe. Daselbst
wandern sie bis an Widerstand bietende Punkte (Sehnen , i'ascien,
Knochen etc.) und dringen dann in den Sarkolemmaschlauch ein. Schon
am 10. — 14. Tage nach der Aufnahme des trichinösen Fleisches kann
man die ersten wandernden Embryonen in der Muskulatur antreffen.
Der contraktile Inhalt des Muskelschlauches wird von den Embryonen
zerstört. Schließlich gelangen dieselben zur Ruhe und rollen sich, inner-
halb des Sarkolemmas liegend, spiralig zusammen. Damit hat die
Wanderung des Embrj^os ihr Ende erreicht, derselbe ist gewachsen
bis auf 1 mm Länge und nunmehr zur Muskeltrichine geworden.
Für die Muskeltrichine, der Geschlechtswerkzeuge fehlen, ist charakte-
ristisch ihr vorderes spitzes und ihr hinteres stumpfes
Leibesende, der Zellenkörper und ihre Lage innerhalb des
Muskelschlauches. —
Bald beginnt die Ency-
stierung der Muskeltrichi-
nen mit meist citronen-
oder augenförmigen, in der
Längsrichtung der Muskel-
fasern liegenden Kapseln.
Die ersten Spuren der
letzteren bemerkt man mit
der 5. Woche nach der In-
fektion und trifft 9—12
Wochen nach derselben
allenthalben vollendete
Kapseln an. Die Kapsel
selbst ist strukturlos,
homogen, glänzend,
besitzt eine doppelte
Kontur und ist anfangs
durchsichtig. An den Polen
der Kapseln bilden sich im kollabierten Muskelschlauch Fettzellen und nach
Ablauf eines Vierteljahrs lagern sich auch Kalksalze daselbst ab. Letztere
inkrustieren allmählich die ganze Kapsel und nach Befinden auch die Trichine
selbst. Diese Verkalkung der Kapsel kann mit 9 Monaten schon eine voll-
kommene sein, dauert aber meist l^/g Jahr. In der Kapsel können die
Muskeltrichinen noch viele Jahre (31 Jahre beim Menschen sicher beob-
achtet) lebensfähig bleiben.
Widerstandsfähigkeit der Trichinen im Fleisch. Die Trichinen
sterben nach Plana bei 56*^ C, nach Leuckart^' bei 62 — 70" C
infolge Eiweißgerinnung. Da Fleisch ein schlechter Wärmeleiter ist
und höhere Temperaturen nur langsam eindringen läßt (s. S. 444), so
kann man in gekochtem oder gebratenem Fleisch die Trichinen erst für
vernichtet ansehen, wenn dasselbe eine weißgraue Farbe angenommen hat.
— Niedere Temperaturgrade (20 — 25" unter Null) vermochten die Trichinen
nicht sicher zu töten. — Oberflächliches Einsalzen mit oder ohne Räucherung
tötete die Trichinen nicht immer. Durch Pökelung können die Trichinen
in oberflächlichen Fleischschichten erst in 14 Tagen, in tieferen erst nach
Fig. 13. Eingekapselte Trichinen.
Vergr. 60.
(Nach L e u c k a r t.)
72
Fleischbeschau. 483
50 — GO Tagen vernichtet werden. Heiße Räucherung wirkt, teils durch
die Wärme, teils durch die Kresole des Rauches, vernichtend auf" die
Parasiten, jedoch bei großen Pleischstücken nur langsam.
Die Äiishreitunir der Tricliinen in der Muskulatur ist keine {j[leicli-
mäßige. Am zahlreichsten tiiidet man sie in den Zwerrhfell-
p feil er n und dem Z w er oli fei 1 . was II ei t z m a n n "' dadurch er-
klärt, (laß die Embryonen am leichtesten im Augenblicke der Muskel-
kontraktion stecken bleiben, weil während dieses Moments der Kapillar-
durchmesser vorübergehend verengert wird. In Anbetraciit der immer-
währenden Thätigkeit der Respirationsmuskeln würde damit ihr starker
Trichinengehalt nicht auffällig sein. Auf diese beiden Muskeln folgen
hinsichtlich der Häutigkeit der Trichineninvasion: Zunge. Kehl-
k 0 1» f m u s k e 1 n , Lenden-, Kaumuskeln und Bauchmuskeln
(Hertwig'", Johne ^**, 0 ste rtag * '•'). Daher sind die Proben
zur Untersuchung eines Schweines aus den genannten Muskeln zu ent-
nehmen. Werden bei sorgfältiger mikroskopischer Unter-
suchung (s. u.) der aufgeführten Muskeln keine Tri-
chinen gefunden, so ist anzunehmen, daß auch in der
übrigen Muskulatur keine vorhanden sind; oder selbst
wenn vereinzelte Exemplare in der letzteren vor-
kommen sollten, könnte doch der Genuß solchen
Fleisches niemals nachteilige Folgen mit, sich bringen.
Im Fett kommen keine Trichinen vor: Speckseiten können sie
enthalten , sobald sich Muskulatur, insbesondere die Hautmuskeln,
daran befinden.
Die Häufigkeit der Trichinose bei Schweinen, woselbst sie keine
charakteristi.^^chen klinischen Erscheinungen hervorruft, ist sehr verschieden.
Nach Eulenburg's-" Zusammenstellungen bewegte sich im König-
reich Preußen die Verhältniszahl der trichinösen Schweine zwischen
1:1985 in den Jahren 1876—1889 und 1:2377 im Jahre 1892/93.
In der Provinz Posen sind trichinöse Schweine außerordentlich häufig,
1884 betrug im Kreise Schroda das Verhältnis 1 : 68. — Im König-
reich Sachsen, das seit 1888 eine obligatorische Trichinenschau be-
sitzt, berechnet sich das Verhältnis im 7 -jährigen Durchschnitt auf
1 : 8077 , wobei sich ein steter Rückgang der Zahl der trichinösen
Schweine bemerkbar macht. Aus Oesterreich-Ungarn kommende Schweine
erwiesen sich in Sachsen häufiger trichinös als inländische. — Das
amerikanische Schweinefleisch zeigte sich, nach den in Deutsch-
land gemachten Erfahrungen, in 4 — 8 Proz. der Fälle mit Trichinen behaftet.
Zur Ei'keniHiiii^ der Trichinen im Fleische bedarf es einer sorg-
fältigen mikroskopischen Untersuchung desselben, am besten bei einer
schwachen. ."><) fachen Vergrößerung. Diese Untersuchung kann dazu
ausgebildeten Laien (T r i c h i n e n s c h a u e r n ) überlassen werden.
Letztere schneiden aus den Muskeln, welche erfahrungsgemäß den
Parasiten am häufigsten l)eherbergen (s. oben), Proben in Wallnuß-
größe heraus. In größeren Schlachthöfen werden die Proben von
besonderen Probenentnehmern. Proben holern entnommen.
Aus den Proben werden Q uetsch p räparate zwischen zwei starken
Glasplatten, oder besser auf einem C om pressor i u m. in einer
Ausdehnung von je P/\, cm Länge und ' ^ — 1 cm Breite angefertigt
und durchmustert. Ihre Zaiil sollte mindestens 20 betragen.
484 EDELMANN,
Zu Präpnrnton von nicht mehr uaiiz frischem, ijetrübtem Fleisch
ist etwas Essigsäure zur Auflielhuiii. zu P()kelt1eisch oder Scliinken,
behufs Aufqueilunu, verdünnte Kalihiuge zuzusetzen.
Bezüijlich der Untersuchung von S c h w e i n c f 1 e i s c h w a r e n sind
bei SchiniaMi etc. die Proben stets am Knochen bez. an den Sehnen-
Fig. 14. Compressoriuin. Nach Mechaniker J. C. F. Oeltzsch in Dresden.
ansätzen zu entnehmen. Eine Wurstuntersuchung ist aus nahe-
liegenden Gründen von sehr zweifelhaftem Werte.
Für Venvechseluiigeii mit Trichinen in ihren verschiedenen Zu-
ständen im Fleische kommen in Betracht: Kalkkonkr emen te,
Miescher'sche Schläuche, Muskel Strahlenpilze, Tyrosin-
krystalle (Schinken), deren Eigentümlichkeiten jedoch bei aufmerk-
samer Untersuchung vor Täuschungen schützen. Zufällig in das Prä-
parat können Essigälchen gelangen, welche sich meist schon durch
ihre lebhaft schlängelnden Bewegungen verraten. Sie sind doppelt
so groß als Muskeltrichinen, hinten und vorn zugespitzt, besitzen keinen
Zellenkörper und liegen meist in der Zusatzflüssigkeit, seltener zwischen
den Muskelfasern. Ueber sogen. Pseudot rieh inen, welche als
trichinenähnliche Ptundwürmer in der Muskulatur verschiedener Tiere
(Ratte. Hase, Maulwurf, Maus, Geflügel. Fische) vorkommen, s. Johne,
„Der Trichinenschauer".
Beurteilung. Trichinöses Fleisch ist ein gesundheitsschädliches
Nahrungsmittel, dessen Gefährlichkeit noch besonders dadurch erhöht
wird, daß an dem Fleische makroskopisch in der Regel keinerlei ver-
dächtige Erscheinungen auf die Anwesenheit der Parasiten hinweisen.
Der Genuß des Fleisches veranlaßt beim Menschen die Trichinose,
welche in 10 — 40 Proz. der Fälle tödlich verläuft und bisweilen
epidemisch auftritt. Die umfänglichste Epidemie war die zu Heders -
1 e b e n i. J. ISGo, wo von 2rXXJ Einwohnern 337 erkrankten und 101 starben,
und zu Deesdorf und Nienhagen mit 503 Krankheits- und 6G Todes-
fällen. Im Königreich Sachsen sind von 18(50 — 1891 nach Johne
117 Erkrankungsgruppen mit 3964 Erkrankungs- und 1 13 Todesfällen (ca.
2,8 Proz.j festgestellt worden. Die Epidemien betreifen faßt ausschließlich
Orte Nord- und Mitteldeutschlands, woselbst allgemein verbreitet die
Unsitte besteht. Fleisch in rohem bez. mangelhaft zu-
bereitetem Zustande, oder in nur schwach geräucherten
Fleisch Würsten, zu genießen. In Süddeutschland, wo dies
nicht der Fall ist, gehören Trichinosen zu den größten Seltenheiten,
trotzdem auch dort erwiesenermaßen trichinöse Schweine vorkommen.
Auch durch den Genuß trichinenhaltigen Fleisches von Wild-
schweinen sind bereits mehrere Fälle von Erkrankungen bei
Menschen veranlaßt worden.
Massregeln. Als Grundsatz muß gelten, daß alles trichinöse
74
Fleischbeschau. 485
Fleisch vom W'rkohrc aus7.iischli(j|Jen und iinschädlicli zu l)Oseiti;,'en
ist. Darauf zielt auch >; ;-^<)7 ZitV. 7 des Deutsdiou Strafges(.'tzl»uches
hin, nach welchem der Verkauf trichinenhaltif^en Fleisches verboten
ist. Ein^jeweide und Fett sind im allj^emeinen. wef^en der (Jefahr der
absichtlichen oder unabsichtlichen Verschlepiiung einzelner Muskel-
teile, wie <las Fleisch zu behandeln.
Da die Trichinen durch höhere Temperaturfirade abgetötet werden
können, so ist, vom wissenschaftlichen St;m(ii)Uiikte, f^'egen eine unter
sachverständi^'er Aufsicht erfol^^ende Kochun^i; des Fleisches und Aus-
schmelzung des Fettes mit foljiendem Verkauf unter Deklaration nichts
einzuwenden. Dies ist auch bereits in einzelnen Staaten in gesetz-
lichen Hostimmunj^'en - ' zum Ausdruck gelanj,'t.
Pr^lll^n. Die Erlasse des Ministers der geistl. u. s. w. Angelegenheiten vom
18. Januar und 24. November 1876 hissen bei trichinösen Schweinen zu :
1) Das Abhäuten und das Kntfernen von Borsten, sowie die freie V'erwertung von
Haut und Borsten.
8) Das einfache Ausschmelzen alles Fettes und die beliebige Verwendung desselben.
(Letzteres widerspricht den Bestimmungen des N.-M.-O. und darauf fuBender Reichsgerichts-
enticheiduDgeu.)
3) Die Verwendung geeigneter Teile zur Bereitung von Seife oder Leim.
4) Die chemische Verarbeitung des ganzen Körpers.
Königreich SachsCü. Nach der Ministerial-Verordnung vom 17. Dezember 1892
(» S. 430) darf das Fleisch trichinöser Schweine, welches sich seiner Beschaffenheit
nach nicht aufrällig vom gesunden Fleisch unterscheidet, unter Angabc des F'ehlers verkauft
werden, nachdem es auf einem, unter tierärztlicher Aufsicht stehenden Schlachthofe in
einem K oh r b e c k 'sehen etc. Apparate sterilisiert worden ist. Ebenso kann das
Fett in den Verkehr gebracht werden, nachdem es unter gleichen Bedingungen aus-
geschmolzen und tierärztlicherseits vor dem Abschöpfen des Fettes eine Temperatur von
mindestens + 100° C festgestellt worden ist.
Ueber die ^'esetzliche Rejj;eluns der Trichinenschau s. S. 456.
Ausführliches über die Tri chi nen kran k hei t und besonders
über die Trichinenschau s. in den Si>ezialwerken von .lohne,
Der Tricliiiienschauer. Ostertag, Handbuch der Fleischbeschau u.a.
9) Leisering s Braun. Die tierischen Paratiten des Menschen, \yürzburg 1895.
10) BUlings ». Johne. Der Tnrhtnentchauer S. 42.
11) Ostertag, Ztsrhr. f. Fleisch- u Müchhyg 3. Bd. 45.
12) Aikanazy, Centralbl. J. Diol. u Parasitenk. (1894) 15. Bd. 225.
13) Cerfontaine, Arch de biolog. (1893) 13 Bd. 125. — lief. v. Edelmann, Deutsch. Ztschr.
f. Tumud (1894) 2. u. 3. Heft.
14) Oeiiie. Deutsch Arch. f. klin Med. 55. Bd., Featschr. 156, Liaug.-Diss.. Kiel 1894.
15^ Leackart. UnUrs über Trichina spiralis, 1. Aufl., Leipzig 1860, 2. Aufl. 1866.
16) Heitzmann. () ster tag's Handliuch 395.
17) Hertwig, liericM üb. d. ttädt. Fleischbeschau, Berlin 1884.
18 > Johne, Drr Trichinenschauer 41.
19 1 Oitertag, Ztschr f FUiseh- u Mdchhyg. 3. Bd. 133
20 Ealenburg Tnchinosettatistik s. Johne' s Triehinenschauer 30.
21) Würzburg, SahrungtmüUlgesetzgebung 176.
h) Die Finnen.
Die Finnen im Fleische der Schlachttiere ^^elten, sobald sie vom
Menschen mit der Xahruniz auffieriommeii werden, Veranlassung zur
Entwickeluns von Handwürmern, deren Larvenzustäiide sie sind.
Unter den Schlachttieren kommen nur beim Schwein und Kind echte
Finnen vor , die bei jeder der beiden Tiergattungen distinkter
Art sind.
75
186 EDELMANN,
Allgemeines und Zoologisches. Die Finnen sitzen im Bindege-
webe dos Körpers, liauptsiicliliih in dem der (juergestreiften Muskulatur.
Sie stellen runde oder längliche, durchscheinende, farblose bis grauweise
Bläschen von Hirsekorn- bis Doppelerbsengröße vor, welche mit einer
serösen Flüssigkeit gefüllt sind und im Innern, als Einstülpung der
Blasenwand, die Anlage des zukünftigen Bandwurms, den S k o 1 e x , als
weißlich durchschimmernden Punkt erkennen lassen. Gegen das umgebende
Gewebe sind die Finnen durch den sog. Finnenbalg, eine feine binde-
gewebige, durch die Reaktion des Zellgewebes entstandene Hülle, abge-
schlossen. Bei mikroskopischer Untersuchung einer Finne, deren Skolex
durch schwachen Druck zwischen zwei Glasplatten vorgestülpt worden
ist, bemerkt man an dem kugeligen oder birnförmigen sog. Kopfe
4 Saugnäpfe und mitunter noch Hakenkränze. Am sogen. Halse deutet
eine Querstreifung auf die zukünftigen Glieder hin und in seinem
Parenchym sind zahlreiche Kalkkörperchen eingelagert. Die Ent-
wickelung der Finnen im Tierkörper geschieht infolge Aufnahme von
Bandwurmeiern , deren mit Haken versehene Embryonen vom Darm in
das Bindegewebe der verschiedensten Stellen des Körpers wandern. —
Die Finnen können im Körper Degenerationsprozessen: Koagu-
lationsnekrose. Verkäsung, Verkalkung anheimfallen und verlieren damit
zumeist ihre Entwickelungsfähigkeit (Ostertag*^^ Morot*^). — Die
Lebensfähigkeit der Finnen ist keine erhebliche, bei Temperaturen
von 49 '^ C. nach Ferro ncito und von 65*^ C. (Skolex zerdrückbar
wie Rindertalg), nach Hertwig^*, gehen die Finnen zu Grunde, ebenso
tötet sie Kochsalzlösung sehr bald. Den Tot ihres Wirtes überleben die
Finnen nach Perroncito nur 14 Tage; vgl. Ostertag^^.
1. Die Schweinefinne.
Die Schweinefinne (Cysticercus cellulosae) ist der Larven-
zustand des Einsiedlerbandwurmes (Taenia solium) des Men-
schen. Der Skolex besitzt 4 Saugnäpfe, sowie ein Rostellum mit einem
doppelten Hakenkranze von 22 — 28 Haken, welche der Rinderfinne
fehlen.
Vorkommen. Die Schweinefinne wird im Bindegewebe vorzugs-
weise beim zahmen und wilden Schwein gefunden ; nur sehr selten
beobachtet man sie bei Hund, Bär, Katze, Reh, Affe und Mensch.
Lieblingssitze sind das intermuskuläre Gewebe von Herz,
Zunge, Bauch-, Zwerchfell-, Lenden-, Kau-, Nacken-, Zwischenrippen-
muskeln und der Adduktoren des Hinterschenkels. Bei starker Invasion
trifft man sie in allen Muskeln des Körpers, im Panniculus adiposus
und im Gehirn; sehr selten in Lunge und Leber. Bei hochgradiger
Finnigkeit erscheint die Muskulatur wässerig und graurot verfärbt.
Bei starker Invasion sind Pinnen bisweilen unter der Schleimhaut
der Zunge schon am lebenden Tier zu erkennen.
Häufigkeit. Die Zahl der finnigen Schweine ist im .steten Rück-
gang begriffen. Im Königreich P reu ß en kam nach einem siebenjährigen
Durchschnitt (1876 — 1882) auf 305 geschlachtete Schweine 1 finniges,
1886 — 1889 auf 552 Schweine 1 finniges (Johne). In den östlichen
Provinzen sind finnige Schweine viel häufiger als in den westlichen;
1892 kam in der gesamten Monarchie auf 1290 Schweine 1 finniges,
in den östlichen Provinzen dagegen auf 604 Schweine 1 finniges
76
Fleischbeschau. 487
(OstertagK In den Schlachthüten des Königreichs Sachsen wurden
1893 auf 2()3 Schweine 1 finniges und 18'J4 auf 288 Schweine 1 finniges
gefunden. Dabei ist zu bedenken, daß in den sächsischen Schlachthöfen
über ein Viertel der geschlachteten Schweine Österreich-ungarischen
Fig 15. Fig. 16.
Fig. 15. Finne von Taenia solinm mit eingezogenem Kopf. Vergr. 1 : 6. (Nach
Heller.)
Fig. 16. Kopf von Taenia solium mit vorgestelltem Kostellum. Vergr. 50. (Nach
Z i eg 1 e r.)
Ursprungs ist, unter denen Finnen weit häufiger vorkommen, als unter
den inländischen Schweinen. In Berlin kam im siebenjährigen Durch-
schnitt auf 173 Schweine 1 finniges.
Verwechseluiitfon der Schweinefinnen geschehen am häufigsten
mit dem frülien Entwickelungsstadium von Cj'sticercus tenuicollis.
der voüständig unschiullich für den Menschen ist (s. S. 47'.0. Es ist
zu beachten, daß der dünnhalsige Blasenwurm nur an oder unter
der serösen Auskleidung von Brust und Bauchliöhle, sowie den
Serösen der Eingeweide, niemals aber in dem Bindegewebe
der Muskulatur vorkommt. Am isolierten Exemplar fällt der
dünne Hals, sowie am Skolex das Vorhandensein von mehr als 'Jx Haken
(2>^— 4<») auf. Diese größere Hakenzahl kennzeichnet, nach den Unter-
suchungen von Schwarz-', ganz besonders den Cyst. tenuicoll.
gegenüber der echten Finne, wobei weiter beachtenswert ist, daß
die Haken des Cyst. tenuicollis mehr sichelförmig, die des Cyst
cellulosae mehr sensenförmig sind. Nach Schwarz besitzen einzelne
kleine Haken des ersteren einen gespaltenen. Hügelmutterartigen
Wurzelfortsatz, der bei den Haken der echten Finne niemals gefumlen
wurde (s. Fig. 17 u. 18, S. 488).
2. Die Rinder finne.
Die Kinderfinne (Cysticercus inermis, Cyst. bovis, Cyst. taeniae
mediocanellatae s. saginatae) ist die Vorstufe der Taenia medio-
77
4.^
EDELMANN,
c a u e 1 1 a t a s. s a ^ i n a t a des Menschen. Die Farbe der Blasen wand
ist grau bis jiranrötlich, am Skolex ]>etinden sich nur vier Saugnäpfe,
dagegen keine Hak e n.
Fig. 17.
Fig. 17.
Fig. 18.
Fig. 18.
Haken der Schweinefinne.
Haken des Cysticercus tenuicollis.
„^^r^^^SKÄ-
Vorkoinmen. Die Rinderfinne kommt bei älteren Kälbern und
bei Rindern im intermuskulären Bindegewebe meist nur in geringer
Zahl vor. Ueber ihre Entwickelung sind von Hertwig^" inter-
essante Versuche angestellt worden. Prädilektionsstellen sind die
Kaumuskeln, sowohl die inneren (M. pterygoid. medial, et
lateral.) ( H e r t w i g - ^ K a 1 1 m a n n ^ ^ ), als auch die äußeren (M.
masseterj (Glage-^) und das Herz. Nächstdem kommen sie in
Zunge, Zwerchfell-, Brust-, Unterschulter-
muskeln vor. Bei starken Invasionen werden
ille Muskeln und auch die Eingeweide
Lunge. Leber, Gehirn) befallen, doch haben
auch bei ganz schwachen Invasionen Noack^",
VV 0 1 f f h ü g e 1 ■' "" und M e j e r ' ^ Finnen in
den Lymphdrüsen und der Lunge gefunden.
Häufigkeit. Nachdem durch H e r t w i g
auf den Sitz der Rinderfinnen aufmerksam
gemacht worden ist, werden dieselben jedes
•Jahr häufiger gefunden. In Preußen ent-
fällt für 1892 auf 1631 Rinder 1 finniges.
In Sachsen fand man 1894 in 25 Schlacht-
höfen je 1 finniges Rind unter 1120 geschlach-
teten Rindern. In Berlin war 1889/90 das
Verhältnis 1 : 400, 1S93/94 1 : 526. In
Leipzig 1894 1 : 480. Eine ausführliche Sta-
tistik s. in 0 s t e r t a g ' s Zeitschrift für Pleisch-
und Milchhygiene, VL Bd. S. 103 u. 149.
Für Verwechselungen mit Rinderfinnen können nur kleine
Echinokokken, welche bei massenhaften Invasionen auch in der
Muskulatur sitzen können, .sowie der Cysticerc. tenuicollis in
Betracht kommen. Die charakteristischen Merkmale dieser beiden
Para.siten s. dasei b«^t.
Beurteilung der Finnen. Da infolge des Genusses finnigen
Fleisches sich beim Men.schen die betreffenden Bandwürmer entwickeln
und diese, abgesehen von der Nahrungsentziehung, für den betreffenden
Wirt Verdauungsstörungen, nervöse Alterationen etc. zur Folge haben
:ä
Fig. 19. Kopf der Taenia
saginata zasammeDgezogen. (Nach
Ziegler.)
Fleischbeschau. 489
können, so ist tinnifjes Fleisch als gesundheitsschädlich zu
be^'utachten. Bei der Taenia soliuiii koinnit auHerdem nocii die (ie-
fahr der Autoinfektion des betrctVenden Menschen mit Finnen in
Betracht. . \'er<j:l. im übrigen die Verötfentlichungen über Rinder-
finnen von Fischöder ^*, Ostertag^-'. Hartenstein-*®,
Glage", Schmaltz^»», Kabitz»».
Massreuelii. In Anbetracht dessen, daß die Finnen durch
Kochen. IJratcn oder Pökeln leicht unschädlich gemacht werden können,
ist tinniges Fleisch nur im rohen Zustande gesundh«'itsschädlich.
Daher kann finniges Fleisch, nacii vorheriger Pökelung oder Kochung,
unter Deklaration in den Verkehr gebracht werden, vorausgesetzt,
daß es nur schwachfinnig, d. h. nicht so stark mit Finnen durch-
setzt ist, daß es wegen seiner erheblichen, substantiellen Veränderung
als hochgradig verdorben und ungeeignet zur menschlichen Nahrung
anzusehen ist. Wenn die von Perroncito bei thermo-mikroskoi)i-
schen Untersuchungen gemachte Beobachtung, daß Finnen in üi)er
14 Tagen altem Fleische abgestorben sind, sich bei weiteren Experi-
menten, die gegenwärtig an zahlreichen deutschen Schlachtiiöfen unter-
nommen werden, bestätigen sollte, so würden jedenfalls zukünftig
die Maßregeln über die Verwertung schwachfinnigen Fleisches eine
Milderung erfahren müssen. Nach genügend langer Aufl>ewahrung
schwachtinnigen Fleisches in Kühlräumen dürfte alsdann vielleicht eine
Ueberweisung desselben an die Freibank im rohen Zustande allge-
mein sich rechtfertigen lassen.
Zur Feststellung, ob ein Tier stark oder schwach finnig ist, sind
Schnitte in die Muskulatur an verschiedenen Körperstellen zu machen.
Findet man dabei auf jeder Schnittfläche mindestens eine
Finne, so ist das betreffende Fleisch als stark finnig
von dem Verkehr auszuschließen. Das Fett ist durch
Pökeln oder Auslassen unschädlich zu machen und kann, selbst bei
sehr starken Invasionen, dann genossen werden. Das Reichsgericht
hat in einer Entscheidung vom 25. März 1894 der Annahme, daß
das Fett von einem finnigen Schweine als verdorben anzusehen ist,
beigestimmt.
Von bebördliehen A'orsehriften über die Verwertunir finniiror
Tiere seien folgende erwähnt:
Preußen. Erlafs der Ministerien des Innern und der geistlichen
u. s. w. A n Re 1 e g 6 n h e i t e n vom 16 F' e b r u a r 1876. Dhs durch Ausschmelzen oder
Auskochen gewonnene Fett kann unbedingt, das magere P'leisch aber nur dann zum Ver-
kaufe sowie aum häuslichen Gebrauche zugelassen werden, wenn dasselbe wenig mit Finnen
durchsetzt und unter polizeilicher Aufsicht nach vorheriger Zerkleinerung vollständig gar
gekocht ist. Stark tinnige Tiere sind unter Polizeiaufsicht zu vernichten oder wie trichinöse
Tiere (s. d ) technisch zu verwerten.
In Baveril kann nach dem (iutachten des Obermedizinalausschusses
vom 20. Mai 1882 das Fett stark finniger Schweine verwertet werden, das Fleisch aber
ist zu vernichten. Fleisch mit vereinzelten Finnen ist unter Polizeiaufsicht zu kochen und
im HHUsgebrauch oder auf der Freibank zu verwerten.
SiU'hsen. Verord. v. 17. Dez. 1892, Verkauf von Fleisch und Fett
kranker Tiere betr. (s. S. 430). Hei stark finnigen Tieren ist das Fleisch
au vernichten, das Fett nach Ausschmelzen unter polizeilicher Aufsicht unter Deklaration
zu verkaufen. Von schwach finnigen Tieren darf das Fleisch n:ieh Kochuiig oder
Pökelung untrr Angabe des Fehlers verkauft worden; das F'ett ist nath dem Ausschmelzen
frei zugeben. — Nach einer V e r o r d n. d. K <i n i g 1. K om ni i s a i o n I". d. Veterinär-
wescn v. 24. Oktober 189.') wird deti Hezirkstierärzten und den mit den bezirkstier-
ärztlichen Funktionen betrauten Schliichthoftierärzten die Hefugnis erteilt, in Fällen, wu
lediglich eine Finne nachgewiesen worden ist und in denen bei Kindern und Schweinen.
4VK.) EDELMANN,
trotz geDAuer Untorsuchuni; der in BetrHclit kommenden Muskeln und entsprechender Zer-
legang, keine weiteren Finnen gefunden werden , dispeusationsweise zu genehmigen , dafs
d»s Fleisch solcher Schlachtliere im rohen Zustande auf der Freihank verkauft werde.
In Alllialt. SchauniJmrg-Lippc und ReuR j. l.. (s. die Verord. S. 458) gelten
ähnliche Vor>clirl(teii wie die in der k Sachs. Ministerialverorduung uud soll, im Falle des
Zweifels, über den Grad der Finnigkeit der zuständige Kreistierarzt bez. Amtsarzt befragt
werden.
Für die Reg.-Bez. Erfurt und ^tirnsberg , sowie für Hambursr ist der Genuß
finnigen Schweinefleisches anter allen Umständen verboten.
Von Fisch Parasiten sei hier die Vorstufe (P 1 ero cer co i d) eines
ebenfalls beim Menschou vorkommenden Bandwurmes des Bothriocephalus
latus erwähnt, welche in Deutschland von Zschokke in Perca
fluviatilis (Barsch) des Rheins, von Max Braun in Esox lucius
(Hecht) und Lota vulgaris (Quappe) Ostpreußens gefunden worden ist.
22) Ostertag, Monatssehr. /. prakt. Tierheilk. (1889) 1. Heft.
23> Morot. L<joii. Joum. (1890) 529.
24) Hertwig, Zeittchr f. Fleisch- u. Milchhyg. 2. Bd. 11. Heft.
26 1 Schwarz, Zeitschr f. Fleisch- u. Milchhyg. 3. Bd. 5. Heft.
26i Hertwig, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 1. Bd. 107 131.
27) Hertwig. Jahresher. über d. Berl. Fleischbeschau 1888/89.
28) Kalimann, Wochentchr. f. Tierheilk. u. Viehz. (1888) 457.
29) Glage, Zettschr. f. Fleisch- u Milchhyg. 5. Bd. 208.
30) Noack. D. tierärzü. ^\ ochenschr. 3. Bd. 64.
30n) WolflFhügel. Zeitschr. f. Fleisch- u. Müchhygiene 6. Bd. 170.
31) Mejer, D. tierärzü. Wochenschr. 3. Bd. 64.
32) Würzbarg, Xahrungsmittelgesetzgebung 177.
33) Ostertag. Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 6. Bd. 69.
34) Fischöder, Ibid. 6. Bd. 44.
351 Ostertag, Ibid. 6 Bd. 63.
36) Hartenstein, Ibid. 6. Bd. 61.
37) Glage Ibid. 6. Bd. 123.
38 Schmaltz, Berl T. Wochenschr. (1895) 613.
39) Kabitz, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 5. Bd. 223.
2. Parasiten der Schlachttiere, welche nur indirekt
dem Menschen schädlich werden können.
a) Die Echinokokken.
Die Echinokokken sind die Vorstufen (Finnenstadien) der Taenia
echinococcus des Hundes, des dreigliederigen Hundebandwurnis und
werden auch Echinococcus veterinorum s. polyinorphus,
Tierhülsenwurm, genannt. Der Echinococcus polymorphus tritt bei den
Schlachttieren, wie auch beim Menschen, in zwei Formen auf, als:
1; einfacher uniloculärer Echinococcus in der Gestalt ein-
facher, mit Flüssigkeit gefüllter Blasen, die von Leuckart, sobald sie
sekundäre Blasen enthalten, Echinococcus hydatitosus s. granu-
losus genannt werden; und
2) multilokularer Echinococcus (E. multilocularis), welcher
eine eigentümliche Struktur besitzt. Von diesem ist neuerdings durch
die Untersuchungen von Mangold^s^ Müller^* u. A. festgestellt
worden , daß er die spezifische Vorstufe einer besonderen Spezies der
Taenia echinococcus bildet.
1. Der einfache Echinococcus.
Dieser als „Wasserblasen" von den Fleischern bezeichnete Parasit
8o
Fleischbeschau.
4!»1
Stellt lilasen von Krbseii- bis Kiiidskopf^aüUe vor, welche mit einer
serösen Flüssij,'keit angefüllt sind und von einer bindegewebigen llülle
umschlossen werden.
Die Blason selbst bestehen aus einer lamollösen Membran, welcher
innen kurz j^ostielte , die Skolices umschließende Brutkapseln un-
mittelbar ansitzen, oder aus der sich sekundäre Blasen (Tochterblasen)
entwickeln, welche teils mit der Hauptmeiubran verbunden sind, teils
losgelöst in der Flüssigkeit der Blase schwimmen und ebenfalls Brut-
kapseln mit oder ohne Skolices umhüllen. Der Skolex trägt einen Haken-
kranz. — Die Echinokokken können, wie die Finnen, degenerieren,
verkäsen, vereitern, verkalken, verknorpeln.
Fig. 20. Geschlossene und bei der Präparation geplatzte Brutkapseln ia ihrem Zu-
sammenhange mit der Blasenwand. (Nach L e u c k a r t.)
Vorkonimoii. Echinokokken findet man häufig beim Rind, Schwein
und Schaf, mitunter bei Pferd, Ziege, Ilund. Ihr Sitz ist vorzugs-
weise Le])er und Lunge, nächstdem Milz und Nieren, seltener Peri-
toneum, Knochen, Euter, Muskeln und Herz (Becker^'', Wörner^'^,
Storch^', Friese^" u. A.).
Häufigkeit. Nach Mejer's-**-* Untersuchungen kamen in Leipzig
Echinokokken vor bei 13 Proz. der geschlachteten Schale, bei 3^/^ Proz.
der einheimischen und 21,47 Proz. der ungarischen Schweine. In 25
Schlachthöfen Sachsens wurden 1894 von den Rindern 2,8 Proz., von
Schafen 1,1 Proz., von Schweinen 0,6 Proz. mit Echinokokken behaftet
befunden. Nach Sahlmann*** ist die Hälfte der Schlachttiere in
Güstrow mit Echinokokken behaftet. Olt*^ fand von pommerschen
Schlachttieren in Stettin bei 7,1 Proz. der Rinder, 7,3 Proz. der Schweine
und 2."), 8 Proz. der Schafe Echinokokken. öurin^** beobachtete in
I^fusk:!!! 29 Proz, bei Schweinen.
'J. Der multilokulare Echinococcus.
Der multilokulare oder alveoläre Echinococcus charaktcri.siert
sich folgendermaßen. Er bildet beim Kinde verschieden große,
im interparenchymatösen Bindegewebe eingelagerte Geschwülste. Diese
bestehen aus einer centralen, meist verkästen und /.. T. ver-
kalkten und aus einer peripheren Zone mit elastischer Konsistenz.
Charakteristisch ist. daß die ganze Geschwulst von einem netz-
artigen, starken Bindegewcsbsgerüst durchsetzt wird. \on
der die elastische Randpartie bildenden Multcrcystenwand stülpen
sich Bläschen aus, welche sich ab.schnüren und allmählich vom Binde-
Haodbuch der Hji^ene. Rd. Hl. Abtl;. 2. g 32
492 EDELMANN,
gewebe uinliüllt werden. Auf diese Weise zeigt der Echinococcus
eine immerwährende Tendenz zur peripheren Ausbreitung. Der von
Ostertag*'"' beim Schweine beobachtete eine Fall von Alveolar-
echinococcus zeigte sich als linsenförmige Knötchen und rundliche
bez. streifige Beläge auf der Pleura.
S'orkoiumen beim Rinde vorzugsweise in der Leber, seltener in
Milz. Lunge, Niere.
Häufigkeit. Ostertag hat beim Rinde in Berlin innerhalb 13 Mo-
naten 30 Fälle gesehen. Nach M e j e r hat es sich in Leipzig in 7 Proz.
aller Echinococcusfälle um E. multiloc. gehandelt.
Ver Wechsel Uli 2:eii verkäster gewöhnlicher Echinokokken und be-
sonders des E. multilocularis sind leicht möglich mit Tuberkulose,
wenn die charakteristische Beschaffenheit der Parasiten und insbe-
sondere der korrespondieren-
den Lymphdrüsen nicht be-
achtet wird.
Bei der Beurteilung der
Echinokokkenbefunde ist zu
bedenken, daß die Aufnahme
.,y « ^ , - des Parasiten mit der Nahrung
:../ /' '■- % '- ^*' für den Menschen keine
/ #^».-^|ji^# nachteiligen Folgen haben
""%: /', ' * '"" würde. Deshalb sind echino-
/ kokkenhaltige Teile des Tier-
c körpers höchstens als verdor-
Fig. 21. Echinococcus multilocularis der Leber ^CU ZU betrachten, SObald
des Rindes, a Bindegewebsgerüst, h Cystenwand, dieselben stark mit dem Pa-
c Hohlraum, d Lebergewebe. rasitcu durchsctzt siud. Ein-
zelne Echinokokken sind nach
sorgfältiger Untersuchung zu entfernen und die Teile anstandslos
freizugeben.
Als prophylaktische Massregcl ist ganz besonders wichtig die
Beseitigung der mit Echinokokken durchsetzten Teile, derartig,
daß Hunde sie nicht verzehren können. Dadurch wird die
Entwickelung der Taenia echinococcus bei den Hunden verhindert und
infolgedessen die bekannte, dem Menschen durch seinen vielfach intimen
Verkehr mit Hunden drohende Gefahr der Echinokokkeninvasion all-
mählich verringert. Nur durch eine richtig arbeitende Fleischbe-
schau kann diese gefährliche Krankheit der Menschen, welche nach
Peiper^' im proportionalen Verhältnis zur Verbreitung der Echino-
kokken unter den Tieren steht, bekämpft werden. Vgl. auch Mosler^^,
Madelung *S Weit hoff*'.
In der Pfalz gelten mit Echinokokken durchsetzte Teile für ungeniefsbar (s. Best.
S. 454, Würzburg S 192).
33) Mangold, Ueber den mxätilokxtlären Echinococcus und seine Tänie, Inaug -Diss. Tübingen
1892, Jlerl. Min. Wochenschr. (1892) Nr. 2 u. 3.
34) Müller, München, med Wochenschr. (1893) Nr. 13.
35) Becker, Berl. tierärzü. Wochenschr. (1893) 331.
36) Wörner, Wochenschr. f. Tierheük. %. Viehzucht (1893).
37) Btorcli, Berl. tierärzü. Wochenschr. (1893) 272.
38) Friese, Berl. tierärzä. Wochenschr. (1891) 180.
39) Mejer, Zeitschr, f. Ileisch- u. Milchhyg. 2. Bd. 125.
-^ 82
Fleischbeschau. 493
40) Sahlmann, Osttrtay'i Handb. 424.
41) 01t, Ztitschr. f. fUisch- u. MiUhhyg. 4. Bd. 131.
42) Oarin, Compt. rend. de la Soc. mid. vit. de Motcou 1893/94.
43) Ostertag, D. ZeUuhr. f. Tiermed. 13. lid. 172.
44) Peiper, l'eber die Verbreitung der Eehiiwkokkenkrankheit in Vorpommern, Monograph.
StuUijart 1894. D. med. U'ochenschr. (1895) Verein$beü. IC.
45) Mosler, D. med. Wochenschr (188G) Kr. 7 u. 8.
46) Hadelang, Beiträge mecklenburger Aerzte über die Echinokokkenkrankheit bei Menaehen,
StuUgart 1885.
47) Weithoff. D. med. }Vochen3chr. (1892) Nr. 41.
b) Die Pentaatomen.
Die Bedeutung der Pentastomen für die Nahrungsmittelpolizei ist nur
eine untergeordnete, da ausschließlich die Larve des bei den Haustieren,
in der Nasen- und Stirnhöhle von Hund, Pferd und Ziege lebenden Pen-
tastomum taenioides, das Pentastomum denticulatum in Betracht
kommt. Das Pentastomum denticulatum ist platt, weiB, durchscheinend,
4 — 6 mm lang und 1,2 — 1,3 mm breit, segmentiert und mit zahlreichen
Dornen besetzt.
Vorkommen. Die Larven sind gefunden worden bei Hasen,
Ziegen, Schafen und Rindern unter" dem Bauchfelle, in der Dünn-
darmwand und den Mesenterialdrüsen, wo sie am häufigsten sitzen, sowie
in Leber und Lunge, Milz und Darmbeinlymphdrüsen. Eine massenhafte
Invasion bei einem Rinde beschreibt Lungwitz *^.
Häufigkeit. Bei den Rindern Rumäniens wird das Pent. dentic. nach
B a b e s ■* ^ ma.ssenhaft beobachtet. In Deutschland kommt es zwar seltener
vor, doch sind nach Ostertag^'' auch hier zahlreiche Rinder damit
behaftet.
Erkennung. Am häufigsten und wichtigsten sind die Erscheinungen
der Pentastomen-Invasion in den Gekrösdrüsen, woselbst sie hirse-
korn- bis erbsengroße Herde von gelbgrüner oder grauer
Farbe hervorruft. Bei der mikroskopischen Untersuchung der brei-
oder mörtelartigen Herdmassen findet man Pentastomen intakt oder
degeneriert, oder deren charakteristische Krallen.
Für Verwechselungen der Pentastomenherde in den Lymphdrüsen
kommen besonders t u tj e r k u 1 ö s e Einlagerungen in Betracht. Bei
richtiger Würdigung der Eigentümlichkeiten beider Prozesse und nach
mikroskopischer Untersuchung eines Quetschpräparates (s. S. 499) kann die
Diagnose nicht zweifelhaft sein.
Beurteilung und Mafsregeln. Beim Menschen kommt sowohl das
Pent. denticulatum, als auch das Pent. taenioides vor, über deren Schäd-
lichkeiten die Ansichten noch geteilt sind. Die Aufnahme der Larve
durch Fleischnahrung dürfte für den Menschen weniger in Betracht
kommen als die Infektion durch Pentastomeneier vom Hunde aus. Gleich-
wohl sind die mit Pentastomenlarven durchsetzten Teile sorgfaltigst zu
vernichten, damit sie nicht Hunden zugänglich werden und daselbst zur
Entwickelung des Pent. taenioides Veranlassung geben.
48) Lungwitf, Zeitschr. f. FUxtch- u. MiUhhyg. 3. lid. 218.
49) Babes. ttrüralbl. /. BakUr 5. Bd. Nr. 1.
50) Ostertag, Zeitichr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 2. Bd. 4.
8j 32*
494
EDELMANN.
3. Parasiten im Fleisch, welche dem Menschen nicht
n a c h w e i s 1 i c h schädlich s i n d.
Die Sarkosporidien.
Von den Sarkosporidien, welche in die Mischeriden und
Balbianiden zerfallen, kommen bei den Schlachttieren die Psoro-
spermienschläuche und die Psorospermieusäckchen (Johne) vor.
langen und 0,2 mm breiten Schläuche, sind schon mit bloßem
^?1
1. Die P s 0 r 0 s p e r m i e n s c h 1 ä u c h e.
Die Psorospermieu- oder Miescher'schen Schläuche sind lang-
gestreckte, spindelförmige, eigentümlich granulierte Gebilde, welche
in der Regel erst bei der mikroskopischen Untersuchung der quer-
gestreiften Muskulatur sichtbar werden. Die größeren, bis zu 1 cm
Auge
als grauweiße Stellen der Mus-
kulatur bemerkbar. Die Gebilde
liegen innerhalb der Sar-
kolemmaschläuche, deren
Inhalt unverändert ist. Die Psoro-
spermienschläuche bestehen aus
einer Umhüllungsmembran, ge-
füllt mit zahllosen runden,
Sichel-, bohnen- oder nie-
renförmigen Körperchen
(Spor 0 z oiten). Die Parasiten
können verkalken und bei ober-
flächlicher Untersuchung mit ver-
kalkten Trichinen verwechselt
werden.
Vorkommen. Die M i e -
seh er 'sehen Schläuche sind gefunden worden in der quergestreiften
Muskulatur von Schwein, Schaf, Pferd, Rind, Ziege, Hase und Huhn.
Am häufigsten sind sie bei den Schweinen, von denen fast keines gänz-
lich frei davon ist und woselbst die Schläuche in allen Muskeln,
vornehmlich in den Bauch- und Zwerchfellmuskeln, sitzen.
'^^H
Fig. 22. Miescher ' sehe Schläuche in
der Muskulatur ; schwach vergröfsert. (Nach
L e u c k ar t.)
2. Die Psorospermieusäckchen.
Diese cystenförmigen Psorospermien (Balbiana gigantea) sitzen
im intermuskulären Bindegewebe, vor allem des Schlundes bei
Schaf, Ziege und Pferd. Sie sind mit einem eiterähnlichen Inhalte ge-
füllt und kommen beim Schaf oft massenhaft im Schlünde vor (Moule^^,
Morot-'^2)
Beurteilung. Eine Schädigung der menschlichen Gesundheit
durch den Genuß psorospermienhaltigen Fleisches ist bisher noch nicht
beobachtet worden. Fleisch mit diesen Parasiten ist deshalb nicht
zu beanstanden (Railliet-'^^'), so lange die Parasiten nicht so
massenhaft vorkommen, daß dessen Aussehen und Beschaffenheit er-
heblich vom Normalen abweicht. Dann ist das Fleisch als hoch-
gradig verdorben zu vernichten. Sobald Konsistenz, Farbe und
Fettgehalt der Muskulatur normal sind , jedoch zahlreiche Psoro-
Fleischbeschau. 495
sperraienschläuche , besonders verkalkte, mit bloßem Auge sichtbar
sind, so ist das Fleisch unter Deklaration zu verkaufen. — Die mit
den Psorospermiencysten behafteten Schafschlünde sind zu vernichten.
In Sachsen ist das Fleisch in deu erstgenannten Fällen zu vernichten und das
Fett nach Ausschmelzuug auf der Freibank zu verkaufen (s. Verord. S. 430). In Berlin
darf das Fleisch nur nach Kochuug im Rohrbeck'schen Apparat in den Verkehr gelungen
(Würzb urg, S. 191).
51) Moule, necueü de med. vit (1886) 125.
52) Morot, Recueil BiJl. (1886) 369.
53) Eaüliet, Recueil de mid. vet. (1886) 149.
Anhang.
Die Verkalkungen in der Muskulatur des Schweines.
In der ]\Iuskulatur des Schweines werden bei der Trichinenschau
ziemlich häufig sogen. Kalkkonkremente gefunden, deren Ent-
stehung auf verschiedene tierische oder pflanzliche Parasiten zurück-
zuführen ist. Mitunter lassen sich die Erreger (Trichinen, Finnen,
Echinokokken, Miescher'sche Schläuche; Strahlenpilze) dieser Ver-
kalkungen nach Behandlung der letzteren mit Säuren nachweisen und
dann sind dieselben nach der Dignität dieser Erreger in sanitärer
Beziehung zu beurteilen.
Es giebt jedoch auch eine Anzahl von Verkalkungen, deren Aetio-
logie bisher nicht aufzuklären war und für diese mag immerhin die Be-
zeichnung Konkremente, Konkretionen beibehalten werden. Letztere
findet man am häufigsten in den Bauch- und Zwercbfellmuskeln,
sowie den Adduktoren der Hinterschenkel, woselbst sie oft mit bloßem
Auge erkennbar sind. Ihre Menge hat über die Verwertung des
Fleisches zu entscheiden. Vereinzelte Konkremente haben nichts zu
bedeuten ; Fleisch mit mäßig zahlreichen und makroskopisch sichtbaren
Konkrementen gehört auf die Freibank, während bei massenhaftem
Vorhandensein der Konkremente und anderen substantiellen Ver-
schlechterungen des Fleisches dasselbe dem Verkehre gänzlich zu
entziehen ist.
Näheres über diese Konkremente s. Ostertag's Handbuch.
In Sachsen ist Fleisch mit Konkrementen wie das, welches M i e sc h er. 'sehe Schläuche
enthält, zu behandeln. In Berlin mufs es im Dampfsterilisierapparat gekocht werden.
(Würzb urg, S. 191.)
B. Infektionskrankheiten der Schlaehttiere.
Bei der folgenden Besprechung der durch pflanzliche Parasiten
hervorgerufenen Krankheiten — den Infektionskrankheiten^* — der
Schlachttiere wird auf das Wesen, die Symptomatologie, und die Aetio-
logie derselben nicht näher eingegangen werden, da ein besonderer
Abschnitt dieses Handbuches (Bd. IX) die Infektionskrankheiten
eingehend behandelt. Nur für einige wichtige, den Tieren spezifische
Infektionskrankheiten, sollen ätiologische Einzelheiten Erwähnung
finden.
85
496
EDELMANN,
1 . Auf den Menschen
übertragbare
Infektionskrank
h e i t e n d e r S c h 1 a c h 1 1 i e r e.
a) Tuberkulose.
Die Tuberkulose kommt bei allen Schlachttieren vor, und ist
diejenige Krankheit, welche die Fleischbeschaubeamten am meisten
beschäftigt. Sie ist eine chronisch verlaufende durch den Tuberkel-
bacillus veranlaßte Krankheit und ätiologisch identisch mit der Tuber-
kulose des Menschen. Auf die Aetiologie und pathologische Anatomie
der hochwichtigen Krankheit kann hier nicht eingegangen werden.
In dieser Beziehung ist auf die Spezialwerke und Abhandlungen zu
verweisen. Nur gewisse Eigentümlichkeiten^'' der tuberkulösen Er-
krankungen bei den einzelnen Tiergattungen dürften Erwähnung ver-
dienen :
Befund. Beim Rind tritt die Tuberkulose wesentlich (vergl.
Johne"*^, Eber- J ohne •''•\ Ostertag 's Handbuch, Schneide-
rn ühl'^' u. A.) in zwei verschiedenen, auch häufig gemeinschaftlich
vorkommenden Formen auf, nämlich als Tuberkulose der serösen Häute
(Perlsucht) und als Tuberkulose der Organe. Die Tuberkulose
der serösen Häute kennzeichnet sich durch die Entwickelung ver-
schieden großer Knötchen und Knoten auf dem Brust- und Bauchfell,
die isoliert stehen oder zusammenfließen und unter Umständen ge-
I waltige Auflagerungen
im Gewicht von 20 — 50 kg
bilden können. In den-
selben macht sich früh-
zeitig Verkalkung be-
merkbar. Durch Ver-
schmelzung kleiner
schlaffer Granulations-
knötchen entstehen bis-
weilen auch mehr oder
weniger dicke schwarten-
artige Auflagerungen.
Bezüglich der Tu-
berkulose der Or-
gane und Schleim-
häute wird am häufig-
sten primär der Respi-
rationsapparat befallen,
nächstdem der Digestionstraktus und der Genitalapparat. Auch
eine primäre Erkrankung des Euters durch direkte Infektion von der
Zitzenöffnung aus muß nach Bang^", sowie den eigenen Erfahrungen
des Verf. für möglich erachtet werden. Sekundär können alle
Teile des Körpers infiziert werden. Von der Art und dem Wege
der Infektion, sowie dem anatomischen Bau der einzelnen Organe,
wird das Krankheitsbild in denselben beeinflußt.
Die tuberkulösen Prozesse bei den Kindern neigen meist zur
trockenen Verkäsung und Verkalkung. Generalisierung der
Tuberkulose kann sich an jede Organtuberkulose mit erweichten Herden
anschließen ; sie charakterisiert sich an jungen Tieren in erster Linie
durch Erkrankung der Milz, bei älteren durch die der Nieren.
Knochentuberkulose tritt nicht zu häufig auf.
Fig. 23. Kleinknotige Serosentuberkulose vom Brast
feil des Rindes. Nach Eber-Johne.
86
Fleischbeschau.
497
Tiergattungen
Beim Kalbe findet man, entsprechend der placentaren Ueber-
tragung, sehr häutig die Erscheinungen einer embolischen Tuberkulose
in den verschiedensten Organen, vor allem in Milz, Leber und Nieren,
sodann aber auch Erkrankungen auf Grund einer Infektion vom Ver-
dauungstrakte aus mit folgender Verbreitung. Generalisierung liegt
in der Mehrzahl der Fälle vor.
Die verhältnismäßig sehr selten vorkommende Tuberkulose beim
Schafe bietet im allgemeinen das Bild der Rindertuberkulose mit
Ausnahme der Serösener-
krankung. Aehnlich tritt
die Krankheit bei der Ziege
auf, woselbst man auch
schon Perlsucht und Lungen-
prozesse beobachtet hat,
wie sie bei der mensch-
lichen Phthise vorkommen.
Generalisierung bei beiden
nicht selten.
Beim Schweine herr-
schen tuberkulöse Erkrank-
ungen des Verdauungsap-
parates vor, von denen
aus sekundäre Infektionen
verschiedener Organe und
besonders häutig Generalisierungen erfolgen , welche sich in den
weitaus meisten Fällen durch Milztuberkulose charakterisieren. Pri-
märe respiratorische Tuberkulose ist seltener als beim Rinde, noch
viel seltener Serosentuberkulose. Verkalkung macht sich schon zeitig
in den tuberkulösen Herden bemerkbar. Bei generalisierter Tuber-
kulose findet man sehr häufig Erkrankungen der Muskellymphdrüsen
und Knochen.
Die seltene Pferdetuberlcalose ähnelt der der Rinder ohne deren
Tendenz zur Verkalkung zu besitzen. Vielmehr macht sich zentrale
Erweichung bemerkbar. Die L3'mphdrüsen der ergriffenen Organe
hyperplasieren bedeutend. Infektion meist von den Lungen aus.
Das Bild der Tuberkulose beim Hunde erinnert nach Jensen
sehr an die Rindertuberkulose und zeichnet sich auch durch Serosen-
tuberkulose aus (J 0 h n e - E b e r).
Fig. 24. Grofsknotige Serosentuberkulose vom
Bauchfell des Rindes. (Nach Eber-Johne.)
Häufigkeit. Bei Rindern ist die Tuberkulose die weitverbreitetste
Krankheit. Eine sichere Statistik für das ganze Reich fehlt und däa
Auftreten der Krankheit ist auch regionär verschieden. Sichere Unter-
lagen sind nur aus den Schlachthöfen vorhanden, bei denen jedoch ein
richtiges Bild immer noch von der Art der Untersuchung und Be-
urteilung seitens der Sachverständigen abhängt. Immerbin wird 0 s t e r -
t ag 's ^ ' Annahme, daß in Deutachland mindestens jedes vierte Rind tuber-
kulös sei, den Thatsachen entsprechen. Königreich Pre u ßen ^^ 1893/94
Durchschnitt aus 290 Schlachthäusern 10,09 Proz., den niedrigsten Prozent-
satz hat der Reg.-Bez. Münster mit 0,98, den höchsten Reg.-Bez.
Stralsund mit 30,07 Proz., Berlin hatte 11,03 Proz., Magdeburg
16,54 Proz., Schleswig 2G,80 Proz.; — Königreich Sachsen 1893 aus
20 Schlachthäusern Durchschnitt 18,20 Proz., den höchsten Prozentsatz
hat Leipzig mit 28,1 Proz. (s. auch Rieck'sf^" Arbeit); 1894 aus
8;
498 EDELMANN,
25 Scblachtliäusem Durchschnitt 21,5 Proz., den höchsten Prozentsatz hat
Löbau mit 45,5 Proz., Leipzig hat 29,4 Proz., Dresden 23,3 Proz. ; Dresden
(1895) 31,2 Proz.; — Großherzogtum Baden 1894 3,13 Proz.
Kälber. Königreich Preußen 1893/94 0,04 Proz. ; Sachsen 189a
0,12 Proz., 1894 0,18 Proz.; Baden 1894 0,009 Proz.
Schafe und Ziegen. Königreich Preußen 1893/94 0,07 Proz.;
Sachsen 1893 Schafe 0,11 Proz., 1894 0,15 Proz., Ziegen 1893
0,14 Proz., 18! »4 0,0 Proz.
Bei Schweinen steigt die Tuberkuloseziffer von Jahr zu Jahr an.
Die schnelle Zunahme der Krankheit beim Schwein ist wesentlich auf
die Zunahme der Rindertuberkulose, die Vervollkommnung des Molkerei-
wesens und die Verfütterung der dabei gewonnenen Rückstände an
Schweine zurückzuführen. Preußen 1893/94 0,G6 Proz.; Sachsen
1893 1,64 Proz., davon Riesa mit 5,05 Proz., Pirna mit 3,9 Proz., Dresden
mit 2,5 Proz., Leipzig mit 1,8 Proz., 1894 2,2 Proz., darunter Meißen mit
5,9 Proz., Dresden mit 3,2 Proz. (Dresden 1895 3,6 Proz.), Leipzig
mit 2,6 Proz.
Unter den Pferden in Sachsen 1893 0,08 Proz. tuberkulös, 1894
0,1 Proz.
Bei den geschlachteten Hunden wurden 1893 in Sachsen 0,34 Proz.
tuberkulös gefunden.
Die Erkennung der gewöhnlich vorkommenden Fälle von Tuber-
kulose ist für den Untersucher nicht schwer, sobald er mit den viel-
fältig variierenden Entwickelungsformen der tuberkulösen Krankheits-
prozesse und deren Metamorphosen vertraut ist. Da eine auszugs-
weise Wiedergabe der für die Diagnose verwertbaren charakteristischen
pathologisch - anatomischen Eigentümlichkeiten der verschiedenen
tuberkulösen Infektionen nicht von Wert ist, so muß auch in dieser
Beziehung auf die einschlägigen Lehrbücher verwiesen werden.
Für die Diagnose ist besonders verwertbar das spezifische
Verhalten der Lymphdrüsen. Die letzteren bilden nicht nur
gewissermaßen Filter für die in die Lymphbahn irgend eines Organes
gelangten Tuberkelbacillen, sondern sie scheinen denselben auch be-
sonders günstige Ansiedelungs- und Entwickelungsbedingungen zu
bieten. Man findet daher die Lymphdrüsen der Organe nicht selten
tuberkulös erkrankt, ohne daß in den letzteren selbst sich
makroskopisch tuberkulöse Herde nachweisen lassen.
Auf diese Thatsache, sowie auf den Umstand, daß die Tuberkel-
bacillen durch die Epithelien der Schleimhäute der
Eingangspforten des Körpers, ohne daselbst krank-
hafte Prozesse zu veranlassen, hindurchdringen
können, um erst in den korrespondierenden Lymph-
drüsen eine typische Affektion zu erzeugen, verdient,,
zum Verständnis der Infektion, besonders hingewiesen zu werden.
Daher sind zur Ermittelung tuberkulöser Infektionsherde in erster
Linie die Lymphdrüsen der Organe durch Anschneiden
zu untersuchen und hierbei vor allem auch die der natür-
lichen Eingangspforten zu berücksichtigen (Kehlgangs-
und Retropharyngeallymphdrüsen, Bronchial- und Mediastinallymph-
drüsen , Mesenterial- und Portallymphdrüsen , Schamlymphdrüsen).
Bei zweifelhaften Organerkrankungen sichert ebenfalls der
Lymphdrüsenbefund die Diagnose, da als Regel gelten
I
Fleischbeschau. 499
k ii n II . il a ß b e i j e (l c r 0 r g a ii t u b e r k ii 1 o s e die korrespon-
dierenden L y ni p h d r ü s e n in t y p i s c li e r W e i s e mit a f f i z i e r t
sind.
Es bedarf keiner Hervorhebung, daß die eigentlichen Entwicke-
lungs- und Aufbauverhältnisse der tuberkulösen Granulationen aus
kleinsten durchscheinenden, grauen Knötchen mit folgender centraler
Trübung und Zerfall, nebst der Tendenz, durch Bildung sekundärer
Knötchen in die Umgebung zu proliferieren, ebenfalls beachtenswerte
Kennzeichen sind. Zur sicheren Erkennung etwa zweifelhafter Knöt-
chen empfiehlt sich die von Oster tag^*^ vorgeschlagene mikro-
skopische Untersuchung eines Quetschpräparates bei
etwa 40-facher Vergrößerung. Man kann hierbei schon deutlich die
runden oder mehr länglichen Riesenzellen sehen, welche bekannter-
maßen in den Tuberkeln der Haustiere besonders schön ausgebildet
sind. Diese Methode eignet sich auch sehr zur Durchsuchung ver-
dächtiger Lymphdrüsen auf makroskopisch noch nicht wahrnehmbare
Tuberkeleruptiouen, welche sich als rundliche, herdförmige
Trübungen mit Riesenzellen in der ^Mitte und epitheli-
0 i d e n Zellen in der Umgebung vom normalen L y m [) h -
drüsenge webeabheben.
Selbstverständlich dient auch der Nachweis der Tuberkel-
bacillen zur Sicherung der Diagnose, Derselbe kann aber, selbst
bei echter Tuberkulose, negativ ausfallen, da erfahrungsgemäß in stark
verkästen Herden die Auffindung von Bacillen oft fehlschlägt.
Gleichwohl sind solche Herde infektiös, wie das Tierexperiment
ausweist. Dieses ist jedoch bei der Verzögerung der Entscheidung
für die praktische Fleischbeschau nicht verwertbar.
Für Verwechselunsen tuberkulöser Prozesse kommen besonders
in Betracht: degenerierte Echinokokken und Finnen, aktinomykotische
Veränderungen, Pentastomenherde in den Lymphdrüsen, Pseudalius-
knötchen in den Schaflungen und Schweineseucheprozesse in den
Schweinslungen. Die eigentümlichen Merkmale dieser Erkrankungen
sowohl, wie diejenigen der Tuberkulose schützen in Verbindung mit
der Untersuchung eines Quetschpräparates vor einer falschen Diagnose.
Bezüglich der Ausbreitung der Tuberkulose im Tierliörper
ist es bei der Fleischbeschau von entscheidender Bedeutung, festzu-
stellen, ob eine lokale oder generalisierte Tuberkulose
vorliegt.
Als lokale Tuberkulose vom Standpunkte der Fleischbeschau
ist eine tuberkulöse Erkrankung solange aufzufassen, als sie rein
örtlich auf ein Organ beschränkt ist oder sich von
einem Primärorgan nur percontiguitatem oder durch
dieLymphbahn oder durch den Sekretstrom oder durch
den Pfortaderblutlauf, in jedem Falle aber ohne Ver-
mittelung des großen Blutkreislaufes, hat verbreiten
können.
Beispiele: Tuberkulose der Retropharyngeallymphdrüsen ; Tuber-
kulose der Lungen und Bronchialhnnphdrüsen ; Tuberkulose des Darms
und der Mesenterialdrüsen ; Tuberkulose des Darms oder Uterus und des
Peritoneums : Tuberkulose der Pleura und des Peritoneums ; Tuberkulose
der Lungen und der Pleura; Tuberkulose der Lunge (tuberkulöse Broncho-
pneumonie) und des Darms ; Tuberkulose des Darms und der Leber.
89
500 EDELMANN,
Die lokalisierte Tuberkulose ist bei den Schlachttieren vor-
herrschend, da die tuberkulösen Prozesse in der Regel bacillenarm
sind und einzelne in den lUutstroin gelangte Bacillen keine Generali-
sierung zur Folge haben, sondern im Blute zu Grunde gehen (Nocard,
Johne).
Generalisiert, ireiieroll oder verallgemeinert nennt man eine
Tuberkulose dann, wenn ihre Verbreitung von einem
Priniärherd aus nur vermittels des Blut- oder Haupt-
1 y m p h s t r 0 m e s (D u c t u s t h o r a c i c u s) erfolgen konnte. Die
Gen er al i sierung finde t ihren Ausdr u ck in einer Erkrankung
von Körperteilen, zu denen Bacillen nur durch den Blutstrom gelangt
sein können, insbesondere von Milz, Nieren, Muskeln, Knochen und
solchen Lymphdrüsen, deren Versorgungsgebiet nicht primär infiziert
worden ist.
Von der Menge und der Virulenz der in den Blutstrom ge-
langenden Tuberkelbacillen ist das Bild der entstehenden generali-
sierten Tuberkulose abhängig.
Zur Feststellung, welche von beiden Formen der Tuberkulose in
einem konkreten Falle vorliegt, ist eine eingehende planmäßige
Untersuchung des Schlachttieres erforderlich. Für dieselbe
hat Ostertag"^ beachtenswerte Winke gegeben. Im allgemeinen
ist davon auszugehen, daß, nachdem eine Krankheit als Tuberkulose
erkannt worden ist, die Untersuchung des betreffenden Tieres an
den peripheren, seltener erkrankten Teilen (Fleisch -Lymphdrüsen,
Knochen etc.) zu beginnen hat um, nach den Eingeweiden vorwärts-
schreitend, von letzteren ebenfalls zunächst die weniger häufig er-
krankten (Milz, Nieren) zu berücksichtigen und dann erst die Prä-
dilektionsorgane (Respirations-, Verdauungsapparat) zu untersuchen.
Jedes Anschneiden erweichter tuberkulöser Herde
ist zu vermeiden, ebenso wie eine Verunreinigung gesunder
Organe mit tuberkulösen Zerfallsmassen.
Ein ungefähres Bild von der Ausbreitung der Tuber-
kulose im Körper der einzelnen Schlachttiere giebt folgende Zu-
sammenstellung, welche dem Berichte über die Fleischbeschau in
Dresden'^ ^"* vom Jahre 1895 entnommen ist. In Dresden wurden
1895 festgestellt bei Rindern 6769 Fälle von Tuberkulose =
31.22 Proz. der geschlachteten Rinder, bei Kälbern 224 = 0,36 Proz.,
bei Schafen 40 = 0,09 Proz., bei Schweinen 3594 = 3,36 Proz.,
bei Pferden 1 = 0,09 Proz.
(Siehe Tabelle S. 501.)
Ylriilenz der Teile tuberkulöser Tiere. Bei der erwiesenen
Identität der Erreger der menschlichen und tierischen Tuberkulose
und der Thatsache, daß Tuberkelbacillen vom Verdauungstrakt aus
den Organismus zu infizieren vermögen, müssen alle tuberkulösen
Organe als infektiös und gesundheitsschädlich für
Menschen angesehen werden. Hierzu gehören auch diejenigen,
deren Lymphdrüsen nur erkrankt sind, da es leicht mög-
lich ist, daß in der Entwickelung begriffene und deshalb besonders
virulente Tuberkelknötchen bei der makroskopischen Untersuchung
des Parenchyms der Organe übersehen werden. Hieraus ergiebt sich
auch die selbstverständliche Bedingung, ein tuberkulöses Organ als
90
Fleischbeschau.
501
TJer-
gattung
L>ie l'uberkulose wurü«] iihcIjkii wiesen als
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Tuberkalose
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570
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I345I
.^10 92 45
117 30 '
14 10 I
"167 377 232
169
86
3
558
31 123 19
64 21 I 1
508 49 I
in toto gesundheitsschädlich anzusehen, selbst wenn schein-
bar nur vereinzelte Herde darin vorkommen sollten.
Bezüglich der Virulenz des Fleisches resp. der quergestreiften
Musliulatur ist davon auszugehen, daß die Muskulatur nur äußerst
selten der Sitz tuberkulöser Prozesse ist, daß Tuberkelbacillen dahin
in der Regel nur mit dem Blutstrom verschleppt werden können, in
letzterem aber nur selten und relativ sehr kurze Zeit Tuberkelbacillen
cirkulieren.
Ueber die Virulenz des Fleisches sind zahlreiche Fütterungs- und
Impfversuche an Tieren angestellt worden, bei denen aber, wie Oster-
tag mit Recht hervorhebt, meist die Ausbreitung und besondere Be-
schaffenheit der Tuberkulose in dem Tiere, von dem die Versuchs-
muskulatur stammte, unberücksichtigt geblieben ist. Von den Versuchen
verdienen die von Nocard^*, Galtier*", Forster, Bang, Bol-
linger*^ durch Hagemann und Kas tner**^. St ei nh e i l***^, Os ter-
tag^^, Perron cito ^'=', Klepzow'^* besondereBeachtung, jedoch können
deren Einzelergebnisse hier nicht Erwähnung finden. Ostertag"' resümiert
aus den Versuchsergebnissen „daß das Fleisch bez. der Fleisch-
eaft tuberkul öser Tiere in derRegel gar keine oder nicht
genug Bacillen enthält, um bei Versuchstieren Tuber-
kulose hervorzurufen. Nur bei hochgradigster Tuberkulose und
bei eiteriger Erweichung der tuberkulösen Herde ist das Fleisch infektiös.
Hierbei ist aber noch sehr zu bedenken, daß selbst die gleiche Emi)räng-
lichkeit des Menschen für Tuberkulose wie bei den Versuchstieren
vorausgesetzt, die Menge Tuberkelbacillen, welche bei intra-
peritonealer Impfung Tube rkulose hervorruft, noch nicht
hinreicht, um auch auf dem Wege des Verdauungstraktus
zu infizieren, daß also ein positives Impfe rgebnis noch
nicht gleichbedeutend ist mit Gesundheitsschädlichkeit
des Fleisches beim Genüsse".
Von denselben Gesichtspunkten sind die von Butel''" zusammen-
gestellten Resultate einiger E.xperimente über die Ansteckungsfähigkeit
des Blutes und des Muskelsaftes tuberkulöser Tiere zu betrachten. Be-
züglich der Infektiosität des Blutes führt Butel 5G Impfungen
von Villemi n, Gosaelin, Toussaint, Galtier, Jeannel an,
91
502 EDELMANN,
von denen 28 positive Resultate ergaben. Weniger erfolgreich waren
G7 Versuche mit Muskel saft angestellt von Bollinger, Gratia und
Lienaux, Peuch, Galtier, Veyssiöre und Humbert, Arloing,
Nocard, unter denen nur in 14 Fällen eine Virulenz des Muskelsaftes
vorhanden war.
Vom Stand punkte der Fleiselil)eseliau wird das Fleisch tuber-
kulöser Tiere liiiisiehtlich seiner Gesundheitsschädlichkeit für den
Menschen folgendermaßen zu beurteilen sein :
1) Bei rein lokaler Tuberkulose ist das Fleisch unschädlich.
1^) Bei generalisierter Tuberkulose muß zunächst eine Ge-
sundheitsschädlichkeit vorausgesetzt werden. Dies hat John e^"
bereits 1883 ganz besonders betont und sich gleichzeitig das Verdienst
erworben, auf die Auseinanderhaltung der Begriffe lokale und generali-
sierte Tuberkulose mit ihren sanitätspolizeilichen Konsequenzen hin-
gewiesen zu haben.
Für die Zwecke der Praxis empfiehlt es sich, auseinanderzuhalten
eine Generalisierung im engeren Sinne mit Beschränkung
auf die Eingeweide, insbesondere auf Milz oder Nieren und eine
Generalisierung im weiteren Sinne mit tuberkulösen Herden
in der Muskulatur, oder den zugehörigen Lymphgefäßen
und Lym phdr ü sen oder den Knochen. Behufs Ermittelung einer
derartigen Ausbreitung der Generalisierung sind die größeren, leicht
zugänglichen Lymphdrüsen des Körpers (Bug- und Achsellymphdrüsen,
Kniekehlen-, Kniefalten-, Leistenlymphdrüsen) anzuschneiden, sowie
möglichst viele Knochendurchschnittsfiächen zu untersuchen.
a) Bei der erstgenannten Form, der Generalisierung im
engeren Sinne, wird eine Gesundheitsschädlichkeit nur dann an-
zunehmen sein , wenn die Generalisierung frisch ist, d. h. wenn die
infolge der Generalisierung in Milz oder Nieren entstandenen Knötchen
noch klein sind (nach Ostertag noch nicht die Größe eines Hanf-
kornes erreicht haben) oder, wenn neben älteren Knötchen ver-
dächtige Symptome einer frischen Generalisierung vorhanden sind,
was besonders bei Gegenwart eitriger Kavernen in Lunge, Bronchial-,
Mesenterialdrüsen oder Leber leicht zu befürchten ist.
b) Bei der Generalisierung im weiteren Sinne ist das
Fleisch im großen ganzen stets als gesundheitsschädlich zu
betrachten.
3) In Fällen, in denen es zweifelhaft ist, ob eine rein lokale
Tuberkulose oder gleichzeitig eine frische Generalisierung vorliegt
muß das Fleisch als der Virulenz verdächtig angesehen werden
Für die Verwertung des Fleisches tuberkulöser Tiere ist es im
nationalökonomischen Interesse von großer Bedeutung, daß die Tuberkel-
bacillen nur wenig widerstandsfähig gegen höhere Temperaturgrade sind.
Nach Bang's''^ Versuchen sind 85** C, nach denen von Jersin,
Forster^2 jq — 7.50 q jq Minuten hindurch genügend, um Tuberkel-
bacillen zu töten. Darauf gründet sich die Nutzbarmachung
infizierten tuberkulösen Fleisches für die menschliche
Nahrung durch Kochung in Damp fkoch apparaten.
Gegen Pökelung (Klepzow'^^'') und Pökelung mit folgender
ßäucherung sind die TuberkelVjacillen nach Forster's'^ Untersuch-
ungen sehr resistent.
92
Fleischbeschau. 503
lUMirti'iliing;. Jedes tuberkulöse Organ ist als gesundheitsschäd-
lich derartig zu beseitigen, daß eine Verstreuuug tuberkulösen Materiales
veruiiedeii wird.
Bezüglich der Verwertung des Fleisches tuberkulöser Schlachttiere
kann ich mich auf Grund eigener praktischer Erfahrungen den von
Ost er tag, sowie im allgemeinen den von Eber- Johne aufgestellten
Grundsätzen anschließen.
1) Das Eleisch ist ohne Beschränkung zum freien
Verkehr zuzulassen bei lokaler unerheblicher Tuberkulose, sofern
sich die tuberkulösen Teile leicht entfernen lassen und sich das Tier
in gutem Ernährungszustande betindet.
2) Das Fleisch ist nur unter Deklaration bez. auf der
Freibank zu verkaufen, sobald die tuberkulösen Tiere nicht er-
heblich abgemagert sind. Der Verkauf kann stattfinden
a) im rohen Zustande
«) bei zweifellos lokaler aber ausgebreiteter Tuberkulose (aus-
gebreiteter Serosentubcrkulose, starker Tuberkulose mehrerer
Orgaue mit erheblicher Vergrößerung und Degeneration der-
selben) ;
ß) bei generalisierter Tuberkulose, welche sich bezüglich der Er-
scheinungen der Generalisierung auf Milz oder Nieren beschränkt
und die sicher als abgelaufen anzusehen ist;
bj nach vorheriger Kochung in Dampfkochapparaten
(Hertwig '*) (s. S. 445),
et) wenn es zweifelhaft ist, ob bei lokaler Tuberkulose nicht doch
eine Generalisierung vorliegt,
ß) in frischen Fällen generalisierter Tuberkulose, die sich auf die
Eingeweide (Milz, Nieren) beschränkt.
3. Das Fleisch ist zu vernichten oder nur technisch
zu verwerten von Tieren, welche
a) mit lokaler Tuberkulose behaftet, gleichzeitig erheblich al)gemagert
sind und deren Fleisch deshall), oder weil es substantielle Ver-
änderungen autweist, als hochgradig verdorbenes Nahrungs-
mittel anzusehen ist;
b) generalisierte Tuberkulose mit Ergriffensein der Muskulatur,
der Fleischljmphdrüscn oder der Knochen aufweisen ;
c) Erscheinungen einer erst vor ganz kurzer Zeit stattgehabten
allgemeinen Blutinfektion (akute Miliartuberkulose von Leber,
Lunge, Milz, Nieren, Milztumor. Schwellung der meisten Lymi»h-
drüsen) erkennen lassen;
Das Fett der unter 2 a fallenden Tiere kann im rohen Zustande,
das der übrigen nach Ausschmelzung bei Temperaturen von min-
destens lOJ" C unter Deklaration verkauft werden.
Die jsresetzHchen Vorschrifton über die Verwertung tuberkulöser Sclilaclit
tiere können naturKcmkÜ nicht EiiizeUieiten und alle vorkommenden Mö^liclikeiteu be-
rücküichtii^en , sondern müssen all^^emein gehalten sein und den Sachver-
stand! gen einicen Spielraum ^ewJihrcn.
Königreich PreuKcu. Der Erlaß der Minister des Innern, der Landwirtschaft,
des Kultus und des Handels vom 2C. März 1892 hält an der tradititmellcn Bezeichnung
,, Perlsucht" für Tuberkulose fest, l&ßt auch leider die Tuberkulose der anderen Schiachtticre
unberücksichtigt (Os ter tag ", P 1 ft u t '", Schmaltz^', Fischoeder^''u. A.). Eine
gesundheitsschädliche BeschafTenheit des Fleisches von perlsUchiigem Rindvieh ist,
der Regel nach, nur dann anzunehmen, wenn das Fleisch I'erlknoten enthält oder das perl»
süchtige Tier, ohne daß sich in seinem Fleische Perlknoten finden lassen, abgemagert ist.
93
504 EDELMANN,
Dagegen ist das Fleisch eines perlsiichtigen Tieres für genießbar (nicht gesundheits-
schfidlich) zu halten, wenn das Tier gut genährt ist und
1) die Perlknoten ausschließlich in einem Organ vorgefunden werden, oder
2) falls zwei oder mehrere Organe daran erkrankt sind, diese Organe in derselben
Körperliöhle liegen und miteinander direkt oder durch Lymphgefäße oder durch solche
Blutgefäße verbunden sind, welche nicht dem großen Kreislauf, sondern dem Lungen- oder
Pfortader-Kreislauf angehören. Das Fleisch von gut genährten Tieren, auch wenn
eine der unter Ziffer 1 und 2 bezeichneten Erkrankungen vorliegt, kann in der Kegel
nicht als minderwertig erachtet und der Verkauf desselben nicht unter polizeiliche
Aufsicht gestellt werden. Solches Fleisch ist daher in Zukunft dem freien
Verkehr zu überlassen; in zweifelhaften Fällen wird die Entscheidung eines
approbierten Tierarztes einzuholen sein.
Ob das Fleisch von perlsüchtigem Vieh für verdorben zu erachten ist, und
der Verkauf desselben gegen die Vorschrift von § 367, 7 des St.G.B. oder gegen die
Bestimmungen des Nahrungsmittelgesetzes verstößt, fällt der richterlichen Ent-
scheidung anheim
Königreich IJavcni. Die oberpolizeilichen Vorschriften in Bezug auf die Beschau
der mit den Erscheinungen der Tuberkulose (Perlsucht und Lungenschwindsucht) behafteten
Rinder und Schweine vom 25. Juni 1892 lauten:
§ 1. Bei lokalisierter Tuberkulose ist das Fleisch dem freien Verkehr zu über-
lassen, sobald das Tier sich im guten Ernährungszustand befindet und die kranken Organe
entfernt sind.
§ 2. Das Fleisch von Rindern und Schweinen, die an allgemeiner (generali-
sierter) und vorgeschrittener Tuberkulose leiden und dabei gleichzeitig ab-
gemagert sind, dann solches Fleisch, welches selbst tuberkulöse Herde ent-
hält, ist als gesundheitsschädlich vom menschlichen Genüsse aus-
zuschließen. — Ist in diesen Fällen der Fleischbeschauer nicht selbst Tierarzt, so kann
die Nachbeschau durch einen approbierten Tierarzt verlangt werden.
§ 3. In zweifelhaften Fällen (Tuberkulose der Organe einer oder mehrerer Körper-
böhlen, Uebergang^formen zwischen lokaler und allgemeiner Tuberkulose) ist die Ent-
scheidung eines approbierten Tierarztes einzuholen. Derselbe kann je nach
Ausbreitung, Stadium und Intensität der Krankheitserscheinungen und je nach dem all-
gemeinen Ernährungszustande des Tieres das Fleisch unter bestimmten Bedingungen und
Beschränkungen dem Verkehre überlassen.
Königreich Sachsen. Aus der Anweisung zur Verordnung vom 17. Dezember 1892,
den Verkauf von Fleisch und von Fett kranker Tiere betreffend, welche auf Seite 430 ab-
gedruckt ist, kommen hier in Betracht die §§ 2, 3 und 4.
Die in "WUrtteinlicr;? , Baden, Sachsen -3Ieinin^eu, Gotha, Schwarzbiirg-
Rudolstadt und Elsaß - Lothringen bestehenden Vorschriften beschränken sich , nach
Würz bürg, im wesentlichsten auf Ausschließung des Fleisches vom menschlichen Genuß
bei ausgebreiteter Tuberkulose.
Großherzogtum Hessen. Verfügung des Ministeriums des Innern und der Justiz,
Abteilung für öffentliche Gesundheitspflege, vom 12. Oktober 1883. Das Fleisch tuber-
kulöser Tiere ist als ungenießbar zu erklären, wenn das Tier an generalisierter Tuber-
kulose gelitten hat ; ferner, wenn die Tiere im Ernährungszustande bereits sehr zurück-
gegangen sind, oder das Fleisch wegen seiner Beschaffenheit im allgemeinen als menschliches
Nahrungsmittel nicht geeignet erscheint.
In allen übrigen Fällen von Tuberkulose ist das Fleisch als genießbar aber nicht
ladenrein zu erkennen.
Herzogtum Anhalt. Anweisung zur Ausführung der Verordnung vom 24. November
1888. Das Fleisch eines perlsüchtigen Tieres ist noch für genießbar zu erachten, wenn
das Tier gut genährt ist und die Perlknoten ausschließlich in einem Organe vorgefunden
werden, oder wenn bei deren Auffindung in mehreren Organen letztere doch Organe der-
selben Körperhöhle und miteinander direkt oder durch Lymphgefäße bez. durch solche
Blutgefäße, welche nicht dem großen Kreislauf, sondern dem Lungen- oder Pforladerkreislauf
angehören, verbunden sind. — In anderen Fällen ist das Fleisch ungenießbar.
Mecklenhurg-Sclnverin ". Rundschreiben an die Bezirkstierärzte betr. die sanitäre
Beurteilung des i-leisches tuberkulöser Tiere, vom 9. Mai 1895.
1. Als Nahrungsmittel gänzlich auszuschließen und nur technisch zu verwerten, sind
Tiere, bei welchen
a) im Fleisch, in den Knochen oder den zugehörigen Lymphdrüsen tuberkulöse Ver-
änderungen bemerkt werden;
b) oder sich die Erscheinungen der akuten mit Fieber verlaufenden Miliartuberkulose
vorfinden ;
c) oder die Abmagerung des Körpers schon weiter vorgeschritten ist und entweder
Tuberkeln zahlreich und ausgebreitet vorhanden sind, oder aber die Merkmale der
94
Fleischbeschau. 5Q5
sich durch die Verbreitung des Giftes auf deu Wegen des großen Kreislaufes kenn-
zeichneudeD allgemeinen Tuberkulose vorliegen.
2. Im gekochten Zustande (Ro h r b e c k 'scher Dampfkochappara«) für den Genießenden
nicht gesundheitsschädlich und deshalb mit dieser Beschränkung als Nahrungsmittel zuzu-
lassen, ist das Fleisch solcher Tiere, welche zwar in dem in Ziffer 1 c beschriebenen Um-
fang tuberkulös krank sind, aber deren Körper noch gut genährt oder doch nur unbe-
deutend abgemagert ist.
3. Im übrigen fehlt es an einem sanitätspolizeilithen Bedürfnis und widerspricht es
volkswirtschaftlichen Interessen, das Fleisch von Tieren, bei welchen sich tuberkulöse Ver-
änderunfcten in einem geringeren Grade zeigen, als in Zifler 1 und 2 angegeben ist, lediglich
wegen Tuberkulose dem freien Verkehr zu entziehen.
54) Bollinger, lieber die Venrendbarkeit des an Infektionskrankheiten leidenden Scklachlviehe»
D. Vurtelj. J. öff. Oesähtspfi. (1890/91) 23. Bd. 96. '
55) Eber-Johne, Abschnitt Tuberkulose in Koch's Encyklopädie d. Tierheük. 10. Bd. 386 436.
56) Bang, Ütsch. Zeitschr. f. Tiei-med. 11. Bd. 45.
57) Ostortag'a Handbuch 507.
58) Schmaltz, Berl. tierärztl. iVochenschr. (1895) Nr. 32 u. 33.
59) Rieck. Berl. Arch. 30. Bd. 1. — Berl. tierärztl. Wochenschr. (1893) Xr. 15.
60) Ostertag'a Hamlb. 2. Bd. 522.
61) Ostertag, Zeitschr. f. Fleisch- u Milchhyg. 1. Bd. Nr. 1. 2. — Handb. 526.
62) Nocard, Rev. mid. vä. Paris 5. Bd. 569, ref. D. med Wochenschr. 14 Bd. 660.
63) Galtier, Jourii de med. vet. et de Zool. (1Ö91) Nr. 1, ref. Zeitschr. f. Fleisch- u. Mdchhyg.
2. Bd. 1. Hejt. — Joum. de mid. vet. (1892) Aug., ref. Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg.
3. Bd. 1. Heft. — necueil de mid. vet. (1893) AV. 8, ref. Zeitschr. f. Heisch u. Milchhyg.
3. Bd. 178. — Joum. de mid. vit. 20. Bd. 449.
64) Bollinger, Hag em an n's Untersuchungen über dieinfektiosität des Blutes tuberk. Binder
.München, med. Wochenschr. (1893) Nr. 50.
65) Kastner , Experimentelle Beitrüge zur Infektiosität des Fleisches perlsüchtiger Binder.
Inaug.-Diss. München 1889. — Ein weiterer Beitrag zur Lehre ton der Infektiosität des
Fleisches perlsüchtiger Rinder, Münch. med. Wochenschr. (1892) No. 20, Zeitschr. f. Fleisch-
u. Milchhyg 2. Bd. 196.
6'3) Steinheil, Ueber die Infektiosität des Fleisches tuberk. Rinder, Inaug -Dias. München 1889.
67) Ostertag, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 2. Bd. 1. Heft.
68) PerroncitO, Centr. f. Bakt. 11. Bd. Nr. 14. — Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 2. Bd.
9. He/t.
69) Ostertag, Handb. 538.
70) Johne. Die Geschichte der Tuberkulose mit besonderer Berücksichtigung der Tuberkulose
des Rindes und die sich hieran knüpfenden medizinal- und veterinär-polizeilichen Konse-
quenzen, Leipzig 1883, D. Zeitschr. f. Tiermed. 2 Bd 67.
71 > Bang, D Zeitschr. f. Tiermed. 17. Bd. 1. Heft.
72) Forster, Hyg. Hdsch. 2. Bd. (1892) 869. — Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 3. Bd. 32.
— Forster wnd de Man, Hyg. Rdsch. 3. Bd., ref. Berl. tierärztl. Wochenschr. (1893) 638.
73) Forster, München, med. Wochenschr. (1890) 16.
74) Hartwig, D. Viertel), f. öff. Oesdhtspß. (1892) 24. Bd. 392.
75) Ostertag, Zeitschr. f. Fleisch- u Milchhyg. 2 Bd. 8. u. 10. HeJt.
76) Plaut, Zeitschr. f. Fleisch- u. Mdchhyg 2. Bd. 2. Heft.
77) Schmaltz. Berl. tierärztl. Wochenschr. (1892) Nr. 24.
78) Fischoeder, Zeitschr. f. Fleisch- a. Milchhyg. 2. Bd. 8. 24. 45.
79) Verö[}entl. des Kaiterl. Gesundheitsamtes 19. Bd. 501.
79a) Klepxow, Russ. Arch. f. Veterinärmed. (1895) 176.
79i) Klepzow, Ibid. 108.
79c) Schneidemühl, Die Tuberkulose der Menschen und der Tiere vom sanitäts- und Veterinär-
polizeilichen Standpunkte erörtert. Tiermed. Vorträge 3. Bd. (1895) Heft 8/10,
l%d) Edelmann. Deutsch, t Wochenschr. (189G) 141.
79«^ Batel, Die Vemendung des Fleisches tuberkulöser Tiere und die öffentl. Gesundheits-
pflege, Verhandlungen d. VI. intemat. tierärztl. Kongr., Bern 1895.
b) Milzbrand, Hauschbrand, Tollwut, Rotz.
Die Zusammenfassung dieser Seuchen erscheint für den vor-
liegenden Zweck deshalb angebracht, weil durch die Bestimmungen
des Reichsviehseuchengesetzes jedwede Verwertung des
Fleisches von Tieren, welche mit diesen Seuchen behaftet sind,
95
506 EDELMANN,
V erböte ii u n d d i e V e r ii i c li t u n i^- d e r K a d a v er vorge-
schrieben worden ist.
Der Rauschbrand ist zwar auf den Menschen nichtübertragbar
und im genannten Gesetz nicht besonders erwähnt worden; er wird
aber fast allenthalben wie Milzbrand behandelt. Besonders vorge-
schrieben ist letzteres in Sachsen und Sa chs en- iM einingen.
Der Milzbrand tritt in erster Linie beim Schaf, sodann bei Rind
und Pferd auf, während das Schwein sehr selten davon ergriffen wird.
Beim Wild kommt er ebenfalls vor. — Befund: Hochgradiger Milz-
tumor mit Verflüssigung der Pulpa, theerartige Beschaffenheit des Blutes,
Blutungen in den verschiedensten Orgauen, Degenerationen der großen
Parenchyme, sulzige oder hämorrhagische Infiltrate im Bindegewebe der
verschiedensten Organe. Im Blute, in der Milz, den serösen Flüssig-
keiten etc. die charakteristischen An thraxbacillen, durch
deren mikroskopische Feststellung stets in Zweifelsfällen die Diag-
nose zu stützen ist.
Beurteilung:. Der Genuß des Fleisches milzbrandkranker
Tiere ist zwar für gewöhnlich ohne nachteilige Folgen gewesen.
Dennoch ist das Fleisch, auf Grund des oben erwähnten Gesetzes, aus
mannigfachen sanitäts- und veterinärpolizeilichen Gründen zu ver-
nichten.
Der Kauselibrand kommt gewöhnlich nur bei jüngeren Rindern
vor und charakterisiert sich durch das Auftreten von ödematösen, gas-
haltigen, knisternden Anschwellungen bei hohem Fieber. Dieselben
treten in der Subcutis und im intermuskulären Gewebe, besonders an
Oberschenkel, Schulter, Unterbrust, Kreuz auf, von wo aus sie sich
schnell ausdehnen.
Ursache der Krankheit sind die Rauschbrandbacillen, gerade,
3 — 6 (.1 lange und ca. 1 fi breite bewegliche Stäbchen, welche nur im
Bindegewebe und den Muskeln, niemals im Blute leben. Bei Sporen-
bildung sitzen die Sporen, welche sehr resistent gegen Hitze sind, end-
ständig (Kitt«o).
Befand. Blutig-sulzige Beschaffenheit des Bindegewebes der An-
schwellungen, Nekrose der Haut daselbst, saftreiche, mit Gasblasen
durchsetzte Muskulatur an den erkrankten Stellen. Das vorhandene
Gas besitzt einen widerlich faden Geruch. Hämorrhagien unter
den Serösen und mitunter hämorrhagische Ergüsse in Brust- und Bauch-
höhle, Degeneration der großen Parenchyme, keine Blutverände-
rung und Fehlen eines erheblichen Milztumors. — Für
Verwechselungen kommen mechanische Emphyseme, Milzbrand und
malignes Oedem in Betracht.
Beurteilung. Das Fleisch rauschbrandkranker Tiere ist zwar
nicht gesundheitsschädlich für den Menschen, aber doch als hoch-
gradig verdorbenes Nahrungsmittel zu vernichten.
Die Tollwut kann bei Schlachttieren mit Sicherheit nur auf Grund
der beobachteten charakteristischen klinischen Symptome festgestellt
werden, deren Auseinandersetzung hier unterbleiben muß. Beurteilung.
Obwohl Erkrankungen von Menschen durch den Genuß des Fleisches
%vutkranker Tiere noch nicht beobachtet wurden, rechtfertigt sich dennoch
dessen unschädliche Beseitigung wegen der Gefahr der Wundinfektion
96
Fleischbeschau.
507
beim Zerlegen
Gründen.
der Kadaver und aus anderen veterinärpolizeilichen
Die Rotzkraiikhcit wird unter den Schlachttieren nur beim Pferde-
geschlecht beobaciitet und veranlaßt durch den Bacillus mallei.
Die Krankheit charakterisiert sich durch das Auftreten von Granulations-
knötchen, durch deren Zerfall auf den Schleimhituten und in der Haut
Geschwüre entstehen. Vorwiegend erkrankt der Respirationsapparat
und die zugehörigen Lymphdrüsen. Die Erkrankung der Haut (Ilotz-
geschwüre, Lymphangitis (VVurmstränge) und Phlegmone) wird als Wurm
bezeichnet. —
IJefund. Für die Erkennung der Rotzkrankheit ist die Untersuchung
im Leben und die Beachtung der charakteristischen Symptome in der
Nase, den Kehlgangslymphdrüsen und an der Haut von größter Be-
deutung. Bei der Sektion Knötchen, Geschwüre und unregelmäßige
strahlige Narben auf der Schleimhaut des Respirationsap])arates. In
der Lunge, welche vorwiegend erkrankt ist, Rotzneubildungen als kleine
Rotzknötchen oder als größere Infiltrationen (Rotzgewächse). Infolge
embolischer Verschleppung der Bacillen können auch Rotzknoten in Milz,
Leber, Nieren, Hoden, Gehirn, Muskeln und Knochen auftreten.
Fig. 25. Nasenscheidewand vom Pferd mit Rotzgeschwüren und einer Rotznarbe.
(Nach 0 s t erta g.)
Verweehseluiigeii sind mit einer ganzen Anzahl von Krank-
heiten geschehen. In Zweifelsfällen hat die mikroskopische Untersuchung
an Lymphdrüsen etc., die Bakterienkultur auf Kartotieln und das Tier-
experiment durch Impfung von Meerschweinchen zu entscheiden. —
Beurtciluns:. Wiewohl bereits vielfach Fleisch rotzkranker Tiere
von Menschen ohne Schaden für ihre Gesundheit genossen worden ist,
so ist dennoch das Verbot jeglicher Verwertung der Kadaver
aus den bei der Tollwut angeführten Gründen gerechtfertigt.
80) Kitt, Centralbl. /. BaH. 1 Bd. 684 (1887). — D. Zeüschr. f. Türmed. 13. Bd. 267.
c) Maul- und Klauenseuche.
Diese Krankheit, auch Ap h tlie nseuch e genannt, spielt für die
Fleischbeschau im engeren Sinne eine untergeordnete Rolle. Wohl
aber kann hier die Fleischbeschau der Veterinärpolizei schätzbare Dienste
leisten. Die Aphthenseuche kommt beim Klauenvieh vor, woselbst unter
fieberhaftem Allgemeinleiden Bläschen, Aphthen, auttreten, die mit einer
klaren Flüssigkeit gefüllt sind. Diese sitzen bei Rindern am Nasenspiegel,
Handbuch der Hj^cdc lid IH. Abtlg. 2. 33
97
508 EDELMANN,
an den Lippen und allen Teilen der Maulschleimhaut, sowie am Saume
und im Spalte der Klauen. Seiteuer sind Aphthen am Euter, dem Grunde
der Höruer und den äußeren Genitalien. Beim Schweine treten die Blasen
in erster Linie an den Klauen, daneben al)er auch auf der Rüsselscheibe
auf. Schafe erkranken vorwiegend am Saumband der Klauen. Beim
Platzen hinterlassen die Aphthen gerötete Erosionen, welche sich leicht
mit Epithel bedecken. — Die Aetiologie der Seuche ist noch dunkel,
der jedenfalls belebte Infektionserreger noch nicht sicher bekannt.
Beurteilung. Die Aphthenseuche kommt auch beim Menschen vor,
auf den sie meist durch die Milch aphthenkranker Kühe übertragen wird.
Alle Teile, welche Bläschen oder deren Folgezustände erkennen lassen,
können, soweit sie nicht als wertlos vernichtet werden (Klauen), nach
Abbrühen mit heißem Wasser in den Verkehr (Freibank) gebracht werden.
Das Fleisch ist in der Regel freizugeben ; nur bei septischen oder pyämi-
schen Nachkrankheiten der Seuche ist eine entsprechende vorsichtige
Beurteilung unter Erwägung aller Verhältnisse am Platze.
In 3Iitt6llrankcn wird das Fleisch an Aphthenseuche erkrankter Tiere (die Nach-
krankheiten ausgenommen) für ungenießbar erklärt, ebenso in SacllsCll-Meinillgen und
Anhalt; irj Hessen gilt es als genießbar, aber nicht ladenrein. (S. d. entspr. Bestimmungen
S. 454 ff.. Würz bürg S. 188.)
d) Pocken.
Pockenerkrankungen kommen gelegentlich bei Rind und Schaf,
seltener bei Pferd und Schwein vor. Sie alle sind auf den Menschen
durch absichtliche oder zufällige Infektion übertragbar und werden jeden-
falls durch ein- und denselben, noch unbekannten InfektionstofF hervor-
gerufen.
Da pockenkranke Tiere selten zur Schlachtbank kommen und deshalb
die Krankheit für die Fleischbeschau so gut wie bedeutungslos ist, so
kann hier schnell darüber hinweggegangen werden.
Beurteilung. Das Fleisch pockenkranker Tiere ist in der Regel
zum freien Verkehr zuzulassen, dafern nicht Symptome eines erheblichen
Allgemeinleidens vorliegen. Letzterenfalls würde das Fleisch als ver-
dorben im Sinne des N.-M.-G. der Freibank zu überweisen oder auch,
höheren Grades, als gesundheitsschädlich zu beurteilen sein. Das
Letztere hat stets zu geschehen, sobald die Pockenkrankheit, wie dies
bei Schafen mitunter der Fall ist, einen bösartigen Verlauf (Aas- und
Brandpocken; nimmt.
In Mittelfranken und Württemberg' erachtet man das Fleisch pockenkranker Tiere
für ungenießbar; ebenso in Aulialt bei Brand- und Aaspocken. (S. d. Bestimmungen
S. 454 fr.. Würz bürg .S. 188).
e) Tetanus.
Der durch die Tetanusbacillen (Nicolaier-Rosenbach) ver-
anlaßte Starrkrampf tritt am häufigsten beim Pferd im Anschluß
an eine Wundinfektion , nächstdem bei Kühen infolge Retentio secun-
dinarum auf. Erkrankte Tiere fallen zumeist der Xotschlachtung anheim,
und sichert in diesen Fällen das klinische Krankheitsbild die Diagnose.
Sektionsbefund. Obwohl charakteristische, pathologisch - anato-
mische Veränderungen fehlen, sind bei den in vorgeschritteneren
Stadien der Krankheit geschlachteten Tieren für die Fleischbeschau fol-
gende Umstände beachtenswert. Blut schvvarzrot, schlecht geronnen,
Fleischbeschan. 509
Farbstoff leiclit abgebend ; diiher kiuineii Imbibiiioneii, Kkchyniosen und
Blutunterlautiingen an verschiedenen Stellen zugegen sein ; venöse
Stauung. Lungen meist hyperaniisch, ödeniatös. Das Herz zeigt ejii-
und endocanliale Hhitungen , hier und an Leber und Nieren jiaren-
chymatöse Degeneration. Milz blutreich, schhilV. Mu.^kulatur schnell
erstarrend, nieist normal; nur an den besonders befallenen Gruppen
erscheint das Muskelgewebe mißfarl)ig graurot, wie gekocht, mürbe, von
Blutungen durchsetzt und inikr<»skopisch ist ein Verlust der Quer-
streifung und sciioUiger Zerfall wahrzunehmen.
Ueurteiluiiii-. Line Ueliertragung der Tetanusbacillen , die sieb
überhaupt nicht im lUute befinden, durch das Fleisch ist nicht zu be-
fürchten unil würde auch nach Sorniani^^ unbedenklich sein. Vor
allem kommt bezüglich des Fleischgenusses das Krankheitsstadium in
Betracht. In sehr zeitig geschlachteten Fällen, solange die tetanischen
Erscheinungen auf w'enige Muskeln beschränkt sind und eine Trübung
des Allgemeinbefindens nicht vorliegt, wird das Fleisch nicht zu bean-
standen sein. Bei leichten Fallen von Allgemeinerkrankung kann bei
Rindern vielleicht eine Ueberweisung an die Freibank verfügt werden,
während in schweren Fällen das Fleisch, als hochgradig verdorben, un-
bedingt zu vernichten ist. Die Forderung Sosna's**^, das Fleisch
aller tetanischen Tiere zu vernichten, ist zu weitgehend. Durch Ein-
wirkung von t)5 " können die giftigen Stofi'wechseli)rodukte der Tetanus-
bacillen zerstört werden (Ki tasato "^^j.
81) Somiani, Bolletino d Societä med.-chirurg. di Pavia (1889) Xo, 1, ref. Zeitschr. f.
Fleisch- u. Milchhyg. 1. lid. 26.
82) Sosna, Berl. tierärztl. Wochmschr. (1893) 14.
83) Kitasato. Zeitschr. f. Ilyg. 10. Bd. 267 — 305.
f) Malignes Oedem.
Die durch die charakteristischen Oedembacillen veranlaßte Krankheit
tritt spontan nur bei Pferden auf, woselbst sie schnell auftretende und
vorwärts schreitende Oedeme in der Subcutis unter heftigem, fieberhaftem
Allgemeinleiden veranlaßt. — Der anatomische Befund bietet, abge-
sehen von den Erscheinungen der Allgemeininfektion und den Ver-
änderungen an den ödematösen Stellen, nichts Besonderes. Bisweilen
findet eine Verwechselung der Oedembacillen mit Milzbrandbacillen statt.
Doch sind letztere unbeweglich, erstere beweglich.
Beurteilung. Wenn auch die Oedembacillen normaliter im Darm-
inhalte des Menschen als Saprophyten vorkommen und daher ihre Ein-
verleibung mit dem Fleische jedenfalls unschädlich sein würde, so wird
dennoch das letztere wegen mannigfacher objektiver Veränderungen meist
als hochgradig verdorbenes Nahrungsmittel gänzlich vom Verkehr
auszuschließen sein.
g) Aktinomykose.
Die Strahlenpilzkrankheit wird hervorgerufen durch die Ansiedelung
des Actinomyces bovis im Körper und kommt am häufigsten bei
Rind und Schwein, sehr selten bei Pferd und Sciiaf vor. Der Pilz er-
zeugt, je nach der Tierart und der Körpergegend, Phosionen, Geschwülste
(Aktinomykome") und Abscesse.
Hefuiid. Beim Rinde findet man am häufigsten die Zunge
erkrankt und daselbst Veränderungen von der einfachen aktinomykotischen
33*
99
510 EDELMANN.
Erosion und dem lokalen oder disseminierten Knötchen bis zur ausge-
dehnten aktinomykotischen Intiltriition der Schleimhaut und der Musku-
latur der Zunge (Holzzunge). Ausgangspunkt der Erkrankung ist,
wie Heuschel und Falk*^' richtig betonen, sehr häulig die kleine
Vertiefung der Schleimhaut vor dem Kückenwulst der Zunge. Nächst
der Zunge liudet mau häutig aktinomykotische Auftreibuugeu des
Fig. 26. Actinomyces bovis a ca. 200 mal, b ca. 500 mal vergröfscrt. (Nach Johne.)
Unter- und Oberkiefers (sogen. Wurm). In Schlund, Rachen
und den Vormagen kommen gestielte Aktinomykome vor, in den
Lungen kleinste Knötchen bis kopfgroße Geschwülste und ausgedehnte
Infiltrate. Die Geschwülste bieten im großen ganzen myxomatöse Schnitt-
flächen mit herdweiser eitriger Einschmelzung. Auch in der Haut und
der Unterbaut können sich an verschiedenen Stellen des Körpers
Aktinomykome entwickeln; ebenso im Euter. Endlich sind aktinomy-
kotische Erkrankungen in Darm, Milz, Nieren, Leber, am Bauchfell,
Zwerchfell, Brustbein, Rippen, wenn auch sehr selten, beobachtet worden.
Die Aktinomykome des Rindes sind im allgemeinen fibröse, sarko-
raatöse oder auch myxofibromatöse Geschwülste, auf deren Schnittflächen
man eingelagerte Stecknadelkopf- bis erbsengroße, schleimig - eitrige
Herde findet. In diesen erkennt man schon mit bloßem Auge sand-
korngroße, gell)e Körnchen, welche sich bei mikroskopischer Unter-
suchung als Aktinomycesrasen erweisen.
Beim Schwein sind die Tonsillen am häufigsten Sitz der
Aktinomykose fJohne^^). Außerdem finden sich nicht selten im Euter
und in der Kehlgegend, sowie bei den Kastrationsnarben der Bauch-
wand, kalte A bscesse, in deren Eiter ebenfalls die Aktinomyces-
rasen nachzuweisen sind. — Beim Schafe hat Grips ^^ einen Fall
von Lungenaktiuo mykose beobachtet.
Eine Generalisierung der Aktinomykose kann ebenfalls statt-
finden und ist von Hertwig^' und Messner ^^'^ bei Rind und
Schwein, von Jensen^* beim Rinde und KnolP^ beim Schwein be-
obachtet worden.
100
Fleischbeschau. 511
Verweehseluiiireii siud mit verschiedenen Geschwülsten und mit
Tuberkulose möglich , jedoch bei aufmerksamer Untersuchung und
mikroskopischer Prüfung zu vermeiden. Gegenüber der Tuber-
kulose ist besonders a u f d i e fast r e g e 1 m ä ß i g e I n t a k t h e i t
der korrespon d iere ndeii Lymphdrüsen bei uktino myko-
tisch e n Erkrankungen hinzu w eisen.
Beurteiluiii;. Obgleich die Aktinoniykose auch beim Menschen
vorkommt, so ist dennoch eine Uebertragung durch den Fleischgenuü
auszuschließen. Nur bei Generalisierung muß das ganze Tier dem Ver-
kehr entzogen werden. Hei partiell erkrankten Organen (Zunge, Kopf) sind
die aktinomykotisch erkrankten Stellen sorgfältigst zu entfernen und
die übrigen Teile freizugeben. In größerer Ausdehnung aftizierte Teile
sind als hochgradig verdorben zu vernichten.
h) Botryomykose.
Im Anschluß an die Aktinomykose mag hier die Botryomykose Er-
wähnung finden, obwohl sie beim Menschen noch nicht beobachtet wurde.
Sie besitzt für die Fleischbeschau eine unter-
geordnete Bedeutung, da sie verhältnismäßig
selten und fast ausschließlich beim Pferde ^-^ .\
vorkommt. Hier tritt sie auf in Gestalt fibröser <^^iJr^C -)
Knoten und Geschwülste, welche central in er- ^. , - , -"^^ '• ..
weichten gelbbräunlichen Stellen gelblichweiße, . ■' . T
sandkorngroße Körnchen enthalten. Letztere
sind pathognomisch (John e ^") und bestehen
aus traubenförmigen Konglomeraten dicht zu-
sammenliegender Mikrokokkenhaufen. Diese ''^^^^,'^^^^3
sind verschieden benannt worden : Botryomyces *" ^^
(Bollinger), Discomyces er^ui (Rivolta), Fig. 27. Botryomyceskolonie.
Micrococcus ascoformans (Johne), Micro- (Nach Rabe.)
coccus botryogenus (Rabe^^).
Betirteilung. Eine Generalisierung botryomykotischer Prozesse wurde
bisher noch nicht beobachtet. Die erkrankten Teile sind als hoch-
gradig verdorben zu vernichten.
84) Henschel und Falk, Zeüschr. /. Fleisch- u. Müchhyg. 2. Bd. 167.
85) Johne, Ij. ZeiUchr. f. Tiermed. 7. Bd. 141. — Centralbl. f. d. med. U'iasensch. (1882)
Xr. 15.
86) Grips. Hamburger Mitteü. f. Tierärzte 2. Dd. 1. Heft.
87) Hertwig, OtteHag't Handb. 559.
87a1 Messner. Zeitachr. f. Fleisch- u. ililchhyg. 6. Bd. ^\.
88) Jensen. Monatth. f. prakt. Tierhetlk. 4. lid. 4. Heft.
89) KnoU, herl. tierärztl. Wochentchr. (1891) 213.
90) Johne, 1>. ZeU$chr. f. Ttermed. 12. Bd. 73 u. 204.
91) Habe, D. Zeitschr. f. Tiermed. 12. Bd. 138.
Anhang.
a) P y ä m i s c h e E r k r a n k u n g e n.
Die verschiedenen Formen der Pyämie charakterisieren sich patho-
logisch-anatomisch durch metastatische oder embolische Entzündungen
und Eiterungen, welche sich an eine lokale Infektion oder Eiterung an-
schließen. Auch eine Osteomyelitispyämie kann, als Ausdruck der
Generalisierung der Eitererreger, auftreten. Letztere gehören ver-
512 EDELMANN,
schiedencn Bakterienarteu, meist den Gattuugeu Staphylococcus
und Streptococcus au. Wiihrend des Verlaufes der eigen tlicheu
Pyaniie, d. h. solange die Mikroorganismen im Blute kreisen, ist das
Allgemeiulietinden der Tiere erheblich getrübt, Abmagerung stellt sich
ein und nach der Schlachtung machen sich leichte Degenerationen
der Parenchyme, Milztumor, punktförmige Blutungen in der Niere etc.
bemerkbar. Letztere Erscheinungen sprechen dafür, daß von denpyogenen
Mikroorganismen erzeugte deletäre Stotfe im Blute vorhanden sind. .
Erkennung. Die Pyämieformeu der Schlachttiere treten als sehr
verschiedene Krankbeitsbilder auf. Am häufigsten kommt die pj^ämische
Form der sogen. Kälberlähme vor, welche sich infolge eitriger In-
fektion des Nabels entwickelt. Sie macht sich bemerkbar als Polyarthritis
pyaemica, welche besonders die Karpal- und Tarsalgelenke, Ellenbogen-
und Kniegelenke betrifft (Utz^^^
Außerdem findet man noch bei Schweinen, wenn auch selten, im
Gefolge der Schweineseuche pyämische Abscesse in Leber, Milz und
Muskulatur, sowie bei Schafen und Kälbern, im Anschluß an eitrige
Pneumonien, multiple Abscesse in zahlreichen Eingeweiden und insbe-
sondere auch in den Muskellymphdrüsen.
Beurteilung. Da die Erreger der Eiterungen bei Tieren jeden-
falls identisch mit denen beim Menschen sind, und dieselben in den
Gewebssäften sicher chemische GiftstoÖe erzeugen, so muß das Fleisch
pyämischer Tiere, während die Krankheit als solche besteht,
als g esun d hei tsschädlich angesehen werden (Dambacher^^).
Mannigfache Erkrankungen sind auch bereits bei den Menschen durch
den Genuß des Fleisches pyämischer Tiere beobachtet worden (siehe
Fleischvergiftungen S. 536). Außerdem wird das Fleisch wegen der
mannigfachen Abscesse, besonders wenn dieselben in der Muskulatur oder
deren Lymphdrüsen auftreten, oder sobald dasselbe infolge Kachexie oder
VVässerigkeit vom normalen erheblich abweicht, als hochgradig ver-
dorbenes Nahrungsmittel vom Verkehr auszuschließen sein. — Nur die
abgeheilten Formen der Pyämie mit abgekapselten Ab-
scesse n, welche sich auf die Eingeweide beschränken, lassen bei sonst
gut genährten Tieren eine mildere Beurteilung zu, die sich nach der
Hochgradigkeit der Erkrankung zu richten hat (Freigabe oder Frei-
banküberweisung).
b) Septikämische Erkrankungen.
Die Septikämie hat für die Fleischbeschau, besonders auf dem
flachen Lande, die allergrößte Bedeutung. Sie spielt eine große Rolle
bei Notschlachtungen (S. 428) und erfordert vom Ijeurteilenrlen Sach-
verständigen größte Gewissenhaftigkeit und gründlichste Kenntnisse.
Die Septikämie ist ihrem Wesen nach bei den Haustieren noch nicht
genügend erforscht. Sie ist entweder eine schNvere Vergiftung des Ge-
samtorganismus, eine septische Intoxikation, veranlaßt durch
die Aufnahme von Produkten bakteritischer Zersetzungen (Toxine, Fer-
mente, toxigene Substanzen) in das Blut, oder eine septische In-
fektion des Blutes mit pathogenen Bakterien, welche sich in demselben
vermehren und Toxalbumine erzeugen, oder eine Kombination
von Intoxikation und Infektion. Als Erzeuger der toxischen Sub-
102
Fleischbeschau. 613
Stanzen dürften pathogene Staphylokokken und Streptokokken eine
Rolle spielen. An den Ansiedelun^'sorten dieser deletären Or^'anismen
fehlt es nicht selten an auffallenden krankhaften Ver-
änderungen. Auch würde es einen v erhil ngnis volle n Irrtum
bedeuten (Oster tag), Sepsis nur dann anzunehmen, wenn
Nekrose und Fäulnis (stinkender Brand) an einem Primär-
herde zugegen sind.
Die Erkenn uns der Septikäniie ist am geschlachteten Tiere oft
recht schwer und eine sichere Diagnose läßt sich vielfach nur unter
Würdigung des klinischen Verlaufes der vorangegangenen Erkrankung
in Verbindung mit einer richtigen Deutung der oft wenig auffallenden
pathologisch- anatomischen Veränderungen stellen.
Von den klinischen Erscheinungen ist hervorzuheben
starke psychische Depression, große Schwäche und hohes
Fieber, das, wie Ostertag sehr richtig hervorhebt, bei Rindern nur
bei septischen Erkrankungen und den typischen Infektionskrankheiten
beobachtet winl. Bei der Sektion sind in erster Linie zu beachten
die regelmäßigen und meist auffälligen trüben Schwel-
lungen der Leber, des Herzeus und der Nieren, sowie häufig kleine
Blutaustretungen im subserösen Bindegewebe und das schon oben er-
wähnte Fehlen stärkerer Veränderungen an den übrigen Eingeweiden.
Die septikämischen Erkrankungen der Schlachttiere treten nach
Ostertag^* hauptsächlich in folgenden Formen auf:
1) Die septische Form der Kälberlälime (Polyarthritis septica) in-
folge septischer Nabelinfektion. Abgesehen von den Parenchj'merkran-
kungen ist seröse Arthritis mit sulziger Infiltration der periartikulären
Teile, besonders der Tarsal- nnd Karpalgelenke, vorhanden.
2) Die hämorrhagische Enteritis der Kälber. Schneller Verlauf,
so daß es gar nicht zu Trübungen der Pareuchyme kommt ; Erscheinungen
der hämorrhagischen Enteritis, hämorrhagische Schwellung der Mesenterial-
drüsen, Petechien unter den serösen Häuten.
3i Die septische Metritis der Kühe kommt ziemlich oft vor im An-
schluß an Retention der Eihäute oder Verletzungen der Geburtswege.
In letzteren in der Regel diphtheritische Verschorfungen und Geschwüre.
4) Septische Darmerkrankungen der Rinder. Symptomatologie
noch lückenhaft. Jede mit schwereren Allgemeinleiden einhergehende
Darmentzündung bei Rindern ist verdächtig.
5) Septische Euterentzündungen der Kühe. Erhebliche, sich schnell
ausbreitende Entzündung des Euters mit sehr schwerem Allgemein-
leiden. Sektion : Euterbefund, Parenchymveränderungen, Blutungen.
6; Petechialfieber, Blutfleckenkrankheit, Morbus maculosus, beim
Pferd (sogen. Pferdetyphus), sehr selten beim Rind vorkommend. Wesen
und Aetiologie noch nicht sicher bekannt. Eine Infektions- oder Intoxi-
kationskrankheit, welche sich charakterisiert durch Blutungen in sämt-
lichen Organen, blutig-seröse Ergüsse in Haut und Subkutis, den Schleim-
häuten und in der Muskulatur, welche zum brandigen Zerfall neigen. Die
Blutungen , nebst den hochgradigen Degenerationen von Herz , Leber,
Nieren, Skelettmuskulatur, lassen das Petechialfieber der Septikämie ver-
wandt erscheinen, wenn auch sein Verlauf vielfach erheblich von dem
anderer Septikämieformen abweicht.
Beurteilung. Auf Grund der bei den zahlreich vorgekommenen
Fleischvergiftungen gewonnenen Erfahrung, daß das Fleisch mit Sepsis
103
514 EDELMANN,
behafteter Schlachttiere die menschliche Gesundheit erheblich zu schä-
digen geeignet ist, muß jedes Erscheinungen der Sepsis zeigende oder
derselben erheblich verdächtige, geschlachtete Tier vom Genüsse
ausgeschlossen werden.
c) Multiple Muskelblutungeu bei Schweinen.
Mit den bei septischen Erkrankungen auftretenden Blutungen dürfen
nicht verwechselt werden die multiplen Hämorrhagien, welche
nicht selten bei Mastschweinen vorkommen. Hauptsächlich findet
man sie im Zwerchfell, sodann in Bauch- und Lendenmuskeln,
seltener vereinzelt in Extremitätenmuskeln oder über die gesamte Mus-
kulatur verteilt. EUinger^^ hebt hervor, daß er die Blutungen be-
sonders häufig im M. obturator. internus gefunden habe. — Die Ent-
stehung dieser Muskelblutungen ist auf Zerreißung von Muskelfibrilleu
zurückzuführen (0 s t er t a g ^ '^). Als Grund hierfür muß die hochgradige
Fettiufiltration des contraktilen Inhaltes der Muskelschläuche bei ge-
mästeten Schweinen angesehen werden, welche die Muskeln zu plötzlichen,
stärkeren Arbeitsleistungen unfähig macht. Da solche häufig den
Schweinen vor ihrer Schlachtung (Transport etc.) zugemutet werden, so
ist es erklärlich, wenn einzelne Muskelfasern den Ansprüchen nicht ge-
wachsen sind und zerreißen.
Beiirteihing. Gesundheitsschädlichkeit des Fleisches liegt zwar nicht
vor, jedoch erhält die Muskulatur, infolge multipler Blutungen, ein er-
heblich vom Normalen abweichendes Aussehen. Deshalb sind kleinere
Partien zu entfernen. Beim Ergriifensein zahlreicher Muskeln ist das
Fleisch unter Deklaration zu verkaufen.
d) Putride Intoxikationen.
Die neuerdings vom Krankheitsbilde der Septikämie abgetrennte
putride Intoxikation oder Saprämie(Ostertag) ist in der prakti-
schen Fleischbeschau verhältnismäßig selten zu beobachten, weil septische
Vorgänge zumeist mit einhergehen. Die Saprämie ist eine Blutvergiftung
durch Resorption der Stoffwechselprodukte von Sapro phyten (Fäulnis-
bakterien). Dieselben veranlassen zwar ein Allgemeinleiden; dasselbe ist
aber nicht erheblich, weil die im Blute vorhandenen Giftstoffe jedenfalls
durch die lebenden, gesunden Zellen zerstört werden. Parenchymerkran-
kungen fehlen bei der Sektion saprämischer Tiere vollständig. Zur
Beobachtung gelangen rein saprämische Krankheitsbilder mitunter bei der
Pericarditis traumatica der Rinder. Das Fleisch dieser Tiere
wird jedoch, in Anbetracht der Erheblichkeit des Leidens, meist der Frei-
bank zu übergeben sein. Nicht selten ist es wäßrig, oder es sind
weitere Organ erkrankungen vorhanden, weshalb mitunter die Vernichtung
des als hochgradig verdorben zu betrachtenden Fleisches geboten er-
scheint.
92) TJtz, Tierärztl. MiUeü. (1890) 161.
93) Dambacher, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 3. Bd. 5.
94) Ostertag, Jlandb. 482.
95) Ellinger, ßtrl. tierärztl. Wbchenschr. (1895) 109.
96j Ostertag, Arch, /. wissemch. u. praht. Tierheilk. 15. Bd. 4. u. 5. Heft.
104
Fleischbeschau. 515
2. Den Schlacht ti er en eigentümliche Infektion skran k-
heiteu, welche nicht auf den Menschen übertragbar sind.
a) Seuchenhafte Schweinekrankheiteu.
1) Sch\Y e ine rut lauf.
Der Schweinerotlauf, wegen seiner Aetiologie auch Stäbchen-
rotlauf genannt, ist eine, besonders bei edlen Schweinen seuchenhaft
auftretende, akut verlaufende Krankheit, hervorgerufen durch spezitische,
von Löffler entdeckte Bacillen. Sie verläuft mit den Symptomen
einer Septikämie, deren pathologisch-anatomischen Befund sie teilt (s.
die Arbeiten von L öf fler '-•', Seh ü tz ***, Lydtin undSchotte-
lius '-'" u. A.).
Die Schweinerotlauf bacillen sind etwa 0,8 — 1,5 fx. lang, 0,1 — 0,2 (i
breit und färben sich mit basischen Anilinfarben, sowie auch nach Gram.
In Xährgelatine nehmen Stichkulturen bei Zimmertemperatur nach 3 bis
4 Tagen die charakteristische Gläserbürstenform an (Schottelius).
Die Bacillen sind zwar gegen atmosphärische Einflüsse nicht besonders
widerstandsfähig, lassen sich aber durch die. üblichen Zubereitungs- und
Konservierungsmethoden des Fleisches nach Petri's ^"° Untersuchungen
nicht töten. Kochen in Dampfkochapparaten vernichtet die Bacillen.
Häufigkeit. Nur aus Baden liegen statistische Erhebungen von
den Jahren 1875 — 84 vor, nach denen 1,8 Proz. des Schweinebestandes
an Rotlauf erkrankten.
Befund. Dunkle Hautröte, die sich bis in den Panniculus adi-
posus erstreckt, zuerst an den abhängigen Körperstellen und den inneren
Schenkelflächen, dann aber auch an den übrigen Hautpartien. Geringe
Totenstarre oder Fehlen derselben. Darmentzündung mit besonderer
AÖektion der LymphfoUikel, sowie Schwellung und Hämorrhagien der
Mesenterialdrüsen. Milz geschwollen und blauroth. Blutungen unter
den serösen Häuten. Starke Degenerationen von Leber, Herz, Nieren
und Muskeln. — Bei geschlachteten Tieren fallen natürlich diese Er-
scheinungen weniger auf als bei verendeten.
Erkennung aus dem charakteristischen anatomischen Befunde in
Verbindung mit dem Bacillennachweise und der Anlegung einer Stich-
kultur.
Für Verwechselungen kommen in Betracht mechanische und
thermische Ery theme, Urticaria, das seltene Kopferysipel
und die Seh wein eseu che. Durch Vergleichung der einzelnen
Symptome läßt sich die richtige Diagnose unschwer stellen.
Bezüglich der Urticaria, dem sog. Nesselfieber der Schweine, scheint
durch neuere Untersuchungen von Lorenz* <>i, Jenseni'^^^ Lüpke*"^
u. A. ein ätiologischer Zusammenhang mit dem Schweinerotlauf erbracht
zu sein. Die Krankheit besteht in einem unter leichtem Allgemeinleidea
auftretenden hämorrhagischen Quaddelausschlag über dem ganzen Körper.
Derselbe zeigt sich nach der Schlachtung meist als rote, rhombische
Flecke, die sich bis in die Subcutis erstrecken.
2) S c h w e i n e s e u c h e und Schweinepest.
Während bis vor kurzem Schweineseuche und Schweinepest für zwei
verschiedene Krankheiten angesehen wurden, kommt man jetzt, auf
516 EDELMANN,
(irimd neuerer Untersuchungen, mehr und mehr dazu, dieselben
als identisch und nur als verschiedene Zustände ein und derselben
Krankheit aufzufassen. (Zs ch ok ke^^'S Prus^^ia^ Schin dclkai"^").
Obschon die Symptome beider Krankheiten von einander abweichen,
scheinen sie dennoch ätiologisch gleich zu sein Bei beiden Krankheiten
findet man ovoide Bakterien (Coccobakterien) von 1,2—1,5 ii Länge
und 0,5 u Breite, welche morphologisch übereinstimmen und nur in
ihren biologischen Verhältnissen kleine Verschiedenheiten aufweisen.
Allen Krankheitsformen gemeinsam sind die Erscheinungen eines
schweren oder leichteren fieberhaften Allgenieinleidens, das sich, be-
sonders bei den im akuten Stadium geschlachteten Tieren, in den be-
kannten trüben Schwellungen der Parenchyme, mangelhafter Totenstarre,
nach Befinden Blutungea in den Nieren, Milztumor u. s. w. äußert.
Befund. Die Seh weineseu che, auch deutsche Schweine-
seuche genannt, im Gegensatz zur amerikanischen Schweine-
seuche, die man als Schweinepest abtrennte, wurde zuerst von S c h ü t z ^ '^ ■'
und Löffle r anatomisch und bakteriologisch untersucht. Man unter-
schied eine ex an thematische, pektorale und intestinale
Form, welche nicht selten miteinander vereinigt vorkommen.
Die exan thematische Form kommt wesentlich beiden perakut
und akut, unter dem Bilde einer eigentlichen Septikämie, verlaufenden
Fallen vor und zeichnet sich aus durch rote bis livide Färbung der
Haut an den abhängigen Körperstellen mit Oedem des Fettgewebes.
Bei der pektoralen Form findet man eine Pleuropneumonie mit
multipler Nekrose. Pericarditis und Pleuritis können mit einhergehen.
Schwellung der Bronchialdrüsen, seltener Verkäsung.
Die sogen. Intestinale Form nähert sich dem Krankheitsbilde,
das man bisher als Schweinepest (amerikanische Schweineseuche,
hog-cholera, pig-fever, swine-plague) abtrennte. Hier findet man im
Darmkanale, besonders im Dickdarm, umfangreiche Geschwüre, welche
oft knopfartig hervorragen , mit kroupös - diphtheritischem Belag, oder
umfangreiche Nekrosen und Verkäsungen. Mesenterialdrüsen geschwollen,
induriert, bisweilen verkäst. Nicht selten beobachtet man hämorrhagisch-
nekrotische Stellen und Verschorfungen am Kopf, an der Zungen-,
Backen-, Gaumen-, Kehldeckelschleimhaut, am Zahnfleisch und den
Tonsillen. Häufig kommt bei den mehr chronisch verlaufenden Formen
auch Hautnekrose vor. Gerade die letztgenannten diphtheritisch-nekro-
tischen Prozesse an verschiedenen Körperteilen dürften, in Verbindung
mit geringen biologischen Verschiedenheiten der gefundenen Krankheits-
erreger, zur Aufstellung des besonderen Krankheitsbildes der Schweine-
pest geführt haben (vgl. die Arbeiten von Schütz^"^, Selander^^',
Salmon'^S Frosch'osa^ Bang^^s, Deupser^io, Graf-
fun der ^'^ u. A.j.
Auf die Residuen dieser Seuchen wird von Ostertag mit Recht
besonders hingewiesen. Bei der pektoralen Form findet man Sequester
in den Lungen und pleuritische Verwachsungen; bei der sog. intesti-
nalen Form Verkäsungen der Darrawand und Indurationen der Me-
senterialdrüsen.
Für Verwechselungen kommt am meisten die Tuberkulose in
Betracht, sodann aber auch der S ch weine rotlau f. Bezüglich der
ersteren sei besonders darauf hingewiesen , daß eine Erkrankung der
Lymphdrüsen bei diesen Seuchen zu den Seltenheiten gehört, während
sie bei Tuberkulose die Regel bildet und daß, sobald bei den Schweine-
ic6
Fleischbeschau. 517
seiicheformen eine Verkäsung einer Drüse vorkommt, dieselbe zumeist
total ist und keine herdweise, wie bei der Tul)erkulose.
Beurteilung. Wenn auch das Gesamtbild der vorbesprochenen
drei seuchenhaften Schweinekrankheiten dem der Septikänne sehr ähn-
lich ist, so sind dennoch sicher die durch die si)ezitischen Mikroorganismen
erzeugten Toxine anderer Art, als bei der eigentlichen Sepsis. Bei
keiner der drei aufgeführten Scliweineseuchen ist bisher eine Schädigung
der menschlichen Gesundheit durch den Genuß des Fleisches daran
leidender Tiere beobachtet worden. Für die Verwertung des Fleisches
kommt in Betracht, in welchem Stadium der Krankheit die Tiere ge-
schlachtet werden. Bei abgelaufenen Erkrankungen kann nach Be-
finden eine Freigabe des Fleisches erfolgen, dafern sich eine solche
nicht aus veterinärpolizeilichen Gründen verbietet. Erfolgt die Schlach-
tung im Anfange des akuten Stadiums, so wird eine Uei)erweisung des
Fleisches an die Freibank notwendig sein, während in späteren Stadien
das Fleisch als hochgradig verdorbenes Nahrungsmittel zu vernichten,
oder nur technisch zu verwerten ist.
Neuerdings ist für die vorgenannten drei Seuchen der Schweine in
den meisten Staaten Deutsclilands die Anzeigepflicht eingeführt und
vielfach aus prophylaktischen Gründen vorgeschrieben worden, dafs eine Ab-
gabe des Fleisches von mit diesen Seuchen behafteten Tieren nur nach vor-
heriger Pökelung oder Kochung erfolgen darf,
Preufsen, Mioisterialerlafs vom 9. Juli 1894. — Sachsen, Verordnung des
Ministeriums des Innern vom 10. Mai 1895.
97) Löfifler, Arbeiten aus dem haiserl. Gesundheitsamt 1. Bd. 46.
98) Schütz, Arch. f. Tierheük. (1885) 272. 361, (1886) 30. — Arh. a. d. Kaiserl. Gesund-
heitsamt (1885) 57.
99) Lydtin und Schottelins, Der Rollauf der Schn-eine, seine Entstehung und Verhütung etc.
Wiesbade/i 1885.
100) Petri. Arb. a d. Kaiserl. Gesundheitsamt 6. ßd. 2. Heft.
101) Lorenz. Arch. f. Tierheilk. 18. Bd. 39. — Bad tierärztl. Mitted. 27. Bd. No. 3.
102^ Jensen. D. Zeitschr. f. IHermed. 18. Bd. 278, 19. Bd. 40.
103) Lüpke. Ostertag's Handb. 586.
104) Zschokke, Schveiz. Arch. f. Tierheük. 37. Bd. 170 u. 283.
104a) Pru8, Oesterr. Zeitschr. f. icissenschaftl. Veterinärk. 7. Bd.. 3. Heft.
1046) Schindelka, Tierärztl. CetUralbl. (1896) Heft 1—4.
105) Schütz, Arb. a. d. Kaistrl. Gesundheitsamt (1886) 376.
106) Schütz, Arch. f. Tierheilk (1888) 376.
107) Seiander, Centralbl. f. Bakt 3. Bd No 12.
108) Salmon, Hog-Cholera, Washington 1889
108a) Frosch, Centralbl. f. Bakt. Bd 9.
109) Bang, Maanedskriit for Dyrlaeger 4 Bd. 194.
110, Deupser. Berl. tierärztl. Wochenschr. (1894) 100.
111) Graffunder, Berl. tierärztl. Wochenschr. (1894) 39.
b) Lungenseuche des Rindes.
Für die Fleischbeschau .spielt diese Seuche nur eine untergeordnete
Rolle, da sie nur selten zum Einschreiten aus sanitären Gründen Ver-
anlassung giebt. Die Lungenseuche ist eine chronisch verlaufende, infek-
tiöse Erkrankung des Respirationsapparates der Rinder, deren Erreger
noch der weiteren Erforschung bedürfen.
Befund. Charakteristisch ist die in der Regel einseitig auftretende
Pleuropneumonie, welche sich durch auffallend starke Beteiligung (Hyper-
ämie, Oedem etc.) des interlobulären Lungengewebes, sowie durch das
Auftreten verschiedenaltriger Hepatisationsstadien nebeneinander aus-
107
518 EDELMANN,
zeichnet (marmorierte Schnittfläche der Lunge). Pleuritis serofibrinosa.
Sequestevbililung kann vorkommen.
Beurteilung. Das Fleisch von lungenseuchekranken Tieren ist in
der Regel bankwiirdig. Erfolgt die Schlachtung während des akuten,
tieberhaften Zustandes, so ist das Fleisch dem Deklarationszwange zu
unterwerfen. Haben sich sekundäre krankhafte Veränderungen (Ab-
magerung, Oedeme, Wässrigkeit des Fleisches) entwickelt, so ist eine
Vernichtung des Tieres angezeigt.
Nach dem Reichsviehseuchengesetz sind die Lungen 1 m tief zu vergraben. Das
Fleisch darf vor völligem Erkalten nicht aus dem Gehöft ausgeführt werden.
c) Rinderpest.
Nur der Vollständigkeit wegen mag diese höchst infektiöse Seuche Erwähnung finden,
die seit Jahren in Deutschland nicht aufgetreten ist. Ihre Aetiologie ist noch nicht auf-
geklärt, die Beschreibung des anatomischen Befundes kann hier unterbleiben. Zu Ver-
wechselungen mit Rinderpest haben Veranlassung gegeben Vergiftungen und das bös-
artige Katarrhallieber.
Obgleich das Fleisch pestkranker Rinder dem Menschen nicht schädlich ist, so ist
dennoch aus veterinärpolizeilichen Gründen die gesetzliche Vorschrift, daß die Kadaver
der wegen Rinderpest getöteten bez, an dieser Krankheit gefallenen Tiere zu verscharren
sind, vollständig gerechtfei tigt.
d) Bösartiges Katarrhalfleber des Rindes.
Das bösartige Katarrhalfleber (Kopfkraiikheit) der Rinder ist eine
ätiologisch noch nicht aufgeklärte, sicher infektiöse Krankheit, welche
sich durch hochgradige katarrhalische, kroupöse oder brandige Ent-
zündungszustände der Schleimhäute der Nase mit ihren Nebenhöhlen,
Augenentzündung unter hochgradigem Allgemeinleiden und nervösen
Zufällen auszeichnet. Sekundäre verschiedengradige Entzündungen des
Verdauungs- und selbst des Urogenitalapparates können eintreten. Das
Katarrhalfleber kommt meist sporadisch, jedoch auch endemisch vor.
Der Sektionsbefimd entspricht den erwähnten klinischen Er-
scheinungen. Besonders hervorzuheben ist die Aöektion der Augen und
das Fehlen von Degenerationen der Parenchyme, beides wegen der
differentiell-diagnostischen Bedeutung gegenüber der Rinderpest.
Beurteilung. Gesundheitsschädigungen durch den Fleischgenuß
sind bis jetzt nicht beobachtet worden. Bei Beschränkung der Krank-
heit auf die Respirationswege kann das Fleisch unter Deklaration ver-
kauft werden. In vorgeschritteneren Krankheitsstadien dürfte, zugleich
wegen der schnell eintretenden Abmagerung, das Fleisch als hochgradig
verdorbenes Nahrungsmittel zu beurteilen sein.
e) Wild- und Rinderseuche.
Bei Hoch- und Schwarzwild, sowie bei Rindern und Schweinen, tritt
meist endemisch, eine Seuche auf, welche zuerst von Bollinger^^^ ^Is
besondere Krankheit erkannt wurde, und nach den Untersuchungen von
Kitt ^' 2a durch die Bakterien der Septikämia hämorrhagica (Hüppe ii2b^
(Schweineseuche- (?) Geflügelcholerabakterien) veranlaßt wird. Die Krank-
heit tritt in zwei bis drei Formen auf, deren anatomischer Befund dem
klinischen Verlauf entspricht.
Eefund. Die exanthematische Form ist die gewöhnlichste beim
Rinde und verläuft innerhalb 3 Tagen unter schwerem Allgemeinleiden
io8
Fleischbeschau. 510
*
tödlich. Man tiiidot erhebliche ödematöse Anschwellungen des Binde-
gewebes an Gesicht, Kehlgang, Zunge, Hals, Triel ; Hämorrhagien in den
verschiedensten Organen, parenchymatöse Degenerationen. Die pektorale
Form, welche mehr beim Wilde auftritt und in 5 — 6 Tagen zum Tode
führt, charakterisiert sich als eine kroupöse Pneumonie mit Pleuritis.
Beide Formen sind in der Regel begleitet von einer hämorrha-
gischen Enteritis.
Verwechselungen sind am ehesten mit Milzbrand und Lungen -
Seuche möglich. Das Fehlen von Milztumor und Anthraxhacillen in
dem nicht theerartigen Blute schützt vor Verwechselung mit Anthrax;
die Gleichaltrigkeit des pneumonischen Prozesses vor einer solchen mit
Lungcn.^ouche.
Beurteilung. Eine direkte Gesundheitsschädlichkeit des Fleisches
ist noch nicht beobachtet worden. Da bei dem schnellen Verlauf der
Krankheit das Fleisch in der Regel die Eigenschaften eines hochgradig
verdorbenen Nahrungsmittels annimmt, so ist dasselbe vom Genüsse aus-
zuschließen. Dies rechtfertigt sich auch aus veterinärpolizeilichen Gründen.
f) Diphtherie der Kälber.
Bei Saugkälbern kommt mitunter eine kroupös-diphtheritische Entzün-
dung der Maul- und Rachenschleimhaut vor, welche unter Allgemeinleiden
meist innerhalb 4 — 5 Tagen tödlich verläuft. Die Krankheit ist zuerst
von Dam mann beschrieben worden. Sie hat nach den Untersuchungen
Löffler's zu der Diphtheritis des Menschen keine ätiologischen Be-
ziehungen.
Beurteilung. Erlahrungen über etwaige nachteilige Eigenschaften
des Fleisches liegen nicht vor. Wenn die Tiere auf der Höhe der Krank-
heit zur Schlachtung gelangen, dürfte, schon wegen des Allgemeinleidens,
das Fleisch als ungeeignet zur menschlichen Nahrung zu begutachten sein.
g) Ruhr der Kälber.
Die enzootisch auftretende sogen, weiße Ruhr der Kälber führt nicht
selten zu Notschlachtungen. Nach Jensen ^^^ wird die Krankheit
hervorgerufen durch einen, vielleicht mit dem Bacterium coli commune
identischen Erreger.
Befund. Abmagerung , Enteritis , Petechien unter den Serösen,
schmutzigrote Verfärbung der Skelettmuskulatur.
Beurteilung. Wenn die Kälber frühzeitig geschlachtet werden, ist
in der Regol eine Ueberweisung des Fleisches an die Freibank noch
angängig. In späteren Krankheitsstadien erlangt das Fleisch die Eigen-
schaften eines gesundheitsschädlichen Nahrungsmittels.
h) Muskolstrahlenpilze.
Im Schweinefleisch wurden von Duncker''' Gei)ilde gefunden,
welche nach ihrem Bau dem Strahlen])ilz des Rindes ähnlich waren.
Dieselben sind zwar nicht identisch mit dem Actinomyces bovis, jedoch
zweifellos pilzlicher Natur (Jolme ' * '') und verdienen auch wegen
ihres Aussehens die Bezeichnung Strahlenpilze. AuLkt beim Schwein
sind die Pilze von Ilertwig''" beim Schafe und von Falk*^* beim
Kalbe gefunden worden.
109
520
EDELMANN,
Befund. Innerhalb normaler Muskelfasern zeigen sich bei schwacher
Vergrößerung einzelne schnuitzigbraune Stellen, in welchen scharf um-
schriebene (hnikle, in der Mitte hellere Körper
mit wulstigem Rande liegen. An letzterem
macht sich bei starker Vergrößerung eine deut-
lich radiäre Streifung bemerkbar. Nach Her t-
wig^'** sitzen die Pilze vorwiegend in den
Zwerchfellpfeileri), Bauchmuskeln uudZwischen-
rippenmuskehi. Bei massenhaftem Vorkommen
ist in der Regel das Fleisch wässrig und ver-
färbt. Im allgemeinen werden die Pilze selten
gefunden. Verkalkung der Rasen dürfte eben-
falls möglich sein (s. S. 495).
Beurteilung. Bei starker Invasion mit
ihren Begleiterscheinungen ist das Fleisch als
hochgradig verdorben vom Genüsse auszu-
schließen ; das Fett kann ausgeschmolzen und
verzehrt werden. Sind nur einige Muskeln er-
gritien, so sind ausschließlich diese zu ent-
fernen.
Fig. 28. Sogenannter
Muskelstrahlenpilz, 240-fach
vergr. (Nach Ostertag.)
Im Königreich Sachsen ist nach der Verordnung
vom 17. Dezbr. 1892 Fleisch, welches Strahlenpilze in so
großer Zahl enthält, daß solches seiner Beschaffenheit nach
sich auffällig von gesundem Fleische unterscheidet, zu ver-
nichten und das ausgeschmolzene Fett solcher Tiere unter
Angabe des Fehlers zu verkaufen.
112) BoUinger, Eine neue Wild- und Rinderseuche, welche im Sommer 1878 in der Umgebung
von München beobachtet vmrde, München 1878.
112a) Kitt, Revue f. Tierheilk. (1885) HO. — Jahresber. d. Münch. Tierarzneischule (lS8b/8G).
1126) Hueppe, Berl. Hin. Wochenschr. (1886) No. 44. 45. 46.
113) Jensen, Maanedskrift for Lyrlaeger 4. Bd. 140.
114) Dnncker, Zeitschr. f. Mikroskop, u. Fleischschau (1884) 39.
115) Johne, D. Zeüschr. J. Tiermed. (1887) 140.
116) Hartwig, Zeitschr. J. Fleisch- u. Milchhyg. 2. Bd. 171.
117) Falk, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 3. Bd. 128.
118) Hertwig, Arch. f. vrissensch. u. prakt. Tierheilk. (1886) 365.
C. Bluterkrankungen und konstitutionelle Erkrankungen.
1. Anämie.
Bei den Schlachttieren kommen anämische Zustände, entweder
symptomatisch, als Ausdruck verschiedener Störungen in den
vegetativen Funktionen des Organismus vor, oder sie treten auf als
sogen, perniciöse Anämien. Die ersteren haben für die Fleisch-
beschau nur in vorgeschritteneren Stadien Bedeutung, die letzteren
sind wegen des einhergehenden fieberhaften Allgemeinleidens und der
dunklen Aetiologie stets suspekt.
Befund. Die höhergradigen symptomatischen Anämien sind
stets von Abmagerung begleitet und liieten , abgesehen von dem
schwachen Deckvermögen des Blutes und etwaigen chronischen Lokal-
erkrankungen (Eingeweidewürmer, chronische Darm- und Lungen-
leiden etc.) keinen besonderen pathologischen Befund. Bei der selten
vorkommenden perniciösen Anämie fallen eine Degeneration der
I
Fleischbeschau. 521
Parenchyiue und an der Skeletmuskulatur Erscheinungen auf, welche
in Verbindung' mit Petechien unter den Serösen auf toxische Ein-
wirkunj,'tMi hinweisen.
Beurteilunu:. Bei der symptomatischen Anämie hängt die
Beurteilung des Fleisches von dem eventuell nachweisbaren (jrund-
ieiden ab. In der Regel ist das Fleisch bankwürdig und nur in sehr
hochgradigen Fällen als verdorbenes Nahrungsmittel i. S. d. X.-G. unter
Deklaration zu verkaufen. — Die perniciöse Anämie macht das
Fleisch stets zu einem für den menschlichen Genuß ungeeigneten
Nahrungsmittel.
2. Hydrämie und Wassersucht.
Wassersüchtige Zustände treten unter den Schlachttiereu besonders
bei Schafen und Jungrindern auf infolge mechanischer Störungen im
Blutlauf (Herzfehler, chronische Leberleiden etc), als entzündliche
Hydropsien, sowie als eigentliche Hydrämie, als Blut wässerigkeit.
Die erstgenannten beiden Formen bedürfen keiner Erörterung; die
eigentliche Hydrämie ist in der Regel Folgezustaud einer schweren
Anämie und führt nicht selten zur hydrä mischen Kachexie.
Befund. Dünnflüssiges, helles, wenig deckendes und schlecht
geriunemles Blut, Abmagerung, Ascites, Hydrothorax, Hydropericardium
oder Anasarka mit VVässerigkeit der Muskulatur und blasser Färbung
der letzteren ( F a 1 k ^ ^ ^).
Beurteilulis. Wegen seiner substantiellen Veränderungen ist das
Fleisch meist als hochgradig verdorben zu vernichten. Nur in ganz
leichten Fällen, ohne autiällige Durchfeuchtung der Muskulatur, und bei
Abwesenheit erheblicher Abmagerung, ist ein Verkauf unter Deklaration
zu rechtfertigen.
3. Leukämie.
Leukämie kommt verhältnismäßig selten bei Rind, Kalb und Pferd
vor, aus unbekannten Ursachen sich entwickelnd und erst in höher-
gradiger Ausbildung sich äußernd.
Befund. Blut blaß, schlatfe, gallertartige Gerinsel bildend, Vermehrung
der Leukocyten bis auf 1 : 20 und selbst 1 : 1 der roten Blutkiirperchen.
Nach den vorwiegenden Veränderungen in den betreuenden Organen
spricht man von lienaler, lymphatischer und myelogener
Leukämie, welche vergesellschaftet auftreten können. Erstere beiden
Formen sind von oft erheblichen Hyperplasien der Milz und der ge-
samten Lymphdrüsen des Körpers begleitet ; die diÖuse Hyperplasie des
roten Knochenmarks fällt weniger auf, jedoch ist letzteres entweder blaß
und selbst eiterähnlich oder himbeergeleeartig. Leukamische Tumoren und
Infiltrate in Lunge, Leber, Nieren, sowie auf den serösen und Schleim-
Häuten. In schweren Fällen Blutungen in und unter den letztgenannten
Häuten und auch in der Muskulatur, die meist autl'allend hell ist.
Beurteil uni^. Wegen der meist vorhandenen Veränderungen des
Knoclienmarkes und der Lymphdrüsen wird das Fleisch zu einem
hochgradig verdorbenen Nahrungsmittel. Als solches ist auch
in der Regel das Fleisch bei den lienalen Formen zu beurteilen, die
in vorgeschritteneren Stadien stets auch von Störungen in der all-
gemeinen Ernährung begleitet sind.
02l' EDELMANN,
Pseudoleukämische Zustünde verschiedenen Ursprungs,
■welche bei den Schlachttieron häufiger vorkommen als echte Leukämie,
sind wie letztere seihst zu beurteilen.
4. II ä m o g 1 o b i n ii ni i e u n d Hämoglobinurie.
Die Aussclieiduiig von Blutfarl)Stoti' enthaltendem Harn wird nicht
selten als sog. schwarze Haniwinde, Hämoglobinurie bei Pferden, sowie
bei Rindern beobachtet und bei den letzteren fälschlicherweise auch
als Blutharnen bezeichnet.
Das Auftreten von Hämoglobin im Harn setzt eine teilweise
Trennung desselben von den Erythrocyten und Auflösung im Blutserum
voraus.
Die Aetiologie des Leidens ist bei beiden Tiergattungen noch
dunkel. Autointoxikationen durcli Stoffwechselprodukte und Erkältungen
werden bei Pferden, bei Rindern Intoxikationen, Infektionen und eben-
falls Erkältungen als veranlassende Ursachen beschuldigt.
Bofuiid. Lackfarbenes, schlecht gerinnendes But. Beim Pferd
Muskelveränderungen, l)esonders an den Psoas- und Kruppenmuskeln.
Dieselben sind ödematös, blaß, unter Umständen wie gekocht aussehend.
Verlust der Querstreifung, körniger Zerfall des Muskelsaftes. Nieren-
hyperämie und akute parencliyraatöse Nephritis. Beim Rind anämische
Erscheinungen, Muskeln schlaff' und blaß, bisweilen Ikterus und Darm-
entzündungen.
Beurteilung. In frischen und leichten Fällen kann bei Rind und
Pferd das Fleisch in den freien Verkehr gelangen. Bei schwererer
und protrahierter Erkrankung kommt es auf den objektiven Befund,
besonders an der Muskulatur an, ob das Fleisch noch unter Deklaration
verkauft werden kann, oder als hochgradig verdorben zu vernichten
ist. Letzteres ist stets notwendig, sobald infolge von Decubitus Fieber
eingetreten, oder eine septische Infektion zu vermuten ist.
5. Ikterus.
Die aus bekannten Ursachen entstehende Gelbsucht kommt sympto-
matisch bei allen Schlachttieren vor und kennzeichnet sich durch eine
stärkere oder geringere Gelbfärbung der Gewebe.
Befund. Die verschiedenen Körpergewebe gelb bis gelbgrün ge-
färbt, teils durch diffuse Imbibition mit Gallen farbstoff, teils durch
krystallinische Hämatoidinablagerungen. In schweren Fällen Ver-
änderungen an Leber, Nieren und Herz. Gelbsucht kann nur bei
Tageslicht sicher erkannt werden (Hertwig '^o).
Beurteilung. Die Entscheidung über die Verwertbarkeit schwach
ikterischer Tiere ist, besonders bei Schweinen, erst 24 Stunden nach
der Schlachtung zu treffen, da dieselben erfahrungsgemäß häufig viel
heller werden. Nach dem Grad der Gelbfärbung und sonstiger krank-
hafter Befunde ist zu entscheiden, ob das Fleisch in den freien Ver-
kehr gelangen kann, oder der Freibank zu übergeben bez. zu ver-
nichten ist.
6. Urämie.
Harnbestandteile werden dem Blute der Schlachttiere zumeist
durch Resorption von retiniertem Harn beigemischt. Solche Harn-
Fleischbeschau. 523
zurückhaltun,i,'ou beobachtet man bei miinulicheii Rindern und Schafen
nach Kinkleniniuii,i,UMi von Konkroiuentt'n in der ILininihre mit folj,'ender
Bhisenberstiin^' oder Nekrose der ILirnriihre und Iliirnintiltration in das
iimliej^ende (lewebe. Von den schweren klinischen Symptomen sei her-
vor^'ehoben, daß urämische Tiere schon aus einer ;i;ewissen Entfernung
durch intensiven Harngeruch (besonders des FAspiriums) auffallen.
IJof'iiiid. Nach der Dauer der Krankheit verschieden. Harngeruch,
Ansammlung von Harn in der Bauchhöhle mit Peritonitis oder llarn-
intiltration in iler Subcutis des Bauches. Im Bindegewebe und den
Muskeln in schweren Fällen sulzig-urinöse Transsudate und Blutungen.
Der dem Fleisch anhaftende Harn- oder Ammoniakgeruch verschwindet
beim Erkalten mitunter, tritt aber beim Erwärmen wieder hervor.
Beurteil uiiu:. Das Fleisch urämischer Tiere ist als hochgradig
verdorbenes Nahrungsmittel gänzlich dem Verkehre zu entziehen.
7. Rhachitis.
Die Rhachitis wird mitunter bei jungen Schweinen beobachtet,
woselbst sie sich in der Regel aus unzweckmäßiger Ernährung ent-
wickelt.
Befund. Auftreibungen der Gelenke, der Rippen, verkümmertes
Wachstum der Knochen, Verkrümmungen der Schenkel und der Wirbel-
säule. Erscheinungen von Anämie.
Beurteiluiii?. Leichte Fälle mit nur lokalen Knochenveränderungen
sind bedeutungslos; bei erheblicherer Erkrankung ist das Fleisch nur
unter -Deklaration zu verkaufen, wenn nicht etwa hochgradige Anämie
mit substantiellen Veränderungen des Fleisches dessen Ausschluß vom
Konsum bedingen.
8. Osteoporose, Osteopsathyrose.
Die sogen. Knochenbrücbigkeit oder Markflüssigkeit wird gewöhnlich
nur bei tragenden und milchenden Kühen, sporadisch und auch enzootisch
auftretend, beobachtet. Ihre Ursachen dürften wesentlich in Kalkmangel
beruhen; ihre Hauptmerkmale sind Entkalkung und Resorption der
kompakten Knochensubstanz, nebst Umwandlung des Knochenmarks in
eine blutreiche, weichflüssige Masse. Häuflge Knochenbrüche, Ernährungs-
störungen.
Befund. Die erwähnten Veränderungen an den Knochen und deren
Mark, Gelenkentzündungen, Knochenfrakturen. Erscheinungen allgemeiner
Kachexie.
Beurteilung. Bei vorgeschrittenem Leiden, das stets mit erheblicher
Abmagerung einhergeht, wird das Fleisch in der Regel zu einem hoch-
gradig verdorbenen Nahrungsmittel. Ist der Ernährungszustand noch
leidlich und sind die Knochenmarksveränderungen nicht zu auffallig, dann
kann Verkauf unter Deklaration stattfinden , während in ganz leichten
Fällen das Fleisch freizugeben ist.
9. Osteomalacic.
Obwohl von manchen Autoren die eben beschriebene Krankheit auch
als Osteomalacie bezeichnet wird, so dürfte sich doch die Beibehaltung
des letzteren Begriffes als „Knochenerweichung älterer Tiere" * * ' wegen
mancher Eigentümlichkeiten gegenüber der Osteoporose rechtfertigen.
Handbuch der Hjglene. Bd. MI. AbtIg. S. 34
"3
Ö24 EDELMANN,
Die chronisch verlaufende Krankheit tritt bei Pi'erden, Schweinen (Schnüffel-
krankheit) und Ziegen auf und charakterisiert sich durch erhebliche
Deformierung und Vergrößerung der Gesichtsknochen. Unter Aufsaugung
der Knochensalze bildet sich vom Periost aus neue osteoide Substanz,
wodurch die Knochen oft eine unförmliche Größe und Gestalt annehmen,
schwammig und weich werden.
Befund. Die erwähnten Knochenveränderungen.
Beurteilung. Da die Tiere in der Regel geschlachtet werden, ehe
es zu Allgemeinerkrankungen kommt, wird die freie Verwendbarkeit des
Fleisches nicht beschränkt.
10. Sarkomatose und Card n omatose.
Sarkome und Carcinome kommen als lokale Geschwulstbildungen
bei allen Schlachttieren an verschiedeneu Organen vor. Für gewöhn-
lich haben sie ausschließlich die Bedeutung örtlicher Erkrankungen,
als welche sie nur die Beschlagnahme der betreffenden Organe un(l
Teile notwendig machen. Mitunter können jedoch Sarkome und Carci-
nome auf metastatischem Wege generalisiert werden, über den ganzen
Organismus verbreitet vorkommen, sodaß man von einer allge-
meinen Sarkomatose (Eggeling ^-2, Misselwitz u. Schaller ^^s^
Hertwig^--*, Semmer'^s^ Metz^-^ Görig^^?^ Lungwitz i^^,
Grams^-^, Rogner ^^") und Carcinomatose (Henschen^^)
sprechen kann. Bei Pferden spielen in dieser Beziehung die Melano-
sarkome eine gewisse Rolle; sie kommen aber auch beim Rinde vor
(Hert wig ' 32). Bei längerer Dauer von dergleichen Allgemeiner-
krankungen tritt in der Regel Abmagerung und Kachexie ein.
Beurteilung. Liegt eine allgemeine Sarkomatose oder Carcino-
matose vor, bei welcher Fleisch, Knochen oder Lymphdrüsen zwischen
den Muskeln mit Metastasen durchsetzt sind, so ist das Fleisch als
hochgradig verdorbenes Nahrungsmittel von jeglichem Verkehr auszu-
schließen.
119) Falk, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 4. Bd. 210.
120) Hertwig. Wochenschr. f. Tierheük. u. Viehz. (1884).
121) Siedamgrotzky, Haubner's Landwirtich. Tierheilk , Berlin 1893, 230.
122) Eggeling, Areh f. Tierheilk. (1885) 105,
123) Misselwitz- Schaller, 5 Schlachthof ber. Chemnitz 1888.
124) Hertwig, Ber. üb. d. städt. Fleischbeschau, Berlin 1891.
125) Semmer, Z>. Zeitschr. f. Tiermed. 18. Bd. 451.
126) Metz, D. tierärztl. Wochenschr. (1893) 123.
127) Görig, D. tierärztl. Wochenschr. (1893) 221.
128) Lungwiiz, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 4. Bd. 146.
129) Grams, Zeitschr. f. Fleisch- u. MilcKhyg. 1. Bd. 8. Heft.
130) Eogner, Zeitschr. J. Fleisch- u. Müchhyg. 3. Bd. 249.
131) Henschel, Wochenschr. f. Tierheilk. n. Viehz. (1888) 216.
132) Hertwig. Ibidem (1886) 462.
D. Intoxikationen und Autointoxikationen bei Schlachttieren.
Die Intoxikationen der Schlachttiere interessieren hier nur in-
soweit, als eine Vergiftung des Fleisches oder Veränderungen desselben
durch die Giftwirkung in Frage kommen, welche seine Verwend-
barkeit als menschliches Nahrungsmittel beeinflussen könnten. Was
die Ursachen und die Diagnostik der Vergiftungen bei Tieren im ein-
zelnen anlangt, muß auf die Lehrbücher der Toxikologie verwiesen
werden.
114
Fleischbeschau. 525
Der Befund an vergifteten geschlachteten Tieren ist nach der Art
des Giftes sehr verschieden. Deutliche Verän(lerun;j;en werden sich nur
infolge Einverleibung von scharfen, ätzenden (Jilten (Arsen, Phosphor, Sal-
peter, Brechweinstein, .Mkalien, Säuren u. a.) oder nach solchen (Jiften
zeigen, welche Veränderungen des Blutes bedingen (chlorsaures Kali,
Chloroform, Phosphor u. a.). Manche Gifte verraten sich auch durch
ihren Geruch, den sie den Körpergeweben mitteilen (Chloroform, Karbol-
säure, Phosphor).
Bei der BeiirteiluDir des Fleisches hierher gehöriger Schlacht-
tiere handelt es sich meist um solche, welche mit giftigen Medikamenten
behandelt und notgeschlachtet worden sind. In dieser Beziehung ist
der Eintluli der Medikamente auf die Genießbarkeit des Fleisches der
Schlachttiere bis in die neueste Zeit vielfach überschätzt worden. Erst
die exakten Untersuchungen von Harms ^ über Nux vomica und Tar-
tarus stibiatus , A n a c k e r * über Nux vomica , von F e s e r -^ über
Strychnin und Eserin , Spallanzani u. Zappa* sowie Sonnen-
schein^ über Arsenik, Ellen berger u. Hofmeister" über Blei-
und Kupfersalze, La ho u. Mosselmann' über Blei u. A. haben
mancherlei Aufklärung gegeben, die durch die Untersuchungen von
Fröhner u. Knudsen^ Bestätigung, bez. erhebliche Erweiterungen
erfahren haben.
Auf Grund der Untersuchungen der genannten u. a. Forscher, sowie
ihrer eigenen Versuche mit Stryclinin und Eserin , Pilocarpin und
Veratrin, stellen Fröhner u. Knudsen den durch frühere und spätere
Erfahrungen bestätigten Satz auf, daß „die niedikam en teile Be-
handlung eines Tieres mit irgend einem Arzneimittel
niemals eine Gesundheitsschädlichkeit (des Fleisches) zur
Folge haben kann". Dieser Lehrsatz bezieht sich jedoch nur auf
das Fleisch einschließlich Herz, Leber und Nieren. Magen und Darm
und vielleicht auch das Euter (Schmidt'*) vergifteter Tiere sind
stets gesundheitsgefährlich. Wohl zu beachten ist, daß bei der ver-
zögerten Giftwirkung ätzender Stoffe sich septische und pyämische Pro-
zesse anschließen können , die natürlich eine andere Beurteilung er-
fordern.
In Oberbajeni, Ober-, 3Iittol-Fraiikeii, Wiirttemborar, Baden, Elsaß-Lotliringen
gilt das Fleisch verKÜleter Tiere als uiixeiiiefsbar, iu der Pfalz selbst bei HehaiKlIuiig von
Tieren mit uiltigen StoflFen in (iröfserer Menge kurz vor der Schlachtung. In Sachseil
und Anhalt können nur approbierte Tierärzte entscheiden, und sie haben das Fleiscl» für
ungeuiefsl)ar zu erklären, sobald die giftigen Stoffe im Fleische in solchen Mengen ent-
halten sind, dafs dadurch die Gesundheit der Menschen gefährdet oder Ekel und Wider-
willen erregt wird. In SacUsen-Meining^eu kann der I'hysikus oder ein approbierter
Tierarzt bei leichteren Vergiltungen das Fleisch unter gewissen Bedingungen für minder-
wertig erklären.
Als Autoiiitoxikationen bezeichnet man Allgemeinerkrankungen,
welche durch Aufsaugung von Stoffwechselprodukten des eigenen
Körpers veranlaßt werden. Die Urämie, welche eigentlich hierher ge-
hört, ist aus verständlichen Gründen bei den Bluterkrankungen (S. 522)
besprochen worden, ebenso die Hämoglobinäinie (S. 522), deren Wesen
als Autointoxikation noch ebensowenig feststeht, wie «las der hier noch
zu besprechenden
Geblirparose.
Diese beim Kinde, seltener bei Ziege und Schwein vorkommende
Krankheit wird auch als Milchfieber, Kalbefiel)er, Gebärfieber, Puer-
ii4*
526 EDELMANN,
peralfieber bezeichnet und gehört vielleicht nach den neueren Unter-
suchungen von Guillebeau und Hess^*^ besser unter die chirur-
gischen Krankheiten , welche durch Wundschraerz und Aufsaugung von
Toxinen aus infizierten Verletzungen in den Geburtswegen oder deren
Adnexen entstehen. Die Krankheit tritt kurz nach der Geburt auf
und charakterisiert sich durch Lähmung der motorischen und sensiblen
Nervenbahnen, welche, vom Hinterteil beginnend, nach vorwärts schreiten
kann und auch Blase und Darm betritit. Psyche stark deprimiert.
Befand bei der Sektion negativ, sofern nicht etwa Komplikationen
mit Sepsis vorliegen, welche sich aus den angeführten Merkmalen er-
kennen läßt.
Beurteilung. Gesundheitsschädigungen von Menschen sind durch
den Genuß des Fleisches wegen Gebärparese notgeschlachteter Tiere noch
nicht beobachtet worden. In der Regel handelt es sich um sehr gut
genährte Kühe. Jedoch ist das Fleisch solcher Tiere meist als verdorbenes
Nahrungsmittel i. S. d. N.-G., besonders wenn bei der Notschlachtung ein
mangelhaftes Ausbluten erfolgte, unter Deklaration zu verkaufen. Bei
septischen Komplikationen hat eine Vernichtung zu erfolgen. Vorsicht
ist, wie Ostertag trefiend hervorhebt, geboten wegen der den Tieren
nicht selten verabreichten, stark riechenden Medikamente (Aether,
Kampher, Terpentinöl).
1) Harms, Mitteü. a. d. tierärzü. Praxis im preuß. Staate (1872) 173, Ibid. (1874) 174.
2) Anacker, Der Tierarzt 29. Bd. No. 12.
3) Feser, Jakresber. der hUnigl. Central- Tier arzneischvle zu München {1878 u. 1885).
4) Spallanzani uud Zappa, Clinica veterinaria (1886).
5) Sonnenschein, Chemisch. Cetüralbl. (1873) 805.
6) Ellenberger, tind Hofmeister, Ärch. f. Tierheilk. (1884) 216.
7) Laho und Mosselmann, Annal. de med. vet. (1893) No. 2/3.
8i Fröhner und Knudsen, Jlonatsh. f. prakt. Tierheilk. 1. Bd. 529, 2. Bd. 262.
9) Schmidt, Berl. tierärztl. Wochemchr. (1891) No. 32.
10) Guillebeau und Hess, Schweizer Arch. f. Tierheilk. (1895) 3, Heft.
V. Kapitel.
üntersuclumg uud Beurteilung des Fleisches von
Geflügel, Wild, Fischen etc. sowie verschiedener
Fleischpräparate *).
1. Oeflügel.
Von dem Marktgeflügel haben einige Sorten weißes Fleisch (Huhn,
Kapaun, Poularde, Truthahn) andere dunkleres Fleisch (Gans, Ente,
Taube\ Totes Geflügel sollte nur im gerupften Zustande zu Markte
kommen.
Bei der Beurteilung ist zu achten auf die Kennzeichen der Schlach-
tung: Schnittwunde mit blutig infiltrierten Rändern, Ausblutung. Mit-
unter werden Schnitte erst post mortem beigebracht. Bisweilen wird
auch die Tötung durch Zerschneiden der großen Halsgefäße vom Rachen
aus mittels einer Scheere bewirkt. Die Haut darf nicht verfärbt, welk
oder geschrumpft sein und keine Leichenflecke aufweisen. Letztere
finden sich besonders bei den wegen Geflügelcholera in der
*) Vergl. Stutzer 3. Bd. dies. Handb. S. 229 flf.
Ii6
Fleischbeschau. 527
Agonie geschlachteten Tieren, welche auch eine blutreichere, unter
Umständen degenerierte Muskulatur besitzen. Nachweis der Bakterien
in Blutstropfen aus der Tiefe der Muskulatur. Marktgeflügel mit den
Erscheinungen der Geflügelcholera oder Diphtherie ist als hochgradig
verdorben zu beschlagnahmen. — Abnormer Geschmack des Ge-
flügelfleisches ist vielfach auf die von den Tieren aufgenommene Nahrung
zurückzuführen. So wird erzeugt ein Oel- oder Thran gesch m ack
durch Fütterung von Oelkuchen , Leinsamen, Raps; ein Fisch-
oder Thrangeschmack durch Aufnahme oder Verfütterung von
Fischen, Muscheln; ein bitterer Geschmack durch Verabreichung
größerer Mengen Kohlrüben (vergl. die Arbeiten von NiebeP"
Lableri").
Besondere Beachtung verdienen etwa noch im Geflügel befindliche
Eingeweide wegen ihrer größeren Fäulnisfähigkeit.
2. Wildbret.
Fleisch von "Wildbret zeichnet sich durch seinen Blutgehalt aus,
der die Fäulnis bei unzweckmäßiger Aufl)ewiihrung begünstigt, trotzdem
Wildbret der Fäulnis verhältnismäßig lange widersteht.
Beurteilung. Wildbret muß Schußwunden aufweisen. Post-
mortal beigebrachten SchußöÖnungen fehlen die Blutuuterlaufungen.
Nicht waidgerecht erlegtes Wild ist marktpolizeilich zu beanstanden.
Ebenso Wildbret, bei dem objektive Merkmale der Fäulnis nachzuweisen
sind. Auf Grund des beliebten BegriÖes haut-goüt dürfen keine Kon-
zessionen in sanitärer Beziehung gemacht werden. Hierüber und über
verhitztes Wild s. S. 472. Die Unterschiede zwischen Hase und Katze,
Schaf und Reh wurden S, 464 aufgeführt.
3. Fische.
Hier interessieren nur die tot zu Markte kommenden, nicht kon-
servierten Fische. Dieselben müssen nach Postolka u. Toskano^
im frischen Zustande im Wasser untersinken und glänzende, schleim-
freie Schuppen haben ; Augen prall hervortretend. Maul und Kiemen-
deckel geschlossen, Kiemen rot. Fleisch fest.
Länger „abgestandene" Fische haben rot umränderte, zurück-
gesunkene Augen mit getrübter Cornea und schwimmen mit Eintritt
der Fäulnis auf dem Wasser. Gelb oder schmutzig rot verfärbte
Kiemen; Fleisch welk und ungleichmäßig rot; Schuppen leicht zu ent-
fernen.
Bereits in Fäulnis übergegangene Fische zeigen an den
Kiemen Fäulnisgeruch und schwimmen schließlich auf dem Wasser.
Betrügereien werden versucht durch starkes Auswaschen und Färben
der Kiemen mit Anilinfarben oder Blut und Herausnehmen der Augen.
— Geschwürige Stellen an der Oberfläche der Fische deuten auf All-
gemeinerkrankung hin, ebenso Leibesauftreibungen.
Beurteilung. Alle Fische mit Krankheits- oder Fäulniserschei-
nungen sind verdächtig, gesundheitsnachteilig zu sein und daher zu
beschlagnahmen. Durch faulige Fische und Krustentiere können schwere
Vergiftungen veranlaßt werden, welche die Wurstvergiftungen (s. S. 543)
an Heftigkeit übertreffen (K ober 1 2, Arustarnoff^, Hirschfeld 8'',
Knoch •*'' u. A.).
"7
528 EDELMANN,
l'obcr Kaviar, seine Bereitung, IJeurteilung und Verfälschungen
giebt eine schöne Arbeit Niebel's'' Auskunft.
4. VersehuMleiie zu Speisezweckeii verwendete Tiere.
Krebse und Hu m ui e ru sollten nur lebend auf den Markt kommen.
Kranke Tiere (Krebsi)est) liegen im Wasser auf dem Rücken. Hinter-
leib an der Unterseite matt, milchig. — Nach dem Tode gekochte
Krebse "■ haben die mittlere Schwanzflosse nicht eingezogen. Vor dem
Ankauf gekochter Krebse ist wegen der leicht eintretenden Fäulnis zu
warnen. Von einer iMassenerkrankung nach dem Genuß von Hummern,
welche an einer Darmentzündung erkrankt waren, berichtet Simon*^.
Ueber Vergiftungen durch den Genuß von niederen Seetieren (Arthro-
poden, P^chinodermen, Mollusken) macht Sp riugfeld ''■' iMitteilung.
Bei F rosch sehen kel n kommt es auf Abwesenheit von Fäulnis
an. Krötenschenkel verraten sich durch die schwarzgrüne Farbe.
Austern und Miesmuscheln müssen ganz frisch sein. Kranke
Miesmuscheln, die schon schwere Vergiftungen erzeugt haben (Vircho w',
Schmidt-Mülheim«, Cameron", Wolffi% Dutertre^S
Bardet^*), besitzen nach Schmidt mann ^^ einen süßlich-ekelhaften,
an verdorbene Sardinen oder schlechte Austern erinnernden Geruch,
während gesunde Muscheln nach Seewasser riechen. Abgekocht werden
kranke Muscheln gelblich, während gesunde weiß bleiben; das Sudwasser
erscheint nach giftigen Muscheln bläulich. — Kranke Austern besitzen
nach Barde t ein milchiges Aussehen. Daß durch Austern unter ge-
wissen Verhältnissen der Typhus übertragen werden kann, scheint nach
den Untersuchungen von Foote^^'* nicht unwahrscheinlich.
Beurteilung s. vorstehend unter Fische.
5. Oefrorenes Fleiscli.
Gefrorenes Fleisch hat neuerdings eine Bedeutung erlangt, seitdem
viehreiche überseeische Länder, vor allem Austrahen, dasselbe nach
Europa importieren. Das vollständig durchfrorene Fleisch hält sich
vorzüglich, ohne an seinem Nährweit Einbuße zu erleiden. Das Auf-
tauen hat in trockener Luft und langsam zu erfolgen, wenn nicht
Fleischsaft und damit gelöste Eiweißkörper verloren gehen sollen. Im
Geschmack steht gefrorenes Fleisch dem frischen, aber gereiften, nach,
doch ist es unter dauernder Einwirkung der Fleischmilchsäure sehr
mürbe geworden.
Beurteil unj?. Durch das Gefrieren des Fleisches werden die
meisten bei den Schlachttieren in Betracht kommenden Infektionserreger
nicht getötet (vergl. ()stertag^2% Eberlein '*"). Rinderfinnen
dürften schon durch die Dauer der Aufbewahrung zu Grunde gehen.
Wenn nicht am Produktionsorte eine dem Bezugsorte analoge Fleisch-
beschau besteht, welche Garantien für die Gesundheitsunschädlichkeit des
Fleisches liefert, ist das gefrorene Fleisch stets bis zu einem gewissen
Grade als suspekt zu erachten und nur unter Deklaration zu verkaufen.
Die Untersuchung gefrorenen Fleisches am Verbrauchsorte macht er-
hebliche Schwierigkeiten; ein Anschneiden aller zugänglichen Lymph-
drüsen ist notwendig.
Aufgetautes gefrorenes Fleisch ist nach Maljean^* an den roten
Blutkörperchen zu erkennen, die entfärbt, deformiert sind und im grün-
ii8
Fleischbeschau. 529
licheu Serum sclnvinmion. Im letzteren tiiidet sich das Hämo^dobiii in
I'orm unregeliiuißifjer, gelblichhriuiiier Krystalle.
(). Würsto.
Die Arten der Würste und deren Herstelhing siml nach den ver-
schiedenen Ländern und (Jegenden aulierordentlich verschieden. Dies
bezieht sich besontiers auf diejenigen Wurstsorten, welche größere Mengen
vegetabilischer Zusätze enthalten. Viele Würste sind nur zum schnellen
Verzehren bestimmt; zur Haltbarmachung werden die Würste entweder
nur geräuchert oder erst gekocht und dann geräuchert. Nach der
Zusammensetzung der Füllung kann man folgende Wurstarten unter-
scheitlen :
Fl eisch Würste als Brat-, Koch- oder Brühwürste (Saucieschen,
Jauer'sche, Bier-, Knoblauch- etc. Würste) und Dauerwürste (Cervelat-,
Mett-, Salami-, ^lortadella-, Schlack- und Knackwürste).
Blutwürste (Rot-, Schwarz-, Ilöselwurst, Plunzen etc.).
Sülzwürste (.Schwartenwurst, Preßkopf, Preßsack etc.).
Eingeweide- oder Weißwürste ( Leber-, Zwiebel-, Sardellen-,
TrüÖ'el-, Brägen-, Kochwurst etc).
Würste mit größerem Gehalt au vegetabilischen
Substanzen (Grütze-, Reis-, Brot-, Milch-, Rosinen-, Kartoftel-
wurst etc.).
Die rntersiiehuiiff von Wurst ist schwierig. Zusammensetzung
und Parasitengehalt sind schwer zu eruieren. Bezüglich der Untersuchung
auf Finnen s. Schmidt-Mülheim'-'' und Ris sling ^^''. Das Ver-
fahren des letzteren ist Folgendes:
Mau bereitet aus Aetznatron , Pottasche oder einem anderen leicht
löslichen Alkali eine Lauge von ca. 1,15 spec. Gewicht = 19° Beaumee.
Dieselbe wird, nachdem sie sich möglichst wasserhell geklärt hat, in ein
genügend breites und, wenn es sein kann, nach unten zugespitztes Glas-
gefäß (von 1 — 4 Liter Inhalt) gegossen. Hierauf wird die zu unter-
suchende fein zerhackte Fleisch- oder Wurstmasse unter Beigabe einer
geringen Menge Lauge, möglichst ohne Quetschungen, zu einem gleich-
mäßigen dünnen Brei verrührt und dann der bereiteten Lauge zugefügt.
Sehr fette Wurst kann mit etwas Aether gut durchgeschüttelt werden.
Nach einigem Umrühren der ganzen Masse sondern sich vorhandene
Finnen sofort nach unten ab und sind auch durch kräftiges Umrühren
nicht wieder mit der übrigen Fleischraasse zu vereinigen. Das Verhalten
der Finnen in mehr oder weniger gesättigter Lauge ist folgendes : Bei
über 21''Beaum. schwimmen die Finnen gleich der idjrigen Fleischmasse.
Bei 18 — U* " senken sie sich unter öfterem Auf- und Niedersteigen lang-
sam nach unten. Bei 15 " dagegen sinken alle Finnen oder Teile von
Finnenköpfchen eilends in höchstens einigen Sekunden zu Boden. Fleisch
sinkt bei 19" Beaum. der Lauge nicht, und bei 15 "^ sinken nur die
schwersten fetteren Fasern ganz langsam unter. Lst die Masse einiger-
maßen fein gehackt, so bleiben die Finnen nicht an den Floischfasern
haften. Hat man kein Aräometer zur Bestimmung des spezitischen
Gewichts der Lauge , .so verfährt man folgendermaßen : Mau stellt eine
so konzentrierte Lauge her, daß fettarme Fleischstückchen sehr hoch an
der Oberfläche schwimmen. Nachdem dieser der Fleischbrei zugefügt
ist, gießt man unter beständigem Umrühren so lange Wasser nach, bis
119
530 EDELMANN,
einzelne Fleischteilchen anfangen sich zu senken. Sind Finnen vorhanden^
so sinken dieselben zuerst unter und sind dann sehi' leicht durch Ab-
gießen der übrigen Masse zu isolieren. Der Nachweis, daß die aufge-
fundeneu Finnen einer dem Menschen schädlichen Tänienart angehören,
ist hierauf durch das Mikroskop ohne Mühe zu erbringen.
lieber den Pf erdetieischii achweis s. S. 465. Im übrigen kaun sieb
die ÜDtersucbuug Nveseutlich nur erstrecken auf Verdorbenseiü, Ranzig-
keit, Gehalt von Stärkemehl, künstliche Färbung.
Verdorbene Würste haben ein schmieriges Aeußere, Blasen-
bildung unter der Schale, die mürbe und brüchig ist und sich abhebt
von der Masse. Blutwurst wird hellrot auf der Schnittfläche und die
Speckfelder grün ; Geruch sauer. Leberwurstschnittfläche rötet sich
beim Verderben und zeigt ebenfalls saueren Geruch. Fleischwürste
werden mißfarbig, rötlichgelb mit Verfärbung des Fettes. Sülzwürste
werden weich und bröckelig, sauer und stinkend. Im übrigen sind
Schimmelbildung, Geschmack und die Fäulniserscheinungen (s. S. 472)
zu beachten. Kohlehydratreiche Würste faulen unter Umständen sehr
schnell und stark. — Ranzigkeit ist durch den Geschmack der
Wurst festzustellen ; der exakte Nachweis der Ranzigkeit und des
Grades derselben muß vom Chemiker geführt werden.
Fleischwürste, deren Füllung einen grauen Rand besitzt, oder
die auch in toto grau geworden sind, können nicht ohne weiteres als
verdorben beurteilt werden, sondern sind auf die übrigen Merkmale des
Verdorbenseins genau zu prüfen. Das Grauwerden der Wurst ist
nach Falk und O pp erm ann ^^■' auf verschiedene Ursachen zurück-
zuführen und kann bei vollkommen guten Würsten (Cervelatwurst) vor-
kommen.
Stärkemehl ist durch Behandlung der Wurst mit Jodtinktur
oder Lugol'scher Lösung und auch mikroskopisch leicht zu erkennen.
Quantitative Bestimmungen müssen den Berufschemikern überlassen
bleiben.
Farbstoffe werden Würsten zugesetzt zur Erzielung einer schönen,
roten Farbe und auch zur Verdeckung der Anfangserscheiuungen des
Verdorbenseins. Verwendung finden Karmin (Cochenille) und Anilin-
farbstoflfe (Azofarben, Fuchsin, Safranin u. a.). — Zum Farbstotthach-
weis ist eine Probe Wurst nach Petsch ^^ mit ammoniakhaltigem Alkokol
zu schütteln, welcher sich rot färbt. Klinger und Bujard'' em-
pfehlen für Cochenille die Extraktion mit Glycerin. Nach Bischoff^^
färbt eine Azofarbe beim Kochen der Wurstprobe mit Wasser dasselbe
rot ; bei Färbung mit Karminsurrogat färbt sich das obenaufschwimmende
Fett rot. Marpmann^^ sucht auf mikroskopischem Wege die Natur
des Farbstofl'es zu ermitteln, indem er davon ausgeht, daß die Farben
zu den einzelnen tierischen Gewebsbestandteilen in einem bestimmten
Affinitätsverhältnis stehen (Kern- und Protoplasmafarben). Der genaue
Nachweis ist vom Chemiker zu führen.
Beurteilung. Verdorbene, ranzige und faulende Würste
sind gesundheitsschädlich (s. Wurstvergiftungen S. 543). Ein
Mehlzusatz ist als Verfälschung zu beurteilen, sobald ein solcher
in der betreö'enden Gegend und bei der betreö'enden W'urst nicht üblich
ist, oder das übliche Quantum überschritten wird. Als letzteres wird
im allgemeinen 1 — 2 Proz., an manchen Orten (Solingen) 4 Proz, bei
Fleischbeschau. 531
Fleischküchwurst aDgcseheii. Genaueres s. Ostertag's Handbuch,
S. 657—665. — Gefärbte lleischwaren sind als verfälscht nur
unter Deklaration zu verkaufen, sofern nicht etwa ein sch:i(lliclier Farb-
stotl' die Beschla'Miahnie verhuiL't.
7. Mit Koiiservieruiiiissalzoii behandeltes Fleisch.
Ueber die hauptsächlichsten Ivonservierungsniethoden des Fleisches,
deren Einfluß auf das Fleisch und auf dessen Verwendbarkeit als
Nahrungsmittel, ist das Wichtigste bereits von Stutzer S. 219 fl. dies.
Bandes des Handbuches mitgeteilt worden. Hier sei nur zweier Arten
von Iv on s ervesalz en gedacht, welche neuerdings in ganz ausge-
dehnter Weise zur Konservierung von Fleisch, besonders zu dem Zwecke
verwendet werden, dem letzteren möglichst lange die Eigenschaften des
frischen Fleisches zu erhalten.
Die hierher gehörenden Konservierungsmittel bestehen vorwiegend
aus Schwefel- bez. schwefligsauren Salzen (Treuenit, Meat-
Preserve, Caruat, Sozolith, Fleischerhaltungskrystall-Excelsior u. a.)
oder aus Borsäure und bor saure Salze enthaltenden Substanzen
(Barmenit, Konservesalz verschiedener Firmen, Boroglyzin, Präservesalz
u. a.). Ueber die Zusammensetzung dieser und anderer gebräuchlicher
Konservesalze vergl. Plagge und Trappt-'', Kämmerer ^^a^
Polenske-*', sowie Ostertag's Handbuch S. 680 ft.
Die beregten Konservierungssalze kommen teils in wässerigen
Lösungen, teils als mit Kochsalz versetzte Salzgemische in den Handel.
Bei ihrer Verwendung werden entweder größere Fleischstücke mit den
Salzlösungen bestrichen bez. mit den Salzgemischen auf der Oberfläche
eingerieben, oder es werden die Konservierungsmittel den Pökellaken
zugesetzt bez. die zu konservierenden Fleischstücke in Lösungen der
Mittel eingelegt.
Ein ziemlich ausgedehnter Verbrauch von Konservesalzen, insbe-
sondere der Sulfite und Sulfate, findet beim Hackfleisch statt, indem
man beabsichtigt, durch die Mittel dem Hackfleisch eine schöne rote Farbe
zu verleihen und dessen Grauwerdtn zu verhindern. Das aus über-
seeischen Ländern eingeführte Pökelfleisch, vornehmlich das sog. amerika-
nische Trockenpökelfleisch , ist fast ausnahmslos mit Borsäure und
borsaureu Salzen konserviert, welch letztere auch in der Kouservierungs-
fltissigkeit der im Handel befindlichen Schweinsleberu (Faßlebern) ent-
halten sind.
Nachweis der Konservesalze. Behufs Erkennung, ob ein frisch
aussehendes Fleisch, insbesondere Hackfleisch, mit Sulfiten versetzt
ist, kann das von Kämmerer 2-' empfohlene Vorprüfungsverfahren
verwendet werden.
Zu demselben wird Kalium jodatpapier verwendet, welches je-
doch nicht vermittels des offizinellen Kalium jodatum (KJ) hergestellt
wird, sondern Kalium jodicum (KJO^) neutrales, jodsaures Kali
enthält. Von diesem Papier legt man einen befeuchteten Streifen
auf eine reine Glasplatte und auf das Papier eine Probe
Fleisch. Letzteres benetzt man mit einer passenden
Menge reiner, besonders von Stickstoffsauerstoffver-
bindungen freier verdünnter Schwefelsäure (1:8), worauf
121
532 EDELMANN,
bei Anwesenheit selbst sehr geringer Mengen Dinatr ium-
sul fites sogleich eine intensive Bläuung des Papiers
durch Bildung von Jodstärke eintritt. Bei nicht mit Dinatrium-
sulfit versetztem Fleisch macht sich keine Bläuung, oder eine solche nur
sehr schwach, erst nach einiger Zeit bemerkbar. Letzterer Fall tritt ein,
wenn das Fleisch nicht mehr ganz frisch ist, doch kann derselbe kaum
mit der durch Sulfite hervorgerufenen sofortigen Bläuung verwechselt
werden.
Manche Proben lassen beim Uebergießen mit der verdünnten Schwefel-
säure sogleich den Geruch der schwefligen Säure erkennen.
Es ist zu beachten, daß sich gesalzenes Fleisch auf diese Weise
nicht prüfen läßt, weil der durch den Zusatz von Schwefelsäure frei
werdende Chlorwasserstoff sich mit der Jodsäure ebenfalls sofort in be-
kannter Weise umsetzt. Ebensowenig lassen sich in mit Salpeter be-
handeltem Fleisch wegen dessen Nitritgehaltes mittels des Kaliumjodat-
papiers Sulfite erkennen, da in diesem Falle die Nitrite eine sofortige
starke Bläuung hervorrufen. Immerhin kommen diese letzterwähnten
Verhältnisse für die Praxis nicht sehr in Betracht.
In Nürnberg vermochten mit dem beschriebenen Verfahren zwei
Assistenten der städtischen Untersuchungsanstalt an zwei Vormittagen
in den Stunden von 7 — 12 Uhr 114 Fleischerläden zu kontrollieren
und in denselben 51 Sorten Hackfleisch auf Sulfite zu prüfen. Das
Resultat der Kontrolle war folgendes:
Von den 51 geprüften Hackfleischsorten erwiesen sich 17 Proben
= 33,33 Proz. als mit Natriumsulfit versetzt.
Die einzelnen Proben wiesen auf:
Dinatriumsulfit entsprechend Schwefeldioxyd
o 349 Proz. o,i776 Proz. als Höchstgehalt
0,0070 ,, 0,003.5 „ „ Niedrigstgehalt
0,1016 ,, O.0512 ,, „ Mittelgehalt.
Es mag nicht unerwähnt bleiben, daß in einigen Fällen das Hack-
fleisch dick mit Konservesalz bestreut vorgefunden
wurde.
Für die Prüfung auf Borsäure giebt es Verfahren zur Vor-
untersuchung, welche zwar nicht ganz so bequem sind, wie das Käm-
mer er 'sehe, jedoch auch von Nichtchemikern ausgeführt werden können.
Hierher gehört besonders:
Die Flammenprobe. Man tränkt etwa 10 g des verdächtigen
Fleisches mit Sodalösung und verascht es in einem Platin- oder Porzellan-
glühschälchen. Die veraschte, nach Befinden noch Kohlepartikei ent-
haltende Masse wird vorsichtig (wegen des Aufschäumens) mit verdünnter
Schwefelsäure (1:10) neutralisiert. Dann setzt man 5 ccm konzentrierte
Schwefelsäure und 5 ccm Methylalkohol hinzu und entzündet die Mischung.
Bei Anwesenheit von Borsäure zeigt die Flamme, besonders beim Um-
rühren, eine smaragdgrüne Farbe. Zwar färben bekanntlich Kupfer-
und Baryumsalze die Flamme ebenfalls grün, jedoch kommen diese bei
Fleisch nicht in Betracht.
Beurteilung. Ueber die Schädlichkeit oder Unschädlichkeit der
Sulfite und Borakate bestehen, selbst unter namhaften Autoren, noch er-
Fleischbeschau. 533
hebliche Kuntroverseu (Pfeiffer, Polli, Bernatzek und Braun
über 6ultite, Pülli2»\ Liebreich ^s^ über Borakate, vergl. auch
P 1 a g K^ e und T r a p p , S. 107 ff., sowie 0 s t e r t a g ' s Handbuch S. 682 ff,)-
Immerhin sollte die Verwendung der genannten beiden ^Mittel solange
unstatthaft sein, als nicht ihre Unschädlichkeit für den
Menschen zweifellos feststeht. Denn selbst wenn auch nur
ganz geringe, an und für sich vielleicht unschädliche Salzmengeu einem
bestimmten Fleischquantum zugesetzt werden, so ist es doch, bei der
ausgedehnten Verwendung, welche heutzutage die Konservierungsmittel
finden, nicht unwahrscheinlich, daß der Mensch schließlich unbewußt
mehr Borsäure oder Dinatriunisulfit seinem Körper zuführt, als dem-
selben zuträglich sind. Zudem ist zu bedenken, daß mit den genannten
Mitteln auch bereits verdorbenem Fleisch das Aussehen von
frischem beigebracht werden kann, wobei nicht allein das
Publikum über die wahre Beschaffenheit des Fleisches getäuscht, sondern
auch die Gefahr einer Schädigung der menschlichen Gesundheit durch
Fäulnisgifte bedeutend erhöht wird. Aus allen diesen Gründen erscheint
die Verwendung der beregten Konservierungsmittel bedenklich. Bei der
strafrechtlichen Beurteilung von mit den genannten Konser-
vierungsmitteln versetztem Fleische hängt es von der Menge der darin ent-
haltenen Salze ab, ob das Fleisch nur als verfälscht, oder als gesund-
heitsschädlich anzusehen und der Hersteller oder Verkäufer des-
selben wegen Zuwiderhandlung gegen § 10 oder § 12 des Nahrungsmittel-
gesetzes zur Verantwortung zu ziehen ist. Das' letztere wird nur in den
seltensten Fällen angängig sein, wenn relativ größere Mengen der Salze
dem Fleische zugesetzt wurden, oder letzteres wegen bereits einge-
tretener Fäulnis, welche durch das Salz verdeckt wurde, die Eigen-
schaften eines gesundheitsschädlichen Nahrungsmittels erlangt, oder
auch solche wirklich bethätigt hatte. In den übrigen Fällen ist mit
derartigen Konservierungsmitteln behandeltes Fleisch als „verfälschte
Ware" zu betrachten. Denn es kann ein Zusatz von borsäurehaltigen
oder aus unterschwefligsauren Salzen bestehenden Konservierungsmitteln
zum frischen oder gepökelten Fleische nicht als ein im gewöhnlichen
reellen Handelsverkehr mit Fleisch vom Konsumenten vorausgesetzter
Bestandteil des Fleisches gelten (vergl. Oster tag "^^a^ Edelmann--*).
In der Schweiz ist durch Verfügung-*" des Schweizer Landwirt-
schaftsdepartements vom 13. Februar 1895 jede Einfuhr von mit Borax
oder anderen Borpräparaten konserviertem Fleisch verboten. Im Kanton
Zürich-"-' wurde durch Beschluß des Regierungsrates vom 16. De-
zember 1893 die Verwendung von chemischen .Mitteln zur Fleischkon-
servierung, mit Ausnahme von Kochsalz und Salpeter, für sämtliches
zum Verkaufe bestimmte und der Fleischbeschau unterliegende Fleisch
untersagt. — Das Kaiserl. deutsche Marineamt hat bei allen
Konservelieferungen zur Bedingung gemacht, daß die Konserven frei
von Borsäure sind.
8. Büchsenkoiiservoii.
Bei Büchsenkonserven , welche als Corned beef [Rind-], Corned
rautton [Hammel-], Corned brown, Corned pork [SchweinetleischJ, sowie
als Rinds- und Schweinszungen und andere zubereitete Fleischspeisen
(Goulasch, Paprikafleisch etc.) in den Handel kommen, ist fast nur
festzustellen, ob ein Verdorbeusein vorliegt oder nicht. Vielleicht
123
534
EDELMANN,
kommt noch der Pferdefleischnachweis in Betracht. Aeußerlich dürfen
die Büchsen keine Auftreibung (durch Gasansanimlung) und keine
doppelten Lötlöcher zeigen. Die das Fleisch umhüllende Gallert muß
fest sein und darf keine Gasblasen enthalten. Geruch angenehm nach
frisch gekochtem Fleisch. Auch der Fleischinhalt selbst ist zu unter-
suchen.
Beurteilung. Konserven mit verflüssigter Gallert, Gasblasen-
bildung, dumpfem oder fauligem Geruch, sind als gesundheitsschädlich
dem Verkehre zu entziehen, denn es ist bekannt, daß durch den Genuß
derselben den ^Vurstvergiftungen gleiche Krankheitsfälle erzeugt werden
(Schmidt-Mülheim -0, Hamlet-^ Boucherau und Noir^s).
9. Tierische Fette.
Die Beurteilung der tierischen Fette (Schweinefett, Talg, Butter)
vom allgemeinen marktpolizeihchen Standpunkte kann sich fast nur auf
den jeweiligen Zustand (frisch oder verdorben), bez. auf den Ver-
dacht einer Verfälschung erstrecken. Weitere Untersuchungen sind
dem Chemiker zu überlassen.
Schweinefett, Schweineschmalz, welches besonders aus Amerika
unter verschiedenen Bezeichnungen in den Handel kommt, ist vielfach
verfälscht, durch Beimischung von Wasser unter Alkalizusatz, sowie
von fremden Fetten und Oelen. Hauptsächlich wird Baumwollensamenöl
(Kottonöl) verwendet und zu 50 Proz. und darüber zugesetzt. Der
Nachweis derartiger Verfälschungen, sowie der Ranzigkeit, kann nur
vom Chemiker geführt werden. Zur Kontrolle des Fettmarktes behufs
Ermittelung der verdächtigen Sorten eignet
sich das sogen. Butterrefraktometer
von Zeiß in Jena, welches Verf. für all-
gemeine marktpolizeiliche Zwecke bewährt
gefunden hat, während Polenske^^"'
nicht damit zufrieden ist.
Fig. 29. Bulterrefraktometer von Zeifs, Jena.
A Feststehende Hälfte des Pristnengehäuses, ß be-
wegliche Hälfte, C Charnier, D Ansatzstutzen für
einen Gummischlauch zur Zuleitung des warmen
Wassers, E Ansatzstutzen für einen Gummischlauch
zur Ableitung des warmen Wassers, F Verschlufsstift
für das Prismengehäuse, Q Oefifnung zur Justierung
der Skala, H Stütze für 5, J Beleuchtungsspiegel.
Für die Untersuchung der bei gewöhnlicher Temperatur nicht flüssigen
Fette muß der Apparat auf eine entsprechend höhere Temperatur ge-
bracht und erhalten werden. Dies geschieht durch eine Warmwasser-
heizvorrichtung. Beim Gebrauch wird auf die eine Hälfte des Prismen-
gehäuses B das filtrierte flüssige Fett gebracht und das Prisma von B
an das von A 'angedrückt. Darauf wird durch das Okular die Mikrometer-
skala im Inneren des Tubus beobachtet, die gefundene Eefraktion mit der
Temperatur, sowie mit den zulässigen Grenzwerten einer aufgestellten
Tabelle verglichen. Neuerdings ist von Wollny der Apparat durch ein
sogen. Indikatorthermometer verbessert worden, dessen Skala nicht
die Temperaturgrade, sondern gleich die zulässigen Grenzwerte für Butter
124
Fleischbeschau. 535
und Schweinefett enthält, sodaß aus der Vergleichung der Mikrometer-
werte und der Thermometergrade sich ohne weiteres ergiebt, ob die Probe
verdächtig ist oder nicht. Näheres s. die Gebrauchsanweisung zum
Apparat und die einschlägige Litteratur.
Das im Kleinhandel befindliche sogen. Wurstfett wird durch
Abschöpfen der zum Kochen der Würste notwendigen Wurstbrühe ge-
wonnen. Es ist ein stark wasserhaltiges Mischfett von grauer bis grau-
grünlicher Farbe, das nach den Wurstgewürzen schmeckt und kleine
Fleisch- und ungeschmolzene Talgpartikel etc. enthält. Es ist leicht
verderblich.
Bei den beiden Talgarten, Rinder- und Hammeltalg, die roh
und ausgelassen in den Handel gelangen, kommt es fast nur auf den
Konservierungszustand au. Abnorm riechender und in der Farbe ver-
änderter Talg ist nur technisch zu verwerten.
Die Prüfung der Butter hat sich auf Wasser- und Käsegehalt,
sowie auf Ranzigkeit und Verfälschungen zu erstrecken. Letztere
werden zumeist mit Margarine vorgenommen, und ist der Beweis hier-
für nur durch die chemische Untersuchung zu erbringen. Aus einer
Anzahl von Butterproben sind die verdächtigen meist leicht durch das
Butterrefraktometer herauszufinden.
Vgl. die Arbeiten über Untersuchung von Butter, Schweinefett, Käse
von Polenske-*™, Ostertag^^h^ Hefelmann^-' u. A.
Beurteilung. Ranziges Fett ist gesundheitsschädlich. Gegen
Verfälschung kann nur vorgegangen werden, wenn der Verkauf des
Fettes unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung stattgefunden
hat. In dieser Beziehung erkennen die Gerichte Benennungen wie „ge-
reinigtes Fett, Mischfett, raffiniertes Fett, Speisefett" nicht als aus-
schließlich auf Schweinefett allein anwendbare Bezeichnungen an. Es
empfiehlt sich, durch Gesetz den Begriff „Schweinefett"
fes tzu legen.
1) Fostolka und Toskano, Die animalischen Sahrungs- und Oenufsmittel det Menschen, 188.
\a) Niebel, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 6. Bd. 3.
1*) Labler, Hegers Zeüschr. (1895) Xo. 23.
'2) Kobert, Pharm. Ztg. (1885) Xo. 61 und D. Med. Ztg. (1885) 738.
3) Arustamoflf- uJstracAan, Centralbl. f. Bakteriol. u. ParasUenk. (1891) 7. Bd. 119.
3a) Hirschfeld. VieHelj. f. ger. Med. 53. Bd. 283.
36. Knoch, D. Med. Ztg. (1885) 868.
4) Niebel, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 4. Bd. 5 u. 21.
6) Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 3. Bd. 168.
6) Simon, Zeitschr. f. Fleisch u. Milchhyg. 2. Bd. 28.
6a) Springfeld, D. Vierteljahr sschr. J. öffentl. Oesdhtspfi. 26. Bd. 3. Heft.
1) Virchow, D Med. Ztg. (1885) 1042, 1089, 1114.
8) Schmidt-Mülheim, Zeitschr. f. Fleischbeschau u. Fleischproduktion (1885) No. 5. —
Zeitschr. f. Fleischbeschau u. Fleischproduktion (18ö8) 14.
9) Cameron, Lancet (1890) Jvli 26. — Centralbl. f. Hin. Med. (1891) No. 18. — Arch.
f. animal. Nahrung smittelk. (1891) 128.
10) Wolff, Centralbl f. med Uissensch. 26. Bd.
11) Dutertre, Em, Annal. d'hyg publ. Paris, 19. Bd. 176.
12) Bardet, .München, med. Hochenschr. (1893) No. 45.
12a) Ostertag. Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. (1894) No. 12.
12J) Eberlein, Arch f. Tierheük. (1895) 310
13) Schmidtmann, Zeitschr. f. Medizinal- Beamte (1888) No. 1 u. 2.
13a) Foote, The med. News, März 1895
14) Maljean. Rec de mid. vetir. (1892) 3. Bd., ref. Zeitschr. f. Fleisch- «. Milchhyg.
2. Bd. 131
16) Schmidt-Mülheim, D. Zeitschr. /. Tiermed. (1884) 374.
125
536 • EDELMANN,
Ifta) Falk und Oppermann, D. FUischer-Ztg. (1892).
15^;) Kissling. Ztiitschr. f. Fleisch- u. ililchhyg. 6. Bd. 71.
IG'» Petsch, Zeitfchr. f. Vtt.-Kunde 6. Bd No. 1.
17) Klinger und Bajard, Ostertag's Ilandh. 667.
18) BiachoflF, OsteHag's Handb. 668.
19) Marpmaim, Zcitschr. f. angewandte Mikroskopie 1. Bd. 12; rej. von Edelmann i«
D. titrärztl. Wochenschr. 3. Bd. 172.
20) Schmidt-Mülheim, Arch. f. anitnal, Ndhrungsmittelk. 5. Bd. 63.
21) Hamlet, Chemiker- Ztg. 17. Bd.
22) Boucherau und Noir, Arch. d. med. milit. (1889).
22a) Herrn. Kämmerer , Forschungsberichte über Lebensmittel und ihre Beziehungen zur
Hygiene, über forense Chemie und Pharmakognosie. München, 2. Jahrg. 10. Uft. 257.
226) PoUi, Ber. d. DeiU^ch. Chem. GeseUsch. 10. Bd. 1382 (1877).
22c) Liebreich, Berl. klin. Wochenschr. (1887) 605.
22f/) Ostertag, Zeitschr. f. Fleisch- u MUchhyg. 2. Bd. 85.
22t) Edelmann, D. t. Wochenschr. (1896) Xo. 8.
22/) Veröf. d. Kaiserl. Gesundheitsamts (1895) 194.
22p) Ibid. (1894) 867.
22h) Ostertag. Zeitschr. f. Fleisch- u. Müchhyg. 6 Bd. 69.
22 1) Hefelmann, D. t. Wochenschr. (1896) 95.
22/:) Plagge und Trapp, Die Methoden der FleisclJeoiiservierung, Berlin 1893.
22Z) Polenske, Arbeit. Kaiserl. Gesundheitsamt. 11. Bd. Z.Heft.
22m) Polenske, Ibidem.
VI. Kapitel.
Fleisch- und Wurstvergiftiiiigeii.
Infolge des Genusses von Fleisch, Fleisch- 0(ier Wurstwaren
kommen nicht selten beim Menschen Erkrankungen vor, welche unter
dem Symptomenbilde von Vergiftungen auftreten und daher auch als
solche bezeichnet werden. Diese, mitunter eine endemische Verbreitung
zeigenden Vergiftungen, sind aber weder ätiologisch, noch ihrem Wesen
nach einheitlicher Natur, sondern sie weisen nach beiden Richtungen
hin oft sehr erhebliche Verschiedenheiten auf. Im großen und ganzen
kann man drei Gruppen dieser auf Fleischgenuß zurückzuführenden
Vergiftungen unterscheiden, nämlich die eigentlichen Fleisch-
vergiftungen, die sogen. Hackfleischvergiftungen und die
Wurstvergiftungen. Nicht immer sind diese Gruppen scharf
auseinanderzuhalten, sondern manchmal muß, auf Grund der Krankheits-
symptome, in Verbindung mit der Art der schädlichen Fleischnahrung
eine kombinierte Ursache der Vergiftung angenommen werden. Unter
die Gruppe der Wurstvergiftungen sind ferner die Vergiftungen durch
den Genuß von Fischen, Muscheln und Krustentiere zu rechnen, welche
gemeinhin als Vergiftungen durch Fischgift bezeichnet
werden. Letztere, die bereits S. 527 eine kurze Erwähnung fanden,
mögen hier unberücksichtigt bleiben.
1. Die Fleischvergiftungen.
Obwohl die Bedeutung der Fleischvergiftungen schon seit geraumer
Zeit in der medizinischen Welt gewürdigt worden ist, so hat man doch
ihren Ursprung und ihr Wesen erst in den letzten beiden Jahrzehnten
näher kennen gelernt. Während man früher zumeist geneigt war, als
Ursache der Fleischvergiftungen eine Erkrankung der Schlachttiere an
Milzbrand oder Typhus vorauszusetzen und eine unmittelbare üeber-
126
Fleischbeschau. 537
tragung der betreffenden Kninkheitserreger auf den Menschen an/u-
nebmen, kann heute diesen beiden Krankheiten eine ursächliche Be-
deutung bei den eigentlichen Fleischvergiftungen fast vollständig
abgesprochen werden. Boll in ger ' hat schon 187(j darauf aufmerksam
gemacht, daß eine Anthra.xübertragung ganz andere Krankheitsbilder
zur Folge hat, als sie bei Fleischvergiftungen vorkommen. Und be-
züglich des Typhus wies er zutreffend darauf hin, daß eine dem Typhus
des Menschen entsprechende Krankheit bei den Tieren überhaupt nicht
vorkommt. Dagegen hob Bolliuger die Bedeutung der septischen
und pyämischen Krankheiten der Schlachttiere als Ursachen der
Fleischvergiftungen bei den Menschen ganz besonders hervor und ver-
mochte seine Behauptung vier Jahre später durch die Thatsache zu
belegen, daß innerhalb dieser Zeit 11 gniliere Massenvergiftungeu mit
etwa lüOO Krkraukungsfällen vorgekommen waren, welche überwiegend
auf Fleisch von septisch oder pyämisch erkrankten Schlachttieren
zurückgeführt werden konnten.
Gleichzeitig hatte Si edamgrotzky - sich mit dieser naturgemäß
für die Tierärzte besonders wichtigen Frage des Ursprungs der Fleisch-
vergiftungen beschäftigt und sich damit das große Verdienst erworben,
die tierärztliche Welt auf die Bedeutung dieser P'rage nachdrücklich
hingewiesen zu haben.
IVesen. Das Wesen der Fleischvergiftungen beruht entweder in
einer Intoxikation des menschlichen Körpers mit den von Fäulnis-
oder Eiteruugserregern oder von Sepsis veranlassenden Mikroorganismen
im Fleische erzeugten chemischen Giften (Toxine, Toxalbumine, toxi-
gene Substanzen, Fermente), oder auch in einer Infektion mit diesen
Mikroorganismen selbst, oder endlich in einer g e m e i n s a m e n Wirkung
von toxischen Substanzen und Infektionserregern.
Der Charakter der durch die Aufnahme von im Fleisch vorhandenen
animalischen Giften beim Menschen entstehenden Krankheit, welche von
Bollinger als Sepsis in testinalis, von Gaffky als infek-
tiöse Enteritis bezeichnet wird, ist ein sehr wechselnder. Bol-
linger sagt darüber: „Von der einfachen Verdauungsstörung, dem
Magenkatarrh, dem Brechdurchfall bis zu schweren febrilen Erkran-
kungen, die gelegentlich unter dem Bilde des sogen. Schleimfiebers, des
gastrischen Fiebers, des Ileotyphus, der Dysenterie verlaufen, existiert
eine förmliche Stufenleiter. ... Zu dem Gebiete der Fleischvergiftungen
gehören wahrscheinlich auch manche Erkrankungen, die unter dem
Bilde des Petechialtyphus, des fieberhaften Ikterus (Weil'sche Krank-
heit) verlaufen. . . . Durch Versuche (Kocher's) an Tieren ist nach-
gewiesen, daß derartige septische und bacilläre Gifte vom Verdauungs-
kanal aus in den Körper einzudringen und schwere entzündliche Prozesse
(z. B. infektiöse Knochenmarkentzündung) zu verursachen vermögen, ohne
an der Eintrittsstelle Spuren zu hinterlassen". Audi choleraverdächtige
Erkrankungen sind nicht selten im Gefolge von Heischvergiftungen be-
obachtet worden. Entsprechend der Erkrankungsform sind daher die
Erscheinungen der Fleischvergiftung sehr verschieden und sie werden
naturgemäß ganz erheblich durch die Menge des genossenen Fleisches,
dessen Zubereitung u. s. w. beeinflußt. Wenn demgemäß ein einheit-
liches typisches Krankheitsbild bei der Fleischvergiftung nicht besteht,
so dürfte es nur aus dem Zusammenhange einer dem Symptomen-
komplex entsprechenden, konkreten Erkrankung mit der Aufnahme einer
127
538 EDELMANN.
bestimmten Fleischnahrung möglich sein, beim Fehlen anderweiter krank-
machender Einflüsse eine Diagnose auf Fleischvergiftung zu stellen.
Ursachen. Die Veranlassung zu Fleischvergiftungen giebt ent-
weder das Fleisch von Schlachttieren, welche mit gewissen Krankheiten
behaftet gewesen waren, oder Fleisch, welches postmortal mit pathogenen
Mikroorganismen infiziert worden ist. Die letzteren gehören je-
doch, streng genommen, nicht unter die Fleischver-
giftungen im engeren Sinne (s. S. 539). In ersterer Hinsicht
kommen ganz besonders die p y am i sehen und septikä mischen
Erkrankungen der Schlachttiere mit ihren mannigfachen
Formen (S. 511 ff.) und ihrer meist dunklen Aetiologie in Betracht. Ins-
besondere sind es gewisse Darmerkrankungen bei Rindern , eigenartig
verlaufende Euterentzündungen der Kühe, bestimmte Allgemeiner-
krankungen post partum bei Kühen . sowie auf Infektionen vom Nabel
aus zurückführbare Krankheiten der Kälber, welche, auf septischer Basis
beruhend, dem Fleisch giftige Eigenschaften verleihen. Da diese Er-
krankungen der Tiere, wie schon früher (S. 428) erwähnt wurde, sehr
häufig zur Notschlachtung derselben Veranlassung geben, so ist es nicht
auffallend, daß die weitaus meisten Fleischvergiftungen
auf notgesch lachtet e Tiere zurückzuführen sind.
Daß der Milzbrand der Tiere als Ursache der Fleischvergiftungen
nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, wurde schon angedeutet und
auch bei Besprechung dieser Seuche (S. 506j betont, daß eine Anthrax-
erkrankung von Menschen durch den Genuß des Fleisches milzbrand-
kranker Tiere noch nicht einwandsfrei bewiesen worden ist. Bezüglich
der sogenannten typhösen Erkrankungen der Schlachttiere sei erwähnt,
daß, wenn sie einmal bei der Entstehung von Fleischvergiftungen in
Frage kommen, stets der Verdacht vorliegt, daß die als Typhus be-
zeichnete Tierkrankheit septischer oder pyämischer Natur gewesen ist,
bez. daß Sepsis oder Pyämie sich mit dem sogen. Typhus (Petechial-
fieber s. S. 513) kombinierten.
Von einem kranken Schlachttiere kann nun entweder das ge-
samte Fleisch schädHche Eigenschaften besitzen, oder es können
sich die letzteren auch nur auf einzelne Eingeweide der Tiere
beschränken. Beidemal kann die Virulenz des Fleisches oder Ein-
geweides sehr verschieden und demzufolge der Grad der Vergiftung
sehr wechselnd sein. Die Virulenz des PTeisches ist abhängig von der
Schwere und Art der Erkrankung des Schlachttieres, von dem Zeit-
punkte der Schlachtung und dem Ausbluten des Tieres , von der Art
der Aufljewahrung und der Zubereitung des Fleisches, ßezüghch der
Aufbewahrung muß angenommen werden, daß unter gewissen Verhält-
nissen fWärme, Feuchtigkeit) die Giftigkeit des Fleisches durch die
weiteren Lebenswirkungen der in ihm vorhandenen Infektionserreger
eine postmortale Steigerung erfährt, oder, daß letztere durch die
Ansiedelung neuer Keime infolge Bildung von Kadavertoxinen ver-
anlaßt wird. Die Zubereitung des Fleisches spielt insofern eine be-
deutende Rolle, als erfahrungsgemäß der Genuß des rohen Fleisches in
der Regel viel schwerere Störungen zur Folge hatte, als der von ge-
kochten oder gebratenen Fleischspeisen. Durch diese Zubereitung
werden Infektionserreger, welche im Fleische selbst sitzen, vielfach ab-
getötet und damit die Gefahr abgewendet, welche dem Menschen durch
die Reproduktion dieser Infektionserreger bei Einverleibung in seinen
Verdauungsapparat droht. Daß die dem Fleische anhaftenden chemischen
128
Fleischbeschau. 539
Giftstoffe durch das küchen mäßige Kochen oder Braten nicht zerstört
werden, hat die Erfahrung mannigfach gelehrt, und dies bildet einen
Beweis dafür, daß (bis Wesen einer ganzen Anzahl von Fleischver-
giftungen eine Intoxikation ist. Selbstverständlich können diese toxi-
schen Substanzen durch die Zubereitung des Fleisches durch Aus-
laugung, oder Bildung anderer chemischer Verbindungen, eine Vermin-
derung erfahren, was gleichzeitig eine Abschwächung der Giftigkeit des
Fleisches an und für sich in sich schließt. Hierfür spricht auch die
Beobachtung, daß in gewissen Fällen die Fleischbrühe hervor-
ragende toxische Wirkungen besessen hat.
Soweit einzelne Eingeweide, insbesondere Leber und Nieren
der Schlachttiere, sich giftig erwiesen, während das Fleisch selbst, die
Muskulatur der betreffenden Tiere, unschädlich war, muß angenommen
werden, daß diese Organe entweder ausschließlich der Sitz der toxiko-
genen Elemente waren, oder vermöge ihrer physiologischen I'unktionen
größere Mengen giftiger Substanzen aufnehmen konnten.
Was endlich die Fälle anlangt, in denen das giftig wirkende Fleisch
erst post mortem seine Virulenz erlangt hat, so gehören diese,
wie schon angedeutet wurde, eigentlich nicht hierher, sondern fallen
unter die schon S. 472 besprochenen postmortalen Veränderungen des
Fleisches, woselbst auch schon auf deren Bedeutung hingewiesen wurde.
Bezüglich ihrer Aetiologie und klinischen Erscheinungen sind die Ver-
giftungen durch postmortale Veränderungen des Fleisches den sogen.
Wurstvergiftungen (S. 543) zu subsumieren, üeber die bei faulen-
dem Fleisch sich bildenden Giftstoffe, die Kada veralkaloid e oder
Fäulnistoxine, haben die Arbeiten von Brieger^, Bocklisch-*,
Arnold** u. A. Aufklärung verschafft. Doch sind die von den
gesamten Autoren dargestellten Ptomaine meist un-
giftig. Vielleicht sind diese Stoffe nur die Zersetzungsprodukte bisher
kaum bekannter, höchst giftiger Fäulnisprodukte.
Aetiologie der Fleischgif'tigkeit. lieber diejenigen Kleinlebe-
wesen , welche in den kranken Schlachttieren, bez. in dem von ihnen
abstammenden Fleische die toxischen Substanzen erzeugen, oder auch in
dem letzteren selbst sich aufhalten und beim Genüsse des Fleisches auf
den Menschen pathogen wirken, besitzen wir noch verhältnismäßig wenig
Erfahrungen. Es kommt dies zum größten Teil daher, daß in der Regel
zu dem Zeitpunkt, an welchem eine Fleischvergiftung als solche erkannt
wird, von dem schädlichen Fleische keine oder nur sehr spärliche Ueberreste
vorhanden sind, welche außerdem noch meist für die bakteriologische
Untersuchung, infolge eingetretener Fäulnis, ein sehr wenig geeignetes
Material bilden. Nach den Zusammenstellungen von Gstertag^ in
seinem Handbuche und einigen vom Verf. in der Litteratur gefundenen
Angaben liegen folgende Arbeiten vor, bei denen die pathogene Wirkung
der gefundenen Mikroben stets experimentell nachgewiesen wurde.
Zuerst hat Johne ^ bei der Fleischvergiftung in Lauterbach (1884)
im Fleische einen pathogenen, milzbrandähnlichen Bacillus gefunden.
Gärtner'^ wies bei der Fleischvergiftung in Fraukenliausen (1888)
innerhalb der Blutgefäße einen Bacillus nach, den er Bacillus enteritidis
nannte. Das von demselben produzierte chemische Gi ft wurde durch
Kochen nicht zerstört. — Denselben Bacillus fand Johne** bei der
Cottaer Fleischvergiftung (1889), jedoch nur im Bindegewebe liegend
und neuerdings auch im Fleisch von Würsten, welche 1894 in Bischofs-
Handbuch der Hygiene. Bd. III. Abtlg. a. 35
129
540 EDELMANN,
werda ^ eine Massenerkrankung veranlaßt hatten. — Karlinski^^
vermochte den Bac. enterit. Gärtner noch in getrocknetem Schaffleisch,
welches toxisch gewirkt hatte, nachzuweisen.
Gaffky und Paak^^ isolierten aus Pferdefleischwürsten, welche,
wie auch das Fleisch, in Röhrsdorf (1885) eine Vergiftung veranlaßt
hatten, pathogene, bewegliche Mikroorganismen, die sie Wurstbacillen
nannten und die in anderen Fleisch- und Wurstsorten nicht zu finden
waren.
Bei der Fleischvergiftung zu Rotterdam (1892) fanden Po eis und
D h 0 n t ^2 kurze und aufserordentlich feine Stäbchen mit abgerundeten
Enden besonders in den Blutgefäßen des intramuskulären Gewebes. Die
Bacillen produzierten toxische Stoffe. Kälber starben 5 Stunden nach
der intravenösen Injektion einer Reinkultur.
Bei der Fleischvergiftung zu Moorseele (1892) wies vanErmengem*^
im Mark des Oberschenkels eines der die Ursache bildenden Kälber die
von ihm als Bacilles de Moorseele bezeichneten Mikroben oder Bacillen
nach. — Die Stäbchen zeigen große Beweglichkeit und besitzen zahl-
reiche (4 — 8), lange Geißeln, welche sich mit L öf f ler'scher Flüssig-
keit leicht färben lassen. Mit dem Bacillus enteritidis Gärtner sind
die Bacillen van Ermengem's nicht identisch. Letztere produzieren
ein Toxalbumin, welches durch Erhitzung auf 100 — 120*^ C. nicht zer-
stört wird. — Holst ^^* fand bei einer in der Irrenanstalt zu Gaustadt
vorgekommenen Fleischvergiftung von 81 Personen mit 4 Todesfällen Ba-
cillen, welche er mit denjenigen van Ermengem's für identisch hält.
Dieselben waren dem Bact. coli commune ähnlich. Ursache der Epidemie
war ein Kalbsbraten.
Flügge ^"^ hat bei der Breslauer Massenerkrankung (1893) Teile
des giftigen Fleisches an Mäuse verfüttert, in deren Darm sich darauf
eine Reinkultur von Bakterien vorfand, die dem Bacterium coli ähnlich
waren. Dasselbe vermehrt sich sehr schnell im Organismus und wirkt
schließlich wie ein Toxin.
Basenau^^ züchtete aus dem Fleische einer Kuh, welche wegen
Erkrankung nach dem Kalben notgeschlachtet worden war, den Bacillus
bovis mortificans. Derselbe besitzt die Größe der Typhusbacillen, ist
beweglich, wächst in und auf geschlachtetem Fleische und wird durch
eine Minute dauernde Einwirkung von 70*^ C. getötet. Er ist pathogen
bei Impfung und Verfütterung für Mäuse, weiße Ratten, Meerschweinchen
und Kälber.
K u b 0 r n ^ 6 fand in dem Fleische einer umgestandenen Kuh, durch
welches 30 Personen in Denis (Belgien) erkrankt waren, den Staphylo-
coccus pyogenes flavus.
Inwieweit nun die vorgenannten, oder auch andere, noch unbekannte
Bakterien, welche in dem giftig wirkenden Fleische kranker Schlachttiere
vorhanden sind, durch ihre Einverleibung in den menschlichen Ver-
dauungsapparat selbst schädlich wirken, oder durch die von ihnen be-
reits im Fleische erzeugten Giftstoffe, bedarf noch der Aufklärung.
Die Schnelligkeit des Auftretens der ersten Krankheitserscheinungen
nach dem Fleischgenusse spricht mehr für eine Intoxikation. An diese
können sich jedoch die Folgen der Infektion anschließen, indem die
schnell wachsenden und in die Blutbahn proliferierenden Mikroben (z.
B. Bacillus enteritidis Gärtner) ihre deletären Wirkungen äußern durch
130
Fleischbeschau. 541
ihre Giftbildung nicht nur im Verdauungsapparat, sondern auch erst
in den Blut- und Lyniphbalmen des Körpers.
In den schwereren und protrahierten Fällen von Fleischvergiftung
müssen wir unbedingt eine septische Infektion des menschlichen
Körpers annehmen, da reine Intoxikationen schneller verlaufen und ent-
weder bald letal enden, oder, infolge Zerstörung ihrer Giftstoöe durch
die Thätigkeit der lebenden Zellen des menschlichen Organismus, in
Genesung übergehen.
Es mag nicht unerwähnt bleiben, daß bei einer gan/en Anzahl von
Fleischvergiftungsfällen beobachtet worden ist, daß reichlicher Alkohol-
genuß unter sonst gleichen Verhältnissen die Erkrankung der be-
treuenden Personen verhütete oder abschwächte.
Kasuistik der FleiscliTergiftnngen. Eine erstmalige kritische
Aufzählung der bis dahin beobachteten Fälle findet man in der
obenerwähnten Arbeit von Siedamgrotzky- aus dem Jahre 1880,
deren Inhalt von Bollinger^ in seinem mehr genannten Vortrage
mit verarbeitet worden ist. Die Bollinge r'sche Kasuistik führt
17 endemische Fleischvergiftungen mit fast 2400 Erkrankungs- und
35 Todesfällen auf. Diese Kasuistik hat Ostertag^, welcher 1892
einen Vortrag über diesen Gegenstand gehalten hatte, in sein Handbuch
aufgenommen und dieselbe vermehrt durch 55 aus der Litteratur der
letzten 15 Jahre bekannt gewordene Vergiftungen infolge Fleischgenuß.
Letztere 55 Fälle umfassen mehr als 2700 Erkrankungen, von denen
der überwiegende Teil auf Deutschland entfällt.
Das Studium auch dieser Massenerkrankungen beweist, wie Ost er-
tag zutreöend hervorhebt, „aufs neue die b esondere Gefährlich-
keit des Fleisches von Kälbern, welche im Anschluß an
Nabelinfektion septisch erkrankten, ferner derjenigen
Kühe, welche wegen entzündlicher Prozesse nach dem
Kalben, oder wegen eigentümlicher Darm- und Euterer-
krankungen notgeschlachtet werden mußten", üeber Einzel-
heiten, insbesondere über die Zahl der bei den einzelnen Endemien
erkrankten und gestorbenen Personen, über die Ursache der Er-
krankungen , deren Erscheinungen (S. 542) und Verlauf, muß auf die
angeführte Litteratur, welche sich noch durch Fälle aus den letzten
beiden Jahren würde vermehren lassen, verwiesen werden.
Behufs Erkennung der Giftigkeit Yon Fleisch kann zwar eine
Prüfung desselben auf Bakterien in der von Basenau'^ vor-
geschlagenen Weise (S. 429) unternommen werden, jedoch würde eine
solche bakteriologische Untersuchung für die Praxis immer nur der
äußerste Notbehelf bleiben können.
Der Schwerpunkt ist vielmehr auf eine Prophylaxe der Fleisch-
vergiftungen durch die Fleischbeschau zu legen, auf eine ge-
wissenhafte tierärztliche Untersuchung der Schlachttiere vor und
nach der Schlachtung, die , wie schon öfter betont wurde,
mindestens bei Notschlachtungen unter allen Umstünden staat-
lich angeordnet werden sollte. Zwar wird es selbst für den ge-
übten Sachvcrstäntligen zweifelhafte Fälle geben , in welchen ihm die
Abgabe eines Urteiles nicht leicht sein wird ; aber gleichwohl wird
derselbe, bei Beachtung und Würdigung aller klinischen und patholo-
gischen Eigentümlichkeiten der septischen und i)yämischen Erkran-
kungen, auf die S. 511 ti'. kurz hingewiesen wurde, die Entstehung von
Fleischvergiftungen nahezu vollständig, sicher aber insoweit verhüter
13' ^^*
542 EDELMANN,
könuen, als dies nach dem derzeitigen Stande unserer wissenschaftlichen
Fleischbeschau überhaupt möglich ist.
3. Die Hackfleischvergiftungeii.
Die Vergiftungen durch gehacktes Fleisch müssen als besondere
Gruppe der Fleischvergiftungen betrachtet Averden, weil sie, hinsichtlich
ihrer Aetiologie, nicht zu den besprochenen Fleischvergiftungen im eigent-
lichen Sinne gehören und, wegen ihrer Symptomatologie, erheblich von
den Wurstvergiftungen abweichen.
IVeseii und Erscheinungen. Wenngleich das Wesen der Hack-
fleischvergiftungen noch nicht aufgeklärt ist, so dürfte denselben dennoch
entweder eine Infektion mit septisch wirkenden, fakultativen Saprophyten,
welche sich auf dem Fleische angesiedelt haben, oder auch eine In-
toxikation mit besonderen, durch die Lebensthätigkeit von Bakterien
im Fleische gebildeten Toxinen zu Grunde liegen. — Die Erscheinungen,
welche von Haupt bei der Epidemie in Chemnitz (1886) beobachtet
und von S c h m i d t - M ü 1 h e i m ^ ' mitgeteilt worden sind, waren graduell
von der Menge des Fleischgenusses abhängig und ähnelten vielfach denen,
wie sie bei den eigentlichen Fleischvergiftungen beobachtet werden:
Uebelkcit, Eingenommensein des Kopfes, Mattigkeit, Erbrechen, ruhr-
artiger Durchfall, Kopfschmerzen, Schwindel und große Hinfälligkeit;
bei Kindern Steigerung bis zu choleraartigen Symptomen. Einige Er-
krankte schwebten tagelang in Lebensgefahr, jedoch fand bei allen
Genesung, wenn auch bei einigen sehr verzögert, statt. Bei der Endemie
im Jahre 1879 waren 2 Personen gestorben.
Ursaclien. Hervorgerufen wurden die Hackfleischvergiftungen durch
den Genuß von rohem Hackfleisch, welches anscheinend noch völlig
unverdorben war und im gebratenen Zustande keinerlei Erkrankung
oder nur ganz geringe Unpäßlichkeit veranlaßte. Das Fleisch stammte
bei den größeren Massenerkrankungen nachgewiesenermaßen von Tieren,
welche seitens der Fleischbeschau in den freien Verkehr gelassen worden
waren, deren Fleisch auch sonst keinerlei Erkrankungen veranlaßt und das
nur und ausschließlich als Hackfleisch giftig gewirkt hatte. Daher bleibt
nur die Annahme übrig, daß in dem Hackfleische vor oder nach der
Zerkleinerung sich Mikroorganismen angesiedelt und daselbst schnell
vermehrt haben. Letzteres wurde begünstigt durch die hohe Außen-
temperatur, da die Hackfleischvergiftungen nur im Frühjahr und Sommer
beobachtet wurden, durch das leichtere Eindringen der Luft in das
zerkleinerte Fleisch und durch dessen, nicht selten künstlich vermehrten
Feuchtigkeitsgehalt. Ob nun bei den Menschen, welche derartiges
Fleisch genossen hatten, die Fleischbakterien selbst durch Vermehrung der
Toxinbildung im Verdauungsapparat giftig wirkten, oder ob die von
ihnen schon im Fleische erzeugten Zersetzungsprodukte allein die Krank-
heit herbeifülirten, entzieht sich der sicheren Beurteilung. Das Auf-
treten der ersten Symptome kurz nach dem Genüsse des Fleisches
(4 Stunden) spricht mehr für eine Intoxikation, die allerdings mit einer
Infektion kombiniert sein kann, auf welche dann die späteren schweren
Symptome zurückzuführen sind.
Kasuistik. Wie Ostertag in seinem Handbuche, der die
folgende Kasuistik entnommen ist, zutreff'end hervorhebt, sind Hack-
fleischvergiftungen größeren Umfangs bis jetzt nur in sächsischen und
thüringischen Orten beobachtet worden, woselbst viel rohes Fleisch
132
Fleischbeschau. 543
oder diesem ähnliche, uur leicht angeräucherte Bratwürste genossen
werden.
In Chemnitz erkrankten 1879 infolge Genusses von Mettwurst
und rohem Rindfleisch 241 Persduen, von denen 2 starben. Ebendaselbst
erkrankten 188G nach dem Genuß von Hackfleisch IGO Personen. —
Kleinere Endemien wurden nach dem Genuß von rohem Hackfleisch in
den letzten (i Jahren beobachtet in Dresden (11 Personen), in Gerb-
stadt (über 50 Personen) und in Gera (30 Erkrankungen). Isolierte
Fälle, die sich fast jeden Sommer ereignen, sind dem Verf. wiederholt
bekannt geworden.
Prophylaktisch empfahl S c h ni i d t - M ü 1 h e i m ein polizeiliches
Verbot der Aufbewahrung von rohem Hackfleisch an Sommertagen.
3. Die Wurstrergiftungen.
Als Wurstvergiftungen (Botulisnius , Allantiasis) müssen gewisse
Fälle von Vergiftungen durch Fleischgenuß besonders besprochen
werden, welche sich wegen ihrer eigentümlichen, von denen der beiden
vorigen Gruppen abweichenden Symptome- als eigenartig charakte-
risieren.
Wesen und Erscheinungen. Ueber das Wesen der Wurstver-
giftungen herrscht noch ebensowenig Klarheit wie über die eigentlichen
Fleischvergiftungen. Jedoch handelt es sich auch hier zweifellos um
eine Intoxikation des menschlichen Organismus durch Toxine, welche
im wesentlichen von Fäulnis bakterien erzeugt worden sind. Die
Toxine können teilweise bereits in dem schädlichen Nahrungsmittel ge-
bildet worden sein (Ehrenberg^^ u. A.), teilweise aber auch erst
im menschlichen Verdauungsapparate durch die mit aufgenommenen
Fäulniskeime erzeugt werden. — Für die Symptomatologie sind,
besonders charakteristisch die Sehstörungen, welche bei den
eigentlichen Fleischvergiftungen überaus selten beobachtet werden.
Paresen im Gebiete des Opticus. Oculomotorius, Trochlearis, Abducens,
sowie des N. lacrimalis und X. trigeminus kommen bei nahezu allen
Wurstvergiftungen einzeln oder vergesellschaftet vor. Daneben bestehen
die bekannten, vom Verdauuugsapparat ausgehenden Erscheinungen:
Uebelkeit, Erbrechen, Leibschmerzen, Verstopfung, seltener Durchfall,
welcher sich erst nach einigen Tagen einstellt. Von N i e d n e r ^ ■' sind auch
Ulcerationen im Mund und Schlund im Gefolge einer Wurstvergiftung
beobachtet worden. Weiterhin bestehen hochgradiges Schwächegefühl,
Eingenommenheit des Sensoriums etc. — Bezüglich der Inkubations-
zeit bestehen ebenso große Verschiedenheiten, wie hinsichtlich der
Schwere und Dauer der Krankheit. — Die Mortalität ist weit
höher als bei den Fleischvergiftungen. Müller-*^ schätzt dieselbe
auf ein Drittel aller Erkraukuugsfälle und Senkpiehl-^ berechnete
aus 412 Erkrankungen von 1789 bis 1886 mit 165 Todesfällen die
Mortalität auf 40 Proz.
Ursachen. Wie es schon der Name ausdrückt, werden die Wurst-
vergiftungen in erster Linie durch den Genuß von verdorbenen Würsten
veranlaßt. Die Verderbnis und damit die Giftigkeit der Würste ist auf die
Thätigkeit von Fäulnisbakterieu zurückzuführen, welche in der Wurst-
masse gute Entwickelungsbedingungen finden. Diejenigen sogen. Wurst-
vergiftungen, welche durch Würste veranlaßt werden, zu denen Fleisch
septisch oder pyämisch erkrankter Tiere verarbeitet
133
544 EDELMANN,
wurde, gehören nicht zu den eigentlichen Wurstver-
giftungen und unterscheiden sich a u c li symptomatisch
von diesen.
Von Würsten, welche besonders häufig zu Vergiftungen führten,
sind vor allem Blut,- Leber-, sowie andere Eingeweide- und Sülzwürste
zu erwähnen, welche in gewissen Gegenden ziemlich voluminös her-
gestellt und durch Räucherung zu Dauerwürsten gemacht werden.
Der Wurstinhalt widersteht schon an und für sich wenig der Fäulnis
und bei dem großen Umfang, den die meist gelegentlich sogen. Haus-
schlachtungen für den eigenen Bedarf hergestellten ^Yürste besitzen,
kann es leicht vorkommen , daß, wegen der nicht genügend lange vor-
genommenen Kochung, im Inneren der Würste befindliche Fäulnis-
keime unzerstört bleiben. Dem Einfluß der letzteren fällt das leicht
verderbliche Wurstmaterial um so eher anheim, wenn durch Räuche-
ruug nicht die Entwickelung der Fäulniskeime schnell verhindert
wird. Ist aber letzteres, nach den Untersuchungen von Beu^-,
bei ungepökeltem Material schon an und für sich schwer, so wird
die keimtötende Wirkung des Räucherns bei sehr voluminösen Würsten
wegen der schweren Diirchdringbarkeit derselben nur gering sein
und besonders auch dann im Stich lassen , wenn , wie dies in den
Haushaltungen auf dem Lande noch vielfach geschieht, die Räucherung
nur stundenweise (tagsüber) erfolgt. Daß jeder Gehalt an Kohlehydraten
(Stärkemehl, Grütze, Semmel, Brot etc.) die Verderbnis der Würste
begünstigt, liegt auf der Hand.
Ein Beweis dafür, daß die Giftigkeit der Würste auf Fäulniserreger
zurückzuführen ist, liegt in dem Umstände, daß auch andere in Zer-
setzung begriffene Fleischspeisen den Wurstvergiftungen völlig analoge
Erkrankungen veranlaßten. So sind Vergiftungen beobachtet worden durch
partiell zersetzten Schinken, durch fauliges Fleisch und durch die Brühe
von solchem, durch gärendes Pökelfleisch, infolge Genusses von ge-
bratenen Gänsen, welche mau unausgeweidet hatte im Keller hängen
lassen, durch aufgehobene Hammelbratenbrühe, durch verdorbene
Büchsenkonserven etc.
An die Wurstvergiftungen sind anzureihen die durch ver-
dorbene Fische, Krusten- und Schaltiere veranlaßten
Erkrankungen. Bei der Fäulnis der letzteren bilden sich Gifte,
welche das Wurstgift an Intensität der Wirkung übertreßen.
Kasuistik. Die meisten Wurstvergiftungen haben sich in W'ürttem-
berg ereignet, woselbst schon Justinus Kerner^^ im Jahre 1820
die Aufmerksamkeit der Mediziner auf dieselben lenkte. Das über-
wiegende Vorkommen im Württemberger Lande ist nach Ostertag^*,
der in seinem Handbuche die hauptsächlichsten Fälle, welche unten
mitgeteilt werden, zusammenstellt, nicht allein auf den daselbst sehr
umfänglichen Wurstverbrauch zurückzuführen, sondern auch „in dem
mangelnden Verständnisse zu suchen, mit welchem gewisse Wurstarten,
wie Leber- und Blutwürste, als Dauerwürste früher hergestellt w^urden,"
Dies hat sich übrigens gebessert, sodaß sich jetzt Wurstvergiftungen
seltener ereignen. Auch in Bayern und Baden sind mehrere Fälle be-
obachtet worden; und daß auch in Xorddeutschland solche vorkommen,
Ijeweisen, nach Ostertag, die Publikanden der Kgl. Regierung zu
Arnsberg vom 18. Januar 1822 und 16. Dezember 1825, in welchen,
unter Bezugnahme auf eine vorgekommene Wurstvergiftung, vor dem
Genüsse breiiger, saurer und übelriechender Wurst gewarnt wird.
'34
I
Fleischbeschau. 545
K e r n e r erwähnt als ersten Fall eine Wurstvergiftung zu K 1 e i n e n s-
heim bei Wildliad vom Jahre 1793. Es folgten weitere Ej)idenuen aus
Moosberg, Breiten berg, Reichen b ach, Stammeuhain und
aus dem Sulzer Oboramt mit zusammen 7G Erkrankungen und 37 Todes-
fällen. 1822 berichtet Kern er von 98 weiteren Fällen, von denen 34
mit dem Tode endeten. Dabei waren zweimal Massenerkrankungen nach
dem Genüsse sauer gewordener Blunzen und zersetzter anderer Wurst.
Weiß berichtet 1824 über 29 Erkrankungen mit 3 Todesfällen in
Murrhardt nach dem Genuß verdorbener Wurst.
Von den württembergischen Aerzten Bach, Faber, Schütz,
Berg, Reuß werden aus den 50er Jahren im Württembergischen
Correspondenzblatt zahlreiche Erkrankungen nach schlechter Wurst ge-
meldet.
Weiß stellte 18G3 in demselben Blatte G2 Fälle zusammen. Eben-
daselbst berichteten 18G9 Josenhaus und Baumann über 2 kleinere
Epidemien nach Genuß von 6 Wochen alter Hirnleberwurst und gewöhn-
licher Leberwurst. Ebensolche Fälle beobachtete auch Hedinger.
Nauwerck^* teilt die Erkrankungen von 10 Personen aus
Gamertingen mit, welche Schwartenmagen genossen hatten. Zwei
Personen starben.
Eine Aufführung der einzelnen in Norddeutschland beobachteten
Fälle, welche in den verschiedensten ärztlichen Fachschriften zerstreut
beschrieben werden, würde zu weit führen.
In neuerer Zeit sind auch mehrfache Vergiftungen durch zersetzten
Schinken, sowie durch andere, der Fäulnis anheimgefallene Fleischspeisen
mitgeteilt worden, bezüglich deren Kasuistik ebenfalls auf die Litteratur
verwiesen werden muß.
Als Prophylaxe gegen Wurstvergiftungen empfiehlt sich eine wieder-
holte öffentliche Belehrung des Publikums über die richtige Herstellung
von Würsten, unter besonderer Warnung vor der Verwendung schlechten
Fleisclies und mangelhaft gereinigter Därme. Jedenfalls darf auch von
notgeschlachteten Tieren kein Fleisch zur Wurst verarbeitet
werden.
Die in Württemberg behördlich erlassenen Vorbeugungsmaßregeln
werden von Ostertag auf S. 646—647 seines Handbuchs wörtlich
mitgeteilt.
1) BoUinger , Utber FUischvergiftung , intestinale Sepsis und Abdominaltj/phus , München
18«1
2) Siedamgrotzky, lieber Fleischvergiftungen, Vorträge für Tierärzte 3. Ser. Jena 1880.
3) Brieger, lierl. klin. Wochenschr. (1886) No- 18 und als Monographie: Die Ptomaine,
llerlin 1886.
4) Bockli8ch. Der. d. ehem. Oes. 20. Bd. 1441.
4a) Arnold, Jahreiber. d. Tierarzneischule Hannover 1883/84 132.
6) Ostertag, JJandb. 620 — Zeüschr. /. Ileisch- u. Milchhyg. 2. Bd. 193. 210. 227.
6) Johne, Ber. über das Sachs. Veterinänresen (188.5) 47.
7) Gärtner, Correspondembl. der ärztl. Vereine von Thüringen (1888).
8) Johne, Ber. über d. Sachs. Veterinärwesen (1889). — 21. Jahreeber. d. Landesmedizinal-
CoUegiums.
9) Johne, Ber. über d. Sachs. Veterinärtoesen (1894) 58.
10) Karlinski, Ccntralbl. f. BakUriolog. 6. Bd. 289 (1889).
11) Gaffky-Paak. Arb. Kaia. Oes.-Amt 4. Bd. 2. lieft.
12) Peels und Dhont. Holland. ZeUschr. 20. Bd. 265. — Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg.
ö Bd. 29.
13) van Ermengem, Travaux du laboratoire d' hygiine de l' universiti de Gand (1892), ref.
Zeitschr. f. Fleisch- U7id Milchhyg. 3. Bd. IGO.
'35
Ö4G EDELMANN,
13a) Holst, Xorsk. Slagaz. f. Laegevidenik. (1894) 2so. 9; Etf. Zeüschr. /. Fleisch- u.
Müchhyg. 5. Bd 232.
14) Flügge, MUteüung von H e rrtnann- ßrtslau. — Zeittchr. /. Fleisch- u. Milchhyg.
4. lid. 211.
IM Ba«enau. Areh. f. Uyg. 20. Bd. 3 Heft.
\CA Kuborn. AUgem. med. Central-Ztg. (1894) No. 94.
17) Schmidt-Mülheim, Ztitschr J. Fleischbeschau u. Fleischprodukt. 1. Bd. 118, 2. Bd. 96.
18i Ehrenberg. Z<Uschr f. phys. Chemie (1887) 11. Bd. 239.
19) Niedner. Jierl. Idin. Wochenschr. (1866) No. 1.
2u; Müller-Minden, />as Wurstgift, D. klin. Wochenschr. {\^G%) No. 35. 37. 39. 40.41.49.
21) Senkpiehl, Ueber Masstnerkrankungen nach Fleischgenufs., besonders durch Wurst- und
Fleischgi/t, Inaug.-Diss. Berlin 1887 (Sammlung suvitl. Litteratur angaben).
22^ Ben. Centralhl f. Bakteriol. 8. Bd. 513 (1890).
23 1 Justinus Kemer, Neue Beobachtungen über die in Württemberg so häufig vorjallenden
tödlichen Vergiftungen durch den Genu/s geräucherter Würste, Tübingen 1820. — Das Fett-
gxft oder die Fettsäure und deren Wirkung auj den tierischen Organitmus, Tübingen 1822.
24) Ostertag, Uandb. 643.
25) Nauwerck, Centralhl. J. allgem. Gesdhtspfl. 6. Bd. 166.
Verzeichnis der Abbildungen.
Seite
Fig. 1. Kopf vom Rind mit angelegter Schlachtmaske. Original 425
,, 2. Senkrechter Durchschnitt durch das Mittelstück der Rinderschlachtmaske.
Nach K ö g 1 e r 425
„ 3. Kopf vom Rind mit Schufsapparat für Grofsvieh. Nach Stoff . . . , 426
,, 4. Senkrechter Durchschnitt durch einen Bolzenapparat zur Betäubung von
Schweinen. Nach Kögler 426
„ 5. Beck e r- U 1 1 m a nn ' scher Koehapparat 445
,, 6. Fleibchsterilisator nach Dr. Hermann Rohrbeck in Berlin .... 446
„ 7. Kontakt-Pyrometer im senkrechten Durchschnitt. Nach Duncker . 447
„ 8. Fleisch-Dämpfer von Rietschel und Henneberg. Aeufsere Ansicht . 448
., 9. Derselbe Apparat im Vertikalschnitt 449
., 10. Distomum hepaticum. Nach Leuckart 478
,, 11. Distomum lanceolatum. Nach Leuckart 478
,, 12. Geschlechtsreife Trichinen. Nach Leuckart 481
,, 13. Eingekapselte Trichinen. Nach Leuckart 482
,, 14. Kompressorium zur Untersuchung von Fleisch auf Trichinen. Nach Oeltz seh 484
16. Finne von Taenia solium mit eingezoKenem Kopf. Nach Heller . . 487
„ 16. Kopf von Taenia solium mit vorgestelltem Rostellum. Nach Ziegler 487
,, 17. Haken der Schweinefinne. Original 488
,, 18. Haken von Cysticercus tenuicollis. Original 488
,. 19. Kopf von Taenia saginata. Nach Ziegler 488
., 20. Brutkapseln von Echinococcus polymorphus. Nach Leuckart . . . . 491
21. Echinococcus multilocularis der Leber des Rindes. Original 492
,. 22. M i e sc h er ' sehe Schläuche in der Muskulatur. Nach Leuckart . . 494
23. Kleinknotige Serosentuberkulose vom Brustfell des Rindes. Nach Eber-
Johne 496
.. 24. Grofsknotige Serosentuberkulose vom Bauchfell des Rindes. Nach Eber-
Johne 497
,. 25. Nasenscheidewand vom Pferd mit Rotzgeschwüren und einer Rotznarbe.
Nach Ostertag 507
., 26. Actinomyces bovis. Nach Johne 6IO
„ 27. Botryomyces-Kolonie. Nach Rabe 511
„ 28. Sogenannter Muskelstrahlenpilz vom Schwein. Nach Ostertag . . . 520
.. 29 Butterrefraktometer von Zeifs in Jena 534
136
Generalregister
zum dritten Bande.
Abbe's Refraktometer 196,
Abbildaogenverzeichiiis, Abschnitt Fleisch-
beschau 546.
Äbel's Petroleumiirüfer 404.
Abgegessensein US.
Abmagerang bei Schlacbttieren 469.
Ackerbohne 255.
Adam, FreibanktVage 453.
Adametz, fadeuziehende Milch 1G9.
— Reifung der Käse 2ü3.
AdamkiewicE 10.
Adler, Geschichtliches über Fleischbeschau
412.
Aepfel 264.
Aepfelsäare 298.
Aepfel wein 'J97.
Aerzte. Kost der 101.
Ahlfeld 96.
Aktinomykose bei Schlacbttieren 509.
Alaan im Brot 253.
Albumin der Milch 158.
Albaminoide 33.
Ale 292.
Aleoronat 252.
Alkohol, Eiijflufs auf StoflFwechsel 16.
— im Wein 283.
Allantiasis 543.
AUgemeinerkrankangen der Schlachttiere
4öO.
Alpha-Separator 165. 167.
Alter der Kühe 157.
— der Schlachttierc 423, gesetzliche Be-
stimmungen 424.
— s. Lebensalter.
Altersversorgongsanstalten 1 20.
— Ko.st in 80.
Aluminiumgef&fse 304 ff.
Ammoniakalische Gärung des Fleisches s.
Fäulnis 4 72.
Ammoniakgeruch des Fleisches bei Urfimie
.523.
Amphistomen der Wiederkäuer 477.
Amylam 39.
Anacker, Nux vomica bei Scblachttieren 525.
Anämie bei Schlacbttieren .020.
Angilbert, Konservierung von Fleisch 220.
Anilinblau 381.
Anilinfarben 380.
Anilin Vergiftung 394.
Animalische Kost 69.
Ansatz ^. Mü.Ntuug 17.
Anstrichfarben, giftige 399.
Anthrachinonfarben 382.
Antimonbeizen 3'.i6. 397.
Antimonfarben 377.
Aphthenseuche der Schlachttiere 507.
Appert'fches Verfahren 220.
Arbeiter s. Stoffwechsel.
Arbeiterküchen 122.
Arbeitshäuser 115.
Argutinsky 13.
Arloing, Fleiscbvirulenz bei Tuberkulose 502.
Arnold, Kadaveralkaloide 539.
Amschink 12. 38.
Arrak 245. 301.
Arsen 386.
— -Beizen 396.
— -Bestimmung 390.
— -Farben 377.
— -Gehalt von Gebrauchsgegenständen
392 ff
— -Vergiftung 390.
— — chronische 392.
— — durch Fuchsin 395.
— — durch Kleiderstoffe 394.
Arseniksaure Thonerde als Beize 396.
ArustamoflF. Vergiftung durch Fischgift 527.
Asche, Kiiiflufs auf StitTwechsel 16.
Aschenbestandteile 26.
Askanazy, Trichiuenentwickelung 481.
Askariden t>ei Scblachttieren 477.
Asparagin 3.').
Altwater, Verdaulichkeit von Fischfleisch
232.
Aubry über Bier in Aluniiniumgefäf>en 368.
Aufblasen von Fleisch 468.
Aurantia 379.
Aurine 381.
548
Register.
Äuiblatang. manpe'hafte bei Tieren 471.
Aasmelken der Kühe 15C.
Aasnutzung der Nahrung G4 ff.
— Kiutiüise auf 68
Ausschmeliverfahren für Fett kranker Tiere
449.
Aastem 234.
— HeurteilunEc der 528.
Auszngmehl 237.
Antointoxikationen bei Scblachttiereu 525.
Azine 382.
Azofarben 380.
Itabes. Penta>tomen 493.
Bacilles de Moorsele 540.
Bacillus acidi lactici 167. 194.
— bovia roortificans im Fl>-ische 540.
— butyri colloideus 194.
— butyri fluorescens 194.
— cyanogenus 168.
— enteritidis Gärtner bei Fleischver-
giftungen 539. 540.
Backfähigkeit 237. 24 2.
Backpulver zur Brotbereitung 247.
Baden. Ergebnisse der Fleischbeschau 415.
Baer. A. 64. 93.
Bakterien 167.
— pathogene 171.
— -Gehalt des Fleisches 429.
Balbianiden im Fleische 494.
Baltzer 75.
Bandwurm 228.
Bang, Einflufs der Wärme auf Tuberkel-
bacillen 502.
— Fleischvirulenz bei Tuberkulose 501.
— Tuberkulose 496 ff.
Baranski. Anleitung zur Fleischbeschau 420.
Bardet. Vergiftung durch Muscheln 528.
Barff. Boroglycerin 221
Barille über Blutapfelsinen 380.
Barmenit 221. 531.
Basenau. bakteriologische Untersuchung von
Fleisch 429.
— Fleischvergiftungsätiologie 540.
Bass. Aufblasen von Fleisch 468.
Bauer 137.
Bauhin. Kartoffel 257.
Bauwerker, Schächten 427.
Bayer, A.. über den Indigo 36S.
Bayersdörfer, Schufsapparat 426.
Beauuia 88.
Becchi. Prüfung von .Schmalz 231.
Becker, Echinokokkenvorkommen 491.
Becker's Dampfkochtopf 57.
Becker-Ullmann'scher Kochapparat 445.
Beckurts über Zinnsulfür in Konservebiichsen
347.
Beerenfrüchte 264.
Beerenwein 297.
Beijerink Blauwerden der Käse 204.
— KeijT 163.
Beizen 378. 396.
Bekömmlichkeit der Nahrung 61.
Belgien. Fleischbeschau-Gesetzgebung 461.
Belgische Gefängniskost 116.
Beneke 88.
Benioesäure 16.
Berdez 17.
Bergblau 373
Bergeron 381.
Berlin. Ergebnisse der Fleischbeschan 416.
Berliner städtische Spitäler 135.
— — Kost der 135 ff.
Bematzek. Zuträglichkeit oder Schädlichkeit
der Sulfite 533.
Bernstein über Bleivergiftung 353.
Bersch über Erdfarben 370.
Bertschinger über Zinnfolien 352.
Beschau der Schlachttiere 440.
Beschlagnahmtes Fleisch, Verwertung 443.
Betäubung der Schlacbttiere 424.
— — , gesetzliche Bestimmungen 428.
Betrügereien im Fieischhandel 463.
Ben, Einflufs des Räucberns auf Bakterien 450.
— keimtötende Wirkung des Räucherns
544.
V. Bibra, Bestandteile des Fleisches 215.
Bidder 8.
Biedert, Fh., Bahmgemenge 188.
Bier, Bestandteile 291.
— Einflufs auf Stoffwechsel 16.
— Fälschung des 295.
— Geschmack des 293.
— Herstellung des 287,
— Untersuchung des 295.
— verschiedene Sorten 291.
Bierdeckel 355 ff.
Bierdruckapparate 353.
Bierpressionen 293. 353.
Billings. Trichinöse Ratten 481.
Birnbaum über Nickelgetäfse 362.
Birnen 264.
— -Wein 298.
Bischoflf, Farbstoffnachweis in Wurst 530.
— C. 25.
— — über Antimonbeizen 397.
— E. 7. 25. 37.
Bisquit 249.
Bister 371.
Blanc fix 370.
Blaschko. H 126.
— über Hautkrankheiten durch Farben
399.
Blaufärbung, bacilläre bei Fleisch 474.
Blei-Chromate 370.
— -Farben 372.
— -freie Glasur 341. 343.
— -Geschirre 340.
— -Lacke, giftige 389.
— -Schrot 356.
— im Kautschuk 358.
Bleisch. Xahrungsmittelgesetz 437.
Bleuler. Fleischexirakt betreffend 224.
Blindenanstalten 120.
Blut 219.
— -Entziehung bei der Schlachtung 424.
— -Erkrankungen bei Schlachttieren 520.
— -Fleckenkrankheit des Pferdes 513.
— -Vergiftung, sog. 396.
Bocklisch, Kadaveralkaloide 539.
Bodländer über Ziiin in Konserven 349.
Böhm 89.
Register.
549
Bohland 89.
Bohnen 'J'i4.
da fioii-Beymond, £ 4G.
— Kiit.Nteliung der Milchsäure im Fleisch
210.
Bolcay 35
— Nuklein 169.
Bollinger, Botryomyces 511.
— Ficisi'liverKil'tunnen 537 ff
— Fleischvirulenz hei Tuherkulose 501.
— Notschlachtuiiijon 429.
— Vorkommen der Taenia solium 413.
— Wild- uud Kinder^euche 518.
Bollmehl 237.
Bolienhammer 425.
Borakate zur Fleischkonservierun^ 531.
Borax IG. 170.
Bordelaiser Hriihe 376.
Boroglycerin von B;irff 221.
Boroglyiin 531.
Borpräparate, Verhot der Verwmdung für
Fleischkouservierung 633.
Borsäure 16
— und borsaure Salze zur Fleischkonser-
vierung 631.
Boshammer, Einflufs des Pökeins auf Bak-
terien 450.
Bothriocephalus latas, Vorstufe des 490.
Botryomykose bei Tieren 511.
Botalismus 543.
Boachardat über Bleichromat 371.
Boucherau und Noir, Vergiftung durch
Hüchsenkonserven 534.
Boassingaalt, Zusammensetzung der Milch
156.
BoateroUe 425.
Boutroux, L., Brotbereitung 247.
Bräutigam und Edelmann, Pferdeäeiscb-
nachweis 46G.
Brandpilze in Mehl 241.
Branntwein. Einflufs auf Stoffwechsel 16.
— Herstellung von 299.
Braun, M., Bothriocepbalenfinnen 490.
— Trichineuembryonenzahl 481.
— und Bernatzek, Zuträglichkeit
oder Schädlichkeit der Sulfite 533.
Braunkohl 261.
Brebeck, F'leisch von Kryptorchiden der
Schweine 470.
Breiform der Speisen 107.
Bremerblaa 373.
Bremergrün 373.
Brennwert der organischen Nährstoffe 46.
Briefmarken, giftige 390
Brieger, L., Kadaveralkaloide 539.
— l'toinaine 539.
Brokatfarben 369.
Bronzefarben 369.
Brot, Backen von 248.
— Herstellung von 245.
— Lockerung vou 246.
— Schimmelbildung im 252.
— ungesäuertes 249.
— Veränderungen beim Aufbewahren 252.
— Verdaulichkeit von 248
— Verfälschung von 252.
Brot, verschiedene Sorten von 248.
Bruch 200.
firuchroii 245.
Bruneaa. Schlachtmiiske 426.
Buchholtz 114.
Bachweizen 256.
Budonbergs' Fleischdesinfoktor 449.
Büchsenfleisch 1 13.
Büchsenkonservun 533.
Bückling 2;).l.
Bujard. Furbstoffnachwei» in Wurst 630.
Bulowski über giftigen Kautschuk 389.
— über russischen Kautschuk 868.
Bunge, G. 20. 31.
Buntpapiere, arsenhaltige 393.
Butel, Fleischvirulenz bei Tuberkulose 601.
Butter, Ausbeute von 190.
— Bakterien in der 194.
— Brechungsexponent der 194.
— chemische Eigenschaften der 192.
— Färben der 102.
— Geruch der 195.
— Geschmack der 193.
— Herstellung von 190.
— Konservierung der 796.
— -Milch als Gefängniskost 116.
— physikalische Eigenschaften der 193.
— präservierte 192.
— Prüfung der 535.
— Ranzigwerden der 194. 197.
— -Refraktometer nach Zeifs 534.
— Schmelz- uud Erstarrungspunkt der
193.
— spezifisches Gewicht der 193.
— Stallgeschmack der 194,
— Unterschied von Margarine 198.
— Untersuchung der 195.
— Veränderungen der, beim Aufbewahren
194.
— Verfälschungen der 195.
— Verpackung der 194.
Buttersäure 158.
Calorie 47.
Calorimeter 47.
Camerer 15. 16. 96.
Cameron, \ergiftung durch Muscheln 528.
Carcinomatose bei Scblachtticren 524.
Cardamom 309.
Carnat 531.
Cayennepfeffer 309.
Cazeneuve über Fuchsin 381.
— ,, Martiusgelb 379.
— ,, Methylenblau 383.
— ,, Safraniu 383.
Cellulose 39. 237.
Cenlrifuge 164 168.
Cerealicn, Mehl der 236.
Cerfontaine, Triobinenentwickelung 481.
Cerise 3Sl.
Cbaptalisieren 2H0.
Charitekrankenhaus, Kost im 136.
Charque dulce 222.
Chemnitz, IIundcHeischkonsum 4X3.
Chittenden, l'rangolb ist giftig 372.
Chlornatrium 305.
550
Register.
Chokolade 325.
Chossat s.
Christbaamkerzen. arsenlmltige 393.
Chromgelb, ^.'itti^es 371.
Chromgrün 371.
Chromorange 3 70.
Church 373.
Cichorienkaflfee 322.
Cigarren 312.
Claasnitzer, IJudeuberg's Fleisehdesiu-
lekti.r 449.
Cloisonne 341.
Clouet 381.
Clussius. Kartcffel 257.
Cochenille 384.
Coenurus cerebralis der Scli.ife 479.
Coffein, Wirkung auf Stoffwechsel 17.
Cognac 301.
Cohn, J. 69.
Coloradokäfer 259.
Colostrum 151. 185
Compressoriom für Trichinenunterbuchungen
483.
Constantinidi 69.
Comed beef 221. 533.
— mutton, browD, pork 533.
Cosmetica 386.
Coupier'a Verfahren 381. 395.
Cramer 64. 75.
Cort s Hilger 352.
Custier 372.
Cysticerkenkrankheit bei Menschen 413.
Cysticercus cellulosae bei Tieren 486.
— inermis des Rindes 487.
— tenuicollis bei Schlachttieren 479.
Dahlia 381.
Dambacher, Fleisch pyämischer Tiere 512.
— Kontrolle der Notschlachtungen 430.
Dampfkochapparate für Fleisch 445 fl'.
Dampfkochtopf 57.
Dampfschiffe, Ernährung 127.
Dampftopf, Papin'scher 216.
Danilewsky 50.
Dari 236.
Darmarbeit 13.
Darrmalz 288.
Dasselfliegen, Larven beim Rinde 476.
Deckmaase der Emaille 341.
Deffl^e, Helminthiasis der Uui.de 413.
Dehn 17.
Deklarationszwang im Nabrungsmittelgesetz
437.
Delpech über Bleichromat 371.
Dembo, Betäubung ven Schlachttieren 425.
— Schächten 427.
Demodex phylloides des Schreines 47 7.
Denaeyer, A., Pepton 225.
Dermatocoptes-Räude bei Schlachttieren 477.
Deupser. .Schweineseuche 516.
Deutschland, Ernährung der Soldaten in
112 ff.
— Fleischbeschau-Gesetzgebung in 454.
Dextrin 39.
Dhont, Fleischvergiftung 540.
Diazofarben 380.
Dinitrokresol 379.
Diphtherie der Kälber 519.
Diplococcus 169.
Discomyces equi 511.
Distomen in dtr Muskuhitur 479.
Distomum hepaticum bei Schlaclittieren 477.
— liineeolatum bei Schlachttieren 478.
Dorsch 233.
Drake. Francis, Kartoffel 257.
Drenkhan, Milchpulver 180.
Dresden, Fleischbeschauergebnisse 418.
'Dubelir 17.
Dubois, Pliosphorescenz des Fleisches 474.
Düngerhaufen, Verbot des Wegwerfens
tuberkulöser Tierteile auf 451.
Dünnenberger, C, Brotgärung 246.
Dulcin 326.
Duncker, .Muskeldistomen 479.
— Muskelstrahlenpilze 519.
— Sterilisierungsapparat von Rohr-
b e c k 445.
— Wärmeleitungsvermögen des Fleisches
444.
— Kontaktpyrometer 446 f.
Dürr ha 236.
Durst 24.
Dutertre, Vergiftung durch Muscheln 528.
Dyspnoe durch Arbeit 12, 13.
Eber, W., postmortale Fleischveränderungen
472.
— Salmiakfäulnisprobe 473.
— A., Tuberkulose 496 ff.
Eberlein, Infektionsstoffe im gefrorenen
Fleisch 528.
Echinokokken 228.
— bei Menschen 413.
— der Schlachttiere 490.
Edelfäule 264.
Edelmann, chemische Fleischkonservierungs-
mittei 533.
— Fleischbeschau in Sachsen 414, in
Dresden 418.
— Schufsapparat 426.
— Tuberkulosestatistik 500.
— u. Bräutigam, Pferdefleischnach-
weis 466.
Eggeling, Sarkomatose 524.
Ehrenberg, Wurstvergiftung 543.
Ehrlich, F., über Alizarinblau 382.
Ehrmann, Schächten 427.
Eier, Eigenschaften und Bestandteile der 205.
— Erkennung des Alters der 206.
— Konservierung der 206.
— Zubereitung der 58.
Eierschalen 206.
Eigelb 206.
Eijkmann 89.
Eimer, Anstrichfarben für 385.
Eingeführtes Fleisch, Beschau 441.
— Verlügung des Untersuchenden über
dasselbe 443.
Eisbein 34.
Eisenfarben 371.
Eiserne Gefäfse 340.
Register.
551
Eiserner Bostaud 92. 114.
Eitner über Fiirbunt; von Leder 397.
Eiweirs 206.
— -Bedarf 85
— -Ersparnis 12
— -Stofle 31.
Elastin 33.
EUenberger, Blei- und Kupfersalze bei
Tieren 525.
Ellinger, Mu.skelblutuncen bei Schweinen 514.
Emaillen, (;efärbte 341.
Emaillieren 340.
Empirische Fleisciibeschnuer 439.
England. Fleischbe»chau-fiesetzgebung 461.
Engler iit)er Fafshähne 354
Englische Krankenhäuser, Kost der 134.
— Krankheit 107.
Engström, Sierilisieren des Kalims 195.
Enteritis haemorrh.igica der Kälber 513.
— .-e)i:icii der Kinder 513.
Entflammangspunkt des Petroleums 404.
Eosin 382.
Epidemien, Kost in 129.
Erhse 255.
Erbswurst 113.
Erdfarben 369.
Erdkohlrabi 261.
Erdnüsse 251.
Erdöl, Litt. 405 s. a. Petroleum.
Erhaltungskost 87. 92.
van Ermengem, FleischvergiftuDg 540.
Ernährung .->. Massenernährung.
— s H. Stoffwechsel.
ErschieCsen der Schlachttiere 425.
Erythrosin 382.
Esmarch. E. v., über Bierpressioneu 354.
Essig 306.
— zur Würze 117.
Essigsprit 306.
Etzinger 10.
Engling. Kalk im Käse 200.
Eulenburg, Trichinosestatistik 483.
Extradiät 135.
ExtraktstoflFe, stickstofffreie 237.
Fäulnis des F'leisches 472.
Fäulnisprobe nach W. Eber 473.
Fäulnistozine 473.
— bei Fleischvergiftungen 539.
Fahlberg, Saccharin 326.
Falk, das Fleisch, Buch 420.
— Fleischdämpfer von Kietschel &
Henneberg 449.
— Hydrämie 521.
— Muskeistrahlenpil/.e 519.
— Zungenaktinomykose 510.
— und Op permann, Grauwerden der
Wurst 530.
Falk, E. über Hierdeckel 355.
— über Fafshkhne 364.
Falzdose 346.
FamiUen, Traubensaft 278.
Farhen, anorganische 369.
— lür Kautschuk 390.
— organische 377.
Farblack 378.
Farbmall 288.
Farbstoffe in Würsten 530.
— natürliche 384.
Fafshähne 304.
Fafslebern 531.
Federbolzenapparat 425.
Feldarbeit, Nutzen der 96
Felix 119.
Fenner, Schächtfrage 427.
Feser, Stryclmin und Eserin bei Schlacht-
tieren 525.
Fette 35. 116 210. 219.
Fett, abnorme Färbung bei Schlachttieren 470.
— Ausschmelzen des Fettes kranker Tiere
449.
— Bedeutung als Nährstoff 36.
— Bestimmung durch die Atemgase 5.
— -Bildung aus Eiweifs 19.
— — aus Kohlehydraten 19.
— -Depots 35.
— der Cerealien 237.
— -Käse 199.
— -Mästung 17.
— -Polster 35.
— -Säuren 37 s. u. Fette.
— schlechte Wärmeleiter 36
— tierische, Beurteilung 534.
— -Verlust durch Eiweifs beschränkt 32.
— verschiedene Arten 36.
— s. a. Stoffwechsel.
Finkelnburg's Kommentar 339.
Finne 227.
Finnen bei Schlacbttieren 485.
— bei Menschen 413.
Fische 232.
— Beschau und Beurteilung 527.
Fischer, M.. Bestandteile d. Roggens 238. 239.
Fischfinnen 490.
Fischgeruch des Fleisches 470.
Fischoeder, Leitfaden der Fleischbeschau 420.
— preufs. Tuberkuloseerlafs 503.
— Rinderfinnen 489.
— Untersuchung der Schlachttiere 440.
Flachmüllerei 236.
Fleisch, allgemeine Beschaffenheit des 207.
— Bakteriengehalt 429.
— Bacterium coli im 540.
— Begriff für die Fleischbeschau 421.
— Beschau des eingelührten 441.
— Bestandteile des 211.
— Beurteilung durch die Fleischbeschau
440.
— chemische Analyse von 231.
— der Fische 232*
— Fälschung von 230.
— gebratenes 218
— gedämpftes 217.
— gedünstetes 217.
— gefrorenes 231. 628.
— gekochtes 216.
— gepökeltes 221.
— gesalzenes 221.
— geschmortes 217.
— geUucknetes 222.
— kranker Tiere, gesetzl. Bestimmungen
430.
552
Register.
Fleisch, Leuchten des 229. 474.
— mit Koiiservierungssnlzen behandeltes
531.
— Räiuheru von 222. 450.
— ungeeignet zur menschlichen Nahrung
450.
— Untersuchung von 229.
— Verdaulichkeit von 216.
— von Krustentieren 234. 528.
— von Muscheln 234 528.
— von Säugetieren und Vögeln 207.
— Zersetzung des, beim .Aufbewahren 228.
— Zubereitung des 215.
Fleischheschan 150. 411 ff.
— ambulatorische 439.
— Aufgaben der 422.
— Ausbreitungsgebiet der 422.
— Ausführung der 439.
— Aufserordentliche 439.
— Einteilung der 438.
— Ergebnisse der 413 flf.
— — in Baden 415.
— — „ Berlin 416.
— — „ Dresden 418.
— — ,, Leipzig 417.
— — „ Preufsen 414.
— — ., Sachsen 414.
— Geschichte der 412.
— -Gesetzgebung in den europäischen
Staaten 454.
— Litteratur der 421.
— Wesen der 421.
— s. 8. Fleisch.
Fleischabnormitäten, physiologische 469.
Fleiachdämpfer v. Rietschel&Henne-
b e r g 448 f.
Fleiacheinfuhr, Bedingungen der Fleisch-
beschau 441.
Fleischerhaltungskrystall-Excelsior 531.
Fleischextrakt 223.
Fleischfliegen 474.
Fleischkonserven 219.
— in Büchsen 533.
— Prüfung von 231.
Fleischkost, reine 73.
Fleischkunde 4G2.
Fleischmäatung 17.
Fleischsuppe 216.
Fleisch- und Wurstvergiftungen 536.
Fleischmann, W., iMelkezeit 156.
— Menge der Milch 154.
— .Milchasche 160.
— Milchtransportkanne 154.
— Mikhfettkügekhen 161.
— spezifisches Gewicht der Butter 193.
— spezifisches Gewicht d, Milchfettes 162.
— Ziegenmilch und Schafmilch 189.
Flügge 46. 89. 125 127.
— Heischvergittung 540.
Flugbrand 241.
Föten, Fleisch von 469.
Foote, Typhusübertragung durch Austern 528.
Forelle 23».
Forster, Bakterien im Fleisch 429.
— Einflufs des Pökeins auf pathogene
Bakterien 450.
Forster, Einflufs des Räucherns auf Tuberkel-
bacillen 450.
— Einllufs der Wärme, der Pökelung und
Käucherung auf Tuberkelbacillen
502.
— Fleischvirulenz bei Tuberkulose 501,
Fraenkel, A. 13.
Frankel, C, Sterilisierapparat 179.
Frank, A., über Arsen in Papier 386.
Frankreich , Fleischbeschau - Gesetzgebung
460.
Frauenheime 120.
Frauenmilch 187.
Freibänke 45 t.
Freibankfleisch, Verwertung 443.
Freudenreich, E. von, Blähung der Käse 204.
— Bakterien in der Milch 170.
Friedemann, Schächtfrage 427.
Friedensportion 91.
Friese, Echinokokkenvorkommen 491.
Fröhner, Fleisch vergifteter Tiere 525.
Frosch, Schweinepest 516.
Froschschenkel, Untersuchung, Beurteilung
528.
Früchte, frische 263.
Frühkartoffeln 258.
Fuchs, Schufsapparat 426.
Fuchsin 380; als Wurstfarbo 530.
— Entstehung des 395.
— innerlich gegeben 395.
— ungiftig 395.
Fuchsin, S. 381.
Fürstenberg, Theorie der Milchbildung 151.
Funke, 0. 4 3.
Futter, Beschaffenheit des 157.
Futterwechsel 157.
Ciiärung, saure beim Fleische 472.
Gaertner 129.
— Bakterien im Fleisch 429.
— Fleischvergiftung 539.
Gaffky und Paak, Fleischvergiftung 540.
Gaitier 374.
Galippe 374.
Galliard über Methylenblau 382.
Gallisieren 280.
Galloweng über Arsen in Tapeten 393.
Galtier, Blutvirulenz bei Tuberkulose 501.
— Fleischvirulenz bei Tuberkulose 501.
502.
Gastruslarven beim Pferde 477.
Gauser 114.
Gebärparese bei Kühen 525.
Gebrauchsgegenstände, Definition 339.
Geerkens über Nickelgefäfse 362.
Gefängniskost 114 fi".
Gefärbte Emaille 341.
Gefärbte Kleider, Vergiftungen durch 394.
Gefäfse, irdene 342.
Gefangenkost 92.
Geflügel, Fleisch von 214. 526.
Gefiügelcholera 526.
Geflügeldiphtherie 527.
Geflügelfleisch, Beurteilung 526.
Gefrorenes Fleisch 231. 528.
Geifse, Trichinenentwickelung 481.
Register.
553
Oelbf&rbang^ von Nahrun^csmitlcln 371. 380.
Oemüse 2iH. 262.
Oenickschlag zur Uetäubuii« der SchUcht-
liero 41'0.
Genickstich 4'.'6.
Genursoiittel 42 iV 149.
Genursstoffe 40 tT.
Oeppert 17.
Oerlach, die Fleischkost der Menschen etc.
420.
— £iiiiiriu);eii der Wärme in Fleisch 444.
— über Saffransiirrogat 384.
Germain See 13?.
Gerste '.'3('>. •J4t'.
Geruchsabnormit&ten des Fleisches 470.
— — durch .Medikamente 526.
Geschichte der Fleischbeschau 412
Oeschmacksabnormitäten des Fleisches 470.
— des Cieriügeldeisehes 527.
Gesetze betreffend den Verkehr mit blei-
and zinkhaltigen Gegenständen 358 ff.
— über Fafshähne 354 ff.
— M giftige Farben 401 ff.
Gesetzliche Grandlagen der Fleischbeschau
436.
Gesundheitsgeschirr 342.
Gesundheitsschädlich, Begriff im Nahrungs-
mittelgesetz 438.
Gesundheitszerstörang, Begriff im Nahrungs-
mittelges«. tz 438.
GewerbsmäCsige Schlachttingen 422.
Gewürze 3i»7.
— tür Volksküchen 124.
Gewürznelken 309.
Gifte, metallische im Fleische 4<4.
Giftige Briefmarken 390.
— Farben 878 ff 385.
Girard, ambulatorische Fleischbeschau 439.
Glage, Rinderfiunen 488. 489.
Glasflüsse 340.
Glasur, schlechte 344.
Glasuren, bleifreie 343.
Glycerin 37.
Glykogeii im Pierdefleisch 465.
Görig, .Sarkumatuse 524.
— SchufsappHrat 426.
Goldschwefel 37 7.
Goltz, Geschichtliches über Fleischbeschau
412.
Goodfellow, Brot 249.
Gorup-Besanez. Albumin und Kasein 158.
Gosio über Bakterien etc., die Arsenver-
biii'lungen zersetzen 393
GoBselin, Blutviruletiz bei Tuberkulose 501.
Gonbauz, Katzen- und Uasenfleischunter-
schiede 46.^.
Grabe Über Alizarin 36H,
Gräber, Historische» über Hygiene der Fleisch-
niihrutig 412. 453.
Oraffunder, Schweinepest 516.
Grahambrot 249.
Grams. Sarkumato.se 524.
Granat 234.
Orandhomme 381.
— über Kusin 382.
Graneele 234.
Gratia, Fleischviruienz bei Tuberkulose 502.
Graubrot 249
Graupen 114. 244.
Grawitz, (lewebsveränderung durch MXstung
4 23.
Grenadine 381.
— giftig 31)7.
Gries 244.
Grips, Aktiiiomykose beim Schaf 510.
Grofsvieh als Schlaclittiere 423.
Grotenfeld, Hotwerden der Milch 169.
Grünkohl 261.
Grünmalz 288.
Grünspan 373.
Grütze 244.
Grundlagen der Fleischbeschau 435.
Grundmasse der Emaille 341.
Guillebeaa und Hess, Gebärparese der
Kühe 526.
Gummigut 384.
Ourin, Kcbiuokokkenbäufigkeit 491.
Haarfärbemittel 387.
Haberland, F., S.jabohne 256.
Hackenbouterolle 424.
Hackfleisch, Verbot der Einfuhr 442.
Hackfleischvergiftungen 542.
Hähner 96.
Hämoglobinämie und Hämoglobinurie .^22.
Hafer 236. 240.
Hagemann, Fleischvirulenz bei Tuberkulose
501.
Halsrüschen, gefärbte 394.
van Hamel-Roos gegen Keverdissage 375.
— über Cosmetica 387.
— ,, den Lack Verver 348.
— ., Nickelgefäfse 363.
Hamlet, Vergiftung durch Büchsenkonserven
534.
Hammarsten, phosphorsaurer Kalk im Käse
200.
— Zusammensetzung des Käsestofls 159.
Hammelfleisch 213.
— Eigenschaften 462.
Hansen, Reinzucht der Hefe 300.
Harms, Nux vomica-Vergiftung 525.
— Tartarus stibiatus- Vergiftung 525.
Harngeruch des Fleisches bei Urämie 523.
Hartenstein, Freibankfrago 453.
— Kiiiderfinnen 489.
Hartlot 346.
Hartmann, J. 75.
Hase, Unterscheidung von Kiitze 464.
Haselbach, Nahrungsmittelgesetz 437.
Hasterlik, Jodzahl des Pferdefettes 231.
— Pt'erdeÜeischaachweis 468.
— über amerikanische Konserven 346.
Hauber 40.
Haugg, Finnen beim Menschen 413.
Hausgeflügel als Schlaclittiere 423.
Haut-goüt des Fleisches 472.
Hautkrankheiten durch Farben 398.
Hefe "JSd.
— Reinkultur der 298. 300.
Hefelmann. Butterprüfuugsmetboden 535.
Hefenmehl 247.
554
Register.
Hehiier, über Zinn in Konserven 349.
Heidenhain. Nahruiifrsmittelpeset?, 437.
— Theorie der Milclibilduiip; 151.
Heincke. (Jcwinnunf; von Klippliseh 233.
Heise s. O h 1 m ü 1 1 e r.
Heifse Speisen 79.
Heitimann. Trichinen im Zwerchfell 483.
Heibig. über Küse in Nickel jjeläfsen 363.
Hellriegel. Hodenbakterien 254.
Helminthiasis der Hunde, Wechselbeziehun-
>;eii zur Kleischbeschau 413.
Hengefeld. über giftipes Papier 386.
Hengst. Fleisclibeschau in Leipzig 417.
— und Schmidt, das Fleisch unserer
Schl.ichttiere 420.
Henkel. Th., Citronensäure in der Milch 160.
Henschel, Sarkomatose 524.
— Zungenaktiuomykose 510.
Hering 233.
— bei Gefängniskost 116.
— für Massenernährunff 93.
Herssilet. Kampferpcrucli des Fleisches 470.
Hertwig, Aktinomykose 510.
— ambulatorische Fleischbeschau 439.
— Dampfkochung des Fleisches tuber-
kulöser Tiere 503.
— der Be c k e r - U 1 1 ma n n 'sehe Koch-
apparat 445, Dampfkochung 445.
— Fleischbeschau in Berlin 416.
— Ikterus 522.
— Karbolsäuregeruch des Fleisches 470.
— Lebensfähigkeit der Finnen 486.
— Melanosarkome beim Rind 524.
— Muskelstrahlenpilze 519. 520.
— Rinderfinnen 488.
— Sarkomalose 524.
— Thrangeruch von Fleisch 470.
— Trichinengehalt der Muskeln 483.
— Wärmeleitungsvermögen des Fleisches
444
Herz 218.
Herzog Carl Theodor 14.
Hess. Gebärparese der Kühe 526.
Heubner, Ernährung der Kinder 188.
Hilger. über Zinnfolien 352.
Hillairet ?. Delpech.
Himmelstofs, Nahrungsmittelgesetz 437.
Hinrichsen, Oestruslarven 477.
Hintzen, Fleisch von Schweinskryptorchiden
471.
Hirschberg. Augenfinnen 413.
Hirschfeld. Vergiftung durch Fischgift 527.
— F. 13. 89. 137.
Hirschhornsalz 247.
Hirse 236.
Hize, über amerikanische Konserven 346.
Hoch 88.
Hochmüllerei 237.
Hönigschmidt über Bleivergiftung 348.
V. Hoefslin 16. 31.
— über Pikrinsäure-Dermatitis 398.
Hofmann, Ernährung der Kinder 188.
— F., Charque dulce 222.
— 59. 64. 69.
Hofmeister, Blei- und Eupfersalze bei Tieren
525.
Holland, Ernährung der Soldaten in 112.
Holst. l'Meischvergiftuug 540.
Holzknechte, Nahrung der 70.
Holzzunge bei Scblachttieron 510.
Honig 268.
Honigfarben 368.
Homo, Oestruslarven 477.
Hülsenfrüchte 253.
Hueppe 59.
— Bac. cyanogenus 168.
— Bakterien der Butter 194.
— Kartoflfelbacillus 169
— Milchgärung 167.
— Rotwerden der Milch 169,
— Wärmeleitungsvermögen des Fleisches
444.
Hultgren 89.
Humbert, Fleischvirulenz bei Tuberkulose
502.
Hummer 234, Untersuchung und Beurteilung
528.
Hunde als Schlachttiere 423.
Hundefieisch, Eigenschaften 463.
— Unterschiede von Schweinefleisch 464.
Hundefleischkonsum 423.
Hundhausen, Aleuronat 252.
Hunger, Stoffwechsel im 7.
Hungerkot 65.
Hungerstrafe 118.
Husson 75. 79. 137.
Hutzucker 269.
Hydrämie bei Schlachttieren 521.
Hygiene des Kuhstalls 153.
Idiotenanstalten 120.
Ihisima 89.
Ikterus bei Schlachttieren 522.
Ilges. R , Destillierapparat 301.
Immermann 31.
Indamine 382.
Indigo 368. 383.
Indophenole 382.
Infektion der Nahrungsmittel 129.
— durch „ 130
Infektionskrankheiten der Schlachttiere 495.
Ingwer 310.
Insektenlarven auf Fleisch 473.
Intoxikationen, putride b. Schlachttieren 514.
Intoxikationen und Autointoxikationen bei
Schlachttieren 524.
Invalidenhäuser 120.
Invasionskrankheiten der Schlachttiere 480.
Irdene Gefäfse 342.
Isodynamie 49.
Italien, Fleischbeschau-Gesetzgebung 460.
Jansen, Fleisch von Schweinskryptorchiden
470.
Jean, Oleorefraktometer 196.
Jeannel, Blutvirulenz bei Tuberkulose 501.
Jensen, Aktinomykose 510.
— Kälberruhr 519.
— Rotlauf und Urticaria bei Schweinen
515.
Jersin, Einflufs der Wärme auf Tuberkel-
bacillen 502.
Register.
555
Jodglykogenreaktion bei ITerdeHeiitch 46C.
Jodzahl des Pierdrieites 231. 468.
Joger, Scliiichteii 4 '.27.
Jotme, Aktinoiiiyk<>>e ölO.
— der Tric)iiiien»chHuer 421.
— FleischvertjiltuiiK 539. 540.
— .Micrococcus ascuforinans 511.
— .MuskelstrRlilenj.ilze 519.
— Trichinen^ehHlt der Muskeln 483.
— Tuberkulose 496 tf.
JuDgbicr 290.
Jüngers. Fferdedeischnachweiü 468.
Kabeljaa 233.
Kabitz, Kindertinnen 489.
Kachexie, hydrümische, bei Schhichttieren
521.
Kadaveralkaloide bei Fleischvergiftungen
Ö39.
Kadmiamfarben 377.
Kälberdiphtherie 519.
Kälberlähme, py>imische 512.
— septische 513.
Kälberruhr 519.
Kämmerer, Kouservesiilze für Fleisth 531.
Kaffee, br>tHndteiIe des 319.
— Fälschungen des 321.
— Geschichte des 315.
— L'rspruiit: de» 315.
Kaffeebohnen, Zuhereituu^ der 316.
Kaffeesurrogate 3-.>l.
Kaisermehl 237.
Kakao 323.
Kalbefieber der Kühe 525.
Kalbfleisch 209. 212.
— KiKenschafteii 462.
Kalbshim 18U.
Kalbskopf 34.
Kalisalze 29.
Kaliamjodidpapier zum Nachweis von Sul-
liten 531.
Kalkkonkremente in der Muskulatur 495.
Kalkmangel 30.
Kallmann. Kinderfinnen 488.
Kalorie 4 7.
Kalorienbedarf 49.
Kalorimeter 47.
Kalte Speisen 80.
Kaninchen als Schlachttiere 423.
Kapern 31i).
Karlinski, Hacilius enteritidis Gärtner 540.
Kartoffel, Hestandteile der 259.
— für Ma>senerDährung 111.
— Geschichte der 256.
— Zu.sHmmensetzuog 260.
Kartoffelkäfer 259.
Kartoffelkrankheit 258.
Kartoffelmehl in Wurst 231. 530.
Kartoffelstärke 267.
Käse, Hiikterieii und Schimmelpilze im 202.
— Kliiuwcrden der 204.
— Edamer 203.
— für .Mtisseiiernfthrung 107.
— Goud.i- 203.
— Iliirt- 20U.
— Lab- 200.
Hftodbuch der Hjgleoe. Bd. III. Abtl«. 2.
Käse, Keaktion der frischen 202.
— Keifen der 200.
— Kolwerden der 204.
— Sauer- 2m 1.
— Scliwarzwerden der 204.
— Ursprung;, Uestaudleile , Ilerslelluntf
der 199.
— Veränderungen beim Aufbewahren der
202.
— Verfälschung und Untersuchaog der
204.
— Weich- 200.
Käsestoff 168. 163. 199.
Kastner. l'Icischvirulenz bei Tuberkalose 601.
Katarrhalfieber, l>ösartiKes, des Kindes 618.
Katze, Unterscheidung von Hasen 464.
— »Is Schlachitier 423.
Katzenstein 13.
Kauen Ui3.
Kautabak 312.
Kautschuk 357 ff.
— Beschwerung des 358.
— Färbung des 358. 390.
Kaviar 234-. 528.
Kayser, R , über giftige Beizen 397.
— über Verzinnung 350.
Kayserling. Schächten 427.
Kefir lö.ö. 187.
Keller 17. 89.
Kemmerich 31.
— Fieischextrakt 223.
Keratin 33.
Kermes niinir»le 357.
Kemer, Justinus, Wurstvergiftungen 544.
Kinderkost 93. 137.
Kinderkrankenhäuser, Kost der 137.
Kindermehl 274.
Kindermilch 274.
Kindersangflaschen 355.
BLirchner. W. 137.
— Bereitung von Ketir 186.
— Brie-Käse 201.
— das Melken 151.
— Separator für Milch 165.
— Transport der Milch 154.
Kitasato, Tetanusbacillcn 509.
Kitt. Kiiuschbrand 506.
— Wild- und Kinderseuche 518.
Kjeldahl 5.
Kleber 237. 262.
Kleie 237.
Kleinvieh als Schlachttiere 423.
Kleinschmidt, Federbolzenapparat 425.
— Sch:ichten 427.
Kleister 266.
V. Klenze, Verdaulichkeit der Käse 206.
Klepzow, Finäufs des Pökeins auf Tuberkel-
bacillen 502.
— Kleischvirulenz bei Tuberkulose 501.
Klikowics 104.
Klinger und Bujard, FArbstolTuachweis iu
Wurst 530.
Klippfisch 233.
V. Knieriem 40.
Knoch, \erniftung durch Fischgilt 527.
Knochenerweichung bei Schlachttiereu 623.
36
ÖÖ(i
Register.
Knochensappell 34.
Knoll. Aktinoniykose 510.
Knudsen. Fleisch vergifteter Tiere 525.
Kobaltblau 370.
Kobert. ülier Giftigkeit des Aluminiums 366.
— Vergiftungen durch Fischgift 527.
Koch, Gescliichtliches über Fleischbeschau
412.
— Tuberkulin 228.
Kochapparat , Becker- Ullmnnn' scher
445.
Kochen der Nahrung 56.
Kochgeschirre 340.
Kochsalz 305.
— Einflufs auf Stoflfwechsel 16. 28.
Kochverfahren für Fleisch 444.
Kögler, Betäubungsinstrumente 425.
König, J., Analysen von Erbsen 255.
— Bestandteile der Krustentiere und
Muscheln 235.
— Bestandteile der Ochsenzunge 219.
— Bieranalysen 291.
— Brotanalysen 250.
— chemische Bestandteile von Fleisch-
konserven 222.
— Kaffeeanalysen 319.
— Zusammensetzung der Käse 201.
— Zusammensetzung der Kindermehle
275.
Königsblau 370.
Körperbestand 3.
Kohlarten 261.
Kohlehydrate 38. 237.
— Gehalt der Wurst an 530.
— in Fleischwaren 466.
— s. a. Stoffwechsel.
Kohlensäure-Bestimmung 5.
Kohlenstoff-Bestimmung 3.
Kohlrabi 261.
Kohlrübe 261.
Kokosbutter 198.
Kollagen 33.
Kommilsbrot 249.
— für Massenernährung 111.
Kongofarben 380.
Konkremente in der Muskulatur 495.
Konservebüchsen 345.
Eonserven, amerikanische 346.
— Fleischkonserven, Untersuchung, Be-
urteilung 533.
— für Massenernährung 113 ff.
— Kupfergehalt 374 ff.
— russische 346.
— Zinngehalt der 349.
Konservieren durch Trocknen 271.
Konservierung des Fleisches 220. 531.
Konservierungssalze für Fleisch 531.
Konstitutionelle Krankheiten bei Schlacht-
tieren 520.
Kopfkrankheit, bösartige, des Rindes 518.
Kopfwasser 387.
Korallin 382.
— Vergiftung durch 395.
Korn 236.
Kombranntwein 303.
Kornrade 241.
Kost, animalische 69.
— pflanzliche 69.
— der Arbeiter in Deutschland 102.
— ,, „ „ Schweden 88.
— ,, Bergleute 88. 97.
— „ Heizer 97.
— „ Ilolzknechte aus Siebenbürgen
88.
— ,, Japaner 88.
— in Krankenhäusern 132 fi'.
— der Tunnelarbeiter 97.
— ,, Ziegelarheiter aus Italien 88.
— s. a. Kostmafs.
Kostjurin 81.
Kostmals 81.
— bei Arbeit 84 ff.
— der alten Leute 89.
— ,, F>wachsenen 84.
— ,, Gefangenen 92.
— ,, Kinder 93.
— „ Soldaten 90.
— Methoden zur Feststellung des 82.
— nach Jahreszeiten 96.
— ,, Klima 96.
Krabbe, Echinokokkeu bei Hunden 413.
Krabben 234.
Krankenhäuser, Kost in 132 ff.
Krankenkost 132 ff.
Krankheiten der Schlachttiere, Ermittelung
bei der Lebendbeschau 475.
Kroatin 35.
Krebse 234.
— Untersuchung u. Beurteilung 528.
Kreide 180. 370.
Krieg, Massenernährung bei 131.
Kriegsportion 91.
Kreusler, U., Backfähigkeit von Mehl 238.
242.
Krohne 93. 119.
Krüger, R., Bakterien der Butter 194.
Krummacher 69.
Krupp's Arbeitermenage 123. 126.
— Haush.'iltungsschule 109,
Kuborn, Fleischvergiftung 540.
Küchenabfälle , bei Berechnung der Kost
abzuziehen 115.
Küchenmeister, Wärmeleitung des Fleisches
444.
Kümmel 307.
Kuhfleisch 211. 462.
Kuhmilch, Abkühlung 153.
— amphotere Reaktion 162.
— Aschenbestandteile der 160.
— Aufrahmung der 163.
— Aufrahmung durch Centrifugalkraft
164.
— bittere 170.
— blaue 168.
— chemische Eigenschaften der 157.
— Citronensäure in der 160.
— dünne 166.
— Entrahmung der 180.
— fadenziehende 169.
— Fettkügelchen der 161.
— Gase der 160. 162.
— Gewinnung 151.
ßegister.
007
Kuhmilch, bolsteiuUches Verfahren der Auf-
rahniuug 164.
— koadeusierte 179.
— Konseryierun^ der 170.
— Kuhexkreineiite iu der 184.
— lange Wei IG'J.
— Meii(?e der 154.
— Methoden der Untersuciiunfi; 182.
— physikalische EigenschafteD der 160.
163.
— Probenahme der 181.
— Qualität der 154. 155.
— rote 169.
— saure 167.
— schleimige 169.
— Schmelzpunkt des Fettes der 163.
— Siedepunkt 162.
— spezitisches Gewicht der 101. 162. ISa.
— Stallprobe der 181.
— Sterilisation der 171. 172.
— Swartz'sches Verfahren der Aufrah-
muug 164. 190.
— Trockensubstanz der 158.
— Tuberkelbacillen in der 184.
— Uebertragung von Krankheiten durch
die 170.
— ündurchsichtigkeit der 161.
— Ursprung 151.
— Veränderungen beim Aufbewahren der
166.
— Verarbeitung der 163.
— Verfälschungen der 180.
— Verunreinigung mit Exkrementen 152.
— Viskosität 162.
— ZähÜüssigkeit der 162.
— Zusätze von Chemikalien zur 171.
— Zusatz vcjn Wasser 183.
Knmagawa 12. 89.
Kumys 185.
Kunstbutter 197. 535.
Kunstkäse 2(i4.
Kupferfarben 373.
Kupferkessel, verzinnte 348.
Kupferne Gefäfse 302.
Kupfervergiftung 373.
Lab 199.
Laberdan 2S3.
Labiche, Prüfung von Schmalz 231.
Labkäse 199.
Labler, Geschmacksabnormitäten des Ge-
flügels 527.
Laborde s. Riebe.
Lackfarben 369.
Lafar, Fr., Bakterien der Hutter 194.
Laho, Bleivergiftungen bei Tieren 525.
— Freibankfrage 453.
Laienfleischbeschauer 439.
— I.iit. für die 420.
Laktationsperiode 156.
Laktokrit 183.
Lambert .-. Chittenden.
Landergren 89.
Langbein 50.
Lassar, Leuchten des Fleisches 229.
Lavoisier, Oxydation des Alkohols 306.
Lawrence, .Milchkühler 153.
Lebbin .«. Plagge.
Lebodeff 1'.'.
Lebendbesohau der Schlachttiere, Berück-
sichtigung von Krankheiten bei derselben
475.
Lebensalter, Einllufs auf Stoffwechsel 15.
Leber 218.
Leberecht, Fleischbeschau auf dem Lande
439.
Leberegel bei Schlachttieren 477.
Lederfarben 397.
Lefeldt, W., C'entrifugo 165.
— Knetmaschine für Butter 191.
Leger über Bierdeckel 355.
Lehmann 8.
Lehmann, K. B., Fleischextrakt betreffend
2 -'4.
— über Brot 249.
— ., Giftigkeit der Chromfarben 370.
— „ Kupfer 374.
Leimstoffe 33.
— als Nährstoff 10. 34.
— „ Sparstoff 34.
Leipzig. P'leischbeschauergebnisse 417.
Leisering, Uäufigkeit der trichin. Ratten 481.
Leo, H. 7.
Lepine s. Cazeneuve.
Leppmann 93. 119.
Leube 81.
Leuchtendes Fleisch 474.
Leue 412.
Leukämie bei Schlachttieren 521.
Leuckart, Distomenentwickelung 478.
— Trichinen 226.
— Wärmeleitungsvermögen des Fleisches
444.
— Widerstandsfähigkeit der Trichinen
482.
Lewin, L. 13.
Lex 114. 137.
Lichtgrün 381.
Liebe, I''ieischdämiit'er von Rietschel &
Ueniieberg 449.
— Teergeruch beim Fleische 470.
Liebermann ?. Grabe.
Liebig, J. von, Fleischextrakt 223.
Liebreich. Schädlichkeit oder Unschädlich-
keit der Borakate 533.
Lienatiz, Fleischvirulenz bei Tuberkulose
502.
Likör 304.
Limoges .'!41.
Lina Morgenstern 127.
Linse 255.
Lintner, C, WUrzebereitung 288.
Litteratur über Fleischbeschau 420.
Löffler, ."^chweincrotlauf 615.
Löschpapier, arsenhaltig 386.
Lötdose 34 6.
Löten 345 ff.
Loewy, A 13. 14.
Lokalerkrankungen der tierischen Gewebe
und (Jrgane, Bedeutung für die Fleisch-
beschau 476.
Lolkes. F., Häucheröfen 222.
30*
558
Register.
Long und Preufse, Anleitung zur Tri-
chinenscbau 421.
Lorenz, Urticaria uud Schweinerotlauf 515.
Lnciani S.
Luebbert. Stapbylococcus pyogenes aureus
168.
— über Aluminiumgeläfse 3G4.
Lüpke. Kotlauf und Urticaria bei Schweiueu
515.
Luftcalorimeter 48.
Lunge 219.
Lunge. G. über Aluminium 364. 366.
Lungenseuche 228.
— des Hiudes 517.
Lungershausen, Scbrotausschlag d. Schweines
475.
Lungwitz. Sarkomatose 524.
Lutter 300.
Lydtin, Anleitung zur Fleischbeschau 420.
— Kontrolle der Notschlachtungen 430.
— Notschlachtungen in Baden 429.
— Schweinerotlauf 515.
^faafsen, Sterilisieren der Milch 178.
Mach, E und Portele, C, Untersuchung
der Weinbeeren 264.
Madelung, Echinokokken beim Menschen 492.
Mälzerei 238. 287.
Märcker, M., Backfähigkeit von Mehl 237.
— Maltose 289.
Mästung 17.
Magenwurmseuche der Schafe 477.
Magerkäse 199.
Magerkeit und Abmagerung bei Schlacht-
tieren 469.
Magermilch 185.
— als Gefängniskost 116.
Magnus-Levy 69. 132.
Mahlzeiten, Verteilung der Kost auf die 98.
Maier, Fleisclibeschau auf dem Lande 439.
— Nahrungsmittelgesetz 437.
— Untersuchung notgeschlachteter Rinder
429.
Mais 236. 240. 244.
Malachitgrün 381.
Malerfarben 368.
Malfatti 69.
Malignes Oedem der Pferde 509.
Maljean, Erkennung aufgetauten Fleisches
528.
Malleose 40.
Maltose 289.
Malzeau, Prüfung von gefrorenem Fleisch
2,31.
Malzkaffee 323.
Mandel, Merkmale des Fleisches verendeter
Tiere 471.
— Schächtfrage 427.
Manganbraun 371.
Manganfarben 371.
Mangelhaft, Begriflf bei Schlachttieren 437.
Mangold, Echinocc. multiloc. 490.
Manöverkost 91.
Margarine 197. 535.
Marine, Kost der deutschen 129.
Marktpolizei 181. 423.
Marpmann, Farbstoflfnachweis in Wurst 530.
Marron 381.
Martin, Knochenunterschiede bei verschie-
denen Tieren 464,
Martiusgelb 379.
Maske, liohrbeck's Fleischsterilisator 447.
Massenernährung 105.
— bei Epidemien 129.
— in Alumnaten 108.
— „ Armeuliäusern 120.
— ,, Ilauslialtungsschulen 109.
— ,, Korrektionsanstalten 108.
— ,, Krankenhäusern 132.
— im Kriege 129.
— Methodik 3.
— in Volksküchen 122.
— ,, Waisenhäusern 106.
— von Gefangenen 114.
— „ Kindern 106
— ,, Kranken 132.
— „ Soldaten 109.
Mastitis septica der Kühe 513.
Mate 315.
Matjesheringe 233.
Matrosenkost r^9.
Maul- und Klauenseuche der Schlachttiere
228. 507.
Mauthner 35.
Mayrhofer über Reverdissage 374.
Meat-Preserve 531.
Meerrettig 261.
Mege-Mouries, Kunstbutter 197.
Mehl 236.
— chemische Bestandteile von 237.
— Farbe von 242.
— gekupfertes 377.
— Nachweis von Roggen- in Weizenmehl
243.
— Veränderungen beim Aufbewahren 240.
— verdorbenes 242.
— Verfälschungen 240.
— Verunreinigungen des 240.
Mehlzusatz bei Würsten 529. 530.
Meinert 64. 83. 89. 93. 106.
Mejer, Echinokokkenhäufigkeit 491 f.
— Rinderfinnen 488.
Melasse 269.
Melken 151.
Melkzeiten 156.
Menagen 122.
Mendel 46.
Menge, K., Sarcina und I'rotococcus 169.
Menke, A. über Zinn in Konserven 349.
Merck, E., Pepton 225.
V. Mering 13.
Messner, Aktinomykose 510.
— P^reibankfrage 453.
Metallfarben 369.
Metanilgelb 380.
Methylenblau 383.
Metritis septica der Kühe 513.
Metz, Sarkomatose 524.
Meyer, Ad., spezifisches Gewicht der Butter
193.
Meyer, G. 68.
Microcoecus ascoformans 511.
Register.
559
Micrococcas botryoKenai 511.
Miescher'ächo Schläuche im Fleische 494.
Hiesmaschel 234.
— Veririitunßen durch 528.
Mikroorganismen im Fleische 474.
Milchfehler 17U.
Milchpal ver 180.
Milchseram lö8.
Milchzucker l.'iO. 1G3. 183.
— (M-winnuiitj des 150.
Militärlazarette, Kost der 134 S.
Milzbrand licr Schlachttiere 228. 506.
Milzbrandbacillen in Kuustbutter 198.
Minderwertig. I3c>,'riir bei Schlachtticren
437.
Mineralsalze >. Asche.
Mineralstoffe 26.
— Mangel an 30.
— s. a. Aitche.
Minkowski. 0 38.
Mirbanöl in Cosmetica 387.
Mischbrot 249. 251.
Misselwitz. Sarkomatose 524.
Mittelkost 117.
Mittelsalze 16.
Mittermaier, Scbächtfrage 427.
Moabit, Strafanstalt in 116.
Möhre 2 Co.
Mölter. Leitfaden der Fleischbeschau 420.
Mokka 3 1 7.
Morbus maculosus des Pferdes 513.
Morgenstern 127.
Mori 89.
Morot, Aufblasen von Fleisch 468.
— Degeneration der Finnen 486.
— Geschichtliches über Fleischbeschau
412.
— Geruch des Fleisches bei Trigonella-
Fütterung 470.
— Magerkeit und Abmagerung 469.
— Psorospermien 494.
Mosler, Echinokokken beim Menschen 492.
Mosselmann, Bleivergiftungen bei Tieren 525.
Mo8t 278.
Moulä, Psorospermien 494.
— Phosphorescenz des Fleisches 474.
du Motilin 374.
Mucor racemosuB 202.
Mühlsteine 356.
Müller, Ecliinococc. multiloc. 490.
— Thurgau, Edelfkule 265.
— WurbtverKiltuiig 543.
— Fr 3s. 64.
München. Kninkeuhaus 134.
Multiple Muskelblutungen bei Schweinen
514.
Musivgold 377.
Muskatnufs 3U9.
Muskelarbeit, Einflufs auf Ausnutzung der
.Nahriuig 68.
Muskelblutungen, multiple bei Schweinen
.M4
Muskeldistomen beim Schwein 479.
Muskelstrablenpilze beim Schwein 519.
Mutterkorn im Mebl 241.
Nachlauf 300.
Nachmachen, Begriff im Nfthrungsniittult.'esetz
437.
Nährsalze 27.
Nährstoffe 149.
Nahrung 51. 149.
— Ausnutzung 64.
— Braten 57. 5b.
— Backen 55.
— Definition 81.
— Form .^9. 61.
— gemischte 75.
— Kochen 55.
— Konsistenz 59. 61 ff.
— Konten 55. 58.
— Temi)eratur 79.
— Volumen 59.
— Zerkleinerung 54.
— Zubereitung 52.
Nahrtingsentziehung 118.
Nahrungsmittel 149.
— gelbgefärbte 380.
— Zusammensetzung der 52.
— -Gesetz 437.
— -Polizei 150.
Nahrungsstoffe 21.
Nakahania 89.
Naphtholgelb 370.
Naphtholgrün 379.
Naplitholscliwarz 380.
Natron, doppelknhlensaures 170.
Natürliche Farbstoffe 384.
Naumann, Fleischsuppe 216.
— Pökelflüssigkeit 221.
Nauwerck, Wurstvergiftung 545.
Nelkenpfeffer 309.
Newen. Eintiufs auf Verdauung 102.
Neuhaufs, G r o n w a 1 d und O e h 1 m a n n ,
Sterilisierapparat 175. 179.
Nickelgefäfse 262.
Niebel, Bereitung, Beurteilung etc. des
Kaviars 528.
— Abnormer Fleischgeschmack bei Ge-
flüirel 527.
— Glykogen im Fleisch 230. 465.
— Pferdefleischnachweis 465 ff.
Niedner, Wurstvergiftung 543.
Nieren 218.
Nitrofarbstoffe 379.
Nitrosofarben 379.
Noack, Dampfkochverfahren für Fleisch 447.
— Kiiiderfinuen 488.
— Wertminderung des Fleisches durch
Kochen 453.
Nocard, Fleischvirulenz bei Tuberkulose 601.
502.
Nördlinger, Erdnufsbrot 251.
Noir. \ergiftung durch Büchsenkouserven
534.
V. Noorden 10.
Notschlachtungen 428
— t:e>etzlalie Besiimmungen 430.
— Ilaiiligkeit in Baden 429.
Notwendigkeit der Fleischbeschau 412.
Nuesch. 1,0111 litbakterien 474.
Nukleine 34.
13
560
Register.
Obernier 17
Oblaten, ^:il"ti^'e 399.
Obst -^63.
Obstwein 'J97.
Ocker 370.
Ochsenfleisch 211. 462.
Oedem, muligues bei Pferden 509.
Oel 36. 270.
— bleilösend 347.
Oelfarben 368.
Oertel Jö.
Oesterreich, Ernährung der Soldaten in 112.
— Fleischbescb.'iu-Gesetzgebung in 459.
Oestras bovis, Larven von 476.
— ovis, Larven von 477.
Ohlmüller 75. 89. 96. 365.
Oi. G. 89.
Gidiam aurantiacum 202.
01t. Echiiii.>kokkeuhäufigkeit 491.
— Häutigkeit d. Cyst. tenuicoll. 479.
— Schrotiiusschlag des Schweines 475.
Oppenheim. H. 13. 102.
Oppermann. Grauwerden der Wurst 530.
Orange II 380.
Orfila 373.
Organisation der Fleischbeschau 435.
Organische Farben 377.
Organkrankheiten der Schlachttiere 476.
Osteomalacie bei Scblacbttieren 523.
Osteoporose, Osteopsathyrose bei Schlacht-
lieren 523.
Ostertag, Hutterprüfungsmetboden 535.
— Degeneration der Finnen 486.
— Echicocc. multiloc. beim Schwein 492.
— Fleisch- und Wurstvergiftungen 541.
544.
— Fleischvirulenz bei Tuberkulose 501.
— Geschichte der Freibänke 452.
— Handbuch der Fleischbeschau 420.
— Infektiosität gefrorenen Fleisches 528.
— Magerkeit und Abmagerung 469.
— mit Konservesalzen behandeltes Fleisch
533.
— Muskelblutungen bei Schweinen 514.
— Nahrungsmittelgesetz 437.
— Notschlachtungen 429.
— Pentastomenlarven 493.
— Preufs. Tuberkuloseerlafs 503.
— Rinderfinnen 488. 489.
— Trichinengehalt der Muskeln 483.
— Trichinenübertragung 481.
— Tuberkulose 496 fi".
— Zeitschrift 421.
Paak, Fleischvergiftung 540.
Päonin 382.
Fankreaspepton 225.
Panum lO»'.
Papier, Färbung des 386.
Paprika 308.
Paraguaythee 315.
Parasiten im Fleisch 226. 476 ff.
Paris. Kost bei, Belagerung von 131.
Parmentier, KartoflFel 258.
Paschkis 388.
Pasteurisieren 294.
Patentmethode, englische, zum Schlachten
von Tieren 427.
Pathologie der Schlachttiere 475.
Paul6, Magerkeit und Abmagerung 469.
Pauli, Fleischbeschau .'luf dem Lande 439.
Payen, A., Schlachtgewicht der Fische 232.
Peiper, Ecliinokokken beim Menschen 492.
Pektinstoffe 39.
Pelzwaren, Farben für 400.
Penicillium glaacam 202.
Penkert, Anleitung zur Trichinenschau 421.
Pentastomen bei Schlachttieren 493.
Pepsinpepton 225.
Pepton -.^23. 224.
Pergamentpapier, Hlei in 386.
Pericarditis traumatica der Rinder 514,
Permanentweils 370.
Peronospora, Schutz gegen 376.
Perroncito, Fleischvirulenz bei Tuberkulose
501.
— Rinderfinnen 489.
— Wärmeleitungsvermögen des Fleisches
444.
Petechialfieber des Pferdes 513.
Petiotisieren 2 79.
Peters, W. L., Brotbereitung 247.
— verhitztes Wild 472.
Petri, Bacillen des Schweinerotlaufs 515.
— Sterilisieren der Milch 178.
— Wärmeleitungsvermögen des Fleisches
444.
Petroleum für Brennzwecke 403.
— Testpunkt des 403.
Petroleumprüfer 404.
Petsch, Farbstoffuachweis in Wurst 530.
Pettenkofer, Fleischextrakt 223.
Pettenkofer's Respirationsapparat 5.
Peuch, Fleischvirulenz bei Tuberkulose 502.
Pfeffer 307.
Pferde als Schlachttiere 423.
Pferdebohnen 251.
Pferdefleisch 214.
— -Bescbau, gesetzliche Bestimmungen
458.
— Eigenschaften 463.
Pferdefleischnachweis 465.
Pferdeschlachtungen, Beschau der 458.
Pfeiffer, L. 37,
— Nutzen oder Schädlichkeit der Sulfite
533.
Pflanzengummi 39.
Pflanzenschleim 39,
Pflanzliche Kost 69.
Pflüger, Leuchten des Fleisches 229, 474.
— Milchgase 160,
Pfründner 120.
Pharaoschlangen 390.
Phosphorescenz des Fleisches 474.
Phthaleine 382.
Phyllocyaninsäure 374.
Plana, Widerstandsfähigkeit der Trichinen
482.
Pictet, E., Sterilisieren der Milch 178.
Piehler, Phosphorescenz des Fleisches 474.
Pikrinsäure, giftig 379. 398,
Pilze 265.
H
Register.
561
Pinette über amerikanische Konserven 347.
— über Löten 346.
Flagge 365.
— und Trapp, Fleisclikonservieruiif^
531.
Flanchon , über künstliche Färbung von
Hlumen 381.
Plaut, preußischer Tuberkuloseerlafs S03.
Playfair 89.
Plerocercoid des Bothriucephalus latus 490.
Plötzensee 115 (f.
Pocken «ier Sclilachttiere 508.
Pökelverfahren, Eindafs auf krankes Fleisch
Poels und Ühont, Fleischvergiftung 540.
Polenske, Huttcrprüfungsmcthoden 535.
— Butterrefraktometer 534.
— deutsche Butterfarbe 384.
— Fleischkonservesalzo 531.
Folitis 35
FoUi, Zuträ(;liclikeit oder Schädlichkeit der
Borakate 533.
— Zuträi^Iichkeit oder Schädlichkeit der
Sultite 533.
Pollitzer 10.
PolyarthritlB pyaeinica der Kälber 512.
— septica der Kalber 513.
Pomaden 387.
Popoflf, Verdaulichkeit von Fischfleisch 232.
Verdaulichkeit von Fleisch 215.
Popp und Becker, Sterilisierapparat 179.
Porter 292.
PossetO, über Safran 380.
Postmortale Fleischveränderungen 472.
Fostolka und Toskano, Fleischbeschau-
Gesetze in Oesterreich 459.
— — Lehrbuch 420.
Präservesalz .'531.
Prausnitz 69 109. 127.
— Brot 249.
Preufse und Long, Anleitung zur Trichinen-
schau 421.
Preafsen. Ergebnisse der Fleischbeschau 414.
Pritzkow, über Mühlsteine 356.
PrivatschlachtnngeQ 422.
Probemelken 155.
Probenentnehmer der Trichinenschau 483.
ProBkauer 126.
Protococcus prodigiosus 109.
Prus, St hweineseuche 616.
Pseudalius bei Schlachttiercn 477.
Pseudoleukämie bei Schlachttieren 522.
Pseudotrichinen 484.
Psorospermien im Fleische 494.
Ptomaine 229. 539.
Puder 3^(7.
Puerperalfieber der Kühe 625.
Pumpernickel 239. 249.
Püree- KRrtofTeln 139-
Putride Intoxikationen bei Schlachttieren 514
Fyämiache Erkrankungen der Schlachttiere
511.
— Erkrankungen, Ursache von Fleisch-
vergiftungen 537 ff.
Pyrometer nach D u n c k e r 446 f.
Q,uark VoO.
Quecksilberfarben 378.
Itabe, MiiTococ'cus botryogenus 511.
Räucherung, Einflufs auf kranke» Fleisch 45ü
Rahm 190
— sterilisierter 196.
Rahmmesser 183.
Railliet, Fleischpsorospermien 494.
Ranke 2. 8. 10. 12.
Rapp s. E n g 1 e r.
Rauber, A., Theorie der Milchbildung 161.
Raachfleisch 214.
Rauchfufs 137.
Rauschbrand der Schlachttiere 606.
Reaktion des Fleisches 472. 473.
Rebenschädlinge 282
V. Rechenberg 50. 89.
Recknagel, spezifisches Gewicht der Milch 162.
Reh, Unterscheidung v. Schaf 464.
Reichardt 25.
Reichsgesetzgebung für die Fleischbeschau
436.
Reichsstrafgesetzbuch 4 36.
Reichsviehseuchengesetz 436.
Reihlen, A., Schaumweinfabrikation 304.
Reincke 129.
Reinecke 37.
Reinicke, A., Bestandteile des Milchfettes 158.
Reis '-'4 4.
Reisbier 293.
Rekonvalescenten, Kost für 134. 136.
Renard, über Prüfung auf Blei 347.
Respirationsapparat von P e tt e n kofer 4.
Renfs, über Dichtungsringe 346.
— ,, Zinnsulfür in KonservebQchsen
347.
Reverdissage 373.
— ("iesetze über 376.
Rhachitis 30. 107.
— bei Schweinen 523.
Riebe, über Nickelgefäfse 362.
Riechstoffe, AIjsorption des Fleisches 474.
— Einwirkung auf Fleisch 470.
Bieck, Fleiscbdämpfer vonRietschel und
Henneberg 449.
— Tuberkulosestatistik 497.
Riedel, Duicin 327.
Rietschel und Ilenneberg's Fleisch-
(liiinjifer 448 f.
Rinderfinnen 487.
Rinderpest 2 28. 518.
Rinderpestgesetz 437-
Rinderseuche 518.
Rindfleisch 208. 211.
— chemische Bestandteile des 212.
— Eigenschaften 462.
— Unterscheidung von Pferdefleisch 466
Rintaro Mori 89.
Rissling, Schlachtmaskenverbesserung 425.
— Untersuchung der Wurst auf Finnen
529.
Ritthaasen 33.
— Pr.'tein des Mehles 237.
Rituelles Schlachten der Israeliten 426.
Rivolta, Dyscomyce» eijui 511.
15
Ö&2
Register.
Rjältschewski 346.
Robert, iibir Uraiitarben 372
Rochard, über Lösung von Blei duicl» Oel
Ml.
Rötel 371.
Roggen 236.
Roggcnmehl. Zusammensetzung 239.
Rogner, Sarkom.itose 524.
Rohde, über Nickelgeiäfse 362.
Rolirbeck's Fleischsterilisieruiigsappaiat 445.
440.
Rohrzucker 268.
Rosanilinfarbstoffe 380.
Röscher s. Lü b be r t.
Rosenberg, S. 69.
Rosenheim, Th. 89.
Rosenkohl 261.
Rosolsäure 382.
Rolsfleisch, Gesetzliche Bestimmungen für
He>cliiiu und Handel 458, s. Pferdefleiscb.
Rofsschlächtereien, Gesetzliche Bestimmun-
gen für die Schlachtvieh- und Fleisch-
beschau daselbst 458.
Rostpilze im .Mehl 241.
Rotfärbung, bacilliire, beim F^leisch 474.
Roth und Lex 114. 137.
Rotz 228.
Rotzbacillen in Kunstbutter 198.
Rotzkrankheit des Pferdes 507.
Roux 17.
Rnbner. Brot 249.
— Kalorimeter 48.
Rübe, rote 261.
Rübenzucker 268.
Ruhr der Kälber 519.
Rum 301.
Rupprecht, der Trichinenschauer 421.
— Wärmeleitung des Fleisches 444.
Rnser, OestrusUrven 477.
Saccharin 326.
Sachsen, Ergebnisse der Fleischbeschau 414.
Sächsischblaa 384.
Sättigung, Gefühl der 59.
Säuerung des Fleisches 472.
Säuglingskost 04.
Safran 310.
— Kiftig 382.
Safransnrrogat 379.
Sago '<;67.
Sahlmann. Echinokokkenhäufigkeit 491.
Saibling 233.
Saki 245.
Salat 262.
Salicylsäure 16.
Salm 233.
Salmiak-Fänlnisprobe nach W. Eber 473.
Salmon, Üehweineseuche 516.
Salvioli 6?.
SanitätBgeschirr 342.
Sanitätstierärzte 439.
Sapolini. über eine giftige Haartinktur 387.
Saprämie bei Schlachttieren 514.
Sarcina rosea 169.
Sarcoptes squamiferus bei Schweinen 477.
— -Räude bei Schlachttieren 477.
Sardelle 233.
Sardinen 233.
Sarkomatose bei Schlachttieren 524.
Sarkosporidien im Fleische 494.
Sartori, G, Milchbrot 251.
Sauerkäse 199.
Sauerteig 246.
Saugflascben 355.
Schächten der Schlachttiere 426.
Schächtverbot 428.
Schäfer, J., Sterilisiertöpfe 173.
Schaf, Unterscheidung von der Ziege und
vom Kell 464.
Schaffleisch 209 213.
— Eigeiischafteu 462.
Schafmilch 188.
Schaller, Sarkomatose 524.
Scharling 16.
Schaumwein 304.
Scheele's Grün 377. 386.
Schellenberg, Muj.keldistomen 479.
Schenk, Katecliismus der Fleischbeschau 420.
Scherff'sches \"erfahreu zur Kondensierung
der Milch ISO.
V. Scherzer 75.
Scheuhe 79. 98.
SchifiFsz wiehack 249.
Schilling, Nahrungsmittelgesetz 437.
Schimmelbildung auf Fleisch 473.
Schindelka, Sehweineseuche 516.
Schlachtabfälle 218.
Schlachtalter der Kälber 469.
Schlachten von Tieren, gesetzliche Be-
stimmungen 428, haudwerksmäfsige Aus-
führung 427.
Schlachthäuser, Betriebsresultate in Preufsen
414.
Schlachthöfe, Fleischbeschau auf 439.
Schlachtmaske 425.
Schlachtmethoden 424.
Schlachttiere 422. 423.
— Beschau der 440.
Schlachtung 424.
Schlaf 13.
Schlampp, Fleischbeschaugesetzgebung 421.
Schleich 14.
Schlempe 300.
Schlinck, Verarbeitung von Kokosöl 198.
Schlofsberger, Bestandteile des Fleisches von
Wild 215.
Schmaltz, Betriebsresultate der preufsischen
Schlachthäuser 414.
— Nahrungsmittelgesetz 437.
— l'reufs. Tuberkuloseerlafs 503.
— Kinderfinnen 489.
— Tuberkulüsestatistik 497.
Schmalz 36. 231. 534.
Schmeifsfliegen am Fleisch 474.
Schmidt 8.
— E. .«. Lunge.
— Giftigkeit des Euters einer mit Vera-
trum beh.indelten Kuh 525.
— -Mülheim, Ammoniakgehalt des Flei-
sches 473.
— — Aufblasen von Fleisch 468.
— — Fleischbeschau-Zeitschrift 421.
i6
Register.
563
Schmidt-Mälheim, fötales Fleisch 460.
— — Fri'il)aiikrriij;<' 453.
— — lliickflfischverjjiftuug 642.
— — Handbuch 420.
— — NahruiiK^iiiitfelKesetz 421. 437.
— — Notschliu-htiiii^eii 428.
— — Phosphoresceiiz b. Fleische 474.
— — schleimige Milch 1C9.
— — Untersuchung der Wurst auf
Finnen 629.
— — Verjfiftunff durch Biichseokon-
serven 534.
— — Vergiftung durch Miesmuscheln
528.
Schmierbrand 241.
Schminken .SS7.
Schmöger, Uirotation des Milchzuckers 163.
Schnecken 234.
Schneidemühl, Fleischbeschau-Gesetzgebung
454.
- Tuberkulose 496 ff.
Sohnellhefe 247.
Schnellot 345.
Schnellräucberang 222.
Schnupftabak 312.
Schnutz. Hierpressionen 293.
Schoene, Kchinokokken bei Hunden 413.
Schöpsenfleisch 213.
— Kigcnscbaften 462.
Scholz, Kartoffel 257.
Schottelius, Schweinerotlauf 515.
Schrank, l'nfersuchung von Milch 184.
Schreibmaterialien, giftige 399.
Schroeder. W. G4. 109.
Schütz, Scliweinerotlauf 515.
— Seliweineseuclie 516
Schüler, über giftige Briefmarken 890.
Schulz s. Geerkens.
Schulze, £., Bestandteile des Milchfettes 158.
— und K ei n ec ke 37.
— W., Geschmack des Bieres 294.
Schufsmaske 425
Schuster 04.
Schwämme 266.
Schwarz, Freibankfrage 453
— Schlachthöfe, Bau und Einrichtung 420.
— Schlachtmaske 425.
— Unterscheidungsmerkmale des Cyst.
tenuicoll. v. Cyst. cellulos. 487.
Schwarzbleeh 345.
Schwarzbrot 249.
V. Schwarze. Nalirungsmittelgesetz 438.
Schwarznecker, Anleitung 420.
Schwefelsäure als Beize 397.
Schwefelsaure und schwefligsaure Salze zur
Fleisclikonservierung 531.
Schweflige Säure 168.
Schweine als Schlachttierc 423
- -Fett, Untersuchung, Beurteilung 634.
— -Finnen 486.
— -Fleisch 210. 213.
— — Eigenschaften 463.
— — Unterscheidung von Hunde6eisch
464.
— -Fleischwaren, Trichinenschau 443.
— -Pest 616.
Schweine-K'itliiuf 615.
— -Schmalz 231. 534.
- -Seuche 51.').
Schweinfurter Orän 37 7. 386.
SchweinsfüfBe .14.
Schweinslebern, konservierte 531.
Schweifsleder, giftiges 397 ff.
Sedwigk, über Zinnvergiftung 360.
See 131.
Seefische 233
Seegen 40.
Seekrankheit 127.
Seemann 31 .
See8chifi"e. ErnÄhmng auf 127,
Seetiere, niedere, Beurteilung 628.
Seifen, Verfälschung der 388.
Seiffert's Damiif-, Schmelz- u. Kocbaiiparat
449.
Seiander, Schweineseuche 516.
Seil, über Arsenvergiftungen 394.
— ,, bleihaltige Schminken 386.
— ,, Brotbereilung 260.
— ,, giftige Farben etc. 367.
— Zinn, uiigiftig 360.
Semmer, Cysticerc. tenuicoll. 479.
— Sarkomatose 524.
Senator 8. 14.
Sendtner, über Anstrichfarben 400.
— über Antimonbeizen 397.
— ,, Arsen in Bunfpaiiieren 386.
— ,, ,, im Maueranstrich 393.
— ,, bleihaltige Haarwässer 387.
— „ ,, Trichter 354.
— ,, Töpfergeschirre 344.
— „ Zinnfolien 352.
Senf 307.
Senkpiehl. Wurstvergiftung 543.
Septikämische Erkrankungen der Schlacht-
tiere 512.
— — Ursache von Fleischvergiftungen
537 ff.
Sezualeigentümlichkeiten beim Fleisch 470.
Siechenhäuser 12'K
Siechenkost 121.
Siedamgrotzky, Fleischvergiftungen 537 ff.
— Knochenerweichung 523.
Siegmnnd, Schufsmaske 425.
Siem 8. Kobert.
Simon, Erkrankungen durch Genufs von
Hummern 528.
— Orundrifs der Fleischbeschau 420.
Siphons 355.
Sivoy, Kartoffel 257.
Skorbut in Gefängnissen 119.
Skrofulöse 107.
Sojabohnen 251. 266.
Sommerkost 96.
Sommersprossen. Mittel gegen 387.
Sonnenschein 373.
— Arsenik bei Srhlachttieren 626
Sormani, Tetanusbacillen 509.
Sosna, Fleisch tetanuskranker Tiere 609
Soxhlet, F., Citronensäure in der Milch
ICO.
— Oxydation der Butter 196.
— Sterilinicrappiirat 171.
17
564
Register.
Soxhlet, F., Unterschied zwischen Kuh- und
Fraueiimilcli 188.
— Zähflüssigkeit der Milch 162.
Sozolith 531.
Spaeth 81.
Spätkartofifeln 258.
Spallanzani. Arsenik bei Schlachttieren 525.
Spanferkel. Alter 423. 424.
Spargel 262.
Speck 113
Speck, Dr. 14.
Speisevolumen, tägliches 60.
Spielwaren 3S9.
— aus Kautschuk 390.
Spinat 262.
Spinola 137.
Spirig 69.
Spitzen, bleihaltige 372.
Springfeld, Vergiftung durch niedere See-
liere 528.
Sprott 233.
Stärkemehl 266.
— Nachweis von, in Wurst 231. 530.
Stapf 98.
Staphylococcus pyogenes aureus 168. 170.
198.
— pyogenes flavus im Fleische 540.
Starrkrampf bei Schlachttieren 508.
Stechvieh 423.
Steckrübe 261.
Steinbeil 89.
— Fleibchvirulenz bei Tuberkulose 501.
Steinobst 264.
Steinsalz 305.
Stempelung des Fleisches 441. 453.
Stickigwerden des Fleisches 472
Stickstoffbestimmting nach K j e 1 d a h 1 4.
Stickstoffgleichgewicht 9.
Stimschlag als Betäubungsmittel 424.
Stockfisch 233
Btockmoyer über amerikanische Konserven
346.
— Glasur von 345.
Stoedter, Beurteilung der Abstammung von
Fleisch nach Knochenteilen 465.
Stoffwechsel bei Arbeit 12.
— bei Eiweifszufuhr 8.
— „ Fettzufuhr 11.
— „ Hunger 7.
— ,, Kohlehydratzufuhr 11.
— ,, Leimzufuhr 10.
— „ verschied. Körperzuständen 14,
— ,, ,, Lebensaltern 14.
— „ wechselnder Aufsentemperatur 13.
Stohmann 50.
Storch, Echinokokkenvorkommen 491.
Stout 292.
Strafsmann, Fr. 17.
Strebel, .Schächten 427.
Ströse, Hilfstafeln 420.
Strongyliden bei Schlachttieren 477.
Strümpel 59.
Strümpfe, gefärbte 394.
Stubenfliegen am Fleische 474.
Stademnnd 92.
Stutzer, A,, Analysen von Kindermehl 275,
Stutzer, A., Apparat zur Sterilisierung von
Milch 173. 174.
— - F"'laschenverschlufs 172.
— Prüfung der Verdaulichkeit v. Fleisch
232.
— Prüfung von Handelspeptonen 232.
— Verdaulichkeit von Fleisch 215.
— Wertschätzung der vegetabilischen
Nalirungsmittel 239.
— Wirkung der Pflanzensäuren 263.
SüCsrahmbutter 192.
Süfswasserfische 233.
Süfsweine 281.
Sulfite und Sulfate zur Fleischkonservierung
531.
Suppenanstalten 123.
Suppentafeln 113.
Tabak 114.
— Bestandteile des 311.
— Geschichte des 311.
— Verarbeitung des 311.
Taenia solium 413. 486.
— medio-canellata 413. 487.
Tänien bei Schlachttieren 477.
Taillen, gefärbte 394.
Talg 36.
Talgarten, Beurteilung 535.
Tapeten, arsenhaltige 393.
Tapiocca 268.
Tappeiner 40.
Taubstummenanstalten 120.
Technische Grundlagen der Fleischbeschau
435.
Temperatur, Einflufs auf Stoffwechsel 13.
Tetanus bei .Schlachttieren 508.
Teuerung, Massenernährung bei 131.
Thee 313
— Verpackung des 352.
Thenardblau 370.
Tierkadaver, Beseitigung 451.
Tierseuchen, Ermittelung bei der Fleisch-
beschau 475.
Thörner, W., Untersuchung von Milch 184.
Thrangeschmack des Geflügels 527.
Tötung der Schlachttiere 424.
Töpferkrankheit 343.
Tollwut der Schlachttiere 506.
Tomate 263.
Toussaint 374.
— Blutvirulenz bei Tuberkulose 501.
Toxine bei Fleischvergiftunxen 537 ff.
Trapp, Fleischkonservierung 531.
Traubenzucker im Fleische 466.
Tresterwein 279.
Treuenit 531.
Trichina spiralis bei Schlachttieren 480.
Trichine 2 26.
Trichinenepidemien 484.
Trichinenschau bei eingeführtem Fleisch 442.
— Litteratur 421.
Trichinenschau-Gesetzgebung 456.
Trichinenschauer 483.
Tropenkost 96 flf.
Tschirch, über Reverdissage 374.
Tuberkelbacillen 228. 499 ff.
i8
Register.
5G5
Taberkulose der Schlachtiiere 496.
Tuachfarben 308 392
Typhas des Pferdes 513.
l'mbra 371.
Ungar s li o d lüiid e r.
Unreife Tiere 469
Untersuchangsgefangene 118 tT.
Urämie bfi SchUchtliereu 522.
Uranfarben 371.
Urticaria der Schweine 615.
ÜU, Kälberlähme 512.
Vanille 310.
Vegetabilische NabrunK&mittel 235.
Vegetarismus 69. 71 ff.
Veiten 14.
Verdaulichkeit i ISeudo-) 61.
Verdauung 102 ff.
— .-. ;i. Diirmurbeit,
Verdorben, Begriff im Nahrungsmittelgesetz
437.
- im Strafgesetzbuch 436. 438.
Verendete Tiere, Fleisch derselben 471.
Verfälschung, Begriff im Niihrungsmittel-
kresfctz 437.
Vergiftungen bei Schlachttieren 524.
— ilurili ..Anilin" 394 ff.
Verhitztes Wild 472
Vernichtung von Fleisch 451.
Verschnittweine 282.
Vertretungswert der organischen Nähratoffe
46 ir.
Verver, ein Lack 348.
Verzinnung 345.
— Untersuchung auf Blei 347.
Veyisiere, Fleischvirulenz bei Tuberkulose
5<'2.
Viktoriagelb 379.
Villain, Fleisch^eruch 462.
— La viande saine 420.
— et B a s c o u , Fleischbeschaugesetze
Frankreichs 460.
— — Manuel etc. Lehrbuch 420.
Villemin, Blutviruleiiz bei Tuberkulose 501.
Vircbow. Kcliinokokken beim Menschen 413.
— Finnen beim Menschen 413.
— Trichine 226
— Vergiftung d. Miesmuscheln 528.
Vitellin 33
Völle nach Nahrungsaufnahme 61.
Volt, Theorie der .Milchbildung 151.
Volkmann, A. W. 7. 25.
Volkskaffeehäuser 123
Volksküchen 122. 125.
Völlers. Schächtfrage 427.
Vorlauf .iOO.
de Vries. Blauwerden der Käse 204
Vulkanisieren 357.
fV&rmeleitangivermSgen des Fleisches 444.
Waisenanstalt, Kost in 96.
Wasser als Nahrungsstoff 81.
Wasser und Brot, Verurteilung zu 118.
Wasserbedarf 23.
Wasserfarben 368.
Wassergehalt der Organe 21. 24.
Wasserleitungsröhren, bleierne 34u.
Wassersucht bei Schlachttiereu 521.
Wasserverlust durch die Haut 23.
Wassmath, llarnienit 221.
Weber, H. A., über Zinnvergiftung 350.
Weigmann, Bakterien der Innigen VVei 2<>4
— Bakterien im Käse 202
— Bakterien im Kahm 190. 191.
— fadenziehende Milch 169.
— Lochbildung im Käse 203.
Wein, Bestandteile des 281.
— Fälschungen des 285.
— Geschichte des 276.
— Herstellung des 278.
— Untersuchung des 286.
— Veränderungen beim Aufbewahren des
284.
— verschiedene Sorten 281.
Weinbergschnecke 234.
Weinfarbstoff 384.
Weinwurm, Bestandteile des Roggenmebls
239. ■
Weiske 40.
Weiis, Lehrkursus der Trichinenschau 421.
Weifsbier 292.
Weiisblech 345.
Weifsbrot 248.
Weifskohl 262.
Weithoff. Echinokokken beim Menschen 492.
Weizen 236.
Weizenmehl, Bestandteile 239.
Wernich 75.
Wesen der Fleischbeschau 421.
Weyl, Th. 33.
— Fuchsin ist unj^iftig 381.
— über Azofarben 380.
— ,, Bleivergiftung 344
— „ Dinitrokresol zum Färben der
Butter 192.
— ,, Giftigkeit der Chromfarben 370.
— „ Marliusgelb 379.
— ,, Metanilnelb 330.
— ., Nnphtholgelb 37'J.
— ,, Naphthulsch%var« 380.
— „ Orange II 380.
— ,, Protein des Mehies 237.
— ,, Safranin 383.
— „ Safrausurrogat 379.
— ,, Sterilisieren der Milch 178
— Vergiftungen durch gefärbte Stotl'e
395.
Wild und Oclliinel, Fleisch von 214. 526. 527.
Wild- und Rinderseuche 518.
Wildbret, Beurteilung 527.
Winkler, Gl., über Aluminiumgefäfse 366.
Winterkost 96.
Wirsing 262.
Wisky 303.
Wittmack, Haare von Weizen und Ro^'gen
243.
Wittstein, üb. bleihaltige Mciallkapseln 352.
Wörner, Echinokokkenvotküuimeu 491.
Wolff, Vergiftung durch Muscheln 628.
— Untersuchung auf Trichinen 421.
Wolff, L. 104.
»9
50G
Register.
Wolff. E. von, Bestandteile des Schaffleisches
214.
— Bestandteile des Schweinefleisches 213.
— „ ,, Ochsenfleibches 211.
212.
— QiialitÄt der Milch 156.
Wolffhügel 69.
— Eindringen der Wärme in Fleisch 444.
— Rinderfinnen 488.
— über Gebrauchsgegenstände 340.
Wollny, E., Brechungsexponeuten des Butter-
fettes 196.
Woroschilski, über Ur.infarben 371.
Wracke 261.
Würzburg, Alter der Sehlachttiere 424.
— Nahrungsmittelgesetzgebung 421. 437.
Würze 288.
WürzstoflFe 40 ff.
Wurst 231. 529.
— -Bacillen 540.
— -Fett, Beurteilung 535.
— Untersuchung 529.
— -Vergiftungen 543.
Wurtelgewächse 260.
Zappa. Arsenik bei Schlachttieren 525.
Zeitschriften für Fleischbeschau 421.
Zellstoff 237.
Zerkleinerung der Nahrung 52 flF.
Zerlegting der Schlachttiere 427.
Ziege, rnterschiede vom Schaf 464.
Ziegenfleisch, Figenschaften 463.
Ziegenmilch 188.
Zimmerer, Fieischbesch.au auf dem Lande
440.
Zimmt 310.
Zinkfarben 371.
Zinn-Bieilegierung, Analyse der 356.
— -Farben 377.
— -Folien 351 ff.
— -Geräte 351.
-— -Krüge 351
— -saures Natron als Beize 397.
— -Sulfür in Konservebüchsen 347.
— -Teller 351.
— -Vergiftung 349 ff.
Zschokke, Botbriocephalenfinnen 490.
— Sehrot.ausschlag des Schweines 475.
— Schweineseuche 516.
Zubereitung der Nahrung 54.
Zuchthäuser 115 ff.
Zucker. Fälschungen von 269.
— Herstellung des 268.
Zuckerarten 39.
Zündhölzer, arsenhaltige 393.
Zunge 219.
Zusammengekochtes Essen 64. 124.
Zweck der Fleischbeschau 422.
Zwieback für Massenernährung 111.
Zwiebel 261.
Zwischendeckspassagiere 128. 129.
Berichtigungen.
S. 421. Unter 3 einzuschalten: Duncker, Anleitung zur mikroshopiachen Fleischschau und
zur Untersuchung der gewöhnlicheren Genu/smittel, Geicebe etc. ßerlin 1878.
S 424. Unter 5 mufs es Zeile 10 und 11 heifsen : Die Blutentziehung erfolgt bei Grofs-
vieh und Schweinen durch den Bruststich, bei Kleinvieh durch den Halsstich oder
Halsschnitt.
439. Unter 3 ist in Zeile 11 hinter Sanitätstierärzte zu streichen (s. S. 440).
Vorletzter Absatz, letzte Zeile stieg statt legt.
Sechste Zeile von unten Kap. II anstatt II.
Fünfter Absatz, vorletzte Zeile Kap. II anstatt II.
In der ersten Zeile des vierten Absatzes fehlt an dem Worte „Vorschriften" der
Hinweis auf die Litteraturangabe No. 32.
489. Hinter Bayern fehlt die Angabe, dafs in Baden die Verwertung finnigen Fleisches
eine analoge ist. (Erlafs d. Grofsherzogl. Ministeriums d. Innern v. 10. Febr. 1870.)
S
S 445.
S. 447.
S. 473.
S. 489.
FrommaanKhe Bachdruckerei (Hermann Fohle) in Jena. — 1575
n
Pr.
-Pr.
Pr.
Pr.
M.
M.
M.
M.
3,60.
3,50.
2,80.
o
a
CO <D
® .2
Bereits
erschienen.
Abteilung 2: *Leichenwe8en einschl. der Feuerbe- ^
stattung (Med. -Rat Dr. Wernich in Berlin). |
*Abdeckcreiwesen (Medizinalrat \V e h m o r in Coblouz). j
*Straßonhygiene, d. i. Straßenpflasteruug, -reinigung u. \
-besprengung, sowie Beseitigung der festen Abfalle !
(Bauinspoktor E. Richter in Hamburg). J
BAND III ist vollständig erschienen. Nahrungsmittel und Ernährung,
Abteilung 1:
*Einzelernährung und Massenemährung (Prof. .1. M u n k
in Berlin). E.-Pr. M. 3,—, S.-Pr. M. 3,—.
*Nahrungs- und Genußmittel (Prof. Stutzer in Bonn).
E.-Pr. M. 4,50, S.-Pr. M. 3,50.
*Gebrauchsgegenstände, Emaillen , Farben (der Heraus-
gebor). E.-Pr. M. 2,—, S.-Pr. M. 1,50.
Abteilung 2: *Fleischbeschau (Direktor Dr. Edelmann in
Dresden). E.-Pr. :\I. 2,—, S.-Pr. M. 4.—.
BAND IV ist vollständig erschienen. Allgemeine Bau- und Wohnungshygiene
Abteilung 1:
*1) Einleitung: Einfluß der Wohnung auf die Gesundheit
(Sanitätsrat Dr. Oldendorffin Berlin).
*2) Das Wohnungselend der großen Städte (Dr. AI brecht
von der Centralstelle für Arbeiterwohlfahrt in Berlin).
*3) Beleuchtung:
a) *Theoretischer Teil (Prof. Weber in Kiel).
♦Gasbeleuchtung (Ingenieur Rosenboom in Kiel).
♦Elektrische Beleuchtung und andere Anwendungen des
elektr. Stromes im Dienste der öffentlichen Gesundheits-
pflege (Dr. Kall mann, Elektriker der Stadt Berlin).
Heizung und Ventilation (städt. Ingenieur Schmidt in
Dresden).
Abteilung 2: Bereits erschienen.
*1) Hygiene des Siiidtebaus (Baurat Stubben in Köln).
Wohnungsauft:eher und Wohnungsämter (Reg. - und
Medizinalrat Dr. A. Wernich in Berlin).
Das Wohnhaus, a) *Bau- u. Einrichtung d. Wohnhauses
(Doz. Chr. Nußbaum in Hannover).
b) *Bakteriologie der Wohnung (Prof. H ü p p e in Prag).
c) *Gesetze, Verordn. u. s. w. betreffend billige Wohnungen
(Reg.- u. Med. -Rat Dr. A. Wernich in Berlin).
Spezielle Bauhygiene [Teil A]. Abteilung 1: Krankenhäuser
o
b)
c)
E.-Pr.
S.-Pr.
4,50.
3,60.
Pr. M. 2,80.
Pr. M. 2.—.
*4)
*2)
*3)
}1
-Pr.
Pr.
Pr.
Pr.
M. 4,50.
M. 3.—.
M. 3,50.
M. 2.50.
E.-Pr. M. 9,50.
S.-Pr. M. 4.50.
BAND V:
a)
1 E.-Pr.
j S.-Pr.
M.
M.
1,80.
].2(>.
*Bau der Krankenhäuser (Bauinspektor Ruppel in Hamburg), Er
schienen,
b) Verwaltung der Krankenhäuser (Direktor Merke in Moabit-Berlin).
Abteilung 2: (refängnishygiene (Geheimrat Dr. Baer in Berlin).
BAND VI: Spezielle Bauhygiene [Teil B].
♦Markthallen und Viehhöfe (Baurat 0 s t h o f f in Berlin). E.-Pr. M
S.-Pr. M. 1,50.
♦Volksbäder (Bauinspektor R. Schnitze in Köln).
♦Theaterhygiene (Prof. B ü s i n g in Berlin-Friedenau).
♦Asyle, niedere Herbergen, Volksküchen u. s. w. (Privat-
docent und Baumeister K n a u f f und der Heraus-
geber, beide in Berlin).
♦Schiffshygiene (Dr. D. Kulenkampff in Bremen).
Eisenbahnhygiene (Sanitätsrat Dr. Brach mer in Berlin).
Aerztliche Ansprüche an militärische Bauten: Militärlazarette u. s. w
Stabsarzt Dr. Kroc. ker in Berlin).
BAND VII ist vollständig erschienen. Abteilung 1:
♦Schulhygiene (Oberrealschulprofe.ssor Dr. L. Bnrger.stein u. k. k. österr.
Sekretär i. Min. d. Inn. Dr. Netolitzky [mediz. Kapitel] beide in Wien).
E.-Pr. M. 10,60, S.-Pr. M. 8,—.
E.-Pr. M, 2,5» >.
S.-Pr. M. 2,—.
(Ober-
Bereits
erschienen.
E.-Pr. M. 6,—.
S.-Pr. M. 4,50.
Bereits
erschienen.
E..Pr. M. 9,—.
S.-Pr. M. 7.—.
Im Er-
scheinen.
A b t e i 1 u u g 2 :
*Oeffentlicher Kinderschutz (Privatdozent Dr. H. Neumann in Berliu). E -Pr.
M. 7,—, S.-Pr. M. 4,80.
BAND VIII: Gewerbehygiene.
Allgemeiner Teil: *Allgemeine Gewerbehygiene und Fabrik-
gesetzgebung (Dr. Roth, Reg.- u. Med. -Rat in Oppeln).
*Fürsorge für Arbeiterinnen und deren Kinder (Frl. Dr.
Agnes Blüh m).
*Maschinelle Einrichtungen gegen Unfälle (Prof. Kraft in
Brunn).
*Die Lüftung der Werkstätten (Prof. Kraft in Brunn).
Spezieller Teil: 1) Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter.
*a) Technische Abschnitte (Bergrat Meissner im preußi-
schen Handelsministerium in Berlin).
*b) Medizinische Abschnitte (San. -Rat Dr. Füller in Neun-
kirchen).
*2) Hygiene der jHüttenarbeiter (Bergassessor S a e g e r in
Friedrichshütte).
Weiter werden erscheinen (die Unterhandlungen mit den Herren Mitarbeitern
sind noch nicht beendet):
*3) Hygiene der chemischen Großindustrie.
*a) Medizinalstatistische Einleitung (Med. -Rat Dr. Roth in
Oppeln).
*b) Anorganische Betriebe, namentlich anorganische Säuren und
deren Salze. (Privatdoz. Dr. Heinzerlin g in Darmstadt).
*c) Bearbeitung des Phosphors (Oberstabsarzt Dr. H e 1 b i g in
Dresden).
*d) Organische Betriebe (Dr. F. G o 1 d s c h m i d t in Nürnberg).
*4) Hygiene der Glasarbeiter u. Spiegelbeleger (Phys. Dr. Schäfer in Danzig).
'''5) Hygiene der Textilindustrie (Dr. Netolitzky, Sekretär im k. k. österr.
Ministerium des Innern).
*6) Hygiene der Tabakarbeiter (Grhrzgl. bad. Fabrikinspektor ] Bereits ersch.
Schellenberg in Karlsruhe). > E.-P. M. 1,80.
*7) Hygiene der Bäckereien (Dr. Zadek in Berlin). j S.-P. M. 1,20.
BAND IX: Aetiologie und Prophylaxe der Infektionskrankheiten.
Bakteriologie und Epidemiologie der Infektionskrankheiten (Prof. Weichsel-
b a u m in Wien).
Immunität und Schutzimpfung (E. Metschnikoff in Paris).
Desinfektion und Prophylaxe der Infektionskrankheiten (der Herausgeber).
BAND X: Ergänzungsband.
Alkoholismus (Dr. Leppmann in Berlin).
Hygiene der Prostitution (Prof. N e i s s e r in Breslau).
Die mit einem * bezeichneten Manuskripte liegen entweder bereits gedruckt
vor oder sind in den Händen des Herrn Herausgebers. Um ein rasches Erscheinen
des Werkes herbeizuführen, wird gleichzeitig an mehreren Bänden gedruckt und
die Ausgabe derselben je nach Vollendung des Druckes eines jeden Abschnittes
oder einer Abteilung erfolgen. Grössere Abschnitte werden stets eine besondere
Lieferung bilden, deshalb werden die Lieferungen in verschiedenem Umfange und
zu verschiedenen Preisen erscheinen ; der Preis des vollständigen Werkes
wird sich nach dem Umfange richten, den Betrag von M. 90 aber
keinesfalls übersteigen.
Die bereits erschienenen Abschnitte des Werkes können von jeder Buch-
handlung zur Ansicht geliefert werden.
Bestellungen auf das „Handbuch der Hygiene" nimmt eine jede Sortiments-
buchhandlung Deutschlands und des Auslandes entgegen.
f rommauDScbe Buchdrackerei (Hermaan Fohle) Jena. — 1575
RA Weyl, Theodor
^25 Handbuch der Hygiene
W5
Bd. 3
Biological
^ Me<ical
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET
UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY
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