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Full text of "Jahr-buch der Gesellschaft für lothringische Geschichte und Altertumskunde"

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Gesellschaft für nützliche Forschungen in Trier 
zur Feier ihres 
hundertjährigen Bestehens 


gewidmet. 


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Gesellschaft für lothringische Geschichte und 
Altertumskunde 


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VERLAG VON G. SCRIBA. 


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Gesellschaft für lothringische Geschichte und 


Altertumskunde 


ZWÖLFTER JAHRGANG 


1900. 


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ANNUAIRE 


SOCIETE D'HISTOIRE ET D'ARCHÉOLOGIE 
LORRAINE 


DOUZIÈME ANNÉE 


1900. 


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Inhaltsübersicht. — Table des matières. 


Die Anfänge des Klosters Fraulautern bei Saarlouis. Archivdirektor Dr. E. Ausfeld, 
Magdeburg . MAR SAR MA CES D 

Laut- und Flexionslehre Fée ee ds Moselgegend von Oberham bis 
zur Rheinprovinz. Professor Dr. Karl Hoffmann, Metz EN 

Germanische Siedlungen in Lothringen und England. (Mit einer Karte). 
Oberlandesgerichtsrat A. Schiber, Colmar 

Aus dem alten Diedenhofen. Baurat E. Knitterscheid, Metz 

Die Grabschrift des Erzbischofs Heinrichs II von ae in der tere 
zu Trier. Universitätsprofessor Dr. Franz Xaver Kraus. Freiburg i/B. 

Die reichsunmittelbaren Herren im Gebiete des heutigen Lothringen und ihre 
Schicksale in den Jahren 1789—1815. Oberlehrer Dr. F. Grimme, Metz 

Ueber die sogenannten Juppitersäulen. Professor Dr. Alex Riese, Frankfurt a/M. 

Bericht über die Erwerbungen des Museums der Stadt Metz. Geschäfts- 
jahr 1900. Nebst einem Ueberblick über die Entwickelung der Samm- 
lungen. J. B. Keune, Direktor des Museums, Metz 


Biichersehan. 


Es sind besprochen oder angezeigt: 


H. Derichsweiler. Geschichte Lothringens (der tausendjährige Kampf um 
die Westmark) ee her ie 

E. Martin. Histoire des diocèses 2 Toul, ik Nancy et de Saint-Die . 

Annales de l'Est 1900: L. Davillé. Note sur la en de Robert-le-Pieux 
en Lorraine 3 

A. Chuquet. Phalsbourg A Le ne: He VO en 1814 2 

Revue ecclésiastique de Metz: F. Cuny. Une confrèrie à Fénétrange au 
moyen-âge . 

Mondelli. La vérité sur le siège de Bitehe 1870— A871 . 

A. Dietz. Die Handelsbeziehungen zwischen Lothringen und Frankfurt a/M. 

W. Vöge. Die Elfenbeinbildwerke der Königlichen Museen zu Berlin . 

Deutsche Reichstagsakten, jüngere Reihe N M ka ie, 

Jahresbericht des Vereins für Erdkunde 1899/1900: Uibeleisen. Ueber den 
Namen Moyeuvre. J. B. Keune. Die Zustände im Metzer Gebiete unteı 
römischer Herrschaft 

J. Geny. Die Reichsstadt Schlettstadt a ihr Ki l an de n soci: dnolitise he N 
und religiösen Bewegungen der Jahre 1490 —1536 An; ah 

Trierisches Archiv 1900: A. Tille. Die Benediktinerabtei St. Martin bei Trier 


346 


123 


125 


Ph. Lauer. Le règne de Louis d'Outre-Mer 
es V. Sauerland. Eine Abtswahl im Jahre 1322 
. Ungerer. Erinnerungsblätter aus Courcelles-Chaussy . ; 

ER Kunstdenkmäler in Gemeinschaft mit Stadtbaumst. Wahn una 
Archivdirdktor Dr. Wolfram herausgegeben von Dr. S. Hausmann . 

Das Reichsland Elsass-Lothringen: Beiträge zur Landesgeschichte von 
Ministerialrat du Prel . 

Mémoires de l’Academie de Metz 1897/8 Couvent de Dan Pr Herédees 
A. Benoit; Notes sur les délibérations de l'assemblée municipale de 
Cattenom en 1788/9 par A. Benoit 

Professor Dr. Hevdenreich. Die Bedeutung der ae 

Theodor Lerond. Lieder eines Lothringers ER Pre DIN Bern 

Professor A. Seder und Professor Dr. F. een Das Se in 
Lothringen . 

E. Teichmann. Zur Beton ss rar Y. noel im ire 1510 


Jahresbericht 2. enge DR 
Verzeichnis der mit der Gesellschaft in eeihehägstasch stehenden Vereine 
Mite liederverzeichnis . 


430 
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Die Anfänge des Klosters Fraulautern bei Saarlouis, 


Von Dr. E. Ausfeld, Magdeburg. 


Bisher war nichts über die Gründung des Nonnenklosters Frau- 
lautern und über die ersten Jahrzehnte seines Bestehens bekannt. 
v. Eltester schrieb 1865'): »Dieses adelige Nonnenkloster Augustiner- 
ordens kommt zuerst im Testamente Erzbischofs Johanns v. Trier 
(f 1212) vor.<c Nur wenig weiter zurück reichte die älteste von 
Goerz in den Mittelrheinischen Regesten (IIS. 244, No. 884) veröffent- 
lichte, nicht datierte Besitzurkunde des Klosters, in welcher Friedrich 
Herr von Bitsch ihm eine Schenkung in Pachten bestätigte. Der ganze 
Urkundenbestand Fraulauterns im Staatsarchiv zu Coblenz belief sich 
auf nur einige dreissig Stück. Nun sind im Jahre 1893 aus dem Be- 
sitze des Privatiers Dr. jur. Ziegler in Würzburg, der sie in liberaler 
Weise dem Direktorium der Staatsarchive in Berlin zum Kaufe anbot. 
eine grosse Menge Urkunden erworben und dem genannten Staats- 
archive einverleibt worden, die dem Archive Fraulauterns entstammten 
und ohne Zweifel Ende des 18. Jahrhunderts bei der Auflösung des 
Klosters ostwärts geflüchtet worden waren. Auf Grund dieser Doku- 
mente, deren wichtigste unten im Wortlaute abgedruckt werden sollen, 
mag im Folgenden ein Abriss der ältesten Geschichte des Klosters ge- 
geben werden ?). 


1) Mittelrh. Urk.-Buch I, S. LXXV. — ?) Nachdem ich im Jahre 1897 Coblenz 
verliess, ohne diese Arbeit fertig stellen zu können, war ich verschiedentlich auf 
Mit- und Nachhülfe freundlicher Kollegen angewiesen. Ihnen, besonders den 
Herren Archivdirektor Dr. Wolfram in Metz, Archivar Dr. Richter, jetzt in 
Wiesbaden, Dr. Meyer in Coblenz statte ich hiermit herzlichen Dank ab. Ich bin 
mir freilich bewusst, dass so manche Frage erneutes Prüfen der Urkunden, auch 
Nachforschungen an Ort und Stelle des behandelten Gebiets erheischt hätte und 
muss daher hie und da um einige Nachsicht bitten. Die Arbeit ganz aufzugeben, 
wie ich zunächst vorhatte, hinderte mich schliesslich die Liebe zur Sache und zu 
den rheinischen Gegenden, die mir lange Jahre eine zweite Heimat gewesen 
sind; sie weiter auszudehnen und bis zur Aufhebung des Klosters zu verfolgen, 
musste ich mir aber unter den bestehenden Verhältnissen versagen. 


Die Anfänge der geistlichen Stiftung in Fraulautern werden in 
einer Urkunde des Erzbischofs Hillin von Trier im Jahre 11541) fol- 
sendermassen geschildert: 

Ein vornehmer Ritter namens Adelbert übergab sein Besitztum 
in Lautern?) mit allem was dazu gehörte dem Erzbischof Meginher 
von Trier (1127-1130) mit der Bestimmung, dieser möge Mönche der 
Abtei Mettlach zum Dienste Gottes daselbst ansiedeln. Diese sollten 
sich verpflichten, in Lautern eine Kirche und alle zum klösterlichen 
Leben nötigen Gebäulichkeiten aufzuführen. Wäre erst die Stiftung in 
sich erstarkt und der Bestand an Klosterbrüdern angewachsen, dann 
sollte sie von der Abtei Mettlach unabhängig, nicht zins- und abgabe- 
pflichtig sein. Die Abtei aber zögerte, dem Wunsche oder Befehle des 
Erzbischofs Meginher nachzukommen, und dessen Nachfolger Albero 
(1151—1152) veranlasste darum den Stifter Adelbert, den Mönchen 
der Abtei 15 Pfund als Rückkaufspreis seines Eigentums anzubieten. 
Der Antrag wurde gern angenommen, Adelbert zahlte die 15 Pfund 
und Albero setzte nun in Lautern regulierte Kanoniker ein. Die Be- 
stätigungsurkunde aber, welche die Mettlacher Mönche von Erzbischof 
Meginher über Lautern empfangen hatten, vernichtete Albero in ihrer 
Gegenwart und mit ihrer Zustimmung auf einer General-Synode, damit 
nicht hernach ein Streit daraus entstehen könne. 

In welchen Jahren sich diese Ereignisse zugetragen hatten, ver- 
mögen wir nicht näher zu bestimmen; denn eine Urkunde Alberos 
über die Einsetzung der Augustiner-Mönche in Lautern, die wir er- 
warten könnten, liegt nicht vor, ja es scheint, dass sie überhaupt 
nicht ausgestellt wurde, da Hillin sie in der erwähnten Urkunde sonst 
wohl auch berührt hätte. Einen Anhalt giebt nur die Regierungszeit 
Meginhers, 1127—30, und Alberos, 1131—52. Als die General-Sy- 
node aber, auf welcher Albero die Bestätigungsurkunde für die Mett- 
lacher Mönche über Lautern vernichtete, darf man wohl die vom 
Herbste des Jahres 1142°) ansehen, da hier die Anwesenheit des Abtes 
Stephan von Mettlach und des Erzbischofs Hillin, als damaligen Scho- 
lasticus am Dom zu Trier, bezeugt ist. 

Demnach wäre also die Stiftung Adelberts®), auf welcher das 
spätere Kloster Fraulautern beruht, in die Jahre 1127—1130, die 
3%) Siehe unten 8.16 #. Urkunde No.1. — 2) Lutra, Lutrea wird der Ort 
in ältester Zeit genannt. Auffallend ist, dass eine Urkunde — unten No. 58 — den 
Namen »Vrowenlutere< schon 1280 abweichend von den übrigen giebt. — 
®) Mittelrh. Urk.-B. I, No. 527. Mittelrh. Regesten I, No. 1996. — *) Wer dieser 
Adalbert war, ist nicht festzustellen; vielleicht der M. U.-B. I, S. 518, zum Jahre 
1128 genannte »s. dei ecclesie devotus et fidelis amicus«. 


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Gründung einer Niederlassung regulierter Kanoniker zu Lautern wahr- 
scheinlich in das Jahr 1142 zu setzen. Wann die den Mettlacher 
Mönchen aufgetragene Erbauung einer Kirche in Lautern ins Werk ge- 
setzt und durch wen sie erfolgt sei, darüber ist nichts überliefert '). 

Im Jahre 1154 nun finden wir der Urkunde Hillins zufolge einen ge- 
wissen Heinrich als Propst der Niederlassung der Augustinermönche in 
Lautern, die inzwischen noch weitere Zuwendungen von Gütern, nämlich 
in Roden, Wallerfangen, Lendesele (?), Ratsweiler und Weiler, auch 
an Weinbergen bei Neumagen am Berge Bovaries?) erfahren hatte. 
Das Besitztum zu Lendesele war ein Geschenk des Herrn Wirich und 
seiner Mutter Jutta. Es ist anzunehmen, dass wir hier Wirich von 
Neumagen?) zu verstehen haben. Wenigstens spielen Besitzungen bei 
Neumagen auch ferner eine grosse Rolle in der Geschichte des Klosters, 
und Meffrid von Neumagen ist auch als Zeuge in Hillins Urkunde vom 
Jahre 1154 aufgeführt. 

Hatte so Hillin seinerseits den Hergang bei der Gründung des Klosters 
sowie dessen Besitzstand festgestellt, so erfolgte am 23. Januar 1155 die 
Bestätigung durch Papst Hadrian IV *). Er bestimmte, dass die Regel 
des h. Augustin von Lautern zu allen Zeiten unverletzlich beobachtet 
werden solle. Ferner bestätigte er alle rechtmässig erworbenen, 
gegenwärtigen wie zukünftigen Besitzungen der Kirche. Der Besitz- 
stand wird wortgetreu wie in der Urkunde Hillins aufgeführt. Niemand 
soll von dem Neurodland, das die Mönche mit eigenen Händen oder 
auf eigene Kosten bebaut, Zehnten einfordern; kein Vogteirecht über 
das Kloster soll bestehen, da aus solchen den Kirchen viele Schäden 
und Beschwerden zu erwachsen pflegen. 

Nur wenige Jahre aber biieben die Augustiner-Mönche in Lau- 
tern. Bereits um 1160 — ganz genau lässt sich das Jahr nicht be- 
stimmen — finden wir dort Augustiner-Nonnen vor. Wie und 
warum sich die Veränderung zugetragen, darüber fehlen alle Nach- 
richten. Jedenfalls nennt das Domkapitel zu Trier, als es in einer 


!) Die undatierte Urkunde Erzbischof Alberos, Mittelrh. Urk.-B. I, No. 550, 
M. Reg. I, 2114, in welcher dem Kloster Mettlach der Gebrauch bestätigt wird, 
dass gewisse Pfarreien am Festtage der Klosterweihe dahin wallfahren sollen, 
enthält die verstümmelten Ortsnamen Lut . .. wilre. Man könnte dieses Lut... 
auf Lautern (Lutre), wilre auf eines der verschiedenen Weiler deuten. Einen 
näheren Anhalt für die Erbauungszeit der Kirche in Lautern erhält man aber 


auch hiermit nicht. — ?) Nach freundlicher Mitteilung des Herrn Hauptlehrers 
Seibert in Neumagen heisst noch jetzt die Gesamtheit aller oberhalb des 
kleinen Ortes Ferres bei Piesport gelegenen Weinberge stets sim Ferreser 
Berge. »Lendesele« wohl der Linslerhof, Kr. Saarlouis. 8) M. U.-B. I, S. 672. 


— *) S, unten Urk. No. 2. 


undatierten Urkunde!) der Kirche in Lautern gegen eine halbe Ohm 
Wein jährlich einen Weinberg an dem Berilberg?) oder Bevilberg 
gegenüber der Feste Neumagen überlässt, den Heinrich »praepositum 
sanctarum sororum in Lutera«°). 

Den hier dem Kloster überlassenen Weinberg hatte früher Herr 
Meffrid der Aeltere von Neumagen dem Trierer Domstift geschenkt; er 
war aber in Folge von Vernachlässigung ertraglos geblieben. Vermut- 
lich lag er günstig zu den bereits zu Fraulautern gehörigen Weinbergen 
bei Neumagen und deshalb hat ihn Propst Heinrich für seine Kirche 
erbeten. Er und sein Bruder Dietrich hatten nämlich schon damals, 
als sie der Welt entsagten und das Klosterleben wählten, ihre Wein- 
berge beim Dorfe Bovaries*) der Kirche in Lautern geschenkt. 
Dieser Besitz war völlig abgabenfrei gewesen und hatte keinem Vogtei- 
recht unterstanden. Als er aber in geistliche Hände übergegangen 
war, begann Cuno von Malberg vogteiliche Abgaben davon zu for- 
dern und zu erpressen. Endlich aber erfasste ihn Reue über sein 
Thun. In Gegenwart des Erzbischofs Arnold von Trier und vieler 
Zeugen verzichtete er im Jahre 1174 auf alle beanspruchten Rechte 
und befahl dem Ritter Rudolf von Wilsacker, der die Zinsforde- 
rungen eingetrieben hatte, gänzlich davon abzustehen. Die Wichtigkeit 
und Bedeutung der Sache erkennt man wohl aus der stattlichen Reihe 
der von dem Erzbischofe zugezogenen Zeugen, unter denen ausser 
Trierer Geistlichen erscheinen: der Abt von Springiersbach, Wirich 
von Neumagen,”dessen Brüder, Dietrich von Bruch, Reiner 
und Walter de Palatio. 

Einen auf dem Berge bei Clüsserath gelegenen, den sogen. »langen 
Weinberg« hatten nach dem Zeugnis?) des Dompropstes Rudolf von 
Trier und seines Bruders, des Ritters Meffrid v: Neumagen, deren 
Vorfahren dem Kloster in Lautern unter der Bedingung geschenkt, 
dass ihre Schwester, die Nonne Oda, den Ertrag desselben auf 
Lebenszeit geniessen solle. Der Zeitpunkt dieser Schenkung ist nicht 
festzustellen, jedoch dürfte sie auch in die letzten "Jahrzehnte des 
12. Jahrhunderts fallen. 


!) S. unten Urk. No.3. — ?) Hauptlehrer Seibert in Neumagen: »Ein Teil 


des Ferreser Berges heisst heute Willbergslai«. — °) Dafür, dass neben dem 
Manns- auch ein Frauenkloster eine Zeit lang in Lautern bestanden habe, könnte 
eine gleich zu erwähnende Urkunde sprechen, die Dompropst Rudolf von Trier 
und Ritter Meffrid von Neumagen über eine von ihren Vorfahren dem Kloster ge- 
machte Schenkung ausstellten. Denn es heisst. hier: >ama vini dominabus et 
fratribus ibidem (Lautern) conversantibus distribuetur«. (S. unten Urk. No. 5.) — 
*) S. unten Urk. No.4. Vgl. auch Urk. 1 und 2. — °) S. unten Urk. No. 5. 


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Als ein besonderer Wohlthäter des aufblühenden Klosters er- 
scheint Friedrich Herr von Bitsch in Lothringen. Er befreit es im 
Jahre 1183!) von der Zollabgabe, die ihm jedes Schiff zu entrichten 
hatte, welches auf der Saar an Rehlingen vorüberfuhr. Etwa in 
demselben Jahre?) bestätigte er Fraulautern in dem Besitze des Dorfes 
Pachten, der dortigen Saar-Fähre, der Zinsen und alles dessen, was 
der verstorbene Wilhelm und dessen Frau Osilia der Kirche in Lautern 
geschenkt hätten. Auch erscheint er, ebenfalls 1183°), als Vermittler 
bei Schenkungen eines gewissen Folmar von Willingen, der sein 
Eigentum zu Kerlingen, und eines Mitgliedes seines eigenen Ge- 
schlechts namens Arnold von Loimersfeld, der seinen Landbesitz 
bei Sermlingen Fraulautern zuwendet. 

Erzbischof Johann von Trier gedachte Fraulauterns in seinem 
Testamente *), indem er ihm 5 Pfund an Geld vermachte. 

Auch Graf Heinrich von Zweibrücken und seine Gemahlin 
Hedwig nahmen sich des Klosters an und schenkten ihm im Jahre 
12125) ihr Eigentum in Reisweiler sowie in dem dabei gelegenen 
Labach. Unter den Zeugen der Urkunde erscheinen zwei Frauen, 
Gerburg von Warsberg und Osilia von Pachten, letztere wohl 
dieselbe, welche in der vorhin erwähnten Urkunde als Frau des ver- 
storbenen Wilhelm bezeichnet ward. 

Bedeutsam für das Ansehen, zu welchem Fraulautern in der 
Diöcese Trier bereits gelangt war, ist ein Vermächtnis, welches unter 
Vermittelung des Trierer Domcapitels am 29. Oktober 1224°) zustande 
kam. Der Trierer Subdiacon Friedrich war, wie es in der Urkunde 
heisst, mit der That, aber nicht mit Recht eine Ehe mit einer ge- 
wissen Mechtild eingegangen und dieser entstammte eine Tochter. Als 
das Elternpaar nun von Reue über sein Thun erfasst ward, beschloss 
es, sich und seine Tochter in die Hände des Propstes und des Klosters 
in Fraulautern zu geben. Darüber war nun der Vater Friedrichs, der 
nur diesen Sohn und Erben hatte, so erfreut, dass er das Kloster zum 
Universalerben seiner beweglichen und unbeweglichen Güter einsetzte. 
Auf die Lebenszeit des Erblassers wurde für den Notfall dem Kloster 
das Vorkaufsrecht eingeräumt. Wo die Güter gelegen haben, erfahren 
wir nicht; doch deutet die Zeugenschaft einiger Trierer Geistlichen und 
zweier Schöffen von Trier, Thomas und Richard (von der Brücke?) ‘) 
auf Trier und dessen Umgebung. Hier schenkte auch wenige Monate 

1) S. unten Urk. No. 6. — ?) S. unten Urk. No.7. — °) Urk. No. 8. 

*) Mittelrh. U. B. IL S. 330. Mittelrh. Reg. II No. 1172. — °) Urk. No. 10. 
$) Urk. No, 11, — ?) Vgl. Mittelrh. U. B. III, Register S. 1162. 


später!) der Bürger Ludwig genannt Molgrin alle seine inner- und 
ausserhalb der Stadt gelegenen Güter an Fraulautern. Diese Schen- 
kung war von bedeutendem Werte und bestand in Weinbergen, 
Häusern, Aeckern und anderen Grundstücken. Freilich musste das 
Kloster die Schulden und Verpflichtungen des Schenkers mitübernehmen 
und unter anderem zahlen: der Schwester des Ludwig Molgrin zu 
Weihnachten 20 Pfund, dem Cistercienser-Kloster Werschweiler 
bei Zweibrücken auf Martini 5 Pfund, dem Johann von Weiler 
21 Pfund und 12 Schillinge zu Pfingsten, dem Stiefsohn des Gebers, 
Arnold, 23 Schillinge u. s. f. Im ganzen waren 90!/s Pfund und 
54 Schillinge zu decken. Dem Ludwig Molgrin selbst aber verpflichtete 
sich das Kloster zur lebenslänglichen jährlichen Zahlung von 8 Pfund. 
Auch sollte Ludwig die Hälfte von dem Ertrage des Gartens in der 
Webergasse so lange er lebte geniessen, wenn dieser Garten nicht 
verkauft würde. Auf einem der der Urkunde angehängten Siegel finden 
wir der Kirche in Lautern die Bezeichnung »Trinitatis« beigelegt, die 
später die gewöhnliche ist. 

Unbestimmt ist, wann Fraulautern in den Besitz von Eigentum 
bei Noviant und Maring (bei Lieser, Kr. Bernkastel) gekommen sei: 
wir erfahren nur, dass es diesen Besitz unter Vermittlung des Trierer 
Domkapitels an das Kloster Himmerode verkaufte ?). 

Wir haben aber aus dieser Zeit, aus dem Anfange des 13. Jahr- 
hunderts, doch nicht nur urkundliche Nachrichten über Gütererwerbungen 
und Besitzveränderungen Fraulauterns zu verzeichnen. Kein Geringerer 
als der Mönch Cäsarius von Heisterbach belehrt uns, dass es 
den Klosterschwestern gelungen war, sich einen weiter verbreiteten 
Ruf der Frömmigkeit und echt klösterlichen Lebens zu erwerben. In 
seinen Gesprächen über Wunderbesebenheiten finden wir zwei Er- 
zählungen über Fraulautern *), die wir hier wenigstens in Kürze wieder- 
geben wollen. In der einen wird berichtet, es sei in unserm Kloster 
Sitte gewesen, kein Mädchen aufzunehmen, das über 7 Jahre alt war, 
damit die kindliche Einfalt ihnen um so leichter erhalten werden könne. 
So war denn da auch eine Jungfrau herangewachsen, die in weltlichen 
Dingen eine solche Unerfahrenheit zeiste, dass sie zwischen einem Stück 
Vieh und einem weltlichen Menschen kaum unterscheiden konnte (!), 
weil sie von der Gestalt solcher vor ihrem Eintritt ins Kloster keine 
Kenntnis gehabt hatte. Eines Tages nun stieg eine Ziege von aussen 
auf die Mauer des Klostergartens. Da fragte erstaunt das Mädchen, 


!) Urk. No. 12. — ?) Urk. No. 9. — ?) Dialogus miraculorum lib. VI. c. 37, 
lib. VIII. c. 51. Vgl. auch Marx, Gesch. d. Erzstifts Trier, II. Abt. Bd. 2, S. 255 ff. 


was denn das für ein Wesen wäre, und eine Klosterschwester, die ihre 
Einfalt kannte, antwortete ihr scherzend: das ist eine weltliche Frau, 
und fügte hinzu: wenn die weltlichen Frauen alt werden, bekommen 
sie Hörner und einen Bart. Jene aber glaubte ihr und freute sich, 
was Neues gelernt zu haben. Weiter wird von dieser Nonne berichtet, 
dass sie unter den sonderbarsten Visionen starb. Ein anderer Bericht 
des Mönchs steht unserem Empfinden etwas näher. Er handelt von 
zwei Klosterschwestern, von denen die eine ihre besondere Liebe 
Johannes dem Täufer, die andere aber dem Evangelisten Johannes zu- 
gewandt hatte. Sie gerieten über die Vorzüge ihrer Erkorenen häufig 
in bittersten Streit. Da erschien einst in der Nacht Johannes der 
Täufer seiner Verehrerin im Traume und sprach: »Schwester, du 
wirst erkannt haben, dass der heilige Evangelist Johannes mir gleich- 
wertig sei; niemals hat es einen Menschen gegeben, der keuscher und 
reiner gewesen wäre an Leib und Seele u.s. w. In der Frühe also rufe 
deine Schwester vor die Meisterin und bitte sie fussfällig um Verzeihung, 
dass du sie so oft meinetwegen heftig angegriffen.« Dieser Schwester 
aber erschien nun ebenfalls ihr bevorzuster Heiliger, der Evangelist 
Johannes, und bedeutete sie mit eindringlichen Worten, wie bei weitem 
grösser an den verschiedensten Eigenschaften Johannes der Täufer 
wäre als er selbst, hinweisend vor allem auf dessen wunderbare Geburt 
und sein Amt als Verkündiger Jesu. Sie solle sich nur gleich in der 
Frühe aufmachen und vor der Meisterin ihre Schwester fussfällig um 
Verzeihung wegen ihrer Angriffe auf den anderen Johannes bitten. Die 
Versöhnung der beiden Gegnerinnen erfolgte dann in rührender Weise 
vor der Meisterin. 

Entsprechend dem Sinne solcher Erzählungen weist Bischof 
Johannes von Metz i. J. 1230!) darauf hin, dass Fraulautern des 
besten Rufes der Frömmigkeit geniesse. Er betont aber zugleich, dass 
das Klostervermögen sich nicht auf entsprechender Höhe befinde. Um 
ihm aufzuhelfen bestätigt er das Kloster im Besitze des Patronats- 
rechtes der Kirche in Wellingen, welches demselben Robert von 
Rollingen (de Ravilla) geschenkt hatte. Er fügt, um auch selbst dem 
Mangel abzuhelfen, unter Zustimmung des Archidiacons B. (Bertold ?) 
und des Domcapitels noch den Besitz der genannten Kirche hinzu. 
Vielleicht war es auch Bischof Johannes, der den Grafen Simon von 
Saarbrücken für Fraulautern einzunehmen wusste. Denn dieser 
verwandte sich i. J. 1234?) bei seiner Schwester, der Gräfin Lucardis 


') Urk. No. 14. — °) Urk. No. 15. 


von Wied, dahin, dass sie der Kirche in Lautern eine Salzpfanne, 
welche zu einem Gute des Grafen bei Bretten gehörte, und einen 
Leibeigenen zu Lautern schenkte. 

_ Eine der in ihren Folgen wichtigsten Erwerbungen Fraulauterns 
fällt in das Jahr 1235. Hugo Vogt von Hunolstein (de Hana 
Petra) schenkte ihm den Zehnten und das Patronatsrecht der Kirche 
in Schwarzenholz'). Dies war der Ursprung des späteren Besitzes 
der Herrschaft Schwarzenholz. Zunächst mehrte sich das Eigen- 
tum des Klosters in Schwarzenholz dadurch, dass Ritter Nicolaus 
Vogt von Hunolstein ihm mit Genehmigung seiner Frau Beatrix 
i. J. 1262?) für 100 Pfund Metzer Denare seine daselbst beim Hofe 
Hunescheit gelegenen Güter und Einkünfte verkaufte. Als damaliger 
Propst von Fraulautern wird Bruning genannt. Die Wichtigkeit dieses 
Kaufes wird, abgesehen von dem bedeutenden Preise, dargethan durch 
die Besiegelung der betreffenden Urkunde, zu welcher sich bereit finden 
liessen: Heinrich, Erwählter von Trier, Dompropst Symon von 
Trier, Graf Heinrich von Salm und Dietrich Herr von Hahn. 
Schwiegervater des Ausstellers. 

Ein weiteres wichtiges Kirchen-Patronatsrecht empfing Fraulautern 
i. J. 12373) von den Rittern Marsilius und Reiner von Liesdorf, 
deren Verwandten dem jüngeren Marsilius v. L., Gottfried von 
Schwalbach und dessen Mutter Mathilde in Reisweiler unter 
der ausdrücklich eingeholten Zustimmung des Lehnsherren Matthäus 
von Sidelingen. Doch blieb dieser Besitz nicht unangefochten. Abt 
Heinrich von Wadgassen und Graf Heinrich von Zwei- 
brücken bezeugen i. J. 12504), dass vor ihnen zu Wadgassen die 
Meisterin Berta aus Fraulautern nebst dem Convent sowie Elisabeth 
Wittwe des Johann von Liesdorf und deren Sohn Gottfried er- 
schienen seien zu gütlicher Vereinbarung über die Streitfrage jenes 
Patronatsrechtes. Es ward ein Vergleich dahin geschlossen, dass 
Elisabeth und Gottfried endeültig auf ihre Anteile an dem Patronats- 
rechte verzichteten, die sie auf das Kloster übertrugen. Graf Heinrich 
von Zweibrücken und der Abt von Wadgassen bezeugten diese Hand- 
lung noch jeder in einer besonderen Urkunde?) und im August 1250 
gab auch der Trierer Archidiacon und Thesaurar Symon®), ferner am 
25. März 1251°%) Erzbischof Arnold von Trier seine Einwilligung zu 
der nun endgültig vollzogenen Schenkung. Die Einkünfte der Kirche, 
die bisher den Geistlichen zustanden, fallen mit Ausnahme des dem 


2) Urk. No. 16 u. 21. — 2) Urk. No. 45. — *) Urk. No. 19. — *) Urk. No. 28. 
— 5) Urk. No. 29 u. 30, — ©) Urk. No. 27. — ?) Urk. No. 32. 


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dienstthuenden Vikar zukommenden Anteils dem Kloster zu. Von dem 
früheren Mitbesitzer des Patronatsrechtes, Gottfried von Schwalbach 
oder dessen Nachkommen ist nicht mehr die Rede; es scheint über seinen 
Anteil ein Streit also nicht geherrscht zu haben. Seine Familie aber 
erwies sich auch fernerhin gütig gegen Fraulautern; denn i. J. 1254!) 
sab Johann von Schwalbach unter Zustimmung seiner Frau 
Elise und seiner Kinder seine Rechte an der Kirche von Schwalbach 
und einen Acker bei Liesdorf in den Besitz des Klosters. 

Noch von zwei weiteren Kirchen hören wir, deren Patronatsrecht 
Fraulautern im 13. Jahrhundert erwarb. Ritter Robert von Wars- 
berg hatte, wann wissen wir nicht, dem Kloster die Collatur und 
einige Zehnten der Kirche zu Dentingen?) geschenkt und hierzu und 
zu der Bestätigung der Schenkung seitens Johannes von Wars- 
berg, des Sohnes jenes Robert, gab 1259 Graf Heinrich von Saar- 
werden die lehnsherrliche Zustimmung ?). Die Ritter Gerlach genannt 
Crippin von Schwarzenberg und Wilhelm von Schwarzen- 
berg aber gaben 1279 ihr Patronatsrecht über die Kirche zu Has- 
born mit allem Zubehör an Fraulautern. In den hierüber aufgenom- 
menen Urkunden *) nennen sie das Kloster » monasterium beate Marie «, 
eine Bezeichnung die hier zum ersten Male auftritt. Mit der Ordnung 
der Angelegenheit beauftragte der Trierer Archidiacon Walram den 
Priester von Wadrill°). Am 2. Mai 1280°) aber genehmigte und be- 
bestätigte Erzbischof Heinrich von Trier die Schenkung. Er weist 
ausdrücklich auf die geringen Einkünfte des Klosters hin, die durch 
diejenigen der Hasborner Kirche aufgebessert werden sollten. 

Fraulautern war in seinen Besitzrechten nicht ungestört geblieben. 
Schon 1. J. 12367) war es mit Gerbodo, dem Müller von der Wezels- 
mühle bei Gaensbach, über diese in Streit geraten. Endlich ver- 
zichtete Gerbodo gegen Zahlung von 40 Schillingen auf seinen Anteil 
an der Mühle, musste aber zur Sicherung seines Verzichts diesen vor 
den Kirchenthüren in Saarbrücken unter Berührung der Reliquien be- 
schwören in Gegenwart des Propstes Johannes von Fraulautern und 
anderer angesehener Personen. Auf einem Tage zu Finstingen (5. Juni 
1236°) wurde dann in Anwesenheit des Archidiacons Johannes von 
Metz und anderer Herren festgesetzt, dass Gerbodo und seine Söhne, 
wenn sie den mit dem Kloster geschlossenen Vertrag brächen, von 
Merbodo von Malberg und dessen Söhnen gefangen genommen und 
in Fesseln dem Kloster überliefert werden sollten. 

1) Urk. No. 36. — ?) Kreis Bolchen 3) Urk. No. 41. #) Urk. No.54 u. 55 

5) Urk. No. 56. — ®).Urk. No. 57. ?) Urk. No. 17. — ®) Urk. No. 18 


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Auch mit Bürgersleuten von Trier namens Heinrich waren die 
Klosterschwestern uneins geworden und zwar wegen eines bei S. Moriz 
in Trier gelegenen Weinberges. Man einigte sich i. J. 12391) dahin, 
dass Heinrich den Weinberg lebenslänglich gegen Empfang des halben 
Ertrages bebauen solle; nach seinem Tode aber müsse er unbeschwert 
in dem Besitze des Klosters bleiben. Auch musste Heinrich ver- 
sprechen, in dem bei dem Weinberge gelegenen Kelterhause nur mit 
Zustimmung des Klosters anderen als den daselbst gewachsenen Wein 
zu keltern. 

Dem Sinne und dem Zwecke der Klosterstiftungen entspricht es, 
wenn die Mittel zu ihrer Erhaltung und Förderung frommen Schenkungen 
entstammen. So ist es nicht zu verwundern, dass wir erst i. J. 1241?) 
von einer Erwerbung Fraulauterns hören, die es aus eigenen Mitteln 
machte. Die Meisterin Berta kaufte von Benzelin von Bedes- 
dorf 8 Morgen Land, wovon ein Teil nebst Hofstätte beim Hofe 
Huzelsdorf, ein anderer beim sogen. Bissenpul, ein dritter bei 
Dasweiler, ein vierter an dem Wege gelegen war, welcher hinunter 
nach Osweiler führte. Der Kaufpreis wird nicht genannt. 

Immerhin überwogen auch in der Zukunft die Schenkungen bei 
weitem die käuflichen Erwerbungen. Da ist zu demselben Jahre 1241?) 
Kuno von Ruland zu nennen, der Güter beiEuren, die sein Vater 
von Ludwig Molsrin!) übernommen hatte, Fraulautern schenkte. Viel 
später, 1290°), erweiterte sich der Besitz hier durch eine Zuwendung 
der Witwe des Anselm Krebs aus Euren, Margarethe, und ihres 
Sohnes M., die als Laien-Schwester und Bruder des Klosters diesem 
all ihren Besitz übergaben. À 

Von der grössten Bedeutung für Fraulautern war es, dass ihm 
1. J. 1248 sein Landesherr Herzog Matthäus von Lothringen seine 
Gunst zuwandte. Auf seinem Besitz in Wallerfangen, der als »Hufgut« 
bezeichnet wird, wies er ihm einen Zins von 10 Schillingen an). Hierzu 
trat 1. J. 1269%) auch Grundbesitz, den ein gewisser Godemann, früher 
Schultheiss in Wallerfangen, der Meisterin Gertrud verkaufte. Als aber 
Herzog Friedrich von Lothringen i. J. 1285 seinen Besitz in diesem 
Orte, wo er Hochöfen betreiben liess, erweitern wollte, kaufte er Frau- 
lautern alle diesem zustehenden Einkünfte für eine jährliche Rente von 
30 Trierer Schillingen ab, die aus seinen Erzwerken bezahlt werden 


1) Urk. No. 20. Ein Morizkloster in Trier ist nicht bekannt. Herr Dompropst 
Dr. Scheuffgen in Trier teilt mir gütigst mit, dass vielleicht ein Trierer Asyl 
der Abtei S. Moriz in Tholey gemeint sein könne. — ?) Urk. No. 23. — *) Urk. 
No. 22. — *) Siehe oben S.6. — °) Urk. No. 63. — °) Urk. No. 24. — ?) Urk. No. 48. 


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solltent). Es ist wohl zu vermuten, dass auch die Ländereien des 
Klosters bei diesem Kaufe inbegriffen waren. Auch besserte der Herzog 
die Rente Fraulauterns zu Wallerfangen, und die hierüber aufgesetzte 
Urkunde?) bestimmte: der Förster des Klosters soll dessen Wälder zu 
Usselsdorf und Karlingen hüten, die lothringischen Förster und 
_ Amtleute aber sollen in Zukunft nichts darin zu thun haben: kein 
lothringischer Beamter soll des Klosters Leute zur Strafe ziehen, bevor 
der Meisterin oder dem Propst Anzeige geschehen; überhaupt solle 
dem Kloster und seinen Angehörigen nirgends weder durch Auflagen 
noch durch Raub Gewalt geschehen. Dafür erklärt Fraulautern für 
allen erlittenen Schaden Ersatz erhalten zu haben. Das Interesse, 
welches der Herzog an dem Geschicke des Klosters nahm, erkennen 
wir ferner aus der Vermittlerrolle, die er bei verschiedenen Kauf- und 
Schenkungsverträgen desselben übte). Auch bedachte er Fraulautern 
in seinem Testamente '). 

Von der Gunst des Römischen Stuhls erhielt Fraulautern zu An- 
fang des Jahres 1249 ein Zeugnis). Papst Innocenz IV. erteilte 
ihm am 11. Januar von Lyon aus das übliche Privileg, nach welchem 
das Kloster zur Aufnahme eines Mitgliedes durch Briefe weder des 
apostolischen Stuhls noch seiner Legaten gezwungen werden könne, es 
sei denn ein Specialmandat des ersteren ergangen, welches dieses 
Privilegs Erwähnung thue. Ueber die Urkunde stellten am 25. März 
desselben Jahres®) die Archidiacone Arnold von Schleiden und 
Symon von Franchirmont sowie der Triersche Official Canonicus 
Symon ein Vidimus auf Bitten Fraulauterns aus; Cardinalpresbyter 
Hugo aber erteilte dem Kloster am 9. Juli 12547) in Trier als päpst- 
licher Legat seinerseits das gleiche Privileg. 

Schon wenige Jahre nach Gründung einer klösterlichen Nieder- 
lassung in Lautern waren dieser, wie wir sahen, Weinberge bei Neu- 
magen zugewendet worden. Obgleich dieser unterhalb Trier gelegene 
Besitz verhältnismässig recht weit entfernt war, hielt das Kloster doch 
an ihm fest, ja es vermehrte ihn noch im Laufe der Jahre. So kaufte 
es ums Jahr 1250°) von Peter von Boveries für 4 Trierische Pfund 
eine Rente von einer Ohm Wein aus einem Weinberge, der über der 
Mosel »in Martinesgemeinde«”) in der Parochie Neumagen gelegen war. 
Auch von weiteren Weinrentenkäufen, die Fraulautern abschloss, handelt 


1) Urk. No. 60. — ?) Urk. No. 64. — 3%) Urk. No. 59, 65, 66, 69. — *) Vgl 
Mittelrh. Reg. IV, S. 603, No. 2702. — °) Urk. No. 25. — ©) Urk. No. 26. — ?) Urk. 
No. 35. — °®) Urk. No. 31. 9) Der Name ist in der Gegend von Neumagen nicht 


mehr nachweisbar. (Seibert.) 


LI |: TIRE 


die Urkunde; sie beziehen sich auf Weinberge zu Meiul bei Neumagen 
und zu Kassen'). Die festgesetzten Kaufpreise machten 12 Pfund 
Trierisch oder 240 Schillinge aus, wofür jährlich 3 Ohm Wein zu ent- 
richten waren. Hadewidis, Witwe des Edlen von Warsberg, schenkte 
1259?) dem Kloster Weinrenten aus der Gegend von Zewen, während 
ihm Hanwela von Warsberg, Witwe des Ritters Alard von 
Gunsingen, als Vermächtnis solche aus dem genannten Weinberge 
zu Meiul bestimmte?). Ein gewisser Werner von der Unteren 
Mühle bei Thron verkaufte i. J. 1260 Fraulautern einen Weinzins 
von einem Weinberge, der dem Herrn Gerhard von Urley zins- 
pflichtig war. Unter besonderen Bedingungen aber wird i. J. 1261) 
eine Weinrente aus einem Moselweinberge gekauft. Hezelo aus Neu- 
magen, genannt von Krichelsberg, hatte die Verpflichtung, von diesem 
Weinberge jährlich zwei Sechster Wein dem Ritter Hermann von 
Veldenz zu liefern, musste diesem ausserdem einen Frohntag leisten 
und eimmal im Jahre bei dem (Gerichtstag zu Neumagen gegen- 
wärtig sein. Würden nun Hezelo oder seine Nachkommen in der Ent- 
richtung der Weinernte säumig werden, dann sollte der Weinberg frei 
in den Besitz des Klosters gelangen unter der Bedingung jedoch, dass 
es die Leistungen des Hezelo an Hermann von Veldenz übernähme®). 

Hatte Fraulautern so um die Mitte des 13. Jahrhunderts schon 
ansehnliche Einkünfte in Neumagen zu beziehen, so erklärt es sich, 
(lass es dahin auch Renten abführen liess, die ihm aus anderen Orten 
zukamen. So schloss es i. J. 12737) eine Abmachung mit einem Herrn 
Symon, nach welcher dieser, dem die ständige Vikarie und alle Güter 
der Kirche in Sensweiler (Kr. Bernkastel) übertragen worden waren, 
die hierfür jährlich zu entrichtenden 16 Malter Getreide und 4 Schillinge 
an das Moselufer zu Neumagen zu liefern hätte. Unter anderen Be- 
dingungen, die Simon zu erfüllen hatte, interessiert besonders die, dass 
er Jährlich auf das Fest Johannis des Täufers Bürgen zu der Meisterin 
wegen der Lieferung des (Getreides und des (reldes schicken musste. 

Wann und wie Fraulautern in den Besitz der Kirche in Sensweiler 
gekommen sei, wissen wir nicht. Zum Jahre 1287 aber°) erfahren 

1) Der Name Meiul erhalten in »Meiel«, Schlucht mit vortrefflichen Wein- 
bergen auf dem 1. Moselufer gegenüber dem Einflusse der Dhron. Kassen nicht 
nachweisbar (Seibert, Neumagen). — ?) Urk. No. 39; die Urk. ist besonders lehr- 
reich. — %) Urk. No. 40. — *) Urk. No. 42. — 5) Urk. No. 43. — °) Vgl. auch die 
Urk. aus demselben Jahre, 1261, unten No. 44. Von einem Hofgebäude des Klosters 


stehen traurige Ueberreste Neumagen schräg gegenüber am Ausfluss des Zwei- 
bachs (Scibert). — °) Urk. No. 50. — °) Urk. No. 61. 


Be >. 


wir, dass ihm auch die Hälfte des grossen Zehnten daselbst zustand. 
Ritter Heribert von Senheim erklärt namens seiner Familie, wohl 
um einem zuvor geführten Streit ein Ende zu machen, dass nur das 
Kloster auf diesen Zehnten Anspruch habe, während er gänzlich Ver- 
zicht leiste. 

Von weiteren kauf- oder schenkweise für Fraulautern erworbenen 
Gütern und Renten mögen hier noch die folgenden Erwähnung finden. 
In Trier hatte, wann ist unbekannt, die Nonne R. dem Kloster ein 
Haus geschenkt, welches jedoch wegen zu hohen Alters den Verfall 
drohte. Da erbot sich der Scholastikus W. vom S. Simeonstift in Trier 
der Meisterin J. und dem Provisor des Klosters B., er wolle das Haus 
auf seine Kosten in Stand setzen und niemand dürfe später die auf- 
sewandte Summe vom Kloster zurückfordern. Zum Danke beanspruchte 
er, in dem Hause Zeit seines Lebens wohnen zu dürfen: ausserdem 
möge sein Gedächtnis im Kloster gefeiert werden. Die Zeugenreihe 
der hierüber aufgesetzten Urkunde!) weist auf die 20er Jahre des 
13. Jahrhunderts hin. Von einem andern Hause in Trier, das dem 
Dominikanernonnenkloster S. Martin vor Trier gehörte, erlangte Frau- 
lautern i. J. 1255?) dadurch eine Jahresrente von 22 Schillingen, dass 
jenes Kloster durch Not gezwungen diese Rente der Frau Hadewidis 
von Warsberg verkaufte, die sie ihrerseits Fraulautern überliess. 

Eine Mühle bei Rehlingen (Kr. Saarlouis) schenkte Arnold von 
Siersberg i. J. 1251?) zur Stiftung zweier Jahresgedächtnisse, näm- 
lich seiner Gattin Elisabeth und seiner Mutter Margaretha. Zu 
den Gedächtnisfeiern aber sollten seine Fischer in Pachten den Stifts- 
frauen zwei Fischgerichte liefern. Auch versprach er, falls die Mühle 
seinen Brüdern zugesprochen werden sollte, das Kloster aus seinem 
Eigentum anderweitig zu entschädigen. 

In demselben Jahre*) sicherte Gräfin LauretavonSaarbrücken 
Fraulautern die pünktliche Entrichtung einer Fruchtrente von einer 
bisher dem Kloster, jetzt ihr erblich gehörenden bei Saarbrücken ge- 
legenen Mühle zu. 

Ein Besitzstreit Fraulauterns mit dem S. Martinskloster in 
Lungfelden wurde i. J. 12585) unter Beistand des Erzpriesters 
Ludwig von Bollei und anderer angesehener Leute dahin geschlichtet. 
dass jedes der beiden Klöster die Hälfte der streitigen, in Düren 
(Kr. Saarlouis) gelegenen und »zum Heister« genannten Güter er- 
halten solle. 

1) Urk. No. 13. — 2) Urk. No. 37. -- ®) Urk. No. 33. #) Urk. No. 34 
5) Urk. No. 38. 


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Ritter Gerlach gen. Grippin von Schwarzenberg verkaufte 
i. J. 1270!) Fraulautern Ländereien in Steinberg und Lebach für 
52 Pfund Trierscher Denare. Steinberg war ein Hof des Klosters, 
über dessen Besitz es mit den Brüdern Peter und Friedrich genannt 
von Reisweiler und deren Geschwistern in Streit geraten war. 
Dieser wurde 1296?) dahin beigelegt, dass Fraulautern in seinen 
Rechten dort nicht mehr angelochten werden solle. 

Von einer Mühle und einem Mühlenteich, die Fraulautern bei 
Ginsbach (Gaensbach?) besessen, spricht i. J. 1289?) der Knappe 
Gottfried von Bolchen. Er pachtet den Teich für 6 Schillinge 
jährlich und will ihn auf seine Kosten in Stand setzen; stelle er aber 
die zu dem Teiche gehörige Mühle wieder her, so solle er sie frei 
betreiben dürfen. Alles aber fällt nach senem Tode an das Kloster 
zurück. 

Der wichtigste Besitz, in welchen das Kloster Fraulautern in der 
Folgezeit gelangte, war die Reichsherrschaft Schwarzenholz, welche 
aus dem Dorfe Schwarzenholz, der Kunzenmühle, der Hausers- 
mühle, dem Dorfe Labach und dem Labacher Hof mit Mühle bestand. 
Ueber die Herkunft dieses Besitzes und namentlich über die mancherlei 
seinetwegen entstandenen Streitigkeiten mit den Grafen von Nassau-Saar- 
brücken zu handeln, ist eine besondere Aufgabe, der ich mich leider 
nicht unterziehen kann, wie denn überhaupt zur weiteren und ein- 
sehenderen Verfolgung der Geschichte Fraulauterns (wie auch eigentlich 
schon der älteren) die genaue Kenntnis der Oertlichkeiten unent- 
behrlich ist. 

Zum Beschlusse unserer Darstellung, die auf Grund der über- 
lieferten Urkunden fast nur Wirtschaftsgeschichtliches enthalten konnte, 
mag noch berichtet werden, wie Fraulautern am Ende des 13. Jahr- 
hunderts grossen Schaden durch Kriegsereignisse, Raub und Plünderung 
erlitten hat. Genauere Nachrichten zwar liegen uns nicht vor. Herzog 
Friedrich von Lothringen aber giebt in einer schon oben erwähnten 
Urkunde i. J. 1294) bekannt, dass er das Kloster entschädigen wolle 
für das, was ihm seine deutschen Reichsvölker angethan hätten. Und 
der Official der bischöflichen Curie in Metz weist in einer feierlichen 
Urkunde v. J. 1297?) auf das Privileg des Papstes Hadrian IV. v. J. 1155) 
hin und bedroht alle Uebelthäter, die das Kloster Fraulautern berauben, 
seine Leute gefangen nehmen, seine Höfe plündern, seine Mühlen zer- 
stören und zerbrechen, wie dies nach den thränenreichen Berichten des 


1) Urk. No. 49. — ?) Urk. No. 67. — °) Urk, No. 62. — ) Urk. No. 64. — 
5) Urk. No. 68. — °) Urk. No. 2. 


RE pe EE 


Propstes, der Meisterin und des Convents wirklich schon geschehen 
sei, mit der Excommunication, wenn sie nicht binnen 8 Tagen nach 
erfolgter Ermahnung Schadenersatz leisten würden. Die Geistlichkeit 
der Metzer Diöcese wird auf das Strengste zur Ausführung des bischöf- 
lichen Befehls ermahnt. Wir werden bei diesen Nachrichten an die 
Rüstungen und Unruhen zu denken haben, welche der Streit des 
Königs Philipp von Frankreich mit dem Grafen Theobaldvon 
Bar über die Grenzen ihrer Gebiete und über die Abtei Beaulieu 
hervorrief. In diesem Streite stellte sich Herzog Friedrich von Lothringen 
auf die Seite des Grafen von Bar. 


Nachdem die vorstehenden Blätter schon gedruckt waren, ging 
mir durch die Güte des Herrn Redakteurs Nissen in Rheidt dessen 
Geschichte des Kreises Saarlouis, Bd. I, Saarlouis 1893, zu. Hier ist 
die ältere Geschichte des Klosters Fraulautern auf Grund von teils 
chronikalischen teils sagenhaften Ueberlieferungen dargestellt. Man wird 
nun nicht ohne Interesse lesen, dass ein Teil dieser Nachrichten durch 
die oben gegebene, urkundlich beglaubigte Geschichte bestätigt wird. 


Urkunden. 


Vorbemerkung. Die nachstehenden Urkunden sind bis auf einige wenige 
meines Wissens bisher ungedruckt. Die Orts- und Gemarkungsnamen sicher zu be- 
stimmen ist mir an vielen Stellen nicht gelungen und ich muss dies der weiteren 
Lokalforschung überlassen. Zur leichteren Auffindung ist ein Register beigefügt. Einige 
Urkunden wurden mir erst im letzten Augenblicke zugänglich gemacht und ich bin 
meinen Kollegen, den Herren Archiwar Dr. Kaufmann und Archivassistent 
Dr. Rosenfeld in Magdeburg, für ihre so freundliche Beihülfe bei der Bearbeitung 
derselben sehr dankbar. Herr Landrat Helfferich in Saarlouis und Herr Bürger- 
meister Vacano in Fraulautern haben mir ebenso wie Herr Hauptlehrer a. D. 
Seibert in Neumagen auf meine Anfragen in liebenswürdigster Weise Auskunft er- 
teilt, die ich namentlich für das Register noch verwenden konnte. Auch ihnen statte 
ich besten Dank ab. Die auf der vorstehenden Seite erwähnte Arbeit des Herrn Nissen 
beweist, dass auch noch andere als die mir bekannten (Quellen zur Geschichte Frau- 
lauterns vorhanden sind. Hoffentlich wird sich Jemand finden, der sie im Anschluss 
an die von mir mitgeteilten verwertet und dabei die Geschichte der späteren Jahr- 
hunderte ins Auge fasst. Diese gerade könnte wohl allgemeineres Interesse bean- 
spruchen, da namentlich der Streit Fraulauterns mit den Grafen von Nassau-Saar- 
brücken über die Reichsherrschaft Schwarzenholz und das Verhältnis zu der Abtei 
Wadgassen in den Vordergrund treten würde. 

Für die Urkunden vom 1. Januar bis 25. März ist Trierscher bzw. Metzer Styl 
auch ohne besondere Angabe desselben angenommen. Diese. Urkunden waren demnach 
um ein Jahr höher anzusetzen, als ihr Datum besagt. 


1. — Erzbischof Hillin von Trier bestätigt dem Propst Heinrich des Augustiner- 
klosters Lautern dessen Besitzungen und erzählt die Geschichte der Entstehung des 
‚Klosters. 1154. Trier. 

In nomine sancte et individue trinitatis. Ego Hillinus dei gracia Treviro- 
rum archiepiscopus dilecto filio suo Henrico Lutrensis ecclesie preposito ejus- 
que successoribus in | perpetuum. Offitii (!) nostri ratio postulat, omnibus in diocesi 
nostra degentibus, sive monachicam sive canonicam vitam ducant, pro modulo nostro 
consulere et providere. Ea propter quia deo, ut credimus, annuente ad regendam 
Lutrensem ecclesiam et providentiamtam in spiritualibus quam in temporalibus 
vocatus es, tibi, dilecte fill, successoribusque tuis in habitu superpelliciorum sub 
regula beati Augustini degentibus loeum Lutre cum omnibus appenditiis suis 
scilicet allodium ad Rodanamet Walderingam et allodium, quod ad Lendesele 
domnus Wiricus cum matre sua Juttha ecclesie Lutrensi contulit, nec non el 
allodium Radisville et allodium apud Vilare et vineas in monte Bovarie 
sitas, preterea omnia data quam danda auctoritate nostra confirmamus. Verum 
quoniam monachi de Mediolacu per aliquos annos ibidem morati sunt, qua 
causa quave ratione illi inde recesserint ipsisque recedentibus fratres sub regula 
beati Augustini degentes in eodem loco ab archiepiscopo Adelberone pre- 
decessore nostro constituti sint, qui et quieti eorum et successorum suorum in 
posterum providens sigillato scripto dignum tradere memorie fore judicavit. 


a 


Notum igitur omnibus tam futuris quam presentibus fieri curavit, Adel- 
bertum quendam militem nobilem allodium suum, quod Lutre dieitur, cum 
appendiciis suis in manu domini Megineri predecessoris sui reposuisse eo vi- 
delicet tenore, quatinus idem Meginerus monachos abbatie Mediolacus ibidem ad 
serviendum deo omnipotenti imponeret, ita ut idem monachi eundem locum 
ecclesia, officinis aliisque instrumentis, quae necessaria sint edifficarent (sie!) 
atque procedente tempore, ipsis paulatim deo adjuvante crescentibus, tunc demum 
a supradicta abbatia liberi ab omni censu ab omni exactione in posterum per- 
manerent. Quod quidem illis facere differentibus hac omnino negligentibus consilio 
accepto supradictum Albertum prefatus Albero adhoc induxit, quo videlicet supra- 
dietum allodium a monachis sepe dictis abbatie Mediolacus XV libris redimeret 
liberumque iterum restitueret. Quo facto ipsis laudantibus et agentibus precium- 
que redemptionis XV librarum recipientibus in eodem loco Lutre canonicos re- 
gulares deo annuente atque inspirante libere constituit. Cartam etiam confirma- 
tionis, quam super hoc predicti monachi ab archiepiscopo Meginero acceperant 
in generali synodo ipsis presentibus et collaudantibus, ne forte aliqua deinceps 
exinde controversia posset emergi, confregit. 

Quia igitur ipsum in suis piis actionibus prout possumus insequi debemus, 
hanc sue constitucionis devotionem et formam servare cupientes sigilli nostri 
quoque inpressione in presenti pagina ex auctoritate dei et nostra communimus. 
Hec vero servantibus atque laudantibus sit pax et glorie merces cum Christo per- 
petua. Qui autem contra hec impie agere quoquo modo temptaverint, sciant se 
dei omnipotentis iram incurrere et usque ad debitam satisfactionem anathemati 
subjacere. 

Acta sunt autem hec Treveri anno dominice incarnationis Mmo CoToIIIIo 
indictione Il® concurrente III epacta Ill anno ordinationis nostre Ill. Testes 
etiam qui interfuerunt subter annotari fecimus: Godefridus prepositus, Rü- 
dolfus decanus, Alexander et Johannes archidiaconi, Baldericus magister 
scolarum, Henricus cantor, Cunradus prepositus sancti Paulini, Walterus 
decanus sancti Symeonis, Sigerus abbas sancti Maximini, Bertolfus abbas 
sancti Eucharii, Ludewicus sancte Marie, Godefridus sancti Martini, 
Rikardus Sprenkerspachcensis, abbas de Claustro; laici: Meffridus de 
Nümaga, Arnolfus de Serca; ministeriales sancti Petri: Engelbertus, 
Fridericus, Willelmus, Heremannus, Enbrico, Teodericus et ceteri 
quam plures, quos enumerare non potuimus. 

Original Coblenz, Staatsarchiv, 

Siegel des Erzbischofs von braunrotem Wachs an Lederstreifen, unterer 
Rand zerstört. — G@leichzeitiger rückseitiger Vermerk: Hillini; bei einem 
solchen des 18. Jh. ist beigefügt: A, Numerus primus. 


2. — Papst Hadrian IV. bestätigt die Stiftung und den Güterbesitz des 


> 


Augustinerklosters in Lautern. 1155 Januar 23. Rom. 


Adrianus episcopus servus servorum dei dilectis filiis Henrico preposito 
Lutrensis ecclesie ejusque fratribus tam presentibus quam futuris canonicam vitam 
professis inperpetuum. Religiosis desideriis dignum est facilem prebere consensum, 
ut fidelis devotio celerem sorciatur effectum. Eapropter, dilecti in domino fil, 
vestris justis postulationibus elementer annuimus et prefatam ecclesiam, in qua 


5) 


er 


divino maneipati estis obsequio, sub beati Petri et nostra protectione suscipimus 
et presentis scripti privilegio communimus, in primis siquidem statuentes, ut ordo 
canonicus, qui secundum deum et beati Augustini regulam in Lutrensi ecclesia 
dinoseitur institutus, perpetuis ibidem temporibus et inviolabiliter observetur. Pre- 
terea quascumque possessiones quecumque bona eadem ecclesia in presentiarum 
juste et canonice possidet aut in futurum concessione pontificum, largitione regum 
vel prineipum, oblatione fidelium seu aliis justis modis prestante domino poterit 
adipisci, firma vobis vestrisque successoribus et illibata permaneant. In quibus 
hec propriis duximus exprimenda vocabulis: locum Lutre cum omnibus appendiciis 
suis, scilicet allodium ad Rodanam et Waldervingam et allodium ad Linden- 
selle, quod Wiricus cum matre sua Jutha ecclesie Lutrensi contulit, nec non et 
allodium Radisville et allodium apud Vilare et vineas in monte Bovario sitas!). 
Sane novalium vestrorum, que propriis manibus aut sumptibus colitis, nullus a 
vobis decimas presumat exigere. Inhibemus eciam, ut nulli fratrum vestrorum 
post factam in eorum loco professionem absque licencia fas sit aliqua levitate de 
claustro discedere, discedentem vero sine communi litterarum cautione nullus au- 
diat (!) retinere. Et quoniam occasione advocatorum multa consuerut (sic!) damna et 
gravamına ecclesiis provenire, auctoritate apostolica prohibemus, ut nullus advo- 
catus in vestra ecclesia statuatur, sed ab omni advocato ita maneat imperpetuum 
libera, quemadmodum hactenus dinoscitur permansisse. Decerminus ergo, ut nulli 
omnino hominum liceat predictam ecclesiam temere perturbare aut ejus possessiones 
auferre vel ablatas retinere, minuere seu quibuslibet vexationibus fatigare, sed 
illibata omnia et integra conserventur eorum pro quorum gubernatione et susten- 
tatione concessa sunt usibus omnimodis profutura, salva in omnibus sedis apostolice 
auctoritate et diocesani episcopi canonica justitia. Si qua igitur infuturum eccle- 
siastica secularisve persona hanc nostre constitutionis paginam sciens contra eam 
temere venire temptaverit, secundo tertiove commonita, nisi presumptionem suam 
digna satisfactione correxerit, potestatis honorisque sui dignitate careat reamque 
se divino judicio existere de perpetrata iniquitate cognoscat et a sacratissimo 
corpore ac sanguine dei et domini redemptoris nostri Jesu Christi aliena fiat atque 
in extremo examine distriete ultioni subjaceat. Cunctis autem eidem loco sua 
jura servantibus sit pax domini nostri Jesu Christi, quatinus et hie fructum 
bone actionis percipiant et apud districtum judicem premia eterne pacis inveniant. 
Amen. 

Datum Rome apud sanctum Petrum per manum Rolandı sancte Rome 
ecclesie presbiteri cardinalis et cancellarii, X. Kalendas februarii, indictione IIla, 
incarnationis dominice anno millesimo C°L IIIo pontificatus vero domini Adriani 
pape HIT anno Le. 


Abschrift auf Pergament S. XIII. Coblenz St. A. 


Der folgende am Rande beigefügte Zusatz über Güterbesitz des 
Klosters entstammt dem XIV. Jh.: Curtis in Gynspach, decima in Wel- 
dinga cum suis attinenciis Metensis dyocesis; Sermedingen, Kyrlingen, 
Uzzelsdorf Metensis dyocesis; Pachten, Schwarzenholz, Hunexeyt, Lupach, 
Reyswilre, Lebach, Steinberg, in Urio, Treveris, Zwevnbechen Treve- 
verensis dyocesis; Synzwilre Maguntie dyocesis. 


!) Siehe Bemerkung am Schluss der Urkunde. 


Ben 


3. — Dus Domcapitel zu Trier überlässt dem Propst Heinrich vom Nonnen- 
kloster Lautern gegen eine halbe Ohm Wein jährlich einen Weinberg gegenüber der 
Feste Neumagen an dem Berilberg, ein Geschenk Maffrids von Neumagen an die 
"Trierer Domkirche. /m 1160. 


In nomine sancte et individue trinitatis. Ego Godefridus majoris 
domus Treverensis | ecclesie prepositus, Rüdolfus decanus, Folmarus archi- 
diaconus cum ceteris ejusdem ecclesie personis et | fratribus omnibus Christi 
fidelibus tam futuris quam presentibus salutem in domino. Quoniam quod 
inter honestos et relligiosos viros stabilitum est firnum et stabile inper- 
petuum debet permanere, idcirco conventionem, que inter nos et fratrem 
Henricum prepositum sanctarum sororum in Lütera facta est, presenti pagine 
studuimus commendare, ne longioris successu temporis a memoria presen- 
tium vel futurorum possit recedere. Eapropter presentibus et futuris notum 
esse cupimus, quod dominus Maffridus antiquior de Nümaga vineam 
quandam contra idem castrum jacentem in monte qui dicitur Berilberch 
ecclesie nostre contulit, que per incuriam cultorum diu infructuosa et sterilis 
parum, immo fere nichil utilitatis fratribus respondit. Petente igitur predicto 
venerabili fratre Henrico preposito eandem vineam sibi sueque ecclesie censuali 
jure inperpetuum concessimus, ut hanc prout melius posset excoleret et ecclesie 
nostre dimidiam amam vini Treverensis mensure in festo beati Martini ipse vel 
quicumque successor ejus existeret Treveri in fratrum curia quotannis persolveret. 
Ut igitur, quemadmodum predictum est, hec rata et inconvulsa omni tempore 
permaneant, hoc inde eyrographum conscribi et testibus idoneis, qui interfuerunt, 
adnotatis sigillo beati Petri fecimus confirmari. Hii sunt testes: Johannes archi- 
diaconus, Folmarus archidiaconus, Henricus cantor, Everbero, Rüdolfus, 
item Rudolfus, Theodericus, Wezelo cellerarius, Cüno, Engelbertus, 
Liebertus, Wezelo, item Wehelo. 


Original, Teilurkunde, Coblenz St. A. 

Zwei Stücke von dem Siegel des Domcapitels an Wollschnüren. — Die 
Zeitbestimmung nach den Mitgliedern des Domstifts, vgl. Mittelrh. U, B. 
I. Register. — Der erste Teil des Namens »Berilberch« auf Rasur von 
späterer Hand. Ein rückseitiger Vermerk des XIV/XV Jh. gibt »Birel- 
berg«, ein solcher des XVIII. Jh. »Berlberg«. $. oben $S. 4 Be- 
merkung 2. 


4. — Erzbischof Arnold von Trier bestätigt die Schenkung von Weinbergen 
beim Dorfe Bovaries (bei Neumagen) seitens des Propstes Heinrich und dessen Bruders 
Theoderich an die Kirche in Lautern und verbietet dem Cuno v. Malberg in diesen 
Weinbergen Vogteirechte auszuüben. 1174. 


In nomine sancte et individue trinitatis. Arnoldus dei gracia Trevirorum 
archiepiscopus. Justicia est, que conservat unicuique quod suum est, sed, quid 
cui conservari debeat, sine veritatis cognitione nulli liquido constat. Igitur defectui 
humane memorie, qui veritalis ignorantiam inducere et per hoc justicie solet de- 
rogare, scripti hujus perpetuitatem opponentes notum facimus universis Christi 
fidelibus tam futuris quam presentibus, quod dilecti filii nostri scilicet Henricus 
prepositus de Lutrha et frater ejus Theodericus in villa, que Bovaries 
nuncupatur, omnes vineas a predecessoribus suis hereditario jure ad se devolutas ab 


9) * 


_ 


omni exaclione et pelicione liberas et ab omni onere et debito advocatie immunes 
quiete et sine omni infestatione possederunt, quamdiu in seculari habitu conversa- 
bantur. Postquam vero ambo ad claustralem conversationem se transtulerunt et 
vineas predictas cum omni integritate et in ea libertate, in qua eas prius usque 
ad diem conversionis sue possederant, ecclesie, que est in Lutrha, contulerunt, 
Cüno de Malberch jus advocatie ab eisdem vineis et exactionem indebitam 
exigere et extorquere cepit. Tandem divino instinctu penitentia ductus in pre- 
sentia nostri et aliorum multorum, quos testes supponemus, predictas vineas sue 
advocatie in nullo obnoxias esse recognovit et ab injusta exactione sua penitus 
destitit. Verum quia, ut lex dicit, nemo plus juris in alium transferre potest 
quam ipse in re habuerit, Rudolfum militem, scilicet hominem suum de Wildes- 
acker, qui hanc injustam exactionem sub nomine ipsius Cünonis exsequebatur, 
tali exsecutione privavit et desistere eum penitus fecit. Ut ergo predicte vinee 
ecclesie, que est in Lutrha, semper libere et ab omni exactione secure permaneant 
et ne aliquis hoc audeat inposterum rescindere, presentem paginam, ordinem 
veritatis exprimentem, sigilli nostri impressione confirmare et testium subscriptione 
communire decrevimus sub tali determinatione, ut qui hoc rescindere attemptaverit 
anathema sit. Hujus rei testes sunt: Rüdolfus Trevirorum ecclesie major pre- 
positus, Johannes major decanus, Folmarus, Rüdolfus, Godinus archidiaconi, 
Gerardus prepositus Palacioli, Walterus decanus sancti Symeonis, 
Wezelo cantor, Lodewicus abbas sancti Eucharii, Oliverus abbas sancti 
Martini, Reinboldus abbas sancte Marie, Godefridus abbas de Spren- 
kirsbach et alii plures clerici et monachi; Cüno de Malberh, Wiricus de 
Nümagen et fratres ejus, Theodericus de Bruka, Reinerus, Walterus 
de Palatio, preterea de concivibus quam plures. 

Acta sunt hec anno dominice incarnationis M°CoLXXIII® indictione VII, 
epacta Vi) concurrente primo. 


Original Coblenz St. A. 


Siegel des Erzbischofs bis auf einen Teil der Umschrift wohl erhalten, 
blaue Wollbänder. — Gleichz. Indors. »Arnoldi«. 


5. — Der Trierer Dompropst Rudolf und Ritter Maffrid von Neumagen be- 
zeugen, dass der »lange Weinberg< bei Clüsserath von ihren Vorfahren der Kirche 
zu Lautern unter der Bedingung geschenkt ward, dass ihre Schwester, die Nonne 
Oda, den Ertrag desselben lebenslänglich haben solle. 1169 — 1197. 


Rodulfus dei gracia major prepositus Treverensis et Mafridus 
miles de Numachen omnibus presens scriptum inspecturis cognoscere veri- 
tatem. Cum hominum memoria sit labilis, ideo ea, que fiunt in tempore, ne 
labantur cum tempore, titulo solent vivacis littere cummendari. Notum facimus 
tam presentibus quam futuris, quandam vineam, que apellatur lunga vinea, sitam 
in monte de Cluscetre ab antecessoribus nostris ecclesie de Lutra nomine 
elemosine esse collatam, ita quod Oda monialis soror nostra fructus dicte vinee 
quamdiu vixerit integraliter percipiet, post vero obitum ipsius ecclesia de Lutra 
dicte vinee fructus inperpetuum percipiet, ita quod singulis annis in die, quo in 
ipsa ecclesia anniversarium antecessorum nostrorum celebrabitur, ama vini 
dominabus et fratribus ibidem conversantibus distribuetur. Ut autem ea, que 


1) Statt XV. 


N 


prelibavimus, rata maneant et firma, presentem paginam sigillorum nostrorum 
munimine roboravimus. 


Original Coblenz St. A. 

Siegel 1. Dompropst Rudolf, beschädigt, spitzoval; stehender Geistlicher 
in der Rechten Palmzweig, in der Linken ein Buch. Von der Umschrift: 
— RODV.... A TR... ARCHJD’. — 2. Maffrid v. Neumagen, sehr 
beschädigt, rund mit Mittelschild: geschobener Balken. Von der Umschrift 
— M. JN. Kücks. späterer Vermerk Zweibech. — Zur Datierung: In 
dem Dompropst Rudolf wird man denjenigen zu erblicken haben, der 
urkundlich für d. J. 1169—97 nachweisbar ist (M. U. B. I.), da die späteren 
gleichnamigen Dompröpste aus der Familie de Ponte stammen. 


6. — Friedrich von Bitsch befreit die Kirche zu Lautern von der Abgabe, 
die jedes an Rehlingen vorüberfahrende Schiff ihm zu entrichten hat. 1183. 


In nomine sancte et individue trinitatis. Ego Fridericus de Bitse 
notum facio tam futuris quam presentibus, quod cum quelibet navis transiens per 
Rolingen nobis tributum persolvere teneatur, hanc libertatem ecclesie de Luthra 
pro remedio anime nostre et suceessorum nostrorum concessimus, quod omnem 
ejus navim ascendendo vel descendendo liberam in perpetuum precepimus fieri. 
Ne autem hoc factum aliqua oblivione possit deleri vel novis successoribus im- 
mutari, auctoritate nostri sigilli dignum duximus confirmare. Hujus rei testes sunt: 
Rüdulfus et frater ejus Albericus, Marsilius de Himersdorf, Wiricus 
de Rolingen. 

Facta sunt hec anno dominice incarnationis M. C. LXXXIIL Epacta XXV. 


Indictione I. 
Original Coblenz St. A. 


Reiter-Siegel des Ausstellers von braunem Wachs, rund an Lederstreifen, 
stark beschädigt. Umschrift: nur Buchstabenreste. 


7. — Friedrich Herr zu Bitsch bestätigt das Kloster Lautern in dem Besitz eines 
Guts zu Pachten (Patta), der Fähre und Zinsgenusses daselbst, wie ihm alles von dem 
verstorbenen Wilhelm und dessen Ehefrau Osilia geschenkt worden war. Um 1183. 


Ego Fridericus divina gracia Bitensium dominus notum esse volu || mus 
cunctis Christi fidelibus tam videlicet futuris quam presentibus, quod nos | allodium 
de villa, que Patta dicitur, cum navi et censibus et cum his omnibus, que 
Willelmus bone memorie et uxor sua Osilia Lutrensi ecclesie pro salute anime 
sue contulerunt, libere et integraliter eidem ecclesie reddidimus et dimisimus. 
Quod ut verius infuturum credatur et firmius inperpetuum teneatur, corroboravimus 
hoc omnibus modis testibus idoneis adhibitis scilicet: abbatem Villariensem, 
abbatem de Sturcelburnen, abbatem de Rütele, filios nostros Matheum et 
Philippum et alios quam plures, quos presens scedula non sufficiebat capere. 
Super hec omnia cartam istam scribi jussimus et sigillo nostro signavimus, ut si 
aliqua profana persona hoc infringere aliquo ingenio temptaverit maledictus sit a 
domino deo in secundo adventu. 

Original Coblenz St. A. 

Siegel abgefallen. — Regest in Goerz, Mittelrhein. Regesten II S. 244, 
No. 884 mit Jahreszahl ce. 1200; die Urkunde war damals die älteste 
bekannte von Fraulautern. 


A 


S. — Friedrich von Bitsch bezeugt, dass Folmar von Willingen sein Eigentum 
zu Karlingen, dass ferner Arnold von Loimersfeld, der zum Gefolge des Ausstellers 
gehörte, seinen Landbesitz bei Sermedingen dem Kloster Lautern geschenkt habe. 1183. 


In nomine sancte et individue trinitatis. Ne oblivio longioris temporis rerum- 
que mutabilitas plures ecclesiarum deleret contractus, precepit consuetudo bona 
illos scripto conmendari. Inde ego etiam Fridericus de Bitse notum fieri cupio 
tam futuris quam presentibus, quod dominus Folmarus de Willingen 
allodium suum, quod habebat in Keirlingen, cum omnibus appendiciis 
suis ecclesie de Luthra per manus nostras in presentia nobilium et minis- 
terialium nostrorum libera tradidit donatione. Preterea quidam de familia nostra 
Arnoldus videlicet de Loimersvelt terram, quam jure hereditario secus Ser- 
medingen possederat, eidem contulit ecclesie, ita consensu filiorum suorum 
Hesonis videlicet et . . .!) omniumque coheredum suorum, quod siquis eorum 
deinceps ecclesiam prenominatam inquietare presumeret prius ecclesie de injuriosa 
pulsatione satisfaceret et nobis vel successoribus nostris centum solidos teneretur 
solvere. Ne autem hec aliquis in posterum rescindere presumat, kartam seriem 
veritatis exprimentem testibus idoneis adnotatis sigilli nostri impressione corro- 
boramus. Hec sunt nomina testium: Cristianus sacerdos de Liezdorf, Beren- 
serus de Himmersdorf, Rüdulfus de Siersberch, Albericus frater ipsius, 
Arnoldus de Bekingen, Willelmus de Hechelingen, Johannes de 
Gerlevengen, Arnoldus de Turri, Philippus de Hustat, Marsilius de 
Himerstorf. 


Acta sunt hec anno dominice incarnationis MCLXXXIIT Epacta XXV. Indic- 
tione I. 
Original Coblenz St. A. 
Siegel abgefallen. — Ein rücks. Vermerk des 18. Jh. hat Arnoldus de 
Somersfeld. 


9. — Das Domcapitel in Trier bekundet auf Ersuchen der Priester Eberwin 
und Burchard und des Laienbruders Theoderich den Verkauf der der Kirche zu 
Lautern gehörigen Güter zu Noviant und Maring (Kr. Bernkastel) an das Kloster 
Himmerode. Da die Kirche in Lautern kein Siegel habe, wurde das Domcapitel 
um Siegelung der Urkunde gebeten. Als Zeugen genannt: Die Ministerialen Ludwig 
von der Brücke (de Ponte), dessen Bruder Reiner, Friedrich von Merle, 
Rudolf von der Brücke (de Ponte), Jacob von Daun; die Bürger Herbord 
Schultheiss, Ludwig Vogt und Ludwig Slizeweche. ca. 1200. 

Original Coblenz St. A. 
Gedruckt Mittelrh. U.-B. II, S. 335 u. III, S. 328. Regesten ebenda 
S. 782 No. 1031 und Mittelrh. Reg. II, S. 243 No. 879. 


10. — Graf Heinrich von Zweibrücken und seine Gemahlin Hedwig schenken 
dem Kloster Lautern ihr Eigentum in Reisweiler. 1212. 


In nomine sancte et individue trinitatis. Ego Heinricus comes de 


Gemino Ponte et Hedewigis collateralis mea sancto conventui in Lutrea in 
perpetuum. Quia sollempnitas contractuum scribi postulat, ne per oblivionis 


!) Name von etwa 10 Buchstaben ausgelassen. 


er 


nebulam a memoriis hominum recedat, dignum duximus litteris exarare et subscrip- 
tione testium eternare, quod allodium nostrum in Reiswilre, sicut nobis here- 
ditario jure successit in agris, in pratis, in silvis, in pascuis, eidem ecclesie 
Lutrensi cum omni integritate!) pro remedio animarum nostrarum et omnium 
parentum nostrorum et liberorum et speciali memoria Friderici ducis?) et 
uxoris sue perpetuo possidendum contulimus et presentem paginam nostris si- 
gillis munitam scribi fecimus, testibus subscriptis: Theodericus abbas de 
Strurcelburnen et Symon capellanus suus et Peregrinus abbas de 
Wadegozingen, Helwicus prior ibidem, Gerburgis de Warnsberch et 
Osilia de Paten, Lifwinus de Adelartswilre, Albertus Munt de 
„astela, Gervalcus de Volkelinga et alii quam plures. 

Acta sunt hec anno dominice incarnationis M. CC. XI. 


Original Coblenz St. A. 

Siegel 1. Graf Heinrich; schildförmig, am Rande beschädigt ; nach 
rechts schreitender Löwe. Von der Umschrift ..N HEINRICI. — 
2. Gräfin Hedwig; spitzoval, am Rande beschädigt; stehende Frauengestalt 
auf der linken Hand einen Vogel haltend nach dem sie blickt. Von der 
Umschrift SIGILLVM HAIDE.... 


11. — Das Domcapitel in Trier bekundet, dass der Trierer Subdiacon Friedrich 
und seine Ehefrau Mathilde sich und ihre Tochter dem Kloster Lautern übergeben 
und dass der Vater desselben sein Jahrgedächtnis im Kloster gestiftet habe. 


224 Oktober 29. 


R. dei gracia prepositus, W. decanus totumque capitulum Treverense ?) uni- 
versis Christi fidelibus tam presentibus quam futuris imperpetuum. Ut adversus 
insidias calumpnie et defectum memorie rebus gestis utiliter consulatur, pre- 
sentibus litteris universis innotescat, quod, cum Fredericus subdiaconus Tre- 
verensis cum Mechtilde de facto, non de jure matrimonium contraxisset et ex 
ea genuisset fillam, tandem sancto spiritu obumbrante ad cor ambo reversi et 
conversi ad poenitentiam se et sua cum filia quam habebant in manibus preposit 
de Lutrea nomine ejusdem ecclesie reddiderunt. Pater autem predicti F., cum 
non haberet alium heredem vel filium preter eum, exultans exultatione super 
filio poenitentiam agente, heredem ipsum elegit, qui nos regni celestis heredes 
effecit, et ut post ejus obitum anniversarium suum in monasterio de Lutrea annis 
singulis celebretur, omnia bona immobilia et mobilia, que post exitum vite su 
solutis debitis sibi superfore contigerint, dicto monasterio religiosa liberalitate 
titulo donationis donavit, tali addita conditione, quod si dictum patrem necessitas 
evidens ad venditionem rerum suarum compulerit, necessitatem primitus decla- 
rabit et ante omnem emptorem sepedicto monasterio venalis rei offeret emptionem, 
contentus eo precio, quod alter daret, qui sibi comparare rem venalem vellet. 
Testes hujus rei sunt: Wernerus scolasticus et magister, Cunradus canonicus 


‘) Hier späterer Zusatz: »et loupache, bezieht sich wohl auf Labach bei 
Reisweiler. 

*) Friedrich I v. Lothringen, -- 1207. 

*) Propst Rudolf, Dechant Wilhelm oder Werner. 


a re 


sancti Symeonis, Hugo et Lodowicus canonici sancti Paulin, Lam- 
bertus et Syfridus sacerdotes, Thomas et Ricardus milites et scabini 
Treverenses. 


Actum anno gracie Mo CCo XXIIIT, quarto kalendas Novembris. 
Orig. Coblenz St. A. 


Siegel der Trierer Domkirche an farbigen Wollschnüren wohl erhalten, 
nur Umschrift beschädigt. 


12. — Der Trierer Bürger Ludwig Molgrin schenkt alle seine in- und ausser- 
halb Triers gelegenen Güter dem Nonnenkloster Lautern. 1225 Mai 3. 


Notum facimus universis, quod Lodewicus civis Treverensis cognominatus 
Molgrin bona sua omnia immobilia, que habet in civitate vel extra propter re- 
medium anime sue ecclesie sanctimonialium in Lutra donavit et tradidit, tam in jure 
possessionis quam jure proprietatis perpetuo possidenda, sive ea consistant in 
vineis, domibus, agris, vel aliis quibuscumque immobilibus. Ecclesia vero solvet 
pro eo debita subscripta: Bilze sorori ejusdem Lodewici XX libras in nativitate 
domini; monasterio de Werniswilre V libras in festo Martini; Johanni de 
Wilre XXI libras et XII solidos in octava Pentecoste; Arnoldo privigno suo 
XXIII solidos; Johanni de Nalebach VII libras et dimidiam in festo Jacobi; 
Gertrudi de Epternako X libras; Friderico XXI libras et X solidos; Tirrico 
Lyren VII solidos; Johanni preposito de Lutre VI libras et II solidos; item 
eidem preposito de annona II libras. Preterea ecclesia memorata dabit eidem L. 
singulis annis quamdıu vixerit VII libras Treverenses a festo beati Martini 
proximo usque ad finem anni persolvendas, ex quibus jam recepit II libras. Et 
prepositus predicti loci nomine ecclesie obligavit se pro eodem Lodewico, 
Tirrico fratri suo et Lodewico filio ejusdem T. de Huren pro tribus libris 
Treverensibus, quas dietus prepositus de pensione dicti Lodewici eisdem ad tres 
annos persolvet. Porro indulsit eadem ecclesia prefato Lodewico medietatem 
fructuum cujusdam orti in Wevirgazen ad dies vite sue, ita tamen, si dietum 
ortum vendi non contingat. Ecclesia vero, si pro predictis debitis persolvendis 
domos vel agros vel alia quecumque immobilia sibi ab eodem L. collata vendi- 
derit, nihilominus tenebitur in VIII libris annuatim Lodewico sepedicto. Ne autem 
super hiis, que sollempniter acta sunt, aliquis malignandi scrupulus possit in 
posterum suboriri, presentem paginam exinde conscriptam sigillo civitatis cum 
nominibus testium subnotatis et majoris ecclesie Treverensis necnon et ipsius 
ecclesie de Lutren sigillis placuit communiri. Testes: Scabini: Godefridus 
sellator, Lodewicus Freisammus, Fridericus Mundekin, Bonefacius, 
Walterus, Herbrandus, Henricus, Ordolfus, Lodewicus et Ernestus 
Puella, Johannes de Nalebach, Lodewicus Albus, Henricus, Bal- 
dewinus. 


Actum anno domini MeGCeXXV°, quinto Nonas Maii. 
Orig. Coblenz St. A. 


Siegel: 1. Stadt Trier; zerbrochen, rote und gelbe Schnüre. 2. Dom- 
capitel Trier ; am Rande beschädigt, rote und blaue Schnüre. 3. Kl. Lautern, 
beschädigt, von der Umschrift: SIGILLV.... RINI.... Schnüre wie bei 2. 


TE 2 


13. — Scholasticus Werner von S. Symeon in Trier kommt mit dem Kloster 
Lautern überein, dass er ein demselben gehöriges, sehr baufälliges Haus in Trier 
auf seine Kosten wiederherstellen, es dafür aber lebenslänglich bewohnen werde. 

©. 1223. 


Ne bonarum mencium pia intencio nube oblivionis in posterum obfuscetur, 
ego W.') ecclesie sancti Symeonis scolasticus notum facio tam futuris quam pre- 
sentibus, quod cum domina J. magistra de Lutre et B. sacerdote, ejusdem loci 
provisore, et sororibus dicti loci consencientibus de domo, quam habebant Tre- 
veri ex donacione R. earundem sorore, hoc modo convenimus, quod domum 
dietam, quia jam propter nimiam vetustatem ex magna parte passa fuit ruinam, 
eam meis expensis reedificarem et tempore vite mee eam usibus meis applicarem 
et hee expense cederent in salutem et memoriam anime mee apud dietam eccle- 
siam, nec post mortem meam aliquis amicorum meorum earumdem expensarum 
habebit repeticionem. Ut autem hec temporalis vite mee cencessio nec mihi nec 
diete ecclesie possit aliquod inducere gravamen, presens scriptum sigillo beati Sy- 
meonis et meo et’ecelesie prenominate roborari feci. In hujus concessionis re- 
cognicione testes fuerunt: Johannes custos ecclesie sancti Symeonis, Wezelo 
cantor, Erfo sacerdos, Otto sacerdos, Burchardus sacerdos. 


Orig. Coblenz St. A. Teilurkunde. 
Siegel: 1. Stift S. Symeon. 2. Scholasticus W., stark beschädigt. 3. Kl. 
Fraulautern abgefallen. 


14. — Bischof Johann von Metz bestätigt die Schenkung des Patronatsrechts 
der Kirche in Willingen seitens des Robert von Rollingen (de Ravilla) an das Nonnen- 
kloster Lautern. 1230 November 9. 


In nomine sancte et in individue trinitatis. Johannes dei gracia Metensis 
episcopus tam presentibus quam futuris, quibus hoc scriptum videre contigerit, 
veritatis testimonio fidem adhibere. Cum juris et rationis ordo deposcat, ut 
justis quorumlibet preeibus pius et facilis prebeatur assensus, specialiter et maxime 
convenire videtur, petitiones religiosorum pro suis necessitatibus facile et clementer 
admitti. Nos itaque conventus sanctimonialium de Lutra defectum in temporalibus, 
profectum vero et oppinionem sanctam in spiritualibus attendentes, sicut humiliter 
et instanter nobis supplicarunt, donationem jurispatronatus ecclesie de Weldingen, 
quam fecit eisdem nobilis vir Robertus de Ravilla de consensu heredum 
suorum eo quod ad ipsum spectare dinoscebatur approb(ante)s ?), auctoritate nostra 
confirmamus. Preterea, ut inopie sue aliquam a nobis consolationem accipiant, 
dilecto nostro B. archidyachono loci ipsius et capitulo Metensi communiter et 
benigne consentientibus prenominatam ecclesiam eisdem habere concessimus pleno 
jure perpetuo possidendam, ita quod in ipsa ecclesia vicarium a nobis instituendum 
presentare teneantur, salvo tamen jure dyocesiano, quod tam nobis quam archi- 
dyacono secundum conswetudinem ecclesiasticam comp(etere) ?) dinoseitur. 
Ne igitur contra hanc indulgentie nostre liberalitatem ecclesia sepedictarum 
monialium quoquo modo valeat inquietari, presentem auctoritatis nostre paginam 


1) Vgl. Mittelrh. U. B. II u. III Register. 
?) Lücke im Pergament. 


Be 


sigillo nostro cum sigillis archidvachoni et tocius capituli nostri fecimus com- 
muniri. 
Actum anno domini Millesimo ducentesimo tricesimo, quinto Idus Novenbris. 
Original Coblenz St. A. 
Von den 3 Siegeln nur vom zweiten (Archidiakon) Bruchstiicke. — 
Eine Nachbildung der Urkunde auf Pergament, etwa dem 14. Jh. ent- 
stammend, liegt bei. 


15. — Gräfin Lukardis von Wied schenkt auf Bitten ihres Sohnes, des Grafen 
Simon von Saarbrücken, der Kirche zu Lautern eine Salzpfanne bei Breide (Bretten ?) 
und einen Leibeignen zu Lautern. 1234. 


Ego Lucardis comitissa de Weda omnibus presentem paginam inspec- 
turis notum facio |, quod ego at (sic!) peticionem dilecti fil mei S. comitis 
Sarepuntensis, qui heres erat allodii de Breide, situm patelle cum suo jure 
aput (!) Breide et hominern unum aput Lutream contuli in remedium anime ipsius 
et mee in perpetuum possidendum. In hujus rei testimonium presentem paginam 
sigilli mei munimine roboravi. 

Actum anno domini MP CCo XXXO IIIe. 

Original im Fürstl. Fürstenbergischen Archiv zu Donaueschingen, von 
Herrn Rektor Jung in Saarbrücken nachgewiesen. 

Siegel der Gräfin stark beschädigt. — Rückseitiger Vermerk des 15. Jh. 
»eine brieff von dem cyncze gude zu Breide geben von der greffynnen 
von Wyde«. 18. Jh. »Pachten<. — Vgl. auch Mittelrh. Reg. IV, 8. 125, 
No. 566 »Brethen«. 


16. — Hugo Vogt von Hunolstein schenkt dem Nonnenkloster Lautern den Zehnten 
und das Patroratsrecht der Kirche in Schwarzenholz. 1235. 


Notum sit universis presentibus et futuris, quod ego Hugo advocatus 
de Hanapetra contuli ecclesie sancte trinitatis et beate virginis 
Marie de Lutra et dominabus ibidem deo servientibus decimam et jus patro- 
natus ecclesie de Svarcenholf in puram et perpetuam elemosinam pro salute 
anime mee et parentum meorum. Et ut hoc firmum et stabile permaneat, presens 
scriptum sigilli nostri munimine fecimus roborari. 

Actum anno domini Mo CCOXXXoV®, 


Orig. Coblenz St. À. 

Siegel des Ausstellers wenig beschädigt. 

Gedruckt Mittelrh. U. B. III, 5. 417 nach Copie. Regest Mittelrh. 
Reg. Il, 8. 572 No. 2184. Daselbst auch weitere Drucke nachgewiesen. 


17. — Gerbodo nebst Frau und Kindern verzichtet zu Gunsten der Kirche 
in Lautern für 40 Schillinge auf seinen Anteil an der Wetzelsmühle unter Abschwörung 
vor der Kirche zu Saarbrücken. @... 1236. 


Noverint universi, quod Gerbodo renuntiavit parti sue, quam habuit in 
molendino Wezzeles acceptis quadraginta solidis Metensium ab ecclesia de Lutteren, 
similiter et uxor ejus et liberi. Quo facto interfuerunt: Johannes prepositus 
Lutrie, Everwinus decanus sancti Arnualis et Conradus de Alstringen et 


teynoldus sacerdotes, Anselmus conversus Lutrie, Volmarus de Cokeren 
et Otto de Morsbach laici. Ut autem in posterum nec ab ipso nec a suis 
questio nulla fiat ecelesie memorate, idem Gerbodo Sareponti ante fores ecclesie 
tactis sacrosanctis reliquiis partem suam et suorum, sicut prelibatum est, de 
Wezzelis mulen abjuravit. Testes itidem prepositus Lutrie, Roricus junior, 
Ludewicus de Berge, Petrus de Bevelsheim, Liebwinus de Malstat. 
Orig. Coblenz St. A. 
Die Wachsreste des einen vorhanden gewesenen Siegels lassen einen 
nach rechts schreitenden Löwen erkennen. — Der rücks. Vermerk 18. Jh. 
»Gensbach«, Kr. Forbach, wird vielleicht die Mühle ermitteln lassen. 


18. — Benannte Personen schlichten einen Streit zwischen dem Nonnenkloster 
Lautern und Gerbodo von der Wetzelsmühle unter Beihülfe des Herrn Merbodo von 
Malberg und seiner Söhne. 1256 Juni 6. Finstingen. 


(Jue geruntur in tempore, ne labantur cum cursu temporis, litterarum me- 
morie solent commendari. Noverint igitur tam presentes quam posteri presentes 
litteras inspecturi, quod de gerra, que vertebatur inter dominas de Lutra et 
Gerbodonem de Molendino, quod dicitur Wezelsmulen, pax et composicio 
facta est, ita tamen, quod si dietus Gerbodo vel filii sui hujus composicionis et 
pacis postmodum violatores extiterint, quod dominus Merbodo de Malberc vel 
fil sui dietum Gerbodonem, in quocumque loco capere poterint, capient et ipsum 
vinculis mancipatum dominabus supradictis et claustro presentabunt. Hujus rei 
testes sunt: dominus Johannes dei gracia archidiaconus Metensis, do- 
minus Merbodo de Malberc, dominus Walterus de Brucha, sigillis quorum 
presentes littere sunt sigillate, dominus Johannes de Wildesberc, W. archi- 
presbiter de Vinstinga et alii quam plures honesti. 

Datum apud Vinstinga anno domini MoCCe XXX°VI®, mense junio in die 
sanctorum Bonifacii sociorumque ejus. 


Orig. Coblenz St. A. 

Siegel: 1. Archidiacon Johannes. 2. Rest eines Reitersiegels. 3. fehlt. 
— Fücks. 15. Jh. »Ein brieff von Wetzelemuelen«. 18. Jh. »Compositio 
facta inter domicellas et Gerbodonem ratione molendini in Ginsbach, 
quam Gerbodo sub poena carceris servare tenetur 1256 (!) Genbach«. 


19. — Die Ritter Marsilius und Reiner sowie ihr Verwandter der jüngere 
Marsilius von Liesdorf, ferner Gottfried von Schwalbach schenken ihre Anteile am 
Patronatsrecht der Kirche in Reisweiler mit Zustimmung des Lehnsherrn Matthäus 
von Sidelingen dem Nonnenkloster Lautern, 1237 März 8. Pachten. 

Ne illa que fiunt in tempore cum tempore labantur et transeant, universis 
Christi fidelibus presentibus litteris innotescat, quod ego Marsilius et Reinerus 
frater meus, milites, et cognatus noster, junior Marsilius de Lizdorf magistre 
et conventui de Lutra contulimus pro remedio animarum nostrarum medietatem 
Juris patronatus ecclesie de Reiswilre, quam hucusque pacifice possedimus el 
quiete. Partem ‚etiam terciam ejusdem juris patronatus contulit Godefridus 
de Sualpach conventui memorato. Similiter et Methildis de Sualpach, 
mater ipsius Godefridi, quicquid juris in ecclesia de Reiswilre ad ipsam spectabat, 


En ‘Ne 


conventui contulit antedicto. Verum cum dieti donatores jus patronatus ecclesie 
antedicte teneant in feodo a Matheo de Sidelingis domino, ut rata et firma habe- 
retur hec donatio, tres milites, videlicet me Marsilium, dominum Rodulfu m de 
Sirsperch et Johannem de Hustat misit nuntios ad virum nobilem domi- 
num Johannem de Sirsperch et mandavit eidem, quod nomine suo testa- 
retur magistre et conventui sepedictis, quod donationem juris patronatus, ut pre- 
missum est, in ipsas factam ratam haberet et gratam. Ut autem hec donatio 
perpetuo maneat inconvulsa, presentem cartam sigillis abbatis de Wadegozinga 
et domini Johannis de Sirsperch rogavimus in testimonium sigillari. Testes qui 
interfuerunt, ubi dominus Johannes de Sirsperch ad mandatum Mathei, qui do- 
minus est feodi, donationem istam ratificavit, sunt hii: dominus abbas de Wade- 
sozinga, ego Marsilius, dominus Rodulfus de Sirsperch, Johannes de Hustat, 
Roricus de Dentingen, Bezelinus milites; Heimo de Lizdorf, Mar- 
quardus de Beckingen, Arnoldus de Rodene, Hugo de Lutra sa- 
cerdotes. 

Acta sunt hec aput Patthen anno domini MICCPXXXVI, in quadragesima. 


Original Coblenz St. A. 

Siegel: 1. Joh. v. Siersberg, geflochtene Wollschnüre. 2. An eben solchen 
Schnüren ein Wachsrest und am Ende angebunden ein an Pergamentstreifen 
befestigt gewesenes rundes Siegel: undeutlich erkennbar Brustbild einer 
Person nach links gewendet; die Pergamentstreifen mit Schrift aus dem 
Anfang des 13. Jh. 


20. — Der erzbischöfliche Official Canonicus Th. in Trier entscheidet in einer 
Streitsache zwischen dem Kloster Lautern und den Eheleuten Heinrich in Trier wegen 
eines jenem gehörigen, bei St. Moritz (?) in Trier gelegenen Weinberg. 1239 Mai 4. 

Th. canonicus Treverensis, domini archiepiscopi officialis, omnibus presens 
scriptum inspecturis notum facimus, quod in causa, que vertebatur inter ma- 
sistram et conventum in Lutrea ex una parte et Henricum et uxorem suam 
Trevirenses ex altera, talis compositio facta fuit inter eos in judicio coram 
nobis, quod vineam, quam dictus conventus habet apud sanctum Mauricium 
in Treveri!), pro medietate fructuum supradictus H., quousque vixerit, illam 
colet tali addita condicione, quod, cum ipse decesserit, prefata vinea libera et 
sine reclamatione G. uxoris ipsius redibit ad claustrum supranominatum, et hoc 
ipse H. cum uxore sua coram nobis et testibus subsequentibus festucaverunt. 
Promisit et se nullum vinum expressurum in torculari dieti conventus situm apud 
vineam prenominatam, nisi de gracia ejusdem conventus, preter quod provenit 
ex vinea sepe nominata. Hiis interfuerunt dominus Willelmus de Davels, 
Henricus filius Sistap, Wiricus frater predicte ecclesie et Conradus 
de Palacio et quidam al. Ut autem hec rata et firma permaneant, presentem 
litteram sigillo nostro et W. de Davels concanonici nostri fecimus communiri. 

Acta sunt hec anno domini M°CC°XXX°IX° feria IIII® ante ascensionem 
domini. 

Original Coblenz St. A. 
Die Siegel abgefallen. 


2) S. oben Text S. 10. 


21. — Hugo Vogt von Hunolstein (dietus avocatus de Hunoldesten) 
schenkt Patronatsrecht und Zehmten der Kirche in Schwarzenholz (Svwarcenholz) 
dem Kloster Eautern. 1239. 

Actum anno domini M°CCOXXX0IX0. 


Original Coblenz St. A. 
Siegel an Pergamentstreifen abhangend, Rand abgebrochen. Text wie 
No. 16. 


22. — Kuno genannt von Rulant schenkt die seinem Vater von Ludwig 
Molgrin überkommenen Güter zu Uehren der Kirche zu Lautern. 1241 Jan. 14. 


Ego Cono dictus de Rulant notum facio universis, ad quos littere pre- 
sentes pervenerint, quod ego omnes possessiones sive hereditates, que quandoque 
jure hereditario contingebant Ludewicum cognomine Molgrin apud Uren, 
cum omni integritate, qua ipsas patri meo resignavit in vineis, agris sive areis 
pre omnibus aliis jure hereditario contradidi ecclesie de Lutrea perpetuo, pacifice 
et quiete ipsas possidendas, salvo tamen mihi et heredibus meis jure, quod ab 
antiquo eadem bona mihi et antecessoribus meis solvere tenebantur. 

Datum anno domini M°CC°XL°, in crastino octave epyphanie. Quia ego 
C. sigillum proprium non habui, sigillo fratris mei Th. domini de Rulant 
presentes litteras in testimonium veritatis jussi communiri. 


Original Coblenz St. A. 

Siegel des Ih. von Rulant: schildförmig, geschobener Balken, am Rande 
beschädigt. Umschrift: + SI..LVM T....MINI DE RUL.NT. Für die 
Datierung ist Trierscher Styl vorausgesetzt. 


23. — Meisterin Berta und der Convent zu Lautern kaufen von Benzelin von 
Bedesdorf 5 Morgen Feld beim Hofe Hucelsdorf u. a. O. 1241 Fraulautern. 


B. dei permissione magistra in Lutra totusque conventus sanctimonialium 
ejusdem loci universis presens scriptum inspecturis in vero salutari salutem. Cum 
res gesta mandatur litteris tocius materie calumpnie prevenitur. Noverint ergo 
tam presentes quam posteri, quod nos octo jurnalia camporum erga Benceli- 
num de Bedestorf et suos successores emimus, ut usque in perpetuum ad 
nostram pertineant ecclesiam, quorum quedam pars, scilicet area, sita est apud 
curtim in Huccelstorf et altera pars apud locum, qui dicitur Bissenpul, 
et una pars apud Daswilre, et quadam pars sita est apud semitam, que dueit 
transeuntes usque Oswilre. 

Acta sunt hec apud Lutra coram conventu et domino Sibodone pastore 
de Ucelstorf et domino Friderico sacerdote de Bedrestorf et Johanne 
de Bedrestorf et coram aliis quam pluribus viris probis et honestis anno do- 
mini M°CC°XL°I Ut autem hec rata et inconcussa permaneant, presentem sce- 
dulam sigillis abatis sancti Martini Gladariensiset domini Johannis 
de Sirsperch fecimus roborari. 

Original Coblenz St. A. 

Siegel (weisse Wollschnüre): 1. Abt von Lungfelden, 2. Joh. v. Siers- 
berg. — Eine rückseitige ältere Eintragung hat »Bederstorff«, eine jüngere 
» Bebersdorf«. 


N > pe 


24. — Herzoy Matthäus von Lothringen schenkt dem Frauenkloster Lautern 

einen Zins von 10 Schillingen zu Wallerfangen von dem sogen. Hufgut. 
1248 März 2. 

Que geruntur ab hominibus, cito labuntur a memoria, nisi scripto vel voce 
testium confirmentur. Declaretur igitur tam presentibus quam futuris, quod ego 
Matheus dux Lotoringie pro remedio anime mee et successorum meorum 
decem solidorum census in Walderwinga de bonis, que dicuntur Hufgüt, con- 
ventui sanctimonialium in Lutra in perpetuum pacifice possidendos contuli. Ne 
talis donacio a posteris detrimentum paciatur vel calumpnia attemptetur, presens 
scriptum sigilliı mei munimine duxi roborandum. 

Datum anno domini MP’ CC XL VII, sabbato ante dominicam qua cantatur 


»oculi mei<. 
Orig. Coblenz St. A. 


Rundes Reitersiegel des Herzogs, abhangend, zerbrochen, mit Rück- 


siegel. — Zeile 3 stand: anime sue et succ. suorum; sue u. suorum sind 
getilgt und mee und meorum übergeschrieben. — Beiliegend Abschrift des 


15. Jh.: erhalten auch in Vidimus von 1481, April 3. 


25. — Papst Innocenz IV. erklärt, dass das Augustiner-Nonnenkloster zu 
Lautern nur auf Spezialmandat, das dieser Indulgenz Erwähnung thut, zur Aufnahme 
‚Jemandes gezwungen werden dürfe. 1249 Jauuar 11. Lyon. 


Innocentius episcopus servus servorum dei dilectis in Christo filiabus . 
magistre ac conventui de Lutrea ordinis sancti Augustini Treverensis diocesis 
salutem et apostolicam benedictionem. Cum ex superflua multitudine sequantur 
confusionis frequenter dispendia graviora, nos devotionis vestre precibus inclinati 
vobis auctoritate presentium indulgemus, ut ad receptionem alicujus in monasterio 
vestro compelli aliquatenus non possitis per litteras apostolice sedis vel legatorum 
ipsius sine speciali mandato sedis ejusdem, expressam faciente de hac indulgentia 
mentionem. Nulli ergo omnino hominum liceat hanc paginam nostre concessionis 
infringere vel ei ausu temerario contraire. Si quis autem hoc attemptare pre- 
sumpserit, indignationem omnipotentis dei et beatorum Petri et Pauli apostolorum 
ejus se noverit incursurum. 
Datum Lugduni IL Idus Januarii, pontificatus nostri anno sexto. 


Orig. Coblenz St. A. 

Bleibulle an roten und gelben Seidenfäden. Ein rücks. Vermerk des 
15. Jh. setzt die Urk. in das Jahr 1189 und giebt ihr die No.6. — Bei 
Potthast reg. pont. rom. II nicht erwähnt. 


26. — Archidiacon Arnold (v. Schleiden), Propst von $. Paulin, Archidiacon 
Symon (v. Franchirmont) und Canonicus S. vom Domstift in Trier vidimieren das 
Privileg des Papstes Innocenz IV. für Fraulautern vom 11. Januar 1249 (No. 25). 

1249 März 25. Trier. 


A. major archidiaconus, sancti Paulini prepositus, S. canonicus 
et officialis Treverensis omnibus presentem paginam visuris et audituris 
notum fieri cupimus, quod nos litteras domini pape bullatas, non cancellatas, non 
abolitas nec in aliqua sui parte vitiatas vidimus et verbo ad verbum legimus in 


Bei. 1 — 


bec verba: (folgt buchstabengetreue Abschrift des päpstlichen Privilegs vom 11. Ja- 
nuar 1249, s. 0.) In cujus rei testimonium presentem paginam ad peticionem 
predictarum magistre et conventus sigillis nostris fecimus communiri. 

Datum Treveri anno domini millesimo ducentesimo quadragesimo nono, in 
die annunciacionis dominice. 


Or. Coblenz St. A. 

Siegel: 1. Archidiacon A.; stehender Kleriker. Rücksiegel, Rand start 
beschädigt. 2. Stehender Kleriker mit Buch und Palmzweig : von der Umschrift: 
…TREVE. 3. Siegelrest, Haupt eines Klerikers. 


27. — Der Trierer Archidiacon und Thesaurar Symon bestätigt die Schenkung 
der Kirche in Reisweiler an das Kloster Lautern. 1250 August. 


Symon dei gracia archidiaconus et thesaurarius Treverensis universis 
Christi fidelibus tam presentibus quam futuris, ad quos presentes littere perve- 
nerint, notum esse volumus, quod, cum fundatores ecclesie de Reiswilre libere 
contulissent ipsam ecclesiam dilectis in Christo . . magistre et conventui de 
Lutrea, prout in eorum litteris, quas diete magistra et conventus habent eorum 
sigillis roboratas, plenius vidimus contineri, nos dietam collacionem ratam haben- 
tes ipsas in possessionem predicte ecclesie et fructuum ipsius, quos ibidem pas- 
tores recipere consueverunt, portione vicarii in eadem deservientis dumtaxat 
competenti excepta, misimus et mittimus per presentes et eas decano loci pre- 
sentavimus ad eandem. In hujus rei memoriam presentes litteras super hoc con- 
fectas sepedictis magistre et conventui dedimus sigilli nostri munimine roboratas. 

Actum et datum anno domini M° CC? quinquagesimo, mense Augusto. 


Orig. Coblenz St. A. 
Siegelrest abhangend, Figur eines Klerikers. 


28. — Abt Heinrich von Wadgassen und Graf Heinrich) von Zweibrücken 
bezeugen einen Ausgleich in dem Streite zwischen dem Nonnenkloster Lautern einer- 
seits und Elisabeth Wittwe von Liesdorf und deren Sohne Gottfried andrerseits über 
das Patronat der Kirche in Reisweiler. 1250. 


Hanricus dei pacientia dictus abbas in Wadegozen et H. comes 
Geminipontis tam presentibus quam futuris notum facimus: Si ecclesiarum 
dei pre ceteris curam gerere et utilitatibus earum studuerimus consulere, id 
procul dubio ad eterne remunerationis augmentum nobis profuturum non debemus 
ambigere. Sane constitutis coram nobis, extra forum judicii, domina Berta ma- 
gistra de Lutrea et conventu ex una parte, et Elyzabeth et Godefrido filio 
ejus de Lizdorf ex altera ad monicionem non solum nostram sed etiam alio- 
rum virorum religiosorum ac discretorum super dissensione juris patronatus 
ecclesie de Resswilre, que inter ipsos divertere dinoscebatur, sub hac forma 
in unum convenerunt, videlicet quod dicta Elyzabeth et filius ejus antenotatus cum 
aliis coheredibus suis divine remunerationis intuitu contulerunt ecclesie in Lutrea, 
quiequid juris habere dinoscebantur in jure patronatus ecclesie de Resswilre, non 
solum pro salute sua verum etiam pro salute antecessorum et successorum suorum 
perpetuo possidendum. Ut autem sepedicte E. et heredum suorum tam pia do- 
natio licet modica firma et inconvulsa permaneat, ad peticıonem partis utriusque 


D - — 


presentem scedulam sigillorum nostrorum munimine, ut subtus cernitur, fecimus 
communiri. 
Anno domini millesimo ducentesimo quinquagesimo. 

Orig. Coblenz St. A. 

Siegel: 1. Abt v. Wadgassen, Rest. 2. Stück des runden Reitersiegels 
des Grafen von Zweibrücken.  Rücksiegel wohl erhalten: Rose mit Um- 
schrift + Secretum meum. — Auf dem umgebogenen unteren Rand der 
Urk. von gleichz. Hand: I? (= secunda). 


29. — Graf H(einrich) von Zweibrücken bezeugt die Schenkung des 
Patronatsrechts der Kirche in Reisweiler an das Nonnenkloster Lautern. 1250. 


Actum anno domini M°ducentesimo quinquagesimo. 


Or. Coblenz St. A. 

Siegel des Grafen H. ab. 

Der Text stimmt inhaltlich mit No. 28 überein. Auf dem umgebogenen 
unteren Rande gleichzeitig »\11la<. 


30. Abt Heinrich von Wadgassen bezeugt die Schenkung des Patronats- 
rechts der Kirche in Reisweiler an das Nonnenkloster Lautern. 1250. 


Actum anno domini millesimo ducentesimo quinquagesimo. 


Or. Coblenz St. A. 

Siegel des Abtes ab. | 

Text wie No. 29. — Auf dem umgebogenen unteren Rande gleich- 
zeitig > 1%. 


31. — Die Kirche S. Trinitatis in Lautern kauft von Peter von Boveries 
und Anderen näher bezeichnete Weinrenten in Martinsgemeinde a. d. Mosel, Meyul 
und Kassen. c. 1250. 


Notum sit omnibus tam presentibus quam futuris presentem litteram in- 
specturis, quod ecclesia sancte trinitatis in Lutrea supra Saram comparavit amam 
vini perpetuo pro quatuor libris Treverensibus erga Petrum de Boveries et 
suos heredes ex vinea sua, que jacet in Mertinesgemeinde supra Mo- 
sellam in parrochia de Numagen,' quam videlicet vineam dictus Petrus et sui 
heredes habent a communitate de Numagen hereditarie pro sextario vini singulis 
annis. Si vero Petrus vel sui heredes dictam amam vini ecclesie prenominate 
singulis annis persolvere neglexerint, supradicta vinea cedet ecclesie de Lutrea 
libere et absolute, ita videlicet, quod communitati de Numagen de sextario vini 
singulis annis satisfiat. Item prefata ecclesia sub eadem condicione et forma 
suprascripta emit amam vini erga Lambertum de eadem villa et suos heredes 
ex vinea sua in Meijul in dicta parrochia de Numagen, quam vineam habet 
etiam a communitate de Numagen hereditarıe, pro sextario vini et dimidio. 
Item Johannes dictus de Foramine de dicta villa vendidit prefate ec- 
clesie dimidiam amam vini pro quadraginta solidis Treverensibus ex vinea 
sua in Mertinesgemeinde, quam habet etiam a communitate de Numagen, 
pro quarta vini et dimidia singulis annis persolvenda. Item Winricus de eadem 
villa et parrochia vendidit ecclesie memorate dimidiam amam pro XLa solidis 


a 


Treverensibus ex vineis suis in Meijul et apud Kassen, quas habet a communi- 
tate de Numagen, singulis annis pro sextario vini secundum formam suprascriptam. 
Hec autem sunt scripta et testificata coram H. centurione et quatuordecim 
seabinis de Numagen, Waltero videlicet et Johanne Leidevas, Alexandro 
et Conrado Hasart, Stephano et Reinboldo et Goboline Grundela. 
Ut autem hec rata et firma in posterum permaneant sigillum nobilis viri 
Meffridi militis domini de Numagen ad petitionem communitatis et here- 
dum in testimonium presentibus litteris est appensum. 


Orig. Coblenz St. A. 

Siegelrest des Meffried von Neumagen. — Rücks. Vermerk 18. Jh. 
»Zweibecks Hof Zweibach, bei Neumagen. Val. zu der Urk. Mittelrh. 
Reg. IT 534. 


32. — Erzbischof Arnold von Trier bestätigt die Schenkung der Kirche zu 
Reisweiler an das Augustinernonnenkloster Lautern. 1251 März 25. Trier. 

Arnoldus dei gracia Trevirorum archiepiscopus dilectis in Christo filiabus 
inagistre et conven tui sanctimonialium de Lutrea ordinis sancti Augustini Tre- 
verensis dyocesis salutem in vero salutari. Cum | fundatores et veri patroni ec- 
clesie de Reiswilre, nostre dyocesis, ipsam ecclesiam monasterio vestro contule- 
rint liberaliter et benigne, pro ut ex instrumentis eorundem, que super hoc habere 
dinoseimini, patere poterit evidenter, nos collationem eandem gratam et ratam 
habentes ipsam, sicut canonice facta est, presentis scripti patrocinio duximus con- 
firmandam, metropolitani tamen et archidiaconi loci per omnia jure salvo. Nulli 
ergo omnino hominum liceat hanc nostre confirmationis paginam infringere vel 
ei ausu temerario contraire. Siquis autem hoc attemptare presumpserit, indigna- 
tionem dei omnipotentis et beatorum Petri et Pauli apostolorum ejus se noverit 
incurrisse. 

Datum Treveri, anno ab incarnacione domini millesimo ducentesimo quin- 
yuagesimo primo, octavo kalendas Aprilis. 


Or. Coblenz St. A. 
Siegelrest von rotem Wachs an grünen Seidenschnüren. Von der Um- 
schrift: ARNO. — Auf dem unteren umgebogenen Rande gleichzeitig »\®«. 


33. — Arnold Herr von Siersberg schenkt zur Stiftung zweier Jahresgedächtnisse 
— seiner Gattin Elisabeth und seiner Mutter Margaretha — dem Kloster Lautern 
seine Mühle bei Rehlingen und weist demselben jährlich zwei Fischgerichte in Pachten an. 

1251 Juli. 

Noverint universi tam presentes quam futuri, quod ego Arnoldus do- 
minus de Sirsperch libere contuli monasterio de Lutrea molandinum (sic! 
meum apud Rolingin cum fructibus ipsius pro remedio animarum Elizabet 
uxoris mee et Margarete matris mee pie memorie, ut in eodem monasterio 
duo anniversaria a magistra et conventu ejusdem monasterii in memöriam ani- 
marum earundem celebrentur singulis annis. Et ad illa anniversaria dabunt 
piscatores mei de Pathe duo servicia in piscibus dictis magistre et conventui, 
quos requirent et recipient ibidem. Si vero predictum molandinum in partem 
fratrum meorum deducatur, ego alias de allodio meo dieto monasterio illud reconpen- 
sabo. In hujus rei testimonium presens scriptum super hoc confectum memoratis 


3 


ARE SE. 


magistre et conventui tradidi sigillis abbatis de Wadegozin, domini 
Johannis de Kirkele, fratris mei, et meo roboratum. 
Actum et datum anno domini M° CC? quinquagesimo primo, mense Julio. 


Or. Coblenz St. A. 
Siegel: 1. Abt von Wadgassen, Rest. 2. Johann von Kirkel (?) Rest. 
3. scheint nicht angehangen zu haben. 


34. — Gräfin Laureta von Saarbrücken verspricht dem Kloster Lautern 
pünktliche Entrichtung einer Fruchtrente von einer bisher dem Kloster, ‚jetzt ihr erb- 
lich zustehenden Mühle bei Saarbrücken. Die Rente besteht in 12 Maltern Getreide, 
in zwei Terminen lieferbar. Sollten die Einkünfte der Mühle nicht ausreichen oder 
die Mühle zu Grunde gehen, haben die Gräfin und alle Inhaber der Burg $. die 
Rente dem Speicher in Saarbrücken zu entnehmen. Nichtzahlung zieht Excommunication 
der Schuldner nach sich. Et ut hoc ratum et firmum semper permaneat, presenti 
pagine sigillum domini mei avunculi Metensis episcopi una cum sigillo meo 
et sigillum domini abbatis Wadegozensis et conventus ecclesie ejusdem nec 
non et sigillum capituli S. Arnualis feci apponi. 1251. 


Actum anno domini millesimo ducentesimo quinquagesimo primo. 


Neue Abschrift Coblenz St. A. 
Gedruckt: Kremer, Ard. Geschlecht, cod. dipl. 332; Mittelrh. U. B. TIL, 
S. 835 : 8. auch Mittelrh. Reg. III, S. 214, No. 903. 


Bem. Gräfin Lauretta von Saarbrücken bei Cohn Stammtafeln als 


Schwester des Bischofs Jacob von Metz (Herzog von Lothringen) 
bezeichnet. 


35. — Der päpsthche Legat Hugo, Cardinal-Presbyter v. T. S. Sabinae, erteilt 
dem Augustinerkloster Lautern ein Privileg betreffend Aufnahme von Mitgliedern 


(Vgl. oben No. 25). 1254 Juli 9. Trier. 
Frater Hugo miseracione divina tituli sancte Sabine presbyter cardinalis, 
apostolice sedis legatus dilectis in Christo . . magistre et conventui monasterii in 


Lutrea ordinis sancti Augustini Treverensis diocesis salutem in domino. Religionis 
vestre sincera devocio promereri dieitur, ut votis vestris, quantum cum deo possi- 
mus, favorabiliter annuamus. Vestris igitur supplicacionibus inclinati, quod ad 
recepcionem cujusquam in canonicam et sororem per litteras nostras impetratas, 
per quas nulli jus fuerit atquisitum (!), seu etiam impetrandas, que de presenti in- 
dulgencia plenam et expressam non fecerint mentionem, compelli nequeatis in- 
vite vobis, auctoritate presencium indulgemus. Nulli ergo etc. etc. 

Datum Treveri, III idus julii, pontificatus domini Innocencii pape III 
anno undecimo. 


Or. Coblenz St. A. 

Siegel des Legaten an roten und gelben Seidenschnüren. Verblasster 
rücks. Vermerk des 15. Jh.: »eine brieff von einem Cardinal, daz man 
uch nit drengen mach, inne zu nemen uber uwern willen einge cloister- 
junfrauwe, obe sy och brieff von uns hetten«. — Regest des 18. Jh. mit 
Jahreszahl 1158 und »Numerus 5tuse, 


36. — Abt Heinrich von Wadgassen bezeugt, dass Johann von Schwalbach 
und seine Frau Elise ihr Eigentum an der Kirche in Schwalbach nebst einem Felde 
bei Liesdorf dem Kloster Lautern geschenkt haben. 1254. 


Hanricus dei patiencia dictus abbas in Wadegozen universis Christi 
fidelibus presentes litteras inspecturis pacem diligere et veritatem. Ne temporales 
actus interire possint cum lapsa memoria, stabiliri debent cum pagina litterarum 
sigillo persone autentice sigillata. Noverit igitur universitas vestra, quod Jo- 
hannes de Sualpauch dedit deo et ecclesie sororum in Lutra laude et 
assensu uxoris sue Elyse et omnium liberorum suorum et aliorum, quorum 
assensus requiri debebat, pro remedio anime sue et omnium antecessorum suo- 
rum, quicquid habebat et habere debebat in ecclesia de Sualpauch et unum 
campum situm juxta Oirswit apud Lizdorf dicte ecclesie imperpetuum possi- 
denda. In cujus rei testimonium et munimen ad peticionem liberorum dicti 
Johannis presentibus litteris sigillum nostrum est appensum. 

Actum anno domini M°CC° quinquagesimo quarto. 


Or. Coblenz St. A. 
Siegel abgefallen. 


37. — Das Martinskloster bei Trier bekennt, aus Not der Frau Hadewidis 
von Warsberg eine Rente von 22 Schillingen verkauft zu haben, welche die Käuferin 
dem Kloster Lautern zum Besten verwendete. 1255 December 20. 


A. priorissa et conventus sancti Martini prope Treverim omnibus 
presentes litteras inspecturis fidem subsequentibus adhibere. Paupertate et debi- 
torum multitudine depresse universitati vestre volumus esse notum, quod pre- 
missorum necessitate conpulse domine Hadewidi de Warnesberch census 
viginti duorum solidorum, nobis de domo et area domine Metildis de 
sancto Paulino debitos et usque nunc a nobis perceptos de domo et area 
antedictis, vendidimus pro viginti libris et una Treverensibus, quam pecuniam 
numeratam recepimus et in usus ecclesie nostre necessarios redegimus. Cui 
venditioni eo favorabiliorem ac promptiorem inpertite sumus assensum, quod 
dietum censum ad usus conventus monialium de Lutrea prefata Hadevidis con- 
paravit. Nos etiam priorissa et conventus de evictione dicti census cavenda se- 
cundum consuetudinem civitatis Treverensis nos obligamus. In cujus rei testimo- 
nium sigillum nostrum presentibus est appensum. 

Actum anno domini M’CC°LV°, tercio decimo kalendas januarii. 

Or. Coblenz St. A. 

Siegel des Martinsklosters, spitzoval, stehende Bischofsfigur ; von der 
Umschrift .... SCI MARTINI TREVER ... Rücks. Vermerk des 15. Jh. 
»littera dominarum de Lutrea de XXII solidis«. 


38. — Abt Johannes und der Convent des Klosters S. Martin in Lungfelden 
(Longeville-lez-St. Avold, Longeville de Glandieres) einigen sich mit dem Kloster 
Lautern über bisher streitige Güter in Düren (Durnen) bei Saarlouis, genannt 
Zcumeheistre. 1258 August. 


Huic compositioni, paci pariter et tractatui interfuerunt: dominus Ludewicus, 
archipresbyter de Bolleia, dominus Anselmus de Weldinga, dominus Sy- 
mon de Esswilre, dominus Wolpero de Mortena, dominus Godscalcus 


3” 


Be 


de Inne et dominus Antonius de Uzcelsdorf. Et ut dieta pax sive com- 
positio stabilis sit et firma, presentem paginam contulimus sepedictis magistre et 
conventui de Lutrea sigillorum nostrorum munimine roboratam. 

Actum et datum anno domini millesimo CC. quinquagesimo octavo, mense 


augusto. 

Or. Coblenz St. A. 

Siegel: 1. Abt von Lungfelden, stark beschädigt, sitzende Figur eines 
Geistlichen; Umschrift .... ABBIS.... ARTIN..... 2. An zweier 
Stelle, woselbst Einschnitte, hat wohl kein Siegel gehangen. 3. Convent von 
Lungfelden; nach rechts schreitendes Gotteslamm mit Heiligenschein und 
Kreuzfahne. Umschr.: .... GLADARI.... 

Gedruckt: M. U. B. III, $. 1057. 

Regest: Mittelrh. Reg. III, S. 340, No. 1512. 


39. — Hadewivis, Witwe des Edlen von Warsberg, schenkt dem Kloster 
Lautern eine Weinrente von näher bezeichneten Weinbergen bei Zewen. 1259 Januar. 


Notum sit universis hoc scriptum visuris, quod Hadevivis vidua no- 
bilis de Warlesberch pro remedio anime sue tradidit et donavit in elemo- 
sinam cenobio in Lutra amam vini Treverensis mensure, quam dieta Hadewivis 
emptionis titulo comparavit erga Petrum et Berlouvim uxorem suam de 
Wilre supra montem de vinea ipsorum sita prope ecclesiam Cevene in 
monte et de vinea eorundem sita prope Pirum Regiam dicta Puwilre, 
que vinea contigua est vinee Rodulfi dieti Knilinc et vinee Drutwivis vidue 
de Cevene. Predictam quoque amam vini in censu persolvent Petrus antedictus 
et sui successores perpetuo annuatim de predictis vineis in autumpno ante 
pressorium cenobio in Lutra. Si autem propter generalem defectum vini de 
predictis vineis ama vini non poterit haberi, hoc ipsum vinum, quod in eisdem 
vineis creverit, dabunt cenobio predicto Petrus et sui successores, et pro residuo 
solvent pro quolibet sextario duos denarios, nec tamen aliquatenus ad id ad- 
mittentur, si in cultura vinearum comprobari poterunt fuisse negligentes. Si vero 
dieti Petrus et sui heredes in solucione census predicte ame vini extiterint in- 
obedientes et contumaces, de hoc sentencie et pene scabinorum Treverensium 
subjacebunt. Item predictus Petrus de Wilre agrum suum contiguum vinee site 
in monte prope ecclesiam de Cevene sepedicto cenobio titulo pignoris, quod 
Lanegrith vulgo dicitur, obligavit pro dicta ama vini censualis. De predicto 
quoque agro sito in monte prope ecclesiam in Cevene et de vinea contigua sita 
supra Vorst solvuntur in censu a predicto Petro et a suis heredibus domino 
de Rulant in censu XVII denarii. Alia vero vinea sita in Puwilre est allodium. 
Ut autem hujusmodi contractus et elemosine donatio robur firmitatis in perpetuum 
obtineat, placuit ad peticionem partium presentem paginam inde conscriptam no- 
minibus scabinorum et sigillo civitatis in testimonium communiri. Testes: Giletus, 
Henricus, Warnerus, Nicolaus, Henricus, Colinus, Ordolfus, Karolus, Henricus, 
Ordulfus, Petrus, Henrieus, Philippus et Jacobus scabini Treverenses. In quorum 
presentia et testimonio hec sunt acta anno domini M°CC° quinquagesimo octavo 
mense Januario. 


Orig. Coblenz St. A. Teilurkunde. . 


Siegel der Stadt Trier zerbrochen. Rückseitig 15. Jh.: »De ama vini 
de vinea prope ecclesiam in Zeven«; 18. Jh.: »Zweibechen«, 


BEE En 


40. — Hanwela von Warsberg, Witwe des Ritters Alard von Gunsingen, kauft 
von Lambert in Boveries bei Neumagen eine Weinrente aus einem Weinberg bei 
Meiul, die nach ihrem Tode dem Kloster Lautern zufallen soll. 1259 April 25. 


Notum sit omnibus tam presentibus quam futuris presentem litteram inspec- 
turis, quod domina Hanwela de Warnesperch, relicta domini Alardi 
militis de Gunsingen, comparavit erga Lambertum, filium Everonis 
de Boveries apud Numagen, dimidiam amam vini pro XL# solidis Tre- 
verensibus ex quadam vinea ipsi L. sita apud Meiiul, singulis annis jure here- 
ditario persolvendam H. domine quoad vixerit supradicte. Quam videlicet dimidiam 
amam dietus Lambertus et sui heredes perpetuo presentabunt ecclesie de Lutrea 
post mortem domine Hanwele prenominate. In cujus rei testimonium M. do- 
minus de Numagen huic scripto sigillum suum jussit apponi. Huic vero con- 
ventioni interfuerunt: III scabini de curia sancti Petri, Henricus videlicet, 
Reiboldus filius ejus et Gobelo Grundela de Boveries. 

Actum anno domini M°CC°L° VII, in fesfo beati Marche (sie!) evangeliste. 


Orig. Coblenz St. A. 
Siegel des M. v. Neumagen, schildförmig; Mittelschild mit 8 Querbalken. 


41. — Graf Heinrich von Saarwerden giebt die lehnsherrliche Erlaubnis zur 
Schenkung der Kirche in Dentingen seitens des verstorbenen Ritters Robert v. Warsberg 
und seines Sohmes Johannes an das Kloster Lautern. 1259 December. 


Nos Henricus comes de Sarwerde universis presentes litteras visuris 
notum facimus, quod nos donum seu collationem ecclesie de Dendinghen, 
quod donum seu collatio ad nostrum feodum spectabat, quondam Robertus 
miles de Warnesperch et postmodum Johannes, loci ejusdem miles ejus 
filius, et decimam, quam idem R. ibidem habebat, necnon et duodecim quartas, 
quas dictus Johannes in ipsius ecclesie decima obtinebat, religiosis dominabus de 
Lutrea Treverensis diocesis in animarum suarum subsidium pia deliberatione et 
provida contulerunt, concedimus, ratificamus ac etiam approbamus et sigilli nostri 
munimine confirmamus. In cujus rei testimonium presentibus est nostrum 
appensum sigillum. 

Actum anno domini M°CC°L°nono, mense decembris. 


Or. Coblenz St. A. 
Rest des Siegels und Rücksiegels des Grafen.  Rückseitiges Regest 
. 18. Jh. mit Jahreszahl 1250. 


42. — Werner von der Unteren Mühle in Thron (b. Neumagen) verkauft dem 
Kloster Lautern einen Weinzins von einem Weinberge bei Thron, der dem Herrn 
Gerhard von Urley zinspflichtig ist. 1260 Januar 19. 

In nomine sancte et individue trinitatis. Ego Wernerus dictus de ın- 
feriore molendino in Drogena venes Numagen universistam presentibus 
quam futuris, ad quorum noticiam presens scriptum pervenerit, notum facio, quod 
ego mera et spontanea voluntate mea vendidi inperpetuum dimidiam amam vini 
censualem ex vinea mea sita apud molendinum inferius in villa superius nomi- 
nata monasterio sancte trinitatis in Lutrea pro quadraginta solidis denariorum 
Treverensium mihi integraliter solutis. De qua vinea singulis annis domino Ger- 
hardo militi dieto de Urley persolvere teneor octo nummos censuales 


u 3 es 


Treverensium denariorum, de cujus eciam consensu el voluntale, salvo sibi censu 
debito, hanc vendicionem feci. Quam dimidiam amam vini, si singulis annis a 
presenti tempore in antea dicto monasterio Lutree tempore putacionis vindemi- 
arum non persolvitur, arbitratus sum, quatenus dictum monasterium liberum 
habeat recursum ad vineam predietam et ad ipsum sine offensa et contradictione 
mea et omnium . .!) heredum meorum jure hereditario revolvatur, censum quo- 
que pertaxatum (sic!), scilicet octo denarios, memorato domino Gerhardo, sieud (!) 
et ego conswevi persolvere, persolvet extune monasterium sepedietum. Ut autem 
hec premissa nulla mala [fidels impungnet aut cujusquam doli genus inpedeat, no- 
bilis viri Meffridi domini de Numago et scabinorum de Numagen cum 
ceteris multis honestis ..... ?) [rog]avi dominum Meffridum memoratum, ut pre- 
sentibus litteris suum juberet apponi sigillum. Nos vero dominus de Numagen 
Meffridus dieti Wernheri |precibus ine]linati presens seriptum in testimonium si- 
eilli nostri inpressione fecimus communiri. 
Anno M°CC°LVIII® XII kal. Februarii. 
Sehr beschädigte Abschrift des 15. Jh. Coblenz St. A. Für die Datierung 
ist Trierer Styl angenommen. 


43. — Die S. Trinitatiskirche in Lautern kauft von Hezelo gen. von Krichels- 
berg aus Neumagen eine Weinrente mit der Bestimmung, dass der fragliche, dem 
Ritter Hermann von Veldenz zinspflichtige Weinberg ihr zufallen solle, wenn Hezelo 
die Zahlung der Rente versäumen würde. 1261 Juni 5. 


Notum sit omnibus tam presentibus quam futuris presentem litteram in- 
specturis, quod ecclesia sancte Trinitatis in Lutrea super Saram Treverensis dio- 
cesis conparavit dimidiam amam vini perpetui census erga Hezcelonem de 
Numagen dictum de Crichelsperch supra Mosellam ex quadam vinea sua 
retro domum suam prope ripam sitam, ex qua vinea tenetur singulis annis duo 
sextaria vini domino Hermanno militi de Veldenzen et unum vronedach et 
semel in anno suo placido apud Numagen interesse, tali videlicet condicione, 
quodsi dictus Hecelo vel sui heredes prefatum vinum solvere neglexerint, jam 
dicte ecclesie supradicta vinea libere cedet et absolute, et hoc de consensu do- 
mini Hermanni prenotati, ita tamen, quod ipsi domino H., ut superius dictum est, 
extunc per omnia ab-ecclesia prenotata satisfiat. In cujus rei testimonium pre- 
senti scripto sigillum nobilis viri M. domini de Numagen est appensum. 

Actum et datum anno domini M°CC? sexagesimo primo, XVII kalendas julii. 


Or. Coblenz St. A. 
Siegel (abhangend) abgefallen. 


44. — Die Kirche $. Trinitatis zu Lautern kauft von Conrad gen. Hasard in 
Neumagen eine Weinrente mit der Bestimmung, dass der fragliche, dem Hospital 
S. Symeon in Trier zinspflichtige, über der Engelgasse gelegene Weinberg ihr zufallen 
‚solle, wenn Conrad. die Zahlung der Rente versäumen würde. 261 December 5. 

Notum sit omnibus tam presentibus quam futuris presentem litteram in- 
specturis, quod ecclesia sancte Trinitatis in Lutrea super Saram Treverensis dio- 
cesis conparavit dimidiam amam vini perpetui census erga Conradum de 


!) 2 Buchstaben unleserlich. 
?) Der Abschreiber hat hier eine Zeile des Originals übersehen. 


39 — 


Numagen dictum Hasardum de consensu heredum suorum ex quadam vinea 
sua superius domum Symonis sculteti sita prope Engelgasse, ex qua vinea 
tenetur singulis annis dimidium sextarium vini hospitali sancti Symeonis 
Treverensis, tali videlicet condieione, quod si dietus Conradus vel sui heredes 
prefatum vinum solvere singulis annis neglexerint, supradicta vinea jam dicte 
ecclesie cedet libere et absolute, ita tamen, quod ipsi hospitali extunc ab ecclesia 
prenominata in suo jure satisfiat. In cujus rei testimonium presenti scripto si- 
gillum nobilis viri Meffridi de Numagen est appensum. 
 Actum et datum anno domini M°CC! sexagesimo primo, nonas decembris. 
Or. Coblenz St. A. 
Siegelrest Meffrids von Neumagen. 


45. — Ritter Nicolaus Vogt von Hunolstein und seine Frau Beatrix verkaufen 
ihr Eigentum im Dorfe Schwarzenholz, beim Hofe Hunescheit gelegen, für 100 Pfund 
Metzer Denare an das Kloster Lautern. 1262 December 31. 

Ego Nycholaus miles advocatus de Hünoltsteyn ad universorum no- 
ticiam volo pervenire, quod omne allodium, quod habui in villa Swarcenholz juxta 
curtem Hunescheit sita cum omnibus suis pertinentiis, jure, dominio et honore, 
hominibus, terris cultis et incultis, pratis, silvis, nemoribus, aquis decursibusque 
aquarum, viis et inviis, libra cere dumtaxat excepta, que pertinet ad ecclesiam ejus- 
dem ville, vendidi . . magistre et conventui sanctimonialium de Lutrea tempore 
Bruningi, ejusdem conventus prepositi, laude et assensu Beatricis uxoris mee 
et omnium illorum, quorum consensus requiri debebat, pro centum libris Meten- 
sium denariorum inperpetuum tenendam et possidendam, quam pecunie summam 
protestor michi esse solutam et numeratam per presentes, renuncians exceptioni 
non numerate pecunie et non solute, doli mali et specialiter illi juri, quo possem 
me dicere fore deceptum ultra medietalem justi precii ad recindendam (!) dietam 
venditionem, vel quod deest de justo precii suppleri, et omni juris auxilio, quod 
michi et heredibus sive successoribus meis conpetere posset ad inpugnandum 
predicta, promittens ipsis de omnibus supradictis me prestare gvarandiam se- 
cundum terre consuetudinem, effestucans pro me et heredibus vel successoribus 
meis omni juri, quod habui in omnibus et singulis predictis. Ego Beatrix, uxor 
dicti N., profiteor dietam venditionem meo assensu atque laude esse factam, re- 
nuncians atque effestucans pro me et omnibus heredibus meis in futurum omni 
jure, si quod michi conpetere posset ad inpugnandum predietam venditionem. In 
cujus rei testimonium et memoriam perpetuam rogatu mei Nycholai, quia pro- 
prium non habeo sigillum, et mei Beatrieis, uxoris predicti N., reverendi patris 
ac domini Henrici dei gracia Trevirorum electi, Symonis majoris pre- 
positi Treverensis, nobilis viri Henrici comitis Salmensis et Theo- 
derici domini de Hane, soceri mei Nycholai, sigilla presentibus sunt appensa. 

Datum anno dominice incarnationis millesimo ducentesimo sexagesimo se- 
cundo, in vigilia circumcisionis domini. 

Or. Coblenz St. A. 

Siegel: 1. Heinrich Erwählter von Trier (v. Bolanden). — 2. Dom- 
propst Symon, stark beschädigt. — 3. Abgefallen. — 4. Theoderich v. Hagen, 
rundes Reitersiegel, nach links sprengender Ritter mit hochgehobenem Schwert, 
Schild nicht erkennbar. — Die Urkunde ist besonders schön geschrieben und 
weist sehr wenig Abkürzungen auf. — Gedruckt nach einem Chartular im 
Staatsarchiv zu Wiesbaden (vormals Idstein). Nachweise Mittelrh. Reg. IIT, 
S. 413 No. 1845. 


a ER 


46. — Meisterin Jutta und der Convent des Klosters Lautern bezeugen einen 
(rütertausch ihres Hofmeiers Leo in Schwarzenholz mit Personen in Schwarzenholz, 
Casse und Weiler. 1265 Februar. 


Nos Jutha magistra in Lutra et totus ejusdem domus conventus Tre- 
yerensis diocesis notum facimus universis presens scriptum inspecturis, quod 
Leo homo noster villicus in Suarcenoth, in nostra presencia constitutus, me- 
diantibus Waltero domicello de Grecenborne et de Suarcenoth, Villerio 
et Grecenborne scabinis, dedit et concessit laude et assensu uxoris sue et 
puerorum suorum Conzoni de Suarcenoth, Guiseleren de Casse, Guiselero, 
Cristanno, Alberto, Haymoni filio Folmari, Thome, Sibodoni, Theoderico fratri suo 
et Symoni de Villerio et pueris ipsorum tantum de hereditate sua sita in Creken- 
berc jure hereditario ab eisdem et eorum successoribus possidenda, quantum de 
terra expedit habere ad seminandum unam quartam annone, salvo jure nostro 
censuali, in quo nobis et ecclesie nostre de Lutra singulis annis tenebuntur illi, 
qui dietam hereditatem possidebunt. Et dicti homines et pueri ipsorum laude et 
assensu omnium, quorum super hoc assensus erat requirendus, abrenunciaverunt 
coram nobis et Waltero domicello et scabinis omnibus supradictis predicto Leoni 
el suis successoribus, quicquid habebant juris et habere debebant in fundo mo- 
lendini et vivarii molendino attinenti, que sepedictus Leo edificavit apud Suar- 
cenoth in loco qui Wourthen nominatur. Et ut hoc ratum et firmum permaneat, 
ad peticionem et instantiam predietorum Leonis el aliorum, qui superius sunt 
expressi, sigillum nostrum est appensum in testimonium veritatis. 

Datum et actum anno domini millesimo ducentesimo sexagesimo quarlo 
mense Februarii. 


Or. Coblenz St. A. 


Siegel der Meisterin Juttu sehr beschädigt. Person in weiblicher Kleidung 
sitzend, in der Linken ein Buch hochhaltend; rechts und links Halbmond 
und Stern. Umschrift bis auf ein M nach dem Schluss zu zerstört. 


47. — Abt Heinrich von Wadgassen und Meisterin Jutta des Klosters Lautern 
bezeugen einen Güterverkauf des Ritters Matthäus von Warsberg und seines Sohnes 
Heinrich. 1265 Mai 15. 


Nos Hanricus dei patiencia abbas in Wadesozen premonstratensis 
ordinis et Juttha magistra in Lutra ordinis sancti Augustini Treverensis dio- 
cesis notum facimus universis, ad quorum noticiam presentes littere pervenerint, 
quod Matheus miles de Wanespere et Hanricus filius suus vendiderunt 
Gerardo et Hanrico fratribus, filiis Conradi de Lutra, tria frusta terre, videlicet 
agrum situm in via ecclesie, qui dieitur ager Mathenley, et agrum situm in 
Harundine (?) et dimidium jurnale situm inter alios agros sitos in Hoen, laude 
et assensu uxoris dicti Mathei et omnium, quorum assensus requirendus erat, 
pro septem libris Metensium denariorum. Quarum septem librarum Metensium 
recognoverunt dicti Matheus et Hanricus filius suus, se solutionem plenariam re- 
cepisse in pecunia numerala. Promiserunt etiam dicti Gerardus et Hanricus 
fratres et tenentur pretextu et auctoritate vendictionis (sic!) predicte, solvere an- 
nuatim in festo beati Martini hyemalis dicto Matheo el suis heredibus 
apud Lutram duos capones censuales. In cujus rej testimonium ad peticionem 


a er 


predietorum Mathei militis et filii sui Hanrici presentibus litteris sigilla nostra 
sunt appensa. 
Datum anno domini M’CCPLX® quinto, in crastino ascensionis domini. 
Or. Coblenz St. A. 
Siegel: 1. Abt von Wadgassen, gut erhalten. 2. Meisterin Jutta, ab- 
gefallen. 


48. — Johannes von Warsberg, genannt der Richter, Herr in der neuen Burg 
von Warsberg, bezeugt einen Güterkauf der Meisterin Gertrud und des Convents zu 
Lautern bei Wallerfangen, 1269 Juni 24. 

Universis Christi fidelibus presens scriptum inspecturis Johannes de 
Wanesperc dictus justiciarius, dominus in novo castro de Wanesperc, 
salutem et veritati testimonium adhibere. Cum scriptum ponat in statu sta- 
bili etc. etc. Eapropter noverit universitas vestra, quod Godemannus quondam 
scultetus in Wandervinga de communi assensu et laude Engelreth uxoris 
sue et puerorum suorum, Andree decani et aliorum puerorum suorum ac om- 
nium, quorum assensus super hoc erat requirendus, concessit et tytulo venditio- 
nis tradidit et resignavit Gertrudi magistre et conventui sanctimonialium in 
Lutrea ordinis sancti Augustini Treverensis diocesis tria jurnalia terre, ex quibus 
duo sita sunt ultra aquam juxta campum ipsarum et alium juxta campum Jo- 
hannis scuteti (sic!) situm in littore juxta vadum, pro sex libris Metensium dena- 
riorum, quas sibi solutas fore professus est coram nobis et ad usus suos et 
uxoris sue conversas, abrenuncians pro se et omnibus suis successoribus in fu- 
turum illi juri, quo posset dicere se esse deceptum ultra medietatem justi precii, 
vel quod deest de justo precio suppleri, et exceptioni non numerate pecunie et 
non solute, doli mali et omni juris auxilio, quod sibi et suis successoribus com- 
petere posset in posterum ad rescindendam dietam vendictionem (sic!) Et pro 
ista vendictione tenenda dietus Godemannus de assensu et voluntate predictorum 
E. uxoris sue et puerorum suorum constituit me fidejussorem erga dominas ante 
dictas, quibus promisi et promitto in hiis scriptis me prestaturum garandiam de 
omnibus et singulis supradictis. Et ut ista vendicio in perpetuum rata et firma 
permaneal, presens scriptum sepedictis magistre et conventui ad peticionem Gode- 
manni et suorum sigilli nostri munimine tradidi roboratas. 

Datum et actum anno domini M° CC! LX® nono, circa festum beali Jo- 
hannis baptiste. 


Or. Coblenz St. A. 
Siegel des Joh. v. Warsberg, am Rand beschädigt. 


49. — Kitter Gerlach Crippin von Schwarzenberg verkauft mit Zu- 
stimmung seiner Frau Agnes, seiner Söhne Johann und Wilhelm und der Aleyd, 
Frau des Johann. an das ‚Kloster Lautern seine Besitzungen in Steinberg und im 
Dorfe Lebach, 

Es siegelten mit dem Aussteller: Erzbischof Heinrich von Trier und 
Gerlachs Bruder Hugo. 1270 November 17. 

1270, feria secunda post Martini. 


Nach einer neuen Abschrift in Coblen:, St. A. aus Mittelrk, Reg. III, 
S, 576, No. 2549, 


700 


30. — Erzpriester Conrad in Wierbach bezeugt, dass das Kloster Lautern dem 
Herrn Symon die ständige Vikarie und alle Güter der Kirche zu Sensweiler gegen 
gewisse Gegenleistungen desselben übertragen habe. 1273 Januar 19. 


Conradus archipresbyter in Wierbach, Maguntine dvocesis, omnibus, 
ad quos presens scriptum pervenerit, nolum esse volumus, quod .. magistra 
totusque conventus in Lutrea ordinis sancti Augustini, Treverensis dyocesis, do- 
mino Symoni perpetuam vicariam et omnia bona spectancia ad ecclesiam 
Synswilre commiserunt perpetualiter possidendam et perfruendam, ita quod 
dictus dominus Symon annuatim ministrabit et conferet XVI. maldra annone tam 
siliginis quam avene, et illam annonam ad litus Nümagen tenetur presentare 
diete magistre vel ejus securo nuncio, scilicet Treverensis mensure, una cum 
quatuor solidis Treverensium denariorum. Et tenetur dominus Symon prefatus 
solvere census dicte ecclesie et omnia jura ejusdem. Excipimus man- 
datum apostolicum et alias exactiones ejusdem, qui non attinent ecclesie 
supradicte. Ceterum annuatim in festo beati Johannis baptiste magistra supradicta 
potest et debet recipere fidejussores a dicto domino S. pro sua annona prenotata 
et denariis supradictis. In cujus rei testimonium presens scriptum inde confectum 
ad peticionem domini Symonis sigilli nostri munimine contulimus roboratum. 

Datum anno domini MP CC? LXX°tercio, quinta feria ante Fabiani et Sebastiani. 


Or. Coblenz St. A. 
Siegel abgefallen (abhangend). 
Regest: Mittelrh. Reg. III, 8. 633, No. 2756. 


51. — Th. Kantor der Kirche zu 5. Arnual und zwei Brüder von Thedingen 
verpachten dem Leo in Schwarzenholz ihre Mühle daselbst. 1274 März 10. 


Nos Th. cantor ecclesie sancti Arnualis et Bertholomeus miles et 
Hanricus fratres dieti de Thetinga notum facimus universis presens scriptum 
intuentibus subscripte rei fidem adhibere. Innotescat ergo presentibus et futuris, 
quod nos concessimus Leoni de Swarceholc molendinum in eodem loco situm 
sibi et suis heredibus ad terminum viginti annorum, ita quod dictus Leo vel sui 
coheredes infra terminum prenotatum quolibet anno nobis solvent et solvere te- 
nentur in festo beati Mychaelis quinque maldra siliginis et quatuor capones, in 
festo vero nativitatis domini nostri solvent sine dilatione porcum decem solidorum 
Metensium. Sed annonam predietam dabunt ad mensuram Sarepontis. Ne autem 
hujusmodi concessio a nobis dieto Leoni et suis heredibus facta possit a posteris 
attemptari, sigillum domine nostre M. Sarepontis comitisse ad petitionem 
nostram presentibus est appensum. Nos autem M. Sarepontis comitissa sigillum 
nostrum ad petitionem predietorum fratrum dignum duximus presentibus appen- 
dendum. 

Datum anno domini M°(CC°septuagesimo tercio, sabbalho post dominicam 
qua cantatur »oculi«. 

Or. Coblenz St. A. 

Siegel der Gräfin Mathilde von Saarbrücken mit Rücksiegel, ab- 
hemgend. Frauenfigur Schild mit schreitendem Löwen haltend; Umschrift 
.s... MATHILDIS COM ......NTE. Rücksiegel Schild wie oben, Um- 
schrift: + SECRETVM COMITISSE, 


a < A 


52. — Meisterin G{ertrud) mit dem Convent zu Lautern und Rudolf Ritter 
von Siersberg freien ihren Leibeigenen Conrad in Schwarzenholz. 1279 Juni 4. 


Nos G. magistra de Lutrea totusque ejusdem loci conventus, ego Ro- 
dulfus miles de Syberch notum facimus universis tam presentibus quam fu- 
turis, quod nos Conradum laycum de Suarzenholch, hominem nostrum, 
liberum reddidimus et reddimus tali condicione, quod dictus C. laycus nobis ma- 
gistre G. et conventui de Lutrea V. solidos, domino vero R. militi de Siberch 
decem solidos denariorum in nativitate domini annuatim persolvendis (!), predictus 
vero C. laycus tres vecturas miliare infra bannum de Suarzenholch nobis predictis 
magistre @. et conventui unam et domino R. militi duas concedet annuatim. Nos 
insuper memorati C. layci res et corpus pre nobis et nostris assecuramus penitus 
in futurum. In cujus rei testimonium ad preces sepedieti R. militis de Sirsberch 
sigillum domini Johannis de Warnesperch, justiciarii domini ducis, ac discreti 
viri sigillum domini A., decani de Waldervinga, una cum sigillo domini B., 
decani de Lutrea, presentibus est appensum. 

Datum anno domini M’CCPLXX®nono, in dominica qua cantatur »in tuac 
mense juli !). 

Or. Coblenz St. A. 

Von den angekündigten 3 Siegeln nur das erste erhalten: Joh. v. Wars- 
berg, rund, Mittelschild 5 Sparren, am Rande beschädigt. Rücksiegel: Ring 
mit Umschrift: »Secretum meum«. 


53. — Futter Rudolf von Siersberg übergiebt Personen in Schwarzenholz erb- 
lich 4 Morgen Wiesen bei Nalbach gegen Jahreszins von 4 Hähmen. 1279 Juni 4. 

Ego Rodulfus miles de Sirsberch notum facere cupio universis, ad 
quos presens scriptum pervenerit, quod de mea heredumque meorum voluntate 
Friderico ac Petro laycis fratribus de Suarzenhoch heredibusque ipsorum con- 
cessi et concedo jure hereditario quatuor jornalia prati apud Nalbach jacencia, 
cum Conrado layco de Suarzenhoch dividencia, pro quatuor capponibus michi 
meisque successoribus in festo sancti Martini annuatim persolvendis. In cujus 
rei testimonium presentem paginam ad preces meas predictis laycis F. et P. fra- 
tribus sigillo domini Johannis de Warnesperch, justiciarii domini ducis, cum 
sigillo domini A. decani de Waldervingen una cum sigillo domini B. decani 
de Lutrea tradidi roboratam. 

Datum anno domini MPCCPLXX°nono, in dominica, qua eantatur »domine 


in tua«. 
Or. Coblenz St. A. 


Nur das erste Siegel, Joh. v. Warsberg, mit Rücksiegel, aber sehr be- 
schädigt erhalten. 


54. — Ritter Gerlach gen. Orippin von Schwarzenberg schenkt dem Kloster 
B. Mariae zu Lautern das Patronatsrecht der Kirche in Hasborn. 1279 December 23. 
Universis tam presentibus quam futuris presentem paginam inspecturis nos 
Gerlacus dictus Crippin de Swarcinberch miles notum esse volumus, quod 
ille bene possedisse dieitur temporalia, cui divina providencia per temporalium 
ministracionem premium attribuit sempiternum et memoriam preparat in futurum, 


1) doch wohl verschrieben statt Juni. 


DORA 


Hine est, quod ego pro me et antecessorum meorum salute et remedio animarum 
confero, dono et assigno de uxoris mee ac heredum meorum consensu salutari 
omne jus patronatus ecclesie de Haysbürne Treverensis dyocesis, cujus verus 
sum patronus, cum attinenciis et honore ipsius monasterio beate Marie in 
Lütrea ejusdem dyocesis prope Waldervingen in elemosinam pure et simplieiter 
propter deum perpetuo tenendum et habendum pacifice et quiete. Ne autem 
hujusmodi mea pia collacio, donacio et assignacio valeat in posterum ab aliquo 
infringi seu quomodolibet inpugnari, hanc cartulam inde confectam in perpetuam 
rei geste memoriam et firmam stabilitatem mei sigilli patrocinio conmunivi, ana 
monasterio tradidi prenotato. 
Actum et datum anno dominice incarnacionis millesimo ducentesimo septua- 
gesino nono, sabbato proximo post festum beati Thome apostoli. 
Or. Coblenz St. A. 
Siegel des Ausstellers wohl erhalten an gelb-braun-weissen Wollschmüren, 
rund mit Mittelschild, zweimal quergeteilt. Umschrift: + S. GERLACI 
ALLER CRIPPIN MILITIS DE SWARCINBERCH. 


55. — Kitter Wilhelm von Schwarzenberg schenkt das Patronatsrecht 
der Kirche in Hasborn dem Kloster S. Mariae in Lautern. 1279 December 24. 


Actum et datum anno dominice incarnacionis millesimo ducentesimo 
septuagesimo nono, in vigilia nativitatis domini. 


Or. Coblenz St. A. 

Siegel des Ausstellers wie zu No. 53. Umschrift: + S. WILLELMI 
DE SWARZENBERG. — Derselbe Schreiber für beide Urkunden, die im 
Texte fast völlig übereinstimmen. Rücks. Vermerk 18. Jh.: Hasporn. 


56. — Der Trierer Archidiacon Walram beauftragt den Priester von Wadrull, 
sich nach Hasborn zu begeben und dort wegen des Patronatsrechts der Kirche Ver- 
handlungen zu führen, die auf dem Tag nach Petri Kettenfeier in Trier entschieden 
werden sollen. 1280 April 22. 

Walramnus dei gracia archidiaconus in ecclesia Treverensi sacerdoti 
de Wadrelle salutem in domino. Cum viri nobiles Gerlacus dictus Crippin 
de Suarcinberch et Wilhelmus de eodem loco milites omne jus patronatus 
ecclesie de Hainsporne nostri archidiaconatus, cujus veri sunt patroni, cum 
attinenciis et honore ipsius ecclesie contulerint et assignaverint, ut dicitur, de 
uxorum et heredum suorum consensu salutari monasterio beate Marie in Lütrea 
archidiaconatus ejusdem prope Waldervingin in elemosinam pure et sinpliciter 
propter deum perpetuo tenendum et habendum pacifice et quiete. supplicaverunt 

nobis devolissime dilecte in Christo . . magistra et conventus monasterii predicti, 
quatinus donacioni, collacioni et resignacioni antedictis auctoritatem et consensum 
nostrum ac omnia alia, que super his ad nostrum spectant oflicium, dignaremur 
impertiri, et ut dicta ecclesia cum suis attinenciis ipsarum monasterio misericor- 
diter incorporetur, ut devocius et salubrius in futurum deo valeant famulari. Nos 
eorum supplicacioni annuentes vobis precipue mandamus, quatinus personaliter 
ad ecclesiam de Hainsbürne predictam accedentes citetis peremptorie ibidem 
omnes, qui super dieta collacione et incorporacione sua crediderint interesse et 
se opponere volentes dicte collacioni et incorporacioni, ut coram vobis seu 


Be. 


nostro . . offieiali Treverensi conparant (!) peremptorie in erastino beati Petri 
apostoli ad vincula hostensuri de jure suo et ad procedendum super ‘premissis 
in quantum dictaverit ordo juris. Alioquin quantum ad nostrum spectat officium, 
diete collacioni et incorporacioni auctoritatem et consensum adhibebimus et si- 
sillum nostrum dicte collacioni et incorporacioni apponemus in testimonium veri- 
tatis. Reddite litteras cum inpressione sigilli vestri mandato executo. Sigillo 
eurie nostre ad presens utimur in hac parte. 

Datum anno domini millesimo ducentesimo octuagesimo, in crastino pasce. 


Or. Coblenz St. A. 
Wachsreste des Siegels an Pergamentstreifen, abhangend. 


57. — Erzbischof Heinrich von Trier genehmigt die Schenkung des Patronats- 
rechtes der Kirche in Hasborn an das Kloster B. Mariae in Lautern. 1280 Mai 2. 


Nos Henricus dei gracia Trevirorum archiepiscopus ad universorum no- 
ticiam volumus pervenire, quod cum viri nobiles Gerlacus dictus Crippin 
de Swarcinberch et Willelmus de eodem loco milites omne jus patronatus 
ecclesie de Hays burne nostre dyocesis, cujus veri sunt patroni, cum attinenciis 
et honore ipsius ecclesie contulerint, donaverint et assignaverint de uxorum et 
heredum suorum consensu salutari monasterio beate Marie in Lütrea ejusdem 
dvocesis prope Waldervingen etc. etc. wie oben No. 56, ut deo devocius et salubrius 
famulari valeant in futurum propter augmentacionem sustentacionis earumdem in 
redditibus ecclesie supradicte, cum ipsarum redditus et proventus nimium sint 
tenues et exiles. Nos itaque hujusmodi salutaris devocionis affectum paterno 
favore et gracia plenius attendentes dictasque pias collacionem donacionem et 
assignacionem ratas habentes per omnia atque gratas, et auctoritatem debitam 
adhibentes eisdem, ipsas tenore presencium confirmamus et dictam ecclesiam de 
Haisbürne de consensu venerabilium virorum capituli ecclesie nostre Treverensis 
et loci archidyaconi incorporamus et adunamus monasterio in Lütrea supradicto 
in augmentacionem perpetuam cultus divini, salvo per omnia imperpetuum nostro 
et . . successorum nostrorum archiepiscoporum Treverensium et loci archidvaconi, 
qui pro tempore fuerint, jure debito et consueto ac competenti porcione vicarii 
perpetui ecclesie prenotate. Et nos, capitulum ecclesie Treverensis, et Wale- 
ramus dei gracia archidyaconus ecclesie supradicte nostrum expressum 
assensum et consensum premissis omnibus adhibemus. In quorum memoriam 
perpetuam et debitam firmitatem nos archiepiscopus, capitulum et archidyaconus 
antedicti presentem cartulam inde confectam nostrorum sigillorum patrocinio 
duximus roborandam. 

Datum anno dominice incarnacionis millesimo ducentesimo octuagesimo 
in crastino beatorum Philippi et Jacobi apostolorum. 


Or. Coblenz St. A. 

Siegel: 1. Erzbischof Heinrich mit Rücksiegel, wohl erhalten, rote 
Seidenschnüre. 2. Trierer Domcapitel, kleiner Rest, grünseidene Schnüre. 
3. Archidiacon Walram, spitzoval in zwei Stücken; stehender Kleriker mit 
Palmzweig und Buch. — Rücks. 15 Jh. »incorporatio de ecclesia Hasz- 
boren«; 18. Jh. »Joannes (sic!) Trev. archiep. incorporat parochiam de 
Hasporn eeclesiae Lutriensi 1280«., 


m 


58. — Theoderich Rumanz von Schwarzenberg verkauft dem Conrad 
von Ellenbach seinen Hof zu Sensweiler (Synnswilre), aus welchem das Kloster 
Vrowenlutere einen Jahrzins bezieht. — Zeugen die Herren Wilhelm und 
Gerlach von Schwarzenberg. 1280 Mai 4. 


1280 crastino inventionis crucis. 
Regest in Mittelrh. Reg. IV., S. 160, Nr. 710 nach dem Original im 
St. A. Coblenz, Familienarchiv, v. Ellenbach. 


59. — Herzog Friedrich von Lothringen bezeugt den Verkauf von Gütern bei 
Lautern durch Heinrich von Gunsingen an deren Lehnsherrn Rudolf von Siersberg 
und durch diesen: an das Kloster Lautern. 1283 August 14. 


Nos Fridericus dux Lothoringie et marchio notum facimus universis 
presentem litteram inspecturis seu legi audituris, quod cum dominus Henricus 
de Gunsinga miles, homo noster, pro se et suis heredibus successoribusque 
domino Rodulpho de Sirzperh militi bona sua omnia apud Lutream existentia 
cum omni jure et appendieiis suis quibuscumque, que ab eodem domino Rodulpho 
jure feodali dependent, vendiderit et acquitaverit precio persoluto, idem dominus 
Rodulphus eadem bona cum omni jure suo et appendiciis suis religiosis domina- 
bus... magistre et conventui de Lütrea nomine suo et heredum suorum successo- 
rumque vendidit imperpetuum ac nomine vendicionis coram nobis acquitavit pro 
quinquaginta duabus libris Treverensium denariorum sibi ab eisdem dominabus 
traditis integraliter et solutis, renuncians exceptioni dicte pecunie non numerate, 
non tradite nec solute sibi, beneficio restitutionis in integrum, doli mali et spe- 
cialiter illi juri, quo posset dicere se fore deceptum ultra medietatem justi precii 
et quod deest de justo precio suppleri, omnique juris auxilio canonici et civilis, 
quod eidem aut suis heredibus successoribusque competere posset in futurum 
quomodolibet ad recindendam (!) venditionem seu acquitationem supradietam. In 
cujus rei testimonium sigillum curie nostre una cum sigillo dileeti nostri domini 
Johannis de Warnisperch justieiarii nostri ad preces partium predietarum 
presentibus duximus apponendum. 

Datum anno domini M° CC octuagesimo tercio, in vigilia assumptionis beate 
Marie virginis. 

Or. Coblenz St. A. 
Siegel: 1. Curie des Herzogs von Lothringen. 2. Joh. von Warsberg. 
Beide am Rande beschädigt. 


60. — Herzog Friedrich von Lothringen verspricht dem Kloster Lautern, das 
ihm sein Eigentum in Wallerfangen abtrat, jährlich 30 Schillinge aus seinen Erz- 
werken daselbst. 1285 Juni 21. 


. . Ego Fredericus dux Lothorengie et marchio notum facio omnibus 
presentes litteras inspecturis, quod pro eo quod .. magistra et . . conventus de 
Lutrea mihi et heredibus meis imperpetuum dederunt et quittaverunt, quicquid 
habebant, habere poterant et debebant in villa de Waldrowanges in redditibus, 
censibus et omnibus aliis quibuscumque, ego dietis . . magistre et . . conventui 
pro me et heredibus meis imperpetuum pro supradictis rebus dedi et contuli tri- 
ginta solidos Treverenses annuatim in festo purificationis beate Marie virginis 
in exitibus et proventibus furnorum meorum de Waldrowanges pacifice et quiete 


Be ae 


et sine contradictione aliqua percipiendos et habendos. In cujus rei testimonium 
sigillum meum presentibus litteris est appensum. 
Actum et datum anno ab incarnatione domini M°(i('% oetuagesimo quinto, 
feria quinta ante nativitatem beati Johannis baptiste. 
Or. Coblenz St. A. 
Reitersiegel des Herzogs mit Rücksiegel beschädigt. Die Urkunde ist 
ferner erhalten in einem Vidimus vom 3. April 1481. 


‘ 


61. — Ritter Heribert von Senheim bekennt namens seiner Familie, dass die 
Hälfte des grossen Zehmtens in Sensweiler (Mainzer Diöcese) dem Kloster Lautern 
gehöre. 1287 Mai 8. 


Universis presentes litteras inspecturis nos Heirbretus de Seneym miles 
et Metildis ejus uxor, Winandus, Ricardus et Ida liberi eorundem ac omnes 
alii eorum liberi, nec non Vüssolo maritus dicte Ide notum facimus, quod in 
medietate grosse decime apud villam de Sindiswilre et ejus attenciis (sic!) Ma- 
guntine dyocesis, que medietas speclat ad monasterium monialium de Lutrea 
Treverensis dyocesis ordinis sancti Augustini, et in jure eandem medietatem 
pereipiendi et fructus colligendi in eadem medietate decime et in straminibus vel 
aliqua alia utilitate, que provenire posset de fructibus medietatis decime predicte, 
recognoscimus nos nichil juris habere conjunctim vel divisim, et si quid juris 
habebamus in eorum medietate decime predicte sive ex consuetudine aut ex 
quacumque alia de causa nobis foret aquisitum, seu ad nos pervenisset, illi juri 
et consuetudini pure et simpliciter [renunciamus in hüs !)] scriptis omni fraude 
et dolo ammotis, promittentes per fidem a nobis singulis [et universis firmiter 
prestitam!)], quod contra hujus renunciacionem per nos vel per alium non ve- 
niemus in futurum et quod ea que fient per nun')|cios in perceptione fructuum 
medietatis decime prediete nec in aliquibus rebus et utilitate provenientibus de 
fructibus dicte decime et specialiter in straminibus eorum non molestabimus, im- 
petemus vel aliquid juris nobis vendicabimus in eisdem, volentes et consentientes, 
ut dicte domine exnunc suam quamcumque voluerint faciant et procurent de 
fructibus medietatis eorum dicte decime et qualibet alia utilitate de eisdem fruc- 
tibus proveniente voluntatem. In cujus rei testimonium presentes litteras sigillis 
prepositi in Revengersbure nec non Willelmi et Johannis fratrum do- 
minorum de Heincinberch rogavimus communiri. Et nos prepositus in Re- 
vengersburc, Willelmus et Johannes fratres domini de Heincinberch ad preces 
dietorum conjugum et liberorum suorum predictorum ac mariti Ide predicte si- 
gilla nostra hiis litteris duximus apponenda in testimonium predictorum. 

Datum anno domini M° (Cl octuagesimo septimo, feria quinta post do- 
minicam cantate. 


Or. Coblenz St. A. 

Siegel: 1. Propst von Ravengiersburg, zwei Stücke. 2. und 3. Wilhelm 
und Johannes von Heinzberg, beide beschädigt. — Die Pergamentstreifen 
rühren von 2 Urkunden des 13. Jh. her, in deren einer die Frau des Ritters 
de Dale, in der andern als Bürge Heinrich von Schoneckin vorkommt. 

Regest: Mittelrh. Reg. IV., S. 325, Nr. 1433. 


') Loch im Pergament. 


RL. We 


62. — Knappe Gottfried von Bolchen bekennt, von der Meisterin Elsa und 
dem Kloster Lautern einen Mühlenteich hei Gensbach unter angegebenen Bedingungen 
gepachtet zu haben. 1289 August 11. 


Universis presentes litteras inspecturis seu legi audituris ego Jofridus 
de Bolay armiger nalum esse cupio, quod ego suscepi et teneo a religiosis do- 
minabus Elza magistra et a conventu de Lutrea Treverensis dyocesis aream sive 
locum stagni reedificandi seu reparandı in meis sumptibus et expensis apud 
Guinspach, quod stagnum quamdiu vixero tenere debeo pacifice et quiete 
pro sex solidis Metensibus persolvendis a me dictis dominabus singulis 
annis in nativitate domini de dieto stagno. Post mortem autem meam ipsum 
stagnum ad dominas magistram et conventum prefatas libere et quiete 
absque omni occasione revertetur. Molendinum etiam ipsi stagno adjacens, 
si me reparare contigerit, mihi cedet per spacium mee vite, quod post meum obi- 
tum ad sepedictas dominas redibit libere et quiete. In cujus rei testimonium ego 
Jofridus predictus presentem cedulam sigillo religiosi viri domini Friderici dei 
patientia abbatis sancti Naboris ordinis sancti Benedicti necnon et sigillo 
discreti viri domini Th. decanı ecclesie de Homburch Metensis dyocesis 
tradidi roboratam. Et nos Fridericus dei patiencia ahbas sancti Naboris 
ac Th. decanus ecclesie de Homburch predicti sigilla nostra presentibus lit- 
teris ad preces Jofridi predieti armigeri in premissorum testimonium duximus 
apponenda. | 

Datum anno domini M°CC°LXXXO0IX0, in crastino beati Laurentii martiris. 


Or. Coblenz St. A. 
Die Siegel abgefallen. 


63. — Margarethe Witwe des Anselm Krebs in Euren und ihr Sohn Gerlach 
schenken dem Kloster Lautern allen ihren Besitz. 1290 Mai 20. 


Universis tam presentibus quam futuris hoc scriptum visuris Margareta 
relicta quondam Anselmi dicti Cancri de Urio et Gerlacus ipsius M. filius 
salutem et ad perpetuam rei memoriam cognoscere veritatem. Licet parva sint 
et exigua, que offeruntur omnipotenti deo pro multitudine peccatorum, ipse tamen 
omnipotens deus non quantitatem muneris sed voluntatem respicit largientis. 
Presentis igitur scripti tenore universitati vestre volumus esse notum publice 
protestando, quod ex devotione sincera ac ob specialem dilectionis affectum, 
quem ad cenobium sanctimonialium in Lutrea Treverensis diocesis semper habui- 
mus et adhuc habemus, necnon pro salute et remedio animarum nostrarum et 
progenitorum nostrorum damus, legamus et conferimus donatione irrevocabili 
inter vivos unanimi consensu et voluntate, pure et simplieiter propter deum re- 
ligiosis dominabus magistre et conventui cenobii sanctimonialium in Lutrea pre- 
dicti omnia bona nostra, mobilia et immobilia, census, redditus et possessiones, 
in quibuscumque locis vel terminis consistant, ex nunc imperpetuum jure here- 
ditario possidenda, nullumque heredem aut successorem in prelibatis bonis nostris 
omnibus preter dietas religiosas dominas habere volentes vel cupientes in fu- 
turum. Verum ad omnem questionis materiam inposterum amputandam renuncia- 
mus et effestucamus de plano libera voluntate ex nunc inperpetuum super totam 
hereditatem nostram et omnia bona nostra memorata ubicumque. locorum sita 


Se — 


sint, que in presenciarum habemus et possidemus eonjunctim vel divisim, et que 
habituri erimus et nobis conquirere poterimus in futurum, voventes et promittentes 
ex mera consciencia domine . . magistre et conventui prescriptis debitam fideli- 
tatem et perfectam obedientiam pro posse et nosce (!), more fidelis sororis et 
boni fratris conversi jugiter observare, conditione seu inventione quacumque non 
obstante, renunciantes eciam omnibus exceptionibus, cavillationibus et defensio- 
nibus juris canonici et eivilis, doli mali ac illi juri, quo dicere possemus, nos et 
quemlibet nostrum in premissis esse lesum vel lesos et circumventos, ac beneficio 
restitutionis in integrum, necnon omnibus exceptionibus et defensionibus tam 
juris quam facti, per quas effectus presentium posset cassari aliquatenus et 
annullari et quarum renuntiatio specialis foret necessaria exprimi de verbo ad 
verbum, quas haberi volumus pro expressis, promittentes bona fide et ad id nos 
firmiter obligamus per presentes sollempni stipulatione interposita, nullo unquam 
tempore contra premissa omnia vel quodlibet eorundem nos venturos inposterum, 
aliqua occasione, subtilitate, ingenio sive causa, fraude et dolo penitus exclusis. 
In cujus rei testimonium et robur perpetue firmitatis presentes litteras sigillis 
curie Treverensis et civitatis ejusdem, que ad petitionem nostram presentibus 
sunt appensa, dictis religiosis dominabus tradidimus communitas. Et nos magister 
Johannes cantor et... officialis Treverensis dicte curie sigillum pro- 
fitemur una cum sigillo eivitatis prediete huie seripto one in testimonium 
omnium premissorum. 


Datum anno domini M°CC° Nonagesimo, in vigilia penthecostes. 


Or. Coblenz St. A. 
Beide Siegel abgefallen. 


64. — Herzog Friedrich von Lothringen bessert dem Kloster Lautern die 
Renten in Wallerfangen zum Ersatz des durch seine deutschen Kriegsvölker erlittenen 
Schadens. 1294 Mai 15. 


Je Ferris dus de Lohrregne et marchis fais savoir a tous, que pour 
plusours damaiges, que mes gent d’Alemegne firent a l’abbasse et a couant de 
Lutre et a lour hommes dedans werre et defurs werre, je sour seu par pax 
faisant lour amande les censes, qu'elles ont a Wadervenges, c’est a savoir de 
deix sols a panre et a avoir en tel leu et a tel jour, que les autre censes lour 
sont assigneez et de tele monoie com les autre censes sont a tenir et a avoir 
a tous jours en heritaige et lour otroi avec seu, que lour forrestier garde lour 
boix de Uzilstorf et de Kirlenges et an oste les miens forrestiers nene voil, 
que nuns de mes hommes ne de mes gent les cope des or anavant et voil, que 
nuns de mes sergent pennisse lour hommes avant qu’il laient monstrei et requis 
a l’abbasse ou a provost dou leu. Et recognoi par ces presentes lettres, que je 
n'ai nun droit a panre en lour viles ne suz lour hommes ne gillines ne pors se 
par mei achait non; ne ne voll ancores, que nuns de mes sergant faice tort a 
dites dames ne a lour hommes. Et par mei ces choses devant dites m’ont acquitei 
et acquitent la dite abbasse et li dis covans moi et mes gent de tous damaiges 
et de toute prises, que lour ont estei fais ne de moi ne de mes gent jusques a 
jour deu. En tesmoignaige de veritei je lour an ai donei et donne ces presentes 
lettres saieleez dou saiel de mai court de Bosonvile. 


Be 24 


Que furent faites l'an de graice notre signor M.CC. quatrevint et quatorse 
ans, en mei mois de mai. 

Or. Ooblenz St. A. 

Siegel abgefallen (abhangend). 

Eine Urkunde Hans von Ritenhofens, 1457 Juni 8, enthält als Trans- 
sumpt obige Urkunde sowie eine solche des Grafen Johann von Nassau- 
Saarbrücken v. J. 1457 Juni 1, welche, als Transfix der Urk. des Herzogs 
Friedrich angehängt, den Inhalt dieser bestätigte. Die Einschnitte für das 
Transfix finden sich in der That in dem obigen Original des Herzogs. 


64a. Friedrich von Dalheim, Burggraf zu Siersberg, liefert eine deutsche 

l'ebersetzung der Urkunde (64) Herzogs Friedrich von Lothringen vom 15. Mai 1294. 
1450 December 21. 

Ich Friderich herezoch zu Lotringen und marggreffe doen allen luden zu 
wissen, daz umb vil schadens, den myn lude usser Duczlande daden der eptyssen 
und convent zu Luteren und den iren armen mannen in crege ader bussen creige 
und nu vort me des freden zu hain von uns und besseren en de zinsze, de sy 
hant zu Walderfingen, ist zu wissen zhein schillinge zu nemen und zu han an 
dem ende und uff den dach daz in de ander zinsze en bewiset sint und der 
muncze alz de ander zinsze zu wissen und zu hain umerme und zu erbeschaff, 
und erlouben in he myde, das ir furstere sullen hoeden ir welde zu Uczelezstorff 
und zu Kerlingen und doen da von myn furster und enwil nit, daz keyner myner 
mannen und amptlude und boeden nu vortme da in hauwen, und wil auch nit, 
daz keyner myner amptlude ader underdain ader boeden ir lude vahein ader 
penden erste dan es voirbracht sy und ersucht an der eptysszen ader ir ampt- 
lude, von dem ende de lude wanhefftich sint. Und bekennen mich in dussem 
gewerdighen breiffe, daz ich kein recht han zu nemen in eren dorfferen ader 
hoben eren armen luden ader wederdrissz geschee von mynen underdanen, und wil 
auch nit, daz kevner mynre amptlude und boeden unret doe den egenanten frauwen 
noch iren armen luden und wil daz myn amptlude nu und zu ewighen dagen de 
egenante eptissen und ir arme lude beschirmen vor unrecht glich unsern eygenen 
luden und mannen. Umb dusse vorbenant sache hant sy mich gequitet de ege- 
nante eptijssze und convent mich und myn lude von allen schaden und von aller 
name, de in gescheit sint von myr und mynen luden bicz uff dussen dach. Des 
zu gezuche der wairheit so han ich der egenanten eptyssen und convent geben 
und geben dussen gewerdighen breiff besigelt myt dem sigel myns hoeffz zu 
Boesendorff, der gemachet wart na gocz geburt M°CC°LXXXIIIT jair in dem 
halben mey. 

Ich Friderich von Dalhem burchgrewe zu Sirsburg doen kont und 
bekennen mich, daz ich eynen welczen versigelten breiff gesein und gelesen han 
und gancz von allen sinen puncten und worten inhaldende in duczem alz vor- 
gemelt steit und besigelt myt unsers genedighen herrn sigel, daz zu der zyt zu 
Boesendorff lach. Und des zu urkonde so han ich Friderich vorgemelt myn sigel 
gehangen an dussen breiff im (!) dem jair na gocz geburt MPCCCC® und L jair, 
uff sent Thomas dag des hilligen apostelez. 

Or. (Pergament) Coblenz St. A. 
Siegel des Fr. v. Dalheim. 


— 5 .— 


65. — Herzog "Friedrich von Lothringen bezeugt eine (rüterschenkung des 
Knappen Alard von Inne zu Gisingen an das Kloster Lautern. 1294 Mai 15. 


Nos Fridericus dux Lotheringie et marchio scire volumus universis, 
quod in nostra presencia propter hoc personaliter constituti Alardus de Inne 
armiger et Katherina ejus collateralis recognoverunt et sponte confessi sunt, 
se tradidisse et donasse donacione irrevocahili inter vivos in perpetuam ele- 
mosinam religiosis dominabus magistre et conventui de Lütrea Treverensis 
dyoeisis (!) unanimi voluntate, pari consensu et sociata manu omnia bona, que 
habere dinoscuntur iidem conjuges in villa Gunsinga seu in confinio dicte ville 
in cunctis usibus et proventibus, nichil penitus sibi retinentes in eisdem. Item 
dieti conjuges absolverunt perpetuo Jacobum de Kirlinga, filium quondam 
Johannis dieti Crippin, ab homagio et a censibus omnibus, in quibus eisdem 
conjugibus idem Jacobus tenebatur. Promittentes eciam dicti conjuges fide 
prestita corporali, se contra dictam donacionem non venire ullo unquam tempore, 
et ipsa Katherina divisim juravit tactis sacrosanctis ewangeliis, quod eandem 
donacionem ratam ac perpetuo inconcussam servabit nec ulla arte vel ingenio 
seu racione dotis seu dotalicii sive donacionis propter nupcias sibi factas contra 
veniet in futurum. Quod ut ratum et firmum permaneat, sigillum curie nostre 
de Bosonis villa!) ad preces et ad instanciam dietorum conjugum presentibus 
apponi fecimus in testimonium premissorum. 

Datum anno domini M°CC°nonagesimo quarto, in medio mense maio. 


Or. Coblenz St. A. 
Siegel abgefallen. 
Regest: Mittelrh. Reg. IV, 5. 511, No. 2286 nach Copie des 17. Jh. 


66. — Herzog Friedrich von Lothringen bezeugt einen Güterverkauf der 
Knappen Alard von Jnne und Wilhelm von Sponheim an das Kloster Lautern zu 
Sermeldingen. 1296 Mai 4. 


Je Ferris dus de Loherengne et marchis fais savoir a tous, que en 
mai presance establis Alairs de Jnne escuiers, filz Phelepin qui fuit, et 
Katerine sa feme et Willames de Spanhen escuiers et Clamenze sa feme 
demorans a Tholeie ont recogneut par devant moy, k’il on vandut communemant 
de lour plainne volanteit et acquiteit a touz jours mais a la religiouse dame 
Hawele nonneyn de Lutres sus Saire de quant qu'il ont et puent avoir et 
doient avoir a Sairmedanges et on ban en homes, en femes, en chans, en preis, 
en boix, en censes et en tous us et en toutes manieres queiles quelles soient sans 
riens a retenir. Les queiles chozes entieremant et les apandises il lour ont vandut et 
delivreit vandent et delivrent et wairentiront pour franck allues davant tous 
homes et a tous jours a lour costanges. Et est fais cist vandaiges et ceste 
acquitance pour quailorze livres de boins Treverciens, dont il ont aut et receul 
boin paiemant et entier en deniers boiens bien contez et bien nombreis si comme il 
dient, et ont cranteit et promis et jureit, sor sains pour auz et pour lour hoirs, 
que jamais contre cest vandaige et ceste acquitance ne vanront ne niant ni re- 
clameront ne feront reclameir per aus ne par atrui, ne par devant justice seculer 
ne par devant justice esperitueil. En tesmoignaige de veriteit et pour ceu, que 
se soit farme chose et estauble, a je fait saieleir cez presantes lettres dou saieil 


") Busendorf. 


de ma court de Bouzonville par la requeste et par lez priierés des parties 
devant dites. 

Ke furent faites l'an de graice nostre signour mil dous ®ens :quattre vins 
et saize ans, londemain de l’ascencion nostre isignonr. 


Or. Coblenz St. A. 
Siegel abgefallen. 


67. — Die Brüder Peter und Friedrich gen. von Reisweiler und ahre Ge- 
schwister bekennen, dass ihr Streit mit dem Kloster Lautern über den Hof Steinberg 
beigelegt sei. 1296 Ma 31. 

Nos Petrus et Fridericus fratres de Rayswilre dicti, fili Alberti 
pie memorie quondam de Dyrmendinga, cum ceteris nostris fratribus atque 
sororibus sive heredibus notum facimus universis tam presentibus quam futuris 
presentes litteras inspecturis aut etiam audituris, quod omnis lis sive discordia, 
que vertebatur inter nos ex parte una et religiosas dominas atque honestas vide- 
licet . . magistram et conventum de Luytra ex parte altera mediante consilio 
proborum virorum et peritorum sedata est amicabiliter et sopita super quadam 
curte dieta Steinberch eisdem dominabus religiosis attinente seu ab ipsis possessa 
de consensu nostro plenario et voluntario in hunc modum: renuntiavimus enim et 
per presentes renuntiamus cum omnibus nostris successoribus omni juri, quod 
nos ratione juris hereditarii in ipsa curte habere credidimus quoquo modo, nec 
ipsas dominas religiosas sepius dietas propter curtem ipsam deinceps in judicio 
vel extra judicium impetere debebimus sive etiam impedire. Testes sunt, quorum 
nomina subarantur, videlicet: discretus vir dominus Sybodus presbiter de 
Wellinga, Hennelo (?) scultetus de Xhowenberch dictus de Wysein- 
bach, Lücho villieus de Dyrmendinga et plures alii fidedigni. In cujus rei 
testimonium evidens et munimen, quia sigillo proprio caremus, sigillum honora- 
bilis viri et religiosi Folmari dei patientia abbatis de Tholeya litteris pro- 
curavimus hiis apponi. Et nos prefatus F. Abbas de Tholeya assentientes, omnia 
premissa esse vera, ad preces et ad instantiam dictorum, P. et T. fratrum cetero- 
rumque heredum, qui assensum debuerunt aliqualiter adhibere, sigillum nostrum 
hiis litteris duximus appendendum. 

Datum feria quinta proxima post dominicam qua cantatur »factus est ele. 
anno domini M°CC°nonagesimo VI". 


Or. Coblenz St. A. 
Siegel des Abtes Folmar von Tholey beschädigt. 
Rücks. Vermerk 18. Jh. »1262 Lebach«. 


68. — Der Official der bischöflichen Curie in Metz verweist auf das Privileg 
des Papstes Hadrian IV. für Fraulautern vom Jahre 1155 und bedroht alle mit Ex- 
communication, die das Kloster beraubt haben, falls sie nicht binnen bestimmter Frist 
Entschädigung gewähren. 1297 November 27. 

Officialis curie Metensis universis presentes litteras inspecturis salutem 
in domino. Noveritis nos vidisse et tenuisse litteras apostolicas non abolitas, 
non cancellatas, nec in aliqua sui parte viciatas, hunc titulum continentes: 
Adrianus etc. etc!) Cum igitur aliqui malefactores dei timore postposito et 


Ts 1) Wie oben No. 2, 


ei 


mandato apostolico non eurato Lutrensem ecckesiam predictam spolient, hontines 
erusdem ecclesie capiant, bona curtium dicipiant, molendina sua destruant et con- 
fringant, prout nobis prepositus, magistra et conventus eiusdem ecclesie lacrima- 
bili querimonia demonstrarunt, eapropler nos mandatum apostolicum efficaciter 
promovere et ecclesias et omnes personas ecclesiasticas defendere fideliter inten- 
dentes, vobis omnibus abbatibus, prioribus, decanis, archipresbiteris, presbiteris 
seu aliis ecclesiarum rectoribus in dyocesi Metensi constitutis, ad quos presentes 
littere pervenerint, sub pena suspensionis et excommunicationis, quas in vos 
ferimus in hiis scriptis, si non feceritis, quod anandamus, trium tamen dierum 
monitione premissa, cum requisiti per presentes fueritis, precipiendo mandamus: 
quatinus omnes molestatores, iniuriatores, spoliatores dicte ecclesie primo, secundo 
et tercio commonitos habeatis, ut sepe dicte ecclesie de dampno et molestiis 
satisfaciant competentes et nobis de contemptu eo quod mandatum nostrum immo 
verius apostolicum contempserunt: alioquin ipsos, nisi infra octo dies post mo- 
nitionis vestras dicte ecclesie de dampnis et molestiis satisfecerint, quos nos ex 
tunc excommunicamus in hiis scriplis, excommunicatos nominatim illos, de quibus 
vobis constiterit, alios vero in generali singulis diebus dominicis et festivis 
candelis accensis campanis pulsatis publice nuncietis, alta voce eisdem expri- 
mentes illud quod in litteris apostolicis eontinetur videlicet: nisi presumpcionem 
suam digna satisfactione correxerint, potestatis honorisque sui dignitate careant, 
reosque se divino iudicio existere de perpetrata iniquitate cognoscant et a sacra- 
lissimo corpore et sanguine dei et domini redemptoris nostri Jhesu Christi alieni 
fiant, atque in extremo examine districte ultioni subiaceant, nec a denunciatione 
eorum, qui propter hoc fuerint excommunicati, cessetis nec eos pro absolutis 
habeatis, quousque de absolutione eorum aliud a nobis receperitis in mandatis. 

Datum feria quarta ante festum beati Andree apostoli, anno domini mille- 
simo ducentesimo nonagesimo septimo. 


Or. Coblenz St. À. 

Siegel an mehrfarbigen Seidenschnüren, abgefallen. — Höhe der Urkunde 
bis zum umgebogenen Rande 61,5 cm, Breite 52,5 cm, umgeb. Rand 6,5 cm. — 
Rückseitige Vermerke des 18. Jh.: 1. Bulla Adriani quarti Romani Pon- 
tificis emanata anno 1297 (corrigiert aus 1157) vigesima nona 10 bris (sic!), 
qua excommunicantur omnes Molestatores, detentores bonorum seu 
Violatores jurium ac Damnificatores Ecclesie Lutriensis seu personarum 
ibi Deo servientium. Numerus 4tus A. — 2. Excommunicatio a papa 
contra omnes molestatores nostros. 


69. — Herzog Friedrich von Lothringen bezeugt, dass Ritter Isenbert von 
Warsberg seine lothringischen Lehen um eine Wiese über dem Teich am Warentwald 
unter Gürtingen gemehrt habe. 1299 December 25 (?). 

Je Ferris dus de Lorreingne et marchis fais savoir a tous, que c’est 
bien par mon los et par mon orant, que mes sires Ysambers de Warnesperch 
chevaliers mes hom et mes feaubles ait et teingne de moi en acroisance des 
autres fiez, qu’il tient jai de moi, les preis, qu'il at acheteiz desuz mon estant dou 
bois de Warant desouz Guertenges!) sauf mon droit. En tesmoignaige de 


7) Guerting, (on de Boulay, Gürtingen. 


— EE — 


veritei et pour ceu, que se soit ferme chouze et estable lan ai je donnee: ceste 
lettre pendant saelee de mon seel, qui ful faite l'an mil douz cens quatre vins 
et dix et nuef, on mois de decembre, le jour de lan. 


Or. Coblenz St. A. 

Die Hülfte des grossen runden Reitersiegels nebst Rücksiegel des Herzogs. 

Rücks. Vermerk 15. Jh. »non pertinet nobise ; 18. Jh. »Gensbache, — 
Die Datierung 1299, December am Jahrestag ist merkwürdig und könnte 
zu dem Schlusse führen, dass doch der 25. December als Jahresanfang mit 
»Jahrestags bezeichnet worden wäre, wo bleibt aber dann der hier doch 
anzunehmende Trierer oder Metzer Styl? 


Schlussbemerkung. Zur Vervollständigung der Nachrichten über Frau- 
lautern bis 2. .J. 1300 sei hier noch auf folgende, in den Mittelrh. Regesten Band IV 
an der bezeichneten Stelle aufgeführten Urkunden hingewiesen : 


1289 Mai 16, Meier Henzo von Lautern; 8. 375, No. 1660. 
1289 Dec. 7, Bruno, Landdechant von Lautern; 8. 385, No. 1709. 
1290 April 10, Priester Andreas von Lautern als Vicepastor der Eaurentius- 
kirche in Trier berufen; S. 395, No. 1761. 
1294 April 4, Die Meisterin von Lautern siegelt mit dem Abt von Wadgassen 
eine Verkaufsurkunde; 8. 507, No. 2266. 
Zwei im Archiv Fraulauterns in Coblenz befindliche französische Urkunden ent- 
stammen zwar dem ehemaligen Klosterarchive, beziehen sich aber nicht auf das Kloster 
und wurden daher nicht aufgenommen. Die erste v. J. 1249 August 28 rührt von 
Ritter R. von Siersberg, die zweite, 1285 Mai, von Graf Eberhard von Zweibrücken her. 


35 — 


Register zu den Urkunden. 


Die Zahlen bezeichnen die Nummer der Urkunden, Jahreszahlen sind in 
Klammern beigefügt. 


Adelartswilre, Lifwinus de 10 (1212). 
Adelbero Albero, Erzbischof v. Trier 1. 
Adelbertus, miles 1. 
Albericus, Zeuge bei 
Bitsch 6 (1183). 

Alexander, Archidiacon in Trier 1 (1154). 

Alemegne (Allemagne) 64. 

Alstringen, Conradus de, 
S. Arnual 17 (c. 1236). 

Andreas, Dechant in Wallerfangen 48 
(1269). 

Arnold, Erzbischof von Trier 4 (1174). 

Arnold, Stiefsohn des Ludwig Molgrin 
in Trier 12 (1225). 

Arnual S., Kloster. Dechant Evervin, 
Priester Conradus de Alstringen und 
Reynold 17 (c. 1236), Cantor Th. 51 
(1274). Siegel 34 (1251). 


Friedrich von 


Priester in 


Balderich, Dom-Scholasticus in Trier 1 
(1154). 

Beckingen, Arnoldus de 8 (1183). Priester 
Marquard in B. 19 (1237). 

Bedesdorf, Bedresdorf, Bedersdorf Kr. 
Saarlouis, Benzelinus und Johannes 
de B. 23 (1241), Priester Friedrich 
23 (1241). 

Berge, Ludewicus de 17 (c. 1236). 

Berilberch (oder Bevilberch?), Berg bei 
Neumagen 3. 

Berlouvis, Frau in Weiler supra mon- 
tem 39. 

B(erthold), Archidiacon (S. 
Bapt. in Marsal) 14 (1230). 

Bertolf, Abt von S. Eucharius in Trier 1 
(1154). 

Bevelsheim, de 17 (c. 1236). 

Bezelin, Ritter 19 (1237). S. auch unter 
Bedesdorf. 

Bilze, Schwester des Ludwig Molgrin in 
Trier 12 (1225). 


Johannis 


_ Bissenpul, Flurname 23. 


Bitsch, Bitse, Friedericus de, Bitensium 
dominus 6, 7, 8 (1183); seine Söhne 
Matthäus und Philipp 7 (c. 1183). 

Bolay, de s. Bolchen. 

Bolchen, Archipresbyter Ludwig daselbst 
38 (1258). Jofridus de, armiger 62 
(1289). 

Bosonvile, Bosonis villa s. Busendorf. 

Bovaries, Boveries, Berg u. Dorf bei Neu- 
magen, jetzt Ferres 1,2,4. Einwohner 

Evero und Lambert 40, Petrus de 31. 

Breide, wohl Bretten, Saline daselbst 15. 

Brucha, Walterus de 18 (1236). 

Brücke, von der, s. de Ponte. 


 Bruka, Theodericus de 4 (1174). 


Burchard, Priester 
(c. 1200). 

Busendorf, Bosonvile, Bosonis villa 64, 
65, 66. 


in Fraulautern 9 


Cancer s. Krebs. 

Casse bei Schwarzenholz 46, 

Castel (Castela) 10. 

Cevene s. Zewen. 

Christian, Priester in Liesdorf 8 (1183). 

Claustrum (Kloster Himmerode) Abt des- 
selben 1 (1154). 

Cluscetre (Clüsserath) 5. 

Cokeren, Volmarus de 17 (c, 1236). 

Conrad, Propst von S. Paulin in Trier 1 
(1154), Erzpriester in Weierbach (50) 


(1275). 

Crekenberc bei Schwarzenholz, Flur- 
name 46. 

Crichelsperch, Hezelo de Neumagen 


dictus de 43 (1261). 
Crippin, Johannes und sein Sohn Jacob 
65 (1294). 


Dale, de, Ritter 61 Bemerkung. 

Dalhem, Dalheim, Friedrich von, Burg- 
graf von Siersberg 64a (1450). 

Daswilre Dasweiler (?) 23. 

Daun s. Dune. 

Davels, Wilhelmus de 20 (1239). 

Dentingen, Kirche, 41, Roricus de 19 
(1237). 

Dirmendingen, Albertus de 67 (1296) 
(Dirmingen, Kr. Öttweiler), Hofmeier 
Lucho in D. 67. 

Drogena, Thron a. d. Mosel, 42. 

Drutwivis, Witwe in Zewen 39. 

Dune, de, 9 (c. 1200). 

Durnen, Düren, Kr. Saarlouis, 38. 


Eberwin, Priester in Fraulautern, 9 
- (e. 1200). 
Echternach, s. Epternach. 
Ellenbach, Conradus de, 58 (1280). 
Engelsgasse in Neumagen, 44. 
Epternako, Gertrudis de, 12 (1225). 
Esswilre, Symon dominus de (Esch- 
weiler) 38 (1258). 


56 


Euren, Uren, Urium (bei Trier) 2, 22, 63. | 


Finstingen 18, Erzpriester W. in F.18 | 
| Hana Petra s. Hunolstein. 
| Hane, Theodericus dominus de, Schwie- 


(1236). 
Folmarus, Archidiacon in Trier 3 (c. 1160). 


Foramine, Johannes dictus de (Neu- | 


magen) 31 (c. 1250). 

Fraulautern, Kloster. Meisterinnen: 
J. (Jutta oder Ida?) 13 (c. 1225). 
B. (Berta) 23 (1241), 28 (1250). Jutta 


| 


46, 47 (1265). Gertrud 48 (1269), 52 | 


(1279). Elza 62 (1289). 


Pröpste: Heinrich 1, 2, 3, 4 (1154— | 
1174). Johannes 12 (1225), 17 ‘c. 1236). | 


Bruning 45 (1262). 


l 


| 


Ort 31, 47, 59. Einwohner Gerhard 
und Heinrich, Söhne des Conrad 47. 
Freisammus, Lodewicus, Schöffe in 
Trier 12 (1225). 
Friedericus, Subdiacon in Trier 11 (1224). 
Abt von S. Nabor 62 (1289). 


Gemino Ponte, comes de s. Zweibrücken. 

Gensbach, Gynsbach, Guinspach, 2. 
Mühle und Teich dabei 62. 

Gerbodo von der Wetzelsmühle 17, 18 
(1256). 

Gerhard, Propst des Coll.-Stifts Pfalzel, 
4 (1174). 


' Gerlevingen, Johannes de, 8 (1183). 
 (ladariensis, S. Martinus s. Lungfelden. 


Schwestern: Oda von Neumagen 5 | 
(1169—1197). R. 13 (c. 1225). Hawele | 


66 (1296). 
Geistliche: B. 13 (1225). Hugo 19 
(1237). B. Dechant 52, 53 (1279). 


Conversen : Anselm 17. Leibeigene: 


Walter 15. 
Ecclesia s. trinitatis et beate Marie 
16 (1235), 43 (1261), 49 (1261). 


Gottfried, Dompropst in Trier 1, 3 (1154, 
1160). Abt von S. Martin in Trier 1 
(1154). 

Grecenborn, Walterus domicellus 
(Grügelborn ?) 46 (1265). 

Gunsingen, Alardus miles de 40 (1259). 
Henricus miles dominus de 59 (1283). 
Ort 65. 

Gürtingen, Guertenges, Kr. Bolchen, 69. 


de 


Hadrian IV., Papst, 2 (1155). 


servater des Nic. Vogt v. Hunolstein, 
45 (1262). 

Harundo (in Harundine), Flurname bei 
Fraulautern, 47. 

Hasard, Conradus, in Neumagen 44 (1261) 

Hasborn, Haysburne, Hainsporne, Kirche 
daselbst, 54—57. 

Hechelingen, Wilhelmus de 8 (1183). 

Heinrich, Cantor am Domstift in Trier 
1 (1154). 

Heinrich, Erwählter von Trier, s. Trierer 
Erzbischöfe. 

Heinzenberg, Heincinberch, Wilhelmus 
et Johannes domini de, Gebrüder 61 
(1287). 

Himmerode (Claustrum) Abtei 9. Abt 
derselben 1 (1154). 

Himmersdorf, Marsilius de 6 (1183), Be- 
rengerus 8 (1183). 


Hoen, Flurname bei Fraulautern 47. 

Homburg, Diöcese Metz, Kirche und 
Dechant Th. 61 (1287). 

Huccelstorf 32, s. auch Usselsdorf, Uzzels- 
dorf. 


97 


Hufgut des Herzogs von Lothringen bei | 
, Lungfelden, Abtei (S. Martini Gladarien- 


Wallerfangen 24. 
Hugo, Cardinal-Presbyter v. T. 
binae, päpstl. Legat 35 (1254). 


Hugo advocatus de 16 (1225), 21 (1239), 
Nicolaus u. s. Frau Beatrix 45 (1262), 
Huren (Euren ?), T. de 12 (1225). 
Hustat, Philippus de 8 (1183), Johannes 
19 (1237). 


Inne, Godscalcus de 38 (1258), Alardus 
armiger, seine Frau Katharina u. s. + 
Sohn Philipp 65 (1294), 66 (1296). 


S. Sa- | 


Lothringen, Herzog von, Friedrich 10, 
Matthäus 24 (1248), Friedrich 59 (1283), 
60 (1285), 64, 65 (1294), 66 (1296), 
69 (1299). 

Ludewicus abbas s. Marie (Trier) 1 (1154), 
Sohn d. Ludw. Molgrin (Trier) 12 (1225). 


sis), Abt23(1241), Abt Johannes 38(1258). 


| Lutrea supra Saram 31, s. sonst Frau- 
Hunescheit, Hof bei Schwarzenholz 2, 45. | 
Hunolstein (Hunoldesten, de Hana Petra). 
: Malberg, Cuno de, 4 (1174), Merbodo 


Johannes, Archidiacon in Trier, 1 (1154). | 


Jutta (v. Neumagen?) 1 (1154). 


Kassen (Ort) 31. 


lautern. 
Lyren, Tirricus, in Trier, 12 (1225). 


18 (1236). 
Malstat, Liebwinus de, 17 (c. 1236). 
Maring (Kr. Bernkastel) 9. 
Mathenlev, Flurname bei Fraulautern, 47. 
Mathilde, Gräfin v. Saarbrücken 51 (1274). 
Mechtildis, Ehefrau des Subdiacons 
Friedrich in Trier, u. deren Tochter 
11 (1224). 
Mediolacus s. Mettlach. 
Mesinher, Erzbischof v. Trier, 1. 


| Merle, Fridericus de, 9 (c. 1200). 


Kerlingen (Kyrlingen, Keirlingen, Kir- | 


lenges) 2, 8, 64, 69. 
Kirkele, Johannes de, 33 (1251). 


(1259). 


Mertinesgemeinde supra Mosellam ir 
parrochia Numagen 31. 


Metildis domina 37 (1255). 


 Mettlach, Abtei (Mediolacus) 1. 


Krebs (Cancer) Anselmus in Euren (Urio) | 


s. Wittwe Margaretha u. s. Sohn Ger- 
lach 63 (1290). 

Lanegrith, Bezeichnung für eine Pfand- 
art 39. 

Laubach (Lupach) 2. 

Lautern s. Fraulautern. 

Lebach 2, 49. 

Lendesele, Lindenselle, wohl Linslerhof, 
Kr. Saarlouis, 1, 2. 

Leo, Hofmeier Fraulauterns in Schwar- 
zenholz, 46 (1265), 51 (1274). 

Liesdorf (Lizdorf), Marsilius et Reinerus 
fratres de, Marsilius junior 19 (1237); 
Elisabeth et Godefridus filius ejus de 
28 (1250). 

Priester Heimo in L. 19 11237), Ort 36. 

Loimersfelt, Arnoldus de u. s. Sohn Heso 

8 (1183). 


Knilinc, Rudolfus dictus, in Zewen 39 | Metz, Bischöfe: 


Johannes 

Jacobus 34 (1251), 
Archidiacon Johannes 18 (1236), Offi- 

cial des Bistums 68 (1297), Diöcese 68. 

Molgrin, Ludwig, Bürger in Trier, 12, 22 
(1225, 1241). 

Mauricius, S., in Trier (?) 20 (1239). 

Morsbach. Otto de, 17 (1236). 

Mortena, dominus Wolpero de, 38 (1258). 

Mühle, die untere (de inferiore molen- 
dino) bei Thron, 42. 

Mundekin, Friedrich, Schöffe in Trier. 
12 (1225). 

Munt, Albert de Castela, 10 (1212). 

Nabor S., Abtei, Abt Friedrich, 62 (1289). 

Nalbach Johannes de, Schöffe in Trier, 
12 (1225), Ort 53. 

Nassau (-Saarbrücken), Graf Johann von, 
64 Bemerkung (1457). 

Neumagen (Numagen, Numachen, 


14, (1230), 


Nu- 


maga), Wiricus dominus, de und dessen 


Mutter Jutta 1 (1154), 2 (1155). Maf- 
fridus antiquior dominus de 3 (c. 1160), 
Wiricus de und dessen Bruder 4 (1174). 
Mafridus miles de 5 (1169—97), 31 
(e. 1250). Meffridus dominus in 42 
(1260), 43, 44 (1261). Oda de, Nonne 
in Fraulautern 5 (1169—97). Hezelo 
de, dietus de Crichelsperch 43 (1261). 
Conradus de, dietus Hasard 44 (1261). 
— Castrum 3. Centurio H., Scabinae: 
Walter und JohannLeidevas, Alexander 
und Conrad Hasart, Stephan, Reinbold, 
Gobolo Grundela 31 (c. 1250). Ein- 
wohnerLambert, Johannes de Foramine, 
Winrich 31 (c.1250). Schöffen 42 (1260) 
Ort 31, 40, 42—44, 50. Parochie 31. 
Noviant, Kr. Bernkastel, 9. 


Oda (de Neumagen), Nonne in Frau- 
lautern, 5 (1169—97). 

Oirswit, Flurname bei Liesdorf, 36. 

Osilia, uxor Willelmi, 7 (1183). 

Oswilre (wo?) 23. 


Pachten à. d. Saar, (Patta, Paten, Pathe, 
Patthen) 2, 7, 19, 33, Osilia de 10 
(1212). 

Palacio, Walterus de 4 (1174). 
20 (1239). 

Palaciolum s. Pfalzel. 

Päpste, Hadrian IV., 2 (1155), 68. Inno- 
cenz IV., 25 (1249), 35 (1254). 

Patta s. Pachten. 

Pfalzel (Palaciolum) Collegiatstift. Propst 
Gerhard 4 (1174). 

Pirus Regia dieta Puwilre 39. 

Ponte, Ludewicus de, Ministeriale des 
Trierer Domstifts, und dessen Bruder 
Reinerus 9 (c. 1200). Rudolfus ebenda. 

Puella, Lodewicus et Ernestus, Schöffen 
in Trier 12 (1225). 

Puwilre 39. 


Conrad 


Radisvilla s. Reisweiler. 

Ravengiersburg, Kloster, Propst dessel- 
ben 61 (1287). 

Ravilla, Robertus de (Rollingen) 14 (1230). 

Rehlingen (Rollingen), Kr. Saarlouis, 6. 
Mühle daselbst, 33. 


58 


Reisweiler (Radisvilla Resswilre) 1, 2, 
10, 19, 27—30, 32. Brüder Peter und 
Friedrich von R., Söhne. des Albert 
von Dirmingen, 67 (1296). 

Rettel s. Rutela. 

Rikardus, Abt von Springiersbach, 1 
(1154). — Ricardus miles Schöffe ın 
Trier, 11 (1224). 

Ritenhofen, Hans von, 64 Bemerkung 
(1457). 

Roden (Rodene), Kr. Saarlouis, 1, 2. 
Priester Arnold daselbst 19 (1237). 

Rolingen, Wiricus de, 6 (1183). 

Roricus junior 17 (c. 1236). 

Rudolfus, Domdechant in Trier, 1 (1154). 
Dompropst 4(1174). Zeuge bei Friedrich 
von Bitsch 6 (1183). 

Rulant, Cono dictus de, u. 
Th. dominus de Rulant 
Dominus de R. 39 (1259). 

Rutela, Rettel a. d. Mosel, Abt daselbst 
7*(e. 11183): 


s. Bruder 
22 (1241). 


Saarbrücken 17, 34 (Burg und Mühle). 
51 (Maass von S.). Graf Simon von S. 
15 (1234). Gräfin Lauretta 34 (1251). 
Gräfin Mathilde 51 (1274). 

Saarwerden, Graf Heinrich von, 41 (1259). 

Salm, Graf Heinrich von, 45 (1262). 

Sattler (Godefridus sellator) s. sellator. 

Schaumburg (Schowenberch), Schult- 
heissHennelo dietus de Wyseinbach, 
67 (1296). 

Schoneckin, Heinricus de, 61 Bemerkung. 

Schowenberch s. Schaumburg. 

Schwalbach (Sualpauch), Godefridus de, 
u. s. Mutter Methildis 19 (1237). 
Johannes de u. s. Frau Elyse 36 
(1254). Kirche 36. 

Schwarzenberg, Ritter Gerlach Crippin 
von, 49 (1270), 54 (1279),56—58 (1280). 
S. Frau Agnes, s. Söhne Johann und 
Wilhelm, s. Schwiegertochter Aleyd, 
s. Bruder Hugo 49 (1270). Ritter 
Wilhelm 55 (1279), 56, 58 (1280). — 
Theoderich Rumanz von S. 58 (1280). 

Schwarzenholz (Svarcenholf, Svarcen- 
holz) 2, 16, 21, 45, 52, 53. Schöffen, 


Einwohner namens Conzo, Leo, Con- 
radus, Fridericus, Petrus 46. Mühle 51. 

Sellator, Godefridus, Schöffe in Trier, 
12 (1225). 

Senheim (Seneym), Heribertus miles de, 
s. Frau Metildis u. s. Kinder Winandus, 
Richardus und Ida; Mann der Ida 
Vussolo, 61 (1287). 

Sensweiler (Synswilre, Sindiswilre) Kr. 
Bernkastel, 50, 61. 

Serca s. Sierck. 

Sermeldingen (Sermedingen), Sermel- 
dinger Hof, Kr. Saarlouis, 2, 66. 

Sibodo, Pfarrer in Usselsdorf (?) 23 (1241). 

Sidelingis, Matthäus dominus de, 19(1237). 

Sierck (Serca), Arnolfus de, 1 (1154). 

Siersberg (Sirsperch, Syberch, Sirzperch), 
Rudulfus de u. s. Bruder Albericus 8 
(1183). Rodulfus u. Johannes 19 (1237). 
Johannes 23 (1241). Arnoldus, s. Frau 


Elisabeth u. s. Mutter Marga- retha 33 | 
(1251). Rudolfus miles 52, 53 (1279), | 


59 (1283). BurggrafFriedrich 64a (1450). 

Sigerus, Abt von S. Maximin in Trier, 
1 (1154). 

Sistap, Heinricus 20 (1239). 

Spanhem, armiger de, u. s. Frau Cle- 
menze in Tholey, 66 (1296). 


Springiersbach, Abtei, Abt Richard 1 


(1154). Abt Gottfried 4 (1174). 
Steinberg (Kr. Saarlouis), 2, 49, 67. 
Stürzelborn, Abt des Klosters 1 (ec. 1183). 

Abt Theoderich, und Symon, dessen 

Capellan, 10 (1212). 

Symon, Capellan des Abts von Stürzel- 
born, 10 (1212). Schultheiss in Neu- 
magen 44 (1261). Pfarrer in Sens- 
weiler 50 (1273). 

Synzwilre s. Sensweiler. 


Theodericus, Bruder des Propstes Hein- 
rich von Fraulautern, 4 (1174). Laien- 
bruder in Fraulautern, 9 (c. 1200). 

Thetingen, Bartholomaeus et Heinricus 
fratres de, 51 (1274). 

Tholey, Abtei, 66. Abt Folmar 67 (1296). 

Thomas, Ritter (Trier) 11 (1224). 

Thron s. Drogena. 


Tirricus, Bruder des Ludwig Molgrin in 
Trier, 12 (1225). 

Trier. Erzbischöfe: Albero 1, Meginher 1, 
Hillin 1 (1154), Arnold 4 (1174), 
Arnold 32 (1251), Heinrich 45 electus 
(1262). 49 (1270). 57 (1280). — Offi- 
cial 63 (1290). 

Domcapitel 9 (c. 1200). 

Domstift. Pröpste: Gottfried 1 (1154), 
3. (1160). Rudolf 4 (1174). 5 (1169— 97). 
Rudolf 11 (1224). Symon 45 (1262). 
Dechanten: Rudolf 1 (1154). 3 (1160). 
Johannes 4 (1174) W. 11 (1224). — 
Archidiakonen: Alexander, Johannes 
1 (1154). Folmar 3 (c. 1160). 4 (1174). 
Rudolf 4 (1174). Godinus 4 (1174). 
A. S. 26 (1249). Symon (et thesau- 
rarius) 27 (1250). Walram 56. 57 
(1280). — Cantoren: Heinrich 1 (1154). 
3 (1160). Johannes 63 (1290). — 
Cellerarius: Wezelo 3 (c. 1160). — 
Scholastiei: Balderich 1 (1154). Werner 
11 (1224). — Canonici: Everbero, 
Rudolf, Theoderich, Cuno, Engelbert, 
Liebert, Wezelo, Wehelo 3 (c. 1160), 
Th. 20 (1239). S. can. et officialis 
26 (1249). — Ministerialen: Engelbert. 
Friedrich, Wilhelm, Hermann, Enbrico, 
Theoderich 1 (1154). 

Klöster u. Stifter: S. Eucharius, 
Abt Bertolf 1 (1154). Ludwig 4 (1174). 

S. Maria ad martyres, Abt 

Ludwig 1 (1154), Reinbold 4 (1174). — 

S. Martinus, Abt Oliver 4 (1174). — 

S. Martinus (Dominikaner-Nonnen- 

kloster) Priorissin A. 37 (1255). — 

S. Maximin, Abt Siger 1 (1154). — 

S. Paulinus 37, Propst Conrad 1 

(1154), A. 26 (1249). Canonici Hugo 

u. Ludwig 11 (1224). — S. Symeon, 

Dechant Walter 1 (1154). 4 (1174). 

Cantor Wezelo 4 (1174). Scholasticus 

W.,. Custos Johannes 13 (c. 1225). 

Canonicus Conrad 11(1224). Sacerdotes 

Erfo, Otto, Burchard 13 (c. 1225). — 

S,Symeon, Hospital, 44. — 
Geistliche: Lambert, Siegfried 11 

(1224). 


Stadt 1, 2, 20, 37. — Schöffen: 
Thomas u. Richard 11. Gottfried Satt- | 
ler (sellator), Ludwig Freisam, Fried- | 
rich Mundekin, Bonefaz, Walter, Her- 
brand, Heinrich, Ordolf, Ludwig und | 
Ernst Puella, Johann von Stalbach, | 
Ludwig Weiss (Albus), Heinrich, Bal- 
duin 12 (1225). Giletus, Heinrich, 
Warner, Nicolaus, Heinrich, Colinus, : 
Ordolf, Karl, Heinrich, Ordulf, Petrus, 
Heinrich, Philipp, Jacobus 39 (1259). 
— Bürger: Herbord Schultheiss (scul- 
tetus), Ludwig Vogt (advocatus), Lud- 
wig Slizeweche 9 (c. 1200). Heinrich 
u. seine Frau G. 20 (1239). 

Turri, Arnoldus de, 8 (1183). 
Uren s. Euren. 
Urley, dominus Gerhardus de, 42 (1260). 


60 


Usselsdorf, Uzzelsdorf, Huccelsdorf, Uzils- | 


torf (wo?) 2, 64. 


Uzzelsdorf, Antonius dominus de, 38 (1258). : 


Veldenz, Hermannus miles de, 43 (1261). | 


Villarıum — Weiler-Bettnach bei Metz, | 
Kloster, Abt 7 (1183). 

Volkelinga (Völklingen), Gervalcus de, 
10 (1212). 

Vorst, Flurbezeichnung bei Zewen 39. 

Vussolo, Ehemann der Ida v. Senheim 
61 (1287). 

W. Erzpriester in Finstingen 18 (1236). 

Wadgassen, Abtei. Aebte: Peregrinus 10 
(1212), ohne Namen 19, Heinrich 28, 30 
(1250), o. N. 33, 34, Heinrich 36 (1254), 
47 (1265). — Prior Helwich 10 (1212). 

Wadrill, Priester daselbst 56 (1280). 

Waldrowanges, Wadervenges etc. siehe 
Wallerfangen. 

Wallerfangen 1, 2, 24, 59, 64. Dechant 
A (Andreas) 52,53 (1279). Schultheiss 
Godemann u. s. Frau Engelreth, ihr 
Sohn Dechant Andreas 48 (1269). 

Walter, Dechant v. S. Symcon, Trier 
L (1159): 

Warantwald 69. 

Warsberg, Warnesberg, 
Warlesberch. Novum 


; Wilhelmus + et 


Warnesperch, | 
castrum 47. | 


Gerburgis de 10 (1212), Hadewidis 37 
(1255),39 (1259), die Witwe des Ritters 
Alard v. Gunsingen 40 (1259), Robertus 
miles und sein Sohn Johannes 41 
(1259), Matthäus miles und sein Sohn 
Heinrich 47 (1265), Johannes dominus 
justitiarius des Herzogs v. Lothringen, 
48 (1269), 52, 53 (1279), 59 (1283), Ritter 
Isenbert(Ysambers chevalier) 69 (1299). 
Webergasse (in Wevirgazen), Trier, 12. 


' Weierbach a. d. Nahe, 50. 


Weiler, Wilre, Johannes de 12 (1225). 
Weiler (Vilare, Wilre, Villerium) 1, 2. 
W. supra montem 39, Schöffen und 
Einwohner mit Namen aufgeführt 46. 

Weiler-Bettnach, s. Villarıum. 

Weiss (Albus), Ludwig, Schöffe in Trier, 
12 (1225). 

Weldinga, s. Willingen. 

Wernerus dictus de inferiori molendino 
in Thron. 42 (1260). 

Werschweiler, Werniswilre Kloster 12. 

Wetzelsmühle (in molendino Wezzeles) 
10, 18: 

Wied, Gräfin Lukardis von, 15 (1234). 

Wildesacker, Rudolfus miles de, 4 (1174). 

Wildesberg, Johannes de, 18 (1236). 

uxor sua Osilia 
Pachten, 7 (1183). 

Willingen, Weldinga, Weldingen (Archi- 
presbyterat S. Avold), 2. 14. Folmarus 
dominus de, 8 (1183). Anselmus do- 
minus de, 38 (1258). Svbodus, Pres- 
byter zu W. 67, (1296). 

Wiricus dominus (de Numagen) 1, 2 

Wiricus, frater ecelesie (Trier?), 20 (1239). 

Wourthen, Flurname bei Schwarzen- 
holz, 46. 

Wvseinbach, Schultheiss Hennelo von 
Schaumburg, gen. v. W., 67 (1296). 

Zewen (Cevene in monte) 39. 

Zum Heister (Zcumeheistre), Flurname 
bei Düren, Kr. Saarlouis, 38, 

Zweibacher Hof (Zweynbechen), bei Neu-- 
magen, 2. 

Zweibrücken, Graf Heinrich von (de 


Gemino Ponte), und seine Frau Hedwig, 
10 (1212), Graf Heinrich 28,29 (1250). 


in 


een =: 


Laut- und Flexionslehre der Mundart der Moselgesend 
von Oberham bis zur Rheinprovinz 


von 


Karl Hoffmann. 


EINLEITUNG. 


In mannigfachen Windungen schlängelt sich die Mosel in ihrem 
Laufe von oberhalb Oberham bis zur Grenze der Rheinprovinz hin und 
zwar bis Mallingen in einer reichen Ebene. Von dort ab erheben sich 
an ihren Ufern zu beiden Seiten vielfach kleinere Hügel: die auf dem 
linken Ufer laufen ununterbrochen von Berg bis zur luxemburgischen 
Grenze fort. Zu beiden Seiten der Mosel sind an den Abhängen die 
schönsten Reben zu sehen. Der Wein steht allerdings ziemlich weit 
hinter den Weinen der Metzer Gegend zurück (es ist nämlich fast nur 
Weisswein), aber doch wird er in der ganzen Gegend fast ausschliesslich 
getrunken und sogar noch von ziemlich weit her angekauft. Auf dem 
rechten Moselufer breitet sich von Rettel bis Sierck eine schöne, frucht- 
bare Ebene aus, die aber leider oft erheblichen Schaden erleidet infolge 
der Moselüberschwemmungen. Von Sierck bis Apach sieht man wieder 
Hügel, die teils wiederum mit Reben, teils anderswie, besonders aber 
mit Obstbäumen, bepflanzt sind. Auch findet man auf dieser Strecke 
auf beiden Seiten der Mosel reichlich Quarz, der weithin versendet 
wird, vor. Ausserdem trifft man auf der ganzen besprochenen Strecke 
Sand, Bau- und Kalksteine in grosser Menge an. An Holz ist die 
Gegend ziemlich arm, und die Wälder, die man erblickt, genügen 
durchaus nicht, um das nötige Brenn- und Bauholz zu liefern. 

Die Hauptbeschäftigung der Bewohner der Gesend bildet der 
Landbau nach dem System der Dreifelderwirtschaft und der Weinbau. 
Die Bodenerzeugnisse sind im allgemeinen mehr als genügend, um die 
nötigen Bedürfnisse zu decken. Ausser Wein sind die Haupterzeugnisse 
Kartoffeln, Weizen und Hafer. Nicht so reichlich ist die Ernte von 


> al " 1 5 7 
Roggen, Gerste, Bohnen, Erbsen, Linsen und Runkelrüben. 


Ge — 


Von jeher gab es in der Gegend zwei grosse Verkehrswege, 
nämlich die Mosel und die grosse Landstrasse von Metz nach Trier. 
In neuerer Zeit bedient man sich nicht mehr des ersteren, denn er ist 
vorteilhaft ersetzt worden durch die Eisenbahnlinie Metz — Dieden- 
hofen— Trier. 

Die Bevölkerung zeichnet sich durch Fleiss und Sparsamkeit aus. 
Sie ist fast ausschliesslich katholisch. Nur in einigen Ortschaften findet 
man noch hin und wieder einheimische jüdische Familien. Auch trifit 
man einige evangelische Familien an. Dieselben sind jedoch nicht 
einheimisch, sondern sie haben sich erst in letzter Zeit, d. h. nach dem 
deutsch-französischen Kriege, in der Gegend niedergelassen. 


Die Sprache der Gegend ist ein deutscher Dialekt, und zwar der 
luxemburgische, der sich aber in Bezug auf die Lautlehre nicht ganz 
mit dem, welcher im Grossherzogtum Luxemburg gesprochen wird, 
deckt, während die Flexionslehre und die Syntax im allgemeinen überall 
dieselben geblieben sind; doch muss hier bemerkt werden, dass in 
Luxemburg die Imperfekte des Indikativs noch sehr häufig gehört werden, 
während dieselben in der Gegend, mit der wir uns beschäftigen, fast 
nur noch bei den Hülfszeitwörtern 3x (sein) und hun (haben) im Ge- 
brauch sind. 


Die Mundart der besprochenen Gegend nun, also einer Strecke 
von 17 bis 18 km in die Länge und 5 bis 6 km in die Breite, soll 
der Gegenstand folgender Abhandlung sein. Die Ortschaften, die dabei 
in Betracht kommen, sind auf dem rechten Moselufer: Ober- und 
Niederham, Elsingen, Koenigsmachern, Metrich, Hettingen, Mallingen, 
Hüntingen, Rettel, Sierck, Rüsdorf, Kirsch, Merschweiler und Apach; 
auf dem linken Moselufer: Berg mit Gauwiese, Beiern, Ober- und 
Niederkontz. 

Ich behalte die Kraeuter’sche Schreibweise bei (siehe $ 1) und 
auch die Zeichen für die Doppelkonsonanten, die Hans Lienhart in 
seiner Dissertation über die »Mundart des mittleren Zornthales im Elsass« 
gebraucht hat, nämlich „=ng; x=ch; $—sch; ts=z; ks=x. Da die 
Mundart auch das weiche und harte s kennt, so soll 3 — weiches s; 
s—hartes s oder ss sein. Auch ist das w nach és und s kein reines 


ee — 


iv, sondern ein Mittellaut zwischen u und w, ich bezeichne diesen Laut 
deshalb mit w. Ausserdem muss ich wegen der französischen Wörter, 
die in der Mundart vorkommen, ein Zeichen für das französische j, 
dessen Aussprache in den meisten Fällen unverändert beibehalten worden 
ist, wählen; ich schreibe dafür Z. Da die Zunge auch manchmal etwas 
lange auf /, m, n und y verweilt, so gebrauche ich, um dieses Ver- 
weilen zu bezeichnen, folgende Zeichen: /, m, » und y. Silben mit 
untergesetztem senkrechten Striche (,) tragen den Hochton. 

Ich werde in der Ausführung zuerst das Wort anführen, wie es 
in der Mundart lautet, dann das mittelhochdeutsche resp. französische 
und zuletzt in Klammern das neuhochdeutsche Wort oder die Bedeutung, 
letzteres allerdings nur da, wo es zum Verständnis des mundartlichen 
oder mittelhochdeutschen Ausdruckes irgendwie notwendig sein wird. 

Dass das Mittelhochdeutsche nicht die Urstufe der Mundart ist, 
wird als selbstverständlich vorausgesetzt; für die Vergleichung mit dem 
älteren Sprachstand leistet es jedoch die besten Dienste. 

Betreffs der Abkürzungen sei folgendes erwähnt: 


Mda. — Mundart; 

ahd. — althochdeutsch ; 
mhd. — mittelhochdeutsch ; 
nhd. — neuhochdeutsch ; 


frz. — französisch. 


G4 — 


ERSTER ABSCHNITT. 


Lautlehre. 


I. Der Vokalismus. 


$ 1. Darstellung und Aussprache der Vokale. 


Die Mundart hat 7 kurze Vokale: 
geschlossen: a et ou 
offen: à 
trüb: 2 
ı ist der kurzgesprochene Laut, den wir in Gatte, lassen, Gasse, ferner 
im frz. ramassa, maladie finden. 
ist der kurzgesprochene Laut in gehen, sehen, Reh, im frz. créé, 
repete, decede. 
ist das kurzgesprochene i in ist, bist, Schiff, Gift, oder das frz. i in 
limité, fini, divisibilite. 
o ist der kurzgesprochene Laut des nhd. o in tot, hoch, oder des frz. 0, 
au in mot, sot, chapeau, autel. 
« ist das kurzgesprochene nhd. u in Stube, Ruhe, Rute, oder das frz. ou 
in fou, mou, poule. 
ist der kurzgesprochene Mittellaut zwischen nhd. ä und geschlossenem 
e und lautet wie nhd. e in Eltern, Gelt, Ferse, oder wie frz. e, 
ai in terre, pelle, mais, bienfait. 
ist der kurzgesprochene dumpfe Laut des nhd. e in unbetonten Silben: 
Bote, siedet, machen; des frz. e und ai in je, me, te, le, se, ne, 
semer, faisant, faisons, faisait. 
Die Mundart zählt 8 lange Vokale: 
geschlossen: & e 4 0 
offen: & € 
überoffen : & 


=, 


= 


SE 


N 


S 


Die langen geschlossenen Vokale entsprechen ihrer Aussprache 
nach den kurzen geschlossenen mit dem Unterschiede, dass sie lang 
gesprochen werden. 


65° — 


d ist ein langer zwischen « und 4 schwebender, aber mehr zu 6 hin- 
neigender Laut. 

é ist ein langer zwischen nhd. langen ä und geschlossenem langen e 
schwebender, aber mehr zu langem ä hinneigender Laut. 4 und € 
kommen nur in einzelnen Ortschaften vor. 

& ist das nhd. ä in Käse, Thräne, oder das frz. ai in caisse, fraise. 
Ausserdem hat sie noch 11 Diphthonge: 

ai, di, au, au, ei ei, ie, ia, ou, ue, ud. 
ia und wa kommen nur in Sierck vor. 


$ 2. Etymologische Verhältnisse des Vokalismus. 
A. Die betonten kurzen Vokale. 


Ausgehend vom mhd. Sprachstand sollen nun im folgenden die 
Veränderungen betrachtet werden, welche die alten Vokale in betonter 
Stellung bei ihrem Uebergang in die Mundart erlitten haben. 


Mhd. a 

wird in der Regel als a beibehalten vor Konsonantenverbindungen und 
wo sich im nhd. Il und nn entwickelt haben: ant, hant (Hand); bay, 
banc (Bank); khamp, kamp (Kamm); zalts, salz (Salz); halof, halp (halb) ; 
khalek, kalc (Kalk); gants, gans, (Gans); damp, dampf (Dampf); Sarof, 
scharpf (scharf); arom, arm (arm und Arm); al, al (all); bal, bal (Ball); 
ban, ban (Bann); man, man (Mann). In Koenigsmachern und in der 
Umgegend, d. h. in Metrich, Elsingen, Ober- und Nieder-Ham ist das a 
jedoch lang vor r 4 Kons. sarf; harf, harpfe (Harfe); arm; darm, darm 
(Darm); warm, warm (warm); in Oberkontz und Berg sagt man zwar 
Sarf, harf, aber vor rm wird das a hier zu à: dorm, wäorm, déorm. 

Ein für alle Mal soll hier bemerkt werden, dass die Mda. viele 
dumpfe » resp. e vor k und ch sich entwickeln lässt vor oder nach r, 
r + Kons., 1 + Kons. und nf. Bei 1 + Kons. und nf steht es zwi- 
schen beiden Konsonanten. Vor einfachem r entwickelt es sich nur 
nach den mundartlichen langen Vokalen und Diphthongen. Bei r + Kons. 
steht es vor r, wenn vor r ein langer Vokal oder Diphthong steht. 
Steht aber vor r ein kurzer Vokal, so tritt das dumpfe e zwischen r 
und den folgenden Konsonanten. Ausgenommen sind jedenfalls die 
Diphthongen öe, ia, uè, ua und das lange 4 sowie auch © und @. Folgt 
jedoch auf r oder r + Kons. noch eine Silbe, so entwickelt sich teils 
das dumpfe e, teils auch nicht, ja bei ein und demselben Worte hört 
man es bald, bald auch wiederum nicht, so dass man hier keine feste 
Regel aufstellen kann. 


— 66 — 


Mhd. a wird 4, wenn einfache Spirans, eine Spirantenverbindung, 
einfache tenuis oder die Liquiden Il, m, n und ng folgen; weiter steht 
a als Ersatzdehnung, wenn die Gemination vereinfacht wird und bei It 
das t ausfällt: «pol, apfel (Apfel); bak, backe (Backe, Wange); bat, bat 
(Bad); khats, katze (Katze); dat, das (das); wat, waz (was); zak, sac 
(Sack); day, dach u. tac (Dach u. Tag); fas, vas (Fass); graf, grap 
(Grab); /dyon, lachen; trayton, trachten; kraft, kraft; mayt, macht 
(Macht): sam, zam (zahm); af, affe (Affe); usafon, anschaffen; ham, 
hamme (Schinken) ; fordamon, verdammen ; flam, vlam u. vlamme (Flamme) ; 
Spanon, spanen; lan, lange; slay, slange (Schlange) ; stay, stange ; orkhalon, 
erkalten; halon, halten; fal, valle u. valte (Falle u. Falte); falon, vallen 
u. valten (fallen und falten). 

Es wird 6 vor Gutturalen, wenn kein r entweder vor oder nach der 
Gutturalis folgt, die Gutturalis fällt aber immer hier aus: klön, klagen; 
kl6, klage ; m6, mage ; möt, maget (Magd) ; Sléon, slagen (schlagen) ; $l6, slage 
(Werkzeug zum Schlagen) ; drösn, tragen; fortsöoon, verzagen. Folgt aber 
ein r, so wird es in der nördl. Hälfte der besprochenen Gegend eben- 
falls zu 6 wie bei den einfachen Gutturalen, in der südl. Hälfte aber 
zu à: môort, mart, market (Markt); mösr, mar, mager; ebendasselbe 
gilt bei a vor rt, rz, rr: höort, hart, hart; bôort, bart, bart; poor, par, 
pfarre (Pfarrei); nöor, nar, narre (Narr); wörtsol, wärtsol, warze: goort, 
gart, garte (Garten); Æhôort, khart, karte. 

Vor re und rw wird das a zu o in Rettel und Apach, zu «e in 
Oberkontz, Berg, Mallingen, Hettingen, Hüntingen; zu «a in Sierck ; 
zu € in Niederkontz, Rüssdorf, Kirsch, Belmach, Merschweiler; in der 
Regel zu 6 in Koenigsmachern und Umgegend: orey, uèry, uary, èrey, 
dry, arc (arg); morey, muery, muarz, merey, in Koenigsmachern und 
Umgegend heisst es auch muery, marc (Mark); forof, fuerf, fuarf, 
ferof, foorf, varwe (Farbe); gorof, guerf, guarf, gèrof, görf, garwe 
(Garbe). | 

In offenen Silben und mitunter auch vor hs, ht, | und r wird es 
in Koenigsmachern und Umgegend meistens zu 6, von Mallingen ab nach 
Norden hin zu «e, vor r jedoch zu ı», in Sierck wa: grôwon, grucwon, 
gruawon, graben; gröf, gruèf, gruaf, grabe (Graben); lödon, luèdon, 
luadon, laden; löt, luèt, luat, lade u. laden (Lade u. Laden); molon, 
muelon, mualon, malen (Getreide malen); tsöl, tsuel, tsual, zal (Zahl); 
3ödol, zuedol, zuadol, satel (Sattel); hôs, hues, huas, hase; nös, mues, 
nuas, nase; Ööt, wet, wat, aht (Acht); nôt, nuèt, nuat, naht (Nacht); wöson; 
wueson, wuason, Wahsen: ıvös, nes, wwuas, wahs (Wachs); flös, flues, 
/Inas, vlahs (Flachs); féron, fuüoron, fuaron, varen (fahren); Sporen, 


67 


Spioron, Spuaron, sparen; Sdvr, Suor, Suar, schar (Pflugschar) ; dévr, dur, 
duar, dar. 

Vor m wird es in Kœnigsmachern und Umgegend zu #, sonst 
zu uw: khumor, khumor, kamere (Kammer); humor, humor, hamer 
(Hammer). 

Das a wird allgemein zu « bei den Wörtern, die zugleich auf 
an und ane im mhd. endigen können: drun, dran u. drane; bun, ban 
u. bane (Bahn); krun, cran u. crane (Krahn); fun, van u. vane (Fahne); 
nur bei /rin, han, hane (Hahn) ist es allgemein zu # geworden. 

Es ist zu © geschwächt worden vor sch und in einigen andern 
Wörtern: es, asch (Esche); bei den meisten mit sch waren jedoch 
zwei Formen, eine mit a und eine mit e schon im mhd. vorhanden, 
so: ès, asche u. esche (Asche); fes, tasche u. tesche; fles, vlasche und 
flesche (Flasche); weson, waschen u. weschen; die andern Wörter, bei 
denen a zu © wird, sind: wol, aber; eltor, altar; entforon, antwurten 
(antworten); pelom, palm; fenkon, fangen; heykon, hangen; delt, tal 
(Thal). Bei diesen letzteren mit Ausnahme von èwol (welches in 
Mallingen, Berg, Oberkontz und in einigen andern Ortschaften sèwol 
und in Koenigsmachern und Umgegend éwol heisst) folgt eine Liquida 
auf das a; vielleicht hat dieselbe irgend welchen Einfluss ausgeübt, wie 
auch wohl oben das n bei drum etc. 

Bei einigen Wörtern wird es zu ie, in Kenigsmachern und Um- 
gegend zu €: wiel, wel, wal (Wahl); siel, sel, schale (wird nur gesagt 
von Früchten, die man schält, z. B. von der Schale der Kartoffeln, 
Aepfel, Birnen ; von den Schalen der Eier, Bäume, Hülsenfrüchten aber 
sagt man suel, in Sierck Sal, in Koenigsmachern und Umgegend $öl) ; 
sniewley, Ssnewley, snabelöht (geschnäbelt, schnabelig): 3ièdbr, zedlr, 
sateler (Sattler) ; $ièt set (Schatten), wofür man jedoch im mhd. neben 
schate auch schete sagte. Vor m wird bei dieser Art von Wörtern 
das a allbemein zu ö: zömlon, samlen (sammeln); $önt, scham (Scham). 


Mhd. e 


wird vor Geminationen und Konsonantenverbindungen in der Regel 
zu ©, d.h. es behält seine Aussprache bei: bèkon, becken (Becken) : 
behen, behende ; bend»l, bendel (Bendel); bo»stelon, bestellen; bet, bette 
(Bett); besor, besser (besser); èrwon, erben; Senkon, schenken; wetm, 
wetten; bomenon, benennen; deykon, denken; sötson, schetzen (schätzen). 

Bei einigen Wörtern mit den Geminationen nn und Il werden 
diese vereinfacht und e wird zu 4: dénon, dennen daneben aber im 
Mhd. auch denen (dehnen); ét, ellende (elend): dlöndey, ellendec 


Su A ES 


elendig): sl, schelle; $ébn, schellen; hier schliessen sich an: spenon, 
spenen (von der Mutterbrust abgewöhnen); Auelon, queln (quälen). 

In den ofienen Silben wird es in Koenigsmachern und Umgegend 
gewöhnlich zu €, sonst gewöhnlich zu ie, vor r zu io: redon, rièdon?), 
reden; éséron, tsioron, zeren, (zehren); fsélon, tsièlon, zelen (zählen): 
Sélon, sielm, schelen (schälen); zwweron, wioron, weren (wehren); hewon, 
hiewon, heben; tredon, triedon, treten. Ebenso bei denjenigen Wörtern, 
die das End-e abwerfen und somit in der Mda. geschlossene Silben 
darbieten: réf, riet, rede (Rede); 1 iel, ele daneben im Mid. jedoch auch 
elle (Elle). 

Wenn aber ge, gen, get folst, se wird es allgemein zu é, wobei 
aber ge oder wenigstens g ausgeworfen wird: /éon, legen; let, leget; 
36, sege (Säge); 34n, segen (sägen); féon, vegen (fegen). 


Mhd. & 


wird in geschlossenen Silben gewöhnlich als © beibehalten : lekon, lecken ; 
près, presse ; pèrsoun, persöne; frek, vréch; gèk, géc (Narr); beyor, 
böcher; gelt, gält (Geld). 

Vor r wird es in Rettel, Niederkontz, Apach, Kirsch, Merschweiler, 
Belmach zu €, wenn noch eine Silbe folgt, und zu &, wenn keine Silbe 
mehr folgt; in Oberkontz, Berg, Mallingen, Hettingen, Hüntingen zu ie; 
in Sierck ia; in Kenigsmachern und Umgegend immer zu €: sterwon, 
Sticrwon, Stiarwon, Stérwon, sterben; forderwon, fordierwon, fordiarwon, 
forderwon, verderben; werfon, wierfon, wiarfon, werfen, werfen; wert, 
wiert, aviart, wert, wert (wert u. Wert); ger, gier, giar, ger, gerne. 
Vor re jedoch wird es in Rettel und den sonstigen nördlichen Ort- 
schaften nicht zu @ sondern zu , bei anderen Ortschaften gilt die eben 
angeführte Regel: werek, wierk, wiark, werk, were u. werch (Werk u. 
Werg); berey, biery, biary, berg, berc (Berg). 

Bei den Wörtern, bei denen auf & chen, zen, It, rs und ge mit 
oder ohne folgenden Konsonanten folgt, wird dieses & zu 6, indem die 
Gemination 33 sowie It und rs vereinfacht werden; die Silbe ge wird 
bei einigen Wörtern abgeworfen, bei andern aber nicht: breyen, brechen; 
Stéyon, stöchen ; meson, messen; (son, öszen (essen); gélon, gelten; Sélon, 
schölten; ré», regen (Regen) ; rénon, rögenen; forfléjon, verpflögen; fley, 
pflöge (Pflege); ler, léger (Lager, Ruheplatz); 3énon, ségenen (segnen); 
séjon, sögen (Segen); fest, verse (Ferse); gest, gerste. Doch haben die 
Wörter auf chen, szen und rs in der sühl. Hälfte der Gegend nicht € 


1) riedon kommt in der Regel nur vor in dem Ausdruck: mat forléf tso 
riedon (mit Erlaubnis zu reden) und in @m èpos ausrièdon (einem etwas ausreden). 


ET 


sondern €: bréyon, brechen; Sféyon, stêchen; éson, öszen; méson, mözzen: 
gést, gerste; fést, verse. 

Bei den Wörtern, die nach dem & noch ein zu derselben Silbe 
gehörendes 1 haben, wird das & in Kænigsmachern und Umgegend in 
allen Fällen zu é: mél, mel (Mehl); mélom, melm (Staub); gl, göl (gelb) : 
sl, schelch (scheel); in Rettel und Apach wird es bei den Substantiven 
zu €, bei den Adjektiven zu € und ie: mel, mël: melom, mälm; gel und 
giel, gel; sel u. Siel, schölch, im Plural aber nur gel und Siel; in den 
übrigen Ortschaften in allen Fällen zu 5: miel, mielom, giel, Sid. 

Bei den Wörtern, bei denen ht auf das & folgt, wird das & bei 
den Verbis allgemein zu €, es wird also seiner Bedeutung und Aus- 
sprache nach beibehalten: feyton, véhten (fechten); fleyton, vlähten 
(flechten). Bei den sonstigen Wörtern steht in Kænigsmachern und 
Umgegend durchweg €: knét, knëht (Knecht); Slet, slöht (schlecht); réf, 
röht (Recht); in Mallingen, Hettingen, Berg und in den sonstigen nörd- 
lichern Ortschaften hört man bald # allein, bald 2 und # zugleich, 
wobei jedoch zu bemerken ist, dass in den Fällen, wo © steht, wo also 
die Aussprache von & beibehalten worden ist, auch das h (— 7) bei- 
behalten ist, während es bei ie ausgefallen ist: /niet, knöht (Knecht): 
reyt u. riet, reht; Sleyt u. sliet, slëht: gorèyt u. gorièt, gerëht (das mhd. 
geréht bedeutet sowohl »gerecht« als auch »passend«, in der Mda. haben 
aber yoreyt und gorict nicht beide Bedeutungen zugleich, sondern grèyt 
bedeutet soviel wie das nhd. gerecht lat. iustus; grièt aber passend). 
Nur in flit, vléhte (Flechte) wird es allgemein zu ?. 

Hërze (Herz) heisst in Rettel und in der nördl. Hälfte herts, 
sonstwo hiorts. Körze, wozu man auch merze (März) und mer (Meer) 
fügen kann, heissen in den nördl. Ortschaften khiorts, miorts und mior, 
in Koenigsmachern und Umgegend khörts, mörts, mer; in Mallingen sagt 
man h@rts und mor wie in Rettel, aber /hörts und mörts wie in 
Koenigsmachern. (Ein für alle Mal sei hier bemerkt, dass die Sprache 
von Mallingen bald auf der Seite der nördl. Hälfte, bald auf der von 
Konigsmachern steht. Da letzteres jedoch häufiger der Fall ist, so ist 
Mallingen und ebenso Hettingen und Berg immer mit Koenigsmachern 
und Umgegend unter der südl. Hälfte verstanden, da wo geschieden 
wird zwischen südl. und nördl. Hälfte der besprochenen Gegend. Ober- 
kontz schliesst sich auch fasst durchweg der südlichen Hälfte an.) 


Mhd. i 


bleibt ; in offenen Silben, vor r + kons. und in geschlossenen Silben 
vor einfachem 1: $midon, smiden (schmieden): widor, wider; kidl, kitel 


ee 


(Kittel); 3%j»l, sigel; slit, slite (Schlitten); rs, rise (Riese); ystrit, ge- 
striten; grit, geriten (geritten); lit, geliten (gelitten); Jöm»l, himel 
(Himmel); gowimol, gewimel; Spilon, spilen (spielen); Spil, spil; dif, 
dil (Brett); wörkon, wirken; tsörkol, zirkel; firmon, firmen. In Kœnigs- 
machern und Umgegend jedoch wird es 4 vor r Æ kons.: férmon, firmen ; 
wirkon, wirken; tsirkol, zirkel. Bei den Substantiven wird i vorr + kons. 
allgemein zu ?, auch wenn das r in der Mundart ausfällt: star, stirne ; 
wiort, wirt (Wirt); hioron, hirne; bior, birne; tswior, zwirn ; khis, kirse 
(Kirsche); ebenso 1 vor rr: #oron, irren; gesior. geschirre. 

In geschlossenen Silben, mit Ausnahme der eben besprochenen, 
wird das i meistens zu e: stem, stimme; stelon, stillen; stel u. Stel, 
stille; Stekon, sticken; des, tisch; fres, vrisch ; gowes, gewisse; goweson, 
gewissen; zetson, sitzen; fes, visch (Fisch); mey mich; dey, dich; zex, 
sich; Stefton, stiften ; zelwor, silber: krep, krippe; Strey, strich. 

In Kœnigsmachern und Umgegend wird, wenn nc, ng, nk folgt, 
das i gewöhnlich zu «a, in Rettel und den nördl. Ortschaften wie oben 
zu e: rayk, reyk, rine (Ring); dragkon, dreykon, trinken; famor, femor, 
finger ; tswanou, tswenon, zwingen; zamon, zeyon, singen; Sprayen, Spreyen, 
springen. Doch sagt man überall: denen, ding; breyon, bringen, klenol, 
klingel; Æleyolon, klingelen. 

In Mallingen sagt man zwar reyk, rine, {sweyon, zwingen etc., aber 
man sagt dagegen faner, finger. 

Wenn i vor den Geminationen mm, nn, weiter wenn es vor nd, 
nt und mitunter auch, wenn es vor einfachem t steht, wird es zu «: 
döbanon, däbinnen; dran, drinnen; Span, spinne; Spann, spinnen; «an 
inne; Sıwamon, swimmen (schwimmen); /damon, klimmen; hanor, hinter ; 
grant, grint: khant, kint: rant, vint: want, Wint: wantr, winter; manor, 
minder; banon, binden; fan»n, finden; $mat, smit (Schmied); mat, mit: 
Snat u. Snats, snit (Schnitt). Hier kann man auch beifügen: babr, 
bitter; dor maton dran (in der Mitte, mitten drin); aber meton u. met, 
mitte; ebenso auch Smet, smide (Schmiede). Bei der soeben ange- 
führten Regel kommen jedoch vereinzelte Ausnahmen vor, so: senon, 
schinden; sensor, schinder ; henoron, hindern; renon, rinnen; fent, tinte; 
Swendsl, swindel (Schwindel, ein selten gebrauchtes Wort); wendol, 
windel (Windel). | 

Ferner findet sich «a für i im Partic. praet. der meisten ablautenden 
Verba der I-Klasse und bei den Subtantiven, die von dieser Verbal- 
form abgeleitet sind: gobas, gebisen (gebissen); bas, bis (Biss), aber 
gobes, gebis (Gebiss); goras, gerisen (gerissen); ras, risse (Riss); 
goS$mas, gesmison; Smas u. Smes (Schmiss); gowax, gewichen; ugostray, 


ee 


angestrichen !); gograf, gegriffen: yraf, grif (Griff); geslaf, geslifen ; Sauf, 
slif (Schliff), aber slefor?), slifære (Schleifer); gopaf, gepfifen. Aus- 
genommen sind die Part., die auf iten und iben endigen: gorit, geriten ; 
go$trit, gestriten ; blif, gebliben (geblieben); yarif, geriben ; wsrif, ge- 
schriben ; godrif, getriben; zu dieser Ausnahme gehört auch go$in, ge- 
schinen (geschienen). 

Diejenigen Wörter, bei denen auf i die Konsonantenverbindung ht 
folgt, behalten das i bei, wenn h (= y) bleibt, es wird aber zu ‘, wenn 
h ausfällt: s/it, sliht (schlicht); gosit, gesiht; ritey, rihtec (richtig), davon 
rit, (richt); gorit, gerihte (Gericht); goıwit, gewihte (Gewicht) ; ft, phlicht 
(Pflicht) ; forfligton, verphlihten ; wiyt, wiht (nur beisowiyt (Bösewicht) : 
99Siyt, geschichte. Ausser g0siyt kommen die Wörter mit beibehaltenem 
h wenig vor; man gebraucht nämlich lieber andere Ausdrücke dafür, 
so z. B. sagt man für flöyt gewöhnlich Seleykh@t (Schuldigkeit); für 
»jemanden verpflichten« &@n doun (thun) od. ésweym (zwingen); für 
verpflichtet sein« meison (müssen) od. $elez sin (schuldig sein). Jene 
Wörter mit yf haben wohl ihr Vorhandensein in der Mda. dem deut- 
schen Schulunterricht zu verdanken, denn es sind besonders nur jüngere 
Leute, die sie gebrauchen. (Ganz vereinzelt steht giht (Gicht), welches 
in der Mda. giyt lautet. 


Mhd. o 


bleibt vor 1 + Kons., mitunter auch vor einfachem t, m, n und tz: 
Stolts, stolz; golt, golt; foljon, volgen (folgen); Spot, spot (Spott); got, 
got (Gott); krot, krot (Kröte, nur als Scheltwort gebraucht); trots, trotz ; 
trotson, trotzen; khomon, komen (kommen); door, doner (Donner) ; wolelk, 
wolke; folek, volk. 

Vor r + Kons., vor einfachem d und ! wird es in Rettel und 
Apach beibehalten; in Niederkontz, Rüssdorf, Kirsch, Merschweiler, 
Belmach wird es zu © vor r + Kons. und zu e vor d, | und wenn 
bei r + Kons. das r in der Mda. ausfällt ; in Oberkontz, Berg, Mallingen, 
Hettingen, Hüntingen zu we; in Sierck zu wa; in Koenigsmachern und Um- 
gegend zu 6: fodron, fedron, fuedoren, fuaderon, fodoron, vordern u. vodern 
(fordern) ; khorof, khèraf, khuèrf, khuarf, khösrf, korb : fordorof, fordèrof. 
forduerf, forduarf, fordöorf, verdorben; dorf, dèrof, duèrf, duarf, dorf. 
dorf; zorjon, zerjon, suèrjon, suarjon, 36crjon, sorgen ; zorey, zerey, zuery. 
suary, 30974, Sorge (Sorge); morjon, mèrjon, muerjon, muarjon, moorjon, 

') Das einfache Verbum Straigan, striygan, bedeutet in der Mda. melken, 


Partie. goStrag, davon do Stray = das, was auf einmal an Milch gemolken wird. 
®) Slefor kommt nur in Séra$lefor (Scheerenschleifer) vor. 


DNS 


morgen (Morgen); wol, wel, wuel, wual, wöl, wol (wohl); hol, hel, huel, 
hual, höl, hol (hohl); bodom, bedom, buèdom, buadom, bödom, bodem 
(Boden) ; dodor, dedor, duedor, duador, dédor, doter aber ahd. dodero (Dotter). 
Wort heisst allgemein wort, in Sierck wart; phorte (Pforte) heisst in den 
nördl. Ortschaften port, in Sierck puart, in den südlichen part. 

Mhd. o wird allgemein zu a vor b, f, ff, pf, k, ck, ch, st und den 
Zischlauten: day, doch; khay, koch; jay, joch; tray, troc (Trog); klak, 
klocke; stak, stoc (Stock — Baumstumpf, Blumenstock u. s. w.); flak!), 
vlocke (Flocke); graf, grob u. grop; haf, hof; hafon, hoffen; hafeyon, 
hoffenunge (Hoffnung); afon, offen; khap, kopf: sap, schopf; hap, hopfe 
(Hopfen); rast, rost; khast, kost; frast, vrost (Frost); Spras, sprosze 
(Leitersprosse); mas, mos (Moos); slas, sloz (Schloss); Alats, kloz (Klotz). 
Aber allgemein sagt man: bol:, boc (Bock); #07, woche; Sfopon, stopfen. 

In den offenen Silben fast immer (denn auszunehmen sind die- 
jenigen, auf die ch folgt, wie z. B. khayon, kochen; gobray, ge- 
brochen, u. s. w.; diese befolgen die eben angeführte Regel) und vor 
hs und ht wird das o zu wè, in Sierck zu wa, in Kenigsmachern und 
Umgegend zu 6: buct, buat, böt, bote; Inewon, luawon, lowon, loben ; 
uewon, uawon, ôwon, obene u. oven (oben u. Ofen); wèps, aps, Oops, 
obes (Obst); duetor, duator, dötor, tohter (Tochter); «es, was, 6s, ohs 
(Ochs), jedoch kommt daneben auch oks in der Mda. vor. 

Vor r wird das o in den meisten Ortschaften zu #, in Sierck 
jedoch wa, und in Koenigsmachern und Umgegend zu 6, steht das o 
jedoch vor rn, so muss für Mallingen und die südl. Ortschaften unter- 
schieden werden zwischen den Verbis und den übrigen Wörtern, bei 
den Verbis hat Mallingen, Berg u. s. w. noch wie die nördl. Ort- 
schaften und Koenigsmachern ö wie oben, in den andern Fällen aber 
haben alle südlichen Ortschaften «, die nördl. aber # wie vor ein- 
fachem r: Spor, Spuar, Spör, spore; bioron, buaron, bôron, born 
(bohren) ; buor, buar, bör, mhd. nicht bezeugt (Bohrer) ; Æhuoron, khuaron, 
khôron, korn u. koren (schmecken) ; Ihtor, khuar, khar, korn (Korn); 
hüor, huar, har, horn: huoresol, huaresol, haresol, hornis; mor, muar, 
mûr, morn u. morne (morgen lat. cras). 

Die beiden Wörter vogel und boge (Bogen) stossen das g aus 
und lauten in der Mda. foul und bou. 


Mhd. ö 
kommt nicht häufig im Singular oder bei Verbis vor. Im Plural 
auf -»r und bei den Verkleinerungsnamen ist es häufiger zu finden. 


1) flak kemmt nur in Sneiflakon (Schneeflocken) vor. 


ne 


Der Plural des Mhd. kann aber hier meistens nicht in Betracht kommen. 
da ja der Plural in der Mda. abhängig ist von dem Vokal, den das 
Wort im Singular hat. So ist z. B. der Plural von roc (Rock) in der 
Mda. rèk, von boc (Bock) aber bek, weil man in der Mda. verschiedene 
Vokale hat: rak, bok. Es kann also nur der Plural derjenigen Sub- 
stantiva herangezogen werden, die im Sing. das o beibehalten, ausser- 
dem die Deminutiva davon und die einzelnen Wörter, die von vorneherein 
ö haben. Das ö wird nun in diesen Fällen allgemein zu e: /henon, 
können; felpol, tölpel; yetor, göter; felkor, völker; welktyon (Wölkchen). 


Mhd. u 


wird vor den einfachen Zischlauten, den Geminationen und Konsonanten- 
verbindungen, mit Ausnahme von ht, hs, Id und r + Kons. zu o: 
brost, brust; glost, gelust (Gelüste) ; lost, lust; bokol, buckel; polfor, 
pulver ; gosont, gesunt ; gront, grunt; gontst, gunst; joyk, junc; kromp, 
krump (krumm) ; Æhomor, kumber (Kummer); /on, lunge: khos!), kus; 
nos, nu; (Nuss); flos?), fluz; mots, nuts u. nuz; Sots, schuz u. schus 
(Schutz u. Schuss) ; Solt, schult; stom, stump (stumm); Sompez, stumpf 
adj.; Stomp, stumpf subst.; ston, stunde; droyk, trunc; doykel, dunkel; 
fornonoft, vernunft; pont, pfunt; won, wunde ; wonor, wunder; sop, suppe ; 
Smontsolon, smunzen u. smunzeln (schmunzeln); 30», sunne (Sonne); 
ebenso die Vorsilbe on-, un-. 

Vor r + Kons. und vor m wird es im allgemeinen beibehalten, 
nur in Koenigsmachern und Umgegend wird es lang vor r + Kons.: 
wursm, wuorm, wurm; wurof, wuorf, wurf; urzay, urzdy, ursache: 
murmolon, murmolon, murmlen ; duroy, duory, durch; frum, vrum (fromm): 
sumar, sumer (Sommer). Es wird allgemein zu ü vor rz, rt, rn wobei 
jedoch das n abgeworfen wird, vor rst, wobei r ausgeworfen wird, 
und vor hs und ht, bei denen h ausfällt: wurtsol, wurzel; khuorts, kurz; 
wrtol, urteil; hwort, hurt (ein Flechtwerk); gobiort, geburt; for, turn 
(Turm u. Gefängnis); buor, burne (Brunnen); dust, durst; Antst, kruste, 
(bei diesem Worte ist, wie beim niedersächs. korste Metathesis des r 
anzunehmen, wodurch wir dann in der Mda. khurst bekommen und 
hierauf nach Auswerfung des r khust): frét, fruht (Frucht); #sét, zuht: 
fs, fuhs, daneben aber auch, bei ältern Leuten jedoch weniger häufig, 
foks (Fuchs); jenen Wörtern mit r kann man auch Sndr, snur 
(Schwiegertochter) beifügen. 


‘) In der Mda. wird das Wort sehr selten gebraucht. 


?) los pl. fles wird in der Regel nur zur Bezeichnung der Rheumatismen 
gebraucht. 


RE 


Vor Id, welches natürlich immer innerhalb des Wortes steht, wird 
das u zu e und das d nach | ausgeworfen: seley, schuldee (schuldig); 
godeley, geduldic; gelon, guldin (golden). 


Mhd. ü 


wird allgemein zu e vor (Geminationen und Konsonantenverbindungen 
mit Ausnahme von r + Kons.: beks, bühse, (Büchse); brek, brücke ; 
drekon, drücken; steps, gestüppe (Staub); /nepon, knüpfen; kremon, 
krümben (krümmen); Arempt, krümbe (Krümme); kheney, kündec (be- 
kannt); ments, münze; pets, phütze (in der Mda. bezeichnet pets 
ausschliesslich einen aufgebauten Brunnen, während br die allgemeine 
Bedeutung des nhd. Brunnen hat); slesol, slüszel (Schlüssel); $pen, 
spünne (Muttermilch); sen, sünde ; felon, vüllen (füllen). 

In offenen Silben wird es zu ö: wol, übel; Ahrwol, kübel; khinek, 
künie (König); gotimol, getämel (Getümmel); filon, vülin (Füllen). Ueber 
heisst in den nördl. Ortschaften wor, in den südl. aber zwar. 

Vor einfachem r wird es allgemein zu ©: dior, tür (Thür); fr, 
vür (für); Spéoron, spüren; daran schliesst sich auch ortsioron, erzürnen, 
weil hier das n in der Mda. ausfällt. Vor r —- Kons. wird es im allge- 
meinen zu i, nur in Kaenigsmachern und Umgegend wird es zu 4: wörfol, 
wtorfol, würfel; orwirjon, orwiorjon, erwürgen; gobirdey, gobiordey, ge- 
bürtic; trek, tiork, türke (Türke); tirmon, Hiormon, türmen (in der Mda. 
sich etwas ausdenken vgl. das lateinische terminare). 

Bei einigen Wörtern fällt das r aus und dann wird als Ersatz- 
dehnung das ü allgemein zu 2: diston, dürsten ; fordistorn, verdürsten ; 
bist, bürste ; biston, bürsten. 


B. Die betonten langen Vokale. 
Mhd à 
wird allgemein zu 6: owont, äbent; popst, päbest (Papst); yon, gan 
(gehen); Ston, stän (stehen); löson, läzen (lassen); w6, wäge; pléon, 
plägen ; plo, pläge ; yrö, grä (grau); 3öm!), same ; röt, rät (Rat); brôdon, 
bräten ; nol, nädel; ôdor, äder (Ader) ; bréyon, brächen ; bröy, bräche 
(Brache); n6, nähe ; gröf, gräf (Graf) ; slöfen, släfen (schlafen). 


Mhd, & 


wird allgemein zu ei, ausgenommen sind die Liquiden |, n, r, vor denen 
es in Koenigsmachern und Umgegend als € beibehalten wird: ei, à (Ehe); 


1) 36mon, pl. von 36m, bezeichnet das junge Getreide, während die ver- 
schiedenen Samensorten oder die jungen Kräuter mit dem Kollektivnamen go3&mps 
bezeichnet wird. 


‘ CR 75 ze 


klei, kl& (Klee) ; wei, we (Weh): eiwey, êwic; eior, er, êre (Ehre); kheior, 

khér, kere (Wendung) ; formeioron, formeron, vermeren ; geileyon, gelenon, 
gechlingen (schnell); zeit, 3él, sêle (Seele); geint, gént, gen (gegen) ; 
weiney, weneg, wenie (wenig). 


Mhd. i 


wird in der Regel zu «ai in Sierck, Rettel und den anderen südl. Ort- 
schaften, zu eö in Apach, Kirsch, Belmach und Merschweiler: ailon, eilon, 
ilen (eilen); «aison, eisom, isen (Eisen); vais, weis, wis, (weiss); main, 
mein, min (mein); zain, zein, sin (sein); gai, gei, gige (Geige). Bei liht 
(leicht) und erlihtern (erleichtern) fällt das h aus und das lange i bleibt 
erhalten: lit, orlitorn. Aus diesem letztern und aus dem, was wir schon 
gesehen haben und noch sehen werden, geht klar hervor, dass der vor 
dem ausfallenden h stehende Vokal nicht in einen andern verwandelt 
wird nach den allgemeinen Gesetzen der Mundart, sondern blos gedehnt 
wird, wenn er nicht schon lang war. 

Bei den einsilbigen Wörtern, die auf i endigen, wie dri (drei), bri 
(Brei), fri (frei), wird das î zu « resp. ö, wobei man jeden einzelnen 
langen Vokal sehr gut hört: drai, drei; brai, bréi; frai, frei.  Ausge- 
nommen ist nur bai, bei, bi (bei). 

Für drizehen (dreizehn) sagt man in der nördl. Hälfte drautsein, 
in der südl. draitsen; für drizec sagt man in erstern Ortschaften dr«isez, 
resp. dreisey in Apach, etc., in den südl. aber dresey. 


Mhd. 6 

wird in der Regel zu or, in Kænigsmachern und Umgegend aber wird 
es beibehalten als 6: nout, nôt, nôt (Not); oustron, östron, Östern; rous, 
ros, rôse; roust, röst, vöst; brout, bröt, bröt: toun, ton, dön u. tôn (Ton); 
rout, rôt, rôt; loun, lôn, lôn (Lohn). Endigt jedoch das Wort auf Ô, so 
wird dieses auch in Koenigsmachern und Umgegend zu ou: flou, vlö 
(Floh); frou, vrö (froh). Gröz heisst in den nördl. Ortschaften gris, 
in den südlichen und Oberkontz grous, in Koenigsmachern und Umgegend 
gros. — Lös (los u. frei) heisst allgemein /as; aber gotlös (gottlos) 
heisst gotlous, resp. gotlôs. 

Strö (Stroh) und rö (roh) heissen allgemein strei und rei, höch heisst 
hei, in Oberkontz und den südl. Ortschaften ist jedoch die Form heiy 
häufiger. Ei ist aber der Pluralumlaut von ox, wie wir später sehen 
werden. 

Mhd. ü 
wird allgemein zu au: bauyon, büchen (bauchen); bay, büch (Bauch); 
bauor, bür (Bauer); haus, hûs (Haus); Arant, krüt (Kraut); warm, rüm 


un — 


(Raum); ars, à (aus); Shraus, strüs (Strauss). Nur brün (braun) heisst 
in Oberkontz und in den südl. Ortschaften broy, in den nördl. aber brun. 


Mhd. æ 


wird allgemein zu €: gé, gæhe (jähe, steil); won, wæjen (wehen); 
dedenon, tædingen (prozessieren); félon, vælen (fehlen): gnédey, genadiec 
(gnädig); Stets, staetes (stets); {sé, zæhe (zäh). Sælec (selig) heisst in 
Kœnigsmachern u. Umgegend 3éley, sonst 3eiley. 


Mhd. œ 


wird in den nördl. Ortschaften zu ei, in Oberkontz, Berg, Koenigsmachern 
und Umgegend zu €: beis, bes, base; heioron, héron, hœren; neidey, 
nedey, nœtic; eim, ém, œheim (Oheim); Sein, sen, schen; treiston, treston, 
troesten. 
Mhd. iu 

wird wie das mhd. ı behandelt. Es wird demnach zu «ai in Sierck, 
Rettel und den südl. Ortschaften, zu e in Kirsch, Apach, Belmach, 
Merschweiler: lait, leit, liute (Leute); daits, deits, diutsch (deutsch); 
kraits, kreits, kriuze (Kreuz); daiwol, deiwol (in Oberkontz déwol), tiufel 
(Teufel); faior, feior, viur (Feuer); daior, deior, tiure (teuer). Wie liht 
oben bei 1 zu /it wird, so wird auch hier viuhte (feucht) zu fit. Eine 
Ausnahme von der angeführten Regel bilden nur frent, vriunt (in der 
Mda. fast nur in der Bedeutung von »Verwandter« im Gebrauch, sehr 
selten bedeutet es »Freund«, wofür man das franz. ömi, ami, gewöhn- 
lich gebraucht); frentsof u. frentsof, vriuntschaft (bedeutet nur Ver- 
wandtschaft); frentley, vriuntlich (freundlich). 

War aber neben der Form mit iu eine andere mit à vorhanden, 
dann kommt diese letztere in der Mda. in Betracht, so dass man bei 
diesen Wörtern nur ax, nicht aber «, hat: bauon, biuwen u. büwen 
(bauen); braut, briut und brüt (Braut); brauon, briuwen und brüwen 
(brauen): laudon, liuten u. lüten (läuten u. lauten): sauson, siusen und 
süsen (sausen). Nur für niuwe, nüwe (neu) sagt man in Oberkontz 
und den südl. Ortschaften nai, in den andern aber au: nai ist von 
niuwe, nau von nüwe gebildet. 


C. Die betonten Diphthonge. 


Mhd. ei 
wird zu @: &, ei (Ei); @yon, eichen; ét, eit (Eid); &jon, eigen; @dom, 
eidem (Eidam); @n, ein; @lof, eilf: @tor, eiter; bots@ynon, bezeichenen : 
nen, nein; béyon, bleichen; dél. teil; I@don, leiten. 


NT 


Mhd. ie 


wird allgemein zu ci: deidrey, dietrich; breif, brief; we, wie: bein, 
biegen; bit, liet (Lied); Seisin, schiesen (schiessen); fer, vier. In 
Oberkontz, Berg, Mallingen, Hettingen und Hüntingen sagt man denst 
für dienst, deyon für dienen, in den andern Ortschaften aber sagt man 
ganz regelrecht deintst und deinsm. 


Mhd. ou 
wird allgemein zu à : /af, loup (Laub); /afon, loufen (laufen) ; fra, vrouwe 
(Frau) ; glawon, geloube (Glaube); «, ouge (Auge); dayon, tougen (taugen) ; 
orlaban, erlouben (erlauben); bam boum (Baum); dram, troum (Traum): 
ast, ougest (August). 

War aber neben der Form mit ou noch eine andere mit à vor- 
handen, so wurde die letztere in der Mda. massgebend und deshalb 
hat man bei diesen Wörtern nicht « sondern au: bauon, bouwen und 
büwen (bauen); saufon, soufen u. süfen:; faul, voul u. vül (faul): faust, 
voust u. vüst (Faust). 

Mhd. uo 


wird in der Regel zu ou: broudor, bruoder (Bruder); blout, bluot (Blut); 
mout, muot (Mut); poul, phuol (Phuhl); Soul, stuol (Stuhl); Smowor, 
snuor (Schnur); boum, bluome (Blume): down, tuon (thun); grouf, 
sruobe (Grube). Nur vor ch wird es in den südl. Ortschaften zu w, 
in den andern aber wie oben: buy, bouy, buoch (Buch); duy, doux, 
tuoch (Tuch); yonuy, gonouy, genuoc (genug); fluyon, flouyon, vluochen 
(fluchen); hieran schliesst sich auch gut, gout, guot (gut). 

Für suochen (suchen), buoche (Buche) und muoder (Mieder) sagt 
man in der nördl. Hälfte >”y»n, beiyt und meidor und in der südlichen 
siyon, biy und midor. Das gotische sokjan (suchen) ist bezeugt, während 
die got. Benennungeu für Buche und Mieder nicht erhalten sind. Viel- 
leicht hat das j in sokjan den Umlaut hervorgerufen, denn « ist der 
Umlaut vom mundartlichen ox, und ö der von vr. 


Mhd. öu 


wird zu &, denn wie öu der Umlaut vom mhd. ou ist, so ist in der 
Mda. @ der Umlaut von 4. Ausserdem haben wir gesehen, dass das 
mhd. ou in der Mda. zu « wird. Daraus folgt also, dass das mhd. öu 
regelrecht zu & wird: ts@mon, zöumen (zäumen); /@, höuwe (Heu 

son, söugen (säugen); »rfr@on, ervröuwen (erfreuen); frét, vröude 
(Freude); défon, töufen (taufen). Hier kann allerdings nicht unerwähn! 
bleiben, dass im Mhd. besonders bei den Verbis neben der umgelauteten 


en ee 


Form sehr oft eine nicht umgelautete vorhanden ist. Sobald nun eine 
umgelautete da ist, wird dieselbe in der Mda. bevorzugt, ja die Mda. 
lautet sogar da um, wo im Mhd. sar keine umgelautete Form vor- 
handen ist, z. B. gléwon, gelouben (glauben), aber ylawon (Glaube), 
khefon, koufen (kaufen), aber hf (kauf) etc., jedoch umlautet sie nicht 
immer, z. B.: /dwon, louben (entlauben); hdon, houwen (hauen) etc. 
Wäre hier vielleicht auch das got. j die Veranlassung zum Umlaut, 
denn gléwon heisst got. galaubjan und défon daupjan ? 


Mhd. üe 

wird zu e. Das mhd. üe ist der Umlaut von uo, in der Mda. ist aber 
ei auch der Umlaut von ox, daraus folgt also, dass der mhd. Umlaut 
üe in der Mda. regelrecht zum Umlaut e wird, da ja das mhd. uo in 
der Mda. ox heisst: beison, büesen (büssen): feilon, vüelen (fühlen); 
breion, brüeten (brüten); dreif, trüebe (trüb); /heil, küele (kühl); reioron, 
rüeren (rühren). Mhd. küene (kühn) und grüene (grün) heissen in der 
nördl. Hälfte /hein und grein, in der südl. aber /hen und grey. 


D. Unb’etonte Vokale und Diphthonge. 


Die unbetonten oder schwach betonten Vokale und Diphthonge 
sind entweder geschwunden oder zu einem dumpfen » herabgesunken: 
khein, khen, küene (kühn); frét, vröude (Freude); orfréon, ervröuwen 
(erfreuen); gelon, guldin (golden); «drbst, arbeit; wrtol, urteil; hents, 
hantschuoch (Handschuh). Vor ce, ch sind sie zu einem sehr kurzen e 
geworden: zondey, suntac (Sonntag); héley, heilie (heilig); h@mley, 
heimeliche (heimlich). Die Endung tuom wird sowohl zu tm als auch 
zu tom: bestom u. bestom, bistuom (Bistum); raöytom u. raiytom, Yihtuom 
(Reichtum). Nur bei äne (ohne) und papele (Pappel) wird das Schluss-e 
zu ©: om und popk. 


Die FRANZÖSISCHEN VOKALE. 
A. Die betonten Vokale. 

Wie in den andern Mundarten zahlreiche Fremdwörter vorhanden 
sind, so ist auch eine ziemlich grosse Anzahl französischer Wörter und 
Ausdrücke in die Mundart, mit der wir uns beschäftigen, eingedrungen. 
Betreffs ihrer ist folgendes zu bemerken: 


a 


hat den hellen Klang, den es im Französischen hat, im allgemeinen 
beibehalten: pagas, bagage (Gepäck, altes Zeug, Zigeunerbande); 


Be 


hanape, canapé (Sopha): dmbara, embarras (Schwierigkeit); apardopk, 
à part done (ungefähr); yrawats, gravatte (Halsbinde); pe/jas, paillasse 
(Strohsack) ; fasaun, in Oberkontz und den südl. Ortschaften fusoy, facon 
(Gestalt einer Sache); paseioron, in Koenigsmachern und Umgegend 
paseron, passer (vorübergehen, zustossen); pap, papa (Vater): nam, 
maman (Mutter); /hatrin, Catherine: Æhaltsoy, calecon (Unterhose): 
mari, daneben kommen jedoch häufiger vor mer; und mrai, Marie; 
margrit, Marguerite; parfors, par force (durchaus); blokhas, blocage 
(Art von Pflastersteinen). 
| Folgt auf r noch eine stumme Silbe, welche das Wort schliesst, 
so wird das vor r stehende a gedehnt, wenn es nicht schon lang von 
Natur ist: gart, garde (Zollaufseher); sarol, Charles (Karl); yar, gare 
(Bahnhof und »aufgepasst«); gardenpr, gare à toi (weh dir!). 

Es wird zu à in mem, mamelle (Mutterbrust); 2», Jeanne (Jo- 
hanna) und emi, ami (Freund); etjes, adieu (Ade). 


Offenes e 


ist gewöhnlich beibehalten worden: ferm, ferm (fest); respekt, respect 
(Ehrfurcht); ekspres und ekspres, exprès (absichtlich); polet, épaulette 
(Epaulette) ; preseioron, in Koenigsmachern und Umgegend prèséron, presser 
(eilen); fisel, ficelle (Schnur); sef, chef (Vorsteher). Vor r wird es 
gedehnt, d. h. es wird zu @, wenn noch eine stumme Silbe im Fran- 
zösischen folgt: mérol, merle (Amsel); «lért, alerte (belebt, lebhaft). 
Langes geschlossenes e finden wir in «zen, Eugene (Eugen); kurzes 
geschlossenes in Zile, gilet (Weste); i in kholi, collet (Kragen). 


Geschlossenes e 


wird auf verschiedene Weise behandelt, wie aus folsenden Beispielen 
hervorgeht: in tsekreit, lat. secretum (Abort) bleibt das erste geschlos- 
sene e, das zweite aber wird, weil es lang ist, behandelt wie das lange 
mhd. &, d. h. es wird zu eö; ebenso bleibt das geschlossene e in Ahanape, 
canapé; in röpsteioren resp. rèpatéron, répéter (wiederholen), wird das 
erste e zu £, das zweite aber zu 2 (über die franz. Verbalendung -er 
werden wir noch später einiges bemerken); es wird zu ö in mikhanik, 
mécanique (Dreschmaschine), davon aber mekhanikon neben milhaniken 
(Getreide mit der Dreschmaschine ausmachen) ; 4h62i, congé (Militärdienst), 
2. B. on hot zai kho2i bai don saldöt» gemat (er hat seinen Dienst bei 
den Soldaten gemacht); es wird zu 2 in numoro, numéro (Nummer). 


DRE trs 


Dumpfes e 
wird zu kurzem geschlossenen e in refizeioron, resp. refiséron in Kœnigs- 
machern und Umpegend, refuser (verweigern). 
i 

ist kurzes geschlossenes i geworden oder als solches erhalten: frikho, 
fricot (gutes Essen); fisèl, ficelle; Æhomi, commis (Arbeitaufseher) ; butik 
boutique (Handels-, Spezereienladen) ; misel, Michel; wiktör, Victor ; mari 
Marie; margrit, Marguerite: poli, poli (höflich).; sotison, sottises (sotiso 
gen heisst in der Mda. jemanden schelten ; sotise kreion gescholten werden); 
khatrin, Catherine; pölin, Pauline. 


Offenes 0 


ist zu où, resp. 6 in Koenigsmachern und Umgegend geworden, wenn 
das o im Französischen lang ausgesprochen wurde oder wenn ein r 
direkt oder indirekt darauf folgte: mout, mot, mode (Mode); Ahamont, 
khamöt, commode (Schrein); proupor, pröpor, propre (rein); wiktér, 
Victor, sagt man allgemein. In den anderen Fällen wird es zu kurzem 
geschlossenen o: poli, poli; sotison, sottises; kholi, collet; Æhomi, com- 
mis; frikho, fricot; buldok, bouledogue (Bullenbeisser) ; mortjes, mort 
de Dieu (Fluchwort) ; nondidjes, nom de Dieu (Fluchwort); blokhas, blocage. 


Geschlossenes 0 


ist erhalten: moment, moment (Augenblick); numoro, numéro ; lozoment, 
logement (Wohnung): loZeiaron, resp. loféron, loger (wohnen). 


u 


3 


ist zu ö geworden in bis, peluche (Wollsammet); futi, foutu (gebrochen, 
zerrissen, tot, letzteres nur von den Tieren gesagt und verächtlich von 
den Menschen); refiseioron, resp. refizeron, refuser (versagen); khip, 
cube (Kubus); zu # in talopant, tulipe (Tulpe); lusje, Lucien; khurjeis, 
curieux (wählerisch beim Essen); #y#moro, numéro: zu e in jeStemènt, 
justement (gerade, eben adverb.). 


B. Die Diphthonge. 
ai 
ist der Aussprache nach erhalten, also entspricht es unserm @: afer, 
affaire (Geschäft); plezeior resp. plesér, plaisir (Freude, Vergnügen); 
sey pléscioron resp. pléséron, se plaire (sich irgendwo gefallen); pléseirlez 


Bar ga 


resp. plésérlez (was plaisir bereitet); meer, maire (Bürgermeister): es 
wird aber zu é in justopé, juge de paix (Friedensrichter); zu & in peljas, 
paillasse (wo das franz. ai nicht wie deutsches ä, sondern wie deutsches 
ai ausgesprochen wird). 

au 
ist zu kurzem geschlossenen o geworden in samo, chameau (Kameel): 
polèt, épaulette: zu 6 in pélin, Pauline. 


eu 


ist zu eö geworden in Ahurjeis, curieux; zu e in mortjes, mort de Dieu 
und nondidjes, nom de Dieu; £tjes, adieu (Ade); zu & in alaboner, à 
la bonne heure (Glück auf). 

œu 


ist zu & geworden in fs@r, sœur (Klosterfrau). 


ou 
ist als « wiedergegeben in buldok, bouledogue: pulis, pouliche ; puler, 
poulette (beide letztern Wörter als Pferdenamen im Gebrauch); fufi, 
foutu; butik, boutique; als # in bégor, bougre (Schelm); 3”, sou (Geld- 
stück — 4 Pfge.); bozuar, bon jour (Guten Tag!); es ist zu ou geworden 
in Zalous, jaloux (neidisch). 

oi 
ist der Aussprache nach erhalten: es wird also durch oa wiedergegeben: 
bosoar, bon soir (Guten Abend!) ; soazeioron resp. Souséron, choisir (wählen). 


C. Die Nasalvokale. 


Der nasale Charakter der Vokale ist beim Uebertritt in die Mda. 
ganz verloren gegangen. Der nasale Konsonant ist aber fast immer 
beibehalten worden. Die Aussprache ist ganz dieselbe wie im Deutschen: 
moment, moment (Augenblick); loZoment, logement (Wohnung); afront, 
affront (Schande) ; ranzeioron resp ranzeron, ranger (ordnen). Guttural- 
nasal ist eingetreten bei busoy, bouchon (Propfen): /hoson, cochon 
(Schwein, man sagt es manchmal zu den Kindern); Zan, Jean (Johann) 
und fasoy in den südlichen Ortschaften, facon (äussere Beschaffenheit 
oder Gestalt eines Dinges). In dem sehr häufig gebrauchten Grusse 
bozuor, bon jour, und bosoar, bon soir, ist das n ganz ausgefallen, 
ebenso in Saéemènt, changement (za Sazoment kreion heisst von einem 
Posten auf einen andern versetzt werden): aber es ist meistens bei- 
behalten in Sanéejoron resp. Sanzerm, changer (wechseln, ändern). In 
khomadetoran resp. khomodérm, commander (befehlen) ist die Silbe an 
zu einfachem » geworden. 


D. Die unbetonten Vokale. 


Die zwischen betonten Silben stehenden unbetonten Vokale sind 
meistens in dem dumpfen »-Laut zusammengefallen ; jestoment, justement 
(gerade, zufällig); Sazoment, changement, u. s. w. Vielleicht liesse sich 
auch hier anführen : Æhomodeisron, commander, und rèpoteioron, répéter 
(wiederholen). 

Bei den Verbis werden die Endungen -er und -ir zu -eioron, in 
Koenigsmachern und Umgegend zu -éron: ranzeloron, vanzeroen, ranger ; 
prèscioron, prèséron, presser (sich beeilen); Soazeioron, Soazeron, choisir ; 
dasselbe gilt bei pl@zeior, plésér, plaisir (Freude). 


S 3. Rückblick. 


Wie man aus dem Vorhergehenden sehen kann, bleibt sich die 
Mda. in den verschiedenen Ortschaften der besprochenen Gegend im 
Grossen und Ganzen so ziemlich gleich, was jedoch in den Einzelheiten 
nicht immer der Fall ist. Betrachtet man nun diese Einzelheiten, so 
findet man, dass die Mda. in Kenigsmachern und Umgegend, trotz ihrer 
srossen Entfernung vom Hochdeutschen, doch demselben näher steht 
als die in den nördlichen Ortschaften. Man vergleiche z. B. nur bart, 
hart, khart mit böort, hôort, khöort u. s. w. (siehe oben bei a); khör, er 
mit Æheior, eior u. s. w. (s. oben bei &). 

Auch findet man in Kanigsmachern und Umgegend das Streben 
nach langen Vokalen und das Vermeiden der Diphthonge in sehr vielen 
Fällen, während man, je nördlicher man geht, desto mehr die Neigung 
wahrnimmt, die Vokale zu verkürzen sowie Diphthonge zu bilden, auf 
denen die Stimme öfters nur sehr schnell hingleitet, was der Mda. in 
diesen Ortschaften einen sehr flüchtigen Charakter verleiht, während 
die Mda. in Koenigsmachern und Umgegend als eine sehr gedehnte und 
ziemlich schwerfällige daneben erscheint, so ist z. B. bei vor (Ehre) 
das eo viel kürzer als das in ör; das 6 in böori (Bart) kürzer als 
das « in bart u. s. w. 

(ranz vereinzelt steht Sierck da mit seiner breiten Aussprache, 
die es durch die Diphthonge ia und wa an den Tag legt. 


ee 


I. Der Konsonantismus. 


s 4. Allgemeines. 


Obwohl die Konsonanten in der Mda. fast durchweg ihr tönendes 
Element eingebüsst haben, so ist es doch in gewissen Fällen bei /, ın, n, y 
erhalten, ja vielmehr noch erweitert worden. Wo letztere dasselbe 
beibehalten, werden wir sie mit /, ım, n, y bezeichnen. Die Zunge bleibt 
bei der Aussprache derselben ungefähr ?/3 Sekunde an den Gaumen 
gedrückt, wobei sie die Operation, die sie bei der Aussprache des ein- 
fachen 1, m, n, macht, so lange fortsetzt. 

Wir fassen die Konsonanten in folgende 3 Gruppen zusammen: 

1. Explosivlaute: p, t, k, kh, b, d, g. 
2. Eiquiden: I, I, m, m, n, n, 9, 9 r- 
3° spiranten: f, ww, 1,85 3.31, HN. 

Um physiologische Irrtümer zu verhindern, ist für den Nasal mit 
Gaumenverschluss d. h. ng das von Rapp, G. Gröber und andern an- 
genommene 7 angewendet worden. Aus demselben Grunde ist der 
griechische Reibelaut y für ch, $ für die gequetschte Spirans sch, 
s für den harten und 3 für den weichen s-Laut und À für das fran- 
zösische j mit französischer Aussprache angewendet worden. Ausserdem 
sind die Doppelkonsonanten x und z in ihre eigentlichen Bestandteile 
ks und fs aufgelöst worden. 

- Ausserdem soll noch bemerkt werden, dass, da der Konsonantismus 
in der ganzen besprochenen Gegend so zu sagen ganz und gar der- 
selbe ist, nur die Aussprache meines Heimatsortes angeführt wird, da 
ja im Vokalismus bereits die verschiedenen Abänderungen der Vokale 
bis in die Einzelheiten angeführt worden sind. 


$ 5. Etymologische Verhältnisse des Konsonantismus der Mundart. 


Dem mittelhochdeutschen Konsonantismus tritt die Mundart wie 

folgt gegenüber: 

b 
ist im Anlaut erhalten: bauor, bûr (Bauer); bam, boum (Baum); baron, 
binden; brost, brust; broudor, bruoder (Bruder). 

Auslautend erscheint es als f: yraf, grab u. grap (Grab); öf, ab 
u.ap; deif, dieb u. diep (Dieb); /af, loub u. loup (Laub); daf, toub 
u. toup (taub). Dasselbe gilt, wenn das Schluss-e oder -en nach b ab- 
geworfen wird: saöf, schibe (Scheibe); gruöf, graben (Graben): rief, 


ee AE 


vebe (Rebe). Doch bleibt es resp. wird es zu p in reip, rüebe 
(lat. rapa, Rübe). 

Intervokalisch oder zwischen |, r und einem Vokal ist es zu ww 
geworden: dont, àbent: zwol, übel; wol, aber!); erwon, erben ; 
Stèrwon, sterben; forderwon, verderben; zelwor, silber (Silber); Ahalwon, 
kalben. Erhalten ist es in nuebol, nabel; Snucbol, snabel (Schnabel); 
föblon, fabeln; erbos, erbse; drbot, arbeit. 

‘s fällt aus nach m: dom, dumb (dumm); bokhemoron, bekümbern 
(bekümmern); Ahomor, kumber (Kummer); drom, darumbe (drum); 
ausserdem in erst, herbst; gen, geben; lun, haben; emos, imbis (Mahl- 
zeit); Srauon, schrüben (schrauben), letzteres, weil bei $rau, schrübe 
(Schraube) die Endung be ganz abfällt. 

Es wird zu p in pöpst, babest (Papst); propst, brobest (Propst); 
sirpol, scherbe. In der Redensart aber: ox hot et an dor Sirbol, er hat’s 
in der Scherbe, d. h. er ist angetrunken, ist das b geblieben. 


d 


ist anlautend erhalten: do, dä; damp, dampf: dekon, decken; dorof, 
dorf; drekon, drücken; doykol, dunkel. 

Auslautend, d.h. wenn nach d das Schluss-e abgeworfen wird, 
wird es, insofern es erhalten bleibt, zu {: muet, made (Made); riet, 
rede (Rede): «@rt, erde; frit, vride (Friede). Die Endung -de wird ge- 
wöhnlich abgeworfen nach | und n: mel; milde (mild); el, wilde (wild); 
bal, balde (bald); len, lende; goswen, geswinde (geschwind); gowen, 
gewinde (heftiger Wind); con, wunde (Wunde); wonor, wunder ; /hon, 
kunde (Kunde). 

Intervokalisch ist es erhalten, wenn auf den folgenden Vokal 
noch ein Konsonant folgt: boriedon, bereden; dedeyon, tædingen (pro- 
zessieren); ameidor, muoder (Mieder); der, äder; Snaidon, sniden 
(schneiden); #èdom, Adam. Nach 1 und n fällt d auch in diesem Falle 
aus, wofern kein | in der nächsten Silbe folgt: henoron, hindern; Senon 
od. sen, schinden ; fann od. fan, finden ; banon od. ban, binden ; kheney, 
kündic (bekannt mit etwas) ; wonoron, wundern ; manor, minder (weniger); 
gelon, güldin (golden); forwelon, verwildern ; aber handol, handel; handlon, 
handeln ; Swendol, swindel (Schwindel); wendol, windel; yrondol, grundel; 
bendal, bendel. 

Zu t wird es in Zaisol, dihsel (Deichsel) und bentol, bündel. 


1) Sollte nicht éwol mit niederländisch evél aus evenwel (doch) zusammen- 
hängen? S.De Bo, Westvlaamsch Idioticon. Zusatz von Prof. Martin, 


bleibt im Anlaut: yueıwol, gabele (Gabel); géljon, galge (Galgen): ul, 
galle; gai, gige (Geige); gen, geben; und bei der Vorsilbe ge-: yobai, 
gebiuwe (Gebäude); gogruif, gegraben: yolèn, gelende (Gefilde). 

Inlautendes g oder auslautendes ge werden in der Regel ab- 
geworfen nach langen Vokalen oder Diphthongen: 4, ouge (Auge); 
tsaion, ziugen (bezeugen); wei, wiege; gai, gige; #0, wäge. 

Nach den kurzen Vokalen lässt es Ersatzdehnung zurück: 

ag oder age wird zu 0: klösm, klagen; lo, klage (Klage); won, 
wagen (Wagen); déloun, tagelön (Tagelohn). 

eg und ög werden vor Nebensilben zu é: léon, legen: 36, sege 
(Säge); sem, segen (sägen); fén, vegen (fegen); ren, rögen (Regen); 
rénon, rögenen (regnen); /er, léger (Lager der Menschen und Tiere); 
3énon, Segenen. 

ig wird as: laion, ligen (liegen); wain, wigen (wiegen). 

“og wird ou: bou, boge (Bogen); foul, vogel. 

Beibehalten wird es nach |, n, r und in der Silbe gel, d. h. nach 
n wird es mit demselben zu y, in den andern Fällen aber wird es 
inlautend zu j, auslautend zu x: Strèy, strenge; beyol, bengel; penston, 
phingsten (Pfingsten); slay, slange (Schlange); sprenon, springen; birez, 
bürge; yobirey, gebirge; zorey, sorge; 3orjon, sorgen; borjon, borgen: 
morjon, morgen (der Morgen) ; »rwörjon, erwürgen ; yaljon, galge (Galgen); 
foljn, folgen; fordiljon, vertilgen ; flijol, vlügel (hat alle Bedeutungen des 
nhd. Wortes »Flügel«, nur bedeutet es nie »Flügel eines Vogels«, wofür 
man flits sagt); öjol, igel; 3ijol, sigel (Siegel); Spijol, spigel (Spiegel); 
brijolon, prügeln; Æujol, kugel. Ausserdem ist es erhalten resp. zu } 
oder 7; geworden wie oben bei: @jon, eigen; 3éjon, sögen (aber senon, 
sögenen); priedey, predege (Predigt); priedej»n, predegen ; wirdejon, wür- 
digen; dejoley, tägelich. 

Es wird zu 7 innerhalb des Wortes bei mumtyor, maneger (man- 
cher); day»n, tougen (taugen) und eiyt, egede (Egge): riyton, egeden 
(eggen); zu yk resp. yk bei Spreykol, sprengel; hereyk, heringe und 
yk, enge. Die Endung -unge wird eyen: me@nen»n, meinunge (Meinung); 
hafeyon, hoffenunge (Hoffnung); ertbiwenen, örtbibunge (Erdbeben). 

Ist im Mhd. & in den Auslaut gerückt, so wurde ce dafür gesetzt. 
In der Mda. wird es zu 7; ausgenommen ist nur ne, welches zu ÿk 
wird: orey, arc (arg); bèrey, berc (Berg); @ntsey, einzec (einzig); r{e7, 
rihtee (richtig); kreiy, kriec (Krieg): tsw@y, zwie (Zweig); fswerez, 


zwörc (Zwerg); gonony, genuoc (genug); day, lac (Tag); »wey u. we, 


a 


enwöc (weg);aber: gosayk, gesanc (Gesang); yayk, ganc (Gang); Sproyk, 
sprune (Sprung); reyk, rine (Ring); joyk, june (jung); layk daneben auch 
lan, lanc (lang) !). 

Es fällt aus bei plou, phluoc (Pflug); Arou, kruoc (Krug); we 
wec (Weg). 


$) 


p 
ist im Anlaut der Fremdwörter erhalten: por, par (Paar); pelom, palm; 
popli, papele (Pappel); pèy, pech; pain, pine (Pein); pelts, pelz. 

Für mhd. ph (pf) steht bei weitem in den meisten Fällen blosses 
p: pefor, phefler (Pfeffer); paifon, phifen (pfeifen); pért, phert (Pferd); 
ploöstor, phlaster ; plants, phlanze; port, phorte; plou, phluoc. 

In einigen wenigen aus dem Hochdeutschen entlehnten Fällen wird 
es mit f wiedergegeben: failor, philære (Pfeiler); flyt, phliht (Pflicht) ; 
feney, daneben jedoch auch penek und peneyk, phenninc und phennic 
(Pfennig); prafon, phrophen (pfropfen). Bei den verbis auf -phen steht 
-pon oder -fon (jedoch meistens -pen), je nachdem dasselbe ein Sub- 
stantiv zur Seite hat, das in der Mda. auf p oder f endigt, so sagt man 
z. B. prafon, weil daneben praf, phropher (Pfropfreis) steht; Ahepon, 
köpfen (köpfen), weil daneben /hap, kopf u. koph steht. 

Auslautendes p, welches im Mhd. gewöhnlich nur das in den Aus- 
laut tretende b ersetzt, erscheint in der Regel als f: staf, stap u. stoup 
(Stab u. Staub); laif, lp (Leib); def, diep (Dieb); af, loup (Laub); 
half, halp (halb); Ahalof, kalp (Kalb); Ahorof, korp (Korb). Kommt 
aber eine Endung hinzu, so steht w: halwon, halber: khelwor, Kälber, 
denn dann steht ja auch im Mhd. nicht p sondern b, und darum unter- 
liegen alle jene Wörter den bei b angeführten Regeln. Nach m bleibt 
p: khamp, kamp (Kamm); lamp, lamp (Lamm); Æromp, krump (krumm). 
Im Plural jedoch, sowie bei den von diesen Wörtern abgeleiteten Verbis 
und bei den Adjektiven in attributiver Stellung fällt es aus, weil es ja 
auch im Mhd. in jenen Fällen schwand oder zu b wurde und deshalb 
auch hier die Regeln von b Geltung haben: khèm, kemme (Kämme); 
khemon, kemben u. kemmen (kämmen); kremon, krümben u. krümmen; 
lèmor, lember u. lemmer (Lämmer); krom fra, krumbe frouwe (krumme 
Frau); kromo beyol, krumber bengel. 

Auslautendes pf od. ph. (pfe) ist in der Regel zu p vereinfacht 
worden: khap, kopf u. koph (Kopf); rap, kropf u. kroph (Kropf); sap, 

1) Im Plural fällt das 4 jedoch weg: 95307 od. gozenar, gen, Sprem, ren, J0%, 
lan, ausserdem bei den Adjektiven in attributiver Stellung, denn in diesen Fällen 
haben wir im Mhd. wie ja auch im Nhd. die Endung -ge, von der nach den Ge- 
setzen der Mda. nur das e abgeworfen wird. 


aan. 2. 


schopf (Haarschopf); damp, dampf; trap!), tropfe u. trophe (armseliger 
- Mensch). Bei diesen Wörtern bleibt das p auch im Plural und ebenso 
bei den davon abgeleiteten Verbis: Ah0p (Köpfe); krep (Kröpfe); Ihepon, 
köpfen (enthaupten); dèmpon, dempfen (dampfen). Bei den Wörtern 
mit rpf, rph erübrigt dafür gewöhnlich rf: harof, harpfe (Harfe); $arof, 
scharpf u. scharph (scharf); kharof, karpfe (Karpfe); sörfon, scherpfen 
(schärfen). Der Plural von Aharsf, woneben jedoch auch Æharop vor- 
kommt, wie ja auch im Mhd. karpe neben karpfe steht, ist in der Regel 
kharpan. 


t 


ist anlautend in den meisten Fällen mundartliches d: day, tac (Tag); 
dants, tanz; daf, toup (taub); dauf, tübe (Taube); dout, tôt; dréon, 
tragen; droyk, trunc (Trunk u. Trank); drayk, trance (nur Trank, d.h. 
nur Birnen- u. Aepfelwein); draf?), trouf (Traufe) ; dräm, troum (Traum); 
dreif, trüebe (trüb). 

t ist geblieben in #$, tasche ; taston, tasten; tauyon, tüchen (tauchen): 
faus, tüsch (Tausch); fauson, tüschen; tor, teller ; tömp»l, tempel; #pi 
u. Zepey, tepit u. tepich (Teppich); fèsfomènt, testament: trön, trahen 
(Thräne) ; #roun, trön (Thron) ; tent, tinte : töbon, toben ; trayton, trachten : 
traum, trüwen (trauen); frai, triuwe (Treue, in der Mda. ist fraö jedoch 
in den meisten Fällen als Adjektiv verwendet, während man für »Treue« 
gewöhnlich traih@t sagt) ; trauor, trüre (Trauer); trauoron, trüren (trauern); 
trèp, treppe; frièdon, treten; tray, troc (Trog):; trelon, trollen (in der 
Mda. fallen); trol (etwas aufgerolltes); from, trumel (Trommel); #romon, 
trumelen (trommeln):; Zrap, tropfe (armseliger Mensch): troust, tröst 
(Trost); treiston, trösten. Sieht man sich aber die soeben angeführten 
Wörter etwas näher an, so findet man, dass das t sich meistens in 
Fremdwörtern und vor r erhalten hat. 

Auslautendes t, auch wenn es die Stelle des in den Auslaut tre- 
tenden d ersetzt, ist erhalten und ebenso das t bei der Endsilbe -te, 
welche das e nach der Regel der Mda. abwirft: bat, bat (Bad); böort, 
bärt (Bart); blat, blat (Blatt); ét, eit (Eid); yelt, gelt (Geld); ylit, gelit 
(Glied); gout, guot (gut); khéort, karte; bröt, bräte (Braten); Slt, slite 
(Schlitten). Wo aber das auslautende t an Stelle des auslautenden d 
tritt und demnach inlautend wieder zu d wird, da gelten infolge dessen 
in der Mda. auch wieder die bei d angeführten Regeln. Kalt und alt 
können sowohl khalt u. alt als auch khdl u. dl heissen; in attributiver 


') trap kommt nur in der Verbindung érmon trap (armer Tropf) vor. 
*) drdf kommt nur in der Verbindung déydräf (Dachtraufe) vor. 


OR m 


Stellung kommt nur hal und «al vor, während in praedikat. Stellung 
beides vorkommt. 


Bei den Verbis auf It und den davon abgeleiteten Substantiven 
auf Ite, Iter fällt t resp. te bei den Substantiven aus: falon, valten, 
(falten); fal, valte: orkhalon, erkalten ; halon, halten; Spalon, spalten ; 
spal, spalte ; spalor, spalter ; malor, malter. 

In den andern Fällen bleibt es nach I: it u. altor, =elte u. alter 
(Alter) ; eltor, altære (Altar): kholtor, kolter (Pflugmesser). 

Intervokalisch ist es gewöhnlich durch d vertreten : biedon, beten; 
bedolon, betelen (betteln); baidol, biutel (Beutel): bloudon, bluoten 
(bluten) ; aödol, itel (leer); brödon, bräten ; foudor, vuoter (Futter). 


Nach Konsonanten ist es erhalten: bastort, bastart (unechtes Kind 
oder halb Huhn und halb Hahn); baiyton, bihten (beichten); baston, 
bersten ; biston, bürsten ; ton, stän (stehen) ; destol, distel ; fleyton, vlehten 
(flechten) ; montor, munter. 

Unverschobenes t steht in dat (das, dass); wat (was); et (es); 
siehe auch die Adjektiva im Neutrum $ 14 Ende. 


k 


ist im Anlaut, Inlaut und Auslaut erhalten, resp. kk vor betonten 
Vokalen und Diphthongen geworden: Ah@sor, keiser (Kaiser); Æhabf, 
kalp (Kalb); /haf, kouf (Kauf); Aheior, k6re (Kehr): klö, klawe u. klage 
(Klaue u. Klage): Aleyalon, klingelen (klingeln); kremon, krümben 
(krümmen) ; rek, rücke (Rücken): bokol, buckel; mek, mücke ; .drekon, 
drücken; gek, gec (Geck, Narr); spek, spék (Speck); 54k, sac (Sack); 
rak, roc (Rock); bok, boc (Bock). 


f od. v 


ist ebenfalls im An-, In- und Auslaut erhalten: fr, vride (Friede): 
frou, vrè (froh); fal, valle; fenkon, fahan (fangen); fous, vuos (Fuss); 
foudor, vuoter (Futter); rouf, ruof (Ruf); deif, tiuf, (tief); Séaif, stiuf 
(steif): steft, stift (etwas Gestiftetes): $ef, schif (Schiff); raf, rif (ge- 
frorener Tau): Sôfon, släfen (schlafen); merfol, mülvol (Mundvoll): 
stefton, stiften; dörfon, dürfen. 

Ausgenommen sind nur: khièbur, kalfer (Käfer): tswaiwol, zwivel 
(Zweifel); tsiwaiwolon, zwivelen (zweifeln) und z£ıon, oven (Ofen): 
cdarwol u. daibol, tiufel (Teufel). Unverschobenes » steht in op, üf (auf). 


W 


ist im Anlaut erhalten: widor wider (wider u. Widder): wuès, wahs 
(Wachs); wei, we u. wiege (weh und Wiege); w«@t, weide: wais, wis 
(weiss); wièson, wesen (Wesen) '). 

Inlautend wird es abgeworfen, nur nach r wird es beibehalten: 
fr&on, vröuwen (freuen); bauon, büwen (bauen) : rouon, ruowen (ruhen) : 
trauon, trüwen (trauen); aber ferwon, ferwen (färben): gèrwon, gerwen 
(gerben), wegen des vorhergehenden r. 

Die Endsilbe we wird in der Regel abgeworfen, nur nach r wird 
w nach abgeworfenem Schluss -e zu f, das jedoch, wenn eine Endung, 
wie z. B. im Plural, hinzutritt, wieder zu # wird: fra, vrouwe (Frau): 
gobai, gebiuwe (Gebäude); Aa, houwe (Hacke); 446, kläwe (Klaue): ron, 
ruowe (Ruhe); aber forof, varwe (Farbe); yorof, garwe (Garbe): mérof, 
mürwe (mürbe); pl. forwon, gorwon, mirwon ap»l (mürber Apfel); letztern 
Wörtern schliessen sich auch an /eif, löwe (Löwe); pl. leiwon und 
smolof, swalwe (Schwalben), pl. smolwon. 


s 
ohne konsonantische Verbindung wird zu weichem s (= 3) im An- und 
Inlaut: saft, saft; sauon, sügen (saugen): biesom, beseme (Besen); 
»rleizon, erlæsen: 501, esel. Es wird zu hartem s in breisom, broseme 
(Brosame); zu r in freioron, friesen (frieren); forleioron, verliesen (ver- 
lieren); zu $ in fest, vérse (Ferse) wegen des hinzugetretenen t: zu s 
und auch ts in saldot od. tsaldôt (Soldat). Für die Endsilbe -se steht 
s: blôs, blâse: rous, rôse: hues, hase; nuès, nase; khés, kæse. 

hs (hse) wird in- und auslautend in der Regel zu hartem s: «es, 
ahse u. ohse (Achse u. Ochs); eidles, egedehse (Eidechse); fés, vuhs 
(Fuchs); wuès, wahs (Wachs); fluès, vlahs (Flachs); wwueson, wahsen 
(wachsen); wièsal, wöhsel (Wechsel); wiesolon, wehseln. Bei einigen 
Wörtern ist es zu Äs geworden: beks, bühse (Büchse); dksel, ahsel 
(Achsel). 

s vor I, m, n, p, t, w wird zum gequetschten $: Slaiyon, slichen 
(schleichen); Séfon, sleifen (schleifen); Slekon, slicken (schlucken): 
g9Smdy, gesmac u. gesmach (Geschmack); g»smaidey, gesmidec (ge- 
schmeidig); Snaidon, sniden (schneiden); $nouor, snuor (Schnur); Spön, 
spän (Spahn); spalen, spalten; Stan, stange; Stön, stän (stehen); frast, 
vrost (Frost); destol, distel: Swöort, swarte (Speckhaut): swöorts, swarz 

1) Das hochd. Wort »Wesen« hal sowohl abstrakte als konkrete Bedeutung, 


während das mundartliche Wort »wiezan« in der Regel nur etwas Abstraktes be- 
deutet. Statt »Wesen« in konkreter Bedeutung sagt man denan (Ding). 


ar ee 


(schwarz): Swamon, swimmen (schwimmen). ss kommt im Mhd. nicht 
häufig vor, es wird durch s ersetzt: près, pressen; pres, presse; 
gowes, gewisse (gewiss). 


; ist im In-und Auslaut zu s geworden: Gnas, Ameise (Ameise): 
Le] 1 [ef V / 


resp. 33 
bas, bis (Biss); grus, grös (gross); Spras, sprosse (Sprosse der Leiter); 
wasor, wasser (Wasser); meson, messen (messen) ; $lesol, slüszel (Schlüssel) ; 
baison, bizen (beissen); beison, büezen (büssen); zweson, wissen (wissen) ; 
Seison, schiesen (schiessen); stouson, stôson (stossen). Es wird zu $ in 
kraison, krizen (weinen); Jirs, hirs (Hirsch); aber bei hiortsomentyon 
u. huortsofr@yon (männl. u. weibl. Hirschkäfer) wird es zu fs, ebenso bei 
sots, schus (Schuss) und beitson, büezon (Kleider ausbessern und über- 
haupt nähen). 
z und tz 

sind in der Mda. erhalten: bofsuèlon, bezaln (bezahlen) ; tsuel, zal (Zahl) ; 
tsou, zuo (zu); dautson, dützen; @rts, erze (Erz); hats, katze. Es 
wird zu {$ in hetst, hitze, wegen des hinzugetretenen t, vor dem s zu 
5 wird Wir haben 3 in doson, dutzent, wohl wesen des franz. dou- 


G 


zaine (Dutzend), von dem ja auch das mhd. dutzent abgeleitet ist. 

J 
ist im Anlaut erhalten: ÿ6, ja; joor, jar (Jahr); joyk, june (jung). In- 
lautend ist es ausgefallen: mn, mæjen (mähen); dréon, dræjen 
(drehen) ; wweon, wæjen (wehen) ; bleion, blüejen (blühen) ; breion, brüejen 
(brühen). Allerdings muss hier bemerkt werden, dass dieses inlautende 
j auch schon im Mhd. oft ausgelassen wurde, so findet man z. B. dræn, 
wæn, blüen u. s. w. 

h 
hat in der Mda. den Charakter des Reibelautes verloren und ist zum 
blossen Hauchlaut herabgesunken oder gänzlich geschwunden. 

Anlautend ist es immer erhalten: hant, hant (Hand) : amor, hinder 
(hinter) ; haf, hof; hafon, hoffen ; houf, huof (Huf). 

Inlautend ist es nicht erhalten: sein, zehen (zehn) ; waion, wihen 
(weihen) ; fortsaion, verzihen (verzeihen): tseion, ziehen. 

Vor s fällt es entweder mit Ersatzdehnung aus, oder hs wird 
zu ks, wie wir oben bei s und vorher schon beim Vokalismus an 
mehreren Stellen gesehen haben. 

Vor t (mit Ausnahme der Wörter auf eht, von denen wir später 
sprechen werden) fällt es bei denjenigen Wörtern, die in der Mda. am 
häufigsten vorkommen, mit Ersatzdehnung aus: wèt, ahte (Acht); weten, 


en 


ahten (achten); gowit, gewihte (Grewicht) ; gztt, gesiht (Gesicht): vitn, 
rihten (richten); ‚li, lihte u. lieht (leicht u. Licht) ; fortn, vürhten 
(fürchten); net, naht (Nacht). Bei denjenigen Wörtern aber, die in 
der Mda. nicht so gebräuchlich sind oder die man nur durch den 
Schulgebrauch kennen gelernt und dann in die Mda. aufgenommen hat, 
ist das h seinem Werte nach, also als y, erhalten: /lyt, phliht (Pflicht) ; 
forfligton, verphlihten !); riytor, rihter (Richter)?); wigt, wiht (Wicht) : 
haiyxt, bihte (Beicht) ; baigton, bihten ; weytor, wæhtære (Wächter) ; slayt, 
slahte (Schlacht) ; go$iyt, geschiht (Geschichte). 

Bei den Wörtern auf eht wird h entweder mit Ersatzdehnung 
ausgeworfen oder ohne Ersatzdehnung beibehalten, d.h. das e wird 
entweder zu ie ohne y oder es ist erhalten mit y: riet u. reyt, reht 
(Recht) ; Slièt u. Steyt, sleht (schlecht); gorièt u. goreyt, gereht (gerecht). 
Nur bei /mict, kneht (Knecht) und flit, vlehte (Flechte) fällt es immer 
aus und bei heyt, heht (Hecht) und fleyfon, vlehten (flechten) bleibt 
es immer. 

Die Endsilbe -heit behält das h: fraih@t, vriheit (Freiheit); faul- 
het, vülheit (Faulheit). Nur bei gowumeyt od. gowineyt, gewonheit (Ge- 
wohnheit) und wowrezt, wärheit (Wahrheit) scheint das ei ausgeworfen 
worden zu sein, so dass dann h vor t zu 7 geworden ist; weitere 
Belege für diese Meinung lassen sich doch nicht anführen. 

Anstatt vähan (fangen) und hähan (hangen) erscheinen fenken 
und heyken (in der Mda. bedeutet letzteres sowohl hängen als hangen). 
ch 
wird in der Mda. durch den Reibelaut y dargestellt: m«yon, machen ; 
waiyan, wichen (weichen); meley, milch; mey, mich; dey, dich; z3ez, 

sich ; beyar, becher ; wwdyan, wachen ; lyon, lachen. 

Wenn y durch Flexion aus dem Auslaut in den Inlaut tritt, so 
ist es dennoch erhalten: day, dach, plur. deyar; khirey, kirche, plur. 
khiryon. Nur das auslautende y, welches an Stelle des in den Auslaut 
tretenden mhd. g steht, wird inlautend zu j: h@ley, heilec (heilig), 9% 
h@lejon (ein Heiliger); naidey, nidie (neidig), » naëdajs ments (ein neidiger 
Mensch). 


1) Für Pflicht gebraucht man am häufigsten Seleyk@t (Schuldigkeit) ; für 
verpflichten tsweyan (zwingen) oder doun (thun): z.B.: do khäzor hot à gatswon tse 
gôn oder god6 gôn, der Kaiser hat ihn gezwungen zu gehen oder gethan (= ver- 
pflichtet) gehen; für »verpflichtet sein« sagt man gewöhnlich: ey mous (ich muss) 
oder ex 3i Seley (ich bin schuldig). 

?) riytor ist sehr selten gebraucht, häufiger ist fridonsrigtor (Friedensrichter), 
am gewöhnlichsten ist ZuStape (juge-de-paix). 


a ae 


Für ch erscheint % in frek, vröche (dreist); frekh@t, vrechheit. 
Es fällt aus bei: for, vurch (Furche) ; sel u. $iel, schäleh (scheel) und 
in den nördl. Ortschaften auch bei hei, hoch. 


Die Liquiden |, r, m, n haben abgesehen von den gegenseitigen 
Vertauschungen in der Mda. ganz denselben Charakter wie im Mhd. Doch 
sei folgendes bemerkt: 


| 


ist in allen Stellungen erhalten: /ayk u. lay, lanc (lang); lant, lant 
(Land): fles, vlasche (Flasche); falon, vallen u. valten; yaljon, galge 
(Galgen); gal, galle; faul, vül (faul). Il wird vereinfacht, wie aus falon, 
vallen (fallen); yal, galle, hervorgeht. 


r 


bleibt ebenfalls in jeder Stellung, nur vor st fällt es gewöhnlich mit 
Ersatzdehnung aus: reip, rüebe (Rübe); row, ruowe (Ruhe); dreif, trüebe 
(trüb); féoron, varen (fahren); béoron, bären (bahren); Sporen, sparn 
(sparen); pior, par (Paar); mesor, messer (Messer); aber baston, börsten; 
diston, dürsten; dust, durst; bist, bürste; biston, bürsten; gést, gérste; 
bust, borst u. burst (Borste). Hieran schliessen sich auch khrtst, kruste 
(s. oben unter u) und fest, vérsene u. vörse (Ferse, bei dem zuerst 
Annahme des Schluss -t, wie dies ja der Fall ist bei vielen, besonders 
weibl. Substantiven, wie wir später beim Lautzusatz sehen werden, 
vorauszusetzen ist, worauf dann r vor st ebenfalls schwand). Eigen- 
tümlich sind dustrez, durstec (durstig) und fordistoron, verdürsten, Meta- 
thesis kann hier doch nicht angenommen werden, da ja das r aus einer 
Silbe in die andere hätte übergehen müssen; es kann also hier nur 
die Rede von Lautzusatz sein. 


Stehtrvordodert,sokann es ausfallen und auch beibehalten werden, 
bei ein und demselben Worte: fodoron u. fordoron, vordern (fordern); 
fiorton u. fioton, vürhten (fürchten) ; wirt u. wiot, wirt (Wirt); béort 
u. bist, bürde; göart u. géot, garte (Garten); khôort u. khöst, karte. Es 
fällt jedoch nicht spurlos aus, sondern es lässt das dumpfe >, das sich 
nach den langen Vokalen vor r entwickelt, zurück. Ueberhaupt kann das 
r auch nur da ausfallen, wo das » sich entwickelt, so z. B. bleibt es 
in hart, hart (in Keenigsmachern); bart, bart (ebendaselbst). Das Streben 
der Mda., alles scheinbar Unnötige abzuwerfen oder abzukürzen, kann 
wohl hier als Ursache jenes Vorgehens betrachtet werden. 


I voue 


ist in ällen Stellungen erhalten: mir, mer (Meer) ; mout, muot (Mut): 
émer, eimer ; damp, dampf; dempsn, dempfen (dampfen) ; arom, arm : 
daum, düme (Daumen). 

n 


bleibt in allen Stellungen, nur nach r fällt es aus: Snousr, snuor (Schnur): 
houn, huon (Huhn); fun, vane (Fahne); bolounsn, belônon (belohnen) ; 
aber btor, born (Brunnen); gévr, garn (Garn); fir, vorne; huaresal, 
horniz (Horniss) ; ortsioron, erzürnen; bior, birne; tswior, zwirn. Es fällt 
ebenfalls aus in bai, bine (Biene), plur. baion, binen. 

Inlautendes nk wird yk: Senkon, schenken; drenykon, trinken. Aus- 
lautendes nc wird y: bayk, banc, ebenso im plur. bèyk: jomk, junc. 
Imny 


o o 


stehen nur nach kurzen Vokalen, / und in der Regel nur vor t, » vor p, 
g vor k: alt, alt; khalt, kalt; laut, lant (Land); hont, hunt (Hund) ; 
dempan, dempfen (dampfen); /amp, lamp (Lamm); layk, lanc (lang) ; 
Joyk, junc (jung). Ausserdem ersetzen / und » noch die Doppelkonso- 
nanten Il und nn, die wir im Neuhochdeutschen am Wortschluss finden: 
zen, sin (Sinn); man, man (Mann); al, al (all); $al, schal (Schall) ; 
fal, val (Fall). Im Mhd. steht dieses einfache 1 und n ja auch für die 
Gemination ll und nn, wie es aus allen jenen Wörtern deutlich her- 
vorgeht, sobald sie eine Endung annehmen, so heissen z. B. die Genetive 
sinnes, mannes, schalles, valles; wird al flektiert, so heisst es aller, 
alliu, allez. 


DIE FRANZÖSISCHEN KONSONANTEN IN DER MUNDART. 


b 


ist anlautend in der Regel erhalten: bo&uor, bon jour!; bosoar, bon soir: 
buldok, bouledogue (Bullenbeisser) : es wird zu p in pagas, bagage (Ge- 
päck, altes Zeug, Gesindel); auslautend, d. h. -be wird p: hip, cube 
(Kubus); nach m fällt es aus: faimor, tombereau (zweirädriger Last- 
wagen); khomkhomor, concombre (Kürbiss). 


p 
ist erhalten: proupor, propre (rein, reinlich, nett, fein); pèrmisjoun, per- 
mission (Erlaubnis); pap, papa (Vater); parapli, parapluie (Regen- 
schirm); pröseioron, presser (eilen) ; ausgenommen ist bli$, peluche (Plüsch). 


DR 


d 


ist ebenfalls erhalten, nur die Endung de wird zu t, weil das Schluss -e 
abgeworfen wird ; drèseioron, dresser (zähmen) ; khomodeioron, commander 
(befehlen); byldok, bouledogue; aber mout, mode (Mode): Æhamout, 
commode (adj. bequem, subst. eine Art von Schränken); yart, garde 
(Zollaufseher). 
t 

ist auch erhalten: #raip, tripe (Eingeweide); spitif, perspective (Fern- 
rohr); polet, epaulette; taimor, tombereau: butik, boutique (Werkstatt, 
Handelszimmer). 

Auslautendes t, welches im Französischen nicht gehört wird, fällt 
ab: Zile, gilet (männl. Brustbekleidung); /holi, collet (Frauenkragen). 
Ausgenommen sind respekt, respect (Ehrfurcht) und die Wörter auf 
-nt: moment, moment (Augenblick); jesfomènt, justement (gerade, zu- 
fällig) ; lo2oment, logement (Wohnheit) ; afront, affront (Schande, Schimpf). 


gutturales g 
ist gleichfalls erhalten: tsigar, cigare ; gars, garce (Luder, Schimpfwort 
Frauenzimmern gegenüber): pagas, bagage ; grawats, gravatte (Halsbinde). 


palatales g 


ist ebenfalls der Aussprache nach erhalten: ranzeioron, ranger (ordnen); 
Ikhözi, congé (Ferien, Militärdienst); Zöneioron, gèner (hindern, in Ver- 
legenheit setzen); sazoment, changement (Aenderung des Amtes). Bei 
der Endung -ge fällt e ab und g wird zu $: pagas, bagage: tapas, - 
tapage (Lärm, Geräusch); blokhas, blocage (die schlechteste Sorte von 
Pflastersteinen). 

C 
ist in der Regel seiner Aussprache nach erhalten, d. h. es ist kh vor 
dunkeln Vocalen und s vor hellen: Æhomkhomor, concombre: Æhomi, 
commis (Aufseher bei der Arbeit); Ahaltsoy, calecon (Unterhose); fisèl, 
ficelle (Schnur); prosowerba, procès-verbal (Protokol); anlautend wird 
es zu ts: tsigar, cigare. 

qu 
ist ebenfalls der Aussprache nach erhalten: khéyon. queue (Schwänzchen 
— die am Halse in ein Schwänzchen auslaufenden Haare); kharli, quart 
ein kleines Mass zum messen der Hefe); Zak, Jacques (Jakob). 

JAI 
ist ebenfalls erhalten: Zay, Jean (Johann); Zen, Jeanne (Johanna): 
Zustos, justice (Gericht); Zustope, juge-de-paix (Friedensrichter, daneben 


un. 


hört man jedoch auch sehr häufig just»s und JuStopé): Zalous, jaloux 
(neidisch). Ausgenommen sind immer $p, jupe (männl. Kleidungsstück) 
und jestoment, justement. 
ch 

ist ebenfalls der Aussprache nach erhalten und wird also mit 5 wieder- 
gegeben: khu$dey, couche-toi (lege dich); sarboy, char-à-bancs (Wagen 
mit Sitzbänken) : Sagrey, chagrin (Kummer); Sökhanor, chicaneur (einer 
der immer Händel mit andern hat oder sie in Unannehmlichkeiten zu 
bringen sucht): pylis, pouliche (ein Pferdenamen) : blis, peluche (Woll- 


sammet). 
f 


ist erhalten: fray, pl. frayken, francs (Geldstück) ; fisel, ficelle (Schnur); 
frikho, fricot (Leckerbissen); af@r, affaire (Geschäft, Schwierigkeit): 
futi, foutu (zerbrochen, zerrissen, von Tieren tot). 


V 


ist der Aussprache nach erhalten und wird also durch :v dargestellt: 
serweit. serviette: grawats, gravatte; &wor, livre (Geldstück — fray — 
0,80 Je); wokhants, vacance (Ferien); prosawèrba, procès-verbal : 
wèrneioron, vernir (mit Firnis überziehen); werni, vernis (Firnis). 


S 


ist anlautend als hartes s erhalten oder zu /s geworden bei ein und 
demselben Worte: inlautend ist es als weiches s — 3 erhalten: sabo 
od. tsabo, sabot (Holzschuh) ; sé3i, od. fsé3i, saisie (Pfändung) ; sezeioron 
od. tsezeioron, saisir (pfänden); sös od. tsös, sauce (Sauce, Brühe): s@r 
od. ts@r, sœur (Klosterfrau). Weiches anlautendes s haben wir in 3%, 
sou (Geldstück — 0,04 .#). Vor p und t wird s zu 5, wie wir es ja 
auch schon oben beim Mhd. gesehen haben: spiitf, perspective (Fern- 
rohr); Spanjoul, Espagnol (Spanier); st@r, stère (Mass für Holz-Kubik- 
meter); jestoment, justement. Im Französischen nicht ausgesprochenes 
Schluss-s bleibt weg: werni, vernis; Æhomi, commis. Es bleibt aber in 
chspres, oder ekspres, exprès (absichtlich). 


m 


ist erhalten: #ûm, maman (Mutter); mout, mode ; ambarra, embarras 
(Umstände, Schwierigkeit) ; moment, moment ; taimor, tombereau : Smizet, 
chemisette. 

n 
ist als unnasaliertes n erhalten im An- und Inlaut und vor -nt: 
nondidjes, nom de Dieu (Fluchwort) ; ranécjoron, ranger: Zineioron, gèner : 


a 


Sikhanor, chicaneur ; moment, moment: afront, affront. Es wird zu m 
in khomkhomar, concombre. Ist es im Französ. im Auslaut nasaliert, 
so wird es in der Regel zu y: Zay, Jean: play, plan (Plan): davon 
playon (einen Plan fassen); Sagrey, chagrin (Kummer); bu$oy, bouchon 
(Pfropfen): /hoson, cochon (Schwein); façon heisst in den südl. Ort- 
schaften fasoy, in den nördl. aber fasaun. 


r 


ist erhalten : guworneioron, gouverner (regieren); guwormènt, gouverne- 
ment (Regierung): respekt, respect; traip, tripe (Eingeweide) ; taimor, 
tombereau ; grimas, grimace (Mundverzerrung). 


| 


ist in der Regel erhalten : misel, Michel: al&rt, alerte (aufgeweckt) ; 
polèt, épaulette: lozeioron, loger. Es fällt aus in prosowèrba, procès- 
verbal. Il wird zu 1j in peljas, paillasse (Strohsack). 


X 


wird inlautend beibehalten und also durch #s wiedergegeben : 

èksèmpol, exemple (Beispiel) ; ekspres, ($ wegen des folgenden p), 
expres (absichtlich) ; auslautend, selbst wo es im Französischen nicht 
gehört wird, wird es zu s: Zalous, jaloux (neidisch); Æhurjeis, curieux 
(wählerisch beim Essen). 


$ 6. Verhalten der alten Quantitäten vor den einzelnen Konsonanten. 


Die alten Quantitäten sind vielfach verändert worden infolge des 
Einflusses, den die folgenden Konsonanten ausgeübt haben. Wir wollen 
dieses im Folgenden etwas näher untersuchen. 


A. Einfluss der Liquiden. 


Einfaches r und auch m im Stammesauslaut ruft Dehnung des 
vorhergehenden kurzen Vokals hervor; dabei gehen aber die Vokale 
trotzdem nach den im Vokalismus aufgestellten Regeln in andere über, 
die aber doch gedehnt werden: duor, dar: bior, bir und ber (fem. — 
Birne, masc. — Erdbeere) ; mor, mir; dior, dir und tür (dir u. Thüre): 
por, par (Paar); Spuor, spor u. spur (Sporn u. Spur) ; forh@ron, heren 
(verheeren); Aior, hör (her); tsam, zam (zahm): ebendasselbe gilt, 
wenn nach r die Silbe -ne oder n abfällt; fér, vorne ; ger, gern(e) ; 
kher, körn(e) (Kern): Ahntor, korn ; dıör, dorn: bior, burne, burn und 
born (Brunnen). 


— 9 


Die Substantiva auf -alle und -amme werfen die letzte Silbe ab 
und verlängern das a: gal, galle; fal, valle (Falle); Adam, hamme 
(Schinken) ; flam, vlamme (Flamme). Die Verba auf -allen und -ammen 
vereinfachen die Gemination mit Verlängerung des a: filon, vallen (fallen): 
Salon, schallen: flamon, vlammen: stamon, stammen (abstammen): das- 
selbe gilt bei Clan, schällen, und $/, schëlle und vor rr: dr, irre: 
ioran, irren; dior, dürre: diaron, dorren (verdorren u. dörren). 

Bei gedeckter Liquida, d. h. bei It (t fällt weg), rs, rst (r fällt 
hier aus) rt und rz, wird der vorhergehende Vokal ebenfalls gedehnt : 
fal, valte (Falte): falon, valten: spal, spalte: Spalon, spalten: halon, 
halten; fest, vérse(ne) (Ferse); \his, kirse (Kirsche); gest, gerste: dust, 
durst ; diston, dürsten ; khöort, karte; böort, bart: wöordon, warten : 
hèrt, hert (Herde u. Herd); wisrt, wirt ; Mort, hirt ; héort, hurt (Stroh- 
geflecht zum Schutze gegen Wind und Regen); wwort, wort: khiorts, 
kerze:; h@rts, herze ; miorts, merze. 

Die langen Vokale sind vor den Liquiden im allgemeinen erhalten; 
denn es kommen, wie wir im Vokalismus gesehen haben, nur ganz 
vereinzelte Ausnahmen vor, bei denen der lange Vokal verkürzt worden ist. 


B. Einfluss der Verschlusslaute. 

Vor f, k, x und t sind die kurzen a lang geworden ; graf, grap 
(Grab) ; Staf, stap (Stab): rat, rat (Rad): bat, bat (Bad): pdt, pfat 
(Pfad); zak, sac (Sack); Say, slac (Schlag). Die anderen Vokale aber 
sind kurz geblieben oder nach den im Vokalismus angeführten Regeln 
in andere kurze übergegangen : zaf, sip (Sieb) ; gef, gip (gib); graf und 
grop, grop (dick u. ungebildet); lit, gelit (Glied); bok, boc (Bock); bit, 
bit (Gebet). 

C. Einfluss der Spiranten und Affrikaten. 

Hier ist nicht viel zu bemerken, wenn nicht, dass a verlängert 
wurde vor Schluss-s, st und 3: glas, glas; gras, gras; fas, vas (Fass): 
has, has (Hass); yast, gast; last, last: dasselbe gilt bei 33, das aber 
zu s wird: hyson, hassen (hassen); wésor, wasser (Wasser): ebenso 
wird & zu é vor 33: méson, möszen (messen); éson, öszen (essen); fréson, 
[reszen (fressen). 

Vor ch wird das a in allen Fällen verlängert: 347, sache: mıyz, 
mache (Mache) ; méyon, machen : layon, lachen ; krdy, krach (Schall) : 
kräyen, krachen ; Släyton, slahten (schlachten) ; $äyt, slaht (Schlacht) : 
forSmäyten, versmahten (verschmachten). 

(Die Fälle, wo h vor t mit Ersatzdehnung ausfällt, sind oben bei 
h näher besprochen worden.) 


ORNE 


Es ist noch zu bemerken, dass das abgeworfene Schluss-e oder 
die abgeworfene Schluss-Silbe eine bedeutende Rolle in Bezug auf die 
Quantität der vorhergehenden langen Vokale gespielt haben. Sie haben 
den vorhergehenden langen Vokal zwar nicht zu einem kurzen gemacht, 
jedoch wird derselbe viel kürzer ausgesprochen als in den Fällen, wo 
kein e oder keine Silbe nach demselben abgeworfen wird: so ist z. B. 
das a viel länger in da, tou (Tau) als in /a, louge (Lauge), «, ouge 
(Auge) ; länger in bam, boum (Baum) als in fra, vrouwe (Frau) ; 
länger in eiwex, èwic (ewig) als in sel, sele (Seele): à länger in dör, 
dir und tür (dir u. Thür) als in dér, dürre (dürr): au länger in daw, 
dû (du) als in dauf, tübe (Taube) und dau, düge (Daube). 


$ 7. Lautwandel. 


A. Umlaut. 
In der Mundart sind die Umlautsregeln sehr einfach: 
(42 


lang oder kurz wird zu ©: hant, hant, pl. hen; halts, hals, pl. hèlts: 
baley, bale (Balg) pl. bèlez : halom, halm, pl. helom: man, man (Mann) 
pl. mènor : gast, gast, pl. yest: böy, bach, pl. bey ; wasor, wazzer, collect. 
gowesor , plats, platz, pl. plètsor : zu & vor m: bam, boum, pl. b@em ; 
dram, troum (Traum) pl. drém ; tsam, zoum (Zaum), pl. tsem. 

Aber ausgenommen sind: gants, gans, pl. gents; blat, blat, pl. 
blièdor: rat, rat (Rad) pl. wieder; graf, grap (Grab) pl. griewor, haf, 
houf (Haufe) pl. Léf. 

(2 
wird zu e: holts, holz, pl. helsor, coll. gohelts: broy, bruch, pl. brey; 
brost, brust, pl. brest; bokol, buckel, pl. bekel; nos, nuz (Nuss) pl. nes; 
hont, hunt (Hund) pl. hen. Vor r jedoch wird es zu €: dorof, dorf, pl. 
derfor ; khorof, korp (Korb), pl. kherof. Aber son, sun (Sohn), demi- 
nutiv: söntyon. 


l 


0 ? 


, 


0 
wird zu é: mo, mage (Magen), pl. me; 36m, säme (Samen), coll. go3émps ; 
not, nät (Not), pl. net; möt, maget (Magd) pl. met; pöpst, bäbest (Papst) 
pl. pepst. Vor r wird es zu &: böort, bart, pl. bért: möort, market 
(Markt), pl. mert. 

(1 
wird zu ö: wwurom, wurm, pl. wérom; icurof ?), wurf, pl. wirof, humor, 
hamer (Hammer) pl. hömor; Inıwol (kleiner Hügel, Erdhaufe), hvwol. 


1) Wursf bedeutet in der Mda. die Zahl der kleinen Gegenstände, besonders 
beim Obst, die man auf einmal werfen kann mit einer Hand, d.h. soviel als fünf 
Stück: so bedeutet z.B. > w iof nes soviel als fünf Nüsse, 2 würaf kuèt$on soviel 
als fünf Zwetschen. 


wird zu 4: fus, vuhs (Fuchs), pl. fis; wort, wort, pl. wiordor; tior, 
turn (Turm), pl. for; $nuüor, snur (Schwiegertochter), pl. Swior; bust, 
burst u. borst (Borste), pl. biston. 


au 


wird zu aö: haus, hûs (Haus), pl. haisor, coll. gohais: maus, müs (Maus), 
pl. mais; Straus, strûz (Strauss), pl. Strais, coll. gestrais; bauy, büch 
(Bauch), pl. baiy; haut, hüt (Haut), pl. hait; kraut, krüt (Kraut), pl. 
 kraidor, coll. gokraits. 

ou 
wird zu ei: bouy, buoc (Buch), pl. beiyor ; plou, phluoe (Pflug), pl. plei: 
flouy, fluoch (Fluch), pl. fleiy; flou, vlö (Floh), pl. flei; toun, dön u. tôn 
(Ton), pl. tein. 

ue 
wird zu ie: suèdol, satel (Sattel), pl. zicdol; gruef, grabe (Graben), de- 
minut. grièftyon; kluèf, klobe (gespaltenes Holzstück oder Stück Eisen 
zum Festhalten oder um etwas daran aufzuhängen), deminut. kliöftyom 
(sehr gebräuchlich in der Redensart: # wwoor um klièftyon, es war am 
klièftym, d. h. es war die höchste Zeit). 


B. Konsonantenwechsel. 


Ausser den bisher besprochenen lautgesetzlich durchgeführten 
Veränderungen gibt es auf dem Gebiete des Konsonantismus noch eine 
ganze Reihe von Fällen des sporadischen Lautwandels, namentlich 
innerhalb der Gruppe der Liquiden. Vertauschungen von | und r 
lassen sich schon im Mhd. und Nhd. nachweisen. In der Mda. sind 
folgende Fälle vorhanden: 

! für r 
manarwolsf, mülwerf (Maulwurf); telpel, törpel (Tölpel); w»l, aber: 
bekol, bitter (nur in der Redensart: bell zalts — bitter Salz). 

! für n 
Slèk, snecke (Schnecke); klekon, knicken. 

I! für g (resp. )) 

mètslor, metzjer u. metziger (Metzger, vergl. lat. macellarius); metsolon, 
metzjen u. metzigen (schlachten). | 

r für I 
drmss, almuosen (Almosen); mausrwolof, mülwerf. 


— 100 — 


r für n 
mor, man (man). | 

m für I 
Smayk, slane (schlank, mager). 

m für n 


tsaum, zûn (Zaun); tsaimon, ziunen (flechten); froumfaston, vrônefasten 
(Frohnfasten) ; grompior, gruntbere (Kartoffel); Æhèmbor, kennebar (kenn- 
bar): dompst, dunst. 

n für m 
khanfor, kampfer. 

n für ch 
Soun, schuoch (Schuh). 

m für w 


smolof, swalwe (Schwalbe) ; mior u. mor, wir ; nemon, niuwan (nur). 


b für m 
marbol, marmer und marmel (Marmor, vergl. das frz. marbre). 


f für A 
sleif, slèhe (Schlehe): tseif, zèhe (Zehe). 


k für ch 
frek, vrech (frech) ; Snarkon, snarchen (schnarchen). 


k für p (resp. £) 
spawek, spinnewöppe u. spinnewët (Spinnengewebe). 


k für 

bekol, bitter. 

ks für tz (resp. ss) 

hekson, hetzen u. hessen (hetzen); ophèkson, ûfhetzen (aufhetzen). 
p für tw 

pos, &tewas (etwas). 
r für s 

freioron, vriesen (frieren); forleioren, verliesen (verlieren). 
$ für 3 

hirs, hirz (Hirsch); kraison, krisen (weinen). 
is für 3 

Sois, schus (Schuss) ; hiortsomèntyon, hirskäfer (siehe bei 3). 
ts für ss 

bretson, pressen (hineinpressen), 


— 11 — 


ts für gs und es 
sèntsol, sögense (en ist ausgefallen, Sense ; /antsom, lancsam (langsam). 


2 für es (resp. hts) 
gmuèäom, genuocsam und genühtsam (genügsam). 


C. Assimilation. 


Assimilatorischer Lautwandel kommt häufig in der Mda. vor: 
f in gef, gip (gieb) assimiliert sich vor m zu m in gemor, gip mir; 
ebenso n vor m in umar, amor, fumor, umey, an, in, von mir, an mich; 
gimar — gin mer, gan wir (gehen wir) : gèmor — gen mor, geben wir u. s. w. 
nt und » werden vor b und p zu m: khembar, kennebar ; grompor, 
sruntbirne (Kartoffel); /hampst, kintbette (Wochenbett). Vor f assi- 
miliert sich nt zu f: mufol, muntvol (Mundvoll) ; hafol, hantvol (Hand- 
voll); ebenso ne in jufor, junc-vrouwe (Jungfrau). Totale Assimilation 
ist ebenfalls eingetreten bei awèney, innewendic (inwendig):; Spawek, 
spinnewëppe (Spinnengewebe) : bawol, baumwolle (Baumwolle). # wird 
mit dem folgenden y zu y in boyort, boumgarte (Baumgarten). 


D. Lautverlust. 


Ganz allgemein und regelmässig durchgeführt ist die Apokope des 
auslautenden e: Sfuf, stube; riet, rede; buet, bote: @rt, örde: ıwö, 
wäge (Wage); loy, lunge ; fles, vlasche (Flasche) ; lef, lewe (Löwe) ; 
gas, gazze (Gasse) ; raup, rüpe (Raupe). 

Eine scheinbare Ausnahme machen eine Reihe von Wörtern, 
deren auslautendes e nur deshalb erhalten ist, weil es in der Mda. 
durch ein » gedeckt ist: nıumaon, name (Name) ; Suèdon, schade (Schaden): 
glawsn, geloube (Glaube); yaljon, galge (Galgen); dy»n, nache (Nachen). 

ch ist geschwunden bei sel u. sel, schölch (scheel) ; fir, vurch 
(Furche) und in den nördl. Ortschaften auch bei hei, hoch: siehe oben 
unter ch. 

Ausserdem ist geschwunden : g in plou, phluoc (Pflug) ; wé, wc 
(Weg): d in nöl, nädel (Nadel); h in boustof, buohstabe (Buchstabe) : 
leinon, lèhenen (leihen); eödles, ededehse (Eidechse); / in as; als; 230u, 
also (so); » in dyon, nachen (Nachen); r bei gest, göstern (man sagt 
jedoch auch häufig gestor) ; w in zestor, swester (Schwester); z in 
Siortey, schurz-tuoch (Schürze). 

_ Ausser den eben angeführten Fällen giebt es noch eine ganze 
Reihe von Lautverlusten, wie z. B. Schwinden des L vor #, des r vor / 
und st, des » nach », welche man oben bei den einzelnen Konsonanten 
angegeben findet. 


— 12 — 


E. Lautzusatz. 

Auf dem Gebiete des Vokalismus kommen hier nur die svarabhak- 
tischen Vokale in Betracht. In der Regel ist es ein dumpfes » oder e, 
welches sich vor r und nach den Liquiden vor folgenden Gutturalen 
oder Spiranten oder m entwickelt hat oder schon in früherer Zeit vor- 
handen war, aber in der ahd. Zeit verloren gegangen ist: meley, milch, 
ahd. miluh: fir, vorne: mior, mir; khirey, kirche; Starck, starc: wurom, 
wurm. 

Folgende konsonantischen Zusätze sind zu verzeichnen: y: règleg?), 
reinlich (rein) : ausserdem in Oberkontz und in den südl. Ortschaften 
bei »en, niun (neun); grey, grüene (grün); $oy, schuoch (Schuh) ; broy, 
brün (braun) und bei vielen andern Adjektiven, wenn nach » ein e ab- 
gefallen ist. In der ganzen Gegend mit wenigen Ausnahmen sagt man: 
mey, min (meine); dey, diae (deine); ey, sine (seine) im Singular des 
Femininums und im Plural der drei Geschlechter, jedoch in Kirsch, 
Merschweiler, Belmach, Apach sagt man: main, dain, zain. ge: gozin 
u. sin, sehen u. sen (sehen): gosimps, sims (Gesimse). / resp, ol: 
eidles, egedähse u. eidéhse (Eidechse): #ayol, mang u. mange (Mangel); 
zentsol, segense (Sense): Snetsolor, snitzære (Schnitzer): huoresol, horniz; 
wöortsol, Warze : futsol, vetze (Fetzen): frunZol, frz. frange (Franse). 
Vielleicht könnte man bei den angeführten Substantiven das -»/ als 
Ueberrest der alten Deminution auf -el oder -lin erklären, jedoch muss 
dann bemerkt werden, dass die genannten Substantiva und noch viele 
andere mehr in der Mda. nicht als Deminutiva betrachtet werden (siehe 
s$ 14 Deminution). 

m foromoncioron, verruinieren. 

n resp. on: nast, ast: nestrey, estrich : krenon, kræjen u. kræn 
(krähen): bailon, bil (Beil): depon, topf. 

k: feykon, fähen (fangen) ?), frömeykhet, vrümecheit u. vrümekeit 
(Frömmigkeit); eiweykh@t, &wicheit (Ewigkeit). 

p: Stamp, stam (pl. stem, Stamm); zwischen m und z, m und s, 
m und t: gesimps, sims; ampt, amt. 

r: Spratscioron, spazieren; blantsleyor, blintsliche (Blindschleiche) : 
lefor, lippe u. löfse (Lippe). 

s: steps, stüppe (Staub); dreps, tropfen, davon abgeleitet drepson 
(tröpfeln), was im Mhd. ja auch tropfezen heisst. Ausserdem wird s 


) rènlez ersetzt das nhd. rein und reinlich, während das mundartliche 
Wort r@n nur die Bedeutung von »fein, dünn« hat. 

2) fenkon ist wohl gebildet nach Analogie’ von henkan, hähen und henken 
(hangen und hängen). 


1 


— 103 — 


22 


namentlich an Kollektivnamen, woran die Mda. sehr reich ist, ange- 
hängt: godeyks (Dings): gosraifs (Schreiberei, Schreibsachen): golauts 
(Geläute). 

t: fest, vérse (Ferse); dayton, tougen (taugen); /aönt, line (Leine): 
geint, gegene (gegen); aptekt, apotêke: wumeyt, wonunge; laiyt, liche 
(Leiche); delt, tal (Thal). Ausserdem wird t angehängt bei den meisten 
Namen der Bäume und bei den abstrakten Begriffen, wenn sie auf e 
endigen, und bei den männl. Substantiven, die von Verben abgeleitet 
sind, aber in der Mda. keinen Umlaut haben: beiyt, buoche (Buche) : 
@yt, eiche; lenkt, lenge (Länge); dekt, dicke; grist, graeze (Grösse): 
hetst, hitze; Spotort (Spütter): réyort (Raucher) von rayon u. s. w. (Bei 
den beiden letzten und andern der Art ist wohl Anlehnung an die 
Wörter auf -hard anzunehmen). 

ey: peiterzelay masc., pêtersil masc. daneben allerdings pêtersilje 
fem. (Petersilie). 

ts: Spaits, spie (Speichel): spaitson, speien u. spien (speien). 


S 8. Accent. 


Die germanischen Accentregeln haben wie bei den andern deutschen 
Dialekten auch in der besprochenen Mda. ihre Geltung. Beim Einzel- 
wort herrscht also das Princip der absteigenden Betonung: der Haupt- 
accent ruht auf der Wurzelsilbe und gegen den Schluss zu nimmt die 
Tonstärke sowie die Tonhöhe ab, z. B. wirdejon, würdigen; priédejon, 
predigen. In zusammengesetzten Wörtern trägt das Bestimmungswort 
den überwiegenden Hochton: hausdior, hüstür (Hausthür); he@klap, 
höuweklopf (Heuklopf). Daraus folgt auch, dass wie bei den andern 
Dialekten, z. B. beim elsässischen, bisweilen das Grundwort fast bis zur 
Unkenntlichkeit verstümmelt wird: hents, hantschuoch (Handschuh): 
fuèsont, vasnaht (Fastnacht); Snaptey, snupfe-tuoch (Schnupftuch): boyort, 
boumgarte (Baumgarten). 

Bei den eingebürgerten Fremdwörtern ist keine feste Regel aul- 
zustellen, da die einen die deutsche Accentregel befolgen, wie bufel, 
bouteille (Flasche); êtjes, adieu (Ade): die andern aber den fremden 
Accent beibehalten: bozu»r, bon jour (Guten Tag!): bosoar, bon soir 
(Guten Abend). 

Für den Satzaccent gelten in der Mda. dieselben Regeln wie im 
Hochdeutschen, d. h. das Wort, auf dem das meiste Gewicht liegt, wird 
mehr betont. 


— 104 — 


ZWEITER ABSCHNITT, 


Flexionslehre. 


I. Deklination. 
A. Artikel. 


$ 9. 

Es scheint mir am Platze zu sein, die Flexionslehre mit dem 
Artikel zu beginnen, da hier einige notwendige Bemerkungen ange- 
knüpft werden müssen. 


Es gibt in der Mundart wie im Hochdeutschen ein dreifaches 
Genus und einen doppelten Numerus. 


sing. plur. 

masc. fem. neut. für die 3 genera 
nom. don do t(d) 1 t (db) 
dat. dom om dar dom om don do 
acc... den do, t (do): À t (db) 


Im nom. und acc. sing. und dat. plur. können don und d nicht 
ohne Unterschied vor einem und demselben Worte stehen. Don ist 
wohl die eigentliche Form des Artikels, da ja die niederdeutschen 
Dialekte gerne den Accusativ an Stelle des Nominativs verwenden, 
aber doch ist diese Form nicht so häufig wie die andere, denn sie 
steht nur vor den Wörtern, die mit einem Vokal oder mit d, t, h, ts 
beginnen, do aber steht vor allen andern Wörtern: don owont (der 
Abend), don uewon (der Ofen); don des (der Tisch), don trompeitor (der 
Trompeter), don humor (der Hammer): don tsam (der Zaum); don damwon 
(den Tauben); don heion (der hohe u. den hohen); aber: do bes (der 
Busch — Wald), do man (der Mann), do plou (der Pflug), do zaf (der 
Sieb) u. s. w.)) 


1) Das Schluss-» wird nicht nur beim Artikel abgeworfen vor den angege- 
benen Konsonanten, sondern das ist der Fall bei allen andern Wörtern, die auf 
-n endigen, so bei den Substantiven, Adjektiven, Fürwörtern u. s. w. 


— 15 — 


Statt des Genetivs gebraucht man die Praepositien fun (von), 
welche beim Mascul. und Neutrum mit dem Artikel zu fm verschmilzt. 

Im dat. sing. masc. und neutr. werden dom und am ohne Unter- 
schied gebraucht; doch wenn das vorhergehende Wort auf { endigt, 
dann hört man in der Regel nur om; get om man et (giebt dem Mann es). 

Die eingeklammerte Form ds» kommt nie vor Vokalen vor. Vor 
Konsonanten steht sie auch nicht so häufig wie { Jedoch gebraucht 
man in der Regel d» vor den Substantiven, die mit { oder ts be- 
ginnen, und wenn das dem Artikel voraufgehende Wort auf f endigt, 
um das Vorhandensein des Artikels besser zu bezeichnen: do faisolon 
(die Deichseln), do tsdyon (die Zangen), do man hot da besa gazin (der 
Mann hat die Wälder gesehen). 

Sehr oft wird in der besprochenen Mda., wie überhaupt auch in 
den meisten andern Mundarten, der Artikel ohne Notwendigkeit und 
Ursache nach dem Subjekt wiederholt, so dass ein Pleonasmus ent- 
steht: do man don as gris (der Mann ist gross). 


B. Substantiva. 
$ 10. 
a) Die starke Form. 
1. Ohne Umlaut: masc. do frent (der Freund), do börey (der Berg); 
neutr. # hhant (das Kind), £ bailon (das Beil). 


Masculinum Neutrum 

Sg.N. da frent da bèrey t khant t bailon 
G. fum frent fum berey fum khant fum bailon 
D. dom frent dom bèrez dom khant dom bailon 
A. do frent do berey t khant t bailon 

PI. N. £ fren tbereyu.tbery t khanar t bailon 
G. fun do frenon fun do bèrjon fun de khanoron fun do bailon 
D. do frenon do bèrjon do khanoron da bailon 
À. t fren tbereyu.tberg t khanar t bailon 


Von einer Deklination im ursprünglichen Sinne kann in dieser 
Mda. wie auch in den andern keine Rede mehr sein, da ja eigentlich 
nur zwei Kasus erhalten sind, nämlich der Accusativ für Nominativ 
und Accusativ und ausserdem noch der Dativ. Dass der Accusativ 
und nicht der Nominativ erhalten ist, das zeigt schon der Artikel, wie 
wir oben gesehen haben, und das wird ferner das Adjectiv in attribu- 
tiver Stellung zeigen, wie wir noch sehen werden. Der Genetiv wird 
vermittelst der Präposition fun (von) gebildet. 


06 = 


In der Mda. finden sich wohl keine Feminina vor, die hier anzu- 
führen wären. 

2. Mit Umlaut: masc. do khorof (der Korb); fem. £ brost (die Brust), 
t khou (die Kuh): neutr. f dorof (das Dorf). 


Masculinum Femininum Neutrum 
Se. N. A. do khorof t brost t khou t dorof 
G. fum khorof fun dor brost f. dor khou  fum dorof 
D. dom khorof dor brost dor khou dom dorof 
Pl.N.A t khersfu. t khèrf t brest t khei t derfor 
G. fun do kherwon  fundobrestonf. do kheion fun don dèrforon 
D. da kherwon do bre$ton do kheion don derforon 


Nicht nach der gemischten wie im Nhd., sondern nach der 
starken Deklination geht do last masc. (die Last), pl. t lest. 

Gegen die neuhochdeutsche Regel lautet um im Plural don hont 
(der Hund) pl. t hen; don halom (der Halm) pl. t hèlom u. t helm ; 
do bröt (der Braten) pl. t bret; don haf (der Haufen) pl. t hef; do m6 
(der Magen) t m6: do won (der Wagen) t wen; hier könnte man mit- 
unter wohl hinzufügen do bou (der Bogen) pl. { bei, welches allerdings 
im Nhd. neben dem PI. Bogen auch Bögen hat. 

Die Substantiva, die schon im Singular den Umlaut haben wie 
Swetsor (Schwatzer), swain (Schwein), deif (Dieb), breif (Brief), deior 
(Tier), /niet (Knecht), fes (Fisch) u. s. w. und im Nhd. im Plural ge- 
wöhnlich nur umlauten oder die Endung -e anhängen, bleiben in der 
Mda. selbstverständlich unverändert, da ja das Schluss-e, wie wir ge- 
sehen haben, überall abgeworfen wird, oder sie gehen zur schwachen 
Deklination über, wie z. B. hents (Handschuh) pl. hentson. 

Es bleiben im Plural unverändert $Soun, uèwon (Ofen) pl. wewon, 
obwohl sie die Deminutiva seintyon und ieftyon darbieten. 

Eine grosse Anzahl von Wörtern hauptsächlich sächlichen Geschlechts 
nehmen im Plural die Bildungssilbe -»r an, wo dies im Nhd. nicht der 
Fall ist; es sind dies die folgenden Plurale: deyor (Dinge) ; gl&zor 
(Geleise), gobièdor (Gebete), gobaior (Gebäude), gosètsor (Gesetze), 
goSpréyor (Gespräche), gowelwor (Gewölbe), gowitor (Gewichte) ; joyor 
nur nom. und acc. daneben auch ? joy (Junge eines Tieres, gen. und 
dat. nur joyon); kraitsor (Kreuze); loZomentor (frz. logements); Sazomentor 
(frz. changements), s@lor (Seile), Spilor (Spiele), Sprèsor neutr. (Sprosse 
fem.), hértsor (Herzen); ponor (Pfund); dazu kommen noch einige 
Neutra, die im Nhd. nach der gemischten Deklination gehen; betr 
(Betten), hemor (Hemden). Hier kann man auch noch einige Wörter 


— 107 — 


eines andern Geschlechtes hinzufügen : reSfor masc. (Reste), Suösteyor 
(Schornsteine) ; platsor u. plétsor (Plätze, neben plats masc. und fem. 
kommt im sing. auch plèts mit Umlaut ebenso oft vor), gobraiyar masc. 
(Gebräuche) ; dyon (Nachen) pl. ayor. 

Die Substantiva masc. wurom (Wurm) und dar (Dorn) nehmen 
im Plural nicht wie im Nhd. die Bildungssilbe -»r, sondern den blossen 
Umlaut an: wirom u. wirm und dir. 

Ganz eigentümlich ist der Plural folgender Wörter : métyon neutr. 
(Mädchen) pl. médoryor, géltyon neutr. (Medaille) pl. gelorgar, fleityon 
neutr. (Federmesser) pl. fleitoryor, faileintyon fem. (Veilchen) pl. faileinoyor, 
lejwèkoltyon masc. (Lerche) pl. leiwekoltyar. Der Plural ist gebildet nach 
Analogie der Deminutiva, wie wir später sehen werden. Ueberhaupt 
sind jene Wörter ja auch nichts anders als Deminutiva, obwohl sie in 
der Mda. nicht mehr als solche gelten. 


b) Schwache Form. 


Einen Unterschied zu machen zwischen schwacher und gemischter 
Deklination, wäre wohl in der Mda. nicht möglich, da ja im Singular, 
wo bei diesen Deklinationen im Hochdeutschen der Unterschied statuirt 
wird, die Wörter jeglichen Geschlechtes unverändert bleiben. 

Wir sprechen also demnach nur von einer schwachen Form. 

Beispiele: masc. do leif (der Löwe), do kh@r (der Kern): fem. 
t fra (die Frau); neutr. ft joor (das Jahr). 


Masculinum Femininum Neutrum 
Sg. N. A. do leif do kher t fra t j6or 
G. fum leif fum kher fun dor fra fum joor 
D. dom leif dom kher dar fra dam Jar 
PI. N. A. t leiwon t hheron t fraom t joaren 
G. fun do leiwon f. do kharon fun do fräon fun da jooran 
D. do leiwon do kheron do fraon do joaran 


Eine gewisse Anzahl von Substantiven, welche im Nhd. zur 
starken Deklination gehören, gehen in der Mda. zur schwachen über: 
j6or (Jahr s. oben); grucf (Graben) pl. gruèwon, hün (Hahn) pl. mon, 
dks (Axt) pl. akson, klats (Klotz) pl. klatson, daneben jedoch auch Alès, 
tuor (Gefängnis) pl. tuoron, aber tar (Türme); Axor (Horn) pl. Autoren, 
foul (vogel) pl. foulon, sämtliche haben also bei ihrem Uebergang den 
Umlaut, den sie im Nhd. haben, eingebüsst, ferner werden schwach : 
des (Tisch) pl. desen, arom (Arm) pl. drmon, bes (Busch — Wald) hesan, 


— 7108 = 


faint (Feind) pl. faindon, fres (Frosch) freson, die letzteren haben schon 
zum Teil im Singular den Umlaut angenommen. 

Ohne Umlaut bleiben im Singular und Plural: txt pl. tıton (Düte), 
krot pl. krôton (Kröte, wird gewöhnlich nur als Schimpfwort gebraucht) ; 
des Plurals wegen kann man hier auch foul (Vogel) pl. foulon anführen. 

Umgekehrt nehmen mehrere Wörter schon im Singular den Um- 
laut an, bei denen er im Nhd. nicht nur im Singular, sondern auch im Plural 
fehlt : /heston ohne sing. (Kosten), Ahest pl. kheston (Kastanie), ès pl. 
è$on (Asche) ; fles pl. fleson (Flasche), tes pl. teson (Tasche). 


s 11. Alte Kasusreste. 


Obwohl man bei der Deklination eigentlich nicht von Nominativ 
und Genitiv sprechen kann und die Substantive im Singular überhaupt 
unverändert bleiben, so haben sich doch alte Kasusreste erhalten. Sie 
mögen hier zusammengestellt werden: 

a) Reste des Nominativs: dor daiwol! (der Teufel!), dor daiwol 
helt dey (d. T. holt dich), dor daiwol 301 dey holon (d. T. soll 
dich holen), dat w@s dor daiwol (das weiss d. T.), hot dey dor 
daiwal gozin? (hat dich d. T. gesehen?) ; dor donor ! (der Donner), 

dor donor helt dey (d. D. holt dich), dor donor zol dey holon 

(d. D. soll dich holen) ; leiwor got ! (lieber Gott!), du mai leiwor 

got! (du, mein lieber Gott!) u.s. w. Es sind also, wie man 

leicht erkennen kann, nur Ausrufe und Flüche. 

b) Reste des Genitivs: 

1. bei Zahl-, Mass- und Mengbegriffen: w3or, @rar, hiarer fil, 
en, tswen u. s. w. (unser, eurer, ihrer viel, einer, zwei u.sw.), 
fil lafos, Sraiwos u. s. w. hun (viel Laufens, Schreibens u. s. w. 
haben); fil der deyer, d@r sprey, der héron u. s. w. (viel der 
[— jener, solcher, siehe beim Pronomen] Dinge, der Sprünge, 
der Herren u. s. w.), tseinarl& (zehnerlei); honordorlé (hun- 
derterlei) u. s. w. khaps heior, klénor, grisor (Kopfs höher, 
kleiner, grösser). 

2. In Zeitbestimmungen : morjos (des Morgens), metos (des Mittags), 
öwants (des Abends), nuets (des Nachts), hautos days (heut 
des Tages — heut zu Tage), wgayks, ausganks woy, mönt, 
j6or (Anfangs, Ausgangs Woche, Monat, Jahr), ugayhs, aus- 
gayks freijoar, zumar, herst, wantor (Anfangs, Ausgangs Früh- 
jahr, Sommer, Herbst, Winter), gohantsday (Johannistag) ; 
peitosday  (Peterstag), misrtosday (Martinstag); Stefosday 
(Stephanstag); naöjöorstay u. naujoostay (Neujahrstag). 


= 00 — 


3. Um Verwandtschaftsbegriffe auszudrücken oder das Besitz- 
tum anzuzeigen: khantskhanor (Kindskinder) !), t motor gotos, 
die Mutter Gottes. 


Um das Besitztum anzuzeigen, gebraucht man bis- 
weilen auch Genitivausdrücke: t nöpes haus (des Nachbars 
Haus) ; do besofs palast (der Bischofs-Palast); do khineks 
palast (der Königs-Palast); on as a wdgnss (er ist in Wagners 
seil. Haus); » khempt fu Sreinss (er kommt von Schreiners 
scil. Haus). 


4. In formelhaften Ausdrücken und Wendungen sowie in Zu- 
sammensetzungen: fu khantsdom un, op (von Kindstagen an, 
auf); Ahenos wes (keineswegs), khèyos gouda wés welon (keines 
guten Weges wollen); 3e zin dos daiwalts (sie sind des 
Teufels); fil ulaios un epos hum (viel Anliegen [würtl. An- 
liegens| an etwas haben); 3» méno nay 39 hèto wat wonas 
gemat (sie meinen noch, sie hätten was Wunders gemacht); 
op dor hergots welt (auf der Herrgotts Welt); hergots weder 
(Herrgotts Wetter d. h. sehr schlechtes Wetter); hergots 
khant (Herrgotts Kind d. h. dummes Kind, dummer Mensch) ; 
a gotos namen (in Gottes Namen) ; em gotos welon (um Gottes 
willen); an hot et owei em gots wel gomat (er hat es wie um 
Gottes willen gemacht, d. h. er liess sich viel bitten, ehe 
er es machte); ey hun on owoi em gots wel bito meisom (ich 
habe ihn wie um Gottes willen [d. h. dringend] bitten müssen) ; 
gotsloun (Gottes Lohn); butiksfra (Frau, die einen Laden 
hält); butiksmétyon (Ladenmädchen); wisrtsfra (Wirtsfrau, 
Wirtin); wwiortsmetyon Wirtsmädchen, Kellnerin); khintsburey 
(Königsburg [Name eines Gehöftes, das zu Sierck gehürt|): 
khineksmayer (Königsmachern); epos welos hun (etwas Willens 
[d. h. im Sinne] haben); # as net dor wért (es ist nicht der 
[seil. Mühe] wert); on as mants (er ist Manns [d. h. mannbar|): 
t métyen as mänts (das Mädchen ist mannbar [d. h. schon 
gross, erwachsen]); mants gomouy (Manns, mannbar genug); 
d@as gonouy (dessen genug); ey hun der deyar, der zayon 

1) Die Ausdrücke Enkel und Enkelin sind in der Mda. gänzlich unbekannt. 
Ausdrücke dafür sind neben Ahantskhaner noch folgende Umschreibungen: dem 
zena khanar hior khanar (wörtl. dem seinen Kindern ihre Kinder = dessen Kinder 
oder Kindskinder), dém zaim jon zen khanor (wörtl. dem seinem Sohn seine Kinder 
— dessen Sohnes Kinder), der hioror duetar hior khanor (wörtl. der ihrer Tochter 
ihre Kinder — deren Tochter Kinder). 


— 110 — 


d@os Sraiwos gonouy (ich haber der [d. h. jener, solcher] 
Dinge, Sachen, solchen Schreibens genug); t as net nenos 
wert (es ist nicht Nennens wert); memos, deyos, 3e99s, 4395, 
ceros, hioros glaiyon (meines, deines, seines, unsers, eueres, 
ihres Gleichen); Sterwos krayk zin (Sterbens [d. h. auf den 
Tod, tot-| krank sein); @m Sterwos aykst zin (einem Sterbens 
angst sein): liewos gofoor (Lebensgefahr) ; 3eyos liewos zat zin 
(seines Lebens satt sein); 3eyos lièwos net 3eyor 3in (seines 
Lebens nicht sicher sein); mai, dai, sai leptyos déon day net 
mei (wörtl. mein, dein, sein Lebenstage Tag nicht |d. h. 
niemals] mehr). 
c) Reste des Dativs: fun ha@rtson (von Herzen); fun hertso gar 
von Herzen gern). 


$ 12. Substantiva mobilia. 


Wie im Hochdeutschen von vielen Substantiven, die zur Be- 
nennung von Männern dienen, durch Anhängung von Endungssilben Sub- 
stantiva zur Bezeichnung von Frauen gebildet werden, so geschieht das 
auch in der Mda., mit der wir uns beschäftigen; jedoch wird in der 
Mda. in der Regel nicht die mhd. Endung -inne, in, nhd. -in gebraucht, 
sondern die Endung ->5, welche sich anlehnt an die Endung -se, die 
uns im Fränkischen, besonders im Ripuarischen, im 14. und 15. Jahr- 
hundert häufig bei schwachen von Masculinis auf -er gebildeten Femi- 
ninis begegnet, deren volle Endung wahrscheinlich -esse war und nach 
J. Grimms') Vermutung aus romanischem -esse?) entlehnt ist. Durch 
Einfluss des r ging -se oft in -sche über. Diese letztere Form wurde 
in der Mda. bevorzust, doch wurde das r, das sie veranlasst hatte, 
regelmässig ausgeworfen (vgl. oben unter r): biörjes, burgerse u. bur- 
gersche (Bürgerin); wolkhem>s, kemberse u. kemberssche (Wollkämmerin); 
mdstos, meisterse (Meisterin); rdwos, roubersche (Räuberin)?). Nach 
Analogie jener Wörter ist dann auch nedos (Näherin) gebildet. 

Man findet in der eigentlichen Mda. der besprochenen Gegend, 
d. h. bei den älteren Personen, deren Sprache nicht so wie bei den 
Jüngern vom hochdeutschen Schulunterricht beeinflusst ist, nur einige 
weibliche Benennungen auf -#n, um hohe Würdenträgerinnen zu be- 
zeichnen, so: khinigin u. khinegin (Königin); prentsesin (Prinzessin); 

‘) Vergleiche Grimm’s Grammatik, neuer Abdruck III, 337. 

?) Vergleiche das spätl. abbatissa (Aebtissin), diaconissa (Diakonissin, Kirchen- 
dienerin), das frz. maîtresse (Herrin), pécheresse (Sünderin) u. s. w. 

*) Siehe Mittelhochdeutsche Grammatik von Karl Weinhold, $ 267. 


— 11 — 


kh@szorin (Kaiserin), woneben jedoch auch oft kh@305 gehört wird. An 
diese schliesst sich auch leiorin (Lehrerin) an zur Bezeichnung der 
Person, die Schulunterricht erteilt, während Soulméstos (Schulmeisterin) 
nur die Frau des Lehrers bezeichnet. 


$ 13. Genus der Substantiva. 


Die folgenden Substantiva zeigen in der Mundart teilweise ein 
vom neuhochdeutschen und teilweise auch vom mittelhochdeutschen 
Sprachgebrauch abweichendes Geschlecht; sie werden aufgezählt in 
der Reihenfolge Mda. mhd. nhd. 

1. Masculina: altor, das alter, das Alter: «dd»l, der u. da; adel, 
der Adel; bak, der backe, die Backe u. der Backen; barof, diu barbe, 
die Barbe; bat, das bat, das Bad; beior, daz bier, das Bier; bentol, 
oberd. der bündel, das Bündel; blèy, das blöch, das Blech; blai, das 
bli, das Blei: blantsleyar, der blintsliche, die Blindschleiche; play, das 
bloch, der Block; bist, der u. das borst u. diu borste, die Borste; bokol, 
der u. diu buckel, der Buckel; botor, der u. diu buter, die Butter; day, 
das dach, das Dach; dil, der u. diu dil, die Diele; ek u. kon, diu und 
daz ecke, die Ecke; @tor, das eiter, der Eiter; bior, das u. diu örtber, 
die Erdbeere; @ntor, tswa@tor, dretor, feiortor u. s. w., nhd. eine eins, 
zwei, drei, vier u. Ss. w., gar, frz. la gare, der Bahnhof; h@sproyk, der 
höuschröcke, die Heuschrecke; huney, das honec, der Honig; houfort, 
diu hoffart, die Hoffart; emos, der u. das inbis, der Imbiss; hhirjolaison, 
der kirieleison, das Kyrieleison; /hol, der u. da; kol, die Kohle; khuast, 
der u. diu kost, die Kost; /knei, das knie, das Knie; /hofor, das kupfer, 
das Kupfer; last, der last, die Last; leiwekoltyen, diu l&rche, die Lerche; 
liefkhouy, die Levkoje: lou, der u. die lohe (lö), die Lohe; muet, der 
made, die Made; marek (selten femin.), die Mark (Geldstück) ; mampl, 
der mangel u. diu manc u. mang, der Mangel; martor, diu marter, die 
Marter; mout, frz. la mode, die Mode; mort, der u. das mort, der 
Mord; maul, daz mül und da; u. diu müle, das Maul; meidor, da; 
muoder, das Mieder; mis@r, frz. la misère (das Elend); »um»ro, frz. le 
numéro, die Nummer; afor, das opfer, das Opfer; pöort frz. la part 
(Teil)!); peitorselez, der pêtersil u. diu pêtersilje, die Petersilie ; pets, 
diu phütze, die Pfütze; polfor, der u. da; pulver, das Pulver; $elt, der 
!) pöort kommt nur vor in den stehenden Ausdrücken ; da mdsta part, der 
meiste Teil, die Meisten; do grist» poart, der grösste Teil; fir mai, dai, za, ze, 
«ra, hiare pöort, für meinen, deinen, seinen, unsern, euern, ihren Teil, was mich, 
dich, ihn u. s. w. betrifft; jedoch findet man auch häufig dé! (Teil) in allen jenen 
Ausdrücken mit ebenderselben Bedeutung wie port. 


schilt, das Schild: $frémol, der streim aber das streimel, die Strieme: 
Slèk, der snecke, die Schnecke; spawek, daz spinnegewëppe, das Spinn- 
gewebe u. die Spinnwebe; zelwor, das silber, das Silber; Sokola, frz. le 
chocolat, die Chocolade; steps, das stüppe, der Staub; raup, diu rüpe, 
die Raupe; prouf, spätmhd. diu probe, die Probe; dél (sehr langes & ; 
d@! mit kürzer gesprochenem & ist fem. und ist nicht so gebräuchlich 
wie das masc.; der Anteil am Gemeindegrundbesitz heisst immer dél 
(fem.) der u. das teil, der u. das Teil; del, der u. diu tille, der Dill 
u. die Dille; daf, diu toufe, die Taufe !); drauf, der u. diu trübe, die 
Traube; den, der u. diu u. daz tenne, die Tenne; fun, der vane, die 
Fahne; tsen, das zin, das Zinn; wolek, der u. diu wolke, die Wolke. 

2. Feminina: drmos, das almuosen u. diu almuose, das Almosen ; 
elt, da; alter, das Alter; es, der asch, die Esche; bay, diu bach, der 
Bach; bal, der balle, der Ball; doson, das totzen, das Dutzend (frz. la 
douzaine); felts, der vels, der Fels; glo$t, der geluste u. diu gelust und 
das gelüste, der Gelust u. das Gelüste; Aunwol, der hobel, der Hobel; 
huewar, der habere, der Hafer; hents, der hantschuoch, der Handschuh; 
hièf, der u. diu heve, die Hefe; hioron, daz hirne, das Gehirn ; hworèsol, 
der hornis, die Horniss: jol, der igel, der Igel; hen, das kinne, das 
Kinn; klats, der u. dag klöz u. der u. das kloz, der Klotz; khuor, 
(Roggen), das korn, das Korn; leps, der u. diu léfse, die Lefze; lést, 
der leist, der Leisten; lents (— Gerste, wohl so genannt weil man sie 
im Frühling säet), der u. diu lenze, der Lenz; luet, der laden, der 
Fensterladen; /omp, der lumpe, der Lumpen (als Schimpfname aber ist 
es in der Mda. meistens männlichen Geschlechts); mérol, frz. le merle; 
metla (mitunter auch masc.), frz. le matelat (Matratze); melts, das 
milze, die Milz; mös (auch neutr.), das mäz, das Mass; plaäts (auch 
masc.) u plèts, der platz, der Platz; pl&@zeior (selten masc.) frz. le 
plaisir (Vergnügen); rep, da; u. diu rippe, die Rippe; $plaitor, der und 
diu spilter, der Splitter; Spuèt, der spade, der Spaten ; srout, der schröt, 
das Schrot; steft, der u. diu u. das stift, das Stift u. die Stiftung; 
tsekreit, der Abort, lat. secr&tum oder vielmehr vom plur. secreta; 
Straus, der strüs, der Strauss; on, der u. diu sunne, die Sonne; 
delt,?) das tal, das Thal; salöt u. tsalöt, der salät, der Salat (frz. 


u === À . 


7) Das einfache daf kommt nur vor in dem stehenden Ausdruck: don 
he@lejon daf an eiore gahdl, die heilige Taufe in Ehren gehalten; khantaäf, diu kint- 
toufe, die Kindtaufe ist aber immer fem. 

*) dal neutr. (Thal) kommt nur vor in dem stehenden Ausdruck: t zon 
Saint Sun iwor berey an dul, die Sonne scheint schon über Berg und Thal; dal 
ist in der Mda. wie im mhd. und nhd. sächlichen Geschlechtes. 


— 13 — 


aber la salade, wovon wohl salöt abgeleitet ist, wie auch so ziemlich 
erhellt aus dem harten s oder fs, mit dem salöt beginnt, während es 
wohl zalöt hiesse, wenn es von nhd. salät abgeleitet wäre, siehe oben 
bei s); dreps der tropfe, der Tropfen; fentstor, daz vënster, das Fenster: 
faileintyom, der viol u. diu viole, das Veilchen; fsa, der ziuge, der 
Zeuge (vgl. diu ziuge, Zeugenbeweis); tseil, der ziegel, der Ziegel: 
wekol, der wickel, der Wickel; wuet, der wade, die Wade. 

3. Neutra: owontrout, der äbentröt, das Abendrot; wgosit, diu an- 
sesiht u. da; angesihte, das Angesicht; bir, der Bohrer; en der und 
das ende, das Ende; goweson, diu u. daz gewissen, das Gewissen ; galei, 
diu galide, die Galeere; l&t, diu leide, das Leid; mast, der u. daz mist, 
der Mist: morjorout, der und da; morgenröt, das Morgenrot; $pras, der 
u. diu sprosze, die Sprosse; depon, der topf, der Topf; #rtl, diu und 
das urteil, das Urteil; puis, frz. la pouliche; pulèt, frz. la poulette; 
lizet, frz. la lisette (die drei letzten Wörter sind Pferdenamen). — 
Ferner sind in der Mda. abweichend vom nhd. Sprachgebrauch sämtliche 
Frauenvornamen sächlichen Geschlechtes. 

Aus der voraufgehenden Zusammenstellung ist ersichtlich, dass 
die Mundart in Bezug auf das Geschlecht der Substantiva beim Mas- 
culinum dem Mittelhochdeutschen näher steht, beim Neutrum aber dem 
Neuhochdeutschen, während aus der Zusammenstellung der Substantiva 
feminina nichts zu folgern ist, da die Zahl der Abweichungen vom 
Mittelhochdeutschen der der Abweichungen vom Neuhochdeutschen 
vollständig gleichkommt. 


$ 14. Deminution. 

In der Mda. giebt es noch einige Ueberreste der alten Art die 
Wörter zu verkleinern, denn es findet sich eine gewisse Anzahl von 
Wörtern vor, die auf -»! endigen, was wohl als Ueberrest der mhd. Ver- 
kleinerungssilbe in mit vorausgehendem e zu erklären ist, da sonst 
das ->/ nicht erklärt werden könnte, weil ja die Mda. immer darnach 
strebt, die Endsilben zu verkürzen oder ganz abzuwerfen. Solche 
Wörter sind: grédol, Margaretha; berbol, Barbara; Zeyol, Johann; 
Snetsol, sniz u. demin snitzel; Sp@y»l, speiche u. daneben auch schon 
speichel (Speichel); stremal, streim u. dem. streimel (Strieme); Auoresol, 
horniz ; wôortsol, warze ; fatsol u. fetsol, vetze; zentsol, sögense (Sense) u.s. w. 
Doch hat in der Mda. bei all diesen Wörtern die Endung -»/ ihre 
frühere Bedeutung ganz und gar eingebüsst, d. h. die Wörter haben 
nicht die Bedeutung von Deminutivis, und sollen sie verkleinert werden, 
so befolgen sie ganz dieselben Regeln der Deminution wie die andern 


2 


Substantiva. Nur bei Jeykol, hüenelin (Küchlein); betsol (Zicklein, wohl 
vom frz. biche, Hirschkuh abgeleitet); tsekoltyon, zigelin (Zicklein) kann 
man mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass das ->/ seine 
frühere Bedeutung der Verkleinerungssilbe -lin beibehalten hat, wie 
aus der Bedeutung der Wörter so ziemlich klar hervorgeht. Jedoch 
können heylol und betsol wieder nach den unten anzuführenden Regeln 
verkleinert werden zu heykoltygan und betsoltyon. Neben und vor 
tsekoltyon (welches nur als Kosewort für Ziege und Zicklein gebraucht 
wird) muss wohl auch das Wort tsekol, von dem das jetzige Wort 
tsekoltyon kommt, bestanden haben, das aber die Mda. bereits nicht 
mehr kennt. 

Die allgemeine Deminutionssilbe ist x», die aber auf verschiedene 
Weise an das zu verkleinernde Wort angehängt wird, welches letztere 
fast immer den Umlaut annimmt, wenn es denselben nicht schon hat. 

Endigt das Wort auf einen Vokal resp. Diphthongen, so wird die 
Endung -yon ohne Bindevokal angehängt; der Plural lautet -oryar: khou 
(Kuh), Akheiyon, pl. kheioryar; à (Auge), &yon, pl éoryor: zau (Sau), 
saiyon, pl. zaioryor, m6 (Magen), méyon, pl. méoryor; U (Lüge), liyon, 
pl. Goryor ; brai (Brei), braigon; klei (Klee), kleiyon. 

Bei den Konsonanten muss man viele Unterscheidungen teils des 
Singulars, teils des Plurals wegen machen. 

Endigt das Wort auf f, so wird im sing. nur yon, im plur. aryor 
an den umgelauteten Stamm angehänst. Vor der Endung des Plural 
fällt jedoch das { aus, wenn es auch beim einfachen Worte im Plural 
ausgefallen wäre, oder zu d oder ? wird resp. als ? bleibt, je nachdem 
es im Inlaut zu d geworden oder als ? erhalten wäre: hont (Hund), 
hentyon; pl. hen also henoryor ; lant (Land), lentyon, pl. lènor also lenaryor ; 
hant (Hand), hentyon, pl. hen also hènoryor; kraut (Kraut); kraityon, pl. 
kraidor also kraidoryor: jut (Jude), jityon, pl. judon also jidoryor ; zait 
(Seite), safyon, pl. zaiton also saitoryor; set (Saite), sétyon, pl. zeton 
also z@toryar, greit (Grethe, Eigenname), greityon, pl. greidon also 
greidorypr. An diesen Deminutivplural schliessen sich auch an die 
Plurale métyon (Mädchen), pl. médoryor: géltyon (Medaille), pl. géloryor 
und fleityon (Federmesser), pl. fleitoryor, welche wir oben bei der starken 
Deklination genannt haben. 

Bei den Wörtern, die auf s und fs endigen, wird im Singular nur 
-m, im Plural aber -»ryar wie oben angehängt; im Plural bleibt teils 
das harte s, teils wird es zu weichem 3, je nachdem bei diesen Wörtern 
in inlautender Stellung s oder 3 steht: aus (Haus), haison, pl. haisor 
also haisoryor: maus (Maus), maison, dat. pl. maison also maizaryar ; 


— 15 — 


$las (Schloss), Slèson, pl. slesor also slesorgor;, fous (Fuss), feison, dat. 
pl. feison also feisoryor , Spets (Spitze), Spetson, pl. Spetson also Spetsoryer ; 
plats (Platz), pletson, plètsoryor ; kraits (Kreuz), kraitson, kraitsoryor. 

Die Wörter auf -»r hängen im Singular yon an, im Plural blosses 
y»r, wenn dem »r ein Diphthong voraufgeht, und arypr, wenn dem r 
ein langer Vokal voraufgeht: bauor (Bauer), baioryan, baioryor ; ouor 
(Ohr), eioryan, cioryor ; Saior (Scheune), Saiorgon, Saioryor ; Snouor (Schnur), 
Sncioryon, Sneioryor; bior (Birne), biaryon, biroryar; béor (Brunnen), 
bioryon, biroryor ; böar (Art irdener Schlüssel), béryon, béroryor; gostar 
(Geschirre), gosiorgon, goStroryar. 

Die Wörter, die auf 5 oder auf die Gutturalen y, %, 7 endigen, 
hängen im Singular oltyan, im Plural »ltyar und oryor an; die beiden 
Pluralendungen können bei ein und demselben Worte gebraucht werden, 
jedoch hört mau »ryor viel seltener als »ltyor: fes (Fisch), fesoltyon, 
pl. fesoltyor u. fesaryar ,; des (Tisch), deSoltyon, pl. desoltyor u. desaryar ; 
fres (Frosch), frèsaltyon, pl. frèsoltyor u. frèsoryor; rak (Rock), rèkoltyon, 
pl. rekoltyor u. rèkoryor : Stek (Stück), Stekoltyon, pl. Stekoltyor u. Stekaryor ; 
Stak (Baumstock), Sfèkoltyon, pl. Stèkoltyor u. Stekaryar, bouy (Buch), 
beiyaltyan, pl. beigoltyor u. beigargar, lay (Loch), leyaltyan, pl. leyaltyar 
u. leyaryar; bauy (Bauch), baiyoltyon, pl. baiyaltyar u. baiyaryar, joy 
(Junge = Knabe u. Sohn), jeyoltyon, pl. jegoltyor ; tsoy (Zunge), tsemaltyon, 
pl. tsemaltyor u. tsenaryar. 

Bei den andern Konsonanten wird im Sigular {yon und im Plural 
aryar angehängt. Endigt das Wort auf mp, so bleibt dieses p im Plural 
oder es fällt aus, je nachdem es beim nicht verkleinerten Worte im 
Inlaut bleibt oder ausfällt, ebenso wird f vor der Pluralendung bei- 
behalten oder es geht zu w über, je nachdem es beim einfachen Worte 
inlautend bleibt oder zu :w wird, auch Schluss-p bleibt entweder oder 
es wird zu b, je nachdem es im Inlaut bleibt oder zu b wird: lp 
(Lappen), leptyon, leparyor, weil der Plural lèpon heisst; Stop (Pfropfen), 
Steptyon, dat. pl. do Stepon also Steporyor ; khucp (Rabe vgl. frz. corbeau), 
khièptyon, pl. khuebon also khieboryar, foul (Vogel), feiltyon, feiloryar ; 
rol (Rolle, Walze), reltyon, reloryor; Sol (Scholle), Seltyon, Selorgor, lamp 
(Lamm), lemptyon, pl. lemor also lémoryor ; Ihamp (Kamm), hhömptyon, 
pl. khem also khemaryar, Stomp (Baumstamm, Stumpf), Sfemptyon, 
pl. Stemp also Stemporyor ,; lomp (Lumpen), lemptyon, pl. lompon also 
lemporyor:; hem (Hemd), hèmptyon, hèmoryor; 34m (Saum), semptgon, 
semaryar, tsam (Zaum), tsémptyon, tsémoryor (das p wird bei den drei 
letzten Wörtern nach der Regel zwischen m und # eingeschoben) ; 
ren (Regen), réntyon, renaryar ; ban (Bann), bèntyon, benaryar , hun (Hahn), 


— 116 — 


hintyon, hinoryor; houn (Huhn), heintyon, heinoryor , laif (Leib), laiftyon, 
pl. laiwor also laiworyor; gr@f (Mistgabel), gréftyon, pl. gréfon also 
gréforyor; Sof (Shaf), Séftyon, dat. pl. do Sowon also Séworyor: dauf 
(Taube), daiftyon, pl. dauwon also daiworyor. 

Endigt das Wort aber auf om oder »l, so wird im Singular eben- 
falls tyon (resp. ptyon nach om) angehängt, der Plural aber lautet tyor 
resp. ptyor: huwol (Hobel), hiwaltyon, hüvoltyor; Stiwol (Stiefel), Stiwoltyon, 
Stiwoltyor, khiwol (Kübel), khäcoltyen, kkiwoltyor:; bodom (Boden), be- 
demptyon, bedomptyor , fodom (Faden), fedomptyon, fedemptyor ; biesom 
(Besen), bièsomptyon, bièsiomptyor. 

Endigt das Wort auf -on, so fällt dieses -»n kurzweg ab und das 
Wort folgt dann der allgemeinen Regel der Gattung der Wörter, zu 
der es nun durch den Endkonsonanten dieses verkürzten Wortes gehört ; 
uewon (Ofen), éèftyon, ièworyor; depon (Topf), deptyon, deparyar ; bailon 
(Beil), bailtyen, bailoryer. 

Die Kinder verkleinern gewöhnlich mit Hülfe eines hinzugefügten 
i oder # im Singular und io» im Plural: Seini u. Seini, pl. Seinion (Schuh) ; 
heini u. heini, pl. heinion (Huhn); desi u. dest, pl. desion (Tisch); pérdi 
u. perdi, pl. pérdion (Pferd). Infolge dieser Art und Weise ein Wort 
zu verkleinern, lässt sich nun auch leicht erklären, weshalb die Vor- 
namen durch Anhägen eines ö verkleinert werden können, es ist nämlich 
nur eine Nachahmung der Kindersprache. Beispiele dieser Verkleinerung 
sind: pit, piti (Peter); het, khèti (Katharina); greit, greidi (Grethe); 
mis, misi (Michel); Zan, Zeni (Johann) u. s. w. Plural ist wie oben 
-im. Jetzt können diese verkleinerten Namen wiederum durch Hinzu- 
fügung der Silbe -y»n, pl. -yer verkleinert werden: Sarol, Sarli, Sarliyen, 
Sarligor (Karl); zus, sus, zusigen, zuziyor (Suzanna); en, èni, èniyon, 
eniyar (Anna). 

Ausser dieser Verkleinerungsweise der Vornamen gilt dann aber 
auch noch bei ihnen diejenige Art, die oben betreffs der gewöhnlichen 
Substantiva angeführt worden ist: sarol (Karl), Saroltyon, pl. Séroltyer ; 
hents (Haus), hentson, pl. henzon, pl. hènsoryor; pit u. peitor (Peter), 
pityon u. peitoryen, pl. pitoryor u. peitoryor ; en (Anna), entyon, pl. enaryer ; 
Zosèf u. jousop (Joseph), Zozeftyen u. jousoptyon, pl. Zozeforgar und 
jousoporyor; isak (Isaak), izekoltyon, pl. izekoltyor u. isèkoryor;  mèri 
(Marie), mèriyon, pl. mèriyor. 

Die Verkleinerung der Eigennamen mit -iyon ist in der Regel nur 
den kleinen Kindern gegenüber oder in der Koseform im Gebrauch, 
während die Endungen i und yon auch bei den Namen erwachsener 
Personen sich vorfinden, so findet man z. B. Leute, die ihr ganzes 


— 17 — 


Leben lang piti, pityon: khèti, khetyon;, greidi, greityon u. s. w. heissen ; 
jedoch ist zu bemerken, dass die Verkleinerungsnamen mit der Endung 
-yon gewöhnlich nur im Gebrauch sind, um Leute zu bezeichnen, die 
klein von Gestalt sind, während die Verkleinerungsnamen mit der 
Endung i sich auch zur Bezeichnung grosser und starker Leute ge- 
brauchen lassen. 

Zu dem Deminutivum tritt noch sehr häufig hinzu Ælénon, kKlen 
(fem. u. neut.), kleiner, kleine, kleines und Klintsejan, klintsey (fem. 
u. neut.), sehr kleiner, kleine, kleines. Siehe die Steigerung der Ad- 
jektiva S 16. 

Auffallend und der Mundart eigentümlich ist, dass das verkleinerte 
Wort nicht wie in den andern Mundarten das sächliche Geschlecht 
annimmt, sondern dasselbe Geschlecht beibehält, das es in seiner nicht 
verkleinerten Gestalt hat: do mèntyon (dass Männlein); don desoltyon 
(das Tischchen); èy fréyon (ein Fräulein); 09 kheiyon (ein Kühchen). 
Verkleinerte Frauenvornamen sind selbstverständlich vom sächlichen 
Geschlechte, da ja jene Namen, selbst wenn sie unverkleinert sind, 
sächlichen Geschlechtes sind, wie wir beim Genus der Substantiva $ 13 
gesehen haben. 


C. Adjektiva. 
8 15. 
Die Eigenschaftswörter werden wie im Hochdeutschen in attributiver 
und praedikativer Stellung gebraucht. 


Es gibt in der Mda. nur eine Deklinationsform. 
Beispiel: masc. Seinon, Seins , fem. Sein; neut. Sein (schön). 


Masculinum Femininum Neutrum 
Sg. Nom. Seinon, Sein sein sein 
(Gen. seinon, Seins Seinor Seinon, Seins) 
Dat. Seinon, $eino Seimar Seinon, Seind 
Acc. S$einon, Seins Sein Sein 
A I PS PRES PE PE EN Hain, 
PI. Nom. sein 
(Gen. Seinan, Seins) 
Dat. Seinon, Seimd 
Acc. Sein. 


Die Formen seinsn stehen wie die Formen don beim Artikel vor 
den Vokalen und vor d, f, ts, h, vor den andern Konsonanten aber 
steht Seins: Seins bam (schöner Baum), do Sein» bam (der schöne Baum); 
grüson des (grosser Tisch), do gruson des (der grosse Tisch). 


118 — 


Im Nom. und Ace. sing. fem. und neut. und im Plural der drei 
Geschlechter werfen viele Adjectiva auch ihr Schluss-n ab vor den 
Konsonanten mit Ausnahme wiederum von d, t, ts, h, andere behalten 
es aber immer bei. Eine feste Regel kann hier nicht aufgestellt 
werden, sondern jene Erscheinung hängt vom blossen Sprachgebrauch 
ab, so sagt man z.B. en $ei wis (eine schöne Wiese), aber en grein 
wis (eine grüne Wiese); klé fréon (kleine Frauen), aber khein fräom 
(kühne Frauen). . 

Obwohl in der Regel kein Unterschied zwischen starker und 
schwacher Form bei den Adjektiven in der Mda. gemacht werden 
kann, sondern in der Mda. nur eine Form aufzuweisen ist, so gilt das 
doch nicht vom dativ sing. masc. und neut., denn hier endet die starke 
Form auf -„m, die schwache aber auf -»n, z. B.: dom Seinon holts (dem 
schönen Holz); fu Seinom holts (von schönem Holz); dom alo wain (dem 
alten Wein); fun alom wain (von altem Wein). 

Die Adjektive auf -nt und -/t wie blant (blind): gezont (gesund) ; 
alt (alt); hhalt (kalt), werfen das € in attributiver Stellung ab; in 
praedikativer aber kann es abfallen und auch beibehalten werden; 
fällt es ab, so wird bei /f der vorhergehende Vokal verlängert; on alon 
des (ein alter Tisch), 2 khalo wantor (ein kalter Winter); t al fra (die 
alte Frau); wasor as khal od. kkalt (das Wasser ist kalt); t pért as 
al od. alt (das Pferd ist alt). 

Bei denen auf y%k fällt das k in attributiver Stellung ab, wenn 
im Mhd. das ce inlautend zu g wurde, in praedikativer Stellung aber 
kann das % bleiben und auch abgeworfen werden; wenn aber im Mhd. 
das c im Inlaut beibehalten wurde resp. zu k überging, so muss es 
auch in der Mda. in jeder Stellung beibehalten werden: layk, lanc gen. 
langes, daher heisst es in attributiver Stellung layon, lay (mit langem 
a), in praedikativer aber /ayk u. lay; joyk, june gen. junges, daher in 
attrib. Stellung joyon, joy (kurzes o), in praedik. joyk, selten joy; 
Smayk, slanc gen. slankes, daher in attrib. Stellung smaykon, Smank, 
in attrib. ebenfalls smayk; ebenso krayk, kranc gen. krankes, attrib. 
krapkon, krayk, praed. krayk. 

Die Adjektive auf -mp werfen das p ebenfalls ab in attributiver 
Stellung, in praedikativer Stellung wird es häufiger beibehalten als 
abgeworfen; kromp (krumm), » kromo man (ein krummer Mann); slamp 
(hinkend); # Slam fra (die hinkende Frau), { khon as Slamp seltener 
Slam (die Kuh ist hinkend). 

Nichts Schönes, nichts Gutes, nichts Schlechtes u. s. w. heissen 
naist Seinos od. naist Seints, naist goudos od. naist gouts, naist Sleytos 


od. naist Slèyts u.s. w. Etwas Grosses, etwas Grünes, etwas Langes, 
etwas Junges u. s. w. heissen èpos gros, èpos greinos od. pos greints : 
epos lamos od. èpos lamks, èpos jomos od. jomhs. ?) 

Werden die Adjektiva als Substantiva neutrius generis gebraucht, 
oder ist ein Substantiv neutrius generis hinzuzudenken, so wird die Endung 
-1 an das Adjektiv angehängt, z. B. à grusot (ein Grosses); € grılzot 
(das Grosse); t goudot (das Gute), à goudot (ein gutes); ey het gar » 
mèsor, m& 9 Sarwat (ich hätte gern |—- möchte] ein Messer, aber ein 
scharfes); wat fir ent fun do khanoron? dat jomot, dat klenst (was für 
eins von den Kindern? das junge, das kleine). Das Gute, das Schlechte, 
das Ueble heissen auch: t gouts, t sleyts, t iwolts (iwolts hat überhaupt 
nur diese Form, nicht die auf -»t). 


$ 16. Steigerung der Adjektiva. 

Der Komparativ der Adjektiva wird gebildet wie im Hochdeutschen 
durch Anhängung von -»r an den Positiv, der Superlativ durch An- 
hängung von St: Sein, Seinor, Seintst (schön); Staif, Staifor, Staifst (steif); 
raiy, raiyor, raiyst (reich) ; rau, rauor, raust (rauh); rei, neior, reist (roh). 

So wie im Nhd. werden auch in der Mda. die umlautsfähigen 
Stammvokale nicht immer verändert, z. B. frum, frumor, frumpst 
(fromm) : dom, domor, dompst (dumm), glat, glätor, glatst (glatt); faul, 
faulor, faultst (faul); aber gris, grisor, grist (gross); Ihuorts, khiortsor, 
khiortst (kurz); lay, leyor, leykst (lang). Andere lassen doppelte Formen 
zu: orey, orejar, oreyst und ersjor, ereyst (arg); Swöorts, Swöortsor, 
Swöortst und Swe@rtsor, Swertst (schwarz) in den südl. Ortschaften sagt 
man wery, uèrjor, ueryst und èrojor, ereyst; Swärts, Swartsor, Swartst 
und Swertsor, Swertst). Ganz regelrecht sind gebildet fist von fior 
(vorne, denn das r fällt vor $f aus, wie wir bereits oben bei r ge- 
sehen haben); iewost (obert) von wèwon (oben); en»st (unterst) von 
enon (unten); dagegen ist hen»st (hinterst) unregelmässig von hanor 
(hinter) gebildet, denn der Umlaut von « ist nicht e sondern € wie wir 
oben gesehen haben. 

Wie die Adjektiva so haben auch der Komparativ und Superlativ, 
wenn sie vor einem Substantiv des weiblichen oder sächlichen (e- 
schlechtes stehen, keine Endung im Nom. und Ace. sing.: kh@ Seinor 
haus (kein schöneres Haus); èy besor fra (eine bessere Frau). 

In den Sätzen wie: der gelehrtere Mann, der treuere Freund u. s. w.., 
wo der Komparativ attributivisch mit vorangehendem bestimmten 

2) èpas Jonas od. èpas jonks wird in der Regel nur von neugeborenen Kindern 


gesagt, so z.B.: mor hun epas jonks (wir haben etwas Junges d. h. ein neuge- 
borenes Kind); 39 hun èpos jonas od. jonks (sie haben ein neugeborenes Kind). 


ADI — 


Artikel vorkommt, gebraucht man in der Mda. in der Regel die Um- 
schreibung mit einem Relativsatz, z. B. do man, do goleiortor as (der 
Mann, der gelehrter ist — der gelehrtere Mann); do frent, den traior as 
(der Freund, der treuer ist — der treuere Freund) u. s. w. 

Der Komparativ wird syntaktisch verstärkt durch Vorsetzung der 
Adverbia fil (viel) und wait (weit); der Superlativ durch bai waitom 
(bei weitem). 

Es muss jedoch bemerkt werden, dass im allgemeinen die an- 
geführte Komparativform auf -»r nicht so häufig im Gebrauch ist als 
die Superlativform auf -$f, sondern man liebt es, sich mit dem Positiv 
mit vorgesetztem mei (mehr) zu begnügen. Geht dem Komparativ der 
unbestimmte Artikel voran, so setzt man dieses mei mit Vorliebe vor 
den unbestimmten Artikel, so dass dieser zwischen mei und das folgende 
Adjektivum tritt! mei o Sein haus (ein schöneres Haus), jedoch sagt 
man auch >» mei Sein haus und > Seinor haus; mei ey grus fra u. èy 
mei gras fra (eine grössere Frau). 

Der eigentliche Komparativ auf -»r wird jedoch mit Vorliebe ge- 
braucht in der Verbindung mit naist (nichts), kh@n (kein) und epos 
(etwas): naist apSailejor (nichts abscheulicher) ; naist besoros (nichts 
besseres); kh@n domora ments (kein dummerer Mensch); Akhey frèkor 
khanor (keine frecheren Kinder); èpos grisor (etwas grösser); èpos 
weinejor (etwas weniger); epos Spedor (etwas später) u. s. w. 

Jedoch gebraucht man auch häufig in diesen Fällen mei mit dem 
Positiv: naist mei gout (nichts besser) ; kh&@ mei gosaitore man (kein 
gescheidterer Mann); Æhèy mei kl& fraan (keine kleinern Frauen). 

Der absolute Superlativ wird durch den Positiv mit folgenden 
Adverbien ausgedrückt; gants (ganz), ongohaior (ungeheuer); èlon (ab- 
scheulich, hässlich); &stley, @Storley (ängstlich); fr&Storley (verängstlich)'); 

1) @Stley und «@storley haben im Sprachgebrauch die Bedeutung »ängstlich« 
verloren, wie es klar sich zeigt, wenn sie als Adjektiva gebraucht werden, denn 
dann bedeuten sie immer nur etwas Vornehmes, Tüchtiges. Sie sind jedoch sehr 
verschwommene Ausdrücke und werden sehr oft nur ironisch gebraucht, so 
z. B. wenn einer prahlt, so sagt man ironisch zu ihm: dau «stlegoa od. @starlexa 
kheral (du ..... Kerl); wenn man jemanden oder etwas vor einem andern lobt, 
der aber mit dem Lobe nicht ganz einverstanden ist, so sagt er: € wé&rt 07 nay 
èpos d@Storlegas 3in (es wird auch noch etwas besonderes sein). Ohne Ironie sagt 
man jedoch auch an &starlegan h@r (ein tüchtiger, vornehmer Herr); en «stley 
khou (eine prächtige, sehr schöne Kuh) u.s. w. Aus dem Gesagten könnte man 
fast schliessen, dass «@stley, «@slorley die Bedeutung von »erstlich« habe. Dieser 
Bedeutung steht aber dann das fr&@Storley im Wege, denn dieses kann doch wohl 
nur als @starley mit der Vorsilbe for- (ver-) angenommen werden, und dazu hat 
es die Bedeutung von »Furcht und Angst einjagend« oder auch von »ängstlich, 


— 121 — 


ongosekoley (ungeschicklich — unschicklich);  fwormeisez (übermässig) : 
iwor do möson (über die Massen); hilS (höllisch) '); Swaintsey (schweine- 
mässig)?). Gants entspricht dem Nhd. ganz und sehr. Alle angeführten 
Adverbia mit Ausnahme von gants, hèlo$ und Swaintsey können in der 
Regel eins für das andere gebraucht werden, denn sie drücken alle ins- 
gesamt das Ausserordentliche, das Auffallende aus, z. B. ongohaior, lon. 
@stley, &storleg, fr&storley, iwar do môson, twormeisey ongsSokoley dom 
(dumm), raiy (reich), daior (teuer), arom (arm) ?) u. s. w. 

Sehr auffallend und der Mda. ausschliesslich eigentümlich ist der 
Superlativ auf -ey oder -éy, den man bei einer ziemlich grossen An- 
zahl von Adjektiven neben dem auf -$f vorfindet: «aley u. aley (sehr 
alt), yrıisey u. grüsey (sehr gross), klintsey u. klintsey (sehr klein), läney 
u. läyey (sehr lang) u. s. w.: 2 klintsey khentyon (ein sehr kleines Kind): 
a Seiney haus (ein sehr schönes Haus). Die Endung -% (mit langem e) 
ist eine Verstärkung des einfachen -ey (mit kurzem e), so dass der 
Superlativ um so mehr verstärkt wird, je länger man mit der Aus- 
sprache auf der Endsilbe -% verweilt, diese bekommt jedoch nicht da- 
durch den Hochton, sondern derselbe bleibt nach wie vor an der 
Stammsilbe des Adjektivs haften. Um diesen Superlativ noch mehr 
zu verstärken, setzt man häufig noch meiley (möglich) hinter denselben, 
wodurch dann der stärkste absolute Superlativ entsteht: 2» «lego meileyo 
od. on aleya meileyp man (ein sehr alter Mann, es bedeutete wohl ur- 
sprünglich: ein ältst möglicher Mann, eine Bedeutung, die man jetzt in 
der Mda. dabei gänzlich vergessen hat); on heieya meiley» od. on heicya 
meileyo berey (ein sehr hoher Berg, ein höchst möglicher Berg). 

Unregelmässige Steigerungsformen haben gout (gut) und fil (viel); 
gout, besor, best daneben jedoch auch, aber selten, gout$t ; fil, mei, mé$t 


beängstigt« beibehalten, z. B. wenn jemand erschrickt oder etwas Häusliches, 
Fürchterliches erblickt und dabei grosse Augen macht, so sagt man von ihm: 
on hot t don frdSterley opgaras (er hat die Augen ...... aufgerissen); von einem 
ungeheuer grossen Tiere oder Menschen, in dessen Gegenwart es einem etwas 
unheimlich wird, sagt man 9 fra@storley deior, à fré$torleyo ments; von einer un- 
heimlichen Gegend kann man auch sagen èy fr@Starley gejant, von einer ganz 
stürmischen Nacht en fr&Starleg nuet u. s. w. 

1) helos kommt nur vor khal, khalt (kalt) vor, also nur helos khäl od. khalt, 
wie man auch manchmal für sehr schlecht himal Slèyt sagt. 

?) Swaintsey gebraucht man gewöhnlich nur vor rai (reich) und davor (teuer): 
Swaintsey raiy ; Snaintsey daior (sehr reich; sehr teuer). 

®) Einige absolute Superlative werden durch stehende Ausdrücke wieder- 
gegeben, z. B. Starek awei à p@rt (stark wie ein Pferd); nds ewei èn kré (nass wie 
eine Krähe = sehr nass); fol od. dronkan wei on henkol (betrunken wie ein Küch- 
lein = sehr betrunken); khanounefol (kanonenvoll = sehr betrunken). 


— 122 — 


und weniger häufig filtst; für »die meisten« sagt man # ma@st, do méston 
del, do m&st» pöort!). Hei (hoch) heisst im Superlativ heist und hekst, 
welche im Grossen und Ganzen dieselbe Bedeutung haben, d.h. eins 
kann für das andere gebraucht werden, wenn etwas Materielles gemeint 
ist; spricht man aber von Oberhäuptern oder etwas Ungreifbarem, so 
gebraucht man immer hekst: dom hekst» od. heisto berey (der höchste 
Berg); # hekst od. t heist haus (das höchste Haus); do khinek as dom 
hekston (der König ist der Höchste); t wöor t hekst tsait (es war die 
höchste Zeit). Das Adverb. gér (gerne) heisst im Komp. leiwor von leif 
(lieb) im Superl. gerst u. leifst. 

»Als« nach dem Komparativ lautet in der Mda. as, owei (wie), 
as wei: on as raiyor as ey od. as wei ey od. owei ey (er ist reicher 
als ich). 

»Am« vor dem Superlativ kann durch »am« wiedergegeben 
werden: den am best» Sraift (der am besten schreibt); dei am gerst 
od. am leif$to lafon (die am liebsten laufen); dei am Seinsto zin (die am 
schönsten sind); dei am Sneltste od. zeiorst» gin (die am schnellsten 
gehen) u. s.w. Aber man setzt auch ebenso häufig, wenn nicht noch 
häufiger, dor an Stelle des am, welches dr bei allen drei Geschlechtern 
sowie bei der Ein- und Mehrzahl unverändert bleibt: t fra, dei dor best 
khay» khan (die Frau, die am besten kochen kann); # métyon, wou 
dor Seintst beitst (das Mädchen, welches am schönsten näht); € menor, 
won od. dei dor Sleytst zeyon (die Männer, welche am schlechtsten 
singen); + haizor, wou od. dei dor mést khaston (die Häuser, die am 
meisten kosten); dat as dor best (das ist am besten). 

Beim Verbum 3in (sein) kann man sich jedoch auch wie im Hoch- 
deutschen ausdrücken: dei mènor, dei dei best zin od. dei menor, won 
dei best sin (die Männer, die die besten sind od. welche die besten 
sind); t métyon, dat dat grist as od. wou dat grist as (das Mädchen, 
das das grösste ist od. welches das grösste ist; aber häufiger sagt man 
auch hier wie oben: dei dor best zin; dat dor grist as. 


D. Zahlwörter. 
SAT 
a) Grundzahlen. 
1. en, en, ent; 2. tswén, tswou, tsw@&; 3. drai; 4. feior, in Koenigsm. 
fer; D. fenaf; 6. zeks; 7. ziwon, südl. von; 8. ayt, südl. ét, in Koenigsm. 
ét; 9. nain, südl. ne; 10. tsein, südl. tsen, in Koenigsm tsen; 11. @lof; 


1) do méston dal und da mésto port bedeuten auch »meistenteils«, das 
hochdeutsche »meistens« wird gewöhnlich durch »dor m&st« wiedergegeben. 


— 13 — 


12. tswilof, südl. tswielef, Koenigsm. fswélof ; 13. drautsein, südl. draitsen, 
Koenigsm. draitsen; 14. fértsein (tsein mit seinen soeben angeführten 
Modificationen); 15. foftsein; 16. séytsein; 17. ziwostsein; 18. aytsein, 
südl. veytsey, Koenigsm. aytsen; 19. nauntsein, südl. nonktsen, Koenigsm. 
nauntsen; 20. tswantsey; 21. d@nontswantseg, südlich eyontswantsez : 
22. tswa@ontswantsey; 23. draiontswantsey ; 29. nainontsiwantsez, südlich 
neyantswantsey; 30. draisey, südl. dresey; 40. fertsey; 41. énofértsez, 
südl. enofertsey; 50. foftsey; 60. zeytsey; 70. ziwatsey; 80. aytseyg, südl. 
ueytsey; 90. naintsey, südl. noyktsey ; 100. honort; 101. honort ent oder 
honart an (und) ent; 102. honort tsw@ od. honort an tswa@; 105. honort 
fenaf od. honart a fensf; 200. tsw@honsrt; 300. draihonort; 800. ayt 
(resp. ièt od. ét) honort ; 1000. dauszont; 10000 tsein (resp. tsen od. tsen) 
dauzont; 1000000. miljoun, in Koenigsm. miljon. 

Die substantivisch gebrauchten Zahlen sind männlichen Geschlechtes 
indem sie -br, nach ft und y aber -Stor anhängen: on @ntor, eine eins; 
don, an tsw@tor, die, eine zwei; an dretor, südl. drator, eine drei; 2 feiortor, 
eine vier; » fenoftor, eine fünf; » sekstor, eine sechs; 2 5wontor, südl. 
ziwantor, eine sieben; on aystor u. aytor, südl. öetstor, Koenigsm. dtstor, 
eine acht; 9 naintor, südl. neytor, eine neun; on tseintor, südl. tsentor, 
Konigsm. tsentor, eine zehn; on tswantseystor, e. zwanzig; on draiseystor, 
südl. dreseyster, e. dreissig; on homortstor, e. hundert; on dausantstor, 
e. tausend. 

Die beiden ersten Zahlen werden folgendermassen dekliniert: 


Masculinum Femininum Neutrum 
N. A. an tswen en tsıwou ent tsw@ 
G. emos  tswénor eyor  tswouor emas  tswéar 
D. em  tswensn  eyor tswouon dm tswa@on 


Das adjektivisch gebrauchte Zahlwort »ein« hat in betonter 
Stellung die Funktion eines reinen Numerale, in unbetonter aber die 
des unbestimmten Artikels; es hat dementsprechend auch eine doppelte 
Deklinationsweise, nämlich: 


Masculinum u. Neutrum Femininum 
betont unbetont betont unbetont 
N. A. en, à on, 9 en en 
G. emo emor 
D.; 2m om enar enar 


Um auszudrücken: »er ist in den zwanziger Jahren«, kann man 
sagen: on as an don tswantsejor jooren od. on as an don tswantsejon ; 


ebenso für »in den dreissiger, vierziger« u. S. w. 


BE ee 


Bei ungefähren Zahlangaben z. B. für »ungefähr fünf und zwanzig« 
sagt man: êyor fenof on tswantsey; ey fenof on tswantsey ; ongefér fenof 
on tswantsey; omgofer em od. eyor fenof on tswantsey; otes') fenof on 
tswantsey ; otos em od. enor fenof om tswantsey; un da fenof on tswantsey 
(an die fünf und zwanzig). 

Die Zeitbestimmungen nach der Uhr werden auf die Frage welex 
tsait as ot? (welche Zeit ist es?) weley tsait humer? (welche Zeit haben 
wir) wei fil auor as ot? (wie viel Uhr ist es?) wie folgt ausgedrückt: 
en auor (ein Uhr); t as e9 auor (es ist ein Uhr); ey auor a fenof mi- 
nuton (ein Uhr und fünf Minuten); en auor an o f@rol (ein Uhr und 
ein Viertel); » férol no em od. » férol op tswou (ein Viertel nach eins 
od. ein Viertel auf zwei); halwor tswou (halb zwei); may tswantsey 
minuto bes tswou (noch zwanzig Minuten bis zwei); nay 2 f@rol bes 
tıwou (noch ein Viertel bis zwei); {swou auor weinejor 0 férol od. tswou 
weinejor o f@rol (zwei Uhr weniger ein Viertel). Abweichend vom 
hochdeutschen Sprachgebrauch stimmt das Zahlwort, welches deklinierbar 
ist, wie en, en, ent, tswén, tswou, tsw@, mit dem Worte auor im Genus 
überein; awuor jedoch bleibt unverändert. 

Auf die Frage weinei? (wann?) oder em wei fil auor (um wie 
viel Uhr?) erfolgt als Antwort: em èy (um eins); em ey auor (um ein 
Uhr), em tswou (um zwei); em tswou auor (um zwei Uhr); metos em 
tswelof auor od. metos tswelof auor (Mittags zwölf Uhr); nuets em tswelof 
auor od. nuets tswèlof auor (Nachts zwölf Uhr); morjos, owonts em 3èks 
auor od. morjes, 6wonts zcks auer (morgens, abends sechs Uhr). 

Auf die Frage em wai fil auor ongof@r? (um wie viel Uhr un- 
gefähr ?) oder im allgemeinen weinei ongofér (wann ungefähr ?) antwortet 
man: obS eyor férol Ston, ots em férol Ston, ongofer an od. no émor 
férol ston (ungefähr in od. nach einer Viertelstunde) ; 015 à puor Stonon 
(in ein Paar Stunden ungefähr); ots drai Stonen, ment, j6or ?) (unge- 

‘) Vielleicht abzuleiten vom mittelniederdeutschen ode (gemächlich, leicht- 
lich, gern, 1. Lübben-Walther Mnd. Handwörterbuch). 

*) Ist eine Zahlangabe bei Jahr, so wird jooar in der Mda. stark dekliniert, 
z.B. t zin tswantsey ‚joor (es sind zwanzig Jahre); on as foftsein joar alt (er ist 
fünfzehn Jahre alt); in den anderen Fällen aber geht es nach der schwachen 
Deklination: tjoaran hun on èn (die Jahre haben ein Ende); tritt aber ein Adjektiv 
oder sonst welche nähere Bestimmung hinzu, so kann es stark und schwach 
dekliniert werden, es geht jedoch häufiger nach der starken Deklination. Bei der 
Präposition an (in), welche doch den Dativ regiert, können d6 (Tage), ment (Monate) 
und ‚joar (Jahre) dekliniert werden oder auch undekliniert bleiben, z. B. in drei, 


vier Tagen, Monaten, Jahren heisst sowohl an drai do, ment, j6ar als auch an 


drai doan, ménton, jooren: à khempt an drai do od. drai doan aram (er kommt in 
drei Tagen zurück). 


— 125 — 


fähr in drei Stunden, Monaten, Jahren). Bei den ältern Leuten ist 
ot$ viel häufiger im Gebrauch als ongofér. 

Noch sehr im Gebrauch ist b&@t (beide) in der Verbindung mit 
al (alle): Nom. u. Acc. al» bet, Dat. al» bédon. 

Honort (hundert) und dauzont (tausend) werden auch als Substan- 
tiva gen. neut. gebraucht: t homort salöt (das Hundert Salat); on dauzont 
khuèlon (ein Tausend Kohlen). 


b) Ordnungszahlen. 


1. eist, Koenigsm. est; 2. iswéêt; 3. dret, südl. drat; 4. feiort, 
Kenigsm. fert; 5. fenoft; 6. zekst; 7. ztwont, südl. zöwont; 8. dyst und 
dyt, südl. öetst u. it, Koenigsm. etst u. et; 9. naint, südl. nenkt; 10. tseint, 
südl. tsegkt, Koenigsm. tsent; 11. eloft; 12. tsweloft, südl. tswieloft, Kaenigs- 
machern tswehft; 20. tswantseyst; 30. draiseyst, südl. dreseyst: 40. fért- 
seyst, Keenigsm. fertseyst; 100. honartst; 1000. dauzontst; 1000000 mil- 
jountst, Koenigsm. miljöntst. 

Sätze wie: »Sie sind zu acht gekommen« lassen sich wiedergeben 
mit: 39 sin tsou ayt khom; t zin hioror ayt khom (es sind ihrer acht 
gekommen); # zin dor ayt khom (es sind der scil. Leute acht gekommen); 
30 zin tsoum daysto khom (sie sind zum achten gekommen). 

Die Jahreszahlen von 1801 bis 1899 werden wie folgt ausge- 
drückt: t @ntor!) od. t eistor joor, € tswétor j6or, t dreter joor u. s. w. 
immer mit Auslassung des Jahrhunderts. 


c) Teilzahlen. 


1. gantson (ganzer); gants (ganze); gants (ganzes); ist es sub- 
stantivisch gebraucht oder ist ein Substantiv des sächlichen Geschlechtes 
dabei zu ergänzen, so heisst es 2 ganzot, € ganzot, südl. € gantst; 
1J> halwon, südl. hahvon (halber); halof, südl. halof (halbe, halbes); 0» 
halwot, südl. halft (ein halbes, wie oben bei gansot) ; 1/3 on dretel, südl. 
dratol, od. don dreton resp. draton del, poort Kanigsm. part; 1/4 0 f@rol 
od. do feiorton resp. férton del, pöort resp. part; !/; do fenofton dal, 
port; 1/10 don tseinton del, pöart; *lıoo don honortston dél, pöort. Analog 
gebildet ist do méston od. griston dal u. do mast» pösrt, der meiste 
od. grösste Teil, die Mehrzahl. 


1 @nt kommt nur in dem Ausdrucke für eiSt vor. eiSt mit dem un- 


bestimmten Artikel heisst auch »sehr tüchtig, sehr gute: an eiston tsaldot (ein 
sehr guter, sehr tüchtiger Soldat); t as an eiSt p@rt (es ist ein sehr gutes, sehr 
brauchbares Pferd). 


Beh = 


Von !/; ab sind die Substantiva -»! sehr wenig im Gebrauch; 
die jüngern Leute gebrauchen sie öfter als die ältern, eine Erscheinung, 
die wohl dem Einflusse des deutschen Schulunterrichts zu verdanken ist. 


E. Pronomina. 
8 18. 
a) Personalia. 
Die persönlichen Fürwörter haben zwei Reihen von Formen ent- 
wickelt, eine betonte und eine unbetonte. Sind die unbetonten Formen 
suffigiert, so treten sie bisweilen in verkürzter Gestalt auf. 


1. Person 2. Person 
betont unbetont betont unbetont 
Sg.N. ey ey dau südl. du dau do südl. du do 
G. meyor deyor 
D. mior südl. mer mar dior südl. der dor 
A. mey mey dey dey 
Pl. N. mior südl. mer mor dior südl. der dor 
G. %3or eror 
Ders us C4 04 
A. üs us ey ey 
3. Person 
Masculinum Femininum Neutrum 
betont unbetont betont unbetont betont unbetont 
Sg. N. hen Königsm. hen on sai südl. 34 30 hat dat 
G.  3eyor hiorer 3eyor 
D. im om hior Ir him om 
A. hen Königsm. hen on 3ai südl. 34 39 hat ot 
betont unbetont (für die 3 
Geschlechter) 
BIHAN. Year Suds 39 
G. hiorer 
D. hinon on 
A. sd südl. 34 39 


Das unbetonte enklitische Pronomen der 2. Person sing. verliert 
das d: ba$ta (bist du); wöorsto (warst du); hosto (hast du). Folgt ein 
Vokal auf ebendasselbe enklitische Pronomen, so wird von letzterem 
gar nichts gehört: léfst oy (läufst du auch); gosaist ewol (siehst du 
aber); g@st iwar t gas (gehst du über die Gasse). 

Mehrere Wörter wie wou (wo); wail (weil); wan (wenn); wei 
(wie); den (der, welcher); dei (die, welche); dat u. dat (das, welches, 


Per — 


dass) hängen $ an, wenn sie vor dau resp. dé und do resp. du zu 
stehen kommen, wobei dann aber das d des Pronomens zu { übergeht: 
wanstau (wenn du); wailstau (weil du); denst» bast (der du bist). Bes 
(bis) u. as (als) verwandeln in der Stellung das s in s: best» (bis du) ; 
astau (als du). 

Ausdrücke wie: du Kerl, du Schelm, du schlechter Mensch, du 
Lump und andere dergleichen Ausdrücke und Ausrufungen werden all- 
gemein mit dé od. du khèrol, di od. du Sèlom, du od. du Slèyto ments, 
du od. du lomp wiedergegeben; jedoch wird in den nördlichen Gegenden, 
wo dau und dau im Gebrauch ist, auch letzteres mitunter in solchen 
Ausrufungen gehört, so dass man hier hört: dau, dau, du, du Sèlom ; 
dau, dau, du, du leiwor got (du lieber Gott) u. s. w. 

Der mittelalterliche Gebrauch der Anrede, das Duzen (in der 
Mda. nördl. dautson, südl. dutson) und Ihrzen (in der Mda. diortson und 
diotson, südl. dértson) hat sich in der Mda. bis auf den heutigen Tag 
unverändert erhalten. Das Anreden mit Sie (3a, 3?) ist vollständig 
unbekannt. Das vertrauliche Du unter gleichalterigen Freunden, Ver- 
wandten, Bekannten, ja unter sämtlichen Bewohnern eines Dorfes oder 
einer kleinern Stadt, z. B. wie Sierck, ist durchaus das gewöhnlichere. 
Aeltern und unbekannten Leuten, sowie auch den höhern Ständen An- 
gehörigen gegenüber ist das Anreden mit Ihr (dir, resp. der) im Ge- 
brauch. Auch die Kinder ihrzen (déortson u. diotson) meist ihre Eltern, 
nur die ganz kleinen Kinder dützen (dautson resp. dıttson) dieselben und 
überhaupt einen jeden beliebigen. 

Es dürfte vielleicht auch hier am Platze sein, einiges zu be- 
merken über die verschiedenen Ausdrücke, die man gebraucht, um 
Jemanden anzureden. Aeltere bekannte Männer redet man mit eim 
(Oheim); eöm, eim peitor (Peter); eim hents (Hans). Folgt ein Name, 
der mit m beginnt, so verschmilzt das m von em in der Regel mit 
diesem m zu einfachem m: eimèts (Oheim Mathias), jedoch hört man 
auch eim mets. Unbekannte ältere Männer redet man ebenfalls mit 
eim od. eimptyam oder mit petor od. pètoryon (Pathe, Pathchen) an; un- 
bekannte jüngere Männer und Jünglinge und auch Knaben gewöhnlich 
mit petoryan. Bei älteren bekannten und unbekannten Frauen gebraucht 
man die Anrede mit meimi (Muhme — Tante); folgt ein Name, der mit 
einem Konsonanten beginnt, so wird meimi gewöhnlich zu mem» oder 
meim: meimo greit od. meim greit (Grethe); meimo Ihet od. meim Ihet 
(Katharina), jedoch hört man auch meimi greit, meimi khet; aber nur 
meimi en (Anna), weil der Name mit einem Vokal beginnt; folgt ein 
Name, der mit m beginnt, so hört man gewöhnlich nur mei: mei mert, 


mei mrai (Marie). Um fremde Mädchen anzureden bedient man sich 
des Wortes mamzel (fr. mademoiselle) od. mamzeltyn, äusserst selten 
des Wortes jufor, jiforgon (Jungfer). 

Männer eines höhern Standes oder solche, die man besonders 
ehren will, redet man an mit h@r (Herr) oder mosje (fr. Monsieur); 
Frauen mit madam (fr. Madame); Mädchen mit mamzel (fr. Mademoi- 
selle) oder aber sehr selten mit jufor (Jungfer). Will man nun die 
betreffende Person noch näher bezeichnen, so folgt in der Regel der 
Familienname bei verheirateten Männern und Frauen, bei unverheirateten 
Personen der Familien- oder Vorname, letzterer ist aber bei unver- 
heirateten Weibspersonen häufiger im Gebrauch als der Familienname. 
Gebraucht man nun den Vornamen, so nimmt man nicht den Namen, 
wie er in der Mda. gewöhnlich verkürzt heisst, sondern wie er entweder 
im Hochdeutschen oder im Französischen lautet. Beispiele: hér oder 
mosje Snaidor; her od. mosje krémor; madam wébor; her od. mosje 
nikhola , mamzel mari; mamzel ana. Dem Vokalismus nach aber schliessen 
sich auch in diesen Fällen die Namen nicht selten an die Regeln der 
Mda. an: mosje téljor (Monsieur Tailleur); mosje por (Monsieur Pierre) ; 
mamzel lusi (Mademoiselle Lucile). 

b) reflexivum. 
Das Reflexivpronomen hat in der Mha. die beiden Formen zeyer 


(seiner) u. 3e4 (sich), welches als Dativ und Accusativ sing. und plur. 
gilt und sowohl betont als unbetont sein kann. 


c) possessiva. 

Die adjektivisch gebrauchten besitzanzeigenden Fürwörter lauten 
wie folgt: 

masc. main dain sam U30n dran hioron 

fem. mn dey sm os er hior 

neut. main dain gain wst dr südl. ert hior südl. fort 

Die substantivischen hängen im Neutrum ? an, wenn sie es nicht 
schon haben, also: maint, daint, zaint, ust, &rt, hiort. 


Masculinum Femininum Neutrum 
Sg. N. A. main men main 
G.  meyas menar meyos 
D. maim südl. megom meyor maim südl. menom 


Nonnen mu m nn nn mern mm nn nn Sm 
PI. N. A. mey 
G. meyor 
D. menyom 


— 129 — 


Aehnlich gehen dain und sain: genet. demor, 3emor u. Ss. w. sain 
wird nur gebraucht wie im Hochdeutschen bei männl. und sächl. Sub- 
stantiven, bei weibl. sagt man Héron, hior (ihr, ihre, ihr). 

uson, &@ron, hioron werden dekliniert wie die Adjektiva, doch haben 
sie den Genitiv erhalten. 


Masculinum Femininum Neutrum 
Sg. N. A. uzan us ust er südl. ért 
G. üzes 130 U398  @ros 
D. uzom u30r U30M  @rom 


Kam U 
, 


Pl. N, Ars, @r 
G. #30r «rar 
D. üzson &ron 


Die Genetive dieser Pronomina sind sehr im Gebrauch sowohl in 
absoluter Verwendung als auch in Verbindung mit einem Substantiv 
oder in elliptischen Ausdrücken: on hat Ihey èpol, dou hot on uzor gohol 
(er hat keine Aepel, da nahm er unserer d. h. von den unserigen); 
œror khanor @nt (eines eurer Kinder); on hot ü30s brout ges (er hat 
unsers Brodes, d. h. von unserm Brod, gegessen); on hot 11305 wai 
godroyk (er hat unsers Weines, d. h. von unserm Wein, getrunken); 
4395 klei (unsers Klees); on dél, einen Teil, ist wohl in allen jenen 
elliptischen Ausdrücken hinzuzudenken); drai hioror médoryor (drei ihrer 
Mädchen); #30r, @ror, hioror 3èks (unser, eurer, ihrer sechs). 

Hier möge auch bemerkt sein, dass bei Redensarten wie: dem 
seyor (wegen dessen); der hioror (wegen ihrer — ihretwegen, fem. 
sing.); dénon hioror (wegen ihrer, plur. der 3 gen.); der want hioror 
(wegen der Versteigerung, fr. vente); dom haus 3eyor (wegen des 
Hauses) u. s. w. die Causalpartikel wéjon od. wejont (wegen) weggelassen 
werden kann und dennoch die causale Bedeutung fortbesteht. Auffällig 
ist die Konstruktion, nämlich: der Dativ mit Artikel und folgendem 
Possessivpronomen im Genetiv. Man kann jedoch auch wéjon od. wejont 
vorsetzen aber mit Beibehaltung ebenderselben Konstruktion oder höch- 
stens mit Auslassung des Pronomens: wéjon dem zeyor (dessentwegen); 
wéjon od. wéjont do perdan od. wéjont do pérdon hioror (wegen der 
Pferde); wéjon do kheion od. wejon do hheion hioror (wegen der Kühe). 
Meinetwegen, deinetwegen u. s. w. lautet am häufigsten: wwdjont mener, 
wéjont deyar, wéjont zeyar, wéjont ü30r, wéjont &ror, wéjont hioror (letzteres 
ist sowohl fem. sing. als plur. für die 3 genera), weniger häufig: mainst- 


wem U. menstwejn, daimstıwejm u. di yotwejon, 3ain Hivéjon u. zenstwejan, 


a 


uzotwejon, drotwejon, hirotwejon.  »Deswegen, deshalb« heisst nur 
wejon(t) dem od. wéjon(t) dem 3eyor, die Causalpartikel darf also in diesem 
Falle nicht weggelassen werden. 

Verstärkt wird das Possessivum durch Hinzufügung von «&jon 
(eigen) oder durch einen Relativsatz: do forst@t &n sain &j» wuort net 
(da versteht man seln eigenes Wort nicht); on hot mor al zai gelt gen, 
dat on hat (wörtl. er hat mir all sein Geld gegeben, das er hatte). 

Die substantivisch gebrauchten Possessivpronomina werden im 
Masculinum und Femininum sing. und plur. und im Neutrum plur., da 
sie hier keine besondere Endung annehmen, wie die adjektivisch ge- 
brauchten, die wir oben gesehen haben, dekliniert. Im Nominativ und 
Accusativ sing. des Neutrums aber haben sie das oben erwähnte 
Schluss-t, also : 


st ert  hiort 
3955 @ros hiaras 


Neut. Sing. N. A. maint daint samt ı 
CG. menos deyos zemas 1 
| nördl. maim daim sam 


Se usom  drom  hiorom 
| südl. menyem deyom 3emom 


Im Hochdeutschen kann der bestimmte Artikel vor diesen Für- 
wörtern stehen, die Mda. lässt denselben aber nie zu, weder wenn sie 
adjektivisch noch wenn sie substantivisch gebraucht sind: «st haus 
(unser Haus, das unsrige Haus); @rt as besor as wei ust (das Eure ist 
besser als das Unsere); #s khomon ox (die Unsrigen, Unsern kommen auch). 


d) demonstrativa. 


Die hinzeigenden Fürwörter bezeichnen entweder einen gegen- 
wärtigen Gegenstand oder im allgemeinen etwas Nahes oder etwas 
Entferntes. Um etwas Gegenwärtiges zu bezeichnen, bedient man sich 
folgender Fürwörter oder Ausdrücke; dezom masc., des fem., det neut. 
(dieser, diese, dieses); den olai masc., dei olai fem., dat olai neut. und 
auch aber sehr viel weniger den hai, dei hai, dat hai (der hier, die 
hier, das hier). Um etwas Entferntes zu bezeichnen, sagt man: den 
olö, dei ol6, dat olö und auch aber äusserst selten den do, dei do, dat do 
(der da, die da, das da; dat deyan olai (das Ding hier — dieses 
Ding — mda. det deyon); dat deyon ol6 (das Ding dort — jenes Ding)'). 

!) Zwischen olai u. hai und 216 u. do gibt es in der Mda. einen grossen 
Unterschied: alai und 216 bezeichnen nur einen ganz bestimmten Ort, auf den man 
gleichsam mit dem Finger hinzeigt, während hai und do einen weit grössern Um- 
fang haben, z. B. da man as olai heisst: der Mann ist an diesem bestimmten, vor 
mir liegenden Orte; do man as hai aber heisst: der Mann ist an diesem Orte, im 


— 131 


Mascul. Femin. Neut. für die 3 Geschlechter 
Sg. N. À. deson des det Pl. des 
G. . dezos dezor des desor 
D. desom dezar desom deson 
Sg. N. A. dén olai dei elai dat olai dei olai 
G. deos olai der olai dass olai der olai 
D. dem olai der olai dem olai dénon olai 


Ebenso werden den hai, den olo und den do dekliniert. 

Wie im Hochdeutschen bei »der da« der Gegenstand, den man 
bezeichnet, zwischen der und da steht, so geschieht es auch in der 
Mda.: dé man olai (der Mann hier); dat haus »lo (das Haus da). 

e) determinativa. 

Wie im Neuhochdeutschen das einfache betonte der, die, das als 
Pronomen determinativum gebraucht wird, so auch in der Mda. den, 
dei, dat. Ausserdem kommt noch sehr häufig vor désèlwejon, deizelwey, 
datzelwey (derselbige, dieselbige, dasselbige — derselbe, dieselbe, dasselbe); 
das Neutrum als Substantiv gebraucht lautet datzehveyt und tzelweyt: 
weniger häufig gebraucht man dejeinejan, deijeiney, datjeiney (derjenige, 
diejenige, dasjenige). 


Masculinum Femininum Neutrum 
Sg. N. A. den dei dat 
& dés der dass 
3 dem der dem 


mm m nn mn U nn nn nn 


PL.N.-A, , de 
Gr » der 
D. denn 
Sg. N.A. désèlwejon u. dozelwejon  deizelwey u. tzelwoy datzelwey u. tzelwey 
G. déossèlwejon doszelwejon derzelwejaor darzelwejar déossèlwejon doszelwejan 


D. demzelwe on doemzelwejsn derzelwejar derzelwejar demzelwejan damzelwejan 
‘ 2 ) e : e : e J 2 ) 
nn? 


Pl. N. A. deizelwey u. tzelwey 
G. derzelwejar dorsèlwejor 
D. dezehvejon dazelwejan 
Sg. N.A. dejeinejm  deijeincz datjeiney 


? fehlt fehlt fehlt 
D.  demjeinejm  derjeinejor  demjeinejan 


PI. N. A. _ deijeiney 
CG. derjeinejor 
D.  dejeincjon 
Dorfe, in der Stadt; die Stelle, wo er sich befindet, wird also nicht genauer an- 
gezeigt. Damit >lai diese letztere Bedeutung erlange, müsste man noch »am doraf, 


ae 


Bei dezelwejon und dozelwejon u. s. w. ist die zweite Form nicht 
etwa als die unbetonte Form, die erste aber als die betonte zu be- 
trachten, sondern beide Formen sind ganz gleichbedeutend und werden 
ganz ohne Unterschied eine für die andere gebraucht. 

»Selbst« ist in der Mda. nicht vorhanden, wohl aber zelwor (selber), 
welches die Stelle des Hochdeutschen »selbst« und »selber« vertritt: 
ey zelwor (ich selbst, ich selber); mior zelwor (wir selbst, wir selber). 


f) relativa. 


Das Relativpronomen welcher, welche, welches ist in der Mda. 
nicht vorhanden. Wie im Hochdeutschen das betonte der, die, das als 
Relativpronomen dient, so auch dient es als solches in der Mda.: 
ey hun dé man gozin, den dout goSlogèn as (ich habe den Mann ge- 
sehen, welcher tot geschlagen worden ist; ey khenon € fra, dei ot gozöt 
hot (ich kenne die Frau, welche es gesagt hat) u. s. w. Ausserdem 
wird das relative Verhältnis noch durch das Lokaladverbium wow (wo) 
ausgedrückt: € deior, wou ey gofay hun (das Tier, welches ich gefangen 
habe): t Æhanor, wou do wöoron (die Kinder, welche da waren). 

»Dessen« masc. u. neut. sing., »deren« fem. sing. und »deren« 
plur. der drei Geschlechter wird mit dem Dativ des betonten den, dei, 
dat und folgendem Pronomen possessivum, das im Numerus und Genus 
mit dem hierauf folgenden Substantiv übereinstimmt, wiedergegeben : 
de man, dem zen khanor gestorof zin, as khom (der Mann, dessen Kinder 
gestorben sind, ist gekommen); € metyon, dem 3ai pap fort as, hot at 
g36t (das Mädchen, dessen Vater fort ist, hat es gesagt); ? fra, der 
hioron man dout as, khan zey nay omöl bostuedon die Frau, deren Mann 
tot ist, kann sich noch einmal verheiraten); dei khanor, denen hior 
eltor dropmèyor zin, zin onglekley (die Kinder, deren Eltern Verschwender 
[wôürtl. Draufmacher] sind, sind unglücklich). Im Plural kann man je- 
doch auch déron (deren) sagen, ausserdem für alle genera und numera 
wou ....fun: t khanor, dern eltor ..... (die Kinder, deren Eltern..... JE 
t fra, won do man gestorof as, kraist (die Frau, deren Mann gestorben 
ist, weint); £ joy, wou hen do pap fun as, 3% glekley (die Knaben, 
deren Vater er ist, sind glücklich). vou und fun können auch neben- 


an dor Stät< hinzufügen: do man as olai am doraf, der Mann ist hier im Dorfe — 
as olai, ist hier. Dasselbe gilt von 2/6 und do: do man as ol6, der Mann ist da 
— an der Stelle, auf die ich hinzeige, do man as do aber heisst überhaupt: der 
Mann ist da, ohne dass der Ort genau bestimmt wird. Bei den hai u. den olai und 
den do u. den lo fällt jener Unterschied jedoch weg. 


— 133 — 


einander stehen: £ khanor, wou fun hen do pap as...., t haus, won fun 
don day agefal as...; das Haus, dessen Dach eingestürzt ist....). 
Wo man aber im Hochdeutschen statt des »dessen« od. »deren« auch 
das einfache »wo« setzen kann, d. h. wo das Possessivverhältnis nicht 
so sehr in den Vordergrund tritt, da kann man auch in der Mda. den 
Artikel und fun weglassen, z. B. t mötyon, wou 34i guet wöar, as Su 
grüs (das Mädchen, wo sie [d. h. bei dem, dessen] Pathin war, ist 
schon gross). 

Wie im Hochdeutschen so vermeidet man auch meistens in der 
Mda. zweimal dasselbe Pronomen nach einander zu setzen, nämlich 
einmal als determinativum und dann als relativum, und man setzt es 
nur als determinativum, und für das relativum gebraucht man eine 
der soeben angeführten Relativbezeichnungen. 


g) interrogativa. 

Die fragenden Fürwörter sind wen (wer), wat (was); wat fior 
od. fir od. for @n, ey, ent, plur. wat fior od. fir od. for in der betonten 
Form; wat für od. for on, èy, on, plur. wat fir od. for mit folgendem 
Substantiv (was für einer, eine, eines, pl. was für od. welcher, welche, 
welches). 

Sehr häufig wird in den Fragen 56, söt (sage, saget) vorn an die 
Spitze gestellt: 36, bast» fiordey? (sage, bist du fertig?); 364, khempt 
» net? (saget, kommt er nicht?). Ebenso sagt man, wenn man auf 
etwas warten muss und dann seinen Unwillen gemildert ausdrücken 
will, /a (frz. la), was dem »na« anderer Mundarten gleichkommt : 
la, khempst» bal? (na, kommst du bald?); la, bast nvail dö? (na, bist 
du jetzt da?). 


h) indefinita. 


Die Mda. hat die folgenden unbestimmten Fürwörter: mr (man), 
emost (jemand), nem»st (niemand), jeidorman (jedermann, wird nur sehr 
selten gehört), sowie die unbestimmten Zahlwörter @n, èy, @nt (einer, 
eine, eins); khe@n, khey, khént (keiner, keine, keins), jeidoren, jeidoren, 
Jeidor@nt (wörtl. jeder einer, eine, eins); jeitwidoren, jeitwidoren, jeit- 
widorent od. jetwidorén, -èy, -@nt (jedweder einer, eine, eines — jeder, 
jede, jedes); weiney (wenig und wenige plur.) fil (viel und viele); 
muntyaren, mumtyorey, mauntyorant, pl. muntyor (mancher einer, eine, 
eines, pl. manche mancher, manche, manches), èpos (etwas), naist 
(nichts), abs (alles), al (alle) häufiger jedoch al» géor (wörtl. alle 
gar — alle). 


IL Konjugation. 


s 19. Allgemeine Bemerkungen. 

Ausser 5%» (sein) und un (haben), deren Konjugation wir etwas 
weiter unten angeben werden, haben alle Verba in der besprochenen 
Gegend das Imperfektum des Indikativs eingebüsst mit Ausnahme von 
ey duèt (ich dachte), do duetst, on duèt, mor dueton, dor duet, 39 duèton ; 
ey, do, o wost (ich, du, er wusste), mor woston, dor wost, 30 woston ; 
ey, 9 3öt (ich, er sagte); mor, 39 36ton (wir, sie sagten). 

Das Plusquamperfektum ist wie im Hochdeutschen vorhanden, 
und ausser diesem hat die Mda. noch eins, das aus dem mit 3x oder 
hum erweiterten Perfektum besteht. 

Das Futurum I ist zwar vorhanden, aber ist wird ziemlich selten 
gebraucht, man gebraucht nämlich in der Regel das Praesens Indik. 
dafür. In den Sätzen aber, welche etwas Zweifelhaftes und Ungewisses 
oder eine Drohung ausdrücken sollen, verwendet man es jedoch häufig 
und gewöhnlich steht dann #0! (wohl) dabei. Das eben Gesagte gilt 
auch vom Futurum Il, das in der Regel durch das Perfektum Indik. 
ersetzt wird. 

Das Praesens des Konjunktivs ist nicht viel im Gebrauch; ältere 
Leute gebrauchen es noch hin und wieder. Nur in einigen Wunsch- 
formeln wird es allgemein gebraucht: got sen dey (Gott segne dich) ; 
got zen (Gott segne)'); got helof ey (Gott helfe euch); got dayk ey (Gott 
danke euch)?); got stei mor bai (Gott stehe mir bei). 

Das Participium praesens fehlt. 

Das Imperfekt des Konjunktivs ist bei einer sehr grossen Zahl 
von Zeitwörtern erhalten, manchmal mit einem sonderbaren Ablaut, 
wie wir weiter unten sehen werden. Um diese Verbalform aus- 
zudrücken, bedient man sich bei den Verbis, die kein Imperfektum des 
Konjunktivs haben, immer der umschreibenden Konditionalform, die 
gebildet wird, mittels der Konjunktivform des Hülfszeitwortes doun (thun) 
verbunden mit dem Infinitiv: ey dit 3emon (wörtl. ich thäte singen — ich 
sänge); do ditst Stèrwon (wörtl. du thätest sterben — du stürbest). 

Die andern Verba, welche schon ein Imperfekt des Konjunktivs 
bilden, haben diese Form noch daneben und zwar ist sie eben so sehr 
im Gebrauch wie die andere: ey lif u. ey dit lafon (ich liefe); ex gief 
u. ex dit gen (ich gäbe). 


!) got zen od. got zen dey ruft man dem zu, der niest. 

?) got hèlof ey sagt man zum Bettler, wenn man kein Almosen geben will; 
ausserdem gebrauchen ältere Leute noch das got helof ey und got dank ey als 
Gruss und Gegengruss. 


_ 190 — 


Man kann eine starke und eine schwache Konjugation unter- 
scheiden. Da aber keine Imperfekte des Indikativs erhalten sind, so 
können nur die Participia des Perfekts einzig und allein für den Unter- 
schied jener Konjugationen massgebend sein. 

Einige Verba gehen aus der einen Konjugationsform in die andere 
über, jedoch sind dieselben sehr spärlich vorhanden, so z. B. réfon part. 
goraf (raffen, gerafft); entpioron part. énfptor (entbehren, entbehrt). 
Andere sind sowohl stark als schwach: brelon part. gobrol u. gobrelt 
(brüllen, gebrüllt); Senon part. gesent u. gosant (schinden, geschunden). 

Die 1. Person des Indikativs praesens gleicht in der Regel dem 
Infinitiv: lafon (laufen), ex lafon (ich laufe); bauyon (auchen) ey bauyon 
(ich bauche) ; luèwon (loben), ey luewon (ich lobe). Ausgenommen sind 
gôn (gehen), ey gin (ich gehe); stöon (stehen), ex Stin (ich stehe); doun 
(thun), ey din (ich thue); brauyon (brauchen), ey brauy (ich brauche) 
und überhaupt die meisten der Hülfszeitwörter, siehe unten. 


's 20. Von den Hülfszeitwörtern. 


Die Hülfszeitwörter sind folgende: 

a) hun (hahen), sin (sein), das defektive ey wéron od. ey wert 
(ich werde), gen (geben). Diese vier Verba dienen dazu die 
Unterschiede des Tempus und des Genus zu bezeichnen und 
können deshalb Hülfszeitwörter der Zeit und des Genus ge- 
nannt werden. 

b) khenon (können), dirfon (dürfen); mdyan (mögen); meison 
(müssen); zolon (sollen); welon (wollen); löson (lassen). Diese 
sieben Verba dienen dazu, den Unterschied des Modus oder 
der Aussage zu bezeichnen und können deshalb Hülfszeitwörter 
des Modus oder Modalitätszeitwörter genannt werden. 

ey wé&ron wird nur gebraucht, um das Futurum zu bilden. Es 
wird konjugiert wie folgt: ey wéron od. ey wert, do wér$t, » w@rt, mor 
wer, dar wart, 39 wéron. 

Das hochdeutsche »werden« beim Passiv wird in der Mda. durch 
gen (geben) wiedergegeben: ey gè geslö (ich werde geschlagen): on as 
gelé gen (er ist geschlagen worden); 2 wert Su goluèft gen (er wird 
schon gelobt werden). Ausserdem ersetzt gen das hochdeutsche »werden« 
in allen Fällen: he get m@r (er wird Bürgermeister); # get naist doraus 
(es wird nichts daraus); es hat also auch noch die Bedeutung des 
lateinischen fieri. Selbstverständlich hat es daneben noch die gewöhn- 
liche Bedeutung von »geben«: ey gen dar gelt (ich gebe dir Geld); 2» 
hot mor tso dreyko gen (er hat mir zu trinken gegeben). 


Wie im Neuhochdeutschen bei den unter b) angeführten Verbis 
oft der Infinitiv an Stelle des Participiums gebraucht wird, so ist das 
auch in der Mda. der Fall: ey um ot botsuèlo meison (ich habe es be- 
zahlen müssen); ey hu naist mayo khenon (ich habe nichts machen können). 

Dirfon, meison und mäyon (woneben man auch ziemlich häufig 
mdon hört) haben zwar ein Participium godiroft, moust und gomdt, aber 
sie werden ziemlich selten gehört; denn man gebraucht gewöhnlich 
den Infinitiv dafür. Bei den vier andern: khenon part. khont; zolon 
part. zolt, welon part. wolt, löson part. golés hört man das Particip so 
häufig wie den Infinitiv. Ausserdem bilden diese unter b) angeführten 
Verba, mit Ausnahme von löson, ihre 1. Person sing. indic. praes. ganz 
analog der entsprechenden Person im Hochdeutschen : ey khan, ey dirof, 
ey MAY, ey mous, ey 30l, 94 wel, aber ey löson. 


Konjugation von 3in (sein) Konjugation von /um (haben) 
Indikativ Konjunktiv Indikativ Konjunktiv 
Praes. ey 3n ey zei | Praes. ey hun ey hièf 
do bast do 3eist do host do hirfst 
on as 9 3e on ot on hief 
mar zin mar zeian mor hun mar hièwon 
dar zeit dar zeit dar hot dor hieft 
39 3in 39 3ein 59 hun 39 hiewan 
Imperf.ey woar ey wer ey dit Imperf. ey hat ey he ey dit 
da wöarst da werst da ditst da hatst da hetst da ditst 
9 wöar 9 wer on dit \= on hat en het on dit 
mar woaren mar wéron mar dita| ** mar haton mar hèton mar diten 
dar wöart der wert der dit dar hat dor het dor dit 
39 wöoren 39 weren 39 dito 39 haten 39 hetan 39 diton 
Indikativ Konjunktiv Indikativ Konjunktiv 
Perf. ex 31 ex 3ei Perf. ey hu ey hief 
da bast da zeist | do host da hiefst 
an À 9 sei z | on hot gm hief = 
mor 31 à mor sm |I mor hu [SI marhiewal I 
dar zei dar zeit dar hot dar hieft 
39 3e19 59 hu 39 hiews 
PI. q. Perf. ey vor ey wer PI. q. Perf. ey hat ey het 
da w62r 2 da = do hatst | da hetst | 
a wor | 9 wer | | on hat |" on hèt |= 
mar wöare È mar werd È mar hato S mar heto S 
dor wéort| ” dar wert À dar hat dor het 
39 W0979 39 ward 59 hato 39 heto 


hun. 


— 137 — 


Fut. 1. ey w@rs od. wert | Fut.]. og w@ron od. wert 
da werst Inf. praes. | do werst Inf. praes. 
a wert À sin 9a wert = hun 
mar werd © Part. perf. mor waren = Part. perf. 
dr wert gawest dor wert gohot 
39 ward 39 waren 
Fut. Il. ey wéro od. wert Fut. II. ey wersn od. wert 
do werst & do werst = 
9 wert er 9 wert È 
mor ward À mor warst S 
dor wert S | dar wert S 
33 werd | 39 waren 
Imperat. zei  Imperat. hief 
seit | hieft 


Die Eigentümlichkeiten der übrigen Hilfszeitwörter seien hier kurz 
erwähnt: 

gen u. gen (geben): Indie. praes. ey gen, do gest, e get, mor gen, 
dor get, 3» gen; Imperat.: gef, get; Konj. praes. (dient auch als Kon]. 
Imperf.) ey gief, do gièfst, 9 gief, mor gièwon, dor gieft, 39 gièwon; Part. 
gen u. gen. khenon (können): Indic. praes. ey khan, do khantst, à khan, 
mor khenon, dor khent, 3e khenon: Konj. praes. ey khen, do khentst, à khen, 
mar khenon, dor khent, ze khenon; Konj. imperf. ey khent, do Ihentst, 
9 khent, mor khenton, dor khent, ze khenton: Part. khont. 

dirfon (dürfen): Indic. praes. ey dirof, do dirofst, om diraf, mor 
dirfon, dor diroft, 39 dirfon; Konj. praes. ey dirof, do dirofst, on dirof u. s. w.: 
Konj. imperf.: ey diroft, do dirofst, on diroft, mor dirfton, dor diroft, ze 
dirfton. 

mäyen (mögen) hat keinen Indikativ; Konj. praes. ey may, do 
mdyst, o may, mor mdyan, der mäyt, 39 mäyen; Konj. imperf.: ex mist 
od. mort, do miotst od. miartst, à miot od. miort, mor mioton od. miarton, 
dor mist od. miort, 39 miotom od. miorten. Das r, das man im Kon- 
junktiv Imperfekt sehr häufig hört, ist beim ersten Anblick etwas auf- 
fallend. Aber wenn man das, was oben bei hiart od. hist (Hirt); wiart 
od. wiot (Wirt) u. s. w. gesagt worden ist, in Betracht zieht, so fällt 
die Schwierigkeit weg. Denn das r in der Stellung, die es im vor- 
liegenden Falle einnimmt, wird ja gewöhnlich nicht so rein und klar 
ausgesprochen wie das r, mit dem ein Wort beginnt, und besonders 
in der Stellung zwischen langem ö und { wird es ja von Leuten, die 


LE 


eine auch nur wenig dicke Zunge haben, wie eine Art dunkles e ge- 
sprochen. Da sich also aus dem Gesagten das wiort u. wist erklären 
lässt, so hat man wohl nach Analogie jener Wörter auch das > in mist 
hineingebracht, ohne an den Ursprung der Wörter zu denken. 

meison (müssen): Indie. praes. ey mous, do moust, 9 mous, mor 
mouson, dor moust, 3» mouson: Konj. imperf. ey meist, do meist, à meist, 
mor meiston, dor meist, 39 meiston, daneben hört man noch das weniger 
gebräuchliche und affektierte: ey mist, do mist, o mist, mor masten, dor 
mist, 3e miston. 

zolen (sollen): Indie. praes.: ey 30l, do zoltst, à zol, mor 3olon, dor 
3olt, 39 zolen;, Konj. imperf. ey zolt, do zoltst,  zolt, mor 3olton, der 
solt, 39 zolten. 

welon (wollen): Indie. praes. ey wel, do weltst, à welt, mor welon, 
dor welt, 39 welon; Konj. imperf. ey welt, do weltst, à welt, mor welten, 
dor welt, 3e welten: Imperat. wel, welt. 

löson (lassen): Indie. praes. ey löson, de lé$t, à lest, mor löson, der 
löst, 39 löson; Konj. imp. ey lis, do list, o ls, mor lison, dor list, 39 lison, 
daneben eben so häufig: ey lest, do lest, à lest, mor leston, dor lest, 
59 léSton, mitunter hört man auch noch das affektierte: ey litst, do 
litst u. s. w. Imperat.: lös, löst. 


$ 21. Flexion der andern Verba. 
a) Starke Flexion. 


Die Flexionen sind in der Mda. sehr einfach, wie aus folgenden 


Beispielen hervorgehen wird. 
Infinitiv Indikativ Konjunktiv 


werfon (werfen) praes. ey werfen imperativ praes. 2x werof  imperf. ey wirof 


Partic. praet. do werfst werf do wèrofst do wirfost 
goworof 9 werft 9 weraf 9 wirof 
mor werfon mar werfon wor wirfon 
dor werft werft dor weroft dor wiroft 
39 werfon 39 werfen 39 wirfon 
perf. ey hu | = perf. ey hièf = 
do host VS do hiefst | S 
usw RS Uu. S. W. | a 
Plusq. Perf. ey hat |E Plusq. Perf. ey het = 
da hatst LS do hetst | = 
U. S. W. | z u. S. W. | S 


— 139 — 


oder ey hief 


oder ey hu | 
do hiefst 


da host 


US. W. U.S. W. 


goworof 
gohot 

goworof 
gohot 


| 
| 
oder ey het ‘ 
| 


oder ey hat | = _ 
ES 1, 1348 s 
do hatst a S = do hetst LS = 
ITS Zt 
a DIS wenn. 2 


Konj. Imperf. heisst auch: ey wöroft, do wirofst, » wiroft, mor wirfton, 
dor wiroft, 39 wirfton. 

Das Praesens des Konj. wird sehr selten gebraucht. Die 1. und 
3. Person sing. werfen ihre gewöhnlichen Endungen -»n und -{ ab, die 
andern Personen aber behalten die ihrigen. Umlaut kommt nicht vor: 
ey laf (ich laufe), do lafst, » laf, u. s. w. obwohl der Indikativ lautet 
ey lafen, do léfst; ey klam (ich klimme), do klampst, » klam, Indikativ 
aber ey hlamom, do hlempst, » klempt; ey 36 (ich sage), do 36$t, à 36, 

Umlaut beim Partieipium : 

a wird 0: banon (binden), gebon: Spann (spinnen) g9Spon; gowanon 
(gewinnen), gawon: Swamon (schwimmen) gswom; klamon (klimmen) geklom. 

a bleibt in der Regel: haln (halten), gohal; bakon (bachen, gebal:; 
lafon (laufen), yolaf; aber Spann (spannen) und seine Komposita, wie 
uspanon (anspannen); öfspanon (abspannen), opSpanon (aufspannen), aus- 
Spanon (ausspannen) haben gespon; falon (fallen) und seine Komposita, 
wie öfalon (abfallen), afalon (einfallen) u. s. w. und gofalon (gefallen) 
haben gofal. 

e wird 0: $weyon (schwingen), goswon: Sprenon (pringen), gesprop : 
tswenon (zwingen), yotswoy. Aber zetson (sitzen u. sich setzen) und seine 
Komposita, wie dropzetson (draufsitzen), opzetson (aufsitzen) u. Ss. w. 
haben gogés. 

è wird o vor If, rf, rw: helfon (helfen), geholbf; werfon (werfen), 
goworof ; Sterwon (sterben), goStorof; forderwon (verderben), fordorof; vor 
5 bleibt es: drè$on (dreschen), yodres; weson (waschen), gewès; es wird 
zu a in heykon (hangen und hängen), gehay und in feykon (fangen), gefan. 

é bleibt vor s: éson (essen), ges; fréson (fressen), gofrés ; méson 
(messen), games; es wird zu a vor y: bréyon (brechen), gebray; Stéyon 
(stechen), gastay ; Spröyon (sprechen), gespray !) ; zu o vor l: gélon (gelten), 
gol; Selm (schelten), go$ol. 


Indikat. ey 30on, da 3é$t, 9 3ét, mor 36on, der 30t, 39 30on. 


1) Das einfache $préyan kommt nur vor in der Verbindung mit h&ley u. 3eilez ; 
h&ley Spreyan (heilig sprechen), zeiley Sprégon (selig sprechen); ausserdem in den 
Kompositiv /as$preyan (lossprechen) u, u$préyan (ansprechen). Für »reden, sprechen« 
gebraucht man in der Mda. Swètson (schwatzen), Part. gaswät. 


— 140 — 


à wird 4: lion (lügen), get: Storon (scheren), gosouor; Swioron 
(schwören), gaswitor. 

o bleibt: kkomon (kommen): khom. 

6 bleibt: blöson (blasen), yoblös; Sloom (schlagen), go$l6; drôon 
(tragen), godrö. göon und Stén werden wir weiter unten besprechen. 

uè bleibt: gruèwon (graben), gogrucf; luèdon (laden), goluet. 

“ bleibt ebenfalls: féoron (fahren), gofuor. 

& bleibt auch: h@son (heissen u. begehren), gohd@s. 

ai wird in der Regel zu ö: Sraiwon (schreiben), gosrif; blaiwon 
(bleiben), blif: Snaidon (schneiden), gosnit; waion (wiegen), gowi; waizon 
(zeigen), gowis; Straidon (streiten), gostrit. Vor s, 5, f und x wird es 
zu a: baison (beissen), gobas; flaison (fleissen), geflas; raison (reissen), 
goras;  kraison (weinen), gakras, graifon (greifen), gograf;, paifon 
(pfeifen), gepaf; glaiyon (gleichen), goglay: Slaiyon (schleichen), goslay ; 
waiyon (weichen), gaway. Aber von laion (liegen) lautet das Particip gole. 

au wird zu 0: saufon (saufen), go50f; Slaufon (schlupfen), goSlof. 

ei wird in der Regel zu #: fleion (fliegen), gofht; forleioren (ver- 
lieren), forlüor; beion (biegen), yobıt; bodreion (betrügen), bodru;, tseion 
(ziehen), gotst. Vor s wird es zu o: $eison (schiessen), go$os; Sleison 
(schliessen), go$los: fordreison (verdriessen), fordros. Das Participium 
aber von gobeidon (gebieten) und forbeidon (verbieten) lautet yobuet und 
forbuit. 

ie wird zu «ec, vor I jedoch zu 0: hièwon (heben), gehuef; trièdon 
(treten), gotruèt; aber Stièlon (stehlen), yostol; bofièlon (befehlen), bofol; 
aber liezon (lesen) lautet im Partie. golies. 

ou bleibt: roufon (rufen), gorouf; Stouson (stossen), gostous. Das 
Participium von doun (thun) lautet jedoch gedôn. 

Der Umlaut der 2. und 3. Person sing. indie. praes. ist folgender: 

a wird e: ey banon (ich binde), do bentst, 9 bent; ey fanon (ich 
finde), do fentst, à fent; ey Swamon (ich schwimme), do Swempst, 9 
Swempt; ey Spanon (ich spinne); do Spentst, > Spent. 

o wird e: ey khomon (ich komme); do Ihhempst, e khempt. 

a wird 2: ey bäkon (ich backe), do bekst, » bèkt: ey halon (ich 
halte), do heltst, on helt, ey falon (ich falle), do feltst, » felt; jedoch 
bei /afon (laufen) und seinen Kompositiv wird es zu @: ey läfon, do 
lêf$t, à left, bei Spdmon (spannen) und seinen Kompositis aber zu e: 
ey Spanan do Spentst, à Spent. 

é wird verkürzt: ey fréson (ich fresse), da frest, o frest; ey eson (ich 
esse) d est, on est; ey bréyon (ich breche), db breyst, à breyt; ey Steyon (ich 
(steche), do Steyst, o Steyt; ey Sélon (ich schelte), do Seltst, o Selt; ey gelon 


- M — 


(ich gelte), do yeltst, à gelt; € bleibt bei ey méson (ich messe’, do mist, 
» mest und bei seinen Kompositis und bei sn (schellen), ey selon, 
da seltst, » Selt. 

6 wird €: ey bloson (ich blase), do blest, à blest; ey loson (ich lasse), 
do lest, » lest; ey Slom (ich schlage), do slest, à Slöt; ey dröom (ich trage), 
da drest, on drét; ey Slôfon (ich schlafe), do Sléfst, à sleft. 

au wird e: ey zaufon (ich zaufe), do zefst, » 3eft: ey Slaufon (ich 
schlupfe), do Slefst, à Sleft. 

ow wird ei: ey roufon (ich rufe), do reifst, à reift; ey Stouson (ich 
stosse), de Steist, à Steist. Doun (thun) lautet im Indie. praes. ey din, 
da dest, an d@t, mor din, dor deit, 39 din. 

ie wird 2: ey bofièlon (ich befehle), da bofiltst, à bofilt ; ey Stielon (ich 
stehle), do stiltst, » Sblt; es wird zu 4 in ey lieson (ich lese), do list, à list. 

’ bleibt: ey Swioron (ich schwöre), do Swiorst à Swiart; ey Sioron 
(ich schere), do siorst, à Stort. 

uè und # werden 7: ey füoron (ich fahre), do fiorst, o fort; eg gruèwon 
(ich grabe), do grifst, » grift: ey wuèson (ich wachse), do wist, à wist. 

Nicht alle Verba haben das Imperfektum des Konjunktivs, wo es 
aber vorhanden ist, wird es wie folgt gebildet: 

a wird e: banon (binden), ey bent; gawanon (gewinnen), e% gowent ; 
Swamon (schwimmen), ey Swempt; fanon (finden), ey fent . 

da wird 4: lafon (laufen), ey if; halon (halten), ey il; falon 
(fallen), ey fil; von haon (hauen) lautet aber das Imperf. Coni. ey het. 

e bleibt: Swelon (schwellen), ey Swelt; spremon (springen), e% 
spreykt; von zetson (sitzen) aber lautet es ey 33s. 

è wird ö: werfon (werfen), ey wirof u. wiroft; fordèrwon (ver- 
derben), ey fordirof u. fordiroft. Von feykon (fangen) u. heykon (hangen) 
lautet es aber ey fig u. ey hip. 

é wird ©: éson (essen), ey is; freson (fressen), ey fris; Stéyon 
(stechen), ex Stiy. 

o wird 2: lhomon (kommen), ey khim u. kuim. 

6 wird € und i: blöson (blasen); ey blest u. bis: Slôon (schlagen), 
ey Slét u. Sliy (das y ist wohl ein Ueberrest des ausgefallenen g): 
dröm (tragen) ey drét: lösen (lassen), ey lest u. lis: Slôfon (schlafen), 
ey sleft u. Slif. 

& wird 4: h&son (heissen, begehren), ex his. 

ai wird 4: blaiwon (bleiben), ey blif; draiwon (treiben), ey drif: 
graifon (greifen), ex grif; glaiyom (gleichen), ex gliy; raison (reissen), 
ey ris; laion (liegen); ey löy (hier haben wir dieselbe Erscheinung wie 
oben bei $liy und wie wir sie bald wieder haben werden). 


io ee 


et wird 2: beion (biegen). ey big; bodreion (betrügen), ex bedriy. 

ie wird 4: hièwon (heben), ey hift: trièdon (treten), ex trit ; 

; bleibt. : Swiaron (schwören), ey Swiar: Staron (scheren); ey Sur; 
lion (lügen), ey lit. 

on wird { und e: stonson (stossen), ey Steist u. Stis: roufen (rufen), 
ey reift und réf; down (thun), ey dit). 

au wird e und 7: saufon (saufen), ey 3eft u. if; Slaufon (schlupfen), 
ey Sleft u. Slif. 

uè und # werden +: gruewon (graben), ey grift: luèdon (laden), 
ey lit: wueson (wachsen), ey wist; füoron (fahren), ey für. 

Der Ablaut des Konjunktivs Imperfekt ist also, wie man aus dem 
eben angeführten deutlich erkennen kann, vorwiegend der I-Laut. Bei 
einer grossen Anzahl von Verbis lässt sich dieses I ziemlich leicht er- 
klären durch das Verbum, das dem der Mda. als Grundlage diente, 
oder aus dessen entsprechender Form im Imperf. Coni., bei andern 
aber ist der I-Laut sehr befremdend und schwer erklärlich. 

Als ganz eigenthümlich erscheinen uns die beiden Verba yon 
(gehen) und S{én (stehen). Diese Verba haben in der Mda. ganz und 
gar dieselbe Flexionsart, was weder im Alt- noch im Mittel- noch im 
Neuhochdeutschen der Fall ist. Doch wird im Anschluss an das Hoch- 
deutsche gén mit dem Hülfszeitwort 35» (sein) und $tön mit ham (haben) 


konjugiert. Es ist wohl Analogiebildung bei diesen Verbis anzunehmen. 
Infinitiv Indikativ Konjunktiv 
gôn (gehen) Praes. ey gen ey stin Praes. ex gei ey stei 
stön(stehen ) do gest do Stést do geist da Steist 
à get > Stat à gei a stei 
Particip mor gin mor Stin * mar geion mar Steion 
gay dar geit dor Steit dar geit der Steit 
gastan 39 gin 39 Stin 39 geion 39 Steion 
Perf. ex 3 ey hu Perf. ex giy ex Stay 
da bast da host do ginkst do stinkst 
an as ron DANCE o giy stm 
mor zii |S mor hu T mor giyan mor Stiyan 
dar zeit dar hot dor ginkt dor Stight 
39 31 39 hu 59 giyon 30 Stimon 
Imperativ ' oder ; 
Le Sei ex dit N % a \ = 
geit Bar da ditst DS do ditst E 
REN u. 5. W. } u.s. W. } 


‘) doun in der Bedeutung »etwas thun, etwas machen« hat kein Imper- 
fekt Konjunktiv; ey dit, da ditst u. s. w. dient nur dazu, um das Imperfektum Coni. 
zu bilden bei den andern Verbis, es ist also blos eine Hülfsform. 


— 143 — 


Die andern nicht angeführten Zeiten sind bei den beiden Verbis 
im Gebrauch wie bei den andern und nach dem bis jetzt Besprochenem 
bilden sie keine besondere Schwierigkeit. — Die Komposita jener Verba 
werden gerade wie die einfachen konjugiert. 

Da gesin (sehen) einige Schwierigkeiten darbietet, so wollen wir 
seine Konjugation hier anführen: 


Infinitiv Indie praes. Imperat. !) Koni. praes. Koni. imperf. 
gain u. gesin ey yozin gazei tx g9zei CL 9934 
Particip do gozaist gozeit da gozeist do gastyst 
gyazın a gazın d go3ait I gazel I gazıy 
mar gazin mar gozeim mar gaztjon 
dor gazeit dar gezeit dar gaziyt 
39 qo3in 39 gezeran 39 go3tjon 


Die andern hier nicht angeführten Zeiten bilden keine besondere 
Schwierigkeit. | 


b) Schwache Form. 


Infinitiv Indik. praes. Koni. imp. Imperat. Particip 
brauyen ey brauy ey braiyt hrauy gebrauyt 
(brauchen) ds brauyst do braiyst branyt 
> brauy > braiyt Praeterium 
mor braugon mor braiyton x hu TR 
der bauyt dor braiyt do host N È 
50 brauyto 50 braigt sw. |! 'S 
36 yton 39 braiyton us W. y À 


Neben der angeführten Form der Konj. imp. hört man auch noch 
hin und wieder das affektirte: ey briyt, do briyst, o brigt, mar briyton u. S. w. 


Infinitiv Indik. praes. Konj. imperf. Imperat. Praeteritum 
mdägen u. mdon ey mäazyon od. maan ey miy mayod.ma ey hu \ 
(machen) das meyst od. mest da miyst maytod.mat do host \ 

a meyt 2 miy u. S. W. 


gomat 


mar mayen od. masn mar miyon 
dar mayt od. mat dor miyt 
39 mayan od. man 39 miyan 


*) Der Imperativ gazei, gazeit werden in der Regel nicht oft gehört und 
zwar der Sing. ga3ei noch weniger häufig alt der Plur. gozert. Man gebraucht 
gewöhnlich dafür khuk, khukt vom Verbum khukan (gucken). 


nr 


brauyen verliert wie die Hülfszeitwörter bei der 1: und 3. Person 
sing. Indie. die gewöhnlichen Endungen -»» und -{: die Komposita jedoch 
haben die Endungen: ey forbrauyen (ich verbrauche), » forbraugt. 

Der Umlaut bei der 2. und 3. Person sing. Indie. praes. ist nur 
bei einigen Verbis vorhanden, nämlich bei mayen (siehe oben) ; bröden 
(braten), do brétst, » brét: holon (holen), do heltst, en helt: röden (raten), 
do retst, o vet, 36m (sagen), do zest, o set, Sielon (schälen), do Scltst, o Selt:; 
wielm (wählen), do weltst, » welt, tsièlon (zählen), do tsieltst, on tsèlt; 
Sucwon (schaben), do sifst, » Sift, und bei ihren Compositis; wöordon 
(warten), do wertst à wert. 

Das Imperfectum Coni. ist auch nur bei einigen wenigen Verbis 
vorhanden: mayon, ey miy; braugen, ey braiyt; bröden, ey bret; rôdon, 
ey vet, 30on, ey 36t; khafon (kaufen), ey khif; Sléfon (schleifen — etwas 
mit sich ziehen), ey Slif; wöordon (warten), ey wert; lem (legen), ey let. 

Eine nicht geringe Anzahl von schwachen Verben verliert beim 
Participium den beim Infinitiv angenommenen Umlaut: $idon (schütten), 
gosut, khefon (kaufen), khat; feioron (führen), yofouort; heidon (hüten), 
gohout, hoioron (hören), gohouort}): reioron (rühren), gorouort?); zeigen 
(suchen), gosouyt, Speilon (spülen), gospoult; hailon (heulen), gohault ; 
Snaitson  (schneutzen), gosnaut; Spaitson (speien), gospaut;  trelon 
(trollen — fallen), getrolt; Swetson (schwatzen), goSwät. 

Rückumlaut haben Sielon (schälen), goselt; wielon (wählen), gewelt: 
tsielon (zählen), gotsètt. 

Keinen Umlaut weder im Infinitiv noch im Particip hat woulen 
(wühlen), gawondt. 

Das Participium von len (legen) ist goluet; hier ist das #è wohl 
als Ersatzdehnung für das ausgefallene g zu betrachten. 

Ueber die Vorsilbe g5- beim Particip ist folgendes zu bemerken: 
Diejenigen zusammengesetzten Verba, die im Hochdeutschen im Par- 
ticip die Vorsilbe ge- nicht annehmen, nehmen dieselben auch in der 
Mda. nicht an: tsortriedon (zertreten), tsortruèt: forston (verstehen), for- 
stay; forueton (verachten), foruit. ; 

Die Verba, die mit einem Vokal beginnen, werfen das > der Vor- 
silbe g aus und haben somit blosses y: gaifort (geeifert): gerft (geerbt); 
ges (gegessen); geiort (geehret). 


') gahouart wird ziemlich selten gehört, wohl wegen seines Gleichklanges 
mit gahouart partic. von houaran (huren); man gebraucht deshalb lieber den ein- 
fachen Infinitiv: ey hu naist heioron (ich habe nichts gehört). 

*) Jenen Participien ganz analog gebildet ist gokhouart, Particip von kheioran 
(kehren). 


Die Vorsilbe y» fehlt ganz und gar bei folgenden Participien : 
blif (geblieben) ; bruèt (gebracht): font (gefunden); yay (gegangen): gan u. 
gen (gegeben); gol (gegolten); khast (gekostet); Ahaunt (gekannt); Æhont 
(gekonnt): /hat (gekauft); kreit (gekriegt, von kreion, kriegen — be- 
kommen): moust (gemusst): zolt (gesollt); wolf (gewollt). 


c) Mischung der starken und schwachen Form. 


Wie schon oben ($ 19) bemerkt wurde, sind nicht viele Verba 
aus einer Klasse in die andere übergegangen. Jedoch sind einige der 
allgemeinen Regel nicht gefolgt, und zwar sind: 

im Mhd. und Nhd. stark, in der Mda. aber schwach: leinon (leihen), 
goleint: Sen (schinden), yosent und gesant (goSent wird vom Schinder 
gesagt: om hot à pért goSent, er hat ein Pferd geschunden; Sant heisst 
»leicht verwundet«: 9% hot zey goSant, er hat sich geschunden, leicht 
verwundet); zrööwan (weben), gowictt: goseion (geschehen), yeseit: 

im Mhd. und in der Mda. stark, im Nhd. aber schwach: kraison 
(kreischen — weinen), gokras; saion (seihen), yo3%: 

im Mhd. und in der Mda. schwach, in Nhd. aber stark: »rsrehkon 
ntrans. (erschrechen), »rsrekt; deyon (dingen), godenkt; 

im Mhd. und Nhd. schwach, in der Mundart aber stark : Saufon 
(schlüpfen), goslof. 


s 22. Unregelmässige Verba. 


Ausser den Unregelmässiskeiten, die im Verlaufe der Abhandlung 
angeführt worden sind, sind noch folgende unregelmässige Verba anzu- 
führen : 

breyon (bringen): Indie. praes: ey breyen, do breykst, à breykt, mor 
breym, dor breykt, 50 breyon: Konj. imperf. x briet, do briètst, à brict, 
mor brièton, dor brièt, 39 brieton; Partie. bruet. 

brènon (brennen); nenn (nennen), renon (rennen), Ahen»n (kennen) 
lauten im Partic. gobrant, gonant, gorant, Ihant. 

doun (thun) und yozin (sehen) haben wir oben gesehen. 

Die unregelmässigen Hülfszeitwörter Ihenon (können), meison 
(müssen) u. s. w. sind ebenfalls besprochen worden. 

weson (wissen), Inbic. praes.: ey wés, do west, e was, war wesen, 
dor west, 32 wesan; Konj. imperf.: ey west, do west, o west, mor weston, 
dor west, 3» westn, daneben das weniger häufige und alfektierte: 0% 
wist, do wist u. s. w. - Partic.: gowost; Imperf. ind. ex wost. 

N. B. fanon (finden) hat im Partic. font u. fon: 


— 146 — 


holon (holen) hat im Partic. ebenfalls goholt u. gohol: Indik. praes.: 
ex holon, do heltst, on helt, mor holon, dor holt, 3e holon: Konj. Imperf. : 
ey hil u. hil u. hel, do hiltst, hiltst u. heltst u. s. w. Imperat. hol, holt. 

Eine gewisse Anzahl von Verbis hat neben der Zusammensetzung 
mit der Vorsilbe f»r- (ver-) auch die mit bo- (be-) und zwar mit ganz 
derselben Bedeutung: bokkefon u. forkhéfon (verkaufen), boleioron und 
forleioron (verlieren), bodoun u. fordoun (verthun), bogeson u. forgéson 
(vergessen) u. s. w. Dieses ist aber nur da der Fall, wo im Hoch- 
deutschen neben den mit der Vorsilbe ver- zusammengesetzten Verbis 
keine andern vermittels der Vorsilbe be- gebildeten Verba vorkommen, 
welche Verba dann infolge der verschiedenen Vorsilben auch verschiedene 
Bedeutung haben; so bedeutet z. B. bokloon beklagen, forkloon aber ver- 
klagen, boslöan beschlagen, forslöon aber verschlagen ; bokheisron bekehren, 
forkheisron aber verkehren u. s. w.') 


S 25. Präpositionen. 


In der Mda. sind die Präpositionen bei weitem nicht so zahlreich 
wie im Neuhochdeutschen. Eine und dieselbe muss deshalb in der 
Mda. manchmal mehrere hochdeutschen ersetzen. 

Den Dativ regieren: 

aus (aus); auzor (ausser); banon (binnen); entgeint (entgegen); mat 
(mit, mittels, vermittelst); »o (nach): sant (sammt); fun (von): trots 
(trotz); tsowidor (zuwider); wéjon u. wéjont (wegen, halber, inbetreff, 
kraft, vermittelst, mittels, vermöge):; santor (seit). 

Den Accusativ regieren: 

aplats (statt, anstatt); durey (durch, kraft, vermöge, mittels); fér 
od. fior od. fir (für); oni (ohne): zon»r (sonder, ohne). 


!) Eine scheinbare Ausnahme hierzu bildet badroan u. Jardroon, die beide 
»vertragen« bedeuten, und 3ex badroon u. 3ey fordréan, die ebenfalls beide »sich 
vertragen« bedeuten. Die Ausnahme ist aber nur scheinbar, denn in der Mda. 
kommt b.drösn, welches dem hochdeutschen »betragen« zwar der Form nach ent- 
spricht, nicht in der Bedeutung von »betragen« vor, sondern das hochdeutsche 
»betragen« — wert sein, wird in der Mda. durch zin (sein), mayan (machen) oder 
ausmdyxan (ausmachen) wiedergegeben: z. B. das beträgt zwanztg Mark heisst: 
dat as od. 3èn od. meyt od. mdzxsn tswantsey marek, od: dat meyt od. maxan 
tswantsey marek aus. »Sich betragen« heisst nur 3ey Sekon: er beträgt sich gut, 
schlecht heisst 2 Sekt zey gout, Slièt, 


RIT — 


Bald den Dativ, bald den Accusatif regieren, je nachdem sie einen 


Ort oder eine Richtung bezeichnen: 


Dativ auf die Frage wo ? 
an (in, während, innerhalb) 
bai (bei), baim khinek, beim König 
enr (unter, unterhalb) 
fior od. fir gewöhnl. fir un (vor) 
geint (gegenüber, neben) 
hanor (hinter) 
iwer (über, oberhalb) 
lantst (längs, neben) 
nièwon (neben), selten gebraucht) 
op (auf) 
tsweson (zwischen) 
widor (neben, dicht an, dicht neben) 


Accusativ auf die Frage wohin ? 
am (in) 
bat (zu), bai do khinek, zum König 
enar (unter) 
for oder fir gewöhnl. fir un (vor) 
geint (gegen) 
hanor (hinter) 
wor (über) 


lantst (an — vorbei, neben) 
niewan (meben), selten gebraucht 
op (auf ) 


fsweson (zwischen) 
widor (wider). 


auzarhalaf (ausserhalb) selten gebraucht, ré ariwor (richt herüber 
— gegenüber, gerade gegenüber), deszait (diesseit), deizait (jenseit) werden 
in der Mda. mit fun (von) und folgendem Dativ gebraucht: dessait fum 
wäsor (diesseit des Wassers), deisait fum dorof (jenseit des Dorfes). 


— 148 — 


Germanische Siedlungen in Lothringen und in England. 


Mit einer Karte. 


Von A. Schiber, Colmar. 


l: 


Als ich vor nunmehr einer Reihe von Jahren daranging, die damals 
fast unwidersprochene Theorie vom schwäbisch-alemannischen Ursprung 
der Ortsnamen auf -ingen, ganz besonders wenn sie gemischt mit 
solchen auf -weiler vorkämen, einer Prüfung zu unterziehen, erkannte 
ich alsbald, dass es für die Zwecke, die ich verfolgte, von grosser 
Wichtigkeit sein werde, die Untersuchung auf eine möglichst breite 
Basis zu stützen; denn ich glaubte wahrzunehmen, dass Arnold, wenn 
er irrte, dies nur that, weil er seine Schlüsse, wenn auch nicht aus- 
schliesslich, so doch vorzugsweise aus einem Namenmaterial zog, das 
ihm nahe lag, sagt er doch selbst im Titel seines Buches !): »Zumeist nach 
hessischen Ortsnamen. « 

Mr. Charles Pfister, der nur Elsass - Lothringen untersuchte, 
meint?): Ces terminaisons ne sont pas également reparties en Alsace 
et en Lorraine, dans la premiere de ces provinces dominent les heim 
et les wihr; dans la seconde, ...... les ingen sont en majorite. Les 
premières terminaisons, semble-t-il, sont plutôt du dialecte allemanique; 
la dernière a été préférée par les Francs (sic!). 

Deshalb dehnte ich sofort meine Forschungen auf ganz Deutsch- 
land, Belgien, Frankreich, die Schweiz und Ober-ltalien aus, freilich, 
der Not gehorchend, zum Teil mit nicht erschöpfendem Material. In der 
Vorrede meiner bei Trübner erschienenen Broschüre*) führte ich aus, 
warum ich annahm, dass nach Lage der Sache auch mit diesem Material 
etwas Brauchbares geleistet werden könne; es scheint auch nicht, dass 
ich mich dabei zu sehr geirrt habe. 

Gleichwohl empfand ich seither etwas wie eine moralische Ver- 
pflichtung, auch die bisher nur auf Grund lückenhafter Quellen heran- 


. 
’ 


gezogenen Gebiete genauer zu untersuchen, was ich denn inzwischen, 


1) Wanderungen und Ansiedlungen deutscher Stämme. 

?) La limite de la langue française et de la langue allemande en Alsace- 
Lorraine. 

3) Die fränkischen und alemannischen Siedlungen in Gallien, Strassburg 1894. 


ze — 


freilich oft behindert durch Abhaltungen aller Art, ziemlich gewissen- 
haft gethan zu haben glaube. 

Das Ergebnis dieser Arbeiten werde ich, insoweit es mir die 
Lösung mancher ansprechenden siedlungsgeschichtlichen Frage gegeben 
hat, wenn es die Umstände vergönnen, seiner Zeit ausführlich bekannt 
geben; hier will ich nur erwähnen, dass es geeignet scheint, meine 
Thesen, wie ich sie in den Siedlungen erörtert und glaubhaft gemacht 
habe, der Hauptsache nach unberührt weiter bestehen zu lassen, viel- 
fach zu bekräftigen. 

Diese Thesen sind, um es in Kürze in Erinnerung zu bringen, 
folgende: 

i. Die Ortsnamen auf -ingen sind das Resultat germanischer 

Massensiedlung auf erobertem Boden, in Volks- resp. Stamm-, 
Gau- und Sippen-Verbänden, von Siedlungen: auf genossen- 
schaftlicher Grundlage; sie sind in keiner Weise nur den 
Alemannen eigen. 

2. Ebensowenig sind dieses die -weiler, sie treten da auf, wo im 
Bereiche germanischer Ansiedlung auf gallo-römischem Boden 
ein für genossenschaftliche Siedlung germanischer Sippen 
weniger geeignetes Terrain gegeben ist, ihre grosse Mehrzahl 
lindet sich daher in gebirgigem (Gelände. 

3. Die Orte, deren Namen auf -heim enden, sind jedenfalls ger- 
manische Siedlungen, allein viele Umstände sprechen dafür, 
dass sie nicht Volks- oder Sippen-Siedlungen sind, vielmehr 
einem Herrn zugehörten, dieses und ihre geographische Ver- 
breitung, sowie die Analogie mit den Ortsnamen -ville, -mont, 
-court etc., sprechen dafür, dass wir es hier namentlich, wo 
diese -heim auf früher alemannischem Gebiete auftreten, mit 
fränkischen Herrensiedlungen zu thun haben, wobei aber 
keineswegs bestritten werden soll, dass da, wo solche Namens- 
form einmal verbreitet war, später nach einem bekannten Er- 
fahrungssatze, wonach die Analogie bei der Ortsnamenbildung 
eine grosse Rolle spielt, sich Ortsnamen gleicher Endung auch 
unter abweichenden Voraussetzungen bilden konnten !). 

') Vgl. Waitz, das alte Recht der salischen Franken, S. 53: Mehreren 
deutschen Stämmen ist das Wort »heim« als Bezeichnung zusammenliegender 
Wohnstätten gebräuchlich; ursprünglich gleichbedeutend mit Haus, drückt es 
später häufig den Begriff des Dorfes, der Dorfschaft aus, 
einer solchen, die von dem einzelnen und seinen Leuten oder den Mitgliedern 
einer Familie angelegt worden ist und die nun mitunter von den Gründern auch 


wie es scheint, besonders 


den Namen empfangen hat. So ist das Wort bei den Angelsachsen im Gebrauch, 


— 150 — 


Gerade meine Stellungnahme zu dieser Frage, wonach ich der 
bisher herrschenden Theorie zustimme, also es heim Alten zu lassen 
schien, wenn man übersah, dass ich für -heim den Charakter der 
Herrensiedlung gegen Arnold hervorhob, wurde mir seltsamer Weise 
vielfach vorgeworfen und als Inkonsequenz gedeutet, als ob, wenn man 
einen Vorgänger berichtigen zu müssen glaubt, man nun auch alles, 
was der Mann je gelehrt und gethan, von Grund aus verwerfen müsste! 

Man fand es inkonsequent, dass -ingen keinen bestimmten deutschen 
Volksstamm kennzeichnen, -heim aber für fränkische Siedlung charak- 
teristisch sein solle: worin die Inkonsequenz liege, das sagte z. B. 
Herr Charles Pfister!) nicht. Mehr Gewicht hatle es, wenn man darauf 
hinwies, dass auch in Gegenden, wo von fränkischem Einflusse keine 
Rede sein könne, so in England, die mit unserem -heim gleichwertige 
Endung -ham sehr häufig vorkomme. Neu war mir das nun ebenso- 
wenig, als das Auftreten von vielen -ham in Bayern, von -um im 
Friesenlande, aber in jener Schrift, die zunächst die Unterscheidung 
zwischen alemannischen und fränkischen Siedlungen bezweckte, schien 
es nicht unerlässlich, auch auf diese Ortsnamen einzugehen. 

Nachdem ich aber alle einst römischen Gebiete des Continents, in 
denen sich Germanen angesiedelt und in denen sie germanische Ortsnamen 
in grösserer Zahl geschaffen haben, untersucht hatte, schien es mir 
nötig, auch die germanischen Massensiedlungen jenseits des Meeres ın 
den Bereich meiner Forschungen zu ziehen. 

Freilich ein Werk, aus dem alle englischen Ortsnamen zu ersehen 
wären. aufzutreiben ist mir noch nicht gelungen, wohl aber fand ich 
ein solches, das eine Uebersicht aller patronymisch benannten Orte 
Englands zu geben sich vorsetzt. 

Es ist dies John Mitchell Kemble, »The Saxons in England« das 
Werk eines vor 50 Jahren schreibenden Gelehrten von Ruf; Kemble 
war Mitglied der britischen Akademie der Wissenschaften und anderer 
selehrter Gesellschaften. 

Als ich nun Kemble, der mir bisher unbekannt geblieben war, 
durchging, staunte ich über die Uebereinstimmung zwischen seiner Auf- 
fassung von der Bedeutung der altenglischen Ortsnamen auf -ingas und 
meiner Erklärung der deutschen Ortsnamen auf -ingen. 


so bei den Alemannen im Süden und bei den Friesen im Norden Deutschlands, 
ganz besonders aber scheint es den Franken eigen gewesen zu sein, so dass 
der häufigere Gebrauch des Wortes im Süden zur Bezeichnung der Grenze gegen 
die Alemannen, im Osten gegen die Sachsen gebraucht werden kann. 

') Revue critique, 2.—9. Juli 1894. 


— 151 — 


Er sagt hierüber '), nachdem er vorher die -ingas als einstige 
Markgenossenschaften erklärt hat: Das Wort Mark hat eine gesetzliche, 
es hat auch eine territoriale Bedeutung, es bedeutet nicht nur ein Stück 
Land, wie es oben beschrieben worden ist, sondern auch ein Glied 
des Staates, in diesem Sinne bedeutet es Jene, welche das Land 
bewohnen etc. 

Ferner : In diesem Sinne ist die Mark eine (Gemeinschaft von 
Familien und Haushaltungen, angesiedelt auf einem Bezirk Wald und 
Land, wie oben beschrieben. Dies ist die ursprüngliche Grundlage, auf 
der die ganze teutonische Gesellschaft beruht; und weiterhin: Einmal 
eingeführt, musste eine solche Bezeichnung (die patronymische ist ge- 
meint) wandern mit der Wanderung der Gemeinschaft selber. 

Man sieht, es stimmt alles dieses ganz auffallend zu meinen Aus- 
führungen, Siedlungen $. 9, 10. 

Solche Ortsnamen auf -ingas weist nun eine Sammlung, die Kemble 
als Codex Diplomaticus Normannicus bezeichnet, in erheblicher Anzahl 
auf, Kemble vermehrt sie aber, indem er eine Anzahl Ortsnamen auf -ington 
und -ingham, -ingbourn etc. gleichfalls, wie er sagt, nach Prüfung der 
sämtlichen in Betracht kommenden Umstände, als alte Markgenossen- 
schaften betrachtet; er spricht die Ansicht aus, dass alle die von ihm 
aus einer grossen Zahl ausgewählten Ortsnamen alte -ingas seien und 
findet so über 600 Ortsnamen dieses Typus. 

Musste es mich überraschen, dass schon vor 50 Jahren solche 
Sätze aufgestellt werden konnten, ohne in Deutschland, dessen Ur- 
seschichte sie doch immerhin mit betrafen, grosse Beachtung zu finden, 
so wuchs mein Erstaunen, als ich bei einem andern englischen Schrift- 
steller etwas jüngern Datums Ausführungen fand, die wieder in anderer 
Hinsicht sich mit meinen Anschauungen in bemerkenswerter Weise 
begegneten. 

* Es war dies bei Seebohm: The English Village community. Dieser 
kommt auf Grund einer Argumentation, die mit der in meinen Sied- 
lungen nicht das mindeste gemein hat, insofern zu denselben Schlüssen 
wie ich, als er annimmt, dass die Ortsnamen auf -heim in Deutschland 
und jene auf -ham in England, ebenso wie jene auf -ville, -court ete. im 
französischen Sprachgebiet Gutsherrschaften darstellen, (manors) Colonen- 
Dörfer, gerade so wie nach seiner Ansicht auch die Ortsnamen auf -ton 
dieselbe Bedeutung haben. 

Ausser diesen für meine Forschungsergebnisse augenscheinlich 
erfreulichen Wahrnehmungen, auf die übrigens näher einzugehen hier 


1) À. a. O. Bd. I, S. 42, 53, 58. 


— 152 — 


nicht die Stelle ist !), stiess ich aber bei Gelegenheit dieser Arbeiten 
auf eine Thatsache, welche wohl als ein toponymisches Kuriosum, wenn 
nicht als etwas besseres, unsere Beachtung verdient. 

Es ist das die Thatsache, dass eine erkleckliche Anzahl der loth- 
ringischen Ortsnamen auf -ingen, namentlich ein sehr grosser Teil der 
Ortsnamen dieses Typus im Kreise Diedenhofen, ja die Gesamtheit der- 
selben im Kannerthale sich in genau derselben, oder doch in ganz 
ähnlicher Form in England wiederfindet! 

Um aber diese Thatsache zu würdigen, ohne ihre Bedeutung zu 
über- noch zu unterschätzen, wird es von Nutzen sein, sich von der 
Entstehung dieser Namen ein möglichst klares Bild zu machen. 

Zu diesem Behufe muss etwas weiter ausgeholt werden. Die alten 
Ortsnamen auf -ingen, welche durch die Lage und den Umfang ihres Bannes, 
sowie durch ihre Flureinteilung als genossenschaftliche Gründung eines 
über die Bedeutung nur einer Familie erheblich hinausgehenden Ver- 
bandes sich darstellen), bezeichnen nach der hier zu vertretenden 
Ansicht einstige Markgenossenschaften *), Siedlungen einer Gemeinschaft 
von Haushaltungen, welche einer Sippe angehören, die sich durch ihre 
Benennung als Nachkommenschaft eines gemeinsamen Stammvaters 
kennzeichnet. 

Es scheint kaum eines besonderen Hinweises darauf zn bedürfen, 
dass eine solche Gruppe von unter einander gesippten Familien in dem 
Stamme, dem dieselbe angehört, die kleinste staatliche und auch wohl 
die kleinste militärische Einheit gebildet haben muss. 

Die Existenz einer kleinsten Einheit solcher Beschaffenheit bei 
den Völkern Germaniens wird aber durch das Zeugnis Cäsars und im 
noch viel schlagenderer Weise durch das von Tacitus bestätigt; letzteres 
bedarf freilich, um recht einleuchtend zu scheinen, erst der Richtig- 
stellung. 

Cäsar sagt bekanntlich): Agriculturae non student; majorque 
pars victus eorum in lacte, caseo, carne consistit; neque quisquam 


!) Man sehe meine vorläufigen kurzen Betrachtungen zu diesem Punkte im 
Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertums- 
vereine 1900, S. 126. 

?) Nicht alle -ingen sind alte Markgenossenschaften. 

3) Dabei gebrauche ich, wie man aus dem Gesagten ersieht, das Wort 
Markgenossenschaft nicht streng in dem Sinne, den ihm unsere Rechtshistoriker 
beilegen, sondern, seiner Prägnanz und Anschaulichkeit wegen, in einem weiteren 
Verstand für die kleinsten Genossenschaften, welche ein abgegrenztes Gebiet, 
eine Mark in Gesamtbesitz nahmen. Vgl. über die Bedeutung Mark auch Grimm, 
deutsche Rechtsalterlümer, S. 496 ff. 

*) de Bello Gallico, L. VI, Kap. 22. 


Lx 455 


agrı modum certum aut fines habet proprios; sed magistralus ac prin- 
cipes in annos singulos gentibus cognationibusque hominum, qui una 
coierunt, quantum, et quo loco visum est, agri attribuunt, atque anno 
post alio transire eogunt. Aus dieser Stelle, die ja wohl hinsicht- 
lich mancher Einzelheiten wie in Bezug auf die nachfolgende Erklärung 
dieser Sitte Einwürfe zulässt, geht jedenfalls mit ziemlicher Sicherheit 
(denn Cäsar ist doch im Ganzen als ein zuverlässiger Berichterstatter 
zu erachten) soviel hervor, dass die alten Germanen kein Individual- 
Grundeigentum kannten, und dass das Land von ihnen an Genossen- 
schaften und deren Unterabteilungen (gentes-cognationes) verteilt wurde, 
welche auf Geschlechtsverband gegründet waren. 

Für eine Zeit, die etwa 150 Jahre später liest, meldet uns 
Tacitus ') folgendes : 

Foenus agitare et in usuras extendere ignotum: ideoque magis 
servatur quam si vetitum esset. Agri pro numero cultorum ab universis 
invicem occupantur, quos mox inter se secundum dignationem partiuntur; 
facilitatem partiendi camporum spatia praestant. Arva per annos mutant 
et superest ager. Nec enim cum ubertate et amplitudine soli labore 
contendunt, ut pomaria conserant et prata separent et hortos rigent: 
sola terrae seges imperatur. Unde annum ipsum non in totidem digerunt 
species, hiems et ver et aestas intellectum ac vocabula habent, autumni 
perinde nomen ac bona ignorantur. 

So ist die übliche Lesart, statt invicem steht in vielen Ausgaben 
in vices, in anderen per vices: die ältesten Handschriften, so auch die 
Stuttgarter, lesen vorherrschend?) »vices« allein. Das scheint nun keinen 
rechten Sinn zu geben, daher die Versuche, die Stelle durch Conjecturen 
zu verbessern. Mit Recht ; aber die einfachste, unscheinbarste und so 
naheliegende Emendation wurde in der Regel nicht beliebt. Die Mängel 
der üblichen Lesart scheinen mir in die Augen zu springen, das fand 
auch Holtzmann, der sehr wohl das wirklich Anstössige derselben 
fühlte, der aber mit seinem Verbesserungsversuche nur eine Schwierig- 
keit beseitigte, eine andere aber bestehen liess. Doch zur Sache, vor- 
erst zu dem, was mir an den herrschenden Lesarten missfällt. 

Vor allem finde ich auffallend, dass das Land »ab universis pro 
numero cultorum+ besetzt werden soll? Das heisst doch wohl »im 
Verhältnis zur Anzahl der Bauern«, ein Verhältnis kann aber nur in 


') Germania, Kap. 26. 
?) Die Leydener hat in vicem, die vatikanische No. 1682 in vicis. Diese 
Abweichungen deuten auf Versuche, eine unverständliche Vorlage zu emendieren, 


1 :< 


Frage kommen, wenn mehrere nach dem Verhältnis zu berücksichtigen 
sind. Mit Recht hat daher Holtzmann als etwas nicht zu bezweifelndes 
ausgesprochen, dass zu »universic ein Subject gehöre, das seiner 
Meinung nach ausgefallen war. Er schlug vor zu lesen: »ab universis 
cognationibus«. Damit hat er den Sinn der Stelle gewiss richtig gegeben, 
insoferne es unzweifelhaft Geschlechtsverbände gewesen sein müssen, 
die das Land »pro numero eultorum« besetzten, nur irrte er, wie mir 
scheint, darin dass er das Subject zu »universis« verloren wähnte, es 
ist nur versteckt. Uebrigens bleibt auch nach der Holtzmannschen 
Conjectur eine Schwierigkeit bestehen, nämlich die Deutung der Worte 
in oder per vicem. Pro numero .... invicem occupantur. Das zeigt 
uns das Land offenbar schon nach dem angegebenen Teilungsmassstabe 
verteilt, und zwar nicht zum dauernden, sondern zum wechselnden 
Besitz. 

Nun heisst es aber gleich weiter wieder, dass sie das Land ver- 
teilen, aber diesmal secundum dignationem. Wie ist das bei dem 
schon unter die Bauern vertheilten Lande möglich ? Und eine Zeile 
weiter heisst es wieder »arva per annos mutant« ; wie die Stelle 
gemeinhin verstanden wird, soll sie bedeuten, dass die Besitzer jährlich 
ihr Ackerland unter einander vertauschen, im Sinne des Caesarschen 
»alio transire cogunt«'). 

!) Jene, welche eine jährliche Neuverteilung der Aecker für unwahrscheinlich, 
oder, wie es mir vorgekommen ist, für undenkbar halten, braucht man gar nicht 
erst auf das zu verweisen, was über die frühere Uebung in Dänemark von Hanssen 
berichtet wird, (Falke, neues staatsbürgerl. Magazin, Bd. 3 und 4) und was nach 
Schwerz, Mögliner Annalen, 27, I, am Hundsrück wenigstens noch vor 60 Jahren 
geübt wurde, vgl. Sybel, Entstehung des deutschen Königtums, S. 9; wir finden 
solche Zustände noch heute lebendig im Russischen »Mir«. Elisée Reclus sagt 
hierüber in seiner Nouvelle Géographie universelle, Bd. 5, S. 866: L'ensemble des 
habitants d’un village constitue le mir ou la commune. Le mir, qui s’administre 
en toute liberté, est propriétaire du sol, mais en même temps il est responsable 
du bien-être de tous les membres de la commune; il doit assurer une part à 
tout individu capable de travailler. Souvent les forêts et presque toujours 
les pâturages restent indivis. La maison, le terrain où elle est construite 
et le jardin attenant sont propriété privée; mais aussi longtemps que le possesseur 
n’a pas acheté définitivement sa part de terre à l’ancien seigneur, il appartient 
à la commune et ne peut vendre ni maison ni jardin à une personne étrangère 
au mir qu'avec le consentement des habitants du village. En principe, le partage 
se doit faire suivant la quantité des travailleurs mâles dans chaque fa- 
mille (pro numero cultorum ?) et la terre étant taxée pour les impôts d’après la 
population mâle, la répartition du sol devient obligatoire après chaque recense- 
ment. Mais les oscillations diverses ..... obligent les villages à faire des ré- 
partitions plus fréquentes. .. Dans le même district des communes procèdent au 


Warum nun diesen Besitzwechsel einige Sätze vorher so unbe- 
stimmt vorgreifend andeuten ? Will gesagt werden, dass die einzelnen 
Ansiedler (cultores) jährlich ihr Pflugland (arva) vertauschen, der mit 
in vicem« angedeutete Wechsel aber den Gebietsaustausch grösserer 
Verbände betreffen soll? Hier müsste natürlich die Umtriebszeit eine 
andere sein, eine mehrjährige, aber welche ? 

Manche verstehen das »arva mutant« nicht von einem Besitz-, 
sondern von einem Fruchtwechsel, die Anhänger dieser Interpretation 
nehmen eine fortgeschrittene Kultur. ja sogar Individualeigentum an. 
Wie verträgt sich mit diesen Zuständen aber der weiter oben ange- 
deutete allgemeine Wechsel (invicem) ? 

Alle diese Schwierigkeiten verschwinden sofort, wenn man liest: 
»Agri pro numero cultorum ab universis vicis occupantur«. Nun liest 
sich das ganze Kapitel sehr leicht: Die Ländereien werden von den 
gesamten Dorfgenossenschaften im Verhältnis zur Anzahl der Hüfner 
in Besitz genommen; diese (natürlich die Dorfgenossenschaften) verteilen 
ihre Anteile alsbald unter sich nach Massgabe der Würdigkeit, 


partage tous les ans, tandisque d’autres ne font de nouvelles divisions 
qu'après deux ou plusieurs années... Zur Illustration der Besitzverhältnisse 
innerhalb eines »Mir« giebt Reclus eine Karte, welche die Verteilung des Acker- 
landes innerhalb des Mir von Vororino, District Jaroslavi, darstellt. Diese zeigt 
21 Unterabteilungen, die einigermassen an die Gewanne unserer Dörfer erinnern; 
jede solche Fläche ist wieder in Parzellen von länglicher, streifenartiger Form 
geteilt, die augenscheinlich die Anteile der einzelnen >individus capables de tra- 
vailler« darstellen, da je 9, 7 und 5 aneinander stossender Gewanne mit 1—7. 
I.—IX. und a—e bezeichnet sind, so ist anzunehmen, dass die drei Gruppen, »les 
trois chapeaux«, die drei »Zelgen« darstellen und dass jeder Anteilberechtigte 
in jeder Zelge ein oder mehrere Stücke besitzt, wie sie ihm aus dem Hute zu- 
gelost wurden; ein ähnlicher, wenn nicht gleicher, Verteilungsmodus, geleitet 
von dem Bestreben, alle gleich zu stellen, hätte sonach hier zu derselben Flur- 
einteilung geführt, die wir in den deutschen Gewanndürfern und, auffallend über- 
einstimmend damit, in den germanischen Siedlungen Englands antreffen (man 
vergleiche nur die Flurkarte des Dorfes Hitchin bei Seebohm). Den Gegensatz 
dazu bilden die Flurkarten der irischen Dörfer, mit ihrer an die blockartige Auf- 
teilung der »Weilerorte« erinnernden Abteilung. (Vgl. die Flurkarte von Corres- 
kallie in Monaghan bei Seebohm.) Auch hier war das Land Gemeingut der 
Stämme oder Geschlechter, aber wie ganz anders lautet, was Seebohm über die 
Art der Verteilung unter den Nutzungsberechtigten berichtet: Nach dem Venedotian 
Code sollte von dem mit 8 Ochsen gepflügten Land das eine Stück (erw.) an 
den gehen, der pflügte, das zweite an die Pflugschar, das dritte an den Leitochsen 
auf der äussersten Linken (Schollenseite) u. s. f. In Irland wechselten die Be- 
wohner, die Hofstatt blieb fest; selten sind denn auch die Marken, in denen 
die alten Bezeichnungen der Höfe fortleben, nach einem P. N. benannt, gewöhnlich 
rührt der Name von einem Appelativum her, Seebohm a. a. 0. S. 83 u. 148. 


— 156 — 


Das Pflugland wechseln sie jährlich und es bleibt noch Land übrig etc. 
Diese Erklärung scheint so befriedigend, dass es Wunder nehmen würde, 
wenn sie nicht schon vorgeschlagen worden wäre; nur ein Bedenken 
könnte ihr entgegengehalten werden : Kann denn vicus mit Dorf- 
senossenschaft übersetzt werden ? Vicus heisst doch das Dorf! So 
steht’s allerdings im Lexikon und das war vielleicht der Grund, warum 
»vicise von einem denkenden Abschreiber oder von einem gelehrten 
Herausgeber der Renaissancezeit, denn über diese reicht der Stamm- 
codex unserer Handschriften nicht hinaus'), in »vices« geändert wurde. 
Wenn ich nun behaupten will, vicus bedeute hier eine Unterabteilung 
von pagus und könne ebenso wie letzteres Wort nicht nur territorial, 
sondern auch persönlich verstanden werden, so scheint das freilich sehr 
kühn, wenn ich mich auch auf den Umstand berufen kann, dass pagus 
(Gau) zweifellos von den Leuten gebraucht wird, welche den Gau bilden. 
So heisst es bei Caesar?): Quod improviso unum pagum adortus esset — 
was, zumal es sich um einen pagus der wandernden Helvetier handelt, 
nur von einem Personenganzen verstanden werden kann. Wird doch 
auch civitas mit demselben Doppelsinne gebraucht. Dass vicus territorial 
eine Unterabteilung des pagus ist, wird ja nicht bezweifelt werden °). 

Trotz dieser Argumente hätte ich mich mit dem Vorschlag »vicis« 
zu lesen nicht hervorgewagt, hätte ich nicht gefunden, dass der be- 
rühmte Textkritiker Becker diese Lesart angenommen hat: es kann 
daher wohl nur ihre Richtigkeit, nicht aber ihre Möglichkeit in Frage 
gestellt werden À). 

Mit der Bedeutung des »arva mutante brauchen wir uns, scheint 
mir, für die Zwecke dieser Untersuchung gar nicht näher zu befassen, 
denn : Entweder man darf Denen beistimmen, welche den Germanen: 
jener Zeit nur eine sehr primitive Bewirtschaftungsmethode zuschreiben, 
eine sogenannte Gras- oder Ehgarten-Wirtschaft, wobei jedes Jahr ein 
anderes Stück Boden besäet wird, um dann eine längere Reihe von 
Jahren zu ruhen, d. h. als Weide zu dienen, dann leuchtet ein, dass 
das brach liegende Feld wieder in die Allgemeinnutzung der Almende°) 


1) Die Abschrift des Henoch Asculanus entstand um die Mitte des 15. Jhdts. 

2\ Bell. Gall. I, 13. 

3) Tac. Germ. C. 12 >qui iura per pagos vicosque reddunt«. 

*) Vgl. Seebohm, S. 233. Auch er liest: Ab universis vicis occupantur. 

5) Wegen des Begriffs »Mark« und »Almende« siehe bei Grimm, deutsche 
Rechtsaltertümer, S. 496--498. Vgl. Maurer, Einleitung zur Geschichte der Mark-, 
Hof-, Dorf- und Stadt-Verfassung, 1854, S. 93: Denn dass Tacitus beim Gebrauche 
des Wortes ager an einen ager publicus im römischen Sinne des Wortes gedacht 
habe, scheint mir ausser Zweifel zu sein. Bestätigt wird diese Ansicht durch die 


— 157 — 


zurück fallen musst); oder die Landwirtschaft wird als so entwickelt 
gedacht, dass ein beschränkter Teil der Mark dauernd der Ackerwirt- 
schaft gewidmet bleibt, wobei aber der Genuss jährlich wechselt ?), 
dann kann von einem Individual-Eigentum am Grund und Boden auch 
nicht die Rede sein. Und wenn wir auch das »arva mutant« nur von 
der Fruchtfolge d. i. der zeitweisen Brache verstehen wollten *), nun 
dann hätten wir jedenfalls die Annahme, dass die Dorfschaften ihrer- 
seits in gewissen Perioden, wie zu Caesars Zeiten, wechseln, ganz 
ausgeschlossen, aber auch nicht das mindeste Recht, zu vermuten, dass 
auch das nicht unter den Pflug genommene Land unter den »cultores« 
verteilt war; letztere sind also im gemeinschaftlichen Besitz wenigstens 
der ungeteilten Mark, und insoferne müssen wir sie als Mark- 
genossen bezeichnen; nicht als ob das mittelalterliche Rechtsinstitut 
der Markgenossenschaften in jene Zeit zurückverlegt werden wollte. 
Dass ein solcher »vicus« wenn seine Mark gross bemessen war, 
mit der Zeit in seinem Bezirk Tochterdörfer gründen musste, denen 
selbst wenn ihnen ausser der besonderen Feldmark ein besonderer 
Teil Wald und Weide zufiel, sehr wohl ein Mitgenuss an anderen 
Teilen der gemeinen Mark bleiben konnte, ja sehr wahrscheinlich 
regelmässig blieb, ist wohl nicht abzuweisen und insofern sind wir 


Geschichte der nordischen Reiche. Nach der Art und Weise, wie nämlich 
auch dort ursprünglich das Land in Besitz genommen worden, war alles Land 
ursprünglich Gemeinland, Almenning, alminning, almäninger oder Allmende, 
also der Gesamtheit gehöriges Land. Ebenda S. 97, $ 44: Ursprünglich ist dem- 
nach die ganze Mark in Gemeinschaft.... gewesen, Denn auch bei der ge- 
teilten Feldmark hat, so lange der jährliche oder auch erst nach Jahren wieder- 
kehrende Wechsel der Ackerloose bestand, die Gemeinschaft fortbestanden. 

') Zu dieser Auffassung stimmt auch besonders, dass dann das ganze ( 26 
eine treffliche Illustration des Satzes »faenus agitare — ignotum« wird. Das 
Fehlen allen Individualeigentums am Boden, die primitive Bestellungsweise, die 
der Besitzwechsel von selbst ergiebt, der Mangel eigner (besser gepflegter) Wiesen, 
sowie jeglicher Fruchtgärten ergeben einen wirtschaftlichen Zustand, bei dem für 
die usura, damals schon die »Geisel Roms«, offenbar kein Raum gegeben war. 
Eine Anspielung auf Feldwirtschaft mit rationellem Fruchtwechsel, unter Voraus- 
setzung eines Grundeigentums der Einzelnen an den zugeteilten Ländereien würde 
weit weniger hierher passen, ja eher abschwächend wirken. 

2?) Also so, wie es (vgl. oben S. 9, Note) von Hansen und Schwerz für die 
jüngste Vergangenheit berichtet wird und im Mir statthat. 

3) Die hier bevorzugte Auslegung des arva mutant ist auch von Gierke, 
Deutsches Privatrecht, Bd. I, S. 578, namentlich in Note 3, als die richtige er- 
achtet worden; insbesondere nimmt auch Gierke Feldgraswirtschaft an. Auch für 
das weiter unten über die Genossen als Gentilen Auszuführende kann auf diesen 
gewichtigen Gewährsmann verwiesen werden. A. a. 0, S. 576. 


— 18 — 


berechtigt, eine grosse Anzahl der spätern, technisch so genannten 
Mark-, Wald- und Alpgenossenschaften von solchen Dorfsiedlungen der 
ersten Landnahme herzuleiten. 

Da aber das Eigentum in der frühesten Zeit bei der Ge 
der Volksgenossen stand, der das nicht unter die Dorfschaften verteilte 
Gebiet ebenso zustehen musste !), wie die Almende, das nicht unter 
die cultores verteilte Land der »vici«, so ist es nicht zu verwundern, 
auch Markgenossenschaften von einem solchen Umfang zu treffen, dass 
ihr Gebiet auf einstigen gemeinsamen Besitz eines ganzen Volksstammes 
oder mindestens eines Gaues hinzuweisen scheint, wie die alte Fuldische 
Mark, die Heppenheimer Mark etc.?). Wichtiger als die Frage, wann 
und wie sich in jenen Genossenschaften aus der Urzeit das Eigentum 
aus dem ursprünglichen Nutzungsrecht bezw. der Gewere?) entwickelt 
hat, erscheint hier die Frage: standen unsere Markgenossen unter 
einander in keinem näheren Verbande, als dem der Zugehörigkeit zum 
selben Volke ? 

Bedenkt man die grosse Bedeutung, die bei den Germanen dem 
Sippenverbande überall zukömmt, wie schon Caesar andeutet, dass 
sie bis zu den kleinsten Einheiten herab zusammen hausen (gentes 
cognationesque); ferner wie vielfach alle politische Ordnung in die 
Formen der Familie gekleidet war“); die Wichtigkeit der nachbarlichen 
Verhältnisse im deutschen Recht), namentlich das Erbrecht der Nach- 
barn noch zu Childerichs Zeiten, Bestimmungen wie jene der lex 
Salica Tit. LVII Al. 3 (Emend), die Vorschrift nachbarlichen Consenses 
zur Klage, sowie die Sitte, nach Geschlechtern geschaart zu kämpfen), 
so muss man wohl Sybel zustimmen, wenn er sagt: für die Charak- 
teristik des Vicus dünkt es mich entscheidend, Vicinen dieser Art 
dürfen wir unbedenklich als Gentilen bezeichnen ?). 

Welches die Benennung dieser Geschlechtsverbände in der Sprache 
der Germanen war, ob »Sippe« ob, wie Sybel zu vermuten scheint, »fara« 
der entsprechende Ausdruck war, soll hier nicht erörtert werden, dass 
aber bei solcher verwandtschaftlichen Grundlage des gegenseitigen 


!) Freilich bestand in solchem Land anfangs freies Occupationsrecht — 
proprisus, purprisus, vielleicht der Ursprung der »heim«. Maurer, Einleitung etc. 
S. 82—83. 

?) Maurer, Geschichte der Markenverf. in Deutschland. 

®) Maurer, Einleitung etc., $ 45. 

*) Sybel, Entstehung des deutschen Königtums, S. 18. 

Duswbel;a.a03:8,724! 

5) Tacitus, Germ. C. 6. 

7), Sybel, .2..2..0x:5: 98. 


— 159 — 


Verhältnisses eine patronymische Benennung des Verbandes wahrscheinlich 
ist, dürfte nicht zu bestreiten sein. Die Bildung des Patronymicums 
durch das Suffix ing, ingas, ingon ist bekannt). 

Da somit eine Masseneinwanderung von Germanen mit Sitten, 
Gebräuchen und Rechtsverhältnissen, wie sie Tacitus schildert, in 
Gründung von zahlreichen Dorffluren, mit gleichmässiger Verteilung des 
Ackerlandes unter den regelmässig gleich bedachten Hüfnern, mit ge- 
meinsamem Genuss von Wald und Weide, dabei die einzelnen Sied- 
lungen wenigstens vorherrschend in einer Weise benannt, welche die 
Gründung durch Geschlechtsverbände andeutet, sich notwendig 
hätte äussern müssen, so werden wir annehmen dürfen, dass in der 
That zur Zeit der Einwanderung der Germanen im Römerreich in der 
Zeit vom 3. bis zum 5. Jhdt. unter ihnen noch so ziemlich dieselben 
Verhältnisse in Kraft waren, wie zur Zeit, da Tacitus ihre Sitten 
schilderte, und dass hierauf das massenhafte Vorkommen patronymisch 
benannter Orte in diesen Gegenden zurückzuführen ist ?). 

Die Bildung des Patronymicums erfolgte aber nicht, wie vielfach 
angenommen wird, einfach durch Anhängen des Suffixes ing an einen 
Personennamen. 

Die alten germanischen Personennamen bestehen regelmässig aus 
zwei Wortstämmen, wie Sigi- bert. d. i. dem Sinne nach: der prächtige 
Sieger. Es war nun, scheint es, üblich, dass die Kinder eines Mannes 
dieses Namens auch wieder ähnliche Namen trugen, etwa: Sigfried, 
Sigraban, Sigibodo, Sigibald, Sigibrand, Sigihard, die Töchter mochten 
Sigiburg, Siglinde, Sigihilda, etc. heissen. 

Die Sippe, der ein jedes angehörte, wurde also durch den ersten 
Teil des Namens gekennzeichnet. 

Das älteste Beispiel für diese Sitte ist wohl der Bericht des Tacitus, 
wonach ein Fürst der Cherusker den Namen Sigomar (Segimerus) führte, 
sein Bruder heisst Sigogast (Segestes), dessen Sohn aber Sigmund 
(Segimundus) ?). 

Bekanntlich vermutet man, Arminius, der auch einen Bruder 
Sigomar hatte, möge den Namen Sigfried geführt haben und der Held 
jener von Tacitus erwähnten Gesänge zu seinen Ehren sei auch der 
der Nibelungensage! 

Diese Sippe würde nun aber nicht den Namen der Sigbertingen 
oder dgl. geführt haben, sondern das Suffix wurde vielmehr an den die 


1) Siedlungen, S. 8 ff. 
?) Vgl. Siedlungen, Kap. 1. 
#) Tac. Ann. I, S. 54, 71. 


BR 


Sippe determinierenden Namensteil Sig- angehängt, also: die Siggingen, 
oder die Sikkingen. Man kann auch sagen, das Suffix wird an den 
Kurznamen angehängt, denn die vorerwähnten Mannesnamen hätten 
alle die Kurzform Sigo oder Siggo gebildet, auch Sicco, und — wohl 
zu beachten — Sigilo kömmt vor. Theodorich der Grosse stammte 
aus dem Geschlechte der Amalungen, seine Tochter hiess Amala- 
suntha, zuverlässig hiess die Familie nach einem Amalarich oder 
Amalfried oder Amalolf: aus der Kurzform Amalo ist das Patrominycum 
sebildet. 

Aber es giebt auch eine andere Ableitungsform, wie es auch eine 
andere Art giebt, die Kurzform des Personennamens zu bilden. 

Von Merovech, Sohn des Chilperich, nannte man seine Nachfolger 
Merovinger, nicht Meringer. 

Es entspricht das einer Kurznamenform, die einen Teil des zweiten 
Wortstammes aufnimmt, so wird Dagobert Dappo: Gundobald oder 
Gundobert Gumpo: wie das Steub in seiner Schrift zu den deutschen 
Familiennamen (1873) ausgeführt hat. 

Es soll aber nicht verschwiegen bleiben, dass es auch eine Reihe 
von Ortsnamen giebt, die den ganzen Namen enthalten: Sigmaringen, 
Volmeringen, Geiselhöring u. s. w. Es kann dies um so weniger über- 
raschen, als es ja auch patronymische Ableitungen dieser Art giebt, 
die jedermann bekannt sind: Asilolfingen, Luitpoldingen u. a. m. 

Ist das eine Durchbrechung unserer Regel oder ein Beweis, dass 
Jene recht haben, welche Formen wie Rodingen, Nebingen, Meiningen, 
Reiningen für Contractionen längerer Ortsnamensformen halten; also etwa 
von Rodbertingen, Nebulfingen, Meinhardingen, Reinbertingen ? 

Natürlich giebt es zusammengezogene Formen: Gandringen mag 
wohl aus Ganthar, Weckringen aus Wickram mit Hilfe des Suffixes 
-ing entstanden sein; auch dem Namen Bertringen wird eher ein 
Bertram oder Bertrand zu Grunde liegen als eine Form Bertro, die 
nirgends vorzukommen scheint. Aber jene Namen, in denen die übliche 
Kurzform des Personennamens ganz rein vorkömmt, wird man im 
Zweifel auch von dieser ableiten müssen. 

Dass dies sich so verhält, ergiebt sich auch aus folgendem: In 
den Ortsnamen ist oft, sehr oft sogar, statt des Kurznamens in seiner 
ursprünglichen Form eine Weiterbildung desselben enthalten, welche 
durch das Suffix -ilo gebildet wurde, ursprünglich offenbar eine Ver- 
kleinerungs- oder Koseform, die aber später, nach Förstemanns Ansicht, 
diese Bedeutung verlor. Gerade von dieser verlängerten Form sind 
aber eine Menge Ortsnamen gebildet: Wolfraban giebt Wolfo, dieses 


à . 
et 


a — 


Wolfilo: und von diesem kömmt Wölflingen !). Läge hier nur eine 
Contraction vor von Personennamen und Suffix, wie käme da das »|« 
in den Namen. Wir finden übrigens die gleiche Duplicität der Namen- 
bildung bei Ortsnamen anderer Endung: So finden wir neben einem 
Gizziboldesheim ein Wünheim: neben einem Heinrichsdorf ein Gebes- 
dorf; neben einem Gebhardsberg ein Warnesberg. 

Dass hier keine im Lauf der Jahrhunderte abgeschliffene Formen, 
sondern von Haus aus Bildungen vom Personennamen in seiner Kurz- 
form vorliegen können, das beweisen klar und deutlich die bekannten 
Ortsnamen der lex Salica: Wisoheim, Bodoheim, Saloheim, Widoheim. 
die uns diese selbe Form schon für die Zeit des 5. Jhdts. geben. 

Es scheint, nach all dem, was wir bisher beobachtet haben, dass 
es sich bei diesen verschiedenen abgeleiteten Formen weniger um 
nebeneinander herlaufende, als vielmehr um zeitlich aufeinander folgende 
Bildungen handelt. Und zwar glaube ich die Derivate vom einfachen 
Stamm resp. von der Kurzform des Personennamen für die älteren halten 
zu müssen. Dafür spricht die Chronologie der angeführten Ortsnamen 
und Sippennamen, für mich auch die Annahme, dass das allgemein ver- 
breitete Gefühl für die determinierende Bedeutung des ersten Stammes 
der alten Namen früh verloren gegangen sein dürfte). Ein Zeichen 
dafür scheint mir schon das Auftreten der einstämmigen Namen, wie 
Karl, Pippin, Otto, die ich für Kurznamen halte, denen ein älterer, 
nicht in allen Fällen mehr zu ermittelnder doppelstämmiger Name einst 
entsprochen hat. Im 8. Jahrhundert tauchen Personennamen auf wie 
Alagastesheim, Dagastisheim, die, wenn im 5. Jahrhundert entstanden, 
wohl Alaheim, Dagaheim genannt worden wären. 

Gehen wir daher nunmehr zur Prüfung des von mir zu behan- 
delnden Ortsnamen-Materials über: 

Zum Vergleich soll herangezogen werden nicht das Gebiet von 
Lothringen allein, sondern das ganze von mir in meinen »Siedlungen« 3) 


') Seltener scheinen die Derivate von einer Koseform auf -izo: Cunibert- 
Cunigo, oder auf -ico — Liubhart-Liubico. 

?) Man könnte sogar sagen, wenn, wie anzunehmen ist, die echten Sippen- 
namen nur den ersten Teil jenes P. N. enthielten, welcher in der Sippe namentlich 
bei den Häuptlingsfamilien, die jedenfalls von einem göttlichen Wesen mit einem 
entsprechenden Namen sich ableiteten, vorherrschte, so konnte zur Zeit der 
Wanderungen die jeweilige Niederlassung, die in Ermangelung eines eigenen 
Lokalnamens nach der Sippe benannt wurde, nur einen Namen erhalten, der 
einen Stamm, den Hauptstamm enthielt. Anders zusammengesetzte Namen 
müssen also späteren Ursprungs sein, 

"y Gap: 3 


— 162 — 


umschriebene mosellanische Siedlungsgebiet, das ist das Flussgebiet 
aller in die Mosel unterhalb Metz bis zu der Thalverengung unter Trier 
einmündenden Wasserläufe, welche, mit Ausnahme des Ornethals, bis 
in ihre Quellgebiete ganz germanisiert sind, während darüber hinaus 
im weiten Halbkreis von der Gegend von Malmedy über West bis zum 
Donon allenthalben welsche Sprache auftritt, gegen S. O. aber die grosse 
Saarbrücker Weilergruppe angrenzt. 

Es werden im Folgenden die deutschen Ortsnamen des oben be- 
zeichneten Gebiets den ihnen gleichen oder doch sehr ähnlichen eng- 
lischen gegenübergestellt, sodann wird für die lothringischen Ortsnamen 
die älteste zuverlässige Form aufgesucht ') — die englischen sind uns von 
Kemble ohnehin, soweit er sie im Codex Dipl. ermittelte, in der 
ältesten Form gegeben, es ist in diesen Fällen die Nummer des Codex 
beigesetzt, bei den übrigen ist die alte Form von ihm zu reconstruieren 
versucht worden. 

Für Luxemburg und Rheinland sind mir die alten Formen nicht 
zugänglich, doch sind die meisten Ortsnamen nur Wiederholungen der 
lothringischen Namen. 

Man wird finden, dass manche der alten Formen den Eindruck 
machen, als hätte der Schreiber, der oft genug ein Welscher ge- 
wesen sein wird, die Namensform arg entstellt, so dass wir der 
lebendigen Ueberlieferung im Volksmund mehr Bedeutung beimessen 
dürfen, als der urkundlichen. Zudem hat Bouteiller, der sein Buch 
sehr eilig herstellte, manches offenbare Versehen begangen, so wenn 
er Leutermingas zu Luttange setzt, da es doch nur zu Lauter- 
mingen gehören kann; wo ferner in ganz kurzen Zwischenräumen ganz 
verschiedene Formen sich folgen, liegt natürlich keine sprachliche Ent- 
wicklung, sondern, mindestens einmal, ungenaue Wiedergabe vor; der 
heute im Volksmund fortlebenden Namenbildung steht da ohne Zweifel 
die Entscheidung zu. 

Was die Zurückführung auf einen alten Personennamen anlangt, so 
habe ich mich dabei hauptsächlich auf Förstemanns » Altdeutsches Namen- 
buch« gestützt. Manche Erklärung fand ich bei ihm schon fertig vor; 
dass ich ihm nicht unter Verzicht auf eigne Ansicht folgte, wird man 
leicht bemerken. 

Es ergibt sich, dass, wie zu erwarten war, die weitaus meisten 
Ortsnamen aus der Kurzform des Personennamens gebildet sind, und 


7) Und zwar bei-Bouteiller und Lepage, Dictionnaire topographique de la 
Moselle resp. de la Meurthe; wo (?) steht, fand ich dort keine urkundliche Form 
verzeichnet. 


— 163 — 


zwar enthalten ca. 54 Namen, die mehrfach erscheinenden Ortsnamen 
nur einmal gerechnet, nur den ersten Teil des Personennamens 
schlechtweg, während er in 15 Fällen in der Form auf -ilo auftritt: 
in den übrigen 10 Fällen kann es oft zweifelhaft sein, ob eine 
Namenskurzform nach Analogie der Bildung »Merving«, also unter Ein- 
beziehung eines Teiles des zweiten Stammes, oder ob eine Zusammen- 
ziehung vorliegt, eine Frage, die mir auch die alten Formen in unsern 
Fällen selten zu entscheiden scheinen, während sie sonst oft Aus- 
kunft geben, so wenn wir Girlingen gleich Geroldingen erkennen. 
Etwa die Hälfte dieser 10 Ortsnamen mögen contrahierte Formen sein, 
die andern sind wahrscheinlich auch von Kurzformen des Personen- 
Namens abgeleitet, was sich übrigens nach meinen Wahrnehmungen von 
der ungeheuren Mehrheit aller lothringischen Ortsnamen auf -ingen 
beweisen liesse. Dasselbe Verhältnis dürfen wir aber in England 
voraussetzen, nachdem von ca. 100 zum Vergleich herangezogenen 
Ortsnamen ebenfalls über 90°/o gleicher Bildung sich schon durch 
ihre Uebereinstimmung mit unsern Ortsnamen insbesondere auch in 
allen Fällen, wo die alten Formen vorliegen, erweisen. 

Dass wir nicht überall, wo die Namen der Orte sei es eine 
Aehnlichkeit, sei es volle Uebereinstimmung aufweisen, annehmen 
müssen, dass sie auch von demselben Namensstamme abzuleiten 
seien, das ergibt sich schon daraus, dass für ein und denselben loth- 
ringer Ortsnamen verschiedene Stämme in Frage kommen können. 
Berücksichtigt man, dass wir es mit verschiedenen Sprachgebieten zu 
thun haben, dass wir nicht wissen, wie die englischen Ortsnamen 
in der Zeit lauteten, der die verschiedenen für Lothringen überlieferten 
urkundlichen Formen angehören, so versteht es sich von selbst, dass 
eine solche Behauptung hier gar nicht versucht werden soll. 

Aber in einer sehr grossen Zahl von Fällen ist doch anzunehmen, 
dass die Ortsnamen beider Gebiete von Personennamen desselben 
Stammes abzuleiten sind. Dies scheint mir namentlich in jenen Fällen 
zuzutreffen, wo die sehr einfachen Formen, wie Edingen, Eppingen, 
Edingen und viele andre schon in den frühesten Zeiten, in die wir 
zurückforschen können, im 8. und 9., ja im 7. Jahrhundert, diese 
Form aufweisen, wie denn die Einfachheit des Namens zu Verunstaltung 
und Zusammenziehung gar nicht aufzufordern scheint. 

Und unter -diesen nicht seltenen Fällen möchte ich wieder jenen 
ein besonderes Gewicht beimessen, welche wie die Namen des Stammes 
Ter u. a., so selten sind und nur in unsern beiden Gebieten auftreten. 


À. Uebersicht der in Lothringen resp. im Moselgebiet und fast oder ganz gleich- 
lautend in England vorkommenden Ortsnamen auf -ingen. 


Lothringen. 


Kreis Diedenhofen. 


15 


> 


wo 


Algringen. 
Bettingen (4 mal) 


. Bevingen 


4. Bidlingen 


5. Blettingen 

. Bollingen 

. Büdingen (3 mal) 
. Ebingen 


9. Edingen 


. Elingen 

. Elsingen | 
. Elzingen J 
. Ewringen 
. Hellingen 


. Hückingen 
. Hlingen . 

. Inglingen 
. Kedingen 


. Kneuttingen 
. Mallingen 
. Mondelingen 
. Oetringen 


. Oettingen 

. Redingen 

5. Reningen 

. Terlingen (abg. Ort) 
. Weckringen 

. Weimeringen 


England. 


Aeleringas — Alkrington, Lancaster 
Beadingas — C. D. 314, Sussex 
Beaddingas — C. D. 475, Wight 
Beofingas — Bevington, Warwyk 
Bydelingas — C. D. 445, Northampton 
Blaedingas — Bleddington, Gloucester 


Bollingas — Bollington, Chester 

Budingas — Buddington, Sussex 

Aebingas — Abinghall, Glouc. — Abington, 
Cambr. 


Edingas — Edington, Berks. Nrthld. Som- 
mers. Wilts. Edingthorpe, Norfolk 
Ealingas — Ealing, Mddles. — Eling, Hants. 


Elsingas -- Elsing, Norfolk 


Eberingas — Ebrington, Glouc. 
Hellingas — Hellinghill, Nthbld. — Hellingbv, 
Sussex 


Hucingas — Hucking, Kent 

Ilingas — Illington, Norf. Illingworth, York 
Englungas — C. D. 123, Kent. 

Caedingas — Caddington, Bedf. Herts. Ked- 


dington, Linc. Kedington Essex. 
Cnottingas — Knotting, Bedf. Knottingby, York 
Mallingas — Malling, Kent, Sussex. 
Mundlingas — C. D. 107, Kent 
Oteringas — Otirington, York — Ottringham, 
York. 
Oddingas — C. D. 209, Worcester 
Readingas — C. D. 688, Berksh. 
Renningas — Rennington, Nthbld. 
Terlingas — C. D. 907, Essex 
Waeceringas — Wakering, Essex 
Weomaringas — Wymering, Hants. 


Kreis B 


29. 


30. 
ar: 
32. 


33. 
34. 
3). 
36. 


37. 
38. 
AD: 
40. 
41. 


Kreis F 


42. 


43. 
44. 
45. 
46. 


olchen. 
Eblingen 


Edelingen 
Edlingen 
Fehringen 


Füllingen 
Hallingen 
Hecklingen 
Hollingen 


Aeblingas — Ablington, Glouc. Ablinghall, 
Wilts. | 
Eadlingas — Edlingham, Nthbld. Edlington, 
Linc. York. 

Fearingas — Faringdon, Devon., Farringdon, 
Dors. Hants. Berks. Sommers. 

Farrington, Lanc. Som. 

Fullingas — C. D. 987, Sommers. 

Hallingas — C. D. 160, Kent. 

Haeglingas — C. D. 1193, Surrev 

Hollingas — C. D. 722 Kent. — Hollingbourn, 
Kent. 


Inglinger Hof (vgl. Inglingen) 


Isingen 
Tettingen 
Trittelingen 
Willingen 
orbach. 

Beningen (3 mal) 


Büdingen, s. 0. No. 7. 
Gesslingen 

Lellingen 
Wintringen 


Kreis Saarburse. 


47. 
48. 
. Hemingen 
. Mettingen 


54 
55 
56 


Bebingen 
Berlingen 


. Pettlingen 
. Rieding(en) 


» Kreis Metz. 
53. 


Coulange (?) 


Issingas — Isington, Hants. 
Taetingas — Tattington, Norf. 
Tritlingas — Tritlington, Norf. 
Willingas — Willingdon, Sussex 


Benningas — Benningbrough, York, -holme Y. 
-ton, Hants, Linc. -worth Line. 


Gislingas — Gislingham, Suff. 

Laellingas C. D. 715 Essex 

Wintringas — Winteringham, Laine. York. 
Bebingas — Bebington, Chesh. 

Berlingas, Wore. vgl. 62, 74. 

Hemingas — Hemingbrough, York. 


Maetingas —- Mattingby, Hants. Mettingham, 
Suff. 

Petlingas — Peatling, Leic. 

Ridingas — Riding, Nrthbld. 


Culingas C. D. 132 


. Epange (vel. Kr. Saargemünd) 


. Hessingen 
. Marange 


Haessingas — Hassingham, Norf. 
Maeringas — Marrington, Salop 
Mering, Nott, — Merrington, Durh. 


57. 
38. 
59. 
60. 


Nidange 

Rollingen 
Silvingen (Silvange) 
Talange 


Kreis Chäteau-Salins. 


.. Arlange 
. (Beringen) Bérange 


Büllingen (Bellange) 
Bessingen 
Dedeling(en) 


. Hudingen 
. Lidersingen 
. Wirmingen 


Kreis Saargemünd. 


69. 
10. 
11. 
72. 
13) 


14. 
75. 
76. 
at. 
18. 
19. 


80. 
81. 
82. 
83. 
84. 


Dieblingen 
Eppingen 
Ettingen 
Hallingen 
Wittringen 


Luxemburg.) 


166 


Nydingas — Needingworth, Kent 


Rollingas — Rollington, Dorset 
Silfingas — Silvington, Salop 
Taelingas — Tallington, Line. 


Arlingas — Arlingham, -ton, Glouc. Dev. Suss. 
Beringas C. D. 518 Kent 
Bellingas — Bellington, Berks. -ham, Nthbld. 


Bessingas — Bessington, Oxf. 
Daedlingas — Dadlington, Leic. 
Hudingas — Huddington, Worc. 
Lidesingas — Lidsing ? 


Wyrmingas — Wormingford, -hall, -ton. — 
Casex, Berk., Glouc. 


Deoplingas — Debtling, Kent 
Eppingas --- Epping, Kssex 
Ettingas — Ettinghall, Staff. 
Hallingas, s. Bolchen. 

Witringas — C. D. 464, Sussex. 


Beringen, s. o. Kreis Chäteau-Salins 
Bettingen, s. o. Diedenhofen 


Bevange, s. 
Didling 
Dillingen 
Dönningen 


o. Diedenhofen 
Didlingas — Didling, Suss., Didlington, Dors. Norf. 
Dillingas — Dillington, Norf. 

Doningas 


— Donington, 3 X, Donningt. 6 X 


Line. Leirt etc. 


Ehlingen, s. o. Diedenhofen 


Ellange 
Ehlerange 
Essange 
Gödringen 


Ellingas — Ellingham, -ton 
Elringas -— Ellerington, Nrthld. 
Essingas — Essington, Staff. 
Godringas — Gotherington, Glouc. 


!) Die Uebereinstimmung der Namen in Luxemburg mit der Nomenclatur 
Lothringens ist übrigens weit intensiver als hier zu Tage tritt. Die grosse Aehn- 
lichkeit der rheinpreussischen Nomenclatur erhellt aus No. 93—105. — Alles 
dies spricht für meine Annahme, dass die Besiedlung einheitlich und von der 
Mosel aus, nicht von Süden her — dorthin lässt die Uebereinstimmung nach = 
erfolgte. V. Siedlungen, Cap. 3, S. 20 ff. 


— 167 — 


85. Hellange, s. o. Diedenhofen 
86. Kädange, s. 0. Diedenhofen 


87. Nördingen Nordingas --- Northington, Hants 
88. Petange Paetingas — Pattingham, Salop, Staff. 
89. Rodange Rodingas — C. D. 907, Berks. 


90. Rollingen, s. o. Metz 
91. Tetange, s. o. Bolchen 
92. Wintringen, s. 0. Forbach. 


Rheinprovinz. 


93. Binningen (R.-B. Coblenz) Binningas, Binnington, Yk. 
94. Nasingen (Kr. Bitburg) Naessingas, Naessington Nhamp. 
95. Berlingen (R.-B. Trier), vgl Saarburg 

96. Bettingen (R.-B. Coblenz), vgl. Diedenhofen, Luxemburg 
97. Dillingen (Kr. Saarlouis) vgl. Luxemburg 

98. Bewingen (Kr. Daun), vgl. Diedenhofen 

99. Büdingen (Kr. Trier), vgl. Diedenhofen 

100. Ellingen R.-B. Coblenz, vgl. Luxemburg 

101. Essingen (Kr. Daun), vgl. Luxemburg 

102. Illingen (R.-B. Trier), vgl. Diedenhofen 

103. Mehring (R.-B. Trier), vgl. Metz, No. 56 

104. Silwingen (Kr. Merzig), vgl. Metz, No. 57 

105. Tettingen (Kr. Merzig), vgl. Bolchen, Luxemburg. 


B. Versuch einer Ableitung der Lothringer Namen unter Berücksichtigung der 
überlieferten alten Formen. 


Lothringen. 
Kreis Diedenhofen. 
1. Algringen — Alkerenges 875, Alger, Athalger, Stamm Athal. 

. Bettingen bei Waldwiese — Bettingen 1135, B. Flörchingen, Baitanges 
1352 Betto, Badulf. Stamm Bad. 

. Bevingen bei Justberg, — Buivanges 1236 | Bevo, Bebrimod, 

. Bevingen bei St. Michel — Bovenges 1128 J Stamm Bib. 

. Bidlingen — Budeliacum 633, Buodlingen 12. Jhdt., Bodilo, Bodogast, 
Bodulf, zu Bud. 

5. Blettingen — Blettange 1357, Bletto von Blithar, Blidegisel, Blidmar 
zu Blid. 

7. Bollingen — Boulenges 1290, Bollo, Bolheri, Stamm Bol. 


DD 


sum w 


8. 


9 


10. 
43, 


ET 


Büdingen — Kannerthal, Budinacha 940, Budinga 11. Jh. 
Büdingen bei Justberg, Bodingias 959 

Büdingen bei Kedingen, Budanges 1294, Budinge 1318] 
Ebingen — Hebingen 1169, Ebo, Ebolenus. — (Wie gerade mehrere 
der dunkelsten Stämme ist auch dieses Eb fast gar nicht com- 
positionsfähig, sagt Förstemann, Personennamen S. 357; sollte man 
nicht annehmen dürfen, dass die damit zusammengesetzten Per- 
sonennamen früh ausser Uebung kamen, daher uns fast nur Kurz- 
formen überliefert wurden?) 

Edingen — Adingias 959, Edo, Edilof, Edulf, vgl. übrigens Förste- 
mann wegen der zu Ath und Id gehörigen Formen. 


Bodo, 
Bodulf etc. 


. Elingen — Helledange 1322, Ellingen 1682, Eli, Ello, Elolf, Elemund 


zu Stamm Alı. 


. Elsingen — Elcanges 1541 | Elsinga 1544, Eliso, Elisard, Elisnod. 
. Elzingen —- Ilsingia 1632 J Stamm Alıs. 

. Ewringen — Ebiringon 963, Ebroin, Ebarhelm etc. Stamm Ebar. 

. Hellingen — ebenso 1693, Heliger, Helipold, Heling oder Halid? 


vgl. Hallingen. 


. Hückingen — (Ueckingen) Utingas 1152, Ukenge 1181, aber 


Huchenigen 1544, Huckange 1790, Hugo, Hugibart zu Hug. Förste- 
mann leitet auch den Personennamen »Uecke« von Hugo ab, die 
Schreibart mit oder ohne H verschlägt also kaum etwas für die 
Ableitung. 


9. Illingen —- Ellanges 1377, Illingen 1574, Ilo, Ilimot, Ipogo zu Il. 
. Inglingen — Engilengis 1147, Ingling (Cassini) | Ingo (Ingilo), 

21. Inglinger Hof — Inglingen 1594 J Ingomar, -brant. 

. Kedingen — Katenges 1259, Keding 1300, Keto, Ketold. 

. Kneuttingen — Knuttingen 1529, Knut? Chnodomar ? 

. Mallingen — Mellingon 874, Malfred, Malpert, Malulf zu Mal: ein 


Stamm Mel. ist nicht erwiesen, aber Mil. 


. Mondelingen — Medelinga 11. Jhdt., Matto, Madalo, Matfried. Med 


verweist Förstemann auf Math. Mondelanges 1262 deutet auf Mundilo, 
Mundoald — Stamm Mund. 


. Oetringen — Ottringas 679, Otheri gleich Audchar, Otrich, Othrad, 


beide nach Förstemann zu Stamm Aud. 


. Oettingen — Ottingin 1051, Othinge 1056 | se 
. Oetingen — Ettingen 1594, Oettingen 1628, | tried, Otgar 


Ottingen 1779, Otto, zu Aud. 


9. Redingen — Rodilinga 795 Radinga 926 unbedenklich zu Radobert 
(Rado, Rading sind beglaubigt !). 


1) Rodilinga ist eher Rollingen, oder wäre Radilinga zu lesen? 


30. 


31. 
32. 
33, 
34. 


NE) - — 


Reningen — Reninga 1606 wohlnur ver- | beide zu Regino (Reino) 
derbt aus Reiningen Reginhard etc., 
Renange (bei Charleville) Rinange 1627 Stamm Ragan. 
Terlingen (abg. Ort) — Terlinga 875 Terbert, Stamm Ter. 
Weckringen — Weicrenges 1429, Wikram, Wichraban, zu Vig. 
Weimeringen — Wemeringas 926, Widiomar, zu Vid. 


Kreis Bolchen. 


36. 
37. 
38. 


39. 
40. 


47. 


Eblingen — Ebling 1606 Ebbo, Ebo, Ebila, Epelin, vgl. Ebingen zu Eb. 
Edelingen — Alingiis 1152, Edlingen 1594 | Edilo — Edo, siehe 
Edlingen —- Edelingen 1184 J Edingen. 

Fehringen — Feiringa 1405, Feringen 1594, Faroald, Farabert, Fa- 
ramund. Stamm’ Far. 

Füllingen — Fullinga 1181, Stamm Ful, Folabraht, Folarat. 
Hallingen — Halling 1756, Halido (vgl. Hallingen, Kr. Saargemünd) 
Halidulf, Halitgar; da auch Helido, Helidperaht, Helidmund zum 
selben Stamm Alid gerechnet werden dürften, so passen diese 
Namen auch zu Hellingen. 


. Hecklingen — Hechelingen 1179, Eee Hagilo, Hagibert, Hagiwolf, 


Stamm Hago. 


. Hollingen — ebenso 1581, Stamm Huld: Holdigern, Holdulf. 

. Inglinger Hof — Inglingen 1594, vgl. oben No. 17. 

. Isingen — Ingsingen 1594, Isanbald, Isanbert, Isulf zu Is. 

. Tettingen — Thatanges 1289, Tettinga 1308 — Tadebert, Tetfried, 


Tetward, zu Tat. 


. Tritelingen — Wrentilinga, 11. Jhdt. Druteringa, 1121 Drutelinga, 


1544 Trutelingen, 1563 Trettelingen, 1563 Triutili (Frauenname 
bei Goldast) zu Stamm Druht. 
Willingen — Vilingen 1137, Wilhelm, Willihard, Willigis. Stamm Vilja. 


Kreis Forbach. 


. Beningen bei St. Avold — Beninga 1275 | Benno, Benegar, Ben- 
. Beningen bei Harprich (?) chard, Benegaud. 

. Beningen bei Bertringen — Benning 1682 Stamm Ben. 

. Gesslingen — Gosselingen 1309, Gesslingen 1341, Gisal-bert. -fried, 


-hart etc. oder Gaueibert, Gozger, Stamm Gaud.? 


92. Lellingen — Lellinga 1275, Lello (Hontheim, hist. Trev. 926) zum 


Stamme Laith, Leitfried, Letger, Ledoald, Ledila, Pol. R.; mase. 
wäre Ledilo, was Lello giebt, wie Rodilo, Rollo, s. o. unter Rollingen. 


. Wintringen — Wintrange 1354, Wintrulf, Winterhere, Windihari 


zu Vintar. 


— 10 — 


Kreis Saarburg. 


54. 
59. 


56. 


Bebingen — Bubinga 1121, vgl. Bevingen, No. 3. 

Berlingen (?) — Berafried, Berahart, Bernulf, viele ähnliche geben 
Bero, Berilo. Stamm Bera. 

Heming(en) — Emmingen 1178, Helmingen 1267, Hemingen 15. Jhdt. 
Immo, Emehard, Emmeram zu Im; oder Emicho, Amichar zu 
Amic; oder Haimo, Heimard etc. Stamm Haim? 


. Mettingen — 1719 ebenso, Mit-bert, -iwan. Stamm Mid. 
8. Pettlingen b. Saarburg — ? — Patager, Badagad, Peto, Petto, 
. Pettlingen bei Bühl 

. Rieding(en) — Radenei 1231, Reutingen 1490, Redingen 1525, 


Petilo, zu Bad. 


Ruding 1526, könnte zu Stamm Rad, Raud oder Hrad gehören, vgl. 
Förstemann. über Rieding bei Miesbach a. a. O. IL S. 1155, 1179. 


Kreis Metz. 


61. 


62. 
63. 


64. 


65. 


66. 
67. 


68. 
69. 


Coulange — wenn überhaupt german. Ableitung zulässig, zu Col- 
Colobert, CGoloman. 
Epange (?), vgl. Eppingen — Saargemünd. 


Hessingen — Essingen 1169 — Hatto — Hesso, von Hathubald, 
Hadubrand, Stamm Hath. 

Marange bei Metz — | vgl. Mairengo, Marengo, Mehringen. Möh- 
Marenges 1181 | ringen 8. Jhdt. Maringen u. a., zu Maro-, 
Marange b. Zondringen Marabert, Marobod, Marafried, Maroad, 
— Mairenga 1121 Marulf. 

Nidange — Nydenges 1031, Nidgar, Nidolf, zu Nid. 

Rollingen -- Radonis villa 11. Jhdt., Roldinga 1179, Roldinges 
1210, von Rodilo zu Hrodt, Ruotger, Ruadalo etc.: Förstmann 
nimmt das luxemb. Rollingen zu Stamm Riud, wie es scheint, 
auch dann ist die Metathesis Id -dl gegeben, zu Rado passt aber 
doch besser Ruadalo als Riutilo ? 

Silvange — Sulvange 1327 (v. Silwingen, Kr. Merzig) Silulf. 
Talingen — Tatolinga 960, Tatelinga 977, Tatto, Tattilo, Tade- 
bert etc. zu Tat., nach der Form Thalingin 1235 aber zu Dal; 
Tallo, Talamot. 


Kreis Chäteau-Salins. 


70. 


Arlange — Allerange 1476, unbedenklich zu Ara Arnold, Arafried, 
Arnulf (so ist Arlesheim 966 Arnaldesheim), die Urkunde v. 1476 
ist französisch geschrieben, »le priol de Allerange« die Laut- 
verwechslung ist hier wie in andern Fällen auf den Schreiber 
zurückzuführen, die mündliche Ueberlieferung ist unverdächtiger. 


‘ah 
72. 


73. 


74. 


75. 
16. 


At; 


— 11 — 


Bérange — 1206 ebenso — zu Bera, Bero, wie Berlingen. 
Böllingen — Billanges 1349, Belanges 16. Jhdt. — Bilo, Billung, 
Bilifried zu Bil. 

Bessingen — 1269 ebenso, zu Baz, Bazmunt, Pazmuot schon von 
Förstemann gestellt. 

Dedeling(en) — Dructelingas? 995, Drutheringa 1121?, Tuttilingis 
1182, Dedling 1756. Die beiden ersten Formen dürften andere 
Orte angehen oder entstellt sein (machte man doch aus Tolegia, 
Teologia !). Tuttelingis wiese auf Dodo, Dotbert, Dothart, die 
neuere Form, die der Ueberlieferung entspricht, auf Tat, Tetbald, 
Dedalgar. 

Hudingen — ebenso 1594, Hudo, Hudipert. Stamm Hud. 
Lidersingen ebenso 1130, Luresingen 1559 zu Liud, Liuderich, 
Liuderchingen ? 

Wirmingen — Wirmingas 777, Wirmenges 1231 zu Warin, Werem- 
bert, Warimbod, Warmenhagdis (Frauenn.) Werimer. 


Kreis Saargemünd. 


18 


19; 
80. 
81. 
82. 


83. 
84. 


85. 
86. 


87. 
88. 
89. 
90. 


Dieblingen — Dubelange 1277, Dueblingen 1587, zu Thiuda, Thiudo- 
bald, Dibold. 

Eppingen — Eppingen 1429, Eppo, Ebbo zu Ab, Abbarich, Abachild. 
Ettingen — Aettingen 1571, zu Ath, Athaulf, Athald, Ato, Etti. 
Hallingen -— Aldinga 1275, s. o. Bolchen, No. 40. 

Wittringen — Witteringen 1420, Witramnus, Witirich, Wither, 
Stamm Vid. 


Luxemburg. 


Didling — Deotilo, Tutilo, Didoald, Stamm Thiuda. 

Dillingen — Tutilo, wie oben, gebildet wie Rollingen, Lellingen, 
(Diese Vermutung soll schon vor Jahren in den Hamburger Mit- 
teilungen ausgesprochen worden sein). 

Dönningen — Duno, Tunitach, Dunsuint. 

Ellange — zu Ali — Ello, Aliperht; oder zu Athal, Adalung, Edilo 
so wie Dillingen gebildet: dl — 1. 

Ehlerange — zu Ala — Alaher, Alarich, Alarad. 

Essange — Azo, Azibald, Ezelfried, Ezelm zu Az. 

Gödringen — Godrebald, Godrevert, Gotrat zu God. 

Nördingen — Nordobert, Nordfried zu Nord. 


= 19 — 
91. Petange — Peto, s. 6. Pettlingen, No. 58. 
92. Rodange — zu Hrod, Hrodo, Ruodpert, und viele andere: 


oder zu Raud, Raodold, weit seltener. 


Rheinprovinz. 
93. Binningen — wohl zu Benno: möglich ist Ableitung von Binin, 
Förstemann a.a.0. B. I, S. 261. 
94. Nasingen — Nas, Nasolt, Nasua. 
IM. 


Prüfen wir das Ergebnis obiger Zusammenstellung, so ergiebt sich: 
Etwa der dritte Teil aller lothringischen Ortsnamen patronymischer Bildung 
findet sich also in England wieder: in England liessen sich, wenn wir 
alle die von Kemble ausgesonderten Orte wirklich als Gründungen aus 
der Zeit der ersten Niederlassung betrachten dürfen, weit über hundert 
Sippen nieder, die den gleichen Namen führten, wie ebensoviele 
Genossenschaften, die sich, um die gleiche Zeit, wie es scheint, in der 
Moselgegend ansiedelten. Nicht nur um das Vorkommen von Personen- 
Namen eines Stammes handelt es sich, sondern um mehr, um wan- 
dernde »vici« gleichen Namens. 

Wie wir sahen, kann ebendarum aus den vorliegenden Patrony- 
micis der Name des Gründers selbst regelmässig nicht ersehen werden; 
nur der Stamm tritt hervor, mit Ausnahme von wenigen Namen, wie: 
Algringen, Weimeringen, Weckringen, lässt sich vielleicht nirgends 
behaupten: der Gründer dieser Sippe muss so geheissen haben. Dies 
bestätigt meine Annahme, dass wir es hier mit der ältesten Ableitungs- 
form zu thun haben. Aber es darf nicht verschwiegen werden, dass 
eine sehr grosse Anzahl von Personennamen bei allen deutschen Stämmen 
vorzukommen scheint, wie wieder besonders aus den Ortsnamen zu 
ersehen ist. 

Wir finden Rodengo in Italien, Roding in Bayern, Rodange in 
Luxemburg, Rodingas in altenglischen Urkunden und unser Rollingen, 
(Raville) gehört zum gleichen Stamme Hrod; aber ob Rodbert, Rotmar, 
Rodhart, Rodmund der Personennamen, von dem die Kurzform Rodo, 
Rodilo, Rodlingen, Roldingen. Rollingen abzuleiten, das ist unerfindlich, 
solange nicht neben den urkundlichen Formen Radonis villa, Roldinga 
auch, wie bei jenem andern Raville (bei Lunéville) eine alte Form Rodaldi 
‚villa uns anzeigt, dass dem Kurznamen Rodo, Rado ein Chrodoald zu 
Grunde liegt. | 


er 


— 13 — 


Es verdient übrigens Beachtung, dass gerade bei dem einst im 
deutschen Sprachgebiet gelegenen Rollingen (fr. Raville) der volle Per- 
sonenname verschollen ist. Es ergiebt sich nämlich, dass überhaupt in 
den französischen Ortsnamen auf -ville, -mont, -court, die alten Formen 
überwiegend den vollen Personennamen enthalten: lediglich auf das 
vermittelnde Idiom scheint das kaum zurückzuführen, denn einerseits 
tritt dieser Umstand auch bei den elsässischen -heim immerhin häufiger 
auf, als bei den lothringischen Namen, andererseits habe ich in meinen 
Ortsnamen des Metzer Landes auch romanische Formen nachgewiesen, 
die von Kurznamen herrühren, wie Scy, Vany, und andere mehr. Ist 
der Grund dieser Erscheinung darin zu suchen, dass die einen Namen 
früher gegründet wurden, oder soll in den kürzeren Formen mehr ein 
senealogisches, in den andern mehr ein possessives Moment angedeutet 
werden ? 

Wo gleiche Personennamen, können und müssen auch gleich- 
benannte Sippen vorkommen, auffallend bleibt nur eine so massenhafte 
Uebereinstimmung, weil dieselbe eben anderwärts zwischen einzelnen 
deutschen Landschaften in diesem Masse nicht vorzukommen scheint, 
der Nachweis wäre jedenfalls noch zu erbringen !). Ich habe versucht, 
dies zu kontrollieren, muss aber gestehen, dass ich auch mit Hülfe 
Lehnerts, freilich stand mir dieser nur zu kurze Zeit zur Verfügung, 
für kein deutsches Gebiet eine so häufige Uebereinstimmung der Orts- 
namen besonders patronymischer Art, feststellen konnte. Dazu komm! 
aber noch Folgendes: Wie es weitverbreitete Personennamen giebt, so 
auch seltene, die entweder von jeher nur in einem beschränkten Kreise 
verbreitet waren oder zur Zeit der hier in Rede stehenden Siedlungen. 
spätestens Mitte des 5. Jahrhunderts, schon im Absterben begriffen er- 
scheinen. Solche scheinen mir unter anderm jene zu sein, die den 
Namen Blettingen, Liedersingen, Kedingen ?), Terlingen, Lellingen, Sil- 
wingen, Güdringen, Nasingen zu Grunde liegen, auch Culingas ist hierher 
zu rechnen, falls man es als germanischer Abstammung gelten lässt °). 


1) Was an solchen Parallelen bei Seebohm a. a. O., S. 247, sich findet und 
was Taylor und Leo nachwiesen, dürfte lange nicht so viele Fälle, auf eine deutsche 
Gegend concentriert, geben. Uebrigens könnten gerade die Leo aufgefallenen Fälle 
aus der Neckargegend eher auf Franken, als auf Alemannen deuten ? Von den 
französischen Ortsnamen bei Seebohm versteht sich das von selbst. 

?) Eine Landschaft Kehdingen liegt am linken Elbufer bei Hamburg. 

3) Wenn das öftere Vorkommen des Namens Coulange im innern Frankreich 
auch Bedenken erregt, so braucht man diese doch nicht auf zweifellos einst ger- 
manische Gegenden auszudehnen; Colofried und Colobert — letzterer Name hat sich 
in Frankreich erhalten als Colbert — sind doch von unverkennbar deutschem Grepräge. 


— 174 


Dies Alles führt darauf hin, in besagter Uebereinstimmung der 
Namen etwas mehr als Zufall oder Beweis für gleiche Gründungszeit 
zu suchen. 

Aber, wird man fragen, welcher andere Zusammenhang soll 
denn zwischen unsern löthringischen Ortsnamen und den englischen, 
die doch sächsischen Ursprungs sind, wenn nicht anglischen, was auf 
eine räumlich noch weiter entlegene Herkunft hinweisen würde, bestehen 
können ? 

Nun, die meisten und frühesten Besiedler germanischer Herkunft, 
die sich auf der »Saxon shore«, dem litus Saxonicus, niederliessen, 
kamen dahin weder aus Angeln noch aus dem eigentlichen Sachsen- 
lande, soviel darf als feststehend erachtet werden. 

Es bricht sich immer mehr die Anschauung Bahn, dass die 
Sachsen, welche in England im 5. Jhdt. erscheinen, keineswegs alle von 
den Ufern der Elbe oder überhaupt von den heutigen deutschen Küsten 
aus nach England hinüber fuhren, sondern von den Küsten des Aermel- 
meeres, was ja auch jedenfalls der weitaus kürzere, somit auch der 
für Ueberführung einer ganzen Völkerschaft besser geeignete Weg war; 
denn es ist doch sicher, dass die England erobernden germanischen 
Stämme weit zahlreicher auftraten, als später die normannischen Er- 
oberer, die ja z. B. beide Sicilien mit einer Handvoll Leute wegnahmen. 
Nun finden wir aber an der gallischen Küste des Kanales Sachsen 
schon seit dem 3. Jhdt. die Uferlandschaften beunruhigend; der Strich 
heisst in der Notitia dignitatum »litus Saxonicus«!); die Sachsen, mit 
denen vereint Gregor von Tours Childerich die Alemannen bekämpfen 
lässt ?), sind in den Inseln der niederländischen Küste ansässig gewesen, 
nicht die Saxones Baiocassii sind darunter zu verstehen ?); was also 
von Sachsen nach England übersetzte, dürfte grösstenteils, durch die 
Franken bedrängt, von den gallischen Nordseeküsten aus den Weg 
hinübergenommen haben!) 

Für die Richtigkeit jedenfalls der Aufstellung, dass beide Ufer 
des Kanals von demselben Volke besiedelt wurden, spricht auch die 


‘) Quin et Armoricus piratam Saxona tractus 
Sperabat, cui pelle salum sulcare Britannum 
Ludus et assuto glaucum mare findere lembo. 
Sid. Appol. Paneg. Avito. Imp. v. 369. 
2) Greg. Tur.: 1219: 
*) Kurth, la frontière linguistique en Belgique et dans la France du Nord. 
*) Diese Ansicht wird auch vertreten bei P. C. Molhuysen, de Angeln in 
Nederland, in Bijdragen voor vaderlandsche Geschiednissen en Oudheidkunde, 
verzameld en uitgeven door Nijhoff, Arnhem 1848. 


Uebereinstimmung der Ortsnamen, die hüben wie drüben ganz das 
gleiche Gepräge tragen: 

Drüben: -ing, -ingham, -ham, -wick, thorp, 

Hüben: -ingue, -inghen, -inghem, -hem, -wick, -dorp. 

Sogar die sonst den Sachsen in Britannien eigentümliche Endung 
-ton, von der bei den Sachsen des Festlandes kaum schwache Spuren 
zu finden sind !), kommt im arr. St. Omer 4 mal, im arr. Boulogne 
36 mal und im arr. Pas de Calais 40 mal vor?). 

Neben bezw. nach den Sachsen und den ihnen nahe stehenden 
Jüten, welche ebenfalls nichts mit Jütland zu thun haben, sondern als 
Saxones Eutii angesehen werden, zogen auch Angeln in Britannien ein: 
sie müssen sogar eine dominierende Rolle gespielt haben, denn die 
germanischen Ansiedler jenseits des Canals nennen sich selbst die 
Angeln. Dass diese nicht aus dem Lande Angeln stammen, hat meines 
Erachtens Erdmann?) hinreichend erwiesen. Für die Herkunft der 
Angeln aus Mitteldeutschland hat sich schon Zeus“) ausgesprochen. 

Auch Holtzmann suchte sie dorten, er nahm an, dass sie von 
der Ostsee nach Thüringen gezogen seien’), und vielleicht erst von da 
nach England, aber er verschweigt nicht, dass Ptolemäus die » Angeli« 
in die Gegend der Saale und untern Elbe setzt. 

Jedenfalls wird ihr Name von den römischen Schriftstellern, welche 
über die Heimsuchung der Küsten Britanniens und Galliens in der Zeit 
der ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit berichten, nicht neben den Am- 
bronen, Chauken, Friesen und Sachsen genannt. 

Die Ankunft der Angeln in Britannien setzt Erdmann, gestützt 
auf Procop, ins 6. Jahrhundert. Nach diesem griechischen Autor wären 
Angeln und Friesen gleichzeitig eingewandert. 

Es scheint aber, was weiter auszuführen zu weit gehen dürfte, 
dass die ganze germanische Invasion ein Jahrhunderte hindurch sich 
hinziehender Vorgang gewesen ist®). Es giebt ein Gesetz, das sich selbst 
»lex Anglorum et Varinorum id est Thuringorum« nennt, man 
ist aber ungeachtet dieser ausführlichen Betitelung oder gerade wegen 
dieser nicht einig darüber, wo dieses (Gesetz gegolten haben soll, ob 


1) Altenzaun a. d. Elbe? 

A, Kurth'a.'a.:O, 

3) Ueber die Heimat und den Namen der Angeln, in Skrifter utgifna of 
Humanistiska Venskapssamfundet i Upsala 1890. 

*#, Die Deutschen und ihre Nachbarstämme. 

5) Germanische Altertümer ed. Holder 1873, S. 254. 

8) So auch Kemble a. a. O. 


— 176 — 


im Lande der bekannten Thüringer oder vielmehr im Lande der links- 
rheinischen Thoringer, in Tongern ? 

Wir dürfen, glaube ich, diese interessante Controverse ebenso 
unerörtert lassen, wie die Frage, ob ein Unterschied anzunehmen ist 
zwischen Angrivarii und Anglivarii, ob letztere in der Not. dign. er- 
wähnte Abteilung zu den Angli resp. Angeli gehören — vgl. Chatti 
und Chattuarii — es scheint für die Zwecke unserer Untersuchung zu 
genügen, wenn wir Folgendes festhalten: 

Von den germanischen Völkerschaften, die zwischen Rhein und 
Weser, und über letzteren Fluss hinaus bis zur Elbe sassen, ausser 
dem grossen Stamme der Chatten, mögen die Usiper, Tencterer, Cha- 
maven und Angrivarier, sowie die Chauken erwähnt werden, auch die 
Bructerer und die Cherusker sind wohl kaum so völlig vernichtet 
worden, wie berichtet wird; man weiss ja, dass bei den alten Schrift- 
stellern das Vernichten mancher Völker mehrere Male vorkommen 
konnte. Sie sind, wenn wir die Chatten in einem gewissen Sinne 
ausnehmen !), entweder in den Franken oder in den Sachsen auf- 
gegangen. Ursprünglich werden sie aber, wie schon aus ihrem lange 
währenden nachbarschaftlichen Verhältnis zu schliessen ist, unter sich 
viel Gemeinsames gehabt haben, wahrscheinlich waren die meisten 
enge verwandt. Dass Chatten und Cherusker uns als Erbfeinde und 
Rivalen geschildert werden, spricht bei germanischen Völkern eher 
dafür als dagegen. 

Als nun die nordalbingischen Sachsen nach Südwesten vordrangen, 
in die Stelle der südlich abziehenden Semnonen (2. Jhdt.), hatten die 
Nordalbingier, wie dies bei jedem frischen Ariernachschub aus Norden 
der Fall zu sein pflegt, offenbar die grösste Thatkraft, sie traten an 
die Spitze des nach ihnen genannten Völkerbundes?). Ob sich aber 
ein Stamm ihnen oder den Franken anschloss, das wird von allerlei 
Zufälligkeiten abgehangen haben, ohne dass wir anzunehmen brauchen, 
dass ausschliesslich nähere Verwandtschaft mit chattisch-fränkischer 
oder mit nordalbingisch-sächsischer Art entscheidend gewesen sei. So 
glaubt Weiland?) sicher annehmen zu dürfen, dass es Chauken waren, 
die in Kent und Northumberland, sowie in einem Teil von Wessex 
und Sussex sich niedergelassen haben; von Sachsen und Chauken, 


!) Man ist uneinig, in wieferne man sie zu den Franken rechnen darf, 
nicht aber über ihre Stammverwandtschaft mit diesen. 

?) Vgl. Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer, S. 495, Note 1, eine sehr 
beachtenswerte Bemerkung. 


*) Die Angeln, ein Kapitel aus der deutschen Altertumskunde, Göttingen 1889. 


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— 177 — 


meint er, ging der Sachsenname dann über auf die andern Völker des 
Binnenlandes, auf die Reste der Longobarden im Suevengau, und auf 
die Angrivarier und die Cherusker. Westlich der Weser, fährt er fort, 
scheint der Sachsenname eine Zeit lang mit dem der Franken gekämpft 
zu haben, Die zwischen Chauken und Chatten wohnenden 
Völker hielten sich bald zudiesem, bald zu jenem Bundes- 
genossen. 

Diese Darstellung hat mindestens sehr viel Wahrscheinlichkeit 
für sich. 

Es ist hieher auch noch zu erwähnen, dass in der ersten Zeit ihrer 
Raubzüge Franken und Sachsen oft gemeinschaftlich genannt werden !). 

Da nun jedenfalls für die Besiedlung Englands durch Germanen 
nicht an dem Jahre 449 festzuhalten, der Anfang derselben unbedingt 
früher zu setzen ist, so erscheint es gar nicht ausgeschlossen, dass 
unter den Ansiedlern, oder, wenn man will, Eroberern, wenn sie auch 
von den Eingeborenen Sachsen genannt wurden ?) und sich zum Teile 
selbst so nannten ?), Stämme sich befanden, deren Ueberbleibsel am 
Kontinent sich zur Genossenschaft der Franken bekannten. 

Den Grundstock der Ribuarier, denen wir unsre Mosel-Franken 
doch wohl zuzählen müssen ®), bildeten nach Zeuss die Ampsivarii, 
eine Ansicht, der auch noch Schröder?) im wesentlichen beistimmt, 
wenn er auch die Beteiligung von Chamaven und Bructerern stärker 
betont. 

Die östlichen Nachbarn der Ampsivarii waren aber die Angri- 
varii. Ihnen eine erhebliche Rolle bei Bildung des Angelsächsischen 
Volkes zuzuschreiben ist man neuerdings, trotz der schroffen Abweisung 
einer Abhandlung in diesem Sinne®) durch Weiland, wieder mehr 


') Eutrop IX. 21. per tractum Belgicae et Aremorici mare, quod Franci et 
Saxones infestabant. Amm. Marc. 27. 8. 5. spricht von einem Einfall der Franci 
et Saxones isdem confines. Julian oratio I. 34. 35. lässt auch darauf schliessen, 
dass Franken und Sachsen an der Küste des Kanals sassen; hierzu die schon 
erwähnte Stelle bei Greg. Tur. I. 19: Odovacrius cum Childerico foedus init, 
Alemannosque, qui partem Italiae (lies Galliae) pervaserant, subjugarunt. Vgl. bei 
Lamprecht, Fränkische Wanderungen vornehmlich im Rheinland. Zeitschrift des 
Aachener Geschichtsvereins 1882. 

?) Die Briten nannten, wegen des Schreckens des Namens, alle Germanen 
Sachsen, wie die Finnen noch heute. 

®) Beweis die Landschaften Ost-, West-, Süd- und Mittel-Sachsen. 

*) Noch im 9. Jhdt. bezog man sich in Trier auf ribuar. Recht, Lamprecht a. a. 0. 

5) Die Franken und ihr Recht, Weimar 1881. 

5) Bening, Zeitschrift des histor. Vereins für Niedersachsen 1880. 


—.17%8 — 


gencigt. Ziemlich bestimmt äussert sich in diesem Sinne Jellinghaus?), 
der freilich etwas eklektisch auch die suebischen Angeln nicht aus- 
schliessen will. 

Er meint sogar, es sei doch nicht so ausgeschlossen, dass Angri 
in Angli habe verwandelt werden können. Beachtenswerth. ist vor- 
züglich die von ihm citierte Glosse zu Adam von Bremen: Saxones 
eirca Rhenum sedes habent et vocatisunt Angli; ferner eine 
Stelle aus den leges Edward des Bekenners, wo es von den Guti 
heisst: Exierunt enim quondam de nobili sangue Anglorum, scilicet de 
Engra civitate et Anglici de sanguine illorum ... 

Die Angrivari sind aber nach Tacitus?) mit den Chamaven zu- 
sammen an Stelle der vertriebenen Bructerer eingewandert und so 
Nachbarn der Tencterer geworden. 

Die Chamaven haben wir als einen Teil der Ribuarier kennen 
gelernt. 

Aus dem Gesagten geht wohl soviel hervor, dass recht gut unter 
den britannischen Sachsen Stämme gewesen sein können, deren nächste 
Blutsfreunde unter den Lothringen besiedelnden Germanen sich be- 
funden haben. Ein etwas unsicheres Resultat, mag man finden. Ge- 
wiss, sein Wert soll ja auch zuvörderst in einer negativen Leistung, 
in der Zerstörung des Vorurteils bestehen, als hätten wir es bei den 
sermanischen Besiedlern Englands nur mit Sachsen von den östlichen 
Küsten der Nordsee, Auswanderern aus dem Lande Angeln und allen- 
falls noch mit Jüten, sowie, für die spätere Zeit, mit Skandinaviern 
zu thun. Im Gegenteil. es muss daran festgehalten werden, dass die 
früheren germanischen Besiedler Britanniens auf ihren Wanderungen 
alle oder doch vorwiegend eine zeitlang in den Rheingegenden, oder 
im nordöstlichen Gallien, also entweder in Germania secunda oder in 
Belgica prima sesshaft gewesen sein müssen. 

Dafür spricht, ausser dem Vorgetragenen, noch ein andrer Um- 
stand, auf den ich Gewicht lege; es ist das eben die häufige Anwen- 
dung des Suffixes »ham«, im Zusammenhalte freilich mit anderen That- 
umständen. 

Dies erfordert aber eine ausführliche Begründung. 

Heim, agls. ham, bedeutet von haus aus, wie noch jetzt, Domi- 
eilium, Wohnsitz. Im Englischen lautet es in diesem Sinne: home. 

') Englische und niederdeutsche Ortsnamen Anglia, Zeitschrift für englische 
Philologie B. XX. 1898. 


2) Germania: C. 33. 


LI 


— 19 — 


Aber das altdeutsche Wort bekam auch einmal eine enger umgrenzte 
Bedeutung, und noch deutlicher tritt dies im Angelsächsischen hervor '), 
nämlich die Bedeutung von »villa«. Nicht von »villa« im Sinne der 
lateinischen Sprache der klassischen Zeit, wonach das Wort Landhaus, 
Landgut, auch Lustgarten *) bedeutete, sondern von »villa« im gallo- 
römischen Wortverstande der späteren Zeit, wo es eine herrschaftliche 
Domäne, bestehend aus Herrenhof und Colonendorf samt den von 
den Colonen zu bestellenden Ländereien bedeutete*). Eine solche 
»villa« trug aber regelmässig eine Bezeichnung, die von dem Namen 
des Gründers oder auch des Besitzers unter Anhängung des Suffixes 
-acus gebildet wurde. Diese »villae« waren aber an den Grenzen des 
Römerreiches nirgends zahlreicher, als in Germania secunda, nament- 
lich im Bezirk der civitas Agripinensium, nach den ungemein häufigen 
Ortsnamen gerade dieser Gegend, die noch heute eine Benennung 
führen, welche auf ein altes -acum zurückweist. Es giebt in der Rhein- 
provinz etwa 300 Ortsnamen, bei denen dies zuzutreffen scheint ®). 
Man könnte ja annehmen, dass es in anderen Grenzbezirken ebenso- 
viele gab, dass sie aber zerstört wurden. weil in Gegenden ge- 
legen, wo die »feroces Alamanni« einbrachen. Im einen wie im andern 
Falle ergiebt sich dann aber gleicherweise, dass jedenfalls nirgendwo 
den Germanen bessere Gelegenheit geboten war und grössere Geneigt- 
heit herrschte, solche Domänen kennen zu lernen, als eben in der 
Germania IL, wo ein intensiv mit gallo-römischen »villae« besetztes 
Gebiet von Barbaren besetzt wurde, welche schonend genug vorgingen, 
um die Erhaltung der fraglichen Domänen, wenn auch wohl selten bei 
ihren Besitzern, zu ermöglichen und sich so dieses Wirtschaftssystem 

") König Alfred (849—901) verfügt in seinem Testament über mehr als 
30 Besitzungen in Wealcyne (Westwales), wozu damals noch Somerset und Teile 
von Wiltshire gerechnet wurden, und schliesst: »das sind alle »landes«, die ich 
in Wealcyne besitze«: sobald er aber über seine Güter in den südöstlichen 
Gegenden Englands verfügt, spricht er von »hams«. Die altenglische Uebersetzung 
seines Testaments setzt für »landes« dasselbe Wort, giebt aber >»ham« mit »twune« 
wieder; eine lateinische Uebersetzung gebraucht für >ham« das Wort »villa«. 
Seebohm a. a. O., S. 87, 171. 

?) Vgl. »villa publica«, ein öffentlicher Vergnügungsort in Rom. 

®) Villae vero, quam forte tunc praeteribimus, coloni, multitudinem 
nostram latrones rali etc. Apulejus, Metamorph. I, 8. Auch aus dem Testament 
des Bischofs Tello von Chur (8. Jhdt.) geht hervor, dass villa das Dorf höriger 
Leute, curtis einen Herrschaftshof bedeutete, der selbst wieder mehrere »mansus«, 
deren jeder eine Familie nährte, umfasste. 

#) Vgl. Merian, Programm der Realschule zu Aachen, 1880, der einen Teil 
der Ortsnamen auf -ich, -ig auf das alte -acum zurückführt, an der Hand urkund- 
licher Beweise. 


— 180 — 


anzueignen. Das Ergebnis ist also, dass die Franken es waren, welche 
zuerst als Nachbarn, dann als Eroberer am besten in der Lage waren, 
diese Wirtschafts- und Besiedlungsweise kennen zu lernen. 

Bei ihnen findet sich aber die erste erweisliche Spur von einer 
sanz analogen Siedlungsweise. Es sind das die »villae« aus dem Prologe 
der lex Salica: Bodohame, Widohame und Salohame, welche offenbar 
zu den proceres, den »electi de pluribus«, welche die lex entwarfen, 
Bodogast, Widogast und Salogast in einer näheren Beziehung standen, 
als die im Text erwähnte, wonach man in diesen Orten zusammen 
kam. Es war jedenfalls die »villa« das »Heim«, der Wohnsitz des 
respectiven »Gastes« und die Residenz des vierten Gesetzgebers, Wiso- 
gast, Wisohame ist nur deshalb nicht genannt, weil man »per tres 
mallos convenientes«, nur an 3 verschiedenen Orten tagte. 

Diese »Heime«, sagte ich, erinnern uns mehrfach an die gallo- 
römische »villa«. Einmal schon durch die Bezeichnung im Texte: in 
villis, quae ultra Rhenum sunt'), ferner dadurch, dass sie augen- 
scheinlich nach einem Gründer oder Besitzer benannt sind, in der- 
selben Weise, wie die gallorömischen, nach ihren possessores benannt 
werden?). Denn nach einem Personennamen des Stammes 
Bod ist Bodohame benannt, sei es nun nach einem Bothad, 
Bodirid, Bodolold, Botthar oder Bodenolf. Die Frage, ob gerade Herr 
Bodogast dem »Heim« seinen Namen gab oder Be ihm benannt ist, 
können wir unerörtert lassen). 

Es lässt sich aber auch darthun, dass es an andern Aehnlichkeiten 
nicht fehlte: Wie die Gallo-Römer ihre coloni, so hatten auch die 
fränkischen Herren nicht nur Knechte, sondern auch hörige Bauern: 


1) So der prologus minor nach der Emendata. 

>) Siehe meine Ortsnamen des Metzer Landes, Jahrb. der Gesellsch. für lothr, 
Gesch., Bd. IX. 

3) Wenn Waitz, »das alte Recht der Salischen Franken«, S. 68 meint, der 
Annahme, dass »gast« eben den Vorsteher des »Heims« (den Herrn!) bedeute, stehe 
entgegen, dass es dann »Saleheimgast« heissen müsste, so kann man darauf er- 
widern: wie das Heim nur den die Sippe bestimmenden Stamm in den 
Namen aufnahm, so lässt sich das gleiche auch für die Bildung der Form auf 
»gaste denken, zumal der Herr einer solchen »villa« wohl der berühmteste 
Krieger (gasts) der Sippe sein mochte, also bei den Bodungen der Bodogast; die 
hohe Stellung dieser Männer spricht dafür; vgl. den Sigogast des Tacitus, den 
römischen Heerführer Arbogast, den Trierer comes Arbogast, Sobn des Ariogast, 
und unsere Gesetzgeber. Umgekehrt konnte aber aus Salogast ebensogut, wenn 
es em Name war und kein Titel, Saloheim werden wie aus Wunibald — Wün- 


heim, aus Kunibert — Künheim, aus Gebhard — Gebesdorf und aus Ingraban — 
Ingweiler etc. 


— 1831 — 


in Tit. XXVI. der lex Sal. werden neben servi auch noch liti genannt. 
Ferner : zu den Bestandteilen einer »villa« gehörten bei den Römern 
das Praetorium und die chors (cohors), was sowohl Umzäunung als, 
wie vorliegend, Gehöfte, Wirtschaftsgebäude bedeutet: die fränkischen 
Herren aber sassen in ihrer »sala« (engl. hall, franz. mansio), die chors 
nannten sie Hof, die nach England übersiedelnden Germanen aber 
wörtlich genau übersetzend möchte man sagen, tun. -court kam erst 
durch die Normannen nach England. Was court in Gallien im Ver- 
hältnis zu villa bedeutete, ergiebt sich nach dem Gesagten von selbst; 
es ist weniger als »villa«, da der Teil immer weniger ist als das Ganze. 
Diese Bezeichnung des Dorfes »eines Einzelnen oder eines Geschlechtes«, 
wie sich schon Waitz !) ausdrückt, können nach dem (Gesagten die 
Germanen nur infolge engerer Bekanntschaft mit gallorömischen Ver- 
hältnissen sich angeeignet haben, es ist daher schon darum anzunehmen, 
dass die Besiedler Britanniens, welche das Wort »ham« in diesem 
Sinne dort einführten, vor ihrer Uebersiedlung nach Britannien in enge 
Fühlung mit gallo-römischen Einrichtungen gekommen waren. Das 
konnten sie aber weder im Lande Angeln, noch von den oben erwähnten 
Sitzen der Angeli, noch auch von denen der Angrivarier aus in diesem 
Masse. Wie bei den germanischen Bewohnern Kents und der benach- 
barten Grafschaften schon die Lage, so spricht auch bei den nördlicher 
wohnenden Angeln vieles dafür, dass sie eine zeitlang im nordöstlichen 
Gallien gesessen haben, was schon Molhuysen angenommen hat *). 
Sehen wir so die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die 
Besiedlung Britanniens durch germanische Völker zum Teil Stämmen 
zufiel, von denen andere Abteilungen ihren Weg ins Moselland gefunden 
haben, und haben wir zugleich aus der Form der vorherrschend 
gebrauchten Benennungen der Ansiedlungen nach dem ersten Stamm 
eines Personennamens einen Anhalt dafür ermittelt, dass die An- 
siedlungen in beiden in Rede stehenden (Gebieten annähernd zur 
selben Zeit erfolgt sein müsse ?), worin uns die Wahrnehmung bestärken 
muss, dass auch die Nomenclatur der burgundischen Siedlungen (aus 
der Mitte des 5. Jahrhunderts) einen übereinstimmenden Charakter 
aufweist, so wäre die nächste sich aufdrängende Frage nun die: 

EA ar. 02; 

?) Seine Beweisführung ist freilich, soweit sie sich auf das Vorkommen 
einzelner Ortsnamen wie Engelveld und Varnhout stützt, etwas veraltet, da bier 
nicht notwendig an Angeln und Varnen, sondern eher an Personennamen wie 
Engelbert und Warnefried zu denken sein dürfte. 

3) Von 106 burgundischen Ortsnamen auf -ingen, bei Zimmerli, »Die deutsch- 


französische Sprachgrenze in der Schweiz«, III. Teil, S. 110 ff., dürften die meisten 
aus dem Anfangsstamm eines Personennamens allein gebildet sein, offenbar auf 


dre 


In welchen Gegenden Englands herrschen die den moselanischen 
verwandten oder gleichen Namen besonders vor; und sind solche 
Uebereinstimmungen nicht in gleichem Masse zwischen den Ortsnamen 
Englands und denen anderer deutscher Gebiete vorhanden ? 

Fände man alle in Betracht kommenden Namen oder den grössten 
Teil in einer Gegend Englands dicht gedrängt, so läge es freilich sehr 
nahe, Schlüsse zu ziehen; das konnte ich aber nicht wahrnehmen, 
wenigstens nicht mit dem mir zu Gebote stehenden Material. Nur soviel 
hat sich mir ergeben, dass der grösste Teil der oben aufgeführten 
Ortsnamen in dem Gebiete sich findet, der nach der Karte Seebohms 
heute die meisten Ortsnamen auf -ing enthält, ein Gebiet, das durch 
eine Linie markiert wird, die nach Westen durch die Grenzen der Graf- 
schaften York, Nottingham, Leicester, Northampton, Huntingdon. Cam- 
bridge, Herford, Middiesex, und weiterhin durch die Nordgrenze von 
Surrey, Berkshire und Gloucester sich kennzeichnet, während von 
Südwest-England die Grafschafien Dorset und Devon und natürlich auch 
das spät germanisierte Cornwall ausgeschlossen sind. Innerhalb dieser 
Umgrenzung liegen die fraglichen Ortsnamen am dichtesten in den am 
frühesten germanisierten counties, d. h. östlich einer Linie, die man 
von der Insel Wight nordöstlich nach dem Wash ziehen kann, namentlich 
in Norfolk, Suffolk (also in Ost-Anglia), in Kent und Sussex und ausser- 
dem in Lincoln und in dem weitausgedehnten York. Aber auch ausser- 
halb der oben beschriebenen Grenzen ist noch ein ziemlich häufiges 
Vorkommen in Northumberland zu konstatieren. 

Die westlichen Grafschaften bis an die Grenze von Wales, im 
Norden bis (exclusive) Lancaster, bilden mit dem oben umschriebenen 
Verbreitungsgebiet der -ing den Bezirk, in welchem in England die Orts- 
namen auf -ham häufig sind, eine Häufigkeit, die in den Grafschaften 
Derby und Stafford nur eine relative ist: ausserhalb dieser Grenzen, 
in den Grafschaften im Nordwesten von York, ebenso wie im Süden 


eine Ableitung aus einem vollen Personennamen deutet nur die Form Ransoldingis, 
während in der deutschen Schweiz und in Bayern solche Formen der Ortsnamen 
jedenfalls häufiger sind; vielleicht hauptsächlich darum, weil dort die Bildung 
solcher Ortsnamen auf -ingen noch geraume Zeit fortdauerte. Vielleicht aber 
hatte auch, und das wäre natürlich sehr wichtig, die Bildung der abgeleiteten 
Form auf -inga aus dem ganzen Namen eine andere Bedeutung, die eines 
Possessivums, was ich von einigen Fällen, namentlich ganz kleinen Gruppen von 
Höfen, die nie einer Markgenossenschaft Raum zur Niederlassung geboten hätten, 
schon jetzt als wahrscheinlich aussprechen möchte. Solche -ing und -ingen finden 
sich aber namentlich in der Schweiz und in Bayern! In Lothringen war die An- 
siedlung offenbar gleich von anfang eine weit dichtere. 


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von Herford, in der Grafschaft Monmouth. scheinen sie nach Seebohm 
so gut wie gar nicht vorzukommen. 

Dieser Umstand ist von grösster Bedeutung, wie mir 
scheint, weil sich daraus unwiderleglich ergibt, dass die Gründung von 
Ortsnamen auf -ham noch fortdauerte, als solche auf -ingas schon 
nicht mehr entstanden, und zwar in einem national gemischten Gebiet. 
denn diese Gegenden, in denen die -ham noch vorkommen, aber wenig 
oder gar nicht die -ing, sind ein Gebiet, das im 6. Jahrhundert. und zum 
Teil noch viel später als wallisisch galt! Von welcher Bedeutung dies 
für die Auffassung der Masse der -ing als Volks-. der -ham als Herren- 
Siedlung ist, bedarf wohl kaum des Hervorhebens!!) 

Dieses Ergebnis muss uns trösten, wenn die Untersuchung in andrer 
Hinsicht negativ ausgefallen ist; es kann uns das aber nicht zu sehr 
wundern, denn wir haben der Uebereinstimmung der Ortsnamen von An- 
fang an, gewohnt mit nüchterner Kritik an solche Dinge heranzutreten, 
keine übermässige Bedeutung beigemessen. Wenn wir uns vergegenwär- 


!) Ein Blick auf die beigegebene Karte nach einer Skizze bei Seebohm 
zeigt uns in höchst bezeichnender Weise die als Volkssiedlungen angesprochenen 
-ing in einem der Küstenlinie, also der Einbruchsstelle der Germanen folgendem 
bandartigen Streifen sich von der Westspitze von Sommerset am Kanal von Bristol 
und von der Grenze zwischen Dorset—Hampshire am Aermelkanal an bis zum oben 
genannten Wash hinziehen, und über diesen hinaus, der Ostküste entlang, bis an 
die Grenze der Grafschaft Durham. So sehr scheint die Verbreitung dieses 
Ortsnamentypus an die Nähe des Meeres gebunden, dass auch die Linie, welche 
die Zone dichten Vorkommens landwärts markiert, der südlichen und östlichen 
Küstenlinie parallel läuft, so dass sie im Innern dasselbe Knie macht, das die 
englische Küste in der Grafschaft Kent bildet. Middlesex fällt darnach schon 
nicht mehr ganz in die Zone der Verbreitung der -ing. Dagegen greift der Ver- 
breitungsbezirk der -ham überall darüber hinaus. Westlich liegen die zu ihm ge- 
hörigen, national zweifellos sehr mit wallisischen Elementen gemischten Grafschaften 
Dorset, Devon, Cornwall, von dem Gebiet der -ing gegen Wales zu gehört alles 
jetzt englische Gebiet dazu, ausser Monmouth und gegen Schottland zu sind 
ebenfalls einige Grafschaften des Königreichs England nicht eingeschlossen. Ist hier- 
nach anzunehmen, dass, zeitliche Verschiedenheit der Gründung angen ımmen, die 
-ing oder die -ham früheren Ursprunges sind ? Ferner, stimmt das nicht vorzüglich 
zu meiner Annahme, es seien die -heim spätere Erscheinungen, was wenigstens ihr 
massenhaftes Vorkommen anlangt, und es seien ihrem Entstehen, eben in ihrer 
Eigenschaft als Herrensiedlungen, Bezirke, in denen infolge der Eroberung noch 
ein starker Rest des unterworfenen Stammes zurückblieb, besonders günstig ? Dass 
Ortsnamen auf -ing in Britannien auch ausserhalb dieser Begrenzung einzeln 
vorkommen, ist wohl nicht zu bezweifeln, so kenne ich den Ortsnamen Stirling 
bei Edinburgh; dies kann nicht Wunder nehmen, namentlich wenn man erwägt, 
dass eine Insel wie die britische, von allen Seiten, namentlich der Ostküste, 
gelegentlich germanische Seefahrer, Wikinger, landen sehen konnte 


ee 


tigen, dass die Eroberer Britanniens wohl allezeit, so auch im 5. und 
6. Jahrhundert in nicht allzugrosser Menge jeweils über die See fahren 
mochten, da sie ja doch mit Weib und Kind und einem Teil ihrer Fahr- 
habe hinübergingen, so können wir übrigens auch annehmen, dass die 
einzelnen Stämme sich vielfach untereinander mischten, soweit solches 
nicht schon auf der Wanderung vom alten Wohnsitze zwischen Elbe 
und Weser über das nördliche Gallien zur Küste geschehen sein sollte, 
so dass die Sippen der einzelnen Stämme in Britannien zwischen 
Wight und Wosh weit zerstreut werden mochten. 

Was aber die andre Frage anlangt, ob in irgend einer Gegend 
Deutschlands eine ebenso dichte Uebereinstimmung der Nomenclatur 
mit der englischen wahrzunehmen sei, so würde es vielleicht zu kühn 
sein, sich hierüber absprechend zu äussern wenn man erwägt, wie 
versteckt oft die Personennamen in den Ortsnamen sich vorfinden; 
aber dass wohl nirgends so häufig patronymische Bildungen in 
gleichlautender Form sich finden, also -ingen mit einem Personen- 
namen gleichen Stammes, das halte ich nach meinen Nachforschungen 
in dem sehr vollständigen Ortsverzeichnisse von Lehnert für sicher, 
ohne spätern Untersuchungen, die anzuregen mir zur Genugthuung ge- 
reichen würde, vorgreifen zu wollen. 

Schliesslich möchte ich einen allerdings naheliegenden Einwand 
vorwegnehmen: man könnte wohl sagen, die zur Bekräftigung meiner 
eingangs erwähnten Sätze angeführten Schriftsteller entkräften sich 
gegenseitig, Kemble sieht überall freie Markgenossen, Seebohm nur 
Frohnhöfe, soweit zurück er forschen kann. 

Hiergegen habe ich zu erwidern: Seebohms Quellen reichen eben 
nicht in die Zeit der ersten Anfänge. Man erwartet wohl nach dem 
Ausgeführten den Versuch aus dem häufigen Vorkommen der -ingham 
und -ington den Schluss gezogen zu sehen: die freien Besiedler der 
-ingas wurden zu Hörigen und ihre Sitze zu -ham und -ton. Ich gehe 
nicht soweit, und zwar darum, weil ich der Bedeutung dieser Formen 
noch ebenso zurückhaltend gegenüberstehe, wie in meinen Siedlungen t). 

Die Sache ist die, dass ich noch immer für unentschieden halte, 
ob hier »-ham« an »-ingas«, sei es von vornherein, sei es nach- 
träglich, angehängt wurde, oder ob -ing hier rein possessive 
Bedeutung hat. Försteman, von gleichem Zweifel erfüllt, entschied sich 
schliesslich für letztere Annahme), ich möchte aber behaupten, dass 
alle diese verschiedenen Annahmen gelegentlich zutreffen, in 


1) S. 57, Note. 
?) Die deutschen Ortsnamen, S. 178. 


— 15 — 


einem Falle diese, im andern jene!). Ein Schmieding, wie es in Bayern 
und Oestreich häufig vorkommt, kann wohl nur possessiv sein; da- 
gegen halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass in einer Gegend mit 
massenhaft auftretenden »Heimen«, namentlich in einer Zeit wo das 
Verständnis der Bedeutung von -ingas verwischt war, heim, ham, ton, 
oder etwas ähnliches angehängt wurde, mit dem Gefühle, dass eine 
solche Endung einem Ortsnamen gebühre. Aber wie dem auch sei, 
eine Benennung, deren Bedeutung entweder schwankend war, oder 
doch für uns noch nicht hinreichend erkennbar ist, scheint mir eben- 
darum nicht geeignet, darauf Schlüsse zu bauen. Immerhin lohnt es 
sich wohl. darauf hinzuweisen, dass in der Umgegend von London, 
auf einem Gebiet von etwa 120 Quadratmeilen sich heutzutage 30 -ham, 
darunter nur 2 -ingham, ferner 10 -ing, ferner 24 -ton, darunter 
8 -ington, finden. 

Bei solchem Ueberwiegen einer Endung scheint es nach den 
Beobachtungen, die man auch anderwärts machen kann, durchaus 
denkbar, dass der vorherrschende Ortsname als Typus im Laufe der 
Zeit um sich gegriffen habe ?). 

Dass ein solcher Vorgang durch Herabsinken einer Markgenossen- 
schaft zum Colonendorf begünstigt werden musste, ist kaum in Abrede 
zu stellen, doch will ich zugeben, dass, namentlich im westlichen 
Deutschland auch andere Orte ihren Namen durch diese assimilierende 
Tendenz verändert sehen konnten ?). Es soll nicht im mindesten 
bezweifelt werden, wenn Seebohm“) schon im Anfang des 7. Jahrhunderts 
Frohnhöfe im südlichen England annimmt, aber dass freie Siedlungen 
dort gar nie existierten, weil in späterer Zeit, abgesehen von den von 
Dänen 5) besetzten Gegenden (Ostanglia, Lincoln, Essex) alles Bauern- 
volk in Hörigkeit verfallen war und weil die erforschten Urkunden 
keinen Nachweis des Gegenteils ergeben, möchte ich nicht annehmen. 


!) In den von Kemble auf -ingas zurückgeführten Ortsnamen muss freilich 
-ham, -ton als nachträglich angehängt werden, dies sind aber lange nicht alle 
Ortsnamen solcher Bildung. 

?) Ein Bestreben, Ortsnamen durch Anhängung der vertrauten Form »heim« 
sich mundgerecht zu machen, glaubt Lamprecht bei den Mittelfranken nachweisen 
zu können. Vgl. Fränkische Wanderungen und Ansiedlungen, vornehmlich im 
Rheinland, Zeitschr. des Aachener Geschichtsvereins, 1882. 

3) Beispiele von anscheinend im 8. Jhdt. noch freien Orten mit Namen auf 
-heim bei Maurer, Gesch. der Dorfverfassung in Deutschland. 

5). BCE RE, 


5) Seebohm, a. a. O., S. 61, 62. 


— 186 — 


Im Frankenreich ist bekanntlich die Tendenz der Entwicklung 
gewesen: Hebung der Servi und Herabdrücken der freien Landbewohner 
zu Zinsbauern; wie ich schon in meine Ortsnamen des Metzer Landes 
betonte. ist das Niveau der französischen Volksfreiheit, namentlich da, 
wo die Zahl der Unterworfenen (Romanen, Alemanen) gross war, 
ungemein rasch gesunken. 

Wie lagen aber die Dinge in Britannien ? 

Ein zahlreiches unterworfenes Volk, bei dem die Verhältnisse 
nicht besser gelegen haben können als bei den Romanen unter 
fränkischer Herrschaft, eher härter; eine Menge kleiner Könige, in end- 
lose Fehden unter sich verwickelt, der Menge der Herren entsprechend 
eine verhältnismässige grosse Anzahl von Antrustionen, (Gefolgs- 
leuten : ein ununterbrochener Kriegszustand gegen die Welschen und 
gegen die Stammesgenossen, also weit mehr, als je zur schlimmsten 
Zeit merovingischer Fehden ein Hervortreten eines gewerbsmässigen 
Kriegerstandes, der die Mitwirkung des Volksheeres, das bei all diesen 
kleinen Kriegern weder mitwirken konnte noch wolltet), ersetzte also 
alle Bedingungen für ein übermütiges, anmassendes Gefolgschaftswesen 
in weit höherem Masse vorhanden, als bei den Franken; dazu, statt 
eines einheitlichen Volkstums, eine Menge kleiner Völkerschaften, eine 
jede später einwandernde nach Möglichkeit bereit, ihre früher ansässig 
gewordenen Stammesgenossen in Abhängigkeit zu bringen, sollte es 
uns da verwundern, wenn es mit der Freiheit des kleinen Mannes 
ungeheuer rasch abwärts ging? 

Wie wenig es, wenn die Voraussetzungen einmal gegeben sind, 
bedarf, um ein ganzes Volk in Unfreiheit zu bringen, zeigt uns ein 
Vorgang aus neuerer Zeit. 

Eine Hungersnot gab im 17. Jhdt. in Russland Anlass, den Land- 
bewohnern (zeitweise dachte man erst) das Verlassen ihres Herdes zu 
untersagen?), bald darauf waren diese Bauern zu Leibeigenen geworden. 
Wie erschüttert in ihren Grundfesten muss die Volksfreiheit bereits 
gewesen sein, um solches zu ermöglichen; wie weit muss es aber im 
Frankenreiche schon im 9. Jahrhundert damit gekommen sein, wenn 
Karl der Kahle in einem Capitulare von 847 geradezu die Commen- 
dation an einen Seigneur befehlen durfte). 


. .') Gerade um sich der Kriegspflicht, die auf freiem Grundbesitz lastete, zu 
entziehen, erfolgte am häufigsten (wenigstens im Frankenreiche) die freiwillige 


Hingabe von Land seitens kleinerer Besitzer an grosse (Commendation). 


?) Angebliche Ukas vom 21. Novbr. 1604. Vgl. Meitzen, a. a. O., S. 227. 

°) Volumus ut unus quisque liber homo in nostro regno seniorem qualem 
voluerit in nobis et in nostris fidelibus accipiat. Maurer, Einl. zur Gesch. der 
Mark-, Hof- etc. Verf., $ 95, Note 73. 


Unter seinen Nachfolgern finden wir denn auch den Rechtssatz 
»nulle terre sans seigneur«, den Grundsatz des ärgsten Feudalismus, 
zur That geworden. 

Zweifellos war schon längere Zeit vorher der freie Kleingrund- 
besitz so gut wie verschwunden: im Elsass schenkt ein Herr Wido 
schon im 8. Jahrhundert zahlreiche Dörfer an den Abt von St. Pilt, 
da kann es nicht verwundern, wenn es in Britannien mit der ger- 
manischen Volksfreiheit noch rascher abwärts gegangen ist, wie denn 
die Urkunden schon früh »Folkland« mit »terra regis« übersetzen. 

Somit hat es gar nichts Befremdendes, wenn wir mit Kemble 
die Gründung zahlreicher freier Markgenossenschaften zur Zeit der 
Landnahme annehmen, und doch auch Seebohm beipflichten, wenn er 
annimmt, dass schon wenige Jahrhunderte später die Könige, oder 
wenn man sie lieber so nennen will, die Häuptlinge und ihr Gefolg- 
schaftswesen alle. oder fast alle diese kleinen Gemeinwesen in ihre 
Hörigkeit gebracht hatten. 

Dass aber die Gefahr einer Ueberhebung der Gefolgschaften über 
die remeinfreien bei den Germanen von den frühesten Zeiten an gross 
war, hat schon Tacitus, zu dem wir zum Schlusse zurückkehren, ge- 
sehen, denn er sagt in seiner Germania: liberti non multum supra 
servos sunt, raro aliquod momentum in domo, nunquam in civitate, 
exceptis dumtaxat iis gentibus quae regnantur, ibi enim et super 
nobiles ascendunt !) ! 


226725: 


— 18 — 


Aus dem alten Diedenhofen. 


Von Emil Knitterscheid. 


Zur Geschichte des Orts bis 1000. 
Als Teissier vor mehr als 70 Jahren seine Geschichte Diedenhofens 
schrieb!), bedauerte er?), dass nicht irgend welche Funde aus der Römer- 
zeit gestatteten, das Alter der Stadt soweit hinauszurücken. Nun hat man 


Fig. 1. Zwillingsturm mit Schlossgasse. 


aber später wiederholt römische Münzen u. s. w. auf dem Stadtgebiete 
gefunden. So teilte Abel 1862 in einer Sitzung der Societe d’Archeo- 
logie et d'Histoire de la Moselle) mit, es seien beim Aufwerfen von 
Gräben für die Gasleitung römische Ziegel, eine Münze mit dem Bilde 
der Faustina u. m. A. gefunden worden. Eine grössere Anzahl von 
Münzen kam ans Tageslicht, als man 1872 das alte Luxemburger Thor 


‘) Histoire de Thionville par G. F. Teissier, Metz 1828, 
2) 8.8. Vgl. auch S. 429. 
*) Bulletin de la Société, 58 année, S. 161. 


— 189 — 


niederlegte und in der Nähe andre Bauarbeiten an den Befestisungs- 
werken vornahm. Erwähnt werden von diesem Funde grosse Erze 
von Nerva, Tetricus, Posthumus, Constantinus mit dem Jabarum. 
Maxentius, Valentinianus und hauptsächlich eine Goldmünze Neros, 
In den Mémoires de Ja Société, 17. Bd. 1887, welchen diese Mitteilung 
entnommen ist, heisst es weiter S. 120, man habe 1886 bei der An- 
lage der Wasserleitung an der Ecke der Mersch- und der Luxemburger 
Strasse — an der Stelle des ehemaligen bedeckten Marktes — die 
Reste eines gallo-römischen (Grebäudes gefunden, welches unzweideutige 
Spuren eines Brandes aufgewiesen hätte. 

Weniger bestimmt, aber doch nicht bedeutungslos ist die folgende 
ältere Notiz, welche die Sekretäre der genannten Gesellschaft in der 
chronique archéologique ihres ersten Jahrbuches!) gegeben haben: 
»Les travaux de déblaiement nécessités autour des remparts de Thion- 
»ville par le prolongement- du chemin de fer de Luxembourg ont mis 
»au jour un certain nombre de sépultures antiques accompagnées de 
»poteries brisées et de monnaies de diverses époques. Grâce aux soins 
»de M. Michelet, capitaine du génie, ces dernières ont été sauvées du 
»creuset de l’orfevre, qui est le sort le plus habituellemeut réservé 
»aux pièces d'or et d'argent anciennes trouvées à Thionville et aux 
“environs. Ces médailles sont un Trajan en argent, au revers un 
»genie, légende S. Hadrianus. Trajanus. Aug. — P. M. P. R. P. 
»Cos. III; un jeton en argent de Louis XIII et de Marie-Thérèse 1660 — 
»Securits publica« pp. 

Die letzte Zusammenstellung ist etwas bedenklich, auch der Fund- 
ort wenig genau angegeben, an der Thatsache selbst aber kann man 
wohl nicht zweifeln. 

Nach einer gefl. Mitteilung des Herrn Kreisbauinspektors Baurat 
Morlok wurde um die Mitte der neunziger Jahre in der Stadthaus- 
strasse bei Grabarbeiten eine Anzahl römischer Grossbronzen gefunden. 

Von der Besitzerin des sog. Chäteau de Thion auf dem Schloss- 
hofe — von welchem später die Rede sein wird -- wurde mir ver- 
sichert, dass man Ende der sechziger Jahre beim Graben im Keller 
ihres Hauses zur Herstellung einer Abortgrube eine Anzahl von 
römischen Münzen in der Erde gefunden habe. Die drei nachstehend 
beschriebenen, einen Denar von Traianus (98—-117), eine Mittelbronze 
von Maximinus I (235—38) und eine kleine Bronze von Licinius jun. 
(317—26), halte sie noch in Besitz. 


1) Bulletin 1858, S. 62. 


— 19 — 


Traianus, Denar aus 114, Coh. 497. 
Imp. Traiano Aug. Ger. Dac. P. M. Tr. P. Cos. VI P. P. 
Kopf mit Lorbeer n. r. 
R/ $S P Q R Optimo Prineipi. 
Reiterstatue n. |. mit Lanze 1. d. R. 


Maximinus I., Coh. 35. 
Imp. Maximinus Pius Aug. 
Kopf n. r. mit Lorbeer. Mantel und Panzer. 
R/ Pax Augusti S. C. 
Friedensgöttin stehend n. l., mit Oelzweig i. d. R. und Scepter 

schras. 1.4. D. 

Lieinius junior, Coh. 14. 
Licinius Jun. Nob. Caes. 
Kopf n. r. mit Lorbeer. Mantel. 
R/ Dominorum Nostrorum Caess. 
VotL N um. Kranz’ 7. y° 


Vor kurzem erfuhr ich von Herrn Kupferschmied Schneider, dass 
man vor mehreren Jahren bei Grabarbeiten auf seinem Hofe römische 
Münzen gefunden hätte, welche in den Besitz des Herrn Abel -- kurz 
vor seinem Tode — übergegangen wären. Die Fundstelle befand sich 
zwischen dem Augustinermagazin und dem nördlichen Eckturm des 
Schlosses, nicht weit vom Luxemburger Platz. 

Sämtliche bisher genauer bekannt gewordenen Münzen stammen 
aus der Zeit vom ersten bis zum vierten Jahrhundert. Fast bei jedem 
Funde waren Münzen verschiedener Zeiten vertreten. Falls dies auch 
in Zukunft bei etwaigen weiteren Funden die Regel bilden sollte, so 
scheint der Schluss berechtigt, dass alle Münzen erst zu spätrömischer 
Zeit an Ort und Stelle gekommen sind. 

Es lässt sich jetzt nicht mehr prüfen, in wie weit die von Abel 
gebrauchte Bezeichnung »gallo-römisch« für das oben erwähnte Ge- 
mäuer zutreffend war und ob die gefundenen Ziegel wirklich römischen 
Ursprungs gewesen sind. { 

Selbst gesehen habe ich nur das Bruchstück eines römischen 
Ziegels, das bei der Fundierung des gegenwärtig in Ausführung be- 
griffenen Erweiterungsbaues des Amtsgerichts gefunden wurde. 

Man muss auch zugeben, dass gewiss srosse Vorsicht am Platze 
ist, wenn man aus vereinzelten Münzfunden auf das Alter einer Wohn- 
stätte schliessen will, denn eine spätere Verschleppung ist denkbar, 
und es ist wahrscheinlich, dass die römischen Münzen stellenweise bis 


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— 11 — 


in das frühe Mittelalter hinein als Zahlungsmittel galten, indem die auf 
den Trümmern des römischen Staates neu gegründeten Reiche sich 
zunächst mit ihnen behalfen. 

Trotzdem kann man auf Grund der aufgezählten durchaus nicht 
vereinzelt dastehenden Funde meines Erachtens mit ziemlicher Wahr- 
scheinlichkeit annehmen, dass an der Stelle des heutigen Diedenhofens 
eine wenn auch kleine römische Ansiedlung sich befunden hat. Dazu 
ist man durch die Häufigkeit der Funde berechtigt. Dass die An- 
siedlung nicht von Bedeutung war, geht vielleicht daraus hervor, dass 
die Heerstrasse Metz—Trier, welche in der Gegend mit einem auch 
anderswo vorkommenden Namen nach dem mittelalterlich lateinischen 
Worte caminus!) »le Kem« genannt wird, nicht unmittelbar an ihr, 
sondern in etwa 2 km Entfernung am Fusse der (rentringer Höhen 
vorbeiführte; sie ging von Daspich nach Grosshettingen. 

Doch kann auch die Strasse älter als der Ort gewesen sein. 

Vielleicht war ein Flussübergang, eine Fähre, die erste Ver- 
anlassung, der Ursprung der Ansiedlung, wie dies natürlich und schon 
in vorrömischer Zeit mehrfach nachweisbar ist. Diese Fähre würde 
die Verbindung des alten Ortes Iudiacum oder Iudicium, des nach- 
maligen Jeutz, mit der erwähnten Heerstrasse vermittelt haben. Vgl. den 
Plan Fig. 2, der nach den Messtischblättern Diedenhofen und Hayingen, 
sowie alten Katasterplänen mit freundlicher Unterstützung des Herrn 
Baurat Morlok gezeichnet ist und dem jetzigen Zustande nur zum Teil 
entspricht. 

Der alte Name Diedenhofens »Theodonis villa«, die lateinische 
Uebersetzung des deutschen, weist nach der gewöhnlichen Annahme auf 
fränkischen Ursprung. Es wird ihm der Personenname Thiudo oder Theodo 
zu Grunde gelegt und ein Mann dieses Namens als Gründer oder Be- 
sitzer, Erbauer oder Verwalter des Landgutes angenommen, welches 
zur fränkischen Zeit an dem Orte bestand. Man mag sich also denken, 
dass erst zur Merovingerzeit die ehemals kleine Siedlung einige Be- 
deutung erlangt oder dass an ihrer Stelle sich ein fränkischer Herren- 


hof erhoben hat. Aehnliche — gleichzeitige und spätere Namen- 
bildungen kommen in hiesiger Gegend mehrfach vor, z. B. Gondulli 
villa, Gondreville — Pappoli villa, Plappeville — Bosonis villa, 


Busendorf und im Kreise Diedenhofen selbst Amnéville, Bettlainville 
und Pepinville, deutsch Pipensdorf, ein Ort, der vielleicht von oder 
nach dem Vater Karls d. Gr. so benannt ist ?). 


1) — via, iter, chemin. 
2) Vgl. 5. Jahresbericht des Vereins für Erdkunde zu Metz: Dr. Uibeleisen, 
die roman. u. fränk. Ortsnamen Welsch-Lothringens. 


— 192 — 


Die Bedeutung Diedenhofens muss um die Mitte des 8. Jhdts. eine 
erheblichere geworden sein, denn bei der ersten Erwähnung 753 erscheint 
es bereits als Aufenthalt und Eigentum Pipins des Kleinen, also 
als Krongut des Karolingischen Hauses. Dass die villa vorher Besitz 
der Merovingerkönige war und dass diese sich auf römischen Trümmern 
eingerichtet hatten, halte ich für wahrscheinlich. Haben sie sich doch 
vielfach an Rhein und Mosel die grössten und bestgelegenen, nament- 
lich durch Weinkultur und grosse Waldungen ausgezeichneten römischen 
Stationsorte als königliche Kammergüter (fisci regii, villae regales) 
reserviert!). Hierbei kamen nicht nur feste Punkte, Castelle, sondern 
auch grosse Villen in Betracht, deren so manche hier zu Lande nach- 
gewiesen sind. 

Die Fortsetzung der Chronik des Fredegar und die Annales 
Laurissenses geben übereinstimmend an, dass Pipin als König i. J. 753 
sich in Diedenhofen aufgehalten habe — »Theudone villa publica super 
Mosella«. 

Es handelt sich hier um einen längeren Aufenthalt mit. Familie 
und Hofstaat, um eine Hofhaltung, wie aus dem Ausdrucke »resedere« 
der erstgenannten (Quelle geschlossen werden kann. Der Aufenthalt 
fällt in den Herbst und dauerte wenigstens bis zum Ende des Jahres, 
denn er umfasste noch das Weihnachtsfest, welches in jener Zeit am 
Königshofe mit grossen Feierlichkeiten begangen wurde. Nach den 
Ausführungen Dümmlers in den » Jahrbüchern der deutschen Geschichte« 
haben wir uns während dieser Zeit in Diedenhofen die Reichsversamm- 
lung zu denken, von der Paulus Diaconus in der Geschichte der Bischöfe 
von Metz erzählt. Hiernach hätten von hier aus zwei der vornehmsten 
Franken, der Bischof Chrodegang von Metz und der Herzog Autcharius 
etwa anfangs August 753 die Reise nach Italien angetreten, um den 
Papst aus Rom ins Frankenland zu geleiten. 

Pipins Sohn Karlmann urkundet im März des ‚Jahres 770 
Theudone villa Palatio?). Hier haben wir die erste von vielen Er- 
wähnungen des Palatiums, der Pfalz. Die letzte ist meines Wissens 
aus 940, so dass der Königssitz also 170 Jahre lang in den Quellen 
als solcher genannt wird. 

Die fränkischen Pfalzen waren meist keine festen Plätze, sondern 
friedliche Wohnungen in ebener, bequem zugänglicher Lage. Ideler °) 


!) Vgl. Eltester in den Bonner Jahrbüchern L u. LI, S. 66. 
?) Bouquet V, 720. 
°) Commentar zu Einhards Leben Karls des Grossen, I, 249. 


y 


— 193 — 


führt 129 Pfalzen auf, deren sich Karl und seine unmittelbaren Nach- 
folger nachweislich bedient haben, fast alle in Deutschland und in der 
Ebene gelesen. (Genauere Zählungen haben ergeben, dass uns von 
gleichzeitigen Schriftstellern allein etwa einhundertundfünfzig Paläste 
merovingischer und karolingischer Könige genannt werden, welche 
ziemlich regelmässig über das ganze Reichsgebiet verteilt und mehrfach 
in planmässigem Zusammenhang mit älteren römischen Anlagen errichtet 
waren. In neuerer Zeit hat man begonnen, sich eingehender wie bisher 
mit den Bauten des deutschen Altertums zu beschäftigen: von den 
Pfalzen insbesondere ist die Nimwegener von Hermann und später von 
Dr. Plath in Einzeldarstellungen behandelt worden !). 

Die grosse Anzahl der fränkischen Pfalzen, ihre Notwendigkeit 
und Wichtigkeit erklärt sich dadurch, dass die Könige mit ihrer ganzen 
Hofhaltung und dem vollständigen Regierungsbetriebe bei der Bereisung 
ihres grossen Reiches an vielen Stellen eine angemessene Unterkunft 
finden mussten. Die Pfalzen waren nach ihrer Gesamtanlage, nach 
Zahl und Grösse der Bauten verschieden; sie waren ihrer geographischen 
Lage und Bedeutung entsprechend mehr oder weniger umfänglich und 
reich ausgestattet. Die kleineren und weniger wichtigen hatten wohl 
neben Steingebäuden auch Fachwerk- und Holzhäuser mit Strohdächern, 
und nur für die bedeutenderen würde uns heutzutage die Bezeichnung 
Königspalast als zutreffend und angemessen erscheinen. 

Eine solche grössere Pfalz haben wir uns zu denken als eine 
Anzahl von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, umgeben von Höfen, 
Nutz- und Ziergärten, Feldern und Wiesen in oft grosser Ausdehnung. 
Den Mittelpunkt bildeten die stattlichen Wohnungen des Königs, seiner 
Familie und des zahlreichen Gefolges; sie boten meist auch Platz zur 
Aufnahme von Gästen, Gesandten u. s. w. Eine Schlosskapelle fehlte 
nicht, auch war ein Versammlungssaal da nicht zu entbehren, wo 
Reichstage oder kleinere Versammlungen von Grossen abgehalten wurden. 
Hierzu kamen die Behausungen für den Burggrafen, den Vertreter des 
Königs während seiner Abwesenheit, für die Beamten und Pächter, 


!) Vgl. Hermann, der Palast Karls d. Gr. zu Nymwegen in den Bonner Jahr- 
büchern. LXXVII, 88. Die Arbeit Plaths ist in holländischer Sprache erschienen. 
Eine deutsche Bearbeitung findet sich’ in der Deutschen Rundschau 1895 96, I, 
S. 141 ff. — Von Dr. Plath ist auch zu vergleichen »Dispargum« in den Bonner 
Jahrbüchern, HeftXCV. Der Verfasser hat sich die umfangreiche Aufgabe gestellt, 
sämtliche Pfalzen in vergleichend historisch-archäologischer Untersuchung zu be- 
handeln. Von allgemeinem Interesse ist seine Abhandlung über »Merovingische 
und Karolingische Bauthätigkeite im Februarheft 1894 der Deutschen Rundschau. 


— 14 — 


dann die Wirtschaftsgebäude, Ställe, Scheunen, Lagerhäuser, Werk- 
stätten u. s. w., endlich in grösserem Abstande vielleicht und zu ein- 
zelnen Gruppen vereinigt die Wohnungen der Arbeiter mit Zubehör, 
sofern letztere nicht etwa in nahen Dörfern Unterkunft fanden. 

Da Diedenhofen, obwohl es nicht in erster Linie steht, doch zu 
den öfter bewohnten und darum wohl auch bedeutenderen Pfalzen 
zählte, so kann man, glaube ich, Teissier beipflichten, wenn er in seinem 
Aufsatze »Origine et progrès des Fortifications de Thionville« !) meint, 
die villa regia des 8. Jahrhunderts habe einen grösseren Raum eingenommen 
als die jetzige Stadt, soweit sie auf dem linken Ufer liest. Jedenfalls 
dürfte die Ansicht für das 9. Jahrhundert zutreffen, zu welcher Zeit zweifels- 
ohne wohl Ergänzungsbauten aufgeführt wurden, obwohl uns hierüber 
nur eine einzige spärliche Nachricht überliefert ist, von der später die 
Rede sein wird. Die angegebene Fläche begreift Felder und Gärten ein. 
Vergleichsweise sei hier bemerkt, dass das Gebiet der freilich viel 
jüngeren und ungleich grossartigeren Kaiserpfalz zu Goslar ohne das 
zugehörige Land etwa 550 m lang und durchschnittlich 250 m breit war?). 

Die Lage Diedenhofens musste sowohl an sich als auch bezüglich 
der weiteren Umgebung und Nachbarschaft als eine sehr günstige 
erscheinen. Der Fluss erleichterte den Verkehr und ermöglichte Fisch- 
fang, Bad und Kahnfahrten. Die damals sumpfige und waldreiche 
nächste Umgebung lud zu Jagden ebenso ein, wie die unschwer zu 
erreichenden Waldgebirge der Ardennen und der Eifel. Metz und Trier, 
Prüm und Echternach, blühende Städte und Klöster, lagen in der Nähe. 

Für Pipin kam der persönliche Grund hinzu, dass in Metz sein 
Jugendfreund Chrodegang den Bischofssitz inne hatte. 

Mit der weitaus grössten Anzahl der bekannten Pfalzen teilte die 
Diedenhofener die Lage in der Ebene am Flusse. Befestigt könnte sie 
nur insofern gewesen sein, als ein von der Mosel gespeister Wasser- 
sraben sie vielleicht ganz oder teilweise umgeben hat. Doch ist dies 
nach anderen Beispielen nicht wahrscheinlich; so ist auch die neuer- 
dings von Dr. Plath untersuchte Merovingervilla in Kirchheim i. E. nicht 
mit einem Graben umgeben gewesen’). 

Karl der Grosse ist in Diedenhofen, was ihm nach dem frühen 
Tode seines Bruders Karlmann zufiel, nachweisbar 772, 773, 775, 782, 


A590: 467; 
2) v. Behr, Zeitschrift für Bauwesen, 1900, S. 162 ff. 
3) Die entgegenstehende Mitteilung in der Strassburger Post, 1899, No. 1038, 


beruht nach mündlicher Angabe Dr. Plaths auf einem Irrtum. 


— 195 — 


783, 805, 806. In einzelnen Jahren hat er sich wiederholt dort auf- 
gehalten. 

Zuerst ist eine Urkunde von ihm im April 772 aus Theodono-villa 
pal. publ. datiert. Auch im Mai desselben Jahres weilte er in der Pfalz. 

Für 773 ist seine Anwesenheit nur anfangs März nachzuweisen, 
doch kann er auch schon früher dagewesen sein. 

Aus 775 giebt es Urkunden vom 3. und 10. Mai und vom No- 
vember. Wahrscheinlich in diesem Jahre sass der Kaiser in Diedenhofen 


vor einer glänzenden Versammlung weltlicher und geistlicher Würden- 


träger zu Gericht. 3 Bischöfe, 11 Grafen und zahlreiche Getreue werden 


aufgezählt. 

Am verhängnisvollsten für ihn wurde der Aufenthalt im Winter 
782/83, welchen er zum grössten Teile — so Weihnachten und 
Ostern — in Diedenhofen zubrachte. Am 30. April starb hier seine 


Lieblingsgemahlin Hildegard, 25 Jahre alt, nach der Geburt ihres 
neunten Kindes. Durch eine vom 1. Mai pal. nostro datierte Urkunde 
schenkte Karl für ihr Seelenheil der Kirche St. Arnulf bei Metz, in 
welcher sie beigesetzt wurde, die villa Cheminot. 

Länger als 22 Jahre hat dann der Kaiser die Pfalz gemieden. Erst 
805 nahm er in ihr wieder seinen Aufenthalt, nachdem er sie im Sommer 
desselben Jahres auf einer Jagdreise von Aachen in die Vogesen passiert 
hatte. Aus diesem Aufenthalte stammt die vom Dezember datierte Instruc- 


tion für Königsboten, duplex capitulare missorum in Theodonis villa 


datum, eine Sammlung von Vorschriften für Schreiber u. s. w. Gleich nach 
dem Weihnachtsfeste empfing der Kaiser in seiner Pfalz eine wichtige 
Gesandtschaft‘; an ihrer Spitze erschienen die beiden venetianischen 
Dogen mit Gefolge und Geschenken, um die völlige Unterwerfung Ve- 
netiens und Dalmatiens anzuzeigen. 

Am 6. Februar 806 fand in Diedenhofen auf einem Reichstage 
der fränkischen Grossen die Teilung des Reiches in 3 Teile statt. Im 
selben Monat verliess der Kaiser die Pfalz, die er nicht wieder sah, 
zu Wasser. Er fuhr die Mosel und den Rhein herunter nach Nimwegen. 

Oefter noch als sein Vater weilte Ludwig der Fromme in 
Diedenhofen. Schon vor seiner Thronbesteigung war er wiederholt dort. 
Aus seiner Regierungszeit ist uns seine Anwesenheit bekannt in den 
Jahren 816, 821, 828, 831, 834, 855, 836, 837. 

Während der erste Aufenthalt im Juli 816 nur ein kurzer ge- 
wesen zu sein scheint, fand im Oktober 821 eine allgemeine Reichs- 
versammlung apud Theodonis villam statt, gelegentlich welcher der 
Kaiser mit grossem Glanze seinen ältesten Sohn und Mitkaiser Lothar 


—.1900t— 


mit Irmingard, der blonden Tochter des Grafen von Tours, vermählte. 
Noch im November urkundet er hier. 

828 entsandte er Lothar von Diedenhofen aus mit bedeutender 
Heeresmacht in die spanische Mark. 

831 im Oktober fand wieder eine allgemeine Reichsversammlung 
hierselbst statt, bei welcher wie in früheren Zeiten ungetrübten Glanzes 
eine Reihe fremder Gesandten am Throne des Kaisers erschien. Nicht 
nur Dänen und Slaven bewarben sich um seine Gunst, sogar aus dem 
fernen Bagdad von dem grossen Chalifen Mamun kamen drei Botschafter 
mit kostbaren Stoffen und arabischem Räucherwerk, um das zwischen 
Karl und Harun geschlossene Bündnis zu erneuern. 

Vorher, im Sommer desselben Jahres, schloss der Kaiser zu 
Diedenhofen mit Dänemark Frieden, nach mehrjähriger Feindschaft ?). 

854 Juli 20 urkundet Ludwig Theodonis villa pal. r. Ende des- 
selben Jahres begab er sich zur Ueberwinterung ad palatium Theo- 
donis, und sein diesmaliger Aufenthalt dauerte mit Unterbrechungen bis 
in den März 835. Anfangs Februar fand in Diedenhofen eine grosse, 
im wesentlichen aus geistlichen Würdenträgern zusammengesetzte 
Reichsversammlung statt; es werden 44 Bischöfe, darunter 8 Erzbischöfe 
namentlich aufgeführt. Vor der »in sacrario, non coram laicis« 
versammelten Synode tritt der Kaiser als Ankläger gegen Ebbo von 
Reims auf. Das sacrarium und nicht das tribunal palatinum war des- 
halb gewählt worden, weil die Bischöfe Einspruch dagegen erhoben 
hatten, dass vor Laien verhandelt werde. Man hat das Wort sacrarium 
hier mit Sakristei übersetzt. Wenn dies richtig und es gestattet ist, 
aus der Grösse der Sakristei, die eine solche Versammlung aufnehmen 
konnte, auf den Umfang der Kirche zu schliessen, so können wir uns 
diese nur als ein sehr geräumiges Gebäude vorstellen. Aber es ist 
meines Erachtens in diesem Falle wahrscheinlicher, dass unter sacrarium 
das Chor der Kirche oder diese selbst zu verstehen ist?). 

Im Mai 856 fand in Diedenhofen eine Beratung des Kaisers mit 
dem engeren Kreise seiner Getreuen statt. 

In den Annales Fuldenses kommt um diese Zeit zum ersten male 
der deutsche Name vor: »Imperator in palatio Thiodenhove conventum 
habuit« (Enhardi Fuldensis annales 836 M. G. SS. I 360). Die Angabe 
Abels »une charte de 706 nous révèle l’existence de Dietenhoven« 


1) Vergl. Geschichte des ostfränkischen Reiches von E. Dümnler, II. Aufl., 
I. Bd., S. 67 und 275. 

*) Vergl. Ep. Caroli Calvi ad Nicolaum Papam und Mühlbacher Regesta 
Imperii I nr. 930. 


— 197 — 


beruht auf einem Irrtum). Im Mai und Juni 837 finden wir den Kaiser 
zum letzten Male in seiner Diedenhofener Pfalz, wo er die jährlichen 
Geschenke des Volkes in Empfang nahm. 

Aus seiner Regierung ist uns —- als ganz vereinzelt stehende 
Angabe — etwas von einer Bauthätigkeit der Karolinger in Diedenhofen 
berichtet und zwar aus einer späteren Quelle. Ludwig begann den Bau 
einer Kapelle nach dem Muster des Aachener Marienmünsters. Hierauf 
gehe ich später näher ein. 

Lothar I., der sein Reich von Metz aus regierte, weilte in 
Diedenhofen 841, 842, 844, 848, 853. Im August 841 versammelte er 
hier seine Getreuen um sich; dieser von Nithard III, 3 erwähnte 
Conventus wird durch eine Urkunde des Kaisers vom 1. September 
Theodonis villa palacio regio für den Dogen Peter von Venedig bestätigt. 

Den Herbst des folgenden Jahres brachte er wieder dort zu. 
Seine Anwesenheit ist für September bezeugt, vom 17. Oktober ist eine 
Urkunde für das Bistum Chur, vom 12. November eine solche für das 
Kloster Prüm ausgestellt (v. Mohr, cod. dipl. I, 39. Boehmer N. 575). 
Auch fand in der ersten Hälfte November eine Versammlung der Grossen 
in Diedenhofen statt, auf welcher Lothar die ihm von seinen Brüdern 
gestellten Bedingungen verwarf. Im gleichen Monat wurde zwischen 
den Brüdern der Vertrag von Diedenhofen abgeschlossen, nach welchem 
zwischen ihnen Frieden bis zum 14. Juli 843 herrschen sollte. Im 
Vertrag von Verdun 843 behielt Lothar Diedenhofen. 

844 im Oktober kamen penes Theodonis villam die drei Brüder 
Lothar, Ludwig und Karl zusammen. Gleichzeitig tagte in Jeutz — 
secus Theudonis villam in loco qui dieitur Judictum — unter dem 
Vorsitze Drogos von Metz eine bischöfliche Synode. Von Jeutz wird 
später im Zusammenhang die Rede sein. 

Oktober 848 haben wir wieder eine Reichsversammlung in 
Diedenhofen, woselbst der Kaiser noch am 11. November urkundete. 

Seine letzten Urkunden aus der hiesigen Pfalz sind vom 3. Juli 853 
datiert. 

Von Aufenthalten der nächsten Nachfolger Lothars wissen wir 
zwar nichts, es ist indessen wahrscheinlich, dass wenigstens Lothar II, 
der für gewöhnlich in Metz residierte, sich zeitweilig in Diedenhofen 
einfand. 

Ob und inwieweit die Normannen, welche 866 und auch später 
zu Zeiten Ludwigs des Jüngeren und Karls des Dicken bis in die 
') Vgl. seinen Aufsatz, »les voies romaines dans le département de la 
Moselle< in den Mém. de la Société d'Archéologie et d'Historre de la Moselle 1858. 


— 198 — 


hiesige Gegend vordrangen, die Pfalz geschädigt haben, ist nicht über- 
liefert; aber man wird wohl nicht fehl gehen in der Annahme, dass 
der unbefestigte und schlecht verteidigte Ort gleich vielen anderen hart 
mitgenommen wurde. 

Im Vertrag zu Mersen 870 kam Diedenhofen ebenso wie Metz 
unter deutsche Herrschaft. Allerdings war die Wirkung dieses Vertrages 
nur eine kurze. 

In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, zuerst zu Lothars IL 
Zeiten, erscheint Flörchingen (Floringas curia r., Florichingas) als ein 
im Besitztum der Krone befindlicher Frohnhof (curtis, curia) auf der 
Bildfläche. Das Dorf liegt in der Luftlinie etwa 5 km südwestlich 
von Diedenhofen. Eine einigermassen gerade Strassenverbindung ist 
nicht vorhanden. Arnulf von Kärnthen urkundet hier 893, sein von 
ihm zum Gouverneur von Lothringen ernannter Bastard Zwentibold 896 
und 898. In diesem Jahre sammelten sich hier um Letzteren nach 
allerlei Widerwärtigkeiten die Grossen des Landes, aber schon 900 
waren sie von ihm abgefallen und huldigten im Februar in Diedenhofen 
dem letzten deutschen Karolinger Ludwig dem Kinde. Dieser urkundet 
am 22. März 900 in Diedenhofen. 

Nach seinem Tode machte der französische Karolinger Karl der 
Einfältige Ansprüche auf Lothringen und wurde gegen den Willen der 
deutschen Fürsten 912 in Metz zum König gekrönt. Als solcher hielt 
er auch Hof in Diedenhofen; seine dortigen Urkunden sind von 
913 Aug. 13 — 915 Nov. 24 — 919 Juli 9. Aber die Zugehörigkeit 
des Landes zu Frankreich dauerte nur kurze Zeit und 921 wurde im 
Vertrage zu Bonn die zu Mersen vorgenommene Teilung des Reiches 
erneuert. 

Es tritt nun in der Geschichte Diedenhofens eine Lücke ein. Die 
Kaiser wohnten längere Zeit nicht mehr in ihrer dortigen Pfalz. Viel- 
leicht war sie durch die Normanneneinfälle in ihrer Wohnlichkeit sehr 
beeinträchtigt worden. Möglicher Weise kamen auch die Ungarn 917 
auf einem Raubzuge bis in die hiesige Gegend'). Dass die Pfalz aber 
wohl noch eine Zeit lang fortbestand, geht aus einer Schenkung Ottos I. 
hervor, welcher 940 dem bei Trier gelegenen Maximinenkloster u. a. 
die ihm bereits von seinem Vater Heinrich geschenkte Kirche bestätigte, 
quae est in villa Tedonis nostri palatii cum 2 mansis. Nochmals be- 
stätigt wurde die Schenkung 966 Jan. 7 in einer Urkunde von Köln 
über die »aecclesia in nostro regali fisco Theodonis villa nominato 


1) Dümmler a. a. O. Bd. III, S. 613. 


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constituta« nebst Zubehör. — Die katholische Kirche in Diedenhofen 
ist zwar seit langer Zeit dem hl. Maximinus geweiht, aber nach alten 
Nachrichten stand die erste Pfarrkirche unter dem Schutze des 
hl. Eustachius !). 

Von dem continuator Reginonis?) ist uns zum Jahre 939 folgende 
wichtige Nachricht überliefert, welche sich auf die Kämpfe Otto des 
Grossen mit den Lothringern und dem Bischofe Adalbero I. von Metz 
bezieht: »Omnibus tamen Lothariensibus subactis, aliquamdiu resistere 
»conatus est episcopus Mettensis, unde Theodonis villa capellam domni 
»Ludovici pii imperatoris, instar Aquensis inceptam, ne perliceretur aut 
»pro munimine haberetur destruxit.« 

Ludwig der Fromme hatte also in Diedenhofen einen Kapellenbau 
nach dem Muster der berühmten kaiserlichen Schlosskapelle in Aachen 
unternommen, welche Karl der Grosse 796—804 erbaute und mit 
seinem Schlosse in Verbindung setzte. Dieser Bau war nicht fertig, 
als er 939 aus Furcht davor, dass er vollendet als Festung benutz! 
werden könnte, zerstört wurde). Die Ansichten darüber, ob der Kaiser 
oder der Bischof die Zerstörung befahl — was aus dem Zusammenhang 
der Stelle nicht ganz klar ist — gehen auseinander; die Meisten 
schreiben sie dem Bischof zu. 

Es werfen sich hier einige schwer zu beantwortende Fragen auf. 
Warum hatte man den Bau über ein Jahrhundert lang unvollendet 
liegen lassen? War die unfertige Kapelle in Benutzung genommen ? 
Gehürte sie dem Abte der Maximinenkirche oder haben wir uns eine 
andere ecclesia als Gegenstand der kaiserlichen Schenkung zu denken ? 
Berücksichtigt man nur die 940 erfolgte Erneuerung oder Bestätigung 
der Schenkung, so sollte man sagen, dass eine zerstörte Kirche nicht 
wohl Gegenstand einer kaiserlichen Schenkung sein kann. Andererseits 
ist es einigermassen unwahrscheinlich, dass die Pfalz zwei Kirchen 
hatte, obwohl dies in Goslar z. B. in späterer Zeit der Fall war. Wenn 
der Bau Ludwigs des Frommen — was im Mittelalter öfter vorkam 
unfertig benutzt worden ist, so kann man immerhin annehmen, dass 
im ersten Drittel des 10. Jhdts., als die Kaiser, wie erwähnt, sich nicht 
mehr in Diedenhofen aufhielten, Heinrich I. die als solche nicht oder 
nur wenig mehr benutzte Palastkapelle dem Kloster schenkte. Voraus- 
gesetzt, dass die Kapelle, wie anderswo und an sich wahrscheinlich, 


1) Vgl. Teissier a. a. O. S. 206. 
2) Ser. I, 618. 
3) Das »aut« im Texte muss man sich dem Sinne nach durch ein »et« 


ersetzt denken. 


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im Bering des Palatiums lag, so waren die anderen (Gebäude dieses 
letzteren, wenn sie damals noch bestanden, offenbar weniger geeignet, 
befestigt zu werden. Sonst wären sie wohl auch zerstört worden. 

Die Zerstörung der Kapelle wird man sich so zu denken haben, 
dass im äussersten Falle alles Mauerwerk über der Erde abgetragen 
worden ist. Zu einem Abbruch der Fundamente lag keine Veranlassung 
vor, weil sie nicht zu Verteidigungszwecken dienen konnten. Es ist 
daher wohl möglich, dass die Fundamente noch vorhanden sind und 
dass sie einmal gefunden werden. 

Es liegt auf der Hand, dass Diedenhofen abnehmen musste, als 
es sich nicht mehr der Vorteile eines zeitweiligen Aufenthaltes der 
kaiserlichen Hofhaltung erfreute. Denn hier fehlte Handel und Industrie 
oder eine andere Veranlassung, welche einem kleinen Gemeinwesen 
zur Blüte verhelfen konnte. Um die Mitte des 10. Jhdts. erscheint der 
Ort im Besitze der Grafen von Luxemburg, welche sich allmählich 
eine starke Hausmacht gründeten. Die Kaiser hatten wohl nur noch 
ein Absteigequartier in ihrer ehemaligen Pfalz, wo sie sich sehr selten 
aufhielten. 

977 Mai 10 und 11 urkundet Otto IL in Diedenhofen, 993 
Mai 9 Otto II. »in villa Dedonise, 1003 Januar 15 Heinrich IL, 
der in diesem Jahre eine Versammlung der Grossen von Oberlothringen 
hier abhielt. 

Aus der späteren Geschichte des Orts sei hier nur kurz er- 
wähnt, dass Diedenhofen ungefähr ein halbes Jahrtausend, bis 1462, 
in Luxembursischem Besitz geblieben ist, bis 1354 unter den Grafen, 
später unter den Herzogen. Die Luxemburger haben also das Erbe 
der ehemals karolingischen Pfalz angetreten. 

Auf eine kurze Regierung der burgundischen Herzöge (bis 1477) 
folgte diejenige des habsburgischen Hauses (bis 1519), darauf die 
spanische (bis 1643) und dann die französische Herrschaft (1643-1870). 


Deutz. 


Oestlich von Diedenhofen, auf dem anderen, rechten Moselufer 
liegen die Dörfer Niederjeutz und Oberjeutz. Letzteres befand sich bis 
1815 auf einer anderen Stelle, näher der Stadt und näher bei Nieder- 
jeutz, zwischen dem Jeutzer Fort und den Schiessständen. Sein alter 
verfallener Kirchhof, bei welchem ein Steinkreuz dem Zusammensturz 
nahe ist, findet sich nächst der nach Illingen führenden Landstrasse 
im Messtischblatte vermerkt. Die Veränderung in der Lage ist zu dem 
Irrtume Veranlassung gewesen, dass in der Karte S. 16—17 des Werkes 


— 201 — 


»Die alten Territorien des Bezirks Lothringen nach dem Stande vom 
1. Januar 1648«'), I. Teil, Oberjeutz an seiner jetzigen Stelle einge- 
tragen ist. 

Niederjeutz und Oberjeutz waren beides Dörfer der seigneurie de 
Meilberg ?). 

Stemer, Traité du département de Metz’), giebt S. 473 
folgende Beschreibung: »Yutz, Village, divisé en haute et basse, La 
»haute Yutz est le premier village en sortant de Thionville par la porte 
»du Pont, à droite de la Moselle: il est destiné à être démoli pour 
»augmenter les fortifications de la Ville. La basse Yutz est aussi à 
»droite de la Moselle, et dans le même cas ci-dessus: l'Eglise parois- 
»siale de ces Villages est près de la basse Yutz. La tradition porte 
‚que l'on y a tenu un Concile vers lan 814 . . . .«. — Gemeint ist 
die Synode von 844. 

Die schon damals ins Auge gefasste Zerstörung wurde 60 Jahre 
später zur Thatsache. Teissier sagt hierüber *): »Yutz, dont le nom est 
»ecrit dans les auteurs et sur les cartes géographiques Jeust, Jeutz, 
» Judz etc. et en latin Judicium, est encore aujourd'hui un village 
»considerabie, qui n’est séparé de Thionville que par la Moselle: plus 
»de la moitié des maisons sont dans le rayon de défense de la place: 
»c’est cette position qui a servi de prétexte, en juin 1815, au com- 
»mandant supérieur de Thionville pour faire détruire l’antique monu- 
»ment, siège de la diète et du concile de 844«. Der erwähnte Kom- 
mandant war der General Hugo, der Vater des Dichters Victor Hugo, 
welcher Oberjeutz in der Nacht vom 25. zum 26. Juni 1815 verbrennen 
und zerstören liess, weil es dem Heere der Verbündeten im Januar 1814 
einen Stützpunkt bei der Beschiessung der Stadt geboten hatte. Diese 
Massregel erregte grossen Unwillen, nicht nur bei den Betroffenen. In 
einem Werke, welches dem General selbst zugeschrieben wird, aber 
auf dem Titelblatt einen anderen Namen trägt: »Journal historique du 
blocus de Thionville en 1814 et 15«°), heisst es S. 115: >Les envi- 
»rons de la place furent découverts à 500 mètres seulement, et au 
»srand regret du général le hameau de Haute-Yutz se trouva compris 
»dans le razement.« S. 172 ff. wird die Massregel verteidigt. 


1) Strassburg 1898. 

2) De Bouteiller, Dictionnaire topographique de l’ancien département de la 
Moselle. 

3) Metz, Collignon 1756. 

Les 2% 

5) Blois 1819. 


Bei der Zerstörung des Dorfes wurde auch die Kapelle von 
Oberjeutz niedergelegt, und man fand in ihren Trümmern eine Anzahl 
von Ziegeln mit Inschriften'). Es scheint, dass Teissier hauptsächlich 
diese Kapelle im Auge hat, wenn er von der Zerstörung des alten 
Monumentes spricht. Das würde allerdings nicht mit der obigen Schluss- 
bemerkung von Stemer stimmen, nach welcher die Synode in der 
Pfarrkirche von Niederjeutz stattgefunden hätte. 

Die hier bestehenden Zweifel sind bis heute nicht gehoben. So 
viel ist aber sicher: beide Kirchen waren nicht die ersten auf ihrem 
Platze, sondern Ersatzbauten. Zeichnungen davon sind mir nicht bekannt, 
abgesehen von kleinen Grundriss- und auch Ansichtsskizzen ın Plänen. 
So ist in einem in der Metzer Stadtbibliothek befindlichen »Plan de la 
ville de Thionville 1643 assiegée par l'armée du Roy u. s. w.« die 
Kirche von Oberjeutz grösser gezeichnet und umgekehrt orientiert wie 
diejenige von Niederjeutz (»Nider-Jycits«). Aber der Plan ist bezüglich 
der Kirchen sehr ungenau, denn sie sind alle nach einem und dem- 
selben Grundrissmuster dargestellt, welches in den meisten Fällen nicht 
zutrifft. Ein anderer Plan aus 1766 (ebenfalls auf der Metzer Stadt- 
bibliothek) hat die Niederjeutzer Kirche richtig als Kreuz inmitten des 
Kirchhofs liegend; in Oberjeutz ist keine Kirche verzeichnet. In der 
Berliner Ruhmeshalle befinden sich grosse Reliefmodelle von einer 
Anzahl französischer Festungen aus der ersten Hälfte des vorigen Jahr- 
hunderts, darunter auch eins von Diedenhofen. Es ist nicht ausge- 
schlossen, dass hieraus einige Klarheit gewonnen wird; ich konnte das 
Modell selbst nicht einsehen. 

In einem Katasterplan von 1807, welcher auf dem Bürgermeister- 
amt Niederjeutz aufbewahrt wird, sind kleine Ansichten beider Kirchen 
eingetragen. Oberjeutz erscheint als einschiffiger Langbau mit einer- 
seits angefügtem plattgeschlossenen Chor und andererseits vorgebautem 
Turm, der eine Zwiebelkuppel trägt. Das Chor lag anscheinend nach 
Westen. Die Niederjeutzer Kirche erscheint nur als Turm, viereckig 
und mit einfachem Pyramidendach bekrönt. Vielleicht war die Kirche 
damals schon abgetragen. 

Oberjeutz war nur bis zum 19. März 1810 eine selbständige Ge- 
meinde und wurde dann mit Niederjeutz vereinigt. Zur Pfarrei des 
letzteren Dorfes gehörte es schon früher, ebenso wie Mackenheim und 
Künzig mit dem Meierhof Helpert und der Kapelle Hennequin. 

Nach dem Frieden bauten die Einwohner mit Hülfe des Königs 
Ludwig XVII, der ihnen Beisteuern und Holz verschaffte, den Ort an 


1) Teissier |. c. S. 476 u. 429. 


— 203 — 


der jetzigen Stelle wieder auf!). Er wurde dann wieder eine eigene 
(Gemeinde. 

Die älteste dem Namen nach bekannte Persönlichkeit aus Jeutz 
wird in der Lebensbeschreibung der h. Glodesindis erwähnt?). Hier 
heisst es »Fuit quidam vir, Odilulfus nomine, faber imperatoris, de 
villa, euius vocabulum est Judich« und zu der Ortsbezeichnung sagt 
eine Anmerkung »Ita codex S. Huberti, sed Trevirensis habet Vidihe, 
»Blaburensis Judith. Vitae secundae exemplaria omnia locum hunc 
»latine apellant fudicium. Est autem ludieium, vulgo Judae.« Der Mann 
hatte einen Teufel im Leibe, den er durch eine Wallfahrt zum Grabe 
der Heiligen in Metz verlor. Die Begebenheit wird ins 9. Jahrhundert 
gesetzt. — Damals also wie heute wohnten Leute in Jeutz, welche 
in Diedenhofen beschäftigt waren. 

Jeutz ist eine alte Culturstätte. Man hat daselbst von Alters 
her Funde der verschiedensten Art gemacht. Schon Teissier ?) er- 
wähnt Münzfunde, ebenso Abel#) und Robert”). In der Sitzung der 
Metzer (Gesellschaft vom 12. 11. 1863 teilte ein Herr Krismann mit, 
man fände in der Umgebung des alten Niederjeutzer Kirchhofs auf 
mehreren ihm gehörigen Feldern ziemlich oft römische Münzen, 
meist solche der ersten Kaiser, aber auch besonders viele von 
Constantin. Sie lägen zusammen mit Bruchstücken von Töpfer- 
geschirr verschiedener Farbe und grossen Dachziegeln®). Hiermit 
übereinstimmend berichtete lange vorher Victor Simon in einer 
archäologischen Notiz über Metz und seine Umgebung ”), Jeutz sei be- 
merkenswert wegen der grossen Anzahl von Geschirr- und Ziegel- 
trümmern, die sein Boden berge, es müsse sich daselbst eine römische 
- Töpferei befunden haben. Erwähnt und abgebildet sind an dieser 
Stelle einige damals gemachten Funde, ein Thränenfläschchen, ein Ge- 
wicht in Pyramidenform und eine irdene Lampe. Das Thränenfläschchen 
wurde bei der Gründung einer damals gerade gebauten Kaserne aus 
einer Tiefe von 4-5 m zu Tage gefördert. Es handelt sich hier wohl 


1) 1817; vgl. Viville, dictionnaire du département de la Moselle, Metz 1817, 
Tome II, S. 449. 

2?) A. SS. Julii Tome VI. Vita antiquior S. Glodesindis virg. S. 208. 

8) L.: c. S. 429. 

+) Keltische: M&m. d. 1. Soc. d’Arch. et d’Hist. de la Moselle 1862, S. 222. — 
römische: Mém. 1887, S. 116. 

5) Merovingische: Mém. 1860. 

8) Bull. Mos. VI, 1863, S. 155 f. 

7) Acad. de Metz 1841, 151 f. 


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um das Cavallerie-Kasernement, welches im Jeutzer Fort, also auf der 
rechten Moselseite gelegen ist und um diese Zeit gebaut wurde. 

Beim Bau der Aktienbrauerei St. Nicolaus zu Niederjeutz wurde 
1898 der Schatz- oder Depotfund aus dem späteren Bronzezeitalter 
entdeckt, welcher jetzt eine Zierde des Metzer Museums bildet. Auch 
stiess man bei demselben Bau auf eine römische Ziegelei, und von 
dem Konservator des Museums, Herrn Keune, wurden die Reste eines 
römischen Ziegelofens ausgegraben, welcher Ziegel mit den Stempeln 
der Fabrikanten Pariator, Florentius, Virisimus und Adiutex — letzterer 
um 310 — lieferte!). Ein vor 60 Jahren gefundener Ziegelstempel 
Adjutex ist für Simon?) die Veranlassung gewesen, ihn irrtümlicher 
Weise mit dem römischen Ortsnamen Judicium in Verbindung zu bringen, 

Im März 1900 traten in der Nähe der erwähnten Brauerei, aber 
mehr nach Südwesten, auf einem Grundstücke des Bauunternehmers 
Kraemer, das zur Sandgewinnung ausgebeutet wurde, die Kellermauern 
eines römischen Hauses zu Tage, bei welchen Scherben, bemalte Stuck- 
reste und Münzen gefunden wurden. Auch früher schon hatte Kraemer 
unfern dieser Stelle andere römische Fundamente, Schwerter, Münzen 
und Bruchstücke einer Bildsäule gefunden. 

Von einem Gräberfunde weiss Abel im 17. Bande 1887 der 
Memoires de la Soc. d’Arch. et d’Hist. de la Moselle zu berichten. Es 
heisst da S. 116: »Im Norden von Niederjeutz haben die Arbeiten an 
»der Eisenbahn nach Sierck zur Entdeckung eines vollständigen fossilen 
»Mammuths geführt, welches ins Berliner Museum gekommen ist. In 
»derselben Sandschicht, am Fusse des Dorfes, fand man vor einigen 
» Jahren eine beträchtliche Reihe von Gräbern, welche aus ausgehöhlten 
»weissen Steinen bestanden, die mit grossen Platten bedeckt waren. 
»Diese trugen das Zeichen der Ascia. Innen fand man neben mensch- 
»lichen Gebeinen gewöhnliches Geschirr und spätrömische Münzen, 
»darunter einen Constantin mit der Wölfin.« 

Es unterliegt also keinem Zweifel, dass Niederjeutz zu gallo- 
römischer Zeit bewohnt war und schon damals ein blühendes Cultur- 
leben aufzuweisen hatte. Ob.die Angabe Huhns?) »es liege 60 m 
nordöstlich von einem alten Römerlager« begründet ist, weiss ich/nicht. 


‘) Vgl. hierzu Keune im Korrespondenzblatte der Westdeutschen Zeitschrift 
für Geschichte und Kunst, Jahrgang XVII 1898 No. 12, und Jahrbuch der Gesell- 
schaft für Lothringische Geschichte und Altertumskunde 1899, S. 374, 378. 

*) Acad. de Metz 1841, S. 152. 

®) Deutsch-Lothringen S. 318. 


— 205 — 


Als Mittelpunkt der Siedlung ist nach den bisher bekannt gewordenen 
Funden das genau östlich von Diedenhofen liegende Gelände anzunehmen. 

Das ehemalige Oberjeutz ist wahrscheinlich gleichaltrig mit Nieder- 
jeutz. Auch hier sind römische Ziegel gefunden worden, z. B. zwischen 
den Schiessständen und der Mosel in der Nähe der letzteren und beim 
Abbruch der vorher!) erwähnten Kapelle, welche auf dem alten Kirch- 
hof gelegen hat. Die beiden verlassenen Kirchhöfe sind überhaupt für 
beide Dörfer die letzten noch gerade erkennbaren zu Tage liegenden 
Spuren ihrer alten Vergangenheit. Von demjenigen in Niederjeutz be- 
richtete Abel in der erwähnten Sitzung der Metzer Gesellschaft vom 
12. November 1863), er sei von der (Gemeinde verkauft worden und 
diese habe es vorläufig für zweckmässig erachtet, seine Umfassungs- 
mauer niederzulegen, um ihre Wege neu zu beschottern. »Diese Mauer 
»hatte das Merkwürdige, dass sie aus Lagen von Steinen errichtet war, 
»welche mit Reihen dicker und grosser Ziegel mit Rillen abwechselten, 
»was auf eine alte römische Bauweise hindeutet. Die Ortsüberlieferung 
»ist die, dass sich an dieser Stelle ein alter römischer Tempel be- 
»funden hat, welcher durch ein christliches Bethaus verdrängt wurde. 
»In diesem Bethause wurde 846 ein Concil abgehalten. Das Bethaus 
»ist 1571 durch eine kleine gotische Kirche ersetzt worden, welche 
»mit prismatischen Graten gewölbt und durch vier grosse Fenster mit 
»Stabwerk erleuchtet war. Sie war geostet und hatte die Form eines 
»lateinischen Kreuzes. Von Diedenhofen führte — zweifelsohne über 
seine Fähre — ein Weg zu dieser Kirche; er ging noch weiter bis zu 
»der Römerstrasse, welche Oberjeutz mit Walmesdorf verband. Diese 
»Verbindungsstrasse besteht noch, sie heisst in einem Teile ihres 
»Laufes »Kem« und in dem übrigen Teile »Weg der Königin«. Der 
»Weg von der Kirche zum Kem ist nicht mehr vorhanden, aber man 
»kann ihn noch erkennen in mehreren Ackerfurchen in der Nähe der 
»Brennerei des Herrn Krismann, in welchen er sich durch die Ueppig- 
»keit des Pflanzenwuchses auszeichnet. « 

Nachdem seit dieser Mitteilung mehr als ein Menschenalter ver- 
flossen ist, sind auch diese letzten Spuren verschwunden. Das Kris- 
mannsche Anwesen befand sich auf dem Gelände der jetzigen 
Aktienbrauerei. 

Jeutz war im frühen Mittelalter Hauptort der gleichnamigen 
Gaugrafschaft, des pagus Judiacensis oder comitatus Judicii, welcher 
wiederholt erwähnt wird, z. B. in einer Urkunde Ottos I. für 

1) S, 202. 

?) Bull. Mos. VI 156. 


— 206 — 


die St. Petersabtei in Metz vom Jahre 960, welche als in comitatu 
Judiei gelegen aufführt Petraevillare et Villare et Seimaricurtem. Das 
Gebiet der Grafschaft lag zu beiden Seiten der Mosel. Die genauen 
Grenzen sind nicht bekannt, auch nicht in welchem Verhältnisse die 
nähere Umgebung von Diedenhofen zu der Grafschaft stand. Die Pfalz 
selbst hatte als fiscalischer Besitz wohl ihre eigene Gerichtsbarkeit. 
Auf die Stelle des Grafenschlosses deutet vielleicht ein (rewann-Name 
»am Schloss« gegenüber dem Eingang der Schiessstände nördlich von 
letzteren, also im ehemaligen Oberjeutz. Möglicherweise im Gegensatze 
hierzu wurde früher das stattlichste ältere Haus in Niederjeutz, welches 
noch jetzt das Gepräge eines Herrenhauses trägt und Eigentum des 
Herrn Blaise ist, mit der Nachbarschaft als petit chäteau bezeichnet. 
Es ist dasjenige in nordöstlicher Richtung vom alten Kirchhofe gelegene 
Anwesen, hinter welchem die »Herrengasse« nordwestlich von der 
Hauptstrasse abzweist. Das südlich gelegene Gelände, auf welchem 
die oben erwähnte römische Kelleranlage gefunden wurde, heisst im 
Volksmunde der »Schlossgarten «'). 

Zu dem Lageplan Fig. 2 ist noch Folgendes zu bemerken. Der 
frühere Weg von Diedenhofen nach Oberjeutz überschritt den Canal da, 
wo jetzt das obere Schleusenkasernement sich befindet; er ist punktirt 
gezeichnet. 

Zur Zeit der Belagerung von 1558 befanden sich auf dem rechten 
Moselufer noch keine Festungswerke. Um die Mitte des siebzehnten 
Jahrhunderts war »vor dem Thore nach der Siercker Seite« ein grosses 
Hornwerk vorhanden. Anfangs des achtzehnten Jahrhunderts hielt 
man das Hornwerk zu schwach im Verhältnis zu der starken Stadt- 
befestigung und Cormontaigne, ein Schüler Vaubans, entwarf und baute 
ein Kronwerk mit allem Zubehör ?). Um 1750 wurde das Werk er- 
weitert und das Fort in der Gestalt erbaut, welche es bis heute im 
Wesentlichen behalten hat”). 

Vor 1675 gab es unseres Wissens keine feste Verbindung zwischen 
den beiden Moselufern. In diesem Jahre baute ein Hauptmann Salz- 
seber die erste Brücke, welche aus einem bedeckten Holzbau auf 
Steimpfeilern bestand. Schon 1681 wurde sie vom Eise zerstört, dann 
aber von ihrem Erbauer solider wiederhergestellt. Sie galt lange Zeit 
als ein Wunder der Baukunst, aber schon zu Teissiers Zeiten hielt 
man es für ein noch grösseres Wunder, dass sie immer noch nicht 


1) Nach frdl. Mitteilungen des Herrn Baurat Morlok. 
*) Un vaste ouvrage nommé le Couronné d’Yütz. 
®) Le fort de la Double-Couronne; vergl. Teissier a. a. O. S. 178. 


on — 


eingestürzt war: so baufällig war sie im Laufe der Zeit geworden. 
Doch wurde sie erst 1846 durch die jetzige Steinconstruction ersetzt. 
Eine auf den Bau geprägte Medaille befindet sich im Metzer Museum. 
Bei niedrigem Wasserstande kann man die Pfeilerfundamente der alten 
Brücke, welche auf dem Titelbilde von Teissiers Werk dargestellt ist. 
nordöstlich von der jetzigen noch in der Mosel erkennen. 

Die Römerstrassen, für welche die Bezeichnung »le Kem« noch 
überliefert ist, sind links und rechts der Mosel in dem Plane ein- 
getragen. 

Im östlichen Teile der Stadt, in deren Grundriss eine dunkle 
Linie den älteren Teil von dem neueren scheidet, bezeichnet ein schwarzer 
Fleck die Stelle des luxemburgischen Schlosses, welche in Fig. 3 nach 
dem besten vorhandenen allerdings auch ungenauen Plane in grösserem 
Massstabe dargestellt ist. Diese Darstellung — im Wesentlichen einer 
Zeichnung aus 1813 entsprechend — kann nur im Allgemeinen über 
die Lage der verschiedenen Gebäude zu einander unterrichten. 


Das Schloss in Diedenhofen. 


Von der Königspfalz der Karolinger, dem gewiss glanzvollen 
Wohnsitze unserer fränkischen Könige, liegen in Diedenhofen keine 
Reste mehr zu Tage. Die Aufsuchung ihrer zweifelsohne noch vorhan- 
denen Fundamente ist eine Aufgabe, die nicht nur grosse Opfer an 
Zeit und Geld erfordert, sondern auch besonders günstige Umstände 
bedingt, wie sie vielleicht bald eintreten können, wenn die in Aussicht 
genommene Niederlegung der Festungswälle zur Thatsache wird und 
dann auch der Wall zwischen Schloss und Mosel fällt. Es ist nämlich 
in hohem Grade wahrscheinlich, dass man diese Reste an der Stelle 
des jetzigen Schlosses und im Bereiche seiner Umgebung finden wird. 
Hierfür spricht nicht nur die von Alters her an der Stelle haftende 
Ueberlieferung, sondern auch der Umstand, dass wir hier offenbar den 
ältesten Teil und die ursprünglich am höchsten gelegene Stelle der 
Stadt vor uns haben. Wie schon erwähnt, liegt es nahe anzunehmen, 
dass die Luxemburgischen Grafen das Krongut der Kaiser übernommen 
und es zum Teil zu einer festen Burg ausgebaut oder eine solche auf 
dessen Stelle neu errichtet haben. 

Die von Teissier !) geäusserte Ansicht hierüber halte ich für 
richtig. Er sagt ungefähr folgendes: Es ist nicht wahrscheinlich, dass 
Diedenhofen vor dem 10. Jahrhundert mit Mauern umgeben war, weder 
was den eigentlichen Palast noch was die sonst etwa vorhandenen Häuser 


Dita 9 en eye 


— 208 — 


anbelangt. Erst die Einfälle der Normannen (und Ungarn?) waren die 
Veranlassung der Befestigung. Das jetzige sogenannte Schloss ist gewiss 
die Stelle des Lehnssitzes der Grafen von Luxemburg. 

Es verlohnt sich auf dieses ehemalige Schloss näher einzugehen, 
sowohl weil es an sich nicht ohne Interesse ist, als weil die Beschreibung 
des jetzigen Zustandes zukünftig einmal von Nutzen sein könnte. 


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a | = Stast- er ll. sy Ceureg. 
MNMBGosefoeife. 


Fig. 9: Lagtpfars des alles. Fhtosses 4:2000. 


Der Schlosshof in Diedenhofen bietet ein malerisches Bild. Durch 
einen von zwei Türmen flankirten Thorbau a — im Lageplan Fig. 3 — 
den sogenannten Zwillingsturm '), tritt man von der engen mit hohen 
Häusern eingefassten Schlossgasse aus hinein und erblickt nun ver- 
schiedene Bauten, die teils dem frühen Mittelalter, teils der Spätgotik, 
teils der Renaissance und teils der Neuzeit entstammen. (Gerade vor 
uns zur Rechten steht ein modernes grosses Wohnhaus b — jetzt im 
Besitze des Herrn Marchal — offenbar auf alten Fundamenten und 
unter Benutzung vorhandener Mauern errichtet, während zur Linken 
ein im Aufbau reichgegliedertes stark gruppiertes Gebäude ce aus spät- 
sotischer Zeit sich erhebt, welches man hin und wieder chäteau de 
Thion nennen hört. Dieses Gebäude steht frei im Schlosshof und ist 
seit langer Zeit im Besitze der Familie Obercontz. 

Geht man rechts daran vorbei, unter dem Bogen durch, so steht 
man in ein paar Schritten vor dem Flohturm d. Geht man links 


1) Vergl. das allerdings nicht von der Strasse, sondern von einem hohen 
Standpunkte aufgenommene Titelbild Fig. 1. 


— 209 — 


vorbei, so stösst man auf ein anderes (tebäude — im Lageplan e 
welches vom chäteau de Thion durch einen kleinen Zwischenraum 
getrennt ist und fast einen rechten Winkel mit ihm bildet. Es ist ein 
stattliches, mit vielen gewölbten Räumen versehenes Renaissancehaus, 
welches in neuester Zeit von den Schwestern in Peltre zu Schulzwecken 
erworben worden ist. In diesem Gebäude, dessen stark beschädigte mit 
Medaillons geschmückte Pilaster und gewölbtes Portal auf die Mitte 
oder den Ausgang des 16. Jahrhunderts weisen, befanden sich angeblich 
die Küchen Karls des Grossen. Stemer!) sagt mit Bezug auf ihn: »sa 
demeure étoit la maison qui appartient à M. le baron d’Eltz, au haut 
du Château; on y voit encore les cuisines de ce Roi« ?). Ich konnte 
den betreffenden Raum nicht finden, auch wissen die jetzigen Bewohner 
nichts mehr von dieser Ueberlieferung. 


Der Zwillingsturm 


in französischen Kärten als »tours jumelles« bezeichnet, ist als Thorbau 
der Burg aufzufassen, und entspricht als solcher ziemlich genau der 
Musterbeschreibung, welche in verschiedenen Werken von derartigen 
Anlagen gegeben wird. So heisst es bei Schultz »Höfisches Leben zur 
Zeit der Minnesänger« I, 54: »Das Thor liegt gewöhnlich in einem 
»Turme oder, und das ist die Regel, die Thorhalle wird von zwei 
»Türmen flankiert, oft sogar noch von einem Turme selbst überragt, 
»so dass die Befestigung des Thores in der That einer kleinen Burg 
»verglichen werden konnte«. Nach Köhler »die Entwicklung des Kriegs- 
wesens und der Kriegsführung in der Ritterzeite 3. Band finden sich in 
den Stadt- und Burgenumfassungen des Mittelalters nach römischer Art 
am häufigsten Thortürıne oder zwischen zwei Türmen liegende Thore. 
Piper *), dem diese Hinweise entnommen sind, sagt, die Gestaltung des 
Thores zu einem festen Turmbau und zumal die beiden Seitentürme 
seien zwar bei Stadtbefestigungen gewöhnlich, bildeten aber sonst eine 
seltene Ausnahme; vielmehr unterschiede sich der Thorturm der Burg 
in der Regel nicht wesentlich von einem gewöhnlichen Berchfrit. Da 
es sich hier nicht um ein Stadtthor handelt, so hätten wir nach Piper 
eine seltene Ausnahme vor uns, hingegen nach Schultz die Regel. 
Der Zwillingsturm hat bisher wenig Beachtung gefunden. Die 
Innenseite vom Schlosshofe gesehen bietet nichts Merkwürdiges 


I. Ne. ar U. De 108. 

®) Bei Kraus, Kunst und Altertum in Lothringen S. 91 ist irrtümlich von der 
»Kirche« statt »Küche« Karls d. Gr. die Rede. 

») Burgenkunde S. 315 ff. 


ON = 


und die Aussenseite, wie sie schmucklos aber kraftvoll zu den bekrünenden 
Zeltdächern emporstrebt, wird leicht übersehen in der engen Schloss- 
gasse, weil der richtige Standpunkt fehlt). Und doch dürfte der Turm 
als ein ziemlich erhaltenes Beispiel einer derartigen spätmittelalterlichen 
Anlage eine geometrische Aufnahme verdienen. Eine solche ist auf der 
Tafel in einem Grundriss und zwei Schnitten durch die Thorhalle 
gegeben (Fig. 4—6). 

Die beiden Seitenbauten, deren aussen halbrunde, innen recht- 
eckige Form sich bis in die ältesten Zeiten der Geschichte verfolgen 
lässt sie findet sich nicht nur bei den Römern, sondern auch bei 
den Griechen, z. B. in der aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. stammenden 
Festungsmauer von Messene ?) — haben wie bei den inneren Türmen 
des Deutschen Thores in Metz eine lichte Breite von 2,80 m. Die 
Thordurchfahrt ist 3,75 m breit, der Schlitz für das Fallgatter noch 
kenntlich, der Thoranschlag mit den Kopfeisen noch vorhanden. Die 
äusseren Fenster sind zum Teil nachträglich eingebrochen. 

Merkwürdig waren die Eigentumsverhältnisse des Turms. Der 
Grund und Boden sowie das untere Geschoss wurden teils von der 
Stadt, teils von vier Privatpersonen benutzt und als ihr Eigentum be- 
trachtet. Die beiden Obergeschosse und das Dach sowie die von unten 
heraufführende Treppe waren Eigentum der Heeresverwaltung, sind aber 
von dieser vor kurzem an die Stadt verkauft worden. Worauf sich 
die Besitzverteilung im Erdgeschoss gründet, konnte nicht festgestellt 
werden, da weder die Stadt, deren Archiv bei der Beschiessung 1870 
teilweise zerstört wurde, noch auch die Privatleute Auskunft zu geben 
oder Besitztitel beizubringen vermögen. Die Durchfahrt unter dem 
Thorgewölbe verbindet den Schlosshof, in welchem sich eine ganze 
Reihe von Wohnungen befinden, mit der übrigen Stadt. Vor 1870 
befanden sich in dem Zwillingsturm die Geschäftszimmer des fran- 
zösischen Artilleriedepots. Das Gebäude wurde damals und früher als 
»Turm am alten Jagdschloss in der Schlossstrasse« geführt. — Rechts 
und links schlossen sich die Burgmauern an und es gilt mit einiger 
Einschränkung noch heute was Teissier?) sagt: »Die mit ihrer Rück- 
»seite dem Schloss zugewendeten Häuser der Luxemburger Strasse 
»zeigen Spuren der alten Umwallung: in dem einen ist es eine Wölbung, 
»in dem anderen die Bekleidungsmauer eines Grabens oder das Wider- 
»lager eines Thorgewölbes. Vom Schlosse nach der genannten Strasse 


1) Vgl. oben S. 208 und Fig. 1, S. 188. 
?) Vergl. Merckel, die Ingenieurtechnik im Altertum, $. 425 ff. 
SA 200-2160: 


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»führte ein gewölbter Verbindungsweg, der für Wagen breit genug war, 
»seinen wohlerhaltenen Eingang sieht man in einer noch bestehenden 
»Scheune zwischen den Häusern der Herren Hans und de Mairesse.« 

In Fig. 1 erblickt man vor dem Zwillingsturm rechts in der 
Schlossgasse einen der für das alte Diedenhofen typischen Treppentürme. 


Der Flohturm 


französisch »la tour aux puces«, auch zuweilen »tour de Thion« ge- 
nannt, ist das merkwürdigste (rebäude des Schlosses. Er ist für mich 
die Veranlassung zu dieser Arbeit gewesen. Verschieden wird sein 


Fig. 7. Flohturm, Stadtseite. 


Ursprung erzählt. In einer Handschrift der Metzer Stadtbibliothek 
(No. 253) findet sich abschriftlich ein ziemlich wertloser Abriss der 
Geschichte Diedenhofens, welcher von den Augustinern herrührt, die 


sich 1655 in der Stadt niedergelassen haben. Dieser Abriss ist bis 
1773 von dem Bruder Hérault fortgesetzt worden. Darin heisst es 
S. 16: »Le seigneur Thion fit construire dans sa terre une maison de 
»campagne, dont il ne reste plus rien que cette tour qui est dans le 
»Chäteau de la ville sur le Rempart. Cette tour sert aujourd'hui de 
»magasin, c'est dans cet appartement que Thion logeait les gens qui 
»cultivaient et labouraient ‘ses terres. Quelque temps après on bâtit 
‚a Thionville un bourg qui n’était fermé que de simples murailles.« 

In den Jahrgängen 1853 und 54 der »Austrasie, revue de Metz 
et de Lorraine« hat Abel eine Studie über die Belagerung Diedenhofens 
i. J. 1558 veröffentlicht, welche »La Tour aux Puces« betitelt ist. 
Darin werden gleich zu Anfang zwei Legenden mitgeteilt, von denen 
jetzt nichts mehr im Lande bekannt ist. Abel sagt ohne seine 
Quellen anzugeben Folgendes: »Ce monument historique n’est connu 
»dans le pays que par des légendes que colportent l'ignorance et la 
»tradition. 

»A les en croire, après la conquête des Gaules, Thion centurion 
»romain, vint habiter les bords de la Moselle. Il était suivi d'une 
légion de vétérans. César lui avait donné ces terres pour les colo- 
»niser et les défendre contre les invasions des barbares. La premiere 
»pensée du général romain fut de se construire un chäteau-fort auquel 
»il donna son nom. Jl en fit son habitation, pendant que ses soldats 
»couchaient sous la tente. (Ceux-ci murmurèrent. Thion fit alors 
ériger dans l’intérieur de son château une tour d’une grande élévation. 
»]| v logea ses troupes. Dans cette tour, avec les vétérans, les puces 
»ne tarderent pas à élire leur domicile en nombre tel qu'il fallüt murer 
»la tour de peur d’inonder le pavs de ce fléau. 

»C'est ainsi que cet édifice porte, soit le nom de Tour aux puces, 
»soit le nom de Tour de Thion. 

» Une autre légende, empruntée à un genre d'idées tout difierent, 
»donne à la Tour aux puces une origine à la fois moins illustre et 
»moins ancienne. Elle raconte que Charlemagne aimant à chasser 
»l’'auroch dans les forêts arrosées par la Moselle, arrivait toujours à 
> Thionville suivi de nombreuses limiers. L’etendue de la meute ré- 
»clama un emplacement spécial dans le palais de Thionville. L’Empe- 
sreur fit élever une tour énorme qui conserva du séjour de ses hôtes 
»une telle population d'insectes parasites de la race canine que le 
nom de Tour aux puces en est resté au chenil imperial.« 

Abel fügt hinzu: »Ces traditions doivent être acceptées pour ce 
»qu’elles valent. Gardons nous bien néanmoins de les rejeter avec 


— 213 — 


_»mépris. Bien souvent le fond en est vrai, les accessoires seuls sont 


»créés par l'imagination des peuples qui se les transmettent.« 

Während diese Geschichten, wie erwähnt, im Volke nicht mehr 
bekannt zu sein scheinen, ist eine andere interessantere wenigstens 
noch in Spuren vorhanden. Einige ältere Leute haben sie in ihren 
Jugendjahren einmal gehört. Sie bezieht sich auf eine Prinzessin, 
welche im Turme gefangen gehalten worden sein soll. Das kleine, mit 
vergittertem Fensterchen!) versehene Gefängnis wird noch unter der 
Treppe gezeigt. Die Flöhe sollen die Prinzessin sehr gepeinigt oder 
sogar aufgefressen haben. 

Nach vielen vergeblichen Versuchen ist es mir vor Kurzem noch 
selungen, eine Niederschrift dieser Geschichte zu erhalten; ich verdanke 
sie der Tochter der bejahrten Besitzerin des chäteau de Thion, welche 
sie angeblich in ihrer Jugend von einer Lehrerin in der Schule gehört 
hat. »Au temps où vivait le bon roi Charlemagne de glorieuse mé- 
»moire, quand il faisait à notre pays l'honneur d'y venir chasser, la 
»joie était grande et l’on festoyait dru. Une princesse y fut amenée 
»comme otage et enfermée dans la grosse tour qui servait alors de 
»prison. Etait-elle normande ou saxonne, ou venait-elle d’ailleurs ? 
»Nul ne le sut jamais. La tour ayant été assiégée par des malandrins, 
»la pauvre fut oubliée, et quand après plus de huit jours le geölier 
»vint à son cachot, il la trouva morte de faim et de misère. S’etant 
»approché pour voir, s'il ne pouvait la secourir encore, il vit qu’elle 
Ȏtait couverte de puces qui en lui trouvant une proie vivante se 
»Jetèrent sur lui et tous les efforts que l’on fit pour détruire cette 
»vermine restèrent vains. Il mourut d'être divoré par les puces. Depuis 
»la prison fut appelée la tour aux puces. — Enfants, lorsque vous passez 
»devant la tour, saluez, car une femme y subit le martyre.« 

Man hört auch wohl den Turm als einen von denen bezeichnen, 
in welchen Karls des Grossen Tochter Emma gefangen gehalten worden 
sein soll. 

In den Legenden einen Anhalt finden zu wollen, der eine brauch- 
bare Erklärung des Namens »Flohturm« ermöglichte, scheint mir ebenso 
verfehlt wie den Namen mit fléau oder mit pucelle zusamımenzubringen. 
Ich bin vielmehr zu der Ansicht gekommen, dass der Name nicht den 
Legenden, sondern umgekehrt die Legenden dem Namen ihr Dasein 
verdanken. Vielleicht liegt dem letzteren das alte deutsche Wort »Fluh« 
zu Grunde, welches sich noch in »Nagelflue« findet. Es bedeutet eigentlich 


1) Fig. 18 (Tafel), 


ae 


eine »hervorstehende und jäh abfallende Felswand«, einen »Fels- . 
absturz«. Mhd.: die vluoch, gekürzt vluo, viü. Ahd.: die fluoh, fluah. 
Angelsächsisch flöh in flôh stänes - Steinmasse !). Dieses Wort, woraus 
auch im Allemannischen »floch, vlock, flock« geworden ist, bezeichnet 
im weiteren Sinne einen festen Stein, einen festen Steinbau. Bezeich- 
nungen wie »Stein«, »Fels« und Ableitungen dafür für Burg, Turm 
begegnet man in der Burgenkunde sehr häufig, auch Zusammensetzungen 
mit »Fluh< kommen vereinzelt vor, z. B. Fluhenstein im Allgäu, 
Herrenfluh im Wasgau. Im frühen Mittelalter gab es noch viele Holz- 
türme, sodass sich ein steinerner Turm auszeichnete und recht wohl 
als solcher benannt werden konnte. Wenn man den Flohturm ansieht, 
wie er als gewaltige Steinmasse kaum von irgend einer Oeffnung durch- 
brochen und ohne Zuthat anderer Baustoffe dasteht, so hält man auch 
heute noch, wo die Errichtung von Steinbauten die Regel bildet, die 
Bezeichnung »steinerner Turm« für nicht unangemessen; um wie viel 
mehr musste sie vor Jahrhunderten zutreffen, als die wenigen — 
übrigens später wieder vermauerten — Fenster noch nicht aus- 
gebrochen waren und nur einige schmale schiessschartenartige Schlitze 
sich im oberen Teile vorfanden! 

Das Volk verstand später den Namen fluoh nicht mehr, und nach 
volkstümlicher Umbildung wurde er zum »floh«, der mdh. »vlöch, 
vlö« heisst. 

Die französische Bezeichnung »la tour aux puces«, die wörtliche 
Uebersetzung von »Flohturm«, kann erst vor verhältnismässig kurzer 
Zeit gebräuchlich geworden sein, denn Diedenhofen lag im deutschen 
Sprachgebiete. In dem Werke von Ch. Rahlenbeck: Metz et Thion- 
ville sous Charles-Quint ?) heisst es S. 292 unten u. f.: »Le quartier de 
> Thionville était encore, au XVI siècle, entièrement germanique de mœurs 
»et de langage. Le fait est officiellement constaté par un document de 
»1542... Pour la ville et la prévôté de Th., sans en excepter un seul 
Sillaeer. , Ja langue allemande est seule employée.« Das ging sogar 
soweit, dass unter den Besitzern, deren Namen bekannt sind, kein ein- 
ziger ist »qui soit wallon ou gaulois«. 

Beim Flohturm ist der im Laufe der Zeit missverstandene Name 
die Veranlassung der Sagenbildung geworden. Ganz ähnlich hat sich 
der ehemalige Mauthturm bei Bingen in einen Mäuseturm verwandelt. 
Wie in diesem der Erzbischof Hatto von Mainz zur Strafe für seine 


') Vergl. Deutsches Wörterbuch von Dr. Weigand 1873, S. 479. 
?) Bruxelles 1880. 


— 215 — 


Grausamkeit von den Mäusen aufgefressen ward, so wurde im Floh- 
turm eine gefangene Prinzessin von den Flöhen verzehrt. 

Die Erklärung des Namens verdanke ich Herrn Direktor Besler 
in Forbach. Ihr wurde von Herrn Professor Follmann in Metz grosse 
Wahrscheinlichkeit zugesprochen. Im übrigen war letzterer der Ansicht, 
dass »Flohturm« möglicherweise auch auf mhd. Vluhtturn — Zulluchts- 
turm zurückgehen könne, da das alt- und mittelhochdeutsche vluht 
ebenso häufig refugium wie fuga bedeute. Bedenken aus der Oertlich- 
keit sind auch gegen diese Erklärung nicht zu erheben. 

Bevor ich zur Beschreibung des Bauwerks übergehe, ist es nötig, 
seines Vorkommens in der Geschichte und der vorhandenen älteren 
Beschreibungen kurz Erwähnung zu thun. 

Der Name Flohturm — in französischer Uebersetzung — kommt 
meines Wissens zum ersten Male vor in einigen Beschreibungen der 
Belagerung Diedenhofens 1558, z. B. in den Commentaires de Messire 
Blaise de Montluc (Bd. II). Hingegen haben die Mémoires de la vie 
du maréchal de Vieilleville (Tome 4) den Namen nicht, obwohl der 
Turm wiederholt erwähnt wird. 

Da das Gebäude wohl ein halbes Jahrtausend älter ist, so könnte 
dies auffallen, wenn es nicht eine bekannte und vielbestätigte Thatsache 
wäre, dass wir zwar von Kirchen meist viele, von Burgen aber meist 
wenige, zuweilen gar keine älteren Nachrichten haben. »Nur in seltenen 
»Ausnahmefällen wissen wir mit Sicherheit, wann ein burgliches Bau- 
»werk errichtet wurde« '). Dies hängt damit zusammen, dass im Mittel- 
alter die Geschichtschreibung fast nur von Geistlichen gepflegt wurde, 
denen der Gegenstand weniger nahe lag. Uebrigens haben wir von der 
Burg ältere Nachrichten, nur der Turm als solcher wird nicht früher 
erwähnt. 

jei der Belagerung von 1558 nun spielte er oder doch ein Turm, 
welcher von einigen Schriftstellern »Tour aux puces« genannt wurde, 
eine wichtige Rolle, so dass Abel seine erwähnte Studie danach beti- 
telte. Diese Studie bringt auf S. 427?) folgende: »Particularité à noter. 
»La tradition est en désaccord avec l'histoire, non point sur le nom 
»de la Tour aux puces, mais sur la construction qui portait ce nom, 
»la Tour aux puces actuelle n'étant précisément pas la Tour aux puces 
»du XVI siecle.« 

Diese Behauptung ist insofern richtig, als der Turm, welchen 
Montluc Flohturm nannte, aus verschiedenen Gründen, auf welche 

1) Piper, a. a. O. S. 25. 

?) Austrasie 1853. 


— 216 — 


einzugehen hier zu weit führen würde, nicht der heutige Flohturm 
gewesen sein kann. Ersterer ist vielmehr vollständig verschwunden; 
er lag der Mosel näher und erheblich tiefer, frei vor den Festungs- 
mauern. »Le tourillon-, sagt Vieillevilles Secretair Carloix, »avoit 
»plustost facon d’une fuye que d’une forteresse: excepté de la largeur 
»qui estoit grande, mais sans voulte ny couverture.« Bei der in Rede 
stehenden Belagerung wurde dieses »einem Taubenhaus ähnliche« 
Türmchen durch Geschütze gedeckt, welche auf einer Plattform standen; 
diese befand sich innerhalb der Stadt »à l’encoignure des remparts«. 
Vielleicht war diese Plattform der jetzige Flohturm, vielleicht aber ist 
auch sie verschwunden. Ich halte ersteres für wahrscheinlich. 

Es sind nun zwei Fälle möglich. Entweder ist der Name von 
dem verschwundenen Gebäude auf den jetzigen Flohturm übergegangen, 
oder aber Montluc und, wer etwa ausser ihm noch selbständig den 
Namen erwähnt, hat sich geirrt in der Bezeichnung. Das erscheint 
nicht so unmöglich, wenn man sich vorstellt, dass den auf der anderen 
Moselseite befindlichen französischen Offizieren — sowohl Vieilleville als 
auch Montluc nahmen persönlich an der Belagerung Teil — die einzelnen 
Türme wohl nicht durch Karten bekannt waren, sondern jedenfalls erst 
auf Befragen von den Dorfbewohnern bezeichnet wurden. Der Flohturm 
bezw. die Plattform und der »tourillon« lagen einander ganz nahe. 
Eine Verwechslung konnte vorkommen und ist wohl thatsächlich vor- 
gekommen. Für den Zweck des vorliegenden Aufsatzes kommt es auf 
den Namen des Bauwerks, welches beschrieben wird, weniger an. 
Wenn man den Verlauf der Belagerung und die Rolle, welche dabei 
der Flohturm, die Plattform und der Donjon des Schlosses gespielt 
haben, bei Abel nachliest, so wird man über diese letztere nichts 
weniger als klar, weil der Verfasser sich selbst nicht klar gewesen ist. 
Man kann aber soviel sagen: Das von Montluc als Tour aux Puces 
bezeichnete Gebäude war älter als die Festungsmauern: von diesen 
war es 4 Schritte‘), von der Mosel 7—8 Schritte entfernt?). Es war 
rings von einem Wassergraben umgeben und jedenfalls wohl ein Be- 
standteil des festen Schlosses der Luxemburger. 

Von unserem jetzigen Flohturm selbst giebt Abel folgende 
Beschreibung °): 

»C'est une lourde bâtisse qui domine le cours de la Moselle du 
»haut des remparts: une espèce de maison polygonale, sans fenêtres, 

1) F. de Rabutin. — Mém. sur l’hist. de France. 
?) B. de Montluc. — Mém. sur l'hist. de France. 
A4 10:45: 5405 f 


BT — 


»dont la circonférence de 500 pieds de diamètre (!) n'est éclairée que 
»par quelques rares meurtrières. Une toiture presque plane, en tuiles 
»creuses, couvre les deux tiers de l'édifice. Le tout est surmonté d'un 
»paratonnerre; ce qui vous annonce que vous vous trouvez devant un 
»magasin à poudre. .... La muraille qui regarde la ville accuse une 
»construction très ancienne. Elle est formée d'énormes blocs en grès 
»rouge soigneusement équarris, assis les uns sur les autres sans ciment, 
»se soutenant en vertu de leur propre poids. L'une de ces pierres de 
»taille a dû même servir à recouvrir une tombe antique comme le 
»revele une tête grossièrement sculptée en creux dans le grès à la 
»manière gauloise. Ces pierres de taille doivent provenir du pays de 
» Trèves qui, seul, renferme des carrières de cette espèce de grès. Elles 
»entraient comme principal élément dans les constructions titaniques 
»des Romains. Leur emploi, dans un monument, permet de supposer 
»qu'il est de création romaine ou d'une époque voisine de la domi- 
»nation du peuple géant dans nos contrées. 

»Ces blocs de grès en gros appareil se montrent encore sur 
»la paroi opposée qui fait face à la campagne, mais noyes dans le 
»mortier de chaux et de sable sous lequel les treize pans de la mu- 
»raille primitive apparaissent, Les arêtes en ont disparu sous les rac- 
»cords de moëllon, De grandes tranchées se détachent en blanc sur 
»le rouge sombre des pierres de taille comme autant de cicatrices 
»sillonnant la face d’un vieux guerrier. Ce sont des balafres véritables. 
»Ce sont les déchirures de la mitraille et du boulet.« 

Von den übrigen Erwähnungen des Flohturms, welche meist sehr 
kurz sind, sei hier noch diejenige von Kraus angeführt '): »In der Flucht 
»der Festungswerke steht der sog. Flohturm, ein Zwölfeck aus wohl- 
»gefügten grossen aber unregelmässigen Quadern construiert. Die noch 
»anstehenden Mauern mögen etwa 20° Höhe haben. Die Kanten zeigen 
»kein Buckelwerk. Man bemerkt hier und da gekuppelte ziemlich hohe 
»rundbogige Fenster, die jetzt vermauert sind; ausserdem einige kleine 
»ebenfalls geschlossene Mauerschlitze. Es ist schwer zu sagen, ob der 
»Turm ursprünglich bedeutend höher war; man sieht nach oben 
»keinerlei Abschluss. Da der jetzt der Artillerie dienende Bau unzu- 
»gänglich ist, war eine Untersuchung des Inneren nicht möglich. Die 
»Annahme, dass derselbe in das karolingische Zeitalter hinaufreicht, 
erscheint nicht ausgeschlossen, doch kann er auch so gut wie die ihm 
sehr ähnliche Pfalz in Egisheim der romanischen Periode seine Ent- 
»stehung verdanken. « 


1) Kunst und Altertum in Lothringen, S. 92 f. 


a 


Beschreibune des Flohturms. 


Der Turm liest im östlichen Teile der Stadt, im Bereiche des 
alten Schlosses, unmittelbar hinter Courtine II-III der Stadtbefestigung, 
welche sich längs der Mosel hinzieht, etwa 100 Schritte vom Brücken- 
thor. Er gehört zur Zeit noch der Heeresverwaltung und wird vom 
Artilleriedepot als Lagerraum benutzt: es ist aber in Aussicht genommen, 
ihn bei Gelegenheit der Stadterweiterung an die Stadt abzutreten mit 
der Bedingung, ihn zu erhalten und entsprechend auszubauen. An der 
Stadtseite sowohl wie an der Wallseite kann man unter der über- 
tünchenden Farbe noch die aus der Revolutionszeit rührenden In- 
schriften lesen : 

Propriété nationale 


Liberte, Egalite, Fraternite. 


Der Turm bildet im Grundriss kein Achteck, als welches er sich 
vielfach bezeichnet und dargestellt findet, auch kein Zwölfeck, wie 
Kraus meint, oder ein Dreizehneck, wie Abel angiebt, sondern ein Vier- 
zehneck, dessen umschriebener Kreis ungefähr 19m Durchmesser hat. 
Für einen Turm ist die Grösse eine ganz bedeutende. 

Das Gelände ringsum liegt jetzt verschieden hoch, weil an der 
Moselseite der Wall unmittelbar anstösst. Als der Turm erbaut wurde, 
war der Wall noch nicht vorhanden. Der Turm liest auch wegen 
einiger Anbauten nicht ganz frei, sodass man ihn nicht von allen Seiten 
in seiner ganzen Höhe sehen kann. Früher war er noch mehr ver- 
baut wie jetzt, wie z. B. aus dem Plane Fig. 3 sich ergiebt. An der 
am meisten freien Stelle kann man die noch vorhandene Höhe zu fast 
14 m annehmen, an der Wallseite beträgt die Höhe ungefähr 9 m. 


Das Aeussere. 


Das Mauerwerk zeigt aussen regelmässig behauene Quadersteine, 
deren Farbe und Grösse verschieden ist. An der Moselseite ist es zum 
grossen Teile verputzt, wohl um die vielen Kugelspuren zu verdecken \. 
Einige Kugeln stecken noch darin. Durchmesser etwa 15 cm. In 
Folge des Verputzes kann man auch die Ecken des Vierzehnecks hier 
nicht so scharf erkennen, wie auf der anderen Seite. 

Die Steine, deren verschiedene Färbung sich auf den Abbildungen 
Fig. 7 und 8 ersehen lässt, sind rot, grau und gelb. Sie stammen also 


') Vergl. die Beschreibung von Abel. 


=— 19 — 


nicht aus einem Bruche und sind wahrscheinlich teilweise aus altem 
Material zurechtgehauen. Die roten Quadern sind wahrscheinlich bei 
Sierck oder Apach gebrochen, die grauen stammen aus Escheringen, 
während die gelben, welche den Jaumontsteinen ähnlich sind, wohl 
aus der Neunhäuser (regend herrühren. 

Die Schichthöhe wechselt etwa 
zwischen 20 und 60 em. Die unteren 
Schichten haben zweckmässiger Weise 
die grösste, die oberen die ge- 
ringste Höhe, da mit der Höhe die 
Schwierigkeit des Aufbringens der 
Steine zunahm. Einige Quader- 
abmessungen in den Ansichtsmassen 
110:60, 100:60, 100:40, 80:60, 
60:40, 50:40, 40:60, 25:60 cm 
(Breite :Höhe). _ 

Löcher für die Steinzange sind 
nicht zu sehen. 

Zwei grosse plumpe Steinmetz- 
zeichen haben ungefähr die Formen 
und Abmessungen der Fig. 9 und 10 
(vel. Tafel). Ein drittes ähnliches ist 
nur noch schwach zu erkennen. 

Sie befinden sich an der Stadtseite 
in mittlerer Turmhöhe. Andere Stein- 
metzzeichen habe ich aussen nicht 
gefunden. 

Der Stein, welchen Abel als Teil 
eines gallisch-römischen (rabdeckels 
bezeichnet, ist in Fig. 11 abgebildet. 
Er befand sich unterhalb des ge- 
kuppelten Fensters links vom stadt- 
seitigen Eingang. Ich habe ihn heraus- 
nehmen und durch einen gewöhnlichen 
Quader ersetzen lassen, der in Fig. 7 
durch seine hellere Färbung kenntlich 
ist. Das Steinbild war in dieser Vermauerung nicht darauf berechnet, als 


Vom Aeusseren des Flohturms. 


solches erkennbar zur Erscheinung zu kommen, wie das wohl hin und 
wieder bei mittelalterlichen Bauten der Fall ist, denn die lotrechte Mittellinie 
des Kopfes lag wagerecht. Der Stein ist 48,5 cm lang, 28,5 cm hoch, 


220 — 


i. M. 35 em tief, nur auf der Vorderseite regelmässig behauen, doch 
hinten ziemlich glatt. Der Kopf ist in vertieften Linien roh gearbeitet. 
Auf der Rückseite des Steins befindet sich ein 
erob eingehauenes Kreuz von der Form 
Fig. 12, welches den christlichen Ursprung 
des Steins bestätigt. 

Der Turm schliesst nicht in einer Höhe ab, 
vielmehr ist der nach dem Walle zu gelegene 
Teil etwas höher. Der Uebergang ist in Fig. 8 
oben zu erkennen. Anfänglich war die Höhe natürlich gleich. Die 
einseitige Erniedrigung ist wahrscheinlich erst nach der Beschiessung 
von 1870 vorgenommen worden, welche an dem oberen Teil der Stadt- 
seite Zerstörungen verursachte. 1880 ist das alte Hohlziegeldach über 
dem wallseitigen Teile des Turmes, welches eine zu geringe Neigung 
hatte), durch eine Metalldeckung ersetzt worden. Bei dieser (Gelegenheit 
wurde der bis dahin noch unbedeckte linksseitige Hofraum mit einem 
Dache versehen, zu welchem man die gewonnenen Hohlziegel verwendete. 

Die beiden gekuppelten Fenster, welche im Schaubilde Fig. 7 zu 
sehen sind — in Fig. 17 ist eins geometrisch dargestellt — waren 
früher vermauert und verputzt, bündig mit der Aussenfläche des Turms?). 
Als diese Vermauerungen im vorigen Jahre (1899) herausgenommen 
wurden, fanden sich dahinter Hohlräume, welche sich dadurch gebildet 
hatten, dass die Fenster auch bündig mit der Innenseite der Mauer zu- 
semauert waren, dass man aber das Füllmauerwerk nicht hatte durchgehen 
lassen. Die gekuppelten Fenster, von welchen im Ganzen 4 Gruppen 
vorhanden sind, gehören nicht zum alten Turm; man kann sehen, dass 
sie nicht im Verbande mit dem ursprünglichen Mauerwerk hergestellt, 
sondern nachträglich eingebrochen sind. 

Die ersten Turmfenster sind viel kleiner und im einfachen oder 
zusammengeschnittenen Rundbogen geschlossen. Beide Arten sind in 
Fig. 8 vermauert zu erkennen. Die Abbildung soll hauptsächlich zur 
Veranschaulichung des Steinverbandes dienen; sie stellt den oberen 
Teil der Seite dar, bei welcher in den Grundrissen der Buchstabe b 
steht. Die Fensterchen im Obergeschoss sind i. L. etwa 33 cm breit 
und 63 em hoch. Die Laibungen sind stark abgeschrägt, so dass in 


der inneren Wandfläche die Oeffnung 1,12 m breit und im Scheitel des 
Rundbogens 2,26 m hoch ist. 


Fig. 11. Stein vom Flohturm. 


1) Nur 15—220, 


*) Vgl. die Beschreibung von Kraus S. 217. 


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Der Flohlurm in D 


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Am Aeusseren des Turms sind im Uebrigen noch zu bemerken : 
An der Stadtseite ein Kragstein, der möglicher Weise einem Wasser- 
speier zur Unterstützung gedient hat und an der Wallseite die Reste 
einer Anlage, die man vielleicht als Maschikulis sich wiederherstellen 
könnte. Jedoch ist dies unsicher. Es könnte sich auch um eine andere 
Auskragung handeln. 

Westlich legt sich ein im Schaubilde Fig. 7 erkennbarer kleiner 
Vorraum, östlich ein ganz unregelmässig von einer Mauer umschlossener 
Hof vor das Gebäude — beide sind in den Grundrissen nicht gezeichnet, 
aber im Lageplan Fig. 5 ersichtlich —- und an diesen beiden Stellen 
befinden sich jetzt die Eingänge, welche aber dem ursprünglichen Bau 
anscheinend nicht angehört haben. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass 
der älteste Eingang sich auf der Stadtseite etwa in Höhe des ersten 
Geschosses befunden hat und von einem Anbau oder vermittelst einer 
Brücke zugänglich gewesen ist. Meine Untersuchung konnte sich auf 
diese und andere Einzelheiten aus verschiedenen Gründen nicht erstrecken. 

Wenn man von der Stadt aus den erwähnten kleinen offenen 
Vorraum passirt hat, so gelangt man durch eine 1,42 m breite zu 
ebener Erde gelegene Thür, welche in die 1,71 m starke Umfassunes- 
mauer später eingebrochen ist, in 


Das Innere!). 


Raum 1. Zunächst betritt man einen bedeckten Hof, welcher 
beinahe die Hälfte des Erdgeschosses einnimmt. Seitliche Fenster in 
der Aussenwand hat er nicht, das Licht fällt vielmehr von oben herein, 
zwischen zwei Pultdächern hindurch, welche sich von rechts und links 
nach der Mitte neigen. Die Traufen dieser Dächer liegen verschieden 
hoch und der Zwischenraum ist gross genug, um für gewöhnlich den 
Hof und die darin liegende Treppe ausreichend zu beleuchten. Das 
Dach links ist Anfangs der 80er Jahre erst gebaut worden; vorher 
war dieser Teil des Hofes unbedeckt und es stand ein Epheustamm 
von mehr als Armdicke darin, den man später entfernte. Der jetzt 
zugeschüttete Brunnen von 1,08 m 1. Durchmesser ist von 5 Stück 
38 cm breiten Hausteinen in Fussbodenhöhe eingefasst. Früher ging 
die Erdleitung des Blitzableiters hinein, welcher den Turm .überragte, 
als er zu französischer Zeit noch als Pulvermagazin diente. 

Der gepilasterte Fussboden senkt sich im rechten Teile des Hofes 
um etwa 50 cm — vom Einsange an gerechnet — zu den Thüren der 
beiden grossen ‘kellerartigen Räume 5 und 6. Der linke Teil des Hofes 


1) Vergl. die Fig. 13—16, 


Bat 


liegt um eine Stufe höher als die Eingangsschwelle und ist wage- 
recht. Der Halbmesser im Grundriss des Erd- oder Untergeschosses 
(Fig. 16) bezeichnet den Verlauf der Futtermauer, welche den höher 
selegenen Hofteil gegen den niedrigeren abstützt. Diese Mauer ist erst 
nach 1870 hergestellt, früher hatte der Hof gleichmässiges Gefülle 
und der Brunnen eine Brüstungsmauer. 

Raum 2 liegt unter der Treppe und wird als Gefängnis der 
Prinzessin bezeichnet. Zugänglich ist er durch eine niedrige Thür, 
0,84 m. breit und 1,55 m hoch, beleuchtet durch ein kleines doppelt 
vergittertes gotisches Fensterchent), aus welchem man in den Hof 
hineinsehen kann. Thür und Fenster haben Hausteineinfassungen. Die 
Decke wird durch zwei ansteigende Hausteingurtbogen gebildet, welche 
die Treppe tragen. Bogenbreite 43 und 35 cm. Dazwischen und da- 
hinter liegt Füllmauerwerk. Die Bögen ruhen beiderseits in den Ab- 
schlusswänden auf einfach abgeschrägten Gesimssteinen, deren Unter- 
kanten sich 0,83 m und 1,60 m über Fussboden befinden. Letzterer 
liegt wenig höher wie die tiefste Stelle des Hofes, die Thürschwelle 
steht nicht vor. An der 29 cm starken Innenmauer treten über Fenster- 
höhe innen zwei Consolen mit einfacher Profilierung vor, welche auf 
ihrer Oberseite mit Einschnitten versehen sind, als ob sie ehemals 
einer Mauerlatte zum Auflager gedient hätten. Im allgemeinen kann 
man den Raum für ein mittelalterliches Gefängnis nicht als ungemütlich 
bezeichnen. Schliesseisen und eine Steinbank sind angeblich erst nach 
1870 entfernt worden. 

Raum 3 und Raum 4 liegen übereinander, beide unter dem 
im ersten Obergeschoss befindlichen Treppenflur, welcher in Fig. 14 als 
Plattform bezeichnet ist. Zu Raum 3 steigt man hinauf, zu Raum 4 
herunter vom Hofe aus. Nur letzterer ist im Grundriss dargestellt. 

Raum 3 wird auf einer ausgetretenen Wendeltreppe erreicht. Er 
liegt 1,50 m über der Hofsohle. Unter der Treppe befindet sich ein 
Hohlraum, welcher einerseits mit dem Hofe, andererseits mit Raum 4 
in Verbindung steht (vergl. unten). Raum 3, welcher mit einem 
Tonnengewölbe bedeckt ist, hat ein doppelt vergittertes hochliegendes 
Fenster und eine Nische, die früher als Wandschrank gedient hat. 

Kaum 4. Wandstärke 43 cm. Hausteineinfassung der 1,14 m 
breiten, 1,57 m hohen Thür mit innerem Falz und äusserer Fase. Die 
Thür öffnete sich nach innen. Der Fussboden wird auf 3 abwärts 
führenden Stufen erreicht, welche in der Mauerstärke liegen; da aber 
noch eine 4. Stufe in Höhe des Fussbodens liegt, so kann man an- 


Sl Nerol. Rise. 18. 


Be 


nehmen, dass letzterer früher tiefer lag. Neben der Thür befindet sich 
die Oeffnung, welche unter der eben erwähnten Wendeltreppe hindurch 
mit dem Hofe in Verbindung stand. Sie ist 35 cm breit, 45 cm hoch 
und mit geschwärzten Hausteinen eingefasst, welche 9 em nach innen 
vorstehen. Der Zweck der Oeffnung ist unklar; wahrscheinlich ha! 
sie nur als Luftloch gedient, durch welches auch ein Schimmer von 
Licht in den Raum fiel. Die Verwendung als Rauchablass für einen Herd 
oder Ofen würde grosse Unzuträglichkeiten im Gefolge gehabt haben. 

Der Raum ist mit einem Tonnengewölbe bedeckt. Gegenüber 
der Thür befindet sich ein vermauertes Fenster, ein liegendes Rechteck 
mit schrägen Laibungen; sein Sturz liegt höher wie der Gewölbe- 
scheitel, sodass eine Stichkappe nötig wurde. 

Unter der Treppe zum ersten Obergeschoss springt in den Raum ein 
Mauerkörper vor, von welchem man anzunehmen geneigt ist, dass er nur 
zur Treppenunterstützung errichtet ist, obwohl dies nicht ganz sicher 
ist. Eine genauere Untersuchung konnte nicht stattfinden. 

Raum 5 ist der tiefstgelegene des Turmes, weshalb darin eine 
Aufgrabung gemacht wurde. Ausser einer kleinen Bleikugel und ein 
paar Ziegelstücken wurde nichts gefunden, namentlich kein älterer 
Fussboden. Der jetzige liegt erheblich unter dem tiefsten Punkte des 
Hofes und wird auf 5 Stufen erreicht, deren oberste aber über der 
Hofsohle liegt und somit eine stark vortretende Schwelle bildet, welche 
einen Abschluss gegen Regen- und Scheuerwasser darstellt. Das Gewände 
der Eingangsthür ist 1,28 m breit, 1,65 m hoch, aussen gefast, innen gefalzt. 
Ueber dem Hausteinsturz befindet sich ein kleines vergittertes Fenster zur 
Beleuchtung des Inneren, welches sonst keine Fenster hatte, so dass 
der Raum wohl immer als Keller gedient hat. Er ist mit zwei Tonnen- 
gewölben bedeckt, welche sich gegen eine mittlere Gurtbogenstellung 
legen; diese hat einen Stützpfeiler, welcher im Grundriss ein schiefes 
Viereck bildet. Das über dem Fussboden vortretende Fundament ist 
noch schiefer. Die Gewölbe haben hier wie in den übrigen Räumen 
auch eine dünne Mörtelbekleidung, in welcher sich vielfach Schiefer 
eingelest finden. Der Raum ist vom Fussboden bis zum Gewölbe- 
scheitel 3,13 m hoch, um 60 cm niedriger wie der danebenliegende 
Raum No. 6. Dies liegt darin begründet, dass der Turm über 5 noch 
>» Geschosse hat, über 6 aber nur noch 2. 

Bei der erwähnten Aufgrabung fand sich etwa 2 m tief aul- 
gefüllter Boden, darunter gewachsener Sand. 

Raum 6 ist dem vorigen ähnlich, insofern er ungefähr dieselbe 
Fläche und auch einen Mittelpfeiler hat. Aber er ist höher und sein 


Fussboden nur um eine Stufe gegen die tiefste Stelle von Raum 1 
vertieft. Auch liessen zwei Fenster etwas Licht eindringen, eins in 
der Aussenwand nach dem Walle zu ist jetzt vermauert, das 
andere liegt in der Innenwand nach dem bedeckten Hofe zu. Licht- 
maasse der Thür 1,15:1,79 m: Der Uebergang der Fundamentrundung 
in das aufgehende Vieleck liegt 15—20 cm über dem Fussboden. Be- 
merkenswert sind zwei runde tiefgehende Löcher von etwa 15 cm 
Durchmesser, von denen eines in der Aussenwand, das andere in der 
Scheidewand zwischen 6 und 5 liegt. Derartige Löcher findet man in 
vielen Burgruinen. Sie sind verschieden erklärt worden, ohne dass 
eine Erklärung vollständig befriedigte; sicher wohl waren sie ehemals 
mit Hölzern ausgefüllt, aber der Zweck dieser Hölzer ist nicht 
überall klar. 

Nachdem wir so die Erdgeschoss- bezw. Kellerräume durchgegangen 
haben, gelangen wir auf einer Treppe von 20 Stufen zu dem Podest, 
welches den Vorraum des Hauptgeschosses bildet '). Von dieser Platt- 
form aus hat man den besten Ueberblick über diesen Teil des Turms. 
In der Ecke führt eine Wendeltreppe zum Obergeschoss. Daneben be- 
linden sich zwei Thüren, dahinter eine Durchreichöffnung. Die schmälere 
Thür nächst der Treppe zeigt über der Oeffnung in gotischer Bogen- 
füllung ein gut erhaltenes Wappen W mit Helm ?). Hierauf wird weiter 
unten näher eingegangen werden. Unmittelbar hinter dieser Thür 
führen 10 Stufen einer nur 76 cm breiten Treppe wieder hinunter 
in den 1,90 m tiefer als die Plattform gelegenen 

haum 7, welcher nur im Schnitt, nicht im Grundriss gezeichnet 
ist. Er liegt zwischen 5 und 8 und hat ungefähr dieselbe Grösse wie 
diese Räume. Auf einem runden Mitteipfeiler von etwa 0,80 m Durch- 
messer ruht das ringförmige Tonnen- oder Kappengewölbe, welches 
die Decke bildet. Scheitelhöhe 2,10 m. Mittelpfeiler bis zum Gewölbe- 
ansatz 1,45 m hoch. Gewölbeputz mit eingedrückten Schiefern wie in 
den Kellerräumen, wenig sorgfältig. In der Decke befinden sich 6 
eiserne Ringe von 14 cm äusserem Durchmesser, welche um den 
senkrechten Nagel, an welchem sie hängen, frei beweglich sind. Der- 
arlige Deckenringe finden sich auch in alten Kellern der Nachbarschaft. 
Zweck unbekannt. Angeblich hat man Stricke hindurchgezogen, um 
Weinfässer u. s. w. leichter bewegen zu können. Das ist hier unwahr- 
scheinlich wegen der engen Treppe. Es sind zwei Fenster vorhanden, 
welche aber über dem (rewülbescheitel liegen und daher nur wenig Licht 

1) Vergl. den Grundriss Fig. 14. 

2) Fig. 19. 


schräg von oben einfallen lassen. So macht der Raum bei seiner 
geringen Höhe einen düstern Eindruck. Neben dem Fenster zur Rechten, 
etwa 50 em über dem Fussboden ein kreisrundes Loch von der Art 
wie in Raum No. 6, 9—10 cm Durchmesser, 45 cm tief mit etwas 
Gefälle in die Mauer hineinreichend. Fussboden Kalkestrich auf Beton, 

Wieder hinaufgestiegen zur Plattform, kommen wir nun zu den 
besseren Wohnräumen des Turmes. 

Raum 8 und 9. Sie sind im Grundriss Fig. 14 und im Schnitt 
Fig. 13 dargestellt. Raum 8 hat wahrscheinlich zum Essen, Raum 9 
zum Wohnen gedient. Ersteres schliesse ich aus der erwähnten jetzt 
vermauerten Durchreichöffnung hinter der Treppe, welche 32 cm breit 
und 45 cm hoch war und in einer Nische liegt. Die Einfassungs- 
hausteine gingen tiefer herunter. Der Fussboden des Raumes liegt jetzt 
um etwa eine Stufe höher wie der ursprüngliche. Das Deckengewölbe 
ist in der ganzen Anordnung und in den Einzelheiten nicht sehr 
kunstvoll. Seine Rippen wachsen ohne Kapitäle, plump aus der Mauer, 
Diejenigen des vierkappigen Kreuzgewölbes vereinigen sich zu einem 
kreisförmigen Schlussstein von 21,5 cm Durchmesser, welcher das in 
Fig. 20 dargestellte Wappen trägt. In der Mitte befindet sich ein kleiner 
Ring, welcher wohl zum Aufhängen einer Lampe oder Laterne ge- 
dient hat. 

Ausser der Eingangsthür sind noch zwei Thüren in dem Raume 
vorhanden. Ueber der einen, welche der ersteren gerade gegenüber in 
der Aussenmauer liegt und auf den kleinen Hof in Wallhöhe führt. 
befindet sich ein gekuppeltes Fenster. Die andere führt über eine 
fünfstufige Treppe zu Raum 9. Ausser dem gekuppelten Fenster waren 
noch zwei einfache vorhanden, von welchen das eine in der Ecke 
liegende jetzt vermauert ist!). 

Kaum 9 war nach Grösse, Höhe und Ausstattung der Haupt- 
raum des Turms. Der Fussboden liegt ebenso wie in 8 jetzt um eine 
Stufe höher wie früher. Ein mittlerer Hausteinpfeiler trägt das durch 
Rippen in verschieden geformte Kappen geteilte Gewölbe. 

Der Pfeiler hat quadratischen Querschnitt, abgefaste Kanten und 
als Kapitäl eine viereckige Platte mit Hohlkehle, 22 cm hoch. Das 
Gewülbe hat 4 Schlusssteine, alle glatt, zwei einfach ringförmig, zwei 
wappenschildförmig. Zwei Fenster in der Aussenwand; nur das kleinere 
hochgelegene gegenüber der Thür, welches jetzt zugemauert ist, gehör! 
dem alten Turme an, das andere wurde beim Umbau eingebrochen, 


®) Vergl. S. 220 u. Fig. 8 


— 226 — 


Seine mit steinernen Sitzbänken ausgestattete Nische lag eine Stufe 
höher als der Fussboden. In der Innenmauer nach dem Hofe zu ein 
drittes Fenster. Den Hauptschmuck des Raumes bildete ein spätgotisches 
Hausteinkamin, welches in einer Ecke frei vorgebaut ist, 2,54 m lang, 
etwa 3 m hoch und 1,02 m ausladend. Leider ist es beschädigt und 
musste abgestützt werden, weil es einzufallen drohte. Die Mitte seiner 
oberen Gesimsplatte nimmt ein ähnliches Wappen ein, wie über der 
Thür zu Raum 7 angebracht ist; jedoch sind die Felder mit einander 
vertauscht, so dass ein anderer Träger anzunehmen ist!). Vergl. hier- 
über weiter unten. Der Helm mit Kleinod und Decke ist in der Figur 
nicht mit dargestellt. Das Abschlussgesims des Kamins ist mit 15 Zinnen 
bekrönt. 

Auf dem Wandputz des Raumes ist noch einfache Quader- 
bemalung zu erkennen. Am Deckengewölbe sind verschiedene Ringe 
angebracht, kleine und grosse. 

Von 9 gelangen wir durch 8 wieder auf die Plattform. Bevor 
wir von hier auf der in der Ecke liegenden Wendeltreppe zum Ober- 
seschosse aufsteigen, können wir noch einige Bemerkungen über den 
früheren baulichen Zustand machen. Ueber dem äusseren Eingang, 
durch welchen wir Raum 1 betreten haben, befinden sich die Reste 
zweier Kaminstützen, anscheinend aus dem 12. oder 13. Jahrhundert. 
Das Kamin beweist, dass damals der Hof nicht vorhanden war, sondern 
dass der Fussboden in Höhe der Plattform durchging. Dies kann man 
übrigens auch aus den beiden vermauerten gekuppelten Fenstern 
schliessen, von denen auf S. 220 die Rede war. Sie waren nur von dem 
jetzt verschwundenen Fussboden des Hauptgeschosses aus erreichbar. 
(ing der letztere so vermutlich durch den ganzen Turm hindurch, so 
kann man dies auch von einem darüber liegenden Fussboden des Ober- 
seschosses behaupten. Denn es sind in passender Höhe noch eine 
Anzahl von Wandkragsteinen vorhanden, von welchen ich annehme, 
dass sie Mauerlatten oder Unterzüge getragen haben, auf denen die 
Deckenbalken ruhten. Diese Kragsteine haben das Profil eines ge- 
streckten Viertelkreises, etwa 25—-30 cm Ausladung, 40 cm Breite und 
40 cm Höhe. 

Der jetzige Obergeschossfussboden liegt höher als der vermutete 
ältere. 

Die "Treppe zum Obergeschoss ist eine Wendeltreppe aus Hau- 
stein, welche durch einen diagonalen Hausteinbogen und eine konsolartige 


— 21 — 


Auskragung rechts neben der Thür zu Raum 7 abgestützt wird, 
24 Stufen zu 17—19 cm Steigung. L. Breite 91—94 cm. Plattenbrüstung. 
Profile unbestimmt. 

Die beiden Räume des Obergeschosses nehmen zusammen die 
Hälfte des Turmgrundrisses ein, die andere Hälfte ist Hof. Ein Metall- 
plattendach bildet jetzt die Decke der Räume, vorher war ein Hohl- 
ziegeldach mit zu geringer Neigung vorhanden. 

Raum 10. Der Fussboden liegt 30 cm höher wie das Austritts- 
podest der Treppe. Zwei hochliegende romanische Fenster gehören der 
ersten Anlage an. Sie sind im Halbkreis geschlossen und haben 63 cm 
Höhe bei 33 cm Breite. Die Laibungsschräge schneidet 1,75 m über 
Fussboden ein. Ausser diesen beiden Fenstern ist noch eine Oeffnung 
in Brüstungshöhe vorhanden. Sie ist 40 cm breit und 55—60 em hoch 
und liegt in einer Nische, welche mit einem Rundbogen überdeckt war. 
Masse dieser Nische: etwa 3,00 m Scheitelhöhe, 1,05 m Breite in der 
inneren Wandflucht, 0,50 m Tiefe. 

Raum 11. Zwei Fenster wie die zuletzt besprochenen, ein ein- 
faches Kamin über demjenigen in Raum 9. Der jetzt tiefer liegende 
Fussboden befand sich anscheinend früher in einer Höhe mit dem- 
jenigen des vorigen Raumes. Vor dreissig Jahren noch stand am Kamin 
eine Steinbank und unter einem Fenster war ein auf Säulchen oder 
Kragsteinen ruhender Steintisch angebracht. 

Zur Zeit bildet das Dach die Decke der beiden Räume 10 und 11. 
Früher war es anders. Zwei in der jetzigen Abschlusswand stehende 
Säulen!) deuten darauf hin, dass das ganze Obergeschoss des Turms 
von einem einzigen Saale, einem Solarium, Söller mit Holzdecke ein- 
genommen war. Die Säulen haben meines Erachtens mächtige Unter- 
züge getragen, auf denen die Balken ruhten. Der Zweck der 4 Con- 
solen am Säulenschaft ist unklar. Bei nur 10 cm mittlerer Ausladung 
konnten nur kleine Gegenstände daraufgestellt werden. 

Küche und Abort vermochte ich im Flohturm nicht nachzuweisen. 


Baugeschichtliche Untersuchung. 


Ohne Zweifel haben wir zunächst zwei Hauptbauzeiten zu unter- 
scheiden, eine für das Aeussere, d. h. die Umfassungsmauer des 
Turms, und eine — allerdings weniger einheitliche für die inneren 
Mauern u. s. w. 

Der Beweis ist aus der Verschiedenheit der Technik, der Fun- 
dierung und der Kunstformen zu erbringen. 


2) Vergl. Fig. 24. 


— 223 — 

Die Umfassunesmaner besteht aussen aus Quadern, innen aus 
oewöhnlichem Bruchsteinmauerwerk oder mit anderen Worten: sie ist 
in Bruchsteinen mit äusserer Quaderverblendung errichtet. Stumpf 
dagegen, ohne irgend welchen Verband, stossen die Innenmauern, 
welche technisch schlechter ausgeführt sind als die Innenseite der 
Aussenmauer, obgleich auch diese zu wünschen übrig lässt, während 
die äussere Quaderverblendung als gut zu bezeichnen ist. 

Das Fundament der Umfassungsmauer ist ein Hohleylinder, ge- 
bildet aus dem eingeschriebenen und dem umschriebenen Kreise. Der 
Uebergang ist in sämtlichen Räumen des Erdgeschosses zu erkennen ; 
er liegt nicht überall genau in derselben Höhe, sondern wechselt bis 
etwa 60 em. Der Fundamenteylinder geht gerade ohne innere Absätze 
in der Erde herunter bis 5,10 m unter den tiefstgelesenen Fussboden 
des Untergeschosses in Raum 5. Ein älterer, noch tieferer Fussboden 
wurde bei der Ausgrabung, wie erwähnt, nicht gefunden. 

Es konnte nur an dieser einen Stelle im Inneren des Turms ge- 
oraben werden. | 

Während so die Aussenmauer tief und im Ganzen ausreichend 
solide fundiert ist — ein starker senkrecht durchgehender Riss ist 
allerdings vorhanden — lässt sich von den Innenmauern gerade das 
Gegenteil sagen. 

Das Fundament der Hauptscheidewand reicht nur 30 em unter 
den Fussboden des Raumes 5, bleibt also 2,50 m über der Sohle der 
Aussenmauer liegen, während die dazu senkrecht stehende Wand 
our mit dem Fussboden selbst abschneidet, also überhaupt kein Fun- 
dament hat. 

Der Mittelpfeiler, welcher die Gewölbe des Raumes 5 zu tragen 
hat, ist nur 70 cm tief gegründet. Wenn keine gefährlichen Setzungen 
vorgekommen sind, so ist das nur dadurch zu erklären, dass sich der 
sanze Innenbau an den alten starken Aussenwänden abgestützt hat. 

Eine deutlichere Sprache als die Mauertechnik und die Gründung 
reden die Kunstformen, besonders im Innern. 

Von älteren Iritt in der Aussenmauer nur der einfache Rundbogen 
an den oberen und der zusammengeschnittene an den unteren 
Fensterchen und die Sockelschräge auf. Sie könnten der frühromanischen 
Zeit entsprechen, sind aber an sich zu, wenig eigenartig und einer 
engbegrenzten Zeit angehörig, als dass man genau danach bestimmen 
könnte. 

Auch sonst fehlt es an bezeichnenden Merkmalen. Man nimmt 
vielfach an, dass die Mauerzange oder Teufelsklaue erst mit Ende des 


Einzelheiten vom Flohturm in Diedenhofen. 


(Fig. 22 und 23 vom Château de Thion.) 


— 229 — 


12. Jahrhunderts in Gebrauch kam, aber wenn die Quadern eines 
Baues — wie es beim Flohturm der Fall ist — die betrelfenden Löcher 
nicht haben, so beweist das nicht, dass der Bau vor 1200 errichtet 
ist; man hat sich eben auch später zuweilen ohne das Instrument beholfen. 

Die erwähnten Steinmetzzeichen geben ebenfalls keine genügende 
Aufklärung. Aehnliche findet man in vielen Zeitabschnitten. Verdächtig 
ist es, dass man nur drei findet, und man kommt unwillkürlich zu der 
Annahme, dass die betreffenden Quadern von einem andern Bau über- 
nommen sind. Im Grossen und Ganzen gilt für diese Zeichen, dass 
die grösseren älter und dass sie bei Römerbauten und Profanbauten 
der romanischen Zeit nicht besonders sorgfältig, selbst nachlässig aus- 
geführt sind. In Rom und bei romanischen Burgbauten giebt es solche 
bis 30 em Länge). Abmessungen und schlechte Ausführung lassen 
bei den hier fraglichen auf die frühromanische Zeit schliessen. Das 
in Fig. 11 dargestellte Bildwerk ist sehr früh, vielleicht vorromanisch. 
Den Turm wird man aber nicht in die vorromanische Zeit setzen 
können: es ist vielmehr wahrscheinlich, dass er dem 11. oder 12. Jahr- 
hundert entstammt. Das Kamin über dem stadtseitigen Eingang (S. 226) 
und die Wandkragsteine, welche ehemals die Unterzüge der Balkenlagen 
gelragen haben, als der Turm noch nicht gewölbt war, können all- 
gemein als romanisch bezeichnet werden. 

Genauer wie aussen können wir im Inneren datieren mit Hülfe 
der Bauformen und Wappen. Die 3 in Fig. 19-21 dargestellten sind 
aus dem Turme selbst und zwar befindet sich Fig. 19 über der Thür 
zu Raum 7 bei W, Fig. 20 im Gewölbeschlussstein des Raumes 8 und 
Fig. 21 auf dem Kamin im Raum 9. 

jeschäftigen wir uns zunächst mit letzterem Wappen, dessen 
stark beschädigte Helmzier, welche derjenigen von Fig. 19 ähnlich ist, 
in der Zeichnung weggelassen wurde. Im 1. und 3. Felde haben wir 
das Wappen der edlen Herren von Rollingen (Raville) vor uns. Dieses 
Geschlecht hatte sein Stammhaus, Dorf und Burg Rollingen in Deutsch- 
Lothringen; der Ort liegt im Landkreise Metz hart an seiner Ostgrenze 
und an der Sprachenscheide. Das Stammwappen der Familie waren °) 
3 silberne Sparren im roten Schilde, auf dem Helm ein, oft auch irrig 
als Adlerrumpf gezeichneter silberner Pfauenhals. 

Um 1365—1418 lebte Johann Ill. von Rollingen, welcher als 
Slammherr der fortlaufenden Reihe angesehen wird. Seine Söhne waren 


1) Vgl. Piper a. à. O. S. 173ff. 
?) Nach Siebmachers Wappenbuch II, 11, Deutsch-Lothringer Adel, Taf, 9 
und S. 12. 


230 — 


Georg und Johann IV., die Begründer zweier Linien. Georges de Ra- 
ville, seigneur de Septfontaines, de Milberg et de Cranendone, wird 
seit 1411 genannt, capitaine et prévôt de Thionville 1430, 1433, 1440, 
sénéchal du duché de Luxembourg 1431, lebt noch 1447. 

Jean IV. de Raville, seigneur de Milberg, Septfontaines, Dagstul 
1418—61 erheiratete mit Anna von Daun und Densborn diese Herr- 
schaften und die Erbmarschallwürde des Herzogtums Luxemburg. 

Beide Söhne hatten Anteile an den Herrschaften Siebenborn und 
Milberg. Sie siegellen mit einem vom Stammwappen und einem roten 
Felde, worin ein silbernes Ankerkreuz (wegen Siebenborn), geviertetem 
Schilde. Dieser Schild, welchen Fig. 21 darstellt, wird in der ersten 
Hälfte des 15. Jahrhunderts meist gebraucht (etwa seit 1413). 

Das Wappen im Flohturm wird man einem der beiden Brüder 
Georg oder Johann (IV.) zuteilen müssen. Ich bin mit Herrn Pfarrer 
Chatelain in Wallersberg, welcher mich in diesem Teile meiner Arbeit, 
insbesondere bei der Bestimmung der Wappen in dankenswertester 
Weise unterstützt hat, der Ansicht, dass Johann der Wappenträger 
ist. Einerseits war die Würde des »pr@vöt« eine vorübergehende, die- 
jenige des »burgsess« aber eine erbliche. Andererseits haben wir 
eine Bestätigung in einer Urkunde, welche auszugsweise in den 
»Chartes de la Famille de Reinach déposées aux archives du Grand- 
» Duché de Luxembourg« !) veröffentlicht ist: 1461, 8. Mai: »Le gouver- 
»neur el capitaine général du duché de Luxembourg pp. déclare que 
Guillaume de Raville, écuver, a relevé en fief du duc de Bourgogne 
la part et portion que feu sire Jean de Raville, l'aîné, chevalier, son 
grand-père, tenait ès forteresses, terres et seigneuries de Raville, de 
» Warnesperch, de Septfontaines et de Remich, au village de Roisport 
el en plusieurs villages de la seigneurie de Milberg, avec sa maison 
»ou chastel de Thionville et dépendancese*). Wilhelm von Rollingen 
war der Enkel des vorgenannten Johann IV. Letzterem kann mit 
ziemlicher Sicherheit das Wappen zugeschrieben werden, denn schon 
sein Sohn, der Vater Wilhelms, siegelte mit einem anderen Schilde. 

Johann IV., justicier des nobles et chambellan de Philippe due 
de Bourgogne, wird von 1418—61 erwähnt. Damit können wir das 
Kamin in Raum 9 datieren. 

Mit gleicher Sicherheit ist das Wappen im Schlussstein des Ge- 
wölbes von Raum 8 zu bestimmen. Der geviertete Schild zeigt im 
1. und 4. Felde das Wappen der edlen Herren und Grafen von Crichingen 

7) Luxemburg 1877 u. 79. 


*) Das »ou« steht nach Angabe des Herrn Chatelain für on d.h. au. 


N 


(Créhange), einen roten Balken im silbernen Felde. Der Stammsitz 
dieses Geschlechts liegt südwestlich von St. Avold, bei Falkenberg. 
etwa 9 km von Rollingen entfernt. Im 2. und 3. Felde sehen wir das 
Kreuz von Pittingen, welches seit 1546 mit dem Stammwappen ver- 
eint geführt wurde; die Herrschaft Pittingen in Luxemburg hatte ein 
Herr von Crichingen (+ um 1424) durch seine Heirat mit der Erb- 
tochter an sein Haus gebracht. 

Der oben erwähnte Wilhelm von Rollingen hatte ausser zwei 
Söhnen eine Tochter Irmengard, welche sich mit Johann von Crichingen 
verheiratete. Ihre Brüder starben beide vor ihr ohne Nachkommen- 
schaft und so erbte sie 1548 den Besitz der jüngeren Linie des 
Rollinger Geschlechts. In demselben Jahre 1548 starb auch ihr Ge- 
mahl Johann, so dass auf ihre beiden Söhne Georg und Wirich von 
Crichingen die Herrschaft überging. Von ihnen ist der letztere höchst- 
wahrscheinlich der Wappenträger. 

Wirich, Herr von Crichingen und Pittingen, seit 1542 Gouverneur 
von Diedenhofen, begleitete Karl V. bei der Belagerung von Metz 1552. 
Er war »conseiller au conseil provincial et justicier des nobles« und 
erscheint als Diplomat und Kriegsmann. Sein Tod fällt in das Jahr 
1587. Da er auch wiederholt in Diedenhofen selbst erwähnt wird und 
die Schildforın sowohl wie die Hausteinprofile der Wölbung, in dessen 
Schlussstein sich das Wappen befindet, nicht entgegenstehen, wird man 
Wappen und Wölbung in die Zeit von 1548 bis 1587 zu setzen haben. 

Mehr Schwierigkeit verursacht das Wappen Fig. 19. Es ist dem- 
jenigen Fig. 21 sehr ähnlich, nur sind die Felder vertauscht. Schildform 
und architektonische Einfassung, welche in der Zeichnung nicht dar- 
gestellt ist, weisen auf ein höheres Alter, die Wappenbilder aber wieder 
wie bei Fig. 21 auf eine Verbindung der Herrschaften Siebenborn und 
Rollingen, nur dass letztere hier an zweiter Stelle steht, d. h. im 
zweiten und dritten Felde des Schildes, während wir im ersten und 
vierten das Ankerkreuz von Siebenborn vor uns haben. Auch die 
Familien Pittingen und la Roche führten freilich das Ankerkreuz, und 
es sind Verbindungen zwischen ihnen und der Familie Rollingen be- 
kannt, hingegen fehlt die Beziehung zur Burg in Diedenhofen. 

Ich kann eine ausreichende Erklärung des Wappens z. Z. nicht 
geben und beschränke mich auf die Angabe, dass es meines Erachtens 
aus dem Ende des 14. Jahrhunderts stammt. 

Fassen wir hiernach das Ergebnis der Untersuchung kurz zusammen. 

Der Flohturm ist ein romanischer Centralbau, welcher ursprüng- 
lich durch Balkendecken in drei (ieschosse eingeteilt war. Man kann 


— 232 — 


ihn als Wohnturm bezeichnen, als wehrhaften Palas, der zwischen dem 
bewohnbaren Berchfrit und dem einfachen Palas ungefähr die Mitte hält. 

Zwischen 1350 und 1600 wurde er in verschiedenen Bauzeiten 
hauptsächlich von den Herren von Rollingen und von Crichingen zeit- 
semäss ausgebaut. Dieser Ausbau erstreckte sich im wesentlichen auf 
die Wölbung der Decken, auf das Einbrechen grösserer Fenster in der 
romanischen Aussenmauer und auf die Anlage massiver Treppen. Im 
Obergeschoss wurde ein durchgehender grosser Saal eingerichtet, welcher 
zu Versammlungen, Gerichtssitzungen, Festen u. s. w. benutzt werden 
mochte. Auf ihn bezieht sich wohl folgender Auszug: »1433, 7 Mai 
>Goirge von Rouvldingen hre zu Siebenbouren und zu Dagestuyl, probst 
»zu Dyedenhoven dun kont daz .... manne und scheffen zu Dyeden- 
»hoven in dem Saille in der Burche zu gericht gesessen hain . .« 

Es steht nicht fest, ob der Ausbau des Turmes bei der Belagerung 
1558 vollendet war. Jedenfalls musste man letzteren nachher gründ- 
lich in Stand setzen, denn die französischen Geschütze auf der anderen 
Moselseite haben ihn arg beschädigt. Dafür beteiligte er sich aber wohl 
auch selbst lebhaft an der Verteidigung der Stadt, deren ältestes Bau- 
werk er war. Dass auf einer damals vielleicht noch vorhandenen 
Plattform Kanonen aufgestellt waren und der Flohturm als Batterie- 
turm in Wirksamkeit getreten ist, kann man für möglich halten. 

Höchstwahrscheinlich war das alte Schloss in Diedenhofen der 
Sitz des Probstes, jedenfalls waren darin die »Burgmannen« unter- 
gebracht. Der Probst (prévôt) war vom 12. bis zum 16. Jahrhundert 
der unmittelbare Vertreter des Landesherrn. Er vereinigte in seiner 
Hand richterliche, militärische und Verwaltungsbefugnisse. Als Stell- 
vertreter stand ihm ein »sousprevöt« zur Seite. 1477 trägt er die 
doppelte Bezeichnung als »capitaine et prévôte. 

Vom 16. ‚Jahrhundert an, mit der wachsenden Wichtigkeit der 
Festung, finden wir Militärgouverneure neben oder über den Pröbsten, 
aber beide Aemter waren noch öfters in einer Person vereinigt. So 
war de Quaderebbe 1558 gleichzeitig Gouverneur und Probst. 

Von den Pröbsten sind viele dem Namen nach bekannt. Auch 
die »Burgmannen«, welche die Grafen und Herzöge von Luxemburg in 
ihrer Diedenhofener Burg unterhielten, werden mehrfach genannt, 
2. B. 1386 »Herr Johann, herr tzu Mylberg und zu Kranendong, Jo- 
han Voez von Bettenberg, Claus Peters seligen son in der bourg, 
»man und bourgman tzu Dyedenhoven« — 1425 Jean de Soleuvre, 
seigneur de Lagrange, chevalier: Peter Voiss de Bettemberg et Clessgen 
de Thionville, hommes féodaux de la prévôté. — 1465 Louis de Chinery, 


seigneur de Lagrange, Frederic Tristant de Trèves (seigneur de 
Distorf) et Henri Studigel de Bitche (seigneur de Neuerburg) hommes 
castraux. — 


Der Flohturm ist zweifelsohne ein sehr merkwürdiges Bauwerk. 
Als Vierzehneck wird er unter den Türmen wohl einzig dastehen, auch 
der grosse Durchmesser von mehr als 19 m hebt ihn über seines 
Gleichen heraus. Dass er von Anfang an die Bestimmung gehabt hat, 
als wehrhafter Turm die letzte Zuflucht des festen Schlosses der 
Luxemburger zu bilden, unterliegt keinem Zweifel. Aber damit erklärt 
man nicht die aussergewöhnliche Form und Grösse. 

Ich hegte anfangs die Hoffnung, nachweisen zu können, dass der 
Turm auf den Fundamenten der 939 zerstörten Karolingerkapelle er- 
richtet worden ist. Dieser Nachweis ist mir nicht gelungen, es ist 
aber nicht ausgeschlossen, dass er in Zukunft doch einmal erbracht 
werden kann, wenn das (ebäude seiner jetzigen Bestimmung entzogen 
und freier Untersuchung zugänglich wird. Allerdings ist die Hoffnung 
gering. In der Erde wurde bisher nichts gefunden, und der Stein 
Fig. 11, der wohl der Kapelle angehört haben könnte, ist eine magere 
Ausbeute und als Beweismittel allein von nur geringem Wert. 

Die karolingische Kaiserkapelle zu Aachen sowohl wie ihre Vor- 
stufe, die Karlskapelle zu Nymwegen, bestehen aus höhergeführten acht- 
eckigen Mittelbauten und weniger hohen sich darum legenden Ring- 
bauten von sechszehneckiger Grundform. Aachen hat etwa 33 m, Nym- 
wegen etwa 14 m umschriebenen Kreis. Diedenhofen mit über 19 m 
würde zwischen beiden liegen, aber der letztgenannten Kapelle näher 
kommen. Die vierzehneckige Anlage könnte man vielleicht als nich! 
ganz zutreffende Reminiscenz an das Sechszehneck der zerstörten Ka- 
pelle auffassen. Der Fundamentevlinder ist nicht hinderlich. Auch in 
Nymwegen ist das Fundament rund. Zukünftige Nachgrabungen würden 
sich hauptsächlich darauf erstrecken müssen, die Grundmauern eines 
etwaigen inneren Achtecks zu finden. 

Es gibt in Deutschland und den benachbarten Ländern eine grosse 
Anzahl von Rund- und Polygonbauten aus dem Mittelalter, kirchliche 
und profane. Eine Uebersicht der kirchlichen, welche überwiegen, 
findet sich z. B. im ersten Bande von Otte »Handbuch der kirchlichen 
Kunst-Archäologie des deutschen Mittelalterse. Die Profangebäude 
kommen im wesentlichen im Burgenbau vor. Man hat in den letzten 
Jahren begonnen dieser Gattung von Bauten eine grössere Aufmerksam- 
keit zuzuwenden, man hat versucht, sie für sich zu behandeln, 


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Auf Grund seiner nicht auf Deutschland beschränkten, sondern 
auf das ganze germanische Kunstgebiet ausgedehnten Studien behauptet 
F. Seesselberg in seinem Werke »die frühmittelalterliche Kunst der 
sermanischen Völker«'), dass die sämtlichen auf germanischem Boden 
vorkommenden Zentralbauten sich selbständig aus germanischen Ur- 
formen entwickelt haben und dass sie eine »Bautenfamilie« für sich 
bilden. Er fasst die altgermanischen Burgbauten im wesentlichen als 
Vorläufer der späteren Rundkirchen auf und erläutert im einzelnen wie 
ihr ursprünglich rein fortifikatorischer Charakter allmählich zu Gunsten 
des kirchlichen in den Hintergrund getreten ist. 

Dem würde nicht entgegenstehen, dass wir beim Flohturm mög- 
licherweise auch einmal den umgekehrten Fall hätten, wenn nämlich 
zukünftig der Beweis gelingen sollte, dass er wirklich auf den Funda- 
menten der Karolingerkapelle errichtet ist. Der Geist der Zeit würde 
jedenfalls einer derartigen Anpassung eines Burgbaues an die Grund- 
mauern eines kirchlichen Centralgebäudes nicht hinderlich gewesen sein. 

Vorläufig allerdings können wir den Flohturm nur so betrachten 
und in der Gestalt würdigen, wie er — über der Erde sichtbar — 
auf uns gekommen ist, nämlich als Wohnturm eines mittelalterlichen 
Lehnssitzes, eines festen Schlosses, welches die Luxemburger auf der 
Stelle der einst weitbekannten Kaiserpfalz errichtet haben. Es ist zu 
hoffen, dass ihm auch unter diesem Gesichtspunkte das Interesse und 
die dauernde Obhut der lothringischen Geschichts- und Altertumsfreunde 
nicht fehlen wird. 


Das Chäteau.de Thion: 


Es erübrigen einige Worte über das in Mitten des Hofes frei- 
stehende Gebäude c*), dessen Nordseite schaubildlich in Fig. 25 dargestellt 
ist. Schon früher war wiederholt von ihm die Rede. Von den ver- 
schiedenen Schlossbauten barg es wohl die wohnlichsten und sichersten 
\äume. Der spätgotische Turm wurde 1870 stark beschädigt. Er hatte 
ursprünglich in dem unmittelbar unter dem Dache liegenden Geschosse 
sechs mit zierlich eingerahmten Wappen überdeckte Fenster. Jetzt sind 
noch drei vorhanden, von welchen eines im Bilde kenntlich ist. Die 
anderen hat man wegen der Beschädigungen vermauert und verputzt, 
was sehr zu bedauern ist. Von den Wappen zeigt eins ein Ankerkreuz, 
das zweite einen einfachen Balken und das dritte einen Löwen, Fig. 23. 
Das Ankerkreuz weist wahrscheinlich auf Siebenborn oder Pittingen 


1) Berlin 1897. 
?) Vergl. Lageplan Fig. 3. 


— 235 — 


hin, der Balken auf Crichingen, den Löwen im Wappen trug z. B. Jean 
de Soleuvre, chevalier, seigneur de Lagrange, justicier des nobles, 
Lehns- und Burgmann, auch Probst zu Diedenhofen (1423 — 25). 
Ausser diesen drei oben unter dem Turmdach sitzenden Wappen 
befindet sich noch eins aussen am Erdgeschoss, auf der anderen 
Gebäudeseite gegenüber dem Flohturm, ebenfalls über einer Oeffnung 


Fig 25, Château de Thion, 


in gotischer Umrahmung. Der in Fig. 22 dargestellte Schild bietet 
Schwierigkeiten. Die rechte Hälfte hat grosse Aehnlichkeit mit dem 
Wappen der Familie Durendal von der Schuren, deren Stammhaus das 
Gut Scheuren (Lagrange) bei Diedenhofen gewesen ist. Dies wird z. B. 
erwähnt in einer Urkunde vom 15. Juni 15321), in welcher (reorg von 


') Beglaubigte Abschrift im Metzer Bezirksarchiv, Abt. Clerff 


== 236 


Brandenburg, Herr von Clervaux, von Kaiser Karl V. sein Haus genannt 
»die Schurre« zu Lehen nimmt, das zur Burg in Diedenhofen gehörte. 

Aber Sibmacher giebt unter Vorbehalt einen Apfel — statt des 
Kopfes — im rechten Obereck an, und man weiss auch nichts von 
einer Familienverbindung, welche durch die linke Schildhälfte ange- 
deutet sein könnte. Herr Pfarrer Chatelain ist der Ansicht, dass wir 
das Wappen des Johann IV. von Milberg vor uns haben, welcher be- 
reits 1386 als Burgmann erwähnt ward. 1391—1403 war er Probst 
zu Diedenhofen und starb 1409 ohne Nachkommen. 

Im Keller des Gebäudes sieht man noch die Mündung eines jetzt 
verschütteten unterirdischen Ganges, welcher in nordöstlicher Richtung 
nach dem Gebäude e verlief. 

Ueber zwei Kaminplatten, welche sich im Bereiche des Schlosses 
befanden, vergl. Jahrbuch 1899 S. 364. Im Chäteau de Thion werden 
noch einige ältere, aber weniger gut erhaltene Platten aufbewahrt. 

Für die photographischen Aufnahmen, welche in vorstehender 
Arbeit wiedergegeben sind, sei Herrn Oberlehrer Arnold in Diedenhofen 
auch hier der gebührende Dank abgestattet. 


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Die Grabschrift des Erzbischofs Heinrichs II von Finstingen 
in der Domkirche zu Trier, 


Von Franz Xaver Kraus. 


Heinrich von Finstingen ist am 26. April 1286 aus diesem Leben 
geschieden. Er war im August 1260 durch päpstliche Provision in das 
Erzbistum eingesetzt worden; aber zwölf Jahre vergingen, ehe diese viel 
umstrittene Ernennung perfect wurde: erst der Schiedsspruch zwischen 
ihm und seinem Mitcompetenten Theoderich, Abt von S. Mattheiss, 
welchen zwei Cardinäle »apud veterem Urbem« 1272, September 21, 
gefällt, setzte Heinrich definitiv in die Verwaltung des Erzstiftes ein. 
Im Jahre 1285 erkrankte er an Podagra und erlitt er eine Lähmung, 
von welcher er Heilung durch eine Pilgerfahrt nach St Jossé-sur-Mer 
bei Montreuil in Artois suchte. Für diese Reise hatte er sich nach den 
Gesten einen bequemen, mit Leder ausgeschlagenen Reisewagen her- 
richten lassen (currum corio circumvectum). Er reiste mit kleinem 
Gefolge, in S. Jodok angekommen, erkrankte er noch schwerer und 
unterlag er nach etlichen Tagen einem Schlagfluss. Nach der bei 
Wyttenbach und Müller (II 108, bei Waitz 55. XXIV 456) 
an erster Stelle abgedruckten Vita wäre der Tod in predicto loco 
(also ad limina beati Jodoci iuxta mare) in crastino beati Marci Evan- 
geliste (also 26. März) anno Domini M.CC.oct. VI eingetreten. Diese 
Angabe des Heinrich ungünstig gesinnten S. Mattheiser Chronisten stimmt 
mit den Gesta des ihm ergebenen zweiten Lebensbeschreibers (Ordol- 
phus Scholerius? Wyttenbach und Müller II, 110, Waitz 
a. a. O. 461) hinsichtlich des Datums 1286, März 26 überein. Doch 
lässt letzterer den Erzbischof nicht in S. Jossé selbst sterben, sondern 
nach Besuch dieses Heilistums (liminibus tum dieti sancti . .. feliciter 
visitatis) auf dem Wege nach Boulogne-sur-Mer (dum . . . devotionis 
causa ab hine tenderet versus Bononiam!) in littore maris sitam, in 
quo loco Mater Domini gloriose veneratur). Dieser zweite Biograph 
fügt hinzu, Heinrichs Reisegenosse, der Trierische Archidiakon Wilhelm, 
habe die Leiche nach Trier zurückgeführt, wo sie in der Domkirche, 
rechts an der Mauer, beigesetzt und ein Altar zum Andenken an den 


1) Die Lesarten Boventam, Bonoventam sind auf Missverständnisse zurück- 
zuführen. 


28 — 


Todten errichtet wurde!) (translatus Trevirim in ecclesia Sancti Petri, 
in dextro latere ad murum, debitis exequiis peractis, est a clero et 
populo honorifice tumulatus et ibidem iuxta tumulum suum altare, 
quod ipse largissimis honoravit donariis, ad laudem Dei constructum 
est pro suorum remissione peccatorum, et ob felicem memoriam sui 
sempiternam). Aehnlich hatte sich hinsichtlich der Beisetzung übrigens 
auch der ältere Biograph ausgedrückt: translatus Trevirim in ecclesia 
beati Petri in dextro latere iuxta murum, debitis exequiis peractis est 
a clero et populo honorifice tumulatus; et est ibidem altare iuxta tu- 
mulum quod ipse largissimis honoravit donariis ad laudem Dei con- 
structum ac animae suae requiem pariter et memoriam sui sempiternam. 
Die Beisetzung scheint am 6. Mai (feria III post invent. Crucis) statt- 
sefunden zu haben, da auf diesen Tag, laut einer in Coblenz bewahrten 
und von Goerz (Mittelrhein. Regesten, Cobl. 1886, IV, 304) mitgeteilten 
Originalurkunde das Anniversar für Heinrich gehalten wurde. Trithe- 
mius hat (Chron. Hirsaug. II, 51) 1288 als Todesjahr genannt, offen- 
bar verführt durch den Umstand, dass Heinrichs Nachfolger Boëmund 
von Warnesberg (gew. 1286, Tag unbekannt), erst 1289 von Rom als 
Erzbischof anerkannt wurde. 

Die Grabschrift des Erzbischofs Heinrich hat, zuerst Brower 
(Annal. Trev. II, 167, ohne Angabe seiner Quelle) herausgegeben ; 
dann haben sie Wvttenbach und Müller in ihrer Ausgabe der 
Gesta Trev. (I 109) aus den Frankfurter, Pauliner und Pariser Gesten- 
handschriften abgedruckt, mit dem Bemerken, dass sie diesen Hand- 
schriften von späterer Hand beigefügt ist: silet, fügen sie hinzu, omnino 
de hac blanda et rudi epigrapha cod. noster S. Math. synchronus. 
Waitz hat sie dann (S. XXIV, 456, vgl. 461) aus dem Pauliner Codex 
(Trev. 1343, saec. XIV) wiederholt, offenbar ohne zu wissen, dass das 
Original noch erhalten ist; desgleichen teilen die Grabschrift Hansen 
und Walrand in ihren Beschreibungen des Domes mit?). 


1) Die Notiz in Cod. Trev. 1462: VI. Klas Maji Trevirim relatus — ante 
altare beati Erasmi tumulatus (Wyttenbach und Müller II 123, d) liesse 
darauf schliessen, dass hier bereits vor Heinrichs Stiftung ein Altar sub tit. 
S. Erasmi bestanden hätte. Indessen enthalten die Regesten des Trierischen Dom- 
kapitels die Notiz: 1286 Stiftung und Dotirung des Altars des hl. Erasmus im 
Dom zu Trier durch die Testamentsexecutoren des Erzbischofs Heinrich und die 
Bestätigung dieser Stiftung durch das Domkapitel sede vacante (Mitt. des Herrn 
Domkapitular Dr. Lager). Die Stelle der Bestattung geben einige Hss. Wytten- 
bach und Müller ll, 109, a) genauer dahin an: »ad ostium per quod est ingressus 
ad templum B. M. V. ex summo templo.« 


?) Hansen 1 JMJ., Der Dom zu Trier, Trier 1853, S.20. — Walrand, 


PM., Die Geschichte des Domes zu Trier nebst Beschreibung und Erklärung seiner 
Monumente, Trier 1844, S. 86. 


70: 


— 239 — 


Keine dieser Editionen giebt den heutigen Zustand des Epitaphs 
wieder, welches sich an der von den Gesten bezeichneten Stelle, der 
rechten Umfassungsmauer des Langhauses, in der Domkirche, erhalten 
hat. Ich habe vor einer Reihe von Jahren Herrn Regierungs- und 
Baurat Meydenbauer gebeten, gelegentlich seiner hochschätz- 
baren Aufnahmen des Trierer Domes den Stein für mich zu photo- 
graphieren, und erlaube mir hier das Ergebnis dieser Aufnahme vor- 
zulegen, nachdem die Grabschrift als nach 1250 fallend, in meine 
Sammlung der christlichen Inschriften des Rheinlandes nicht mehr 
eingerückt werden konnte. 

Die Grabschrift ist auf einen einzigen Sandstein von 0,57 m Höhe 
und 1,525 Breite eingehauen; der Umfassungsrahmen der Tafel hat 
am untern Rand 0,08, sonst überall 0,06 m: die Höhe der Buchstaben 
beträgt 0,04 m. Das Epitaph zählte 12 Zeilen, welche durch Horizontal- 
linien eingefasst sind: von diesen 12 Zeilen sind jetzt die beiden unteren 
grösstenteils zerstört, ausserdem haben alle Zeilen in dem letzten Drittel 
ihres Textes sehr stark gelitten, namentlich 2., 6.—10., wo die Schrift 
gegenwärtig beträchtliche Lücken aufweist. Ich (Rebe den Text nach den 
Grundsätzen wieder, welche in meiner »Sammlung christlicher Inschriften 
der Rheinlande« zur Anwendung gelangt sind. 


Ben nen PRAE S VL-FViTmMmmm zn 

MORIBVS.Z-UITA NVLELI-FVIG OR4E um ms | 

INOBILIS" HENRI -TREBEF.IS -A/MIBTE: Alt TI, 
VAR: TUISTROREIS: HONOR ZA» VRBIS z ORBIS| 


E 
RECGOR ERAT-S2AGN VS: DEUOS IS: EXC MERTESE ea] 
H IS-PIA-UBA-DABAG-TUMIDOOS TIBI-SUPP € D = LL 
PSEGIBI-CAYLAS.MVLTAS-CONSTRVXIT:E VHS | 
TE BENE:-DITAVIT-TIBIF ORCIA -CASTRA'/ Ar. AEUIUITIR 

| NURE EREVIR PLOR A -dOMINV-CU M: JAUNE III | | 
von. SIBI: sa EE ing XF. C:-DEVS-A 

Hi BIO LUUHULO tt MA ES AS TON E MSC 


VMS uf em REG VIESE: ETAT ccubitui tit tony 


1 = fehlt in allen Edd. — FINSTINGA Brower. Hans. Wal- 
rand. — FYN. Cod. Par. 6036. — PRESUL Waitz. — FVIT 
HIC ORIVNDVS alle Edd. 

2. FVIT : ORBE : SECVNDVS alle Edd. 

TREBERIS : TIBI : FIDVS : AMICVS alle Edd. 

MAGNIS Brower, Wyttenbach et Müller, Hansen, Walrand.- 

MAGNVS Waitz. 


SW 


— 2140 — 


6. HIIS Waitz. — NOTA statt VERBA Brower, Wyttenbach et 
Müller, Waitz. — SVPPEDITABAT alle Edd. — DABAS, 
SVPEDITABAS Waitz. 

7. AVLAS alle Edd. 

8. DOTAVIT Brower, Wyttenbach et Miller, Waitz, Hansen, Wal- 
rand. — FORTIA alle Edd. — PARAVIT alle Edd. 

9. CVM : FLETIBVS : ORA alle Edd. 

10. CHRISTVS alle Edd. 


Die beiden Schlussverse giebt nur Brower; es ergiebt sich daraus 
als Gesamttext: 


+ de Finestinga: praesul: fuit: [hie o] riundus 
moribus - et -uita:nulli fuit: orfbje [secundu]s 
nobilis: Henricus: Treberis : [ti]bi-fildus amicus] 
cura:tuis morbis : honor : et: pax : vrbis : et: orbis 
D rector - erat: magnus: deuotis : ewtitit : agnus 

his pia - uerba : dabat - tumidos - tibi - suppedit{ abat] 
ipse- tibi - caulas : multas : construxit : et: auf la]s 
te bene: ditauit : tibi - forcia : castra: [pJar/auit] 
nunc: Trevir-plora: dominu[m] cum: [fletibus ora] 

10 quod:sibi:solamen prestet: ers: deus : a] men] 
hie obiit [sext]o: [kal.] mfaii] - anno- dni: MCCJLXXX VI] 
cuius: Janfim{a] . requiescat: [in : pace] 


6 und 7 beziehen sich auf die zahlreichen Fortifikationsbauten, 
welche Heinrich von Finstingen insbesondere zum Schutze der Stadt 
Trier (wo er auch das Palatium restaurierte) nach dem Zeugnis der 
(testen vornahm. 

9 in DOMINV hat der Steinmetz den Strich über V vergessen. 

10 XRG- der Text der Inschrift scheint aber XRG zu haben, 
Jedenfalls hat der Urheber derselben sich für die Schreibung des Wortes 
Christus noch an die alte Sigla XPC = Xgıorog angelehnt. 

11 DNI Brower druckt DOMINI, doch scheint mir das Original 
die Abbreviatur zu geben. 

11 und 12 weichen hinsichtlich des Charakters der Schrift so 
stark von dem Rest der Inschrift ab, dass ich diese Zeilen für einen 
späteren Zusatz halten muss; sie fehlen auch in den von Wyttenbach 
und Müller benutzten Hss. 

In ihrem paläographischen Habitus stellt die Inschrift den in der 
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bei uns noch allgemeinen Typ der 
Mischung capitaler und uncialer Formen dar: noch fehlt fast jede Spur 


— 241 — 


eines Ueberganges zu der sog. gothischen Majuskel. Die Ausführung is! 
sorgfältig; von Ligaturen ist ein sehr mässiger Gebrauch gemacht, 
regelmässig ist der Wechsel der capitalen E, V, D mit den uncialen 
D, E, U, wie auch ein ähnlicher Wechsel in den Buchstaben A, M, T 
zu bemerken ist. 

Sprachlich und inhaltlich sind diese zehn leoninischen Verse nicht 
besser und schlechter als die Mehrzahl ihrer Zeit. Das Lob, welches 
dem Toten in diesem Epitaph gespendet wird, lässt deutlich erkennen, 
dass sein Verfasser auf jener Heinrich von Finstingen günstigen Seite 
stand, von welcher die zweite Vita (»Historias conscribere«) ausging. 
Wenn in dieser (Wyttenbach et Müller II, 121; Waitz 461) gesagt 
wird: »vir magni consili fuit, in spiritualibus et temporalibus cireum- 
spectus et sagacissimus in acquirendo transitorias huius mundi facul- 
tates, et quod laude dignum est, clerus et populus Treverensis bona 
pace fretus sub ipso principe gaudebat metasque iurisdictionis ecclesie 
Treverensis fiducialiter dilatavit ac totam provinciam suis temporibus 
feliciter gubernavit«, so erkennt man in diesem Satze wörtliche Nach- 
klänge des Epitaphiums. Auch Vers 6 spricht leise aus, was beide 
Biographien betonen: der Erzbischof hätte noch viel mehr für Trier 
und seine Unterthanen gethan, wenn er, um die Anerkennung in Rom 
zu finden, nicht so grosse Summen auf seine Reisen dorthin verwenden 
und der Curie selbst hätte auszahlen müssen — si curie Romane 
tantam summam pecunie non solvisset. Und so stellt denn dies Epitaph 
eines unserer hervorragendsten Kirchenfürsten des 13. Jahrhunderts 
ein kleines Stimmungsbild dar, dem der Lothringer wie der Trierer ein 
gewisses Interesse nicht versagen wird. 


Die reichsunmittelbaren Herren im Gebiete des heutigen Lothringen 
und ihre Schicksale in den Jahren 1789-181. 


Von Dr. Fr. Grimme. 


Von den zahlreichen grossen und bedeutenden Gebieten, die das 
Deutsche Reich im Mittelalter auf der linken Rheinseite besessen, waren 
ihm im Laufe der Jahrhunderte nicht wenige entrissen und mit der 
Krone Frankreichs verbunden worden. Was ausser den eigentlichen 
sogenannten Rheinlanden im Jahre 1789 noch in seiner Gewalt sich befand, 
waren ganz geringe Reste der alten Herzogtümer Lothringen, und sie 
waren politisch dem oberrheinischen Kreise zugeteilt. Schon seit den 
frühesten Jahrhunderten hatte Frankreich ja nach der Rheingrenze 
seschielt, und die Ausdehnung seines (Gebietes nach Osten zu, die 
Wiederherstellung des alten lotharingischen Reiches in seinem früheren 
Umfange unter dem Lilienbanner, war von Alters her der rote Faden, 
der seine ganze Politik durchzog. Mochte dieses Streben auch für 
manche Jahrzehnte, als Frankreich mit England um seinen eigenen 
Grund und Boden kämpfen musste, nicht so offen zu Tage treten, 
aufgegeben hat man es nie; und wenn Carl VII. im Jahre 1444 die 
Städte in Lothringen und im Elsass aufforderte, sich zu unterwerfen, 
da Frankreich seine natürlichen Grenzen bis zum Rhein wieder haben 
müsste, so sprach er das nur offen aus, was sämtliche französische 
Herrscher vor ihm gedacht hatten. Wohl vermochte er seine Absichten 
noch nicht ganz in die Wirklichkeit umzusetzen, da der Friede zu 
Trier den französischen Gelüsten vorläufig noch ein Ziel setzte, aber 
bei der offenkundigen Schwäche des Deutschen Reiches konnte es doch 
nur eine Frage der Zeit sein, wann der Rhein aufgehört haben würde, 
Deutschlands Strom zu heissen. Der Kampf gegen das Deutsche Reich, 
besonders gegen das mächtige Haus Habsburg, hat von den Tagen des 
ausgehenden Mittelalters nicht mehr geruht: Franz I. lebt in ununter- 
brochenem Kriege mit dem deutschen Kaiser, und sein Nachfolger, 
Heinrich IL, bringt auf die sattsam bekannte Weise die weiten Gebiete 
von Metz, Toul und Verdun an Frankreich und fasst so, als der erste, 
festen Fuss im heutigen Lothringen, um selbst nicht wieder zu weichen, 
als ganz Deutschland gegen ihn in Walfen. Mit dem Rückzuge Karls V. 


— 243 — 


von Metz im Dezember 1552 ist eigentlich das Schicksal unserer 
Gegenden schon entschieden. Frankreich hat sich in Mitten des 
deutschen Landes eingenistet, und die alte Moselveste wird von nun an 
das Ausfallsthor für die fränkischen Heere, welche sich anschicken, das 
eben erst begonnene Werk der Zerstückelung Deutschlands zu vollenden. 
Die Zeiten eines Ludwig XII und XIV. bildeten gleichsam einen un- 
unterbrochenen Eroberungszug gegen Osten, und der Lohn ihrer Be- 
mühungen war die Erwerbung zahlreicher burgundischer und luxem- 
burgischer Lande und des schönen Elsass. Die berüchtigten Reunionen 
suchten mit einem Male reine Bahn zu machen und den Rheinstrom 
völlig in französische Gewalt zu bringen, doch verzichtete Ludwig XIV., 
wie bekannt, im Frieden von Ryswick 1697 auf sämtliche reunierten 
Gebiete ausserhalb des Elsass und gab die besetzten Länder ihren 
rechtmässigen Herren zurück; aber es konnte kaum mehr lange währen, 
bis diese mitten in französischen Landen eingesprengten Gebiete end- 
gültig ihre Selbständigkeit verloren. Bereits im Jahre 1661 erwarb 
Frankreich durch den Vertrag von Vincennes von Lothringen die 
Stadt Pfalzburg mit den zur Herrschaft gehörigen Dörfern und stellte 
so die ihm notwendige Verbindung mit dem Elsass her. 1766 fiel nach 
dem Tode Stanislaus Lesczynskis das Herzogtum Lothringen mit 
sämtlichen Anhängseln, wie Finstingen, Mörchingen, Forbach und Pütt- 
lingen, an Frankreich, und durch den Vertrag vom 27. September 1781 
wurde auch der Graf v. d. Leyen aus dem Gebiete des heutigen Loth- 
ringen hinausgedrängt. Als nun im Jahre 1789 die französische Re- 
volution ausbrach, die ja die Landkarte von ganz Europa in einer 
Weise verändern sollte, wie dies nie vorher der Fall gewesen, war zwar 
durch die ununterbrochene Eroberungspolitik des französischen Hofes 
der weitaus grösste Teil des jetzigen Deutschlothringen unter dem 
Lilienbanner vereinigt und dem Reiche entfremdet, dennoch waren 
verschiedene grössere oder kleinere Gebiete vorhanden, deren Herrscher 
noch Glieder des Deutschen Reiches waren. Trotz aller Fährnisse und 
Nöten waren sie bis jetzt den gierigen Krallen der Franzosen ent- 
schlüpft, und erst die Wogen der Revolution haben sie endgüllig von 
der europäischen Staatenkarte weggeschwemmt. Sie waren sämtlich 
im sogenannten Westrich gelegen und bildeten ein ziemlich zusammen- 
hängendes Ganzes auf beiden Ufern der Saar von ihrer Quelle an bis 
in die Gegend von Saargemünd. Während die ursprünglichen ein- 
heimischen Herrscherfamilien dieser Territorien im Laufe der Jabr- 
hunderte fast durchgehends ausgestorben waren, befanden sie sich zu 
Ende des vorigen Jahrhunderts im Besitze grösserer oder kleinerer 


Be 2 


Dynastengeschlechter, die auch sonst noch an den Rheinufern begütert 
waren, und hatten somit einen immerhin etwas festeren Rückhalt am 
Deutschen Reiche, als wenn]sie ganz allein auf sich und ihre Macht an- 
gewiesen gewesen wären. Dennoch aber war das morsche, in seinen 
Fugen erschütterte Reich nur im stande, in friedlichen Zeiten eine 
achtenswerte Unterstützung diesen so weit vorgeschobenen Posten des 
Deutschtums angedeihen zu lassen: diese versagte aber sofort, als der 
Sturm der Revolution über die Lande dahinbrauste, und so ist es 
wohl begreiflich, dass gerade die unmittelbaren Gebiete des heutigen 
Lothringen neben dem päpstlichen Avignon die ersten waren, welche 
von der Revolution verschlungen und dem französischen Reiche ein- 
verleibt wurden. Doch betrachten wir zunächst diese Ländchen und 
Stätchen etwas näher. 


1 


Als die Wogen der Revolution anfingen, auch in den Bereich 
des heutigen Lothringen hinüber zu schlagen, gab es in unseren Ge- 
senden noch zehn Herrschaften, deren Fürsten unmittelbare Glieder 
des Deutschen Reiches waren, und deren Länder sich noch frei von 
der französischen Vormundschaft gehalten hatten. Zu diesen zählte 
zunächst 

die gefürstete Grafschaft Salm!). An den Abhängen der 
Vogesen gelegen, dergestalt, dass der Lauf der oberen Breusch sie von 
dem Elsass trennte, war sie ursprünglich nach Süden und Westen vom 
Herzogtum Lothringen und dem Gebiete des Bistums Metz eingeschlossen, 
von dem sie auch in den ältesten Zeiten zu Lehen ging. Noch im 
Jahre 1499 haben die Grafen von Salm Lehensbriefe vom Bistum Metz 
gelöst. Die erste grössere Teilung des Landes fand statt im Jahre 1449, 
indem die Grafen Simon II. und Johann VI. eine Scheidung ihres Erbes 
vornahmen. . Des ersteren Anteil fiel, da er ohne männliche Nach- 
kommen war, an seine Tochter Johanna, und diese brachte ihn ihrem 
Gemahl, dem Rheingrafen von Dhaun-Kyrburg zu, dessen Nachfolger 
den Titel »Rheingrafen von Salm« führten. Die andere Hälfte kam im 
Jahre 1600 ebenfalls durch Heirat an Graf Franz von Vaudémont, den 
späteren Herzog von Lothringen; doch war die Trennung der Länder 
keine vollständige, und bis zum Jahre 1751 ist die Grafschaft Salm 
von beiden Parteien gemeinschaftlich regiert, und die Einkünfte der- 
selben sind geteilt worden. Der Rheingraf Philipp Otto von Salm wurde 


1) Das folgende meistens nach: Die alten Territorien des Bezirks Loth- 
ringen, 132 ff. 


nn 


vom Kaiser am 8. Januar 1623 in den erblichen Reichsfürstenstand 
erhoben und ebenso die Grafschaft Salm zum Reichsfürstentum ge- 
macht. 1654 erhielt die letztere Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat 
der Art, dass der Erbe des Landes die Stimme führen durfte. Zwar 
starb die fürstliche Hauptlinie bereits im Jahre 1738 mit Ludwig Otto 
aus, doch folgte ihm in der Regierung der Grafschaft Nikolaus Leopold 
aus dem Hochstraatenschen Zweige, der sich von nun an Fürst von 
Salm-Salm nannte. Um den Schwierigkeiten ein Ende zu machen, 
welche notwendiger Weise die Teilung der Gerechtsame zwischen Salm 
und Lothringen mit sich bringen musste, schloss der letztgenannte am 
21. Dezember 1751 mit Stanislaus Lesczynski, dem Herzoge von Loth- 
ringen, einen Vertrag, durch welchen der bisherige gemeinsame Besitz 
der Grafschaft aufgelöst, und diese selbst geteilt wurde. Es wurde 
daher bestimmt, dass die Mitte des Laufes der Plaine die Grenze 
zwischen Lothringen und Salm bilden sollte. Infolgedessen fiel die alte 
Hauptstadt des Ländchens Badonviller an Lothringen, und die Fürsten 
von Salm residierten von nun an in der Abteistadt Senones. Der letzte 
Herrscher war Constantin Alexander, der durch die französische Re- 
volution Thron und Land verlor und seitdem in der seinem Hause 
1648 durch Erbschaft zugefallenen reichsunmittelbaren Herrlichkeit 
Anholt im westfälischen Kreise Wohnsitz nahm. Die gefürstete Graf- 
schaft Salm zählte nach der Teilung im ganzen noch 22 Orte und 
Dörfer, nämlich Grandfontaine, Plaine, Saulxures und Vorbruck, im 
heutigen Deutschlothringen gelegen, ferner Allarmont, Belval, Celles, 
Chatas, Grandrupt, La Petite-Raon, Le Ménil, Le Mont, Le Puid, Le 
Saulcy, Le Vermont, Luvignv, Moussey, Raon-sur-Plaine, Senones, 
St. Stail, Vexaincourt und Vieux-Moulin, die dem französischen De- 
partement des Vosges angehören. Die Einkünfte dieses Gebietes wurden 
auf rund 60000 Gulden veranschlagt). 

Die Herrschaft Diemeringen?), im Eichelgau gelegen, war eine 
der kleinsten reichsunmittelbaren Gebiete des alten oberrheinischen 
Kreises. Sie umfasste in zwei getrennten Stücken nur drei Dörfer, 
nämlich Diemeringen, Ratzweiler und Dehlingen, dazu kam noch ein 
kleiner Teil des Gemeindebannes von Rahlingen, das selbst unter loth- 
ringischer Hoheit stand. Das Ländchen war im ‚Jahre 1521 an den 
Rheingrafen Johann von Kyrburg gekommen, hat nach dessen 1531 
erfolgten Tode die verschiedensten Streitigkeiten durchgemacht, da sämt- 
liche Angehörige des rheingräflichen Hauses Ansprüche geltend machten, 

1) v. Hoff, Das teutsche Reich vor der franzüsischen Revolution und nach 
dem Frieden von Lunéville I, 180. — ?) Lothr, Territorien, 168. 


en > ER 


so die Fürsten von Salm, die Rheingrafen von Neuweiler (Hochstraaten), 
von Kyrburg, Grumbach, Dhaun und vom Rheingrafenstein. Durch 
Urteil des Reichskammergerichts vom 20. Dezember 1764 wurden die 
Rheingrafen als Erben eingesetzt, und diese einigten sich dahin, dass 
Diemeringen eine vierherrige Gemeinherrschaft sein sollte, der Art, dass 
die zwei fürstlichen Linien Salm-Salm und Kyrburg je */16, die Rhein- 
srafen von Grumbach und vom Rheingrafenstein !) je ?/ıs aus den Ein- 
künften beziehen sollten. Diese können kaum bedeutend gewesen sein, 
und wenn die Einnahmen der Wild- und Rheingrafen auf überhaupt 
100000 Gulden angegeben werden ?), so wird Diemeringen wohl den 
kleinsten Teil davon aufgebracht haben. 

Die Reichsgrafschaft Kriechingen?) ist eine der jüngsten 
staatlichen Schöpfungen .innerhalb des oberrheinischen Kreises, da sie 
erst im Jahre 1617 vom Kaiser Mathias zur Reichsgrafschaft erhoben 
wurde. Sie umfasste in den heutigen lothringischen Kreisen Bolchen 
und Forbach in vier völlig getrennten Stücken zehn Orte, von denen 
Büdingen, Dentingen, Kriechingen, Momersdorf und Steinbiedersdorf 
sanz, dagegen Folschweiler, Kuhmen, Lellingen, Niederwiese und Tetingen 
nur teilweise der Grafschaft angehörten. Nachdem am 5. Mai 1681 
der Graf Johann Ludwig als der letzte seines Namens gestorben, kam 
die Herrschaft an seine Schwester Anna Dorothea, die mit dem Reichs- 
erafen Edzard Ferdinand Cirksena von Ostfriesland vermählt gewesen 
war. Deren Tochter Christine Louise verheiratete sich 1726 mit dem 
Grafen Johann Ludwig Adolf von Wied-Isenburg-Runkel; sie brachte 
so die Grafschaft an dieses Haus, und ihr Sohn, Graf Christian Ludwig, 
der im Jahre 1757 die Resierung antrat, war der erste und letzte 
Herrscher aus der neuen Linie. Die Grafschaft umfasste im Ganzen 
zwei [JMeilen, hatte beim Ausbruch der Revolution 5000 Einwohner 
und brachte ihrem Regenten an Einkünften jährlich gegen 50000 Gulden 
ein‘). Nach Hoff?) sollen die Grafen von Kriechingen im Jahre 1769 
einen Unterwerfungsvertrag mit Frankreich geschlossen, die französische 
Hoheit über ihr Land anerkannt und nach dem Muster der elsässischen 
Reichsstände Patentbriefe gelöst haben. Dem gegenüber ist zu be- 
merken, dass die Grafschaft bis zu ihrer endgültigen Einverleibung in 
Frankreich (1793) stets frei und unabhängig geblieben ist, und dass die 
französische Regierung nur wiederholt freund-nachbarlich der gräflichen 


1) Letztere starben am 1. Juni 1793 aus und wurden von den Grafen 
von Grumbach beerbt. — ?) v. Hoff I, 181. — 3) Lothr. Territorien, 288. — 
4) v. Hoff I, 184. — 5) Ib. 1, 99. 


— 247 — 


Herrschaft die königliche Assistenz zum Vollzug von Reichs- und Kreis- 
beschlüssen angeboten hat!). 

Die Erbkastenvogtei Herbitzheim?), an der Saar gelegen, um- 
fasste die Ortschaften Herbitzheim, Keskastel und Oermingen ganz, 
Greningen, Kalhausen und Rahlingen zum Teil. Sie bildete ursprünglich 
den freien Besitz der Benediktinernonnenabtei »Zu unserer lieben Frau «, 
die in den Stürmen der Reformationszeit aufgehoben wurde. Vögte 
derselben waren seit Alters die Grafen von Saarbrücken, und sie 
führten in dieser Eigenschaft den Titel: »Erbkastenvögte, Land-Schutz- 
und Schirmherren«.. Am 1. April 1544 hatte die Aebtissin Amalie 
von Altdorf die Güter der Abtei dem Grafen von Saarbrücken über- 
lassen, und diese wurden daher 1556 als Hausgut des Hauses Nassau 
eingezogen. Bei der Teilung der nassauischen Hausgüter (1629) kam 
Herbitzheim als besonderer Besitz an Nassau-Saarbrücken, doch einigte 
man sich durch Familienvertrag im Jahre 1745 dahin, dass Herbitzheim 
mit Keskastel und den andern Dörfern Nassau -Weilburg zugesprochen 
wurde, während nur Oermingen bei Saarbrücken verblieb. 

Die reichsunmittelbare Grafschaft Saarwerden?) war das 
grösste der deutschen Gebiete im Westrich, da sie mehr als 30 Dörfer 
umfasste. Sie war ursprünglich allodialer Besitz, welchen die Grafen 
von Saarwerden aus dem Hause Metz-Lunéville in der Zeit erworben 
haben dürften, als ihnen auch die Grafschaft im oberen Saargau ge- 
hörte. Durch Erbschaft kam die Hälfte des Gebietes im Jahre 1512 
an den Grafen Johann Ludwig von Nassau-Saarbrücken, während die 
andere Hälfte vom Bischof von Metz, angeblich als erledigtes Lehen 
der Metzer Kirche, eingezogen und dem Herzoge Anton von Lothringen 
überlassen wurde, trotzdem Kaiser Karl V. auf die Seite Nassaus trat, 
und auch dieses Haus durch Beschluss des Reichstags von Augsburg 
vom 22. Oktober 1550 im Besitze geschützt wurde. Nach jahrhundert- 
langen Verhandlungen wurde endlich im Frieden von Ryswick (1697) 
bestimmt, dass die Metzer Lehen bei Lothringen verbleiben, das Uebrige 
jedoch Nassau zugesprochen werden sollte. In dem schon erwähnten 
Familienvertrage des Jahres 1745 wurde zwischen Nassau-Saarbrücken- 
und -Weilburg die Teilung in der Weise vorgenommen, dass ersteres 
zwei Drittel erhielt, während Weilburg mit einem Drittel abgefunden 
wurde. Die Saarbrückschen Besitzungen bildeten das Oberamt Hars- 
kirchen mit den Dörfern Altweiler, Bärendorf, Berg, Bissert, Büst, 
Bütten, Diedendorf, Domfessel, Drulingen, Eschweiler, Görlingen, Hars- 
kirchen, Hinsingen, Hirschland, Kirberg, Lorenzen, Mackweiler, Oer- 


') Lothr. Territorien, 304. 2) Ib. 187. — °) Ib. 197. 


Bl 


mingen, Ottweiler, Rauweiler, Rexingen, Sieweiler, Thal, Weyer und 
Wolfskirchen, während das Weilburgsche Amt Neusaarwerden folgende 
elf Orte umfasste: Burbach, Eyweiler, Herbitzheim, Keskastel, Neu- 
saarwerden, Pisdorf, Rimsdorf, Schopperten, Silzheim, Völlerdingen und 
Zollingen. Die Einkünfte des Grafen von Saarbrücken aus seinem 
Anteil an Saarwerden und Herbitzheim beliefen sich beim Ausbruch 
der Revolution auf mehr als 27000 Gulden !), während über die Weil- 
burgschen keine bestimmten Angaben vorliegen, doch werden sie mit 
12000 Gulden wohl kaum zu hoch eingeschätzt sein. 

Im Gebiete des heutigen Lothringen besass Nassau-Saarbrücken 
weiter noch als souveraines Eigen die Dörfer Settingen und Diedingen ?), 
südlich von Saargemünd, und hatte Anteil am alten Warendwald *), 
ohne dass sich die Einkünfte aus diesen Gebieten näher bestimmen lassen. 

Im Besitze der Reichsritterschaft befand sich die Herrschaft 
Lixingen®), zwischen Forbach und Saargemünd. Sie umfasste die 
Dörfer Lixingen, Iplingen und Ebringen ganz, von Hundlingen nur den 
sogenannten Hersingerbann und die Hälfte von Ruhlingen. Besitzer 
dieser Herrschaft waren die Herren von Kerpen, deren Stammgüter 
im alten Herzogtum Jülich an der Erft gelegen waren. Wahrscheinlich 
war Lixingen in alter Zeit ein Burglehen der Grafen von Saarbrücken, 
und es befand sich zunächst in den Händen der Herren von Wars- 
berg: seit 1552 sind die Herren von Kerpen die Besitzer, die es durch 
Heirat an sich gebracht. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts hat Saar- 
brücken auf seine Lehnsrechte verzichtet, und Lixingen wurde darauf 
in die Matrikel der Reichsritterschaft des Kantons am Oberrhein ein- 
getragen, zu dem es noch beim Ausbruche der Revolution gehörle. 
Ueber die Höhe der Einkünfte habe ich nichts Näheres in Erfahrung 
bringen können. 

Ebenfalls im Bereich der Reichsritterschaft war die Herrschaft 
Assweiler’), nur das eine Dorf gleichen Namens in der Nähe von 
Drulingen umfassend. Es war ein Lehen der Grafschaft Lützelstein im 
Elsass und stand somit in Abhängigkeit von dem Hause Pfalz-Zwei- 
brücken. Seit dem Jahre 1606 war die Herrschaft im Besitz der 
Herren von Steinkallenfels bei Kirn a. d. Nahe. Obwohl sie ständig im 
Lehensverband mit der Pfalz geblieben ist, wurde sie dennoch im 
Jahre 1723 bei dem rheinischen Ritterkreise Kanton am Niederrhein 
immatrikuliert. Die Einkünfte können nur gering gewesen sein. 


1) Hoff 1,97. — ?) Lothring. Territorien, 186. — 8) Ib. 194. — *) Ib. 254. — 


5) Ib. 256. 


een 


Auch der deutsche Ritterorden besass im heutigen Lothringen 
eine freie Herrschaft, die das Dorf Hundlingen!) und einen Teil von 
Ruhlingen umfasste. Sie gehörte zur Comthurei Saarbrücken der Ballei 
Lothringen, und sie ist trotz mancher Schwierigkeiten und Anfechtungen 
bis zur Revolution beim Orden verblieben. 

Als letzte reichsunmittelbare Besitzung in Lothringen wäre das 
Amt Lemberg?) der Grafschaft Hanau-Lichtenberg zu erwähnen. 
Während die Hauptmasse dieser zur Zeit der Revolution dem Land- 
srafen von Hessen-Darmstadt gehörigen Herrschaft im Bereich des 
Elsasses lag und durch den Frieden von Ryswick ihre Reichsunmittel- 
barkeit verloren hatte, war das Amt Lemberg, das zum Teil in Loth- 
ringen lag, sich aber noch weit in die Pfalz hinein erstreckte, infolge 
der Bestimmungen desselben Friedens nicht unter französische Ober- 
hoheit gekommen und hatte somit die volle Zugehörigkeit zum Reiche 
bewahrt. Zu ihm zählten in Lothringen die Gemeindebänne von 
Bärenthal und Philippsburg mit den Schlössern Falkenstein, Ramstein, 
Grossarnsberg und Rothenburg, ferner das Dorf Obersteinbach mit den 
Burgen Kleinarnsberg und Lützelhardt und dem Weiler Neunhofen, 
sämtlich in der Gegend von Bitsch an der Grenze des Unterelsass 
gelegen. 

Ausser diesen genannten vollständig reichsunmittelbaren Herr- 
schaften befanden sich jedoch im Bereich des heutigen Lothringen noch 
zahlreiche Besitzungen einheimischer und deutscher Grossen und Herren, 
die zwar unter französischer Oberhoheit standen, dennoch aber sehr 
bedeutende Rechte und Einkünfte sich gewahrt hatten. Sie waren 
meistens Lehen der im Laufe der Zeiten an Frankreich gekommenen 
grösseren Gebiete, Luxemburgs und Lothringens, und die Inhaber dieser 
Lehen waren bei der Besitzergreifung durch Frankreich ausdrücklich 
in ihren Rechten anerkannt und bestätigt worden. Sie traten eben 
nunmehr für diese Herrschaften in das gleiche Verhältnis zum fran- 
zösischen Königtum, wie es bis dahin zwischen ihnen und dem Kaiser 
bestanden hatte, ohne aber dadurch den Charakter als deutsche Reichs- 
fürsten zu verlieren. Die Zwitterstellung, in welcher diese Länder sich 
befanden, hatte schon Jahrhunderte lang Stoff zu Streitigkeiten ge- 
geben, und beiderseits war verschiedentlich versucht worden, die Ge- 
rechtsame näher abzugrenzen, doch hatte Frankreich als der Mächtigere 
immer den Vorteil daraus gezogen, und schliesslich war eine Reihe 
von Reichsfürsten dazu übergegangen, um wenigstens etwas zu retten, 
besondere Verträge mit der französischen Krone abzuschliessen, in 


", Lothr. Territorien, 261. — *) Ib. 174. 


— CO 


denen sie die Souveränität Frankreichs förmlich anerkannten und sich 
von diesem ihre weiteren Rechte gewährleisten liessen. »Solcher Ver- 
träge — sagt Häusser !) — allerdings ohne Zustimmung des Kaisers 
und des Reiches, waren zu Ende des 17. und im Laufe des 18. Jahr- 
hunderts eine ganze Menge geschlossen worden; in der Regel ver- 
kündete eine lettre patente des Königs den Parlamenten das neue 
Verhältnis, in welchem sie einerseits zur Krone, andererseits zu ihren 
Unterthanen standen, und von den Parlamenten wurden diese könig- 
lichen Briefe gleich anderen Edikten einregistriert. In solch ein 
Verhältnis war schon Ende des 17. Jahrhunderts das Stift Strassburg 
eingetreten, später (1756) auch Speier, Württemberg (1758), Pfalz- 
Zweibrücken (1768), Kurtrier (1778) und andere, soweit ihnen im 
Elsass, in Lothringen und Burgund Güter und Rechte zustanden. Zur 
Zeit, wo die Revolution ausbrach, bestanden diese Verträge zu Recht; 
zwar erkannte das Reich dieselben nicht an; die deutschen Reichs- 
stände aber, die solche eingegangen, glaubten sich in ihrem Besitz- 
stande, den sie mit erheblichen Opfern erkauft, fortan vertragsmässig 
in der Weise geschützt, dass darin nur mit ihrer freien Zustimmung 
und durch neue Verträge eine Aenderung vorgenommen werden könnte. « 

Zu diesen Gebieten ist zu rechnen die luxemburgische Herrschaft 
Rodemachern*) im heutigen Kreise Diedenhofen, mit mehr als 
zwanzig Orten und Dörfern, die am 15. November 1492 durch König 
Maximilian I. dem Markgrafen Christoph von Baden, Statthalter in 
Luxemburg, geschenkt wurde, um sie als Erblehen zu tragen. Trotz 
zahlreicher Anfechtungen und Prozesse ist sie im Besitze der Mark- 
grafen von Baden verblieben, die oft, aber stets vergeblich versucht 
haben, sich der luxemburgischen Lehensherrlichkeit zu entziehen und 
für Rodemachern die Reichsunmittelbarkeit zu erhalten; vielmehr wurde 
letzteres durch den Vertrag von Versailles (16. Mai 1769) von Luxem- 
burg an Frankreich abgetreten, und die Markgrafen haben später, zu- 
letzt noch im Jahre 1782, dem französischen Könige den Lehenseid 
geleistet. 

Die Freiherrschaft Rollingen?), im Gebiete der deutschen Nied 
gelegen, war ebenfalls ein luxemburgisches Lehen. Sie umfasste die 
Dörfer Baumbiedersdorf, Bizingen, Bruchen, Halleringen, Helsdorf, 
Rollingen und Wieblingen, dazu Teile von Füllingen und Zondringen. 
Die Herrschaft war gegen Ausgang des Mittelalters zur Hälfte an die 
Herren von Kriechingen gekommen, die auch in der Folgezeit fast die 


‘) Häusser, Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Grossen bis zur 
Gründung des deutschen Bundes I, 276. — ?) Lothr. Territorien, 54. — 3) Ib. 104. 


— 251 — 


gesamte zweite Hälfte dazu erwarben. Durch die Heirat der schon oben 
erwähnten Erbtochter Anna Dorothea mit dem Reichsgrafen Edzard 
von Ostfriesland fiel die Lehensherrschaft diesem anheim, und als seine 
Enkelin Christine Luise im Jahre 1725 den Reichsgrafen Johann Lud- 
wig Adolf von Wied-Runkel ehelichte, brachte sie mit der Grafschaft 
Kriechingen auch die Herrschaft Rollingen an Wied-Runkel, bei welchem 
Hause sie beim Ausbruch der Revolution noch war. 

Auch im Gebiete des alten Herzogtums Lothringen waren mehrere 
Lehensherrschaften, die, wie die Stammlande selbst, infolge des Wiener 
Friedens und nach dem Tode des Herzogs Stanislaus (1766) unter 
französische Oberhoheit kamen, während den Inhabern derselben 
sämtliche Herrenrechte und Einkünfte verblieben. Ausser dem Marquisat 
Falkenberg an der deutschen Nied, das nach dem Aussterben der 
Herrn von Finstingen in französische Hände gelangte und daher ausser 
den Bereich dieser Betrachtung fällt, ist hier zu nennen: 

Die Grafschaft Püttlingen im heutigen lothringischen Kreise 
Forbach. Sie umfasste die Stadt gleichen Namens und nach Huhn !) 
20 Dörfer, nämlich Castweiler, Diefenbach, Ernstweiler, Heckenransbach 
zum Teil, Farschweiler, Grundweiler, Gebenhausen, Lupershausen, 
Metzingen, Moosbronn, Nussweiler und das val de Holving, bestehend 
aus Holwingen, Balleringen, Bettringen, Diderfingen, Hinzingen, Hirbach, 
Richlingen und Schmalhof. Die Kirchner’sche Karte?) verzeichnet dazu 
noch Remaringen, während Hoff?) den Umfang der Grafschaft auf 
23 Dörfer angiebt. Ursprünglich befand sich diese in den Händen der 
Grafen von Blieskastel‘), kam durch Erbschaft um das Jahr 1278 an 
die Grafen von Salm und nach Aussterben dieser durch die Erbtochter 
Johanna mit der Hälfte von Salm und Mörchingen an ihren Gemahl. 
den Wild- und Rheingrafen Johann (+-1499). Später gelangte Pütt- 
lingen an die Jüngere rheingräfliche Linie von Dhaun. Der letzte dieses 
Stammes, Johann Friedrich, starb im Jahre 1750, ohne männliche 
Nachkommen zu hinterlassen, und so ging die Grafschaft über an 
die Gräfin Katharina von Leiningen, die Tochter des Grafen Carl 
Ludwig von Leiningen-Bockenheim aus der Hartenburger Linie, und 
der Rheingräfin Karolina von Dhaun, die eine Bruderstochter des ge- 
nannten Johann Friedrich war. Diese nun vermählte sich mit dem 
Fürsten Theodor Alexander von Löwenstein-Wertheim-Rochefort und 
brachte ihm u. a. auch Püttlingen als Morgengabe zu. Ihr Sohn 


1) Huhn, Deutsch-Lothringen, 393. — ?) Das Reichsland Lothringen am 
1. Februar 1766. — °) Hoff, a. a. O. I, 99. — *) Die folgenden Mitteilungen ver- 
danke ich dem Herrn Ministerialrat Freiherrn du Prel in Strassburg 1 E 


war der Fürst Dominikus Constantius von Löwenstein, der 1786 die 
Regierung antrat und beim Ausbruch der Revolution sich noch im Be- 
sitze Püttlingens befand. Nach dem Umfange der Grafschaft zu 
schliessen, müssen die herrschaftlichen Einkünfte nicht gering gewesen 
sein, wenngleich genauere Angaben hierüber mir nicht zur Verfügung 
standen. 

An Püttlingen grenzte im Norden die Grafschaft Forbach, 
ausser der Stadt selbst noch 6 Dörfer umschliessend, nämlich Klein- 
Rosseln, Stieringen, Spichern, Alstingen, Oetingen und Kerbach. Sie 
kam nach zahlreichen Wandlungen im Jahre 1602 durch Erbschaft an 
die Grafen von Leiningen-Westerburg und von Eberstein!), die bis 
zum Jahre 1618 gemeinsam die Regierung führten, sich dann aber in 
die Herrschaft teilten. Als jedoch die letztere Linie 1660 im Mannesstamme 
erlosch, suchte Johann Ludwig von Leiningen-Westerburg beim Herzog 
Karl IV. von Lothringen die Belehnung mit der ganzen Herrschaft nach 
und erhielt sie auch, sodass nunmehr das gesamte Gebiet von Forbach 
ein Besitztum der Grafen von Leiningen-Westerburg bildete. Diese ver- 
kauften es aber _bereits 1678 aus Geldnot dem Kurfürsten von Mainz, 
Damian Hartard v. d. Leyen, der es noch im gleichen Jahre seinem 
Neffen, Anton Freiherrn v. d. Leyen, dem Herrn von Blieskastel, ver- 
machte. Ohne einen förmlichen Beschluss der Metzer Reunionskammer 
abzuwarten, leistete letzterer am 15. Mai 1680 dem französischen 
Könige den Lehnseid und erhielt von ihm am 5. Mai 1681 die Herr- 
schaft Forbach bestätigt). Als seine Familie im Jahre 1709 ausstarb, 
kam das Gebiet an einen Seitenzweig, wurde aber im gleichen Jahre 
an die Gräfinnen von Leiningen-Westerburg abgetreten, die den Verkauf 
des Jahres 1678 beim obersten Gerichtshofe in Lunéville angefochten 
und am 23. März 1709 ein obsiegendes Urteil erstritten hatten. Am 
selben Tage erfolgte jedoch auch ein zweiter Spruch desselben Gerichtes, 
nach welchem die Töchter der nachgeborenen Tochter des letzten 
Grafen von Eberstein Sophie Esther, Gemahlin des Herzogs Friedrich 
August von Württemberg, mit der zweiten Hälfte von Forbach belehnt 
wurden. So kam ein Teil der Herrschaft an die Prinzessinnen von 
Württemberg. Von den genannten Gräfinnen von Leiningen hatte die 
eine — Esther Juliane — den schwedischen Baron von Sinclair ge- 
heiratet und vermachte ihm die Hälfte ihres Anteils an Forbach, 


') Vergl. für das folgende: Atorf, Geschichte der früheren Herrschaft 
Forbach, und Besler, Geschichte des Schlosses, der Herrschaft und der Stadt 
Forbach. — ?) Kaufmann, Die Reunionskammer zu Metz. Jahrb. d. Gesellsch. f. 
lothr. Geschichte XI, 232. 


— 253 — 


während sie die andere ihrer Schwester Sophie Sybille schenkte. Diese 
verkaufte”ihre Anrechte 1716 an den Baron Henning von Strahlenheim. 
Bereits 1708 vom Kaiser Joseph I. in den Reichsgrafenstand erhoben. 
wurde er auch vom Herzog Leopold von Lothringen am 13. August 1717 
zu Lunéville zum Grafen ernannt, und infolgedessen wurde auch zu 
gleicher Zeit die alte Herrschaft Forbach in eine Grafschaft um- 
gewandelt. Nach zahlreichen Verschiebungen und Verkäufen durch die 
Prinzessinnen von Württemberg, den Baron von Sinclair und die Grafen 
von Strahlenheim erstand endlich der Herzog Christian IV. vun Zwei- 
brücken die ganze Grafschaft für fast 500000 Francs und machte sie 
seiner morganatischen Gemahlin, der früheren Schauspielerin Marie 
Anna Cammasse, zum Geschenk, die vom Herzog Stanislaus am 
15. Oktober 1757 zur Gräfin von Forbach erhoben wurde. In ihrem 
Besitze befand sich die Grafschaft, welche 1766 unter französische 
Lehensoberhoheit gekommen war, noch beim Ausbruch der Revolution. 

Die Grafschaft Mörchingen'), im Gebiete der französischen 
Nied, war ebenfalls ein lothringisches Lehen. Sie war grösser als die 
vorhergenannten und zählte ausser dem Hauptorte über 30 Dörfer. 
Sie war seit dem 12. Jahrhundert im Besitze der Grafen von Salm und 
sing später durch Erbschaft auf die Wild- und Rheingrafen über, die 
noch zu Beginn des 30jährigen Krieges in ihr herrschten, und zwar, 
wie es scheint, als wirklich souveräne Herren. Durch den Krieg aus 
derselben vertrieben, wurden sie gemäss Artikel IV, $ 35 des west- 
fälischen Friedens in dynastiam Mörchingen cum pertinenciis?) wieder 
eingesetzt, doch ging die Selbständigkeit durch den Frieden von Rys- 
wick verloren, und Mörchingen wurde eine mittelbare Grafschaft unter 
lothringischer Oberhoheit. Um das Jahr 1730 teilten sich in die Ein- 
künfte der Herrschaft verschiedene grosse Dynastengeschlechter. So 
kamen drei Teile den Rheingrafen von Grumbach zu, zwei dem Prinzen 
von Birkenfeld, einer dem Grafen von Wied-Runkel, je einer dem 
Herzog und den Prinzen von Württemberg. Im Jahre 1736 wurden 
diese Gerechtsame von dem Herzoge Franz Stephan von Lothringen 
abgelöst, der am 26. Mai 1736 Mörchingen von neuem zur Grafschaft 
erhob und den Edlen Grandville Elliot und seine Gemahlin, die Com- 
tesse von Martigny, damit belehnte. Diese verkauften sie im Jahre 1739 
an Eleonore Henriette von Poitiers, die Witwe des Freiherrn Bleichard 


1) Watrinet, Notice sur Morhange. Mémoires de la Société d'Archéologie 
Lorraine XLIV, 211, XLV, 236. —- Jean, Les seigneurs de Chateauvoué, 51. 
— Berghaus, Deutschland vor 50 Jahren I, 219. — °) Ghillanv, Diplomatisches 
Handbuch I, 19. 


— 254 — 


Maximilian von Helmstädt, aus altem schwäbischen Geschlechte, das 
jedoch schon seit Jahrhunderten in Lothringen angesessen und begütert 
war. Der Urenkel dieser — Maximilian von Helmstadt — befand sich 
zu Beginn der Revolution im Besitze der Grafschaft Mörchingen, die 
ihm nach einem Ausweis, welchen er der Reichsdeputation vorlegte, 
jährlich 74533 Gulden Einkünfte brachte'). 

Die Herzöge von Croy d’Havre, denen in früheren Zeiten der 
grösste Teil der Herrschaft Finstingen gehörte, bis sie denselben an 
das Herzogtum Lothringen verkauften, waren im Jahre 1789, schwerlich 
jedoch als souveräne Herren, sondern unter französischer Oberhoheit, 
noch im Besitze des Dorfes Thicourt?), 7 km von Falkenberg ent- 
fernt, das heute wenig mehr als 300 Einwohner zählt und vor hundert 
Jahren kaum eine grössere Bedeutung gehabt haben wird. Demgemäss 
werden auch die Einkünfte nicht sehr gross gewesen sein. Weiterhin 
besassen die genannten Herren noch zahlreiche Herrenrechte in der 
Herrschaft Finstingen, die ihnen jährlich bedeutende Summen abwarfen. 

Die Herrschaft Blieskastel), ursprünglich ein Lehen der Metzer 
Kirche, wurde im Jahre 1326 an das Kurfürstentum Trier verkauft 
und bildete seitdem ein Amt des Erzbistums, das gegen Ausgang des 
Mittelalters an die Freiherrn von Eltz zu Lehen gegeben war. Als 
diese 1654 im direkten Mannesstamm erloschen, gab der Kurfürst Carl 
Caspar v. d. Leyen die Herrschaft Blieskastel seinem 1653 in den 
Freiherrnstand erhobenen Bruder Hugo Ernst als Erbmannlehen. Dieses 
wurde zwar durch Beschluss der Metzer Reunionskammer vom 
28. Juni 1680 als altes Lehen des Bistums Metz eingezogen, doch ge- 
mäss den Bestimmungen des Ryswicker Friedens wieder herausgegeben. 
Die Freiherren v. d. Leyen erwarben in der Folgezeit (1705) von 
Oesterreich die Herrschaft Hohengeroldseck im heutigen Grossherzogtum 
Baden, wurden 1711 in den Reichsgrafenstand erhoben und erhielten 
für letztere Besitzung Sitz und Stimme auf der schwäbischen Grafen- 
bank, während die Herrschaft Blieskastel nur den reichsritterschaftlichen 
Gebieten zugezählt wurde. Im heutigen Lothringen umfasste diese die 
Dörfer Bliesbrücken, Bliesschweyen, Heckenransbach,@Freimengen zum 
Teil, Ditschweiler, Wölferdingen und Wustweiler, die in verschiedenen 
getrennten Stücken in der Gegend von Saargemünd gelegen sind. Da sie 
vollständig im Gebiete des alten Herzogtums Lothringen eingesprengt 
waren, so einigte sich der Graf Philipp Franz v. d. Leyen am 12. resp. 
27. September 1781 mit Frankreich durch einen Vertrag und trat 
) Berghaus a. a. O. 219. — ?) Huhn, Deutsch-Lothringen, 371. — 3) Lothr. 
Territorien, 249. 


lo 


en _ 


gegen eine Entschädigung auf dem rechten Saarufer seine Souveränitäts- 
rechte über die genannten Orte an Frankreich ab. Die herrschaftlichen 
Rechte aber und die Einkünfte, die hohe, mittlere und niedere Gerichts- 
barkeit wurden nach Artikel XIV des Vertrags dem Grafen vorbehalten 
Ȉ condition de payer les droits et charges usites en Lorraine, comme 
les autres seigneurs hauts-justiciers de la province sont tenus de les 
acquitter«. Ferner bestimmt der Artikel XV, dass die obengenannten 
Dörfer und Besitzungen eine einheitliche Herrschaft »avee les titres, les 
honneurs et les prérogatives de la baronnie« bilden und den Namen 
»Baronie von Wölferdingen« führen sollen, mit welcher dann der ge- 
nannte Graf von Frankreich belehnt wurde, nachdem durch Dekret 
vom November 1782 diese Abmachungen bestätigt waren). 

Die letzte mittelbare Herrschaft im heutigen Lothringen war die 
Grafschaft Dagsburg?), das Gebiet der Zorn und den Oberlauf der 
roten Saar umfassend. Sie bestand aus acht Dörfern, von denen 
Alberschweiler mit Soldatenthal, Dagsburg mit Hub, Haarberg, Hommert, 
Walscheid mit Eigenthal und Weiher in Lothringen, Engenthal mit 
Obersteigen und Hohengöft im Unterelsass gelegen sind, während die 
gesamte Grafschaft in früheren Zeiten, d. h. vor den Tagen der Re- 
volution, zum Elsass gehörte und so sämtliche Wandlungen dieses 
Landes mitgemacht hat. Ursprünglich unter eigenen Grafen stehend, 
kam die Herrschaft durch die Gräfin Gertrude um das Jahr 1222 an 
den Grafen Simon von Leiningen, aus dem Hause Saarbrücken), und 
sie ist in dem Besitze seiner Nachkommen verblieben bis zum Ende 
des vorigen Jahrhunderts. Zwar starb die alte leiningensche Linie im 
Jahre 1467 aus, und Dagsburg gelangte darauf an die Jüngere Linie 
Leiningen-Hartenburg. Diese schied sich 1541 in die Zweige zu Harten- 
burg und Falkenburg, die zunächst das Ländchen im gemeinsamen 
Besitze hatten, bis am 8. Juli 1613 eine Teilung stattfand, indem jede 
der Linien eine der vorderen und der hinteren Waldungen erhielt. Nach 
dem Frieden von Nymwegen verlangte Frankreich auf Grund der Be- 
stimmungen des westfälischen Friedens von den Grafen von Leiningen 
die Huldigung für die Grafschaft Dagsburg, da sie ein altes Lehen der 
Strassburger Kirche sei, und liess durch Beschluss der Reunionskammer 
in Breisach vom 9. August 1680 die Herrschaft einziehen. Daraufhin 
haben sich die Grafen gefügt und die Huldigung geleistet, sodass von 
dieser Zeit an Dagsburg eine mittelbar freie Herrschaft unter franzö- 

1) Chastellux, Le territoire du département de la Moselle, Histoire et Sta- 
tistique, 79. — ?) Lothring. Territorien, 146. — °) Cf. auch: Brinckmeyer, Genea- 
logische Geschichte des uradeligen u. s. w. Hauses Leiningen, I, 45 ff, 


— 256 — 


sischer Hoheit war. Nach verschiedenen Erbteilungen ist schliesslich 
die gesamte Grafschaft im Jahre 1774 an den Grafen Carl Friedrich 


Wilhelm von Leiningen-Hartenburg gekommen, welcher durch Kaiser 


Josef II. am 23. Juli 1779 in den Reichsfürstenstand erhoben wurde 
und beim Ausbruch der Revolution noch im Besitze des Landes 
sich befand. 


IL. 


So war denn das Gebiet des heutigen Lothringen in zahlreiche 
kleinere Ländchen und Herrschaften gespalten, die nur deshalb noch 
nicht von der Landkarte verschwunden waren, weil es Frankreich an 
einem hinreichenden Grunde gefehlt hatte, sie seinem Gebiete einzu- 
verleiben, und sie würden bei geregelten Verhältnissen wohl noch 
längere Zeit weiterhin sich ihres idyllischen Daseins erfreut haben 
und dem Deutschen Reiche erhalten worden sein — da wurden sie 
innerhalb weniger Jahre von den Wogen der französischen Revolution ver- 
schlungen, um nie wieder zu erstehen. Das leichteste Spiel hatte Frank- 
reich natürlich mit den Herrschaften, welche zwar noch von deutschen 
Fürsten regiert, aber im Laufe der Zeit, wie wir oben gesehen, unter 
eine gewisse Oberhoheit der französischen Krone gekommen waren. 
Zwar hatten.ja die Herrscher dieser Gebiete durch besondere Verein- 
barungen sich ihre Rechte und Einkünfte sichern lassen, und sie 
glaubten so, nichts befürchten zu müssen. »In regelmässigen und 
ruhigen Verhältnissen war darauf auch mit einer gewissen Sicherheit 
zu zählen: aber nicht in einer Revolution, die der ganzen alten Ord- 
nung der europäischen Verhältnisse den Krieg erklärte. Schwerlich 
machte eine Umwälzung, welche die gesamte Feudalität in ihren 
Fundamenten erschütterte, vor den Verträgen Halt, welche eine An- 
zahl deutscher Reichsfürsten mit der Krone Frankreichs geschlossen 
hatte« ?). 

Und wirklich ging die konstituirende Nationalversammlung gründ- 
lich zu Werke und suchte mit einem Schlage reine Bahn zu machen 
durch die Gesetze vom 4.—11. August 1789, die am 21. September 
die Unterschrift des Königs erhielten und am 3. November zur Aus- 
führung gebracht wurden. Sie schafften für ganz Frankreich sämtliche 
Rechte ab, die auf der Leibeigenschaft beruhten, vernichteten die guts- 
herrliche Gerichtsbarkeit, hoben das Jagdrecht auf, erklärten die Zehnten 
und alle Einkünfte aus Grundzinsen u. s. w. für ablösbar: mit einem 
Worte, alle Rechte und Erträge, welche die obengenannten deutschen 


'‘) Häusser, Deutsche Geschichte I, 276. 


ini ditifsél 


- A 


we 


— 2597 — 


Reichsfürsten in ihren mittelbar zu Frankreich gehörenden Gebieten 
besassen, waren über Nacht aufgehoben, und die Fürsten selbst da- 
durch gewaltig benachteiligt. Ohne jede Entschädigung, ohne den ge- 
ringsten Ersatz irgend welcher Art, »sollten die weltlichen Herren die Kopf- 
und Gütersteuern, die Frohnden, das Jagdrecht, die Zölle, Accise, das 
Umgeld, das Salzmonopol, das Schutzgeld und alle die Abgaben ver- 
lieren, die aus der Leibeigenschaft entsprangen; für eine Ablösungs- 
summe sollten sie alle Grundzinsen, Gülten und ähnliche an Grund 
und Boden haftende Gefälle hingeben. Ihre hohe und niedere Gerichts- 
barkeit fiel natürlich mit der neuen administrativen und richterlichen 
Organisation Frankreichs zu Boden; machte man doch hier und da 
von Seiten einzelner Municipalitäten den Versuch, die deutschen Lehens- 
herren als französische Bürger zu behandeln, sie in die Steuerlisten 
einzutragen und zu den gemeinsamen Lasten beizuziehen« !). 

Es ist nun selbstverständlich, dass eine solche gewaltsame Be- 
raubung deutscher Fürsten, die einseitige Aufhebung jahrhundertlanger 
Rechte in ganz Deutschland einen Sturm der Entrüstung, entfesseln 
musste, und dass man nicht gewillt war, sie ohne weiteres ruhig hin- 
zunehmen. Dass ein Rechtsbruch der schlimmsten Art vorlag, darüber 
war man sich völlig einig, ein anderes war es aber, ob die französische 
Revolution auf Vorstellungen von deutscher Seite eingehen und das 
(teschehene rückgängig machen würde. Dafür war wenig Aussicht 
vorhanden, um so mehr, da die Unterthanen der geschädigten Fürsten 
die Verordnungen der französischen Kammer mit Jubel aufnahmen, die 
sie von ihren schweren Lasten befreite und sie zu freien Menschen 
machte. Auf Widerstand von Seiten dieser gegen die neuen Ver- 
fügungen konnten die geschädigten Landesherren daher kaum rechnen, 
einen bewaflneten Widerstand konnten sie der Durchführung der Ge- 
setze nicht entgegen stellen, und so mussten sie sich zunächst damit 
begnügen, in Paris gegen die Ausführung der Dekrete zu protestieren. 
Doch war hiervon nicht viel zu erhoffen. Bereits am 10. Dezember 1789 
veröffentlichte der amtliche Moniteur an erster Stelle eine Note, welche 
scharf gegen die deutschen Fürsten vorging und ihnen klar machte, 
was sie zu erwarten hatten. Da heisst es: 

»Das Gerücht befestigt sich, dass mehrere deutsche Kreise pro- 
testiert haben gegen die Dekrete der französischen Nationalversammlung 
bezüglich der herrschaftlichen Rechte, die einige Adelige innerhalb des 
Königreichs besitzen. Dieser Protest mag ein Akt der Klugheit sein 
von Seiten der auswärtigen Herren, welche nur Hochachtung haben 


!, Häusser, Deutsche Geschichte I, 277. 


für die souveränen Häuser, er ist aber auch wahrhaftig eine Miss- 
achtung gegen alle Völker der Welt. Man muss sie bedauern, dass 
sie so wenig die Rücksichten anerkennen, welche man einer freien 
Nation schuldet. Aber dieser Protest ist ein Akt der Unklugheit gegen 
die einheimischen Grossen, welche ihn gut zu heissen wagten, und gar 
ein Verbrechen gegen ihresgleichen, welche eine andere Meinung ab- 
gegeben haben. Jede diplomatische Spitzfindigkeit verschwindet vor 
der Hoheit der (esetze eines Volkes. Der Schritt der deutschen Kreise 
bezeugt, dass es auf der ganzen Welt unter gewissen Menschenklassen 
das unauslöschliche Merkmal einer unversöhnlichen Gesinnung giebt, 
welche auf der Angst vor der natürlichen Freiheit beruht« !). 

Dennoch hofften die Fürsten mit ihren Beschwerden bei der 
Nationalversammlung endlich Gehör zu finden und erneuerten daher 
fortwährend ihre Klagen, zuletzt am 18. September 17902), ja sie 
wandten sich an die Person des Königs Ludwig XVI. selbst, von dem 
sie eine gerechte Behandlung erwarteten. Und wirklich schien ihre 
Hoffnung gerechtfertigt; denn Ludwig erhob seine Stimme zu ihren 
Gunsten und liess die Nationalversammlung wissen, dass hier Einkünfte 
und Rechte in Frage kämen, die auf Verträge sich stützten, und dass 
diese nicht einseitig aufgehoben werden könnten. Die Versammlung 
schien sich diesen Gründen nicht zu verschliessen, und so erliess sie 
denn am 28. Oktober 1790 das bekannte Dekret folgenden Wortlauts?): 

»L’assemblee nationale, après avoir entendu le rapport de son 
comité féodal et de son comité diplomatique, considérant qu'il ne peut 
y avoir dans l'étendue de l'empire français d'autre souveraineté que 
celle de la nation, déclare que tous ses décrets acceptés et sanctionnés 
par le Roi ..... concernant les droits seigneuriaux et féodaux, 
doivent être exécutés dans les départements du Haut et du Bas-Rhin, 
comme dans toutes les autres parties du royaume. 

Et néanmoins, prenant en considération la bienveillance et l'amitié 
qui depuis si longtemps unissent intimement la nation française aux 
princes d'Allemagne, possesseurs de biens dans lesdits départements, 
décrète : 

Que le Roi sera prié de faire négocier avec lesdits princes une 
détermination amiable des indemnités qui leur seront accordées pour 
raison de droits seigneuriaux et féodaux supprimés par les dits décrets, 
et même l'acquisition des dits biens, en comprenant dans leur évaluation 

‘) Moniteur 1789, 116, vom 16. Dezember. — ?) Ib. 1790, 287, vom 19. Oktober. 


- *) Duvergier, Collection complete des lois, deerets.... du conseil d'Etat I, 440. 
— Moniteur 1790, 303, vom 30. Oktober. 


Br + i 
| 


DER. — 


les droits seigneuriaux et féodaux qui existaient à l'époque de 
la réunion de la ci-devant province d'Alsace au royaume de France, 
pour être, sur le résultat de ces négociations, délibéré par l’Assemblée 
nationale dans la forme du décret constitutionnel du 22 mai dernier.« 
So hatte denn die französische Nationalversammlung wohl all- 
gemeine Versprechen für die deutschen Fürsten, aber trotz dem freund- 
schaftlichen Verhältnis, in dem sie so lange zu Frankreich gestanden, 
wurden sie auch nur mit solchen abgespeist ; bestimmte Gesichtspunkte 
für eine friedliche Einigung wurden nicht aufgestellt, und sie sind auch 
in der Folgezeit unterblieben, abgesehen davon, dass einmal der Plan 
auftauchte, die rechtlichen Verpflichtungen durch Assignaten abzulösen, 
worauf natürlich die deutschen Fürsten nicht eingehen konnten. Sie 
erklärten vielmehr ausdrücklich, dass jede Entschädigung für sie un- 
annehmbar sei, die nicht in Grundbesitz bestände!). Hieran änderte 
auch das freundliche Schreiben nichts, welches am 14. Dezember 1790 
der neugewählte Kaiser Leopold II. an den französischen König richtete, 
in dem er die Wiederherstellung des Zustands beantragte, wie er vor 
den Beschlüssen vom 4.—11. August 1789 bestanden. Der Erfolg war 
ein negativer; denn die Antwort lautete, »das Reich sei bei der Sache 
gar nicht interessiert, und der ganze Kontlikt nur ein Streit der Krone 
Frankreichs mit ihren Vasallen, der am einfachsten durch friedliche 
Annahme der angebotenen Vorschläge sein Ende finde, wie man ja 
auch den Fürsten bereits Entschädigungen vorgeschlagen habe '). Letztere 
waren jedoch nicht gewillt, auf diesen Vorschlag einzugehen, und über- 
reichten daher dem deutschen Reichstage weitläufige Eingaben, in denen sie 
ihre Rechte ausführlich darlegten und das Reich um Schutz angingen. 

Schon am 7. Januar 1790 hatte der durch die Umwälzungen am 

meisten getroffene Oberrheinische Kreis folgende Beschlüsse gefasst: 

1. Kaiserliche Majestät von den Beschwerden der gekränkten 
Stände, in gleichen des Adels und der Geistlichkeit und dem 
ihnen drohenden Verlust eine Anzeige zu machen, und aller- 
höchst dieselbe um ihren Beistand unter dem Beitritt des 
Reichs zu bitten: 

2. den kurrheinischen, schwäbischen, fränkischen und westfälischen 
Kreis aufzufordern, mit ihm gemeinsame Sache zu machen, 
zugleich 

3. die beschwerten Reichsstände anzuweisen, einstweilen nichts 
zu versäumen, um durch Unterhandlungen mit dem franzö- 
sischen Hofe den ihnen bevorstehenden Verlust abzuwenden ...*). 


1) Häusser, deutsche Geschichte I, 281. Berghaus, Deutschland vor 
50 Jahren I, 65. — ?) Reuss, Teutsche Staatskanzley, 24, 342. 


Fe — 


Am 1. April erfolgte eine Beschwerde des deutschen Ordens an 
den Reichstag, in der es u.a. heisst: 

Die Ordenskommende Lothringen betreffend, ist in dem zwischen 
damals regierender kaiserlicher Majestät und der Krone Frankreich 
unterm 28. August 1736 über die Abtrettung des Herzogtums Loth- 
ringen zu Wien geschlossenen Vertrag verabredet, dass allen geistlichen 
Corporibus die innehabende Güter mit ihrem rechtmässigen Eigenthum 
sollten belassen, und sie bey ihren bisherigen Freyheiten erhalten 
werden; und in dem sogenannten Wiener Frieden wurde Art. 18 diese 
Vertragsbedingniss wiederholter bestättigt, und von der Krone Frank- 
reich die Verbindlichkeit übernommen, namentlich die in Lothringen 
und Baar gelegene Besitzungen des Ordens bey ihrer vorherigen Ver- 
hältniss unangefochten zu belassen, so, dass das Eigenthum des Ordens 
nebst den solchen anklebenden Rechten und Nutzungen auch in diesen 
Landen durch einen feyerlichen Nationalvertrag alle gesetzmässige und 
verbindliche Konsistenz erhalten hat. Dass aber Verträge und Friedens- 
schlüsse unter Völkern heilig und unverletzlich seyen, dass alle den- 
selben einverleibte Bedingnisse unverbrüchlich gehalten werden müssen, 
dass solchen von einem der kontrahirenden Theilen willkührlich und 
einseitig nicht entgegen gehandelt werden könne, ohne dass derselbe 
sich eines gehässigen Friedensbruches schuldig mache; dieses sind in 
der allgemeinen Uebereinstimmung aller gesitteter Völker so fest ge- 
gründete Sätze, dass es gewiss eine überflüssige Arbeit seyn würde, 
solche weiter ausführen, und beweisen zu wollen. Nichts destoweniger 
hat die französische Nationalversammlung ..... sich nicht entsehen, 
ihre Verfügungen auch über die in Elsass und Lothringen possessionirte 
Reichsstände auszudehnen, das durch so viele Friedensschlüsse garan- 
tirte Eigenthum des deutschen Ordens anzugreifen 

Am 28. Dezember 1790 wurde dem Reichstage in Regensburg ein 
Schreiben der fränkischen Kreisversammlung vom 2. März übergeben, 
das folgendes ausführt: 

Verschiedene ansehnliche Mitglieder des deutschen Staatskörpers, 
sonderheytlich bey diesem Reichs-Creise der hohe deutsche Orden in 
Ansehung seiner Besitzungen im Elsass und Lothringen, das fürstliche 
Haus Löwenstein-Wertheim wegen der Herrschaft Scharfeneck im Elsass, 
und wegen der Grafschaft Püttlingen in Lothringen .... sind durch 
die nicht ungegründete Besorgniss beunruhigt, es möchte die drohende 
Ausdehnung vorgedachter Abschlüsse dabey in Absicht geführet — und 
den Heichsständischen unverlierbaren Besitzungen sich zudringlich 


1) Reuss, Teutsche Staatskanzley, 25, 321. 


pre 


senähert werden, welches zur natürlichen Folge hätte, dass die Grundlage 
der deutschen Reichs-Constitution gegen die Vorschrift des — zwischen 
Kaiser, dem deutschen Reiche und der Crone Frankreich bestehenden 
Westphälischen Friedens und der nachgefolgten Staatsverträge, welche 
nur höchstbelobte Crone selbst garantiret hat, und die in allem Er- 
trage für allzeit unverletzlich seyn und bleiben sollten, bey dem gegen 
Erwartung eintretenden Falle erschüttert — und zum Theil ganz um- 
gestürzt werden müsste. Eine hochansehnliche Reichsversammlung 
wird sich von selbst überzeugt finden, dass der den deutschen Reichs- 
ständen sich darob zu leidende Verlust unersetzbar wäre, wenn der 
französische Hof sonderheitlich über den Westphälischen Frieden, als 
die Schutzwehre gegen alle gewaltsame Einbrüche in die deutsche 
Reichs-Verfassung hinaus weichen — und den allgemeinen Reichs- 
verband zertrümmern, oder auch nur zum Theil auflösen wollte '). 

Eine Eingabe des Markgrafen von Baden aus dem Anfange des 
Jahres 1791 gibt dem Reichstage in $ 23 zu wissen: 

Seit den bekannten Dekreten der Nationalversammlüung vom 
4. August 1789 et seq. masset sich die Französische Nation an, sowohl 
in Rodemachern und seinen Abhängigkeiten, als auch in den Badischen 
Besitzungen am linken Ufer des Rheins, eine ganz unbeschränkte Ober- 
herrschaft auszuüben, und den Herren Markgrafen, nicht nur Ihre 
Reichsunmittelbarkeit; sondern selbst Ihre Privatrechte, auf alle nur 
ersinnliche Weisse zu beeinträchtigen. Die Departements, und selbst 
die Unterthanen, setzte Vögte und Vorgesetzte ab; errichten Munizipal- 
Magistrate, und sogenannte Friedensrichter ; nehmen die Registraturen 
und Archive in ihre Gewalt; bemächtigen sich der Jagden und 
Fischereyen: binden sich zu sogenannten Nationalgarden, und versagen 
ihrem Fürsten und Herren nicht nur allen Gehorsam, sondern selbst 
alle Achtung. Sie machen die klärsten Rechte streitig, versagen die 
Zehnden, Bannrechte, Salzrechte, Schutz- und Schirmgelder und viele 
andere, uralte bestgegründete Abgaben, welche die Nationalversammlung 
selbst, ohne die mindeste Rücksicht, durch ihre Dekrete aufzuheben 
sich ermächtigt hat. Was aber auch diese, mit keinem Schein des 
Rechts zu vertheidigende Dekrete nicht aufzuheben und zu vernichten 
gewagt haben, das will die Nation, nach, von ihr festgesetzten Preisen, 
durch vermeintliche Käufe, dem Herrn Markgrafen abdringen, und, 
gestützt auf die Gewalt, gehen die Unterthanen selbst noch überall 
weit über diese Dekrete hinaus, ohne dass die, durch viele Umschweife 
anzurufende, neue Gerichte, mit einer thätigen Hülfe, dem äussersten 


') Reuss, Teutsche Staatskanzley, 26, 268. 


Ba us 


Willkühr und der unbescheidensten Zügellosigkeit Schranken zu setzen 
im Stande wären, und die desswegen in Paris gemachten dringenden 
Vorstellungen und Ausführung der Badischen Rechte, sind ohne Antwort 
geblieben... ... 

Da von der Seite Frankreichs keiner Vorstellung Platz gegeben 
wird: so dauern bis auf jetzt, alle die bisher erzählten Beeinträch- 
tigungen nicht allein noch immer fort; sondern sie vermehren sich 
täglich noch so sehr, dass das Markgräflich Badische Haus, sich beynahe 
sanz aus dem Besitz Seines, in vorstehender Ausführung so gründlich 
dargelegten, in dem urältesten Reichsverband stehenden Eigenthums und 
Seiner theuern Rechte, gesetzt zu sehen, billig befürchten muss!). 


I. 


Bei den Verhandlungen des deutschen Reichstags über diese 
Eingaben, die am 9. Mai 1791 begannen, berichtete der Kurmainzische 
Gesandte über die Beschwerde der Fürsten und fasste seine Aus- 
führungen schliesslich in 5 Fragen zusammen: | 

1. Alles, was in Frankreich gegen die im Elsass angesessenen 

Stände Deutschlands und gegen die Ritterschaft dieser Provinz 
in Bezug auf ihr Eigentum, wie auf ihre weltlichen und geist- 
lichen Rechte und Gerechtigkeiten unternommen worden ist, 
muss es nicht als ungesetzlich, als nichtig und als ein Frevel 
gegen die bestehenden Verträge angesehen werden ? 

2. Alle Distrikte des Elsass, die durch den westfälischen Frieden 
und fernere Verträge Frankreich unterworfen worden sind.... 
müssen sie nicht betrachtet werden, als machten sie noch Teile 
des deutschen Reiches aus? 

3. Deutsche Stände, die im Elsass angesessen sind, haben sie, 
indem sie stillschweigend oder ausdrücklich die französische 
Oberhoheit anerkannten, den Rechten des Reiches Nachteil 
zufügen können, und können Uebereinkünfte dieser Art noch 
angerufen werden, seitdem das französische Volk erklärt hat, 
dass es selbige nicht mehr als verpflichtend betrachte? 

4. Ist überhaupt das deutsche Reich nicht befugt, alle Verträge 
für null und nichtig anzusehen, durch die von Deutschland 
Provinzen abgetrennt worden sind, um mit Frankreich vereinigt 
zu werden ? 

5. Welche Mittel sind zu ergreifen, um die Besitzungen, sowie 
die geistlichen und weltlichen Rechte und Gerechtigkeiten, 


') Reuss, Teutsche Staatskanzlev, 29, 96. 


— 263 — 


welche deutschen Reichsständen gehören, die niemals der fran- 
zösischen Oberhoheit unterworfen gewesen, mit Erfolg zurück- 
zufordern, und welchen Ausweg hat das Reich, in seiner 
Eigenschaft als Bürge, in Ansehung derjenigen Stände vorzu- 
schlagen, welche jener Oberhoheit unterworfen worden sind?!) 
Für die Behandlung dieser Fragen wurde zunächst der 20. Juni 
festgesetzt, doch bei der Langsamkeit, mit welcher der Reichstag arbeitete, 
kam die Sache erst am 4. Juli zur Sprache, und es zeigte sich jetzt, 
wie schwer es war, selbst über so klar liegende Gegenstände ein ein- 
stimmiges Urteil herbeizuführen: denn die grossen Fürsten hatten 
andere Interessen im Auge als die kleinen. Die geistlichen Herren 
waren für eine ganz scharfe Sprache Frankreich gegenüber, während 
die weltlichen ein möglichst zahmes Gutachten wollten; so stritt man 
sich denn Tagelang über ganz untergeordnete Punkte, und schliesslich 
drohte noch alles im Sande zu verlaufen, als in der Nacht vom 12. auf 
den 13. Juli vom Kaiser die Botschaft einlief, dass Ludwig XVI. einen 
Fluchtversuch gemacht habe, gefangen und vorläufig seiner Würde 
entsetzt sei; jetzt habe sich die Lage derart geändert, »als es nun 
völlig an einem Organ fehle, an welches die vom Reichstage beab- 
sichtigte Vorstellung gerichtet werden sollte. Hoffentlich werde man 
dem Kaiser nicht zumuten wollen, dass er hierdurch in ganz Europa 
den Vorgang machen solle, den König als abgesetzt anzusehen und bei 
einer etwa aufgestellten Kronverwaltung ein kaiserliches Reichsschreiben 
abzugeben, anderer Bedenken zu geschweigen, welche sich von Tag 
zu Tag ändern könnten« ?). Aber merkwürdiger Weise liess sich dies- 
mal der Reichstag durch den Kaiser nicht bestimmen, das angefangene 
Werk bei Seite zu schieben, vielmehr war bis Mitte August ein weit- 
schichtiges Reichsgutachten fertig gestellt; doch erst am 10. De- 
zember 1791 erhielt dieses die kaiserliche Unterschrift, und daran 
anknüpfend wandte sich der Kaiser zum zweiten Male an Ludwig XVI, 
hob noch einmal das sonnenklare Recht der deutschen Reichsfürsten 
hervor und gab der Erwartung Ausdruck, dass die seit dem August 
1789 eingetretenen Veränderungen aufgehoben, und der alte Zustand 
wieder hergestellt werde”) — natürlich auch jetzt ohne jeden Erfolg. 
Wohl lief am 15. Februar 1792 ein weiteres Schreiben des französischen 
Königs an den deutschen Kaiser ein, in dem das Anerbieten des 
französischen Volkes, mit den Fürsten in Unterhandlung zu treten 
wegen der Entschädigungen. wiederholt wurde; doch wurde die For- 
1) Berghaus a. a. 0. I, 66. Häusser I, 281. ?) Häusser I, 284 
21: Ib: I; 28. 


— 264 — 


derung, den früheren Zustand voll und ganz wieder herzustellen, kurz 
von der Hand gewiesen als unvereinbar mit der französischen Ver- 
fassıng; man wolle aber bei der Festsetzung der Entschädigung auf 
den Verlust Rücksicht nehmen, den die Fürsten durch den Nichtgenuss 
eines Teiles ihrer Einkünfte seit dem 1. August 1789 erlitten hätten '). 
Infolgedessen traten einige Reichsfürsten mit der französischen Re- 
sierung in Unterhandlungen, um wenigstens etwas aus dem Schiffbruch 
zu retten, da sie wahrscheinlich trotz aller Beschlüsse des Reichstags 
und dem guten Willen des Kaisers an der Hoffnung verzweifelten, voll 
und ganz in die alten Gerechtsame wieder eingesetzt zu werden. In 
erster Linie waren es zwei im heutigen Lothringen angesessene und 
begüterte Herren, die Fürsten von Salm-Salm und von Löwenstein- 
Wertheim, die mit Frankreich unterhandelten, und ihre Geschäftsführer 
unterzeichneten am 29. April 1792 in Paris eine gleichlautende Ueber- 
einkunft des Inhalts, dass die Entschädigung für die herrschaftlichen 
und Lehensgerechtsame, sowie die nicht lehnbaren Zehnten, in deren 
Genuss diese Fürsten in Elsass und Lothringen sich befanden, nach 
dem Anschlage ihres Ertrages zu 3 °/o kapitalisiert gezahlt werden 
sollten. Dagegen verzichteten jene ihrerseits auf jegliche Entschädigung 
für diejenigen herrschaftlichen und Lehensrechte, welche nur Ehren- 
rechte waren?). Selbstverständlich hat das französische Volk diese 
Verträge nie zur Ausführung gebracht. 

Während dieser Zeit machten sich in Deutschland an verschiedenen 
Punkten Anzeichen geltend, dass die Lehren der französischen Revolu- 
ion auch hier anfingen, Anhänger zu finden. Es kam in mehreren 
kleinen Staaten zu Ausschreitungen gegen die Landesherren, winzige 
Aufstände folgten, und man musste daher ernstlich besorgen, dass diese 
bis jetzt noch lokalen Vorkommnisse auch weitere Kreise ergreifen 
würden. Die abschüssige Bahn, auf der die Ereignisse in Paris unauf- 
haltsam weiter trieben, die Behandlung, welche der königlichen Familie 
zuteil wurde, liessen allmählich den Gedanken aufkommen, mit den 
Waffen in der Hand die Revolution zu bannen, wenigstens sie in engere 
Grenzen zurückzuführen, und die deutschen einflussreichen Kreise 
wurden hierbei unterstützt durch die zahlreichen französischen Emi- 
granten, die vor allem Coblenz, die Residenz des Kurfürsten von Trier, 
zum Sammelpunkt gemacht hatten und den Hass gegen die umstürz- 
lerische Revolution nach Kräften schürten. Wohl suchte letztere mit 
den ihr zu Gebote stehenden Mitteln gerade diese Gegnerschaft zu 
vernichten. Die verschiedensten Verordnungen wurden erlassen mit 


') Berghaus I, 68. — ?) Moniteur 1792, No. 140. Vergl. auch Berghaus I, 68. 


der Aufforderung, nach Frankreich zurückzukehren; es wurde nicht 
nur gedroht, die Güter der Emigranten als Staatseigentum einzuziehen 
und zu Gunsten der Staatskasse zu veräussern, sondern diese Drohung 
wurde auch ausgeführt. Schliesslich erliess der Nationalkonvent am 
25. Brumaire des Jahres II (15. November 1793) das bekannte Gesetz 
über die Emigranten, welches auch auf die okkupierten und besetzten 
Lande ausgedehnt wurde. So wurden alle diejenigen, welche seit der 
von den Einwohnern begehrten Vereinigung mit der Republik die Lande 
verlassen hatten und nicht innerhalb 3 Monaten nach der erfolgten 
Vereinigung zurückgekehrt waren, als Emigranten angesehen, zum Tode 
verurteilt und ihre Güter eingezogen. Doch ging man bald noch einen 
Schritt weiter und wandte das Gesetz in aller Schärfe auch auf die- 
jenigen an, welche aus den früheren Reichsländern vor der Annexion 
gellohen und im Innern Deutschlands eine neue Heimat gesucht und 
gefunden hatten; ja man scheute sich nicht, sogar die alten Herrscher 
der besetzten Gebiete und ihre Dienerschaft den Bestimmungen des Ge- 
setzes zu unterwerfen !). 

Kam es zum Kriege mit Frankreich, der nach der allgemeinen 
Ansicht für Deutschland nur glücklich auslaufen konnte, so hoffte man 
durch ihn ein Dreifaches zu erreichen: 1. die Revolution zu vernichten, 
2. den französischen König wieder einzusetzen und 3. die geschädigten 
Reichsstände in ihre geraubten Besitzungen zurückzuführen, ihnen ihre 
sämtlichen genommenen Rechte wiederzugeben und den revolutionären 
Geist in Deutschland völlig zu bannen. So kam es denn bereits am 
7. Februar 1792 in Berlin zu einem Vertrage zwischen Oesterreich und 
Preussen, in dem sich beide Parteien verpflichteten zu gegenseitiger Hülfe, 
und sich ihren augenblicklichen Besitzstand garantierten. Ueber die 
Frage, welche Forderungen man an Frankreich stellen sollte, kam es 
jedoch schon zu Meinungsverschiedenheiten; denn während der Kaiser 
vorschlug zu verlangen: Zurückziehung der Heere von der Grenze, 
Herstellung der geschädigten Reichsfürsten, Rückgabe des dem Papste 
entrissenen Avignon, Anerkennung der bestehenden Verträge, Sicherheit 
des Königs und seiner Familie und Verhinderung republikanischer Be- 
strebungen, verlangte Preussen, die zwei letzten Punkte zu streichen, 
um den König von Frankreich nicht in grössere Gefahr und in den 
Verdacht der Mitwisserschaft zu bringen, und es stellte seinerseits die 
Forderung auf, dass der Jakobinerklub aufgelöst werde ?). 


') Geheimgeschichte der Rastätter Friedensverhandlungen 6, 96. 


2, Häusser I, 335. 


— 266 — 


Während über diese Punkte noch zwischen den beteiligten Kabi- 
netten verhandelt wurde, starb plötzlich und unerwartet am 1. März 1792 
der Kaiser Leopold, und sein Nachfolger Franz Il, ein junger kriegs- 
lustiger Mann, erneuerte nicht nur den Vertrag mit Preussen, sondern 
wusste auch durch seine Massnahmen die Kriegsbegeisterung in Frank- 
reich so zu steigern, dass bereits am 20. April der König Ludwig XVI., 
wenn auch ganz gegen seinen Willen, in der Nationalversammlung den 
Antrag stellte, den Krieg an den König Franz von Ungarn und Böhmen 
zu erklären, und die Versammlung nahm mit beispiellosem Jubel diesen 
Antrag an. So mussten denn, nachdem die Diplomatie nichts hatte 
erreichen können, die Waffen entscheiden. Zwar war Frankreich für 
einen grossen Krieg fast gar nicht vorbereitet, und die ersten Ereignisse 
liessen nur zu bald erkennen, dass es blindlings sich in ein Unter- 
nehmen gestürzt, dem es durchaus nicht gewachsen war. Anderseits 
aber konnten die zahlreichen Misserfolge und Niederlagen, welche die 
französischen Waffen erlitten, den seit dem 20. September 1792 am 
Ruder befindlichen Nationaleonvent nicht einschüchtern und von der 
einmal beschrittenen Bahn ablenken. Selbst in schwieriger Lage, 
überall bedrängt von den siegreichen Heeren der Verbündeten, suchte 
er auch weiter die Menschheit mit den Errungenschaften der Revolution 
zu beglücken, und grade der Kriegszustand, in dem man sich mit 
Deutschland befand, gab eine willkommene Handhabe, um neue nach- 
haltige Schläge dem morschen Deutschen Reiche zu versetzen. Bis 
jetzt waren durch den Gang der Revolution zwar deutsche Reichsfürsten 
in ihren Rechten und Einkünften schwer geschädigt, aber doch nur 
in so weit, als ihre Besitzungen unzweifelhaft unter französischer Ober- 
hoheit gestanden, und die Massnahmen der Gewalthaber in Paris waren 
nur darauf hinausgegangen, alle ihre unmittelbaren und mittelbaren 
Unterthanen nach dem Gesetze gleich zu behandeln, und ihnen sämt- 
lich die Vorteile der neuen Zeit zuzuwenden. An den wirklichen 
deutschen Reichsgebieten im heutigen Lothringen halte man sich noch 
nicht vergriffen, so sehr man diesen Besitz auch begehrte, und die 
Selbständigkeit dieser Kleinstaaten war noch nicht angetastet worden. 
Das wurde jetzt mit einem Male anders; die französische Nation lag 
mit dem Kaiser und, nach ihrer Ansicht, auch mit dem Reiche im 
offenen, ehrlichen Kampfe, und jetzt konnte man auf dem Wege der 
Eroberung oder durch andere Mittel diese für Frankreich so wichtigen 
Bindeglieder zwischen dem Elsass und dem übrigen Reiche erwerben — 
und der Nationalkonvent zögerte auch nicht lange, um zum Ziele 
zu kommen. 


u. 


IV. 


Bereits am 19. November 1792 erliess der Nationalconvent das 
bekannte Dekret, durch welches er allen Völkern, die ihre Freiheit 
wieder erwerben wollten, brüderliche Hülfe versprach '), und schon am 
17. Dezember folgte die Proklamierung der Freiheit und Unabhängigkeit 
sämtlicher Nationen, mit welchen Frankreich bereits im Kriege lag, 
oder die es noch bekriegen wollte. In einem schwungvollen Aufrufe 
wendet sich das freie Volk an sie und ruft ihnen zu: 

»Brüder und Freunde! Wir haben die Freiheit erkämpft, und 
wir werden sie behaupten! Wir erbieten uns, auch Euch dieses un- 
schätzbare Gut zu verschaffen, welches uns stets gebührte, und das 
unsere Unterdrücker uns nicht ohne Verbrechen haben rauben können. 
Wir haben Eure Tyrannen verjagt, zeigt Euch als freie Männer, und 
wir werden Euch schützen vor ihrer Rache, vor ihren Plänen und vor 
ihrer Rückkehr! Jetzt verkündet das französische Volk die Ober- 
hoheit des Volkes, die Aufhebung aller bürgerlichen und militärischen 
Gewalten, die Euch bis heute beherrscht haben, und aller Steuern, die 
Ihr tragt, unter welcher Form sie auch bestehen mögen; die Ab- 
schaffung der Zehnten, des Lehnswesens, der Herrenrechte betreffend 
Lehen und Abgaben, mögen sie unbeweglich oder zufällig sein, der 
Zwangsgerechtigkeiten, der Leibeigenschaft, der Jagd- und Fischerei- 
gerechtsame, der Salzsteuer, der Zölle und Abgaben, überhaupt aller 
Steuern, zu denen Ihr von Euren Bedrückern gezwungen waret: es ver- 
kündet auch bei Euch die Abschaffung des Adels, der Priesterherrschaft 
und der übrigen Vorrechte und Privilegien, die der Gleichheit entgegen- 
stehen. Ihr seid von diesem Augenblicke an Brüder und Freunde, 
sämtlich Bürger, sämtlich gleichberechtigt und alle gleichmässig berufen 


Die Abgesandten der französischen Republik werden sich mit Euch ver- 
ständigen, um Euer Glück und die Brüderlichkeit zu sichern, die von 
nun an unter uns bestehen muss ?). 

Es ist nun leicht verständlich, dass solche Sirenenklänge, solche 
Verheissungen von unbedingter Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit 
einen tiefen Eindruck machen mussten auf die Unterthanen der kleinen 
deutschen Fürsten, die noch nach der Sitte der Altvorderen regiert, 
durch Steuern und Abgaben um so mehr bedrückt wurden, je kleiner 
das Ländchen war, und welche die Freiheit kaum von Hörensagen 
kannten. So konnte es denn nicht ausbleiben, dass überall im Lande 
sich die Unzufriedenheit regte, man offenen Auges auf die Vorgänge 


1) Duvergier, 5, 50. — °) Ib, 5, 82. 


zn — 


schaute, die sich in Frankreich abspielten, und bei Vielen die Sehnsucht 
wach wurde, möglichst bald das Joch der Tyrannen abzuschütteln. So 
war denn der Boden für einen Abfall an Frankreich trefflich vorbereitet, 
und das Weitere wurde von der Revolution selbst besorgt. Ihre 
Agenten und Werber durchzogen die Grenzländer und schürten das 
Volk auf, sie schilderten die Errungenschaften der Freiheit in glänzenden 
Farben, drohten aber auch andererseits mit Gewaltmassregeln, mit 
kriegerischer Eroberung und Plünderung, und sie wussten aller Orten 
wenigstens ein kleines Häuflein zu veranlassen, ein Gesuch an den 
Nationalconvent aufzusetzen und um Aufnahme in die französische 
Nation nachzusuchen. Selbstverständlich wurde diesen Bitten auf der 
Stelle entsprochen, der Convent verfügte auf allgemeinen Wunsch die 
Einverleibung, die Gebiete wurden besetzt, und den entthronten Fürsten 
blieb nichts übrig als eine leere Verwahrung gegen diesen Länderraub 
und eine Beschwerde an das ohnmächtige Deutsche Reich. Mit welchen 
Mitteln die Revolution arbeitete, und wie sehr alles verdreht und ge- 
wendet wurde, um zum Ziele zu gelangen, davon geben uns die Ver- 
handlungen des Nationalconvents aus jenen Tagen ein klares und 
deutliches Bild. So rief z. B. Carnot in der Sitzung vom 14. Februar 1795, 
in der Petitionen aus den Gebieten von Kriechingen und Saarwerden 
zur Beratung standen, mit Pathos aus: 

»Kaum wurde das Dekret vom 19. November 1792 den Ein- 
wohnern dieser Gegenden bekannt, als sie mit Eifer die Hoffnung er- 
griffen, die sich ihnen darbot, und sich beeilten, ihre Stimmen für die 
Vereinigung bei ihren Obrigkeiten abzugeben. Aber keine Plackerei 
wurde unterlassen von den Beamten der alten Herren, um diese Be- 
geisterung für die Freiheit zu unterdrücken. Die Patrioten erlitten alle 
Härten und alle nur möglichen Ungerechtigkeiten. Einige Gemeinden 
haben sogar noch nicht dazu kommen können, ihre Massenabstimmungen 
bekannt zu machen, nur die Gemeindebeamten haben im Namen ihrer 
Mitbürger ihre Zustimmung übersandt, und die sehr grosse Mehrheit 
der Einwohner hat ihre persönliche Stimme gesetzmässig und frei ab- 
gegeben für die Vereinigung. Der diplomatische Ausschuss hat geglaubt; 
dass Ihr nach Euren Grundsätzen und dem Dekret vom 15. November 
diesem Volke, welches sich in Eure Arme wirft, die Brüderlichkeit nicht 
verweigern könnt, und dass es eben so sehr Eurer Würde als Eurer 
Menschlichkeit entspricht, es der Wut seines Despoten zu entziehen !) —« 
Daher schlägt er denn zum Schluss die Vereinigung dieser Gebiete mit 
der französischen Republik vor, und noch am selben Tage erliess der 


') Chastellux, Territoire du département de la Moselle, 102. 


— 669 — 


Nationalconvent das Dekret, durch welches die Grafschaft Kriechingen, 
das Hanau-Lichtenberg’sche Amt Lemberg, die reichsritterschaftliche 
Herrschaft Assweiler und die Herrschaft Saarwerden !) der französischen 
Republik angegliedert wurden ?). Der Rest der Grafschaft Kriechingen, 
die Gemeinden Büdingen, Dentingen und den deutschen Teil von 
Lellingen umfassend, wurde durch Beschluss des Convents und im 
Namen des französischen Volkes, «quelle accepte le vœu librement 
emis par les citoyens des communes«, Frankreich einverleibt am 
20. März 1793°). Weiter wurde durch Dekret vom 3. Frimaire des 
Jahres II (23. November 1795) die Herrschaft Diemeringen mit Frank- 
reich vereinigt und die Dörfer derselben dem Departement des Bas- 
Rhin zugeteilt), infolge dessen sie heute politisch noch zum Elsass 
gehören. Die letzten Reste des deutschen Reichsgebietes, von der 
Grafschaft Salm abgesehen, auf die wir gleich noch zurückkommen, 
die Deutschordenskommende Hundlingen, die saarbrückischen Dörfer 
Settingen und Diedingen und die dem Edlen v. Kerpen gehörige Herr- 
schaft Lixingen, gingen am 1. Oktober 1795 in Frankreich auf?), 
sodass von diesem Tage an das gesamte (rebiet des heutigen Lothringen 
im französischen Besitz sich befand. 

Doch wusste die Republik nicht nur zu locken und lieb zu thun, 
sie konnte auch Gewalt anwenden, um die Widerstrebenden zu sich 
hinüberzuziehen. Schon am 8. Dezember 1792 hatte der Nationalconvent 
das Dekret erlassen, nach welchem die Ausfuhr von Mehl, Getreide 
u. s. w. unter den schwersten Strafen verboten war. So bestimmte 
der Artikel I des Gesetzes: L’exportation hors du territoire de la Ré- 
publique de toute espece de grains, farines et legumes secs est expres- 
sément défendue, à peine de mort et confiscation, moitié au profit du 
dénonciateur, moitié au profit des établissements publics de bienfaisance, 
et les lois relatives à cet objet continueront d’être exécutées). Nun 
war 2. B. die gefürstete Grafschaft Salm, völlig von französischem Ge- 
biete eingeschlossen und durch ihre Lage an den Abhängen der Vogesen 


1) Dass solche Bittschriften häufig durchaus nicht den Willen des ge- 
samten Volkes ausdrückten, zeigt gerade diese Grafschaft. die in der grossen 
Mehrheit gar nicht danach trachtele, mit den Errungenschaften der Revolution 
beglückt zu werden, und die dem angestammten Herrscherhause mit verschwinden- 
den Ausnahmen treu ergeben war. »Die Franzosen wurden mit Grimm und selbst 
mit Erbitterung aufgenommen. Man hat zu steuern gehabt, um vom Morden ab- 


zuhalten; ich kenne Ortschaften, die sich erboten, Franzosenköpfe gleich Sperlingen 
zu liefern«, sagt Gagern in seinen Erinnerungen. (Mein Anteil an der Politik 1. 34. 
2), Duvergier, 5, 153. — °) Ib. 5, 205. — +) Lothringische_ Territorien, 172 


5) Ib. 261, 186, 254. 6) Duvergier 5, 70. 


nur wenig fruchtbar und ertragreich, vollständig auf die Getreidezufuhr 
von Aussen angewiesen. Infolge dieses tief einschneidenden Gesetzes 
hätten ihre Bewohner buchstäblich verhungern müssen. Sie suchten 
daher die für sie so harte Massregel zu mildern und wandten sich mit 
der Bitte an den Convent, zu ihren Gunsten eine Ausnahme eintreten 
zu lassen, doch verfügte dieser unterm 14. Februar 1793: »Sur la pe- 
tition de plusieurs citoyens de la principauté de Salm, tendant à ce 
qu'il füt fait en faveur de ce pays, exception au décret du 8 décembre 
dernier, concernant l'exportation des grains, la convention nationale dé- 
crète, qu'il n'y a pas lieu à deliberer« '). Daher zogen die Bewohner es, der 
Not gehorchend, vor, dem Deutschen Reiche den Rücken zu kehren und 
sich Frankreich anzuschliessen. So erfolgte bereits am 21. Februar 1793 
der Beschluss sämtlicher salmscher Gemeinden, um Aufnahme in die 
französische Republik nachzusuchen). Selbstverständlich beeilte sich 
der Convent, diesem einstimmigen Wunsche des gesamten Volkes 
nachzukommen und verfügte bereits am 2. März 1795 »sur le vœu 
librement emis par le peuple souverain composant les communes de 
la ci-devant principauté de Salm, dans les assemblées primaires, pour 
la réunion de la République francaise«, dass sie diesen Wunsch erfülle, 
das frühere Fürstentum Salm mit Frankreich vereinige und dasselbe 
vorläufig dem Vogesen-Departement zuteile?). 


N; 

Es ist nun leicht begreiflich, dass die auf solche Weise ent- 
thronten Herrscher nicht abwarteten, bis ihnen das Haus über dem 
Kopfe brannte, sondern dass sie sich, so gut es ging, rechtzeitig mit 
ihren Familien und Beamten zu retten suchten. Für die Fürsten, 
welche ausserhalb der französischen Grenzen noch souveräne Gebiete 
hatten, war eine Verlegung der Residenz ja nicht schwer zu bewerk- 
stelligen. Als einer der ersten verliess bereits am 15. August 1791) 
der Fürst von Salm seine Hauptstadt Senones und begab sich in die 
im westfälischen Kreise gelegene Reichsherrlichkeit Anholt, die durch 
Erbschaft an sein Haus gekommen war; von hier aus regierte er in 
der Folgezeit seine Lande, soweit sie ihm die Revolution nicht ent- 
rissen. 

Dieser vollständig beglaubigten Thatsache gegenüber steht ein 
Bericht des Moniteur in No. 134 des Jahres II, nach welchem die 

') Duvergier, 5, 153. — ?) Lothringische Territorien, 145. — ?) Duvergier 5, 178. 


— +) Haller, Geheimgeschichte 6, 96. Die Angabe in den Lothringischen Terri- 
torien 145 (März 1790) ist demnach falsch. 


Fürsten von Salm-Salm und Hohenlohe am 9. Pluviose im Haag auf 
den Glacis mit einem Generaladjutanten des Generals Clairfait sefangen 
genommen und nach Paris gebracht wurden. Sie hatten vorher ver- 
sucht, nach England zu entkommen, indem sie den Kapilänen eines 
amerikanischen und dänischen Schifles zu diesem Zwecke eine grosse 
Geldsumme angeboten hatten. Aber diese braven Leute, sagt der 
Moniteur, hatten geantwortet, dass sie mit Frankreich nicht im Kriege 
lägen und deshalb nichts gegen dasselbe unternehmen würden; sie würden 
vielmehr die Neutralität genau beobachten. 

Obgleich ich im Augenblick diesen Widerspruch nicht erklären 
kann, möchte ich doch auf jeden Fall eine Verwechselung annehmen; 
vielleicht handelt es sich um einen Angehörigen der Familie Salm- 
Reiferscheidt, die ja in den Niederlanden angesessen war, vielleicht gar 
um den später zu nennenden Fürsten Friedrich von Salm-Kyrburg. 

Auch der Fürst von Leiningen verliess beim Ausbruch der Revo- 
lution seine lothringischen Lande und nahm zunächst in Dürkheim, 
seiner gewöhnlichen Residenz, jetzt ständigen Aufenthalt. Beim ersten 
Ansturm der Franzosen im Jahre 1792 hielt er daselbst noch aus, 
begab sich jedoch bald darauf nach Mannheim, um in seine an- 
gestammten Besitzungen nicht wieder zurückzukehren. »Die fürstliche 
Familie hatte in diesen schweren Zeiten, die sie ausserhalb ihres Landes 
zubringen musste, manche Drangsale zu erdulden, doch kämpfte sie der 
Fürst männlich und standhaft durch').« 

Noch schlimmer erging es dem regierenden Fürsten Ludwig von 
Nassau-Saarbrücken, der unter den ersten die Folgen der grossen Um- 
wälzung in Frankreich zu tragen hatte. Schon durch die frühesten 
Dekrete der Nationalversammlung war er schwer getroffen worden, da 
sie ihn seiner Rechte und Einkünfte aus dem Gebiete der Abtei Wad- 
gassen beraubt hatten, doch war sein Protest hiergegen sowohl bei 
der Verwaltung in Metz als auch in Paris nicht beachtet worden”). 
Nicht besser erging es seinen Eingaben im folgenden Jahre‘). Trotz- 
dem war der Fürst redlich bemüht, so viel an ihm lag, mit den fran- 
zösischen Gewalthabern auf gutem Fusse zu bleiben, und er hatte auch 
insoweit Erfolg, dass er wiederholt als Freund und Allirter der Re- 
publik bezeichnet wurde, dem kein Haar, seinen Unterthanen kein 
Grashalm gekrümmt werden sollte*). Keine Emigrirten duldete er in 
seinen Landen, und den ausgewanderten Franzosen wurde nur ein 


1) Brinckmeier, Geschichte des Hauses Leiningen 1, 308. ?) Moniteur 
1791, No. 60. — 3%) Ib. 1792, 130. — *, Horstmann, Die Franzosen Im Saarbrücken 


und den deutschen Reichslanden 28. 


— 212 — 


Aufenthalt von 24 Stunden gestattet!). Im Gefühle der vollständigen 
Sicherheit blieb die fürstliche Familie ruhig im Lande auf ihrem Schlosse 
zu Neunkirchen, anstatt sich rechtzeitig über den Rhein zu flüchten. 
Trotzdem rückten zu Anfang des Jahres 1793 französische Heere, in 
erster Linie die sogenannte Moselarmee, in Saarbrücken ein und be- 
gannen sofort, sich als Herren zu benehmen. »Alles, was der Fürst 
und Privatleute an Fourage und Früchten missen konnten, wurde den 
Franzosen überlassen, welche ihre leeren Magazine damit anfüllten. 
Französische Deserteure, die sich ins Nassau’sche flüchteten, wurden 
entwaffnet und ihre Armaturstücke der Nation ausgeliefert . 
Kurz, Fürst und Unterthanen beeiferten sich, alles zu thun, um die 
Freundschaft mit der Nation, welche die Politik befahl, fest zu knüpfen 
und fest zu halten« ?). Da erfolgte bereits zu Anfang Februar der Be- 
fehl des Generals Laudremont, der Fürst solle seine Haustruppen ent- 
waffnen und deren Gewehre und alle Vorräte, die noch in den Arse- 
nalen lagen, der Republik ausliefern, und um des lieben Friedens 
willen leistete man diesem Verlangen Folge*). Am 14. Mai. beab- 
sichtigte der Fürst, welcher heftig an der Gicht litt, sich nach Baden- 
Baden zu begeben, und er hatte seine Abreise auch dem französischen 
Befehlshaber in Saarbrücken angezeigt. Da wurden am 13. Mai sämt- 
liche Regierungs- und Kammerräte zusammen gerufen und ihnen eröffnet, 
dass Fürst, Dienerschaft und Land als Feinde der Republik erklärt 
seien; die öffentlichen Behörden wurden aufgelöst, ihre Amtszimmer 
versiegelt und die Räte selbst in Gewahrsam genommen 4). Zu gleicher 
Zeit wurde eine starke Truppenmacht nach Neunkirchen abgesandt, 
um die ganze fürstliche Familie im Augenblicke der Abreise gefangen 
zu nehmen und ihre Schätze und Kostbarkeiten mit Beschlag zu be- 
legen. Doch glückte der Fang nicht vollständig, da der Fürst bereits 
in der Frühe des 13. Mai abgefahren war, und der Erbprinz in der 
letzten Minute noch die Flucht ergreifen und sich in das preussische 
Lager in Sicherheit bringen konnte). Die Erbprinzessin dagegen geriet 
in die (rewalt der Franzosen, wurde zunächst nach Metz, dann nach 
Paris geführt, wo sie in Haft gehalten und erst zu Anfang des Jahres 1796 
mit den Grafen von Leiningen -Westerburg gegen den französischen 
Minister Beurnonville, der in die Hände der Oesterreicher gefallen war, 
ausgeliefert und in Freiheit gesetzt wurde®). Gnädiger Weise war ihr 
aus den Einkünften des fürstlichen Vermögens jährlich eine Summe 
‘) Horstmann, Die Franzosen in Saarbrücken und den deutschen Reichs- 


landen, 46° —: 2) Ib.-46. — ®) Ib.:28. —.#) Ib,A8 2 m, IE 5) Brinckmeier 
a.a. 0. 2, 286, 289. 


at — 


von 12000 Franks angewiesen '): ob sie dieselben jedoch erhalten hat, 
ist mehr als zweifelhaft. 

Die Folge dieses Vorgehens der Franzosen war zunächst die Ein- 
ziehung der Güter des Fürsten, dann die Einverleibung seiner Länder 
in die Republik. Am 2. Juni 1793 erliessen die Gewalthaber in 
Metz eine Proklamation an die Bewohner des Saarbrücker Landes 
mit der Ueberschrift: »Paix aux chaumieres, guerre aux chäteaux«, in 
welcher die gröbsten Lügen gegen den Fürsten vorgebracht wurden, 
um das Vorgehen der Franzosen zu rechtfertigen. In dieser heisst es: 

Quelques-uns des ces roitelets mirent plus d’art dans leurs dé- 
marches: plus pres des armées françaises, ils pouvaient être plus 
promptement punis: ils surent, sous le voile de la neutralité, satisfaire 
d'une manière plus perfide ce que leur haine leur inspirait contre 
la nation francaise, et ce que la prudence attendait d'eux. Ils de- 
vinrent les espions de leurs confrères, et se promirent de faire ainsi 
tourner contre les Français la protection même qu'ils en recevraient. 
— Tel est le rôle dont le prince de Nassau et sa famille n'ont rougi 
de se charger: profitant du séjour des troupes françaises dans les pays 
de Nassau, tantôt on les voyait, soit par eux, soit par leurs agents. 
chercher à répandre les bruits les plus alarmants et les propres à 
porter le trouble et le découragement parmi des troupes qui n'auraient 
pas été embrasées d'un patriotisme aussi pur; tantôt, abusant de notre 
facilité à conserver des généraux ou traitres ou troup peu prononcés, 
profiter de l’ascendant qu'ils prenaient sur eux pour sauver des hommes 
que la vengeance nationale poursuivait. Témoins de nos forces, de 
nos positions et de nos mouvements, c'était toujours par eux que nos 
ennemis étaient instruits . . . .?). 

Währenddem hatte sich der Fürst von Saarbrücken auf das rechte 
Rheinufer geflüchtet und lebte zunächst bis zum Ende des Jahres 1793 
in Mannheim. Als er jedoch infolge des Vorrückens der Franzosen 
sich hier nicht mehr sicher genug hielt, begab er sich nach Aschaffen- 
burg, der damaligen Residenz des Kurfürsten von Mainz. wo er am 
2. März 1794 starb*), seine Ansprüche auf die saarbrückischen Lande 
seinem Sohne Heinrich hinterlassend, der jedoch, ohne in den Besitz 
des Erbes gelangt zu sein, im Jahre 1797 als der letzte seines Stammes 
aus dem Leben schied und von Nassau-Usingen beerbt wurde). 


!) Horstmann 114. — ?) Horstmann 111. — °) Unterhaltendes Schauspiel 
nach den neuesten Begebenheiten des Staates, der Kirche . . ., vorgestellt 1794, 
338. — #) Lancizolle, Uebersicht der deutschen Reichs-, Bundes- und Territorial- 


verhältnisse 69. 


ee 


Das gleiche Schicksal, wie dem Fürsten von Saarbrücken, war 
auch seinem Nachbarn, dem Grafen v. d. Leyen zu Blieskastel, be- 
schieden. Gegen ihn und besonders gegen seine Gemahlin Sophie 
Therese, in den französischen Dekreten kurzer Hand »la dame Lalaven« 
senannt, wurden dieselben Anschuldigungen erhoben, dass sie mit den 
Feinden unter einer Decke gesteckt hätten, ein Arrestbefehl gegen leztere 
wurde erlassen, ihre Güter unter Sequester genommen und die Einkünfte 
aus denselben zu Gunsten der Staatskasse eingezogen, während allen 
Unterthanen verboten wurde, »de s’immiscer à l'avenir dans cette 
sestion, et d'en détourner le plus petit objet, sous peine d’être traités 
comme des spoliateurs, et poursuivis comme ennemis de la nation par- 
tout où l’on pourra les saisir!)». Der Graf mit seiner Familie hatte 
sich rechtzeitig nach Hohengeroldseck zurückgezogen und war so den 
französischen Häschern entgangen. 

Die merkwürdigste Gestalt unter den deutschen Herren im heutigen 
Lothringen ist ohne Zweifel der Fürst Friedrich von Salm-Kyrburg. 
Trotz seiner deutschen Nationalität trat er von Anfang an auf fran- 
zösische Seite über, wurde von Lothringen als Deputirter in die kon- 
stituirende Nationalversammlung gesandt und zeichnete sich von vorn- 
herein durch seine radikale Gesinnung aus. Besonders heftig sprach 
er in der Sitzung vom 11. September 1789 gegen die Sanktion des 
Königs und griff hierbei in erster Linie Mirabeau scharf an. Nach 
langen Abschweifungen giebt er in hochtönenden Ausdrücken einen 
seschichtlichen Ueberblick über den Gang der Ereignisse, um zu be- 
weisen, dass das französische Volk würdig sei, in Freiheit zu leben. 
Das Wohl desselben ist ihm der erste Beweggrund, vor dem alles 
andere zurücktreten muss, und dies sucht er an dem Beispiel des 
Sokrates zu beweisen. Schliesslich erklärt er sich durchaus gegen die 
Sanktion des Künigs?). — Im folgenden Jahre finden wir ihn in den 
österreichischen Niederlanden, wo, durch die übereilten Reformen Josefs I. 
veranlasst, eine allgemeine Revolution ausgebrochen und nach Art der 
(ranzösischen überall Freiheit und Gleichheit verkündet worden war. 
Als der Kaiser am 20. Februar 1790 starb und Leopold, sein Nach- 
folger, sogleich die Erklärung abgab, dass er bereit sei, sich mit den 
Ständen zu versöhnen, war für die Stürmer und Dränger die Gefahr 
gross, dass mit der alten Regierung Ruhe und Frieden ins Land zurück- 
kehren könnten. Deshalb erliess der Fürst von Salm-Kyrburg am 
18. März 1790 an die Stände von Brabant eine Proklamation, in der 


1) Horstmann 113. — ?) Moniteur 1789, 49. 


er sich ihnen zunächst als Erbe des Vermögens und der Vaterlands- 
liebe des Fürsten Horn vorstellt und versichert, dass er dem Staate 
seinen Eifer, seine schwachen Kenntnisse und sein ganzes Vermögen 
anbiete: dann ergreift er die Gelegenheit, um einige Betrachtungen 
über die augenblickliche politische Lage anzustellen. »Kaum sinde, 
ruft er aus, »Eure Ketten zerbrochen, kaum erntet Ihr die Früchte 
eines Mutes und einer Thatkraft sondergleichen, da scheint Ihr schon 
nichts mehr zu fürchten. Wer möchte, wenn man Eure Unthätigkeit 
sieht, nicht behaupten, dass alle Gefahr vorüber ist, dass Eure Freiheit 
auf unerschütterlicher Grundlage beruht, dass Ihr nichts mehr zu 
fürchten habt, weder die Erben des früheren Herrschers, noch aus- 
wärtige Mächte. Ohne Zweifel werdet Ihr nichts zu fürchten 
haben, so lange Ihr einig seid. Eure gemeinsamen Kräfte werden 
ringen gegen mächtige Heere, der Gott der Schlachten wird sichtbar 
für Euch kämpfen, wenn Ihr Eure Freiheit verteidigt! Ich zweifle 
nicht an Eurem Mute, nicht an Euren Erfolgen. Der belgische Löwe, 
der lange geschlafen, hat in seinen Ketten gebrüllt. Sein drohendes 
und schreckliches Gebrüll hat die Begeisterung angekündigt, mit der er 
seine Ketten zerbrach. Ohne Zweifel wird er nicht wieder in seinen 
Todesschlaf verfallen: er will nicht gesiegt haben, ohne Teil zu nehmen 
an dem Siege, und weise Einrichtungen und nützliche Vorsichtsmass- 
regeln werden das grosse Werk seiner Freiheit vollenden. Um aber 
dies zu erreichen, ist die Einheit unter allen Teilen dieses grossen 
Körpers das beste und sicherste Mittel. Erklärt deshalb auf gesetz- 
mässige und rechtliche Weise, dass die Souveränität auf dem Volke 
beruht, dass die Belgier in dieser Beziehung zurückgekehrt sind zu den 
unverjährbaren Rechten aller Völker .... Wacht für die Sicherheit 
der Nation, schafft zahlreiche Volksheere! Eure reichen, gewaltig be- 
völkerten Gebiete werden mehr Verteidiger des Vaterlands liefern, als 
nötig sind. Zieht zu Eurem Dienste reguläre Truppen heran, aber 
hütet Euch, sie von einer zu mächtigen Hand zu nehmen, diese Dienste 
würden Ketten sein, und Ihr habt die früheren sicherlich nicht zer- 
brochen, um neue zu tragen! — Wenn der Staat so nach aussen hin 
geschützt ist, könnt [br an Eurer Verfassung arbeiten. Zu diesem 
Zwecke ernennt das rechtmässig versammelte Volk seine Vertreter, 
giebt ihnen die Macht, Gesetze oder im Laufe der Jahrhunderte ver- 
altete Gebräuche zu verändern, ja vielleicht gar abzuschaffen. Diese 
Vertreter werden sich dann fest organisieren, sich in Ausschüsse teilen, 
in Abteilungen, und gemeinsam arbeiten für das Wohl der Allgemein- 
heit. Von der Vorsehung zwischen zwei grosse Völker gestellt, können 


sie aus ihrem Beispiel Nutzen ziehen. Der Engländer war ein Welt- 
weiser, weil er frei war, der Franzose ist es geworden. Wohlan, Ihr 
neuen Gesetzgeber, arbeitet diese zwei berühmten Verfassungen um, 
nehmt von jeder das, was nach Eurer Meinung für die Interessen des 
Landes passt. Vor allem nehmt als Grundlage das heute allgemein 
anerkannte Prinzip der Gleichheit der Menschenrechte, das gebilligt ist 
von der Religion, der Natur und der Vernunft. Wenn Ihr diesen grossen 
Schritt in der Weltweisheit machen wollt, dann wird es keine Bra- 
banter, keine Flamländer, keine Wallonen mehr geben, dann giebt es 
nur noch Belgier, und dieses grosse, geeinigte Volk, mächtig durch sich 
selbst, stark durch eigene Kraft, wird von den anderen Mächten an- 
gesehen werden als ein nützlicher Nachbar, ein schätzbarer Bundes- 
senosse, ein furchtbarer Feind. — Das sind meine Grundsätze, meine 
Betrachtungen, meine Wünsche. Wenn das Volk mich für würdig 
erachtet, teilzunehmen an so wichtigen Arbeiten, so bin ich bereit — 
befehlt, und ich bin da. Ich lasse meine Familie im Stiche, meine 
persönlichen Angelegenheiten, um mich ohne Unterbrechung nur dieser zu 
widmen. Frei von jedem Interesse, von jedem Ehrgeiz, kann ich nur 
den einen haben, beizutragen zu dem Glücke des Staates, und er wird 
befriedigt sein, wenn dies gesichert ist !). 

Viel scheinen diese aufreizenden Reden des Fürsten von Salm- 
Kyrburg nicht genützt zu haben: denn, soweit man sehen kann, hat 
er im niederländischen Aufstand nirgends eine führende Rolle gespielt. 
Anderseits gab aber der Fürst die Hoffnung nicht auf, dennoch zum 
Ziele zu kommen. Er scheint in der Folgezeit in den Niederlanden 
seblieben zu sein und weiter gewühlt zu haben, bis ihn endlich das 
Geschick erreichte. Im Jahre 1792 begab er sich heimlich ins öster- 
reichische Hauptquartier zu Leuse und wurde ergriffen, als er einen 
Plan der Gegend aufnahm. Nach einem peinlichen Verhör vor dem 
Generalprofoss wurde er als Gefangener auf die Citadelle von Antwerpen 
gebracht und zunächst in strenger Haft gehalten?). Bald jedoch gegen 
das Versprechen der Neutralität freigelassen, wahrscheinlich, weil man 
ihm nichts bestimmtes nachweisen konnte, versuchte er jetzt im Interesse 
Frankreichs den Ausbruch des ersten Koalitionskrieges zu hintertreiben, 
richtete Briefe an die Kurfürsten von Mainz und Trier, die schlecht 
unterrichtet seien über die wirklichen Vorgänge in Frankreich, und riet 
ihnen, den gerechten Zorn dieser furchtbaren Macht nicht auf ihre 
Länder heraufzubeschwören. Sein Ideal ist ein Defensivbündnis zwischen 
Frankreich und Deutschland, ähnlich dem alten Rheinbunde unter 


1) Moniteur 1790, No. 77 vom 18. März. — 2) Ib. 1792, No. 139. 


nn — 


Ludwig XIV., an dessen Spitze ein Fürst von Salm als Grossmarschall 
gestanden. Als Erbe der Zuneigung seiner Ahnen zu der mächtigen 
französischen Nation würde er den Tag dieser Allianz als den schönsten 
seines Lebens bezeichnen, um so mehr, wenn er so glücklich wäre, 
selbst dazu beizutragen !). 

Aber auch dieser Plan des Fürsten Friedrich ging nicht in Er- 
füllung, er blieb vorläufig ein schöner Traum; deshalb kehrte er in 
sein geliebtes Frankreich zurück, um dort für seine Ideen weiter zu 
wirken. Trotzdem er ein deutscher Fürst war, nannte er sich mit 
Stolz »citoyen francais«, erkannte die Souveränität des Volkes an, ver- 
zichtete auf seine Erbländer, soweit sie innerhalb der französischen 
Grenzen gelegen waren, und wollte keine Unterthanen mehr besitzen, 
sondern nur noch Mitbürger. Gegen Ende des Jahres 1792 rief er die 
Hülfe des Nationalconvents an, um in seinen früheren Staaten den 
Fanatismus der Priester und Mönche zu beseitigen und die Leibeigen- 
schaft abzuschaffen, doch ging der Convent vorläufig über diese Anträge 
zur Tagesordnung über?). Trotzdem nun der Fürst völlig im revo- 
lutionären Fahrwasser schwamm, teilte er doch schliesslich das Schicksal 
so vieler Genossen, von den Wogen der Revolution verschlungen zu 
werden; denn am 5. Thermidor des Jahres II wurde er vom Revo- 
lutionstribunal zum Tode verurteilt mit 45 andern, »überführt als Feinde 
des Volkes, indem sie teilgenommen an den Verschwörungen Capets. 
seiner Gemahlin, seiner Minister, der Dolchritter, an den Verbrechen 
Baillys, Lafayettes, an der Verschwörung des Auslandes, an dem Ver- 
such, das Gefängnis des Carmes zu erbrechen, um den Nationalconvent 
zu vernichten, ebenso seinen Wohlfahrtsausschuss und den der all- 
gemeinen Sicherheit, indem sie gerichtliche Verfahren einleiteten gegen 
die Patrioten, um Capet einen Dienst zu erweisen, im Einverständnis 
waren mit den Feinden des Staates, und Verschwörungen anzettelten 
gegen die eine und unzertrennliche Republik«*). Am 23. Juli 1794 
endete er sein Leben zu Paris unter dem Fallbeil im Alter von 
48 Jahren‘). Doch wurde im Jahr darauf der Sequester, der auf 
seinen Gütern lag, zu Gunsten der Erben aufgehoben °). 

Auch den Herzog von Croy d'Havré finden wir in der konstitu- 
irenden Nationalversammlung, in welcher er als Abgesandter von Peronne 
eine lebhafte Thätigkeit entfaltete, doch ganz im andern Sinne, wie 
sein fürstlicher Genosse aus dem Salmschen Hause. Im Jahre 1789 
richtete er eine Adresse an den König, in der er die Grundsätze des 

1) Moniteur 1792, 321. — ?) Ib. 1792, 338. — ®) Moniteur an II 1794, No. 318. 
— *) Unterhaltendes Schauspiel 1794, 956. — ®) Moniteur an I, 365. 


M — 


Adels bezüglich der Prüfung der Vollmachten darlegte !). Im folgenden 
Jahre verlangte er in der Kammer eine Entschädigung für die Adeligen, 
denen das Holzungsrecht entzogen war), weiter widersetzte er sich 
dem Beschluss, dass kein Rekurs möglich sei gegen diejenigen, welche 
ihnen ihr Eigentum vorenthielten?), wie er auch dagegen protestierte, 
dass die Deputirten ein Viertel ihres Gehaltes hergeben sollten für eine 
Kriegssteuer *). Er verlangte die Freiheit der Presse, als das Palladium 
der bürgerlichen Freiheit, und stellte den Antrag, dass Marat und Camille 
Desmoulins in Anklagezustand versetzt werden sollten als aufrührerische 
Schriftsteller). Im Jahre 1791 beantragte er eine Untersuchung, welche 
Folgen das Dekret, die Aufhebung des Adels betreffend, haben würde ®), 
und gab bei der endgültigen Abstimmung über dieses (resetz seine 
Stimme dagegen ab”). Bei der Beratung über die Verträge beantragte 
er, dass das Volk nur das Mittel der Insurrektion haben sollte, um 
sein Votum abzugeben über die Revision der Verfassung, für den König 
aber verlangte er das Recht, diesen Vertrag zu bestätigen, und ohne 
diese Massregel drohte er der Versammlung mit einer fürchterlichen 
Verantwortlichkeit®). Als ein Attentat auf die Rechte der Nation und 
des Königtums bezeichnete er den Vorschlag, die Verfassung dem 
Könige nicht früher vorzulegen, als bis die Bestimmung getroffen sei, 
dass an ihr nichts geändert werden dürfe”). Schliesslich unterstützte 
er mit aller Kraft einen Antrag des Deputirten Mauri, dass die Ver- 
sammlung der Nation Rechenschaft über die Gelder ablegen sollte 19). 
Nach Auflösung der konstituirenden Nationalversammlung begab sich 
der Herzog von Croy nach Spanien, da er zugleich Grande dieses 
Königreichs war, und wurde deshalb auf die Emigrantenliste gesetzt 
und seine Güter eingezogen. Im Jahre 1792 war er eifrig bemüht, 
Zwietracht zu säen zwischen der Republik und Spanien und letzteres 
zum Anschluss an die Koalition zu bewegen, und zwar mit Erfolg"). 
Im folgenden Jahre richtete der »cidevant duc de Croy d’Havre« ein 
Gesuch ein beim Departement in Paris, um von der Liste der Emigrirten 
gestrichen zu werden, indem er falsche Aufenthaltsbescheinigungen in 
Frankreich vorlegte ; doch wurde diesem Gesuche keine Folge gegeben, 
da Guyot nachwies, dass er wirklich im Jahre 1792 sich ins Ausland 
begeben und damals schon seine Streichung beantragt habe in seiner 
Eigenschaft als Grande von Spanien !?). 


1) Moniteur 1789, 9. — ?) Ib. 1790, 64. — 3) Ib. 1790, .74. — .*) Ib. 1790, 86. 
— 6) Ib. 1790, 214. — °) Ib. 1791, 213. — 7) Moniteur 1791, 221. — °) Ib. 1791, 
244: — NID. 11791, 246.4, 100) Ib: 1491, 273.7 — I Tem RI 2207 


12) Tb. an all), 239. 


Unterdessen nahm der Krieg mit zahlreichen Wechselfällen 
seinen Fortgang; Frankreich, zuerst auf allen Linien zurückgedrängt, 
schritt später in Folge der Zwietracht Preñssens und Oesterreichs und 
der dadurch bedingten schleppenden Kriegsführung von Erfolg zu Erfolg. 
Am 21. Oktober 1792 hielt Custine seinen Einzug in die wichtige 
Festung Mainz, und damit war der grösste Teil des linken Rheinufers 
in französischen Händen. Der Nationalconvent zögerte nicht, aus dieser 
ganz veränderten Sachlage den möglichsten Vorteil zu ziehen, und er- 
liess am 17. Dezember 1792 ein Dekret an sämtliche Generäle, dessen 
zwei erste Artikel lauten, wie folgt: 

1. In den Ländern, welche von den Heeren der Republik bereits 
erobert sind oder es noch werden, sollen die Heerführer un- 
verzüglich im Namen des französischen Volkes verkünden die 
Souveränität des Volkes, die Aufhebung aller bestehenden Be- 
hörden, der vorhandenen Steuern und Abgaben, die Abschaflung 
der Zehnten, des Lehnswesens, der Herrenrechte jeder Art, 
der Zwangsgerechtigkeiten, der Leibeigenschaft, der Jagd- und 
Fischereirechte, der Frohndienste, des Adels und überhaupt 
aller Privilegien. 

2. Sie sollen dem Volke verkünden, dass sie ihm bringen Frieden, 
Hülfe, Brüderlichkeit, Freiheit und Gleichheit, und sie sollen es 
sofort zu Gemeindeversammlungen berufen, um eine Verwal- 
tung und provisorische Rechtspflege einzurichten; sie sollen 
wachen für die Sicherheit der Person und des Eigentums und 
in der Landessprache ohne Verzug in jeder Gemeinde dieses 
Dekret bekannt machen. 

Es folgen dann weitere Bestimmungen über die Einrichtung der 
Behörden, und der Erlass läuft im Artikel 12 in scharfe Drohungen aus 
segen alle, welche die Segnungen der Revolution nicht freudig annehmen 
würden: »La nation française déclare qu’elle traitera comme ennemi 
le peuple qui, refusant la liberté et l'égalité, ou y renoncant, voudrait 
conserver, rappeler ou traiter avec le prince et les castes privilégées : 
elle promet et s'engage de ne souscrire aucun traité, et de ne poser 
les armes qu'après l’affermissement de la souveraineté et de l'indépen- 
dance du peuple sur le territoire duquel les troupes de la République 
sont entrées, qui aura adopté les principes de l'égalité et établi un 
gouvernement libre et populaire !). 


1) Duvergier 5, 82. 


= 280 — 


Eine weitere Folge der französischen Waffenfortschritte war die 
Aufforderung an sämtliche Städte und Dörfer der besetzten Länder, 
sich freiwillig in den Schutz der Republik zu begeben, und unter dem 
Druck der Bajonette liefen“solche Bitten zahlreich in Paris ein. Nach- 
dem bereits am 18. März 1793 die Revolutionspartei in Mainz den 
Beschluss gefasst hatte, das gesamte Land von Landau bis Bingen in 
einen Freistaat zu verwandeln, allen Zusammenhang mit dem Deutschen 
Reiche zu lösen und die landesherrlichen Rechte der geistlichen Fürsten 
von Mainz, Worms, Speier, der Fürsten von Nassau, Salm, Leiningen, 
sowie der Grafen, Ritter und Reichsstädte, die jenes Gebiet umschloss, 
für ewig erloschen zu erklären, folgte am 21. März der Beschluss, dass 
das rheinische, deutsche freie Volk die Einverleibung in die französische 
Republik wolle und eine Denutation abgesandt werden solle, um diesen 
Wunsch dem fränkischen Nationalconvent vorzutragen !). Diesem sehn- 
süchtigen Verlangen wurde denn auch sofort entsprochen, und durch 
Dekret vom 30. März das gesamte Gebiet mit Frankreich vereinigt ?), 
infolge dessen zahlreiche deutsche Fürsten, wenn nicht ihre Selbständig- 
keit verloren, so doch in ihren Einkünften und Rechten ausserordentlich 
geschädigt wurden. So setzte sich Frankreich an den Ufern des 
Mittelrheins fest, und die folgenden Ereignisse auf dem Kriegsschauplatze 
konnten es nicht völlig aus der einmal eingenommenen Stellung ver- 
drängen. Ja, als die Verstimmung zwischen Preussen und Oesterreich, 
die ja schon von vornherein lähmend auf den Gang des Krieges ein- 
gewirkt hatte, von Tag zu Tag sich steigerte, als die polnische Frage 
wieder brennend wurde, und Preussen seine Truppen im Osten lieber ver- 
wenden wollte, da war das endgültige Schicksal des linken Rheinufers 
besiegelt. Am 5. April 1795 schloss Preussen mit der französischen 
Republik den Frieden zu Basel?) und ‚erkannte dadurch als erste 
europäische Grossmacht das Werk der Revolution in seinem ganzen 
Umfange an. Ihm folgte am 5. August 1796 ein Geheimvertrag zwischen 
Preussen und Frankreich, in dem ersteres der Republik verspricht, 
bei dem künftigen Reichsfrieden der Abtretung des linken Rheinufers 
nicht entgegen sein zu wollen, nur müssten alsdann zur Entschädigung 
der beteiligten weltlichen Fürsten Säkularisationen eintreten. Frankreich 
verbürgt sich denn auch seinerseits, Preussen für die verlorenen Länder 
wenigstens den grössten Teil des Hochstifts Münster und das Vest 


1) Häusser I, 467. — ?) Duvergier 5, 197 u. 231. — °) Ghillany, Diploma- 


tisches Handbuch I, 267. Lancizolle a. a. O., 63. Häusser I, 595. Berghaus 


aKa.30.%46 95; 


ot — 


Recklinghausen zu überlassen '). Achnliche Abmachungen schlossen in 
den nächsten Wochen auch Württemberg und Baden. 

Bei dieser Lage der Dinge beruhte die einzige Hoffnung der Patrioten 
auf dem Hause Oesterreich und dem deutschen Kaiser Franz IL, der 
in seiner Wahlkapitulation feierlich beschworen hatte, alle Zeit ein 
Mehrer des Reichs sein zu wollen, und man lebte im festen Glauben, 
dass er niemals in eine Beraubung Deutschlands einwilligen, niemals 
Frankreich die schönsten deutschen Länder ausliefern werde. Und 
diese Hoffnung wurde gehoben durch die glänzenden Siege des Erz- 
herzogs Karl im Jahre 1796, der durch seine Waffenthaten zwei fran- 
zösische Feldherrn zwang, das rechte Rheinufer in eiliger Flucht zu 
räumen. Man träumte schon davon, die französische Republik zu zer- 
trümmern und in Paris selbst den Frieden zu diktieren — da machte 
der Siegeszug Napoleons von den Gestaden des tyrrhenischen Meeres 
bis mitten in das Herz der österreichischen Lande allen diesen 
Hoffnungen mit einem Schlage ein Ende und führte eine Zeit für Deutsch- 
land herbei, wie sie trauriger niemals dagewesen ist. Am 18. April 1797 
kam auf dem Schlosse Eckenwald bei Leoben ein Präliminarfriede zu 
stande, der möglichst bald zum definitiven umgewandelt werden sollte. 
Zwar trat Oesterreich an Frankreich die Niederlande ab, deren Zu- 
sammenhang mit dem Reiche in der letzten Zeit nur noch ein sehr 
lockerer gewesen war, während die Republik sich verpflichtete, für 
eine angemessene Entschädigung Sorge tragen zu wollen, im Uebrigen 
aber bestimmte der Artikel V des Vertrags, dass der künftige Reichs- 
friede nur verhandelt werden sollte auf der Integrität des Deutschen 
Reiches?). Was jedoch Oesterreich unter dieser verstand, sollte sich 
bald zeigen, als man in Campo Formio bei Udine zu Besprechungen 
zusammentrat, aus denen nach fast zweimonatlichem Feilschen und 
Handeln ein endgültiger Vertrag zu stande kam. Wohl waren die 
25 Artikel des veröffentlichten Wortlauts ganz harmlos, indem der 
König von Böhmen und Ungarn nur solche Länderstrecken abtrat, 
über die ihm unzweifelhaft das Verfügungsrecht zustand. Ebenso kann 
man es immerhin begreiflich finden, wenn der Artikel 20 bestimmt, 
dass zu Rastatt ein Congress der deutschen Fürsten und der Vertreter 
der Republik zusammentreten sollte, um einen Frieden zwischen den 
beiden Nationen anzubahnen, wenngleich man damals schon voraussehen 
konnte, wohin der französische Kurs steuerte. In 24 weiteren Greheim- 
artikeln überlässt Oesterreich dann an die Republik den grössten Teil 
des linken Rheinufers, wobei die Grenzlinie so gezogen ist, dass die 


1) Lancizolle 64. — ?) Lancizolle 65. Häusser Il, 109. Berghaus 1, 112. 


preussischen Besitzungen ausgeschlossen sind. Demzufolge soll nach 
s 9 von keiner neuen Erwerbung Preussens die Rede sein, was beide 
Mächte einander verbürgen. Nach $ 12 werden Oesterreich und Frank- 
reich dahin wirken, dass die Fürsten und Stände des Reiches, die in 
Folge des gegenwärtigen Vertrags oder des künftigen Reichsfriedens 
Verluste erleiden, namentlich die Kurfürsten von Mainz, Trier, Köln 
und Pfalzbavern, der Herzog von Württemberg, der Markgraf von Baden, 
der Herzog von Zweibrücken, die Landgrafen von Hessen-Kassel und 
Darmstadt, die Fürsten von Nassau-Saarbrücken, Salm-Kyrburg, Löwen- 
stein-Wertheim und Wied-Runkel und der Graf v. d. Leven in Deutsch- 
land angemessene Entschädigungen erhalten, die im Einverständnis mit 
Frankreich geregelt werden sollen ?). 


VL. 

Am 9. Dezember 1797 wurde in Rastatt jener denkwürdige Congress 
eröffnet, der dazu bestimmt zu sein schien, das Verhältnis der französischen 
Republik zum Deutschen Reiche endgültig zu regeln, d. h. das in den 
früheren Geheimverträgen Festgesetzte zur Thatsache werden zu lassen, 
weite deutsche Gebiete an Frankreich zu überliefern und dem morschen 
Reiche selbst durch Vernichtung seiner Grundverfassung den Todesstoss 
zu geben. Hat der Rastatter Congress nun auch infolge der kriegerischen 
Ereignisse, die ihn vor der Zeit beendigten, nicht ganz zu diesem Er- 
gebnis geführt, so hat er doch der Auflösung des Reiches die Wege 
gebahnt und die Grundzüge festgelegt, auf denen die nächsten Friedens- 
schlüsse sich aufbauten. 

An den Verhandlungen waren offiziell beteiligt die Gesandten 
der französischen Republik, des Kaisers und die vom Reichstage in 
Regensburg ernannte Reichsdeputation, bestehend aus Kurmainz, 
Kursachsen, Oesterreich, Bayern, Würzburg, Hannover, Hessen-Darm- 
stadt, Baden, Augsburg und Frankfurt. Dazu kamen weiterhin Ver- 
treter sämtlicher Reichsfürsten bis zu den Reichsrittern herab und 
freien Städten. Sie alle waren erschienen, um zu retten, wenn noch 
was zu retten war, und um zuzugreifen, sobald ein Stand auf Kosten 
des andern bluten sollte. Zwar wurde in Rastatt viel geschrieben und 
noch mehr geredet, und doch waren alle Anwesenden überzeugt, dass 
hier der Welt nur ein Gaukelspiel vorgemacht wurde, dass Frankreich 
entschlossen war, seinen Willen durchzusetzen um jeden Preis, und 
dass der Schwerpunkt der Verhandlungen in Paris zu suchen sei. So 
erleben wir denn schon in der nächsten Zeit das Schauspiel, wie die 


1) Ghillany I, 277. Lancizolle 66. 


283 — 


deutschen Fürsten geheim und offen um die Gunst der französischen 
Gewalthaber buhlen, wie sie sich gegenseitig den Rang abzulaufen 
suchen, die französischen (resandten, ja selbst deren Kammerdiener und 
Lakaien durch reiche Geschenke ködern, in der Hoffnung, bei der 
Teilung der Erde nicht ganz übergangen zu werden. 

Kaum hatte der Congress zu Rastatt seine Sitzungen eröfinet, so 
regnete es Beschwerden von Fürsten, die von den Franzosen in ihren 
Rechten geschädigt waren und um Abhülfe baten. Schon am 10: De- 
zember wurde ihm ein hessen-darmstädtisches Promemoria übergeben, 
des Inhalts, dass die cisrhenanische Conföderation unter Begünstigung der 
französischen Befehlshaber auch in dem an der lotharingischen Grenze ge- 
legenen hanau-lichtenbergischen Amte Lemberg zu republikanisieren an- 
fange; dass die durch Hoche wieder eingesetzten Beamten durch neu- 
bestallte Cantonsrichter verdrängt würden, und dass letztere gedruckte 
Republikanisierungs-Aufforderungen verbreiteten; daher bitte man die 
Reichsdeputation um nachdrücklichste Verwendung'). Diese Vorstellung 
wurde in noch schärferer Form am 21. Januar 1798 wiederholt ?). Am 
13. Dezember 1797 folgte ein Bericht der schwäbischen Grafenkurie, 
in dem u. a. verlangt wird, dass die Grafen v. d. Leyen wegen der 
Herrschaft Blieskastel Anspruch auf Restitution hätten). Doch war 
alles dieses, wie wir sehen werden, ohne Erfolg. 

War der Congress in der Absicht zusammengetreten, um die 
Integrität des Reiches zu wahren, so sollte er in aller Kürze einsehen, 
was man wirklich im Schilde führte; bereits am 17. Januar 1798 ver- 
langten die französischen Bevollmächtigten als Entschädigung für die 
Kosten, welche die Abwehr eines ungerechten Angriffs Frankreich ver- 
ursacht habe, den Lauf des Rheins als künftige Grenze zwischen 
Frankreich und dem Deutschen Reiche, und am 20. Januar erklärten 
sie, die französische Regierung wolle die Fürsten, welche durch Ab- 
tretung des linken Rheinufers Verluste erleiden würden, entschädigt 
wissen‘) — Frankreich fühlte sich bereits als Herr, der Deutschland 
seinen Willen aufdrängen zu können glaubte. Erkannte die Reichs- 
deputation diese Forderungen im Prinzip an, so war das Schicksal 
zahlreicher deutscher Fürsten und Herren besiegelt; sie verloren, einige 
gänzlich, andere teilweise, ihre Besitzungen, die sie nach Erbrecht be- 
sassen, und wussten noch nicht einmal andeutungsweise, wie sie ent- 
schädigt werden sollten. Vor allem die kleinen Fürsten und Herren, 
die Grafen und Reichsritter mussten fürchten, bei der Neuverteilung 

1) Haller, Geheime Geschichte der Rastädter Friedensverhandlungen 6, 101. 
— 2) Ib. 6, 198. — °) Ib. 6, 197. #) Berghaus 1, 135 


a 


zu kurz zu kommen, und so bestürmten sie den Congress mit Bitt- 
schriften und Vorstellungen, das französische Verlangen kurzer Hand 
abzuweisen, und es schien zunächst, als hätten sie auch Erfolg; denn 
am 26. Januar stützte sich die Reichsdeputation in ihrer Antwort auf 
die Abmachungen von Leoben, betrefiend die Integrität des Reiches, und 
bestand auf der Ausführung derselben; ferner erinnerte sie daran, dass 
die Republik zu verschiedenen Malen erklärt habe, sie sinne nicht auf 
Eroberungen; schliesslich flehte sie die Gerechtigkeit und den Grossmut 
der französischen Regierung an, dass es derselben gefallen möge, neue 
Vorschläge zu machen, welche den Leobener Bestimmungen mehr 
entsprächen '). Die Antwort der Republik war deutlich genug! Da das 
Reich an den Verhandlungen in Leoben nicht teilgenommen, so könnten 
diese nur als Privatabmachungen angesehen werden; die französische 
Regierung erkenne sie nicht als bindend an, und sie würde niemals 
die Integrität des Reiches als Grundlage der Friedensverhandlungen 
betrachten und annehmen, vielmehr müsse sie darauf bestehen, dass 
die Abtretung des linken Rheinufers und die Entschädigung der Fürsten 
als Grundbedingungen anerkannt würden ?). 

Jetzt musste es der Reichsdeputation klar werden, dass sie mit 
ihren Forderungen nicht durchdringen könne, dass sie vielmehr nur 
zu dem Zwecke tage, um die französischen Anmassungen gut zu heissen. 
Auch die Fürsten, deren Besitzungen ganz oder zum Teil auf der 
linken Rheinseite gelegen waren, konnten nicht mehr im Zweifel sein, 
wohin die Republik steuere; deshalb versuchten sie noch, so viel in 
ihren Kräften stand, auf die Verhandlungen einzuwirken, um wenigstens 
etwas zu retten, und richteten daher zahlreiche Schreiben an den 
Congress. So erklärten z. B. die fürstlich nassau’schen Häuser, »dass 
das grosse Opfer des linken Rheinufers zwar nicht vermieden werden, 
doch in Absicht seiner Grösse und seines Umfangs vermindert werden 
könne; dass aber auf alle Fälle, es mögen jene Versuche ganz oder 
nur zum Teil geraten, alle an Frankreich zu machenden Abtretungen 
von deutschen Reichslanden unter nachstehendem Vorbehalt una 
respektiven Bedingungen geschehen möchten: 

1. Dass die französische Republik sich mit der Souveränität und 
den Hoheitsrechten dieser abgetretenen Lande begnügen und 
daher sowohl das Eigentum der Privatpersonen, es bestehe in 
beweglichem oder unbeweglichem Vermögen, als vornehmlich 
auch die sogenannten Domänen der Fürsten und Landesbesitzer, 
welche als deren Privateigentum zu betrachten sind, in ihrem 


1) Berghaus 1, 136. — ?) Ib. 


(er) 


ganzen Umfange zurückgebe, und zu eigenem Genuss und Ver- 
waltung, obgleich nach Vorschrift und in Gemässheit der fran- 
zösischen Constitution, überlasse .... 

Der Punkt der zu leistenden Entschädigungen für die verlorenen 
Lande, Güter und Staaten, dem Deutschen Reiche, welchem 
solche eigentlich zu prästieren obliegen möchten, auch allein 
aufzufinden und zu regulieren, jedoch unter Vermittlung und 
Mitwirkung der französischen Republik überlassen werden 
könne !). 


Die Reichsritterschaft aber ersuchte die Reichsdeputation, sich 
dahin zu verwenden, dass 


13 


dem über dem Rhein gelegenen, hiebei allenfalls befangenen 
Reichsadel wenigstens sein bewegliches und unbewegliches 


Eigentum erhalten, und ihm die Erlaubnis ausgewirkt werde, 


solche, wenn er sich nicht in die neue Ordnung der Dinge zu 
fügen Lust hätte, in einer geraumen Zeitfrist verkaufen und 
den Erlass ohne Hindernis zu beziehen zu dürfen; dass für ihn, 
er mag auf jener Rheinseite sich aufhalten oder nicht, in An- 
sehung des von seinem übrigen Einkommen und Rechten er- 
leidenden Verlustes gleich den Ständen des Reichs gesorgt, und 
er dadurch in seiner politischen Existenz und in seinem Ver- 
band mit Kaiser und Reich erhalten werde; | 
dass die Namen derjenigen unter ihnen, sowie die ihrer Frauen 
und Kinder, welche, ohngeachtet ihrer anerkannten Eigenschaft 
als Reichsglieder, dennoch auf die Emigrantenliste gesetzt 
worden, ausgestrichen werden möchten; und 


. dass nie zugegeben werde, dass die traurigen Ueberreste des 


sonst so ansehnlichen Reichsritterschaftlichen Corps. nach allen 
Bedrängnissen, die es seit geraumen Jahren erlitten, und denen 
es noch entgegensieht, als ein Mittel der Entschädigung in Vor- 
wurf kommen, und die Reichsritterschaft dadurch ihrer erb- 
lichen Rechte und unmittelbaren Verhältnisse mit dem Reich 
und dessen Oberhaupt mit einem Federstrich auf immer be- 
raubt, und dadurch das Mass des Unglücks auf immer voll 
gemacht werde, mit welchem der Genius dieser Zeit den Adel 
zu Boden tritt ?). 


Solche Vorstellungen konnten auf die Reichsdeputation nicht ohne 
Eindruck bleiben, und sie machte daher noch einmal den Versuch, 
wenigstens einen Teil der gefährdeten Länder für das Reich zu retten, 


1) Haller 6, 102. — ?) Haller 6, 106 


und sprach am 16. Februar den Wunsch aus, die französische Re- 
gierung möge, wie man es von ihrer Gerechtigkeit und Billigkeit er- 
warten könnte, geneigt sein, ihre Vorschläge zu ermässigen und sich 
auf die Hälfte der Länder des linken Rheinufers beschränken’), und 
am 3.März schlug sie vor, dass der Lauf der Mosel die Grenze zwischen 
dem Reiche und der Republik bilden sollte, indem sie die Auswahl der 
Hälften Frankreich anheimstellte. Hiergegen hatte besonders Kurtrier 
noch am 28. Februar heftig protestiert, da es höchstens die Nahe als 
Grenze gelten lassen wollte, weil so der grösste Teil des Kurstaates 
erhalten bliebe und zwischen Nahe und Mosel auch ein nicht geringer 
Teil von Kurpfalz, ein Teil des Herzogtums Zweibrücken, ein Teil der 
Grafschaft Sponheim, ein Teil der Nassau-Saarbrückischen und Weil- 
burgschen Besitzungen, das ganze, was das Haus Hessen-Cassel auf 
dem linken Rheinufer besitzt, ein grosser Teil der fürstlich Salmschen 
Lande, ein Teil der Besitzungen mehrerer reichsgräflicher Familien und 
der grösste Teil der niederrheinischen Reichsritterschaft gerettet würde ?). 

Die Reichsdeputation hörte jedoch nicht auf diese Vorstellungen 
und fügte ihrer Erklärung nur noch einige Vorschläge bei, die auf die 
oben angeführten Wünsche Bezug hatten, u. a.: 

dass die Stände des Reiches, nıit Einschluss der unmittel- 
baren Reichsritterschaft, im Besitz ihrer Privat- und Erbgüter, 
überhaupt aller Besitzungen verbleiben müssen ; 

dass Frankreich ihnen eine Entschädigung gewähre für die 
srundherrlichen und Lehensrechte und Gerechtsamen für den 
Fall, dass die französischen Verlassungsgesetze es nicht ge- 
statten sollten, sie in deren Genusse zu lassen; 

dass die französische Gesetzgebung, die Auswanderer be- 
treffend, nicht auf die abgetretenen Länder in Anwendung ge- 
bracht würde; 

dass alle diese Bedingungen ihre Anwendung auch bei den- 
jenigen Reichsständen finden müssten, die in Elsass und Loth- 
ringen angesessen seien *). 

Die französische Antwort erfolgte bereits am nächsten Tage. Ohne 
auf irgend einen der gemachten Vorschläge auch nur einzugehen, 
forderten die Bevollmächtigten der Republik von der Reichsdeputation 
die bestimmte Erklärung, ob sie die vorgeschlagenen Grundbedingungen 
annehme, oder nicht, also der bedingungslosen Abtretung des ganzen 
linken Rheinufers zustimme, und diese willfahrte am 11. März, nahm 
die französischen Bedingungen an und fügte nur noch ganz bescheiden 


1) Berghaus 1, 137—38. —- ?) Haller 6, 110. — 3) Berghaus 1, 139. 


ed — 


den Wunsch hinzu, dass die Republik sich mit dieser Abtretung be- 
snügen und weiter keine Ansprüche an das Reich erheben möge !). 
Am 15. März antwortete die französische Regierung: sie sähe mit Ver- 
gnügen, dass man ihrem Verlangen ohne Rückhalt entsprochen habe: 
über die angefügten Bedingungen liesse sich weiter sprechen, wenn die 
weitere Grundbedingung des Friedens, die Entschädigung der auf dem 
linken Rheinufer angesessenen Fürsten, angenommen und geordnet 
worden sei. Auch dieses liess die Deputation sich abtrotzen, und sie 
erklärte am 4. April, dass sie die Entschädigungsfrage ebenfalls als 
Grundbedingung des Friedens annehme. Zur Erledigung derselben 
schlage sie geistliche auf dem rechten Rheinufer gelegene Länder vor, 
die zu Gunsten der auf dem linken Ufer Verluste erleidenden Erbfürsten 
und Stände des Reiches sekularisiert werden sollten; doch müssten 
dabei diejenigen Rücksichten beachtet werden, die zur Aufrechterhaltung 
der deutschen Reichsverfassung notwendig wären ?). 

Nachdem man nun soviel erreicht hatte, ging das Bestreben der 
französischen Bevollmächtigten in den nächsten Monaten darauf hinaus, 
die Verhandlungen in die Länge zu ziehen, um aus der allgemeinen 
Weltlage möglichst viel Nutzen zu gewinnen. Es folgen die geheimen 
Beratungen zwischen Oesterreich und der Republik zu Selz vom 30. Mai 
bis zum 5. Juli, deren Inhalt niemals bekannt geworden ist, und während 
dieser Zeit war der Congress zu Rastatt sozusagen zum Nichtsthun 
verurteilt. Erst am 22. Juni erklärten die französischen Gresandten, dass 
die Mitglieder der reichsunmittelbaren Ritterschaft auf dem linken Rhein- 
ufer, die nicht zugleich Fürsten, Grafen, Reichsstände und beim Reichs- 
tage nicht durch Viril- oder Collektivstimmen vertreten seien, als ein- 
fache Privatleute, als Bürger der einen und ungeteilten Republik 
betrachtet werden müssten. Demgegenüber richtete im Auftrage der 
unmittelbaren Reichsritterschaft der Freiherr Carl von Gemmingen am 
26. Juni 1798 eine Vorstellung an die Reichsdeputation. in der u. a. 
folgende Punkte aufgestellt wurden: 

1. Dass diejenigen Mitglieder der Reichsritterschaft, welche sich 
dermalen noch in dem Besitz und Genuss ihrer Güter belinden, 
darin ungestört belassen, — 

2. diejenigen aber, deren Güter mit dem Sequester behaftet sind, 
ohne irgend eine Ausnahme der Eigentümer, und ohne dass sie 
bis auf den Abschluss des Friedens zu warten haben, in deren 
Besitz und Genuss unverzüglich eingesetzt, somit der Sequester 
aufgehoben und die alsbaldige Restitution verordnet 


1) Berghaus 1, 139. 2\ Ib. 140 


— 288 — 


6. besonders aber stipuliert werde, dass durchaus kein Unter- 
schied zwischen den Mitgliedern der Reichsritterschaft gemacht 
werde, die allein Güter auf der linken Seite des Rheins, und 
denen, die zugleich auch Güter auf der rechten desselben be- 
sitzen, sondern dem einen wie dem andern der ungestörte 
Besitz und Genuss verbleibe ; 

‚ihnen an der ferneren Disposition darüber kein Hindernis in 
den Weg gelegt, und 

8. sie für die ihnen entgehenden droits-féodaux umsomehr ent- 

schädigt werden, als unter deren reichsritterschaftlichen Mit- 
gliedern mehrere Familien sind, deren vorzüglichste Einkünfte 
aus dergleichen abfliessen. 

Sehr richtig werden diese Forderungen zum Schluss damit be- 
gründet, dass sich keine Ursache denken lässt, warum das unmittel- 
bare Reichsglied nicht für einen Verlust von 100--1000 und mehreren 
Gulden den Anspruch auf Entschädigungen machen könne, den ein 
Fürst und Stand des Reiches für 10000 und mehrere Gulden macht). 

Weitere Verhandlungen betrafen die Frage der reichsständischen 
Dienerschaft auf dem linken Rheinufer. Am 24. Juli 1798 führte ein 
Promemoria dieserhalb aus: Der grösste Teil der vor der französischen 
Eroberung in Elsass-Lothringen und auf der linken Rheinseite angestellt 
gewesenen Diener sieht sich wegen seiner Dienstverhältnisse der härtesten 
Bedrückung ausgesetzt. Bald lässt man Diener, die ihren Herren nach- 
folgten, die Strenge der Emigrationsgesetze empfinden; bald macht man 
sie für. Handlungen verantwortlich, die sie auf ausdrücklichen Befehl 
ihrer Herren. oder vermöge ihres Berufs ausgeführt haben. Klagen 
gegen Rechtssprüche, die der ehemaligen Verfassung ebenso angemessen 
waren, als sie den Grundsätzen der jetzigen zuwider sind, werden bei 
französischen Gerichten angebracht und nach französischen Gesetzen 
entschieden. Einige Einwohner, die nach der ersten Wiedereroberung 
der jenseitigen Rheinlande rückständige Gefälle erhoben, sollen jetzt 
Summen, die sie nicht für sich bezogen haben, aus ihrem Eigentum 
ersetzen; fast jede Klage über angeblichen Missbrauch eines ehemaligen 
Amtes hat eine Arrestanlegung zur Folge... . . Daher verlangt das 
Promemoria, »es werde einer hochansehnlichen Reichsdeputation ge- 
fällig sein, so schleunig als nur immer möglich, die Abstellung der 
wegen ihrer Dienstverhältnisse bedrängten Güterbesitzer des linken 
Rheinufers zu erhalten, und die Erklärung zu erwirken suchen, dass 
sie in Rücksicht ihres Eigentums allen andern Einwohnern gleich 


1) Haller 6, 113. 


-] 


4 | 
22 z 
2 ee hat ee 


— 289 — 


gehalten, in Rücksicht ihrer besonderen Verhältnisse aber seiner Zeit in 
der Amnestie begriffen und vor der Hand über ihre ehemaligen un 
lungen nicht beunruhigt werden sollen « '). 

Wirklich machte die Republik am 11. September das Zugeständnis, 
dass die Gesetzgebung, die Auswanderer betreffend, nicht auf die ab- 
getretenen Länder Anwendung finden sollte?). Doch schon bald schlug 
der Wind wieder um, indem die französischen Bevollmächtigten am 
3. Oktober erklärten, sie könnten die Nichtanwendung der Emigrations- 
gesetze auf die reunirten Reichslande nicht zugeben, und sie beriefen 
sich dabei auf ein der begehrten allgemeinen Ausnahme widerstehendes 
Staatsgesetz ?). Infolge dessen richtete der Salm-Salmsche Abgeordnete 
unter dem 9. Oktober 1798 eine Vorstellung an die Reichsdeputation 
und führte folgendes aus: 

»Nach dem anliegenden Auszug des Haupt-Emigrationsgesetzes vom 
25. Brumaire an II sind jene, welche seit der von den Einwohnern 
begehrten Vereinigung mit der Republik sothane Lande verlassen haben, 
und nicht innerhalb 3 Monaten nach der erfolgten Vereinigung zurück- 
gekehrt sind, zwar schlechterdings als Emigrirte anzusehen; aber welche 
sich aus sothanen Landen vor der Epoche ihrer Revolution entfernt 
hatten, und nicht vor dieser Zeit in fremden Landen wohnsitzlich 
waren, nur gewissermassen den in gleichem Fall befindlichen französi- 
schen Abwesenden, und alsdann nur den wahren französischen Emi- 
grirten gleichgestellt werden, wenn sie Teil an ihrem Complott ge- 
nommen, oder die Waffen gegen die Republik getragen haben. | 
Hieraus folgt unhindertreiblich, dass alle jene, welche sich vor der Re- 
union eines Reichs-Landes aus demselben entfernt, und in einem 
andern Lande, vor dessen feindlichen Verhältnissen gegen Frankreich, 
etablirt haben, von dem französischen Gesetze selbst nicht als Emigrirte 
angesehen worden sind, mithin auch ausser der Anwendung aller Dis- 
positionen sothanen Gesetzes gestanden haben. — In diesem Falle sind 
demnach notorisch alle Räte, Beamte, männliche und weibliche Diener- 
schaft deutscher fürstlichen und gräflichen Häuser, deren Lande reunirt 
worden, welche vor der Reunion mit ihrer höchst und hohen Herrschaft 
diese Lande verlassen und bev derselben in einem andern ihr zuständigen 
Reichs-Lande zu Fortsetzung ihrer Dienste, vor dem Ausbruch des 
Reichs-Kriegs mit Frankreich, ihren Wohnsitz genommen haben, oder 
dazu unter den nämlichen Umständen von ersagten ihren Herrschaften 
abberufen worden. 


1) Haller 6, 173. 2?) Berghaus 1, 152 3) Haller 6, 94. 


290 — 


So sind z. B. vor der am 2. März 1793 geschehenen Vereinigung 
des Fürstentums Salm mit der französischen Republik dem regierenden 
Herrn Fürsten zu Salm-Salm, welcher am 15. August 1791 schon 
seine Residenz zu Senones mit seiner fürstlichen Familie verlassen, 
und in der Reichsherrschaft Anholt genommen hat, einige seiner Räte 
und mehrere männliche und weibliche Bediente gefolgt, und haben 
sich bey Höchstdemselben zu Fortsetzung ihrer respect. Dienste in Anholt 
vor dem Kriegs-Ausbruch mit Frankreich etablirt. So sind ebenmässig 
höchstdessen Frau Mutter, welche vor der Eroberung der ehemaligen 
Kaiserl. Königl. Niederlande höchstdero Witthum-Sitz im Herzogthum 
Hoogstraten verlassen, und sich ebenmässig in Anholt etablirt hat, 
auch einigen seiner Herrn Oheimen und Brüdern, und Frau Tante, die 
vor der Vereinigung des Fürstenthums Salm zu verschiedenen Epochen 
sich von da entfernt, und anderswo gewohnt haben, ihre Bediente 
weiblich- und männlichen Geschlechts nachgefolgt; und diese alle stehen 
gleichwohl auf mehreren französischen Emigranten-Listen, und das ihnen 
zustehende Vermögen ist sequestrirt. 

Gleich wie nun zweifelsohne mit vielen anderen Reichsständischen 
Räthen, Beamten und Dienerschaften, der nämliche gesetzwidrige Fall 
vorwaltet, so würde es keineswegs eine Abweichung von dem fran- 
zösischen die Emigrationen betreffenden Staatsgesetze seyn, sondern 
vielmehr zu dessen Vollzug gereichen, wenn von den bevollmächtigten 
französischen Ministern die officielle Erklärung erfordert würde, dass 
alle Räthe, Beamte, männlich- und weibliche Dienerschaft und hohen 
(ilieder solcher Familien, welche mit oder ohne ihren Herrschaften aus 
ihren Landen vor ihrer Vereinigung mit Frankreich abgegangen zu 
seyn, und sich anderswo zu ihrem Dienste etablirt zu haben, erweisen 
können, von der mit grossen Schwierigkeiten und Kosten verbundenen 
ordentlichen Nachsuchung ihrer Radiationen auf allen desfallsigen Prä- 
klusionen losgesprochen seyen 

Weniger aber, als diesem oben schon höchstbilligen Antrage, 
würden die bevollmächtigten Minister der französischen Republik mit 
Bestand etwas entgegen zu setzen haben, wenn eine hochansehnliche 
Reichs-Friedens-Deputation auf die unbedingte Radiationen aller deutschen 
Reichs-Fürsten und Reichs-Grafen, und ihrer Familien-Mitglieder, deren 
Lande mit der französischen Republik vereinigt worden, auf allen und 
jeden Emigranten-Listen, wie wir hierum schon unterm 24. Jan. ehrer- 
bietigst gebethen haben, nachdrücklich zu bestehen geruhen wollte, da 
diese wenigstens in keinem erdenklichen Fall den französischen Emi- 
srations-Gesetzen unterworfen sein können«!). 


1) Haller 6, 9. 


N 


— 291 — 


Wenngleich die hier angeregte Frage, wie es scheint, in den 
Verhandlungen zunächst nicht weiter berührt wurde, so ist sie doch 
später im Frieden zu Lunéville im wohlwollenden Sinne geregelt worden. 

Unterdessen regte sich bei allen der Wunsch, endlich zum Frieden 
zu kommen. Bereits am 24. August hatte die Reichsritterschaft der 
Cantone des Ober- und Niederrheins eine Vorstellung an die Deputation 
gerichtet, in der ihre verzweiflungsvolle Lage geschildert wurde. »So 
tröstlich auch die Aussichten für die Erhaltung vieler ansehnlicher 
Reichsunmittelbaren Familien immer sein mögen, so verbittert der 
Rückblick und das Gefühl der Lage, in welcher sie sich gegenwärtig 
befinden, jede entferntere Hoffnung. Denn der wirkliche Besitz und 
das Grundeigentum wird erst nach der Auswechselung der Reichs- 
friedensratificationen von dem französischen (Gouvernement erteilt 
werden: bis dahin müssen daher die Mitglieder der Cantone Ober- und 
Niederrhein nicht nur den Genuss ihrer Einkünfte vollkommen ent- 
behren, und befinden sich dadurch in dem äussersten Notstande und 
Elend, sondern ihr Grundeigentum ist selbst wider den Willen des 
französischen Gouvernements allen Deteriorationen und Degradationen 
ausgesetzt, die immer die Folge einer zu ausgedehnten Administration 
sind . . . Die Summe des Elends ist daher bei dem Rheinischen Adel 
auf eine solche Höhe gestiegen, dass er das Ende desselben nur von 
dem allgemeinen und sehnlich gewünschten Frieden erwarten darf: die 
Mitglieder des rheinischen Ritterkreises glauben doch wenigstens die 
verzweillungsvolle Lage. in welcher sie sich befinden, ehrerbietigst und 
zutrauensvoll vorlegen und sich schmeicheln zu dürfen, dass eine hoch- 
ansehnliche Reichsdeputation in solcher einen neuen und hochderen 
patriotischen (Gresinnungen ohnehin übereinstimmenden Grund finden 
werde, die Abschliessung des Friedens auf die möglichste Art zu be- 
schleunigen und das deutsche Vaterland von seinen bisherigen und 
segenwärtigen Drangsalen zu befreien« '). 

Nach 2 Tagen — 26. August 1798 wandten sich auch Pfalz- 
Zweibrücken, Hessen-Darmstadt, Baden und Nassau in einem ähnlichen 
Schreiben an die Reichsdeputation und baten eindringlich, »in der gegen- 
wärtigen krilischen Lage der Dinge alles, was zur Beschleunigung des 
Friedens zwischen dem Deutschen Reiche und der französischen Re- 
publik nur immer beitragen kann, mit ihrem erprobten, ruhmwürdigen 
Eifer anzugehen und zu versuchen, einer mit ihren Pflichten verein- 
barlichen und mit den immer dringender werdenden Umständen im 


Verhältnis stehenden Nachgiebigkeit ungehindert Platz zu geben«*). 


1\ Haller 6, 182. — °) Ib. 6, 214 


— 292 — 


Doch je mehr man den Frieden herbeisehnte um jeden Preis, um 
so drohender zogen von allen Seiten wieder Gewitterwolken zusammen, 
die sich auf das arme Deutsche Reich entladen sollten. Die Vorgänge 
in Italien und der Schweiz, Napoleons Zug nach Aegypten, die Weg- 
nahme der Insel Malta, die Anmassungen der Franzosen in den auf 
dem rechten Rheinufer besetzten Gebieten, ihre Kontributionen und 
Erpressungen überall, sie waren nicht danach angethan, die Hoffnung 
auf einen wirklichen dauerhaften Frieden aufkommen zu lassen; daher 
ist es denn leicht erklärlich, dass manche Fürsten, welche nach den 
mühevollen Verhandlungen in Rastatt endlich sich geborgen glaubten, 
von neuem für ihre Existenz zu bangen anfingen und von neuem ihre 
Stimmen erhoben für den endgültigen Abschluss des Friedens. Schon 
am 26. August hatten die obengenannten Mächte ausgeführt, »es liege 
nicht ausser dem Gebiete der Möglichkeit, dass noch ein Bruch der 
schon so lange gedauerten Friedensunterhandlungen eintreten und ein 
neuer Krieg entstehen könnte, der noch grösseres Elend gebähren, noch 
mehr deutsche Länder verwüsten und solche Umstände herbeiführen 
würde, welche an sich und in ihren Folgen, mit einer veränderten 
Ordnung der Dinge und dem Umsturz der bisher bestandenen Ver- 
fassung, unsägliches Unglück über das deutsche Vaterland ausstreuen 
und verbreiten müssten« !). Dieser Erklärung folgte am 7. Dezember 
eine neue der gleichen Grossen, denen sich noch Salm-Salm und die 
Rheingrafen, ferner die verschiedenen leiningenschen Linien anschlossen. 
Indem sie davon ausgingen, dass die französischen Gesandten tagsvor- 
her mit dem Abbruch der Verhandlungen gedroht hatten, ‚baten; sie 
dringend um Beschleunigung des Friedens, »da diejenigen Stände, des 
Reiches, welche ihre Besitzungen teils ganz, teils grösstenteils am linken 
Ufer des Rheins hatten, und verloren haben, in der bedauerlichsten 


2 


Lage seien« ?). 


VIH. 


Der so heiss ersehnte Friede war den deutschen Landen noch 
lange nicht beschieden. Es kam zur Koalition Russlands, Englands 
und Oesterreichs gegen die Republik ; noch einmal mussten die Waffen 
entscheiden über den Besitz des linken Rheinufers, und wieder neigte 
sich das Glück auf die Seite der Republik. Bereits am 7. April 1799 
zeigte der kaiserliche Gesandte in Rastatt der Reichsdeputation an, 
dass er zurückgerufen sei, und der Kaiser alles für null und nichtig 


1) Haller 6, 214. — ?) Ib. 6, 218. 


— 293 — 


erkläre, worüber man bis jetzt einig geworden sei, und wenige Tage 
darauf reiste er wirklich ab). Am 28. April kam es dann zu der 
rätselhaften Ermordung der französischen Bevollmächtigten, und so 
endete der Congress mit einem schlimmen Verstosse gegen das Völker- 
recht, ohne, trotz semer langen Tagung, etwas Greifbares geschaffen 
zu haben. Es folgt nun das gewaltige Ringen der Völker Europas 
gegen die Heere der Republik, die unter Napoleons Führung schliess- 
lich bei Marengo den Sieg erfochten und Oesterreich so in Schrecken 
setzten, dass der Kaiser Franz zu verschiedenen Malen um Frieden 
nachsuchte; dieser kam jedoch nicht zu stande, worauf mehrere rheini- 
sche Fürsten, um sich vor weiteren Schädigungen durch die Franzosen 
zu sichern, auf eigene Hand Unterhandlungen mit der Republik an- 
knüpften. Das Haus Nassau erkaufte sich am 25. September 1800 
den Frieden gegen eine Summe von 50000 Franks, die Fürsten von 
Wied zahlten 30000, nicht weniger die Grafen von Leiningen ?). End- 
lich wurde am 9. Februar 1801 der Friede zu Lunéville geschlossen, 
und mit ihm schlug die Todesstunde des alten Deutschen Reiches. 
Nicht nur wurden jetzt die Bestimmungen des Friedens von Campo 
Formio erneuert, sondern der Artikel 6 verfügte ausdrücklich, gemäss 
den in Rastatt getroffenen Abmachungen, dass der Kaiser im Namen 
des Reiches an Frankreich abtritt »en toute souverainété et propriété 
les pays et domaines situés à la rive gauche du Rhin et qui faisoient 
partie de l'Empire germanique«, dergestalt, dass der Thalweg des Rheins 
die Grenze zwischen den beiden Reichen bilden soll?). Nach Artikel 7 trägt 
das Reich in seiner Gesamtheit den Verlust des linken Rheinufers: die 
erblichen Fürsten sollen für das, was sie auf der linken Rheinseite 
einbüssen, nach den auf dem Congress zu Rastatt aufgestellten Grund- 
sätzen in Deutschland entschädigt werden. Artikel 9 besagt: Allen 
Bewohnern und jeglichen Eigentümern in sämtlichen durch gegenwärtigen 
Vertrag abgetretenen Ländern wird man die Aufhebung des infolge 
des Krieges verfügten Sequesters ihrer Güter bewilligen: die ver- 
tragenden Parteien werden alles das bezahlen, was sie jenen Privat- 
leuten oder öffentlichen Stiftungen schuldig sind. Ferner verfügt Ar- 
tikel 10: Der Sequester, welcher wegen des Krieges auf Güter deutscher 


Unterthanen in Frankreich . . . . . gelegt worden ist, wird gleichfalls 
aufgehoben. — Dieser Friedensvertrag soll vom Kaiser, vom Deutschen 


Reich und von der französischen Republik in einer Frist von 30 Tagen 
bestätigt werden, und bis zur Auswechselung der Bestätigungsurkunden 
sollen die Kriegsvölker beider Mächte in ihren Stellungen bleiben: 


1) Berghaus 1, 161, — ?) Ib. 1 168. 3) Ghillany 1, 283 11 


EX — 


20 Tage nach der Auswechselung werden die französischen Truppen 
das Gebiet des Deutschen Reiches räumen. | 

Am 7. März gab der Reichstag zu Regensburg seine Zustimmung 
zu diesen Abmachungen, und am 16. März wurden die Friedensurkunden 
‚in Paris ausgewechselt. Zur Ausführung der Bestimmungen des Ar- 
tikels 7 wurde vom Kaiser eine ausserordentliche Reichsdeputation be- 
rufen, bestehend aus den vier Kurfürsten von Sachsen, Mainz, Böhmen 
und Brandenburg, und vier Fürsten: Bayern, Württemberg, dem Hoch- 
und Deutschmeister und Hessen-Kassel, und dieser fiel die Aufgabe zu, 
dem alten römischen Reiche deutscher Nation, das über 1000 Jahre 
bestanden, das Grab zu graben. Sie besorgte es auch in 46 Sitzungen, 
die in die Zeit vom 24. August 1802 bis zum 25. Februar 1803 fallen. 
Da jedoch die Eröffnung der Verhandlungen sich so sehr in die Länge 
zog, bemühten sich verschiedene deutsche Staaten, vorher ihre Ent- 
schädigungen sich sicher stellen zu lassen, und wohl wissend, dass das 
künftige Schicksal Deutschlands und seine Umgestaltung nicht in Regens- 
burg, sondern an den Ufern der Seine entschieden würde, zögerten sie 
nicht, wie schon früher einmal, nach Paris zu eilen, um vom ersten 
Konsul sich Länder zuweisen zu lassen, über die er gar nicht verfügen 
konnte. So entstanden Sonderverträge der französischen Republik mit 
Bayern, Preussen, Württemberg und Hessen !), und die Herrscher dieser 
Länder zögerten nicht, sogleich von dem ihnen zugewiesenen Länder- 
ersatz Besitz zu nehmen, bevor noch die Reichsdeputation ihre Sitzungen 
eröffnet, bevor das Deutsche Reich selbst über seine Zukunft einen 
Beschluss gefasst hatte. 

Selbst die kleinen Fürsten scheuten eine Reise nach Paris nicht; 
teils begaben sie sich, wie der Graf v. d. Leven und der Fürst von 
Leiningen, in eigener Person zu den Ufern der Seine, teils hatten sie, 
wie Löwenstein-Wertheim, besondere Gesandte dort?), um mit allen 
Mitteln der Ueberredung und Bestechung beim ersten Konsul sich Ge- 
hör zu verschaffen und deutsche Reichsgebiete sich überweisen zu 
lassen, vor allem aber auch, um die Aufhebung des Sequesters über 
ihre Privatbesitzungen zu betreiben. Doch noch mehr: der neue russi- 
sche Kaiser Alexander I. mischte sich auch in die Angelegenheiten, 
die ihn gar nichts angingen, und schloss am 4. Juni 1802?) einen Ge- 
heimvertrag mit der Republik, als dessen Folge jener Entschädigungs- 
plan zu betrachten ist, der am Eröffnunestage bereits der Reichsdepu- 
tation vorgelegt wurde. »Obwohl der Reiehstag«, heisst es in dem- 


1) Lancizolle 68. — ?) Häusser 2, 33940, — 3%) Lancizolle 68. 


rn — 


selben, »eine besondere Kommission zur Erledigung dieser wichtigen 
Angelegenheit (der Entschädigung der Erbfürsten) ernannt hat, so sieht 
man doch zur Genüge durch die Verzögerungen, welche ihre Vereinigung 
erfahren muss, wie sehr der Gegensatz der Interessen und die Eifer- 
sucht der Ansprüche Hindernisse dem in den Weg legen, was die 
Regelung der Entschädigungen im Reich von der eigenen Thätigkeit 
des deutschen Reichskörpers zu erwarten hat. Das ist es, was S.M. 
dem Kaiser aller Reussen und dem ersten Konsul der Fr. R. den Ge- 
danken eingegeben hat, dass es zweien völlig unbeteiligten Mächten 
wohl anstehen werde, ihre Vermittelung anzubieten und dem kaiser- 
lichen Reichstage zu dessen Beratung einen allgemeinen Entschädigungs- 
plan vorzulegen, der, nach Berechnungen der strengsten Unparteilichkeït 
entworfen, nicht allein die anerkannten Verluste ausgleichen, sondern 
auch zwischen den hauptsächlichsten Häusern in Deutschland das 
Gleichgewicht aufrecht zu erhalten habe, welches vor dem Kriege be- 
stand. Demgemäss, und nachdem die von den beteiligten Parteien ein- 
sereichten Denkschriften über Verlust und Entschädigungsanspruch mit 
der gewissenhaftesten Aufmerksamkeit geprüft worden sind, ist man 
dabei stehen geblieben, folgende Vorschläge zur Verteilung der Ent- 
schädigungen zu machen 

Dem Fürsten von Nassau-Usingen für das Fürstentum Saar- 
brücken, die zwei Drittel der Grafschaft Saarwerden, die Herrschaft 
Ottweiler und die Herrschaft Lahr in der Ortenau: die Ueberreste des 
Kurfürstentums Mainz auf der rechten Seite des Mains (mit Vorbehalt 
des Oberamts Aschaffenburg), und die zwischen dem Main, dem Lande 
Darmstadt und der Grafschaft Erbach, Kaub und die Ueberreste des 
eigentlichen Kurfürstentums Köln (unter Vorbehalt der Grafschaft Alt- 
wied), die Klöster Seligenstadt und Bleidenstadt, die Grafschaft Savn- 
Altenkirchen, nach erfolgtem Ableben des Markgrafen von Ansbach, 
die Dörfer Soden und Sulzbach. 

Nassau-Weilburg für den dritten Teil von Saarwerden und die 
Herrschaft Kirchheim - Bolanden: die Ueberreste des Kurfürstentums 
Trier mit den Abteien Arnstein und Marienstadt. 

Dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt für die Gesamtheit 
der Grafschaft Lichtenberg und ihren Zubehörungen: die pfälzischen 
Aemter Lindenfels und Otzberg und die Ueberreste des Amtes Oppen- 
heim, das Herzogtum Westfalen mit Vorbehalt der Entschädigung des 
Fürsten von Wittgenstein, die mainzischen Aemter Gernsheim, Bensheim, 
Heppenheim, die Ueberreste des Hochstiftes Worms und die Reichs- 
stadt Friedberg. 


— 296 — 


Den Fürsten und Grafen von Löwenstein für die Grafschaft 
Virneburg, die Herrschaft Scharfeneck und andere Güter in den Ländern, 
welche mit Frankreich vereinigt worden sind: der Würzburgische An- 
teil an den Grafschaften Rhineck und Wertheim zur Rechten des 
Mains, die Abtei Brombach. — 

Dem Fürsten von Leiningen: die mainzischen Aemter Milten- 
berg, Amorbach, Bischofsheim, Königshofen, Krautheim und alle Teile 
von Mainz, die zwischen Main, Tauber, Neckar und der Grafschaft 
Erbach belegen sind, die Würzburgischen Teilstücke zur Linken der 
Tauber, die pfälzischen Aemter Boxberg und Mosbach, die Abtei Amor- 
bach und die Propstei Comburg mit Territorialhoheit. — 

Den Fürsten von Salm-Salm und von Salm-Kyrburg, den 
Rheingrafen und dem Grafen von Salm-Reifferscheid: der übrige 
Teil des Oberstifts Münster (so weit er nicht für Preussen bestimmt 
war). — 

Dem Fürsten von Wied-Runkel für die Grafschaft Kriechingen: 
die Grafschaft Altwied (mit Vorbehalt der Aemter Lintz und Unkel). — 

Dem Grafen v. d. Leyen für Blieskastel u. a.: die Abteien 
Schussenried, Gutenzell, Heggbach, Baindt und Buxheim.« 

Weiter wird vorgeschlagen, »dass die Fürsten zu Nassau-Usingen, 
Nassau-Weilburg, Salm-Salm, Salm-Kyrburg und Leiningen im Fürsten- 
kollegium verbleiben oder in dasselbe eingeführt werden, ein jeder mit 
einer Virilstimme, die an den Besitzungen haftet, die sie zur Entschädi- 
sung für ihre vormaligen unmittelbaren Länder bekommen werden: 
dass die Stimmen der unmittelbaren Reichserafen ebenfalls auf die 
Besitzungen übertragen werden, die denselben als Schadloshaltung zu- 
fallen« }). 

So war denn das Schicksal Deutschlands beim Zusammentritt 
der Reichsdeputation bereits entschieden, und obgleich Frankreich und 
Russland den vorgelegten Entschädigungsplan als einen einfachen Ent- 
wurf bezeichneten, einen guten Rat, den man für nützlich halte, um 
allen Ansprüchen zu genügen ?), so war es doch sämtlichen Einsichts- 
vollen von vornherein klar, dass die fremden Grossmächte ihren Willen 
durchsetzen würden, der Reichstag nur Ja und Amen zu sagen habe 
und höchstens kleine Veränderungen und Verschiebungen vornehmen 
dürfe. Die Hauptsache stand fest, dass sämtliche geistlichen Herr- 
schaften und die Mehrzahl der freien Städte ihre Existenz einbüssen 
und von der Landkarte verschwinden würden — so hatte es Frank- 
reich bestimmt, und das Deutsche Reich hatte sich zu fügen. Und 


‘) Berghaus 1, 190ff. Häusser 2, 376. — ?) v. Hoff à. a. O. 2, 68. 


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wenn die Reichsdeputation wirklich volle 46 Sitzungen abhielt, so ge- 
schah es nur in der Absicht, um den Anschein zu erwecken, als handle 
man ganz selbständig, und um für einige minder gut bedachte Herren 
eine grössere Entschädigung zu erwirken. 

Es liegt nun nicht in unserer Absicht, eine allumfassende Ueber- 
sicht über die Verhandlungen in Regensburg zu geben, vielmehr wollen 
wir nur das hervorheben, was sich in irgend einer Weise auf das Ge- 
biet des heutigen Lothringen bezieht. 

Bereits in der Sitzung vom 8. September wurde der Vorschlag 
von Kurmainz, den Ministern der vermittelnden Mächte zu erklären, 
dass die Deputation den Entschädigungsplan im allgemeinen annehme, 
sich jedoch alle Veränderungen vorbehalte, welche aus Reklamationen 
hervorgehen könnten oder von der Deputation selbst für notwendig er- 
achtet würden, angenommen). 

In der 5. Sitzung vom 16. September kam eine Eingabe des Frei- 
herrn von Helmstädt, eine Entschädigung für seine Herrschaft Mörchingen 
betreffend, zur Verhandlung, ohne dass sie praktische Folgen gehabt 
hätte; denn der genannte Freiherr ist im Reichsdeputationshauptschluss 
nicht bedacht worden. Nur so viel konnte er erreichen, dass die 
Deputation beschloss, man wolle bei den französischen Bevollmächtigten 
die Vollstreckung des Artikels 9 des Lunéviller Friedens, betr. die 
Aufhebung des Sequesters, reklamieren. 

Die 11. Sitzung vom 30. September beschäftigte sich mit dem 
Einspruch der unmittelbaren Reichsritterschaft im rheinischen Kreise, 
die das nicht unberechtigte Verlangen stellte, für den Verlust ihrer 
Einkünfte entschädigt zu werden, den sie durch die Abtretung des 
linken Rheinufers erlitt (79,874 Gulden für den Canton Oberrhein, 
133,148 Gulden für den am Niederrhein), da die französische Gesetz- 
gebung sie des Zehnten, der Lehnsprestationen und der herrlichen 
(rerechtsame beraube. Der Einspruch wurde verworfen; »so sehr auch 
die Reichsritterschaft zu bedauern sei, die Reichsdeputation finde sich 
gleichwohl nicht im stande, ihr eine Entschädigung zu verschaffen. « 

In der 13. Sitzung vom 9. Oktober übergaben Frankreich und 
Russland zur Ergänzung ihres ersten Entschädigungsplanes ein weiteres 
Schriftstück, in dem sich zahlreiche Abänderungsvorschläge finden. Was 
Lothringen angeht, so ist folgendes zu bemerken: Zunächst wird unter 
die Fürsten, welche auf Entschädigung Anspruch haben, auch der 
Herzog von Croy aufgenommen: ihm wird ein Teil des Münsterschen 
Amtes Dülmen zugesprochen. Weiter werden die Salmschen Ent- 


>) cf. für das folgende besonders Berghaus 1, 213. 


— 298 — 


schädigungen genauer aufgeführt, und zwar sollen erhalten die Fürsten 
von Salm die Münsterschen Aemter Bockolt und Ahaus im Verhältnis 
von ?/s für Salm-Salm und !/s für Salm-Kyrburg. Den Rheingrafen 
fällt das Münstersche Amt Horstmar zu, während für den Grafen von 
Salm-Reifferscheid Entschädigungen in anderen Gegenden Deutschlands 
vorgeschlagen werden. Auch für Leiningen und Wied-Runkel werden 
genauere Festsetzungen gemacht, wie sie später in den Hauptschluss 
aufgenommen sind, dagegen wird der Graf v. d. Leyen von der Liste 
der zu Entschädigenden gestrichen. — Auch dieser Plan fand in der 
18. Sitzung vom 21. Oktober die Zustimmung der Reichsdeputation. Und 
wenngleich in der Folgezeit noch vieles geschrieben und geredet wurde, 
so wurde dennoch der ganze Entschädigungsplan in den Reichsdeputations- 
hauptschluss aufgenommen, der vom Reichstage am 24. März 1803 ra- 
tifiziert und vom Kaiser durch seine Unterschrift am 27. April zum Gesetz 
erhoben wurde. 

Den Verlusten, welche deutsche Grosse im Gebiete des heutigen 
Lothringen erlitten, stehen zum Teil ganz ausserordentliche Ent- 
schädigungen gegenüber, von denen der Löwenanteil Baden zufiel, das 
wir hier jedoch füglich übergehen können. 

Der Herzog von Croy hatte im deutschen (rebiete des linken 
Rheinufers gar keine souveränen Länder besessen, und selbst für seine 
Herrenrechte in Lothringen hätte er nach den aufgestellten Grundsätzen 
keine Entschädigungen beanspruchen können; um so rätselhafter ist es 
daher, dass er auf einmal unter den Entschädigten erscheint, während 
seiner in den vorhergehenden Verhandlungen niemals gedacht wird, 
und sein Name auch in dem ersten Entschädigungsplane nicht zu finden 
ist. Berghaus!) vermutet daher wohl nicht mit Unrecht, dass er sich 
beim ersten Konsul der französischen Republik insinuirt, und dieser 
durch einen Machtspruch seine Entschädigung verfügt habe. So wurde 
ihm nach Artikel 3 des Hauptschlusses der grösste Teil des fürst- 
bischöllich Münsterschen Amtes Dülmen mit der Stadt gleichen Namens, 
den Kirchspielen Buldern, Dülmen und Haltern, dem Stadtgericht Haltern 
und dem (Gerichte des Beifangs Buldern zugesprochen — ein Gebiet 
von über 51} [JMeilen mit 10000 Einwohnern, dessen Einkünfte jähr- 
lich 50900 Gulden betrugen. 

Als Nachbarn erhielt er die Fürsten von Salm und die 
Rheingrafen. Den Fürsten von Salm-Salm und Salm-Kyrburg wurden 
die Münsterschen Aemter Ahaus und Bockholt übertragen mit den darin 


') cf. für das folgende besonders Berghaus 1, 272 und 279. 


299 


liegenden Kapiteln, Archidiakonaten, Abteien und Klöstern '), die 
28 [IMeilen mit 55000 Einwohnern umfassten und jährlich 250 000 
Gulden abwarfen?). Dazu kam eine jährliche Rente von 42 000 Gulden, 
welche die Rheingrafen aus ihren Einkünften zu zahlen hatten. Weiter 


2 


wurde bestimmt, dass von den genannten Gebieten */3 den Fürsten von 
Salm-Salm, ‘/; denen von Kyrburg gehören sollte, doch ist diese 
Scheidung niemals durchgeführt, da der Salmschen Selbständigkeit nur 
eine geringe Lebensdauer beschieden war. Die ersteren behielten ihren 
Wohnsitz zu Anholt, wohin sie ja gleich beim Ausbruch der Revolution 
geflohen waren, die Fürsten von Kyrburg residierten in Ahaus; in diesen 
beiden Orten sind die Geschlechter heute noch ansässig. 

Den Rheingrafen von Grumbach wurden die Reste des 
Amtes Horstmar mit den darin befindlichen Kapiteln, Archidiakonaten, 
Abteien und Klöstern als ausschliessliches Eigentum übergeben *). Da- 
durch kam ein Gebiet von 30 Meilen mit 50000 Einwohnern in 


1) Dem Amte Ahaus untergeben waren: das Gericht Ahaus, Zum Steinernen 
Kreuz und Ottenstein mit den Kirchspielen Ahaus, Alstätte, Ottenstein, Wessum 
und Wüllen; das Gogericht Borken im gleichnamigen Kirchspiel mit den Ge- 
richten zu Gescher und im Kirchspiel Heiden, zu Stadtlohn und Südlohn mit den 
Kirchspielen Rambsdorf, Grossrecken und Velen; das Stadtgericht Borken; die 
Graf Merveldt’sche Gerichtsbarkeit Lembeck mit den Kirchspielen Erle, Hervest, 
Holsterhausen, Lembeck, Rhade, Scharmbeck und Wulfen; das Gericht Lipprams- 
dorf, Herrlichkeit Oistendorf, die freiherrlich landsbergsche Gerichtsbarkeit zu 
Velen; die Graf limburg stvrumsche Gerichtsbarkeit Raösfeld; die Gerichte der 
Wiegbolde Ramsdorf und Stadtlohn mit der Bauerschaft Wessendorf; die Gerichte 
Wreden und Weseke. — Das Amt Bockholt umfasste das Land- und Stadt- 
gericht Bockholt mit den Kirchspielen Bockholt und Rhede und das Gericht 
zu Dingden mit dem gleichnamigen Kirchspiel, sowie die Herrschaft Weerdt. 
An Abteien und Klöstern waren vorhanden Gross-Burloh (Cisterzienser) und das 
Minoritenkloster am Schwilbrock, beide im Amte Ahaus. 

?) Berghaus 1, 272 und 280. 

3) Das Amt Horstmar umfasste das Gericht Billerbeck, das Stadtgericht 
Coesfeld, das Gericht des Wigbolds Gronau, das Gogericht Hastehausen mit den 
Kirchspielen Appelhülsen, Billerbeck, Darfeld, Darup, Hawixbeck, St. Jacobi und 
St. Lamberti ausserhalb Coesfeld, Lette, Nottuln, Rorup, Schapdetten, das Stadt- 
gericht Horstmar, das Gericht des Beifangs Lembergen, die Gerichtsbarkeit der 
Abtei Metelen über Metelen mit Mersch und Spackenbaum; das Gericht des Wig- 
bolds Nienborg; das Gogericht Ruschau mit der Beerlage und den Kirchspielen 
Borghorst, Holthausen, Laer nebst der Bauerschaft Höpingen, das Gogericht Sand- 
welle mit den Kirchspielen Eggenrode, Heeck, Holtwick, Epe, Horstmar, Leer, 
Legden, Langenhorst, Metelen, Osterwick, Ochtrup, Schöppingen, Wettringen, 
Welbergen, dem Beifang und Kirchspiel Asbeck. Abteien und Klöster gab es in 
Klein-Burloh (Cisterzienser), Marienflucht zu Glane bei Epe (Franziskaner), Varlar 


(Prämonstratenser). 


— 300 — 


ihren Besitz, und die jährlichen Einkünfte aus demselben betrugen 
300,000 Gulden, doch musste davon, wie eben gesagt, jährlich eine 
Summe von 42000 Gulden an die fürstlich salmschen Linien bezahlt 
werden: aber die Entschädigung war immer noch reichlich genug be- 
messen !). Der Rheingraf nahm seine Residenz in Horstmar selbst, 
und noch heute wohnen seine Nachkommen dort. 

Dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt, der die Grafschaft 
Lichtenberg, das Schutzrecht über Wetzlar, die Aemter Lichtenau und 
Wildstadt, Katzenelnbogen, Braubach, Ems, Kleeberg, Epstein und das 
Dorf Weiperfelden teils verloren, teils abgetreten hatte, wird zugesprochen 
das Herzogtum Westfalen mit der Stadt Volkmarsen und sämtlichen 
Kapiteln, Abteien und Klöstern, ferner die Mainzischen Aemter Gerns- 
heim, Bensheim, Heppenheim, Lorsch, Fürth, Steinheim, Alzenau, Vilbel, 
Rockenburg, Hassloch, Astheim, Hirschhorn u. s. w. Im ganzen verlor 
Hessen-Darmstadt ein jährliches Einkommen von 500 000 Gulden, und 
erhielt dafür ein Gebiet von 881} [Meilen mit 171500 Einwohnern 
und einer jährlichen Einnahme von 953,000 Gulden ?). 

Das Haus Nassau, so weit es dem alten oder walramschen Zweige 
angehörte, schied sich beim Ausbruche der Revolution in 3 Linien, 
Usingen, Saarbrücken und Weilburg, von denen die erstere ursprüng- 
lich gar keine Besitzungen auf dem linken Rheinufer hatte und somit 
durch die Wogen der Revolution auch nichts verlieren konnte, während 
der Fürst von Saarbrücken seit 1792 seine sämtlichen Länder eingebüsst 
hatte, und auch Weilburg insoweit geschädigt war, als es seiner Ein- 
künfte aus der Grafschaft Saarwerden und der Herrschaft Kirchheim- 
Bolanden beraubt wurde. Der letzte Fürst von Nassau-Saarbrücken 
starb im Exil 1797 und wäre von Nassau-Usingen beerbt worden, 
wenn er noch im Besitze seiner Lande gewesen wäre. Diese umfassten 
im ganzen — das Fürstentum Saarbrücken, zwei Drittel der Grafschaft 
Saarwerden und die Herrschaft Ottweiler — 19 DJMeilen mit 53286 
Einwohnern und brachten über 400000 Gulden jährlich ein. Obgleich 
nun der Fürst von Nassau-Usingen niemals wirklich die Regierung 
dieser Gebiete angetreten hatte, so erkannte die Reichsdeputation ihm 
doch Entschädigungsansprüche zu, und nachdem er der besseren Ab- 
rundung wegen noch die Herrschaft Lahr in der Ortenau, 5 OMeilen 
mit 7000 Einwohnern umfassend und 40000 Gulden abwerfend, an 
den Markgrafen von Baden abgetreten hatte, sprach ihm der $ 12 des 
Hauptschlusses zu »die mainzischen Aemter Königstein, Höchst, Cronen- 
burg, Rüdesheim, Oberlahnstein, Eltville, Castel mit den Domkapitels- 


1) Berghaus 1, 282. — ?) Ib. 1, 295. 297 ff. 


1 


— 301 — 


besitzungen rechts des Mains, unterhalb Frankfurt; ferner das pfälzische 
Amt Caub mit Zubehörungen, die Ueberreste des eigentlichen sogenannten 
Kurfürstentums Köln (mit Ausnahme der Aemter Altwied und Nürburg) : 
die hessischen Aemter Katzenelnbogen, Braubach, Ems, Epstein und 
Kleeberg mit Befreiung der Solmschen Ansprüche, die Dörfer Weipers- 
felden, Soden, Sulzbach, Schwanheim und Okriftel, die Kapitel und 
Abteien Limburg, Pimersdorff, Bleidenstadt, Sayn und alle Kapitel. 
Abteien und Klöster, die in den ihm als Entschädigung zufallenden 
Ländern belegen sind; endlich die Grafschaft Sayn-Altenkirchen mit 
der Auflage, sich nach der Uebereinkunft zu richten, welche wegen der 
Entschädigung des Hauses Savn- Wittgenstein getroffen worden ist, 
dessen Ansprüche an die Grafschaft Sayn und Zubehörungen erloschen 
bleiben « !). 

Der Fürst von Nassau-Usingen verlor also im ganzen ein Ge- 
biet von 24 []Meilen, auf dem 60286 Menschen wohnten, und die eine 
jährliche Abgabe von 447000 Gulden eintrugen. Doch lagen sämtliche 
Länder weit von. der usingenschen Hauptmasse entfernt, sie bildeten 
kein zusammenhängendes Ganzes und waren rings im alten oberrheini- 
schen Kreise zerstreut. Durch die neuen Erwerbungen, die zu den 
fruchtbarsten und landschaftlich schönsten Teilen des deutschen Vater- 
landes gehören — umfassen sie doch auch den berühmten Rheingau 
— erhielt Nassau-Usingen nicht nur eine ganz vortreffliche Abrundung. 
sondern auch noch eine. bedeutende Vergrösserung. Nach genauen 
statistischen Erhebungen umfassten nämlich 


die mainzischen Aemter 24 [)Meil., 60 000 Einw., 200000 Guld. Eink. 
das Amt Caub Io» » 1800  » 10000  » 
Ueberrest desErzstiftsKöln 11/9 » » 4000 >» 30000 >» 
die 5 hessischen Aemter 4! » » 10500 » 90 000 
Savn-Altenkirchen 5» » 15000 » 80000 
Soden, Sulzbach, Okriftel, 
Weipersfelden 1!» » 2000 » 20000 
die Stifter und Kapitel — — 150000  » 
Summa  36°?/ı OD Meil. 93 300 Einw.. 580000 Gld.Eink.?) 
Der Fürst von Nassau-Weilburg hatte auf der linken Rheinseite 
verloren !/: der Grafschaft Saarwerden und die Herrschaft Kirchheim- 
Bolanden in der Pfalz, im ganzen 6 DMeilen mit ungefähr 15000 Ein- 
wohnern. Einkünfte wollte der Fürst aus diesen Gebieten jährlich 


1) Berghaus 1, 306. — *) Ib. 1, 309, 


— 302 — 


178000 Gulden gehabt haben, doch wird allgemein behauptet, sie seien 
um mindestens 50000 Gulden zu hoch angesetzt gewesen. Dafür 
wurden ihm ebenfalls in $ 12 des Reichsdeputations-Hauptschlusses 
zugewiesen: »die Ueberreste des Kurfürstentums Trier mit den Abteien 
Arnstein, Schönau und Marienstadt.< Mit Recht macht Berghaus!) 
darauf aufmerksam, dass dieser Ueberrest ein grosses Gebiet von 
16 CiMeilen gewesen sei, enthaltend »den auf dem rechten Rheinufer 
gelegenen Teil der Aemter Ehrenbreitstein und Bergpilege, einen grossen 
Teil der Grafschaft Nieder-Isenburg, die Aemter Hammerstein, Welmich, 
Montabaur und Limburg mit Niederselters, von der zum Amte Limburg 
gehörigen Kellerei Villmar die Landeshoheit, ferner Teile der Aemter 
Camberg, Wehrheim, Vallendar und Münzfelden« —- das ganze mit 37000 
Einwohnern und 250000 Gulden Einkünften. Dazu kamen die Abteien 
Schönau, Arnstein a. d. Lahn und Marienstadt, die noch 75000 Gulden 
eintrugen, sodass die jährlichen Einnahmen von Nassau-Weilburg aus 
diesen Gebieten die Summe von 325000 Gulden überstiegen, wahrlich 
eine angemessene Entschädigung für das Verlorene. 

Der Fürst von Löwenstein-Wertheim hatte durch die Er- 
eignisse, wie sie das Jahr 1789 im Gefolge gehabt, die Einkünfte aus 
der lothringischen Lehensherrschaft Püttlingen verloren, ferner die 
Herrschaft Scharfeneck bei Landau und einige andere kleine Besitzungen, 
von denen jedoch nur die an zweiter Stelle genannte reichsunmittelbar 
gewesen und entschädigungsberechtigt war. Trotzdem wurden ihm 
nach $ 14 zugesprochen: »die zwei Mainzischen Dörfer Würth und 
Treenfurth, die Aemter Rothenfels und Homburg im Würzburger Lande, 
die Abteien Brummbach, Neustadt und Holzkirchen, die würzburgischen 
Verwaltungen Widdern und Thalheim, eine beständige Rente von 
12000 Gulden aus dem Rheinschiffahrtsoktroi und die würzburgischen 
Gerechtsame und Einkünfte in der Grafschaft Wertheim; nichts desto- 
weniger aber unter der Bedingung, das obengenannte Amt Homburg 
und die Abtei Holzkirchen an die Kurfürsten von Pfalz-Bayern wieder 
abzutreten, und zwar gegen eine beständige Rente von 28000 Gulden, 
oder gegen jede andere Gegenwährung, über die sie sich verständigen 
können«?). Im ganzen erhielt der Fürst von Löwenstein ein Gebiet 
von 7 ClMeilen mit 18600 Einwohnern und 150000 Gulden Ein- 
künften *). 

Dem Fürsten von Leiningen-Hartenburg waren durch den 
Gang der Revolution sämtliche Lande entrissen worden, so sein Anteil 
an der Grafschaft Leiningen mit Hartenburg und Dürkheim, die Graf- 


4) Berghaus 1, 311. — ?) Ib. 1, 318. — ®) Ib. 1, 32021. 


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do ie rot ot that 


— 303 — 


schaft Dagsburg und das elsässische Dorf Weihersheim. Letztere Ge- 
biete standen, wie wir gesehen, seit dem Ryswicker Frieden unter 
französischer Oberhoheit und waren daher kaum als entschädigungs- 
berechtigt anzusehen, noch viel weniger war dies der Fall mit den 
angeblichen leiningenschen Ansprüchen auf Saarwerden, Lahr und 
Mahlberg ; dennoch billigte man dem Fürsten volle Entschädigung zu, 
und indem man seinen jährlichen Verlust auf 220000 Gulden berechnete, 
schuf man für ihn zwischen Main, Neckar und Tauber ein neues 
Fürstentum von 271} [JMeilen mit 82900 Einwohnern und 558000 
Gulden jährlicher Einkünfte, indem $ 20 des Reichsdeputations-Haupt- 
schlusses ihm zuwies: die Mainzischen Aemter Miltenberg, Buchen, 
Seligenstadt, Amorbach und Bischofsheim, die von Würzburg abge- 
zweigten Aemter Grünsfeld, Lauda, Hartheim und Rittberg, die pfälzi- 
schen Aemter Boxberg und Mosbach und die Abteien Gerlachsheim 
und Amorbach!). Doch wurden Grünsfeld und Gerlachsheim, um eine 
Rente von 32000 Gulden ablösen zu können, schon bald an Salm- 
Reifferscheid abgetreten. Die anderen Gebiete wurden in 12 Aemter 
eingeteilt und umfassten 15 Städte, 9 Marktflecken und 172 Dörfer ?). 

Der Fürst von Wied-Runkel hatte durch den Frieden von 
Lunéville die Grafschaft Kriechingen in Lothringen verloren, deren Ein- 
künfte von ihm selbst auf jährlich 50000 Gulden angegeben wurden, 
während andere behaupten, sie hätten nur 28000 Gulden betragen. 
Für diesen Verlust war ihm ursprünglich nur das Kölnische Amt Alt- 
wied zugesprochen, jedoch mit Ausschluss von Lintz und Unkel. Gegen 
diese unzureichende Entschädigung hatte der Fürst Verwahrung ein- 
gelegt und mit derselben auch Erfolg gehabt; infolge dessen billiste ihm 
$ 21 ‘zu: »die Aemter Nürburg und Altwied im Kölnischen Lande 
und die Kellerei Vilmar«, die früher im Besitze der Abtei St. Mathias 
bei Trier gewesen war. Die Einkünfte aus diesen Gebieten wurden 
auf 50000 Gulden geschätzt, sodass der Fürst von Wied-Runkel nicht 
mehr erhielt, als er nach eigener Angabe verloren hatte?). 

In $ 12 der Geheimartikel des Friedens von Campo-Formio war 
auch der Graf v. d. Leyen unter den Herren aufgeführt, welche auf 
éntschädigung Anspruch machen konnten, und infolge dessen hatte der 
erste Plan ihm auch die Abteien Schussenried, Gutenzell, Heggbach, 
Baindt und Buxheim in Schwaben zugewiesen. Ihm waren ja die 
Grafschaft Blieskastel und zahlreiche Herrenrechte verloren gegangen, 


1) Berghaus I, 325. — ?) Brinckmeier, Leiningen I, 309 3) Berg- 


haus I, 328. 


— 304 — 


die er in der Baronie Wölferdingen noch besass. Doch war er in der 

letzteren nicht souveräner Herr gewesen, und die Grafschaft Blieskastel 

sehörte zwar zu den reichsunmittelbaren Gebieten, doch hatte sie nicht 

Sitz und Stimme auf den Reichs- und Kreistagen, sondern der Besuch 

der letzteren stand dem Grafen v. d. Leyen nur zu wegen der Graf- 

schaft Hohengeroldseck im heutigen Baden. Da nun die Reichsdepu- 
tation bei der Entschädigung der grösseren Herrengeschlechter sehr 
verschwenderisch vorgegangen war und fast das gesamte Reichsgut 
vergeben hatte, so blieben für die grosse Masse der Reichsgrafen, 
welche eine Entschädigung beanspruchten und erhofften, nur einige 
wenige Abteien übrig, deren Einkünfte dazu noch ziemlich unbedeutend 
waren. Die Teilung der Erde war beendet, und die grossen Fürsten- 
häuser hatten durchaus keine Lust, von ihrem Gewinn den Grafen zu 

Liebe auch nur das kleinste Titelchen abzutreten: so sah sich denn 

die Reichsdeputation in einer schwierigen Lage, und lange Verhandlungen 

wurden gepflogen, ohne dass man zu einem Ziele gelangt wäre. End- 
lich beschloss man, die Reichsgrafen in 5 Klassen zu teilen: 

1. solche, welche reichsunmittelbare Güter mit der Verpflichtung, 
zur Tragung der Reichs- und Kreislasten beizutragen, besessen 
hatten, und die wegen dieser Güter als stimmfähige Glieder 
in den Reichs- und Kreisversammlungen gewesen waren; 

2. solche, welche sich ganz in dem nämlichen Falle befanden, 
doch mit dem Unterschiede, dass sie nicht auf dem Reichstage 
Sitz und Stimme gehabt hatten; 

3. solche, welche zwar alle Lasten mit getragen hatten, aber vom 
Reichstage sowohl als von den Kreistagen ausgeschlossen ge- 
wesen waren; 

4. solche, welche reichsunmittelbare Güter besessen hatten, die 
aber von aller Auflage befreit, und ihre Besitzer nicht Mitglieder 
der Reichs- und Kreistage gewesen waren; 

9. die Herren, welche, zwar den Grafentitel führend, nur Ritter- 
sitze und mittelbare Güter besessen hatten, und die folglich 
nicht zur Klasse derjenigen Grafen gehörten, denen eine Ent- 
schädigung zugesagt worden war, und denen mithin nichts 
anderes übrig blieb, als die Aufhebung des Sequesters nach- 
zusuchen, welche seitens der republikanischen Regierung von 
Frankreich verfügt worden war ?). 

Von diesen (Gesichtspunkten ausgehend, verwies nun die Reichs- 

deputation den Grafen v. d. Leven unter die Grafen der 4. Klasse, die 


1) Berghaus I, 332. 


— 305 — 


von jeder Entschädigung ausgeschlossen wurden, und so erhielt er, 
trotzdem er seinen jährlichen Verlust auf 105000 Gulden !) berechnete, 
auch nicht das Geringste zugesprochen, wenngleich ihm vorher aus- 
drücklich eine Entschädigung in Aussicht gestellt war, und die Reichs- 
deputation that dies um so leichteren Herzens, als es dem Grafen bald 
darauf gelang, bei der französischen Regierung die Aufhebung des 
Sequesters durchzusetzen, wie es in $ 10 des Lunéviller Friedens be- 
stimmt war. Infolge dessen erhielt er sämtliche Güter zurück, so weit 
sie noch nicht zum Besten der Staatskasse verkauft oder dem Orden 
der Ehrenlegion als Dotation überlassen worden waren ?). 

Da nun bereits der weitaus grösste Teil der Reichsgrafen von 
aller Entschädigung ausgeschlossen wurde, so war es für jeden Ein- 
sichtigen klar, dass die Reichsritterschaft für ihre Verluste gar nichts 
erhalten werde, und es war nur die reine Spiegelfechterei, wenn der 
Reichsdeputationshauptschluss in $ 28 verfügte: 

»Die Entschädigungen, welche irgend welchen Mitgliedern der 
Ritterschaft zustehen könnten, sollen, nach dem Beispiel der Ergänzung 
der Entschädigungen der Reichsgrafen, und so weit denselben durch 
die künftige Aufhebung des Sequesters nicht genügt werden sollte, auf 
die anderweit verfügbar werdenden Revenuen, und nach Verhältnis ihrer 
rechtmässigen Ansprüche, angewiesen werden<*). So war es denn von 
vornherein sicher, dass die lothringischen Mitglieder der Reichsritter- 
schaft, die Herren von Kerpen und Steinkallenfels, für ihre Verluste 
nichts erhalten würden, da eben nichts mehr zu verteilen war. Im 
übrigen gingen die Fürsten schon damals mit dem (Gredanken um, 
sämtliche reichsritterliche Gebiete auch auf dem rechten Rheinufer zu 
ihren Gunsten einzuziehen, und wenngleich gerade die Erhaltung der 
Reichsritterschaft noch manche Verhandlungen, Schreibereien und Be- 
schwerden gezeitigt hat, so war ihr Schicksal doch jetzt schon ent- 
schieden. Sonder Zagen griffen die Grossen zu, und da Frankreich 
ihren Bestrebungen entgegenkam, ihnen nicht nur keine Schwierigkeiten 
in den Weg legte, sondern sogar zu offener Unterstützung überging, 
so war in wenigen Jahren die ganze Angelegenheit geregelt, und das 
altehrwürdige Institut der Ritterschaft vom deutschen Boden  ver- 
schwunden *). 


') Nach Häusser II, 415 gar auf 248781 Gulden ?) Berghaus 1. 340. — 
3, Ib. 1, 355. — +) Cf. den Tagesbefehl des Marschalls Bertier vom 19. Dezember 
1805, durch welchen den französischen Truppen die Unterstützung von Bayern, 
Württemberg und Baden bei der Okkupation reichsritterschaftlicher Besitzungen 
seboten wird. Lancizolle 90. 


a > 


Durch den Frieden von Lunéville und den ihm folgenden Reichs- 
deputationshauptschluss war das Deutsche Reich völlig verändert. Eine 
grosse Zahl deutscher Fürsten hatte aufgehört zu existieren, und ihre 
Besitzungen waren anderen zugeteilt worden. Es war nunmehr noch 
Aufgabe der Deputation, den neugeschaffenen Zustand in den Rahmen 
des alten Reiches einzufügen, damit es nicht ganz aus den Fugen ging, 
und so wurde noch eine Neueinteilung der Virilstimmen auf dem Reichs- 
tage vorgenommen, wobei den früher in Lothringen angesessenen 
Fürsten bewilligt wurden: dem Fürsten von Salm-Salm: ihm allein die 
Stimme, welche er vorher mit Salm-Kyrburg gemeinschaftlich hatte, 
dem Fürsten von Nassau-Usingen eine, dem Fürsten von Nassau-Weil- 
burg eine, dem Fürsten von Salm-Kyrburg eine, dem Fürsten von 
Löwenstein-Wertheim eine, dem Fürsten von Leiningen eine — mit 
der Bestimmung, dass sie aufgerufen werden sollten: Hessen-Darmstadt 
an 60. Stelle, Salm-Salm an 86., Nassau-Usingen an 107., Nassau- 
Weilburg an 108., Salm-Kyrburg an 110., Löwenstein-Wertheim an 
115. und Leiningen an 125. Stelle). 

Am 27. April 1803 unterzeichnete der Kaiser den Reichsdeputations- 
hauptschluss und erhob ihn dadurch zum Gesetze. 


IX. 


Der Reichsdeputationshauptschluss hatte den grössten Teil der 
früher in Lothringen ansässigen Fürsten auf das rechte Rheinufer ver- 
pflanzt und sie zum Teil in völlig neue, ihnen bis dahin fremde Gebiete 
gesetzt. Wenn wir von Baden und Hessen-Darmstadt absehen, deren 
Besitzungen ja bereits früher in der Hauptmasse diesseits des Rheins 
gelegen waren, so besass nunmehr der Fürst von Leiningen ein zu- 
sammenhängendes Gebiet in der heutigen nördlichen Ecke des badischen 
Landes, sein Nachbar war der Fürst von Löwenstein - Wertheim im 
Gebiet des Mains und der Tauber, Nassau und Wied-Runkel machten 
sich am Mittelrhein breit, die Fürsten von Salm, die Rheingrafen und 
der Herzog von Croy suchten sich im westfälischen Münsterlande häus- 
lich einzurichten, während der Graf v. d. Leyen auf seine kleine Herr- 
schaft Hohengeroldseck angewiesen war, die 21/2 []Meilen mit 4000 
Einwohnern umfasste und im ganzen gegen 40000 Gulden Einkünfte 
einbrachte. 

Die Länder der Genannten waren zum Teil aus den verschiedensten 
Stücken zusammengeschweisst, die vorher ohne die geringste Verbindung 


!) Berghaus 1, 358—60. 


1 
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— 307 — 


mit einander gewesen waren; auf die Einheit der Confession war nicht 
die geringste Rücksicht genommen, Recht und Gesetz war überall ver- 
schieden, und die neuen Landesherren waren ihren Unterthanen völlig 
fremd. Eine weise Staatskunst hätte nun ihr nächstes uud hauptsäch- 
lichstes Augenmerk darauf gerichtet, bei möglichster Schonung der 
Gefühle der Untergebenen ihnen den Uebergang in die neuen Verhält- 
nisse möglichst bequem und angenehm zu machen. Doch daran 
dachten die neuen Fürsten nicht im Geringsten: mit grösster Härte 
wurde regiert und schablonisiert, die Landstände wurden, wo sie be- 
standen, mit einem Federstrich beseitigt, das patriarchalische Regiment, 
wie es so lange in den geistlichen Gebieten bestanden, ohne weiteres auf- 
gehoben, um die Länder den Anforderungen der neuen Zeit anzupassen, 
welche die Aufklärung auf ihre Fahnen geschrieben hatte. 

Vor allem war es den Fürsten darum zu thun, aus den ver- 
schiedenen Stückchen und Läppchen einen einheitlichen Staat zusammen 
zu schmieden, und wo konnten sie für ihr Vorgehen ein besseres Vor- 
bild finden, als in Frankreich, dem sie ja in erster Linie ihre Existenz 
und ihre Vergrösserungen verdankten! So wurden denn überall 
französisches Recht und Gesetz eingeführt, die Grundzüge der fran- 
zösischen Verwaltung nicht den bestehenden Verhältnissen angepasst, 
sondern sklavisch übertragen, mechanisch neue Behörden geschaffen, 
»das Finanzwesen nach einem Schnitt umgestaltet, der Militärstaat nach 
französischem Vorbild erweitert und reformirt, Gesetze und Verord- 
nungen in reicher Fülle nach allen Richtungen hin ausgestreut. Was 
alle diese Neuschöpfungen charakterisirte, war ihre Aehnlichkeit mit 
den Staatsmaximen, wie sie Bonaparte jenseits des Rheins im grossen 
durchführte: bureaukratische Centralisation, Beamtenregiment, ausge- 
dehnte Polizeigewalt, wachsame Fiskalität in Finanzsachen hatten sie 
mit dem französischen Wesen völlig gemeine!). Und da die neuen 
Fürsten mit ihren Gebieten noch nicht verwachsen waren, so liessen 
sie sich leicht zu Abtretungen und Vertauschungen bewegen, wie z. B. 
bereits im Jahre 1804 der Fürst von Leiningen an Salm-Reiferscheidt 
das Dorf Pappenhausen überlässt nebst der Gemarkung Schönfeld gegen 
das zum Amte Grünsfeld gehörige Dorf Distelhausen ?). 

Während nun so die deutschen Fürsten sich in den neuerworbenen 
Ländern einzurichten suchten, hing für sie zunächst alles davon ab, 
sich in dem gewonnenen Besitze zu behaupten. Und in richtiger Er- 
kenntnis ihrer Lage gingen die kleinen Herren dazu über, sich, soweit 
es ihre Souveränität zuliess, zu grösseren Bündnissen zusammen zu 


1) Häusser 2, 479. ?) Lancizolle 90. 


ran 


thun, ihre Interessen gemeinsam zu vertreten und auf den Gang der 
Ereignisse so viel wie möglich einzuwirken. So entstand bereits am 
29. August 1803 zu Frankfurt a. M. eine Vereinigung der kleinen süd- 
und mitteldeutschen Fürsten, die sogenannte Frankfurter Union, der 
die Grafen und Fürsten von Erbach, Hohenlohe, Isenburg, Leiningen, 
Solms, Öttingen, Limburg, Löwenstein, Wittgenstein und Wied-Runkel 
beitraten. Sie bezweckte die verfassungsgemässe Selbsterhaltung und 
suchte dies zu erreichen durch gemeinsame Bevollmächtigung von Ver- 
tretern bei den Hauptmächten in Wien, Berlin, St. Petersburg, vor 
allem aber in Paris, da ja von der Gunst des grossen Corsen ihre 
sanze Existenz abhing !). Zum Direktor dieses Bundes wurde zunächst 
der Fürst von Leiningen gewählt, der sich am 1. Juli 1804 in einem 
Schreiben an Napoleon wandte und bei ihm den Herrn J. L. von Greuhm 
als Ministerresidenten der Frankfurter Union beglaubigte. In diesem 
heisst es recht bezeichnend: »Le grand bienfait de la pacification de 
l'Allemagne nous ayant rendu l’existence politique, par laquelle nous 
jouissons de cet état de tranquilité et de bien-être qui est l'ouvrage 
sublime de V. M. T. nous désirons pouvoir consolider ce bonheur en 
vous consacrant, Sire, pour jamais notre profonde reconnaissance et 
un devouément intime et sans bornes !«?) 

Nicht minder aber spähten diese Fürsten und Herren aus nach 
weiteren Gebieten, die sie mit Hülfe Frankreichs noch annektieren, und 
durch welche sie ihr Fürstentum vergrösseren konnten. Und als nun 
Baiern, Württemberg und Baden den Anfang machten mit der Ver- 
nichtung der Reichsritterschaft, indem sie die in ihren Staaten gelegenen 
Besitzungen dieser, mit Zustimmung Napoleons, einzogen, wollten selbst 
die Kleinsten nicht zurückbleiben, und so ahmten sie das Beispiel jener 
nach. Daher richteten zu Anfang Dezember des Jahres 1805 die 
Fürsten von Leiningen, Löwenstein und Isenburg gleichlautende Schreiben 
an Napoleon, in denen sie den Wunsch und die Bitte aussprachen, 
die enklavierten Besitzungen des reichsunmittelbaren Adels, des deutschen 
Ordens und der Malteser annektiren zu dürfen. Und dieser gab seine 
Erlaubnis dazu, indem er am 24. Dezember 1805 an Taillerand schrieb: 

Il me semble que cette demande est bonne à accueillir et qu'il est 
de mon intérêt et d’une sage politique que la noblesse immédiate qui 
est dans les états de l’union de Francfort y soit réunie *). 

Während nun so die Grossen und Kleinen nur auf ihren Vorteil 
bedacht waren und, unbekümmert um das Schicksal anderer, nach 

') Manfred Maver, Geschichte der Mediatisierung des Fürstentums Isen-' 
burg 43. 162 ff. ?) Svbels Zeitschrift 58, 439. — 5) Sybels Zeitschrift 58, 441. 


+ 


— 309 — 


eigener Macht und Vergrösserung strebten, bereitete sich ein neuer 
gewaltiger Krieg vor, der mit seinen Folgen eine grosse Menge der 
eben neugeschafienen Fürsten endgültig aus der Zahl der regierenden 
Herren strich, sie ihrer Lande beraubte, in deren Besitze sie kaum 
erst froh geworden waren. Bekannt ist es ja, welche grosse Dienste 
die Fürsten von Baiern, Württemberg und Baden dem Kaiser Napoleon 
im dritten Koalitionskriege leisteten, und zum Dank dafür im Frieden 
zu Pressburg mit österreichischen und preussischen (Gebieten ausge- 
stattet wurden, Baiern und Württemberg den Königstitel erhielten, der 
Markgraf von Baden zum Kurfürsten erhoben wurde, infolge dessen 
ihnen auch der $ 14 des Friedensvertrages die volle Souveränität zu- 
gestand '). Schon jetzt waren sie kaum mehr als Glieder des Reiches 
aufzufassen, und es war daher nur folgerichtig, wenn sie im nächsten 
Jahre einen weiteren Schritt auf der betretenen Bahn machten und 
sich öffentlich und feierlich vom Deutschen Reiche lossagten, und ihnen 
folgten noch weitere deutsche Herren. 

Am 1. August 1806 überreichte der französische Gesandte dem 
Reichstage in Regensburg eine Erklärung seines Kaisers, in welcher die 
(Gründung des Rheinbundes bekannt gegeben und erklärt wurde, dass 
Napoleon das Dasein der deutschen Verfassung nicht mehr anerkenne, 
vielmehr die Würde eines Schutz- und Schirmherrn des Rheinbundes 
angenommen habe, natürlich nur in den friedlichsten Absichten und 
aus dem Grunde, dass seine Vermittelung, stets zwischen dem schwächsten 
und dem stärksten der Bundesgenossen stehend, jeglicher Uneinigkeit, 
jeglicher Beunruhigung zuvorzukommen vermöchte?). Eine ähnliche 
Erklärung wurde von den Gesandten der Rheinbundfürsten abgegeben, 
unterzeichnet u. a. von Mollenbeck, von wegen 1.1. H.H. d.d. Herzogs 
von Nassau-Usingen und des Fürsten von Weilburg, Eduard Freiherr 
von Schmitz-Grollenburg wegen . . .. des Grafen v. d. Leven, Weih- 
bischof und Domdechant von Wolf als hochfürstlicher Salm-Salmscher 
und Salm-Kyrburgscher Komitialgesandter *). Die richtige Antwort auf 
diesen Verrat am Vaterlande erteilte Kaiser Franz bereits 6 Tage 
später, indem er die Krone des Deutschen Reiches niederlegte, alle 
Fürsten und Unterthanen des Eides der Treue entband, und so das 
heilige römische Reich deutscher Nation endgültig auflöste. 

Der Rheinbund war nach längeren, ganz heimlich betriebenen 
Verhandlungen am 12. Juli 1806 zu Paris zu stande gekommen, und 
zwar waren diese geführt worden für Hessen-Darmstadt durch den 
Freiherrn von Pappenheim, für die Fürsten von Nassau durch Frei- 


') Ghillany, diplom. Handbuch II, 700, ) Berghaus 2, 64. s) Gi 


— 310 — 


herrn von Gagern, für Salm-Salm und -Kyrburg durch den Major 
von Tischler und für den Grafen v. d. Leyen durch Herrn Durand 
St-Andr&!). Unter den 17 Stiftern des Rheinbundes finden wir also 
eine Anzahl Fürsten wieder, die meistens im heutigen Lothringen’ an- 
gesessen und erst durch den Reichsdeputationshauptschluss auf das 
rechte Rheinufer verpflanzt waren, während andere, wie die Fürsten von 
Leiningen, Wied-Runkel, Löwenstein, der Rheingraf und der Herzog von 
Croy unter ihnen nicht angetroffen werden. Ohne uns mit den eigentlichen 
staatsrechtlichen Fragen der Rheinbundakte näher abzugeben, wollen 
wir im folgenden ihren Inhalt nur insoweit berühren, als er die oben 
erwähnten Fürsten und Herren betrifft. So bestimmt $ 5, dass der 
Kurfürst von Baden und der Landgraf von Hessen-Darmstadt fortan 
den Titel Grossherzog führen werden und somit die Rechte, Ehren und 
Vorrechte geniessen, die an die Königliche Würde geknüpft sind. Das 
Haupt des Hauses Nassau — Nassau-Usingen — nimmt den Herzogs- 
titel an und der Graf v. d. Leyen den Fürstentitel?). An Veränderungen 
im Besitzstand bestimmt $ 16: der Herzog von Nassau überlässt dem 
Grossherzog von Berg die Stadt Deutz mit ihrem Gebiete, die Stadt 
und das Amt Königswinter und das Amt Villich*). Diese Länder waren 
erst im ‚Jahre 1803 an Nassau gekommen und hatten bis dahin zu 
Kurköln gehört. — Alle Landeshoheitsrechte werden ausüben nach Ar- 
tikel 244): der Grossherzog von Baden über das Fürstentum Leiningen 
und die Besitzungen des Fürsten von Löwenstein-Wertheim, welche 
auf dem linken Mainufer liegen, — der Grossherzog von Berg?) über 
die Grafschaft Horstmar (den Rheingrafen gehörend), die Herrschaft 
Schadeck (Wied-Runkel) und den Teil der eigentlichen Grafschaft Runkel, 
welcher auf dem rechten Lahnufer gelegen ist; »auch wird behufs der 
Verbindung zwischen dem Herzogtum Cleve und den obgenannten 
nördlich von diesem Herzogtum belegenen Besitzungen S. Kgl. Hoheit 
den Gebrauch einer Strasse haben, welche quer durch die Staaten des 
Fürsten von Salm führt« ; 

der Grossherzog von Hessen-Darmstadt: über die Herrschaften 
Breubach und Heubach und über die Herrschaft oder das Amt Habiz- 
heim (Löwenstein-Wertheim) : 

S. Hoheit der Fürst Primas: über die Besitzungen der Fürsten und 
Grafen von Löwenstein-Wertheim, so weit selbige auf dem rechten 
Mainufer gelegen sind; 


1) Ghillany II, 8. — ?) Berghaus 2, 163. je MD ANS. SM MORE 
STH YIST: 


EEE + 


— 311 — 


1.1.D.D. der Herzog von Nassau-Usingen und der Fürst von 
Nassau-Weilburg: über die Aemter Dierdorf, Altenwied, Neuenburg, 
denjenigen Teil der Grafschaft Nieder-Isenburg, welcher dem Fürsten 
von Wied-Runkel gehürt . . . . den auf dem linken Ufer der Lahn ge- 
legenen Teil der Herrschaft Runkel; 

S.D.der Fürst von Salm-Kyrburg: über die Herrschaft Gehmen ; 

S.D. der Herzog von Aremberg: über die Grafschaft Dülmen (Croy)'). 

Ueberblicken wir das Gesagte noch einmal, so verloren von ehe- 
mals in Lothringen angesessenen Fürsten ihre gesamten Gebiete und 
behielten nur die sogenannten Herrenrechte: die Fürsten von Leiningen, 
die unter badische Oberhoheit gerieten, nachdem sie kaum 3 Jahre 
im Besitze ihrer neuen Länder gewesen waren; 

Der Fürst von Löwenstein-Wertheim musste sein Land an Baden, 
Württemberg, Hessen-Darmstadt und den Fürstprimas abtreten ; 

Dem Fürsten von Wied-Runkel wurde sein Gebiet entzogen zu 
Gunsten des Grossherzogtums Berg und des Herzogtums Nassau: 

Ebenso ging’ der Besitz der Rheingrafen völlig in das Gross- 
herzogtum Berg auf. — Die Herrschaft Dülmen, welche dem Herzog 
von Croy erst im Jahre 1803 übertragen wurde, ging auf den Herzog 
von Aremberg über. 

Anderseits bekommt der Fürst von Salm-Kyrburg eine Ver- 
srösserung durch die Herrschaft Gehmen im westfälischen Kreise, die 
sich damals im Besitz des Freiherrn von Bömelberg befand, während 
Salm-Salm und v.d. Leyen den früheren Umfang ihrer Länder behielten. 

So war die Landkarte Deutschlands in dem kurzen Zeitraume von 
3 Jahren wieder völlig verändert; von neuem hatten deutsche Fürsten 
zahlreichen deutschen Herren die Souveränität genommen und sie zu 
Unterthanen herabgedrückt; eine grosse Menge kleiner Staaten war 
wieder vom Erdboden verschwunden, sogar manche von denen, die 
auf eine kaum dreijährige Existenz zurückblicken konnten. Unter 
andern hatten die Leiningen, Löwenstein, Wied, die Rheingrafen und 
der Herzog von Croy aufgehört, selbständige Herrscher zu sein nur 
deshalb, weil es Napoleon so wollte und die Nachbarn deren Besitz 
zur Abrundung ihrer Länder nötig hatten. Zugleich mit diesen kleinen 
Fürsten wurde auch das Schicksal der Reichsritter endgültig entschieden; 
denn $ 25 der Rheinbundakte sagt darüber: 

Ein jeder der verbündeten Könige und Fürsten wird mit vollem 
Souveränitätsrechte die ritterschaftlichen (rüter besitzen, welche von 
seinen Staaten umgeben sind. Was die ritterschaftlichen Güter betrifft, 


1) Berghaus 2, 187, 190, 192. 194, 196. 


SE 


welche zwischen zwei der verbündeten Staaten liegen, so werden diese 
rücksichtlich der Souveränität zwischen den beiden Staaten geteilt 
werden so gleichförmig, als es sich thun lässt, doch auf eine Weise, 
dass daraus weder eine Gebietszerstückelung noch Gebietsvermengung 
entsteht '). 

$ 26 setzt die Souveränitätsrechte der Rheinbundfürsten fest und 
weist ihnen zu das Recht der (resetzgebung, der obersten Gerichts- 
barkeit, der hohen Polizei, der militärischen Konskription oder Re- 
krutierung und das Besteuerungsrecht. 

Nach $ 27 wird jeder der mediatisirten Fürsten und Grafen als 
Patrimonial- und Privateigentum behalten alle Domainen ohne Aus- 
nahme, die er bis jetzt besessen, sowie auch alle herrschaftlichen und 
Lehnsrechte, welche nicht wesentlich an der Souveränität haften, und 
zwar namentlich die niedere und mittlere Gerichtsbarkeit und Forst- 
polizei, das Jagdrecht, die Fischereigerechtigkeit, das Recht des Berg- 
baus und des Hüttenbetriebs, die lehnsherrlichen Zehnten und Präs- 
tationen, das Patronat und andere ähnliche, sowie alle von den Domainen 
und besagten Gerechtsamen herfliessenden Einkünfte. Ihre Domainen 
und Güter werden in Bezug auf Abgaben den Domainen und Gütern 
der Prinzen des Hauses, unter dessen Souveränität sie kraft gegen- 
wärtigen Vertrags gestellt werden, oder, wenn keiner der Prinzen des 
gedachten Hauses unbewegliches Eigentum besitzen sollte, den Domainen 
und Gütern der bevorrechtetsten Klasse gleich geachtet werden. Es 
können die genannten Domainen und Gerechtsame weder an einen 
dem Bunde fremden Souverain noch an einen sonstigen Auswärtigen 
verkauft werden, ohne vorher dem Fürsten, unter dessen Souveränität 
sie stehen, angeboten worden zu sein ?). 

S 51: Die jetzt regierenden Fürsten und Grafen und ihre Erben 
können ihren Wohnsitz aufschlagen, wo sie wollen, vorausgesetzt, dass 
dies in einem der Mitstaaten geschehe, oder in Staaten, welche mit 
dem Rheinbunde alliirt sind, oder in derjenigen Besitzung, welche sie 
mit Souveränität ausserhalb des Gebietes des gedachten Bundes be- 
halten werden, und können so auch ihre Einkünfte und Kapitalien be- 
ziehen, ohne dieser Sache halber einem besonderen Abzuge oder irgend 
einer Abgabe oder Auflage unterworfen werden zu können). 

Schliesslich werden in $ 38 die Contingente der Rheinbundfürsten 
festgesetzt, die sie im Falle eines Krieges zu stellen haben; von diesen 
fallen auf den Grossherzog von Baden 8000 Mann, den Grossherzog 


1) Ghillany 2, 13. Berghaus 2, 197. — ?) Ghillany 2, 13. Berghaus 2, 202, 
207. — #) Ghillany 2, 14. Berghaus 2, 227. 


— 313 — 


von Berg 5000, den Grossherzog von Hessen 4000 Mann. Von den 
kleineren Häusern muss Nassau 1680, der Herzog von Aremberg 379, 
das Salmsche Haus 323 und der Fürst v. d. Leven 29 Mann stellen '!). 

Auf diese Weise war nun eine neue Vereinigung deutscher Fürsten 
ins Leben getreten, die nichts weiteres waren und sein konnten, als 
Diener Napoleons. Anderseits hat er trotz der feierlich beschworenen 
Verträge keine Bedenken getragen, mehrere der Rheinbundfürsten ohne 
Weiteres ihrer Souveränität zu berauben, wenn es in seinem Interesse 
zu liegen schien, wie wir noch sehen werden. Vor der Hand jedoch 
glaubten sie sich gut im Hafen geborgen, und im Gefühle ihrer Macht 
traten sie gegen die mediatisirten Fürsten auf, die gestern noch ihres 
gleichen, über Nacht ihre Unterthanen geworden waren, trotzdem doch 
die Rechte dieser in den oben angeführten Artikeln der Rheinbundakte : 
gesichert und festgelegt zu sein schienen. Bekannt ist ja, wie besonders 
der König von Württemberg in dieser Beziehung sich benahm, doch 
scheinen auch andere Rheinbündler mehr oder weniger in seine Fuss- 
stapfen getreten zu sein, wenn dies auch weniger bekannt geworden 
ist. Auf das Vorgehen Murats im Grossherzogtum Berg z. B. wirft es 
ein merkwürdiges Licht, wenn bereits im August des Jahres 1806 
der Rheingraf Friedrich von Salm, dessen Besitzung Horstmar zu Berg 
seschlagen war, in einem Briefe sich an Napoleon wendet und, da er 
selbst aller Hülfsquellen beraubt sei, um eine Unterstützung bittet für 
eine unglückliche Familie »victime innocente des grandes mesures poli- 
tiques que sa sagesse lui a dictées pour la tranquillité future d’Alle- 
magne et de l'Europe ?). 

X. 

Durch die Stiftung des Rheinbundes schien nun, wenigstens in 
politischer Beziehung, für den Westen Deutschlands eine Zeit der Ruhe 
gekommen zu sein; seine Mitglieder hatten menschlichem Ermessen 
nach, so lange Napoleon im Vollbesitze seiner Macht war, nichts 
Schlimmes zu fürchten, neue Erwerbungen waren wenigstens für die 
meisten nicht mehr zu machen, und so gingen denn die Fürsten und 
Herren daran, durch neue Einrichtungen und Gesetze ihre Staaten ein- 
heitlich zu gestalten, soweit es bis dahin noch nicht geschehen war. 

Ueber die Thätigkeit der fürstlich Salmschen Regierung ist mir 
nichts Näheres bekannt geworden, und die landesväterliche Fürsorge 
wird sich wohl darauf heschränkt haben, französisches Recht und 
Gesetz auf ihre Staaten zu übertragen. Auch von dem Kleinsten der 


1) Ghillany 2, 15. Berghaus 2, 232. — ?) Sybels Zeitschrift 58, 448 


— 814 — 


Kleinen, dem Fürsten Philipp v. d. Leven, ist nicht viel zu berichten. 
Er und sein »dirigierender wirklicher Geheimer Rate Philipp Schmidt !) 
haben weltbewegende Thaten nicht ausgeführt, vielmehr begnügten sie 
sich zunächst damit, ihren übernommenen Verpflichtungen nach Mösglich- 
keit nachzukommen, und die 29 Mann Bundestruppen pünktlich zu 
stellen. Dann wurde die 21/2 [] Meilen grosse Grafschaft Hohengeroldseck 
mit ihren 4500 Einwohnern, die nach dem Almanac impérial des 
Jahres 1810 sogar auf 5000 geschätzt wurden ?), in 9 Vogteien eingeteilt 
und diese einem Oberamt unterstellt. Zum Hauptort der Grafschaft 
wurde der Flecken Seelbach erklärt, während der Fürst selbst seine 
Hofhaltung zu Ahrenfels am Rhein aufschlug. Die Regierungsgeschäfte 
wurden von 3 Räten und einem Sekretär besorgt, ausserdem waren 
ein Rent-, Forst- und Bergamt vorhanden. Um die Einkünfte der Graf- 
schaft, die jährlich 40000 Gulden betrugen, in etwa zu erhöhen und 
auch seinerseits zur Vereinfachung der Landkarte Deutschlands beizu- 
tragen, erliess der Fürst am 28. August 1806 eine Verfügung, in der 
er, gestützt auf $ 25 der Bundesakte, seine Souveränität über die in 
seinen Landen enklavierten und denselben angrenzenden ritterschaft- 
lichen Besitzungen ausdehnen wollte. Es waren dies die Orte Diers- 
burg, Berghaupten, Rohrburg, Hofweyher, Niederschopfheim und die 
ritterschaftlichen Anteile der Orte Schutterwald, Höfen und Langen- 
hurst?). Doch was die Grossen sich erlaubten, war darum noch lange 
nicht den Kleinen gestattet, und die Gleichberechtigung sämtlicher Mit- 
glieder des Rheinbundes wird schön illustrirt durch den Widerspruch, 
den Baden gegen dieses Vorgehen des Fürsten erhob. Infolge dessen 
liess dieser seine Verfügung nicht anschlagen; sie wurde einfach zu 
den Akten gelegt, und die ritterschaftlichen Besitzungen sind in der 
Folgezeit sämtlich unter Badensche Oberhoheit gekommen !). 
Bedeutender schon war die innere Organisation in den Nassauschen 
Ländern. Nachdem zunächst in den ersten Tagen der rheinbundlichen 
Herrlichkeit einige Vertauschungen und Abtretungen von Dörfern und 
Städten vorgenommen waren, geschah der erste Schritt zur inneren 
Festigung der Länder in dem von Nassau-Usingen und Weilburg ge- 
meinsam erlassenen Dekrete vom 30. August 1806. In diesem nahmen 
sie zunächst von allen ihrer Herrlichkeit unterworfenen Ländern feier- 
lich Besitz, ferner erklärten sie ihre sämtlichen Fürstentümer, Graf- 
und Herrschaften zu einem vereinigten und souveränen Herzogtum und 
bestimmten, dass der bisherige Unterschied zwischen beiden fürstlichen 


) Berghaus 2, 299. — ?) Pölitz, Handbuch der souveränen Staaten des 
Rheinbundes 2, 301 a.2. — 3) Ib. — *) Ib. und Berghaus 3, 382. 


U Rs 


Linien aufhören, und von allen beiderseitigen Landesstellen nur allein 
das Prädikat: »Herzoglich nassauisch« gebraucht werden solltet). Am 
1. Januar 1808 erfolgte die Aufhebung der Leibeigenschaft, am 1. Fe- 
bruar 1811 wurde die Einführung des Code Napoléon als Gesetzbuch 
für die nassauischen Länder mit Wirkung vom 1. Januar 1812 an be- 
schlossen. Bereits am 6. Mai 1807 wurde ein Dekret erlassen, betr. 
die Besteuerung der bisher steuerfreien Güter; von dieser wurden nur 
ausgenommen die Güter und Domainen der regierenden Häuser und 
der Standesherren; die Verfügung wurde ergänzt und erweitert durch 
das Gesetz vom 10. Februar 1809, in welchem die Gleichheit der Ab- 
gaben und die Einführung eines neuen direkten Steuersystems ange- 
ordnet wurde. Nach diesem beruhen sämtliche direkte Steuern auf 
der Grund- und Gewerbesteuer. Um das in der Bundesakte bestimmte 
Contingent von 1680 Mann aufbringen zu können, wurde am 29. Ok- 
tober 1808 die allgemeine Konskription eingeführt, von der jedoch 
bestimmte Klassen unbedingt oder bedingt ausgenommen waren. Das 
105 [Meilen umfassende Gebiet mit ca. 270000 Einwohnern wurde 
in 4 Regierungsbezirke eingeteilt: Wiesbaden, Weilburg, Thal-Ehren- 
breitstein und Hachenburg, denen wieder zahlreiche Aemter unter- 
standen’). 

Das Gebiet des Grossherzogtums Hessen zerfiel, nachdem mit den 
angrenzenden Staaten zahlreiche Austauschungen stattgefunden hatten, 
in drei Provinzen, deren Namen bereits durch Dekret vom 12. Oktober 
1803 festgesetzt waren. Diese waren das Fürstentum Starkenburg, 
mit Einschluss der standesherrlichen Besitzungen 53 DiMeilen und 
179823 Personen umfassend, das Oberfürstentum Hessen, welches auf 
89 []Meilen 226545 Personen zählte, und das Herzogtum Westfalen 
mit 72 ]Meilen und 134715 Einwohnern. Bereits am 1. Oktober 1806 
wurde die landständische Verfassung, die besonders im Herzogtum 
Westfalen bestanden, aufgehoben; ihr folgte am gleichen Tage die Be- 
seitigung der Steuerfreiheit, und es wurden nicht nur die Güter der 
herrschenden Familie, sondern auch alle bisher schatzungsfrei gewesenen 
Güter, Zehnten und Gefälle der Besteuerung unterworfen. Am 1. August 
1808 erfolgte die Einführung des Code Napoléon im Grossherzogtum 
Hessen, und der Regent erklärte, dass er, von seiner Vortrefflichkeit 
überzeugt, beschlossen habe, denselben zum allgemeinen Gesetzbuche 
in seinem Staate unter Modifikationen und Bestimmungen anzunehmen, 
welche Verfassung und besondere Verhältnisse notwendig machten. 


1) Pölitz 2, 274, Lancizolle 98, Berghaus 3, 377. — ?) Pölitz 2, 274 ff, Berg- 


haus 3, 377 ft. 


— 316 — 


Eine Verfügung vom 25. Mai 1811 hob, mit Wirkung vom 30. Juni 1815 
an, die Leibeigenschaft in Hessen auf, und am 1. Juli 1812 wurde 
das französische Mass- und Grewichtssystem im ganzen Grossherzog- 
tum eingeführt). 

Was schliesslich das Grossherzogtum Berg betrifft, dem ja die 
Lande des Rheingrafen einverleibt worden waren, so ging der Regent 
Joachim Murat zunächst darauf hinaus, die alten Einrichtungen und 
Gesetze möglichst beizubehalten, und sie nur in etwa den Anforderungen 
der neuen Zeit und der veränderten Lage anzupassen. Als er jedoch 
schon bald auf den Königsthron von Neapel versetzt wurde, kam das 
Grossherzogtum unter die unmittelbare kaiserliche Verwaltung, die auch 
in Wirklichkeit bestehen blieb, als am 3. März 1809 Napoleon dem 
Lande einen neuen Herrscher gab in der Person des 4jährigen Kron- 
prinzen von Holland. Durch Erlass vom 14. November 1808 teilte 
Napoleon das Gebiet in 4 Departements, denen Arrondissements und 
Kantone unterstellt waren; am 18. Dezember erfolgte die Regelung der 
Behörden und ganz wie in Frankreich selbst wurden ernannt Präfekten, 
Generalsekretaire, Präfektur- und Generaldepartementsräte, ferner Unter- 
präfekten, Distriktsräte, Maires und Munizipalräte. Am 1. Januar 1810 
wurde der Code Napoleon mit bestimmten Veränderungen eingeführt, 
die Leibeigenschaft verschwand, der 11. Januar 1809 brachte die Auf- 
hebung aller Lehen, die für freies Eigentum erklärt wurden, und am 
25. Februar 1809 wurde das Postwesen neu eingerichtet ?). 

Niemand wird leugnen können und wollen, dass die Beseitigung 
der unzähligen Kleinstaaten im westlichen Deutschland ein Glück für 
unser Vaterland gewesen ist, und ebenso ist die Aufhebung der Feudal- 
verfassung, und was mit ihr im Gefolge war, nicht hoch genug anzu- 
schlagen. Aber mit der Errichtung des Rheinbundes im Jahre 1806 
war die Zeit der Veränderungen in Deutschland noch nicht vorüber. 
Der unglückliche Krieg, in welchen Preussen im gleichen Jahre ver- 
wickelt wurde, brachte dieses Land nicht nur selbst an den Rand des 
Verderbens und beraubte es zahlreicher blühender und reicher Länder 
und Provinzen, sondern er führte auch sämtliche mittel- und nord- 
deutschen Fürsten dem Rheinbunde zu, der im Jahre 1807 sogar die 
beiden Mecklenburg umschloss. Anderseits entstand durch Napoleons 
Gnaden als neues Gebiet das Königreich Westfalen, das ebenfalls in 
den Rheinbund aufgenommen wurde. So hatte denn dieser im Jahre 
1805 seine grösste Ausdehnung; doch schon in kurzer Zeit wurde er 
von seinem Protektor selbst um ein beträchtliches verringert. Um die 


‘) Pölitz 2, 237 ff, Berghaus 3, 358 ff. — 2) Pölitz 2, 180. Berghaus3, 3431f. 


SEN — 


segen England erlassene Festlandsperre in wirksamerer Weise durch- 
führen zu können, als bisher, hielt Napoleon es für angezeigt, die 
Rhein-, Ems-, Weser- und Elbemündungen mit dem dazu gehörigen 
Hinterlande unmittelbar mit dem französischen Kaiserreiche zu ver- 
einigen, und die Kosten dieser Verschmelzung hatten ausser einigen 
widerspenstigen Herren auch mehrere Fürsten des Rheinbundes zu be- 
zahlen. Waren die Rheingrafen bereits durch die Bundesakte des 
Jahres 1806 ihrer Souveränität verlustig gegangen, so sollte nunmehr 
auch für ihre Verwandten, die Fürsten von Salm-Salm und Kyrbursg, 
desgleichen für den Herzog von Aremberg die Todesstunde schlagen. 
Obgleich ja diese zu den Stiftern des neuen Bundes gehörten, obgleich 
sie es in keiner Weise an Unterwürfigkeit gegen ihren Oberherrn hatten 
fehlen lassen. so wurden auch sie über Nacht ihrer Selbständigkeit 
beraubt, indem durch Dekret vom 10. Oktober 1810 die gesamten 
Lande der Fürsten von Salm in der Grösse von 31 ÜMeilen mit 
59000 Einwohnern ohne jegliche Entschädigung mit dem französischen 
Reiche für ewige Zeiten untrennbar vereinigt wurden !). 

In ähnlicher Lage befand sich ihr Leidensgenosse, der Herzog 
von Aremberg, der am gleichen Tage von der Liste der regierenden 
Herren gestrichen wurde und nicht nur die Aemter Meppen und Dülmen 
verlor, das ihm erst 1806 zugesprochen war, als der Herzog von Crov 
mediatisirt wurde, sondern auch den letzten Rest seiner Herrlichkeit, 
das Vest Recklinghausen, am 21. Januar 1811 an das Grossherzogtum 
Berg abtreten musste. Doch wurde ihm wenigstens als kleiner Ersatz 
eine feste Rente von 2000000 Franks zugesprochen, während die 
Fürsten von Salm völlig leer ausgingen und traurige Tage durchzumachen 
hatten, infolge dessen der Fürst Moritz von Salm-Kyrburg am 11. März 
1811 in aller Ergebenheit den Kaiser Napoleon um einen Senatorposten 
bitten musste ?). 

Aus diesen (Gebieten, den Ländern der früheren holländischen 
Krone und den Abtretungen, die auch das Grossherzogtum Berg sich 
gefallen lassen musste, wurden drei Departements des Ober-Yssels, der 
Ysselmündung und der Westems gebildet, und zwar wurden mit dem 
ersten die alten Salmschen ‘und rheingräflichen Lande vereinigt, des- 
gleichen das Amt Dülmen, während das Arembergsche Gebiet von 
Meppen dem Departement der Ysselmündung zugewiesen wurde. Den 
Bemühungen der Stadt Münster, die durch diese Einteilung zu einer 
einfachen Bezirkshauptstadt herabgedrückt wurde, ist es zu danken, 
dass diese unnatürliche Vereinigung nicht lange Bestand hatte, und 


1) Berghaus 3, 21. -— ?) Sybels Zeitschrift 58, 456 


— 318 — 


so wurde denn bereits am 27. April 1811 vom französischen Senate 
ein Gesetz angenommen, nach welchem die Arrondissements Rees, 
Münster, Steinfurt und Neuenhaus ein eigenes Departement der Lippe 
bilden sollten mit dem Hauptorte Münster. So umfasste dieses denn 
auf 106 Meilen das frühere rechtsrheinische Herzogtum Cleve, die 
Salm-Salm- und Kyrburgschen Lande, die Grafschaft Croy-Dülmen, die 
von Berg abgetretenen Länder des Rheingrafen, den nördlichen Teil 
des Fürstentums Münster und nebst einigen andern kleineren Gebieten 
die Besitzungen des Herzogs von Aremberg, soweit sie nicht mit dem 
Grossherzogtum Berg vereinigt waren'). 


XI. 

Doch auch diese Staatenbildung war nicht von langer Dauer. 
Napoleons Stern ging in den Eisfeldern Russlands unter, die Völker 
Europas erhoben sich zum Freiheitskampfe gegen ihren Unterdrücker, 
und die Schlacht bei Leipzig besiegelte den Sturz des Imperators. Die 
nächste Folge war der Zusammenbruch des Rheinbundes und der von 
Napoleon geschaffenen neuen Herrschaften; bereits im Oktober 1813 lösten 
sich das Königreich Westfalen und die Grossherzogtümer Berg und 
Frankfurt auf, und der Fürst v. d. Leyen wurde für die Anhänglichkeit 
an Frankreich seiner Grafschaft beraubt, desgleichen der Fürst von 
Isenburg, während die bedeutenderen Mitglieder des Rheinbundes noch 
rechtzeitig retteten, was zu retten war, und durch besondere Verträge 
zu den Verbündeten übertraten. Mit dem Ende des Jahres 1813 war 
Deutschland bis zum Rhein frei vom französischen Joche, und als 
Napoleon seiner Würden entsetzt und der erste Pariser Friede ge- 
schlossen war, der Frankreich auf die Grenzen des Jahres 1793 zurück- 
führte, trat am 8. Oktober 1814 der Congress zu Wien zusammen, 
um die Verhältnisse Deutschlands neu zu ordnen. Neue Hoffnung er- 
füllte auch die mediatisirten Fürsten, welche durch die Ereignisse der 
Jahre 1806 und 1810 ihrer Länder verlustig gegangen waren, selbst 
die Mitglieder der ehemaligen Reichsritterschaft wiegten sich in dem 
Traume, das Verlorene wieder zu erlangen, und so wimmelte es denn 
in Wien auch von den Gesandten dieser Stände, welche mit seltener 
Ausdauer auf ihr gutes Recht pochten. Und doch sollte keiner ihrer 
Wünsche in Erfüllung gehen, und niemand der depossedirten Fürsten 
hat seine frühere Souveränität wiederbekommen. Für eine Anzahl 
dieser, wie die Fürsten von Leiningen, Wied-Runkel, Loewenstein, war 
die Sache von vornherein verloren, da die Verbündeten den grösseren 


1) Berghaus 3, 30, 90. 


— 319 — 


Gliedern des ehemaligen Rheinbundes in besonderen Verträgen ihren 
augenblicklichen Besitzstand feierlich verbürgt hatten, und zu diesem 
gehörten ja auch die Besitzungen der ebengenannten Edlen. Aber auch 
die Fürsten von Salm, der Rheingraf, die Herzöge von Aremberg und 
Croy, deren Gebiete durch den Zusammenbruch der Napoleonischen 
Herrschaft frei geworden waren, wurden nicht wieder in die Zahl der 
regierenden Fürsten und Herren aufgenommen, da besonders Preussen 
kleine in seinen westfälischen Landen enklavirte Gebiete nicht dulden 
wollte, und diese selbst zu seiner Entschädigung dringend nötig waren. So 
verordnete denn der $ 43 der Wiener Congressakte: »Les distriets mé- 
diatises suivans, savoir: les possessions que les Princes de Salm-Salm 
et Salm-Kyrburg, les Comtes dénommés les Rhein- und Wildgrafen et 
le Duc de Croy ont obtenues par le recès principal et la Députation 
extraordinaire de l’Empire du 25 Février 1803 dans l'ancien cercle de 
Westphalie, ainsi que les Seigneuries d’Anholt et de Gehmen ..... 
le Comté de Reklingshausen appartenant au Duc d’Aremberg . . 
seront placées dans les relations avec la Monarchie Prussienne que la 
Constitution fédérative de l'Allemagne règlera pour les territoires mé- 
diatisés« 1). Desgleichen wurde die frühere Herrschaft Meppen des Her- 
zogs von Aremberg durch Artikel 32 an Hannover überlassen?). Die 
Grafschaft Hohengeroldseck, bis dahin im Besitze des Fürsten v.d. Leven, 
wird durch Vertrag vom 12. Juni 1815 zwischen Preussen und Oester- 
reich dem letzteren übergeben*), und trotzdem die Entschädigung des 
früheren Besitzers einen der Punkte des Aachener Congresses (1818) 
bilden sollte®), kam die Frage nicht zur Erledigung, vielmehr wurde 
die Grafschaft durch Vertrag zwischen Oesterreich und Baden vom 
16. Juli 1819 der Souveränität des Grossherzogtums unterstellt, und 
der Fürst v. d. Leyen verschwand in der Zahl der mediatisirten Herren). 
In Betreff dieser wurden in der deutschen Bundesakte verschiedene Be- 
stimmungen getroffen. 

Zunächst besagt $ 6: »Ob den mediatisirten vormaligen Reichs- 
ständen auch einige Curiatstimmen in pleno (des Bundestages) zu- 
gestanden werden sollen, wird die Bundesversammlung bei der Beratung 
der organischen Bundesgesetze in Erwägung nehmen « ®). — Dies ist nicht 
geschehen. 

Weiter verfügt $ 14%): »Um den im Jahre 1806 und seitdem 
mittelbar gewordenen ehemaligen Reichsständen und Reichsangehörigen, 
in Gemässheit der gegenwärtigen Verhältnisse, in allen Bundesstaaten 

1) Ghillany 1, 341. — ?) Ib. 339. — 5) Lancizolle 122. — *) Ghillany 1, 407. 


— 5) Lancizolle 130. — °) Ghillany 2, 56. — ?) Ghillany 2, 58. 


einen gleichförmig bleibenden Rechtszustand zu verschaffen, so ver- 
einigen die Bundesstaaten sich dahin: 


a) dass diese fürstlichen und gräflichen Häuser fortan nichts- 
destoweniger zu dem hohen Adel in Deutschland gerechnet 
werden und ihnen das Recht der Ebenbürtigkeit in dem 
bisher damit verbundenen Begrill verbleibt ; 

sind die Häupter dieser Häuser die ersten Standesherren 

in dem Staate, zu dem sie gehören. Sie und ihre 

Familien bilden die privilegirteste Klasse in demselben, ins- 

besondere in Ansehung der Besteuerung: 

c) es sollen ihnen überhaupt in Rücksicht ihrer Personen, 
Familien und Besitzungen alle diejenigen Vorzüge und Rechte 
zugesichert werden oder bleiben, welche aus ihrem Eigen- 
tum und dessen ungestörtem Genuss herrühren und nicht zu 
der Staatsgewalt und den höheren Regierungsrechten gehören. 


h 


Unter vorerwähnten Rechten sind insbesondere und namentlich 
begriffen: 


1. 


Die unbeschränkte Freiheit, ihren Aufenthalt in jedem zu dem 
Bunde gehörenden und mit demselben in Frieden lebenden 
Staate zu nehmen. 


. Werden nach den Grundsätzen der früheren deutschen Ver- 


fassung die noch bestehenden Familienverträge aufrecht er- 
halten und ihnen die Befugnis zugesichert, über ihre Güter 
und Familienverhältnisse verbindliche Verfügung zu treffen, 
welche jedoch dem Souverain vorgelegt und bei den höchsten 
Landesstellen zur allgemeinen Kenntnis und Nachachtung ge- 
bracht werden müssen. Alle bisher dagegen erlassenen Ver- 
ordnungen sollen für künftige Fälle nicht weiter anwendbar sein. 


. Privilegirter Grerichtsstand und Befreiung von aller Militär- 


pilichtigkeit für sich und ihre Familien. 


. Die Ausübung der bürgerlichen und peinlichen Gerechtigkeits- 


pflege in erster und, wo die Besitzung gross genug ist, in 
zweiter Instanz, der Forstgerichtsbarkeit, Ortspolizei und Auf- 
sicht in Kirchen- und Schulsachen, auch über milde Stiftungen, 
jedoch nach Vorschrift der Landesgesetze, welchen sie, sowie 
der Militärverfassung und Oberaufsicht der Regierungen über 
jene Zuständigkeiten unterworfen bleiben. 


Dem ehemaligen Reichsadel werden die sub No. 1 und 2 ange- 
führten Rechte, Anteil der Begüterten an Landstandschaft, Patrimonial- 
und Forsteerichtsbarkeit. Ortspolizei, Kirchenpatronat und der privilegirte 


— 321 — 


Gerichtsstand zugesichert, diese Rechte werden jedoch nur nach Vor- 
schrift der Landesgesetze ausgeübt. — In den durch den Frieden von 
Luneville vom 5. Februar 1801 von Deutschland abgetretenen und jetzt 
wieder damit vereinigten Provinzen werden bei Anwendung der obigen 
Grundsätze auf den ehemaligen unmittelbaren Reichsadel diejenigen 
Beschränkungen stattfinden, welche die dort bestehenden besonderen 
Verhältnisse notwendig machen.« — 

Es ist nun leicht erklärlich, dass diese Bestimmungen die Hoffnung 
der mediatisirten Fürsten, in ihre alten Rechte und Besitzungen wieder 
eingesetzt zu werden, völlig vernichtete, und wenn sie nun auch ihrer- 
seits nichts Weltbewegendes dagegen unternehmen konnten, so legten 
doch die meisten von ihnen, u. a. die Fürsten von Leiningen, Löwen- 
stein-Wertheim, Wied-Runkel, am 13. Juni 1815 eine feierliche Rechts- 
verwahrung ein wider den sie betreffenden Inhalt der deutschen Bundes- 
akte mit Beziehung auf ihren Rechts- und Besitzstand von 1805. Diese 
lautet !): 

»Die unterzeichneten, unterdrückten Reichsstände sind in ihrer 
gerechten Erwartung, durch die deutsche Bundesakte ihren Rechts- 
zustand von 1805, mit Hinsicht auf zu Beförderung des deutschen 
(remeinwohls freiwillig dargebotenen Opfer, nach getroffener Ueberein- 
kunft mit ihnen wieder hergestellt zu sehen, schmerzlich getäuscht. 

Die Verhältnisse nötigen sie zwar, in Ansehung der in der neuen 
Constitutionsakte für ihren künftigen Zustand diktirten Normen, sich 
für jetzt der Gewalt der Umstände zu fügen. Sie sehen sich jedoch 
verpflichtet, für sich, ihre Nachkommen und ihre angestammten Unter- 
thanen vor dem hohen Congress und vor der ganzen Welt die Ver- 
wahrung einzulegen, dass sie sich den Umfang ihrer Rechte und 
Befugnisse, wie sie der Besitzstand von 1805 bezeichnet, für ewige 
Zeiten vorbehalten und nur in diejenigen Opfer willigen können und 
werden, welche, als Resultat freiwilliger Uebereinkunft mit ihnen, einzig 
und allein eine rechtliche Aenderung ihres altehrwürdigen garantirten 
Rechtszustandes zu begründen vermögen. Sie behalten sich daher vor, 
den Umfang dieses Rechtszustandes bei der künftigen Bundesversammlung 
und bei jeder rechtlichen Veranlassung geltend zu machen«. 

Sämtliche im Jahre 1789 in Lothringen regierenden Herrscher- 
familien, mit alleiniger Ausnahme von Hessen-Darmstadt und Nassau, 
waren somit endgültig ihrer Souveränität beraubt und haben sie auch 
bis auf den heutigen Tag nicht zurück erhalten; ja, die Ereignisse des 
Jahres 1866 haben auch die Selbständigkeit des Herzogtums Nassau 


1) Ghillany 2, 62. 


vernichtet, sodass nunmehr allein der Grossherzog von Hessen (wenn 

wir den Grossherzog von Luxemburg übergehen), noch seine Krone 

trägt — die übrigen lothringischen Grossen gehören der Geschichte. an. 

Erwähnen möchten wir noch, dass am 24. März 1816 die Linie Nassau- 

Usingen erloschen, und nach den Bestimmungen des Familienvertrags 

von 1806 die Regierung des Herzogtums Nassau auf den Weilburger 

Zweig übergegangen ist!) — Die Fürsten von Wied-Runkel starben 

am 28. April 1824 aus und wurden in ihrem landständischen Besitz 

von den Fürsten von Wied-Neuwied beerbt?); schliesslich hat im 

Jahre 1825 der Fürst von Salm-Kyrburg sein standesherrliches Gebiet 

gegen eine feste Rente an Salm-Salm verkauft). 

Fassen wir zum Schluss noch einmal kurz die Veränderungen 
zusammen, die in dem Besitzstande der speziell lothringischen Herren 
während der französischen Revolution eingetreten sind, so ergiebt sich 
folgendes : 

1. Der Herzog von Croy besitzt 1789 das Dorf Thieourt und 

Herrenrechte in der Grafschaft Finstingen: er erhält 1803 das 
Amt Dülmen, kommt am 12. Juli 1806 unter die Souveränität 
des Herzogs von Aremberg, wird am 13. Dezember 1810 fran- 
zösischer Unterthan und am 9. Juni 1815 preussischer Standes- 
herr, was er heute noch ist. Er residirt in Dülmen in West- 
falen. 

2. Der Fürst von Leiningen-Hartenburg besitzt 1789 in Lothringen 
die Grafschaft Dagsburg unter französischer Oberhoheit, wird 
1803 mit Amorbach, Miltenberg u. a. entschädigt, wird 1806 
mediatisirt und kommt unter badische Oberhoheit, desgleichen 
am 17. Mai 1807 wegen des Hofes Maisenbach unter Würz- 
burg, am 7. und 8. September 1810 für die Aemter Amorbach 
und Miltenberg unter Hessen-Darmstadt und am 30. Juni 1816 
für dieselben unter Bayern. Er wohnt zu Amorbach. 

3. Der Fürst von Löwenstein-Wertheim ist 1789 im Besitz der 
Grafschaft Püttlingen unter französischer Oberhoheit, wird 1803 
in der Main- und Taubergegend entschädigt, verliert 1806 | 
seine Souveränität und kommt nach manchen Aenderungen 
und Verschiebungen schliesslich als Standesherr unter Württem- 
berg und Bayern. 

+. Der Fürst von Salm-Kyrburg nennt 1789 Teile der Grafschaft 
Diemeringen sein Eigen, wird 1803 mit einem Drittel von Ahaus 
und Bockolt entschädigt, wird 1806 souveränes Mitelied des 


') Lancizolle 126. — *) Ib. 161. — ©) Ib. 157. | 


— 323 — 


Rheinbundes und vergrössert seine Lande durch die Herrschaft 
Gehmen, kommt am 13. Dezember 1810 unter Frankreich 
und ebenfalls als Standesherr am 9. Juni 1815 unter Preussen, 
verkauft 1825 seine Standesherrschaft an Salm-Salm. 


. Der Fürst von Salm-Salm ist 1789 im Besitze der gefürsteten 


Grafschaft Salm und eines Teils von Diemeringen, wird 1803 
mit zwei Dritteln von Ahaus und Bockolt entschädigt, ist im 
Besitze der Herrschaft Anholt, tritt am 12. Juli 1806 als Sou- 
verain dem Rheinbunde bei, wird am 13. Oktober 1810 
mediatisirt und kommt unter Frankreich, desgleichen am 9. Juni 
1815 als Standesherr unter Preussen, erwirbt 1825 das Salm- 
Kyrburgsche Gebiet und residiert noch heute in Anholt in 
Westfalen. 


ÿ, Der Wild- und Rheingraf von Grumbach herrscht 1789 über 


Teile der Grafschalt Diemeringen, erhält 1803 das Münster- 
sche Amt Horstmar, verliert am 12. Juli 1806 seine Souveränität 
und kommt als Standesherr unter das Grossherzogtum Berg, 
desgleichen am 13. Oktober 1810 unter Frankreich, am 9. Juni 
1815 unter Preussen und wird von letzterem im Jahre 1817 
in den Fürstenstand erhoben mit dem Titel: Fürst von Salm- 
Horstmar. Er wohnt bis heute in Horstmar in Westfalen. 


. Der Fürst v. d. Leyen ist 1789 Herr der Grafschaft Blieskastel 


und Inhaber der französischen Lehensbaronie Wölferdingen; 
er erhält 1803 keine Entschädigung für die verlorenen Gebiete 
und bleibt nur im Besitze der Grafschaft Hohengeroldseck, 
wird 1806 souveränes Mitglied des Rheinbundes und erhält 
den Fürstentitel, wird 1813 seines Besitzes von den Verbündeten 
entsetzt und mediatisirt, kommt am 12. Juni 1815 als Standes- 
herr unter Oesterreich, am 16. Juli 1819 unter Baden. 


. Der Fürst von Wied-Runkel ist 1789 Herr der Grafschaft 


Kriechingen und der Lehensherrschaft Rollingen, wird 1803 
entschädigt mit den Kölnischen Aemtern Nürburg und Altwied 
und der Trierischen Kellerei Vilmar, wird am 12. Juli 1806 
mediatisirt und kommt unter die Souveränität von Berg und 
Nassau, 1815 desgleichen unter Preussen und Nassau. Das 
Haus stirbt am 28. April 1824 aus. 


— 324 — 


Ueber die Sogenannten Juppitersäulen. 


Nebst einer Anzeige von G. Save et Ch. Schuler, Le groupe équestre de Grand 
au Musée Lorrain. Nancy 1898 (Extrait des Mémoires de la Société d'archéologie 
lorraine 1899). 32 S., gr. 8. 1 Tafel. 


Von Alex. Riese, Frankfurt a. M. 


Die seit einigen Jahrzehnten so viel besprochenen > Gigantensäulen « 
oder »Juppitersäulen« waren lange nur in einem bestimmten, überall 
im wesentlichen gleichen Typus bekannt. Ueber einen Schlangenfüssler, 
der sich mit den Händen aufstemmt und mit dem Leibe auf dem 
Boden liegt, sprengt in dem Panzer und flatternden Kriegsmantel eines 
römischen Feldherrn ein barhäuptiger, bärtiger Reiter dahin: diese 
(Gruppe steht auf dem weitausladenden, mit vier Köpfen geschmückten 
Kapitäl einer meist mit Schuppen gezierten Säule. Seit dem Fund von 
Merten (1878) erkannte man auch, dass diese Säule auf einem Block 
mit Bildnissen der sieben Wochengötter und dieser wiederum auf einem 
der vielen »Viergöttersteine«, die bisweilen »Jori Optimo Mazximo« 
(IOM, dem mannigmal zugefügt ist »et Junoni Reginae«) geweiht sind, 
zu stehen pflegte. Nur wenige Varianten schienen vorzukommen (die 
Rüstung war bald mehr bald weniger distinguiert, und statt des 
Schlangenfüsslers erschien zuweilen eine Gigantin, einmal sogar die 
beiden, er und sie, nebeneinander)!), und die Erklärungsversuche ba- 
sierten selbstverständlich auf dieser Form. Da brachten die letzten 
Jahre verschiedene Funde, welche die Einheit des Bildes zerstörten. 
In der Gruppe von Besigheim fand sich statt Ross und Reiter ein 
Zweigespann mit Wagen und Wagenlenker?). Der Reiter von Ehrang 
zeigte sich eher als ein einheimischer Bauer denn als ein Krieger). 
Der Reiter von Trier“) trägt in der Rechten wie Hercules eine ge- 
waltige Keule, und etwas ähnliches der Krieger des Reliefs von Mer- 
kenich, welcher noch dazu nicht als Reiter sondern zu Fuss auftritt?). 


1) Westd. Zeitschrift IV, 374ff., X, 331. 
3) Westd. Zeitschr. XVI, 293. 

3) Korr.-Bl. d. Westd. Zeitschr. X, 26. 

*) Westd. Zeitschr. XVI, 296. 

5) Bonner Jahrb, 104, S. 62. 


— 325 -- 


Und neuerdings verändert sich auch die andere Person der Gruppe: 
bei Grand im französischen Lothringen kam vor wenigen Jahren aus 
einem römischen Brunnen etwa 100 Meter von der Römerstrasse nach 
Liffol, nahe den antiken Bädern und dem Amphitheater ein Exemplar 
derselben zum Vorschein, welches anstatt des Schlangenfüsslers einen 
geflügelten Genius von gedrungenem Körperbau zeigt, der mit beiden 
Händen einen »Blitz« trägt. So beschreiben ihn wenigstens die Herren 
G. Save und Ch. Schuler, die Verfasser des Schriftchens, welches wir 
hier zunächst anzeigen wollen. 

Zuerst geben die Verfasser eine kurze Fundgeschichte des im 
Oktober 1895 entdeckten Bildwerkes, aus welcher wir hervorheben. 
dass dessen Erwerber. Herr Leblanc in Nancv, es in dankenswertester 
Weise 1899 dem Musée lorrain daselbst übergab. Der dortige Conser- 
vator, Herr L. Wiener, setzte dann die Gruppe — nämlich Säule, 
Kapitäl, Platte, Panzerreiter und Genius — aus 44 Stücken zu- 
sammen (bez. restaurierte die beiden ersten), und so ist die nur kleine 
Zahl der etwas vollständigeren Exemplare jetzt um ein Stück vermehrt. 
Die Höhe der Gruppe beträgt 1,20 m, die des Genius 0,45 m. 

Dann zählen die Verfasser 62 dieser meist fragmentierten Monu- 
mente auf, die sich auf Nordostfrankreich (12), das übrige Frank- 
reich (10), Elsass-Lothringen (19) und das übrige Deutschland (21) 
verteilen. Die Aufzählung ist jedoch nicht vollständig: wir fügen die 
Monumente von Ehrang (2), Trier, Differten, Hohenecken, Kreuzwald, 
Neunkirchen, Worms, Frettenheim, Klein-Steinbach. Neckarburken. 
Cannstatt (2), Köngen, Weil im Schönbuch (2), Besigheim, Brumath, Hanau 
hinzu, ohne damit Vollständigkeit verbürgen zu wollen. Auch zwei 
von S. Reinach!) nach Caylus wiedergegebene Werke aus der Franche 
Comté (eines aus Luxeuil) gehören, wenn überhaupt echt, sicherlich 
hierher. 

Die nun folgende Beschreibung des Denkmals (S. 7—15) ist ent- 
schieden zu loben und bildet die wichtigste Partie des Buches. Alles 
Thatsächliche ist verständig und verständlich beschrieben und beurteilt: 
die darüber aufgestellten Vermutungen sind grossenteils einleuchtend. 
Auch dass die 8 cm tiefe Einbohrung auf dem Kopfe des Reiters für 
die Aufnahme des ##mbus diente, jener Nachahmung der strahlenden Sonne 
die sich mit der »légende significatives Soli inricto auf den Kaiserbildern 


!) Reinach, Repertoire de la statuaire grecque et romaine II, 414, 2: 532, 3. 
Nach dieser leicht zugänglichen Sammlung werde ich im Weiteren die in sie 


aufgenommenen Bildwerke in der Regel citieren. 


NE 


mancher Münzen befinde, glauben die Verfasser mit Recht; unentschieden 
lassen sie die Bedeutung eines 6 cm tiefen Loches auf dem Kopfe des 
(Sonnen-) Rosses. Nur eines vermögen wir den Verfassern nicht zu 
glauben, dass nämlich der hin und her gewundene Gegenstand in den 
Händen des Genius einen Blitz bezeichne. Denn diesen finden wir im 
Altertum fast immer durch einen kompakten Körper (den Donnerkeil: 
vgl. Sittl, Archäologie der Kunst, S.815. Reinach I, 187 ff.) dargestellt, aber 
wohl nirgends durch eine solche in stetem möglichst gleichmässigem 
Wechsel nach rechts und nach links umbiegende Linie!); wohl aber 
ist dies die gewöhnliche Linie für die Schlange, wie sie z. B. nach 
Hettners richtiger Auffassung auf dem Viergôtterstein von Theley, 
(Westd. Zeitschr. II, Taf. 1, 1 neben dem Juppiter mit dem Rade) in 
der Hand der Juno erscheint. Dieselbe »Schlangenlinie« in Junos Hand 
bieten die Viergöltersteine in der Pfalz und der von Dunzweiler 
(ebenda X, Taf. 2, 95a) und in Ceres Hand vielleicht ebenda 
Taf. 4, 172c, und dürfte die »Speerspitze« dieser rohen Arbeit 
(nach Hettner vielmehr eine >» doldenartige Erweiterung «) wohl 
eher ein Schlangenkopf sein?). Dieselbe gleichmässig gewundene Linie 
zeigt für die Schlange der caduceus des Merkur, die meisten der 
Mithrasbilder (u. a. vgl. Cumont II, 265), die Abbildungen bei Haug- 
Sixt, Inschr. Württemb., nr. 24 und 112, K. O. Müller, Denkm. II, 825, 
ein Relief vom Limes (Limesblatt Sp. 868) und viele andere. Wir 
halten also den Gegenstand für eine Schlange; auf ihre Bedeutung 
werden wir später zurückkommen. 

Die zwei Abbildungen des Denkmals sind leider nicht zu loben. 
Sie sind zu klein, zu wenig scharf, und von zwei einander allzunahen 
Standpunkten (von vorn und beinahe vorn) aufgenommen und werden 
durch keine seitliche Ansicht ergänzt. So bleibt der Mantel des Reiters 
unsichtbar und die Flügel des Genius allzu unbestimmt, die Stelle der 
angeblichen Keule, die ganze linke Seite entziehen sich der Beurteilung. 
Eine wissenschaftlich genügende Reproduction des wichtigen Denkmals 
ist dringend erforderlich. 

Von 5. 15 an werden die bisherigen Deutungen in folgender 
Weise classificiert. Der Reiter sei 1. Dieu topique Germain, 2. Divinité 

1) Relativ am ähnlichsten noch auf einer Münze des Antoninus Pius (Cohen II, 
Taf. 11, 7): aber der wesentliche Unterschied ist auch da, dass der Blitz eine 
Spitze hat und haben muss, während das Ende des Gegenstandes hier in Grand 
wie eine runde Schlinge oder Schleife (der Schlangenkopf?) aussieht. 


?) Vgl. Westd. Zeitschr. X, 299f. 


solaire '), 3. Hercules, 4.6. Neptun, 7. Juppiter, 8. Julius Caesar ?)(!), 
9. Caracalla, 10. Probus, 11. Maximian. Es fehlen die Deutungen : 
Neptun — Caligula (Koepp), der Kaiser allgemein als Vertreter der 
Reichsmacht (Riese 1885), dieser Kaiser als Juppiter aufgefasst (Haug). 
(Gegen jede der genannten Deutungen bringen die Verfasser in Kürze 
ihre mehr oder weniger zutreffenden Einwendungen vor, um schliesslich 
ihrerseits in dem Reiter den — Constantius Chlorus (+ 306) zu erkennen ! 
Da dieser die Germanen öfters besiegte und bei den Galliern und seinen 
Truppen beliebt war, werde man ihm, so sagen sie, gern Denkmäler er- 
richtet haben. Ferner führte dieser den Beinamen Herculius, und in der 
rechten Hand glauben die Verfasser Spuren einer (auf dem Bilde 
nicht wahrnehmbaren) Keule zu erkennen, die sie an Hercules erinnerte. 
Der »Blitz« in den Händen des Genius weise auf die blitzartige 
Schnelligkeit der Feldzüge jenes Kaisers, bei anderen Exemplaren der 
Gigant auf die in ihren batavischen Sümpfen kaum zu fassenden 
Feinde! Dass die Denkmäler von Heddernheim (240) und Schierstein 
(221) viel älter sind, soll kurz mit der — übrigens unrichtigen — 
Bemerkung abgethan werden, dass diese beiden fast allein eben 
auch keine herkulischen, sondern nur allgemein kaiserliche Züge 
zeigten. Diese Beweisgründe sind durchaus hinfällig, und dieser Teil 
der Schrift, den die Verfasser auch selbst bescheiden nur als vorläufige 
Hypothese bezeichnen, ist leider völlig verfehlt. 


Wenn wir nun nach der allgemeineren Bedeutung des Fundes 
von Grand fragen, so liegt diese vor allem darin, dass er uns veranlasst, 
endlich einmal die Untersuchung nicht mit dem Reiter, sondern mit 
dem unteren Wesen zu beginnen, welches die Verfasser richtig als 
Genius erklären. Die Frage wird lauten müssen: Welches Wesen 
könnte eben sowohl als Schlangenfüssler wie als Genius dargestellt 
werden? Der Schlangenfüssler ist, was wohl zu beachten, nicht ein 
wider den Reiter kämpfender Gigant, wie sie üblich sind in der 

1) Voulot, Revue archéol. 1880, II, 112ff., 291 ff.; 1881, I, 104ff. Es ist 
danach ein »Dieu aquatique anguipède prêtant secours à un dieu solaire, eivili- 
sateur et conquérant, accomplissant sa course et dont le mouvement rétrograde 
de la jambe droite correspondrait à certaines lois sidérales. Ces monuments, 
situés sur le bord des rivières, protégaient les gués.« Enthält ein Kürnlein Wahr- 
heit neben vielem Irrtum. 

?) Dies hatte längst vor De Sauley, den die Verfasser anführen, Salmasius 
bereits 1626 von dem Exemplar von Cussy vermutet (Rev. arch. 1879, I, 18). 


— 328 — 


griechisch-römischen Kunst und auch im Rheinland dargestellt sind !), 
sondern auf allen diesen Denkmälern, bei allen sonstigen Verschieden- 
heiten, erscheint das untere Wesen (man gestatte mir der Kürze halber 
überall diese Benennung) stets unterthänig und stützend gegenüber 
dem oberen; was am bestimmtesten durch das häufige Auflegen der 
Vorderhufe des Pferdes auf die ausgebreiteten Handflächen des unteren 
Wesens ausgedrückt ist. Dass dieses zu dem Zwecke erst hätte besiegt 
werden müssen, finden wir nirgends angedeutet, auch der (Gesichts- 
ausdruck giebt dafür ausser bei wenigen Exemplaren, die man zur 
Not so deuten könnte, keinen Anhalt. Diese Auffassung des gegen- 
seitigen Verhältnisses, welche schon 1842 Jäger in Speyer aussprach, 
ist mit Recht jetzt die herrschende. 

Was also ist dem geflügelten Genius von Grand und dem 
Schlangenfüssler gemeinsam? Da der gewundene (regenstand, den 
ersterer mit seinen beiden Händen hält. nach unserer obigen Darlegung 
S. 326 auch eine Schlange vorstellt, so ist die Identität beider Wesen 
schon deutlicher: der Künstler von Grand wollte die Schlange auch 
dem Beschauer sichtbar sein lassen, was sie bei den »’Schlangen- 
füsslern« wegen ihrer so hohen Position kaum ist, und bildete daher 
das untere Wesen menschlich aus: Kopf, Haartracht und das Stützen 
des linken Pferdehufes aber gestaltete er ganz so wie es sonst bei 
vielen der Schlangenfüssler ist. 

Also auch ein dienendes Wesen. Was bedeutet es? Die Ansicht, 
es sei ein keltischer oder germanischer Wuotansdiener, ein Windelbe 
oder dgl. soll später im Zusammenhang behandelt und hier nur voraus- 
geschickt werden, dass wir ihr nicht beipflichten können. Anders steht 
es mit dienenden oder stützenden Schlangenfüsslern und ähnlichen 
Wesen in der griechisch-römischen Kunst, mit Tritonen, Atlanten, 
Giganten. Man betrachte den fischschwänzigen Triton, welcher von 
einem Tempelgiebel in Lokri stammt?) und auf seinen Händen die 
Vorderhufe eines von einem jugendlichen Reiter gerittenen Rosses trägt. 
Oder die Giganten selbst, welche nicht nur (vgl. Roscher Mythol. I 1669) 
in einem etruskischen Grab und in der Gigantenhalle zu Athen als 
Gebälkträger vorkommen, sondern auch hier in unseren Landen sind 
sie an einem Säulencapitäl von Neumagen »an dessen Ecken Gi- 
santen hervortreten .. die auf Rücken und eingestemmten Armen den 


!) Z.B.in Rottweil (Sixt-Haug S. 60), auf mehreren Mithrasbildern (Oster- 
burken, Cumont II, 350; vgl. ebenda 264; 336). 

?) Abgebildet z. B. Westd. Ztschr. XII, 338; Reinach II, 533, 4. Andere 
solche Tritonen s. Reinach I 429, 5. I 583, 7. 


— 329 — 


Abacus zu tragen haben« (Wagner, W. Z. 145) und an einem Pfeiler- 
capitäl von Alberschweiler (Keune, W. Z. XV, 344, Arch. Anz. 1897, 10). 
sowie von Grossgerau (Anthes, Hess. Quartalbl. 1899, T.41): als Inschrift- 
träger auf einem Viergötterstein (W.Z.X, 34) u.a. Aehnlicher Art 
ist es, wenn kleine Schlangenfüssler neben stehenden Gottheiten kauern 
und als Stütze ihrer Attribute benutzt werden: auf einer Münze von 
Magnesia stützt Athene ihren Schild auf einen solchen kleinen Schlangen- 
füssler, und ähnlich ist es bei der Minervastatue aus Plaidt bei Ander- 
nach und einer solchen der ehemaligen Sammlung Crawford'). : Ein 
solcher trägt auch die Lyra neben Apollo kauernd, ein anderer ‘gar 
(aus Libourne) den Amor neben Venus’?). 

Abgeschwächt ist diese Darstellung, wenn der Gott nur seine 
linke Hand auf das Haupt des kleinen Schlangenfüsslers legt, eine 
Bildung, für welche Hettner W. Z. IV, 376 vier Beispiele aus Mainz, 
Mannheim und Rottweil?) anführt, und wofür weiter das Relief von 
Merkenich (auf welchem der Gott römische Feldherrntracht trägt). 
besonders aber die gallischen Thonstatuetten zu nennen sind, auf 
denen der » Juppiter« mit dem Rade in der Rechten zugleich die Linke 
auf ein neben ihm knieendes, vielleicht weibliches, nach Hettner 
(Korr. Bl. IV, 159) wahrscheinlich schlangenfüssiges. Wesen legt. 

Diesen Schlangenfüsslern entspricht auch die Schlange selbst, 
wenn sie nicht als Stütze, sondern nur als Dienerin des Apollo, des 
Asklepios u. A. (des Lar?*) und endlich auf Mithrasreliefs sich findet. 
Auf letzteren erklärt sie Cumont bereits für ein Symbol der Erde’), 
aber ebenso versinnbildlicht ist die Erde auch schon in jenen ersteren 
kleinen Gestalten, die vielleicht dem freundlich dienenden Pallas- 
pflegling Eri-chthonios (Erd-fürst ?) zugehören, den richtigen y7—-yevets 
oder Erdsöhnen. 

Wenn der Reiter ein oder beide Vorderhufe seines Rosses oder 
den eigenen linken Fuss auf die Hände des Schlangenfüsslers resp. des 
Genius stützt, so ist ihm also in symbolischem Ausdruck »die Erde 
seiner Füsse Schemel«. Wenn ich nun daraufhin im Folgenden einige 
Identificierungen vorschlage, die zunächst etwas fremdartig erscheinen 
werden, so hoffe ich vor dem Vorwurf der Phantasterei durch die Stelle 


') O. Müller, Denkm. d. Kunst II, 232. — Bonner Jahrb. 18, T. 2, 3. 
Reinach II, 297, 4. — Reinach II 231, 1; vgl. 6. 

3?) Reinach II 108, 4. 806, 2. 

®, Eines derselben ist W.Z.X Taf. 2. 126 a abgebildet. 

#) Statuette aus Mandeure Reinach II, 494, 9. 

>) Textes etc. de Mithras I, 80, 102, 192, 


des Macrobius geschützt zu sein, die ich unten ausführlich besprechen 
werde und welche zeigen soll, dass ich den Empfindungen jener Zeit 
entsprechend verfahre; denn gewagter als dieser Autor sie bringt, 
werden meine Identificationen auch nicht sein. 

Der Genius (von dessen urrömischer Bedeutung wir hier absehen 
können) wurde bekanntlich symbolisch dargestellt in der Gestalt einer 
Schlange; so auch der Genius des Hauses und der Genius loci'). Dies 
ergiebt schon eine, bereits oben berührle Beziehung des Genius in 
Grand, der wie gesagt grösserer Deutlichkeit halber die Schlange in 
den Händen trägt (vgl. auch S. 337), zu den Schlangenfüsslern der 
übrigen Gruppen, die uns noch bestimmter (s. oben) auf die Erde hin- 
weisen. Diese Schlangenfüssler sind noch dazu bisweilen sicher weib- 
lichen Geschlechts, so in Seltz, Rottenburg, Altrip, Neunkirchen, Cann- 
statt (?), Weil (?), Mainz, vgl. S. 329, und auch bei dem Schlangenfüssler 
von Schierstein soll nach Sanitätsrat Dr. Florschütz »im grossen Ganzen 
die gesamte Formgebung (auch des Beckens und der Hinterbacken) an 
weiblichen Typus erinnern« (S. 12). (Wenn ein Mainzer Exemplar ein 
männliches und ein weibliches Wesen neben einander zeigt, so möchte 
man dabei an die Cannstatter Votivinschrift genium et anguem (Haug- 
Sixt S. 386) oder daran denken, dass in römischen Häusern Mann und 
Frau zwei Genien verehrten, »eigentlich einen Genius und eine Juno«.) 
Dazu werden wir aus Macrobius von Schlangen zu den Seiten einer Erd- 
göttin in Hierapolis erfahren, sowie vom Verhältnis der Schlange zur Sonne. 

Anderseits ist zwar Juno eigentlich die weibliche Ergänzung des 
Genius; aber sie ist doch auch seine Stellvertreterin. Junoni Juliae 
Piae matris Antonini Aug.?) wurde im Jahre 213 geopfert, d. h. dem 
Genius der Kaiserin; Jumoni Virtutis?) ist eine Inschrift in Friedberg 
gesetzt, d. h. dem Genius der Virtus; denn auch die Gottheiten haben 
ihre Genien. Juno aber ist auch die Erde. ®eg&oßıos, Nahrung gebend, 
ist yaiæ (die Erde) nach Hesiod und den homerischen Hymnen, das- 
selbe Wort gilt “Hg (Juno) als dem Element der Erde nach dem Philo- 
sophen Empedokles. Dass Juno die Erde sei ("Hon — !ga), sagt u. a. 
auch der Commentator Probus zu Vergils Eclogen 6, 31, und Augustinus 
spottet darüber, dass Juno so Verschiedenartiges bedeute, dass sie u. a. 
sowohl aër als terra seit). 


‘) Servius zu Vergils Aeneis V, 95. In Aegypten seit sehr alter Zeit so: 
Rhein. Mus. f. Philologie LV, 380. 

?) CIL VI 2086. 

83) Bonner Jahrb. 87, 214. 

*) De civitate dei 7, 16: Itemque Juno secundarum causarum domina, et 
Juno aër, et Juno terra, et, si Venerem vinceret, Juno stella. 


» ado dut a 


— 331 — 


Um das Gesagte zusammenzufassen : wir haben diese Gleich- 
setzungen gefunden: 1. Genius — Schlange; Schlange — Erde. 2. Genius 
— Juno; Juno — Erde. Das Resultat dieser — wie ich gern und 
nachdrücklich betone — recht sonderbaren Weisheit ist somit, dass 
das untere Wesen unserer Gruppe auf die Erde hinweist. Demnach 
ist für den Schlangenfüssler der weibliche Typus als der hier echte 
.und ursprüngliche anzusehen. In der That findet sich dieser bis- 
weilen — bisher war er unerklärt und auch unerklärbar — und zeigt 
z. B. in Schierstein ein Aussehen, als solle er noch direkt die uralte 
Mutter Erde vorstellen !). 

Jetzt ist es an der Zeit, uns dem gepanzerten Reiter wieder zu- 
zuwenden. Von Anfang an wurde dieser, wozu seine Rüstung und sein 
Ross veranlasste, für einen römischen Feldherrn oder Kaiser gehalten, 
einen bestimmten wie Probus, Caracalla, Maximian, oder allgemein für 
den Kaiser, der die Reichsfeinde niederwerfe wie Juppiter die Giganten. 
Diese Ansicht hat 1885 auch Verfasser dieses vertreten und mit vielen 
Stellen antiker Autoren, namentlich Dichter, unterstützt. Später hat 
Haug (Westd. Ztschr. X, 329 ff.) sie dahin modificiert, dass der Kaiser 
und Juppiter hier begrifflich in einander übergegangen seien; es sei 
Juppiter, aber er sei als Allegorie der über die Barbaren siegenden 
römischen Kaisermacht aufgefasst. Die Giganten seien (Germanen, 
die weiblichen Giganten bedeuten nach Haug die Germania devicta. 
Auch Wagner ging W. Z. XII, 339 zu dieser Ansicht über. Ich 
kann sie, obwohl sie damals vielen Beifall fand, jetzt nicht mehr 
teilen. Zwar die Hinweisung auf die Weihung der Säulen an Juppiter 
vermag mich nicht davon abzubringen, denn ein einem Gott geweihtes 
Denkmal musste ja wohl nicht unbedingt dessen Bildsäule tragen; 
und wenn denn die Inschrift ausschlaggebend sein soll, muss doch 
mindestens Juppiter und Juno zusammen da sein, da eine grössere 
Zahl der Weihinschriften beide vereinigt nennen (denn dass Juno auf 
einer gewissen Anzahl der Viergöttersteine neben anderen Gottheiten 
und nur in gleicher Bedeutsamkeit wie die anderen dargestellt ist, 
nicht aber eine hervorragende Stellung einnimmt, kann doch zur Er- 
klärung der Inschrift nicht ausreichen). Nein; die Ursache, dass ich 
meine Ansicht ändern musste, liegt vielmehr darin, dass manche der 
seither gefundenen Gruppen durch ihre besonderen Eigentümlichkeiten, 


1) Vgl. Westd. Zeitschr. IV, 379. X, 331. Die Bartlosigkeit anderer Exem- 


plare (Besigheim, Ehrang, Hohenecken, Schierstein u. a.) wird auch auf den 
ursprünglich weiblichen Typus zurückzuführen sein. Vgl. auch Urlichs, Bonner 


J. 95, 96. 


— 332 — 


welche ich oben S. 324 angeführt habe, sich mit der Annahme eines 
römischen Kaisers oder Feldherrn schlechthin nicht vertragen, sowie 
auch die Bartlosigkeit der meisten, das weibliche Geschlecht einiger 
der Schlangenfüssler die (leichsetzung mit Barbaren (Germanen) 
widerrät. 

Die zweite Meinung geht dahin, der Reiter sei en römischer 
(Gott. Entweder hielt man ihn für Neptun (im Gigantenkampf: so. 
Wagner früher, Prost und Heuzey 1891; oder Neptun =: Caligula: so 
Koepp), oder für Juppiter. Aber ein Gigantenkampf ist auf der Gruppe 
thatsächlich nirgends und in keiner Weise vorhanden oder voraus- 
gesetzt, und gegen Caligula sprechen u. a. die oben gegen einen Kaiser 
überhaupt vorgebrachten Einwendungen. Und wenn auch Bart und 
Gesichtsausdruck, um von der Inschrift abzusehen, öfter an Juppiter 
erinnert, wenn ferner sogar der Lorbeerkranz, den der Reiter in Grand, 
in Meisenheim (W. Z. VII, T. 7), in Seltz, in Dudweiler (W. Z. XVI 362?) 
trägt, auch in seltenen Fällen (vgl. Servius ad Verg. Aen. I 398) den 
römischen Juppiter schmückt: reitend oder gepanzert oder auf einer 
Säule stehend kommt dieser nie und nirgends vor, und sein Verhältnis 
zu dem unteren Wesen wäre unverständlich. 

So schien es denn das natürlichste, in dem Reiter einen ein- 
heimischen Juppiter zu erblicken. Diese Ansicht hat zuerst 
Hettner in einer scharfsinnigen Weise begründet ') und sie hat viele der 
deutschen Gelehrten (nicht auch die französischen) für sich gewonnen. 
Hettners Beweise sind folgende : Erstens nenne die Weihinschrift den 
Juppiter, und da der römische Juppiter nicht gemeint sein kann, so 
müsse der entsprechende einheimische Gott unter diesem Namen ver- 
standen werden. Zweitens reiche die Verbreitung der Gruppe nicht 
über das keltische Gebiet hinaus. Zweifelnd fügt Hettner die Frage 
hinzu, ob etwa der germanische reitende Wuotan, vielleicht mit einem 
getreuen Zwerge vereint, dargestellt sei. — Dagegen greift auf das ger- 
manische Gebiet mit Entschiedenheit hinüber Koehl in einem anregend 
geschriebenen Aufsatze?). Von der damais neugefundenen Schiersteiner 
Gruppe ausgehend, vermutet er, dass sie, weil ihr Anfang absichtlich 
weit vor dem Plattenrand vorgerückt sei, das heftige Vorstürmen der 
beiden verbündeten Wesen ausdrücken wolle, fragt darauf »warum 


!) Es sei wohl »ein Hauptgott der hier wohnenden Völkerschaften in römischer 
Kunstsprache als Juppiter zum Ausdruck gebracht, ein ihm unterthäniger, ihm 
getreuer Riese oder Elbe hat im wesensgleichen (?) Giganten seine Darstellung 
gefunden« Hettner, Westd. Ztschr. IV, 380. 

+ Kore. Bi. XIV, 53. 


— 333: — 


nicht« die Gruppe gallo-germanisch sein könne, erklärt sie sodann als 
eine Säule Thors (Donars) mit seinen Windelben (wenn diese weiblich: 
»Windsbraut«) und als Votive, als Gewitter- oder Blitzsäulen. — Auch 
Lehner!) denkt wegen des Blitzes in der rechten Hand an den Donner- 
gott, aber an den gallischen (Taranis — Juppiter), und, je nachdem, an 
den germanischen Wuotan : beides sei in dem römischen Juppiternamen 
nivelliert. Zu Hettners Begründung kommt für ihn noch weiter das 
barbarische Aussehen des einen Reiters von Ehrang hinzu. Im Anschluss 
daran wollen Andere auch in dem angeblichen Blitz des Genius von 
Grand die Beziehung auf einen keltischen Wettergott erblicken (briel- 
lich). — Florschütz endlich will gleichfalls den keltischen (weil reitenden) 
Juppiter annehmen, aber auch die Auffassung als eines Denkmals 
römischen Sieges über einen grimmigen Barbaren damit vereinigen. 

(Gegenüber diesen Aufstellungen möchte ich Folgendes betonen. 
Was die Widmung angeht, so ist sie wie gesagt, wenn sie die signa 
betrifft, auch vollständig auf sie zu beziehen, also nicht allein Juppiter 
sondern auch Juno Regina ist dann auf dem Bildwerk zu finden, und 
dies ist bei jener Auffassung nicht möglich. Wenn ferner Juppiter nicht 
der römische Gott ist, so kann er natürlich der keltische sein, aber 
er muss es nicht sein. Und positiv betrachtet spricht die Composition 
der Gruppe nicht für keltische Beziehungen. Wir kennen keinen 
reitenden keltischen Gott?). Wir kennen keinen keltischen Schlangen- 
füssler. Wir kennen keine keltischen Götterbilder auf Säulen. Wir 
wüssten auch nicht, was mit Juno Regina auf keltischem Gebiete 
anzufangen wäre. 

Das Verbreitungsgebiet der Gruppe ist allerdings rein keltisch. 
Also ist es erstens nicht germanisch. Von germanischem Cultus und 
Götterbildern im Gebiet der Mediomatriker *) oder gar in Burgund und 
Auvergne oder Bretagne vor der Völkerwanderung zu reden, erscheint 
mir doch den historischen Thatsachen allzusehr widersprechend. Auch 
die Treverer, wenn sie auch sich gern germanischen Ursprungs rühmten 
(Tac. Germ. 28), waren doch schon früh entschieden keltisch geartel 
und zeigen in keiner Weise germanische Sitten. Desgleichen die Stämme 

»r Kort. bi. AV, 08. 

?) Die Pferdegöttin Epona sitzt auf einem Pferde: dies braucht kaum 
ernstlich als Ausnahme genannt zu werden. Ebensowenig die auf einem Eber 


sitzende Diana, die nach Reinach (Bronzes figures 29) italischem Vorbilde nach- 
gebildet ist. 
3) Denen eine sehr grosse Zahl dieser Denkmäler angehört. Von dem 


Inhalt frührömischer Gräber, in den noch die Latène-Cultur hineinspielt, 
ist im Folgenden natürlich abgesehen. 


a 


am Rhein, Vangionen, Nemeter und Triboker, waren zwar germanischen 
Ursprungs, aber auch sie vergassen dessen früh, wurden keltisiert und 
ihre Gebiete zeigen aus römischer Zeit nur keltische, keltoromanische 
und römische Ueberreste; und auch im Lande der Mattiaker findet sich 
aus römischer und gar aus spätrömischer Zeit kaum Germanisches. 
Das Dekumatenland aber war erst recht vollständig keltisch und dann 
gallorömisch geworden (vgl. Tac. Germ. 29). Dagegen in den viel mehr 
germanisch gebliebenen Gebieten der Ubier und besonders der echt 
deutschen Bataver findet sich die Gruppe nicht (abgesehen von dem 
Relief aus Merkenich). Und damit sind die Fundgebiete aufgezählt. 

Müssen wir also das Germanische a priori ausschliessen, so wäre 
doch die Möglichkeit — aber nur diese — einer Erklärung unserer 
Gruppe aus keltischem Ursprung an und für sich nicht zu bestreiten. 
Was aber fehlt, ist der positive Beweis. Denn Koehl’s Beweis haftet 
allzusehr an der einzigen Schiersteiner Gruppe, während die so wichtige 
Mertener Säule und viele andere (Senon, Rottenburg, die eine von 
Pforzheim u. a.) durch die aufrechte, vorn fast senkrechte Haltung des 
Schlangenfüsslers den Gedanken an ein beiderseitiges Vorwärtsstürmen 
ausschliessen. So dürfte auch Lehner allzusehr durch den seltsamen 
Ehranger Stein beeinflusst sein, der in mehreren Beziehungen ein 
Unicum (s. unten), zur allgemein gültigen Erklärung der Gruppe nur 
mit grosser Vorsicht herangezogen werden darf. 

Schliesslich dienten die Vertiefungen in dem Scheitel des Reiters 
(in Grand, Portieux, Merten, Seltz u. a.) gewiss, wie gesagt, zur Auf- 
nahme des Strahlenkranzes. Wie wäre dieser mit einem keltischen 
Donner-, Sturm- oder Wettergott in Einklang zu bringen ? 

Es bleibt noch die Möglichkeit eines orientalischen Einflusses, 
auf den einst A. Hammeran hinwies!); nicht dass Zeus Sabazios in 
Betracht käme, dessen angebliche Statuetten mit unserer Gruppe nichts 
zu thun haben, sondern man beachte folgende Bildwerke: 1. in Sueida 
(Syrien): ein barhäuptiger, gepanzerter römischer Reiter mit fliegendem 
Mantel schiesst mit einem Pfeil auf einen Steine schleudernden Giganten; 
in der Mitte zwischen den Kämpfenden erscheint das Brustbild eines 
Mannes der mit beiden Händen eine grosse kreisförmige, mit einer 

1) Korr.-Bl. IV, 152. Frankf. Intelligenzblatt 1895, Anfg. Januar. Clermont- 
Ganneau, Rev. archéol. 1876, II, 196ff. u. Tafel 18. Nachträglich sehe ich, dass 
Sittl, Archäol. d. Kunst, S. 757, kurz sich äussert: »Die Gigantensäulen sind wohl 
mit einem orientalischen Glauben in die Rheingegend gekommen.« Haug, Westd. 
Ztschr. IX, 23 sagt dasselbe von den Wochengöttersteinen mit ihrer echt orien- 
talischen heiligen Siebenzahl. 


= 395 — 


zwölfblätterigen Rosette geschmückte Scheibe, das Sinnbild der Sonne, 
vor seine Brust hält. 2. ein ägyptisches Relief im Louvre, auf dem 
der Lichtgott Horus, gleichfalls zu Pferd und in der Tracht eines 
römischen Reiteroffiziers, den krokodilgestaltigen Typhon mit der Lanze 
durchbohrt. — Der als Reiter kämpfende Gott geht sogar, ebenso wie das 
Sonnenrad, auf uralte assyrische Vorbilder zurück. Dabei verweist Cler- 
mont-Ganneau à. a. O.S. 397 f. auch auf ägyptische Münzen der Kaiserzeit 
seit Domitian, welche den Gott Horus en costume militaire romain zeigen, und 
auf eine Gemme mit nabatäischer Inschrift, wo der von dem Gotte (den der 
Sonnenkreis ziert) bekämpfte Feind eine Schlange, und eine andere 
Darstellung, wo er ein quadrupède chimérique ist. 

In diesen Werken ist es nicht der Kampf mit einem (regner 
(Giganten, Krokodil), der uns interessiert, wohl aber ist endlich einmal 
der gepanzerte Reiter dem in unseren Gruppen ähnlich, und führt uns 
zu der zwar nicht direkt orientalischen, aber doch an den Orient 
erinnernden Auffassung des Reiters, die ich nun vortragen und vor- 
schlagen möchte, und die jedenfalls den Vorzug vor allen anderen ge- 
niesst, dass sie auf antiken Schriftstellen beruht, nämlich auf den 
ausführlichen, aber bisher für unseren Gegenstand noch nicht beachteten 
Darlegungen des Macrobius. 

Dieser Polvhistor des beginnenden fünften Jahrhunderts n. Chr. 
spricht in seinen »Saturnalien«, Buch I, Cap. 17-—21, von dem Wesen 
des Sonnengottes, und unter einem Aufwand von Citaten aus der ganzen 
antiken Litteratur und von teilweise ganz haarsträubenden Etymologieen 
beweist er, dass die Götter Apollo, Liber, Mars, Mercurius, Aesculapius, 
Hercules, Serapis und andere und schliesslich auch Juppiter selbst 
nichts anderes seien als Sol, als die Sonne in ihren verschiedenen 
Wirkungen; denn »die verschiedenen Eigenschaften der Sonne haben 
den Göttern ihre Namen gegeben«!). Der Juppiter Heliopolitanus (Baal) 
der » Assyröü« ist Sol sub nomine Jovis, seine goldene Statue in Helio- 
polis (in Syrien) hebt die Rechte »mit einer Peitsche wie ein Wagen- 
lenker«, während die Linke Blitz und Aehrenbündel hält. — In dem 
»assyrischen« Hierapolis aber ist ein Sonnengott oder Apollo mit 
langem Barte, mit einem Panzer bekleidet, der in der erhobenen 
Rechten einen Speer trägt; vor seinen Füssen aber steht eine Frauen- 
gestalt und zu ihrer rechten und linken Seite Frauen, die eine Schlange 
in langen Windungen umgiebt: auch um des (rottes Schultern liegt 
ein schlangenbekränztes Gorgoneum. »Die weibliche Erscheinung is! 
das Bild der Erde, welche die Sonne von oben her beleuchtet. In 


!) Die betr. Textstellen sind im Anhang wiedergegeben, 


— 330 — 


diesem Sinne ist die Sonne selbst ævgryeris dguxwr und Führerin der 
vier Jahreszeiten (nach Euripides). Jedenfalls aber wird die Schlange 
»auf die Sonne bezogen« und »gehört zu den wichtigsten Veranschau- 
lichungen der Sonne«. Juppiter selbst ist der Sonnengott auf beflügeltem 
Wagen, und ihm folgt das Heer der übrigen Götter (orgarıa Iewv xal 
daruovov Plato Phaedr. 246 E.) — Ferner bedeutet die Vier- 
zahl »entweder die vier Himmelsrichtungen oder die vier Jahreszeiten 
oder die zwei Aequinoctien und zwei Solstitien, die Siebenzahl aber 
die sieben himmlischen Sphaeren, denen die Natur die Sonne zum Be- 
herrscher gab«. 

Diese ganze Darlegung des Macrobius giebt uns ein anschauliches 
Bild der Theokrasie oder Göttervermischung, wie sie in jenen späten 
Zeiten des zu Ende gehenden Heidentums im römischen Reiche 
herrschte, sie giebt uns aber zugleich deutliche Winke für das Ver- 
ständnis unserer Gruppe, zumal wenn wir auch der vorerwähnten 
orientalischen Bildwerke gedenken und uns erinnern wie damals »die 
verschiedensten Attribute verschiedener Kulte« nicht selten bildlich auf 
einen Gott gehäuft wurden. 

Der gepanzerte Gott mit Speer oder Blitz, bärtig, als 
Reiter oder mit den Attributen des Wagenlenkers erscheinend, der 
Strahlenkranz (bez. die Vorrichtung dazu), und vor dem Gotte 
Weib und Schlange oder Schlangenfüssler in der Bedeutung 
der Erde: alle diese Bestandteile unserer Gruppe zeigen sich, wenn 
auch nicht alle vereinigt, in den orientalischen und den von Macrobius 
beschriebenen Werken. 

Denn den Panzer, wie der Reiter unserer Gruppe, trägt im 
Orient Juppiter Dolichenus, der Gott von Hierapolis, der Gott von 
Sueida und Horus (s. ob.) und wohl andere, während in Rom der 
Kriegsgott und einmal (Valerius Flaccus IV, 93) der Sonnengott ihn 
trägt, er aber bei keltischen Göttern unbekannt ist. 

Was die Waffe betrifft, so kommt Speer und Blitz bei den 
Göttern, die Macrobius nennt, vor, den Blitz führt allerdings auch 
Juppiter in Rom. Bei unserer Gruppe wird an den Exemplaren, deren 
rechte Hand erhalten ist, Blitz, Speer oder »Keule« (s. u.) vermutet). 

Den bärtigen Sonnengott zeigt ausser unserer Gruppe wohl einzig 
und allein das Götterbild von Hierapolis (Macrobius). 


1) Blitz: Merkenich, Ehrang I, Pforzheim Il. Lanze: Hohenecken, Pforz- 
heim I, Diedenkopf. Keule: Grand, (Merkenich?), Trier. Rad und Schwert hat 
zu seiner Linken der Reiter von Hanau. 


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— 37 — 


Am charakteristischsten ist für unsere Gruppe das Reiten des 
Gottes. Und gerade dieses ist aus dem Keltentum unbekannt '), bei 
den klassischen Völkern sehr selten?) (die Dioskuren erscheinen als 
Reiter, Poseidon vereinzelt, ebenso Selene, Helios selten) und wo es 
der Fall ist, betrifft es meist Gottheiten, die zum Orient in Beziehung 
stehen: Bakchos, Kybele, der lykische Sonnenreiter Bellerophon. Und 
dies ist natürlich: denn der Orient kennt nicht nur die Sonne selbst als 
Ross (bei Indern, Persern), sondern auch den Sonnenreiter (schon in den 
Veden), wie denn auch Men und vereinzelt Mithras als Reiter auf- 
treten ?). Hier scheint mir der orientalische Einfluss auf unsere Gruppe 
besonders deutlich am Tage zu liegen®). Auch der Sol von Heliopolis 
führt nach Macrobius eine Peitsche; vgl. damit den Mainzer Vier- 
sötterstein nr. 124 H. 

Der Sonnengott ist auch der Herr über die Gewitter; Rosse 
des Helios heissen in Korinth »Donner« und »Blitz«?), und als Sturm, 
Donner und Blitz wurden in Arkadien die Giganten verehrt (Pausan. 
VII 29, 1). Dem entspricht die auf unserer Gruppe vereinzelt vor- 
kommende Keule, in der ich einfach den Donnerkeil erblicke, und zwar 
in der Hand des Gottes erblicke, während sie in der des untern 
Wesens vielleicht fälschlich so aufgefasst wird und eher als eine Art 
Fackel wie die in der Hand der Isis (s. u.) und der Erdgöttin Ceres 
(W.Z.X, T. 4, wozu S. 172 über Verwechslung von Keule mit Fackel 
zu vgl.) anzusehen ist. Auch hier dürften wohl orientalische Motive 
eingewirkt haben. 

Den Strahlenkranz teilt der Reiter zwar mit Helios und dem 
römischen Sol, aber auch mit mehreren der von Macrobius angelührten 
Götter. 

Vor dem Sonnengotte aber ist nach Macrobius die Schlange und 
die (weibliche) Erde; und vor dem Reiter unserer Gruppe ist der 
Schlangenfüssler oder in Grand (wie S. 326 entwickelt) der eine 
Schlange tragende Genius. Nach der oben ausgeführten Identificierung 
bedeutet diese Schlange die Erde und damit auch die Göttin Juno. 
Dass Götter symbolisch in Tierformen dargestellt werden, ist ja im Orient 


1) Ueber Epona s. oben. 

?) Von bloss dekorativen Spielereien ist natürlich abzusehen. — Vgl. Roscher, 
Mythol. I, 1999. 

3) Cumont II, 424. Vgl. ebenda S. 190, 318, 420, 449. 

#) Nur auf dem Relief von Merkenich geht der Gott zu Fuss, wohl nur, 
weil das Votiv billig und deshalb klein ausfallen sollte. 

5) Bronte und Sterope : Hyginus fabulae 183, 


— 338 — 


etwas ganz gewöhnliches. Auch Terracotten u. a. von Cyzicus bieten 
Serapis und Isis als zwei Schlangen mit Menschenköpfen; Isis mit der 
Fackel, in eine Schlange endigend; Isis als Schlange, mit einem modius 
gekrönt!). Isis aber bedeutet nach Macrobius 21, 11 auch die Erde. 
Und auch auf römischen Münzen erscheinen Isis und Osiris halb als 
Schlangen ?). Und nun erst können wir die Inschrift richtig verstehen: 
‚Jovi Optimo Maximo gilt dem reitenden Sonnengott, Junoni Keginae 
aber seiner Helferin, dem unteren Wesen, der Erde®). Und somit 
kommt der zweite Teil der Votivformel, der bisher recht stiel- 
mütterlich behandelt wurde, nun endlich zu Ehren. 

Ob die Hochschätzung der Vier- und der Siebenzahl, welche 
Macrobius bespricht, in den vier Köpfen unserer Säulenkapitäle und 
den sieben Wochengöttern darunter zum Ausdrucke kommt, wage ich 
nicht zu entscheiden. Ebensowenig, woher die Sitte stammt, die Gruppe 
auf eine runde Säule zu stellen. Der Orient *), Griechenland (Säulen, 
welche Portraitfiguren oder Siegespreise trugen), Rom (die Trajans- 
und Marcussäule) erinnern daran, aber nicht so, dass sich ein Resultat 
daraus ergäbe. Jedenfalls scheint die Säulensetzung keine keltische 
Sitte, die Schuppen aber könnten als ein dürftiger Ersatz für Reliels 
wie die der Trajanssäule gemeint sein. An den Orient gemahnt jedoch 


die Beschreibung, welche Aphthonius von einer sehr hohen Säule auf 


der Akropolis zu Alexandria giebt), denn coyai de ıov ovıwv 17 vis 
zıövog #0gvpn Tregıeornzaoıw, »die Elemente des Seienden stehen um 
das Kapitäl (oder auf dem Kapitäl) der Säule herum« — das können 
geradezu Sonne und Erde sein und diese Worte bekräftigen vielleicht 
unsere Auffassung der Gruppe! ®) 

So erscheint uns also der Gott mit dem Strahlenkranze als 
Sonnengott, und als dem Orient entstammend, weil er ein reitender 
Gott und ein bärtiger Sonnengott ist. 


1) Mordtmann, Rev. arch. 1879, I, 257 ff. Die Fackel, vermutet Mordtmann, 
habe Isis von der Ceres entlehnt. 

?) Münzen Julians: Cohen, Bd. VII, Taf. 8, 2. 

3) Der »Juno Sospita Mater Regina« von Lanuvium war eine Schlange 
heilig. Preller, Rö. Myth. * I, 276, und Münzen. 

#) Koepp, Arch. Anz. 1890, 64 citiert Puchstein, Reisen in Kleinasien und 
Nordsyrien S. 230, 396f. für Statuen auf Säulen. Auch die Schuppen der Säule 
weisen nach einer mündlich mitgeteilten Vermutung G. Wolff’s auf orientalischen 
(ägvptischen?) Ursprung. 

5) Rhetores Graeci ed. Spengel I, p. 48.- 

6) Sind die in Syrien seit dem 5. Jahrhundert ihr Wesen treibenden sog. 
Säulenheiligen (orvAlraı) etwa auch durch die Idee beeinflusst worden, dass 
nur Heiligtümer auf den Säulen zu stehen haben ? 


— 359 — 


Von Asien nach Gallien muss dieser Ideenkreis und diese Kunst- 
übung auf dem üblichen Wege des Handels und des Kulturverkehrs 
(Orient-Massilia-Gallien) gelangt sein (Uebertragung durch die Truppen 
wie beim Mithrascultus ist hier wohl ausgeschlossen), vielleicht im 
zweiten Jahrhundert. In dieses ferne Land kamen ja damals noch 
mehrere Culturelemente aus Osten, z. B. auch die gerade in der Belgica 
häufigen zweistöckigen Grabtürme mit pyramidalem Schuppendach, 
die der Kybele nachgebildeten Eponastatuetten, Mithras, Aeon, die ägypti- 
schen Gegenstände). Natürlich war dem frühesten der gallischen 
Künstler alles klar, er wusste, wie er den Juppiter-Sonne und die 
Juno-Erde darstellen durfte, und sein Originalwerk, das wir uns in 
Massilia, Lugudunum?) oder Augustodunum vorstellen mögen, wird 
dies bezeugt haben. Aber als dieses zeitgemässe?) Werk Beifall und 
Nachahmung fand, wird sicherlich manches missverstanden, manches 
romanisiert, manches seit 180%) keltisiert worden sein, und die 
Nachahmungen nahmen Motive, die im Lande vorhanden waren, in 
sich auf. Die sog. Viergöttersteine z. B. sind entschieden eine ein- 
heimische Einrichtung, da auf ihnen ausser der Mehrzahl römischer 
Gottheiten doch nicht eben selten der Gott mit dem Schlägel, Juppiter 
mit dem Rade (? s. unten), Merkur und Silvanus in keltischer 
Tracht) u. a. erscheinen, und die ältesten derselben, die Pariser 
Steine aus der Regierungszeit des Tiberius, sogar neben Jovis, Vol- 
camus, Castor — auch die Namen eines Esus, Tarvos trigaranus, Cer- 
numnos, Smert... friedlich dazu setzen. Und diese wurden nun als 
Postamente sowohl für echt römische sitzende Juppiterstatuen, wie für 
unsere fremdartige Säule und Gruppe gewählt. 

Eine andere Form der Keltisierung kann darin zu finden sein, 
dass das untere Wesen die Hufe mit seinen Händen stützt. Denn auf 
einer Goldmünze der gallischen Namneten (nach dem Urteil des Besitzers 
aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts v. Chr.), deren Kennt- 
nis ich der freundlichen Mitteilung desselben, des Herrn Dr. R. Forrer 
in Strassburg verdanke, sieht man, von einem Lenker gelenkt, 
einen Reiter, der mit dem Ross zu einem Wesen vereinigt ist, also 

1) Vgl. Lüschcke, Bonner Jahrb. 95, 261. Kisa, Korr.-Bl. XVI, 48. Mercur 
als Thot: ebenda XIX, 233. 

2) So vermutet Koepp, Korr.-Bl. IX, 65. 

3) An die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts, welche manche Culte Kleinasiens 
nach Europa brachte (Elagabal), dachte schon Voulot, Rev. archéol. 1880, II, 298, 


4) Vgl. Riese, Westd. Ztschr. XVII, 13 ff. 
5) Korr.-Bl. XIV, 55. 


— 340 — 


einen »gallischen Kentauren« (nach teilweise griechischem Vorbild, wie 
die grosse Zahl gallischer Münzen), unter dessen Füssen eine Gestalt 
kauert, deren obere Hälfte bis zum Gürtel allein sichtbar ist, und die 
(und dies ist rein keltisch) mit ihren zwei Händen zwei Füsse des 
Rosses erfasst. Die Münze ist sehr selten'), aber in zwei fast ganz 
sleichen Exemplaren in der ausgezeichneten Sammlung des Herrn 
Forrer vertreten. Trotz der zeitlichen und örtlichen Entfernung von 
dem Hauptgebiet unserer Gruppe ist immerhin eine Benutzung dieses 
keltischen Motivs des Greifens des unteren Wesens nach den Füssen 
des Pferdes darüber vielleicht nicht zu verwerfen. 

Eine weitere Art von Keltisierung ist vielleicht in dem Rade 
gegeben, welches der Reiter der 1900 gefundenen Hanauer Gruppe in 
der linken Hand trägt; neben ihm hängt ein gewaltiges Schwert herab, 
welches das (vierspeichige) Rad zunächst — aber fälschlich — für ein 
Schild ansehen liess. Es ist wirklich ein Rad und in sehr kunstloser 
Weise ist des Reiters Hand zwischen zwei Speichen hindurch gesteckt. 
Ein gleiches (vierspeichiges) Rad mit durchgesteckter Hand ergab der 
Fund einer unserer Gruppen zu Ronchers im Departement Meuse?); 
und ganz dasselbe trägt ein durch Caylus bekannter, sicherlich sehr 
schlecht gezeichneter Reiter aus Luxueil, der, bisher unkontrollierbar, 
nun durch obige Funde soweit gesichert ist?). Die verschiedenen 
sallischen Figuren und Altäre, welche dieses Rad tragen!) (die von 
Landouzy-la-Ville ist Z. 0. M. et NJumini] Augfusti] geweiht) stehen 
natürlich in Beziehung auch zu obigen, und wenn bei ihnen das Rad 
Symbol der Sonne ist?), so ist es dies auch bei dem Hanauer Reiter und 
giebt eine erwünschte Bestätigung dafür, dass auch in unserer Gruppe 
Juppiter O. M. der Sonnengott ist. 

Ob jedoch darin eine Keltisierung liegt, oder ob der orientalische 
Ursprung des (Ganzen sich damit dokumentiert, soll hier nicht ent- 

1) Bei Lelewel fehlt sie noch gänzlich; De la Tour hat sie unter nr. 6728 
seines Atlas der gallischen Münzen der Bibliotheque Nationale. Münzen benach- 
barter Stämme haben unter dem Pferde nach Dr. Forrers Mitteilung bisweilen 
einen »liegenden Engel«. 

?) Rev. arch. 1876, I, 404. 

#) Caylus, Recueil d’antiquites III, 99, 3. Die Figur ist bei Reinach II, 
532, 3; 6 aufgenommen, und wir verweisen darauf, ohne uns auf die unsicheren 
Seltsamkeiten — den ruhigen Gang des Pferdes, das Kind, den Kopf am Boden 
(ob Schlangenfüssler ?) einzulassen. 

) Gaidoz, Rev. archéol. 1884, IL 1ff., Reinach II, 17; 190. Westd. Ztschr. II, 
Taf. 1. "Kor:.2B1r]V 7159: 

5) So Hettner selbst, Trierer Steindenkmäler, S. 30. 


— 341 — 


schieden werden. Schon die Veden kennen die Sonne als Rad), das 
Bildwerk von Sueida (s. oben) bietet diese Vorstellung, und sicherlich 
würde leicht manche Hinzufügung dieser Art möglich sein. Wie dem 
aber auch sein mag, die Vereinigung des Rades mit dem Donnerkeil 
(Chätelet), dem Blitz (Vaison), dem unter der linken Hand des Mannes 
kauernden bartlosen Wesen (Schlangenfüssler? Moulins), endlich das 
Rad auf einer tete radiée (Gaerleon)?), sind zahlreiche weitere Anzeigen 
von der Sonnennatur des Reiters, zunächst dessen den die Hanauer 
Gruppe enthält. 

Eine andere Art der Keltisierung zeigt sich in der Ehranger 
Gruppe mit dem bartlosen Reiter und seiner barbarisch-bäuerlichen 
Tracht, die schon durch den Sattel des Pferdes ein Unicum zu sein 
scheint ?). 

Dagegen fehlt es auch bei unserer so unklassischen Gruppe nicht 
an Anklängen einer Romanisierung oder Hellenisierung. Wir finden 
sie in der Gruppe von Besigheim (Zweigespann, der Wagenlenker in 
edler, eines Juppiter würdiger Bildung), in den Epithetis Optimus Maximus 
und Æegina, in dem vereinzelt vorkommenden echten Juppitertypus, 
und endlich in den auftauchenden Reminiscenzen an die klassische 
Gigantomachie, deren Träger auch im Rheinlande dargestellt 
wurden *). Denn, wenn wir nicht vergessen, dass der Erde (oder Juno) 
entsprechend das Echte und Ursprüngliche in unserer Gruppe ein 
weiblicher Schlangenfüssler sein muss (s. S. 330 f.), er auch meist 
fein weiblich frisierten Haares erscheint’), so kann der männliche 
Gigant, besonders wenn er so verwilderten struppigen Haarwuchs zeigt 
wie der eine Schlangenfüssler von Mainz®) oder so wild zusammen- 
gedrückt ist wie in dem zweiten Ehranger Exemplar, nur in Erinnerung 
an die alten Götterfeinde gebildet sein. Unsicheres Schwanken zwischen 
beiden Auffassungen brachte es anscheinend dahin, dass auf einer 
Gruppe des Mainzer Museums gar Weib und Mann neben einander als 
Schlangenfüssler erscheinen (vergl. jedoch S. 330). 

Schwieriger zu erklären ist die Keule: nicht die, welche der 
Reiter in Trier, vielleicht Merkenich und Grand führt (denn die Keule 


1) Gaidoz S. 16 ff. 

®) Alle aus Gaidoz a. a. O. entnommen. 

#) Hettner, Trierer Steindenkmäler, S. 21. 

#) Vgl. oben S. 328 f. 

5) Was weder für götterfeindliche Giganten noch für Windelben passen 
würde ! 

5) Donner-von Richter, Heddernheimer Gigantensäule (1885), Fig. 3, 9. 


u — 


gehört zu Hercules und auch Hercules ist nach Macrobius gleich Sol), 
sondern die des unteren Wesens. Die Giganten tragen in der antiken 
Kunst keine Keulen: sollten etwa die Baumstämme, mit denen sie 
kämpfen ') den Keulen (die sind ja Baumäste) entsprechen ? Oder liegt 
etwas Orientalisches zu Grunde? Oder sind sie ein blosses technisches 
Hülfsmittel die Hufe zu tragen, besonders da, wo, wie in Schierstein, 
Pforzheim, Weil (Haug-Sixt nr. 238, vel. nr. 192?), deren zwei, zur 
Rechten und Linken der Figur, sich befinden?)? Wie S. 337 ausge- 
führt wurde, kann wohl auch eine Fackel fälschlich für eine Keule 
vehalten worden sein. Dies ist noch näher zu untersuchen. — Sicher 
aber sind die wirklichen Waffen, der Dolch eines Schlangenfüsslers 
(Mainz) und das grosse Schwert des Reiters (Hanau) in Erinnerung an 
Gigantenkämple zugefügt. 

Wenn unsere Säulengruppe mit orientalischen Ideen so wie be- 
sprochen zusammenhängt, so wird Cumonts Beobachtung?): »les 
diverses divinités asiatiques ont en général en Occident été honorées 
ensemble dans les mêmes endroits« vielleicht auch hier zutreffen. 
Wenigstens sind uns in Trier, Saarburg, Rottenburg, Neuenheim, 
Ladenburg, Heddernheim beide Culte, der des Mithras und der unsere, 


bekannt *). -— Allerdings ist der Mithrascult durchs ganze Reich, unsere 
Gruppe aber nur in Gallien vertreten *). Auch fehlt letztere auffälliger 
Weise gänzlich am äusseren Limes -- wenigstens bis jetzt, — nur 


am älteren inneren Limes bieten ihn Neckarburken, Cannstatt und 
Köngen; der Fund bei Hanau widerspricht dem wohl nicht? — Innerer 
Zusammenhang- beider Culte würde jedoch schwer zu erweisen sein, 
nur dass die Schlange (— Erde) bei beiden eine Rolle spielt und die 
Zeitgötter, und dass der Sonnengott auf unserer Gruppe‘) ebenso wie der 


!) »Evolsisque truncis Enceladus iaculator audax« Horaz Odenlll, 4, 55. Bei 
O. Müller, Denkm. d. Kunst II, 845, 847 sehen diese allerdings wie ein gabelförmiger 
Ast aus, wie einen (nach Hettner, Trierer Steindenkm., S. 23) der zweite Ehranger 
Gigant vielleicht wirklich trug. 

°) Eine »Keule« führt der Schlangenfüssler von Ladenburg, von Neunkirchen 
(W. Z. IV, 380), Mainz, Hanau. 

3) Textes etc. II, 425. Vgl.I, 158. 

#) Auch unsere Gruppe fand sich mehrfach in zwei Exemplaren bei ein- 
ander vor; anscheinend auch bei Hanau. 

5) Wenige Widmungen von Soldaten: Haug, Westd. Zeitschr. X, 53, 56, 130. 
Korr.-Bl. IX, 58. ' 

5) »I. 0. M. Conservatori« heisst die Widmung eines Viergöttersteins von 
Kastel nr. 52 H, 


— 3435 — 


Mithras den Beinamen Conservator auf Inschriften führt '). Dagegen findet 
der Mithrascultus in unterirdischem spelaeum statt: unsere Gruppe steht, 
eine Art Antimithras, auf ragender Säule; jener ist direkt Soli Inwieto 
Mithrae, dieser erst dem damit identificierten Jovi 0. M. gewidmet. Diese 
Frage ist noch nicht spruchreif. 

Im zweiten Jahrhundert hat sich die Gruppe in Gallien ein- 
sebürgert. Warum sie nur in Gallien und nicht einmal in anderen 
keltischen Gebieten heimisch wurde, ist mit unseren Mitteln nicht 
zu beantworten?). Persönliche, für uns unkontrollierbare Momente 
werden dies bewirkt haben. Ferner: Warum Helvetien und das 
Culturgebiet von Köln ganz ausgeschlossen sind, könnte vielleicht 
untersucht werden. Im Süden bildet die Linie Donon— Rottenburg die 
stricte Verbreitungsgrenze. Die älteste Weihung eines Viergöttersteins 
an Juppiter und Juno (in Kastel) datiert aus 170, und Mainz mag 
wohl, nachdem die Gruppe aus den S. 339 genannten Städten einmal 
dahin gelangt war, der Ort gewesen sein, von wo aus sie sich durch 
dessen Culturgebiet und durch Teile des nordöstlichen Galliens ver- 
breitete. 

Es ist aber wahrscheinlich, dass man sie nicht selten auch miss- 
verstand. Wenn schon Nero und später wieder Caracalla als 
Sonnengott gefeiert sein wollte, so konnte der Sonnengott doch auch 
der Kaiser sein. Die vielen Münzen mit einem Kaiser zu Rosse 
und den Worten Soli Invicto und dem Strahlenkranze, die entweder 
aus dem Osten überkommene oder erst romanisierende Aufstellung *) 
auf einer Säule, und anderes mochte für den heldenhaften Sonnengott 
wohl die Meinung erwecken, in ihm sei der Kaiser gemeint. Dann 
hat man in der Vorstellung vom Kaiser und den Giganten als dem 
Symbol der Reichsfeindschaft, die ich 1885 mit vielen Stellen belegte. 
den Schlangenfüssler zum feindlichen, barbarischen, struppigen Giganten 
umgewandelt, und als der Redner Mamertinus 289 in Trier die vom 


!) Wenn Cicero in der vierten Verrinischen Rede den Juppiter Im- 
perator mit dem griechischen Zeug Ovguos identificiert ($ 128), so ist dies 
ein weiteres Beispiel für die von mir in der Westd. Ztschr. XVII, 5 f. bewiesene 
Leichtfertigkeit und Bedeutungslosigkeit antiker Identificierung von Gottheiten. 

2) Ob die Verse 7. O. M. Signum et erectum prisca religione columnam Sep- 
timius renovat prünae provinciae rector (Cirencester: Buecheler, Anth. 1. epigr. 277 
auf ein Exemplar in Britannien schliessen lassen ? 

») Für keltischen Ursprung der Säulenaufstellung könnte höchstens sprechen, 
dass Gregor von Tours auch Bildsäulen des Mars und Mercur in columna altissima 
gesehen haben wollte (vgl. A. Riese, Das Rheinische Germanien in der antiken 
Litteratur c. XIV, 70; S. 433); doch ist dies allzu unsicher, 


= 


Kaiser besiegten Aufständischen mit jenen monstra biformia verglich !), 
mag er wohl an unsere Gruppe in diesem Sinn gedacht haben; und 
noch spätere Münzen zeigen deshalb Schlangen, zum Teil mit Menschen- 
köpfen, als Symbole der von den Kaisern niedergekämpften Feinde ?). 

Wir fassen unsere Ergebnisse zum Schluss kurz zusammen. Auf 
Grundlage der Theokrasie bildete sich eine Verehrung der Sonne 
(Juppiter) als eines gewappneten Reiters des Orients, und — falls wir 
damit nicht irren sollten — auch der Erde (Juno), deren Beherrscher 
die Sonne ist, als eines Schlangengenius aus. Diese Idee fand wahr- 
scheinlich im Osten ihre bildnerische Darstellung und kam wie andere 
bildnerische Darstellungen vom Orient nach Gallien. Hier fand sie, 
weil sie dem Zeitgeist entsprach, besonders bei frommen Privatleuten 
bald Beifall und Nachahmung, wurde aber in einzelnen Punkten 
keltisiert oder romanisiert, und missverstanden auch zu einem Kaiser- 
denkmal verwendet. 

Aus einem fremdartigen schlangenfüssigen weiblichen Wesen 
wurde ein römischer Gigant, ebenso wie aus einem fremdartigen 
reitenden Gotte ein römischer reitender Kaiser. Dieser Hergang ist an 
und für sich verständlich. Wie aber hätte der allen bekannte Gigant 
zu einem unverständlichen weiblichen Schlangenfüssler werden können ? 

Mit dieser Auffassung der schwierigen Frage, die wir nun der 
Diskussion darbieten, dürfen wir hoffen, diese Denkmälergruppe, die 
bisher vereinzelt stand, in die Reihe der gesamten kulturgeschichtlichen 
Entwicklung eingefügt zu haben. 


Anhang. 
Maerobius, Saturnalia I, 17—23. 

17, 2 Nam quod omnes paene deos . . ad solem referunt, . . ratio divina 
commendat . . 3 Necesse est solem . . omnium quae circa nos geruntur fateamur 
auctorem. 4..Diversae virtutes solis nomina dis dederunt. . 30 Eundem esse 
Apollinem et solem probemus. . 54 Latonam physici volunt terram videri .. 


58 Est et alia ratio draconis perempti. Nam solis meatus .. sursum ac deorsum 
variando iter suum velut flexum draconis instituit. Unde Euripides TVQLYEVNS 
de dax sq. .. 66 Hieropolitani, qui sunt gentis Assyriorum, omnessolis effectus 
atque virtutes ad unius simulacri barbati speciem redigunt eumque Apollinem 
appellant ... 67 prolixa in acutum barba . . Simulacrum thorace munitum est, 


1) Vgl. ebenda c. IX, 1; S. 223. 
?) Cohen VI. Taf. 9, 3 (Constantius); Taf. 19, 6 (Majorianus) und 8 (Se- 
verus IM). 


à J 


— 345 — 


dextera erectam tenet hastam . . Ante pedes imago feminea est, cuius dextra 
laevaque sunt signa feminarum; ea cingit flexuoso volumine draco. 68 Radios 
in terram superne iaci barba demissa significat . . Hastae atque loricae argu- 
mento imago adiungitur Martis, quem eundem ac solem esse procedens sermo 
patefaciet. . . 69 Species feminea terrae imago est, quam sol desuper inlustrat .. 
draconis effigies flexuosum iter sideris monstrat.. 15, 23 Vergilius sciens Liberum 
patrem solem esse . . 19, 1 Martem eundem ac solem esse!) . . 5 Accitani etiam, 
Hispana gens, simulacrum Martis radiis ornatum maxima religione celebrant 
Neton vocantes .. 7 Mercurius sol .. 15 Quattuor latera finguntur (den Hermen) .. 
quippe significat hic numerus vel totidem plagas mundi vel quattuor vices tem- 
porum quibus annus includitur vel quod duobus aequinoctiis duobusque solstitiis 
zodiaci ratio distincta est, ut lyra Apollinis chordarum septem tot caelestium 
sphaerarum motus praestat intellegi. . 20, 1 Simulacris et Aesculapii et Salutis 
draco subiungitur, quod hi ad solis naturam lunaeque referuntur ., 2 et ad ipsum 
solem species draconis refertur .. 10 et re vera Herculem solem esse .. claret.. 
21, 8 Quis ambigat Matrem deum terram haberi? . . 11 esse Osirin . . solem . . 
Isin . . terram . . 23, 1 Nec ipse Juppiter rex deorum naturam solis videtur ex- 
cedere, sed eundem esse Jovem ac solem claris docetur indiciis . . 5 Magnum in 
caelo ducem Solem (Plato) vult sub appellatione Jovis intellegi . . 10 Assyrii 
quoque solem sub nomine Jovis, quem Al “Hiuovrroktinv cognominant, maxi- 
mis caerimoniis celebrant in civitate quae Heliopolis nuneupatur . . 12 Hunc 
vero eundem Jovem Solemque esse . . ex habitu dinoscitur. Simulacrum enim 
aureum specie inberbi instat dextera elevata cum flagro in aurigae modum, laeva 
tenet fulmen et spicas . . 17 Assyrii . . Adad . . ut potentissimum adorant deum 
sed subiungunt eidem deam nomine Adargatin .. solem terramque intellegentes .. 
19 Simulacrum Adad insigne cernitur radus inclinatis . . Adargatidis simulacrum 
sursum versum reclinatis radis insigne est. 


1) Welche Aufschlüsse dieser Satz für die Erklärung der Westd. Z. Taf. 13, 
? abgebildeten Bronzetafel, die eine eigentümliche Verwandtschaft mit unserer 
Gruppe verrät, ergibt, sei einer späteren Besprechung vorbehalten. 


— 346 — 


Bericht über die Erwerbungen des Museums der Stadt Metz. 


Geschäftsjahr 1900. 


Nebst einem Ueberblick über die Entwicklung der Sammlungen. 


Von J. B. Keune, Direktor des Museums. 


Nachdem dank dem einsichtigen Entschluss des Gemeinderates 
der Stadt Metz das Jahr 1899 dem städtischen Museum eine einheit- 
liche und selbständige Verwaltung gebracht, wurde auch der seit langen 
Jahren geplante Erweiterungsbau begonnen, dessen Ausführung bisher 


seb, 


Abb. 1. Museum Metz, Steinsaal Nr. 9 u. 10: Grabdenkmal, gef. 1822 zu Metz, 
Citadelle. 


unterblieben war, obschon bereits im Jahre 1886 die damalige Ge- 
meindevertretung die Notwendigkeit einer umfassenden Erweiterung 
anerkannt und Plan und Kosten des Baues genehmigt hatte. Weiter 
hat aber auch der jetzige Gemeinderat nicht bloss für Beschaffung von 


neuen Ausstellungsschränken und zu anderen Zwecken die erforder- 
lichen, nicht unerheblichen Geldmittel bewilligt, sondern er hat auch 
seit dem Geschäftsjahr 1900 das Museum mit einem, wenn auch be- 
scheidenen, so doch gegen früher beträchtlich erhöhten und verbesserten 
Haushalt ausgestattet. 

Diese Neuerungen bedeuten zweifellos einen grossen und wichtigen 
Fortschritt in der Geschichte des Museums und rechtfertigen einen 
kurzen Rückblick auf die Anfänge und die Entwicklung der Sammlungen 
gewiss. Diesen Rückblick begleiten Abbildungen !), welche die Reihe 
der illustrierten Berichte des Museums eröffnen und einen illustrierten 
Katalog vorbereiten sollen; dieselben sind zunächst vornehmlich der 


Abb. 2. Museum Metz, Steinsaal Nr. 9 u. 10 (Vorderseite). 


Sammlung von Altertümern römischer Zeit entlehnt, später werden 
auch die anderen Zeitabschnitte und Abteilungen gebührende Berück- 
sichtigung finden. 

Dass es mir aber vergönnt ist, diese erste Bilderreihe aus dem 
Museum der Stadt Metz zu verbinden mit den Glückwünschen, welche 


1) Ein Verzeichnis der Abbildungen mit näheren Nachweisungen ist am 
Schluss dieses Berichtes angefügt, 


| 
Bu 
= 
[0 ) 
| 


der Trierischen Gesellschaft für nützliche Forschungen zu ihrer hundert- 
jährigen Jubelfeier die junge lothringische Schwester darbringt, ist eine 
besondere Freude für mich, der ich mit beiden Gesellschaften durch 
enge Bande verknüpft bin. Denn die Liebe zu den geschichtlichen 
Denkmälern der Treverer, welcher ich die Ehre verdanke, seit einem 
Jahrzehnt unter die Mitglieder der Gesellschaft für nützliche Forschungen 
gewählt zu sein, habe ich, in das Land der Mediomatriker verpflanzt, 
auf diese übertragen und in den Dienst der Gesellschaft für lothringische 
Altertumskunde gestellt, welche ihrer Trierischen Genossin nacheifernd 
seit nunmehr 12 Jahren die Urkunden für die älteste Geschichte 
Lothringens aus der Erde zu heben und die Altertümer und Kunst- 
denkmäler des Landes von Verschleuderung und Untergang zu retten 


Abb. 3. Museum Metz, Steinsaal Nr. 9 u. 10 (rechte Seite). 


bemüht ist. Dass ich als Konservator der städtischen Altertums- 
sammlung und jetziger Vorstand des gesamten Museums im Bunde mit 
dieser auch von der Stadt Metz durch Geldmittel unterstützten Ge- 
sellschaft die Zwecke der Sammlungen zu fördern mich für verpflichtet 
erachte, bedarf keiner weiteren Begründung. Verdankt doch das 
Museum dem Eifer der Gesellschaft für lothringische Geschichte wert- 
volle Bereicherung durch eine grosse Zahl der kulturgeschichtlich und 


— 349 — 


kunstgeschichtlich wichtigsten Denkmäler insbesondere der vorgeschicht- 
lichen, römischen und merovingischen Zeit! Freilich muss die junge 
lothringische (Gesellschaft sich mit anderen, älteren Vereinen in das 
Verdienst teilen, zu den Sammlungen des Metzer Museums beigesteuert 


Abb. 4 Museum Metz, Steinsaal Nr. 13: Grabdenkmal, gef. 1822 zu Metz, 


Citadelle. — Oben: Nr. 6 (eing. 1843); Nr. 14 (eing. 1854) und Nr. 337. 


zu haben. Denn neben ihrer Vorläuferin, der im ‚Jahre 1858 

srändeten »Societe d'archéologie et d'histoire de la Moselle« ist es 
vor allem die altehrwürdige Metzer Akademie (Académie de Metz), 
welche die Sammlungen des Museums nicht bloss bereichert, sondern 
zum Teil überhaupt ins Leben gerufen hat. Von anderen Vereinen, 
welche sich um das Museum verdient gemacht haben, sei noch der 


— 550 


Verein für Erdkunde zu Metz genannt, welcher vor Begründung der 
Gesellschaft für lothringische Geschichte deren Aufgaben insbesondere 
auf Anregung von Fritz Möller teilweise mit übernommen hatte. Aber 
auch die französische und später die deutsche Regierung haben das 
Museum der Stadt Metz sowohl mittelbar durch die den genannten 
Vereinen geleisteten Beihilfen als durch unmittelbare Ueberweisung von 
Altertumsfunden und Kunstwerken in dankenswertester Weise unter- 
stützt. Dass die Stadt Metz selbst nicht bloss durch Stellung und 
Einrichtung der Räume nebst Bestreitung der Verwaltungskosten, son- 
dern auch durch wertvolle Erwerbungen allezeit ihr Museum zu fördern 
bedacht gewesen, ist selbstverständlich. Schliesslich darf aber nie ver- 
gessen werden, wieviel der hochherzigen Freigebigkeit von Privaten 
zu verdanken ist, welche das Museum durch die erwähnten wissen- 
schaftlichen Vereine oder unmittelbar mit vielen lehrreichen Gegen- 
ständen, ja mit Kostbarkeiten ersten Ranges beschenkt haben. 

Ich lasse nunmehr die Uebersicht über die Entwicklung des 
Museums folgen und beschränke mich dabei auf die kunstgeschichtlichen 
Sammlungen, nämlich das Altertumsmuseum, die Münzsammlung und 
die Gemäldesammlung. Die naturgeschichtliche Sammlung bleibt dabei 
unberücksichtigt, weil sie ausserhalb der Bestrebungen der Gesellschaft 
für lothringische Geschichte und ausserhalb des Rahmens dieses Jahr- 
buches fällt. Doch soll wenigstens erwähnt werden, dass ein Mitglied 
unserer Gesellschaft, Herr Professor Dr. Rebender, seine Wissenschaft 
freundlichst und selbstlos in den Dienst dieser Abteilung des Museums 
gestellt hat. | 


; A. Altertums-Sammlung. 

Hilfsmittel: 

Catalogue de la galerie archéologique rédigé par Lorrain, con- 

servateur, précédé d'une notice historique par Abel, Metz 1874, 

XXV + 162 + (1) S. 8°. — Ueber die Geschichte der Sammlung 

spricht Abel S. I—-VIIl. — Das Verzeichnis der antiken Gegenstände 

(Nr. I—XCVII und 1—284) ist auch aufgenommen in die Mémoires 

de la Société d’arch. de la Moselle XII, 1874, S. 1--104, und das 

der mittelalterlichen und neueren Stücke (Nr. 400—650) in die 

Mem. Soc. Mos. XIV, 1876, S. 1—58. Die Vorarbeiten Lorrains zu 

seinem Verzeichnis sind jetzt von der Stadtbibliothek dem Museum 
überwiesen. 

P. Charles Robert, Epigraphie gallo-romaine de la Moselle, 3 fasci- 

cules 1873, 1883, 1888, mit 10 Tafeln. Die meisten der hier ab- 

gebildeten inschriftlichen Denkmäler besitzt das Metzer Museum. 


a — 


F. X. Kraus, Kunst und Altertum in Elsass -Lothringen III, 1889. 
S. 764—776, sowie unter den verschiedenen Fundorten. 

(0. A. Hoffmann), Der Steinsaal des Altertums-Museums zu Metz. 1889, 
116 S. 8°. 

0. A. Hoffmann, Die Kleinaltertümer des römisch-mittelalterlichen 
Museums der Stadt Metz, 49 S. 8°. — Jahrbuch d. Ges. f. lothr. 
Gesch. [V1 (1892), S. 186—218 und V, (1893), S. 172—187. 

Lothringische Kunstdenkmäler in Gemeinschaft mit Wahn und 
Wolfram herausgegeben von S. Hausmann. Strassburg, fol., Nr. 1, 
9, 18, 25, 27, 4,41, 54; vgl.. Nr.. 6,.20, 42. 

Jahresberichte sind veröffentlicht in der Museographie der 
Westdeutschen Zeitschrift von F. Möller I (1882), S. 259; II (1883), 
S. 202; III (1884), S. 167f.; IV (1885), S. 194; V (1886), S. 204— 
206; VI (1887), S. 287—289; von O0. A. Hoffmann ebenda VIII 
(1889), S. 246; IX (1890), S. 282—283: X (1891), S. 382—383 ; 
XI (1892), S. 229; von Keune ebenda XV (1896), S. 333—345: 
XVI (1897), S. 315—8320; XVII (1898), S. 350—354; XVIII (1899), 
S. 371—376: XIX (1900), S. 356—361, und im Jahrbuch d. G. f. lothr. 
Gesch. XI (1899), S. 374—385: vgl. Jhb. VII», S. 56—61 (die Fort- 
setzung wird der Abschnitt » Religion< der Arbeit »Gallo-römische Kultur 
in Lothringen« bringen); S. 66ff. und IX, S. 325 ff. 

Wie das Trierer Provinzialmuseum als eine Frucht der Be- 
strebungen der Gesellschaft für nützliche Forschungen gelten darf, deren 
Altertums-Sammlungen den Kern der Bestände dieses Museums bilden. 
so ist auch das Altertumsmuseum der Stadt Metz hervorgewachsen 
aus der Sammlung eines Vereins, nämlich der Metzer Akademie). 
Während jedoch die im Trierer Museum aufgestellten Erwerbungen der 
Gesellschaft für nützliche Forschungen wie auch mehrerer anderer Be- 
sitzer ?) Eigentum dieser verblieben sind, ist die Sammlung der Metzer 
Akademie später in den Besitz der Stadt übergegangen, und sind über- 
haupt die im städtischen Museum untergebrachten Altertümer und 
sonstigen Ausstellungsgegenstände mit wenigen Ausnahmen *) städtisches 


1) Bei Devillv, S.16 = Mém. Ac. Metz 1822/23, S. 77 heisst die Sammlung 
»Mus6e de la Société des Lettres, Sciences et Arts de Metz« nach der Bezeichnung. 
welche damals die Akademie noch führte; M&m. Acad. Metz 182829, S. 371: 
»colleetion d'antiquités de l'Académie. 

?) Regierung, Stadt Trier, Altertumsverein zu St. Wendel. 

3) Fundstücke aus St. Peter auf der Citadelle (s.u.); Kopien der Wand- 
malereien im sog. Refektorium der Templer auf der Citadelle (A. Migette, Cata- 
logue des tableaux 1876, Nr. 229—241; vgl. Kraus III, S. 776 und 631—633); ein 
grosser Steinhammer (Jahrb. Ve, S. 173); Gemälde aus dem Bezirkspräsidium, 


9D2 — 


Eigentum. Als Anfang der archäologischen Sammlungen der Metzer 
Akademie!) dürfen gelten die aus den Fundamenten der spät-römischen 
Ringmauer in der Nähe des Höllenturmes (Tour d’Enfer) auf der Cita- 
delle stammenden Architekturstücke und Blöcke von skulpierten Grab- 
denkmälern, welche im Jahre 1822 entdeckt und in den Garten hinter 
der Stadtbibliothek, den inzwischen teilweise bebauten, aber auch heute 
noch zur Unterbringung von Steindenkmälern herangezogenen Museums- 
garten überführt wurden: Nr. 2, 9/10, 13, 63, 97, 98, 99 des Stein- 
saales. Abbildungen bei Devilly, Antiquites Mediomatriciennes, Premier 


Abb. 5. Museum Metz, Steinsaal Nr. 13. — Die rechte Seite dieses Grabdenkmals 
s. auf der den Steinsaal darstellenden Tafel. 


mémoire, Monumens trouvés en 1822, à l’ancienne citadelle de Metz. 
Metz 1825, 19 S. 8° mit 3 Tafeln (erweitert aus Mém. Acad. Metz 
1822/25, S. 72—79); vgl. Robert, pl. VII, 2 und IX, 1—3. — Nr. 9/10, 
13, 98 und 99 sind beifolgend Abb. 1—6, vel. Tafel I, wiedergegeben. 
Zu diesen Steindenkmälern gesellten sich bald andere, wie der Wochen- 
götterstein aus Havingen (Kanton Fentsch, Kr. Diedenhofen), Nr. 11 

', Diese Gesellschaft hat, wie es scheint, sehon vorher gesammelt; vgl. 
Devilly a. a, 0. S. 16: »Société qui a déjà réuni quelques antiquités d’un haut 


interät«, 


— 393 — 


des Steinsaales (vgl. Mém. Acad. Metz 1828/29, S. 366—371 und Westd. 
Zeitschr. IX, 5. 34f., Nr. 15; abgebildet bei Robert pl. II, 2 und Ill, 
4—10) und die mittelalterlichen Stücke Nr. 554 und 575 des Stein- 
saales. Die 30er Jahre brachten auch Kleinaltertümer, nämlich Grab- 
funde von Scarponna bei Dieulouard aus dem Jahr 1831 (vgl. Mém. 
Acad. Metz 1831/32, S. 191ff. und Hoffmann, Steinsaal S. 9ff.): doch 
soll hier gleich bemerkt werden, dass die Sammlung der kleineren 
Funde beträchtlich hinter den Steindenkmälern zurückgeblieben ist und 


Abb. 6. Museum Metz, Steinsaal Nr. 98 u. 99: Teile von Grabdenkmälern. 
gef. 1822 zu Metz, Citadelle. 


dass erst in neuerer Zeit durch die Regierung!) und den Verein füı 
Erdkunde ?), insbesondere aber durch die Gesellschaft für lothringische 
1) Grabfunde von Morsbach unterhalb des Herapel 1893 u. a 


?) Grabfunde von der Lunette d’Arcon: Fritz Möller im 3. Jahresbericht 
des Vereins f. Erdkunde zu Metz pro 1880, 114—136 mit Tafel 


— 354 — 


Geschichte zahlreiche und wertvolle Kleinaltertümer ins Museum gelangt 
sind. Der Grund ist in der Konkurrenz zu suchen, welche das 
Museum mit den Privatsamm- 
lungen zu bestehen hatte. Unter 
den Metzer Privatsammlungen 
waren die bedeutendsten die von 
Paguet und von V. Simon), und 
wenn diese auch Steindenkmäler, 
zumal kleinere, nicht verschmäh- 
ten), so hatten sie es doch in 
erster Linie auf Kleinfunde ab- 
gesehen. Da diese beiden Samm- 
lungen später in Paris meist- 
bietend versteigert wurden?), so 
sind ihre Bestände für Metz ver- 
loren und teilweise überhaupt 
verschollen. — Von weiteren Stein- 
denkmälern kamen in der ge- 
nannten Zeit ausser der Meilen- 
säule aus dem Jahr 97 n. Chr. 
(Nr. 87 des "Steinsaales; "wel. 
Jahrb. X S. 32) und anderen Fund- 
stücken im Jahre 1837 fünf Bild- 
werke aus Stein hinzu, welche 
die Akademie auf Kosten der Stadt 
Metz aus dem Nachlass des Mar- 
quis de Villers auf Schloss Burg- 
esch bei Schwerdorf im Kreise 
Bolchen für 800 Fres. erstand (Nr. 3. 19. 89. 105. 528 des Steinsaales ; 
s. Mém. Acad. Metz 1837/38 S. 5344—346; vgl. Austrasie I. 1837. S. 489), 


Abb. 7. Museum Metz 


Grabsteim aus Arlon, erworben 1837. 


1) A. Migette, Catalogue des tableaux S. XV £.; Kraus II S. 780. 

?) In der Sammlung Paguet befanden sich drei der Bruchstücke des alt- 
christlichen Sarkophages, in welchem Ludwig der Fromme beigeselzt war 
(Nr. 463—466 des Steinsaales). Zu der Sammlung von V. Simon gehörten die 
Steindenkmäler bei Robert I S.53 und Il S.23f., ausserdem ein aus Nîmes 
stammendes Altärchen (Keune, Westd. Korrbl. XV Sp. 4), welches nach einer mir 
zugegangenen freundlichen Mitteilung Herr Professor Hübner aus Berlin in der 
Sammlung eines Grafen in Spanien (!) wiedergefunden hat. Ausserdem besassen 
beide Sammlungen Darstellungen der Epona (Jahrbuch VIIL», S. 57 Anm. 4). 

®, Die Sammlung Paguet wurde 1867, die Sammlung Simon im Februar 
1868 versteigert. Der Auktionskatalog der letzteren hat nur über den vom Museum 
zu S. Germain erworbenen Depotfund von Wallerfangen und einige andere besonders 
wertvolle Stücke genauere Angaben; ein Exemplar desselben besitzt die Metzer 
Stadtbibliothek. — Die von Migette gesammelten Gegenstände hat der Besitzer 
mit seinen Zeichnungen und Gemälden der Stadt Metz geschenkt (s. später). 


— 350 — 


darunter vier Teile von Weih- und Grabdenkmälern aus Arlon, dem 
alten Orolaunum, welche im 17. Jhdt. von dort nach der Stadt Luxem- 
burg verbracht und hier später zu Festungsbauten verwendet waren 
(Wilthemius, Luciliburgensia ed. Neyen Fig. 9 und 118 mit S. 12/13. 
174..314; Fig. 315—317 mit S. 263; Fig. 289-292 mit S. 255—257: 
Fig. 225 mit S. 231—232: wiederholt von Prat, Arlon, Atlas pl. 1. 15. 


Abb. 8. Museum Metz, Steinsaal Nr. 30—34: Grabsteine aus Soulosse, 


erworben 1839. 


87—89. 66-68. 47. — Eine Abbildung von Nr. 3 des Steinsaales s. 
beifolgend 7%). Zwei Jahre später, 1839, folgte die Erwerbung einer 
Anzahl von gallo-römischen Grabsteinen aus Solimariaca, an der Strasse 
Toul-Langres, j. Soulosse (Vosges): Nr. 30—48 und 49—52 des Stein- 
saales (Beaulieu, Archéologie de la Lorraine I. 1840 S. 168 ff. mit pl. Il 
und S. 212ff. mit pl. II. V; Jollois, Antiquités remarquables du départe- 
ment des Vosges, Paris 1843 pl. 18—20: vel. S. 71: Mém. Acad. Metz 


— 356 — 
1839/40 S. 72; Austrasie V. 1839. S. 152. 410f. und nouvelle série 1. 
1840. S. 140. — Nr. 30—37 des Steinsaales sind beifolgend 8—10 
abgebildet). Dasselbe Jahr 1839 brachte ausser Nr. 76. 523. 525 auch 
das Bruchstück einer Meilensäule Nr. 86 des Steinsaales (Jhb. X S. 8 
Anm. 1 — vgl. Mém. Acad. Metz 1839/40 S. 73—74). Im Jahr 1841 
kamen ausser dem Altarstück Nr. 440 und dem Brandgrab Nr. 149 in- 
folge von Neubauten am Jakobsplatz, der damaligen place d’Austerlitz, 


= 


Abb. 9. Museum Metz, Steinsaal Nr. 33—36: Grabsteine aus Soulosse, 
erworben 1839. 


hinzu die römischen Architekturstücke Nr. 1. 25. 165 (Mém. Acad. Metz 
1841/42 S. 140 mit Abb.): weit wertvolleren Zuwachs aber bedeuteten 
das bisher in der Nähe des Citadellenthores und Höllenturmes einge- 
mauerte Bruchstück eines grossen Grabdenkmals Nr. 26 (a. a. 0. 
S. 138 mit Fig. 2; s. Abbildung LE 12) und vor allem die Frauen- 
statue Nr. 170, welche bei Fundierung eines Flügels der damaligen 
caserne du génie, der jetzigen Kaiser-Wilhelm-Kaserne, aufgefunden 
wurde (a. a. 0. S. 139 mit Fig. 5) und deren Abbildung eine besondere 
Behandlung des schönen Fundstückes begleiten soll. Dem folgenden 
Jahre 1842 verdankt das Museum insbesondere das Denkmal, durch 


35 — 


welches die Dorfbewohner von Marsal den Kaiser Claudius geehrt 
haben, Nr. 108 des Steinsaales (Mém. Acad. Metz 1842/45 S. 386 II, 
mit Abbildung: Robert pl. VI Fig. 2), ausserdem Nr. 72. 82. 106 und 
114 (Mém. Acad. Metz 1842/43 S. 339. 340. 344 mit zwei Abbildungen ). 
Im nächsten Jahr 1843 bereicherte Herr Laporte die Sammlung der 
Akademie um inschriftliche und andere Steindenkmäler der römischen 
Zeit wie der Renaissance, welche 
in dem einstmaligen Hause Aubrv- 
Boissard, später Peltre, in der 
Goldschmiedstrasse zu Metz zu- 
sammengebracht waren: Nr. 5. 6. 
94. 95. 248. 457. 551. 608 und 
639—645 des Steinsaales : s. Keune, 
Jahrb. VIII: (über J. J. Boissard ) 
S.37—47 und die beifolgende Ab- 
bildung 4 (Nr. 6 des Steinsaales). 
In demselben Jahre 1843 ging die 
Vereinssammlung in städtische Ver- 
waltung über, und die Aufsicht 
über die im Garten hinter der 
Bibliothek sowie im Hausflur dieses 
Gebäudes aufgestellten Steindenk- 
mäler und sonstigen Altertums- 
funde wurde dem damaligen Biblio- 
(hekar (lerex übertragen, der 
einen Teil derselben in den Wänden 
des Hausflurs einmauern liess’). 
Ueberhaupt galt seitdem die Alter- 
tumssammlung als ein Anhängsel Abb. 10. Museum Metz, Steinsaal Nr. 37: 
der Bibliothek, und war den Beamten (rabstein aus Soulosse, erworben 1839. 
der Bibliothek, wie Malherbe *) — 


Lorrain — Schuster, die Verwaltung dieser Sammlung übertragen, 


Welch stattliche und wertvolle Sammlung im Jahre 1843 die Stadt 


1) Nach Abel vor Lorrain S. II/IV, 
?) Der nach Abel a. a. O0. S.V von dem Unterbibliothekar Malherbe (un 
1860) verfasste und mit Zeichnungen ausgestattete handschriftliche Museun 


katalog der Metzer Stadtbibliothek kann nur das Bruchstück eines solchen sein 
welches hinter den aus Chastillon (1614) stammenden Ansichten aus Melz ein 
sebunden ist und welches auch Kraus HI S. 336 meint. Auf Malherbe geht (nach 
Abel) die erste Bezifferune der Steindenkmäler zurück Ueber Lorrain und 


Schuster vgl. nachher. 


— 358 — 


übernahm, lehrt schon die oben gegebene Uebersicht über die wichtigeren 
Eingänge, und doch kann diese Uebersicht keinen Anspruch auf Voll- 
ständigkeit machen. Denn dass die Aufzählung lückenhaft ist, zeigt 
eine Vergleichung mit den Angaben der Abbildungen des i. J. 1843f. er- 
schienenen Buches von Émile Bégin, » Metz depuis dix-huit siecles<, welche 
bezeugen, dass auch andere Steindenkmäler damals bereits im Museum sich 


Abb. 11 u. 12: Museum Metz, Steinsaal Nr. 26: Von einem Grabdenkmal, 


gef. zu Metz, Citadelle (eing. 1841). 


befanden, über deren Erwerbung frühere Angaben nicht vorzuliegen 
scheinen, wie Nr. 28. 69. 74.81 (Jhb. XS. 28,21). 151 (s. Abbildung 13.) 157. 
159 (Benedictins, Hist. de Metz, I, 1769 pl.. XX, 2; bereits 1838 in der 
Sammlung vorhanden nach Mem. Acad. 1838/39 S. 271). 144--147 
Jhb. VIT: S. 39—41) bei Bégin pl. 24. 35. 38. 39. 47, 48. Auch 


— 359 — 


soll nicht unerwähnt bleiben, dass damals u. a.!) auch die herrliche 
Elfenbeinschnitzerei aus dem 10. ‚Jahrhundert mit dem Bildnis des 
Adalbero bereits im Besitz 
der Stadt sich befand (vgl. 
Begin a. a. O0. II S. 389; 
Litteratur bei Kraus, die 
christl. Inschriften der Rhein- 
lande Il. 1892. Nr. 315, 
wo nachzutragen sind: Paul 
Weber, (Geistliches Schau- 
spiel und kirchliche Kunst in 
ihrem Verhältnis erläutert an 
einer Ikonographie der Kirche 
und Synagoge. 1894. S. 21 f. 
und Lothring. Kunstdenk- 
mäler Nr. 54). In den nächst- 
folgenden Jahren war der 
Zuwachs gering, bis die An- 
lage der Eisenbahn und der 
Bau eines Bahnhofes zu Alter- 
tumsfunden führten, welche 
dem Museum zu gute kamen. 
Unter den Fundstücken war 
von hervorragenden Wert 
die Bauinschrift des Brunnen- 
hauses (Nvmphaeum) einer 
Wasserleitung Nr. 80 (Mem. 
Acad. Metz 1848/49 8. 55: 
Robert pl. VI Fig. 4: vgl. 
Jhb. IX S. 178 Anm. 1). Von 
sonstigen Erwerbungen seien 
noch erwähnt die Funde des Jahres 1851 von der >lunelte de Mon- 
tigny< oder »l. d’Arcon« Nr. 8. 24. 64. 73. 83. 101. 104 und 169 


Abb. 13. Museum Metz, 
Steinsaal Nr. 151: Grabstein. 


1) Auch die (in Metz hergestellte) bronzene Nachbildung eines eisernen 
Thürklopfers aus einem Hause zu Troves (Aube) wird damals schon in der Samın 
lung vorhanden gewesen sein, da die 5 bronzenen Nachbildungen dieses Stückes 
vor 50 oder 60 Jahren« in Metz angefertigt sind. Das Original ist verschollen, 
und im Museum zu Troyes befinden sich nur zwei Abgüsse, einer in Bronze und einer 
in Gyps. Die Angabe von Hoffmann, Kleinaltertümer S. 47 = Jahrbuch Vs S. 185, 
dass der Schildhalter das Wappenschild der Metzer Familie Louve trage, ısl ırrıg; 
es ist das Wappen der Familie Hennequin zu Troves, wie der Konservator des 


— 360 — 


(Mém. Acad. Metz. 1851/52 S. 221—223 mit einigen Abbildungen !) 
sowie Nr, 402 aus der Kirche S. Martin. Das Jahr 1854 brachte 
” den als Schlussstein eines 

Thorbogens gearbeiteten Jup- 
piter-Kopf (s. Abbildung 4) 
und das Relief einer reiten- 
den Epona (Abb. Jhb. VII», 
S.58, vgl. Revue arch. 1898, 
S. 191), die folgenden Jahre 
u. a. die: Nr. 29.110462 
(irrtümlich für karolingisch 
sehaltenes Relief). 479. 522. 
Dann förderten die durch An- 
lage der Wasserleitung Gorze- 
Metz (1858 —1860) nötig ge- 
wordenen Arbeiten manches 
Fundstück zu Tage, insbeson- 
dere im Sommer 1858 in der 
Goldschmiedstrasse: Nr. 55. 
61 (s. Abbildung 14). 67. 75. 
79. 113; vgl. Bull. Soc. Mos. I. 
1858. S. 54-57; Mém. Acad. 
Metz 1858/59 S. 283—289; 
Robert pl. I, 9; IV, 4. 5; IX, 
5: X, 3. Dem: Jahr=1859 
verdankt die Sammlung u. a. 
Abb. 14 Museum Metz, Steinsaal Nr. 61: die beiden noch rätselhaften 
Grabstein, gef. zu Metz 1858. Inschriften Nr. 65 und 66 

(Jhb. X S. 57 Anm.) sowie 

Nr. 142 und das beim Bahnbau Diedenhofen— Luxemburg gefundene 
Bacchus-Relief Nr. 22 (Bull. Soc. Mos. 1859 S. 4—5; 1860 S. 8; Mem. 
Acad. Metz 1859/60 S. 403 f. mit Abbildung), den folgenden Jahren 
— ausser Nr. 341 u. a. — Funde aus dem Kloster der Franziskaner- 


Museums zu Troves, Herr Le Clert, mir mitteilt, dessen Freundlichkeit ich über- 
haupt genauere Angaben über diesen Thürklopfer verdanke. Vgl. über das Stück 
Arnaud, Voyage archéologique dans le département de l’Aube; Fichot, Statistique 
monumentale du département de l'Aube; Viollet-le-Duc, Dictionnaire raisonné de 
l'architecture française du XIe au XVIe siècle. VI. 1875 S. 86 (Abbildung) mit 
S. 83/84; Catalogue de l'Archéologie monumentale du Musée de Troves;'iNr. 768. 

1) Irrtümlich ist hier (S. 222») auch Nr. 69 des Steinsaales aufgeführt, ob- 
sleich dieser Stein sich schon früher im Museum befand (vgl. oben). 


361 — 


Recollekten!);: weitere Fundstücke brachte der Abbruch der Kirche 
S. Marie auf der Citadelle?) und der Kirche der Cülestiner*). Auch 
wurde dem Museum im ‚Jahre 1862 die Ehreninschrift geschenkt, welche 
i. J. 20 n. Chr. dem Kaiser Tiberius vermutlich die Bewohner des Herapel 
gesetzt hatten und welche bisher im Besitz eines Privatsammlers, des 
Herrn Motte zu Saarlouis'), gewesen war: Nr. 107 des Steinsaales 
(Bull. Soc. Mos. V. 1862 S. 44—45; Robert pl. VI, 1; vgl. Jhb. IX S:155 
Anm. 2). Es folgte ein reiches (reschenk der französischen Regierung. 
welche ausser einer Anzahl von Grypsabgüssen antiker Meisterwerke’) 
eine Auswahl aus der von ihr im Jahre 1861 angekauften grossartigen 
Sammlung des Marchese Campana zu Rom, wie anderen Museen, so 
auch dem Museum der Stadt Metz überwies*). Ferneren wertvollen 
Zuwachs ergab dank den Bemühungen der Société d'archéologie et 
d'histoire de la Moselle und des mit der Bauleitung betrauten Herrn 
Petsche der Bahnbau Diedenhofen—Niederbronn durch die Compagnie 
des chemins de fer de l'Est in den Jahren 1864-1869 aus der Gegend 
von Bettingen, Merlenbach und Sainte-Fontaine ?): Nr. 49 und 115—125 
(J. 1864): Nr. 126—130 (J. 1864) und 131—136 (J. 1867): Nr. 137 
und 138 (J. 1869); vgl. Bull. Soc. Mos. VII. 1864. S. 131 ff.; XI. 1868. 
S. 2—3; XII. 1869. S. 125f.; Mém. Acad. Metz 1864/65 S. 127—144 
(Nr. 138 ist abgebildet im Jhb. VII», S. 60). Aber auch von anderen 
Fundstellen gingen dem Museum in diesen Jahren Stücke zu, so eine 
Amphora und zwei Glasgefässe (Hoffmann, Steinsaal, S. 8, A, und 
S. 12 Nr. 27 a. b) aus den Sandgruben der genannten Compagnie de 
l'Est zu Sablon (1864), Nr. 7. 18 und 68 des Steinsaales (1864), weiter 
Nr. 20 und 56 (vgl. 109 und 112) von der porte d’Anglemur, das 
Relief der Epona Nr. 23 (Robert pl. I,4; vgl. S. Reinach, Epona, Nr. 23), 
mittelalterliche Grabschriften u. a. aus dem Nachlass Morlanne (Nr. 509. 


1) Kraus III S. 684 ff. Vgl. Nr. 471. 481 ff. 488. 496. 505. 513 des Steinsaales. 

?) Kraus III S. 705 ff. Vgl. Nr. 404 ff. 422 ff. 427 ff. des Steinsaales. 

3) Kraus III S. 674 ff. Vgl. Nr. 497. 499—502 des Steinsaales. 

+) Vgl. auch Lorrain, Catalogue Nr. 174. 

*) Lorrain, Catalogue Nr. LXXXV—XCVII; Migette, Catalogue des tableaux 
et des sculptures S. 126—128 Nr. 66—77, vgl. S. 144; Hoffmann, Steinsaal S. 21—2;; 
unter a.d.e.f.h. k. (l). m. (n).o. Diese Abgüsse sind wegen Raummangels seil 
1896 im Lyceum untergebracht; mehrere hatten bis dahin, verstümmelt, in dem 
Kohlenraum des Museums gestanden. 

°) Im Jahre 1863: Griechische und etruskische Gefässe, Skulpturen u. à.: 
s. Bull. Soc, Mos. VI. 1863 S. 92--96; Lorrain Nr. I-LXXXI. LXXXIV. 155 und 
167; Hoffmann, Steinsaal S. 5—8; S. 16—17 Nr. 50 f. 55. 56 a—d. 57. 58. 60; 5.20, 
sowie die Nr. 155. 167 a. b. 340b. — Ausserdem i. J. 1864 fünf Gemälde (s. u.). 

7) Eine Anzahl von Fundstücken sind in S. Fontaine zurückgeblieben, wo 
ich sie noch im J. 1899 gesehen (vgl. auch Prost, M&n. Acad. Metz 1864/65 S. 143). 


511. 512. 520. 576-578; vgl. Bull. Soc. Mos. IX. 1866 S. 24—-30) 
u.s. w. Auch wurden im J. 1868 zwei Blöcke mit bildlichen Dar- 
stellungen gefunden, welche zum Bau der römischen Brücke unterhalb 
der Totenbrücke verwendet gewesen waren: Nr. 77 und 88 (vgl. Bull. 
Soc. Mos. XI. 1868. S. 106; Mem. Acad. Metz 1868/69 S. 517-518; 
Abbildg. bei Ledain, Lettres et notices d’archeologie, Nouvelle edition, 
Metz 1869 [1867] pl. IV, 1 und V, 2 mit S. 305 ff.); ausserdem liefen 
aber in diesem und dem folgenden Jahr eine Reihe von anderen Fund- 
stücken ein, wie Nr. 90 (Robert pl. II, 4), Nr. 139 (vgl. 140) Brand- 
grab, Steinbehälter mit Glasgefäss aus Kreuzwald (32g bei Hoffmann, 
SteinsalS. 12/13: vgl. Bull. Soc. Mos. XII. 1869. S. 11—13)u.a. Jeden- 
falls beweist schon diese Zusammenstellung zur Genüge, dass Hausflur 
und Garten einer solchen Fülle von kultur- und kunstgeschichtlich 
wichtigen Altertüimern weder hinreichende noch zweckmässige Unter- 
kunft bieten konnten. Wenn daher diejenigen wissenschaftlichen 
Vereine, welche sich die Erhaltung der geschichtlichen Denkmäler des 
Landes zur Aufgabe gestellt hatten, die Metzer Akademie und die 
archäologisch-historische Gesellschaft, eine bessere und würdigere Unter- 
bringung ihrer Pileglinge verlangten, so ist dies gewiss verständlich. 
Dazu kam noch ihre Sorge um die Gemäldesammlung, welche, wenn 
auch besser, so doch gleichfalls in ungenügenden Räumen untergebracht 
war. Lange blieb freilich ihr Rufen unerhört'). Endlich aber drang 
ihre Forderung durch: der im Einvernehmen mit der Metzer Akademie 
vom Stadtbaumeister Demoget entworfene Plan eines Museumsbaues 
wurde i. J. 1869 genehmigt und, wenn auch nur zum kleineren Teil, 
ausgeführt). Nachdem der Bau im Laufe des Jahres 1870 fertig ge- 
worden, konnte die Einrichtung beginnen. Diese war im Jahre 1872 
beendigt, und wurden die neuen Räume im Mai dieses Jahres dem 
Besuch geöffnet. Es umfasste aber der Neubau zwei Stockwerke, 
deren unteres vom »Steinsaal« (s. Tafel), das obere von drei mit 
Oberlicht ausgestatteten Bildersälen eingenommen war. Ausserdem 
standen für die Altertumssammlung noch zur Verfügung ein kleines 
Vorzimmer zum Steinsaal, welches bis zur Neuordnung des Museums 
Thon- und Glasgefässen wie auch anderen Kleinaltertümern ?) ein un- 
mes 1) Vergl. Migette, Catalogue des tableaux, S. XXIV—XXVI. Ueber frühere 
Bauprojekte vgl. Migette S. XVIIIff. Bemerkenswert ist. dass bereits im J. 1835 
zur Errichtung eines Museums Bauten vorgeschlagen sind, welche neuerdings 
zum selben Zweck empfohlen wurden (a. a. O.S. XIX). — Schon im April 1864 
hatte die Akademie einen Bauplan genehmigt, über den E. de Bouteiller Bericht 
erstattet: Rapport sur le projet de musée présenté pour les collections de la 
ville de Metz. Metz 1864. 22 S. 8°. 


3) Migette a. a. 0. S. XXVILf. 
») Hoffmann, Steinsaal, S. 5—20. 


4808 _— 


geeignetes Unterkommen bot, sowie die bisher als Bildersäle verwendeten 
Räume 1) mit Ausschluss des der Akademie eingeräumten vorderen 
(nach der Bibliothekstrasse zu gelegenen) Zimmers. Die Ueberführung 
und Aufstellung der Steindenkmäler und sonstigen Altertümer im Stein- 
saal hatte der Bibliothekar Lorrain geleitet; er legte auch ein Ver- 
zeichnis dieser Gegenstände an, für die er eine neue, noch jetzt giltige 
Bezifferung *) durchgeführt hat. Die letzte Hand an sein Verzeichnis 
zu legen hinderte ihn sein Tod (+ 4. März 1873). Daher nahm Charles 
Abel, der Vorsitzende der Société d'archéologie ‘et d'histoire de la 
Moselle, die Redaktion des Verzeichnisses in die Hand: er hat mehrere 
Angaben über Herkunft der Stücke zugefügt. im übrigen aber den 
Wirrwarr, welchen der Neubau in der Ordnung der im Garten unter- 
gebrachten mittelalterlichen Steindenkmäler verschuldet hatte, nicht 
beseitigen können’). Das von Abel redigierte Lorrain’sche Verzeichnis 
berücksichtigt alle im Steinsaal untergebrachten Altertümer *), soweit 
sie bis zum Jahre 1873 eingegangen waren’): vorausgeschickt ist auf 
Abels Veranlassung‘®) die Zusammenstellung der (regenstände aus der 
Sammlung Campana’) und der Gypsabgüsse von Antiken. Dagegen 
sind nicht berücksichtigt die heimischen Kleinaltertümer, wie Glas- und 
Thongefässe $), Thonlampen *), Gewandnadeln °), Haarnadeln !'), Schreib- 


'), Vgl. unter C (Gemäldesammlung). 

?) Diese Bezifferung, welche zwar die römische Zeit von Mittelalter und 
Neuzeit scheidet, im übrigen aber keine planmässige ist, kann erst nach Fin- 
führung einer planmässigen Aufstellung abgeändert werden. 

#) Abel vor Lorrain S. VII, 

#) Auch die moderne Skulptur von Pioche Nr. 550; Hoffmann hat diese 
(S. 22, i) ebenso wie eine andere Arbeit von Pioche (S. 23, p) und eine Gruppe 
von Fratin (S. 21, g) unter die Abgüsse von Antiken eingereiht. 

°) Die letzten in Lorrains Katalog verzeichneten Erwerbungen gehören ins 
Jahr 1872, eine noch ins Jahr 1873 (Nr. 649 — Bull. Mos. 1873 S. 2). 

#) Abel vor Lorrain S. VI. 

?, Zwei Stücke sind an anderer Stelle als Nr. 155 und 167 eingefügt; s. o. 
— Nicht zugehörig: Lorrain Nr. LXXXII (S. 20) = Hoffmann Nr. 363. 

®) So die bereits oben angeführten Gefässe aus Gräbern von Scarponna 
(J. 1831) und Grabfunde aus Sablon (J. 1864); ausserdem z. B. Hoffmann, Stein- 
saal, S. 14 unter Nr. 34 (J. 1845. 1862. 1866. 1867); S.15 unter Nr. 40 (1867); 
dagegen Hoffmann $, 77 Nr. 341 = Lorrain Nr. 647 (J. 1860). 

?) Hoffmann, Steinsaal, S. 11, Nr. 24 und S. 16 unter Nr. 50 sowie Klein- 
altertümer S.9 — Jahrh. IV,ı, S. 194 (mehrere mit dem Stempel des Fabrikanten 
Fortis, vgl. M&m. Soc. Mos. 1865 S. 281: Karlstrasse ; Bull. Soc. Mos. Il. 1859, S. 39 
unter 2: Marchantstrasse). 

10) fibulae, wie z. B. Mém. Acad. 1850/1851 S. 189 mit Abbildung (Hoffmann, 
Kleinaltertümer S. 11 = Jhb. IV ı, S. 196). 

W) Vgl. Hoffmann, Kleinalt. S. 15 f. = Jhb. IV,:, S. 200 f. 


oriffel !), Schlüssel ?), Kummetringe ?), Hufschuhe 1), Webersteine ?), 
Statuetten aus Bronze®) und Thon‘) und anderes®). Allerdings 
standen diese Kleinaltertümer an Zahl 
und Wert aus früher angedeuteten 
Gründen erheblich hinter den Stein- 
denkmälern zurück, aber es fanden 
sich darunter doch auch wertvolle 
Stücke, z. B. das als Abb. 15 
wiedergegebene Schmuckkästchen aus 
Elfenbein?) und das Bruchstück eines 
Bronzetäfelchens mit einer Weih- 
inschrift 1%). Ausser dem Hinweis 
auf diese Kleinaltertümer seien zur 
Vervollständigung der oben gege- 

Schmuckkästchen aus Elfenbein : à 4 E E 
Shb. Vi. 201) benen Uebersicht über das Wachs- 
tum der Altertumssammlung auf Grund 
des Verzeichnisses von Lorrain noch einige wichtigere Steindenk- 
mäler aufgeführt, welche während des Baues und der Einrichtung 


Abb. 15. Museum Metz: 


) stili, vgl. Hoffmann, Kleinalt. S. 17 == Jhb. IV,ı, S. 202. 

2) Vgl. Hoffmann, Kleinalt. S’25f., 42. = Jhb. IWV,ı, S. 210f., Ve, S. 180 Fr. 

3) V Vel. Hoffmann, Kleinalt. S. 26 — Jhb. IV,ı, S. 211. 

9 Vel. Hoffmann, Kleinalt. SA JDD IV TMS DID 

5) Hoffmann, Steinsaal, S . 18 unter Nr. 2 und Kleinalt. S.9 = Er IV;1, 8.194. 

5, Vgl. Hoffmann, Rleinalt. S. 29 und S. 30—33 = Jhb. IV ı, S. 214. 215218 
sowie die zu Abb. 21--24 gegebenen 1 Nachweisungen. 

”) Vgl. Hoffmann, Kleinalt. S. 8 = Jhb. IV, S 193; Abbildungen Mém. Acad. 
Metz 1850/51, Tafel zu S.182, Fig. 17. 18 und beifolgend Nr. 25—27. — Die 
ana. 0.03:87=1193 (Ende) angeführte Inschrift ... PISTI... ist der Name des 
Fabrikanten Pistillus ; vgl. Tudot, Coll. de figurines en argile 1860 pl. 30, fig. A. 

8) So ein Bronze-Kelt: das Elfenbeinrelief des Adalbero (40); Bleikreuze 
und Kelche aus mittelalterlichen an ein Bleinapf mit verschiedenen Gegen- 
ständen (B al Soc. Mos. VIII. 1865. S. 77—79); eine Zinnschüssel: Hoffmann, 
Kleinalt. S. 36. 44—45. 48 = Jhb. V>, S. 174. Er 183. 186. Ebenso der Abdruck 
des Te ls eines Augenarztes : AAA S.229:=;Jhb;,1V 1506 2247 das 
Original besitzt (nach freundlicher Mitteilung Fu Herrn Seymour de Ricci zu 
Paris) das Museum von S. Germain als Nr. 9033 (Litteratur : Bégin, Courrier de 
la Moselle, Sept. 1836, S. 112, Annuaire de la Moselle 1837 S. 130 “und Mém. Acad. 
Metz 1839/40 — histoire médicale S. 111f. mit pl. VII,2; Ausland 1836 S. 1204 
Nr. 276; Giornale Arcadico LXXIV. 1838. S. 123, woher Henzen n. 7249; V. Simon 
Mém. Acad. Metz 1838/39 5.288 mit pl. I, 10; Mém. Acad. Metz 1843/44 S. 268 
Overbeck, Katalog des rhein. Mus. vaterl. Altert. 1851. S. 150 n. 10: Verronnais, 
Supplement à la statistique ... du département de la Moselle 1852 S. 369; 
Grotefend, Philologus XII S. 161 n. 64 und Stempel der röm. Augenärzte n. 91; 
Osann, Philologus XIV S. 632; Brambach n. 1875; Kraus Ill, S. 86; Esperandieu, 
Recueil des cachets d’oculistes Romains 1894 Nr. 57 — Rev. archéol. 1893; auch im 
Bericht unter den Akten der franz. Regierung im Bezirksarchiv zu Metz T. VI 
unter Daspich). 

°) Hoffmann, Kleinalt. S. 16 = Jhb. IV,ı, S. 201. 

10) Mém. Soc. Mos. 1865 S. 273 und Hoffmann, Kleinalt. S. 29 = Jhb. IVy, 
S. 214. — Seymour de Ricey ergänzt Z. 3 treffend: sacerdos Romae] et Auglusti 
(brieflich), und somit wäre diese Inschrift das zweite Zeugnis für diesen Gemeinde- 
priester (vgl. Jhb. X S. 27/28 Nr. 20). 


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des Steinsaales eingelaufen waren!) oder welche bereits früher 
zur Sammlung gehört hatten, ohne dass jedoch über die Zeit ihrer 
Erwerbung sich bisher Bestimmtes feststellen liess. Ich meine 
von den Steindenkmälern römischer Zeit: Nr. 158, den Altar 
der Epona und des Genius Leucorum von Nasium-Naix (Bull. Mos. 
1871/72 S. 13; Robert pl. 1, 5—7); Nr. 165, die Widmung an die 
deae Maiiae (— Matres ?) seitens der vicani vici Pacis (Bull. Mos. 1871/72 
S. 4ff.; Robert pl. V, 1); den Grabstein Nr. 154 (Bull. Mos. 1871/72 
S. 14; Robert pl. VII, 7): von Architekturstücken den Fries Nr. 161 
(Mem. Acad. Metz 1858/59 S. 2911f.); dann auch ausser den Bestand- 
teilen von Mühlen (Nr. 249 ff.) die Amphoren Nr. 152 und 284 (vgl. 
Westd. Korrbl. XV, 1896, 1) sowie Nr. 160 (Benediet., Hist. de Metz I 
pl. I, 5); schliesslich die Gypsabgüsse Nr. 199. 71 und 166 (Robert I 
S. 93; II S. 22 und pl. VII, 4—6; vgl. Bull. Mos. 1871/72 S. 14—15). 
Von mittelalterlichen und neueren Denkmälern nenne ich die Altarauf- 
sätze Nr. 400f. (Bull. Mos. 1871/72 S. 16, 6—7); den monumentalen 
Kaminmantel Nr. 415; das Relief des Ritter und Knappen Nr. 441 
(Austrasie V. 1839. S. 104 ff. mit Abbildung auf Tafel); Nr. 463 —466 
(Lothr. Kunstdenkmäler Nr. 41), die Bruchstücke des altchristlichen 
Marmorsarges Ludwigs des Frommen, soweit sie damals schon im Museum 
vorhanden waren; den Wappenstein Nr. 570 (Bull. Mos. 1870 S. 41): 
die Reste aus der Kirche Saint-Etienne-le-Dépanné Nr. 601 - 607 (Bull. 
Mos. 1871/72 S. 41fl.), sowie die Gypsabgüsse Nr. 467 und 413 (Bull. 
Mos. 1871/72 S. 16,8; Lothr. Kunstdenkmäler Nr. 20, oben, und Nr. 6). 
So konnte denn Professor Hübner, der im Herbst 1872 das Metzer 
Altertumsmuseum, freilich nur flüchtig ?), besichtigte, die Reichhaltigkeit 
unserer Sammlung römischer Skulpturen und Inschriftsteine hervor- 
heben (Bonner Jahrbücher LIIIT—LIV. 1873. S. 159—171). Damals 
übertraf diese Sammlung an Umfang die Trierische, welche teilweise 
in der Porta Nigra (Sammlung der Regierung), teilweise in dem (ie- 
bäude der Bibliothek bezw. des Gymnasiums (Sammlung der Gesellschaft 
für nützliche Forschungen) untergebracht war?). Freilich ist inzwischen 


1) Vel. Lorrain im Bull. Soc. Mos. 1871/72 S. 4—16. 

») Hübner a. a. O0. 5. 159. 170. Infolge dessen hat der hochverdiente Gelehrte 
verschiedene Denkmäler nicht gesehen (S. 165,4 über Nr. 81) oder überhaupt nich! 
berücksichtigen können (z. B. Nr. 170) und hat für einige irrige Erklärungen g: 
geben, wie S. 163/164 über das Grabdenkmal Nr. 13 (früher Nr. 64), s. Abh. 5 
desgl. S. 165 über die Grabschrift Nr. 82 (Robert III S. 73). Zu Nr. 65 und 66 
(Hübner S. 161—163) vgl. Jhb. X S. 57 Anm. 1; zu Hübner S. 162, (nicht erhaltene 
Inschrift) vel. Jhb. IX S. 1884 und X S. 59. 

8) Hübner a. a. O. S. 161. 


— 


366 


die Metzer Sammlung von den vereinigten Trierer Sammlungen dank 
der Schaffung eines Provinzialmuseums zu Trier (1877) insbesondere 
durch die von Professor Hetiner ausgegrabenen, an Reichhaltigkeit 
einzig dastehenden Neumagener Fundstücke weit überholt. Aber auch 


Abb. 16. 


Museum Metz, Steinsaal Nr. 297: 


gef. zu Sablon, Kiesgruben Mev. 


der Zuwachs der Metzer Altertums- 
sammlung, welche im wesentlichen 
auf Geschenke von Regierung, 
Vereinen und Privaten angewiesen 
war, ist seither eine sehr beach- 
tenswerte gewesen, da zahlreiche 
Fundstücke demselben zuflossen, 
von denen nicht wenige von her- 
vorragender Wichtigkeit für die 
Kulturgeschichte nicht bloss des 
heutigen Lothringen sondern des 
gesamten Gallien und. des rö- 
mischen Reiches überhaupt sind. 
Und dabei sind nachrömische Fund- 
stücke nicht einmal berücksichtigt! 
Die nächsten Jahre nach Lorrains 
Tode waren allerdings arm an 
Eingängen, was in den politischen 
Wandlungen seine Erklärung finden 
mag; erheblich reicher werden sie 
jedoch mit dem Jahr 1878. Dass 
aber diese Bereicherung eine stetige 
sein wird, dafür bürgt die Organi- 
sation der Gesellschaft für loth- 
ringische Geschichte wie auch des 
Museums. 


Nach Lorrains Tode hat der Bibliothekar Herr Schuster die Ein- 
gänge (auch Kleinaltertümer) handschriftlich auf Blättern eingetragen, 
welche einem Exemplar des Lorrainschen Kataloges !) angebunden sind. 
Auf Grund dieser bis zum 11. Juni 1887 reichenden Aufzeichnungen 
von Schuster hat O. A. Hoffmann gelegentlich der Generalversammlung 
der deutschen Geschichtsvereine zu Metz im Jahr 1889 einen deutschen 
Katalog veröffentlicht, welcher das Verzeichnis von Lorrain bis zum 
genannten Jahre ergänzt und auch einige nach Schusters Aufzeichnungen 


!) Dieses Exemplar ist jetzt von der Stadtbibliothek dem Museum überwiesen. 


eingelaufene Stücke!) nachträgt. Dieses neue Verzeichnis berücksichtig! 
auch die damals in den Schränken des Vorzimmers zum Steinsaal 
untergebrachten Kleinfunde und weist unter den im Steinsaal auf- 


gestellten gallo-römischen Altertümern”*) — abzüglich des Nachtrags 


Abb. 17. Museum Metz, Steinsaal Nr. 305: Mercurius und Rosmerta, 
gef. zu Sablon, Kiesgruben Mey. 


(5. 1106) 77 Nummern (Nr. 286—362) und unter den mittelalter- 
lichen und neuzeitlichen Gegenständen 47 Nummern (649-695 
mehr auf als der Lorrainsche Katalog’). Später hat Hoffmann aucl 


1) Nr. 691—695 und S. 116, Nr. 364— 566. 

2) Darunter auch fränkische Steinsärge Nr. 352—359 

3), Lorrain Nr. 647-650 = Hoffmann, Steinsaal, Nr. 341. 647. 648. 285; 
einige andere Abweichungen sind schon vermerkt. Im übrigen hat Hoffmann die 


Zähluns von Lorrain beibehalten 


ein Verzeichnis der in den oberen Räumen aufgestellten Kleinaltertümer !) 
zusammengestellt, welches die Erwerbungen bis zum Jahre 1892 um- 
fasst (Jahrbuch IV,ı und V>»). Diese Verzeichnisse von Hoffmann er- 
möglichen eine —- allerdings nicht durchaus vollständige?) — Vor- 
stellung von den Beständen des Altertumsmuseums vor 10 Jahren. 


Abb. 18. 
Museum Metz, Steinsaal Nr. 305: Apollo (Rückseite von Abb. 17, verkleinert). 


Aus dem Zuwachs, dessen sich die Sammlungen seit dem Abschluss 
des Verzeichnisses von Lorrain zu erfreuen gehabt, seien von den 


!) Verschiedene gleichartige und daher zusammengehörige Fundstücke sind, 
weil in verschiedenen Räumen untergebracht, auseinander geraten, so ausser den 
bereits erwähnten Webersteinen und Thonlampen u. a. auch die Stücke des Brique- 
tage (Steinsaal, S. 18, Schrank IV unter Nr. 3 und Oberstock Pult III B, Jhb. V», 
S. 174). 

?) Ausser den gelegentlich erwähnten Gegenständen, welche in die Ver- 
zeichnisse von Hoffmann nicht aufgenommen sind, obschon sie vor 1892 im Mu- 
seum vorhanden waren, seien beispielsweise genannt: die Holzschnitzereien (zwei 
sind abgebildet Lothr. Kunstdenkmäler Nr. 40) ; einige Gegenstände der Sammlung 
Migette: der Gypsabguss der Reiterstatuette Karls d. Gr. (Original aus dem Melzer 
Domschatz, jetzt im Musée Carnavalet zu Paris). Vgl. später. Leider sind aber 
auch Stücke abhanden gekommen, wie das Bleirelief bei Hoffmann, Kleinaltert. 
S. 33 — Jhb. IV,ı, S. 218; der Votivring bei Robert pl. II, 3 (vgl. I S. 40) und, falls 
nicht ein Irrtum vorliest, die bronzene Helmmaske bei Hübner, Bonn. Jhb. 53/54 
D. LOL: 


— 369 — 


älteren Fundgegenständen nur aufgeführt die Ziegelstempel, welche zu 
Grabfunden in Sablon Nov. 1877 gehören (Dupriez, Mém. Acad. Metz 
1877/78 S. 256): Nr. 291, wo aber der dritte, ebenfalls vorhandene 


Abb. 19. Museum Metz, Steinsaal Nr. 313: 
Mercurius im gallischen Rock, darüber Weihinschrift; gef. zu Sablon, 
Kiesgruben Mey. 


Stempel fehlt!). Weit wichtiger sind die Erwerbungen der nächsten 
Jahre. Denn im ‚Jahre 1878 kamen die Bruchstücke der Mertener 


1) Dieser Stempel, von Dupriez (S. 256) unrichtig gelesen, ist rückläul 
geschrieben und lautet: IVINCINTIVS d. i. Vincintius = Vincentius. Ausseı 
diesem gestempelten Ziegel habe ich noch vier vorgefunden, die Hoffmann, Stein- 
saal, übersehen hat: EX VPERANTIVS (rückläufig 


— . 3 — 


Säule ins Museum, welche Herr Bildhauer Dujardın im Jahre 1885 zu- 
sammengesetzt hat (Nr. 294: F. X. Kraus, Bonner Jahrb. 64. 1878. 
S. 94— 99, mit Tafel VII, und Kunst und Altert. in Elsass-Lothr. II 
S. 316— 325 mit Abbildungen: Aug. Prost, Le monument de Merten, 
39 S. 8°, mit Abbildungen, S. A. aus Revue archeologique, Janvier 
et Février 1879: Ch. Abel, Mem. Soc. Mos. XVI, 1, 1885, S. 1—39 
mit 9 Tafeln; O. A. Hoffmann Jahrbuch I S. 14—39 mit Tafel). Dazu 
sesellten sich in den folgenden Jahren der Tragaltar des Cissonius 
(Nr. 296, vgl. die Abbildung des Steinsaales), welcher bei Anlage der 
kisenbahn Hargarten—Beningen bei Karlingen gefunden wurde !): weiter 
die Fundstücke aus den Kiesgruben des Herrn Mey zu Sablon (Nr. 297. 
304—328; F. Möller, Westd. Zeitschr. II S. 249ff.), darunter Weih- 
inschriften an die einheimische Göttin Icovellauna?), eine Statue der 
Victoria (R. Kekulé, Westd. Zeitschr. I S. 291—293 mit Tafel VI; Ab- 
bildung auch auf dem beifolgenden Bild des Steinsaales) sowie die beifol- 
gend Nr. L6— 20 abgebildeten Fundstücke, drei Steindenkmäler *) und ein 


ADIVTEX mit einem als Revisionsstempel (?) zwischen I und V ein- 
seschobenen, etwas schräg gestellten d; Fundort: Citadelle zu Metz (Ledain, 
Plusieurs notices d’arch&ologie 1880 = Mém. Soc. Mos. XV, 1879, S. 173, unten, 
und 8. 196 mit Tafel, Nr. 11); 

ADIVTEC; Fundort: Citadelle? (das im Museum befindliche Ziegelstück 
ist m.E. nicht das von Ledain a. a. O.S. 174 und S. 195 mit Tafel, Nr. 3, auf- 
geführte Bruchstück) ; 

VTECEBEN d. i. |Adilutece Ben.; Fundort: Citadelle zu Metz (Ledain 
a. à. O.S. 174 und S. 196 mit Tafel, Nr. 10. — Irrtümlich giebt Hoffmann, 
Westd. Zeitschr. IX S. 282, Nr. 369, als Fundort Bettingen wie Steinsaal Nr. 299 
an). — Den bereits Steinsaal Nr. 335 verzeichneten Stempel hat Hoffmann, Westd. 
Zeitschr. IX S. 283 irrtümlich als neue Erwerbung Nr. 370 aufgeführt. Der Stempel 
des vollständig erhaltenen Ziegels lautet: VINCENTI (mit dem Spiegelbild 
von N), ausserdem ist ein Bruchstück vorhanden mit den Endbuchstaben dieses 
Namens. Beide Ziegel stammen aus Oberkonz (Möller, Westd. Korrbl. II, 139,1). 
Die 6 Zahlenstempel sind von Hoffmann, Steinsaal Nr. 319, ungenau wiedergegeben. 


1) Nach der freundlichen Mitteilung des Herrn Baurats Dr. Laubenheimer 
zu Sablon gef. im Staatswald »Rondheitgen« zwischen Karlingen und der ersten 
Wegeüberführung nach dem Staatswald zu. Ebenda wurden auch Skulpturstücke 
(Reiterfigur) gefunden; ein Pferdekopf im Besitz des Herrn Laubenheimer, der 
Verbleib der anderen Stücke unbekannt. Bei Anlage des zweiten Geleises (1896) 
wurde an der Fundstelle nichts gefunden. 


?) Auch die beiden Bronzetäfelchen habe ich vorgefunden; vgl. Westd. 
Zeitschr. XVII S. 374 Anm. 7 = Jahrb. XI S. 378 Anm. 1. 


3) Vgl. die Nachweise zu den Abbildungen. 


— 911 — 


Weinseiher t); desgleichen die Grabfunde von der Lunette d’Arcon am 
Hauptbahnhof (Hoffmann, Steinsaal Nr. 300—303 und S. 91T. ; F. Möller, 
Jahresber. d. Ver. f. Erdkunde III S. 114 ff. mit Abbildungen) und die 
für die Bedeutung des Dorfes Decempagi wichtigen Funde aus Tarquin- 
pol Nr. 352--362, worunter besonders beachtenswert die mit Reliefs 
oder mit Resten der Bauinschriften ausgestatteten Blöcke von grossen 
Bauten Nr. 356 (Abb.: Jhb. Vll,e, S. 185 — Westd. Zeitschr. XV S. 342) 
und Nr. 357. 359, ferner die Grabdenkmäler Nr. 358 und 361 sowie 
die Reste einer weiblichen Marmorstatue Nr. 362. Ausserdem seien 
noch erwähnt Fundstücke aus Ausgrabungen von Villen römischer Zeit 


Abb. 20. Museum Metz: Weinseiher mit zugehöriger Casserolle 


aus vergoldeter Bronze : gef. zu Sablon, Kiesgruben Mey (Jhb. IV,ı, 211). 


zu Bettingen im Kreis Forbach (Jahresber. des Ver. f. Erdkunde TI 
S, 781.) und zu Tetingen im Kreis Bolchen (Nr. 336, Mosaik in vier 
Teilen, die noch zusammenzusetzen sind; vgl. Kraus III S. 986 ff. mit 
Abbildungen), sowie die Ziegel Nr. 551a—c aus einer Villa zu Ruhlingen 
(Kreis Saargemünd). Alsdann verdienen ausser den 1885 geschenkten 
drei letzten Bruchstücken des altchristlichen Sarkophags Ludwigs des 
Frommen (zu Nr. 463-466) hervorgehoben zu werden die frühmittel- 
alterlichen Reliefs aus Moulins und Scy Nr. 685. 686. Endlich mögen 
noch genannt sein die Statuen des h. Livarius und des h. Sebastianus 
Nr. 683. 689, ein Gypsabguss von der Inschrift des Barbara - Thores 
(Porte S. Barbe) Nr. 687 und die von Boissard gefälschte Steininschrili 


1) Ein kleineres ebenda sefundenes Paar hat Herr Fabrikant Huber zu 


Saargemünd für seine Sammlung erworben. 


— 572 
Nr. 366 (Hoffmann, Steinsaal S. 116 und Westd. Zeitschr. VIII S. 246; 
s. Jahrbuch VII, S. 38). Zu dieser bis zum Erscheinen des Hoff- 
mannschen Kataloges über den Steinsaal (1889) reichenden Zusammen- 


Abb. 21. Museum Metz: 
1—4) Bronzestatuetten und 5) Bronzebüste des Mercurius (Jhb. IV ı, 216). 


stellung kommen aber für die nächste, von Hoffmann im Verzeichnis 
der Kleinaltertümer noch berücksichtigte Zeit hnzu insbesondere die 
(regenstände der Sammlung Migette!) und der von der Gesellschaft 


1) Die von Aug. Migette der Stadt Metz geschenkte Sammlung, welche 
vorher im Stadthaus untergebracht war, wurde 1889 ins Museum überführt. Ueber 
den Hauptbestandteil des hochherzigen Geschenkes, Zeichnungen und Gemälde, 
vgl. unter © (Gemäldesammlung). Das von Misette selbst zusammengestellte, auf 
der Stadtbibliothek aufbewahrte Verzeichnis seiner kleinen archäologischen Samm- 


lung hat Bellevove herausgegeben: Mém. Soc, Mos. XVII (1887) S. 265—295 (auch 


— 3093 — 


für lothringische Geschichte angekaufte Teil der Sammlung des 1889 
verstorbenen Pfarrers Merciol!) zu Morville bei Vic. Der letzterwähnten 


1 à 3 | D 


Abb. 22. Museum Metz: Bronzestatuetten 1) des Mercurius, 2) des Hercules, 
3) der Venus, 4—5) der Minerva (Jhb. IV, 217, a—b). 


Schenkung verdankt die Sammlung der Kleinaltertümer einen guten 
Teil ihrer Bestände. So entstammen nicht nur die in Hoffmanns Ver- 


besonders erschienen); ausschliesslich der Münzen enthält dasselbe 107 Nummern 
Vel. Hoffmann, Westd. Zeitschr. IX S. 282—283 und Kleinaltertümer an den betı 
Stellen (auch die hier S. 37 = Jhb. Vo, S. 175 aufgeführten zwei Sichelmesseı 
aus Bronze gehörten zur Sammlung Migette Nr. 72 und 92; eines derselben ent- 
stammt ebenso wie ein S. 36 = Jhb. S. 174 verzeichneter Kelt dem Depotfund im 
Wald von Pouilly (Herbst 1867); s. Bull. Mos. XI. 1868. S. 70, vgl. ebenda S. 10 
Von den bei Hoffmann nicht verzeichneten Stücken der Sammlung Migette seien 
genannt: Nr. 15 Maria mit Jesuskind und Mutter Anna, Gruppe ın Holz. Nr. 104 


boîte d’autel portatif«, spätmittelalterlich: bemalt: auf dem inneren Boden 
Christus; auf der Innenseite des Deckels umlaufend LE Culm) sum(m)a cur: 
serventur | lintea munda Coirporis hie XPI (= Christi) quod munda cri 
mina | + mundi +; auf der Standfläche des Kastens zwischen den vier Füssen 
dat munus vit(a)e | credelnti mobs (so statt: mors) tua | bis p + (d. h. per crucem 

1) Vol. Mém. Acad. Metz LXXI, 188990 S. XII f S.13 und S.119-—121; 
Jahrbuch II S. 373 (vel. unter B, Münzen). Der llauptteil der Sammlun elanste 


als Geschenk ins Musée historique lorrain zu Nancy. 


zeichnis S. 34/35 = Jhb. Vy, S. 172/173 verzeichneten Werkzeuge 
und Waffen der älteren Steinzeit, die freilich teilweise zweifelhaft er- 
scheinen, mit Ausnahme von zwei ausländischen Stücken, allesamt der 
Sammlung Merciol, sondern auch z.B. die S. 20—22 — Jahrb. IV, 
5. 205—206 aufgezählten geschnittenen Steine gehörten zu dieser 
Sammlung (vgl. Jahrb. Il, S. 370—371). Ueberhaupt lehrt eine auch 
nur flüchtige Durchsicht des genannten Verzeichnisses augenfällig, wie- 
viel gerade die Sammlung der Kleinaltertümer schon damals der erst 
1888 gegründeten Gesellschaft für lothringische Geschichte verdankte }). 


Abb. 23. Museum Metz: Bronzestatuetten: 1) Genius (Jhb. IV,ı, 218); 
2) Vulcanus (Jhb. IV,ı, 217); 3—4) Hahn und Adler (Jhb. IV,ı, 214); 
5) Bock (aus Lörchingen, eing. 1899). 


Die Aufzeichnung der Steindenkmäler und Kleinfunde durch Hoff- 
mann giebt aber nicht allein eine Vorstellung von den damaligen Be- 
ständen der Altertumssammlung, sondern gestattet auch ein Urteil über 
das Wachstum derselben in dem letzten Jahrzehnt. Dass die Samm- 
lung in dieser Zeit ganz erheblich gewachsen ist, wird die folgende 
Uebersicht zeigen. Freilich sind die Vermehrungen nicht nach allen 
Richtungen gleichmässig gewesen, wie ja eine solche Gleichmässigkeit 

1) Erwähnt sei wenigstens das Reliquiarium von Warsberg (Jhb. I S. 257 — 266 
mit farbiger Abbildung; Jhb. Vo, S. 182 = S. A. 44). 


durch Glück und Zufall bei Ausgrabungen und Funden ausgeschlossen 
ist. So stehen beispielsweise von den Abb. 21-24 dargestellten 
21 Bronzen nur vier noch nicht in Hoffmanns Verzeichnis!), während 
von den Abb. 25—30 abgebildeten 11 Terrakotten sieben daselbst 
fehlen ?). 


Abb. 24. Museum Metz: Bronzedarstellungen: 1—2) Hunde und 3—4) Schweine 
(Jhb. IV1, 214); 5—6) Amulete zum Anhängen (Jhb. IV1, 214, 215). 


Wenn ich aber jetzt diese Darstellung der Entwicklung des Alter- 
tumsmuseums abschliesse mit einem Ueberblick über den Zuwachs 
während der letzten Jahre und insbesondere während des (reschäfts- 


1) Abb. 22, 1—2: Mercurius und Hercules (»neu erworben, gef. in Sablon 
3: Venus, Herkunft unbekannt; Abb. 23, 5: Bock aus einem röm. Gehöft beı 
Lörchingen, eing. 1898 (Westd. Zeitschr. XVII, S. 373,3 = Jhb. XI, S. 376,3). Ausser- 
dem eine hier nicht abgebildete Merkurstatuette aus den Resten eines Gebäudes 
bei Büdingen (Kr. Forbach), eing. 1898: Westd. Ztschr. XVII, S. 373,8 = Jhb. XI 
377,3. Aber auch mehrere Bronzestatuetten des früheren Bestandes sind hier n 
abgebildet, wie Hoffm., Kleinalt. S. 32 (Jhb. 217): Herakles, Juppiter a (/ 
nicht hierher), Minerva ce. 

) Abb. 27./s; Abb. 28—29: Abb. 30.2-3 Sie sehören alle u di Fund 
vom Marxberg zu Saarburg i. L. ebenso wie das von Hoffmann, Kleinaltert. 5. 9 
(oben) = Jhb. IV, S. 194 bereits verzeichnete Bruchstück Abb. 30, 


jahres 1900, so trenne ich dabei die Vermehrungen der einzelnen, den 
geschichtlichen Zeitabschnitten entsprechenden Abteilungen, wie sie zu 
Sondersammlungen der vorgeschichtlichen, der römischen, der mero- 
vingischen Zeit sowie des Mittelalters und 
der Neuzeit herangewachsen waren. Alle 
diese besonderen Sammlungen umfassen 
hauptsächlich Fundstücke, welche dem 
einstmaligen Gebiet der Mediomatriker und 
der römischen ’eivitas Mediomatricorum 
oder dem früheren Moseldepartement bezw. 
dem jetzigen Lothringen entstammen. An- 
gegliedert haben sich einige Altertümer 
römischer Zeit, welche den benachbarten 
Gegenden angehören, mit den Funden des 
Metzer Landes jedoch verwandt sind, wie 
die Steindenkmäler 


Abb. 25. Museum Metz. 


Bruchstück der Thonfigur aus Arlon und 
eines Pferdes, gef. Metz Soulosse. Dagegen 
(Jhb. IV,ı, 193). a 


Stücke aus entlege- 
nen Teilen des römischen Reiches in die Metzer 
Sammlung durch Geschenk gekommen), und 
ebenso sind auch den anderen genannten Ab- 
teilungen ausländische Gegenstände mehr oder 
weniger fremd°). Nur sind zwei kleine Samm- 
lungen von den genannten Sonderabteilungen zu 
scheiden und dürfen als bescheidene selbständige Abb. 26. Museum Metz: 


Abteilungen betrachtet werden, nämlich die Bruchstück einer Thon- 
figur, gef. Metz, 
Mabillenstrasse 
(Jhb. IV, 193). 


ägyptische Sammlung, Mumien, Bronze- und 
Holzstatuetten, welche früher der capitaine du 
génie Le Génissel u. a. und neuerdings (1896) 
der preussische Oberleutnant Schwabe geschenkt haben?), sowie die 


1) Ich meine aus Italien stammende Stücke römischer Zeit der Sammlung 
Campana, wie eine Thonlampe (Lorrain LXXII = Hoffmann, Steinsaal S. 16 Nr. 50f) 
und die Frauenstatue aus Marmor (Nr. 155); ferner Fundstücke aus Carthago, 
eing. 1899 (Westd. Zeitschr. XIX, S. 359); eine Thonlampe mit Gladiatoren- 
darstellung, aus Algier; u.a. 

?) Es fanden sich z. B. Gegenstände vor, die in den Rahmen einer ethno- 
graphischen Sammlung passen. 


®) Vgl. Hoffmann, Kleinalt. S. 30-—31 = Jhh. IV,ı, S. 215—216 (dabei eine 
Favence-Statuette der Sammlung Migette; Antinoos ist wohl modern; die moderne 
Sphinx gehört nicht hierher); Westd. Zeitschr. XVI, S. 315. — Thon-Stempel, der 


Gesellsch. f. lothr. Gesch. geschenkt von Herrn Pfarrer Colbus aus Altrip (1901). 


sriechisch-etruskischen Altertümer, welche fast ausschliesslich aus dei 
Sammlung Campana herrühren '). 


Abb. 


7. Museum Metz. Thonfiguren einer Göttin: 1) gef. Metz; 


2 
2—3) (zusammengehörig), gef. Saarburg i. L., Marxbere. 


I. Vorgeschichtliche Zeit. 


In den 80er Jahren war die vorgeschichtliche Sammlung noch 
sehr arm, obschon vorgeschichtliche Funde in Lothringen gewiss nicht 
selten sind. Private Sammelfreude hatte eben die Fundstücke andere 
Wege geführt. Erheblichen Zuwachs brachte insbesondere der Zugang 
der Sammlung Migette?) und des von der Gesellschaft für lothringische 
Geschichte erworbenen Restes der Sammlung Merciol”), so dass das 
Verzeichnis der Kleinaltertümer von Hoffmann (S. 54—39 = Jhb. V», 
S. 172--177) schon einen stattlichen Bestand aufweist. Weit wichtigere 
Bereicherung aber verdankt die Sammlung den allerletzten Jahren, 


1) Vol. oben S. 361. 


2) Doch sehören die bei Hoffmann a. a. O. S. 37 = 175 aufgeführt: 
spitze« (moderne Gitterspitze), sowie die Schöpfkelle und der (rümis( > 
löffel, S. M. 38. 86. 87, nicht hierher. Anderseits entstammen 
beiden Erzsicheln (S. 37 = 175) und ein Armring (S. 38 176 m Wa 
von Pouillv der Sammlung Misette. 


8) Vol, Hoffmann, Kleinalt. S, 1 = Jhb. IN S. 186 


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welche als Geschenk der Gesellschaft für lothringische Geschichte und 
als Ergebnis der von ihr veranlassten Ausgrabungen eine grosse Zahl 
‘von Fundstücken gebracht haben, wie sie im Metzer Museum noch 
nicht vertreten waren und die teilweise überhaupt zu den Seltenheiten 
gehören. Man darf sagen, dass die vorgeschichtliche Sammlung des 
Metzer Museums sich seit 1897 an Zahl, noch mehr aber an Wert 
der Fundstücke verdoppelt hat. Besonders reich ist der Zugang an 
Erzeugnissen der Bronze- und Hallstatt-Kultur, weniger an solchen der 
Steinzeit. Doch liefen in diesen Tagen fünf schöne Stücke der jüngeren 
Steinzeit ein, vier Aexte aus Feuerstein und vor allem ein langer 
Hammer aus Serpentin mit einem spitzen und einem stumpfen Ende 
sowie einem Bohrloch, Stücke, welche in den Kiesgruben des Herrn 
Unternehmers Weis bei Longeville neben dem Eisenbahndamm !) ge- 
funden sind und mit anderen daher stammenden Fundstücken von 
Herrn Weis durch Vermittlung des Herrn Dr. Ernst der Gesellschaft 
für lothringische Geschichte geschenkt wurden. Im übrigen beschränkt 
sich der Zuwachs der steinzeitlichen Sammlung auf das in der Westd. 
Zeitschr. XIX, 357,1 (vgl. Jhb. XI, 381) angeführte Geschenk des Herrn 
Direktors Paulus (1899) und auf wenige sonstige Stücke, welche einer 
Fundstelle bei Ewendorf (Gemeinde Kirchnaumen) auf dem Schirm- 
acker bei Marienhof entstammen und von den Herren Lehrer Eschen- 
brenner und Rentmeister Nürck der Gesellschaft f. lothr. Gesch. freund- 
lichst überlassen (1900) oder kürzlich von Herrn Auvray zu Cherisev 
(s. u.) dem Museum geschenkt wurden (März 1901). 

Aus der Metallzeit ist an erster Stelle zu nennen der Depotfund 
aus Niederjeutz bei Diedenhofen (1898), zu dem als Ergänzung jetzt 
(1900) ein zweiter Depotfund aus demselben Niederjeutz sich gesellt 
hat, welcher die Verwandtschaft dieser Funde mit den Depotfunden 
von Wallerfangen im Kreis Saarlouis (jetzt im Museum zu S. Germain- 
en-Laye) und von Frouard (jetzt im Museum zu Nancy) bestätigt: 
s. die Tafel-Abbildungen mit den zugehörigen Bemerkungen. Als- 
dann sind von Wichtigkeit die Ergebnisse der Hügelgräber im Weiher- 
wald bei Saaraltdorf (Kreis Saarburg i. L.), welche im Auftrag der 
Gesellschaft für lothr. Geschichte Herr Notar Welter aus Lörchingen 
untersucht. Mit Erfolg geöffnet sind bis jetzt (1899 und 1900) sieben 
Gräber, von denen das erste (1899) die wertvollste Ausbeute, darunter 
die beiden — Spitzenmanschetten vergleichbaren — bronzenen Arm- 


1) Von derselben Fundstelle oder doch aus der Nähe stammt der von Hoff- 
mann, Westd. Zeitschr. XI, 229 und Kleinalt. S. 35 = Jhb. Vs, S. 173 unter € auf- 
geführte kleinere Steinhammer (angekauft 1890). 


Ra 


bänder (Jhb. XI, 3812: Wd. Ztschr. XIX, 357f.), die folgenden (1900) 
bronzene, den drei bei Schalbach (s. u.) gefundenen Armbändern ent- 
sprechende Armbänder nebst Lignitringen u. a. lieferten. Dazu kamen 
(1900) die Fundstücke, welche die von der Gesellschaft f. lothr. Gesch. 
veranlasste Untersuchung zweier Hügel mit Brandgräbern der Hallstatt- 
Zeit im Grossenwald bei Waldwiese (Kanton Sierck) ergab: zwei Thon- 
gefässe und Scherben von anderen Thongefässen : die Bruchstücke eines 
eisernen Dolches und viele bronzene Hals- und Gelenkringe!), hohl 
und massiv, geschlossen und offen, glatt und gerippt, teilweise (soweit 
erkennbar) um einen Kupferdraht gegossen, dabei ein massiver Hals- 
ring im Gewicht von 438 g. Nur zum kleinen Teil kamen dem 
‚Museum zugute (1898) die Funde aus einem Hügelgrab bei Schalbach 
(Kreis Saarburg i. L.) und einem Grab im Gelände des jetzigen Bahn- 
hofes Kalhausen (Kreis Saargemünd), welch letztere grösstenteils irr- 
tümlich an die Gesellschaft für Erhaltung der geschichtlichen Denk- 
mäler im Elsass zu Strassburg abgeliefert wurden (Jhb. XI, 374—375 
— Westd. Zeitschr. XVII, 372,;_,). Ausserdem sind noch zu nennen 
zwei herzförmige Gelenkringe mit zwei Hohlkelten, angeblich aus Sablon 
(1896: Wd. Ztschr. XVI, 315), ein Lappenkelt und ein Hohlkelt aus 
der Mosel bei Corny (Jhb. XI, 374 — Wd. Ztschr. XVIH, 372,2), das 
eine Endstück eines Halsringes aus der La Tene-Zeit von Hof Freywald 
(Gemeinde Bettborn bei Finstingen), Geschenk des Herrn Jos. Schantz 
Junior. daselbst (1900), und schliesslich Funde aus dem Briquetage der 
Seille (Wd. Zschr. XVI, 315 und XVII, 350), dabei die Hälfte eines 
dicken Ringes aus Gagat (?). 

Eingehendere Mitteilungen mit Abbildungen dieser vorgeschicht- 
lichen Funde wird der nächste, gelegentlich der allgemeinen Jahres- 
versammlung der deutschen Gesellschaft für Anthropologie zu Metz im 
August 1901 erscheinende Band dieses Jahrbuches bringen. Doch sind 
gegenwärtigem Bericht bereits Abbildungen der beiden Depotfunde in 
Niederjeutz beigegeben, weil die Stücke derselben teilweise überein- 
stimmen mit den Stücken des zum Forschungsgebiet der (Gesellschaft 
für nützliche Forschungen und des Provinzialmuseums zu Trier ge- 
hörenden Depotfundes von Wallerfangen. Dank dem liebenswürdigen 
Entgegenkommen des Konservators des Musee lorrain zu Nancy, Herrn 
Lucien Wiener, und dank der freundlichen Vermittlung des Professors 
an der Universität Nancy, Herrn Pfister, sind dieselben begleitet von 

1) Einen bereits früher zufällig gefundenen Armgelenkring hat Herr Rent- 
meister Nürck, der auch später die örtliche Leitung der Ausgrabungen freund- 
lichst übernahm, der Gesellschaft f. lothr. Geschichte geschenkt 


2 134860 ‘= 


Abbildungen des gleichfalls mit dem Wallerfanger Fund verwandten 
Depotfundes von Frouard. 


Abb. 28. Museum Metz. 
Thonfiguren: 1) Reiter, gef. Metz ; 2—4) Göttin, gef. Saarburg i. L., Marxberg. 


ll. Zeit der römischen Herrschaft. 


Auch die letztjährigen Funde römischer Zeit verdankt das Museum 
mit wenigen Ausnahmen der Gesellschaft für lothringische Geschichte. 
Der Vortritt gebührt hier den Funden, welche’in und bei dem im Jahre 
1895 ausgegrabenen') Mithräum am Rebenberg zu Saarburg i. L. ge- 
macht wurden : v. Fisenne, Jahrbuch VIIL:, S. 119--175 mit vielen 
Abbildungen; Wendling, Westd. Korrbl. XIV, 108: Michaelis. Jahr- 
buch VIl:, S. 154—163; Keune, Westd. Korrbl. XV, 20 und Westd, 
Ztschr. XV, S. 333—342, vgl. Jhb. IX, S. 338—340; Sal. Reinach, 
tevue celtique XVII (1896) S. 45—59 (»Sucellus et Nantosvelta«); 


Zu den Ausgrabungen hat die Stadt Metz — absesehen von den Neben- 
en 1500 M. beisesteuert 


— 381 — 


Cumont'), Textes et monuments figures relatifs aux mystères de 
Mithra, Tome II (1896) S. 510—519, Nr. 2734, mit Tafel IX und 
Fig. 464—478; Auszug von Lehner im Archäolog. Anzeiger, 1897, 
S.8—10; Abbildungen der Altäre 
des Sucellus und der Nantos- 
velta auch in den Lothring. 
Kunstdenkmälern Nr. 1. 
Nächst dieser hervorragenden 
Erwerbung mögen die Funde 
erwähnt werden, welche gleich- 
falls zu Saarburg in L. und 
zwar auf dem Marxberg ge- 
macht wurden (Bonn. Jhb. 90, 
S. 206/207; Lothr. Jhb. II, 
418—422) und welche dem 
Museum ausser römischen Mün- 
zen und Gefässen auch die bei- 
folgend dargestellten Thonfiguren 
zuführte, s. Abb. 27,2/3 (zwei 
Stücke der Büste einer »Mutter- 
göttin«); 28,2 mit Rückseite 
29,1 (stehende Göttin mit Kind 
auf den Armen); 28.3 mit 
Rückseite 29,2 (sitzende Göttin 
mit Aehre in der rechten und 
Apfel in der linken Hand); =8,4 Museum Metz: Thonfiguren einer Göttin, 
(sitzende Göttin mit Früchten im Rückseite von Abb. 282 und 3 (vergrössert). 
Schoss); 30,1 und 2 (» Mutter- 

söttinnen«, die zweite mit Füllhorn) ; 30.3 (Venus); vgl. Wichmann, Jhb. 
VI. 317—323. Die 28.1 abgebildete Reiterfigur (eing. 1899) ist bei Metz 


1 2 


Abb. 29. 


1) Aus den Ausführungen von Cumont sei hier wiederholt, dass nach seinei 
Auffassunge die im Jahrbuch VIL:, S. 147 abgebildete Figur 3 (= Cumont, 
Fig. 472) vielleicht Hermes mit dem Hahn darstellt, Fig. 34 (= Cumont, Fig 170 
möglicherweise von einer Darstellung der Felsgeburt des Mithras herrührt und 
Fig. 37 (= Cumont Fig. 474) Sol sein könnte. Gegen v. Fisenne's Urteil über 
vorgefundenen Tierknochen Jhb. VIUL,:, S. 164/165 macht er (S. 518,x) mit N 
die in anderen Mithräen festgestellten gleichartigen Knochenfunde gelten 
z. B. Westd. Ztschr. XII, S. 57. Dagegen ist Cumonts Ergänzung S. 44 
épigraphiques, Nr. 491 €): >»... de] suo .. dedi?]t it(erum nm: I 
dachte an: >»... templum in] suo eonsltit{uit) oder [consItitiutum) slıgnıs 


navitls; statt »constit.« wäre natürlich auch »restit,« de nkba 


sefunden : s. Jhb. XI, 382 und Westd. Ztschr. XIX, 358, 2. Von Götter- 
steinen sind zu nennen die Göttin mit dem Füllhorn aus Settingen 
(Jahrb. IX, 334—337, Abbildung wiederholt Westd. Ztschr. XVII, 352); 
die zwei Bruchstücke einer Nantosvelta (?) aus Kirchnaumen (Jhb. IX, 


Abb. 30. Museum Metz. Thonfiguren, gef. Saarburg 1. L., Marxberg. 


337—341, Abbildung wiederholt Westd. Ztschr. XVII, 353), dem Museum 
geschenkt von Herrn Schmit-Weistroffer '); Merkurbilder, aus der 
Gegend von Hültenhausen mit Weihinschrift (Jhb. IX, 325f.) sowie die 
beiden entsprechenden Darstellungen aus Oberhomburg und dem Linger 
Wald bei Enchenberg (Jahrb. XI, 382/383 — Westd. Zeitschr. XIX, 
358/359); vgl. auch Westd. Ztschr. XV, 344, 2 aus Ober-Valette: 
auch zwei mehr oder weniger zweifelhafte Stücke eines sogen. Giganten- 
reiters (Westd. Ztschr. XVI, 315/316); schliesslich der im Staatswald 
Gustal zwischen Kneuttingen und Fentsch gefundene Markstein eines 
Kreuzweges (eing. März 1900), s. Abb. 31 mit den zugehörigen Be- 
merkungen, und ein rohes Reliefbild der Diana, gef. Bann Freybusch 
(Kanton Grosstänchen), der (Gesellsch. f. lothr. Gesch. geschenkt von 
Herrn Pfarrer Colbus (1901). 


') Zu den bereits früher von Herrn Schmit-Weistroffer geschenkten, dem- 
selben Fundort entstammenden Münzen (Jhb. IX, 338,1) hat er i. J. 1900 noch eine 
barbarische Prägung des 3. Jhdts. und eine des Constantinus iun. nob. (., Rs. 
Providentiae Caess. hinzugefügt. — Aus Kirchnaumen stammen auch die beiden 

J. 1900 von den Herren Lehrer Eschenbrenner und Rentmeister Nürck der 
Gesellschaft f. lothr. Gesch. geschenkten Münzen des Antoninus Pius (Denar), Rs. 
Adventus Augusti, und der Faustina Augusta (Grosserz), Rs. Fecunditas und SC. 


Sehr ergiebig waren die Ausgrabungen von gallo-römischen Grab- 
feldern. Auf Kosten der Regierung und mit Unterstützung des Kon- 
servators für Lothringen, Herrn Baurats Tornow, führte Herr Pfarrer 
Bour zu Rosslingen (jetzt in Deutsch-Oth) im Jahre 1893 Grabungen 
bei Morsbach unterhalb des Herapel aus: vgl. Bonn. Jahrb. 94, 174 
und Lothr. Jahrb. V,e, 256. 242. 
Zu den bereits damals dem Mu- 
seum überwiesenen Fundstücken 
wurden im ‚Jahre 1900 noch 
etliche und darunter mehrere 
charakteristische Stücke nach- 
geliefert. Da für diese wie für 
die im folgenden erwähnten 
Ausgrabungen eine besondere 
Bearbeitung vorbereitet ‘ist, so 
kann auf diese verwiesen werden. 
Von der (resellschaft für loth- 
ringische Geschichte wurden 
unter örtlicher Leitung des Herrn 
Notars Welter aus Lörchingen 
Grabfelder im Wald Neu- 
Scheuern bei S. Quirin, im Wald 
bei Ober -Valette, Gemeinde Al- 
berschweiler !), und im Bann- 
wald bei Hültenhausen unter- 
sucht, nachdem bereits vorher Abb. 31. Museum Metz: Markstein eines 
Fundstücke von den beiden Kreuzweges aus dem Staalswald Gustal 
letztgenannten Stellen ins Mu- zwischen Kneuttingen und Fentsch. 
seum gelangt waren; s. Westd. 

Zisehr.- XV, 344/345; . XNVI,.:316 : .XMVIL,.351—352 ;. XVIIL, 372 

373: Jahrb. IX, 326—330 und XI, 375-376. Viele Kleinfunde 
brachten die im Auftrag der Gesellschaft für lothringische Geschichte 
von Herrn Baurat Morlok und Herrn Professor Dr. Wichmann ge- 


leiteten Ausgrabungen zu Tarquinpol-Decempagi, und im Jahre 1900 
liefen auch die bereits Westd. Ztschr. XV, 342—343, Fig. 4—6 
angekündigten und nach Jhb. VII, abgebildeten Steindenkmäler mit 
anderen Steinen (Architekturstücken und Bruchteilen figürlicher Reliefs) 


!) Aus diesen Ausgrabungen bei Ober-Valette gelanste 1900 noch ein ın- 
zwischen von Herrn Oberregierungsrat Poehlmann zusammengesetztes Thongefäss 


(ähnlich Koenen XVI:) ins Museum 


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aus Tarquinpol ein; s. Wichmann, Jhb. III, 412—417; IV», 116—166: 
VIle. 173-—-194. Weiter hat Wichmann auf Kosten der genannten 
Gesellschaft und später der Regierung eine Villenanlage zu S. Ulrich 
bei Saarburg i. L. ausgegraben, deren Fundstücke dem Museum über- 
wiesen sind; vgl..Jahrb. VI, 313ff.; X, 171ff.; XI, 377,5 = Westd. 
Ztschr. XVII, 373. Andere Gehöfte römischer Zeit bei Lörchingen 
und zu Neufmoulins hat Herr Welter im Auftrag der Gesellschaft für 
lothr. Geschichte ausgegraben (Wd. Z. XVII, 373,3,4; Jhb. XI, 376 f.), und 
diesen ist im Jahre 1900 eine solche Anlage zu Laneuveville bei Lörchingen, 
Gut Zufall, gefolgt!); alle brachten dem Bestand an Kleinaltertümern 
lehrreichen Zuwachs. Weitere Fundstücke lieferte die von Herrn 
Dr. Wendling zu Diedenhofen im Jahre 1900 übernommene und auf 
Kosten der nämlichen Gesellschaft durchgeführte Untersuchung römischer 
Baureste im Garten des Herrn Krämer zu Niederjeutz?) neben dem 
Gelände der Aktienbrauerei S. Nikolaus, aus welchem im Jahre 1898 
ausser dem Depotfund der Bronzezeit auch Fundstücke aus einer 
Ziegelei?) römischer Zeit durch Vermittlung jener (Gesellschaft dem 
Museum zugefallen waren (Wd. Korrbl. XVII, 100; Westd. Ztschr. XVII, 
374, 11; Jhb. XI, 378, 11). Die römischen Gebäudereste »am Rödgen« 
auf der Höhe westlich von Büdingen (bei Maxstadt), ungefähr drei- 


1) Der letztgenannten Fundstelle entstammen zahlreiche Reste von Thon- 
gefässen, darunter verzierte terra sigillata und solche mit Stempeln, einer des 
Lucius (LVCIVS F), einer des Maianus, andere mit Zeichenstempeln, wie sie 
auch sonst in Lothringen gefunden sind, ausserdem z. B. zahlreiches Haus- und 
Feldgerät aus Eisen und Bronze und von Münzen ein republikanischer Denar des 
L. Flaminius sowie Kupfermünzen des Hadrian, Antoninus Pius, Mark Aurel, seiner 
Frau, der jüngeren Faustina, des Commodus, des Albinus (Rs. Fort. reduci cos IT: 
Cohen IIL?, S. 418), der Salonina, der Helena, des Constantius und Constans und 
des Magnentius. 

?) Fundstücke: Terra sigillata, ein Stück verziert mit grossem Blatt und 
Bock, eines gestempelt: Albillus f(ecit), ein grösserer und ein kleiner Schlüssel 
aus Bronze, beide verstümmelt, eine Schnalle, eine Gewandnadel (Form: Riese, 
Röm. Funde in Heddernheim 11, Tafel II, 13), ein Spinnwirtel aus Thon u.a., 
ausserdem Münzen der Salonina, des Tetricus, der Constantinopolis, des Constan- 
tinus iun. nob. C., des Constans, des Magnentius. Andere Münzen sind Eigentum 
des Herrn Dr. Wendling (Postumus; Lieinius; Constantinus I und Urbs Roma, 
Helena, Crispus; Constantius II und Constans; Magnentius) sowie des Herrn Photo- 
graphen Engel zu Diedenhofen (Tetricus, Claudius, Constantius II und Constans). 

3) Hier seien auch die beiden Ziegelstempel erwähnt, welche 1890 und 1891 
an der Stelle des ehemaligen Oberjeutz (gegenüber Diedenhofen) oder in der Nähe 
gefunden sind und welche Herr Box dem Museum geschenkt hat (1900): Vital... 
(verstümmelt) und Zupia ... Die Stelle des ehemaligen Oberjeutz ist überhaupt 
für römische Ziegel ein ergiebiger Fundort. 


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hundert Schritte von der Strasse Büdingen nach Vahl-Ebersing ergaben dank 
der Gesellschaft für lothr. Geschichte und der Vermittlung des Herrn 
Pfarrers Colbus zu Altrip ausser Hufschuhen und anderem eine Bronze- 
statuette des Merkur sowie ein silbernes Eimerchen, dessen Abbildung 
H. Wöllers (Hannover) in seiner demnächst erscheinenden Abhandlung 
über die bronzenen und silbernen Eimer dieses Typus veröffentlichen 
wird. Auch aus den Trümmern einer römischen Anlage »bei den 
Heidenhäusern«, in der Nähe von Flatten (Gemeinde Launsdorf), welche 
auf der Generalstabskarte als »Schlossruine« bezeichnet sind, lieferte 
Herr Pfarrer Chaler zu Waldwiese einige Fundstücke!); eine Aus- 
srabung dieser Baureste ist in Aussicht genommen. Indem ich für 
sonstige lothringische Funde auf meine Jahresberichte Wd. Ztschr. XVI, 
316; XVII, 373£.; XIX, 358; vgl. Jhb. XI, 377. 378. 382. 383 ver- 
weise?), führe ich hier nur noch an die der Gesellschaft für lothring. 
Geschichte von Herrn Fabrikbesitzer G. Adt jun. zu Forbach geschenkte, 
in der Nähe von Forbach gefundene emaillierte Spange aus vergoldeter 
Bronze (Jhb. IV,ı, 231f. mit farbiger Abbildung auf besonderer Tafel) 
sowie die kürzlich (März 1901) auf meine Bitte als Geschenk des 
Finders Herrn Auvray zu Cherisey ins Museum gelangten Gegenstände 
(Mém. Acad. Metz 1896/97 S. 175ff.), darunter Kopfstück einer grossen 
weiblichen Statue: Bruchstück einer Hand, welche einen länglich-runden 
(Gegenstand hält; ein durchlochtes Säulenstück ; eine kreuzförmige Grab- 
platte?); ein (zerbrochenes) Glasgefäss, mit zwei Doppelhenkeln aus- 
gestattet, nebst den seinen Inhalt bildenden Knochenresten des Ver- 
storbenen: ein Lüffelchen: Hufeisen u. s. w.f). 

Auch Metz und seine Umgebung steuerte zu der Vermehrung der 
Bestände nicht weniges bei. Eine Reiterfigur aus Thon (Abb. 28,1) 
ist schon erwähnt. Im Innern der Stadt lieferten Ausbeute der Neu- 


!) Darunter ein Stück des Marmor-Belages und Münzen des Vespasianus, 
des Constantius nob. C(aesar) mit Rs. Genio populi Romani, im Felde SF (Trierer 
Prägung: PTR), des Constans mit Rs. Gloria rei publicae (Trierer Prägung: TRS) 
und andere des 4. Jhdts, — Ueber die Fundstelle: Austrasie, 3me série, I (1842) 
S. 80. 177. 

?) Der Wd. Zschr. XVI, 316 erwähnte Löffel wurde nach freundlicher Mil- 
teilung des Herrn Pfarrers Colbus zu Altrip gefunden. — Den Wd. Zschr. XVII, 
374 = Jhb. XI, 378,10 aufgeführten Töpferstempel aus Nilvingen (Friedenshütte 
habe ich nachträglich richtig gelesen: Aunedos (mit Punkt auf der Zeile hinter V 
und schiefgestelltem Spiegelbild des N). 

3) Eine besser erhaltene gleiche Grabplatte ist noch im Besitz des Herrn 
Auvrav. Ob fränkisch ? 

*) Die anderen Fundstücke (vgl. Mém. Acad. Metz a. a. ©.) hatte Herr Auvray 
bereits an einen Altertumshändler zu Pont-à-Mousson verkauft, 


bau der Kirche S. Segolena (dabei das Bruststück des Marmorstand- 
bildes eines gepanzerten Mannes)” und die Ausgrabungen in und bei 
der Kirche S. Peter auf der Citadelle (Westd. Ztschr. XVII, 374f. = 
Jhb. XI, 379, 13. 14). Andere Funde ergaben die Gräberfelder der 
römischen Stadt. Das östliche Gräberfeld lieferte ein Brandgrab, welches 
im Jhb. VIII», 66ff. (vel. Wd. Ztschr. XV, 344) beschrieben ist!). Er- 
giebiger war das ausgedehntere südliche Gräberfeld. Am Bahnhof, bei 
der Lunette d’Arcon, in deren Umgebung schon früher zahlreiche Grab- 
funde zu Tage gefördert sind?), wurde im Sommer 1900 unter Leitung 
des Herrn Baurats Knitterscheid auf Kosten der Gesellschaft für lothr. 
(Geschichte und mit freundlicher Beteiligung einer Abteilung des Kgl. Bayr. 
Fuss-Artillerie-Regiments Nr. 2 unter Herrn Oberstleutnant Schleicher 
eine Anzahl von Skelettgräbern (ohne Beigaben) freigelegt, deren Särge 
srösserenteils aus Ziegelplatten oder Stücken von verschiedenen 
Steinsärgen oder aus verzierten und sonstigen Architekturstücken zu- 
sammengesetzt waren. Ein kleinerer trogähnlicher Sarg und Stücke, 
aus denen die Grabstälten zusammengefügt waren, wurden ins Museum 
überführt. In der aufgefüllten Erde fanden sich als Reste der älteren 
Brandgräber Scherben von (refässen, darunter ein (Grefässboden aus 
terra sigillata mit der Marke OF MO/ , also vielleicht »of(ficina) 
Mon(tani)e, vgl. Bonn. Jhb. 99, 113, 248. 

Ueber eine zweite, frühere Grabung im nämlichen Gräberfeld 
neben dem Bürgermeistereigebäude zu Sablon vgl. Wd. Ztschr. XVI, 
316; Jhb. IX, 334. Im Pachthof La Horgne wurde ein Bleisarg des 
Museums (Wd. Zschr. XVI, 317; Jhb. IX, 333/334) und etwa 150 m 
diesseits auf einem Grundstück des Herrn Colin’zu Sablon ein interessantes 
Brandgrab (Wd. Zschr. XVI, 316/317; Jhb. IX, 333) gefunden. {In einem 
anderen Grundstück des Herrn Colin, etwa 300 m diesseits von La Horgne, 
war im Dezember 1900 ein weiteres Brandgrab aufgedeckt, welches 
Herr Colin dem Museum zum Geschenk machte: Den Grabbehälter 
bildete ein Thongefäss, dem als Deckel ein Teller aus terra sigillata 
diente. Der Teller stammt aus der Töpferei des Boudus°), dessen 

*) Zu demselben Grabfeld gehörten die vielleicht noch der römischen Zeit 
angehörigen Steinsärge, welche im Sommer 1900 im Glacis des’ Forts Steinmetz 
(früher Bellecroix) an der Gabelung der Strassen nach S. Julien und Vallieres ge- 
funden und mit freundlicher Beihilfe des Kgl. Preuss. Pionier-Bataillons Nr. 16 
untersucht wurden. Dieselben enthielten Skelette ohne Beigaben; geborgen wurden 
einige Schädel. 

?) Vel. F. Möller, 3. Jahresbericht des Vereins f. Erdkunde zu Metz $. 114 ff. 

#) Vgl. z. B. Holder Alt-Celt. Sprachschatz I, 498/499; Dragendorff, Bonn. 
Jhb. 99, 66, 47; Jacobi, Saalburg, S. 318,20. 


— 387 — 


Namen die im Kreis gestellten Buchstaben der Fabrik-Marke nennen: 
BOVDVS F. In der Umgebung wurde, jedoch ohne sichtlichen Zu- 
sammenhang, unter anderem eine verstümmelte Thonlampe gefunden. 
— Auf demselben Gräberfeld wurden auch die Wd. Zschr. XVII, 374 
==. Jhb.! Xl,; 378,12: ange- 
führten Funde gemacht, die 
aber wohl nicht als Grab- 
funde angesprochen werden 
dürfen. 

Die beifolgend 32 ab- 
gebildete Schüssel aus ver- 
zierter terra sigillata, gefunden 
1900 zu Longeville bei Metz, 
wurde im Museum zusam- 
mengesetzt und, nachdem sie 
einige Zeit ausgestellt ge- 
wesen, dem Finder wieder 
ausgeliefert ; vgl. Wd. Korrbl. 
XIX, 46. 

VonNachbildungen 

römischer Steindenkmäler 
singen dem Museum zu das Abb. 32. Schüssel aus verzierter terra sigillata 
auf der Strassburger Aus- mit dem Aussenstempel des Fabrikanten; 

gef. zu Longeville 1900, 

Eigentum des Herrn Goldité däselbst. 


stellung von Kunst und 
Altertum in Elsass-Lothringen 
i. J. 1895 ausgestellt!) ge- 
wesene verkleinerte (1:6) Modell der Mertener Säule, Geschenk der 
Gesellschaft für lothr. Geschichte; ein Gvpsabguss des Felsendenkmals 
vom Donon, (reschenk der nämlichen Gesellschaft, s. Abb. 33 mit den 
Bemerkungen dazu, und ein von der Stadt angekaufter Gypsabguss 
des von dem Mediomatriker Indus bei Trier gestifteten Weihdenkmals 
(Wd. Zschr. XVII, 375; Jhb. XI, 379). 


Ill. Merovingische Zeit. 

Kine hervorragende Bereicherung des Museums bedeuten die durc 
Ausgrabungen der Gesellschaft f. lothr. Geschichte gewonnenen Skulp 
turen und Grabsteine aus S. Peter auf der Citadelle: s. Knitterscheid 
Jhb. IX, 97 ff. und X, 120 ff.; vel. Wd. Zschr. XVII, 375 = Jhb. XI, 


1) Katalog Nr. 5. Ausserdem war eine Anzahl von Originalen (Stein- 


denkmäler u. Kleinaltertümer) ausgestellt: Katalog Nr. 2. 3.6 ff. usv 


— 388 — 

379f. S. Majestät der Kaiser hat durch Verfügung vom 22. Juni 1899 
diese und die sonstigen Fundstücke unter Vorbehalt des Eigentums- 
rechtes dem Museum der Stadt Metz überwiesen: sie sind jetzt im 
Unterstock des angebauten Flügels aufgestellt. 

Ausserdem ging von den im Lande gemachten Grabfunden dieser 
Zeit weniges ein, so aus Bischdorf, Kr. Forbach, und aus dem Grab- 
feld zwischen Metrich und Klein-Hettingen, Kr. Diedenhofen (Wd. Zschr. 
XVII, 375 = Jhb. XI, 380,2. 3), auch ein scramasax, in früheren Jahren 


Abb. 33. Felsrelief vom Donon (Vogesen); Gypsabguss im Museum zu Metz. 


sefunden auf dem erwähnten Grundstück des Herrn Krämer zu Nieder- 
jeutz. — Schliesslich sei noch der einer Münze nachgebildeten Spange 
(Geschenk des Herrn Baurats Knitterscheid) gedacht: Wd. Zschr. XVII, 
349 = Jhb. Al, 5804: vel. Blätter für Münzfreunde 1900. Nr. 8/9. 
3.130: 


IV. Mittelalter und Neuzeit. 


Vor allem sind hier zu nennen die beiden bemalten Holzdecken 
aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts, welche im Jahre 1896 in einem 
(rebäude der städtischen höheren Töchterschule entdeckt wurden: Zeit- 
schrift für christl. Kunst X (1897); Westd. Ztschr. XVI, 317—-319; 
P. Weber in der Wissenschaftlichen Beilage zur Münchener Allgemeinen 
Zeitung vom 22. Januar 1898, Nr. 17; Jhb. IX, 358—359; Lothring. 
Kunstdenkmäler Nr. 18: vgl. A. Kuhn, Allgemeine Kunstgeschichte II, 


Depotfund aus Niederjeutz bei Diedenhofen. 


seum der Stadt Metz: 


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BR. Le 


S. 208, Fig. 218f.; Kunstgewerbe in Elsass-Lothringen I, 10. Dazu 
kamen im Jahre 1897 aus dem Kloster der Karmeliterinnen Teile einer 
wohl gleichzeitigen bemalten Holzdecke von gleicher Konstruktion und 
Technik, aber mit weit einfacherer Bemalung: Jhb. IX, 330f.; Abb. 
bei W. Schmitz, Der mittelalterliche Profanbau in Lothringen. Eine 
spätere, mit Ranken bemalte Holzdecke aus dem Hause des Färber- 
meisters Herrn Gudath in der Kleinen St. Vincenzstrasse zu Metz wurde 
im Jahre 1900 dem Museum von Herrn Bauunternehmer Enders ge- 
schenkt!). Eine Veröffentlichung dieser Decken wie überhaupt aller 
bekannten Reste von bemalten Holzdecken zu Metz bereitet die Ge- 
sellschaft für lothringische Geschichte vor. 

Gotische Fliesen hatte der spätere Fussbodenbelag von S. Peter 
auf der Citadelle geliefert: E. Knitterscheid, Jhb. X, 124—127 mit Ab- 
bildungen Tafel 3—4: R. Forrer, Geschichte der europäischen Fliesen- 
Keramik vom Mittelalter bis zum Jahre 1900 (vgl. Kunstgewerbe in 
Elsass-Lothringen I, 5, S. 116). Andere (rote und blaue) Fliesen lieferte 
im ‚Jahre 1900 die vom Konservator für Lothringen Herrn Regierungs- 
und Baurat Tornow restaurierte S. Katharinenkapelle bei Oberhomburg ?): 
Kunstgewerbe in Elsass-Lothringen I, 10 (Abb.). Dazu kamen noch 
im März d. J. (1901) aus Rieding, Kreis Saarburg i. L., rote und blaue 
Fliesen, welche die Gesellschaft für lothr. Geschichte dem unermüd- 
lichen Eifer des Herrn Notars Welter zu Lörchingen verdankt und 
welche übereinstimmen mit den im ‚Jahre 1863 zu Saarburg i. L. ge- 
fundenen Fliesen (Bull. Soc. Mos. VI, 1863, S. 83 mit Tafel). 

Zwei Sockel des 11. Jhdts. stammen aus dem im Jahre 1892 
umgebauten Chor der Kirche zu Marsal und sind der Gesellschaft für 
lothr. Geschichte von Herrn Pfarrer Petit geschenkt (1897: Westd. 
Ztschr. XVII, 353): zwei durch neue Stücke ersetzte Wasserspeier 
kommen von der Kirche S. Martin (1900): ein Portal aus Montenach, 
der genannten Gesellschaft überwiesen von Herrn Pfarrer Schneider 
(Wstd. Ztschr. XVI, 320); Grabschriften oder Reste von solchen aus 
den Kirchen S. Segolena (1898), der Cölestiner (1899), sowie vom 
Diedenhofener Thor (1897). Auch eine romanische Glocke aus dem 


*) Ueber die bemalten Flächen dieser Holzdecke waren Bretter genagelt, 
welche ein Gypsplafond verkleidete. 

?) Die ins Museum überführte Sammlung dieser roten und blauen Fliesen, 
welche ursprünglich eine »mosaikarlig zusammengesetzte Rosette« bildeten, ist 
nicht vollständig, vgl. Kraus III, 834—835. Aehnliche Darstellungen bieten 
Fliesen im Museum zu Mainz und im Germanischen Museum zu Nürnberg, auch 
zu Strassburg i. E. (Forrer, Fliesenkeramik; vgl. Kunstgewerbe in Elsass-Loth- 
fingen I, 5, S. 117). 


— 390 — 


Kirchturm von Heckenransbach gelangte 1897 ins Museum (Westd. 
/tschr. XVII, 353); ebenso die Reste zweier Glasfenster (eines neu 
gefasst, das andere in der alten Bleifassung) aus dem Kloster der 
Dominikanerinnen — Precheresses in der jetzigen Bischofstrasse, rue de 
l'Évêché, früher Rue des Prêcheresses !), Geschenk der Gesellschaft für 
lothringische Geschichte (1900), und einige aus meist unbekannten 
Kirchen stammende Statuen (vgl. Westd. Ztschr. IX, 282. 283; X, 383; 
XVI, 320). 

Weitere Erwerbungen sind u.a. das Steinrelief eines Mondgesichtes 
aus einem Hause am Ludwigsplatz (Westd. Ztschr. X, 383, Nr. 724; 
Abb. bei Schmitz, Profanbau in Lothringen, nach einem Abguss); zwei 
Wappensteine (Westd. Ztschr. X, 383, Nr. 715); zwei Grenzsteine aus 
Chäteau-Salins, beide mit dem lothringischen Doppelkreuz in Relief, 
der eine mit eingegrabenem CS (= Chäteau-Salins) auf der Rückseite, 
gefunden bei Kanalisationsarbeiten in der Salinenstrasse zu Chäteau- 
Salins, der Gesellschaft für lothr. Geschichte überwiesen von Herrn 
Bürgermeister Koscher zu Chäteau-Salins 1900: ein gotischer Thür- 
oder Fenstersturz aus der Bankstrasse, überwiesen durch Herrn Baurat 
Tornow, und ein anderer, gefunden 1900 gelegentlich der Erweiterung 
des Museums im Mauerwerk des alten Leihhauses. Schliesslich sind 
noch zu nennen ein steinerner Kaminmantel (Westd. Ztschr. XVI, 319) 
und zahlreiche gusseiserne Kaminplatten. Von letzteren besass das 
Museum bei Aufstellung des Verzeichnisses von Hoffmann (1889) nur 
acht Stück: Steinsaal Nr. 417. 418. 676. 684a--d. 690. unter denen 
sechs seit Lorrain (1874) neu erworben waren. Jetzt dagegen umlasst 
die Sammlung — ungerechnet die zahlreichen Dubletten — rund 
60 Platten. Dieselben entstammen zum teil städtischen (rebäuden, auch 
sind einige angekauft, die Mehrzahl dagegen wurde, hauptsächlich von 
der Gesellschaft für lothringische Geschichte, geschenkt. Vgl. Westd. 
Zischr. IX, 282, Nr. 697; X, 382f., Nr. 716—722; XVI, 319; XVII, 353£.; 
XVII, 376, 5 (Jahrb. XI, 381, 5) und Jahrb. XI, 383/384 — Westd. 
Ztschr. XIX, 360, 4—5: einige Abbildungen: Kunstgewerbe in Elsass- 
Lothringen I, 10. Im Geschäftsjahre 1900 kamen ausser zwei bereits 
vertretenen Platten*) hinzu: Urteil des Salomo, aus einem städtischen 
Gebäude: Phoenix mit der Aufschrift »Flames sont fleurs ou ie repren 


1) Vgl. Westd. Ztschr. IX, 282. 
?) Darstellung des Frühlings, gegossen zu »Neinkirchen« (aus einem städti- 
schen Gebäude), und des Auszuges von Lot aus Sodom, gegossen zu »Quintee 


(Geschenk des Herrn Arthur Etling zu Metz, Brunnenstrasse 11). 


a — 31 — 


ma vie«!), von der Gesellschaft für lothr. Geschichte, aus Redingen. 
Geschenk des dortigen Herrn Bürgermeisters, vermittelt durch Herrn 
Symphorian Welter daselbst; dieselbe Platte, grösser und mit ab- 
weichender Umrahmung (Abb. Jhb. XI, 364), gleich den vier folgenden 
Platten aus Diedenhofen und mit diesen der Gesellschaft für lothring. 
Geschichte geschenkt von Herrn Baurat Knitterscheid: Platte gegossen 
1591, Urteil des Paris und darunter die Büsten des Königs Heinrich IV 
von Frankreich mit seiner Gemahlin Margarethe?); Lilienwappen mit 
der französischen Königskrone, oben die Jahreszahl 1683; Lilienwappen 
mit der französischen Königskrone, inmitten einer Waffentrophäe, oben 
Sonne und darüber ein Schriftband »Nec pluribus impar«: Platte aus 
der Zeit der ersten Republik, Frau hält eine Stange mit der Jakobiner- 
mütze, vor ihr Ranken, hinter ihr auf Säulenstumpf ein Hahn, oben 
Sonne. — Schliesslich hat im März 1901 Herr Notar Welter der Ge- 
sellschaft für lothr. Geschichte 30 Platten geschenkt, die in der obigen 
Zahl noch nicht einbegriffen sind. 


B. Münzen und Medaillen. 


Litteratur: Victor Jacob, Catalogue des monnaies municipales et me- 
dailles Messines de la collection de la ville, Decembre 1866. 52 8. 
mit 3 Tafeln (S. A. aus Mém. Soc. Mos. VII, 1866, S. 97— 141). 
— Derselbe, Catalogue des monnaies merovingiennes de la col- 
lection de la ville de Metz (Mém. Soc. Mos. XI, 1869, S. 81—98). 
— Derselbe, Catalogue des monnaies Gauloises de la collection 
de la ville de Metz (Mem. Soc. Mos. XII, 1874, S. 105—131). — 
Edmond Fridrici im Jahrbuch II, S. 372—400 (Beschreibung der 
von der Gesellschaft für lothringische Geschichte aus der Sammlung 
des Pfarrers Merciol zu Morville bei Vie erworbenen Münzen). — 
Keune, Jhb. XI, 384—5385 und Westd. Ztschr. XIX, 360—361. 

Den Kern der Münzsammlung des Museums bildet die im Jahre 

1535 von der Stadt Metz für 12000 fres. angekaufte Sammlung) des 

verdienten einstmaligen Bürgermeisters der Stadt, Baron Marchant'). 


1) Entsprechende Platten in Metz und Umgegend: Bull. Soc. Mos. 1870, 
S. 83. Vgl. auch Musée hist. lorrain de Nancy II, 1496f. (Wiener, Catalogue ? 
S. 231). 

?) Eine gleiche, aber verstümmelte Platte war vorher (1900) gelegentlich 
des Erweiterungsbaues des Museums gefunden worden. 

») Migette, Catalogue des tableaux, S. XV. 

#) Zu seinen Ehren ist die frühere Rue des Grands-Carmes umgenann! 
»Rue Marchante (Marchantstrasse). 


Den Bestand an gallischen') und merovingischen Münzen sowie an 
Metzer Münzen und Medaillen, soweit er bis zum Jahre 1866 ff. an- 
gewachsen war, lehren die angeführten Verzeichnisse von V. Jacob 
kennen. Seitdem hat sich aber die Sammlung, wenn sie auch in den 
80er Jahren durch einen Diebstahl empfindliche Einbusse erlitten hat, 
doch sehr erheblich vermehrt. So beginnt das mir übergebene Münz- 
inventar?) mit einem Vermächtnis von 114 Gold- und Silbermünzen 
des Herrn Emile Guyot?), November 1884, und einer Erwerbung von 
51 Nummern aus dem Verkauf der vorzüglichen Sammlung von 
Ch. Robert®), April 1886. Die folgenden Nummern dieses Münz- 
inventars führen ausser römischen, neueren deutschen und andern 
Münzen insbesondere auch neu erworbene Metzer Münzen auf. 
Durch diese Neuerwerbungen ist beispielsweise die Zahl der Gold- 
münzen (florins) der Stadt Metz von 7 bei Jacob (1866) auf 28 
angewachsen?) und die der Thaler®) von 11. auf 23, der seltenen 


1) Nach französischem Brauch sind von Jacob (und ebenso von Fridrici) 
den keltischen Münzen die griechischen Münzen von Marseille und die römischen 
Prägungen von Nimes, Lvon und anderen französischen Städten eingereiht. 

?) Dieses Münzinventar umfasst die Nummern 940—1108 (J. 1884—1887) 
von der Hand des Konservators Ledain, Nr. 1109—2082 (J. 1887—1899) von der 
Hand des Konservators E. Fridrici. — Der Verbleib des Verzeichnisses der Nummern 
1—939 ist mir unbekannt. 

3) Nr. 940—1053, insbesondere französische Münzen. 

*) Nr. 1055—1104 — Description de la collection numismatique de M. P.- 
Charles Robert Nr. 394—3%. 401. 407. 422. 468. 559. 626. 666. 667. 700. 712. 
132— 135. 737. 138. 754. 806. 813. 825. 868. 869. 871—876. 878—880. 882. 883. 
886. 888. 893. 894. 896. 898— 900. 911/912. 914. 923. 941. 1730. 1731. 

5) Jacob, Catalogue, S. 7 — Mém. Mos. 1866, 5.99. — Von den 28 florins 
sind 19 nicht datiert, die übrigen 9 aus den Jahren 1620. 1624. 1625. 1627. 1628. 
1630. 1639. 1644/45. 1646 47. 

6) Jacob, Catalogue, S.8—9 == Mém. Mos. 1866, S. 100f., Nr. 1—11. — 
Unter den 23 Thalern der Sammlung zeigen neun aus den Jahren 1628—1634 
(von 1630 und 1631 je zwei Stück) den älteren Typus, nämlich den stehenden 
S. Stephanus und anderseits den Doppeladler mit dem Stadtwappen auf der Brust 
(vgl. Abb. bei de Saulcy, monnaies de la cité de Metz, in den Mem. Acad. Metz 
1835/36, Pl. 1, 2; Jacob, Pl.1 und Collection Robert Nr. 806). Von den übrigen 
14 Prägungen, bei denen der Reichsadler in Wegfall gekommen und durch ein 
grösseres Stadtwappen ersetzt ist, gehören 6 dem Uebergangsjahr 1638 an, und 
zwar führen zwei Thaler neben der Darstellung des stehenden S. Stephanus ander- 
seits das ältere Wappenschild (vgl. Abb. Coll. Robert Nr. 813), einer ebenfalls 
noch den stehenden Heiligen, aber anderseits ein ovales Wappenschild (vgl. Abb. 
bei de Sauley Pl. 1, 3 und Jacob Pl. 1); die drei anderen zeigen den Jüngeren 
Typus mit der Büste des Heiligen und der späteren Umformung des Wappen- 


— 395 — 


Halbthaler ) von 1 auf 3. Die gallischen Münzen erhielten Zuwachs 
aus der Sammlung Merciol (Jhb. II, 373—381), die römischen ins- 
besondere durch die von der Gesellschaft für lothringische Geschichte 
geschenkte Auslese aus dem Schatzfund von Niederrentgen von 
Severus Alexander bis Diocletianus und Maximianus (Jahrb. VIII», 
S. 1-43; vgl. Jahrb. XI, 384 und Westd. Ztschr. XIX, 360) sowie 
durch das von der Metzer Akademie vermittelte Geschenk des Herrn 
E. Huber zu Saargemünd, welches eine Sammlung von Münzen des 
Diocletianus und seiner Mitregenten aus dem Schatzfund von Emmers- 
weiler (Kr. Saarbrücken) an der lothringischen Grenze lieferte (s. Huber, 
Mém. Acad. Metz 1888/89, S. 85—96 mit pl. XXXIV--XXXVII; vgl. 
Hettner, Westd. Ztschr. VI, 1887, S. 131—149). 

Neben den erwähnten Sammlungen von Münzen der Stadt Metz 
und von keltischen, merovingischen wie auch römischen Münzen ins- 
besondere der Kaiserzeit sind durch eine beachtenswerte Anzahl noch 
vertreten die Münzen der Metzer Bischöfe, des Herzogtums Lothringen 
und französische wie auch (seit dem letzten Jahrzehnt) neuere deutsche 
Münzen. Ausserdem sind aber auch kleinere Sammlungen, z. B. alt- 
griechische Münzen und Münzen von Luxemburg, Trier, Bar vor- 
handen, und nicht bloss Metzer, Lothringer und französische Medaillen 
und Jetons sind gesammelt, sondern auch andere?). Endlich umfasst 
die Münzsammlung auch Siegel und Siegelabdrücke, hauptsächlich 
aus Metz. 

Im laufenden Geschäftsjahre sind der Münzsammlung die folgenden 
Stücke zugegangen: Zu den bereits unter A, II mit den zugehörigen 
sonstigen Fundstücken römischer Zeit erwähnten römischen Münzen 
noch eine Bronzemünze des Mark Aurel (Rs.: Consecratio und SC), 


schildes (vgl. Abb. bei de Sauley PI. 1, 4; Jacob PI. 1 und Coll. Robert Nr. 816). 
Der letztere Typus ist dann noch durch die Jahre 1639. 1640. 1641. 1643. 1645 
1646. 1647 und 1650 vertreten. Von den ältesten Thalern des 16. Jahrhunderts 
(vgl. Abb. bei de Sauley, Pl. 1, 1 mit S. 82) besitzt die Sammlung kein Stück. 

1) Jacob, Catalogue, S.9 = Mém. Mos. 1866, S. 101, Nr. 12. — Vgl. Abb. 
bei de Sauley Pl. 1, 5; Jacob PI. 2 und Coll. Robert Nr. 828. Vertreten sind ın 
der Sammlung des Museums die Jahre 1638 und (2 X) 1643. — Die noch selteneren 
'/ Thaler (vgl. Abb. de Sauley Pl.1, 6; Jacob Pl.2 und Coll. Robert Nr. 829), 
deren Jacob S. 9/10 = Mém. Mos. S. 101/102 Nr. 13f. zwei Stück aus den Jahren 
1639 und 1640 anführt, haben sich seitdem nicht vermehrt. 

2) Hier sei die von mir im Jahrbuch VII, S. 114 (zu S. 45) beschriebene 
interessante Medaille erwähnt, welche Herr Oberrabbiner Ury dem Altertums- 
museum 1896 geschenkt hat (Wd. Zschr. XVI, 319). Aehnliche Medaillen hat 
V. Simon, Mém. Acad. Metz 1839/40 S. 75 angeführt 


— 394 — 


sefunden neben römischen Bauresten im Staatswald Finstingen auf der 
Bambachschneise bei Distrikt Nr. 129, der Gesellsch. für lothr. Geschichte 
übersandt von Herrn Forstmeister Fischbach: Bronzemünze des Gor- 
dianus III (Rs.: Aeternitati Aug.); Bronzemünze des Probus (Rs.: Se- 
curit. perp., im Felde I. Stern und r. T, im Abschnitt VIXXD), Geschenk 
des Rentners Herrn Paul Choub zu Lörchingen, gefundenin dessen Garten ; 
eine Weisskupfermünze des Gallienus, ein Mittelerz des Constantius 
nob. Caesar) mit Rs. Genio populi Romani (im Felde r.: A, im Ab- 
schnitt: PLG) und ein Kleinerz des Constans, gefunden mit einem liard 
(»Quarta solidi«) der Stadt Metz auf dem Grundstück der Johannkaserne 
zu Metz gelegentlich der Herrichtung eines Kellerraumes, im Auftrag 
des Kgl. Preussischen Kriegsministeriums überwiesen von der Intendantur 
des 16. Armeekorps. Weiter sind zu verzeichnen ein Geschenk des 
Herrn Archivdirektors Dr. Wolfram zu Metz, drei schöne thüringische 
Brakteaten, gefunden in Allstedt (Sachsen-Weimar), und ein Geschenk 
des Herrn Lehrers Maucorps zu Servigny (bei Noisseville), nämlich 
zwei gleiche Silbermünzen (grosus) des Metzer Bischofs Theodorich 
(Thiéri, Dietrich) V von Boppard (1365—1384) — de Sauley, Mém. 
Acad. Metz. 1832/33, S. 70 mit pl. I, 72 und Ch. Robert, monnaies 
jetons et médailles des évêques de Metz, Macon 1890. S. 191/192, 
Nr. 1 (Abb.), gefunden von dem Sohn des Herrn Maucorps an der 
Stelle der alten Kirche zu Servigny, sowie eine in Nancy geprägte 
Silbermünze des Herzogs Karl II von Lothringen (1390-1431) — de 
Sauley, monn. de Lorraine S. 81 mit pl. IX, 18, nebst einem Peter- 
männchen des Erzbischofs von Trier Carl Caspar, 1674 — Bohl. die 
Trierischen Münzen, 1823, S. 178. Nr. 51, die beiden letzteren auf dem 
lreien Felde bei Servigny gefunden. Ferner wurde erworben eine An- 
zahl von bugnes der Stadt Metz mit französischen blanes oder douzains 
von Franz I und Heinrich IL (JJ. 1550. 1551. 1552. 1554) sowie 
zwei gros des letzteren (1550); eine Goldmünze Klorentiner Gepräges 
von Herzog Wenzel I von Luxemburg —= P. Joseph, Ztschr. d. Ver. zur 
Erf. d. Rhein. Gesch. u. Altert. in Mainz III, 2/3, S. 210f., Nr. 14 mit 
Taf. VI, 15, und R. Serrure, Numismatique Luxembourgeoise 1893, 
S. 76, Nr. 119, gefunden auf dem Bann von Deutsch-Oth: eine spanische 
Kupfermünze Karls II vom ‚Jahre 1694, Geschenk des Herrn Eisen- 
händlers Guerrau zu Waldwiese, gefunden in dessen Garten; eine Luxem- 
burgische Silbermünze, XII sols, Joseph IT, 1786 —= R. Serrure, Numism. 
Luxemb. S. 207, Nr. 248, gefunden bei Flatten, Gemeinde Launsdorf. 
Geschenk des Herrn Streit, Sohn, daselbst; eine Goldmünze des Prin- 
cipauté de Chäteau-Renaud, und zwar der Louise-Marguerite de Lorraine 


rouille 


— 395 — 


(1614—1631) mit dem Bildnis ihres verstorbenen (Gremahls Francois 
de Bourbon (Serrure, Numismatique francaise II, S. 160, Nr. 1378), 
gefunden zu Carden an der Mosel; ein halber Louis d'or Ludwigs XV 
von Frankreich 1769; ein Dukat Richards von Pfalz-Simmern 1579: 
ein breiter Vicariats-Doppelthaler von Georg II von Sachsen 1657: 
ein Thaler des Kaisers Leopold I, 1681: eine Silbermünze, 8 gute 
Groschen, von Anhalt 1758: ein Silbergroschen Friedrichs des Grossen 
1783, Geschenk des Oberrealschülers Johann Vosen; Kupfermünze, 
3 Centimes, des Königs Hieronymus von Westphalen 1809; ein Doppel- 
gulden Ludwigs I. von Bayern 1845 (— Schwalbach, Die neuesten 
deutschen Thaler u.s. w., Nr. 21); ein Frankfurter Gedenk-Doppelgulden 
1848 (= Schwalbach Nr. 75); ein Gedenkthaler von Bremen (= Schwal- 
bach Nr. 68); eine Rupie der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft 1890. 
Von Medaillen dgl. kamen hinzu eine gegossene Medaille auf den Feuer- 
tod von Jo. Huss 1415: ein grosses, einseitig geprägtes Zinnmedaillon 
mit dem Bildnis Heinrichs II von Frankreich, gefunden zu Niederjeutz; 
eine viereckige Gedächtnismünze (Klippe) auf den Tod des erstgeborenen 
Sohnes des Erbprinzen, späteren Königs Friedrich VI von Dänemark, 
1698 (Rs.: »Septem spes lapsa trionum«): Medaillon auf die Rückkehr 
des schwedischen Königs Karl XII von Bender nach Stralsund 1714 
(Rs.: » Was sorget ihr doch, Gott und ich leben ja noch«); Bronze- 
medaille auf den Besuch der Pariser Münze durch König Friedrich 
Wilhelm II von Preussen, 1814 (— Catalogue du musée monétaire, 
S. 396, 19); Bronzemedaille mit dem Bilde von Marie de France duchesse 
de Wurtemberg und anderseits einer Darstellung der Statue de Jeanne 
d'Are, Montagny f. 1837; eine S. Georgsmedaille (Vs.: S. Georgius 
equitum patronus; Rs.: In tempestate securitas), gefunden zu Ewen- 
dorf, Geschenk des Herrn Lehrers Eschenbrenner zu Kirchnaumen. 
Schliesslich sei noch einiger Gaben der Herren Pfarrer Chaler (Medaille), 
Apotheker Schreder!), Mittelschullehrer Olinger, Hilfsarbeiter an der 
Bürgermeisterei Meyer und des Schülers an der Oberrealschule Over- 
dick gedacht, sowie der vom Kgl. Münzkabinet zu Berlin erbetenen 
Gypsabdrücke beider Seiten eines bis jetzt einzig bekannten Schau- 
thalers der Stadt Metz vom Jahre 1641, welcher kürzlich dem Kgl. 
Münzkabinet von Herrn La Renotière zu Dietersdorf bei Sigmaringen 
zum Geschenk gemacht war (Amtl. Berichte aus d. Kgl. Kunstsamm- 
lungen 1901, 1, Sp. VI). Die Prägung stimmt genau überein mit dem 
Kursthaler von 1641, dagegen beträgt nach freundlicher Mitteilung des 

1) Silbermünze auf den österreichischen Anteil an der 1. Teilung Polens: 
»Galicia Lodomeria caet: in fidem receptae MDEELNXII.« 


— 396 — 


Herrn Professors Menadier das Gewicht des Schauthalers g 57,8, 
während der Kursthaler nur 29 g wiegt'). 


Gemälde. 


Zeichnungen. Moderne Skulpturen. Kunstgewerbliches. 


Hilfsmittel: Emile Michel, Étude historique et critique sur le musée 
de peinture de la ville de Metz, 49 Seiten 8° (S. A. aus Mém. 
Acad. Metz 1867/68, seconde partie, S. 381—429). | 

Verzeichnisse: 1) Catalogue des tableaux des écoles espag- 
noles (so!) italiennes (so!) flamande hollandaise allemande française 

exposés dans la Galerie du Musée de la ville de Metz. Metz 1847. 

79 Seiten 12° (132 Nummern). Die voraufgeschickte »Table« S. 7—10 

giebt die Reihenfolge der Nummern) der Gemälde mit Beifügung der 

Künstlernamen. Der eigentliche »Catalogue« (S. 11—79) jedoch ordnet 

die Gemälde nach der alphabetischen Reihenfolge der Maler; den 

breitesten Raum nehmen hier Angaben über Maler und Malweise ein; 
mehrere Nummern der Table sind aber nicht berücksichtigt, wie 

Nr, 49. 132. Als Verfasser wird genannt Buignet?) oder Bugnet*). 

— 2 bis 4) Catalogue des tableaux des écoles espagnole italienne flamande 

usw. gleich dem vorgenannten Katalog, Metz 1853 (22 Seiten, 12°; 

152 Nummern). 1859 (24 Seiten, 12°; 159 Nummern). 1863 (24 Seiten, 

12°: 168 Nummern). Dieses nach den Nummern geordnete Ver- 

zeichnis, als dessen Verfasser August Terquem’°) genannt wird, ist — 
von seinen Nachtragsnummern abgesehen -- eine gekürzte, im übrigen 
aber sklavische Wiederholung‘) des Kataloges von 1847. Unter den 

Zusatznummern sind auch Skulpturen aufgeführt. — 5) Musées de la 

ville de Metz; Catalogue des tableaux et des sculptures redige par 


1) Der Schauthaler des Berliner Münzkabinets wird der piedfort (Probe- 
schlag) sein, welchen nach den Papieren von Dupré de Geneste (Mitte des 
18. Jhdts.) de Sauley, monnaies de la cité de Metz (Mém. Acad. Metz 1835/36) 
S. 85 und Chabert Mém. Acad. Metz 1856/57 S. 481 erwähnen. 

2) Die Zählung dieses und der drei folgenden Verzeichnisse von 1853, 
1859 und 1863 ist verschieden von der bei Migette durchgeführten Zählung, 
welche noch jetzt Geltung hat. 

3) Migette, Catalogue, S. 76 mit Anm. 1 und S. 145. 

4) Schuster, Catalogue de la bibliothèque de la ville de Metz; Histoire 
locale, Nr. 670. 

5) Migette a. a. 0. S. 145 und Schuster a: a. ©. Nr. 671, beidemal von der 
ersten Ausgabe 1853. 

5) Dies hat auch Michel Mém. S. 422 gerügt. 


— 397 — 


A. Migette. Metz 1876. XXVIIT+148 Seiten, 8°; Gemälde: 241 Num- 
mern (Nr. 229ff. sind Kopien der Wandmalereien im Refektorium der 
Templer), Skulpturen: 77 Nummern (Nr. 66 ff. Gypsabgüsse von Antiken). 
In der Einleitung behandelt Migette, vornehmlich in Anlehnung an 
Michel, die Geschichte der Gemäldesammlung; dem Verzeichnis der 
Gemälde und Skulpturen sind alphabetische Verzeichnisse der Künstler 
und der Schenker, sowie (S. 145) eine »Bibliographie« angefügt. — 
6) Verzeichniss der Gemälde im städtischen Museum zu Metz. 1891. 
X — 50 Seiten, 12° (268 Nummern). Dieses Verzeichnis ist ein Aus- 
zug!) aus Migette’s Katalog, zu dem die Neuerwerbungen als Nr. 229 ff. 
nachgetragen sind. 

Vgl. Léonce de Pesquidoux, Voyage artistique en France. 
Paris 1857. S. 185-—190. — René Ménard, L’Art en Alsace-Lorraine. 
Paris 1876 (558 Seiten, gr. 8°, mit vielen Abbildungen) S. 535—540 
und in dem Abschnitt »Les artistes lorrains contemporains« (S. 401— 
472). — Kraus III S. 776. — Westd. Ztschr. XIX, 361. 

Sammlung Migette (1889 aus dem Stadthaus ins Museum 
überführt): Musées de la ville de Metz; Catalogue des tableaux et dessins 
exécutés par Aug. Migette et offerts par l'artiste à la ville de Metz. 
Metz 1882. 135 Seiten 8°; 411 Nummern (ohne die Table des matieres 
wiederholt in den M&m. Soc. Mos. XVI, 1, 1885, S. 41—172), nach dem 
handschriftlichen Verzeichnis Migette’s, welches jetzt die Stadtbibliothek 
zu Metz verwahrt, herausgegeben und mit einer biographischen Ein- 
leitung (S. 1—5) ausgestattet von Ad. Bellevoye. — Verzeichniss der 
Gemälde und Zeichnungen des Migette-Museums zu Metz. 1893. V + 
85 Seiten, 12°: ist eine gekürzte Uebersetzung*) des französischen 
Verzeichnisses mit einem Nachtrag (Nr. 412—422). 


1) Das wortreiche Verzeichnis von Migette ist zweckmässig gekürzt, doch 
sind mit sehr wenigen Ausnahmen (Nr. 106. 128. 171—172; Nr. 49 durch ein 
anderes Bild ersetzt) fast nur die Angaben Migette's wiederholt. So 
begegnen uns — trotz wiederholten Widerspruchs des trefflichen Michel — in 
beiden Verzeichnissen aus den früheren Katalogen seit 1847 vererbte, in letzteren 
freilich mit grüsserer Unverfrorenheit hingesetzte Künstlernamen, ein Prunken 
mit berühmten Namen, welches im Verein mit der mangelhaften Anordnung die 
ungerechtfertigte Geringschätzung der ganzen Sammlung verschuldet hat. Höllen- 
breughel z. B. wird zu Nr. 26 genannt, obschon dies Bild eine Kopie des 
Gemäldes auf Holz in der älteren Pinakothek zu München Nr. 160 ist, welches im amt- 
lichen Verzeichnis als »Niederländisch um 1530« bezeichnet ist. Auch das treffende 
Urteil Michel’s (Mém. S. 414) über die Studie von Rembrandt Nr. 103 ist nicht 
berücksichtigt, trotzdem Migette (S. 53) wenigstens darauf hinweist. 

2) Nr. 406 gehört nicht zur Sammlung Migette, sondern ist als Ersatz für das 
in die Gemäldesammlung S. 43/44 des Verzeichnisses von 1891 eingereihte Bild 
eingeschoben. 


— 398 — 


Gleich den Anfängen der Altertumssammlung gehen auch die An- 
fänge der Gemäldesammlung auf das Jahr 1822 zurück. Wohl 
befanden sich schon vor diesem Jahr Gemälde der jetzigen Sammlung 
im Besitz der Stadt und waren in den Räumen der Bibliothek !) unter- 
gebracht oder dienten zur Ausstattung des Rathauses ?), so insbesondere 
die beiden Gemälde Nr. 926 und 104, welche Kaiserin Josephine, die 
erste Gemahlin Napoleons 1, als Gegengabe für die ihr überlassenen 
römischen Altertümer*) im 4. 1807 der Stadt überreichen liess und 
welche als Originale von Rembrandt und van Dyck bezeichnet wurden ?). 
Allein von den Anfängen einer Sammlung darf man erst reden, seit- 
dem der Gemeinderat der Stadt Metz am 26. Dezember 1822 zum 
Zwecke der Fortbildung der Schüler der Zeichen- und Malschule wie 
der Begründung eines Museums eine Auswahl von 18 Gemälden 
aus der Sammlung des ehemaligen Polizeikommissärs Boudin gegen 
eine der Frau Boudin zustehende lebenslängliche Rente von 400 fres. 
zu erwerben beschlossen hatte°). Einer geordneten Aufsicht entbehrten 
diese im Stadthaus untergebrachten Gemälde noch ein Jahrzehnt, da 
erst im November 1832 der Metzer Maler Aug. Hussenot unentgeltlich 
die Fürsorge für die verwahrloste kleine Sammlung übernahm ®). Zu 
derselben gehörten ausser Nr. 96 und 104 u. a. auch Nr. 60, Stilleben 
von Pieter van Boel; Nr. 97, Bacchantin von J. B. Greuze, und Nr. 143. 
144, italienische Landschaften des mehr durch seinen Biographen Goethe 
als durch seine Werke unsterblich gewordenen Philipp Hackert”), und 
derselbe Monat November, welcher dieser Sammlung eine sachkundige 
Ueberwachung gebracht, brachte ihr auch einen Zuwachs von 14 Ge- 
mälden. Wiederum in der ausgesprochenen Absicht, ein Museum zu 
schaffen, wurden nämlich damals auf Grund eines Beschlusses des Ge- 
meinderats diese 14 Gemälde aus 147 von dem Strassenbaumeister 

1) Vgl. Nr. 61. 171—172. 

?) Ausser Nr. 96 und 104 z. B. noch Nr. 8..71, auch wohl Nr. 60. 

#) Granitsäulen zur Ausschmückung ihres Schlosses Malmaison; dagegen 
verblieb die ebenfalls gewünschte und von der Stadt mit zum Geschenk bestimmte 
Porphyrwanne, welche aus den römischen Bädern vor dem Theobaldsthor stammen 
soll, infolge des Widerspruches des damaligen Bischofs in der Kathedrale, wo 
sie noch heute aufgestellt ist. 

#) Michel, Mém, S. 381—391; Migette S. X. 

5) Michel, Mém. S. 391—393 (Migette S. XVI). — Nr. 4. 9—11. 24. 135. 136. 
137 (nach Migette). 147. 169. 194 u. a. (vergl. Michel S. 392 und 399). 

6) Michel S. 399 (Migette S. XXI). ' 

7) Michel, Mém. S. 393—394 und S. 399/400; Migette S. XVI/XVII. — Eine 
dritte Landschaft von Hackert war mit andern Bildern infolge des Mangels einer 
Aufsicht verschwunden: Michel, S. 399, 


— 39 — 


J. B. Tavernier zu Metz gesammelten und von seinem Sohn Robert 
Tavernier hinterlassenen Bildern ausgewählt und für 1000 Fres. ange- 
kauft!). In den nächsten Jahren kamen noch hinzu Nr. 7 und 14 
(von einem Metzer Maler Mennessier), Nr. 74 (Adrian van Ostade), 
sowie im J. 1836 das grosse Gemälde Nr. 123 der Schlacht bei Hohen- 
linden von Schopin?). Im Jahre 1839 aber erfolgte eine für die 
Entwicklung der Sammlung bedeutungsvolle Neuerung, welche die 
Metzer Akademie als einen ihrer Erfolge verzeichnen darf. Am 
30. März 1839 beschloss nämlich die Gemeindevertretung, eine eigene 
städtische Gemäldegallerie in der seitherigen Wohnung des Stadt- 
bibliothekars, den heute von der Sammlung Migette und dem Metzer 
Kunstverein eingenommenen Räumen einzurichten, welche nicht bloss 
die bisher im Stadthaus ausgestellten, sondern auch die anderswo zer- 
streuten Gemälde vereinigen sollte*). Dieser Beschluss, der mit einem 
Kostenaufwand von Fes. 7500 durchgeführt wurde, bedeutete zweifellos 
einen wesentlichen Fortschritt für die Entwicklung der Sammlung, 
wenn auch die bereits in der Sitzung des Gemeinderats gegen den 
Beschluss geltend gemachte Unzulänglichkeit der Einrichtung sich sehr 
bald empfindlich fühlbar machen sollte. Denn in den nächsten Jahren 
wurde die Zahl der Gemälde mehr als verdoppelt, und so hatte die 
Gallerie, kaum geschaffen, schon mit Raummangel zu kämpfen. Unter 
den Erwerbungen der folgenden Jahre finden sich aber verschiedene 
der besten Stücke der Sammlung, welche die Stadt Metz aus einer 
Privatsammlung zu Nancy zu verschiedenen Malen angekauft hat. 
Besitzer dieser Sammlung war ein ehemaliger höherer Reiteroffizier 
Leforestier; er hatte sie von einem Verwandten, der die Gemälde in 
Holland und besonders in Rotterdam zusammengebracht hatte, geerbt. 
Aus dieser Privatsammlung wurden zunächst im Januar 1840 für 3500 fes. 
fünf Bildnisse añgekauft, unter denen die beiden Porträts Nr. 94 und 
95 von Jacob Geeritz Cuyp aus dessen Todesjahr 1649 hervorragen *). 
Ein zweiter Ankauf aus der nämlichen Sammlung folgte 1846; diesmal 
wurden für zusammen fes. 8900 elf Gemälde erworben, darunter ein 
Blumenmädchen von Murillo (Nr. 88) für 2000 fes., im übrigen meist 


1) Michel Mém. S. 394—396 ; Migette S. XVIIf. — Nr.2 (Skizze von Vernet). 
69 (nach Migette). 111.128 (Salomon van Ruysdael, 1633). 151. 154. 155. 157—159. 
164 u. a. 

2) Michel, Mém. S. 397. 

3) Michel, Mém. S. 400; Migette S. XXI—XXU. 

*) Ausserdem Nr. 90 und 91 (Jan van Bylert) sowie Nr. 106. Michel, Mém. 
S. 400—402 (Migette S. XXI). 


— 40 — 


Porträts‘). Eine nachträgliche Erwerbung brachte noch im Dezember 1850 
aus der Sammlung Leforestier das vorzügliche Bildnis Nr. 100 für 
fes. 1225 in den Besitz der Stadt?) Inzwischen waren aber auch 
zahlreiche andere Gemälde hinzugekommen), so im J. 1840 die beiden 
Bildnisse von Rigaud (Nr. 47. 191), Geschenk des comte de Coëtlosquet, 
zwei von dem Maler Aug. Rolland aus Remilly geschenkte Pastelle 
seiner Hand !), ein Gemälde des Metzer Malers Charles Laurent Maréchal 
(Nr. 118), welchem dieser später ein zweites als Ersatz, wie er wünschte, 
zugesellte (Nr. 119), auch ein erstes, aber minderwertiges Geschenk 
der Regierung’), welche dafür im folgenden Jahre 1841 die Sammlung 
um ein gutes Gemälde, den Hirt von Corot‘®), bereicherte und in den 
folgenden Jahren andere Zuweisungen folgen liess”). Insbesondere 
aber erfuhr das Museum zugleich mit dem zweiten Ankauf aus der Samm- 
lung Leforestier i. J. 1846 eine erhebliche Vermehrung durch die Samm- 
lung, welche der Zeichenlehrer am Lyceum Naud zusammengebracht 
hatte und welche ausser Stichen nicht weniger als 165, meist jedoch 
wertlose Gemälde umfasste. Diese Sammlung erwarb die Stadt Metz 
gegen eine lebenslängliche Jahresrente von fres. 900, deren sich aber 
Herr Naud nicht lange erfreuen sollte. Auch nachdem die Spreu ge- 
sondert und veräussert war, verblieb unter den aus jener grossen Zahl 
für die städtische Sammlung zurückgehaltenen 52 Gemälden ®) noch 
viel Minderwertiges, aber auch manches Schätzenswerte und Gute, wie 
Nr: 40.70.70 83'122. 156.187. 188:2192.201:.202. Ss ze 
drei Bilder von Greuze (64. 99. 200). Infolge dieser Erwerbungen 
wies das im folgenden Jahr 1847 veröffentlichte erste Verzeichnis der 


1) Ausser Nr. 88: Nr. 15. 25. 87. 92 und 93. 108. 195. 199. 205. 208. Michel, 
Mem. S. 402—403 (Migette S. XXI). 


?) Michel, M&m. S. 403—404 (Migette S. XXIII). 

3) Michel, Mém. S. 405— 406. 

#) Nr. 53. 54=Oeuvres de A. Rolland publiées par sa famille usw., Metz 
1863, fol., Tafeln 36 und 40. 

5) Nr. 72 (Michel, Mém. S. 406/407). 

8) Nr. 115: ‚Michel, M&m. S. 407f. Abbildung bei Ménard S. 539. Fig. 315. 

7) Nr. 185 im J. 1844 (Michel, Mém. S. 411); Nr. 50 und 67 im J. 1846. 
Diese Gemälde sind aber in dem Katalog von 1847 noch nicht verzeichnet. 

®) Michel, Mém. S. 408: »Cinquante-deux tableaux, un dessin à l’estompe, 
de Girodet, d'après la bosse, et un carton renfermant quelques méchantes gra- 
vures«; Migette S. XXII: »65 tableauxe. — Ausser den oben angeführten Nummern 
noch Nr. 22. 23. 39. 41. 42. 65. 73. 75. 78. 107.109. 112. 113. 139. 141. 145. 146 
148. 149. 150. 161. 165. 168. 179. 184. 189. 190. 196. 203. 210 u. a. 


— 401 — 


Gemäldesammlung bereits 131 Nummern auf') Den Zuwachs der 
folgenden Jahre lassen die in den Jahren 1853, 1859 und 1863 er- 
schienenen Kataloge ersehen, wonach in den nächsten sechs Jahren 
12 (bezw. 15) Bilder hinzukamen, in den weiteren 6 Jahren 5 Ge- 
mälde und in den folgenden 4 Jahren bis 1863 sieben Gemälde. Unter 
diesen Eingängen seien ausser dem bereits erwähnten Ankauf des 
Jahres 1850 (Nr. 100) genannt die Geschenke der Regierung?) Nr. 197 
(J. 1848), Nr. 153 (J. 1849), Nr. 58 (J. 1854), Nr. 198 (J. 1857), ferner 
das für sich allein ein Vermögen darstellende Bildnis Karls IX von 
Frankreich, eine Emailmalerei von Limoges, Nr. 102 (Abb.: Kunst- 
sewerbe in Elsass-Lothringen I, 10), Geschenk eines ehemaligen 
Offiziers, des Herrn Joseph de Chazelles zu Lorry (1854), der das 
Stück im J. 1822 für nur 60 fes. erworben hatte: dann das schöne 
Frauenbildnis Nr. 76, ein Vermächtnis der Frau Charmeil?), weiter ein 
Oelgemälde und drei Pastelle des bereits genannten Malers A. Rolland 
(T 1859), welche dessen Familie dem Museum im Jahre 1861 zum 
Geschenk gemacht hat), sowie Gemälde?) der Metzer Maler Devillv 
(J. 1855; Nr. 120: Un Biouac en 1812; Abb.: Ménard S. 409, Fig. 230), 
Faivre (J. 1855: Nr. 142), Marc (Nr. 174; Abb.: Menard, S. 447, Fig. 252), 
Maréchal (J. 1861: Glasgemälde »l’Artiste«; Abb.: Ménard, Tafel zu 
S. 448) und der Malerin M"® Sturel-Paigné (Nr. 52); schliesslich das 
von der Stadt im Jahre 1861 mit Beihilfe einer Subscription angekaufte 
Gemälde Nr. 126 von Delacroix. Die nächsten Jahre brachten als Ge- 
schenke der Regierung‘) ausser Nr. 162, 152 und 193 (Devillv, Solfe- 
rino), 170 und 121 im Jahre 1864 aus der Sammlung Campana die 
fünf Gemälde Nr. 1. 3. 45. 81 und 175, welche E. Michel, Mém. Acad. 
Metz 1863/64, S. 801— 806 besprochen und gewürdigt hat”); ausserdem 
von dem Metzer Maler Lemud das Bild des Gefangenen (Nr. 110; Abb.: 
Ménard, S. 536, Fig. 313), ein Geschenk des Malers ®), und vor allem die 
Krone derSammlung, Nr. 103, eine von Rembrandt im J. 1633 gemalte 

1) Ausserdem Nr. 132 »Girodet«; vgl. die vorstehende Anmerkung. 
Es fehlen aber Nr. 50. 67 und 185, welche erst in den drei späteren Verzeich- 
nissen als Nr. 138. 139. 145 (?) aufgeführt sind. 

2) Michel, Mém. S. 411. 

8) Michel, M&m. S. 412, 3: J. 1855. 

#) Nr. 82—85: Michel, Mém. S. 406; Oeuvres de A. Rolland, 1863, Tafeln 
ol, 24,0 und 7. 

5) Michel, Mém. S. 410f. 

8) Michel, Mém. S. 411—412. 

7) Cataloghi del Museo Campana, Classe VIII und IX, Nr. 158. 525. 547.459. 

8) Michel, Mém. S. 412—413 (die Bemerkung Michels über die grosse 
Popularität des Bildes in Metz hat noch Giltigkeit). 


Studie, welche Herr Balthasar marquis d’Ourches im Jahre 1867 der 
Stadt als Vermächtnis hinterlassen hat und welche in dessen Familie 
für das Bildnis eines Grossonkels des Erblassers, des Mathematikers 
Le Goulon, Schülers von Vauban, galt!). Dass die im Jahre 1839 zur 
Aufnahme der Gemäldesammlung eingerichteten Räume diese 170 und 
mehr Gemälde nicht zu fassen vermochten, auch nachdem das grosse 
Schlachtenbild von Schopin in die grosse Halle der Stadtbibliothek ab- 
geordnet war?), wird jeder, der die Räumlichkeiten kennt, gerne be- 
stätigen; auch wird er gerne zugeben, dass diese Räume kein würdiger 
Aufenthaltsort für einen Rembrandt, für die beiden Cuyp, für einen 
Corot und zahlreiche andere sein konnten. Es ist daher nur zu be- 
greiflich, dass die Kunstfreunde in Metz schon lange eine bessere und 
zureichende Unterkunft für die Gemäldesammlung verlangten?). Dass 
ihre Wünsche gleich denen der Altertumsfreunde erst im Jahre 1869 
Gehör fanden, war früher gesagt. Der im Jahre 1869—1870 erbaute 
und im Mai 1872 eröffnete Flügelbau umfasste drei Oberlichtsäle, welche 
nunmehr den seit einem halben Jahrhundert gesammelten Kunstschätzen 
ein anständiges Heim boten. Wie belebend die Schaffung zweckmässiger 
und würdiger Ausstellungsräume auf die Freigebigkeit wirkt, zeigte sich 
auch hier, denn nach und auch vor der Eröffnung der neuen Säle 
liefen nicht wenige Gaben ein*), auch kaufte die Stadt einiges’). Da 
die neuen Räume aber auch zur Unterkunft von Gemälden, welche 
bisher anderswo untergebracht waren®), herangezogen wurden, so 


1) Michel, Mem. S. 413—414 Das Gemälde war in der Rembrandt-Aus- 
stellung zu Amsterdam, Sept.—Oct. 1898, als Nr. 26 ausgestellt. Abbildungen: 
Kunstgewerbe in Elsass-Lothringen I, 10 und Wilhelm Bode, L'œuvre complet 
de Rembrandt. 

?) Michel, Mem, S. 397, 1. 

8) Michel, Mém. S. 415 ff.; Migette S. XXIV ff. — Ueber die heillosen 
Zustände im Januar 1868 s. Michel S. 421—423. 

#) Nr. 116 von E. Michel aus Metz (Abb.: Ménard S. 537) und 48 von 
A. Weber aus Bolchen, Geschenke der Regierung; Nr. 37 und 209 von Faivre aus 
Metz, Geschenke der Mme de Maillier; Nr. 66, Geschenk des Herrn E. Michel; 
Nr. 62. 63 und 129 von Mlle Paigné aus Metz, Geschenke des Herrn Maréchal; 
Nr. 130, Bildnis Migette’s von Hussenot, Geschenk des Malers; Nr. 29—30 von 
Barillot aus Montigny bei Metz, Nr. 31 von Cuny aus Metz und Nr. 43--44 von 
Baraux aus Diedenhofen, Geschenke der Metzer Akademie, angekauft aus den 
Fonds der aufgelösten Société des Amis des Arts (gegr. 1834); Nr. 127 und 
212—215, Vermächtnis des Herrn Dominique Lorrain. Weitere Geschenke im 
Verzeichnis von 1891 Nr. 229 ff. 

>) Nr. 98. 59. 

8) Vgl. Nr. 105. 216—219. — Verzeichnis 1891 Nr. 49. 241 ff. 


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— 403 — 


füllten sich die Wände sehr rasch. Zählt doch das Verzeichnis von 
Migette an Gemälden 228 Nummern, d.i. gegenüber dem Verzeichnis 
vom Jahre 1863 ein Mehr von über 70 Bildern‘)! Die Vermehrung 
schritt aber stetig fort, wie das im Jahre 1891 veröffentlichte erste 
deutsche Verzeichnis lehrt. Unter den hier aufgezählten Geschenken 
sei nur genannt die gute Kopie des Selbstbildnisses der Malerin Frau 
Vigée-Lebrun Nr. 238, ein Geschenk des Herrn E. Huber zu Saargemünd. 
Auch sei des Flügelaltares (Nr. 251) aus dem Jahre 1591 gedacht, der 
einer lothringischen Kirche entstammt und im Jahre 1890 durch Ver- 
mittlung des Herrn Bezirkspräsidenten erworben wurde. Ausserdem 
hat die Stadt Metz ihre Sammlung durch öftere Ankäufe neuerer Ge- 
mälde erweitert. Sie wurde dabei unterstützt von der Landesregierung, 
welche der Stadt eine jährliche Beihilfe von M. 1000 zum Ankauf von 
Gemälden der neuesten deutschen Schulen zuwies. Leider wurde dieser 
gewiss nicht übertriebene Zuschuss im laufenden Geschäftsjahr, nach- 
dem die Gemeindevertretung für ihr doch auch Landeszwecken dienendes 
Museum so grosse Opferwilligkeit bethätigt, um die Hälfte gekürzt. An- 
gekauft wurden im Jahre 1885 das Gemälde Nr. 237 des belgischen 
Malers Seeldrayers für M. 4000 und im Jahre 1889 die beiden Gemälde 
Nr. 249 von Maria Cornelius zu Strassburg i. E. sowie Nr. 250 von 
Chr. Mali in München, und diesen Ankäufen sind seit 1891 bis heute 
noch 17 weitere gefolgt, die später aufgezählt werden sollen. Vorher 
aber muss der Erweiterung gedacht werden, welche die Gemälde- 
sammlung im Jahre 1889 durch den Anschluss der Gemälde und Zeich- 
nungen der von August Migette?) an die Stadt Metz geschenkten 
Sammlung erfuhr. Zu dieser Sammlung gehören hauptsächlich Gemälde 
und Zeichnungen Migette’s, welche Begebenheiten aus der Geschichte 
von Metz vor Augen führen ?), und vorzügliche Zeichnungen lothringi- 
scher Baudenkmäler *), von denen manche schon vom Erdboden ver- 
schwunden sind; angefügt sind Zeichnungen von Schülern Migette's. 


!) Nach Abrechnung der damals im Stadthaus mit der ganzen Sammlung 
Migette vereinigten früheren Geschenke Migette’s. 

?) A. Migette, geb. zu Trier am 18. Juni 1802, lebte zu Metz, j zu 
Longeville am 30. Okt. 1884. Vgl. Ad. Bellevoye vor dem Catalogue du Musée 
Migette 1882, S. 1—5 und Notice biographique sur Auguste Migette .... par 
Ad. Bellevoye, Metz 1886 (88 Seiten, 8°). 

3) Einige hatte Migette schon früher geschenkt (Michel, Mém. S. 413); in 
den Verzeichnissen von 1853. 1859 und 1863 finden sich als Nr. 133—137 schon 
die Nummern seines Kataloges 25 (oder 23). 28. 38. 40. 50. 

#) Die Veröffentlichung einer Auslese derselben ist geplant; zwei Proben 
(Nr. 161 und 165) in »Kunstgewerbe in Els.-Lothringen«.1, 10. 


— 404 — 


Zur Aufnahme dieser vorher im Stadthaus untergebrachten Sammlung 
war aber kein anderer Platz verfügbar als die Räume der früheren 
Gemäldegallerie (1839 — 1870), von denen einer inzwischen der Metzer 
Akademie zu ihren Sitzungen überlassen, aber infolge der Ueberführung 
jener Sammlung von ihr wieder geräumt werden musste. Diese Räume 
sind jedoch keine geeignete Unterkunft für die aus mehr als einem 
Grunde schätzenswerte Sammlung, denn auch eine noch zu schaffende 
planmässige Anordnung der Sammlung gewährleistet einen ungetrübten 
Genuss nicht. Durch die dauernde Ausstellung des Kunstvereins ist 
eben eine Betrachtung der Zeichnungen sehr erschwert, ja teilweise 
geradezu unmöglich gemacht. Andere geeignete Räumlichkeiten zur 
Unterbringung des Kunstvereins oder der Sammlung Migette giebt es 
aber zur Zeit noch nicht, denn der eben fertiggestellte Anbau des 
Museums hat noch dringlichere Bedürfnisse zu erfüllen, da die infolge 
des früheren Raummangels zurückgestellten Gemälde nach Licht ver- 
langen und die in den bisherigen überfüllten Bildersälen mehr oder 
weniger herrschende Planlosigkeit durch eine planmässige Anordnung 
ersetzt werden muss. Doch ist zu erwarten, dass in nächster Zeit die 
Frage der Unterbringung der Sammlung Migette in Gemeinschaft mit 
anderen Fragen, wie der Schaffung von Räumen zur Aufstellung der 
Kleinaltertümer !), in befriedigender Weise gelöst wird und dass über- 
haupt die brennende Raumfrage durch Fortführung der begonnenen 
Erweiterung des Museums — an Ort und Stelle oder anderswo — 
entschieden wird. 

Es erübrigt nun noch, den Zuwachs der Gemäldesammlung 
während des letzten Jahrzehntes zu verzeichnen: 1) »Der Gepatsch- 
Gletscher in Tirol« von Fritz Rabending (Karlsruhe); 2) »Durch die 
Haide« von Eugen Bracht (Berlin), Abb. in »Deutsche Kunst« IT Nr. 7 
(1899) S. 128; 3) »Kronprinz Friedrich Wilhelm« (der spätere Kaiser 
Friedrich) von A. v. Sandrart (Berlin); 4) »Wildbach bei Regen- 
stimmung« von Alb. Rieger (Wien); 5) »Hafen von Bordeaux« von 
Aug. Flameng (aus Jouy-aux-Arches bei Metz, + zu Paris); 6) »Zauber- 
licht« von Hermann Hendrich (Berlin); 7) »Minnesota« von Fery 
(München); 8) »Verfängliche Frage« von Edm. Louyot (München; geb. 
in La Lobe bei Arry im Landkreis Metz); 9) »Sterbender Christus« 
von K. W. Diefenbach (München); 10) »Irene von Spelimberg, die 
Braut Tizians, auf der Totengondel«e von Hermine von Preuschen 
(Rom); 11) Bildnis des in Metz geborenen Komponisten Ambroise 
Thomas (+ zu Paris) von Rinkenbach (Metz); 12) »Rast in der Wüste«, 


1) Vgl. Westd. Zeitschrift XIX, 1900, S. 357. 


— 405 — 


Aquarell von A. Birck (Cairo, geb. in Metz); 13) »Ein Opfer des 
Strikese von Edm. Blume (München); 14) zehn Gemälde, darunter 
zwei mythologische von Devilly (geb. in Metz), Geschenk aus dem 
Nachlass des Herrn Aug. Prost: 15) drei Zeichnungen von der Kathe- 
drale zu Metz, Geschenk der Regierung. Im laufenden Geschäftsjahr 
(1900) wurden angekauft: 16) »Prozession in Wackersberg bei Tölz« 
von Wilhelm Mare (Neu-Pasing bei München); 17) »Moderne Kriegs- 
schiffe auf hoher See« von Prof. E. Neumann (Cassel): 18—19) zwei 
Radierungen von Emile Boilvin (geb. zu Metz 1845. gestorben 1898 
zu Paris): »Die Bücherfreunde (Les bibliophiles)«e nach Fortuny und 
»(renerale im Schnee (Généraux dans la neige)« nach Meissonier, beide 
mit Federzeichnungen des Künstlers ausgestattet. 

Schliesslich ist zu erwähnen, dass in den Geschäftsjahren 1899 
und 1900 eine Anzahl von Gemälden einer sachkundigen Restauration, 
deren sie dringend bedurften, unterzogen wurde. Diese mühevolle und 
verantwortliche Arbeit hat in dankenswerter Weise Herr Kunstmaler 
Blankenheim zu Metz übernommen, der für seine Aufgabe durch Prof. 
Pettenkofer vorgebildet ist und bereits in den Jahren 1888 und 1889 
die ganze Sammlung im Auftrage der Stadtverwaltung in Stand 
gesetzt hat!). 

Die Skulpturen, welche die Stadt Metz besitzt, haben mit 
wenigen Ausnahmen neben dem künstlerischen auch einen örtlichen 
Wert, indem ihre Urheber Metzer Künstler sind oder weil sie Persön- 
lichkeiten darstellen, welche aus Metz stammen oder doch sonstige 
Beziehungen zu Metz haben. Ein Teil dieser Werke hat im Freien 
Aufstellung gefunden, so Arbeiten der Metzer Bildhauer Fratin und 
Pêtre, von ersterem bronzene Tierbilder auf der Esplanade und im 
botanischen Garten, (Greschenke des Künstlers und der Regierung’), 
von letzterem die Quellnymphe und das Standbild des Marschalls Ney 
auf der Esplanade. Andere Bildwerke dieser und anderer Metzer 
Künstler befinden sich aber im Museum, so von Pioche (1762—1839) das 
Urteil des Salomo°), von Fratin die Scene aus dem Amphitheater ®), 
von Pêtre unter anderem die Bronze-Büste des Malers Rolland’), von 


‘) Ueber frühere Restaurationen vgl. Michel, Mém. S. 389. 399. 410; 
Migette S. XX,ı; XXI; XXII und zu Nr. 21. 211 u. a. 

?) Michel, Mém. S. 397. 

3%) Lorrain, Catalogue Nr. 550 = Hoffmann, Steinsaal S. 22,1; vgl. Michel, 


Mém. S. 405 und Kraus S. 773. — Ausserdem Migette S. 35,1-2 und S. 109, ı2; 
Hoffmann, Steinsaal, S. 23p (vergl. Nr. 679). 

#) Migette, S. 125,65 = Hoffmann, Steinsaal S. 21,g. 

6) Migette S. 37,5; ausserdem S. 71s,; S. 110,15; S. 117,24; S. 120,44. 


— 406 — 


Hannaux ausser einer früher geschenkten Gruppe die im Januar dieses 
Jahres (1901) als Geschenk eingegangenen Gyps-Modelle von vier 
Werken seiner Hand in Originalgrüsse, Modelle, welche vorher auf der 
Pariser Weltausstellung ausgestellt gewesen: »Mercure et Bacchus«; 
»La mort d’Orphee«; »Fleur de Sommeile: »Phryne«. Ausserdem 
seien noch erwähnt Büsten von Napoleon I, des Luftschitfers Pilätre 
de Rozier (geb. zu Metz 1756), des Generals Poncelet (geb. zu Metz 1788) 
und anderer, sowie Entwürfe zum Denkmal des Marschalls Fabert ?). 

Von einer besonderen kunstgewerblichen Sammlung des 
Museums kann keine Rede sein. Wohl besitzt das Museum — auch 
abgesehen von den vorgeschichtlichen, römischen und merovingischen 
Altertümern — manche Stücke, die in den Rahmen einer kunst- 
gewerblichen Sammlung hineingehören; aber die Absicht, welche diese 
Gegenstände ins Museum geführt hat, war in erster Linie die, einen 
Beitrag zu den heimischen Altertümern zu liefern. Eine scharfe Grenze 
lässt sich natürlich hier nicht ziehen, und da auch die Sammlung 
kunstgewerblicher Fundstücke aus Lothringen zu den Aufgaben des 
Altertumsmuseums gehört, so liegt es nahe, aus dem vornehmlich nach 
kulturgeschichtlichen Grundsätzen zusammengetragenen Stoff eine kunst- 
gewerbliche Auslese auszusondern. Diese Auslese würde allerdings 
sehr lückenhaft sein, da manche kunstgewerbliche Zweige"Lothringens 
im Museum überhaupt nicht vertreten sind. So sind z. B. lothringische 
Fayencen, denen man infolge ihrer grossen Beliebtheit bei Sammlern 
und Altertumsfreunden so häufig in Privathäusern begegnet, noch nicht 
ins Museum gelangt, ebensowenig sind Stickereien und dgl. vorhanden *). 
Dagegen sind ausser Bildhauerarbeiten und bemalten Zimmerdecken ?) 
vertreten z. B. Fliesen (s. 0.) und Ofenkacheln*); ferner Kaminplatten 
(s. o.), welche alle aus lothringischen Häusern stammen, wenn sie 
auch auswärts, in Quint, Neunkirchen und anderswo, gegossen sind. Von 
sonstigen kunstgewerblichen Gegenständen sind zu nennen bronzene 


1) Migette, Catalogue, S. 72,10; 71,7; 116,21; 123,51-55 ff. 

2) Im Nov. und Dez. 1897 waren kirchliche Gewandstücke aus der Pfarr- 
kirche zu Vic an der Seille, Stickereien des vorigen Jahrhunderts (vgl. Kraus 
S. 1014 u. 1021) ausgestellt; darunter als Hauptstück eine Kasel, deren Rücken- 
teil bei Schricker, Kunstschätze von Elsass-Lothringen, abgebildet ist. Der von 
der Stadtverwaltung — mit Unterstützung der Regierung — in Aussicht genommene 
Ankauf der Stücke scheiterte einmal daran, dass das wichtigste Stück, ein Ante- 
pendium, fehlte, und dann an der auch im Vergleich zum Werte des vollstän- 
digen Gewandes (einschliesslich des fehlenden Stückes) übertriebenen Forderung. 

3) Holzdecken s. o.; vgl. Hoffmann, Steinsaal Nr. 694. 

+) Steinsaal Nr. 549 und Westd. Zeitschr. X, 383. 


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— 47 — 4 


Böller mit dem Wappen der Stadt Metz (Steinsaal Nr. 594), eine 
geschnitzte Schrankthüre (Lothr. Kunstdenkmäler Nr. 40), eine Zinn- 
schüssel!) aus dem J. 1743 (Kleinalt. S. 48 — Jhb. V,., 186), zwei 
Löffel und ein Löffelstiel mit figürlichem Griff (Kleinalt. S. 46 — Jhb. 
V,e, 184), die Nachbildung eines Thürklopfers aus Troyes (s. o.), ein 
Radschlosskarabiner mit Einlagen?) aus Perlmutter (Kleinalt. S. 49 = 
Jhb. V,, 187) und von Möbeln insbesondere eine Uhr (Ménard S. 540) 
und ein aus dem Schlosse zu Borny bei Metz stammender Boule-Tisch. 
Schliesslich kann man auch noch hierher rechnen die bereits ange- 
führte Limoger Emailmalerei (Gemälde Nr. 102) und die beiden Bruch- 
stücke eines Holzschnittes mit der Darstellung der »neuf preux« (neun 
Helden), ein lothringisches Erzeugnis, welches nach dem Papierzeichen 
in die Zeit gegen 1451—1452 fällt’). Abbildungen der Emailmalerei, 
des Holzschnittes, der Uhr und des Tisches, des Thürklopfers, der 
Löffel, sowie von acht gusseisernen Kaminplatten und von Fliesen 
wird nebst Abbildungen römischer Bildhauerarbeiten, römischer Klein- 
altertümer, eines merovingischen Pfeilerkapitäls (Jhb. X, 147), des 
Elfenbeinreliefs, des Steinreliefs aus Scy (Nr. 686), von Proben der 
bemalten Holzdecken, der Studie von Rembrandt und zweier Zeich- 
nungen Migette's die von den Professoren Seder und Leitschuh zu 
Strassburg i. E. herausgegebene Zeitschrift »Das Kunstgewerbe in 
Elsass-Lothringen« I, Heft 10 (April 1901) bringen. 

Mein Bericht über die letztjährigen Erwerbungen und die Ueber- 
sicht über Anfänge und Wachstum der kunstgeschichtlichen Samm- 
lungen des Museums der Stadt Metz ist hiermit abgeschlossen. Die 
Bestände dieses Museums sind, wie, ohne zu übertreiben, gesagt werden 
darf, reich — reich nicht bloss an Zahl, sondern auch an Wert. 
Denn das Museum besitzt eine stattliche Anzahl von Stücken, 


') Nach der Angabe des Schenkers Herrn Chabert (1861) eine Arbeit des 
Metzer Zinngiessers Leclerc. Auf der Standfläche finden sich als Marken: DM 
(D erhaben, M vertieft) sowie in einer gezackten, ovalen Umrahmung, beiderseits 
von einer Lilie: I D und darunter die Jahreszahl (1743). 

?) Trommeln, Masken, Tiere u. a. 

») Von den neun Helden, je 3 der biblischen, heidnischen und christlichen 
Zeit, sind ziemlich vollständig erhalten: Josua und David sowie Gottfried von 
Bouillon; unter jedem Bilde stehen 6 Begleitverse. Bull. Soc. Mos IV (1861) 
S. 62—67. 180—185. 216—217. 253—256. VI (1863) S. 69—71. 79f. 157—159. 
173; Bull. Soc, des antiquaires de France, 1863, S. 127—132; €. M. Briquet, 
La date de trois impressions précisée par leurs filigranes (Extrait du »Bibliographe 
moderne«, 1900, No. 2), Besancon 1900, S. 14—21; Kunstgewerbe in Elsass- 
Lothringen I, 10 (Abb.); vgl. Kraus IL S. 779/780. 


— 408 — 


welchen andere, grössere Museen nichts Gleiches oder auch nur Aehn- 
liches zur Seite stellen können, oder welche für kultur- und kunst- 
geschichtliche Fragen den Ausgangs- und Angelpunkt bilden. Aber 
auch die vielen Gegenstände, welche in anderen Sammlungen ebenso 
oder noch zahlreicher und besser vorhanden sind, haben für uns einen 
srossen Wert, denn es sind urkundliche Zeugnisse für die Geschichte 
unseres Landes. Alle diese geschichtlichen Denkmäler und Kunstschätze 
wirksam und würdig auszustellen verbietet der Raummangel. Einen 
erheblichen Fortschritt bedeutet schon der jetzt fertiggestellte Anbau 
und das Vorhandensein der erforderlichen Ausstellungsschränke, denn 
vorher war die Aufstellung vieler wichtiger Denkmäler überhaupt un- 
möglich. Eine vollständige Abhilfe kann aber nur der baldige Ausbau 
des Museums, wie er eigentlich schon längst beschlossen und bewilligt 
ist, oder ein baldiger Ersatzbau an anderer Stelle bringen. Die Hoff- 
nung aber, dass der (Gemeinderat seiner rühmenswerten Opferwilligkeit 
für Kunst und Wissenschaft und seinem warmen Interesse an der Ge- 
schichte der Stadt Metz und des Metzer Landes die Krone aufsetzt 
und den im Museum zusammengetragenen Kunstschätzen und geschicht- 
lichen Denkmälern der ältesten Zeiten ein auskömmliches und würdiges 
Heim bewilligt, ist kein leerer Wahn. 


Zu den Abbildungen.') 


T- Tafeln! 


Steinsaal (erbaut 1869—1870, eröffnet 1872), rückwärtiger Teil. 

Links: Im Vordergrund Fundstücke von der Lunette d’Arcon am 
Bahnhof bei Metz Nr. 302. 301. 300 (3. Jahresbericht d. Ver. f. Erd- 
kunde zu Metz für 1880, Tafel 2, 2.4.1). Dahinter Nr. 304, Victoria 
(Westd. Zeitschr. II, 255,1), mit Bruchstück Nr. 306 (Westd. Zschr. Il, 
255,3). Weiter auf dem umgestülpten Oberteil einer Säule aus der 
Villenanlage von S. Ulrich bei Saarburg i. L. die Spitze eines Grab- 
steines aus dem Wald Neu-Scheuern (Jhb. IX, 327), links davon auf 


1) Die photographischen Aufnahmen hat Herr Hofphotograph Hermestroff, 
Mitglied unserer Gesellschaft, gemacht. Wegen der ungünstigen Aufstellung ver- 
schiedener Steindenkmäler sind einige Abbildungen nicht nach Wunsch ausgefallen. 
— Die Erklärungen der Bilder sind infolge der drängenden Zeit magerer als 
sie beabsichtigt waren. Die Nummern des Steinsaales sind zugleich Verweisungen 
auf Hoffmann (1889). 


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— 409 — 


dem Unterteil der Säule aus S. Ulrich der Kreuzwegstein (s. Abb. 31) 
und rechts ein Waschbecken (labrum) aus der Badeanlage der Villa 
zu S. Ulrich (Jhb. X, 183); weiter zurück der Altar der Epona und 
des Genius Leucorum Nr. 158 (Robert, pl. 1,5_,). 

In der Mitte: Block von einem Grabdenkmal, Nr. 13 (s. Abb. 4—5), 
unterhalb desselben Nr. 28, opfernde Göttin (Begin pl. 38), und auf 
demselben: Tragaltar des Cissonius Nr. 296, (Göttin mit Füllhorn aus 
Settingen (Jhb. IX, 335) und als Schlussstein eines Thorbogens gear- 
beiteter Juppiter-Kopf Nr. 14 (vgl. Abb. 4). Dahinter erhebt sich ein 
aus der Zeit der Einrichtung des Saales herrührender Aufbau, indem 
auf den Wochengötterstein aus Havingen Nr. 11 (vgl. oben S. 352/353) 
das Postament aus Marmor mit gewundener Kannelierung Nr. 159 
(Bénédictins, Hist. de Metz I pl. XX, 2; Bégin pl. 38) und auf dieses 
die als Grabbehälter verwendete Amphora Nr. 160 (Benedictins, pl. I, 5) 
gesetzt ist. Es folgen die beiden Blöcke eines Grabdenkmals Nr. 9/10 
(s. Abb. 1-3), auf denen Fundstücke aus dem Mithraeum in Saar- 
burg i. L. (Jhb. VII,ı, 147. 151) stehen, dahinter Grabdenkmal aus 
Arlon Nr. 3 (s. Abb. 7) und dahinter die Teile der Mertener Säule 
Nr. 294. 

Rechts hinter Nr. 94 und 95 sowie Nr. 82: Block eines Grab- 
denkmals aus Arlon Nr. 89 (Wilthemius, Luciliburgensia ed. Neyen, PI. 
68—69, Fig. 289—292 mit S. 255—257, wiederholt von Prat, Arlon, 
Atlas Pl. 66—68, vel. I, S. 90; Bertholet, Histoire de Luxembourg I, 
1741, S.417—418). Auf diesen Block ist die geschuppte Juppiter- 
Säule Nr. 90 gesetzt (Robert pl. II, 4). Es folgt das Mithras-Relief 
aus Saarburg i.L. 

Im Hintergrund: mittelalterliche Denkmäler, wie der Gypsabguss 
der Madonna von S. Gangolf Nr. 413 (Lothr. Kunstdenkmäler Nr. 6), 
rechts davon der monumentale Kaminmantel Nr. 415 und darüber der 
Gypsabguss der Aufschrift des S. Barbara-Thores Nr. 687. 

Sobald die Räumlichkeiten es erlauben, wird eine planmässige 
Aufstellung durchgeführt; mit der Beschaffung von Holzsockeln zur 
besseren Aufstellung der Steindenkmäler ist schon seit längerer Zeit 
begonnen. 

Depotfunde von Niederjeutz und Frouard (5 Tafeln). Der erste 
Depotfund von Niederjeutz wurde im Sommer 1898 auf dem Grund- 
stück der dortigen Aktienbrauerei S. Nikolaus, südlich von dem damals 
neu erbauten Brauerei-Gebäude, beim Ausheben eines Grabens für die 
Blitzableitung, 50 em unter der Erdoberfläche entdeckt und später von 
Herrn Dr. Ernst zu Metz als Vertreter der genannten Aktienbrauerei 


— 40 — 

der Gesellschaft für lothringische Geschichte und von dieser dem Museum 
geschenkt. Der Fund umfasst 23 Gegenstände aus Bronze, welche in 
einem hart gebrannten grauen Thongefäss geborgen waren. Das Thon- 
gefäiss war an seinem oberen Teil mit drei und darunter nochmals 
mit zwei parallelen Linien verziert. Die Gegenstände, welche der Topf 
enthielt, sind: eine Lanzenspitze, 22 cm lang, mit zwei Löchern in der 
Tülle zur Befestigung des Schaftes; zwei Sichelmesser (grösste Länge 
13 ‘/2 cm), das eine durchlocht, das andere mit Stift; ein Doppelhaken, 
8 cm lang (Fischangel?); neun glatte, offene Arm- und Beinbänder 
(Breite 9—12 cm), von denen zwei am Rande ein Doppelloch zur Be- 
festigung eines Anhängsels haben; drei hohle, offene, gestrichelte oder 
gerippte Armringe (lichte Breite 6, 6! und 8 cm); eine Platte mit 
acht abstehenden Ringen und je einem viereckigen Loch unterhalb der 
beiden oberen Ringe (Breite der Platte 6,8 cm); vier Ringgehänge, je 
drei Ringe in einem vierten hängend (innerer Durchmesser 4 cm); 
zwei gerippte Röhren in Gestalt von Säulchen (Länge 12 em). Die 
letztgenannten sieben Gegenstände gehörten zu einem Pferdegeschirr. 
—  Westd. Korrbl. XVII, 100; Westd. Ztschr. XVII, 372; Jhb. XI, 374. 

Den zweiten Depotfund aus Niederjeutz verdankt die Gesellschaft 
für lothringische Geschichte ihrem Mitglied Herrn Reipsch zu Dieden- 
hofen, der auf die in seinem Besitz befindlichen Fundstücke freundlichst 
zu Gunsten des Museums verzichtete. Zwei der vier grösseren Arm- 
ringe hatte Herr Reipsch bereits vorher Herrn Dr. Wendling zu Dieden- 
hofen und einen fünften (auf der Abbildung fehlenden) gleichen Ring 
Herrn Oberstabsarzt Dr. Galle in Diedenhofen geschenkt. Herr Dr. Wendling 
hatte die Güte, einen der Ringe zur Vervollständigung des Fundes der 
Gesellschaft f. lothr. Gesch. bezw. dem Museum als Geschenk zu über- 
lassen. Ausser den angeführten grösseren gestrichelten und massiven 
Armringen von 9—9,5 cm lichter Breite gehören noch zu dem Fund: 
ein gleichfalls gestrichelter, dickerer, hohler Armring von nur 8 cm 
lichter Breite; das Bruchstück eines glatten Armbandes von der Art, 
wie sie der erste Depotfund aufweist; eine Lanzenspitze®), L 13°/3 em; 
ein Lappen-Kelt, dessen Klinge abgebrochen ist (grösste Breite 3 cm; 
jetzige Länge 91/2 cm); zwei kleine Schilde (Durchmesser 10 1/2 em) 
mit Ringen auf der Innenseite; ein Ring (Dm. 4 cm), jedenfalls ur- 
sprünglich zu einem Ringgehänge gleich denen des ersten Fundes ge- 
hörig; ein Schellengehäuse, sowie das Stück einer Schwert- oder 
Dolchklinge. - Ausserdem wurden Herrn Reipsch als gleichzeitig ge- 


!) Gleich der grösseren Lanzenspitze des ersten Fundes mit zwei Löchern 
in der Tülle. 


— 41 — 


fundene Gegenstände übergeben ein zweifellos nicht zugehöriger kleiner 
eiserner Hammer und zwei in die Abbildung aufgenommene bronzene 
Stücke, ein Knopf und ein durchbrochenes Beschlagstück, welche wohl 
beide römisch sind. Alle diese genannten Gegenstände wurden nach 
der Herrn Reipsch gemachten Mitteilung einige hundert Meter von der 
Fundstelle des ersten Depots aufgefunden. 

Beide Funde zeigen Verwandtschaft mit den Depotfunden von 
Wallerfangen (im Kreis Saarlouis) und von Frouard; ausserdem noch 
nach freundlicher Mitteilung des Herrn Comte de Beaupré zu Nancy 
mit einem Depotfund von Lay St. Remy bei Toul, den Herr de Beaupre 
erworben hat und dem Museum in Nancy zu überweisen gedenkt. Den 
Fund von Wallerfangen besass Victor Simon zu Metz, der ihn Mém. 
Acad. Metz 1851/52, S. 231—258 (mit Tafel) besprochen hat. Nach 
dessen Tode wurde, wie bemerkt, seine Sammlung versteigert, und der 
Bronzefund von Wallerfangen gelangte ins Museum von St. Germain. 
Mit diesem Depotfund haben die sich ergänzenden beiden Funde von 
Niederjeutz insbesondere gemein die Armbänder und die Röhrchen ; 
auch entsprechen sich die Ringgehänge, die Beschlagschilde und Kelte: 
vgl. die Abbildungen bei V. Simon a. a. O. und bei Hettner, Jahresber. 
d. Ges. f. nützl. Forschen. zu Trier, 1894—1899, Tafel I. In dem vom 
Museum zu Nancy verwahrten Fund von Frouard (Wiener, Catalogue, 130), 
dessen Fundort übrigens nicht genau feststeht, stimmen überein Ringe, 
Röhrchen, Kelte, Sichelmesser. Der Fund von Lay St. Remy bietet 
u. a. gleiche Armbänder. Letzteren und gleichzeitig die mit ihm ver- 
wandten Depotfunde wird Herr Comte de Beaupr& demnächst ein- 
gehender behandeln. 


II. Textabbildungen. 


1--3. Steinsaal Nr. 9/10: Zwei Blöcke desselben Grabdenkmals; das 
Mittelstück fehlt; das Innere des unteren Blockes hohl (Grab). Die 
Vorderseite stellte in feierlicher Haltung unter dem üblichen Baldachin 
die Familienmitglieder, zwei Männer und in ihrer Mitte eine Frau dar. 
Die Grabschrift lautet (ergänzt): »Catullinus Carathouni filius, Sextilia 
Seduli filia, coniux, monimentum sibi vivi posuerunt et Catulliano qui 
vixit annos III menses VI et Secundino . ..... « Auf den Seiten- 
flächen als Sinnbild der Lebensfreude Tänzerinnen u. dgl. mit Musik- 
instrumenten. Devilly No. 1 A—C: Bégin pl. 28. 30; Robert 
pl. IX, 1-3. 

4—5. Steinsaal Nr. 13, von einem Grabdenkmal. Vorderseite: Zwei 
Männer und zwischen ihnen eine Frau bei der Mahlzeit. Ueber 


— 412 — 


ihnen, aus Weinlaub und Trauben herabschwebend, ein Genius; 
in dem Rebengewinde ein Eichhörnchen und ein Vogel. Linke Seite: 
Jüngling, die Hirtenpfeife blasend, rechte Seite: Fischer mit Drei- 
zack. Devilly No. 2 A.B. C. — Ausserdem: Nr. 14, als Schluss- 
stein eines Thorbogens gearbeiteter Juppiter-Kopf, hoch 60 cm (Mém. 
Acad. Metz 1854/55, 562 mit Pl. I, 2 und 1858/59, 291—300 mit 
Pl. 1; Ledain, Lettres et notices d'archéol. Pl. V mit S. 308 Anm. 1). 
Nr. 6 und 337 Apollo-Köpfe (vgl. Hoffmann, der eine Abbildung des 
ersteren auf dem Titelblatt giebt). 

Steinsaal Nr. 98. 99. Nr. 98 (breit cm 95): drei Bütten und ein 
Eimer, unterhalb zwei Fässchen, zwei Töpfe und ein Napf. Devilly 
No. 5; Bégin pl. 29. — Nr. 99 (hoch 75, breit 82 cm): Laden- 
scene. Devilly No. 3; Begin pl. 29. 

Steinsaal Nr. 3, aus Arlon. Würfel (h. 0,94 m), gekrönt von einem 
Pinienzapfen (h. 0,58 m). Auf der Vorderseite des Würfels: Ge- 
schäftsscene ; auf den beiden Seitenflächen Draperien. Wilthemius 
Luciliburgensia Fig. 9 und 118 mit S. 12/13 und 174 (vgl. S. 314) 
ed. Neyen, wiederholt von Prat, Arlon, Pl. 1 und 15. Zur Gestalt 
des Grabsteins vgl. Prat, Arlon I, S. 108 (im Museum zu Arlon); 
Wilthemius Luciliburg., Fig. 449—451 mit S. 313 f.; Bull. Soc. antiq. 
de France 1882 S. 322/323 (Langres); CILXIL 623. 4155. 


S--9. Steinsaal Nr. 30—36 (Nr. 33 und 34 auf beiden Abbildungen), 


Grabsteine aus Soulosse. Dieselben ahmen die Gestalt von Häuschen 
nach, was auch durch die Nachbildung von Schindeln auf der Be- 
dachung sowie durch den Wulst auf dem First (vgl. Benndorf in 
den Jahresheften des Oesterr. archäol. Instituts in Wien, II, z. B. S. 35) 
verdeutlicht wird. Den Eingang zum Grabinnern bildet bei mehreren 
ein Schlitz, entsprechend den Grabsteinen aus den Vogesen (Westd. 
Zschr. XVI, 316; Jhb. XI, 375). Die Grabschriften (Nr. 31. 32. 
34. 35. 36) sind von altertümlicher Kürze und begnügen sich mit 
Nennung des Namens des Verstorbenen, dem teilweise DM angeflickt 
ist; »monimentum Ariolae« (wie öfter auf gallischen Grabsteinen) 
zwischen D M: Nr. 32. — Masse: Nr. 30 hoch 67 cm, breit 64 cm; 
Nr. 31 hoch 1,12 m, breit 0,63 m, und darüber Nr. 32 hoch 73 cm; 
Nr. 33 hoch m 1,15, breit 0,46; Nr. 34 hoch 1,45; Nr. 35 hoch 1,50: 
Nr. 36 hoch 1,70 m. 


10. Steinsaal Nr. 37 aus Soulosse; hoch 1,40 m. breit 0,65. Die 


Eheleute in ihrem Kaufladen: Der Mann ist im Begriff, einen Fisch 
abzuwiegen: die Frau hält einen gefüllten Geldbeutel über einer 
Kassette, die auf dem Ladentisch steht. Die Seitenflächen des 


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Nancy, Musée historique lorrain: Depotfund von Frouard. 


N: ed see historique lorrain: epotfund von Frouard. 
Nancv, Musée historiq | Depotfund | | 


Nancy, Musée historique lorrain: Depotfund von Frouard. 


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— 43 — 


Grabsteines sind mit gewundenen Weinranken verziert. Beaulieu, 
Arch. de la Lorraine I, S. 219 mit Pl. 3. 

11. 12. Steinsaal Nr. 26, von einem Grabdenkmal zu Metz. Auf 
der einen Seite unter einem Baldachin Herr mit einer Doppelgerte 
(Fischgerte? — vgl. Wilth. Lueilib. Fig. 297), am kleinen Finger 
beider Hände Siegelringe. Auf der Nebenseite ein Diener mit Ringen 
um die beiden Fussgelenke; derselbe trägt auf einem Teller ein 
gebratenes Huhn auf. Der Teller ist schräg dargestellt, damit 
man den Inhalt von unten sehen konnte, denn die Bilder waren 
an einem grossen Grabdenkmal in ziemlicher Höhe angebracht. 
Gefunden auf der Citadelle in der Nähe des Höllenturmes und 
Citadellenthores, vermutlich im 16. Jahrhundert dort vermauert; 
zu sehen war nur die den Diener darstellende Seite: Congrès 
scientifique de France, Cinquième session tenue à Metz en 
Septembre 1837, S. 184; vgl. Mém. Acad. Metz 1841/42, S. 138 
mit Tafel, Fig. 2; Begin pl. 25. 

13. Steinsaal Nr. 151: Grabstein einer Frau, hoch 73 cm. Bégin 
pl. 48 (hinter II S. 8). 

14. Steinsaal Nr. 61: Grabstein einer Frau, hoch m 0,70, breit 0,35. 
Von der Grabschrift ist erhalten: »CJaraddouna (mit zwei durch- 
strichenen D) ...... fil.«e Mem. Acad. Metz 1858/59, 285 mit 
Abb. ; Bull. Soc. Mos. I (1858), 55/56 Nr. 5; Robert III, 60 f. mit 
pl. IX,5 (er hält den Grabstein für denselben wie Bénédict. 
1 PEIRL,;). 

15. Schmuckkästchen in Gestalt eines Tempels, hoch 5,7, breit 7. 
lang 9,5em. Das mit Schiebdeckel verschlossene Innere bildet zwei 
Abteilungen, die eine ist mit einem Zapfen zum Aufstecken von 
Fingerringen ausgestattet. Gefunden vor dem Theobaldsthor zu 
Metz. Mem. Acad. Metz 1854/55 S. 565 mit PI.I, 5; Hoffmann, 
Kleinalt. S. 16 = Jhb. IV1, 201. 

16. Steinsaal Nr. 297, hoch 65 cm. Inschrift: Deäe Mogontiae lül(ius) 
Paternus tabellär(ius) ex vötö. Zangemeister, Bonn. Jhb. 69 (1880) 
S. 34—37; F. Möller, Westd. Zschr. II, 254/255; Das Buch von 
der Weltpost, Berlin 1884 S. 47, 3. Aufl. 1894 S. 31 (Abb.). 

17. 18. Steinsaal Nr. 305: Doppelseitig skulpierte Platte, hoch 
60 cm, breit 52 cm; einerseits Mercurius (mit Schlangenstab und 
Geldbeutel; neben seinem rechten Bein: Bock) und zu seiner 
Rechten Rosmerta (das Füllhorn auf ein Postament gestützt, in 
der Rechten ein Geldbeutel?); anderseits Apollo (mit der Leier, 
neben einem Lorbeerbaum). F. Möller, Westd. Zschr. II, 255— 257 
mit Tafel XVI. 


— 44 — 


19. Steinsaal Nr. 313. Mercurius im gallischen Rock (sagum), 
über einem Altar opfernd. Ueber dem Bild die Weihinschrift: Deo 
Mercurio pro salute Aureliani Diviciana mater ex vo(to). F. Möller, 
Westd. Zschr. II, 254,7 mit Taf. XV. 

20. Weinseiher aus vergoldeter Bronze (Länge des Stiels 17,5 em, 
Durchmesser 15 em). F. Möller, Westd. Zschr. II, 259/260 (das 
zweite Paar besitzt Herr Huber zu Saargemünd); Hoffmann, Kleinalt. 
Ss 261=.Ihba TV. 

21-24. Bronzefiguren. 21: fünf Merkurdarstellungen, darunter ein 
Beschlagstück (Bull. Soc. Mos. V. 1862 S. 79). — 22: Merkur und 
Herkules aus Sablon; Venus; Minerva (2). — 23: Genius; Vulkan; 
Bock; Hahn; Adler. — 24:Dogge; Hund oder Wolf; zwei Schwein- 
chen (Mém. Acad. Metz 1855/56, Pl. 2,-7); zwei Amulete (vgl. 
O. Jahn, Aberglauben vom bösen Blick S. 81). 

25-30. Figuren aus weissem, seltener rotem Thon. 25: Hinterteil 
eines Pferdes, vielleicht von der Darstellung einer reitenden Epona. 
27: Wichmann, Jhb. VI, 319/320; Abb. 27,2 ; sind zwei Stücke 
derselben Büste. — 28,1: Reiter, gef. Metz vor dem Deutschen Thor. 
— 28, (29,1): Wichmann, Jhb. VI, 318. — 28,3 (29,2) und 28,.: 
Wichmann $. 318/319, doch ist der Gegenstand in der rechten 
Hand der ersteren eine Aehre. — 30, : Hoffm., Kleinalt. S. 9 = Jhb. 
IVu, 194; vgl. Wichmann, Jhb. VI, 318. 319. — 30,:_:: Wichm., 
Jhb. VI, 319 (doch ist 30,3 eine Venus). 

31. Gesamthöhe 58 em. Gef. im Staatswald Gustal westlich von 
Kneuttingen auf dem rechten Ufer der Fentsch und gegenüber der 
Höhe »Le Castele, zwischen Staatseisenbahn und Staatsstrasse 
Hayingen-Fentsch. Ueber den vier bärtigen Köpfen erhebt sich 
eine Opferschale. Vgl. die Büsten aus Trier-Löwenbrücken bei 
Hettner, Röm. Steindenkmäler des Provinzialmuseums zu Trier, 
1893, Nr. 71, und die Bronzefigur aus Bordeaux bei E. Babelon et 
J. A. Blanchet, Catalogue des bronzes antiques de la bibliotheque 
nationale, Paris 1895, Nr. 362; in beiden Darstellungen je zwei 
bärtige Köpfe abwechselnd mit zwei unbärtigen des Mercurius, der 
in der Bronze als Ganzfigur mit Geldbeutel und (abgebrochenem) 
Schlangenstab gebildet ist. Vgl. die Bezeichnungen in der Litteratur: 
Janus quadrifrons und “Eguns reroaxepalos. Westd. Korrbl. XIX, 
47; Jhb. XI, S. 382,3; Westd. Zeitschr. XIX, S. 358,3. — Der Kreuz- 
wegstein wurde der Gesellschaft f. lothr. Gesch. von Herrn Baurat 
Morlok überwiesen. 

32. Höhe 12 em. Die Schüssel ist Eigentum des Herrn Bürgermeisters 
Goldité zu Longeville bei Metz, in dessen Hof sie i. J. 1900 ge- 


— 45 — 


funden wurde. Aussenstempel (vertieft): SATVRN FECIT. Westd. 
Korrbl. XIX, 46. 


33. Felsrelief vom Donon (Wasgenwald); Gypsabguss, geschenkt von 


der Gesellschaft für lothr. Geschichte. Höhe 0,45, Breite 0,80 m. 
Das Relief stellt den Kampf eines Löwen mit einem Stier dar: 
der Stier hat naturgetreu den Kopf seitwärts — dem Beschauer 
zu — gesenkt und hält seinem Gegner so sein rechtes Horn ent- 
gegen. Charakteristisch für den Stier sind noch der Nacken, die 
Wamme (Wampe) und der Stierpenis. Die Deutung des Tieres als 
Eber ist unrichtig. Der Schwanz des Löwen ist in die Höhe 
geringelt, was auf der unserer Abbildung zu Grunde liegenden 
Photographie wie auf dem Abguss deutlich erkennbar ist. Unter 
dem Relief steht, eingefasst von den erhabenen Enden eines Schrift- 
bandes, die Weihinschrift: BELLICCVS  SVRBVRO, d.h. 
»Belliccus Surburo«. Ein kleineres O am Schluss der Zeile ist auf 
dem Abguss deutlich zu erkennen (die früheren Lesungen lauten 
alle: »Surbur«). Das Zeichen zwischen den beiden S dient als 
Interpunktion. Das I in »Belliccus« ist infolge eines Bruches nicht 
mehr zu erkennen; ein vor V schräg auf dasselbe zulaufender 
Strich ist wohl zufällig. »Belliccus« ist ein gallischer Personenname, 
der sich in dieser Schreibung öfter findet, meist aber dem Lateini- 
schen durch die Schreibung »Bellicus« angeglichen ist (Holder, Alt- 
Celtischer Sprachschatz I, 388—390; vgl. 421. 877£f.; Westd. 
Korrbl. XVII, 107). »Surburo« ist als Töpfername durch einen 
Gefässstempel zu Zürich bekannt (Mommsen, Inscr. Helvet. 352, 
198), von dem ich einen Abguss der Freundlichkeit des Konser- 
vators am Schweizerischen Landesmuseum in Zürich Herrn R. Ulrich 
verdanke. Doch kann das Wort in der Inschrift des Reliefs vom 
Donon, welches gleich den sonstigen Felsreliefs ein Weihdenkmal 
ist, nicht Personenname sein. Denn wollte man auch hier miss- 
bräuchliche Verwendung eines keltischen Namens (Belliccus) an 
Stelle eines römischen Geschlechtsnamens annehmen (Jhb. IX, 185, 7), 
so bestände die Weihinschrift lediglich aus den Namen des Stifters 
ohne Weiheformel (v.s. 1. m.). Dies ist aber nicht möglich, wenn 
es auch Weihinschriften giebt, die sich auf den Namen der Gott- 
heit beschränken. Daher halte ich nach wie vor »Surburo« für 
den latinisierten Dativ des Namens einer keltischen Gottheit; und 
den erwähnten Töpfernamen rechne ich zu den zahlreichen kelti- 
schen Personennamen, welche von Götternamen abgeleitet sind (wie 
»Eso« CIL I, 5030; »Esuvius«; »Sucela«, »Sucella«, Jhb. VII, 


— 46 — 


158: u.s.w.) Mit dem kurzen Wortlaut unserer Weihinschrift 
aber vergleiche man CIL XI, 1001: »Elvius dom(i)no Silvano« und 
die Felseninschrift an der preussisch-luxemburgischen Grenze (Westd. 
Ztschr. XIX, Tafel 24, 6): »Artioni Biber«. — Das Original ist im 
Museum zu Epinal. Dasselbe wurde um das Jahr 1840 losgesprengt. 
Die letzten Gewährsmänner, welche das Felsrelief an seiner ursprüng- 
lichen Stelle gesehen haben, sind meines Wissens Gravier (Histoire 
de Saint-Die, 1836, S. 18/19) und de Bazelaire (Promenades dans 
les Vosges, 1838, S. 37f.); im Jahre 1843 ist es in Epinal nach 
Jollois (Antiquités du dép. des Vosges, 1843, S. 126, Anm. 1). — 
O. Bechstein, Jahrbuch des Vogesen-Clubs VII (1891), S. 31—39, 
vel. S. 40—41 und S. 80, wo die frühere Litteratur verzeichnet ist; 
Keune, Westd. Zeitschr. XV (1896), S. 345; H. Bardy, Bulletin de 
la Société philomatique Vosgienne, 23”® année, 1897/98 (Saint-Die 
1898), S. 367—369, mit Abbildung. 


— 47 — 


Bücherschau. 


Geschichte Lothringens (der tausendjährige Kampf um die West- 
mark) von Hermann Derichsweiler. 2 Bände. Wiesbaden 1901. C.H. Kunzes 
Nachfolger (W. Jacoby). 


Bis vor Kurzem hat weder das Elsass noch Lothringen eine auf quellen- 
mässiger und kritischer Grundlage verfasste Darstellung seiner Geschichte auf- 
zuweisen gehabt. Für das Elsass ıst man noch immer auf die Geschichte 
Strobels angewiesen, für Lothringen boten Calmet und die Benedictiner und aus 
jüngerer Zeit Digot, Ravold (Histoire démocratique de Lorraine) und am besten 
Maurice (Recits lorrains) mehr oder weniger eingehende Zusammenstellungen, 
aus denen man sich einigermassen über die geschichtliche Entwicklung dieses 
Landes unterrichten konnte. Auffallend hierbei ist, dass abgesehen von Huhn, 
der aber in seiner Geschichte Lothringens lediglich einen verwässerten Auf- 
guss von Digot bietet, kein deutscher Forscher bisher daran gegangen war, 
einer Darstellung der Reichsländischen Geschichte seine Arbeitskraft zu widmen. 
Man wird die Erklärung hierfür nur darin finden können, dass nach deutscher 
Art das Bessere Feind des Guten gewesen ist und die Erwägung, dass man etwas 
Vollkommenes und Abschliessendes nach dem heutigen Stande der Quellen- 
forschung noch nicht leisten kann, überhaupt abgehalten hat, zunächst das Mög- 
liche zu bieten. 

Diesen Bann hat für Lothringen Derichsweiler mit frischem Mute gebrochen 
und man wird ihm allerseits für diese That aufrichtigst danken müssen. Derichs- 
weiler war wissenschaftlich durchaus gerechtfertigt, wenn er die Arbeit wagte. 
Auch ohne eigene archivalische Forschung boten sich ihm gerade aus den letzten 
Jahrzehnten so tüchtige Vorarbeiten, dass man auf Grund derselben eine wissen- 
schaftlich vollwertige Geschichte Lothringens schreiben konnte. Abgesehen von klei- 
neren Studien, die im Jahrbuch für lothringische Geschichte von deutschen Forschern 
veröffentlicht waren, und der trefflichen Arbeit Kaufmanns über die Réunions- 
kammer, hat insbesondere die Universität Nancy wertvolle Beiträge zur Förderung 
der Landesgeschichte gebracht. Ich nenne nur die Namen Parisot, Bonvalot, 
Boyé, Baumont, Sadoul, Martin und aus früheren Jahren den klassischen Hausson- 
ville. Dazu kam eine Reihe deutscher und französischer Studien, die an 
sich mehr den politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich 
gewidmet waren, aber da Lothringen jederzeit das Kampfobjekt zwischen den beiden 
Staaten war, indirekt auch für Lothringen von Bedeutung sind. Kaum eine 
von ihnen war bis dahin für eine Darstellung der lothringischen Geschichte 
ausgenützt worden. 

Was Derichsweiler unter Benutzung aller dieser Werke, gleichzeitig aber 
mit Heranziehung aller primären Quellen, soweit sie gedruckt vorliegen, geleistet 
hat, ist vollen Lobes wert. Wir dürfen heute sagen: Die Geschichte Lothringens 
ist geschrieben. In seiner Auffassung ist der Verfasser durchaus selbständig, die 
politischen Situationen und Verwickelungen sind ungemein klar geschildert, die Per- 
sönlichkeiten scharf und lebendig charakterisiert. Der Titel hätte besser gelautet »Ge- 


— 418 — 


schichte des Herzogtums Lothringen«; denn thatsächlich hat der Verf. sich fast aus- 
schliesslich diese zur Aufgabe gestellt. Wenn der Leser glaubt, es sei das heutige 
Lothringen gemeint, wie der Begriff durch die Ereignisse von 1870/71 wenigstens in 
Deutschland sich ausgeprägt hat, so ist dies ein Irrtum, der durch eine deutlichere 
Fassung des Titels hätte ausgeschlossen werden können. Dass sich diese Aufgabe 
bei der Vielgliedrigkeit des Bezirks freilich kaum hätte durchführen lassen, ohne der 
Einheitlichkeit des Werkes empfindlich Eintrag zu thun, wird jeder Kundige dem 
Verfasser sofort zugestehen. Hier müssen besondere Arbeiten einsetzen, welche 
die Geschichte des Bistums Metz, der Stadt Metz und des Pays Messin, endlich 
der reichsunmittelbaren Herrschaften behandeln. 

Im Einzelnen wird Derichsweiler natürlich nicht überall Zustimmung finden. 
So construiert er sich das Verhältnis von Kaiser und Reichsfürsten im 16 u. 17. 
Jahrhundert, wie er wünscht, dass es gewesen sein sollte, und beurteilt nun 
nach dieser seiner Auffassung das Verhalten der Parteien. Die Fürsten sind ihm 
deshalb 1552 und im dreissigjährigen Kriege Rebellen gegen den Vertreter der Reichs- 
einheit. Aber es liegt doch auf der Hand, dass man die Auffassung der Fürsten 
über ihre Stellung im und zum Reiche aus der Zeit erklären muss und nicht 
nach einem construierten Masse messen darf. Mit demselben Rechte würde D. 
auch Friedrich den Grossen einen Rebellen nennen müssen. Ebensowenig wird 
Karl V. oder Ferdinand II. wie ein sächsischer oder staufischer Kaiser beurteilt 
werden dürfen. Wenn er den letzteren als »zähesten und aufrichtigsten Ver- 
teidiger der deutschen Unabhängigkeit« feiert, so brauche ich hier kaum zu 
sagen, dass sich die »deutsche« Unabhängigkeit im wesentlichen mit dem habs- 
burgischen Hausbesitze deckte. 

Ueber 1552 sagt Derichsweiler: »Mit ehrloser Gleichgiltigkeit sah das 
deutsche Volk, d. h. Fürsten und Stände der 68tägigen Belagerungsarbeit der 
Stadt (Metz durch Karl V.) zu und so entartet war in den herrschenden Kreisen 
des Volkes das nationale Empfinden geworden, dass man über den unersetz- 
lichen Verlust an Macht und Ehre sich mit dem schalen und schadenfrohen 
Witze abfand: Die Metz und die Magd haben dem Kaiser den Tanz versagt«. 
Schon aus dieser allgemeinen (Gleichgiltigkeit, die sich beim Verluste 
von Metz in Deutschland zeigte (ganz anders wie später bei Strassburg), hätte 
D. schliessen müssen, dass doch nicht ganz Deutschland von lauter ehrlosen Ge- 
sellen bevölkert war und lediglich der Spanier Karl V. ein Gefühl für Reichsehre 
hatte. Thatsächlich lag die Sache so, dass die Städte Metz, Toul und Verdun 
dem allgemeinen Empfinden nach kaum mehr lebendige Bestandteile des Reiches 
waren. D. hat selbst an anderen Stellen ausgeführt, wie in Toul und Verdun 
schon längst die französische Schutzherrschaft nachgesucht und gewährt war. 
Für diese Städte wurde also kaum etwas Neues geschaffen. Aber auch in Metz 
hatte man schon seit mehr denn 100 Jahren die staatsrechtliche Auffassung, dass 
die Stadt ausserhalb der Grenzen des Reiches läge. So concedierten die Fürsten 
an Heinrich Il, was das Reich schon längst nicht mehr besass, und sie thaten es 
in einer Form, die nach den staatsrechtlichen Begriffen einer Zeit, die wiederholt 
den König von Frankreich als deutschen Kaiser ins Auge gefasst hat, mit der 
Ehre des Reiches durchaus verträglich war. Vor allem übersieht D. aber eins: 
Die Fürsten haben nicht um den Preis der drei Reichsstädte die französische 
Hilfe erkauft. Der Bundesvertrag zwischen Heinrich II. und den Fürsten ist längst 
vereinbart, ohne dass irgendwie von den drei Städten die Rede gewesen wäre. 


J 
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| 
; 


— 419 — 


Da — erst im letzten Augenblicke, als der fürstliche Vertreter zur Unterzeichnung 
nach Chambord geht — wird die Besetzung der Städte von Heinrich II. vorgeschlagen 
und der deutsche Bevollmächtigte geht darauf ein. Auch die Fürsten haben den 
Schritt ihres Vertreters nachträglich gut geheissen in der Erwägung, dass Karl V. 
durch das Vorrücken Frankreichs gezwungen sein würde, seine Streitkräfte zu 
teilen. 

Wenn D. aber meint, dass Karl V. Metz belagert habe, um die Ehre des 
Reiches zu retten, so dürfte das irrig sein. Es war lediglich der Burgunder, der 
zu Felde zog, um zu verhindern, dass sich die französische Macht wie ein Keil 
zwischen den nördlichen und den südlichen Teil seines Reiches schob. War 
doch damit sein grosser politischer Plan der Herstellung des burgundischen 
Reiches durchkreuzt worden. Nur zu diesem Zwecke hatte Karl seinen Einfluss 
in Lothringen zu festigen gesucht und die Furcht, die man in Metz jederzeit vor 
ihm gehabt hat, zeigt deutlich, dass man auch hier mit diesen Absichten Karls 
ernsthaft rechnete. Diese Besorgnis giebt überhaupt, wie ich später auszuführen 
gedenke, den Schlüssel für das Verhalten der Metzer in den kritischen Jahren 
vor 1552. Man fürchtete den Burgunder genau so wie den Franzosen. 

Doch das sind Einwürfe, die den Wert der Derichsweilerschen Arbeit nicht 
vermindern können. Sie beruben zum Teil auf der Verschiedenartigkeit geschicht- 
licher Auffassung, deren erschöpfende Begründung ich mir vorbehalte. Ein Be- 
denken kann ich aber bei aller Anerkennung der hervorragenden Leistung Derichs- 
weilers nicht unterdrücken. Seine Auffassung und Beurteilung der Reformation 
ist derart gehalten, dass eine Diskussion darüber für mich ausgeschlossen ist. 

Nur zwei positive Irrtümer will ich herausgreifen, die Derichsweiler bei 
objektiverem Urteil nicht untergelaufen wären: Luther für Hexenprozess und 
Inquisition verantwortlich zu machen (p. 455), geht doch schlechterdings nicht an. 
Auch bevor die Werke von Hansen und Hoensbroch erschienen waren, reichten 
unsere Kenntnisse weit genug, um Luther das nicht aufzubürden. Und wenn D. 
geneigt ist, dem »calvinistischen Patriciate den angeblichen Verrat von Metz zuzu- 
schreiben, so durfte das nicht damit begründet werden, dass die Brüder de Heu, 
die Patricier Gournay u. a. französische Pensionen bezogen. Die Gournay waren 
Führer der Katholiken. — Ich denke übrigens den Nachweis zu bringen, dass 
von einem Verrat überhaupt nicht die Rede sein kann. 

Man darf wohl die Hofinung aussprechen, dass bei einer Neuauflage, die 
D’s. schönes Werk ohne Zweifel erleben wird, die, mehr oder weniger deut- 
lichen Ausfälle gegen den Protestantismus gestrichen werden. Wolfram. 


Eug. Martin: Histoire des diocèses de Toul, de Nancy et de Saint-Dié; 
tome I: Des origines à la réunion de Toul à la France; Nancy, 
A. Crépin-Leblond, 1900. XLIV u. 602 S. 


Die erste sichere Nachricht über das Bestehen des Bistums Toul stammt 
etwa aus dem Jahre 460, wo Sidonius Apollinaris an den Bischof Auspieius von T. 
einen Brief richtet. In der Bischofsliste finden sich vor ihm noch vier andere er- 
wähnt, Mansuetus als erster, der nach M. um 350 anzusetzen wäre, Auch hier 
bildet der Legende nach nicht die spätere Domkirche, St. Etienne, die ursprüng- 


liche Bischofskirche, sondern eine Kirche in der Vorstadt, St. Pierre, aus der 
später die Abtei St. Mansuy wurde. Das Gleiche wird auch von Metz berichtet; 
und dies ist für M. ein Grund, diesen Bericht für ein »moule hagiographique« zu 


— 420 — 


halten. Allein sollte dieser gemeinsame Zug nicht vielmehr auf einen historischen 
Kern hinweisen, der den Legenden für beide Städte zu Grunde liegt? Die Lage 
der ersten christlichen Kirchen in den, Vorstädten würde der fluktuierenden Be- 
völkerung, aus der sich die ersten Gemeinden zusammensetzten, weit mehr ent- 
sprechen als die in der Stadt inmitten einer sesshaften Bevölkerung. 

Mit Auspicius kommt die Darstellung auf sicheren historischen Boden, frei- 
lich ohne dass sich wie bei Metz in den nächstfolgenden Jahrhunderten die Ein- 
wirkung einer bedeutenden Persönlichkeit zeigte. Die Entwickelung der Touler 
Kirche bis 1552 vollzog sich in vier grossen Perioden. Bis 927 erfolgte die Organi- 
sation der Kirche und ihre erste Ausstattung mit weltlichem Besitz, die in dem 
Diplom Heinrichs I. ihren Abschluss fand. Dann begann für Toul die glänzendste 
Zeit seiner Geschichte ; besonders die Bischöfe Gauzlin (927—62), Gerhard (963—94), 
ein Schüler Bruns v. Köln, eine der edelsten Gestalten der Bischöfe der otto- 
nischen Zeit, Hermann (1018—26), der den Ruf der Touler Schule begründete und 
durch seine Vorbildung unter Notker v. Lüttich die Verbindung mit dieser be- 
rühmten Schule herstellte, und Bruno v. Dagsburg (1026-69), der spätere Papst 
Leo IX., der auch als solcher das Bistum behielt, wussten seinen Glanz und sein 
Ansehen durch ihre Persönlichkeit zu heben. Das Emporkommen der städtischen 
Gewalt von 1230 an verwickelte das Bistum in innere Kämpfe, bis dieser lokale 
Gegensatz am Ende des 15. Jahrhunderts durch einen territorialen abgelöst wurde, 
der in dem Streben der Herzöge von Lothringen nach Ausdehnung ihrer landes- 
herrlichen Befugnisse seinen Grund hatte. Freilich nur wenige Jahrzehnte währte 
es, dann streckten mächtigere Gestalten die Hände auch nach Toul aus; 1552 er- 
folgte die Besetzung der Stadt durch Frankreich. 

In anschaulicher Weise giebt uns der Verfasser ein Bild dieser Entwickelung . 
mit Recht stellt er die Gestalten der Bischöfe in den Vordergrund seiner Er- 
zählung; nur so ist es möglich, sich von ihrer Thätigkeit eine wahrheitsgetreue 
Vorstellung zu machen. Eine eingehende Würdigung hat das Verhältnis der 
Bischöfe zu den grossen Abteien der Diözese erfahren; dankenswert ist es, dass 
im 5. Buche eine ausführliche Schilderung der geistlichen Verwaltung der Diözese 
geboten wird; zu wünschen wäre eine eingehendere und übersichtlichere Berück- 
sichtigung der Entwickelung des weltlichen Besitzes des Bischofs und des Dom- 
kapitels gewesen. Hoffentlich ist der Verfasser in der Lage dies in einer be- 
sonderen Studie nachzuholen. 

Auf eine Einzelheit sei zum Schluss noch hingewiesen. Der Verfasser 
identificiert S. 92 den Bischof Jacob v. Toul mit dem auf der Synode von Attigny 
762 genannten Jacobus episcopus de monasterio Gamundias. Aus welchem Grunde 
sollte sich der Bischof nach einem ausserhalb seiner Diözese gelegenen Kloster 
zurückgezogen haben? Es scheint näher zu liegen, sich auf die Bemerkung der 
Gesta episc. Tull. cap. 23 (Mon. Germ. VII. pg. 637) zu stützen, wonach Jacob von 
Pipin die Abtei St. Die erhielt, und anzunehmen, dass er diese schliesslich zu 
seinem Wohnsitz erwählt hat. Es liegt keine Quelle vor, die uns darauf führen 
könnte, jene beiden Personen für identisch zu halten. Müsebeck. 


Die Annales de l'Est, Jahrgang 1900, enthalten S 74—85 eine kritische 
Studie von L. Daville: >Note sur la politique de Robert-le-Pieux en Lor- 
raine«, in der er eine Notiz von A. Prost aus einem Metzer Wappenbuch vom 
Jahre 1473 in der kaiserlichen Bibliothek zu Wien verwertet: »Robertus Francorum 


— 421 — 


Rex ad invadendam Mettim animum intendit, sed Corardus imperator ei resistit.« 
Sie verdient Glaubwürdigkeit, da ihr wahrscheinlich Aufzeichnungen aus der Abtei 
Münster (Notre Dame) in Luxemburg um 1300 zu Grunde lagen, die in Metz ein 
Haus besass. D. bezieht mit Prost diese Angabe auf das Jahr 1025 und datiert 
sie genauer auf Juli des Jahres. Alle übrigen Quellen erwähnen nur einen all- 
gemeinen Angriff auf Lothringen. 

Aus demselben Bande, S. 233—264, sei noch erwähnt der Aufsatz von 
A. Chuquet: »Phalsbourg et les places des Vosges en 1814 Wie alle 
Festungen in Elsass-Lothringen, befand sich 1814 auch Pf. in einem Zustand 
der Verwahrlosung. Am 8. Januar erreichte die Avant-Garde des russischen 
Korps Wittgenstein unter Pahlen die Stadt; die Garnison war zum grossen Teil 
unbrauchbar; von den 44 Geschützen waren 16 ohne Lafetten; es fehlte an Be- 
dienungsmannschaften für die Artillerie und an Lebensmitteln. Kommandant des 
Platzes war der Major Raguet de Brancion, der nebst einer Reihe von anderen 
Offizieren bereit war, die Festung den Bourbonen zu übergeben. Zu einer regel- 
rechten Belagerung kam es nicht; sowohl Pahlen als dem Grafen Wilhelm von 
Hochberg, dem Befehlshaber der Badenser, fehlte es an Material zu einer solchen. 
So wechselten Blokade und Waffenstillstände einander ab, bis endlich der Kom- 
mandant die sichere Nachricht von der Einnahme von Paris und der Abdankung 
Napoleons hatte. Am 14. April konnte Hochberg seinen Einzug halten. — Die 
drei Festungen Lützelburg, Lichtenberg und Bitsch wurden nicht einmal blokiert, 
sondern nur von kleinen Truppenteilen beobachtet; ein Zustand, der mit der 
Wiedereinsetzung der Bourbonen sein Ende nahm. M. 


Die Revue ecclésiastique de Metz bringt im Jahrgang 1900 einen Auf- 
satz von F. Cuny: »Une confrérie à Fénétrange au moyen äge«, S. 404 ff. 
Die Priesterbrüderschaft von Finstingen, eine Gebetsgemeinschaft, wurde in den 
Jahren 1414/16 unter lebhafter Anteilnahme Johanns und Heinrichs v. F., ihres 
Bruders Hugelmann, Domdechanten zu Strassburg, und Dietrich Beyers v. Boppard, 
ihres Mitbesitzers, gegründet. 1415 begaben sich die Herren v. Finstingen des 
Spolienrechts zu Gunsten der Priester ihres Gebiets, die Mitglieder der Brüder- 
schaft waren; 1426 wurde sie durch den Bischof Konrad Beyer v. Boppard be- 
stätigt, 1429 verzichtete Heinrich v. F. auf das Verleihungsrecht der geistlichen 
Pfründe am Altar der Brüderschaft in der Kirche zu F., und 1447 verlangten 
Heinrich, Burchard und Simon v. F. von allen ihren Priestern, dass sie Mitglieder 
der Brüderschaft würden. Durch Schenkungen erwarb sie ein gewisses Vermögen, 
das von dem Brudermeister verwaltet wurde. So bestand sie bis zum Jahre 1565, 
bis zur Einführung der Reformation durch die Rheingrafen fort. Ihr Vermögen 
fiel an die protestantische Kirchenschaffnei, nach der Restauration des Katholieis- 
mus wurde sie nicht erneuert. 

Hingewiesen sei hier bereits auf eine andere, noch nicht vollendete Studie 
desselben Verfassers in diesem Bande der Zeitschrift, S. 582 ff., 659 ff. und Jahr- 
gang 1901, S. 34 f., 73 ff.: »L’introduction du Protestantisme dans la seigneurie 
de Fenetrange«, nach den Akten des Departementalarchivs zu Nancy, die haupt- 
sächlich auf das Eingreifen der territorialen Gewalt der Rheingrafen zurückzu- 
führen ist, der ein niedriger religiöser und sittlicher Zustand den Boden ge- 
ebnet hatte. M. 


tn 


Mondelli, capitaine: La vérité sur le siège de Bitche 1870—1871, Paris-Nancy, 
Berger-Levrault et Cie, 1900. XVIIL. u. 282 S. M. 3.50. 

Der Verfasser, Adjutant des tapferen Kommandanten, Majors Teyssier, 
giebt eine eingehende Schilderung seiner Erlebnisse in dem Kriege vom Juli 1870 
bis April 1871 in tagebuchartiger Form. B. war die einzige französische Festung, 
die allen Versuchen, sie zur Kapitulation zu bringen, widerstand und sich bis zum 
Schluss des Feldzuges hielt. So ist es dem Verfasser zu danken, dass er seine 
offenbar gleichzeitigen Aufzeichnungen veröffentlichte, um so mehr als er selbst 
einen hervorragenden Anteil an der Verteidigung des Platzes genommen hat. 
Vor allem erregt es lebhaftes Interesse zu verfolgen, wie es dem Kommandanten 
gelang, der aus den verschiedensten Truppenteilen zusammengesetzten Garnison 
»obéissance et discipline« einzuflössen. Nicht ganz zutreffend erscheint der Titel; 
von deutscher Seite ist die tapfere und ehrenvolle Haltung des Platzes niemals 
angezweifelt worden. M. 


Dr. A. Dietz bringt in der Frankfurter Zeitung vom 7. Jan. 1901 einen Auf- 
satz über »Die Handelsbeziehungen zwischen Lothringen und Frank- 
furt a. M.«, der auch im Sonderabdruck erschienen ist. Der Verf. stützt sich 
im Wesentlichen auf die Arbeiten von Boyé, La Lorr. commercante und La Lorr. 
industrielle sous le regne de Stanislas. Er weist auf die Handelsbeziehungen hin, 
die durch die natürliche Verbindung des Herzogtums und der drei Reichsstädte 
auf dem Schifffahrtswege mit den deutschen Ländern an der untern Maas, Mosel 
und am Rhein sich entwickelt hatten und durch den Colbertschen Zolltarif, der 
den Verkehr nach Frankreich wesentlich erschwerte, sich noch lebhafter gestalteten. 
Insbesondere sind es die Tücher von Metz und Nicolas-de-Port sowie das Papier 
aus der Gegend von Epinal, das einen begehrten Handelsartikel bildet. Vor allem 
werden diese Waren auf den Frankfurter Messen umgesetzt. — Eingehendere 
Forschung wird hier noch fruchtbare Ergebnisse liefern können. Von Metz aus 
dürften beispielsweise. gleichfalls die Erzeugnisse der hier blühenden Papier- 
fabrik exportirt worden sein und ebenso nehme ich an, dass die Produkte der 
alten Glasfabriken von Lemberg und Münzthal schon früh nach Deutschland hin 
Absatz gefunden haben. Ein kleiner Irrtum des Verf. ist zu berichtigen: Das 
Patois Messin ist kein Mischdialekt aus Deutsch und Französisch, sondern ein 
romanisches Patois. ww: 


In der von der Direktion der Königlichen Museen herausgegebenen »Be- 
schreibung der Bildwerke der christlichen Epochen, 2. Aufl., ist soeben erschienen: 
W. Vöge, Die Elfenbeinbildwerke. Der Verf. zählt hierbei vier ursprünglich 
zum Schmuck von Buchdeckeln verwandte Elfenbeintafeln auf, deren Herkunft er 
nach Metz verlegt. Leider steht noch immer eine kritische Bearbeitung dieser 
hervorragenden Erzeugnisse des Kunsthandwerks aus, so dass wir ihre Herkunft 
nicht mit unbedingter Sicherheit festzustellen vermögen und sogar darüber im 
Zweifel sind, ob die einzelnen Stücke dem 9. oder 10. Jahrhundert angehören. 
Gelegentlich bemerkt der Herausgeber, dass er bezüglich der hervorragenden 
Schnitzerei, welche das Drogosakramentar schmückt, denjenigen Forschern zu- 


| 
. 


— 423 — 


stimmt, die die Elfenbeinsculptur in dieselbe Zeit wie die Handschrift, d. h. in 
das neunte Jahrhundert setzen. W: 


In dem soeben erschienenen dritten Bande der »Deutschen Reichstags- 
akten, Jüngere Reihe« wird wiederholt Metz erwähnt. Wirtschaftsgeschicht- 
lich ist eine Notiz aus dem Jahre 1523 interessant, nach welcher das Reichs- 
regiment Metz unter den wenigen Städten aufzählt (Nürnberg, Augsburg, Strass- 
burg, Köln, Lübeck, Metz), die einen grossen Handel im Auslande treiben. An 
anderer Stelle wird Metz als Zollstätte für die aus Frankreich nach dem Reiche 
eingeführten Güter vorgesehen. W. 


Aus dem 22. Jahresbericht des Vereins für Erdkunde (1899/1900) 
sind zu erwähnen eine Notiz von Uibeleisen: Ueber den Namen Moveuvre. 
Uibeleisen stellt als Form des 10. Jahrhunderts Moebrium fest und schliesst daraus 
nach Analogie anderer Ortschaften auf -brium oder -bria auf ein ehemaliges 
Moebrigum oder Moebriga. Eine Form von 861 lautet Modover. Daraus entnimmt 
er für den ersten Teil eine abgekürzte Form des Namens Moget oder Mogeto. 
Das Grundwort briga= Berg erscheint mir richtig conjiciert zu sein, das Be- 
stimmungswort bleibt fraglich. 

Ebenda giebt J. B. Keune als Referat eines Vortrags mit dem Titel »Die 
Zustände im Metzer Gebiet unter römischer Herrschaft« einen über- 
sichtlichen und gut geschriebenen Auszug aus seinen im Jahrbuche für lothr. Ge- 
schichte Band IX S. 155 ff., X, 1 ff. veröffentlichten grundlegenden Arbeiten »Gallo- 
römische Kultur in Lothringen und den benachbarten Gebieten« und »Zur Geschichte 
von Metz in römischer Zeit«. W. 


Joseph Gény: Die Reichsstadt Schlettstadt und ‘ihr Anteil an den 
socialpolitischenund religiösen Bewegungen der Jahre 1490-1536 
(Erläuterungen und Ergänzungen zu Jansens Geschichte des deutschen 
Volkes, herausgegeben von Ludwig Pastor, I. Band, 5. und 6. Heft; Frei- 
burg i.B., Herder 1900) M. 3; XIV und 223 S. 


In 5 Abschnitten (Schl. socialpolitische und kirchliche Zustände um die 
Wende des 15. Jahrhunderts; die Union der Kaplaneien; die Verschwörung des 
Hans Jakob Schütz von Traubach; der Bauernkrieg; Sieg der städtischen 
Kirchen- und Wirtschaftspolitik) entrollt der Verfasser ein Bild der Geschichte 
der Stadt in diesen stürmischen Jahren vor unsern Augen. Mit sorgsamster 
Peinlichkeit sind die kleinen und kleinsten Einzelheiten zu diesem Bilde zusammen- 
getragen worden, so dass in der Erforschung der thatsächlichen Vorgänge an 
sich und den dabei beteiligten Personen mit unsern bisher bekannten (Quellen kaum 
ein weiterer Fortschritt gemacht werden dürfte. Allein in diesem Vorteil, den die 
Arbeit bietet, liegt zugleich ihr Nachteil: summum ius summa iniuria. Unter 
dieser Fülle von Einzelheiten geht der einheitliche Eindruck des Bildes ver- 
loren; die Personen und Zustände, die wirklich entscheidend eingewirkt haben, 
treten nicht deutlich genug hervor, dazu kommt die unglückliche Verbindung 


— 424 — 


von Darstellung und Aktenpublikation, so dass von den’ 210 Seiten der Dar- 
stellung wohl an 80 Seiten von Anmerkungen und Aktenauszügen angefüllt sind. 
Viel dienlicher wäre es gewesen, wenn der Verfasser den gewohnten Weg ein- 
geschlagen und Darstellung und Beilagen von einander getrennt hätte. Dann war 
es auch möglich, unwesentlichere Dinge (z. B. die Listen der Pfarrer, Kapläne 
und der Bürgermeister- und Ratswahlen) in diese zu verweisen. 


Der Fortschritt der Arbeit gegenüber früheren Darstellungen beruht in der 
reichen Mitteilung des thatsächlichen Materials über die Vorgänge in der Stadt, 
über die beiden Leiter der reformatorischen Bewegung, die Humanisten Phrygio 
und Lapidus, und über den Abenteurer Hans Jakob Schütz von Traubach. 
Schl. befand sich am Ausgange des Mittelalters in einer glänzenden geistigen 
Blüte durch seine Lateinschule und deren regen Anteil an der humanistischen 
Bewegung, und auch in einer anscheinend ausgezeichneten wirtschaftlichen Lage; 
freilich nur anscheinend; denn infolge der Ausdehnung der klösterlichen 
Besitzungen hatte die wirtschaftliche Abhängigkeit einen so hohen Grad erreicht, 
dass es wohl keinen Bürger gab, der nicht irgendwie ihnen zinspflichtig war. 
So wurde am Ende des 15. Jahrh. auch Schl. von Aufständen heimgesucht. Die 
kirchlichen Verhältnisse lagen im Argen; zwischen Klostergeistlichkeit und Welt- 
klerus bestand ein schroffer Gegensatz; viele Pfründen waren an auswärtige 
Geistliche verliehen, und die städtischen Kaplaneien blieben unversorgt. Der Rat 
selbst nahm die Abschaffung der Missstände in die Hand, erwirkte nach endlosen 
Verhandlungen 1513 vom Papste das Patronatsrecht über sämtliche Kaplaneien 
— der Verfasser giebt hier ein äusserst interessantes Bild von den Verhand- 
lungen mit der Kurie —, und ordnete auch das niedere Schulwesen, nachdem 
die Klosterschulen zu Vorschulen der Stadtschule herabgesunken waren. So 
schien die Stadt unter der Fürsorge ihrer obersten Verwaltung ruhigen Zeiten 
entgegen zu gehen, da brachte ein Prozess des Erzpriesters Ergersheim mit 
einem welschen Pfründenjäger aus der Diözese Toul 1519 neuen Stoff zur 
Unzufriedenheit in die niederen Volksklassen, während gleichzeitig Phrygio, 
Lapidus, Rhenanus, Dr. Spiegel und der Drucker Lazarus Schürer eine rege Anteil- 
nahme an den Vorgängen in Deutschland bei den oberen Klassen hervorgerufen 
hatten. Mitglieder dieser Humanistenkreise, vor allem die beiden ersten und 
Schürer, und die Handwerkerkreise der Zünfte waren es, die sich der neuen 
Lehre anschlossen, und besonders der letzteren suchte sich der Abenteurer Hans 
Jakob Schütz von Traubach 1524 zu bedienen, um gegen das katholische 
Regiment der Stadt einen Putsch auszuführen unter dem auf Fälschung von 
Briefen beruhenden Vorgeben, dass jenes sie österreichisch machen wolle. Das 
Vorhaben misslang gänzlich, und es erfolgte eine strenge Bestrafung der Schul- 
digen. Die Bauernbewegung 1525 konnte nur eine periodische Bedeutung für die 
Stadt gewinnen. Sie blieb dem katholischen Glauben treu, das Stadtregiment 
unterdrückte die neue Lehre vollkommen. Als die Ruhe wieder hergestellt war, 
fuhr der Rath fort, wie vorher für das geistige Wohl der Stadt, so jetzt für ihre 
wirtschaftliche Hebung zu sorgen. 1535 musste das Barfüsserkloster seine 
Besitzungen bis auf bessere Zeiten abtreten; 1536 brachte die Stadt auch alle 
Zins- und Gültgüter der Propstei von St. Fides an sich. 


Also: die sogenannte reformatorische Bewegung in der Stadt hatte nur 
dazu gedient, die geistlichen und wirtschaftlichen Reformen der Stadt aufzuhalten ; 


EN D 


die alte Kirche war vollkommen im stande, aus sich allein heraus eine Neu- 
formung der Verhältnisse zu erzielen, die infolge ihrer eigenen Entwickelung sich 
zu Missverhältnissen herangebildet hatten. 


Diesen Schluss muss jeder Leser aus den Darlegungen des Verfassers 
ziehen. Aber schon in diesem einzelnen Falle ist es zweifelhaft, ob die 
Stadtverwaltung die Macht gehabt hätte, ohne diese, verhältnismässig noch 
geringe örtliche Bewegung, jene Verminderung des geistlichen Gutes zu vollziehen, 
auf der eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in erster Linie beruhte. So- 
dann giebt der Verfasser S. 13 selbst zu: »Die Missstände in Kirche und Reich, 
welche zur Bedrückung des Volkes und zu dessen Unzufriedenheit das meiste bei- 
trugen, waren nicht lokaler Natur, noch die Schuld eines Einzelnen, sondern 
hatten sich infolge der allgemeinen Verhältnisse schon seit Jahrhunderten lang- 
sam entwickelte. Dann mussten sie auch durch die allgemeinen Institutionen 
wieder reformiert werden. Glaubt der Verfasser, dass die Kirche, die im 15. Jahrh. 
während der conciliaren Bewegung sich als unfähig erwiesen hatte, aus eigener 
Kraft sich zu reformieren, jetzt im stande gewesen wäre, die geistigen und wirt- 
schaftlichen Bedürfnisse des Volkes nach der Geltendmachung der einzelnen 
Persönlichkeit zu befriedigen? — Glaubt der Verfasser, dass die römische Curie, 
die er selbst an verschiedenen Stellen so treffend geschildert hat, je hierzu die 
Hand geboten hätte? — Mögen die einzelnen Thatsachen noch so richtig und 
ausführlich dargestellt sein: ihre Aneinanderreihung giebt kein objektives Bild 
der Vorgänge, wenn sie nicht mit dem Werden der ganzen Zeit in Zusammen- 
hang gesetzt sind. Erst dann wird die Bedingung Ranke’s erfüllt, die er an eine 
objektive Geschichtsschreibung gestellt hat: die Dinge so darzustellen, wie sie 
selbst in diesem Zusammenhang geworden sind. M. 


Das »Trierische Archive, Heft IV, Trier 1900, enthält einen Aufsatz von 
Armin Tille (94 S. und 40 S. Beilagen) über »Die Benediktinerabtei St. Martin 
bei Trier«, hauptsächlich wirtschafts- und rechtshistorischen Inhalts. Wie viele 
Abteien hatte sie ihren Ursprung in einer Klerikalkirche, die am Ende des 6. Jahrh. 
vom Erzbischof Magnerich erbaut, und wohl erst um die Mitte des 10. Jahrhunderts 
endgültig zu einem Kloster umgestaltet wurde (Bestätigung der Neueinrichtung 
975 Jan. 18). Es bestand bis zum Jahre 1802, wo es durch den französischen 
Präfekten aufgehobon wurde. Nach einer Uebersicht über die Schicksale und 
Verfassung der Abtei giebt uns der Verfasser eine Geschichte ihres Güterbesitzes, 
der gemäss der Art der Erwerbung — meistens durch Schenkung — auch hier 
einen Streubesitz bildete, sowie einen Ueberblick über die Art der Verwaltung 
und die Lage der bäuerlichen Bevölkerung unter dem Kloster. 


Die Bedeutung der Arbeit beruht, wie der Verfasser selbst hervorhebt, 
nicht darin, dass die Abtei jemals eine bedeutende Rolle unter den Abteien Triers 
gespielt hätte, sondern gerade darin, dass ihre Besitzverhältnisse uns ein typisches 
Bild von der wirtschaftlichen Lage eines Klosters von nur mittelmässigem Güter- 
besitz geben, also gerade für die Geschichte der durchschnittlichen Verhältnisse 
von Interesse sind. Freilich die Frage zu lösen, wieweit sich die Zustände dieser 


— 426 — 


Klöster von mittlerer Grösse doch wieder von einander unterscheiden, je nach 
ihrer geographischen Lage oder nach den Persönlichkeiten, die an ihrer Spitze 
standen und sich über das Milieu ihrer Amtsgenossen erhoben, ist erst nach Be- 
arbeitung weiterer Klostergeschichten möglich, wo sich noch ein reiches Feld für 
Forschungen bietet. M. 


Ph. Lauer: Le règne de Louis IV d'Outre-Mer (Annales de l'histoire de 
France à l’époque carolingienne), Paris 1900, Émile Bouillon. Fr. 12. 
RXUN375'S. 


Mit dem Regierungsantritte L. IV. 936 erfolgte nach dem Tode des Königs 
Rudolf aus dem burgundischen Hause die zweite Restauration des karolingischen 
Hauses in Westfranken. Die Grossen des Landes, Hugo der Grosse Graf v. Francien, 
Herbert II. Graf v. Vermandois, Hugo der Schwarze, der Bruder des verstorbenen 
Königs, Arnulf v. Flandern und Erzbischof v. Rheims, entschlossen sich, ihm, dem 
Sohne Karls des Einfältigen (+ 923), der mit seiner Mutter in England als Flücht- 
ling lebte, die Krone anzubieten. Eben erst 15 Jahre alt, bestieg er den Thron, 
und zeigte trotz seiner Jugend ein thatkräftiges, willensstarkes Vorgehen, so dass 
der Plan Hugos v. Francien, selbst die Zügel der Regierung in der Hand zu be- 
halten, bald durchkreuzt wurde. Es war in der That nicht nur politische Rat- 
losigkeit, wie Dümmler (Kaiser Otto der Grosse, Leipzig 1876 S. 61) meinte, sondern 
berechnete Klugheit, die Hugo dazu bewogen hatte, für den Karolinger zu stimmen; 
er selbst konnte nicht hoffen, gegenüber den übrigen Dynasten die Krone zu er- 
langen. Trotz seines zielbewussten Vorgehens war die Regierung Ludwigs eine 
Kette von Misserfolgen; das einzige, was er vermochte, war, den Verfall des 
karolingischen Hauses noch um 30 Jahre hinauszuschieben. 


Die Stärke der Lauer’schen Arbeit beruht auf ihrer einheitlichen Auffassung 
der Regierungsthätigkeit dieses Fürsten, die sich drei Ziele gesetzt hatte: die Er- 
werbung Lothringens, die Niederwerfung der dynastischen Gewalten und die Ein- 
schränkung der normannischen Herrschaft. Keines dieser Ziele erreichte er. Der 
Grund lag nach Lauer in der feindlichen Haltung Hugos v. Francien. In den 
beiden letzten Fällen führt er das Missgeschick des Königs sicherlich mit Recht 
auf diesen Grund zurück. Bei dem Zuge gegen Lothringen war es nicht der 
Hauptgrund, der ihn scheitern liess. Dümmler a. a. 0, S. 97 nennt den Angriff 
des Königs auf Lothringen einen »unklugen, mit unzulänglichen Kräften unter- 
nommenen« Zug. Dies Urteil würde richtig sein, wenn Ludwig geglaubt hätte, 
dass das Verhalten Hugos von solcher Bedeutung für ihn sein würde. Denn die 
Annäherung desselben an Otto I. datierte schon von dem Jahre 937, und die Ent- 
fremdung zwischen ihm selbst und seinem Vasallen war schon vorher, gleich 
nach seinem Regierungsantritt erfolgt. So konnte er im Voraus wissen, dass 
dieser im Falle eines Kampfes mit Otto sich sicher auf dessen Seite stellen werde. 
Vollkommen ausgeglichen wurde dies Verhalten Hugos durch den Bund Ludwigs 
mit Heinrich, dem Bruder Ottos, Eberhard v. Franken und Giselbert v. Lothringen, 
so dass im Herbst 939 die Lage Ludwigs eine äusserst günstige gegenüber Otto 
war. Er schickte sich an, sich mit Giselbert zu verbinden; da erfolgte die Nieder- 


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lage und der Tod Eberhards und Giselberts. Ludwig eilte nach Lothringen, ver- 
ehelichte sich sogleich mit Gerberga, der Witwe Giselberts, Schwester Ottos, und 
schien so im Mittellande festen Fuss zu fassen. Trotzdem wagte er es nicht 
mehr, seinem Gegner Otto im Kampfe gegenüber zu treten, sondern zog sich nach 
Frankreich zurück. Sein ganzes bisheriges Verhalten spricht nicht dafür, dass es 
die Feindschaft Hugos war, die ihn vom Kampfe abhielt, sondern vielmehr die 
günstige Stellung Ottos, die dieser durch den Tod seiner beiden Gegner erlangt 
hatte. Jetzt trat er ihm nicht nur als Sachsenherzog gegenüber, sondern als der 
König, der auch über den grössten Teil Südwestdeutschlands gebot; das Schicksal 
hatte sich für ihn entschieden. 


Jener Rückzug aus Lothringen bildete einen wichtigen Wendepunkt auch 
in der Geschichte dieses Landes. Ludwig schloss sich jetzt seinem ehemaligen 
Gegner an und hinderte dadurch ein weiteres Bündnis zwischen diesem und den 
westfränkischen Grossen, überliess aber auch Lothringen seinen östlichen Nach- 
barn. Giselbert hatte es versucht, nach Osten hin Front zu machen in der Hoff- 
nung, nach Westen hin im Kampfe des karolingischen Königtums gegen die 
territorialen Gewalten der Vasallen freie Hand zur Bildung eines Mittelstaates zu 
erlangen; wohl nur sein. eigener Tod hinderte ihn an dem Gelingen des Planes: 
Ludwig sowohl wie Otto wären nicht dazu im stande gewesen. 


Hervorgehoben seien die übersichtliche Einteilung, das genaue Register und 
die reichen Beilagen des trefflichen Buches, das die Gestalt jenes Herrschers 
zum ersten Mal mit Recht in einem günstigeren Lichte als bisher erscheinen lässt, 
weil der Verfasser ihn zu verstehen sucht. M. 


H. V. Sauerland giebt im Pastor Bonus 1900, p.326 ff., auf Grund der vati- 
kanischen Akten einen Bericht über die Wahl des Priors Theobald von Amella 
zum Abte von Gorze. (Eine Abtswahl im Jahre 1322.) 


Unter dem Titel >Eine Kirche der Wüste in Lothringen« veröffentlicht 
der Pfarrer Edmund Ungerer >Erinnerungsblätter aus Courcelles-Chaussy« 
(mit einer Karte. Strassburg 1900. Heitz u. Mündel. 148 S.). Der Verfasser baut 
seine Arbeit hauptsächlich auf Notizen auf, die er den Kirchenbüchern der alten 
hugenottischen Gemeinde entnommen hat, und hat sich mit Liebe in seinen Stoff 
vertieft. Insbesondere giebt Ungerer ein genaues Verzeichnis des Adels und der 
Gutsherrschaften, die zur Gemeinde gehörten, schildert dann aber auch das kirch- 
liche Leben in der Hugenottenzeit, die Abschwörungen, Auswanderungen und das 
kirchliche Leben nach der Aufhebung des Edikts von Nantes. Es sind oft er- 
greifende Bilder, die der Verfasser zeichnet. Was Ungerer über die neue evan- 
gelische Pfarrei am Schlusse seiner Arbeit sagt, wäre im Interesse der Sachlichkeit 
seines Werkes besser weggeblieben; hier spricht nicht der Historiker, sondern ein 
missvergnügter Geistlicher. 


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Auf einige Fehler in der Arbeit macht mich Herr Pfarrer Poirier gütigst 
aufmerksam. P.11: Samuel Duclos stirbt am 3. Dez., nicht am 3. Okt. Er nannte 
sich Seigneur de Distroff, nicht Bistroff. P.13: Alexandre Duclos geb. 1622, nicht 
1623. P.14: Louis Duclos geb. 20. Nov. 1671. P.15: B. In. Louis d’Orthe sgr. 
de Grimont. P.19: der ganze Abschnitt »Francois Regnier« ist zu corrigieren 
nach Poirier Doc. généal. P. 24, vorletzte Zeile: Ste. Ruffine. P. 25, letzte Zeile: 
Elisabeth de Braconnier war Tochter von Didier Br. maître de la monnaie. P. 27: 
David Goullet hatte nicht 15 sondern 22 Kinder. ri: 


Lothringische Kunstdenkmäler, in Gemeinschaft mit Stadtbaurat Wahn und 
Archivdirektor Dr. Wolfram herausgegeben von Dr. S. Hausmann. Strass- 
burg. W. Heinrich’s Verlag. 


Wenn die Herausgeber es als den Hauptzweck ihres verdienstvollen 
Unternehmens bezeichnen, »die Liebe der Bevölkerung zu den reichen Kunst- 
schätzen des Landes zu erhöhen und ihre Wertschätzung zu fördern«, so kann 
man ihnen die Anerkennung nicht versagen, ein ebenso vornehmes wie glück- 
liches Mittel zur Erreichung dieses Zweckes gewählt zu haben. Es ist eine Er- 
fahrungsthatsache, dass — vor allem in Laienkreisen — eine gute Abbildung 
weitaus nachhaltiger auf Phantasie und Gedächtnis wirkt, als die beste und ein- 
gehendste Beschreibung; und zwar gilt das doppelt in Hinsicht auf Kunstdenk- 
mäler, überhaupt auf Werke der Kunst. Auch darin kann den Herausgebern nur 
beigepflichtet werden, dass sie ihre Auswahl auf vorwiegend kleinere, zum Teil 
im Privatbesitz befindliche Kunstdenkmäler beschränkt haben; es werden auf 
diese Weise weitere Kreise daran erinnert, dass der Wert eines Kunstwerkes 
nicht von seinem Umfang und Volumen bestimmt wird, sondern dass auch äusser- 
lich unbedeutende Kunstüberreste oft einen hohen künstlerischen oder kunst- 
geschichtlichen Wert darstellen. »Scherben und Trümmer« sind auch bei uns 
zu Lande vielfach immer noch gleichbedeutend mit Wegwurf. Dieser weitver- 
breiteten Unachtsamkeit wirkt die vorliegende Veröffentlichung von 60 Probestücken 
lothringischer Kunstdenkmäler in ihrer Art erfolgreich entgegen. Die Lichtdrucke, 
von der Elsässer Druckerei (Fischbach) in Strassburg in Kartongrösse von 33:43 
in meisterhafter Schärfe hergestellt, führen eine Reihe der interessantesten Skulp- 
turen, Bronzen, Miniaturen, Fayencen etc. vor unser Auge — von den gallo- 
römischen Altarsteinen der »Nantosvelta« und des »Sucellus< bis zu den ent- 
zückenden Biscuitgruppen der Niederweiler Porzellanfabrik — die uns in ihrer 
Mannigfaltigkeit einen lehrreichen Ueberblick über das Kunstkönnen im Lothringer 
Lande während beinahe zweier Jahrtausende gewähren. Besonders hingewiesen 
sei hier, um nur einiges herauszugreifen, auf die bekannten Reliefs von Mey und 
Metz, auf die wertvollen Metzer Elfenbeinschnitzereien aus dem 10. und 13. Jahr- 
hundert, die Reste des Sarkophags Ludwigs des Frommen, die interessanten 
Deckenmalereien aus der Ponceletstrasse (12.—13. Jahrhundert), die Statuette 
Karls des Grossen im Museum Carnavalet; das (Stürmersche) Renaissancehaus 
in der Goldkopfstrasse zu Metz; die wundervolle Biscuitgruppe von Niederweiler: 
»Audienz Franklins bei Ludwig XVI, der die Verträge, die Unabhängigkeit der 


— 429 — 


Vereinigten Staaten enthaltend, persönlich sanktioniert< (20. März 1778), u. a. m. 
Im erläuternden Text, der einen kurzen Abriss der Kunstgeschichte Lothringens, 
insbesondere im Vergleich zu derjenigen des Elsass, bietet, ist vor allem Rück- 
sicht auf den Einfluss der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf die 
Entwickelung der Kunst genommen. 


Mögen die lothringischen Kunstdenkmäler eine möglichst weite Verbreitung 
finden und Kunstsinn und Kunstverständnis im Lande wecken und fördern helfen. 
Auf die verdienstvolle Arbeit selbst aber lässt sich das Wort anwenden, das sich 
auf der goldenen Ehrenkette des Oberhauptes der Stadt Metz findet: »Sie ist in 
guten Händen«. H. 


In dem vom Statistischen Bureau des Ministeriums herausgegebenen Werke 
»>Das Reichsland Elsass-Lothringen« veröffentlicht Ministerialrat du Prel 
(Lieferung 2 und 3) eine vorzügliche historische Studie »Beiträge zur Landes- 
geschichte«. Verfasser hat seinen Stoff in sieben Abschnitte eingeteilt: 1. Der 
Name Elsass-Lothringen. 2. Die Grenzen des Reichslandes. 3. Ethnogranhisches 
4. Die alte Westgrenze des Deutschen Reichs. 5. Die Entstehung reichsunmittel- 
barer Gebiete in Elsass-Lothringen. 6. Die Verschiebung der französischen Grenze 
von der Maas an den Rhein. 7. Die Friedensschlüsse von Lunéville (1801), Paris 
(1815) und Frankfurt (1871). Um nur auf Einzelnes aus dem überaus reichen 
Inhalt einzugehen, so schliesst sich du Prel in Abschnitt III den Resultaten 
Schibers an und verwirft Witte’s dagegen erhobene Einwendungen, vor allem, 
wie das auch von Seiten des Referenten wiederholt geschehen ist, die Hypothesen 
über romanische Gründungen. Neu und abweichend von der bisherigen Forschung 
ist des Verfassers Nachweis, dass die romanischen Orte in den elsässischen 
Vogesenthälern ihfen Charakter durch spätere Einwanderung erhalten haben, 
ursprünglich aber im deutsch-nationalen Gebiete lagen. Der wertvollste Abschnitt 
ist derjenige über die Entstehung reichsunmittelbarer Gebiete, und zwar ist es 
hier in erster Linie Lothringen, dem die Studien des Verf. zu Gute gekommen 
sind. Unter Berücksichtigung und vorsichtiger Abwägung der neueren Forschungen 
geht hier der Verfasser weit über die sonst in derartigen Werken gebotene Be- 
arbeitungsart hinaus und zeigt, dass er mit selbständigen Untersuchungen an 
die überaus schwierigen Fragen der Gauverfassung, Grafschaft, Bildung der Vogteien 
und Territorien herangetreten ist. Auf Wiedergabe kühner Hypothesen ist Ver- 
zicht geleistet, und was wir hier zum ersten Male über Entstehung des Bistums 
Metz, des Pays Messin etc. klar und übersichtlich dargestellt finden, das dürfte 
eine sichere Grundlage für spätere Arbeiten bilden. Sind auch die Quellen- 
nachweise der Natur des Werkes entsprechend weggeblieben, so wird der Forscher, 
der in diese Materie eingearbeitet ist, bald sehen, dass sie vorsichtig und er- 
schöpfend benutzt sind. Eine kleine Korrektur sei hier gestattet. Auf S. 42 
(Sonderabdruck) heisst es: »Die Bischöfe von Metz nannten sich electi; in der 
That liegen vom 7. bis zum Ausgange des 11. Jahrhunderts unzweifelhafte Zeug- 
nisse vor, dass die Bischöfe von den Vertretern der Stadt und der Geistlichkeit gewählt 
wurden«. Die Benennung electi ist keine Besonderheit der Metzer Bischöfe. So hiessen 
in jener Zeit und noch lange darüber hinaus alle Bischöfe, bevor sie die Kon- 


— 430 — 


sekration erhalten haben. Nicht nur in Metz, sondern überall im Reiche erfolgte 
die Wahl, bevor die Kapitel und später die Kurie sich der Entscheidung be- 
mächtigt hatte, durch Klerus und Volk. M. 


Die Mémoires de l'Académie de Metz, Jahrgang 1897,98, enthalten zwei 
geschichtliche Arbeiten, die beide noch von dem hochverdienten, im Jahre 1897 
gestorbenen A. Benoit herrühren. Die erste beschäftigt sich mit dem »Couvent des 
Dames Pröcheresses à Metz<. Der Verfasser hat auf Grund des urkundlichen Materials 
alle Notizen zusammengestellt, die sich auf die äussere Geschichte des Klosters 
und die Klostergebäude beziehen. Der Orden ist 1270 gegründet und hat seine 
erste Niederlassung in Pontiffroy. 1278 siedeln die Nonnen in das neuerworbene 
Haus zwischen Römer- und Bischofstrasse über. Was Benoit von einem hier ur- 
sprünglich gewesenen Castrum Romanum spricht, beruht auf einem Irrtum. Der 
Neubau des Klosters, dessen Reste wir noch heute in der Klosterkirche sehen, 
ist im 14. Jahrhundert errichtet worden. 1790 ist das Kloster aufgehoben worden. 
S. 531f. giebt Benoit die Inschriften der im Kloster ehemals vorhandenen Grab- 
steine, an verschiedenen Stellen bringt er sodann die Namen der Nonnen. 


P. 83 folgt die Arbeit desselben Verfassers »Notes sur les délibérations de 
l'assemblée municipale de Cattenom en 1788 et en 1789 et sur l’état des esprits 
au moment de la Révolution. B. schildert die kleinen, oft auch kleinlichen 
Ereignisse, die den Gemeinderat eines dem Verkehr abgelegenen Ortes bewegen 
und sie unterscheiden sich hier nur insofern von denjenigen anderer Land- 
gemeinden, als eine markante Persönlichkeit, Ch. Frédéric Durbach, das Amt des 
Maire versieht. Es wäre zu wünschen, dass nun auch die Protokolle der neunziger 
Jahre, in denen die bewesten Wellen einer grossen Zeit bis in die einsamsten 
Ortschaften herüberschlagen, einen Bearbeiter fänden. 


An die Akademie richten wir aber die Bitte, die handschriftlichen Bände, 
die diese Ueberlieferungen enthalten und die ihr übergeben worden sind, dem 
Bezirksarchiv, wo sie ihren richtigen Platz haben, überlassen zu wollen. W. 


Die Bedeutung der Stadtarchive, ihre Einrichtung und Verwaltung 
von Prof. Dr. E. Heydenreich, Archivar der Stadt Mülhausen. Erfurt 1901. 
10 S AS. 


Wenn wir dem Wunsche des Herrn Verfassers entsprechend dieses 
Büchlein hier zur Anzeige bringen, so geschieht dies vor allem, um die grösseren 
Gemeinden Lothringens auf den Inhalt der Schrift aufmerksam zu machen. 
Heydenreich ist mit ebenso viel Liebe wie Sachkenntnis an seine Aufgabe heran- 
getreten und weist in beredten Worten auf die Wichtigkeit der Stadtarchive in 
juristisch-administrativer wie historischer Beziehung hin. Er hat es sich nicht 
verdriessen lassen, überall Erkundigungen über die Fürsorge der Städte für ihre 
Archive einzuziehen, und wenn er dabei auch hat feststellen müssen, dass es 
noch in sehr vielen Gemeinden an der ernsten Würdigung der historischen Schätze 
fehlt, so zeigen doch andererseits gerade die grösseren Städte, dass in den letzten 
Jahrzehnten eine wesentliche Wandelung zum Bessern eingetreten ist. Doch auch 
für kleinere Ortschaften, die nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft für Ordnung 


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ihrer Archivalen zu sorgen, wird jetzt, in Thüringen wenigstens, die hilfreiche 
Hand zur Besserung der verwahrlosten Zustände geboten. Wo eine Stadt in der 
Lage ist, dauernd Garantien für eine gute Verwaltung ihres Archivs zu leisten, 
ist diese Hilfe angebracht. Nur wird man nicht zu weit gehen dürfen. Für 
Dörfer und kleine Städte giebt es nur ein zuverlässiges Mittel zur Konservierung 
ihrer historischen Schätze: Die Archivalien müssen in den Staatsarchiven deponiert 
werden. W. 


Lieder eines Lothringers. Gedichte von Theodor Lerond. Metz. Deutsche 
Buchhandlung 1900. 


Wir wollen nicht verfehlen, die Leser des Jahrbuchs auf diese Gabe 
eines Lothringischen Landeskindes hinzuweisen. Der Dichter ist erfüllt von der 
Liebe zur Heimat, der Freude an der heimischen Natur, und die Lieder, welche 
diesen Gefühlen Ausdruck geben, sind wahr und aufrichtig empfunden und ver- 
mögen beim Leser die Stimmung wachzurufen, aus der sie geboren sind. Auch 
die Sprache ist fast durchweg vornehm und wiederholt überrascht ein schönes 
Bild oder ein origineller prägnanter Ausdruck, so dass an dem dichterischen 
Vermögen des Verfassers kein Zweifel aufkommen kann. Mit besonderer Freude 
ist es zu begrüssen, dass mit Lerond auch in Lothringen, wie schon seit Jahren 
im Elsass, die reiche Quelle der Muttersprache, deren Schönheit in diesen Landen 
lange Zeit fast vergessen war, neu gefunden und gefasst worden ist. Möge der 
Dichter noch oft aus diesem klaren Borne schöpfen und uns den frischen Trank 
seiner Lieder bieten. W. 


Das Kunstgewerbe in Elsass-Lothringen. Herausgeg. mit Unterstützung 
der Elsass-Lothringischen Landesregierung von Professor Anton Seder, 
Direktor der Kunstgewerbeschule in Strassburg 1. E., und Dr. Friedrich Leit- 
schuh, Professor an der Kaiser-Wilhelms-Universität zu Strassburg i.E. 
Strassburg, Ludolf Beust, Verlagsbuchhandlung. 


Das Unternehmen, welchem die Elsass-Lothringische Landesregierung 
ihren stützenden Arm geliehen hat, ist mit aufrichtiger Freude zu begrüssen. 
Wer in dem letzten Jahrzehnte mit offenem Auge die Entwickelung der Reichs- 
lande verfolgt hat, der wird trotz mancher Enttäuschung, die er auf politischem 
Gebiete erlebte, eines mit lebhafter Genugthuung empfinden: das deutsche Wesen 
der Bewohner des Elsass tritt immer stärker und unverhüllter in einer geistigen 
Bethätigung hervor, die sich zunächst fast unbemerkt als stille Unterströmung 
entwickelt hat: in der Litteratur und in der Kunst. 

Auf diesen Gebieten, wo sich abseits vom politischen Tageslärm die wahre 
Natur des Elsässers ausleben und geben konnte und zunächst in vielfach unbe- 
deutenden Versuchen still für sich ihr individuelles Dasein führte, ist mehr und 
mehr die alte Kraft, die unter dem Drucke einer fremden Nationalität fast er- 
loschen war, wieder erwacht, von Jahr zu Jahr gewachsen und heute sehen wir 
ein frisch pulsierendes Leben, so thatenfroh und schaffensfreudig, dass auch der 
ärgste politische Griesgram an diesen Zeichen der Zeit nicht mehr achtlos 


Er. 


vorübergehen kann. Das ist am sinnfälligsten auf dem Gebiete der Poesie, auf 
die wir heute nicht näher eingehen können, wenn auch bemerkt sein mag, dass 
wir nicht nur an die Namen Stoskopf, Chr. Schmidt, Fritz Lienhart denken, sondern 
an alle die Sänger, die ihre Stimme in der Erwinia und sonstwo erschallen lassen. Das 
tritt hervor auf musikalischem Gebiete — wir nennen nur Erb mit den schön 
empfundenen Weisen zu Fr. Lienharts Dichtungen. Deutlicher noch wird es in 
der Malerei und Bildhauerei, vor allem aber auch in der Befruchtung, welche 
das Handwerk von den letztgenannten Künsten empfangen hat und empfängt. Es 
ist ein ungemein glücklicher Gedanke der Regierung gewesen, in Strassburg eine 
Kunstgewerbeschule zu errichten und damit eine Stätte zu schaffen, wo plan- 
mässig diese glückliche Verbindung, die vor Zeiten das Elsass auf diesem Gebiete 
mit in die erste Reihe unter den deutschen Landschaften gestellt hat, gepflegt 
wird. Einer notwendigen Ergänzung aber zur Schule bedurfte es noch, einer 
Zeitschrift, in welcher neben dem ständigen Hinweis auf die Zeugnisse der alten 
kunstgewerblichen Blüte des Elsass auch in Bild und Wort die Ideen unserer 
Zeit Vertretung fanden. Auch die Schöpfung dieses Organs ist dank der that- 
kräftigen Initiative des Herrn Unterstaatssekretärs v. Schraut gelungen und dass 
die Männer, denen die Leitung der neuen Zeitschrift anvertraut ist, die ihnen 
gestellte Aufgabe richtig verstanden haben und ihr gewachsen sind, das zeigen die 
ersten neun Hefte, die seit Juli 1900 erschienen sind. In reicher Abwechslung 
bieten die Hefte bald Arbeiten über ältere Kunstdenkmäler des Landes, bald 
bringen sie Beschreibung und Abbildung neuerer kunstgewerblicher Erzeugnisse. 
Für die historischen Bestrebungen unserer Gesellschaft sei vor allem hingewiesen 
auf die Arbeiten über Wendel Dieterlin von Hoffmann und Leitschuh, die ersten 
Anfänge elsässischen Kunstgewerbes von Forrer, über alte Glasmalerei von 
Polaczek, über die Sammlung  Spetz-Isenheim, Dürer im Elsass von Leitschuh 
u.a.m. Lothringen ist bisher noch gar nicht vertreten; aber auch hier haben 
die Herren Herausgeber bereits Verbindungen angeknüpft, um diesen Bezirk mit 
seiner ganz verschiedenen Kulturentwickelung nicht unberücksichtigt zu lassen. 
An modernen Leistungen hat freilich Lothringen mit Ausnahme seiner blühenden 
Glasindustrie kaum etwas dem Elsass zur Seite zu stellen. Für unsere Zeit wird 
Nancy mehr und mehr der Mittelpunkt, der die einheimischen Talente (Loujot 
ausgenommen) anzieht. Dort hat sich allerdings das Kunstgewerbe, wie es die 
Zeitschrift La Lorraine artiste zeigt, zu hoher Blüte entwickelt und es ist 
Zeit, dass auch in Metz kräftig eingesetzt wird, um hier ein selbständiges kunst- 
gewerbliches Leben zu schaffen. Wohl aber vermag das Land mit den Denk- 
mälern seiner Vergangenheit reiche Anregung zu geben. Wir empfehlen den 
Herren Herausgebern auf diesem Gebiete zur Berücksichtigung: die römische Kunst 
auf lothringischem Boden (besonders Keramik), die Metzer Deckenmalereien des 
Mittelalters, lothringische Kamine, lothringische Eisenindustrie seit dem 16. Jahr- 
hundert, die Fenstermalereien der Kathedrale, die Porcellanmanufactur von 
Niederweiler etc. w? 


In der Zeitschrift des »Aachener Geschichtsvereinse XXII 121 ff. findet sich 
ein Aufsatz von E. Teichmann >Zur Heiligtumsfahrt des Philipp von 
Vigneulles im Jahre 1510«. Der bekannte Bericht, den Philipp von Vigneulles 


WET à deb Die - fo, di. dr ni sb. 


— 433 — 


in seinem Gedenkbuche giebt, wird zunächst übersetzt und sodann in übermässiger 
Breite commentiert. Einen Gewinn für die Metzer Geschichtsforschung bringt 
die Arbeit nicht. Obgleich der Herr Verfasser sehr kritisch die früheren litterarischen 
Behandlungen der Heiltumsfahrt erwähnt, so ist er doch selbst nicht frei von 
Fehlern. Seine Ausführungen über die Zweisprachigkeit der Stadt Metz sind irrig. 
Wenn dem so gewesen wäre, so hätte der Vater unseres Philipp seinen Sohn nicht 
von Metz wegzuschicken brauchen, damit er deutsch lernte. — Die Priorei, wo Phi- 
lipp deutsch lernt, heisst nicht Isning sondern Insmingen. — Die Schilderung, dass 
man in Aachen die Häuser gestützt habe, damit sie unter der Masse der Besucher 
nicht einstürzten, dürfte kaum Zustimmung finden. Es waren, wie Lempfried 
richtig interpretiert, Schaugerüste aufgestellt. W. 


— 434 — 


BERICHT 
über die Thätigkeit der Gesellschaft für lothringische Geschichte und 


Altertumskunde 


vom 1. April 1900 bis Ende März 1901!). 


Vorstandssitzung am Donnerstag, dem 5. April 1900, nachmittags 4 Uhr 
im Bezirkspräsidium. 


Anwesend von Hammerstein, Keune, von Daacke, Paulus, Wolfram, Grimme. 
Entschuldigt: Welter, Wichmann, Fridrici, de Verneuil, Kaufmann. 
Als Ausflüge für den nächsten Sommer werden in Aussicht genommen: 
. Reichersberg-Justemont-Rombach. 
. Bolchen (Nachmittagsausflug). 
3. Moulins-St. Ruffine-Rozerieulles (Nachmittagsausflug) 
4. Saaraltdorf (Ausgrabungen). 


DD — 


In Launsdorf sollen die vorhandenen tumuli- durchforscht werden. Mit der 
Leitung der Ausgrabungen wird Direktor Keune beauftragt. 

Auf eine Anfrage des Herrn Bürgermeister von Loeper, ob die im alten 
Schloss zu Saargemünd aufgefundenen architektonisch interessanten Bauteile 
einstweilen der Stadt zur Aufbewahrung überlassen werden können, beschliesst 
der Vorstand zuzustimmen. 

Zu der am 19. Februar stattfindenden Versammlung der südwestdeutschen 
Geschichtsvereine in Frankfurt a. M. wird als Vertreter Archivdirektor Dr. Wolfram 
gewählt. 

Der Vertragsentwurf für die Herausgabe lothringischer Geschichtsquellen, 
den Dr. Wolfram mit Buchhändler Scriba vereinbart hat, wird genehmigt. 

Als Publikationen werden in Aussicht genommen: 

1. Lothringische Chroniken; 

2. Ein Wörterbuch des deutsch-lothringischen Dialekts; 

3. Die Regesten der Bischöfe von Metz; 

4. Die Metzer Schreinsrollen. 


Festsetzungen über Honorar etc. soll der Ausschuss treffen. 


1) Die französische Uebersetzung hat Herr Archivsekretär Christiany, 
unser Mitglied, freundlichst übernommen. 


ET 


— 435 — 


Compte-rendu 


des travaux de la Société d'histoire et d'archéologie lorraine 
du 1e avril 1900 au 31 mars 1901!) 


Séance du Bureau du 5 avril 1900, à 4 heures de l'après-midi, 
a l’hôtel de la Présidence. 


Sont présents: MM. le baron de Hammerstein, Keune, von Daacke, Paulus, 
Wolfram et Grimme. MM. Welter, Wichmann, Fridrici, de Verneuil et Kaufmann 
se sont fait excuser. 

Le Bureau projette pour le courant de l'été prochain les excursions sui- 
vantes : 

1° à Riehemont-Justemont-Rombas ; 

2° à Boulay (l'après-midi); 

3° à Moulins-Ste-Ruffine-Rozérieulles (l'après-midi) ; 

4° à Saaraltdorf (fouilles). 

Les tumuli découverts récemment à Launsdorf seront soumis à l'examen 
des experts. M. le directeur Keune est chargé de diriger les fouilles qui y seront faites. 

Le Bureau donne suite à la demande de M. de Loeper, maire de Saarge- 
münd, en vue de confier à la ville, jusqu'à nouvel ordre, la conservation des 
parties de l’ancien château de Saargemünd, qui présentent quelqu'intérêt sous le 
rapport de l'architecture. 

M. le Dr Wolfram, directeur des archives, est chargé de se rendre le 
19 février 1901 à Frankfort sur-le-Main pour prendre part, comme délégué de 
notre Société, à l'assemblée des Sociétés d'histoire de l'Allemagne du Sud-ouest. 

Le Landesausschuss a alloué à la Société une subvention de 24000 Mk. 
pour la publication des sources de l’histoire lorraine. Le Comité chargé de cette 
publication se compose de MM. Wichmann, Grimme, Paulus et Wolfram. 

Le Bureau approuve le projet de convention que M. le Dr Wolfram a conclu 
avec la librairie Scriba au sujet de la publication des sources de l'histoire lorraine: 

Comme sujets de publication il a été convenu de prendre en considération: 

1° les chroniques lorraines ; 

2° Je dictionnaire des dialectes de la Lorraine allemande ; 

3° les regestes des évêques de Metz; 

4° les rôles du ban de tréfonds de Metz. 

Le chiffre des honoraires ainsi que les aulres dispositions à prendre seront 
fixés ultérieurement par le Comité. 


‘) Traduction due à l’obligeance de M. Christiany, secrétaire aux archives, 
membre de notre Société. 


— 436 — 


Die Einnahmen und Ausgaben pro 1900/1901 werden folgendermassen fest- 
gestellt: 


Einnahmen. 
Deberschuss von 1699/1900 TFT IE EN CON CR MIS 
Vereinsbeilrane,P a can nas LE ot 343m Ba ee Sen 
Ständige Beihülfen: 
Staat. .. 2.204726 1000,— | 
Bezirk: 0 ae à :B00;— » 2000,— 
SALE UE. à 2000 — J 
Beihülfe für Herausgabe lothringischer Geschichtsquellen: 
Stage tan. u DO, — 
Bezirk... 00004 600, — »  3600,— 
HAE SE. 022 2.222500, — 
Sonstige Einnahmen „m. misent afro ef MM Veh 
JS. 14200, — 
Ausgaben: 
Mahrbiich 0 0 9:0 3 Se a de a EEE ae, Fe NC ee RES 
Ausgrabungen » 1000,— 
Ankauf historischer Certes pp. MER EE FO VE EM SGN 
Verwaltungskosten . . . RN TEN ER PER UNE SU RN 
Herausgabe der Gschähtänähe 
a) Rest aus 1899 (1800—740) Ab. 1040— \ 4640 
BD): Neu ETAT Nr 2 55 
Sonstige Ausgaben „> 2 660,— 
N. 10700, — 
Ueberschuss . . . . . 4 300 
Ne. 14200, — 


Generalversammlung am Donnerstag, dem 5. April 1900, nachmittags 5 Uhr 
im Bezirkspräsidium. 


Anwesend die oben genannten Vorstandsmitglieder und etwa 31 Mitglieder. 

Neu aufgenommen werden die Herren Pfarrer Sancy in Rozérieulles und 
J. Chary in Oberhomburg i. L. 

Nach kurzer Mitteilung der in der Vorstandssitzung gefassten Beschlüsse 
betr. Ausflüge und Ausgrabungen wird der Etat für 1900/1901 vorgelegt und ge- 
nehmigt. Als Rechnungsprüfer werden ernannt die Herren Audebert und Thiria. 

Die Neuwahl des Vorstandes beschliesst die Gesellschaft durch Zuruf vorzu- 
nehmen, soweit die bisherigen Vorstandsmitglieder erklärt haben, eine Wieder- 
wahl annehmen zu wollen. 

Es werden auf diese Weise bis zum 1. April 1903 gewählt: Huber, Keune, 
von Daacke, Wichmann, Grimme, Fridrici, Kaufmann, Paulus, Welter, Wolfram. 

Statt der ausscheidenden Herren Dorvaux und de Verneuil werden gewählt 
Professor Dr. Bour am Priesterseminar und Baurat Knitterscheid in Metz. 


-- 437 — 


Les recettes et dépenses pour l’exercice 1900-1901 sont fixées comme suit: 


Recettes. 
Excédent de l'exercice 1899-1900 . . . .-... . . . . . . . 496726 
D D lu id rade eh ar à -: DA, — 
Subventions fixes: 
de l'Etat . . . . 1000, — 
du département . . > so. | >  2000,— 
de la ville de Metz. » 500,— 
Subventions pour la publication des sources sur l’histoire de la 
Lorraine: 
BerlHiab "en, PAT 
HAUTE. © {2 OU ne 0 0. ii, à OO, — 
de la ville de Metz. > 600 — J 
AVE NES  0  e-  de LEE. NN de vole". # Ju 
Total rt lé 14800 — 
Dépenses. 
Bar DORE RE Ne DR eo sue à ere de ce ce ce + At, N, — 
D lee DU ce ee où eee à on se + le. © ARE — 
ers MSI OEIQUER .  . A... , le eus os» eo + RR 
ADEME RÉ TOER 0 UP D ile «mer ce tee Vas Ur OU 
Publication de sources historiques : 
a) Excédent de l'exercice 1899-1900 (1800—740) A 1040, À ME ARE. 
S)-Allocation nouvele. . . . . + . . . > 3600, : 
ES er pe à ei Ge eue à on ce u a: Sa 
POUND 
Ezeedent pour le;prochain. exercice... - jé sonen. 0 114$ <4000,— 
N. 14200,— 


Assemblée générale du jeudi 5 avril 1900, à 5 heures de l'après-midi, 
a l’hôtel de la Présidence. 


Assistent à la séance: les membres du Bureau désignés ci-dessus ainsi 
qu'environ 30 sociétaires. 

Sont admis au nombre des membres de la Société: MM. l'abbé Sancy, 
curé à Rozérieulles, et J. Chary, à Oberhomburg. 

M. le Président donne connäissance à l’assemblée des délibérations qui ont 
été prises à la séance du Bureau au sujet des promenades archéologiques et des 
fouilles. Les comptes de l'exercice 1900-1901 sont présentés à l'assemblée et 
MM. Audebert et Thiria sont priés de les vérifier. 

Les membres du Bureau sont réélus par acclamation, à l'exception de 
deux membres qui ont décliné toute réélection. Le Bureau de la Société se com- 
posera donc, jusqu'au 1* avril 1903, de MM. Huber, Keune, de Daacke, Wich- 
mann, Grimme, Fridrici, Kaufmann, Paulus, Welter et Wolfram. 

MM. Dorvaux et de Verneuil qui ont démissionné sont remplacés par 
M. le Dr Bour, professeur du Grand-Séminaire et par M.Knitterscheid, conseiller 
d’architecture ä Metz. 


— 438 — 


Hierauf erhält das Wort Archivdirektor Dr. Wolfram zu einem Vortrage über 
»Den Einfluss der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Entwickelung 
der Kunst in Lothringen«. 

Der Redner zieht bei seinen Ausführungen auch die jeweiligen Verhältnisse 
im Elsass heran, um durch den Vergleich mit diesen die Entwickelung der loth- 
ringischen Kunst in schärfere Beleuchtung bringen zu können. 

Die beiden Länder unterscheiden sich durch ihre Natur, ihre Bewohner und 
ihre Geschichte. Wie die ersten beiden Faktoren hier und dort den Charakter 
der Kunst bestimmt haben, so ist die geschichtliche Entwickelung entscheidend 
gewesen für das jeweilige Aufsteigen und den Niedergang der Kunst. Schon in 
römischer Zeit hat die Verschiedenheit der politischen Stellung beider Länder im 
römischen Reichsverbande es mit sich gebracht, dass in Lothringen die Kunst zu 
hoher Blüte erwächst, während sie im Elsass kaum über die Entwickelung der 
ersten Keime hinausgekommen ist. Nachdem das Elsass schon im 3. Jahrhundert 
dem germanischen Ansturm erliegt, kann sich in Metz das römische Kulturleben 
noch 2 Jahrhunderte lang entwickeln, und als die Stadt durch friedlichen Vertrag 
in fränkische Hände kommt, wird sie Residenz des austrasischen Königshofes, 
der durch die zurückgebliebenen Romanen völlig romanisiert wird und die alte 
Kunstüberlieferung weiter führt. Im Elsass dagegen hat eine germanische Bauern- 
siedelung auch die letzten Romanen verdrängt und auf Jahrhunderte hinaus hat 
die Kunst hier keinen Boden mehr. Den Glanzpunkt in der lothringischen Kunst- 
geschichte bildet die Zeit der Karolinger. Unter dem Einfluss des Königshauses 
entwickelt sich in Metz eine Malerschule und die Fertigkeit der Elfenbeinschnitzerei. 
Auch jetzt hat die Kunst noch keine Stätte im Elsass gefunden. Erst seit dem 
Emporblühen des Städtewesens wird die elsässische Kunst der lothringischen mehr 
und mehr überlegen, bis im Zeitalter der Renaissance Lothringen dem Elsass 
gegenüber völlig in den Hintergrund tritt. Barock und Rococco haben in Loth- 
ringen, das mittlerweile dem stammesgleichen Frankreich wieder angegliedert 
war, Wurzel geschlagen; ins Besondere hat die Fayencerie von Niederweiler 
‚hervorragende Werke gezeitigt. 


Ausflug am 29. Mai 1900 nach Moulins-St. Ruffine und Rozerieulles. 


Auf dem Dampfer, der 2,45 Uhr Metz verlässt, halten sich etwa 25 Mit- 
glieder zur Teilnahme eingefunden. In Moulins wurde zunächst das alte Schloss 
der Familie Fabert besichtigt. Der malerische Bau ist noch heute von Wasser- 
gräben umzogen und die Schiessscharten in seinen Türmen deuten auf seine 
ursprünglich kriegerische Bestimmung. Im Innern birgt das Schloss noch eine 
Reihe geräumiger Säle mit schönen Holzdecken. Herr Lehrer Richard entwickelte 
in übersichtlicher Weise die Geschichte des Schlosses, der davor liegenden Mosel- 
brücke und des Ortes Moulins. Nach Besichtigung des gleichfalls interessanten 
und den meisten Teilnehmern unbekannten Schlosses Grignon erstieg man die 
Höhe von St. Ruffine, um dort die alte Kapelle mit der spätgothischen schönen 
Marienstatue anzusehen und wanderte dann weiter nach Rozérieulles. Herr Bür- 
germeister Richard begrüsste in seinem schön gelegenen Garten die Teilnehmer. 
Auf der sonnigen Terrasse ergriff er sodann das Wort um ein Bild der Ver- 
gangenheit seines Ortes zu entrollen. Nach Einnahme der liebenswürdig dar- 


— 439 — 


La parole est ensuite accordée à M. le Dr Wolfram, directeur des archives, 
pour entretenir l’assemblée sur »l’influence que les circonstances politiques et 
économiques ont exercée sur le développement de l’art en Lorraine. « 

Dans le cours de sa conférence l’orateur relate les circonstances analogues 
qui ont regné en Alsace à la même éqgoque et, par la comparaison des deux 
provinces, établit avec netteté le développement des arts en Lorraine. 

Les deux provinces se distinguent, tant par leur nature, que par leurs 
habitants et leur histoire. De même que les deux premiers facteurs ont décidé 
le caractère de l’art dans les deux provinces, de même le développement histo- 
rique a déterminé la grandeur et la décadence de l'art. Déjà du temps 
des Romains la diversité de la situation politique des deux provinces englobées 
dans l'empire romain a eu pour résultat de faire parvenir l’art lorrain à l’apogée 
de son développement, tandis qu’en Alsace ce même art n'a guère survécu au 
développement des premiers germes. Dès le troisième siècle l'Alsace succombe 
à l'invasion des Germains, tandis qu’à Metz la civilisation romaine se maintient 
encore pendant deux siècles. Après avoir passé, par traité conclu en temps de 
paix, sous la domination des Francs, la ville de Metz devient la résidence de la 
cour des rois d’Austrasie, laquelle est entièrement romanisée sous l'influence des 
Romans qui ont conservé leur domicile dans la province et continue à favoriser 
l’ancienne tradition des arts. l'ar contre en Alsace l'immigration de colonies 
germaines à fait partir jusqu’au dernier des romans de sorte que, pendant plusieurs 
siècles, l’art n'y a pas pu prendre racine. L'art lorrain a atteint son apogée pen- 
dant la période des Carlovingiens. L'influence de cette maison royale a fait éclore 
à Metz une école de peinture ainsi que l’art de ciseler l’ivoire. Sous la période 
des Carlovingiens l'art n'a pas encore réussi à s'établir définitivement en 
Alsace. Ce n’est qu'à l’époque de l'émancipation toujours progressive des villes 
libres que l’art alsacien est devenu peu à peu supérieur à l’art lorrain et ce 
jusqu’à la période de la Renaissance, époque à laquelle la Lorraine a été sur- 
passée par l'Alsace. Les styles baroques et rococo se sont ensuite implantés en 
Lorraine qui était devenue entretemps une province du royaume de France avec 
laquelle elle avait d'ailleurs la race en commun. La faiencerie de Niederweiler, 
entre autres, a produit des œuvres très remarquables. 


Excursion du 29 mai 1900 à Moulins, St. Ruffine et Rozérieulles. 


25 Sociétaires environ s'étaient embarqués sur le bateau à vapeur qui 
quitte Metz à 2,45 h. A Moulins on visita d’abord l’ancien château Fabert. Ce 
bâtiment pittoresque est entouré encore aujourd'hui de fossés et les embrasures 
pratiquées dans les tours indiquent suffisamment l’usage auquel a servile château 
pendant les guerres. 

L'intérieur du château renferme encore une série de vastes salles avec 
plafonds en bois. M. Richard, instituteur, donna un aperçu très détaillé de l'historique 
du château, du pont de la Moselle situé à proximité ainsi que du village de 
Moulins. Après avoir visité le château de Grignon également intéressant et in- 
connu à la plupart des sociétaires, les promeneurs gravirent la côte de 
Ste-Ruffine pour y visiter l’ancienne chapelle renfermant une belle statue de Ja 
Vierge appartenant au style gothique moderne. De là la société se rendit à 
Rozérieulles où elle fut acceuillie par M. Richard, maire, dans son jardin situé 
si admirablement. M. Richard donna sur sa belle terrasse un aperçu de 


— 40 — 


gebotenen Erfrischung verliess man das gastliche Haus zur Besichtigung eines 
alten Reliefs, das den Thürsturz eines Hauses bildet und der älteren Häuser des 
Ortes. In der Kirche übernahm Herr Pfarrer Sancy die Führung und erläuterte 
den Anwesenden die bauliche Entwickelung seines schönen Gotteshauses. Den 
Schluss des Ausflugs bildete die Besichtigung der hochinteressanten romanischen 
Kapelle des ehemaligen Priorats, deren Zugang man der liebenswürdigen Erlaubnis 
der Madame Cailly dankte. 

Um 7 Uhr kehrten die meisten Teilnehmer mit der Eisenbahn von Moulins 
nach Metz zurück. 


Ausflug am Sonntag, dem 17. Juni 1900, nach Nennig. 


Der Ausflug nach Nennig fand in Gemeinschaft mit der Gesellschaft für 
nützliche Forschungen in Trier statt. Aus Metz und Diedenhofen beteiligten sich 
47 Herren und Damen, die unter der Führung des Vorsitzenden wenige Minuten 
vor dem Einlauf des Trierer Zuges auf dem Bahnhofe von Nennig ankamen und 
dort die Trierer Gesellschaft erwarteten. Das Interesse an den Nenniger Alter- 
tümern hatte nicht weniger als 80 Trierer Herren und Damen veranlasst, der 
Einladung des dortigen Vereinsvorsitzenden, Regierungspräsidenten zur Nedden 
und des Schriftführers, Museumsdirektor Dr. Hettner zu folgen. Nach kurzer, 
gegenseitiger Vorstellung machte man sich gemeinsam auf den Weg nach dem 
Mosaik. Professor Hettner, der berufene Interpret dieses herrlichen Kunstdenkmals 
ergriff von der Gallerie aus, die den Fussboden in der halben Höhe des Hauses 
umzieht, das Wort und entwickelte in meisterhafter Form die künstlerische und 
geschichtliche Bedeutung des so wunderbar erhaltenen Steinteppichs. Mit dem 
Danke für den Vortrag verband Regierungspräsident zur Nedden in inhaltsreicher, 
oft auch launiger Ansprache eine Begrüssung der Metzer Gäste, die Freiherr 
von Hammerstein in treffenden Worten erwiderte. 

Nachdem der Fussboden noch im Einzelnen eingehend besichtigt war, begab 
man sich nach den beiden benachbarten Wirtshäusern, um hier in Gesellschaft 
den Kaffee einzunehmen. Nach einer kurzen Besichtigung des nahe gelegenen 
Tumulus ging es dann in fröhlichem Zuge weiter nach der benachbarten luxem- 
burgischen Stadt Remich, wo in dem entzückend gelegenen Garten des Hotels 
Bellevue die verbleibenden Stunden bei einem Glase Wein und einem kalten Imbiss 
schnell verrannen. ‘1/28 Uhr wurde die Heimreise angetreten. 


Sitzung am Donnerstag, dem 28. Juni 1900, nachmittags 5 Uhr 
im städtischen Museum. 


Anwesend von Hammerstein, Wichmann, Wolfram, Bour, Paulus, Keune, 
Welter, Kaufmann und etwa 50 Mitglieder. 

Neu aufgenommen werden die Herren: Direktor der höheren Töchterschule 
Dr. Ernsing-Metz, Amtsrichter Simon-Lörchingen, Gutsbesitzer Richard-Marimont, 
von Kistowsky-Schloss Helleringen bei Oberhomburg i. L., Lehrer Kirbach-Rozé- 
rieulles, Oberlehrer Dr. Kuhn-Diedenhofen, Regierungsrat Heyn-Metz, Photograph 
Bornée-Saarburg. 

Herr Schantz-Freiwald b. Finstingen lässt der Gesellschaft einen broncenen 
Halsring und ein Steinbeil überreichen. Dank. 


à ds 45 lattl 


— Mi — 


l'histoire du village de Rozérieulles. Apres avoir accepté avec plaisir les rafrai- 
chissements qui leur étaient offerts si gracieusement, les sociétaires quitterent la 
maison hospitalière pour aller jeter un coup d'œil sur un ancien relief formant 
linteau de porte, ainsi que sur les anciennes maisons de la localité. A l'église 
paroissiale M. l’abbé Sancy, curé, entreprit d'expliquer aux assistants le déve- 
loppement de la construction du bel édifice. Pour clôturer la promenade 
M. Richard fit admirer aux sociétaires la chapelle romane si intéressante de 
l'ancien prieuré, dont Madame Cailly avait bien voulu permettre l'accès. 

A 7 heures la plus grande partie des promeneurs s’en retourna à Metz 
par le chemin de fer. 


Excursion du dimanche 17 juin 1900 à Nennig. 


L'excursion à Nennig a été faite en commun avec la Société pour les re- 
cherches utiles de Trèves. Environ 47 messieurs et dames de Metz et Thion- 
ville, ayant à leur tête le président de notre Société, arrivèrent à Nennig quelques 
minutes avant la Société de Trèves. Les antiquités de Nennig avaient décidé 
près de 80 messieurs et dames de Trèves à donner suite à l'invitation du 
président de la Société de Trèves, M. zur Nedden, président du département de 
Trèves, ainsi qu'à celle. du secrétaire de cette Société, M. le Dr Hettner, direc- 
teur du musée. Après présentation de part et d’autre l’on se rendit en commun 
vers le dépôt des mosaïques. M. Hettner chargé de faire valoir devant une 
nombreuse assistance les beautés de ce monument d’art unique en son genre 
monta sur la galerie qui entoure le monument à mi-hauteur de l'édifice et fit 
un exposé admirablement détaillé de l'importance historique des mosaïques si 
bien conservées. M. zur Nedden, président de Trèves, le remercia chaleureuse- 
ment et profita de l’occasion pour adresser aux hôtes venus de la Lorraine 
quelques paroles de bienvenue qu'il mélangea parfois de paroles divertissantes. 
M. le baron de Hammerstein ne manqua pas de lui répliquer avec autant de 
gratitude que de jovialité. 

Après avoir inspecté les mosaïques dans tous leurs détails, l'assemblée se 
rendit aux deux restaurants situés à proximité pour consommer un café. Les 
assistants visitèrent ensuite rapidement l'énorme tumulus situé à proximité pour 
se rendre ensuite joyeusement du côté de la ville de Remich situé sur le terri- 
toire du Luxembourg. A l'hôtel Bellevue de cette ville les sociétaires s’attablerent 
dans le jardin admirablement bien situé pour se réconforter pas des collations 
et rafraichissements. Le temps s'étant vite écoulé il fallut songer au retour et 
prendre le train de 7!/» h. 


Seance du jeudi 28 juin 1900, a 5 heures de l’apres-midi, au Musee 

de la ville de Metz. 

Sont presents: MM. de Hammerstein, Wichmann, Wolfram, Bour, Paulus, 
Welter, Kaufmann, membres du Bureau, ainsi que 50 sociétaires. 

Sont admis comme membres de la Société: MM. le Dr Ernsing, directeur 
de l’école supérieure de filles à Metz, Simon, juge de paix à Lörchingen, Richard, 
propriétaire à Marimont, de Kistowsky au château de Helleringen près de Ober- 
homburg, Kirbach, instituteur à Rozérieulles, Dr Kuhn, professeur supérieur à 
Thionville, Heyn, conseiller de gouvernement, à Metz, Bornée, photographe à 
Saarburg. M. Schantz à Freiwald près de Fénétrange offre à la Société un collier 
en bronce ainsi qu'une hache en silex, L'assemblée lui exprime ses remerciments 


— 442 — 


Herr Notar Justizrat Dietsch lässt eine Reihe grösserer und kleinerer in 
Saaralben gefundener Schmelztiegel zur Ansicht vorlegen. Dank. 

Herr Welter spricht über die Resultate seiner Ausgrabungen in Saaraltdorf 
und unterbreitet der Versammlung die gefundenen Stücke. Es sind Lignit- und 
Bronceringe der Hallstattperiode. Herr Dr. O. A. Hoffmann spricht über die Ent- 
wickelung der Angriffswaffen bis in die römische Zeit und erläutert seine ge- 
dankenreichen Ausführungen durch Zeichnungen und Vorlage von Originalstücken 
aus dem Museum. 

Herr Keune legt die Funde aus den Grabhügeln von Waldwiese vor. Auch 
hier ist die Gesellschaft glücklich gewesen: aus 2 Gräbern der Hallstattzeit sind 
etwa 40 Bronceringe zu Tage gefördert worden. 

Der Vorsitzende spricht allen, die die Ausgrabungen geleitet und gefördert 
haben, namens der Gesellschaft den besten Dank aus. Ausser Keune und Welter 
sind das die Herren: Rentmeister Nürk in Waldwiese, Wegemeister Busch in Sierck, 
Bürgermeister Mohr in Waldwiese. 


Vorstandssitzung am Dienstag, dem 10. Juli 1900, nachmittags 5 Uhr 
im Bezirksarchiv. 


Anwesend der gesamte Vorstand ausser dem Vorsitzenden, der am Er- 
scheinen verhindert ist. 

Mit Genehmigung des stellvertretenden Vorsitzenden Herrn Huber legt 
Archivdirektor Dr. Wolfram die verschiedenen Punkte der Tagesordnung vor. 

Neu aufgenommen werden die Herren Oberstleutnant von Hagen (Inf.-Rgt. 131) 
und Notar Uhlhorn in Rixingen. 

Vorgelegt werden die Dankschreiben aus dem Civilkabinet Seiner Majestät 
und Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs von Baden für Jahrbuch 11. 

Herr Notar Welter teilt mit, dass die Kosten für seine Ausgrabungen im 
Jahre 1900 bisher von einem ungenannten Freunde der Gesellschaft getragen 
worden sind. 

Die Gesellschaft für nützliche Forschungen feiert am 1. April 1901 ihr 
100 jähriges Jubiläum. Es soll derselben Jahrbuch 12 als Festschrift über- 
reicht werden. 

Die Anthropologische Gesellschaft hat für August 1901 ihren Besuch in Metz 
in Aussicht gestellt. Der Vorstand erklärt sich bereit, die örtlichen Vorbereitungen 
für diese Versammlung zu treffen. Das Ministerium soll um eine Unterstützung 
angegangen werden, um die Briquetagen bei Vie in grossem Umfange freilegen 
zu können. 

Der Königlich sächsische Altertumsverein hat zu seinem 75 jährigen Stiftungs- 
feste, das am 24. bis 28. September in Dresden stattfindet, eingeladen. Da gleich- 
zeitig der 2. Archivtag und die Generalversammlung der deutschen Geschichts- 
vereine dort stattfindet, soll Archivdirektor Wolfram, der als Vertreter des Archivs 
dorthin geht, die Vertretung der Gesellschaft übernehmen. 

Punkt 4 der Tagesordnung »Ergänzung des Ausschusses zur Herausgabe 
lothringischer Geschichtsquellen< wird verschoben. 

Der Lese- und Redehalle deutscher Studenten in Prag soll das Jahrbuch 
künftig übersandt werden. 


1 dde 


nu do EU de. 


— 443 — 


M. Ditsch, notaire, fait présenter une série de creusets plus ou moins grands 
qui ont été découverts à Saaralben. Remerciments. 

M. Welter donne le compte-rendu es résultats des fouilles qu'il a fait 
opérer à Saaraltdorf et présente en même temps les pièces qui ont été mises à 
jour, tels que les anneaux de lignite et de bronze datant de la période dite de 
Hallstatt. M.le Dr O. À. Hoffmann fait une conférence sur le développement des 
armes offensives depuis les temps les plus reculés jusqu’à l’époque romaine et 
démontre ses assertions à l’appui de dessins et de pièces originales tirées du Musée. 

M. Keune soumet à l'assemblée les trouvailles des tumuli de Waldwiese. 
Là également les recherches de la Société ont été couronnées de succès. Deux 
de ces tumuli ne renfermaient pas moins de 40 anneaux en bronze. 

M. le Président exprime les remerciments de la Société à toutes les per- 
sonnes qui ont dirigé ou favorisé les fouilles, entre autres à MM. Keune et 
Welter ainsi qu'à MM. Nürk, percepteur à Waldwiese, Busch, conducteur des 
ponts et chaussées, à Sierck, Mohr, maire de Waldwiese. 


Séance du Bureau du 10 juillet 1900, à 5 heures de l'après-midi, 
aux archives départementales. 


Sont présents: tous les membres du Bureau à l'exception du Président, 
qui est empêché d’assisters à la séance. 

M. Huber, vice-président, charge M. le Dr Wolfram de soumettre au Bureau 
les différents sujets qui forment l'ordre du jour. Sont admis comme membres 
de la Société MM. von Hagen, lieutenant-colonel (reg. d’inf. n° 131), et Uhlborn, 
notaire à Réchicourt. 

Le Bureau prend connaissance de la lettre de remereiment du Cabinet civil 
de Sa Majesté l'Empereur, ainsi que de celle de son Altesse royale le Grand-duc 
de Bade, auxquels la Société avait offert un exemplaire de l'annuaire 11. 

M. Welter, notaire, fait savoir qu'un ami de la Société, qui désire garder 
l’anonyme, a pris à sa charge les frais pour l'exécution des fouilles pendant 
l’année 1900. 

La Société pour les recherches utiles de Trèves célèbrera le 1er avril 1901 
le centenaire de sa fondation. A cet effet le Bureau décide d'offrir à cette Société 
l’annuaire 12 de notre Société comme souvenir de circonstance. 

Le Congrès des anthropologistes aura lieu à Metz, selon toute probabilité 
vers le mois d'août 1901. Le Bureau déclare être disposé à se charger de tous 
les préparatifs que nécessitera un tel Congrès. Le Ministère d’Alsace-Lorraine sera 
prié de vouloir allouer une subvention assez forte, afin de pouvoir mettre à découvert 
sur une grande étendue les briquetages près de Vic. 

La Société d'archéologie du royaume de Saxe a fait parvenir à notre So- 
ciété une invitation à prendre part à la fête du 75° anniversaire de sa fondation 
qui sera célébrée à Dresde du 24 au 28 septembre. Comme le 2e Congrès des 
archivistes ainsi que le Congrès des Sociétés d'histoire de l'Allemagne doivent 
également avoir lieu à la même date et dans la même ville, le Bureau charge 
M. le Dr Wolfram de prendre part à ces différents Congrès comme délégué de 
notre Société. 

La discussion du point 4 de l'ordre du jour concernant l'élection complé- 
mentaire pour le Comité chargé de la publication des sources de l'histoire lorraine 
est remise à une époque ultérieure. 


— 444 — 


Direktor Paulus bringt zur Sprache, ob es nicht möglich sei, für die Heraus- 
gabe lothringischer Geschichtsquellen ausser den von Baron de Gargan zugesagten 
1000 Mk. von anderen Privaten Beiträge zu erhalten. Herr Huber sagt sofort 
seinerseits die gleiche Summe zu. Im Namen des Vorstandes spricht der Schrift- 
führer den herzlichsten Dank aus. 


Besichtigung des Höllenturms in der Metzer Citadelle am Donnerstag, dem 19. Juli, 
nachmittags 6 Uhr. 


Mit Genehmigung der Garnisonbauverwaltung wird unter Führung des Herrn 
Baurat Schmidt von etwa 60 Mitgliedern der Höllenturm besichtigt. Herr Baurat 
Schmidt erläutert an der Hand von Plänen die Gesamtkonstruktion. Nach Be- 
endigung des Rundgangs legt er noch einige Reste römischer Säulen und ein 
römisches Kapitäl vor, die beim Abbruch der Mauern gefunden waren. 


Ausflug am Samstag, dem 21. Juli nach Bolchen. 


Von Metz nahmen etwa 20 Mitglieder an der Fahrt teil, aus der Umgegend 
von Bolchen waren ca. 10 hinzugekommen, aus Bolchen selbst aber war die Be- 
teiligung so stark, dass der geräumige Stephanssaal die Anwesenden kaum zu 
fassen vermochte. 

Nachdem am Bahnhofe Bürgermeister und Gemeinderat die Teilnehmer an 
der Fahrt empfangen und begrüsst hatten, begab man sich durch die überaus 
reich mit Fahnen und einer Ehrenpforte geschmückte Stadt nach dem Rathause. 
Vor dem Gebäude war die Schuljugend und die Feuerwehr aufgestellt, um an der 
Begrüssung teilzunehmen. 

Im Rathaus bot die Stadt einen Ehrenwein, dem bei der heissen Temperatur 
kräftig zugesprochen wurde. Schon hier nahm der Vorsitzende Gelegenheit für 
den ungemein freundlichen und warmen Empfang den Vertretern der Stadt zu 
danken. Der Herr Bürgermeister und ebenso Herr Pfarrer Weber in Diedesberg 
hatten die Aufmerksamkeit, den Mitgliedern der Gesellschaft ausserordentlich 
geschmackvoll hergestellte Postkarten mit historischen Darstellungen der Stadt 
zu überreichen, die unter aufrichtigem Danke entgegengenommen und sofort in 
alle Welt versandt wurden. Vom Rathaus begab man sich in festlichem Zuge 
unter Vorantritt der Musik und der Schulkinder nach dem Vereinshause St. Stephan. 
Nach einer musikalischen Begrüssung durch den Bolchener Männergesang-Verein 
und den Vortrag eines Bolchener Kirmesliedes in Bolchener Mundart ergriff Herr 
Bürgermeister Weber das Wort, um in trefflicher Weise ein Bild von den ent- 
setzlichen Schicksalen, welche die Stadt während des 30-jährigen Krieges erduldet 
hatte, zu zeichnen. 

Der Vorsitzende dankte in längerer Ausführung dem Redner und schloss 
in seinen Dank auch alle übrigen Kreise und Persönlichkeiten, insbesondere den 
Herrn Erzpriester, den Gesangverein, die Feuerwehr ein, die sich um das Gelingen 
des Tages so verdient gemacht hatten. 


Bern 


Dorénavant un exemplaire de notre annuaire sera offert à la salle de lec- 
ture et de réunion des étudiants allemands à Prague. 

M. l'abbé Paulus, directeur de la bibliothèque de la ville, demande si, à 
l'instar de M. le baron de Gargan qui a mis gracieusement la somme de 1C00 M. 
à la disposition de la Société, il ne serait pas possible d’obtenir encore de la part 
d'autres personnes privées des subventions pour la publication de sources sur 
l'histotre lorraine. M. Huber, à cette demande, souscrit immédiatement la somme 
de 1000 M. Le secrétaire de la Société, au nom du Bureau, exprime à M. Huber 
ses plus chaleureux remerciments. 


Visite de la Tour d'enfer, à la citadelle, le jeudi, 19 juillet, à 6 heures de 
l'après-midi. 

L'administration des constructions militaires ayant gracieusement permis 
l'accès de la tour en question, 60 sociétaires environ accompagnés de M. Schmidt, 
conseiller d'architecture, se trouvèrent au rendez-vous de la citadelle. M. Schmidt 
expliqua à l’aide de plans la construction générale de la tour, puis, après avoir 
fait examiner à l'assemblée la tour en détail, il fit voir en outre quelques restes 
de colonnes romaines ainsi qu'un chapiteau également romain. Le tout avait été 
découvert lors de la démolition des mu:s. 


Excursion du samedi, 21 juillet 1900, à Boulay. 


Environ 20 sociétaires de Metz se rendirent à Boulay auxquels vinrent s’ad- 
joindre environ 10 sociétaires des environs de Boulay. Mais à Boulay même l’as- 
sistance devint tellement nombreuse que la grande salle de réunion de la Société 
de St-Etienne put à peine la contenir. 

M. le Maire de Boulay, entouré du Conseil municipal, se trouvait à la gare 
pour recevoir les hôtes et leur souhaiter la bienvenue. De là l’on se rendit par 
la rue principale, richement décorée de drapeaux et ornée d’une porte triomphale, 
vers l'Hôtel de ville, devant lequel les enfants des écoles et la compagnie des 
pompiers avaient pris place. 

A l'Hôtel de ville M. le Maire offrit, au nom de la ville, le vin d'honneur 
qui fut dégusté avec plaisir, vu la grande chaleur qui régnait pendant la journée. 
M. le Président saisit l'occasion pour exprimer aux représentants de la ville les 
remerciments de la Société pour la réception si aimable et si chaleureuse qui 
venait de lui être faite. Par une attention délicate, M. le Maire ainsi que M. l'abbé 
Weber, curé de Diedesberg, distribuèrent aux membres de la Société des cartes 
postales illustrées confectionnées avec beaucoup de goût, dont l'image représentait 
des motifs historiques concernant la ville de Boulay. Ces cartes furent acceptées 
avec reconnaissance et expédiées immédiatement à différentes destinations. De 
l'Hôtel de ville l'assemblée, précédée de la musique et des enfants des écoles, se 
rendit en cortège à la salle de r&un'»n de la Société de St-Etienne. Après 
l'audition d’un morceau de chant exécuté par la Société de chant de Boulay ainsi 
que d’une chanson festivale composée dans le dialecte patois de Boulay, M. Weber, 
maire, prit la parole pour donner un aperçu des malheurs si horribles qui ont 
accablé la ville pendant la guerre de trente ans. 

M. le Président remercia l’orateur sans oublier toutes les autres personnes 
qui avaient contribué à la réussite de la fête, entre autres M. l'archiprêtre, la 
Société de chant et la compagnie des pompiers. 


2 M 


Auf dem Wege nach dem Gasthofe besuchte man zunächst das Haus des 
Herrn Secq de Crépy, der seine ungemein wertvolle Sammlung von Altertümern 
der Besichtigung durch die Vereinsmitglieder zugänglich gemacht hatte. Ins- 
besondere erregten die kostbaren Elfenbeinschnitzereien aus dem 9. und 10. Jahr- 
hundert, sowie die aus Rettel stammenden eingelegten Möbel die Bewunderung 
der Besucher. 


Das Festmahl verlief bei der animierten Stimmung, die der vom Bürger- 
meister so vorzüglich vorbereitete und dementsprechend gelungene Tag erzeugt 
hatte, in fröhlichster Weise. Noch dankte der Schriftführer dem (Gemeinderat 
für seine Beteiligung, der Bürgermeister sprach auf ein frohes Wiedersehen am 
gleichen Orte; dann brach man geleitet von fast sämtlichen Festteilnehmern nach 
dem Bahnhofe auf, um gegen 9 Uhr mit den besten Eindrücken in Metz wieder 
einzutreffen. 


Vorstandssitzung am Donnerstag, dem 13. September, nachmittags 5 Uhr. 


Anwesend von Hammerstein, Paulus, Bour, Welter, Wichmann, von Daacke, 
Wolfram. 

Der bereits im Frühjahre geplante Ausflug nach Saaraltdorf soll am Samstag, 
dem 22. September stattfinden. 

Dem Verbande der west- und süddeutschen Vereine tritt die Gesell- 
schaft bei. 

Als Vertreter der Gesellschaft bei der diesjährigen Generalversammlung 
der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Dresden wird Archivdirektor 
Dr. Wolfram gewählt. 

Auf Anregung des Herrn Bibliotheksdirektors Paulus. wird .die Kommission 
zur Herausgabe lothringischer Geschichtsquellen. erweitert. In Vorschlag ge- 
bracht werden die Herren von Hammerstein, Kaufmann, Dorvaux, Dr. Winkel- 
mann in Strassburg und Archivdirektor Wiegand ebenda. Herr von Hammer- 
stein nimmt die Wahl an, bei den übrigen Herren, die abwesend sind, soll 
angefragt werden. 


Ausflug am 22. September 1900 in den Weiherwald bei Saaraltdorf. 


Um 2 Uhr vereinigten sich am Bahnhofe in Saarburg unter Führung ihres 
Präsidenten 30 bis 40 Mitglieder der Gesellschaft, Herren aus Metz und Strassburg, 
Saargemünd und Dieuze, Loerchingen und Drulingen, Pfalzburg und Saarburg. 
In bereit gestellten Wagen ging die Fahrt auf der Landstrasse über Saaraltdorf 
bis an den Rand des Weiherwaldes auf der Höhe über Görlingen. Bei der Fuss- 
wanderung durch den Wald übernahm Herr Notar Welter aus Lörchingen die 
Führung. Vorbei an dem sogenannten Heidenschloss, einem rechteckigen, von 
hohen Buchen bestandenen Schutt- und Steinwall, der wie an einer Ecke fest- 
gestellt war, Mauern in sich birgt, führte er die Versammelten in den nordwest- 
lichen Teil des Waldes, wo er von den zahlreichen Tumuli 3 hatte so weit ab- 


a ARE 


Avant de se rendre à l'hôtel, l'assemblée profita de l'occasion pour aller 
visiter une collection d’antiquites excessivement remarquable appartenant à M. Le 
Secq de Crépy. L’attention des visiteurs se porta particulièrement sur les sculptures 
sur ivoire si précieuses du 9 ct 10e siècle, ainsi que sur les meubles incrustés 
provenant de Rettel. Le banquet qui suivit cette visite se passa sous la plus 
franche gaieté, grâce à l'animation que M. le Maire avait su faire introduire dans 
cette fête si bien préparée et réussie. 

Le secrétaire de la Société remercia encore le Conseil municipal pour sa 
participation à la fête. M. le Maire lui répliqua en souhaitant de voir la Société 
d'histoire et d'archéologie se réunir de nouveau à Boulay à une date ultérieure. 
Enfin l'assemblée, toujours escortée par un grand nombre de participants à la fête, 
se rendit à la gare de Boulay qu'elle quitta en emportant les meilleurs souvenirs 
de la fête qui a été si bien réussie. Les sociétaires du dehors arrivèrent à Metz 
vers 9 heures du soir. 


Séance du Bureau du jeudi 13 septembre, à 5 heures de l'après-midi. 


Sont présents: MM. de Hammerstein, Paulus, Bour, Welter, Wichmann, 
de Daacke et Wolfram. 

L’excursion à Saaraltdorf qui avait été projetée dès le printemps dernier, 
sera entreprise le samedi, 22 septembre. 

Le Bureau consent à ce que notre Société fasse partie de l'association des 
Sociétés historiques de l’Allemagne de l'Ouest et du Sud. 

M. le Dr Wolfram, directeur des archives, est chargé de se rendre à Dresde, 
comme délégué de notre Société, au Congrès des Sociétés d'archéologie et d'histoire 
de l'Allemagne. 

Sur la proposition de M. l'abbé Paulus, directeur de la bibliothèque de la 
ville, le nombre des membres formant la Commission chargée de la publication 
des sources de l'histoire de la Lorraine est augmentée. Sont proposés à cet 
effet: MM. de Hammerstein, Kaufmann, Dorvaux, Dr Winkelmann à Strassburg et 
Dr Wiegand également à Strassburg. M. de Hammerstein accepte séance tenante 
de faire partie de la Commission et les autres membres, qui sont absents, seront 
consultés par lettre particulière au sujet de leur adhésion. h 


Excursion du 22 septembre 1900 dans la forêt dite >Weiherwald- 
pres de Saaraltdorf. 


30 à 40 sociétaires venant de Metz, Strassburg, Saargemünd, Dieuze, 
Lörchingen, Drulingen, Pfalzburg et Saarburg s’assemblörent à la gare de Saar- 
burg sous la direction de leur président. Profitant des voitures qui avaient été 
mises à leur disposition, les sociétaires suivirent la route qui traverse le village 
de Saaraltdorf jusqu'à la lisière du Weiherwald sur les hauteurs de Gôürlingen. 
Le reste du trajet fut fait à pied à travers la forêt. M. Welter, notaire à 
Lörchingen, conduisit les excursionnistes à côté d’un remblai de débris et pierres 
de forme rectangulaire sur lequel s'élèvent de grands arbres de hêtre. Ce remblai 
est connu dans la contrée sous le nom de »Heidenschloss«. On a pu constater à 
l'un des angles du remblai que l’agglomération des débris cachait des restes de 
murs. Les promeneurs se rendirent ensuite vers la partie nord-ouest de la forêt, 
dans laquelle M. Welter avait fait mettre à jour les alentours de 3 tumuli, de 


— À48 — 


heben lassen, dass es nicht mehr zu viel Zeit und Arbeit kostete die Grabstellen 
selbst frei zu legen. Vor den Augen der Anwesenden wurden im ersten Tumulus 
3 Brandgräber durchsucht. Man fand keine Urnen, wohl aber ausser Gefässscherben 
neben Bruchstücken eines Bronceringes einen sehr gut erhaltenen Lignitring. Der 
zweite Hügel enthielt 2 Skelettgräber. Im dritten Hügel war weder die Spur 
eines solchen noch eines anderen Grabes entdeckt, aber ausser Teilen von Eisen- 
geräten und wenigen Scherben ein Steinmeisel aufgefunden worden. Nachdem 
Herr Welter nöch eine in der Nähe befindliche wasserleere Mardelle gezeigt hatte, 
trat man den Rückweg nach Saaraltdorf an, der bei prachtvoller Abendbeleuchtung 
auf der Höhe über diesem Dorfe noch einen schönen Blick über das Saarthal 
und seine waldigen Höhen bot. Von Saaraltdorf fuhr ein Teil der Gesellschaft 
mit den Wagen zurück nach Saarburg, andere benutzten die Eisenbahn zur direkten 
Heimfahrt. 


Sitzung am Samstag, dem 6. Oktober 1900, nachmittags 5 Uhr 


im Bezirkspräsidium. 


Anwesend von Hammerstein, Wichmann, von Daacke, Wolfram, Bour, Knitter- 
scheid und ca. 30 Mitglieder. 


Neu aufgenommen werden die Herren Gebrüder Poucher in Lörchingen. 


Herrn Huber in Saargemünd wird der verbindlichste Dank dafür aus- 
gesprochen, dass er 800 Exemplare des alten Stadtplans von Saargemünd der 
Gesellschaft zur Verfügung gestellt hat. 


Herr Baurat Knitterscheid hat 5 Ofenplatten für die Gesellschaft er- 
worben. Dank. Derselbe legt ein wahrscheinlich römisches Gefäss aus Ala- 
baster vor, das an der Seillemündung sefunden ist und überweist es der Ge- 
sellschaft. Dank. 


Der Vorsitzende teilt mit, dass die Professoren Virchow und Ranke ihm 
mitgeteilt haben, Metz sei als Congressort für den nächsten deutschen Anthro- 
pologentag gewählt und dass sie die Gesellschaft gebeten haben, die geschäftlichen 
örtlichen Vorbereitungen zu übernehmen. Der Vorsitzende hat geantwortet, dass 
die Gesellschaft sich gerne zur Verfügung stelle. 


Hierauf wird Herrn von dem Knesebeck das Wort erteilt über: Die Ruinen 
von Thumagadi in Afrika. 


Der Redner hat im vergangenen Frühjahre die alte römische Stadt besucht 
und schildert in ungemein anziehender Weise die durch grosse Ausgrabungen 
freigelegten Strassen und Plätze, privaten und öffentlichen Bauten. Die Dar- 
stellung wird veranschaulicht durch ein reiches Material von ausgezeichneten 
Photographien. Dem reichen Beifall, der dem Redner dankt, giebt der Vorsitzende 
in warmen Worten Ausdruck. 


Da die Zeit schon vorgeschritten ist, wird der Bericht des Archivdirektors 


Dr. Wolfram über die Generalversammlung der deutschen Geschichts- und Alter- 
tumsvereine in Dresden auf die nächste Sitzung verschoben. 


— 449 — 


manière à pouvoir les ouvrir sans trop de temps et de travail devant les yeux des 
assistants. Dans le premier tumulus l’on trouva successivement 3 sépultures qui 
ne renfermaient aucune urne, par contre un anneau en lignite très bien conservé 
ainsi que des débris de vases et des morceaux d'un anneau en bronze. Le second 
tumulus renfermait deux squelettes, tandis que dans le troisième tumulus l'on ne 
put découvrir aucune trace de sépulture; il ne renfermait que des parties d’usten- 
siles en fer ainsi que quelques débris de vases et un ciseau en pierre. 

M. Welter fit voir encore une mardelle dépourvue d'eau située à proximité 
des tumuli, après quoi l’on prit le chemin de retour vers Saaraltdorf. Des hauteurs 
qui dominent le village de Saaraltdorf les sociétaires eurent l’avantage d'admirer 
le beau panorama qui s'étend sur la vallée de la Sarre et sur les hauteurs boisées. 
De Saaraltdorf une partie des sociétaires retourna en voiture à Saarburg, tandis 
que les autres s’embarqu£rent directement dans le prochain train pour s’en re- 
tourner vers Metz. 


Séance du samedi, 6 octobre 1900, à 5 heures de l'après-midi, à l'hôtel de la 
Présidence. 


Assistent à la séance MM. de Hammerstein, Wichmann, de Daacke, Wolfram, 
Bour, Knitterscheid et envigon 40 sociétaires. 

MM. Poucher, frères, à Lörchingen, sont reçus membres de la Société. 

M. Huber à Saargemünd recoit les remerciments de la Société à laquelle il 
a fait don de 800 exemplaires d’un ancien plan de Saargemünd. 

M. Knitterscheid, conseiller d'architecture, s’est rendu acquéreur, au compte 
de la Société, de 5 taques de cheminée. Remerciments. 

Il présente en outre un vase d’albâtre, datant probablement de l'époque 
romaine, qui a été découvert à l'embouchure de la Seille. Ce vase est offert à 
la Société. Remerciments. 

M. le Président fait connaître à l’assemblée que d’après une communication 
de MM. Virchow et Rancke, professeurs, le prochain Congrès des anthropologistes 
aura lieu à Metz; le Bureau de la Société a été prié de vouloir bien se charger 
des préparatifs que nécessite la réunion d’une telle assemblée. M. le Président a 
répondu que la Société d'histoire et d'archéologie était tout disposée à accéder 
au désir du Congrès. 

La parole est ensuite accordée à M. de Knesebeck pour sa conférence au 
sujet des ruines de Thimgadi en Afrique. 

L'orateur a eu, au printemps dernier, l’occasion de visiter l'antique ville 
romaine; il exposa d’une manière excessivement attrayante les résultats des 
grandes fouilles qui ont permis de mettre à jour des routes, des places publiques 
des constructions privées et publiques. La conférence fut d'autant plus intéressante 
que les auditeurs purent se rendre compte des travaux qui ont été exécutés à 
Thimgadi en suivant les explications de l’orateur sur une série de photographies 
et de dessins excessivement bien réussis. M.le Président se fit l'interprète de 
l'assemblée en remerciant chaleureusement l’orateur pour sa conférence si 
attrayante. 

L'heure étant déjà avancée, M. le Dr Wolfram, directeur des archives, remet 
à la prochaine séance le compte-rendu du Congrès des Sociétés d'histoire et 
d'archéologie de l'Allemagne à Dresde, lequel rapport avait été porté sur l’ordre 
du jour. 


— 40 — 


Sitzung am Donnerstag, dem 26. Oktober 1900, 4'/» Uhr 
im Bezirkspräsidium. 


Anwesend von Hammerstein, Huber, Dr. Bour, Keune, Knitterscheid,. von 
Daacke, Wolfram und etwa 15 Mitglieder. 


Neu aufgenommen werden Herr Georg Huber jun. in Saargemünd und Herr 
Pfarrer Seingry in Imlingen. 


Die neueingegangenen Tauschschriften werden vorgelegt. Der Schriften- 
austausch mit dem fürstlich fürstenbergischen Archiv und mit der Redaktion 
ces Archives belges in Lüttich wird genehmigt. Archivdirektor Wolfram be- 
richtet über die Generalversammlung der deutschen Geschichts- und Altertums- 
vereine in Dresden. 


Sodann spricht Herr Huber aus Saargemünd über »Histoire du chäteau et 
de la fortication de Sarreguemines<. An der Hand eines umfassenden Materials 
und auf Grund einer Reihe alter Pläne und vortrefflicher Photographien führt 
Redner die Entwickelung von Stadt und Schloss der Gesellschaft vor. Er über- 
reicht schliesslich 6 Mappen mit Aufnahmen des Saargemünder Schlosses, die 
für das Archiv, die Gesellschaft, den Vorsitzenden und einige Mitglieder bestimmt 
sind. Unter dem Danke des Vorsitzenden für den anziehenden Vortrag und diese 
schöne Gabe wird die Sitzung geschlossen. 


Sitzung am Donnerstag, dem 22. November 1900, nachmittags 4'/» Uhr 
im Bezirkspräsidium. | 


Anwesend: von Hammerstein, Huber, von Daacke, Grimme, Keune, Bour, 
Knitterscheid, Wolfram, Paulus und etwa 15 Mitglieder. 


Neu aufgenommen werden die Herren Dr. Zammert-Kreuzwald, Archivassistent 
Dr. Müsebeck und Seminaroberlehrer Birkenmeyer-Metz. 


Der von dem Mühlhäuser Altertumsverein und der Heraldischen Gesellschaft 
Adler in Wien beantragte Schriftenaustausch wird angenommen. 


Herr Oberlandesgerichtsrat Schiber spricht sodann über »lothringische Orts- 
namen in England<. Der Vortragende hat die von ihm begründete Anschauung 
über die Bedeutung der Ortschaften auf ingen und heim als Sippen- und Herren- 
siedelungen weiter verfolgt und wesentlich vertieft. Dabei ist er auf die höchst 
auffallende Thatsache gestossen, dass ca. 100 lothringische Ortsnamen in England 
sich wiederholen. Eine Erklärung sieht er darin, dass man die germanische Ein- 
wanderung nicht auf eigentliche Sachsen beschränken dürfe, sondern dass auch 
Volksstämme teilgenommen haben, die an den Ufern des Kanals sassen und sich 
von hier aus südwärts verbreiteten, also Franken. Der Vortrag ist im Jahr- 
buche XII, p. 148 ff. in Druck erschienen. 

Nach Schiber spricht Museumsdirektor Keune über die »Neuf Preuxe, 


d. h. den alten Holzschnitt, der, noch vor der Gutenbergischen Erfindung ,ent- 
standen, heute zu den wertvollsten Schätzen des Metzer Museums gehört. Nach 


— 351 — 


Séance du jeudi, 26 octobre 1900, à 4 heures ‘/: de l’apres-midi, à l'hôtel 
de la Présidence. 

Assistent à la séance: MM. de Hammerstein, Huber, Dr Bour, Keune, 
Knitterscheid, de Daacke, Dr Wolfram et environ 15 autres sociétaires. 

Sont reçus membres de la Société MM. Georges Huber junior à Saargemünd, 
et l'abbé Seingry, curé à Imlingen. 

M. le Président fait circuler les revues qui ont été expédiées à la Société 
en échange de notre annuaire. L'échange de publications avec les archives de 
la principauté de Fürstenberg ainsi qu'avec les archives belges de Liège est 
approuvé. M. le Dr Wolfram, directeur des archives, présente le compte-rendu 
du congrès des Sociétés d'histoire et d'archéologie de l'Allemagne qui a eu lieu 
à Dresde. 

M. Huber de Saargemünd fait ensuite une conférence sur »l'histoire du 
château et dela forteresse de Saarguemines«. A l'aide d'un matériel très étendu 
ainsi que d'une série d'anciens plans et d’exceilentes photographies M. Huber 
explique le développement de la ville et du château. Finalement il présente 
6 cartons renfermant des photographies du château de Saargemünd, dont un 
exemplaire est destiné à la bibliothèque des Archives et à celle de la Société. 
Un autre exemplaire est offert à M, le Président; le reste est partagé entre 
quelques sociétaires. 

M. le Président exprime ses remerciments à M. Huber, d'abord pour sa 
conférence si intéressante et ensuite pour les cartons à photographie qu'il vient 
de distribuer. L'ordre du jour étant épuisé, le Président lève la séance. 


Séance du jeudi 22 novembre 1900, à 4'/2h. de l’apres-midi, 
à l'hôtel de la Présidence. 

Assistent à la séance MM. de Hammerstein, Huber, de Daacke, Grimme, 
Keune, Bour, Knitterscheid, Wolfram, et environ 15 sociétaires. 

Sont reçus membres de Ja Société MM. le Dr Zammert à Kreuzwald, 
Dr Müsebeck, assistant aux archives départementales, et Birkenmeyer, professeur 
supérieur à l'école normale de Metz. 

L'échange de publications avec la Société d'archéologie de Mühlhausen et 
la Société héraldique »Adlere à Vienne est approuvé. 

M. Schiber, conseiller à la Cour d'appel de Colmar, fait ensuite une confé- 
rence sur >les noms de lieux lorrains en Angleterre«. L'orateur qui a continué 
ses recherches concernant la signification des noms de lieux avec les termi- 
naisons ingen et heim, au sujet desquels il a établi qu'ils proviennent de colo- 
nies de familles et seigneuriales. Dans le cours de ses recherches il a constaté, 
un fait très extraordinaire en Angleterre, c’est-à-dire l'existence d'environ 
100 noms de lieux identiques à des noms de lieux semblables de la Lorraine. 
IL explique ce fait et prétend que l’émigration germaine ne peut pas être attribuée 
uniquemeut aux Saxons proprement dits, mais qu'il y a lieu d'admettre que 
d'autres peuplades ont également pris part à cette émigration, notamment les 
peuplades qui s'étaient établies sur les rives du Canal de la Manche c’est-à-dire 
les Francs qui se répandirent de là vers le sud. Le travailde M. Schiber est repro- 
duit dans l'annuaire XII. p. 148 et ss. 

M. Keune, directeur du musée, présente ensuite une ancienne gravure sur 
bois représentant les »Neuf Preux», laquelle a dû être exécutée avant l'invention 
de l'imprimerie par Gutemberg. C’est un des bijoux les plus précieux du musée 


— 432 — 


neueren Forschungen des Herrn Briquet in Genf gehört der Druck in das Jahr 
1450/51. Sodann legt Herr Keune im Auftrage des Vereins Carnuntum ein im 
Lager .von Carnuntum mit der Lagerbäckerei gefundenes rümisches Soldaten- 
brod vor. 


Herr Forstrat von Daacke unterbreitet der Versammlung einen kreisrunden 
bearbeiteten Stein (flaches Hohlgefäss), der in den Vogesen gefnden ist. Eine Er- 
klärung des ‘Stückes kann vorläufig nicht gegeben werden. 


Schluss der Sitzung 6 Uhr. 


Sitzung am Samstag, dem 15. Dezember 1900, nachmittags 4 Uhr 


im Bezirkspräsidium. 


Anwesend v. Hammerstein, Wichmann, v. Daacke, Keune, Dr. Bour, Knitter- 
scheid, Grimme, Wolfram und etwa 50 Mitglieder. 


Auf der Tagesordnung steht die Besichtigung des Archivneubaues. Herr 
Baurat Blumhardt giebt zunächst Erläuterungen über das Gebäude. 


Das neue Archivgebäude ist nach dem Beschlusse des Bezirkstages auf der 
Stelle des alten unter Einbeziehung eines Teils des Präsidialgartens erbaut. Es 
steht in bequemer Verbindung mit dem im Jahre 1878 erbauten Archivgebäude 
und dem Bezirkspräsidium. Das Verwaltungsgebäude des Archivs, welches in der 
Mitte zwischen dem alten und neuen Aktenraum liegt, enthält im Erdgeschoss 
einen Raum für Aussonderung und Verpackung von Akten, sowie ein Bibliothek- 
und Lesezimmer, im ersten Stock den Arbeitsraum für Archivbesucher, und die 
Amtsräume des Archivdirektors und Sekretärs, darüber Bibliotheksräume. Der 
links anstossende Erweiterungsbau des alten Archivs besitzt im Erdgeschoss einen 
Ausstellungsraum für wertvollere Urkunden, im ersten Stok die Archivbibliothek, 
darüber einen Aufbewahrungsraum für Karten und Pläne. Der neue Aktenraum 
ist nach dem Magazinsystem gebaut, von welchem schon Vorbilder in den Archiven 
zu Weimar und Strassburg, in den Bibliotheken zu Augsburg, Stuttgart und Strass- 
burg existierten. Das Metzer Magazin lehnt sich im Wesentlichen an das Strass- 
burger Archiv an. Es ist ein von vier Mauern umschlossener hohler Raum von 
18,50 Meter Länge, 13 Meter Breite und 14,70 Meter Höhe, in welchen ein eisernes 
Tragegerüst hineingebaut ist, welches die Aktengestelle und die Stockwerksfuss- 
böden tragen soll. Die Tragesäulen bestehen aus Schmiedeeisen und sind aus 
4 Winkeln zusammengesetzt. Sie reichen vom Fussboden bis zum Dach. An 
ihnen sind die Trageeisen für die Gestelle und Fussböden angeschraubt. Ein 
Dachraum ist nicht vorhanden, die Decke des obersten Stockwerks bildet gleich- 
zeitig das Dach. Das Magazin hat 6 Stockwerke von 2,40 Meter Höhe. Es ist 
dies nach den Erfahrungen ein sehr zweckmässiges Mass, weil dabei ohne Zu- 
hilfenahme von Auftritten noch die obersten Gefache bestellt werden können. 
Die Gestelle selbst sind aus Eisen konstruiert und haben eine einfache zweck- 
mässige Ausbildung erhalten, die das Verstellen der Gestellbretter ermöglicht. 
Die Konstruktion rührt von dem bauleitenden Architekten Albrecht her, dem sie 
auch patentiert ist. Da die Hauptsache für ein Archiv grösste Helligkeit ist, so 


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de Metz. M. Briquet de Geneve, qui a examiné cette gravure, prétend qu'elle 
date de l’année 1450 ou 1451. M. Keune fait voir ensuite un pain de soldat du 
temps des Romains, lequel a été découvert au camp de Carnuntum, où les 
Romains avaient établi une boulangerie militaire. 

M. de Daacke, conseiller des forêts, présente à l'assemblée une petite 
pierre de forme circulaire et travaillée (vase plat) qui a été trouvée à Gross- 
mann dans les Vosges. Aucune explication ne peut être donnée préalablement 
quant à la signification de cette pierre. 

La séance est levée à 6 heures. 


Séance du samedi 15 décembre 1900, à 4 h. de l’apres-midi, 
à l'hôtel de la Présidence. 

Sont présents: MM. de Hammerstein, Wichmann, de Daacke, Keune, 
D' Bour, Knitterscheid, D' Grimme, Dr Wolfram et environ 50 sociétaires. 

L'ordre du jour porte: Visite du nouveau bâtiment des archives départe 
mentales. M. Blumhardt, conseiller du gouvernement, commence par donner des 
explications sur la construction du bâtiment. 

Conformément à la délibération du Conseil général de la Lorraine, le nou- 
veau bâtiment des archives départementales a été construit sur la place qu’occu- 
pait autrefois l’ancien bâtiment auquel on a ajouté encore une partie du jardin 
de la Présidence. Le nouveau bâtiment est en communicaticn directe tant avec 
l'hôtel de la Présidence qu'avec le bâtiment des archives construit en 1878 et qui 
a été conservé. Les différents bureaux des archives sont placés entre la nouvelle 
et l’ancienne construction servant de dépôt pour les documents et dossiers: au 
rez-de-chaussée, une salle pour le classement et l'emballage des dossiers ainsi 
qu'une salle de lecture servant en même temps de bibliothèque; au premier étage 
la salle de travail pour les amateurs de documents ainsi que les bureaux du di- 
recteur des archives et du secrétaire; au deuxième étage se trouvent les salles 
de bibliothèque. Dans la construction qui a été ajoutée à l’ancien bâtiment des 
archives nous rencontrons au rez-de-chaussée une salle dans laquelle sont exposés 
les documents les plus précieux, au premier étage la bibliothèque spécialement 
affectée au service des archives, et au deuxième étage une salle pour la conser- 
vation des cartes et plans. L'intérieur du dépôt principal des documents et dos- 
siers est disposé d’après le système de magasin, tel qu'on le rencontre aux ar- 
chives de Weimar et Strassburg ainsi qu'aux bibliothèques publiques d’Augsburg, 
de Stuttgart et Strassburg. Le magasin des archives de Metz est semblable, en 
son ensemble, à celui de Strassburg. L'espace compris entre les quatre murs me- 
sure 18,50 mètres de longueur sur 13 mètres de largeur et 14,70 mètres de hau- 
teur, dans lequel s'élève un échafaudage en fer destiné à supporter les rayons et 
le plancher des différents étages. Les colonnes en fer de forge, sur lesquelles re- 
pose tout le poids de l’échafaudage, se composent de quatre parties formant angle 
et prennent naissance sur le plancher du rez-de-chaussée et s'élèvent jusqu'au 
toit. A ces colonnes sont vissés les sommiers de fer qui portent les ravons et 
les planchers. Il n'existe pas de grenier, de sorte que le plafond de l'étage supé- 
rieur modifié en conséquence sert en même temps de toiture. Le magasin est 
divisé en six étages mesurant chacun 2,40 mètres de hauteur. L'expérience a dé- 
montré que l’emploi de cette hauteur est très pratique, parce qu'on peut toucher 
au rayon le plus élevé sans avoir besoin de se servir de marche ni d'échelle. Les 
rayons eux-mêmes ont également reçu une forme excessivement simple et pratique 


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wurde besonderer Wert auf grosse Fensteröffnungen gelegt, die teils durch zwei, 
teils durch drei Stockwerke durchreichen. Da die Gestelle senkrecht zu den 
Fensterwänden stehen, so erhalten sie alle reichlich Licht, weil die Zwischengänge 
eine Breite von 1,25 Meter erhalten haben. Aber auch die Fussböden sind so 
hergestellt, dass sie von oben nach unten Licht durchlassen. Sie bestehen aus 
schmiedeeisernen Rosten, die dem von den Fenstern einfallenden Lichte den 
Durchgang lassen. Nur in dem zweiten Stockwerk ist aus praktischen Rücksichten 
ein Fussboden aus Drahtglas zwischen Eisenträgern eingelegt worden. Der Bau 
wurde im Sommer 1897 begonnen, und im Mai 1900 vollständig bezogen. Zwei 
und ein halbes Jahr waren die Archivalien in dem von der Stadt Metz unentgelt- 
lich zur Verfügung gestellten früheren Männergefängnis untergebracht. Der Bau 
ist 4 Meter tief unter der Hoffläche auf Kies fundiert und hat keinerlei Risse ge- 


zeigt. Die Maurer- und Steinhauerarbeiten wurden von Bauunternehmer Heister. 


rasch und gut ausgeführt, den eisernen Einbau lieferte eine Firma aus Dortmund, 
die Aktengestelle wurden von den Schlossermeistern Quentin und Charon geliefert, 
die Schreinerarbeiten vom Schreinermeister Burgard. Die Gesammtkosten werden 
den Betrag von 200C00 Mark erreichen. 


Nach Beendigung der theoretischen Ausführungen begab sich die Versamm- 
lung zunächst nach dem Archivneubau, um an Ort und Stelle sich davon zu 
überzeugen, wie vortrefflich es die Kunst des Bauleiters verstanden hatte, Grund- 
riss und innere Einrichtungen allen archivtechnischen Anforderungen entsprechend 
zu gestalten. Aeusserlich zeigt der Bau vornehm gegliederte ausserordentlich 
harmonisch gestaltete Formen, im Innern aber überraschte die vorzügliche 
Lüftung und Lichtverteilung. Keine Spur vom Aktengeruch, das Licht aber drang 
trotz der ungünstigen Jahreszeit bis in die letzten Winkel. — Aus den ungemein 
reichen Schätzen von Pergamenten und Akten hatte Archivdirektor Wolfram eine 
kleine Ausstellung arrangiert, die die Aufmerksamkeit der Besucher in hohem 
Masse fesselte. 


Gegen 5 Uhr begab sich die Gesellschaft nach dem Sitzungssaale des Be- 
zirkspräsidiums zurück, um nunmehr den Vortrag Dr. Wolframs über die »Ge- 
schichte des Archivs« anzuhören. Redner ging von der allgemeinen Geschichte 
sämtlicher französischer Staatsarchive aus und erwähnte die grundlegenden Ver- 
ordnungen aus der Zeit des Julikönigtums, durch welche das französische Archiv- 
wesen eine so vorzügliche Organisation erhalten hat. Dann wandte er sich dem 
Metzer Archiv im Besonderen zu und legte auf Grund des urkundlichen Materials 
dar, wie durch die Revolution das Archiv entstanden ist. Der erste Archivar 
Le Maire, ein ausserordentlich tüchtiger Mann, hat mit den grössten Schwierig- 
keiten zu kämpfen gehabt, um die kostbaren Pergamente vor dem Untergang zu 
schützen. Insbesondere ist es die Militärverwaltung gewesen, die unbekümmert 
um den wissenschaftlichen Wert der Urkunden, deren Auslieferung zur Anfertigung 
von Patronen verlangte. — Mit feinem Geschicke hat diesen Angriff der Archivar 
Le Maire abgewehrt: Sans doute — so schreibt er — que ce serait un bon 
usage que de les employer à faire des gargousses pour porter la mort dans les 
rangs des satellites des tyrans, mais il serait de la plus grande importance d’en 
faire usage pour écrire une histoire de la féodalité qui fut une des grandes erreurs 
de lesprit humain. La connaissance des écarts de la raison la prémunit contre 
des nouvelles chutes. 


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et permettent de placer les planches de rayon à n'importe quelle hauteur. La forme 
de ces rayons à bras mobiles a été inventée par M. Albrecht, architecte, chargé 
de la direction des travaux, pour laquelle il a obtenu un brevet d'invention. La 
chose principale pour des archives étant la clarté, l’architecte a prévu de grandes 
fenêtres qui ont une longueur soit de deux soit de trois étages. Les rayons étant 
posés perpendiculairement aux fenêtres, ils reçoivent suffisamment de lumière, 
d'autant plus qu'on a laissé entre les rayons un intervalle de 1,25 mètre. Cepen- 
dant les planchers sont également construits de manière à laisser passer la lu- 
mière du haut en bas. Ils se composent d'une infinité de grilles en fer forgé lais- 
sant passer la lumière qui pénètre par les fenêtres. Il a été fait exception pour 
le plancher du deuxième étage dans lequel, pour des motifs pratiques, les grilles 
ont été remplacées par des plaques de verre garnies intérieurement d’un treillis 
de fil de fer et renfermés dans des encadrements de fer. Les travaux de cons- 
truction ont été commencés pendant l'été 1897 et terminés ‘complètement au 
mois de mai 1900. Pendant ce temps, c'est-à-dire pendant deux ans et demi, les 
différents fonds des archives départementales étaient déposés dans l’ancienne prison 
départementale des hommes que la ville avait mis à la disposition du département 
à titre gratuit. Les murs descendent jusqu'à une profondeur de 4 mètres sous le 
sol et reposent sur un fondement de gravier; jusqu'ici on n’a pu constater l’exis- 
tence d'aucune crevasse dafs les murs. Les travaux de maçonnerie et de sculp- 
ture ont été exécutés rapidement et en bonne qualité par M. Heister, entrepreneur; 
l’echafaudage en fer provient d'une fabrique de Dortmund, tandis que les rayons 
de fer ont été fournis par MM. Quentin et Charon, maitres-serruriers à Metz; les 
travaux de menuiserie ont été exécutés par M. Burgard. La somme totale des 
frais de construction atteindra le chiffre de 200000 M, 

La partie théorique des explications à donner étant terminée, l'assemblée 
se rendit au nouveau bâtiment des archives, afin de constater de visu, combien 
l'architecte a su réunir dans la construction du bâtiment, tant en son ensemble 
que dans son organisation intérieure, toutes les conditions techniques qu’exige 
l’organisation d’un tel bâtiment. Du dehors le bâtiment présente des formes gra- 
cieuses dont l'harmonie ne laisse rien à désirer. A l’intérieur les visiteurs n’eu- 
rent que de l’admiration pour l'excellente ventilation et la bonne distribution de 
la lumière. Aucune odeur de vieux papiers à constater; malgré la mauvaise saison, 
la lumière pénètra jusqu'aux coins les plus réculés. M. le Dr Wolfram, directeur 
des archives, avait organisé une petite exposition de parchemins et documents 
dont les archives départementales possèdent une énorme quantité; elle excita l’at- 
tention des visiteurs au plus haut point. 

Vers 5 heures, l'assemblée se rendit de nouveau dans la salle de réunion 
de l'hôtel de la Présidence pour écouter le rapport de M. le Dr Wolfram sur 
»l'histoire des archives départementales de Metz«. Partant de l'histoire générale 
de toutes les archives publiques de la France, il cite les ordonnances du gouver- 
nement de Juillet qui ont servi de base à l'organisation si excellente du service 
des archives. Puis s’occupant plus spécialement des archives départementales de 
Metz il explique, à l’aide de documents officiels, comment la révolution avait 
formé les archives. Nous rencontrons le premier archiviste en la personne de 
M. Le Maire, un érudit distingué, qui eut à combattre les plus grandes difficultés 
pour préserver de la ruine les parchemins les plus précieux. Ce fut l’administra- 
tion militaire, entre autres, qui, sans égard à la valeur scientifique des documents, 
exigeait l’extradition de parchemins pour la fabrication de gargousses. Avec une 


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Freilich muss er trotz alledem 135 Pfd. Pergamente zum Opfer bringen. 
Noch zahlreiche derartiger charakteristischer kleiner Züge weiss der Redner mit- 
zuteilen; sodann spricht er über die Lokalitäten, in denen das Archiv im Laufe 
des Jahrhunderts seine Unterkunft gefunden hatte, und erwähnt zum Schlusse 
dankend der Männer, deren Eifer und Geschick es zu danken ist, dass das Archiv 
mit verhältnismässig geringen Verlusten und in guter Ordnung auf unsere Zeit 
sekommen ist. Es sind dies in erster Linie der schon genannte Le Maire, sodann 
aber die Archivare Sauer und Richard. Unter dem Dank des Vorsitzenden wird 
die Sitzung um ‘26 Uhr geschlossen. 


Vorstandssitzung im Anschluss an die wissenschaftliche Sitzung. 


Für die im September 1901 in Metz tagende Anthropologenversammlung 
wird als Lokalgeschäftsführer Dr. Wolfram gewählt. Ein erweitertes Komité soll ge- 
bildet und zum Beitritt sollen aufgefordert werden: Aerzteverein, Verein für Erd- 
kunde, Polytechnischer Verein, Akademie mit je 2 bis 3 Mitgliedern, Bürgermeister 
und Vertreter des Gemeinderates, Gouverneur, Kommandant, Polizeipräsident. — Die 
Ausgrabungen des Briquetage soll Direktor Keune leiten. Das Ministerium soll 
um eine Unterstützung von 2000 Mk. angegangen werden. 


Besichtigung der zwischen Citadellen- und Römerthor aufgefundenen Mauerreste 


am Samstag, dem 12. Januar 1901, nachmittags 3 Uhr. 


Anwesend etwa 50 Mitglieder. Bei Niederlegung des Walles sind Reste 
einer alten Mauer aufgefunden worden. Die unterste Schicht ist durch Wacken 
und kleingeschlagene Steine gebildet, darauf sind Baustücke, die von einem römi- 
sehen Bau herrühren, gelegt: Säulenschäfte, Kapitäle, Basen, Gesimsstücke u. a. 
Auf diesem Fundamente erhebt sich sodann eine flüchtig aufgeführte Mauer in 
schlechtem Opus spicatum. Archivdirektor Wolfram führt aus, dass dieses oberste 
Mauerwerk zwar nicht aussehe, wie man sonst römisches Mauerwerk kenne, dass 
er aber trotzdem auf Grund der Thatsache, dass in den um die Wende des 3. Jahr- 
hunderts erbauten römischen Stadtmauern überall die Verwendung von Resten 
öffentlicher Bauten und Grabdenkmäler charakteristisch ist, diese Mauer 
für die römische halte. Auch die gute Erhaltung der Baustücke, die unmöglich 
einer langen Verwitterung ausgesetzt gewesen sein können, mache dies wahr- 
scheinlich. Professor Wichmann ist der Ansicht, dass die Mauer nicht römisch 
sein könne, weil die Römer nie so schlecht und flüchtig gebaut hätten. Er halte 


sie für ein Ueberbleibsel der Bauthätigkeit des Bischofs Robert (10. Jahrhundert), 


vielleicht auch der merovingischen Zeit. 


Major Schramm tritt aus fortificatorischen Gründen den Ausführungen Wolf- 
rams bei. Baurat Wahn weist auf ein Kapitäl hin, das noch gar nicht vollendet war, 
als es eingemauert wurde. 


a — 


habileté remarquable l’archiviste, M. Le Maire, a su résister à cette exigence 
»Sans doute — dit-il — que ce serait un bon usage que de les employer à faire 
des gargousses pour porter la mort dans les rangs des satellites des tyrans, mais 
il serait de la plus grande importance d'en faire usage pour écrire une histoire 
de la féodalité qui fut une des grandes erreurs de l'esprit humain. La connais- 
sance des écarts de la raison la prémunit contre des nouvelles chutes.« Néan- 
moins il est forcé de sacrifier 135 livres de parchemins. L’orateur cite encore 
nombre de traits caractéristiques semblables ; puis il parle des locaux qui ont 
servi de dépôts des archives dans le courant du siècle et, finalement, rappelle la 
mémoire des hommes, grâce à l’assiduité et l’habileté desquels les archives ont 
pu être transmises jusqu’à nos jours dans le plus parfait état et dans le meilleur 
ordre, sans avoir à déplorer des pertes trop sensibles. Parmi ces érudits il y a 
lieu de se souvenir avec reconnaissance, en premier lieu de M. Le Maire déjà 
cité, puis des archivistes MM. Sauer et Richard. 

Après quelques paroles de remerciment, le président lève la séance à 5 h. !. 


Séance du Bureau immédiatement après la séance scientifique. 

Le Bureau prie M. le Dr Wolfram de se charger des travaux d'organisation 
pour le Congrès des anthropologistes qui aura lieu à Metz au mois de septembre 
1901. On décide de former un Comité se composant d’un nombre plus grand que 
celui qui avait été prévu auparavant. Des invitations seront lancées en ce sens 
à l'Association des médecins, à la Société de géographie, à la Société polytech- 
nique, à l'Académie de Metz, dont chacune aurait à fournir 2 à 3 délégués, puis 
au Maire et au Conseil municipal de la ville de Metz, au gouverneur, au com- 
mandant et au président de la police. Les fouilles à opérer au briquetage seront 
dirigées par M. Keune, directeur du Musée. Une subvention de 2000 M. sera de- 
mandée au Ministère d’Alsace-Lorraine. 


Visite des anciennes murailles découvertes entre la porte de la Citadelle et la 
porte Serpenoise, du samedi, {2 janvier 1901, à 3 heures de l’après-midi. 

Environ 50 sociétaires se trouvent au rendez-vous. Dans le cours des tra- 
vaux de démolition des remparts on a découvert les restes d’un ancien mur. La 
couche inférieure de ce mur est formée de cailloux et de pierres cassées en petits 
morceaux au-dessus desquels on avait entassé des débris de blocs de pierre pro- 
venant de constructions romaines, tels que tronçons de colonnes, chapiteaux, des 
débris de bases et moulures et autres pièces. Sur ce fondement s'élève un mur 
construit à la hâte avec de mauvais opus spicatum. M. le Dr Wolfram reconnait 
que la partie supérieure de ce mur ne ressemble pas aux murs romains qui exis- 
tent encore ailleurs; néanmoins il croit devoir affirmer que ce mur date de l'é- 
poque romaine en s'appuyant sur le fait que l'emploi des restes de monuments 
publics et funéraires est un point caractéristique pour tous les murs romains 
construits à la hâle au déclin du 3° siècle. Ce qui rend cette supposition plus 
vraisemblable, c’est que ces débris de monuments sont parfaitement bien conservés 
et n'ont pu, par conséquent, être exposés longtemps aux intempéries de la saison. 
M. le Dr Wichmann, professeur, est d'avis que le mur en question ne peut pas 
dater de l’époque romaine, attendu que les Romains n'ont jamais exécuté de 
constructions ni si mauvaises ni si superficielles, Il considère ce mur comme un 
reste des constructions exécutées sous l’épiscopat de l'évêque Robert (108 siècle), 
ou peut-être aussi sous l’époque mérovingienne. M. le major Schramm partage l'opinion 
de M. le Dr Wolfram et ce pour des motifs résultant de l'architecture militaire, 


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Sitzung am Donnerstag, dem 17. Januar (901, nachmittags 4 '/» Uhr 


im Bezirkspräsidium. 


Anwesend von Hammerstein, von Daacke, Knitterscheid, Paulus, Keune, 
Bour, Grimme, Wolfram und ca. 35 Mitglieder. 


Nach Vorlage der eingegangenen Tauschschriften werden Herr Major 
Schramm vom Fuss-Art.-Regt. 12 und Herr P. Zimmer, Oekonom des Priester- 
seminars, als Mitglieder aufgenommen. Der Vorsitzende giebt sodann der Freude 
Ausdruck, dass aus der Feder eines Mitgliedes der Gesellschaft, des Herrn Direktors 
Derichsweiler in Saarburg, eine auf kritischer Forschung beruhende durchaus 
selbständig gearbeitete Geschichte von Lothringen erschienen ist. Sodann erhält 
Herr Oberlehrer Dr. Grimme das Wort zu einem Vortrage über »Die reichsunmittel- 
baren Herren im Gebiete des heutigen Lothringens und ihre Schicksale in den 
Jahren 1789—1794<. Der Vortrag ist im Jahrbuche XI, p. 242 ff. in ‚erweiterter 
Form erschienen, sodass hier von der Wiedergabe seines Inhaltes abgesehen 
werden kann. 

Museumsdirektor Keune kommt auf die Besichtigung des Mauerwerks vom 
12. d. Mts. zurück. Unter Vorlage von Photographien der Befestigungen von Neu- 
magen und einiger französischer Städte erklärt er, dass er der Ansicht des Archiv- 
direktors Wolfram über die römische Herkunft der in der Citadelle aufgedeckten 
Mauer beitritt. Auch Bibliotheksdirektor Paulus äussert sich in demselben Sinne 
und teilt mit, dass am heutigen Tage auch Reste der das Opus spicatum be- 
kleidenden Blendmauern gefunden sind, die zweifellos römischer Herkunft sind. 
Dr. Wolfram macht noch darauf aufmerksam, dass sämtliche in der Mauer ge- 
fundenen Architekturteile der Zeit vor 300 angehören, dass mithin auch darin 
eine Bestätigung seiner Ansicht, die Mauer sei um die Wende des 3/4 Jahrhunderts 
erbaut, liege. Herr Keune legt 3 Brakteaten vor, welche Dr. Wolfram dem Museum 
geschenkt hat, desgleichen den Abdruck eines in der Berliner Münzsammlung be- 
findlichen Metzer Doppelthalers von 1641. Schluss der Sitzung 6 Uhr. 


Sitzung am Donnerstag, dem 7. Februar 1901, nachmittags 4!/» Uhr 


im Bezirkspräsidium. 


Anwesend von Daacke, Paulus, Dr. Bour, Wichmann, Keune, Knitterscheid, 
Wolfram und ca. 30 Mitglieder. 


Den Vorsitz führt in Abwesenheit des in Berlin weilenden Präsidenten 
Archivdirektor Dr. Wolfram. Von Herrn Dr. Forrer-Strassburg ist ein Aufsatz ein- 
gesandt über die ältesten Skulpturen des Odilienberges. Forrers Ausführungen 
bestätigen, dass die Datierung, welche Dr. Wolfram in einer früheren Sitzung der 
Madonna von S. Gangulf gab, auf Grund der von Forrer herangezogenen gleich- 
artigen Skulpturen vom Züricher Münster richtig ist: beide Skulpturen entstammen 
dem 12. Jahrhundert. 

Vorgelegt wird eine Karte der politischen Grenzen in der Saargegend von 
1790 und 1814, die der Verein für die Geschichte Saarbrückens hat anfertigen 
lassen. Darauf erhält Herr Abbe Cuny das Wort zu einem Vortrage über den 


REIT 


De à 


— 459 — 


Finalement M. Wahn, conseiller d’architecture, rend les assistants atlentifs 
à un chapiteau qui n'était pas entièrement travaillé lorsqu'il a servi à la construc- 
tion du mur. 


Séance du jeudi, 17 janvier 1901, à 4 heures ‘> de l'après-midi, à l'Hôtel 
de la Présidence. 

Assistent à la séance: MM. de Hammerstein, de Daacke, Knitterscheid, 
Paulus, Keune, Bour, Grimme, Wolfram et environ 35 sociétaires. 

M. le Président fait circuler les publications offertes en échange à la Société. 

M. Schramm, major au régiment d'artillerie n° 12, et M. l’abb& Zimmer, 
économe du Grand-Séminaire, sont reçus membres de la Société. 

M. le Président se fait un plaisir d'annoncer à la Société que M. le Dr De- 
richsweiler, directeur du gymnase de Saarburg et membre de notre Société, vient 
de faire publier une histoire de la Lorraine qui est le résultat de recherches ab- 
_solument personnelles, qu'il a soumises à la critique historique. M.le Dr Grimme, 
professeur supérieur, prend ensuite la parole pour entretenir l'assemblée sur »les 
seigneurs immédiats du territoire de la Lorraine actuelle et leur sort pendant les 
années 1789—1794<. La conférence de M. Grimme est reproduite dans l'annuaire 
XII sous une forme plus étendue, de sorte qu’il n’est pas nécessaire d'en donner 
ici le résumé. 

M. Keune, directeur du Musée de Metz, revient à parler de la visite faite 
à la citadelle le 12 du courant. Il présente des photographies des travaux de 
fortification de Ncumagen et de quelques villes françaises et déclare partager 
l’avis de M. le Dr Wolfram qui avait attribué à la période romaine les restes 
de murs découverts à la citadelle. M. l'abbé Paulus, directeur de la bibliothèque. 
partage également l'avis de M. le Dr Wolfram et déclare en outre qu'on vient 
de découvrir des restes de murs servant au parement de l’opus spicatum dont 
l'origine romaine ne donne l'ombre d'aucun doute. M. le Dr Wolfram fait remar- 
quer que tous les débris d'architecture découverts dans le mur datent d'avant 
l’année 300. ce qui prouverait une fois de plus que le mur a été construit vers 
la fin du 3° ou au commencement du 4® siècle. 

M. Keune présente 5 monnaies »»braknates«« dont M. le D' Wolfram a fait 
cadeau au musée, ainsi que le moule d'une pièce de monnaie messine appelée 
Doppelthaler, de l’année 1641. 

La séance est levée à 6 heures. 


Séance du jeudi 7 février 1901, à 4'/» h. de l'après-midi, 
à l'hôtel de la Présidence. 

Assistent à la séance MM. de Daacke, Paulus, D' Bour, Wichmann, Keune, 
Knitterscheid, Wolfram et environ 30 sociétaires. M. le Dr Wolfram occupe le 
fauteuil de la présidence en remplacement de M. le baron de Hammerstein qui 
s'est rendu à Berlin pour affaires de service. 

M. le Dr Forrer à Strassburg a offert à la Société une brochure dans la- 
quelle il traite des sculptures les plus anciennes du mont St-Odile. Les explica- 
tions de M. Forrer concordent avec les données de M. le D' Wolfram qui, lors 
d’une séance antérieure, avait fixé la date de la madonne de St.-Gengoulf au 
12e siècle, comme M. Forrer l'a prouvé pour les sculptures semblables de la 
cathédrale de Zurich. 

L'on soumet à l'assemblée une carte des différentes limites politiques du 
pays de la Sarre depuis 1790 jusqu’en 1814. Celte carte a été exécutée par les 


— 460. — 


weltlichen Besitz des Stiftes St. Peter zu Finstingen. Redner führt etwa 
Folgendes aus: 


Johann v. Finstingen, der letzte männliche Spross aus der Linie Schwanhals, 
kaufte im Jahre 1461 alles, was das Kloster Neuweiler zu Donnelay, Ley, Abau- 
court und Vintremont hatte, um damit das zu gründende Stift St. Peter zu dotieren. 
(In Donnelay war damals der Bischof von Metz Vogt und Hochgerichtsherr; alle 
anderen Rechte gehörten dem Kloster — In Ley handelte es sich um den Zehnten 
und Allodialgüter — Abaucourt und Vintremont lagen unweit Nomeny. Abaucourt 
war als Pfarrei dem Kloster incorporiert; in demselben hatte das Kloster noch 
ein Hofgut — Vintremont war ein kleiner Ort; der ganze Bann und die Gerichts- 
barkeit gehörte dem Kloster.) Dazu fügte Johann noch dasjenige, was die Finstiger 
als Patronatsherren in der Pfarrei Wolxheim bei Molsheim hatten. Johann starb 
im Jahre 1467. Seine Wittwe, Beatrix v. Ogieviller, führte seinen Plan aus und 
gründete im Jahre 1475 das Stift. Die Bestätigung des Bischofs erfolgte in dem- 
selben Jahre. Zu den Gütern, die Johann für das Stift bestimmt hatte, fügten 
seine Erben noch ein Drittel des Zehnten auf dem Banne von Finstingen; die 
Pfarrei wurde dem Stift einverleibt, ebenso der Katharinen- und Liebfrauenaltar. 
Zu Lohr bei Münster erhielt das Stift den Mohrweiher und ein Drittel des Zehntel, 
in der Pfarrei Vintringen (bei Mörchingen) das Patronatsrecht und den Zehnten 
zu Valleringen, das damals zur Pfarrei Vintringen gehörte. 


Im Jahre 1483 wurden durch einen Vertrag zwischen dem Bischof von Metz 
und dem Stift die beiderseitigen Rechte in Donnelay genauer bestimmt. Der 
Bischof blieb Vogt und Hochgerichtsherr. Es wurde aber zum ersten Male eine 
gewisse Abhängigkeit Donnelay's von Marsal ausgesprochen. (Der Bischof übte 
die Hochgerichtsbarkeit durch seinen Beamten in Marsal aus.) — Im Jahre 1560 
traten die Stiftsherren ihre Besitzungen zu Abaucourt und Vintremont gegen eine 
Jährliche Rente von 250 Franken an Nikolaus von Lothringen, Grafen von Vaudémont, 
Herrn von Nomeny, ab. 


Im Jahre 1565 wurde die lutherische Lehre durch die Rheingrafen in der 
Herrschaft Finstingen eingeführt; das Stift verlor seine in der Herrschaft gelegenen 
Güter und verlegte seinen Sitz nach Donnelay; die Zahl der Präbenden wurde von 
13 auf 4 herabgesetzt. Im Jahre 1593 trat der Bischof dem Herzog von Lothringen die 
Castellanei Marsal ab. Auch Donnelay wurde dazugerechnet. Es wurde nur mehr 
als ein zu Marsal gehöriges Dorf betrachtet; sein Landesherr wurde der 
Herzog von Lothringen. 1602 wurde das Stift aufgelöst und seine Güter unter 
die Pfarrer von Donnelay, Finstingen, Mittersheim und Lohr (letztere 3 Pfarreien 
waren neu errichtet worden) verteilt. 1661 fiel Donnelay durch den Vertrag von 
Vincennes an Frankreich. 1667 richtete Karl Heinrich, Prinz v. Vaudémont, das 
Stift mit dem Sitze in Finstingen wieder auf und gelangte mit vieler Mühe wieder 
in den Besitz des grössten Teiles seiner Güter. 


Durch den Beschluss der Nationalversammlung vom 4. August 1789 verlor 
das Stift seine herrschaftlichen Rechte, die es noch zu Donnelay hatte. Am 
15. Januar 1790 erschienen die Stiftsherren vor der Stadtbehörde zu Finstingen, 
um Angabe über ihren Besitz zu machen: Ihr Gesamteinkommen belief sich auf 
6481 livres, 15 sols, 6 deniers, die Gesamtausgabe auf 1500 livres, 8 sols, 
4 deniers. Die Güter wurden kurz darauf versteigert, der Erlös von der Regierung 
eingezogen. 


— 41 — 


soins de la Société historique de Saarbrücken. La parole est accordée ensuite 
à M. l'abbé Cuny pour entretenir l'assemblée sur le temporel de la collégiale 
St-Pierre à Fénétrange. La conférence de M. Cuny se résume ainsi qu'il suit: 

Jean de Fénétrange, le dernier descendant mâle de la branche des Schwan- 
hals se rendit acquéreur, en 1461, de tous les biens appartenant au couvent de 
Neuweiler à Donnelay, Lev, Abaucourt et Vintremont pour les donner en dotation 
à la collégiale St.-Pierre nouvellement fondée (à Donnelay l'évêque de Metz possé- 
dait la vouerie ainsi que la haute-justice: tous les autres droits appartenaient 
au couvent — A Ley il s’agit de la dime et des biens allodiaux — Abaucourt 
et Vintremont étaient situés à proximité de Nomeny. Abaucourt était incorporé 
au couvent comme paroisse; le couvent possédait encore une ferme dans la 
même localité — Vintremont était une petite localité; le ban entier et la justice 
appartenaient au couvent). À ces biens Jean de Fénétrange ajouta encore les 
biens que possédaient les sieurs de Fénétrange dans la paroisse de Wolxheim 
près de Moisheim en leur qualité de patrons de la paroisse. Jean mourut 
en 1467. Sa veuve Beatrice d’Ogieviller exécuta son plan et créa la collégiale 
en 1475. La fondation reçut l'approbation de l’évêque dans le courant de la 
même année. Aux biens que Jean de Fénétrange avait désignés comme devant 
appartenir à la collégiale, ses héritiers ajoutèrent encore un tiers de la dime 
sur le ban de Fénétrange;- la paroisse ainsi que l'autel de Ste-Catherine et 
de la Vierge furent cédés à la collégiale. A Lohr, près de Munster, la collégiale 
fut mise en possession de l'étang de Mohr et d’un tiers de la dime, dans la pa- 
roisse de Vintringen (près de Mörchingen), en outre, le droit de patronage et la 
dime à Valleringen, village qui dépendait, à cette époque, de la paroisse de 
Vintringen. 

Une convention passée en 1483 entre l'évêque de Metz et la collégiale 
détermine les droits appartenant aux deux parties dans la localité de Donnelay. 
L'évêque conserve la qualité de voué et de seigneur haut justicier. Pour la 
première fois il v est fait mention de la dépendance de Donnelay de Marsal (à 
Marsal l'évêque fait exercer la haute-justice par un délégué). — En 1560 le 
chapitre de la collégiale cède à Nicolas de Lorraine, comte de Vaudémont et 
seigneur de Nomény, leurs possessions à Abaucourt et Vintremont moyennant 
une rente annuelle de 250 fr. 

En 1565 les Rhingrafs introduisent la doctrine luthérienne dans la seigneurie 
de Fénétrange ; la collégiale est privée de ses possessions situées dans la seigneurie 
et transfère son siège à Donnelav; le nombre des prébendes, primitivement treize, 
est réduit à quatre. 

En 1593 l'évêque cède au duc de Lorraine la chätellenie de Marsal, y 
compris la localité de Donnelay. Donnelay n’est plus considéré que comme dé- 
pendance de Marsal, dont le duc de Lorraine est seigneur. En 1602 la collégiale 
est dissoute et ses biens sont partagés entre les paroisses de Donnelay, Féné- 
trange, Mittersheim et Lohr dont les {rois dernières avaient été nouvellement 
créées. En 1661 le village de Donnelay, aux termes du traité de Vincennes, est 
cédé à la France. 

En 1667 Charles Henri, prince de Vaudémont, rétablit la collégiale et lui 
assigne comme résidence la ville de Fénétrange. La collégiale obtient avec beau- 
coup de peine d'être mise de nouveau en possession de la plus grande partie 
de ses biens. 


= A — 


Alsdann spricht Herr Professor Dr. Wichmann über »Die alte Mauer zwischen 
dem Citadellen- und Römerthor«. Er geht davon aus, dass die Linie, welche 
Dr. Wolfram für die Westseite der römischen Stadtbefestigung festgestellt hat und 
die nach dessen Ausführungen meist auf der Höhe oder als Futtermauer in halber 
Höhe des Berges entlang lief, falsch ist. Vielmehr soll nach Wichmann die alte 
römische Befestigung, wie man auch vor Wolfram angenommen hatte, unten am 
Fusse entlang gegangen sein, das sei schon durch fortifikatorische Rücksichten 
seboten. Nach Süden hin, führt der Redner aus, sei nun die jetzt gefundene 
Mauer keinesfalls die römische, da die Mauertechnik absolut nicht römisch sei. 
Dem Redner erwidert zunächst Dr. Wolfram und weist darauf hin, dass Herr 
Professor Wichmann das wesentlichste Beweisstück seiner Beweisführung nicht 
beachtet habe. Im 12. Jahrhundert wird nämlich die Kirche St. Victor, welche 
etwas oberhalb des Scriba’schen Hauses lag, noch als »in suburbio St. Stefani« 
also vor der Stadtmauer gelegen, bezeichnet. Selbstverständlich ist das nur eine 
Reminiscenz des früheren Zustandes; denn um diese Zeit hatte die Stadterweiterung, 
welche Anglemur begriff, schon stattgefunden. Was aber die Südmauer angehe, 
so lasse sich aus der Mauertechnik als solcher für römisch oder nicht römisch 
überhaupt nichts beweisen. Aber wie sei es zu erklären, dass unter den sämt- 
lichen jetzt und früher gefundenen Skulpturstücken, Grabsteinen etc. auch nicht 
ein Stück sei, das aus der Zeit nach dem 3. Jahrhundert stamme, wie sei es 
möglich, dass alle diese Stücke noch so frisch und unverwittert wären, wenn sie 
noch Jahrhunderte lang als Ruin gestanden hätten ? 


Hiernach nimmt Herr Major Schramm das Wort und zeigt, dass gerade 
fortifikatorische Gründe dafür sprächen, dass man die Mauer auf der Höhe und 
nicht am Flusse entlang geführt habe. 


Endlich erklärte Herr Dr. Keune, dass das aufgehende Mauerwerk in der 
That nichts beweise, wohl aber die Fundamentierungsblöcke voller Beweiskraft seien. 
Wenn wir genau dieselben Fundamentierungen in ca. 20 Städten oder befestigten 
Plätzen hätten, die nachweislich alle um 300 befestigt seien, so sei der Schluss 
berechtigt, dass auch die Metzer Befestigung derselben Zeit angehöre, dass wir 
es also mit der römischen Stadtmauer zu thun hätten. Nach einigen Schluss- 
bemerkungen des Herrn Professors Dr. Wichmann, die sich vor allem auf die 
Westmauer beziehen, wird die Sitzung gegen 7 Uhr geschlossen. 


Sitzung am Donnerstag, dem 21. Februar 1901, nachmittags 4'/» Uhr 
im Bezirkspräsidium. 
Anwesend von Hammerstein, Knitterscheid, von Daacke, Paulus, Welter, 
Keune, Wichmann, Dr. Bour, Wolfram und etwa 30 Mitglieder. 
Neu aufgenommen wird Herr stud. jur. E. Becker in Landorf. 


Der Vorsitzende teilt mit, dass auf Antrag des Herrn Staatssekretärs Seine 
Durchlaucht der Herr Statthalter eine Summe von 2000 Mk. zur Vorbereitung des 


— 463 — 


Le décret de l'assemblée nationale du 4 août 1789 prive la collégiale de 
ses droits seigneuriaux qu’elle possédait encore à Donnelay. Le 18 janvier 1790 
les chanoines de la collégiale se présentent à l'autorité municipale de Fénétrange 
pour y faire la déclaration de leurs biens. La totalité de leurs revenus s'élève à 
6481”livres, 15 sols, 6 deniers. Les dépenses atteignent le chiffre de 1500 livres 
8 sols, 4 deniers. Peu de temps après, les biens de la collégiale sont vendus 
comme biens nationaux au profit de la caisse de l'Etat. 

M. le professeur D' Wichmann fait ensuite quelques remarques au sujet 
de l’ancien mur découvert entre la porte de la Citadelle et la porte Serpenoise, 
M. Wichmann prétend que la ligne d'emplacement de l'enceinte romaine telle 
qu'elle a été déterminée par M. le Dr Wolfram pour le côté ouest ne peut pas 
être exacte. Selon M. le Dr Wolfram le mur d'enceinte en question (mur de re- 
vêtement) était adossé à la hauteur ou à mi-hauteur du point culminant. M. Wich- 
mann déclare que cette assertion est erronée. Il prétend, au contraire, que l’an- 
cien mur d'enceinte, ainsi qu'il a été démontré primitivement, a dû être élevé 
au pied de la hauteur; les considérations d'architecture militaire imposent cette 
opinion. Le mur d’enceinte qui vient d'être mis à jour au sud de la ville n'a pu 
faire partie de l'enceinte romaine, par la raison majeure que le genre de construction 
de ce mur ne correspond nullement au mode de construction usité chez les Romains. 

M. le Dr Wolfram réphque à M. le professeur Wichmann et lui fait remar- 
quer qu'il n’a pas pris en considération la preuve la plus éclatante de ses ex- 
plications antérieures. Au 12° siècle l’église St-Vietor, qui était située un peu 
plus haut que la maison Scriba actuelle, est désignée comme se trouvant encore 
»in suburbio Sti-Stephani<, par conséquent en dehors du mur d’enceinte. Il est 
bien entendu que cette remarque ne doit être considérée que comme souvenir 
de l’état primitif; car au 12° siècle l'agrandissement de la ville englobant le 
quartier d’Anglemur était déjà un fait accompli. Quant à la question de savoir 
si le mur découvert à la porte de la Citadelle est d'origine romaine ou non, les 
considérations tirées du mode de construction ne prouvent absolument rien. Par 
contre, comment s'expliquer que, parmi les débris de sculptures et de pierres 
tumulaires etc. découverts actuellement et antérieurement, il ne se trouve pas 
une seule pièce qu'on puisse attribuer à l’époque qui suit le 3e siècle. Si ces 
pierres ont été exposées pendant des siècles aux intempéries de la saison, com- 
ment se fait-il, qu’elles sont toutes encore si fraîches et intactes ? 

M. le major Schramm appuie les considérations de M. Wolfram et ce, pour 
des motifs d'architecture militaire. Il est également d'avis que le mur d'enceinte 
s’etendait, non le long de la rivière, mais au contraire, sur la hauteur telle qu'elle 
a été fixée par M. Wolfram. 

Finalement M. le Dr Keune cherche également à prouver que le mode de 
construction employé n’a aucune signification mais, qu’au contraire, il y a lieu 
de considérer les blocs de pierre employés pour la construction du mur comme 
la preuve la plus évidente de son origine romaine, Dans 20 autres villes ou places 
forlifiées, dont les murs d'enceinte ont été construits également vers l'an 300, 
on rencontre exactement le même genre de fondation; il est permis de conclure 
que le mur en question de la citadelle appartient également à la même époque, 
c'est-à-dire à l'époque romaine. Enfin M, le Dr Wichmann fait encore quelques 
répliques au sujet du mur d'enceinte du côté ouest. La séance est levée vers 
7 heures. 


— 464 — 


Anthropologentags der Gesellschaft bewilligt hat. Die Versammlung spricht ihren 
Dank für diese Zuwendung aus. UE 

Herr Notar Welter-Lörchingen legt die Resultate seiner Ausgrabungen von 
Grabhügeln bei Saaraltdorf und zwei römischen Villen bei Lörchingen vor. “Die 
ersteren weisen Produkte der neolithischen Zeit auf; in demselben Hügel haben 
sich aber auch Gräber mit eisernen Beigaben gefunden. In anderen sind Bronce- 
und Lignitringe aufgedeckt worden. En 


Die Fundstücke aus den römischen Villen sind ausserordentlich reichhaltig. 
Feld- und Gartengeräte, Handwerkszeug der verschiedensten Art, Gefässreste von 
der rohesten bis feinsten Qualität etc. Herr Welter erläutert die Fundumstände 
an der Hand eines guten, von Herrn Haas in Alberschweiler aufgenommenen 
Grundrisses der römischen Bauten. Der Vorsitzende spricht den Dank der Ver- 
sammlung für die gründliche Art der Ausgrabungen und die Bereicherung des 
Museums aus. 


Herr Baurat Döll spricht über die Mosel und Seille bei Metz zu römischer 
und frühmittelalterlicher Zeit. Der Vortragende beweist zunächst, dass der älteste 
Metzer Handel sich an der Seille, nicht an der Mosel entwickelt hat. Dann stellt 
er die Ansicht auf, dass die Mosel zu römischer Zeit überhaupt nicht durch die 
Stadt gegangen sei, sondern ihren Lauf lediglich durch den heutigen grossen 
Moselarm an der Todtenbrücke gehabt habe. Den Beweis für diese Auffassung 
entnimmt der Redner vor allem einem Atour des 15. Jahrhunderts, in dem aus- 
geführt wird, dass die Stadt durch die Beschädigungen des Wadrineau-Wehres 
ohne Wasser gewesen sei. Sie könne also vor dem Bau des Wadrineau-Wehrs 
kein Wasser gehabt haben. Nach Anlage des Wehrs sei dann ein Hochflutgraben 
zwischen Symphorien- und Pulverinseln tiefer ausgearbeitet worden. 


In Vertretung des Vorsitzenden, der während der Sitzung abgerufen wird, 
dankt Dr. Wolfram für die überaus anregenden Ausführungen. Er knüpft daran 
die Bemerkung, dass die alte Lage des Marktes an der Seille auch bestätigt 
werde durch die zahlreichen Kaufhallen, die im Mittelalter da gelegen hätten und 
durch die Wohnungen der Wechsler, die sich dort vorfanden. Dann wendet er 
sich aber gegen den zweiten Teil der Ausführungen und weist darauf hin, dass 
im 12. Jahrhundert die Georgsbrücke vorhanden gewesen sei; dass Venantius 
Fortunatus ausdrücklich sage, die Stadt läge im Winkel zwischen Mosel und Seille, 
dass endlich eine Anlage zwischen zwei Flüssen überhaupt gallische Gewohnheit 
gewesen sei. Auch Professor Wichmann spricht sich in demselben Sinne aus, 
desgleichen Bibliotheksdirektor Paulus. Nach längerer Debatte wird die Sitzung 
gegen 6 Uhr geschlossen. 


Sitzung am Donnerstag, dem 7. März 1901, nachmittags 4'/ Uhr 
im Bezirkspräsidium. 


Anwesend von Hammerstein, Dr. Bour, Paulus, Keune, Knitterscheid, Wich- 
mann, von Daacke, Wolfram und ca. 20 Mitglieder. Hg 

Der Vorsitzende legt fünf wundervoll erhaltene Steinbeile vor, die Herr 
Weiss in seiner Sandgrube zu Longeville gefunden und der Gesellschaft zur Ver- 


— 465 — 


Séance du jeudi 21 février 1901, à 4 h. '/» de l'après-midi, à l’hôtel de la Présidence. 

Assistent à la séance MM. de Hammerstein, Knitterscheid, von Daacke, 
Paulus, Welter, Keune, Wichmann, Dr Bour, Wolfram et environ 30 sociétaires. 

_ M.E. Becker, étudiant en droit, à Landorf, est reçu membre de la Société. 

M. le Président annonce à l'assemblée que Son Altesse le Statthalter a mis 
à la disposition de la Société une subvention de 2000 M. destinée à couvrir les 
frais du prochain congrès des anthropologistes, L'assemblée exprime ses remer- 
ciments au gouvernement. 

M. Welter, notaire à Lörchingen, soumet à l'assemblée les résultats des 
fouilles qui ont été pratiquées sur des tumuli à Saaraltdorf et dans 2 villas ro- 
maines près de Lörchingen. Dans les tumuli l'on a découvert des produits de 
la période néolithique ainsi que des sépultures renfermant des ustensiles en fer. 
Dans d’autres tumuli l'on a rencontré des anneaux en bronze et en lignite. 

Les trouvailles faites dans les villas romaines sont excessivement nom- 
breuses. A côté d’ustensiles de labourage et de jardinage, d'outils d'ouvriers les 
plus variés, l'on rencontre une quantité de débris de vases, les uns d’un travail 
très grossier, les autres d’une qualité la plus fine, etc. A l'aide d'un plan dressé 
par M. Haas à Alberschweiler M. Welter fait la description des différentes parties des 
villas où les objets ont été découverts. M. le Président remercie M. Welter, d’abord 
pour son rapport si détaillé et instructif et ensuite pour l’enrichis sement du musée. 

M. Doell, conseiller d'architecture, fait ensuite une conférence sur la Mo- 
selle et la Seille près de Metz à l’époque romaine et au début du moyen-äge. 
L'orateur démontre d'abord que le commerce de l’ancien Metz a eu son plus 
grand développement, non sur la Moselle, mais sur la Seille. II émet ensuite 
l'opinion qu'à l'époque romaine, la Moselle n’a pas traversé la ville, mais n'a eu 
qu'un seul lit, c’est-à-dire le grand bras actuel qui passe sous le pont des Morts. 
Comme preuve de cette assertion, il cite un atour de la cité de Metz du 15 siècle, 
duquel il appert, qu'à la suite d’endommagements de la digue de Wadrineau, la 
ville a été privée d'eau. M. Doell eonclut donc, qu'avant la construction de la 
digue, le bras secondaire de la Moselle n’a pas existé. Après la construction de 
la digue la ville a fait creuser entre l’île St-Symphorien et la poudrière un fossé 
destiné à recevoir les grandes eaux. 

En remplacement de M. le Président qui s'est absenté pendant la séance 
M. le Dr Wolfram remercie l’orateur pour sa conférence si intéressante. Il fait 
remarquer en même temps que l'existence du marché à proximité de la Seille 
est démontrée par les nombreuses halles de marchandises installées à proximité 
de cette rivière pendant le moyen-âge ainsi que par les établissements des chan- 
geurs qui étaient en grande vogue. M. le D' Wolfram vient à parler de la seconde 
partie de la conférence de M. Doell et fait remarquer que le pont Saint-Georges 
existait déjà au 12e siècle. Le poète Venantius Fortunatus dit expressément que 
la ville est située dans l'angle formé par la Moselle et par la Seille, et qu'enfin 
les Gaulois ont eu pour habitude de s'établir à l’embranchement des deux cours 
d’eau. M. le professeur Wichmann et M. Paulus, directeur de la bibliothèque de 
la ville, s'expriment dans le même sens. Après quelques répliques données de 
part et d’autre, la séance est levée à 6 heures. 


Séance du jeudi, 7 mars 1901, à 4 heures 2 de l'après-midi, à l'Hôtel de la Présidence. 


Assistent à la séance: MM. de Hammerstein, Dr Bour, Paulus, Keune, Knitter- 
scheid, Wichmann, de Daacke, Wolfram et environ 20 autres sociétaires. 


— 466 — 


fügung gestellt hat und spricht Herrn Weiss den Dank für das von neuem bethätigte 
Interesse an den Arbeiten der Gesellschaft aus. Pfarrer Colbus aus Altrip überreicht 
der Gesellschaft einen Thonstempel aus dem vorigen Jahrhundert, eine rohgearbeitete 
Diana römischer Herkunft (Relief) und zwei von Pater Scheil aus Aegypten mit- 
gebrachte Ziegelstempel. Gleichzeitig berichtet er über Mardellen. Die Unter- 
suchung der letzteren soll im nächsten Sommer unter Zuziehung des Herrn 
Professor Dr. Wichmann sattfinden. 

Von dem Conservator der elsässischen Denkmäler Herrn Wolf ist eine 
Einladung zur Besichtigung einer von ihm veranstalteten Ausstellung der Pläne 
und Bilder der elsässischen klassierten Denkmäler eingegangen, den der Vor- 
sitzende zur Kenntnis der Mitglieder bringt. 

Herr Huber-Saargemünd hat 8 Tafeln mit Plänen und Inschriftensteinen 
vom Herapel in je 800 Exemplaren für das Jahrbuch zur Verfügung gestellt. 
Dank. 

Der Vorsitzende giebt Mitteilung über die Bildung des Comites zur Vor- 
bereitung des Anthropologentags. Neu aufgenommen werden die Herren: Ober- 
leutnant Fahrmbacher (4. bayr. Inf.-Regt.], Leutnant Knabe (Inf.-Regt. 174), wissen- 
schaftlicher Hilfslehrer Gangloff, sämtlich in Metz und Buchhändler Fuchs in Zabern. 

Herr Pfarrer Kirch aus Escheringen spricht über die Lepra und die 
Leprosenhäuser in Lothringen. Da der Vortrag Aufnahme im Jahrbuche finden 
wird, kann von einer Inhaltsangabe Abstand genommen werden. 

Schluss der Sitzung 6 Uhr. 


Vorstandssitzung im Anschluss an die wissenschaftliche Sitzung. 


Anwesend die oben genannten Vorstandsmitglieder. 

Von Trier ist eine Einladung zur Entsendung eines Delegierten für die 
Hundertjahrfeier der Gesellschaft für nützliche Forschung eingegangen. Mit der 
Vertretung der Gesellschaft wird Archivdirektor Dr. Wolfram beauftragt, ausserdem 
wird Bibliotheksdirektor Paulus sich anschliessen. 

Im Anschluss an dieses Fest findet die Hauptversammlung des Verbandes 
der süd- und westdeutschen Vereine statt. Als Vertreter der Gesellschaft wird 
Museumsdirektor Keune gewählt. 

Herr Professor Dr. H. Bresslau wird als Mitglied der Kommission für Heraus- 
gabe lothringischer Geschichtsquellen gewählt. 

Als Ausflüge für den Sommer 1901 werden in’s Auge gefasst: 1. Plappeville, 
Lorry und Woïppy, 2. Bitsch und Schorbach, 3. soll die Gesellschaft für nützliche 
Forschung zu einem Ausiluge nach Metz eingeladen und mit ihr das Museum 
und die Wasserleitung in Jouy-aux-Arches besichtigt werden. 


Sitzung am Donnerstag, dem 21. März 1901, nachmittags 4: Uhr 
im Bezirkspräsidium. 


Anwesend: von Daacke, Paulus, Wichmann, Knitterscheid, Welter, Wolfram 
und ca. 20 Mitglieder. Entschuldigt: Huber, Keune. Der Vorsitzende ist verreist. 
In dessen Vertretung eröffnet Dr. Wolfram die Sitzung mit Mitteilungen über 


— 467 — 


M. le Président présente à l’assembl&e 5 haches en silex merveilleusement 
bien conservées que M. Weiss a découvertes dans sa sablière de Longeville et 
qu'il met à la disposition du musée de la Société. Des remerciments sont votés 
à M. Weiss pour la part active qu’il prend aux travaux de la Société. 

M l'abbé Colbus, curé à Altrip, offre à la Société, d’abord l'empreinte d’un 
sceau en terre argileuse, empreinte qu’il y a lieu d'attribuer au siècle passé, puis 
un relief grossièrement travaillé représentant la déesse Diane, d'origine romaine, 
enfin 2 sceaux sur brique apportés d'Egypte par le R. P. Scheil. Il parle en même 
temps des mardelles dans les environs d'Altrip, sur lesquelles il rend l’assemblée 
spécialement attentive. Dans le courant de l'été prochain, M. le professeur Dr Wich- 
mann entreprendra d'étudier ces mardelles. 

Le conservateur des monuments historiques de l’Alsace, M. Wolf, a adressé 
à la Société une invitation en vue de visiter l'exposition des plans et dessins des 
monuments alsaciens classés qu'il a organisée. M. le Président fait part de cette 
invitation à l'assemblée. 

M. Huber, de Saargemünd, a fait don à la Société de 8 feuilles différentes 
contenant la reproduction des plans et des pierres avec inscriptions du Hérapel. 
Ces feuilles, au nombre de 800 exemplaires chaque, sont destinées à être incor- 
porées dans l'annuaire. — Remerciments. 

M. le Président donne quelques renseignements au sujet de la formation du 
Comité chargé des préparatifs pour le prochain Congrès des anthropologistes. 

Sont reçus membres de la Société: MM. Fahrmbacher, lieutenant en pre- 
mier au régiment bavarois n° 4, Knabe, lieutenant au régiment d'infanterie n° 179, 
Gangloff, professeur, demeurant tous à Metz, et M. Fuchs, libraire à Zabern. 

M. l'abbé Kirch, curé à Escheringen, fait ensuite sa conférence sur la lèpre 
et les léproseries en Lorraine. Son travail devant être reproduit dans l’annuaire> 
il n’est pas nécessaire d’en donner ici un aperçu. 

La séance est levée à 6 heures. 


Séance du Bureau immédiatement aprés la séance scientifique. 

Sont présents: les membres du Bureau désignés ci-dessus. 

La Société pour les recherches utiles à Trèves a invité notre Société à se 
faire représenter à l’occasion du centenaire de cette Société savante. M. le Dr Wolf- 
ram, directeur des archives, ainsi que M. l'abbé Paulus, directeur de la biblio- 
thèque, sont désignés comme délégués. 

En même temps et à la même date aura lieu à Trèves le Congrès de l’as- 
sociation des Sociétés historiques de l'Allemagne du Sud et de l'Ouest. M. Keune, 
directeur du Musée, est chargé de représenter notre Société à ce Congrès. 

M. le Dr H. Bresslau, professeur d'Université, est élu membre de la com- 
mission chargée de la publication des sources de l’histoire lorraine. 

Le Bureau projette les excursions suivantes pour le courant de l'été 1901: 
1° à Plappeville, Lorry et Woippy; 2° à Bitsch et Schorbach; 3° visite du Musée 
et des arches de Jouy en compagnie de la Société pour les recherches utiles de 
Trèves qui sera spécialement invitée à cet effet. 


Séance du jeudi 21 mars 1901 à 4 heures !/» de l'après-midi, 
a l'hôtel de la Présidence. 
Sont présents MM. de Daacke, Paulus, Wichmann, Knitterscheid, Weller, 
Wolfram et environ 20 autres sociétaires. MM. Huber et Keune se sont fail 
excuser. M. le Président étant en voyage, M. le Dr Wolfram occupe le fauteuil 


— 468 — 


die Beschlüsse der letzten Vorstandssitzung. Als Mitglied aufgenommen wird Herr 
E. Lévêque, Bauunternehmer in Riedingen. | 

Herr Welter überreicht 4 mit Figuren verzierte Fliessen, die beim Abbruch 
der protestantischen Kirche in Saarburg gefunden sind. Sie gehören dem 13. Jahr- 
hundert an. Derselbe schenkt der Gesellschaft 30 eiserne Kaminplatten. Der 
Vorsitzende spricht Herrn Welter für diese schöne und wertvolle Gabe den besten 
Dank der Gesellschaft aus. 

Herr Dr. Grotkass-Rodemachern spricht über das Karolingische Königsgut 
in Lothringen, ins Besondere im Kreise Diedenhofen. Er führt aus, dass das: 
ganze Moselthal von der Orne bis Rettel-Berg Königsgut gewesen sei. Nördlich 
habe sich dann das Königsgut fortgesetzt über Simmingen, Beiern,  Bür- 
meringen und Elwingen. Das Königsgut ist bald durch Schenkungen verkleinert 
worden. So kommt schon 699 ein Teil von Berg an Echternach, 842 vergibt 
Lothar 13 Höfe in Beiern (ad Buras), Elwingen und Birmingen kommen an St. 
Maximin in Trier. Königsmachern ist bis 1065 königlicher Besitz geblieben; in 
diesem Jahre gibt es Heinrich IV. an Maria-Magdalena in Verdun. Der Mittelpunkt 
des gesamten Besitzes ist aber Diedenhofen und Jeutz. Bis 997 verfügen die 
Könige hier noch über Grundstücke und Baulichkeiten. Flörchingen ist sogar bis 
1136 königlicher Besitz geblieben. Der Vortragende, der sich nicht auf eine blosse 
Aufzählung von Namen und Daten beschränkt, sondern das Interesse der Zuhörer 
durch die Einfügung weiterer historischer Notizen über das spätere Schicksal der 
einzelnen Ortschaften trefflich zu beleben versteht, bringt noch weiteres urkund- 
liches Material, dessen ausführliche Wiedergabe hier zu weit führen würde, mit dem 
aber die Ansicht des Redners über die Ausdehnung des alten Besitzes überzeugend 
dargethan wird. — Der Vorsitzende dankt Namens der Anwesenden und bemerkt, 
dass die Ausführungen des Herrn Dr. Grotkass dadurch wesentlich gestützt werden, 
dass in dem umschriebenen Gebiete keine Herrensiedelungen auf heim vorkommen. 
Auch die Herren Paulus und Wichmann beteiligen sich an der Besprechung. 

Schluss der Sitzung um 6 Uhr. 


Sitzung der historischen Kommission zur Herausgabe lothringischer Geschichts- 
quellen am Samstag, dem 8. Dezember, nachmittags 4 Uhr im Bezirksarchiv. 


Anwesend die Mitglieder der Kommission: Bezirkspräsident Freiherr von 
Hammerstein, Archivdirektor Dr. Wiegand-Strassburg, Stadtarchivar Dr. Winkel- 
mann-Strassburg, Archivdirektor Dr. Wolfram, Oberlehrer Dr. Grimme, Professor 
Dr. Wichmann, Oberst a. D. Dr. Kaufmann, Bibliotheksdirektor Paulus, ausserdem 
auf Einladung Professor Dr. Follmann und Archivassistent Dr. Müsebeck. Es fehlt 
Abbe Dorvaux. 

Tagesordnung: Berichterstattung über die Fortschritte der Arbeiten zur 
Herausgabe lothringischer Geschichtsquellen. 

Nach den Begrüssungsworten des Präsidenten legt Archivdirektor Dr. Wolfram 
den Zusammenhang der Metzer Chroniken dar. Auf Grund seiner eingehenden 
Ausführungen wird ihre Herausgabe in folgender Reihenfolge beschlossen : t 

1. Chronik der Kaiser aus dem luxemburgischen Hause, besonders wegen 
ihrer Beziehung zu den Reichsangelegenheitenr. Hierbei soll der von 
Bouteiller-Bonnardot herausgegebene Guerre de Metz wiederum ab- 
gedruckt werden. 


— 469 — 


de la présidence. Il communique à l'assemblée les délibérations prises dans la 
dernière séance du Bureau. M. E. Lévêque, entrepreneur à Riedingen, est reçu 
membre de la Société. M. Welter soumet à l'assemblée 4 carreaux de brique 
glacée ornés de figures qui ont été mis à jour lors de la démolition du temple 
protestant de Saarburg. Ils proviennent du 13e siècle. M. Welter fait, en outre, 
don au musée de la Société de 30 taques de cheminées. Le président exprime 
ses remercîments, au nom de la Société, pour la part si active que prend 
M. Welter aux travaux de la Société d'archéologie. 

M. le Dr Grotkass de Rodemachern prend ensuite la parole pour entretenir 
l'assemblée sur »le domaine royal des Carlovingiens en Lorraine, notamment 
dans l'arrondissement de Thionville. La vallée entière de la Moselle, dit l'ora- 
teur, qui s'étend depuis l'Orne jusque Rettel-Berg faisait partie du domaine 
royal. Au nord, le domaine royal s'est constamment agrandi en prenant la 
direction de Simmingen, Beiern, Bürmeringen et Elwingen. Mais ce domaine ne 
tarda pas à s’amoindrir par suite de donations successives. Dès l'an 699 
nous constatons qu'une partie du village de Berg est attribuée à Echternach, 
en 842 Lothaire dispose de 13 propriétés à Beiern (ad Buras) pour en faire diffé- 
rentes donations ; Elwingen et Bürmingen sont attribués à l’abbaye de St. Maximim à 
Trèves, Königsmachern est resté domaine royal jusqu'en 1065, à laquelle date il fut 
donné par l'empereur Henri EV à l'abbaye Ste-Marie-Madeleine à Verdun. Le centre du 
domaine royal se trouvait à Thionville et Yutz, où la cour royale disposait encore 
en 997 de différents immeubles. Florange a fait partie du domaine royal jusqu'en 
1136. L’orateur ne se contente pas de faire une nomenclature de noms et de dates, 
mais il sait exciter l'attention des auditeurs en ajoutant une série de renseigne- 
ments historiques se rapportant au sort ultérieur des différentes localités. Il cite 
à l'appui une foule de documents, qu’il est impossible de reproduire ici in extenso, 
mais qui prouvent à l'évidence l'étendue de l'ancien domaine royal. Le président 
se fait l'interprète de l'assemblée en remerciant l’orateur. Il fait remarquer que 
les explications de M. le Dr Grotkass sont d'autant plus vraisemblables, que le 
domaine en question ne renferme aucune colonie seigneuriale dont le nom se 
termine en heim. MM. Paulus et Wichmann donnent quelques explications dans 
le même sens. 

La séance est levée à 6 heures. 


Séance de la Commission historique pour la publication des sources 
de l’histoire lorraine du samedi 8 décembre, à 4 heures de l’après-midi, 
aux archives départementales. 


Sont présents les membres de la Commission, à savoir: MM. le baron de 
Hammerstein, président du département, le Dr Wiegand, directeur des archives 
départementales à Strassburg, le Dr Winkelmann, archiviste de la ville de Strass- 
burg, le Dr Wolfram, directeur des archives, le Dr Grimme, professeur supérieur, 
le Dr Wichmann, professeur, le Dr Kaufmann, colonel en retraite, Paulus, directeur 
de la bibliothèque, ainsi que M. le professeur Follmann et Dr Müsebeck 
assistent aux archives, ces deux derniers spécialement convoqués. M. l'abbé 
Dorvaux est absent. 

L'ordre du jour porte: Rapport sur l'avancement des travaux concernant 
la publication des sources de l’histoire lorraine. 


— 10 — 


. Die Bischofschronik. 
. Die Schöffenchronik. 
. Chronik des Philipp von Vigneulles. 
. Chronik des Praillon. 
6. Kleine Cölestinerchronik. 

Die Vorarbeiten des Herrn Abbé Paulus zur Herausgabe der Metzer Bischofs- 
regesten sollen fortgesetzt werden. Als Termin für die Bearbeitung wird das Jahr 
1260 festgesetzt. Ein endgültiger Beschluss über die Herausgabe der Regesten- 
soll erst in Jahresfrist gefasst werden, wenn der Referent die Durchsicht des 
gedruckten Materials beendet und die Kommission sich auf Grund der von ihm 
angefertigten Regesten über ihre Fassung geeinist hat. 

Professor Wichmann berichtet über den Fortgang der Arbeiten zur Heraus- 
gabe der Schreinsrollen. Diese Publikation soll vorläufig beschränkt werden auf das 
13. Jahrhundert, so dass von den vorhandenen 60 nur 16 in Betracht kommen. 
Ihre Abschrift soll binnen Jahresfrist beendet sein. 

Eine bedeutende Förderung haben die Vorarbeiten des Professors Follmann 
zur Herausgabe des Wörterbuchs erfahren. Im Sommer ist eine Anleitung zur 
Berichterstattung gedruckt und an die Lehrer in deutsch redenden Gebieten Loth- 
ringens versandt worden, umfangreiche Sammlungen sind ihm von Privatpersonen 
zur Verfügung gestellt, von ihm selbst etwa 1400 Ausdrücke gesammelt und er- 
läutert. 

Die Herausgabe der vatikanischen Regesten soll in Rom von Dr. Sauerland 
fortgesetzt werden. Mit Herausgabe des Registers wird Oberlehrer Dr. Grimme 
betraut. 

Von allen Seiten wird eine schnellere Förderung des Druckes gewünscht. 
Archivdirektor Dr. Wolfram wird beauftragt, mit dem Vertreter der Druckerei sich 
in Verbindung zu setzen und den Vertrag dahin abzuschliessen, dass die Unter- 
stützung von 28,50 Mk. pro Bogen seitens der Gesellschaft sich verringert, wenn 
der angesetzte Termin zur Fertigstellung der einzelnen Druckbogen durch die 
Druckerei nicht eingehalten wird. 

Schluss der Sitzung 6 Uhr. 


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— 41 — 


M. le President souhaite d’abord la bienvenue aux assistants puis charge 
M. le Dr Wolfram d’exposer le plan des chroniques messines. A la suite de ses 
explications détaillées, l'assemblée décide de procéder à la publication des sources 
dans l'ordre suivant: 

1° la chronique des empereurs de la maison de Luxembourg à cause de 

leurs rapports avec les affaires de l'Empire. A cette occasion la Guerre 
de Metz publiée par MM. Bouteiller-Bonnardot sera imprimée de nouveau ; 
2° la chronique des évêques ; 

3° la chronique des échevins ; 

4 la chronique de Philippe de Vigneulles ; 

5° la chronique de Praillon ; 

6° la petite chronique des Célestins. 

Les travaux préparatoirs de M. l’abb& Paulus concernant les régestes des 
évêques de Metz seront continués. Ces travaux comprendront les évènements 
arrivés à partir de l’année 1250. 

Une décision définitive à ce sujet ne sera prise que dans le délai d'un an, 
dès que le rapporteur aura fini de parcourir les œuvres imprimées et que la 
commission aura pris une décision au sujet de la teneur à donner aux régestes. 

M. le professeur Wichmann donne des détails sur l'avancement des travaux 
relatifs à la publication dessröles du ban de tréfonds. Ces derniers seront limités 
au 13e siècle, de sorte que sur le nombre de ces rôles (il en existe 60), il v 
aura lieu de n'en prendre que 16 en considération. La copie de ces rôles sera 
terminée dans le délai d’un an. 

Les travaux préparatoires de M. le professeur Follmann en vue de la 
publication d’un dictionnaire des dialectes sont très avancés. Dans le courant 
de l'été dernier M. Follmann a fait parvenir aux instituteurs de la partie alle- 
mande de la Lorraine un questionnaire, auquel la plupart lui ont envoyé les 
réponses. Des collections importantes ont été mises à sa disposition par des per- 
sonnes privées et lui-même a collectionné et expliqué environ 1400 expressions. 

La publication des regestes du Vatican commencée à Rome par M. le Dr 
Sauerland sera continuée. M. le Dr Grimme, professeur supérieur, est chargé d’en 
dresser la table des matières. 

Tous les assistants sont unanimes à exiger de la part de l'imprimerie un 
peu plus de zèle dans l'impression des manuscrits. M. le Dr Wolfram est chargé 
de se mettre en rapport avec le conseil d'administration de l'imprimerie et de 
conclure avec ce dernier un contract dans lequel il y aura lieu de stipuler que 
la Société se réserve le droit de retrancher la gratification spéciale de 28,50 M. 
par cahier, toutes les fois que le délai fixé pour la livraison des différents cahiers 
ne sera pas observé. 

La séance est levée à 6 heures, 


BR 


Verzeiehnis der mit der Gesellschaft für lothringische Geschichte und 
Altertumskunde in Schriftenaustausch stehenden Vereine mit Angabe 


6. 


der bis 25, III 1904 eingegangenen Tauschsehriften. 


. Aachen. Aachener Geschichtsverein, 


Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Band 22 (1900). 


. Aarau. Historische Gesellschaft für den Kanton Aargau. 


Argovia, Band 28 (1900). Taschenbuch für das Jahr 1900. 


. Altenburg. Geschichts- u. Altertumsforschende Gesellschaft der Osterlande. 


Mitteilungen, Band 11 (1899), Heft 2. 


. Antwerpen. Académie royale d'archéologie de Belgique. 


Bulletin, tome X (1901). 


. Arlon. Institut d'archéologie luxembourgeoise. 


Annales, tome 35 (1900). 
Bar-le-Duc. Société des sciences, lettres et arts. 
Mémoires, tome 7 (1898). 


. Basel. Historische und antiquarische Gesellschaft. 


Jahresbericht 1898/99. 


. Bayreuth. Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken. 


Archiv, Band 21 (1899) Heft 1. 


. Belfort. Société Belfortaine d’&mulation. 


Bulletin, tome 19 (1900). 


. Berlin. Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine. 


Korrespondenzblatt, Jahrgang 49 (1901) Nr. 2/3. Protokoll der General- 
versammlung Dresden (1900). 


. Berlin. Märkisches Provinzialmuseum. 


Brandenburgia, Jahrgang IX (1900) Heft 4 bis 6. 


2. Berlin. Touristenklub der Mark Brandenburg. 


Mitteilungen, Jahrgang X (1901) No. 3. Jahresbericht 17 (1900). 


. Berlin. Verein für die Geschichte Berlins. 


Preussische Krönungsgeschichte. Mitteilungen, Jahrgang 1901 No. 3. 


. Berlin. Verein für die Geschichte der Mark Brandenburg. 


Forschungen zur brandenburgischen und preussischen Geschichte, Band 13 
(1900) Heft 2. 


5. Berlin. Verein Herold. 


Der deutsche Herold, Jahrgang 31 (1900). 


5. Bern. Historischer Verein des Kantons Bern. 


Archiv des historischen Vereins, Band 16 (1900) Heft 1. 


7. Birkenfeld. Birkenfelder Verein für Altertumskunde. 


Chroniken der Pfarreien der Aemter Birkenfeld und Frauenberg. Die 
Altburg bei Bundenbach. 
3onn. Verein für Altertumsfreunde im Rheinlande. 
Jahrbücher, Heft 106 (1901). 


1% 


20. 


29. 


33. 


4, 
35. 
36. 


37. 


— 41 — 


Brandenburg a. H. Historischer Verein für Brandenburg. 
Jahresbericht 31 (1899). 

Breslau. Museum schlesischer Altertümer. 
Zeitschrift des Vereins, Band 34 (1900). 


. Breslau. Verein für Geschichte und Altertum Schlesiens. Codex diplo- 


maticus Silesiae, Band 20 (1136—1528). 
Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift, Band 7 (1899) Heft 4. 


. Bromberg. Historische Gesellschaft für den Netzedistrikt. 


Jahrbuch, Jahrgang 1899. 


. Brüssel. Société des Bollandistes 


Analecta Bollandiana, tome 19 Heft 4 (1900). 


. Danzig. Westpreussischer Geschichtsverein. 


Zeitschrift des westpreussischen Geschichtsvereins Heft 42 (1900). Ge- 
schichte der ländlichen Ortschaften und der 3 kleineren Städte des 
Kreises Thorn (1900) Lieferung II. 


5. Darmstadt. Historischer Verein für das Grossherzostum Hessen. (Gross- 


herzogliche Hofbibliothek). 
Quartalblätter, Jahrgang 1899 No. 13—16. Archiv für hessische Geschichte 
und Altertumskunde, Band 2 (1899) Heft 2. Oberhessisches Wörter- 
buch, Lieferung 3 und 4. 


. Dessau. Verein für Anhaltische Geschichte und Altertumskunde. 


Mitteilungen, Band 8 (1900) Heft 6. 


. Dillingen. Historischer Verein. 


Jahrbuch 12 (1899). 


28. Dresden. Königlich Sächsischer Altertumsverein. 


Neues Archiv, Band 21 (1900). Jahresbericht 1899/1900. Festschrift zum 
75Jährigen Jubiläum (1900). Sammlung des Vereins in ihren Hauptwerken. 
Donaueschingen. Fürstlich Fürstenbergisches Archiv. 
Fürstenbergisches Urkundenbuch, Band 1—7. (Bis 1507), Mitteilungen 
aus dem Fürstenbergischen Archive, Band 1 (1510—1559). 


. Düsseldorf. Geschichtsverein. 


Jahresbericht 1899, Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Band 15 (1900). 


. Eisenberg. Geschichts- und Altertumsforschender Verein. 


Mitteilungen, Heft 16 (1901). 


. Eisleben. Verein für Geschichte und Altertümer der Grafschaft Mansfeld. 


Mansfelder Blätter, Jahrgang 14 (1900). Schriftennachweis zur Mansfeld- 
schen Geschichte und Heimatkunde (1898). 
Elberfeld. Bergischer Geschichtsverein. 
Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins, Band 34 (1899/1900). Re- 
gister zu Band 1--30. 
Epinal. Société d’&mulation du département des Vosges. 
Annales, Jahrgang 1898. 
Erfurt. Verein für Geschichte und Altertumskunde von Erfurt. 
Mitteilungen, Heft 21 (1900). 
Essen. Historischer Verein für Stadt und Stift Essen. 
Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen, Heft 19 (1898). 
Frankfurt a. M. Verein für Geographie und Statistik. 
Jahresbericht 61—63 (1896— 99). 


39. 


40. 


43. 


44. 


45. 


46. 


47. 


48. 


49. 


50, 


BD. 


56. 


- du 


.Frankfurta. M. Verein für Geschichte und Altertumskunde. 


© Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Band 6 (1899). Mitteilungen 
über römische Funde in Heddernheim. 
Freiburg i. B. Breisgau-Verein »Schau ins Land«. 
27. Jahrlauf (1900). 
Freiburg i. B. Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- 
und Volkskunde im Breisgau. 
Zeitschrift der Gesellschaft, Band 15 (1899). 


. Giessen. Oberhessischer Geschichtsverein. 


Mitteilungen, Band 9 (1900). 


2. Görlitz. Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz. 


Tafel der Altertümer. 
Görlitz. Oberlausitzische Gesellschaft für Geschichtswissenschaft. 
Neues Lausitzisches Magazin, Band 76 (1900). Codex diplomaticus Lu- 
satiae superioris Il, Band II Heft 1 (1429 und 1430). 
Göttingen. Königliche Gesellschaft der Wissenschaften. 
Nachrichten, Jahrgang 1900 Heft 3. Geschäftliche Mitteilungen, Jahr- 
gang 1900 Heft 2. 
(Gotha. Vereinigung für Gothaische Geschichte und Altertumsforschung. 
Blätter der Vereinigung, Jahrgang 3 Heft 4 (1900). 
Graz. Historischer Verein für Steiermark. 
Mitteilungen, Heft 47 (1899). Beiträge zur Kunde Steiermärkischer Ge- 
schichtsquellen, Heft 30 (1899). 
Greifswald. Rügisch-Pommerscher Geschichtsverein. 
Pommersche Jahrbücher, Band 1 (1900). 
Guben. Niederlausitzische Gesellschaft für Anthropologie und Altertumskunde. 
Zeitschrift, Band 6 Heft 6 (1900). 
Halle. Thüringisch-Sächsischer Geschichts- und Altentumsverein. 
Neue Mitteilungen aus dem Gebiete historisch-antiquarischer Forschungen 
Band 20 (1900) Heft 3/4. 
Hamburg. Verein für Hamburgische Geschichte. 
Mitteilungen, Jahrgang 20 (1900). Zeitschrift Band X, 3 (1899). Gesamt- 
register der Veröffentlichungen von 1839—99. 


. Hanau. Hanauer Geschichtsverein. 


Jahresbericht 1898/99. 


. Hannover: Historischer Verein für Niedersachsen. 


Zeitschrift des historischen Vereins, Jahrgang 1900. 


53. Heidelberg. Grossherzoglich Badische Universitätsbibliothek (Historisch- 


philosophischer Verein). 
Neue Heidelberger Jahrbücher, Jahrgang X, Heft 1 (1900). 


. Hermanstadt. Verein für siebenbürgische Landeskunde. 


Archiv des Vereins, Band 29 (1900), Heft 2. Jahresbericht 1898/99. Die 
Repser Burg. 
Hildburghausen. Verein für Meiningische Geschichte und Landeskunde. 
Schriften des Vereins, Heft 37 (1901). 
Hohenleuben. Vogtländischer Altertumsforschender Verein zu Hohenleuben 
und Schleiz. 
Jahresbericht 67, 68, 69 (bis 1899). 


Dé: 


61. 


62. 


— 45 — 


Homburg v.d. H. Verein für Geschichte und Altertumskunde. 
Heft 6: Beitrag zur Lebensgeschichte des Erbprinzen Friedrich Joseph 
von Hessen-Homburg. 


. Jena. Verein für thüringische Geschichte und Altertumskunde. 


‚Zeitschrift des Vereins, Band 12, Heft 1 (1900). 


. Innsbruck. Ferdinandeum. 


Zeitschrift des Ferdinandeums, Heft 44 (1900). 


. Insterburg. Altertumsgesellschaft. 


Zeitschrift der Altertumsgesellschaft, Heft 6. Jahresbericht 1898. 
Kassel. Verein für hessische Geschichte und Altertumskunde. 
Zeitschrift des Vereins, Band 16—24 (1899). Mitteilungen 1891/98. Der 
Briefwechsel des Mutianus Rufus. Das Kasseler Bürgerbuch. 
Kiel. Schleswig - Holsteinische Lauenburgische Gesellschaft für vaterländische 
Geschichte, 
Zeitschrift der Gesellschaft, Band 30 (1900). 


. Kiel. Schleswig-Holsteinisches Museum vaterländischer Altertümer. 
. Köln. Historischer Verein für den Niederrhein. 


Annalen des historischen Vereins, Heft 69 (1900). 


. Köln. Historisches Archiv der Stadt Köln. 


Mitteilungen aus dem Stadtarchiv Köln, Heft 30 (1900). 


. Königsberg. Altpreussische Monatsschrift. 


Altpreussische Monatsschrift, Band 37, Heft 7/8 (1900). 


. Landsberg a. d. Warthe. Verein für Geschichte der Neumark. 


Schriften des Vereins, Heft 9/10 (1900). 


. Landshut. Historischer Verein für Niederbayern. 


Verhandlungen des historischen Vereins, Band 36 (1900). 


9. Leipzig. Verein für Geschichte Leipzigs. 


Schriften des Vereins, Band 6 (1900). 


. Linz a. D. Museum Francisco-Carolinum. 


58. Jahresbericht (1900). Bibliothekskatalog des Museums II Nachtrag (1900). 


. Lübeck. Verein für Lübecksche Geschichte und Altertamskunde. 


Zeitschrift des Vereins, Band 8, Heft 1 (1899). 


. Lüttich. Archives Belges. 


Revue critique d’historiographie nationale, 3. Jahrgang (1901), Nr. 2. 


. Lüttich. Institut archéologique liegeois. 


Bulletin, tome 29, Heft 1, 2 (1900, 1901). 


74. Lüttich. Société d'art et d'histoire du diocèse de Liège. 


Bulletin, tome 12, Heft 2 (1900). Archives liègeoises, organe mensuel de 
la société, 1898, No. 12. 


. Luxemburg. Institut royal du Grand-Duché de Luxembourg. 


Publications de la section historique, Band 46, 47 und 49a (1898/99, 1900), 


. Luxemburg. Verein für Luxemburger Geschichte, Litteratur und Kunst. 


Ons Hémècht, Jahrgang VII, (1901) Heft 3, 


. Luzern. Historischer Verein der 5 Orte. 


Der Geschichtsfreund, Band 55 (1900). 


. Magdeburg. Verein für Geschichte und Altertumskunde des Herzogtums 


und Erzstifts Magdeburg. 
Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg, Jahrgang 35 (1900), Heft 2, 


22: 


80. 


98. 


’ IR 


— 416 — 


Mainz. Verein zur Erforschung der rheinischen Geschichte und Altertümer. 
Zeitschrift des Vereins, Band IV (1900), Heft 2/3. Der alte israelitische 
Friedhof in Mainz. 
Mannheim. Altertumsverein. - 
Katalog der Ausstellung von Kupferstichen. Kataloge, N. F. Band I; 
Münzen und Medaillen (1900). Geschichtsblätter, Jahrg. Il Cu "No. 3. 


. Meissen. Verein für Geschichte der Stadt Meissen. 


Mitteilungen, Band 5 (1900), Heft 3. 


2. Metz. Akademie. 


Mémoires 1898/99. 


3. Metz. Verein für Erdkunde. 


22. Jahresbericht (1899/1900): 


.Montmédy. Société des naturalistes et archéologues du nord de la Meuse, 


Mémoires, tome XI (1899). 


5. Mülhausen. Mülhäuser Altertumsverein. 


Mülhäuser Geschichtsblätter, Jahrgang I, Heft 1, 2 (1900/1901). 


. München. Akademie der Wissenschaften. 


Sitzungsberichte 1900, Heft 4. Imhaltsverzeichnis der Sitzungsberichte 
(1886— 1899). 


. München. Altertumsverein. 


Zeitschrift, Jahrgang XI (1900). 


. München. Historischer Verein für Oberbayern. 


Altbayrische Monatsschrift, Jahrgang 2 (1900). Heft 4, 5, 6. 


9, München. Monatsherichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel 


Monatsberichte, Jahrgang I, Heft 4, 5 (1901). 


. Nancy. Société Hahehebloyie lorraine. 


Mémoires, Band 27 (1899). 


. Neuburg a.D. Historischer Verein. 


Neuburger Collektaneenkblatt, Jahrgang 63 (1899). 


: Neuschätel. Société Neuschäteloise de géographie. 


Bulletin, tome 12 (1900). 


. Nürnberg. Germanisches Nationalmuseum. 


Anzeiger und Mitteilungen des Germanischen Metionälmekeiihe Jahr- 
gang 1900, Heft 4. 


‚ Nürnberg. Verein für die Geschichte der Stadt Nürnberg. 


Mitteilungen, Heft 13 (1899). Jahresbericht 1898. 


395. Oldenburg. Oldenburger Landesverein für Altertumskunde. 


Jahrbuch für die Geschichte des Herzogtums Oldenburg, Band 9 (1900). 


. Osnabrück. Verein für Geschichte und Landeskunde. 


Mitteilungen, Band 25 (1900). 


. Paderborn. Verein für Geschichte und Altertum Westfalens. 


Zeitschrift für vaterländische Geschichte u. Allertumskunde, Bd. 58 (1900). 
Philadelphia. Museum of archaeology in connection with the university 
of Pennsylvania. 

Free museum of science and art., Bulletin No, 3/4 (1898). 

Plauen i. V. Altertumsverein. 3 5 

Mitteilungen, Heft 13. Jahresschrift 1897/99. Regésten zur Orts- und 

Familiengeschichte, Band II (1485-1563). 


“ 


100. 


108. 


109. 


110. 


111. 


112. 


113. 


114. 


115. 


116. 


117. 


118. 


119, 


— 41 — 


Posen. Historische Gesellschaft für die Provinz Posen. 
Zeitschrift der historischen Gesellschaft, Band 14 (1899). Historische 
Monatsblätter, Jahrgang I, Heft 4—7 (1900). 


. Prag. Lese- und Redehalle deutscher Studenten. 


Jahresbericht 1899. 


. Prag. Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen. 


Mitteilungen, Jahrgang 38 (1900). 


. Raigern: Redaktion der Studien des Benediktiner- und Cisterzienserklosters. 


Studien und Mitteilungen, Jahrgang 21 (1900). 


. Ravensburg. Diöcesanarchiv von Schwaben. 


Jahrgang 18, No. 10—12 (1900). 


5. Regensburg. Historischer Verein der Oberpfalz und Regensburg. 


Verhandlungen, N. F. Band 42 (1898). 


. Reval. Esthländische litterarische Gesellschaft. 


Beitıäge zur Geschichte Liv-, Esth- und Curlands, Band V, Heft 4 (1900). 


. Riga. Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen 


Russlands. 

Sitzungsberichte aus dem Jahre 1899. Mitteilungen, Band 17, Heft 3 
(1900). 

Roda.. Geschichts- und Altertumsforschender Verein zu Kahla und Roda. 

Mitteilungen, Band V, Heft 4 (1900). Urkunden zur Geschichte der Stadt 
Kahla. 

Rostock. Verein für Rostocks Altertümer. 
Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock, Band III, Heft 1 (1900). 
Saarbrücken. Historisch-antiquarischer Verein. 
Geschichte der Grafschaft Saarbrücken, Heft 7 (1900). 
Schwäbisch-Hall. Historischer Verein für württembergisch Franken. 
Beilage zu den Württembergischen Vierteljahrsheften, N. F. VIT (1900). 
Schwerin. Verein für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. 
Jahrbücher und Jahresberichte, Band 65 (1900). 
Speyer. Historischer Verein der Pfalz. 
Mitteilungen, Band 24 (1900). 
Stendal. Altmärkischer Museumsverein. 

Beiträge zur Altmärkischen Landes- und Volkskunde. 

Stettin. Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde. 

Baltische Studien N. F. Band 3 (1899 , Monatsblätter (1899) No. 1—12. 
Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungs-Bezirks Stettin, Heft 1,2,3 

St. Die. Société philomatique Vosgienne. 

Bulletin, Jahrgang 25 (1199-—1900). 

St. Petersburg. Commission impériale archéologique. 

Seit 1894 nichts eingegangen. 

Stockholm. Konigl. Vitterheits historie och antiquitäts academien. 

Monatsblatt 1895. Vidskepelser vantro och Huskurer. Om Nickelharpospelet. 

Stockholm. Nordiska Museum. 

Samfundet för Nordiska Museets främjande 1898. Nordiska Museet inför 1900 
ärs Riksdag. Nordiska Museets Tiugufemarsminne 1873—98. Meddelanden 
frän Nordiska Museet (1899). Foreningen for Norsk Folkemuseum, 
Marsberetning (1900). 


120. 


123. 


124 


125.7 


126. 


128. 


129. 
130. 


131. 


132. 
133. 
134. 


135. 


136. 


4,37. 


— 47 — 


Strassburg. Gesellschaft für Erhaltung geschichtlicher Denkmäler im 
Elsass. 
Mitteilnngen, Band 20 (1899). 
. Strassburg. Vogesenklub. 
Jahrbuch 16 (1900). Mitteilungen No. 34 (1900). 
2, Stuttgart. Württembergischer Altertumsverein. 


Vierteljahrshefte, Jahrgang IX (1900), Heft 3, 4. oem Re Adels- 
und Wappenbuch, Heft 1—8. 
Thorn. Koppernikus-Verein für Wissenschaft und Kunst. 
Mitteilungen, Heft 12 (1899). 
. Torgau. Altertumsverein. 
Verüffentlichungen, Heft 12 (1898). 
Trier. Gesellschaft für nützliche Forschungen. 
Jahresbericht 1894—99. 
Trier. Trierisches Archiv. Stadtbibliothek. 
Beschreibendes Verzeichnis der Handschriften der Stadtbibliothek. 5. Heft 
(1900), 1. Abteilung. Heft IV. 


7. Ulm. Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben. 


Mitteilnngen, Heft 9 (1900). 

Upsala. Humanistische Vetenskaps Samfundet (Königliche Universitäts- 
bibliothek). 

Skrifter, Band 6 (1899). 

Washington. Smithsunion Institution. 
Report, jear ending june 30, 1899. 
Wernigerode. Zeitschrift des Harzvereins. 
Band 33 II (1900). 
Wien. Akademischer Verein deutscher Historiker. 
Bericht über das Vereinsjahr 1898/99. Papst Liberius, Beitrag zur Ge 
schichte des Adrianismus (1900). 
Wien. Archäologisch-Epigraphisches Seminar der Universität. 

Bericht des Vereins Carnumtum 1887—98. Jahreshefte, Band 3! (1900). 
Wien. Heraldische Gesellschaft Adler. 

Jahrbuch, Band 10 (1900). Monatsblatt, Band V (1901) No. 3. 

Wien. Numismatische Gesellschaft. 

Numismatische Zeitschrift, Band 31 (1899). 

Wiesbaden. Verein für nassauische Altertumskunde und Geschichts- 
forschung. 

Annalen, Band 31 (1900). Mitteilungen 1899/1900 No. 1—4. 
Wolfenbüttel. Ortsverein für Geschichte und Altertumskunde zu Braun- 
schweig und Wolfenbüttel. 

Braunschweigisches Magazin, Band 5 (1899). 

Worms. Altertumsverein. 
‚Die Halbbrakteatenfunde von Worms und Albenheim (1900). 


—. 49 — 


Verzeichnis 


der 


Mitglieder der Gesellschaft für lothringische Geschichte und Altertumskunde 


nach dem Stande vom 1. April 1901. 


TABLEAU 


DES 


MEMBRES DE LA SOCIÉTÉ D'HISTOIRE ET D'ARCHÉOLOGIE LORRAINE. 


A. Ehrenmitglieder. — Membres honoraires. 
1. Herr Dr. Kraus, Professor an der Universität Freiburg. 
2. , E. Huser, Fabrikant, Saargemünd. 
3 , LEMPFRID, Gymnasialdirektor, Thann. 
B. Ordentliche Mitglieder. — Membres titulaires. 
4. Herr Apr, Kommerzienrat, Forbach. 


5. „ G. Apr, Fabrikbesitzer, Forbach. 

6. ,„ ALBERT, Notar, Saargemünd. 

7. , ALEXANDER, Ludwig, Saarburg. 

8. ,, Dr. ANACKER, Sanitätsrat Kreisarzt, Diedenhofen. 
9. ,, Dr. Asverus, Sanitätsrat, Metz. 

10. ,, Augry, Kaufmann, St. Quirin. 

11. , AÄUDEBERT, Direktor der Mittelschule, Metz. 

12. „ Bach, Lehrer, Longeville. 

13. ,, Dr. Baıer, Regierungs- und Schulrat, Metz. 

14. , von BARDELEBEN, Generalleutnant z. D., Berlin W. 
15. „ Dr. Basrıan, prakt. Arzt, Lixheim. 

16. , BAYER, Apotheker, Metz. 

17. ,, Bazin, Notar, Metz. 

18. ,„ van DER BECkE, Hüttendirektor, Ückingen. 

19. ,, BECKER, Pfarrer, Lixheim. 

20. , Becker, Bauunternehmer, Metz. 

21. ,, BECKER, stud. jur., Landorf. 

22. ,„  Benper, Oberlehrer am bischöfl. Gymnasium, Montigny. 
23. ,,  Bentz, Abbe, Oberlehrer, Montigny bei Metz. 

24. ,, BerGrozp, Mittelschullehrer, Metz. 

25. ,„ Berr, I. Beigeordneter, Saarburg. 

26. ,„ BESLER, Professor, Direktor der Realschule, Forbach. 
27. BETTEMBOURG, Katar Kurzel. 

28. Bibliothek des Bezirksarchivs, Metz. 


1697 
Sl: 


„ „ Bezirkspräsidiums, Metz. 


—. 8 


30. Bibliothek der Stadt Hagenau. 

Si a des Landesausschusses für Elsass-Lothringen, Strassburg i. E 
32. Herr BiRKENMEYER, Seminaroberlehrer, Metz. 

33. ,„ De. Biscuorr, Notar, Diedenhofen. 

34. ,„  Biscnorr, Regierungsrat Strassburg 1. E. 

35. „ Dr. BLocn, Privatdocent, Strassburg i. E.-Ruprechtsau. 
36. ,,  Brummarot, Regierungs- und Baurat, Metz. 

37. , Bock, Vic a Seille: 

38. ,„  Borxé Photograph, Saarburg 1. L. 

39.  „  Bour, Gemeinderatsmitglied, Metz. 

40. „  Bour, Abbé, Professor, Goetzenbrück 1. L. 

41. ,„  Bour, Pfarrer, Deutsch-Oth. 

42. „ Dr. E. Bour, Professor, Metz, Priesterseminar. 
43. ., Bouvy, Oberlehrer, Montigny, 

44. ,„ Dr. Branp, Sanitätsrat, Bürgermeister, Saarburg. 
45. „ Dr. Bremer, Universitätsprofessor, Bonn. 

46. Dr. BressLau, Universitätsprofessor, Strassburg. 
47. ,„ Bricka, Ingenieur, Direktor der Glashütte, Vallerysthal. 
48. ,,  Brorcnmann, Gymnasiallehrer, Saarburg. 

49. ,„ Dr. Brucn, Regierungsrat, Metz. 

50. ,, Bucx, Ingenieur, Longeville. 

51. Bürgermeisteramt Bitsch. 

52. Er Diedenhofen. 

hs. a“ Dieuze. 

54. Forbach. 

55. 5 Metz. 

56. > Saaralben. 

57 % Saargemünd. 

58. = St. Avold. 

59. Herr Dr. Büsıng, Landgerichtsrat, Metz. 

60. ,, CaıtLoup, Baurat, Weissenburg. 

61. ,, CHALer, Pfarrer, Waldwiese. 

62. ,, Cnary J.. Oberhomburg i. L. 

63. ,, CHATELAIN, Pfarrer, Wallersberg. 

64. ,„ CHATELAIN, Pfarrer, Montigny. 

65. ,, CHAZELLE, Lehrer, Metz. 

66. ,, Carıstıany, Abbé, Seminaroberlehrer, Pfalzburg. 
67. ,„ CnrisriAny, Archiv-Sekretär, Metz. 

68. ,,  Corsus, Pfarrer, Altrip. 

69. ,,  CoRrDEVMAnNn, Kreisdirektor, Diedenhofen. 

70. ,, Courte, Hauptlehrer, Metz. 

71. ,, Cuny, Abbé, Montigny. 

72. ,, von Daackr, Regierungs- und Forstrat, Metz. 

73. ,, Dar, Polizeipräsident, Strassburg 1. E, 

74. ,, Decker, Notar, Kattenhofen. 

75. ,„ Dr. DErICHswEILER, Gymnasialdirektor, Saarburg 1. L. 
76. Direktion der Bezirksirrenanstalt Saargemünd. 

77. Herr Dirscx, Gutsbesitzer, Finstingen. 


— 481 — 


78. Herr Dönner, Apotheker, Metz. 

79. ,„ Dörr, Baurat, Metz. 

80. ,, Dorvaux, Direktor am Priesterseminar, Metz. 

81. ,„ van DEN Driesch, Kreisschulinspektor, Metz. 

82. ,„  Dusaroın, Bildhauer, Metz. 

83. ,„ Dr. Dümurer, Professor, Geheimer Ober-Regierungsrat, Berlin. 
84. ,, Duponr, Abbe, Insmingen. 

85. ,, Dr. Enter, Generaloberarzt, Metz. 

86. ,„ Dr. ErxsixG, Direktor der höheren Töchterschule, Metz. 
87. „ Der. Ernst, Regierungs- und Schulrat, Metz. 

88. ,„ Dr. men. Ernst, prakt. Arzt, Metz. 

89. ,„ Ernst, Bauinspektor, Saarburg 1. L. 

90. ,„  ErrinGer, Pfarrer, Puzieux. 

91. ,„  EAHRMBACHER, Oberleutnant, Metz. 

92, ,,  Fave, Rentner, Lörchingen. 

93. ,„ Dr. FaAymonvizze, Metz. 

94. , Dr. Fıcker, Professor, Strassburg 1. E. 

95. , von Fisenne, Baurat, Garnison-Bauinspektor, Danzig. 
96. ,, Firzau, Rechtsanwalt, Diedenhofen. 

97. ,. FLeEıscHer, Stadtbaumeister, Metz. 

98. ,, FLoranGEe, Numismatiker, Paris. 

99. ,  FLORANGE, TH., Ingenieur, Brüssel. 

100. ,,  ForLmann, Professor, Metz. 
101. ,, _FOoLScHWEILER, Pfarrer, Morsbach. 


102. , Dr. FREUDENFELD, Kreisdirektor, Saarburg 1. L. 
103. ,, Friprici, Stadtarchivar, Metz. 

104. , Frirscu, Abbe, Oberlehrer, Montigny. 

105. ,„ FROMMHAGEN, Oberstleutnant, Weissenburg. 


106. ,„  Froraru, Kommunalbaumeister, Diedenhofen. 

107. , Fuchs, A, Buchhändler, Zabern 

108. , Freiherr von GAGERN, Geheimer Regierungsrat, Potsdam. 

109. ,, Gairzscn, Eisenbahnbau- und Betriebsinspektor, Saarburg 1. L. 
110. ,, Gaxnczorr, Wissenschaftlicher Hülfslehrer, Metz. 

111. , Freiherr von GEMMINGEN, Kreisdirektor, Forbach. 

112. ,„ GEeorGer, Bezirkstagsmitglied, Foulcrey. 


113. ,, _GEPPERT, Oberstleutnant, Strassburg i. E. 

114. , Dr. GiTTLER, prakt. Arzt, Novéant. 

115. , Grmmann, Apotheker, Bolchen. 

116. , Dr. GNÂDINGER, Gymnasialoberlehrer, Metz. 

117. ,, Goetz, Regierungssekretär, Metz. 

118. ,„ Gouvy, Oberhomburg i. L. 

119. ,, von GRAFENSTEIN, Rittmeister z. D., Neunkirchen. 


120. ,„ GrAUvOGEz, Ingenieur, Oberhomburg i. L. 

121. „ von Grimm, Hauptmann, Feld-Art.-Regt. 169, St. Avold. 
122. ,, Dr. Grimme, Oberlehrer, Metz. 

123. ,„ Dr. Grorkass, Rodemachern. 

124. Gymnasialbibliothek, Saargemünd. 

125. Herr Haas, Erster Staatsanwalt a. D., Geh, Justizrat, Metz. 


126. Herr Haren, Justizrat, Metz. 


127. 
128. 
129. 
130. 
151. 
132. 
133. 
134. 
135. 
136. 
137. 
138. 
139. 
140. 
141. 
142. 
143. 
144. 
145. 
146. 
147. 
148. 
149. 
150. 
151. 
152. 
153. 
154. 
155. 
156. 
157. 
158. 
159. 
160. 
161. 
162. 
163. 
164. 
165. 
166. 
167. 
168. 
169. 
170. 
173: 
172. 
173. 


von HAGEN, Oberst,Zabern. 

Hann, Oberlehrer, Grunewald bei Berlin. 
HALLBAUER, Forstmeister, Metz. 

Dr. HALLıer, Pfarrer, Diedenhofen. 

Hamanr, Abbé, Oberlehrer, Montigny. 

Hann, Justizrat, Metz. 

HAMMERBACHER, Leutnant, Dieuze. 

Freiherr von HAMMERSTEIN, Bezirkspräsident, Metz. 
Dr. von Hanıer, Landrat a. D., Landonvillers. 

Dr. Hasse, prakt. Arzt, Diedenhofen. 

Haupt, Oberst a. D., Giessen. 

Freiherr von Hausen, Hauptmann z. D., Loschwitz. 
v. HEERINGEN, Oberst u. Brigadier d 4. Gendarmerie-Brigade, Magdeburg. 
Heix, Bürgermeister, St. Avold. 

Heisrer, Bezirkstagsmitglied, Metz. 

HExNEQUIN, Notar, Wallersberg. 

HERMESTROFF, Hof-Hofphotograph, Metz. 
HERRMANN, Lycealdirektor, Metz. 

Dr. HERMANN, Professor, Montigny. 

HERTZoG, Architekt, Metz. 

Dr. HerTzoG, Spitaldirektor, Colmar. 

HEYDEGGER, Baurat, Metz. 

Dr. HEYMESs, Pfarrer, Walscheid. 

HEYN, Regierungsrat, Metz. 

Hixricus, Oberfürster, Beauregard b. Diedenhofen. 
Horrmann, Baurat, Saarburg 1. L. 

Dr. Horrmann, Oberlehrer, Longeville. 

Dr. Horrmann, Oberlehrer, Metz, Arnulfschule. 
HourerT, Redakteur des « Lorrain », Metz. 

Hourrt, Pfarrer, Gosseimingen. 

HUuBER, Ingenieur, Beauregard b. Diedenhofen und Frankenthal. 
Hück, Leo, Busendorf. 

Dr. Huxp, Strassburg i. E. 

Dr. M. Jaunez, Saargemünd. 

JEAN, Pfarrer, Dürkastel. 

ILsE, Forstassessor, Pfalzburg. 

Dr. JostEn, Professor, Metz. 

Irte, Amtsgerichtsrat, Bitsch. 

JuxG, Oberrealschullehrer, Metz. 

KarcHER, Gutsbesitzer, Neunkirchen. 

Dr. Kaurmann, Oberst a. D., Queuleu. 

Kayser, Regierungsrat, Colmar 1. E. 

Keiz, Kommunalbaumeister, Metz. 

KELLER, Hauptlehrer, Gorze. 

KEunE, Direktor des Metzer Museums, ar 
Kırcn, Abbé, Escheringen. 

Kırzach, Lehrer, Rozérieulles. 


— 483 — 


174. Herr Dr. Kırstein, Falk b. Hargarten. 

175. , v. Kısrowskı, Schloss Helleringen b. Bensdorf. 

176. , Kzicue, Divisionspfarrer, Mörchingen. 

177. ,„ KznGzer, Lehrer, Metz. 

178. ,, KrorstecH, Ober-Stabsarzt, Saarburg. 

179. ,, Knase, Leutnant im Infanterie-Regiment 174, Metz. 
180. ,„ Knaur, Oberpostdirektor, Metz. 


181. ,, v.n. KneseBeck, Oberstleutnant, Strassburg i. E. 
182. ,„ Kairrerscuein, Baurat, Metz. 
183. ,„ Freiherr von Kramer, Bürgermeister, Metz. 


184, ,„ KRrEnER, Erzpriester, Mörchingen. 

185. ,  KrüÜGEr, Professor, Metz. 

186. ,„ Krürer, Hauptlehrer, Metz. 

187. ,„ Kücuzy, Erzpriester, Saarburg. 

188. ,„ Dr. Kuuw, Oberlehrer, Diedenhofen. 

189. „ Künne, Leutnant im Infanterie-Regiment 136, Dieuze. 
190. ,, Lasroıse, Landesausschussmitglied, Wuisse. 
191. „ Dr. LaGEr, Domkapitular, Trier. 

192. ,„  LANzBERG, Amtsgerichtsrat a.D., Vic. 

193. ,, LAruE, Mittelschullehrer, Metz. 

194. ,, Lause, Bauingenieur, Ars a. d. M. 

195. ,  Lazarn, Kommerzienrat, Metz. 

19%. , Lemoine, Kreisschulinspektor, Chäteau-Salins. 
197. , Leron», Lehrer, St. Julien. 

198. ,, Lespranp, Abbe, Oberlehrer, Montigny. 

199. ,  LEUCHERT, Notar, St. Avold. 

200. ,„ LÉvÈque, Bauunternehmer, Riedingen. 


201. „ Levy, J., Notar, Saarburg. 

202. ,„ Levy, Kaufmann, Saarburg. 

203. ,„ Freiherr von LIEBENSTEIN, Polizeipräsident, Metz. 
204. ,„ von LoEPER, Bürgermeister, Saargemünd. 

205. Lorenz, Ingenieur, Karlsruhe. 

106. Done He Metz. 

207. ,, Dr. LupewiG, Oberstabsarzt, Pfalzburg. 

208. ,„ Lupus, Buchhändler, Metz. 


209. ,. Lurz, Brauereibesitzer, Saarburg. 

210. Lyceum, Metz. 

211. Herr Dr. MarckwAro, Bibliothekar, Strassburg 1. E. 

212. „ Frhr. MarsCHALL v. BIEBERSTEIN, Oberleutnant, Infanterie-Regt. 98, Metz. 
213. ,„ Dr. Marrın, Professor, Strassburg i. E. 


214. ,„ Dr. Marrın, Abbe, Nancy, Ecole St. Sigibert. 
215. ,,  MaArtzorr, Oberförster, Chäteau-Salins. 

216. ,„ MavkıecHEL, Kreis-Bauinspektor, Chäteau-Salins. 
217. ,„ Dr. Menez, Regierungs- und Medicinalrat, Metz. 
218. ,„ Menprer, Kreisschulinspektor, Saargemünd. 
219. MExxY, Kreisdirektor, Chäteau-Salins. 


220. Moss le, Metz. 
221. Metzer Presse, Metz, 


— 484 — 


222. Herr Meurın, Hypothekenbewahrer, Saargemünd. 


223. 
224. 
225. 
226. 
227. 
228. 
229. 
230. 
231. 
232. 
233. 
234. 
235. 


„ 


Dr. Meyer, prakt. Arzt, Saarburg. 

Meyer, Abbé, Oberlehrer, Metz, Arnulfschule. 
Moruock, Baurat, Diedenhofen. 

Dr. Mosser, Bürgermeister, Amanweiler. 
Mürter, Arpnons, Mitarbeiter der Monumenta Germaniae, Berlin. 
Dr. MÜsEBEcK, Archivassistent, Metz. 

Ners, Konsul, Johannesburg in Transvaal. 
NEUBAUER, Regierungssekretär, Metz. 
NEuBoURG, Hauptmann, Dieuze. 

Ney, Oberforstmeister, Metz. 

NiGETIET, Seminardirektor und Schulrat, Metz. 
NarrpeEı, Betriebsbeamter, Kreuzwald. 
NorpMann, Grenzpolizeikommissär, Fentsch. 


236. Oberrealschule, Metz. 
. Herr Dr. von OESTERLEY, Regierungsassessor, Metz. 


237 


238. 
239. 
240. 
241. 
242, 
243. 
244. 
245. 
246. 
247. 
248. 
249. 
250. 


251 


253. 
254. 
255. 
256. 


257. 
258. 
259. 
260. 
261. 
262. 
263. 
264. 
265. 
266. 
267. 


29 


2? 


» 


ÖLINGER, Mittelschullehrer, Metz. 
ÖPPLEr, Landrichter, Metz. 

PAEPKE, Garnisonbauinspektor, Saarburg. 
Parın, St. Julien. 

Pauzus, Abbe, Direktor der Stadtbibliothek, Metz. 
Dr. PAwoLeck, Sanitätsrat, Bolchen. 
Perir, Pfarrer, Augny b. Metz. 
PÖHLMANN, Oberregierungsrat, Metz. 
PoIRIER, Pfarrer, Peltre. 

Poırson, Seminarlehrer, Metz. 

GEBRÜDER PovcHeEr, Maler, Lörchingen. 
Pünner, Kreisschulinspektor, Metz. 
Racöczy, Generalsekretär, Metz. 


. Realschule, Forbach. 
252. Herr Dr. Rech, Gymnasial-Direktor, Montigny. 


„ 


„ 


21 


268. 


Rech, Mittelschullehrer, Metz. 

Dr. REBENDER, Professor, Metz. 

REHME, Redakteur der Metzer Zeitung, Metz. 

RENNEN, Rittmeister a. D. u. Generaldirektor d. Stahlwerke, Oberhom- 
burg i. L. 

REınarz, Forstmeister, Alberschweiler. 

ReırscHh, Techn. Eisenbahnbetriebssekretär, Beauregard b. Diedenhofen. 

Dr. REumonT, Abbe, Montigny. 

REUTER, Kommunalbaumeister, Bolchen. 

RHEINART, Regierungsassessor, Saargemünd. 

RıcHArn, Bürgermeister, Rozérieulles. 

RıcHarn, Mittelschullehrer, Metz. 

RıcHArp, Lehrer, Moulins. 

RıcHARrD, Gutsbesitzer, Marimont bei Bensdorf, 

Freiherr von RicxTHoren, Baurat, Metz. 

Rıck, Gewerberat, Metz. 

Rırr, Regierungs- und Forstrat, Strassburg. 


— 185 — 


269. Herr RæpLer, Leutnant im Infanterie-Regiment 98, kommandiert zur Unter- 
offizier-Vorschule Neubreisach. 

270. ,, RônriG, Rechtsanwalt, Metz. 

271. ,, Roos, Rentamtmann, Lürchingen. 

272. „ RoTHERMEL, Ingenieur, Chäteau-Salins. 

273. ,, Ruerr, Kreisbauinspektor, Schlettstadt. 

274. „ SANCY, Pfarrer, Rozérieulles. 

275. „ Sanson, Pfarrer, Aulnois. 

276. ,, SAUERESSIG, Oberlehrer, Metz. 

277. „ Dr. H. V. SAuERLAND, Trier. 

278. .„ VAN DER SCHAAF, Gravenhagen, 

279. ,„ SCHANTz, jun., Freiwald bei Finstingen. 

280. ,, ScHARFF, Buchhändler, Diedenhofen. 

281. „ ScHEMMEL, Wasserbauinspektor, Saargemünd. 

282. „ SCHENECKER, Notariatsgehilfe, Busendorf. 

283. „ ScHisEr, Oberlandesgerichtsrat, Colmar. 

284. , ScuLosser, Rentner, Drulingen. 

285. „ Dr. J. von SCHLUMBERGER, Präsident des Landesausschusses, Gebweiler 

286. ,„ VON SCHLUMBERGER, Gutsbesitzer, Gutenbrunnen, Kreis Zabern. 

287. „ Dr. Schmieot, Generaloberarzt a. D., Metz. 

288. „ ScHôPFrLin, Major, Infanterie-Regiment 53, Köln. 

289. „ SCHRAMM, Major im Fuss-Artillerie-Regiment No. 12, Metz. 

290. ,„ SCHREIBER, Amtsrichter, Sierck. 

291. ,„ SCHRADER, Apotheker, Mondelingen (Lothr.). 

292. „ Dr. ScHrick, Sanitätsrat, Metz. 

293. ,„ SCHRÖDER, Oberfürster, Bolchen. 

294. „ ScHwenp, Professor a. d. Technischen Hochsehule, Stuttgart. 

295. ,, ScrisA, Hofbuchhändler, Metz. 

296. ,, SEEGER, Kreisdirektor, Bolchen. 

297. , SEICHEPINE, Kaufmann, Château-Salins. 

298. ,, SEINGRY, Pfarrer, Imlingen. 


299. ,, Dr. SENGEL, Sanitätsrat Forbach. 

300. „ Dr. SEIFERT, Professor, Metz. 

301. ,, SIBILLE, Notar, Vic. 

302. „ SıBıLLeE, Bürgermeister, Lellingen, Kr. Forbach. 

403. ,, SısırLe, Abbé, St. Julien. ‚ 


304. ,„ SIEBERT, Bürgermeister, Oberhomburg i. L. 

305. „ Simon, Amtsrichter, Loerchingen. 

306. ,, SozTMANN, Leutnant im Infanterie-Regiment 174, Metz. 
307. ,„ SomMER, Generalleutnant, Colmar i. E. 

308. „ Dr. Sorcıus, Notar, Bolchen. 

309. Staatsarchiv, Coblenz. 

310. Herr Dr. STACH von GOLTZHEIM, praktischer Arzt, Dieuze. 


311. „ Dr. Stern, praktischer Arzt, Metz. 

312. „ Srirr, Notar, Busendorf. 

313. ,, STRASSER, Generalleutnant z. D., Wiesbaden. 
314. ,„ Dr. Srünker, Professor, Metz. 


315. ,„ Taizmonr, Pfarrer, Oberginingen. 


— 486 — 


316. Herr Tuırıa, Glasmaler, Metz. 


317. 
318. 
319. 
320. 
321. 
322. 
323. 
324. 
325. 
326. 
327. 
328. 
329. 
330. 
331. 
332. 
333. 
334. 
335. 
336. 
337. 
338. 
339. 
340. 
341. 
342. 
343. 
344. 
345. 
346. 
347. 
348. 
349. 
350. 
351. 
352. 
353. 
"354. 
355. 
356. 
357. 
358. 
359. 
360. 
361. 
362. 


„ 


Tairior, des Freres-Pröcheurs, Corbara (Corse). 
Tuıs, Abbé, Oberlehrer, Montigny. 

Dr. Tnıs, Oberlehrer, Strassburg i. E. 

Trısse, Lehrer, Delme. 

Tomas, Amtsgerichtssekretär, Lörchingen. 
THorELLE, Pfarrer, Lorry-Mardigny. 

Dr. THRAEMER, Professor, Strassburg. 

Dr. Taunicaum, Professor, Tübingen. 

TıLLessen, Oberst, Metz. 

Tornow, Regierungs- und Baurat, Metz. 

Trarp, Regierungs-Bauführer, Strassburg. 

Ust, Salineningenieur, Berka a. d. Werra. 
Unruorn, Notar, Rixingen. 

Baron Üxkürr, Gutsbesitzer, Les Bachats b. Langenberg. 
DE VERNEUIL, Kreistagsmitglied, Fleury. 
VETTER, Amtsrichter, Weiler b. Schlettstadt. 
Graf v. Vizcers, Kreisdirektor, Metz. 

Vıorranp, Landesausschussmitglied, Pfalzburg. 
VUILLAUME, Erzpriester, Vic. 

WAGNER, Domherr, Metz, Arnulfschule. 
WAGNER, Ingenieur, Beauregard b. Diedenhofen. 
WAGNER, Pfarrer, Freisdorf. 

Wann, Stadtbaurat, Metz. 

Dr. WALTHER, Notar, St. Avold. 

WEBER, Banquier, Bolchen. 

WEBER, Pfarrer, Diedersberg, Post Albesdorf. 
Weıs, Gymnasialoberlehrer, Saarburg. 

WELTER, Notar, Lörchingen. 

WELTER, Symphorian, Redingen. 

Dr. WennuınG, Oberlehrer, Diedenhofen. 

Dr. WERNER, Apotheker, Bolchen. 

WETTER, Pfarrer, Deutsch-Avricourt, 

Dr. WEYLAND, Pfarrer, Vernéville. 

Dr. WıcHmAnn, Professor, Metz. 

Professor Dr. Wiecanp, Archivdirektor, Strassburg 1. E. 
Dr. WinGKkELMANN, Stadtarchivar, Strassburg 1. E. 
WinxEerT, Kaufmann, Metz. 

Dr. WiTrE, Professor, Hagenau. 

Dr. Worrram, Archivdirektor, Metz. 

Dr. ZAmMERT, Kreuzwald 

WOoLTER, Bürgermeister, Forbach. 

ZEHLER, Major, Weissenburg. 

Dr. ZÉLIQZ0N, Oberlehrer, Metz. 

Zimmer, Abbé, Oekonom des Priesterseminars, Metz. 
ZIMMERMANN, Apotheker, St. Avold. 

ZwickEL, Abbé, Metz. | 


— 487 — 


Von den 360 Mitgliedern des Vorjahres sind 28 ausgeschieden. Neu ein” 
getreten sind 28. 


L'année dernière, la Société comptait 349 membres, sur lesquels 28 ont 
donné leur démission. Depuis, 28 nouvelles inscriptions ont eu lieu. 


Der Vorstand besteht aus den Herren: Le bureau se compose de MM.: 


Freiherr von HAMMERSTEIN, Vorsitzender. 
Fabrikant Huser, Saargemünd, stellvertretender Vorsitzender. 
Archivdirektor Dr. Worrram, Schriftführer. 
Professor Dr. WıcHnmann, stellvertretender Schriftführer. 
Regierungs- und Forstrat von DAAckE, Schatzmeister. 
Museumsdirektor Keune Montigny 
Baurat KNiTrERsCHEID, Metz. 
Professor Dr. E. Bour, Metz, Pristerseminar. 
. Stadtarchivar Friprıcı. 


Notar WELTER, Loerchingen. ne 
Oberlehrer Dr. GRIMME. 
Bibliotheksdirektor Abbé PauLus. 
Oberst a. D. Dr. Kaurmann, Queuleu. 
Der erste Schriftführer — Le Secrétaire: 


Archivdirektor Dr. Wolfram. 


Un nın 


Druckfehlerberichtigung. 


- 179, Z.16 v. u. (Wales) statt (Westwales). 
. 185, Z. 17 v. o. Ortsnamentypus. 
.186, Z. 4 v. o. fränkisch statt französisch. 


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