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20
| ' Joha Winckelmañs
faͤmtliche Werke.
Einzige vollfiändige Yusgabe;
. dabet
Borträt, SGaefimile und ausführlihe Biogra—
phie des Autord; unter dem Terte die fris
hern und viele neuen Eitate und Noten;
Die allerwärts sefammelten Briefe nad der
Zeitordnung, Zrasmente, Abbildungen und
vierſacher Inder.
Bon Joſeph Eifeleim
> 3weiter Band
— — ññwV —— — — —
Donausſchingen,
Verlage deutſcher Elaffilen
1825.
Johau Bindelmans
famtlihe Werke
—L
Einzige vollfiändige Yusgabe;
dabet
Porträt, Sacfimile und ausführlihe Biogra—
phie des Autors; unter bem Terte die frü—
bern und viele neuen Eitate und Noten;
die allerwärts gefammelten Briefe nad der
Zeitordnung, Fragmente, Abbildungen und
vierſacher Inder.
Bon Joſeph Eiſelein.
> Zweiter Band.
* — — —— S — np
[3
Donaudfhingen,
Berlage deutſcher Chlaſſiker.
18 2 5,
Shriften
über die
herculaniſchen Entdekungen.
175838 — 1763
Schriften
über die
herculaniſchen Entdekungen.
1758 — 1763
Briefean Bianconi,
nachherigen
kurfürſtlich ſächſiſchen Hofrath und Reſidenten
am päbflichen Hofe.
Diere Briefe, welche dem Publicum blos in Auszügen mit:
getheilt worden, find von Windelman in den Sahren
47583 bi8 1763 an den Hofratb Bianconi, damaligen Eos
‚niglichen Leibarst in Dresden, in italiänifher Sprache
gefchrieben, und zwar in der Abficht, die darin mitge⸗
theilten antiqnuarifchen Notisen dem Kurprinzen Sriedric |
EChriftian und defen Gemahlin mitzutbeilen. Als ſpäter.
Hin Bianconi kurſächſiſcher Nefident am yäbftlichen Hofe
in Rom ward, Tieß er diefe Briefe im Jahre 1779 in die
Antologia Romana einrücen, nachdem vorher alled, was daB
Publicum nicht intereffiven, oder was fir andere Gelehrte
beleidigend fein Eoflte, von ihm geftrichen, und die verfchie
denen in den Briefen zerftreuten Materien unter gewilfe Abs
feynitte georönet worden. Aus dem Staliänifchen wurden fie
fodafl von dem Bibliothekar Dakdborf zu Dresden in's Deut
ſche überfest, und aus dem Deutfchen in's Sranzöfifche. Der
Abate Fea Hatte Tpäterhbin Gelegenheit die in der An-
tologia Romana abgedruften Briere mit, den Hrisinalbrieren,
die fih in den Händen des Abate Amaduzzi beranden, zu
vergleichen, und manche kleine Schler, die ſich dort einge
ihlihen hatten, zu berichtigen. Eben fo haben wir die
überfesung Dakdorf3 mit dem Abdruf des Originalauszuges
diefer Briefe von Fea, im dritten Theile feiner überſezung
der Schriften Winckelmañs genau verglichen und an
nıehreren Stellen berichtigt. Fernow.
[Der Inhalt diefer Briefe muß mit Winden
mans fpätern Schriften über die nämlichen Gegenftände,
mit feinem Sendſchreiben ꝛc. und den Nachrichten ꝛc.
verglihen werden, wie dazu die beigefügten Weifun
sen anleiten,)
.
—
Briefe on Bianconi,
Kurfürftlich ſächſiſchen Hofrath und Reſidenten
am päbſtlichen Hofe.
iNachrichten von den alten Handſchriften, die
fi in dem königlichen Mufeum su Portici
befinden.)
8. 1. Aus den Ruinen von Herculanum find
mehr als achthundert alte Handſchriften hervor⸗
gezogen worden,1) die man alle in einem kleinen
Bimmer eines Landhaufes, unter dem Garten der bar⸗
füßer Auguftiner zu Portici, gefunden bat. In diefem
Zimmer befinden fi ringsherum Schränfe, von ein
wenig mehr als Manneshöhe, um die Schriften be-
quem heraus nehmen zu fönnen; und in der Mitte
theilte das Simmer eine Reihe Schränfe von der nämli⸗
chen Höhe, wobei auf beiden Seiten ein freier Gang
geblieben war. Die Handfchriften haben beinahe
das Anfehen von Schmiedefohlen; aber nur Wer
nige find rund; der größte Theil derfelben iſt mehr
oder weniger platt gedrüfet; viele find runzgelicht
und frum gebogen mie Ziegenhörner. Ihre ge⸗
wöhnliche Länge beträget einen Palm. Die Dike iſt
verfchieden ; einige darunter aber find nur eitien hal⸗
ben Balm lang. An beiden äuſſeren Enden, die ver⸗
ſteinertem Holze gleichen, ſiehet man, wie die Hand⸗
ſchriften über einander gewikelt ſind. Aber man
muß ſch hier mit dem Phädrus beklagen:
— — sed fato invido
Carbonem, ut ajunt,. pro thesauro invenimus. ?)
4) Martorelli (de reg. theca calamı. t. ı. p. 40.) fast
ſechſhundert. Sen.
2) L. 5. fab. 6.5 — 6.
8 Briefe üb, d.
8,2. Se mehr die Rollen von gleiher Schwär⸗
se, und ie mehr fie den Schmiedefohlen ähnlich
find, deflo Leichter können fie aufgewifelt werden:
wo fich aber Fleken zeigen, die kaſtanienbraun
ausſehen, da ift eg ein Zeichen, daß fie von der unterir-
difchen Feuchtigkeit gelitten haben, und halb. vermodert
find. Ich bemerfte an der Rolle, die man eben aufzuwi⸗
fein bemühet war, daß fich eine Ader von ſchwarzer Er⸗
de hinndurchgegogen hatte, die vermuthlich vermittelft
der Feuchtigfeit hineingedrungen war. Die Materie
der Schriftrollen beflebet aus Bapyrus oder ägyp⸗
tifhem Schilfe, das überaus zart und düñ if,
von den Griechen derros genennet wird, und feiner Dün-
ne wegen nur auf einer Seite befchrieben ifl. Sn ver-
fchiedenen Bibliothefen findet man ganze Rollen von
Schilf. An der vaticanifhen Bibliothef, "und in
dem Archive der Theatiner zu S. Apoſtoli in Nea⸗
pel habe ich einige Blätter mit Uncial - und Cur⸗
ſivbuchſtaben gefehen ; da aber das Schilf dif ift, fo
fcheinet es Fein Agyptifches, fondern von der Art
zu fein, das an andern Orten, als, nad) der Ausfage
des Blinius,!) zu Ravenna wuchs. Drei Rollen
find entwikelt; die erfie handelt von der Tonfunft,
die weite von der Redekunſt, und die dritte
de vitiis et virtutibus. Die zweite ift das zweite
Buch einer ganzen Abhandlung; und die dritte ent».
bält dag dritte Buch des obgenaiten Werfes. In
diefen drei auf einander folgenden tollen finden
fich die Arbeiten eines und deffelben Verfaſſers, näm⸗
lich des Philodemus, eines epifurifchen Philoſo⸗
phen und Beitgenofien des Cicero, 2) deſſen Fa⸗
ı) Plinius (ll. 16. c. 37.sect.70.) fpricht von dem scirpus, und
deffen verfchiedenem Gebrauche, fagt aber nicht, daß ders
felbe sum Schreiben gebienet. Sea.
2) Eicerponeft ihn, (de Fiaib. 1. 2. c. ul.) wo es Heißt:
neueſt. hereul. Enfdet, 9
Brieiug in feiner Bibliotheca Graoa erwähnet. 1)
Aus den Auskrazungen und DBerbefferungen in
der Abhandlung von der Redekunſt läſſet ſich vermu⸗
then, daß fie die eigene Sandfchrift des Verfaffers iſt.
Sn einer Nachricht, die ich igo unter der Feder babe, 2)
will ich einige Broben von diefen VBerbefferungen
mittheilen. &s ift Fein bioßer Zufall geweſen, daß
man gerade die Sandfchriften von einem Verfaſſer
aufgerollet bat: den man mwählete die Fleinfen Rol⸗
Ien, um gefchwinder damit fertig zu werden, und
fuchete zuerſt dieienigen aus, welche fih am beften
erhalten hatten, und fich in einem Winkel des be⸗
meldeten Zimmers fanden. Dies brachte die gute
Wirfung hervor, daB man auf die Werke von dem
felben Berfaffer traf, welche an einem Drte beifam-
men lagen. Die erfle und zweite Nolle find drei-
zehn Balmen lang; die dritte iſt etwas kürzer. Die,
mit der man fich izo befchäftiget, wird nach ihrer völli»
gen Aufwifelung gegen dreiffig Palmen lang fein,
und vermuthlich denfelben Bhilodemus zum Ber
faffer haben, wie fich aus dem Namen des Evpikurä⸗
ers Metrodorus, den ich darin geleſen habe,
und der, fo wie der Name des Sermardhus, in
den erflen dreien fehr oft vorfomt, muthmaßen läffet.
Bon diefem Hermarchus befindet ſich in dem kö⸗
niglichen Mufeum ein Fleines Bruftbild von Bronze.)
Syronem dicis et Philodemum cum optimos viros tum
doctissimos homines etc. Dafdborf.
ı) T. 3. 1. 3. c. 33. p. 614. Strabo erwähnt ihn in fels
nem 17 Buche: Ex di var Tadapuy Dircduwos ra 6 Ewi-
ugusoe yıyırm. Diogenes Laertius führt dad 10
Buch ns Tor giacaopmy ourrafsns von ihm an; worüber
man die Ausgabe ded Menage (©. 446.) nachlefen mag.
Die Epigrammata, die von ihm in der griechiſchen
Anthologie vorkommen, find ſehr fchön. Daßdorf.
2, [In dem Sendfchreiben:c)
3) Diefed Bruſtbild iR nachher (tom. 1. Bronzi
00 Briefe üb, d.
8. 3. Dieſe Handſchriften ſind aus ſechs Finger
breiten Stüken zuſammengeſezt, die ſo über einan⸗
der liegen, daß ihre Verbindung zwei Finger breit
iſt. Viele find um eine runde hohle Nöhre gewi⸗
Felt, die, nach ihrer Dife zu urtheilen, vielmehr
von Knochen als von Rohr zu fein fcheinet; aber
die Materie läſſet fich igo nicht mehr erfennen. Die
Länge diefes Nohres iſt der Länge der Handfchrift
gleich, und ragete nicht über diefelbe hervor. Sn
der Höhlung ward ein Stäbchen angebracht, welches
dienete, die Sandfchriften ab- und aufzumifeln, ohne
dag man die Bapyrusrollen zu berühren brauchte,
Solche Stäbchen, die fich erhalten haben, findet
man mitten in einigen Sandfchriften. Das Nohr
befand fich alfo allegeit mitten in der zufammenge-
rolleten Handfchrift, und die Höhlung deffelben iſt
aller Wahrfcheinlichfeit nach dasjenige, was die Al-
ten umbilicus nenneten; und wen das Rohr an beie
den Enden einer HSandfchrift fihtbar war, fo mußte
man folches einen umbilicum duplicem nennen. Ein
napolitanifcher Gelehrter behauptet, 1) daß der um-
bilicus ein Zierat oder Stempelmitten auf dem
Bande eines vierekigen Buches fei, wie man auch
wirklich an einem folchen Buche flehet , das, nebit
andern Sachen, auf einem alten Stüf Mauer ab»
gebildet iſt. Es fcheinet mir aber, daß ein Nabel
mehr Ahnlichfeit mit einem Nohre habe, das die
Are einer HSandfchrift ausmachet. Es iſt auch wahr
fcheinlich, daß ſowohl der Anfang als das Ende der
Handſchrift an ein Rohr befeſtigt war; deñ auf dieſe
Art koñͤte man, man mochte vom Anfange oder
Eroclanesi, tav. 13.) befaflt gemacht worden ; es wirb
daſelbſt gleichfalls ein Stük der angezeisten Handichrift
beigebracht, aufweihem Her marchus genafitift. Sen.
ı) Martorclli, de reg. theca. calam. parerg. c. 2. p. 243.
[Man vergieihe dad Sendfhreiben $. 4.)
neueſt. hereul. Entdek. 11
am Ende derſelben leſen, das Geleſene immer wie⸗
der um das Rohr wikeln. Ich ſage, es iſt wahr⸗
ſcheinlich, weil das äuſſere Rohr ſich an Feiner
Handſchrift erhalten bat; fogardie auſſere Deke der-
felben. hat allegeit gelitten. Diele Muchmaßung iff
auf zwei alte bereulanifche Gemälde gegründet, wel⸗
che Handſchriften vorfielen, die von beiden Seiten
- aufgewifelt, und in der Mitte abgewikelt und offen
find: fie mußten alfo zwei Nohre haben. Ein am
derxes Gemälde ftelet die Mufe Klio mit einer Rolle
inder Sand vor, auf welcher ihr Name flebet. KAEIw
ICTOPIAN, die auf die nämliche Art gewifelt ift;1)
und überdies fan man auch, wie ich muthmafle,
eben fo mie bei den obigen, die Höhlungen beider
Röhren fehen.
$. 4. Hierzu Fomt noch, daß der Inhalt oder
.Zitel des Werkes fihh am Ende bemerfet findet, wel⸗
ches die drei bisher entwifelten gezeiget haben. Die
Abficht war, wie ich glaube, daß der Leſer bequem
den Titel des Werkes fände, die Handfchrift mochte
von der einen oder der andern Seite aufgewifelt
fein. Wen ver Titel nit am Ende miederholt
worden wäre, fo Hätte man Mühe gehabt, den Na-
men des Verfaſſers zu errathen, da der Tiıtelüber
dem Anfange des Werfes verloren gegangen war.
Auch iſt anzumerken, daß der Titel ganz nahe am
Ende eines Buches, mit den nämlichen Buchſta⸗
ben als der Tert, gefchrieben, und ein wenig weis
ter berunter mit größerer Schrift wiederholet
if. Am Ende der Abhandlung über die Tonkunſt
liefet man mit Fleiner und größerer Schrift:
®SJAOAHMOTY NHEPI MOTZIKH?2.
ı) Pitture d’Ercolano, t. 2. t.2. Eine ähnliche Role hält
eine weibliche Sigur auf einem schobenen Bildwerfe in
der Villa Albani. Fea.
LMan fehe die Abbildung Numero 17.)
12 Briefe üb. d.
flberdies war der Titel auf einem Heinen Zeddel
bemertet, der unten aus der Nolle heraushing, wie
man in den gedachten Gemälden fichet. Auf dem
einen glaube ich folgende Buchſtaben zu leſen: PA
XX AN. 1) Die aufgewilelten HSandfchriften find
in&olumnen gefchrieben: die vonder Tonfunfl be
fiehbet aus 39, die von der Redekunſt aus 385 fie .
End fünf Finger breit, und enthalten 40 bie 44
Zeilen. Zwiſchen den Eolumnen ift ein Raum von
einem Finger breit, auch zumeilen noch mehr, und
die Schrift ifl, wie in vielen andern Sandfchriften,
mit Linien umgeben. Diefe Linien, die wei aus
fehben, werden wohl roth gemweien, und mit Me⸗
nig gezogen worden fein, ihre Farbe aber im Feuer
verloren haben. Die Nolle von der Tonfunft if
nach ihrer Entwifelung in 8 Stüfe von 5 Colum⸗
nen zerfchnitten, und in Rahmen unter Glas gefnfe
fet worden. Die andern Rollen follen in ihrer gan
gen Länge aufgehangen werden. Die Schrift der
Werke des Bhilodemus iſt von der nämlichen
Größe, als die Schrift, womit Johannes Las-
karis Rhyndacenus 2) einige feltene griechifche
Autoren, den Kallimachus, Apollonius Aha
bins, die Anthologie :c. hat drufen laſſen. Ih
glaubete die Form der Schrift Alter zu finden; da⸗
ber war ich beinahe überzeuget, ich würde ein run«
1) Martorelli (l.c. in additam. pag. 34.) gibt eis
ne Abbildung davon und verfucht verfcdhiedene Erflärun:
gen diefer drei halben Wörter, weldhe auf dem Zed⸗
deichen, eines über dad andere, gefchrieben find. Sea.
2) Diefer Grieche, aus der Samilie ber orientalifchen Kai⸗
fer entfprofen, hatte fid nach der Eroberung von Kon⸗
flantinopel nach Stalien gewendet. Er bat zuerſt aus
Münzen und andern Denktmälern bed Altertumsd die Ge
ftalt der großen griechifchen Buchſtaben aufgeiucht und
befafit gemacht, und ein Bud: De veris Cr&carum Li
terarum formis et causis, gefchrieben. Dakdorf.
/
neueſt. bereut, Entdek. 43
bes E, ein 2, das wie ein lateiniſches C geflaltet mA.
re, und dasn in der Bildung eines curfiven » fins
den , da man dieſe Buchſtaben fo gebildet auf der
Aufſchrift eines Gefäßes des Könige Mithridates!)
m Campidoglio findet.?2) Aber A, A, A, M find
vorgeftellet durch — 2) die man in den Auffchriften des
erſten Jahrhunderts nicht findet. Ich geſtehe es, daß
das A auf den älteſten Münzen der Stadt Caulo⸗
ia, in Grofßgriechenland, beinahe die näms
liche Geſtalt hat; dent auf einer flehet 4); auf ei⸗
12) Das curfive o iſt neuer ald dad n, welhes Simoni⸗
des, dem Plinius cd. 7. c. 56. sect. 57.) sufolge uns
gefähr 500 Jahre vor Chrifti Geburt erfunden hat. Ans
fangs bediente man fich ftatt deffelben eines einfachen o,
wie aus Plato (Cratyl. oper. t. 1. p. 410.) er⸗
Hellet. Das Gefäß des Mithridated, wo ed Die curfive
Sorm hat, iſt Eurz vor der Zeit des Auguſtus verfertis
set, dei Mithridats Regirung fallt wiſchen 113 bis
164 vor Ehrifti Geburt, in welcher Zeit die Sorn der
Buchftaben , welche Windelman anführet, ſehr allge
mein üblich war. Die Paläographen fesen den Anfang
derfelden in die Zeit Aleranderd ded Großen, wie
man auf der Tafel ded Spyanheim (de prast. et usu
nun. t. 1. p. 8o.) fieht, welche vom Pater aBennets
ti8 (Chronol. et crit. hist. etc. t. ı. p. 220.) wieberhes
fet worden. Go iſt auh die Sorm bei zZ Alter, aß
bie des C, wie Spanheim (Dissert. 2.n. 5. p. 99.
seq.) gleichfalls beweiſet. Die Form des E ift aus Alp
randers Zeit; die andere Form iſt Alter, wie die
angeführte Tafel zeit. Sen.
2) Uuh Pococke gibt eine Abbildung davon, (Descript. of
the East. t. 2. part. 2. pl. 92. p. 207.) mit etwas ver
Anderter Sorm ber Suchfasen. Das Gefäß wurde vom
Könige Mithridates einem Gymnaſio gefchenkt, wo dern
gleichen Gefäße sum Salben und zu anderem Gebrauche
" dienten. Fea. ſG. d. 8. 10838. 1589)
3) (wie man auf der diefem Bande angehängten Ab⸗
bildung unter Numero 1 feben Fark.)
4) [S. ebendaf. Numero 2,]
u. Briefe üb, d,
ner andern (mit dem umgekehrten A— 1); aber die Linie,
die an dem A vorgebet, machet den Unterſchied,
und gibt ihm ein neueres Anfehen. Sn vielen la⸗
teinifchen Snfchriften von Hereulanum, (den
griehifhe aufMarmor bat man nicht gefunden)
ift die Schrift von einer neuern Form, die von der
Schrift aus der Zeit der erſten Kaiſer abmweichet
befonders auf zwei großen Marmortafeln, welche
Namen von Freigelaffenen enthalten. Diefe
Anfchriften geben Feine fichere Anzeige der Zeit, in
welcher fie können gemachet worden fein. Sch balte
aber dafür, daß fie nicht älter find, als die Schrift
anzeiget: den die Gegend am Fuße des Veſuv iſt erſt
nach der Verfchlittung von Herculanum verwü⸗
flet worden. Diefes erhellet aus fpäteren Münzen;
und befonders aus einer goldenen des Hadrianus,
die in den Nuinen des Hereulanums gefunden wor⸗
den; wie auch aus einer andern Inſchrift, Die be-
reits Fabretti befafit gemachet hat,?) und die ci-
ne Nachricht von EX. ABDITIS. LOCIS. ausge⸗
grabenen Bildfäulen enthält, die zur Auszie-
rung der Bäder des Kaifers Scverus gebrauchet
worden ; durch welche verborgene Drter ich bei-
nahe nichts anderes als die verfchütteten Städte
Herceulanum, NRefina, Stabidä, Bompeit,
verfianden glaube. Diele Vlarmortafel iff von Pos
zuoli nach Portici gebracht worden. 3) Auch auf den
1) ſEbendaſ. Numero 3.)
2) Inser. c. 4. n. 173. p. 280.
3) Winckelmañ wiederholt dieſe Notis in dem Send⸗
fhreiben über die herculanifhen Entdekun—
sen, $. 26. und er Hat fie mit Anmwenduna der In—⸗
ſchrift aus des Martorelii Wert (l.c. p. 33.) genom⸗
men. Diefer fand die Snichrift bei einem Gteinme
in Neapel, der fie aus Fregnano Piccolo, einem
neneit. hereul. Etndek. 15
zem ſchwarzen Bapiere fiehbet man bie Buchſtaben
ver Handfchrift noch deutlich; und diefes bemeifet,
Heinen Fleken nahe bei Capua, erhalten Hatte, ums
ſchenkte fie dem Könige, der fie in dem Mufeo zu Por⸗
tich aufbewahren Tief. Gern würde ich die gedachte
Erklärung diefer Schriftfieller annehmen, wei nicht
aus fo vielen andern alten Infchriften und Documens
ten erhellete, daß die Worte Ex ABDITIS Locıs in
einem allgemeinern Sinne genommen Wurden , und eine
gewöhnliche Sormul waren, um anzuzeigen, daß die
Etandbilder von wenig befuhten, alfo gleichlam
verborgenen Orten weggenommen, und an einem
befuchteren, angefehenern, edleren Orte zur
Zierde aufgeftellet worden. Der Canonicus und nachhe:
rige Prälat De Vita hat dies bereits (Thes. An-
tig. Benev. t. ı. Diss. 10. p: 280.) bemerft, wo
er eine Infchrift aus der Zeit des Theodoſius mit
derielden Formul anführt , und eine andere ähnlicher
Art (Serie delle Iscrizioni Beneventane, p. 16.
n. 9.) beibringt, in der e8 heißt: saTrıys CRESCENS
v. C. CVR. R. P. BN. EX LOCIS ABDITIS VSVI ATQOVE
SPLENDORI THERMARUM DEDIT. Noch mehr Gewißheit
hierüber gibt ein im Sahre 365 von ben Kaifern
Balentinianud und Valens erlaſſenes Geſez,
(Cod. Theodos. 1. 15. tit. de oper. publ. leg. 14.) in
weichem verboten wird, aus Eleinen, gleihfam ab:
gelegenen, ober verborgenen Landftädtchen, abdita
oppida, die Standbilder wegzuführen, unter dem Vor⸗
wande , die Hauptftadt oder andere angefehenere Städte
damit zu zieren; zufolge eines anderen Gefesed, daB
zwei Jahre vorher, 363, vom Kaiſer Zulian dem Abs
trünnigen etlaffen war, und verbot Standbilder und
Säulen aus einer Provinz in die andere zu führen.
Cod. Justinian. tit. de zdıf. prir. 1. 7. wo es heißt:
Pr&sumptionem judicum ulterius prohibemus , qui in ever-
sionem abditorum oppidorum petropolis (oder wie Got:
fred Hiefet: Metropoles,) vel splendidissimas civitates
ornare se fingunt, transferendorum signorum, vel mar-
morum, vel columnarum materias requirentes. Es ift
deutlich genug, dag hier. nicht von verfchütteten Orten,
16 Briefe üb, d.
daß fie nicht mit Dinte gefchrieben worden, deren
vornehmſter Beflandtheil Vitriol iſt; wären fie da-
mit gefchrieben, fo hätte fich Die Sqhwaͤrze im Feuer
verloren. Die Dinte, wie wir ſolche heut zu Tage
brauchen, und mit welcher die älteſten Handſchrif⸗
ten des vierten Sahrhunderts und fpäter gefchrieben
find, würde zu folchen dünnen Blättern nicht taug⸗
lich geweien fein; fie würde folche durchfreffen und
durchlöchert haben, den ich habe angemerfet, daß die
Buchflaben in den älteſten Handfchriften etwas ver.
tieft find. Diele Benierfung fan man an dem va-
ticanifhen Virgil machen. Die berculanifchen
Handſchriften find mit einer Art von ſchwarzer Far⸗
be, beinahe wie die chinefifche Zufche, gefchrieben,
die mehr Körper bat, als die gewöhnliche Dinte.
noch von den im Tert genaflten Städten die Rebe ift;
fo wie auch Cicero nicht von ihnen fprach, der früher
lebte und fih deffelben Auͤsdruks bediente: (in Verr. act.
2. 1. ı. c. 3.) Simulacra deorum, quæ non: modo ex
suis templis ablata sunt, sed etiam jacent in tenebris ah
isto retrusa, atque abdita, consistere ejus animum sine
furore atque amentia non sinunt. Dies ſtimmet mit der
Redensart ex obscuro loco überein, die fich in a Ei
dern Inſchrift beim Sabrettic.7.n. 499.
findet. Die Inſchrift, von der im Tert die Hehe *
lautet beim Martorel li:
SIGNA TRANSLATA EX ABDITIS
LOCIS AD CELEBRITATEM
THERMABYM SEVERIANARUM
AVDENTIVS SAEMILANVS V. GC. COH
. CAMP. CONSTITVIT DEDICARIQVE PRECEPTE
GVRANTE T. ANNONIO CHRYSANTIO V. P.
Auch Mazzocchi (Amphit. Camp. in addit. p. 170.) füget
fie an, aus dem Fabretti copirt; und beide leſen irrig
celeritatem, ſtatt celebritatem, dab auf dem Marmor
test. Sen
N
neueſt. bereut, Entdef, 17
Ken man die Schrift gegen das Licht anflehet, fo
fcheinet fie mwirflih ‚etwas erhoben, und die
| Dinte, die man noch in einem der Schreibzeuge
gefunden bat, if davon ein ficherer Beweis. Sch
glaube in einer Stelle beim Demoſthenes gefuns-
den zu haben, 1) daß die Alten ihre Dinte zu Buls.
ver geftoßen haben. Das Snfirument, womit die
Alten fchrieben, war feine Feder, fondern es
war von Holz gefchnitten,?) wie das nusgegrabene ill,
oder vielleicht von einer anderen Materie, aber
nach Art unferer Federn zugeſpizt; ID) welches man
gleichfalls an demienigen Juſtrumente erfchen fait,
Das auf einem alten Gemaälde über einem Schreib»
1) Diefe Stelle ded Demoſthenes ftehet in der Rede
zug sepava, wo er dem Afchines vorwirft, daß er ſich
aus Armuth in einer Jugend gebrauchen Taffen, die
Schule audsufehren, bie Bänke in berfelben mit dem
Schwamme absuwafhen, und Dinte zu reiben.
Der Ausdruf: To merar vwosßen, zeiget alſo offenbar,
dag man bie Dinte subereitet Hat wie Sarbe, und
fie alfo nicht flüſſig geweſen fe. Daß bon rf.
2) [Eiche darüber die Nachrichten ıc. 6.102 — 203.)
3) Sie bedienten fih einer Art von Binfen oder Rohr, ca-
lamus genaftt, welches aud Ug ypten, Gniduß, und eis
ner Gegend Armenien! tan. (Plin. 1. 16. c. 36. sect.
64. Pers. Sat. 3. v. 11. ı2. Martial. 1. 14. epigr. 37.
edit. Rader. alias 38.) Der 6. Iſidorus, der zu
Antange ded 7 Jahrhunderts lebte, ſpricht (Orig. 1. 6. c.
13.) von Federn der Vögel, die man in neueren Zeiten
gebraucht. Es kañ alfo die Gemme im Föniglichen franzofis
ſchen Muſeo, (Mariette, Pierr. grav. t. 2. pl. 217.) auf wel⸗
er man eine Siegesgöttin ſmit der Feder in der Hand
in ſchreibender Stellung abgebildet ſieht, nicht als fein,
und die Diafer und undere Künſtier verſtoßen wider das
Eoſtume, weñ fie die Evangeliften, Propheten und
andere Perfonen des Altertums mit Federn in der Hand,
nad Heutiger Sitte, abbilden.- Der Abate Requenno⸗
'irret, weñ ee (Saggi, e. 17. p. 200) Schreist, de man
auf tes herculaniſchen Gemälden Seternide Seh
4
XCIXC ?
15 Briefe üb, d.
zeuge abgebildet iſt; mit dem Unterſchiede, daß eg.
von da an, wo der Schnitt angehet, bis an die
Spize, die pyramidenförmig abnimt, und die etwas.
ausgehöhles ifl, anderthalb Zoll ausmachet, nur dag
die Spize, oder das Ende, feine Spalte bat.1) Der
Tert der Handfchriften if nicht ganz vollfländig und
ohne Lüken; bald fehlen einzelne Buchitaben , bald
ganze Wörter; deßmwegen werden fie aber nicht als
unbrauchbar verworfen, wie manche zu thun pflegen.
In einer Materie, wie die der Sandfchrift von der
Redekunſt, wären die Lüfen Feicht zu ergänzen. Mit-
tel einer anhaltenden vieriäbrigen Arbeit hat man.
sicht mehr als neun und dreiffig Solumnen der Ab⸗
handlung von der Tonkunſt abcopiren können/ und.
über zwanzig Columnen der Abhandlung. von der
Reſdekunſt find ein und ein halb Jahr verfloflen..
Bater Antonio Piaggi, von dem Drden der Pins
riiten, der Iateinifcher Ecrittore der vaticanifchen.
Bibliothek war, befizet das Geheimniß und das ge=
hörige Bhlegma, die Handfchriften abzurollen; als⸗
dan zeichnet er die Buchſtaben genau nach, und
überliefert diefe Abfchriften dem Canonieus Mazzo e⸗
hi, der mit Ausfchluß aller andern den Auftrag.
hat, die HSandfchriften zu erflären.
a
8.5. Das Kgyptifche Papier fcheinet nicht allein
zu den Zeiten des Philodemus, fondern auch
noch einige Sahrhunderte hernach, 2) der gewöhn⸗
1) In den Nachrichten:ec. 9.102. Hat Windfelman be
merft, daß durch die Verfteinerumg die Spalte uns
ſichtbar geworden fein könne. Gen.
2) Es war ed wenisftend bis zum Anfange bed 6 Jahr
hunderts, den Zeiten des Enffiodoruß. (Var. J 11.
epist, 38.) der die Pflanze und die Bereitungsart bef
neueft, hercul. Entdek. 19
lichſte Schreibeſtof geweſen zu ſein, weil es wahr⸗
ſcheinlich wohlfeiler war, als das Pergament. Ein
geſchriebener Coder des h. Auguſtinus, den Bus
tavius beſaß, enthielt wechſelweis Blätter von
ägyptiſchem Papierund von Pergament, nach
Mabillons Angabe. ) Man weiß nicht, wo dieſe
Handſchrift hingekommen iſt. Au der ottoboni⸗
ſchen Bibliothek, die der vaticaniſchen einver⸗
leibet worden, und die ehemals der Königin von
Schweden gehörete, die ſte dem Petavius abgekau⸗
fet, findet ſich ſolche nicht mehr. Die Muthmaßun⸗
gen, die man aus der Form der Buchſtaben auf
gewiſſe Zeitpunkte herleitet, ſind nicht ganz ohne
Grund. Zu den vorhergehenden will ich noch einige
neue Betrachtungen hinzufügen. Die Form der
Buchſtaben in dem Namen des Künſtlers, der den
Torfo im Belvedere verfertigte/ AIITOAAwNIOZ,
läßt feinen Zweifel übrig, daß diefes berühmte Frag⸗
ment, das in Anfehung des Ideals alle alte Bild⸗
hauerarbeit übertrift, zu der Zeit verfertiget more
den iſt, als die Kunft abzunehmen anfing; welches
ohngefähr in der 150 Olympiade gefchab. Zu aller
Zeit haben. fich aber glüfliche Talente gefunden, die
fich bei dem allgemeinen Verfall, durch ihre innere
Geiſteskraft, emporgehoben. Die älteſte Münze,
172
felben befchreibt, und fast, daß die Bücher von Wach 8
tafeln aufer Gebrauch gefommen feien. Aus anderem.
Schriftſtellern erhellet , daß ed noch viel foäter im Ges
braud geweien. Ma ffet.(Istor. diplon. p. 77.) will, daß.
ed nach dem 9 Sahrhunderte nicht mehr gebraucht worden,
Sen.
1) Mabillon. de re Diplomat. 1. ı. c. 8. 35. Sie autem
compactus etliber, ut papyraceis foliis membranacea
intermista sint, ita ut primus quaternio intra bina fo-
ka membranacea coutineatunun papyraceum. DABUULI.
20 | Briefe üb, d.
auf welcher fih, fo viel ich babe. entdefen können,
ſtatt des QD ein w findet , iſt die filberne Münze des
pontifchen Königs Bolemon,!) mit der Umſchrift:
_ BACIAEaC. TIOAEMONOC.
Die fich im Mufeo der Franciscaner in San Bartolo-
meo al Sfola befindet. Wen man blos nach der
Bterlichfett der Buchtlaben urtheilen will, Fan man
leicht irren. Sch Habe im faucaultifchen Dlufeo
zu Neapel ſowohl als in dem Muſeo der Königin
von Schweden, bei dem Herzog von Bracciano
in Kom, Münzen der pontifchen Könige gefehen,
deren Schrift gierlich, aber die Zeichnung und das
Gepräge mehr als barbarifch if. In Anfehung
der Zierlichkeit felbft Fünte man aber auch gewiſſe
Kegeln’ feftfegen; 3.&. die Bunfte oder Lügelchen
am äuſſerſten Ende der griechifchen Buchſtaben fan«
gen zu den Zeiten Aleranders des Grofen an,
und verurfacheten , daß die Schrift weniger zierlich
nls vorher ausfah. Men mir Gott mein Xeben
friftet, bin ich gefonnen, eine Paläographie der
Münzen zu fchreiben. Sch verchre übrigens die
großen Verdienſte und die fruchtbare Feder des ver⸗
forbenen Marchefe Maffei, eines Diannes, der
über alle ihm auf feiner Laufbahn auffloßenden
Schwierigkeiten fiegete, und fich mit einem heroifchen
Muthe an die griechifche Literatur wagete, an der
er erft fpät einen Geſchmak zu finden anfing , wor-
über ich mündliche und fchriftliche Zeugniffe an-
führen fan. „Leder Menſch hat nur einen Kopf,“
fagt Plato. 2) Doch laſſen Sie uns wieder zu
unferm Gegenflande zurüffehren. Bei der wenigen
1) Dad Geſicht deſſelben it iung und ohne Bart.
Er Ichte zur Zeit des Auguſtus. Gen.
2) [Timzus, p. 1056 edit. Francof)
neue, hercul. Entdek. 21
Bequemlichkeit, die ich genieße, iſt mir mein Ent⸗
wurf über die Schriftrollen ab Handen gekommen;
vielleicht findet er fih für ein andermal vor,
So will ich Ihnen etwas von der Art melden,
wie man die Handfchriften entmwifelt, mo
von ich, wie mir däuchet, noch nichts erwähnet habe.
8. 6. Die Mafchine,anf welcher gearbeitet wird, iſt
ein Kleiner TZifch, auf die Art gemachet, wie eine Heft⸗
Jade der Buchbinder. Diefes Tifchlein drebet fich auf
einer hölzernen Schraube, die ihm zum Fuße dienet;
es beftebet aus zwei Blättern; das unterfle iſt der
Diſch, worauf gearbeitet wird; das oberfle, welches
fchmäler und dünner iſt, bat fünf oder fechs ſchmale
Einfhnitte, in Form eines Noſtes. Durch Diefe
Einfchnitte werden fehr feine Fäden von unges
zwirnter Seide in die Höhe gezogen, und an hölzerne
Wirbel befefligt, um fie nachlaffen und anfpannen zu
fönnen, wie die Saiten an einem mufifalifchen In⸗
firumente ; diefer Tiſch Fan, mittelft zweier hölzer⸗
ner Echrauben, in die Höhe gezogen und nieder
gelafien werden. An ein Stüf der Handfchrift
werden ganz Eleine Streifen Blafe, wie die Gold⸗
fchläger gebrauchen, die aber noch einmal gefpalten
wird, damit fie. recht fein werde, mit Leim ange-
Flebet, umd mit Hülfe der feidenen Fäden, die eben
fo mit Reim daran befeffiget und um die Wirbel
gewunden find, und die nach und nach angezogen
werden, um ein Blatt von dem andern zu trennen.
Auf dem Tifche find zwei eiferne Stangen ange
bracht, deren Dbertheile wie ein halber Mond aus
gehöhlet find, auf denen die Sandfchrift ruhet, und
die mit Baummolle gefüttert find, damit fi
folche nicht reibet und Schaden Teidet.
$.7. Die Sefchwindigfeit, mit der ich fo gern
"Hhre angenehme Zufchrift fogleich beantmorten will,
erlaubet mir nicht, erft Bücher zu Narbe u ehiıy
22 Briefe üb. d.
und die Zweifel aufzulöfen, die Sie in Betref des
umbilicus der hereulanifchen Sandfchriften aufmwerfen ;
den die Bibliothek des Kardinals Archinto, die
font ganz reichlich verfehen iſt, bat einen großen.
Mangel an alten Autoren. Aber, wie mir dünfet,
find Gemälde, die alte Sandfchriften vorfellen,
beffere Beweiſe, als alle Nachrichten unferer Zei⸗
ten, die von jenen zu weit entfernet find. Sch will
meine Meinung in Anfchung des dopelten umbilicus,
der durch die beiden Röhren, aufdie der Anfang
und das Ende der Handichrift gewifelt ward, ent»
fichet, nicht hartnäkig verfechten, ungeachtet die
alten Gemälde folches einigermaßen wahrfcheinlich
machen. I) Erzeigen Sie mir aber doch den Ge
fallen, und belehren Sie mich, wo Sie die Nach»
richt hergenommen haben, daß die HSandfchriften mit
Knöpfen follten feinzugemachet worden. Sch ſtelle
mir darunter folhe Knöpfchen vor, wie man alt
den alten italiänifchen Bänden findet; es könte aber
fein, daß Sie fich bierunter eine andere Vorſtellung
macheten. In verfchiedenen Gemälden mit alten
4) Im vorhergehenden eriten Abfchnitte $S. 5. hat Windel
man richtiger geragt, daß unter umbilicus duplex die
beiden Enden des Rohres oder Stäbchend zu verfter
ben feien, an welche eine Art von Knopf gebeftet wurde,
der einem Nabel gleichen koñte. Auſſer den verfchiedes
nen Schrirstftelleen, welche Winckel mañ in den Send⸗
fhreiben anführt, fcheint von diefen Rohren oder
Etäbcden, oder wenigſtens von ein em derfelben mit fets
wen Knöpfen, auh Sidonius (1.8. epist.ult) zu ſpre⸗
den, wo es heißt: Peracta promissio est; jam peritia tua,
si coactorun in membranas inspiciat signa ttulorunı,
jam copiosum te, ni fallor, pulsat exemplar;. jam ve--
nitur ad margines umbilicorum, jam tempus est, ut
satyricus ait : Orestem nostrunı vel super terga finiri.
. Martoreiti Hat den umbilicus duplex nicht. geſehen.
sen
neueſt. hercul. Entdek. 23
Handſchriften hat der Maler alles genau vorgeſtellet,
und auf einem ſiehet man ſogar einen Zeddel mit
dem Inhalt, überſchrieben: PAX. XX. oder auf eine
andere Ark, wie ich Ihnen fchon ein andermal ge
meldet zu haben glaube, 1). daran herunter bangen;
man fichet aber weder Knöpfchen daran, noch ſonſt
etwas, womit fie wären gebunden gewefen. Das
Binden koñte dem Papier feiner Dünne wegen
fchaden, und wen folches sufammengerollet war, blich
es, mittelft feiner Fibern, in diefem Buflande, ohne
fih aufzuwikeln. Da ich nicht glaube, daf ich et»
was überfehen haben ſollte, foweit die eiferfüchtis
gen Auffeher nur irgend zu dringen erlaubeten: fo
fan ich Ihnen vielmehr verfichernt, daß ich nie die ges
ringfie Spur oder Dierfmal eines Eindrukes wahr
genommen habe, welche ein ſolches Zufammenbine
den hätte zurüflaffen müßen; da man doch alle Fal⸗
ten und Brüchefichet, die daher entflanden, wen die
Handſchriften, die über einander gelegen, beſchä⸗
diget worden, und fich in einander verfchoben hatten.
Was foll man auch diefen Stäbchen oder Röhren
für einen Namen beilegen? ich entfinne mich nicht,
folches irgendwo gefunden zu baben.2) Für tzo
fan ich mich in Feine weiteren gelehrten Interfu-
chungen einlaffen ; ich balte mich blos an das, mas
ich gefeben habe. Übrigens bin ich willig und bereit,
43) [Oben im 486. dieſer Briefe]
2) Dad Stäbchen hieß xzorrazıy, eontacıum, und War
gewohnlich von Hols, wie Du Cange (Glossar. ad script.
mediæ et inf. Grzcit.) bei dieſem Worte bemerkt. An
die beiden Enden deffelben festem viele zwei Zieraten
von Horn. in Zorm eined Knöpfchens, die deßhalb
cornua hießen, wie vermittelft dev Autorität der alten Didy
tee Her manus Hugo (De prima scrib. orig. c. 34.
p. 594.) beweifet; auch umbilici, wie oben im $. 3. geſagt
worden; und vergebens bemüht ich Martoveiii, Arc
24 Briere üb. d.
Ihnen alle NRachrichten mitzutheilen, die ih babe
auftreiben Tonnen, und ıch mwunfde, bat Eic dx
von einigen Gebrauch mögen machen können. Don
den Beränderungen, Ausfreihbungen zc. die
ih, wie ich höre, oft in der Handſchrift von der
Nedetunf Anden, wid ih Zhnen im zwei Zei⸗
len ein Beiſpiel mittheilen. 1)
5.6. Die Berbefferungen fichen swifchen
den Zeilen mit fleinen Buchſtaben.“) Der punktir⸗
te Ring fiber dem vierten Buchliaben der zweiten
Kinie iſt eines weiteren Nachdenfens werth, fe wie die
Bunte über KAT, und befonders der Strich über
OYKOTN, der, fo gu fagen, mehr ein Zeichen einer
Modulation, als ein Accent if. Dergleichen
Etrihe findet man am Fußgefiele des vom Au⸗
nuftus der Sonne errichteten Dbeliffes, der im Cam⸗
vo Marge aufder Erde liege.) Bandini redet °
davon in feinem Werke;) er hätte aber mehr da⸗
von fagen Fönnen, weh er Elie Putschii Grammati-
con veieres gelefen hätte. Solche Fritifche Zeichen
findet man auf den Unfchriften nach dem Sahrhun-
berte Auguſte nicht mehr. 5) Noch erſt heute
reg. theen. ealam 1. ı. parerg. c. 2. p. 243. seq.) zu be
weifen, daf sınter cornua librorum die Efen der vier
eflaen Bücher, nit der Rollſchriften, gemeint
fein. Bea.
1) I@iche die Abbildung miter Numero 4 am Gabe dieſes
Riandes, |
2) Denfelden Charakter haben fie auch auf bem angeführ
ten Gefſaße des Mithridates. Gen.
N Pieſer Oobeliſt ſtehet Jeso auf dem Plaze dei Monte .
Citorſfo, we Pins Vi. Ion durch den Baumeiſter Sion,
Antinont errichten laffen. Fernow.
4! Dell’ Obwliseo dd Gen. Aug. ©. 10. p. 55.
5 Nut den von Aandint (lc p. 59.) angefütrten Beh
neueſt. hercul. Entdek. 25
norgen fand ich eine ſolche auf einem großen Steine,
ie meines Wiſſens niemals iſt befant gemachet wor⸗
en. Sie enthält das Teſtament einer Mutter, 1)
fpielen erhellet dad Gegentheil, und es Tiefen ſich noch
viele andere Anfchriften anführen, welche diefe Be
tonungszeichen haben, und gewiß aus fpäteren Zeiten
find. In dem Sendfhreiben an den Graven
Brühl, 9.124. fast Winckelmañ bloß, daß fi Ins
fhrirten mit Betonunodzeihen vom Auguſtus bi8 auf
den Nero finden, und führt des Fabretti Snfcriptionis
an, weicher fie von der Zeit des Auguſtus anheben
läßt. Sea,
1) Oder vielmehr die Lobred e einer Tochter aufihre Mutter,
Eine ähnliche Lobrede eined Gatten anf feine Gattin
findet man in einer fchönen und langen Inſchrift in
der Billa Albani, welche in der Indicazione autiquaria
jener Billa (P. 3. n. 67. p. 114) beigebracht if. Der
Abate Sea Ct.3. p. 202.) hat diefe bis dahin noch
nicht befafit gemachte Inſchrift, fo weit fie noch vor:
Handen if, mitgetheilt. Sie Tautet:
MVRDLE. L.. F. MATRIS.
Sed. propriis. viribus. adlevent. cactera. qvo.
Firmiora. probabilioragve. sint.
Onmnes. filios. aeqve. fecit. heredes. partitione.
Filie. data. amor. nıalternvs. caritate. libervm.
Aegyvalitate. partivm. constat. viro. certam. pecwmiam.
Legavit. vt. ivs. dotis. honore. ivdici. augeretvr.
Mihi. revocata. memoria. patris. eaqve. in. consilivm.
Et. ide. sva. adhibita. aestvmatione. facta. certas.
Res. testamento. praelegavit. neqve. ea. ınente.
Ovo.nıe. fratribvs. meis. qvod. forvm. (sic!) aliqva.
Contvmelia. praeferret. sed. memor. liberalitatis.
Patris. mei. reddenda. ınihi. statvit. qvae. ivdicio.
Viri. svi. ex. patrimonio. nıeo. cepisset. vt. ea. vssv.
Svo. cystodita. proprietati» nıcae. rest. tverentvr.
, Constitit. ergo. in. hoc. sibi. ipsa. vt. a. parentibvs.
Dignis. viris. data. matrimonia. obsegvio. probitate.
Winckelmañ. 2,
26 Briefe üb, d.
und ſtehet in dem Keller des Marcheſe Rondinin
MVRDIE. L. F. MATRIS.
SED PROPRIIS VIRIBVS ADLEVENT QVO
“ FIRMIORA PROBABILIORAQVE SINT OMNES
'FILIOS AEQVE FECIT HEREDES PARTITIONE
YILIAE DATA/ AMOR MATERNVS CARITATE
LIBERVM AEQVALITATE PARTIVM CGONSTAT
VIRO CERTAM PECVNIAM LEGAVIT etc.
Sch habe folche nicht ganz abgefchrieben; auf
i
‘
®
erlangen Fan ich aber damit dienen. Diefe In⸗
fchrift bat eine fehr alte Orthographie, die ich in
verfchiedenen Wörtern bemerfet babe, 5.8.
AR-
von, avom. Den Str ich oder Accent findet
"Retineret. nvpta. meritcis. gratior. fieret. fide.
Carior. haberetvr. ivdicio. ornatior. relingveretvr.
Post. decessvm. consensv. civivm. lavdaretvr. qvoin.
Discriptio. partivm. habeat. gratvm. fidvmqve. animvm.
In. viros. aequalitatenı. in. liberos. ivstitian. in. veritate.
Qvibvs. de. cavseis.q. quom. oımnivm. bonarvnı. fem inarvm.
Simplex. similisqve. esse. lavdatio. soleat. qvod.
Natvralia. bona. propria. cvstodia. servata. varietates.
Verborvm. non. desiderant. satisqve= sit. eadem.
Omnes. bona. fama. digna. fecisse. et. qvia. adqrirere.
Novas. lavdes. mvlieri. sit. ardvom. qvom. minoribvs,
Varietatibvs. vita. iactetvr. necessario. conınıvnla.
Esse. colenda. ne. qvod. amissvm. ex. ivstis. pr@cepteis,
Cetera, tvrpet. eo. maiorem. lavdem. omnivm. carissima.
Mihi. mater. mervit. qvod. modestia. probitate.
Pvdicitia. obseqvio. lanificio. diligentia. fide.
Par. similisqve. cetereis. probeis. feminis. fvit.
Neqve. vlli. cessit. virtvtis. laboris. sapientie. - -
“- - - - praecipvanı. avt. certe. - - -
In der Testen Zeile fehlt ein Wort oder zwei; und auch
Dad Ende fehlt ganz. Der Charafter der Schrift if
wohlgeformt,
neneft, hercul. Entdet. 27
man gemeiniglich bei den Ablativis; er fichet aber
auch in den Worten : Lavoase/rva, reimına/avm, re/cısee,
alnıssvm, mervı/z, varırrareis. Der Marchefe, der diefes -
Haus feit kurzem geerbet bat, if ein Dat von Ge
ſchmak, und bat eine Menge von Bildfäulen, Büſten und
Gemälden, woran feit zweihundert FJahren gefammelt
worden, auf feine nabe bei Nom gelegene Billa
bringen laffen. Unter andern GStüfen von großem
Werthe befindet ſich auch der Rumpf eines tanzen-
den Satyrs, in mehr als Xebensgröße, darunter,
der eine unnachabmliche Meifterhand verräth, dem
Laokoon an die Seite gefeget werden Fat, und den
Faun inder Tribune des Grofiherzogs von Tofcana
übertrift. Er verbirget folchen forgfältig, aus Furcht,
mein Mäcen, ber Bardinal Alerander Albant
möchte folchen zu befigen wünfchen; mir aber, als
feinem Freunde, geigete er ihn, und ich werde den
Werth deſſelben in den theoretifchen Theile der
Geſchichte der Kunſt näher befant machen. 1)
Dies mar eine Abſchweifung # wos Asovvaor,
die der Briefſtyl erlaube. Die Buchflaben der
hereulanifchen Handfchriften find von der nämlichen
Geſtalt und Größe, wie die in der berühmten grie-
hifhen Bibel der 70 Dolmetfcher, die ih in
der vaticanifchen Bibliothek befindet. Es find aber
auch Stüfe darunter mit großen Buchfinben, wie
im Bindar zu Orford, d. i. HSandfchriften, die in der
Mitte von einander gefchnitten find; den, um fidh
die zu große Mühe gu erfparen, jederman die ge
heimeſten Stäfe fo feltener Wberbleibfel vor Augen
zu Segen, iſt man auf das Mittel verfallen, einige
4) Daſelbſt wird von diefem Rumpfe nirgends gehandelt.
Die Antiken des Palafted Rondinini find um daß
Sabre 1772 verkauft worden. Gen.
[Man versieihe ©.d.8. 5%. 18. 59. Bufas.]
28 | . Briefe üb. d.
Hanbdſchriften mitten von einander zu fhnetden; |
ein barbarifches und unverzeihlich eigenmächtiges Ver⸗
fahren! Der Abate Martorelfi, Brofeflor der
griechifchen : Sprache im Seminnrio, bat fich Die
Freiheit genommen, wider ale Wahrfcheinlichkeit
vorzugeben, alle bis izo aufgewifelten Handfchriften,
und die übrigen; feien nichts anderes als Contraecte
und Diplome, !) und daß die Alten fich zu ihren
Büchernder vierefigen Form bedieneten.?) Diefes
ungereimte Vorgeben, und taufend andere derglei⸗
chen, bringet er in feinem Buche über ein al
tes Dintenfaß im Diufen zu Portiei vor, das in
Quart gedruket ift, und aus mehr als 800 Seiten
beftehet. 3)
1) L. c. c. 3. p. 277.— Addit. p. 30
2) L. c. c.ı. p. 236. Eigentlich find feine Worte: „er
„läugne nicht, daß die Alten Nolifhriften gehabt,
„ fondern blos, dag alle ihre Bücher, auch bie, ſo and
„ vielen Blättern beftanden, gerollet worden.“ Sen
3) [Man fehe darüber den 49. des Sendfhreiben?
an den Graven Brüpt.]
T .
c
F
neueſt. hereuf, Entdek. 29
(Nachricht von den Häuſern der Alten, und be
fonderd denen zu Hercutanum.)
$.9. Sereulanum war, nach des Pliniust)
und Anderer Anzeige, D eine Eleine Municipal-
findet; folglich können -die Haͤuſer der Einwohner nicht
koſtbar und prächtig gewefen fein, einige Villen und
Zandhänfer der Nömer ausgenommen. Es ift eine
Billa entdefet worden, die mit großer Pracht ge
bauet gewefen, fo viel fich aus den Überbleibfeln urs
theilen läfiet, nämlich aus dem Fußboden von Mus
- fivarbeit, aus der übermäßigen, nicht mehr üblichen
Weite und Höhe der Thüren, mit ihren marmor⸗
nen Gewänden und Schwellen, und aus allem, was.
dafeldft ausgegraben worden. Die Ichönften Bildfäulen
von Bronze, nämlich ſechs tanzende weibliche,
Figuren in Lebensgröße , und alle marmornen Köpfe
und Bildfäulen, die das Zimmer der Königin zie⸗
ren, find alle am nämlichen Orte gefunden worden.
So lange man aber nicht die ganze Fläche der aus⸗
zugrabenden Gegend überfeben fan, if es unmög-
lich, fich einen deutlichen Begrif davon zu machen,
da folche von den gegrabenen Zugängen und krum⸗
laufenden Höhlungen durchfchnitten wird. Was aber.
die gewöhnlichen Wohnhäufer betrift, ohnerachtet
feines ganz ſtehen geblieben iſt, weil fie entiveder
bei dem Ausbruche verfchüttet worden, oder nachher
verfallen find, fo urtbeile ich doch, daß das häus⸗
liche Leben der Alten überhaupt genommen fpärlich
eingerichtet, und ohne Pracht war, und daher die
Häuſer ganz einfach, und die Zimmer klein und
niedrig waren.) Was mich auf diefe Vorfſtellung
ı) Hist. nat. L 3. c. 5. sect. 9.
2) Strab. I. 5. c. 4. vers. med. p. 738. Senec. Nat.
quest. L 6. princ.
3) Horatı L 2. cam. ı5. Eiedeiis,
30 Briefe üb. d. |
bringet, ifk die Vergleichung, die ich mit dem Blane
der Ruinen einer vor geraumer Zeit zu Frafcati ent
defeten Billa angeflellet babe; auf welchen Ruinen
izo die Villa der Jeſuiten, Ruffinella genafit,
sebauet til. Stellen Sie fih Zimmer vor, ſowohl
in den berenlanifihen Häuſern, als in dem Palaſt der
alten tufeulanifhen Villa, die wenig arößer find,
als Ihre Studirſtube, Ihren Alkoven abgerechnet;
in einigen ſtand auch noch das Bette, wie ſolches
zu Fraſcati eine niedrige Niſche anzeiget, in welche
das obere Theil des Bettes geſchoben werden koñte.
Bei einigen tuſculaniſchen Gemächern befand ſich
auch ein Vorzimmer, welches nichts meiter alg ein
ſchmaler Gang tft, wo derienige fich aufhielt, der
die Leute bei dem Hausherren anmeldete; es fcheinet
auch, daß das innere Zimmer des Herrn ohne Thü⸗
ren gewefen; den man findet weder Thlirgewände,
noch andere Arten von WBerfchließungen; vielleicht,
hatte es einen bloßen Vorhang, den die Alten ve-
lum admissionis nenneten. Diele einfache häusliche
Lebensart der Alten erinnert mich an die Stelle des
Demoſthenes, wo er faget: Themiflofles und
Cimon, diefer fonft fo prachtliebende Mai, hätten
keine beffere Wohnung als ihre Nachbaren gehabt.1)
Die bereulanifchen Häufer hatten auf die Straße
heraus Feine Fenfter; folche befanden fich auf der
anderen Seite nach dem Meere zu, fo daB man
durch die Straßen geben fonte, obne jemanden am
Fenſter zu erblifen. Auf die nämliche Art find die
Häufer in Aleppo gebauet, wie mir ein Miffionarius
erzählete, fo daß man auf den Straßen, wie mitten
in Feflungswerfen gehet, wo man nichts als hohe
Mauern erblifet. Wie bedaure ich das arme weibliche
Gefchlecht diefes Kandes bei den Alten! Das Schlim̃⸗
2) Olyath. 3. oper. p. 38. et De republ. ordjn. p. 127.
neueſt. hercul. Entdek. 31
te war, daß die Bauart der Fenſter eben fo beſchaf⸗
en ift, wie in den Arbeitöfiuben der Maler und
zildhauer, die es nöthig haben, daß das Licht von
ben bereinfällt.
6. 10. Fenfter, die in einer folchen Höhe ange
racht waren, macheten es fehr befchwerlih, eine
lözliche Neugierde zu befriedigen, (doch, mas rede
h von den Fenſtern in der mehrern Zahl, da In
dem Zimmer nur eines war!) und wein man hinaus
eben wollte, fo mußte man, wie die Kazen, hinauf⸗
fetteen.1) Überdies waren die Fenfler mehr vier
fig als Tänglicht, wie man auf alten Gemälden fie
et, auf ſolchen nämlich, welche Baläfte und Tem-
el vorfiellen ; 2) einige waren überdies von aufien
4) Nach dem Geſeze ded Kaiferd Denn, weiches im Co
der des Juſtinian (tt. de zdif. priv. leg. ı2.) flieht,
machte man in Konftantinopel zweierlei Art Gem
fer in den Häuſern; eine, ſechs griechifche Fuß über
das Pflaſter, die andere kaum fo hoch, daß einer, der
am Senfter faß, der Ausſicht deſſelben genießen Foflte. Dies
geſchah, um den Nachbarn nicht läſtig zu fein, und um
die Ausficht auf dad Meer zu genießen, welche in jenes
Stadt fo großen Reis bat. Diefer Sehrauh wurde .
nachher vom Kalfer Iuftinian, in dem Testen Gelee
jenes Titeld, gur dad ganze römifche Reich ausgedehnt;
befonderd wurde es in Neapel eingeführt umd unter die
Gebräuche dieſer Stadt aufgenommen, im tt. a1. $.
5. Ubi aliquis, wie der Ritter Niccolo Earletti in
feiner Auslegung und Erklärung jened Geſezes (p. 92
seg. et p. 110. seq.) gezeigt hat. über diefe Unterfcheis
dung der Fenſter in erhellende und perſpectiviſche,
die auch zuweilen in Rom und anderäwo üblich waren, kañ
man die Schriftfteller nachfeben, welche der Pater Be
nedetti in feinem Eommentar über die uUlularia des
Plautus (animadrv. 9. p. 22.) anführt. Sea.
2) Man kañ dieſes wohl nicht als allgemeine Regel anneh⸗
men, Die Genfer der alten Kirchen und Wafiliken in
32 . Briefe üb. d.
mit einem gleichfalls vierefigen Gitter. vom maſſiver
Bronze verwahret, von denen zwei ſich, wo ich nicht
irre, unter den herculaniſchen Bruchſtüken ganz er⸗
halten haben. Es war in allem mehr auf den Nugen
und Gebrauch, als auf die Bequemlichkeit ge
'fehen. Das wenige Licht, welches bineinfiel, gab kei⸗
nen Widerfchein, da die Zimmer mit einer röthlichen
oder fchmarzgrauen Farbe gemalet waren, Es iſt aber
sicht wahrfcheinlich, daß. die Häufer in großen
Städten ohne Fenſter auf die Straße follten ge».
bauet gewefen fein. Diele Stellen der Dichter zei⸗
gen das. Gegentheil, z. €.1)
Neo flenti dominæ patefiant .nocte fenestræ.
6. 11. Waͤren vor Alters alle Fenfler in Nom
fhöne Bierefe, und in gleicher Höhe angebracht ge-
wefen, fo würde das fchöne Mädchen, von dem Ti-
bullws redet, ?) die zum Fenſter heraus ſah, nicht
von der Höhe herabgeſtürzet ſein:
Qualis ab excelsa præceps delapsa feuestra
Veuit ad iufernos sanguinolenta lacus.
$. 12. Sener alte römifche Baumeiſter, der fich
gegen einen vornehmen Nömer erbot,; ihm fein
Haus fo zu bauen, dag niemand von aufien hinein-
Kom, weldhe, wie jeder weiß, nah dem Muſter der at;
ten heidniichen Bafilifen erbauet waren, hatten die
Form eined fangen Viereks; und fo fieht man fie auch
in ben überreſten einiger alten Gebäude und auf erhos
benen Arbeiten. Fea.
1) Propert. J. 3. eleg. 18. am Ende. Daß die Fenſter
auf die Straße hinausgingen, ſcheint keines Beweiſes zu
bedürfen, da Vitruvius, (I. 6. c. 9) fo viele andere
Schriftſteller, und vornehmlich die römiſchen Geſeze in
ben Pandekten (l. 8. tit. ı. De servitut. præd. urban.
et 1. 9. tit. 3. De his, qui effuderint, vel dejecerint.)
fo oft derfelben erwähnen. Sea.
2) L. a. eleg. 6.
neueſt. hereul. Entdek. 38
ſehen köñte, wollte ſolches vielleicht auf die nam⸗
liche, ländliche, municipaliſche und aleppiſche Art be⸗
werkſtelligen. Ob ferner die Alten in ihren Fenſtern
Glasſcheiben gehabt haben, oder nicht, kañ aus kei⸗
nem Schriftſteller bewiefen werden. 1)
2) Viele glauben, die Glasſcheiben su Senftern in einer Stelle
des Plinius (l. 36. c. 265. sect. 66.) angedeutet zu fin
den, wo er, nachdem er die Stadt Sibon, die ihrer
Glaswerkſtätten wegen im Altertume berühmt war, ans
führt, und hinzufügt: siquidem etiam specula excogita-
verat. Salmafius (Plin. excreit. in 3olinum, t. 2.
ec. 52. p. 771.) ift der Meinung, daß dad Wort specu-
laris die ganze Gattung beseichne,, und daher alle durchs
fihtigen- Senfter , fie ntögen aus Phengited, oder aus
Glas, oder auß einer andern durch ſichtigen Materie
verfertigt fein. Wahr ift ed indek, daß die Schriftftefler,
weiche genauer und umfändlicher davon neiprochen has
ben, immer den lapis specularis befonderd meinen, 3.
3. die beiden Plinius, Seneca, Martial, ber
b. Bafiliud und Philo. Köfte man annehmen,
daß auch der Rechtsgelehrte Ulpianus (1..Quzsitum est
12. $. Specularia 25. fl. De instr. vel instrum. leg., l.
Nam et si ramos 9 $. Si tamen ı. fſ. Quod vi aut
clam ,) diefed Wort in feiner eigentlichen Bedeutung
gebraucht habe, fo würde man fagen können, daß noch im
Anfange des dritten Jahrhunderts chriftlicher Zeitrech⸗
nung ber Gebrauch des lapis specularis, und nicht des
Glaſes, deren nicht befonderd erwähnt wird, allgemein
geweſen ſei. Vielleicht Hat man diefen Stein, als eine
Art von Bergkryſtall, oder als einen koſtbareren ebleren
und reineren Stof ald dad Glas, dem lezteren sur Zeit
bev Kaifer, wo der Lurus fo berichend war, eben ſo
vorgesogen, wie man jezo dad Kenitallafad jenem vor
sieht. Sonſt ift ed kaum glaublich, daß die Alten fich
des Glaſes nicht ſollten bedienet haben, das mehrere
» . Sahrhunderte früher ichon fo gemein war, und -deffen Et:
genfchaften ihnen nicht unbefafit fein kofiten. Eie be
dienten fich aufferdem noch de Spekſteins, der Selle,
Tafeln von Horn, und anderer Mattrien dazu.
34 Briefe üb. d.
6. 13, Alle Altertumsforfcher verneinen Tolches
einflimmig. Zu Bortici babe ich aber unter andern
alten. Bruchftüfen große Stüfe Glas in Tafeln oder
in Scheiben gefehen, die vielleicht zu Fenſtern ge
dienet haben. 1)
6. 14. Daß die Slasmacherfunft bei den Nö⸗
mern ganz gemein, und das Glas in fehr niedrigem
Breife war, bemweifen eine Menge Flafchen zu ver»
fchiedenem Gebrauche. Die Ziflafchen find auf die
nämliche Art gemachet, wie dieienigen, worin das
Provenceröl verfandt wird. Es ward mir einmal
von einem römifchen Gelehrten eine Stelle aus des
(Harenberg. De Specular. vet. c. ı. n. 5. in Thes. novo
.theol. philol. etc. Ikenii, t. 2. p. 83ı.) Sen.
4) Es if ein Tateinifcher Brief des D. A. Nixonii Angli
ad Rodulphinunı Venuti etc. vorhanden, der im Gior-
nale de’ Letterati, Roma 1758. p. 163. auf neue abaes
deuft flieht, und ein kurzer Auszug einer Differkation
defielben: De laminis quibusdam candidi vitri e ruder=-
bus Hocrculaneis eflossis, it, welche in den Verbands
Iungen ber Gefellfchaft der Altertümer zu London einges
rüft worden. Diefer Brief it den 31 Juli 1759 ges
ſchrieben, und den 16 Ausuft 1758 ſchrieb Winckel⸗
mai den vorliegenden Brief. Aber im Jahre 1772
fand man in einem aufsegrabenen Haufe su Pompeii,
an der Mittagfeite deffeiben in einer Mauer, ein etwa
drei Palm Hohes vierekiges Genfer von fehr gutem Glas
fe, das aus mehreren vierefigen Scheiben, jede ungefähr
einen Palm - groß, zufammengefest war, aber nicht. auf
unfere gewöhnliche Art mit Blei, fondern auf engliſche
Weiſe; dei die Scheiben waren hinlänglich dik und
batten eine vollkommene Kryſtallklarheit. Diefe Glas⸗
ſcheiben waren bis auf zwei ganz geblieben, wahrfchein:
lich weil der Regen von Heinen Steinchen ſenkrecht ge
fallen war. Blos die Einfaffung von Holz hatte fich
gänsiich versehrt und in Erbe verwandelt. Diefe Nach⸗
richt theilte bee Abate D. Mattin Zarillo, Mit
glied der Herculaniichen Akademie, einem Sreunde bed
Nbate Sea mit, Fernow.
neueſt. hercul. Enidek. 93
Auden Philo Merken angeführet, die den Gchraudh
der Glasfenfter bei den Alten beweifen follte, und
befonders: in dem Buche de Legatione ad Cajum
wurde mir eine dergleichen noch genauer von dem
Eatferlichen Gefandten zu Neapel, dem Graven Fir.
mian angegeben; einem einfichtsvollen, in allen
Theilen der Gelehrſamkeit gleich bemanderten, und
dabei befcheidenen Herrn. Sch bleibe bei diefer, von
feinem andern angeführeten Stelle fichens und es
feblete nicht viel, daß die bloße Verficherung dieſes
gelehrten Mannes mich verleitet hätte, mich darauf
zu gründen. Inzwiſchen nahm Ich mir die Mähe,
die angezeigete Stelle nachzulefen ; 1) ich fand aber
gerade das Gegentheil. Er redet dafelbfl von einem
der Zimmer, in welches die jüdifchen Gefandten von
Alegandrien an den Katfer Cajus geführet wur
den, und faget: Kas reperduv mpograrTu Tag WW Kun
Am Iupsdag avarndImx Tag varı Asvan —B
mapamıneiwg Audoıs. Obambulansque jussit eircum-
quaque fenestias obduci, (oder beffer : erböben, im
dem man fie von unten nach oben in die Höhe siehet,)
lapidibus haud minus pellucidis, quam vitro can-
dido.2) In meinen Erxcerpten, die ich in meiner
ı) Philonis Oper. t. 2. p. 599. lin. ı6. edit. Mangey.
2) Wahrfcheintich if diefe Stelle unbedenklich nach ben früb⸗
ren Ausgaben und Überfesungen ded Werkes Philonid
angeführt worden, wo man irrig fo überfeste: obanıbu-
lansque jussit circumgquaque fenestras claudi vitro can-
dido, simili specularibus lapidibus; ftatt daß man, wie
Winckelmañ oben, hätte überſezen follen. Nichts deſto
weniger möchte ich fagen, daß Philo vielleicht Glas⸗
fenfter gemeint, oder wenigſtens doch bad Dafein dev:
felben vorausgefest habe. Erſtlich bemerfe man, daß er
tur; zuvor gejagt, bie alerandrinifchen Gefandten bätten
fih vorgenommen, alled Merkiwürdige zu berichten, was
fie bei ihrer Einführung zu dem Kaiſer geſehen; und
unter anderm führen fie die Zenfter an, welche aus ct
36 - Briefe üb, d.
Einfiedelei zu Nötheniz gemachet babe, fand ich nach⸗
ber in eimer Stelle des Hieronymus, daß die -
Glasfenſter bereits im fünften Sahrhundert gebräuch-
lich geweſen; es ill aber bei diefer Stelle blos der
Name des h. Kirchenvaters angeführet. Diefe Nach⸗
nem Steine, specularis genafit, verfertigt waren, der
vermuthlich in Alerandria noch unbekañt war, da er
erſt ſeit kurzem in Rom zum Gebrauch eingeführt wor-
den. Man fehe den Seneca (epist. 60) und Plinius
(1. 36. c. 22. sect. 45.), welcher: lestere ſagt, daß der
Herſte und beſte aud Syanien gebracht worden, dail
aber Habe man ihn auch aus Eypern, Kappadocien,
Sicilien, und zulest auch aus Afrika gebracht. Dars
auf vergleichen die Abgefandten Teine Eigenſchaften mit
denen des Glafed, und fagen, er fei eben fo durchfich«
49, habe aber den wichtigen Borsug, daß er die Ge
= „mäder vor dem Eindringen des Winded und der Gons
.: nenhise ſchüze, welches dad Glas nicht thue: ci mc -- -
gas 5x iuncdiison, ampır di MOYSTL as TV ap
Ars gAryauıy: quibus lux admittitur, ventus et solıs
zstus excluditur. Diefer Vergleich und dieſe Ausdrüfe
(Heinen vorauszuſezen, daß man dad Glas gleichfalls zu
Senftern gebraucht: habe; und diered wird noch wahrs
ſcheinlicher, weil man evwäst, daß die Alerandriner in
Verfertigung von Glasarbeiten vorzüglich gerchift waren ;-
und die Slaßfenfter, die man in Pompeji gefunden, das
kurz nachher verfhättet worden, erheben die Vermu⸗
thung beinahe zur Gewißheit. Eben diefer Meinung
iſt auch Winckelmañ in feinen Unmertungen über
bie Baufunft der Aiten, [1. 8. 62 $.]. Sen.
Legatio ad Cajum Cas. $. 93. p. 84. edit. Lips. Das
feilbſt heißt ed, dan der Kaifer bei der Audienz, die er
den Juden ertheilt, in verfchiedenen Zimmern, oben und
unten, umhergegangen. (Huss Wwaursue:s MapnKLAB-
9° ur ara xara, naraxasvaiuns, erzählen die jüs
diſchen Gerandten von ihrer Audienz; und mach einigen
Doiichenreden: Ipcuasıs us Meyar Cunıy eKemndnoe, zus
min dar wpuTarTen, Tas 0 wurim Dupidas avarıp-
Iayas Tin VAR Asuau Fapamınaıı (Hapamincınc) die-
. earıaı MI, Ca To mer pas cur sumidiüsan, arsuır de
neueft, bereut, Entdek. 37
richt if aus den Abhandlungen der königlichen pa⸗
rifer Afademie gesogen, 1) mo fie ganz kurzweg an-
geführer wird, ohne den Theil oder den Drt anzu⸗
geben. 2) Eine Schöne Auskunft für diefenigen, die
wupyarı naı rn ap Ns pacyuor. Dieſes fcheint zu fagen:
» Die Senfter u erneuern oder zu verbeffern mit
»durchſichtigen weiffen Steinen, die bem weiſſen
» SIafe ähnlich find, und das Licht nicht hindern , fondern
„ den Wind abhalten und die Sonnenglut;“ woraus nicht
fiher auf Glaſsfenſter su ſchließen if. Siebelis.
1) M. de Vallois, de l’origine du verre, et de ses diffe-
rents usages chez les anciens. Acad. des Inscript. t. ı.
Mist. p. 113.
.2) Ich glaube, bie Stelle aud dem h. Hieronymus fei
die folgende: Comment. in Ezech. Il. ı2. c. 41. v. 13—
14. op. t. 5. col. 501. E. wo er von dem Tempel zu Je
vufalem fpricht: Fenestre quoque erant facts in modum
retis, instar cancellorun : ut non speculari lapide, nec
vitro, sed lignis iaterrasilibus et vermiculatis claude-
rentur. Windelmar führt in feinen Anmerkungen
über die Baukunſt, und inden Denkmalen, 4X.
12 8. 204 Num. eine Stelle aus dem Lactantius Sir
mianus, welcher gesen dad Ende des dritten Jahrhun⸗
derts fchrieb, an, (de opif. Dei. c. 8.) Manifestius est, men-
tem esse, quæ per oculos ea, qua sunt opposita, tran-
spiciat, quasi per fenestras lucente vitro aut speculari
lapide obductas. Ich glaube, daß auch Prudentius
(Peristeph. hymn. 12. v. 53.) von Glasfenſtern ſpricht, (wie
Dafelbk vom Pater Chamillard in den Noten be;
merft worden,) wo er die Kirche St. Paul, aufierhalb
Rom an dem Wege nach Oſtia vom Kaiſer Conſtan⸗
tin erbauet, befchreibt ; und von gemalten ober vers
ſchieden gefärbten Gläfern, wie Pabſt Leo IL. um das
> Ende dei achten Jahrhunderts in die Bafilica bed Laterand
ſezen ließ, wie An aſt aſius im Leben diefed Pabſtes fagt:
(t. 1. sect. 408. p. 303.) fenestras de abside ex vitro di-
versis coloribus conclusit atque decorarit. Gen,
38 | Briefe üb. d.
fh an einer oberflächlichen Keñtniß begnügen. 1)
Ramine fcheinen nicht gebräuchlich gewefen zu fein,
und viele Entdefungen befräftigen dasienige “mas man
aus Vitruvs Stillfchweigen über die Bauart einer
uns heut zu Tage fo unentbehrlich gewordenen Bequem-
fichfeit muthmaßen fan. Die wohlhabenden Leute unter
den Alten waren aber, ohne Kamine, bei einem blo⸗
fen Feuerbeten beffer wider die Kälte verwahret, als
wir. DD Shre Dfen, welche von denen, die davon
4) Daſſelbe Förte man auch dem Salmaſius vorwerfen,
welcher am genaiten Orte den 6. Hieronymus auf
dieſelbe Weiſe anführt. Sen. '
2) iiber die Streitfrage: ob die Alten Ramine gehabt
oder nicht, iſt bereitd von Gelehrten und Baumeiftern
fo viel gefchrieben worden , ohne etwas Gewiſſes darliber
auszumachen, daß es überflüſſig fcheint,, Hier aufs neue das
von zu forehen. Der Pater Benedetti, in feinen
Eommentar über. die Yulularia des Plautuß (Aninı-
adv. 9.) verbreitet fih weitläuftig darüber, und nad
dem er die verſchiedenen Gründe, welche moderne Schrift:
ſteller für und wider den Gebrauch derfelben beigebracht
haben, geprüft, und die Stellen der Alten, welde für
den Gebrauch derfelden fprechen, nach feiner Weiſe ers
klärt Hat: glaubt er behaupten zu Eönnen, daß die Ver
mwohner des obern Stokes, ‘ober folder Häufer, die nur
einen Stof hatten, den Rauch duch dad Dach, oder
durch den Gipfel deſſelben hinaus ließen ; die Hingegen,
welche im untern Stofe wohnten, ihn aus einem in der
Höhe ded Zimmers angebrachten Senfter, oder durch eine
Hfnung der Mauer entließen, oder daß fie eigens eine
Kammer hielten, in welcher ber Rauch fich fammeln und
dañ zerſtreuen koũte; daß endlich. die Edlen und Reichen
ſich der Hfen (stufe) und Feuerbeken bedient und In Hfen
Holz gebraft haben. Seine Gründe, den Gebrauch der
Kamine zu läugnen, find theild,- daß die Reichen und
Vornehmen nicht jo viel fir bie Öfen (stufe) würden
aufsewantt haben, wei Kamine üblich gewefen wären;
ferner, weil Bitruvimsund kein anderer alter Schriftſtel⸗
neueſt. bereut. Entdek. 39
eſchrieben haben, nicht recht verſtanden worden,
eizeten die Stuben, ohne daß die Hize dem Kopfe
fer derſelben erwähnen; weil ſich Feine Spuren derſelben
in alten Gebäuden finden, und endlich, weil man an den
Dächern der Gebäude, welche auf alten Gemälden und
Muſaiken dargeftelit find, Feine Spuren von Schornfteis
nen ſehe. Früher fchon Hatte der Marcheſe Maffet
eine Abhandlung über diefen Gegenſtand gefchrieben ,
weiche fih im 47 Bande der Saftlung bed Paters Ca⸗
Iogera, S. 65 u. f. befindet, wo noch mehrere alte
Schriftſteller, ald vom Pater Benedetti, vernommen
werden, und endlich aus denielden Gründen, welche von
dDiefem angeführt worben, behauptet wird, die Alten
haben zwar eine Art von Kaminen gehabt, fie feien
aber von den unfrigen verſchieden geweſen.
Im Grunde war es thöricht und Findirch, dieſe Streit
frage auch nur aufsuwerfen. Die Alten, welche fo geſchikt
fowohl dad Waller als die Wärme, vermittelft swifchen
den Mauern angebrachten Röhren, durch alfe Theile ihrer -
Gebäude zu leiten wußten, follten nicht verftanden has
beit, auch den Rauc auf gleiche Weiſe zu leiten? Iſt
ed glaublih, daß fie in einer Stadt wie Rom, den
Rauch aud den Zenftern oder aus Öfnungen in der
Wand gelaſſen, und dadurch die Auffenfeite ihrer Häu⸗
‚ fer beſchmuzen, den Bewohnern ber obern Gemächer, den
Nachbarn, und den auf der Straße Gehenden befchwer:
ch fallen können, befonderd weit der Rauch aus gewiſ⸗
fen Wertfrätten Fam, wo übelriechende Stoffe bearbeitet
oder verbrafit wurden? Dad Stillſchweigen des Vitru⸗
vius beweiſet nichts, deũ dieſer Baumeiſter, wo er von den
Haͤuſern der Stadt ſpricht, erwähnt eben fo wenig der
Küchen und der Trepen, und anderer Theile derfelben.
Eben fo ungegründer ift ed, daß Fein: anderer alter
Schriftfteller der Kamine erwähne. Einer mag hier flatt
aller genügen, es if der Mechtögelehrte Ulpianuds
1. Sicut autem 8 $. Aristo 5. seq. fl. Si servitus
vindicetur etc. Wo er die GStreitfrage erzählt, ob es
den Eigentümern ber Werkſtätten und Buden, folglich
auch den Bewohnern ded Erdgeſchoſſes erlaubt fei, dem
: Rauch aus den Senftlern oder andern fnungen ber
x 0.
40 Briefe üb. d.
befchwerlich fiel; deñ fie wurde dadurch gemildert,
daß man fie nach Nothdurft und Belieben überall
Mauer ziehen zu Iafen, fo dag die Bewohner der obern
- Zimmer davon beläfiigt werden Eönnen, und dag Ari:
fon entfchieden habe: es fei nicht erlaubt. Ein folcher
Streit hätte gar nicht ftatt finden können, wer der
Rauch in allen Häufern, nad Gewohnheit oder aus Noth⸗
wendigfeit, folchen Ausgang gehabt hätte.
Da ein ſolches Geſez vorhanden war, fo läßt fi
auf gleiche Weiſe nicht nur die Stelle ded Ariſtopha—⸗
ned in den Weſpen (v. 173.) ohne Schwierigfeit von
dem Rauchfange verfichen, wie fein Scholiaft darelbft
ſehr richtig erklärt, und beim Appianus (de bello
civ. 1. 4. p. 596.), wo er von den Verſchwornen zu den
Zeiten ded Caſars und Lepidus fpricht, welche fich
inden Röhren undim SchIot des Kamind, und unter
„dem Dache verborgen hatten: pars. mergebantur in pu-
teos, pars in cloacas impurissimas; quidam in fumaria
vel summas sub tegulas refugi sedebant cum silentio
maximo; fondern auch jene alten Schriffteller , welche des
Holfeuers in den Gemäcern erwähnen, und vom Pater
Benedetti angeführt, aber falfch verftanden worden;
und andere, welche vom Rauch und Raucdfang reden,
1.8. Pollux, welcher (l. 7. c. 27. segm. 123.) zu den
Theilen ded Haufed den Rauchfang oder Shornftein
rechnet: xamrıny xas zamııdacmy, fumum et fumale; dem
auch Suidasinden Wörtern zamın a zamvrodıan folgt, und
Sidonius Apollinaris (l. 9. epist. ı3.) Arabunı-
que messe pinguis petat alta tecta fumus. Daß ſich an
alten Gebäuden Feine Spuren von Kaminen gefunden,
Tail man der Berchaffenheit und Form ihrer Ruinen sus
schreiben ; und daß man auch an den auf erhobenen Wer:
fen, Gemälden und Mufaiten abgebildeten Häufern Feine
Scornfteine fieht, Tail feine befondere Urſache haben,
viehteicht weil man fie da für überflüfig oder für entftel:
lend hielt. Auch im Pirgil finden ſich ein paar Stellen,
die Ihe Dafein andeuten: Eclog. ı. v. 84. seq. und Æneid.
I. ı2. v. 567. So nelit auh Tertullian (De panit.
c. ult.) bie feyerfpeienden Berge fumariola, wegen ihs
wer Sigur, womit fie fich über der Erde erheben, wie
neueſt. bereut. Enrdek. 41
inleiten Tonte. Nach demjenigen, was ich theils
der Zeichnung/ theils in den überbleibſeln der
die Schornſteine über den Dächern der Häufer. Auch die
Kamine oder Herde, welche mitten in den Zimmern deu
Häufer von einem Stofwerfe, oder In den obern Zimmern
nahe unterm Dache glofenförmig gebauet waren, mußten
ihren Rauchfang haben, Srancedco di Giorgio
bat drei derfelben von verfchiedener Art in den Ruinen
alter Gebäude gefunden, wie er in einem Aufſaze meldet,
welcher handichriftiih im der üffentlihen Bibliothek zu
Siena (n. 26.) aufbewahrt, und von Scamozzi (Dell’
Archit. P. ı. I. 3. ec. 21.) und von andern angeführt
wird. Die bieher gehörise Stelle jener Schrift Tautet:
» Die Alten bedienten füh der Kamine, , wie ih an
„ mehreren Orten gefehen habe. Nahe bei Peru⸗
» Sia auf dem Pianello Habe‘ ich in einem alten
„Gebäude einen Kamin gefehen, der drei halbzirfelfürs
„» mige Niſchen an feiner Bafe hatte, und oben ein Ge
„ wölbe mit einem runden Loc in der Mitte, we Rauch
» and Feuer den Ausgang Hatten; ringsumher war er
„ mit Mauern von 8 Fuß Breite und 6 Zuß Länge .
» umgeben, wie folgende Figur zeigt, [die man unter
. Mumero 5 am Ende diefed Bandes abgebildet fieht.]
Den zweiten ſah th au Baja bei der Piſcina mi:
»rabile ded Nero; diefee befand fich in einem Vier
»eke, dad von jeder Seite 19 Fuß breit war; in der
« Mitte 'deſſelben ftanden vier Säulen, auf denen ein Ges
» bälk ruhete: auf diefem Gebälf erhoben. fih rings uns
un Ber die Gewölbe sehn. Fuß hoch von der Erde, mit Sir
2 guren von Stucco bewundernswürdig verziert. Zwifchen
„ den vier Säulen erhob ſich eine kleine pyramidenfoör⸗
„ mige Kupel, ‚aus weicher der Raud) feinen Ausgang
” nahm, wie folgende Figur zeiget, [die man unter Aus
Biere 6 zu "Ende dieſes Bandes abgebildet sehen kañ.)
. „ Einen dritten habe ich bei Clvitravecchia aefehen, in
» einem Viereke von faſt gleicher Größe wie der fo eben
„beſchriebene, unb von folgender Geftalt: an den Efen
„ traten vier Krasfteine hervor, auf denen vier Archi⸗
» trade ruheten. Auf dieien erhob fih die Pyramide des
2*
42 ‚Briefe üb, d.
Billa Zufeulana gefehen babe, fan ich einige Be⸗
griffe davan geben, ohne den Juſtus Lipfius, 1)
und andere, die fih nach den alten Schriftfiellern
ein Syſtema gemachet haben, zu Nathe zu ziehen. In
dem Palaſte der gedachten Villa zu Serculanum bat
man nicht das geringfie Merkmal weder eines Dfens,
noch eines Kamins, gefunden, mohl aber in einigen
Zimmern einen Heil von Kohlen; ein Zeichen, daß
fie die Zimmer vermittelft eines Kohlenbefens cr-
wärmeten. Am Abhange des Hügels aber, auf wel-
chem die Billa fand, war ein nicdriges Gebäude,
das zum Winteraufenthalte dienete. Unter der Erde
waren und find noch einige Kleine Kammern übrig
geblieben, ie zwei und zwei, die fo Boch find wie
ein hoher Tifh, und fchmaler als Ihre Studirſtu⸗
be, (die ich überall zum Maßſtabe annehme, fo gut habe
ich folche im Gedächtnifle behalten, und ich hoffe fie.
auch wieder zu fehen;) aber fie haben feinen Ein«
Hang. ZIn der Mitte ſtehen Fleine Pfeiler von Zie⸗
geln, die, ohne Kalf, blos mit Thon verbunden
„ KRamind, wo der Rauch hinaussing. An jeber Seite
„ befanden fich zwei Heine Senfter und eine halbzirkel⸗
» förmige Niiche, in weicher vermuthlich Bildwerfe fans
„den, vier Fuß hoch von der Erde: audgenommen an
„ der Seite des Einganged, ſwie die unten ſtehende Sis
sur zeiget, die unter Numero 7 abgebildet if.)
„Ih Habe diefe Kamine mit großem Sleiſſe aufge
» fucht, und weiter ?eine mehr finden koͤnnen; auch
„ glaube ich, daß fich deren in Stalien nicht noch andere
„drei finden; umd ich habe nie einen Menſchen gefe
„ben, der davon Kunde gehabt Hätte ES wundert
„ mich, daß weder Vitruvins, noch ein anderer Schrift:
ſteller Über Baukunſt, der Kamine der Alten erwähnt
„bat. — Gen
ı) Epiet. ad Belg. gent. 3. epist. 76, oper. t. 2. p. 519.
«eg. ’
!
neneft, hertul. Entdek. 43
ſind, damit ſie deſto beſſer dem Feuer widerſtehen;
und in ſolcher Weite, daß ein großer Ziegel, der
auf zwei dieſer kleinen Pfeiler aufgeleget wird, ge⸗
rade auf der Hälfte des einen und des anderen ru⸗
het.1) Aus ſolchen Ziegeln beſtehet die Deke, die fo:
zu ſagen flach iſt, und den Fußboden eines kleinen
Zimmers traget, das eben fo breit, und von einer an⸗
gemefienen Höhe, vder vielmehr etwas niedrig iß.
Der Fußboden diefes Zimmers war von grober Mufine
arbeit, und die Wände waren mit verfchiedenem
Marmor beleget. In diefem Fußboden waren vier:
efige Nöhren eingemauert, deren Mündung in das.
unterirdifche Kämmerchen ausging. Diele Röhren:
liefen vereiniget innerhalb der Mauer bes Zimmers,
das unmittelbar über dem Kammerchen war, in ei⸗
nem bedefeten, und mit einem überzuge von feinge⸗
ſtoßenem Marmor bekleideten Gange, bis in daB.
Zimmer deg zweiten Stofwerfs, und ba Tiefen fie bie
Hize durch eine Art aus Thon gebranter Hundskönp⸗
fe/ 2) die mit Stöpfeln verfehen waren, von ſich—
teniedrigen Kammern unter der Erde waren die
fen; vor folchen war ein ganz ſchmaler Gang, von
dem dritten Theile der Breite der Kammer, und in
biefen engen Gang gingen große vierefige Ofnun⸗.
gen aus dem Dfen heraus, die einen Querfinger breit
über dem Fußboden erhöbet, und der halben Höhe
zweier inmwendiger Pfeiler gleich waren. Durch diefe
Dfnungen wurden angebraite Kohlen) hineinge-
4) BVitruvius (l.5. e. 10.) und Pallad ius (de re rust._
l. 1. c. 40.) reden deutlich von bdiefer Art von Arbeit
zu den fen (stufe). Sea.
2) Sn den Anmerkungen über die Baufunft ©,
72. find ed Löwenköpfe, und died ſcheinen fie wire
lich geweſen su fein. Sea.
3) Dder vielmehr Holz, wie. weiter unten wird sefast
werden, Gen.
44 Briefe üb. d.
than, die, nach dem Maße ihrer Menge, die ganze
Ziegeldeke hinlaͤnglich erhizeten, und dieſes Zimmer
dienete zur Schwizſtube. Die Hize des Ofens, die
ſich in die Mündungen der Röhren gezogen hatte,
zog ſich innerhalb der Mauer fort, und theilete ſich
dem Zimmer über der Schwizſtube mit. In Anſehung
der unterirdiſchen Kammern oder fen bleibet
einiger Zweifel übrig: deñ da ſie ohne Eingang,
und auf allen Seiten vermauert waren, bis auf die
vierefigen Zuftlöcher, fo iſt es fchwer zu begreifen,
wie.fie es anfingen, die Afche heraus zu holen, da
der vor benfelben befindliche Gang ſo enge war,
daß man daſelbſt Feine Schaufel handhaben koñte.
Sch: finde Teinen andern Ausweg, als zu vers
mutben , : daß fe durch eines der vierefigen
“Löcher einen-Fleinen Knaben hineinfchiften; den zu
dieſer Art: von Reinigung fcheinen ſie hinlaͤnglich
groß zu ſein. 9
9 Zur deutlichen Ertlarung alles deſſen, was hier geſagt
worden, ſehe man die Abbildungen unter Numero 18,
19, 20, und die Erklärung derſelben, wo ausführlicher
u; von dieſen stufe, und denen, bie anderwärts gefunden
1. worden/ die Rede ſein wird. Fea.
3%. ‘ v .
2 u0mtah
neueſt. beremt, Entdek. 45
(Nachricht von den herculaniſchen Gemälden.)
$. 15. Es wäre von großer Wichtigkeit, zu wiſſen,
ob die herculaniſchen Gemälde, menigfiens die
größten, von griechiſchen oder römifchen Meiftern
gemachet worden. Wen man den Grundriß aller un-
terirdifchen gegrabenen Gänge hätte, und andere
Umſtände damit vereinigete, fo köñte man vielleicht
einige wahrfcheinliche Muthmaßungen wagen. Was aber
das Sehen diefes Grundriffes anlanget, fo find alle
meine Bemühungen fruchtlos geweſen. Wie ein Medu⸗
fenfhild wird einem fogleich und bei allen Gelegen-
heiten das Verbot Seiner Majeſtät vorgehalten.
Während meines Aufenthaltes in Bortici entdefete
man das Fragment einer Fleinen halben Figur, mit
einem reizenden Gewande vol zierlicher Falten. Am
Kopfe fand der verflümmelte ‚Name: DIDV. 1)
Diefe Heine Figur ift den fchönften im Mufeo gleich,
und wen ich nicht irre, iſt fie von der Hand eines
römifchen Malers, und viele andere fönnen es gleich»
falls fein. Aus dem Plinius weiß man auch, daß
der Maler Ludius zu des Auguſtus Zeiten der erfle
war, der Laudſchaften, Brofpecteu. f. wm. malete;
den die Griechen liebeten die Vorſtellungen unbelch-
ter Gegenflände nicht. DI) Folglich if der größeſte
4) Findet fih in den Pitiure d’Ercol. t. 8. p. 23ı. Bea.
2) Plinius irret, wei er den Ludius für den Erfinder
diefer Art von Malerei hält; oder man muß ihn fd vers
ſtehen, daß derfelbe fie suerft in Rom eingeführet Hat,
wie auß dem Vitruvius erhellet. Bei den Griechen war
diefe Art von Malerei feit Platos Zeiten, alfo 300
und mehr Jahre vor dem Ludius, im Gebrauche, wel⸗
er ihrer im Kritiad (princ. op. t. 3. p. 107. c.) er⸗
wähnt. Er fast daſelbſt: „Land und Gebirge und Stüffe
„ und Wälder, ja den ganzen Himmel und was an ihm
„beſteht oder fi) bewegt, wagen fie zu malen. “ Ein
viel ältered Beiſpiel von ähnlichen Darftellungen kañ man
46 Briefe üb. d.
Theil der herculaniſchen Gemälde, die in Proſpee⸗
ten, 2andfchaften, Häfen, HSäufern u. dergl.
befteben, römifche Arbeit. Der griechifche Geſchmak
mar überdies zu harmoniſch, um bie fchlechten ar»
chitektonifchen Borftellungen zu machen, welche fich oh⸗
ne Negeln und Broportion auf diefen Gemälden finden.
Aber ſchon unter dem Auguſtus fing das ausſchwei⸗
fende Sahrhundert an, und riß der verborbene Ge⸗
ſchmak ein, wie ich in meiner Geſchichte der
Kunft davon Beweiſe angeführet babe. Faſt alle
noch fiehende Gebäude aus Auguſti Zeiten find un⸗
harmonifh. An dem Triumphbogen zu Nimini if
fein Verhältniß zwiſchen den Säulen und der Breite
des Bogens: und der dem Auguſtus und der Koma
gemweihete Tempel zu Diilafio!) hat am Vordertheile
dorifche Säulen, und an der Seite jonifche mit
versgierten Bafen, die Kapitälen ähnlich fehen; wel⸗
ches die alten Griechen nie im Gebrauche gehabt haben,
Bon den Säulen und den Architraven in der Ro
tunda will ich bier gar nichts. erwähnen. In dem
großen Gemälde von der Geburt des Telephus?)
findet man in der That feinen griechifchen Styl.
Herkules hateineunedle und baͤuriſche Geſichts⸗
bildung, und fiehet keinem griechiſchen Herkules
m der Arbeit des Vulcans, auf dem Schilde Achilus
beim Homer, finden (Iliad. 1. 18. v. 478. seq.), wo
Erde und Meer, Himmer, Sonne, Mond und Sterne,
und Menichen, die fich befriegen, akern, tanzen, Hoch⸗
seit Halten, Herden waiden, und mit einander Streit har
ben, dargeftellt waren. Gen,
DB Pocockes Reifen (Vol. 2. p. 2.) im enslichen Ori⸗
ginal, wo diefer Tempel auf der 55 Kupfertafel, S. 61
vorgeſtellt if. In der deutfhen windheimiſchen
fiberfesung if ed Th. 3. S. 90, Daßdorf.
3) Pitture d’Ercolano, t. ı. tar. 6.
neueft. hercul. Entdek. 47
Ahnlich. Alle Griechen ſcheinen einmüthig über ein
beitimtes Ideal ihrer Gottheiten einverflanden,-
dem Borbilde gemäß, . das einer der großen Meiſter
aufgeſtellet hatte. Ein junger und bärtiger Herku⸗
fes bat auf den grischifchen, capuanifchen und ten-
nifhen Münzen, in dem Mufeo des Herzogs von
Noia zu Neapel, einerlei Bildung; leztere führet
die Auffchrift, die einige für bertrurifch halten. 9)
Der Kopf des figenden Frauenzimmers, das man
für die Göttin Tellus hält, bat auf dem nämli⸗
chen Gemälde nichts weniger als den fchönen grie-
hifchen Umriß, und die weit aufgefperreten Augen
find viel zu groß, was für ein Bild man fidh au
von den Dohfenaugen, die Homer dem fchönen
Gefchlechte beilegt, zu machen verfucht. .
-$. 16, Die marmornen Köpfe der FZuno haben
feine fo fürchterlichen Augen, und die flüchtig hin⸗
geworfene Meinung des Belon,?) die Büffon in
feiner Description da Cabinet Royal wiederholt, daß
Die Griechen fehr für große Augen eingenommen ges
wefen feien, bie er mit Bildfäulen, Bruſtbildern
und Münzen belegen will, verdienet genauer unter-
fuchet und beflimmet zu werden. Die Zeichnungen auf
Marmor 3) fcheinen alle vier vom nämlichen Meifter
zu fein; die, welche fich am beſten erhalten bat,*)
ift mit dem Namen des Künſtlers AAESANAPOZ
AOHNAIOZ bezeichnet. 5) Das ſchwerſte bei derglei⸗
1) [Wie man anf der dbtefem Bande angehängten Ab⸗
bildung unter Numero 8 fehen Fan.)
2) Observations des plusieurg choses et singularites trou-
vees en Crèce, Asie, Judée etc. Par. 1755. in 4. L
3. ch. 37. p. 199.
3) Description du Cabinet Royal, t. ı, 2, 3, 4
4) Ib. t. ı. u
5 B. t.2.p60
48 Briefe üb, d.
chen Arbeiten find allegeit die äuſſeren Theile der Fi⸗
guren, die in diefem in der That, befonders in An-
fehung der Finger, Tchlecht ausgefallen ind. Der-
jenige, der die Zeichnung davon verfertigte, hat es
Iteber in diefem Stüke verfchönern, als fih genau
an das Driginal binden wollen. Die Köpfe find
fehr gemein. In dem Worte ETPAFEN, welches
auf den Namen des Künfklers folget, flebet auf dem
Kupferflihe ©, ſtatt F. Bei Gelegenheit der Ge-
mälde habe ich eine Bemerkung gemachet, die ans
dem Cölius Apicius und Athenäug!) erläutert
werden Fat. In feiner Zubereitung der Speifen ge-
brauchet er niemals Eitronen; den er faget, daß fie
den Nömern ihrer Säure wegen zumider wären, und
daß fie feinen andern Gebrauch davon macheten; als
folche zmwifchen ihre Kleider zu legen. Die Cit ronen
wurden ohngefähr um diefelbe Zeit nach Kom ge=
bracht, als Zueullug die Kirfchen aus Bontus mit
dahin brachte. 2 In der That finder man zu Por
tiei auf fo vielen Gemälden mit Früchten feine ein»
jige Citrone. Was übrigens das- Mechaniſche der
1) Athenäns ſchreibt: (I. 3. e. 7. S. 26. p. 33. das
man die Citronen nicht aß; —— will er ſagen, in
feinem Vaterlande, In Ag ypten; deñ er führet den Thes⸗
phraſt (Hist. plant. L. 4. c. 4.) an, wo' derfelbe ſagt,
daß man zur Zeit. feiner Großeltern angefangen habe, fi.
zu eſſen. Dioskorides endlich, der nach dem Theo—⸗
phraſt fhrieb, fast: (I. 2. c. 166.) daß diefe Frucht
auch dem gemeinen Wolke befaft fei, und daß vor⸗
nehmlich die Weiber fie aus Gelüften äßen. Plinius
muß alfo blos auf Rom, oder eine andere Gegend eins --
gerchrändt werben, weil er (l. 12. c. 3. sect. 7.) fast, daß
man fie nur ald Gegengift gebrauche, und allein in
Herfien und Medien siehe. Sea.
2) Er brachte den Saum daher, Athen, 1. 2 c. 11. $. 35.
p- 51. Fea.
neueſt. Herent, Entdek. 49
Kunſt anbelanget, fo geben die Herren der Akademit
vor, die Malerei ſei a tempera, d. i. mit Leim⸗
farben auf trofenem Grunde gemachet, unb
verlaffen fich hierin vornehmlich auf das Anfchen des
Fönislihen Baumeiſters Ludwig Vanvitelli,
der in feiner Jugend auch den Pinfel geführet hat;
aber hierzu werden wohl einige Beweiſe mehr erfor
dert. Nun weiß ich aber gewiß, daß man mit dem
alten gemaleten Überzuge nicht die geringſte chemifche
Unterſuchung angeflelet hat, welches doch das ein-
zige fichere Mittel ift, in der Sache Gewißheit zu
erlangen. Dan bätte wenigftens fagen follen, daß
die Farbe durch Neiben von der Mauer abginge; das
mit hätte man fich fo im allgemeinen begnüget. Izo
fan man aber feinen VBerfuch mehr machen, weil die
Bemälde überfirnißet find. Es ift befant, daß der
Firniß die Eigenfchaft bat, die Farben zuſehends
absulöfen, dergeflalt, daß der Achilles 1) Gefahr
Iäuft, in einigen Jahren ganz vernichtet zu fein. Der
Hauptgrund, worauf fih diefe Meinung ſtüzet, if
dieſer, daß fich die Farben ablöfen, und daß man die
Binfelfiriche erhoben bemerfet, wen man die Gemälde
gegen das Licht hält. Allein fomohl das eine als
das anderebemerfet man auch inden Stangen des Ra⸗
phael im Batican; undan der aldobnandinifchen .
Hochzeit, die in den alten Bädern des Titus ges-
funden worden, fan man mit der Sand die Pinfel-
firiche fühlen. Sch will es nicht beflreiten, daß fich
die Gemälde auf trofenen Gründen nicht auch erhal⸗
ten fönten; den ich fand den Beweis des Gegen
theils an einer vor kurzem in einem Weinkerge ang»
gegrabenen Figur, die einen ganzen Monat lang der
Zuft ausgefezet war, ohne ſich zu verändern, wie es
wenigſtens der, welcher fie ausgegraben hatte, ver-
f) Pitture d’Ercolano, t. ı. tav. 8. Gen.
Winckelmaũ. 2. 3
50 Briefe üb. d.
fiherte. Man Fonte die Farbe des Grundes wegwi⸗
fhen, wen man blos mit den Fingern daran rich,
Die Erhaltung bing hauptfächlich von dem Überzuge
ab, den die Alten auf ihren Gemälden mit vieler
Kunft und Mühe anzubringen mußten. Nberhaupt gu
reden, fan man von den Antiquaren in Anfebung
der alten Gemälde wenig Belehrung erlangen: zum
Beweiſe dienet, daß verfchiedene Betrüger alte Ges
mälde um einen Tagelohn nachmachen. Als\ch in
Nom ankam, war die gewöhnliche Unterhaltung eini⸗
ger Antiquare von verfchiedenen hier und dort gefuns
denen alten Gemälden, welche die Sefuiten an fich ge
Faufet hatten. Der Auffeher des Fircherifchen Mu⸗
feums, Pater Eontucet, zeigete fie mir aus bes
fonderer Gefälligfeit. Unter andern iſt daſelbſt ein
Gemälde, das den Epaminondas voritellet, wie
er verwundet vom Schlachtfelde getragen wird. Die
Seene iſt auf eine fchrefliche Art vorgeſtellet. Epa⸗
minondas, der damals nicht viel über vierzig Fahre
alt, und noch in den Vahren war, dag ihm zwei
berühmte Amaften liebeten, ſiehet aus wie ein Geripe,
und iſt eine lange nusgezehrete Figur im Style des
Giotto und noch fchreflicher als ein flerbender Chris
ſtus von Sarravaggio. Er wird von Soldaten
getragen, die über und über mit alten eifernen Rü⸗
flungen befleidet find, mie folche im dreizehenten
Sahrhunderte gebräuchlih waren. Auf dem Arme
des einen fiehet ein Zeichen, das dem arithmetifchen
Zeichen eines gewiſſen chinefifchen Kaiſers ähnlich ſiehet,
ungefähr in folgender Geſtalt.1) Kerner iſt vorhan⸗
den der Tod Birginias, und ihr Vater bat den
Arm mit den nämlichen Charakteren bezeichnet. Ein
anderes ficllet ein Gefecht mit Thteren in einem Am⸗
1) [Wie man auf der biefem Bande angehängten Is
bildung unter Numero 9 feben Lail.)
neuieft. bereut. Entdek. 51
phithenter vor; der Kaifer oder Proconſul ſtehet dem⸗
felben zu, und flemmet fi mit dem Ellebogen auf
den Knopf eines bloßen Degens, defien Klinge lang
und fchmal iſt, auf ſpaniſche Art, oder wie dere
Schweden König [Karl XIL) fie trug; in der Stel-
lung, wie auf Münzen die parthbifchen Köntge fich auf
ihren Bogen fügen. Aufallen Gemälden findet man bes
fondere Charnftere oder Zeichen. Auf die Frage, mas
Diefe Zeichen wohl bedeuteten, antwortete der Aufſeher
ganz zweideutig und fagete: dieſe Gemälde wären
von Palmyra hergebracht worden, und damit mußte
man zufrieden fein. Sch entdefete dem Monfignore
Baldani, einem eifrigen Altertumsforfcher, gelehr-
tem Manne, und vertrauten Freunde des Baters
Contucei meine Zweifel. Er antwortete darauf
nichts weiter, als: „Sch weiß nicht, was ich Ih⸗
„nen fagen fol; zuweilen muß man aufs Wort
„ glauben, und. nicht gar zu tief auf den Grund die
„ Altertümer und die Geheimniffe der Sefuiten un⸗
„terfuchen wollen.“ Der betrügliche Werfertiger
diefer fchönen rare brachte noch viele andere zum
Vorſchein, da er fah, daß fie in Rom fo gut ab»
gingen. !) Wie viele Gemälde der Art find nicht
nach Frankreich und Engeland gefommen!
$. 17. Diefer Betrüger iſt ein venetianifcher
Maler, Anmens Guerra,?) der, ohne nur im Ges
4) Hier folgt in der itafiänifchen Ausgabe ded Sea noch
der Zufas: e ci cascö la dottoressa di Bareith, che ne
comproO quattro, e mantiene loro una lanıpa accesa d’ar
vanti, come i Turchi all’ Alcorano. Sernow,
4) Im Original fand, vermuthlich durch einen Schreibfeh⸗
fer, Quercia; aber Windelman weit ihn, in fer
nem Sendſchreiben $. 48. und in andern Briefe
immer Guerra; auch wird dieſes Betrügers in dem
Giudizio dell’ opera .dell’ Abate Winckelmaun intorne
ringſten fich nach dem Style der Alten zu richten,
arbeitete, wie es ihm einflel, und der gewußt hat,
den Leuten etwas anfzubinden, und fich die Blind⸗
heit der Menfchen zu Nuze zu machen. Der Betrug
mußte einem jeden in die Augen fallen, der nur bie
alten Gemälde, die in Rom geblieben find, betrachtete,
ohne zuerft nad) Portici zu gehen, und die dortigen
zu befichtigen. Die Unverſchämtheit diefes Mannes,
auf die Unwiſſenheit Anderer gegründet, ift fo weit
gegangen, daß er fogar al fresco malete, um feinen
Betrug deflo mehr geltend zu machen. 1)
* %*
$. 18. Geflern vor | acht Tagen Tam ich non
Neapel zurüf.?) Nach und nach will ich Ihnen meine
alle scoperte d’Ercolano etc. Napoli 1765, unter dem
Namen Guerra erwähnt. Gen fagt in einer Anmers
tung: „derſelbe fei blos der Verkäufer, nicht der
„ VBerfertiger der falfhen Gemälde geweſen. Ez
„ follen einentlih ‚Gemälde geweſen fein, die im
„16 Sahrhunderte zu Zimmerversierungen verfertigt wors
„ben, wie damals in Rom üblih war. Nadı der Zeit
„ feten fie weiß überfirichen worden; und zur Zeit dei
» Suerra habe man fie von dem weiffen überzug ges
„ reinigt, aud der Wand gensmmen, und fir Gemälde
.„ audgegeben, die in alten Gebäuden gefunden worden.
„Aus dem bioßen überzuge, auf den fie gemalt worden,
„.bätte man bie Betrügerei entdeken können.“ Sernom
[Man vergleihe Barthelemys Reifen durch Ita
lien, ©. 85 u. f. der deutfchen Ausgabe.)
4) In der italiäniſchen Ausgabe ded Fea folgen noch "die
Worte: tutto essendo dipinto a oleo etc. und dazu
die Note: „Die Gemälde im Cotllegio Romano find alle
„in einer Manier gemalt; man kañ nicht fagen, daß
„» e8 Ölmalersi fei, und begreift nicht, wie fie gemacht
„ find. Einige in Fresco semalte Bilder murden in den
a, Grabungen :bei ber Ruffinella, oberhalb Frascati⸗
‚„ sefunden.“ Fernow.
:2) Diefer Brief iR vom 27 Sebruar 1762. Sen.
neueſt. bereut. Entdek. 53
Bemerkungen mittheilen. Hier folget indefien die
Nachricht von vier alten Gemälden. Unter den lez⸗
ten bersulanifchen Entdefungen behaupten vier Ge⸗
mälde mit Waflerfarben den erfien Rang, die alle
übrigen hinter fich laſſen; und wen nicht: die römi⸗
fhen, von denen ich Ihnen gefchrieben babe, zum
DBorfchein gefommen wären, fo getrauete ich mir zu
behaupten, daß diefe allein hinreichend wären, einen
Begrif von ienen Werfen der griechifchen Maler zu
geben , von. weichen die alten Schriftfieller fo viele
Lobeserhebungen machen. I Sie find im Hercules
no nicht erſt von der Dauer abgenommen worden,
fondern man fand folche in einem Zimmer, zwei und
zwei an die Wand gelehnt,. fo daß die bemalete Seite
auswärts ſtand. Hieraus erhellet ; daß fie von aus⸗
mwärts dahin gebracht, und vielleicht aus einem Ge⸗
bäude in Griechenland oder Großgriechenland weg⸗
genommen worden find; und daß man fie vermuth-
ich erſt aus den Kaflen, in denen fie transportirt
worden, herausgenommen batte,. um fie an einem
oder. dem andern Drte einzufegen.?) Die Arbeiter,
die beinahe das ganze Zimmer aufgeräumet hatten,
und noch etwas: tihriges Erdreich von der Mauer ab»
Iöfen wollten, fließen. mit dem Grabfcheit auf etwas
Hartes, und befchädigeten zwei davon, nämlich das
dritte und vierte, die folglich fehr gelitten Haben.
Alle vier haben einen: dopelten and; der duflere
beſtehet in drei Streifen, davon. der eriie weiß, der
1) [Beſchrieben in bee Geſchichte der Kunſt, 7 8. 3
K. 15—18 $.)
2 In der angeführten Stelle der Geſchichte der Kunſt
äuſſert Windfelman die Meimung , daß die Einwohner in
Herculano nad dem Unglüke ihrer Stadt, die Gemälde
ſelbſt aus der Maner gefchnitten haben, um fie wegzu⸗
führen. Ferno w.
54 Briefe üb, d.
mittlere violett, und der dritte grün iſt, die eine
dunfele Einfaffung haben, und alle drei find von der
Breite der Spize des fleinen Fingers. Der innere
Nand ift weiß, und breiter als die drei Streifen des
äufferen Randes, nämlich einen ftarfen Finger breit.
Die Figuren find zwei Palmen zwei Zoll römifchen
Maßes bach. Das Helldunfel iſt meitterhaft; die
Schatten find in großen Mafien in der fchoniten Har⸗
monie und Abſtufung aufgetragen. Sch babe fie
Stunden lang mit der größeten Aufmerffamfeit bes
trachtet, und da ich das Muſeum mehr als zehnmal
befehen babe, fo glaube ich nichts Wichtiges, mag
der Aufzeichnung werth iſt, vergeflen zu haben. Die
Befchreibung, die ich davon machen werde, wird
mehr malerifch als antiquarifch ausfallen. Der Ma-
ler ſowohl als der Altertumsforfcher müßen fich
zuweilen bei gewiſſen Kleinigkeiten aufhalten, die
den Augen derer entwifchen, die blos fehen ohne u
bemerfen. Aber da nuc Kleinigkeiten bedeutend
find, fo wird auch der Maler, wen es gewiſſe
noch micht binlänglich erörterte Dinge betrift,
beit Umſtänden, die dem Anfcheine nach unbedeutend
find, eben fo nachdenklich fein, als bei den bedeu-
tendfien Dingen, wen er das Coſtum der Alten ges
nau beobachten will; daher Font es, daß wir von fo
wenigen Werken eine willenfchaftlich und kennermä⸗
Big ausgeführete Befchreibung haben.
$. 19. Dasertte Gemälde enthält vier weibliche
Figuren. Die vornehmſte, deren Geſicht man von
vorne fiehet, figet und hebet mit der rechten Hand
das Pallium oder Peplum, das auf dem Hintertheile
ihres Kopfes rubet, in die Höhe. Diefes Beplum
ift violett, mit einem fingerbreiten grünen Rande.
Ihr Kleid (tunica) ift Feifchfarben. Ihre linke Hand
subet auf. der Schulter eines fchönen Mädchens, das
man im Profile fiehet, das neben ihr ſtehet und das
neueft, hercul. Entdek. “855
Kin auf die.rechte Hand flüget. Der Fuß der ande
ren ruhet, zum Zeichen ihrer Würde, auf einem
Schemel. Gleich neben ihr ſtehet eine fehr fchöne
Figur, deren Gefiht man ganz ſiehet, die fich ihren
Haarpuz ordnen läſſet, und die linke Hand auf der
Bruft liegen hat; die rechte hänget herunter, und ift
in der Stellung, als ob fie auf einem Elavier fpie-
Ien wollte. Ihr weiffes Kleid bat enge Armel, die
bis auf die Knöchel der Hand reichen. Der Mantel
ift violett, mit einem daumenbreiten gefiften Rande.
Die meibliche Figur, die mit dem Haarpuze bes
fchäftiget if, und etwas höher ſtehet, iſt in’s Profil
gewendet, doch fo, daB man die Augenbraunen des
anderen Auges fehen Fat. Die Aufmerffamkeit anf
ihre Befchäftigung fiehbet man an ihren Augen und an
ihren gefchloflenten Zipen. Zu den Füßen flehet ein
dreibeiniges Tifchlein; auf dem zierlich gefimfeten
Tifchblatte. ſtehet ein weifles Käfllein mit Lorbeer»
blättern, und neben folchem erblifet man eine vio-
lette Kopfbinde, vermuthlich um nach vollendetem
Haarpuze den Kopf der andern weiblichen Figur dae
mit zu fchmüfen. Unter dem LTifchlein ſtehet ein
fhönes großes Gefäß von Glas, wie man aus der
Farbe und Durchfichtigfeit vermuthen Fan.
9.20. Das zweite Gemälde ſtellet einen tragi-
fhen Dichter ohne Bart vor, ſizend/ in einem weiſ⸗
fen Gemwande mit engen Armeln, die bis an die And-
chel der Hand reichen. Unter der Brut wird das
Kleid mit einem gelben, eines Heinen Fingers
breiten Gürtel zufammengehbalten. In der rechten
Sand hält er eine Kanze in die Höhe; in der linken
bat er dag parazonium, oder das kurze Schwert, das
quer über die Hüften hänget, die mit einem herab»
bangenden röthlichen Gewande, das den Siz bedefet,
bekleidet find. Das Gehänge des Degens iſt grün.
Eine weibliche Figur kehret ihm den Nüfen zu, und
56. Briefe üb, d.
Inieet mit dem rechten Fuße vor einer mit einem bes
ben Haarputze, coyaxos genait, geziereten tragiſchen
Mafte, die auf einem Poflamente fichet. Die Fi—
gur, die mit einem Binfel auf den obern Theil die
fes Fußgeſtelles fchreiber, fcheinet mir die tragifche
Mufe Melpomene zu fein; fie fchreibet vermuth⸗
Jih den Namen eines Trauerfpieles; man fichet aber
nur einige Züge von Buchflaben. Ihre linke Schuk
ter ift entblößet, und das Gewand gelb. Shre Hnare
ind auf dem Wirbel zufammengebunden, welches die
Sungfrauen von den verehelihten Berfonen
unterfchied,, die ihre Haare allegeit im Naken zuſam⸗
menbanden. Die Larve fichet gleichfam in einem
Kaſtchen, deffen Seitenwände einen Karnies haben,
und das mit einem blauen Tuche überdefet ifl. Her-
unterwärts bangen weiſſe Bänder mit zwei Schnü⸗
ren am Ende derfelben. Hinter dem Poſtamente
flehet ein. Mañ auf einen Spieß geflüget. Der: tra-
gifche Diäten richtet fein Geficht gegen. die fchrei«
bende Mufe.!):
$. 21. Das dritte Semälde flellet zwei nafte
männliche Figuren und ein Pferd vor. Die erfle
ſizende Figur zeiget das Geficht von vorne, und fcheis
net den Achilles vorzuſtellen, der ein feuriges und
ſtolzes Anfehen bat, und auf die Erzählung der an»
dern Figur aufmerffam if. Der Sitz des Stuhles
iſt mit einem rothen Tuche befleidet, das fich für
41) Dieied Gemälde wurde von der herculaniichen Akademie
im 4 Theile der hercufanifhen Gemälde, Tafel
Al, abgebildet, und fie halten den trasifhen Dichter
für den Äüſchylus. Aber Windelmai, in feinen
Dentmaten, (3 Th. 5 8. 167 Num.) befleeitet diefe
Behauptung; er nimmt feine Gründe von den Haaren
her, weiche dem. Uſchylus fehleten, und von dem Bas
te, den er Haben follte. Diefe Zweifel wiederholte ex
in der Seralate der Sun, TU 3 8 21 $-
Sermow.
neueſt. bereut, Entbek. 57
einen Krieger ſchiket, und die gewöhnliche Farbe der
Epartaner im Kriege war; diefes bedefet ihm zu⸗
gleich die rechte Hüfte, auf welcher feine rechte
‚Hand rubet. Der Mantel, der über den Nülen
herunker hänget, iſt gleichfalls roth. Die Seiten»
Arme des Stuhkes ruben auf Sphingen, die fo auf
dem Stuhle angebracht find, daß die Arme erhöhet
genug fliehen; und auf dem linken ruhet der Ellebo⸗
gen. An den einen Fuß des Stuhls iſt dag para-
sonium angelehnet, das fehs Zoll lang if, und an
einem grünen Gurte an zwei Ningen hänge. Der
Heben ihm ſtehende unbeffeidete Man ruhet auf ei⸗
nem ‚Stabe, der unter die Achfel des rechten Arms,
auf welcher feine linke Sand Tieget, geſtemmet ift.
Die linke Hand iſt von dem rechten Arme bedefet,
den er hält die rechte Hand in die Höhe, mach Ark
einer Berfon, bie etwas erzäblet, und das eine Bein
tft über das andere gefchlagen. An diefer Figur fehlet
der. Kopf, fo wie auch an dem Pferde.
$. 22. Das vierte Gemälde enthält fünf Fign⸗
zen: die erfie ift eine figende weibliche, mit Epheu
and Blumen gefrönte Figur, die ein aufgemifeltes
Buch in der Hand hält. Die Schuhe find gelb, wie
se es auch am derjenigen Figur find. die fich im er-
fien Gemälde den Haarpuz machen läſſet. Die weib⸗
liche Figur, die vor ihr flehet,. fpielet mit der Rech⸗
ten auf einer fünfschakb Zoll hohen Leier, und halt
in der Linken das Inſtrument, womit die Saiten
geſtimmet wurden, und welches aus Hffkin!) be
ſtehet. Man Fan folches im Muſeo an einem ähn-
lichen Snfleumente von Bronze noch deutlicher fe
ben. Die Leier bat fieben Wirbel, 2) und folglich
4) Die Griechen nañten es xopdorser. Pollux. 1: 4 c.
9. segm. 62. Bea.
2) Diefe hießen bei.den Griechen zone... Plato, de Rep.
58 Briefe. üb, d.
eben ſo viele Saiten. Zwiſchen dieſen zwei Figuren ſte⸗
het ein Pfeifer, der auf zwei gleichen geraden Pfei⸗
fen bläfet, die er im Munde hat. Dieſer iſt mit ei-
nem Bande, somisor genant, bedefet und verbuns
den, um den Athem beffer mäßigen und ver
theilen zu können. Die Bfeifen beſtehen aus
mehrern Stüfen, fo wie man im Mufeo an fo vie⸗
len Stüfen von fnöchernen Pfeifen fiehet, die ohne
Einfchnitt find, und nicht in einander geflefet wer
den können. Dan konte fie nicht anders mit ei
ander verbinden, als mittelft einer Nöhre von Mies
tall oder von ausgehöhletem Holze, in welche die
Pfeifenitüfe geflefet wurden; an einem folchen
Stüfe ift in der That die hölzerne Röhre flefen ges
blieben und veriteinert worden. Hinter der erſten
Figur flehen zwei mit Epheu gefrönete Männer; die
Figur, welche am meiſten nach vorne fichet, hat einen
Mantel von meergrüner Farbe um. Sch bitte Sie,
diefe Befchreibung niemand als die königlichen
Hobeiten lefen zu laſſen.
l. 7. Op. t. 2. p- 531. B. Tes Tas xXopdas mpayuare
wagıxırras ns Bacanklırras, ımı Tay xınımar Speß-
auıras. Qui fidibus assidue facessunt negotiun, et ex-
plorant, claviculos subiude contorquendo. — Pollux,
.c. Sea,
neueft. hercul. Entdek. 59
(Nahrihten von den Bildfäulen von Bronze
su Herculanum.)
$. 22. Die berceulanifhen Figuren von
Bronze unddie Bruſtbilder ind theils mittelmä-
Big, theils fchlecht, wie z. E.diefaiferlichen Bildfäu-
Jen in mehr als Lebensgröße, und geben uns feinen Be⸗
geif, daB die alten Bildhauer eben ſo gefchift im
Bronze als in Marmor hätten arbeiten fönnen. Die
‚beiden größeten Werke in Bronze zu Nom find des
areus Aurelius Bildfäule zu Bferde auf dem
nze des Sampidoglio, und des Septimius Se
verus Bildfäule zu Fuß, in der barberinifchen
Balerie. Gene hat viele Fehler, die vielleicht daher
rühren, daB fie durch die Länge der Zeit, oder durch
die Ruinen, Schaden gelitten bat, oder weil die
Kunſt in jenem Jahrhunderte fchon gefunfen war.
Die lezterd zeiget den Verfall der Künſte in jener
Zeit, obngeachtet die Arbeit daran viel vorzüglicher
ift, alsan dem Triumphbogen des nämlichen Kaifers
am Fuße des Capitols. Plinius bezeuget, daß die
Kunſt, Bildfäulen in Bronze zu gießen, zu den Zei⸗
ten des Nero ganz verloren gewefen: 1) fie muß
alfo unter Hadrians Negirung wieder hergeſtellet
worden fein. Baufanius, weñ er bon einer
Bildfäule des Jupiters in Bronze redet, 2) die ein
Schüler des Dipönus und des Sfyllis, der dl-
teiten und früheflen Bildhauer, verfertiget hat, faget,
daß fie aus vielen mit Nägeln zufammen befes
fligeten Stüfen beiland. Aber alle hereulanifchen
4) füber diefe viel beftrittene Stelle des Plinius eine
Erflärung im Sendfhreiben $.53. und in ben
Nachrichten 6. 79.]
2) L. 3. c. 17. &6. wa ber Kiünfler Searchus genaũt
wird, Daßdorf. nn
60 Briefe ub. 5
Bildfäulen von Bronze kind auf diefe Art zuſammen⸗
gefezet, ohngeachtet man ihre Verbindungen nach ihrer
Wicherherliellung nicht mebr fichet. Die Etufe ins
nicht zufannmengelöthet; aber aus gewinen Anzeigen
Iäffet ich vermutben, daß ſie vermittelit geſchmolze⸗
nen Metalles verbunden find. Die vielen eingeflifeten
Etüfe, die man an jenen Bildfäulen ſehr ſichtbar
bemerket, welche noch nicht polirt ind, dieneten dazu;
die Lüfen, die nach der Zufammenfesung übrig blie
ben, damit auszufüllen. Es gehören noch mehrere
Entdefungen dazu, um zu beſtimmen, ob die grie
Hifchen Bildhauer allegeit auf die nämliche Art. bei
fhren Arbeiten zu Werfe gegangen find, oder ob das
Zufammenfegen der Bildſäulen von Bronze nur die
Methode der erfien Künſtler, vor dem glänzenden
Beitalter der Kunſt, und der fpäteren Kümftler in ienen
Beiten geweſen ii, wo die Kunſt in diefem Theile
fhon in Verfall geratben war. Die Hausgeräthe
und die Vaſen von Bronze find fein gearbeitet, und
alle Dpfergeräße anf das gierlichite auf der Drechfel-
baut ansgedrehet. Sie wußten auch durch Kunſt ein
fo weiffes Metall zu bereiten, 1) daß es dem erflen
Anſcheine nach wie Silber ausfab. 2)
$.23. Nun will ich aber auch eine ausführliche Nach⸗
richt von den vornehmſten Bildfäulen in Brom
ze und befonders non denjenigen ertheilen,. bie nach
1) Plm. Hist. nat. I. ho. ır. seet. 22. EL3, co =
sect. 3 ”
2) Kon diefer Art ift ein Echabeifen vom ſehr zierlicher
Urdeit, das im April 1779, bei den Ausgrabungen in
den poͤutiniſchen Suͤmpfen, gefunden worden. EB ift dar;
auf der Name und’ dad Zeichen des Künftlerd befindlich;
der Name ift nach dorifcher Art im Genitivo gefteftt:
HPAKAIAA ( Heraclidis );. dad Zeichen wi eine Siesen
göttin. Zen
neueſt. herecul. Entdek. 61
meiner erſten neapolitaniſchen Reiſe feit vier Jahren
gefunden worden ſind; es wird Ihnen nicht unange⸗
nehm ſein, weñ ich Ihnen eine genauere Beſchrei⸗
bung davon mache. Der Mercur in Lebensgröße iſt
unflreitig die fchönfte Bildſäule in Bronze in der
Welt; in Marmor aber gibt es fchönere. Da man
fie ohne den Schlangenftab fand, alles übrige aber
ganz war, fo vermuthet man, daß fie bereits ohne
denſelben von auswärts dahin gebracht worden ift.
Den Srif davon hat die Bildfäule noch in der
Sand.
8,24. Das Behondere an diefer Bildfäule if
eine Schnalle, die beinahe wie eine Roſe gebildet
und unter der Fußfohle befindtich iſt; fie zeiget die
Art der Befelligung an, mittelſt welcher die Riemen
verbunden und zufanmengefchnürct wurden, womit
die Flügel an den Ferfen angemachet werden Fonten,
die deßwegen angefchraubet waren, damit man folche
abnehmen und wieder anmachen koñte. Die Roſe
unter dem Fuße ift fombolifch, und zeiget einen Mer-
sur an, der nicht nöthig bat, zu Fuße zu geben.
Der trunfene Satyr, der, zum Zeichen ‚der Fröh⸗
lichkeit, mit den Fingern der rechten Sand die Ca⸗
fiagnetten fpielet, ift die zweite Bildfäule, und vers
dient gleichfalls Aufmerkfamfeit. Die dritte ift ein
junger ſizender und fchlafender Satyr, der den rech-
gen Arm auf den Kopf gelehnet hält. Uber diefe
Figuren mit aller ihrer Schönheit können blog einem
neueren arinfeligen und verhungerten Kalliſtratus
Stof zum Gefpräche darbieten; daher will ich mein
Nrtheil über einige Büſten fällen, und, wider die
Regel einiger Schriftfieller, die das Härffig Argument
bis zulest aufheben, mit dem fchönften den Anfang
machen. Diefes iſt der Kopf eines jungen Helden
von etwas mehr als natürlicher Größe. Ein anti»
suarifcher Pfarrer würde ihn einen Ptolemäus
(u Briefe üb. d.
taufen. Hm den Kopf herum hat er 68 Loken;
fielen Sie fich diefe Lofen vor wie ſchmale Streifen
von Bapier, die mit den Fingern zufammengerollet
und hernach Tosgelafien und etwas auseinander ges
zogen würden. Dieienigen, fo die Stirn bedefen,
find vier- oder fünfmal, die an den Schläfen: her«
unter hängen, achtmal, und die hinten herabhangen,
bis auf zwölfmal gemunden. An den Rändern dies
fer flreifigen Loken ift rund herum eine Xinie einges
ſchnitten. Alle diefe Lofen find nicht mitgegoffen,
fondern erfi. nachher daran gemachet morden, fo daß
fie, wen man den Kopf aufhebet, eine kurze zitternde
Bewegung machen. Ein anderes Bruilbild, aber
von hetrurifchem,oderdem älteften griechifchen
Style, bat ebenfalls auf der Stirne bis an die Schläfe
ſolche angefegete Lofen, aber auf eine andere Art,
nämlih wurmförmig und von der Dife eines Feder⸗
fiels, oder des fHärfiten Eifendraths. An einem an⸗
dern Kopfe, der für einen Blato 1) ausgegeben
wird, find große Loken an die Schläfe angefezet.
Diefer nicht fo ängfllih, fondern im erhabenen
Style der Bronze verfertigete Kopf fan mit Necht
ein Wundermwerf ber Kunſt genennet werden. Erfie-
het von der Seite niederwärts; die Stellung zeige
Verachtung an; die Gefichtsgüge aber nicht; die
Stirn iſt gedanfenvol, der Blik aber angenehm.
Der lange Bart, der nicht fo dicht, als der Bart .
eines Jupiters, aber mehr gefräufelt und von ein⸗
ander getheilet iſt, als man an den Köpfen fichet,
welche den Plato vorfiehen ſollen, iſt in Furchen
gezogen, wie man mit dem feinflen Kamme machen
könte, ohne Daß diefelben ſcharf eingefchnitten find,
fondern fo weich wie graues Haar. Auf die nämli⸗
” He Art find die wellenförmigen Saupthanre- gebildet.
3) T. ı. de’ Bronzi .d’Ercolano, tar. 27. p. 103. Zen.
neneft, hereul. Entdek. 63
Aber, Freund! Fein Menfch ift im Stande das Künft⸗
liche diefes Kopfes mit Worten zu beichreiben.
Auch iſt ein Bruſtbild des Demoſthenes vorhan⸗
den; 1) der Beweis davon iſt die griechifche Infchrift:
AHMOCOENHC, Diefes fein Bild fan man für
das einzige halten; den das Bruftbild des Anton
Agoſtini, und ber Earniol des Zohan Peter
Bellort find fehr zweideutig. Sch Eönte Ahnen
auch ein vorgebliches Brufibild des Heraflit an⸗
führen, 2) wen ich nicht noch zweifelhaft wäre, ob
man ihm folches zufchreiben fol. Won bem Bruſt⸗
bild des Hermarchus habe ich bereits in einem
meiner vorigen Briefe Erwähnung gethan. 3)
2
4) Ebendar. tav. 11. p. 53. Sea.
[Abgebildet unter Numero 16 diefer Ausgabe.)
2) T. ı. de’ Bronzi d’Ercol. tav. 31. p. 115.
3 [Im erſten Abfchnitte diefer Briefe, $. 2.]
Zn Briefe üb. d.
cQNachrichten von den marmornen Bildfaͤulen
zu Herculanum.)
825. Diemarmornen Bildſäulen find alle
ur mittelmäßig ; ich will es aber nicht fo geradeiveg her
baupten, ohne Ihnen Beweife. davon zu geben. Im
dem nämlichen Fleinen Tempel, aus welchem die
größeten Gemälde, und unter andern Achilles und
Chiron, die ich Ihnen fchon bei einer andern Ges
legenheit erwähnet habe, 1) ausgegraben worden,
find auch zwei Bildfäulen des Jupiters gefunden
worden, deren obere Hälfte unbefleidet ii; fie find
weit über Lebensgröße, aber ohne Kopf. Die Bild»
fäule eines Baters der Götter mußeine idealifche
Sache fein, und was den Körp&& anbelanget, fo muß
er von allem dem frei fein, mas das Bedürfniß der
menschlichen Schmwachheit erfordert, ohne Adern und
Arterien, fo weit fich die Phantaſte der göttlichen
Natur nähern Fan, die mit eigener Kraft wirfet, und
nicht von der Nahrung, der Verdauung, und der
Abfonderung des Blutes abhängig if; denfelben muß
ein ätherifcher und belebender Geiſt eingegoflen fein,
der, feiner Veränderung unterworfen, fich überall
gleich verbreitet, und eigentlich fo zu fangen die Ges
ſtalt bildet, deren Umriß bios ein Gefäß dieſes
Geiſtes zu fein fcheinet. Der Unterleib muß nicht dife
fein; den er muß zwar völlig, aber nicht vollge⸗
fopft ausfehen, und anzeigen, daß er genieße, ohne
ohne etwas zu fich zu nehmen. Nach diefer hoben
Zdee hat Apollonius von Athen feinen ver.
‚Hgötterten Herfules gebildet, nachdem er ſich
von den Schlafen der Menfchheit auf dem Berge
Ota geseiniget hatte. Ach babe fchon ehemals mit
Ihnen von diefem wundermwürdigen Nberbleibfel des
1) [Im fünften Abſchnitte dieſer Briefe, $. 16.) ‘
neueſt. hercul. Entdef, 65
Altertums geredet, 1) welches bei dem großem
Buonaroti ein inniges Vergnügen und Ber
wunderung erregete:. Künftler befühken diefen Torfo,
Inffen ihre Sand auf dem fchönen fchlangenförmigen
Bindungen fanft- hingleiten,. und rufen aus: Oh,
que cela est beaut Sch: babe aber noch von nieman«
den das Warum fagen hören. Die Römer find
nicht gewohnt nachzudenten,. davon fan ich unwider⸗
fegliche Beweiſe geben.
8.26.. Eine Charitas des Bernini iſt ihre
Sache. Bernini batte ein vielumfafiendes und
sriginelles Talent; er war einer der berühmteflen
Künftler feines Jahrhunderts/ und hatte einen für
feine Sahre bewundernswürbigen Verfuch feiner Kunft
bewiefen durch die Verfertigung feines Apollo und
ſeiner Daphne in.der. Billa Borgheſe, die. allzw ges:
zierete Manier abgerechnetz aber in der Folge fam er .
von dem rechten Wege ab, wurde ein großer Arch i»
teft undbtich ein fchlechter Bildhauer. Aber wieder
auf unfere erfle Nede zu fommen: zu einem folchen
hohen Ideal hat. fih dee Bildhauer der bemeldeten
berculanifchen Etatuen. nicht: erheben fönnen.. Er’
Bat uns. einen Zupiter vorgeſtellet, der aber zu fehr
Menfch it, im der. Geſtalt des Nebenbuhlers eines
Amphitryon, und nichtin der Geflalt, wie er mit
einem finfieen Blife die Erde zittern machet.2) Und die
Wahrheit zu fagen, können fich die beiden Jupiter
zu Portieci glüflich fchägen, daß man fie gelafien hat,
wie. fie ſind; fie würden zu erniedriget. erfcheinen,
weñ fich. die dortigen Bildhauer an fie wageten: Unter
andern if ein Bakchus da, mit einem modernen
Kopfe, an dem ein fpanifcher Bildhauer fo. geflifert.
Bat, daß es ein wahres Scandal iſt; gelidusque:
4) Im zweiten Abſchnitte diefer Briefe; $.5. [Man verr-
gleihedie BefhreibungdesTorfoim Belvedere):
242) VIA-AIM. v- a8. — 30 Horat. L3. od. 32* 8. .
3:
66 Briefe üb, d.
eueurrit al ossa tremor, wen man nur daran gedenket.
Der berühmte Bernini hat mehr als franzöſiſche,
diefer aber mehr als oſtrogothiſche Ergänzungen ges
machet; und gleichwohf hat man feinem Meißel die
Berzierung einer Kirche auf Fönigliche Koften ans.
vertrauet. Der arme Schelm iſt darüber geflorben..
Ein anderer Föniglicher Bildhauer, von Geburt ein
Kömer, den Bajardi im höchſten Grade lobet,
hat ein Modell zu einer Statue des Königs zu
Pferde verfertiget, an der er bereits zu arbeiten
wird angefangen haben. Den Muſen sum Trsz hat
er, noch ohngerechnet , daß der Monarch ausfiehet ,.
wie ein turnirender Nitter, ibm auch Steigbügel
gegeben, von welchen die Alten nichts wußten. 1)
4) liber die Srage, ob die Alten fih der Steigbügel beim
Keiten bedient Haben, ift von den Gelehrten viel 9%
ftritten worden. Im affgemeinen nimt man any daß fie
erft nach dem vierten. Jahrhunderte chriftlicher Zeitrechs-
nung erfunden worden. Man jehe darüber einige Briefe
von Eupyer und Sperling in dem Supplement des
Polenus zu den römifchen und griechifchen Albertüumern
(t. 4. p- 192. seq.) und Du Eange (Glossar. medie
et infimz latinit. v. Bistapia..) Winckelmañ Hat
im den Dentmalen (4 Th. 12 8.) von dem.
Mitten gehandelt, deven die Alten fih fatt ihrer sum.
Auffteigen bedienten.. Nach dem Zenophon (De mag.
equit.Oper.p. 956.) fchwangen die Jünglinge fih ſpriw
gend auf dad Pferd; und ed gub zu diefem Zweke, for
wohl in Griechenland als in Rom, Echulen für diefe
Übung, wo die Jünglinge ſowohl von der linken ,. als
von der rechten Seite, und von Hinten über's Krems, ſich
auf ein hölzernes Pferd ſchwangen. Den Alten gab dies
fer Schriftfieller den. Rathh, ſich nad Weiſe der Perſer
aufs Pferd Heben zu laſſen. Uber in dem Werke de re
equestri, p. 942. ſchreibt er, daß einige fich des Spießes
zum. Auffisen: bebienten, nämlich dag fie ben rechten Zuß
auf einen eifernen Stift festen , der borisontal am uns
an. Ende dei. Schafts befeßigt war, ben, fie mit. der
neueſt. hercul. Entdet. 67
te Steigbügel zu Portici find der Pendant zu den
ufeifen der Gentauren des Corradini im
rechten fefthielten,. während fie mit der Tinten den Zügel
des Pferdes faßten, wie man auf der in den Dentmalen
Numero 202 beigebrachten Gemme und nod auf zwei andern
bemerkt, die er anführt. Dadurch wird aber für die,
welche feine Lanze trugen, weil fie nicht in's Selb zogen,
die Schwierigkeit nicht gehoben. Aus dem Plutarch
(Conjug. pr&c. princ. Oper. t. 2. p. ı39. B.) weiß man,
daß die Schwadhen und Bersärtelten Verde Hatten, die.
abgerichtet waren, die Knie zu beugen, um dad Aufſizen zu.
erleichtern. Bergier (Hist. des grands chemins des
“ Rom. 1. 2. sect. 31.) und Pratilli (Della Via Appia
l. ı. c. 7. p. 38.) haben geglaubt, daß an den Geiten der
alten Landftragen Eteine errichtet geweien, um aufs
freigen; eine Meinung, die nah Winckelmañs Be
Hauptung nicht: Stich Hält, obgleich nicht. au läugnen iſt,
daß Manche fih diefer zu anderm Gebrauch gefesten:
Eteine oder Einfafiungen der Straße zu dieſem Zwef
Wedienten. Wie ed aber. auch damit bewandt fein mochte, -
fo glaube ih, der Bildhauer ſei nicht zu tadeln,
daß er diefer Statue zu Pferde Gteigbügel gegeben:
habe, Er hat dad Coftume beobachtet, wie ded Künſt⸗
lers licht it, und wie Windelman felbft in fo
vielen Stellen feiner Kunſtgeſchichte fordert. Weñ wir
die Klinftlee tadeln, welche Perfonen des Altertumd in
moderner , venetianiicher oder römifcher Rüſtung und
Tracht darftellen, wie Winckelman felbft im fünften Ab:
ſchnitte diefer. Briefe thut, und im folgenden zu thum.
fortfährt, warum fordern wir, daß Perfonen und Krie
ger unſerer Zeit fih im alten Coſtume Eleiden oder:
rüſten follen? Sea.
Diefe Streitfrage ift oft und vielfältig auch von uns:
{ern Runftgelehrten hin und her geworfen worden; aber
noch niemand hat uniered Wiſſens etwas ganz Genügendes
Darüber vorgebracht; indeſſen kommt ed boch bei ihrer Bes
antwortung darauf an, 0b bei Denkmälern berühmter:
Männer unferer Zeit,. weil beides nicht vereinbar ift, die
Kunftforderung oder bie hiftorifhe Wahrheit:
den Vorrang behaupte; und darüber follte unter. ben Kunſt⸗
⸗
68 Briefe üb. d.
großen Garten zu Dresden, und zu. den Tegiona-
rifchen Küras der. Pallas am Eingange desbrühfie
ſchen Palaſtes.
verſtändigen doch wahl eine übereinſtimmung der Meinun⸗
gen möglich ſein, ſobald man nur über dad Princip
felbft exit einig wäre. Ferno w.
neueſt. bereut, Entdek. 69
(Nahrissten: von andern beträchtlichen Gercm
laniſchen Altertümern.)
8.27. Ser Dttavio Bajardi, im feinem
Verzeichniſſe, das er uns in feinem Brodromo mit-
theilet, läſſet fiih, unter fehr vielen andern ganz irrigen
Begriffen, auf die Erflärung eines erhobenen Bild
mwerfs auf einem filbernem Gefife ein.) „ Ein
„ Gefäß, fager ev, in Form eines Mörfels.— In
„ erhobener Arbeit fiehbet man eine Apotheofe darauf
„— auch denmit einem Schleier bedefeten Caſar—
„der von einem fliegenden Adler getragen wird.
„ Rechter Sand ſtehet die Bildfäule der weinenden
„Nomaz linfer Sand ein Soldat von fremder Na⸗
„tion ze. * Sulius Eäſar fan es des Bartes
wegen nicht fein, und der Kopf hat nicht die ge»
ringite Abnlichfeit mit dem feinigen. Es finden fich
mehrere deutliche Merfmale, daß dadurch Homers
Dergötterung vorgeflellet wird. Die Figur, welche
die Rama. vorffellenfol, träget das Baragontum,
oder das kurze Schwert. an der Seite, deſſen Grif
fie mit der Sand hält, und fol folglich die JZIias
vorfiellen. Den gleichwie die Mine voll Traurig.
Feit und tiefen Nachdenfens die tragiſche Seite 99
mers auf diefe Art ausbrüfet, fo haben die Alten
die Odyſſee zu der Fomifchen Art (nach dem Ari⸗
ſtoteles in.feiner Dichtkunſt) gerechnet. Der ans
gebliche fremde Sokdat IH: Ulyſſes mit dem. Ru⸗
Der oder Steuerruder, das. er- sum Zeichen feiner
gethanen Seereife-in die Höhe hält; fo- wie der
koniſche Hut, womit Ulyſſes allegeit abgebildet
"wird, nielleicht. einen Seefahrer. bedeuten fol. 2,
V Vasi e patere, n. 540:
2 Im 9B. 28 43$ Note der Geſchichte der
Kunſt, und in den. Dentmalen, 27% 33-8 -I.%
70 Briefe üb. d.
6.28. Über diefen Eonifchen Hut hat mir un«.
ter fo vielen Ahnen befaiten Commentatoren der
berühmten Apotheoſe des Homers im Balafle Co⸗
lonna, der ſo ſchönen Arbeit des Archelaus,
des Apollonius Sohn, noch Feiner eine befrie—
digende Ansfunft gegeben, und daber erfläre ich fie
auf meine Weiſe. Die Schifleute in der Levante
tragen noch heut. zu Tage einen folhen koniſchen
Hut ohne Krämpen. Der Graf Caylus, der feine
Samlung von Altertümern gern mit diefem Gefäße
fhmüfen wollte, theilet uns die Zeichnung mit, bie
ein junger Franzoſe (nach Art feiner Nation, bie
fih mit dem eriten Blike begnüget, ohne weiter
r
‘
nachzuforfchen,) gemachet bat; auf folcher mird der.
Man von einem Adler getragen. 1) Bei diefer Ge-
legenheit faget er:?) „Die Verzierungen, mit des-
„nen die Grupe (die Figur mit dem Adler) um⸗
„geben iſt, zeigen uns nicht den geringfien Begrif,
fast Windelmaf,. daß auch diefe Sigur eine weibliche
fei, und daß fie vin Steuerruder halte, Wäre es
Ulyſſes mit einem Ruder fo köñte man fagen, daß’
er damit auf die Weifagung des Tirefins anfpiele,-
daß ulnffed, nachdem er gen Ithaka zurükgekehrt ſe
eine neue Reife unternehmen ‚. und ſo Tange mit. dem
uder auf ber Schulter berumirren follen, bis er ein
olk fände, welche das Meer nicht Tennete, und Fein:
Salz äße, u. f. w. wie Homer (Odyss. 1. 2. v. 120.)
erzählt. Übrigens fcheint die Erklärung diefed Monu⸗
ments , welhe Windelmafl sibt, ſehr richtig, aber.
die Ehre davon gebürt dem Martoreiii, weicher es
. c. parerg. p- 266.) eben fo erflärt, und von ibm bat
fie wahrſcheinlich Winckelmañ entfehnt, fo wie viele
andere Notisen, ohne ihren Urheber su nennen. Gen.
[Dian fehe auh das Sendſchreiben, $. 77.)
4) So Hat auch Huber in feiner franzöfifchen liberfesung
ber Geſchichte der Kunſt (3. p. 70.) eb coniren
laſſen. Sen,
2) T. 2 Antig. grecq. pl. 4 P- 121.
1
u‘
neueſt. bereut, Entdek. 7
„der Bezug auf die Gottheit hätte, und find blos
„Phantaſien.“ Gleichwohl ſah er die Schwäne,
die er nicht rechnet. Der Zeichner bemerkete alfo
weiter nichts, als was vor ihm auf dem Gefäße
fand, und derienige, der ihm folches zeigete, wußte
nicht, daß noch mehrere Figuren darauf waren.
Den Bart ausgenommen, ſtimmet Caylus mit dem
Baiardı überein, und hält alles blos für die Ypo«
theofe irgend eines Kaiſers. Er muß es aber doch
beffer als lezterer wiſſen, daß Hadrianus der
erfie war, der einen Bart trug, um eine Narbe
zu bedefen. 1) Herculanum mard aber vor feiner
Beit verfchüttet. So eben fomt mir der erſte Theil
des Virgils in die Hände, den Her Suflice
ganz in Kupfer bat flechen laſſen; eine Nachahmung
des Iondoner Horaz. Daſelbſt il der Tod Cäſars
als ein Basrelief vorgeflellet, auf welchem er eben-
falls mit dem Barte erfcheinet. Es iſt efelhaft an⸗
zufehben, wie bier der zu Boden geworfene Cäſar
dem Brutus oder Caſſins mit dem Fuße gegen
den Bauch ſtößet. Diefes Unternehmen ungewafche-
ner Sände iſt, auch in Anfehung des Textes, mit
eben fo wenig Geſchmak und Einficht ausgeführet
worden, als der Horaz. Die andere Figur auf
dem nämlichen Kupferfihe if aus dem Mufeum
zu Portici entlehnet, und blos nach der SIdee ge
zeichnet, (det dort iſt es niemanden erlaubet, einen
Bleiſtift auch nur bliken zu laſſen;) fie ſtellet ei⸗
nen auf der Cithar ſpielenden Faun vor, der recht
im Geſchmake der Franzoſen iſt, nämlich übertrie⸗
ben, aus Furcht, daß man es nicht recht verſtehen
:ader einfehen möchte, Ste verlangen einen Faun,
ber mehr als Faun if, und die Beichnung einer
-3) Eiche den: Spartianus im Leben. bed Hadriw
nus (c. 26.) md Dia Eaffind (1.68. c. 16. 1.2. PD.
2,32.) Ben,
12 Briefe über d.
ſolchen Caricatur nennen fie grandios. Diese
filberne Basrelief it vierefig und nicht rund, amd
der Kaum flehet:micht fo mit hängenden: Kopfe: dar⸗
auf, wie er bier vorgeflelet wird. Um Ihnen
aber durch eine andere Vorſtellung einen Beyrif
davon zu machen, ſo ftellen Sie fich jenen Spieter
von Aſpendus vor, deffen Cicero gedenfet, 1) dem’
man es-anfab, daß ernur für-fich- allein fpielete;
der: von- dem Zauber feiner Muſik ſo durchdrungen
und begeiltert war, daß er gar nicht von andern
bewundert zu werden. verlangete, fondern nur fidy
innerlich: ſelbſt ergözen wollte. 2) Es wäre bier. eine
ı) In. Verrem, Act..2.. 1. ı. c. 20: j
2) Dieſes -fagt Eicero eigentlih nicht; . fondern nur, wie
Aſconius daſelbſt bemerkt, daß diefer. Spieler die
Eithar auf eine befondere Weife, und nicht wie Andere,
ſchlug; nämlich fo, daß er dad Plektrum in. der’ Linken
bier, und mit den Singern derfelben Hand die Sai⸗
ten rührte, und auf diefe Weife alles von unten und
mit einer Hand fpielte, weil die Andern beide Hände
dazu gebrauchten, nämlich - die rechte mit: dem Plektrum
oben, und die linke unten. Wegen diefer meifterhaftens
Art zu fielen. ward ihm in feinem Vaterlande eine
Statue gefest. Beim Cicero heißt die Stelle: As
pendum vetus oppidum et noblle in Pamphylia scitis
esse, plenissimum sigrorum optimorum. Nom dicam
illine hoc signum ahlatum esse, et. illud: hoc dicoy
nulum te Aspendi signum, Verres; reliquisse: omnia
ex fanis,. ex lacis publicis,, palam, spectantikus omnibus,
plaustris evecta asportataque esse. Atque etiam As-
pendium illum citharistum , de quo sæpe audistis id,
quod est Greeis hominibus in proverbie, quem omnia
intus canere dicebant, sustulit, et in intimis suis di.
bus posuit;. ut etiam illum ipsum arfificio- suo. super-
asse videatur.. Gen...
ſüber den Ausdruk: Intus canere, fehe man den Index La- -
“init. Cic. Chr. Gottfr. Schütz s. v. cano. Böttiger im-
attiſchen Mufeumu.L 2.354. und dad Send jchrei--
ben $.77.] Ä
neueſt. hereul. Entdek. 73
ſchikliche Gelegenheit, einige wohlgemeinte Betrach⸗
tungen über das Buch des Graven von Caylus
anzuſtellen. Er hat mit jener großen Überlegung
geſchrieben, die in einer klugen Vorſicht beſtehet,
nicht zu viel zu wagen; man fiehet, daß fein Fuß oft
— — ı1enes
Suppositos cineri doloso 1)
betritt. Ihm gebüret zuerſt der Ruhm, in das We
fentliche des Styls der alten Völker eingedrungen
zu fein.) Solches aber in Baris bewerkftelligen
zu wollen, machet das Unternehmen noch fchiverer.
Sm zweiten Theile, (tab. 39.) gibt er uns die Zeich-
nung einer Figur, die ihm der Bildhauer mittheilete,
der dag Modell der Statue zu Pferde machen fol,
welche die oflindifche Compagnie dem Könige von
Dänemark wi fegen laſſen. Diele Figur, die fich
izo im Campidoglio befindet, mar zur Zeit, als
Sally fie abgeichnete, bei den Sefuiten zu Tivoli,
und der Unterſchied zwifchen diefer Zeichnung, und
einer viel genaueren im Mufeo Capitolino, 9) bat
den Verfaſſer doch nicht auf die Gedanken gebracht,
daß feine Figur mit jener nicht einerlei fein könne.
Es iR wahr, der Berfaffer des Muſei Capitolini,
Herr Bottari,d) koñte ihm bierin feinen Unterricht
geben, weil er nichts davon zu fagen gewußt bat.
1) Horat. [l.3. od.ı.v7 —8.]
2) Die Hauptzüge feined Lebend findet man im Journal
encyclopedique , gedrutt in Bouillon, aunde 1773. t.
ı. part. 2. p. 315. etc. Er wurde in Paris den 31 Deck.
1692 geboren, und farb bafelbfi den 5 Sept, 1765.
Sea.
3) T. 3. tav.8ı. N
4) Diefer gelehrte Prälat ftarb 1775 Im 87 Jahre feines
Alters. Ein Verzeichniß feiner zahlreichen Echriften,
worunter fich feine Unmerfungen su Ba ſaris Leben
Winckelmañũ. 2. 4
13 Briefe über d.
foßhen Eartieatur nennen fie grandios. Diefes
ſtlberne Basrelief it vgerefig und nit rund, nnd
der Faun flebetmicht fo mit häungendem Kopfe: dar⸗
auf, wie er: bier vorgeilellet wird. Um Ihnen:
aber durch eine andere Vorfielung einen Beygrif
Davon zu machen, ſo ſtellen Sie ſich jenen Spieler
von Aſpendus vor, deffen Cicero gedenfet, 1) dem
man es-.anfab, daß er-nur für-fich- allein fpieletes
der von dem Zauber feiner Muſik fo- durchdrungen
und begeiltert war, daß er gar nicht von andern
bewundert zu werden. verlangete, fondern nur fidy
innerlich: felbft ergözen wollte. 2) Es wäre bier. eine
ı) In. Verrem, Act..2.. 1. ı. c. 20. j
2) - Diefed -fagt Cicero. eigentlich nicht; - fondern nur,- wie“
Aſconius daſelbſt bemerkt, daß diefer Spieler die
Eithar auf eine befondere Weife, und nicht wie Andere,
ſchlug; nämlich fo, daf er dad Plektrum in der Linken
bielr, und mit den Singern derfelben Hand die Sati
ten rührte, und auf diefe Weiſe alles von unten und
mit einer Hand fvielte, wei bie-Andern beide Hände
dazu gebrauchten, nämlich -die rechte mit. dem Plektrum
oben, und die linke unten. Wegen diefer meifterhaftens
Art zu Spielen. ward ihm in feinem Vaterlande eine
Statue geſezt. Beim Cicero heißt die Stelle: As
pendum vetus oppidum et nobile in Pamphylia scitis
esse , plenissimum signorum optimorum. Nom dicana
illine hoc signum ahlatum esse, et ilud: hoc dicoy
nullum te Aspendi signum, Verres, reliquisse: omnia
ex fanis,. ex locis publicis,. palam, spectantibus omnibus,
plaustris evecta asportataque esse. Atque etiam As.
pendium illum citharistam , de quo sæpe audistis id,
quod est Greeis hominibus in proverbio, quem omnia
intus canere dicebant, sustulit, et in intimis suis ædi-
bus posuit; ut eüam illum ipsum artifcio- suo. super-
asse videatur.. ea...
ſüber den Ausdruk: Intus canere, fehe man den Index La- -
“init. Cic. Chr. Gottfr. Schütz s. v.cano., Bättiger im.
attiſchen Muſtum, L. 2.354. und das Send führe
ben $.77.]
neueſt. hereul. Entdek. 73
ſchikliche Gelegenheit, einige wohlgemeinte Betrach⸗
tungen über das Buch des Graven von Caylus
anzuſtellen. Er hat mit jener großen überlegung
geſchrieben, die in einer klugen Vorſicht beſtehet,
nicht zu v viel zu wagen; ; man ſiehet, daß fein Fuß oft
1 nes
Suppositos cineri doloso 1)
betritt. Ihm gebüret zuerft der Nuhm, in das We
fentlihe des Styls der alten Völker eingedrungen
zu fein.) Solches aber in Paris bewerkftelligen
zu wollen, machet das Unternehmen noch ſchwerer.
Im zweiten Theile, (tab. 39.) gibt er ung die Zeich-
nung einer Figur, die ihm der Bildhauer mittheilete,
der das Modell der Statue zu Pferde machen fol,
welche die oflindifche Compagnie dem Könige von
Dänemark will ſezen laſſen. Diele Figur, die fich
izo im Campidoglio befindet, war zur Beit, als
Sally fie abzeichnete, bei den Sefuiten zu Tivoli,
und der Unterfchted zwifchen diefer Zeichnung, und
einer viel genaueren im Mufeo Eavitolino,?) bat
den Verfaffer doch nicht auf die Gedanfen gebracht,
daß feine Figur mit jener nicht einerlei fein könne.
Es ik wahr, ber Verfaffer des Muſei Capitolini,
Herr Bottari, ) koñte ihm hierin feinen Unterricht
geben, weil er nichts davon zu ſagen gewußt hat.
1) Horat. Il. 3. od. 1. 7 — 8.]
2) Die Hauptzüge ſeines Lebens findet man im Journal
encyclopedique , gedrukt in Bouillon, aunde 1773. t.
ı. part. 2. p. 315. etc. Er wurde in Paris den 31 Oct.
41692 geboren, und farb bafelb den 5 Sept, 1765.
Sea.
3) T. 3. tar. 8ı. \
4) Diefee gelehrte Prälat ftarb 1775 im 87 Jahre feines
Alterd. Ein Verzeichniß feiner zahlreichen Echriften,
worunter fich feine Unmerfungen su V aſaris Leben
Winckelmañ. 2. 4
F
74 Briefe über d.
Caylus gibt vor, diefe Bildfäule fei aus den äl-
tefien Beiten Griechenlandes, als die Bildhauerei
daſelbſt der Agyptifchen ähnlich war, fo wie Die
Bildfäule des Arrhbahion, die ın der 55
Olympiade verfertiget, und vom Pauſanias
befchrieben worden it. Was dieſes anbelanget, fo
ift es nicht ausgemachet, ob die fo zu fagen ägyp
tifche Stellung diefer Bildfäule nicht vielmehr eine
Etellung war, die einen befonderen Beweis feiner
Etärfe geben follte, weil fie der Stellung gleich if,
in der Milon von Krotona abgebildet war. 1)
Arrhachion war ein Zeitgenoſſe der Piſiſtrate,
die zur Beförderung der Künfte und Wiflenfchaften
fo Vieles beitrugen , und man fönte durch einige
Münzen beweifen , daB die Zeichnung der Griechen
ich ſchon vom ägyptiſchen Gefchmafe losgemachet
verMaler und feine Roma subterranea in arofien Autarts
bänden außzeichnen , ift in ded Graven Mazzucchelli
Scrittori WItalia eingerüft. Dasdorf.
1) Paufanias (1.8. c. 40. p. 682.), wo ervom Arrhes
chion ſpricht, fast, daB derfelbe drei Siege errang;
den dritten, wo er ftarb, in ber 54 Dlnmpiade ; und
daß ihm eine Statue errichtet worden ; aber ohne au er⸗
wähnen, ob diefes erft nach feinem Tode, des dritten Sie
ged wegen ,„ oder fchon früher, der beiden erften Siege
wegen, gefchehen ſei. Doch ſagt er ausdrüklich, dag in
der Stellung und Gebärde derfelben ihre Altertümlichkeit
su erkennen gewefen. Anderswo (1.4. c. 14 p. 486.) ſpricht
ee auch von der Statue bed Milon, ohne zu erflären,
in welcher Etellung fie fih befand. Auch glaube ich -
nicht, daß Plinius (l. 34. c. 4. sect. 9.) darüber Licht
geben könne, wo er fast, daB den Siegern in den
ofympifchen Epielen auch eined Eieaed wegen Ctas
tuen gefest zu werden pflesten; weil fie aber dreimal
fiesten, fo feien ihnen ikoniſche, d.h. ihre Geſtalt
und Phyſtognomie nahbildente, Statuen 96
fest worden. Gen.
— — —
neneft. bereut, Entdek. 75
yatte. 1) Die Zeichnung des Caylus iſt mit der
Freiheit und Buffonerie gemachet, welche die Fran⸗
ofen esprit nennen, und diefes ift zum Theile die
Beranlaffung zu dem Srrtume des Verfaſſers. Die
Sildfäule if im ägyptiſchen Gefchmafe zu Ha⸗
rians Zeiten verfertiget. Am nämlicdhen Style
it ein fogenantes FIdol im Campidoglio gearbeitet,
nd unter diefem Namen it es auch im Mufeo Ca⸗
itolino angeführet, 2) und iftder wahre Agypti-
che Antinous. An feinem Orte will ich folches
1) Diefe Behauptung Tcheint ihre Beſtätigung durch das
zu erhalten, wa Polycharmus beim Athenäus
(l. 15. 0.6. $.8. p. 675.) vom Heroftratuß em
zählt, welcher, ald er in der 23 Olympiade von Paphos
in Cypern nach Naufratis feinem Vaterlande zurükkehrte,
eine kleine Statue der Venus, einen Palm hoch und im
alten Style gebildet, mit fih gebracht Habe: "Hocspa-
TE — aposyay mırs aa Tlago Tas Kuwps ayarmarıy
Appodirns owıFapsasıy, apXasy TR TEXN, MYnTameros He
9eyar ass zuy Nauxparıv. So hatte fih alfo fchon im
jener Olympiade der nralte Styl veräundese. Die Stas
tue des Arrhadhion war mehr ald 30 Dlympiaden,
sder über 120 Jahre fpäter,, und war noch im alten
Sthle gearbeitet. Wer weiß, 06 bied jener uralte Styf
war; oder ob berfelbe da, wo die Statue gearbeitet
worden ſich noch nicht verbeffert hatte? Nach dem
Plinius hatten fich fchon um die 54 OlymdMade ver
fchtiedene Bildhauer in Marmor berühmt gemacht, und
. mehrere Statuen ber Gottheiten gebildet, welche, ihrer
Attribute wegen, nicht in agyptiſcher Manier, leblos,
fFarrend, mit engan den Körper gefhloffenen
Händen und Füßen gebildet fein foflten, wie Apollo,
‚Diana, Herkules und Minerva, welde Dips
aus und Skyllis verrertist hatten. Daſſelbe gilt
Yon den Malern, welche feit dem Anfange der Olym⸗
piaden fo gefchäste Gemälde verfertigten, wie Plinius
(1.35. ©. 8. sect. 34.) meldet, Sen.
a) T.3. tab. 75,
76 Briefe üb. d.
beweifen. 1) Dergleichen capitolinifhe Parade⸗
ta werden Fünftig einmal die römiſchen Antiquare in
Aufruhr bringen, die größtentheils nichts weiter
als ihre alte Tradition wiffen. Der Grav bat auch
einen gemwiffen Irrtum angenommen, der Darin
beitehbet , daß er alle gemalete irdene Gefäße für
betrurifche hält. Sm Muſeo Maftrilkt zu Neapel
find drei Gefäße wit griechifcher Inſchrift. Indem
ich den zweiten Theil von des Caylus Alter
mern wieder durchlaufe, fällt mir ein Gefäß im
die Augen, 2) mit der Infchrift:
HATAVS
KAVAS
und der Verfaffer hält diefe Schrift für hetruriſch.
Sn der Erflärung fagt er (S.80.): „Als etwas Be⸗
„fonderes muß ich von diefem Gefäße anmerken, daß
„fich vor jeder Figur gewiſſe Buchflaben befinden,
„die in der Drdnung fliehen, wie fie hier auf dem
„Kupfer vorgeftellet find.“ Er wird nicht erman-
gelt haben, Fourmont und Brageres zu Nathe
su ziehen. I) Sch erinnere mich bei dem Canonicus
Mazzoechi 4) eine gemalete Schale von Thon ge
feben zu haben, mit folgender Inſchrift:
‘ KAVAS HOTOSAAS.
Diefes heiffet: Karoc Orecdeç, d. i. Hoposdas
der Schöne. Es ift befant, wie hoch die Gries
chen die Schönheit beiderlei Gefchlechts ſchaͤzeten,
und Baufantas erzählet, daß es gebräuchlich gewe⸗
1) [Man fehe Me vorläufige Abhandlung, 2 K.
26 $.]
3) Antig. etrusq. pl. a5.
3) Es heißt wohl HATAO2. Siebelis.
4) In reg. Herc. Mus. wen. Tab. ctc. Tab. ult.
[N
neneft, hereul. Entdek. 77
en, die Namen ſchöner Jünglinge auf dieſe Art
n die Wände des Zimmers zu zeichnen. Der Ver⸗
srtiger diefer Schale bat einen Ausdruf feiner
‚ärtlichfeitauf feinen Arbeiten binterlaffen wollen.
Ran vergleiche dieſe Schrift mit der auf dem Ge⸗
ife bei Caylus, die wie ich vermuthe, nicht
scht copiret worden if. Sie ift nicht hetruriſch,
ndern griechifch, und muß gelefen werden: Ho-
orlo)s zur Hopolos der Schöne. Ich Ichalte
no ein; die älteflen Griechen macheten das o bei-
abe dreiefig, und A auch umgelehrt V oder v.
:olglich ifE das Gefäß nicht hetruriſch. D Wen
4) Diefe Tautet anf der Kupfertafel beim Caylus eben
fo, wie hier bei unferm Autor. Daß fie aber nicht
völlig genau fei, koñͤte Winckelmañ noch befer mit
der Inſchrift des Gefäße beim Mazzocchi beweifen,
weit er biefelbe genau fo, wie fie bei diefem Tautet,
wiedergegeben hätte; dei ed iſt diefelbe, welche auf dem
Gefäße des Caylus fteht, fie enthält dieſelben beiden
Börter und diefe find daſelbſt öfter wieterholt; derge—
Kalt, ‚daß, wei Opoas der Name des Künftierd wäre, man
ihn für den Verfertiger beider Gefäße halten köüte.
och eine andere Bemerkung kañ der Behauptung I im
delmafid, daß dad von Caylus befchriebene Geräg
griechiſche Arbeit ſei, zur Beftätigung dienen, nämlich
die Versleihung der Sorm deffelben mit der Sorm eineh
andern Gefäßed, dad, wie man fast, in Griechenland
gefunden, und mit einer Fursen Erklärung bed genaüten
Mazzocchi in Neapel 1752 befafit gemacht worden.
Es if in der Sorm jenem äufferft ähnlich, und Hat
auſſerhalb um den Rand die Infchrift KIAOE KNNEIOT
DIEPI ZOKPATHN, iu Deutſch: Der Saft des
Schirlings für Sokrates; gleihfam als ob es
fogen wollte: „Dem Sokrates hat man Schirling zu
„trinken gegeben; du trinke nur fiher aus dem Gefäße;
„ du darfft nicht fürchten, vergiftet zu werden. “ Derglei⸗
den Anreden pfleste man häufig auch rings un bie
gläfernen Trinkgefäße zu fezen, von denen man den Bu0s
sarroti (Osserr. sopra alc. framm, €ic. tav. ı5. p. 100.
-
73 Briefe üb. d.
man dieſes einzige Gefäß recht verſtehet, ſo zerreiſſet das
ganze Gefpinft des caylusiſchen Syſtems. Sch
habe in Rom und in Neapel mehr als 500 derglei-
chen Gefäße gefehen, und alle find im Köntgreiche,t)
und der größte Theil derfelben zu Nola gefunden
worden. Inzwiſchen will ich Doch nad Paris an
den Föniglichen Kupferflecher, meinen Freund Wil-
Je, fchreiben, daß er mir die Schrift genau ab-
zeichnen laffe.
tav. 29. p. 208.) nachfehen Fall. Da num diefe beiden
Gefäße fih in der Sorm gleichen, welche auch fo vielen
‚andern, von Caylus unter den hHetrurifchen befafit
gemachten Gefäßen gemein ift: fo kañ man glauben, daß
alle dieſe Gefäße zum Trinken gedient haben, und unter
einer und bderfelben Nation, obwohl zu verſchiedenen
Zeiten, verfertist worden, welches Lestere aus der Form
der Buchftaben dieſes zweiten Gefäßes "zu fchließen ift,
welche viel fchöner und von modernerer Art find. Das
erfte Wort follte mit einem X ſtatt eined K gefchriegen
fein; ein Sertum, der, wie Masspccht bemerft, in
Snfchriften nicht felten if. Sea.
4) Es kaũ fein, daß einige hetrurifche Vaſen in der vas
ticanifhen Sam̃lung aus dem Neapolitaniſchen herſtam⸗
men: der größte Theil derfeiben aber ift aus Tofcana
gefommen; deit eine große Anzahl, fämtlich in Toſcana
gefunden, wurde dem Cardinal Gualtieri dem ältern,
ron dem Monfisnore Bargigli, fienefifhem Patricter,
Bifhof von Ehiufi, und väterlihem Oheim des Men
fisnore Guarnacei, sum Geſchenk gemacht, und diefe
kamen nachher alle in die vaticaniſche Bibliothet, Sea,
neueſt. bereut, Entdek. 79
iNachrichten von einigen Altertümern von Pom—⸗
yeii, Stabia, Päſtum und Caſerta.)
8.29. Heute will ich Sie von einigen andern Dr-
tern unterhalten, die zwar Fein Hereulanum find,
die uns aber beinahe eben fo fchöne Denfmäler als
jene Tiefen. Zuerſt von Bompeit, welches nicht
durch die Lana überſchwemmet, fondern durch Eleine
Steine und Aſche bei dem befanten unglüflichen
Yusbruche des Veſuvs verfchlitte wurde. Bompeit
lieget an der falernitanifchen Straße, fieben italid-
nnifche Dieilen von Bortici, und dreizehn von Neapel.
Auf meiner Umherreiſe und Befuchung derienigen
Drter, wo gegraben wurde, als: Herculanum,
Stabia, Refina u. f. w. babe ih zu Bom-
peit den Beſchluß gemachet. Diefe Stadt war
größer als die übrigen alle. Nur acht Menfchen
arbeiteten. daran, eine ganze verfchüttete Stadt
vom Schutte zu reinigen und an das Tageslicht
zu bringen; und in allen vier benaüten Drtern
find überhaupt funfzig Man, theils Tagelöhner,
theils Sklaven aus der Barbareı angeſtellet. Auf
dDiefe Art werden Sahrbunderte erfordert, um ale
unterirdifchen Schäge auszugraben. In meiner Ge
genwart ward zu Bompeii eine Sonnenuhr von
Marmor ausgegraben, deren Linien mit Menig
roth gefärbet waren, !) und man arbeitete daran,
in einem Zimmer, das mit Viereken bemalet war, wel»
che von gemaleten Nohritäben durchkreuzt wurden, die
Erde und verfieinerte Afche loszumachen. Ander Wand
4) Dieſes it die berühmte Sonnenuhr, welche von dem
Pater -Pactaudi in den Monumenti Peloponnesiaci
(t. ı. p. 50.) erläutert worden, und welche bei den Mit:
gliedern der herculanifchen Akabemie fp großen Antillen
erreste. Man fehe die Vorrede zum 3 Theile der
herculaniſſch en Gemälde. Sen.
so Briefe üb. d.
war ein antiker Schenktiſch angemachet, über wel⸗
chem ſtufenweiſe zwei Abfäze, jeder einen Palm hoch,
angebracht waren, um Schüfleln, Zeller und der-
gleichen darauf zu ſezen. Das Fußgeſtelle war von
einer Art Peperino mit Breccta beleget, mit
einem rings umbergehenden Streifen von Verde
antico, die Abfäze waren auf gleiche Weife befleidet.
Sc blieb den ganzen Tag dabei, um es abzumarten,
daß der ganze Schenftifch dem Auge fichtbar wäre.
Der Director des Mufeums und ich hielten unfer
Mittagsmahl von dem, was für unsin Portici zu«
bereitet worden, auf feldigem: die Afche war aber
zu feſt und zu hartnäkig, fo daß wir das Ende
nicht abwarten Ffonten. Wir gingen in die Haupt⸗
ſtraße der Stadt, die mit Lava gepflaftert mar,
welche die Alten nicht Fanten, die aus einigen um
den Veſuv herum gefundenen Stüfen Bimsſtein
urtheileten, daß fich diefer Berg in alten Seiten
einmal entzündet haben müßte, da man doch den
Bimsttein in den*pompeiifchen Gebäuden mit vers
arbeitet finder. !) Die Kunft zu beobachten warb
bei den Alten eben nicht fehr geübet, und darüber
Haben fie die fchönften Entdefungen vernachläßtget.
Auch die Straßen des alten Herculanums find mit
Zava gepflaftert. Der Schenftifch iſt nach meiner
Abreiſe ganz heraus und nach Portici gebracht wor⸗
den. Wenige Schritte davon kamen die Arbeiter
beim Nachgraben an eine Eleine Gartenthüre,2) an des
1) Diodor (1.4. c. 21.) und Strabo (I. 5. p. 378.) ſchlo⸗
fen aus den Epuren von Verbrennung, welde fie un den
Steinen ded Berges fahen, daR er gebraiit Habe; und
Vitruvius (l.2.c.6..) Schloß ed aud dem Bi möäfteinm
und aus der Pozzolana. Gen.
2) Die in Pompeji gemachten Entdekungen und die das
sent ausgegrabenen Gebäude Hat der Ritter Ha
neueſt. hercul. Entdek. 81
zen Eingang zwei wei bliche Statuen von gebraliter
Erde ſtanden; ſie find 5 Balmen viertehalb Zoll eines
römifchen Schuhes hoch, und haben eine Larve vor
dem Gefichte. An der einen fehlet eine Hand, die
fchon vor Alters muß gemangelt haben; den da alles
übrige ganz iſt, fo hätte fie fich auch dabei finden
müßen. Dies find. die er ſte n Bildfäulen von Thone,
die fih erhalten haben, und fchägbar durch das, mas
fie vorftellen.!) Zu Stabia fahb ich eine fchöne
Badſtube, mit dem daran floßenden Tevidarium;
es würde aber mehr als ein Brief dazu gehören,
olles zu befchreiben. Sach allen feit vier FJahren
angewandten Bemühungen, Anichlägen, Bitten, und
vergeblich aufgewandten Koſten, iſt es mir endlich
gelungen, die Grundriſſe der unterirdifchen Ausgra-
bungen zu fehen, die ein Eöniglicher ingenieur und
Auffeher bei diefer Arbeit mit unglaubicher Genau⸗
tgfeit verfertiget hat;) folche haben mir in vielen
Sachen Licht gegeben, und ich werde meine da⸗
durch erlangeten Keütniffe mit Gottes Hülfe einmal
befant machen. Sch habe auch eine Reiſe nach PB ds
ſtum gemachet, von defien Architeftur ich Ihnen
150 melden will. Die drei Tempel oder Säulen⸗
milton beichrieben, und in Kupfer ftechen laſſen, in einem
Bändchen in Auarte, dad 1777 zu London in engliicher
Spraceerfchienen ift. Auch hat Piraneſi verichiedene
Ausſichten davon in Kupfer befait gemacht. Sea.
41) Eine Statue von gebrafitem Thone, 2 Fuß hoch, und von
vortreflicher Arbeit, einen Hausgözen vorftellent, der fist,
und mit einem Hundefell bekleidet ift, wurde 1773 in der
Gegend von Perugia entdbeft, und daſelbſt von dem
Abate Parferi erklärt. Das Merfwürdige an diefens
Bilde von Thon ift, daß es den Namen ded Künftlerd
an ter Bafıd hat: c. rvrivs. rınzır. Jezo werten die
beiden pompeianifchen Statuen nicht mehr die eimigen
ſein. Fea.
2 [Rarı Weber, aus ber Echmeis.]
82 Briefe üb, d.
hallen find alle in einem Style, und vor der Feſi⸗
ſezung der Broportiongregeln gearbeitet. Die Dort-
ſche Säule fol 6 ihrer Durchmeffer hoch feinz
die Säulen zu Päſtum aber halten noch nicht 5
derfelben. 1) Daraus Fäffet fich ſchließen, daß die
Baufunft erfi nad der Bildhauerfunft auf gewiſſe
Negeln gebracht worden. Die Architektur am Bars
thenon zu Athen hat wenig Zierlichfeit in Verglei⸗
chung mit den erhobenen Arbeiten am Fries des Ge⸗
- bälfes, von welchen ich eine fehr genaue Zeichnung
gefehben babe, die Stuart, ein Engeländer und
Baumeifter zu Greenwich, gefertiget hat. Die Bes
hauptung, daß eine Architeftur mehr idealiſch ſei,
als die Bildhauerkunſt, wird manchem parador
fcheinen. Sch fchließe aber folgendermaßen: Die Bau⸗
funft bat feinen in der Natur befindlichen Gegen-
fand nachahmen können, der einem Haufe ähnlich
fähe; der Bildhauer aber batte fein Urbild in der
Natur vollfommen und beflimt vor fi. Man muß
geſtehen, daß die Kegeln der Broportion vom menfche
lichen Körper hergeleitet und alfo von Bildhauern
feitgefeget worden. Diefe macheten ihre Btldfäulen
6 Fuß hoch, wie Vitruvius faget; >) und das ge»
41) Man fehe die Berchreibung davon in der Vorrede zu
den Anmertfungen über die Baufunf. Daß
dieie Eüulen weniger ald 6 Durchmefier haben, welche
Vitruvius der älteren doriſchen Drbmung beilegt,
beweifet nicht , daf fie vor der Seftfesung dieſes Verhälts
niſſes verfertigt worden, fondern daß fie von einem nie d⸗
rigern Berhältnifie waren; deñ die Gebäude Haben in
alten ihren Theilen gute Verhältniſſe, : obgleich fie an
fib felb nicht vom beiten Geſchmake find. In den
älteften Zeiten der Kunſt fuchte man zuerſt Feſtigkeit und
dañ Schönheit; und jene wurde in Gebäuden und in
Statnen beabfichtigt , da man auch in der Menfchene
seftait Feſtigkeit und Stärfe vorzuglich ſchäzte. Fea.
2) L. 3. c. 3.
neueſt. bereut. Entdek. 83
naue Maß, das ich von ihnen genommen, ſtimmet da-
mit überein. Huet in feinen Huetianis will bier
im Tert des Vitruvius einige Unrichtigkeit finden,
und an der Hchtheit einigermaßen zweifeln..1)
Das Studium der Runft iſt aber eine von dem Sku⸗
Dium der Kritif ganz verfchiedene Sache. Folglich
find die Gebäude zu Päſtum eher gemachet, als die
Bildhauer das Maß von 6 Fuß feflfegeten, oder
ehe die Banmeifter die Verhältniffe der Bildhauer
annahmen. Die Alteflen Baumeifter zu Päſtum ſa⸗
ben das Mißverhältniß ihrer Säulen wohl ein; da
fie aber Fein feilgefegetes Maß hatten, fo erwmähleten
fie das Mittel, damit fie nicht zu plump und in Ver
gleich ihrer Höhe zu un förmlich würden, nach Vor⸗
fchrift ihres Gefühls und der Vernunft, folde fe
gelförmig zu machen; 2) diefe Eegelfürmige Geftalt
1) Auch in der Geſchichte der Run [5 8. 48. 10 $.]
tadelt Windelmaf den Huet wegen biefer Stelle
des Vitruvius, obgleich auf eine andere Weile, und
Näßt ihn etwas fagen, waß er nie gedacht hat. Um (c 12.
p. 33) zu behaupten, daß der Menih ſowohl im Phyſt⸗
{hen als Intellectuellen fich immer verichlimmert habe,
führt derfelbe als Beifpiel den Bitru vius über dad New
hältniß des Fußes zur ganzen Geftalt an, welcher in alten
Zeiten für den fechiten Theil derielben gehalten worden,
und jeso faum dev fiebente fei: les proportions nı&me
sont differentes de ce qu’elles etoient. La longueur du
pied de l’homme n’est plus la sixi&me partie de sa hau-
teur, comme elle etoit du tenıs de Vitruve; & peine
en estelle presentement la septi&me partie. Peut- on
douter que la nature des esprits n’ait suivi celle des
corps ?_Died würde höchftend beweifen, daß entweder
ber Fuß fich verkleinert, oder die Höhe der Geftalt zus
genommen habe. Aber Hurt hat nicht beachtet, daß
die Alten dad Verhältniß ded Fußes sum fechiten Theile
der Höhe des Körpers. reftfesten, weil fie den tarfen,
gedrungenen Körperbau file schöner hielten ald den
langen und fchlanten. Zen.
2) Die von dem dritten Gebäude find gebaucht, wie
54 Briefe üb. d.
machet es, daß ſie ſehr feſt Heben, und men fie nicht
mir Gewalt zerflöret werden, können fie bis an's En
de der Welt fiehen bleiben. Der Abacus, welcher
auf der Keblleifte der Säulen rubet, raget auf ſechs
Balmen weit über die Architraven hinaus, und dies
fes gibt ihnen ein maietlätifches und beivunderns-
mwürdiges Anfehen. Die Triglyphben find am Friefe
und an den Efen des Gebälfs auf die Art angebracht,
wie Bitruvius eslehret, und welches fich nicht beffer
als durch eine Zeichnung diefer Gebäude darlegen
läffet. 1) Genug von Päſtum. Nun will ich Ihnen
auch etwas von der großen Wafferleitung zu &E
ferta melden. Diefe Waflerleitung it 25 italiänifche
Meilen lang. Die erfie Duelle, Fizzo genennet,wird
unter dem Berge Taburnus, den die Landleute der
Gegend Taurno nennen, gefaflet. Sn diefem Thale
find die Furcz Caudinz, mo die Römer von den
Samnitern eingefchloffen wurden. Der eigentlidhe
Drt, wo folches vorging, heiſſet izo Arbaia. Nabe
dabei find einige fleile Hügel, die das römifche Lager
genennet werden, und ein Drtder Furci heiffet; wei⸗
ter berunter gegen Neapel zu lieget det Drt Gaudi⸗
ello.2) Beim Nachgraben, die Wafferleitung durch
in den Unmerfungen Aber die Baufunft be
merft wird. Sen.
4) Segenwärtig fieht man nur an dem Fleinern Tens
pel einen Triglyph; aberder doriſchen Drdnung
‚zufolge, die fie mit dem jogenaftet Eoncordientem-
pel in Biraenti gemein haben, mußten fich deren an
alten drei Gebäuden befinden. Sen.
2) Die Furc» Caudinss” wurden von Don Grancefce
Danteli in einer prächtig gedruften Abhandlung: Le
Forche Caudine illustrate, 1773 in groß Folio mit Pas
nen und Ausſicht en jener berühmten Gegend, die auf
Koften ded Grafen Wilzek, ber Zeit kaiſerlichen Ser
fandten in Neapel, zu Caſerta am’d Licht trat, erläutert,
neueſt. bereut, Entdek. 85
den Berg zu bringen, fand man noch uͤberbleibſel der
aqua Julia, die das Wafler nach Capua brachte. Der
erſte, der ihrer Meldung gethan bat, ift Vellejus
Patereulus (l.2. c. 18.) auch fan man im Dio
Caſſius (1. 295) nachſchlagen. Dieneue Waſſerlei⸗
tung gehet auf denalten Durchfchlägen der aqua Ju-
lia fort, nur gehet fie viel tiefer, um mehr Waffer
zu fallen. Einer der Durchfchläge durch den Berg
iſt anderthalb italiänifche Miglien Tang. Auſſer den
Duellen , deren Wafler in die Leitung flichet, find
noch 34 andere Quellen vorhanden, die im Nothfalle
biheingeleitet und gefaffet werden Tonnen.
Dork iſt der caudinifhe Paß in das Thal zwiſchen
Arienzo und Arbafa verlest; den an dem Abhange
ded Berges oberhalb AUrbaia Tag das alte Caudium.
Sen.
6 Briefe üb, d.
(Nachricht vom königlichen Muſeum auf Capo di
Monte in Neayel, und ber Bibliothek von
©. Giovanni Carbonara.)
6.30, Wonen wir aber nicht auch einmal von der
Hauptſtadt des Königreichs Neapel, der fchönen
Barthenope, reden? Es gehöret izo nicht zu meinem
Zweke, bier vieles von ihrer bezaubernden Lage zu,
erzählen; die ich Ihnen doch nie reizend und würdig
genug Tchildern könte. Ich will mich alfo wieder im
meinen antiquarifchen Kreis begeben, und Sie heute
von einem Mufeum und von einer Bibliothef
unterhalten. Das Muſeum ſei jenes auf Capo di
Monte, und die Bibliothek die zu ©. Giovanni
Carbonara. Das Mufeum befindet fi in einem,
wegen des Krieges von Velletri, unausgebaueten Pa⸗
Inte, und enthält die Bildergalerie, die Bib-
liothek, und vorzüglich die auserlefene Sams
lung von Münzen, tiefgefchnittenen Ster-
nen und Sameen der Herzoge von Parma,
Da aber diefer Balaft in der höchiten Gegend der
Stadt, lieget, fo muß man erft eine fleile Anhöhe.
mit großer Befchwerlichkeit und Ermüdung erſtei⸗
gen, und aus diefer Urſache beflimmern fich die Ein-
heimiſchen nicht viel darum. Wen unfere Enkel eitt-
mal das Glük haben werden, diefen ganzen Schaz
in Drönung nufgeilellet zu fehen, fo wird er einen
fo anfehnlihen Rang behaupten, als irgend einer.
Nachdem er zwanzig Vahre in Kiften und ſonſt ein-
gepafet in feuchten Zimmern auf ebener Erde gelegen
bat, fo ift er endlich ad’ dias luminis auras hervor⸗
gefommen, aber nicht ohne an vielen beträchtlichen
Stüfen Schaden zu leiden. Die alten Gemälde aus
dem Balafte der Katfer auf dem vpalatinifchen Hügel
find vom Schimmel völlig unfcheinbar geworden.
Der größete und beſte Theil der Gemälde ift in zwan⸗
neueſt. bereut. Entdef. 87
zig Heine Zimmer vertbeilet. Die Münzen waren
fchon in Ordnung gebracht. Die Bibliothek aber mit
den berühmten farnefifchen Manuferipten Tieget
in den Dachituben über einander. Der Auffcher der
Bildergalerie, des Mufeums und der Bibliothek if
der Bater della Torre, ein artiger, umgänglicher
und gelehrter Man; er liebet aber andere Studien.
Sein Fach iſt die Naturlehre, über welche er öffent»
lich lieſet. Auſſer fo vielen Amtern hat er auch noch
die Aufficht über die Fönigliche Druferei, und es
it nicht möglich, daß ein einziger Menſch fo Vieles
überfehen fan. Das fchönfte unter den Gemälden
ift das Bild Leo X. in drei Figuren von Raphael
von Urbino. Zu Florenz ift ein ähnliches, man
weiß aber nicht, welches von beiden das Driginal iſt;
man lefe hierüber den Bafari nad. Diefes Ge
mälde tft das non plus ultra der Kunſt, und ich wette,
dag weder van Dyk, noch der Ritter Mengs, die
Bierde meines Vaterlandes, und der geiftreiche
Wiederhberfteller der verfallenen Malerkunſt, im
Stande wären, ein Gemälde zu verfertigen, das dies
fes überträfe. Das große Driginalgemälde Pauls IH.
(Farnefe) von Ditian, gleichfalls von drei Fi-
guren, flebet neben jenem, wie der Apollo des
Kallimahus neben dem Phöbus des Homers,
und wie die Diana in der Aneis neben jener in der
Odyſſee. Schaber bin freilich fein Maler, und will blos
bei dem fleben bleiben, was mehr in mein Fach gehöret.
$. 31. Die Münzen befinden fich auf zwanzig
großen Tifchen, die mit einem feinen Drathgitter
‚bedefet find; fie find alle in GStäben von Bronze
'eingefaflet, .die man ummwenden fan, um ſowohl
die Hauptfeite. als die Kehrfeite zu betrachten. Sch
babe folche, nach meggenommenem Gitter, ganze
Tage lang: befichtiget. Das Mu ſeum iſt nach beträcht-
Tier als das Buch des Baters Bedrufi, Ä Ce-
88 Blriefe üb. d.
sari etc. 1) betitelt, beſaget; ein abſcheuliches Ge⸗
ſchmier, das aber von den Pedanten ſehr hoch ge⸗
fchäget wird. Der Verfaſſer bat ſich nur mit den
römifchen Münzen abgegeben, weil folche zu hiſto⸗
rifchen Streifzügen mehrere Gelegenheit geben. Das
Bornehmfte in diefem Mufeo, wenigſtens meinem Ge⸗
fchmafe nach, find die griechifchen Münzen auf
fünf Tafeln, deren größter Theil das faucaultifche
berühmte Mufeum ausmachete, fo der Teste Herzog
von Parma kaufete. Der Sardinal Noris erwähnet
derfelben in feinem Briefwechfel mit dem Graven
Mezzabarba, deßgleichen der Pater Montfaucon
in feiner Paleographia Greca. Diefe Sam̃lung, und
die Sreiheit alles genau zu beobachten, bat mir mehr
Licht gegeben, als fo viele andere Sammlungen, die
ich gefehen habe. Der König bat folche noch dadurch
vermehret, daß er die goldenen Münzen ber römi-
fchen Kaifer an fich gefaufet, die der Cardinal Ales
tander Albani gefammelt, und der Marchefe Gris«
maldt vermehret bat, nach deren Tode fie durch
Bermittelung eines Kaufmans zu Livorno mit der
farnefifhen Samlung vereiniget worden find. Der
König bat 4050 nenpolitanifche Ducaten dafür be⸗
zahlet. Sie befichet in 143 Münzen; die feltenfte
darunter it ein Amilianus, verfichet ich in®olde.
Nun ein paar Worte von der Bibliothek zu S.
Giovani Carbonara. Ste entfland aus der Bücherſam̃⸗
lung des Sannazaro, des Janus Parrhaſius,
1) Der Jeſuit Paolo Pedruſi hat von den Münzen dei
Muſei eine Beſchreibung gemacht unter dem Titel: Ce-
sari in oro raccolti nel Farnese Musco in Parma, in
schn diken Bänden in Folio, wovon der erfte 1694 here
außfam. Der lezte it 1727 gedrutt, und ſchließt mit den
Kaiſer Trajanus. Zwar gehen die Schaumünzen, die
mit Julius Chfar anfangen, bis auf Eonftantin
den Grohen, aber bie Beſchreibung if feitdem nicht
förtgeiest worden. Daßdork
neueſt. hercul. Entdet, 89
der folche dem Sardinal Seripando vermachete,
und aus den Büchern, welche diefer Cardinal felpft
befaß, und enthielt im vorigen Sahrhundert eine
große Menge fchöner griechifcher und lateiniſcher
Sandfchriften. Die Gutwilligfeit diefer Augufliner
und das Anfeben der Zandesherren bat folche aber
beinahe in ein Nichts verwandelt. Zu Ende des vo⸗
rigen Sahrbunderts Fam ein junger gelehrter Sollän-
der, Namens Witfen, nach Neapel; vieleicht war
es der nachberige amſterdamer Bürgermeifter, der
feinen Namen berühmt gemachet bat. Er überliftete
einen der guten AYugufliner, der ihm um 300 Scudi
40 der felteniten griechifchen Sandfchriften verfaufete.
Diefer Handel wurde ruchbar; aus Mangel eines
Derzeichnifies Eonte der Verkäufer aber nicht über-
führet werden, und Witfen reifete mit feiner ſchö⸗
nen Beute davon. Diefe Nachricht babe ich aus
einem gewiſſen Briefwechfel gesogen. Die leste Bere
minderung der Bibliothek an fo vielen Eoflbaren Mas
nuferipten iſt von den Ofterreichern gefchehen, die
auf königliche Ordre die beften Überbleibſel wegge⸗
nommen haben. Den berühmten Dioskorides,
die mit vergoldeten literis majusculis auf purpurfar⸗
benem Pergament gefchriebenen Evangeliſten, 1)
einen Diodorus Sikulus, Lykophron, Dio
Kaſſius, Euripides ıc. ſämtlich Griechen, muß
man izo in Wien ſuchen. Traurige Veränderungen! 2)
4) In der italiänifchen Erzählung Collars, in dem un
ten angeführten Werke, wird bemerkt, bie Handſchrift
fei auf purpurfarbenen Papier, zum Interfchiede von fo
vielen andern auf Pergament. Gen.
2) In den Supplementen bed Adam Franz Eollarzum
erfien Theile ber Eommentarien der wiener Bib—
liothek von Peter Lambeciuß (col. 736. etc.)
wird ein Verzeichniß von allen Handichriften und Büchern
gegeben , welche aus der Bibliothek zu Neapel in die Fais
ferlihe Bibliothek nach Wien gebracht worden. Daßdorf.
. 1%
N
90. Briefe üb. d. >
LNachrichten von einigen in Rom und den un
liegenden Gegenden außgegrabenen Alten
tumern.)
§. 31, 62 iſt Zeit, daß wir auch ein wenig
von den römiſchen Altertümern reden: nicht von
denen, die fchon feit langer Zeit von jederman gefehen
worden find, fondern von folchen, die erſt izo aus⸗
gegraben und entdefet werden. Großes Nom!
— — Possis nihil urbe roma
Visere majus!!)
$. 32, Bet Grabung des Orundes zu einem Ge⸗
bäude, welches die Sylveflrinermöndg von Santo
Stefano del&acco anführen, fand man drei große
Zrümmer vom Gebält eines Säntenganges, wie man
aus threr Krümmung I) fchließen Fan. - Ste find von
ausnehmend feiner Arbeit, ohne mit Sieraten über»
faden zu fein. Die kleinen Zahnſchnitte find, zu zwei
und zwei, mit gewiſſen durchlöcherten Eterchen ver»
4) [Horat. Carm. Secul. v. ır — ı2.]
2) Flaminio Vacca (Memoire,num. 27.) ſchreibt,
daß au feiner Zeit, als man unter die Kirche ©. Ste
fano grub, dafeldft ein Theil eined Tempels entdeft wor,
den, defien Säulen von gelbem Marmor noch aufredit
ftanden, aber ſo mürbe gebrafit waren, daß fie in Stüfe
zerftelen, als man fie heraus nahm. Auch fand mas
daſelbſt Wltäre, an. weichen Widder mit Zieraten. am
Kalfe abgebildet waren. Died alles beweifet, daß dab
Gebäude ein Tempel geweſen; und die Topographen Roms
mögen. unterfuchen., ob vielleicht. an jenem Ort ber Tem⸗
pel des Serapis geftanden „ wie Nar din i (Roma an-
tica, L 6. c: 9. p. 331. col. 1.) vermuthet. Den Bei⸗
namen bei Ga.cco. ſoll, dieſem Schriftſteller sufolge,- jene
Kirche von ber Statue eines Kynokephalus erhalten
haben, die früher daſelbſt geſtanden; oder wie Vacca
gt, von swei Löwen aus grünem Baſait, die ehemals
vor dieſer Kirche geftander, und sur Zeit Pius IV. am
den Aufgang dei. Capitols gefest worden: Gen.
neueſt. bereut, Entdek. 91
bunden, die gleichfalls auf das feinſte gearbeitet ſind,
von nachſtehender Geſtalt. 1) — Einige ähnliche find
an dem Gebälke der drei Säulen des vorgeblichen
Tempels des donnernden Jupiters, mit der In»
fihrift estırven, unbefchädiget geblieben. Die Eierchen
an diefem Festen Gebälfe verfchaffeten mir den Ge⸗
win einer Wette mit einem Landſchaftmaler, ber
diefe Säulen mehrmals auf Gemälden abgebildet
batte, ohne folche wahrzunehmen. Der Prinz Bor .
gheſe bat auf einem ihm gehörigen Gute auſſerhalb
Rom, Torre verde genait, viele fait ganze Säulen
von verfchiedenen Arten von Granit und Marmor ger
funden. Bier derfelben von Marmor find 13 Balmen
hoch, cannellirt und mit Ringen; ein Zeichen,
daß fie zw den Beiten der Katfer verfertiget worden.
Sie And ziemlich bauchig, aber nicht fo fehr als an
den Säulen des Ehiaveri.?) Die Ninge waren
zu Vitruvs Beiten micht gebräuchlich; man fichet
auch ihren Grund und Urſache nicht ein. Es ifl
wahr, daß fich Ähnliche auch noch an den Innern
Säulen der Notonda befinden; aber diefer Tempel
it fo oft vom Domitian, Sadrian, und zulest
som Septimins Severus erneuert and wieder
bergeftellet worden, daß man auch die Karyatiden
des Divgenes von Athen ganz aus dem Gedächt⸗
niſſe verforen hätte, wen ich bei Ausmellung der
Bildfäulen und Denkmäler nicht. einige Spuren da⸗
yon entdeket hätte. ) Daher bin ich überzeuget,
4) [Die man unter Numero 10 am Ende diefed. Bandes
abgebildet fieht.]
2) lin Dresden FT
3) Bitconti (Museo Pio- Clement. t. 2. tav. 18.) glaubt;
daß diefe Karyatiden über den Säulen dei Vor:
ticus geftanden haben, um die Deke zu unterſtüzen, welche
in der Mitte Höher war, als auf beiden Seiten. Seh
[Diefed. meint auch AL Hira in. feiner Schritt Über.
das Pantheon. b
92 Briefe üb. d.
daß die Säulen der Capellen neuer find, als der
Borticus. Bwifchen Tivoli und Paleſtrina Tieget ein
anderes Gut der Familie Borgbefe, das ſie in Erbe
pacht gegeben bat, im Gebiete von Colonna, und
zmar gerade an dem Orte, wo das alte Labicum!?)
und ein Landhaus des Lucius Verus gewefen if,
izo le Marmorelle genañt. Der Bachtinhaber Diefes
Zandgutes hat dafelbii nachgraben laſſen, und bat dag
Glük gehabt, eine Venus zu finden, von etwas mehr
als Lebensgröße,, "eben fo fchön wie die florenti⸗
nifche,2) aber durch den Verluſt einer Hand und
eines Stüfes von einem Arme verflümmelt. Die Füße
find auch da, obwohl zerbrochen; der Kopf hat Feine
Safe wie gewöhnlich, und die Unterlipe iſt befchäs-
diget. Zum Unglüf iſt fie in die Hände eimes Bild⸗
hauers gekommen, der das Antike von dem Mobernen
nicht unterfcheiden Fan, und die ergänzete Nafe und
Zipe machen ihm wenig Ehre. Dafelbfi fand man
auch einen fehr fchönen Kopf des Luctus Verus.
Zu meiner Zeit iſt ebenfalls das BSeftel einer Serme
zum VBorfchein gefommen mit der Snfchrift:
4) So glaubt Fabretti (De aq. et aquæd. dissert. 3. num.
363. seq.) nach dem Holftein und dem Pater Volpi
(vetus Latium profan. t. 8. 1. 15. c. 5. p. 299. seq.)
Ficoroni aber, (Memoire del primo e secondo La-
bico,) unterfcheidet zwei Städte dieſes Namens, bie alte
welche nad feiner Meinung swifchen Lugnano und Vals
montoneaufdem Eolle be’ Auadri gelegen haben fol,
und die andere, genafit Labico alle Auintane, weldye-
nad dem Untergange jener erbaut worben; und biefer
lezteren ſoll, wie er (p. 50. seq.) meint, die Inſchrift
angehören, welche weiter unten von Windelman beis
gebracht wird, und die von Sabretti am angeführten
Orte befafit gemacht worden: er findet nicht unwahrſchein⸗
lich, daß es da gelegen habe, wo jezo der Fleken Colonna
liest. Gen. .
2) Der Vergleich iſt etwaßt übertrieben. Gen, ,
-
neneſt. hercul. Ehtdef, 93
AACOC MEN MOTYCAIC IEPON
AETE TOYT ANAKEICOAI
TAC BYBAOTYC AEIZAC TAC IIAPA
TAIC TIAATANOIC
HMAC AE $POYPEIN KAN TNHEI
OC EN®OAA EPACTHC
EAOH To KICC» TOYTON ANA
CTESOMEN.
Sage, daß dieſer Hain den Mufen ge
didmet ifl, und zeige die Bücher bei den
Bfatanen. Sage, daß wir ſie bewahren, und
eden ächten Liebhaber, der hieher kom̃t,
rit Epheun frönen. 1)
6.33. Kurze Zeit nachher fand man eine Bilde
Rule ohne Füße und Arme; der Kopf ift davon ge
rennet. Sobald fie vorgeftern nach Rom gebracht wor⸗
1) Diefe Inschrift iſt, wie befaiit, fchon von Verſchiede⸗
nen mitgetheilt worden. Unſer Verfaſſer hat fie in ben
Nachrichten an Füeßly wiederholt. Die Schrift derſel⸗
ben it der in den Werfen des Philodemus ähnlich
von denen im $. 4. biefer Briefe geredet worden. Die
Form der Buchſtaben zeiget, daß fie aus den Zeiten der
Kaifer iſt; und fie kañ ebenfowohl in Rom als in Grie⸗
chenland verfertigt fein, deñ damals waren sriechifche
Sprade und Sitten daſelbſt Häufis. In Hinficht anf die
in der Snichrift enthaltene Unfpielung glaubet dev Abate
Sea, daß die Schrift auf Die Bruft eined Genius geſchrie⸗
ben gewefen, um ihm gleichfam redend einzuführen, als
Wächter des Platanenhains, in deſſen Schatten fich viel
leicht Dichter verfammelten, um ihre Werke vorsulefen;
daher gefagt wird, daß er den Muſen geweiht war.
Die Alten ſchäzten die Platanen vorzüglich wegen des
Schattens, den ihr großes und dikes Laub gewährte,
weßhalb ſie dieſelben auch in ihren Villen und auf Spa⸗
gtersängen pflanzten, und mit ſolcher Sorgfalt pfleg⸗
ten, daß ſie ſogar ihre Wurzeln mit Wein begoßen. Ger:
3m.
9% Briefe üb, d.
den, erfuhr ich folches von dem Ergänzer der "oben
erwähnten Venus, und wir beide gingen mit dem
Befizer derfelben nach der Vila Borghefe, wo fie
in einem Schupen flehet, um fie in Augenfchein zu
nehmen. An dem Kopfe erfante ich die Bildung
und Züge des flavianifhen Gefchlehts, und
fand Ahnlichkeit mit dem Kopfe des Domitian.
Der Rumpf iſt in der beften Manier gearbeitet, aber
von Salpeter zerfreffen, und mit folchem bedefet,
fo daB man den Marmor mit den Fingern zerreiben
fat. Man fiehet deutlich, daB daran Gewalt ge⸗
brauchet worden, nämlich tiefe, kreuzweiſe, mit ei»
fernen Werkzeugen gehauene Löcher. Der Kopf ifi
befier erhalten. Da der Rumpf gleich unter.der Ober-
Bäche der Erde, der Kopf aber viel tiefer unten an
der Mauer gefunden worden, ſo iſt es wahrſchein⸗
lich, daß diefer Torſo fchon einmal ausgegraben ges-
wefen, und weil man den Kopf vermiffete, wieder
vernachläßiget und neuerdings wieder mit Erbe bes
worfen worden, daher er von der Feuchtigkeit und
freffenden Zuft fo viel gelitten bat. Die ganze Bild-
ſäule wird ungefähr zwölf Balmen hoch fein. D Wir
wiffen aus dem Sueton, ?) daß alle Bildfäulen
dieſes Kaifers gemißhandelt,. vergraben und verſtüm⸗
melt worden. Aus dem, was ich gefaget habe, cr»
hellet, daB auch diefe nicht von der Verachtung und
Wuth des Pöbels verfchonet. geblieben if. Monte:
faucon redet von einer. Bildfäule des Domitiar
4) Sie fichet in der Villa Albani, und eine Abbildung.
davon befindet fich in ded Eavaceppi Raccolia di Sta-
tue (t. 1. tab. 2). Sie iſt natt im Heroencoſtume.
Winckel ma ñ erwähnt ihrer aub im Sendſchreiben
$. 105. in be GSerhtchte dev Kunft 11 8.3 &
22 $. und in den Dentmalen, 2 Ch. 8 8. Gem
Dam Leben dei’ Domitian, am Ende Fea.
neueſt. hercul. Entdek. 95
tm Balafle Binftiniant, ſeinem Vorgehen nach der
einzigen in der Welt. Es ift vielleicht Dieienige, die
fich feine Gemahlin vom Senat ausbat. Nach dem
Brocopius war folche aber von Bronze, da bin
gegen diefe von Marmor ift, und man fichet, daß der
darauf gefegete Kopf eines Domitian nicht derienige
ift, der anfänglich darauf geftanden hatte. Im vo
rigen Sahrhunderte ward an dem nämlichen Orte fol
gende Infchrift eines Ba rthenius gefunden, die
Zabretti anführet: 1)
D. m
PARTHENICO ARCARIO
REI FVBLICAE
LAVICANORVM
QYINTANENSIYM.
6. 35, Nach der obbemeldeten Bildfänle des D gr
mitian zu muthmaßen, follte ich faft glauben, daß
die in der Auffcheift erwähnte Berfon der nämliche
Partbenius cubiculo prepositus diefes Kaifers ill,
defien Suetontus in feinem Leben Meldung
thut. 2) Sch Fan nicht unterlaffen, Ihnen eine an⸗
dere Neuigkeit zu berichten, nämlich, daß in der
Gegend von. Corneto, Civitavecchia zu, an taufend
—*8 voll der älteſten Grabmäler gefunden worden
nd 26. -
* *
«
6 36. Als der Sardinal Alexander Ab
bani vor kurzem feine Vorräthe von alten man
mornen Bruchflüfen, die wir cimiteri nennen, durch»
muſterte, fand man eine auf einem Stuhle fijende
Figur; auf dem gerbrochenen Fußgeſtelle entdefete man
‘sy Inscript. num. 388. p: 540.
2) © 16.
6. Briefe üb, d.
die Buchſtaben EYPT. - . . Auf der Lehne des Stuh⸗
les war eim erhöhbeter Streif mit den Titeln von
zehn Trauerfpielen des Euripides, der in einen
Winkel des Collegi Romanii der Zefuiten geworfen wor⸗
den war. Sch Tief gefchwind dahin. Das Maß und
die Geſtalt des Bruchs, die ich mir vorher auf Ba-
pier gezeichnet hatte, traf vollfommen mit einander
überein; es murde alfo diefes Stüf gegen einige alte
filberne Münzen der Kaiſer eingetaufchet. Die alten
Denfmäler haben oft einerlei Schiffal mit jenem
Diebe, der das eine Ohr in Madrit und dag andere
in Neapel lief. In allem werden nicht mehr als 37
Trauerfpiele darauf verzeichnet leben, die vielleicht
von den Alten für die vorzüglichiien gehalten wur⸗
ben; darunter habe ich die Namen von fünfen gefun-
den, deren Fein Schriftfieller ermwähnet. Much if noch
etwas Befonderes dabei, wovon ich zu feiner Zeit
Gebrauch machen werde. 1) Der daran fehlende Kopf
fol von einem alten Bruftbilde copirt werden. Er⸗
mwägen Sie nun felbit, wie eine Sache der andern
die Hand bietet, und dad man alles geliehen haben
muß, wen man fih für einen Altertumsfenner aus⸗
geben will. Ohne die Kentniß des einen der vier
Jesten bereulanifchen Gemälde 2) hätte man diefe Fi⸗
gur nicht ergänzen Finnen. Dan entdefet Fleine Stifte
daran, die ein offenbares Keñzeichen der hasta pura,
oder des Zepters find; ohngeachtet es fcheinet, daß
Solche einem Poeten nicht gebüre, der nicht, wie
4) Der Abate Amaduzzi machte gleichzeitig mit unferem
Verfaſſer dad Verzeichniß diefer Trasödien in einem Briefe
vekañt, weicher im fiebenten ande de’ Miscellanei di
Lucca eingerükt iſt. Gen.
Das Denkmal fol nun im koniglichen Mufeun zu
Paris fein. Stebelis. ü
[AHgebitdet in den Dentmalen, Numero 168.J
2) [Man fehe den 20 $. biefer Briefe.
neueſt. berenf. Entdek. . 97
Somer, vergöttert worden. 1) Sch behauptete dar:
auf das Gegentheil, führete den Tragifchen Dichter
zu Portici zum Beweife an, und unterflügete feine
* mit einem griechiſchen Epigram, in welchem
dem nämlidhen Enripides zwar nicht die ba fin, aber
der Thyrſus, beigeleget wird. Dan vermechfele die
haſta mitdem Thyr ſus, der eine mit Epheublättern
ummundene bafla war; fo wird esein Stab oder
langes Bepter. An dem nämlichen aufgegrabenen
Drte, mo voriges Jahr (1761) in einen, MWeig-
berge nahe bei Fraſcati, aber gegen Monte Borzio
zu, eine Bildfäule des Sardanapal, Königs von
Affyrien, mit einem Bcrte, und von vortreflicher
Arbeit, gefunden ward, (es iſt aber der erfLe diefes
Namens, deffen Kaſtor beim Euſebius in feiner
CEh ronik gedenket; nichtderzwette, übel berüchtigte,
vom Herodotus, ?) Ktefias’) und Diodorf)
befchriebene); am Saume feines Gewandes flehet die
Ssnfchrift CAPAANATIAAAOC. 5) Nebſt vier weiblichen
Bildfäulen, die Karyatiden 6) zu fein fcheinen,
und andern zerbrochenen Statuen, bat man nun
1) [Man fehe ben 27 und 28 $. berfelben.)
2) L. 2.c. ı50. p. ı77.
3) Athen, I. ı2. c. 7. $. 38. p. 528.
4) L. 2. c. 23. p. 136.
5) Diefelde Erklärung gibt Windelman auch in feitten
Dentfmalen, wo er dieie merkwürdige Figur untere
Numero ı93. zuerft bekañt machte. Viſconti (Mus.
Pio-Clem. t. 2. tav. 41.) zeigt, daß Die Inſchrift mit der
Figur ſelbſt nichts zu (chaffen hat, in welcher er den barta⸗
gen Bakchus erkañte. Fernow.
© Eigentlich find dieſe weiblichen Figuren Kanephoren
und nicht Karyatiden. Windelmaf t in
den Denkmalen (3 Th. 1K.) zweier Hermeny welche
dem Kopfe dieſes fogenniten Sardanapalud. ehr ahnlich
Wiunckelmañũ. 2 ?
98 Brief. üb. d.
auch eine vortrefliche weibliche Figur, mit Gewand
befleidet und in Lebensgröße, berausgegraben. Es
fehlet blos ein Arm, das übrige iſt alles ganz und
unbefchädiget. Aus einigen dafelbif gefundenen In⸗
fchriften zu urtheilen, ift diefer Weingarten, wo
das Nachgraben gefchiehet, ein Landhaus der Familie
Portia geweſen. Was gäbe ich nicht darum, wei
ich Ihnen mit der fehlechten Waare, die ich izo zu
Marfte bringe, etwas zu Lachen machen föhte. Dies
tft ein Soldatvon Bronze, der in Sardinien auss
gegraben, und von Cagliari aus an den Sardinal,
meinen Gönner, gefandt worden; er if vermuthlic)
in jenen Zeiten gemachet worden, wo «3 nothwendig
war, unter die Figuren zu feger: Das iſt ein
Pferd, und: Das iſt ein Efel. Zu den damn-
ligen Zeiten wurden für die Armeen feine MNagazine
errichtet, daher der arme Soldat alles.auf einem klei⸗
nen Karren mit zwei Nädern hinter fich ber fchlevete,
oder wie die Karrenfchieber in Deutfchland vor fich
hinfchob. Auf diefem Karren ſtand ein Korb, in wel-
chen alles geleget wurde. Wen der Trup an dem
Ort feiner Bellimmung gelangete, oder die Lebens-
mittel, die er mit ſich führete, aufgezehret waren,
was machete da jeder Soldat mit feinem Karren?
Er flefete ihn Hinter feine Achfeln in einen Ring, der
an dem Hintertheile des Sarnifches befeitiget war, fo
daß die beiden Räder mit der Achfe über den Kopf
hinausrageten. Und den Koch? Diefen nahm er auf
- And, einen in der Farneſina, und ben andern in Pa;
Aermo bei den Jeſuiten, wohin ex aud Rom gebracht wor⸗
den. Man fehe Riedeſels Reifenah Sicilienc.
1 Brief. Sea.
Bifconti (Mus. Pio-Clem. t. 2. tar. 41.) führt
noch mehr Denbmäler an, wo der bartige Bakchus
abgebildet iſt Fernow.
[Man vergleiche G. d. K.s 8.1 8. — Coopman,
Dissert. de Sardanapälo. Ast. 1819.]
neueſt. bereut, Entdek. 99
den Kopf, und ſtekete ihn auf die beiden Hörner, bie
am Helme angebracht waren; daher es ausfichet wie
eine niedrige flache Müze; die Hörner aber ſtehen
hervor und herunterwärts, wie Elephantenzähne. So
.bewafnet und beladen sing der fardinifche Soldat in
die Schlacht, indem er in der linken Hand das Schild
und den Bogen, und in der rechten die Pfeile hielt.
Das kurze Schwert hänget ihm am Halſe, und quer
-über die Brufl. Die Füße find bloß, aber die Beine
find mit einer Art von Strümpfen befleidet, die
vorn offen find, und nur die Waden bedefen. Die
Schultern find. mit gewiffen Auffchlägen gezieret, wie
fie unfere Trommelfchläger tragen. Die Figur iſt 2
RBalmen und 2 Zoll hoch, 1
* F *
$. 37. Laſſen Sie uns mach wiederhergeſtelltem
Frieden unfere antiquarifche Zeitung wieder
vornehmen.?) Ich gab Ihnen von meinem laͤndlichen
Aufenthalte zu Oſtia, in Geſellſchaft des Cardinaldecans
Spinelli, Nachricht; daſelbſt entdekete ich in einem
Weinberge ein in zwei Stüke zerbrochenes Baſſorilievo/,
das halb wieder mit Erde bedeket war, 9 Palmen
lang, fünftehalb breit, und einen Palm dik. Dieſes
ſtellet einen Gegenſtand vor, der einzig in ſeiner Art
iſt; nämlich die Erkennung der Geburt des The-
ſeus in 8 Figuren. 3) Ich darf Ihnen die ganze Fa⸗
4) Man ſehe die Abbildung unter Numero 21, und die Er⸗
klärung derſelben, wo einige Unrichtigkeiten der Beſchrei⸗
bung Winckelmaus verbeſſert werden.]
2) Geſchrieben den 26 März 1763. Gen.
3 Nachdem diefed Baſſorilievo in die Billa Albani gekom—⸗
men war, wurde ed von Winckelmañ in den Denkt
malen unter Numero 96 bekañt gemacht, und daſelbſt
im 2 Tu. 12 8. erklärt, wo er bemerkt, daß dieſes
100 Briefe üb. d.
bei nicht erſt weitläuftig erzählen, fondern nur kurz
berühren. Der Vater des Helden fchwängerte auf
feiner Reife die Athra, Tochter des Königs zu Trö⸗
zene; da er aber wieder nach Athen zurüf mußte,
führete er die Athra an einen großen Stein, unter
den er feine Schuhe, nebft feinem Schwerte verbarg,
mit dem Befehle, daß fie, wen fie einen Sohn zur
Belt brächte, und diefer zu verflänbigen Jahren ges
Ianget wäre, ihn diefen Stein aufheben laffen, umd
mit den darunter verwahreten Sachen nach Athen
fchifen follte, weil er ibn an diefen Merkmalen für
feinen Sohn erkennen würde. Sch machete fogleich
eine Zeichnung davon und fchifete fie nach Nom au
meinen erhabenen Gsnner, für den ich folche nach-
ber, nebſt noch einem andern Baſſorilievo, einen
Driumpf vorſtellend, von dem Sardinaldecan zum
BGeſchenk erhielt. Theſeus alfo, in heroifcher Ge⸗
ſtalt, bebet den Stein auf, feine Mutter ſtehet dabei,
und die andern Figuren find blos angebracht, um
Das Ganze vollflommen zu machen. Es fehlete nicht
viel, daß meine Neugier mir nicht beinahe das Leben
gefoftet hätte. Sch begab mich mit bloßen Füßen in
eine Grotte voll Waffer, um ihre Conſtruction genau
zu unterfuchen; da mir das Waſſer bis am die Knie
reichete, ging ich wieder hinaus und zog mid) ganz
aus. Ich begab mich noch einmal in meine Unterfur
hung, als ich aber in einen engen Gang gerietdr
wo das Waſſer böher war, als ich ſelbſt, fo Töfchete
Werk ſchon vom Vater Rofpt, (Vetus Lafum profanum,
1.6. tab. 15.) befafit gemacht worben, aber ſo verändert,
daß man den wahren Inhalt verfaflte, ben man ſchon auf
zwei Gemmen gefunden Batte, bern Winckelma ſi in
vr Befhreibungsefhnittener Steine. 3Kl.
41 Abth. 70 Num. erwahnt. Denfelben Gegenſtand ſtellt
eine Münze von Wehen in Bronze dar, welche fich im
borgiauifhen Mufeum zu Velletri befindet. Sea.
neueft. hercul. Entdef, 2101
die Fakel im Waſſer aus, und nur mit vieler Mühe
konte mir der aufferhalb der Grotte ſtehende Bediente
wieder heraushelfen. In den Nuinen des alten Oſtia
ließ ich verfchiedene Berficche mit Nachgraben machen,
und weit wir fünftiges Jahr wieder dahin Fommen,.
fol die Arbeit wieder vorgenommen werden. Zn der
Gegend um Rom find folgende Entdefungen gemachet
worden. Zwei Knaben, die mit Würfeln aus Kno⸗
chen fpielen, deren einer gewinnek, der andere verlie⸗
ret; diefer, der mit einer traurigen Mine auf einem al
ten Sokel ſtzet, befichet den gewworfenen Würfel, und
halt in der linken Sand nach vier, und in. der red
ten Hand noch einen dergleichen; der andere hingegen
fiehet aufrecht, mit einem Gefichte voll kindiſcher Freu⸗
de, und hält in der finfen an die Bruſt gedrüfeten
Hand ſechs Würfel, welche die volle Hand faum alle
faffen fan. 1) Lord Hope hat folche gefaufet. Ein
2) Die Erflärung diefer beiden Knaben iſt in den Nachrich⸗
ten $. 99 und inden Dentmaleni Th. 13 8. wie
derholt: „Dieſes Wert gleichet: dergefialt dem Amor,
„ weichen Apollonrus Rhodius (Argon... 3. v.
„117. seq.) mit den Ganymed ſpielend einführet,
„ daß es fcheinet, der Sünfler habe dad Bild von dem
» Dichter entiehnet. Auch bei diefem hält der ſtehende
„Amor in der Tinten Hand die Würfel, die er dem
Ganymed abgewonnen, unter der Bruft, und Tess
„terer fiiet auf der Erde, gebüfet und unmuthig,
» daß ihm nur noch zwei übrig geblieben. find, nach:
„ bem er den dritten geworfen hat.“ Inder Ge
ſchichte der Kunſt 11% 38.168. ſpricht Windel
mai von zwei Figuren kleine Mädchen, mit Wür—
felknochen ſpielend, welche im October 1765 in ber
Billa Verospi gefunden worden, und beſchreibt fie
auch in einem Briefe an Heyne vom 5 Dec. 1765.
Eie gleichen einer kleinen Figur, die einft der Cardinal
Polignac befaß, und die nachher der König von Preußen
kaufte. Cine Abbildung derfeiben finder man in dem
Werke des Ficoroni sopra i Tali cd altri strumenti
’
104 Briefe üb. d.
das Gewand. !) Die Figur iſt ungefähr 3 Palmen
bach, und fiehet bei dem Bildhauer Envatepypt.
2. EinMercur als Knabe, der erfle, den man
ohne Hurt gefehen hat; die Eleinen Flügel find an
den Schläfen angebracht. Er iſt in Lebensgröße und
fiehet bei dem nämlichen Bildhauer.)
3. Ein ſizender Sefangener ohne Beine und
Arme, aber von foldyer Bortreflichkeit der Kunſt, daß
man, den Laokoon ansgenommen, ſchwerlich feines»
gleichen finden wird. Er iſt beinahe in Lebensgröße.
Ein Engeländer bat ihn an fich gefaufet.
4. Der Kopf eines Faums, mit zwei Fleinen Som
nern auf der Stimme, der jede in Marmor ausge
drüfte Idee der Schönheit weit übertrift. Ein
vollfommer Modell, glaube ich, iſt noch von Feinem
- Sterbfichen, noch in den Köpfen derer, die mit ih⸗
ren Gedanfen bis an den Urquell des Schönen hin
auffleigen wollten, ie entworfen worden. Es fehlet
aber die Nafe daran, und die Dberlipe iſt befchäs-
diget. Es ſtehet ebenfalls bei Cavaceppi. 8)
5. Vor einigen Tagen wurde aus Griechenland
eine Statue mit zwei Baſſirilievi und beide mit Infchrif-
ten hieher gefandt. Die Statue ſtellet eine weiblaiͤche
beffeidete Figur vor; fie iſt chen nicht vortreflich, aber
doch gut gearbeitet; auf derfelben Hehet der Name des
1) Diefe Figur wurde vom Cardinal Alexander Albani
gefauft und in feiner Billa aufgeftellet, nachdem vorher
jene unbefcheidene Erhöhung des Gewandes weggenteißett
worden. Fea.
2) Cavaceppi gibt eine Wbhifdung in feiner Raccolta di
Statue etc. (t. ı. tav. 24.) und fagt, fie fel nach Deutſch⸗
land gegangen. Sea.
3) In der Solge kaufte ihn Winckelmañ ſelbſt, und gab
eine aAbbiidung davon in den Denkmalen Numero 59.
Nach feinem Tode verblich er dem Cardinal Albani, der
ihn in feiner Villa auffiellen ieh. Zen.
neueſt. hereuf. Entdek. 105
Bildhauers, der aber abgefchenert if: bios der Name
feines Vaters iſt darauf geblieben: - - ZIMAXOT
(AYZIMAXOT) EIIOIEI. Ein engelifcher Arzt, ber
Handlungsgefelfchaft zu Smyrna, hat fich in diefen
2ändern und felbit bei der Bforte in ein folches
Anſehen gefezet, daB ihm erlaubet worden iſt, nad)
Altertümern zu graben. Ein anderer mir befaiiter
Engeländer, des eriieren Freund, bat von da aus
zwei Felufen voll Bildfäulen und Brufibilder nach
Engeland gefchiiet. Darunter waren acht, die fich
vollfommen unbefchädiget erhaften hatten. Vorbe⸗
meldete Statue iſt nach Nom gefommen, meil der
Kopf und ein Arm daran fehlet.
6) An der Villa des Cardinals, meines Gönners,
mard Natb gehalten, wie ein munderfchöner junger
Ringer von Probirfein (lapis Lydius) am beiten wie
der herzuſtellen wäre, der fchon vor einigen Sahren
zu Borto b’Anzo gefunden worden. Es war nur eine
Hand dabei, die aber abgebrochen war, und etwas ei⸗
nem Federball ähnliches hielt; wir wurden darüber
einig, daß es ein Defkäfchlein wäre; ich that den
Borfhlag, Ihm in die andere Hand einen Diffus
zu geben, um einen Pentathlus daraus zu machen;
und ich Heß mir das Modell des Diſkus gu Bortici
überfchifen. Nachher wurde die andere Hand gefun-
den, an welcher der Daumen und der Beigefinger
vereiniget find; die Stellung diefer Sand vermehrete
unfere Ungemwißheit, was wir ihm nun in die Hand
geben follten. Sch bemerfe aber, daB zwifchen die⸗
fen beiden Fingern eine Art von Stüze, aus DBor-
Echt des Bildhauers, gelnfien worden, wie es ge-
‚meiniglich zwifchen den Fingern gebräuchlid, iſt; bier
war es aber gar nicht nöthig gewefen: den die Kin-
ger koñten ohne Stüze an einander gefüget werden.
Diefes Swifchending ift wie ein kleines plattes Stein-
hen. Indem wir fo auf dem Dcean von Bweifeln
106 2 Briefe üb. ».
und Muthmaßungen herumfreugeten, wollte der Maus
rermeifter auch feinen Senf dazu geben, und glaubete
darin den Stöpfel zum Difläfchlein zu erfennen. Er:
benahm uns mit einemmale allen Zweifel, et pedi-
bus itum in ejus sententiam. Glaubeten Gie wohl,
daß eine Figur von fo weniger Bedeutung bei Statuen
des Zu piters, des Aftular und bei einem Faune
von demfelben Steine, in Gefellfchaft dreier Gott⸗
heiten flehet, wie er auch. wirklich fo- gefunden wor⸗
den ift? 1) Bet Grabung des Brundes zu einem Sea
bäude an dem päblllichen Palaſte wurde, .am Fuße des
Duirinals, ein Blatter von grober Mufivarbeit .ent-
2 Windelmaf fpeicht von diefer Ringerfiatue aud in-
der Geſchichte der Kunſt, 7 B. 18. 18 6. und in den:
Dentmalen; 1Th. 248.29. woeran beiden Orten fagt,
daß ſie vonfhwars em Marmorfel. Der AbateBracci.
(Mem. degli ant. incis. tav. .26.) gibt eine Abbildung davon,
und (tav. 51.) eine Gemme, auf der ein ähnlicher Gegenftand
abgebildet ift. ÄAuſſerſt ähnlich iftihr auch eine andere Sta—
te von weiffen Marmor, die er im Palafte Verospi
ftand, und fich jezo in England befmäet.. Aus dem Gyps⸗
abguß derfeiben, den Cavaceppi befah, und aus den
andern Statuen. erfahb man deutlich, daß der Ringer die
von unſerm Autor fo-viel beitrittene Hand in dieſer Etels
Iuns hielt, um das HI auſzufangen, das er auß dem
Gefäße mit der andern goß, um ſich damit den. Leib au
faiben , wie die Athleten vor dem Ringen zu thun pfleg⸗
ten. Dervorgeblihe.Stöpfet ift nichts anderes alt eine
kleine Stüze, die der Bildhauer, der Feſtigkeit wegen, zwi⸗
ſchen den Singern- gelaſſen hat: Hieraus erhellet, wie
mißlich ed iſt, Figuren zu ergänzen, deren wahre Be⸗
deutung man- nicht keñt, und daß es beſſer iſt, fie bes
{hädiget und gerbrochen zu laſſen, als ſie au entſtellen,
und: dadurch Veranlaſſung su geben, daß bie Antiquare
in der Folge Unſil darüber fagen, wie ed, sum Beiſpiel,
dem Gori mit der Statue des Scheibenwerfers in
der Galerie zu Florenz ersangen iſt, welche erſt in einen
Endymion, und nachher in. einen Sohn der Niobe
verwandelt worden, Sen.
neueſt. hereul. Entdek. 107
deket, unter. welchem, als man noch tiefer nachgrub,
folche aufferordentlich große und weite Bogen zum
Borfchein Famen, daß man bei ihrem Anblif erfläunet.
Sch bin noch ungewiß, zu welchem unermeßlichen
Gebäude fie gehöret Haben mögen. Nella Marmorata,
oder an dem Orte an der Tiber, dem Aventin ge
gen über, mo vor Alters die Marmor nausgeladen
wurden, entdefete ich, als ich in einem Weinberge
des Duca Ceſarini ganz allein ſpazieren sing,
einen Blok von Cipollino (pentelifchem Marmor)
mit der Inſchrift, die der alte Steinmez darauf ge
bauen hatte:
RVLANO 111. COS.
EI. RAT.
N. IXXIIII.
Diefen Eonful findet man in ben Fastis consu-
Yaribus nicht aufgezeichnet. Die Schrift iſt ans dem
britten Jahrhunderte. 1)
* >
NN
6. 40, Ein gewiffer römiſcher Cavalier, der eine
weibliche befleidete Statue gefaufet hatte, an der
eine Hand, die Füße und ein Theil des Gewandes fehle
2) Diefer Conſul köñte vielleiht D. Fab. Marimus
Rulltanus fein, weicher im Jahre Roms 446 zugleich
mit 9. Decius Mus zum drittenmal Eonful war.
Der Charakter ber Echrift ift nicht immer ein ſicheres Zei⸗
hen ihres Alters. In der That iſt ed - unglaublich, daß
der Name diefed Conſuls im dritten Schrhunderte nach
der chriftlichen Zeitrechnung, nachdem er dreimal dieie .
Würde beffcidet, weder in den Faſtis, noch auf einem
andern alten Denkmale verseichnet fein follte. Aber alle
Schwierigkeit wäre verſchwunden, wer Windelmaft, fe
wohl hier als in der Kunſtgeſchichte 12 8. 2 8..29 $.
dieſe Inſchrift nicht fehlerhaft angeführt Hätte, fo wie
ex auch eine andere, gleichfalls aus ber Billa Albani,
18° Briefe üb. d.
ten, fchifete ſolche zu einem der vornehmfien römifchen
Bildhauer, Bracci genant, um fie ergänzen zu laſſen.
beibringt. Beide findet man richtig in der Indicazione
antiquaria von jener Billa (P. 3. num. 20 — 2ı. p. 86.)
wie folgt:
1.
RVIANO III COS.-
EXRAT
TALENTIS
LIXXUN
2.
.e: 5VB CVARA MINICI St.
PR. CRESGENTE LIB. NIT.
In Hinficht der euften bemerfen wir, daß in ber obern vers
ſtümmelten Zeile der Conſul leicht au errathen it, weis
her fein anderer fein Fan als Servianus, derielbe,
welcher sie Schwefter ded Kaiſers Hadrianus beiruthete,
der ihn nachher im Alter von 90 Jahren mibringen ließ,
damit. er. nicht länger leben möchte als er, wie Spar⸗
tian im Leben dieſes Kaiſers (c. ı5.) meldet. Sein drit⸗
ted Conſulat fälit in das Jahr Roms 886 oder nah am
dern 887, und in's 134 nach Ehrifti Seburt. Man
findet ihn in diefem dritten Confulate auf mehreren In
ſchriften, bald aklein, bald in Geſellſchaft mil zwei vers
fchiedenen Perfonen genaitt. Das übrige diefer Inſchrict
lautet wahrfcheinfich: ex ratione Valcntis. num. LxxXIV.
Nicht ex rationario, wie Muratori diefelben Worte
in andern Infchriften erflärt, dei ed fcheint, daß ex
ratione hier fo viel bedeute ald für Rechnung, wie
deit auch deutlich in der dritten der unten von Mura⸗
Tori Heisubringenden Snfchriften ex ratione geſchrieben
Acht. Die folgende. Zahl ıxxzıv. iſt wahrſcheinlich die Zahl
der Marmorblöke, welche dem Eorrefpondenten gehörs
tet, an den fie gerandt wurden, oder bie Zahl ded Marmors,
welchen die Barfe geladen hatte, fo wie man noch jezo in
Garara mit den Marmorbiöten zu thun pflegt, indem:
"man auf jeden folchen Blok, der nach Kom verfendet
wird, nit rocher Sarbe die Anfangsbuchſtaben von dem
Namen deffen zeichnet, der ihn erhalten foll, und die Zahl
‚von Blöfen, welche die Barke trägt. Im alten Reiten
fügte man den Namen dei Eonfuls hinzu, um das Jahr
I
neueſt. bereut, Entdel, 4109
Sie wirb ungefähr 12 Balmen hoch fein. . Der Bild-
auer hielt fie nicht für antik, daber führete mich der
zu bemerfen, wo fre abgeſandt wurden; und diefed geicha
and Vorficht, der langen Reiſe wegen, welde der Mars
mor aus Griechenland und andern Gegenden ded Orients
nah Rom zu machen hatte; ober noch wahrfcheinlicher,
um fie in den GSpeditiondbüchern wieder aufzufinden/
deñ der Verordnung des Prätors zufolge mußte in öffent⸗
lichen und Privatverhbandlungen ‚und in den Rechnungsbüs
shern, der Tag und der Name des Eonfuld angemer⸗
ket werben. Der in unferer SInfchrift genañte Eonful war
alfo nicht der Herr des Marmord, wie Windelman
An der Geſchichte der Zunft meiner, welches auch
"der folgende Name varentis zjeiget, dem eigentlich
Der Diarmor gehörte. EB war alio diefeß die gewöhnliche
JInſchrift, die auf alle Kaufmafisgüter, und befonders
anf Marmorblöke gefest wurde; und man findet eine
Menge ähnlicher in mehrere Samlungen von Infchriften
und auf alten Sragmenten. Wir wollen bier blos 3 aus
Sm Moratori (t.ı. p. 3ıg. num. 5. 6. 7.) anführen,
weile Pirro Ligorio von eben fo vielen Marmorblö⸗
Ken, im Hafen von OAſtia coptrt Hat:
- 4
IMF. CAES. HADRIAMG
III. COS. EXABAT
TESTI
N. CCXIIX.
2
IMP. HADRIANO W. II. COS.
EX. ROT. TEST.
M. CLXUX.
3.
IMP. CAES. TRAIN. TIADR.
AVG. COS. EX. ARATIONE
MARM. RHOD. NVM. CCX.
L. IVNI. VRVASL
In 'der zweiten der zu erſt angeführten sw ei Infchriften
fol die zweite Zeile vielleicht lauten: Procurante Cres-
N
110 Briefe üb.' d.
Eigentümer zu ihm, D) daß ich mein Urtheil darüber
fällen follte. Diefe Statue war in einem Weinberge
gefunden, aber nicht neuerdings entdefet worden;
den fie war, man weiß nicht wie, in eine Grube
geworfen, und mit- vielen Karren Baufchutt übers
defet. Der, welcher fie Faufete, hatte die Ahnung,
daf es wenigflens ein großes Stük Marmor fein müße,
daher lieh er fo Iange arbeiten, bis die Safe zum
Norfchein Fam, und ohne ſich mit weiterem Aufgra-
ben aufzuhalten, Tieß er, um nicht übertheuert zu
werden, die Statue mit dem ganzen Schutte weg⸗
ſchaffen. Als fie gereiniget und fauber hergeftellet
war, reuete es ihm beinahe, als cr das einzige Ur⸗
theil des Bildhauers hörete, der fe für moderne Are
beit hielt. Der Bildhauer mußte alfo die Urſache
feines:weifen Urtheils angeben. Die erfte war der
Siz der Figur, der mit dem Zahneiſen gang grob
weggearbeitet ift, wobei er-behnuptete, daß die alten
Bildhauer dieſes Inſtrument niemals gebrauchet hät-
ten. Die zweite war der Augapfel, der durch eine
mondförmige Vertiefung nusgedrüfet war; er
behauptete gleichfalls, daß diefes bei Götterföpfen
nicht gebräuchlich gewefen; er folte'fagen bei ideali—⸗
ſchen Köpfen; den er Fonte nicht behaupten, daB der
Kopf der Statue ein Porträt fei. ber feine in der
cente Liberto; wie ed in einer andern Inſchrift beim -
KReinefiuß (class. 11. num. 64. p. 650.) heißt: Pro-
curante Felicia Felicula. Auch was die Sorm der Buchſta⸗
ben betrift, ſo irret Wincke mañ,weñn er die Inſchrift
in das dritte Jahrhundert chriſtlicher Zeitrechnung ſeit.
Was läßt fich aus einer, von einem Steinmez in der Pros
vinz, eilig gehauenen Inſchrift erwarten? In folchen
Fällen können die Merkmale der Schrift nur von gerin⸗
ger Zuverläßigkeit ſein. Fea.
1) Der Marcheſe Rondinini, in deſſen Palaſt ſie ſich ber
findet, Sea.
neueſt. hereul. Entdek. 111
That ungewöhnlich geringe Einficht koñte ich mich nich
genug verwundern. Ehe ich feine angegebenen Gründe
beantwortete, fragete ich ihn, auf was Art er wohl
glaube, daß die alten Bildhauer die lezte Hand
an-ihre Arbeit geleget hätten? Wahrfcheinlich, ver-
fegete er, war ihre Methode die nämliche, die wir
anwenden, nämlich mit dem Bimsſtein die Tezte
Politur zu geben: wobei er zugleich.den Antinous,
oder, wie ich ihn lieber nennen würde, den Meleager
im Belvedere, anführete. Diefes Iofete ich ihm her⸗
aus, um ihn deſto beſſer zu befchänmen. Auf feine erſte
Urfache antwortete ich ihm alfo, daß die alten Bild«
hauer wirklich Arbeiten mit dem Zahneiſen verferti-
get haben, wieam Fußgeſtelle des LKaokoon deutlich zu
fehen fet. Daß fie fich diefes Inſtruments, welches
aus mehreren, durch ein Heft verbundenen Eifen
beiland, bedieneten, fiehet man auf dem Grabileine
des Steinmegen und Baumeiſters Aper im Cam⸗
pidoglio. 1) Was den andern Einwurf betrift, wor-
über ſich der Bildhauer viel zu „gute that, fo gab
ich ihm zu, daß der in: den Augen ausgedrüfete Bit
in der That nur an wenig Statuen der Gottheiten
‚oder anderer Ideale gefunden werde; man könne aber
darum nicht behaupten, an gar Feiner. Man muß
wiſſen/ daß ſolche Augen eine Künſtelei ſind, die am
9» Diefer Grabſtein wurde auf den Janiculus gefunden,
und. von dort.in die vaticanifchen Gärten gebracht, von
wo er auf Befehl Benedicts XIV. in's capitotinifche
Mufeum Fam. Mehrere Altertumsioricher haben denfels
ben erläutert. Aper war weder Steinhauer noch Archi⸗
tekt; er war blos Vermeſſer von Gebäuden. Derglei⸗
hen Bauvermeſſer kommen in mehreren Inſchriften vor.
Plinius der Jüngere, (. 10. epist. 28.) und die römi⸗
ſchen Geſeze in den Pandekten (l. 11. tit. 6.) ſprechen
von. dieſem Amte, und Ulpian in lezten Geſeze unters
ſcheidet den Bermeifer ausdrüklich von den Baur
.meiter. Sea.
412 Briefe üb. d.
meiften zu den Zeiten des Verfalles der Kunft im
Gebrauche war, und die unter Hadrian bernach alle
gemein wurde, wie wir an den Bruftbildern der Kai
fer ſehen. Der einzige nicht idealifche Kopf zu Nom,
melcher dergleihen Augen bat, vom Auguſtus an big
zn Hadrians Zeiten, iſt der Kopf des Marcel
lus, des Neffen Augus. 1) Auf der andern Seite
it es aber auch falfch, daß fie vorher gar nicht ge
bräuchlid) gewefen wären. Sch babe ſolche an vier
Köpfen an dem fogenaten Iudovififchen Obeliſt
entdefet, der bei San Giovanni im Lateran auf der
Erde Tieget.”) Was den Punkt anbelanget, der den
Blik des Auges und den Umriß der Bupille andentet,
und der durch eine Vertiefung im Marmor aus
gedrüfet ward, fo haben ihn die Briechen ſchon in
den älteflen Zeiten gemachet, nämlich vor dem Phi-
Dias, und nach bemfelben, in den ſchönſten Beiten
der Kunſt, aber erhoben. 3) So ſiehet man auf den
Münzen des Hiero von Syrafus, und auf denen
des Aleranders, den Bunft, und eine kleine. Linie
rings herum. Diefes war der negative Theil mei-
nes Beweiſes; nun hören fie den affirmativen.
Die Hand, fagete ich, bat Fein moderner Bildhauer ge
1) Windelman meint vielleicht eine Büfte, die Cava—⸗
ceppt befaß, und die in feiner Raccolta di Statue (tk.
1. tav. 32.) abgebildet ift, wo gefast wird, daß fie nad
Petersburg gegangen ſei. Die Büfte im capitoliniſchen
Muſeum (t. 2. tav. 3.) deſſelben, bat Feine fo 9%
seichneten Augen: aber weder diefe noch jene find zuver⸗
läßige Bildniffe ded Marcellus, von dem und Mün⸗
sen mangeln. Fea.
2) Man fiehet dergleichen and an einigen Figuren des
ehemaligen Harberinifchen Dbelifkes , der jeso im Garten -
des Vaticnd liegt. Bea.
8) Auch der farneſiſche Herkutes Hatte dieſelben eins
gefest. Zen.
neueſt. herenl. Entdef, 113
‚und kañ fie auch nicht gemachet haben. Affe
a, vom Michel Angelo bis izo haben ſich
Begrif von einer fchönen Hand machen kin
ınd da das Schwülflige einer der vornehmſten
terzüge des neuen Styls ift, fo find fie alle
en Fehler verfallen, der die ſchon übel ver.
te Gratäie noch mehr entfiellet. Die neueren
End gemeiniglich zu gefchwollen, und die Glie⸗
e Finger unterfcheiden: ich durch drei Erhoͤhun⸗
indem fie in drei krummen Linien zu⸗ und
sen. Ferner find die Grübchen auf den Ges
der: Finger: oder der Hand zu fichtbar, und
m eines Nabels gemachet, weiches die. Alten
baten,-sder man fühlet fie nur beim Angreifen;
iens fallen fie nicht in die Augen. Ferner
te Nägel mehr conver. Sch wandte mich hier
m Kopfe, und fngete ihm, der Eönne nicht
n fein, wegen des Nafenbeins, welches in jun⸗
ab meiblichen Köpfen niemals in die Augen
gearbeitet worden. Mit einem Worte, fagete
; ich die vier weiblichen Figuren des Michel
lo zu Florenz noch nicht.gefehen habe, fo wol⸗
r einen Vergleich swifchen dDiefem Kopf und
een unter den neueren, die in Rom find, an-
Welchen halten Sie dafür? Den, welchen
bach erhebet, und der Die Gerechtigfeit an
Yenfmale Bauls II. voriiellet, 1) und den
telmo della Porta unter den Augen feir
brers Michel Angelo gemachet hat. Welch
mfeliger Umriß! melches elende Nelief! mas
ie gemeine Bierereil welche übel verſtandene
3!
41. Verzeihen Ste fo vieles Geſchwaäz. Die
je und Genauigfeit des didaktiſchen Styls, deſ⸗
in ber Peterskirche.
. 5 ,
112 Briefe üb. d. Eu
meiften zu den Zeiten des Verfalles der Kunſt im
Gehrauche war, und die unter Hadrian bernach alle
gemein rourde, wie wir an den Bruftbildern der Kai⸗
fer fehen. Der einzige nicht idenlifche Kopf zu Rom,
melcher dergleichen Augen bat, vom Auguflusan big
zn Hadrians Zeiten, if der Kopf des Marcel)
lus, des Neffen Augus. 1) Auf der andern Seite
it es aber auch falfch, daß fle vorher gar nicht ge
"bräuchlich gewefen wären. Sch babe folche an vier
Köpfen an dem fogenanten ludoviſiſchen Obelift
entdefet, der bei San Giovanni im Lateran auf der
Erde Tieget.”) Was den Bunft anbelanget, der den
Blik Des Auges und den Umriß der Bupille andeutet,
und der durch eine Vertiefung im Marmor aus-
gedrüfet ward, fo haben ihn die Griechen Thon in
den älteſten Zeiten gemachet, nämlich vor dem Phei⸗
dias, und nach demfelben, in den ſchönſten Zeiten
der Kunſt, aber erhoben. 3) So fiehet man auf dem
Münzen des Hiero von Syrafus, und auf denen
bes Aleranders, den Bunft, und eine kleine Linie
rings herum. Diefes war der negative Theil mei-
nes Beweifes; nun hören fie den affirmativen.
Die Hand, fagete ich, hat Fein moderner Bildhauer ges
1) Winckelmañ meint vielleicht eine Büfte, die Cava—⸗
ceppi befaß, und die in feiner Raccolta di Statue (t.
ı. tav. 32.) abgebildet ift, wo gefagt wird, daß fie nad
Peterdburg gegangen ſei. Die Büfte im capitolinifchen
Muſeum (t. 2. tav. 3.) deſſelben, bat Feine fo 3%
seichneten Augen: aber weder diefe noch jene find zuver⸗
läßige Bildniffe ded Marcelins, von dem und Müns
sen mangeln. Gen.
2) Man fiehet dergleichen auch an einigen Figuren des
ehemaligen varberinifchen Obeliſtes, der jeso im Garten -
des Vaticnd liest. Bea.
8) Auch der Farnefifhe Herktutes Hatte biefelben eins
geiest. Fea.
neueſt. verenl. Entdek. 113
machet, und kañ fie auch nicht gemachet haben. Affe
Neueren, vom Michel Angelo bis igo haben fich
feinen Begrif von .einer fchönen Hand machen kön⸗
nen; und da das Schwülſtige einer der vornchmfien
Charafterzüge des neuen Styls iſt, fo find fie alle
in diefen Fehler. verfallen, der. die ſchon übel ver-
flandene Gratie noch mehr entfiellet. Die neueren
Hände find gemeiniglich. zu gefchwollen, und die. Glie⸗
der der Finger unterfcheiden- Ach durch drei Erhöhun⸗
gen, indem fie in drei krummen Linien zu⸗ und
abnehmen. Ferner find die Grübchen auf den Ge
Ienfen der: Finger oder der Hand zu fichtbar, und
in Zorm eines Nabels gemachet, weiches die. Alten
nicht thaten, oder.man fühlet fie. nur beim Angreifen;
mwenigfiens fallen fie nicht in die Augen. Ferner
ind die Nägel mehr conver. Sch wandte mich hier»
auf zum Kopfe, und fngete ihm, der könne nicht
modern fein, wegen des Nafenbeing, welches in jun⸗
gen und weiblichen Köpfen niemals in die Augen
fallend gearbeitet worden: Mit einem Worte, fagete
ich, da ich die vier weiblichen Figuren des Michel
Angels zu Florenz noch nicht.gefehben habe, fo wol⸗
len wir einen Vergleich zwifchen dieſem Kopf und
dem beften unter den neueren, die in Nom find, an⸗
fielen. Welchen halten Sie dafür? Den, welchen
SKhr fo hoch erhebet, und der die Gerechtigfeit an
dem Denkmale Pauls IH. vorſtellet, 2) und den
Guglielmo della Porta unter den Augen fer
nes Lchrers Michel Angelo gemachet hat. Welch
ein armfeliger Umriß! welches elende Nelief! mas
- für eine gemeine Ziererei! welche übel verſtandene
Eleganz! Ä |
6. 41, Verzeihen Sie fo vieles Geſchwaz. Die
Gtrenge und Genauigkeit des didaktiſchen Styls, deſ⸗
1) [In der Peterskirche.
5 v
114 . Briefe üb, d. hercul. Entdek.
feg ich mich in meinem Werke von der Kunſt
befliffien babe, will folche Anmerkungen nicht wohl
zulaffen; und dennoch wollte ich nicht gerne, daß fie
ganz verloren gingen. 1) |
4) Eines dertinterfcheidungszeichen alter Statuen von neuen
ift auch die gelbliche Sarbe an vielen derfelben, welche
nichts anderes ift, als ein überbleibſel vom einer Art enfaus
ſtiſchen überzuges oder Firnißes von Wachs, den bie
Alten ihren Marmorbildern gaben. Die Statue des Maus
cheſe Rondinini Hat Feinen folchen überzug gehabt,
vermuthlich weil fie befleidet war. Gen,
Sendfhreiben
von den ‘
B
erculaniſchen Entdefungen,
an den
Hochgebornen Herrn
Heinrich Reichsgraven von Bruͤhl,
Staroften ton Bolynow, Nittern des hieroſolymitauiſchen
Drdend von Maltha, Seiner Königlichen Majeſtät in
Polen und Churfürfilichen Durchlaucht zu Sachen
hochbeſtallten Kammerherrn 10. ꝛc.
1.76 8
Sendfhreiben
von den oo,
hereulanifhen Entdelungen.
un den
. vochgebornen Herrn
Heinrich Reichsgraven von Brühl ıc.
Hochgeborner Gran!
6,1, Da ich das Vergnügen hatte, Sie au
Shrer Reife, im Carnevale 1762 von Nom na
Neapel zu begleiten, entfchloß ich mich, von. beit:
Seltenheiten, welche Sie in dem königlichen
Mufeo zu Bortici fahen, etwas aufzufegen, um
Sie an das Merkwürdigfle wiederum zu erinneen,
und zugleich zum Unterrichte für andere Neifende,
die in einem Kursen Aufenthalte daſelbſt nicht alles
mit völliger Aufmerkſamkeit betrachten können.
5.2. : Sch babe mehr, als andere, ſowohl Fremde
als Einheimifche, Gelegenheit gehabt, diefe Schaͤze
des Altertums zu unterfuchen, da ich auf meiner
erften Neife mich faſt zwei Monate in Portiei felbfl
‚aufgehalten. Und vergebge eines ergangenen königli⸗
chen Befehls, mir alles zu zeigen, was su fehen em
baubet if, und in der möglichiien Bequemlichkeit
dazu, habe ich diefen freien Zutritt nach Vermögen
genuzet, fo daß ich ganze Tage in dem Muſeo zu⸗
brachte. Ste wiſſen, Hochgeborner Gray,
daß während unfers Aufenthalts von drei Wochen
120 Sendfchreiben v. d.
„und dem Winde ans Afrika (Scirocco) ausgeſezet
„ war.“ 1) So verſtehe ich das Wort axpx, welches: hier
fo wenig, als da, wo es von den drei Spizen der
Inſel Sicilien gebrauchet wird, ein Vorgebirge
bedenten fat. In dem mahren Verſtande diefes
Worts haben ſowohl alte als neue Scribenten ge
fehlet, wegen Unwiſſenheit der Lage der Drte, und
Cluverius zgeiget unter andern diefen Mißver⸗
Hand im - alten Dichtern, welche von den drei
fietlianifhen Spitzen reden, und dieſelbe als
Vorgebirge befchreiben. Das Ufer iſt bei Reggio
in Salabrien fo platt, als gegenüber in Sicilien,
wo Belorus Ing, und die Gebirge erheben fich aller
erfi etliche Meilen weit vom Ufer. Das Wort
one ift alfo, mas wir iso Eapo nennen. So
heiffet Capo d'Anzo, mo ehemals das alte An⸗
tium fand, welches fein Vorgebirge, fondern
ein plattes Wfer iſt und war. Das eirceiſche
Borgebirge aber zwifchen gedachtem Orte und
Terracina, welches ein hoher Felfen ift, heiſſet nicht
Capo, fondern Monte. Eircello.
$. 8. Zu diefer Anmerkung und Erklärung ver-
anlaffet mich der Zweifel des gedachten nenpelfchen
Gelehrten über den Strabo. Diefer, welcher das
Wort ana in feiner gewöhnlichen Bedeutung eines
Vorgebirges nimt, will den Tert des Strabo
bier fehlerhaft finden, weil das alte Herculanum
auf feinem Vorgebirge fait gelegen fein, und
er nimt fich die Freiheit, anftatt axpor, zu fezen
Morgan. Er überfeget alfo Ppupsov manxgov exov, OP-
- pidum in ipsa littoris longitudine situm, und nim̃t
das Wort maxpov abselute und substantive, Mider
allen Gebrauch defielben, und ohne diefe Freiheit
mit einer einzigen Stelle zu unterſtüzen; ja er bricht
ı) [L.5. ce. 4. ‚versus medium. ]
hereul. Entdek. 121
kurz ab, und ſaget, daß dieſe Art zu reden ben Au⸗
fängern in der Sprache befant fei. Ich bin et»
mas mehr als ein Anfänger in berfelben, fan mich
aber dergleichen Gebrauch des Wortes muxgos nicht
entfinnen. |
8.9. Das Ufer, auf welches das alte Hercula⸗
num gebauet war, erfirckete ſich als eine Erd zunge
in’s Meer, das iſt, es war ein Capo. Dieſes iſt
die Meinung des Strabo, und er will von feinem
Borgebirge reden. Es zeiget diefes noch izo der
Augenfchein: den Portici und Reſina, welche oben
auf der verfchütteten Stadt Herculanum gebauet
find, Tiegen beinahe in gleicher Höhe, mit dem Meere,
welches ein flaches und fandiges Ufer hat. Folglich
fan das alte Herculanum fo viel weniger eine:
erhabene Lage gehabt Haben, fonderlich wen man bes
denket, mie tief Diefe Stadt unter dem Cröboden
U. Das Theater derfelben if über 100 Palmen tiefy
und man gelanget in daſſelbe auf eben fo viel Stufen,
welche zur Bequemlichkeit von den Arbeitern gehauen.
ind. Das Paviment oder der ſchöne Fußbo⸗
den, womit das zweite Zimmer des berculanifchen
Mufel ausgezieret if, wurde 102 neapelſche Palmen,
tief unter der Erde gefunden, und es mar dafjelbe
in einer offenen Loggia auf einer Art vog Ba—⸗
ſtion geleget, welche wiederum 25 Balmen über.
das Geflade des Meers erhöhet war.
$. 10. Hieraus falget, daß das Meer ſehr viel
höher müße gewachlen fein; welches beim erſten
Anblif eine feltfame Meinung fcheinet, hier aber und
auch in Holland durch den handgreiflichen Augen⸗
fhein beflätiget wird. . Den in Holland iſt das Meer
sffenbar höher als das Land, welches die Nothwendig-
Zeit der Dämme beweiſet: es muß aber das Meer.
ehemals nicht fo bach gewefen fein, weil diefe Bros
vinz zu. ber. Belt, da dem Meere nach Feine Granzen
Manckeimaũ. 2. 6
122 Gendfchreiben v. d.
durch Menſchenhände geſezet waren, nicht hätte kön⸗
nen angebauet werden. Dem Einwurfe, welchen
jemand machen köüte, daß vielleicht Das alte Hercu⸗
lanum im Erdbeben geſunken fei, fcheinet die ordent⸗
liche Lage der Gebäude zu widerfprechen, und es
wird damals, als das Unglük dieſe Stadt betraf,
von feinem fo heftigen Erdbeben gemeldet, daß es
eine ganze Stadt verfchlingen können: Und wei
diefes anzunehmen „wäre, würde es vor dem Aus⸗
bruche des Berges gefchehen fein, und es hätte alfo
die Afche deffelben nichts bedefen können; den das
Erdbeben gebet nur vor - dem Ausbruche vorher, und
folget niemals auf denfelben.
$. 11. Bon einem hoben Wachstume und Falle
bes Meeres finden fich deutliche Beweiſe an den
Säulen im Foro des Tempels des Aſtulapius,
andere wollen des Bakchus, zu Pozzuolo. Diefes
Gebäude Tieget auf einer ziemlichen Anhöhe, einige
funfzig Schritte vom Meere, muß aber ehemals völlig
vom Waffer -überfchmemmet geweſen fein: den
die Säulen nicht allein., welche Tiegen, fondern auch
welche noch fliehen, find von einer länglichten See⸗
mufchel durchbohret und durchloͤchert. Diefes if
fonderlich an Säulen von dem bärteften Ägyptifchen
Granite erfiaunend zu fehen, welche als ein Sich
durchgearbeitet find; in vielen Löchern ſteken noch
bie Schalen. Die Mufchel heiffet Daftylus, von
Seruros , der Finger, weil fie die Geſtalt, die
Dike und Länge bdeffelben hat. Che biefelben den
Stein haben angreifen koͤnnen, iſt voranssufesen,
daß diefe Säulen geraume Zeit vom Waller nusge-
freffen worden, um ihnen einen Weg zu machen,
fich bineinzufegen. Dieſe Muſchel fezet fih, wei
fie gang jung if und ohne Gchale, in cine Dfe
ung des Steins, bekleidet: ſich daſelbſt mit der
Eale, und drehet fich mit derfelben, durch Hülfe
\
hereul. Entdek. 133
des Waſſers, welches die Gänge ſchlüpfrig machet,
unaufhörlich umher, wächfet und nimt zu, und fähret
fort zu bohren, und endlich, wei diefelbe zu ihrer
völligen Größe gelanget if, findet fie den Ausgang
für fih mit famt der Schale zu Hein, und muf
alfo in ihrer Wohnung bleiben. In die Löcher von
‚verfchledener Größe fan man einen von den fünf
Fingern ſteken, und’ fie find fo glatt ausgebohret,
als faum mit Stahl und Erst hätte gefchehen kön⸗
nen. Ferner iſt daſelbſt der mit. Marmor gepflatterte
Plaz vor dem Tempel annoch bier und da voller
Zriebfand, welchen das Meer hineingefchlenet hat.
So und fo lange man denken fan, ift diefer Ort,
wie ich gefaget habe, weit und erhöhet von dem
Meer entfernet; folglich if das Meer wiederum zu⸗
rüfgefallen. Die Art und Möglichkeit diefer untrüg-
lichen Erfahrung mögen andere unterfuchen; ich
bleibe bei der-bioßen Erzählung und bei der Wahrheit
des Augenfcheins.
6.12, Sn der Anzeige des Strabo vom Herculans
Fönte aus dem Worte Ges, welches izo ein
Fort, vder im Wälfchen Borgo, oder ein Caſtel
heiffen würde, feheinen, daß diefer Ort fehr Flein
gewefen, welches der ‚glüflichen Entdefung, die das
Gegentheil zeiget, !Yw widerfprechen fchiene: eben
diefes Wort Aber- gebraͤuchet Diodorus von Ca⸗
tana, welches eine Bfhüte große Stadt war. Einen
fiheren Beweis der Größe und der volfreichen
Bewohnung des Hereulani geben 900 Trink
und Speifeorte daſelbſt, oder Schenken,
wie wir es nennen würden, wovon ſich eine Pacht⸗
ankündigung in einer Inſchrift erhalten, welche
im vierten Stüke dieſes Sendſchrei bens gegeben
wird. Dieſen Ort nun, welcher bei den mehre⸗
Ben alten Seribenten Herculanum heiſſet, nennet
124 Sendſchreiben v. d.
Petronius Hercalis porticum, 1) und daher kom̃t
Der heutige Name Bortici.
6.13. Den wahren Ort, wo das alte Her⸗
tulanum geflanden und zu Tuchen geweſen, bat vor
Defien Entdefung niemand richtig erratben. “Der in
der Gefchichte und in der Landbefchreibung dieſer
Gegend fehr erfahrene neapelſche Gelehrte Kamille
Bellsgrini feget es/2) wo izo Torre del Gre—⸗
co if, umd alfo zwo Meilen weiter, auf der Straße
nach Salerno und Pompeji; er führet eine unbe
flimte Sage von Snfchriften, dieſe Stadt betrefr
fend, an, welche daſelbſt gefunden fein follen, und
fchließet nur aus Hörenſagen, daß ihre Lage gewiß
und ausgemachet fei.
8.414. Es verdienet auch der Name der Stadt
Nefina einige Anmerkung. Diefer Ort hänget mit
Portici zufammen, und das Fönigliche Schloß machet
‚die Scheidung zwifchen beiden, fo DaB die Gafle
gegen Neapel zu Bortici heiffet, und was auf der
andern Seite Tieget, Nefinn begreifet. Einige find
der Meinung, daß der Name Refina von ber
Billa Netinn geblieben fei, vom welcher der jün⸗
gere Blintus in demjenigen Briefe redet, wo er
den Ausbruch des Veſuvius beſchreibet, und von fei-
nes Vetters Tode Nachricht gibt. Diele Villa aber
fegen die Mehreſten unter dem Vorgebirge Mife-
num, weil gedachter Brief ſaget, daß die römiſche
Flotte, welche in dem Hafen bei Mifenum zu liegen
pflegete, an her Billa Nesinn vor Anker lag, da
der Ausbruch kam. Ich aber fa mir feine Billa
Sorfielen, die unter einem Vorgebirge liegen
Sönne. Gedachte Billa lag unser dem Veſuvius,
4) C. 106.
3) Disc. della Campania Felici, p. 319.
bereut, Entdek. 425
wie Plinius nicht undentlich angibt. Es hätte
auch bei Mifenum, welches an zwölf italiänifche
Meilen von dem Veſuvius entfernet iſt, die Gefahr
auf den Schiffen , und die Furcht fo groß nicht fein
können, als fie befchrieben wird, da nicht gemeldet
ift, daß Neapel, Buteoli, Cuma und Baia, welche
Drte zwifchen dem Herculano und Mifenum Ingen,
in diefem betrübeten Zufalle gelitten.
8.15. Herr Martorelli, welcher. auch diefen
Punkt in feinem Föniglihen Dintenfaffe un-
terfuchet, 1) begnüget fich nicht mit der Herlel-
tung des Namens Nefina von Retina, und fu
het ohne Noth eine Werbeflerung zu machen. Er
glaubet, man könne und müße Pätina leſen, das
iſt: villa Petina, welche er an diefem Drte, ohn⸗
weit Herenlanum, ſezet. Bapirtus Bätus, ein
Sreund des Cicero, hatte in diefer Gegend eine
Billa; diefes Ift gewiß aus ein paar Briefen des
lestern.?2) Diefer Bätus verlor feine Güter, weil
er von der Bartei des Bompeius war, in Melk
chem Verluſte vermuthlich deſſen Billa mitbegrif-
fen gewefen, fo daß alfo, nach des gedachten Ge⸗
Iehiten Meinung, diefe vom Cäſar eingegogene
Billa unter feinen Nachfolgern, wie wir zu reden
pflegen, ein Faiferlihes Kammergut gewor⸗
den, wo nachher und zu der Zeit, von welcher bie
Rede iſt, einige Schiffe von der mifenifchen Flotte
zu liegen pflegeten. Diefe Muthmaßung if fo fehr
weit eben nicht gefuchet ; aber fie iſt nicht vonnöthen.
8.16. Bompeiilieget ander Straße nach Sa-
lerno, und der Ort, wo diefe Stadt ehemals fland,
it etwa 12 Miglien von Neapel, und 7 von Por⸗
ı) P. 568.
2) Ad. Attic. 1. 14. epist. 16 et 25.
426 Sendſchreiben v. d.
tiei; der Weg dahin gehet über Torre dell' Annun⸗
ziata. Es irret alſo Herr Reimarus in feinen
Anmerkungen über den Dio Caſſius in der
Rage von Bompeit,!) die er zwiſchen Bortici und
Zorre del Breco angibt, als welche Drte nur zwo
italiänifche Meilen von einander entfernet find; und
er vergehet fich von: neuem, wen er ebendafelbk
fanet, daß diefe Stadt gelegen, wo izo Eaflel«
mare und Stabia liegen, worin er vermuthlid)
Andern gefolget if.) Man fan fich in einer rich
tigen Karte befler belehren. Lächerlich iſt die Her⸗
leitung des Namens Bompeii, welchen Marta
relli als gang natürlich aus dem Hebrätfchen er-
zwingen will, von 9, DD, os faville3) fo wie
Herculanum von N1D> rı \rı, pragnans igne,
fol benennet fein. Stabia fol von ADD, inu-
dare, den Namen haben, und der Veſuvius von
SIIU N, ubi ignis, fo wie Atna ein Dfen
im Hebräifchen-heiffet, welches Wort (NYATN ) oft
beim Daniel vorfomt. Diele Gelehrte fuchen et—⸗
was Neues zu fagen, auch mit Nachtheil der Mei⸗
nung von einem gefunden Urtheile.
$.17. Diefe Stadt mar der gemeinfchaftliche:
Hafen von Nola, Nocera und Acerra, wie Stra
bo faget, und die Waaren wurden aus dem Meere
auf dem Fluffe Sarno hingebradht. Es tft alfo dar
aus nicht zu beweifen, wie Bellegrini bemübet
iſt, daß Pompeii am Meere und an der Mündung
dieſes Fluffes felbit gelegen geweſen: er will es dem
Veſuvius zufchreiben, daß die Spuren von derfel-
ben izo mitten im Lande liegen.
8. 18. Bon der Größe der Stadt köñte auch
ı) P. 1096.- \
2) Holsten. ad Cluvcr.
3) P. 566.
bereut. Entdek. 427
yon den izigen unterirdifchen Entdefungen das Ca⸗
pitolium dafelbfi, 1). (welches Nycquiug unter
den Städten ‚auffer- Kom, die dergleichen Gebäude
hatten , anzumerken vergeffen,2) und die großen
Überbleibfel. des Amphithenters daſelbſt Zeugniß
geben. Diefes große ovale Werk lieget auf einem Hü
gel, und‘ deffen innerer und unterer Umkreis, das
id ber Umfreis der Cavea, hält 3000 neapelſche
Balmen. Es: hatte 24 Reihen Size und man bat
den Überfchlag gemachet, daß daflelbe .an 30,000
Menfchen faflen können; es war alſo weit größer,
als. das hereulanifche,.wie:ich unten barthun werdo;
es gibt. diefes auch. der. Augenfchein. Diefe Stabt
wurde, wie Seneca berichtet, unter dem Nero
faft gänzlich durch ein Erbbeben zu Grunde gerichtet;
und es ift jemand. daher der Meinung, ?) daß days
jenige, was Dio-zugleich von diefem und bem her⸗
enlanitchen Theater meldet, eine Verwechſelung
der. Zeit ſei. Diefer. Gefchichtfchreiber; welcher
Son dem erſten großen und. befanten Ausbruche des
Befunius unter. dem Titus redet,. meldet;- (wie
man insgemein den Sin feiner Worte verfehet,)
daß die ungeheure Menge Afche,- welche der Berg
ausgeworfen, die beiden Städte Hereula num und
Bompeit eben zu der Zeit, da das Dolf in dem
Theater an bem legten Orte verfammelt war ,: ver
fchüttet und begraben habe.- Bellegrint, welcher
am angeführten Drte vorausfeget, daß dieſer Un⸗
fall. audy das - Amphitheater mit betroffen babe,
fan dieſes nicht veimen, und glaubet nicht, daß eine
gerfiörete Stadt in fo-furger Zeit von dem Nero an
bis auf den Titus ein fa. greßes Theater wieder⸗
ı) Vitruv:1. 3. c. 2.
2) De Capit. c. 47.
3) Pellegrini, Disc. p. 227..
428 Sendfchreiben v. d.
um babe aufbauen Finnen, welches nach ihm Ti
lemont,?!) wie aus beglaubeten Nachrichten
genommen , vorgibt. Martorelli, ohne jenen
anzuführen, oder deſſen Zweifel zu berühren, fchei-
net eben der Meinung zu fein; wenigfiens fchließe
ich dieſes aus der Verbeflerung, welche er in der
Erzählung des Dio machen will. Er behauptet,
es müßte?) in der. unten gefezeten Stelle defielben
raurns , anflatt aurus, gefeget werden, indem als⸗
dan ienes Wort auf das erſte, nämlich auf bas
berculanifche Theater, ginge, Des Bellegrint
Meinung ift nicht unmahrfcheinlich, und es köñte
Dig, welcher unter dem Commodus gefchrichen ,
und alfo von der Zeit der Begebenheit, welche er
erzaͤhlet, entfernet war, fich geirrer haben: es wire
auch des Martorelli Verbeflerung, weit die Sache
erweistich wäre, nach den Negeln der Sprache rich⸗
tig. Aber ein einziger Zweifel, welchen ich diefem
entgegenfeze, machet ſehr unwahrſcheinlich, daß dgs
Theater zu Herenlanum überfchüttet worden, da es
voller Menſchen und Zufchnuer war. Wie iſt es
glaublich, fage ich, wei diefes gefchehen wäre, daß
in diefem Theater Fein einziger todter Körper ge
-funden worden, welche fih bier, wie zu Stabia,
wo man fie gefunden, würden erhalten haben? In
dem berculanifchen Theater aber hat ſich auch foger
fein Gebein von einem Gerive gefunden.
6.19. Stabia, ehemals Stabia in der meh-
rern Bahl genannt, Tag noch etwas weiter als Pom⸗
peji vom Veſuvius eñtfernet, aber nicht wo 150 Ca⸗
ı) Hist. des Empr. dans Nie.
3) Dio, p- 1095. 1. 39. edit. Reimari; [l. 66. c. 23.}
Kas mposerı (tippe auudurıc) was worek duo Öras, To,
ve 'Hopxurarıy zus Tous Tleuanious, 9 Dearge TE Öfte
Au AUTU KUN METE, KETEXLMER,
bereut, Entdet, 429
ſtelamare if, wie Cluverius angibt; beit jene
Stadt Hätte, nach dem Galenus, nicht 30
Stadien vom Meere entfernet fein können, da diefer
Drt nahe am Meere Tieget. Stabia lag, we izo
Gragnano lieget, welches mit den Gtablen bed
Galenus übereinfomt. Es wurde diefe Stadt
fhon von dem Sylla in demmarfifchen Kriege
zerflörer, und zu Blinins Seiten waren: nichts als
Luſthäuſer daſelbſt.
Noch weiter, und gegen Sorrento zu, bei Bra-
jano, wurden vor fünf Jahren unterirdifche Fimmer
entdefet; die Arbeit aber iſt nicht fortgefezet, um
Die Arbeiten nicht zu vermehren , und nachdem der
Eingang von neuem vermauert worden, if die Ent
dekung bis auf andere Zeiten verfchoben.
5.20. Über den zweiten Punft, nämlich
von der Verfhüttung -genaliter Drte bin ich
nicht gefonnen, die Gefchichte vderfelben aus Nach»
richten der alten Scribenten zu erzählen, fondern
ich will fuchen aus eigenen Bemerfungen einen Be
grif davon zu geben.
S. 21. Es iſt nicht die Lava oder der feurige
Fluß geſchmolzener Steine, welcher unmittelbar die
Stadt Herculanum überſtrömet, ſondern der Anfang
und die Bedekung derſelben geſchah durch die feuri⸗
ge Aſche des Berges, und durch ungeheure Negen⸗
güſſe, welche auſſer der Aſche, mit welcher dieſe
Stadt unmittelbar bedeket wurde, diejenige, welche
auf dem Berge gefallen war, mit ſich in dieſelbe hin⸗
eintrieben. Die Aſche war ſo glühend heiß, daß
fie auch die Balken in den Häuſern verbrante, wel⸗
che man In Kohlen verwandelt findet, und Korn und
Früchte find ganz fchmarz geworden. Die Waffer-
güſſe müßen zu Bompeii und zu Stabia fo flarf
nicht gewefen fein : den an beiden Drten findet ch
alles wie mit einen Teichten Afche angefüllet, und
432 Sendſchreiben v. d.
‘gen, welcher in dem Muſeo zu Portieci Tieget, und
jmeen Balmen drei Bolle, römifches Maß, breit
iſt. Dieſes Pflaſter von Lava in ben verfchütteten
Städten hätte der Herr Pater della Torre in
feinee Befchreibung des Befuvins fehr nüg
lich anführen fünnen, und er würbe burch dem ein⸗
zigen aufgehobenen Pflaſterſtein belehret fein, daß
Die beutige Lava nicht Härter als die alte ſei, wie
er aus guten Gründen, ‚aber wider die Erfahrung,
behauptet. 1) Noch Ein anderes Zeichen dlterer Aus
brüche vor den Beiten des Titus And Stüke
Schlafen, welche fih in den Mauern.der Gebäude
von Bompeit finden. |
6. 24. Nach der Anzeige ber verfchütteten
Drte und der Verſchüttung felbii, iſt drittens
eine Nachricht von der Entdefung berfd-
ben zu geben, und diefe tft in Abficht auf Hereu⸗
Ianum eine Alt ere, und bernach die Entdefung al⸗
I rail Drte, welche gu unfern Beiten gefche
en i
6. 25. Bon einer ältern Entbefung oder viel⸗
mehr Nachfuchung des verfchlitteten Hereulanums ha⸗
ben fich offenbare Spuren beim Nachgraben unter
ber Erde gefunden, welche auch in der anf königli⸗
hen Befehl gezeichneten Karte von diefen unterir⸗
difchen Städten, welche ich das Glük gehabt babe
zu ſehen, angezeiget find. Dieſes find mit. Mäbe
gearbeitete und ausgehauene. unterirbifche Gänse,
welche, ohne etwas dergleichen vorher zu muthma⸗
Ben, die Abficht derfelben von felbit zeigeten; —8
lich kañ man nicht alles, was der Berg verſchütt
Bat, zu finden hoffen. Auf diefe vor Alters fee
bene Nachgrabung fcheinet eine Zuſchrift zu beuten,
s) Storia del Vesuv. c. 5.8. ı22. p- 98. — und in ber fram.
Überfegung dieſes Vucht ©.- 232.
hercul. Entdek. 133
welche zwar bereits abgedruket iſt, aber hier füglich
einen Plaz verdienet, wegen des Lichts, melches ſie
ung geben kañ.
SIGNA TRANSLATA EX ABDITES
LOCIS AD -CELEBRITATEM
THBERMARVM SEVERIANARVM
AVDENTIVS SAEMILANYS V. C. CON.
CAMP. CONSTITVIT. DEDICARIQVE PRECEPIE.
ıCVRANTE T. ANNONIO. CHRYSANTIO V. BP
8.26. Fabretti, welcher diefelbe aus einer
Handſchrift bekañt machete , 1) erfläret fich in den No»
ten über dieſelbe ,2) daß er nicht verfiche, mus der
Anfang bderfelben fagen wolle. Mazzocchi Täffet
fich ebenfalls nicht ein in den Anfang derfelben : 3)
und verflebet bier die Bäder in Rom, die Septi⸗
mus Severus bauete, und Antoninus Carra⸗
calla, defien Sohn und Nachfolger, endigte, die
daher auch ſchon vor Alters, wie noch izo, Anto-
niana biegen, und insgemeln die Bäder des
CarracalUla genennet werden. Diefe Infchrift,
von welcher man nicht eigentlich wußte, an welchem
Drte fie abgeſchrieben warden, fand Martorelfi
bei einem Steinmezen zu Neapel, da derfelbe bereits
die Säge angefeget hatte, dieſen Marmor zu zer
fchneiden; folglich redet diefelbe von Dingen, die
zu Neapel, ober in ber Gegend umher, gefcheben
find. Es iſt alfo dieſer Gelehrte der Meinung, +)
DAB sıcma TRAnsLaTa Ex Asırıs Loc auf Stu⸗
tunen, welhe man aus ben verſchütteten
1) Inser. p. 180. n. 173.
2) Ih. p. 334.
3) De Theatr. Camp. p. 170.
4) In Addittam. ad reg thec. calamar. p. 37. seg,
432 Sendſchreiben v. d.
‘gen, welcher in dem Muſeo zu Portici lieget, und
Iween Palmen drei Zolle, römifches Maß, breit
iſt. Dieſes Pflaſter von Lava in den verſchütteten
Stadten hätte der Here Pater della Torre im
feinee Befchreibung des Veſuvius fehr nüz⸗
lich anführen können, und ee würde durch ben ein-
zigen aufgehobenen Bflafterflein beichret fein, daß
die heutige Lava nicht härter als die alte fei, wie
er aus guten Gründen, aber wider bie Erfahrung,
behauptet. 1) Noch ein anderes Seichen älterer Aug
brüche vor den Beiten bes Titus And Stüke
Schlafen, welche fih in den Mauern .der Gebäude
von’ Bompeit finden.
6.24. Nach ber Anzeige der verfchütteten
Drte und der Verſchüttung felbii, if drittens
eine Nahriht von der Entdekung derſel⸗
ben zu geben, und diefe tft in Abficht auf Hereu⸗
lanum eine Alt ere, und hernach die Entdefung als
en hieten Drte, welche zu unfern Beiten gefche
en if. |
$. 25, Bon einer Ältern Entbefung oder viel⸗
mehr Nachfuchung des verfchütteten Hereulanums ha⸗
ben fich offenbare Spuren beim Nachgraben unter
der Erde gefunden, melde auch in der auf königli⸗
hen Befehl gezeichneten Karte von dieſen unterir⸗
difchen Städten, welche. ich das Glük gehabt babe
zu fehen, angezeiget find. Dieſes find mit. Mäbe
gearbeitete und: ausgehauene. unterirdifche Gänge,
welche, ohne etwas dergleichen vorher zu muthma⸗
Ben, die Abficht derſelben von ſelbſt zeigeten; folg-
lich kañ man nicht alles, was ber Berg verfihüttek
Bat, zu finden hoffen. Auf diefe vor Alters gefche-
bene Nachgrabung fcheinet eine Zuſchrift zu beuten,
s) Storia del Vesuv. c.5.$. ı22. p. 98. — und im ber franı.
berſeꝛuug dieſes Bachs ©.- 232.
hereul. Entdek. 133
welche zwar bereits abgedruket iſt, aber hier füglich
einen Plaz verdienet, wegen des Lichts, welches ſie
ung geben fan.
SIGNA TRANSLATA EX ABDITIS
LOCIS AD -CELEBRITATENM
“THERMARVM SEVERIANARVM
AVDENTIVS SAEMILANVS V. C. COM.
:CAMP. CONSTITVIT. DEDICARIQVE ZRECEPIT.
CVRANTE T. ANNGNIO. CHRYSANTIO V. PR
$%.26. Fabretti, welcher diefelbe aus einer
Handſchrift bekannt machete , 1) erfläret fich in den No⸗
ten über diefelbe,2) daß er nicht verfliehe, was der
Anfang derfelben fagen wolle. Mazzocchi Täffet
fich ebenfalls nicht ein in den Anfang derſelben: >)
und verfichet bier die Bäder in Nom, die Septi⸗
mus Severus bauete, und Antoninus Carra⸗
calla, defien Sohn und Nachfolger, endigte, die
daher auch fchon vor Alters, wie noch izo, Anto⸗
niana biefen, und insgemein die Bäder des
Barracalla genennet werden. Diefe Infchrift,
von welcher man nicht eigentlich wußte, an welchem
Drte fie abgefchrieben warden, fand Martorelli
bei einem Steinmezen zu Neapel, da derfelbe bereits
Die Säge angefeget hatte, diefen- Marmor zu zer⸗
fhneiden; folglich redet diefelbe von Dingen, bie
zu Neapel, oder in der Gegend umher, gefcheben
find. Es ift alſo dieſer Gelehrte der Meinung, 4)
daß sıcna TnamsLara zx aupiris zocs auf Sta⸗
tunen, welche man aus. ben verfhäütteten
ı) Inscr. p. ı80.n. 173,
2) Ib. p. 334.
3) De Theatr. Camp. p. 170.
4) In Addittam. ad reg thec. calamap. p. 37. sog,
134 Sendſchreiben v. d.
Städten, und vornehmlich aus dem Hereulano
ausgegraben, zu deuten ſei. Die ſeverianiſchen
Baͤder veriichet er von Bädern, nicht des Septi—⸗
mius Severus, fondern des Kaiferrs Aleran-
der Severus, und gleichwohl führet er den Spar
tianus an, welcher von jenen und nicht von die
fen redet, noch reden fan, weil feine Geſchichte
nicht fo weit gebet: er hätte fi auf den Lam⸗
pridius berufen follen, melcher von den aleran:'
drinifchen Bädern in Nom redet. Ferner faget
Martorelli: „Wir willen die Zeit des Auden-
„tius Saemtlanus Viri -Consularis, welcher zu
„des Severus Zeiten (welches Severus aber,
„ faget er nicht, ) gelebetz; “ moher er es. aber weiß,
bat ihm nicht gefallen ‚anzugeben. Sn biefe Bäder
zu Nom wurden die Statuen. von hierher hinges
ſchaffet, und duch den Baumeiſter Chryfantiug
aufgeſtellet. Die Infchrift, und die entdefeten vor
Alters gemacheten unterivdifchen Gänge im Herculano,
erflären fich alfo wechfelmeife. Bald hernach ver-
lofch das Andenfen diefer verfchütteten Schäze gänz-
lich aus dem Gedächtniffe der Menfchen ‚durch die
einreiffende Barbarei und Unwiſſenheit. 1)
$.27. Dieneuere Entdefung geſchahe bei Ge⸗
legenheit eines Brunnens, welchen der Prinz El⸗
beuf, ohnweit feinem Haufe, dafelbit graben lich.
Diefes Haus wurde von gedachtem Herrn zu feinem
Aufenthalte an diefem Orte, hinter dem Klofler
der Francifcaner der firengeren Regel von St. Pie
tro von Alcantara, auf dem Rande und den Kli-
ven der Lava felbfi, am Meere aufgebauet, und
es: fam nach deffen Tode an das Hans Fallerti
in Neapel, von welchem es ber izige König in
Spanien fäuflich erfand, um fich daſelbſt mit der
1) [Man fehe Hierüber bie Note Feas im 4 5. der Briefe
an Bianconi.)
‚bereut. Entdek. i35
Fiſcherei, und fonderlih mit Angeln der Fiſche,
zu erlufligen. Gedachter Brunnen wurde nahe an
dem Garten der Auguſtiner Barfüßer .einigefchlagen,
“und durch bie Lava durchgebrochen; die Arbeit wurde
fortgefeget, bis .man an felles Erdreich gelangete,
welches die Afche des Veſuvius if, und bier fan⸗
den ſich drei weiblich befleidete Statuen,
auf welche der damalige ötlerreichifche Vicefönig mit
RNecht Anfpruch machete. Dieſer Tief diefelben nach
Kom führen, wo fie ergänget wurden, und fchenkete
fie dem Bringen Eugenius, welcher fie in feinem
Garten zu Wien aufitellete. -Nach feinem Tode vers
‚Inufete deffen Erbin .diefe drei Statuen 1) an Se.
Maiefkät den .König von Bolen für 6000 Thaler,
‚oder Gulden, (welches ich nicht eigentlich weiß, )
‚und .es flanden :diefelben vor fieben Jahren, vor
‚meiner Abreife nach Stalien, in einem Pavillon
des großen königlichen Gartens vor Dresden, un⸗
ter den Statuen und Bruflbildern des Palaſtes
Chigi, welche der felig verſtorbene König von Po⸗
len mit 60,000 Seudi erkaufete, und mit welcher
‚er eine andere Sam̃lung ‚alter Werke vereinigte,
die ihm der Herr Cardinal Alexander Albani
‚für 10,000 Seubdi überließ. |
"6,28. Dem Bringen Elbeuf wurde nach biefer
Entdetung unkerſaget, mit Nachgraben fortzufahren,
and von .diefer Zeit an wurde im mehr als dreiflig
Babren nicht weiter daran gedacht, bis da der izige
König in Spanien zum tuhigen Belize dieſes erober⸗
4) Die:sche Abbilduug dieſer vortreflichen Gewandfignren
-... befindet: ſiche im⸗ erſten Bande von Beckers Augn⸗
ſt eum auf: ben Tafein XX — XXVI; und bie ausfützr⸗
fie Geſchicht e und Veſchreibung dazu ebendaſ.
..- 68.108 — 119. Se ‚now
[Man vergleiche, se 'Bedanten über die nad:
ahbmund ıc. 6. 6$°— 75.)
136 Sendſchreiben v. d.
ten Reichs gelangete, und Portiei zum Frühlings⸗
aufenthalte wählete. Der ehemals gegrabene Brun⸗
nen war noch da, und in demſelben ging man,
auf königlichen Befehl, weiter hinunter, bis ſich
Spuren von Gebäuden fanden, und diefe waren
von dem Theater, welches die erſte Entdekung iſt;
und der Brunnen iſt noch iso, fo weit derfelbe
durch die Lava gebrochen worden, zu feben, und
fühlt auf die Mitte des Theaters, welches durch Die
Dfnung Licht befomt. Die Snfchrift, mit dem
Namen der Stadt Herculanum, die man fand,
zeigete den Ort an, wo man grub, und biefes
machete Much, die Arbeit unter der. Erbe weiter
fortzufegen.
$. 29. Die Nufficht über dieſe unterirdifche Ar-
beit wurde einem fyanifchen Feldmeſſer ‚oder In⸗
genieur, Rocco Giachino Alcubierre, welcher
dem Könige aus feinem Lande gefolget war, auf:
getragen; diefer dit izo DObrifier und das Haupt von
dem Corpo der nenpelfchen Ingenieurs. Diefer
Man, welcher mit den NAltertümern fo wenig zu
thun gehabt hatte, als der Mond mit den Kreb⸗
fen, (nach dem wälfchen Sprichworte,) war durch
feine Unerfahrenheit Schuld an vielem Schaden,
und an dem Verluſte vieler fchönen Sachen. Ein
Erempel fan flatt aller dienen. Da man eine
große öffentliche Inſchrift, ich weiß nicht, au dem
Theater, vder an einem andern Gebäude, entheleter
welche aus Buchſtaben von Erzt befand, ‚bie an
zween Balme lang find, wurden diefelben, ohne die
Sufchrift vorher abzuzeichnen, von der Mauer .ab-
geriffen, und alle untereinander in einen Korb ge»
tworfen, und in diefer Verwirrung Seiner Ma-
jeſtat gezeiget. “Der erfie Gedanke, welcher einem
jeden Menichen entfieben mußte, war die, Frage :
vons diefe Buchladen. bedeuten? und dieſes wußte
hereul. Entdek. 135
niemand zu ſagen. Diele Jahre ſtanden dieſelben
in den Mufeo willkürlich aufgehänget, und ein jeder
koñte das Vergnügen haben, ſich nach. feinem. Ge»
fallen Worte aus denſelben zu bilden; endlich aber
hat man ſo lange ſtudiret, bis man ſie in einige
Worte gebracht hat, von welchen unter: andern IMP.
AVG. iſt. Wie man durch deſſelben Veranſtaltung
mit der: Quadriga von Erzt: verfahren if,
werde ich. unten in dem vierten Stüfe anführen.
6.30.. Da .mit der Zeit: diefer Don Rocco bir
ber flieg, ‚wurbe die Unteraufficht und: das Befahren
der unterirdifchen Orte und. Grüfte einem Ingenieur
aus der Schweiz, Herrn: Karl. Weber, welcher
izo Major iſt / übergeben ; und: diefem. verfländigen
Manne hat man alle auten Anflalten , die nachher
gemachet find;, zu danfen.. Das erfle, mag er mache
ke, war ein richtiger: Grundriß der .unterirdifchen
Bänge.und. ber entdefeten Gebäude, und. diefes nach
allen Arten - von - Ausmeflungen. . Dieſen Grundriß
machete er deutlich durch andere Zeichnungen ; .melche
den Aufriß der: ganzen Entdefung zeigen, die man
ſich vorſtellen muß zu: ſehen, wie wei das ganze
Erdreich tiber: biefelbe weggenommen wäre, und das
Sinnerfie. der: Gebäude, . deren.. Zimmer und ihrer
Gärten, :nebfi- dem eigentlichen Orte, mo ein jedes
gefunden. if, fih unfern Augen von oben ber auf⸗
gedefet zeigete. Diele Riſſe aber werden niemanden
gezeiget.
6.:34.. Nachdem man nun in ben hereulani⸗
ſchen Entdefungen glüklich gewefen war, fing man
an, die andern: Orte aufzufuchen, und es fand fich
"be wahre Lage von dem alten Stabia; und Pom⸗
Yyeii.entdefeten die graßen Vberbleibfel des Amphi⸗
Kheaters,. welche beſtaͤndig über der Erbe auf ei⸗
sent Hügel ſichtbar gewefen An:beiden Orten war
mit wenigern Koflen. „ı ala. im Herenlang , VOR
6*
138 Sendfchreiben v. d.
graben, weil man dort keine Lava zu überwinden
hatte. Nirgend gehet man mit größerer Zuverſicht,
als in Pompeji, weil man gewiß weiß, man gehe
Schritt vor Schritt in einer großen Stadt, und
die Hauptſtraße iſt gefunden, welche in fchnurgera-
der Linie fortgehbet. Bet aller diefer Gewißheit,
Schäze, die unfern Voreltern nicht befant gewelen,
zu finden, wird das Werk fehr fchläfrig getrieben ,
und es find an allen unterirdifchen Orten zufammen
nicht mehr als 50 Arbeiter, die Sclaven von Algier
und Tunis mitgerechnet, vertheilet ; und eine große
Stadt, wie Bompeit iſt, auszugraben, fand ich auf
meiner Testen Reiſe nur 8 Menfchen befchäftiget.
6.32. Die Art und Weiſe, mit welcher man
im Nachgraben verfährer, iſt fo befchaffen, daß nicht
leicht. eine Sand breit übergangen werden fat. Man
folget dem Hauptgange in gerader Linie, und aus
demfelben gehet man auf beiden Seiten heraus, und
wei ein Raum in’s Gevierte von 6 Palmen nad
allen Seiten ausgegraben und durchfuchet iſt, wird
gegenüber ein Naum von gleicher Größe ausgegra⸗
ben, und das Erdreich aus diefem wird in dem
Kaum gegenüber geführet , theils um die Koſten zu
erfvaren, theils um das Erdreich durch Anfüllung
zu unterflügen, und fo verfähret man wechſelsweiſe.
$.33. Ich weiß, daß Auswärtige ſowobl ale
Neifende, die diefes alles wie im Vorbeigehen fe
ben oder fehen können, wünfchen, daß nichts möchte
mit Erdreich angefüllet werden, ſondern daB man,
wie in gedachten Grundriffen, die ganze unterir⸗
Difche Stadt Herculanum aufgebefet' möchte liegen
fehen. Man tadelt den fchlechten Geſchmak des
Hofes und berienigen , die fiber diefe Arbeit geſezet
find; aber biefes iR ein Urtheil nach ben erſten Ein-
drüken, ohne gründliche Unterſuchung des. Orts und
anderer Umſtaände. Bon dem Theater gebe ich ee
bereut. Entdek. 139
zu, wo diefes möglich, und die Entdelung der Ko⸗
ſten würdig gewefen wäre, und man bat übel ges
than, fih zu begnügen, bie Size zu entdefen,
welche man fih aus fo vielen alten Theatern vor«
fielen Eonte; die Scena felbft aber, als das vors
nehmſte Theil, wovon wir feine anfchauliche Keitt-
ni haben, bedefet und verfhürtet zu laſſen.
Unterbefien ift auch izo Hand angeleget, diefem Ver⸗
Jangen ein Genüge zu than, und es find die Stie
gen, welche aus der Arena oder der Blaten zur
Scena führen, entdefet. Es köñte alfo das here
eulanifche Theater mwenigfiens ‚unter der Erbe mit
der Zeit völlig geſehen werben. —
6.34. Was aber die Aufdefung der ganzen
Stadt betrift, gebe ich denen, die dieſes wünfchen,
zu überlegen, daß, da die Wohnungen durch bie
ungeheure Laſt der Lava erdrüfet worden, man
nichts als die Mauern fehen würde. Da man fer
ner-dieienigen Wände, melche bemalet waren, um:
das Gemalete nicht ber Luft und dem Wetter preis
zu geben , weggenommen, fo würden bie beiten Häus
fer eingerifien zu fehen fein, und die Mauern von
den ſchlechteſten Wohnungen wären fleben geblieben.
Nächſtdem it leicht zu begreifen, was für ein un⸗
geheurer Aufwand es geweien fein würde, alle’ Lava
megzufprengen, und alles theils verfleinerte, theils
anderes. Erdreich auszugraben und wegzuführen; und
zu was für Magen? — Berflörete alte Mam
ern zu feben. Und endlich hätte man, um ei»
niger unzeitig Neugierigen Luſt zu ſtillen, eine gang
wohl gebauete und ſtark bewohnete Stadt
Yerfiören müßen, um eine verfiörete Stadt
und einen Saufen Steine am das Richt zu brin«
gen. Die gänzliche Aufdefung des Theaters aber
würde nichts koſten, als den Garten der Auguſtiner
Barfüßer, unter welchen es ſtehet.
4140 Sendfchreiben v. d.
S.33. Diejenigen, welche völlig aufgedekete
pier Mauern verfchüttet gewefener Wohnungen fe-
ben wollen, fünnen nach PBompeit gehen; aber mar
will fich nicht fo. viel. bemühen: diefes bleibet nur
für die Engeländer.. An diefem Drte fan mar
-alfo verfahren, den die ganze Stadt iſt mit einem
wenig fruchtbaren Erdreiche bedefet, und da vor Al⸗
ters an diefem Drte der köſtlichſte Wein wuchs,
fo tragen izo die dafelbit bepflangeten Weinberge we⸗
zig ein, und es iſt Fein großer Schade, diefelbigen
zu verwüſten. Man fpürer auch bier mehr, als am.
andern Orten in felbiger Gegend, eine fchädliche
Ausdünftung, welche Muffeta heiſſet, und alles
verdorret, fo wie ich es an einem Haufen. Ulmbäu-
men fand, die ich vor fünf Zahren frifch: und grün
gefeben hatte. Diefe Ausdünſtung ifl insgemein der
Dorbote von einem: nahen Ausbruche des Berges,
und Aufert fich zuerfi in. Kellern; vor dem lestem
Ausbruche fielen einige Menfchen, beim Eintritte im
Die Keller. ihrer Haͤuſer, auf der Stelle todt nieder.
8.36... Man erfichet aus diefer Nachricht. von
ben Anflalten su Entdekung dieſer Orte, daß. mit:
ſolcher Schläfrigfeit annoch. für. die Nachfommen im
vierten Gliede zu graben. und: zu. finden. übrig blei⸗
ben: werde: Mit noch: geringern Koſten künte mas:
Hielleicht. eben: fo. große. Schaͤze finden ,. weit. man zu
30330010, 50 Bajä, zu. Euma. und zu Mile
sum graben wollte; den bier waren: die: präcdLie
gem Billen der: großen Römer... Aber ber. Hof
begnügete ſich mit. dem gegenwärtigen Entdekungen,
und für. fich: darf niemand: eine: merkliche Gruft ma⸗
ſchen: Es find: ſogar noch, unbefante: Gebsiude: an
Dielen: Deten ; wie: en ein englilcher Schifscapitän,
Ba: er: in dieſer Gegend lag ,: unter Bnid einen gro⸗
fen prächtigen Saal unter: ber Erde entdefete „in
welchen. man num zu Waller: gelangen: fan... Bu dem
. bereut. Entdek. 141
ſelben bat fich die ſchönſte Gypsarbeit "erhalten.
Diele Entdefung gefchahe vor zwei Sahren, und ich
ſelbſt babe davon allererii nach meiner Rükkunft von
Neapel, durch Herrn Adam aus Edinburg in Schott-
Sand, Nachricht erhalten, und die Zeichnungen ger
feben. Diefer Liebhaber der Künſte, und befonders
der Baukunſt, ſtehet im Begriffe, eine Neife nach
©riechenkand und Kleinafien anzutreten.
$. 37. Nach dem dritten Stüfe, von ber Entbe-
fung , und von der Art derfelben , tft zulezt im nier-
ten Gtüfe vornehmlih von den Entdefungen
felbft Nachricht zu geben , und bier. wiederhole ich
die Erklärung. welche ich zu Anfange dieſes Send
ſchreibens gemachet habe, nicht alles zu berühren, -
noch was ich anderwärts ausgeführet habe, bier zu
wieberhofen. Sch fange billig bei den entdefeten un-
gerirdifchen Orten felbit und. den Gebäuden. an., wel-
he wir unter dem Namen der unbeweglichen Ent-
dekungen begreifen Eönnen „wo. über. die Bauart, Ge
bäude und Wohnungen Anmerfungen zu machen find,
und zwar von jedem der verfchütteten Orte insbe⸗
ſondere, fo viel mir von denfelben die geheim ge-
haltenen Nachrichten einzuziehen: möglich geweſen.
Smweitens. äber, und vornehmlich, if von den
tm Muſes aufgefkelleten Entdetungen theils
über Gemälde, Statuen, Brufibilder und
Meine Figuren zu. reden, wa th einige In⸗
fhriften mit anbänge, theils von den Geräthen,
und zulest umfändlich von dem entdefeten Schrif⸗
sem zu handeln. Der Leſer merke bier das Ver⸗
haltniß des neapelſchen Balms, nach welchem
die mehreften Maße angegeben finds es hält berfelbe
14 römifche Bolle, und iſt alfo zween Bofle
\weößer, ale der römiſche Balm.
: 6.38, Unter den unbeweglihen Entdekun⸗
en ii, ber Zeit unh @räße nach, bas erfie und voruchwunte
142 Sendfchreiben v. d.
das Theater der Stadt Herculanum. Es hat daſ⸗
ſelbe 13 Reihen Size, einen jeden zu 4 vömi-
fhen Balmen breit, und. einen in der Höhe, . und
fie find aus einer Art von Tufo gehauen, nicht aus
harten Steinen, wie Martorelli angibt. ber
diefe Size erhob ſich ein Porticus, und unter
demfelben waren 3 andere Reihen Size. 8wiſchen
den untern Sizen find 7 befondere Aufgänge
zur Bequemlichkeit, melche Vomitoria heiffen. Der
Durchmeſſer des untern Sizes iſt 62 nenvelfche
Balmen, und man bat gefunden, anderthalb Bal-
me auf die Berfon gerechnet, das in dieſem Theater
3500 Menfchen figen können, auffer denienigen , die
in der Arena oder der Cavea Bla; hatten. Die-
fer innere Plaz war mit flarken Platten von Gie
allo antico gepflaitert, wie man noch an einigen
Spuren fiebet, die zum Denkmale übrig gelafien find.
Diegemwölbeten Gänge unterden Sizen waren mit
weiffem Marmor beleget, wie die Spuren zeigen,
und die Eornifche, welche in denfelben umber
gehet, iſt noch von Marmor übrig.
6. 39, Dhen auf dem Theater fland eine Dun
driga, das if, ein Wagen mit vier Pferden
befyannet, nebft der Figur der Perfon auf demfel-
ben in Lebensgröße, alles von vergoldetem Erste,
und man fichet noch i50 die Bafe von weiſſem Mat
mor, auf welcher diefes Wert fand. Einige bes
baupten, daß es drei Biga geweſen, oder Drei
Wagen, icher mit.zwei®ferden,.und diefe Un⸗
gewißheit geuget von deu Dumbeit derienigen, die
an diefer Entdefung Hand hatten. Diefe Werte
End, mie leicht zu erachten if, von der Lava um⸗
geworfen, zerdrüket, und zerſtüket, aber es feblese
bei: der Entdefung fein Stüt an denfelben. Wie
verfuhr man aber mit diefen Toflbaren Trümmern ?
bereut, Entdef, 143
Es wurden alle Stüfe gefammelt, auf Wagen gela-
den, nach Neapel geführet, und in dem Schloßhofe
abgeladen, wo diefelben in einer Efe auf einander
geworfen wurden. Hier lag diefes Erst, wie altes
Eifen, geranme Zeit, und nachdem hier ein Stüf
und dort ein anderes war weggetragen worden, fo
entfchloß man fich, diefen berbleibfeln eine Ehre
anzuthun; und worin befland diefelbe ? Es wurde
ein großer Theil davon zerfchmolgen, zu zwei gros
fen erboben genarbeiteten Bruflbildern des Königs
und der Königin. Wie diefe beiden Stüfe gera-
then fönnen, fiele ich mir vor, obnerachtet ich dies
felben nicht gefehen habe: den fie find unfichtbar
geworden, und bei Seite gethban, da man das un⸗
wiffende, unverantmwortliche Verfahren anfing zu mer-
Ten. Die übrigen Stüfe von dem Wagen, von
den Pferden und von der Figur wurden endlich
wiederum nach Bortici geführet, und in den Ge
wölbern unter dem föniglichen Schlofle der. Welt
völlig aus den Augen gerüfet. Geraume Zeit nach⸗
ber brächte der Auffeher des Mufei in Vorfchlag,
aus den nörigen Stüfen von den Pferden wenig.
fiens ein einziges zufammenzufezen, und diefes wur⸗
de belichet, und durch die Arbeiter in Erzt, die
von Rom zur Arbeit an andern Entdefungen waren
verfchrieben worden, wurde Hand an diefes Wert
geleget. Alle und jede Stüfe zu einem ganzen Pfer-
de fanden ſich nicht mehr, und es mußten einige
neue Güſſe gemachet werden, und auf diefe Art
brachte man endlich ein Bferd, und ein ſchönes
BPferd, zuſammen, welches in dem innern Hofe des
Mufei aufgerichtet if. An dem Geſtelle von Mar
mor flehet folgende Snfchrift, in vergoldeten Buche
ſtaben von Erst, von: bem berühmten Mazzoechi
gexuchet:
142 Sendſchreiben v. d.
EX. QVADRIGA. AENEA-.
SPLENDIDISSIMA
CVM. SVIS IVCALIBYS..
CONMINVTA. AC. DISSIPATA.
SVPERSTES. ECCE: EGO. VNVS.
RESTO.
MONNISI. APTR. SEXCENTIS..
IN. QYAE. VESVYIVS. ME...
. ABSYRTI.. INSTAR..
DISCERPSERAT,
MEMBBIS..
6 40, In diefer Infchrift könte man einige Kri⸗
tie machen über. das. Wort sexcentis, welche Zahl
gebräuchlich ift., eine unbefkimte große Zahl
anzugeben‘, die aber bier viel zu groß id: den
es würden niht Hundert Stüfe hersus kommen.
Man fan die Metapher instar absyrii, bier nicht
allein. ſehr überflüffig, fondern. in dem Style
der Inſchriften fremde finden; es if auch die
Derfesung der Worte.von sexcentis big zu ꝓpembris
zu weit und zu poetiſch.
$. 41.. Diefes Pferd, gut oder übel: zuſammen⸗
gefezet, ſchien wie aus einem Stüke zu fein, bie
nach und nach die übel vereinigeten verfchmiereten Fu-
sen fich von der Size öfneten: den es ift fchwer,
einen meuen Guß an den Bruch eines alten Stüfes von
‚Erst zu verbinden; und da im März 1759, ‚bei meis
nem: Dafein, ein großer: Negen. einfiel, - lief das
Waſſer in die Fugen, : und das Pferd befam die
Wafferfuht: Diefe Schande der Ergänzung. füchete
man auf: das forgfältigite zu verbergen ; der Hof bes
Müfet murbe an drei Tage verſchloſſen gehalten, His
Das. Wafler aus. dem Bauche abgesapfet war. Bm
dieſen beforglichen Umſtänden iR dag. Pferd bis ige
ohne weitere Hülfe, welche ſchwer werden würde,
ſtehen geblieben ; und diefes iR die. @efchichte der
hereul. Ente, 445
vergoldeten Quadriga von Erzt auf der
Spize des hereulaniſchen Theaters.
$. 42. Bon dem Theater war nicht weit entfernet
ein runder Tempel, wie man glaubet, des Her⸗
Tules, von deffen inwendigen Mauern die größten
Gemälde, welche in dem erften Bande ſtehen, 1) abge-
nommen find. Diele Hnd der Theſeus, welchem die
arbenienfifchen Knaben und Mädchen die Hände Füf-
fen, da er von Kreta zurüffem , und den DMino-
taur erleget hatte, und an diefem, als dem größten
Stüfe, ſiehet man die Nunde der Mauern. Die
übrigen find die Geburt des Telephus, bat
Shiron und Achilles, und Ban und Olympus.
6. 43, Diefe Gebäude flanden an dem öffentlichen
Plage der Stadt, mo die marmornen Statuen zu
Bferde, des ältern und des jüngern MoniusBal⸗
dus, gefunden wurden, von welchen diefe, weil fie
am beften erhalten, zuerſt ergänzet und in dem Por⸗
tal des Föniglichen Schloffes unter einem Haufe von
Glas gefezet worden. Bene Statue fiehet diefer ges
genüber; der Plaz zu derfelben aber iſt nicht aus⸗
gebauet. Das Kupfer von der einen, welches aus
dem Gedächtniſſe gezeichnet, und in Gori Symbolis li-
terariis geflochen iſt, gibt einen ziemlichen Begrif
von benfelben.
Nahe an diefem öffentlihen Plage Ing eine Bis
Ia oder ein Landhaus, nebſt zugehörigem Gare
ten, welches ch bis -an das Meer erfirefete; und
in derſelben And die alten Schriften, von wel⸗
chen in dem Testen Abfchnitte dieſes Stüks geredet
wird, und die Bruftbilder von Marmor in den
Vorzimmern der verfiörbenen Königin, nebſt rinigen
fhönen weiblichen Statuen von Erzt, gefun⸗
den. Überhaupt if gu merken, daß das Gebinde
4) [Der Pitture d’ Ercolano.]
Winckelmañũ. 2.
7
116° Sendfchreiben v. d.
diefer ſowohl als anderer Villen an diefem und an
andern benachbarten Orten, »nebſt andern Wohnuns
gen, nur von einem einzigen Geſtoke gewefen.
Diefe Billa Schloß einen großen Teich ein, Welcher
252 neapelſche Palmen Iang und 27 breit war,
und an beiden Enden war derfelbe in einen halben
Birfel gezogen. Nund umher waren mas wir Gar
tenflüfe nennen, und dieſer ganze Pla; war mit
Säulen von Ziegeln, mit Gyps übertragen, befezet,
deren 22 an einer und am ber längſten Seite fian-
den, und 10 in der Breite. Dben aus diefen Säu-
len gingen Balfen bis in die. Mauer, die um den
Garten gezogen war, und diefes machete eine Lau-
be um den Teich. Unter derfelben Waren Abthei-
Sungen zum Wafchen oder Baden, einige balb rund
und andere efig, mechfelmeife. Zwiſchen den Säu-
len flanden erwähnte Bruſtbilder, und wechfelweife
mit denfelben die weiblichen Figuren von Erzt. Um
die Mauer des Gartens umher von auſſen war ein
fchmaler Wafferfanal geleitet. Aus dem Garten
führete ein. langer Gang zu einer .offenen runden
Loggia oder Sommerfize am Meere, welche
25 nenpelfche Balmen vom Ufer erhöhet war, und
von dem langen Gange ging man pier Stufen zu
dem runden Blaze hinauf, wo oben gedachtes fchöne
Paviment oder Efrih von Marmo Africano
und von Giallo antico war. Es beſtehet dafiel-
be aus 22 Umkreiſen, die fich gegen den Mittelpunkt
veriüngen, von feilförmig gehauenen und abwechſeln⸗
den Steinen, in deren Mitte eine große Hofe iſt,
und dienet izo zum Fußboden in dem zweiten Zim-
mer des berculanifchen Muſei; es halt 24 römiſche
Palmen im Durchmeffer. Um dieſen Fußboden ging
eine Einfaffung von weiſſem Marmor, von anderthalb
nenpelfchen Balmen breit , welche beinabe einen hal⸗
ben Palm höher Ing. Es war dieſes Werf, wie oben
bereut. Entdet. 117
geſaget iſt, 102 neapelſche Balmen unter der Erde,
und mit der Lava des Veſuvius bedefet. Auſſer der
Bibliothek war in diefer Billa, fo viel ich habe
erfahren Finnen, ein Fleines völlig dunkeles
Zimmer, etwa von 5 Balmen lang, nach allen
Eeiten, und an 12 Palmen body, welches mit
Schlangen bemalet war, woraus zu fchließen wäre,
daß es dem eleufinifchen geheimen Aberglauben ges
dienet hätte, welches ein fchöner Dreifuß von Erst,
den man bier fand, wahrfcheinlicher machet. Bon
großen hersulanifchen Gebäuden find bis izo noch nicht
mehrere entdefet.
$. 44, Unter den unbeweglichen Entdefun
gen der Stadt Pompeji will ich mich auf einen
kleinen vierefigen Tempel oder Kapelle ein
fhränfen, welcher im Sahre 1761 ausgegraben
wurde. Es gehörete derfelbe zu einem großen Haufe
der Villa, und der Gipfel, welcher mit allerhand
Zanbwerfe ausgemalet war, ruhete auf vier Säu⸗
Ien, welche gemauert und übergypſet waren, etwa
anderthalb Balme im Durchmeiler, und 7 Balme
7 Bolle hoch, mit gerizeten Einfchnitten,, die Rei⸗
fen an benfelben anzuzeigen. Eine von dieſen Säu⸗
Ien fiehet in dem Hofe des herculanifchen Muſei.
Der Tempel war zwo Stufen erbaben, und gwifchen
dem mittleren Intercolumnio , welches fehr viel wei-
ter als die andern war, gingen innerhalb drei an⸗
dere ‚, aber rund binein gefchweifte Stufen, bis an
den Fußboden diefes Tempels, welcher alſo um fo
viel höher lag, als die Säulen fianden; diefe Stu⸗
fen waren nit Blatten von ſchlechtem Marmo Cipol⸗
lino beleget. Innerhalb diefes kleinen Tempels land
eine Diana im hbetrurifchen Style auf einer.
Bafe, welche ebenfalls mit Marmor beleget mar.
Vor dem Tempel, auf der Seite gegen den rechten
Ef deffelben , Hand ein runder Altar; auf der an
148 Gendichreiben v. d.
dern Seite war ein Brunnen; gegen den Dempel
über war eine Ciſterne, und in den hinein geſchweif⸗
ten Efen derfelben waren vier Brunnen, oder Df-
nungen aus der Eiflerne, um das Waffer mit mehr
Bequemlichkeit zu ſchöpfen. Das einzige Gehäude
bon zwei Geſtok in allen Entdefungen iſt bier .gr-
funden , und man wird daffelbe beſtändig aufgedefet
feben fünnen. Als ih mich im Fehrunrio diefes
1762 Sahrs mit dem Auffeher des Mufet daſelbft
befand, waren die Arbeiter befchäftiget, ein bemal-
tes Zimmer auszuräumen, und eine Art von
Credenztiſch an das Licht zu bringen, welcher mit
Marmor beleget war, und am eben dem Drte fand
man eine Sonnenuhr.
$. 45. Bu Gragnano, oder in dem alten S:ta-
bia, fand fich eine Villa oder Landhaus, welche in
den mehreſten Stüfen der herculantfchen ähnlich war.
Mitten im Garten war ein Teich von vier gleichen
Abthetlungen, über welche eben fo viel Fleine Brü-
fen von einem Bogen gingen. Hm den freien Plaz
umher waren auf der einen Seite 10 Gartenſtüke;
auf der andern Seite 10 Kammern zum Wafchen
oder Baden, welche, wie im Herculano, balb rund
und ekig wechſelweiſe folgeten: Diefe Kammern ſo⸗
wohl, als jene Felder, waren durch eine Laube be⸗
deket, welche ſo wie jene gemachet war, und vorwärts
auf eben ſolchen Säulen ruhete. Um den ganzen
Garten war ein Waſſerkanal au der innern und äuſſern
Geite der Mauer geleitet, vermutblich das Regen⸗
waſſer zu Sammeln: ben von Wafferleitungen bat
fich bier keine Spur gefunden, und man wird in
biefer Gegend größtentbeils von Wafler vom Him⸗
mel gelebet haben; wie dei is dem Atrio dieſer
Billa felbft eine große Kiflerne war. Eben fo war
ber erflaunende Wafferbebälter für die römische
Flotte bei Mifenum, Bifcina mirabilis genannt,
bereut, Entdek. 149
mit. Negenwaſſer angefüllet, und die Soldaten ber
Flotte trugen daffelbe hinein, wie man noch izo aus
einigen Röhren. in der Höhe. fchließen Fan, mo ver-
muthlih das Wafler hineingegoffen wurde. Diefer
unterirdifche Behälter ſtehet auf 5 langen Bogen,
ein jeder von 13 römifchen Balmen breit, und eben
fo. weit ſtehen die Pfeiler von einander.
$..46.. Bon denin dem Mufeo enthaltenen Ent-
defungen und Geltenbeiten find zwo Klaflen
zu machen, unter denen bie erfie die Sachen der
Kunf und die Geräthe enthält, die zwote aber
die gefundenen Schriften. Von der erfien
Art: ii zuvorderſt der Gemälde zu gedenken, von
‚welchen izo über 1000 Stüke, große und Heine,
daſelbſt ind: Es find diefelben alle in Holz gefaflet
mit vorgefegetem Glafe, und einige. der größten,
als dee Thefeus, der Telephus, der Chiron
nn. f. f. haben’ ihre Olasthüren,- um diefelbe genauer
betrachten zu können. Die mehreflen find auf ei⸗
nem trofenen Brunde oder a tempera, ge
malet, wie auch in der Befchreibung diefer Gemäl-
de angezeiger iſt, und einige wenige find auf naf-
fen Gründen, ober a frefeo.. Da man aber
anfänglich in der Meinung fand, daß alle Gemälde
auf- der Mauer auf naffe Gründe. gefezet wären,
und hierüber kein Bweifel entfiand , fo: wurde die
Art der: Malerei an diefen Stüfen nicht unterfuchet.
Zu gleicher Zeit fand fich ein Menſch, welcher mit
einem Firniß, hervor. Fam, diefe Gemälde zu erhal-
ten, und: mit" Diefem wurden fogleich alle dieieni-
gen, welche entdefet. waren, überzogen, ind folg-
lich iſt es nicht: mehr. möglich, die Art der Malerei
an denfekben zu: unterfuchen. Die allerfhönften
find die Figuren der Tängerinen und der Cen⸗
tauren, von etwa. einer. Spante lang, auf einem
ſchwarzen Grunde, welche von einem- großen
150 Sendſchreiben v, d.
Meiſter Zeugniß geben: den fie find flüchtig m
ein Gedanke, und fhön, wie -von der Han
der Gratien ausgeführet. Die nachſten nach di
fen find zwei Stüke, die zuſammengehöreten
von etwas größeren Figuren!) wo auf dem eine
ein junger Satyr ein Mädchen küſſen wil
und auf dem andern iſt ein alter Satyr in e
nen Hermaphroditen verliebet. Wohllüſtiger fa
nichts gedacht, und ſchöner nichts gemalet fein.:
Auſſerdem find einige Frucht, und Blumenſtül
in diefer Art Malerei unverbefierlich.
$.47. Wir können hieraus den Schluß machen
Wen an einem Orte, wie Herculanum mar
und auf Mauern in Häufern, foausnehmend
Stüfe gewwefen: mie vollfonimen mäßen di
Werke der großen und berühmten griechi
Then Maler in den beſten Zeiten geweſe
fein? Näher zu der Nichtigkeit dieſes Schluſſe
werden wir auch bier durch augenfcheinlihe Bi
weife an vier Gemälden geführet, welche zwar 5
Stabia gefunden, aber nicht daſelbſt gemaler ſini
Es wurden diefelben, zwei und zwei, mit der um
gefehrten Seite der Mauer: anf einander geleget
auf dem Boden des Zimmers gedachter Billa; a:
der Mauer angelehnet gefunden, und maren alfo an
bermärts ausgeſaget, und meggenommen, vielleich
in Griechenland, und hieher gebracht, um in di
Mauer bes Zimmers eingefezet zu werden, ba der ein
brechende Auswurf diefes verhinderte. Diefes ti
eine Entdefung, welche zu Ende des vorigen 176
Vahrs gemachet worden. Die Figuren find etwa vo
anderthalb Spannen mit dem größten Fleiſſe, meh
als irgend eines von ben vorher entbefeten ausgeführet
3) Pitture d’Ercol. t. 1. tar. :5— 16. ‘
2) [Siehe unten die Nachricht en ic. $.55.J
bereut, Entdek. 151
und alle viere haben ihre mit verfchiedenen Karben
gezogene Einfaſſung. Schade iſt es, daß zwei da»
von zerbrochen und dadurch befchädiget ind. Ach ha⸗
be diefelben in meiner Geſchichte der Kunſt des
Altertums H umfändlich befchrieben.
$. 48, Hier ift zu erinnern, daß alle dieienigen
Semälde auf der Mauer, welche aus Stalien, jen⸗
feit der Alpen, es fei nach Engeland, Frankreich
oder nach Deutfchland, gegangen find, für Betrü-
gereien zu halten. Der Herr Grav Caylus ließ
eines dergleichen, als ein altes Gemälde, in feinen
Samlungen von Altertümern flechen, weilman
es ihm als ein Stüf aus dem Hereulano verfaufet hatte,
Dem Marfgraven von Baireutb murden bei feiner
Anmwefenbeit. in Nom verfchiedene von diefen Ge-
mälden aufgehänget, und ich höre, daß dergleichen
Betrügereien auch an andere deutfche Höfe vertrieben
worden. Es find diefelben alle von einem fehr mit-
telmäßigen venetianifchen Maler, Joſeph Gu⸗
erra, in Rom, welcher im vorigen Sahre verflarb,
gemachet ; und es ift Fein Wunder, daß Fremde fich
mit diefer Arbeit haben anführen laſſen, da diefes
einem in Altertümern fehr erfahrnen und weitläuftig
gelehrten Manne widerfahren if. Diefes if der
Sefuit Pater Contucei, Auffeher der Studien und
des Muſei in dem Collegio Romano, welcher mehr
als vierzig Stüfe erhbandelte, in der Verſicherung
von Schäzen, welche aus Sicilien, ia gar aus
Balmyra gebracht worden: dent man fäget, daß
viele diefer Gemälde nach Neapel gefchifet worden,
welche man von da zurüffommen Tief, um der
Berrügerei einen Schein zu geben. Auf. einigen
find ſelbſt erfundene Buchſtaben geſezet, die
mit feiner befanten Sprache eine Verwandtſchaft
1) [718. 3 8. 18 $.)
452 Sendichreiben v. d.
haben, zu deren Erklärung aber ſich vielleicht ein
zweiter Kircher gefunden hätte, wei der Betrug
noch einige Zeit verdefet geblieben wäre. Es müßen
diefe Gemälde aber Perſonen, ich wi nicht fagen,
die in der Kunſt oder in den Altertimern erfahren
And, fondern Geſchmak befizen, in die Augen
fallen: den gedachter Maler zeiget nicht die allerge-
ringfie Kentniß in Gebräuchen und Gewohnheiten
der Alten, oder in ihren Formen, fondern er ent-
warf feine Sachen wie blindlings, und fehuf eine
neue Welt, dergeſtalt, daß, wen ein einziges von
feinen Stüfen hätte alt fein können, das ganze Sy-
ſtem der Kentniffe des Altertums umgeworfen fein
würde. Inter den Gemälden der Jeſuiten z. B. if
Eyaminondas, wie er aus der Schlacht bei Man⸗
tinen getragen mird, und diefen Helb hat er mit
einer völligen Rüſtung von Eifen, wie fie in den
alten Turnieren üblich war, vorgeflellet. Auf einem
andern iſt ein Thiergefechte in einem Amphi⸗
theater, und der vorfisende Prätor oder Kaifer
bat den Arm auf den Grif eines bloßen Degens,
wie die aus dem dreiffigiähbrigen Kriege find,
geflüget. Die größte Fruchtbarkeit der Ideen dieſes
Malers befiehet in ungeheuren Priapen, und feine
Begriffe der Schönheit find fpillenmäßige,
Ianggezogene Figuren. Da nun in Nom diefe
Arbeit fait durchgebends für das, mas fie war, er
fant wurde, lich fi dennoch vor zwei Zahren ein
Engeländer verleiten, für 600 Scudi von foldhen
Stüfen zu erhandeln.
6.49. Nach den Gemälden And die ſchönſten
Statuen, die merkwürdigſten Bruftbilder,
und einige Fleine Figuren zu berühren. Don
marmornen Statuen verdienen, aufler den bei⸗
den zu Pferde, zwo weibliche Figuren in Le
bensgröße, wegen ihres [hin gearbeiteten Gewandes,
“ hereul. Entdet. 453
betrachtet zu werden, die ihren Plaz in dee Galerie
- belommen. In dem Hofe des Mufei ſtehet die Muts
ter bes Nonius Balbus, wie die erhaltene In⸗
fchrift an dem Geftelle derfelben zeiget, mit einem
. Theile ihres Gemandes oder Mantels bis auf den
Kopf geworfen, welches, um demſelben eine Gratie
zu geben, oben über der Stirne ſpiz gefniffen if!
eben fo gefniffen it das Gewand auf dem Kopfe
der Tragödte auf der Vergötterung des 90
merns, im Palaſte Colonna. Dieſes iſt eine Kleie
nigfeit, die nicht verdiente angemerfet zu werden,
die ich audy ſelbſt kaum bemerfet hätte, wen nicht
Ewper?!) diefe gefniffene Falte fich als etwas Be⸗
fonderes vorgeftellet und geglaubet hätte, hier Dasies
nige zu finden, was die Griechen oyxos nennen,
welches ein Auffaz von Haaren iſt, der fich auf
den teagifchen Larven, beiderlei Gefchlechts, über
der Stirne erhebet. Die Zeichnung zu feinem Au»
pfer bat ihm verführet: den auf dem Marmor ifl
dieſe Spize nicht fo hoch, tft. auch nicht in eine Fal⸗
te übergefchlagen, wie er es vorfellen laſſen. Auf-
fer diefen ift eine Ballas ın Lebensgröße vor allem
andern Statuen in Marmor zu merken, und allem
Anfeben nach if diefelbe nicht bier gearbeitet wor⸗
den, fondern muß weit älter fein, und aus dem äl⸗
teren griechifchen Style, oder nahe an bemfelben:
den es bat dieſelbe tm Geſichte eine gewifie Härte,
und in der Kleidung gepkättete parallele Falten, als
Zeichen von dem, was ich fage. Merkwürdig if ibr
Agis, welcher am Halfe gebunden, und bernach über
ben Arm geworfen ift, um ihr anflatt eines Schildeg,
etwa in dem Streite wider bie Titanen, gu die
sen: den diefe Göttin iſt bier wie im Kaufe gebend,
und hat den rechten Arm erhoben, wie einen Wurf:
1) Apotheos. kom. p. Sı. seq. .
4154 Sendfchreiben v. d.
fpieß gu werfen. Es iſt auch zu Bompeit, in gedach«
. tem kleinen Tempel, eine Diana gefunden, - welche
ungezweifelt betrurifch if. Diele wird umiländ-
lich in der Geſchichte der Kunſt befchrieben. 1)
Bon ägyptiſchen Werfen bat fih eine Heine
mänliche Figur von ſchwarzem _Fleinförnichtem Gra-
nite, mit einem fogenanten Modio auf dem Kopfe,
geflinden, welche famt der alten Bafe 3 Palme und
3 Zolle, römifches Maß, hält; es trägt diefelbe
eine runde Tafel von eben dem Steine, die im
Durhneiee 2 Palme und 7 Zolle bat.
‚50. Hier werden Sie fih erinnern, Hochge⸗
vorher Grav, daß in dem ergangenen FTöniglichen
Befehle, über den mir befonders ertheileten Zutritt
im Muſeo, diefe Freiheit auf das, was zu fehen
erlaubet ift, eingefchränfet war. Sch beffand damals
nicht auf der Erflärung diefer Clauſel; ich glaube
aber, daß dDiefes theils von dem, mas von Altertüs
mern in den. Gewölben unter dem Eöniglichen Schloffe
lieget, zu verfichen fei, vornehmlich aber eine une
züchtige Figur betreffe. Bu jenen bin ich gelanget,
da ich mir die Vertraulichkeit des Auffehers erworben
hatte; die Figur aber wird niemanden, als auf eis
genhändigen Befehl des Königs, gezeiget, und diefen
bat noch niemand gefuchet, folglich wollte ich nicht
der erfie fein. Es flellet diefes Werk in Marmor ei⸗
nen Satyr mit einer Biege vor, welcher etwa über
drei römifche Balmen groß iſt, und man faget, es fei
fehr fchön. ) Es wurde unmittelbar nach der Ente
A)UB. 28 146.681 817 — 18 $)
2) Späterhin koftete es weniger Schwierigkeit, diefed Wert
su fehen. Der herzoglich meklenburgiſche Hofbildhauer
Bufch in Rom hat vor etwa 12 Jahren biefe merfwürs
dige Grupe, nach einer an Ort und Stelle verftöhlen
gemachten Zeichnung von Carſtens, in Holz gefchnitten.
Der Styl ded Werks ift von keiner befondern Edönheit,
aber ber Ausdruk ift von großer Wahrheit, Fernow.
hereul. Entdek. 155
defüng derfchloffen dem Könige nach Caſerta, wo da⸗
mals der Hof war, gefchifet und wiederum unverzüg-
lich und verfchloffen dem föniglichen Bildhauer zu
Bortiet, Seren Joſeph Canart, zur Verwahrung
übergeben, mit gemeldetem fcharfem Befehle. Es
iſt alfo falfch, wen fih einige Engeländer rühmen
wollen, diefes Stüf gefehen zu haben.
$. 51. Die größten Statuen in Erst fielen Ka i⸗
fer und Kaiſerinen vor, und werden an sehen fein,
alle über Lebensgröße; aber diefe find mittelmäßig,
und es ift nichts an denfelben zu merfen, als an eis
nigen der Ring an dem Goldfinger der rechten Sand,
befonders einer, auf welchem ein Lituus geflochen
il. Die ſchönſten Statuen find ſechs weibliche
Figuren, theils in Lebensgröße, theils Feiner,
welche auf der Trepe zum Muſeo fliehen, und drei
männliche Statuen in Lebensgröße, in dem Muſeo
ſelbſt, nämlih ein alter Silenus, ein junger
Satyr und ein Mercurius Die weiblichen Fir
guren find diejenigen, welche in dem Garten der her-
enlanifchen Billa, nebft den Brufibildern von Mar⸗
mor, wechfelmeife um den großen Teich fanden. Sie
‘find befleidet, und ohne viel Action, auch ohne beis
gelegete Beichen, welche eine gemiffe Benennung der
ſelben veranlaffen fönten; fie And aber idealiſch,
und haben alle ein Diadema. Die eine fcheinet
im Begriffe, fi den kurzen Mantel auf der Schulter
Inszufnüpfen, oder denfelben durch den Knopf bee
fertiget zu haben; eine andere faflet fich an ihr Haupt⸗
haar; eine dritte hebet den Rok ein wenig in die
Höhe, nah Art der Tanzgenden. Der Stlenus
lieget auf einem Schlauche, über welchen eine Löwen⸗
haut geworfen iſt, und fchläget mit der rechten Sand
ein Schnipchen, fo wie eine Statue des Sarda
napalus vorgefiehet war. !) Der junge Satyr
1) [Mar fehe unten bie Nachrichten ıc. S. 74.) >
4154 Sendfchreiben v. d.
fpieß zu werfen. Es iſt auch zu Bompeit, in gedachs
tem fleinen Tempel, eine Diana gefunden, - welche
ungezweifelt hetrurifch if. Diefe wird umſtänd⸗
lich in der Geſchichte der Kunſt befchrieben. 1)
Bon Ägyptifhen Werfen hat fich eine Feine
mänliche Figur von ſchwarzem kleinkörnichtem Gra-
nite, mit einem fogenanten Modio auf dem Kopfe,
gefunden, welche fanıt der alten Bafe 3 Palme und
3 Zolle, vömifhes Maß, hält; es trägt diefelbe
eine runde Tafel von eben dem Steine, die im..
Durchmefler 2 Palme und 7 Zolle bat.
8. 50. Hier werden Sie fi erinnern, Hoch ge⸗
borner Grav, daß in dem ergangenen Eöniglichen
Befehle, über den mir befonders ertheileten Zutritt
im Muſeo, diefe Freiheit auf das, was zu fchen
erlaubet ift, eingefchränfet war. Sch befland damals
nicht auf der Erflärung diefer Slaufel; ich glaube
aber, daß diefes theils von dem, mas von Altertü-
mern in den Gewölben unter dem königlichen Schloſſe
lieget, zu verſtehen fei, vornehmlich ‘aber eine uns
züchtige Figur betreffe. Zu jenen bin ich gelanget,
da ich mir die Vertraulichkeit des Auffehers erworben
battez die Figur aber wird niemanden, als auf ei⸗
genhändigen Befehl des Königs, gezeiget, und diefen
hat noch niemand geſuchet, folglich wollte ich nicht
der erſte fein. Es ftellet dDiefes Werk in Marmor ei»
nen Satyr mit einer Biege vor, welcher etwa über
drei römifche Balmen groß ift, und man faget, es ſei
fehr fhön. ) Es wurde unmittelbar nach der Ent⸗
YUB.28146.6%1 817 — 1886)
2) Späterhin koftete es weniger Schwierigkeit, diefed Wert
zu fehen. Der herzoglich meklenburgiſche Hofbildhauer
Busch im Rom bat vor etwa 12 Jahren biefe merkwür⸗
dige Grupe, nach einer an Ort und Stelle verftöhlen
gemachten Zeichnung von Earftens, in Holz gefchnitten.
Der Styl ded Werks int von feiner befondern Schonheit,
aber der Ausdruk ift von großer Wahrheit, Fernow.
berenf, Entdek. 155
defüng Herfchloffen dem Könige nach Caſerta, wo da⸗
mals der Hof war, gefchifet und wiederum unverzüg⸗
lich und verfchloifen dem Föniglihen Bildhauer zu
Bortici, Heren Joſeph Canart, zur Verwahrung
übergeben, mit gemeldetem fcharfem Befehle. Es
ift alfo falfch, wen fich einige Engeländer rühmen
wollen, diefes Stüf gefehen zu haben.
$. 51. Die größten Statuen in Erzt fiellen Kat»
fer und Kaiferinen vor, und werden an sehen fein,
alle tiber Lebensgröße; aber diefe find mittelmäßig,
und es iſt nichts an denfelben zu merfen, als an eis
nigen der King an dem Goldfinger der rechten Sand,
befonders einer, auf welchem ein Lituus geflochen
if. Die fchönften Statuen find ſechs weibliche
Figuren, theils in LXebensgröße, theils Eleiner,
welche auf der Trepe zum Mufeo fliehen, und drei
mänliche Statuen in Lebensgröße, in dem Muſeo
ſelbſt, nämlih ein alter Silenus, ein junger
Satyr und ein Mercurius Die weiblichen Fir
guren find dieienigen, welche in dem Garten ber her-
enlanifchen Villa, nebſt den Brufibildern von Mare
mor, wechfelmeife um den großen Teich fanden. Sie
‘find befleider, und ohne viel Action, auch ohne bei»
gelegete Zeichen, welche eine gemiffe Benennung’ der-
felben veranlaffen köñnten; fie find aber idealiſch,
und baben alle in Diadema. Die eine fcheinet
im Begriffe, fih den kurzen Mantel auf der Schulter
Ioszufnüpfen, oder denfelben durch den Knopf ber
feſtiget zu haben; eine andere faſſet ſich an ihr Haupt⸗
haar; eine dritte hebet den Rok ein wenig in die
Höhe, nach Art der Tanzenden. Der Silenus
lieget auf einem Schlauche, über welchen eine Löwen⸗
haut geworfen ifl, und fchläget mit der rechten Sand
ein Gchnipchen, fo mie eine Statue des Sarda
napalus vorgefiellet war. 1) Der junge Satyr
41) (Man fehe unten ie Nachrichten sc. 6. 74.). N
⸗
. 156 GSendfchreiben v. d.
ſizet und fchläfet, fo daß der eine Arm hänge. Der
Mercurius aber, welcher unter allen Statuen zu⸗
lest gefunden worden, iſt die fchönfte unter. allen:
er fizet: ebenfalls, und das. Befondere find. deffen Flü—
gel, welche an die Füße gebunden find, fo- daß der-
Heft von. den Riemen, in Geflalt einer platten
Roſe, unter der. Fußfohle flehet, anzuzeigen, : daß
diefer. Gott. nicht zum Gchen, fondern. zum Flies
gen gemachet fei.
6. 52... Die Bruſtbil der find: theils in Mars
mor, theils.in Erst; jene find alle. in Lebensgröße,
und ſtehen noch zur Zeit nicht. in dem Mufeo, fon-
dern in. einem Vorzimmer der höchſtſelig nerfiorbe-
nen Königin... mo diefelben gelafien find, um dem
Gaftellane denienigen Verdienft, welchen ihm diefel-
ben einbringen, nicht zu. entziehen. Die merfwür-
digſten find ein Archimedes, mit. einem krauſen
kurzen Barte, welcher den Namen fchon vor. Alters
mit ſchwarzer Farbe oder Dinte angefchrieben: hatte:
vor fünf Bahren Ins. man noch die erfien fünf Buche
fiaben APXIM, izo aber. find diefelben, durch das
öftere Begreifen, faft gänzlich verlofchen. Ein an⸗
deres mänliches- Bruftbild hatte auch den Namen an-
gefchrieben ; es waren aber kaum noch drei Buchſta⸗
ben AOH fichtbar,. die. es izo auch nicht mehr find.
An einem andern mäitlihen Kopfe iſt der Bart: unter:
dem Kinne in einen Knoten gefchürzet, wie es ein
Kopf im Samnidoglio za Nom bat; Inter den weib⸗
lichen Bruftbildern iR eine fchöne- ältere Agrip⸗
pina, welche einen Kranz. um bie Haare, von. ben
länglichten Berlen, zuſammengeſezet bat..
6. 53, Die Brufbilder von Erst find theils:
in und über Lebensgröße, theils balb.e Natur und
unter dieſer Größe, und in beiden, fonderlich in
ber erfien Art bat dieſes Muſeum vor allen in dee
Belt den Vorzug. Don großen Köpfen find fechs
bereut. Entdek. ' 157
derfelben befonders zu merken, und zwar bie drei
.erftien vornehmlich wegen der Arbeit an den Haa⸗
zen, deren Loken angelöthet find. Der eine und
‚der älteſte (e8 zeiget derfelbe den älteſten Styl der
‚Kunft,) bat funfzig Loken, wie von einem Drathe,
in der Dife einer Schreibfeder, geringelt; der zweite
‚bat acht und ſechzig Loken, welche aber platt find,
and wie ein fchmaler Streifen Papier; mei es mit
‚den Fingern zufammengerollet., und hernach ausein-
ander ‚gezogen würde; die hintern am Halfe haben
"zwölf Windungen; diefe beiden find von jungen Hel⸗
nen, und ohne Bart; der dritte aber, mit einem
langen Barte, bat nur die Seitenlofen angelöthet,
and ift insbefondere wegen der Ausarbeitung zu bes
wundern, welche .offenbar alles Vermögen und Ges
‚SchtElichkeit ‚unferer Künfller weit übertrift; dieſes
if eines der vollkommenſten Werke auf der Welt, es
gehöret unter die Schönsten Dinge aller Art, die man
feben kañ. Man nennet diefen Kopf insgemein ei⸗
nen Blato; es if derfelbe ide aliſch. Der vierte
Kopf ift ein Seneca, und der ſchönſte unter ner
fchiedenen Bildern deffelben in Marmor, ‚von mel-
chen der befle in der Billa Medicis .befindlich if:
man Lönte .ehenfalls behaupten, daß die Kunſt in
demfelben für unfere Zeiten unnachahmlich fei, ob⸗
gleih Blinius berichtet, daß die Kunfl, in Erzt gu
arbeiten, unter dem Nero gänzlich gefallen ſei. 1)
Die beiden andern find Bruſtbilder von der ganz
alten Form, und haben auf den Seiten zween her-
vorgehende bewegliche Balken oder Heben von Die
sol zum Tragen; das eine flellet einen iungen
Held vor, das andere. eine weibliche Berfon.
Ste fcheinen beide von ebendemfelben Meifter zu
fein, und jenes tft mit dem Namen des Künfllers:
4) [Man fche unten bie Nachrichten ꝛc. 9. 79
4158 Sendſchreiben v. d.
ATIOAAQNIOZ APXIOY AOHNAIOZ ENIQOHZEI)
(„Apollonius, des Arch ias Sohn, aus Athen, hat
„es gemachet. “) Über die Form des Wort EIIQHZE
habe ih an feinem Drte in ber Befchichte der
Kunft geredet. Diefes müfen Werke aus der
beften Zeit der Kunft fein. Martorelli 9) glau-
bet in dem Kopfe diefes Helden das Bild des Alei⸗
biades zu finden; und warum ? — weil der Künſtler
ein Athenienfer if. Ganz und gar feinen Grund
aber Hat der römifche Prälat und Erzbifchof in par-
tibus, Bajardi, 4) in diefem Kopfe einen jungen
Römer zu finden, fo wie in dem weiblichen Bruſt⸗
bilde eine römiſche Frau. |
654 Unter den Fleinen Bruſtbildern machen
fich einige mit dem Namen der Perfon merfwürdig.
Eines it Epifurus, und dem im Gampidoglio
vollfommen ähnlich; ein anderes ift von deffen näch⸗
ſtem und unmittelbarem Nachfolger Hermarchus
(EPMAPXOC), aud ein Zeno ift bier mit deffen
- Namen. Sonderlic find zwei Bruffbilder des De⸗
moſthenes, das Eleinere mit deffen Namen, zu
merfen, welches zum Beſchluſſe diefes Sendfchrei-
bens angebracht ifl.”) Es kan alfo der in Spanien
gefundene erhoben genrbettete Kopf eines jungen Men⸗
fchen ohne Bart mit eben dem Samen nicht den bes
rühmten athenienfifchen Redner voritellen, für wel⸗
chen ihn Fulvtus Nrfinus, und nah ihm an-
dere, genommen, als welcher noch nicht berühmt ge>
weſen fein kañ, che er ſich den Bart wachfen ließ.
1) [Man fehe unten die Nachrichten ıc. $. 80.]
2) 18 B. 3. 4 5. 10 B. 1 K. $. 11 — 12)
3) De Reg. Theca Calamar. p. 46. . .
4) Catal. de’ Monunı. d’Ercol. p. 169 — ı70.
5) [Die Abbildung unter Numero 16.)
⸗
hercul. Entdek. 159
6. 55. Auſſer diefen Brufibildern finden ſich in
den Vorrathsfammern des Mufei eine Menge Feiner
hoch erhobener Bruftbilder von Erst, auf einem run«
den Felde, wie auf einem Schilde, welche, vermit⸗
telfi einer angelötheten Klammer in der Dlauer,
oder an einem andern Orte, koñten befeſtiget wer⸗
den, und folche Art von Bruftbildern hieß clupeum, !)
von der Form eines Schildes: unter denfelben
fielen einige Kaifer und Kaiferinen vor. Zwei
von dergleichen Brufibildern, aber von Marmor, und
in Lebensgröße, befinden fih in der Villa Altieri,
and eines im Campidoglio. ,
8. 56. Unter den fFleinen Figuren find nicht
weniger, als bei Statuen und Bruftbildern, ganz
befondere Dinge anzumerken, viele aber vornehmlich
in Abliht der Gebräuche, der Kleidung und
bes Schmufs. Da diefe aber viele Muße erfordern,
bie ſich wenige Fremde nehmen, fo verweife ich den
Zefer Auf das vierte Kavitel des erſten Theils mei⸗
ner Geſchichte der Kunft des Altertums, 2)
und begnüge mich hier, einige Figuren, die allge
meiner in das Auge fallen, anzuführen. Die fchönfte
und größte unter denfelben, und eine der Testen Ent»
Defungen, iſt ein Aleranderzu Pferde, wo an der
Figur ein Arm, und an dem Pferde ein Baar Beine
feblen, die leicht zu ergänzen Ind. Das Pferd wird mit
der Figur etwa dritthalb Palmen hoch fein, und gibt im
Verſtändniſſe und in der Arbeit feiner von den übrigen .
Statuen und Figuren nah. Die Augen des Pferdes
ſowohl als der Figur find von Silber eingeleget, auch
der Zügel iſt von Silber: es iſt auch bie Baſe
ba, auf weicher das Pferd ſtand; ein anderes Bferb
4) Conf. Winckelm. Deser. des Pier. gr. du Cab. de
Stosch, p. 387.
2) 168.1— 3 8]
158 Sendſchreiben v. d.
ATIIOAAQNNIOZ APXIOT AOHNAIOZ EIIQHSE!)
(„Apollonius, des Arch ias Sohn, aus Athen, hat
„ e8 gemachet. “) ber die Form des Wort EIQHSE
habe ich an feinem Drte in der Gefchichte der
Kunft geredet. 2) Diefes müßen Werke aus der
beften Zeit der Kunft fein. Martorelli 9 glau-
bet in dem Kopfe diefes Helden das Bild des Alcı-
biades zu finden; und warum ? — weil der Künſtler
ein Athentenfer if. Ganz und gar feinen Grund
aber bat der römifche Brälat und Erzbifchof‘ in par-
tibus, Baiardi, 4 in diefem Kopfe einen jungen
Römer zu finden, fo wie in dem weiblichen Bruft-
bilde eine römifche Frau. '
S. 54. Unter den Eleinen Bruſtbildern machen
fih einige mit dem Namen der PBerfon merkwürdig.
Eines if Eyifurus, und dem im &idoglio
vollfommen ähnlich; ein anderes ift von defien näch⸗
ſtem und unmittelbarem Nachfolger Hermarchus
(EPMAPXOC), aud ein Zeno tft hier mit deflen
- Namen. Sonderlich find zwei Brufibilder des De-
moſthenes, das Eleinere mit deflen Namen, zu
merfen, welches zum Befchlufle dieſes Sendfchrei-
bens angebracht ift.5) Es fan alfo der in Spanien
gefundene erhoben genrbeitete Kopf eines jungen Men«
fchen ohne Bart mit eben dem Namen nicht den be⸗
rühmten athenienfifchen Redner vorftellen, für wel-
chen ihn Fulvtus Hrfinus, und nad ihm an-
dere, genommen, als welcher noch nicht berühmt ge>
weſen fein fat, che er fich den Bart wachfen ließ.
1) [Man fehe unten bie Nachrichten ıc. $. 80.]
2) 18 B. 3M.AE1LB.IR 6. 11— 12)
3) De Reg. Theca Calamar. p. 426. .
4) Catal. de’ Monum. d’Ercol. p. 169 — 170.
5) [Die Abbildung untee Numero 16.)
hercul. Entdek. 159
5. 55. Auſſer dieſen Bruſtbildern finden fich in ®
den Vorrathskammern des Mufei eine Menge Eleiner
hoch erhobener Bruftbilder von Erst, auf einem run-
sen Felde, mieaufeinem Schilde, welche, vermit⸗
telft einer angelötheten Klammer in der Mauer,
oder an einem andern Orte, koñten befelliget wer⸗
den, und ſolche Art von Brufibildern hieß clupeum, ?)
von der Form eines Schildes: unter denfelben
fielen einige Kaifer und Kaiferinen vor. Zwei
von dergleichen Bruftbildern, aber von Diarmor, und
in Lebensgröße, befinden fich in der Billa Altiert,
and eines im Sampidoglio. .
8. 56, Unter den Fleinen Kiguren find nicht
weniger, als bei Statuen und Bruftbildern, ganz
befondere Dinge anzumerken, viele aber vornehmlich
in Abficht der Gebräuche, der Kleidung und
des Schmufs. Da diefe aber viele Muße erfordern,
bie fich wenige Fremde nehmen, fo verweife ich dem
Leſer Auf das vierte Kapitel des erſten Theils mei⸗
ner Gefchichte der Kunſt des Altertums, d
und begnüge mich bier, eimige Figuren, die allge
meiner in das Auge fallen, anzuführen. Die fchönfte
and größte unter denfelben, und eine der Testen Ent»
defungen, ift ein Alexander zu Pferde, wo an ber
Figur ein Arm, und an dem Pferde ein Baar Beine
feblen, die leicht zu ergänzen ind. Das Pferd wird mit
der Figur etwa dritthalb Balmen hoch fein, und gibt im
Verſtändniſſe und in der Arbeit feiner von den übrigen .
Statuen und Figuren nach. Die Augen des Pferdes
ſowohl als-der Figur ind von Silber eingeleget, auch
der Zügel if von Silber: es if auch die Baſe
da, auf welcher das Pferd fand; ein anderes Bferb
-4) Conf. Winckelm. Deser. des Pier: gr du Cab. de
Stosch, p. 387.
2)[6B8.1—3 8]
160 Sendichreiben v. d.
von gleicher Größe, wovon aber die Figur verloren
gegangen, gehöret zu jenem, und iſt nicht weniger
ſchön. Beide haben abgeſtuzte Mähren, und ihr
Gang ift in der Diagonallinie. Diefe Stüfe
aber, weil fie noch nicht ergänzet find, werden insge⸗
mein nicht gezeiget. Unter den Figuren, welche man
die Sremden bemerken laäſſet, find vornehmlich eine
fleine Ballas und Venus, beide etwa einen Palm
bach; jene hält eine Schale (patera) in der rechten
Hand, und ihren Spieß in der linken; es find an
derfelben die Nägel an Händen und an Füßen,
. die Bufeln auf dem Helme, und ein Streifen
an dem Saume ihres Gewandes mit Silber
fünftlich eingeleget. Die Venus bat goldene Bän⸗
der an Armen und Beinen (Armille et Periscelides),
welche aus Drath gewunden find, und fie hebet fle-
hend das Finke Bein in die Höhe, als babe fe fich
das Band angeleget, oder als wen fie es ablöfen
wollte. Es if auch eine Barodie, oder in das Lä⸗
cherliche gefehrte Vorfichung des Aneas mit dem
Anchifes auf feinen Schultern, und dem FJulus an
der Hand, zu merfen: alle drei Figuren haben Eſels⸗
köpfe. Neben dieſem Eleinen Grupo ſtehet ein Efel
auf den Hinterfüßen mit einem Mantel umge-
worfen, von Silber, noch wicht einen Zoll hoch.
Die Liebhaber der Kunft und Kemmer finden unter
allen Fleinen Figuren einen Briapus ihrer vorzüg⸗
lichen Betrachtung würdig. Es hat derfelbe nur die
Zänge eines Fingers, aber die Kunſt if groß in dem⸗
felben, und man köñte fagen, es ſei eine Schule
"der gelehrteften Anatomie, die dermaßen ausſtudiret
it, daß Michel Angelo nichts Beſſeres hätte ge⸗
ben können, und ich fehe in deſſen Zeichnungen, in.
dem Kabinet des Heren Sardinals Alergander Al«
bant, daß er fih benühet, Figuren von eben der
Größe ſo gelehrt auszuführen. Dieſer Priapus
hercul. Entdek. 161.
machet eine Art von Gebärden, welche den Wälfchen:
fehr: gemein, den Deutfchen aber gang und gar uns
bekaũt ift: daher es mir ſchwer wird, mich zu ertlä-
sen‘, und die- Bedeutung deflelben an der Figur zu.
befchreiben. Die Figur ziehet, mit dem Zeigefinger
der rechten Hand auf den Bakenknochen geleget, das
untere Augenlied herunter, indem zugleich der Kopf
nach eben der Seite geneiget. ift; welche Gebärde den
Bantomimen der Alten eigen gemwefen fein muß, und
von viehfacher und finlicher Bedeutung if. Diele
Gebärde wird insgemein ſtillſchweigend gemachet, als
weit man fagen wollte: Hüte. Dich, er iſt fein
wie Galgenholz! oder: Er wollte mid an
führen, und ih-babe ibn erwifcht! oder m
fagen: Da kämſt du mir recht! Das wäre ein:
gefunden Treffen für dich! Mit der linken
Hand: machet diefe Figur das, mas die Wälfchen eine
Beige (weiblichen Gefchlechts), fica, nennen, (die -
Frucht aber. heiffet allezeit fico,) welches Wort die
weibliche Natur bedeutet, und wird gezeiget Dusch
den Daum, welcher zwifchen- den- Zeigefinger und den
mittleen Finger.geleget wird, fo daß derfelbe zwi⸗
fchen beiden, als eine Zunge zwifchen den Lipen, zu
ſehen it. Man nennet diefes auch far castagne, von der
Epalte, womit man die Schale der. Baflanien auf⸗
ſchlizet, um diefelben gefchwinder. zu fieden. ben
diefes machet ein Fleiner Arm von Erzt, welcher auf
dem andern Ende fih in einen-Briapus (Glied)
endiget, und es finden fich daſelbſt andere diefem
äbnliche, aber platt gefchlagene Arme, Dieles wa⸗
zen, wie befant if, Amuleta bei den Alten, oder
Gehenke, welche man wider dns Befchreien, wider
ein böfes Auge, und wider die Zauberei trug,
und es hat fich diefer lächerliche und fchändliche Aber-
Hlaube noch izo unter dem gemeinen. Volke im Nea⸗
pelfchen erhalten; wie man mich verfchiedene derglei-
7%
462 Sendſchreiben v. d.
chen Priapen an Perſonen, die dieſelben am Arme
oder auf der Bruſt trugen, ſehen laſſen. Es wird
fonderlich ein halber Mond, von Silber am Arme
getragen, welchen der Pobel luna pizzuta heiffet, dag
iſt: der ſpizige Mond, und diefer fol wider die
fallende Sucht belfen; es muß derfelbe aber von
ſelbſt gefammelten Almofen gemachet werden,
und man träget ihn zum Briefter, welcher ihn ein«
fegnet. Diefer Mißbrauch iſt befant und wird ge-
duldet. Vielleicht dieneten die vielen halben Monde
von Silber, in dem Muſeo, zu eben dieſem Abers
Hlauben. Die Athenienfer trugen diefelben an dem
Ferfenleder der Schuhe, unter dem Knöchel.
Anter den Briapen (Gliedern) find andtre mit
Flügeln und mit Glökchen, welche am gefloch-
tenen. Ketten hingen; "hinten endiget ſich das Glied
mit dem Hintertheile eines Löwen; mit der linfen
Klaue Traget er fich unter dem Flügel, wie es die
Tauben machen, wen fie verliebt find, um fich, wie
man glaubet, zur Wohlluft zu erbisen. Die Glök⸗
chen find aus einem mit Silber verfegeten Metalle,
‚und das Geräufch derfelben follte vieleicht eine ähn⸗
liche Wirkung haben mit den Glofen an den Schil-
deren der Alten;1) hier follten fie Furcht erwefen,
und dort etwa die böſen Genios zurüftreiben.
Die Glofen waren im übrigen auch Kenzeichen der-
ienigen, “) die zum geheimen Gottesdienſte
des Bakchus waren eingeweihet worden.
6.57. Ich erinnere bier mit ein paar Worten,
daß die mehreften Werte von Erzt in biefem Mufeo,
da diefelben in der Ergänzung und Ausbeflerung in’s
Beuer gebracht werden müßen, ihren alten chr-
wärbigen RHofl verloren haben, welches eine grün
» Arschyl. Sept. contr. Theb. v. 391.
2) Descr. des Picrr. gr. du Cab. de Stosch, p. 22 — 23.
hercul. Entdetl. 163
liche Oberhaut iſt, die im Wälfchen mit dem:
Worte patina bedeutet. wird: Man hat ihnen von
neuem eine ähnliche. Farbe gegeben , bie fid) aber.
von der alten Batina fehr unterfcheidet, und an
einigen Köpfen widermärtig ausfichet. Man faget,
der Kopf des fchönen Mercurtius fetin Hundert
Stüken zerdrüfet gefunden; welche Zahl nmn nicht.
firenge zu nehmen bat; aber auch in der geringften-
neuen Löthung fpringet die.alte Bekleidung ab, und:
es würde . einen Übelftland verurfachen, die. Figuren:
fchäbicht zu laſſen. Daber ift man genöthiget, die
Wirfung des Altertums, fo gut man kañ, nachzu⸗
ahmen; man bat.auch der mit. Silber eingelegeten
Arbeit nachhelfen müßen.:
6.58. Bon Infchriften, welche ih an die
fes Stüf anzubängen geinget babe, will ich beſon⸗
ders zwo anführen; die erſte ift noch nicht bekaüt
gemachet; die- legte gibt. Martorelli in feinem
mehrmal: angeführeten Buche, welches aber izo nicht.
leicht jemanden, auch felbft in Neapel, zu Gefichte
fommen wird. Sene ſtehet auf der Mauer eines
Saufes, welche völlig herausgebracht iſt, und in die
Zimmer. der alten Gemälde gefezet worden; es ent⸗
hält diefelbe eine Antündigung von Berpachtung.
von Bädern und von Trink- und Speifeore
ten, und tft die einzige in ihrer. Artz. -
1m PRAEDIS IYLIAE SP. F. FELICIS'
LOCANTYR
” RALNEVM VENERIVM ET NONGENTVM TABERNAE.
\ PERGVLAE
CAENACVLA. EX IDIBVS. AVG. PRIMIS. IN. IDVS. AY6. SEXTAS:.
ANNOS CONTINVOS QYIAQVE
S.Q. D. L. E. N. C.
A. SVETETIVM. VERTM. AED.
164 Sendfchreiben v. d.
8.59. Auf diefer Mauer war vorher eine andere
Snfchrift in ſchwarzer Farbe, und vermuthlich eine .
Bahtanfündigung geweien,1) über welche ge
genmwärtige Infchrift mit rother Farbe gefeget
tft, Sch habe nur in einigen Buchſtaben Die eigen.t-
liche Form derfelben angegeben, weil ich die In⸗
fchrift ganz verfiohlen habe nehmen müßen, indem
es nicht möglich war, diefelbe offenbar nachzuzeich⸗
nen. 2) Die einzelnen Buchſtaben der fiebenten Reihe
werden eine damals befante Formel gemwefen fein,
und wären etwa alfo zu erklären:
6I QVIS DOMINAM LOCI EIUS MON COGNOVERIT
ADEAT SUETTIUM VERUM .ADILEM
das iſt: „ Sollte jemand die Beſtzerin dieſes Ortes
„oder Gutes nicht kennen, bderfelbe fan fih mel⸗
„den bei dem Ailis Suettius Verus.“ Die -
Befizerin hieß FJulia; ihr Vater Spurius Fr
lie. Die Bachtungen wurden bei den alten Rö⸗
mern, wie bier, insgemein auf fünf Bahre gefchlofs
fen, wie man fich in den Digeſtis belehren fan.
Pergula war in der gewöhnlichſten Bedeutung dag,
Was wir eine Laube nennen würden, und Diefe
werden in den fchönften Ländern von Stalien ins⸗
gemein mit kreuzweis gebundenen Nohrfläben ſehr
zterlih gemachet; diefes Rohr aber iſt ungemein
Härfer und länger, als in Deutichland und anderen
Ländern ienfeit der Alpen, theils weil es bier ſtär⸗
fer wächfet, vornehmlich aber, weil es. gepflanzet,
und der Boden umher behauen und loker gemachet
wird, und weil es überhaupt mehr Wartung hat:
es wird daher ein Mohrfeld als ein nöthiges und
nüzliches Grundſtük bei Kandgütern angefehen. Sn
4) [Man fehe unten die Nachrichten ıc. $. 41.)
2) [Deßhalb ſteht Hier dieſe Inſchriſjt mis den gewöhnlichen
Buchſtaben apgedrußt.)
hereul. Entdek. 4165
und um Nom wird aller Wein an Nohrfläbe gebun⸗
den. Die übrigen Bedeutungen von dem Worte
Pergula, welche hierher nicht gehören, kañ man an«
derwärts finden.1) Canacula find bier Zimmer
bei Trink- und Lufbäufern für dieienigen,
welche fih ein Vergnügen zu machen gedachten.
Man merke bier bei Gelegenheit eine Inſchrift, welche
zwar in dem Negifter des gruterifchen Werks an⸗
geführet ift, aber ohne Anzeige des Orts, wo bie
felbe ſtehet:
HVIVS. MONVMENTI. SI. QVA. MACERIA.
CLYSUM. EST. CVM. TABERNA. ET. CENACYLO.
HEREDES. NON. SEQVETVR.
HEQVE, INTRA. MACERIAM. HVMARI.
QVEMQVAM. LICET.
Es ift dieſelbe an der Überfahrt deu. Fluſſes Ga⸗
sigliano, vor Alters Ziris, an et Thurme
‚eingemauert.
- $. 60. Einige andere Infchriften haben zum
Theil Feiner Erklärung nöthig; mo aber. etwas zu
merken ift, überlaffe ich es andern.
IVLIA. GERM . . .. »
ACRIPPINAE. Ti. CiA . . . 2...
POT. max....
L. MAM...
DIVAE. Avcvsluar.
L. MAMMIVS. MAXIMVS. P. 5.
1) Selmas. Not. in Spartian. p. 155. F. p. 458. E. edie
Paris. — Voss. Etym. v. Pergula.
166 Sendfchreiden v. d.
ANTONTAE. AVCVSTAE. MATRI. CLAvDl.
CAESARIS. AYGVSTı. GERMANICI. PONTIF. Max.
L. MAMMIVS. MAZIMVS. P. S.
Auf einer Tafel von Erst ſtehet:
MAMMIO. MAXIMO,
AVGVSTALI-
MVNICIPES. ET. INCoLAE.
"AERE. CONLATO.
BALBI. L. EVTYCTo.
LOCVM. SEPVLTVR.
D. D.
Q. LOLLIVS. scruax. ET.
carlvıa. AnTiochvs, MATER.
=. CALIDIVS, nasTa. 10V1.
v. Ss LM.
THERMAE.
M. CRASSI. FRVGCH.
AQVA. MARINA. ET. BALN.
AQVYA. DVLCI. JANVARIVS. L.
Solgende Infhrift auf dem Bafemente zu
einer Statue, vermuthlih der Benus, iſt nicht
aus den bereulanifchen Grüften, ſondern bei Bai ä
gefunden, und flebet in dem Hofe bes Muſei:
bereut, Entdek. 167
VENERI. PROBAR. SANCTISS. _SACH.
TI. CLAVDIVS. MARCION.
SALVE. MILLE. ANIMARVM. INLVSTRI. CENARE. OPVS. SALYE.
PVLCHRI. ONERIS. PORTATRIX. IN. EXVPERABILE. DONVM:
RERVM. HVMANARVM. DIVINARYMQVE. MACISTRA.
MATRIX. SERVATRIX. AMATRIX. SACRIFICATRIX.
SALVE. MILLE. ANIMARVM. INLVSTRI. CENARE. OPVS. SALVE.
Diefe Infchrift iſt von der fpätern Beit, und das
Sylbenmaß iſt ſehr unrichtig, mie es fich in andern
Snfchriften gleiches Alters findet. Die dritte Zeile
it fehr dunkel. Martorelli !) Tiefet diefelbe in
folgender Ordnung: Salve Venus, opus est. nos
coenare cum illustri mille animarum salve; und er⸗
Häret diefelbe alfo: Iuvat nos commisceri (uıyyuc9aı)
cum innumera gente illustri elegantique forma præ-
dita. Diefe feine Erflärung beflehet auf derienigen
Bedeutung des Worts conare, welche er beim
Suetonius in_der Sinfchrift auf, das Abendefien
des Auguſtus, 2) Imdenudeos genat, wo die ein⸗
geladenen Berfonen, mie die zwölf Götter und
Göttinen, und Auguſtus wie Apollo geflei-
bet waren, zu finden vermeinet. In derfelben heiffet
der vierte Vers: R
. Dum nova Divorum cœnat ‚adulteria.
Er berufet fich auf den Martialis, wo dieſes
Wort an vielen Orten in dieſer unzüchtigen Be⸗
deutung ſtehe; die ich aber nirgend bei diefem
Dichter ‚finde. |
Auf einem gefhnitteneh Steine flehet mit
erhobenen weiſſen Buchſtaben:
1) P. 373
2) Aug. c. 72.
168 Sendfchreiben v. d.
AETOYCIN
A®OEFAOTCIN
AETETuCAN
TIMEAICOLI 1)
„Sie reden, was fie wollen: Mögen fie
„reden, was Fümmert’s dich.“
Unter vielen fogenanten Stgeln. oder Merfen
in Erzt, will ich nur eines anführen, wegen der in
einander gezogenen Buchſtaben. 2)
8.61, In diefem erften Theile des vierten
Stüks diefes Send fhreibeng folgen, nach den Sa-
hen der Kunſt im engern Verflande, die Ge
zäthe, welche ich unter zwo Arten falten will, fo, daß
ih zuerf die nothbwendigen, und zum zwei—
ten dte Geräthe, weldye der Überffuß und
die Upigfeit eingeführet, berühre. u
$.62. In der erſten Art fange ich.an bei dem.
Brode, (welches mir erlaubet ſei, unter die ſem
Titel zu begreifen), wovon fich zwei völlig erhals
ten finden, und von gleicher Größe, einen. Balm
und zwei Zolle im Durchfchnitte, und fünf Zoll in
der Dike. Beide haben acht Einfchnitte, das iſt:
fie find zuerſt in’s Kreuz getheilet, und dieſe vier
Theile find von neuem durchſchnitten; fo wie zwei
Brode auf einem. bereulanifhen Gemälde gefaltet
find. 2) Dasienige, welches zuerſt gefunden ik,
wurde in Kupfer gebracht, in. eines Ungenanten
Nachrichten vom HSerculano,H) welche Gori
4) [Hievon nahm Wieland den Anlaß zu feinen fchönen
Gedanken Über eine alte Grabſchrift.)
2) [Siehe die Abbildung unter Numero 14 am Ende dieſes
Bandes.)
3) Pitture d’ Ercol. t. 2. p. 141.
4) Notizia sopra l’Ercol. io Symb. liter. Vol. 2. p. 138.
bereut. Entdet. 169
drufen ließ. Eben fo getheilet waren die Brode
der älteſten Griechen, die daher oxraoßrwucı vom
Heſiodus genennet werden, das ifl, wie es
andere erklären, die acht Einfchnitte haben.
Zumeilen aber waren die Brode nur in’s Kreuz
gefchnitten, wie ich an einem andern Orte ange⸗
merket babe, 1) und ein folches Brod bieß daher
Quadra. ?)
Et mihi dividuo findetur munere quadra. 3)
Bet den Griechen rerpargudos; wovon die Nedensart
fam: aliena vivere quadra, von Anderer Tifche
leben. -
$. 63. Zu dem Brode ſeze ih die Weinges
fäße, welche von zweifacher Art find; die größern
hießen Dolia, und die Fleinern Amphorae, und beide
find von gebranter Erde. Den Alten waren
Zonnen, von Stäben oder Dauben gebunden,
sicht unbefant. Es finder fich in dem Muſeo des
Collegii Romani eine irdene Lampe, auf welcher zwo
Berfonen eine Tonne mit Reifen gebunden an
einer Stange tragen; man fiebet dergleichen auf
gefchnittenen Steinen, wie ich anderwärts gemeldet
babe, 4 und aud auf der traiamifchen und der
antoninifhen Säule; aber der Gebrauch der-
felben fcheinet nur vornehmlich im Felde geweſen
zu fein. Anſtatt unferer Fäſſer batten die Alten
Dolia, in Geſtalt eines runden Kürbis, und die
felben bielten insgemein achtzehen Amphorac, wie
dDiefes Maß auf einem folchen Gefäße in der Villa
Albani eingefchnitten zu ſehen il. Don dieſer
ı) Description des Pierres gravces, p. 72— 73.
2) Scalig. Not. in Moret. in Catalect. Virg. p. 429. edit.
Lugd. 1573. 8.
3} [Horat. 1. ı. epist. ı7. v. 49.] f
4) Description etc. p. 260.
Winckelmaü. 2. 8
172 - Sendfchreiben. v. d.
lich waren, wen ich Geſtelle von drei Füßen
verfiche,, wie der Tifch des Philemons und: der
Baucis in der Fabel if, auf welchem Jupiter
ſich gefallen ließ zu ſpeiſen.
— — — mensam succincta ‚tremensque
Ponit anus, mensæ sed erat pes tertius impar;
Testa parem fecit. 1)
Den Dreifüße hießen bei den Griechen nicht allein
die über Feuer gefeget wurden, fondern auch Tifche,
und fo hießen diefe noch in den üpigfien Zeiten,
wie wir aus den prächtigen Aufzügen des Ptole⸗
mäus Philadelphus zu Alexandrien, und Königs
Antiochus Epiphbanes, zu Antiochia, welche
beim Athenäus befchrieben find, erſehen: diefe hie-
Ben arupos, 2) die andern surupßaras UND Aoerpoxoos. 3)
$. 66. Unter den Dreifüßen, und zwar
denen, welche bei den Opfern dieneten, find bier
zween unter den ſchönſten Entdefungen befonders
zu merfen, :beide etma vier Palmen hoch. Der
eine ift im Hereulano gefunden, und die drei Füße
deffelben bilden drei Briapen., aber mit 3ie
-genfüßen, .meldhe an jedem in ‚einen Fuß ver
einiget find. Die Schwänze derfelben von hinten
an dem heiligen Beine fliehen gerade und horizontal,
und fchlingen fich um -einen Ring in ber Mitte des
Dreifußes , wodurch derfelbe, wie durch das Kreuz
an gemeinen Tifchen., zufammengebalten wird.
Der .andere Dreifuß wurde fpäter als iener, zu
Bomveii, wie ich gemeldet habe, gefunden, und if
wunderbar fchön gearbeitet. Auf den Füßen , wo
‚diefelben fich Frümmen und die Gratie machen, ſizet
ı) Ovid. Metamorph. [1. 8. v. 660 — 663.)
2) Casaub. in Athen. Deipn. 1. 10. t. 4. [$. 10.] p.447. L 5®.
3) Hadr. Jun. Animadr. 1. 2..c. 3. p. 64.
hercul. Entdek. | 173
auf iedbem ein Syhint, deren Geitenhaare , wel-
che über die Bafen herunter hängen würden, herauf
genommen find , To daß fie unter das Diadema ge
hen, und über daffelbe wiederum: herunterfallen.
Es können diefelben, fonderlich an einem Dreifuße
des Apollo, ihre allegorifche Deutung auf die
dunkeln und räthfelbaften Ausfprüde des
Orakels defielden haben. An dem breiten Rande
um die Pfanne umher find abgezogene Köpfe von
MWiddern, mit Blumenfrängen zufammengehänget,
erhoben gearbeitet; und alle Stüke an demfelben
find vol Bieraten gefchnizet. In diefen heiligen
Dreifüßen war die Pfanne, in welche die Kohlen
gefchüttet wurden, von gebrniter Erde, welche fich
in dem einen, nämlich dem pompejanifchen , mit
famt der Afche erhalten hat. In einem Tempel des
Hereulanums, defien Entdefung, ich weiß nicht aus
was Urſache, nicht vollendet wurde, fand fich im
vorigen Jahre 1761 eine große vierefige Feuerpfanne
oder. ein Herd von Erst, von der Art, welche in
Stalien in große Zimmer ‚. diefelben zu heizen, ge
feget werden ; es mar dDiefelbe in der Größe eines
mäßigen TZifches, und fand auf Löwentazen.
Der Rand deffelben ift mit Laubmerfe von verfchie-
denem Metalle, Kupfer, Erst uud Silber , Fünttlich
ausgeleget. Der Boden defielben war ein flarfer
eiferner Roſt, welcher aber unterwärts ſowohl als
inwendig mit Siegeln beleget und ausgemauert war,
fo daß alfo die Kohlen den Roſt von oben nicht berühre-
ten, und nicht durch denfelben.unterwärts fallen Fonten.
Es iſt diefes Werf aber völlig zerſtüket herausgebracht.
6.67. Bu notbwendigen Geräthen ge
hören auch die Lampen, in welchen die Alten, da
gezogene oder gegoflene Lichter wenig und nicht all-
gemein üblich waren, . Bierlichfeit und auch
Bracht anzubringen fuchten. Sn dem Mufeo find
174 Sendſchreiben v. d.
von allen Arten derſelben, ſowohl von gebranter
Erde, als vornehmlich von Erst; und da der Alten
ihre Bieraten felten ohne Bedeutung find, fo finden
ſich auf denfelben befondere Anfpielungen. Unter
denen von gebraiter Erde ſtellet die größte eine
Barke vor, mit ſteben Schnäuzen „zu fo viel
Dochten auf jeder Seite. Das Gefäß, DI in irde⸗
se Lampen zu gießen, iſt wie in Schifhen ge
flaltet, oben zu und gewölbet, mit einer fpisigen
Schnauze, und auf dem andern Ende mit einem
Heinen etwas hohlen Teller, durch deſſen Mitte in
dDiefes Gießgefäß DE hinein gethban wurde. Unter
denen von Erst fiset auf dem bintern Ende der
einen von den größten Lampen eine Fledermaus
mit ausgebreiteten Flügeln , als ein Siñbild der
Macht; die Flügel find, mit ihrem ganzen feinen
Gewebe von Sehnen, Äderchen und von Häuten,
auf das Fünftlichite ausgenrbeitet. Auf einer andern
fget, gegen der Schnauze zu, eine Maus, welche
u Iauern foheint, um DE zu leken und an eben
dem Drte fiset auf einer andern Lampe ein Ka—⸗
ninchen, welches Kraut friffet. Die Pracht in ih»
ren Lampen ſiehet man an einem Geflelle von Erzt;
auf einer vierckigen ausgefalzeten Baſe ſtehet ein na⸗
kendes Kind, von zween Palmen hoch, welches eine
Lampe hält, die an drei vierfach geflochtenen Ketten
bänget; mit der andern Hand hebet es eine andere
Kette , wie jene find , in die Höhe, an welcher ein
Haken zum Dochte hänge. Neben demfelben ſtehet
eine Säule mit Reifen, die fpiralmäßig gedreber
find, und oben auf derfelben, anflatt des Kapitäls,
lieget eine Larve, die gleichfalls zur Rampe dienet,
fo, daß der Docht aus dem Munde ging, und dag
DI wurde in den Wirbel des Kopfs hineingegoffen,
welche Ofnung durch ein Kläpchen verfchloffen wird. 1)
4) Man ſehe unten tie Nachrichten 10. 8. 91.)
bereut, Entdek. 175
6.68, Die Träger der Lampen find bie
Leuchter der Alten (Candelabra), welche wie un⸗
fere Gueridons waren, und dDiefe find gleichfalls
auf das zierlichfle ausgearbeitet: der Schaft iſt ge-
reift; der untere Teller ruhet insgemein auf drei
Zöwentazen , und diefer ſowohl als der obere Teller
And auf der Drehbank ausgedrechlelt, und mit zier⸗
lichen Eiern am Nande, nebſt Blumenwerf auf der
Fläche gefchnizet; der untere Zeller des größten
Zeuchters bat einen Palm und einen Zoll, römifches
Maß, im Durchmefier. Sch glaube, daß fih an
hundert in dem Muſeo befinden, und der größte if
achtbalb Palmen hoch. Ganz Nom bat feinen eins
zigen Zeuchter von Erzt aufzuweiſen. Durch dies
felben verfiehen wir iso, wen Vitruvius uns
ter den Klagen über den verderbten Geſchmak
feiner Zeit faget, „daB man Säulen mache mie.
„Leuchter,“ das if: fo dünne, und aufler
dem Berbältniffe, wie der Schaft der Leuchter.
8.69. Ein nothmwendiges Geräthe find auch die
Wangen, von welchen fich Feine mit zwo Wang-
f halen wie man fie auf einigen Münzen fichet,
weder in diefen Entdefungen, noch anderwärts
gefunden haben; 1) fie find alle wie die, fo
wie ünzelte, von Unze, nennen, das iſt: ein
Waagebalken oder Stange, anf: welchem das
Gewicht im Verbältniffe wächfet, je näher es gegen
bas Ende des Balkens gerüfet wird. Dieſes Ge⸗
wicht - iſt insgemein ein Feines Bruſtbild einer
Gottheit; an einer Wange iſt es ein Kopf einer
Afrika, wie man auf Münzen fichet. Auf einer
DIES finden fi wirtih Waagen mit zwei Sch“
len, und Windelmafi berichtiget feinen Irrtum in
den Nachrichten von den neueften herculani⸗
{den Entdelungen, $, 93.
476 Sendſchreiben v. d.
Waageſtange lieſet man: 71. CLAVD. 1XACT. Evna.
aenır. Dieſe Wangen haben alle eine Wange
Thale, anilatt der Hafen an den unfrigen von
diefer Art, und diefe Schale hänget an drei oder
vier künſtlichen Ketten, welche durch eine runde
- Blatte gezogen find, um die Ketten näher oder wei-
ter von der Schale zufammenzubalten. Gewich—⸗
te finden fih in dem Muſeo in großer Menge und
son. aller Art; ich will aber nur zwei platte läng⸗
Ticht efige Gewichte von Blei anführen, fo wie fie
noch izo bei Fifchverfäufern in diefen Gegenden
gebräuchlich find; auf einer Seite ſtehet mit erho⸗
benen Buchllaben: zur; und auf der andern :
MABEBIS.
8.70. Die Waagfchalen erinnern mich ber
Stüfe eines Nades vom Wagen, welche in dem’
Sofe des Muſei liegen, nämlich einer Radfchiene
aus einem Stüke gefchmiedet, welche ſechs römi⸗
fhe Balmen im Durchmefler bat, und nicht völlig
zwei Zoll breit, aber ein Zoll dik ill: das . Holz,
welches an dem Eiſen hängen geblieben iſt verflei-
nert. Ferner bat fih von diefem ade ein Gtüf
der Walze, welche um die Are läuft, erhalten,
die umher mit Eiſen befchlagen, und über dem
Eifen mit einer Platte von Erst beleget iſt, und
dieſe iſt mis platten Nägeln von Erzt befefliget. In
dem’ Muſeo ſelbſt finder fih ein Löwenkopf auf ei-
nem Stüfe einer Platte von Erst, von welcher er
hervorſpringet, defien Maul nicht durchbohret ift,
und alfo nicht kañ gedienet haben, das Waller ei-
nes Brunnens oder in Bädern aus demfelben lau⸗
fen zu Iaffen. Sch mutbmaße, daß diefes Stüf von
einer Kapfel fei, welche auf der Are vor dem
Rade aufgefchroben wurde, damit diefes nicht abs
laufen fonte, an deflen Stellen an den gemeinen
Wagen, wie bei ung, eiferne Keile vorgeſteket
hercul. Entdek. 177
wurden, die im Wälfchen aciarini heiſſen, und bei
den Griechen racaduvia, eußoros UND evmmarx, und
die vierefige gebogene Platte auf demfelben, den
taub abzuhalten, war bereits zu des Homerus
Seiten, und hieß vrerrena. I) Wir fehen das
äuſſerſte Ende der Are mit folchen Kapfeln, die ei»
nen erhobenen Löwenkopf haben, verwahret, auf
einigen alten Werfen, und namentlich an dem
Triumpbwagen des Marcus Aurelius im
Sampidoglio : folglich find auch dergleichen vorge-
fchrobene Kapfeln von Stahl, die zu unfern Zei⸗
ten fonderlih an Neifewagen in Gebrauch gekom⸗
men, nichts Neues, und der Alten ihre waren
vorzüglich von Erste. Es waren auch die Deich—⸗
feln der Wagen an dem Ääufferfien Ende mit einem
gefchnigeten öwenkopfe gesieret, und mich Däuchet,
daß Herr Grav Saylus fi irre, wei er behaupe
ten will, es hätten die Wagen in den Wettläufen
der Alten Feine Deichfel gehabt, ?2) wovon ich
das Gegentheil zu feiner Zeit aus Denkmalen
erweifen will; hier führe ich unten angeführte Stelle
des Bindarus zu deffen Belehrung an. ?) Mehr
Beweife fan man in der Elektra des Sopho—
les une dem Hippolytus des Euripides
finden.
6.71. Sch war nicht gefonnen , bier von dem
Geräthe an den Thüren der Alten zu reden, wo⸗
von ich die ausführlichen Anmerfungen bis zur
zweiten Auflage meiner Anmerfungen über die
Baukunſt verfparen wollte; ) ich Fan mich aber
ı) Odyss. z. [VI] v. 70.
“ 2) Observ. sur le Costume, p. 79.
3) Nem.7. v. 137.seq. [Dentmate, 1 Th. 2 Abſchn. 179. 48.
4) Durch diefe Auſſerung Windelmafis veranlaft, bat
ber fransöfifche überſezer dieſes Sendſchreibens, und nad
178 Gendfchreiben v. d.
dennoch nicht enthalten, etwas davon zu berühren.-
Man muß erillich willen, daß die Thüren der Al-
ten in feinen Haſpen hingen, fondern fich unten
in der Schwelle und oben in dem Balfen
bewegeten, und diefes vermittelfi deſſen, mas wir
Thbürangeln (Cardines), aber ohne Begriffe, nennen,
Es findet fih auch in Feiner neuen Sprache ein
bequemes und bedeutendes Wort dazu. 1) Dericni-
ge Balfen der beweglichen Thüre,. weldher an der
Mauer fiehet, war unten und oben in eine Kapſel
von Erzt gefezet, die inmwendig einen fpizigen
Borfprung batte, um zu verhindern, daß fich
dns Holz in derfelben nicht drehen: fonte. Diefe
Kapfel ift gewöhnlich ein Cylinder; es finden fich
aber auch vierefige, welche auf allen Seiten zween
hervorfpringende Falze haben, um die. Bretter, aus
welchen ſtarke Thüren zufammengefeget waren auf
allen Seiten zu befefligen, welche Thüren inmwendig
hohl waren. Das vierefige Stüf ift alfo geflaftet:2)
6.72. Diefe Kapfel fand auf einer difen Plat⸗
te von Erst, welche keilförmig zuging, und
oben und unten mit Blei eingegoffen war, und auf
ihm der Abate Fea in feiner Ausgabe der ktaliäniſchen
Überfesung der Geſchichte der Kunft diefen und den
folgenden Paragrapb in die Anmerkungen über die
Baukunſt der Alten eingefchaltet; wohin fie, ihrem
Inhalte nach , eigentlich auch gchören. Da aber Wins
delman bei feiner fpätern Umarbeitung der Anmer
tungen über die Baukunſt nicht fo weit gekom⸗
men: fo haben wir und verbunden geachtet, beide Stellen
unverändert hier ftehen su Taten. Fernow.
1) In der franzdfiihen Sprache il bad Wort crapaudine
vorhanden , weiches baffelbe fast, In Rom ſagt man
dafür bilicco-e Weü'Winckelmau diefe Wörfer gekañt
Dat, fo find fie ihm vieleicht nicht bedentend genug vor
gelommen. Janſen.
2) [Siehe die Abbudung Numero 11, am Endebiefes Bandes.)
bereut. Entdek. 179
dieſelbe Tief die apfel dergeſtalt, daß, wen diefelbe
unten eine halbe Kugel (A) hatte, in der Blatte
eine hohle Vertiefung war, in welcher das c ons.
. vege Theil lief, wie an der Thüre bes Banthe
end; und wen bie Kapfel unten offen war, fo
hatte die Platte eine erhobene SHalbfugel,. die
genan in die Dfnung der Kapfel paflete. Diele
Kapfel nebft der Blatte hieß Cardo. Es finden fich
in dem Muſeo einige von einem Palme im Durch-
mefler, welche von der Größe der Thüren zeugen,
und fie wiegen zwanzig, dreiffig bis vierzig Pfund.
Durch diefen Begrif werden manche Stellen der
alten Seribenten deutlicher werden, die es nicht
fein fonten, in einer irrigen oder dunkeln Vorſtel⸗
Iung von dieſem Theile der Thüren. Wen die Thü—⸗
ren der Alten mit zween Schlägen (bivalve) waren,
fo hing entweder jeder Schlag befonders, anf be
fchriebene Weile, in Angeln, wie an dem Bat
thbeon zu Rom, oder fie drebeten fih nur auf
einer Seite, und die Thüre Fonte sufammenges
Schlagen werden. Diefe gebrochenen Thüren legeten
fich , vermittelft einer Art von Haſpen von Erst,
deren Gewinde innerhalb des Holzes, aber fichtbar,
lag; die beiden ſpiz zulaufenden Stäbe diefer Ans
geln aber waren nicht zu fehen, und auf beiden
©eiten von der gedopelten Thüre befleidet. Diefes
fiehet man deutlich an einer diefer mittlern Angeln, .
mo auf beiden Seiten der Stäbe verfieinertes Holz
angehänget geblieben if.
$. 73, ch fchließe diefe Geräthe mit einer
Art von Sohlen, welche von Strifen zuſam⸗
men geleget waren, die fich in verfchiedener Größe
für Kinder und für erwachlene PBerfonen gefunden
haben, fo wie noch igo die Licaner !) dergleichen
Art Sohlen unter den Fuß binden.
1) Lin Kroatien.)
180 Sendſchreiben v. d.
6, 74, Unter den Geräthen von der zwoten
Art, fange ich an von einigen befondern Gefäßen,
und die vornehmften und fchöniten find dieienigen ,
welche zu heiligen Gebräuchen und Verrich-
tungen dieneten oder beflimmet waren. Eines von
- der zierlichften Arbeit fcheinet ein Waffereimer
bei Opfern (praefericulum) gemefen zu fein, welches,
zween Balmen und zwei Zolle hoch ift, mit einem
beweglichen Bogenhenkel zum Tragen welche
niedergelaffen, genau an den Nand deffelben paſſet,
und wie das Gefäß felbfi, auf ber breiten Seite mit
Zaubwerf, und auf dem äuſſern Rande mit andern
Zieraten gefchnizet if. Auſſer diefem Henfel hat
Dafielbe zwo große und zwo Fleine Sandhaben;
jene bilden, wo fie unterwärts anliegen, ein weib-
liches Bruftbild, welches auf einem Schwane
mit ausgebreiteten Flügeln getragen wird , alles in
‚erbobener Arbeit; die untern und Fleinern Hand⸗
haben endigen fich unterwärts in Schwanenhälfe.
Diefes Gefäß wurde beinahe ganz mit gefchmolzsenem
Eifen umgeben gefunden, wovon man ein Stüf,
welches den Eindruf des Bauches zeiget, aufbchal«
ten bat. An dem Orte der Entdefung fand fich ein
Haufen eiferner Nägel, welche noch nicht gebrauchet
waren, nebſt ein paar PDintenfäffern voll Dinte,
ſo daß bier fchien ein Kramladen gewefen zu fein.
Es wurde auch die große goldene Münze des Augu-
fius bier gefunden, bie zu Ende bes Borberichts
zu dem zweiten Bande der hereulaniſchen ©e-
mälde in Aupfer geflochen if. Auf einem folchen
Gefäße, welches wenig fleiner und von eben der
Form ift, ſtehet an ber untern Befefligung einer
Handhabe die Liebe mit einer Trinffchale,
(cantharus) in einer Sand, und in der andern mit
einem Horne zum Lrinfen, erhoben gearbeitet ; die
Schale, das Horn und die Flügel find von Sil⸗
bereut, Entdek. 181
der. Es find auch Formen von gebrafter Erde ge-
funden, in welchen die Handhaben der Gefäße ge-
gofien wurden. Hier fällt mir. ein länglicht rundes
Befäß ein, wie ein Fleiner Eimer, von Silber,
mit einem Henkel zum Tragen, auf welchem , wo
ich nicht irre, von getrichener Arbeit Hylas vor«
geilellet it, mie er von den Nymphen entführet
wurde, da ihn Herkules ausgefchifet hatte, Waſ—⸗
fer zu holen.
$. 75. Eine andere Art von heiligen Gefäßen
waren die Opferſchalen (paterz) zur Libation,
und diefe find bier unzäblig, und die mehreften von
weiffem Metalle, und auf das zierlichfie auf der
Drechfelbanf von auffen ſowohl als von innen aus—⸗
gedrehet. Sn einigen ift in der Mitte eine Art Münze
mit erhobener Arbeit gefchnizet; und ich grinnere
mich einer Victorie auf einer Duadriga. Der
Stiel derfelben if rund, und insgemein der Länge
nach mit hohlen Neifen umher, und endiget fich in
nen Widderkopf; einige haben an deflen ſtatt
einen Schwanenkopf und Hals. Au einer der
größten und fchönften, welche neben dem fchönen
pompeinnifchen Dreifuße Tieget, iſt der Stiel ein
fiebender Schwan , durch deflen ausgebreitete Füße
derfelbe an der Schale befefliget if. Bisher find
die Schalen von diefer Art alle für Dpferfchalen
‚gehalten worden; durch eine biefige Entdekung aber
‚findet fich, das diefelden von eben der Form auch in
- Bädern gebrauchet worden , und Diefes durch ein
Gebund von -Schabezeugen (strigiles), die mit
einer Batera, aber mit einem breiten Stiele, in
einen platten Ning von Erst, wie wir es mit
Schlüſſeln zu tbun pflegen, eingefvannet waren.
Diefe werden alfo gedienet haben, das Waller über
ben Leib zu giefien. Andere, aber tiefere Schalen
‘
182 Sendſchreiben v. d.
mit einem breiten Stiele, waren Küchengeräthe, und
denen ähnlich, die wir über die Caſſerole ſezen.
$. 76. Unter manchen hieſigen Entdekungen,
welche ung überzeugen, daB wenig Neues gemachet
wird, was nicht ehemals fchon geweſen, find auch
filberne Taffen, nämlid untere und obere Schn-
fen, von eben der Form und Größe, wie die unfri-
gen zum Thee find, und iene find aufferorbentlich
fchön getrieben und gefchnizet. Diefe Gefäße hatten
eben den Gebrauch, wie die unfrigen izo; fie diene-
ten zum warmen Waſſer trinfen, und es waren bei
den Nömern einige Häuſer, wo man daflelbe nahm,
wie unfere Kaffeehäuſer. Es find drei Baar derfel-
ben in dem Mufeo.
$. 77. Die filbernen Schalen geben Gelegenheit,
‘von einem Gefäße von Silber zu reden, welches die
Form eines Mörfels bat, und etwa anderthalb
Bfund mwieget. Auf demfelben iſt in flach erhobener
Arbeit Homerus, auf einem fliegenden Adler getra-
gen, vorgeflellet, welcher fich mit der vechten Sand das
Kin unterfiüget, und wie in hohen Betrachtungen mit
erhabenem Haupte ; in der linken hält er eine ger olle-
te Schrift, das if, fein Gedicht. ber deffen Haup⸗
te ſchweben Schwäne unter hängenden Blumenfrän-
zen. Diefes Stäf hat Herr Grav Caylus, aber ohne
das folgende, in dem dritten Bande feiner Sams
Sung von Altertüämern vorgeflellet, fo wie es
ibm aus dem Gedächtnifie gezeichnet mitgetheilet
worden. Auf beiden Seiten fizen unterwärts zwo
weibliche Figuren auf Laubwerke von Eichen: die zur
Nechten ift bewaffnet mit Schild und Spieß, nebft
"einem furgen Degen unter dem Arme, und bildet
die Zlias ab; die zur Linken, mit einem fonifchen
Sute ohne Krempen, wie Ulyſſes, fchlägt ein
Bein über das andere, und berühret die Stirn mit
herecul. Entdef. 183
der rechten Sand, wie voller tiefen Gedanken, und
fiellet die Ddyffen vor. Martorelli hatte diefe
Figuren für Männer angefehen, 1) welches er in
den Zufägen feines Buchs verbeflert. 2) Aber
Herr Baiardi, welcher reichlich zu Beſchreibung
Diefer Schläge besahlet war, und biefelben mit mehr
Muße als andere fehen und betrachten koñte, ma-
"het unverantwortlich aus dem Homerus einen Ius
lius Caäſar, I) welder, wen ihm deflen Bild auch
nicht befant gemwefen wäre, wenigfiens feinen Bart
getragen bat. Seinem Cäſar fezet er zur Seite ei⸗
ne weinende Roma, welche er fih an der Kling
vorfiellete, und aus der Od yſſea meiß er nichts
zu machen, als einen Soldaten. 4) An einem andern
Drte taufet er einen Herfules, welcher nach den
ſtymphaliſchen Vögeln fchießet, einen Bäger
der Woaffervögel. Weiber und Männer verwech⸗
felt ex mehr als einmal. Auf einer Meinen ovalen
filbernen Blatte iſt von getricbener Arbeit ein Sa⸗
tyr, welcher eine Leier fpielet. Diefer erinnerte
mich bei dem erſten Anblife desienigen Flötenſpie⸗
{ers von Aſpendus unter den Statuen des C.
VBerres, „an dem man, wie Eicero faget, er-
„fante, dag er nur für fich ſelbſt ſpiele, ohne ſich
— zu befümmern, von iemand gehöret zu werden; “ 5)
eben fo vertieft iſt diefe Figur in ihrer Harmonie.
. 8 78, Gefäße, die der Überfluß erfunden,
waren diejenigen, in welchen die Alten eine Art
ı) De Reg. Theca Calam. p- 266.
2) In Additam. p- 19:
3) Catal. de’ Monum. d’ Ercol. Vasi, n. 540.
4) [Man fehe den 2785. der Briefe an Bianconi, ımd.
die Geſchichte der Kunſt, 9 8.28. 43 $. Note]
5) [In Verrem actio 2. 1. ı. c. 20. Man fehe den 28 8.
ded Briefe an Bianconi.)
134 Sendſchreiben v. d.
Feldmäuſe, die ſich in Caſtanienwäldern aufbalten
und nähren, fütterten und fett macheten. Dieſe
Gefäße find von gebranter Erde, etwa drei. Palme
hoch und drittehalb im Durchmefler, mit einer
mäßig großen Mündnng, in welchen inwendig um⸗
ber ſtufenweis halbrunde Zröge ebenfalls aus Tho⸗
ne find, für das Futter diefer Thiere. Diefes Ge-
fäß oder Behältnif hieß glirarium, von glis, welches
der Name des Thiers if, mit welchem Worte die
Deutſchen und andere Völker auch die Razen be-
zeichnen. Da nun jene Thiere jenſeit der Alpen,
wie ich merke, nicht befant find, fo haben fich einige
ausländifche Gelehrte vorgeſtellet, die Römer hät-
ten Razen gefüttert, und als einen befondern Le⸗
ferbifien gegeflen. Diefe Einbildung machet ſich un⸗
ter andern Sloane in dem Vorberichte zu feiner
Befhreibung der Infel Samaica in engli-
fcher Sprache, und Lifler,- in feinen Anmerfun:
gen über den Apicius von der Kochkunſt,
iſt nicht beffer unterrichtet. Im Wälfchen beiffet die-
fes Thier ghiro von glis, und wird noch izo gegeffen,
aber nur auf großen Tafeln: den es ift nicht häus
fig, und ich weiß, daß das Haus Colonna daffelbe
zum Gefchenfe verfchifet. Es vergräber fh im Win-
ter , und Tieget alsdan, wie man faget, in einem
beſtändigen Schlummer, ohne Nahrung, und daher
it es von den Neuern als ein Sinbild des Schlafs
gebrauchet, wie man es alfo vom Algardi neben
dem Schlafe von ſchwarzem Marmor in der Billa
Borghefe vorgeftellet fiebet.
$. 79. Was zum Spiele und zur Luflbarfeit
gehöret, ift ebenfalls hierher zu sieben, und Die
Flöten der Alten verdienen bier einige Anmerkung.
Es waren diefelben von Knochen, von Elfenbein
und auch von Erzt gemachet, und befanden, wie
Die unfrigen, aus verfchiedenen Stüfen, aber mit
hercul. Entdef, 185
diefem Unterſchiede, daß die Stüfe oder Glieder
nicht - durch Falze in einander paffeten, fondern fie
murden auf ein Rohr, insgemein von fein ausge
drechfeltem Holze, gezogen, wie man an zwei Flo»
tenfüfen von Erst in dem Mufen fichet, an
welchen inwendig das Holz verfleinert hängen ge
blieben if. In dem Muſeo zu Cortona if eine
Flöte von Elfenbein auf eine filberne
Röhre gesogen.
S. 80..Bon den dafigen Luſtbarkeiten nad
griechifcher Art, und in diefer Sprache gibt ein klei⸗
nes Täfelchen von Elfenbein, mit dem Worte AICxTAoT,
einen Beweis; es ift daflelbe, ich weiß nicht an
welchem der verfchütteten Drte, gefunden. Diefes
Tafelchen iſt eine tessera, die den Namen des bes
rühmten Tragici Afchylus führet, und zeiget,
daß am diefen Drten defien Trauerfpiele aufgeführet
mwurden.1) Und diefe Tefferä wurden, wie bie
heutigen Freizeddel zu Opern und Komödien von
demjenigen ausgetheilet, welcher auf feine Koſten
die Schnufpiele gab. Diefes iſt die einzige Teſſera
mit dem Namen eines griechifchen Theaterdichters;
andere finden fich auch von Elfenbein, aber nur mit
Zahlen, in dem Muſeo des Eollegii Nomant.
8. 81. Einzig iſt auch ein Diffus von Exit,
welcher acht Zolle im Durchmefler hält, und in der
Mitte ein Loch bat, deflen Runde fih auf einer
Seite enger fchließet, um den Finger felter hinein»
zulegen, wen diefe Platte geworfen wurde.2) Die
fe Art, den Diffus zu werfen, tt vorher auch nicht
bekaüt gewefen. Es waren aber auch Difei ohne
Roc. in ber Mitte, wie derjenige iſt, den eine
Statue an den Schenkel drüfet, die im Haufe Ver
4) [Man fehe die Nachrichten ı. $. 98.]
2) (Ebendaſ. $. 100.)
8 *
186 Seudfchreiben v. d.
rofpi zu_ Nom war, und vor kurzer Zeit verfaufet
if. Don diefer Art iſt der Diffus von einem Pal⸗
me und fiebenthatb Zoll im Durchmefler, auf einer
erhobenen Arbeit in der Billa Albant, von wel
chem ich andermärts geredet babe. I) Im übrigen
war dieſes, wie wir reden würden, ein ritterfi«
ches Spiel; unter den griechifchen Helden mar es
insbefondere eine bung des Diomedes; 2) es iſt
auch noch izo in Engeland im Gebrauche.
Ä $. 82. Ich füge diefer Art Gerdtbe eine tragk
ſche Larve mit einem haben Auffaze von Haa⸗
ren in Marmor bei, welche, wie die eingebohreten
Löcher umher anzeigen, eine von denen mar, wel⸗
che tiber das Geficht eines Verſtorbenen gebunden
‚wurde, um noch nach dem Tode wahr zu machen ,
was Petronius faget: Omnis mundus agit histri-
oniam. Eine junge Larve von gebranter Erde zu
diefem Gebrauche befindet fih in dem Muſeo des
Collegii Nomani. In vorigen Zeiten war in Franke
reich der Gebrauch, auch des Nachts im Schlafe
Larven zu tragen, um die Haut vor der in ver
fchloffenen Zimmern verdiften Luft zu bewahren; ich
hoffe, diefe Mode foil bald wiederfommen.
$. 83. Zum GStaate, und als ein Zeichen edler
Geburt, waren goldene Bullen, melde insge-
mein Kinder, bis zu einem geriffen Alter, trugen,
und diefes Mufeum hat zwo derſelben aufzumeifen.
Es war aber diefes Feine Tracht blos junger En
ben, mie man insgemein glaubet, fondern es tru⸗
sen auch Trinmphirende eine Bulle am Hab
fe,3) und ich werde in ber Erflärung ſchwe⸗
ser Punkte der Mythologie, der Gebräuche
ı) Description des Pierres gravees p. 458.
2) Eurip. Iphig. in Aal. v. ı99.
3) Macrob. Satum. 1. ı. c. 6. p. 173. ed. Pontam.
Kon
bereut, Entdek. 187
und der alten Gefhichte,) welche ich in waͤl—
ſcher Sprache entworfen babe, aus einem feltenen
Denkmale darthbun, daß fe auch von Weibern ge⸗
tragen wurden.
$. 84. Zum Zeichen der Würde einiger obrig«
feitlichen Berfonen bei den Römern waren Selle
curules, von denen fich zwo in dem Muſeo finden.
Sie find von Erst, (in Rom waren fie insgemein
von Elfenbein,) einen Balm und fieben Zolle
hoch, und zween Palme und fieben Zolle breit. Sie
beſtehen aus kreuzweis gelegeten runden Beinen,bie .
[ein oben und unten einwärts gebogenes X] vorſtellen⸗
und fih unten in einen idealifchen Thierkopf mit
einem langen Schnabel endigen, worauf fie ſtehen.
6, 85. Sch will der vielen Löwen und anderen
Thiere Köpfe von Erzt bier. nicht gedenfen, aus
welchen in den Bädern, auch ın den Häufern, Wafe
fer Tief; es laſſen fih auch die hirurgifchen
Snflrumente und viele andere, -theils befaitte ,
theilö dem Gebrauche nach unbekannte, Geräthe ſchwer⸗
lich ohne Abbildung befchreiben, und auch durch biefe
bleibet der Begrif unvollfommen.
$. 86. Zulezt will ich einiger weiblichen Ge
räthe, als Spiegel, Haar-oder Neſtnadeln,
Armbänder und Ohrgehenke gedenken. Es
ſind hier zween Spiegel, ein runder und länge
lich vierekiger; der. runde wird etwa acht Zolle
halten: beide ſind von Metall, welches geſchliffen
und geglättet iſt. Herr Baiardi 2) hat zween
Spiegel mit langen Stielen daſelbſt :finden mollen,
die ich aber nicht geſehen, noch finden können. Im
gemein waren die Spiegel der Alten vond ; und auf
einem gefchnittenen Steine indem Hefhifhen Mu⸗
1) [Worand die Dentmale 1 entßanden ‚find, 28%
1 Abſchn. 12 8.78.)
2) Catal. de’ Monum. d’Ercol. p. 271. n. 768.
488 Sendfchreiben v. d.
feo hält Venus einen folchen Spiegel an deffen
Defel, wie einige unferer Reiſeſpiegel find. Se
neca1) gedenket aufferordentlich "großer Spiegel,
die ganze Perſon darin zu befehen.
$. 87. Unter den flbernen Neftinadeln, die
Zöpfe hinten um Ddiefelben zu winden, find vier ber
fonders groß und ſchön gearbeitet: den diefes war
ein befonderes Stüf des Puzes der Weiber; auch die
verfchnittenen Brieiter der Cybele fezeten fich die
Haare mit einer Nefinadel auf. Die größte, an acht
Zolle lang, hat anflatt des Knopfs ein Forinthr-
fhes KRapitäl, auf welhem Venus ſtehet, die
mit beiden Händen ihre Haare gefaflet bat; neben
ihr. -fehet die Liebe, und hält ihr einen runden
Spiegel vor. Es pflegeten auch römifche Frauen den
Statuen der Göttinen Spiegel an ihren Kelten
vorzuhalten.?) Eben fo lang find noch izo die filbernen
Neſtnadeln der Weiber auf dem Lande um Neavel.
Auf einer andern folchen Nadel, welche fich gleiche
falls in ein Forinthifches Kapitäl endiget, ſtehet die
Kiebe und Pſyche umfaflet. Eine andere hat
oben zwei Bruſtbilder, und auf der Fleinflen ſtehet
Venus an den Cippus eines Priapus gelehnet,
die das rechte Bein aufhebet, und mit der linken
Hand den Fuß halten zu wollen fcheinet.
$. 88. Armbänder find in dem Mufeo , von
Erst und von Golde, und alle in Geflalt einer
Schlange; von denen, weldhe um das Dbertheil
bes Arms geleget wurden, erinnere ich mich bier
feine geiehen zu haben; iene find von der kleinern
Art; weiche über die Anöchel lagen. Die Ohrge⸗
henke von Golde gleichen dem Kopfe einer Eichel
mit deſſen erhobenen kleinen Bukeln, und ſie ſtehen
* ) Ni. Quest 1. 1.6. 1% |
2) Lips. Elect. l. a. c. ı8.-p. 503. ed. Plant. in 4toi
bereut, Entdek. 189
mit der offenen Seite gegen das Ohr, in eben der
Bon haben fie noch izo die Weiber in diefer Ge⸗
gend.
"6, 89, Unter den Geräthen find fonderlich die
Baterä, wie ich oben gedacht habe, von einem zu⸗
fammengefegeten weiſſen Metalle, welches dem erflen
Anblike nach Eilber fcheinet; es ift auch der grüne
Anfaz wie an diefem: mer weiß, ob es nicht eine
von den zwo berühmten Arten Erzt, Forintbifches
oder fyrafufifches, war. Ach weiß, daß einige
ein goldfarbiges Erzt in einigen Münzen ber
erftien Größe für Forinthifches Erzt halten; es
if aber diefe Meinung fo ungewiß, als lächerlich das
Borgeben von dem Urfprunge dieſes Erztes in der
Eroberung dieſer Stadt iſt.
S. 90, Die vornehmſte Betrachtung über alte Ge⸗
räthe, und fonderlich über die Gefäße, follte auf
die Bterlichfeit vderfelben gerichtet fein, in wel
cher alle unfere Künſtler den Alten nachfiehen mü⸗
fen. Ale ihre Formen find auf Grundfäze des
. guten Geſchmaks gebauet, und gleichen einem
Thönen iungen Menfchen, in deflen Gebärden,
ohne fein Zuthbun oder Denfen, fih die Sratie
bildet; diefe erfirefet fich bier bis auf die Handha⸗
ben der Gefäße. Die Nachahmung bderfelben
fünte einen ganz andern Befchmaf einführen, und uns
von dem Gefünftelten.ab auf die Natur leiten, wor⸗
in nachher die Kunſt fan gezeiget werden. Die
Schönheit diefer Gefäße bildet fich durch die fanft
gefchmweiften Linien der: Formen, als welche
hier, wie an fchönen iugendlichen Körpern, mehr
anmwachfend als vollendet find, damit unfer
Auge in völlig halbrunde Umkreiſe feinen Blik nicht
endige, oder in Eken eingefchränfer und auf
Spizen angeheftet bleibe. Die füße Empfindung
unferer Augen bei folchen Formen ill wie das Ge
190 Sendfchreiben v. d.
fühl einer zarten fanften Haut, und unfere Begriffe
werden, als vom Vereinten, leicht und faßlich. Da
nun das Xeichte durch deſſen Faßlichkeit ſelbſt gefal-
Ien, und das Gezwungene, wie ein übertricheneg
Lob Anderer, weil wir ſelbſt an daffelbe nicht rei⸗
chen zu können glauben, durch das Gegentheil mif-
fallen muß; ia da die Natur, in Anfehung der Ko⸗
fien (da insgemein das Natürliche wohlfeiler ale
defien Gegentheil iſt,) den Weg erleichtert: fo foll-
te uns Empfindung und Überlegung zu der fchönen
Einfalt der Alten führen. Aber diefe blieben bei
dem, mas einmal fchön erfant worden, weil das
Schöne nur Eines if, und änderten, wie in ihrer
Kleidung, nicht; wir hingegen können oder. wollen
uns in diefer, wie in andern Dingen, nicht fefl«
-fegen, und wir irren in thörichter Nachahmung ber-
nm, wodurch wir alle Augenblife,. was wir bauen,
wie die Kinder, wiederum niedermwerfen.
$. 91. Der zweite Theil des vierten Stüks
diefes Sendfchreibens, weldher von den her—⸗
eulanifhen Schriften handelt, verdienet unfre
ganz befondere Aufmerkfamfeit, um fo. viel mehr,
da niemand vor mir Nachricht von denfelben gege⸗
ben bat. Bei dielen Schriften if zum erfien.
die Entdekung bderfelben befonders anzuzeigen;
zum zweiten iſt die Materie, woraus fie befleben- -
nebft ihrer Form, Geſtalt und Befchaffenbeit,
drittens die Art und Weife der Schrift auf
denfelben, und viertens ihre Aufwikelung au
erflären.
8.92, Die Entdekung derfelben verfprach nichts
wehiger , als mas fich nachher zeigete; die Arbeiter
beklageten fih, wie die zween Kablköpfigen,
die einen Kam auf dem Wege fanden:
bereuf, Entveh 191
— — — sed fato invido
Carhonem, ‘ut ajunt, pro thesauro accepimus. 1)
Den man ſahe die Schriften für verbrafiteg
Holz und für Kohlen an, und es wurden daher
viele zerfioßen und meggeworfen. Es gefchahe hier.
wie in Brafilien mit den Diamanten, welde,
ehe man diefelben erfante, als Kleine Kiefel nichts
geachtet wurden. Die Drdnung der Schichten, in
welcher diefelben nachher auf einander geleget ger
funden wurden, war der einzige Umſtand, welchen
einige Aufmerffamfeit erwekete, und zu bedenfen
veranlaflete , daß es vielleicht nicht bloße Kohlen
wären, bis man Buchſtaben barauf enthefete:
6.93. Der Drt, mo diefelben zum Borfchein
kamen, war ein Eleines Zimmer in der oben gemel⸗
deten berculanifchen Billa, welches zween Menfchen
mit ausgefirefeten Armen überreichen fohten. Nund
herum an der Mauer waren Schränfe, wie in den
Archiven zu fein pflegen, in Manneshöhe, und im
der Mitte im Zimmer ſtand ein anderes Tolches
Geſtelle für Schriften auf beiden Seiten, fo daß
man frei umbhergehen Eonte. Das Holz dieſer
Geſtelle mar zu Kohlen gebrant, und fiel, wie
man leicht errathen Fat, zufammen, da man diefel-
ben anrührete. Kinige von diefen Rollenfchriften
fanden ich mie gröberem Bapier, von chen ber
Art, welches emporetica hei den Alten hieß, zuſam⸗
mengebunden, welche vermutblich als Theile und
Bücher ein ganzes Werk ausmacheten. Die Schrifr
ten wurden, da man fie dafür erfant batte, mit
Sorgfalt zufammengelefen, und man fand über
taufend Stüfe, von denen die mehreflen in dem
Mufes zu PBortict in einem mit Glasfenſtern ver-
Schloffenen Schranke aufbehalten werden; viele aber
1) Phedr. 1. 5. fab. 6.
⁊
192 Sendfchreiben v. d.
ſollen noch in den Gewölbern unter dem Muſeo
liegen, wo die Trümmern von Statuen und von
andern Werken beigeleget ſind.
§S.94. Die Materie dieſer Schriften if Bas
pyrus, oder ägyptiſches Schilf, welche Pflanze
auch Deltos (Acaros) von der Gegend daſelbſt, mo
fie am häufigſten wuchs, benennet murde. Es fcheinet
von diefem lezten Worte die Benennung von Schrife
ten auch in der heiligen Schrift angenommen zu
fein: den derros heiffet ein Bud, beim Jeremia,
fo viel ich mich ohngefähr erinnere: 150 wird diefe
Pflanze von den Eingebornen dieſes Landes Berd
genennet.1) Es war dieſelbe ſonderlich dieſem Lande
eigentümlich, wurde aber, nach dem Strabo, auch
in Stalien zu bauen angefangen, mo fie ſich gänzlich
verloren bat; und Targioni, ein noc, lebender
Arzt zu Florenz, ift ſehr irrig, wen er glaubet, 2)
dag etwa dasienige Schilf, welches zu Matten
und su Befleidung der gläfernen Flafchen dienet,
das ehemalige Bapier fein Fönne.
8.95. Bon denen, die in Agnpten gereifet
find , it Alpinus der einzige, welcher diefes Ges
wiächs befchreibet; Pococke und andere übergeben
es mit Stillfchmeigen. Es wächſet an den Ufern
des Nils und an fumpfichten Orten, und treibet
einen. Stengel, welcher über dem Waffer zwo
Ellen (Cubiti), wie Bliniuss) aus dem Then
phraſtus faget; 4) nach dem Alpinus ſechs bis
fieben Ellen: der Stengel if dreiekig, und
hat oben eine Krone wie von Haaren, weldhe von
den Alten mit einem Thyrſus verglichen wird.
ı) Wesseling. De Plant. Egypt c. 36.
2) Viaggi, t. 5. p. 379.
3) L. ı3. c. 22.
4) L.4. c. 9.
hereul. Entdef, | 193
Diefes fogenante ägyptiſche Schilf: mar den
Eingebornen von großem Nuzen; der Marf des
Stengels dienete ihnen zur Nahrung, und aus dem ,
Stengel ſelbſt macheten fie Schiffe, deren Geflalt
wir auf gefchnittenen Steinen und auf andern
dgpptifchen Denfmälern ſehen. Es wurden nämlich
Bündel wie Binfen zufammengebunden, und bdiefe
wurden wiederum an einander vereiniget, bis man
ihnen die Gehalt von Kähnen vder Schiffen
gab. Der vornehmfe Nuzen aus diefer Pflanze
aber war die dünne Haut, auf weiche man ſchrieb;
und eben diefes ift der: Punkt, worin die Nachricht
der alten Scribenten nicht deutlich genug if, und
ung fein völliges Genüge thut. Es haben fich daher
einige, wie Boffius, 1) vorgeſtellet, daß das Pas
pier zum Schreiben von den Blättern diefer
Bflanze genommen morden. Andere, als Weſſe⸗
fing,?) haben fih noch einen irrigern Begrif
gemachet, wen fie glauben, daß daſſelbe aus der
Wurzel zubereitet worden. Die Wurzeln aller
Pflanzen beilchen aus Fäſerchen, und haben eine
Holznatur, welche daher nicht in dünne Blätter
fonnen aufgewifelt werden. Es bat fick aber lezt⸗
gedachter Seribent vorgeftellet, daß die Wurzel wie
in einen Brei zerfochet und zubereitet worden, um
Das Papier etwa auf eben die Art, wie es izo ges
machet wird , zu gießen. Andere, wie Salm a⸗
fins3) und Guillandini, Fommen der Wahr⸗
heit mäher , wen fie glauben, daB die Blätter Bar
Pier von dem Stengel genommen werden, wel⸗
1) In Etyrhol. v. Papyrus. j
2) De Plant. Egypt. Obs. ad Prösp. Alpin. Patar. 1638.
4
3) Plin. exercit. p. 1003. ed. Paris.
Winckelmañ. 2. 9
194 Gendfchreiben v. d.
cher Ach in bünne Häute aufblättern laſſen, fü
daß dieientgen Häute, welche sunähl an: dem
Marke des Stengels find, dns beſte Bapter gegeben,
und die auſſern Häute das fchlechtere. Dieſes
beflätiget der Augenfchein an den berculanifchen
Schriften, die aus vier Finger breiten Blättern
zufammen gefezet find, (wie ich in Folgendem deut⸗
licher befchreiben merde,) und, wie ich glaube, dem
uUmfreis des Stengeld zeigen. Sch follte alfo
fat auf die Gedanken gerathben, daB der Tert des
Blinius verfälfchet fei, wo er faget, daß der Un⸗
terfchied in dem Werthe des Bapiers an deflen
Breite Tiege „Das beite, faget ee, bat die
» Breite von dreizehen Zoll;“ dasienige, wel⸗
ches Sieraticna hieß, war von eilf Zoll; Fan-
niana von sehen Zoll; von Sats hatte weniger,
und das fhlechtere war von ſechs Zoll. Hier
müßte, nah meiner Muthmaßung, anflatt das
Wort Breite, das Wort Länge gefezet werden;
den der Stengel der Pflanze muß mehrentheils
von gleicher Dike geweſen fein; und .ich kañ
mir nicht vorflellen , wie derfelbe an einigen drei⸗
sehen Zolle, an andern aber fechs im Umkreiſe ges
habt babe, da die Breite des Papiers der Um⸗
freis des Stengels, und demfelben gleich geweſen
fein muß; die Ränge des Papiers aber wird nach
der Länge des Stengels zu rechnen fein.
$. 96. Sch will mich unterdeffen im Feine Unter⸗
fuchung aller einzelnen Stüfe der Nachricht des
Blinius einfafien, um niht Muthmaßungen
anflatt Nachrichten zu geben. Bch glaube z. E.
was er von Schriften aus zwei⸗ja aus dreifach
zufammengeleimeten Blättern redet, fonberlich da
Builladini dergleichen Schriften von Agyptifchem
Bapiere gefehen zu haben verfichert. Die hereulani⸗
fchen Schriften beileben nur aus einem einzigen
bereut, Entdek. 195°
Blatte. Ich überlaſſe cs andern, fich aus ber rich-
tigen Anzeige, die ich von diefen Schriften geben
will, die Nachrichten der Alten deutlicher zu machen ,
wen fie mehr zu wiffen verlangen, als was der
Augenfchein gibt.
$. 97. Don Schriften auf Aguptifchem Papiere
babe ich, aufier den berculanifchen, gefehben: ver-
fchiedene Diplomata in der vaticanifchen Bibliothek;
ein Blatt mit griechifcher Schrift von einem Kir⸗
chenvater, in der Bibliothef der Thentiner zu &. Apo⸗
fkoli in Neapel. Mabillon 1) gedenket gefchrie
bener Reden des 5. Auguſtinus auf Pergament
mit bier und ba bdurchichoffenen Blättern von
aͤgyptiſchem Bapiere, welche in der Bibliothek des
Bräfidenten Betav waren; und es befinden fih -
diefelben vielleicht unter den Manuferipten der Köni⸗
sin Chriſtina in der Vaticana: ich kañ aber izo
davon, da ich mich auſſer Rom befinde, Feine Nache
richt einziehen. |
89. Bon der Form, Geftalt und Be
ſchaffenheit diefer Schriften tif zu merken, daß
fe faſt alle won gleicher Länge, das ift, von ci»
ner Spanne find, und einige von zwei, andere
von drei bis vier Finger breit im Durchmefler;
es Äinden ſich aber auch einige von einer halben
Spanne Tang. Die mebreflen find zufammenge-
Thrumpft und rungelicht wie ein Bofshorn;
welches die Hige verurfachet bat, wodurch diefelben
gleichfam in eine Kohle verwandelt worden; deñ fie
find entweder ſchwarz oder ganz dunkelgrau.
Sn der Überſchüttung aus dem Berge find diefelben
nicht völlig walzen för mig geblieben, - fondern ha⸗
ben eine ungleiche und böferihte Runde erhal-
gen. An beiden Enden gleichen fie verſteiner⸗
ı) Diplom. 1. ı. c.8, S. 11 p. 35.
126 Sendſchreiben v. d.
tem Holze, deſſen Ringe ſich deutlich anterſchei⸗
den, welche an den Schriften aber in größerer An⸗
zahl und weit zarter ſind. Von vierekichten
Büchern hat ſich kein einziges gefunden.
8.99. Das Papier iſt dünne, ja noch dünner als
ein Mohnblatt, nicht völlig wie es ehemals ge⸗
weſen, ſondern wie es im Feuer, welches den Kör-
ver herausgezogen, geworden; ein bloßer Hauch, fat
bei der Arbeit an demfelben Schaden verurfachen.
Es muß aber diefes Papier beiländig fehr dünne ge-
wefen fein, wie fih an vielen Schriften zeiget,
welche wenig gerungelt find, und alfo eben fo dicht,
wie fie izo erfcheinen, gewikelt waren: den da diefe
Durch die Hize nicht enger , ale fie waren, zuſam⸗
mengedrüfet werden fonten, und weder nad) der
Breite noch in der Länge nachgaben , fo blieben fie
ohne Nunzeln und ohne geplätfcheten Druk.
8.100. Eine folche Nolle Schrift beilehet aus
vielen fchmalen Streifen von einer Hand breit, wel-
che auf einander geleimet find, fo das eins über
das andere in der Breite eines Fingers lieget, und
diefe Fugung bat fich nicht aufgelöfet. Diefe Blät⸗
ter auf einander zu leimen gab es befondere Xeute,
welche glutinatores hießen, t) deren Kunſt nicht unter
die ganz gemeinen Handwerker gezählet worden fein
muß, da die Athenienfer einem Philtatius eine
Statue aufrichteten, 2) weil er ihnen die Schrift
gu leimen gejeiget, oder welches glaublicher if,
weil er eine befondere Art Bücherleim erfunden.)
ı) Cie. ad Act. 1.4. epist. 4.
2) Phot. Bibl, ex Olyn,iodoro.
3) [Warum deñ nicht, die Schrift su Teimen? d. h.
Gold⸗ und Silberflieder mittelſt eines feinen
Kleiſters au befeftigen ?]
hereul. Entdek. 197
6.101. Dieſer aus vielen Stüken zuſammen⸗
gefugte Streifen Papier wurde zuweilen blos um
ſich ſelbſt gerollet, in andern aber um eine Röhre,
welche Holz oder Knochen war, nach dem Beng-
niffe des Scholiaften des Horntius,!) und diefe
Röhre zeiget fih dünner und ſtärker in dem Mittel⸗
punkte verfchiedener Schriften. Vermuthlich war
diefelbe das, was die Alten den Nabel, umbili-
cum, der Bücher nennen: den es ift derfelbe im
der Mitte, wie der Nabel am menfchlichen Kör⸗
per, und deſſen Dfnung iſt diefem ähnlich. Diefes
läffet fich unter andern aus einer Stelle des Mar⸗
tialis erweifen, wo er von einer Heinen Schrift
faget, daB ſie nicht größer fei als der Nabel:
Quid prodest mihi tam macer libellus,
Nullo crassior ut sit umbilico,
Si totus tibi triduo legatur ? 2)
Diefe Stelle if, mie ich dieſelbe einfehe, nicht
recht verffanden; den es würde ein Vergleich ohne
Verhaͤltniß fein, bier den Nabel am Menfchen
zu verfichen; eben fo wenig fan es bie Zierat
auf dem Dekel der Bücher bedeuten, fondern es
muß für die kleine Rokle in dem Mittel
punkte der Schrift verflanden werden. Der Dich:
ter wird alfo Tagen wollen, „diefe Holle Schrift
n fei nicht ſtaͤrker, als bieienige Kleine Rolle oder
„Stab, um welche die Schriften gewikelt werden. “
Es mwürbe alfo ad umbilicam adducere 3) und ad
“ambilicum pervenire heiffen, 4 eine Schrift en
ı) Porphyr. ia Hor. Epod. 14. v. 8. p.286. ed. Plant.
161 1. 4
2) L 2. epigr. 6. v. 10.
3) Horat. I. c.
4) Marüal, L4. epigr.g v2.
196 Sendſchreiben v. d.
tem Holze, deſſen Ninge ſich deutlich anterfchel-
den, welche an den Schriften aber in größerer An⸗
zahl und weit zarter ſind. Von vierekichten
Büchern hat ſich kein einziges gefunden.
899 Das Papier iſt dünne, ja noch dünner als
ein Mohnblatt, nicht völlig wie es ehemals ge⸗
weſen, ſondern wie es im Feuer, welches den Koͤr⸗
ver herausgezogen, geworden; ein bloßer Hauch fait
bei der Arbeit an demfelben Schaden verurfachen.
Es muß aber diefes Papier beiländig fehr dünne ge⸗
weſen fein, wie fih an vielen Schriften zeiget,
welche wenig gerungelt find, und alfo eben fo dicht,
wie fie izo erfcheinen, gewifelt waren: den da diefe
durch die Hize nicht enger , als fie waren, zuſam⸗
mengedrüfet werden Fonten, und Meder nad) der
Breite noch in der Länge nachgaben , fo blieben fie
ohne Runzeln und ohne geplätfcheten Druk.
8.100. Eine folhe Rolle Schrift beilehet aus
vielen fchmalen Streifen von einer Hand breit, wel-
che auf einander geleimet find, fo das eins über
das andere in der Breite eines Fingers lieget, und
diefe Fugung bat fich nicht anfgelöfet. Diefe Blät⸗
ter auf einander zu leimen gab es befondere Leute,
welche glutinatores hießen, 1) deren Kun nicht unter
die ganz gemeinen Handwerker gesählet worden fein
muß, da die Athenienfer einem Philtatiug eine
Statue aufrichteten, 2) weil er ihnen die Schrift
zu leimen geseiget, oder welches glaublicher if,
“weil er eine befondere Art Bücherleim erfunden.)
ı) Cic. ad Att. 1.4. epist. 4.
2) Phot. Bibl. ex Olynı;iodoro.
3) [Warum deñ nicht, die Schrift su Teimen? d.h.
Gold⸗ und Silberflieder mittelſt eines feinen
Kleifters sm befeftigen 7]
bereut. Entdef, 197
6.101. Diefer aus vielen Stüfen zuſammen⸗
gefugte Streifen Papier wurde zuweilen blos um
fich ſelbſt gerollet, in andern aber um eine Röhre,
welche Holz oder Knochen war, nach dem Beug-
niffe des Scholinften des Horatius,!) und diefe
Köhre zeiget fich dünner und Härfer in dem Mittel⸗
punkte verfchiedener Schriften. Vermuthlich war
dDiefelbe das, was die Alten den Nabel, umbili-
cum, der Bücher nennen: den es ift derſelbe in
der Mitte, wie der Nabel am menfchlichen Kör⸗
per, und deſſen Dfnung ift diefem ähnlich. Diefes
läffet fi) unter andern aus einer Stelle des Mar-
tialis erweifen , mo er von einer Heinen Schrift
faget , daß fie nicht größer ſei als der Nabel:
Quid prodest mihi tam macer libellus,
Nullo crassior ut sit umbilico,
Si totus tibi triduo legatur ? 2
Diefe Stelle if, mie ich dieſelbe einfehe, nicht
recht verſtanden; den es würde ein Vergleich ohne
Verhaͤltniß fein, bier den Nabel am Menfhen
in verfichen; eben fo wenig kan es bie Zierat
auf dem Dekel der Bücher bedeuten, fondern cs
muß für die Fleine Holle in dem Mittel
punfte der Schrift verflanden werden. Ber Dich
ter wird alfo fagen wollen, „diefe Rolle Schrift
„fei nicht Härter, als dieienige kleine Nolle oder
„ Stab, um welche die Schriften gewikelt werden.“
Es würde alfo ad’ umbilicam adducere 3) und ad
"ambilicum pervenire beiffen, 4 eine Schrift em
ı) Porphyr. in Hor. Epod. 14. v. 8. p. 286. ed. Plant.
1611. 4
2) L 2. epigr. 6. v. 10.
3) Horat. I. c.
4) Narüal, L4. epigr.g v. 2.
198 Gendfchreiben v. d.
digen, ſo daß ſie kañ ihre Rolle bekommen, und
dieſelbe zu Ende leſen, bis an dieſelbe.
5. 102. Dieſem zufolge muß man ſich vorſtellen,
daß, da der innere Stab zum Aufrollen dienete,
ein zweiter Stab oder Röhrchen nöthig geme-
fen, die aufgerollete Schrift wiederum aufzuwi⸗
feln, von welchen iener am Ende, diefer aber am
Anfange befefliget geweſen, fo daß alsdan das
Röhrchen, welches vorher inwendig war, aus⸗
wärts zu liegen gefommen, und fo wechfelsweife.
An den herceulanifchen Schriften findet fi das
zweite Nöhrchen nicht; den da das Auflere Blatt
sder Rage an den meiften, welche man unterfuchet
bat, fehlet, fo muß auch dieſes Röhrchen zugleich
mit verloren gegangen fein. Man ſiehet auch daſſelbe
an den gemaleten Rollen Schriften auf einigen ber-
eulanifchen Gemälden nicht, wohl aber das innere
Nöhrchen. Aber die Alten reden bei Schriften von
folhen Röhrchen in der mehrern Zahl,i) und
diefes fönte meine Muthmaßung befkätigen. Ferner
bemerfet man an einigen Schriften in der Hohlung
der Nöhrchen etwas, was diefelbe ausfüllet, welches
ein Stäbchen zu fein fcheinet, um welches entweder
das Röhrchen im Aufwifeln gelaufen, oder weñ dag
Nöhrchen nur die Länge der Schrift gebabt hätte, fo
bienete das Stäbchen, welches hervorging, vermit-
telſt defielben das Nöhrchen zu drehen. Diefes Stab⸗
chen Fan feinen gedrechfelten Knopf gehabt ha⸗
ben, welcher etwa gemaler gewefen, fo daB daber ber -
Dichter faget: Pictis luxurieris umbilicis. 2) An dieſes
Otäbchen, weñ es da war, feheinet auch der Bebdel
befefliget geweſen zu fein, welcher an Rollen Schrif-
ı) Id. 1.3. epigr. 2: v. 9. 1.4. epigr. 91. v, 2. 13. epigr,
6ı. v. 4. Stat. 1.4 Sylv. 9.
3) (Martiel. 1. 3. epigr. 2. v. 9.]
bereut. Entdek. ‚199
ten auf Gemälden hänget 1) und den Titel bes
Buchs zeiget. Diele vom Nabel genommene Bes
nennung gebachter Röhrchen kañ nachher auch dem
Bierate mitten auf dem Bande oder dem Dekel
vierefiger Bücher gegeben fein, wie Martorelli
aus einer Stelle des Lucians contra indoctum 2)
fchließet: biefer Bierat war entweder ein Befchlag,
wie an unfern älteflen Bänden, oder ein Stempel,
wie ihn die ſogenaüten Sornbände haben.
8.103. Mit einigen von diefen Schriften ver
fuhr man, wie einer von den Alien mit dem Ly⸗
kophron, deſſen dunkeles Gedicht er mitten ent-
zwei fchnitt, um zu fehben, ob inmendig mehr ale
von auſſen zu erſehen fei, und wie der b. Stern
nymus es in chen der Abficht mit dem Berfins
fol gemachet haben : 3) es wurden einige große Nol⸗
Ien mitten durchgefchnitten, um das innere Ge
wölbe derfeclben zu fchen und den Fremden zu
zeigen. In einigen derfelben iſt die Schrift To
ſchön und groß, wie in dem großen orfordifchen
Bindarus.
"8.104. Se mehr diefe Schriften Kohlen ähnlich
fcheinen, und je mehr die Schwärze derfelben durch⸗
gehende an thiten gleich iſt: defto erhaltener find fie
zu achten, und deſto Leichter wird die Aufwifelung«
und diefes läſſet fich aus der Befchaffenheit der Koh»
Ien ſelbſt begreifen. Den fo wie Holz, welches zu
Kohle geworden, vermöge der Abfonderung und Bes
raubung der Feuchtigkeit, und nah Ausdünflung
der fremden Theile, der Veränderung nicht ferner
unterworfen iſt, in eine ewige Dauer erlanget, fo
Daß mit Kohlen Gränz- und Markileine zum immer-
ı) Pitture d’ Ercol. t. 2. p. 7.
2) AspYspac wepıßarrsıc, za omparsc errıdan. le. 16.)
3 Bayles Wörterbuch, unter Perſius.)
198 Sendfchreiben v. d.
digen, ſo daß ſie kañ ihre Rolle bekommen, und
dieſelbe zu Ende leſen, bis an dieſelbe.
6. 102. Dieſem zufolge muß man ſich vorſtellen,
daß, da der innere Stab zum Aufrollen dienete,
ein zweiter Stab oder Röhrchen nöthig geme-
fen, die aufgerollete Schrift wiederum aufzuwi⸗
feln, von welchen iener am Ende, diefer aber am
Anfange befehiget geweſen, fo daß alsdan das
Nöhrchen, welches vorher inwendig war, aus
waärts zu liegen gefommen, und fo mwechfelsweife.
An den: bereulanifchen Schriften findet fich das
zweite Röhrchen nicht; den da das Auffere Blatt
sder Rage an den meiflen, welche man unterfuchet
bat, fehlet, fo muß auch dieſes Röhrchen zugleich
mit verloren gegangen fein. Dan fichet auch daſſelbe
an den gemaleten Nollen Schriften auf einigen her⸗
eulanifchen Gemälden nicht, wohl aber das innere
NRöhrchen. Aber die Alten reden bei Schriften von
folchen Röhrchen in ber mehrern Bahl,1) und
diefes köñͤre meine Muthmaßung beflätigen. Ferner
bemerfet man an einigen Schriften in der Hohlung
der Röhrchen etwas, mas dieſelbe ausfüllet, melches
ein Stäbchen zu fein fcheinet, um welches entmweber
das Röhrchen im Aufwikeln gelaufen, oder weit das
Nöhrchen nur die Länge der Schrift gehabt hätte, fo
bienete das Stäbchen, welches hervorging, vermit⸗
telft defielben das Röhrchen zu drehen. Dieſes Stäb⸗
chen fan feinen gedrechfelten Knopf gehabt ha⸗
ben, welcher etwa gemaler geweien, fo daß daber der
Dichter ſaget: Pictis luxurieris umbilicis. 2) An biefes
Stäbchen, wei es da war, fcheinet auch der Beddel
befefliget gewefen zu fein, melcher an Rollen Schrif«
1) Id. L 3. epigr. 2; v.9. 1. 4. epigr. 91. 2. 1.3. epigr,
61. v. 4. Stat. 1.4 Sylv. 9.
2) (Martial. 1. 3. epigr. 2. v. 9.]
hereul. Entdek. 199
ten auf Gemälden hänget 1) und den Titel des
Buchs zeiget. Diele vom Nabel genommene Bes
nennung gebachter Röhrchen Fan nachher auch dem
Bierate mitten auf dem Bande oder dem Dekel
vierefiger Bücher gegeben fein, wie Martorelki
ans einer Stelle des Lucians contra indoctum 2)
fchließet: biefer Zierat war entweder ein Befchlag,
wie an unfern älteſten Bänden, oder ein Stempel,
wie ihn die fogenaniten Hornbände haben.
8. 103. Mit einigen von diefen Schriften ver
fuhr man, wie einer von den Alien mit bem Ly⸗
kophron, deffen dunfeles Gedicht er mitten ent-
zwei fchnitt, um zu ſehen, ob inwendig mehr als
von auſſen zu erſehen fei, und wie der 5. Hier
nymus es in chen der Abficht mit dem Perſius
fol gemachet haben : 3) es wurden einige große Rol⸗
len mitten durchgefchnitten, um das innere Ge
wölbe derfelben zu fehen und den Fremden zu
zeigen. In einigen derfelben iſt die Schrift fo
ſchön und groß, wie in dem großen orfordifchen
Bindarus.
6.104. ge mehr diefe Schriften Kohlen ähnlich
feinen, und je mehr die Schwärze berfelben burch«
gehende an ihren gleich if: defto erhaltener find fie
zu achten, unb beflo Leichter mird die Aufwikelung—
und diefes läſſet fich aus der Befchaffenheit der Koh⸗
Ien felb begreifen. Den fo wie Holz, welches zu
Kohle geworden, vermöge der Abfonderung und Be⸗
raubung der Feuchtigkeit, und nah Ausdünflung
der: fremden: Theile, der Veränderung nicht ferner
unterworfen ift, ja eine ewige Dauer erlanget, fo
daß mit Kohlen Gränz- und Markileine zum immer-
ı) Pitture d’ Ercol. t. 2. p. 7.
2) AspYspas mapıbarrıs, aus ouparse rd. [c. 16.)
3) Bayles Wörterbuch, unter Perſius.]
200 Sendfchreiben v. d.
waͤhrendem Gebächtniffe können geleget werden; eben
fo verhält es ſich mit dieſen Schriften. Se ſchneller
und je gleicher diefelben von der feurigen Materie
des Defunius durchdrungen worden, wodurd alle
Feuchtigkeit aus denfelben gefondert if, deſto mehr
it die Materie des Papiers zu einer ‚gleihförmigen
Einheit gebracht, und alſo gleichfam wie die einfa-
chen und feſten Samen der Dinge unveränberlich
und unvermeslich geworden. Dieienigen Schriften
aber , auf welche die feurige Materie nicht gleich-
förmig gewirfet, find auch nicht gleih an Farbe;
und da die Feuchtigkeit aus bdenfelben nicht augen-
blitlich wie aus jenen herausgetrieben ward, wa⸗
ren fie alfo der Veränderung unterworfen, und
die äuffere Feuchtigkeit fuchete Ach mit der in den⸗
felben zurüfgebliebenen zu vereinigen , ja, fchlenete
Afche und Erde mit hinein, wodurch die Theile,
welche davon angegriffen werden fonten, litten und
zerfreſſen wurden. Sene alfo find viel leichter, als
diefe, aufzumifeln. _
6. 105. Die Geſtalt diefer Schriften Hat
mehrmal gedachten Herrn Martorelli auf eine
überans feltfame und paradore Meinung gebracht,
welche ein offenbares Zeugniß von der Selbſtver⸗
blendung und Hartnätigfeit der Menfchen gibt.
Es behauptet diefer gelehrte Man wider den bands»
greiflichen Augenfchein, baß die herculanifchen Schrife
ten, bie er. geſehen, To oft er gewollt, Feine'ge-
Ichrten Abhandlungen, und überhaupt Feine
Bücher, fondern nur Urfunden, Stiftungen,
Verträge, Abfchiede und dergleichen feien, und
daß alfo der Ort, mo diefelben gefunden worden,
das Archiv der Stadt Herculanum geweſen. Erſt⸗
lich laäugnet er, daß bei den alten Griechen ge
sollete Schriften im Gebrauche.geweien, und er
bereut. Entdek. 201
gibt ihnen Feine andere als vierekige Bücher. 1)
» Dei, faget er, es iſt thöricht zu gedenken, daß
„ die Klugheit der Alten eine febr unbequeme
„Form von Büchern (welches ihm die zuſammen⸗
„ gerollete fcheinet,) gewähler, “ da ein viereki—
ges Buch fehr viel bequemer fel.2) Sein vornehme«
fier Grund ift, weil die Griechen in den beſten Zei»
ten das Wort, welches eine gerollete Schrift (vo-
Iumen) bedeutet, nicht hatten: den irn fei, Dies
fen Mangel zu erfegen, von fpätern Griechen in
Gebrauch gebracht. Es müßten fich auch, fähret ex
fort, bei den griechiſchen Seribenten, wen fie ihre
Schriften gerollet hätten, die befondern Stüfe dere
felben angegeben finden, welches aber nicht fei: dag
Wort, welches das Röhrchen bedeutet, um welches
bie Schriften gerollet worden, (asparssxos) verwirft
er, als ein Wort ausden barbarifchen Zeiten. Er
machet alfo den Schluß: weil den Griechen der beffen
Zeiten, in dem größten Neichtume ihrer Sprache, das
Wort mangelte, welches volamen bedeutet, fo kön⸗
nen fie auch Feine gerollete Schriften gehabt haben. 2)
Diefes fezet er als unilreitig bewiefen voraus, und
wild, daß die alten Scribenten feinem Traume
gemäß reden follen; er verbeffert Fühnlich Diejenigen
Stellen, welche feine Meinung umwerfen, und erfläret
diefelben für verfälfht. Wen Afchines im vier
ten Briefe von der Statue des Pindarus redet,
welche die Athenienfer demfelben errichtet, mit einer
gerolleten Schrift in der Hand, fo fezet er, an die
Stelle des Worts gerollet, geöfnet; anflatt
BVEIÄSYREVOV, OVE@YMEVOV: „Ich achte nichts, fpricht
„er, auf den Diogenes Laerting, welcher bie
ı) De Reg. Theca Calam. p. 233.
a) Ibid. p. 234.
3) Ibid.
202 Gendfchreiben v. d.
„ Schriften des Epikurs offenbar Cylinder (zur-
„ Seas) nennet. "1) Er hält diefes Wort für einen
„ Bufaz eines Römers, weil er daſſelbe bei feinem
andern Scribenten in die ſem Verſtande/, auch felbft
bei dem Diogenes nicht, öfter gefunden, und: er
verwahret fich bier mit einigen Ausfprüchen des Me⸗
nage, welcher in feinen Anmerkungen über die
fen Scribenten lehret, 2) daß derfelbe vol von Zu.
fäzen und von pöbelhaften Ausdrüken fe,
welches auch bereits Salmafius angemerfet habe.3)
„ Gefezt aber, fähret er fort, Daß das Wort Cylin⸗
„der fein Zuſaz fei, fo beweiſet diefes nichts wider
„mich und für die ältern Zeiten ber Griechen, weil
» Diogenes unter dem Conſtantin gelebet, wo
„ vieleicht gerollete Schriften unter den Griechen
„in Gebrauch gefommen. “ Er berufet fich ferner
auf mehr als ein vierefiges Buch auf hereula⸗
nifchen Gemälden, und wo dafelbit gerollete Schrif-
ten vorgeftellet find, hält er diefelben für das, was
er glaubet. 4) Er firafet den Spon Lügen, 5) wel
cher in feinen -Neifend) vom einer gerolleten
‚Rltrgie des h. Chryſoſtomus redet, die er zu
Korinth gefchen. ’
$. 106. Sch Habe zu Erflärung, und zugleich
anflatt der Widerleygung diefer wider den Strom
fräubenden Meinung, auf. Tafel [184] eine alte
fchöne erhobene Arbeit beigebracht, 7) welche ich nach
2) Ibid. p. 235.
. 2) In Annotat. p. 253.
3) De ling. Hellenist. p. 107.
4) De Reg. Theca Cal. p. 264.
5) Ibid, p. 242.
0) T. 2. p. 230.
2) [Dentmale ıc. Numero 134. ad
bereut, Entdek. 208
einer meiſterhaften Zeichnung aus der Schule
von Raphael, die ſich unter den Zeichnungen des
Herrn Cardinals Alexander Albani befindet,
copiren laſſen: deñ das Wert ſelbſt befindet ſich nicht
mehr in Rom. Es gibt daſſelbe ein Bild der Erzie⸗
bung und des Unterrichtg der Sugend. Der Al
teſte Sohn der Mutter, welche figet, hält ein vierefiges
Buch, an welches fein Lehrer mit anfafiet, (diefes it für
Herrn Nartorelli); das jüngſte Kind iſt noch im
den Händen einer alten Wärterin, die es in die
Höhe heben will, gegen eine Erd⸗ oder Simmel
fugel, auf welche zwo Mufen mit Fingern zeigenz
die eine iſt Urania, und die andere vermuthlich
Klio, die Mufe der Gefhichte, mit einer ge
rolleten Schrift, (diefes if wider unfern Gelehr⸗
ten;). die dritte iſt die tragifche Mufe, Melpo⸗
mene. Diefes erinnerte mich an die drei Mufen,
welche jener Weltweife in feinem Hörfanle ſtehen
hatte. 1) Hier Fan auch der Stein dienen, wo bie
findirende Liebe vorgeſtellet if, gleichfalls mit
einer gerolleten Schrift, welches kein Contract
oder Abfchied fein fan, und eine Mufe, die bier
den Lehrer machet, mit einem vierefigen Buche;
oben if eine Sphärn. Der Käfer kañ entweder
anf diehenigen gefehnittenen Steine der Alten deuten;
die auf der einen Seite einen erhoben gearbeiteten Kä⸗
fer haben, und daher iso Scarabäigenennet werden;
oder es war das Wapen des Eigentümers dieſes
Steins.2) In dem Mufen des Collegii Romani
befindet fih in Erst, \in der Größe eines balken
4) [(Vermuthlich iſt Plato unter dem Weltweifen gemeint,
weicher vielleicht die von Pauſanias erwähnten brei
Mufen: Melete, Mneme und Aoide in ſeinem
Hörſaale ſtehen hatte.)
2) [Dentmale ꝛc. Numero 184. b.]
204 Sendfchreiben v. d.
Palms, eine kleine Figur eines Philoſophen,
mit einem Barte, auf ſeinem magiſtraliſchen
Stuble; zu deſſen Füßen ſtehet eine runde Kap⸗
ſel mit gerolleten Schriften, und in der Hand
halt er eine halb aufgewikelte Nolle Schrift. Die⸗
ſes fan feine römiſche obrigfeitliche Berfon fein,
wie der Bart anzeiget, welcher nicht mehr Mode
war, da diefes gemachet iſt: folglich können. guch die
Schriften feine richterlichen Abfchiede und der-
gleichen bedeuten. Es hat auch der Stuhl eine ver⸗
fhiedene Form von den Stühlen obrigfeitlicher Per⸗
fosten in Rom.
6. 107. Es miderfpricht ferner unfer Gelehrter
allen andern, melche in dem Geſeze des Ulpia⸗
nus) teretes libros von gerslleten Schriften,
und codiees von vierefigen Büchern verfichen. 2)
Dife find Salmaſius,3) Schulting,)
Trotz,5) Heineceius,) und Mazzocchti;7)
Schulting und Heineccius Freicht er tn den
Zuſaͤzen wiederum aus.5) Was würden die Schrif
ten des Cicero, bes Livius, des Seneca und
des Blinius für ungeheure Werke gewefen fein,
wen man fich dieſelben gerollet, und nur auf
eines Seite des Blattes befchricben vorſtellen
wollte? ?)_ Er fuchet darzuthun, daß das Wort
1) 52. D. de leg. 3.
a) De Reg. Theca Cal. p. 254.
3) De mod. usur. p. 40s.
4) In Paul. p. 337.
5) In Lugon. p. 604.
6) In Antig. Rom. proam. n. ı6.
7) Ia Diptych. Quirin. p. 5.
8) P. 14.
9) P. 357.
hercul. Entdet. 205
codex allein von öffentlichen Inſtrumenten ge
brauchet worden, !) und wei anf Münzen oder in
Statuen die Figuren der Kaifer eine Rolle Schrift
in der Hand halten, fo müße diefelbe fo etwas,
und Feine gelehrte Schrift oder Geſchichte,
vorfiehen. 2) „ Zolglich, faget er, iſt es eine große
„ Unwiffenbeit auch der alten Künſtler und Bild-
» bauer, wen fie den Figuren der Dichter und Phi⸗
„ lofopben eine gerollete Schrift in die Hand
„gegeben.“ Auch Apollonius von Brieng
der Künſtler der Vergötterung des Homerus
im Palaſte Colonna, tft nah deſſen Meinung,
mit der Rolle, welde er dem Vater der Dich
ter in die Hand gegeben, fehr übel unterrichtet
gewefen. 4)
8. 108. Hm aber die Befländigkeit diefer von
ihm reiflich erwogenen Meinung zu zeigen, wieder
holet er in den Zufäzen,?) daß er die Unterfchrift
der erſten entwikelten berculanifchen Schrift fehr
wohl geſehen und gelefen: SIAOAHMOTY TIEPI
MOTZIKHZE. „Des PBhilodemus von der
»Muſik.“ Dem ohngeachtet behauptet er, (wird
es ‚nicht meinen Leſern unglaublich fcheinen?) daß
gedachte Schrift ein öffentliches Inftrument
in einer Streitfadhe fei. Er bat vielleicht im
Ginne behalten, daß diefer Streit die Kirchen:
mufif und auf Hochzeiten betroffen, oder zwi⸗
fchen der Gemeinde und den Stadtmufifan-
ten entfchieden fei. Und wodurch fuchet er dieſes
ı) P. 259. .
2) P. 261.
3) P. 265.
4) P. 266.
5) P. 30.
206 Sendſchreiben v.d.
von neuem zu beweiſen? „Weil ich, ſaget er, in
„dieſer geſchriebenen Rolle nur die Unterſchrift,
„nicht aber die Aufſchrift geſehen babe: den
„ein ieder weiß, führet er fort, daß Proceßacten
„unterfchrieben werden, Abhandlungen aber
„ baben den Titel und die Anfchrift vornean
nfehen. “ Es follte gleichwohl Herr Marto-
velli, da er mit derienigen Perſon, welche dieſe
Schriften entwilelt , genau befant if, gewußt ha⸗
ben, daß der Anfang oder die äuffere Lage
an den Schriften, welche man bisher entwifelt
bat, fehlet, wie ich bereits oben angezeiget habe.
$. 109, Bei diefer Gelegenbeit fuchet er an
einem andern Drte zu. flreiten,!) daß die älteſten
Griechen nicht auf hölzerne Täfelchen Schrift
gefchrieben; und bier unterfuchet er: zween Verſe
des Homerus, wo der Dichter faget, daß Belle-
rophon mit folhen cingefhnittenen Täfel⸗
chen, anflatt des Briefes, von deſſen Vater an
den König in Lycien abgefchift worden, deren In⸗
balt war, daß diefer den Wberbringer ermorden
follte.
Ileume de mv Avxinvde, wopev Ö OyE OnMaTo Auybos
Toolas ev mıvanı aruntw IJumsdIopx wor. 2)
Sed misit ipsum in Lyciam, deditque is litteras
perniciosas, -
Scriptis in tabella complicata anime exitialibus multis.
. 8110. Hier nim̃t er fih die Freibeit, dem
zweiten Vers für untergefhoben zu erflären,
da zumal, weñ derfelbe weggelafien wird, der Giit
des Dichters nichts leidet. Dei Auypa und Svuod-
Sopx vor, faget er, bedeuten chendaflelbe, und find
ı) P. 50.
3 u. Z. [VI] v. 168 — 169.
bereut. Entdet. 207
eine Tautologie, und mwa& wruxroc gibt einen fal-
fchen Begrif, weil eine hölzerne Tafel nicht Fan
gefaltet werden. Er vertheidiget fih mit dem
Burman, welcher durch Sandfchriften verfchiedene
Derfe des Virgilius für unächt erfläret hat. Er
felbft thut eben diefes mit verfchiedenen andern Stel-
len des Homerus. Eine von denfelben ift, wo
vom Paris gefaget wird, daß er verdiene, gefleini-
get zu werden: 1) und fein Grund if, weil Dio
Chryſoſtomus2) wo er diefe ganze Rede des Hek⸗
tors wider den Baris anbringet, gedachte zween
Verſe ausläffer. In der Ddyffen CA) will er gehen
ganze Verfe, von 310 bis 320, ohne Gnade aus:
geflrichen wiſſen, weil diefelben ihm des Dichters
nicht würdig fcheinen. Sin dem folgenden Buche (M)
fcheinen ihm die Verfe nach dem 68, welche eine
Erzählung von dem Schiffe Argo enthalten , ver-
dächtig, weil Heſiodus von diefem Schiffe Feine
Meldung thut; und daraus fchließet er, daß diefe
Fabel neuer als beide Dichter fe. Er Fan auch
zween Verſe, im legten Buche der Slias, 29 und
30, wo das Urtheil des Paris angezeiget wird,
nicht leiden. “
$. 111. Er fehret hierauf in den Zu ſaͤzen 9)
zu der erfiern Stelle des So merus zurük, und be
weiſet aus vielen Stellen des Dichters, daß Yeupen
und saıypaden von bemfelben niemals vom Schrei⸗
ben, fondern vom Einfchneiden, Stehen umd
Verwunden, gebraucher werden. Diefem zufolge
war, wie er behauptet, das Täfelchen, welches
Bellerophon zu überbringen Hatte, nicht be
ſchrieben/ ſondern es hatte 8eichen einge
1) n. T, [III] v. 57 _ 58,
2) Orat. XI. mıyı su Dis pw drmvas.
4) P. 55.
508 Sendfchreiben v. d.
fhnitten, bie dem Überbringer unbelaht waren,
von beiden Königen aber, als Freunden, verflanden
wurden.
$. 112. Auf Täfelchen zu fchreiben war alfo
bei den. alten Griechen, wie er fich. zu behaupten
erfühnet, nicht gebräuchlich, wohl aber unter ben Ber-
fern; und bier verbeffert er, 1) und ich muß geſte⸗
ben, nicht unglüflich, eine Stelle des Alianus, 2)
wo derſelbe von der Befchäfttgung der Könige in
Berfien auf ihren Neifen redet. Es if Diefelbe,
fe wie fie bisher gelefen und verfianden worden,
Diefen Röntgen fchimpflich gewefen. Den dieſer Scris
bent faget,' „ daß diefe Herren auf der Neife feine an⸗
„dere Befchäftigung gehabt, als mit einem Meſſerchen
„in Zäfelchen von Lindenholz zu fchneiben, Damit
„ fie fich der Tangen Weile erwehren möchten, und
„daß fie überhaupt nichts Ernfipaftes leſen und
„etwas Würdiges denken fonten.“ Sch muß gefte-
ben, da man in Leſung der Alten nicht Zeit genug
bat, bie uns anflößigen Dinge, fonderlich weñ fie
nicht zu unferem Vorhaben gehören, gründlich zu
unterfuchen, daß mir diefe Stelle, mo ich mir kei⸗
nen Fehler im Texte einfallen ließ, viel Bedenken
gemachet hat, da man notbwendig ganz anders von
vielen Königen in Berfien, deren Gefchichte ung bee
kañt iſt, denken muß. Herr Martorelli gibt,
Durch eine geringe Anderung in ben Testen Worten
Diefer Stelle, und durch den Bufaz eines einzigen
Morts, derfelben einen ganz andern und würdigen
Verſtand. Er liefet n cs yayzıov vu aus Aoya aıcn
Bureunron, yeada — es führeten nämlich die Kö⸗
nige von Berfien fein Buch bei: ich, Tondern He
macheten fich felbft im Wagen ihre Täfelchenz
ı) P. 63.
3) Var, Hist. L 14. c. ı2.
hereul. Entdek. 209
damit fie etwas Ernſthaftes (ich verſtehe Andern)
von ihren eigenen Gedanken vorleſen, oder et⸗
was Auserleſenes und Merkwürdiges Nenken möchten.
8, 113. Er gibt auch in den Zu ſäzen zu, daß
Wachs tafeln zum Schreiben unter den Römern
und Griechen in fpätern Zeiten der Kaifer
üblich gewefen; meil er eine Stelle in den Acten
des zweiten nicänifchen Soncilii 1) gefunden, welche
man ibm hätte einwenden fünnen. In dem Wette
felbit aber bemerfet er dieſe Art zw ſchreiben
von den älteſten Zeiten der Römer, ?) und
führet aus dem Livius das Bündniß zwifchen den
Römern und Albanern an, zur Seit der Horatier
und Suriatier, welches auf Wachstafeln ver
zeichnet worden.
8: 114, Die mehreiten Vergebungen dieſes Ger
lehrten, und vornehmlich feine Mifhbandlung des
Vaters der Dichter, hat die Begierde, etwas
Neues undUnerwartetes zn fagen, zum Grunde;
andere verleitet zugleich auf eben diefe Abmege der
Mangelan Materie zum Schreiben, welcher im.
einigen Rändern, wie in einigen Klaſſen des Willens,
groß if; und da gefchrieben fein muß, (welches in
Deutfchland und ienfeit der Alpen zur Achtung
nötbiger als in Stalien geworden iſt,) To wirft.
man fih aus Verzweiflung oft auf leere fpeculative
Grillen, oder man fuchet fih, wie Heroſtratus,
an den Denfmalen ber Alten zu verewigen. Don
diefer Art iſt der gelehrte Ruhnken mit feinen Ver⸗
befierungen Les Kallimachus und anderer alten
Dichter. Sch ſelbſt aber köñte mich bier einer un-
zeitigen Ausfchweifung fchuldig machen, die einiger
maßen in einem Sendfchreiben zu rechtfertigen
if; ich Ienfe deswegen wiederum zum Ufer.
1) Act. 4. Conc. Nic. 2. t 8. p. 854. lif. C. edit. Venet.
23) P. 124.
97
216° Sendſchreiben v. d. |
$.115. Eine der nüzlichflen Betrachtungen über
die berculanifchen, Schriften iſt zum dritten die
Art und Weife der Schrift in denfelben, und
dieſe ift vorher förmlich, und hernach mit weni-
gem materialifch, zu unterfuchen. —
$. 116. Hier finde ich im voraus zu erinnern,
daß Herr Martorelli, welcher an dem Orte ſelbſt
it, und die beften Nachrichten hätte haben können,
wider die Wahrheit redet, wen er vorgibt, 1) daß
ſich, auffer den griechifchen und Inteinifchen Schrife
ten, auch andere in einer Uunbekañten Schrift,
und wie er in dem Negifler redet, 2) vielleicht gar
in fabinifcher Sprache finden. Diefes ift falfch.
Dieienigen, welche aufgewifelt find, und andere,
welche ich gefehen und betrachtet habe, find alle
griechiſch. Der gelehrte Mazzocchi ſelbſt glau-
bete in einer Rolle Schrift, mit welcher man einen lä⸗
cherlichen Verſuch machete, wie ich im legten Stüfe fage,
oſeiſche Schrift zu finden. Den fo wie man leicht,
glaubet, was man wünfchet,, und diefer Man ein Ge⸗
webe von pelasgifchen und fremden Herleitungen
der Worte im Gchirne gefponnen bat: fo wollte er zu
Hfeifcher Sprache machen, was unfentlich gema-
het war. Die Offer waren bie Älteilen Völker in Cam⸗
panien. Ferner ift der Leſer vorher zu belehren, daß alle
bereutanifche Schriften nur auf einer Seite gefchrie-
ben find; Fein einziges iſt omscIoypxdos, auf bie
andere Seite gefchrieben, welches vermuthlich
nicht gefchahe auf einfachem Papiere, wie diefes iſt.
Es iſt auch das Beſchriebene auf der innern Seite
-der Schriften; und eben diefes machet es fchmer, die
Art Schrift zu erfennen, ehe man anfangt, dieſel⸗
ben aufzumifeln. Dieienige Schrift, welche auf be i⸗
ı) L. c. p. 3%.
2) P. 40:
- herenl. Entdek. 211
den Seiten war, muß alſo auf dopeltem oder ge⸗
füttertem Papiere geweſen ſein.
8. 117. Me dieſe Schriften ſind in Colonnen
geſchrieben; eine jede derſelben iſt etwa vier gute
Finger breit, ſo viel nämlich ein ſechsfüßiger
griechiſcher Vers Raum erfordert, und eine Colonne
enthält in einigen Schriften 40, in andern 44 gei⸗
len. Zwiſchen den Colonnen ift ein Finger breit
Kaum, und es fcheinet, daß diefelben mit rothen
Linien, wie in vielen Büchern des eriien Drufs ge.
ſchehen, eingefaffet gewefen: den es find die Linien
umber weißlicht, welches eine Wirkung des Feuers
in dem Menige oder im Binober fein wird. Ein
gedrufte Linien aber, wie auf Pergament, um
gerade zu fchreiben , fpüret man bier nicht; und viel⸗
leicht, da das einfache Bapier fcheinet burchlichtig.
gewefen zu fein, bat man fich eines untergelegeten
Zinienblattes bedienet.
$. 118, Bis izo find allererfi vier Rollen Schrif-
ten völlig anfgemwifelt, und es hat ſich befonders ge-
troffen, daß diefelben alle viere von deinem und eben
dem Verfafler find. Er beiffet Bhilodemus, und
war von Gadara in Syrien, von. der Serte
des Epifurus. Eicero, 1) zu deſſen Zeit er lebete/
and Horatius 2) gedenken deſſelben. Es iſt be
kañt, daß die erſte Schrift eine Abhandlung wider
die. Muſik ik, worin der Verfaſſer zeigen will, dafi
Diefelbe den Sitten und dem Stante fchädlich ſei.
Das zweite, melches aufgewifelt murde, mar das
zweite Buch von einer Rhetorik defielben, umd
wie mir verfichert worden, von jemanden, welcher
diefe Schrift nach und nach beim Aufwikeln unter
fuchen fönnen, fo war des Philodemus vornchmite
ı) De Fin. 1,'2. c. ult.
2) L. ı. Sat. 2. v. 121.
212 Sendfchreiben v. d.
Abſicht, den Einfluß zu zeigen, welchen die Be⸗
redfamfeit in Verwaltung des Staats habe: er folk.
in derfelben die Politika des Epikurus und des
Hermarchus anführen. Diedrjtte Schrift, welche
zum Aufwifeln ergriffen wurde, ift das erfle Buch
gedachter Redekunſt, und die vierte Echrift
handelt von Tugenden und Laſtern.
8. 119. Die erfte Schrift bat 40 Kolonnen,
und ift 13 Palme lang; die zwote hat 70 Colon⸗
nen; die dritte wird etwa 12 Palme Iang fein,
und die vierte 30 Balme: ich gebe diefes nur aus
dem gröbften an, weil es nicht Feicht tik, diefe auf-
gewifelten Schriften mit Muße zu ſehen. Nur die
erſte it in einem Schranfe des Muſei aufgehänger,
wo fie in fünf Stüfe gefchnitten, ein jedes von acht
Eolonnen, auf Bapier geleimet, und in Rahmen ges
faſſet if. |
6. 120. Sch Habe oben gefaget, daß das Auf
fere Blatt, und vieleicht noch mehrere, und mit
demfelben folglich auch die Anfchrift, verloren ge=
gangen ift; weñ diefelbe am Ende der Schriften
nicht wiederholet wäre, würde uns der eigentliche
Inhalt und der Verfaffer unbekannt geblieben fein.
Es bat aber eine jede Schrift ihren Titel und
Verfaſſer zum Befchluffe der Schrift gefezet, und
die von Tugenden und Laftern handelt, bat es
zweimal unter einander in Fleinerer und gröfßes
ser Schrift. Inter der erfien Schrift ſtehet:
»IAOAHMOT
TEPIMOTCIKHC
Unter der zweiten von ber Nedetunfß:
PS IAOAHMOT
“NBPIPHTOPIKHC
B.
bereut, Entdek. 213
Das B bedeutet das zweite Su Unter dem
vierten fichet:
$IAOAHMOT
TEPIKAKIANKAITaN
ANAKEIMENaNAPET@NI)
$. 121. In der dritten Echrift fand ich vor
fünf Fahren, da an diefelbe bereits Hand angeleget
war, eine Schrift des Metrodorus von Buch fin.
ben angeführet in folgender Zeile:
METPOAsPOTENTaINEPITPAMMATUaND)
6.122. Die Buchflaben find alle Verfal- oder
Quadratlettern, und bie Worte find weder durch
Punkte oder Kommata von einander abgefondert;
es iſt auch der Bruch der Worte am Ende einer
Zeile nicht angezeiget, und überhaupt ift fein Pras
gezeichen, noch andere, dem Ausdrufe zu helfen,
oder wo die Stimme zu erheben iſt. Die gewöhn⸗
lichen Interfcheidungszeichen wurden häufiger ange
bracht, da die Keñtniß der griechifchen Sprache fiel;
Es finden fi aber über einigen Worten andere ung
bisher unbekañte Zeichen, von welchen ich nachher
reden werde. An der Größe fan ich die Buchſtaben
Angezeigter Schriften mit denen in den feltenen Aus⸗
gaben etlicher griechifcher Erribenten des Laffaris
vergleichen; und dielenigen, welche die berühmte
ältefle Sandfchrift der ſiebenzig Dollmetſcher
. In der vaticaniſchen Bibliothek zu ſehen Gelegenheit
haben, können ſich noch einen deutlichern Begrif von
4) [Über Laſter und daran graänzende Tus en⸗
den.)
2) [Die Schrift ift hier kein Sacfimile, weit daſſelbe nicht
sichtig genug koñte geliefert werben.)
214 Sendſchreiben v. d.
der Form und Größe jener Buchſtaben machen; die
in der Schrift von Tugenden und Lafern find
größer. Es war aber damals fchon die Eurfiv-
fhrift im Gebrauche, wie der unten angeführete
Bers des Euripides zeiget.
8.123. Die Form der Buchflaben ift verfchieden
von dem Begriffe in diefen Zeiten: den die Buch-
fiaben mit bervorfpringenden Stäbchen, als am 4,
find von denen, welche die Schreiberei der alten
Griechen unterfuchet haben, in fpätere Zeiten gefe-
zet, und Baudelot faget kek,1) und ohne Aus—⸗
nahme, daß fo geformte griechifche Buchflaben von
fpätern Zeiten feien. Diele Art ſich auszudrüfen if
befant, und er will damit die legten Zeiten der
römiſchen Kaifer anzeigen. Es ſind alle alte
Tabellen von dem verfchiedenen Alter griechifcher
Buchflaben , die bisher an das Licht getreten find,
fehlerhaft, und dieſes kañ fonderlich aus Münzen
dargethban werden. Das Omega 3. E. gefchrieben w
in Qundratlettern, feget Montfaucon in die Bei-
ten des Domitianus, und es befindet fich bereits
ein paar hundert Babre zuvor auf Münzen ſyri⸗
fher Könige, und in eben der Eurfivform
fichet es in der Infchrift auf dem Nande der
großen Vaſe von Erst im Sampidoglio, welche
Mithridates Eupator, der Teste berühmte Kö⸗
nig von feinem Stamme im Bontus, in cin von
ihm gefliftetes Gymnaſium gefchentet hatte. 2) Es kañ
aber die Unrichtigkeit in dieſer Zeitrechnung zu ſehr
ierigen Begriffen verleiten, wie an dem wunderbar
fchönen Sturze eines Herkules im Belvedere,
oder dem fogenanten Torſo des Michel Angelo,
gefchehen fein würde, wen man fi) Mühe geben
1) Utilit des Voyag. t. 2. p. 127.
2) [Briefe an Blanconi 6. 4.)
hereul. Entdek. 215
wollen, über das. Alter deffelben zu denken, und daf-
felbe aus der Inſchrift des Namens des Künſtlers
an demfelben zu beflimmen gefuchet hätte. Es fchrei-
bet fich derfelbe AIICAAMNIoXV. Wen nun die Form
des Dmega (wo) fo fpät, als man geglaubet bat, in
Gebrauch gefommen, fo würde diefe Statue gema⸗
chet fein zu den Beiten, da man fehwerlich ein fol-
ches Werf Hätte bervorbringen Finnen, und unfere
Begriffe von der Kunſt dieſer Zeiten würden fehr
unrichtig fein. Die befondere Form zeiget fich in
einigen Buchtlaben , als 1) — Das Sigma ift alle
zeit rund. Diefe angezeigeten Buchſtaben find häu⸗
figer auf griechifchen Snfchriften- des zweiten und
folgenden Jahrhunderts der Kaifer , als vor diefer
Zeit, und zuweilen fpringet ein Stab nad) der ent«
gegengeferten Nichtung hervor, wie auf einer irde⸗
nen Zampe. ?)
6. 124. Abbreviaturen oder abgefürgte
Worte finden fih bier, wie in allen andern gries
chiſchen HSandfchriften mit großer Schrift, gar nicht,
fo wie die ält eſten Sandichriften in Eurfivfchrift
auf Pergament wenige oder gar feine haben, und die
häufigen Abkürzungen find mit ein Keñzeichen fpäte-
rer Zeiten, und haben ſonderlich in griechifchen Hand⸗
. fhriften vom dreischnten Jahrhunderte vermünfchete
Züge. Einige Abfürzungen aber tragen zur fchönen
Form der griechifchen Eurfi vſchrift bei, und geben der-
felben eine Runde eine Freihbeitund Verbin⸗
dung.
Über einigen Buchftaben ſtehen Punkte und
Querfiriche, welche wir Accente nennens im⸗
gleichen fiehet man im zweiten Buche der Nedetunft
über einige Worte andere und in Fleinerer Schrift
D ſAbbildung am Ende diefed Bandes unter Numero 12.
2) Passeri Lucern. t. ı. tab. 24
[Man fehe am Ende diefes Bandes Numero 13,}
210 Sendfehreiben v. d.
geſezet; in folgenden zwo Zeilen aus dieſer Schrift
und auf deren zehnten Seite ſiehet man eins und das
andere. 1) — Bon ben drei Punkten über KAI
finde.ich nichts auch nur entfernt zu muthmaßen;
OFKOTYN aber hat offenbar feinen Accent. Die
alteſte griechifche Inſchrift, welche die Accente hat, 2)
ift vieleicht von fpäterer Zeit. Wir willen aber, daß
diefelben in frühern Zeiten im Gebrauch geweſen, ba
fogar die Samniter?) gewiffe Sylben mit den-
felden bezeichneten. Unter den Griechen fchrieb man
einem Ariftophanes von Byzantium, welcher an
zweihundert Sabre vor Chriflt Geburt lebete, die Er-
findung derfelden zu. Es hat auch der Vers 4) des
Euripides;
de iv woDov Bovrsuma Tas moMas xeipas una?)
welcher an der Mauer eines Efhaufes einer Straße
im Hereulano fland, die zum Theater führete, feine
Accente, wie fie gewöhnlich und bier gefezet find.
Bei den Römern war eine Art von Accenten in
ihren befien Zeiten gebraͤuchlich, und die Anfchriften
vom Augufus bis auf den Nero 6) unterfcheiden
fi) durch diefelbe; und blos aus diefem Grunde halte
ich folgende Fürzlich zu Nom gefundene Inſchrift;
weint feine Anzeige von Fahren bat, aus diefer
Seit :
4) Abbildung unter Numero 14 am Ende biefed Bandes.]
2) Fabretti, Inser. p. 288. n. 2ı5.
3) Olivieri Diss. sopra alc. Medagl. Sannit. p. 139. nel.
Tomo IV. delle Dissert. dell’ Accad. di Cort.
4) Pitt. Ercol. t. 2. p. 34. -
5) Diefer Verb if aud ter Antiope: wird aber etwas
anders gefchrieben. Fragnı. Eurip. edit. Lips. Siebelis.
6) Fabsetti, Inser. p. 168. 170. 235.
hercul. Entdek. 217
CELER. PRIMI. AYC. LIB. LIBERTVS,
ET. CEMINIAE. SYNTICHE. COoN
IVGI. ET. FLAVIO. CELERIONI. ET HE
LENE. CELERIWAE. FILIIS POSTERIS.
QVE. SVIS. FECIT.
Es bat alfo ein Gelehrter, D) welcher behauptet, daB
die alten Snfchriften ale ohne Accente find, nicht
viele gefeben. Das übergefchriebene Wort in diefen
zwo Zeilen nebſt gewiffen Buchſtaben, die über ande⸗
ren fliehen, find merkwürdig. In Erflärung derfel-
ben will ich mich nicht einlaſſen; fo viel ſiehet man,
daß es Änderungen und Verbefferungen find,
wie unter andern das m über dem r, welches in rrorısmı
ausgelaffen worden. Man will aus diefen Anderun⸗
gen fchließen, daß diefes zweite Buch der Nede
kunſt der eigenbändige Entwurf des Philo⸗
demus fei, welches nicht fehr unmahrfcheinlich iſt,
und diefes würde zu muthmaßen veranlafen, daß -
das Landhaus, in welchem diefe Schriften gefunden
find, vielleicht gar diefem Philofophen eigen gemes
fen. Diefes aber ließe befürchten , nichts als phis-
Iodemifhe Schriften zu entdefen, da ein bloßer
Zufall ohne Wahl die vier eriien Stüfe von feiner
Feder ergreifen laſſen.
$. 125. So viel von dem Förmlichen der
Ehrift: das Marterialifche derfelben find Dinte
und Feder. Die Dinte der Alten war nicht fo
füffig, wie die unfrige, und war nicht mit Vitriol
gemachet. Diefes Fan erillich aus der Farbe der
Buchſtaben geurtheilet werden, welche ſchwaͤrzer noch
als die gleihfam in Kohlen verwandelten Schriften
find, wodurch das Lefen derfelben fehr erleichtert
wird. Den wen es vitriofifche Dinte wäre, würde
diefelbe die Farbe, zumal im Feuer, geändert haben,
1) Basnage, Pref. a V’Ilist. des Juifs, p. 38.
Winckelmañ. 2. 10
=
218 Sendfchreiben v. d.
und gelb geworden fein, wie es die Dinte in allen
-alten Handfchriften auf Pergament ill. Ferner würde
eine folehe Dinte die zarten Häute des Papiers zer-
frefien haben, wie fie es in Handfchriften auf Häu«
ten gemachet bat; den in dem älteſten Birgilto
und Terentio der vaticanifchen Bibliothek find die
Buchſtaben vertieft in dem Pergamente, und einige
find durchlochert durch die frefiende Schärfe des Vi⸗
triols. ' "
$. 126. Daß die Dinte der herenlanifchen Schrif⸗
ten nicht flüſſig geweſen, zeiget Die Erhobenheit der
Buchſtaben, welche ſich entdefet, wen man ein Blatt
horizontal gehalten am Lichte beſiehet; es find diefel-
ben alt von dem Papiere erhoben: folglich war die-
felbe mehr der finefifchen Dinte als der unfrigen
ähnlich, und eine Art von Farbe. Diefes erbellet
auch aus einer Stelle des Demoftihenes,t) wo ders
felbe dem Afchines vorwirft, daß er aus Armuth
in feiner Jugend fich gebrauchen laſſen, die Schule aus»
zufehren, die Bänfe in derfelben mit einem Schmamme
abzumafchen, und Dinte gu reiben (ro mirav rpßuy) ;
es wurde alfo die Dinte wie Farbe zubereitet, und
Fan alfo nicht fläfftg 'gewefen fein. Eben diefes zeiget
auch die Dinte, welche fich in einem im Herculano ent»
defeten Dintenfaffe befindet, die wie ein difes DL ifl,
und noch izo zum Schreiben dienen Fönte.
S. 127. Es wollte ein Gelehrter zu Neapel muth-
maßen, daß die Dinte der Alten vielleicht der
ſchwarze Saft des bekañten Fifches Sepia ge
weſen fei, welcher Fiſch daher izo auch Calamaro
heiſſet. Dieſer Saft hieß bei den Griechen orcs,
and Heſychius erkläret es were runs anmızz, das
Schwarze der Sepia, und dienet dem Fiſche zu
1) Orat. wear cerir. fl. 4°. a. In. 4. edit. Ald. 1554.
[Man fiche ben 48. der Briefe au Bianconi.]
hereul. Entdek. 219
Mertheibigung wider andere größere Fifche, welche
ihn verfolgen. Es läſſet derfelbe alsdan den Saft
aus der Blaſe von fich, wodurch das Waſſer trübe
und fchwarz wird, und verhindert, daB die andern
Fiſche nicht Teben fünnen. Eben fo wie der Fuchs,
wen ihm die Hunde nachfesen, fein Waſſer Täffet, wel-
che3 durch den flarfen Geruch den Hunden die Färthe
verwirret und dem Fuchſe Gelegenheit gibt, zu ent»
fommen. Wir finden aber vom Gebrauche bieten
Safts zum Schreiben feine Meldung.
$. 128, Das Werfzeng sum Schreiben war eine
fogenante Feder von Holz oder Rohr, wie um
fere Schreibfedern gefchnitten, und zwar mit einem et-
wad langen und nicht ausgehohleten Schnabel:
Eine folche Feder ans Burbaum, wie es fcheinet,
bat fich erhalten, aber if verfeinert, und eine an _
dere ſiehet man auf einem Gemälde 1) an cin Dinten-
faß gelehnet: diefe fcheinet aus den BSliedern, an
derfelben gezeichnet, von Rohr zu fein. Eine. an-
dere Feder hält eine weibliche Figur von gebranter
Erde In der Hand,?) und hier und auf einem ge
ſchnittenen Steine des Rofhifhen Muſei fichet
man, daß die Alten die Federn eben ſo wie wir ge
faffet haben. Der Schnabel muß fehr fpigig gewe⸗
fen fein: den die Buchſtaben find fein gezogen; da
aber bie Feder ohne Spalte war, °) Tote mat
den Buchſtaben nicht fo viel Licht und Schatten ge-
ben, als mit unfern Federn gefchehen fan; es un⸗
wecheden fi ſich die Züge ſehr wenig in der Stärke
er Dife,
3») Pitt. d’Ereol. t. 2. p. 35. [Man vergleihe unter den
Hobildungen die Numer 17.)
2) Ficoroui, Masch. p. 143,
3) [Man vergleiche die Nachrichten ıc. $. 102.
220 Sendſchreiben v. d.
5. 129. Die Zugabe dieſes dritten Stüks mögen
die Palimpſe ſte fein, oder die Tafelamit Wachs
überzogen, worauf man die eriien Entwürfe
der Gedanken fchrieb , um diefelben in dem Wachfe
gefchwind auszulöſchen und zu Ändern: und diefes
gefchahe durch ein Inſtrument, welches keilförmig
it, und eine fcharfe Breite bat: man fiebet es
in Diefem Muſeo wirflich und auch gemalet. Es be-
finden fich unter den Föniglichen Altertümern zu Dres-
den folche vorgegebene Wachstafeln von ziemli-
cher Größe, und mit Riemen sufammengehänget,
nuf welchen man einige alte Züge zeiget; woher, und
wie diefelben dahin gefommen fein, weiß ich nicht,
ich babe fie aber fchon vor meiner Reife nach Stalien
“ für das gehalten, was fie find, nämlih für eine
grobe Betrügerci, wie diejenigen fein müßen,
welche fich in der Bibligthef des Gymnaſti zu Thorn
in polnifch Preußen befinden follen, welches ich che-
mals unter andern, däuchet mich, in Heumañs
Conspectu reipublica literarie gelefen habe. In den
herceulanifchen Entdefungen haben fich wahrbafte folche
Zafeln gefunden, welche umber einen Nand von flar-
Sem filbernem Bleche baben, das Holz aber iſt zu
Kohlen gebrant: es Tagen diefelben im vergangenen
Winter nach in der Borrathsfammer des Muſei. Diefe
Stüfe wurden gefunden, nachdem Herr Martorellt
fein Werk bereits geendiget batte; deñ diefe hätten
ihn überführen follen, daß die Wachstafeln viel
eher, als in den fpätern Zeiten der Grichen und
Nömer, wie er in den Zufäzen feines Werfs ge-
dachtermaßen vorgibt, im Gebrauche gewefen. Aber
da er wider ben Augenſchein einen Skeptikus ma-
chen will, welches Feiner von der alten Secte gethan
bat, fo haften an ihm feine Gründe.
$. 130. Mas endlich zum vierten die Mufwife
lung diefer alten Schriften betrift, fo wurden, um
hercul. Entdek. 221
zu derſelben zu gelangen, anfänglich verſchiedene
Verſuche gemachet; ia noch nachher, da eine ges
raume Zeit auf dem izigen Wege, welchen ich bes
fchreiben werde, gearbeitet war, glaubete man ein
gefchwinderes Mirtel zu finden, und der Einfall war
folgender. Herr Ma zzocchi ließ eine große Rolle
Schrift unter eine gläferne Gloke legen, in der Mei⸗
nung, durch die Hize die Feuchtigfeit, welche fih
etwa im derfelben verhalten Fünte, auszuziehen, wo⸗
durch die Blätter fich von felbit aus einander Töfen
folten. Diefer Berfuch aber mißlang: deñ die Hize
der Sonne zog die Feuchtigkeit heraus, aber zu⸗
gleich die Dinte mit, und die Schrift wurde theils
verworren, theils gänzlich unfcheinbar, und diefe
Buchſtaben ſahe man für oſciſche Schrift an.
$. 131. Endlich wurde ein Vorſchlag, welcher
dem Hofe vorgeleget wurde, gut und ficher gefun-
den, und man Heß den Erfinder unter einem mo
natlihen Gehalte von dreiffig Ducati Napoletani,
nebft freier Wohnung und Beforgung des nöthigen
SHausgeräths, aus Nom nach Bortict kommen. Die
fer ift Bater Antonio Biaggi, ein Genuefer,
son dem Orden Piarum Scholarum, ein Man von
großem Talente, welcher die Stelle eines Scrittore
Yatino und Auffehers der Miniaturgemälde in der
Daticanifchen Bibliothef, unter dem gewöhnlichen
Gehalte der Gerittori, von funfjehen Seudi mo»
natlich, verſabe. Über die Gemälde wurde er ne
gen feiner Sefchiflichkeit im Zeichnen, und auch in
- Diefer Malerei gefezet, und es bat es nicht keicht
jemand höher, als derfelbe, in Nachahmung aller
Art Schriften gebracht. Man zeiget in der DBatie
sauna ein Blatt verfchiedener Schriften in allerlei
Syrachen von deflen Hand, unter welchen die erfte
Seite eines Eleinen türfifchen Gebetbuchs iſt, die von
dem unendlich klein und zierlich gefchriebenen Ori⸗
222 Sendfichreiben v. d.
ginale dafelbſt nicht kañ unterſchieden werden: von
dieſer Art Schrift deſſelben ſiehet man auch ein Blatt
in der Königin Zimmer auf dem Schloſſe zu Portici.
Dieſer Mañ übernahm alſo die beſorgliche, peinliche
und langwierige Arbeit, an welcher er noch fort⸗
fähret, nebit einem Gehülfen, welcher ſechs Ducati
“monatlich bat, und ein jeder von ihnen arbeitet an
einer befondern Nolle Schrift.
$. 132. Das Geflell von Holz zu dieſer Arbeit
gleichet in einiger Entfernung und bei dem erflen
Anblike einer Buchbinderlade, in welcher ein
Buch zum Heften mis deſſen Niemen aufgefpannes
if. Es rubet auf einem Fuße mit einer ausgebre-
beten gewundenen Schraube, um jenes auf die
fem nach Belieben zur Bequemlichkeit drehen zu kön⸗
nen. Auf diefem Schraubengeftelfe beweget fich
ein längliches Brett, auf welchem von icder
ſchmalen Seite deffelben fich sween runde Stäbe
mit gewundenen Schrauben erheben, um ein oberes
Brett vermittelt derfelben hinauf und berunter zu
drehen. In der Mitten des untern Brettes find in
der Länge der Schriften, das iſt beinahe einen Palm
von einander entfernet, und von eben der Höhe, zwo
fleine fählerne Stangen mit Schraubenwerfe fent-
recht befefliget, melche oben ein flählernes Blech, in
Geflalt eines balben Mondes, beweglich haben,
in deren Hohlung die Rolle Schrift geleget wird;
und diefe Bleche find zu mehrerer Borficht mit Baum⸗
wolle bewunden; dieſe Stäbe können unter dem
Brette Höher und niedriger gefchroben werden.
Auffer dem ſchwebet die Schrift in zwei Bändern
eines Fleinen Fingers breit, bie an dem obern Brette,
welches verfchiedene lange offene Einfchnitte bat,
ein iedes an zween Wirbeln, wie die an den Bio»
Iinen find, hindurch, durch diefe Einfchnitte oben
befefliget And, und vermittelt der Wirbel angezogen
hereul. Entdef, 223
und nachgelaffen werden können, damit die Echrift,
die in denfelben hänget, nach allen Seiten, obne
diefelbe zu berühren, fanft gemälget und gedrehet
werde. Auf die Zwiſchenſtäbe der Einfchnitte diefes
obern Brettes find noch andere Eleinere Wirbel, fei-
dene Faden zu drehen, deren Gebrauch ich fogleich
anzeigen werde.
$.133. Weñ nun eine Holle Schrift zum Auf⸗
wifeln aufgehänget if, und das äuſſerſte Ende ge
funden worden, fängt man an, einen Fleinen Flek,
einer Erbfe groß, mit einem gewiſſen Leime durch
einen fanften Pinſel zu beftreichen, welcher die Ei-
genfchaft hat, Inszumeichen und abzufondern, und
zugleich Fleben machet. Zu gleicher Zeit wird an
das. beftrichene Flekchen der unbefchriebenen Auffern
Seite des Papiers (den diefe Seite til, wie oben ge
faget worden, leer, und die Schrift einwärts)
ein Stüfchen von einer dünnen Blafe in der. Größe
der beflrichenen Stelle, oder auch mehrere Eleinere,
geflebet, welches hilft, das befirichene Flefchen Ba-
pier von dem nächtten Blatte, fo weit es beffrichen
if, loszuziehen. Diefe Blafen find von Schweinen
oder auch Schafen, welche insgemein die Goldfchläs
ger brauchen, und werden bier, fo dünne fie immer
fein mögen, zu Fütterung diefes: Papiers, von neuem
in ihrer Dike getheilet und von einander geriffen,
und alsdañ zum Gebrauche in ganz kleine Stüfchen
zerfchnitten. Auf diefe Art fähret man fort, zu be-
fireihen und zu füttern, und wen diefes der Länge
der Schrift nach, etwa einen kleinen Finger breit,
gefchehen if, fo werden an verfchiedenen Orten mit
eben dem Leime feidene Faden an der gefütterten
Seite angeklebet, und diefe vermittelf der Wirbel,
einer nach dem andern, ganz gemach und fanft an⸗
gezogen, wodurch ſich der gefütterte Etreifen Bapice
von ber Rolle vollends. ablöfet, und durch diefe Faden
224 Sendfchreiben v. d.
l .
in die Höhe.gehnlten wird. Diefe Faden halten das
abgelöfete Papier beiländig fenfrecht, und weit end⸗
Lich fo viel von der Holle Schrift abgelöfet worden,
daß es nöthig if, demfelben mehrere Hältniß, als
duch Faden gefchehen fan, zu geben, fo wird das
-Hbgelöfete durch einen der langen Einfchnitte des
obern Brettes gezogen,/ und nach und nach, wie Die
Arbeit zunimt, um einen runden beweglichen Stab
der Walze, die zu oberſt des Geſtelles lieget,
herum geleget, auf Lagen von Baumwolle, fo daß,
"wen die Schrift völlig aufgewifelt worden, diefelbe
fh um diefe Walze berumgeleget befindet. Es
bleiven indeffen die feidenen Faden allegeit nöthig;
den fie dienen allegeit, den Fürzlich gefütterten Their
von dem nächſten Blatte abfondern zu helfen. Don
der Walze wird nachher die Schrift behutfam abge⸗
wifelt, ausgebreitet und abgefchrieben. In vier bis
fünf Stunden Arbeit Fan nicht mehr als ein Fin
ger breit, längſt der Nolle Bapier, gefüttert und
abgelöfet werden, und zu einer Spanne ‚breit wird
ein ganzer Monat erfordert. Diefes ift Fürglich, und
fo viel ohne Abbildung des Werkzeugs gefchehen fait,
ber ganze Proceß des Verfahrens.
$. 134, Es find nächſtdem auch die Schwierig.
Seiten bei dieſer Arbeit zum deutlichen Begriffe von
derſelben anzuzeigen; und dieſe liegen nicht in der
Natur des Papiers, ſondern an deſſen iziger Be—
ſchaffenheit. An ſehr vielen Orten ſiehet daſſelbe,
gegen das Licht beſehen, wie ein zerriſſener Lumpen
aus, und dieſes rühret von der Feuchtigkeit her,
vornehmlich von denjenigen Waſſergüſſen, welche
in Überſchüttung dieſer Stadt durch die Aſche die⸗
ſelbe zu gleicher Zeit überſchwemmeten. Dieſes
Maffer iſt in die Schriften hineingedrungen, und
bat fih in vielen verhalten, und mit ber Zeit die
Blätter mürbe gemachet und serfreffen. Diefer Sch
bereut. Entdel, 925
de Äuffert fich nicht vor der Aufwifelung, deñ man
fönte font Schriften ſuchen, die weniger gelitten.
Die Blätter find dermaßen dünne, daß, wo in ei⸗
nem eine Lüke ift, das folgende, welches unter dem⸗
felben Tieget, mit jenem nur ein einziges Blatt aus⸗
zumachen fcheinet, und die Lüfe gleichfam vol füller.
Daher gefchiebet es, daß, wen der Leim angeflri-
chen wird, wo die Lüfte if, Cda diefelbe felten
fichtbar wird,) von dem unterliegenden Blatte fo
viel als befirichen ift, Losgeriffen wird, und in die
Züfe des obern hineintritt. Hierdurch wird alfo
nothwendig eine Verwirrung, und das untere Blatt
befömt, da wo es vielleicht ganz gemefen, eine Lüke
oder Zoch. Eben fo gefährlich iſt die Arbeit an den
Fugen der auf einander geleimeten Stüfe Papier;
dein wen diefe Fuge durch das Anſtreichen des Leims
anfgelöfet wird, fo Fan es Teichtlich gefcheben, daß
der Leim durch die Fuge hindurch dringet, bis am -
das folgende Blatt, und ein Stüf von demfelben
an das obere, woran gearbeitet wird, anflebet, und
dafielbe aus defien Blatte losreiſſet. Man fichet
aus dieſem Berichte, daß es nicht allein ſchwer ifl,
gefchwinde zu gehen, fondern daß auch nicht vpe
zu hoffen ſei; wenigſtens kañ der Nuzen aus SH
ten, wie die angeseigeten find, weñ fie auch nicht
zerffümmelt und zerfrefien wären, nicht groß fein;
den wir haben mehr als eine Nedekunft von den
Alten, und die vom Artitoteles köñte ung flatt
aller dienen; an Büchern der Moral, und von
Tugenden und Laftern fehler es auch nicht; und
auch bier haben die Schriften des Stagiriten
den Vorzug vor allen.
$. 135. Man wiünfchte Befhihtfhreiber
zu finden, wie die verlornen Bücher des Din
dorus, die Geſchichte des Theopompus und
des Ephorus und andere Schriften, als: des Art
226 — ° Gendfchreiden v. d.
foteles Beurtheilung der. dramatifchen
Dichter, die verlornen Tragödien des Sa
phofles und des Euripides, die Komödien-
des Menanders und des Alexis, die Sym-
metrie des Pamphilus für die Maler, und ei»
nige Werfe von der Baufunft; am einer hypo⸗
hondrifchen und zerfiümmelten Klage wider die
Muſik iſt uns nicht viel gelegen. Man hätte da⸗
ber gewollt, dad, anflatt die entwikelten zu endi-
gen, da man ben gemeinen Vnhalt derfelten gefe-
ben, .nur der Anfang allein von vielen Schriften
aufgelöfet und, unterfuchet worden wäre, bi3 man
einige von nüzlihem Snhalte gefunden hätte, und
an diefen die Arbeit fortzufegen, andere aber, bis
man jene entwifelt, kiegen zu laflen.
$. 136. Die große und fange Erwartung der
gelehrten Welt auf diefe Schriften einigermaßen zu
erfüllen, batte der Pater Antonio Piaggi dem
Borfchlag gethban, das Entwifelte nach und nach
mit Scheidewaſſer in Kupfer zu. äzen und befant zu
machen, damit fich die Sprachfundigen an Erfld-
rung diefer Schriften machen köñten. Er hatte auch
‚eine Colonne der erfien Schrift ſelbſt zur Probe
gedzet,, und feinen Obern vorgeleget; es wurde aber
diefer Wegenicht beliebet, damit den Gliedern der
königlichen Akademie, die fich hierzu tüchtig finden,
diefes vorbehalten bleibe. So viel ich indeffen babe
erforschen können, ift weiter an Bekañtmachung
derfelben nicht gedacht. Gedachter Geiſtliche fähret
fort, ohnerachtet er fein Griechiſch verfiebet, mas
er aufgerwifelt bat, nachzsumalen, und von deſſen
Abſchrift wird es nachher in's Neine gefchrichen.
8. 137. Ich befchließe diefes Sendfchreiben
mit einer kurzen Anzeige von der Einrichtung
des berculanifhen Mufet zu Bortic. Es if
baflelbe aus Mangel des Naums, und wegen ber
bereut, Entdef, 427
großen Menge von allerhand Art Entdelungen ge
theilet, fo daß die Gemälde in befonderen Zimmern
fieben, die mit dem eigentlichen Muſeo feine Ge⸗
meinfchaft haben; diefes aber iſt angeleget is dem
erfien Geſtoke eines Anhanges am königlichen Schloſ⸗
fe, welcher einen vierefigen Hof einfchließet. Diefe
Zimmer find alle gewölbet, und anfänglich waren
nur viere derfelben befezet, nebſt zwo Vorrathskam⸗
mern; izo aber ſind alle Zimmer des erſten Geſtoks
dieſes Gebäudes auf drei Seiten um ben Hof her⸗
um, welches fiebenzehen find, dazu eingeräumet.
$. 138. Der Eingang iſt gegen Morgen und
mit einer Wache befeget; beim Eintritte zur Linfen
in ein Bimmer des Föniglichen Thürhüters, welcher
ein großes eifernes Gitter mit vieler Arbeit von -
Erst eröfnet, um in den Innern Sof zu kommen.
Hier fallt das Bferd von Metalle zuerfi in die
Augen, welches gegen Abend gewandt if, und an
dieſer Seite ſowohl als zur rechten Hand fliehen
Statuen von Marmor, und zwifchen benfelben
und an ber linken Seite fleben alte Einfaffun-
gen von Brunnen, Altäre, Säulen, und
verfchiedene Werke von gebranter Erde, als Gliraria,
Eornifchen von gemeinen Häufen u. f. f. An
eben diefer Tinfen Seite und auch über dem Ein»
gange find alte Anfchriften eingemauert. In
dDiefem Hofe Tiegen auch die beiden Säulen von
Marmor, von dem Grabmale des.Herodes At⸗
tieus und der Negilla, mit der befanten Ins
fchrift, weiche aus dem Balafle Farnefe zu Rom
find hierher gebracht worden; aber man findet bier
feinen Plaz, diefe großen Säulen aufzurichten.
8.159. ber dem Eingange zu dem Mufeo
ſelbſt flehen folgende zween Verſe in vergoldeten
Buchſtaben von Erzt, von dem gelchtten May
goccht gefejet :
258 Sendſchreiben v. d.
HERCVLEAE EXVVIAS VRBIS TRAXISSE VESEVI EX
FAVCIBVS VNA VIDEN REGIA VIS POTVIT.
Ein wiziger Neapolitaner fagete: „man merke, daß
„der Verfaſſer diefes Dikichon auf dem Nacht⸗
„fuble gemachet habe, und man ſtelle fich ihn in
„ demfelben mit Gebärden einer ſchweren Geburt
„por, nie fie fich die Nömer, nach dem Gucto⸗
„nius, in dem Sefichte des Veſpaſianus (ni-
„ tentis) bildeten. *“ Es verurfachen diefe Verſe da⸗
ber auch Andern ein Grimmen, und das zx und
die Verfchmelzung des vorhergehenden Worts in
daſſelbe, bfeiben zwifchen deu: Zähnen hängen;
Das geflifte vınem ſchmeket nach der Schulruthe,
Unterdeffen Fan der Dichter Wegen des Ex ein paar
Derfe des Homerus anführen, welche mit zE. en.
digen. Es geſiel diefe Snfchrift. einer. Berfon, mel-
cher: man auch in Dingen, die fie nicht verfland -
durchaus nicht widerfprechen durfte, und da diefelbe
- mit diefem entfchiedenen Urtheile dem Staatsſecre⸗
tür Heren Marcheſe Tamucei gezeiget wurde, zog
er die Achfeln, entwarf aber mit eben der Fertig-
feit, mit welcher er einen Brief dictiret, folgende
Inſchrift:
AICVIEAE MONVMENTA VRBIS QVO REDDITA FATIE
ESSE TITO CREDAS, REDDITA SYNT CAROLO-
Der Eingang zum Muſev ſelbſt führer zu einer Win⸗
deltrepe, die dDiefem Orte nicht fehr gemäß iſt, und
über derfelben ſtehet eine andere etwas Feidlichere
Snfchrift von dem Dichter der vorigen :
CAROLYS AEX VTIRIVSOVE SIEILIAB PIVS FELIX AVYGVSTVS
STVDIO ANTIQVITATVM INGENSVS avıpqavın VBTERIS SAZAR
EX EFFOSSIONIBVS HERCVLANBNSIBVS POMPEIANIS STABLENSIBYS
CONTRAHERE TOT ANNIS IMPERBIO MAXIMO POTVIT
bereut, Entdek. 229
IN HANC WVSARVM SEDEM TILLATVM SVISQYR Arte
PINACOTHECIS DISPOSITVM
VETVSTATIS AMATORIBYS EXPOSYIT ANNO cId Id cCcuvmi.
Auf der Trepe fliehen die Techs angezeigeten weiblis ..
hen Statuen von Erst.
6.140. Das erſte Zimmer enthält vornehmlich
Dpfergefäße, und in der Mitte fichen zwo runde
marmorne Tiſche, und auf denfelben die zween
Ichönen Dreifüße, nebſt einem runden Focolare von
Erst, ein Bimmer mit Kohlen zum Heizen oder
zu anderm Gebrauche; es hängen auch dafelbf die
gemaleten Mufen nebſt dem Apollo, welche in
dem zweiten Bande der berculanifchen Ge
maälde geſtochen find. Sn dem zweiten Zimmer
find vermifchte Gefäße zu verfhiedenem Ge
brauche, und der Fußboden zu demfelben if das
Thöne Baviment aus der bereulanifchen Billa.
In dem britten und vierten Bimmer iſt das übrige
von Fleinem Geräthe aufgeitellet, und das lezte
Zimmer if} zugleich der Ort, wo an Aufwifelung
der alten Schriften gearbeitet wird. Das fünfte
Zimmer enthält die Bruitbilder von Erst, welde
auf niedrigen Schränken in den Zimmern umher Ile
den, nebſt den Schränfen der alten Schriften, und
der Fußboden in demfelben it ein altes Muſaico
von 30 römifchen Balmen in der Länge und von
16 in der Breite, und dieſes ift zugleich das Maß
des Zimmers. In dem fechften Zimmer flehen die,
alten Leuchter, und in einem zu demfelben gehö⸗
tigen Gewölbe, nach Art einer Küche gebauet, fie
ben und hängen die alten Rüchengerätbe. Sn
dem fiebenten Zimmer ſtehen Werte von Mar
mor, und unter andern dreivierefige Gefäße,
die rund ausgehöblet find, mit einem zierlich aus
geärbeitetet Rande, welche zum Weihwaſſer in
930 Gendfchreiben ©; d.
Zempeln dieneten: es fichet auch bier die hetru—
rifhe Diana. In dem achten Zimmer fichen die
drei fhönten Statuen von Erst, der Sile⸗
sus, der junge Tchlafende Satyr und dr Mer-
curius, nebii den fhönen vier Gemälden,
welche zu Stabia an der Mauer angelebnet gefun-
den wurden. Das neunte Zimmer. wird mir großen
erhobenen Arbeiten von Gyps und mit ſigurir⸗
ten Stüfen Muſaico, die fich erhalten haben, aus⸗
gefeget: unter den erflern ift eine heroiſche Fie
gur, die fih auf ein ovales Schild ſtüzet, an
defien Aufferm Rande ein Haken bänget, das Schild
aufzuhängen, welches ich nirgendwo gefunden habe,
Sn demfelben Zimmer iſt auch eine alte Nifche
von grobem Mufnico, die man völlig bervorgeso>
gen, angebracht; fie hält G Palmen und 5 Zolle
in der Breite. '
$. 141, Die übrigen Zimmer find noch nicht zu
befondern Dingen beſtimt. In dem zehnten flchen
einige erhobene Arbeiten in Marmor von ſchö⸗
ner Arbeit: das eine ftellet einen Satyr vor, wel-
cher auf einem Efel mit einer Glofe am Halfe
reitet; auf einem Felfen flebet ein Herme eines
Briapus, miteinem Horne des Überfluſſes,
gegen welchen der Eſel fchreiet und fein Glied er»
hebet. Ein anderes, im Herculans gefunden, mit
deſſen alter Cornifche umber, zeiget eine halb nakte
weibliche Figur anf einem Seſſel ohne Sehne,
welche auf der Tinfen Hand eine Taube hält, und
mit der rechten mit derfelben fpielet: vor ihr ſte⸗
bet eine befleidete weibliche Figur, welche die linke
Hand auf einen Herme bes Priapus aeleget Bat,
und mit der andern ihr Kin geſtüzet hält. Hinter
jener Figur ſtehet ein bärtiger indiſcher Bak⸗
chus auf einer runden Bafe, und hält eine Echale
in Geſtalt einer Mufchel, wie eine weibliche Fi⸗
hercul. Entdek. 231
sur auf der fogenanten aldovrandiniſchen
Hochzeit: Salbe in eine folhe Schale gießet.
Befonders merfwürdig id Sofrates, welcher auf
<inem Kubo fiet, über welchen eine Löwenbaut
geworfen ift, er bält mit der rechten Hand bie
Schale mit der Cicuta oder Gifte, melden er
zu trinfen verdammet wurde; Über den Arm hält er
in die Quere einen Inotigen Stab geleget. Diefes
Stüf if einen Palm und neun Zolle hoch oder breit,
und menig länger.
8.142, Neben dem erſten Zimmer find zwo
Vorrathskammern, ein Münzkabinet, und eine Sams
lung benöthigter Bücher für den Auffeher. Die
vier erfien Zimmer haben die Ausfiht in den Gars
ten binter dem Schloffe, und auf das ganz nabe
Meer, wo ih die Spize Baufilipo, die Inſel Ca⸗
pri, Sorrento, und der ganze Meerbufen von Nea⸗
pel zeiget: die lezten Zimmer über dem Bortale
gehen auf die Straße. |
8.143. Don den beflen Statuen und Bruſt⸗
bildern hat man angefangen Gypsabgüſſe zu machen,
welche nad) Spanien gefchifet werden, oder befier za
reden, die Formen zu denfelden. Die großen
Statuen von Erst und andere in Marmor find für
wre Galerie beſtimmet, die in demienigen Theile des
vierfeitigen Schloſſes angeleget wird, welches der
vornehmen Seite deffelben gegenüber it. Zu derſel⸗
ben find umber prächtige Säulen von Giallo anti-
co, auch zwanzig von dem feltenen und Foflbaren
Merde antieo-gder Laconico, alle aus einem
einzigen Schafte, beſtimmet, unter welchen fich viere
befinden, die im Valaſte Farnefezu Nom waren;
ern find anderwärts in Nom zufammenge-
bracht. '
$.144, Bu Erklärung. und Beſchreibung aller
232 Gendſchreiben v. d.
dieſer Entdekungen iſt von dem izigen Könige von
Spanien eine Akademie geſtiftet, welche vor fünf
Jahren aus funfzehen Perſonen beſtand, unter wel—
chen der Canonicus Mazzoechi einer der vornehm⸗
fen, und ohne Widerfprudy der gelehrteite iſt.
Diefe Mitglieder verfammeln fich wöchentlich einmal
bei dem izigen Staatsfefretär Seren Marchefe B er-
nard Tanucei aus Florenz, welcher felbft an
Ausarbeitungen diefer Akademie viel Antheil bat
und nimt, wie mir diefer gelehrte Miniſter ſelbſt
gefaget hat. Den da die Erflärungen zu dem erflen
Bande ihm vorgeleget wurden, fand er diefelben fo
ausgedehnet und mit überflüffiger, zuſammengeſtopel⸗
ter Belefenheit überladen, daß er fich - geswungen
ſahe, felbft Sand anzulegen, und mit dem Meſſer
zu arbeiten, um das Unnöthige wegzuſchneiden, und
das Wefentliche enger zufammenzuhringen, und es
ift dennoch wegzunehmen übrig geblieben. _
8.145. Hochgeborner Gray! Aus diefem
Sendſchreiben, welches ich auf dem Lande und
auf einem der prächtigften Luſthäuſer meines Herrn,
und ich Fan fangen Freundes, des Herrn Car⸗
dinals Alerander Albani, zu Caſtel Gan⸗
Dolfo, und folglich entfernt von Büchern, entwor⸗
fen babe, fan mit der Zeit eine ausführlidhere
Abhandlung werden: dei ich werde fuchen, diefe
Schäze von Zeit zu Zeit wiederum zu feben, wel⸗
ches auch diefen Herbſt vielleicht gefchehen wird.
8. 146. Diefer Auffaz, follte derfelbe in einer
fremden und.den Herren von Trevour verfländ-
lichen Tracht erfcheinen, wird feine Gelegenheit ges
ben fünnen zu dem Bormwurfe,!) weldhen mir die⸗
felben über die Befchreibung der ſtoſchiſchen
gefhnittenen Steine gemachet haben. Dieler
ı) Menı. de Trevoux, l’an. 1760. mois de Sept. p. 2119
hercul. Entdek. 233
betrift die ihnen unbekañten Bücher, welche
ich angeführet babe; es wäre vielleicht auch hier ge⸗
fcheben, wen ich mich. in Rom und in meiner Bib⸗
liothek befunden hätte. Gedachte Herren, melche fich
zu Nichtern über alle Art Schriften aufwerfen, kön⸗
nen da, wo fie find, nicht fähig fein, über die von
Altertümern, fonderlich die in dem Size derfelben
ausgearbeitet find, zu urtheilen. Sn Schriften von
derjenigen Modeart, wie Mes Pensces find, haben
feine angeführete Bücher Plaz; aber wo man ander-
wärts befaft gemachete, gut oder übel erflärete
und erläuterte Denfmale, und feine Meinung über
diefelben anzuführen hat, iſt diefes unvermeidlich.
Man hätte vielmehr bemerken follen, daß dieſes
nebſt der übrigen Belefenheir nicht mit dem Safe,
fondern mit der Hand fparfam ausgeftreuet ifl, und.
daB Materie vorhanden mar, ein großes Werf- in
Folio zu fchreiben, wen man fi ch nicht das Geſez
gemachet hätte, nichts mit zwei Worten zu fagen,
was mit einem einzigen gefchehen koñte. Hernach
iſt es ja nicht meine Schuld, daß die Herren Gen»
fores die Bücher, welche ein Antiquarius fen
nen muß, nicht haben noch fennen, eben fo wenig als
ich nicht Schuld habe, daß fie ihre geringe Belefenheit
zu erfennen geben. Dan wirft mir auch die nad
dem Deutfchen fchmefende franzöfifche Schreibart
vor, weldhem Tadel id) gleichwohl in der Vorrede
| buch) [das] offene Bekeñtniß meiner wenigen Übung
in derfelben zuvorgekommen war. Die Arbeit mußte
in einer fremden Sprache entworfen werden, umd
hierzu wurde die franzöſiſche ans vielen Urſa⸗
chen für die bequemfie gehalten. Sch entwarf aus
dem Gröbften, und lich durch einen Sprachfundi-
gen amöbeffern, und in diefer Ausbefferung machete
ich von neuem Anderungen. Sch fchäme mich nicht
zu befennen, daß ich meiner eigenen Mutterfprache
40 *
234 Gendfchreiben v. d. beruf. Endef,
nicht im ihrem völligen Umfange mächtig bin; und
es hat mir hier an vielen Kunſt⸗ und Handwerks⸗
wörtern gefehlet, die ich Teichter im Wälfchen hätte
geben fönnen. -
6, 147. Sollte Shnen, Hochgeborner Gran,
diefes Sendfchreiben noch auf Shren Reifen
eingehändiget werden, fo begleite ich es mit berzli-
chen Wünfchen, daß die ewige Borficht Ihren Schritk
auf allen Wegen richten möge, und Cie gefund und
reich an Erfahrungen, nach, wiederhergeilelletem Frie⸗
den, in unfer gelichses Vaterland, (welches auch
das meinige durch den Aufenthalt und durch .
Wohlthaten gemorden iſt,) mit Ihrem patrioti⸗
fhen Begleiter zurüfbeingen möge, wo auch mein
Fuß zu ruhen wünfchet, und ich hoffe Antbeil an
a eigung, deren Sie mich gemwürdiget, in bes
alten.
Nachrichten.
herculaniſchen Entdekungen,
Herrn Heinrich Füeßly
in garich.
—— —
Te nikil impediat dignam Dis degere vitam,
Zucret.
Rachrichten
von den neueſten
berenulanifhen Entdekungen,
an | |
Herrn Heintih Füchle
in Zürich.
Mir Nachrichten von den hereu⸗—
Lanifen Entdefungen, und von denen, bie
in anderen benachbarten verfchütteten Orten gemachet
find, verhält es fich wie mit Karten von Ländern,
die durch Kriege und Eroberungen mancherlei Schik⸗
fale erfahren, und daher öfters erweitert und ge⸗
Ändert werden müßen. Den vor zwei Jahren Fonte
ich vieles nicht willen, weil es nicht entdefet war,
und in dem bereits Entdefeten koñte ich einiges
überſehen, weil ich ehedem, da ich mich noch nicht
entfchloffen hatte, hierüber zu fchreiben, von mei⸗
nen Anmerkungen nur kurze Anzeigen machete, und
diefelben nicht an dem Orte felbft, wie fie erſchei⸗
nen koñten, ausführeie; für diefes Gefländniß habe,
ich mid, in gegenmwärtigem Entwurfe zu verwahren
gefuchet. Deñ da ich in verwichener Faſtenzeit eine
dritte Neife nach Neapel that, in Gefellfchaft zweier
geliebten und gelehrten Freunde, Herren Doctor Pers
ter Dietrih Volckmañs, aus Hamburg, und
Herrn Seinrich Füeßlys, aus Zürich, babe ich
meine Bemerkungen unverzüglich alſo aufgefezet,
wie ich gedachte, dieſelben öffentlich mitzutheilen.
Rachrichten
von den neueſten
berenulanifhen Entdekungen,
an | |
“Herrn Heinrich Füeßly
in Zürich,
8.1. Mir Nachrihten von den here
laniſchen Entdefungen, und von denen, bie
in anderen benachbarten verfchlitteten Orten gemachet
find, verhält es fich wie mit Karten von Ländern,
die durch Kriege und Eroberungen mancherlei Schif-
fale erfahren, und daher öfters erweitert und ge—
ändert werden müßen. Den vor zwei Jahren koñte
ich vieles nicht wiffen, weil es nicht entdefet war,
und in dem bereits Entdefeten koñte ich einiges
überfehen, weil ich ehedem, da ich mich noch nicht
entfchloffen hatte, hierüber zu fchreiben, von mei⸗
nen Anmerkungen nur Furge Anzeigen machete, und
Diefelben nicht an dem Orte felbft, wie fie erfchei-
nen koñten, ausführeie; für diefes Geſtaͤndniß babe
ih mich im gegenmwärtigem Entwurfe zu vermahren
sefuchet. Dei da ich im verwichener Faſtenzeit eine
dritte Neife nach Neapel that, in Gefellfchaft zweier
geliebten und gelehrten Freunde, Heren Doctor Ber
ter Dietrich Boldmans, aus Hamburg, und
Herrn Seinrih Füeßkys, aus Zürich, habe ich
meine Bemerkungen unverzüglich alſo aufgeſezet,
wie ich gedachte, diefelben öffentlich mitzutbeilen.
238 Nachrichten v. d.
Da ich num zzo noch gar nicht bekañte Entdekungen
beibringe, fo kañ ich mir zu dem gütigen Beifall,
welchen das Sendfchreiben fcheinet erhalten zu
haben, um fo viel mehr in dieſer Fortfesung def
fetben Hofnung machen.
8.2, Für die mir rühmliche Beurtheilung de3
GSendfchreibens in der Bibliothef der ſchö—
nen Wiffenfchaften!) erfenne ich mich höchſt
verbindlich gegen den Heren Verfafter des Auszugs
aus meiner Schrift. Sch wünfchete nur, daß derfelbe,
wie es nicht fcheinet, Gelegenheit gehabt hätte, das
Merk von den berculanifhen Gemälden zu
fehen, weil er von dem Sendfchreiben glaubet,
man finde in demfelben anfehnliche Suplemente zu
jenem Werfe, und mandje Anmerfung, melche der
Zefer hier vergebens ſuchet. Es handeln aber die
Berfaffer des Werfs von den berculanifchen
Gemälden von nichts anderem,. und ich babe in
dem Sendfchreiben kaum mit ein paar Worten
ihre Gemälde berühret. Aus demienigen, mas der-
felbe hinzufüget, köñte es fcheinen, man halte das
Sendfhreiben einigermaßen für einen Auszug
Ans jenem Werke; eg würde mir aber in dem übber⸗
fluſſe von Sachen, über welche ich Schreiben fün-
te, nicht anfiehen, Arbeiten von Andern in’
Kleine zu bringen. "
6.3, Dieſe Nachricht iſt von neuen Ent-
defungen der Städte Herculanuım und
Pompeji; dei das Nachgraben von Etabia bat
'man iso Tiegen laſſen, und ich merfe hier nur bei
4) Die ausführliche Anzeise des Sendfhreibend von
ven bercufanifhen Entdekungen befindet ſich im
4 Stük bed 9 Bandes der Bibliothek der ſchönen
Wiſſenſchaften und der freien Künſte, S. 90—
106.— Eine andere im 16 Theile der Briefe die
neueſte Literatur betreffend, &. 159. Ferne
nenueſt. hereul. Entdek. 939
Gelegenheit an, daB die Anzeige des Galenus
von der Milchene, melde die alten Römer zu
Stabia gebraucheten, 1) fih noch izo beftätiget fin-
det. Dei es wird die Milch der Kühe daſelbſt durch
die Waide auf den nahe gelegenen Bergen beſonders
wohlſchmekend, und was aus derfefben gemachet wird,
wird zu Neapel den Milchiveifen von anderen Orten
vorgezogen. Aus folgender daſelbſt entdefeten ver
fümmelten Anfchrift erfehen wir, daß zu Eta-
bia ein befonderer Tempel des Genius diefes
Orts gewefen : |
D. D
zsıvs. DAPUINIS
- TA/L. DVCERIAR. 52
AEDEM. GENI. STABIAN.
S. MARMOR. . EIA’TA
DE RESTITVIT
6.4. Don Bompeii iſt die eigentlihe Enge
durch folgende Snfchrift, welche im Augufimo-
nate 1763 entdefet worden, auffer allen Zweifel ges
feet. Den da von dem Amphitheater diefer
Etadt feine andere Spur, als eine ovale Vertie⸗
fung, übrig iR, fo foiite vor dem Nachgraben da⸗
felbft die wahre Lage zweifelänft fein, und mas
man anfänglich entdeket hat, gab hiervon feinen
binlänglichen Beweis, welcher durch diefe Snichrift,
und durch bie neueren Entdefungen, welche ich mit«
theile, unmwiderfprechlich wird:
EX. AVCTORISATR
IMP. CAZSARIS
VESPASIANI, AYO.
"Loch. PVBLICA. A. FRIVATIS
a» a2 1 12 DD
ı 3 12 8.»
1) Ongemeur. neyıd. 1. 5. p 48. a. hin. 43. edit. Ald.
| 240 Nachrichten v. d.
FOSSESSA. T. SVEDIVS. CLEMENS
TRIBVNVS. CAVSIS. COGNITIS ET
MENSVRIS. FACTIS. REI
PVBLICAE. POMPEIANORVYM
RESTITVIT
6, 5. Sch bin den Hügel, welchen die Stadt
ganz einnahm, und von dem Meere eine Miglie
entfernet iſt, völlig umgangen, fo daß ich von dem
Etndtthore angefangen, und an daffelbe zurüffchres
te, und diefer Umkreis beträgt 3860 Harfe Schritte.
6.6. Was ich vom dem ehemaligen Enpito-
lio zu Bompeii gedacht babe, hat der Herr Beur-
tbeiler des Sendfchreibens mit dem Ampbhi-
theater daſelbſt verwechfelt; den von dem Capi⸗
tolio ift noch Iso gar Feine Spur vorhanden.
8.7. Aus den neueflen Entdefungen, welche
feit zwei Jahren daſelbſt gemachet find, iſt fehr
mwahrfcheinlich darzuthun, daß diefe Stadt vorber,
ebe fie unter dem Titus in dem Ausbruche des
Veſuvius überfchüttet worden, unter dem Nero
durch ein Erdbeben, wovon die Scribenten melden,
fehr übel zugerichtet fei. Diefe Anzeigen geben die
theils ausgefchnittenen Gemälde aus den Wänden
einiger Zimmer, theils andere Gemälde, die noch
izo dafelbft umher gehakt gefehen werden, welches
von denienigen gefchehen iſt, die diefe Stüfe baben
aushanen und wegnehmen wollen. Eben foldhe Spu⸗
ren fab man an einer Diana mit ein Paar ande
ren Figuren, welche 150 abgenommen ill; es fehlete
diefer Figur auch bereits der Kopf, welcher vor Al-
ters aus der Mauer. gefchnitten war. Dieſes
iſt nicht zu vermuthen, nachdem die Gtadt ver
fchüttet gewefen, fondern muß vorher gefchehen fein,
neueſt. hereul. Entdet. 34
nämlich da diefelbe im Exdbeben gelitten hatte. Diefe
Erfahrung veranlafet, zu muthmaßen, daß es mit
vier zu Stabin entdefeten Gemälden, die bereits aus
der Mauer gefchnitten gefunden worden, und in der
Geſchichte der Kunſt!) umfändlich befchrieben
find, eben dieſe Bewandtniß Habe; das ift, daß
diefelben nicht anderwärts hergeholet find, ſondern
an dem Drte felbfi, wo fie waren abgenommen wor⸗
den. Folglich wird auch Stabia sugleich mit Pom⸗
peji im Erdbeben gelitten haben, und diejenigen ,
welche gedachte Gemälde aus den Trümmern reiten
wollen, werden durch den Ausbruch des Veſuvius,
welcher einige Sabre nachher erfolgete, überrafchet, -
und im ihrer Abſicht gehindert worden fein. Ein
anderes Gemälde, welches in dem zweiten Bande
bereulanifher Gemälde ſtehet,2) wurde zu
Pompeji in einer Kammer an der Mauer mit einer
Klammer befelliget gefunden, welches vielleicht an
eben dem Orte aus einem duch das Erdbeben zer-
trümmerten Gebäude abgensemmen und in ein an—⸗
deres verfezet worden.
$.8 Bin noch flärferer Beweis für dieſe Mei⸗
nung ſind die in den pompejaniſchen Gebäuden man»
gelnden Thürcardini, nebſt den Platten von Erzt,
worin dieſelben ſich drehen, von welchen man in
den Thürfhwellen von Marmor nur die Löcher fand,
ws diefelben eingefezet und gelöthet geweſen waren.
Andere Cardini aber waren geblieben, und es fand
ſich auch Has verbrante Holz von Thüren, woran
ſich nach die erhobenen vierefigen Felder von Holz,
womit dieſelben beſchlagen waren, unterfcheiden Ite-
Gen. Sa in einem unten befchriebenen Gebäude da-
gelb, waren in dem inneren Hofe deſſelben ſogar
2) [17 B. 38 15 —13$ Man vergleiche oben S. 53.]
2) N. 28.
Windelmait. 2. 14
242 Nachrichten v. d.
marmorne Platten ausgehoben und fortgeſchaffet.
Die Verſchüttung dieſer Stadt muß bei Nacht ge⸗
ſchehen ſein, wie man aus einem todten Körper
ſchließen fan, welcher oberhalb der Gebäude, nebſt
einer befondern Lampe von Erst, zu Anfang dieſes
1764 Kahres gefunden worden. ch bedauerte in
dem Sendfchreiben, nur 8 Arbeiter getroffen zu
haben, diefe Stadt auszugraben; es And dieſelben
aber igo über 30 verſtärket.
8.9. Vorläufig merfe der Lefer das Verhält⸗
nif des neapelſchen Palms zu dem römt-
fhen: jener hält 14 römifche Zolle, und tfi
alfo zween Zolle größer als der römiſche Palm.
Diefer aber hat 8 und einen Viertel Zoll des pa⸗
rifer Fußes, und 8 und drei Viertel Zolle des
engliſchen.
Die Abſicht dieſer Nachrichten gehet auf drei
Punkte: auf neu ent dekete Gebäude, auf Bild—
niſſe und auf Geräthe. Die Gebäude ſind
theils öffentliche, theils Wohnungen, deren
genaue Bezeichnung, welche ich zu geben ſuche,
nicht wenig Licht ertheilen kañ zum Verſtändniß alte
Scribenten.
$. 10. Sch fange an bei zwei öffentlichen
Gebäuden, und diefe find das Stadtthor von Bom-
peji, nebft dem Zugange zu demfelben, und das
Theater der Stadt Hereulanım. Dieſes leztere
Gebäude ift in dem Sendfchreiben nur mie im
DBorbeigehen berühret; meine Bemerkungen aber ge⸗
ben vornehmlich auf dasjenige, wovon vor diefer
Entdefung Fein deutlicher Begrif zu geben War;
und diefes if die Scena des Theaters, an deren
Entdefung allererfi vor zwei Sahren Hand geleget
wurde. Wir haben diefes dem unermüdeten Pleiffe
des zu Anfang diefes Fahrs verflorbenen Ingenieur⸗
mniors Herrn Karl Weber zu danfen, welcher
neueſt. bereut. Entdek. 243
auf eigenen Antrieb, und mehrentheils in Feier⸗
abendflunden, die Scena ausgraben Tief, und wir
würden viel eher durch ihm Licht befommen haben,
wen diefe Arbeit, durch deſſen vorgefegeten Obriften,
welcher auf die Ehre diefer Entdefung neidifch war,
nicht mehrmal wäre unterfaget worden. Es hatte
Herr Weber den Anfchlag zu völliger Aufde-
fung des ganzen Theaters gemachet, fo daf
man es ganz auffer der Erde gefehen, und er hatte
nach Kubifpalmen ausgerechnet, daß [fich] ſowohl die
Arbeit, die Lava zu fprengen, als die Koſten des
Anfaufs der Häufer und Gärten, welche über dem
Theater. liegen, nicht über 25,000 Scudi belaufen
würden.
Diefes Theater bat Lucius Mammius auf
eigene Koſten erbauet, wie aus ein paar Snfchriften
zu fchließen iſt; die eine tft in dem Hofe des Mu-
Sei nebſt andern Inſchriften eingeſezet:
L. ANXIVS. L. F. MANMIVS. RVFVS
‚ HAVIR. QVINQ. THEATR. OACH.
Cs - führen zu denfelben 54 hohe Stufen, welche
neuerlich von den Arbeitern in die Lava und in die
gleichfam verfleinerte Erde gehauen find, und durch
dieſe Stiege gelanget man oben auf die ‚Höhe des
Theaters, welches fo tief unter der Erde lieget.
811. . Der Durchmeffer diefes Theaters-von. eis
nem. Ende: des Halbzirfels bis gu dem andern Ende
halt ohngefähr 208 nenpelfhe Palmen, und bie
Form defielben iſt römifch, die fich von dem gries
chiſchen Theater durch die Orcheſtra unterfchel-
det. Die Orcheſtra iſt der concentrifche Naum,
welcher. von dem Halbzirkel der Size umgeben iſt,
and war in römifhen Theatern in der gera
den Linie, welche von einem Ende oder Horne des
244 | Nachrichten v. d.
Saldzirkels bis zum anderen gezogen wird, einge
fchloffen ; in griechifchen Theatern aber Tief dies
fer Raum über den Halbzirfel hinaus, und es mar
folglich die griechifche Orcheſtra größer als die rö-
mifche, weil jene beflimt mar, Tänze daſelbſt aufzu⸗
. führen. Die römifche Orcheſtra aber war der Ort,
wo in Nom die Rathsherrenund vie Veſtalen
ihre Size hatten, wie Vitruvins dieſes deutlich
anzeiget.1) „Die Stufen in der römifchen Or⸗
„cheſtra, ſaget diefer Baumeifter, follen nicht we⸗
„ Niger, als einen Palm, und nicht mehr, als eis
„nen Fuß und fechs Zolle hoch fein.“ Die drei
Stufen der hereulanifchen Drchefira find wenig mehr
als einen halben römifhen Palm hoch. Folglich
waren diefe Stufen nicht die Gefäße ſelbſt, Tondern
im Halbzirfel gezogene Erhöhungen für Seſſel
angefehener Perſonen, welche bier gefezget wurden.
Des Vitruvius Maß deutet eben diefe Ahficht
an, welches nicht die Höhe bequemer Size bat,
und die Stufen wurden niedrig gehalten, damit
die Zufchaner der unterfien Size in dem Halbzirfel
Des Theaters über die Zuſchauer in der Drcheilm
hinweg fehen koñten. In diefer Gegend ift die eine
sella curulis van Erste, in dem Muſeo, gefunden
worden, welches der Siz des Prätors oder des
Duumpirs mar, und fichen geblieben if, da fi
das Volk aus diefem Thenter rettete, bei wahrge⸗
nommenem Ausbruche des Veſuvius.
$. 12, Die römifche Orcheftra erforderte einen
niedrigen Balco, wo die Schaufpiele vorgefiellet
wurden, damit dieienigen, welche dort faßen, in
den Tanzen, die eben daſelbſt aufgeführet wurden,
auch das Spielen der Füße der tanzenden Perſo⸗
nen bemerken konten, und weil in der gricchtichen
ı) L. 5. c. 6 et 8.
neneft. bereut. Entdek. 243
Orcheſtra Feine Zufchauer faßen, koñte der Balco
höher fein. Nah dem Vitruvius ſoll derfelbe
nicht weniger als 10 Fuß, und nicht mehr als
12 Fuß in ber Höhe haben. Die Höhe, oder
die vordere Seite des Balco, hieß UmorKnviov, UNd
war, wie Pollur lehret, mit Fleinen Statuen
befeget, das ift, die Statuen fanden unter dem Palco
in Nifhen. In dem berculanifchen Theater aber
fcheinen bier Feine befondere Zieraten geweſen zu
fein, wenigſtens entdefet man iso nichts an diefem
Theile, wo man nicht annehmen wollte, daß, was
von Figuren im Theater gemwefen, bereits vor Als
ters berausgezogen worden, wie uns die in dem
Sendfchreiben beigebrachte Inſchrift lehret. Der
Kaum zwifchen der Orcheſtra und dem Palco war
mit gelbem Marmor beleget.
$. 13. Der Halbzirfel diefes Theaters hat eben
fo viele Stiegen zu den Sizen, als Vitruvius
angibt, nämlich fieben; eine aus dem Mittelpunfte
gezogen, und drei auf jeder Seite, in gleicher
Weite eine von der andern, welhes Bianchini
in feinem Grundriffe des Theaters gu An
tium nicht beobachtet bat. Die Stufen dieſer
Stiegen find halb fo hoch, als die Stufen ber Size,
zu welchen iene führen, fo daß allegeit zwo Stufen
auf einen Siz gerechnet find. Die Size find an⸗
derthalb neapelſche Balmen hoch, und drei derfelben
breit, welches bas allgemein angenommene DBerhbält-
niß der Maße derfelben if. Da nun fieben Stie⸗
gen zu den Sizen gehen, fo find folglich fechs Ab⸗
fohnitte von Sizen, welche fich über der Orcheſtra
an bis oben hinauf erheben, und weil diefe aus
dem Mittelpunfte des Halbzirkels gezogen, folglich
unten viel enger als oben find, das if, keil för⸗
mis sehen, fo hießen diefe Abfchnitte daher cunei,
eile .
246 Nachrichten v. d.
8.14. Die Verſchiedenheit zwiſchen dieſem Thea⸗
ter, und zwiſchen denen in Nom, auf welche des
Bitrupius Anweifung gerichtet iſt, beſtehet in der
Zahl und in den Neihen der Size. Den in diefen
waren drei Abſäze oder Ordnungen, eine jede von
fieben Reihen Size, von welchen die zwo unteren
Drdnungen, oder die erften vierzehen Reihen Stu-
fen, den Nittern eingeräumet waren, auf dem
oberfien Reihen Sitzen nber ſaß das Volt, und
die bier nicht Raum hatten, flanden auf dem obern
Gange des Halbzirkels.
$.15. Im bereulanifchen Theater erheben fich
16 Neihen Size ununterbrochen über einander, ohne
Abſaz oder Ruheplaz, dod) fo, daß über denfelben
noch drei andere Reiben Size find, zu welchen man
aber nicht von jenen Sizen, fondern durch zwo große
Stiegen gelangete, welche innerhalb des Gebäudes
von beiden Enden des Halbzirkels in den obern ge⸗
mwölbeten Gang führeten, und aus demfelben Gange
gebet man von oben her durch fieben Thüren zu den
fieben Stiegen zwifchen den Sizen, melches der ein-
sige Weg war, zu den Sizen zu Fommen. Aus
biefem Gange gehet man bernach durch zwo engere
Stiegen innerhalb des Gebäudes zu gedachten drei
obern Sizen, melche an den gewölbeten Gang hin-
aufgeführet find, und durd vier Stiegen durch»
fchnitten werden, die, wie jene unteren fieben Stie-
gen, in die Stufen oder Size felbft gearbeitet wor⸗
den. Oben Fonte nicht [eine] gleiche Anzahl von
Stiegen fein, wegen fechs Baſamenten zu chen fo
viel metallenen Bferden, zwiſchen welchen die drei
NReihen Size binaufgehen. Bon diefen Bafamenten
werde ich nachher Meldung thun. u
$.16. An den griechifchen Thentern und zu
Nom war über jeder ſiebenten Reihe der Size eine
höhere und breitere Stufe, welche zum Nuheplage
=
neueſt. hereul. Entdek 247
und nicht zum Sizen dienete, und ſolche Abſäze
hießen durkumorı , precinctiones, Welche fich aber
in unferem Theater nicht finden, wo man nicht
einen Raum von fünf Balmen breit, vor den drei
oberen Stufen, alſo nennen wollte. In dem Then
ter zu Bola in Dalmatien waren zwo Ordnungen,
jede wie gewöhnlich von Heben Neiben Size, und
eine precinctio zwifchen beiden.
8.17, Der gewölbete Gang, zu welchem bie
zwo gedachten Stiegen innerhalb des Halbzirfels der
Size führen, mar auf beiden Seiten fomohl, ale
auf dem Fußboden, mit weiſſem Marmor beleget,
und befam das Licht von aufien her durch vier große
- Hffene Bogen, zwifchen welchen fünf Fleinere Of⸗
nungen oder Fenſter, von zween nenpelichen Palmen
breit, in der Höhe fliehen. tiber und dben auf dies»
fem Gange iſt der offene Gang zu oberſt des Halb»
zirfels.
6.18. Unten auf dem Boden des Halbzirkels iſt
ein dopelter gewölbeter Bang mit Pfeilern, wie in
anderen Theatern, über welche die Size binaufge-
führet Ind, und der äuſſere nnd breitere Gang hat
offene Bogen, bis auf einen an beiden Enden des
Halbzirkels, welcher in Geflalt einer Nifche zuge⸗
manert iſt.
6.19. Was ich izo von den Sizen des Then«
ters, von den Stiegen, welche zu denfelben führen,
von beren Höhe und Abtheilung,, ingleichen von ber
Orcheſtra gefaget habe, mar allgemein bekañt, und
Die Entbefung des hereulanifchen Theaters bat uns
nur den Unterfchied der Size in Fleinen Theatern
auffer Rom,/ von denen in der Stadt ſelbſt, ge⸗
Iehret, und die hereulanifche Orcheſtra gibt uns ei⸗
nen deutlichen Begrif von der Beſchreibung diefes
Theils des römifchen Theaters im Vitruvius.
Aber weder diefer Baumeiſter, noch andere Seri⸗
248 Nachrichten v. d.
benten, die von Theatern reden, fonderlich Pol⸗
lur, foüten verſtanden werden, ohne Unterſuchung
desjenigen, was von der Seena des hereulaniſchen
Theaters entdeket worden. Diejenigen, welche einen
Plan von der Scena einiger in Trümmern übrig
gebliebenen Theater geben, haben aus einigen An—⸗
zeigen mit Hülfe der Einbildung gearbeitet. Dieſes
weiß ich gewiß von der Zeichnung der Scena des
Theaters von Antium, welche der berühmte Bian⸗
chini feiner Erflärung der Infchriften in bem Grabe
male der Freigelaffenen der Livia beigefüget bat,
die uns Feinen Begrif gibt. Der Herr Cardinal
Alerander Albani kieß im Sabre 1718 in den
Trümmern diefes Theaters graben, und fand da⸗
felbft vier Statuen von ſchwarzem Marmor, einen
Supiter Ind einen Aſkulapius, die io im
Campidoglio fliehen, einen jungen Faun und ei»
nen zerilümmelten Ringer mit dem Dlgefäße im
der Hand, welche ergänzet gedachten Herrn Cardi⸗
nals Vila zieren. Bon den Trümmern der Scena
iſt izo weiter nichts zu ſehen.
$. 20. Die Arbeit an der Scena des herculani⸗
fhen Theaters wurde vor zwei Jahren unternom-
men, und es waren damals die Stiegen fichrbar,
die zur Scena führeten; von der Scena ſelbſt aber
war noch nichts ausgegraben.
6. 21. Hier befenne ich mich Öffentlich meinem
Freunde, dem Herrn Marchefe Galiani, dem Ber
faffer der unvergleichlichen italiänifchen überſezung
des Vitruvius, verbunden, welcher mich nebfl
meinen Herren Neifegefährten in bie unterirdifchen
Grüfte diefes Theaters führete, und ung, nach dem
"von Seren Karl Weber binterlaffenen Blan diefes
Gebäudes, die Anlage deſſelben, ſonderlich der
Seena, mit derienigen Deutlichkeit, die ihm eis
gen if, zeigete. Deñ ohne dergleichen Führen IE
neueft. hereul. Entdek. 345
es unmöglich, da man aus einem engen Bande in
den andern Triechen muß, fich einen Begrif nur von
der Gegend, wo man if, geſchweige von dee An⸗
lage eines unbekanten Gebäudes , zu machen.
6.22. Diefer Theil des Theaters bat zwei
Stüfe, die Scena ſelbſt, oder das Gebäude, wel⸗
ches die Scena zierete, und das Brofcenium,
oder Bulpitum, iso Balco genañt, wo die han⸗
deinden Berfonen das Schaufpiel vorſtelleten; die
Länge defielben im bereulanifchen Theater iſt 130
Balmen.
. 6.23. Die Scena, oder bie Facciate der
Scena, mie wir izo reden würden, blieb befländig
unverändert , und mar der prächtigiie Theil im Then
ter, fo daß derfelbe in großen Theatern insgemein
aus drei Drönungen Säulen, eine über bie andere,
befland, und bier maren in dem berühmten Thea»
ter des Marcus Scaurus 360 Säulen angebracht,
weraus man fich von der Größe derfelden Gcena
einen Begrif machen fat, welche größer geweſen
fein muß, als die vordere Seite unferer größten
Palaͤſte. Man verſtehet alfo zugleich deutlicher, mas
Blinins von der übrigen Bracht der Scena dieſes
Theaters berichtet. Der untere Theil, oder bie
untere Ordnung, war von Marmor, der mitt
lere von Glas, und der oberſte war vergoldet.
Diefes war an der inneren Facciata der Scena
und im Angefichte dee Zuſchauer. Maffei!) bes
greifet nicht, auf mas Art in der Scena gedachten
Theaters fo viel Säulen fliehen fönnen. An dem
vorderen Theater der Billa Hadriani zu Tivoli
fcheinet die Scena nur eine einzige Ordnung Säu-
ien gehabt zu haben, und diefe waren dartfch von
etwa vier Balmen im Durchmefler, wie verfchiedene
ı) Antiq. Gall. p. 161.
⸗
250 ‚Nachrichten v. d.
bdaſelbſt ausgegrabene Stüke anzeigen. Sonifche oder
korinthiſche Säulen ſchienen bier anſtändiger gewe⸗
ſen zu ſein.
8.24. An der herculaniſchen Seena if keine
Säulenordnung, fondern Pilaiter, und zwifchen
denfelben Felder, und die ganze Facciata, welche
in der Mitten eine Ausfchweifung nach Art einer
Hifche machet, war mit Marmor befleidet. Sn dere
felben gingen, wie in allen Theatern, drei Thüren
auf das Brofcenium oder Palco; die größere und
mittlere in gedachter Ausfchweifung bieß die Fönig-
fihe Thüre,!) und zwo Thüren auf den Seiten.
Durch die größere Thüre traten die Berfonen der
vornehmfien Handlung auf den Schauplaz; durch
die Thüre zur rechten Hand die Perſonen der zwei⸗
ten Handlung, und durch die Thüre zur Linken die
Perſonen der niedrigften Handlung.
$. 25. Bwifchen der großen Thüre und denen
zur Seiten find Nifchen, in welchen vielleicht Sta-
tuen flanden , von denen ſich aber noch zur Zeit feine
Spur gefunden bat. Die zween Altäre, welche au
der Scena fianden, der zur Rechten dem Bafchus '
gewidmet, und der zur Linken derienigen Gottheit,
welcher zu Ehren, oder an deren Felle das Schaus
fpiel aufgeführet wurde, 2) dieſe Altäre, ſage ich,
landen vermuthlich zwiſchen den Geitenthüren und
zwifchen der Thüre in der Mitten der Scene.
8.26. Das Brofcenium, dee Balco, Bat
auf jeder Seite eine Kammer, wo fich die bandeln-
- den Berfonen aufbielten, welches. diejenigen Orte
zu fein fcheinen, die Vitruvius hospitalia nen»
net, Berrault aber nicht: verfanden bat, und
der Raum zwifchen ber Facciata, der Scena und
ı) Vitruv. 1. 5. c. 6. Pollux, 1. 4. segm. 124.
a) Pollux, I. c. segm. ı23. Acron. in Horat. I. 4. od. 6.
neneft. bereut, Entdek. | 251
zwifchen der dÄufferen Mauer der Scena mar der
Gang aus gedachten Kammern durd) die drei Thüren
auf den Paleo zu gelangen.
5.27. Zwiſchen dieſen Kammern und der Scena
iſt auf beiden Seiten des Balco ein länglicher Raum
von etwa schen Palmen breit. Diefe PBläze nennet
Vitruvius in versüris, 1) and durch diefen Weg
und durch die Thüre in diefelben Pläze wurden die
Maſchinen auf den Palco geführet. Diefe Thüren
dieneten zugleich für dieienigen Berfonen, welche
die Nebenvorfälle des Schaufpiels vorſtelleten, fo
Daß durch die versura zur Iinfen Hand dieienigen
auf den Balco traten, die aus der Stadt Famen,
durch die Thüre zur rechten Hand aber, die aus
dem Hafen angelanget zu fein vorgaben. Hier find
berfchiedene neuere Scribenten, unter anderen der
ältere Scaliger, ?) in große Verwirrung gera⸗
then, welches der Leſer ſelbſt in deren Schriften
prüfen mag.
*8. 28. In eben dieſen Plaͤzen (versuris) ſtan⸗
den mit den Eken derſelben in gerader Linie die
Maſchinen zur Veränderung der Scena, melde
weionTo und exxucinnare hießen. Diele waren
dreiefig, und fanden, mie einige wollen, auf Rä⸗
dern. 3) Die in dem herculanifchen Theater aber
dreheten fich, vermittelft eines runden cardine, oder
bilico von Erste, welcher auf einer eingelötheten
Blatte von Erste lief, wie an den Thürch der Al-
ten; und dieſes ift der Grund von dem Worte ver-
sura, von versare, drehen, umdrehen. Diefes
ift augenfcheiniich aus einem cardine von vier Bol-
ı) L.5. c.7.
2) Pot. l.ı. 21. p. 35.
3) Schol. Aristoph. Acharnę v. 407. Eustath. ad. 11. £.
p. 976. 1. ı5.
252 u Nachrichten v. d.
len eines römiſchen Palms im Durchmeſſer, welcher
an eben. dem Orte, wovon die Rede iß, gefunden
worden; in demfelben flefet nad) das verbrante Holz
von der. mittlern Stange diefer Maſchine. Es wa—⸗
ren diefelben vermuthlich mit Leinewand überzogen,
auf welcher die Veränderung der Seena gemalet
war, fo daß in weniger Seit eine Leinewand abge-
nommen, und eine andere an deren Stelle koũte be-
feifiget werden.
$. 28. In dem berceulanifchen Theater fand
in jeder von deu versursis nur ein einziges folches
Geſtell, wie man theils aus dem einzigen gefunde-
nen cardine, theils aber aus dem vorher angegebe⸗
nen Naume fchließen fan. Der diefem gegenüber-
flehende Raum (versura) ift noch nicht ausgegraben,
und es it alfo zu vermuthen, daB man auch bier
einen cardinem finden werde.
8.30. Hier aber zeiget fih eine -nicht geringe
Schwierigfeit megen des engen Raums befageter
Pläze, wer zu den Thüren derfelben die andern
Mafchinen hineingebracht worden , wie ich zuvor aus
angeführeten Scribenten angezeiget habe. Den die
Geſtelle zu den Veränderungen der Scena flanden
in den versuris den Thüren gegenüber und vor den-
felben, und es bleibet Fein Raum, die Mafchinen
vor jenen Geſtellen vorbei zu bringen. Noch eine
andere Schwierigkeit finder ſich in Abſicht der Loge,
die Pollur “ro nennet, 1) und welche, fo viel
man aus deſſen fehr dunteler Stelle einſehen fan,
über den Thüren geweſen, durch welche bie Mafchi-
nen auf das Theater kamen. Die Benennung diefer
Loge iſt von einem Gezelte oder Hütte herge-
nommen, wie eben biefer Scribent zu verfieben gibt,
und auf einer erhobenen Arbeit in der Vila Pan
ı) L. c. segm. 124. conf. segm. 127.
neueſt. bereut, Entbet, 353
FfFili mit einem Chore tragtfdyer Berfonen, iſt auf
der Seite über einer großen: Thüre eine Loge mit
zinem fpisigen Dache, nach Art der Schäferhütten
vorgeſtellet, und aus derſelben fehen drei Feine Figu⸗
ren mit Larven vor den Gefichtern hervor. We
dieſe Loge aber Uber befageten Thüren geweſen,
hätten die Hreiefigen Mafchinen, die den Thüren
‚gegenüber fanden, verhindert, auf die Scena zu fe
hen, und man würde den Endzwek diefer Loge nicht
einfehen koͤnnen.
$. 31. Auf beiden Seiten gedachter Thüren
Handen einwärts zwo Säulen auf ihren Bafen,
deren Gebrauch und Abficht undefant if. Es müßen
aber diefe vier Säulen an diefen Thüren gewöhnlich
gewefen fein, weil PBlinius von chen fo viel Säu-
Jen aus Dnye in dem Theater des Balbus redet ‚1)
und auch in dem Theater zu Bola fanden fich
vier Säulen, welche iss an dem Altare einer Kir.
he dafelbft angebracht find. Für diefe Säulen fin-
det Maffei, welcher diefe Nachricht gibt, keinen
Plaz in gedachten Theater, 2) und koñte biefes
auch ohne die herenlanifche Entdekunz nicht wifien.
Es muß im übrigen der Gtundriß , welchen derfelbe
von der Scena des Theaters zu Drange ‚gibt,
nicht richtig fein, weil auf der Scena kein Pla
ift, die Mafchinen zu fielen, das iſt, es find eine
versure daſelbſt. Ehen dieſe Bläze find auch in
mehrmal erwähntem Grundriffe Des Theaters vom
Alten Antium nicht angegeben.
$. 82. Während der Veränderung der Scena
wurde, wie auch izo gefchienet, der Vorhang (au-
Izum) heruntergelaflienz diefer Vorhang aber koñte
nicht vor der ganzen Scena gezogen fein, weil es
ı) L. 36. c. 12.
2) Degli Anfit.l 2. p. 333.
252 MNachrichten v. d.
len eines römifchen Palms im Durchmeſſer, welchen
an eben. dem Drte, wovon die Nede iſt, gefunden
worden; in demfelben ſteket noch das verbrante Holz
von der. mittlern Stange diefer Mafchine.. Es was
ren diefelben vermuthlich mit Leinewand überzogen,
auf welcher die Veränderung der Scena gemalet
war, fo daß in weniger Zeit eine Leinewand abge-
nommen. und eine andere an deren Stelle Eoüte bes
feftiget werden.
$. 28. In dem bereulanifchen Theater fand
in jeder von den versursis nur ein einziges folches
Geſtell, wie man theils aus dem einzigen gefunde-
nen cardine, theils aber aus dem vorber angegehe-
nen Naume fchließen fat. Der diefem gegenüber:
fiebende Naum (versura) iſt noch nicht ausgegraben,
und es ift alfo zu vermuthen, daB man auch bier
einen cardinem finden werde,
8.30, Hier aber zeiget fich eine -nicht geringe
Schwierigkeit wegen des engen Naums befageter
Plaͤze, men zu den Thüren devfelben die andern
Mafchinen bineingebracht worden, wie ich super aus
angeführeten Scribenten angezeiget babe. Den die
Geſtelle zu den Veränderungen der Scena fanden
in den versuris den Thüren gegenüber und vor den⸗
felben, und es bleibet fein Raum, die Mafchinen
vor jenen Geſtellen vorbei zu bringen. Noch eine
andere Schwierigkeit findet ſich in Abiicht der Zoge,
die Pollur wrucıov nennet, 1) und welche, fo viel
man aus defien fehr dunkeler Stelle einichen Tan,
über den Thüren geweſen, durch welche die Mafchi«
nen auf das Theater kamen. Die Benennung diefer
Loge iſt von einem Gezelte oder Hütte berge-
nommen, wie eben diefer Seribent zu verfichen gibt,
und auf einer erhobenen Arbeit in der Vila Pan»
1) L. c. segm. 124. conf. segm. 127.
neueft, hercul. Entdek. 353
Fali mit einem Chore tragiſcher Perſonen, iſt auf
der Seite über einer großen Thüre eine Loge mit
seinem fſpizigen Dache, nach Art der Schäferhütten
vorgeſtellet, und aus derſelben ſehen drei Fleine Figu⸗
ren ntit Larven vor den Gefichtern hervor. Wen
Diefe Loge aber Über befageten Thüren geweſen,
‚hätten die dreiefigen Mafchinen, Be den Thüren
‚gegenüber fanden, verhindert, auf die Scena zu fe
hen, und man würde den Endzwek diefer Loge nicht
einfehen fönnen.
$. 31, Auf beiden Seiten gedachter Thüren
fanden einwärts zwo Säulen auf ihren Baſen,
deren Gebrauch und Abficht unbekannt if. Es müßen
aber diefe vier Säulen an diefen Thüren gewöhnlich
gewefen fein, weil Blinius von eben fo viel Säu-
den aus Onyr in dem Theater des Bal bus redet 1)
und auch in dem Theater zu Bola fanden fich
vier Säulen, welche iss an dem Altare einer Kir⸗
che daſelbſt angebracht find. Für diefe Säulen fin
det Maffei, welcher diefe Nachricht gibt, feinen
Plaz in gedachtem Theater, und koñte diefes
auch ohne die herenlanifche -Entdefung nicht wiſſen.
Es muß im übrigen der Grundriß , welchen derfelbe
von der Seena des Theaters zu -Drange ‚gibt,
nicht richtig fein, weil auf der Scena tin Blaz
it, die Maſchinen zu fielen, das ift, es find Feine
versure daſelbſt. Eben diefe Bläze find auch im
mehrmal erwähntem Brundriffe Des Theaters vom
Alten Antium nicht angegeben.
$. 32, Während der Veränderung der Scena
wurde, wie auch izo gefchienet, der Vorhang (au-
Izum) heruntergefafien; diefer Vorhang aber Tote
nicht vor der ganzen Seena gezogen fein, weil es
ı) L. 36. c. 12.
2) Degli Anfit.l 2. p. 333.
254 . Nachrichten v. d.
nicht Yeicht möglich if, ein Tuch von 120 Palmen
lang oder breit, welches die Länge der Scena ill,
aufzuzieben, wozu fich Feine Walze von folcher Länge
halten fan. Es würde auch überflüffig gemefen
fein, die Seena felbft zu verdefen: den die Faccia⸗
ta derfelben, als ein fefles Gebäude, änderte fich
niemals, mie bereits gefaget ift; die Veränderungen
gefchahen nur auf der Seite der Scena, in versu-
ris, und vor biefen Pläzen, und zugleich vor den
dreifeitigen Geftellen zur Veränderung, muß ber
Vorhang beruntergelaffen fein. Diefes iſt auch zu
fchließen aus einer alten Malerei des berculanifchen
Muſei, welche in dem vierten Bande diefer Gemälde
an das Licht treten wird. Es iſt dafelbft ein then-
tralifches Baugerüſte vorgeflelet, dergleichen ver-
fhiedene in den drei erften Bänden vorkommen,
die von der Art find, daß fie nicht im Werfe hätten
fönnen ausgeführet werden, und alfo phantaftifche
Shenterbauftüfe fein müßen; oben über daffelbe iſt
ein Vorhang in die Höhe gezogen.
$. 33. Einige Mafchinen , ald Kraniche, Figu-
ren. in die Luft zu heben, wie wen-Bellerophon
und Perſeus aufgeführet wurden, und bieienigen,
welche donnerten oder Feuer macheten, und derglei-
chen, fcheinen hinter der Scena zwifchen der inne⸗
ren und äuſſeren Facciata ihren Plaz gehabt zu haben,
und an diefem Drte war, wie Pollur faget,!)
die Mafchine zum Donner Andere Mafchinen
aber zur Grfcheinung der Götter waren über der
Seena angebracht, und diefer Ort hieß daher Aoysıov.
$. 34. Noch ein paar Worte find von dem, mas
auswärts an dem Theater bemerfet wird, zu ſa⸗
gen. An allen Theatern war hinter der Scena ein
Borticus oder verdefter Gang angeleget, da-
ı) L. c. segm. 130.
neueft. bereut. Entdek. 255
mit dns Volk, wen ein Negen einfiel, fich unter
demfelben aufhalten fonte. Diefer Borticus war an
dem hereulantfchen Theater gegen das Forum der
Stadt angebauet, und rubete auf dorifhen Säu-
Ien, die gemauert und mit Mörtel und Gypfe über-
tragen waren; es halten diefelben zween nenpelfche
Palmen im Durchmefler, und die Höhe berfelben ift
acht Durchmeffer , welches über die gewöhnliche und
vom Vaitruvius vorgefchriebene Proportion diefer
Säulen gehet. Bis auf das Drittel derfelben find
platte Stäbe durch Einfchnitte angedeutet, welche
zoth angeflrichen find: das Dbere der Säulen iſt
gereift nach dorifcher Art, aber weiß gelaſſen und
nicht angeflrichen. Diele Säulen find gertrümmert
and in Stüfen in den Grüften des Theaters zu fe
ben. Die Defe diefes Borticus war von Holz, und
man fiebet noch iso Stüfe von den verbranten Bal-
fen; unter dem Portico war, wie unter ber See⸗
na, ein Gewölbe.
$. 35. Von auſſen waren an den Pfeilern, zwi⸗
ſchen den Bogen der offenen Gänge unter dem Halb⸗
zirkel, wenig erhobene Pilaſter, nur von Mörtel
und Gypſe gemachet, welche, wie das ganze Theater
von auſſen, roth angeflrichen waren, und eben die-
fen Unftrich haben inwendig die offenen Gänge un-
fer den Sizen. Don den Bilnftern zeiget fich bier
und da ein Stük in den Grüften.
$. 36. Oben auf dem Theater fanden zwiſchen
den oberen drei Reihen Sitzen, an beiden Enden
des Halbzirkels, zwei laͤngliche Baſamente, und zwei
andere in der Mitten, folglich ſechs derſelben, alle
von gleicher Größe, zu eben fo viel metallenen Pfer⸗
Den, aus welchen vor einigen Sahren ein ganzes zu⸗
dammengefeget iſt/ das in bem Hofe des Mufei ftchet. 1)
EB) [Man ſehe oben S. 142 — 145.)]
2566 Nachrichten v. d,
8.37, Von Löchern zu Stangen, elite
Deke über das Theater zu fpannen, wie oben am _
dem flavifchen Amphitheater in Nom End, bat
fih bier Feine Spur gefunden.
$. 38. Auf diefem Theater find nicht allein *
Stüke in römiſcher Sprache, ſondern auch im
griechiſcher aufgeführet worden, mie eine tessera,
oder kleines Täfelchen von Elfenbein mit dem
Namen AICXTAOTY vermuthen läſſet.
8.39. Der Brunnen, welcher Gelegenheit zu
Entdefung des Theaters. gab, fällt gwifchen zwo
Stiegen auf die Spize des Halbzirfels.
8. 40. Das zweite öffentliche Gebäude, wo⸗
von ich Nachricht ertheile, nämlich das Stadtthor
von Bompeit, if für eine fehr erhebliche und merk
mwürdige Entdefung zu halten, ſowohl an fich ſelbſt,
als auch wesen des Zugangs zu demfelben. Die.
fe3 Thor bat drei Durchgänge, den größeren
Bogen in der Mitten, welcher 20 römifche Balmen
weit iſt, und zween zur Seite, von 9 Balmen weit,
die enge und bach find, nach Art der Bogen der
alten Waflerleitungen, Die Tiefe des Thors hält
2A Balmen, und die Dike der Pfeiler 7 und einen
halben Palm. Mitten in den Pfeilern iſt ein Ein⸗
Schnitt oder Falz, wie an den Thoren, in wel-
hen ein Fallgatter berumtergelaffen wird, und
dieſe Thore wurden xarapperraı, 1) saugpaxroı, ports
pendule, recidentes genennet, wie aud die Thore
zu Serufalem gewefen zu fein fcheinen. 2) An einem
alten Shore zu Tivoli ſiehet man diefes augenfchein-
lich. Ganz befonders if die Bekleidung biefer Ein⸗
ſchnitte mit Gppſe, weiches ſich mit Fallgattern
1) Auch noch izo heißt ein Fau ith vr oder Saltsitter
im Staltänifchen cateratta. Fernow.
a) Ps. 24. v. 8. vid. Grotium ad h. L
-
neueſt. hereul. Entdek. 257
nicht wohl reimet, weil man glauben follte, der
Gyps würde durch das Aufziehen und Herunterlaß
fen derfelben fich in weniger Zeit abgeſtoßen haben.
Diefes Auffere Thor hat ein anderes Thor von innen
und von Ähnlichem Gebäude; die Weite von einem
zum anderen find 31 Balmen; es war diefes untere
Thor aber noch unentdefet.
6.41. Von auffen iſt das Thor überweiſſet, und man
fiebet aufder übertüncheten Bekleidung der großen Ona⸗
derſtüke, auf beiden Seiten, Infchriften mit rother Far⸗
be gezeichnet, von welchen aber, aufler Zahlen, nicht
viel keñtlich if; und da der Kalk an vielen Drten
abgefallen, fo ift nichts Verfländliches herauszubrin⸗
sen. Ach Habe indefien bemerfet, daß diefe In⸗
fhriften über andere, welche vorher dafelbit fan
den, gemalet worden, indem diefe durch eine Teichte
Überweiffung ausgelöfchet waren. Man erinnere fih
der Bnfchrift einer Bachtung, die ich in dem
Sendſchreiben angeführet habe,!) unter welcher
. tine andere Infchrift, die vorher auf diefer Mauer
ftand, bervorfcheinet. Es ift diefelbe nicht gänzlich
mit rother Farbe gefchrieben, wie ich dort fage,
fondern mit ſchwarzen Buchſtaben, und es iſt nur
die legte Beile derfelben roth.
$. 42. Durch diefe Inſchrift ſowohl, als durch
jene an dem Thore, wird erläutert, was bisher
nicht Deutlich hat können angegeben werden , nämlich
der Gebrauch bei den alten Römern, die. Veror d⸗
nungen des Prätors in albo befafit zu machen
und anzukündigen, ehe der richterliche Aus
ſpruch geſchah.“) Wen Accurfins Bier eine
weiffe Wand verfianden, fo wird deſſen Meinung
von den Mehrefien verworfen. Andere aber muthr
1) [Oben S. 164. $. 59.
3) Heinece. Anüq. Rom. Jurispr. illustr. p- 49.
Ä 11”
258 Nachrichten v. d.
maßen, dieſe Gewohnheit auch im Plautus ange⸗
zeiget zu finden, jedoch mit einigem Zweifel über
bie Kichtigfeit des Tertes, in diefen Worten deffel-
en: j
— — Ne isti faxim nusquam appareant,
Qui hic albo pariete aliena oppugnant bona.!)
wo die Mehrefien rere, anflatt pariete, leſen, und
gleichwohl faget Suidas ausdrüflich, 2) daß eine
weiffe Wand zu Ankündigung bürgerlicher
Bechäfte gedienet habe. Angezeigete Infchriften he⸗
ben den Zweifel über die Nichtigkeit deg angeführeten
Orts, und beweifen Flärlich die Art, in welcher
öffentlihe Sachen überhaupt, als insbefondere
die Verordnungen des Prätors, auf einer
weiffen Wand geichrieben und angefündiget wor⸗
den, To daß eben diefelbe wetffe Wand der beflän-
dige Drt zu diefem Gebrauche fein koñte: dei man
überweiſſete diefelbe jedesmal, wen eine neue An⸗
fündigung zu machen mar.
: 8.43. Bu diefem Thore führete die gepflaiterte
Straße, von welcher ein beträchtliches Stüf entde-
fet. und geräumet worden. Es iſt dDiefelbe 25 rö⸗
mifche Balmen breit, mit Erhöhungen von Werk⸗
flüfen auf beiden Seiten für die Fußgänger, jede
10 und einen halben Palm breit, welche zu den
‚beiden Eingängen zur Seiten des großen Bogens
führen. : Das Pflaſter iſt fehr ausgefahren, das iſt,
man fiehet in den dicht aneinander gefugeten großen
Steinen ſehr tief eingefchnittene Gleiſe. Die
Steine And wahrbaftige Sana des Veſuvius, und
yon ben Alten; gebrochen, ohne die Art Steine zu
kennen. Diefe, als die .gemeinfie Art derſelben,
2) Perse, Act. ı. $c. 2. v.2t.
2) V. ASuxoMu.
neueft, herenl. Entdek. 259
fiehet, weit fe geſchliffen und geglättet iſt, dem ſäch⸗
fifchen grauen Serpentine am ähnlichiien. Es finden
ſich aber mehrere: Arten in Fleinen Stüfen, und
man zäblet an 300 verfchiedene Vermifchungen,
von welchen befondere Sammlungen gemachet und
verfaufet werden. |
$. 44. Auf der linken Seite diefer Straße,
und unmittelbar an dem Thore und an der Straße,
fiebet ein großes Bafament aus Werfflüfen von
25 und einem halben römifchen Balm in der Länge,
und von 13 und einem halben Balm in_der Breite,
welches geräumlich genug iſt für eine QDundriga,
die hier kañ geflanden haben, wovon fich aber Feine
, Spur gefunden bat. Den da diefes Bafament
nicht über einen Palm unter der Erde fichet, und
folglich was auf demfelben geflanden, aus der Ver⸗
fehüttung hervorgeraget, fo wird daſſelbe weggeführet
worden fein.
$.45. Auf der rechten Eeite der Straße fliehen '
drei Grabmale Das mittlere, welches völlig
entbefet worden, hatte eine befondere Bauart: den
es war von zwei gemanerten Vierefen, eingefchloffen,
von welchen das Äuffeye viel längliche Dfnungen nach
Art der Schießfcharten hatte, und die ganze Mauer
war mit Gppfe überzogen. In der Mitte ſtand ein
rundes Werk, welches das Grabmal felbft war:
dieles Grabmal aber if, ich weiß nicht warum,
niedergerifien worden. Es mar ber Mammia,
einer Brieflerin der Stadt Pompeii, errichtet, wie
eine Inſchrift in großen Buchflaben, von audert-
balb römifchen Palmen lang, zeiget, welche an der
Lehne eines Sizes in einem halben Birfel von
Werkſtüken eingehauen ift, und vor dem Grabmale
ſtand. Die Aufferen Enden diefes Sizes find nad}
Art der Löwentazen genrbeitet, und der Durch
meſſer dieſes Werts iſt an 20 zömifche Balme, und.
maßen, diefe Gewohnheit auch im Plautus ange
zeiget zu finden, jedoch mit einigem Zweifel über
die Kichtigfeit des Textes, in diefen Worten deffel«
en:
— — Ne isti faxim nusquam appareant,
Qui hic albo pariete aliena oppugnant bona. 1)
wo die Mehreften rete, anflatt pariete, leſen, und
gleichwohl faget Suidas ausdrüflich, 2) daß eine
weiffe Wand zu Ankündigung bürgerlicher
Beichäfte gedienet habe. Angezgeigete Infchriften bes
ben den Zweifel über die Hichtigfeit des angeführeten
Orts, und beweifen Flärlich die Art, in welcher
öffentlihe Sachen überhaupt, als inshefondere
die Versrönungen des Prätors, auf einer
wetffen Wand gefchrieben und angefündiget wors
den, fo daß eben diefelbe weiffe Wand der beflän-
dige Drt zu diefem Gebrauche fein koñte: deñ man
überweiffete diefelbe jedesmal, wen eine neue An⸗
fündigung zu machen war. '
: 8.43, Bu diefem Thore führete die gepflaflerte
Straße, von welcher ein beträchtliches Stüf entde>
fet. und geräumet worden. Es iſt biefelbe 25 rö⸗
mifche Palmen breit, mit Erhöhungen von Werk:
flüfen auf beiden Seiten für die Fußgänger, jede
10 und einen halben Palm breit, welche zu den
‚beiden Eingängen sur Seiten des großen Bogens
führen. : Das Pflaſter iſt fehr ausgefahren, das til,
man fiehet in den dicht aneinander gefugeten großen
Steinen ſehr tief eingeſchnittene Gleiſe. Die
Steine And wahrhaftige Lava des Veſuvius, und
von ben Alten; gebrochen, ohne die Art Steine zu
kennen. Diefe, -als die .gemeinfie Art derſelben,
3) Persæ, Act. ı. $c. 2. v. 2t.
2) V. Asyxama, “
neueſt. bereut. Entdek. 259
fiehet, weñ fie gefchliffen und geglättet iſt, dem fäch-
fifchen grauen Serpentine am ähnlichſten. Es finden
ſich aber. mehrere: Arten in Fleinen GStüfen, und
man zählet an 300 verfchiedene Vermiſchungen,
von welchen befondere Samlungen gemachet und
verfaufet werden. |
$. 44. Auf der Tinfen Seite diefer Straße,
und unmittelbar an dem Thore und an der Straße,
fiebet ein großes Bafament aus Werfflüfen von
25 und einem halben römifchen Palm in der Länge,
und von 13 und einem halben Balm in_der Breite,
welches geräumlich genug if für eine Quadriga,
die hier Fan geflanden haben, wovon ſich aber feine
Spur gefunden bat. Dei da diefes Bafament
nicht über einen Palm unter der Erde flehet, und
folglich was auf demfelben geilanden, aus der Ver⸗
fehüttung hervorgeraget, fo wird daſſelbe meggeführet
worden fein. |
$.45. Auf der rechten Eeite der Etrafe fliehen '
drei Grabmale. Das mittlere, welches völlig
entbefet worden, hatte eine befondere Bauart: den
es war von zwei gemauerten Vierefen eingefchlofien,
von welchen das äuffere viel längliche Ofnungen nad)
Art der Schießfcharten hatte, und die ganze Mauer
war mit Gypfe überzogen. In der Mitte fand ein
rundes Werk, welches das Grabmal felbft war:
dieſes Grabmal aber if, ich weiß nicht warum,
niedergerifien worden. Es war der Mammiar
einer Prieſterin der Stadt Pompeii, errichtet, wie
eine Snfchrift in großen Buchfiaben, von audert-
balb römifchen Palmen Tang, zeiget, welche an der
Rehne eines Sizes in einem halben Zirkel von
Werkſtüken eingehauen ift, und vor dem Grabmale
ſtand. Die äufferen Enden diefes Sizes find nach
Art der Löwentazen gearbeitet, und der Durch—
meſſer dieſes Werts tft an 20 zömifche Palme, und
260 \ Nachrichten v. d
es ſcheinet gemachet zu fein, vor dem Grabmale an
der Straße ſelbſt zu figen, und freie Luft zu fchöpfen.
Die Infchrift, welche unabgefezet umbergebet, if
folgende :
MAMMIAE P. F. SACERDOTI. PVBLICKE. LOCVS.
SEPVLTVRAE. DATVS. DECVRIONVM. DECRETO.
In anderen Infchriften findet ſich zwar sacznınos
evarıca, aber mit Beiſaz einer beftimten Gottheit,
als der Ceres, 9) und nicht allgemein, wie
bier, geſezet. Vermuthlich iſt es gleichbedeutend mit
Erzpriefterin in anderen Infchriften, DD und war
etwa einerlei mit sacennos pnıma. 32 Diefer ganze
Salbzirfel ift von Pompeit weggeführet, und in
den Hof des Muſei zu Bortici geſezet. Heben diefem
Size iſt ein anderes jenem ähnliches Werft, aber
ohne Inſchrift, auszugraben angefangen.
8. 46. Näher und unmittelbar am Thore ſtehet
ein Fleines Grabmal, welches aus einem nicberen
offenen Bogen beftehet, mo gegen dem Eingange über
ein cippus fand von 7 und einem halben römiſchen
Palm in der Höhe, mit folgender Anfchrift:
u. CERINIVS
RESTITVTVS
AVYGYSTAL. LOC. DDD.
Mitten in diefem Grabmale fland ein nicbriger
Altar ‚mit vier fogennüten Hörnern, und mit bie
fer Infchrift: |
M. CERINIVS-
. RBESTILVTVS
ı) Spon. Misc. antig. p. 338. 349%
2) Grut. Inser. p. 308. n. 4.
3) Spanhens. Oks. in Callim. hyma. Cer. v. 43. p. —E
neueſt. hereul. Entdef. 261
AVGVSTALIS
LOCO. DATO.
D e D.
sehe Stüfe ſtehen in dem Hofe des bereulanifchen
Mu e e .
$. 47. Bet Gelegenheit diefer Gräber wird nicht
überflüffig fcheinen Finnen, eines rund ummauerten
Blazes zu gedenken, welcher zu Ende. des 1763
Sahres, in der alten verfchütteten Stadt Vellein,
im Herzogtum Piacenza, ausgegraben worden. Der
Durchmeſſer diefes eingefchloffenen Plazes hält ohn⸗
gefähr 100 pyarifer Fuß, und die Mauer, welche
aus großen Quaderſtüken beſtehet, if etwa 4 Fuß
hoch. Zween Eingänge finden fich, einer gegen dem.
andern über, doch ohne Spuren von Thüren; ein
dritter Eingang nber, welcher, wie durch eine enge
Gaſſe, zwifchen zwo Mauern in diefen Plaz führet,
bat eine Schwelle zu einer Thüre. Nahe an einem
der anderen Eingänge iſt eine in Vierek gemanerte
Art von Brunnen. Diefer Plaz dienete wahrfchein«
lich zu Verbrennung der Todten, und wird vermit-
telft gedachten Zugangs zwiſchen zwo Mauern mit
einem Grabmale verbunden geweſen fein, es bie
ein folcher Ort ustrina oder ustrinum, xuvsex. 1)
Derienige, mo ber Körper des Augustus verbrennet
war, lag in dem Umfange feines prächtigen Grab-
mals mit eingefchloffen, und war, wie iener Play,
rund ; 2) zumeilen aber waren dieſe Plaͤze von den
Grabmalen abgefondert. Ein folcher, aber vierefi-
ser Plaz, mit niedrigen Mauern von Quaderſtüken
umgeben, welche auch ehedem nicht höher geweſen,
wie man an der Kape diefer Mauern fichet, welche
1) Ein folder Plaz ward auch bei Pompeis entdett.
Siebelis.
2) Stab. 1. 5. & 3. p. 236. C.’edit, Par
262 Nachrichten v. d.
%
fh an einigen Drten erhalten bat; ein folcher
Plaz, fage ich, lieget nahe an der appifchen Straße,
fünf Miglien auffer Nom, an einem Orte, welcher
in der mittlern Zeit ad statuarias hieß, und glaub-
lich vor Alters gedienet hat, Todte daſelbſt zu ver-
brennen, 1) weil um denfelben herum Trümmer von
alten Gräbern liegen.
8.48. Wei die Nachricht von den üfentlichen
Gebäuden dem Lefer nicht unangenehm und unter-
richtend it," fo wird auch dasjenige, mas ich von
den pompejaniſchen Wohnungen anzeige, ſich
einigen Beifall verfprechen Tonnen. Dieienigen,
welche auffer der Stadt entdefet worden, find Vil⸗
len oder Zuftbäufer, und veranlafien allgemeine
Anmerkungen von den alten Villen überhaupt, und
von denen an andern verfchütteten benachbarten Or⸗
ten, fowohl in Abficht der Lage, als der Bauart.
8.49. Die Luſthäuſer der verfchütteten
Städte, die nicht auf einer Höhe, wie die zu Pom⸗
yeii, Tagen, waren am leere gebauet, und im
daffelbe Hineingeführet, nicht blos zur Luft, und
um bie fühle Zuft der See befler zu genießen, fons
dern, mie es fcheinet, auch zur Gefundheit.
Diefes zu glauben veranlaflen mich die Trümmer von
6 oder 7 Luſthäuſern zwifchen dem Hafen vom alten
Antium, und der Stadt Nettuno, in einer Weite
von anderthalb Miglien, gelegen. Bon. diefen Ge-
bäuden liegen die Mauern zur Zeit der Fluth, welche
in dieſem Meere alle zwölf Stunden fomt, nicht
über ein paar Balmen vom Waller bedefet, und in
der Ebbe, Nachmittag und gegen Abend, auch im
langen Tagen, bei der. Sonmen Mufgang, kaü
man diefelben trofen umgehen. Es waͤre nad, izo
ein Blan von denfelben aufzunehmen, fo. deutlich
1) Fabretti, Inser. 1. 3. p. 176. n. 351.
neueſt. hereul. Entdek. 263
zeiget fich die Anlage derfelben, fonderlich von einem
ZLuſthauſe unmittelbar an dem alten Hafen von
Aſtura, acht Miglien jenſeit Nettuno, welches
eine Villa geweſen, die für eine große Hofſtatt ge⸗
räumlich genug war.
$. 50, Daß aber diefe Gebäude auch vor Alters
eben fo weit im Meere gelegen gewelen, wird deut-
fich durch zwo dife Manern, welche als ein Dam
von dem flachen und fandigen Ufer bis an die Ge⸗
bäude felbft in das Meer hineingeführet find. Die
Abficht der Anlage diefer Lufthäufer ift ohne Zweifel
die gefunde Luft, die durch das beftändige Schlagen
der Wellen beweget und dadurch gereiniget wird , und
die Wirkungen des Pittagswindes weniger empfind-
Sich machet; wie den dieienigen, welche auf dem
Damme des Hafens zu Porto d'Anzo wohnen, Feine
Ungemächlichfeit in der großen Hize empfinden , da
hingegen die auf dem fer felbit leben, Tfelten im
Sommer von Ficbern frei bleiben. Die Billa des
Cicero bei Aftura lag im Meere, wie er felbfk
faget, 1) und Lucullus bauete bei Boin Wohnungen
von feiner Billa bis in das Meer hinein, D wie noch
izo die Trümmer im Waffer bezeugen.
8.51. Das Luſthaus, welches im SHereulans -
entdefet worden, lag an der See, und. aus dem
Garten führete ein langer Gang zu einer runden
Eredra, oder offenen Sommerfize, welcher im
Meere ſelbſt wird angeleget gewefen fein, wie man
ans dem langen Gange fchließen kalt. Diefe Exedra
ag auf einem Werke von 25 neapelſchen Balmen hoch,
und 4 Stufen höher, als der Gang zu derfelben.
Der Boden diefes runden Plazes war mit einer fech-
zehnfachen geometrifchen Hofe von Feilfürmig ge-
») Ad Attic. 1. 12. epist. 19-
3) Plutarch. Lucull. p. 947. 1. 3. ed. H. Steph. [c. 39.]
364 Nachrichten v. d.
hauenem Marmo Africano und Giallo antico, wech⸗
ſelweiſe an einander geſezet, beleget, in 22 Um⸗
kreiſen, ſo daß deſſen äuſſerer Zirkel aus 96 gleich⸗
ſeitigen Dreieken, wie alle anderen Steine deſſelben
find, beſtehet, und das ganze Werk hält 24 römiſche
Balmen im Durchmefler. Da aber die Steine, bis
unmittelbar. zum Plittelpunfte diefer Roſe geführet,
unendlich klein geworden wären, fo iſt in der Mitten
eine andere Art von Roſe angebracht, in deren Um⸗
Ereife fich die Steine der größeren Nofe endigen.
Diefes Werk dienet 150 sum Fußboden in dem zweiten
Zimmer des bereulanifchen Muſei.
$. 52. Die Bauart der Villen war von großen
Wohnungen in den Städten felbfl nicht verfchieden ;
Daher die Nachricht der Anlage von diefer auf jene
zugleich Fan gedeutet werden. Sch bemerfe bier nur
insbefondere die Teiche und die ofenen Waffer-
kanäle in diefen Luſthäuſern, wovon ich in dem
Sendſchreiben !) in den Anzeigen der herculani-
fchen Billa geredet babe. Um die Mauer des Gars
tens war ein fchmaler Waſſerkanal umbergeleitet
fo wie in dem Hofe des Palafles des Aleinous an
den Mauern umber Wafler lief. ) Das Waffer in
den Villen der durch den Veſuvius verfchütteten
Städte war vermuthlich Negenwaſſer und in Ciſternen
gefammelt, wei an diefen Drten, fo wie izo, weder
Duellen noch Flüſſe geweſen find, den Fluß Sarno
bei Bompeii ausgenommen, welcher den Billen auf
der Höhe kein Waſſer geben koñte. Bon Teichen
aus Negenmafler redet bereits der Pfal mifl; 3)
oder in den Zuflbäufern am Meere fan das Waſſer
aus der See geleitet fein, und Columella lehret,
41) [$. 43. ©. 145. $. 45. ©. 148.)
a) Homer. Oduss. H. [VII] v. 329.
3) Pr. 84. v. 7.
neueſt. hercul. Entdek. 265
wie tief die Kanäle zu graben find, um Waffer zu
haben, daher 1) auch die Teiche vollig ausgemauert
zu fein pflegeten. 2)
$. 53. Was insbefondere die Lufthäufer bet
Bompeit betrift, fo find bisher zwei entdeket. Das
erſte, welches man ausgrub, iſt entfernter von der
Stadt, als das andere, und war dermaßen übel zu-
gerichtet, daß man unterlafien hat, die Arbeit fort-
zufegen, und izo find die Trümmer davon durch den
gefunfenen und nachgefallenen Schutt mehrentheils
wiederum bedefet. Merkwürdig aber .mar eine Kam⸗
mer in diefem Bebäude, von welcher die gemalete
Bekleidung der Mauern in Heine Stüfen zgerbrochen
abgefallen war. Die gemaleten Grotteffen,
die man auf diefen Stüfen fiehet, find das Voll⸗
fommenftle, was ich geſehen habe, nicht allein
von alter, fondern auch von neuer Arbeit, auch
der fchönften in der Loggie des Raphaels,
fowohl von Erfindung und von Zierlichfett,
als von Ausführung Es find wahre Minia—⸗
turgemälde; bie Blätter am dem Laub-
werte find mit dem feinſten Geäder angege-
ben, und die Farbe ift wie auf frifch geendigten
Bemälden. Es find einige hundert Fleine Stüfe
zufammengelefen, welche, um fie gu erhalten, ein
jedes insbefondere mit Gypſe auf Schiefer geleget
worden, und 150 fo aut als möglich zufammen-
gefeget werden. UÜberhaupt Fan man fagen, daß die
beſten Gemaͤlde des hereulanifchen Muſei zu Pompeii
gefunden worden; und dieſes find die Tänzeri⸗
nen, nebſt den mänlichen und weiblichen Cen⸗
tauren, auf einem ſchwarzen Grunde. ?)
ı) De re rast. 1.8. c. ı7.
.. 2) 'Pallad. de re rust. 1. ı. c. 17.
3) [Man fehe oben ©. 149 — 150. J
Winckelmañ. 2. ö 12
266 Nachrichten v. d.
8. 54. Die zweite Billa, welche näher au
der Stadt gelegen ift, war bei meinem Dafein noch
nicht völlig entdefet. Der innere Hof derfelben if
31 nenpelfche Palmen lang, und in zwei gegenüber
fiehbenden Zimmern an den Eken dieſes Hofes find
|
|
|
zwei berliche mufaifche Werfe gefunden, welche _
diefe Entdefung fehr merfwürdig machen. Das
erſte Werft, welches daſelbſt, den 28 April 1763
entdefet worden, tft in der Geſchichte der Kunft
umfländlich befchrieben, 1) und ich merke bier nur
an, daß die Arbeit defielben nicht fo unendlich klein
ift, dag man ein Vergrößerungsglas u Be
trahtung derfelben nöthig hätte, wie fchriftliche und
mündliche Nachrichten verficherten; «8 reichet hinge⸗
gen nicht vollig an die Feinheit der befaften Tau⸗
ben des verflorbenen Cardinals Surietti, welches
Stüf nebft den Sentauren deflen Enfel befizet.
Das zweite Mufaico Jag, wie das vprige, in der
Mitte des Kilriche von gröberem Muſgico, und wurde
in meiner Gegenwart den 8 Februar 1764 pöllig
entdefet, fo daß ich und meine beiden Herren Ge⸗
fährten die erfien waren, die es, auſſer ben Arbei⸗
tern, gefehen. Es hält in der Höhe einen rzömifchen
Balm und 10 und einen halben Zoll, und im der
Breite anderthalb Balmen, eine fchmale Einfaffung
ron weiſſem Alabaſter, in der Breite eines Daumes,
mitgerechnet, welche daffelbe umgibt, und mit die
fer Einfaffung ti das Mufaico in dem Boden Des
Zimmers eingefeget worden, Es ift von eben dem
Meiſter des vorigen gearbeitet, wie ber Name
deſſelben.
AIOZKOTPIAHZ ZAMIOZ ETOIHZE
beweifet, welcher zu oberft deſſelben ſtehet, und ſtellet
ebenfalls drei weiblihe Figuren mit Fomi«
1) I7 B. 48 185. und 1238.18 10 9)
neueſt. bereut. Entdef, 267
Then Larsen vor dem Gefichte, nebfl einem
Knaben, vor. -
6. 55. Die erfle Figur zur rechten Hand fizet
auf einem Stuhle shne Lehne, welcher mit einem
Tepiche von dreifarbigen vierefigen MWürfeln im
Geld, Rotb und Fleifchfarbe beleget iſt, wovon
Iange Duäfte an Schnüren berunterhängen. Über
dem Tepiche Tieget ein geflreiftes Polſter in eben
den Farben. Es höret diefe Figur der neben ihr
Ssenden aufmerffam zu, und Scheinet beide Hände
in einander zu ringen, wie in DBerwunderung oder
Beftürzung zu gefchehen pfleget. Die zweite Figur
ſizet Bor einem zierlichen Tifche auf drei Füßen,
auf welchem ein weites Käfichen, und neben dem⸗
felden eine Schale oder Krater ſtehet mit einem
Fuße, welcher unten drei Löwentazen batz zur
Seite Tieget ‚ein Lorbeerzweig. Es hat diefe Figur
ihr geldes Gewand um fich geworfen, und Taget
etwas her, wie die Handlung der Hand ausdrüfek,
Die dritte Figur mit der Larve einer alten Fran
Hält einen Becher in der Hand, und bat ihr gleich-
falls gelbes Gewand Bis auf den Kopf gezogen.
Heben verfelben ſtehet ein Fleiner Anabe in einen
Mantel gewifelt. Unter den Figuren find drei ſtu⸗
fenweis gefegte Streifen, der obere mit abgessgenen
Ochſenköpfen, die mit Nereiden mit zween Fifch
ſchwaͤnzen abwechſeln; auf dem mittleen Streifen
And Breife, die einen runden Schild halten; der
untere Streifen if mit Eierchen und mit fenfrech-
sen Stäbchen wechſelweis gezieret. Diele Streifen
And nur von einer einzigen Farbe, und von der
Art, die wir Grau in Grau nennen. .
$. 56. Bei Gelegenheit des Namens des Künſt⸗
Lers dieſes Werks Fan ich nicht unterlaffen, anzumer-
Ten, daß der Name eines andern Disskorides,
welcher unter dem Auguſtus cin berühmter Künſt⸗
268 Nachrichten v. d.
ler in geſchnittenen Steinen war, zu man—⸗
chen Betrügereien Anlaß gegeben. Dieſes iſt noch
neulich auf einem kürzlich entdeketen Cameo oder
erhoben geſchnittenen ſchönen Kopfe des Caligula
geſchehen, welcher in den Händen Herrn Thomas
Jenkins, eines britiſchen Malers in Nom iſt,
mo jemand ben Namen des Dioskorides einfchnet-
den laſſen, um den Preis deffelben zu erhöhen. Es
if auch für Anfänger gut zu wiffen, daß die Namen
auf erhoben gefchnittenen Steinen gleichfalls er.
boben und niemals tief oder eingefhnitten
gefunden werden. | Ä
$. 57. Das erflere Mufaico, weil es an einigen
Drten ausgebeffert worden, ift bisher feinem Fremden
gezeiget; es finder fih auch am dem Jesteren etwas
nachzubelfen.
$.58. Wir wiſſen, das Kaiſer Claudius bei
Bompeit eine Villa hatte, wo ihm ein Sohn, mit
Namen Drufus, farb, weichen eine Birne erflifete,
die diefes Kind in die Höhe warf, um diefelbe mit
dem Munde zu fangen. 1) Vermuthlich ift eines von
beiden gedachten Luſthäuſern für diefe Villa zu
halten.
$.59. Nicht weniger Aufmerkſamkeit verdienen
zweitens die zu Pompeji ausgegrabenen Woh⸗
nungen in der Stadt ſelbſt, von welchen, da fie
völlig vor Augen, eine genaue Anzeige kañ gegeben
werden, aus welcher die Form alter Wohnungen beut-
lich begriffen wird. Allgemein if zu merfen, daß die
Wohnungen zu Pompeſi ſowohl, als an anderen
verfchütteten Orten, in’s Gevierte gebauet find,
fo daß fie einen inneren Hof (area, cortile) ein
Schließen, um welchen herum die Zimmer geben,
In diefem Hofe gemeiner Wohnungen war oben und
ı) Lipsii antig. lect. La. c. 6,
neueſt. bereut. Entdek. 269
unter dem Dache ein breiter Vorſprung von Brettern
geleget, um unter demſelben vor der Traufe bedeket
zu gehen. in ſolcher innerer Hof hieß daher im-
plurium, auch atrium, von seo, vraıdpv, UNs
ter freiem Himmel.
. 8; 60. Bis izo find allererfi zwo Wohnungen
innerhalb des Thors, und zur rechten Geite deſſel⸗
ben und der gepflafierten Straße entdefet, und beide
nahe an dem Abhange des Hügels, auf welchem die
Stadt lag, und der Eingang in beiden ift von der
Straße her. Das erfle Gebäude hat ein großes
Thor von 10 römifchen Palmen weit, welches uns
mittelbar in den innern Hof deflelben führet. Auf
beiden Seiten diefes Thors if eine Thüre von 5
Balmen breit; die zur Linken aber iſt zugemauert,
und gleichet einwärts einer Niſche. Die andere
Thüre war der Aufgang in die oberen Zimmer, wie
aus einigen Stufen von der Stiege deutlich erfcheinet.
Diefe Art Stiegen, welche durch eine Nebenthüre
unmittelbar von der Gaffe zu den obern Zimmern
führen, And noch izo fehr gemein in Stalien. Vor
dem Thore fiehet man eine große Kornifche mit
Sdhnen von Gypſe, in dem Schutte herabgeſtürzet
iegen.
$. 61. Der innere Hof, deſſen Länge über einige
70 vömifche Balmen betragen wird, iſt ganz und
gar mit einem zierlichen Eftriche von einer Art Kitt
mit gefloßenem Marmor verbunden, und mit will
Türlich eingefegetem vielfärbigen Marmor beleget,
nach der Art, wie in Venedig die Fußboden der
Zimmer in Baläften zu fein pflegen, und wie der»
gleichen in der Vila Albani find. Mitten in dem
Hofe ift ein vierefiger Plaz aufgeriffen, welcher von
einem verfchränfeten Bierate von Muſaico eingefaffet,
it, und man kañ muthmaßen, daß dafelbii Marmor:
platten gelegen, auf welchen eine Cifterne wird ge
270 Nachrichten v. d.
fanden haben, wie ein Eleiner runder Brunnen von
zween Balmen im Durchfchnitte, in einem Eke die-
fes Viereks wahrſcheinlich machet; es iſt derfelbe
mit Fleinen Siegeln ausgemauert. In dem inneren
Hofe einer entdefeten Villa von Gtabia war eine
vierefigte Eiflerne, deren Dach auf gemauerten und
übertragenen Säulen ruhete.
6. 62. Aus dem Hofe gehet unmittelbar der
Eingang in fünf Kammern, auf der einen ſowohl
als auf der anderen Seite, und dem Thore des
Hofes gegenüber find drei andere Kammern, welche
alle einen Fußboden von verfchiedener Art Muſaico
und bemalte Wände haben. Die zweite Sammer
zur Linfen fcheinet ein Schlafgemach gewefen zu fein,
welches man -theils aus einer Hohlung unten in der
Mauer, der Länge des Bettes dadurch Plaz zu ma-
chen, vornehmlich aber aus zwei Eifen , welches die
Füße des Bettgeflelles waren, fchließen fünnen. Ger
dachte Hohlung ift roch angeflrichen, wie die ganze
Kammer unten umber. Die Länge derfelben if 12
ae Balme, und die Vreite 9 und einen halben
m. -
$. 63. Diefe Sammern find alle ausgemalet,
und obgleich die beſten Stüfe für das Mufeum be⸗
reits ansgefchnitten waren, find dennoch fehr ange-
nehme und fchöne Bilder übrig geblieben, unter wel»
chen ich befonders zwo Fleine jugendliche Larven in
den Geotteflen bemerfete. Die Thürfchwellen eini⸗
ger Kammern find fogar von weiſſem Alabailer.
5. 64. Die zweite Wohnung, welche unmit-
telbar an jener Tieget, und mehrentheils ausgegra-
ben if, bat in einer Kammer fchönere Malereien
übrig, als in jenen Kammern find. Es iſt diefelbe
mehrentheils gleichfeitig von 15 römiſchen Balmen
lang und breit; die Länge hat nur 4 Bolle mehr,
als die Breite: die Hauptthüre diefer Kammer iſt 6
nenueſt. hercul. Entdek. 273
Ralmen weit. Hier war die Diana, von welcher
ich oben geredet habe, die man bereits vor Alters
umber bebauen batte, um biefes Gemälde wegzu⸗
nehmen; man fiebet auch ebendafelbft noch eine an-
hun Figur in einem Felde der Wand mit Sieben
umber.
8.65. Über diefe Wohnungen inde ich folgen⸗
de Anmerkungen zu machen. Erſtlich, daß alle
Kammern gewölbet waren; die Gewölber "aber
find, auſſer in Kellern, alle eingeflürzet gefund,
und von den Thüren der Kammern entdefete man
nur verbraütes Hol. Die Pfoſten der Thüren
aber (gli stipiti) waren niemals von Holz, wie
fh Montfaucon einbildet; 1) wie würden ſich
diefelben in gemnuerten Häufern reimen? In dem
Gemäuer finden fich häufig Schlafen vom Veſuvius,
und vielleicht würden auch in den Gewölbern Spu⸗
zen davon fein, wen fich diefelben erhalten hätten.
Unterdefien meldet Bitruvius fein Wort von Er⸗
keichterung der Gewölber vermittelfli der Schlafen,
und Balladius ifl der einzige, welcher von dieſer
Art zu bauen Meldung thut: 2) den diefer lebete
über 100 FJahre nach jenem, da nach dem großen Aus⸗
bruche des Veſuvius unter dem Titus die Schlafen
werden befanter geworden fein. PA
8.66. Zweitens ſiehet man bier augenſchein⸗
lich, daß die fchönften und ganz bemaleten immer,
ſowohl der LZufihäufer aufler der Stadt, als ber
Wohnungen innerhalb. derfelben, Fein anderes
Licht befommen, als allein durch die Thlire, wel-
che daher ungewöhnlich breit und hoch zu fein pfle-
get. Solchen Gebaäuden fonte alfo der Nachbar das
ı) Antiquites expliq. t. 3. p. 125.
2) De re rust. 1. ı. c. ı3.
272 - Nachrichten v. d.
Licht nicht verbauen, welches in Nom die alte Ber-
ordnung: ne luminibus ofliciatur, unterfagete. _
8.67. Sch rede bier ausſchließungsweiſe allein
von den pompeianifhen Gebäuden; dei von
Fenſtern in anderen HSäufern der Alten haben wir
deutliche Anzeigen. Wir fehben aus einem Briefe
des Cicero,1) daß berfelbe mit dem Atticus
nicht einig war fiber die Weite der Fenſter, welche
ein Baumeifler, mit Namen Cyrus, in einem
Zandhaufe, vermuthlich des Cicero, gemachet batte.
2Zaden aber (sportelli) vor die Fenfler von innen,
um das Zimmer dunfel zu machen, welche in allen
Zimmern in Stalien gewöhnlich find, fcheinen die
Alten nicht gehabt zu haben; den Suetonius fa
get,2) Augufius habe, weñ er Mittagsruhe ge-
halten, die Sand vor die Augen geleget, welches
nicht nöthig gewefen wäre, wen die Fenſter ein-
wärts Laden gehabt hätten. Eine ſtärkere Muth-
mafung von dem, was ich glaube, find die Flie
genwedel, wodurch fich dieienigen, die es haben
fonten, bei der Mittagsruhe die Fliegen abwehren
ließen; den im Finfteren find die Fliegen rubig.
Diefer Muthmaßung fcheinet die Beſchreibung, wel⸗
he Ovidius machet, von dem Kichte in feiner
Kammer, da Corinna zu ibm Fam, entgegen zu
fein, den er faget:
Pars adaperta fuit, pars altera clausa fenestr&; 3}
und es müßte auf einen Vorhang gedeutet wer⸗
den, welcher halb vorgezogen geweſen. Diefe Stelle
Ian die obigen Nachrichten nicht ungültig machen.
ı) Ad Attic. 1. 2. epist. 3,
2) Aug. c. 78.
3) Amor. 1. 1. eleg. 5.
neueſt. hercul. Entdek. 273
Bon Vorhängen der Fenſter redet Juvenalis
alfo ausdrüflich :
— — — claude fenestras,
Vela tegant rimas, junge ostia, tollite lumen. 1)
Alles diefes kan zu Verfländniß einer Stelle des
Apollonius von Rhodus dienen, über welche
ſich niemand einen Zweifel hat einfallen laffen. Wei
diefer Dichter die Unruhe befchreibet, welche die in
ZJa ſon verliebete Meden empfand, faget er: „daß
„fie die Nacht vor der angefegeten erſten Tinterre-
„bung öfters von ihrem Bette aufgefianden y um gu
„ſehen, ob der Tag anbreche, und
Ilvxva 8 va xinidas Emy Avsans $vpawy;?)
„Gröfnete oft die Schlöffer ihrer Thüren ; “
das ift, fie hatte nöthig, die Thüre ihres Zimmers
zu eröfnen‘, um den Morgen zu erblifen, weil daf-
felbe one Fenfler war, wie die in den pompejani⸗
fchen Gebäuden. &s kañ alfo das Zimmer, wo ihre
Mägde fchliefen, fein Vorzimmer geweſen fein, wie
es köñte verfianden werden, fondern muß neben
jenem gefeget werden. ?)
8.68, Drittens finde ich anzumerfen, daß
die Schäude ſelbſt ſowohl als die Kammern nicht alle
fommetrifch find, wovon ih den Grund nicht
einfehen fon. Man fan nicht fagen, daß derglet-
chen Anlage blindlings gemachet worden, da die Li-
nien des Fußbodens von Muſaico in den Kammern
in rechten Winfeln gezogen worden, wodurch die
Ungleichheit der Kammern noch deutlicher wird.
Den Dangel der Symmetrie babe ich auch an an⸗
deren alten Gebäuden bemerfet, und unter anderen
ı) Sat. 9. v. 105.
2) Argonaut. 1. 3. v. 821.
3) [Man vergleiche die Anmerkungen über HHeBam:
Funft ic. 6. 60 — 62.]
—*
\
27h Nachrichten v. d.
an den Trümmern des Theaters zu Albano, deſſen
Bogen und die Pfeiler zwiſchen denfelben nicht von
gleicher Weite und Dike find. Es find fogar die
Pilaſter im Pantheon nicht von gleicher Breite,
und einige Kapitäler reichen nicht völlig. an dag Ges
bälfe, welches die Säulen tragen folen. Man be-
merfet auch an dem fogenanten Foro des Tempels
des Serapis zu Pozzuolo, daß deſſen Plaz nicht
völig ein gleiches Maß hat, und Biefes ohne alle
Urſache, weil nichts im Wege fand, die völlige
Symmetrie zu erhalten.
$. 69, Zum vierten babe ich bemerfet, daß
ber Fußboden von Mufnico in den Kammern einen
ſehr merflihen Abhang gegen die Schwelle der
Thüre hat.
870. Die fünfte Anmerfäng betrift die Ge⸗
mälde auf der Dauer, welche in den pompejani⸗
fchen Gebäuden nicht auf naffe, fondern auf tra.
fene Gründe gefezet find, wie man augenfcheinlich
fiebet an der Farbe, welche abgehet, wen fie mit ci»
nem genezeten Finger gerieben wird. Es ift zu be
Hagen, daß dieienigen Gemälde, welche nicht be-
trächtlich geachtet werden, und nicht für das könig⸗
liche Mufeum beflimmet find, auf ausdrüflichen
Befehl der Föniglichen Regirung zerfeget und ver⸗
derbet werden, damit diefelben nicht in fremde Hände
gerathen.
8.71. Der zweite Punkt biefer Nachrichten
find die Bildniffe, unter welchen ih Statuen,
Figuren und Bruftbilder begreife. Cs find
zwar feit zwei Sahren keine beträchtliche Stüke vor
Bildhauerei entdefet worden; aber es verdienen ei»
nige, welche ich in dem Sendfchreiben übergan-
gen habe, angezeiget zu werben, und bei anderen,
welche ich bereits bemerket habe, wird entmweber eine
neueſt. beren!, Entdek. 275
senauere Befchreibung, oder eine Erläuterung nicht
überflüſſig fcheinen können.
$. 72. Bon großen Statuen in Erzt, welches
mehrentheils Eniferliche Bildniffe, aber von mittels
mäßiger Arbeit find, and von anderen in Marmor,
die für bie Galerie im Schloffe zu. Portict beſtim⸗
met waren, find izo 18 ergänzet. Die Säulen vor
gelbem Marmor zur Auszierung diefer Galerie find
nicht von @iallo antico, fondern es ift dieſer gelbe
Marmor bei Gefunldo in dem bergigen Apulien ge
brachen, und von diefer Art find 32 Säulen dafelbft
aus einem einzigen Stüke. Da aber diefer Theil
des neuerbaueten Schloffes einzufallen drohete, und
deßwegen auf Stüzen gefeset werden müßen, ifl man
genöthiget worden, Diele lange Galerie in fünf Zim⸗
mer zu. tbeifen, folglich wegen bes Verhältniffes dag
Gewölbe zu erniedrigen, und gedachte Säulen nebſt
denen von Verde antico find hier weiter nicht anzu⸗
bringen.
6.73. Dieienigen weiblichen Statuen von
Erst, welche um einen Teich in einer hereulaniſchen
Villa fanden, und igo auf der Trepe zu dem Diufeo
aufgeftelet worden, find der Beichreibung des Lon⸗
aus!) von Statuen der Aymphben fehr Abnlich,
und werden dafür zu Kalten fein, da diefe mie jene
um einen Teich flanden.
$. 74. Der Unterleib des fchönen betrunkenen
Silenns von Erst ift mie ein Schlauch gefentet,
in den Schenfeln aber ift die Sigenfchaft der Sa⸗
tyre oder Faune ausgedrüfet in der Schnelligkeit
des Gewächſes. Es fiel mir damals nicht bei, wo
von der Statue des Sardanapalus geredet
wird, 2) die fo wie der Silenus, über ben Kopf
ı) Pastoral. l. 1. p- 6. edit. Hanor. 1608. 8.
2) (Man fehe oben S. 155— 156.)
. 276 Nachrichten v. d.
en Schnipchen fchlägt: Plutarchus zeiget die-
fes an in angeführeter Stelle. 1) Man fan fagen,
der Silenus fet gelehrt, fo wie der Mercu-
rius ſchön heiſſen kañ; doch iſt er nicht fo ſchön,
daß er eine Begeiſterung und eine Beſchreibung im
erhabenen Style hätte erweken können, wie jemand
von demſelben zu leſen gewünſchet hätte.
SG. 75. Seit zwei Sahren find zu Pompeji zwo
weibliche bekleidete Figuren von gebrafiter Erde,
fünf und einen römifchen Balm hoch, entdeket, wel-
che tragifche Larven vor dem Gefichte ben.
8,76. Unter den Eleinen Figuren gab ich eini⸗
sen Begrif von einem vermeineten Alegander zu
Bferde in Erst, nebſt einem anderen- Abnlichen
Pferde, aber ohne Figur; jenes verdienet: eine ge-
nauere Befchreibung. Das ganze Werk hat einen
römifchen Palm und zmölfthalb Zolle in der: Höhe;
das Pferd iſt einen Balm und 9 Zolle lang. Der
linke Arm der Figur, welcher mangelt, 309, wie
man fiehet, die Bügel an fih, um den Xauf des
Bferdes einzuhalten; der rechte Arm iſt erhoben, wie
im Werfen eines Wurffpiehes. An dem Bferde feh-
Ien die zwei hinteren Beine, das übrige iſt vollig
erhalten. Die Bügel, die Zieraten auf der Etirne
des Pferdes, an ben Kiñbaken, welche wueniov beim
Homerus heiffen, das Gebiß und der Bruffriem ,
(reradvor) alles iſt mit Silber ungemein zierlich aus-
geleget, es find auch die Augen des Pferdes, mit
Andeutung des Sterns in denfelben, von Silber
eingefeget. Mitten auf dem Bruflriemen, wo an
Bferden auf erhobenen Werfen und gefchhittenen
Steinen ein halber Mond zu hängen pfleget, iſt ein
fchöner Kopf einer Bakchante mit Epheu befrän-
zet, erhoben in Silber gearbeitet, und an beiden
ı) De Fortt. Alex. 2. c. 3. p. 599.1. 19. edit. H. Steph.
neueſt. bereut. Entdek. 277
Seiten dieſes Riems ſind Windungen oder Gelenke
(gangheri) angedeutet, welches zeiget, daß ein fol-
her Bruflriem von Erzte gewefen. Der vermeinte
Alexander hat feinen kurzen Mantel (chlamys)
auf der linken Schulter mit einem filbernen platten
Knopfe zufammengehänget, und unter dem Mantel
iſt Dee Panzer. Inter der Bruſt gehet ein Band,
am, wie es feheinet, den kurzen Degen zu tragen,
welcher unter der linfen Bruſt herabhänget. Die
Beine find befleider - mit geichnüreten Halbſtiefeln
(cothurni militares), wie man bdiefelben an einigen
Statuen bewafneter Saifer ſiehet. Das Pferd,
welches im Springen iſt, ruhet auf einem Nuder,
deſſen Stange unter dem Bauche flehet, und das
breite Ende auf der mit Silber eingelegeien Baſe.
Diefes Nuder wird feine Bedeutung haben.
8.77. Eine Figur von Erzt, die dem fchönen
und kunſtvollen Briapus in dem herculanifchen
Mufeo vollig Ähnlich ift, auch in der Größe, befin-
det fih in dem Fircherifchen Muſeo des Eollegii Ro⸗
mant zu Nom. Sie ſtellet einen Sänger vor, wel-
cher mit eigenem Vergnügen auf der Leier fpielet,
and einen Ring durch die Vorhaut feines Gliedes
gezogen bat.1) Es waren viel Sänger, wenigiteng
zur Beit der römifchen Kaifer, wie izo, verfchnit-
ten,d) und Plautianus Tief diefes auf einmal
mit hundert jungen Knaben, und mit verheirathe-
ten römifchen Bürgern machen, um der Blautil-
Ta, feiner Tochter und des Caracalla Gemahlin,
als Sänger zu dienen. Insgemein aber wurde den
Sängern, wie es gedachte Figur hat, ein Ring an⸗
4) [Dentmale, Numero 188.)
#2) Heins. Introd. in Hesiod. c. 6. p. 14. seq. ed. Plan-
tin. 1603. 4.
280 Nachrichten v. d.
ältere Setpio Africanus auf feinem Landhauſe
ſtarb, gefunden worden, und aus dieſem Grunde ſoll
dieſer Kopf den beſageten Seipio vorſtellen. Ein
Bildniß eines großen Mannes muß es ſein, weil es
ſo oft wiederholet iſt. Faber, welcher die Bild⸗
niſſe berühmter Männer, die Fulvio Orſini ge
ſammelt, mit deſſen Erklärungen, aber unter fei-
nem eigenen Samen, berausgegeben, beutet auf
den Kopf von Bafalt die Nachricht des Pli⸗
nins, wo er faget, daß der jüngere Seipio
Amilianus Africanus (Africanus sequens) fid)
alle Tage den Bart fcheren lafien; 1) damit aber diefe
Stelle zu feinem vermeineten Kopfe des Älteren
Seipio paflen möchte, läffet er das Wort sequens
aus. Es fan alfo, der Nachricht des Blinius zu-
folge, befageter Kopf und viele, die ihm Abnlich
find, vielmehr den jüngeren Scipio vorfellen,
welcher vermuthlich das Landhaus des Älteren
Seipio befeffen, und diefes fein Bildniß daſelbſt
hinterlaſſen bat.
$. 80. Die Kufchrift des Namens des Künfllers
Apollonius an einem andern diefer Bruflbilder
ftebet in einer Reihe, wie ich diefelbe überfchifete,
und nicht in drei Reihen abgeſezet, wie es im
Druke erſchienen if.)
S§. 81. Es iſt auch eine ſchöne wohl erhaltene
Bafe von Marmor anzuführen, welche über 3 Pal⸗
men hoch ift, mit einem Batchanale in flach er-
hobener Arbeit umber. Das Befondere auf derfel-
ben ift eine Bakchante, die mit einem Knie auf
einem Schlanche figet; Diefes war eine Art von Tanz,
welcher xuxorsacer hieß, nämlih auf aufgebla-
fene Schläuche fpringen.
ı) [Plin. 1. 7. c. 5n.]
2) [Man fehe oben S. 158, wo biefer biäher fortbeitandene
Sehler berichtiget worben.)
neueſt. hercul. Entdek. 281
6. 82. Bu beträchtlichen Entdekungen von Sta-
tuen und Bildniffen iſt zu Bompeit, den oben an-
gegebenen Nachrichten zufolge, wenig Sofnung
übrig, und eben fo wird es fich mit andern ver-
fchütteten Orten verhalten, wo nicht Landhäuſer
entdefet werden, wo man in Abwefenheit der Beſi⸗
zer nicht Anflalt machen können, dergleichen zu ret-
ten, da der Unfall diefe Drte betraf.
S. 83. Hieraus wird begreiflich, mas ich ander-
wärts gefnget babe, daß in und um Kom öfters
mehr in einem Monate, als dort in einem ganzen
Sabre gefunden wird. Geit meiner Nüffunft von
Neapel, das if, feit drei Monaten, da ich diefes
ſchreibe, ift eines der größeſten und Alteflen erhobe⸗
nen Werfe, die in der Welt find, in Nom ausge
graben, welches izo in der Billa des Herrn Cardi⸗
nals Alerander Albani ſtehet. Es ſtellet daf-
felbe in Figuren von Zebensgröße einen iungen Held
vor, welcher nur wie mit einem leichten Hemde ohne
Armel befleidet ift, und ein Pferd im Laufen einhal⸗
ten will, Dieſe Figur fchläget auf einen andern
jungen Held zu, welcher von dem Pferde gefallen
fcheinet, und mit der einen in feinem Gewande, ges
wifelten Hand den Schlag abzuwehren fuchet. Über
die eigentliche Bedeutung deffelben Habe ich noch
nicht mit mir eins werden können, weil diefe Vor⸗
fiellung auf mehr als eine ‚Begebenheit der alten
Heldengefchichte Fan gedeutet werden. Sch fage der
Heldengefchichte, welches widerfprechend fcheinen
fönte, da ım Homerus vom Reiten zu Pferbe
-feine Meldung gefchichet, und daher insgemein ge-
glaubet wird, das Gefecht auf Wagen fri Alter,
als zu Pferde. Lucretius aber behauptet das
&egentheil,i) wie es nuch aller Wahrſcheinlichkeit
) L. 5. p. 206. lin. 4. edit. Paris. 1944. 12-
12*
282 Nachrichten v. d.
gemäß if. Ferner iſt eine weibliche Figur in lan—⸗
gem Kleide mit geraden Falten, balb fo groß, ale
die Natur, tim alten Style gearbeitet, aber ohne
Kopf, ebendafelbfi gefunden worden. Buona⸗
roti hält eine Ähnliche Figur auf einer Münze!)
für eine Diana: es köñte diefelbe die Yuge, des
Telephus Mutter, vorfielen. Auch diefe Figur
bat gedachter Herr Kardinal an fich gebracht. Das
Merkwürdigſte aber ift eine Fürzlich zum Vorſchein
gefommene Venus, welche bereits ermähnter Herr
Zenkins erhandelt bat, fo vollfiändig erhalten,
daß ihr kaum ein Finger fehler, und von fo hoher
Schönheit, daß fie alle Statuen diefer Göttin, ſo⸗
gar die mediceifche, verdunfelt. Sie iſt in voll⸗
fommenem Gewächſe von iungfräulicher Bildung,
und der Kopf hat den Reiz der Venus obne Li
fie, fo daß diefelbe mehr Ehrfurcht als Begier-
De erweket. Kan eine Venus ber genriefenen Kunſt
des Brariteles würdig geachtet werden, fo iſt es
diefe; den höher Fan die dee, welche mit Bildern
alter möglichen Schönheit angefüllet tif, nicht ge
ben.) Infchriften und gefchnittene Steine will
ich nicht erwähnen, weil diefe nicht alle befant wer⸗
den. Der fchönfte aber, welcher im Yunius gefun⸗
den worden, iſt ein Cameo in einen Ning zu faſſen,
mit einem Bakchanale, und wird auf 100 Zecchini
gefchäzet. Sch hoffe, man wird mir dieſe Ausſchwei⸗
fung bier verzeihen.
6. 84. Der vierte Bunkt diefer Nahrichten,
von den Geräthen, iſt von meiten Hm-
fange, und ich will diefelben eintheilen in Geräthe,
die zum heiligen Gebrauche beflimmet waren,
1) Osserv. sopra alc. Medagl. d’Anton. Pio.
2) [Man vergleihe deu Br. an Wiedewelt v. 24 Mb
u. an Riedeſel v. 23 Juni 1764.]
neneft. hercul. Entdek. 283
und in diejenigen, die zum gemeinen Gebrau—⸗
che dieneten.
6.85. Bon Geräthben der erfleren Art
finde ich nur zwei lectisternia und Weihwaſſer⸗
gefäße-angumerken. Die Bedeutung und ber Ge⸗
brauch des lectisternii fege ich bei dem Leſer voraus.
Das größere hereulanifche ift von Erste, von 5 rö⸗
miſchen Palmen hoch, von A Palmen lang, und
drittehalb breit; die oberen Stäbe an der vorderen
Seite deſſelben ruhen auf zween fchönen Pferdekö⸗
pfen, die an ber hinteren Seite aber auf Schmanens
füpfen. Das kleinere, ebenfalls von Erzt, bat die
Geftalt eines Bettgeſtelles nach alter Art mit vier
Säulen, und würde ohne deflen muthmaßlicdhen Ge⸗
brauch, als ein Spielzeug für Kinder angefchen
werden Finnen. Wir wiſſen, daß in iedem Haufe
die Penates befonders verehret wurden, und daß für
diefelben befondere zdicule oder Capellen gebauet
waren.
6.86. Die Gefäße zum Weihwaſſer (aquamina-
ria, zepipparsngia) find ebenfalls in bürgerlichen Woh⸗
nungen gefunden; den die römischen Familien hat⸗
ten eine jede ihre eigenen sacra privata, einen hei-
ligen Herd, wo Feuer unterhalten wurde, ihre
Altäre, ia fogar befondere Fefltage, und einige biel-
ten eigene SHauspiefter. 1) Es find diefe Gefäße
theils von Erst, theild von Marmor; das: größte
son Erzt iſt eine zierlich gearbeitete runde Schale,
von vier Balmen im Durchmefler , inwendig in der
Mitten mit filbernem Laubwerke ausgeleget, und fie
het in dem erfien Zimmer des Mufei. Voñ diefer
Schale hat fi das Fußgeſtell nicht gefunden; an⸗
dere kleinere von Erst aber haben dafielbe, und die
größte von diefen iſt mit zwo Handhaben. Die von
1) Reines. Inser. Class. 5. n. 53.
282 Nachrichten v. d.
gemäß if. Ferner ift eine weibliche Figur in lan⸗
gem Kleide mit geraden Falten, balb fo groß, als
die Natur, tim alten Style gearbeitet, aber ohne
Kopf, ebendafelbft gefunden worden. Buona⸗
roti bält eine ähnliche Figur auf einer Münze!)
für eine Diana: es köñte diefelbe die Auge, des
TDelephus Mutter, vorſtellen. Auch diefe Figur
bat gedachter Herr Kardinal an fich gebracht. Das
Merfwürdigfie aber if eine Fürzlich zum Vorſchein
gefommene Benus, welche bereits ermwähnter Herr
Zenkins erhandelt bat, fo vollfländig erhalten,
daß ihr Faum ein Finger fehlet, und von fo hoher
Schönheit, daß fie alle Statuen diefer Göttin, ſo⸗
gar die mebiceifche, verdunfelt. Sie if in voll-
fommenem Gewächſe von iungfräulicher Bildung,
und der Kopf hat den Reiz der Venus ohne Lü⸗
fte, fo daß diefelbe mehr Ehrfurcht als Begier-
de erwefet. Kan eine Venus der gevriefenen Kunſt
des Brariteles würdig geachtet werden, fo iſt es
diefe; den höher Fan die Idee, welche mit Bildern
aller möglichen Schönheit angefüllet iſt, nicht ge
ben.) Sufchriften und gefchnittene Steine will
ich nicht erwähnen, weil dieſe nicht alle bekañt wer⸗
den. Der fchönftle aber, welcher im Zunius gefun-
den worden, iſt ein Cameo in einen Ning zu fallen,
mit einem Batchanale, und wird auf 100 Zecchini
gefchäzet. Sch hoffe, man wird mir dieſe Ausſchwei⸗
fung bier verzeiben.
6. 84. Der vierte Punkt diefer Nachrichten,
von den Beräthen, tif von weitem Um⸗
fange, und ich will diefelben eintheilen in Geräthe,
die zum heiligen Gebrauche beflimmet waren,
1) Osserr. sopra alc. Nedagl. d’Anton. Pio..
2) [Man vergleihe deu Br. an Wiedewelt v. 25 Mal,
u. an Riedeſel v. 23 Juni 1764.)
neueft. bereut, Entdek. 253
und in diejenigen, die zum gemeinen Gebrau⸗
che dieneten.
5.858. Bon Geräthen der erſteren Art
finde ih nur zwei lectisternia und Weihwaſſer⸗
gefäße-angumerfen. Die Bedeutung und der Ge
branch des lectisternii feze ich bei dem Lefer voraus.
Das größere herculanifche it von Erste, von 5 rö⸗
mifhen Palmen-hoch, von 4 Balmen Iang, und
drittehalb breit; die oberen Stäbe an der vorderen
Seite deflelben ruhen auf zween fchönen Pferdekö⸗
pfen, die an der hinteren Seite aber auf Schwanen⸗
föpfen. Das kleinere, ebenfalls von Erst, bat die
Geflalt eines Bettgeſtelles nach alter Art mit vier
Säulen, und würde ohne deſſen muthmaßlichen Ge⸗
brauch, als ein Spielzeug für Kinder angefchen
werden können. Wir willen, daß in jedem Haufe
die Penates befonders verehret wurden, und daß für
diefelben befondere ædienlæ oder Capellen gebauet
waren.
6.86. Die Gefäße zum Weihwaſſer (aquamina-
ria, epibhayrnpsa) find ebenfalls in bürgerlichen Woh⸗
nungen gefunden; den bie römifchen Familien hat⸗
ten eine jede ihre eigenen sacra privata, einen hei⸗
ligen Herd, mo Feuer unterhalten wurde, ihre
Altäre, ia fogar befondere Fefttage, und einige biel-
ten eigene Hauspieller. ) Es find diefe Gefäße
theils von Erst, theils von Marmor; das. größte
won Erzt ifi eine zierlich genrbeitete runde Schale,
von vier Balmen im Durchmeffer, inwendig in der
Mitten mit filbernem Laubwerke ausgeleget, und fie
bet in dem erflen Zimmer des Mufei. Voñ diefer
Schale bat ſich dns Fußgeflel nicht gefunden; an⸗
dere Eleinere von Erst aber haben daffelbe, und die
größte von diefen iR mit zwo Handhaben. Die von
1) Reines. Inser. Class, 5. n. 53.
234 Nachrichten v. d.
Marmor find inmendig wie gereifte Mufcheln etwa
von zween Palmen in ein VBieref gearbeitet, und
fanden auf fäulenmäßig gereiften Geſtellen ebenfalls
von Marmor, wie eines derfelben, welches fich er-
halten bat, auf die übrigen muthmaßen läffet; den
die Alten waren fehr einförmig in ihren Arbeiten.
Es bat fih auch ein Heft oder Grif von Erst von
einem Sprengmwedel gefunden, wie derfelbe auf
einigen erhobenen Werfen, und namentlich. unter
dem Bortico des Pantheons, und an der Architrave
der drei Säulen von dem Tempel des Jupiter To⸗
nans, vorgeftellet if.
8.87. Die Geräthe zum gemeinen Ge
bramche bringe ich unter drei Klaffen, von wel⸗
hen in der erflen dieienigen angezeiget werden, die
zum Leben nöthig find, und zur Bequemlich⸗
keit erdacht worden; die zweite Klafle begreifet
diejenigen, die zum Spiele und zum Schmufe
gehören, und die dritte die Geräthe der Schrei
beret und die alten Schriften. on
8.88. In der erften Klaſſe fange ich an bet
dem Klichengeräthe, mund merke an, daß vice
von Erzt inwendig verfilbert find, fonderlich von
berienigen Art mit einem breiten Griffe oder Stiele,
welche wir Eaffersle nennen, auch andere Ge
fäße von Kupfer, in welchen gefochet wurde. Die
Derfilberung if eine weiſe Vorſicht wider den
Grünſpan, welcher fih an Erst und Kupfer anfe
get, und Tehädlich, ia tödtlich fein fat. Diefer Gr
brauch, die Küchengerätbe von Kupfer zu verfifbern,
iſt zu unferen Beiten, fonderlich in Engeland, wie—
der aufgefommen. Es finden fih auch in dem Mu-
"fco eine Menge derienigen Formen, melche zum
Tortenbafen dieneten, und theils die Geſtalt einer
gereiften Mufchel, theils eines Herzens haben.
Das befonderfie von diefer Art Geräthe iſt ein fehr
neueſt. hercul. Entdek. 285
zierliches metallenes Gefäß, Waſſer zu fieden, wel⸗
‚ des mit unferen Theemafchinen eine große Ver⸗
mandtfchaft bat. Innerhalb des Gefäßes ſtehet ein
Cylinder von etwa vier Bollen im Durdhfchnitte,
oben mit einem beweglichen Dekel, in welchen Koh⸗
len gefchüttet wurden, fo dag die Afche durch einige
Löcher fallen fonte; in dem Raume um den Cylin⸗
der wurde das Waffer durch eine Art von einem klei⸗
nen angelötbeten Trichter gegoffen. Es haben fich
auch andere dergleichen Gefäße, aber zerflüfet, ge⸗
fundet, deren Eylinder unten einen Roft hatte sum
Abfalle der Afche, dergeſtalt daß die Stäbe des Ro⸗
fies hohle Röhren find, um das Wafler im Cylinder
vermittelſt derfelben cireuliren zu laffen. An diefen
Gefäßen ſtehet der Hahn etwas erhoben von dem
Boden, um das Wafler, mein es einen Saz gema-
et, zurüfzuhalten , und der angefezete weiſſe Let»
ten in dDiefen Gefäßen iſt zugleich ein Beweis von
dem Gebrauche derfelben. An dem Hofe des Au-
guſtus wareine befondere Berfon über das Getränf
‚aus warmem Wafler beftellet. ?)
6.89. Inter den vielen dafigen Gefäßen von
Glas Finnen vieleicht auch Nachtgefchirre fein, wie
es einige ſcheinen, welche bei den Alten, fo wie
noch izo mehrentheils in diefen Ländern, von Glas
waren, wie wir auch fchließen können aus dem, was
Theodorus Metochites von der Ungleichheit
der beiden Söhne und Nachfolger des Veſpaſia⸗
ans fagete; er verglich diefelben mit einem Becher
und mit einem Nachtgefchirre, die aus einerlet
Glaſe gemachet waren.
S§S. 90. Die Form der Löffel in dieſem Muſeo
zeiget ein anderes ebenfalls alter Löffel beim La
Ehanffe.
ı) Spon. Misc. antiq. p. 206.
2) Mus. Rom. sect. 3. tub. 7-
286° Rachrichten v. d.
$. 91. Eine Lampe, welche ein nakendes Kind
halt, 1) erläutert eine Stelle des Lucretius und
des Virgil ius, mo von iugendfichen mäülichen Fi-
guren geredet wird, welche Lampen halten, dag
Haus zus beleuchten, 2) und zugleich eine alte Infchrift,
wo zween Cupidines cum suis lychnuchis erwähnet
werden. 3) Oben auf einer ähnlichen gedreheten
Säule, wie diejenige ift, die neben dem Kinde ſte⸗
bet, bat Bartoli 4) brennendes Feuer vorgefiellet,
wo eine Lampe hinzufegen war. Das fchifförmige
Gefäß, DI in die Lampen zu gießen, hieß infun-
dibulum; und ein dem herculanifchen ähnliches in
dem Mufen des Collegii Romani iſt in der Bc-
fchreibung defielben in Kupfer geſtochen. >)
8.92. Bon hoben Leuchtern von Erst, aber Trä-
gern der Rampen, befinden fih in dem hereu⸗
laniſchen Mufeo 76, und der größte iſt achtehalb
römifche Balmen hoch, wie ich angezeiget babe. An
einem einzigen diefer Leuchter iſt der Stab vierekig,
und oben unter dem Teller, wo die Lampe fland, find
zween Köpfe des Mercuriusund des Berfeus gegen
einander (capita jugata ), welche beide ihren geflügel-
ten Hut haben, und Berfeus hält das ihm gewöhn⸗
liche Schwert mit einem Frummen Hafen, wie die
Haken an einigen alten Lampen, den Docht aus⸗
zuftörlen, find, 6) und vielleicht iſt diefes Werfzeug
ber Grund von dem allegorifchen Bilde des Perſeus
an diefem Keuchter. Harduin würde den Plinius
beffer erkläret haben, wen er einen Leuchter, auch
4) [Man fehe oben ©. 174. $. 67.)
2) Luer. 1. 2. v. 24. Virg. En. 1. ı. v. 726.
3) Grut. Inser. p. 77. n. 3.
4) Lucernz. part. ı. tab. 19.
5) Bonan. Mus. Kircher. ‚Class. ı, tab. 4. r. 10.
6) Bartol, Lucern. p 2. tab. 31. p._3. tab. 20.
/
neueſt. hereul. Entdef, Ä 287
nur im Rupfer geflochen, in dem Muſeo bes La
Ebauffe oder ſonſt wo angebracht, anfehen wollen.
Den, wen deſſen Scribent faget: „daß die Künfiler
„der Anfel Agina superficiem candelabrorum, ” dag
it, dieplatten Teller der Leuchter, welche voll
von zierlichem Schnizwerfe zu fein pflegen, „ befonders
„ſchön gearbeitet, fo wie die zu Tarent die Schäfte
„oder Stäbe berfelben (scapos):“ 1) fo bat fich der
Erflärer bier Wandleuchter vorgeflellet mit Ars
men wie Zweige geflaltet, nach der izigen Diode,
$. 93. Bei den Wangfchalen Habe ich mich in
dem Sendfchreiben geirret:2) den es finden fich
einige mit zwo Schalen, wie man dergleichen auf
Münzen und auf anderen Dentmalen vorgeflellet fie-
het.3) Einige derfelben find fo Flein, daB fie für
Goldwangen fünnen gehalten werden. Auf dem an⸗
geführeren Gewichte von Blei ift der erfte Buchſtab
des Worts HABEBIS halb getheilet 4, nach Art des
getheileten griechifchen Ha, aus deffen vechter Hälfte
+ der spiritus asper gemachet worden, fo wie aus
der linken -ı ber spiritus lenis.
8.94. Ein Degen mit einer eiſernen Klinge if
etwas tiber drei römifche Balme lang, und bie
Scheide iſt mis platten großen Nägeln befchlagen,
wie der Degen des Agamemnos war, und deric-
nige, welchen Hektor dem Ajaxr fchenkete. 4) Die
Nägel erinnern mich an andere große Nägel in dem
Mufeo, womit die Thüren von Erst befchlagen
waren, von welchen einige an drei Seiten bes Ba⸗
faments, worauf das Pferd von Erzt ſtehet, und
zwar in den Efen zur Bierat eingelöthet worden.
ı) Plin. 1. 34. c. 6.
2) [Man fehe oben ©. 175. $. 69.
3) Gori. Mus. Etrusc. t. 2. tab. 165.
4) I. A. [XL] v. 29. H. [VIL] v. 303.
288 Nachrichten v. d.
Die Köpfe der Nägel an der Thüre des Pantheons
balten an fünf römiſche Zolle im Durchmeſſer. Dieſe
Nägel wurden von ihren künſtlich ausgebreiteten Kö—
pfen clavi capitati genennet, 1) und Bentley will, 2)
daß diefe Köpfe auch vertices geheiffen. Bhilan-
der glaubet,3) daß clavi muscarii beim Vitruvius
dergleichen Nägel fein, welcher Meinung auch an⸗
dere beipflichten. Muscarium heiffet beim Blinius)
der nusgebreitete Kopf einiger Blumen und Kräu-
ter, welcher den Samen enthält; diefes Wort heiffet
beim Diosforides>) awuıado, ein Schirm, und
weil einige Fliegenmwedel etwa dergleichen Form
Tönnen gehabt haben, To machet man eine Muthmn-
ßung auf gedachte Bedeutung. Die Geflalt eines
wirflihen Schirms, nach Art eines Pilzes, bat der
Kopf eines Nagels von Erst in dem Mufeo des
Enllegii Romani, welcher von befonderer Deutung
mar; den es find längſt dem vierefigen Stiele def-
felben verichiedene Buchſtaben eingegraben, und auf
der einen Geite liefet man IAw CABAu®. Tch habe
indefien einen Kopf von einem großen Nagel von
Erzt gefehen, worauf eine Fliege erhoben gearbeitet
war; diefer wurde von dem Pater Paciaudi für
den Herrn Graven Eaylus gefaufet.
.& 95, Merfwärdig find verfchiedbene Werfzeuge
der Wundarznei, melche den unfrigen völlig Abn-
lich, und von ungemein fauberer Arbeit find. Ei⸗
nige derfelben flefeten in einer runden Nöhre von
Kupfer mit ihrem Defel, in der Dike eines Fin⸗
gers, unter welchen bie Sonde fpiralmäßig mit
ı) Varro de re rast. 1. 2. c. 9.
2) Not. ad Horat. 1. 3. carnı. 2, v. ©.
3) I» z. ec. 3. p. 273.
4) L. ı2. c. 57.
SL. 3.c. 55.
neueſt. hercul. Entdek. 289
Silber eingeleget iſt. Das Beſonderſte iſt eine dünne
Nöhre, in Verhaltung des Urins zu gebrauchen,
welche son eben der Form iſt, wie die unfrigen
find.
6.96. Es fehlet auch nicht an geometrifchen
Werkzeugen, als Fußmaßen, „welche . zufammenge-
Schlagen werden, und ZSirkeln von verichiedener
Größe, unter weldhen eine Art von Verticalzirkel zu
merken if. Diefer Zirkel bat, wie gewöhnlich, vier
Spizen, welche zwo serticalifche Dfnungen ‚machen,
eine ‚größere und -eine Eleinere, To daß diefe halb fo
sroß als iene iſt, und die Hälfte derienigen Linie
anzeiget, melche .mit der größeren Ofnung gemeflen
wird.
$..97. In der zweiten Klaſſe von Geräthen zum
Spiele und zum Schmuke find.nur wenige und ein»
zelne Anmerkungen zu machen Wen Flötenflüfe
son Horn oder Elfenbein auf eine Röhre von Erst
geflefet wurden, fcheinet es fich auf diefen Vers
Des Horatius in der Didytkunft zu bezichen:
Tibia non, ut nunc, orichalco vincta. 1) —
8.98. Bel der tessera mit dem Namen Äſchy—⸗
1n8?) babe ich zu erinnern, daß über dem Namen
des Dichters die ‚röniifche Zahl xıı. und unter dem-
felben ebendieſelbe Zahl im Griechtfchen ı2. flehet.
Auf einem andern Täfelchen von gleicher Größe ſte⸗
bet das Wort HMEP - - - und oben die Zahl xı.
und unten cben diefe Zahl im Gricchifchen 1.
$. 99. Bon Würfeln, aus Knochen gemachet, fin-
Det ſich eine ziemiliche Anzahl, welche die Augen ge
feget haben wie unfere Würfel. Mie gemein das
Spiel gemefen mit dem Ferſenknochen von Zikeln,
1) Ad .Pis. v. 202.
2) [Man fehe oben ©, 135 $. .80,
Winckelmañ. 2. 413
|
290 Nachrichten v. d.
oder mit demienigen, welcher das Gelenke zwiſchen
der Klaue und dem Beine machet, (talus, aspaya-
Ag) zeiget die große Menge, welche in Serculang-
gefunden iſt. Hardion hat in feiner Abhandlung
über die Gemwinfpiele der Alten!) weder die Lage
diefes Knochens, noch die Thiere, von welchen er
genommen wurde, angegeben. Es baben ihn alle
Thiere mit gefpaltenen Klauen. Der große Ca⸗
faubonus Bat diefe Spielknochen mit Würfeln
vermifchet,2) und glaubet, man babe, wie diefe,
alfo auch iene aus Bechern geworfen. Die Art,
mit denfelben zu fpielen, war zweifach; die gemein-
fie Art fcheinet dem Spiele der Kinder in Deutfch-
land ähnlich geweſen zu fein, welche Fleine glatte
- Steine oben von der flachen Hand in die Höhe wer-
fen, um im währenden Wurfe und Falle derfelben
einen oder mehrere Fleine Steine zu faflen, und iene
unmittelbar nachher in der Luft wieder zu fangen. Eben
fo ſpielen zwo Mädchen mit gedachten Knochen auf
dem auf Marmor gezeichneten Gemälde mit dem
Namen des Künftlers Alerander von Athen. Die
zweite Art war, diefe Knochen, wie Würfel, aus der
Hand zu werfen, wo eine jede Seite des Knochens
eine gewiſſe Zahl bedeutete. So fpielen zwei Kin»
der in Marmor, welche Lord Hope vor zwei Jah⸗
ren in Rom eriland, von welchen dasienige, welches
den Gewiñſt bat, auf dem Sofel fizet voller Fröh⸗
lichfelt; das verfpielende aber ſtehet betrübt. Es
köñten diefe zwei Kinder die Liebe und den Ga-
nymedes vorftellen, welche Apollontus mit Kno⸗
chen fptelen Iäffer, 3) und deſſen Befchreibung iſt
jener Vorſtellung in Marmor völlig aͤhnlich. Der.
s) Mem. de VAcad. des Inser. t. ı. _
2) Ad Thcophr. Charact. c. 5. p. 53. edit. Needh.
3) Argonaut. |. 3. v. 117.
neueſt. hereul. Entdek. 291
Verfaſſer befizet einen Aſtragalus von Carniol ge
arbeitet. 1)
8.100. Das Maß des Diſkus?) habe ich iso
genauer genommen; der Durchmefler deſſelben bält
eben Zulle eines römischen Balms, und drei Minus
ten in der Dife; das länglich runde Loch in der
Mitten iſt drittehalb Zul lang, und man kañ zum
Merfen zween Finger bineinlegen. Ein folcher Dif-
fus mit einem Roche ift auf einer gemaleten Bafe
zu Neapel vorgeſtellet. 3)
6. 1041. Was die Spiegelvon Erzt betrift, fs
waren dieſelben fchon in den Alteilen Zeiten aus die-
fer Materie gemachet, welches dieienigen Spiegel
beweifen, die von den jüdifchen Weibern zuſammen⸗
gebracht wurden, woraus Moſes das Gefäß zum Ab-
waschen gießen Tief. Hd Einen runden Spiegel mit
einem Dekel fiehet man auf einer hetrurifchen Be
gräbnißurne von Volterra, weiche nebfl anderen von
dem Herrn Cardinal Alerander Albant der va⸗
sicanifchen Bibliothek gefchenfet worden.
Die dritte Klaſſe der Geräthe begreift ſowohl
Feder und Dinte, als vornehmlich die alten
Schriften.
6.102. Sch Habe in dem Sendfhreiben)
gefaget, daß die Feder in dem Mufen ohne
Spalte if. Es kañ aber die Spalte durch die
Verſteinerung unfichtbar geworben fein; dei daß
der Schnabel an ben Kedern der Alten eitie
Spalte gehabt, bemweifen einige alte Stäfchriften.
1) [Man fehe den S. 36 der Briefe an Biancani.)
a [Man fehe oben S. 135. 8. 81.]
3) Gori, Mus. Etrusc. t. 2. tab, 159.
4) Exod. c. 38. v. 8.
5) [$. 128.)
292 MNachrichten v. v.
mit ausdrüklichen Worten.1) Die Geflalt "yes
Schnitts der Feder zeigete ſich auch ſchon vor diefer
Entörfung an derjenigen Feder, weiche eine von
den dreien Parcen hält auf einer Begräbnißurne
in dem Palaſte der Billa Borgheſe, die den Tod
des Meleagers vorfielet. In einer fehr unrichti-
gen Zeichnung Vieles Werks bat man jener Barce,
fo wie ihren beiden Schweſtern, kurze ‚Stäbe in die
Hand gegeben. 2)
$. 103. Insgemein waren die Schreibfebern ‚ber
Alten nicht aus Burbaum, wie es die berculanifche
ſcheinen köñte; es würde auch der Schnabel aus
diefem Holze nicht nachgeben; Tondern ibre Federn
maren aus Rohr ‚geichnitten, ‚welches mit bem Ba-
piere ſelbſt aus Agypten Fam. Das beſte Rohr zu
dieſem Gebrauche war in der Infel Gnidus, welche
daher bei den Dichtern die rohrreich.e Inſel genen⸗
set. wurde. Man findet:noch iso eine Art von dün⸗
nem und feinem Rohre Tomohl Hier, als bei Nen-
nel, woraus fih ‚Federn Schneiden laſſen, und ich
felöft, weñ ich mich zumellen auf ‚dem Lande ohne
Schreibezeug gefunden, habe mich dergleichen Rohrs
zum fchreiben bedienet. Es Bätte alfo der gelehrte
:&uper aus dem, was man vor ben berculanifchen
Entbelungen wiſſen koñte, Tich einen richtigern Be⸗
grif von :den Febdern der Alten machen follen. Er
glaubet, .es ſeien diefelben ‚nicht aus Rohr geſchnit⸗
ten, fondern eine Art Binfen geweien, ?) womit
. man nach Art 'der Sinefen, wie mit einem Pinſel,
gefchrieben „habe. 4)
‘ı).Anthol. L ..c. 18. p. 23. 1. 5. p. 445. 1.29 et do.
p- 446. 1. 29. edit. H. Steph. — Ausou..epigr. 7. v. 49.
-2) Gronov. Thes. Antiq. Grac. Vol. ı. tab. Minin.
3) [Man fehe die Note Gen’ im 4 $. der Briefe
au Biancont.)
4) Letir..de BI. Cuper. ı2.
neneft, hereul. Endek. 293
6. 204. Bon der Dinre der Alten glauben ei⸗
nige, daß es dieienige ſei, von welcher Berfins
redet, naͤmlich der ſchwarze Saft des bekañten Fi⸗
fihes Sepia, welcher auf der Nükfeite verfchiedener
forafuftfchen Munzen abgebildet: iſt. Eine ähnliche
Art von Fifchen, loligo genañt, heiſſet izo pesoe
salamaro, von dem ſchwarzen Safte, den er hält.
— Hic nigre succus loliginis, hæc est:
Æærugo mera.!)
Iinterdefien mar: der Gallapfel den Miten bekat,
und hieß mus, galla atramentaria:2). Die izige
neapolitaniſche Dinte tft: aus Kienruß, Honig und _
- Gummi zubereiter, wird in Fleinen Schachteln: ver⸗
kaufet, und. wird zum Gebrauche. mit: Waffer: flüſſig
gemachet..
Zulezt finden fih Erinnerungen und Anmerkun⸗
gen zu: machen über. die. alten. bereulanifchen
Schriften.
S. 105. Ben dem Namen bes ägyptiſchen Schilfg,
-Bußrog,- worauf gefchrieben mwurde,. ti, durch Ände⸗
rung eines Buchfiabens,. ein Buch: BuBros genennet
worden. Zuweilen aber findet: fich diefes Wort in
feiner urfprünglihen Schreibart, wie es folgende
Snfchrift: hat, die im Sahre 1758 an einem Drte,
Za Colonna genaät,: etwa zwölf Miglien von Nom
gelegen, nebfider ſchönen und einzigen Statue Kaiſers
Domitiannsin der Villa Albani, entdeket wurde.
AACOG: MEN MOTEAIC IEPON-
AETE TOYTT ANAKEICOAT
TAC BYBAOYG ABIZAC. TAC. IIAPA
TAIC: HAATANOIC:
HMAC AE #$POYPEIN KAN TNHGI
OC EN®AA: EPACTHC
ıy° Horat. T. 3. sat. 4. T. 106 — 101.
2) Scalig. not:-in Copam, p.- 260°
994 Nachrichten v. d.
EAOH Tu KICC« TOTTON ANA
CTE®OMEN.
„Sage, daß diefer Wald den Mufen ge
„widmet ift, und zeige die Bücher bei den
„Blatanen, und dag wir diefelben ver-
„wahren, und wen ein wahrer Liebhaber
„derſelben hieher kömt, benfelben mit
„Epheu krönen.“
S§. 100. Daß auch die dünne Haut, welche un⸗
ter der Rinde den Stam der Bäume bekleidet, zum
Schreiben dienen können, it auffer dem lateinifchen
Worte liber, welches diefe Haut bedeutet, wahre
fheinlihh aus Kleidern von folder Baumhaut
(imare omo Erw), melche die Sndianer in dem
Heere des Kergestrugen; ben fo veriiche ich den He⸗
rodotus.1) Eben diefer Seribent merfet an, 2)
daß BıBro, von den älteften Soniern —RW d. i.
Haut, genennet worden, weil ſie, wie er ſaget,
aus Mangel des ägyptiſchen Papiers, ſich der Häute
von Schafen und Biegen bedienet, „und viele Böl-
„ter (fähret er fort,) fchreiben noch tizo auf Häute.“
6.107. Plinius redet nur von Schriften auf
Bapier, welches gefüttert war, das iſt, deſſen rüf-
märts angefügetes Blatt der Länge nach an ein an«
deres, welches in der Breite Sag, oder umgekehret,
angeleimet war, fo daß die Fäferchen des oberen und
des unteren Blattes freuzweis gingen. Don diefer
gefütterten Art find einige Diplomata in der vati-
canifchen Bibliuthef, wo auch andere, von den Exar⸗
chen zu Navenna ausgeflellet, aufbehalten werden,
welhe Maffei befeffen, und biefelben in ber di⸗
plomatifchen Gefchichte erläutert bat. Eines derfel-
ben, welches acht Balme lang if, bat fein befonde-
res verfchloffenes Behältniß. Das Bapier defjelben
ı) Herodot. 1. 7. [c. 65.) p. 258. 1. 6.
2) Ibid, 1. 5. p. 194. edit H. Stepk.
neueft. bereut, Entdek. 295
ift von groben Fäferchen, welche die Dife eines ziem-
lihen Zwirnfadens haben. Bon eben diefer Gat-
tung, und wie diefe gefüttert, find noch einige Ur⸗
funden in dem Archive zu Ravenna aufbehalten. Es
finden fich aber nicht in gedachter Bibliothek die anf
Bergament gefchriebenen Neden des heiligen Augu—
tinus, welche hier und da mit Blättern von Agyp-
tifchem Bapiere durchichoffen waren, wie Mabil-
Yon berichtet, der diefes Werk in ber Bibliothek
des PBräfidenten Petav gefehen, die von der Köni-
sin Chriſtina gefaufet wurde, und nachher der Va⸗
ticana if einverleibet worden. Es wird diefe Hand-
ſchrift nebft vielen andern entwendet fein, che bie
fer Schaz aus Schweden nah Nom gebracht worden.
6. 108. Die hereulanifhen Schriften, deren
Bapier einfach und nicht gefüttert if, beweifen, daß
man aus des Plinius Vefchreibung der Zuberei⸗
tung des Papiers zu Schriften, mo nur allein des ges
dopelten Bapiers gedacht wird, einen irrigen Schluß
gemachet haben würde, men man geglauber hätte,
dag die Alten auf Fein einfaches Bapier gefchrieben.
Das einfache Papier aber mar zu dünne, um auf
beiden Seiten zu fchreiben, und wen diefes gefche-
ben follte, wird das Bapier haben müßen gefüttert
werden, wie man ſich das Bapier der hundert und
ſechzig Bücher commeutariorum electorum vor-
zuſtellen bat, welche der ältere Plinius hin⸗
terließ, die auf beiden Seiten geſchrieben wa⸗
ren.1) War nur eine Seite beſchrieben, und die
Schrift hatte ferner feinen Gebrauch, fo dienete die
ledige Nüffeite zu erfien Entmürfen der Gedanfen
oder zu Anmerkungen, welche daher adversaria ge»
nennet wurden, weil fie in adversa parte, auf der
umgefehrten Seite des Bapiers, verzeichnet
Maren. Man gab auch dergleichen auf einer Seite
ı) Plin. jun. 1. 3. epist. 5.
296: Nachrichten v. d.
‚Befchriebenes Papier den Kindern, um ſich im
Schreiben zu üben. 1) Das Papier war, wie Bli«
nius nebſt dem Auſonius und Cafſiodorus
meldet, ſchneew eiß. Unter denen, welche irrig glar⸗
den, daß das Papier von dem Stamme eines
Baums genommen worden, iſt auch Nitters⸗
haufen. D.
8. 109. Ben dem Keime, mit welchem die
Stüke Papier auf einander geleget wurden, bat das
vorderfie der an einander geleimeten Blätter dem
Namen vpwroxomov befommen, wo-die Aufichrift eis
nes Buchs gefeget. war, ſo wie das Teste Blatt eben
daher soxuroxonov hieß. 3). Wen eine Rolle Schrift
auf folhe Art geleimet war, würde dieſelbe bes
fohnitten,. 4) welches fih an den hereulaniſchen
Schriften nicht undentlich entdefet. Das Werkzeug
zum Befchneiden. hieß. sicila, und im Griechiſchen
TRIREXKAPTOTOMOG.. “
6. 110. So wie bie Röhre, oder das Stäbchen,
um welches eine Schrift gemifelt wurde, weil es im
der Mitten Ing und bervarragete,. der. Nabel ges
nennet wurde: eben fo hatte Diefe Benennung die
Erhobenheit auf dem Mittel der Schilder. 5)
$. 111. "Am ufwileln der Wollen Schrifter
pflegete man das eine Ende mit. dem Kinne zu fafe
fen und zu halten, 6) aber man koñte nicht zu glei»
her Beit leſen, wie ber angeführte Dichter bier
1) Horat. I. 1. epist. 20. v. 17
2) Obserr. ad Phædri fab. p. 50.
3) Salmas. de usur. p. 415.
4) Lucian. adv. indoot. c. 3.
5) Nonn. Dionys. 1. 404 p. 5321. 1. 9:
6) Martial. I. 1. epigr. 67.
-
neueſt. hereul. Entdek. 297
verſtanden wird. 1) Den auf dieſe Art aufgewikelt,
Hand die Schrift allegeit in der Quere; fondern man
hielt das eine Ende unter dem Kinne, um gerade
aufzumifeln , und das Aufgewilkelte hernach in. ſeiner
gehörigen Nichtung zu Iefen. Mit dem Baptere un-
ter dem Kinne fonte man meder die berculanifchen
Shriften kefen, welche colonnenweis in der Breite
des Basiers gefchricben find, noch angezeigete Ur⸗
Funden, deren Schrift in der Länge heruntergehet.
8.112. Die Binden Linien, welche gezogen
murden, um gerade zu fchreiben,, hießen aroxes, Wie
uns Heſychius Ichret. In den. Anmerkungen zu
diefem Geribenten wird dieſes Wort erfläret: lacu-
ax inter scribendum in cera seu cortice currente
stylo exaratz, welches nicht die richtige Bedeutung
des Worts oxoxes, Im der Schreiberei gebrauchet,
fein kañ, und auch dem urfpränglichen Sinne def
felben, wo es Furchen heiffet, zuwider iſt.
$. 113. Vom Philodemus, defien. Schriften
die erfien find, welche aufgemwifelt worden, führet
Zaertius das zehente Buch von der Vereinigung
der Weltweifen an. Es fchrieb- derfelbe, wie fein
Meiſter Epikurus, von der Redekunſt und von
der Muſik, als welcher ſich wider diefe erflärcte. Es
unterfagete berfelbe «alle Unterredung von der Mu⸗
fit über Tifhe, und räth den Königen, an ihren
Zafeln lieber alle mögliche Pollen zu dulden, als
muſikaliſche Unterfuchungen. 2%
8. 114. Weit wir von dem Werthe der phil
demiſchen Schriften in Abficht der Schreibart, aus
berientgen, bie dem Epikurus und dem Metro⸗
dorus eigen war, fchließen können: fo würde in
r) Schwarz. Diss. de ornam. lihror. $. rg.
2) Plutarch. os ud Zr on Adıms zara Erixsgiv. p-
2009. I. 25. edit. M. Steph. [c. ı3.
298 Nachrichten v. d.
jenen nicht viel Sierlichkeit zu fuchen fen. Den
wir wiſſen, daß Erifurus auf die Wahl, Drb
nung und DBerbindung der Worte und der Yusdrüfe
gar nicht bedacht: war, und daß er gelebret habe:
„die Natur mache im Reden alles, und die Runfl
„nichts; “ daher derfelbe die Bierlichkeit im Neden
feinen Schülern unterfagete, fo wie er mit Ver
achtung von den Willenfchaften allgemein fol geur-
theilet haben. Die Rede vom Epifurus erinnert
mich an folgende nicht befant gemachete Anfchrift in
der Billa Albani, welche wahrfcheinlich von Berfo-
ten , diefer Secte sugethan, boefaßet und geſchet
worden:
FRIMAT
JONPEIAE
OSSVA. HEIC,
JOBTVNA. SPONDET. MVLTA
MVLTIS. PRAESTAT. NEMINI VIVE. IR DIES
ET. HURAS. NAM. PROPRIVM. EST. KIBIL.
SALVIVS. ET. EROS. DANT. \
68115, Nach Aufwikelung der vier erſten
Schriften, nämlich des Philodemus, wurde Hand
an die fünfte geleget, am welcher ſich der Anfangs
der an jenen mangelte, erhalten bat, und es entde-
Set fich der Name des ‚Scribenten DANHAC, wel
ches entweder der Randsman des Theophraftus
Erefius und Mitfchüler defielben fein fan, der
wie diefer, über Pflanzen und Gewächſe fchrieh, 1)
oder der ſtoi ſche Philoſoph und Schüler des Poſi⸗
donius, welcher, wie Laertius angibt, ep Ilo-
eusdaysiay 0xXoruv gefchrieben bat. Der Name von
beiden aber findet fich anderwärts mit einem Sota,
und nicht, wie bier, mit einem H gefchrieben. Nach
1) Casaub. in Athen L 2 c ı2
neneft. bereut. Entdek. 299
der Anfichrift oder dem Zitel diefer Rolle ift das.
Bapier in der Länge eines Palms unbefchrieben.
Die Schrift aber hat viel gelitten, und gibt einen
muffigen Geruch von der Feuchtigkeit, welche ein
Blatt an das andere angeflebet bat; aus diefer Ur⸗
ſache wurde bie. Fortfesung der Entwifelung: diefer
Schrift unterfaget, und man hat fi an eine an-
dere gemachet, an welcher der Anfang mangelt; von
derfelben aber, da fie noch nicht aufgewiktelt ift,
Tan weder der Verfaſſer noch der Inhalt angege-
ben werden, bis man an das Ende gelanget, mo
die Auffchrift pfleget wiederbolet zu fein.
6. 116. Die Eönigliche Afademie der Gelehrten,
die zu Erklärung diefer Schriften und anderer Ent-
defungen gefliftet wurde, ifl 150 ein Name ohne Be⸗
deutung; es haben auch“ die Verfamlungen feit ge-
raumer Zeit aufgehöret, nachdem einige Mitglieder
geflorben, und andere abmefend find. Die Erklaͤ⸗
rungen der Gemälde find tiberdem niemals unter
die Afademiften ausgetheilet gewefen, ſondern es
Dat nur ein einziger Gelehrter, Paſquale Car
camt, töniglicher Gecretär, daran gearbeitet, wel⸗
cher dafür eine Penſton von zweihundert Scudi ge-
nießet. Seit der Abreife des Königs von Spanien
aus Neapel bat derfelbe ale Poſttage etmas von
feinen Erklärungen der Gemälde einzufchifen, wel-
ches auch der Auffcher des Mufei thut, wen etwas,
es mag noch fo Elein fein, entdefet wird, nebſt ei⸗
ner beigefügeten Zeichnung.
8. 117. 940 werden die Statuen und Bruftbil-
der gezeichnet, und man glaubet, es werden die
noch übrigen Gemälde zurüfbleiben, um in dem
° fünften Bande bei den Statuen anzufangen. Die
größte Erwartung aber gehet auf die Gefäße und
Geräthe.
300. Nachrichten v. d.
5118. Der Reiſende, welcher dieſe Schaͤze
zum erſtenmal ſtehet, damit. er betrachte, und fo
oft: er fanv. den Beſuch des Muſei wiederhofe,. fol
bier, wie nach jedesmaliger Betrachtung von Alter«
tümern und Kunſtwerken, folgenden Bers der Py⸗
tbagorder, welchen fie fich alle Abend vorbielten ,
such fich vorhalten:
an. mal; ı Piegefa; Ts mu- day un erdtedn 5
Anmerktungen
Über dir
Baukunſt Der alten Tempel
au Oirgenti zn Sixilien.
Magnificas edes, operosague visere templa
Divitiis hominum, aut sacra marmora, resve vetustas,
Traduce materia, aut tetris per proxima fatis
Currimus: atque avidi veteris mendacia fama "'
Kruimus, cunctasque libet percurrere gentes.
CornneLius Sevanus, Xtna, v. 565. seq.
Unmerfungen
über die
Baukunſt der alten Tempel
zu Öirgenti.in Sicilien,
$. 1. Dieſe Anmerkungen werden denienigen, die
das große Werk des Paters Pancrazi von den
erklärten ſicilianiſchen Altertümern 9)
kennen, nicht überflüſſig ſcheinen: weil er von der
Baukunſt der Tempel und Gebäude, die er in Ku⸗
pfer gegeben bat, wenig oder gar nichts meldet. Die
weifen Gelehrten treten nicht gern aus ihrem Bleife;
daher der Herr Canonicus Mazzocchi, einer der er⸗
jien Gelehrten unferer Zeit, die Tempel zu Peſto,
welche nebſt andern feiner Erläuterung der he
trafleifhen Tafeln?) beigefüget if, ganz und
gar mit Stillſchweigen übergehet, als wen fie nicht
in der Welt wären.
$. 2. Der Bater Panerazi, Theatiner Ordens,
lebet noch zu Kortona in Toſcana, 3) feinem Va⸗
1) Dieſes Wert heißt: Antichitk Siciliane spiegate dal
Padre Ciuseppe Pancrazi. Napoli 1751. 2. t. fol.
<on. 14. tav. Der erftie Theil enthält die‘ allge
meine Geſchichte GSiciliend, der andere die von
der alten Stadt Agrigent. Sea
2) Des Canonicud Mazzocchi Esposizione delle Tarole
: Eracleensi ift 1754. heraudgefomnten. Sea.
3 Im Sahre 1759. Der Pater Pancrasi Larb zu
Florenz den 15 Zul. 1760. Sea,
304 Alte Tempel
terlande, auffer feinem Orden, und von der Welt
entfernet, wegen Blödigfeit des Verfiandes, von wel⸗
her man bie Urſache der mißlungenen Wechnung zu⸗
fhreibet, die er, zu Beſtreitung der Koſten zu fei-
nem Werke, auf die Zreigebigkeit fonderlich derie-
nigen Engeländer gemachet hatte, welchen er die Ku⸗
pferplatten zugefchrieben hat; weil er den Begrif von
diefer Nation und die Großmuth, aus Mangel des
ne für gleichhedeutende Worte genommen
atte.
S. 3. Seine Abſicht war, ein großes weitläuf⸗
tiges Werk zu machen, und zu dieſem Ende ließ er
die vermeinten Briefe des Phalaris vollſtändig
abdruken, und legete ſie zum Grunde der Geſchichte
von der Stadt Akragas, von ben Nömern ge⸗
nant Agrigentum, und izo Girgenti; er grün.
dete fich auf Dod wells Zeugniß, melcher wider
die größte Wahrfcheinlichfeit diefe Briefe Für Acht
annimt. Sch glaube nicht, daß der Verfafler bes
Bentleys lezte Abhandlung über diefe Brie _
fe, im Englischen gefchrieben, leſen können; zumal
da diefes Buch in Stalin fehr felten it: dei ich
weiß nicht, ob man wider eine fo gelehrte Unterfu-
hung ferner etwas einzuwenden finden Fönne. 1)
5.4. Ich bin nicht gefonnen eine Kritif der
Altertümer von Sicilien zu Tchreiben, ſon⸗
dern nur einige Nachrichten über die dori«-
fhe Baukunſt in den älteſten Seiten zu
geben, fonderlih da Vitruvtus, und bie nach
ibm gefommen find, von der älteſten Art berfelben
», Der Pater Yanrrasi erklärt, (Antichitä Siciliane, t. 2.
p- 1.€.1. p:3.) daß er die Briefe dei Phalaris
nicht fie ächt ‚halte, und erwähnt des Streites über dies
felben zwiihen Dodwell und Bentley, Geite 34
greift er fie fogar au. Sea.
su Birgenti, 303
nichts lehren. Wer bisher eine in der Kunſt ge
gründete Gefhichteder griechiſchen Baufunfl
hätte. fchreiben wollen, würde mit dem Bitruvius
von ber „ Nothmwendigfeit, welche gelehret Hütten
„und Häuſer zu bauen,“ mit einmal einen Sprung
bis. auf die Zeiten der zierlichiien Baufunft haben
thun müßen: zu Füllung diefer Lüke werde ich für
chen, einige Materialien beizubringen; ich muß mich
aber. auf folche einſchränken, die ohne Kupfer anzu⸗
deuten und zu verſtehen find.. Es haben: meine Um⸗
ſtände noch nicht erlaubet, die Altertümer zu Gir⸗
genti ſelbſt zu ſehen, und ich gründe meine Anmer-
fungen. auf einige mir. mitgetheilete Nachrichten eines
fchottländifchen. Liebhabers der Baukunſt, Herrn
Koberts Diykee, welcher. die Niberbleibfel der
alten‘ Gebäude in Sicilien mit Fleiß unterfucher
hat, und vor. kurzer. Zeit in fein: Vaterland: zurüf«
gekehret iſt. |
6. 5. Einige: Maße, welche ich angeben werde,
ſind nah dem englifchen Fuß genommen ‚welchen
man leicht: mit andern Maßen tiberfchlagen Tan.
Der engliſche Fuß ift kleiner als der alte griechifches
aber ber Unterſchied iſt ſehr geringe: der englifche
Zuß, welcher zwöhf Zolle bat, iſt um ne oder
um das. zehntauſendfie achthundertſte und fünf und fie-
benzigfle Theil: eines Zolles Eleiner als der griechifche
Fuß. Der. parifer: Fuß iſt größer als der englifche,
und jener enthält mehr: als. diefer um ren oder.
um den achttanfendfien hundert und fechzigften, zehn⸗
tauſendſten Theil: eines. feiner. Zolle. Wen: man
den parifer Fuß. in. zehntauſend Theile eintheilet,
fo hat der gricchifche Fuß 9431 feiner Theile; Die-
fe. genaue Beflimmung: hat mir Herr Henry, Es
quite, ein durch große. Reifen befafiter Srländer,
13.*
306 Alte Tempel
aus dem von ihm verbeflerten Verhältniß der Maße
in den Tafeln des Arbuthnots mitgetheilet.
Diefer Herr lebet feit einigen Jahren zu Florenz.
$.6. Der fogenante Tempel der Concordia
zu Girgenti iſt ohne Zweifel eines der älteren
griechifchen Gebäude in der Welt, und bat fih von
auffen unbefchädiget erhalten. Der Erflärer der fici-
lianiſchen Altertümer gibt von demfelben den
Grundriß und die Aufriffe; 1) in die Belchreibung
derfelben aber läſſet er tich nicht ein; deit diefe bat
ſich derienige, deffen er fich zum Zeichnen bedienet,
vorbehalten. Diefer aber, welcher niemals die Baus
funft getrieben, wird Mühe haben, etwas am bag
Richt zu geben.
$. 7..Diefer Tempel ift von doriſcher Bauart,
und Hexraſtylos Peripteros, .d. i. der um
und um aufeiner Reibe freifichender Säu-
len ruhet, und deren fechs vorn und eben fo vide
hinten bat, welche den Pronaos und Opiſthodo—
mos, 2) oder zwo freie Hallen, beim Eingange
und hinten, machen. Auf beiden Seiten find eilf
Säulen, oder dreizehn, wen die Effäulen zwei⸗
mal gezählet werden. Es iſt diefer Tempel zween
von den Tempeln zu Bello am falernitanifchen Meer»
bufen vollfommen von auflen ähnlich, und dieſe
und jener fcheinen von gleichem Altertume. Von
dem Tempel zu Girgenti war Nachricht, aber von
denen zu Bello bat man allererfi angefangen vor
zehen Jahren zu reden, ohngeachtet Diefelben nie-
mals verſchüttet, fondern beſtändig in einer großen
und ganz. unbewohneten Fläche am Geſtade des Mee⸗
qy Anch Piraneſi in feinem Werte: Defla Magnif. de’
Rom. (tab. 22. fig. 8.) gibt eine Abbildung davon. Gen.
3) Pollux. 1. ı. c.ı. segm. 6. Schöpflin (Alsatia illusır.
1. 6. sec. 6. c. 10. $. 125.) erflärt es fehr übel durch adi-
tus, F tea. ”
”. zu Birgenti, 307°
res fichtbar geweſen find. Der Mangel ber Nach
richt von biefen Gebäuden hat daher verurfachet
daß man auffer Griechenland Feine andere Dorifche
Werke gefant bat, als bie unterſten Säulen
am Theater des Marcellus, am Ampbithen-
ter des Vespafianus zu Nom, und an einem
Bogen zu Verona. 1)
$. 8. Die Säulen an dem Tempel zu Girgenti
baben mit dem Kapitäl in der Höhe nicht völlig
fünf Durchmeffer des unterfien Endes der Säule,
fo wie die zu Peſto. Vitruvius ſezet die Höhe
derdorifhen Säulen auf fieben Durchmeffer,
oderaufvierzehn Moduli, welches gleichgültig til ;
den ein Modulus tft ein halber Durchmefler der Säule.
Da aber diefer Scribent ID die Verhältniffe in
der Baufunft, fo wie am Menfhen, auf Ge
hbeimniffe in gewiflen Sahlen, ımd zum Theil
auf die Harmonie bauen will: fo koñte er von
fieben Duschmeflern feinen andern Grund als feine
heilige Sieben geben, welches geträumet heiffet;
fo wie diejenigen unter den Steuern thun, die mit
der Septima in der Muſik erfcheinen. Non fechs
Durchmeſſern einer Säule wäre ein fcheinbarer Grund
anzugeben aus dem Berhältniffe des Fußes, welcher
bei den allerälteften Bildhauern als der fechfte Theil
der Höhe einer Figur angenommen murde. 3) Bon
der Höhe der Säulen, von welchen wir bier reden,
iſt die Urfache in dem Blan des Tempels, nicht
in den Säulen felbſt, zu fuchen; da ihr Verhält⸗
niß nicht durch ganze Durchmeffer kañ beflim-
1) Chambrav, in feiner Vergleichung der alten
und neuen Baukunſt, rechnet aus Unwiſſenheit das
cheater des Palladio su Vicenza unter die at
‚ten Werke. Winckelmañ.
DL. 3. c. 1. .
3) [8 d. K. 5B. 48.58.)
308 Alte Tempel
met werden; deñ was über vier Durchmeffer tif,
fällt in Fuße und Zolle. Ach finde, daß die Höhe
der Säulen der Breite des Temvels gleich
ift, welche allezeit die Hälfte der Länge, entweder
bes ganzen Tempels oder auch der Celle allein, an
dorifchen. Tempeln war. Alſo war hier fein gelehr⸗
tes VBerhältniß von etwas anffer dem Gebäude
genommen anzubringen, fondern es lag in dem
Gebäude: felbit. |
%. 9. Wen eine Stelle des. Plinius N zu ver⸗
heben iſt, wie fie gelefen wird, wo er füget „ daß
„in den älteflen Zeiten bie Höhe.der Säulen das
„ Drittheil von der Breite des Tempels: geweſen:“
fo würden die Säulen noch kürzer als jene geweſen
fein. Den wen mir die Länge. eines Tempels zu
50 Fuß fegen, und alfo die Breite 25, fo würden
ungefähr 8 Zuß auf dia Säulen kommen. Nehmen
wir 2 Fuß zum Durchmefler. der. Säulen, fa. wär.
den fie nur 4 Durchmeſſer baben..
6. 10. Diefe Säulen haben eine kegelförmige
Verjüngung, welche. ihren Grund weniger: in: dem
Maße derfelben: als in ihrem: Endzweke bat. Den
eine cylinderirte Form mit gleichen. Durchmeflern un«
ten und oben. hätte die Steine, aus welchen eine
Eäule beſtehet, in Gefahr geſezet, Riffe zu bekom⸗
men und zu zerfpringen, da die Lat des Gebalks
vornehmlich auf die Are des Cylinders würde gefal-
Ien fein; bie kegelförmige Veriüungung aber verci-
nigte bie laſtiragenden Bunfte mehr in Eint. Die
Säulen find- nach. doriſcher Art gereift, d. i.
zwo Aushohlungen fchließen durch. einen fchar-
fen Et, daan jonifchen und korinthiſchen ge
reiften Säulen die Efen platt find.
ı) L. 36 c. 23. sect. 56. Antiqua ratio erat colum-
narum altitudinis tertia pars latitudinum delußri. [Ws
merk, üb. die Baufnnk. sc. 1.8. 9. 29.1
zu Girgenti, 309
6. 11. Das Gebalk diefes Tempels beftehet, wie
an andern, aus drei Gliedern; der Architraͤve
unmittelbar über den Säulen, der Frtefe und der
Corniſche. Vitruvius will, daß die Höhe der
Glieder des Bchbälfs nah der Länge oder
Kürze der Säulen eingerichtet fein fol; 1) umd
“ der Architrave geben einige neuere Baumeiſter
nicht viel über die Hälfte der Friefe: das
hohe Altertum aber wußte weder von der erfien
noch: von der zwoten Kegel. Den an dem Tem-
pel zu Girgenti fowohl als an denen zu Bello if
Das Gebälk groß und prächtig, und flärker, als es
die Höhe: der Säulen erforderte, und dem Auge
nach. fcheinet die Architrave und Friefe gleiche Höhe
- zu haben, und daB es vermuthlich fei, wie es fchei-
tet, wird man unten aus dem Maß des Gebälkes
von dem Tempel des olympifchen Supiters
fchließen können; die Eornifche hat etwn drei Thei⸗
Ve von der Höhe der Friefe.
6. 12. Das Berhäftniß der Triglyphen und der
Metonen, oder des vierefigen Naumes zwi»
ſchen denfelben, finder fich wie an andern hefanten
dorifchen Ordnungen; weil fich aber in Nom fein gan-
zes doriſches Gebäude erhalten hat, fo: fiehet man nur
an jenen Tempeln die Ausnahme der Alten von der
Symmetrie in Abficht der Triglyphen über den Säu-
len an ben Efen, melche nicht auf das Mittel dies
fer Säulen fallen, fondern gegen den Ek der Friefe
gerüfet find, um ben Ek nicht bIoß zu laſſen. 2)
Die Triglyphen an dieſen Tempeln find nicht auf
L3RV. c. 3.
2) Es ſcheint, daß Winckelmai, als er dieſes ſtbrieb,
die Tempel zu Covi noch nicht genugſam gekalit habe,
teren er fpäterhin in feinen Anmerkungen über
die Baukunſt der Alten gebentt, wo die Triglyphen
310 - Alte Tempel
der Friefe felbft gearbeitet, fondern. in diefelbe ein-
gefuget, und an dem einen Tempel zu Bello fehlen
fie alle bis auf einen, welche vermuthlich in barbar-
rifchen Zeiten weggenommen find.
$. 13. Da die Triglyphen über den vier Effäu-
len gegen die. Schärfe der Friefe gerüfet find, fo
würde die Metope von ihnen etwas größer fein, als
die andern; fie iſt es aber dem Auge nad) nicht,
weil die nächſten Säulen an dem Ek enger fichen,
als die in der Mitten, fo daß die Intercolumnia
der drei Säulen von iedem Ef an Fleiner find, als
die folgenden, jedoch mit diefem Unterfchiede, daß
der. erfie Raum Fleiner iff, als der zweite, und die»
fer fleiner als der dritte; welche Berfchiedenheit
aber nicht durch das Auge, fondern durch Meilen
gefunden wird. Die näber an einander ſtehenden
Effäulen hatten, wie fich fchließen läſſet, die Fe⸗
fligfeit des Gebäudes zum Grunde. 1)
„814 Die fünf großen und oben rundlichen
Dfnungen flatt der Fenſter an der Seite des Tem⸗
pels zu Girgenti find, wie man offenbar fichet, im
fpäteren Beiten durchgebrochen, und vermuthlich von
den Sarasenen, welche diefen Zempel gebrauchet
baben, mie ſich Nachricht findet: deñ die vierefigen
auf diefelde Weiſe angeordnet find; fo auch an Dem
Sarkophags dei Scipio Barbatus, einem Tenb
male aus dem. fünften Jahrhunderte Roms, welches
ert im Jahre 1780 in ter damald entdelten Gruft
der Sciptonen gefunten wurde. Sea. [Die Ahr
Bildung davon unter Numero 12 und 13.] -
ı) Vitruvius (1.3. c.2.) will, daß die Efräulen um ten
funfzisften Theil diker fein follen, als die übrigen Säu⸗
Ien, damit fie nicht in dem freien Luftraume, dem fie
ausgefest find, dünner erfcheinen. Le Ron bebauptet,
dag man an den Efen ber Feſtigkeit wegen Säulen von
o valer Kundung gefeit babe- Sea,
zu Birgenti, 311
Lempel der Alten hatten insgemein kein anderes
Licht, ale welches durch die Thüre fam. 1)
$.15. Die Einfaſſung der Thüren an dem Tem⸗
pel zu Girgenti iſt, wie an denen zu Peſto,wegge⸗
nommen; aber fie wird vermutblich oben enger als
unten geweſen fein, wie Bitruvius die dorifchen
Thüren vorfchreibet: an einem andern Fleinen Tem-
pel zu Girgenti, von den Einwohnern die Capelle
des Phalaris genant, iſt die Thüre alfo gemachet.
Der Zeichner des Baters Bancrazi hat diefelbe, ich
weiß nicht aus was für einem Grunde, mit einem
Baume bedefet, fo daß man auf dem Kupfer (t. a.
tab. ı4.) die Form derfelben nicht fiehet. 2) Diefe
Thüre iſt von den Mönchen zugemauert, und an
der Seite gegenüber, wo feine Thüre wär, tft eine
durchgebrochen. Warum? Weil der Altar nach ei⸗
ter gewiſſen Gegend der Welt fichen muß.
8. 16. Diefe Art von Thüren war nicht, wie
es aus dem Vitruvius ſcheinen köñte, der dor i⸗
ſchen Bauart allein eigen,?) ſondern das ganze
hohe Altertum fcheinet fie vielmals alfo gemachet
zu haben: von den Ägyptern iſt es gewiß; wie an
den Thüren auf der ififchen Tafel und auf einigen
ägyptiſchen gefchnittenen Steinen zu fehen tif. 9
Der Grund davon war die Feſtigkeit: den die Laſt
1) [Anmerk, üb. die Baukunſt ı. 18.59 6.)
2) Auch Galtani in feiner Ausgabe ded Vitruvius(t. 2.
p- 2. tab. 14.) gibt eine Zeichnung davon, jedoch ohne
den Baum. Defien ungeachtet ift die eigentliche Geſtalt
der Thüre nicht recht au erfennen. Fea.
3) Vitruv iuS(I.4. c. 6.) ſagt es ausdrüklich von allen drei
Arten von Thüren, deren Verhältniſſe er angibt, näm⸗
lich der doriſchen, joniſchen und attifchen. Sen.
4) [Anmerk, üb, die Baukunſtre. 18, 6. 56.1]
312 Alte Tempel |
und der Druf des Gebäudes fälle nicht allein oben
auf die Thüre, fondern druket auch von beiden Sei⸗
ten auf die fchräg Liegenden Pfoſten.
$. 17. Die Verzierungen an dem Tempel zu
Girgentt und an denen zu Bello find, mie über-
haupt: in den älteſten Zeiten, groß und einfältig.
Die Alten fucheten das Große, worin bie wahre
Pracht befiehbet; daher fpringen die Glieder an
dieſen Tempeln mächtig bervor,. und viel flärker,
als zu Vitruvius Zeiten, oder wie er. felbfi Ich-
ret. Die den Alten ganz entgegengefegete Art fichet
man an denicnigen Gebäuden zu Florenz und Nea⸗
pel, welche nicht lange vor Wiederherſtellung der
Kunſt gebnuet find. Deñ da man im ZJtalien noch
allezeit mehr Begrif als anderwärts von der Bau⸗
art gehabt hat, ſo entſtand aus dieſer und dem
Geſchmake damaliger Zeit eine Vermiſchung: die
Geſimſe und Corniſchen ließ man unmerklich her⸗
vortreten, weil man im Kleinlichen die Schönheit
fuchete: Die Einfalt beflehet unter andern in der
wenigen Ausfchweifungs daher ſiehet man an uns
fern Tempeln weder Hohlkehlen noch halbrunde
Reiften, fondern alles gehet nach fat geraden. Li⸗
nien; das einzige Glied an dem Kapitäl ausgenom-
men , welches insgemein mit den fogennfiten.Eiern
gesieret if. Es fchweifet an den Tempeln zu Peſto
in faft unmerflicher Nunde aus, und hat die Eier
nicht. Sn eben diefem Styl find die Afteflen AI-
täre und Grabfleine gearbeitet, 1) und dieſe Beobach⸗
tung zeiget das hohe Altertum derfelben.
v *
”
6. 18. Unter den Trümmern der ehemaligen
4) Man veraleiche hiermit Sabretti (Inser. c. 3. num.
637 p. 239. c. ı0. num. ı72. p. 696.) Winckelmaũ.
u Girgenti. 313
Stadt Agrigentum ging des Baters Pancrazi vor
nehmfles Suchen auf die Entdefung des Tempels
des olympifchen Bupiters, welchen ihm der größte
Haufen von Steinen und die Vberlieferung des Na⸗
mens, welcher fih unter den Einwohnern erhalten
bat, anzeigete. 1) Man fah nichts weiter, wie er
berichtet, und es war nicht der geringfle Begrif
von einem Blan oder der eigentlichen Größe deflel-
ben zu machen. Alles, was man fand, War ein
Triglyphe, als ein Beichen von dorifcher Bauart,
und Hohlungen an einigen Steinen in Form eines
Hufeifens, welche nach defien Meinung, zu beques
mer Hebung derfelben köñten gedienet haben. Er
gibt uns die Nachricht des Di odorus von diefem
Tempel, und gehet weiter. Mehr faget Fazellus
auch nicht.
68.419. Nach dem Bericht des Diodorus 2)
war diefer Tempel der größte in Sicilien, und koñte
mit allen. andern auſſerhalb diefer Inſel an Größe
verglichen werden: er gibt das Maß von der Länge,
Breite und Höhe deflelben, und von dem Durch»
meffer der Säulen.
$.20. Bon diefem Tempel fichet man noch izo
den ganzen Blan des Grundes vor Aller Augen ent⸗
defet, aber gang mit aufgethlirmeten Trümmern def
felben umgeben, über welche der Erflärer der ſicilia⸗
nifchen Altertümer und deffen Befährte nicht werden
Hingefchauet haben. Diefe Trümmer fchließen einen
freien mit Gras bewachfenen Blaz ein, und diefer
gibt den Blan des Tempels fo deutlich zu erfennen,
daß man an einigen Drten fogar noch die Stufen
1) Dan fehe das oben erwähnte Werk des Paterd Pan⸗
crasi, (t. 2. part. 2. tav. 7. P.77 —79.) Fea.
2) L. ı3. c. 82. p. 607. — Auch die Ausgabe von Eich:
Rädt Hat: mod maarıs dEnzurra. Siebelis.
Winckelmañ 2. 14
314 Alte Tempel
febet, die und um den Tempel gingen: man fichet
auch in einer Ele die Grundlage ausgegraben.
$. 21. Die Länge diefes Plazes Ffomt mit dem
Maße des Diodorus überein, welcher die Länge
des Tempels auf 340 Fuß feget; nach dem engli«
ſchen Mas find es 345 Fuß; weil diefer etwas
Heiner iſt als der griechifche, wie ich angezeiget
babe. Die Breite diefes Plazes hält 165 Fuß,
welches fih mit dem Maße des Diobdorus von
60 Fuß nicht reimet. 9)
$. 22. Wen aber die Breite eines Tempels die
Hälfte von deffen Länge war, und 170 die Hälfte
von 340, fo kom̃t das izige Maß der Breite,
welche unter Trümmern fo genau wicht fein kañ,
diefem Verhältniß fehr nahe. Folglich kañ das
Maß der Breite beim Diodorus von 60 nicht
richtig ſein, und es fehlet nothwendig hundert
vor der Zahl ſechzig. Die geringſte Erwägung des
bei den Alten beſtimten Verhältniſſes ihrer Tempel
hätte bier Zweifel über. die Nichtigkeit des griechi⸗
fchen Textes erweken follen, 2) und dennoch iſt es
niemanden eingefallen. Die alten HSandfchriften,
welche ich in Nom und in Florenz, bis auf die
ältefle vom Diodorus in der Biblinthef des Haus
fes Chigi zu Rom, nachgefehen habe, Himmen mit
dem gedruften überein. Dan muß fich nicht vor⸗
fiellen , daß die Griechen, nach Art einer gewiſſen
neuerbaueten reformirten Hauptkirche in Deutfchland,
einen Tempel, würden aufgeführet haben, deſſen
Breite das fehfte Theil feiner Länge geweſen.
4) IAnmerk. üb. d. Bauk. 18. 29$.)
2) Vielleicht war diefed Verhältniß Hier nicht anwendbar,
da nach dem Dioborus dee Tempel ded Jupiters 1
manchen Stüfen von den gewöhnlichen Verhältniſſen ab⸗
wid. Fea.
7
zu Girgenti. 315
8.23. Die Höhe diefes Tempels, ohne die Höbe
der Stufen umber zu rechnen (xupıs ru xenmilumn-
705) war 120 Fuß. Konziöwna iſt von den Über⸗
fegern wicht verfianden worden; dei .man hat es
für. die Grundlage genommen. Der neuliche fran-
zöfifche überſezer bat hier Hügeln wollen, und hat
feine Unwiſſenheit verrnthen. Er glaubet, es fei bier
die Eornifche gemeint, Warum? Weil dumna bet
ibm auch das Oberſte eines Hauſes bedeuten fol;
welches er aber hätte beweifen follen. !) Hernach defet
Die Corniſche nicht das Gewölbe, wie wir alle wiſſen,
9) Die: Note bed Abbe Terafion, von der Winckel⸗
man hier redet, lautet, wie folst: „Im Griehifchen
„beißt ed: xapıc Tu xenzidwuarıs, welches Rho⸗
„domaf durch fundamento tamen excepto überſezt.
„Aber nie Hat man in der VBefchreibung eines Gebäudes
„ von der Grundlage deſſelben, die man nicht fieht, ge:
„ Handelt. Auuz bedeutet übrigens den obern Theil
„eined Gebäubed, und dad Wort Dom Hat davon ſei⸗
„nen Urfprung. Daher muß man unter zpumidaua hier
„den Kranz, den Kämpfer ded Gewölbes oder
„Gaͤebels verfiehen, deren Höhe man nicht angeben
„koñte, weil er nicht aufgeführt war.“ Janſen.
Es iſt nicht zu zweifeln, daß done auch den obern
Theil eined. Haufed bedeute. Wir haben davon mehrere
Beispiele, vornehmlich in der 6. Schrift, welche Con ſt an⸗
tini in feinem griechiſchen Wörterbuche unter diefem
Worte gefammelt Hat: umd au der 5. Hierouymus
braucht es Epist. 106. ad Suniam æt Fretelam, oper.t. 1.
<ol. 661. wo er fast: Aue in orientalibus provinciis
Jpsum dicitur, quod apud Latinos tectum, in Palzstina
enim et Kgypto non habent in tectis culmina sed do-
mata, qua Romæ vel soltaria, vel maniana vocant,
id est, plana tecta. Aber der Abbe Terraffon Tofite
bedenken, daß due in ber Bedeutung eines flachen Das
- ed auf deu Häufern nicht auf ben oberen Theil des
Tempels anwendbar war, welcher nicht wie eine Ter⸗
zaffe, fondern wie ein Dach, gebildet war. Ich bin
316 Alte Tempel
und griechtfche Tempel die nicht rund wären, hatten,
fo viel befant if, fein Gewölbe.
6. 24. Die Säulen waren rund von auffen und
viereficht von innen, nach den Worten des Diodo⸗
rus, an welche fich die Inteinifche Überfegung mit
mit unferm Merfaffer der Meinung, daß zyumsduue bie
Auffere ſtufenförmige Grundfläche bed Tempels
bedeute, auf welder bie Säulen fanden; del indem
Diodorus fast, daB Gebäude ſei bis dahin errichtet
geweſen, wo nichts mehr als daB Dach semangelt , fo
fest er damit zugleich voraud, daB der Kranz des
Gebälkes fertig war, und dieſer iſt nach dem Zeugniß
des Barond Riedefel wirklich an dem Tempel vorbans
den geweſen; deñ er behauptet ein Stük davon. gefchen
su haben. Und weil diefer Theil des Gebäudes fertis war,
weßhalb Hätte der Gefchichtfchreiber ihn bei bee Angabe
der Höhe ded Tempels ausſchließen follen, von welchem
er einen fo wefentlichen Theil ausmacht, daß er bei
der Angabe der Maße und Verhältniſſe eined Baues
nicht su übergehen if. Aber ed entſteht ein "anderer
gegründeter Zweifel gegen ben Diodorus, nämlich: wa⸗
vum er blos bei der Angabe der Höhe bed Tempeld die
Unterlage abrechnet, und nicht auch bei der Angabe der
Länge und Breite. Fanum id pedum CCCLX lon-
gitudine porrectum est, ad LX vero pedes latitudine
patet, et ad CXX pedes altitudo, crepidine tamen ex-
cepta, attollitur. Der Regel nach wird Die Unter
lage nicht mitgerechnet , ober wenigſtens muß ed gleich,
mäßig bei allen Meflungen gefchehen; und ich weiß nicht,
werum Diodorud anders veriabren ifl. Kynmidane
it bie Unterlage bes Gebäudess aber ber Ges
ſchichtſchreiber Hätte ſich Hier bios bes Wortes zone,
unterliage, bedienen follen, das in diefem Sinne häus
figee bei andern griechiſchen Schriftſtellern vorkommt,
unter andern beim Mriftoteled, (Eıhic. ad Nicom.
l. 10.0.3.) beim Strabo (l. ı7. p. 1139. B.), beim
Joſephust Flavius, (Antiq. Jud. 1.3. c.6. n. 2.
l, ı2. c. 2. n.8.) beim Pollur, (1. 9. c. 5. princ.
segm. 28.) und unter ben Lateinern beim Vitruvius—
(3.0214 06. 1.5. c.ult.) Gen.
zu Birgenti. . 817
eben ber Kürze hält. Ekicht inwendig Töfte heiffen,
daß diefe Säulen innerhalb der Mauer eficht geweſen:
«in Stüf von einer hafbrunden Säule von Porphyr
mit der andern ckichten Hälfte derfelben findet fich zu
Bolſena. Sch bin aber vielmehr der Meinung, daß
Diodorus Habe fagen wollen: Ddiefer Tempel
babe auswärts halbrunde Säulen und von innen
Pilaſter gehabt. 1)
6.25, Der Umkreis dieſer halbrunden Säulen
war zwanzig griechiſche Fuß: das Innere der⸗
felben, welches ebenfalls die Überſezer nicht ver⸗
ſtanden haben, d. i. der Durchmeſſer der Säulen,
war zwölf Fuß. Weñ der Durchmeſſer einer Säule,
dreimal genommen, den ganzen Umkreis derſelben
gibt,, hier 36 Fuß, fo wäre der halbe Umkreis der⸗
felben 18 Fuß: geweſen: da es aber 20 Fuß waren,
fo haben die Säulen mehr als einen halben Birfel
gemachet. Ans einigen Stüfen der Säulen iſt auch
dieſes Maß richtig befunden: dei der Durchmeſſer
derfelben gab etwas über 11 englifche Fuß, fo aus
vielen zerbrochenen Stüfen zu befiimmen war. Der
Durchmeſſer ver acht balbrunden Säulen an der
Faeciata der St. Betersfirche in Nom, welches die
größten Säulen in der neueren Welt find, wird
ohngefähr neun englifche Fuß fein, woraus man fi
alfo die Größe der Säulen an dem Tempel des
Jupiters vorſtellen kañ.
8.26, Vitruvius gedenket unter fo vielen
Arten von Tempeln keines einzigen mit halbrunden
1) Man leſe in der corrupten Stelle des Diodorus,
ſtatt des von Weſſeling aufgenommenen: » xundmass
ass nu, mit Heinrich Stephanus: m os rss
ruxss, oder mi Eihftädt: m asos Tas omas,
Sicebelis.
318 Alte Tempel
Säulen; T) es findet fich auch bei andern Seriben⸗
ten feine Meldung von einem folchen alten griecht-
Then Gebäude. Bon Tempeln ift der von der For
zuna Virilis oder St. Maria Egizziaea zu
Rom das fchlechtefte unter allen alten Werken mit
dergleichen Säulen, und das Theater des Mar
cellus und das Ampbithbeater des Befpaflanus
haben balbrunde Säulen.
8.27. Diodorus gibt uns ein finliches Bild
von der Größe der Säulen an dem Tempel bes
Supiters, men er berichtet, daß in einem einzi-
gen hohlen Reife (dxEvrun) derfekben, deren 20
an einer dorifchen Säule fliehen mäßen, 2) ein
Menſch fliehen könne. Die Weite der Reifen an den
übrigen Stüfen beträgt zween römifche Balmen oder
Spannen und viertehalb Bol; ein bequemes Maß
für die Breite eines Menfchen. Panerazi beflaget
fich, daß er Feine Spur von den Säulen diefeg Tem⸗
yels finden Fünnen. Die größten gereiften Säulen
ans dem Atertume in Rom find drei freiftehende
1) Er gedenket deſſen allerdings (1.4. c. 7. sub fin.), we
er fagt, daß ed eine Art au bauen gab, wo auch bie
Mauern ber Eella bis an die Zwifchenweiten des Säm
Iensanged umher herausgerükt wurden, To daß von
auſſen nur die halben Säulen ſichtbar waren, und diefe
Art nennet er pseudoperipteros, oder falfch geflügett,
eben weil ein ſolcher Tempel ringsumher Slügel ober
Säulengänge zu haben fcheinet, und doch nicht bat,
Sen. |
2) So lehrt Vitruvius, (1.4. c.3. sub fin.) Derielbe nen
net an biefer Stelle die Reifen strie, und (1.3. c. 3.)
striges, wobei Galiani bemerkt, daß einentlich striges
bie hohlen Reifen, und strie bie flahen Stäbe
swifchen beufelben find. Weſſeling, bei der erwähn⸗
ten Stelle bed Diodorus (1. 13. c. 82.) behauptet,
ni in den Manuſcripten strigiles ſtatt striges ſtehe.
ea,
zu Girgenti. 319
zäulen mit ihrem Gebälke, auf dem Camps Vaccino
‚n 41 römiſchen Fuß und 5 Bol in der Höhe, und
Fuß 4304 im Durchmeffer: aber die Weite einer
:chfe iſt noch nicht die Hälfte von jenen; dei fie
FE eine ſtarke Spanne. Die größten Säulen an
echifchen Gebäuden nebit den agrigentinifchen
aren an einem Tempel zu Cyzicum, welche vier
you oder Klafter (eine ooyu« auf fechs grie-
tfche Fuß gerechnet) im Umfreife hielten; und
ieſe Faulen ſollen aus einem Stüke geweſen
in.
6,28. Die Säulen des Tempels zu Agrigentum
ber waren nicht aus ganzen Blöfen gemachet, fon«
een aus ungleichen und, nach dem DVerhältniß des
ı) Strabo 1. 14. p. 941. — Strabo fast von diefem
Tempel nicht. Dagegen reden von ihm Xiphilinus
im Leben des Antoninus Pius (p. 269.), welches
auch in dem Werke de Dio Caſſius (1. 70. c. 4.)
angeführt wird, und Zonaras, (Annal. I. 12. princ.)
Die Säulen des Tempeld waren vier Ellen dit, ihre
Höhe betrug funfsis Ellen, alſo zwölf und einen
halben Durchmeſſer, aus weichem Verhältniſſe man. fchlies
Gen kañ, daß fie Forinthischer Ordnung gewefen find.
Die Schriftſteller finb über bie Zeit, wo biefer Tempel
erbauet worden, nicht einig. Aber fie. laſſen fich in
itbereinfimmung bringen, wei man annim̃t, daß ber
Bau unter dem Hadrianus angefangen worden, beit
Johannes Antiochenud, genaft Malalas, fast
(Hist. chron. 1. 11. sub fin.) daß er von dieſem Kai⸗
fer errichtet worden. Daſſelbe fagen die Chronika⸗
fchreiber Alerandrinus und Paſchalis; auch Wins
"delmafi in der Geſchichte der Kunf, (12 ©.
438. 2$.)] und daß er nachher vom Marcus Aus
relius und Lucius Verus vollendet worden, fast
Ariſtides (Panegyr. Cyzic. oper. t. ı. p. 241.), welcher
fih bei Einweihung defielben gegenwärtig befand, und
dabei feinen Panegyrikus ablad, ausdrüklich. Gen
u. Gernow, i
820 Alte Tempel
Ganzen, Fleinen Stüfen zuſammengeſezet; umb
Diefes iſt die Urſache, daß die Überbleibfel davon
nicht bei dem erſten Blike in die Yugen fallen. 1)
6.29. Das Gebälfe auf den Säulen beſtand
aus drei ungeheuren Blöken Stein, einer über den
andern geleget, welche ein Ganzes macheten. Die
Architrave und die Friefe waren, wie an dem vorber
befchriebenen Tempel von gleiher Höhe, und ein
jedes von diefen zwei Gliedern 10 euglifche Fuß hoch:
die Sornifche, von welcher fich nichts erbalten-hat, 2)
mürde etwa 8 Fuß in der Höhe gehabt haben. Die .
Triglyphen waren, wie ich vorher angemerfet babe,
auch Bier in die Friefe eingefuget, und aus einem
Stüfe 10 Fuß hoch: es haben ich ein paar derfelben
unter den Trümmern erhalten. in einziges Kapitäl
it ganz geblieben und aus einem Stüke, welches zu
meffen man eine Zeiter anfezen mußte.
6.30. Diefe angegebene Maße Eönnen mit der
Höhe des Tempels beim Diodorus übereinfim-
mend fein, und der Durchmefler der Säulen, nebft
dem angezeigeten Maß des Gebälfs verglichen mit der
Höhe von 120 Fuß, der Höhe des Tempels, führet
uns zur Beflimmung der Höhe der Säulen. Diefe
fönnen weder fo niedrig, als an dem Tempel der
Concordia und denen zu Bello gemeien fein, noch
auch die Höhe der dorifchen Säulen beim Vitru-
vius, d. i. fieben Durchmeffer, gehabt haben. 3)
Den um angezeigete Maße mit der Höhe des Tem⸗
pels zu vergleichen, Fan man den Säulen nicht mehr
und nicht weniger als fechs Durchmefier geben. 4)
4) [Man fehe die Anmerk. üb. die Baufunft ıc IR.
31 6.)
2) [Man fehe oben die Rote auf &. 115— 116.]
3) [Anmert. üb. die Bauktunft ıc. 1 8. 36 $. Note.)
4) Dieſes IR nach dem Vitruvius (1.4. c. a.) die Höhe
zu Girgenti. 324
Der Durchmefler der Säulen war, nach dem Dio-
dDorus, zwölf Fuß, und fechsmal zwölf machen zwei
und fiebenzig. Die Architrave und die Friefe hatten
zwanzig englifhe Fuß und die Cornifche etwa acht,
Die Höhe der Säulen und das Gebälk zufammen
würden alfo an hundert Fuß machen. Die übrigen
zwanzig Fuß an der ganzen Höhe, bis zur Spize des
Frontiſpiz gerechnet, bleiben alfo für daffelde. Den
die Frontifpize oder Gipfel des Bortals waren in den
ältefien Beiten niedrig, wie der andere Tempel zu
Girgenti und der eine zu Peſto, an welchen er
ſich erhalten hat, zeigen. 1)
6.31. Hieraus würde folgen, daß man finfen-
weis von der Beſtimmung der Söhe der Säulen nach
der Breite der Tempel, wie oben angegeiget worden,
auf fechs Durchmeffer und endlich auf fieben gegangen
ſei. Sechs Durchmeffer für dorifche Säulen fcheinet
alſo in den blühendeſten Zeiten der Griechen das
Verhaͤltniß derfelben gewefen zu fein. Den in der
93 Olympias famen die Karthaginenfer zum zweiten⸗
mal nach Sicilien, und Agrigentum ward von ihnen
zerſtöret; durch diefen Krieg, faget Diodorus, fei
die Yusführung des Tempels unterblieben. 2)
welche die doriſchen Säulen ber erftien Zeit müßen ‚ges
habt Haben. Sen,
1) [Man fehe den Borberichtiu den Anmerk. üb. die
Baukunſt ꝛc. $. 5.]
2) Nach dieſer von Diodorus für den Bau bed Jupiter⸗
tempeld angegebenen Olympiade, und aus dem Zu
fanımenhange feiner Erzählung läßt fich nicht allein für
biefed Gebäude, fondern auch für den Tempel der Con⸗
cordia, und für die übrigen Tempel derfelben Bauart
in andern Gegenden eim beſtimter Zeitpunft reftfesen.
Diod or us erzählt, daß die andern Tempel zu Girgenti
bereit? fertig fanden , und daß blos ber Bau ded Ju⸗
pitertempels unterbrochen, auch nachher nie mehr
322 | Alte Tempel
8.32. Da ich alfo glaube, wahrfcheinlich darge
than zu haben, daß die Säulen diefes Tempels
weder unter noch Über ſechs Durchmeſſer können
gehabt Haben: fo Fan alfo auch ber Tempel des
vollendet worden. Anter jenen mußte fidy alfo auch der
Eoncordiatempel befinden, welcher auf biefelbe Ars
gebauet it, und nach feinen niedrigeren. Verhältnifien
muß man ihn für etwas Älter ald den Jupitertempel
Halten, wie Windelmaf fehr richtig bemerft. Aus
der Erzählung Diobors erhefllet ferner, daß die Gries
den, welche damald Girgenti und andere ihnen uns
terworfene Theile Siciliend inne Hatten, bie Erbauer
Biefee Tempel waren. In Italien finden fich gleichfalls
Tempel, welde diefen in allem Theilen der Baukunſt
vollfommen gleich find; und Diodorus fagt kurz vor
und nachher, daß die Griechen auch im Belize verfchichener
Küften Staliend geweien. Weil man nun bie Zeit, welche
sum Bau biefee Tempel erfordert ward, mit der Zeit
zuſammenhält, in welder die Griechen fih in jenen
Gegenden niederliehen:: fo wird fich ergeben, daß biefe
Tempel ungefähr um biefe Zeit erbauet worden, wo Pe
ritles feine herlichen Gebäude in Athen errichtete,
unter welchen einige von dorifher Ordnung und von bevs
felben Art waren, wie die in Girgenti und an andern
Drten. Um diefe Zeit genoß Sicilien des Sriedens und
befand fih in feinem blühendften Zuſtande, fo daß die
griehifhen Städte jener Inſel und Großgriechenlands
mit den Prachtgebäuden jened großen Atheners wetteifern
fofiten. Auch darf man fih nicht verwundern, daß dort
in fo kurzer Zeit, die etwa hundert Sabre umfaſſen mag,
fo viele und große Tempel erbauet werben Foflten, wähs
rend Perikles allein in funfsehn Jahren mehrere er
richten ließ; und wir wien, daß die Städte Siciliens
durch die ausnehmende Fruchtbarkeit jened Bodens in
kurzer Zeit zu ſo viel Reichtum und Macht gelangten,
daß fie den alten und mächtigen Städten anderer Gegen:
den furchtbar wurden, wie Diodorus ſelbſt (1. 4.
ec. 23.) von ber Stadt Heraklea erzählt, welche auf jener
Snfel vom Spartaner Dorient gegründet worden.
Sen,
zu Girgenti, 893
SDheſeus zu Athen, welcher älter iſt, und kurz nach
der Schlacht bei Marathon gebauet worden, 1) feine
Säulen, nur den Schaft derfelben allein gerechnet,
von fieben Durchmeſſern baben, welche Pocoſcke
diefen und allen anderen dorifchen Gebäuden zu
Athen gibt. I
6.33. Der Tempel, von welchem wir reden,
muß. Seraftylos gemefen fein, das ift, ſechs Saͤu⸗
Sen vorn gehabt haben. Dei fechs Säulen von zwölf
Fuß im Durchmeſſer machen ſchon 72 Fuß, unb
fünf Intereolumnia, iedes zu drei Moduli oder zu
anderthalb Durchmefler der Säule gerechnet, machen
90 Fuß, und zuſammen 162, welches mit ber
Breite von 160 Fuß bis auf zween Fuß überein.
6.34, Bon der NMechanik bei Erbauung dieſes
Tempels finden fih noch die Spuren an einigen
großen Steinen des Gchälfs. Diefe Spuren find
gewiſſe Aushohlungen in Form eines Sufeifens, wie
ich erwähnet habe, an den beiden fchmalen Enden
der Steine. In diefe Aushohlung wurde ein GStrif
oder Kette geſpannet, und beim Aufsiehen diefer,
großen Raflen von beiden Seiten oben zufammen
genommen. 2) Durch folches Mittel rükete man diefe
Steine dicht an einander ohne alle Hebezeuge, und
wen die Steine neben einander lagen, zog man dem
GStrif heraus, und der Anfang des Einfchnitteg,
welcher oben offen war, wurde alsden mit Holz ver⸗
fchlagen, damit Feine Feuchtigkeit hineindringen
fonte. Es bat fich noch etwas Holz in einem biefer
ı) Pausan. 1. ı. c. ı7. [$. 6.] Plutarch. in Theseo sub fin.
[c. 36.] Die Schlaht bei Marathon wurde gellefert
in dee 72 Olympiade. (Corsini Fasti Attici, t. 3. p. 148.)
[9.5.8.9%8 18. 219] Gen.
2) [Man fehe die Abbildung Numero 15 am Ende biefeb
Bandes.] "
334 Alte Tempel
Einfchnitte der Aushohlungen über zweitauſend Kahre
bis ige frifch und feſt erhalten. 1) Unter den Zeich⸗
mungen von alten Gebäuden bes berühmten Bau⸗
meiſters San Gallo in der barberifchen Bib⸗
liothek fehe ich unter den Nuinen des Tempels
der Benus zu Epidaurus in Griechenland, an den
Enden der Steine einen ähnlichen Einfchnitt, aber
eficht.2) Diefer Weg, große Laften Steine zu heben,
und unmittelber im Aufzieben auch an ihren Drt
zu fezen, ift ſehr vorzüglich vor der Anweiſung des
Vitruvius; N und die Sake mit Sand beim Pli⸗
nius, 3) nah Boleni Auslegung, 5) fcheinen da-
gegen Tächerlich. e 2
8.35. Man fichet bier, wie ungelünflelt der
Alten ihr Weg zu wirken war, und die neuere Welt
fcheiner in der Mechanif mit aller Künftelei und Aus⸗
rechnung der bewegenden Kräfte die Alten nicht er-
reichet zu haben. ‚Man ermäge die ungebenren
Obeliſken: die ganze Welt iſt vol von den Anſtal⸗
ten, die Fontana unter dem Pabſt Sirtus V.
machete, einen Dbeliffus aufzurichten, und bei den
Alten findet fih Fein Wort von ihrer Aufrichtung.
Mie vorzüglich der natürliche und leichteſte Weg
4) kanmerk. üb. die Baukunſt ıc. 18. 18 $J
2) [Ebendaſ. 18. 19 $.)
3) L. 10. ce. 5.
4) L. 36. c. 14. sect. 21.
: 5) Dissertas. sopra al Tempio di Diana d’Efeso $. 19.
Saggi di dissert. dell’ Acad. di Cortona. t. ı. part 2.
.35.
Plinius fchreibt, daß Cherſiphron fich derſelben
bei dem Bau des Tempels der epheſiſchen Diana
bedient, um die Werkftlile des Architravs von ungeheus
zer Größe hinaufsubringen. Es war alfo ein bei den
Griechen bekañter Mechaniſmus. Gen.
zu Girgenti. 325
n der Mechanif vor allem gelehrten Trieb - und
Hadewerfe if, mo es die Natur der Sachen nicht
fordert, bat Zabaglia in Nom zu unferen Zei⸗
en" gegeiget, ein Menſch ohne allen Unterricht,
velcher weder leſen nach fchreiben Fonte. Aus fich
euR, und aus einem Geile urfprünglicher Erfin-
ng hut er Werkzeuge an das Zicht gebracht, die
chtebebeütend fiheinen, und durch ihre Wirkung
rſtaunen machen, und Dinge ausgeführet, die vor
mberer Baumeifler Augen verborgen waren. 1)
8.36. Da nun der Tempel des Jupiters,
on weichem wir reden, nicht geendiget wurde; fo
zeſchahe es mit der Beit, daB man ganz.nabe an
von Tempel hinan Häufer bauete, und endlich wurde
er Tempel ganz von andern Gebäuden umgeben:
riefes ift der Verfiand der Worte des Diodorus,
Ye, wie es mir fcheinet, von niemanden veriianden
ind. Tuv aa n MIX TUXWy Tas VEng O5KOO/RyY-
9 KUXUTE Tus ons wepramdaroyrraov Die
ateinifche Überfegung des erfien Komma iſt: Cum
lii ad parietes usque tempia educant. Man leſe/
mflatt rus veng, Ta ven, und überfege es: Cum
lii ad parietes usque templi ædißeiis fabricandis
ccederent. Im zweiten Komma lefen Henrieus Ste⸗
4) Die Maſchinen des Zabaglia find in Aupfer geſto⸗
hen und mit denen bed Ritter8 Domenico Fontana
zufammen in einem Soltobande herausgegeben worben.
Die Errihtung des Obeliſten iſt befcheieben von Earto
Fontana in deſſen Werke: il Tempio Vaticano (1. 3.
<. 4.) und in Kürze in des Milista Memor. degli Ar-
chitetti in dbem Leben bed Fontana. Goguet Tı.3.
part. 3. 1. 2. c. 2. p. 49.) führt dad von Herodot
(1.2. c. 125. p. 64.) befchriebene Verfahren an, wie
die Agypter die großen Steinblöke sum Bau ber Pyrami⸗
un hinaufbracdhten ‚ und gibt davon eine Abbildung.
ea.
In
326 Alte Tempel
phanus und NRhodomañ, anſtatt zuäwnegs; ka
eircuitu, 00, columnis. Weffeling fucher beide
Wörter zu behalten, und meinet, man müße KU ie
wos, Oder xuchwees sovu leſen. Sch bleibe. bier
bei dem gedruften Text, und der fprachkundige Leſer
wird ohne afademifche MWeitläuftigfeit bier einfehen,
ob diefe Gelehrten den Tert verſtanden baben, ‚und
welche Erflärung vorzuziehen- if. 1) Der franzöfifche
Überfeger fpringet wie ein Teichter Zangen Aber dieſe
Stelle hin.
* *
%*
6. 37. Diefe kurze Abhandlung kañ auf die nach⸗
läßige Unterſuchung der übrig gebliebenen Gebäude
in Sriechenland ſelbſt zu fchließen Anlaß geben. Ein
Tempel 3. E. wie der u Suntum, dem attifchen
I) Meines Bedünkens it Windelmafs Erklärung
durchaus unrichtis, und ich begreire nicht, wie fie ihm
bat in. den Si kommen Fönnen. Ich sweifle, ob er über
haupt ben Text bed Diodorus Hier verſtanden babe.
Was.hatten die Häuſer, welche mit der Zeit ohne Regel
und Drbnung neben den Tempel hingebauet wurden, mit
“der prachtvollen Größe deſſelben und mit ber Idee bed
Geſchichtfchreibers zu thun, welcher dieſelbe in's Licht gu
ſezen ſucht, indem er ſagt, daß jener Tempel von einer
- neuen und vorhin nicht gewöhnlichen Bauart war? Die:
fed Befondere und Neue beſteht nach dem Diodor u 8 darin,
daß die andern Tempel entweber rings von einer freiftes
Henden Säulenhalle umgeben waren, wie ber Tempel der
Concordia in derſelben Stadt, die Tempel au Pär
um, die Tempel der Minerva und bes Thefeus
su Athen, und mehrere andere; oder daß fie keinen Säus
Iensang umher, fondern die bloße Eella hatten, welche
von einer einfachen Mauer eingefchleffen war. , Diefer
»Jupiterſstempel (tagt Diodorus) ift von einer
„ neuen. Bauart, dei er Hat jene beiben Formen ge
„meinfhaftlih:“ die Mauer ber Cella war nämlich bil
su Girgenti. 327
Vorgebirge, auf 17 ganzen Säulen, verbienet mehr
Aufmerkfamfeit, als man in des Fourmont Be
riht von Teiner Keife in Griechenland findet. 1)
Es fomt alles. darauf an, mit was für einem Auge
man die Sachen anfiehet. Spon und die gelehrte-
fen Neifenden haben vornehmlich Infchriften und
alte Bücher. gefuchet;z Cluver und Holſtein ge
dachten auf die alte Gesgraphie, und andere haben
andere Endzweke gehabt: um die Kunfl bat man
fich unbefümmert gelafien. Don den alten Werfen
der Baukunſt in und um Nom if ebenfalls noch
ziel übrig zu jagen: Desgodeb bat gemeffen;
ein anderer muß durch allgemeine Aunmerfuns
sen. und duch Regeln lehren. 2)
"ARE TI TOD Eminem, WO MEY Komm TE RO.
Empedocl. Agrigent. ex Laörtio.
sur Säulenhalle hinausgerükt, und fühlte die Zwiſchen⸗
weiten der Säulen auf die halbe Dike derielben, fo daß er
die vom Bitruvin 8 befchriebene und oben ©. 317 ange
gebene Form erhielt, und daraus ließe ſich fchliehen, daß
biefee Tenipel ber erite von folder Bauart geweſen fet.
Sen.
[Man vergleiche die Stelle Diodors, wie fie oben
in der Note auf S. 117 ‚angegeben if.
a) Mem. del’ Acad. des Inscer. t.7. p. 344. edit. Par. 4.
2) Wir fügen hier die Bemerkungen bei, welche der Baron
von Riedeſel auf feiner Reife durch Sicilien und
Großgrieheniand , im Sabre 1767, über biefen Tempel
an Drt und Stelle gemacht hat. Derſelbe fast auf Seite
46 feiner Reife: „Daß die von dem Diodorus
„ angegebene Länge und Breite nicht übereinſtimmen,
- 9» muß dvermuthlich ein Schreibfehler fein, weil die übri⸗
„ gen Verhältniffe genau zutreffen. Die Säulen haben
9 42 neapolitanifche Palm im Amfange, und ohngefähr
„» 14 im Durchmeſſer; und jede Neife bat zwei Palm im
» Durchichuitte, Sch, und verſchiedene andere Perſonen,
328
\
Alte Tempel
„ welche. diker ats ich waren, Foliten bequem darin fichen,
» und die Befchreibung des Diodorus ift richtig, ohn⸗
„ geachtet fie durchgängig für fabelhaft gehalten worden.
» Ih fuchte unter den Trümmern fo viel Theile der Archi⸗
„ teftur auf, als mir möglich wars; und Solgendes habe
» ich gemeſſen: Ein Trisiyph ift 12 Palm hoch, 8
„Palm breit; die Cella, fo viel obngefähr aus ben
„» Trümmern au fchließen ift, hatte 125 Schritte in der
» Länge. Ich fuchte den ganzen Tag ein Stük von ber
»Corniſche, allein vergebens; bis ich endlich den
„ folgenden Tag glüflider war, und ein ſehr bes
'„ Thädigted Stük antraf, dad 4 Palm in der Höhe
„hatte, welche Proportion ziemlich mit den übrigen
» Theilen, der dorifchen Drbnung gemäß, übereinſtim̃t.
» Aus der Stüfen der Säulen fiehet man, daß, dem
»Diodorus gemäß, ſolche Halbſaäulen, Halbpi⸗
»laſter waren. Ein Kapitäl derſelben, welches ich
„meſſen koöñte, Hat mit dem Theile bed Pilaſters 16
„» Yalm in der Länge oder der ‚Breite, und 8 Palm
„in bee Höhe. Die Pilafter befiehen aus Eteinen,
„welche 9 Palm im Viereke, aufammen 36 Yalm,
» groß find; und ih fand zu meiner NWerwunberung ,
„ daß dieſelben di forma oder maniera rustica Waren;
» das Heißt, daß M Steine durch eine Vertiefung oder
„ Einfchnitt von einander verfchleden finds: diefer Ein⸗
„ſchnitt iſt einen halben Palm breit und tief. — Die
„fed it, was ih mit Gewißheit von den überbleibſeln
» diefed Tempels habe meſſen können. Mir Hat ed genug
„ gethan, weil ih mir daraus einen Begrif von der
„Gröoße deſſelben machen koñte. Ich wiünfchte bie Grös
» fe von St. Peter in Rom und die Verhältnifte mit
„ biefem Tempel vergleichen su können. Daß ber Teste
„ preäctiger und fchöner in dad Auge gefallen, glaube
„ich ganz gewiß, und nichts kañ majeftätifcher als die:
ſes Gebäude erdacht werben. Stellen Sie fih, mein
„Freund, die Größe ber Säulen, die sierliche Form
„ bed Tempels, weiche weit fchöner als ein Kreus, dem
„ St. Peter gleicher, iſt; die Anficht des ganıen Ger.
„ bäudes , die Seftigkeit in den Pilaſtern, die fchöne
„ Bildhauerarbeit, wovon Diodorus rebet, und wel
m (he izo völlig zerſtört it, kurz alles zuſammengenom⸗
„ men, vor: fo glaube Ich, daß ein viel edleres Ger
zu Girgenti. | 329
n baude, ald St. Perer in Rom, in Ihrer Einbildung
n entfliehen wird. Nach der Proportion ded Triginphes
„ müßte der Tempel, von dem Fuße der Säulen bis an
„ bie Sphe ber Eornifhe, 150 Palm hoc gewefen
„ten.“ Sen.
en vergleiche Wincdfelmans Brief an Riedefel,
2 un. 11767.)
"um vor Wilkins Ruins of Magna Gracia zu warnen
bemerkt der fehr Eundige 2. von Klenze in ginem Briefe
aus San Nicola bei Agrigenti, v. 16 1824, Zolgendes :
„ Schon in Segefte und Selinunt waren mir bes
„ beutende Verfchiebenheiten mit dem, was ich fand und
» fah, und dem aufgerallen, was mir von diefen Denks
„ malen aus den Werken bed Houel, St. Non und be
„ tonderd dem Haupt :s und Prachtwerf ded Engländers
„»Wilkins: Ruins of Magna Gracia bekañt war. Hier
„in Aarigenti aber fleigerte fih meine Berwunberung
„ über die gewiſſenloſe Nachläßigkeit, Salfchheit und Mans
» aelhaftigfeit der Darftellungen und Meſſungen Wils
„kins; und ich entfchloß mich um fo mehr, den ganzen
» Umfang der agrigentiniichen Denkmale ſelbſt zu meſſen,
„» um fowohl mir als Andern genaue Kechenfchaft darüber
» geben zu können. Durch wocenlange Anftrengungen
„ und mit der nöthigen Hülfe audgerüftet, gelangte ich zu
„ diefem Ziele, und mit ihm zu der Überzeugung, baß
Wilkins Werk in allen Theilen falfch, unbrauchbar
„ und gewiſſenlos nachläßig iſt, fo dag ich es fiir Pflicht
», achte, hiemit das Publicum förmlich davor zu warnen.
„Die Form des Ganzen, die Verhältniffe, Maße,
„Profile, maleriſche Anſichten und Benennungen, als
»les iſt fo falſch, daß es faſt nicht au glauben iſt, Wil⸗
„ Fins habe jemals dieſe Denkmale gemeſſen; im Ge:
„ gentheite fcheint ed, ald Habe er feine Maße und Sor;
„ men etwa nur nad fchlechten perfpectiviichen Zeichnun:
„ gen mit dem Zirkel rebucirt.
»Die Herrn Hangel, Serradifalco und
„» Hittorff, welche die ſicilianiſchen Dentmale kurz
„» vor mir maßen, werben gewiß eben wie ich fprechen. “
Hierauf führt er tüchtige Beweiſe für feine Be
hauptung an, welcde er aus feinen Meſſungen des ſo—⸗
senaften Grabmals des Theron nit.)
Ahr
Anmerkungen
über die
Baukunſt der Alten.
-
=
° Vorbericht. |
$.1. Ich bin dem Publico eine Erklaͤrung ſchul⸗
dig über die Geſchichte der Kunſt, und ſonder⸗
lich dev Bildhaueret der alten Völker, vor
stehmlich der Ertechen, deren Ankündigung ich vor
ein paar Fahren veranlafiet habe. Sch hätte damals
mit derfelben hervortreten können; es wird aber mie
und dem Lefer nüzlicher fein, daß es nicht gefchehen
if. Den da ich die Befchreibung der tief ge
fihnittenen Steine des ſtoſchiſchen Mufet
su Florenz übernahm, 1) ‚mußte ich mich von
neuem in viele Unterſuchungen einlafien , die ich vor
ber nicht mit gleicher Aufmerffamfeit gemachet hatte,
Diefes in franzöffcher Sprache verfafiete Wert if zu
SFSlorenz gebruft, die Vorrede aber und das Res
gifter u Rom, und es ift ohne diefe beiden Stüke
an fechspundert Seiten in Duarto ſtark. Da ich nun
nad Vollendung diefer Arbeit meine Gefchichte
von neuem überfahbe, fand ich Diefelbe mangelhaft,
theils an nothwendigen ESchen, theils an gewiffen
Beweiſen, und in dieſer Überlegung entſchloß ich
mich, die Schrift in ein anderes Syſtema zu bringen.
Sch habe mehr Zeichnungen zu nöthigen Kupfern mas
chen laſſen, welche nach und nach geflochen werden;
und diefes find die Urfachen ihrer Verzögerung.
8.2, Gegenwärtige Anmerfungen über die
Baukunſt der Alten find unter ben Unterfuchuns
gen erwmachfen, welche ich in mehr als fünf Jahren,
Die ich in Rom und in andern Städten von Atn-
lien lebe, über alles, was die Künfie betrift, ge
4) [Diefe Beſchreibung machte Winckelm añ in dem
Jahren 4758 und 4759.) |
334 Borbericht,
machet babe, und ich habe dazu alle efkderlichen
Hülfsmittel gehabt, Tonderlih in dem vertrauten
Umgange, deflen mid Seine Eminenz, der Herr
Sardinal Alerander Albant, der größte Ken-
ser ber Altertümer, würdiget. u
8. 3. Uber das, was ich von der Baukunſt ge-
fchrieben babe, fan ein Gelehrter, welcher die Als
tertümer aufmerffam unterfuchet, und die erforder:
lichen Keñtniſſe dazu hat, eben fo gründlich, als
ein Baumeifter, reden; und bier Fan gelten, was
Ariſtoteles von den Spartanern faget: „Ste haben
„die Muſik nicht gelernet, aber fie willen richtig
„von derfelben zu urtheilen; “ 1) ich verfiebe hier
ein sunftmäßiges Lernen. Es erfordert auch dag
Studium der NAltertümer eihe binlängliche Keütniß
und Unterfuchung in ber Baukunſt, fo, wie es die
übrigen beide Künfte, die Malerei und Bildhauerei,
verlangen ; und die Betrachtung der alten Gebäude
erweket ein Verlangen, diefelbe genauer zu kennen.
8.4. Man muß fich wundern, daß viele Denk
male der Baukunſt denienigen/ welche diefelben
hätten berühren und befchreiben follen, gar Feine
Aufmerffamfeit erweket bien, wie es mit den übrig
gebliebenen Gebäuden der Stadt Poſidonia oder BA-
ſtum, 130 Pieſti oder auch Peſto, am falernitanifchen
Meerbufen, die ich in den Anmerkungen verſchiede⸗
mal angeführet habe, ergangen if. Cluverius ift
die Gegend von Bello, fo wie ganz. Btalien , durch⸗
reifet; und er bat alles umfändlich beichrieben,
aber er gedentet nur mit einem einzigen Worte der
Trümmer diefer Stadt. 2) Eben fo wenig Nachricht
findet ſich bei andern Scribenten bes Königreichs
Neapel von. den Überbleibfeln diefer Stadt. Einige
Engeländer gingen vor etwa schen Jahren zuerfi bar
ı) [Politie. 1. 8. c. 5.]
2) [ltalia antiqua, L 4. c. 14]
Vorbericht. 335
bin, und von ber Zeit hat man angefangen, davon
zu reden. Bor etwa vier Bahren bat der Herr
Grau Gazzoles aus Barma, 1) Commandant der
Artillerie des Königs von GSietlien, die pärlifchen
Gebäude genau aufnehmen und zeichnen laſſen, und
fie werden izo in Kupfer geſtochen.2) Bor ein paar
Sahren trat der Baron Antonini,3) (ein Mat von
achtzig Sahren, und Bruder des Verfaſſers von dem
beliebten italtäntfhen und franzöſiſchen
Wörterbuche, zu Baris in zween Bänden im
Quarto gedeuft) mit einer Befchreibung von
Zucanien, zu Neapel gedrukt, an das Kicht, und
er nahm fich vor, die Überbleibfel der Stadt Peſto,
welche zu gedachter Landſchaft geböret, zu befchreiben.
Er war mehr als einmal an dem Orte felbft geweſen,
wie er mic) mündlich verficherte, da er nicht weit Davon .
Zändereien befiget: aber deſſen Nachricht war fo ſehr
unrichtig, daß die Blätter, welche diefelben enthiel⸗
ten, umgedrufet werden ‚mußten, und der Herr Mar⸗
chefe Galiani zu Neapel entwarf dem Verfaſſer,
1) Er war, wie Sea berichtet, aud Piacenza. Fernow.
2) Diefer Grav Gazzola hat den Ruhm, ber Erfte gewe⸗
fen zu fein, welcher die Altertümer Päſtums durch Abs
bildungen befafit gemacht hat. Uber die Zeichnungen
wurden um verfchiedene Sahre früher verfertist, als
Winckel mañ Her ansibt; deñ der Canonicud Mazzo c⸗
Bi, welcher im Jahre 1754 feine Bemerkungen über
Päſt um im Anhange feier Erklärungder herak⸗
leiſchen Tafeln herausgab, verfprach bereits damals
(S. 499) die Zeichnungen, welche ber Grav Gazzola
machen Taten, aber erft fpäterhin gab fie der Pater
Paoli mit ſeinen Abhandlungen dazu heraus. Gen,
lüber den Graven Gazzola und feine Bemühungen der
Altertuͤmer Großgriechenlands leſe man den ſehr intereſſan⸗
ten Brief Barthelemys au den Grayen Cavlus, in
des erſtern Reife in Italien.)
3) Das Wert des Antonini wurde bereitd im Jahre
41754 bei Geſſari gedrukt. JZwar vermehrte ex. es im
Sapre 1756 an vielen Stellen, aber ohne die Jahrsrahl
au verändern, Sea,
336 " Vorbericht.
mas diefer von Bello zu fagen hatte. Gleichwohl
aber iſt ein großer Irrtum fliehen blieben: den man
gibt vor, die Stadt fei in die Runde gebauet
geweſen, und es iſt das Gegentheil; die Aingmauer
it ein völliges Viereck. 1) Man halte dasic-
nige, was in diefer Schrift, und nur bier allein,
von den Gebaͤuden zu Bello gefaget wird, mit ber
Nachricht zufammen, die ich dem Xefer mittbeilen
will, fo wird fich zeigen, wie mangelbaft und un-
volliiändig iene fei.
$.5. Von der Stadt Bello, welche etwa an-
derthalb ttaliänifche Meilen von dem Geflade. des
Meers entfernet if, bat fich Die ganze Ningmauer
mit ihren vier Thoren, in's Gevierte gezogen, er⸗
balten,2) und biefe if aus ungemein großen Etei-
nen, 3) welche viereft oder IAnglich gehamen find,
ohne Mörtel zufammengefeset, fo daß die änflere
&eite derfelben in fehs Flächen, nach Art der
Diamanten, gehauen if: auf ber Mauer fieben in
gewiſſer Weite von einander runde Thürme. In
nerhalb der Mauern und in der Mitte der ebemali-
gen Stadt fiehen zween Tempel und ein drittes öf-
fentliches Gebäude, welches entweder eine Baſilika,
41) Die Ringmauern bed alten- Päaſtums find freilich nicht
in Die Runde gebauet, aber fie. bilden auch kein Wier⸗
et, fondern eine unregelmäßise Sorm. Bea.
[Man fehe Numerb 4 unser den Abbildungen.)]
2) Ein großer Theil der Ringmauer von Yäftum 'iR zer;
Aört, fo daß an einigen Orten kaum die Eyuren davon
zu erbliten find; aber der erhaltene Theil derſelben iſt
beträchtlich und zeigt einen mächtigen Bau. Von den
Gtadtthoren hat ſich nur eineb erhalten. Gen.
(Man tal ed unter Numero 2 bee Abbil dungen
fehen.)
3) Die Steine haben 8 bis 10 Yalm Länge, 4 biss
Palm Breite, und 3 bis 4 Palm Hohe. Gem.
— ⏑
Vorbericht. 337
oder eine Baldfira oder Gymnafiunmi) geweſen
iſt. Diefes ind ohne Zweifel die älteſten griechifchen:
Gebäude, 2) und nebſt dem Tempel zu Girgenti in
Steifien, und dem Pantheon in Kom, tft fein ans
deres Wert der Baufunft, welches fich fo völlig er⸗
halten bat; 3) den ber eine Tempel bat vorn und
hinten fein 'völliges Frontiſpieium, und auf dem
andern iſt das Mehreſte von demfelben geblieben.
6.6 Die zwern Tempel find, fo. wie das dritte
Gebäude, Amphiproſtyli, das if, fiehaben einen
freien Säuwlengang ringsumber ; und vorn und
hinten eine freie ‚Halle. 4) Der größte Tempel, und
4) Pater Paoli glaubt, (dissert 5.) daß es en Port
tu8 oder tofcanifdes Gebäude geweren, in in dem
man öffentliche. Geſchäfte oder Handel getrieben. Sen.
2) Pater Paoli, welcher die Abbildungen diefer Tem:
pel mit gelcehrten Abhandlungen begleitet Hat,
ftand in dem irrigen Wahne, daß dieſe Gebäude von
hetruriſcher Bauart ſeien, und fein ganzes Beſtre⸗
ben in ſeinem Werke gehet dahin, dieſer Meinung Wahr⸗
ſcheinlichkeit und Glauben zu verſchaffen. Winckel⸗
mar hat gleich anfangs ihren wahren Charakter richtig
erfait, und da auch bie irrige Unficht des Pater Pablli
jezo allgemein anerkafñt ift, fo lohnt ed der Mühe nicht,
fih bei derfelben weiter aufsubalten. Das Wert bed
Paters Baoti Het: Rovine dell’ antica citta di Pesto,
detta ancora Posidonia. Roma, 1784 fol. Fernow.
2) Die S oPhienkarche. in KConſtantinopel nicht su vers
geſſen, die zwar jünger if. Sean.
4) Dieſer Zuſaz: und vorn und hinten eine freie
Halle, ift überflüſſig, da .edfich bei dem Freien Shw
Tensange ringsumher von felbft verſteht. Wuch
gebürt ihnen die Benennung amphiprostyli, welche
Maivr in feinem 1768 su London erfchienenen Werke
über dieſe Tempel S. 27, 30, 31,) ihnen beilest, nach
der Bedeutung diefed Wortd bei Vitruvpius (L 3.
c. 2.) keineswegs; deñ er nett jene Tempel amphi-
prostyli, weldhe blos an beiden Giebelſeiten, vorn
Winckelmañ. 2. 415
338. Vorbericht.
welcher weniger gelitten, bat 6 Säulen vorn und
hinten, und 14 auf der Seite, die Effäulen z wei⸗
mal mitgezählet. 1) Der Fleinere Tempel Bat
vorn und hinten, Wie jener, 6 Säulen, und 13
auf der Seite. Die Eellen diefer Tempel, oder
das Innere derfelden, war mit einer Dlauer, wie
gewöhnlich, eingefchlofien, und die in dem größern
Tempel bat vorn und hinten: wiederum ihre beſon⸗
dere Halle von zwo Säulen am Eingange, und: die
Efpilafter, und zwo Reihen Säulen waren auch in-
nerbalb der Gele, eine jede von::7 Säulen, von
welchen noch viele ſtehen. Die Gelle des andern
Tempels hat vorn ihre befondere Halle, von eben
fo viel Säulen, I und innerhalb der Eelle gegen
das Ende ift eine große vierefte laͤngliche Erbo-
hung, welches etwa ein Altar gemwefen iſt. ) Der
‚und Hinten, Säulenhallen haben. Richtiger würden fie
peripteri zu nennen fein; dei fo hießen nah Bitruvius
die Tempel, weldhe auf jeder Sronte ſechs Säulen, und
an jeder der beiden langen Geiten elf Säulen, bie Ek⸗
fäuten wieder mitgesählet, hatten. Sea.
13 [Mas fehe unter den Abbildungen Num. 3.]
2) [Man fehe unter den Abbildungen Num. 6.)
3) Die Zahl der Säulen ift verfchieden. In jeder Vors
Halte des großen Tempeld find nur zwei, und in der
einzigen Vorhalle des Fleinen Tempels find swei ganze
und zwei Halbe au den beiden Yilaftern ober CE.
pfeileen der Cella. Sea.
[Man fehe die Abbildungen Num. 3 u. 6.)
4) Ihrer Geftalt und der ‚Art nad, wie fie mit einer
Mauer umgehen it, [man ſehe ımter den Abbil dun⸗
sen Num. 6.) zu urtheilen,/ ſcheint ed mir vielmehr
eine »dicula ober Capelle geweſen zu fein, in welcher
Dad Bild einer Gottheit aufgeftett war, wie im Tempel
„de Inupiter Capitolinus unb andern Tempeln.
Man ſieht dergleichen im fo vielen Grundriffen von Tem:
:: pealn bed altern Roms, in der .von Bellori erläutern
Borbericht, 339
größere Tempel hat über den untern Säulen inner
halb der Eelle noch eine obere Drönung Kleine
rer Säulen, welche fich auch großentheils erhalten
bat. 1) Alle Säulen find dorifich und gereift, und.
haben nicht 5 Durchmefler, wie ich in den An⸗
merfungen ſelbſt angeseiget habe. 2) Gie.find anf
ferdem ohne Bafe, und die um den .größern Tem-
pel haben gegen das Kapitäl zu zween Ringe umber
(collarini), dergeflalt, daß ein Theil der Neifen ei»
nige Finger breit über diefelbe bis-an das Kapitäl
hinausgehet.
6.7.: Die Cellen fi nd drei Stufen hoch erha-
ben, und fo viel höher, als der äuſſere Säulengang.
der Tempel; und diefe Stufen find wie diejenigen ,
welche um den Tempel herumgeben, von einer un⸗
gewöhnlichen Höhel, wie ich umfändlicher in den An-
merfungenangeige.’) Auf diefen Stufen gehet man
in die Cellen, und. die Hallen derfelben, welche in
die Länge zwo Säulen und die Pilaſter baben, wie
gefaget if, „And jedesmal von drei Säulen in der
Tiefe. 4). Die Hallen vor der Celle des größeren
Tempels haben 42 und einen halben Balm in der
Länge)" und in der Breite 24: ale, 5) An dem
ton Abbilduns der Fragmente. vestigii veteris Romz ex
lapidibus Farnesianis:. etc.. und :bei wir ne t, (An-
üch. Rom. t ı. tav. 2) Sen,
1) [Dan fehe unter den Abitdunsen Num. 4 1.
7) ti 8. 33 6.)
DLR. 66 $.] u
4) Es iſt nicht wohl zu verſtehen, was Wincke lmañ hier
meinet. Entweder hat er die Vorhallen der beiden Tem⸗
pel mit einander verwechſelt, oder er hat ſich Säulen
eingebildet, wo keine ſtanden. Fea.
[Man fehe unter den Abbildungen Num. 3 u. 6.)
5 Die vordere oder Haupthalle it tiefer ald die an
dere; fie ift nämlih 42 Palm breit und 28 Palm lang;
340 Borbericht,
Tleineren Tempel iſt als etwas Beſonderes sn men
fen, daß in ber Halle vor defien Selle dis: dritte
Säule, in ber Tiefe oder Breite, wie man es
nennen will, anf beiden Seiten auf der dritten
Stufe, welche zur Selle führet, ſtehet; und diefe
zwo Säulen haben unten ihren runden Bund und
auch ihre Baſe (plinto), welche aber rund if. 1)
Folglich finden fich fchon in den alteſten Zeiten
doriſche Säulen mit der Bafe, welches vorher
niemand befaiit geweſen iſt.)
$.8. Die Sntercolummia der Tempel haben
nicht pölfig anderthalb Durchmeffer‘ der Säulen, wie
Bitruvius Ichret: Hd den der: Durchmeſſer der
Säulen an dem größeren Tempel hat 7 und-Fünf
Achtel’ Balme, und die Intercolumnia haben 8
volle Balme, Hd und es ift etwas Beſonderes, daß
die andere hat gleiche Breite, aber im Annern Raume
semeften nur 17 Palm Tiefe. Zea
1) Der Säufen diefer Vorhalle find, wie ſchon vorhin, ©. 338,
bemerkt worden, wel auf Jebed Seite, und zwei
Balbe-an den Mlaſtern oder "Elpfeilert der Cella. Alle
- hatten dieſelbe runde Baſe mit dem Bundy, und Feine
ftand unmittelbar auf den Stufen; nur ftanden die beis
den erfieren anf 'emem niedrigern Plaue als der ; Plan
der Cella, auf welchem die anbern fichen. Sea. '
[Man fehe unter den Abbildungen Num. 6.]
2) Bon dieſer runden Vaſis nimmt der Pater Paolt
gleichfalls einen ſeiner vielen Scheingründe, um su Des
weiſen, daß dieſe Tempel nicht griechiſcher, ſondern
althetrurirfcher Bauart ſeien. Er beruft ſich dabei
auf den Vitruvius (I. 7. c. 7.), welcher dem toſca⸗
niſchen Säulen eine ähnliche Baſis gibt. Sea u.Gernow,
3) Für die Säulenſtellung nämlich, welche er pycnosty-
los, ensfäultig, neüt, welche die kleinſten Zwis
ſchenweiten bat. (L. 3. c. 2.) Fea.
* Dieſes iſt in der ſchon erwähnten Veſchreibung md
Zeichnung Maiors fehr verändert. Ten.
Borbericht, 341
die Antercolummm des Aufferen- Säulenganges um den
Tempel. herum, eine vierefte Vertiefung, ober ein
vertiefetes Feld, einen Finger breit tief ausgehauen
haben, welches Feld des ganzen Zwifchenraum:. des
Zußes der Säulen füller, 1 g8 Die Säulen innerhalb
der Selle: diefes ‚Tempels find von 5 und einem
Drittheil Yalm im Ducchmefler..
8.9. Die-Länge des größeren. Tempels’ iſt 386
Balme;- die Breite 96. Die Breite der Belle if
42 und einen halben Palm. Die Länge des Feine
ven Tempels if. von 76 Palmen, und die Breite
55,. Die Breite der. elle deffelben ift 28. Balme. 2)
6..10.: Das dritte Gebäude hat 9 Säulen.vorn
und hinten, und 18 auf der Seite; die Effäulen
zweimal gesählet, H und: alle diefe Säublen haben
unter dem Kapital einen überaus künſtlich gearbei-
teten, fchnialen, in einander gefchränteten Sterat,
mwelcher..an einigen einander ähnlich if, an den
mehreſten aber nicht. ) Die Länge des Gebäudes ift
203 Valme/ und die Breite 92. Dieſes Gebäude
Diele Merticräng iſt beträchtlicher als Windeimaf
fit angibt; deñ fie beträgt vier Singer breit; aber
Re nit: wicht‘ den ganzen Kaum der Zwiſchenſäulen ein.
Der Pater Palit; (dissert. 4. n. 12 — 13. p.- 118.
seq:) vermuthet, daß in dieſen Bertiefungen eine Platte
von Marmor oder Bronze gelegen habe, um bamit ben
Fußboden zu verzieren, und sugleich den: Säulen. einen
breſſern Abſtich zu geben, indem fie fich auf diefe Weife
auf dem: viereften Raume, der fie rings umgab, durch
die eingelegten Tafeln abfonderten, und wie anf einer
Bafid zu erheben: ichienen. Sen.
2)- Nach genaueren Mefungen: beträgt die Länge des gro⸗
Ken Tempels 230 Palm’. und: die Länge des Heinen 127.
In der Breite kommen fie ziemlich mit Windetmans
Angabe überein: Fea.
F) [Man fehe unter ben Abbildungen Num. 8.]
4 [Eine Probe davon auf der Abbildung Num. 8.]-
342 DBorbericht,
hatte ebenfalls, mie die Tempel, einen inneren
eingefchloffenen Plaz, von 43 und einem halben
Balm breit, und drei Reihen Säulen inwendig, von
welchen die drei Säulen und bie Efpilafter am Ein-
gange diefes innerſten Gchäudes fichen ;1) von der
mittlern inwendigen Reihe find noch drei Schulen auf-
recht ſtehend übrig. 2) Der Durchmeſſer der Säu⸗
Ien iſt 5 und drei Viertheil Balme, und die In⸗
tercolummia 11 und zwei Drittheil Balme; 3) wel-
4) Winckelmañ muthmaßte hier etwas, wovon nicht su
glauben ift, daß ed je geweſen fel. Der Pater Paoli
(Dissert. 5. n. 13.p. 114.) fast? „Un ber.Sronte, die
„wir die vordere nennen, entdekt man bie Vorhalle, wel:
„he im Innern vermittelt zweier Pfeiler "gebildet iR,
„in deren Mitte drei Säulen ſtehen. Ob dieſes auch eben
„io an ber hinten Sronte fatt gefunden, davon if eine
„Spur zu merken, auch Täßt es fih aus nichts abnehmen.
„Die Pfeiler lehnen ſich an die MWiauern , weiche nicht
.. „weiter gehen; oder weil fie auch weiter gingen, fo er:
"— firekten fie fich. doch gewiß nicht über die,erfte der brei
„Säulen hinaus, welche in gerader Reihe die Mitte dei
"0 „ganzen Gebäudes einnehmen. Und weil mau gleich wei:
„terhin einige lberbleibfel von Mauern: gevuahe. wird,
„wie wir beim Nachgraben gefunden haben , fo :seiget doch
„ihre Dünne und Schwäche, daß fie von Feiner Inneren
„Cella fein können, fonbern vieleicht beſtimt waren, ben
„Grund zu flüsen, welcher ſich gegen die Mitte des im
„neren Plazes etwas erhöhet.“ Zen.
[Man fehe unter den Abbildungen Kum. 8.1
2) [Man fehe unter den Abbildungen Num. Su. 9.)
3) An den beiten Nebenfeiten beträgt ber Zwiſchenraum
der Säulen von dem Mittelpunkt dee einen zur anderen
41 2/3 Palm, und an den Giebelfeiten beträgt derfelbe
10 5/6 Palm. Der Durchmeſſer ieder Säule betragt
5 1/3 Yalm. Dergeſtalt ‚iind alio an ben Nebenieiten
die Swiichenweiten bee Säulen etwas breiter als ihr
Durchmeſſer, und die an den Giebeiſeiten find Faum 1
breit, Sen.
Vorbericht. :343
ches alfo von der Regel des Vitruvius abgehet.
Der ganze Boden diefes Gebäudes hat einen fanften
— auf beiden Seiten, zum Ablaufe dee Re
gens
6. 11. Überhaupt merfe man, daß alle drei &-
bäude von dem Gchbälfe-auf den Säulen, oder
von der Architrave die beiden unteren Glichen
haben, aber das dritte und obere Glied des Ger
bälkes, nämlih die Corniſche, fehlet an allen
dreien.D) Von den Eigenfchaften ber doriſchen
Ordnung derfelben habe ich in den Anmerfungen
geredet. Die Länge und Breite diefer Gebäude find
von der dritten und oberen Stufe, auf welche man
zu denfelben hinauffleiget, gemellen, und der Palm
it der neapelſche/ welcher größer if als der rö⸗
miſche. )
8. 12. Auſſer den beſchriebenen Gebäuden, iſt
erſtlich faſt mitten auf dem Plage der Stadt ein
Amphitheater, von welchem noch die untern
Gewölber, und sehen Reihen Stufen oder Size
über denfelben, übrig find. Nach Antoninis An
geben ift die Länge deſſelben 165 Balme, und die
Breite 120.9 AYufferdem finden fih Spuren von
4) Diefer Abhang ift wohl nur von den Trümmern und
dem Schutte entfianden, die fich in ber Mitte ded Ge
bäudes aufgehäuft haben. Nach Hinwegräumung deſſel⸗
ben, verfichert der Pater Paoıt, den Boden deffelben eben
und mit den Bruchküfen eines Muſaiks belegt serunden
in haben. Sen.
2) Winckelmañ Hat fih deſſen nicht erinnert, was er
vorhin in dieſem Vorberichte ©. 337 gefagt bat. Was
von den fämtlichen Gebäuden noch vorhanden ift, zeigen
die hieher gehörigen Abbildungen. Sen,
3 Der moderne römifhe Palm hält 8 Bol 3 1f2
Fa der neapolitauifche hält 3 Zoll 7 Linien.
eR
4) Nach den genauern Meſſungen, welche Paoli (Taf. 44.
344 Vorbericht,
- einem Theater, 1) und auffer den. Mauern drui
©rabmäler von Biegeln.
$. 13. Dieſes iſt die erſte ausführlichere Nach⸗
richt von den Altertümern der Stadt Bello, fo viel
shne Kupfer. deutlih anzugeben if. Man bat mich
verfichert, daß zu Velin, ehemals auch Elea ge⸗
nañt ,2) (von welcher Stadt die eleatifche Schule
den Namen bat) 15 italiänifche Meilen ienfeit
Peſto, beträchtliche Stüfe von alten Gebäuden und
halb erhaltene Tempel zu feben fein; niemand aber
Kan Schriften, fo viel ich weil, davon Meldung
‚gethan.
$. 14. Zu Kroton in Großgriechenland flehen
‚noch weitläuftige Nuinen, welche man izo die
Schule des Pythagoras nenne; 3) auferdem
feines Werks) angegeben hat, beträgt die Länge 218
neapolitanifche Palm, und bie. Breite 132. Sea.
1) Was Windelmafl hier für ein Theater hält, it afı
fenbar nichts andered, als ein runder Stufengang,
auf dem man zu einem Brunnen binabftieg, welchen
man fo niedrig angelest Hatte, weil die Röhren deſſel⸗
ben mit dem Boden ber Stadt in gleicher Höhe Tiefen.
Sen.
2) Cluver. Ital. antiq. 1. 4. c. 3: Sea.
3) Nach den Beobachtungen des Barond Riedeſel (Reife
ic. ©. 194.) , weldher im alten Krotona bie Schule
des Pythagoras auffuchte, deren Trümmer nahe
bei einem Tempel der Juno Lacinia, a capo co-
lonne genaft, ſtehen follten. Gr koſite aber nichts das
von entdefen, und ald er in Krotona darnach frags
te, fo fand er, welcher Irrtum wahrfcheinlich biefe
Sage veranlaßt habe. Er fand nämlich, dab man
fi) den Tempel viel Heiner vorftellte, als er wirklich
geweien, und daß man die Mauer von deſſen Celia
für ein befondered Gebäude genommen, weldes man
die scuola di Pitagora genaftt, weil man wußte, daß
dieſer Philoſoph Hier gelehrt hat. Zernow.
Borbericht. 345
aber bat fich wenig in diefen Gegenden, wo fo große
und berühmte Städte waren, erhalten, wie ich un-
ter andern vom Mylord Brudnell weiß, welder
vor etwa drei Kahren die ganze Küſte von Gala
brien bis nach Taranto durchreifet ill. "
6. 15. Bon den Denfmalen der alten Baufunf
in Sieilien bat allererfi vor wenig Jahren der Ba-
ter Bancrazi, in feinem erläuterten Sicili⸗
en, bie erften Zeichnungen gegeben, und deſſen Nach⸗
richt von den Trümmern des Tempels des olympi⸗
fhen Jupiters zu Agrigentum (Birgenti) babe
sch in einer befondern Heinen Schrift aus richtigern
Entdefungen verbeflert. 1) Auſſer den Überbleibſeln
an diefem Drte hat eine allgemeine. VBerfiörung alle
Merfe der alten Baukunſt in diefer Infel gernichtet. 2)
8. 16. Die mehreſten Tempel und Gebäude in
Griechenland bat Herr Le Roy im Bahre 1759 theils
befant gemachet , theild genauer gezeichnet und be
fchrichen.3) Im Bahre 1750 im Monate Mai un
4) Anmerkungen über die Baukunſt ber alten
Tempel su Girgenuti in GStceilien.)
2) Als Winckelmañ dieſes fchrieb, Hatte er von den in
Sicilien noch vorhandenen Dentmalen ber alten Baus
funft noch zu wenig Kunde. Späterhin Haben meh—⸗
rere Reiſende, ald der Baron Riedeſel, Brydo—
ne, vornehmlich aber der franzöfiihe Maler Houel,
ausführlichere Nachrichten und Abbildungen von denſel⸗
ben geliefert. In dem Werke bed lezten finden fich die
mehr oder weniger erhaltenen Refte von 26 Tempeln,
deren zwei noch aufrecht ſtehen und ziemlich erhalten
find, von 6 Theatern, 2 Amphitheatern, 3 Stegesbend
malen und andern Denkmalen alter Baukunſt. Gen u.
Fernow.
I) In dem befafiten Werke: Les Ruines des plus beaux
monumcents de la Crèce, ouvrage divisö en deux par-
tes. A Paris chez H. L. Guerin, 1758. Seconde edit.
à Paris chez Musiers fils. 1770, fol.. Gerne Ww.
346 | Borbericht,
ternahmen zween Maler aus Engeland, SerYafoh
Stuart, und Nikolaus Revett, nachdem fe
einige Jahre in Rom ihre Kunſt getrieben, die Reiſe
nach Griechenland. Ihre Freunde in Engeland brady
ten einen binkänglichen Beitrag zufammen, zur Be
förderung diefes Vorhabens, umd diefes mar ein
Vorſchuß oder eine Pränumeration auf die Beſchrei⸗
bung, melche fie machen würden. Einige gableten
auf viele Exemplare diefes Werks voraus, und der
Anfchlag war etwa auf zwo Guineas, das Stüf,
gemachet. Gedachte Künſtler brachten das erfie Jahr
‚ihrer Reife mebrentheils zu Pola und in Dalmatien
zu, wo fie alle Nberbleibfel des Altertums genau
abzeichneten. Das folgende ZJahr gingen fie nad
Griechenland, und verblichen daſelbſt faſt an vier
Sabre: fie kamen im Monate December 1754 nady
Marfeille zurüf. Herr Dawkins und Bovery,
"welche auf eigene Koſten ein Schif mit allen benö⸗
"thigten Sachen zu tbrer Foflbaren Reiſe durch die
Levante ausrüfleten, und denen wir die Befchrei-
“bung der "Gebäude zu Palmyra zu danken haben,
trafen ihre beiden Zandsleute zu Athen an, und
munterten biefe zu ihrer Ainternehmung auf. Bo⸗
‚very, ber Gefährte Seren Dawkins, ſtarb auf der
Snfel Negroponte an einem hizigen Fieber; iener
aber fegete die Neife fort mit Herrn Wood, wel⸗
cher das Wert von Balmyra herausgab.!) Da ws
kins war, nach feiner Nüffunft in Engeland, cin
"großmüthiger Beförderer der Befchreibung der
AYlterkümer von Griechenland, und Herr
Stuart genoß in beffen Haufe zu London alle Be
quemlichfeit, feine Zeichnungen in Kupfer ſtechen
zu laſſen, wozu er fich zween gefchifter Künfiler,
ı) The Ruins of Palnıyra, London, ı753. The Ruins
. of Balbec, London 1757 fol. Fernow.
Borbericht, 847
Seren Strange und Heren Bezaire, bedienet.
Dawk ins farb vor ein paar Sahren in ber Blüthe
feines Alters; und fein Tod iſt ein Verluft für die
Künſte und Wiſſenſchaften. Die Arbeit am. bem
Werke von Griechenland wurde fortgefeget; ed cr
fchten der Blan von demfelben, und es waren Tchen
dor zwei Hahren die Kupfer zu dem eriten ande
geendiget. -Diefes Werk erwartet man izo mit gro⸗
dem Verlangen: 1) del es wird meitläuftiger und
"Ausführlicher werden, als die Arbeit bes’ Seren Be
Roy iſt, weil iene fo viele Fahre, als biefer Me
nat e, in Griechenland geweſen find:
8. 17.. 830 fehlet uns noch eine ähnliche a.
heit über die Gchäube zu Theben und an andern Or⸗
ren. in Agypten. 2) Diefes hätte Norden unterneb-
‚men Tolleny wen er Zeit und Koſten dazu gehabt
hatte fo wiirde er der Nachwelt: ein nüzlicher Werk
gelaſſen haben, anſtatt daß er entweber längſt be⸗
kante oder weniger bedentende Dinge vortragt.
648, Der Leſer erlaube mir bier noch mit ei-
‚nem: Worte die höchſte Pflicht und Verbindlichkeit,
die ich uef der Welt babe Zi "befennen. Diefe bin
» Den eehen Theil dieſes Werk, unter dem Zitet: The
—— of Athens, measured and delineated by Ja-
-Stumt, and. Nicolaus Revett. London , 1762,
Pr befam Windelman in der Solge su Geficht, aber
ex entfpeach ‚feiner Erwartung nicht, weil man auf ein
fo unbebentendes Denkmal, ald die Ranterne bed Du
moßhbenes, oder der Thurm der Winde ift,.fo viele
Kupfer' verfchwendet hatte, um daß Werk fiber die Se
bür weitläufig zu machen. Sea.
[Man vergleiche hiemit den Br. an Heinr. Süch
Iy, v. 22 Sept. 1764.)
2) [Diefem Bedürfniſſe iſt nun durch Denond Werk,
durch die prachtvolle Description de lV’Egypte, fo wie
durch die nachherige Ausbeute von Belzoni, Min
toli und Sau abgeholfen.)
348: Vorbericht.
ih Seiner Hochwürden dem Serrir Pater
Leo Rauch, Seiner königlächen Maiekät
in Polen Beichtvater, ſchuldig, einem. der
würdigſten Menfchen, der mir Vater, Freund
und das. LZiebſte auf der Welt if: Er allein
if der Grund von der Zufriedenbeit, bie ich genie⸗
Be, weiche. ih niemals fühle oder fchmefe, obne
Erinnerung tmmerwährender, Dankbarkeit: mein höch⸗
fies menfchliches- Verlangen gehet u ihm, und. alle
‚meine Wünfche find: auf ihn gerichtet,. die Gott
wolle. in: Erfüllung gehen laſſen. Ein, anderes Be⸗
fentniß der Dankbarkeit, welches ich am einem wür⸗
Bigern Orte abzulegen. gedachte, bin: ich zween meis
ner Freunde fehuldig, Herrn Witle „: königlichen
Kupferſtecher zu: Baris, und Seren Fücbily,- Maler
und Stadtfchreiber zu Zürich. Die Art. mit wel⸗
cher fie mir, ohre mich perſönlich zu kennen, bir
geſtanden haben, machet; der Menfchlichfeik. Ehre.
Aber die. Beſcheidenheit ibrer großmüthigetz Seelen
halt mich, zurük, wider ihre Abſicht zu handeln wel⸗
che war, in s gechei m. Gutes zu thun. 1). Ich empfehle
mich alten Liebhabern der Künſte, und. meinen Gön⸗
nern und Freunden in Deutſchland und in anderen
Sändern. Rom, dem Deec. 1760. A):
1) [Man ſehe bierüber die BrvgraphierBinchelmaͤns
vor dem’ 1 Bande dieſer Ausgabe.
2) [Diefe im Jahre 1760 vollendete Schrift blieb noch bis
tief in dad Jahr 1751 in Windelmans Händen, ehe
fit gedruft wurde, und daher gab er ihr noch Zufäsez-
wie. man and. dem 2.8, 16-5. abnehmen Fai.l.
aba lt.
1. Das Weſentliche der Bauteil.
Die Materie: .
Ziegel; 3— ya
Steine;
Mörtel und befonders Puzzolam.
Die Art bameneh lo nn
Gin ber Ebene. 7
Die GeundInge (auf Anhöhen, oder im Neem.
Coon Strinen;
Mauern Auf der Grundlage (von ‚Biegeln.
een. (überbaupf.
— — — HNie Beni der>
u eöfelben.. ©
4: ern * 9 ’
Sie Form der „Gebäude: on
* Die Form, ſonderlich der Tempel. Aberkaupt;
Gebäude auf Säulen.
Don ‚Säulen überhaupt. |
— (die: toſeaniſche;
(die doriſche;
Von den Ordnungen‘ der- „u Die jonifche;
(die Eorinthifche;
felben, insbefondere gie yönnifche oder zu⸗
( fammengefesete;
(ovale Säulen.
.
350 Inhalt.
Allgemeine Erinnerungen über die Form der Ge
bäude.
Die Theile ber Gebäude:
Auswärts :
das Dach;
der Giebel, oder das Frontiſpicium;
(doriſche Thüren;
die Thüre; (auswärts aufgehende;
(Vorhang vor den Thüren.
die Fenſter.
Inwendig:
die Deke oder das Gewölbe;
die Treven und Stufen an denſelben;
die Zimmer.
2. die Zierlichteit, und allgemein. vn
derſelben.
Don. auffen. an Gebäuden:
an dem Gip fa;
an Säulen, und befonders von Karyatiden;
an dem Gebälfe der Saulen, (an. ber —*
an Fenſtern und Niſchen.
gnnerhalb ber Gebäude:
im Vorſaale;
an Deken und Gewölbern ;
in Zimmern insbefondere. \
Anmerkungen
über die
Saufunf: der Alten
Krre Rapiter Br
Ber. dem Weſentlichen der Baufanfl.; EN
. .
g 1 "0 theile über bie Banfunf- ker ar
ten einige Anmerkungen und Nachrichten
mehrentheils aus eigener Erfahrung und Unter⸗
ſuchung mit, und dieſelben betreffen zwei Theile,
nämlich das Weſentliche der Baukunſt, und die
Sierlichkeit derſelben.
.2. Das Wefentliche begreifet in ſich vor-
nehm! ich theils die Materialien, und bie Art zu
bauen, theils die Form ber Gebäude und bie
nöthigen Theile derfelben.
$.3. Die Materialien find giegeh, Steine
und Mörtel; bei von Holz, weiches unter den Grie⸗
chen auch zu Gebäuden Dienete, und zu Tempeln, wie
derienige war, welchen Agamedes und Tropho⸗
nius.dem Neptunus baueten, 1) wird hier nicht
geredet, -Die Stegel- waren anftinglich ungebrant,
und nur ander Luft, aber einige Fhre, getrofnet,
— d wirden bef’bin Griechen ſowobl als Römer
häufig oebranel., Bon ſoichen Biegeln waren bie
5 Pausan. 1 c. 10. gr 27
352 Baukunſt der Alten.
Mauern zu Mantinen, und zu Eion am Fluſſt
Strymon in Thracien, 1) ein Tempel zu Banopen, 2)
und ein anderer der Ceres, beide in der Landfchaft
Bhocis; I) eine Halle zu Epidaurus, 4) und ein
Grabmal der verfiöreten Stadt Lepreus in der Land
fchaftelis.5) Ausdem Vitruvins fcheinetes, daß
zu Rom und in der Gegend umber die mehreſten
Häuſer von folchen Biegeln aufgeführet gewefen, und
diefer Seribent handelt umfländlih von deren Zu⸗
richtung. ) Pauſanias aber berichtet, daß fie von
der Sonne und vom Wafler aufgelöfet worden. 7)
Die Erde zn gebraiten Ziegeln wurde mit gefiößenem
Zufo, welchen man io Sperone nennet, vermi-
ſchet und zugerichtet, welcher gelblih if, und im
euer röthlich geworden fein wird, als welches die
Barbe der Körner innerhalb der Biegel if.) Sie
wurden nicht die, aber um Gemãuer groß ge⸗
+
ı) Ibid. c. 8. [5.5.1
2) Id. 1. 10. c. 4. [$. 3.)
3) Ibid. © 35. 18.5.)
4) Id. La c. 27. Pr
5) Id. I. 5. æ. 5. —*
6) L. 2. c. 3.
7) L. 8.0.8. 8. 5:3 Vitrur. Le:
Yaufanies fast nicht, daß fie von der Sonne,
fondern welmehrr. daß fie vom Waffer, wie Wachs
von der Sonne, aufgelöft würden. Siebelis.
8) Nach dem Vitrunius ˖wurde zum Taig, Moraud man
Ziegel. reichen wollte/ Stroh gemiſcht, um den Thon ˖
beſſer zu verdlnden. . Lucilius (aat. 1.9. princ.) und
Nonius (v. aceratum.) fagen baflelbe.. Daß bie Iuden
in Yaldftiina Stroh hiezu anwandten, fiegt man bei
esehiel, (13ER. 103.) und die Yerfer bedienen Ach
deſſelben heut zu Tage noch. (Chardin, Voyage en Pere.
®2 p. 176.) Ze
Erſtes Kapitel. 353
machet: 1): ihre Dife iſt niemalg über. einen ſtarken
Zoll, fie find aber drei bis Mer Palme groß,
von. welchen auch Vitruvius redet, und dieneten
ſonderlich zu Bogenwerken. 2)
64. Die erſten Steine zu öffentlichen Gebaͤuden
maren unter den Griechen ſowohl als Römern eink
Art Tufſteine: Der Tempel des Jupiters zu
Elis war davon gebauet; 3) ein Tempel zu Girgenti
in Steilien, die Tempel und Gebäude zu Peſto am
falernitanifchen Meerbufen, nebſt der alten in’s Ge
vierte gebaueten Mauer diefer Stadt, 4) find eben⸗
falle von folhen Steinen aufgeführer. Diefer Stein
it von: zweierlei Gattung: der eine wird erzeuget
Surch eine fich verfleinernde Feuchtigkeit; er iſt weiß⸗
lich und gründlich, durchlöchert, und daher leichter
als andere Steine: und als Marmor. Ein -folcher
Stein ift der Travertino, welcher bei Tivoli ge
brochen wird: Die andere Gattung tfl eine verflei-
nerte Erde, und iſt theils ſchwarzgraulich, theils
14 Sehr vorzüglich iſt die Sorm der Ziegel, welche man
m dem’ alten Ruinen von Pozzuoli und Balä fieht, fm
wohl sur Verbindung der Mauern als sur Woölbung der
Bogen. Abbildungen derfelben findet. man. in dei. Pa;
ter3 Pao.li. Antichitä di Pozzuoli. tav. 67. Gen.
2 Der Berrimtheit wegen ift über diefe Stelle de Vi⸗
truviuns zu bemerken, daß der Palm, von welchem ders
felbe vedet, vier Singer, deren fechsehn einen Fuß
ausmachten, breit war: In den: alten: Gebäuden findet
man weit größere Ziegel. Die, welche su Bogengewöl⸗
ben dienten, wurden meiftend keilförmig gebildet, Sea.
3) Pausan, 1.5. c. 10. [$. 2.]
Der von: Ppuſanias erwähnte Stein IE Poros,
ein Marmor. Siebelis.
4 [Die Mauer it nicht in's Gevierte gebaut, wie
in einer Note zum 6.4 ded WBorberichtd angemerkt
voprden.
157
%
352 Baukunſt der Alten.
Mauern zu Mantinen, und zu Eon am Fluſſe
Strymon in Thracien, 1) ein Tempel zu Banopen, 2)
und ein anderer der Cæres, beide in der Landfchaft
Bhocis; D eine Halle zu Epidaurus, 4) und ein
Grabmal der verfiöreten Stadt Kepreus in der Lande
fchaftelis.5) Ausdem Vitrudius fcheinetes, daß
zu Nom und in der Gegend umber die mehreſten
Häufer von folchen Ziegeln aufgeführet geweſen, und
dieſer Scribent handelt umfändlih von deren Zu⸗
richtung. ) Pauſanias aber berichtet, daß fie von
der Sonne und vom Waſſer aufgelöfet worden, 7)
Die Erde zn gebraten Biegelm wurde mit geflößienem
Zufo, welchen man izo Sperone nennet, vermie
fchet und zugerichtet, welcher gelblich if, und im
“ Feuer vröthlich geworden fein wird, als welches die
Zarbe der : Körner innerhalb der Biegel IH.) Sie
wurden nicht die, aber zum Gemäuer groß ge
+,
1) Ibid. c. 8. [$. I ..
2) Id. 1. 10. c. 4. 18.3.)
3) Ibid. c. 35. [$.5.)
. 4) Id. L 2. c. 27. 8.23,
5) Id. I. 5. c. 5. [8.4 4lıen ”
6) L. 2. c.3.
7) L. 8. — —————
Yaufankes fast nicht, daß fie von dr Sonne,
fondern welmehrr; daß fie vom Waſſer, wie Wachs
- von der ‚Sonne, anfgelöft würden. Siebelis.
8) Nach dem Vitruvius ˖wurde zum Taig, woraus man
Ziegel. ſtreichen wollte, Stroh gemiſcht, um den Thon
. beffee zu verdinden. Lucilius (eat. L. 9. princ.) und
Nonius (v. aceratum.) ſagen daſſelbe. Daß bie Juden
in Paläſtina Stroh hiezu anmwandten , fießt man be
Szechiel, (3ER. 103.) und die Perſer bedienen Ach
derielben Heut zu Tage noch. ( Chardin, Voyage en Pers.
22 p. 178.) Sea
Erſtes Kapitel, 353
machet: 1). ihre Dike iſt niemalg über einen ſtarken
Zoll, fie find aber drei bis Per Palme groß,
von. welchen auch Vitruvius redet,. und dieneten
ſonderlich zu Bogenwerken. 2)
64. Die erſten Steine zu öffentlichen Gebäuden
waren unter den Griechen fowohl als Römern eink
Art Tuffleine Der Tempel des Aupiters zu
Elis war davon gebauet; 3) ein Tempel zu Girgenti
in Sieilien, die Tempel und Gebäude zu Peſto am
falernitanifchen Meerbufen, nebft der alten in’s Ges
vierte: gebaueten Mauer diefer Stadt, 4) find eben.
falls von folchen Steinen aufgeführet. Diefer Stein
it von: zweierlei Gattung: der eine wird erjeuget
durch eine fich verfleinernde Feuchtigfett; er if weiß-
lich und gründlich, durchlöchert, und daher leichter
als andere Steine: und als Marmor. Ein -folcher
Stein ift der Traverting, welcher bei Tivoli ger
brochen wird: Die andere Gattung if eine verſtei⸗
nerte Erde, und iſt theils ſchwarzgraulich, theils
4) Sehr vorzüglich iſt die Form der Ziegel, welche man
in der alten Ruinen von Pozzuoli und Bald fieht, ſo⸗
wohl zur Verbindung der Mauern ald sur Wöolbung ber
Bogen. Abbildungen. derfelben findet. man. in bed- Pas
terd Pao.li. Antichitä. di. Pozzuoli. tav. 67. Gen.
2) Der Beftimtneit wegen ift über diefe Stelle dei Vi⸗
truvius au benterfen, daß der Palm, von welchen der
felbe redet, vier Singer, deren ſechzehn einen Fuß
ausmachten, breit war. In den: alten- Gebäuden findet
man weit größere Ziegel. Die, welche su Bogengewöl⸗
ben dienten, wurden meiſtens keilförmig gebildet, Sea
3) Pausan. 1.5. c. 10: [$. 2.]
Der von: Prvufantiad erwähnte Stein IE Poros,
ein Marmor Siebelis.
4 [Die Mauer it nicht in's Gevierte gebaut, wie
in einer Note zum' S. 4 des Vorberichts angemertt
worden. ]
4157
| 354 Baukunſt der Alten.
söthlich: dieſes ißt der Stein, welcher in Ztalien
Zufo heiffet, und beim Bitrnviugder rothe Stein
ift, welcher um Nom gegraben wird. 1) Perrault
wußte dieſes nicht. 2)
$. 5. Jener wird über der Erde gebrochen,
und diefer wird unter der Erde gegraben. Die
eritere Gattung findet ſich insgemein an. Orten, 109
Schmwefelguellen find, wie bei Tivoli und bei Bells;
an diefem Orte fällt der ſchwefelichte Bach in’s Meer,
von welchen auch Strabo redet. 3) Der Tra-
vertino insbefondrre wird von dem Waſſer des Anio,
130 Teverone genait, welchem man die Eigenfchaft
zu verfieinern beileget, und yon den Schwefelquellen
bei Tivoli, erzeuget. Es wachſen diefe Brüde in
weniger Zeit wiederum zu, und man bat mitten in
den Steinen zumeilen &teinbrechereifen gefunden,
‚welches dieſes beweiſet. Auch der Marmor wächfet
wiederum zu: dei man fand eine eiferne Brechflange
in einem großen Blofe von fogenanten afrifani
fhen Marmor, da berfelbe für die Kirche
Della Morte, hinter dem farnefifchen Palaſte,
verfäget wurde. Noch aufferordentlicher aber iſt der
Borphyr, in welchen man vor dreiffig Sahren eine
güldene Münze des Auguſtus fand.
1) L. 2. c. .
2) Ad Vitruv. L.c. p. 40. n. 1. edit. 1684.
3) Es if de Fluß Silarus, von welchem Strabo
(1. 5.) Plinius (I. 2. c. 103. sect. 106.) und
Silius Italicus (de Bello Pun. 1. 8. v. 582.)
melden, baß er’ die Kraft babe, alles zu verfteinern, was
man hineinwirft. Man fehe auch de3 Pater! Paoli
Rovine della città di Pesto (dissert, ı.n. 11. pag. 10.),
wo derfelbe bemerkt, daß nahe an den Mauern der Etadt
vorteil, auf der Mitternachtfeite, eine Quelle von weiſſer
Sarbe und fiinfend von dem mit fich führenden Schwefel
nach dem Meere zufließe. Er gipt eine Abbildung der
friben (tar. 64.) Sen
Erſtes Kapitel. 355
6.6. Die zweite Art, nämlich der Tufo, ift,
als erdartig, viel weicher als jener, und bei Neapel
gibt es eine Art, welche mit ber Act bearbeitet
wird. Eine andere Art von Tufo iſt derienige, wel⸗
cher auch bei Neapel gegraben wird, und Rapillo
heiffet; vermuthlich folte man Lapillo fagen. 1)
Diefes iſt ein Hleinichter fchwarger Gries, und es
werden mit demfelben die Eftriche in vielen Haͤuſern
und auf allen platten Dächern dafelbit geleget. Die-
fer Gries findet fich auch oberhalb Frafeati, bei dem
alten Zufeulo, wo er Rapillo genennet wird.
es ift vermuthlich eine Wirkung von einer ehemaligen
Entzündung der Gebirge dafelbfi, wo man auch
Stufenwerke in FTleinen Tänglichen Würfeln häufig
findet. 2) Wen die alte römifche Gefchichte meldet,
daß es zumeilen bei Albano Steine geregnet habe, 8)
fo ift diefes wahrfcheinlich von einem Ausmurfe der
Gebirge zu veritehen.
8.7. Der Tufo wurde bor Alters in Quadrat⸗
füfen gebrochen, und nicht allein zu Grundlagen
gebrauchet ,. fonbern es wurden auch ganze Gebäude
davon aufgeführet, und die Waflerleitungen auffer
om, welche nicht von Ziegeln find, find von Tufo
1) So nennet man ihn zu Neapel, Sen.
2) Er findet fih auch in der Gegend um Velletri, und
Doctor Lapi, welcher ihn auf Verlangen des Cardinals
Borgia chemifh unterfuchen mußte, fand, wie der
Dater Becchetti berichtet, daß diefer Rapillo aus
Eifen, bad vom Magnet leicht angezogen wurde, :aud
Alcali, daB mit Säuren braufte, und aus ver:
slafter Erde, alſo aus den nämlichen Beſtandtheilen,
wie Puzzolana, beſtehe. Man fehe des Doctors Lapi
Abhandlung im Giornale de’ Letierati, an. 1758. art.
8. p. 1203. amd deſſen Lezione accadem. de’ due laghi
Albauese e Nemorcse. Sea. j d
3) Lir. 1.1. e. 12. n. 31. 1.25. 0.6. n. 7.
356 Baukunſt der Alten.
gebauet, 1) und auch das Innere der Mauern im Co
liſes. Bo wird diefer Stein in kleineren Stüfen,
fo mie fie die Hate bricht, gegraben, und dienet zu
Grundlagen, zu Gewölbern, und zum Ausfüllen, wie
ich unten anzeigen werde.
8.8. In und um Nom wurde auch ber Pepe⸗
rino zu ben erften Gebäuden gebrauchet. Diefes
if ein duntelgraulicher Stein, baͤrter als der Tufo,
und weicher als der Travertino, Tan alfo auch
leichter als diefer bearbeitet werben. Bei den Alten
hieß er der albanifche Stein, ?) weil er häufig
bei Albano gebrochen wird ; welches Die Erklärer
und iberfeger angeführter Geribenten nicht ange
merfet haben: izo heiffet er zu Rom Beperino, umd
zu Neapel Biperno oder Bipierno; vermuthlid
son Biperno (Privernum), mp eben ber Stein häufig
gebrochen wird. Aus bemfelben beftehet die Grundlage
des Sampidoglio, im 367 Zahre der Stadt Nom ge
machet, von welcher noch 130 fünf Lagen großer Steine
über der Erde zu fehen find, welche Ficoroni in
Kupfer fkechen laften: 3) die mehreſten Steine haben
fechftehalb Balmen in der Länge. HM Die Clo aea
4) Einige waren auch von Peperino erbauet, 38%.
daB ilberbleipfel der Wafferleitung des Anieno vecchio,
weicher in der Stadtmauer nahe an der Porta ©.
Lorenzo au fehen ift, und bie Wafrerleitung der acqua
Marcia. Die Leitung der acqua vergine iſt an einigen
Stellen, 3 B. hinter dem Palaſte Bufali, von
Treavertine Gen.
3) Vitruv. 1.2. ec. 7. Plim. 1. 36. c. 22. sect. 48.
3) Le vestig. di Roma ant. 1. ı. c 9. p- 60.
AM Sicoroni (l. c. p. 42.) gibt in. Kupfer die überbleib⸗
fet eineß fehr alten Gebäudes von Peperino, unweit des
tarpeiiichen Felſens, hinter dem Schuren und dem Stalle
des Palaſtes Saffarelti, 114 Palm fang und 13
hoch. Von Peperino find gleichfalls die Reſte von dem
Unterbau des Capitols, welche man jezo im Hofe dab
Erſtes Kapitel, 857
maffima, das allerälteſte römtfhe Grab
mal bei Albano, und ein anderes von den Alte
fien Werfen der Römer, 1) vom 358 Nahre der
Stadt Kom, der Ablaß des albanifhen Sees
(i50 Lago di Castello ) find aus diefem Steine gebauet.
6.9. An den Älteilen Zeiten von Kom muß der
Travertino noch. nicht bekañt geweien fein: den eg
wurden damals fogar die Snfchriften in Peperino ge
bauen, wie dieienige if, welchedem Lucius@orneli
us Seipio Barbatus, dem würdigfien Manne fel-
ner Beit, welches Lob ihm in der Snfchrift gegeben
wird, geſezet wurde. 2) Es if diefelbe im zweiten
punifchen Kriege gemachet, und ſtehet in dex barbe-
‚rinifchen Biblisthef. Sie ift faſt von gleichem Alter
mit der duiltifchen, welche vermuthlich auch nur
in foldhe “Steine gehauen gewefen fein wird, und
in Marmor, wie aus einer Stelle des Silius vor.
Hoſpitals della Eonfolationefieht, und bie pPiraneſi
(della magnif. de’ Rom. ant. t. ı.) abgebildet hat; deß;
gleichen die Überbleibfel bed tullianifhen Gefäng
niffes, dad von Ancus Marciuß erbauet, und von
Serviud Tullius, oder nah Andern von Tullus
Hoſtilius, verarößert und nachher unter den Kaiſern
von Travertino wieder hergeftellt worden. Der Peperino,
ben man jeso in Nom gebraucht, wird bei Marino ger
broden. Sen.
ı) Liv. .5. c.2.n.19.
2) Jac. Sirmondi vetustissima Inscriptio: qua L. Corn.
Scipionis elogium continetur. Roms, 1617. 4. Wim
ckel mañ fpriht von diefer Infchrift auch im feiner
Geſchichte der Kun 8B. 48. 16 $, — Alle: diefe
hier und an andern Orten angeführten Denkmale beweis
Ten nad meinem Dafürhalten nichts andered, als daß
man zu Infchriften und Bildwerfen den Vevertne früher
als den Travertino angewendet habe; keineswegs aber, daß
dieſer Testere in den älteren Zeiten Roms noch nicht
betanit geweſen ſei; (weicher Minung auch Lapi if,
358 Baukunſt der Alten,
gegeben wird: 1) den die Überbleibfel von
Marmor find nicht von derfelben Seit, D) und Gel.
denus >) und andere Gelehrte wären über das Als
tertum derfelben nicht zweifelhaft gewefen, wen fie
die Inſchrift felbft fehen Fönnen. Der Marmor wurde
fpät in Nom befant, #) aber cher, als im 676
Zahre der Stadt, wie jemand vorgibt; 5) dei Bli-
nius, welchen man anführet, redet von numidi⸗
fhem Marmor und von den erfien Thürfchwellen
aus bemfelben, aber er behanptet an eben dem Orte,
dag man vor des Auguſtus Zeiten in Stalien noch
nicht verflanden babe, den Marmor zu fägen, wel
ches Faum glaublich fcheinet. 6) Unterdefien bat ber
Marmor an zwei Werfen aus der Zeit der Republik
ohne Säge können gearbeitet werden: es find die-
felben das prächtige Grabmal der Cäcilia Me
Ragionam. mineral. del selce rom. p. 23.); da er ur
fprünglich zum Bau der Elovaca maffima angewendet
worden, eines Werks, welches viel älter it, als das
Grab der Scipyionen, wie Piranefi (della
Magnif. de’ Rom. tar. 3. e. p. 63. n. 30.) bemerft.
Sen,
1) Rycquius deCapit. c. 33. p- 124. edit. Gandarv. 1617. 4.
2) Im Gapitolto, im Palafte der Eonfervatoren, unten am
Aufgang der Trepe. Gen.
3) Marm. Arundel. p 103. edit. Maitt.
—4) 1[G. d. K. 3B. 4K. 47 8. Note. — 8 B. 4K.
2656. Note.]
5) De Cozze, Inscr. della base della Colon. rostr. di
Duilio. p. 10.
6) L. 36. c. 6. sect. 8.
Bielleicht wollte Plinius durch die Worte: non dem
enim secli miarmoris vestigia invenerat Italia, nur bie
Seltenheit ber Kunft, den Marmor zu fügen, am
deuten. Gen.
Erſtes Kapitel. 359
tella, 130 Capo di Bone genant, 1) und bie
Pyramide des Ceſtius. Der Peperino, oder
der albaniſche Stein, murde auch zu ber Beit,
da der Marmor in Nom verfchwenderiich verbauet
wurde, zu den vornehmften öffentlichen Gebäuden ger
brauchet: dieienigen, welche fih aus der Kaifer Zeit
erhalten haben, find das Forum tranfitorium
bes Nerva, der Tempel der Ballas auf dem
Foro dieſes Kaifers, und der Tempel des An-
toninus und der Fauſtina; 2) ein Fleiner Tem
pel auffer Rom an dem Lago Plantano, 60 Palmen
lang und 30 breit, von welchem noch die vier Mau⸗
ern flehen, kañ vielleicht Alter fein. Sene Tempel
aber waren mit marmornen Tafeln beleget, wie
die überbleibſel zeigen. 3)
$. 10. Die dritte Art Materialien, ver Mörtel,
wurde von ben alten Römern, wie noch 150 allgemein
gefchlehet, mit Puzzolana zugerichtet: diefe Erde
hatte eben denfelben Namen vor Alters, nämlich
pulvis Puteolanus, weil diefelbe vermuthlich zu Bus
teoli, io Pozzuoli, bei Neapel, zuerſt entdefet
wurde. Die Puzzolana iſt theils ſchwärzlich,
theils röthlich; die fchmwärzliche iſt mehr eifenar-
tig, -fchwerer und trofener, als die andere, umd
bienet fonderlich zum Waſſerbau; den weil fie fpröde
if, befomt fie Niſſe über der Erde: bie andere iſt
1) Das Gebäude it mit Werfftüfen von Travertino bes
kleidet; Die Inſchrift und der Fries, welcher rings uns
herläuft, und mit Stierföpfen und Feſtons geziert if,
ind von Marmor. Gen.
2) (8. 98. 11%. 3 8. 208. und ebendaf. 22 S. und
folg. — 12% 28 7$. Note)
3) Das größte noch ‚vorhandene Gebäude von Peperino
aus den Zeiten der Kaifer, in dem noch jeso davon ficdht;
baren Theile, if dad Grabmal Hadrians. Fea.
[G. d. 8. 12818 69J
360 Sanfımf der Akten,
mehr erdhaftig, und wird zu Arbeitemüber der Erde
gebrauchet. Bene Art wird bei Neapel. gegraben, doc)
diefe nicht; beide. Arten aber werden in und um
Kom, und fonft in Feinem andern Theile von Hta-
lien: gefunden. Es iſt aber zu merken, daß die Al⸗
ten die röthliche Puz zolana wenig gebrauchet ba-
ben, welche izo hingegen in Nom mebr als die
ſich war ze geſuchet wird. In den Gegenden am Mee⸗
se in. der römiſchen Landſchaft iſt fie ebenfalls nicht,
und.die Alten ,. welche zu Antium baueten, werden die
Puzzolana von Neapel geholet.baben, wie noch i50 da⸗
ſelbſt gefcheben muß; den cs. kom̃t diefe Erde mit
mwenigern Koften zu Waſſer von: doriber, als von
Kom auf der. Are dahin. 1) Nach Tofcana gebet
fie zu Schiffe bis Livorna, und. wird auch in an⸗
dere Länder verführet. Baptif. Alberti redet in
feinem Werfe von der. Baufunft, 2) als wei er
nur von Meitem von der. Puzzolana reden bören,
weil fie ihm, als einem Florentiner , nicht fehr ber
kant fein koüte, 2) und an einem andern Orte ver⸗
‚wechfelt er diefelbe mit. Rapillo. 4) Im Griechen
Iand bat. fich. diefe Erde, fo. viel. man weiß, auch
1) Kofite man’ fie’ aber nicht auf der Tiber und ſodaũ zu
Meere dapin bringen? Gen.
2) L 2. c. ı2. edit. Fierent. 1550. fel.
3) Doch war Alberti auch in Rom, und Baumeifter Pabſts
Nicolaus V. wie Bafari-im Leben ded Alberti
anführt. Auch fagt Alb.erti ſelbſt (1. c.) ev habe in
Kom bemerkt,. daß die Einwohner in.ihren öffentii
chen Gebäuden, nicht aber. in den Eleinceren, die ro—
the Puzzolana gebrauchten. Balladius sicht dieſen
Etein allen andern vor, (de re rust. I. 1. c. 10.) und
war für alle Gebäude, ſelbſt für die auf dem Lande.
Man kañ hieraus deiien allgemeinen Gebrauch abıeh
nehmen. Sea.
O L 3. e 16. p.59
Erſtes Kapitel, . 361
nicht gefunden, welches auch Vitruvinus anzei⸗
get, 1) und der Mangel derfelben iſt mit Urſache, daß
die Griechen nicht, wie die Nömer, mit Leichtige
feit Gemwölber machen fünnen. Es müßen aber die
Griechen einen fehr feflen Mörtel zu machen ver⸗
ſtanden haben, wie der große Wafferbebälter zu
Sparta noch i59 geiget, melcher aus Kielellieinen
beſtehet, die mit einem Mörtel verbunden find, wel»
cher fo hart iſt, als die Steine felbft. 2)
8.11. Beide Arten Puzzolana werden gleich-
fam zu Stein; ja der Mörtel wird härter als die
Steine felbfi, welche er verbindet. 3) Diefes fichet
man an den Trümmern der Gebäude am Geilade des
Meers, welche bis in das Waffer hineingebauet find,
gu Pozzuolo, Bain und in diefer ganzen Gegend , im-
gleichen zu Porto d' Anzio, dem alten Antium,
wo die alten Pfeiler, welche den Hafen macheten
und einfchloßen, fo wie jene Gebäude, von Ziegel
gebauet find. Dit Puzzolana miacheten die Alten in
und um Nom ihre Straßen und Wege, welches
noch izo gefchichet.
$. 12, Die Lagen der Puzzolana gehen tief in
die Erde, und zuweilen an 80 Balmen: ganz Nom
iſt untergraben, dieſe Erde herauszuholen, und
Diefe Gänge gehen viele Meilen weit, und folche
find die Katakomben. 9 Da der Grund
ı) L. 2. c. 6.
2) Fontenu, Descript. de l’aqueduc ; dans 1’Hist. de PAcad.
des Inscript, t. 16. p. 111. edit. de Paris.
3) Puteolanus pulvis, si aquam attigit, saxum est. Senec.
nat. quest. 1. 3..c. 20.
4) Die Gänge ber Katafomben find entſtanden durch daß
Sraben der Puzzolana und anderer Erbarten, auch sum
Theil durch das Brechen des Tufſteins. (.Boldetti, Osserr.
sopra i cimit. 1. ı. c. ı. Bottari, Scult. e pitt. sagr.
2. 1.0.1.) Gen.
Winckelmaũ. 2. 16
362 Baukunſt der Alten.
zu dem Palafte in der Billa des Herrn Cardinals
Alerander Albani gegraben wurde, fanden fich
drei folche Gänge über einander, daher man ge
nöthiget war, mit dem Fundamente noch tiefer hin«
unter zu geben,.und es iſt daffelbe über SO Palmen
tief geleget. |
8.13. Beider Art zu bauen, als dem zwei—
ten Stüfe des wefentlichen Theils der Baufunft,
fangen wir billig bei. der Grundlage an, welche
entweder von großen vierefichten Stüfen Tufo
mar, wie tch vorher angemerfet babe, oder von
einen Stüfen Tufo, welches die gewöhnlichfte
war, und es noch igo iſt. 1) Der Grund diefer lez⸗
teren Art wurde folgendermaßen angeleget, wie man
an den Nuinen fiehet. Man warf den Mörtel,
das iſt, Kalk mit Puzzolana durch einander ge-
fchlagen, mit Mulden hinein, und Stüke Tufo dar-
auf, und. diefes Hineinfchütten des Mörtels und
der Steine wiederholete man bis die Grube voll
war. Kine folche Grundlage fezet fich in ein paar
Tagen, und wird durch die Puzzolana fo hart und
feit, daß man unmittelbar nachher darauf bauen
fan. UÜberhaupt iſt hier auch bei den Mauern über
der Erde zu merken, daß in Abficht der Eigenfchaft
der Puzzolana allezeit von den Alten mehr Mörtel
als Steine gebrauchet find: auf eben dieſe Art find
1) Diefe Steine hießen bei den Alten lapides quadrati;
(Vitruv. 1. 1. c. 5. Liv. 1.6. c. 3. Senec. epist. 86.)
man muß fich aber darunter weder vollfommen Fubifche
noch vierefichte Stüfe vorftelien, fondern, wie Gali
ant zur angeführten Steffe bed Vitruvius bemerkz,
nur Steine mit einer platten Aufienjeite, die ort
von ungleicher Größe waren, und die wir jeso unter dem
allgemeinen Ausdruk behauene Steine oder Quader
begreifen. Ten.
[Auf Numero 174 der Denkmale find deren zu
fehen , fo wie auf Numero 10 der Abbildungen ei
gentliche Quadratſteine.]
Erſtes Kapitel, - 963
alle alte Gewölber gemachet. Wen das Gerüfle oder
die Wölbung vorher mit Schalen oder Brettern
war geleget worden, fchüttete man, wie bei Grund-
Jagen, Mörtel und Eleine Steine Tufo oder gefchla-
gene: Ziegel, fo mie fie im Auffchütten fielen, auf
die Bogen des Gerüſtes von Brettern, bis zu einer
beftimten Dife, welche in den diocletianifhen
Bädern an 9 Palmen ift, und alsden trug man
‚eine Lage von ebendemfelben Mörtel darauf, um
das Gewölbe oben glatt zu machen. Ein großes
Gewölbe fonte auf diefe Art durch eine Dienge Men⸗
fchen in einem Tage geendiget werden. Dieſe Art
zu verfahren fichet man, mo die Bekleidung abge-
fallen, oder die Gewölber geſtürzet find, am Coſli⸗
feo., inden Bädern des Titus, des Saracalla,
des Dioeletianus, und fonderlich in den weit⸗
Läuftigen Trümmern der Billa Sadriani, wo
fih noch die Lagen der Bretter von den Gerüften
‘der Gewölber zeigen:
$. 14. Diefer gefchwinde Weg zu mwölben iſt izo
nicht mehr gebräuchlich, fondern Gemwölber werden
mit der Hand .gemachet, aber noch allegeit mit Tufo
und Puzzolana. Die obere Ausfüllung aber, bis
alles mit dem Nüfen des Gewölbes gerade wird,
gefchtehet muldenmweis (a sacco), wie überhaupt
bei den Alten. Vermittelſt des Mörtels Fan man
den Gewölben eine Form geben, welche man will,
und es werden noch izo in Nom einige ganz platt
gemachet, To daß es kaum gewölbet fcheinet. Das
Gewölbe Läffet man einige Zeit auf deſſen Gerüſte
fieben , daß es fich fezen Fan.
Die Alten Tucheten ihre Gemölber, weil fie
diefelben ſtark macheten, fo Yeicht als möglich zu
halten, ‚und diefes thaten fie auf zween verfchiede-
nen Wegen. Der gewöhnlichtie war, mit Schlafen
zu wölben, welche von dem Berge Veſuvio kamen;
364 Baukunſt der Akten.
es find diefelben theils röthlich, theils graulich.
Eine Art von ſchwarzdunkeler Farbe wird bei Vi⸗
terbo gegraben, in einer Gegend, wo fiedend heiffe
Duellen find, die auch ein Ei hart fieden, wen eg
nur einen Augenblif hineingelafen wird; diefe Ge
gend wird Bollicame genennet, von bollire, fieden,
und das umterirdifche Feuer bafelbii, nebſt den
Schlafen unter der Erde find Zeichen, daß chemals
daſelbſt ein Volcan ‚gewefen fein müße. Die SchIa-
fen von DViterbo aber find nicht ſebr tauglich zu
Gemwölbern, weil fie ſehr weich find. Jene Art
Schlafen finden fih offenbar in alten Gewölbern,
und find auch im Pantheon bei der neulichen inneren
Ausbeflerung dieles Tempels bemerfet worden. Vi⸗
truvius aber übergehet, wie ale deſſen Ausleger,
diefe Art zu wölben mit GStillfchweigen, und er
gedenfet nur im VBorbeigehen.der Schlafen vom Veſuvio.
Da die Natur Diefes Berges den Alten wenig befant
war, fo waren auch die Wirkungen deffelben nicht
unterfuchet. Ä
$. 15. Gewölber mit diefen Schlafen geleget
And in Menpel gewöhnlih; in Nom aber iſt der
Herr Sardinal Alerander Albani der erfie, und
bis izo der einzige, melcher in feiner Billa zu Nom
alfo gebauet hat. Man verfähret auf folgende Weife,
Nachdem das Gerüſt sum Gewölbe angeleget iſt,
wird der Bogen auf beiden Seiten (le cossie della
volta), wie vorher gefaget, gemanert bis auf das
Mittel des Gemwölbes, oder deſſen Rüken. Diefer
wird mit Schlafen und Mörtel geleget, und dieſer
verbindet fich mit jenen, und dringet fie gleichfam
durch, To Daß ein dergleichen Gewölbe Faum zu zer-
Kören ift.
. 8.16. Der andere Weg, die Gewölber zu erleich-
teen, gefchahe mit leeren Urnen oder Töpfen von
gebroütem Thone, welche mit der Dfnung heraus⸗
Erſtes Kapitel, 365
wärts gefeget wurden, und auf und um biefelbe
berum wurden Pleine Steine und Mörtel mit Mul⸗
den geworfen. Diele Töpfe ſiehet man bäufig an
den Sewölbern im Eirce des Caracalla, oder
wie andere wollen, des Galkienus, auffer Rom.)
Arifioteles faget auch, dag man leere Töpfe
eingemauert babe, un in Gebäuden den Schall
der Stimme zu verſtärken. 2)
») Fabretti, de aquis et aquæduct. Dissert. 3. p. v66. De
Columna Trajan. c. 6. p. 147.
Mehvere nach der Zeit des Sabretti gemachte Ent
defungen in diefem Circus, 3. B. Medaillen des Cara
salla, die man dafelbit gefunden, und die auf ihrer
Rükſeite diefen Circus zeigen; die Etatue dieſes Kaiſers
felsft und der Julia feiner Mutter, welche ımter Ele
mens XI. aus der Ruinen deflelben bervorgessgen , und
yom Herzog von Abranted, damaligen portugiefifchen
Minifter in Rom, gekauft worden , nebft anderen Denk⸗
malen mehr, beweifen sur Genüge, daß e8 der Circus
des Enarasalla fei. ( Ficoroni, Le Vestigia di Roma
antica 1. ı. c. 24. p. 163. Drlandis Noten zu Nar⸗
dinis Rama antica; 1. 3. c. 3. p. 68.n.a.) Gem.
23) Problem. I. 2. sect. 2.
Derfelden Wirkung und der Harmonie wegen wurden
fie auch in dew Theatern angebradt. (Vitrur. |. 1. c.
1.1.5. c. 5.) Beſonders merkwürdig ift, ihrer ähn⸗
lihen Bauart wegen, die Eupola der Kirhe ©. Gt
Tale in Ravenna, ein Wert des fechften Jahrhunderts
aus den Zeiten Kuffiniand. Sie iſt ganz aus leeren
Röhren gebauet, die im horisontaler Luge eine in bie
andere. gefteft, und fo genau und wohl verbunden find,
das die Cupola dadurch nicht nur fehr leicht, ſondern
auch zugleich von großer Seftigfeit iſt. Auch in einigen
Wölbungen der Säulengänge, welche die vunde Kirche
© Stefano auf dem Eölio umgeben, die von
gleichem Alter ift, finden fich dergleichen Röhren au den
Seiten, aber in faſt ſenkrechter Richtung. Sea,
366 | Baufunft der Alten.
8.17. Men die Grundlage des Gebaͤudes fich
gefeget hatte, welches in ein paar Tagen gefchiehet,
fo wurde die Mauer nufgeführet, und von derfel«
ben ift erſtlich an fich felber, und nachher von
ihrer Bekleidung zu reden. Die Mauern von
vierefichten Steinen, es ſei Tufo, Beperino, Traver⸗
tino oder Marmor, wurden ohne Mörtel auf einan⸗
der geleget, und halten -fich durch ihre eigene Laſt.
In ganz alten Zeiten wurden die größten Steine zu
Gebäuden gefuchet, und daher Fam die Sage, daß
es Werke der Cyklopen wären: 1) eben fo
werden noch izo die Trümmer von dem Tempel des
Supiters zu Girgenti in Sicilien, von den Ein-
wohnern der Palaft der Ntefen genennet. 2)
Die Steine find insgemein fo winkelrecht und Tcharf
behauen, daß die Fugen derfelben wie ein dünner
Faden fcheinen, und dieſes iſt, was bei einigen
Seribenten apmovsa beiffet, D welche fonderlich an
ı) Pausan, 1.2. c. 20. [$. 5.] c. 25. [$. 7.]
2) Fazell. de reb. Sicul. t. ı. ‚Dec. ı. 1.6. p. 248.
Sazello fast nicht, daB diefe Trümmer der ans
geflihrten Urfache wegen fo genaitt wurden, fondern weil
die Berfhwörung der Giganten gegen den Jupiter
in der Säulenhalle gegen Morgen in fo vielen Statuen
abgebildet geweien. Eben fo nennet man ein alte Ge
bäude aus Ziegeln zu Kumä den Niefentempyel, wegen
einer Eolofialen Statue Jupiter, die daſelbſt ge:
funden, und im Jahre 1670 zu Neapel dem Fönislichen
Palaſte gegenüber aufgeftellt worden, wo fie unter dem
Namen il Cigante noch jezo fieht. (Paoli, Antichitä
di Pozzuolo; tav. 47. fol. 29.) Sea.
3) Die überſezer haben diefed Wort durch Symmetrie gege⸗
ben; wir finden es aber an den mehreſten Orten, we
e8 beim Pauſanias vorfoft, von der genauen
Sügsung der Steine gebraudet; 3. ©. 1. 2. c. 25.
(8. 7.) 1. 9. c.33. [$. 4.) ce. 39..[8. 5.) Winckelman.
Erfied Kapitel. ' 367
dem Tempel zu Legen, vom Skopas gebauet, 1)
gerühmet. wird. An einem Tempel zu Cyzikum wa⸗
ren die Fugen mit goldenen Leiftchen beleget, 2)
6. 18. Es ift befaft, daß an andern Gebäu⸗
den die großen Steine auch mit eingelötheten
Klammern innerhalb auf einander befeflfiget find,
welche fonderlich zum Marmor von Metall genom-
men wurden; den das Eifen verurfachet an dem⸗
ſelben Nofiflefen. Alberti hat auch fogenante Klam⸗
mern oder Keile von Holz in alten Gebäuden: ges
gefunden, 3) und eben diefes bat Herr Le Roy 4)
in den Trümmern eines Tempels im attifchen Ge⸗
biete, und einer meiner Freunde, Herr Robert
Mylne, aus Schottland, (welchem die englifche
Nation den Bau einer prächtigen Brüfe über die
Thames Üübergeben,) an einem großen Steine vom
gebachten Tempel des Jupiters zu Girgenti be
merfet. 5)
ı) Pausan. 1.8. c. 4ı. I8. 5.]
Yaufaniad redet daſelbſt von dem Tempel, welchen
Iktinus in Phigalien bauete. Fea.
2) Plin. 1. 36. c. 15. sect. 22.
3) Dell’ architettura,1. 3. c. 11.
4) Ruines des plus beaux monumens de la Grece, t. ı.
part. 1. p- 4 ,
5) Flaminius Vacca (Memorie, n. 39.) erzählt,
Daß, um dad Nonnenflofter, welches im Forum deB
Nerva liest, auszubauen, einige Werkſtüke von Pepe
rino herabgeworfen worden, welche mit folchen Klam⸗
nern von Hol; verbunden waren, die auf beiden Seiten die
Sorm von Schwalbenſchwänzen hatten, und fo wohl
erhalten gewefen, daß man fie auf's neue brauchen koñte;
und Fein Tifchler Habe dad Holz gefafit, and welchem fie
verfertist waren. Auch Piraneft Hat an einem Grab;
male vor der Porta S. Sebaſtiano hinter Capo di Bove
auf der alten appiihen Straße Werkſtüke von Tufo auf
368 | Baukunſt der Alten.
$. 19. Die Stadtmauern aus großen Steiner
- wurden ebenfalls ohne Mörtel aufgeführet. in
befonderes Werk iſt ein Theil der Manern um Fondt
im Königreiche Neapel: es beflchet dasfelbe aus großen
weiſſen Steinen, deren Flächen glatt behauen find,
aber fie find alle. von ungleicher Form, von füny,
fechs und von fieben Efen, und alle find fie in ein-
ander gepaflet. Man kañ fich davon aus der dritten
Kupferplatte zu dem Vitruvio des Herrn Marchefe
Galiani einen Begrif machen, und aus einem
Stüfe der alten Mauer um. Albany, welche Fa-
bretti bat in Holz fchneiden Iaffen. 1) Auf eben
diefe Art waren die Mauern um Korinth und. um
. Eretria in Euböa gebauet, auch zu Oſtia,
einem Drte in Epirus, fanden fich dergleichen Mau⸗
ern, von welchen der Ältere San Gallo, Bau⸗
meifter, wie von denfelben zu. feiner Zeit noch die
Spuren waren, in deflen Beichnung auf Bergamen
in der barberinifhen Bibliothef die Form und
eine gefchriebene Anzeige gibt, und ich babe von
diefen Mauern bei Gelegenheit eines gefchnittenen
Steins in dem ſtoſchiſchen Mufeo geredet, 2)
diefe Weite mit ffgenallten Schwalbenſchwänzen von
Eichenholz verbunden gefehen. Er gibt eine Zeichnung
davon. (Antich. ron. t. 3. tav. 9.) Gen.
ı) Fabretti de Columna Traj. c. 7. p. 229.
Diefe ift die Art zu Bauen, welde Vitruvius (I. a.
c. 8.) antica und inserta neit. Sie gleicht dem alten
Straßenpflafter, wie man es in und auffer Rom ſieht.
(Mögebildet unter Yumero 10. N.) Man findet davon
fehr alte Überbleibfel an vielen Orten, und unter an:
dern an einigen Stellen der von Aurelianus erbaueten
Stadtmauer Roms, in den alten Mauern von Alatri,.
da wo jezo Eivita liegt, in den alten Mauern von Pal
Reina, Cori und andern Orten mehr. Gen.
2) [2 Kt. 13 Abth. 979 9.)
Erftes Kapitel, 369
Eine Stadtmauer von folden Steinen iſt auch auf
der Säule des Traianus vorgeficlet.
8.20. Sn Bogenwerfen, an Wafferlei-
tungen, Brüfen und Triumpbbogen wurden
die Steine keilförmig gehauen, welches Ber
rault, ohne Rom gefeben zu haben, hätte willen
fönnen, damit er nicht behaupten wollen, die Alten
hätten diefe Art die Steine zu bauen, welche feine
Nation la coupe des pierres nennet, nicht verfian«
den, und daf fie daher feinen Bogen von Steinen,
"fondern nur von Ziegeln machen können. 1) Es
bat fich derfelbe nicht erinnert, daß Vitruvius
ſelbſt von Bogen aus keilförmigen Steinen
handelt. 2) Ferner leget er feinem Abaten in den
Mund, daß diefe Ungeſchiklichkeit der Alten Urſache
fei, daB man Ardhitraven aus Steinen maden
müßen , welde von einer Säule bis zur andern
gereichet, und weil man die Steine nicht allezeit
von einer erforderlichen Länge gehabt, daß man
daher die Säulen enger zu fezen genöthiget gewe-
fen. Diefes if eben fo falfh als das vorige:
den an einem Reſte eines der älteſten Gchäude in
Nom, auf dem Gampidoglio, an der Wohnung des
Senators, fiebet man von einer dorifchen Ar
Hitrave den untern Balfen übrig. an wel
chem die fogenanten Tropfen hängen, nebit acht
ı) Parall. des anc. et des mod. t. ı. p. 115.
3) L.6. c. rı.
Er fpricht dafelsft von Bogen aus Feilfürmigen Stüfen,
Doch fast er nicht ausdrüklich, ob die Keile von Ziegel
oder von Stein find. Aber Strabo (1.3. p. 360.)
fast deutlich, einige alte Cloaken in Rom feien von einer
folhen Breite und Höhe, daß ein mit Heu belade
ner Wagen hindurch fahren köñte. Sie waren aus
Stein gewölbt, wie noch jeso die Cloaca maTfima
Fi auch dad Thor zu Paſtum ik and Stein gewölbt,
ea.
370 Baukunſt der Alten.
dorifchen Kapitälern. Der Raum zwiſchen zwelen
dDerfelben zeiget an, Daß ein Kapitäl fehlet, und dag
derfelben, fo weis die Architrave fichtbar- iſt, Tech“
zeben fein müßten. Dieſer Balken iſt aus Fleinen
Steinen, etwa von zween Palmen ein jeder, zu⸗
fammengefezet, welche gehauen find, wie es izo ge⸗
fchehen würde in gleichem Falle, j
$. 21. Die Mauern von Fleinen Steinen mur-
den insgemein mit keilförmig gebausmen Gtüfen
Zufo, deren Fläche viereft it, oder mit eben fol-
chen SKiefelfteinen beleget und gefüttert, und dieſe
Art beiffet bei den Alten opus reticulatum, weil die
Zagen diefer Steine nach Art des Geſtriks eines
Nezes geben. Dieienigen, welche diefe Ausfüt⸗
terung als lange Würfel vorſtellen, irren fih. 1
Vitruvius behauptet, 2) daß dergleichen Mauer
werk nicht dauerhaftig fei; es haben fich aber gleich-
1) Alberti, dell’ Archit. 1.3. c.9: Bon ihm Hat Pen
rault genommen, was er über diefen Gegenftand fagt.
Winckelmañ.
Alberti irret ſich nicht, deñ was derſelbe fast, iR
von dem, wie Winckelmañ es verſteht, ſehr verſchie⸗
den. Er behauptet im Weſentlichen blos, daß das nez⸗
förmige Mauerwerk der Alten oft mit Stellen von läng⸗
lich vierefigen Ziegelfteinen in Form eined Paralle lograms
unterbrochen ſei. Seine eigenen Worte lauten, wie
folgt: Io ho avverüto, che gli antichi usarono nclle
opere reticolate tirarvi il recinto, che fosse di cinque
ordini di mattoncini, o non meao di tre; e che tutti,
o almeno un ordine fosse di pietre non piü grosse che
le altre, ma ben piü lunghe, e piü largbe. Diefed wird
durch die Abbildung beftätiat, die er davon beifügt. In
vielen anderen Arbeiten dieier Art machen die Reihen von
großen Steinen oder langen Ziegeln su 6 bid 7 über ein
ander, wie im Amphitheater au Lucca und zu Arezzo,
diefelbe Wirkung, wie Guazzeſi bezeugt. (Dissert. in-
torno agli anfit. della Tosc. oper. t. 1. p. 22.) Gen, -
2) L. 2. c.8. Plin. 1. 36. c. 22. scct. 5ı.
Erfied Kapitel, 371
wohl ganze Gebäude, "welche völlig fo gemauert
find, erhalten, wie unter andern die fogenalite
Billa des Mäcenas zu Tivoli it, der Kell von
dem Tempel des Herfules dafelbfi, die überbleib⸗
fel von der Billa des Lucullus zu Frafcati,
und große Stüfe Mauern von der Villa des Don
mitianus zu Gaftel Sandolfo, in der Billa
Barberini, zeigen; 1) und in andern Ländern auſſer
Stalten befinden fich mehr Überbleibfel von diefer Art
Mauerwerke.?)
6.22. Was die Mauern von Ziegeln betrift,
ſo ſind ſie erſtlich an ſach ſelbſt, und hernach
das Übertünchen oder Übertragen derſelben zu
betrachten, . wohin auch die Fußboden gehöre;
Die Mauern von den großen Gebäuden der Nömer
find nicht durchaus von Ziegeln, fondern nur
mit denfelben gefüttert, und muri a cortina,
wie man izo redet: das Inwendige derfelben ift mit
fleinen Steinen, Scherben und dergleichen, und
mit Mörtel ausgefüllet, fo daß vom Mörtel allezeit
das Drittheil mehr ill. Vitruvius nennet diefe
Art Emplefton; 3) er redet aber nur von Diauern
1) Der Marcheſe Galiani bemerkt Hei ter ‚angeführten
Etelle des Vitruvius ſehr richtig, daß von biefem
nesförmigen Gemäuer mehr Monumente übrig geblieben
find, als von andern Arten, obgleih Perranit.eh
ohne Grund Täugnet. Er glaubt, daß daß leichte Reifen,
welches Vitruvius und Plinius daran bemerfen, von
den nicht Horizontalen Lagen der Steine herrühren _
könne, aber daß deffen ungeachtet diefe Arbeit wegen dev
Kleinheit der- Steine und der Menge von Kalt, die dazu
erfordert wird, fehr dauerhaft fei. Unter den in biefer
Hinficht merfwürdigen Gebäuden zeichnen fich vorsägfich
zwei su Bajä aus, wie Pater Paoli in feinem Briefe
an mich.($. 45.) bemerft. Sen.
[Man febe die Abbildung Num. 2.)
2) Darmann. Syll. Epist. t. 2. 191.
3) L. 2. c. 8.
372 Baukunſt der Alten.
vor Steinen, nicht von Ziegeln, weldhes offen
bar ift, da er nach geendigter Befchreibung derfelben
von Mauern aus Ziegeln insbefondere zu
reden anfängt» mo er diefer Art nicht gebenfet,
noch defien Ausleger. Auf diefem Wege zu bauen
waren die Römer im Stande fo ungeheure Mauern
aufzuführen, melde an 9 big. 13 Balmen dif find.
Man bat unterdeffen auch in neueren Seiten der-
gleichen Mauern, und zwar von ganzen Ziegeln
aufgeführet, mie diejenige iſt, auf welcher die Eu-
Bo znot Beter zu Rom rubet, und 1A Balme
dik iſt.
$. 23. Von ſolcher Arbeit ſcheinen die Mauern
zu Babylon geweſen zu fein: den das Wort aizu-
sa beim Heradotus, 1) welches andere apzedor
erklären, 2)- deutet auf Diefelben. Es koñten feine
Mauern fein, wie ſich Herr Weffeling biefel-
ben vorftellet, 3) von über einander geworfenen
Steinen, fondern fie werden, wie bei den Nö—⸗
mern, mit ordentlich gelegeten Biegeln ge
füttert gewefen fein. Ob gefchliffene Ziege
im Gebrauche gewefen, iſt nicht zu fagen: 4) izo
aber findet man die ganze Auffere Mauer an einigen
Gebäuden von benfelben geleget, wie unter andere
,
r) L. ı. c. r8o.
2) Eustath. ad Odvuoe. zZ. XVID. p. 185 r..
3) Dissert. Herodot. p. 43. N
-4) Man Bait mit Gewißheit verfichern - daß bad halbrunde
Gebäude nahe beim Forum des Trazanus, von welchem
Bindetmal im 2 Kapitel diefer Aumerfunger
redet, und weiches gewöhnlich die Bäder des Paulus
Amilius genaftt wird, von gefhlitfenen Zie—
geln erbaut if. Zen.
Winckelm añ hat biefedauch Inden su einer neuen Aus
sabe dieſes Werks beſtimten Zufäsen 19. 32 — 33.1 aus
geführt. Fernow.
Erſtes Kapitel. 373
an ber Kirche la Madonna de’ Monti zu Nom;
auch die äuſſern Mauern des Balafles der Herzoge
zu Urbino find aus gefchliffenen Steinen. !) Diefe
Ziegel, weldhe zu Mauern und nicht zu Fuß.
boden dienen follen, werden an beiden Enden breie
ter als in der Mitten gemachet, damit man fie fall
ohne Mörtel auf einander legen könne: den der
Mörtel wird innerhalb, wo die Ziegel nicht ſchlie—
Ben, geleget. Daher gefchiebet es, daß an Maue
ern von gefchliffenen Biegen die Fugen zwifchen ih⸗
nen faft unmerflich find.
8.24. Weñ ein Gchäude gegen die Anhöhe eis
nes Berges, oder font an ein erhabenes Erdreich
aufgeführet wurde, zog man, die Feuchtigfeit abe
zuhalten, doppelte Mauern, fo dag zmifchen beie
den ein flarfer Span Raum blieb. Diefes fiehet man
am deutlichen an den hundert erhaltenen Gewöl⸗
bern in der Vila Kaiſers Hadriani bei Tivoli;
Daher diefe Gemwölber noch izo fo trofen find, daß
das Heu viele Sahre in denfelben liegen fan. Diefe
Mauern find innerhalb mit folcher Sauberfeit gele-
get, und ihre Fläche iſt fo glatt, daß man fiehet,
Die Abſicht ſei geweſen, das Anhängen der Feuch-
tigfeit zu verhindern. Dieſes dienet zur Erläutes
rung defien, was Vitruvius davon lehret.?) Per⸗
rault Hat fich unter Ddiefer dopelten Mauer,
mer weiß was vor ein Werk mit vielen Canälen
oder Ninnen vorgeſtellet. 3)
$. 25. Eine andere Urſache dopelter Mauern
war, "fi wider den Wind zu verwahren, welcher
bei den Griechen and, bei den Römern Africus,
ı) Memorie d’ Urbino. Rom. 1724. fol. c. 3. p. 46.
2) L. 7. c. 4.
3) Ad Vitrur. l. c.
4 Baukunſt der Alten.
und i50 scirocco heiffet.1) Diefer Wind ksm̃t ans
Afrika, wie befant tft, und herfchet ſowohl über
die Küſten von Italien, als von Griechenland: er
1) Wincdelmait beseht Hier in Benennung der Winde
dafielbe Verfehen, welches er in der Geſchichte der
Kunft (1 BB. 38. 13 $.) begangen hat. Der Wind,
. welchen die Griechen A, die Lateiner Africus, und die
Staliiner libeccio nennen, ift vom scirocco verſchieden.
Diefer hieß bei den Griechen oosmunsas, supevurec, bei dew
Lateinern euronotus und euroauster. Der erfte wehet
zwifchen Süd und Welt, der zweite swifchen Sid und
Oft. Alle alten Gcribenten, welche von der Zahl und den
Namen der Winde gehandelt haben, flimmen darin über:
ein. (Vitruv. 1. 1. c. 6. Plin. 1. 2. c. 47: sect. 46. Senec.
natur. quast. 1. 5. c. 16. Aul. Cell. I. 2. c. zz.
Veget. de re milit. 1. 4. c. 38.) Und weit wir die
Denkmale der alten Kunft betrachten, fo finden str fie
auf den Windzeigern oder Winduhren eben fo
vertheilt; 3. B. an dem berühmten Thurm der Winde in
Athen; ferner auf dem zu Gaeta; auf dem, welder in
der Campagna di Roma vor der Porta Eapena gefunden
und vom Pater Paciaudi erklärt worden, und auf
dem, welcher in den Bädern des Titus gefunden und
vom Abate Bifconti für das Muſeum Pio⸗Clemen⸗
tinum angekauft worden, auf weichem die Namen ber
zwölf Winde in griechifcher und Tateinifcher Sprache ges
fchrieben ſtehen. Der libeccio iſt vielmehr kalt und
befonders Kürmifch, wie ihn auch Horaz (l.ı. carm.
1. v.ı5. carm. 3. v. 12.) und Birgil (An. I. ı.
v. 90.) nennen. Aber der scirocco bringt bie hier und am
angeführten Orte dee Geſchichte der Kunft befchriebes
nen Wirkungen hervor; in noch ftärferem Grade jedoch
thut dieß der auster oder der von Süden wehende Wind,
der in Kom gewöhnlich nicht vom scirocco unterfchieden
wird; und daher nennet ihn auch Horaz (I. 2. sat. 6.
m. 18.) mit dem ausdruksvollen Beiwort plumbeus auster,
und Statiuß (Sylr. 1.5. c. ı. v. 146.) neit ihn
malignus.
— — — Sic plena maligne
Afflantur vineta noto.
Erſes Kapitel. 75
if Thieren, Gewächſen und Gebäuden ſchädlich, den
er führet fchwere, dife und feurige Dünite mitfi ch/
verſinſtert den Himmel, und verurſachet daher eine
Entkräftung in der ganzen Natur. Zu Vethana
in Griechenland riß man einen Hahn lebendig von
einander, und es Tiefen zwo Berfonen mit dieſen
Hälften um ihre Weinberge herum, in dem Aberglau-
ben, daß diefes ein Mittel fei wider diefen Wind, wel-
her ihren Wein verwelfen machete. 1) &s zermal-
met derfelbe Eifen und andere Metalle, und eiferne
Begatter an Gebäuden am Meere müßen von Zeit
zu Beit erneuert werden , wozu die falzige Meerluft
auch nicht wenig beiträgt. Das Blei auf der Eu-
pola der St. Betersfirche in Rom muß alle sehen
Sabre theils umgeleget, theils ausgebeflert werden ,
weil es von diefem Winde zerfreffen wird.) Wi
der den Einfluß diefes Windes baueten. die Alten
gegen die Mittagfeite vielmals mit dopelten Mau-
een, doc fo, daß mehr Naum blieb, als mo die
Mauern blos wegen der Feuchtigkeit dopelt waren:
Ausführlicher befchreibt feine fchädlichen Wirkungen Hip
potrated (de Aëre, Aquis. sect 2. $. 5) Austri
auditum gravantes, caliginosi, caput gravantes, torpidi,
dissolventes. Auch der libeccio erzeugt zuweilen Krank⸗
heiten, aber anderer Art. (Lancisi, de nativa Ronaani
cali qualit. c. 3 — 4.) Sem
) Pausan. 1. 2. c. 34.. [$. 3.)
Pauſanias fpricht wirklich von dem as der Griechen
öder dem Africus der Lateiner und libeccio der Staliäner,
nicht vom scirocco, den Binder man im Einne
: bat. Sem,
2 Es iſt nicht der Wind allein, der das air
fondern auch die große Sonnenhie, bie es ſchmelzt, dev;
maßen, daß es zuweilen an Stelien geſchmolzen fließt;
auch die Winterfröſte tragen viel zu beiten Verderbniß
bei. Sen.
+
376 Baukunſt der Alten.
man ließ einen Raum von etlihen Fuß breit.
Diefes bat der Herr Kardinal Alerander Albant
in einem feiner prächtigen Luſthäuſer, zu Caſtel
Gandolfo, nachgemachet.
$. 26. Zu Aufhebung großer Laften beim
Bauen bedienet man fich unter andern eines Nadeg,
innerhalb welchem Leute liefen, wie dergleichen auf
einer erhobenen Arbeit vorgeftellet if, welche auf dem
Markte zu Capua eingemauert flehet. 1)
$. 27. Bon der Bekleidung der Mauern ifl zu
merfen, daß diefelben an öffentlichen prächtigen Ge⸗
bäuden mit gleicher Sauberkeit geleget wurden, fie
möchten betragen werden oder nicht; und wen die
Bekleidung abgefallen if, fichet die Mauer aus, als
wen fie gemachet worden, bloß zu erfcheinen. Das
Betragen der Drauern gefchabe mit mehr Sorgfalt
als iso: deñ es wurde bis an fiebenmal wiederholet,
wie Vitruvius anzeiget,2) jeder Aufteng dicht ge
Schlagen, und zulezt mit geiloßenem und fein ge
fiebetem Marmor überzogen; eine folche Beklei⸗
dung iſt dennoch nicht über einen Finger dik. I)
1) Maßzocchi Kat davon (Amphith. Campan.) eine Abs
bildung gegeben, [welche hier unter Num. 11 wie
derholt if.) Gen.
2) L. 7. c. 4.
3) Das Verfahren, welches Vitruvius (I. 7. c. 3.) lehret, iſt
weit mühſamer als Wincfelman es hier ahnen läßt, und
in der That mußte die Bekleidung diker und höher fein. Sea,
Nah Rodes überſezung lautet die Stelle ded Vitru⸗
vius, wie folgt: „Iſt dad Gefimie vollendet, fo berape
„ man die Wände fehr grob, puse fie aber nachher, weit
„ die Berapung faſt trafen iſt, dergeftalt mit feinem
» Kalkmörtel ab, daß die Breite nah Schnur und
„ Richticheit, die Höhe nach dem Bleilothe, die Winkel
„ aber nah dem Winkelmaße, eingerichtet werden; deñ
„ nur alfo wird fich die Bekleidung gut zu den Gemäß
Erſtes Kapitef, 377
Es war daher eine übertünchete Mauer fo glatt als
ein Spiegel, und man machete Tifchblätter-aus folchen
Stüfen Mauerwerf. Sn den fogenaiten Sette
Sale von den Bädern des Titus zu Rom, unk
in der Piſeina mirabile bei Bain, it man nicht
im Stande, von den Wänden und Pfeilern die Be-
kleidung abzufchlagen, den fie iſt fo hart als Eifen,
und glatt wie ein geglätteter Spiegel. 1) Im ges
„ den fchifenz und fängt dieſer Abpuz su trofnen an, ſo
„ wird noch ein aweiter umd dritter gemacht. Je mehr
„ diefer Abpuz von feinem Kalfmörtel Grund Hat, um
„ defto fefter und dauerhafter wird auch die Bekleidung
„» werben. Nachdem, auſſer der Berapung, nicht weni
„ger als drei Aufträge von feinem Kalkmörtel gemacht
» worden, fo übersicehe man die Wände mit einem
„Taige aus grob geſtoßenem Marnior, der alfo anzus
„machen ift, daß er beim Lintereinanderfnetten nicht an
» der Kelle Hängen bleibe, fondern daß man diefe allemal
„» ganz rein wieder aus ber Wanne heraussiche. Iſt dies
„ fer Überzug fertig, fo mache man, bevor er völlig trofen
„» geworden ift, einen zweiten etwas feineren; und nach⸗
„tem man bdiefen dicht sefchlagen und wohl gerieben,
„ einen dritten noch feineren. Sind auf folche Weife die .
„ Wände mit drei Yurtwägen von feinem Kalkmörtel und
„ mit eben fo vielen von Marmorftucco verfehen, fo find fie
„» nicht allein vor Riffen und andern Gebrechen gefichert,
„ fondern fie werfen auch, weil fie mit Stöfen dit ges
„ſchlagen, und mit hartem Moarmorftaube geichliffen, zu⸗
» gleich aber beim Poliren mit Sarben übersogen werden,
„ einen ſchimmernden Glanz von fih.“ Gernomw.
Jeder ſieht, daß Vitruvius hier von einem üben
zuge fpricht, auf welchen gemalt werden foll, wie er im
erfolge noch deutlicher fagt; er räth ferner, fie nicht
did, fonbern fo dik ald möglich zu machen. Gen.
3 Mit Recht bemerkt der Pater Paoli C Antichitä
di Pozzuolo, tav. 6ı. fol. 34.), daß diefe Härte nicht ſo⸗
wohl der Bekleidung, ald vielmehr dem vom Waſſer ent:
ſtandenen Abfaz zuzuſchreiben fei, welcher von der äuſſer⸗
Ken Härte if, und den man jchlerfen muß, um feinge
‚ Oberfläche Stätte und Glanz zu geben. - * za.
1
378 Baukunſt der Alten,
ringern Gebäuden oder in Grabmälern, mo die innere
Seite der Mauer nicht mit gleicher Sauberfeit ge
zogen ift, findet fich die Bekleidung an zween
Finger dif. Aufferordentlih if. die Machricht,
welhe Santes Bartoli!) von Zimmern gibt,.
deren Wände ganz mit. Dünnen Eupfernen
Platten beleget waren. Diefe Zimmer wurden
zu deſſen Beit, das til, zu Ende des vorigen Jahr⸗
bunderts, ohnweit Marino bei Nom, entdefet, an
einem Drte, welcher Alle Fratoecchie beiffet, 2)
wo ehemals die berühmte Vergötterung des Ho⸗
4) In deſſen Nachrichten von entdeketen Alter
tümern, welche unter andern zu Ende der Roma ant.
e mod. angehänget ſind. Winckelmañ.
V Wahrſchei nlich hat Wincke 1m añ dieſe Notiz, fo wie die
obige Anmerkung aus dem Gedächtniß hingeſchrieben, und
Sante Bartoli mit Flaminio Vacca verwechſelt.
Der erſte war berañtlich ein geſchikter Zeichner und bes
fühmter Kupferſtecher, aber meined Wiſſens fein Schrift:
Beller. Der andere hat im Jahre 1594 die Memorie di
varie antichitä trovate in diversi luoghi della cittä dı
Roma gefchrieben, welche Andreoli der Roma antica deB ”
Nardini (Rom. 1704) angehängt Hat; und in biefen
Menıorie (n. 101.) gibt Va ec a Nachricht von einem Fleinen
Zimmer, welches auf dem Aventino, der Kirche von ©.
Saba gegenüber, gefunden worden. Es heißt dafelbſt:
Flaminio Galgano padrone di una vigna incontro Santo
Savo, dove si cavano li tufi per far le mura della citta,
essendo tutto quel monte nelle ‚radici dell’ Aventino,
miraccontö, che cavandosi nel tufo si trovö uno stan-
zino molto adorno, col pavimento fatto di agata e cor-
niola, e li mıuri foderati di rame dorato con alcune
medaglie conmımesse , con piatti e boccali di rame, in-
sirwucnti, che servivano nei sacrifizj; ma ogni Cosa
aveva patito fuoco. Il detto stanzinv non aveya n& porte,
ne finestre; onde era necessario, che gli antichi sces-
dessero di sopra. Gen.
Erſtes Kapitel, 879
merus, im Palaſte Colonna, 1) gefunden
wurde, und man glaubet, daß ebendafelbfi eine
Billa Kaifers Claudius gemefen fet.
8.28. Der Fußboden In Bädern und andern
Gebäuden wurde zuweilen von Fleinen Biegeln geles
get, welche ſenkrecht auf ihre fchmale Seite
gefeget find, und zwar fo, daß fie Winkel mit
einander machen, fo wie noch izo gebräuchlich ift,
und alle Strafen zu Siena und in allen Städten
des Staats von Urbino find auf folche Art mit Zie-
geln gepflaſtert. Man nennet dergleichen Arbeit
spina pesce, von.der Ähnlichfeit mit der Richtung
der Fiſchgräten, D und die Alten opus spicatum,
weil die Ziegel Tiegen wie Körner an einer
Kornähre, welches Perrault nicht verflanden
hat, 3) wie bereits anderwärts bemerket iſt. Über
dieſen Grund wurde ein Mörtel mit geſtoßenen Zie⸗
geln geleget, und über dieſe Lage vielmals ein Mur
faico gefeget. Sp ſiehet man es noch izo in der
Billa Hadriani bei Tivoli. Die Alten hatten un-
ter ihren Zeiheigenen auch Leute, die befonders aller-
Hand Arten voy Eftrichen. zu arbeiten verflanden,
welche pavimentarii hießen. 4)
6. 29.. Das dritte Stüf diefes erſten Kapitels,
welches van. der Form der Gebäude und von dem
Theilen derfelben handelt, bat natürlich zween
Saze. Der. erfie von der Form. gehet vornehmlich
auf die Tempel, und diefe waren bei den Grie⸗
chen, fehr wenige ausgenommen, in's Gevierte
4) [Nunmehr im britifchen Mufeo zu London.)
2) [Eine Probe davon unter den Abbil dungen Num. 10.]
3) De la Bastie, Remarg. sur quelg. inscript. ant. Acad...
des Inscr. t. 15. Menı. p. 442.
4) Vulpii Tabula Antiat. p. 16. ae " U
380 . Baukunſt der Alten.
gebauet, und zwar fo, daß ihre Breite insge
mein die Hälfte der Länge war. Daher lehret
Vitruvius, I) daß ein Tempel, wei er vorne
fünf Intercolummia und fechs Säulen babe, nuf
den Seiten noch einmal fo viel Sntercolumnin
baben müße. Eben dieſes Verhältniß Hatte der
Tempel des Jupiters zu Agrigentum in Sicilien,
wie ich in einer befonderen Nachricht von diefem
Tempel angezeiget babe: 2) den in einer genauen
Ausmeflung des Plazes und der Trümmer defielben
bat fich gefunden, daß die Breite 165 Fuß if;
folglich muß anilatt der Zahl 60 beim Diodorus,
160 ſtehen. Wo Hömer vierelichte Tempel gebauet
haben, findet fich eben dieſes Maß: ein Eleiner
Tempel von Peperino, am Lago Blantano, auf dem
Wege von Tivoli nach Fraſcati, vom welchem oben
Meldung gefchehen, 3) hat 60 Balmen in der Länge,
und 30 in der Breite. Diefes Verhältniß aber
feheinet noch nicht in dem älteflen Beiten befimt
gewefen zu fein: dent der alte Tempel des Ju—⸗
yiters zu Elis war 95 Fuß breit und 230 fang; 9)
der Tempel des Jupiters, weldhen Tarquinius
auf dem Capitolio banete, 5) war beinahe eben fa
breit als lang; es waren nur 15 Fuß Unterfchied.
6, 30. Don runden Gebäuden, mit einem
Gewölbe sder Cupola, in. Griechenland, finden
fh vom Pauſanias in allem nur 6 angegeben.
Eines war zu Athen neben dem Brytaneo:) ein
ı) L.3. c.3.
2) [Oben ©. 301 — 329.]
3) [S. 359. 6. 9.1
4) Pausan. 1. 5. c. 20. [5. 2.] |
5) Dionys. Halic. Antig. Rom. 1. 4 c. 6».
6 Pausan. l. 2. c. 5. [$. 13.1]
Erſtes Kapitel. 361
anderes zu Epidaurns, 1) neben dem Tempel des
Affulapius, von dem berühmten Bildhauer Bor
Infletus gebauet, und vom Baufias ausgemns
let; es murde von defien Gewölbe Tholus genen
net: 2) das dritte war zu Sparta, I) und in dem⸗
felben waren Statuen des Supiters und der Ve
nus: das vierte war zu Elis, 4 das fünfte zu
Mantinen, 5) und bieß der gemeinfhaftliche
Herd; (an "Esıe) auch an andern Drten waren
ebenfo genañte Gebäude, wie zu Rhodus, 6) und zu
Kaunus in Karien: 7) das fechfte war der Schaz
des Minyas zu Orchomenia. 8) Wei aber auf ge
fchnittenen Steinen, wo der Körper des Heftors .
um die Mauern von Troia gefchleifet wird, runde
Tempel vorgeftellet worden, fo iſt diefes allein fein
Beweis, daß fie alfo gewefen fein. Auf dem un-
gewöhnlichen großen Schiffe, welches Btolemäus
Bhilopator, König in Ägypten, bauete, war
unter andern ein runder Tempel der Venus; ?)
1) Id. 1. 3. e. 27. 8. 3.7
2) Pauſanias ſchreibt, daß auch das vorher genafite
Gebäude in Athen Tholus, Oorcs, genafit wurde. Wis
truvius Cl 7. praf.) erwähnt eined Gebäudes au
Delphi, welches gleichfalld Tholusd genaitt worden, und
(1.4. e.7.) gibt die Regeln fir den Bau runder Tem
ve. Sen,
3) Pausan, 1.3. c. 1%.
4) Id. L5. e. ze. [$. 5]
5) Id. L 8. c.g.[$. 2.)
6) Constant. Porphyr. Excerpt Polyb. I. 28. p. 138.
z) Appsan. de bello Mithrid. p. ı85. D.
8) Pausan. 1. 9. c. 38.
9) Athen. 1.5. c. 9.
932 . Baufunft der Alten.
fo wie auf den Schiffen der Alten runde und
gwar gemauerte Thürme mit einem gemwölbeten
Dache oder Cupola, aber auch vierefichte
gemauerte Thürme, waren. 1) San Gallo der
Ältere, in einem Bande feiner Zeichnungen auf
Bergament, in der barberinifchen Bibliothek,
meldet von einem runden Tempel des Apollo zu
Delphos. Ob der Tempel, welchen Berifles zu
Eleufis bauete, rund geweſen, if nicht mit
Gewißheit zu fagen:2) war er aber in's Bevierte
gebauet , f9 hatte er dennoch eine Cupola und
eine Art von Laterne auf derfelben; 3) und es
findet fich dieſe und eine Cupola auf dem Tamburo
auf einem vierefichten Tempel, weldyer auf dem gröf-
ten Sarfophago aus dem Altertume, in der Bigna
Moirant vor dem Thore ©. Sebaſtiano,4) vor-
geſtellet iſt. Es iſt alfo der Tamburo feine neue
Erfindung. Bei den Römern waren die runden
Tempel gewöhnlicher als bei den Griechen: einige
waren es aus einem allegorifhen Grunde, wie
1) 1Beſchreib. d. gefhnitt, Steinem. 6 Kl. N.
65. ıc. ]
Man fehe Auch die Samlung der Altertümer des Bo
ri oni, von Venuti erläutert, wo fih auf Taf. 73
eine Gemme mit ähnlichen Thürmen auf einem Schiffe
findet. Sea. '
‚2) Plutarch. Pericl. [c. 13.] '
‘3) Wahrſcheinlich hat Wincdelman diefed Gebäude, von
welchem Plutarchus nichts ſagt, mit einem andern
verwechſelt. Bald nach obiger Stelle ſagt er vom
Odeon, welches gleichfalls von Perttles erbanet worden,
daß es rund und von der Form eines königlichen
Zeltes geweſen. Sea.
lLNichts verwechſelt: Winckelmafl meint das
Telefterion zu Eleufiß, von dem Plutarchus (l.c.)
ald von einem Gebäude mir Liht von oben
wirklich redet.)
4) Seo im Mufeo Pio-Clementino aufgeftellt. Sea.
J
Erfies Kapitel, | 383
der Tempel Veſta, 1) welchen Numa Pompilius
bauete, fo wie es die Feuerherde, aus der Be
nennung des runden Gebäudes zu Mantinen, fcheinen
gewefen zu fein; ein runder Tempel in Thra—
cien, welcher der Sonne gemweihet war, 2) deutet
auf die Runde derfelben.
8. 31. Zu der Form öffentlicher Gebäude
und Tempel gehören die Säulen, welche in den
älteflen Zeiten von Holze waren, fo wie noch zu
Baufanins Zeiten in Elis ein Tempel fland, deflen
. Dad ohne Mauern auf Säulen von Eichen ru-
bete, 3) und an eben dem Drte war in der hinteren
Halle des Tempels der Kuno noch damals eine
eihene Säule. 4) Das älterte Verhältnif oder das
Maß der Höhe der Säulen war das Drittheil
der Breite eines Tempels, wie Vitruvius
von der tofcanifchen Ordnung lehret,”) und Pli⸗
ntus überhaupt angibt: ©) diefes aber trift bei
zween uralten Tempeln zu Bello nicht vollig zu, und
die Säulen haben etwas mehr in der Länge, 7)
Die Säulen der Alten veriüngeten ſich nach Art eines
Baums, und die Ausſchweifung, welche Vitru⸗
vius Entaſis nennet, und ber der er fich wei
ı) Festus, v. Rotunda «des.
2) Macrob. Saturn. l. 22 c. 18.
“ 3) Pausan. L 6. c. 24. [$. 7.) °
4) Id. 1.5. c 16. [$. ı.)
5) L. 4. c. 7.
6) L. 36. c. 23. sect. 56.
7) Über den unterſchied zwifchen den Temveln zu Paſtum
und den alten hetruriſchen Tempeln, welche Vit ruvius
beſchreibt, ſehe man in dem Werke des Paters Paoli
Über die Ruinen der Tempel von Päſtum. (Dis
sert. 3. n. 22.) Sen.
384 Baukunſt der Alten,
läuftig aufhält, 1) findet fich an Feiner einzigen
Säule von großen Gebäuden, (einige kleinere
etwa von fpäteren Zeiten ausgenommen) und
die Wahrheit zu fagen, dieſer Bauch gibt den
Säulen Feine Bierlichfeit. ) Neifen haben fchon
die älteſten Säulen und bei den Griechen hieß es
faßdweıs aiovos, ?) Oder dakvona. 4) Die Siänlen
wurden, wen ihre Größe ungewöhnlich war, von.
den Griechen auch aus ungleichen Fleinen Stüken
zufammengefeget oder gemauert, wie ich an einem
andern Drte von den Säulen an dem Tempel des
slympifchen Supiters zu Girgenti angezeiget
babe. 5). An der vermeineteg Billa des Mäcenas
zu Tivoli find die halb hervorſpringenden Säulen,
fo wie das ganze Gebäude, mit Feilmäßig gebau-
enen Steinen ausgefeget. Größer als alle übrig
gebliebene Säulen von Granit und Marmor waren:
die von pentelifchem Marmor an dem Tempel des
olympiſchen Jupiters, welhe Kaifer Domi-
tianus in Athen arbeiten, und zu Nom nadı«
1) Kaum berührt er dieſelbe CI. 3. c. 2.1.4. c.3.).
Dod gab er am Ende feined Werkes eine Abbildung das
von, welche verloren iſt. Sea.
2) Piranefi fand die Entaſis an der hetrurifchen
Säufe unter den Ruinen eines alten Tempels zu Alba,
im Gebiete der Haquier am See Fucino, wovon er
eine Abbildung gibt, (della Magnif. de’ Rom. tav. 31.
fig. 6.) und an den vier Pilaftern des aften Grabmales
des C. Publicius Bibulus am Suse bed Capitols,
wovon ebendafelbit (Sig. 7.) eine Abbildung; auch an
den Säulen des dritten Gebäudes zu Päſtum, [movon
die Abbildung unter Numero 7 au ſehen ift,) finder
fie ſich. Sea.
3) Aristot. Ethic. ad Nicom. 1. 10. c. 2. p- 17%
4) Diod. Sic. 1. 13. c. 82.
[ 5) ſOben S. 309. $. 28.). '
Erſtes Kapitel, 386
arbeiten Tieß: 1) den Ligortus, welcher Stüke
von denfelben gefehen, berichtet in feinen ungedruf-
ten Altertümern in der vaticanifchen Bibliothek,
daß dieſe Säulen im Durchmeſſer 10 Fuß gehalten;
folglich mußten fie wenigfiens 80 Fuß hoch geweſen
fein, wie auch diefer Sceribent angibt. 2)
1) Plutarch. Poplie. c. ı5.
-2) Ligorio im 18 Buche feiner Anttichitä, welche fich in der
genaũten Bibliothek unter den ottoboniſchen Handfchrifs
ten befindet (N. 3376.) bei dem Worte Tempio (Rük ſeite
des Bl. 51.) fast blos, daß die Säulen jened Tempels
von pentelifchem Marmor ımten am Anfange des Schaft
9 Palme gehalten haben ; aber er gibt Feinen Beweis du⸗
"son. Mir fcheint ed unglaublich, daß biefer Tempel Säus
"fen von ſolcher Dike gehabt Habe. Es ift zu bemerken,
Haß derfelbe, ald er zu Veſpaſians Zeiten wieder aufs
gebaut wurde, nach dem Ausſpruche ber Wahrfager
nihtardßer im umfange, fondern blod Höher ers
"baut werden durfte, wie Tacitus (Hist. 1.4. c. 53.)
‚erzählt. Eben fo wird man ed auch nachher gehalten has
‚ben, ald er aufd neue von Domitianu 8 wieder herges
-ftellt wurde; und wahricheinlih Hat’ man, um dent
-alten Plane treu zu bleiben, die aus Athen herüber
gebrachten Säulen von pentelifhem Marmor überarbeiten
und dünner machen müßen. Die Meinung ded Nar⸗
dini (Rom. Ant. 1.5. c. 15. reg. 8. p. 267.) und ans
derer, welche glauben, dag biefe Säulen dieſelben ſeien,
die man gesenwärtig-noh in der Kirche Araceli auf
den Capitolio ſieht, ift völlig ungegründet, wie der Pas
ter Caftmir in feiner Gefchichte derfelben (c. 6. p. 238.)
zeigt. Diefe Säulen find fäntlih an Höhe und Dike
ungleich; überdied find einige von weiſſem Granit, ans
dere von rothem, andere von Cipollino, andere von Pas
vonazetto und anderem Marmor. Größere Säulen, al3
die von Ligorio angeführten, würden aud) die gewe⸗
fen fein, von welchen der Pater Minutolo (Dissert.
7. de zdif. judic. 1. c. col. 159.) fast, daß fie au feiner
Zeit, d. i. in der Mitte ded 17 Jahrhunderts, im Non
nenkloſter S. Eufemin. (aus Irrtum faster S. Su ſan⸗
Winckelmaũ. 2. 47
386 Baukunſt der Alten.
$. 32. Ih will mich bier nicht in Unterſuchung
des Urfprungs und der Gründe von den verfchiedenen
.Gliedern der Säulen einlaflen, fondern wie über⸗
haupt, alfo auch bier, einige Anmerkungen über die
verfchiedenen Drönungen derſelben mittheilen. Cs
find fünf Säulenordnungen in der griechifchen und
römifhen Baukunſt, wie befant if: die tofca-
nifche, die doriſche, die joniſche, die korin⸗
thiſche und die römifche. Don alten toſcan i⸗
fhen Säulen ift, auſſer einer einzigen an dem
&Emiffario des Lago Fueino, Feine übrig, und
wir wiſſen von derfelben nichts) als was Vitru⸗
vius faget. I) Toſcaniſche Säulen mit Bafen
fiehet man auf einer alten betrurifchen Patera, ?)
von eingegrabener Arbeit, auf welcher Meleager
na)nahe ander trafan iſchen Säule ausgegraben werben,
und von ſolcher Größe geweſen, daß fie faſt der Co⸗
lonna Traiana gleich gekommen. Aber diefe Schä⸗
sung .ift übertrieben, wei jene Säulen zum Sorum des
Trajanus gehörten und jener von Granit gleich waren,
die im Jahre 1765 auf der entgegengeiesten Seite jenes
Klofterd ausgegraben worden ,„ neunthalb Palm im Durch⸗
meſſer, und den andern fünf dafeldft bereits gefundenen
Sänlen ähnlich war, wie Windelman in der Kunſtge⸗
ſchichte (11%. 3. 8. 27 $.) meldet. Derfelbe erzähle
auc in einem Briefe an den Baron Niedefel vom
9 Nov. 1763, dag man Fur; zuvor auf der Straße nach
Albano eine Säule vou Granit und folder Dike gefuns
den, daß kaum vier Menfchen fie umſpannen Fünnen,'
und eine andere Ähnliche habe man in den Sundamenten
des Palaſtes Eanta Eroce in Nom entdeft, aber fie
“shree enormen Größe wegen dort liegen laſſen. Wir
übergehen der Kürze wegen mehrere andere Nachrichten
von Säulen ähnlicher Größe, bie fih ‚bei Autoren finden,
Fæa.
4) L. 4.0 7.
#) Dempst. de Etrur. reg. t. 1. tab. y.
Erſtes Kapitel, “887
zwiſchen dem Kaſtor und Pollur nebſt dem
Paris ſizet.
8.33. Die dor iſchen Säulen aber ſehen wir,
faft von ihrem erflen Urſprunge, an gedachten drei
alten Gebäuden zu Bello, an einem Tempel zu Gir-
genti, 1) und an einem andern zu Korinth; 2) fie
find gleihfam nur der bloße Schaft von an⸗
dern Säulen. Ihre Form If kegelmäßig oder
koniſch verjünget, das iſt, fie Iaufen beinahe wie
ein oben geſtuzeter Kegel zu. Die zu Bello befichen
aus vier Stüfen, und fie find, wie die andern, ge»
reift. Das Kapitäl derfelben ıft blos eine flach
rundliche Ausfchmweifung, da mo fpätere dori⸗
fhe Säulen die fogenanten Eier haben, und auf
derfelben Tieget unmittelbar die Tafel, Abacus
oder Trayezium genäht, welche weiter über jenes
Theil hervorfpringet, als an den älteflen Temyeln in
Griechenland. Diefer ſtarke Vorſprung gibt dem
Knpitäl eine mächtig große Geflalt. Die Höhe
der Säulen, welche 6 Durchmeffer des Fußes.
der Säule haben follte, bat nicht 5, und at
gedachten Tempel zu Korinth haben fie nur 4 Durch»
meſſer. 3)
$. 34, Die Eigenfchaften der dorifchen Ordnung
find die Triglyphen oder Dreifchlige, an dem
mittelffen oder breiteiten Gliede des Ge
balks oder der Friefe, die Tropfen an dem
unteren Gliede des Gebälks, und die foges
nanten Zähne, welche unter dem Gebälfe hän-
1) Pancrazi, Antich. Sicil. t. a. part.2. tar. 11. 12.13. —
Piranesi, della Magnif. de’ Rom. tav. 22. fig. 3. Gen.
2) Le Roy, Ruines des plus beaux monunı. de la Gröce. t. 2.
p- 2. pl. 17. p- 44.
3) Le Roy t. ı. part. 2. p. 18.
388 Baukunſt der Alten.
gen.) An einem der Tempel zu Bello waren bie
Triglyphen nicht in der Friefe felbfl genrbeiter,
fondern beſonders eingefeget, welche bis auf ein
einziges heruntergefallen find: 2) diefe find alle an
ihren Enden rundlich gehalten, welches man an
anderen Triglyphen nicht fiehet. Anſtatt der Sähne
unter dem Gebälfe find an dieſen Tempeln runde
Löcher, und jedesmal drei Reihen von ſechs run⸗
den Dertiefungen in einer jeden. 3) An dem Tem-
pel des Theſeus zu Athen find fie hohl, aber
viereficht, und: jedesmal zwo Keihen. 4
4) Vitruvius (l. 4. c. 2.) will, daß der dorifchen Ord⸗
nung die Trialyphen, und der jonifchen die Käl⸗
berzähne eigentimlich feien. Aber, daß auch der
doriihen Ordnung Kälberzähne gegeben worden, b&
weifet die Graburne ded Scipi.o Barbatus aus dem
5 Sahrehunderte Roms, bie man ald ein Gebälk betrach⸗
ten fait, deñ fie bat zu. oberft den Kranz mit den Kälber:
zähnen, unter diefem den Sried mit Triglyyhen und Mes
topen , deren jede eine Nofette enthält; und der untere
glatte Theil, wo die JInſchrift fich befindet, kañ ald der
Architrav betrachtet werden. [Man fehe die Abbildung
unter Numero 12 u. .13.] :An dem Tempel zu Cora,
welcher gleichfalls dorifcher Hrdnung dit, ſieht man Käls
berzähne am Kranz über der Thüre der Cella. Sea.
3) Die Triglyphen fanden ſich blos am Eleinen Tempel
zu Päſtum, nicht an den andern Gebäuden. wie Pater
Paoli (Diss. 4. n. 24.) berichtet, obgleich fie in feinen
Abbildungen auch dem großen Tempel gegeben find, mit
den Tropfen darunter, . von welchen fidh aber auch an ben:
Triglyphen, der an dem Fleiuen Tempel übrig geblieben
ift, feine Spur gefunden hat. Gen.
3) So find fie an dem größten Tempel, an dem Elei;
neren find fie verfchieden. [Man fehe die Abbildung
unter Numero 5 u. 7.) Gen.
4) Le.Roy, t. ı. pl. ı8.
Bitruvins (l.4. ec. 3.) ſchreibt vor, dag man bie
Tropfen in drei Reihen, und fechd in jeher Reihe, mache.
Sen.
Erftes Kapitel. | 389
8.35,. Die Triglyphen ſtehen an dem Drte, mo
in ganz alten Zeiten die Balfen der inneren
Deken der Tempel auswärts hervorrageten, welche
ebenfalld auf einem Balken von Holze, der unmits
telbar auf der Säule Tag, ruheten. And allem An⸗
fehen nach wurde das Gebälke auf die Säulen noch
zu Pindarus Zeiten von. Holze geleget, wie die
fer: Dichter in feinem Nätbfel,. wie er es nem
net, deutlich anzgeiget. 2) Und Vitruvius ſaget,
daß man die Triglyphen, als einen Bierat auf die
hervorſtehenden Enden der: Balken genagelt habe. 5)
Diefes iſt eine Mutbmaßung:: den dergleichen
alte Tempel waren damals nicht mehr, und er gibt
auch von diefem Bierate feinen Grund; es fcheinet,
daß man an die Enden. der Balken Einfchnitte gema-
chet,. dem Niffe derfelben zuvorzufommen. ) Der ..
Kaum zwiſchen zween Balten, und alfo zwi⸗
fehen zween Triglyphen, Metope genait, wurde
ausgemanert,. wie der. römifche: Baumeifter
will; in den. allerältelien. Zeiten fcheinen diefe Plaze
ofen: geblieben zu ſein, welches dem: Gebälfe Luft
gab. Eine Stelle des. Euripides- bringet mich
auf dieſe Muthmaßung. Den da Dreftes und Py-
lades fich berathfchlageten,, wie man in den Tem⸗
pel der Diana Taurica gelangen fünne, um das
1) Pindar: Pyth. IV. v. 475 — 477:
Er: ſpricht dafelbft von dem Palafte eine? Für—
fen, nicht: von einem. Tempel. Sea:
2) L. 4.c: 2.
3) Dder: vielmehr, um die Rinnen des Waſſers nachzuahmen,
weiches vom Kranze hevabfallend daran niederlief; defl
degwegen feste man unter die Triglyphen, wo jene Nins
nen fich endigten, die Tropfen. Mir -tcheinen jene Ein
ſchnitte nicht verhiiten. au Fonnen’, - daß die Balken Riſſe
befommen., da: fie nicht ſehr tief fein durften. Sen.
390 Baufunft der Alten.
Bildniß der Gottheit zu entführen, fo fchläget Py«
Iades feinem Freunde vor, innerhalb der Trigig
pben, mo es hohl iſt, das iſt, wie ich es verflche,
zwifchen denfelben, bineinzufteigen. |
“Opa de y’ ui0w Tyan, dos KEV0V>
Azuaxs na$evoı. 1)
Wilhelm Ganter in feiner Überfesung biefes
Trauerfviels gibt dieſe Stelle ohne alle gefunde
Pernunft: Specta vero iutra columnarum cælaturas,
quo inane ac expeditum corpus oportet demittere.
Iſt es möglich, daß ein fo gelehrter Mat, welcher
zumal Stalien gefehen hatte, fich vorfiellen Fönnen,
daß man zwiſchen den Reifen?) an den Säulen
Binduch und in den Tempel bineinfriechen wollen
oder fönnen? Hernach beziehet fich das Wort leer
(xevov) nicht auf das Wort Leib (demac), wie es
jener verflanden, daß man fih enge und Jeichte
zu machen gedacht habe. Det inane tind vacuum
find von verfchiedener Bedeutung; das erfte heiſſet
leer, wen etwas voll fein follte, und diefes feget
nicht allezeit eine YAusfüllung voraus. Id Das
Wort xevov fiehet bier absolute, und muf mit ora
gegeben werden; wo es leer if. Barnes
bat diefe Stelle nicht beffer verflanden: er meinet,
Pylades Habe vorgefchlagen, zwiſchen den
ı) Iphig. in Taur. v. 113.
(Winckelma it wiederholt diefe Bemerkungen in feinen
Dentmalen, 4 Thl. 14 8. 206 N. ]
3) Calature bedeuten niht Reifen, fondern Bildwerp,
erhobene Arbeit; wei nicht Ganter vieleicht
columnas czlatas gemeint hat. Sea.
3) To zur var eriduuu minpaoıog. Clem. Alex. Predag,
t. 1.1, 2. c. 10. p. 223. 50%
Erſtes Kapitel, 391.
Sänlen (inter columnia) hineinzufleigenz; als weit
der Raum zwifchen den Säulen verfchlagen ge
wefen, oder als wen man in den Tempel, dag
ift, in die Celle deſſelben Hineingelangen fünnen,
wen man innerhalb der Säufen war, welche auflen
um die Tempel hberumsingen. Die Metopen Mas
ren nach dem eigentlichen Sinne diefer Stelle, an
den älteften Tempeln, von welchen uns Euripides
bier ein Bild gibt, vermuthlich offen, und dies
fes war der einzige Weg, in diefen verfchloffenen
Tempel hineinzuſteigen. Es zeiget auch das Wort
xo$evas, demittere, aft, daß mar fi) berunfer
Iaffen müßen, welches bernah in dem Tempel
von oben herunter würde gefichehen fein. Brumoy
bat hier Feine Schwierigkeit gefunden; er faget uns
aber bei diefer Gelegenheit in einer Anmerfung,
was ein Driglyphe fei.
8.36. . Herr Le Roy feget in feiner Befchrei-
bung der alten Gebäude in Griechenland drei ver-
fhiedene Seiten der dorifhen Ordnung: bie
ältefle, deren Säulen, wie die an vorbergedachtem
Tempel zu Korinth nicht über 4 Durchmeſſer haben:
Die andere Zeit, in welcher ber Tempel des The
ſeus und der Pallas zu Athen gebauet find;
und die Dritte Beit, aus welcher der Reſt des
Tempels des Auguſtus in eben der Stadt if,
defien Säulen 6 Durchmefler haben. Es führet der-
felbe an und vergleichet mit jenen Werfen, was ihm
von doriſchen Drönungen und Säulen in
Stalien befant gewefen ti. Man fan aber eine
vierte Beit der borifhen Baukunſt hinzuſezen,
and dieſe zeiget fich an dem übrig gebliebenen Bor-
tale von vier Säulen von Travertino 1) eines Tem-
1) Der Säulen find acht; vier am ber Vorberfelte, an
jeder Seite wei, und fie haben einen überzug. Sea.
392 Baubunſt der Alten,
pels zu ori in der Campagna von Kom, acht ita
liäniſche Meilen ienfeit Velletri. Es iſt dieſes Werk
nach einer fehlerhaften Zeichnung in Finis Be
. fdreibung der Stadt Cori geflochen, und aus
diefem Buche iſt das Kupfer genommen, welches
Bulpi in feinem Latio, beibringet. 1) Sch babe
aher Zeichnungen des. großen Napbnels von:
diefem Gebäude vor Augen, welches "gezeichnet und
genau ausgemeflen worden, da. daffelbe weniger als
i59 gelitten Bbatte. 2) Die. dorifhen Säulen deſſel⸗
x) Volpi Latium, t..4. tab. 13. p. 140..
Gerade umgekehrt! Der Pater Bolpi hat zu erſt (im
Jahre 1727) ſein Werk geſchrieben, und die Abbildung
am angeführten Orte mitgetheilt. Aus demſelben hat
hernach Fini die Nachrichten, welche ſeine Vaterſtabt
Cora betreffen, gezogen, und in italiäniſcher Sprache
bekañt gemacht, im Jahre 1732, 4. aber, fo viel ich weiß,
ohne Siguven. Gen.
2) Diefe Zeichnungen befanden fich., nebſt anderen von al:
ten Gebäuden genommenen , in dem Muſes bed berühm⸗
ten Herren von Stoſch, und macheten einen Band von
etlichen und zwanzig Stüfen aus. Ein anderer Band
von. ähnlichen. Zeichnungen des Raphaels befindet fi
in der Bibliothek des vor kurzem verfiorbenen Thomas
Coke, Lords Leiceſter, welcher fich durch Heraus:
sebung der Etruria Regalis Dempsteri bei der gelehrten
Welt verdient gemachet hat. Raphael verfertiste dies
fe Zeichnungen, nachdem er zum Baumeifter von St.
Peter in Rom ernennet- worden; es ſollten biefelben
dienen zu dem sroßen Vornehmen, dad alte Rom sleich:
fam wieder zu erneuern, welches Papſt Leo X. gefaflet
Hatte. Man findet hiervon Nachricht in einem "Briefe des
Celio Ealeasni an Jakob Zieglern, sween Zeit
genoſſen dieſes Künftlerd. Es iſt dieſer Brief, nebſt am
dern, zweien Sendſchreiben des h. Clemens beigefüget,
weiche betitelt find : 8. Clementis Epistole duæ ad Co-
rinthios. His subnex® sunt aliquot singulares vel nunc
primum editæ, vel non ita facile obvie. Londini, 1687.
12. Gebachter Brief Befindet ih S. 231. Winckelmañ.
Erſtes Kapitel... 393
ben, deren unterer Durchmeſſer 3 und einen Viertel
Palm, und der obere 2 Palme. und 8 Zolle hält,
haben 7 Durchmeffer in die Höhe, ohne die Baſe
und das Kapitäl, und die ganze Höhe derfelben iſt
27 Balme und gehen Zolle. !) Gie find mit hoh—
len Reifen, von ihrem Drittheil an; das une
terſte Dritiheil ik glatt und ohne Reifen. 2)
Sie habe ihre Bafe, welche auffer zwo Säulen
zu Peſto 3) Feine andern alte dorifche Säulen haben,
und das Kapitäl iſt verfchieden von den Kapitälern
anderer bdorifchen Gebäude; es ift vielmehr tofca-
nifch. Diefe ungewöhnlichen Kapitäler verurfacheten,
Daß Raphael diefen Tempel, ohngeachtet der übri⸗
gen Eigenfchaften der dorifhen Ordnung, für
ein tofeanifhes Gebäude genommen, wie er in
der Unterfchrift feiner Zeichnungen angemerfet hat.
Don dem Mittelpunfte einer Säule bis zu der ande
ren find 10 Balmen, woraus fich die Weite der In⸗
tercolumnien von felbft gibt.
$. 37.. Unter dem Bortale über der Thüre der
Celle diefes Tempels, welche izo zugemauert iſt, ſtehet
noch izo diejenige Inſchrift in zwo Zeilen, welche
1) Winckelmaũ Hat wahrfdheintich ded Le Roy Wert
nur flüchtig angefehen, fonft würde er gefunden haben,
dag derfelbe das Verhältnig der dorifchen Hrdrnung von
ſieben Durchmeſſern mit den andern beftimt angegeben
hat. Le Roy fast nämlich, die doriſche Ordnung fei
Anfangs. fehr niedrig gewefen, von 4 Durchmeſſern oder
wenis mehr, und führt ald Beiſpiel den alter Tempel
zu Korinth und den des Theſeus zu Athen an; deu FE
fodan zu 6 Durchmeffern erhoben worden, wie Vitrw
viud meldet, und daß. man ihr endlich sur Zeit ded Au⸗
guſtus 7 Durchmeſſer gegeben habe, (t. ı. part. 2. p. 35.
t: 2. part. 2. p. 43.)- Gen.
2) Diefed Drittel iſt facettirt. Die Reifen haben Übrigens ,
wenig Vertiefung und find ohne Stäbchen. Tea.
3) Nicht zwei, fondern ſ echs. Man ſehe oben S. 342. Fea.
394 Baukunſt der Alten.
von andern, die fie copirt haben, 1) in mehrere ab
gefeget, und theils unwichtig abgefchrieben if; 2). Re
if folgende:
M. MANLIVS. M. F. L. TVRPILIVS. DVOMVIRES. DE. SENATVS.
SENTENTIA. AEDEM. FACIENDAM. COERAVERYNT. EISDEMQVE.
PROBAVERE,
Es find hier zum Erſten zwo ganz ungewöhnliche
Abweichungen von der Sprache zu merken; prou-
vıres, anflatt pvomvir, und zıspemqvs, anſtatt er-
DEMQYE, Der nnemave Ferner ift etwas über die
Duumpiri zu fagen. Mareus Manlius if
nicht befant, und ich merke bier nar an, daß der
Borname Marcus indem manltifchen Gefchlechte
wiederum in Gebrauch gefommen, nachdem berfelbe
durch das Verbrechen des Marcens Manliug,
mit dem Zunamen Sapitolinus, als ein Name
von übler Deutung vermieden wurde. 3) Diefes
beftätiget die angenommene Lefart des Taeitus, 9
wo derienige Manlius, welcher von den Deut-
fchen gefchlagen worden, den Vornamen Marcus
bat. Einige wollen an deſſen Richtigkeit aus ange
führetem Grunde zweifeln, >) zumal da diefr Man
Linus anderwärts 9) Eneins heiſſet. Lucins
ı) Volpi, 1. c. 1.7. c. 2. p. 138. Muratori, Nov. thes.
Inser. t. 1.p. 147.0. 4
2) Apian. Inser. p. ı84. n. ı. Gruter. Fnser. t. 3. p. »28_
. BR. 7.
3) Ur.1.6.c.ı2. n 20
4) De mor. Germ. c. 37.
5) Freinshem. ad. h. 1. Taeciti.
6) Epitome Livii, l. 67.
Für die Meinung ded Freinsſsheim gegen die ange
nommene Lefart des Tacitus gibt es einen andern Grund,
den, fo viel ih weiß, weder die Commentatoren no
Erfies Kapitel. 395
Turpilius aber iſt vermuthlich chen derjenige,
welcher dem’ Germanicus eine Statue fegen laſ—⸗
fen; I) den beide Vornamen des Sohns und bes
Vaters find ebendiefelben. Es wäre folglich diefer
Tempel zur Beit des Tiberius gebauet, und ge
Dachte zween Berfonen wurden als Duumpirt
. ernennet zu Errihtung, Befichtigung, und
vermuthlich auch zur Einweihung diefes Tempels:
den zu vielen heiligen Verrihtungen wurden
vom GSenate zu Nom Duumpiri abgeordnek.
Bulpiunterflehet fich nicht, die Zeit der Erbauung
Diefes Tempels anzugeben: fo viel aber ift aus der
Bauart gewiß zu beffimmen, daß es Fein Werk aus
den Zeiten der Nepublif fei.
6. 38. Sch merke hier an, daß das ſchöne Stüf
eines dorifchen Gebälks, welches ehemals zu Albano
war, und von Ehambray beigebracht worden, 2) ni
die Ausleger vorgebracht haben, nämlih, daß Feſtus,
der hach dem Tacitus fchriehb, bei dem Worte Mans
lius jened Decret der Samilie Mantia, welches Li
viusanführt, ald noch zu feiner Zeit gültig, oder wer
nigftend als vorher noch nicht tbertreten, wiederholt.
Manliz gentis patricie decreto nemo ex ea Mareus ap-
pellatur, quod Marcus Manlius, qui Capitolium a Gal-
lis defenderat , cum regnum aflectasset, damnatus neca-
tusque est. Diefe Autorität, vereint mit dem Au Bst:
ge des Livius, follte wohl entfcheidend Tein, aber
bie Infchrift des Tempeld verdient allerdings, ald ein öf⸗
fentliches Monument, Glauben, und sch bin nice dem.
Meinung, daß fie älter fei, ald jener Marcus Man
lius Sapitolinud, fondern aus viel ſpätern Zeiten.
Sen.
ı) Gruter. Inscr. t. ı. p. 236. n. 3. Liv. L6. c.3. n.
5. 1. 7. c. 2ı. n. 28. Conf. Pigh. Annal. Roman. t. 3.
l. 18. ann. 764. p. 540. Sea.
2) Parall. de l’archit anc. et med. p. 19.
396° Baukunſt der Alten.
gend mehr zu finden iſt; ich kañ mich auch nicht
entſinnen, das doriſche Grabmal bei Terracina,
Beet eben. der. Seribent vorſtellet, 1). gefeben zu
aben..
$. 39. Die zweite Säulenordnung, nämlich
die jon iſche, fol zuerfi an dem Tempel der Dia-
na zu Ephefus angebracht fein. 2) Nach vielen Sab-
ren, da dieſes Gebäude im euer gelitten, wurde
Daffelbe durch den Baumeifler Ehberfipbron von
neuem und fehr prächtig anfgebauet.3) Anter den
vielen Säulen defielben waren 36: aus einem
Stüfe der. Schafte. 4): So und. nicht. anders,
glaube ich, mühe diefe Stelle des Plinius ver
fanden werden, und ich leſe, anſtatt der in allen
"Ausgaben angenommenen Lefart.: exiisXXXVIcalate-
uno (andere una) a Scopa,-. durch Verſezung von
ein paar: Buchſtaben: uno e scapo, aus einem ein⸗
zisen Schafte. Ohne diefe DVerbefferung ift die
Stelle ungereimt, und. fait: aus vielen Urſachen
nicht. beſtehen. Skopas war. einer der. größten:
Bildhauer feiner und des Phidias Zeit; mas hatte
derfelbe mit der: Arbeit an Saͤulen zu ſchaffen?
Diefes gehöret für Steinmeze. Sfopas, we.
cher zugleich ein großer Baumeiſter mar, bauete
einen Tempel der Ballas zu Tegen, an welchem"
zuerſt vonforinthifchen Säulen Meldung gefchiehet;:
ı) Ibid. p. 33.
2) Vitrur. L4. c. 1.
37 Nah Strabo. (l. 14. p: 949.) war ECherfiphrom:
lau Chrerfiphron und Ktefipgon genañt] der er—
fie Baumeifter: dieſes Tempels, den hernach ein. Ande
rer vergröfierte; und endlich, als ihn Heroftratus in-
Afche gelest, wurde er von. dem Baumeifter Dinofra
tes, der auch Alerandria gebauet und den Berg Athos in:
eine Statue verwanbein wollen, wieder hergeftelit. Sea.
4) Plin. 1. 36. c. 14. sect. 21.
[Man vergleiche hierüber G. d. 9%. 28. 258.)
Erſtes Kapitel. 897
und biefes gefchahe in der 96 Dlympins. 1) Der
Tempel der Diana aber. wurde in der 106 Olym⸗
ping gebauet: es find alfo über 40 Jahre zwiſchen
einem und dem anderen Gebäude. 2) Diefe Zweifel hat
Salmaftius wider die Stelle des Plinius ges.
machet, 3) und Poleni bat zulezt alle Schwierig-
feiten wiederholet,4) ohne fo wenig, wie jener, den
Knoten aufzulöfen. Andere, welche diefen Punkt
berühret haben, reden allegeit von 36 Säulen, wel-
che vom Skopas geſchnizet, vorgegeben werden. 5)
Es iſt befonders zu merken, daß Appianus von
jonifhen Säulen am Arfenal im Hafen gu
Karthago Meldung thut. 5)
6. 40. Hier fällt mir ein, was ich an einem
der ſchönſten Kapitäler aus dem ganzen Altertu-
me, in der Kirche zu ©. Lorenzo auſſer Nom,
welche ich fo, mie die Säulen alle verfchieden find,
bemerfet habe. Innerhalb der einen Volute fiehet
man in dem fogenanten Auge derfelben, und an⸗
Hatt der Hofe, welche in der Mitte zu ſtehen pfleget,
einen Froſch auf dem Rüken liegend ausgeitrefet,
und in der anderen Volute ebendeflelben Ka⸗
1) Im erften Sahre der 97 Olympiade. (Pausan. 1. 8. c.45.
5.3 — 4 Gem
2) [Der Tempel ver Diana zu Epheſus wurde zuerſt zwi⸗
fen der 90 und 100 Olympiade gebaut, und nach feiner
Einäfcherung, in der Geburtönacht Alexanderd des Gros
Ben, von der 106 Olympiade an wieder hergeftellt. ]
3) Exereit,. in Solin. c. 40. p. 571.
4) Dissert. sopra il tempio di Diana d’Efeso. Saggi di
Dissert. dell’ Acad. di Cortona. t. ı. part. 2. .$. 9. p- 14.
5) ‚Montfauc. Antiq. explig. t. 2. liv.2. ch. 11. p. 84.
Er fast blos, daß von 36 mit Schniswerf gesierten
Eäulen eine von der Hand des Skopas gewefn, fo
wie ed auch im Plinius Heißt. Sean
6) De bello punico, p. 57. A.
898 Baukunſt der Alten
pitälg Fricchet eine Eidere um die Nofe herun.
Da die dortigen Kapitäler von verfchiedenen Orten
in Nom zufammengebracht find: fo bin ich be
Meinung, daß diefes Kapitäl von den Tempeln des
Supiters und der Juno fei, welhe Metellus
innerhalb feines Borticus durh den Saurus und
Batrachus, aus Syarta, bauen lieh. 1) Es iff
befant, was Plinius erjäblet, daß diefe Bau⸗
meifter ihre Namen, welde fie nicht an dieſe Ge⸗
bäude fegen durften, durch Fröfhe und Eideren,
welches die Bedeutung -derfelben im Gricchifchen if,
angezeiset haben, und wie er faget, in columnarum
spiris. 2) Harduin glaubet, daß diefe Thiere auf
der Bafe der Eulen, und auf die rundlichen
Glieder derfelben, gefchniget gewefen, ?) weil Pli⸗
nius an einem andern Orte diefe Glieder spiras
nennet. 3 Es iſt demfelben nicht eingefallen, daß
Bitruvius diefelben mit eben dem Worte benen-
1) Winckelmañ gibt dieled Kavitäl auch in den Denk
malen, %. 206, und erflärt ed daſelbſt. Aber in Anſe⸗
bung der beiden Tempel hat er reiflichere Betrachtungen
angefichtt, die man im 4 Th. 148. 3 $. der Denk
male nadlefen Eat. Die daſelbſt vorfommenden Be
trachtungen widerlegen den Irrtum des Paterd Harı
duin in deffen Note zu der folgenden Stelle des Pl
nius, wo er ‚behauptet, daß die beiden nach dem
Plinius von Saurud und Batrahud erbaueten
Tempel der Zuno und dem Apollo geweihel gewes
fen. Er wird aber ſchon durch die Stelle dei Plinius
ſelbſt widerlegt, welcher von den Temyeln des Jupi⸗
ters und der Juno zu ſprechen fortrährt. Sen.
[Die Abbildung diefed Kapitäld unter Kumero 206.
der Denkmale.)]
2) L. 36. c. 5. sect.4. n. 14.
3) Hard. ad Plin. 1. 36. c. 24. sect, 56. not. 7.
9L. c.
Erſtes Kapitel. 399
net: 1) ih bin aber der Meinung, daß Plinius
an diefem Drte das Wort spira in feiner eigent-
lihen natürlichen Bedeutung gebrauche, wo es
Kreife bedeutet , wie dieienigen find, in welche fich
die Schlangen zuſammenwikeln; fonderlich da
auf einem Begräbnißaltare in dem fogenaiten Pa⸗
Jafte Kleinfarneſe, über defien Sufchrift 2) ein
iontfches Kapitäl von der allerfeinfien Arbeit ans»
gebracht if, deſſen Boluten aus wirklichen
Schlangen in einander gewunden find. Es redet
alfo Blinins bier von den Kreifen jonifcher
Voluten, und folglich haben die allegorifch vor
geſtelleten Namen gedachter Künſtler innerhalb
der Boluten geflanden, fo wie es fih an jenem
Kapitäle zeiget.?!) Es würde eine Kekheit fein zu
ı)L. 3. :c. 3.
Vitruvius verſteht unter spira den Wunſt der Bar
ſis, und bie Bafid der Säule felbit, in eben dem
Sinne wie Plinius. Muh Winckelmañ hat es
nachher in feinen Dentmalen (l. c.) reiflicher erwo⸗
sm. Gen.
2) Gruter t. 2. p. 593. n. 2.
.3) Es if keineswegs anzunehmen, daß Plinius von
ben ionifhen Voluten und ihren Schnefenwim
ungen rede. Sch bin fogar geneigt, das Gegentheil
su glauben; deñ ed icheinet mir zu Elar, daß er vom
torus der Bafid, nit vom Kavitäl rede. Erf
lich gibt er in demfelben Buche (c. 24. sect. 56.) auch
Dem torus oder der Bafid die Benennung spira, uud ums
terfcheidet fie vom Kapitäl; primum columuis spirs
subdiie et capitula addita; zweitens nennen auch
Vitruvius (l. c.), Pollur (l.7.c. 27. segu. ı21.),
Flavius Joſephus (Antig. 1. 15. .c.ı1.n.5.)
und Feſtus (v. szira,) denfelben Theil gleichfalls; im
Gegentheil Heißt die Schnefe beim Vitruvius vo-
luta. Mit weichen Grunde will man .alfo ‚behaupten,
daß spira eigentlich und urfprünglih Volute bedeute,
Segen bie übereinſtimmung aller Yutaren, welche von
898 Baukunſt der Alten
pitälg triechet eine Eideze um die Noſe herum.
Da die dortigen Kapitäler von verfchiedenen Drten
in Nom zufammengebracht find: fo bin ich der
Meinung, daß diefes Kapitäl von den Tempeln des
Supiters und der Juno fei, weldhe Metellus
innerhalb feines Borticus durch den Saurus und
Batrachus, aus Sparta, bauen ließ. D Es if
befant, was Plinius erzgäblet, daß diefe Baus
meifter ihre Namen, welche fie nicht an dieſe Ge⸗
bäude fegen durften, durch Fröfche und Eideren,
welches die Bedeutung ‚derfelben im Griechiſchen if,
angezeiset haben, und wie er faget, in columnarum
spiris. 2) Harduin glaubet, daB diefe Thiere auf
der Bafe der Eulen, und auf die rundlichen
Glieder derfelben, gefchniget gewefen, ?) weil Bli-
nius an einem andern Drte diefe Glieder spiras
nennet. 4 Es iſt demfelben nicht eingefallen, daß
Bitruvins dieſelben mit eben dem Worte benen⸗
4) Windelman gibt diefed Kapitäl auh in den Den
malen, N. 206, und erflärt ed daſelbſt. Aber in Anſe⸗
hung der beiden Tempel hat er reirlichere Betrachtungen
angeftellt, die man im 4 Th. 148. 3 $. der Denk
male naclefen Fall. Die daſelbſt vorfommenden Bes
trachtungen widerlegen den Irrtum des Paterd Harı
duin in deffen Note zu der folgenden Stelle des Pi:
nius, wo er ‚behauptet, daß die beiden nach dem
Ylinius von Saurud und Batrachus erbaueten.
Tempel der Juno und dem Apollo geweihet gewes
fen. Er wirb aber ſchon burch die Stelle des Plinius
felbft widerlegt, weldher von den Temyeln bed Jupi⸗
terd und der Zuno zu ſprechen fortiährt. Sen.
[Die Abbildung diefed Kapitäld unter Numero 206.
der Denfmale] .
a) L. 36. c. 5. sect. 4. n. 14.
3) Hard. ad Plin. 1. 36. c. 24. sect. 56. not. 7.
L c.
„.
" Erſtes Kapitel, 399
net: I) ich bin aber der Meinung, daß Plinius
an biefem Drte das Wort spira in feiner eigent-
lichen natürlichen Bedeutung gebrauche, wo es
Kreiſe bedeutet, wie Dieienigen find, in welche fich
die Schlangen zufammenwiteln; ſonderlich da
auf einem Begräbnißaltare in dem fogenanten Ba-
Jafte Kleinfarnefe, über defien Infchrift 2) ein
zjoniſches Kapitäl von der allerfeiniien Arbeit an»
gebracht if, deſſen Voluten aus wirflidhen
Schlangen in einander gewunden find. Es redet
alfo Blinins bier von den Kreifen jonifcher
Voluten, und folglich haben die allegorifch vor»
geſtelleten Namen gedachter Künftler innerhalb
der Boluten geflanden, fo wie es fih an jenem
Kapitäle zeiget.3) Es würde eine Kekheit fein zu
ı)L. 3. c. 3.
Vitruvius verfieht unter spira den Wunſt der Ba⸗
ſis, und die Baſis der Säule felbft, in eben dem
Sinne wie Plinius. Auch Winckelmañ hat «es
nachher in feinen Dentmalen (l. c.) reifliher erwo⸗
sen. Gen.
2) Gruter t. 2. p. 593. n. 2.
3) Es if keineswegs anzunehmen, dab Plinius von
ben jonifhen Boluten umd ihren Schnefenwim
dungen rede. Ich bin fogar geneist, dad Gegentheil
su slauben; deñ es icheinet mir zu Mar, daß er von
torus der Bafid, nicht vom Kapitäl rede. Erfb
lich gibt er in demſelben Buche (lc. 24. sect. 56.) auch
Dem torus oder der Bafid die Benennung spira, und ums
terfcheidet fie vom Kapitäl; primum columuis spiræ
subdite et capitula addita; zweitens menten auch
Vitruvius (cl. c), Pollur (l.7.c. 27. segm. ı21.),
Flavius Spfephnd (Antig. 1. 15. .c. ı1.n. 5.)
und Feſtus (v. spira,) denfelben Theil gleichfalls; im
Gegentheil Heißt die Schnefe beim Vitruvius vo-
luta. Mit weichen Grunde will man .alfo ‚behanvten,
Daß sfira eigentlich und urfprünglih Volute bedeute,
gegen bie Übereinfiimmung aller Autoren, welche von
400 Baukunſt der Alten.
fügen, daß es beffer wäre, anflatt columnarum, -ca-
“ pitulorum, zu leſen. Es wären alfo die Tempel
biefer Materie geſprochen haben? Warum will man nicht
lieber fagen, daß spira ber torus genait worden, weil
er wie ein Ring um den Schaft der Säule ober der
Bafıd geleget worden, welches Feſtus su fagen fcheis
net, wei er fchreißt: spira dicitur et basis columnæ
unius tori, aut duorum, et genus operis pistorii, et
funis nauticus in orbemi convolutus; ah eadem onınes
similitudine. Oder weil irgend eine gewundene Ars
beit darauf war, wie fih fo viele Bafen mit Schniss
werk aller Art finden, deren einige man bei Piraneft
(della magnif. de’ Rom. tav. 9.) abgebildet findet.
Serner, wer weiß, ob auf biefen Werken Sams
rus und Batrachus 8 nicht Ihre Zeichen auf eine Weiſe
fesen wollen, daß fie nicht fo Teicht von der Zeit zerſtö⸗
ret würden, alfo der Meinung Winckelmañs entges
gen, vorautgefest, daß der Wulf glatt war. Man
köñte auch aus der Erzählung des Plinius felb vers
muthen, daf ed blos eine Volksſage geweſen; ober
wenigftens füllte man annehmen, daß jene beiden Künfts
fer die Eidere and den Srofh wie ein Symbsl
ihres Namend, aus bloßem Vergnügen und ofme
unterfchied auf ihre Werke geſezet haben, nicht weit es
ihnen verboten gewefen, ihre Namen mit Buchftaben anf
jene Tempel zu fesen; den auffer dem torus, von weh
dem Plinius redet, und dem Kavitäl in S. Lorenzo—,
finden fich dieſelben Siguren auch auf einer Nofette, bie
man in fpäteren Sahren in der Villa des Caſſins m
Tivoli ausgegraben, und die jego im Mufeo Pio⸗Cle—⸗
mentino aufbewahrt wird, wo tie von Viſconti im
erſten Bande feiner Befchreibung defelben (tav.A.n. 10.)
abgebildet worden. Es ift jedoch zu bemerken, daB auf
diefer Roſette fich aud) eine Biene oder anderes Inſect
befindet, welches fich nicht recht erkennen läßt, da es
Befchädiat und zum Theil zerbrochen if. Daraus köüte
man entweder fchließen, daß Saurud und Batrachus
bet dieſem Gebäude, wer wir ed ihnen zuſchreiben wol
fen , noch einen andern Gehülfen gehabt haben, der als
Zeichen ſeines Namens eine Biene darauf gefatı
oder dag alle diefe Siguren eine andere und unbefalite
Erfied Kapitels. 404
in dem Portico des Metellus jonifch gewefen.1)
Daß auch in andern Voluten allegorifche Vorftellun-
Bedeutung hatten, wie wahrfcheinfih fo viele andere
Siguren, die an Kapitäle gefese worden; oder endlich,
daß fie, wie fo manche andere Zieraten ein bioßer Eins
fall der Künftler gewefen, von dem fich alfo Feinfcien
sififher Grund angeben läßt.
Alte diefe Muthmaßungen aber find nichtig , fobalb
wir bemerken, dag Wincfelman vor allen Dingen zuerſt
Hätte unterfuchen follen, ob dad Kavitäl in der Kirche
S. Lorenzo, feiner Sorm und dem Styl der Arbeit nad,
wirfiih in die Zeit des Auguſtus zu ſezen ſei. Ich
halte es mit mehreren Kunfiverftändisen, die es genauer
betrachtet haben , um einige Jahrhunderte fpäter, wie
auch der Abate Raffei (Saggio di osservaz. sopra un
bassorilievo della villa Albanı, n. 6. p. 29.) bemerft, obs
gleich er, durch die Stelle des Plinius verleiten, ſich au
Winckelmañs Meinung neigt. Weñ man es alſo
für eine Arbeit ſpäterer Zeit hält, fo kañ man glauben,
daß die gedachten Thiere die Namen der Künftler, die
fie verfertigt, oder befien, dem bad Gebäude gehörte,
ſymboliſch bezeichneten , - von welchem Gebrauche. ficb
mehrere Beiipiele auf alten Dentnalen finden.
Amangeführten Orte in den Denkmalen äuſſert Win
delmafidiefelbe Meinung, capitulorum, ftatt colunınarum,
zu lefen, und zeigt fich faſt geneist, eine ſolche Anderung
zu billigen, die aber nach der vorhergehenden Anmerkung ,
und befonderd nach dem Unterfeblede, den Plinius zwi⸗
ſchen spira und capitellum macht, völlig unftatthaft fein
würde. Sea.
41 Es folgt auch , nach dem was oben geſagt worden, aus
der Stelle ded Plinius Feinedwegd, dab die Tempel
im Porticn des Metellus joniſch geweien, fo. wie man
ebenfalls nicht fagen Fall, daß dad Kapitäl in S. Lo⸗
renzo zu einem der genaliten Tempel aehoret habe, da
Plinius nicht bemerkt, wie es wahrfcheinlich gefchehen
fein würde, daß dieſe Siguren auh an den Kapitälen ans
gebracht geweren. Diefe Solge ließe fich viel eher aud dem
Pollux schen, welcher (1.7. c. 27. segin. rv2ı.) die
Baſis der jon iſchen Säulen srupa, spira, neñt, zum
Unterſchiede der Baſch der doriſchen Säulen, bie er
17 *
400 Baukunſt der Alten.
fagen , daß es beſſer wäre, anflatt colamnarum, -ca-
‘ pitulorum, zu leſen. Es wären alfo die Tempel
diefer Materie gefprochen haben? Warunr will man nicht
lieber fagen, daß spira ber torus genafit worden, weil
er wie ein Ring um den Schaft der Säule oder der
Baſis geleget worden, welches Feſtus su fagen fcheis
net, wei er fchreißt: spira dicitur et basis column»
unius tori, aut duorum, et genus operis pistorii, et
funis nauticus in orbemi convolutus; ab eadem onınes
similitudine. Oder weil irgend eine gewundene Ars
beit darauf war, wie fih fo viele Bafen mit Schniss
werk aller Art finden, deren einige man bei Piraneft
(della magnif. de’ Rom. tav. 9.) abgebildet findet.
Serner, wer weiß, ob auf biefen Werfen Sau—⸗
rus und Batrahus nicht Ihre Zeichen auf eine Weiſe
fezen wollen, daß fie nicht fo leicht von der Zeit zerſtö⸗
vet würden, alfo der Meinung Winckelmañs entges
gen, vorautgefest, daß der Wulf glatt wor. Man
köſite auch aus der Erzählung des Plinius feld vers
muthen , dafi ed bloß eine Volksſage geweſen; oder
wenisftens köñte man annehmen, daß jene beiden Künft
ler die Eidere und den Srofh wie ein Symbsl
ihres Namens, and bloßem Vergnügen und obme
unterfchied auf ihre Werfe gefeset haben, nicht weit «8
ihnen verboten gewefen, ihre Namen mit Buchftaben anf
jene Tempel zu ſezen; bei auffer dem torus, von weh
chem Plinius redet, und dem Rapitäl in S. Lorenzo,
finden fih dieſelben Figuren aud auf einer Nofette, die
man in fpäteren Jahren in der Billa des Caffins zu
zivoli ausgegraben, und die jezo im Mufeo Pio⸗Cle—⸗
mentino aufbewahrt wird, wo fie von Bifconti im
erſten Bande feiner Beſchreibung deſſelben (tav.A.n. 10.)
abgebildet worden. Es ift jedoch zu bemerken, daß auf
diefer Roſette fich auch eine Biene oder anderes Inſeet
befindet, welches fih nicht vecht erkennen läßt, da es
Befchädigt und zum Theil zerbrochen if. Daraus köñte
man entweder fchließen, daß Sauruß und Batrachus
bet diefen Gebäude, wer wir e8 ihnen aufchreiben wol
len , noch einen andern Gehülfen gehabt haben, der als
Zeichen feined Namens eine Biene darauf gefait,
oder dag alle diefe Siguren eine andere und unbefafite
Erſtes Kapitel. 404
: dem Bertico des Metellus iomifch gewefen.1)
aß auch in andern Voluten allegorifche Vorſtellun⸗
Bedeutung hatten, wie wahrſcheinlich fo "viele andere
Siguren, die an Kapitäle gefese worden; oder endlich,
daß fie, wie fo manche andere Zieraten ein bloßer Eins
fall der Künſtler gewefen, von dem fich alfo Fein fciem
tififher Grund angeben läßt.
Alle dieſe Muthmaßungen aber find nichtig , fobalbd
wir bemerken, dab Winckelmañ vor allen Dingen zuerſt
Hätte unterfucden follen, ob dad Kapitäl in der Kirche
S. Lorenzo, feiner Sorm und dem Styl der Arbeit nach,
wirttich in die Zeit des Auguſtus zu ſezen fei. Sch
halte es mit mehreren Kunfiverftändisen, die es genauer
betrachtet haben, um einige Sahrhunderte fpäter, wie
auch ber Abate Raffei (Saggio di osservaz. sopra un
bassoriliero della villa Albani, n. 6. p: 29.) bemerft, obs
gleich er, durch die Stelle ded Plinius verleitet, ih zu
Bindelmand Dieinung neigt... Wei man es alio
fir eine Arbeit fpäterer Zeit hält, fo faii man glauben,
daß die gedachten Thiere die Namen der Künftler, die
fie verfertigt, oder deſſen, dem das Gebäude gehörte,
fombolifch bezeichneten , - von weichem Gebraude. ficb
mehrere Beiipiele auf alten. Denkmalen finden.
Amangeführten Orte n den Denkmalen äuſſert Wins
Icelma ſi dieſelbe Meinung, capitulorum, ftatt colunınarum,
zu leſen, und zeigt fich faſt geneigt, eine folche Snderung
zu billigen, die aber nach der vorhergehenden Anmerfung ,
und befonderd nach dem Anterfehiede, den Plinius zwi⸗
(dem spira und capıtellum macht, völlig unftatthaft fein
würde. Sea.
41 Es folgt auch, nach dem was oben geſagt worden, aus
der Stelle des Plinius Feinedwegd, daß die Tempel
im Porticu des Metellus joniſch geweien, fo. wie man
ebenfalls nicht fagen Fall, daß dad Kapitäl in S. Los.
renzo zu einem der genaiiten Tempel aehöret habe, da
Plinius nicht bemerkt, wie es wahrfcheintich gefchehen
fein würde, dag dieſe Siguren auch an ben Kapitälen ans
gebracht gewefen. Diefe Solge ließe fich viel eher aud dem
Pollux sichen, weldher (1.7. c. 27. segin. r2ı.) die
Bars der jonifchen Säulen srupa, spira, nefit, zum
Unterſchiede dee Baſch der dorifhen Säulen, bie er
17 *
4082 Baukunſt der Alten.
gen angebracht worden, beweifen 6 joniſche Aw
pitäler in der Kicche zu ©. Maria in Traftene
re, in der Mitte von deren Voluten, wo ſonft die
Roſe if, ein Bruflbild des Harpofrates, mit
dem Fingerauf dem Munde, gearbeitet ſtehet.
Su der Kirche zu Santa Galla, fon aub ©.
Maria in Portieo genant, von dem Portica
des Dretelli oder Detavia, waren noch zu Bel-
Iori Zeiten !) Säulen mit joniſchen Kapitälern,,
und vielleicht waren unter denfelben einige den be⸗
fchriebenen ähnlich: 150 aber find Pfeiler anflatt der
Säulen, und diefe fin\ barbarifcher Weile in der
Mitte von jenen vermauert, wie zu unfern Seiten
1 der Kirche zu ©. Er.oce in Gerufalemme gefcheben
$. 41. An den alten ionifchen Kapitälern ſtehen
die Voluten in gerader Horizontallinie, und
wurden zumeilen nur berausgedrehet an ben Ek⸗
fäulen, wie an dem Tempel des Erchtbeus
. gefchehen: 2) in ber lezteren Zeit des Atertums aber
fing man an, alle Voluten herauszudrehen, welches
ich unter andern an dem Tempel der Concardia
geiget, fo wie insgemein in neueren Zeiten gefchiebet
und es if derig, wen man glaubet, Michael An⸗
gelo habe diefes zuerſt gezeiget 3) Es iſt auch die
‚fer nicht ber erfle, welcher das. ionifche Kapitäl e r⸗
höhet bat, fondern fie waren chen fo bach fchon
urBarn, stylobata, neflt. Aber Vitruvius (1.3,
e. 3.) unterfcheidet Eeine Ordnung, welder bie spira be
fonderd zukomme, und wir fehen aut in der korin⸗
tsifhen und szufamengefesten Drbnung die Baſen
von zwei Wülken mis Biſdwerk verziert. Sea.
») Notiz ad fragm. vestig. vet. Roma. tab. 2. p. 10.
2) Le Roy, :Ruines des plus beaux menum. t. ı. part. 2-
p- 5r.
3) Domenichi , Vite de’ pitt. Napol. t. ı. p. 46.
Erſtes Kapitel“ | 403
an den dibeletianiſchen Bädern, und höher '
als es Vitruvius Ichret, 3) nämlidh das Drit-
theil der Dife der Säulen hoch.
8. 42. Aufferordentlich find. diejenigen joniſchen
Kapitäke, welche Raphael auf den Säulen von
einem Bortale eines Tempels bei S. Nicola tn
Garcere, in Rom gefunden, deren Seiten (fu-
stellini), nicht das Vordere der Voluten (i cartocci ),
vorwärts gefeget waren, wie derfelbe befonders ſchrift⸗
lich unter einer von deſſen gedachten Zeichnungen
‚angemerfet bat.
843 Nah der ijonifhen Ordnung Fam bie
forinthbifche, und Kallimachus, der Bil d⸗
bauer, fol das Kapitäl auf eine befandere Art er⸗
funden haben, wie bekañt iſt. ) Der Erone ei⸗
ner herlich ſchönen Karyatide in. dent innern Ho—
fe des farneſiſchen Palaſtes trägt auf dem Ko-
pfe einen geflachtenen Korb, an welchem ſich
die Spuren von den Blättern finden, welche den
Korb gleichfam befchatteten, wie Vitruvius
den mit Akanthusblättern bewachſenen Korb
befchreibet, welcher dem Bildhauer zu dem korin⸗
shifchen Kapitäle das Wild gegeben. I). Zu welcher
Seit biefer Kallimachus gelebet hat, 4) iſt nicht
. R
4) Vitruvius (I. 3. e. 3.) will, daß der Aba cuis
dieſes Kapitäls die Länge und Breite des Durchmeſ—⸗
ſers der Säule unten an ihrem Schafte, und noch ein
Achtzehntel dariiber Habe; die Dife aber, die Vol
ten mit einpegriffen die Hälfte derfelben. fei. Se.a.
2) Vitrw. L. 4. c. r.
3) TSendſchreiben über bie Gedanfen x. $. 205. 5)
Erläuterung derſelben S. 138.1 _
HM Winckelmañ mahtin feiner Kuuſtgeſchüchte (38.
18. 14 $.) viele Bemerfungen über die Epoche defs
felben bei Gelegenheit eines Basreliefs im Muſeo
404 | Baukunſt der Alten.
eigentlich zu beflimmen; er müßte aber älter, wenig
fiens an Jahren, als Sfopas fein. Den diefer
bauete in der 95 Olympias zu Tegen einen Tempel
der Ballas, 1) in welchem innerhalb über dori»
fhe Säulen eine zweite Ordnung forintbi-
fher Säulen flanden, und an der Niobe, wel-
che nach aller Wahrfcheinlichfeit von der Hand eben
diefes Künſtlers iſt,) fichet man, fo wie am La 0er
foon, mit dem Bohrer gearbeitet, wovon eben
diefer Kallimachus der Erfinder fein fol. >)
6. 44, Die korinthiſchen Säulen follen, wie '
befant ift, 9 Durchmeffer in dee Höhe haben; die
Säulen an dem Tempel der Veſta aber haben mit
dem Kapitäl 11 Durchmefier , welches ein Beweis
tft, daß diefer Tempel gebauet worden, da man fich
ſchon große Freiheiten in der Baukunſt nahm, und
in der Beit, wo lange, fpillenmäßige Säulen
Mode wurden.
$. 45. In diefer Forinthifchen Ordnung wurde
vermuthlich allererfi unter den römifchen Kaifern
eine befondere Art, die Säulen anzubringen, erdacht.
Das Gebälk ſelbſt wurde nicht auf Säulen ge
feget, fondern man fieß von denfelben Balfen
hervorgehen, (es verſtehet fich, von Stein oder Mar⸗
mor,) und diefe unterilüsete man mit Säulen,
auf die Art, wie diefekben an dem Tempel der Pal⸗
Ias auf dem Foro Nervä, und an dem Bogen
des Eonflantinus fliehen. Eben fo war. das Bor-
tal an dem Tempel des Kafor und Bollng zu
Eapitolimo, das einige für das Werk de Kallimachut
halten, den Plinius neũt, welches aber in Bronze,
nicht in Marmor, war. Sean.
1) Pausan. 1. 8. e. 45. 158. 3— 4.]
2) [G. d. K.9 B. 28. 26 $.]
32) [„gZCbendaſ. 8% 18, 14 $]
Erſtes Kapitel. 403
Neapel, izo zu S. Paolo, Theatiner Ordens; und
an dem Tempel des olympiſchen Kupiters zu
Athen, !) welchen Kaiſer Hadrianus vollendete,
tragen die Säulen auch auf der Seite, wie dort
an dem Bortale, ein hervorgehendes Gchälk.
$. 46.. Die legte Ordnung, welche die Alten
erfunden haben, iſt die zufammengefegete oder
die römifche, das ift, eine Säufe mit einem Fo
rintbifchen Kapitäl, woran ionifhe Vol
ten gefeset find. Der Bogen des Titus til das
alteſte übrig geblichene Werk, wo diefe Ordnung
angebracht ift.
6. 47. Bon den Säulen überhaupt iſt noch an⸗
zumerfen, daB das einzige Gebäude der Alten in
- Stalien, deſſen Säulen iede ihr befonderes Piedeſtal
haben, ein alter Tempel zu Affift in Umbrien
ift: 2) eben diefes fiehet manan zwei Gebaͤuden zu Pal⸗
myra, 3) und an einem Tempel auf dem alten
Muſaieo zu Baleftrina. 4
$. 48. Es iſt befonders, daß bei den Alten
auch ovale Säulen im Gebrauche gemefen: es fin-
den fich dergleichen auf der Anfel Delos. Herr
Ze Roy, >) welcher: diefes berichtet, gedenfet eines
Sapitäls zu einer ovalen Säule, welches alla
Zrinita.de’ Monti zu Nom flehet; es if ihm
1) Pococke, t.2.. part. 2. pl. 78.
2) Pallad. Archit. 1. 4. c. 26.
Diefer. Banmeifter har ihn höher gemacht, ald er wirk
lich if. Sen.
3) Wood, Ruins of Palnıyr. pl. 4
4) Detgleichen ſieht man. e8 an einem Tempel auf einem
Basrelief, daB fonft in der Villa Medict war, und
jezo in der Galerie zu Florenz aufbewahrt wird. Man
findet es abgebildet bei Piraneſi, (della magnif. de
Rom, tar. 38. fig. 1.) Sen
[Numero 14 der Kobildungen diefer Ausgabe. ]
5) Ruines, t. 2. part. 2. p 51. pl. 26.
406 Baukunſt der Alten.
entfallen, daß gegen. demfelben über ein anderes
demfelben völlig ähnliches und gleiches ſtehet. Es
finden ſich auch in Rom zwo ovale Säulen, und
zwar von Granit, in dem Hofe des Palaſtes Maf-
fimi alle Eolonne, und dem Anfehen nad ge
bören gemeldete Kapitäler von Marmor zu diefen
oder ihnen Abnlichen Säulen. 1)
6. 49 Ach füge den Anmerkungen tiber die
Form der Gebäude der Alten noch ein paar Ex
innerungen bei; die eine iſt über eine Meinung
des Herren Marchefe Galiani zu Neapel, in
defien überfegtem Vitruvio,?) welcher glaubet,
1) Le Roy gibt am angeführten Hrfe die Abbildung des
vorgeblich einzigen Kapitäls diefer Art, welches auf Tri⸗
nita de? Monti ſteht, aber ſehr fehlerhaft, wie Pira⸗
nefi (della magnif de” Rom. n. 67. p. 109.) bemerkt,
welcher (tav. 6. f. ı2. ) eine genauere Abbildung davon
gibt. Derfelde fchreipt, daß diefed Kapität mit den ev
wähnten Säufen auf der Inſel Delod sufammenftimme.
Es ift auch nicht unmöglich, daß es von dort hergekom⸗
men feis deñ alle beide wurden vom Eavaliere Gualdt
von Rimint aus Griechenland gebracht, und im Jabs
re 1652 dem Klofter auf Teinita de’ Monti geichenft.
Diefe Schenkung und dad Jahr derſelben find in einer
Anfchrift auf ihrer Pleinen Baſis bemerft. Le Roy
glaubt, daß diefe Art ovaler Säulen ber größeren Ser
ftigkeit wegen an der Elfen gebraucht worden. Die ovalen
Säulen im Palaſte Maffimi fan man als swei Halbe
Säufen betrachten , deren jede am einen binnen Pilafter
von demfelben Granit geheftet if, welcher fih in ihrer
Mitte befindet; und nach ihrer unebenheit und Rohheit
feinen fie mir vielmehr eine Arbeit der lezten Jahr⸗
hunderte und viefieicht aus derfelben Zeit, wo der Pas
haft gebauet wurde, und für den Drt, wo fie fliehen,
verſertigt; doch will ich denen, welche fie für antif hab-
ten., nicht geradesu widerſprechen. Sea.
2) L. 2. c. 8. p. 76. n. ı..
Erſtes Kapiter, 407
WB Wohnungen für Berfonen von Mitteln und
iermögen, alfo auch Paläſte Cauf dem Lande,
ie er vermuthlich bat fagen wollen; 1) den in
9) Galiani ſpricht ausdrüklich von Stadt » und Land⸗
häuſern, wie er (l.7.c. 4. p. 276. n. 2.) deutlich
erflärt. Indeſſen hätte er für feine breite Behauptung
doch einigen Grund angeben follen. Im Gegentfeit kañ
man mit größter Gewißheit fagen, daß, ſowohl auf dem
Lande als in der Stadt, Edle, Bürger und Arme in
Häufern von mehreren Stofwerfen wohnten. Der ſicher⸗
fie Beweis defien find fo viele römifche. Gefese, welche
verboten, Häufer über eine gewiſſe Höhe zu erbauen um
den Einfturs und anderen Schaden zu verhiten, wie ber
Redner Seneca (1.2. controvers. 2 et 9.) bemerft,
nebſt vielen andern, welche von den Baupflichten
gehandelt haben; und diefe Geſeze galten nicht bios
in der Stadt, fondern auch auf dem Lande. Varro
(de ling. lat. 1. 4. c.33.) fchreibt, daß die Zimmer im
oberen Stok canacula gennfit wurden, weil man in
denielben su Abend fpeifte, Inden. man den unteren Stof
bewohnte: ubi canabant canaculum vocitabant. Postea
quam in superiore parte cenitare caperunt , superioris
domus universa canacula dicta. Daflelbe fagt Seneca
Philoſophus (epist. 9.). Nachher wurden fie an Ars
me vermiethet, oder die Haudherren gaben fie ihren
Sreigelaffenen, wie Plutarchus erwähnt, (Sylla, c.ı.)
und viele andere Schriftkelter mehr. Die beiden il,
len bed Plinius hatten zwei Stofwerfe, weldhes Sa
liani nicht hat bemerfen wollen, und Winckelmañ
wahrſcheinlich überfehen hat. Die Taurentinifhe Vil⸗
Ta hatte, wiee Plinius (I. 2. epist. 37.) berichtet, dad Lands
haus von einem Gefhoß, aber auf einer Seite Hatte
ed einen Thurm von vier Stockwerken. Die andere
Billa des Plinius, in Tofcana, hatte dad Landhaus
von zwei und drei Stokwerken, ohne Thürme, vote
Berfelbe (1. 5. cpist. 6.) meldet. Juvenal Csat. 14. v.
88.) foricht von den Landhäufern des Centronius
iu Tibur, Präne® und Gaeta, die fehr Hoch waren.
Daſſelbe fchreist Sidonius (carm. 22. v. 209.) von
der Burg oder Villa dei Pontius Lrontiud, Gen,
408 Baukunſt der. Alten,
Städten wiſſen wir das Gegentheil) indgemein nur
ein einziges Geſtok gehabt, und feine obere
immer. Es bat derfelbe Necht, nach den Be
fchreibungen der Landhäufer des Plinius: mei
aber die. Billa Hadriani hier anguführen if, fo
ſiehet man augenfcheinlich Zimmer über einander, fo
wie in den antoninifhen Bädern, auch in den
diocletianifchen, wie diefelben vor gweibundert
Jahren fanden: in einigen heilen diefes erſtaunli⸗
chen Gebäudes waren drei Bänge und Zimmer
über einander. 1) In den Trümmern einer weit-
läuftigen Villa unter dem alten Tuſeulo, wo izo
die Sefuiten ihre Villa, alla Nuffinella ge
nant, gebanet haben, fanden Ih Kammern über.
den Wohnzimmern; jene aber waren niedrig
und ſchlecht, und fchienen nur Wohnungen der
Bedienten geweſen zu fein..
$. 50. Die andere Erinnerung gebe id:
den Liebhabern der Altertümer, welche theils aus
Kupfern urtheilen wollen, oder wen fie jene fell
betrachten fünnen, nicht Zeit und Kentniß genug
haben, die Zufäze an alten Werfen von diefen ſelbſt
zu unterfcheiden. Dan merke, daß die Tempel und
Gebäude auf zwo erhobenen Arheiten ın der Ville.
Medicis, melde in den Admiranda des Bar
tolt fichen, ) größtentheils neu, und zwar nur
4) Der berühmte Cardinal Antonperrenot Granvel—
la ließ auf feine Koſten die diochetianiſchen Bäder
son Sebaſtian de Dva, königlich ſpaniſchem Vau⸗
meiner in den Niederlanden, zeichnen, und alles genau
ausmeſſen, und tiere Zeichnungen find von Hieronyme
Cock, aus Antwerpen, in 26 Blättern in Folio mit eis
ner meißerhaften Art und grotgen Sauberkeit in Kupfer
geſtochen. Dieied Werk trat nebſt einem kurzen Bcrichte
auf zwei Blattern im Jahre 553 an daß Sit, und
Hat fich überaus felten gemachet. Winckelmañ.
2) Tab. 33 — 44. Se.
Erites Kapitel, 409
von Gyps, zugefezet find. Den es Fönte einige
unrichtige Begriffe von der Form alter Gebäude ge
ben, und ich febe, daß ein erleuchteter GSeribent
unferer Zeit durch diefe Kupfer verführet worden. -
Wo ein Stier zum Opfer von zwo Figuren gefüh-
ret wird, ift nichts ale diefes bis auf die Beine
der Figuren, und ein Theil des Daches über
ihnen alt. Wo ein Stier foll gefchlachtet werden,
it auffer einem Stüfe von der Enieenden Figur,
welche ihn hält, nur eine andere Figur, welche im
Grunde fiehet, alt; dag Übrige alles iſt Zuſaz. 1)
Eben fo verhält es fich mit dem Portal eines Tem⸗
pels auf einer erhobenen Arbeit von vielen Figuren
in dem innern Hofe des Palaſtes Mattei; 2) auf
der Frieſe diefes Portals ſtehet: 10v1. Carıtorıno.
Der Tempel iſt ein gang neuer Zuſaz, um dem
alten Werfe diejenige Maß zu geben, welche man
nöthig hatte. an dem Orte, wo es fichet.
$. 51. Der zweite Saz des dritten Stüfs
diefes Kapitels von den nötbigen Theilen der
Gebaäude, gebet zum erflen auf die inneren, und
zum anderen auf die äuſſern Theile.
6, 52. Die vornehmften äuſſern Theile find das
Dach, der Gipfel, die Thüren und die Ken
fer. Das Dach wurde bei den Alten, welche auch
Das Verbältniß der Gebäude vom Menfchen follen
9) Das erſte dieſer Basreliefd befindet fih jezo in ter
Galerie su Florenz, und es ift des Alten mehr daran,
as Windelmai fagt, wei er nicht vielleicht aus
Verſehen ein anderes meint, weiches mät dem zweiten von
ihm angeführten an der Vorderſeite des Palafted ange⸗
bradıt it, und vom Bartoli nicht abgebildet worden
Auch diefe beiden enthalten ded Alten mehr. Sen.
2) Montfauc. Antiq. expl. Suppl. t. 4. apres la pl. 13. —
Amaduzzi Monum. Matth. t. 3. tab. 39. Sea.
Winckelmaũ. 2. 15
408 Baukunſt der. Alten,
Städten wiffen wir das Gegentheil) insgemein nur
ein einziges Geſtok gehabt, und feine obere
immer. Es. bat derfelbe Necht; nach den Ye
fchreibungen der Landhauſer des Blinius: wen
aber die. Billa Hadriant bier anzuführen if, fo
fiehet.man augenfcheinlich Zimmer über einander, fo
wie in den antoninifhen Bädern, -auc in den
dioeletianiſchen, wie diefelben vor zweibundert
Sahren finnden: in einigen heilen diefes erſtaunli⸗
chen Gebäudes waren drei Gdnge und Zimmer
über einander. 1) In den Trümmern einer weit-
läuftigen Villa unter dem alten Tuſculo, wo izo
die SBefuiten ihre Villa, alla Nuffinella ge
nant, gebauet haben, fanden Ah Kammern über:
den Wohnzimmern; jene aber waren niedrig
und ſchlecht, und fchienen nur Wohnungen der
Bedienten gemefen zu fein..
$. 50. Die andere Erinnerung gebe id):
den Liebhabern der. Altertümer, welche theilg aus
Kupfern urtheilen wollen, ober wen fie iene felbfl
betrachten können, micht Zeit und Kentniß genug
haben, die Zufäze an alten Werfen von diefen felbfl
zu unterfcheiden.. Man merke, daß die Tempel und
Gebäude auf zwo erhobenen Arbeiten ın der Ville.
Medicis, weldhe.in den Admiranda des Bar
toli fichen, 2) größtentheils neu, und zwar nur
1) Der berühmte Cardinal YntonYerrenotBranvek
la tieß auf feine Koften die dBiocletianifhen Bäder
on Sebaftian de Oya, Eöniglih ſpaniſchem Bau—⸗
meifter in den Niederlanden, zeichnen, und alled genau
ausmeſſen, und dieſe Zeichnungen find von Hieronyme
Eod, aus Antiwerven, in 26 Blättern in Folio mit eis
ner meißerhaften Art und großen Sauberkeit in Kupfer
geftochen. Diefed Werk trat nebft einem Furzen Berichte
auf zwei Blättern im Jahre 558 an dad Licht, um
hat fih überaus felten gemachet. Winckelmañ.
2) Tab. 43 — 44. Gen
Erftes Kapitel, 409
von Gyps, zugeſezet find. Den es Fönte einige
unrichtige Begriffe von der Form alter Gebäude ge
ben, und id, fehbe, daß eim erleuchteter Scribent
unferer Zeit durch diefe Kupfer verführet worden.
Wo ein Stier zum Opfer von zwo Figuren gefüh-
ret wird, ift nichts als dieſes bis auf die Beine
der Figuren, und ein Theil des Daches über
ihnen alt. Wo ein Stier foll gefchlachtet werden,
ih aufer einem Stüfe von der Enieenden Figur,
welche ihn hält, nur eine andere Figur, welche im
Grunde fichet, alt; das Übrige alles it Zuſaz. H
Eben fo verhält es fich mit dem Portal eines Tem⸗
pels auf einer erhobenen Arbeit von vielen Figuren
in dem inneren Hofe des Palaſtes Mattei; 2) auf
der Frieſe diefes Portals ſtehet: ıovı.. CarıToLıno,
Der Tempel iſt ein gang neuer Zuſaz, um dem
alten Werfe diejenige Maß zu geben, welche man
nöthig hatte an dem Orte, wo es fichet.
$. 51. Der zweite Sag des dritten Stüfs
diefes Kapitels von den nöthigen Theilen der
Gebäude, gehet zum erflen auf die inneren, und
zum anderen auf die Auffern Theile.
6. 52. Die vornehmtten üuffern Theile find das
Dach, der Gipfel, die Thüren und die Fen⸗
fer. Das Dach wurde bei den Alten, welche auch
Das Verbältniß der Gebäude vom Menfchen follen
1) Das erſte diefer Badreliefd befindet fh jezo in ker
Galerie zu Florenz, und es ift ded Altes mehe daran,
als Winckelmañ fast, wei er nicht vickeicht aus
VBerichen ein anderes nteint, weiches mit dem zweiten von
ihm angeführten an der Vorderfeite des Palaſtes anger
bracht ift, und vom Bartoli nicht abgebildet worden
Auch diefe beiden enthalten des Alten mehr. Sen.
2) Montfauc. Antiq. espl. Suppl. t. 4. aprös la pl! 13. —
Amaduzzi Monum. Mlatth. t. 3. tab. 39. Sea.
Wiunckelmaũ. 2. 18
410 Baukunſt der Alten,
genommen haben, als das Haupt des Gebäudes
angefehen, und verhielt fich zu diefem, wie fich das
Haupt zum Körper verhält. Es war nicht, wie
man jenfeit der Alpen auch an fürfilihen Häu—
fern fiehet, oft das Drittheil von der ganzen
Höhe der Gebäude, fondern es war entweder sang
flach, oder mehrentheils flach gegipfelt, wie
noch izo die Häufer in Italien. Die Einwendung,
daß Meile Dächer in Ländern, wo viel Schnee
fällt, nöthig find, ift ohne Grund: den in Tirol,
wo es nicht an Schnee fehlet, find alle Dächer eben.
falls ſehr flach. An bürgerlichen Häuſern war zu-
weilen die ganze Cornifche, auf welcher das Dach
mit ruhete, von gebrafiter Erde, und dergeflalt
eingerichtet, daß durch diefelbe die Traufe ablaufen
koñte. Zu diefem Ende waren an berfelben in be-
ſtimter Weite Löwenföpfe mit offenem Maule
gebildet, durch welche der Regen berunterfiel, fo
wie es Bitruvius an Temveln Ichret. !) Gtüfe
folcher Gornifchen haben fich verfchiedene im Herecu⸗
Iano gefunden, und find in dem Hofe des Föniglis
chen Mufei zu Bortici zu fehen. Sn Nom war der
Ablauf der Traufe an gemeinen Häufern insgemein
von Brettern gemachet.
6. 53. Der Gipfel hieß bei den Griechen werce,
Dder axeruna, und muß nothwendig an den alten
Gebäuden und Tempeln fein, deren Dach mit der
Deke ein Dreieck mache: det die Häufer waren
nicht alle plart und ohne Gipfel, wie Salma-
ſins behauptet, ?) welches fih auf alten Gemäl-
den zeiget. ) Wen aber der Gipfel auf dem
ı) L. 3. c. 3
2) Plin. Exercit. in Solin. c. 55. t. ı. p. 853.
3) Und auf fehr vielen erhobenen Bildwerken. Sea.
Erſtes Kapitel. 411
Balafte bes Cäſars, als eine Vorbedeutung fei-
ner Fünftigen Bergötterung angefeben wurde ‚1) fo
ift diefes nicht von einem bloßen Gipfel, ſondern
von erbobener Bildhauerarbeit, oder gar
von ganzen Figuren an demfelben, wie an den
Tempeln waren, zu verfiehen. Pompejus hatte
den Gipfel feines Haufes mit Schtffhnäbeln
ausgezieret, welches, wie Caſaubonus meinet,
durch rostrata domus angezeiget wird. 2)
5. 54. Die Höhe eines Tempels wurde bis an
die Spize des Gipfels gerechnet; folglich war die
Höhe des Tempels des BZupiters gu Agrigentum
von 120 Fuß.
8.55. Die griechifche Benennung des Gi⸗
pfels wird insgemein, weit bergeholet, und man
will in derfelben die Ähnlichkeit eines Adlers mit
ausgebreiteten Flügeln finden.) Sch bin
der Meinung, dag man anfänglich einen Adler
an die Gipfel der Tempel gefeget habe, weil bie,
ältefien dem Jupiter gewidmet waren, und daß
Daher die Benennung fomme. 4)
6. 56. Die Dhüren der alten dorifchen Tem»
ı) Plutarch. in Cs. p. 738. [c. 63. p. 283. edit. Reick,
Caſars Gemaplin "rad dieſes auxgorngsov im Traume her⸗
abfatten. ]
2) Capitolini Gordiani tres, p. ı8g. edit, Script. Hist,
Aug. Par. 1620.
3) Salmıas. Notz in Spartian. p. 155. Cedoyn, Eclaire.
sur quelq. diflic. gener. qui se trouvent dans les aut.
Grecs. Acad. des Inscript. t. 7. Hist. p. 110.
4) Über die Ableitung diefed Wortes verbreitet ſich Beger
weitläufiger. (Spicil.antig.n. 3. p. 6.7.), welcher glaubt,
ed habe feinen Urſprung vom Adler, den man auf ben
Giebel oder in das Giebelfeld fteiite, wovon fi im
beideriei Art Beiſpiele, befonderd auf Minen, finden.
gen. .
[Man vergleiche 2 8. 11 5.1
412 Baukunſt der Alte.
pel waren oben enger als unten, 1) wie viele This
ren ägyptifcher Gebäude, welche Bocode da
ber Byramidaltbürennennet.?!) In neueren Sei-
ten. find dergleichen Thüren an Feflungswerfen und
Caſtellen angebracht, deren Mauern, tote die agyp⸗
tifhen, ſchräg geben (a scrapa), wie der Eingang.
zum Gaflel ©. Angelo il. Bernini bat in dem
päbftlichen Garten zu Caſtel Gandolfo, mo eine
Mauer, nach Art eines Auſſenwerks, fhräg
gezogen ift, die Thüre ebenfalls enge zulaufen Iaf-
fen. Aber es int falfch, was Einige vorgeben, daß
an demfarnefifchen Palaſte zwo dergleichen Thüren,
und einige in der Sancellaria von Bignola gebauet
ſind:) Vig nola hat niemals Sand andiefes Gebäude
geleget. ) Diefe Art Thüren fcheinen den do ri ſchen
Tempeln eigen geweſen zu fein ; den fie iſt alfo gebauet
an dem Tempel zu ori, >) welcher gleichwohl nicht
ı) Dempster. Etrur. reg. t. ı. tab. 3ı. p. 266. Hier if ei⸗
ne der fogenafiten hetruriichen Bafen abgebildet ift, auf
welcher fich eine nach ohen verengte Thüre befindet. Gea.
2) Descript. of the East. t. ı. p. 107.
[Befhreib. d. gefhnitt. Steine. 181.2 Abth.
39%.)
8) Daviler, Cours d’Architecture.
4) Es wäre ein Beweis tiefer Behauptung zu wünſchen,
da die allgemeine auch von fo vielen Autoren unge
führte Sage meldet, dab Vignola die Thüre forinthis
{her Ordnung an der Kirche von S. Lorenzo und
Damaſo, neben der Gancelleria, gebauet, und auch
für die Cancelleria felbft eine Thüre dorifcher Ordnung
geseichnet habe, bie aber nachher nicht ausgeführet wor
den; dak er ferner den Theil des Palaftes Sarnefe ges
bauet habe, in weichem fich die Galerie der Carracci
befindet , nebft vielen Verzierungen an Thüren , Senftern
und Kaminen. (Milizia, Vite de’ piü celebri architett:.
t. 2.p 24.) Sea.
5) Piranesi, Antich. di Cora. tar. 9.
| Erfied Kapitel. 413
hr ale if. Endlich hat man diefe Thüren auch an
orintbifchen Tempeln, wie am denen zu Tivoli,
ngebracht.
6. 57. Die Thüren der Griechen gingen nicht,
ie bie unfrigen, einwärts, fondern auswärts
uf; daher geben diejenigen, welche beim Blaus
us 1) und Terentius 2) aus dem Haufe geben,
on innen ein Zeichenan der Thüre, wie ein gro⸗
er Kritieus uns bemerken läſſet. ) Den die Komö—⸗
ien diefer beiden Römer find mehrentheils aus gries
») Amphitr. act. ı. sc. 2. v. ı5. Curcul. act. 4. sc. ı. Y.
25. Bacch. act. 2. sc. 2. v. 57.
2) Andr. act. 4. sc. ı. v.59. — Terenz bat fie aus dem
gricchifchen Original des Menander überfest, und die
Scene ift in Athen. Gen.
3) Muret. Var. lect. l.ı. c. ı7. — Turneb. Advers. 1.
4. c. 15. Sagittarius (de jan. veter. c. 22.) und
Pancirolio (Rer. memorab. |. ı. tit. 23 p.70.) be
baupten, daß einige su diefem Zwei ein Glöklein am Thor
gehabt; aber fie bringen Eeinen Beweis dafür bei. Sas
gittariud glaubt, Seneca (deira.l. 3. c. 35.) fei der
einzige alte Schrirtfteller, der diefed bemerfe, wo er fast:
quid miser expavescis ad clamorem servi, ad linnitum
zris, ad januz impulsum ? ch glaube aber, daß diefe
Etelle nichts beweiſe; deũñ erftlich fcheint ed, daß dieſes
zu verftehen fel von dem äuſſern Klopfen oder Klingeln
deffen, der in's Haus Hinein wollte, wie noch jezo üblich
iſt, nicht aber deſſen, ber aus dem Haufe binaudgehen
oder die Thüre öfnen wollte; in welchem Testen Salle
der Hausherr, der fih darin befand, davon nicht
erfchrefen Eonlte, und ed würde nicht nöthig geweſen fein,
zu Elopfen oder zu Elingeln, um den, welcher hinein
wollte, anzudeuten, daß er fich entferne. Zweitens:
nach der allgemeinen Art, in welcher Seneca fpridt,
wei man ihn indem Sinne verficht, wie Sagittarins
wii, müßte man annehmen, daß ed die übliche Sitte in
Kom gewefen et, die Thüren nach aufien zu öfnen, au einer
zeit, wo dieſer Gebrauch auch in Griechenland ſchon abgekom⸗
men war, und nur höchſt wenige ihn noch beibehielten. Se a.
414 Baukunſt der Alten.
Hifchen überfezet, oder doch Nachahmungen grie
ch iſcher Stute Die Urſache diefes Zeichens von
innen war, daß diejenigen, welche nahe am Hauſe
vorbeigingen, fich vor einent Stoße der aufgebenden
Thüre häten fonten. Bu Rom wurde in den eriien
Beiten der Kepublif dem Marcus Baleriug, ci
nem Bruder des Poblicola, als ein vorzägliches
Anterfcheidungszeichen gegeben, daß defen Thüre
answärts aufging, wie die griedifhen, und
man faget, es fei die einzige Thüre in Nom geweſen,
die alfo befchaffen war. 1) Unterdeſſen fiebet man an
einigen Begräbnifurnen von Marmor, ?) in der
Billa Mattei *) und Ludovifi, an welchen der
Eingang zu den elyfätfhen Feldern durch ei»
Thüre vorgefiellet iſt, diefelbe auswärts aufge-
ben; auch in dem vaticanifchen Virgilio iſt die
Thüre alfo an einem Tempel, wie noch izo die
ı) Dionys. Hal. Antiqg. Rom. 1. 5. c. 39. Plutarch. Po-
plic. c. 20.
Nachher wird es auch in Rom üblich geweren fein,
die Thüre nach auffen zu öfnen , ohne daß ed ein beſon⸗
deres Vorrecht geweſen; wie man aus dem Rechtsgelehr⸗
ten Scävola fchließen Fall, deren nocd weiter unten
wird erwähnt werden, und der zu den Zeiten ded Eis
cero lebte. Gen.
2) Montfauc. Antiq. expl. t. 5. pl. ı22.
3) Amaduzzi Monunı. Mattheior. t. 3. tab. 63. fig. 2. Dafı
ſelbe fiegt man auch an einem Tempel in einem Basre⸗
lief an der äuſſeren Mauer der Hauptkirche in Florenz,
abgebildet Hei ori (Inscr ant. in Etr. urb. part 2 tab,
21.) und am dem Tempel auf dem friiher in der as
lerie zu Florenz befindlichen Basrelief, welches N
raneſi (delia Magnif. de’ Rom. tab. 38. f. 1.) abgebik
det Hat. Vitruvius (l. 4. c. 6.) fest ald allgemeine
Regel, daß die Tempeltbüren in allen Ordnungen ber
Baukunſt ſich nach auffen öfnen. Sen.
[Man fehe unter den Abbildungen Numera 44]
Erſtes Kapitel. 415
Thüren ber Scheunen, und der Läden der Kauf
leute und Handwerker. Eines Theils können ders
gleichen Thüren nicht fo leicht, als diejenigen, wel⸗
che einwärts geben, aufgefprenget werben, und ans
dern Theils hindern fie nicht im Haufe, und nch-
men feinen Plaz ein. Es findet fich aber auch das
Gegentheil; den an einem runden Tempel auf eis
ner der fchönften erhobenen Arbeiten aus dem Al-
tertume, in der Villa Negroni, gehet die Thüre
einwärts auf. 1)
4) Man fehe die Abbil dung Numero 15, und eine bei
Gruter (£. ı. p. 198. Boissard. part. 3. tab. 126.) Nach
Plutarchus [Public.c. 20.) fcheint ed, daß au feiner
Seit der Gebrauch, die Thüren einwärtd zu öfnen, allge⸗
mein auch in Griechenland abgefommen fei. Ebenſo ſagt
Helladiud Beſantinous, oder der aus der
Stadt Antinoia in Ägypten gebürtig war, in feiner
Ehreftomathie, von welcher Photius ıCod. 279.
col. 1595.) einen Auszug gibt, den Meurſius (Op;
t. 6. col.331.) erläutert Bat, daſſelbe von Feiner Zeit,
d. 1. vom Anfange des vierten Sahrhundertd der chrift«
lichen Zeitrechnung unter Licinind und Martmilias
nus, indem er die oben aus dem Plutarchus ev
mwähnte Stelle faft wörtlich wiederholt: Ideo apud co-
micos exeuntes pulsant fores,. quia non, ut apud nos
nunc, ostia olim aperiebantur interius, sed adverso
modo. Foras enim trudentes exibant, manu pulsantes
prius, ut audirent, si qui ad fores essent, et caverent,
ne inscii lederentur,, foribus regente in viam protrusis.—
Defien ungeachtet köñte man jagen, daß in jenen Zeiten
blos der größere Theil die Thüre nicht mehr nac auf
fen öfnete; deñ ed fcheint mir ungesweifelt, daß einige
fie auch noch zur Zeit ded Juſtinianus, d. i. gegen
tie Mitte ded 6 Jahrhunderts fo öfneten, wie fih aus
dem Sragmente ded Kechtögelehrten Scävola ergibt,
welches tiefer Katier unter die Geſeze mit aufnahm,
die zu feiner Zeit gelten follten, (Pandect. 1. 8. tit. 2.
de servit. pred. urb. linea ult.) Die Thlren an den
Buben der Krämer find wahrfcheinlih immer, fo wie
auch noch jezo, nach auffen gebfnet worden. Fea.
aArs Baukunſt der Alten.
$. 58. Diejenigen, welche klügeln wollen, mei⸗
nen und behaupten, daß die Thüren von Erzt an
der Rotonda nicht für dieſen Tempel gemachet,
fondern anderwärts meggenommen fein, und dieſes
bat fih auch Keyßler erzählen laſſen, ohne die
Urſache anzuführen, welche jenen das Gitter über
der Thüre fcheinet; diefe follte nach ihrer Meinung
bis an ihren oberen Balfen reichen. !) Wer aber
Die bereulanifchen Gemälde bat, wird auf der ver-
‚ meineten Dido eine folche Thüre finden, an wel-
cher das Bitter oben befeftiget ift:2) es dienet daffelbe
zu Erleuchtung des inneren Gebäudes. An bür-
gerlichen Häufern war über der Thüre ein freier
Stand berausgebauet, welchen man in SBtalien
Kinghiera, im Franzöſiſchen Balcon nenne:
im Gricchifchen hieß es snYao. I) In einigen
4) Sicorort (le vestig. di Rom. ant. 1. ı. c. 20. p. 132.)
gibt als bekañt an, daß die antifen Thüren aus Bronie
von Genſerich, König der Gothen, weggeführt wors
den, aber er neñt EFeinen alten Autor, der es em
zählte. Ihm folgte auch Venuti, (Accurat. e succ.
descr. topogr. di Rom. part. 2. c. 3. p. 73.) Proc
pius, der die Plünderungen Genſerichs erzählt, er⸗
wähnt diefer Thüren gleichfalls nicht. Vorfichtiger zwei⸗
felt daher Nardint (Rom. ant.1. 6. c. 4. p. 295.) blos,
daß es nicht mehr die alten Thüren fein; Venuti
fest noch Hinzu, dag diefe beiden Thüren neuerer Zeit
feien auf Zapfen geftellt worden, und daß die alten
mit Haſpen auf Angeln gegangen. Ges.
2) Pitt. d’Ercol. t. ı. tav. 13. p. 73.
3) Moschoph. h. v.
Bei den Lateinern menianum oder menianum, fie
beim Vitruvius (1.5. c.ı.) u. a. daher daB italiäs
nifche Wort mignano entftanden if. Wan faste auch
solarium, italtäniich solajo. Solarium und mœnianum aber
naũñte man auch die Terraffe oder dad flache Dach
der Häuſer, wie man fie noch jezo in Neavel fieht.
(Isidor. Origin. 1. 15. c. 5. Hieron. epist. 106.) Sea.
’
Erſtes Kapitel; _ 417
Tempeln wurde vor die Thüre ein flarfer gewürfeter
Vorhang gebänget, welcher in dem Tempel der
Diana zu. Epbefus von unten hinauf gezogen
wurde; 1) in dem Tempel des Supiters zu Elig
aber Fieß man den Vorhang von oben herunter. 3
Sn den Häufern waren die Thüren im Sommer mit
Flor beipannet. >)
1) Buonarroti (Osserv. istor. sopr. alc. medagl ant,
tav. 1. n. 6. p. 20.) hat geglaubt, auf einer Münze
ded Hadrianus eine Spur eined ſolchen Vorhanges
zu finden, wo diefer Tempel der Diana, oder viel;
mehr die Capelle oder das Tabernafel derfelben, vorgeftellt
if. Aber er hätte bemerfen können, daß jener Von
bang nicht in die Höhe gesogen erfcheint, wie Paufas
nias fagt, Tondern gleihfam von einer Sette flat
tert. Ein Beiſpiel eines Vorhanges, der fo mit drei
Schnüren in die Höhe gesogen wird, findet ſich in den
Pitture d’Ercolano (t ı. tav. ı1.). Sea.
[Nah den Unteriuchungen ded Heren Hofraths Al. Hirt
von Berlin, welche er über den Tempel der Dia:
na su Epheſus angeftellt har (Berl. 1809. 4), ift
biee weder ein Vorhang vor dem Bilde der
Göttin, noeh vor der. Thüre der Celia anzuneh—
men: fondern ein prächtiger, großer Tepich, ber
bei Seften ald Überhang die Sonnenftrafen und Hize
abzuhalten beſtimt war, die durch die obere Hfnung ded
Tempels hineindringen Foilten , indem fowohl der Tem»
pel der Diana su Epheſus, ald jener bed Supiterd
u Eli ein Hypaerhrod geweſen. Daß man. in je
nem den überhang aufwärts zog, Fam baher, weil
man ihn pahrſcheinlich oben in einer Lufe unter dem
Dache verwahrte, da die Behältniffe für den Schaz im
Gebäude felbft angehraht waren. Den Ütberhang
zu Elis aber ließ man herunter, weit man ihn weg
nehmen wollte, weil fih die Behältnife Für den Tem:
yelichas in befondern Gebäuden auswärts befanden. ]
2) Pausan. 1.5. c. ı2.
3) Casaub. in Vopisc. p. 225. Salmas. ibid. p. 483.
Beide fprechen von Vorhängen, die beftändig vor bei
an88 WBauknunſt der Alten.
6.59. Fenſter hatten die in’s Gevierte gebaute
ten Tempel insgemein nicht, und Fein ander Licht,
als welches durch die Thüre bineinfam; und dieſes
zu Vermehrung der Ehrfurcht des Orts, welcher
durch Rampen erleuchtet war. 1) - Zucianus
faget mit ausdrüflichen Worten , daß die Tempel
nur durch die Thüre erleuchtet würden. ?) Die dl-
teiten chriftlichen Kirchen haben ebenfalls wenig Licht,
und zu ©. Miniato in Florenz find, anflatt des
Glaſes, Tafeln von Nefihtem Marmor eingefeget ,
durch welche ein wenig Licht falt.3) Einige runde
Shüren hingen. Cie wurden bei den Alten vela genafit,
und von ihnen nafite man die Zimmer erfier, zwei
ser Borhang, primum, secundum velum. Gen.
[über die Befeſtigung und Zapfen ber Thlüren fehe
man dad Sendfhreiben an den Graven von
Brühl. $. 71 — 72.]
4) Baron Kiederet (Reife ꝛc. 1 Br. 206.) bemerkt, daß
an dem Tempel der Concordia in Sicilien fib keine
Spur von Senftern finde, und vermutbet daher, daß
er kein anderes Licht ald durch die Thür’ empfangen
babe. Aber Seite 51 fast er, daß im Klofter St. Kür
Folauß in berfelben Stadt ein Pleiner wohl erhaltener
Tempel fei, der ein kleines alted Sentter babe. Sen.
2) De Domo. $. 6. p. 193.
Winckel mañ hat hier den Lucianwohl nur flüchtig
angefehen. Es heiftt daſelbſt [nach der überſezung Wies
lands): „dei daß er, 3. B. gegen den fhönften Theis
„ des Tages, gegen die aufgehende Eonne liest, und alfo,
» fobald feine Stügelthüren aufgethan werden, bis zum
„überfluſſe mit Licht "erfüllet wird, — eine Richtung,
„» welche unfere Alten auch den Tempeln su geben pfleg⸗
„ten, um. f. w.“ VDieſes hat aber gar Beinen Besug
auf die Fenſter, dei er fast weiterhin, daß das Haus
deren auf allen Geiten hatte. Gea.
[Reife Anacharſis des Süngern, 8 Anmerf, z.
12 K.]
3) Es iſt irrig, daß die älteſten chriſtlichen Kirchen wenig
\
Erſtes Kapitel, 419
Tempel befamen, wie das Pantheon su Rom, das
Licht von oben. durch eine runde Ofnung, 1)
welche nicht in chrifllichen Zeiten durchgebrochen
ift, wie einige unmiffende Seribenten vorgeben ; dent
Das Gegentheil beweifet der Rand, oder die zier⸗
liche Einfaffung derfelben von Metall, welche noch
izo zu ſehen und Feine Arbeit barbarifcher Zeiten if.
Da unter Pabſt Ur ban VIII. ein Tanger unterirdifcher
Ablauf der Unſauberkeiten bis an die Tiber gezogen
wurde, fand fih 15 Palmen unter dem inneren
Hflafter der Rotonda eine große runde Dfnung
zum Ablaufe des Waflers, welches ſich durch die obere
Dfnung in dem Tempel fammeln fonte. Es waren
unterdefien einige runde Tempel ohne diefe Ofnung. 2)
6. 60. Wen man aus den übrig gebliebenen al⸗
ten Gebäuden ‚. und fonderlich aus der Villa Hadria⸗
Licht gehabt, wie (hon Etantpini(Vet. monum. t. ı.c.7.)
durch die alten Gebäude ſelbſt und durch die Zeugniſſe
alter Autoren weitläufig gezeigt bat. Gr bemerkt,
dag in vielen Kirchen zu Rom 3. 8. die Senfter ſpäter⸗
bin verenget worden felen, entweder ‚um fie auszubeſſern,
oder um fich gegen die Kälte zu ſchüzen; oder von den
Mönchen, um vom Lichte nicht in ihren Meditationen ges
fiört zu werden. Sea.
4) Der Tempel ded Gottes Terminus, der in dem Ten
yel des Supiter Capitolinus eingeichlofren war,
Hatte viehleicht eine äbnliche Hrnung im Dache, burd)
welche man den Himmel ſehen Folite, indem ed Gitte
war, diefen Bott an einem offenen Orte zu Verehren.
(Lactant. divin. instit. 1. ı c. 25. Ovid. Fast. 1. 2. v.
671.) "
Nunc quoque, se supra ne quid nisi sidera cernat,
Exiguum templi tecta foramen habent.
Sea.
2) Viele Gebäude, die man für Tempel hielt, waren
Bäder, (Paoli, Antich. di Pozzuolo, tar. 54.) Gen.
420 Baukunſt der Alten.
ni zu Tivoli, urtheilen fan, fo liebeten die Alten
mehr die Finſterniß als das Licht: den es finder fich
dafelbfi Fein einziges Gewölbe ‚oder Zimmer, mel
ches Ofnungen zu Fenſtern batte, und man muf
slauben, daß das Licht ebenfalls durch eine Dfnung
des Gewölbes hineingelafien worden; die Gemolber
aber find um ihren Mittelpunft berum eingefallen,
and man fan fich nicht deutlich davon überzeugen. 1)
So viel ift gewiß, daß fehr Iange Gänge oder Ga⸗
ferien, welche halb unter der Erde waren, und
41) Mir fcheint, daß die Ruinen dee Villa Hadriant
feinen VBeweißgrund fir diefe Muthmaßung abgeben
fünnen, da man nicht weiß, au welchem Zweke diefes
> Gebäude beſtimt war. Bei den Autoren finden wır im
Allgemeinen das Gegentheil. Paltadiudcdere rust. l. 1.
c. 12.) ſchreibt vor, daß die Landhäuſer vier Licht ha—
den müßen, und Vitruvius jagt daſſelbe ſowohl
von den Stadt; ald Landhäuſern (1.6. c. 9). Äuſſerſt
hefle waren die Landhäufer des Plinius, deren oben
(S. 407.) erwähnt worden, und dad von Lucian be
fchriebene Haus (oben S. 418.); fo wie dad Bad des
Elaudiud Etrufcuß, welches Statius (Sylv. 1. ı.
c. 5.) befchreibt: und flatt aller anderen Beifpiele können
fo viele römifche Geſeze dienen, welche zeigen, wie ans
gelegentlich man bei Stadt⸗- und Landhäufern darauf
fah, daß die Nachbarn nicht das Licht derielben vers
- baueten; wie in den Pandeften, dem Eoder und
den Snftitutionen su leſen ik. Lukas Holftein,
Marftliud Cagnatus ac. welche über die engen
und fyarfam angebrachten Senftier der Alten dieſelbe
Meinung wie Winckelmañ Hesten, find von Donius
(de restit. salubr. agri Rom. in suppl. Antiq. Rom.), Sal;
lengre(t. 1.col. g9ı9.), vom Pater Minutolo (Dis-
sert. 4. de Dom. sect. 2. loc. cit.col. 92.) u. a. dort
angeführten Autoren widerlegt worden. Doch will
ich darum nicht durchaus läugnen, daf einige ihre Gens
Ger enge gebaut haben, dei aus den Briefen des
Cicero an den Atticus (U. 2. epist 3.) weiß man, daß
der Baumeifter Cyrus fie fo machte. Gen.
Erſtes Kapitel, | 491
oeryptoporticus genennet wurden, von mehr als hun⸗
dert Schritten in der Länge, nur Licht haben an
beiden Enden berfelben,, welches durch eine Art von
Schießloch oberwärts bineinfält: von auſſen iſt vor
diefer Ofnung ein Marmor mit einigen Einſchnitten
geſezet, durch welche das Licht nur ſcheinet. In ei⸗
nem ſolchen Gange, welcher wenig Licht hatte,
ſaß M. Livius Druſus in ſeinem Haufe, und als
Tribunus des Volks hörete er und entfchied die Vor⸗
träge und die Klagen des Volks zu Rom.1) Derglei⸗
chen Gänge indem Laurentino des Plinius bat»
ten auf beiden Seiten Feniter. 2) Die Weichlichkeit war
unter den römifchen Kaifern fo hoch geiliegen , daß man
auch in Feldlägern folche unterirdifche Gänge an⸗
legete, welches Hadrianus unterfagete, ?)
: 6, 61. In Bädern ſowohl ale in Wohnzimmern
fanden die Fenfter alle in der Höhe, H wie in den
ı) Appian. de bello civil. l. ı. p. 372. Supplem. Lävii,
l. 71. c. 33.
2) Plin. 1. 2. epist. ı7.
3) Spart. in Adriano, p. 5. Casaub. ad h. 1. p. 20.
4) Zur genauern Beſtimmung wollen wir hinsuflgen, daß
einige Theile der. Bäder, ald das labrum, nad Bis
truvius (1.5 c. 10.), und einige andere Gemächer die
Fenſter auf diefe Neife hatten. In andern Gemächern
werden fie verfchieden gewefen fein. Seneca, (epist.
86.) wo er von dem Bade ded Scipio Africanuß dei
Altern zu Liternum fpridt, erwähnt, daß ed nach
Art der alten Bäder fehr dunkel war, und das Licht
durch einige Öfnungen empfing, die eher Rizen als
Senfter zu nennen wären; im Gegenfase mit dem Ges
brauhe feiner Zeit, wo fie durch fehr große Senfter,
in welche die Sonne den ganzen Tag hineinfiel, und durch
die man, im Bude fisend, Meer und Gefllde überfehen
fofite, erhellet waren ; in hoc balnco Scipionis minims
sunt rinıe magis quam fenesire, muro lapideo exsect
12, ut sine iujuria mununenti lumen admitterent. A-
d
493 Banfunft der Alten.
Werkſtellen der Maler und Bildhauer, welches man
fonderlih an den Gebäuden der durch den Veſuvius
verfchütteten Etädte gefehen bat. Eben diefes zeiget
fih auf einigen erbobenen Arbeiten, und auf alten
bereulanifchen Gemälden: 1) Die Häufer daſelbſt hat⸗
ten gegen die Etraße zu gar keine ZFeniler. 2) Diele
Art zu bauen war nicht zur Neugierde und zum
Müßiggange eingerichter; fie verfchaffete aber ein
viel nüzlicher Zicht in den Simmern, welches das
Zicht ii, das von oben Fit. Wie vortheilhaft der-
gleichen Licht auch der Gehalt fei, fan man daraus
fließen , daB die Mädchen in Rom, welche veripro-
hen find, fich dem Bräutigam, wie man fagel,
nunc blatiaria vocant balnea, si qua non ita aptata sunt,
ut totius diei solem fenestris amplissimis recipiant; nisi
et lavantur simul et colorantur; nisi ex solio agros
et marıa prospiciunt. Diefe Stelle des Seneca zeigt,
dag man auch bed BütruvinsVorſchrift nicht befolger.
So war viefleiht auch das vorhin erwähnte Bad des
Claudius Etrufeus eingerichtet, und daB Bad der
Sauftina, welches die Genfer von folcher Größe Hatte,
daß fie von der Erde faft bis an die Deke reichten. In
den Bädern des Diocletianus und andern findet man
die Regel des Vitruvius beobahtet. Man fehe die
Abbildungen davon bei Eameron (Descript. des bains
des Romains.) Aus dem angeführten Briefe des Seneca
bemerkte ich auch den in jener Zeit gewöhnlichen Luxus
in den Bädern, die Hähne der Röhren, aus benen das
Waffer floß, von Silber zu machen, argentea episto-
mia, um zu zeigen, daß die Nachricht, welche Win:
deimaf in der Geſchichte der Kunſt (12%. 2 8.
25.) von einigen gibt, nicht fo ganz neu war. Sen.
ı) Pitt. d’Ercol. t.ı.p. 171 — 229. Virgil. Vatic. n. 29.
D Man fehe die Briefe an Bianconi (S. 31 —
37), wo fih Windelman über diefen Punkt, fo wie
auch über die Höhe der Fenſter deutlicher erklärt. Sea.
Erſtes Kapitel. 433
m erſtenmal öffentlich in der Rotonda fehen laſſen.
tan war auch in Simmern mit hoch angebrachten
enflern unter dem Winde und der Luft, daber fin
t fich, daß die Alten vor die Dfnungen zu Fenſtern
ur eine Deke gezogen. 1) Auswärts waren diefe ih⸗
: Senfter nicht, wie izo, mit eifernen Gattern ver-
abret, fondern anflatt deffelben war ein von Mes
MH mit Kreuzſtäben gegoffenes Bitter, welches im
ngeln hing, und auf und zu gemachet werden koñ⸗
»z es hieß clathrum. Man fiehet daffelbe auf vers
ı) Digest. 1. 33. it. 6. 1. Quasitum est, ı2. $. Si do-
mus ı6.
ulpian fagt davon nichts in diefem auch von den
Yuslegern fo viel und oft befirittenen Gefeze. Es fcheint,
daß er, weil er von Vorhängen der Senfter fpricht, mei.
ne, daß die Vorhänge in den Zimmern dienten, dem
Tageslichte und ber Sonne den Eingang zu verwehren,
wei man fie dunkel machen wollte, wie auch noch heus
x tige Tags gerchieht, während man, ihmizufolge , um
die Kälte von den Senftern abzuwehren, Srauenglas in
diefelben feste, wie auch Seneca fast (de provid. c.
4: natur. quest. 1. 4. c.ult.) und Plinius der Süns
gere, (1. 2. cepist. 17.) Neque specularia, fdhreibt
Ulpian, neque vela, qua frigoris causa vel umbræ in
donmo sunt. Niemand wird fagen, daß jener Gtein
gedient habe, Dunfelheit zu bewirken, ober das Licht
zu hindern, da feine Berchaffenbeit und der Zwek feines
Gebrauches war, ein heile und reichlicheß Licht durchs
feinen zu laſſen, wie derſelbe Seneca (epist. 90.)
fügt: speculariorum clarum 1ransmittentum lumen;
fo auh Meartiai(l. 8. epigr. ı4.v. 3 — 4. edit. Ba-
deri. 1627.)
Hybernis objecta natis specularia puros
Admiittunt soles, et sine fece diem.
(Conf. Basıl. M. in Hexamer. homil. 3.n. 4.) Bon biefen
Vorhängen fpricht au Juvenallsat.g. v. 105.) und an⸗
dere Autoren. Aber öfter erwähnt derer, welche vor
den Senftern der Kirchen dienten, der Bibliothelar Annas
ſtaſius in den Leben der Päbſte. Gen.
“
424 Baukunſt der Alten.
fhiedenen alten Werken,!) und im Hereculano Kat
fih ein folches Gitter gang umnverfehrt gefunden.
An einem runden Tempel auf der angeführeten er-
hobenen Arbeit in der BilaNegroni gehen Gatter,
anfatt der Fenfler, auf beiden Seiten der Thüre,
von der Eornifche bis auf den Boden,2) nah Art
wie fie fich oberwärts an einem andern erboben ge
arbeiteten Tempel befinden. ) Es gab auch Säle
bei den Alten, deren große und bobe Fenſter bis
auf den Boden heruntergingen. +)
$. 62. Daß die Römer fchon unter den erfien
Kaiſern Glasfenfier gehabt, geben die platten Stüfe
Glas, welche im Herculano gefunden worden, nicht
undeutlich zu erfennen. Es redet auch Philo in
der Befandtfhaft an den Kaiſer Cajus von
Glasfenftern.5) Die ältefie Meldung derſelben
findet fich alfo nicht beim Lactantius,) wie Her
iron, in einem gedruften Schreiben aus London
1759 an Herrn VBenuti gerichtet, vorgibt. 7) Sch
ı) Pitt. d’Ercol. t. ı. p. 229 — 261.
2) [Man feheunter den Abbildungen Numero 14 — 15.]
3) Montfauc. Antiq. expl. t. 5. pl. 131.
4) Vitruv. 1. 6. c. 6 .
Diefe Senfter hießen bei den Lateinern valve oder
fenestr& valvatzs. Plinius der Jüngere (I. 2.
epist. 17. ) ſchreibt von feiner Villa Laurentina: un-
dique. valvas, aut fenestras non minores valvis habert.
Vitruvius am angeführten Orte nefit fie lumina fenc-
strarum valvata, welches Galiani paffend durd finestre
a guisa di porte, Genfter wie Thüren, uberfest hat.
gen.
5) Oper. t. 2. p. 599. edit. Mangey. [Man vergleiche oben
&. 35 — 37. ]
6) De opif. Dei, c. 8.
7) [Man vergleihe oben ©. 31— 37.
Erſtes Kapitel. 425
merke bier eine Nachricht an, welche Ottavio Fal⸗
sonierii) aus Rom dem Nikolaus Heinſius ir
einem Briefe gegeben von einem Gemälde, welches ge⸗
wife alte Gebäude und einen Hafen vorfiellete- mit
ihren darunter gefegeten Benennungen, als: Prorrex
NEPTVNI. FO. BOAR. BAL. FAYSTINES. Er fchäzet dieſes Ge⸗
mälde von Conſtantins Zeiten. Die mit Farben
- ausgeführeten Zeichnungen derfelben befinden fich in
dem Mufeo des Herrn Cardinals Alerander Albani.
Den es Feine Betrügerei iſt, fo wären die Glasfenfter
- ‚ans denfelben deutlich zu erweifen: den es find an
den Gebäuden große Flügelfenfler bis auf den Bo»
den herunter in großer Anzahl, eines nabe an dem
andern. ?) Diefes Gemälde fland an der Wand in
einem Gartenhaufe der Billa Ceſi eingeleget, aber
der jezige Beſizer gedbachter Billa, der Prinz Ban
fili, bat alles daſelbſt überweiflen laſſen, und alfo
in nichts mehr von dem Gemälde zu fehen. Bellort
bat es, in’s Kleine gebracht, in Kupfer vorgeſtel⸗
et. °
+) Burrmann. Syll. epist. t. 5. p. %27. epist. 458.
2) Dieſes beweiret nicht ; deñ die Senfter Fofiten auch vom
Srauenglad oder andern Materien fein, vom
denen in den Anmerkungen zu ben Briefen an. Bis
anconi die Rede ik. Sea,
3) Frag. vet. Rom. p. 1.
Wincdelmaf Hat nachher in feiner Dentmalen
(N. 204.) das Stük diefer Malerei, unter welcher. gefchries
ben ift: Bar. ravstınzs. abgebildet und erläutert mitges
theilt. Man kañ ed: für ein: Bad der Kaiſerin Kauftina
halten. Ebendaſelbſt bemerkt er, die gedachten Senfter feien
fo groß geweſen, daß ſie bib an den Fußboden reichten , wie
man fie in der Malerei fiehet, und denen ähnlich, von.
welchen. ich. vorher geſprochen habe. Gr. wirft dort
18 *
426
Baukunſt der Alten.
6. 63. Diefes ift von den Äufferen Theilen der
alten Gebäude geredet. Die inneren find überhaupt
ze aufs neue die Srage auf, welde ev fon in feinen
Nachrichten vonden neuefen berculanifchen
Entdekungen (ober ©. 272.) getan hat. Wir wollen
hier der Bolltändigkeit wegen etwas füber die erwähnte Stel⸗
le beibringen. Die Grage ift: ob die Alten Läden an
den Senftern gehabt, um bie Zimmer dunkel
zu maden, wie fie nod heutiges Tag üb;
ich find. Aus der fihern Art, fih auszudrüken, follte
man slauben, dad Windelmai alled, was biefen
Punkt betrift, nachgeleſen babe, oder daß wenigſtens
die von ihm angerührten Autoren fo zu Vewitchen
feien, wie er fie erklärt. Uber jene Zweifel verichwins
den leicht , weil man auch nur die von ihm angeführs
ten aber wicht genug erwogenen Stellen genauer bes
tradhtet. Und, um bei Ovidius anzufangen, ſcheint
es mir ſehr klar, daß derielde gerade von folchen mit
Läden geſchloſſenen Senftern ſpreche. Er fagt, daß er
iur Sommerdzeit um Mittag ruhte, und einen Theil
des Senfters ganz, den andern aber nur fo geſchloſſen
hielte, daß blos ein fchwaches Licht, wie man etwa in
einem dichten Walde, oder bei der Dämmerung fiehtz
bineinfiel. Die Stelle heißt: (Amor. 1. ı. eleg. 5.)
Estas erat, mediamque dies exegerat horam:
Apposui medio membra levanda toro.
Pars adaperta fuit, pars altera clausa fenestre:
Quale fere sylva lumen habere solent;
Qualia sublucent fugiente crepuseula Phebo,
- Aut ubi nox abiit, nec tamen orta dies.
Illa verecundis lux est prebenda puellis ı
Qua timidus latebras speret habere pudor.
Wincdelmafi, weicher in Rom fchried, wo die Ges
wohnbeit if, in den Nachmittagfiunden zu ruhen, und
hie Senfterläden, wenigſtens ber Hize wegen, au verſchlie⸗
Erſtes Kapitel, 427
ie Deken, oder die Gemwölber, die Treven und ing»
sfondere die Zimmer. z
gen, Eofite fich Teiche vorftellen, daß Ovidius von et
was Ahnlichem ſpreche, und einfehen,. daß eine ſolche
Dunkelheit durch Vorhänge, deren einer zugezogen,
der andere offen war, nicht zu bewirken fei. Auch
Vitruvius (1.6.c.7.) fchreibt vor, dag man die Gens
free gefchloffen Halte, um die Zimmer vor der Sonnen⸗
hize zu verwahren; und dies mußte vermittelt eines uns
durchfichtigen Körpers gefchehen , der fähig war, den Son;
nenftralen und der Wärme den Eingang zu verwehren, und
dazu war Hols in jeder Hinficht das bequemſte und wohlfeil⸗
ſte Material. Juvenal beftätiss dieſe Erflärung. Zwar
fpricht ex von Borhängen, aber er ſezt voraud, daß die Sen.
fter ſchon mitLäden geſchloſſen ſeien, Indem er fast, daß
man mit den Vorhängen die Fenſterrizen verfchließe, fo
daß auch Fein Lüften durchbringe; von Licht ift gar die
Rede niht, da er voraudfest, ed ſei Nacht, indem er
fo auf den auch noch heutiges Tagd Hblichen Gebrauch
anſpielt, die Senfter wohl zu verfchliehen, und deßhalb
auh die Vorhänge niederzulafen; er wollte damit
blos fagen, daß, wei man auch alle möglichen Vorſichts⸗
maßregeln anwende, um etwas zu ‚verbergen, was man.
in feinem eigenen Haufe, felbfe su Nachtzeit, zu thun
vorhabe, doch die Nachbarn ed Schon vor Tage wiſſen
wirden,
‘© Corydon, Corydon, secretum divitis ullum
Esse putas? Servi ut taceant, jumenta loquuntur,
"Et canis, et postes, et marmora. Claude fenestras,
_Vela tegant rimas, junge ostia, tollito lumen
E media; clamant amnes. Prope nemo zecumbat:
Quod tamen ad cantum galli facit ille secundi,
Proximus ante diem caupo sciet; audiet et qua
| Finzerunt pariter Ubrarius, archimagiri,
Carptores.
Noch andere Autoren ſprechen vom dunkeln Kam
mern, bie wahrfiheintich mit Läden verfinfiert morben,
428 Baukunſt der Alten.
6. 64. Die Deke war in vierefihten DTempeln
insgemein von Holze, fo wohl in ganz alten Zeiten,
1. B. Seneca (Consol. ad Marc. e. 22.), wo er er
zählt, daß Cordus, der Zeitgenoffe des Sefſanus unds
Tiberius, ſich geſtellet, als ob er aus Verzweiflung
Hungers ſterben wollen, ſich deßhalb in ein Zimmer ge⸗
ſperrt, und alle Fenſter verſchließen laſſen, um im Dun⸗
kel zu bleiben: lumen omne pracludi jussit et se in
tenebris condidt. Auch Apulejus (Metam. 1]. 2.
p- 57.) foricht von einer Kammer , die durch Ders
fdließung der Senfter verdunfelt war: conclave ob-
seratis luminibus umbrosum. Plinius der Jüngere
(}. 9. epist. 36.), indem er bie Lebendweife bis
fchreibt , die er auf feiner tufculanifchen Billa führte,
ersählt, daß er Morsend beim Erwaden die Senfter
noch etwas verfchloffen bielt, weit ed gleich (den Tag
war, um beffer im Dunkel nachzudenken, und fie dar
öfnen ließ, um das Üiberdachte zu dictiren: evigilo cir.
ca horam primam, s@pe ante, tardius raro: clauss fe:
nestre manent Mire enim silentio et tenebris animus
alitur. . . . Notarium voco, et die admisso, qua for-
maveram, dieto. So redet aub Barro (de re rust.
l. ı. e. 59) von Senfterläden, foriculi an den Feuſtern
oder Luftlöchern : operothecas qui faciunt: ad aquilonem
ut fencstras habeant, atquc ut aëre perflentur, curant
neque tamen sine foriculis: ne quunı humoremı amıise-
Yint, pertinaci vento vieta fiant,
Aus diefen Schriftſtellern Täßt ſich alfo mit Gewißheit
abnehmen, daß man die Zimmer entweder mit Läden
oder mit Vorhängen verdunfelte. Koñte daflelbe nicht
auch Auduftus thun, der ein Zeitgenofe Vitruvs
und Dvadd, und älter ald Cordus war? Wer wollte
glauben, daß ſeinem Palaſte eine Zierde oder Bequem⸗
lichkert, welche au feiner Zeit allgemein im Gebrauche
war , gemangelt babe? Weil er fich derſelben nicht bes
diente, da er bei Tage ſchlief, Tondern Mich begnäate,
die Augen mit den Händen gegen daB Licht zu verſchlie⸗
gen, fa muß man danon einen andern Grund aufjucken.
Erfted Kapitel. 429
wie die Defe von Cypreſſen in dem Temvel des
‚den ih aber nicht mit Tiffot (über die Geſund⸗
heit der Gelehrten $. 75.) darin fegen möchte, dag
Auguſtus nur wenig fchlafen wollen: fondern vielmehr
darin, daß er einen Widerwillen gegen die Dun—⸗
Felheit und den einfamen Aufenthalt in ders
felben gehabt ; dei Sueroniu 8 ragt, dag ſich AuUguſtus
weit er im Bette nicht schlafen Tonnen , vorlefen laffen,
und dag er nie ohne Gefellfhaft im Dunkeln wachen mö⸗
gen: nec in tenebris vigilavit upquam nisi assidente ali-
quo. Weit er alfo am Tage auf diefe Weife fchlief, und
die Hand von den Augen nahm, fo befand er fich nicht
allein im Dunkel , das er verabfcheute. Daffelbe ift auch
noch jezo manchen Menfchen eigen, welche weder bei Tas
ge noch bei Nacht im Dunkel und bei gefchloffenen Lä⸗
den fchlafen Fönnen. Man darf fich nicht einbilden, daß
Ausuft us fo fchlief, um die Bequemlichkeiten zu vers
ſchmähen, und ein mühfeliged Leben su führen; im Ges
sentheile Hat er nah Suetonius gefucht, bequem zu
ſchlafen, indem er fich auch die Süße zudeken laſſen.
Mit gleihem Grunde kañ man über die von Wim
cke Umañ angeführte Stelle des Terentiud antworten;
deñ daß man die Leute fächelte, geſchah nicht, weil man
nicht gewußt hätte, die Zimmer zu verbunfeln, wäre ed auch
‚nur durch Vorhänge oder andere Vorrichtungen vorden Sens
fern geweſen, fondern aus andeen Urſachen. Jene Konts
Bdie des Terentiuß iſt, fo wie die übrigen, eine
jtberfesung oder Nachahmung aus dem Griechiſchen, und
griechiſch iſt auch ohne Zweifel ihr Inhalt. Daß die
Griechen fich der Läden bedient haben, erhellet aus der
angeführten Stelle des Apollonius Rhodius, wo
ich Feine Schwierigkeit darin finde, daß bdiefer Dichter
die Fenſter THürem neft; deñ auch bes den Lateinern
bieffen fie fores und bifores, wegen dee Shnlichkeit, wel
che fie mit ihnen, fowohl durch den Gebrauch Hatten,
als auch weit fie vieleicht öfter nah auſſen, gleich
die Thüren, gedfnet wurden, wie man auf dem Basre⸗
Hef der lorentinifchen Galerie fieht, das Gori (In-
scr. ant. in Etrur. urb ext. part. 3. t. 20.) mittheilt.
Die Selle des Terentius wird alfo eine andere Be
430 Baufunft der Alten.
Hpollo gu Delphi war, N als auch in nachfolgenden
Zeiten; auch die Tempel der h. Sophia und der
Apostel zu Conſtantinopel hatten folche Defen. 2)
Der frangöfifche UÜberſezer des Baufanius hat ſich
geirret, wei er unter andern dem Tempel des
Ypollo zu Phigalia eine gewölbete Deke gibt: er
bat das Wort opoDos, welches Hier, 3) wie indge-
mein, D das Dach bedeutet, für die Defe genom-
men: das Dach diefes Tempels war mit Blatten
von Stein geleget. Beſagetes Wort heiſſet an eini⸗
gen Orten des Baufaniaszwarauch die Deke, aber
nur indem Falle, wo es zugleich Deke und Dadı
deutung haben. Er fast, daß der Werfchnittene mit ei;
nem Fächer einem Mädchen fächelter welches nad ten
Bade auf dem Bette lag; womit er vielmehr zu verſte⸗
hen gibt, daß der Verfchnittene ihr Kühlung fäheln.
ald dag er ihr die Fläegen wesicheuchen wollen.
und gefest auch, dies leste wäre feine Abficht gemefen,
fo würde es doch nichts beweiſen; deñ einem Schlafenden
die Stiegen zu verfheuchen, war auch ein vielleicht aus
Verweichlichung entftandener Gebrauch zur Zeit ded Kats
ferd Bertinar, wie Dio im Leben des Severuß
(1. 74. c. 4.) meldet, in welden Zeiten man in Rom
auch bei Tage die Fenſter zu verbunteln wußte, wie
Ovidius und Vitruvius bezeugen. In dem von
Ezechiel befchriebenen Tempel zu Jeruſalem, vom h.
Hieronymus commentirt (Comment. in Ezech. |. ı2.
©. 4. col. 501. E.), waren in den Senftern weber Glas
noch Srauenglad, sondern bloße Fenſterläden von köſt⸗
fihem eingelegtem Holse, und ſolche Läden fcheinen auch
die auf dem erwähnten Badrelivf der florentinifchen Ga,
lerie su ſein. Gen.
ı) Pind. Pyth. V. v. 52.
2) Codin. de Orig. Constantinop. p. 64 et 73.
3) Pausan. 1. 8. e. 41.,$. 6.
4) 1Ia.1l.E.c. 20.93
Erſtes Kapitel. 0434
bedeutet, wie in Höhlen. 1) Unterdeffen ift auch
diefes Wort bei fpäteren griechifchen Seribenten
zweideutig worden, fo wie die leztern römiſchen
Scribenten die Wörter , welche eine platte Defe von
Holz und ein Gewölbe bedeuten, mit einander ver⸗
wechſelt haben. 2)
$. 65. Dieſe Deken der Tempel wurden zuwei⸗
len von Eebern gemachet. Die Deken der Kirchen zu
S. Johañ Lateran, und zu ©. Marin Maggie
ore köñten uns von den Defen in alten Tempeln einen
Begrif geben. Sch läugne indeffen nicht, daß es
nicht vierefichte Tenipel mit Gewölbern gegeben ba
be, fo wie es der Tempel der Ballas zu Athen
war. 3) Solche Tempel aber hatten drei Navaten,
wie 150 gedachter Tempel, wie der Tempel des Frie⸗
dens zu Rom, und der zu Balbef; und in diefen
Teınpeln befam das Innere derfelben von den Ges
wolbern, welche mit Schifböden von den Alten ver«
glichen werden, den Namen eines Schifs,D und
man faget, die mittlere und die Seitennavaten.
2) Id. I. 9. c.33.$ 2.
Ich glaube, daß Pauſanias hier auch blos von
dem Dache ſpricht, fo wie anderswo (l. 1. c. 40. $. 5.),
da er eines Tempels des ſtaubigen Jupiters xuus;
erwähnt; und für die Benennung eines bloßen Dachs
oder der Bedekung einer Hütte bedient ſich Strabo def
felben Worted (I. 4. p. 302. 1. 15.). übrigens läugne ich
nicht, daß opepes zuweilen auch lacunar, flache Deke,
bedeute, wie Syiburs sum Paufanta 8 (l.ı.c.ıg.
$. 1.) anmerkt, und Winckelmañ [PG. d. 8. 11%.
3. K. 23$.I den Heſychius bei dem Worte opogunes
verſteht. Gen.
2) Salmas. in Vopisc. p. 393. A.
3) Spon, Relat, d’Athenes, p. 27.
4) Salmas. Plja, exercit. in Solja. € 55. 18855.
432°. Banfunft der Alten,
Der Tempel des capitolinifchen Supiters gu Nom
aber hatte auch drei Selen oder Navaten, 1) umd
dennoch eine Defe von Holze, welche nach der Zer⸗
flörung von Karthago vergoldet wurde. 2)
$. 66. In Häufern hatten die Zimmer theils
platte Defen von Holze, wie igo überhaupt in Sta⸗
lien, wen fie nicht gewölbet find, und diefe Defen,
wen fie blos aus Brettern befanden, mit welchen
die Balfen beleget wurden, biegen bei den Griechen -
Barvamara; 3) hatten fie aber Bieraten, welche,
wie noch izo in Stalin, vertiefte vierefichte Felder
waren, fo hießen fie laquearia: den dergleichen Fel-
der wurden lacus genennet. 4) Oder es hatten die
ı) Rycg. de Capit. c. 13.
2) Plin. 1.33. c.3. sect. ı8.
3) Salmas. ]. c.
Polluc. Onom. 1. 7. c. 27. segm. 122. Gen.
4) Diefe Stelle in in dee Bibliothek der ſchönen
Birienfhaften «. (103 1 St. 1606.) von
einem Ungenafiten Eritifirt worden. Es heißt daſelbſt:
» Man findet, daß die Deken der Tempel und Häufer
„ aus Bögen von Steinen oder von Holze find gewölbt
„ worden, welche man cameras (oder wie Gekner lie
„ ber leſen will, camaras) nalte. Unten an diefe Defe
» wurde noch eine hölzerne angemacht , welche lacunar oder
» auch laquear genaũt wurde, und sur Zierde diente. So
„ fagt Sfidor: layuearia sunt, que canıaramı subtegunt
„et ornant,. qua et lacunaria dicuntur Lacunar heißt
„ diefe Defe von den muſchelicht en Vertiefungen (a la-
„ cubus, griehifh garvauara) und laquear (a laqueis)
„ weil fie mit Strifen befeftist wurde. Doch nañte
„» man fie auch mit dem allgemeinen Namen canıara,
„ wie dieſes deutlich aus dem Plinius erhellet, der
„vom Pauſias (einem Schuler des Pamphilus,
„ dem Meiter des Apelles,) ſagt: (1. 34. c. 11.
» Sect. 40.) lacunaria primus pingere instituit, nec
„ Camaras ante cum taliter adomars mos fuit. Hier wo
Erſtes Kapitel. . 433
Zimmer Gewölber mit Rohr gemachet (volte a canna)
und die Berfertigung derfelben lehret Balladius 1)
und Bitruvins.?) Es murde die Form des Ge
wölbes von Holz und Brettern aufgefeget, und breit
getretenes Rohr, welches durchgehends in Stalien
viel fHärfer und länger als in Deutfchland ift, auf
diefelben gebunden; auf das Rohr wurden Schlafen
vom Veſuvio geleget und befeliget, und über die
felben wurde Mörtel (von Buszolana) getragen, und
die lezte Lage gefchähe mit Flein gefloßenem Mar⸗
mor und Gypſe. Sn einigen Häufern der durch den
„ den offenbarlacunaria und camaræ verwechſelt. Diefela-
„ cunaria, nicht die camarz im eigentlihen Berftande, wurs
„ den mit Cälaturen, d. i.miterhobenen Siguren
„ aufgelegt, oder gemalt, oder mit Koftbarfeiten ausgesiert,
„ daher kommen ded Virgils lequcaria aurea. Die ver⸗
» tieften, tunden und rautenefigen lacus hießen
„ bei den Griechen garınuara, nicht, wie Windelmaf
„ fast, die Deken. Diefed beweift die Stelle des Joſſe⸗
„ phusinden Altertümern(l.8.), wo er von den Brets
„tern der Deke fast, fie wären sferumus (a Em, ex-
» Cavo) uc garımmara (h. e. lacus) xas m posxcMuous x pvos
“ „(h. e. aurea celalura). Aus diefem werden Ste leicht
„ fehen, was ich wider .diefe Stelle de Herrn Windels
„» mai habe. Noch weiß ich nicht, was ich mit dem
» Worten machen foll: hatten fie Zieraten, fo
» hießen fie Zaquearia, dei dergleihen Selder
„ wurden lacus genaüt. Es ift wahr, diefe Deken
„ hießen laquearia, aber nicht, weil fie Zacus hatten,
„Res müßte bei Wünckelmſañ noch die wunderlicdhe Aus
„ merfungdeö Servius (ad Virg. En. 1.v.627.) nachfagen
„» wollen , welcher ſchreibt: Zacunarium, quod per antis-
„ tichon Jaquearium facit. Wer kaũ aber glauben, daß aus
„ lacus und Zacunarium durch ein lächerliches Antiſti⸗
„ bon Zlayuearium follte gemacht fein?“ Fernow.
a) De re rust. 1. ı.c. ı3.
2)L. 7. c. 8.
Winckelmaũ. 2. 19
434 Baufunft der Alten.
Veſuvius verfchütteten Städte baben ſich dergleichen
Deken gefunden, welche aber zufammengedrüfet waren.
$. 67. Die Treven in den Tempeln, welche
auf das Dach innerhalb der Mauer führeten, waren
Windeltreven, wie in dem Tempel des olympifchen
Zupiters gu Elis,1) in der Notonda, ) in dem Tem⸗
pel des Frie dens zu Rom, 3) und in den diocletia«
nifchen Bädern.+) Sn andern dffentlihen Gebäu⸗
den, die Stufen in den Theatern ausgenommen, bat
Sch feine Trepe erhalten; ben man wird die Stufen
fon vor Alters meggenommen haben, wie man noch
zu unferen Zeiten mit denen, welche in der Billa
Hadriani, und mit einer anderen, welche obnmeit
dem Balafte von Santa Eroce zu Nom entdefet wor-
den, gethan bat. Jene führete zu einem offenen
Bange auf prächtigen Säulen, ging gerade mit ih⸗
ren Abſäzen oder Ruhepläzen, war aber nur adıt
Balmen breit, welche Breite einem Eaiferlichen Luf-
baufe nicht fehr gemäß il. Eben fo breit maren
die Trepen in dem vermeineten Luſthauſe des M.
Scaurus auf dem palatinifchen Berge, mie Li-
gorius in dem Grundriffe deffelben, welcher ſich
in deffen Schriften am gedachten Orte befindet,
anzeiget.
3) Pausan. 1. 5. e. ı0. [$. 3.)
2) Diele Haben einen dretekigen Plan. Gern.
2) [G. d. 8. 113838. 15 $.]
” 4) Eine ähnliche Trepe fieht man in dem Überbleibiel eg,
ned Tempel nahe bei Girgenti, welde ein Meifter
Müt in diefer Art if, wie Baron Niedefel in feiner
Reife (1 Br. 41 ©.) bemerkt. So war au iene,
die Luctan erwähnt, (in Philopatr. $. 23.) und eti&
ce Jahrhunderte vorher hatte man ähnliche Stiegen im
Tempel Salomonis angebracht. (3 Kön. 6 8.88%.
Flar. Jos. antiquit. 1. 8. c. 3. n. 2.) Sea.
Erſtes Kapitel, 435
8,68. Die Stufen waren allgemein bei den Al⸗
ten höher, als man izo diefelben in Baläften und
bequemen Wohnungen zu halten pfleget, und diejes
nigen, welche um den einen Tempel zu Bello herum⸗
sehen, (an den andern Tempeln find fie nicht ficht-
bar) find ungewöhnlich hoch : fie haben drei rö—⸗
mifche Balmen in der Höhe, 1) und zwei und drei
Viertheil Balme in der Breite, fo daß man mit
Mühe das eine Bein über das andere fo hoch heben fait,
Eben fo hoch find die Stufen um den erhaltenen
Tempel zu Girgenti, und dieienigen, welche um dem
Tempel des Thefeus zu Athen gehen, fcheinen
nicht niedriger zu fein. 2) Eben auf diefe Art ift die
Trepe an einem Tempel in dem vaticanifchen Vir⸗
gilio angegeben. An der größten Pyramide in Agyp⸗
ten find einige Stufen drittehafb Fuß und andere
vier Fuß Hoch.3) Diefe Stufen um die Tempel wa⸗
ren allerdings befchwerlich zu fleigen; es dieneten die⸗
felben aber zu gleicher Zeit auch dem Volke zum
Sizen, weil in den mehreſten alten Tempeln nicht
viel Raum für eine große Menge Menfchen war. Daß
Das Volk aufden Stufen um die Tempelherum gefeflen,
zeigen einige Stellen alter Scribenten an. Baur
ſanias faget,H) daB an einem Gebäude ohnweit
Delphos, wo die Abgenrdneten der Städte aus der
1) Es fehlt ein Drittet, daß die Stiegen von Girgenti
und Paltum fo Hoch feien, als Winckelmañ hier ans
gibt, wie audden Abbildungen zu erfehen ift; aber auch
(don bei 2 Palm Höhe für eine Staffel icheint es um
begreiflich, wie fie zum Aufſteigen Fonnen gedient haben,
Sen.
2) Le Roy, Ruines des plus beaux Monum. de la Gräce,
t. 1. pl. 8, gen.
. 3) Pococke, Descript. of the Eesst, t. 1. p. 43.
4) L. 10. c. 5. [$. ı.)
436 Baufunf der Alten.
Zandfchaft Bhocis ihre Derfamlungen hielten, Stu⸗
fen geweien, welche zum Eisen gedienet. Auch Ci⸗
er ro redet ron einem Tempel ohnweit der Porta Ca⸗
pena, auf deren Stufen das Volk gefefien.1) Eben
ſo ſiebet man auf der Tabula Sliaca im Campi-
doglio auf zwo Etufen um das Grab des Hektors
berum die Mutter, Schwefſtern und Verwandten
deſſelben fijen und weinen. 2) Wei aber die Tem-
ı) Ad. Attic. 1. 4. epist. 1.
2) Fabretti explic. INliac. tab. num. 110. Gor; Mus. Guar-
nacc. c. 3. p. 17. — Foggini Mas. Capit. t. 4. t. 68.
gs Nach den Borichrirten, welche Vitruvius (I. 3. c. 3.
l. 9. c. 2.) gibt, follten die Trepen nicht fehr hoch fein,
obwohl die Ausleger in der Grflärung von einander ab⸗
weihen. Den am erftien Hrte jagt er ausdrüklich, man
ſolle daraur fehen , die Stufen sum Auffteigen bequem zu
machen. Muh Die (l. 43. c. 21.) Fall zum Beweiſe
defien dienen, wo er fagt, daß Julius Cäſar bei ſei⸗
nem erfien Triumph auf den Knien die Trepen dei
Supitertempeld auf dem Kapitolio hinaufgeſtiegen,
und (1. 60. c. 23.) dak Elaudius daſſelbe gethan. Es
wäre nicht leicht geweien, dies auf einer beträchtlichen
Zahl von Stufen zu bewerffielligen, wen fie ſehr hoch
geweien wären. An den Tempeln, wo die Stufen
rinaſsumher lauten, würde ich diejenigen, weldhe eis
gentlich zum Hinauffteigen beſtimt waren , von den
andern „ welche zur Unterlage des Zempeld dienten,
unterfcheiden, fo daß jene zur Bequemlichkeit ber Hinauf⸗
fleigenden niedriger waren, und die andern böher, wie
ed der übereinſtimmung und Größe bed Gebäudes ange:
meſſen war, ungefähr wie die Eturen in den Theatern,
melde da, wo man ſaß, höher waren, ald da, wo man
hinaufſtieg. In der That finde ich, daß an dem Tempe
der Eoncordia zu Girgenti auf der Moraenfeite, wo
man sur Vorhalle Hinanfteigt, Me Stufen ſehr niedrig
waren; und von fechd derfelben, jede einen halben Palm hoch,
find noch Reſte vorhanden, wie Baron Riedeſel (1 Br.
Erſtes Kapitel, 437
pel feine Stufen umher hatten, wie an runden Tem⸗
peln, fo waren die Stufen nur am Eingange: def
die Tempel hatten allezeit eine erhobene Bafe, ſon⸗
derlich wo Bilnfier angebracht waren. Und da in
- fpäteren Zeiten des Altertums die Bafen der Säu⸗
u bach gehalten wurden, ſo wurde auch dadurch
er Eingang erböhet; Daher finden fih an dem er-
mwähneten runden Tempel in der BilaNegronizehen
Stufen, welche zu deffen Thüre führen. 1)
6.69. Wir ſehen ferner an den Trepen und
Stufen der Akten, daß diefe feinen rundlichen Bund
gehabt, wie 130 die Stufen gearbeitet werden , fo
daß fie einen rechten Winkel macheten , und eine
Schärfe hatten. Die Efufen in der Billa Hadriani
maren aus zwo gleichen Tafeln von Marmor in ei⸗
nen rechten Winkel zufammengefezet. Es Finnen
alſo die Stufen, welche um den Pronaos des Pan⸗
theons geben, und rundlich find, nicht ans dem Alter»
tume fe.
5.70. Don den Simmern der Alten will.ich nicht
anführen und unterfuchen, was von den alten Seri⸗
4 ©.) berichtet. An dem großen Tempel zu Paäſtum
liefen hohe Stufen riugsumher; aber zur Bequemlichkeit
der Hinauffteisenden war zwifchen jedem Paar hoher
Stufen no eine falfche Mittelftufe angebracht. Diefe
find nicht mehr vorhanden, deñ vielleicht waren fie von
"Metall oder anderem koſtbaren Material, oder vielleicht
find fie im Laufe der Saprhunderte zu Grunde gesangenz
aber man bemerft ihre Spur durch eine gewiſſe Vertie⸗
fung zwifchen einer und der - andern Stufe, welde ge
zade tauglich fcheint, eine dritte zu halten, fo daß aus
drei Stufen finf wurden, welches eine bequeme Stiege
sah, und zugleich dem Tempel zur Zierde gereichte. (Paoli,
Rovine della cittä di Pesto, dissert. 3. n. 49. p. 104.)
Sea.
1) [Man fehe unter den Abbildungen Numero 15.)
438 Baukunſt der Alten.
benten angezeiget worden, weil diefes theils fchon
gefaget iſt, theils ohne Kupfer nicht deutlich genug
vorgeſtellet werden kañ: ich begnüge mich, dasienige
anzumerken, was ich ſelbſt geſehen. Der Alten ihre
Bimmer, fonderlih mo fie fchliefen, waren vielmals
oben rund gewölbet, wie auch Barro anzeiget: 1)
alfo war dasjenige, welches Blinius in feinem Lau—⸗
rentino befchreibet; 2) und man fchließet aus fol-
chen Bimmern des zweiten Geſtoks in der Billa S a-
driani, daß fie zum Schlafen gedienet haben , aus
einer großen Nifche in denfelben, welche anſtatt bes
Alkovs geweſen, wo das Bette geflanden. Des Pli⸗
nius Zimmer hatte Fenſter umber, in jenen aber
Somt das Licht durch eine Ofnung von oben, welche
vermuthlich die Nacht verfchloffen wurde.
6, 71. Aus den Trümmern der angeführeten Billa
auf dem alten Tufenlo, imgleichen ans den Zim⸗
mern einer prächtigen Billa bei der Stadt Hercula-
num, wo die mehreften Bruftbilder von Marmor und
von Erst in dem königlichen Mufeo zu Portici ge
fanden find, köñte man fchliefen, daß der Alten
ihre Zimmer nicht fehr geräumlich gemefen. 3) Dass
jenige, wo im SHerculano die Bibliothek fand, und
wo eine Menge von mehr als taufend Nolen Bü⸗
cher gefunden find, mar fo befchaffen, daB man
faſt von einer Wand zur andern mit ausgefirefeten
Armen reichen Tonte. In der tufceulanifchen Villa
fand fish unter andern ein Fleines Bimmer mit einer
1) Scalig. Conject. in Varron. de ling. lat. I. 7. [t. 2.
p- 254. edit. Bipont.]
a) L. 2. epist. ı7.
3) [Man vergleihe die Briefe an Bianconi, oben
©. 29. u. f.)
Erftes Kapitel. 439
befonderen Abtheilung in beigefezeter Form, N ——
welche veranlaſſet zu glauben, daß in der äuſſeren Abthei⸗
Yung ſich die Bedienten aufgehalten: a war die Thüre
in das Zimmer, und b die Thüre in den innern
Berfchlag, welcher mit einer dünnen Dauer gezogen war.
6..72. Bon Kaminen in den Zimmern findet
fich Feine Spur, wie bekañt if: in einigen Zimmern
der Stadt Serculanum fanden ſich Kohlen, woraus
man fchliefen Fan, daß daſelbſt Fein anderes als
Koblfeuer, fih zu wärmen, gebräuchlich gemefen.
Man trift noch 150 in den gewöhnlichen Bürgerhäu—⸗
fern in Neapel feinen Kamin an, und dielenigen,
die fomohl bier als in Nom, auch unter Berfonen
von Stande, eine genaue Kegel der Gefundheit ber
obadhten, wohnen in Zimmern ohne Kanıin, und
ohne fie durch Kohlen zu erheizen. In den Villen
aber , welche aufler Nom auf erhabenen Orten, . wo
die Zuft reiner und Fälter if, angeleget waren,
hatten die Alten die hypocausta ober stufe ver⸗
muthlich gewöhnlicher als in der Stadt. Es fans
den fi Stufen in dem verfchätteten Zimmern ges
bachter tufeulanifchen Villa, die beim Graben des
Grundes zu dem isigen Gebäude entdefet wurden.
Unter diefen Zimmern waren unter der. Erde unter
irdifche niedrige Kammern in der Höhe eines Tiſches,
allezeit zwei und zwei unter jedem Bimmer, und ohne
Eingang. Die obere platte Deke diefer Kammern
war von fehr großen Biegeln geleget, und mit zwei
Bfeilern unterflüget, welche ebenfalls von Biegeln,
shne Kalk, und nur mit Leim gemauert waren, um
fih in der Hize nicht von einander zu fondern. An
der oberen Deke diefer Kammern waren vierefichte
NRöhren von Thon eingemauert, melche bis auf die
Hälfte der Kammern berunterhingen, und in das
Bimmer über diefelben ihre Ofnungen hatten. : Solche
440 Baukunſt der Alten,
RNöhren waren innerhalb der Mauern diefes Zimmers
fortgeführet, und hatten ın einem anderen Bimmer
über jenem, das if im zweiten Gchofe, ihre Df-
sung vermittcht eines Löwenkopfes von gebraüter
Erde. Zu den unterirdifchen Kammern ging man
durch einen ſehr engen Bang von etwa zwei Fuß
breit, und in die Kammern wurden durch ein vier-
efihtes Loch Kohlen gefchüttet, deren Hize durch be⸗
fagete Röhren hinaufzog is das Zimmer unmittelbar
über dieſelben, deſſen Boden von grobem Muſaico
war, und die Wände waren mit Marmor beleget:
dieſes war die Schwizkammer (sudatoriem ;) die Hize
dieſes Zimmers wurde demienigen, welches über je⸗
nem war, mitgetheilet vermittelft der Röhren, welche
innerhalb der Mauer binauffleigen, und in jenem
fowohl als diefem Zimmer ihre Dfnungen hatten,
die Hise zu fammeln und auszulaſſen, welche in dem
oberen Zimmer gemäßiget war, und nad) Erforder-
niß verflärfet und vermindert werben koñte. 1) Ben
dergleichen Stufen, Zimmern und Röhren fan man
fi) aus einigen Entdefungen im Elfaß, welche Hert
Schöpflin forgfältig aufnehmen Iaffen, 2) einen deut-
lichen Begrif machen, welche in dem, mas die Haupt⸗
anlage derfelben betrift, von den tiffeulanifchen Zim⸗
mern nicht verfchieden find.
4) [Man vergleihe die Briefe an Bianconi, oben
S. 37 — 42.]
2) Schöpflini Alsatia illustrata, t. 3. tab. ı5.
Zweites Kapiteh
Bon der Zierkichfeit in der Baukunſt.
Auf das Wefentlichein der Baukunſt iſt
die Siee ichfeit derfelben gefolget, von welcher die-
fes zweite Kapitel handelt, und von derfelben if
zum eriten allgemein und hernach insbeſon⸗
dere zu reden.
6.2. Ein Gebäude ohne Bierde, iſt wie bie
Gefundheit in Dürftigfeit, die niemand allein für
glüklich hält, wie Ariſtoteles faget; 1) und das
Einerlei oder die Monotonie Fan in der Baukunſt,
fo wie in der Schreibart und in anderen Werfen
der Kunſt, tadelbaft werden. Die Bierde bat ihr
ren Grund in der Mannigfaltigfeit; in Schriften
und an Gebäuden dienet fie dem Geiſte und dem
Auge zur Abmechfelung, und wei die Bierde in der
Baukunſt fich mie Einfalt gefellet, entſtehet Schön
beit: den eine Sache ift aut und fchön, wen fie
ift, was fie fein fol. Es follen daher Bieraten eir
nes Gebäudes ihrem allgemeinen fowohl, als befon-
deren Endzwefe gemäß bleiben: nach jenem betrach-
tet, follen fie ols ein Zuſaz erfcheinen, und nach
diefem die Natur des Drts und ihre Anwendung
nicht verändern. Sie find als die Kleidung anzu-
ſehen, welche "We Blöße zu defen dienet, und ie
größer ein Gebäude von Anlage iſt, deflo weniger
erfordert es Bieraten; fo wie ein Eoflbarer Stein
nur wie in einen goldenen Baden einzufaffen wäre,
ı) Rhetor. 1. ı. c. 5
442 Baukunſt der Alten.
damit er fih ſelbſt in feinem völligen Glanze
zeige. 1)
$.3. Die Bierlichkeit war an den ältefien Ge
bäuden fo felten, als an den älteflen Statuen , and
man fichet an jenen weder Hohlkehlen noch rundliche
Bünde, fo wenig als an den ältefien Altären, fon-
dern die Glieder, an welche diefe Sierlichfeit nach-
ber angebracht wurde, geben entweder gerade aus,
oder fie find wenig gefenfet und erhoben. Nicht
lange vor Auguſtus Seiten wurde unter dem Con⸗
fulate des Dolabella, auf dem Berge Cölio in
Kom, an der claudifchen Waflerleitung ein Bogen
gebauet, über welchen der hervorſpringende Balken
oder Eornifche von Travertino, über der Snfchrift?)
fchräg aber in gerader Linie gehet, melches in fol
genden Zeiten nicht fo einfältig gemachet wäre.
6. A. Nachdem aber die Mannigfaltigkfeit in
der Baufunft gefuchet wurde, welche durch Senkungen
und Erhobenheiten, oder durch Hohl- und Bogen
Iinten entſtehet, unterbrach man die geraden Glie⸗
der und Theile, und dadurch vervielfältigten ſich
diefelben. Die Mannigfaltigfeit aber, welche fich eis
ser jeden Ordnung in der Baukunſt verfchiedentlich
eigen machete, wurde eigentlich als keine Zterlichfeit
angefehen, welche in der That fo wenig von den
1) Lucian, weicher bis in fein dreiſſigſtes (71 Jahr ein
Bildhauer gewefen, vergleicht (de Domo $.7.)ein Ger
bäude, das mit ſchiklichen, mäßig angebrachten Ziera⸗
ten verfehen iſt, einer befcheiden und mäßig geſchmüt—
zen Jungfrau, welche ihrer natürlihee Schönheit Raum
säft, fih zu zeigen; hingegen ein mit Verzierungen
überladened Gebäude vergleicht er einer Buälerin, wel
che ihre Mängel und Häfllichkeiten unter dent Schmufe
zu verbergen ſucht. Sen.
3) Gruter. Inser. t. ı. p. 176. n. 2. Montfauc. Diar. Ital.
c. 10. p. 148.
Zweites Kapitel, 443
Alten geſuchet wurde, daß das Wort, welches dieſe
Bedeutung bei den alten Nömern hatte, nur vom
Buze in der Kleidung gebrauchet mwurde;1) in fpä«
teren Seiten deutete man allererſt das römiſche
Wort Bierlihfeit auch auf Werke des Bew -
flandes.2) Dei da der wahre gute Geſchmak fiel,
und der Schein mehr als das Wefen gefuchet mum
de, ſahe man die Bieraten nicht mehr als einen
Zuſaz an, fondern es wurden die Bläze, welche bis⸗
ber ledig geblieben waren, mit denfelben angefüllet.
Hierdurch entſtand die Kleinlichkeit in der Baukunſt:
dein weñ ein jedes Theil klein iſt, fo iſt auch das
Ganze Klein, wie Arifoteles faget. Der Bau-
funft erging es, wie den alten Sprachen: diefe
wurden reicher, da fie von ihrer Schönheit abfie-
Ien, welches ſowohl von der griechtfchen als römi⸗
fchen zu beweifen iſt; und da die Baumeiſter ihre
Borgänger in der Schönheit entweder nicht erreis
chen, oder nicht übertreffen Fonten, fucheten fie fich
reicher als jene zu zeigen.
6.5, Die Üüberhäufeten Bieraten haben vermuth-
tich unter dem Nero angefangen: den gu Titus Zei⸗
len berfchete bereits diefer Geſchmak, wie man an
deſſen Bogen fiehet, und es nahm derfelbe immer
mehr überhand unter den folgenden Kaiſern. as
die Baufunft unter dem Aurelianus für eine Ge
fialt gehabt habe, zeigen die Paläſte und Tempel
zu Balmyra: den mas dafelbft übrig iſt, wurde ver⸗
muthlich kurz vor oder zu deſſen Zeiten gebauet, in-
dem an allen dortigen Gebäuden ein und ebender-
ſelbe Styl H.3) Ob das ungeheure Stüf einer
Architrave von Marmor in dem Garten des Balafles
ı) A. Gell. 1. 11. c. 2.
2) [Elegantia ]
3) Wood (Ruins of [Palm. p. 15.) ſucht diefed weitläufig
au erweifen. Ger.
114 Baufunf der Alten.
Eolonna von einem Tempel der Sonnen,T) um
ter befagetem Kaifer gebauet, fei, kañ man nicht ent-
fheiden. 2)
1) Die Säulen dieſes Temyeld, oder wenigſtens acht der:
felben, Waren von Porphyr, aber (chen zur Zeit des Ju⸗
Bintanud, d. i. um den Anfang bed 6 Jahrhunderts.
wesgenommen. Da diefe Säulen fid noch iso in dem
zempel der 5. Sophia zu Conſtautinopel, welchen je⸗
ner Kaifer wieder aufbauete, befinden, fo köñte man fie
meſſen, und daraus die Berhältniffe und tie Ordnung
des Sonnentempels, zu dem fie urfprünglich gehörr
haben, berechnen, und fie mit dem Stük Geſims, von
dem Winckelmañ fpräßt, vergleichen. Sea.
2) Dasienige Etüf, welches Palladio (Archit. I. c. 12)
vorgeftellet hat, iſt entweder mehr aus der Einbildung
ald nach der Wahrheit gezeichnet; dei er hat entwerer
einen Eupido nit Köcher und Bogen aus dem Laub
werte hervorgehen laſſen, oder er hat daszenige Stük von
dieſem Architrav gewählet, welches serfäget worden,
und aus welchem die Baluftrade der Sapelle ded Haufe
Colonna in der Kirche S. Apoftoli, und das Pflaſter
in der Galerie des Palafted Colonna gemachet worven.
Chambray (Paral. de PArchit. anc. et mod. c. 28.),
welcher diefed Stük aus jenem genommen, hat ed von
neuem nach feinem Sinne geändert, und anftatt ber
Liebe ein Kind vorgeftellet, welche? vor einem Löwen
erihrift, der aus dem Laubwerfe hervorzuipringen
{heinet. Der Sried von dem einen Stüfe, welches iso
nebft der Corniſche vorhanden iſt, Hat feine anderer
Sieraten , ald drei große Zige von Laubwerk. Die bei:
den unteren Glieder diefed Architravs, nämlich der Bals
gen, welcher über der Säule Tient und der Fried über
demfelben aus einem Etüfe, find dreisehn Palmen oder
Spannen, und vier Zolle Hoch, und dieſes Stüf ift zwei
und zwanzig Palmen und vier Zolle lang. Daß andere
Stirk, nämlich ein Theil der Eornifche diefed Architravs,
auf weichem der Anfang von dem Srontifpis aus einem
Stüke mit demfelben gearbeitet ift, hält ungefähr eben
fo viel in der Höge und in der Binge Winckelmañ.
Zweites Kapitel. 445
8.6. Die Einfaffungen der Thore und Thüren
wurden wie aus lauter Krängen von Blumen und
Blättern gebildet, wie es an dem Tempel zu Bal»
bef if, !) und dergleichen Thüren find verfchiedene
in Kom übrig.2) Die Säulen blieben nicht ver
fchonet: die ganze Baſe mit ihren Gliedern wurde
mit’ Krängen umgeben, wie die unter den Säulen
von Borphyr an dem ſogenañten Battiflerio Con-
ſtantini zu Rom find, 3) und eine andere Baſe von
ungemeiner Größe in-der Kirche von St. Paolo vor
Rom, welche neun Balmen im Durchfchnitte Hat. 4)
Eben fo gefihnizet waren dieienigen, welche auf dem
Yalatinifchen Berge zu unferer Zeit entdefet find. 5)
An den Säulen felbii fing man an mit Stäben in
den Neifen bis an das Drittheil derfelben; man un⸗
terbrach die platten Stäbe zwifchen den Neifen in
drei bis fünf andere Fleinere Stäbchen, und endlich
drehete man die Neifen fpiralmäßig, melde Ernux-
ı) Pococke’s Descript. of the East. t.2. part. 1. pP. 109.
“Wood, the Ruins of Balbec. pl. 32. ea.
2) Wahrfheintih hat man mit diefer Bildhauerei bie
Thüren verziert, weil man fie in alten. Zeiten bet feftlis
tihen Gelegenheiten auf diefe Weife mit Lorbeer und
anderem Laube zu ſchmüken pfleste, wie au Statiuß
(Sylv. 1. 4. c. 8. v. 38.) und vielen andern Gcribenten
erhellet, welhe Sagittarius (de jan. veter. c. 30.)
und Donati (de’Dittici degli antichi, 1.3. c. ı. p. 173.)
anführen. Nach dem GScoliaften des Ariſtopha—⸗
nes (Equit. v. 725.) hing man an die Zweige deö DI.
baumes und anderer Bäume, welche man bei gewiſſen
feftlihen Gelegenheiten an: die Thüren heftete, wollene
Binden auf. (Conf. Nota Casaubeni ad eund. loc.) Sen.
3) Pallad. Archit. 1. 4. c. ı6. Piranesi della Magnif. de
Rom. tav. 9. en.
4) Piranesi. 1. c.
5) Bianchini, Paloszo de’ Cesari, tar. 3,
444 Baukunſt der Alten.
Colonna von einem Tempel der Sonnen,!) um
ter beſagetem Kaifer gebauet, fei, kañ man nicht ent»
fiheiden. 2)
41) Die Säulen dieied Tempels, oder wenisftend acht ders
felben, waren von Porphyr, aber fhon zur Zeit des J u⸗
fHintanud, d. i. um den Anfang ded 6 Sahrhunderts
weggenommen. Da diefe Säulen fid) noch iso in dem
Tempel der 5. Sophia su Conſtantinopel, welchen je⸗
ner Kaifer wieder aufbauete, befinden, fo füllte man fie
meſſen, und daraus die Verhältniffe und die Ordnung
des Sonnentenmpels-, zu dem fie urfprünglich gehört
haben, berechnen, und ie mit dem Stük Gefimd, ven.
den Winckelmañ fpräßt, versleihen. Sea.
2) Dasienige Stüf, welche Palladio (Archit.l.2c.ı2)
vorgeftellet Hat, Ift entweder mehr aus der Einbildung
als nach der Wahrheit gezeichnet; dei er hat entweder
einen Eupibo mit Köcher und Bogen aus bem Laub
werte hervorgehen laſſen, oder er hat dasıenige Stük von
dDiefem Architrav gewählet, welches zerfäget worden,
und aus weichem die Baluſtrade der Eapelle bed Hauſes
Colonnua Inder Kirhe S. Apoſtoli, und das Pflaſter
in der Galerie des Palaſtes Colonna gemachet worden.
Chambray (Paral. de PArchit. anc. et mod. c. 28.),
weicher diefe8 Stük aus jenem genommen, hat ed von
neuem nah feinem Sinne geändert, und anftatt der
Liebe ein Kind vorgeftellet, welches vor einem Löwen
erichrift, der aus dem Laubwerfe hervorzuipringen
ſcheinet. Der Sried von dem einen Stüfe, welches izo
nebſt der Corniſche vorhanden fit, Hat feine andereır
Sieraten , ald drei große Züge von Laubwerf. Die beis
den unteren: Glieder biefed Architravs, nämlich der Bals
ten, welcher über der Säule Heat und der Sried über
demfelden aus einem Stüke, find dreisehn Palmen oder
Spannen, und vier Zolle Hoch, und diefed Stüf Hit zwei
und zwanzig Palmen und vier Zolle lang. Daß andere
etirt, nämlich ein Theil der Eornifche diefed Architravs,
auf welchen: der Anfang von dem Srontifpis aus einen
Stüke mit demfelben gearbeitet ift, Hält ungefähr eben
fo viel in der Höhe und in der Länge Winckelmau.
weites Kapitel. 445
SG.6. Die Einfaſſungen der Thore und Thüren
wurden wie aus lauter Kränzen von Blumen und
Blättern gebildet, wie es an dem Tempel zu Bal⸗
bef iſt, 1) und dergleichen Thüren find verfchiedene
in Rom übrig.) Die Säulen blieben nicht ver⸗
fchonet: die ganze Bafe mit ihren Gliedern murde
mit Krängen umgeben, wie die unter den Säulen
von Porphyr an dem ſogenañten Battifterio Cons-
ſtantini zu Rom find, 3) und eine andere Bafe von
ungemeiner Größe in-der Kirche von St. Paolo vor
Rom, welche neun Palmen im Durchſchnitte hat. 4)
Eben fo geſchnizet waren diejenigen, welche auf dem
Yalatinifchen Berge zu unſerer Zeit entdefet find. 5)
An den Säulen felbit fing man an mit Stäben in
den Neifen bis an das Drittheil derfelben; man un-
terbrach die platten Stäbe zwiſchen den Neifen in
drei bis fünf andere Eleinere Stäbchen, und endlich
drehete man die Neifen fpiralmäßig, welche Enux-
1) Pococke’s Descript. of ihe East. t. 2. part. 1. p. 109.
Wood, the Ruins of Balbec. pl. 32. Sea.
2) Wahrfheintih hat man mit diefer Bildhauerei die
Thüren verziert, weil man fie in alten Zeiten bei fefili:
lichen Gelegenheiten auf diefe Weife mit Lorbeer und
anderem Laube zu ſchmüken pfleste, wie aus Statiuß
(Sylv. 1. 4. c. 8. v. 38.) ind vielen andern GScribenten
erhellet, welde Sasittariuß (de jan. veter. c. 30.)
and Donati (de’Dittici degli antichi, 1.3. c. ı. p. 373.)
anführen. Nach dem Scholiaſten des Ariftopha
nes (Equit. v. 725.) hing man an die Zweige des Sl.
baumed und anderer Bäume, welche man bei gewiſſen
fetlihen Gelegenheiten an: die Thüren heftete, wollene
Binden auf. (Conf. Nota Casauboni ad eund. loc.) Sea.
3) Pallad. Archit. 1. 4. c. ı6. Piranesi della Magnif. de
Rom. tav. 9. en.
4) Pirancsı. 1, c.
5) Bianchini, Palazzo Je’ Cesari, tar. 3,
446 Baubkunſt der Alten.
Tıros xsoveg, volutiles columus genennet wurden. 1)
Die größten von folchen alten Säulen find an einem
Altare in der St. Peterskirche su Nom ange
bracht,2) und auch die Säule von orientalifchem
Alabafler in der vaticanifhen Bibliothek iſt von
Diefer Art.3) Endlich wurden Menfeln an die Säulen
gefeget , welche ‚Heine Figuren trugen, wie an den
ı) Salmas. Not. in Vopisc. p. 393. Anaftafiud, im Les
ben Pabſts Gregoriuf III. (sect. 194. t. 1. p. 176.)
seit fie volubiles columne , nach ber Lefart der römi⸗
- fen, von Bianchini beforgten Ausgabe, welcher eben
fo. wenig wie fo viele andere Notenmacher bemerkt hat,
dab Salmaſius (l. c.) vorfchlägt volutiles, wie man
in der That in verfchiedenen Handfchriften lieſet, weiche
von Bianchini dort angeführt find. Fea.
23) Er meint die beiden Säulen, welche in der Eapelle dei
Sacraments ſtehen. Diefen ähnlich find die acht, welde
die vier Loggie unter der großen Cupola zieren, und
eine in der Eapelle ded Crucifixes, welche Piraneſit
(della Magnif. de’ Rom. tab. 6. fig. 5.) abgebildet Hat.
Vor alten Zeiten ziereten fie, zwölf an der Zahl, bie
Confeſſion des h. Petrus; eine derfeiben zerbrach beim
Hinwegnehmen. Die gewöhnliche Meinung der Auto⸗
ren, welche von der Peterskirche geſchrieben haben,
if, daR Eonftantinus fie zu jenem Zweke aus Grie
henland kommen laſſen; aber ich glaube, daß es dieſel⸗
ben Säulen, gerade zwölf an Zahl, find, von deren
ſechſen Anaftafius (1. c.) fast, daß Pabl Greg"
rius III. weicher im Jahre 731 den päbſtlichen Stuhl
beftieg, und fie von dem Erarden Eutychius erhielt,
an jenen Drt gefielet Habe, und fechd waren fchon da⸗
ſelbſt. Sie find fpiralförmig gewunden, wie jene von
Metall, welche Bernint an ihre Gtelle geſezt Hat,
der alſo dadurch Feine fo ausſchweifende und felt
fame Neuerung eingeführt bat, wie viele, der Gefchichte
untundig , behaupten. Gen.
3) Diefe ift von oben bis unten mit einfachen ſpiralformig
sewundenen Reifen verichn. Bea.
\ Zweites Kapitel, 447
Säulen zu Balmyra, 1) und an zwo Säulen von
Borphyr an dem Altare in der Capella Baolina im
Vaticano; 2) es fliehen an denfelben, fo daß fie bis
nabe am den oberfien Bund der Säulen reichen,
zwo Feine Figuren römifcher Kaifer in ihrer Rü⸗
fung von den Nachfolgern des Gallienus, wel-
che die gewöhnliche Kugel in der Hand tragen, und
fi einander umfaflet haben. Die Höhe diefer Figu⸗
ven ift zween und ein halber Balm, und der Kopf
derfelben allein bat fieben Bolle, daß alſo derfelbe
das Viertheil der Figur wäre, woraus man von dem
Style derfelbden fchließen fan. Dan arbeitete fer-
ner gang hervorfichende Bruftbilder aus einem Stüfe
mit dem Schafte der Säulen, wie an zwo Säulen
aus eben dem Steine in dem Palaſte Altemps 8) in
Kom zu fehen if, und die Arbeit derfelben ift jenen
Figuren ähnlih. Es finden fich auch dreiefichte freie
fiebende Pilaſter, melche gereift find, in dem
Garten des Marchefe Beloni za Kom. Und da
alles mögliche ausgefünflelt war, geriethb man auch
auf Säulen aus einem Stüfe mit dem Kapitäle:
ſzwo von folchen Säulen aus dem bärteflen orienta-
liſchen Serpentin fieben in dem Balafie Giuſſti⸗
siani.®
3) Wood, Ruins. pl. ı4. 28. -
2) Sind fpäterhin in's Mufeum YiosClementinum
gekommen. Zen.
3) Sind izo nicht mehr daſelbſt. Sea.
4) Die Abbildung derfelben bei Pirane ſi. (Magnif. de
Rom. tav. 18. fig. A.) Gen.
6) In dem von Windelman eigenhändig mit Ande⸗
rungen und Zufäzen zum Behuf einer neuen
Ausgabe verfehenen Eremplarediefer Anmerfun
sen, welches wir vor und Haben, find die Hier zwi⸗
Shen den Klammern befindlihen Worts
durchgeſtrichen. Fernow.
Ads Baukunſt der Alten.
5.7. Die dioeletianiſchen Bäder, welche
vor zweihundert Jahren, da die Baukunſt eine andere
Geftalt befam, noch größtentheils fanden, waren
Damals die vornehmſte Schule der Baumeiſter in der
Bierlichfeit : Manfichet zwei Stüfe aus denfelben von
Chambray vorgeflellet.1) Nach den Nifchen mis”
ihren Säulen auf beiden Seiten, und der Corniſche
oben darauf, machte San Gallo der Altere zu-
erft ähnliche Verzierungen der Fenfler an dem Pa⸗
laſte Farnefe. Die unterbrochene Corniſche über
hohe Bogen an den Bädern veranlaflete, daß Mi⸗
chael Angelo ebenfalls von ber Hegel abging,
und auf eben die Art an dem großem Fenſter über
dem Eingange des Campidoglis die Bornifche unter:
beach, und über diefe hinaus das Fenſter durch ei-
nen Bogen führete.?) Säulen, welche tein Gebälk,
fondern einen Bogen tragen, durch welche ſie ver-
bunden find, wurden von den neueren Baumeiſtern
auch von jenem Gebäude, wo fih allein nur ber
gleichen Säulengänge fanden, genommen. Das halb
runde Bortal an der Kirche alla Bace, an der Kirche
des Novitiats der Sefuiten zu Nom, und an ber
Kirche zu Ariceta, fand Bernini in den Kupfern
befageter Bäder: und man köñte viel mehr Nachab⸗
mungen, die dorther genommen find, anführen.
8.5. Die Bieraten insbefondere betrachtet,
find theils aufferhalb , theils innerhalb der Gebäude.
Aufferbalb find dieienigen zu bemerfen, die ih an
Tempein und öffentlichen Gebäuden fanden, und
noch finden; und bier fangen wir an von dem
Dache.
$.9. Es wurden ſchon in den alteſten Zeiten,
1) L. c. chap. 16 et 29.
2).&0 ſieht man fie auch in den Tempeln su Balbek.
(Wood, Ruins of Balbec, pl. 6.) Sen.
Zweites Kapitel, 449
auch im Nom, oben auf dem Gipfel der Tempel,
Statuen gefeget, und Tarquinius Prifeus
ließ einen Wagen mit vier Bferden, von gebranter
Erde gemachet, auf die Höhe des Tempels des olym⸗
pifchen Supiters zu Nom fegen,!) an deren Stelle
wurden nachher goldene, oder vielleicht nur ver«
goldete gefezet. > Auf der Spize des Gipfels an dem
Tempel des olympifhen Jupiters gm Elis fand
eine vergoldete Bictoria,?) und an beiden Seiten,
das iſt auf den Akroteriis auf jeder Seite, eine
" z) Plin.1.35. c. r2. sect. 45.
2) Liv. 1. 29. c. 23. n. 38. .
Li vius fpricht von goldenen Quadrigen, und fagt
nicht , daß fie ar die Stelle derer vongebraitem Thon
gefezt worden , fondern blos, daß man fie auf dem Capitolivx
aufgeftellt Habe. Es fcheint, daß im Jahre Roms 457,
demſelben, wo die Wölfin von ‘Bronze verfertigt wurde,
an die Stelle derer von gebrafitem Thom andere, viel
leicht gleichfattd von Bronze, verfertist worden. Die
worte des Livius (Il. 120. ec. 16. n. 23.) lauten:
Eodem anno Cn. et Q. Ogulnii wdiles curules. aliquot
foeneratoribus dien!dixerunt; quorum bonis mulctatis,
ex eo, quod in publicum redactum est, aenea in Capi-
tolio limina, et trium mensarum argentea vasa in cella
Jovis, Jovemque in culmine cum quadrigis, et ad ficum
Ruminalenr simulacra infantiunı conditorum urbis sub
uberibus lune, posuerunt. cd glaube nicht, ver
then au können, dag Livius hier den. Giebel ber
innern Capelle oder edicula. und nicht den des
Tempels felbft, meine; deñ anderäwo (1.15. c. 3a.
n. 41.) ſchreibt er in: deutlichen, von diefen verfchiede:
nen Ausdrüken, daß auf den Gipfel der adicula ver
goöldete Auadrigen gefest worden. : de mulcta dam-
natorum quadrig® inauratæ ia Capitolio positz, in cella
Joyis supra fastiguum adicule, et. duodecim clipea inau-
rata. Gen
3) Pausan. 1.5. c. 10. [S. 2.]°
49, *
an} Zusleni Ver Alten.
weßBez Eıie Makrerhbins net von einen
Zempel des Ezıurzus: ui aien Gürtel Mecr
qistze "Trirencz Üsuten- mehhe ın Muicheln blie⸗
u’ Zw In Ierterues des Burfchs an dem Tem⸗
gel des Zurırers auf dem Caritolis Handen Fic-
gute Eısıarica.-)
$ 235 Die fripg zulauiende Corniſche des Gi⸗
yicds murhe oben mit Heinen Sieraten beſezet, wel⸗
i mit einer Art von Blumen und Blättern,
wis e⸗ Gh anf einigen erhobenen Arbeiten findet,
“jung War vielmals von gebrater Er-
—* war der sid vergoldet. *)
6.11. Un dem Gipfel ſelbſt waren auch ſchon
in den ericn Seiten von Rom erhobene Arbeiten,
chenfalls von gebrañter Erde.>) An griechifchen
Tempeln und öffentlichen Gchäuden waren Werke
reich von Figuren: am dem angeführten Tempel
des Zupiters zu Elis war der Wettlauf der Bferde
des Belons und des Dnomaus.6) An dem Tem
vel der Ballas zu Athen war an dem vorderen
Gipfel die Geburt der Göttinen, und an dem hin⸗
teren Gipfel der Streit derfelben mit dem Neptu-
Rus, vorgefiehet. 7) An dem Gipfel des Schazes ber
Stadt Megara, gu Elis, war ber Streit der Goͤt⸗
ı) Satumal. 1.1. c. 8.
a) Rycy. de Capitol. c. 15. p- 191-
8) Num. 44.
# Smetiun Inser. fol. & n. 7.
6) Plin. I, 38. o. ı2. sect, 43 et 46. 1. 36. c. 2. sect. 2.
6) Pawan 1.85. c. 10.
Vıalaı.c ax IS 5.)
Zweites Kapitel. 454
ter wider die Giganten zu fehen, und auf der
Spize deflelben fand ein Schild.1) Die größten
Künftler zeigeten fich in diefer Art Arbeit, und Bra-
titeles arbeitete an den Gipfeln eines Tempels
des Herkules zu Theben deffen zwölf Thaten. 2)
Diefes bat weder der Iateinifche noch der franzöſi⸗
fche Überfeger des Pauſanias verfianden: den fie
haben fich vorgeſtellet, es fet diefe erhobene Arbeit
an einer Cupola geweſen, welche fie fih auf dieſem
Tempel einbilden. Pauſanias faget gleichwohl
mit deutlichen Worten ev ros xeros, an den Gi⸗
pfeln. 2) Auf einem Tempel zu Athen, vieleicht
ı) Id. 1. 6. c. 19. [$. 9.)
2) Id. 1.9. c. 11. [$. 4.)
3) Diefelbe Kritik wiederholt Winckelmau in der Kunſſt⸗
geſchichte (IB. 2 8. 15 $.), indem er fast, daß
jene Überſezer asrıs für Gewölbe verftanden, wo⸗
gegen ich bemerkt habe, daß fie unter laqueare eine flas
he Deke verftehen, wie meiftend die vierefigen Tempel
Hatten. Gewiß if ed, daß jene llberfeser die wahre
architektonische Bedeutung jenes Wortes nicht verſtanden
haben, da fie ed bald auf die eine, bald auf die am
dere Weife mit unangemeflenen Umfchreibungen übertrus
gen, aber eben fo wahr iſt ed audı, dab Winckelmañ,
indem er fie Eritifiven wollen, gleichfalls in zwei. offen
bare Irrtümer verfallen ifl. Der erfte ift, das Wort
asrıc durch Gipfel fchlechtweg zu überſezen. Gipfel,
fastigium, frontispizio , if} die oberfie Zierde der Vor⸗
derfeite ded Tempeld von den Säulen aufwärtd, ‚welche
einen Triangel bildet; asrıs aber ift dad Giebelfeld⸗
oder der dreiwintelihte Raum innerhalh des
®iebeld, iympanum quod est in fastigio, ſchreibt U is
truvius (I. 3. c. 3.), fo genafit vondem Ad ler, griechifch
astıs, welcher darin gebildet wurde, wie ſchon oben
©, 411. gefagt worden. Was Pauſaniasunter Tym⸗
panum verfteht, iſt hucch fich ſelbſt deutlich, indem em
von Basreliefs, und war in Grupen, handelt, welche
in Seinem anderen Theile der Meorberfeite z weder oben
453 Baukunſt der Alten.
dem Katier und Bollur gewidmel, waren Ge⸗
fäße gefeget, welche auf die Ringerſpiele dente
ten : 1) den die aͤlteſten Breife derfelben waren in
noch umten, ſtehen fonten; auch ſehen wir es beftätigt
durch fe viele überbleibſel alter Tempel in Griechenland
bei Le Ron, Etuart u. a. in deren Giebelfelde ſich
erhobene Arbeiten befinden.
Bad den andern Irrtum betrift, au behaupten, daß
die Worte er Tus asrııs von einem Gipfel, oder nach
unferer Erklärung von einem Giebelfelde, verftans
den werben, obwohl fie eine Mehrzahl austrüfen, fo
hat Windelmani nicht daranf geachtet, dab Pauſa⸗
nias in jenen beiden Stellen, (l.ı. c. 24. [$. 5.]
1. 5. c. 10. [$.2.] von zweien Tempeln redet,
deren jeder zwei Siebert und swei Giebelfelder
Hatte, einen auf der Vorberfeite, den andern auf der
Hinterfeite, wie man an den Tempyeln von Päfum ge
fehen. Nachdem er alfo gefast, daß erhobene Bildwerke ſich
in beiden Giebelfeldern, er Tess asrııc, befanden, fährt
er fort, die su beſchreiben, welche fich in dem Giebelfelde
der Worderfeite, surgeoder, und dañ die, welche fi
in dem hinteren Giebelfelde, crır$eır , befanden. Derfel
ben Ausdrüke bedienet ſich auch der Scholiaft des Pin
darus (Olymp. XIII.), um die nämtichen Theile anzudeu⸗
ten, indem er fie von einander unterfcheidet. Chen fo mü⸗
Gen wir auch daB ev wos arrın, (l. 10. c. 19. $.3.)
verſtehen, wo Pau ſanias von bem Tempel bed Apol⸗
to zu Delphi redet. Sen.
Valkenaer rührt Schriftiielfer an, welche die Un
face angeben, warum bie Giebel fo genañt Worben.
(Diatribe Eurip. c. 20. Böttigers Amalthea I.
68 ic.) Siebelis.
2) Callim. fragm. ı22. t. 2. p. 366.
Ich habe das angeführte Fragment des Kallima⸗
chus in der Geſchichte der Kunſt (3B. 4K.
31 — 32. 6.) mitgetheilt, und wahrſcheinlich gemacht,
daß jene Gefäße aus gebrnfiter Erde gebildet geweſen,
weil ſolche Vaſen den Athleten als Kampfpreiſe gegeben
wurden. Sie konnen aber auch von Bronze geweſen
Zweites Kapitel, er
Athen Gefäße mit Ol, ) welches von den heiligen
Dlbäumen auf der Afropolis gemachet war, wie man
diefe Gefäße als ein Bild der Spiele auf Münzen
und gefchnittenen Steinen fiehbet, mo Ninger vorge
fielet find. 2)
$. 12. Die Kapitäler dee Säulen wurden auf
mancherlei Weife gezieret, aber die Neuerungen in
diefer Art find niemals allgemein angenommen und
zur Negel geworden. Ptolemäus Bhilopyator
ließ in dem prächtigen Aufzuge, welchen Athe
näus befchreibet ,) einen Eßſaal aufführen, auf
deffien Säulen die Kapitäler aus ofen, aus Lotus
und aus anderen Blumen sufammengefezet waren.
An dem Tempel auf dem Foro des Nerva fprang
an allen vier Efen des Kapitäls ein Pegaſus
heraus. 4) Der Graf Fede hat bei feinem Land»
baufe in der Villa Hadrianibei Tivoli zwei Kapttä⸗
fer mit Delphinen, welche vermutblich in dem
fein, wie man aus denen von vergoldeter Bronze fchlies
Gen dürfte, deren beins Tempel ded olympiſchen Ju⸗
piters erwähnt wivd, welche nach meiner Meinung
daſelbſt als fumbolifhe Andeutung der Spiele flanden,
die dort gefeiert wurden. Sea.
[Man vergleiche die Note zur angesogenen Stelle. ]
1) (Beſchreib. dv. gefhnitt. Steine 1.5 8. 23 9.)
2) Spanhem. de prest. et usu numism. t. ı. diss. 3. 8.
1. p. 134.
Ajax erhielt, in den sur Leichenfeier ded Patroflus
vom Achilles angeftellten Spielen, ein goldened Ge
füß sum Kampfpreis. (Hygin. fab. 273.) Sea.
[8.0.8 3 B. 4 K. 31 $.)
3) L.5. c. 9.
Er fagt aber, daf die Kapitäle im ägyptifdem Se
ſchmak gebildet waren. Sen,
. 4) Labac. Archit. fig. 15.
z
Baukunſt der Alten,
Tempel des Reptunns befageter Billa geſtanden,
und chen ſolche Kapitäler find in dem Tempel zu
Aocera de Pagani, ohnweit Neapel. Bon folchen
Kapitälern wird Kgürlich gefaget, daß fie Delphinen
auswerfen (delphinos vomere.1) Sn der Kirche zu
S. Lorenzo auffer Rom fichen auf Säulen zwei Ka⸗
pitäler, an beren vier Gen chen fo viele Bicto-
rien fichen, und zwifchen ibnen Trophäen : zwei ähn⸗
liche, aber größere Kapitäler fichen in dem Hofe des
Balahes Maſſimi alle Colonne.?)
5.13. Karyatiden, auch Atlantes 3) und Te
lamones gennüt,*) welche anflatt der Säulen diene
ten, ſiehet man au einem Tempel auf einer Münze, °)
und in Athen tragen weibliche Figuren die Defe ei»
nes offenen Banges, an dem fogenanten Tempel des
Erechtheus.6) Es hat diefelben von allen Reifen-
ı) Salmas. Plin. exercit. in Solin. c. 45. p. 640.
2) Piraneſi (della Magnif. de’ Rom. tav. 7. etc
Hat viele Kapitäle von verſchiedener Form und nit mans
cherlei Siguren von Menfchen, Thiern, Blumen und
"den ſelt ſamſten Verzierungen gefammelt, Gen.
.3) Athen. 1.5. c. ı1. n. 42 j
4) Vitrur. 1.6. c. 10.
5) Havercamp. Nunuism. Reg. Christ. tab. 19.— Efchen
j burg, in feinem Zuſaze zu Lefiings Bemerkungen
„ Über bie Karyatiden, (Leffingd ſämtl. Schrif
ten, 10 Te. 370 u. f. S.) zweifelt, daß die vier hermeti⸗
(hen Säulen eined? Mercuriustempeld auf einer
Münze des Kaiferd Marcus Aurelius in der Sams
Jung der Köntsin Chrifina, welde Winckelmañ
in obiger Stelle nachweifet, Karyatiden feien, we
nisftend erhelle e8 nicht aus ber ziemlich unbeſtimten Ab⸗
bildung. Havercamp niit fie in feiner Erklärung
für die vier Atlanten. Fernow.
6) Pococke’s Descript. of the East. t. 2. part. 2. pl. 68.
p. 163.— Loc Roy, Ruines des plus beauz nıonum. de la
Zweites Kapitel: 453
den niemand mit demienigen Verfländniffe betrach-
tet, daß wir hätten belehret werden fünnen, von
was für Seit diefelben find; Pauſanias meldet
nichts von denfelben. Die angeführete mänliche Ka⸗
ryatide!) indem farnefifchen Palaſte iſt, wieman
vorgibt, beim Bantheon gefunden worden, und es
ift glaublich, daß es eine von denienigen fei, wel
che vom Diogenes aus Athen gearbeitet waren,
und über dem unteren Säulengange in dem Tem-
pel fanden, das ift, welche anflatt der zweiten
Drdnung Säulen mwaren.2) Die tjige Cornifche
auf ben unteren Säulen bat zwar nicht denienigen
Vorſprung, welcher zur Baſe folcher Figuren, wie
die gegenwärtige iſt, hätte dienen Tünnen: man
muß aber bedenfen, daß diefer Tempel zweimal im
Feuer gelitten, und wiederum von Marco Aure⸗
Crice, t. ı. pl. 5 et 32. Stuart, Antiq. of Athens.
vol. 2. chap. 2. pl. 16— 20. Eigentlich befinden fich
diefe ſechs Rarnatiden an dem Pandrofeum, eis
ner offenen Halle am Erehtheustempel in Athen,
deren Gebälk von ihnen geragen wird; vier derfelben fies
ben in der Sronte und eine auf ieder Seite. Sernow,
4) Leffins (fämtl. Schriften, 10 Th. 3676.) wuns
dert fih , daß Windfelman von mäßlichen Karya⸗
giden fpricht. Aber wir haben fchon gefehen; dak er die
figurirten Säulen, ohne Unterfchieb des Geſchlechts,
Karyatiden, Atlanted und Telamones neilt, obs
wohl nach der Erflärung, welche Vitruvius gleich im
Anfange feined Werks von der Entfiehung des Karyati⸗
den gibt, fie mag nun wahr oder fabelhart fein, der Name
Karvyatiden eigentlih nur weiblihen ſtüzenden
Figuren ertheilt werden ſollte Sernow.
[Man vergleihe ©. d. 8. 11%. 2 8. 10 $.)
2) Dieſer Trone einer Karyatide, oder eined Telamo⸗
nen, wurde wenige SIahre, nachdem Windelmaf
Obiges geſchrieben, nach Neapel gebracht. Gen.
„” 456 Baukunſt der Aiten.
w lio und Septimio Severo ausgebauet worden;
es muß alfo inwendig eine große Veränderung vors
gegangen fein. Es werden unter anderen die füge»
nanten fyracufifchen SKapitäler von Grjte, oder
vielmehr von ſyracuſiſchem Erzte,1) welches eine
befondere Art von zufammengefegetem Metalle muß ge⸗
weien fein, im Feuer vernichtet fein. Der Tempel
der Veſta war mit foracufifhem Erste gebefet. ?)
Die attifche Ordnung über den unteren Säulen,
welche ein Werk von wenig vorfpringenden Pilaſtern
war,3) und vor zwei Sahren barbarifcher Weife weg»
genommen ifl, war augenfcheinlich der Größe diefes
Tempels nicht gemäß:. an der Stelle deflelben müs
Ben die Karyatiden chemals geilanden haben. Es
trift wenigfiens die Maß derfarnefifchen Figurmit
der Höhe der attifhen Ordnung überein, welde an
neungehn Balmen bat. Diefe halbe Figur hat etwa
acht Palmen, und der Korb auf dem Kopfe dritte
halb.“) Was einige Scribenten>) bisher für dew
ı) Plin. 1. 34. c. 3. sect. 7.
2) Id. 1. e.
3) Conf. Stuekely’s Account of a Roman Temple ; the
philosoph. Transact. an 1720. Decenb. ea.
4) Da das Pantheon von den genaitem Kalfern wieder
hergeſtellt und folsiih nah Wincelmafid Angabe
die Karyatiden Hinwesgenommen worten, um die
attiſche Ordnung an ihre Stelle zu ſezen: wie können
wir uns einbilden, daß bie Karyatide, von der die
Mede iſt, anf dieſe Weife zerbrochen daſelbſt geblieben
ſei? Zen.
5) Demontosii Gallus Roms» hospes, p.'ı2. Nardin.
Rom. ant. 1.6. c. 4.-p. 296.
Demontiofins, oder Mont-Jo ſien, denkt fich die
Karytiden an dem Sußaefinfe (stylobates) der Säulen
2. bed chedem feiner Meinung nach tieferen und sum Theil vers
ſchütteten Tempelgebäudes. Nardini füͤhrt die Meinung
Zweites Kapitel, —
gleichen Faryatiden angeſehen haben, zeuget von
ihrer großen Unwiſſenheit. Eine beſondere Art von
Karyatiden war in dem Grabmale der Freigelaſſe⸗
nen des Sertus Pompejus, mo ſtehende mäñ—⸗
liche nakte Figuren auf dem Kopfe ein Kapitäl tru⸗
gen, und mit beiden Händen eine ſtehende Säule
hielten, welche aber nichts zu tragen Hatte. 1)
614 An dem Gebälfe auf den Säulen waren
die Zieraten nach Erforderniß der Ordnungen ver-
fchieden. Sch habe oben aus einer Stelle des Eu-
ripides eine Muthmaßung angebracht von dem of-
fenen Raume ziwifchen den Triglyphen, an den do⸗
rifchen Tempeln der erften Zeit. Da diefe Bläze,
die Metopen, nachher zugedefet wurden, gedachte
man auf ihre Auszierung. Hierzu gaben die Schil-
der Gelegenheit, twelche an der Friefe des Gebälkes
und, wie wahrfcheinlich iſt, an die Metopen aufge
bänget murden.2) An dem Tempel des Apollo zu
des Mont:Xoftien nur an, ohne ihr im Ganzen beizu⸗
flimmen. Er glaubt, der mittlere Theildes Panthe—
.on8 habe vieleicht eine den Göttern der Unterwelt gewids
mete Vertiefung gehabt, und hier Hätten fich vieleicht,
an der fie umgebenden Mauer oder Säulenreihe, die
Karyatiden befinden Finnen. Aloys Hirt (Osser-
vazioni istorico - architettoniche soprä il Panteon. Roma,
1791.4.) [überfest im 1 Bad de Mufeums der Al,
tertumsmwiffenfhaftvon Wolfund Buttma)
zeigt mit ‚vieler Wahrſcheinlichkeit, daß die Karyatiden
anf den Säulen geftanden haben, wie ihm der Aus⸗
druk in columnis anzudeuten fcheint. Fernow.
3) Montfaue. Antig. expl. t. 5. pl. 16. p. 54. Der ge
naueren Unterfcheidung gemäß würden bieie Kar yati⸗
den gleichfalls su den Atlanten oder perfifhen
Bildfäulen au rechnen. fein, Fernow.
2) Ich glaube, daB der. Urfprung diefer Verzierung einfas
her und. älter ſei. Ohne Zweifel entitand er aus dem
Gebrauche, an der Thüre ded Haufes oder an einem am
Winckelmañ. 2. 20
458 Baukuni der Alten.
Delvbos Bingen daielbit goldene Edhilder, aus ber
vergihen Beute bei Maratton verrertiget, 1) und
kern erentlih Hchrbaren Drte beirelben, irgend ein Zei;
den der tarreen Griesächaten des Eigentümers als
Troobaen und Ebrendenkmal aufsujäangen. Anfangs bes.
Kanten dieſelben wahricheinlih in Aöpren, Hauten, Hör⸗
nern oder andern Theilen wilder Thiere, die auf der
Jagd erlege warn. Gin Gebrauch, den alle alten
Aussren beilätigen, teren Epanheim mehrere im
den Noten zum Sallimadusd (Hymn. in Dian. vr.
10; Pp- 205.), Cafaubonus in den Noten zum
Etrabe (1.6. p. 302.), Weifelins um Diodor
von Eicitien (L 4. e. 22.) und Sagittarius
(de jan. veter. c. 29.) angeführt haben. In der
Folge Hing man auch wohl bie erbeutete Rüſtung des
Geindes dajelbft auf, deren wichtigste Etuf der Schild
wur, den ber Eoldat Höher als feine übrige Wehr ach⸗
ten mußte , wie Maſſien (dissert. sur les boucl. vo-
üfs. Acad. des Inscript. t. ı. mem. p. 177.) und
ausrührlicher der florentiniiche iiberiezer der Charaktere
des Theoobraſtus (t. 4. c. 25. n.6. p. 228.)
bemerkt Hat. Diodor und Etrabo in den angerühr;
ten Etellen berichten „ dag die alten Gallier oder Kelten
an tie Thüre ihres Hauſes die Köpfe ihrer erlegren
Seinde zu Herten vflesten. Auch die, welche gern mit
Kleinigkeiten pransten, pflesten, wie Theophraſtus
(c. 21.) ersäblt, wei fie einen Ochſen geopfert hatten,
in ihrem Haufe, dem Gingange gegenüber , die Haut
des Kopfes, mit großen Kränzen umhängt, ansuheften.
Kacher wird man, flatt der Privathäufer, die Tempel
als ofrentlihe Örter gewählt haben, um jene Trophäen
zur Schau zu fielfen, und dadurch zugleich su bezeugen,
das man den Göttern den Sieg zuſchreibe; und als Zei,
chen der Opfer, die daſelbſt gebracht wurden, wird man
die Häupter oder bie Häute ber geopferten Rinder daſelbſt
angeheftet haben. Waũñ dergleichen Dinge in den Metos
ven angeherftet worden, ift nicht wohl ansudeben. Ich
finde feine andere Autorität, die darüber Licht Heben
köñte, ald den Euripides, weicher in ben Batchanı
1) Pausan. l. ı0. c. ıg [$.3J
Zweites Kapitel. 489
diesenigen, welche der römifche Conſul 2. Mum⸗
minus an der Friefe des dorifchen Tempels des Ju⸗
ten (v. 1210.) ſchreibt, daß Agave, die Königin
von Theben, ihren Sohn Pentheus rief, um ihm zu
fagen, daß er an den Triglyphen ihre Hauſes,
oder vielmehr ded Pa laſtes ihres Gemahls Kadmus,
den Kopf eines Löwen hefte, den fie mit eigenen Händen
auf der Jagd erlegt hatte; aber es war ihr eigener
Sohn Penthens feldit, den fte in ihrem Zuftande der
Wuth getödet Hatte:
Tler$eus =’ aus van mu sw; alpeodo Aufor
Tlrtxroy mpıs om zAsmaray wpocaußzesıs
"Ns mascsarsvon apata TpIyAUgos Tode
Auıyros, cv magumı Inpasac' ey.
Et ubi est meus filius Pentheus’? surgat corripiens
Ex zdibus compactarum scalarum gradus,
Ut clavis affigat triglyphis caput hoc
Leonis, quem in venatione captum huc ego fero.
MWahrfcheinlich verfieht Euripides Hier unter Triglv⸗
phen die Balkenköpfe, welhe mit dem Gries
correipondiren, und von dem Tateinifchen üÜberſezer abge⸗
ſchmakter Weife durch sculpta laquearia gegeben worden.
Da das Hauß oder der Palaf der Agave vermuthlich,
dem Gebrauche der ältern Griechen gemäß, von Hol ge
wefen, fo werden diefe dad Dach tragenden Balken,
deren Enden hervorfianden, und su denen man auf ei:
ner Leiter hinanfteigen koñte, gerchikt gewefen fein, etwas
daran zu heften , wo es ihrer Höhe wegen vor Räubern
und Beſchädigungen gefichert war. Als fpäterhin die
formliche und regelmäßige Architektur eingeführt wurde,
ws man auch mit Steinen bauete, fo ſchloß man die
Zwifchenräume des Sriefed, welche früher wenigſtens
in den Tempeln ofen flanden, wie aus Euripides
(Iphig in Taur. v. 113.), den Bindelman ſchon 'vor⸗
Hin angeführt Hat, und bier auf's neue anführt, erhellet,
zwifchen dei Balken, sder den Steinen, welche die Bal⸗
en vorfiellten; und an den Metopen, welche jene Hf:
460 Baufunft der Alten.
piters zu Elis aufhängen ließ, waren vergoldet. 1)
Die Waffen des Boeten Alcäus, welche er in der
Flucht zurüflich, und die von den Atbenienfern
an dem Tempel der Ballas auf dem Sigäo aufge
bänget wurden, ?) fanden vermuthlich an eben dem
Orte des Gebälfes. An dem eriien von beiden Dr-
ten des Pauſanias haben der Inteinifche und ande-
refliberfeger das Kapitäl anſtatt dee Gebalkes oder
der Friefe defielben genommen, wider die Bedeutung
des Worts : deñ erısuror heiffet eigentlich ein Stüf
des Gebälfes, welches von einer Säule bis auf die
andere reichet, 3) wird aber bier, wie anderwärg,
entweder für das ganze Gebälke, oder insbefondere
für die Frieſe genommen. 4) An: dem Tempel
zu Slis wird die Friefe durch Umfchreibung genennet
A vr ray wiovwr werıdenen Furn, das iſt: der Gür-
nungen fchloßen, wird man, um mit einigem SZierat
ihr leeres Feld, das breiter ald Hoch war, zu unterbres
hen, diefelden Trophäen oder Zeichen anacheftet haben,
weiche man früher an de Balfenköpfe hertete, an denen
man nachher, wo fie faft bis zu gleicher Höhe mit den
andern Theilen abgefägt worden, zur Zierde die Rinnen
mit den Tropfen darunter anbracdhte, um den Ablauf
des Regenwafterd, welche® von dem SKransleiften daran
berablief, nachzuahmen. Sen.
ı) Pausan. l. 5. c. 10. [$. 2.]
2) Herodot. 1.5, c. 95.
3) Vitruv. 1. 4. c. 3.
4) Id. I. ı. «2.1.3. c.ı. l.ıo. c.6.
Witruvins, wie auh Galiani (p. 18. n.2. p.
100. n. 1. p- 398. n. ı.) bemerkt Hat, verficht unter
wisursr bad ganze Geſims; aber anderswo (1. 6.
ec. 5.) nit er eb für Architra v, welde Bedeutung
ed gewöhnlich Hat. Ich weiß nicht, wer ed in der Bes
deutung don Gries gebraucht haben mag; in den von
Winckelmaũ angeführten Stellen des Paufanias
Pan man es wicht davon verfiehen. Gen.
Zweites Kapitel, 461
tel oder die Binde, melche über die Säulen um
Das Gebäude herumläuft.1) An einem anden Drs
te, mo eben der Scribent von der Arbeit an der
Frieſe des Tempels der Kuno bei Mycenä redet, 2)
faget er: „dasjenige, was über die Säulen erhaben
„gearbeitet iſt,“ omona vum Tas iovas cry Euyac-
mevo. Bei Anderen heiflet die Frieſe ——— 9 der
italiäniſche überſezer des Plutarchus, Dominichi,
hat an dem Orte, wo jener von dem Tempel redet,
welchen Perikles zu Eleuſis bauen laſſen, das
Wort erisunov ebenfalls vom Kapitäle verfianden.?)
ı) Pausan. 1. c.
2) Id. I. 2. c. ı7. [$.3.]
3) Athen. 1.5. c. 9. n. 38.
4) Dominichi, le Vite di Plutarco, in Pericle, part. ı.
p- 238. G. Plutarch [c. ı2.] verfieht ohne Zweifel
unter srisvrsı den Architrav, indem er hinzufügt,
daß Metagenes über denfelben dad duulwua, oder wie
Eonftantini in feinem Lerifon lieſt, Nalaona, d,
i. den Sries, feste, deñ fo wurde vieleicht ausfchlies
Bend der Sried der jonifhen und Forinthifhen
Ordnung genafit, welcher, da-er keine Triglyphen und
Metopen hatte, einer Binde glih, die bei den Gries
chen Lam und Ialaoua hieß, und daher wird pahrſchein⸗
lich das vom Plutarchus erwähnte Gebäude von einer
diefer beiden Ordniungen gewefen fein. Der Srieß der
dorifchen Ordnung hieß bei den Griechen mprpAupos,
Dreiſchliz. Wenigſtens net Euripides ihn To
(Orest. v. 1372.) und gibt bem Sried diefer Ordnung
den Beinamen doriſch; und Ariftoteles, (Ethic. ad
Nicom. 1. 10. c.3.) wo er. dad Bafament und den-
Triglyph als zwei verfchiedene Theile des Tempels net:
Ü de ans anpnmidıs nas TE TeNyrUpS ourdeohs arırm. CB
wird auch nachher noch, als fhon die Metopen hinzu
gefommen waren, Triglyph genait worden fein, wei
man glauben will, daß jene Schriftſteller fih des übli⸗
chen Kunſtausdruks betient haben; befl diefen Namen bat
4
462 Baukunſt der Alten.
Unterdeſſen waren Schilder auch an den Säulen des
Tempels des Supiters zu Nom aufgehänger. 1)
6. 15. Diefe wirklichen Schilder gaben Gele
genheit, daß nachher Schilder von erbobener Arbeit
in die Metopen gefezget wurden, und Ddiefe Auszie-
rung iff auch von den neueren Baumeiſtern in der
dorifhen Ordnung beliebet worden, wie man dies
felben nebfl anderen Krieges⸗ und Gtegeszeichen an
verfchiedenen Paläflen in Rom angebracht fichet.
Es wurden aber auch Schilder an dem Gipfel der
Tempel aufgehänget, wie an bem Zempel des capi⸗
tofinifchen Zupiters.2)
8.16, An der Friefe des dorifchen Tempels ber
Ballas zu Athen find auf den Metopen Gefechte mit
Thieren vorgeftelet, I) und an dem Tempel dee
Theſeus daſelbſt die Thaten diefes Helden?) Dis
truvius fchlägt Donnerkeile vor. 5) Die korin
thifchen Friefe wurden mit. Köpfen von Gtieren
oder Widdern ausgegieret, wie der Tempel zu Me
laſſo in Karien;6) oder es wurden Opfergeräthe
angebracht, wie an der Frieſe auf den drei Säulen
unten am Sampidogliv. D An der Friefe des Tem-
er wohl von Anfang an, wo er noch aus den bloßen
Balkenkoͤpfen beſtand, geführt. Fea.
1) Liv. 1.40. c. 28. n.5ı.
2) Id. 1.35. c. ı0. n. 10. ‚
3) Pococke, t. 2. part. 2. pl. 67. p- 162.
- 4) Id. ibid. pl. 69. p. 169.
5) Bitruvius (1.4. c.3.) fast, man folle fie auf der
untern Stähe des Kranzleiſten in den Zwi—⸗
fehenräumen anbringen, welche fi swifchen den Gaffen,
vie, und den Tropfen befinden. Gen.
6) Pococke 1. c.pl. 55. p. 61.
7) Diefe Dpfergerätge find daſelbſt und auch ein ochſen⸗
ſchädel. Fea.
Zweites Kapitel, 463
pels Kaiſers Antoninus und der Fauſtina find
Greife, welche Leuchter halten.!) Eben diefe Zieraten
hat die Briefe. eines Fleinen zierlichen Tempels oder
Gapelle, 2) eine Stunde von Siena, gegen. Florenz
zu, und zwar von gebrahter Erde, fo wie die ko—
rinthifchen Kapitäler der Pilaſter; auf eben die Art,
wie einige alte Grabmäler um Rom. Ron derglei-
chen riefen wurden um Oſtern diefes 1761 Yahres
fehs Stüfe zu Nom entdefet, von zween Palmen
hoch, welche mit bleiernen Nägeln auf die Mauer
befefliget waren; einer von diefen Nägeln hat mehr
als einen halben Palm in der Länge. Die erhobe-
ne Arbeit auf diefen Stüfen ift fchön gezeichnet und
ausgeführet. Auf einem derfelben ſtehet Bakchus
und eine tanzende Bakchante, welche die Cymbeln
ſchläget, und zwiſchen ihnen ein junger Satyr, wel⸗
cher eine laͤngliche und ſpizig zulaufende Aſchenurne
mit zwo Handhaben auf der Schulter träget; mit
der andern Hand hält er eine umgefehrte brennende
Fakel. Es iſt diefes Bild eine AYufmunterung zum-
Genufle des Lebens, und eine Erinnerung zur Fröh⸗
lichkeit, ehe die Fakel des Lebens auslöfcher, und
i) Desgodetz, p. 48, 49, 60.
2) Ich will über dad Altertum dieſes Gehäubes nicht ent
fheiden ; ein fo völlig erhaltenes Werk von der Rs
mer Zeit an diefem Orte fcheint mir bedenklich, da fich
in Tofcana von alten Gebäuden nichts Ganzes erhalten
hat. Dei dad Battifterio in Florenz, welches bie
Siorentiner fir einen Tenipel des Mars halten, ſcheint
nur denjenigen aus dem Altertume, die dafielbe im...
Vorübergehen kennen lernen. Alle andere Battifteria
find , wie dieſes, achtekicht, wie das zu Kom und au
Nocera de’ Pagani, zwiſchen Neapel und Salerno. Bon
dem Gebäude bei Eiena habe ich, aller angewandten
- Mühe ohnerachtet, Feine weitere Nachricht einziehen
Tonnen, als daß ed im Sahre 1520 in einer angeftelleten
Kirchenvifitation bereits ba gewefen il. Windelman,
462 Baukunſt der Alten.
Unterdeſſen waren Schilder auch an den Säulen des
Tempels des Zupiters zu Rom aufgehänger. 1)
$. 15. Diefe wirklichen Schilder gaben Gele-
genheit, daB nachher Schilder von erbobener Arbeit
in die Metopen gefeget wurden, und diefe Auszie-
rung iſt auch von den neueren Baumeiltern in der
dorifhen Ordnung beliebet worden, wie man die⸗
felben nebſt anderen Krieges- und Siegeszeichen an
verſchiedenen Baläften in Nom angebracht fichet.
Es wurden aber auch Schilder an dem Gipfel der
Tempel aufgehänget, wie an dem Zempel des capis
tolinifchen Supiters.d
8.16. An der Friefe des dorifchen Tempels der
Ballas zu Athen find auf den Metopen Gefechte mit
Thieren vorgeſtellet, 3) und an dem Tempel des
Thefeus daſelbſt die Thaten diefes Helden.d) Vi⸗
truvins fchlägt Donnerfeile vor.5) Die korin⸗
thifchen Friefe wurden mit. Köpfen von Gtieren
oder Widdern ausgezieret , wie der Tempel zu Me
laſſo in Karien 6) oder es wurden Opfergeräthe
angebracht, wie an der Frieſe auf den drei Säulen
unten am Sampidoglio.) An der Frieſe des Tem⸗
er wohl von Anfang an, wo er noch aus ben bloßen
Balkenköpfen beitand , geführt. Gen.
ı) Liv. 1.40. c. 28. n.5ı.
a) Id. 1.35. c. 10. n. ı0. .
3) Pococke, t. 2. part. 2. pl. 67. p. 162,
- 4) Id. ibid. pl. 69. p. 169.
5) Vitruvius (1.4. c.3.) ſagt, man folle fie auf der
untern Fläche des Kranzsleiften in den Zwi—⸗
fchenräumen anbringen, welche fich swifchen den Saffen,
vie, und den Tropfen befinden. Gen.
. 6) Pococke I. c. pl. 55. p. 6ı.
7) Diefe Dpfergerätge find daſelbſt und auch ein Ochſen⸗
hädel, Sen
Zweites Kapitel, 463
pels Kaiſers Antoninus und der Fauſtina find
Greife, welche Leuchter balten.!) Eben diefe Zieraten
hat die Friefe eines Heinen zierlichen Tempels oder
Gapelle,?) eine Stunde von Siena, gegen Florenz
zu, und zwar von gebranter Erde, fo wie die fo-
rinthifchen Kapitäler der Bilafier; auf eben die Art,
wie einige alte Grabmäler um Rom. Bon dergleis
chen Zriefen wurden um Oſtern diefes 1761 Yahres
fehs Stüke zu Nom entdefet, von zween Palmen
hoch, welche mit bleiernen Nägeln auf die Mauer
befefliget waren; einer von diefen Nägeln bat mehr
als einen halben Balm in der Länge. Die erbobe-
ne Arbeit auf diefen Stüken ift fchön gezeichnet und
ausgeführet. Auf einem derfelben ſtehet Bakchus
und eine tanzende Bakchante, welche die Enmbeln
fchläget, und swifchen ihnen ein junger Satyr, wel
cher eine Fängliche und fpizig zulaufende Afchenurne
mit zwo Sandhaben auf der Schulter träget; mit
der andern Hand hält er eine umgefehrte brennende
Fakel. Es ift diefes Bild eine Aufmunterung zum
Genufle des Xebens, und eine Erinnerung zur Fröh⸗
lichkeit, ebe die Tafel des Lebens auslöfchet, und
1) Desgodeta- p· 48, 49; 60.
2) Ich will über das Altertum diefed Gebäubel nicht ent
ſcheiden; ein fo vollig erhaltened Werk von der Rs
mer Zeit an diefem Orte fcheint mir bedenklich, da fich
in Toftana von alten Gebäuden nichts Ganzes erhalten
hat. Deñ dad Battifterio in Florenz, welches bie
Storentiner für einen Tenipel des Mars halten, fcheint
nur denjienisen and dem Altertume, die datielbe im...
Borübergehen fennen Ternen. Alle andere Battifteria
find , wie dieſes, achtekicht, wie dad zu Rom und zu
Nocera de’ Pagani, zwiſchen Neapel und Salerno. Von
dem Gebäude bei Siena habe ich, aller angewandten
.- Mühe ohnerachtet, keine weitere Nachricht einziehen
Tonnen, als daß ed im Sabre 1520 in einer angeftelleten
Kirchenvifitatien bereitd da gewefen il. Winckelmañ.
P4
AG4 | Baukunſt der Alten.
man unfere Afche famlet und beifeget. Auf zwei
andern Stüfen umarmet Silenns einen jungen ge
flügelten Genius des Bakchus, und nähert fich
demfelben, um ihn zu füffen. 1) Von diefem Genius
babe ich in der Befchreibung der ſtoſchiſchen
gefchnittenen Steine gehandelt. D Diele erw
hobenen Werke waren übermalet, wie ſich an eini⸗
gen deutlich zeiget.
8. 17. An der Eornifche des Gebaͤlkes fanden
insgemein Löwenköpfe in einer beflimten Weite, ent-
weder zum Ablaufe des Waflers, oder zur Anden
tung defielben: an dem Gebälfe auf drei Säulen
im Campo Baccino zu Rom bat fich die Eornifche
mit den Köpfen erhalten. I)
„183 Wo an Tempeln oder Gebäuden runde
Dfnungen anflatt der Fenſter maren, wurden Krän-
ze von Bändern oder Blumen umher gefchnizet. 3)
An dem Gipfel des dDonnernden Jupiters auf
dem Capitolio hingen kleine Gloken. 5)
8.19. Der Bogen der Nifchen wurde in Ge⸗
Halt einer Mufchel gezieret, und das Altefle Werk,
1) Cavaceppi (Raccolta di statue, t. 3. tav. 46.) gibt
die Abbildung davon; e3 fiheint vielmehr, daB der Ges
nius den Silenus ſtüze. Fea.
2) [2K1. 15 Abth. 1437 — 1438 7.)
3) Auch an den Ruinen von Palmyra, (Wood, Ruins of
Palm. p.5 — 18.) hat fiefih erhalten, und sum Theil
an dem Tempel ded mäflihen Glüks, jezo © Mas
via Agyptiaca, nahe an der Tiber, (deſſen Abbildung
bei Desgodetz (l.c. p- 42.) und am Giebel ded Ten
pels su Cora, wo fie mehr sur Zierde ald zum Nuzen
dient. Ganz fiehbt man eine Eorniiche mit Löwentöpfen
am Porticud der Kirche S. Lorenzo vor Rom. Sea.
4) Scaliger. Conject. in Varron. de ling. lat. 1.6. p.
109 — 110.
5) Suet. in Aug. c. gt.
%
Zweites Kapitel, 465
woran fich diefes erhalten bat, iſt ein rundes Ge⸗
bäude in Gehalt eines Theaters, ‚welches vermuth-
Fich zum Foro Trajani gehöret hat.!) Dieler Zies
rat finder fich ebenfalls in den Nifchen der Gebände
zu Palmyra,2) und an dem fälfchlich fogenafiten
Tempel des Janus zu Nom.
$. 20, Sn dem Pronaos oder der Halle der
Tempel war die Mauer am Eingange vielmals be-
malet, wie an dem Tempel dee Ballas zu Blatäd,
wo Ulyſſes vorgeſtellet war, wie er die Freier der
Penelope .erlegete. ID Etliche Gebäude wurden
röthlich andere grünlich angeflrichen. 4) .
$. 21. Die Bteraten innerhalb der Gebäude,
als das zweite Stüf biefes Kapitels, würden an
den Tempeln und Baläften vornehmlich zu unter
fuchen fein, wei bie Zeit nicht alles verfiöret hätte:
von dem einzigen Bantheon will ich nicht reden,
meil das Innere deffelben aus vielen Kupfern bes
Font iſt. Der Vorſaal im Haufe, oder dasijenige
Theil, welches beim Eintritt in daſſelbe zuerſt in
41) Gemeinislih die Bäder des Paulus Amilius
genañt. Piramefi gibt davon die Abbildung. (Antich.
Rom. t. ı. tav. 29. fig. ı.) Sen.
2) Wood, Ruins of Palm. pl. 4.6.9. Sen
3) Pausan. 1. 9 c. 4. 15. 1]
Pauſanias heisst von den Gemälden bed Pol
gnotus und dei Onagatas, und fast weder von dem
einen noch von dem afbern, wie Eorrevon (Lettr.
sur la decouv. de Vanc. ville d’Hercul. t. ı. letir.
13. p. 334.) behauptet, daß fie auf bie Mauer gemas
let feten, fo wie e8 auch die des Polygnotus und an
derer Maler nicht waren. Die berühmten Maler der
alten Griechen pflegten auf Holstafeln au malen, und
erft ſehr fpät ward ed Gebrauch, auf deu Wänden der
Hänfer und Tempel zu malen. (Plin. 1. 35. c. 10. scct.
37.) en.
4) Pausan, L ı. c. 28. [$. 8.]
466 Baukunſt der Alten.
die Augen Fällt, und bei den Griechen vamı« Hieß,!)
wurde befonders ausgezieret, und Homerus nenner
e3 daher zvamıxz ombavayras „dns allenthalben
„» glänzende und fchimmernde Theil. “ 2)
$. 22. Die Gemwölber, welche Feine verticfete
Felder hatten, von welchen oben geredet If, 2) wur-
den insgemein mit Gypsarbeit gezieret, wie man
ſonderlich an dem Gewölbe eines Bades zu Baja bei
Neapel fiehet, wo die Venus Anadyomene, Tri.
tonen, Nereiden und dergleichen auf das fchönfie
ausgenrbeiter find, und fich bis izo unverfehrt er⸗
‚halten haben. . Diefe Arbeit iſt nicht fehr erhoben,
und dadurch bat fich diefelbe mit erhalten: wo man
dergleichen Werke in neueren Zeiten ſehr erhoben
gemachet hat, haben fie insgemein gelitten, und an
dem Gewölbe der St. Peterskirche, deren Noten
von Gyps drei Balmen dik find, ift diefes faſt un⸗
vermeidlich.
8,23. Es wurden fo, wie 130, ſowohl Felder
als Figuren an den Defen und Gewölbern vergol-
det, und das Gold an einem verfchütteten Gemölbe
von dem Balaftle der Kaiſer bat Ach, ohngeachtet
der Feuchtigkeit, fo frifch erhalten, als wen es
neulich aufgetragen wäre. Die Urſache davon Tieget
in der Dife des gefchlagenen Goldes bei den Alten:
den bei Vergoldungen im Feuer mar ihr Gold, wel-
ches fie auflegeten, gegen die heutigen Blätter in
der Stärke wie fechs gegen eins, und in anderen
Vergoldungen wie zwei und zwanzig gegen eins;
wie Buonarroti ausführlicher angezeiget Bat. #)
ı) Casaub. Comment. in Theoph. Charact. c. 21. p.330.
2) IA. ©. VIII. v. 435. x
3) Eine kleineProbe davon findet man, wie ed mir fcheint, in den
Gemälden vonHerculand, (t.4. av. 57.58.61.) ea.
4) Osservaz. istor. sopr. alcun. medagl. tar. 30. p. 370 —
371. [®. d. K. 7B. 2 K. 11 4.]
‚Zweites Kapitel. 467
6.24 Bon den Verzierungen ber Zimmer bat
man fich bisher einen Begrif machen können aus
dem Innern der Grabmäler , 1) und die im Hereu⸗
Jano ſowohl, als in den benachbarten verfchütteten
Etädten Reſina, Stabia, und Pompeji entdefete
Häufer-Himmen mit jenen überein.) Die gewöhn-
liche Auszierung -der Zimmer daſelbſt beſtehet nur
im Anfriche der Mauern, und in Fleinen Gemäl-
den auf denfelben, weiche Landfchaften, Figuren,
Thiere, Früchte und Grotteffen vorfichen: den ehe⸗
mals waren Malereien anflatt der Tapeten. 3)
Die Maler in diefer Art hießen bei den Alten
faroyeapdo,t) das iſt, Maler von Fleinem
Krame.
1) In dem Grabmale des L. Aruntius und feiner Greis
gelaſſenen, vornehmlich an der gewölbten Deke, ſind Ver⸗
zierungen in Stucco mit Figuren in den Abtheilungen,
Arabeſken, Grotteffen und anderen Sachen mit aller
Sauberkeit und Zierlichkeit auf einem in verfchiedenen
Farben freinartisg bemalten Grunde. Die Abbildung das
vonbei Piranerfi (Antich. roman. t. 2. tav. ı2.). Fe a.
2) Ein berrächtliches Theil Diefer Malereien, welche Wins
Felmaf fo oft anführt, und mehrere derfelben beichreibt
und erflärt, ift in den vier erften prachtvollen Bänden
der Pitture d’Ercolano befaitt gemacht worden. Sea.
3) Plutarch. in Alcib. [c. ı7.] p. 199.
Plutarchus fpricht nicht von diefen Malereien, fondern
ſchreibt bloß, daß, als Alcibiades damit umging, einen
zus gegen Sicilien und Afrifa zu unternehnen, viele
Athentenfer, welche in den Paläftern und Hemicyklen
faßen und fich unterredeten, die Figur von Sicilien umd
die Lage von Afrita und Karthago zeichneten, ohne zu
fügen, auf welche Weife, ob auf die Erde oder an bie
Wand, oder auf eine Tafel, wie auch bei und bei ders
gleichen Unternehmungen wohl zu geichehen pflest. Aber
diefed hat nichts mit dem zu thun, weßhalb Wincdelmafl
die obige Stelle des Plutarchus anführt. Gen.
. 4) Salmas. Nota in Spartian. p. 23.
468 Baukunſt der Alten.
5. 28. Unter dem Gewölbe der Zimmer (am
dere hatten Deken von Holze) ging insgemein eine
Heine ECornifche von Gyps umher, welche zwei oder
drei Finger breit bervorfprang, und nach Beſchaf⸗
fenheit der Gebäude glatt oder mit Blättermerfe
gegieret war. Es burchfchnitt diefe Corniſche das
obere Theil der Thüre, welche nach den Regeln
der Baukunſt drei Zünftbeile der Höhe des Zim-
mers haben fol, und dadurch wurde das Zimmer
umher in zwei Theile getbeilet; das Obere, wel-
ches wie die Friefe gu dem Unteren war, verhielt fich
zu diefem, mie zwei zu drei. Der Raum ſowohl
über als unter der Eornifche wurde in Felder ges
theilet, welche böher als breit waren, und insge
mein die Breite der Thüre hatten, welche gleich-
fam eins von den Feldern mar. Diefe waren mit
Zeiften von verfchiedener Farbe eingefaffer, und
zwifchen denfelben waren Fleine vierefichte oder runde
Felderchen, in welchen eine Figur oder eine Aus⸗
ficht gemalet war. Über der Corniſche mar eben
die Eintheilung, doch fo, daß die Felder breiter
als lang waren, welche ebenfalls mit Landfchaften,
Ausfichten auf das Meer, und dergleichen ausge
zieret waren. 1)
1) Auf diefe Weife war vielleicht der Theil bed Hanfes ge⸗
malt, dad Lucian (de Domo $. 9.) beichreibt, wo er
fast, daß die Gemälde auf den Wänden in Schönheit
ber Sarben und Natürlichkeit der dargeftelleten Sachen
einer blühenden Wiefe und dem lachenden Anblike des
Srühlingd fich vergleichen Fofiten. Auch waren dacelbſt
Malereien mythelogifcher Gegenftände, unter andern eis
nes, welches Lu cian ($. 23.) außdem Euripides oder
Sophokles entiehnt glaubte, und ein anderes ($. 3ı.),
auf welhem Medea vorgeftellt war, welche mit ent«
blößtem Schwerte und wilden fchretlihen Blike ihre Kin,
der anſah, die zu ihr hinauf Tächelten. Non dieſer Mac
lerei wahrſcheinlich redet Winckelmañ in feiner Se
— m o wı ru em -
j Zweites Kapitel, 469
$. 26. Eine auf diefe Art eingetbeilete und ver-
zierete Wand eines Zimmers fiebet man in der kö⸗
niglichen Galerie alter Gemälde zu Portiei: es if
diefes Stüf über zwanzig Palmen lang und vier
zehen breit. Diefe Wand. bat, mie angezeiget if,
Belder unter und über der Cornifche, welche aus
Blätterwerke befiebet. Von den drei unteren Feldern
ift das mittelfte breiter, als die auf den Seiten;
jenes ift gelb eingefaflet, diefe rothb. Zwiſchen den⸗
felben gehen ſchwarze Streifen herunter mit zierli⸗
chem Schnörkelmerte bemalet. Mitten in den Fel-
dern find Landſchaften auf vothem oder gelben
Grunde. Über der Sornifche find vier Fleinere Kel-
der, von welchen zwei auf das mittlere untere Feld
fallen: in einem derfelben fieget ein Haufen Münze
auf einem Tiſche, nebit Papier, Täfelchen, Dinten-
faß und Feder; in dem andern find Fiſche nebſt
andern Efwaren vorgeftellet. 1)
$. 27. Auf dem palatinifchen Berge wurde im
Sahre 1724 ein großer Saal entdefet, von vierzig
Fuß lang, melcher ganz und gar ausgemalet war.
Die gemaleten Säulen waren eben fo fpillenmäßig
und aufferordentlich lang. wie die Säulen auf den
Gemälden zu Bortic. Was fich von Figuren und
anderen fleinen Gemälden auf den Wänden diefes
Saals fand, wurde abgenommen, und nach Parma
gefchifet, und diefe alten Gemälde gingen mit den üb-
rigen Schägen des farnefifhen Muſei nach Neapel.
Da aber alles. vier und zwanzig Jahre verfchloffen
blieb, hat der Moder alle diefe Gemälde zernichtet,
und man fiebet zu Capo di Monte in Neapel, 10 bes
ſchichte der Kunſt (5%. 38. 16 6.); aber Suctan
fagt nicht , daß es ein Werk ded Timomachus Tel.
Sea.
1) [Briefe an Bianconi, oben S. 45 u. f.J
Bea an. — —
—— a re —
Fragment
einer.
neuen Bearbeitung
der
Anmerkungen über die Baukunſt
der Alten.
uus Winckelmans Handſchrift zuerſt in der
neuen dresdner Ausgabe abgedruft.)
-
1762 —1768
20°
u IMan vergleiche an den betreffende Eteflen die Ku
Nertungen zur vorigen Sarift, welche man hier
nicht wiederholen wollte.)
Fragment
‚einer neuen Bearbeitung der
Anmerkungen über die Baukunſt
der Alten.
Erſtes Kapitel,
Bon dem Wefentlihen der Baukunſt.
8.1. Ich theile über die Baukunſt der Alten
einige Anmerkungen und Nachrichten mehrentheils
aus eigener Erfahrung und Unterſuchung mit, und
dieſelben betreffen zwei Theile, nämlich das We
fentliche der Baukunſt, und die Zierlichkeit
derfelben.
$.2. Das MWefentliche begreifet in fich vor⸗
nehmlich theils die Materialien, und die Art zu
bauen, theils die Form der Gebäude und Die n v⸗
thigen Theile derſelben.
$.3. Die Materialien find Ziegel, Steine und
Mörtel; dein von Holz, woraus unter den Bricchen
in’ den diteften Zeiten ganze. Gebäude und Tempel
aufgeführet wurden, wie Derienige war, welchen Aga⸗
medes und Trophonins dem Neptunus baue
ten, !) mird hier nicht geredet; - Die Siegel waren an»
fängkih ungebrañt, und nur an der Luft, aber einige
Sabre, getrofnet, und murden bei den Griechen
fowohl als Römern häufig gebrauchet. Von folchen
Biegen waren die Mauern zu Mantinen, 2) und
1) Pausan. 1.8. fe. 10. $. 2]
a) 1d. [c.8.:8. 5.1
176° Raukunf der Alten,
zu Eion am Fluffe Steymon in Thracien, 1) ein
Tempel zu PBanopea, und ein anderer der Ceres,?)
beide in der Landfchaft Phocis, I) eine Halle zu
Epyidaurus, und ein Grabmal der verflöreten Stadt Les
preus in der Landſchaft Elts. 4) Bon folchen Bie-
geln find auch die Häufer zu Lima und Peru aufe
geführet. 5) Aus dem Vitruvius fcheinet es, daß
zu Rom und in der Gegend umber die mehreflen Häu⸗
fer von folchen Ziegeln aufgeführet gewefen,, und
diefer Scribent handelt umitändlich von deren Zu⸗
richtung, 6) Baufanias aber berichtet, daß fie von
. der Sonne und vom Wafler aufgelöfet worden. 7)
84 Die Härte und die fchöne rothe Farbe
der alten Ziegel komt von der Art des Brennens,
und es iſt zu glauben, daß die Ziegelhütten chemals
- mit bartem Holze geglühet worden, anflatt daß
Diefes izo in und um Nom mit Strauchwerf ge
ſchiehet, welches viel Nauch, und alfo auch viel
Feuchtigkeit verurfachet, und der Härte und ber
Farbe der Ziegel nicht zuträglich if. Es iſt fogar
den biefigen Biegelbrennern bei hoher Strafe unter
faget, kein Holz als Strauchwerf zu gebrauchen.
Dem ohngeachtet find die romtfchen Stegel vorzügli«
her vor denen an den mehreflen Osten in Deutfch-
land; die beflen aber fommen ans Tofcana, wo
man in der Maremma fein Holz zu erfparen nöthig
bat. Die alten Ziegel wurden. nicht dife, aber zum
ı) Id. 1. 10. [c.4. 8.3.)
») Id. [c. 35. $.5.)
3) Id. 1. 2. [c. 27. $. 7.]
4) Id. L. 5. Ic. 5. 84)
5) Carlet, Viagg. p. 65.
6) L. 2. c. 3.
D L.8. [c. 8. 8. 5.1
Fragment. 477
Gemäner groß gemachet; ihre Dike tft niemals über
einen flarfen Zoll, fie find aber drei bis vier Pal⸗
men groß, von welchen auch Vitruvius redet, und
dieneten fonderlich zu Bogenwerfen.
8.5. Die erfien Steine zu Gebäuden der Rö⸗
mer waren diejenigen, weldye am leichtefien gebro⸗
chen werben, nämlich der Tufo, und derienige, wel-
cher der albanifhe Stein hieß. Der Tufo if
nichts anders, als eine Teicht verfleinerte Erde, und
it theils fchwarggraulich, theils röthlich; es iſt der
Stein, welcher beim Vitruvius der rothe Stein
heiffet, 1) dem Perrault aber unbefant war. ?) Die⸗
fer Stein wird unter der Erde gegraben und gehauen, '
izo nur in Eleinen Stüfen, wie fie die Hake bricht,
vor Alters auch in Quaderſtüken, mit welchen die
Grundlagen der Gebäude ‚gemachet wurden; iso die
net diefer Stein zum Ausfüllen in Grundlagen- und
an Sewölbern ; den in. der freien Luft tauget ders
felbe nicht. Bei Neapel wird ein weißlidier Stein
gebrochen, welcher ebenfalls eine Art Tufo und fo
weich if, daß er mit der Art fan bearbeitet mer
den. Der ganze Berg, an welchem Nenvel lieget,
ift ein folcher Stein, und er wird daſelbſt zum Un⸗
terfchlede von härteren Steinen pietra dolce ge
nennet. Es iſt derfelbe in giegelmäßiger Form und
Größe gehauen, mie noch iso gebräuchlich if, am
vielen Trümmern der verfchütteten Stadt Pompeſi
zu fehen, fonderlih an den Grabmälcen Biefer
Stadt, an den Hügeln längs der Straße ‚, welche
nach Salerno gehet. Die mehrefien Gebäude zu
Neapel find aus diefem Steine gebauet, auch die
Gebäude zu Baia und zu Mifenum, die Tempel das
felbft ausgenommen. Don Gebäuden ans folchen
1) L.2. c. 7.
2) Vitruve, p. 40. n. ı. edit. 1684
478 Baukunſt der Alten.
Steinen Tinte in der eigentlichtien Bedeutung die
fo verfchiedentlich erflärete Formel auf einigen
nlten Grabſteinen, gefaget werden: Sub Ascia posuit.
Der rothbe Stein beim Vitruvius könte auch den,
jenigen bedeuten, welchen Fabretti den collatinis-
fchen Stein nennet,!) weil derfelbe ohnweit des
Einfluffes des Anio in die Tiber, d. i. wo ehemals
Collatia geflanden, gebrochen wird. Die drei Lagen
großer Steine über die Bogen der marcifchen
Wafferleitung, welche den Gang machen, in wel-
ehem das Wafler lief, find von diefer Art.
68.6. Unter der Benennung des albanifchen
Gteins ind izo zwo Arten begriffen: der eine heiffet
Sperone, der andere Peperinso / von der Stadt
Piperno benennet,. wo er auch gebrochen wird, und
diefen Namen bat diefe Art Stein auch. zu Neapel.
Beide Arten find ſowohl an Farbe unterfchieden,
welche an jenem graugelblich, und an diefem fhwarp
graulich iſt, als auch in der Süte und Daner. Der
Sperone, welcher auf dem alten Tuſculo gebrochen
wird, ift dichter und härter, als der Peperino, und
Diefer, welcher noch mehr erdartig als jener iſt, zie⸗
het folalich mehr Keuchtigfeit in ſich, welches in
großer Külte, wen diefe Feuchtigkeit gefrieret, ver⸗
urſachen fan, daß diefer Stein Riſſe befomt und
plazet. Es wird aber bei Soriano, nicht weit von
Biterbo, ein Peverino gebrochen, welcher dichter if,
und gedachten Fehler nicht hat. Der mehrefle wird
bei Marino, und auch bei Albano gebrochen, und
es find. von demfelben die älteiten großen Werke ges
bauet, als die Cloaca maſſima unterden Tarqui⸗
niern,der Ablauf des albaniſchen Sees aus den
eriten Zeiten der Nepublik, und die mehreften Tem⸗
pel, als der Tempel des Antoninusund der Tau
2) De Aquzduct. p. 27.
——
Fragment. 479
ſtina, der Pallas auf dem Foro des Nervo u.ſ. f.
Die Tempel aber waren überall mit diken Platten
von Darmor befleidet, fo daß fie völlig aus Mar⸗
mor gebauet fchienen.
687 Mit Qunderflüfen von Beperino find
ferner die Erhöhungen auf beiden Seiten der alten
römifchen Straßen zur Bequemlichkeit der Fußgän⸗
er gemachet, und diefes gefchabe auf der appiſchen
Strafe, wie aus dem Livius zu fchließen if, I)
hundert und vierzig FJahre nach geendigtem Pflaſter
diefer Straße. Diefe Steine waren an einigen
Drten mit eifernen Klammern zufammengebuns
den, 2) welches aber nicht von den aufrecht fichen«
den niedrigen Kieſelſteinen, mit welchen die Stra⸗
Ben allenthalben, wie mit einem Rande, eingefaflet
find, nad) der Auslegung eines neueren Scribenten
fan verflanden werden. ?) Die Erhöhung der Etra-
Se für die Fußgänger war nur nahe an den Städten,
und ift bei Albano und Terracina an drei Palmen
boch, und es war diefelbe nicht weiter im freien
Felde fortgeführet, ausgenommen mo tiefe Gründe
find, und das Pflaſter vom Waſſer fonte überflofien
werden, wie man auf der Etrafe nach Oſtia fichet.
Folglich war es eine Bequemlichkeit, um zu Bferde
zu felgen, nur nabe an den Städten und in den
Gründen.
6.5. In folgenden Beiten, und nachdem bie
Nömer Herren von Tibur waren, fingen fie an, mit
dem tiburtinifhen Steine, welcher izo Traver-
tino beiftet, zu bauen. Diefer Stein, welcher här⸗
ter als Sperone und Peperino, und weicher ale
Marmor ifi, und deffen Ähnliche Arten finden fich
2) L. 41. c. 32.
a) Stat. Silv. .4. 3. v. 48.
3) Prattili, Via App. L 1. 6 7 p. 37.
480 Baukunſt der Alten,
insgemein an Drten, wo Schwefelquellen find, wie
beit Tivoli: den ber Sag, welchen der Schwefel
machet , wird in die Länge zu Sten,!) und der
Mangel an Feuchtigfeit machet den Stein Löchericht.
Es wirket aber der Schwefel auch in Bildung der
bärteften Steine und Marmore, und unter diefen
gibt derienige, welchen man marmo greco Nennet,
im Bearbeiten einen fehr ſtarken Schwefelgeruch.
Ein dem Travertino Ähnlicher Stein mächfet auf dies
fe Art um Montepulciano , welche Gegend reich an
Schwefelquellen ift, fo daß die ganze Oberfläche des
Berges unten ansgeböhler fcheinet; und im Gchen
bebet. Es verfeinert auch bie Albula unter Tivoli,
welche in den Fluß Anio, izo Teverone, fällt, und
gedachte Quellen voller Schwefel helfen zur Zeu⸗
gung des Travertino. Auch zu Bello wird ein dhn«
licher harter, aber Töcherichter Stein ans dem
Schmefelbache gezeuget, deſſen auh Strabo geden⸗
Tet, +) welcher nicht weit von ben Überbleibſeln diefer
Stadt in’s Meer fällt. Diefe Eigenfchaft des Schwe⸗
fels, zu verſteinern, iſt von wenigen Scribenten,
die es hätten thun follen, berühret worden.
8.9. Die Brüche bei Tivoli wachlen in weni⸗
ger Zeit wiederum zu, und man hat mitten In den
Steinen zuweilen Eteinbrechereifen gefunden , wel⸗
ches dieſes bemeifet. Auch der Marmor wächfet
wiederum zu; dein man fand eine eiferne Brechilange
in einem großen Bloke von fogenantem afrifanie«
fhen Marmor, da derfelbe für die Kirche della
Morte hinter dem farnefifchen Balafle, zerfäget
wurde. Noch aufferordentlicher aber iſt ein Stük
einer Säule von Branit, in welchem man zu Nom
vor dreiffig Sahren eine güldene Münze des Aug
us fand, da man es zerfägete. Diefe Münze war
1) Becheri Phil. subterr. 1. ı. sect. 4. c. 7. p. 293.
2) [L. 5. p. 175, edit. Casaub. de anno +587.]
a Fragment. | 481
tn den Händen des befanten Antiquarius Ficorvo⸗
ni; folglich muß fich diefer Granit innerhalb drei-
hundert Jahren ergeuget haben; den nach dieſer
Zeit wird man fchwerlich Säulen in Agypten haben
ausbauen und nach Rom fommen Infien. Die Kais
fer des’ vierten Sahrhunderts zerflöreten ältere Wer⸗
fe, um die ihrigen davon aufzuführen.
8. 10. DaB der Travertino in den älteſten Zei⸗
ten der Republik noch nicht fehr gewöhnlich gewe⸗
"fen, kañ man aus merfwürdigen Infchriften ſchlie⸗
Sen, welche noch damals in Peperino gehauen wur⸗
den, wie diejenige iſt, welche dem 2. Cornelius
Seipio Barbatus oder Naſica gefeset murde,!)
dem mwürdigfien Danne feiner Beit, wofür er bereits
in feiner Jugend von ganz Nom erfant wurde, wie
dieſe Sufchrift und Livtus bezeugen. 2) Es iſt die⸗
felbe im zweiten punifchen Kriege gemachet, und
fiehet in dem Zimmer der Handfchriften der barbe
rinifchen Bibliothef. Sie it fait von gleichem Alter
mit der duilifchen, welche vermuthlich auch nur
in ſolche Steine gehauen geweſen ſein wird, und
nicht in Marmor, wie aus einer Stelle des Silius
vorgegeben wird. 3) Dei die Üiberbleibfel von
Marmor find. nicht von derfelben Zeit md Selde.
nuss) und andere Selehrte wären über das Altertum.
derfelben nicht zweifelhaft gewefen, wen fie die In⸗
fchrift ſelbſt ſehen köͤnnen. Der Marmor murde
frät in Nom befant, aber cher, als im 676
Lahre der Stadt, wie jemand vorgibt : 5) deñ # i⸗
1) (Jac. Sirmondi) Vetustissima Inser. qua 1. Corn. Scipi⸗
onis elogium continetur. Rome 1617. 4.
2) L. 29. c. 1%
3) Rycq. de Capitol. c. 23. p. 124. edit. Gandar. 1617.
: 4) Marm. Arundel. p. ı
5) Cozze, Inser. della Colon. Fostr. a Duil. (Rom. 16354
4) p. 8.
Winckelmañ. 2. 21
482 Baukunſt der Alten,
nius, welchen man anführef, redet vor numtdi«-
fhem Marmor und von den erfien Thürfchwellen
aus demfelben, aber er behauptet an eben dem Drte,
daß man vor des Augufius Zeiten in Btalien noch
nicht verfianden habe, den Marmor zu fügen, wel
ches kaum glaublich fcheinet. 1) Unterdeſſen hat der
Marmor in einem Werfe aus der Zeit der Republik
ohne Säge können gearbeitet werden; und diefes iſt
die Pyramide des Cajus Ceſtius. Don den Alteften
griechifchen Snfchriften willen wir, daß fie in grob
abgehnuenem Marmor waren, Wen die Säulen von
Travertino find, fo haben fle eine dünne Bekleidung
von Gyps, um die Löcherichten Stellen zu bebefen,
und diefes fiehet man an den Säulen der Kirche
von S. Maria Egizziaca zu Rom, an dem ſogenañ⸗
-ten Tempel der Sibylle zu Tivoli, und au dem
Tempel zu Eori,
. 811. Zu den Materialien von Stein gehören
auch die Schlafen (Bomice) des Vefunius, und ein
ſchwarzer ffeinichter Gries, welcher Rapillo heiffet.
Diefe Schlafen find dunfelroth oder braunroth, und
manche And den Eifenfchlafen ähnlich in der Karbe,
fie find durcdhlöchert und leicht wie ein Schwan,
dem fie auch Ähnlich feben. Diele Schlafen, welche
der Schaum von der feurigen Materie des Veſuvius
find, unterfcheiden fih vondem Bimsſteine, welcher
auch Pomice heiſſet, eben fo leicht, aber von kleine⸗
ren Löchern und weiß ifl. Diefer finder fih nicht
auf dem Veſuvius, fondern an den Ufern des mit-
selländifhen Meeres, und häuſig bei Neapel und
Pozzuolo; daher fehr wahrfcheinltch iſt, daB derfelbe
von dem Atna in GSicilien fomme, und durch das
Det, weil er wegen feiner Keichtigfeit ſchwimmet,
) L. 36. c. 6. sect.8.
1
-
. ‚Fragment, 483
fortgeführet wird. Es wird auch eine Art ben ve⸗
ſuviſchen ähnliche Schlafen bei Viterbo gegraben,
in einer Gegend, wo fiedend heiffe Quellen find.
Diefe Gegend wird Bollicame genañt, von bollire,
fieden, und das unterirdifche Feuer dafelbfi , nebſt
den Schlafen find Zeichen, daß chemals daſelbſt ein
Bulcan .gewefen fein Eönne: diefe Schlafen aber
find weich und nicht tauglich zu der Arbeit, wovon
ich unten rede.
. 612. Der Rapillo, welcher Lapillo heiſſen
follte, findet fich fonderlich zu Neapel, und es wer
den die Eflrihe in vielen Häufern und auf allen
platten Dächern mit diefem Griefe gefchlagen und
geleget. Man trift.denfelben auch oberhalb Fraſcati
auf dem alten Tuſculo an, wo’ er, fo wie dort, ver⸗
muthlich eine. Wirfung von einer. ehemaligen Ent»
zündung der Gebirge iſt, welches aus den. bleifarbis
gen Etufen von wielfeitigen länglichten Würfeln
dafelbit zu fehliehen ill. Weñ die alte römifche Geo
fhichte meldet, daß es zumeilen bei Alba und im
derfelben Gegend Steine geregnet babe, !) To fait
zu diefer Sage eine noch Ältere verdunfelte Tradition :
von einem Auswurf dortiger Berge Anlaß gegeben
haben.
8. 13. Die dritte Art Materialien, der Mörtel,
wurde von den alten Römern, wie noch izo allge
mein gefchiehet, mit Kalk und Puzzolana zuge.
richtet. Diefe Erde Hatte eben denfelben Namen
vor Alters, nämlich pulvis Puteolanus, weil diefelbe
vermuthlich zu Puteoli, izo Puzzuolo, bei Neapel
zuerſt entdefet wurde. Bhilander glaubet, 2) die
neueren Römer haben diefe Erde von dem Worte
Too, Brunnen, alfo benennet/ weil dieſelbe tief
Urn . 31. Las . 36. Lad. c. 31. 36. 6.9
» Annot. in Vitrur. 1.2. c.6. p. S2.
484 Baukunſt der Alten.
gegraben wird. Die Puzzolana iſt theils ſchwaärz
lich, theils roöthlich; die ſchwärzliche iſt mehr ei⸗
fenartig, ſchwerer und trokener, als die andere, und
dienet fonderlich zum Waſſerbau; den weil fie ſprö⸗
de ift, befomt fie leicht Riſſe über der Erde; die
andere ift mehr erdhaft, und wird vornehmlich zu
Arbeiten in und über der Erde gebrauchet. Bene
Art wird bei Neapel gefunden; beide Arten aber
finden fih in und um Nom, und fonft in feinem
andern Theile von Stalien. Kin glaubwürdiger
Augenzeuge verfichert mich, daß eine ſolche Erde
auch bei Meb in Lothringen gegraben wird, welche
dafelbft diene, mit wenigen Kofien und ‚gefchwinde
ein Gebäude aufzuführen, wie ich unten anmerken
werde. Es .ift aber zu merken, daB die Alten die
rötchliche Puzzolanag wenig gebrauchet haben, welche:
130 hingegen in Rom mehr als die ſchwarze gefüchet
wird. In den Gegenden am Meere in der römi⸗
ſchen Landſchaft iſt We. chenfalls nicht, und die Al⸗
ten, welche zu Antium baueten, werden die Bup
— von Neapel geholet haben, wie noch izo
aſelbſt sehen muß; den es Ffomt diefe Erde mit
menigeren Koſten zu Waſſer von dortber, als von
Nom auf der Are dahin. Es finder fich derfelbe
fogar nur auf einer Seite der Tiber, das tik: auf der
Seite gegen Morgen oder Mittag, woraus ein
wahrfcheinlicher Schluß zu ziehen it, daß es eine
Erde fei, welche durch Entzündung entfianden, die
durch den Fluß eingefchränfet worden, und ſich jen⸗
feit der Tiber nicht erſtreken können. Die wirkende
Urſache der PBussolana geiget auch bie Benennung
berfelben im Nenpelfchen an, fe wird insgemein
dafelbfi terra di fuoco, Feuererde, genaft, und
wird izo nicht mehr bei Pozzuolo, fordern um den
Veſuvius herum, und daſelbſt allein, gefunden und
'sgraben. Es gibt Lagen derfelben mit Lava, oder
Fragmenkt. 485
mit gefchmolgener Materie aus dem Veſuvius wech⸗
felmeife , fehr tief unter der Erde, mie fich unter
andern in einem Brunnen zeiget, welchen der fü-
nigliche Bildhauer FJoſeph Canart in fanem Wein⸗
berge zu Portici 270. neapelſche Balmen tief graben
laſſen. Es if diefer Brunnen durch acht verfchie-
dene Lagen bon Lava mit Lagen von verfleinerter
Afche und Puzzolana abgewechielt, hindurch gear⸗
beitet.
$.14. Die römifche Puzzolana wird zu Civita⸗
vecchhia von fremden ‚Schiffen anflatt bes Ballaftes
geladen, nachdem fie vorher in Rom gefiebet wor⸗
den; dei Mauerwerk in Hafen kan ohne diefe Erde .
nicht gemachet werden. Bu dem izigen Bau und
Der Vergrößerung des Hafens zu Ancona Werden
alle Sahre fiebenzehntaufend Karren, von einem
Bferde gezogen, eingefchiffet, und die Barfen müßen
Das ganze Untertheil von Stalien umfahren.
6.15. Baptiſt Alberti redet in feinem Werke
von der Baukunſt, als wen er nur von weitem bon
der Puzzolana reden hören, weil fie ibm, als
einem Florentiner, nicht fehr bekañt fein koñte,
und an einem andern Drte verwechfelt er biefelbe
mit Rapillo.1) In Griechenland har fich diefe Er-
de, fo viel man weiß, auch nicht gefunden, welches
auch Bitruvius anzeiget,2) und der Mangel derfel-
ben ift mit Urfache, daß die Griechen nicht, wie
die Römer, mit Keichtigfeit Gewölber machen kön⸗
nen. Es müßen aber die Griechen einen fehr feſten
Mörtel zu machen verflanden haben, wie der große
Wafterbehälter zu Sparta noch izo geiget, 3) wel⸗
ı)L.2. c.9. p.5ı. 1.3. c. 16. p. 95. edit. Fiorent,
1550. fol.
a) L.2. c 6..
3) Hist. de l’Acad. des Inscr. t. 16. .p. 111. edit. Paris
486 Baufunft der Alten.
cher aus Kieſelſteinen beftehet, die mit einem Mörtel
verbunden find, welcher fo ‚hart ill, als die Steine
felbii, weiches Belon auch von den Ciſternen u
Bucephala faget. 1)
8. 16. Beide Arten Suszolana werden aleich⸗
ſam zu Stein, und ſonderlich im Waſſer, wie auch
die alten Seribenten anzeigen.) Plinius meldet
yon der Puzzolana in dem Baue des Hafens zu
Dftin. 3) Ha, dere Mörtel wird härter, als. Die
Steine ſelbſt, welche er ‚verbindet. Diefes fichet
man an den Zrümmern der Gebäude am Geflabe
des Meers, welche bie. in das Wafler hinein ge-
bauet Ind, zu PozzuolLo, Baia und in diefer
ganzen Gegend, . imgkeichen zu Borto PAngie,
dem alten Antium, mo die alten Pfeiler, welche
den Hafen macheten und einfchloßen, fo mie jene
Gebäude, : von Ziegeln gebanet find. Mit. Bu
zolana macheten die Alten in und um Nom ihre
-Straßen und Wege, welches noch izo gefchichet.
6.17. Die Lagen der Buszolana . geben tief
in die Erde, und zuweilen an achtzig Balmen; gang
Kom iſt untergraben, diefe Erde herauszuholen,
und dieſe Gänge geben viele Meilen weit, und
ſolche Gänge find die Katakomben. Da der Grund
zu dem Palaſte in der Villa des Herrn Cardinals
AYlerander Albani gegraben wurde, fanden fid)
drei: folche Gänge über einander, daher man genö⸗
thiget war, mit dem Fundamente.nec tiefer hinun⸗
ter, zu gehen, und es iſt daffelbe über achtzig Pal⸗
men tief geleget.
$. 18. Den Kalk mußten einige Brovinzgen unter
den römifchen Kaifern als einen Theil ihrer Ab⸗
1) Obserr. 1. 1. ch. 57.
2) Senec. nat. quest. 1.3. c. 20. Plin. 1.35. c. ı3. [sech
47.)
3) L. 16. [c. 40 sect.76. n. 2.]
m
Sragnient, . 487
anben nach Nom Hiefern: !) Umbrien, ferner die
Provinz, welche izo die Marea heiſſet, und auch die
Terra di Lavoro in Sampanien, gaben dreitanufend
Karren Kalt, und Toſcana achthundert.
8.19. Bei der Art zu bauen, ald dem weiten
Etüfe des wefentlihen Theils der Baukunſt, fan⸗
gen wir billig bei der Grundlage an, welche entwe⸗
der von großen vierefichten Stüfen Tufo war,
wie ich vorher angemerfet babe , oder won fleinen
Stüfen Tufo, welches die gewöhnliche war, und es
noch izo iſt. Der Grund diefer lezteren Art wurde -
folgendermaßen geleget, wie man an den Ruinen fie
bet. Man warf den Mörtel, das if: Kalk mit
Puzzolana durch einander gefchlagen, mit Mulden
hinein, und Stüfe Tufo darauf, und diefes Hin-
einfchütten des Mörtels und der Steine MWiederho-
Iete man, bis die Grube voll mar. Eine folche
Grundlage fezet fich in ein paar Tagen, und wird
durch die Puzzolana fo hart und fefl, daß man un⸗
mittelbar nachher darauf bauen Fat. Überhaupt iſt
bier auch bei den ausgefülleten Mauern über der
Erde zu merken, daf in Abficht der Eigenfchaft der
Puzzolana allezeit von den Alten mehr Mörtel als
Steine gebrauchet find: auf eben diefe Art find ale
alte Gemwölber gemachet. An Mauern von Biegeln
aber, oder die auch nur mit denfelben gefüttert
find, ift das Kenizeichen der guten Zeiten der Bau⸗
funft, wen diefelben mit wenig Mörtel geleget oder
verbunden find, welcher vielmals faum einen Feder-
fiel dik Tieget zwifchen den Biegeln, die nicht zween
Finger in der Dike haben.
6.20. Wen das Gerüfle zu den Gewolbern vor-
ber mit Schalen oder Brettern war geleget worden,
fchüittete man, wie bei Grundlagen, Mörtel umd
2). Cod. Theod. t.5. 1.14. üt.6. p. 184-
Ass Baukunſt der Alten.
kleine Steine Tufo, oder geſchlagene Ziegel, Te
wie fie im Aufſchütten fielen, auf die Bogen bes
Gerüſtes von Brettern, bis zu einer beſtimten Dike,
welche in den diocletianiſchen Bädern an neun
Palmen ift, und alsden trug man eine Lage von eben
demfelben Mörtel darauf, um das Gewölbe oben
glatt zu machen. Ein großes Gewölbe Fonte anf
diefe Art durch eine Menge Menfchen in einem Ta _
ge geendiget werden. Diefe Art zu verfahren fichet
man, wo die Befleidung abgefallen, oder die Ge
wölber geftürzet find, am Coliſeo, in den Bädern
des Titus, des Saracalla, des Dioeletianus,
und fonderlich in den mweitläuftigen Trümmern ber
Billa Hadriamt, mo fih noch die Lagen ber Bret-
ter von den Gerüflen der Gemwölber zeigen.
6.21. Diefer gefchwinde Weg zu mölben if iss
sicht mehr gebräuchlich, fTondern Gewölber werben
mit der Hand gemachet, aber noch allegeit mit Tu⸗
fo und Puzzolana. Die obere Ausfüllung aber,
bis alles mit dem Nüfen des Gemwölbes gerade wird)
gefchiehet muldenweis (a sacco), wie überhaupt bei
den Alten. Vermittelſt des Mörtels fan man den _
Gemwölbern eine Form geben, welche man will, und
es werden noch izo in Nom einige ganz platt ges
machet, fo daß es faum gemwölbet fcheinet. Das Ge⸗
woͤlbe läffet man einige Zeit auf deffen Gerüfte leben,
daß es fich fezen Fan.
6, 22. Die Alten fucheten ihre Gemwölber, weil
Se diefelben finrf macheten,, fo leicht als möglich zu
halten, und diefes thaten fie auf zween verfchiede-
nen Wegen. Der einewar mit Schlafen zu wöl-
ben, welche von dem Berge Veſuvio famen, und
man bat diefelben bei der vor ein paar Jahren vor
genommen inneren Ausbeflerung des Pantheons, in
den vertiefeten Seldern des Gewölbes bemerket. In
or
Fragment. 489
ben Gewölbern der Bäder des Caracalla ſiehet
man diefen Bomice fehr deutitäh.
6.23. Vitruvius Meldet nichts von dieſer
Art zu wölben; es gedenfet berfelbe mir im Vor⸗
beigehben der Schlafen bei der Stadt Pompeji am
Fuße des Befunins, 1) welche in dem erfien bekañ⸗
ten Ausbruche diefes Berges unter dem Nero ver⸗
fchüttet wurde. Blinius meldet, daß diefe Schla-
ten rötblich feten. 2) Bm den Mauern von ge-
gedachter Stade fiehet man diefelben häufig, und es
würden ſich auch in den Gewölbern Spuren davon
finden, weñ diefelben durch. die Laſt der Afche ans
dem Veſuvius nicht wären erdrüket worden. W alla⸗
dius iſt der einzige unter den Alten, welcher von De⸗
fen in Zimmern mit dieſen Schlafen geleget rebet. 3)
Sn der Art, die Defen zu machen, Eomt diefer Seri⸗
bent mit dem Vitruvius völlig überein, 4) und
jener ift von dieſem nur allein in dem Zuſaze ber
Schlafen verfchieden; woraus zu fchließen if, daß
folhe Defen zu des Vitruvius Zeiten noch
nicht bekañt geweſen: den Palladius hat über
hundert Jahre nach jenem gelebet, und es werben
damals nad) dem großen Ausbruche des Veſuvius un«
ter dem Titus, die Schlafen befanter, häufiger und
gebräuchlicher geworden fein. Die Schlafen in dem
Gewölbe des Bantheons zeigen alfo, daB daffelbe ent⸗
weder unter dem Kaifer Hadrian, oder unter dem
Septimius Severus ausgebeſſert worden, weh
che Kaiſer dieſen Tempel, da derſelbe im Feuer ger
litten, wieder herſtellen laffen. _
ı) L. 2. c. 6.
2) L. 36. c.23. [sect. 49.)
3) De rerust. l. ı. © ı3.
4) L. 7. 0.3.
490° Bauxunſt der Alter.
8.24. Gewölber mit diefen Schlafen geleget,
find in Neapel gewöhnlich; in Rom aber iſt der Herr
Sardinal Alerander Albant der eriie, und bis
izo der einzige, welcher in feiner Vila zu Rom alfo
gebauet bat. Man verfähret auf folgende Weife:
Nachdem das Gerüſt zum Gewölbe angeleget if,
wird der Bogen auf beiden Seiten (le cossie della
volta), wie vorher gefaget, gemanert bis anf dag
Mittel des Gemwölbes, oder deſſen Rüken; diefer
wird mit Schlafen und Mörtel geleget, und diefer
verbindet fih mit jenen, und dringet fie gleichfam
durch A fo daß dergleichen Gewölbe kaum zu zerſtö⸗
ten iſt.
$. 25. Der andere Weg, die Gewölber u er—
leichteren, geſchahe mit leeren Töpfen von gebraitem
Thone, welche mit der Ofnung hineinwärts, d. i.
gegen das Innere der Gebäude zu, gefezet wurden,
und auf und um Diefelbe herum wurden Fleine
Steine und Mörtel mit Mulden geworfen. Diefe
Töpfe ſiehet man häufig an den Gemwölbern eines be
deleten Ganges im Cireo des Caracalla, oder
wie andere wollen, 1) des Gallienus, auſſer
Kom, imgleichen in den Vberbleibfeln eines alten
Bades zu Piſa. Ariſtoteles faget auch, dag man
leere Töpfe eingemauert babe, um in Gebäuden
den Schall der Stimme zu verflärfen.D Inge
‚bachtem Cireo iſt ein Echo, welches einen Vers drei-
mal wiederholet. Dieienigen, welche van den Schale
gefäßen in den Schnunläzen der Alten befonders ge»
handelt haben, gedenfen der isdenen Töpfe in
diefem Eirco nicht. ?)
8.26. Mei die Grundfage des Gebäudes fick
1) Fabretti, de Aquzduct. p. 166.
2) Problem. I. 2. [scct. 2.] p. 93. edit. Sylburg.
3) Cavaller. de Echeis. in Poleni Exercit. Vitruv. p. 283.
Fragment. 491
geſezet hatte, welches in ein paar Tagen geſchiehet,
ſo wurde die Mauer aufgeführet, und von denſelben
iſt erſtlich an ſich ſelber, und nachher von ihrer
Brekleidung zu reden. Die Mauern von vierekichten
Steinen, es ſet Tufo, Peperino, Travertino
oder Marmor, wurden ohne Mörtel auf einander
geleget, und halten fich durch ihre eigene Lafl. In
ganz alten Zeiten wurden die größten Steine zu -
Gebäuden gefuchet, und daher fam die Sage, daß es
Werke der Cyklopen wären,i) und von den Städten:
Argos und Mycend wurde es insbefondere gefaget:?)
eben fo werden noch izo die Trümmer von dem
Tempel des Zupiters zu Girgentt in GSicilien von
‚den Einwohnern der Balaft der Rieſen genait. 3)
Die Steine ind insgemein fo winfelrecht und fcharf
-behauen , daß die Fugen derfelben wie ein dünner
“Baden fcheinen, und diefes if, was bei eitigen
Seribenten agmovwe beiffet, welche fonderlich an dem
Dempel zu Tegen, vom Skopas gebauet, gerähmet
wird; 4) an einem Tempel zu Cyzicum waren bie
ı) Pausan. 1. 2. [c. 16. S. 4.]
2) Eurip. Iphig. Aul.v. 152 et ı501. Jphig. Taur. v. 844.
Troad. v. 1088. Herc. Fur. v. ı5 et 944.
3) Fazell. Rer. Sic.Dec. ı. 1.6. p. 127. edi . Panorm. 1568.
4) Pausan. 1.8. [c.46. 8.3 — 4]
Die Überieser haben dieſes Wort am angeführeten Orte
dureh Symmetrie gegeben; wir finden ed aber an deu
mehreften Orten, wo ed beim Pauſanias vorkömt,
von der genauen Fügung der Steine gebraudhet.
Siege 1. 2. [c. 25. $. 7.) l. 9. [c. 33. & 4. 1. 32. c.
39. $. 57.) Es war dieſes Wort in gegenwärtigen
Verſtande gleichbedeutend mit dpzeyu und biefe beiden
Worte werden mit einander verwechfelt, fo daß appıyn
u von ber Harmonie gebrauchet wird. Binden
ma
492 Baukunſt der Alten.
Eugen mit goldenen Leiſtchen beleget.) Sc
mozzi gibt vor, und will bemerfet haben, daß die Stei-
ne bes Eolifeo zu Nom an ihren äufferen Seiten nicht
eher bearbeitet worden, bis fie ſelbſt auf beiden Sei⸗
ten genau eingefuget, im Werke geleget waren, umd |
daß die auſſere Polirung alsdeñ allererſt gefchehen !
fei; daber, faget er, komme cs, daß die Bfeiler wie |
aus einem einzigen Stüfe gemachet fcheinen. Sch
- will ibm weder beipflichten, noch ihn miderlegen.
6.27. Es ift befat, daß an andern Gebäuden
die großen Steine auch mit eingelötheten Klammern
innerhalb auf einander befefliget find, melche fon-
derlich hun Marmor von Metall genommen wurden;
den das Eifen verurfachet an demfelben Roſtfſeken.
Diefes fiehet man am deutlichflen an der unteren
Blatte eines Bilafters des Portieus von dem vermei⸗
neten Tempel des Serapis zu Pozzuolo, wo zween
metallene Etäbchen (perni) hervorſtehen, anf welche
die andere Blatte eingefeget war. Alberti bat
auch fogenante Klammern oder Keile von Holz in
alten Gebäuden gefunden, 2) und eben biefes hat
Herr Le Roy in den Trümmern eines Tempels im
attifchen Gebiete, 3) und einer meiner Freunde, Herr
Nobert Mylne aus Schottland, an einem großen
Steine vom gedachten Tempel des Jupiters zu
Girgenti bemerfet.
8.28. Die Stadtmauern aus großen Steinen
wurden ebenfals ohne Mörtel nufgeführe. Ein
befonderes Werk it ein Theil der Mauern um Fon⸗
bi im Rönigreiche Neapel: es beſtehet dieſelbe aus
großen weiffen Steinen, deren Auffere ſowohl als die
inneren Flächen glatt behauen find; aber fie ind
ı) Plin. 1. 36. [c. 15. sect. 22.)
2) Archit. 1.3. c. 11. p. 80.
3) Monumens de la Gr&ce, P. ı. p. 4.
Fragment. 493
ale von ungleicher Korm, von fünf, fehs und von
fieben Efen, und alſo find ſie in einander gepaifet.
Man kañ fich davon aus der dritten Kupferplatte
su dem Vitruvio des Herrn Marchefe Galiani
einen Begrif machen, und aus einem Stüke der
Mauer von der alten Stadt Alba, welde Fabretti
bat in Holz ſchneiden laſſen. 1)
"8.29, Eben diefe Arbeit fiehet man an Stüfen der
Stadtmanerk zu Sori, zu Paleſtrina und zu Ter
racina Gedachte Mauern der Stadt Alba geben
zum Theil ſchräg (a scarpa) als Mauern von Baitio-
nen in die Höhe, und dieſes find die einzigen
Mauern diefer Art aus dem Altertume, von mel-
chen ich Keñtniß babe. Diele Art, mit vielfeitigen
Steinen zu bauen, batte die genaue Fügung derſel⸗
ben und die Fetligkeit der Mauern zum Grunde ,
fo wie die alten Römer in eben biefer Abficht ihre
Straßen mit vielfeitigen Kiefeln pflaſterten; es iſt
keiner von denſelben vierſeitig.
8.30. Auf eben dieſe Art waren die Mauern um
Korinth und um Eretria in Euböa gebauet, von
welchen der berühmte Baumeifter Siuliano Sans*
sallo, wie von denfelben zu feiner Zeit noch die
Spuren waren, tn defien Zeichnung auf Bergamen
in der barberinifchen Bibliothek die Form und. eine
gefchriebene Anzeige gibt; er bringet auch jenen
ähnliche Mauern einer von ihm genaiten Stadt
Dfia, in Epirus, bei.2) Sch Habe von diefen
ı) De columna Traj. c. 7.
2) Es find diefe Zeichnungen in groß Zoliv, und im Jahr.
ve 12465. yemachet, und haben folgenden Titel: Questo
Jibro & di Giuliano Francesco Giamberti, Architetto,
nuovamente da Saugallo chiamato, con molti disegni
misurati e tratii dalio antico cominciato A. D. N. S.
MCCCCLXVinRoma. In der corfinifhen Bibliothek
su Rom befindet fich die erſte und feltene Ausgabe des
194 Baukunſt der Alten.
Mauern bei Gelegenheit eines geſchnittenen Steins
in dem ſtoſchiſchen Muſeo geredet.!) Eine Stadt⸗
mauer von folhen Steinen iſt auch auf der Säule
des Traianus vorgeſtellet. Esift auch hier ein Thor
der uralten Stadt Tarquinia anzuführen, - welches,
nebft einem Stüfe der Stadtmauern, ans: großen
aber viereficht gehauenen Steinen aufgeführet if.
Das Merkwürdigſte an demfelben find bie.und da
kleine Züfen, welche mit Stüfen von Biegeln gefüllet
find, wo nämlich. der Stein brüchig geweien. Cben
diefes babe ich fogar an dem alten Platter der au
reliſchen Straße in Tofcana bemerfet, wo zwifchen
einigen Fugen der großen Kiefellleine Stüfe von Zie⸗
geln hineingeleget find. Sonſt if von der Stadt
nichts übrig als der Name; den die Gegend .beiffet
noch izo Tarquene,und iſt zwo Miglien von Corneto.
6.31. In Bogenwerken, an Waſſerleitun⸗
gen, Brüken und Triumpbbogen wurden die
Steine keilförmig gehauen, welches Perrault, ohne
Nom geſehen zu haben, hätte wiſſen können, damit er
nicht behaupten wollen, die Alten hätten dieſe Art,
Die Steine zu bauen, welche feine Nation la coupe
des pierres nennet, nicht verflanden, und daß fie
Daher feinen Bogen von Steinen, fondern nur von
Ziegeln machen können. I Es hat fich, derfelbe
nicht erinnert, daß Vitruvius ſelbſt von Bogen
aus Feilförmigen Steinen bandelt. ?) Berner leget
er feinem Abaten in den Diund, daß diefe Unge⸗
Bitruvins in Auarto von Sul picius herausgegeben,
wo auf dem Rande die Zeichnungen von eben dieſem
Baumeifter zu Erklärung dieied Ecribenten, nebft deſſen
Gloſſen, gefeset find. Win ckelmaũ.
1) [2 81. 13 Abth. 979 N.
e) Parall. des anc. et modern. t. ı. p. 171.
3 1.6. c. 11.
.
Fragment. . 495
fchiflichkeit der Alten Urſache fei, daß man Archi-
traven aus Steinen machen müßen, welche von e i⸗
ner Säule bis zur andern gereichet, und weil man
die Steine nicht allezgeit von einer erforderlichen
Länge gehabt, daß man daher die Säulen enger zu
fezen genöthiget geweſen. Dieſes iſt eben fo falfch,
als das vorige: den an einem Reſte eines der Alte
fien Gebäude in Rom auf dem Campidoglio, an
der Wohnung des Senators, welches für das chema-
Jige Tabularium oder Archiv gehalten wird, fie
het man von einer Dorifhen Archit rave den unte⸗
ren Balken übrig, an welchem die ſogenañten Tro⸗
vfen hängen, neb acht dorifchen Kapitälern. Der
Raumzwiſchen zweien berfelben zeiget an, daß ein Kapi⸗
täl feblet, nnd daß derfelben, fo meit die Architrane
fchtbar if, fechzeben fein müßten. Diefer Bal-
ten tft aus Heinen Steinen, etwa von zween Pal-
men ein jeder, zufammengefeget, welche gehauen
ind, wie es 150 gefchehen würde in gleichem Falle.
8.32. Die Mauern von Fleinen Steinen wur-
den insgemein mit keilförmig gehauenen Stüfen
Zufo, deren Fläche vierefiht ift, und zumeilen mit
eben ſolchen Kiefelfteinen beleget und gefüttert, und
diefe Art heiſſet bei ben Alten opus reticulatum,
meil die Lagen diefer Steine nach Art des Geſtriks
eines Nezes geben. Dieienigen, welche dieſe Ause
fütterung als lange Würfel vorſtellen, irren fih.1)
Vitruvius behauptet, 2) daß dergleichen Mauer
werk nicht dauerbaftig fei; es haben fich aber gleich-
wohl ganze Gebäude, welche völlig fo gemauert find,
erhalten, wie unter andern die fogenaite Billa des
Mäscenas zu Divoli iſt, der Reſt von dem vermeine⸗
1) Alberti dell’ Archit. 1.3. c. 9. p. 77. Perrault
hat ed aus jenem genommen. Winckelmañ.
a) L. 2. c. 8.
496 Baufunft der Alten.
ten Tempel des Herkules dafelbik, die uͤberbleibſel
von ber Billa des Lucullus zu Frafcati, und gro»
fe Stüfe Mauern von der Billa des Domitianus
zu Caſtel Gandolfo, in der Vila Barberini, zeigen
können. Inder Billa Hadriani find noch ganze
Gebäude fo gemanert übrig, und die Waflerleitung der
verfisreten Stadt Minturnum am Fluffe Liris, izo
Garigliano, welche fich über eine Migkie erfirefet,.
ift ganz und gar mit fo gehnuenen Steinen ausge⸗
leget. Auf eben diefe Art find auch die uralten
betrurifchen Grotten bei Corneto ausgemauert. In
andern Ländern aufier Stalien befinden fi mehr
Überbleibfel . von diefer Art Mauermerfe. 1) Diefe
Mauern aber waren, auffer an Waflerleitungen, alle
befleidet, fo künſtlich diefelben auch immer geleget
fein [mochten], und viele mit dreifachen Lagen von
Kalt und Gyyſe, wie fih an den Gebäuden zeiget.
8.33. Was die Mauern von Biegeln betrift,
fo find fie erfilih an ſich ſelbſt, und hernach das
Ubertünchenoder Übertragen derfelben zu betrach-
‚ten, wohin auchdie Fußboden gehören. Es find eini⸗
ge der ungegründeten Meinung, daß die Mauern aus
Biegeln von fpäteren Zeiten der Nömer find, und
in diefe Meinung gehet Nardini binein,2) wei.
er von der vermeineten claudifchen Waflerleitung
innerhalb Nom, wo diefelbe von Biegeln, wie auffer-
balb Nom von Peperino iſt, glanbet, daß jene an»
fänglich ebenfalls von diefer Art Stein aufgeführet
worden, und nur hernach in dem Verfalle der rö⸗
mifchen Macht mit Ziegeln überzogen worden; wel⸗
ches gleichwohl der klare Augenfchein widerleget.
Es fezet derſelbe eine größere Pracht in denen vom.
Stein aufgeführten Bogen, als in denen von Zie⸗
ı) Burmann. Syllog. Epist. t. 2. p. 191. -
2) Rom. ant. 1.8. e. 4. p.5ı7. edit. 1704.
Fragment. 497
geln, worin er ebenfalls irrig iſt: den bie Arbeit
von Biegeln iſt koſtbarer, ſchöner und dauerhafter,
und die praͤchtigſten Gchäude in Nom Maren von
Kiegeln. Gewiß iſt, daß die Wafterleitungen aufler Nom:
fowohl aus der Zeit der Nepublif als der Kaifer, von
großen Steinen find; wen aber unter den Kaifern
ein neuer Waflergang über eine alte Wafferleitung
angeleget worden, ift derfelbe von Ziegen, wie fich
an dem zweiten und obern Gange der marcifhen
Wafferleitung zeiget. Überdem unterfcheidet fich ein
Gemäner von Biegeln aus der Zeit der Nepublif
und der eriten Kaiſer von jedem in fpäteren Zeiten
gemacheten Gemäner.
$. 34. Die Mauern von den großen Gebäuden der
NRömer find nicht durchaus von Biegeln, fondern
nur mit denfelben gefüttert, und muri a cortina, Wie
man 150 redet. Das Sinwendige derfelben ift mit
Heinen Steinen, Scherben und dergleichen und mit
Mörtel ausgefüllet, fo daß. vom Mörtel allegeit das
Drittheil mehr if. Diefe Art zu mauern iſt in
Rom und überhaupt in Stalien nicht mehr üblich;
vernuthlich aber fchüttete man zwiſchen zwo Lagen
von Brettern Steine und Mörtel hinein; die Bret-
ter wurden nachher meggenommen, und man fütterte
die Mauern auf beiden Seiten mit Biegeln. ben
fo wird noch izo zu Meb in Lothringen gemauert,
welches vermöge ber puzzolanhaften Erbe gefchehen
fan; nur mit diefem Unterfchiede, daß dafelbit die
geſchwinde aufgeführeten Mauern nicht, wie bei dem
Alten, mit Biegeln pflegen gefüttert und beleget zu
werden. Vitruvius nennet diefe Art Emplek⸗
ton;1!) er redet aber nur von Dlauern von Steinen,
nicht von Ziegeln, welches offenbar iſt, daer, nach
geendigter Befchreibung derfelben, von Mauern ans
1) L.2. e. B.
91°
t
198 : Vaufanft der Alten.
Ziegeln insbeſondere zureden anfängt, mo er die
fer Art nicht gedenfet. noch deffen Ausleger. Es tft zu
merfen:, daß die Buzzolana zu diefem Mauerwerke
nicht gefiebet wurde. - Auf diefem Wege zu bauen,
waren die NRömer im Stande fo ungeheure Mauern
aufzuführen, welche an 9 bis 13 Palmen dik find.
Man hat unterdeffen auch in neueren Zeiten derglei-
hen Mauern, und zwar von ganzen Biegeln aufges
führet, mie diejenige if, auf welcher die Eupola von
St. Beter zu Nom ruhet, und 14 Balmen dik ift.
6..35. Don folcher Arbeit fcheinen die Mauern
zu Babalon geweſen zu fein: den das Wort auuacın
beim Herodotus, ) welches andere agzedır erflä-
ren,?) deutet auf diefelben. Es fonten Feine Mauern
- fein, wie fih Herr Weffeling diefelben vorfiellet, 3)
von über einander geworfenen Steinen, for
dern fie werden, wie bei den Römern, mit ordentlich
gelegeten Ziegeln gefüttert gewefen fein. Mitge
fhliffenen Ziegeln waren in Nom, unter andern
Gebäuden, die Mauern des halben Zirfels von den ſoge⸗
nanten Bädern des P. Amilius, und die Mauern
des Thenters der Stadt Minturnum, an dem
Fluffe Liris, izo Sarigliamo, beleget und gefüttert.
Diefe Mauern find nochizo fo fchön und fcheinen als
wen fie Fürzlich gemacher wären. Aus gefchliffenen
Biegeln find auch in neueren Zeiten Kirchen und
Palaͤſte in Rom aufgeführet; es find auch die äuſſe⸗
ren Mauern des Palafies der Herzoge gu Hrbimo
aus foichen Ziegeln. +) Diele Ziegel, welche zu
Mauern und nicht zu Fußboden dienenfollen, wer⸗
1) L. 1. c. 180.
3) Eustath, ad Odugr. Z. XVII. p. 1852.
3) Dissert. Herodot. p. 43.
4) Meworie d’ Urbino , Roma, 724. fol. €. 3. 2. 46.
Fragment. 499
den an beiden Enden breiter als in der Mitten ge⸗
machet, damit man fie faſt ohne Mörtel auf einan⸗
der legen könne: ben der Mörtel wird innerhalb,
wo die Siegel nicht fchließen, geleget. Daher ger
fchiehet es, dad an Mauern von gefchliffenen Ziegeln
die Fugen zwifchen ihnen faſt unmerflich find.
6.36. Es iſt befant, daß die Biegelbrenner
ibren Namen auf großen Ziegeln mit einer Form
eingedrufet , und es findet fi von denen, . welche
drei bis vier Palmen lang und eben fo breit find,
felten einer ohne eingedruften Namen des Meiſters.
Zumeilen iſt auch zu dem Namen deffelden der Na-
me des Herrn gelezet, dem fie dieneten. Philan⸗
der redet von folchen Ziegeln, mo zu dem Namen
des Ziegelmeiſters gefeget war, daß er dem berühm⸗
ten Afinius Pollio gedienet,!) und dergleichen fi
den fich mehrere angemerfet. 2) BZumeilen ift auch
das Confulat, unter welchem die Ziegel gemachet
worden, eingedrufet, wie ich verfchiedene derfelben
gefehen, welche in der Billa des Seren Cardinals
Alexander Albani vermauert worden.
6.37. Weñ ein Gebäude gegen die Anhöhe
eines Berges, oder font an ein erhabenes. Erdreich
aufgeführet wurde, 309 man, die Feuchtigkeit ab-
zubalten, dopelte Mauern, fo daß zuweilen zwifchen
beiden ein flarfer Span Raum blich. Diefes ſiehet
man am beutlichiten an den hundert erhaltenen Ge⸗
wölbern in der Dilla Kaiſers Hadriani bei Ti⸗
voli; Daher diefe Gewölber noch izo fa trofen find,
daß das Heu viele Jahre in denſelben Tiegen Fat,
Einige diefer Mauern find innerhalb mit folder
Sauberkeit geleget, und ihre Fläche ift fa glatt, dag man.
1) Annotat. in Vitruv. 1.2. c. r. p. 47.
2) Falconieri, Leit. sopra I’
Iseriz. d’un mattone, giunta
alla Roma del Nardini. — A ee
300 Bankunſt der Alten.
Behet, die Abficht fei gewelen, das Anhängen der Feucdh⸗
tigfeit zu verhindern. Diefes dienet zur Erläuterung
defien, was Bitruvins davon Ichret.!) Perrault
bat fich unter diefer dopelten Mauer mer weiß was für
ein Werft mit vielen Sanälen ober Ninnen vorge
fiellet. 2) An anderen Gebäuden aber, die frei ſte⸗
ben fonderlich in gebachter Villa, finden fich den-
noch dopelte Mauern , aber der Smwifchenraum if
etwa nur zwei Finger breit. Sn den Bädern des
Ditus find folche Mauern etwa drei Zolle von ein.
ander. Die St. Betersfirche hat ebenfalls dopelte
Mauern, aber fo, daß zween Berfonen bequem zwi⸗
fhen beiden, um die ganze Kirche, unten ſowohl
als zu oberſt, geben können.
6.38, Weñ aber an dem Abhang des Erdreiche
aufgeführete Gewölber ohne dopelte Mauern find,
fo baben dieſelben Feine andere Abficht, als eine
gleihe Höhe mit dem erhabenen Erdreiche zu ge-
winnen, unb auf folche Gewölber wurde das Gchäude
aufgeführet, welches an den Gewölbern unter dein
fogenanten Tempel der Sibylla zu Tivoli augen:
fheinlih if. Es hießen diefelben substructiones,
und wen Kicero, in der Rede für den Milo, im-
manes substructiones der Billa Claudii anführet, fa
meinet er folche Gewölber.
. 6,39, Eine andere Hrfache dopelter Mauern
mar, fich wider den Wind zu verwahren, tmelcher
bei den Griechen Ay, bei den Römern Africus, und
{50 seirrocco heiſſet. Diefer Wind köm̃t aus Afrika,
wie bekañt if, und herfchet ſowohl über die Küften
von Stalien als von Griechenland: er iſt Thieren,
Gewächhfen und Gebäuden ſchädlich; den er führet
ı) L.9. c. 4.
») Ad Vitruv. L e.
Fragment. 501
ſchwere, dike und feurige Dünſte mit ſich, ſonderlich
wo derſelbe über ſtehende Sümpfe hinfährt; er ver⸗
finſtert den Himmel, und verurſachet daher eine
Entfräftung in. der ganzen Natur. Zu Methana in
Griechenland riß man einen Hahn lebendig von
einander, und es liefen zwo Berfonen mit diefen
Sälften um ihre Weinberge herum, in dem Aber⸗
glauben, daß diefes.ein Mittel fei wider dieſen
Wind, welcher ihren Wein verwelfen machete. 1) Es
zermalmet derfelbe Eifen und andere Metalle, und
eiferne Gegatter an Gebäuden. am Meere müßen von
Beit zu Zeit erneuert werden, wozu die falzige
Meerluft auch nicht wenig beiträgt. Das Blei auf.
der Supola der St. Peterskirche in Rom muß alle
schen Sabre theils umgeleget, theils ausgebeflert wer⸗
den, weil es von diefem Winde zerfrefien wird.
Wider den Einfluß diefes Windes baueten die Alten
gegen die Mittagfeite ‚vielmals mit dopelten Mate
ern, doch fo, daß mehr Raum blieb, als mo Bie
Mauern blos wegen der Feuchtigkeit bopelt waren;
man ließ einen Raum von etlichen Fuß breit. Dies
fes hat der Herr Gardinal Alexander Albani in
einem feiner prächtigen Zuftbäufer zu Caſtel Gandol⸗
fo nachgemachet.
8.40. Bu Aufhebung großer Laſten beim
Bauen bedienete man fich unter andern eines Rades,
innerhalb welchem Leute liefen, wie dergleichen aaf
einer erhobenen Arbeit vorgefiellet iſt, welche auf
dem Marfte zu Capua eingemanuert fiehet. 2) -
8.41. Bon ber Bekleidung ber Mauern if zu
merfen, daß diefelben an Öffentlichen prächtigen
Gebäuden mit gleicher Sauberkeit geleget wurden, ..
be mochten betragen werden oder nicht, und wei
ı) Pausan. 1.2. [c. 34. 8. 3.]
2) In Mazzocchi Amphit. Campanim. [pt unter Numero
11 ber Abbildungen.)
502 Baukunſt der Alten.
die Bekleidung abgefallen ift, fiehet die Mauer ang,
als men fie gemachet worden, bEof zu erfcheinen.
Dieſes gilt auch von Mauern von Biegeln , die mit
marmornen Blatten beleget waren, wie an dem
Borfprunge des PBorticus am Pantheon Das
Beträgen der Mauern gefchahe mit mehr Sorgfalt
als izo; den es wurdebisan ſiebenmal wicderholet,
wie Vitruvius angeiget, 1) jeder Auftrag dicht
gefchlagen , und zulezt mit gelloßenem und fein ge-
fiebetem Marmor überzogen; eine folche Bekleidung
iſt dennoch nicht über einen Finger dif. Es war
Daher eine übertünchete Dauer fo glatt als ein
Spiegel, und mian machete Tifchblätter aus folchen
Stüfen Mauerwerk. Sn den fogenaiten Sette
Sale, oder in dem Waflerbebälter der Bäder des
Titus zu Rom, und im der Piſcina mirabile
bei Baia, welches ebenfalls ein Waſſerbehälter war,
it man nicht im Stande, von den Wänden und
Bfeilern die Bekleidung abzufchlagen, fondern fie if
fo ‘hart als Eifen, und glatt mie ein geglätteter
Spiegel. In geringeren Gebäuden oder in Grab«-
mälern, wo die innere Seite der Mauer nicht mit
gleicher Sauberfeit gezogen iſt, finder fich die Be⸗
Heidung an zween Finger dik. Auſſerordentlich iſt
die Nachricht, welche Santes Bartoli von Zim⸗
mern gibt, deren Wände gang mit dünnen Eupfer-
sen Platten beleget waren,2) fo wie es der Tempel
des Jupiters zu Antiochia mit vergoldeten Ble⸗
chen war. 3) _ Diefe Simmer wurden zu beflen Zeit,
das ifl, zu Ende des vorigen dahrhunderte, ohnweit
»)] L. 7. e. 3.
2) In deſſen Nachrichten von entdeketen Alterii«
mern, welde unter andern zu Ende der Roma antica
e moderna augehänget find. Windelman.
3) Liv. 1, 41..c. 25.
Fragment. 503
Marino bei Kom, entdeket, an einem Orte, mel
cher ehemals ad Bovillas, und izo alle Fratocchie
heiſſet, wo die berühmte Bergötterung des Some
rus, im Balafle Co lonna, gefunden wurde, und man
glaubet, daß ebendafelbit eine Vila Kaifers Claw
dius gewefen fei.
$. 42. Eben fo befonders war die Bekleidung
der Mauern mit difen. Tafeln von Glas, in einigen
Zimmern der Villa Kaifers Antoninus Pius bei
Lanuvium, izo Citta Lavinia, welche der Herr Cam
dinal Alerander Albani im Nachfuchen. unter
dieſen Trümmern entdefete, und diefes waren viel
leicht Spiegel. Von einem folchen immer meldet
auch Vopifeus.1) Georg Fabricius behaup⸗
tet, daß inden Bädern des Agrippa Bogen nebfl
Fußboden von Glafe gemefen, 2) welches man an ſei⸗
nen Drt geitellet fein läſſet; was er felbft gefehen,
waren kleine Stüken Blag, welche daſelbſt ausge⸗
graben worden.
5.4. Der Fußboden in Bädern und anderen
Gebäuden wurde zumweilenvon Kleinen Ziegeln geleget,
welche fenfreht anf ihre Schmale Seite gefeget
find, und ‚war ſo, daß fie Winkel mit einander
machen , fo wie noch izo gebräuchlich iſt, und alle
Straßen zu Siena und in allen Städten des Stant#
von Urbino find auf folche Art mit Ziegeln gepfla⸗
tert. Sa dergleichen Blatter war ehemals ın dem
neuen Rom, und auch zu Florenz bis in's dreis
jehente Jahrhundert, 3) da man anfing, die Straßen
in diefer Testen Stadt mit großen breiten Kicfel-
fleinen zu belegen. Man nennet dergleichen Arbeit
a coltello, oder auch spina pesce, von der ähnlich.
1) Salmas. in Vopisc. p. 4. 43. b.
x) Rom. p. 210.
3) Baldinucci, Notizie.. de’-Profess. del disegno. t. 1. p. 3a.
304 Banfunft der Alten.
keit mit der Richtung der Fifhgräten, und die Af-
ten opus spioatum, weil die Biegel liegen wie Körner
an einer Kornäbre, welches Perrault nicht
verfianden hat, wie bereits anderwärts bemertet ifl.1)
fiber diefen Grund wurde ein Mörtel mit geſtoße⸗
nen Ziegeln geleget, und über dieſe Lage vielmals ein
Mufaico von kleinen weiſſen würfelichten Steinen geſe⸗
zet. Hier iſt zu merken, daß die muſaiſchen Arbeiten
ber Alten nicht aus lauter harten Steinen beſtan⸗
den, wie man insgemein glaubet und fchreibet, fon-
bern fie nahmen dazu auch Glas von allerhand Far-
ben, wie man izo arbeitet. So fiebet man es noch
izo in der Billa Hadriani bei Tivoli. Die Alten
hatten unter ihren Leibeigenen auch Leute, bie be
fonders allerhand Arten von Eflrichen zu arbeiten
verilanden, welche pavimentarii hießen. 2) Der ganze
Boden des berculanifchen Theaters (oder die Cavea,
Barterre, wie wir es izo nennen) War aus großen
Tafeln von Giallo gepflaftert, in in der Billa Had⸗
riani war ein Teich von... . Balmen in der Länge,
und von... .in der Breite, mit eben diefem Mar⸗
mor ausgeleget, An demfelben fanden fich viele
Köpfe der Sammlung des Cardinals Bolignar.
8. 44. Das dritte Stüf diefes. erfien Kapitels,
welches von der Form der Gebäude und von den
Thbeilen derſelben handelt, bat natürlich zween Theile.
Das erfie Theil begreifet die bürgerlichen Wohnun-
gen und die öffentlichen Gebäude in fih, und weil
on Wohnungen nur in der Zeit, wo bie Pracht
überband nahm, Säulen angedracht wurden, fo gc-
böret dasjenige, was von bdiefen insbefondere zu
ı) M. de la Bastie, Remarg.sur puelq. Inscr. antiq. dans
les Mem. de l’ Acad. des Inscr. t. 14. p.420. edit. Par.
2) Vulpii Tabula Antlana, p. ıB.
Fragment. 505
merken If, zu den öffentlichen Gebäuden, und vor
nehmlich zu-den Tempeln.
8.45. Von der Form und Anlage bürgerlicher
Häuſer fan ich aus den Entdefungen der durch den
Veſuvius verfchütteten Städte einige Nachrichten
mittheilen. Es waren die Wohnungen dafelbft
mehrentheils in’s Gevierte gebauet, fo daß fie einen
inneren Hof (cortile) einfchloßen, um welchen herum
die Zimmer gingen... Sn diefem Hofe der gemeinen
Kohnungen war oben ein breiter Vorfprung von
Brettern gemachet, um unter demfelben vor der
Traufe bedefet zu gehen, fo wie auch im alten Rom
die Traufen an den mehreflen Häufern, nach dem
Bitruvius, von Brettern geweſen fein müßen.
Ein folcher Hof hieß daher impluvium, von vu $esov
irasIgov, unter freiem Simmel.
6.46. Der Haupteingang eines Palaftes von der
alten Stadt Stabin führete in einen Flur (vestibulum),
welcher insgemein rund war, wie derfelbe in dem
Balalte des Diocletianus zu GSpalatro iſt, wo
das Licht von oben in denfelben fiel. Sn jenem
war eine vierfeitige Eifterne, deren Dach auf vier
Säulen ruhete. Von bier ging man in die Stu—⸗
fen, die aber nicht in gerader Linie auf den Ein-
gang fließen, fondern feitwärts maren. Um die
Stufen war ein Waffercanal geleitet. Aus dem
Veſtibulo ging man in das Atrium, welches der ge-
räumigſte Saal in dem Palaſte der Alten war; und
fo wie jenes, das Veſtibulum, den Göttern gewid⸗
.met wurde, fo war diefes mit den Bildniffen der
Voreltern ausgezieret. An dem diocletianifchen
Atrio ging man in den Kryptoporticus, welcher 517
englifche Fuß lang war, nach den neueflen Ent-
defungen des Herrn Adams. Längs dem Atrio
waren bier auf beiden Seiten fchmale Gänge, wel⸗
Winckelmaũ. 2, 22
506 —Baukunſt der Alten,
che andrones und fonderlih mesaule hießen, und
Diefe waren ebenfalls von der Defe ber erleuchtet.
6,47. Dasienige Luſthaus oder Billa im alten
Herculano, mo die alten Schriften gefunden find,
ſchloß einen großen Teich ein, welcher 252 neapel-
fche Palmen lang und 27 breit war, und an beiden
Enden war berfelbe in einem halben Zirkel gezogen.
Aund umher waren Gartenflüfe, und diefer ganze
Plaz war mit Säulen, von Biegeln mit Gyps über-
tragen, befeget, deren 22 an der längſten Seite und
10 in der Breite flanden. Oben aus diefen Säulen
singen Balfen bis in die Mauer, die um den Gar-
ten gezogen war, und diefes machete eine Laube,
fo wie es noch iso um Neapel in der Campania Fe
liee gewöhnlich ift. Unter der Laube auf einer Seite
waren Abtheilungen zum Wafchen oder Baden, eine
halbrund, die andere winkelicht, wechfelmeife.
Anhalt Des zweiten Bandes
Schriften überdie herculaniſchen Ent
dekungen.
Seite.
Briefe an Bianconi .. .. 52114
Nachrichten von den alten Haͤndfchriften, die
ſich in dem föniglichen Mufeum zu Bortich
befinden . . 7
Nachricht von den Säufern der Alten, und ber
fonders denen zu Serculanum . . 29
Nachricht von den berculanifchen Gemälden . . 45
Nachricht von den Bildſaulen von Bronze zu
Hereulanum . . 59
Nachrichten von den marmornen Bildfäulen |
zu Herculanum . « 64
Nachrichten von andern beträchtlichen hercula⸗
niſchen Altertümern . . 69
Nachrichten von einigen Altertümern von Bom-
peji, Stabia, Päſtum und Caſerta ..79
Nachrichten vom königlichen Muſeum auf Capo
di Monte in Neapel, und der Bibliothek
von ©. Giovanni Carbonara . . 86
Nachrichten von einigen in Yom und den ums
liegenden Gegenden nusgegrabenen Altertü-
men . 90
Sendfchreiben von den herenlanifchen
Entdefungen, an den Neichsgra—
ven von Brühl . . >... 115 — 234
Nachrichten von den neueſten hereu⸗
laniſchen Entdekungen, an Herrn
Heinrich Füeßly in Bürih . 135 — 300
— —— —— — — *
| 308 Inhalt.
Scite.
Anmerkungen über die Baukunſt der
alten Tempel gu Girgenti in Eict
lien .. . . 301 — 339
Anmerkungen über bie Baufuni der
Alten. 2 2 2 2 een.» 331 — 471
Vorberichttt333
Snhalt .. ee. een. 349
Erftes Kapitel. "Bon dem Wefentlidhen ,
der Baufun > 2 2 2 31
Zweites Kapitel. Bon der Zierlichfeit in
der Baufun . - - » 441
Fragment einer neuen Bearbeitung
der Anmerfungen über die Bau
kunſt der Alten. - - 0.2. 43 — 506
| PBelage
ans Erd As zwedtere PBarsdas von
Iohar Wircketmans sämtlichen
Nisnerot.
A,A,N,M,
Momero2.
KAVAO,
Neesmero 3.
KAVAO,
ı VUrMErOA. | AukTrToic |
HREIAC TOANHO OYKOYNAHNO
- TETHPTOPIKHL KÄLATNA.UE
| Nirmero 5.
JIINY. AVNNIT.
Numerog.
SER] DIE]S
IIIIIVIIMI
®, D, e, &, N, I, p, —XX
Numero 13.
SIOKXHT.
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HREIAC TOAAHC OYKOYNAHNO
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MNmrero 16.
- DIVD/’NMTCOLVIMATIERM:DEDIT:
Auf derandern Seite der Name das Kiinstlers:
NOMOSPLMVOS MED.ROMMI-FECID
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105 005 L£09 6
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STANFTEN. CALIFORNIA 94305
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