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Full text of "Johañ Winckelmañs sämtliche werke. Einzige vollständige ausgabe; dabei porträt, facsimile und ausführliche biographie des autors; unter dem texte die frühern und viele neuen citate und noten; die allerwärts gesammelten briefe nach der zeitordnung, fragmente, abbildungen und vierfacher index"

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20 


| ' Joha Winckelmañs 
faͤmtliche Werke. 


Einzige vollfiändige Yusgabe; 


. dabet 
Borträt, SGaefimile und ausführlihe Biogra— 
phie des Autord; unter dem Terte die fris 
hern und viele neuen Eitate und Noten; 


Die allerwärts sefammelten Briefe nad der 
Zeitordnung, Zrasmente, Abbildungen und 
vierſacher Inder. 


Bon Joſeph Eifeleim 


> 3weiter Band 


— — ññwV —— — — — 


Donausſchingen, 
Verlage deutſcher Elaffilen 
1825. 


Johau Bindelmans 
famtlihe Werke 


—L 


Einzige vollfiändige Yusgabe; 


dabet 
Porträt, Sacfimile und ausführlihe Biogra— 
phie des Autors; unter bem Terte die frü— 
bern und viele neuen Eitate und Noten; 


die allerwärts gefammelten Briefe nad der 
Zeitordnung, Fragmente, Abbildungen und 
vierſacher Inder. 


Bon Joſeph Eiſelein. 


> Zweiter Band. 


* — — —— S — np 
[3 


Donaudfhingen, 
Berlage deutſcher Chlaſſiker. 
18 2 5, 


Shriften 


über die 


herculaniſchen Entdekungen. 


175838 — 1763 


Schriften 


über die 


herculaniſchen Entdekungen. 


1758 — 1763 


Briefean Bianconi, 
nachherigen 


kurfürſtlich ſächſiſchen Hofrath und Reſidenten 
am päbflichen Hofe. 


Diere Briefe, welche dem Publicum blos in Auszügen mit: 
getheilt worden, find von Windelman in den Sahren 
47583 bi8 1763 an den Hofratb Bianconi, damaligen Eos 
‚niglichen Leibarst in Dresden, in italiänifher Sprache 
gefchrieben, und zwar in der Abficht, die darin mitge⸗ 
theilten antiqnuarifchen Notisen dem Kurprinzen Sriedric | 
EChriftian und defen Gemahlin mitzutbeilen. Als ſpäter. 
Hin Bianconi kurſächſiſcher Nefident am yäbftlichen Hofe 
in Rom ward, Tieß er diefe Briefe im Jahre 1779 in die 
Antologia Romana einrücen, nachdem vorher alled, was daB 
Publicum nicht intereffiven, oder was fir andere Gelehrte 
beleidigend fein Eoflte, von ihm geftrichen, und die verfchie 
denen in den Briefen zerftreuten Materien unter gewilfe Abs 
feynitte georönet worden. Aus dem Staliänifchen wurden fie 
fodafl von dem Bibliothekar Dakdborf zu Dresden in's Deut 
ſche überfest, und aus dem Deutfchen in's Sranzöfifche. Der 
Abate Fea Hatte Tpäterhbin Gelegenheit die in der An- 
tologia Romana abgedruften Briere mit, den Hrisinalbrieren, 
die fih in den Händen des Abate Amaduzzi beranden, zu 
vergleichen, und manche kleine Schler, die ſich dort einge 
ihlihen hatten, zu berichtigen. Eben fo haben wir die 
überfesung Dakdorf3 mit dem Abdruf des Originalauszuges 
diefer Briefe von Fea, im dritten Theile feiner überſezung 
der Schriften Winckelmañs genau verglichen und an 
nıehreren Stellen berichtigt. Fernow. 

[Der Inhalt diefer Briefe muß mit Winden 
mans fpätern Schriften über die nämlichen Gegenftände, 
mit feinem Sendſchreiben ꝛc. und den Nachrichten ꝛc. 
verglihen werden, wie dazu die beigefügten Weifun 
sen anleiten,) 


. 


















— 


Briefe on Bianconi, 
Kurfürftlich ſächſiſchen Hofrath und Reſidenten 
am päbſtlichen Hofe. 


iNachrichten von den alten Handſchriften, die 
fi in dem königlichen Mufeum su Portici 
befinden.) 


8. 1. Aus den Ruinen von Herculanum find 
mehr als achthundert alte Handſchriften hervor⸗ 
gezogen worden,1) die man alle in einem kleinen 
Bimmer eines Landhaufes, unter dem Garten der bar⸗ 
füßer Auguftiner zu Portici, gefunden bat. In diefem 
Zimmer befinden fi ringsherum Schränfe, von ein 
wenig mehr als Manneshöhe, um die Schriften be- 
quem heraus nehmen zu fönnen; und in der Mitte 
theilte das Simmer eine Reihe Schränfe von der nämli⸗ 
chen Höhe, wobei auf beiden Seiten ein freier Gang 
geblieben war. Die Handfchriften haben beinahe 
das Anfehen von Schmiedefohlen; aber nur Wer 
nige find rund; der größte Theil derfelben iſt mehr 
oder weniger platt gedrüfet; viele find runzgelicht 
und frum gebogen mie Ziegenhörner. Ihre ge⸗ 
wöhnliche Länge beträget einen Palm. Die Dike iſt 
verfchieden ; einige darunter aber find nur eitien hal⸗ 
ben Balm lang. An beiden äuſſeren Enden, die ver⸗ 
ſteinertem Holze gleichen, ſiehet man, wie die Hand⸗ 
ſchriften über einander gewikelt ſind. Aber man 
muß ſch hier mit dem Phädrus beklagen: 

— — sed fato invido 

Carbonem, ut ajunt,. pro thesauro invenimus. ?) 

4) Martorelli (de reg. theca calamı. t. ı. p. 40.) fast 

ſechſhundert. Sen. 

2) L. 5. fab. 6.5 — 6. 


8 Briefe üb, d. 


8,2. Se mehr die Rollen von gleiher Schwär⸗ 
se, und ie mehr fie den Schmiedefohlen ähnlich 
find, deflo Leichter können fie aufgewifelt werden: 
wo fich aber Fleken zeigen, die kaſtanienbraun 
ausſehen, da ift eg ein Zeichen, daß fie von der unterir- 
difchen Feuchtigkeit gelitten haben, und halb. vermodert 
find. Ich bemerfte an der Rolle, die man eben aufzuwi⸗ 
fein bemühet war, daß fich eine Ader von ſchwarzer Er⸗ 
de hinndurchgegogen hatte, die vermuthlich vermittelft 
der Feuchtigfeit hineingedrungen war. Die Materie 
der Schriftrollen beflebet aus Bapyrus oder ägyp⸗ 
tifhem Schilfe, das überaus zart und düñ if, 
von den Griechen derros genennet wird, und feiner Dün- 
ne wegen nur auf einer Seite befchrieben ifl. Sn ver- 
fchiedenen Bibliothefen findet man ganze Rollen von 
Schilf. An der vaticanifhen Bibliothef, "und in 
dem Archive der Theatiner zu S. Apoſtoli in Nea⸗ 
pel habe ich einige Blätter mit Uncial - und Cur⸗ 
ſivbuchſtaben gefehen ; da aber das Schilf dif ift, fo 
fcheinet es Fein Agyptifches, fondern von der Art 
zu fein, das an andern Orten, als, nad) der Ausfage 
des Blinius,!) zu Ravenna wuchs. Drei Rollen 
find entwikelt; die erfie handelt von der Tonfunft, 
die weite von der Redekunſt, und die dritte 
de vitiis et virtutibus. Die zweite ift das zweite 
Buch einer ganzen Abhandlung; und die dritte ent». 
bält dag dritte Buch des obgenaiten Werfes. In 
diefen drei auf einander folgenden tollen finden 
fich die Arbeiten eines und deffelben Verfaſſers, näm⸗ 
lich des Philodemus, eines epifurifchen Philoſo⸗ 
phen und Beitgenofien des Cicero, 2) deſſen Fa⸗ 


ı) Plinius (ll. 16. c. 37.sect.70.) fpricht von dem scirpus, und 
deffen verfchiedenem Gebrauche, fagt aber nicht, daß ders 
felbe sum Schreiben gebienet. Sea. 


2) Eicerponeft ihn, (de Fiaib. 1. 2. c. ul.) wo es Heißt: 


neueſt. hereul. Enfdet, 9 


Brieiug in feiner Bibliotheca Graoa erwähnet. 1) 
Aus den Auskrazungen und DBerbefferungen in 
der Abhandlung von der Redekunſt läſſet ſich vermu⸗ 
then, daß fie die eigene Sandfchrift des Verfaffers iſt. 
Sn einer Nachricht, die ich igo unter der Feder babe, 2) 
will ich einige Broben von diefen VBerbefferungen 
mittheilen. &s ift Fein bioßer Zufall geweſen, daß 
man gerade die Sandfchriften von einem Verfaſſer 
aufgerollet bat: den man mwählete die Fleinfen Rol⸗ 
Ien, um gefchwinder damit fertig zu werden, und 
fuchete zuerſt dieienigen aus, welche fih am beften 
erhalten hatten, und fich in einem Winkel des be⸗ 
meldeten Zimmers fanden. Dies brachte die gute 
Wirfung hervor, daB man auf die Werke von dem 
felben Berfaffer traf, welche an einem Drte beifam- 
men lagen. Die erfle und zweite Nolle find drei- 
zehn Balmen lang; die dritte iſt etwas kürzer. Die, 
mit der man fich izo befchäftiget, wird nach ihrer völli» 
gen Aufwifelung gegen dreiffig Palmen lang fein, 
und vermuthlich denfelben Bhilodemus zum Ber 
faffer haben, wie fich aus dem Namen des Evpikurä⸗ 
ers Metrodorus, den ich darin geleſen habe, 
und der, fo wie der Name des Sermardhus, in 
den erflen dreien fehr oft vorfomt, muthmaßen läffet. 
Bon diefem Hermarchus befindet ſich in dem kö⸗ 
niglichen Mufeum ein Fleines Bruftbild von Bronze.) 


Syronem dicis et Philodemum cum optimos viros tum 
doctissimos homines etc. Dafdborf. 

ı) T. 3. 1. 3. c. 33. p. 614. Strabo erwähnt ihn in fels 
nem 17 Buche: Ex di var Tadapuy Dircduwos ra 6 Ewi- 
ugusoe yıyırm. Diogenes Laertius führt dad 10 
Buch ns Tor giacaopmy ourrafsns von ihm an; worüber 
man die Ausgabe ded Menage (©. 446.) nachlefen mag. 
Die Epigrammata, die von ihm in der griechiſchen 
Anthologie vorkommen, find ſehr fchön. Daßdorf. 

2, [In dem Sendfchreiben:c) 

3) Diefed Bruſtbild iR nachher (tom. 1. Bronzi 


00 Briefe üb, d. 


8. 3. Dieſe Handſchriften ſind aus ſechs Finger 
breiten Stüken zuſammengeſezt, die ſo über einan⸗ 
der liegen, daß ihre Verbindung zwei Finger breit 
iſt. Viele find um eine runde hohle Nöhre gewi⸗ 
Felt, die, nach ihrer Dife zu urtheilen, vielmehr 
von Knochen als von Rohr zu fein fcheinet; aber 
die Materie läſſet fich igo nicht mehr erfennen. Die 
Länge diefes Nohres iſt der Länge der Handfchrift 
gleich, und ragete nicht über diefelbe hervor. Sn 
der Höhlung ward ein Stäbchen angebracht, welches 
dienete, die Sandfchriften ab- und aufzumifeln, ohne 
dag man die Bapyrusrollen zu berühren brauchte, 
Solche Stäbchen, die fich erhalten haben, findet 
man mitten in einigen Sandfchriften. Das Nohr 
befand fich alfo allegeit mitten in der zufammenge- 
rolleten Handfchrift, und die Höhlung deffelben iſt 
aller Wahrfcheinlichfeit nach dasjenige, was die Al- 
ten umbilicus nenneten; und wen das Rohr an beie 
den Enden einer HSandfchrift fihtbar war, fo mußte 
man folches einen umbilicum duplicem nennen. Ein 
napolitanifcher Gelehrter behauptet, 1) daß der um- 
bilicus ein Zierat oder Stempelmitten auf dem 
Bande eines vierekigen Buches fei, wie man auch 
wirklich an einem folchen Buche flehet , das, nebit 
andern Sachen, auf einem alten Stüf Mauer ab» 
gebildet iſt. Es fcheinet mir aber, daß ein Nabel 
mehr Ahnlichfeit mit einem Nohre habe, das die 
Are einer HSandfchrift ausmachet. Es iſt auch wahr 
fcheinlich, daß ſowohl der Anfang als das Ende der 
Handſchrift an ein Rohr befeſtigt war; deñ auf dieſe 
Art koñͤte man, man mochte vom Anfange oder 


Eroclanesi, tav. 13.) befaflt gemacht worden ; es wirb 
daſelbſt gleichfalls ein Stük der angezeisten Handichrift 
beigebracht, aufweihem Her marchus genafitift. Sen. 

ı) Martorclli, de reg. theca. calam. parerg. c. 2. p. 243. 
[Man vergieihe dad Sendfhreiben $. 4.) 


neueſt. hereul. Entdek. 11 


am Ende derſelben leſen, das Geleſene immer wie⸗ 
der um das Rohr wikeln. Ich ſage, es iſt wahr⸗ 
ſcheinlich, weil das äuſſere Rohr ſich an Feiner 
Handſchrift erhalten bat; fogardie auſſere Deke der- 
felben. hat allegeit gelitten. Diele Muchmaßung iff 
auf zwei alte bereulanifche Gemälde gegründet, wel⸗ 
che Handſchriften vorfielen, die von beiden Seiten 
- aufgewifelt, und in der Mitte abgewikelt und offen 
find: fie mußten alfo zwei Nohre haben. Ein am 
derxes Gemälde ftelet die Mufe Klio mit einer Rolle 
inder Sand vor, auf welcher ihr Name flebet. KAEIw 
ICTOPIAN, die auf die nämliche Art gewifelt ift;1) 
und überdies fan man auch, wie ich muthmafle, 
eben fo mie bei den obigen, die Höhlungen beider 
Röhren fehen. 

$. 4. Hierzu Fomt noch, daß der Inhalt oder 
.Zitel des Werkes fihh am Ende bemerfet findet, wel⸗ 
ches die drei bisher entwifelten gezeiget haben. Die 
Abficht war, wie ich glaube, daß der Leſer bequem 
den Titel des Werkes fände, die Handfchrift mochte 
von der einen oder der andern Seite aufgewifelt 
fein. Wen ver Titel nit am Ende miederholt 
worden wäre, fo Hätte man Mühe gehabt, den Na- 
men des Verfaſſers zu errathen, da der Tiıtelüber 
dem Anfange des Werfes verloren gegangen war. 
Auch iſt anzumerken, daß der Titel ganz nahe am 
Ende eines Buches, mit den nämlichen Buchſta⸗ 
ben als der Tert, gefchrieben, und ein wenig weis 
ter berunter mit größerer Schrift wiederholet 
if. Am Ende der Abhandlung über die Tonkunſt 
liefet man mit Fleiner und größerer Schrift: 

®SJAOAHMOTY NHEPI MOTZIKH?2. 


ı) Pitture d’Ercolano, t. 2. t.2. Eine ähnliche Role hält 
eine weibliche Sigur auf einem schobenen Bildwerfe in 
der Villa Albani. Fea. 

LMan fehe die Abbildung Numero 17.) 


12 Briefe üb. d. 


flberdies war der Titel auf einem Heinen Zeddel 
bemertet, der unten aus der Nolle heraushing, wie 
man in den gedachten Gemälden fichet. Auf dem 
einen glaube ich folgende Buchſtaben zu leſen: PA 
XX AN. 1) Die aufgewilelten HSandfchriften find 
in&olumnen gefchrieben: die vonder Tonfunfl be 
fiehbet aus 39, die von der Redekunſt aus 385 fie . 
End fünf Finger breit, und enthalten 40 bie 44 
Zeilen. Zwiſchen den Eolumnen ift ein Raum von 
einem Finger breit, auch zumeilen noch mehr, und 
die Schrift ifl, wie in vielen andern Sandfchriften, 
mit Linien umgeben. Diefe Linien, die wei aus 
fehben, werden wohl roth gemweien, und mit Me⸗ 
nig gezogen worden fein, ihre Farbe aber im Feuer 
verloren haben. Die Nolle von der Tonfunft if 
nach ihrer Entwifelung in 8 Stüfe von 5 Colum⸗ 
nen zerfchnitten, und in Rahmen unter Glas gefnfe 
fet worden. Die andern Rollen follen in ihrer gan 
gen Länge aufgehangen werden. Die Schrift der 
Werke des Bhilodemus iſt von der nämlichen 
Größe, als die Schrift, womit Johannes Las- 
karis Rhyndacenus 2) einige feltene griechifche 
Autoren, den Kallimachus, Apollonius Aha 
bins, die Anthologie :c. hat drufen laſſen. Ih 
glaubete die Form der Schrift Alter zu finden; da⸗ 
ber war ich beinahe überzeuget, ich würde ein run« 


1) Martorelli (l.c. in additam. pag. 34.) gibt eis 
ne Abbildung davon und verfucht verfcdhiedene Erflärun: 
gen diefer drei halben Wörter, weldhe auf dem Zed⸗ 
deichen, eines über dad andere, gefchrieben find. Sea. 

2) Diefer Grieche, aus der Samilie ber orientalifchen Kai⸗ 
fer entfprofen, hatte fid nach der Eroberung von Kon⸗ 
flantinopel nach Stalien gewendet. Er bat zuerſt aus 
Münzen und andern Denktmälern bed Altertumsd die Ge 
ftalt der großen griechifchen Buchſtaben aufgeiucht und 
befafit gemacht, und ein Bud: De veris Cr&carum Li 
terarum formis et causis, gefchrieben. Dakdorf. 


/ 


neueſt. bereut, Entdek. 43 


bes E, ein 2, das wie ein lateiniſches C geflaltet mA. 
re, und dasn in der Bildung eines curfiven » fins 
den , da man dieſe Buchſtaben fo gebildet auf der 
Aufſchrift eines Gefäßes des Könige Mithridates!) 
m Campidoglio findet.?2) Aber A, A, A, M find 
vorgeftellet durch — 2) die man in den Auffchriften des 
erſten Jahrhunderts nicht findet. Ich geſtehe es, daß 
das A auf den älteſten Münzen der Stadt Caulo⸗ 
ia, in Grofßgriechenland, beinahe die näms 
liche Geſtalt hat; dent auf einer flehet 4); auf ei⸗ 


12) Das curfive o iſt neuer ald dad n, welhes Simoni⸗ 
des, dem Plinius cd. 7. c. 56. sect. 57.) sufolge uns 
gefähr 500 Jahre vor Chrifti Geburt erfunden hat. Ans 
fangs bediente man fich ftatt deffelben eines einfachen o, 
wie aus Plato (Cratyl. oper. t. 1. p. 410.) er⸗ 
Hellet. Das Gefäß des Mithridated, wo ed Die curfive 
Sorm hat, iſt Eurz vor der Zeit des Auguſtus verfertis 
set, dei Mithridats Regirung fallt wiſchen 113 bis 
164 vor Ehrifti Geburt, in welcher Zeit die Sorn der 
Buchftaben , welche Windelman anführet, ſehr allge 
mein üblich war. Die Paläographen fesen den Anfang 


derfelden in die Zeit Aleranderd ded Großen, wie 


man auf der Tafel ded Spyanheim (de prast. et usu 
nun. t. 1. p. 8o.) fieht, welche vom Pater aBennets 
ti8 (Chronol. et crit. hist. etc. t. ı. p. 220.) wieberhes 
fet worden. Go iſt auh die Sorm bei zZ Alter, aß 
bie des C, wie Spanheim (Dissert. 2.n. 5. p. 99. 
seq.) gleichfalls beweiſet. Die Form des E ift aus Alp 
randers Zeit; die andere Form iſt Alter, wie die 
angeführte Tafel zeit. Sen. 

2) Uuh Pococke gibt eine Abbildung davon, (Descript. of 
the East. t. 2. part. 2. pl. 92. p. 207.) mit etwas ver 
Anderter Sorm ber Suchfasen. Das Gefäß wurde vom 
Könige Mithridates einem Gymnaſio gefchenkt, wo dern 
gleichen Gefäße sum Salben und zu anderem Gebrauche 

" dienten. Fea. ſG. d. 8. 10838. 1589) 


3) (wie man auf der diefem Bande angehängten Ab⸗ 
bildung unter Numero 1 feben Fark.) 


4) [S. ebendaf. Numero 2,] 


u. Briefe üb, d, 


ner andern (mit dem umgekehrten A— 1); aber die Linie, 
die an dem A vorgebet, machet den Unterſchied, 
und gibt ihm ein neueres Anfehen. Sn vielen la⸗ 
teinifchen Snfchriften von Hereulanum, (den 
griehifhe aufMarmor bat man nicht gefunden) 
ift die Schrift von einer neuern Form, die von der 
Schrift aus der Zeit der erſten Kaiſer abmweichet 
befonders auf zwei großen Marmortafeln, welche 
Namen von Freigelaffenen enthalten. Diefe 
Anfchriften geben Feine fichere Anzeige der Zeit, in 
welcher fie können gemachet worden fein. Sch balte 
aber dafür, daß fie nicht älter find, als die Schrift 
anzeiget: den die Gegend am Fuße des Veſuv iſt erſt 
nach der Verfchlittung von Herculanum verwü⸗ 
flet worden. Diefes erhellet aus fpäteren Münzen; 
und befonders aus einer goldenen des Hadrianus, 
die in den Nuinen des Hereulanums gefunden wor⸗ 
den; wie auch aus einer andern Inſchrift, Die be- 
reits Fabretti befafit gemachet hat,?) und die ci- 
ne Nachricht von EX. ABDITIS. LOCIS. ausge⸗ 
grabenen Bildfäulen enthält, die zur Auszie- 
rung der Bäder des Kaifers Scverus gebrauchet 
worden ; durch welche verborgene Drter ich bei- 
nahe nichts anderes als die verfchütteten Städte 
Herceulanum, NRefina, Stabidä, Bompeit, 
verfianden glaube. Diele Vlarmortafel iff von Pos 
zuoli nach Portici gebracht worden. 3) Auch auf den 


1) ſEbendaſ. Numero 3.) 
2) Inser. c. 4. n. 173. p. 280. 


3) Winckelmañ wiederholt dieſe Notis in dem Send⸗ 
fhreiben über die herculanifhen Entdekun— 
sen, $. 26. und er Hat fie mit Anmwenduna der In—⸗ 
ſchrift aus des Martorelii Wert (l.c. p. 33.) genom⸗ 
men. Diefer fand die Snichrift bei einem Gteinme 
in Neapel, der fie aus Fregnano Piccolo, einem 


neneit. hereul. Etndek. 15 


zem ſchwarzen Bapiere fiehbet man bie Buchſtaben 
ver Handfchrift noch deutlich; und diefes bemeifet, 


Heinen Fleken nahe bei Capua, erhalten Hatte, ums 
ſchenkte fie dem Könige, der fie in dem Mufeo zu Por⸗ 
tich aufbewahren Tief. Gern würde ich die gedachte 
Erklärung diefer Schriftfieller annehmen, wei nicht 
aus fo vielen andern alten Infchriften und Documens 
ten erhellete, daß die Worte Ex ABDITIS Locıs in 
einem allgemeinern Sinne genommen Wurden , und eine 
gewöhnliche Sormul waren, um anzuzeigen, daß die 
Etandbilder von wenig befuhten, alfo gleichlam 
verborgenen Orten weggenommen, und an einem 
befuchteren, angefehenern, edleren Orte zur 
Zierde aufgeftellet worden. Der Canonicus und nachhe: 
rige Prälat De Vita hat dies bereits (Thes. An- 
tig. Benev. t. ı. Diss. 10. p: 280.) bemerft, wo 
er eine Infchrift aus der Zeit des Theodoſius mit 
derielden Formul anführt , und eine andere ähnlicher 
Art (Serie delle Iscrizioni Beneventane, p. 16. 
n. 9.) beibringt, in der e8 heißt: saTrıys CRESCENS 
v. C. CVR. R. P. BN. EX LOCIS ABDITIS VSVI ATQOVE 
SPLENDORI THERMARUM DEDIT. Noch mehr Gewißheit 
hierüber gibt ein im Sahre 365 von ben Kaifern 
Balentinianud und Valens erlaſſenes Geſez, 
(Cod. Theodos. 1. 15. tit. de oper. publ. leg. 14.) in 
weichem verboten wird, aus Eleinen, gleihfam ab: 
gelegenen, ober verborgenen Landftädtchen, abdita 
oppida, die Standbilder wegzuführen, unter dem Vor⸗ 
wande , die Hauptftadt oder andere angefehenere Städte 
damit zu zieren; zufolge eines anderen Gefesed, daB 
zwei Jahre vorher, 363, vom Kaiſer Zulian dem Abs 
trünnigen etlaffen war, und verbot Standbilder und 
Säulen aus einer Provinz in die andere zu führen. 
Cod. Justinian. tit. de zdıf. prir. 1. 7. wo es heißt: 
Pr&sumptionem judicum ulterius prohibemus , qui in ever- 
sionem abditorum oppidorum petropolis (oder wie Got: 
fred Hiefet: Metropoles,) vel splendidissimas civitates 
ornare se fingunt, transferendorum signorum, vel mar- 
morum, vel columnarum materias requirentes. Es ift 
deutlich genug, dag hier. nicht von verfchütteten Orten, 


16 Briefe üb, d. 


daß fie nicht mit Dinte gefchrieben worden, deren 
vornehmſter Beflandtheil Vitriol iſt; wären fie da- 
mit gefchrieben, fo hätte fich Die Sqhwaͤrze im Feuer 
verloren. Die Dinte, wie wir ſolche heut zu Tage 
brauchen, und mit welcher die älteſten Handſchrif⸗ 
ten des vierten Sahrhunderts und fpäter gefchrieben 


find, würde zu folchen dünnen Blättern nicht taug⸗ 


lich geweien fein; fie würde folche durchfreffen und 
durchlöchert haben, den ich habe angemerfet, daß die 
Buchflaben in den älteſten Handfchriften etwas ver. 
tieft find. Diele Benierfung fan man an dem va- 
ticanifhen Virgil machen. Die berculanifchen 
Handſchriften find mit einer Art von ſchwarzer Far⸗ 
be, beinahe wie die chinefifche Zufche, gefchrieben, 
die mehr Körper bat, als die gewöhnliche Dinte. 


noch von den im Tert genaflten Städten die Rebe ift; 
fo wie auch Cicero nicht von ihnen fprach, der früher 
lebte und fih deffelben Auͤsdruks bediente: (in Verr. act. 
2. 1. ı. c. 3.) Simulacra deorum, quæ non: modo ex 
suis templis ablata sunt, sed etiam jacent in tenebris ah 
isto retrusa, atque abdita, consistere ejus animum sine 
furore atque amentia non sinunt. Dies ſtimmet mit der 
Redensart ex obscuro loco überein, die fich in a Ei 
dern Inſchrift beim Sabrettic.7.n. 499. 

findet. Die Inſchrift, von der im Tert die Hehe * 
lautet beim Martorel li: 


SIGNA TRANSLATA EX ABDITIS 
LOCIS AD CELEBRITATEM 
THERMABYM SEVERIANARUM 
AVDENTIVS SAEMILANVS V. GC. COH 
. CAMP. CONSTITVIT DEDICARIQVE PRECEPTE 
GVRANTE T. ANNONIO CHRYSANTIO V. P. 


Auch Mazzocchi (Amphit. Camp. in addit. p. 170.) füget 
fie an, aus dem Fabretti copirt; und beide leſen irrig 
celeritatem, ſtatt celebritatem, dab auf dem Marmor 
test. Sen 


N 


neueſt. bereut, Entdef, 17 


Ken man die Schrift gegen das Licht anflehet, fo 
 fcheinet fie mwirflih ‚etwas erhoben, und die 
| Dinte, die man noch in einem der Schreibzeuge 

gefunden bat, if davon ein ficherer Beweis. Sch 

glaube in einer Stelle beim Demoſthenes gefuns- 
den zu haben, 1) daß die Alten ihre Dinte zu Buls. 
ver geftoßen haben. Das Snfirument, womit die 

Alten fchrieben, war feine Feder, fondern es 

war von Holz gefchnitten,?) wie das nusgegrabene ill, 

oder vielleicht von einer anderen Materie, aber 

nach Art unferer Federn zugeſpizt; ID) welches man 
gleichfalls an demienigen Juſtrumente erfchen fait, 

Das auf einem alten Gemaälde über einem Schreib» 


1) Diefe Stelle ded Demoſthenes ftehet in der Rede 
zug sepava, wo er dem Afchines vorwirft, daß er ſich 
aus Armuth in einer Jugend gebrauchen Taffen, die 
Schule audsufehren, bie Bänke in berfelben mit dem 
Schwamme absuwafhen, und Dinte zu reiben. 
Der Ausdruf: To merar vwosßen, zeiget alſo offenbar, 
dag man bie Dinte subereitet Hat wie Sarbe, und 
fie alfo nicht flüſſig geweſen fe. Daß bon rf. 

2) [Eiche darüber die Nachrichten ıc. 6.102 — 203.) 

3) Sie bedienten fih einer Art von Binfen oder Rohr, ca- 
lamus genaftt, welches aud Ug ypten, Gniduß, und eis 
ner Gegend Armenien! tan. (Plin. 1. 16. c. 36. sect. 
64. Pers. Sat. 3. v. 11. ı2. Martial. 1. 14. epigr. 37. 
edit. Rader. alias 38.) Der 6. Iſidorus, der zu 
Antange ded 7 Jahrhunderts lebte, ſpricht (Orig. 1. 6. c. 
13.) von Federn der Vögel, die man in neueren Zeiten 
gebraucht. Es kañ alfo die Gemme im Föniglichen franzofis 
ſchen Muſeo, (Mariette, Pierr. grav. t. 2. pl. 217.) auf wel⸗ 
er man eine Siegesgöttin ſmit der Feder in der Hand 
in ſchreibender Stellung abgebildet ſieht, nicht als fein, 
und die Diafer und undere Künſtier verſtoßen wider das 
Eoſtume, weñ fie die Evangeliften, Propheten und 
andere Perfonen des Altertums mit Federn in der Hand, 
nad Heutiger Sitte, abbilden.- Der Abate Requenno⸗ 
'irret, weñ ee (Saggi, e. 17. p. 200) Schreist, de man 
auf tes herculaniſchen Gemälden Seternide Seh 
4 


XCIXC ? 


15 Briefe üb, d. 


zeuge abgebildet iſt; mit dem Unterſchiede, daß eg. 
von da an, wo der Schnitt angehet, bis an die 
Spize, die pyramidenförmig abnimt, und die etwas. 
ausgehöhles ifl, anderthalb Zoll ausmachet, nur dag 
die Spize, oder das Ende, feine Spalte bat.1) Der 
Tert der Handfchriften if nicht ganz vollfländig und 
ohne Lüken; bald fehlen einzelne Buchitaben , bald 
ganze Wörter; deßmwegen werden fie aber nicht als 
unbrauchbar verworfen, wie manche zu thun pflegen. 
In einer Materie, wie die der Sandfchrift von der 
Redekunſt, wären die Lüfen Feicht zu ergänzen. Mit- 
tel einer anhaltenden vieriäbrigen Arbeit hat man. 
sicht mehr als neun und dreiffig Solumnen der Ab⸗ 
handlung von der Tonkunſt abcopiren können/ und. 
über zwanzig Columnen der Abhandlung. von der 
Reſdekunſt find ein und ein halb Jahr verfloflen.. 
Bater Antonio Piaggi, von dem Drden der Pins 
riiten, der Iateinifcher Ecrittore der vaticanifchen. 
Bibliothek war, befizet das Geheimniß und das ge= 
hörige Bhlegma, die Handfchriften abzurollen; als⸗ 
dan zeichnet er die Buchſtaben genau nach, und 
überliefert diefe Abfchriften dem Canonieus Mazzo e⸗ 
hi, der mit Ausfchluß aller andern den Auftrag. 
hat, die HSandfchriften zu erflären. 
a 

8.5. Das Kgyptifche Papier fcheinet nicht allein 
zu den Zeiten des Philodemus, fondern auch 
noch einige Sahrhunderte hernach, 2) der gewöhn⸗ 


1) In den Nachrichten:ec. 9.102. Hat Windfelman be 
merft, daß durch die Verfteinerumg die Spalte uns 
ſichtbar geworden fein könne. Gen. 

2) Es war ed wenisftend bis zum Anfange bed 6 Jahr 
hunderts, den Zeiten des Enffiodoruß. (Var. J 11. 
epist, 38.) der die Pflanze und die Bereitungsart bef 


neueft, hercul. Entdek. 19 


lichſte Schreibeſtof geweſen zu ſein, weil es wahr⸗ 
ſcheinlich wohlfeiler war, als das Pergament. Ein 
geſchriebener Coder des h. Auguſtinus, den Bus 
tavius beſaß, enthielt wechſelweis Blätter von 
ägyptiſchem Papierund von Pergament, nach 
Mabillons Angabe. ) Man weiß nicht, wo dieſe 
Handſchrift hingekommen iſt. Au der ottoboni⸗ 
ſchen Bibliothek, die der vaticaniſchen einver⸗ 
leibet worden, und die ehemals der Königin von 
Schweden gehörete, die ſte dem Petavius abgekau⸗ 
fet, findet ſich ſolche nicht mehr. Die Muthmaßun⸗ 
gen, die man aus der Form der Buchſtaben auf 
gewiſſe Zeitpunkte herleitet, ſind nicht ganz ohne 
Grund. Zu den vorhergehenden will ich noch einige 
neue Betrachtungen hinzufügen. Die Form der 
Buchſtaben in dem Namen des Künſtlers, der den 
Torfo im Belvedere verfertigte/ AIITOAAwNIOZ, 
läßt feinen Zweifel übrig, daß diefes berühmte Frag⸗ 
ment, das in Anfehung des Ideals alle alte Bild⸗ 
hauerarbeit übertrift, zu der Zeit verfertiget more 
den iſt, als die Kunft abzunehmen anfing; welches 
ohngefähr in der 150 Olympiade gefchab. Zu aller 
Zeit haben. fich aber glüfliche Talente gefunden, die 
fich bei dem allgemeinen Verfall, durch ihre innere 
Geiſteskraft, emporgehoben. Die älteſte Münze, 


172 


felben befchreibt, und fast, daß die Bücher von Wach 8 
tafeln aufer Gebrauch gefommen feien. Aus anderem. 
Schriftſtellern erhellet , daß ed noch viel foäter im Ges 
braud geweien. Ma ffet.(Istor. diplon. p. 77.) will, daß. 
ed nach dem 9 Sahrhunderte nicht mehr gebraucht worden, 
Sen. 

1) Mabillon. de re Diplomat. 1. ı. c. 8. 35. Sie autem 
compactus etliber, ut papyraceis foliis membranacea 
intermista sint, ita ut primus quaternio intra bina fo- 
ka membranacea coutineatunun papyraceum. DABUULI. 


20 | Briefe üb, d. 


auf welcher fih, fo viel ich babe. entdefen können, 
ſtatt des QD ein w findet , iſt die filberne Münze des 
pontifchen Königs Bolemon,!) mit der Umſchrift: 


_ BACIAEaC. TIOAEMONOC. 


Die fich im Mufeo der Franciscaner in San Bartolo- 
meo al Sfola befindet. Wen man blos nach der 
Bterlichfett der Buchtlaben urtheilen will, Fan man 
leicht irren. Sch Habe im faucaultifchen Dlufeo 
zu Neapel ſowohl als in dem Muſeo der Königin 
von Schweden, bei dem Herzog von Bracciano 
in Kom, Münzen der pontifchen Könige gefehen, 
deren Schrift gierlich, aber die Zeichnung und das 
Gepräge mehr als barbarifch if. In Anfehung 
der Zierlichkeit felbft Fünte man aber auch gewiſſe 
Kegeln’ feftfegen; 3.&. die Bunfte oder Lügelchen 
am äuſſerſten Ende der griechifchen Buchſtaben fan« 
gen zu den Zeiten Aleranders des Grofen an, 
und verurfacheten , daß die Schrift weniger zierlich 
nls vorher ausfah. Men mir Gott mein Xeben 
friftet, bin ich gefonnen, eine Paläographie der 
Münzen zu fchreiben. Sch verchre übrigens die 
großen Verdienſte und die fruchtbare Feder des ver⸗ 
forbenen Marchefe Maffei, eines Diannes, der 
über alle ihm auf feiner Laufbahn auffloßenden 
Schwierigkeiten fiegete, und fich mit einem heroifchen 
Muthe an die griechifche Literatur wagete, an der 
er erft fpät einen Geſchmak zu finden anfing , wor- 
über ich mündliche und fchriftliche Zeugniffe an- 
führen fan. „Leder Menſch hat nur einen Kopf,“ 
fagt Plato. 2) Doch laſſen Sie uns wieder zu 
unferm Gegenflande zurüffehren. Bei der wenigen 


1) Dad Geſicht deſſelben it iung und ohne Bart. 
Er Ichte zur Zeit des Auguſtus. Gen. 


2) [Timzus, p. 1056 edit. Francof) 


neue, hercul. Entdek. 21 


Bequemlichkeit, die ich genieße, iſt mir mein Ent⸗ 
wurf über die Schriftrollen ab Handen gekommen; 
vielleicht findet er fih für ein andermal vor, 
So will ich Ihnen etwas von der Art melden, 
wie man die Handfchriften entmwifelt, mo 
von ich, wie mir däuchet, noch nichts erwähnet habe. 

8. 6. Die Mafchine,anf welcher gearbeitet wird, iſt 
ein Kleiner TZifch, auf die Art gemachet, wie eine Heft⸗ 
Jade der Buchbinder. Diefes Tifchlein drebet fich auf 
einer hölzernen Schraube, die ihm zum Fuße dienet; 
es beftebet aus zwei Blättern; das unterfle iſt der 
Diſch, worauf gearbeitet wird; das oberfle, welches 
fchmäler und dünner iſt, bat fünf oder fechs ſchmale 
Einfhnitte, in Form eines Noſtes. Durch Diefe 
Einfchnitte werden fehr feine Fäden von unges 
zwirnter Seide in die Höhe gezogen, und an hölzerne 
Wirbel befefligt, um fie nachlaffen und anfpannen zu 
fönnen, wie die Saiten an einem mufifalifchen In⸗ 
firumente ; diefer Tiſch Fan, mittelft zweier hölzer⸗ 
ner Echrauben, in die Höhe gezogen und nieder 
gelafien werden. An ein Stüf der Handfchrift 
werden ganz Eleine Streifen Blafe, wie die Gold⸗ 
fchläger gebrauchen, die aber noch einmal gefpalten 
wird, damit fie. recht fein werde, mit Leim ange- 
Flebet, umd mit Hülfe der feidenen Fäden, die eben 
fo mit Reim daran befeffiget und um die Wirbel 
gewunden find, und die nach und nach angezogen 
werden, um ein Blatt von dem andern zu trennen. 
Auf dem Tifche find zwei eiferne Stangen ange 
bracht, deren Dbertheile wie ein halber Mond aus 
gehöhlet find, auf denen die Sandfchrift ruhet, und 
die mit Baummolle gefüttert find, damit fi 
folche nicht reibet und Schaden Teidet. 

$.7. Die Sefchwindigfeit, mit der ich fo gern 
"Hhre angenehme Zufchrift fogleich beantmorten will, 
erlaubet mir nicht, erft Bücher zu Narbe u ehiıy 


22 Briefe üb. d. 


und die Zweifel aufzulöfen, die Sie in Betref des 
umbilicus der hereulanifchen Sandfchriften aufmwerfen ; 
den die Bibliothek des Kardinals Archinto, die 
font ganz reichlich verfehen iſt, bat einen großen. 
Mangel an alten Autoren. Aber, wie mir dünfet, 
find Gemälde, die alte Sandfchriften vorfellen, 
beffere Beweiſe, als alle Nachrichten unferer Zei⸗ 
ten, die von jenen zu weit entfernet find. Sch will 
meine Meinung in Anfchung des dopelten umbilicus, 
der durch die beiden Röhren, aufdie der Anfang 
und das Ende der Handichrift gewifelt ward, ent» 
fichet, nicht hartnäkig verfechten, ungeachtet die 
alten Gemälde folches einigermaßen wahrfcheinlich 
machen. I) Erzeigen Sie mir aber doch den Ge 
fallen, und belehren Sie mich, wo Sie die Nach» 
richt hergenommen haben, daß die HSandfchriften mit 
Knöpfen follten feinzugemachet worden. Sch ſtelle 
mir darunter folhe Knöpfchen vor, wie man alt 
den alten italiänifchen Bänden findet; es könte aber 
fein, daß Sie fich bierunter eine andere Vorſtellung 
macheten. In verfchiedenen Gemälden mit alten 


4) Im vorhergehenden eriten Abfchnitte $S. 5. hat Windel 
man richtiger geragt, daß unter umbilicus duplex die 
beiden Enden des Rohres oder Stäbchend zu verfter 
ben feien, an welche eine Art von Knopf gebeftet wurde, 
der einem Nabel gleichen koñte. Auſſer den verfchiedes 
nen Schrirstftelleen, welche Winckel mañ in den Send⸗ 
fhreiben anführt, fcheint von diefen Rohren oder 
Etäbcden, oder wenigſtens von ein em derfelben mit fets 
wen Knöpfen, auh Sidonius (1.8. epist.ult) zu ſpre⸗ 
den, wo es heißt: Peracta promissio est; jam peritia tua, 
si coactorun in membranas inspiciat signa ttulorunı, 
jam copiosum te, ni fallor, pulsat exemplar;. jam ve-- 
nitur ad margines umbilicorum, jam tempus est, ut 
satyricus ait : Orestem nostrunı vel super terga finiri. 

. Martoreiti Hat den umbilicus duplex nicht. geſehen. 
sen 


neueſt. hercul. Entdek. 23 


Handſchriften hat der Maler alles genau vorgeſtellet, 
und auf einem ſiehet man ſogar einen Zeddel mit 
dem Inhalt, überſchrieben: PAX. XX. oder auf eine 
andere Ark, wie ich Ihnen fchon ein andermal ge 
meldet zu haben glaube, 1). daran herunter bangen; 
man fichet aber weder Knöpfchen daran, noch ſonſt 
etwas, womit fie wären gebunden gewefen. Das 
Binden koñte dem Papier feiner Dünne wegen 
fchaden, und wen folches sufammengerollet war, blich 
es, mittelft feiner Fibern, in diefem Buflande, ohne 
fih aufzuwikeln. Da ich nicht glaube, daf ich et» 
was überfehen haben ſollte, foweit die eiferfüchtis 
gen Auffeher nur irgend zu dringen erlaubeten: fo 
fan ich Ihnen vielmehr verfichernt, daß ich nie die ges 
ringfie Spur oder Dierfmal eines Eindrukes wahr 
genommen habe, welche ein ſolches Zufammenbine 
den hätte zurüflaffen müßen; da man doch alle Fal⸗ 
ten und Brüchefichet, die daher entflanden, wen die 
Handſchriften, die über einander gelegen, beſchä⸗ 
diget worden, und fich in einander verfchoben hatten. 
Was foll man auch diefen Stäbchen oder Röhren 
für einen Namen beilegen? ich entfinne mich nicht, 
folches irgendwo gefunden zu baben.2) Für tzo 
fan ich mich in Feine weiteren gelehrten Interfu- 
chungen einlaffen ; ich balte mich blos an das, mas 
ich gefeben habe. Übrigens bin ich willig und bereit, 


43) [Oben im 486. dieſer Briefe] 

2) Dad Stäbchen hieß xzorrazıy, eontacıum, und War 
gewohnlich von Hols, wie Du Cange (Glossar. ad script. 
mediæ et inf. Grzcit.) bei dieſem Worte bemerkt. An 
die beiden Enden deffelben festem viele zwei Zieraten 
von Horn. in Zorm eined Knöpfchens, die deßhalb 
cornua hießen, wie vermittelft dev Autorität der alten Didy 
tee Her manus Hugo (De prima scrib. orig. c. 34. 
p. 594.) beweifet; auch umbilici, wie oben im $. 3. geſagt 
worden; und vergebens bemüht ich Martoveiii, Arc 


24 Briere üb. d. 


Ihnen alle NRachrichten mitzutheilen, die ih babe 
auftreiben Tonnen, und ıch mwunfde, bat Eic dx 
von einigen Gebrauch mögen machen können. Don 
den Beränderungen, Ausfreihbungen zc. die 
ih, wie ich höre, oft in der Handſchrift von der 
Nedetunf Anden, wid ih Zhnen im zwei Zei⸗ 
len ein Beiſpiel mittheilen. 1) 

5.6. Die Berbefferungen fichen swifchen 
den Zeilen mit fleinen Buchſtaben.“) Der punktir⸗ 
te Ring fiber dem vierten Buchliaben der zweiten 
Kinie iſt eines weiteren Nachdenfens werth, fe wie die 
Bunte über KAT, und befonders der Strich über 
OYKOTN, der, fo gu fagen, mehr ein Zeichen einer 
Modulation, als ein Accent if. Dergleichen 
Etrihe findet man am Fußgefiele des vom Au⸗ 
nuftus der Sonne errichteten Dbeliffes, der im Cam⸗ 
vo Marge aufder Erde liege.) Bandini redet ° 
davon in feinem Werke;) er hätte aber mehr da⸗ 
von fagen Fönnen, weh er Elie Putschii Grammati- 
con veieres gelefen hätte. Solche Fritifche Zeichen 
findet man auf den Unfchriften nach dem Sahrhun- 
berte Auguſte nicht mehr. 5) Noch erſt heute 


reg. theen. ealam 1. ı. parerg. c. 2. p. 243. seq.) zu be 
weifen, daf sınter cornua librorum die Efen der vier 
eflaen Bücher, nit der Rollſchriften, gemeint 
fein. Bea. 

1) I@iche die Abbildung miter Numero 4 am Gabe dieſes 
Riandes, | 

2) Denfelden Charakter haben fie auch auf bem angeführ 
ten Gefſaße des Mithridates. Gen. 


N Pieſer Oobeliſt ſtehet Jeso auf dem Plaze dei Monte . 


Citorſfo, we Pins Vi. Ion durch den Baumeiſter Sion, 
Antinont errichten laffen. Fernow. 


4! Dell’ Obwliseo dd Gen. Aug. ©. 10. p. 55. 
5 Nut den von Aandint (lc p. 59.) angefütrten Beh 


neueſt. hercul. Entdek. 25 


norgen fand ich eine ſolche auf einem großen Steine, 
ie meines Wiſſens niemals iſt befant gemachet wor⸗ 
en. Sie enthält das Teſtament einer Mutter, 1) 


fpielen erhellet dad Gegentheil, und es Tiefen ſich noch 
viele andere Anfchriften anführen, welche diefe Be 
tonungszeichen haben, und gewiß aus fpäteren Zeiten 
find. In dem Sendfhreiben an den Graven 
Brühl, 9.124. fast Winckelmañ bloß, daß fi Ins 
fhrirten mit Betonunodzeihen vom Auguſtus bi8 auf 
den Nero finden, und führt des Fabretti Snfcriptionis 
an, weicher fie von der Zeit des Auguſtus anheben 
läßt. Sea, 


1) Oder vielmehr die Lobred e einer Tochter aufihre Mutter, 
Eine ähnliche Lobrede eined Gatten anf feine Gattin 
findet man in einer fchönen und langen Inſchrift in 
der Billa Albani, welche in der Indicazione autiquaria 
jener Billa (P. 3. n. 67. p. 114) beigebracht if. Der 
Abate Sea Ct.3. p. 202.) hat diefe bis dahin noch 
nicht befafit gemachte Inſchrift, fo weit fie noch vor: 
Handen if, mitgetheilt. Sie Tautet: 


MVRDLE. L.. F. MATRIS. 


Sed. propriis. viribus. adlevent. cactera. qvo. 
Firmiora. probabilioragve. sint. 
Onmnes. filios. aeqve. fecit. heredes. partitione. 
Filie. data. amor. nıalternvs. caritate. libervm. 
Aegyvalitate. partivm. constat. viro. certam. pecwmiam. 
Legavit. vt. ivs. dotis. honore. ivdici. augeretvr. 
Mihi. revocata. memoria. patris. eaqve. in. consilivm. 
Et. ide. sva. adhibita. aestvmatione. facta. certas. 
Res. testamento. praelegavit. neqve. ea. ınente. 
Ovo.nıe. fratribvs. meis. qvod. forvm. (sic!) aliqva. 
Contvmelia. praeferret. sed. memor. liberalitatis. 
Patris. mei. reddenda. ınihi. statvit. qvae. ivdicio. 
Viri. svi. ex. patrimonio. nıeo. cepisset. vt. ea. vssv. 
Svo. cystodita. proprietati» nıcae. rest. tverentvr. 

, Constitit. ergo. in. hoc. sibi. ipsa. vt. a. parentibvs. 
Dignis. viris. data. matrimonia. obsegvio. probitate. 


Winckelmañ. 2, 


26 Briefe üb, d. 


und ſtehet in dem Keller des Marcheſe Rondinin 


MVRDIE. L. F. MATRIS. 


SED PROPRIIS VIRIBVS ADLEVENT QVO 
“ FIRMIORA PROBABILIORAQVE SINT OMNES 

'FILIOS AEQVE FECIT HEREDES PARTITIONE 
YILIAE DATA/ AMOR MATERNVS CARITATE 
LIBERVM AEQVALITATE PARTIVM CGONSTAT 

VIRO CERTAM PECVNIAM LEGAVIT etc. 


Sch habe folche nicht ganz abgefchrieben; auf 


i 


‘ 
® 


erlangen Fan ich aber damit dienen. Diefe In⸗ 
fchrift bat eine fehr alte Orthographie, die ich in 


verfchiedenen Wörtern bemerfet babe, 5.8. 


AR- 


von, avom. Den Str ich oder Accent findet 


"Retineret. nvpta. meritcis. gratior. fieret. fide. 
Carior. haberetvr. ivdicio. ornatior. relingveretvr. 


Post. decessvm. consensv. civivm. lavdaretvr. qvoin. 


Discriptio. partivm. habeat. gratvm. fidvmqve. animvm. 
In. viros. aequalitatenı. in. liberos. ivstitian. in. veritate. 
Qvibvs. de. cavseis.q. quom. oımnivm. bonarvnı. fem inarvm. 


Simplex. similisqve. esse. lavdatio. soleat. qvod. 


Natvralia. bona. propria. cvstodia. servata. varietates. 


Verborvm. non. desiderant. satisqve= sit. eadem. 


Omnes. bona. fama. digna. fecisse. et. qvia. adqrirere. 


Novas. lavdes. mvlieri. sit. ardvom. qvom. minoribvs, 


Varietatibvs. vita. iactetvr. necessario. conınıvnla. 


Esse. colenda. ne. qvod. amissvm. ex. ivstis. pr@cepteis, 
Cetera, tvrpet. eo. maiorem. lavdem. omnivm. carissima. 


Mihi. mater. mervit. qvod. modestia. probitate. 
Pvdicitia. obseqvio. lanificio. diligentia. fide. 
Par. similisqve. cetereis. probeis. feminis. fvit. 
Neqve. vlli. cessit. virtvtis. laboris. sapientie. - - 
“- - -  - praecipvanı. avt. certe. - - - 


In der Testen Zeile fehlt ein Wort oder zwei; und auch 
Dad Ende fehlt ganz. Der Charafter der Schrift if 


wohlgeformt, 


neneft, hercul. Entdet. 27 


man gemeiniglich bei den Ablativis; er fichet aber 
auch in den Worten : Lavoase/rva, reimına/avm, re/cısee, 
alnıssvm, mervı/z, varırrareis. Der Marchefe, der diefes - 
Haus feit kurzem geerbet bat, if ein Dat von Ge 
ſchmak, und bat eine Menge von Bildfäulen, Büſten und 
Gemälden, woran feit zweihundert FJahren gefammelt 
worden, auf feine nabe bei Nom gelegene Billa 
bringen laffen. Unter andern GStüfen von großem 
Werthe befindet ſich auch der Rumpf eines tanzen- 
den Satyrs, in mehr als Xebensgröße, darunter, 
der eine unnachabmliche Meifterhand verräth, dem 
Laokoon an die Seite gefeget werden Fat, und den 
Faun inder Tribune des Grofiherzogs von Tofcana 
übertrift. Er verbirget folchen forgfältig, aus Furcht, 
mein Mäcen, ber Bardinal Alerander Albant 
möchte folchen zu befigen wünfchen; mir aber, als 
feinem Freunde, geigete er ihn, und ich werde den 
Werth deſſelben in den theoretifchen Theile der 
Geſchichte der Kunſt näher befant machen. 1) 
Dies mar eine Abſchweifung # wos Asovvaor, 
die der Briefſtyl erlaube. Die Buchflaben der 
hereulanifchen Handfchriften find von der nämlichen 
Geſtalt und Größe, wie die in der berühmten grie- 
hifhen Bibel der 70 Dolmetfcher, die ih in 
der vaticanifchen Bibliothek befindet. Es find aber 
auch Stüfe darunter mit großen Buchfinben, wie 
im Bindar zu Orford, d. i. HSandfchriften, die in der 
Mitte von einander gefchnitten find; den, um fidh 
die zu große Mühe gu erfparen, jederman die ge 
heimeſten Stäfe fo feltener Wberbleibfel vor Augen 
zu Segen, iſt man auf das Mittel verfallen, einige 


4) Daſelbſt wird von diefem Rumpfe nirgends gehandelt. 
Die Antiken des Palafted Rondinini find um daß 
Sabre 1772 verkauft worden. Gen. 


[Man versieihe ©.d.8. 5%. 18. 59. Bufas.] 


28 | . Briefe üb. d. 


Hanbdſchriften mitten von einander zu fhnetden; | 
ein barbarifches und unverzeihlich eigenmächtiges Ver⸗ 
fahren! Der Abate Martorelfi, Brofeflor der 
griechifchen : Sprache im Seminnrio, bat fich Die 
Freiheit genommen, wider ale Wahrfcheinlichkeit 
vorzugeben, alle bis izo aufgewifelten Handfchriften, 
und die übrigen; feien nichts anderes als Contraecte 
und Diplome, !) und daß die Alten fich zu ihren 
Büchernder vierefigen Form bedieneten.?) Diefes 
ungereimte Vorgeben, und taufend andere derglei⸗ 
chen, bringet er in feinem Buche über ein al 
tes Dintenfaß im Diufen zu Portiei vor, das in 
Quart gedruket ift, und aus mehr als 800 Seiten 
beftehet. 3) 


1) L. c. c. 3. p. 277.— Addit. p. 30 


2) L. c. c.ı. p. 236. Eigentlich find feine Worte: „er 
„läugne nicht, daß die Alten Nolifhriften gehabt, 
„ fondern blos, dag alle ihre Bücher, auch bie, ſo and 
„ vielen Blättern beftanden, gerollet worden.“ Sen 


3) [Man fehe darüber den 49. des Sendfhreiben? 
an den Graven Brüpt.] 


T . 


c 
F 


neueſt. hereuf, Entdek. 29 


(Nachricht von den Häuſern der Alten, und be 
fonderd denen zu Hercutanum.) 


$.9. Sereulanum war, nach des Pliniust) 
und Anderer Anzeige, D eine Eleine Municipal- 
findet; folglich können -die Haͤuſer der Einwohner nicht 
koſtbar und prächtig gewefen fein, einige Villen und 
Zandhänfer der Nömer ausgenommen. Es ift eine 
Billa entdefet worden, die mit großer Pracht ge 
bauet gewefen, fo viel fich aus den Überbleibfeln urs 
theilen läfiet, nämlich aus dem Fußboden von Mus 


- fivarbeit, aus der übermäßigen, nicht mehr üblichen 


Weite und Höhe der Thüren, mit ihren marmor⸗ 
nen Gewänden und Schwellen, und aus allem, was. 
dafeldft ausgegraben worden. Die Ichönften Bildfäulen 
von Bronze, nämlich ſechs tanzende weibliche, 
Figuren in Lebensgröße , und alle marmornen Köpfe 
und Bildfäulen, die das Zimmer der Königin zie⸗ 
ren, find alle am nämlichen Orte gefunden worden. 
So lange man aber nicht die ganze Fläche der aus⸗ 
zugrabenden Gegend überfeben fan, if es unmög- 
lich, fich einen deutlichen Begrif davon zu machen, 
da folche von den gegrabenen Zugängen und krum⸗ 
laufenden Höhlungen durchfchnitten wird. Was aber. 
die gewöhnlichen Wohnhäufer betrift, ohnerachtet 
feines ganz ſtehen geblieben iſt, weil fie entiveder 
bei dem Ausbruche verfchüttet worden, oder nachher 
verfallen find, fo urtbeile ich doch, daß das häus⸗ 
liche Leben der Alten überhaupt genommen fpärlich 
eingerichtet, und ohne Pracht war, und daher die 
Häuſer ganz einfach, und die Zimmer klein und 
niedrig waren.) Was mich auf diefe Vorfſtellung 


ı) Hist. nat. L 3. c. 5. sect. 9. 

2) Strab. I. 5. c. 4. vers. med. p. 738. Senec. Nat. 
quest. L 6. princ. 

3) Horatı L 2. cam. ı5. Eiedeiis, 


30 Briefe üb. d. | 


bringet, ifk die Vergleichung, die ich mit dem Blane 
der Ruinen einer vor geraumer Zeit zu Frafcati ent 
defeten Billa angeflellet babe; auf welchen Ruinen 
izo die Villa der Jeſuiten, Ruffinella genafit, 
sebauet til. Stellen Sie fih Zimmer vor, ſowohl 
in den berenlanifihen Häuſern, als in dem Palaſt der 
alten tufeulanifhen Villa, die wenig arößer find, 
als Ihre Studirſtube, Ihren Alkoven abgerechnet; 
in einigen ſtand auch noch das Bette, wie ſolches 
zu Fraſcati eine niedrige Niſche anzeiget, in welche 
das obere Theil des Bettes geſchoben werden koñte. 
Bei einigen tuſculaniſchen Gemächern befand ſich 
auch ein Vorzimmer, welches nichts meiter alg ein 
ſchmaler Gang tft, wo derienige fich aufhielt, der 
die Leute bei dem Hausherren anmeldete; es fcheinet 
auch, daß das innere Zimmer des Herrn ohne Thü⸗ 
ren gewefen; den man findet weder Thlirgewände, 


noch andere Arten von WBerfchließungen; vielleicht, 


hatte es einen bloßen Vorhang, den die Alten ve- 
lum admissionis nenneten. Diele einfache häusliche 
Lebensart der Alten erinnert mich an die Stelle des 
Demoſthenes, wo er faget: Themiflofles und 
Cimon, diefer fonft fo prachtliebende Mai, hätten 
keine beffere Wohnung als ihre Nachbaren gehabt.1) 
Die bereulanifchen Häufer hatten auf die Straße 
heraus Feine Fenfter; folche befanden fich auf der 
anderen Seite nach dem Meere zu, fo daB man 
durch die Straßen geben fonte, obne jemanden am 


Fenſter zu erblifen. Auf die nämliche Art find die 


Häufer in Aleppo gebauet, wie mir ein Miffionarius 
erzählete, fo daß man auf den Straßen, wie mitten 
in Feflungswerfen gehet, wo man nichts als hohe 
Mauern erblifet. Wie bedaure ich das arme weibliche 
Gefchlecht diefes Kandes bei den Alten! Das Schlim̃⸗ 


2) Olyath. 3. oper. p. 38. et De republ. ordjn. p. 127. 


neueſt. hercul. Entdek. 31 


te war, daß die Bauart der Fenſter eben fo beſchaf⸗ 
en ift, wie in den Arbeitöfiuben der Maler und 
zildhauer, die es nöthig haben, daß das Licht von 
ben bereinfällt. 


6. 10. Fenfter, die in einer folchen Höhe ange 
racht waren, macheten es fehr befchwerlih, eine 
lözliche Neugierde zu befriedigen, (doch, mas rede 
h von den Fenſtern in der mehrern Zahl, da In 
dem Zimmer nur eines war!) und wein man hinaus 
eben wollte, fo mußte man, wie die Kazen, hinauf⸗ 
fetteen.1) Überdies waren die Fenfler mehr vier 
fig als Tänglicht, wie man auf alten Gemälden fie 
et, auf ſolchen nämlich, welche Baläfte und Tem- 
el vorfiellen ; 2) einige waren überdies von aufien 


4) Nach dem Geſeze ded Kaiferd Denn, weiches im Co 
der des Juſtinian (tt. de zdif. priv. leg. ı2.) flieht, 
machte man in Konftantinopel zweierlei Art Gem 
fer in den Häuſern; eine, ſechs griechifche Fuß über 
das Pflaſter, die andere kaum fo hoch, daß einer, der 
am Senfter faß, der Ausſicht deſſelben genießen Foflte. Dies 
geſchah, um den Nachbarn nicht läſtig zu fein, und um 
die Ausficht auf dad Meer zu genießen, welche in jenes 


Stadt fo großen Reis bat. Diefer Sehrauh wurde . 


nachher vom Kalfer Iuftinian, in dem Testen Gelee 
jenes Titeld, gur dad ganze römifche Reich ausgedehnt; 
befonderd wurde es in Neapel eingeführt umd unter die 
Gebräuche dieſer Stadt aufgenommen, im tt. a1. $. 
5. Ubi aliquis, wie der Ritter Niccolo Earletti in 
feiner Auslegung und Erklärung jened Geſezes (p. 92 
seg. et p. 110. seq.) gezeigt hat. über diefe Unterfcheis 
dung der Fenſter in erhellende und perſpectiviſche, 
die auch zuweilen in Rom und anderäwo üblich waren, kañ 
man die Schriftfteller nachfeben, welche der Pater Be 
nedetti in feinem Eommentar über die uUlularia des 
Plautus (animadrv. 9. p. 22.) anführt. Sea. 


2) Man kañ dieſes wohl nicht als allgemeine Regel anneh⸗ 
men, Die Genfer der alten Kirchen und Wafiliken in 


32 . Briefe üb. d. 


mit einem gleichfalls vierefigen Gitter. vom maſſiver 
Bronze verwahret, von denen zwei ſich, wo ich nicht 
irre, unter den herculaniſchen Bruchſtüken ganz er⸗ 
halten haben. Es war in allem mehr auf den Nugen 
und Gebrauch, als auf die Bequemlichkeit ge 
'fehen. Das wenige Licht, welches bineinfiel, gab kei⸗ 
nen Widerfchein, da die Zimmer mit einer röthlichen 
oder fchmarzgrauen Farbe gemalet waren, Es iſt aber 
sicht wahrfcheinlich, daß. die Häufer in großen 
Städten ohne Fenſter auf die Straße follten ge». 
bauet gewefen fein. Diele Stellen der Dichter zei⸗ 
gen das. Gegentheil, z. €.1) 


Neo flenti dominæ patefiant .nocte fenestræ. 


6. 11. Waͤren vor Alters alle Fenfler in Nom 
fhöne Bierefe, und in gleicher Höhe angebracht ge- 
wefen, fo würde das fchöne Mädchen, von dem Ti- 
bullws redet, ?) die zum Fenſter heraus ſah, nicht 
von der Höhe herabgeſtürzet ſein: 

Qualis ab excelsa præceps delapsa feuestra 
Veuit ad iufernos sanguinolenta lacus. 


$. 12. Sener alte römifche Baumeiſter, der fich 
gegen einen vornehmen Nömer erbot,; ihm fein 
Haus fo zu bauen, dag niemand von aufien hinein- 


Kom, weldhe, wie jeder weiß, nah dem Muſter der at; 

ten heidniichen Bafilifen erbauet waren, hatten die 

Form eined fangen Viereks; und fo fieht man fie auch 

in ben überreſten einiger alten Gebäude und auf erhos 
benen Arbeiten. Fea. 


1) Propert. J. 3. eleg. 18. am Ende. Daß die Fenſter 
auf die Straße hinausgingen, ſcheint keines Beweiſes zu 
bedürfen, da Vitruvius, (I. 6. c. 9) fo viele andere 
Schriftſteller, und vornehmlich die römiſchen Geſeze in 
ben Pandekten (l. 8. tit. ı. De servitut. præd. urban. 
et 1. 9. tit. 3. De his, qui effuderint, vel dejecerint.) 

fo oft derfelben erwähnen. Sea. 


2) L. a. eleg. 6. 


neueſt. hereul. Entdek. 38 


ſehen köñte, wollte ſolches vielleicht auf die nam⸗ 
liche, ländliche, municipaliſche und aleppiſche Art be⸗ 
werkſtelligen. Ob ferner die Alten in ihren Fenſtern 
Glasſcheiben gehabt haben, oder nicht, kañ aus kei⸗ 
nem Schriftſteller bewiefen werden. 1) 


2) Viele glauben, die Glasſcheiben su Senftern in einer Stelle 
des Plinius (l. 36. c. 265. sect. 66.) angedeutet zu fin 
den, wo er, nachdem er die Stadt Sibon, die ihrer 
Glaswerkſtätten wegen im Altertume berühmt war, ans 
führt, und hinzufügt: siquidem etiam specula excogita- 
verat. Salmafius (Plin. excreit. in 3olinum, t. 2. 
ec. 52. p. 771.) ift der Meinung, daß dad Wort specu- 
laris die ganze Gattung beseichne,, und daher alle durchs 
fihtigen- Senfter , fie ntögen aus Phengited, oder aus 
Glas, oder auß einer andern durch ſichtigen Materie 
verfertigt fein. Wahr ift ed indek, daß die Schriftftefler, 
weiche genauer und umfändlicher davon neiprochen has 
ben, immer den lapis specularis befonderd meinen, 3. 
3. die beiden Plinius, Seneca, Martial, ber 
b. Bafiliud und Philo. Köfte man annehmen, 
daß auch der Rechtsgelehrte Ulpianus (1..Quzsitum est 
12. $. Specularia 25. fl. De instr. vel instrum. leg., l. 
Nam et si ramos 9 $. Si tamen ı. fſ. Quod vi aut 
clam ,) diefed Wort in feiner eigentlichen Bedeutung 
gebraucht habe, fo würde man fagen können, daß noch im 
Anfange des dritten Jahrhunderts chriftlicher Zeitrech⸗ 
nung ber Gebrauch des lapis specularis, und nicht des 
Glaſes, deren nicht befonderd erwähnt wird, allgemein 
geweſen ſei. Vielleicht Hat man diefen Stein, als eine 
Art von Bergkryſtall, oder als einen koſtbareren ebleren 
und reineren Stof ald dad Glas, dem lezteren sur Zeit 
bev Kaifer, wo der Lurus fo berichend war, eben ſo 
vorgesogen, wie man jezo dad Kenitallafad jenem vor 
sieht. Sonſt ift ed kaum glaublich, daß die Alten fich 
des Glaſes nicht ſollten bedienet haben, das mehrere 

» . Sahrhunderte früher ichon fo gemein war, und -deffen Et: 
genfchaften ihnen nicht unbefafit fein kofiten. Eie be 
dienten fich aufferdem noch de Spekſteins, der Selle, 
Tafeln von Horn, und anderer Mattrien dazu. 


34 Briefe üb. d. 


6. 13, Alle Altertumsforfcher verneinen Tolches 
einflimmig. Zu Bortici babe ich aber unter andern 
alten. Bruchftüfen große Stüfe Glas in Tafeln oder 
in Scheiben gefehen, die vielleicht zu Fenſtern ge 
dienet haben. 1) 

6. 14. Daß die Slasmacherfunft bei den Nö⸗ 
mern ganz gemein, und das Glas in fehr niedrigem 
Breife war, bemweifen eine Menge Flafchen zu ver» 
fchiedenem Gebrauche. Die Ziflafchen find auf die 
nämliche Art gemachet, wie dieienigen, worin das 
Provenceröl verfandt wird. Es ward mir einmal 
von einem römifchen Gelehrten eine Stelle aus des 


(Harenberg. De Specular. vet. c. ı. n. 5. in Thes. novo 
.theol. philol. etc. Ikenii, t. 2. p. 83ı.) Sen. 


4) Es if ein Tateinifcher Brief des D. A. Nixonii Angli 
ad Rodulphinunı Venuti etc. vorhanden, der im Gior- 
nale de’ Letterati, Roma 1758. p. 163. auf neue abaes 
deuft flieht, und ein kurzer Auszug einer Differkation 
defielben: De laminis quibusdam candidi vitri e ruder=- 
bus Hocrculaneis eflossis, it, welche in den Verbands 
Iungen ber Gefellfchaft der Altertümer zu London einges 
rüft worden. Diefer Brief it den 31 Juli 1759 ges 
ſchrieben, und den 16 Ausuft 1758 ſchrieb Winckel⸗ 
mai den vorliegenden Brief. Aber im Jahre 1772 
fand man in einem aufsegrabenen Haufe su Pompeii, 
an der Mittagfeite deffeiben in einer Mauer, ein etwa 
drei Palm Hohes vierekiges Genfer von fehr gutem Glas 
fe, das aus mehreren vierefigen Scheiben, jede ungefähr 
einen Palm - groß, zufammengefest war, aber nicht. auf 
unfere gewöhnliche Art mit Blei, fondern auf engliſche 
Weiſe; dei die Scheiben waren hinlänglich dik und 
batten eine vollkommene Kryſtallklarheit. Diefe Glas⸗ 
ſcheiben waren bis auf zwei ganz geblieben, wahrfchein: 
lich weil der Regen von Heinen Steinchen ſenkrecht ge 
fallen war. Blos die Einfaffung von Holz hatte fich 
gänsiich versehrt und in Erbe verwandelt. Diefe Nach⸗ 
richt theilte bee Abate D. Mattin Zarillo, Mit 
glied der Herculaniichen Akademie, einem Sreunde bed 
Nbate Sea mit, Fernow. 


neueſt. hercul. Enidek. 93 


Auden Philo Merken angeführet, die den Gchraudh 
der Glasfenfter bei den Alten beweifen follte, und 
befonders: in dem Buche de Legatione ad Cajum 
wurde mir eine dergleichen noch genauer von dem 
Eatferlichen Gefandten zu Neapel, dem Graven Fir. 
mian angegeben; einem einfichtsvollen, in allen 
Theilen der Gelehrſamkeit gleich bemanderten, und 
dabei befcheidenen Herrn. Sch bleibe bei diefer, von 
feinem andern angeführeten Stelle fichens und es 
feblete nicht viel, daß die bloße Verficherung dieſes 
gelehrten Mannes mich verleitet hätte, mich darauf 
zu gründen. Inzwiſchen nahm Ich mir die Mähe, 
die angezeigete Stelle nachzulefen ; 1) ich fand aber 
gerade das Gegentheil. Er redet dafelbfl von einem 
der Zimmer, in welches die jüdifchen Gefandten von 
Alegandrien an den Katfer Cajus geführet wur 
den, und faget: Kas reperduv mpograrTu Tag WW Kun 
Am Iupsdag avarndImx Tag varı Asvan —B 
mapamıneiwg Audoıs. Obambulansque jussit eircum- 
quaque fenestias obduci, (oder beffer : erböben, im 
dem man fie von unten nach oben in die Höhe siehet,) 
lapidibus haud minus pellucidis, quam vitro can- 


dido.2) In meinen Erxcerpten, die ich in meiner 


ı) Philonis Oper. t. 2. p. 599. lin. ı6. edit. Mangey. 

2) Wahrfcheintich if diefe Stelle unbedenklich nach ben früb⸗ 
ren Ausgaben und Überfesungen ded Werkes Philonid 
angeführt worden, wo man irrig fo überfeste: obanıbu- 
lansque jussit circumgquaque fenestras claudi vitro can- 
dido, simili specularibus lapidibus; ftatt daß man, wie 
Winckelmañ oben, hätte überſezen follen. Nichts deſto 
weniger möchte ich fagen, daß Philo vielleicht Glas⸗ 
fenfter gemeint, oder wenigſtens doch bad Dafein dev: 
felben vorausgefest habe. Erſtlich bemerfe man, daß er 
tur; zuvor gejagt, bie alerandrinifchen Gefandten bätten 
fih vorgenommen, alled Merkiwürdige zu berichten, was 
fie bei ihrer Einführung zu dem Kaiſer geſehen; und 
unter anderm führen fie die Zenfter an, welche aus ct 


36 - Briefe üb, d. 


Einfiedelei zu Nötheniz gemachet babe, fand ich nach⸗ 
ber in eimer Stelle des Hieronymus, daß die - 
Glasfenſter bereits im fünften Sahrhundert gebräuch- 
lich geweſen; es ill aber bei diefer Stelle blos der 
Name des h. Kirchenvaters angeführet. Diefe Nach⸗ 


nem Steine, specularis genafit, verfertigt waren, der 
vermuthlich in Alerandria noch unbekañt war, da er 
erſt ſeit kurzem in Rom zum Gebrauch eingeführt wor- 
den. Man fehe den Seneca (epist. 60) und Plinius 
(1. 36. c. 22. sect. 45.), welcher: lestere ſagt, daß der 
Herſte und beſte aud Syanien gebracht worden, dail 
aber Habe man ihn auch aus Eypern, Kappadocien, 
Sicilien, und zulest auch aus Afrika gebracht. Dars 
auf vergleichen die Abgefandten Teine Eigenſchaften mit 
denen des Glafed, und fagen, er fei eben fo durchfich« 
49, habe aber den wichtigen Borsug, daß er die Ge 
= „mäder vor dem Eindringen des Winded und der Gons 
.:  nenhise ſchüze, welches dad Glas nicht thue: ci mc -- - 
gas 5x iuncdiison, ampır di MOYSTL as TV ap 
Ars gAryauıy: quibus lux admittitur, ventus et solıs 
zstus excluditur. Diefer Vergleich und dieſe Ausdrüfe 
(Heinen vorauszuſezen, daß man dad Glas gleichfalls zu 
Senftern gebraucht: habe; und diered wird noch wahrs 
ſcheinlicher, weil man evwäst, daß die Alerandriner in 
Verfertigung von Glasarbeiten vorzüglich gerchift waren ;- 
und die Slaßfenfter, die man in Pompeji gefunden, das 
kurz nachher verfhättet worden, erheben die Vermu⸗ 
thung beinahe zur Gewißheit. Eben diefer Meinung 
iſt auch Winckelmañ in feinen Unmertungen über 
bie Baufunft der Aiten, [1. 8. 62 $.]. Sen. 
Legatio ad Cajum Cas. $. 93. p. 84. edit. Lips. Das 
feilbſt heißt ed, dan der Kaifer bei der Audienz, die er 
den Juden ertheilt, in verfchiedenen Zimmern, oben und 
unten, umhergegangen. (Huss Wwaursue:s MapnKLAB- 
9° ur ara xara, naraxasvaiuns, erzählen die jüs 
diſchen Gerandten von ihrer Audienz; und mach einigen 
Doiichenreden: Ipcuasıs us Meyar Cunıy eKemndnoe, zus 
min dar wpuTarTen, Tas 0 wurim Dupidas avarıp- 
Iayas Tin VAR Asuau Fapamınaıı (Hapamincınc) die- 
. earıaı MI, Ca To mer pas cur sumidiüsan, arsuır de 


neueft, bereut, Entdek. 37 


richt if aus den Abhandlungen der königlichen pa⸗ 
rifer Afademie gesogen, 1) mo fie ganz kurzweg an- 
geführer wird, ohne den Theil oder den Drt anzu⸗ 
geben. 2) Eine Schöne Auskunft für diefenigen, die 


 wupyarı naı rn ap Ns pacyuor. Dieſes fcheint zu fagen: 
» Die Senfter u erneuern oder zu verbeffern mit 
»durchſichtigen weiffen Steinen, die bem weiſſen 
» SIafe ähnlich find, und das Licht nicht hindern , fondern 
„ den Wind abhalten und die Sonnenglut;“ woraus nicht 
fiher auf Glaſsfenſter su ſchließen if. Siebelis. 


1) M. de Vallois, de l’origine du verre, et de ses diffe- 
rents usages chez les anciens. Acad. des Inscript. t. ı. 
Mist. p. 113. 


.2) Ich glaube, bie Stelle aud dem h. Hieronymus fei 
die folgende: Comment. in Ezech. Il. ı2. c. 41. v. 13— 
14. op. t. 5. col. 501. E. wo er von dem Tempel zu Je 
vufalem fpricht: Fenestre quoque erant facts in modum 
retis, instar cancellorun : ut non speculari lapide, nec 
vitro, sed lignis iaterrasilibus et vermiculatis claude- 
rentur. Windelmar führt in feinen Anmerkungen 
über die Baukunſt, und inden Denkmalen, 4X. 
12 8. 204 Num. eine Stelle aus dem Lactantius Sir 
mianus, welcher gesen dad Ende des dritten Jahrhun⸗ 
derts fchrieb, an, (de opif. Dei. c. 8.) Manifestius est, men- 
tem esse, quæ per oculos ea, qua sunt opposita, tran- 
spiciat, quasi per fenestras lucente vitro aut speculari 
lapide obductas. Ich glaube, daß auch Prudentius 
(Peristeph. hymn. 12. v. 53.) von Glasfenſtern ſpricht, (wie 
Dafelbk vom Pater Chamillard in den Noten be; 
merft worden,) wo er die Kirche St. Paul, aufierhalb 
Rom an dem Wege nach Oſtia vom Kaiſer Conſtan⸗ 
tin erbauet, befchreibt ; und von gemalten ober vers 
ſchieden gefärbten Gläfern, wie Pabſt Leo IL. um das 

> Ende dei achten Jahrhunderts in die Bafilica bed Laterand 
ſezen ließ, wie An aſt aſius im Leben diefed Pabſtes fagt: 
(t. 1. sect. 408. p. 303.) fenestras de abside ex vitro di- 
versis coloribus conclusit atque decorarit. Gen, 


38 | Briefe üb. d. 


fh an einer oberflächlichen Keñtniß begnügen. 1) 
Ramine fcheinen nicht gebräuchlich gewefen zu fein, 
und viele Entdefungen befräftigen dasienige “mas man 
aus Vitruvs Stillfchweigen über die Bauart einer 
uns heut zu Tage fo unentbehrlich gewordenen Bequem- 
fichfeit muthmaßen fan. Die wohlhabenden Leute unter 
den Alten waren aber, ohne Kamine, bei einem blo⸗ 
fen Feuerbeten beffer wider die Kälte verwahret, als 
wir. DD Shre Dfen, welche von denen, die davon 


4) Daſſelbe Förte man auch dem Salmaſius vorwerfen, 
welcher am genaiten Orte den 6. Hieronymus auf 
dieſelbe Weiſe anführt. Sen. ' 


2) iiber die Streitfrage: ob die Alten Ramine gehabt 
oder nicht, iſt bereitd von Gelehrten und Baumeiftern 
fo viel gefchrieben worden , ohne etwas Gewiſſes darliber 
auszumachen, daß es überflüſſig fcheint,, Hier aufs neue das 
von zu forehen. Der Pater Benedetti, in feinen 
Eommentar über. die Yulularia des Plautuß (Aninı- 
adv. 9.) verbreitet fih weitläuftig darüber, und nad 
dem er die verſchiedenen Gründe, welche moderne Schrift: 
ſteller für und wider den Gebrauch derfelben beigebracht 
haben, geprüft, und die Stellen der Alten, welde für 
den Gebrauch derfelden fprechen, nach feiner Weiſe ers 
klärt Hat: glaubt er behaupten zu Eönnen, daß die Ver 
mwohner des obern Stokes, ‘ober folder Häufer, die nur 
einen Stof hatten, den Rauch duch dad Dach, oder 
durch den Gipfel deſſelben hinaus ließen ; die Hingegen, 
welche im untern Stofe wohnten, ihn aus einem in der 
Höhe ded Zimmers angebrachten Senfter, oder durch eine 
Hfnung der Mauer entließen, oder daß fie eigens eine 
Kammer hielten, in welcher ber Rauch fich fammeln und 
dañ zerſtreuen koũte; daß endlich. die Edlen und Reichen 
ſich der Hfen (stufe) und Feuerbeken bedient und In Hfen 
Holz gebraft haben. Seine Gründe, den Gebrauch der 
Kamine zu läugnen, find theild,- daß die Reichen und 
Vornehmen nicht jo viel fir bie Öfen (stufe) würden 
aufsewantt haben, wei Kamine üblich gewefen wären; 
ferner, weil Bitruvimsund kein anderer alter Schriftſtel⸗ 


neueſt. bereut. Entdek. 39 


eſchrieben haben, nicht recht verſtanden worden, 
eizeten die Stuben, ohne daß die Hize dem Kopfe 


fer derſelben erwähnen; weil ſich Feine Spuren derſelben 
in alten Gebäuden finden, und endlich, weil man an den 
Dächern der Gebäude, welche auf alten Gemälden und 
Muſaiken dargeftelit find, Feine Spuren von Schornfteis 
nen ſehe. Früher fchon Hatte der Marcheſe Maffet 
eine Abhandlung über diefen Gegenſtand gefchrieben , 
weiche fih im 47 Bande der Saftlung bed Paters Ca⸗ 
Iogera, S. 65 u. f. befindet, wo noch mehrere alte 
Schriftſteller, ald vom Pater Benedetti, vernommen 
werden, und endlich aus denielden Gründen, welche von 
dDiefem angeführt worben, behauptet wird, die Alten 
haben zwar eine Art von Kaminen gehabt, fie feien 
aber von den unfrigen verſchieden geweſen. 


Im Grunde war es thöricht und Findirch, dieſe Streit 
frage auch nur aufsuwerfen. Die Alten, welche fo geſchikt 
fowohl dad Waller als die Wärme, vermittelft swifchen 
den Mauern angebrachten Röhren, durch alfe Theile ihrer - 
Gebäude zu leiten wußten, follten nicht verftanden has 
beit, auch den Rauc auf gleiche Weiſe zu leiten? Iſt 
ed glaublih, daß fie in einer Stadt wie Rom, den 
Rauch aud den Zenftern oder aus Öfnungen in der 
Wand gelaſſen, und dadurch die Auffenfeite ihrer Häu⸗ 


‚ fer beſchmuzen, den Bewohnern ber obern Gemächer, den 


Nachbarn, und den auf der Straße Gehenden befchwer: 
ch fallen können, befonderd weit der Rauch aus gewiſ⸗ 
fen Wertfrätten Fam, wo übelriechende Stoffe bearbeitet 
oder verbrafit wurden? Dad Stillſchweigen des Vitru⸗ 
vius beweiſet nichts, deũ dieſer Baumeiſter, wo er von den 
Haͤuſern der Stadt ſpricht, erwähnt eben fo wenig der 
Küchen und der Trepen, und anderer Theile derfelben. 
Eben fo ungegründer ift ed, daß Fein: anderer alter 
Schriftfteller der Kamine erwähne. Einer mag hier flatt 
aller genügen, es if der Mechtögelehrte Ulpianuds 
1. Sicut autem 8 $. Aristo 5. seq. fl. Si servitus 
vindicetur etc. Wo er die GStreitfrage erzählt, ob es 
den Eigentümern ber Werkſtätten und Buden, folglich 
auch den Bewohnern ded Erdgeſchoſſes erlaubt fei, dem 


: Rauch aus den Senftlern oder andern fnungen ber 


x 0. 


40 Briefe üb. d. 


befchwerlich fiel; deñ fie wurde dadurch gemildert, 
daß man fie nach Nothdurft und Belieben überall 


Mauer ziehen zu Iafen, fo dag die Bewohner der obern 

- Zimmer davon beläfiigt werden Eönnen, und dag Ari: 
fon entfchieden habe: es fei nicht erlaubt. Ein folcher 
Streit hätte gar nicht ftatt finden können, wer der 
Rauch in allen Häufern, nad Gewohnheit oder aus Noth⸗ 
wendigfeit, folchen Ausgang gehabt hätte. 


Da ein ſolches Geſez vorhanden war, fo läßt fi 
auf gleiche Weiſe nicht nur die Stelle ded Ariſtopha—⸗ 
ned in den Weſpen (v. 173.) ohne Schwierigfeit von 
dem Rauchfange verfichen, wie fein Scholiaft darelbft 
ſehr richtig erklärt, und beim Appianus (de bello 
civ. 1. 4. p. 596.), wo er von den Verſchwornen zu den 
Zeiten ded Caſars und Lepidus fpricht, welche fich 
inden Röhren undim SchIot des Kamind, und unter 
„dem Dache verborgen hatten: pars. mergebantur in pu- 
teos, pars in cloacas impurissimas; quidam in fumaria 
vel summas sub tegulas refugi sedebant cum silentio 
maximo; fondern auch jene alten Schriffteller , welche des 
Holfeuers in den Gemäcern erwähnen, und vom Pater 
Benedetti angeführt, aber falfch verftanden worden; 
und andere, welche vom Rauch und Raucdfang reden, 
1.8. Pollux, welcher (l. 7. c. 27. segm. 123.) zu den 
Theilen ded Haufed den Rauchfang oder Shornftein 
rechnet: xamrıny xas zamııdacmy, fumum et fumale; dem 
auch Suidasinden Wörtern zamın a zamvrodıan folgt, und 
Sidonius Apollinaris (l. 9. epist. ı3.) Arabunı- 
que messe pinguis petat alta tecta fumus. Daß ſich an 
alten Gebäuden Feine Spuren von Kaminen gefunden, 
Tail man der Berchaffenheit und Form ihrer Ruinen sus 
schreiben ; und daß man auch an den auf erhobenen Wer: 
fen, Gemälden und Mufaiten abgebildeten Häufern Feine 
Scornfteine fieht, Tail feine befondere Urſache haben, 
viehteicht weil man fie da für überflüfig oder für entftel: 
lend hielt. Auch im Pirgil finden ſich ein paar Stellen, 
die Ihe Dafein andeuten: Eclog. ı. v. 84. seq. und Æneid. 
I. ı2. v. 567. So nelit auh Tertullian (De panit. 
c. ult.) bie feyerfpeienden Berge fumariola, wegen ihs 
wer Sigur, womit fie fich über der Erde erheben, wie 


neueſt. bereut. Enrdek. 41 


inleiten Tonte. Nach demjenigen, was ich theils 
der Zeichnung/ theils in den überbleibſeln der 


die Schornſteine über den Dächern der Häufer. Auch die 
Kamine oder Herde, welche mitten in den Zimmern deu 
Häufer von einem Stofwerfe, oder In den obern Zimmern 
nahe unterm Dache glofenförmig gebauet waren, mußten 
ihren Rauchfang haben, Srancedco di Giorgio 
bat drei derfelben von verfchiedener Art in den Ruinen 
alter Gebäude gefunden, wie er in einem Aufſaze meldet, 
welcher handichriftiih im der üffentlihen Bibliothek zu 
Siena (n. 26.) aufbewahrt, und von Scamozzi (Dell’ 
Archit. P. ı. I. 3. ec. 21.) und von andern angeführt 
wird. Die bieher gehörise Stelle jener Schrift Tautet: 
» Die Alten bedienten füh der Kamine, , wie ih an 
„ mehreren Orten gefehen habe. Nahe bei Peru⸗ 
» Sia auf dem Pianello Habe‘ ich in einem alten 
„Gebäude einen Kamin gefehen, der drei halbzirfelfürs 
„» mige Niſchen an feiner Bafe hatte, und oben ein Ge 
„ wölbe mit einem runden Loc in der Mitte, we Rauch 
» and Feuer den Ausgang Hatten; ringsumher war er 
„ mit Mauern von 8 Fuß Breite und 6 Zuß Länge . 
» umgeben, wie folgende Figur zeigt, [die man unter 
. Mumero 5 am Ende diefed Bandes abgebildet fieht.] 


Den zweiten ſah th au Baja bei der Piſcina mi: 
»rabile ded Nero; diefee befand fich in einem Vier 
»eke, dad von jeder Seite 19 Fuß breit war; in der 
« Mitte 'deſſelben ftanden vier Säulen, auf denen ein Ges 
» bälk ruhete: auf diefem Gebälf erhoben. fih rings uns 
un Ber die Gewölbe sehn. Fuß hoch von der Erde, mit Sir 
2 guren von Stucco bewundernswürdig verziert. Zwifchen 
„ den vier Säulen erhob ſich eine kleine pyramidenfoör⸗ 
„ mige Kupel, ‚aus weicher der Raud) feinen Ausgang 
” nahm, wie folgende Figur zeiget, [die man unter Aus 
Biere 6 zu "Ende dieſes Bandes abgebildet sehen kañ.) 


. „ Einen dritten habe ich bei Clvitravecchia aefehen, in 
» einem Viereke von faſt gleicher Größe wie der fo eben 
„beſchriebene, unb von folgender Geftalt: an den Efen 
„ traten vier Krasfteine hervor, auf denen vier Archi⸗ 
» trade ruheten. Auf dieien erhob fih die Pyramide des 


2* 


42 ‚Briefe üb, d. 


Billa Zufeulana gefehen babe, fan ich einige Be⸗ 
griffe davan geben, ohne den Juſtus Lipfius, 1) 
und andere, die fih nach den alten Schriftfiellern 
ein Syſtema gemachet haben, zu Nathe zu ziehen. In 
dem Palaſte der gedachten Villa zu Serculanum bat 
man nicht das geringfie Merkmal weder eines Dfens, 
noch eines Kamins, gefunden, mohl aber in einigen 
Zimmern einen Heil von Kohlen; ein Zeichen, daß 
fie die Zimmer vermittelft eines Kohlenbefens cr- 
wärmeten. Am Abhange des Hügels aber, auf wel- 
chem die Billa fand, war ein nicdriges Gebäude, 
das zum Winteraufenthalte dienete. Unter der Erde 
waren und find noch einige Kleine Kammern übrig 
geblieben, ie zwei und zwei, die fo Boch find wie 
ein hoher Tifh, und fchmaler als Ihre Studirſtu⸗ 
be, (die ich überall zum Maßſtabe annehme, fo gut habe 
ich folche im Gedächtnifle behalten, und ich hoffe fie. 
auch wieder zu fehen;) aber fie haben feinen Ein« 
Hang. ZIn der Mitte ſtehen Fleine Pfeiler von Zie⸗ 
geln, die, ohne Kalf, blos mit Thon verbunden 


„ KRamind, wo der Rauch hinaussing. An jeber Seite 
„ befanden fich zwei Heine Senfter und eine halbzirkel⸗ 
» förmige Niiche, in weicher vermuthlich Bildwerfe fans 
„den, vier Fuß hoch von der Erde: audgenommen an 
„ der Seite des Einganged, ſwie die unten ſtehende Sis 
sur zeiget, die unter Numero 7 abgebildet if.) 

„Ih Habe diefe Kamine mit großem Sleiſſe aufge 
» fucht, und weiter ?eine mehr finden koͤnnen; auch 
„ glaube ich, daß fich deren in Stalien nicht noch andere 
„drei finden; umd ich habe nie einen Menſchen gefe 
„ben, der davon Kunde gehabt Hätte ES wundert 
„ mich, daß weder Vitruvins, noch ein anderer Schrift: 
ſteller Über Baukunſt, der Kamine der Alten erwähnt 
„bat. — Gen 


ı) Epiet. ad Belg. gent. 3. epist. 76, oper. t. 2. p. 519. 
«eg. ’ 


! 


neneft, hertul. Entdek. 43 


ſind, damit ſie deſto beſſer dem Feuer widerſtehen; 
und in ſolcher Weite, daß ein großer Ziegel, der 
auf zwei dieſer kleinen Pfeiler aufgeleget wird, ge⸗ 
rade auf der Hälfte des einen und des anderen ru⸗ 
het.1) Aus ſolchen Ziegeln beſtehet die Deke, die fo: 
zu ſagen flach iſt, und den Fußboden eines kleinen 
Zimmers traget, das eben fo breit, und von einer an⸗ 
gemefienen Höhe, vder vielmehr etwas niedrig iß. 
Der Fußboden diefes Zimmers war von grober Mufine 
arbeit, und die Wände waren mit verfchiedenem 
Marmor beleget. In diefem Fußboden waren vier: 
efige Nöhren eingemauert, deren Mündung in das. 
unterirdifche Kämmerchen ausging. Diele Röhren: 
liefen vereiniget innerhalb der Mauer bes Zimmers, 
das unmittelbar über dem Kammerchen war, in ei⸗ 
nem bedefeten, und mit einem überzuge von feinge⸗ 
ſtoßenem Marmor bekleideten Gange, bis in daB. 
Zimmer deg zweiten Stofwerfs, und ba Tiefen fie bie 
Hize durch eine Art aus Thon gebranter Hundskönp⸗ 
fe/ 2) die mit Stöpfeln verfehen waren, von ſich— 

teniedrigen Kammern unter der Erde waren die 

fen; vor folchen war ein ganz ſchmaler Gang, von 
dem dritten Theile der Breite der Kammer, und in 
biefen engen Gang gingen große vierefige Ofnun⸗. 
gen aus dem Dfen heraus, die einen Querfinger breit 
über dem Fußboden erhöbet, und der halben Höhe 
zweier inmwendiger Pfeiler gleich waren. Durch diefe 
Dfnungen wurden angebraite Kohlen) hineinge- 


4) BVitruvius (l.5. e. 10.) und Pallad ius (de re rust._ 
l. 1. c. 40.) reden deutlich von bdiefer Art von Arbeit 
zu den fen (stufe). Sea. 

2) Sn den Anmerkungen über die Baufunft ©, 
72. find ed Löwenköpfe, und died ſcheinen fie wire 
lich geweſen su fein. Sea. 

3) Dder vielmehr Holz, wie. weiter unten wird sefast 
werden, Gen. 


44 Briefe üb. d. 


than, die, nach dem Maße ihrer Menge, die ganze 
Ziegeldeke hinlaͤnglich erhizeten, und dieſes Zimmer 
dienete zur Schwizſtube. Die Hize des Ofens, die 
ſich in die Mündungen der Röhren gezogen hatte, 
zog ſich innerhalb der Mauer fort, und theilete ſich 
dem Zimmer über der Schwizſtube mit. In Anſehung 
der unterirdiſchen Kammern oder fen bleibet 
einiger Zweifel übrig: deñ da ſie ohne Eingang, 
und auf allen Seiten vermauert waren, bis auf die 
vierefigen Zuftlöcher, fo iſt es fchwer zu begreifen, 
wie.fie es anfingen, die Afche heraus zu holen, da 
der vor benfelben befindliche Gang ſo enge war, 
daß man daſelbſt Feine Schaufel handhaben koñte. 
Sch: finde Teinen andern Ausweg, als zu vers 
mutben , : daß fe durch eines der vierefigen 
“Löcher einen-Fleinen Knaben hineinfchiften; den zu 
dieſer Art: von Reinigung fcheinen ſie hinlaͤnglich 
groß zu ſein. 9 


9 Zur deutlichen Ertlarung alles deſſen, was hier geſagt 

worden, ſehe man die Abbildungen unter Numero 18, 

19, 20, und die Erklärung derſelben, wo ausführlicher 

u; von dieſen stufe, und denen, bie anderwärts gefunden 
1. worden/ die Rede ſein wird. Fea. 

3%. ‘ v . 

2 u0mtah 


neueſt. beremt, Entdek. 45 
(Nachricht von den herculaniſchen Gemälden.) 


$. 15. Es wäre von großer Wichtigkeit, zu wiſſen, 
ob die herculaniſchen Gemälde, menigfiens die 
größten, von griechiſchen oder römifchen Meiftern 
gemachet worden. Wen man den Grundriß aller un- 
terirdifchen gegrabenen Gänge hätte, und andere 
Umſtände damit vereinigete, fo köñte man vielleicht 
einige wahrfcheinliche Muthmaßungen wagen. Was aber 
das Sehen diefes Grundriffes anlanget, fo find alle 
meine Bemühungen fruchtlos geweſen. Wie ein Medu⸗ 
fenfhild wird einem fogleich und bei allen Gelegen- 
heiten das Verbot Seiner Majeſtät vorgehalten. 
Während meines Aufenthaltes in Bortici entdefete 
man das Fragment einer Fleinen halben Figur, mit 
einem reizenden Gewande vol zierlicher Falten. Am 
Kopfe fand der verflümmelte ‚Name: DIDV. 1) 
Diefe Heine Figur ift den fchönften im Mufeo gleich, 
und wen ich nicht irre, iſt fie von der Hand eines 
römifchen Malers, und viele andere fönnen es gleich» 
falls fein. Aus dem Plinius weiß man auch, daß 
der Maler Ludius zu des Auguſtus Zeiten der erfle 
war, der Laudſchaften, Brofpecteu. f. wm. malete; 
den die Griechen liebeten die Vorſtellungen unbelch- 
ter Gegenflände nicht. DI) Folglich if der größeſte 


4) Findet fih in den Pitiure d’Ercol. t. 8. p. 23ı. Bea. 


2) Plinius irret, wei er den Ludius für den Erfinder 
diefer Art von Malerei hält; oder man muß ihn fd vers 
ſtehen, daß derfelbe fie suerft in Rom eingeführet Hat, 
wie auß dem Vitruvius erhellet. Bei den Griechen war 
diefe Art von Malerei feit Platos Zeiten, alfo 300 
und mehr Jahre vor dem Ludius, im Gebrauche, wel⸗ 
er ihrer im Kritiad (princ. op. t. 3. p. 107. c.) er⸗ 
wähnt. Er fast daſelbſt: „Land und Gebirge und Stüffe 
„ und Wälder, ja den ganzen Himmel und was an ihm 
„beſteht oder fi) bewegt, wagen fie zu malen. “ Ein 
viel ältered Beiſpiel von ähnlichen Darftellungen kañ man 


46 Briefe üb. d. 


Theil der herculaniſchen Gemälde, die in Proſpee⸗ 
ten, 2andfchaften, Häfen, HSäufern u. dergl. 

befteben, römifche Arbeit. Der griechifche Geſchmak 
mar überdies zu harmoniſch, um bie fchlechten ar» 
chitektonifchen Borftellungen zu machen, welche fich oh⸗ 
ne Negeln und Broportion auf diefen Gemälden finden. 

Aber ſchon unter dem Auguſtus fing das ausſchwei⸗ 
fende Sahrhundert an, und riß der verborbene Ge⸗ 
ſchmak ein, wie ich in meiner Geſchichte der 
Kunft davon Beweiſe angeführet babe. Faſt alle 

noch fiehende Gebäude aus Auguſti Zeiten find un⸗ 
harmonifh. An dem Triumphbogen zu Nimini if 
fein Verhältniß zwiſchen den Säulen und der Breite 
des Bogens: und der dem Auguſtus und der Koma 

gemweihete Tempel zu Diilafio!) hat am Vordertheile 

dorifche Säulen, und an der Seite jonifche mit 

versgierten Bafen, die Kapitälen ähnlich fehen; wel⸗ 
ches die alten Griechen nie im Gebrauche gehabt haben, 
Bon den Säulen und den Architraven in der Ro 
tunda will ich bier gar nichts. erwähnen. In dem 
großen Gemälde von der Geburt des Telephus?) 
findet man in der That feinen griechifchen Styl. 

Herkules hateineunedle und baͤuriſche Geſichts⸗ 
bildung, und fiehet keinem griechiſchen Herkules 


m der Arbeit des Vulcans, auf dem Schilde Achilus 
beim Homer, finden (Iliad. 1. 18. v. 478. seq.), wo 
Erde und Meer, Himmer, Sonne, Mond und Sterne, 
und Menichen, die fich befriegen, akern, tanzen, Hoch⸗ 
seit Halten, Herden waiden, und mit einander Streit har 
ben, dargeftellt waren. Gen, 


DB Pocockes Reifen (Vol. 2. p. 2.) im enslichen Ori⸗ 
ginal, wo diefer Tempel auf der 55 Kupfertafel, S. 61 
vorgeſtellt if. In der deutfhen windheimiſchen 
fiberfesung if ed Th. 3. S. 90, Daßdorf. 


3) Pitture d’Ercolano, t. ı. tar. 6. 


neueft. hercul. Entdek. 47 


Ahnlich. Alle Griechen ſcheinen einmüthig über ein 
beitimtes Ideal ihrer Gottheiten einverflanden,- 
dem Borbilde gemäß, . das einer der großen Meiſter 
aufgeſtellet hatte. Ein junger und bärtiger Herku⸗ 
fes bat auf den grischifchen, capuanifchen und ten- 
nifhen Münzen, in dem Mufeo des Herzogs von 
Noia zu Neapel, einerlei Bildung; leztere führet 
die Auffchrift, die einige für bertrurifch halten. 9) 
Der Kopf des figenden Frauenzimmers, das man 
für die Göttin Tellus hält, bat auf dem nämli⸗ 
chen Gemälde nichts weniger als den fchönen grie- 
hifchen Umriß, und die weit aufgefperreten Augen 
find viel zu groß, was für ein Bild man fidh au 
von den Dohfenaugen, die Homer dem fchönen 
Gefchlechte beilegt, zu machen verfucht. . 

-$. 16, Die marmornen Köpfe der FZuno haben 
feine fo fürchterlichen Augen, und die flüchtig hin⸗ 
geworfene Meinung des Belon,?) die Büffon in 
feiner Description da Cabinet Royal wiederholt, daß 
Die Griechen fehr für große Augen eingenommen ges 
wefen feien, bie er mit Bildfäulen, Bruſtbildern 
und Münzen belegen will, verdienet genauer unter- 
fuchet und beflimmet zu werden. Die Zeichnungen auf 
Marmor 3) fcheinen alle vier vom nämlichen Meifter 
zu fein; die, welche fich am beſten erhalten bat,*) 
ift mit dem Namen des Künſtlers AAESANAPOZ 
AOHNAIOZ bezeichnet. 5) Das ſchwerſte bei derglei⸗ 


1) [Wie man anf der dbtefem Bande angehängten Ab⸗ 
bildung unter Numero 8 fehen Fan.) 

2) Observations des plusieurg choses et singularites trou- 
vees en Crèce, Asie, Judée etc. Par. 1755. in 4. L 

3. ch. 37. p. 199. 

3) Description du Cabinet Royal, t. ı, 2, 3, 4 

4) Ib. t. ı. u 

5 B. t.2.p60 


48 Briefe üb, d. 


chen Arbeiten find allegeit die äuſſeren Theile der Fi⸗ 
guren, die in diefem in der That, befonders in An- 
fehung der Finger, Tchlecht ausgefallen ind. Der- 
jenige, der die Zeichnung davon verfertigte, hat es 
Iteber in diefem Stüke verfchönern, als fih genau 
an das Driginal binden wollen. Die Köpfe find 
fehr gemein. In dem Worte ETPAFEN, welches 
auf den Namen des Künfklers folget, flebet auf dem 
Kupferflihe ©, ſtatt F. Bei Gelegenheit der Ge- 
mälde habe ich eine Bemerkung gemachet, die ans 
dem Cölius Apicius und Athenäug!) erläutert 
werden Fat. In feiner Zubereitung der Speifen ge- 
brauchet er niemals Eitronen; den er faget, daß fie 
den Nömern ihrer Säure wegen zumider wären, und 
daß fie feinen andern Gebrauch davon macheten; als 
folche zmwifchen ihre Kleider zu legen. Die Cit ronen 
wurden ohngefähr um diefelbe Zeit nach Kom ge= 
bracht, als Zueullug die Kirfchen aus Bontus mit 
dahin brachte. 2 In der That finder man zu Por 
tiei auf fo vielen Gemälden mit Früchten feine ein» 
jige Citrone. Was übrigens das- Mechaniſche der 


1) Athenäns ſchreibt: (I. 3. e. 7. S. 26. p. 33. das 
man die Citronen nicht aß; —— will er ſagen, in 
feinem Vaterlande, In Ag ypten; deñ er führet den Thes⸗ 
phraſt (Hist. plant. L. 4. c. 4.) an, wo' derfelbe ſagt, 
daß man zur Zeit. feiner Großeltern angefangen habe, fi. 
zu eſſen. Dioskorides endlich, der nach dem Theo—⸗ 
phraſt fhrieb, fast: (I. 2. c. 166.) daß diefe Frucht 
auch dem gemeinen Wolke befaft fei, und daß vor⸗ 
nehmlich die Weiber fie aus Gelüften äßen. Plinius 
muß alfo blos auf Rom, oder eine andere Gegend eins -- 
gerchrändt werben, weil er (l. 12. c. 3. sect. 7.) fast, daß 
man fie nur ald Gegengift gebrauche, und allein in 
Herfien und Medien siehe. Sea. 


2) Er brachte den Saum daher, Athen, 1. 2 c. 11. $. 35. 
p- 51. Fea. 


neueſt. Herent, Entdek. 49 


Kunſt anbelanget, fo geben die Herren der Akademit 
vor, die Malerei ſei a tempera, d. i. mit Leim⸗ 
farben auf trofenem Grunde gemachet, unb 
verlaffen fich hierin vornehmlich auf das Anfchen des 
Fönislihen Baumeiſters Ludwig Vanvitelli, 
der in feiner Jugend auch den Pinfel geführet hat; 
aber hierzu werden wohl einige Beweiſe mehr erfor 
dert. Nun weiß ich aber gewiß, daß man mit dem 
alten gemaleten Überzuge nicht die geringſte chemifche 
Unterſuchung angeflelet hat, welches doch das ein- 
zige fichere Mittel ift, in der Sache Gewißheit zu 
erlangen. Dan bätte wenigftens fagen follen, daß 
die Farbe durch Neiben von der Mauer abginge; das 
mit hätte man fich fo im allgemeinen begnüget. Izo 
fan man aber feinen VBerfuch mehr machen, weil die 
Bemälde überfirnißet find. Es ift befant, daß der 
Firniß die Eigenfchaft bat, die Farben zuſehends 
absulöfen, dergeflalt, daß der Achilles 1) Gefahr 
Iäuft, in einigen Jahren ganz vernichtet zu fein. Der 
Hauptgrund, worauf fih diefe Meinung ſtüzet, if 
dieſer, daß fich die Farben ablöfen, und daß man die 
Binfelfiriche erhoben bemerfet, wen man die Gemälde 
gegen das Licht hält. Allein fomohl das eine als 
das anderebemerfet man auch inden Stangen des Ra⸗ 
phael im Batican; undan der aldobnandinifchen . 
Hochzeit, die in den alten Bädern des Titus ges- 
funden worden, fan man mit der Sand die Pinfel- 
firiche fühlen. Sch will es nicht beflreiten, daß fich 
die Gemälde auf trofenen Gründen nicht auch erhal⸗ 
ten fönten; den ich fand den Beweis des Gegen 
theils an einer vor kurzem in einem Weinkerge ang» 
gegrabenen Figur, die einen ganzen Monat lang der 
Zuft ausgefezet war, ohne ſich zu verändern, wie es 

wenigſtens der, welcher fie ausgegraben hatte, ver- 


f) Pitture d’Ercolano, t. ı. tav. 8. Gen. 
Winckelmaũ. 2. 3 


50 Briefe üb. d. 


fiherte. Man Fonte die Farbe des Grundes wegwi⸗ 
fhen, wen man blos mit den Fingern daran rich, 
Die Erhaltung bing hauptfächlich von dem Überzuge 
ab, den die Alten auf ihren Gemälden mit vieler 
Kunft und Mühe anzubringen mußten. Nberhaupt gu 
reden, fan man von den Antiquaren in Anfebung 
der alten Gemälde wenig Belehrung erlangen: zum 
Beweiſe dienet, daß verfchiedene Betrüger alte Ges 
mälde um einen Tagelohn nachmachen. Als\ch in 
Nom ankam, war die gewöhnliche Unterhaltung eini⸗ 
ger Antiquare von verfchiedenen hier und dort gefuns 
denen alten Gemälden, welche die Sefuiten an fich ge 
Faufet hatten. Der Auffeher des Fircherifchen Mu⸗ 
feums, Pater Eontucet, zeigete fie mir aus bes 
fonderer Gefälligfeit. Unter andern iſt daſelbſt ein 
Gemälde, das den Epaminondas voritellet, wie 
er verwundet vom Schlachtfelde getragen wird. Die 
Seene iſt auf eine fchrefliche Art vorgeſtellet. Epa⸗ 
minondas, der damals nicht viel über vierzig Fahre 
alt, und noch in den Vahren war, dag ihm zwei 

berühmte Amaften liebeten, ſiehet aus wie ein Geripe, 
und iſt eine lange nusgezehrete Figur im Style des 
Giotto und noch fchreflicher als ein flerbender Chris 
ſtus von Sarravaggio. Er wird von Soldaten 
getragen, die über und über mit alten eifernen Rü⸗ 
flungen befleidet find, mie folche im dreizehenten 
Sahrhunderte gebräuchlih waren. Auf dem Arme 
des einen fiehet ein Zeichen, das dem arithmetifchen 
Zeichen eines gewiſſen chinefifchen Kaiſers ähnlich ſiehet, 
ungefähr in folgender Geſtalt.1) Kerner iſt vorhan⸗ 
den der Tod Birginias, und ihr Vater bat den 
Arm mit den nämlichen Charakteren bezeichnet. Ein 
anderes ficllet ein Gefecht mit Thteren in einem Am⸗ 


1) [Wie man auf der biefem Bande angehängten Is 
bildung unter Numero 9 feben Lail.) 


neuieft. bereut. Entdek. 51 


phithenter vor; der Kaifer oder Proconſul ſtehet dem⸗ 
felben zu, und flemmet fi mit dem Ellebogen auf 
den Knopf eines bloßen Degens, defien Klinge lang 
und fchmal iſt, auf ſpaniſche Art, oder wie dere 
Schweden König [Karl XIL) fie trug; in der Stel- 
lung, wie auf Münzen die parthbifchen Köntge fich auf 
ihren Bogen fügen. Aufallen Gemälden findet man bes 
fondere Charnftere oder Zeichen. Auf die Frage, mas 
Diefe Zeichen wohl bedeuteten, antwortete der Aufſeher 
ganz zweideutig und fagete: dieſe Gemälde wären 
von Palmyra hergebracht worden, und damit mußte 
man zufrieden fein. Sch entdefete dem Monfignore 
Baldani, einem eifrigen Altertumsforfcher, gelehr- 
tem Manne, und vertrauten Freunde des Baters 
Contucei meine Zweifel. Er antwortete darauf 
nichts weiter, als: „Sch weiß nicht, was ich Ih⸗ 
„nen fagen fol; zuweilen muß man aufs Wort 
„ glauben, und. nicht gar zu tief auf den Grund die 
„ Altertümer und die Geheimniffe der Sefuiten un⸗ 
„terfuchen wollen.“ Der betrügliche Werfertiger 
diefer fchönen rare brachte noch viele andere zum 
Vorſchein, da er fah, daß fie in Rom fo gut ab» 
gingen. !) Wie viele Gemälde der Art find nicht 
nach Frankreich und Engeland gefommen! 

$. 17. Diefer Betrüger iſt ein venetianifcher 
Maler, Anmens Guerra,?) der, ohne nur im Ges 


4) Hier folgt in der itafiänifchen Ausgabe ded Sea noch 
der Zufas: e ci cascö la dottoressa di Bareith, che ne 
comproO quattro, e mantiene loro una lanıpa accesa d’ar 
vanti, come i Turchi all’ Alcorano. Sernow, 


4) Im Original fand, vermuthlich durch einen Schreibfeh⸗ 
fer, Quercia; aber Windelman weit ihn, in fer 
nem Sendſchreiben $. 48. und in andern Briefe 
immer Guerra; auch wird dieſes Betrügers in dem 
Giudizio dell’ opera .dell’ Abate Winckelmaun intorne 


ringſten fich nach dem Style der Alten zu richten, 
arbeitete, wie es ihm einflel, und der gewußt hat, 
den Leuten etwas anfzubinden, und fich die Blind⸗ 


heit der Menfchen zu Nuze zu machen. Der Betrug 


mußte einem jeden in die Augen fallen, der nur bie 
alten Gemälde, die in Rom geblieben find, betrachtete, 
ohne zuerft nad) Portici zu gehen, und die dortigen 
zu befichtigen. Die Unverſchämtheit diefes Mannes, 
auf die Unwiſſenheit Anderer gegründet, ift fo weit 
gegangen, daß er fogar al fresco malete, um feinen 
Betrug deflo mehr geltend zu machen. 1) 
* %* 


$. 18. Geflern vor | acht Tagen Tam ich non 
Neapel zurüf.?) Nach und nach will ich Ihnen meine 


alle scoperte d’Ercolano etc. Napoli 1765, unter dem 
Namen Guerra erwähnt. Gen fagt in einer Anmers 
tung: „derſelbe fei blos der Verkäufer, nicht der 
„ VBerfertiger der falfhen Gemälde geweſen. Ez 
„ follen einentlih ‚Gemälde geweſen fein, die im 
„16 Sahrhunderte zu Zimmerversierungen verfertigt wors 
„ben, wie damals in Rom üblih war. Nadı der Zeit 
„ feten fie weiß überfirichen worden; und zur Zeit dei 
» Suerra habe man fie von dem weiffen überzug ges 
„ reinigt, aud der Wand gensmmen, und fir Gemälde 
.„ audgegeben, die in alten Gebäuden gefunden worden. 
„Aus dem bioßen überzuge, auf den fie gemalt worden, 
„.bätte man bie Betrügerei entdeken können.“ Sernom 
[Man vergleihe Barthelemys Reifen durch Ita 
lien, ©. 85 u. f. der deutfchen Ausgabe.) 


4) In der italiäniſchen Ausgabe ded Fea folgen noch "die 


Worte: tutto essendo dipinto a oleo etc. und dazu 
die Note: „Die Gemälde im Cotllegio Romano find alle 
„in einer Manier gemalt; man kañ nicht fagen, daß 
„» e8 Ölmalersi fei, und begreift nicht, wie fie gemacht 
„ find. Einige in Fresco semalte Bilder murden in den 
a, Grabungen :bei ber Ruffinella, oberhalb Frascati⸗ 
‚„ sefunden.“ Fernow. 


:2) Diefer Brief iR vom 27 Sebruar 1762. Sen. 


neueſt. bereut. Entdek. 53 


Bemerkungen mittheilen. Hier folget indefien die 
Nachricht von vier alten Gemälden. Unter den lez⸗ 
ten bersulanifchen Entdefungen behaupten vier Ge⸗ 
mälde mit Waflerfarben den erfien Rang, die alle 
übrigen hinter fich laſſen; und wen nicht: die römi⸗ 
fhen, von denen ich Ihnen gefchrieben babe, zum 
DBorfchein gefommen wären, fo getrauete ich mir zu 
behaupten, daß diefe allein hinreichend wären, einen 
Begrif von ienen Werfen der griechifchen Maler zu 
geben , von. weichen die alten Schriftfieller fo viele 
Lobeserhebungen machen. I Sie find im Hercules 
no nicht erſt von der Dauer abgenommen worden, 
fondern man fand folche in einem Zimmer, zwei und 
zwei an die Wand gelehnt,. fo daß die bemalete Seite 
auswärts ſtand. Hieraus erhellet ; daß fie von aus⸗ 
mwärts dahin gebracht, und vielleicht aus einem Ge⸗ 
bäude in Griechenland oder Großgriechenland weg⸗ 
genommen worden find; und daß man fie vermuth- 
ich erſt aus den Kaflen, in denen fie transportirt 
worden, herausgenommen batte,. um fie an einem 
oder. dem andern Drte einzufegen.?) Die Arbeiter, 
die beinahe das ganze Zimmer aufgeräumet hatten, 
und noch etwas: tihriges Erdreich von der Mauer ab» 
Iöfen wollten, fließen. mit dem Grabfcheit auf etwas 
Hartes, und befchädigeten zwei davon, nämlich das 
dritte und vierte, die folglich fehr gelitten Haben. 
Alle vier haben einen: dopelten and; der duflere 
beſtehet in drei Streifen, davon. der eriie weiß, der 


1) [Beſchrieben in bee Geſchichte der Kunſt, 7 8. 3 
K. 15—18 $.) 


2 In der angeführten Stelle der Geſchichte der Kunſt 
äuſſert Windfelman die Meimung , daß die Einwohner in 
Herculano nad dem Unglüke ihrer Stadt, die Gemälde 
ſelbſt aus der Maner gefchnitten haben, um fie wegzu⸗ 
führen. Ferno w. 


54 Briefe üb, d. 


mittlere violett, und der dritte grün iſt, die eine 
dunfele Einfaffung haben, und alle drei find von der 
Breite der Spize des fleinen Fingers. Der innere 
Nand ift weiß, und breiter als die drei Streifen des 
äufferen Randes, nämlich einen ftarfen Finger breit. 
Die Figuren find zwei Palmen zwei Zoll römifchen 
Maßes bach. Das Helldunfel iſt meitterhaft; die 
Schatten find in großen Mafien in der fchoniten Har⸗ 
monie und Abſtufung aufgetragen. Sch babe fie 
Stunden lang mit der größeten Aufmerffamfeit bes 
trachtet, und da ich das Muſeum mehr als zehnmal 
befehen babe, fo glaube ich nichts Wichtiges, mag 
der Aufzeichnung werth iſt, vergeflen zu haben. Die 
Befchreibung, die ich davon machen werde, wird 
mehr malerifch als antiquarifch ausfallen. Der Ma- 
ler ſowohl als der Altertumsforfcher müßen fich 
zuweilen bei gewiſſen Kleinigkeiten aufhalten, die 
den Augen derer entwifchen, die blos fehen ohne u 
bemerfen. Aber da nuc Kleinigkeiten bedeutend 
find, fo wird auch der Maler, wen es gewiſſe 
noch micht binlänglich erörterte Dinge betrift, 
beit Umſtänden, die dem Anfcheine nach unbedeutend 
find, eben fo nachdenklich fein, als bei den bedeu- 
tendfien Dingen, wen er das Coſtum der Alten ges 
nau beobachten will; daher Font es, daß wir von fo 
wenigen Werken eine willenfchaftlich und kennermä⸗ 
Big ausgeführete Befchreibung haben. 

$. 19. Dasertte Gemälde enthält vier weibliche 
Figuren. Die vornehmſte, deren Geſicht man von 
vorne fiehet, figet und hebet mit der rechten Hand 
das Pallium oder Peplum, das auf dem Hintertheile 
ihres Kopfes rubet, in die Höhe. Diefes Beplum 
ift violett, mit einem fingerbreiten grünen Rande. 
Ihr Kleid (tunica) ift Feifchfarben. Ihre linke Hand 
subet auf. der Schulter eines fchönen Mädchens, das 
man im Profile fiehet, das neben ihr ſtehet und das 


neueft, hercul. Entdek. “855 


Kin auf die.rechte Hand flüget. Der Fuß der ande 
ren ruhet, zum Zeichen ihrer Würde, auf einem 
Schemel. Gleich neben ihr ſtehet eine fehr fchöne 
Figur, deren Gefiht man ganz ſiehet, die fich ihren 
Haarpuz ordnen läſſet, und die linke Hand auf der 
Bruft liegen hat; die rechte hänget herunter, und ift 
in der Stellung, als ob fie auf einem Elavier fpie- 
Ien wollte. Ihr weiffes Kleid bat enge Armel, die 
bis auf die Knöchel der Hand reichen. Der Mantel 
ift violett, mit einem daumenbreiten gefiften Rande. 
Die meibliche Figur, die mit dem Haarpuze bes 
fchäftiget if, und etwas höher ſtehet, iſt in’s Profil 
gewendet, doch fo, daB man die Augenbraunen des 
anderen Auges fehen Fat. Die Aufmerffamkeit anf 
ihre Befchäftigung fiehbet man an ihren Augen und an 
ihren gefchloflenten Zipen. Zu den Füßen flehet ein 
dreibeiniges Tifchlein; auf dem zierlich gefimfeten 
Tifchblatte. ſtehet ein weifles Käfllein mit Lorbeer» 
blättern, und neben folchem erblifet man eine vio- 
lette Kopfbinde, vermuthlich um nach vollendetem 
Haarpuze den Kopf der andern weiblichen Figur dae 
mit zu fchmüfen. Unter dem LTifchlein ſtehet ein 
fhönes großes Gefäß von Glas, wie man aus der 
Farbe und Durchfichtigfeit vermuthen Fan. 

9.20. Das zweite Gemälde ſtellet einen tragi- 
fhen Dichter ohne Bart vor, ſizend/ in einem weiſ⸗ 
fen Gemwande mit engen Armeln, die bis an die And- 
chel der Hand reichen. Unter der Brut wird das 
Kleid mit einem gelben, eines Heinen Fingers 
breiten Gürtel zufammengehbalten. In der rechten 
Sand hält er eine Kanze in die Höhe; in der linken 
bat er dag parazonium, oder das kurze Schwert, das 
quer über die Hüften hänget, die mit einem herab» 
bangenden röthlichen Gewande, das den Siz bedefet, 
bekleidet find. Das Gehänge des Degens iſt grün. 
Eine weibliche Figur kehret ihm den Nüfen zu, und 


56. Briefe üb, d. 


Inieet mit dem rechten Fuße vor einer mit einem bes 
ben Haarputze, coyaxos genait, geziereten tragiſchen 
Mafte, die auf einem Poflamente fichet. Die Fi— 
gur, die mit einem Binfel auf den obern Theil die 
fes Fußgeſtelles fchreiber, fcheinet mir die tragifche 
Mufe Melpomene zu fein; fie fchreibet vermuth⸗ 
Jih den Namen eines Trauerfpieles; man fichet aber 
nur einige Züge von Buchflaben. Ihre linke Schuk 
ter ift entblößet, und das Gewand gelb. Shre Hnare 
ind auf dem Wirbel zufammengebunden, welches die 
Sungfrauen von den verehelihten Berfonen 
unterfchied,, die ihre Haare allegeit im Naken zuſam⸗ 
menbanden. Die Larve fichet gleichfam in einem 
Kaſtchen, deffen Seitenwände einen Karnies haben, 
und das mit einem blauen Tuche überdefet ifl. Her- 
unterwärts bangen weiſſe Bänder mit zwei Schnü⸗ 
ren am Ende derfelben. Hinter dem Poſtamente 
flehet ein. Mañ auf einen Spieß geflüget. Der: tra- 
gifche Diäten richtet fein Geficht gegen. die fchrei« 
bende Mufe.!): 
$. 21. Das dritte Semälde flellet zwei nafte 
männliche Figuren und ein Pferd vor. Die erfle 
ſizende Figur zeiget das Geficht von vorne, und fcheis 
net den Achilles vorzuſtellen, der ein feuriges und 
ſtolzes Anfehen bat, und auf die Erzählung der an» 
dern Figur aufmerffam if. Der Sitz des Stuhles 
iſt mit einem rothen Tuche befleidet, das fich für 
41) Dieied Gemälde wurde von der herculaniichen Akademie 
im 4 Theile der hercufanifhen Gemälde, Tafel 
Al, abgebildet, und fie halten den trasifhen Dichter 
für den Äüſchylus. Aber Windelmai, in feinen 
Dentmaten, (3 Th. 5 8. 167 Num.) befleeitet diefe 
Behauptung; er nimmt feine Gründe von den Haaren 
her, weiche dem. Uſchylus fehleten, und von dem Bas 
te, den er Haben follte. Diefe Zweifel wiederholte ex 
in der Seralate der Sun, TU 3 8 21 $- 
Sermow. 


neueſt. bereut, Entbek. 57 


einen Krieger ſchiket, und die gewöhnliche Farbe der 
Epartaner im Kriege war; diefes bedefet ihm zu⸗ 
gleich die rechte Hüfte, auf welcher feine rechte 
‚Hand rubet. Der Mantel, der über den Nülen 
herunker hänget, iſt gleichfalls roth. Die Seiten» 
Arme des Stuhkes ruben auf Sphingen, die fo auf 
dem Stuhle angebracht find, daß die Arme erhöhet 
genug fliehen; und auf dem linken ruhet der Ellebo⸗ 
gen. An den einen Fuß des Stuhls iſt dag para- 
sonium angelehnet, das fehs Zoll lang if, und an 
einem grünen Gurte an zwei Ningen hänge. Der 
Heben ihm ſtehende unbeffeidete Man ruhet auf ei⸗ 
nem ‚Stabe, der unter die Achfel des rechten Arms, 
auf welcher feine linke Sand Tieget, geſtemmet ift. 
Die linke Hand iſt von dem rechten Arme bedefet, 
den er hält die rechte Hand in die Höhe, mach Ark 
einer Berfon, bie etwas erzäblet, und das eine Bein 
tft über das andere gefchlagen. An diefer Figur fehlet 
der. Kopf, fo wie auch an dem Pferde. 

$. 22. Das vierte Gemälde enthält fünf Fign⸗ 
zen: die erfie ift eine figende weibliche, mit Epheu 
and Blumen gefrönte Figur, die ein aufgemifeltes 
Buch in der Hand hält. Die Schuhe find gelb, wie 
se es auch am derjenigen Figur find. die fich im er- 
fien Gemälde den Haarpuz machen läſſet. Die weib⸗ 
liche Figur, die vor ihr flehet,. fpielet mit der Rech⸗ 
ten auf einer fünfschakb Zoll hohen Leier, und halt 
in der Linken das Inſtrument, womit die Saiten 
geſtimmet wurden, und welches aus Hffkin!) be 
ſtehet. Man Fan folches im Muſeo an einem ähn- 
lichen Snfleumente von Bronze noch deutlicher fe 
ben. Die Leier bat fieben Wirbel, 2) und folglich 


4) Die Griechen nañten es xopdorser. Pollux. 1: 4 c. 
9. segm. 62. Bea. 


2) Diefe hießen bei.den Griechen zone... Plato, de Rep. 


58 Briefe. üb, d. 


eben ſo viele Saiten. Zwiſchen dieſen zwei Figuren ſte⸗ 
het ein Pfeifer, der auf zwei gleichen geraden Pfei⸗ 
fen bläfet, die er im Munde hat. Dieſer iſt mit ei- 
nem Bande, somisor genant, bedefet und verbuns 
den, um den Athem beffer mäßigen und ver 
theilen zu können. Die Bfeifen beſtehen aus 
mehrern Stüfen, fo wie man im Mufeo an fo vie⸗ 
len Stüfen von fnöchernen Pfeifen fiehet, die ohne 
Einfchnitt find, und nicht in einander geflefet wer 
den können. Dan konte fie nicht anders mit ei 
ander verbinden, als mittelft einer Nöhre von Mies 
tall oder von ausgehöhletem Holze, in welche die 
Pfeifenitüfe geflefet wurden; an einem folchen 
Stüfe ift in der That die hölzerne Röhre flefen ges 
blieben und veriteinert worden. Hinter der erſten 
Figur flehen zwei mit Epheu gefrönete Männer; die 
Figur, welche am meiſten nach vorne fichet, hat einen 
Mantel von meergrüner Farbe um. Sch bitte Sie, 
diefe Befchreibung niemand als die königlichen 
Hobeiten lefen zu laſſen. 


l. 7. Op. t. 2. p- 531. B. Tes Tas xXopdas mpayuare 

wagıxırras ns Bacanklırras, ımı Tay xınımar Speß- 

auıras. Qui fidibus assidue facessunt negotiun, et ex- 

plorant, claviculos subiude contorquendo. — Pollux, 
.c. Sea, 


neueft. hercul. Entdek. 59 


(Nahrihten von den Bildfäulen von Bronze 
su Herculanum.) 


$. 22. Die berceulanifhen Figuren von 
Bronze unddie Bruſtbilder ind theils mittelmä- 
Big, theils fchlecht, wie z. E.diefaiferlichen Bildfäu- 
Jen in mehr als Lebensgröße, und geben uns feinen Be⸗ 
geif, daB die alten Bildhauer eben ſo gefchift im 
Bronze als in Marmor hätten arbeiten fönnen. Die 
‚beiden größeten Werke in Bronze zu Nom find des 

areus Aurelius Bildfäule zu Bferde auf dem 

nze des Sampidoglio, und des Septimius Se 
verus Bildfäule zu Fuß, in der barberinifchen 
Balerie. Gene hat viele Fehler, die vielleicht daher 
rühren, daB fie durch die Länge der Zeit, oder durch 
die Ruinen, Schaden gelitten bat, oder weil die 
Kunſt in jenem Jahrhunderte fchon gefunfen war. 
Die lezterd zeiget den Verfall der Künſte in jener 
Zeit, obngeachtet die Arbeit daran viel vorzüglicher 
ift, alsan dem Triumphbogen des nämlichen Kaifers 
am Fuße des Capitols. Plinius bezeuget, daß die 
Kunſt, Bildfäulen in Bronze zu gießen, zu den Zei⸗ 
ten des Nero ganz verloren gewefen: 1) fie muß 
alfo unter Hadrians Negirung wieder hergeſtellet 
worden fein. Baufanius, weñ er bon einer 
Bildfäule des Jupiters in Bronze redet, 2) die ein 
Schüler des Dipönus und des Sfyllis, der dl- 
teiten und früheflen Bildhauer, verfertiget hat, faget, 
daß fie aus vielen mit Nägeln zufammen befes 
fligeten Stüfen beiland. Aber alle hereulanifchen 


4) füber diefe viel beftrittene Stelle des Plinius eine 
Erflärung im Sendfhreiben $.53. und in ben 
Nachrichten 6. 79.] 


2) L. 3. c. 17. &6. wa ber Kiünfler Searchus genaũt 
wird, Daßdorf. nn 


60 Briefe ub. 5 
Bildfäulen von Bronze kind auf diefe Art zuſammen⸗ 
gefezet, ohngeachtet man ihre Verbindungen nach ihrer 
Wicherherliellung nicht mebr fichet. Die Etufe ins 
nicht zufannmengelöthet; aber aus gewinen Anzeigen 
Iäffet ich vermutben, daß ſie vermittelit geſchmolze⸗ 
nen Metalles verbunden find. Die vielen eingeflifeten 
Etüfe, die man an jenen Bildfäulen ſehr ſichtbar 
bemerket, welche noch nicht polirt ind, dieneten dazu; 
die Lüfen, die nach der Zufammenfesung übrig blie 
ben, damit auszufüllen. Es gehören noch mehrere 
Entdefungen dazu, um zu beſtimmen, ob die grie 
Hifchen Bildhauer allegeit auf die nämliche Art. bei 
fhren Arbeiten zu Werfe gegangen find, oder ob das 
Zufammenfegen der Bildſäulen von Bronze nur die 
Methode der erfien Künſtler, vor dem glänzenden 
Beitalter der Kunſt, und der fpäteren Kümftler in ienen 
Beiten geweſen ii, wo die Kunſt in diefem Theile 
fhon in Verfall geratben war. Die Hausgeräthe 
und die Vaſen von Bronze find fein gearbeitet, und 
alle Dpfergeräße anf das gierlichite auf der Drechfel- 
baut ansgedrehet. Sie wußten auch durch Kunſt ein 
fo weiffes Metall zu bereiten, 1) daß es dem erflen 
Anſcheine nach wie Silber ausfab. 2) 

$.23. Nun will ich aber auch eine ausführliche Nach⸗ 
richt von den vornehmſten Bildfäulen in Brom 
ze und befonders non denjenigen ertheilen,. bie nach 


1) Plm. Hist. nat. I. ho. ır. seet. 22. EL3, co = 
sect. 3 ” 

2) Kon diefer Art ift ein Echabeifen vom ſehr zierlicher 
Urdeit, das im April 1779, bei den Ausgrabungen in 
den poͤutiniſchen Suͤmpfen, gefunden worden. EB ift dar; 
auf der Name und’ dad Zeichen des Künftlerd befindlich; 
der Name ift nach dorifcher Art im Genitivo gefteftt: 
HPAKAIAA ( Heraclidis );. dad Zeichen wi eine Siesen 
göttin. Zen 


neueſt. herecul. Entdek. 61 


meiner erſten neapolitaniſchen Reiſe feit vier Jahren 
gefunden worden ſind; es wird Ihnen nicht unange⸗ 
nehm ſein, weñ ich Ihnen eine genauere Beſchrei⸗ 
bung davon mache. Der Mercur in Lebensgröße iſt 
unflreitig die fchönfte Bildſäule in Bronze in der 
Welt; in Marmor aber gibt es fchönere. Da man 
fie ohne den Schlangenftab fand, alles übrige aber 
ganz war, fo vermuthet man, daß fie bereits ohne 
denſelben von auswärts dahin gebracht worden ift. 
Den Srif davon hat die Bildfäule noch in der 
Sand. 

8,24. Das Behondere an diefer Bildfäule if 
eine Schnalle, die beinahe wie eine Roſe gebildet 
und unter der Fußfohle befindtich iſt; fie zeiget die 
Art der Befelligung an, mittelſt welcher die Riemen 
verbunden und zufanmengefchnürct wurden, womit 
die Flügel an den Ferfen angemachet werden Fonten, 
die deßwegen angefchraubet waren, damit man folche 
abnehmen und wieder anmachen koñte. Die Roſe 
unter dem Fuße ift fombolifch, und zeiget einen Mer- 
sur an, der nicht nöthig bat, zu Fuße zu geben. 
Der trunfene Satyr, der, zum Zeichen ‚der Fröh⸗ 
lichkeit, mit den Fingern der rechten Sand die Ca⸗ 
fiagnetten fpielet, ift die zweite Bildfäule, und vers 
dient gleichfalls Aufmerkfamfeit. Die dritte ift ein 
junger ſizender und fchlafender Satyr, der den rech- 
gen Arm auf den Kopf gelehnet hält. Uber diefe 
Figuren mit aller ihrer Schönheit können blog einem 
neueren arinfeligen und verhungerten Kalliſtratus 
Stof zum Gefpräche darbieten; daher will ich mein 
Nrtheil über einige Büſten fällen, und, wider die 
Regel einiger Schriftfieller, die das Härffig Argument 
bis zulest aufheben, mit dem fchönften den Anfang 
machen. Diefes iſt der Kopf eines jungen Helden 
von etwas mehr als natürlicher Größe. Ein anti» 
suarifcher Pfarrer würde ihn einen Ptolemäus 


(u Briefe üb. d. 


taufen. Hm den Kopf herum hat er 68 Loken; 
fielen Sie fich diefe Lofen vor wie ſchmale Streifen 
von Bapier, die mit den Fingern zufammengerollet 
und hernach Tosgelafien und etwas auseinander ges 
zogen würden. Dieienigen, fo die Stirn bedefen, 
find vier- oder fünfmal, die an den Schläfen: her« 
unter hängen, achtmal, und die hinten herabhangen, 
bis auf zwölfmal gemunden. An den Rändern dies 
fer flreifigen Loken ift rund herum eine Xinie einges 
ſchnitten. Alle diefe Lofen find nicht mitgegoffen, 
fondern erfi. nachher daran gemachet morden, fo daß 
fie, wen man den Kopf aufhebet, eine kurze zitternde 
Bewegung machen. Ein anderes Bruilbild, aber 
von hetrurifchem,oderdem älteften griechifchen 
Style, bat ebenfalls auf der Stirne bis an die Schläfe 
ſolche angefegete Lofen, aber auf eine andere Art, 
nämlih wurmförmig und von der Dife eines Feder⸗ 
fiels, oder des fHärfiten Eifendraths. An einem an⸗ 
dern Kopfe, der für einen Blato 1) ausgegeben 
wird, find große Loken an die Schläfe angefezet. 
Diefer nicht fo ängfllih, fondern im erhabenen 
Style der Bronze verfertigete Kopf fan mit Necht 
ein Wundermwerf ber Kunſt genennet werden. Erfie- 
het von der Seite niederwärts; die Stellung zeige 
Verachtung an; die Gefichtsgüge aber nicht; die 
Stirn iſt gedanfenvol, der Blik aber angenehm. 
Der lange Bart, der nicht fo dicht, als der Bart . 
eines Jupiters, aber mehr gefräufelt und von ein⸗ 
ander getheilet iſt, als man an den Köpfen fichet, 
welche den Plato vorfiehen ſollen, iſt in Furchen 
gezogen, wie man mit dem feinflen Kamme machen 
könte, ohne Daß diefelben ſcharf eingefchnitten find, 
fondern fo weich wie graues Haar. Auf die nämli⸗ 
” He Art find die wellenförmigen Saupthanre- gebildet. 


3) T. ı. de’ Bronzi .d’Ercolano, tar. 27. p. 103. Zen. 


neneft, hereul. Entdek. 63 


Aber, Freund! Fein Menfch ift im Stande das Künft⸗ 
liche diefes Kopfes mit Worten zu beichreiben. 
Auch iſt ein Bruſtbild des Demoſthenes vorhan⸗ 
den; 1) der Beweis davon iſt die griechifche Infchrift: 
AHMOCOENHC, Diefes fein Bild fan man für 
das einzige halten; den das Bruftbild des Anton 
Agoſtini, und ber Earniol des Zohan Peter 
Bellort find fehr zweideutig. Sch Eönte Ahnen 
auch ein vorgebliches Brufibild des Heraflit an⸗ 
führen, 2) wen ich nicht noch zweifelhaft wäre, ob 
man ihm folches zufchreiben fol. Won bem Bruſt⸗ 
bild des Hermarchus habe ich bereits in einem 
meiner vorigen Briefe Erwähnung gethan. 3) 


2 
4) Ebendar. tav. 11. p. 53. Sea. 
[Abgebildet unter Numero 16 diefer Ausgabe.) 
2) T. ı. de’ Bronzi d’Ercol. tav. 31. p. 115. 
3 [Im erſten Abfchnitte diefer Briefe, $. 2.] 


Zn Briefe üb. d. 


cQNachrichten von den marmornen Bildfaͤulen 
zu Herculanum.) 


825. Diemarmornen Bildſäulen find alle 
ur mittelmäßig ; ich will es aber nicht fo geradeiveg her 
baupten, ohne Ihnen Beweife. davon zu geben. Im 
dem nämlichen Fleinen Tempel, aus welchem die 
größeten Gemälde, und unter andern Achilles und 
Chiron, die ich Ihnen fchon bei einer andern Ges 
legenheit erwähnet habe, 1) ausgegraben worden, 
find auch zwei Bildfäulen des Jupiters gefunden 
worden, deren obere Hälfte unbefleidet ii; fie find 
weit über Lebensgröße, aber ohne Kopf. Die Bild» 
fäule eines Baters der Götter mußeine idealifche 
Sache fein, und was den Körp&& anbelanget, fo muß 
er von allem dem frei fein, mas das Bedürfniß der 
menschlichen Schmwachheit erfordert, ohne Adern und 
Arterien, fo weit fich die Phantaſte der göttlichen 
Natur nähern Fan, die mit eigener Kraft wirfet, und 
nicht von der Nahrung, der Verdauung, und der 
Abfonderung des Blutes abhängig if; denfelben muß 
ein ätherifcher und belebender Geiſt eingegoflen fein, 
der, feiner Veränderung unterworfen, fich überall 
gleich verbreitet, und eigentlich fo zu fangen die Ges 
ſtalt bildet, deren Umriß bios ein Gefäß dieſes 
Geiſtes zu fein fcheinet. Der Unterleib muß nicht dife 
fein; den er muß zwar völlig, aber nicht vollge⸗ 
fopft ausfehen, und anzeigen, daß er genieße, ohne 
ohne etwas zu fich zu nehmen. Nach diefer hoben 
Zdee hat Apollonius von Athen feinen ver. 
‚Hgötterten Herfules gebildet, nachdem er ſich 
von den Schlafen der Menfchheit auf dem Berge 
Ota geseiniget hatte. Ach babe fchon ehemals mit 
Ihnen von diefem wundermwürdigen Nberbleibfel des 


1) [Im fünften Abſchnitte dieſer Briefe, $. 16.) ‘ 


neueſt. hercul. Entdef, 65 


Altertums geredet, 1) welches bei dem großem 
Buonaroti ein inniges Vergnügen und Ber 
wunderung erregete:. Künftler befühken diefen Torfo, 
Inffen ihre Sand auf dem fchönen fchlangenförmigen 
Bindungen fanft- hingleiten,. und rufen aus: Oh, 
que cela est beaut Sch: babe aber noch von nieman« 
den das Warum fagen hören. Die Römer find 
nicht gewohnt nachzudenten,. davon fan ich unwider⸗ 
fegliche Beweiſe geben. 

8.26.. Eine Charitas des Bernini iſt ihre 
Sache. Bernini batte ein vielumfafiendes und 
sriginelles Talent; er war einer der berühmteflen 
Künftler feines Jahrhunderts/ und hatte einen für 
feine Sahre bewundernswürbigen Verfuch feiner Kunft 
bewiefen durch die Verfertigung feines Apollo und 
ſeiner Daphne in.der. Billa Borgheſe, die. allzw ges: 
zierete Manier abgerechnetz aber in der Folge fam er . 
von dem rechten Wege ab, wurde ein großer Arch i» 
teft undbtich ein fchlechter Bildhauer. Aber wieder 
auf unfere erfle Nede zu fommen: zu einem folchen 
hohen Ideal hat. fih dee Bildhauer der bemeldeten 
berculanifchen Etatuen. nicht: erheben fönnen.. Er’ 
Bat uns. einen Zupiter vorgeſtellet, der aber zu fehr 
Menfch it, im der. Geſtalt des Nebenbuhlers eines 
Amphitryon, und nichtin der Geflalt, wie er mit 
einem finfieen Blife die Erde zittern machet.2) Und die 
Wahrheit zu fagen, können fich die beiden Jupiter 
zu Portieci glüflich fchägen, daß man fie gelafien hat, 
wie. fie ſind; fie würden zu erniedriget. erfcheinen, 
weñ fich. die dortigen Bildhauer an fie wageten: Unter 
andern if ein Bakchus da, mit einem modernen 
Kopfe, an dem ein fpanifcher Bildhauer fo. geflifert. 
Bat, daß es ein wahres Scandal iſt; gelidusque: 


4) Im zweiten Abſchnitte diefer Briefe; $.5. [Man verr- 
gleihedie BefhreibungdesTorfoim Belvedere): 
242) VIA-AIM. v- a8. — 30 Horat. L3. od. 32* 8. . 
3: 


66 Briefe üb, d. 


eueurrit al ossa tremor, wen man nur daran gedenket. 
Der berühmte Bernini hat mehr als franzöſiſche, 
diefer aber mehr als oſtrogothiſche Ergänzungen ges 
machet; und gleichwohf hat man feinem Meißel die 
Berzierung einer Kirche auf Fönigliche Koften ans. 
vertrauet. Der arme Schelm iſt darüber geflorben.. 
Ein anderer Föniglicher Bildhauer, von Geburt ein 
Kömer, den Bajardi im höchſten Grade lobet, 
hat ein Modell zu einer Statue des Königs zu 
Pferde verfertiget, an der er bereits zu arbeiten 
wird angefangen haben. Den Muſen sum Trsz hat 
er, noch ohngerechnet , daß der Monarch ausfiehet ,. 
wie ein turnirender Nitter, ibm auch Steigbügel 
gegeben, von welchen die Alten nichts wußten. 1) 


4) liber die Srage, ob die Alten fih der Steigbügel beim 
Keiten bedient Haben, ift von den Gelehrten viel 9% 
ftritten worden. Im affgemeinen nimt man any daß fie 
erft nach dem vierten. Jahrhunderte chriftlicher Zeitrechs- 
nung erfunden worden. Man jehe darüber einige Briefe 
von Eupyer und Sperling in dem Supplement des 
Polenus zu den römifchen und griechifchen Albertüumern 
(t. 4. p- 192. seq.) und Du Eange (Glossar. medie 
et infimz latinit. v. Bistapia..) Winckelmañ Hat 
im den Dentmalen (4 Th. 12 8.) von dem. 
Mitten gehandelt, deven die Alten fih fatt ihrer sum. 
Auffteigen bedienten.. Nach dem Zenophon (De mag. 
equit.Oper.p. 956.) fchwangen die Jünglinge fih ſpriw 
gend auf dad Pferd; und ed gub zu diefem Zweke, for 
wohl in Griechenland als in Rom, Echulen für diefe 
Übung, wo die Jünglinge ſowohl von der linken ,. als 
von der rechten Seite, und von Hinten über's Krems, ſich 
auf ein hölzernes Pferd ſchwangen. Den Alten gab dies 
fer Schriftfieller den. Rathh, ſich nad Weiſe der Perſer 
aufs Pferd Heben zu laſſen. Uber in dem Werke de re 
equestri, p. 942. ſchreibt er, daß einige fich des Spießes 
zum. Auffisen: bebienten, nämlich dag fie ben rechten Zuß 
auf einen eifernen Stift festen , der borisontal am uns 
an. Ende dei. Schafts befeßigt war, ben, fie mit. der 


neueſt. hercul. Entdet. 67 


te Steigbügel zu Portici find der Pendant zu den 
ufeifen der Gentauren des Corradini im 


rechten fefthielten,. während fie mit der Tinten den Zügel 

des Pferdes faßten, wie man auf der in den Dentmalen 
Numero 202 beigebrachten Gemme und nod auf zwei andern 

bemerkt, die er anführt. Dadurch wird aber für die, 

welche feine Lanze trugen, weil fie nicht in's Selb zogen, 

die Schwierigkeit nicht gehoben. Aus dem Plutarch 
(Conjug. pr&c. princ. Oper. t. 2. p. ı39. B.) weiß man, 
daß die Schwadhen und Bersärtelten Verde Hatten, die. 
abgerichtet waren, die Knie zu beugen, um dad Aufſizen zu. 
erleichtern. Bergier (Hist. des grands chemins des 

“ Rom. 1. 2. sect. 31.) und Pratilli (Della Via Appia 

l. ı. c. 7. p. 38.) haben geglaubt, daß an den Geiten der 

alten Landftragen Eteine errichtet geweien, um aufs 

freigen; eine Meinung, die nah Winckelmañs Be 

Hauptung nicht: Stich Hält, obgleich nicht. au läugnen iſt, 

daß Manche fih diefer zu anderm Gebrauch gefesten: 
Eteine oder Einfafiungen der Straße zu dieſem Zwef 

Wedienten. Wie ed aber. auch damit bewandt fein mochte, - 
fo glaube ih, der Bildhauer ſei nicht zu tadeln, 

daß er diefer Statue zu Pferde Gteigbügel gegeben: 
habe, Er hat dad Coftume beobachtet, wie ded Künſt⸗ 

lers licht it, und wie Windelman felbft in fo 

vielen Stellen feiner Kunſtgeſchichte fordert. Weñ wir 

die Klinftlee tadeln, welche Perfonen des Altertumd in 

moderner , venetianiicher oder römifcher Rüſtung und 

Tracht darftellen, wie Winckelman felbft im fünften Ab: 

ſchnitte diefer. Briefe thut, und im folgenden zu thum. 
fortfährt, warum fordern wir, daß Perfonen und Krie 

ger unſerer Zeit fih im alten Coſtume Eleiden oder: 
rüſten follen? Sea. 

Diefe Streitfrage ift oft und vielfältig auch von uns: 
{ern Runftgelehrten hin und her geworfen worden; aber 
noch niemand hat uniered Wiſſens etwas ganz Genügendes 
Darüber vorgebracht; indeſſen kommt ed boch bei ihrer Bes 
antwortung darauf an, 0b bei Denkmälern berühmter: 
Männer unferer Zeit,. weil beides nicht vereinbar ift, die 
Kunftforderung oder bie hiftorifhe Wahrheit: 
den Vorrang behaupte; und darüber follte unter. ben Kunſt⸗ 


⸗ 


68 Briefe üb. d. 


großen Garten zu Dresden, und zu. den Tegiona- 
rifchen Küras der. Pallas am Eingange desbrühfie 
ſchen Palaſtes. 

verſtändigen doch wahl eine übereinſtimmung der Meinun⸗ 


gen möglich ſein, ſobald man nur über dad Princip 
felbft exit einig wäre. Ferno w. 


neueſt. bereut, Entdek. 69 


(Nahrissten: von andern beträchtlichen Gercm 
laniſchen Altertümern.) 


8.27. Ser Dttavio Bajardi, im feinem 
Verzeichniſſe, das er uns in feinem Brodromo mit- 
theilet, läſſet fiih, unter fehr vielen andern ganz irrigen 
Begriffen, auf die Erflärung eines erhobenen Bild 
mwerfs auf einem filbernem Gefife ein.) „ Ein 
„ Gefäß, fager ev, in Form eines Mörfels.— In 
„ erhobener Arbeit fiehbet man eine Apotheofe darauf 
„— auch denmit einem Schleier bedefeten Caſar— 
„der von einem fliegenden Adler getragen wird. 
„ Rechter Sand ſtehet die Bildfäule der weinenden 
„Nomaz linfer Sand ein Soldat von fremder Na⸗ 
„tion ze. * Sulius Eäſar fan es des Bartes 
wegen nicht fein, und der Kopf hat nicht die ge» 
ringite Abnlichfeit mit dem feinigen. Es finden fich 
mehrere deutliche Merfmale, daß dadurch Homers 
Dergötterung vorgeflellet wird. Die Figur, welche 
die Rama. vorffellenfol, träget das Baragontum, 
oder das kurze Schwert. an der Seite, deſſen Grif 
fie mit der Sand hält, und fol folglich die JZIias 
vorfiellen. Den gleichwie die Mine voll Traurig. 
Feit und tiefen Nachdenfens die tragiſche Seite 99 
mers auf diefe Art ausbrüfet, fo haben die Alten 
die Odyſſee zu der Fomifchen Art (nach dem Ari⸗ 
ſtoteles in.feiner Dichtkunſt) gerechnet. Der ans 
gebliche fremde Sokdat IH: Ulyſſes mit dem. Ru⸗ 
Der oder Steuerruder, das. er- sum Zeichen feiner 
gethanen Seereife-in die Höhe hält; fo- wie der 
koniſche Hut, womit Ulyſſes allegeit abgebildet 
"wird, nielleicht. einen Seefahrer. bedeuten fol. 2, 


V Vasi e patere, n. 540: 
2 Im 9B. 28 43$ Note der Geſchichte der 
Kunſt, und in den. Dentmalen, 27% 33-8 -I.% 


70 Briefe üb. d. 


6.28. Über diefen Eonifchen Hut hat mir un«. 


ter fo vielen Ahnen befaiten Commentatoren der 
berühmten Apotheoſe des Homers im Balafle Co⸗ 
lonna, der ſo ſchönen Arbeit des Archelaus, 
des Apollonius Sohn, noch Feiner eine befrie— 
digende Ansfunft gegeben, und daber erfläre ich fie 
auf meine Weiſe. Die Schifleute in der Levante 


tragen noch heut. zu Tage einen folhen koniſchen 


Hut ohne Krämpen. Der Graf Caylus, der feine 


Samlung von Altertümern gern mit diefem Gefäße 


fhmüfen wollte, theilet uns die Zeichnung mit, bie 
ein junger Franzoſe (nach Art feiner Nation, bie 


fih mit dem eriten Blike begnüget, ohne weiter 


r 
‘ 


nachzuforfchen,) gemachet bat; auf folcher mird der. 


Man von einem Adler getragen. 1) Bei diefer Ge- 


legenheit faget er:?) „Die Verzierungen, mit des- 


„nen die Grupe (die Figur mit dem Adler) um⸗ 


„geben iſt, zeigen uns nicht den geringfien Begrif, 


fast Windelmaf,. daß auch diefe Sigur eine weibliche 
fei, und daß fie vin Steuerruder halte, Wäre es 
Ulyſſes mit einem Ruder fo köñte man fagen, daß’ 
er damit auf die Weifagung des Tirefins anfpiele,- 
daß ulnffed, nachdem er gen Ithaka zurükgekehrt ſe 


eine neue Reife unternehmen ‚. und ſo Tange mit. dem 


uder auf ber Schulter berumirren follen, bis er ein 
olk fände, welche das Meer nicht Tennete, und Fein: 


Salz äße, u. f. w. wie Homer (Odyss. 1. 2. v. 120.) 
erzählt. Übrigens fcheint die Erklärung diefed Monu⸗ 


ments , welhe Windelmafl sibt, ſehr richtig, aber. 
die Ehre davon gebürt dem Martoreiii, weicher es 


. c. parerg. p- 266.) eben fo erflärt, und von ibm bat 
fie wahrſcheinlich Winckelmañ entfehnt, fo wie viele 
andere Notisen, ohne ihren Urheber su nennen. Gen. 
[Dian fehe auh das Sendſchreiben, $. 77.) 


4) So Hat auch Huber in feiner franzöfifchen liberfesung 


ber Geſchichte der Kunſt (3. p. 70.) eb coniren 
laſſen. Sen, 
2) T. 2 Antig. grecq. pl. 4 P- 121. 
1 


u‘ 


neueſt. bereut, Entdek. 7 


„der Bezug auf die Gottheit hätte, und find blos 
„Phantaſien.“ Gleichwohl ſah er die Schwäne, 
die er nicht rechnet. Der Zeichner bemerkete alfo 
weiter nichts, als was vor ihm auf dem Gefäße 
fand, und derienige, der ihm folches zeigete, wußte 
nicht, daß noch mehrere Figuren darauf waren. 
Den Bart ausgenommen, ſtimmet Caylus mit dem 
Baiardı überein, und hält alles blos für die Ypo« 
theofe irgend eines Kaiſers. Er muß es aber doch 
beffer als lezterer wiſſen, daß Hadrianus der 
erfie war, der einen Bart trug, um eine Narbe 
zu bedefen. 1) Herculanum mard aber vor feiner 
Beit verfchüttet. So eben fomt mir der erſte Theil 
des Virgils in die Hände, den Her Suflice 
ganz in Kupfer bat flechen laſſen; eine Nachahmung 
des Iondoner Horaz. Daſelbſt il der Tod Cäſars 
als ein Basrelief vorgeflellet, auf welchem er eben- 
falls mit dem Barte erfcheinet. Es iſt efelhaft an⸗ 
zufehben, wie bier der zu Boden geworfene Cäſar 
dem Brutus oder Caſſins mit dem Fuße gegen 
den Bauch ſtößet. Diefes Unternehmen ungewafche- 
ner Sände iſt, auch in Anfehung des Textes, mit 
eben fo wenig Geſchmak und Einficht ausgeführet 
worden, als der Horaz. Die andere Figur auf 
dem nämlichen Kupferfihe if aus dem Mufeum 
zu Portici entlehnet, und blos nach der SIdee ge 
zeichnet, (det dort iſt es niemanden erlaubet, einen 
Bleiſtift auch nur bliken zu laſſen;) fie ſtellet ei⸗ 
nen auf der Cithar ſpielenden Faun vor, der recht 
im Geſchmake der Franzoſen iſt, nämlich übertrie⸗ 
ben, aus Furcht, daß man es nicht recht verſtehen 
:ader einfehen möchte, Ste verlangen einen Faun, 
ber mehr als Faun if, und die Beichnung einer 

-3) Eiche den: Spartianus im Leben. bed Hadriw 


nus (c. 26.) md Dia Eaffind (1.68. c. 16. 1.2. PD. 
2,32.) Ben, 


12 Briefe über d. 


ſolchen Caricatur nennen fie grandios. Diese 
filberne Basrelief it vierefig und nicht rund, amd 
der Kaum flehet:micht fo mit hängenden: Kopfe: dar⸗ 
auf, wie er bier vorgeflelet wird. Um Ihnen 
aber durch eine andere Vorſtellung einen Beyrif 
davon zu machen, ſo ftellen Sie fich jenen Spieter 
von Aſpendus vor, deffen Cicero gedenfet, 1) dem’ 
man es-anfab, daß ernur für-fich- allein fpielete; 
der: von- dem Zauber feiner Muſik ſo durchdrungen 
und begeiltert war, daß er gar nicht von andern 
bewundert zu werden. verlangete, fondern nur fidy 
innerlich: ſelbſt ergözen wollte. 2) Es wäre bier. eine 


ı) In. Verrem, Act..2.. 1. ı. c. 20: j 

2) Dieſes -fagt Eicero eigentlih nicht; . fondern nur, wie 
Aſconius daſelbſt bemerkt, daß diefer. Spieler die 
Eithar auf eine befondere Weife, und nicht wie Andere, 
ſchlug; nämlich fo, daß er dad Plektrum in. der’ Linken 
bier, und mit den Singern derfelben Hand die Sai⸗ 
ten rührte, und auf diefe Weife alles von unten und 
mit einer Hand fpielte, weil die Andern beide Hände 
dazu gebrauchten, nämlich - die rechte mit: dem Plektrum 
oben, und die linke unten. Wegen diefer meifterhaftens 
Art zu fielen. ward ihm in feinem Vaterlande eine 
Statue gefest. Beim Cicero heißt die Stelle: As 
pendum vetus oppidum et noblle in Pamphylia scitis 
esse, plenissimum sigrorum optimorum. Nom dicam 
illine hoc signum ahlatum esse, et. illud: hoc dicoy 
nulum te Aspendi signum, Verres; reliquisse: omnia 
ex fanis,. ex lacis publicis,, palam, spectantikus omnibus, 
plaustris evecta asportataque esse. Atque etiam As- 
pendium illum citharistum , de quo sæpe audistis id, 
quod est Greeis hominibus in proverbie, quem omnia 
intus canere dicebant, sustulit, et in intimis suis di. 
bus posuit;. ut etiam illum ipsum arfificio- suo. super- 
asse videatur.. Gen... 

ſüber den Ausdruk: Intus canere, fehe man den Index La- - 

“init. Cic. Chr. Gottfr. Schütz s. v. cano. Böttiger im- 
attiſchen Mufeumu.L 2.354. und dad Send jchrei-- 
ben $.77.] Ä 


neueſt. hereul. Entdek. 73 


ſchikliche Gelegenheit, einige wohlgemeinte Betrach⸗ 
tungen über das Buch des Graven von Caylus 
anzuſtellen. Er hat mit jener großen Überlegung 
geſchrieben, die in einer klugen Vorſicht beſtehet, 
nicht zu viel zu wagen; man fiehet, daß fein Fuß oft 
— — ı1enes 
Suppositos cineri doloso 1) 

betritt. Ihm gebüret zuerſt der Ruhm, in das We 
fentliche des Styls der alten Völker eingedrungen 
zu fein.) Solches aber in Baris bewerkftelligen 
zu wollen, machet das Unternehmen noch fchiverer. 
Sm zweiten Theile, (tab. 39.) gibt er uns die Zeich- 
nung einer Figur, die ihm der Bildhauer mittheilete, 
der dag Modell der Statue zu Pferde machen fol, 
welche die oflindifche Compagnie dem Könige von 

Dänemark wi fegen laſſen. Diele Figur, die fich 
izo im Campidoglio befindet, mar zur Zeit, als 
Sally fie abgeichnete, bei den Sefuiten zu Tivoli, 
und der Unterſchied zwifchen diefer Zeichnung, und 
einer viel genaueren im Mufeo Capitolino, 9) bat 
den Verfaſſer doch nicht auf die Gedanken gebracht, 
daß feine Figur mit jener nicht einerlei fein könne. 
Es iR wahr, der Berfaffer des Muſei Capitolini, 
Herr Bottari,d) koñte ihm bierin feinen Unterricht 
geben, weil er nichts davon zu fagen gewußt bat. 


1) Horat. [l.3. od.ı.v7 —8.] 

2) Die Hauptzüge feined Lebend findet man im Journal 
encyclopedique , gedrutt in Bouillon, aunde 1773. t. 
ı. part. 2. p. 315. etc. Er wurde in Paris den 31 Deck. 
1692 geboren, und farb bafelbfi den 5 Sept, 1765. 
Sea. 

3) T. 3. tav.8ı. N 

4) Diefer gelehrte Prälat ftarb 1775 Im 87 Jahre feines 

Alters. Ein Verzeichniß feiner zahlreichen Echriften, 
worunter fich feine Unmerfungen su Ba ſaris Leben 


Winckelmañũ. 2. 4 


13 Briefe über d. 


foßhen Eartieatur nennen fie grandios. Diefes 
ſtlberne Basrelief it vgerefig und nit rund, nnd 
der Faun flebetmicht fo mit häungendem Kopfe: dar⸗ 
auf, wie er: bier vorgeilellet wird. Um Ihnen: 
aber durch eine andere Vorfielung einen Beygrif 
Davon zu machen, ſo ſtellen Sie ſich jenen Spieler 
von Aſpendus vor, deffen Cicero gedenfet, 1) dem 
man es-.anfab, daß er-nur für-fich- allein fpieletes 
der von dem Zauber feiner Muſik fo- durchdrungen 
und begeiltert war, daß er gar nicht von andern 
bewundert zu werden. verlangete, fondern nur fidy 
innerlich: felbft ergözen wollte. 2) Es wäre bier. eine 
ı) In. Verrem, Act..2.. 1. ı. c. 20. j 
2) - Diefed -fagt Cicero. eigentlich nicht; - fondern nur,- wie“ 
Aſconius daſelbſt bemerkt, daß diefer Spieler die 
Eithar auf eine befondere Weife, und nicht wie Andere, 
ſchlug; nämlich fo, daf er dad Plektrum in der Linken 
bielr, und mit den Singern derfelben Hand die Sati 
ten rührte, und auf diefe Weiſe alles von unten und 
mit einer Hand fvielte, wei bie-Andern beide Hände 
dazu gebrauchten, nämlich -die rechte mit. dem Plektrum 
oben, und die linke unten. Wegen diefer meifterhaftens 
Art zu Spielen. ward ihm in feinem Vaterlande eine 
Statue geſezt. Beim Cicero heißt die Stelle: As 
pendum vetus oppidum et nobile in Pamphylia scitis 
esse , plenissimum signorum optimorum. Nom dicana 
illine hoc signum ahlatum esse, et ilud: hoc dicoy 
nullum te Aspendi signum, Verres, reliquisse: omnia 
ex fanis,. ex locis publicis,. palam, spectantibus omnibus, 
plaustris evecta asportataque esse. Atque etiam As. 
pendium illum citharistam , de quo sæpe audistis id, 
quod est Greeis hominibus in proverbio, quem omnia 
intus canere dicebant, sustulit, et in intimis suis ædi- 
bus posuit; ut eüam illum ipsum artifcio- suo. super- 
asse videatur.. ea... 
ſüber den Ausdruk: Intus canere, fehe man den Index La- - 
“init. Cic. Chr. Gottfr. Schütz s. v.cano., Bättiger im. 
attiſchen Muſtum, L. 2.354. und das Send führe 
ben $.77.] 


neueſt. hereul. Entdek. 73 


ſchikliche Gelegenheit, einige wohlgemeinte Betrach⸗ 
tungen über das Buch des Graven von Caylus 
anzuſtellen. Er hat mit jener großen überlegung 
geſchrieben, die in einer klugen Vorſicht beſtehet, 
nicht zu v viel zu wagen; ; man ſiehet, daß fein Fuß oft 
1 nes 
Suppositos cineri doloso 1) 
betritt. Ihm gebüret zuerft der Nuhm, in das We 
fentlihe des Styls der alten Völker eingedrungen 
zu fein.) Solches aber in Paris bewerkftelligen 
zu wollen, machet das Unternehmen noch ſchwerer. 
Im zweiten Theile, (tab. 39.) gibt er ung die Zeich- 
nung einer Figur, die ihm der Bildhauer mittheilete, 
der das Modell der Statue zu Pferde machen fol, 
welche die oflindifche Compagnie dem Könige von 
Dänemark will ſezen laſſen. Diele Figur, die fich 
izo im Campidoglio befindet, war zur Beit, als 
Sally fie abzeichnete, bei den Sefuiten zu Tivoli, 
und der Unterfchted zwifchen diefer Zeichnung, und 
einer viel genaueren im Mufeo Eavitolino,?) bat 
den Verfaffer doch nicht auf die Gedanfen gebracht, 
daß feine Figur mit jener nicht einerlei fein könne. 
Es ik wahr, ber Verfaffer des Muſei Capitolini, 
Herr Bottari, ) koñte ihm hierin feinen Unterricht 
geben, weil er nichts davon zu ſagen gewußt hat. 


1) Horat. Il. 3. od. 1. 7 — 8.] 


2) Die Hauptzüge ſeines Lebens findet man im Journal 
encyclopedique , gedrukt in Bouillon, aunde 1773. t. 
ı. part. 2. p. 315. etc. Er wurde in Paris den 31 Oct. 
41692 geboren, und farb bafelb den 5 Sept, 1765. 
Sea. 

3) T. 3. tar. 8ı. \ 

4) Diefee gelehrte Prälat ftarb 1775 im 87 Jahre feines 
Alterd. Ein Verzeichniß feiner zahlreichen Echriften, 
worunter fich feine Unmerfungen su V aſaris Leben 


Winckelmañ. 2. 4 


F 


74 Briefe über d. 


Caylus gibt vor, diefe Bildfäule fei aus den äl- 
tefien Beiten Griechenlandes, als die Bildhauerei 
daſelbſt der Agyptifchen ähnlich war, fo wie Die 
Bildfäule des Arrhbahion, die ın der 55 
Olympiade verfertiget, und vom Pauſanias 
befchrieben worden it. Was dieſes anbelanget, fo 
ift es nicht ausgemachet, ob die fo zu fagen ägyp 
tifche Stellung diefer Bildfäule nicht vielmehr eine 
Etellung war, die einen befonderen Beweis feiner 
Etärfe geben follte, weil fie der Stellung gleich if, 
in der Milon von Krotona abgebildet war. 1) 
Arrhachion war ein Zeitgenoſſe der Piſiſtrate, 
die zur Beförderung der Künfte und Wiflenfchaften 
fo Vieles beitrugen , und man fönte durch einige 
Münzen beweifen , daB die Zeichnung der Griechen 
ich ſchon vom ägyptiſchen Gefchmafe losgemachet 


verMaler und feine Roma subterranea in arofien Autarts 
bänden außzeichnen , ift in ded Graven Mazzucchelli 
Scrittori WItalia eingerüft. Dasdorf. 


1) Paufanias (1.8. c. 40. p. 682.), wo ervom Arrhes 
chion ſpricht, fast, daB derfelbe drei Siege errang; 
den dritten, wo er ftarb, in ber 54 Dlnmpiade ; und 
daß ihm eine Statue errichtet worden ; aber ohne au er⸗ 
wähnen, ob diefes erft nach feinem Tode, des dritten Sie 
ged wegen ,„ oder fchon früher, der beiden erften Siege 
wegen, gefchehen ſei. Doch ſagt er ausdrüklich, dag in 
der Stellung und Gebärde derfelben ihre Altertümlichkeit 
su erkennen gewefen. Anderswo (1.4. c. 14 p. 486.) ſpricht 
ee auch von der Statue bed Milon, ohne zu erflären, 


in welcher Etellung fie fih befand. Auch glaube ich - 


nicht, daß Plinius (l. 34. c. 4. sect. 9.) darüber Licht 
geben könne, wo er fast, daB den Siegern in den 
ofympifchen Epielen auch eined Eieaed wegen Ctas 
tuen gefest zu werden pflesten; weil fie aber dreimal 
fiesten, fo feien ihnen ikoniſche, d.h. ihre Geſtalt 
und Phyſtognomie nahbildente, Statuen 96 
fest worden. Gen. 


— — — 


neneft. bereut, Entdek. 75 


yatte. 1) Die Zeichnung des Caylus iſt mit der 
Freiheit und Buffonerie gemachet, welche die Fran⸗ 
ofen esprit nennen, und diefes ift zum Theile die 
Beranlaffung zu dem Srrtume des Verfaſſers. Die 
Sildfäule if im ägyptiſchen Gefchmafe zu Ha⸗ 
rians Zeiten verfertiget. Am nämlicdhen Style 
it ein fogenantes FIdol im Campidoglio gearbeitet, 
nd unter diefem Namen it es auch im Mufeo Ca⸗ 
itolino angeführet, 2) und iftder wahre Agypti- 
che Antinous. An feinem Orte will ich folches 


1) Diefe Behauptung Tcheint ihre Beſtätigung durch das 
zu erhalten, wa Polycharmus beim Athenäus 
(l. 15. 0.6. $.8. p. 675.) vom Heroftratuß em 
zählt, welcher, ald er in der 23 Olympiade von Paphos 
in Cypern nach Naufratis feinem Vaterlande zurükkehrte, 
eine kleine Statue der Venus, einen Palm hoch und im 
alten Style gebildet, mit fih gebracht Habe: "Hocspa- 
TE — aposyay mırs aa Tlago Tas Kuwps ayarmarıy 
Appodirns owıFapsasıy, apXasy TR TEXN, MYnTameros He 
9eyar ass zuy Nauxparıv. So hatte fih alfo fchon im 
jener Olympiade der nralte Styl veräundese. Die Stas 
tue des Arrhadhion war mehr ald 30 Dlympiaden, 
sder über 120 Jahre fpäter,, und war noch im alten 
Sthle gearbeitet. Wer weiß, 06 bied jener uralte Styf 
war; oder ob berfelbe da, wo die Statue gearbeitet 
worden ſich noch nicht verbeffert hatte? Nach dem 
Plinius hatten fich fchon um die 54 OlymdMade ver 
fchtiedene Bildhauer in Marmor berühmt gemacht, und 

. mehrere Statuen ber Gottheiten gebildet, welche, ihrer 
Attribute wegen, nicht in agyptiſcher Manier, leblos, 
fFarrend, mit engan den Körper gefhloffenen 
Händen und Füßen gebildet fein foflten, wie Apollo, 

‚Diana, Herkules und Minerva, welde Dips 
aus und Skyllis verrertist hatten. Daſſelbe gilt 
Yon den Malern, welche feit dem Anfange der Olym⸗ 
piaden fo gefchäste Gemälde verfertigten, wie Plinius 
(1.35. ©. 8. sect. 34.) meldet, Sen. 


a) T.3. tab. 75, 


76 Briefe üb. d. 


beweifen. 1) Dergleichen capitolinifhe Parade⸗ 
ta werden Fünftig einmal die römiſchen Antiquare in 
Aufruhr bringen, die größtentheils nichts weiter 
als ihre alte Tradition wiffen. Der Grav bat auch 
einen gemwiffen Irrtum angenommen, der Darin 
beitehbet , daß er alle gemalete irdene Gefäße für 
betrurifche hält. Sm Muſeo Maftrilkt zu Neapel 
find drei Gefäße wit griechifcher Inſchrift. Indem 
ich den zweiten Theil von des Caylus Alter 
mern wieder durchlaufe, fällt mir ein Gefäß im 
die Augen, 2) mit der Infchrift: 

HATAVS 

KAVAS 


und der Verfaffer hält diefe Schrift für hetruriſch. 
Sn der Erflärung fagt er (S.80.): „Als etwas Be⸗ 
„fonderes muß ich von diefem Gefäße anmerken, daß 
„fich vor jeder Figur gewiſſe Buchflaben befinden, 
„die in der Drdnung fliehen, wie fie hier auf dem 
„Kupfer vorgeftellet find.“ Er wird nicht erman- 
gelt haben, Fourmont und Brageres zu Nathe 
su ziehen. I) Sch erinnere mich bei dem Canonicus 
Mazzoechi 4) eine gemalete Schale von Thon ge 
feben zu haben, mit folgender Inſchrift: 
‘ KAVAS HOTOSAAS. 

Diefes heiffet: Karoc Orecdeç, d. i. Hoposdas 
der Schöne. Es ift befant, wie hoch die Gries 
chen die Schönheit beiderlei Gefchlechts ſchaͤzeten, 
und Baufantas erzählet, daß es gebräuchlich gewe⸗ 


1) [Man fehe Me vorläufige Abhandlung, 2 K. 
26 $.] 

3) Antig. etrusq. pl. a5. 

3) Es heißt wohl HATAO2. Siebelis. 

4) In reg. Herc. Mus. wen. Tab. ctc. Tab. ult. 


[N 


neneft, hereul. Entdek. 77 


en, die Namen ſchöner Jünglinge auf dieſe Art 
n die Wände des Zimmers zu zeichnen. Der Ver⸗ 
srtiger diefer Schale bat einen Ausdruf feiner 
‚ärtlichfeitauf feinen Arbeiten binterlaffen wollen. 
Ran vergleiche dieſe Schrift mit der auf dem Ge⸗ 
ife bei Caylus, die wie ich vermuthe, nicht 
scht copiret worden if. Sie ift nicht hetruriſch, 
ndern griechifch, und muß gelefen werden: Ho- 
orlo)s zur Hopolos der Schöne. Ich Ichalte 
no ein; die älteflen Griechen macheten das o bei- 
abe dreiefig, und A auch umgelehrt V oder v. 
:olglich ifE das Gefäß nicht hetruriſch. D Wen 


4) Diefe Tautet anf der Kupfertafel beim Caylus eben 
fo, wie hier bei unferm Autor. Daß fie aber nicht 
völlig genau fei, koñͤte Winckelmañ noch befer mit 
der Inſchrift des Gefäße beim Mazzocchi beweifen, 
weit er biefelbe genau fo, wie fie bei diefem Tautet, 
wiedergegeben hätte; dei ed iſt diefelbe, welche auf dem 
Gefäße des Caylus fteht, fie enthält dieſelben beiden 
Börter und diefe find daſelbſt öfter wieterholt; derge— 
Kalt, ‚daß, wei Opoas der Name des Künftierd wäre, man 
ihn für den Verfertiger beider Gefäße halten köüte. 
och eine andere Bemerkung kañ der Behauptung I im 
delmafid, daß dad von Caylus befchriebene Geräg 
griechiſche Arbeit ſei, zur Beftätigung dienen, nämlich 
die Versleihung der Sorm deffelben mit der Sorm eineh 
andern Gefäßed, dad, wie man fast, in Griechenland 
gefunden, und mit einer Fursen Erklärung bed genaüten 
Mazzocchi in Neapel 1752 befafit gemacht worden. 
Es if in der Sorm jenem äufferft ähnlich, und Hat 
auſſerhalb um den Rand die Infchrift KIAOE KNNEIOT 
DIEPI ZOKPATHN, iu Deutſch: Der Saft des 
Schirlings für Sokrates; gleihfam als ob es 
fogen wollte: „Dem Sokrates hat man Schirling zu 
„trinken gegeben; du trinke nur fiher aus dem Gefäße; 
„ du darfft nicht fürchten, vergiftet zu werden. “ Derglei⸗ 
den Anreden pfleste man häufig auch rings un bie 
gläfernen Trinkgefäße zu fezen, von denen man den Bu0s 
sarroti (Osserr. sopra alc. framm, €ic. tav. ı5. p. 100. 


- 


73 Briefe üb. d. 


man dieſes einzige Gefäß recht verſtehet, ſo zerreiſſet das 
ganze Gefpinft des caylusiſchen Syſtems. Sch 
habe in Rom und in Neapel mehr als 500 derglei- 
chen Gefäße gefehen, und alle find im Köntgreiche,t) 
und der größte Theil derfelben zu Nola gefunden 
worden. Inzwiſchen will ich Doch nad Paris an 
den Föniglichen Kupferflecher, meinen Freund Wil- 
Je, fchreiben, daß er mir die Schrift genau ab- 
zeichnen laffe. 


tav. 29. p. 208.) nachfehen Fall. Da num diefe beiden 
Gefäße fih in der Sorm gleichen, welche auch fo vielen 

‚andern, von Caylus unter den hHetrurifchen befafit 
gemachten Gefäßen gemein ift: fo kañ man glauben, daß 
alle dieſe Gefäße zum Trinken gedient haben, und unter 
einer und bderfelben Nation, obwohl zu verſchiedenen 
Zeiten, verfertist worden, welches Lestere aus der Form 
der Buchftaben dieſes zweiten Gefäßes "zu fchließen ift, 
welche viel fchöner und von modernerer Art find. Das 
erfte Wort follte mit einem X ſtatt eined K gefchriegen 
fein; ein Sertum, der, wie Masspccht bemerft, in 
Snfchriften nicht felten if. Sea. 

4) Es kaũ fein, daß einige hetrurifche Vaſen in der vas 
ticanifhen Sam̃lung aus dem Neapolitaniſchen herſtam⸗ 
men: der größte Theil derfeiben aber ift aus Tofcana 
gefommen; deit eine große Anzahl, fämtlich in Toſcana 
gefunden, wurde dem Cardinal Gualtieri dem ältern, 
ron dem Monfisnore Bargigli, fienefifhem Patricter, 
Bifhof von Ehiufi, und väterlihem Oheim des Men 
fisnore Guarnacei, sum Geſchenk gemacht, und diefe 
kamen nachher alle in die vaticaniſche Bibliothet, Sea, 


neueſt. bereut, Entdek. 79 


iNachrichten von einigen Altertümern von Pom—⸗ 
yeii, Stabia, Päſtum und Caſerta.) 


8.29. Heute will ich Sie von einigen andern Dr- 
tern unterhalten, die zwar Fein Hereulanum find, 
die uns aber beinahe eben fo fchöne Denfmäler als 
jene Tiefen. Zuerſt von Bompeit, welches nicht 
durch die Lana überſchwemmet, fondern durch Eleine 
Steine und Aſche bei dem befanten unglüflichen 
Yusbruche des Veſuvs verfchlitte wurde. Bompeit 
lieget an der falernitanifchen Straße, fieben italid- 
nnifche Dieilen von Bortici, und dreizehn von Neapel. 
Auf meiner Umherreiſe und Befuchung derienigen 
Drter, wo gegraben wurde, als: Herculanum, 
Stabia, Refina u. f. w. babe ih zu Bom- 
peit den Beſchluß gemachet. Diefe Stadt war 
größer als die übrigen alle. Nur acht Menfchen 
arbeiteten. daran, eine ganze verfchüttete Stadt 
vom Schutte zu reinigen und an das Tageslicht 
zu bringen; und in allen vier benaüten Drtern 
find überhaupt funfzig Man, theils Tagelöhner, 
theils Sklaven aus der Barbareı angeſtellet. Auf 
dDiefe Art werden Sahrbunderte erfordert, um ale 
unterirdifchen Schäge auszugraben. In meiner Ge 
genwart ward zu Bompeii eine Sonnenuhr von 
Marmor ausgegraben, deren Linien mit Menig 
roth gefärbet waren, !) und man arbeitete daran, 
in einem Zimmer, das mit Viereken bemalet war, wel» 
che von gemaleten Nohritäben durchkreuzt wurden, die 
Erde und verfieinerte Afche loszumachen. Ander Wand 


4) Dieſes it die berühmte Sonnenuhr, welche von dem 
Pater -Pactaudi in den Monumenti Peloponnesiaci 
(t. ı. p. 50.) erläutert worden, und welche bei den Mit: 
gliedern der herculanifchen Akabemie fp großen Antillen 
erreste. Man fehe die Vorrede zum 3 Theile der 
herculaniſſch en Gemälde. Sen. 


so Briefe üb. d. 


war ein antiker Schenktiſch angemachet, über wel⸗ 
chem ſtufenweiſe zwei Abfäze, jeder einen Palm hoch, 
angebracht waren, um Schüfleln, Zeller und der- 
gleichen darauf zu ſezen. Das Fußgeſtelle war von 
einer Art Peperino mit Breccta beleget, mit 
einem rings umbergehenden Streifen von Verde 
antico, die Abfäze waren auf gleiche Weife befleidet. 
Sc blieb den ganzen Tag dabei, um es abzumarten, 
daß der ganze Schenftifch dem Auge fichtbar wäre. 
Der Director des Mufeums und ich hielten unfer 
Mittagsmahl von dem, was für unsin Portici zu« 
bereitet worden, auf feldigem: die Afche war aber 
zu feſt und zu hartnäkig, fo daß wir das Ende 
nicht abwarten Ffonten. Wir gingen in die Haupt⸗ 
ſtraße der Stadt, die mit Lava gepflaftert mar, 
welche die Alten nicht Fanten, die aus einigen um 
den Veſuv herum gefundenen Stüfen Bimsſtein 
urtheileten, daß fich diefer Berg in alten Seiten 
einmal entzündet haben müßte, da man doch den 
Bimsttein in den*pompeiifchen Gebäuden mit vers 
arbeitet finder. !) Die Kunft zu beobachten warb 
bei den Alten eben nicht fehr geübet, und darüber 
Haben fie die fchönften Entdefungen vernachläßtget. 
Auch die Straßen des alten Herculanums find mit 
Zava gepflaftert. Der Schenftifch iſt nach meiner 
Abreiſe ganz heraus und nach Portici gebracht wor⸗ 
den. Wenige Schritte davon kamen die Arbeiter 
beim Nachgraben an eine Eleine Gartenthüre,2) an des 


1) Diodor (1.4. c. 21.) und Strabo (I. 5. p. 378.) ſchlo⸗ 
fen aus den Epuren von Verbrennung, welde fie un den 
Steinen ded Berges fahen, daR er gebraiit Habe; und 
Vitruvius (l.2.c.6..) Schloß ed aud dem Bi möäfteinm 
und aus der Pozzolana. Gen. 


2) Die in Pompeji gemachten Entdekungen und die das 
sent ausgegrabenen Gebäude Hat der Ritter Ha 


neueſt. hercul. Entdek. 81 


zen Eingang zwei wei bliche Statuen von gebraliter 
Erde ſtanden; ſie find 5 Balmen viertehalb Zoll eines 
römifchen Schuhes hoch, und haben eine Larve vor 
dem Gefichte. An der einen fehlet eine Hand, die 
fchon vor Alters muß gemangelt haben; den da alles 
übrige ganz iſt, fo hätte fie fich auch dabei finden 
müßen. Dies find. die er ſte n Bildfäulen von Thone, 
die fih erhalten haben, und fchägbar durch das, mas 
fie vorftellen.!) Zu Stabia fahb ich eine fchöne 
Badſtube, mit dem daran floßenden Tevidarium; 
es würde aber mehr als ein Brief dazu gehören, 
olles zu befchreiben. Sach allen feit vier FJahren 
angewandten Bemühungen, Anichlägen, Bitten, und 
vergeblich aufgewandten Koſten, iſt es mir endlich 
gelungen, die Grundriſſe der unterirdifchen Ausgra- 
bungen zu fehen, die ein Eöniglicher ingenieur und 
Auffeher bei diefer Arbeit mit unglaubicher Genau⸗ 
tgfeit verfertiget hat;) folche haben mir in vielen 
Sachen Licht gegeben, und ich werde meine da⸗ 
durch erlangeten Keütniffe mit Gottes Hülfe einmal 
befant machen. Sch habe auch eine Reiſe nach PB ds 
ſtum gemachet, von defien Architeftur ich Ihnen 
150 melden will. Die drei Tempel oder Säulen⸗ 


milton beichrieben, und in Kupfer ftechen laſſen, in einem 
Bändchen in Auarte, dad 1777 zu London in engliicher 
Spraceerfchienen ift. Auch hat Piraneſi verichiedene 
Ausſichten davon in Kupfer befait gemacht. Sea. 

41) Eine Statue von gebrafitem Thone, 2 Fuß hoch, und von 
vortreflicher Arbeit, einen Hausgözen vorftellent, der fist, 
und mit einem Hundefell bekleidet ift, wurde 1773 in der 
Gegend von Perugia entdbeft, und daſelbſt von dem 
Abate Parferi erklärt. Das Merfwürdige an diefens 
Bilde von Thon ift, daß es den Namen ded Künftlerd 
an ter Bafıd hat: c. rvrivs. rınzır. Jezo werten die 
beiden pompeianifchen Statuen nicht mehr die eimigen 
ſein. Fea. 

2 [Rarı Weber, aus ber Echmeis.] 


82 Briefe üb, d. 


hallen find alle in einem Style, und vor der Feſi⸗ 
ſezung der Broportiongregeln gearbeitet. Die Dort- 
ſche Säule fol 6 ihrer Durchmeffer hoch feinz 
die Säulen zu Päſtum aber halten noch nicht 5 
derfelben. 1) Daraus Fäffet fich ſchließen, daß die 
Baufunft erfi nad der Bildhauerfunft auf gewiſſe 
Negeln gebracht worden. Die Architektur am Bars 
thenon zu Athen hat wenig Zierlichfeit in Verglei⸗ 
chung mit den erhobenen Arbeiten am Fries des Ge⸗ 
- bälfes, von welchen ich eine fehr genaue Zeichnung 
gefehben babe, die Stuart, ein Engeländer und 
Baumeifter zu Greenwich, gefertiget hat. Die Bes 
hauptung, daß eine Architeftur mehr idealiſch ſei, 
als die Bildhauerkunſt, wird manchem parador 
fcheinen. Sch fchließe aber folgendermaßen: Die Bau⸗ 
funft bat feinen in der Natur befindlichen Gegen- 
fand nachahmen können, der einem Haufe ähnlich 
fähe; der Bildhauer aber batte fein Urbild in der 
Natur vollfommen und beflimt vor fi. Man muß 
geſtehen, daß die Kegeln der Broportion vom menfche 
lichen Körper hergeleitet und alfo von Bildhauern 
feitgefeget worden. Diefe macheten ihre Btldfäulen 
6 Fuß hoch, wie Vitruvius faget; >) und das ge» 


41) Man fehe die Berchreibung davon in der Vorrede zu 
den Anmertfungen über die Baufunf. Daß 
dieie Eüulen weniger ald 6 Durchmefier haben, welche 
Vitruvius der älteren doriſchen Drbmung beilegt, 
beweifet nicht , daf fie vor der Seftfesung dieſes Verhälts 
niſſes verfertigt worden, fondern daß fie von einem nie d⸗ 
rigern Berhältnifie waren; deñ die Gebäude Haben in 
alten ihren Theilen gute Verhältniſſe, : obgleich fie an 
fib felb nicht vom beiten Geſchmake find. In den 
älteften Zeiten der Kunſt fuchte man zuerſt Feſtigkeit und 
dañ Schönheit; und jene wurde in Gebäuden und in 
Statnen beabfichtigt , da man auch in der Menfchene 
seftait Feſtigkeit und Stärfe vorzuglich ſchäzte. Fea. 

2) L. 3. c. 3. 


neueſt. bereut. Entdek. 83 


naue Maß, das ich von ihnen genommen, ſtimmet da- 
mit überein. Huet in feinen Huetianis will bier 
im Tert des Vitruvius einige Unrichtigkeit finden, 
und an der Hchtheit einigermaßen zweifeln..1) 
Das Studium der Runft iſt aber eine von dem Sku⸗ 
Dium der Kritif ganz verfchiedene Sache. Folglich 
find die Gebäude zu Päſtum eher gemachet, als die 
Bildhauer das Maß von 6 Fuß feflfegeten, oder 
ehe die Banmeifter die Verhältniffe der Bildhauer 
annahmen. Die Alteflen Baumeifter zu Päſtum ſa⸗ 
ben das Mißverhältniß ihrer Säulen wohl ein; da 
fie aber Fein feilgefegetes Maß hatten, fo erwmähleten 
fie das Mittel, damit fie nicht zu plump und in Ver 
gleich ihrer Höhe zu un förmlich würden, nach Vor⸗ 
fchrift ihres Gefühls und der Vernunft, folde fe 
gelförmig zu machen; 2) diefe Eegelfürmige Geftalt 


1) Auch in der Geſchichte der Run [5 8. 48. 10 $.] 
tadelt Windelmaf den Huet wegen biefer Stelle 
des Vitruvius, obgleich auf eine andere Weile, und 

Näßt ihn etwas fagen, waß er nie gedacht hat. Um (c 12. 
p. 33) zu behaupten, daß der Menih ſowohl im Phyſt⸗ 
{hen als Intellectuellen fich immer verichlimmert habe, 
führt derfelbe als Beifpiel den Bitru vius über dad New 
hältniß des Fußes zur ganzen Geftalt an, welcher in alten 
Zeiten für den fechiten Theil derielben gehalten worden, 
und jeso faum dev fiebente fei: les proportions nı&me 
sont differentes de ce qu’elles etoient. La longueur du 
pied de l’homme n’est plus la sixi&me partie de sa hau- 
teur, comme elle etoit du tenıs de Vitruve; & peine 
en estelle presentement la septi&me partie. Peut- on 
douter que la nature des esprits n’ait suivi celle des 
corps ?_Died würde höchftend beweifen, daß entweder 
ber Fuß fich verkleinert, oder die Höhe der Geftalt zus 
genommen habe. Aber Hurt hat nicht beachtet, daß 

die Alten dad Verhältniß ded Fußes sum fechiten Theile 
der Höhe des Körpers. reftfesten, weil fie den tarfen, 
gedrungenen Körperbau file schöner hielten ald den 
langen und fchlanten. Zen. 

2) Die von dem dritten Gebäude find gebaucht, wie 


54 Briefe üb. d. 


machet es, daß ſie ſehr feſt Heben, und men fie nicht 
mir Gewalt zerflöret werden, können fie bis an's En 
de der Welt fiehen bleiben. Der Abacus, welcher 
auf der Keblleifte der Säulen rubet, raget auf ſechs 
Balmen weit über die Architraven hinaus, und dies 
fes gibt ihnen ein maietlätifches und beivunderns- 
mwürdiges Anfehen. Die Triglyphben find am Friefe 
und an den Efen des Gebälfs auf die Art angebracht, 
wie Bitruvius eslehret, und welches fich nicht beffer 
als durch eine Zeichnung diefer Gebäude darlegen 
läffet. 1) Genug von Päſtum. Nun will ich Ihnen 
auch etwas von der großen Wafferleitung zu &E 
ferta melden. Diefe Waflerleitung it 25 italiänifche 
Meilen lang. Die erfie Duelle, Fizzo genennet,wird 
unter dem Berge Taburnus, den die Landleute der 
Gegend Taurno nennen, gefaflet. Sn diefem Thale 
find die Furcz Caudinz, mo die Römer von den 
Samnitern eingefchloffen wurden. Der eigentlidhe 
Drt, wo folches vorging, heiſſet izo Arbaia. Nabe 
dabei find einige fleile Hügel, die das römifche Lager 
genennet werden, und ein Drtder Furci heiffet; wei⸗ 
ter berunter gegen Neapel zu lieget det Drt Gaudi⸗ 
ello.2) Beim Nachgraben, die Wafferleitung durch 


in den Unmerfungen Aber die Baufunft be 
merft wird. Sen. 


4) Segenwärtig fieht man nur an dem Fleinern Tens 
pel einen Triglyph; aberder doriſchen Drdnung 
‚zufolge, die fie mit dem jogenaftet Eoncordientem- 
pel in Biraenti gemein haben, mußten fich deren an 
alten drei Gebäuden befinden. Sen. 


2) Die Furc» Caudinss” wurden von Don Grancefce 
Danteli in einer prächtig gedruften Abhandlung: Le 
Forche Caudine illustrate, 1773 in groß Folio mit Pas 
nen und Ausſicht en jener berühmten Gegend, die auf 
Koften ded Grafen Wilzek, ber Zeit kaiſerlichen Ser 
fandten in Neapel, zu Caſerta am’d Licht trat, erläutert, 


neueſt. bereut, Entdek. 85 


den Berg zu bringen, fand man noch uͤberbleibſel der 
aqua Julia, die das Wafler nach Capua brachte. Der 
erſte, der ihrer Meldung gethan bat, ift Vellejus 
Patereulus (l.2. c. 18.) auch fan man im Dio 
Caſſius (1. 295) nachſchlagen. Dieneue Waſſerlei⸗ 
tung gehet auf denalten Durchfchlägen der aqua Ju- 
lia fort, nur gehet fie viel tiefer, um mehr Waffer 
zu fallen. Einer der Durchfchläge durch den Berg 
iſt anderthalb italiänifche Miglien Tang. Auſſer den 
Duellen , deren Wafler in die Leitung flichet, find 
noch 34 andere Quellen vorhanden, die im Nothfalle 
biheingeleitet und gefaffet werden Tonnen. 


Dork iſt der caudinifhe Paß in das Thal zwiſchen 
Arienzo und Arbafa verlest; den an dem Abhange 
ded Berges oberhalb AUrbaia Tag das alte Caudium. 
Sen. 


6 Briefe üb, d. 


(Nachricht vom königlichen Muſeum auf Capo di 
Monte in Neayel, und ber Bibliothek von 
©. Giovanni Carbonara.) 


6.30, Wonen wir aber nicht auch einmal von der 
Hauptſtadt des Königreichs Neapel, der fchönen 
Barthenope, reden? Es gehöret izo nicht zu meinem 
Zweke, bier vieles von ihrer bezaubernden Lage zu, 
erzählen; die ich Ihnen doch nie reizend und würdig 
genug Tchildern könte. Ich will mich alfo wieder im 
meinen antiquarifchen Kreis begeben, und Sie heute 
von einem Mufeum und von einer Bibliothef 
unterhalten. Das Muſeum ſei jenes auf Capo di 
Monte, und die Bibliothek die zu ©. Giovanni 
Carbonara. Das Mufeum befindet fi in einem, 
wegen des Krieges von Velletri, unausgebaueten Pa⸗ 
Inte, und enthält die Bildergalerie, die Bib- 
liothek, und vorzüglich die auserlefene Sams 
lung von Münzen, tiefgefchnittenen Ster- 
nen und Sameen der Herzoge von Parma, 
Da aber diefer Balaft in der höchiten Gegend der 
Stadt, lieget, fo muß man erft eine fleile Anhöhe. 
mit großer Befchwerlichkeit und Ermüdung erſtei⸗ 
gen, und aus diefer Urſache beflimmern fich die Ein- 
heimiſchen nicht viel darum. Wen unfere Enkel eitt- 
mal das Glük haben werden, diefen ganzen Schaz 
in Drönung nufgeilellet zu fehen, fo wird er einen 
fo anfehnlihen Rang behaupten, als irgend einer. 
Nachdem er zwanzig Vahre in Kiften und ſonſt ein- 
gepafet in feuchten Zimmern auf ebener Erde gelegen 
bat, fo ift er endlich ad’ dias luminis auras hervor⸗ 
gefommen, aber nicht ohne an vielen beträchtlichen 
Stüfen Schaden zu leiden. Die alten Gemälde aus 
dem Balafte der Katfer auf dem vpalatinifchen Hügel 
find vom Schimmel völlig unfcheinbar geworden. 
Der größete und beſte Theil der Gemälde ift in zwan⸗ 


neueſt. bereut. Entdef. 87 


zig Heine Zimmer vertbeilet. Die Münzen waren 
fchon in Ordnung gebracht. Die Bibliothek aber mit 
den berühmten farnefifchen Manuferipten Tieget 
in den Dachituben über einander. Der Auffcher der 
Bildergalerie, des Mufeums und der Bibliothek if 
der Bater della Torre, ein artiger, umgänglicher 
und gelehrter Man; er liebet aber andere Studien. 
Sein Fach iſt die Naturlehre, über welche er öffent» 
lich lieſet. Auſſer fo vielen Amtern hat er auch noch 
die Aufficht über die Fönigliche Druferei, und es 
it nicht möglich, daß ein einziger Menſch fo Vieles 
überfehen fan. Das fchönfte unter den Gemälden 
ift das Bild Leo X. in drei Figuren von Raphael 
von Urbino. Zu Florenz ift ein ähnliches, man 
weiß aber nicht, welches von beiden das Driginal iſt; 
man lefe hierüber den Bafari nad. Diefes Ge 
mälde tft das non plus ultra der Kunſt, und ich wette, 
dag weder van Dyk, noch der Ritter Mengs, die 
Bierde meines Vaterlandes, und der geiftreiche 
Wiederhberfteller der verfallenen Malerkunſt, im 
Stande wären, ein Gemälde zu verfertigen, das dies 
fes überträfe. Das große Driginalgemälde Pauls IH. 
(Farnefe) von Ditian, gleichfalls von drei Fi- 
guren, flebet neben jenem, wie der Apollo des 
Kallimahus neben dem Phöbus des Homers, 
und wie die Diana in der Aneis neben jener in der 
Odyſſee. Schaber bin freilich fein Maler, und will blos 
bei dem fleben bleiben, was mehr in mein Fach gehöret. 

$. 31. Die Münzen befinden fich auf zwanzig 
großen Tifchen, die mit einem feinen Drathgitter 
‚bedefet find; fie find alle in GStäben von Bronze 
'eingefaflet, .die man ummwenden fan, um ſowohl 
die Hauptfeite. als die Kehrfeite zu betrachten. Sch 
babe folche, nach meggenommenem Gitter, ganze 
Tage lang: befichtiget. Das Mu ſeum iſt nach beträcht- 
Tier als das Buch des Baters Bedrufi, Ä Ce- 


88 Blriefe üb. d. 


sari etc. 1) betitelt, beſaget; ein abſcheuliches Ge⸗ 
ſchmier, das aber von den Pedanten ſehr hoch ge⸗ 
fchäget wird. Der Verfaſſer bat ſich nur mit den 
römifchen Münzen abgegeben, weil folche zu hiſto⸗ 
rifchen Streifzügen mehrere Gelegenheit geben. Das 
Bornehmfte in diefem Mufeo, wenigſtens meinem Ge⸗ 
fchmafe nach, find die griechifchen Münzen auf 
fünf Tafeln, deren größter Theil das faucaultifche 
berühmte Mufeum ausmachete, fo der Teste Herzog 
von Parma kaufete. Der Sardinal Noris erwähnet 
derfelben in feinem Briefwechfel mit dem Graven 
Mezzabarba, deßgleichen der Pater Montfaucon 
in feiner Paleographia Greca. Diefe Sam̃lung, und 
die Sreiheit alles genau zu beobachten, bat mir mehr 
Licht gegeben, als fo viele andere Sammlungen, die 
ich gefehen habe. Der König bat folche noch dadurch 
vermehret, daß er die goldenen Münzen ber römi- 
fchen Kaifer an fich gefaufet, die der Cardinal Ales 
tander Albani gefammelt, und der Marchefe Gris« 
maldt vermehret bat, nach deren Tode fie durch 
Bermittelung eines Kaufmans zu Livorno mit der 
farnefifhen Samlung vereiniget worden find. Der 
König bat 4050 nenpolitanifche Ducaten dafür be⸗ 
zahlet. Sie befichet in 143 Münzen; die feltenfte 
darunter it ein Amilianus, verfichet ich in®olde. 
Nun ein paar Worte von der Bibliothek zu S. 
Giovani Carbonara. Ste entfland aus der Bücherſam̃⸗ 
lung des Sannazaro, des Janus Parrhaſius, 
1) Der Jeſuit Paolo Pedruſi hat von den Münzen dei 
Muſei eine Beſchreibung gemacht unter dem Titel: Ce- 
sari in oro raccolti nel Farnese Musco in Parma, in 
schn diken Bänden in Folio, wovon der erfte 1694 here 
außfam. Der lezte it 1727 gedrutt, und ſchließt mit den 
Kaiſer Trajanus. Zwar gehen die Schaumünzen, die 
mit Julius Chfar anfangen, bis auf Eonftantin 
den Grohen, aber bie Beſchreibung if feitdem nicht 
förtgeiest worden. Daßdork 


neueſt. hercul. Entdet, 89 


der folche dem Sardinal Seripando vermachete, 
und aus den Büchern, welche diefer Cardinal felpft 
befaß, und enthielt im vorigen Sahrhundert eine 
große Menge fchöner griechifcher und lateiniſcher 
Sandfchriften. Die Gutwilligfeit diefer Augufliner 
und das Anfeben der Zandesherren bat folche aber 
beinahe in ein Nichts verwandelt. Zu Ende des vo⸗ 
rigen Sahrbunderts Fam ein junger gelehrter Sollän- 
der, Namens Witfen, nach Neapel; vieleicht war 
es der nachberige amſterdamer Bürgermeifter, der 
feinen Namen berühmt gemachet bat. Er überliftete 
einen der guten AYugufliner, der ihm um 300 Scudi 
40 der felteniten griechifchen Sandfchriften verfaufete. 
Diefer Handel wurde ruchbar; aus Mangel eines 
Derzeichnifies Eonte der Verkäufer aber nicht über- 
führet werden, und Witfen reifete mit feiner ſchö⸗ 
nen Beute davon. Diefe Nachricht babe ich aus 
einem gewiſſen Briefwechfel gesogen. Die leste Bere 
minderung der Bibliothek an fo vielen Eoflbaren Mas 
nuferipten iſt von den Ofterreichern gefchehen, die 
auf königliche Ordre die beften Überbleibſel wegge⸗ 
nommen haben. Den berühmten Dioskorides, 
die mit vergoldeten literis majusculis auf purpurfar⸗ 
benem Pergament gefchriebenen Evangeliſten, 1) 
einen Diodorus Sikulus, Lykophron, Dio 
Kaſſius, Euripides ıc. ſämtlich Griechen, muß 
man izo in Wien ſuchen. Traurige Veränderungen! 2) 


4) In der italiänifchen Erzählung Collars, in dem un 
ten angeführten Werke, wird bemerkt, bie Handſchrift 
fei auf purpurfarbenen Papier, zum Interfchiede von fo 
vielen andern auf Pergament. Gen. 

2) In den Supplementen bed Adam Franz Eollarzum 
erfien Theile ber Eommentarien der wiener Bib— 
liothek von Peter Lambeciuß (col. 736. etc.) 
wird ein Verzeichniß von allen Handichriften und Büchern 
gegeben , welche aus der Bibliothek zu Neapel in die Fais 
ferlihe Bibliothek nach Wien gebracht worden. Daßdorf. 

. 1% 


N 


90. Briefe üb. d. > 


LNachrichten von einigen in Rom und den un 
liegenden Gegenden außgegrabenen Alten 
tumern.) 


§. 31, 62 iſt Zeit, daß wir auch ein wenig 
von den römiſchen Altertümern reden: nicht von 
denen, die fchon feit langer Zeit von jederman gefehen 
worden find, fondern von folchen, die erſt izo aus⸗ 
gegraben und entdefet werden. Großes Nom! 


— —  Possis nihil urbe roma 
Visere majus!!) 


$. 32, Bet Grabung des Orundes zu einem Ge⸗ 
bäude, welches die Sylveflrinermöndg von Santo 
Stefano del&acco anführen, fand man drei große 
Zrümmer vom Gebält eines Säntenganges, wie man 
aus threr Krümmung I) fchließen Fan. - Ste find von 
ausnehmend feiner Arbeit, ohne mit Sieraten über» 
faden zu fein. Die kleinen Zahnſchnitte find, zu zwei 
und zwei, mit gewiſſen durchlöcherten Eterchen ver» 


4) [Horat. Carm. Secul. v. ır — ı2.] 

2) Flaminio Vacca (Memoire,num. 27.) ſchreibt, 
daß au feiner Zeit, als man unter die Kirche ©. Ste 
fano grub, dafeldft ein Theil eined Tempels entdeft wor, 
den, defien Säulen von gelbem Marmor noch aufredit 
ftanden, aber ſo mürbe gebrafit waren, daß fie in Stüfe 
zerftelen, als man fie heraus nahm. Auch fand mas 
daſelbſt Wltäre, an. weichen Widder mit Zieraten. am 
Kalfe abgebildet waren. Died alles beweifet, daß dab 
Gebäude ein Tempel geweſen; und die Topographen Roms 
mögen. unterfuchen., ob vielleicht. an jenem Ort ber Tem⸗ 
pel des Serapis geftanden „ wie Nar din i (Roma an- 
tica, L 6. c: 9. p. 331. col. 1.) vermuthet. Den Bei⸗ 
namen bei Ga.cco. ſoll, dieſem Schriftſteller sufolge,- jene 
Kirche von ber Statue eines Kynokephalus erhalten 
haben, die früher daſelbſt geſtanden; oder wie Vacca 
gt, von swei Löwen aus grünem Baſait, die ehemals 
vor dieſer Kirche geftander, und sur Zeit Pius IV. am 
den Aufgang dei. Capitols gefest worden: Gen. 


neueſt. bereut, Entdek. 91 


bunden, die gleichfalls auf das feinſte gearbeitet ſind, 
von nachſtehender Geſtalt. 1) — Einige ähnliche find 
an dem Gebälke der drei Säulen des vorgeblichen 
Tempels des donnernden Jupiters, mit der In» 
fihrift estırven, unbefchädiget geblieben. Die Eierchen 
an diefem Festen Gebälfe verfchaffeten mir den Ge⸗ 
win einer Wette mit einem Landſchaftmaler, ber 
diefe Säulen mehrmals auf Gemälden abgebildet 
batte, ohne folche wahrzunehmen. Der Prinz Bor . 
gheſe bat auf einem ihm gehörigen Gute auſſerhalb 
Rom, Torre verde genait, viele fait ganze Säulen 
von verfchiedenen Arten von Granit und Marmor ger 
funden. Bier derfelben von Marmor find 13 Balmen 
hoch, cannellirt und mit Ringen; ein Zeichen, 
daß fie zw den Beiten der Katfer verfertiget worden. 
Sie And ziemlich bauchig, aber nicht fo fehr als an 
den Säulen des Ehiaveri.?) Die Ninge waren 
zu Vitruvs Beiten micht gebräuchlich; man fichet 
auch ihren Grund und Urſache nicht ein. Es ifl 
wahr, daß fich Ähnliche auch noch an den Innern 
Säulen der Notonda befinden; aber diefer Tempel 
it fo oft vom Domitian, Sadrian, und zulest 
som Septimins Severus erneuert and wieder 
bergeftellet worden, daß man auch die Karyatiden 
des Divgenes von Athen ganz aus dem Gedächt⸗ 
niſſe verforen hätte, wen ich bei Ausmellung der 
Bildfäulen und Denkmäler nicht. einige Spuren da⸗ 
yon entdeket hätte. ) Daher bin ich überzeuget, 
4) [Die man unter Numero 10 am Ende diefed. Bandes 

abgebildet fieht.] 

2) lin Dresden FT 
3) Bitconti (Museo Pio- Clement. t. 2. tav. 18.) glaubt; 
daß diefe Karyatiden über den Säulen dei Vor: 
ticus geftanden haben, um die Deke zu unterſtüzen, welche 
in der Mitte Höher war, als auf beiden Seiten. Seh 


[Diefed. meint auch AL Hira in. feiner Schritt Über. 
das Pantheon. b 


92 Briefe üb. d. 


daß die Säulen der Capellen neuer find, als der 
Borticus. Bwifchen Tivoli und Paleſtrina Tieget ein 
anderes Gut der Familie Borgbefe, das ſie in Erbe 
pacht gegeben bat, im Gebiete von Colonna, und 
zmar gerade an dem Orte, wo das alte Labicum!?) 
und ein Landhaus des Lucius Verus gewefen if, 
izo le Marmorelle genañt. Der Bachtinhaber Diefes 
Zandgutes hat dafelbii nachgraben laſſen, und bat dag 
Glük gehabt, eine Venus zu finden, von etwas mehr 
als Lebensgröße,, "eben fo fchön wie die florenti⸗ 
nifche,2) aber durch den Verluſt einer Hand und 
eines Stüfes von einem Arme verflümmelt. Die Füße 
find auch da, obwohl zerbrochen; der Kopf hat Feine 
Safe wie gewöhnlich, und die Unterlipe iſt befchäs- 
diget. Zum Unglüf iſt fie in die Hände eimes Bild⸗ 
hauers gekommen, der das Antike von dem Mobernen 
nicht unterfcheiden Fan, und die ergänzete Nafe und 
Zipe machen ihm wenig Ehre. Dafelbfi fand man 
auch einen fehr fchönen Kopf des Luctus Verus. 
Zu meiner Zeit iſt ebenfalls das BSeftel einer Serme 
zum VBorfchein gefommen mit der Snfchrift: 


4) So glaubt Fabretti (De aq. et aquæd. dissert. 3. num. 
363. seq.) nach dem Holftein und dem Pater Volpi 
(vetus Latium profan. t. 8. 1. 15. c. 5. p. 299. seq.) 
Ficoroni aber, (Memoire del primo e secondo La- 
bico,) unterfcheidet zwei Städte dieſes Namens, bie alte 
welche nad feiner Meinung swifchen Lugnano und Vals 
montoneaufdem Eolle be’ Auadri gelegen haben fol, 
und die andere, genafit Labico alle Auintane, weldye- 
nad dem Untergange jener erbaut worben; und biefer 
lezteren ſoll, wie er (p. 50. seq.) meint, die Inſchrift 
angehören, welche weiter unten von Windelman beis 
gebracht wird, und die von Sabretti am angeführten 
Orte befafit gemacht worden: er findet nicht unwahrſchein⸗ 
lich, daß es da gelegen habe, wo jezo der Fleken Colonna 
liest. Gen. . 

2) Der Vergleich iſt etwaßt übertrieben. Gen, , 


- 


neneſt. hercul. Ehtdef, 93 


AACOC MEN MOTYCAIC IEPON 

AETE TOYT ANAKEICOAI 
TAC BYBAOTYC AEIZAC TAC IIAPA 

TAIC TIAATANOIC 

HMAC AE $POYPEIN KAN TNHEI 
OC EN®OAA EPACTHC 

EAOH To KICC» TOYTON ANA 
CTESOMEN. 


Sage, daß dieſer Hain den Mufen ge 
didmet ifl, und zeige die Bücher bei den 
Bfatanen. Sage, daß wir ſie bewahren, und 
eden ächten Liebhaber, der hieher kom̃t, 
rit Epheun frönen. 1) 

6.33. Kurze Zeit nachher fand man eine Bilde 
Rule ohne Füße und Arme; der Kopf ift davon ge 
rennet. Sobald fie vorgeftern nach Rom gebracht wor⸗ 


1) Diefe Inschrift iſt, wie befaiit, fchon von Verſchiede⸗ 
nen mitgetheilt worden. Unſer Verfaſſer hat fie in ben 
Nachrichten an Füeßly wiederholt. Die Schrift derſel⸗ 
ben it der in den Werfen des Philodemus ähnlich 
von denen im $. 4. biefer Briefe geredet worden. Die 
Form der Buchſtaben zeiget, daß fie aus den Zeiten der 
Kaifer iſt; und fie kañ ebenfowohl in Rom als in Grie⸗ 
chenland verfertigt fein, deñ damals waren sriechifche 
Sprade und Sitten daſelbſt Häufis. In Hinficht anf die 
in der Snichrift enthaltene Unfpielung glaubet dev Abate 
Sea, daß die Schrift auf Die Bruft eined Genius geſchrie⸗ 
ben gewefen, um ihm gleichfam redend einzuführen, als 
Wächter des Platanenhains, in deſſen Schatten fich viel 
leicht Dichter verfammelten, um ihre Werke vorsulefen; 
daher gefagt wird, daß er den Muſen geweiht war. 

Die Alten ſchäzten die Platanen vorzüglich wegen des 
Schattens, den ihr großes und dikes Laub gewährte, 
weßhalb ſie dieſelben auch in ihren Villen und auf Spa⸗ 
gtersängen pflanzten, und mit ſolcher Sorgfalt pfleg⸗ 
ten, daß ſie ſogar ihre Wurzeln mit Wein begoßen. Ger: 
3m. 


9% Briefe üb, d. 


den, erfuhr ich folches von dem Ergänzer der "oben 
erwähnten Venus, und wir beide gingen mit dem 
Befizer derfelben nach der Vila Borghefe, wo fie 
in einem Schupen flehet, um fie in Augenfchein zu 
nehmen. An dem Kopfe erfante ich die Bildung 
und Züge des flavianifhen Gefchlehts, und 
fand Ahnlichkeit mit dem Kopfe des Domitian. 
Der Rumpf iſt in der beften Manier gearbeitet, aber 
von Salpeter zerfreffen, und mit folchem bedefet, 
fo daB man den Marmor mit den Fingern zerreiben 
fat. Man fiehet deutlich, daB daran Gewalt ge⸗ 
brauchet worden, nämlich tiefe, kreuzweiſe, mit ei» 
fernen Werkzeugen gehauene Löcher. Der Kopf ifi 
befier erhalten. Da der Rumpf gleich unter.der Ober- 
Bäche der Erde, der Kopf aber viel tiefer unten an 
der Mauer gefunden worden, ſo iſt es wahrſchein⸗ 
lich, daß diefer Torſo fchon einmal ausgegraben ges- 
wefen, und weil man den Kopf vermiffete, wieder 
vernachläßiget und neuerdings wieder mit Erbe bes 
worfen worden, daher er von der Feuchtigkeit und 
freffenden Zuft fo viel gelitten bat. Die ganze Bild- 
ſäule wird ungefähr zwölf Balmen hoch fein. D Wir 
wiffen aus dem Sueton, ?) daß alle Bildfäulen 
dieſes Kaifers gemißhandelt,. vergraben und verſtüm⸗ 
melt worden. Aus dem, was ich gefaget habe, cr» 
hellet, daB auch diefe nicht von der Verachtung und 
Wuth des Pöbels verfchonet. geblieben if. Monte: 
faucon redet von einer. Bildfäule des Domitiar 


4) Sie fichet in der Villa Albani, und eine Abbildung. 
davon befindet fich in ded Eavaceppi Raccolia di Sta- 
tue (t. 1. tab. 2). Sie iſt natt im Heroencoſtume. 
Winckel ma ñ erwähnt ihrer aub im Sendſchreiben 
$. 105. in be GSerhtchte dev Kunft 11 8.3 & 

22 $. und in den Dentmalen, 2 Ch. 8 8. Gem 


Dam Leben dei’ Domitian, am Ende Fea. 


neueſt. hercul. Entdek. 95 


tm Balafle Binftiniant, ſeinem Vorgehen nach der 
einzigen in der Welt. Es ift vielleicht Dieienige, die 
fich feine Gemahlin vom Senat ausbat. Nach dem 
Brocopius war folche aber von Bronze, da bin 
gegen diefe von Marmor ift, und man fichet, daß der 
darauf gefegete Kopf eines Domitian nicht derienige 
ift, der anfänglich darauf geftanden hatte. Im vo 
rigen Sahrhunderte ward an dem nämlichen Orte fol 
gende Infchrift eines Ba rthenius gefunden, die 
Zabretti anführet: 1) 


D. m 
PARTHENICO ARCARIO 
REI FVBLICAE 
LAVICANORVM 


QYINTANENSIYM. 


6. 35, Nach der obbemeldeten Bildfänle des D gr 
mitian zu muthmaßen, follte ich faft glauben, daß 
die in der Auffcheift erwähnte Berfon der nämliche 
Partbenius cubiculo prepositus diefes Kaifers ill, 
defien Suetontus in feinem Leben Meldung 
thut. 2) Sch Fan nicht unterlaffen, Ihnen eine an⸗ 
dere Neuigkeit zu berichten, nämlich, daß in der 
Gegend von. Corneto, Civitavecchia zu, an taufend 


—*8 voll der älteſten Grabmäler gefunden worden 
nd 26. - 


* * 
« 


6 36. Als der Sardinal Alexander Ab 
bani vor kurzem feine Vorräthe von alten man 
mornen Bruchflüfen, die wir cimiteri nennen, durch» 
muſterte, fand man eine auf einem Stuhle fijende 
Figur; auf dem gerbrochenen Fußgeſtelle entdefete man 


‘sy Inscript. num. 388. p: 540. 
2) © 16. 


6. Briefe üb, d. 


die Buchſtaben EYPT. - . . Auf der Lehne des Stuh⸗ 
les war eim erhöhbeter Streif mit den Titeln von 
zehn Trauerfpielen des Euripides, der in einen 
Winkel des Collegi Romanii der Zefuiten geworfen wor⸗ 
den war. Sch Tief gefchwind dahin. Das Maß und 
die Geſtalt des Bruchs, die ich mir vorher auf Ba- 
pier gezeichnet hatte, traf vollfommen mit einander 
überein; es murde alfo diefes Stüf gegen einige alte 
filberne Münzen der Kaiſer eingetaufchet. Die alten 
Denfmäler haben oft einerlei Schiffal mit jenem 
Diebe, der das eine Ohr in Madrit und dag andere 
in Neapel lief. In allem werden nicht mehr als 37 
Trauerfpiele darauf verzeichnet leben, die vielleicht 
von den Alten für die vorzüglichiien gehalten wur⸗ 
ben; darunter habe ich die Namen von fünfen gefun- 
den, deren Fein Schriftfieller ermwähnet. Much if noch 
etwas Befonderes dabei, wovon ich zu feiner Zeit 
Gebrauch machen werde. 1) Der daran fehlende Kopf 
fol von einem alten Bruftbilde copirt werden. Er⸗ 
mwägen Sie nun felbit, wie eine Sache der andern 
die Hand bietet, und dad man alles geliehen haben 
muß, wen man fih für einen Altertumsfenner aus⸗ 
geben will. Ohne die Kentniß des einen der vier 
Jesten bereulanifchen Gemälde 2) hätte man diefe Fi⸗ 
gur nicht ergänzen Finnen. Dan entdefet Fleine Stifte 
daran, die ein offenbares Keñzeichen der hasta pura, 
oder des Zepters find; ohngeachtet es fcheinet, daß 
Solche einem Poeten nicht gebüre, der nicht, wie 


4) Der Abate Amaduzzi machte gleichzeitig mit unferem 
Verfaſſer dad Verzeichniß diefer Trasödien in einem Briefe 
vekañt, weicher im fiebenten ande de’ Miscellanei di 
Lucca eingerükt iſt. Gen. 

Das Denkmal fol nun im koniglichen Mufeun zu 
Paris fein. Stebelis. ü 
[AHgebitdet in den Dentmalen, Numero 168.J 


2) [Man fehe den 20 $. biefer Briefe. 


neueſt. berenf. Entdek. . 97 


Somer, vergöttert worden. 1) Sch behauptete dar: 
auf das Gegentheil, führete den Tragifchen Dichter 

zu Portici zum Beweife an, und unterflügete feine 
* mit einem griechiſchen Epigram, in welchem 
dem nämlidhen Enripides zwar nicht die ba fin, aber 
der Thyrſus, beigeleget wird. Dan vermechfele die 
haſta mitdem Thyr ſus, der eine mit Epheublättern 
ummundene bafla war; fo wird esein Stab oder 
langes Bepter. An dem nämlichen aufgegrabenen 
Drte, mo voriges Jahr (1761) in einen, MWeig- 
berge nahe bei Fraſcati, aber gegen Monte Borzio 
zu, eine Bildfäule des Sardanapal, Königs von 
Affyrien, mit einem Bcrte, und von vortreflicher 
Arbeit, gefunden ward, (es iſt aber der erfLe diefes 
Namens, deffen Kaſtor beim Euſebius in feiner 
CEh ronik gedenket; nichtderzwette, übel berüchtigte, 
vom Herodotus, ?) Ktefias’) und Diodorf) 
befchriebene); am Saume feines Gewandes flehet die 
Ssnfchrift CAPAANATIAAAOC. 5) Nebſt vier weiblichen 
Bildfäulen, die Karyatiden 6) zu fein fcheinen, 
und andern zerbrochenen Statuen, bat man nun 


1) [Man fehe ben 27 und 28 $. berfelben.) 

2) L. 2.c. ı50. p. ı77. 

3) Athen, I. ı2. c. 7. $. 38. p. 528. 

4) L. 2. c. 23. p. 136. 

5) Diefelde Erklärung gibt Windelman auch in feitten 
Dentfmalen, wo er dieie merkwürdige Figur untere 
Numero ı93. zuerft bekañt machte. Viſconti (Mus. 
Pio-Clem. t. 2. tav. 41.) zeigt, daß Die Inſchrift mit der 
Figur ſelbſt nichts zu (chaffen hat, in welcher er den barta⸗ 
gen Bakchus erkañte. Fernow. 

© Eigentlich find dieſe weiblichen Figuren Kanephoren 
und nicht Karyatiden. Windelmaf t in 
den Denkmalen (3 Th. 1K.) zweier Hermeny welche 
dem Kopfe dieſes fogenniten Sardanapalud. ehr ahnlich 


Wiunckelmañũ. 2 ? 


98 Brief. üb. d. 


auch eine vortrefliche weibliche Figur, mit Gewand 
befleidet und in Lebensgröße, berausgegraben. Es 
fehlet blos ein Arm, das übrige iſt alles ganz und 
unbefchädiget. Aus einigen dafelbif gefundenen In⸗ 
fchriften zu urtheilen, ift diefer Weingarten, wo 
das Nachgraben gefchiehet, ein Landhaus der Familie 
Portia geweſen. Was gäbe ich nicht darum, wei 
ich Ihnen mit der fehlechten Waare, die ich izo zu 
Marfte bringe, etwas zu Lachen machen föhte. Dies 
tft ein Soldatvon Bronze, der in Sardinien auss 
gegraben, und von Cagliari aus an den Sardinal, 
meinen Gönner, gefandt worden; er if vermuthlic) 
in jenen Zeiten gemachet worden, wo «3 nothwendig 
war, unter die Figuren zu feger: Das iſt ein 
Pferd, und: Das iſt ein Efel. Zu den damn- 
ligen Zeiten wurden für die Armeen feine MNagazine 
errichtet, daher der arme Soldat alles.auf einem klei⸗ 
nen Karren mit zwei Nädern hinter fich ber fchlevete, 
oder wie die Karrenfchieber in Deutfchland vor fich 
hinfchob. Auf diefem Karren ſtand ein Korb, in wel- 
chen alles geleget wurde. Wen der Trup an dem 
Ort feiner Bellimmung gelangete, oder die Lebens- 
mittel, die er mit ſich führete, aufgezehret waren, 
was machete da jeder Soldat mit feinem Karren? 
Er flefete ihn Hinter feine Achfeln in einen Ring, der 
an dem Hintertheile des Sarnifches befeitiget war, fo 
daß die beiden Räder mit der Achfe über den Kopf 
hinausrageten. Und den Koch? Diefen nahm er auf 
- And, einen in der Farneſina, und ben andern in Pa; 
Aermo bei den Jeſuiten, wohin ex aud Rom gebracht wor⸗ 
den. Man fehe Riedeſels Reifenah Sicilienc. 
1 Brief. Sea. 

Bifconti (Mus. Pio-Clem. t. 2. tar. 41.) führt 
noch mehr Denbmäler an, wo der bartige Bakchus 
abgebildet iſt Fernow. 

[Man vergleiche G. d. K.s 8.1 8. — Coopman, 
Dissert. de Sardanapälo. Ast. 1819.] 


neueſt. bereut, Entdek. 99 


den Kopf, und ſtekete ihn auf die beiden Hörner, bie 
am Helme angebracht waren; daher es ausfichet wie 
eine niedrige flache Müze; die Hörner aber ſtehen 
hervor und herunterwärts, wie Elephantenzähne. So 
.bewafnet und beladen sing der fardinifche Soldat in 
die Schlacht, indem er in der linken Hand das Schild 
und den Bogen, und in der rechten die Pfeile hielt. 
Das kurze Schwert hänget ihm am Halſe, und quer 
-über die Brufl. Die Füße find bloß, aber die Beine 
find mit einer Art von Strümpfen befleidet, die 
vorn offen find, und nur die Waden bedefen. Die 
Schultern find. mit gewiffen Auffchlägen gezieret, wie 
fie unfere Trommelfchläger tragen. Die Figur iſt 2 
RBalmen und 2 Zoll hoch, 1 
* F * 

$. 37. Laſſen Sie uns mach wiederhergeſtelltem 
Frieden unfere antiquarifche Zeitung wieder 
vornehmen.?) Ich gab Ihnen von meinem laͤndlichen 
Aufenthalte zu Oſtia, in Geſellſchaft des Cardinaldecans 
Spinelli, Nachricht; daſelbſt entdekete ich in einem 
Weinberge ein in zwei Stüke zerbrochenes Baſſorilievo/, 
das halb wieder mit Erde bedeket war, 9 Palmen 
lang, fünftehalb breit, und einen Palm dik. Dieſes 
ſtellet einen Gegenſtand vor, der einzig in ſeiner Art 
iſt; nämlich die Erkennung der Geburt des The- 
ſeus in 8 Figuren. 3) Ich darf Ihnen die ganze Fa⸗ 


4) Man ſehe die Abbildung unter Numero 21, und die Er⸗ 
klärung derſelben, wo einige Unrichtigkeiten der Beſchrei⸗ 
bung Winckelmaus verbeſſert werden.] 

2) Geſchrieben den 26 März 1763. Gen. 

3 Nachdem diefed Baſſorilievo in die Billa Albani gekom—⸗ 
men war, wurde ed von Winckelmañ in den Denkt 
malen unter Numero 96 bekañt gemacht, und daſelbſt 
im 2 Tu. 12 8. erklärt, wo er bemerkt, daß dieſes 


100 Briefe üb. d. 


bei nicht erſt weitläuftig erzählen, fondern nur kurz 
berühren. Der Vater des Helden fchwängerte auf 
feiner Reife die Athra, Tochter des Königs zu Trö⸗ 
zene; da er aber wieder nach Athen zurüf mußte, 
führete er die Athra an einen großen Stein, unter 
den er feine Schuhe, nebft feinem Schwerte verbarg, 
mit dem Befehle, daß fie, wen fie einen Sohn zur 
Belt brächte, und diefer zu verflänbigen Jahren ges 
Ianget wäre, ihn diefen Stein aufheben laffen, umd 
mit den darunter verwahreten Sachen nach Athen 
fchifen follte, weil er ibn an diefen Merkmalen für 
feinen Sohn erkennen würde. Sch machete fogleich 
eine Zeichnung davon und fchifete fie nach Nom au 
meinen erhabenen Gsnner, für den ich folche nach- 
ber, nebſt noch einem andern Baſſorilievo, einen 
Driumpf vorſtellend, von dem Sardinaldecan zum 
BGeſchenk erhielt. Theſeus alfo, in heroifcher Ge⸗ 
ſtalt, bebet den Stein auf, feine Mutter ſtehet dabei, 
und die andern Figuren find blos angebracht, um 
Das Ganze vollflommen zu machen. Es fehlete nicht 
viel, daß meine Neugier mir nicht beinahe das Leben 
gefoftet hätte. Sch begab mich mit bloßen Füßen in 
eine Grotte voll Waffer, um ihre Conſtruction genau 
zu unterfuchen; da mir das Waſſer bis am die Knie 
reichete, ging ich wieder hinaus und zog mid) ganz 
aus. Ich begab mich noch einmal in meine Unterfur 
hung, als ich aber in einen engen Gang gerietdr 
wo das Waſſer böher war, als ich ſelbſt, fo Töfchete 


Werk ſchon vom Vater Rofpt, (Vetus Lafum profanum, 
1.6. tab. 15.) befafit gemacht worben, aber ſo verändert, 
daß man den wahren Inhalt verfaflte, ben man ſchon auf 
zwei Gemmen gefunden Batte, bern Winckelma ſi in 
vr Befhreibungsefhnittener Steine. 3Kl. 
41 Abth. 70 Num. erwahnt. Denfelben Gegenſtand ſtellt 
eine Münze von Wehen in Bronze dar, welche fich im 
borgiauifhen Mufeum zu Velletri befindet. Sea. 


neueft. hercul. Entdef, 2101 


die Fakel im Waſſer aus, und nur mit vieler Mühe 
konte mir der aufferhalb der Grotte ſtehende Bediente 
wieder heraushelfen. In den Nuinen des alten Oſtia 
ließ ich verfchiedene Berficche mit Nachgraben machen, 


und weit wir fünftiges Jahr wieder dahin Fommen,. 


fol die Arbeit wieder vorgenommen werden. Zn der 
Gegend um Rom find folgende Entdefungen gemachet 
worden. Zwei Knaben, die mit Würfeln aus Kno⸗ 
chen fpielen, deren einer gewinnek, der andere verlie⸗ 
ret; diefer, der mit einer traurigen Mine auf einem al 
ten Sokel ſtzet, befichet den gewworfenen Würfel, und 
halt in der linken Sand nach vier, und in. der red 
ten Hand noch einen dergleichen; der andere hingegen 
fiehet aufrecht, mit einem Gefichte voll kindiſcher Freu⸗ 
de, und hält in der finfen an die Bruſt gedrüfeten 
Hand ſechs Würfel, welche die volle Hand faum alle 
faffen fan. 1) Lord Hope hat folche gefaufet. Ein 


2) Die Erflärung diefer beiden Knaben iſt in den Nachrich⸗ 
ten $. 99 und inden Dentmaleni Th. 13 8. wie 
derholt: „Dieſes Wert gleichet: dergefialt dem Amor, 
„ weichen Apollonrus Rhodius (Argon... 3. v. 
„117. seq.) mit den Ganymed ſpielend einführet, 
„ daß es fcheinet, der Sünfler habe dad Bild von dem 
» Dichter entiehnet. Auch bei diefem hält der ſtehende 
„Amor in der Tinten Hand die Würfel, die er dem 
Ganymed abgewonnen, unter der Bruft, und Tess 
„terer fiiet auf der Erde, gebüfet und unmuthig, 
» daß ihm nur noch zwei übrig geblieben. find, nach: 
„ bem er den dritten geworfen hat.“ Inder Ge 
ſchichte der Kunſt 11% 38.168. ſpricht Windel 
mai von zwei Figuren kleine Mädchen, mit Wür— 
felknochen ſpielend, welche im October 1765 in ber 
Billa Verospi gefunden worden, und beſchreibt fie 
auch in einem Briefe an Heyne vom 5 Dec. 1765. 
Eie gleichen einer kleinen Figur, die einft der Cardinal 
Polignac befaß, und die nachher der König von Preußen 
kaufte. Cine Abbildung derfeiben finder man in dem 
Werke des Ficoroni sopra i Tali cd altri strumenti 


’ 


104 Briefe üb. d. 


das Gewand. !) Die Figur iſt ungefähr 3 Palmen 
bach, und fiehet bei dem Bildhauer Envatepypt. 

2. EinMercur als Knabe, der erfle, den man 
ohne Hurt gefehen hat; die Eleinen Flügel find an 
den Schläfen angebracht. Er iſt in Lebensgröße und 
fiehet bei dem nämlichen Bildhauer.) 

3. Ein ſizender Sefangener ohne Beine und 
Arme, aber von foldyer Bortreflichkeit der Kunſt, daß 
man, den Laokoon ansgenommen, ſchwerlich feines» 
gleichen finden wird. Er iſt beinahe in Lebensgröße. 
Ein Engeländer bat ihn an fich gefaufet. 

4. Der Kopf eines Faums, mit zwei Fleinen Som 
nern auf der Stimme, der jede in Marmor ausge 
drüfte Idee der Schönheit weit übertrift. Ein 
vollfommer Modell, glaube ich, iſt noch von Feinem 
- Sterbfichen, noch in den Köpfen derer, die mit ih⸗ 
ren Gedanfen bis an den Urquell des Schönen hin 
auffleigen wollten, ie entworfen worden. Es fehlet 
aber die Nafe daran, und die Dberlipe iſt befchäs- 
diget. Es ſtehet ebenfalls bei Cavaceppi. 8) 

5. Vor einigen Tagen wurde aus Griechenland 
eine Statue mit zwei Baſſirilievi und beide mit Infchrif- 
ten hieher gefandt. Die Statue ſtellet eine weiblaiͤche 
beffeidete Figur vor; fie iſt chen nicht vortreflich, aber 
doch gut gearbeitet; auf derfelben Hehet der Name des 


1) Diefe Figur wurde vom Cardinal Alexander Albani 
gefauft und in feiner Billa aufgeftellet, nachdem vorher 
jene unbefcheidene Erhöhung des Gewandes weggenteißett 
worden. Fea. 

2) Cavaceppi gibt eine Wbhifdung in feiner Raccolta di 
Statue etc. (t. ı. tav. 24.) und fagt, fie fel nach Deutſch⸗ 
land gegangen. Sea. 

3) In der Solge kaufte ihn Winckelmañ ſelbſt, und gab 
eine aAbbiidung davon in den Denkmalen Numero 59. 
Nach feinem Tode verblich er dem Cardinal Albani, der 
ihn in feiner Villa auffiellen ieh. Zen. 


neueſt. hereuf. Entdek. 105 


Bildhauers, der aber abgefchenert if: bios der Name 
feines Vaters iſt darauf geblieben: - - ZIMAXOT 
(AYZIMAXOT) EIIOIEI. Ein engelifcher Arzt, ber 
Handlungsgefelfchaft zu Smyrna, hat fich in diefen 
2ändern und felbit bei der Bforte in ein folches 
Anſehen gefezet, daB ihm erlaubet worden iſt, nad) 
Altertümern zu graben. Ein anderer mir befaiiter 
Engeländer, des eriieren Freund, bat von da aus 
zwei Felufen voll Bildfäulen und Brufibilder nach 
Engeland gefchiiet. Darunter waren acht, die fich 
vollfommen unbefchädiget erhaften hatten. Vorbe⸗ 
meldete Statue iſt nach Nom gefommen, meil der 
Kopf und ein Arm daran fehlet. 

6) An der Villa des Cardinals, meines Gönners, 
mard Natb gehalten, wie ein munderfchöner junger 
Ringer von Probirfein (lapis Lydius) am beiten wie 
der herzuſtellen wäre, der fchon vor einigen Sahren 
zu Borto b’Anzo gefunden worden. Es war nur eine 
Hand dabei, die aber abgebrochen war, und etwas ei⸗ 
nem Federball ähnliches hielt; wir wurden darüber 
einig, daß es ein Defkäfchlein wäre; ich that den 
Borfhlag, Ihm in die andere Hand einen Diffus 
zu geben, um einen Pentathlus daraus zu machen; 
und ich Heß mir das Modell des Diſkus gu Bortici 
überfchifen. Nachher wurde die andere Hand gefun- 
den, an welcher der Daumen und der Beigefinger 
vereiniget find; die Stellung diefer Sand vermehrete 
unfere Ungemwißheit, was wir ihm nun in die Hand 
geben follten. Sch bemerfe aber, daB zwifchen die⸗ 
fen beiden Fingern eine Art von Stüze, aus DBor- 
Echt des Bildhauers, gelnfien worden, wie es ge- 
‚meiniglich zwifchen den Fingern gebräuchlid, iſt; bier 
war es aber gar nicht nöthig gewefen: den die Kin- 
ger koñten ohne Stüze an einander gefüget werden. 
Diefes Swifchending ift wie ein kleines plattes Stein- 
hen. Indem wir fo auf dem Dcean von Bweifeln 


106 2 Briefe üb. ». 


und Muthmaßungen herumfreugeten, wollte der Maus 
rermeifter auch feinen Senf dazu geben, und glaubete 
darin den Stöpfel zum Difläfchlein zu erfennen. Er: 
benahm uns mit einemmale allen Zweifel, et pedi- 
bus itum in ejus sententiam. Glaubeten Gie wohl, 
daß eine Figur von fo weniger Bedeutung bei Statuen 
des Zu piters, des Aftular und bei einem Faune 
von demfelben Steine, in Gefellfchaft dreier Gott⸗ 
heiten flehet, wie er auch. wirklich fo- gefunden wor⸗ 
den ift? 1) Bet Grabung des Brundes zu einem Sea 
bäude an dem päblllichen Palaſte wurde, .am Fuße des 
Duirinals, ein Blatter von grober Mufivarbeit .ent- 


2 Windelmaf fpeicht von diefer Ringerfiatue aud in- 
der Geſchichte der Kunſt, 7 B. 18. 18 6. und in den: 
Dentmalen; 1Th. 248.29. woeran beiden Orten fagt, 
daß ſie vonfhwars em Marmorfel. Der AbateBracci. 
(Mem. degli ant. incis. tav. .26.) gibt eine Abbildung davon, 
und (tav. 51.) eine Gemme, auf der ein ähnlicher Gegenftand 
abgebildet ift. ÄAuſſerſt ähnlich iftihr auch eine andere Sta— 
te von weiffen Marmor, die er im Palafte Verospi 
ftand, und fich jezo in England befmäet.. Aus dem Gyps⸗ 
abguß derfeiben, den Cavaceppi befah, und aus den 
andern Statuen. erfahb man deutlich, daß der Ringer die 
von unſerm Autor fo-viel beitrittene Hand in dieſer Etels 
Iuns hielt, um das HI auſzufangen, das er auß dem 
Gefäße mit der andern goß, um ſich damit den. Leib au 
faiben , wie die Athleten vor dem Ringen zu thun pfleg⸗ 
ten. Dervorgeblihe.Stöpfet ift nichts anderes alt eine 
kleine Stüze, die der Bildhauer, der Feſtigkeit wegen, zwi⸗ 
ſchen den Singern- gelaſſen hat: Hieraus erhellet, wie 
mißlich ed iſt, Figuren zu ergänzen, deren wahre Be⸗ 
deutung man- nicht keñt, und daß es beſſer iſt, fie bes 
{hädiget und gerbrochen zu laſſen, als ſie au entſtellen, 
und: dadurch Veranlaſſung su geben, daß bie Antiquare 
in der Folge Unſil darüber fagen, wie ed, sum Beiſpiel, 
dem Gori mit der Statue des Scheibenwerfers in 
der Galerie zu Florenz ersangen iſt, welche erſt in einen 
Endymion, und nachher in. einen Sohn der Niobe 
verwandelt worden, Sen. 


neueſt. hereul. Entdek. 107 


deket, unter. welchem, als man noch tiefer nachgrub, 
folche aufferordentlich große und weite Bogen zum 
Borfchein Famen, daß man bei ihrem Anblif erfläunet. 
Sch bin noch ungewiß, zu welchem unermeßlichen 
Gebäude fie gehöret Haben mögen. Nella Marmorata, 
oder an dem Orte an der Tiber, dem Aventin ge 
gen über, mo vor Alters die Marmor nausgeladen 
wurden, entdefete ich, als ich in einem Weinberge 
des Duca Ceſarini ganz allein ſpazieren sing, 
einen Blok von Cipollino (pentelifchem Marmor) 
mit der Inſchrift, die der alte Steinmez darauf ge 
bauen hatte: 


RVLANO 111. COS. 
EI. RAT. 


N. IXXIIII. 


Diefen Eonful findet man in ben Fastis consu- 
Yaribus nicht aufgezeichnet. Die Schrift iſt ans dem 
britten Jahrhunderte. 1) 


* > 
NN 


6. 40, Ein gewiffer römiſcher Cavalier, der eine 
weibliche befleidete Statue gefaufet hatte, an der 
eine Hand, die Füße und ein Theil des Gewandes fehle 


2) Diefer Conſul köñte vielleiht D. Fab. Marimus 
Rulltanus fein, weicher im Jahre Roms 446 zugleich 
mit 9. Decius Mus zum drittenmal Eonful war. 





Der Charakter ber Echrift ift nicht immer ein ſicheres Zei⸗ 
hen ihres Alters. In der That iſt ed - unglaublich, daß 
der Name diefed Conſuls im dritten Schrhunderte nach 
der chriftlichen Zeitrechnung, nachdem er dreimal dieie . 
Würde beffcidet, weder in den Faſtis, noch auf einem 
andern alten Denkmale verseichnet fein follte. Aber alle 
Schwierigkeit wäre verſchwunden, wer Windelmaft, fe 
wohl hier als in der Kunſtgeſchichte 12 8. 2 8..29 $. 
dieſe Inſchrift nicht fehlerhaft angeführt Hätte, fo wie 
ex auch eine andere, gleichfalls aus ber Billa Albani, 


18° Briefe üb. d. 


ten, fchifete ſolche zu einem der vornehmfien römifchen 
Bildhauer, Bracci genant, um fie ergänzen zu laſſen. 


beibringt. Beide findet man richtig in der Indicazione 

antiquaria von jener Billa (P. 3. num. 20 — 2ı. p. 86.) 

wie folgt: 
1. 

RVIANO III COS.- 

EXRAT 

TALENTIS 
LIXXUN 


2. 
.e: 5VB CVARA MINICI St. 
PR. CRESGENTE LIB. NIT. 
In Hinficht der euften bemerfen wir, daß in ber obern vers 
ſtümmelten Zeile der Conſul leicht au errathen it, weis 
her fein anderer fein Fan als Servianus, derielbe, 
welcher sie Schwefter ded Kaiſers Hadrianus beiruthete, 
der ihn nachher im Alter von 90 Jahren mibringen ließ, 
damit. er. nicht länger leben möchte als er, wie Spar⸗ 
tian im Leben dieſes Kaiſers (c. ı5.) meldet. Sein drit⸗ 
ted Conſulat fälit in das Jahr Roms 886 oder nah am 
dern 887, und in's 134 nach Ehrifti Seburt. Man 
findet ihn in diefem dritten Confulate auf mehreren In 
ſchriften, bald aklein, bald in Geſellſchaft mil zwei vers 
fchiedenen Perfonen genaitt. Das übrige diefer Inſchrict 
lautet wahrfcheinfich: ex ratione Valcntis. num. LxxXIV. 
Nicht ex rationario, wie Muratori diefelben Worte 
in andern Infchriften erflärt, dei ed fcheint, daß ex 
ratione hier fo viel bedeute ald für Rechnung, wie 
deit auch deutlich in der dritten der unten von Mura⸗ 
Tori Heisubringenden Snfchriften ex ratione geſchrieben 
Acht. Die folgende. Zahl ıxxzıv. iſt wahrſcheinlich die Zahl 
der Marmorblöke, welche dem Eorrefpondenten gehörs 
tet, an den fie gerandt wurden, oder bie Zahl ded Marmors, 
welchen die Barfe geladen hatte, fo wie man noch jezo in 
Garara mit den Marmorbiöten zu thun pflegt, indem: 
"man auf jeden folchen Blok, der nach Kom verfendet 
wird, nit rocher Sarbe die Anfangsbuchſtaben von dem 
Namen deffen zeichnet, der ihn erhalten foll, und die Zahl 
‚von Blöfen, welche die Barke trägt. Im alten Reiten 
fügte man den Namen dei Eonfuls hinzu, um das Jahr 


I 


neueſt. bereut, Entdel, 4109 


Sie wirb ungefähr 12 Balmen hoch fein. . Der Bild- 
auer hielt fie nicht für antik, daber führete mich der 


zu bemerfen, wo fre abgeſandt wurden; und diefed geicha 
and Vorficht, der langen Reiſe wegen, welde der Mars 
mor aus Griechenland und andern Gegenden ded Orients 
nah Rom zu machen hatte; ober noch wahrfcheinlicher, 
um fie in den GSpeditiondbüchern wieder aufzufinden/ 
deñ der Verordnung des Prätors zufolge mußte in öffent⸗ 
lichen und Privatverhbandlungen ‚und in den Rechnungsbüs 
shern, der Tag und der Name des Eonfuld angemer⸗ 
ket werben. Der in unferer SInfchrift genañte Eonful war 
alfo nicht der Herr des Marmord, wie Windelman 
An der Geſchichte der Zunft meiner, welches auch 
"der folgende Name varentis zjeiget, dem eigentlich 
Der Diarmor gehörte. EB war alio diefeß die gewöhnliche 
JInſchrift, die auf alle Kaufmafisgüter, und befonders 
anf Marmorblöke gefest wurde; und man findet eine 
Menge ähnlicher in mehrere Samlungen von Infchriften 
und auf alten Sragmenten. Wir wollen bier blos 3 aus 
Sm Moratori (t.ı. p. 3ıg. num. 5. 6. 7.) anführen, 
weile Pirro Ligorio von eben fo vielen Marmorblö⸗ 
Ken, im Hafen von OAſtia coptrt Hat: 


- 4 
IMF. CAES. HADRIAMG 
III. COS. EXABAT 
TESTI 


N. CCXIIX. 
2 
IMP. HADRIANO W. II. COS. 
EX. ROT. TEST. 
M. CLXUX. 
3. 
IMP. CAES. TRAIN. TIADR. 
AVG. COS. EX. ARATIONE 


MARM. RHOD. NVM. CCX. 
L. IVNI. VRVASL 


In 'der zweiten der zu erſt angeführten sw ei Infchriften 
fol die zweite Zeile vielleicht lauten: Procurante Cres- 


N 


110 Briefe üb.' d. 


Eigentümer zu ihm, D) daß ich mein Urtheil darüber 
fällen follte. Diefe Statue war in einem Weinberge 
gefunden, aber nicht neuerdings entdefet worden; 
den fie war, man weiß nicht wie, in eine Grube 
geworfen, und mit- vielen Karren Baufchutt übers 
defet. Der, welcher fie Faufete, hatte die Ahnung, 
daf es wenigflens ein großes Stük Marmor fein müße, 
daher lieh er fo Iange arbeiten, bis die Safe zum 
Norfchein Fam, und ohne ſich mit weiterem Aufgra- 
ben aufzuhalten, Tieß er, um nicht übertheuert zu 
werden, die Statue mit dem ganzen Schutte weg⸗ 
ſchaffen. Als fie gereiniget und fauber hergeftellet 
war, reuete es ihm beinahe, als cr das einzige Ur⸗ 
theil des Bildhauers hörete, der fe für moderne Are 
beit hielt. Der Bildhauer mußte alfo die Urſache 
feines:weifen Urtheils angeben. Die erfte war der 
Siz der Figur, der mit dem Zahneiſen gang grob 
weggearbeitet ift, wobei er-behnuptete, daß die alten 
Bildhauer dieſes Inſtrument niemals gebrauchet hät- 
ten. Die zweite war der Augapfel, der durch eine 
mondförmige Vertiefung nusgedrüfet war; er 
behauptete gleichfalls, daß diefes bei Götterföpfen 
nicht gebräuchlich gewefen; er folte'fagen bei ideali—⸗ 
ſchen Köpfen; den er Fonte nicht behaupten, daB der 
Kopf der Statue ein Porträt fei. ber feine in der 


cente Liberto; wie ed in einer andern Inſchrift beim - 
KReinefiuß (class. 11. num. 64. p. 650.) heißt: Pro- 

curante Felicia Felicula. Auch was die Sorm der Buchſta⸗ 

ben betrift, ſo irret Wincke mañ,weñn er die Inſchrift 

in das dritte Jahrhundert chriſtlicher Zeitrechnung ſeit. 

Was läßt fich aus einer, von einem Steinmez in der Pros 

vinz, eilig gehauenen Inſchrift erwarten? In folchen 

Fällen können die Merkmale der Schrift nur von gerin⸗ 

ger Zuverläßigkeit ſein. Fea. 


1) Der Marcheſe Rondinini, in deſſen Palaſt ſie ſich ber 
findet, Sea. 


neueſt. hereul. Entdek. 111 


That ungewöhnlich geringe Einficht koñte ich mich nich 
genug verwundern. Ehe ich feine angegebenen Gründe 
beantwortete, fragete ich ihn, auf was Art er wohl 
glaube, daß die alten Bildhauer die lezte Hand 
an-ihre Arbeit geleget hätten? Wahrfcheinlich, ver- 
fegete er, war ihre Methode die nämliche, die wir 
anwenden, nämlich mit dem Bimsſtein die Tezte 
Politur zu geben: wobei er zugleich.den Antinous, 
oder, wie ich ihn lieber nennen würde, den Meleager 
im Belvedere, anführete. Diefes Iofete ich ihm her⸗ 
aus, um ihn deſto beſſer zu befchänmen. Auf feine erſte 
Urfache antwortete ich ihm alfo, daß die alten Bild« 
hauer wirklich Arbeiten mit dem Zahneiſen verferti- 
get haben, wieam Fußgeſtelle des LKaokoon deutlich zu 
fehen fet. Daß fie fich diefes Inſtruments, welches 
aus mehreren, durch ein Heft verbundenen Eifen 
beiland, bedieneten, fiehet man auf dem Grabileine 
des Steinmegen und Baumeiſters Aper im Cam⸗ 
pidoglio. 1) Was den andern Einwurf betrift, wor- 
über ſich der Bildhauer viel zu „gute that, fo gab 
ich ihm zu, daß der in: den Augen ausgedrüfete Bit 
in der That nur an wenig Statuen der Gottheiten 
‚oder anderer Ideale gefunden werde; man könne aber 
darum nicht behaupten, an gar Feiner. Man muß 
wiſſen/ daß ſolche Augen eine Künſtelei ſind, die am 


9» Diefer Grabſtein wurde auf den Janiculus gefunden, 
und. von dort.in die vaticanifchen Gärten gebracht, von 
wo er auf Befehl Benedicts XIV. in's capitotinifche 
Mufeum Fam. Mehrere Altertumsioricher haben denfels 

ben erläutert. Aper war weder Steinhauer noch Archi⸗ 
tekt; er war blos Vermeſſer von Gebäuden. Derglei⸗ 
hen Bauvermeſſer kommen in mehreren Inſchriften vor. 
Plinius der Jüngere, (. 10. epist. 28.) und die römi⸗ 
ſchen Geſeze in den Pandekten (l. 11. tit. 6.) ſprechen 
von. dieſem Amte, und Ulpian in lezten Geſeze unters 
ſcheidet den Bermeifer ausdrüklich von den Baur 
.meiter. Sea. 


412 Briefe üb. d. 


meiften zu den Zeiten des Verfalles der Kunft im 
Gebrauche war, und die unter Hadrian bernach alle 
gemein wurde, wie wir an den Bruftbildern der Kai 
fer ſehen. Der einzige nicht idealifche Kopf zu Nom, 
melcher dergleihen Augen bat, vom Auguſtus an big 
zn Hadrians Zeiten, iſt der Kopf des Marcel 
lus, des Neffen Augus. 1) Auf der andern Seite 
it es aber auch falfch, daß fie vorher gar nicht ge 
bräuchlid) gewefen wären. Sch babe ſolche an vier 
Köpfen an dem fogenaten Iudovififchen Obeliſt 
entdefet, der bei San Giovanni im Lateran auf der 
Erde Tieget.”) Was den Punkt anbelanget, der den 
Blik des Auges und den Umriß der Bupille andentet, 
und der durch eine Vertiefung im Marmor aus 
gedrüfet ward, fo haben ihn die Briechen ſchon in 
den älteflen Zeiten gemachet, nämlich vor dem Phi- 
Dias, und nach bemfelben, in den ſchönſten Beiten 
der Kunſt, aber erhoben. 3) So ſiehet man auf den 
Münzen des Hiero von Syrafus, und auf denen 
des Aleranders, den Bunft, und eine kleine. Linie 
rings herum. Diefes war der negative Theil mei- 
nes Beweiſes; nun hören fie den affirmativen. 
Die Hand, fagete ich, bat Fein moderner Bildhauer ge 


1) Windelman meint vielleicht eine Büfte, die Cava—⸗ 
ceppt befaß, und die in feiner Raccolta di Statue (tk. 
1. tav. 32.) abgebildet ift, wo gefast wird, daß fie nad 
Petersburg gegangen ſei. Die Büfte im capitoliniſchen 
Muſeum (t. 2. tav. 3.) deſſelben, bat Feine fo 9% 
seichneten Augen: aber weder diefe noch jene find zuver⸗ 
läßige Bildniffe ded Marcellus, von dem und Mün⸗ 
sen mangeln. Fea. 

2) Man fiehet dergleichen and an einigen Figuren des 
ehemaligen Harberinifchen Dbelifkes , der jeso im Garten - 
des Vaticnd liegt. Bea. 


8) Auch der farneſiſche Herkutes Hatte dieſelben eins 
gefest. Zen. 


neueſt. herenl. Entdef, 113 


‚und kañ fie auch nicht gemachet haben. Affe 
a, vom Michel Angelo bis izo haben ſich 
Begrif von einer fchönen Hand machen kin 
ınd da das Schwülflige einer der vornehmſten 
terzüge des neuen Styls ift, fo find fie alle 
en Fehler verfallen, der die ſchon übel ver. 
te Gratäie noch mehr entfiellet. Die neueren 
End gemeiniglich zu gefchwollen, und die Glie⸗ 
e Finger unterfcheiden: ich durch drei Erhoͤhun⸗ 
indem fie in drei krummen Linien zu⸗ und 
sen. Ferner find die Grübchen auf den Ges 
der: Finger: oder der Hand zu fichtbar, und 
m eines Nabels gemachet, weiches die. Alten 
baten,-sder man fühlet fie nur beim Angreifen; 
iens fallen fie nicht in die Augen. Ferner 
te Nägel mehr conver. Sch wandte mich hier 
m Kopfe, und fngete ihm, der Eönne nicht 
n fein, wegen des Nafenbeins, welches in jun⸗ 
ab meiblichen Köpfen niemals in die Augen 
gearbeitet worden. Mit einem Worte, fagete 
; ich die vier weiblichen Figuren des Michel 
lo zu Florenz noch nicht.gefehen habe, fo wol⸗ 
r einen Vergleich swifchen dDiefem Kopf und 
een unter den neueren, die in Rom find, an- 

Welchen halten Sie dafür? Den, welchen 
bach erhebet, und der Die Gerechtigfeit an 
Yenfmale Bauls II. voriiellet, 1) und den 
telmo della Porta unter den Augen feir 
brers Michel Angelo gemachet hat. Welch 
mfeliger Umriß! melches elende Nelief! mas 
ie gemeine Bierereil welche übel verſtandene 


3! 
41. Verzeihen Ste fo vieles Geſchwaäz. Die 
je und Genauigfeit des didaktiſchen Styls, deſ⸗ 


in ber Peterskirche. 
. 5 , 


112 Briefe üb. d. Eu 


meiften zu den Zeiten des Verfalles der Kunſt im 
Gehrauche war, und die unter Hadrian bernach alle 
gemein rourde, wie wir an den Bruftbildern der Kai⸗ 
fer fehen. Der einzige nicht idenlifche Kopf zu Rom, 
melcher dergleichen Augen bat, vom Auguflusan big 
zn Hadrians Zeiten, if der Kopf des Marcel) 
lus, des Neffen Augus. 1) Auf der andern Seite 
it es aber auch falfch, daß fle vorher gar nicht ge 
"bräuchlich gewefen wären. Sch babe folche an vier 
Köpfen an dem fogenanten ludoviſiſchen Obelift 
entdefet, der bei San Giovanni im Lateran auf der 
Erde Tieget.”) Was den Bunft anbelanget, der den 
Blik Des Auges und den Umriß der Bupille andeutet, 
und der durch eine Vertiefung im Marmor aus- 
gedrüfet ward, fo haben ihn die Griechen Thon in 
den älteſten Zeiten gemachet, nämlich vor dem Phei⸗ 
dias, und nach demfelben, in den ſchönſten Zeiten 
der Kunſt, aber erhoben. 3) So fiehet man auf dem 
Münzen des Hiero von Syrafus, und auf denen 
bes Aleranders, den Bunft, und eine kleine Linie 
rings herum. Diefes war der negative Theil mei- 
nes Beweifes; nun hören fie den affirmativen. 
Die Hand, fagete ich, hat Fein moderner Bildhauer ges 


1) Winckelmañ meint vielleicht eine Büfte, die Cava—⸗ 
ceppi befaß, und die in feiner Raccolta di Statue (t. 
ı. tav. 32.) abgebildet ift, wo gefagt wird, daß fie nad 
Peterdburg gegangen ſei. Die Büfte im capitolinifchen 
Muſeum (t. 2. tav. 3.) deſſelben, bat Feine fo 3% 
seichneten Augen: aber weder diefe noch jene find zuver⸗ 
läßige Bildniffe ded Marcelins, von dem und Müns 
sen mangeln. Gen. 

2) Man fiehet dergleichen auch an einigen Figuren des 
ehemaligen varberinifchen Obeliſtes, der jeso im Garten - 
des Vaticnd liest. Bea. 


8) Auch der Farnefifhe Herktutes Hatte biefelben eins 
geiest. Fea. 


neueſt. verenl. Entdek. 113 


machet, und kañ fie auch nicht gemachet haben. Affe 
Neueren, vom Michel Angelo bis igo haben fich 
feinen Begrif von .einer fchönen Hand machen kön⸗ 
nen; und da das Schwülſtige einer der vornchmfien 
Charafterzüge des neuen Styls iſt, fo find fie alle 
in diefen Fehler. verfallen, der. die ſchon übel ver- 
flandene Gratie noch mehr entfiellet. Die neueren 
Hände find gemeiniglich. zu gefchwollen, und die. Glie⸗ 
der der Finger unterfcheiden- Ach durch drei Erhöhun⸗ 
gen, indem fie in drei krummen Linien zu⸗ und 
abnehmen. Ferner find die Grübchen auf den Ge 
Ienfen der: Finger oder der Hand zu fichtbar, und 
in Zorm eines Nabels gemachet, weiches die. Alten 
nicht thaten, oder.man fühlet fie. nur beim Angreifen; 
mwenigfiens fallen fie nicht in die Augen. Ferner 
ind die Nägel mehr conver. Sch wandte mich hier» 
auf zum Kopfe, und fngete ihm, der könne nicht 
modern fein, wegen des Nafenbeing, welches in jun⸗ 
gen und weiblichen Köpfen niemals in die Augen 
fallend gearbeitet worden: Mit einem Worte, fagete 
ich, da ich die vier weiblichen Figuren des Michel 
Angels zu Florenz noch nicht.gefehben habe, fo wol⸗ 
len wir einen Vergleich zwifchen dieſem Kopf und 
dem beften unter den neueren, die in Nom find, an⸗ 
fielen. Welchen halten Sie dafür? Den, welchen 
SKhr fo hoch erhebet, und der die Gerechtigfeit an 
dem Denkmale Pauls IH. vorſtellet, 2) und den 
Guglielmo della Porta unter den Augen fer 
nes Lchrers Michel Angelo gemachet hat. Welch 
ein armfeliger Umriß! welches elende Nelief! mas 
- für eine gemeine Ziererei! welche übel verſtandene 
Eleganz! Ä | 

6. 41, Verzeihen Sie fo vieles Geſchwaz. Die 
Gtrenge und Genauigkeit des didaktiſchen Styls, deſ⸗ 


1) [In der Peterskirche. 
5 v 


114 . Briefe üb, d. hercul. Entdek. 


feg ich mich in meinem Werke von der Kunſt 
befliffien babe, will folche Anmerkungen nicht wohl 
zulaffen; und dennoch wollte ich nicht gerne, daß fie 
ganz verloren gingen. 1) | 


4) Eines dertinterfcheidungszeichen alter Statuen von neuen 
ift auch die gelbliche Sarbe an vielen derfelben, welche 
nichts anderes ift, als ein überbleibſel vom einer Art enfaus 
ſtiſchen überzuges oder Firnißes von Wachs, den bie 
Alten ihren Marmorbildern gaben. Die Statue des Maus 
cheſe Rondinini Hat Feinen folchen überzug gehabt, 
vermuthlich weil fie befleidet war. Gen, 


Sendfhreiben 


von den ‘ 


B 


erculaniſchen Entdefungen, 


an den 


Hochgebornen Herrn 


Heinrich Reichsgraven von Bruͤhl, 


Staroften ton Bolynow, Nittern des hieroſolymitauiſchen 
Drdend von Maltha, Seiner Königlichen Majeſtät in 
Polen und Churfürfilichen Durchlaucht zu Sachen 
hochbeſtallten Kammerherrn 10. ꝛc. 


1.76 8 


Sendfhreiben 
von den oo, 
hereulanifhen Entdelungen. 
un den 
. vochgebornen Herrn 
Heinrich Reichsgraven von Brühl ıc. 





Hochgeborner Gran! 


6,1, Da ich das Vergnügen hatte, Sie au 
Shrer Reife, im Carnevale 1762 von Nom na 
Neapel zu begleiten, entfchloß ich mich, von. beit: 
Seltenheiten, welche Sie in dem königlichen 
Mufeo zu Bortici fahen, etwas aufzufegen, um 
Sie an das Merkwürdigfle wiederum zu erinneen, 
und zugleich zum Unterrichte für andere Neifende, 
die in einem Kursen Aufenthalte daſelbſt nicht alles 
mit völliger Aufmerkſamkeit betrachten können. 

5.2. : Sch babe mehr, als andere, ſowohl Fremde 
als Einheimifche, Gelegenheit gehabt, diefe Schaͤze 
des Altertums zu unterfuchen, da ich auf meiner 
erften Neife mich faſt zwei Monate in Portiei felbfl 
‚aufgehalten. Und vergebge eines ergangenen königli⸗ 
chen Befehls, mir alles zu zeigen, was su fehen em 
baubet if, und in der möglichiien Bequemlichkeit 
dazu, habe ich diefen freien Zutritt nach Vermögen 
genuzet, fo daß ich ganze Tage in dem Muſeo zu⸗ 
brachte. Ste wiſſen, Hochgeborner Gray, 
daß während unfers Aufenthalts von drei Wochen 


120 Sendfchreiben v. d. 


„und dem Winde ans Afrika (Scirocco) ausgeſezet 
„ war.“ 1) So verſtehe ich das Wort axpx, welches: hier 
fo wenig, als da, wo es von den drei Spizen der 
Inſel Sicilien gebrauchet wird, ein Vorgebirge 
bedenten fat. In dem mahren Verſtande diefes 
Worts haben ſowohl alte als neue Scribenten ge 
fehlet, wegen Unwiſſenheit der Lage der Drte, und 
Cluverius zgeiget unter andern diefen Mißver⸗ 
Hand im - alten Dichtern, welche von den drei 
fietlianifhen Spitzen reden, und dieſelbe als 
Vorgebirge befchreiben. Das Ufer iſt bei Reggio 
in Salabrien fo platt, als gegenüber in Sicilien, 
wo Belorus Ing, und die Gebirge erheben fich aller 
erfi etliche Meilen weit vom Ufer. Das Wort 
one ift alfo, mas wir iso Eapo nennen. So 
heiffet Capo d'Anzo, mo ehemals das alte An⸗ 
tium fand, welches fein Vorgebirge, fondern 
ein plattes Wfer iſt und war. Das eirceiſche 
Borgebirge aber zwifchen gedachtem Orte und 
Terracina, welches ein hoher Felfen ift, heiſſet nicht 
Capo, fondern Monte. Eircello. 
$. 8. Zu diefer Anmerkung und Erklärung ver- 
anlaffet mich der Zweifel des gedachten nenpelfchen 
Gelehrten über den Strabo. Diefer, welcher das 
Wort ana in feiner gewöhnlichen Bedeutung eines 
Vorgebirges nimt, will den Tert des Strabo 
bier fehlerhaft finden, weil das alte Herculanum 
auf feinem Vorgebirge fait gelegen fein, und 
er nimt fich die Freiheit, anftatt axpor, zu fezen 
Morgan. Er überfeget alfo Ppupsov manxgov exov, OP- 
- pidum in ipsa littoris longitudine situm, und nim̃t 
das Wort maxpov abselute und substantive, Mider 
allen Gebrauch defielben, und ohne diefe Freiheit 
mit einer einzigen Stelle zu unterſtüzen; ja er bricht 


ı) [L.5. ce. 4. ‚versus medium. ] 


hereul. Entdek. 121 


kurz ab, und ſaget, daß dieſe Art zu reden ben Au⸗ 
fängern in der Sprache befant fei. Ich bin et» 
mas mehr als ein Anfänger in berfelben, fan mich 
aber dergleichen Gebrauch des Wortes muxgos nicht 
entfinnen. | 

8.9. Das Ufer, auf welches das alte Hercula⸗ 
num gebauet war, erfirckete ſich als eine Erd zunge 
in’s Meer, das iſt, es war ein Capo. Dieſes iſt 
die Meinung des Strabo, und er will von feinem 
Borgebirge reden. Es zeiget diefes noch izo der 
Augenfchein: den Portici und Reſina, welche oben 
auf der verfchütteten Stadt Herculanum gebauet 
find, Tiegen beinahe in gleicher Höhe, mit dem Meere, 
welches ein flaches und fandiges Ufer hat. Folglich 
fan das alte Herculanum fo viel weniger eine: 
erhabene Lage gehabt Haben, fonderlich wen man bes 
denket, mie tief Diefe Stadt unter dem Cröboden 
U. Das Theater derfelben if über 100 Palmen tiefy 
und man gelanget in daſſelbe auf eben fo viel Stufen, 
welche zur Bequemlichkeit von den Arbeitern gehauen. 
ind. Das Paviment oder der ſchöne Fußbo⸗ 
den, womit das zweite Zimmer des berculanifchen 
Mufel ausgezieret if, wurde 102 neapelſche Palmen, 
tief unter der Erde gefunden, und es mar dafjelbe 
in einer offenen Loggia auf einer Art vog Ba—⸗ 
ſtion geleget, welche wiederum 25 Balmen über. 
das Geflade des Meers erhöhet war. 

$. 10. Hieraus falget, daß das Meer ſehr viel 
höher müße gewachlen fein; welches beim erſten 
Anblif eine feltfame Meinung fcheinet, hier aber und 
auch in Holland durch den handgreiflichen Augen⸗ 
fhein beflätiget wird. . Den in Holland iſt das Meer 
sffenbar höher als das Land, welches die Nothwendig- 
Zeit der Dämme beweiſet: es muß aber das Meer. 
ehemals nicht fo bach gewefen fein, weil diefe Bros 
vinz zu. ber. Belt, da dem Meere nach Feine Granzen 

Manckeimaũ. 2. 6 


122 Gendfchreiben v. d. 


durch Menſchenhände geſezet waren, nicht hätte kön⸗ 
nen angebauet werden. Dem Einwurfe, welchen 
jemand machen köüte, daß vielleicht Das alte Hercu⸗ 
lanum im Erdbeben geſunken fei, fcheinet die ordent⸗ 
liche Lage der Gebäude zu widerfprechen, und es 
wird damals, als das Unglük dieſe Stadt betraf, 
von feinem fo heftigen Erdbeben gemeldet, daß es 
eine ganze Stadt verfchlingen können: Und wei 
diefes anzunehmen „wäre, würde es vor dem Aus⸗ 
bruche des Berges gefchehen fein, und es hätte alfo 
die Afche deffelben nichts bedefen können; den das 
Erdbeben gebet nur vor - dem Ausbruche vorher, und 
folget niemals auf denfelben. 

$. 11. Bon einem hoben Wachstume und Falle 
bes Meeres finden fich deutliche Beweiſe an den 
Säulen im Foro des Tempels des Aſtulapius, 
andere wollen des Bakchus, zu Pozzuolo. Diefes 
Gebäude Tieget auf einer ziemlichen Anhöhe, einige 
funfzig Schritte vom Meere, muß aber ehemals völlig 
vom Waffer -überfchmemmet geweſen fein: den 
die Säulen nicht allein., welche Tiegen, fondern auch 
welche noch fliehen, find von einer länglichten See⸗ 
mufchel durchbohret und durchloͤchert. Diefes if 
fonderlich an Säulen von dem bärteften Ägyptifchen 
Granite erfiaunend zu fehen, welche als ein Sich 
durchgearbeitet find; in vielen Löchern ſteken noch 
bie Schalen. Die Mufchel heiffet Daftylus, von 
Seruros , der Finger, weil fie die Geſtalt, die 
Dike und Länge bdeffelben hat. Che biefelben den 
Stein haben angreifen koͤnnen, iſt voranssufesen, 
daß diefe Säulen geraume Zeit vom Waller nusge- 
freffen worden, um ihnen einen Weg zu machen, 
fich bineinzufegen. Dieſe Muſchel fezet fih, wei 
fie gang jung if und ohne Gchale, in cine Dfe 
ung des Steins, bekleidet: ſich daſelbſt mit der 
Eale, und drehet fich mit derfelben, durch Hülfe 


\ 


hereul. Entdek. 133 


des Waſſers, welches die Gänge ſchlüpfrig machet, 
unaufhörlich umher, wächfet und nimt zu, und fähret 
fort zu bohren, und endlich, wei diefelbe zu ihrer 
völligen Größe gelanget if, findet fie den Ausgang 
für fih mit famt der Schale zu Hein, und muf 
alfo in ihrer Wohnung bleiben. In die Löcher von 
‚verfchledener Größe fan man einen von den fünf 
Fingern ſteken, und’ fie find fo glatt ausgebohret, 
als faum mit Stahl und Erst hätte gefchehen kön⸗ 
nen. Ferner iſt daſelbſt der mit. Marmor gepflatterte 
Plaz vor dem Tempel annoch bier und da voller 
Zriebfand, welchen das Meer hineingefchlenet hat. 
So und fo lange man denken fan, ift diefer Ort, 
wie ich gefaget habe, weit und erhöhet von dem 
Meer entfernet; folglich if das Meer wiederum zu⸗ 
rüfgefallen. Die Art und Möglichkeit diefer untrüg- 
lichen Erfahrung mögen andere unterfuchen; ich 
bleibe bei der-bioßen Erzählung und bei der Wahrheit 
des Augenfcheins. 


6.12, Sn der Anzeige des Strabo vom Herculans 
Fönte aus dem Worte Ges, welches izo ein 
Fort, vder im Wälfchen Borgo, oder ein Caſtel 
heiffen würde, feheinen, daß diefer Ort fehr Flein 
gewefen, welches der ‚glüflichen Entdefung, die das 
Gegentheil zeiget, !Yw widerfprechen fchiene: eben 
diefes Wort Aber- gebraͤuchet Diodorus von Ca⸗ 
tana, welches eine Bfhüte große Stadt war. Einen 
fiheren Beweis der Größe und der volfreichen 
Bewohnung des Hereulani geben 900 Trink 
und Speifeorte daſelbſt, oder Schenken, 
wie wir es nennen würden, wovon ſich eine Pacht⸗ 
ankündigung in einer Inſchrift erhalten, welche 
im vierten Stüke dieſes Sendſchrei bens gegeben 
wird. Dieſen Ort nun, welcher bei den mehre⸗ 
Ben alten Seribenten Herculanum heiſſet, nennet 


124 Sendſchreiben v. d. 


Petronius Hercalis porticum, 1) und daher kom̃t 
Der heutige Name Bortici. 


6.13. Den wahren Ort, wo das alte Her⸗ 
tulanum geflanden und zu Tuchen geweſen, bat vor 
Defien Entdefung niemand richtig erratben. “Der in 
der Gefchichte und in der Landbefchreibung dieſer 
Gegend fehr erfahrene neapelſche Gelehrte Kamille 
Bellsgrini feget es/2) wo izo Torre del Gre—⸗ 
co if, umd alfo zwo Meilen weiter, auf der Straße 
nach Salerno und Pompeji; er führet eine unbe 
flimte Sage von Snfchriften, dieſe Stadt betrefr 
fend, an, welche daſelbſt gefunden fein follen, und 
fchließet nur aus Hörenſagen, daß ihre Lage gewiß 
und ausgemachet fei. 

8.414. Es verdienet auch der Name der Stadt 
Nefina einige Anmerkung. Diefer Ort hänget mit 
Portici zufammen, und das Fönigliche Schloß machet 
‚die Scheidung zwifchen beiden, fo DaB die Gafle 
gegen Neapel zu Bortici heiffet, und was auf der 
andern Seite Tieget, Nefinn begreifet. Einige find 
der Meinung, daß der Name Refina von ber 
Billa Netinn geblieben fei, vom welcher der jün⸗ 
gere Blintus in demjenigen Briefe redet, wo er 
den Ausbruch des Veſuvius beſchreibet, und von fei- 
nes Vetters Tode Nachricht gibt. Diele Villa aber 
fegen die Mehreſten unter dem Vorgebirge Mife- 
num, weil gedachter Brief ſaget, daß die römiſche 
Flotte, welche in dem Hafen bei Mifenum zu liegen 
pflegete, an her Billa Nesinn vor Anker lag, da 
der Ausbruch kam. Ich aber fa mir feine Billa 
Sorfielen, die unter einem Vorgebirge liegen 
Sönne. Gedachte Billa lag unser dem Veſuvius, 


4) C. 106. 
3) Disc. della Campania Felici, p. 319. 


bereut, Entdek. 425 


wie Plinius nicht undentlich angibt. Es hätte 
auch bei Mifenum, welches an zwölf italiänifche 
Meilen von dem Veſuvius entfernet iſt, die Gefahr 
auf den Schiffen , und die Furcht fo groß nicht fein 
können, als fie befchrieben wird, da nicht gemeldet 
ift, daß Neapel, Buteoli, Cuma und Baia, welche 
Drte zwifchen dem Herculano und Mifenum Ingen, 
in diefem betrübeten Zufalle gelitten. 


8.15. Herr Martorelli, welcher. auch diefen 
Punkt in feinem Föniglihen Dintenfaffe un- 
terfuchet, 1) begnüget fich nicht mit der Herlel- 
tung des Namens Nefina von Retina, und fu 
het ohne Noth eine Werbeflerung zu machen. Er 
glaubet, man könne und müße Pätina leſen, das 
iſt: villa Petina, welche er an diefem Drte, ohn⸗ 
weit Herenlanum, ſezet. Bapirtus Bätus, ein 

Sreund des Cicero, hatte in diefer Gegend eine 
Billa; diefes Ift gewiß aus ein paar Briefen des 
lestern.?2) Diefer Bätus verlor feine Güter, weil 
er von der Bartei des Bompeius war, in Melk 
chem Verluſte vermuthlich deſſen Billa mitbegrif- 
fen gewefen, fo daß alfo, nach des gedachten Ge⸗ 
Iehiten Meinung, diefe vom Cäſar eingegogene 
Billa unter feinen Nachfolgern, wie wir zu reden 
pflegen, ein Faiferlihes Kammergut gewor⸗ 
den, wo nachher und zu der Zeit, von welcher bie 
Rede iſt, einige Schiffe von der mifenifchen Flotte 
zu liegen pflegeten. Diefe Muthmaßung if fo fehr 
weit eben nicht gefuchet ; aber fie iſt nicht vonnöthen. 


8.16. Bompeiilieget ander Straße nach Sa- 
lerno, und der Ort, wo diefe Stadt ehemals fland, 
it etwa 12 Miglien von Neapel, und 7 von Por⸗ 


ı) P. 568. 
2) Ad. Attic. 1. 14. epist. 16 et 25. 


426 Sendſchreiben v. d. 


tiei; der Weg dahin gehet über Torre dell' Annun⸗ 
ziata. Es irret alſo Herr Reimarus in feinen 
Anmerkungen über den Dio Caſſius in der 
Rage von Bompeit,!) die er zwiſchen Bortici und 
Zorre del Breco angibt, als welche Drte nur zwo 
italiänifche Meilen von einander entfernet find; und 
er vergehet fich von: neuem, wen er ebendafelbk 
fanet, daß diefe Stadt gelegen, wo izo Eaflel« 
mare und Stabia liegen, worin er vermuthlid) 
Andern gefolget if.) Man fan fich in einer rich 
tigen Karte befler belehren. Lächerlich iſt die Her⸗ 
leitung des Namens Bompeii, welchen Marta 
relli als gang natürlich aus dem Hebrätfchen er- 
zwingen will, von 9, DD, os faville3) fo wie 
Herculanum von N1D> rı \rı, pragnans igne, 
fol benennet fein. Stabia fol von ADD, inu- 
dare, den Namen haben, und der Veſuvius von 
SIIU N, ubi ignis, fo wie Atna ein Dfen 
im Hebräifchen-heiffet, welches Wort (NYATN ) oft 
beim Daniel vorfomt. Diele Gelehrte fuchen et—⸗ 
was Neues zu fagen, auch mit Nachtheil der Mei⸗ 
nung von einem gefunden Urtheile. 

$.17. Diefe Stadt mar der gemeinfchaftliche: 
Hafen von Nola, Nocera und Acerra, wie Stra 
bo faget, und die Waaren wurden aus dem Meere 
auf dem Fluffe Sarno hingebradht. Es tft alfo dar 
aus nicht zu beweifen, wie Bellegrini bemübet 
iſt, daß Pompeii am Meere und an der Mündung 
dieſes Fluffes felbit gelegen geweſen: er will es dem 
Veſuvius zufchreiben, daß die Spuren von derfel- 
ben izo mitten im Lande liegen. 

8. 18. Bon der Größe der Stadt köñte auch 


ı) P. 1096.- \ 
2) Holsten. ad Cluvcr. 
3) P. 566. 


bereut. Entdek. 427 


yon den izigen unterirdifchen Entdefungen das Ca⸗ 
pitolium dafelbfi, 1). (welches Nycquiug unter 
den Städten ‚auffer- Kom, die dergleichen Gebäude 
hatten , anzumerken vergeffen,2) und die großen 
Überbleibfel. des Amphithenters daſelbſt Zeugniß 
geben. Diefes große ovale Werk lieget auf einem Hü 
gel, und‘ deffen innerer und unterer Umkreis, das 
id ber Umfreis der Cavea, hält 3000 neapelſche 
Balmen. Es: hatte 24 Reihen Size und man bat 
den Überfchlag gemachet, daß daflelbe .an 30,000 
Menfchen faflen können; es war alſo weit größer, 
als. das hereulanifche,.wie:ich unten barthun werdo; 
es gibt. diefes auch. der. Augenfchein. Diefe Stabt 
wurde, wie Seneca berichtet, unter dem Nero 
faft gänzlich durch ein Erbbeben zu Grunde gerichtet; 
und es ift jemand. daher der Meinung, ?) daß days 
jenige, was Dio-zugleich von diefem und bem her⸗ 
enlanitchen Theater meldet, eine Verwechſelung 
der. Zeit ſei. Diefer. Gefchichtfchreiber; welcher 
Son dem erſten großen und. befanten Ausbruche des 
Befunius unter. dem Titus redet,. meldet;- (wie 
man insgemein den Sin feiner Worte verfehet,) 
daß die ungeheure Menge Afche,- welche der Berg 
ausgeworfen, die beiden Städte Hereula num und 
Bompeit eben zu der Zeit, da das Dolf in dem 
Theater an bem legten Orte verfammelt war ,: ver 
fchüttet und begraben habe.- Bellegrint, welcher 
am angeführten Drte vorausfeget, daß dieſer Un⸗ 
fall. audy das - Amphitheater mit betroffen babe, 
fan dieſes nicht veimen, und glaubet nicht, daß eine 
gerfiörete Stadt in fo-furger Zeit von dem Nero an 
bis auf den Titus ein fa. greßes Theater wieder⸗ 


ı) Vitruv:1. 3. c. 2. 
2) De Capit. c. 47. 
3) Pellegrini, Disc. p. 227.. 


428 Sendfchreiben v. d. 


um babe aufbauen Finnen, welches nach ihm Ti 
lemont,?!) wie aus beglaubeten Nachrichten 
genommen , vorgibt. Martorelli, ohne jenen 
anzuführen, oder deſſen Zweifel zu berühren, fchei- 
net eben der Meinung zu fein; wenigfiens fchließe 
ich dieſes aus der Verbeflerung, welche er in der 
Erzählung des Dio machen will. Er behauptet, 
es müßte?) in der. unten gefezeten Stelle defielben 
raurns , anflatt aurus, gefeget werden, indem als⸗ 
dan ienes Wort auf das erſte, nämlich auf bas 
berculanifche Theater, ginge, Des Bellegrint 
Meinung ift nicht unmahrfcheinlich, und es köñte 
Dig, welcher unter dem Commodus gefchrichen , 
und alfo von der Zeit der Begebenheit, welche er 
erzaͤhlet, entfernet war, fich geirrer haben: es wire 
auch des Martorelli Verbeflerung, weit die Sache 
erweistich wäre, nach den Negeln der Sprache rich⸗ 
tig. Aber ein einziger Zweifel, welchen ich diefem 
entgegenfeze, machet ſehr unwahrſcheinlich, daß dgs 
Theater zu Herenlanum überfchüttet worden, da es 
voller Menſchen und Zufchnuer war. Wie iſt es 
glaublich, fage ich, wei diefes gefchehen wäre, daß 
in diefem Theater Fein einziger todter Körper ge 
-funden worden, welche fih bier, wie zu Stabia, 
wo man fie gefunden, würden erhalten haben? In 
dem berculanifchen Theater aber hat ſich auch foger 
fein Gebein von einem Gerive gefunden. 

6.19. Stabia, ehemals Stabia in der meh- 
rern Bahl genannt, Tag noch etwas weiter als Pom⸗ 
peji vom Veſuvius eñtfernet, aber nicht wo 150 Ca⸗ 


ı) Hist. des Empr. dans Nie. 


3) Dio, p- 1095. 1. 39. edit. Reimari; [l. 66. c. 23.} 
Kas mposerı (tippe auudurıc) was worek duo Öras, To, 
ve 'Hopxurarıy zus Tous Tleuanious, 9 Dearge TE Öfte 
Au AUTU KUN METE, KETEXLMER, 


bereut, Entdet, 429 


ſtelamare if, wie Cluverius angibt; beit jene 
Stadt Hätte, nach dem Galenus, nicht 30 
Stadien vom Meere entfernet fein können, da diefer 
Drt nahe am Meere Tieget. Stabia lag, we izo 
Gragnano lieget, welches mit den Gtablen bed 
Galenus übereinfomt. Es wurde diefe Stadt 
fhon von dem Sylla in demmarfifchen Kriege 
zerflörer, und zu Blinins Seiten waren: nichts als 
Luſthäuſer daſelbſt. 

Noch weiter, und gegen Sorrento zu, bei Bra- 
jano, wurden vor fünf Jahren unterirdifche Fimmer 
entdefet; die Arbeit aber iſt nicht fortgefezet, um 
Die Arbeiten nicht zu vermehren , und nachdem der 
Eingang von neuem vermauert worden, if die Ent 
dekung bis auf andere Zeiten verfchoben. 

5.20. Über den zweiten Punft, nämlich 
von der Verfhüttung -genaliter Drte bin ich 
nicht gefonnen, die Gefchichte vderfelben aus Nach» 
richten der alten Scribenten zu erzählen, fondern 
ich will fuchen aus eigenen Bemerfungen einen Be 
grif davon zu geben. 

S. 21. Es iſt nicht die Lava oder der feurige 
Fluß geſchmolzener Steine, welcher unmittelbar die 
Stadt Herculanum überſtrömet, ſondern der Anfang 
und die Bedekung derſelben geſchah durch die feuri⸗ 
ge Aſche des Berges, und durch ungeheure Negen⸗ 
güſſe, welche auſſer der Aſche, mit welcher dieſe 
Stadt unmittelbar bedeket wurde, diejenige, welche 
auf dem Berge gefallen war, mit ſich in dieſelbe hin⸗ 
eintrieben. Die Aſche war ſo glühend heiß, daß 
fie auch die Balken in den Häuſern verbrante, wel⸗ 
che man In Kohlen verwandelt findet, und Korn und 
Früchte find ganz fchmarz geworden. Die Waffer- 
güſſe müßen zu Bompeii und zu Stabia fo flarf 
nicht gewefen fein : den an beiden Drten findet ch 
alles wie mit einen Teichten Afche angefüllet, und 


432 Sendſchreiben v. d. 


‘gen, welcher in dem Muſeo zu Portieci Tieget, und 
jmeen Balmen drei Bolle, römifches Maß, breit 
iſt. Dieſes Pflaſter von Lava in ben verfchütteten 
Städten hätte der Herr Pater della Torre in 
feinee Befchreibung des Befuvins fehr nüg 
lich anführen fünnen, und er würbe burch dem ein⸗ 
zigen aufgehobenen Pflaſterſtein belehret fein, daß 
Die beutige Lava nicht Härter als die alte ſei, wie 
er aus guten Gründen, ‚aber wider die Erfahrung, 
behauptet. 1) Noch Ein anderes Zeichen dlterer Aus 
brüche vor den Beiten des Titus And Stüke 
Schlafen, welche fih in den Mauern.der Gebäude 
von Bompeit finden. | 

6. 24. Nach der Anzeige ber verfchütteten 
Drte und der Verſchüttung felbii, iſt drittens 
eine Nachricht von der Entdefung berfd- 
ben zu geben, und diefe tft in Abficht auf Hereu⸗ 
Ianum eine Alt ere, und bernach die Entdefung al⸗ 
I rail Drte, welche gu unfern Beiten gefche 

en i 

6. 25. Bon einer ältern Entbefung oder viel⸗ 
mehr Nachfuchung des verfchlitteten Hereulanums ha⸗ 
ben fich offenbare Spuren beim Nachgraben unter 
ber Erde gefunden, welche auch in der anf königli⸗ 
hen Befehl gezeichneten Karte von diefen unterir⸗ 
difchen Städten, welche ich das Glük gehabt babe 
zu ſehen, angezeiget find. Dieſes find mit. Mäbe 
gearbeitete und ausgehauene. unterirbifche Gänse, 
welche, ohne etwas dergleichen vorher zu muthma⸗ 
Ben, die Abficht derfelben von felbit zeigeten; —8 
lich kañ man nicht alles, was der Berg verſchütt 
Bat, zu finden hoffen. Auf diefe vor Alters fee 
bene Nachgrabung fcheinet eine Zuſchrift zu beuten, 


s) Storia del Vesuv. c. 5.8. ı22. p- 98. — und in ber fram. 
Überfegung dieſes Vucht ©.- 232. 


hercul. Entdek. 133 


welche zwar bereits abgedruket iſt, aber hier füglich 
einen Plaz verdienet, wegen des Lichts, melches ſie 
ung geben kañ. 


SIGNA TRANSLATA EX ABDITES 
LOCIS AD -CELEBRITATEM 
THBERMARVM SEVERIANARVM 
AVDENTIVS SAEMILANYS V. C. CON. 
CAMP. CONSTITVIT. DEDICARIQVE PRECEPIE. 
ıCVRANTE T. ANNONIO. CHRYSANTIO V. BP 


8.26. Fabretti, welcher diefelbe aus einer 
Handſchrift bekañt machete , 1) erfläret fich in den No» 
ten über dieſelbe ,2) daß er nicht verfiche, mus der 
Anfang bderfelben fagen wolle. Mazzocchi Täffet 
fich ebenfalls nicht ein in den Anfang derfelben : 3) 
und verflebet bier die Bäder in Rom, die Septi⸗ 
mus Severus bauete, und Antoninus Carra⸗ 
calla, defien Sohn und Nachfolger, endigte, die 
daher auch ſchon vor Alters, wie noch izo, Anto- 
niana biegen, und insgemeln die Bäder des 
CarracalUla genennet werden. Diefe Infchrift, 
von welcher man nicht eigentlich wußte, an welchem 
Drte fie abgeſchrieben warden, fand Martorelfi 
bei einem Steinmezen zu Neapel, da derfelbe bereits 
die Säge angefeget hatte, dieſen Marmor zu zer 
fchneiden; folglich redet diefelbe von Dingen, die 
zu Neapel, ober in ber Gegend umher, gefcheben 
find. Es iſt alfo dieſer Gelehrte der Meinung, +) 
DAB sıcma TRAnsLaTa Ex Asırıs Loc auf Stu⸗ 
tunen, welhe man aus ben verſchütteten 


1) Inser. p. 180. n. 173. 

2) Ih. p. 334. 

3) De Theatr. Camp. p. 170. 

4) In Addittam. ad reg thec. calamar. p. 37. seg, 


432 Sendſchreiben v. d. 


‘gen, welcher in dem Muſeo zu Portici lieget, und 
Iween Palmen drei Zolle, römifches Maß, breit 
iſt. Dieſes Pflaſter von Lava in den verſchütteten 
Stadten hätte der Here Pater della Torre im 
feinee Befchreibung des Veſuvius fehr nüz⸗ 
lich anführen können, und ee würde durch ben ein- 
zigen aufgehobenen Bflafterflein beichret fein, daß 
die heutige Lava nicht härter als die alte fei, wie 
er aus guten Gründen, aber wider bie Erfahrung, 
behauptet. 1) Noch ein anderes Seichen älterer Aug 
brüche vor den Beiten bes Titus And Stüke 
Schlafen, welche fih in den Mauern .der Gebäude 
von’ Bompeit finden. 

6.24. Nach ber Anzeige der verfchütteten 
Drte und der Verſchüttung felbii, if drittens 
eine Nahriht von der Entdekung derſel⸗ 
ben zu geben, und diefe tft in Abficht auf Hereu⸗ 
lanum eine Alt ere, und hernach die Entdefung als 
en hieten Drte, welche zu unfern Beiten gefche 

en if. | 

$. 25, Bon einer Ältern Entbefung oder viel⸗ 
mehr Nachfuchung des verfchütteten Hereulanums ha⸗ 
ben fich offenbare Spuren beim Nachgraben unter 
der Erde gefunden, melde auch in der auf königli⸗ 
hen Befehl gezeichneten Karte von dieſen unterir⸗ 
difchen Städten, welche. ich das Glük gehabt babe 
zu fehen, angezeiget find. Dieſes find mit. Mäbe 
gearbeitete und: ausgehauene. unterirdifche Gänge, 
welche, ohne etwas dergleichen vorher zu muthma⸗ 
Ben, die Abficht derſelben von ſelbſt zeigeten; folg- 
lich kañ man nicht alles, was ber Berg verfihüttek 
Bat, zu finden hoffen. Auf diefe vor Alters gefche- 
bene Nachgrabung fcheinet eine Zuſchrift zu beuten, 


s) Storia del Vesuv. c.5.$. ı22. p. 98. — und im ber franı. 
berſeꝛuug dieſes Bachs ©.- 232. 


hereul. Entdek. 133 


welche zwar bereits abgedruket iſt, aber hier füglich 
einen Plaz verdienet, wegen des Lichts, welches ſie 
ung geben fan. 


SIGNA TRANSLATA EX ABDITIS 
LOCIS AD -CELEBRITATENM 
“THERMARVM SEVERIANARVM 
AVDENTIVS SAEMILANVS V. C. COM. 
:CAMP. CONSTITVIT. DEDICARIQVE ZRECEPIT. 
CVRANTE T. ANNGNIO. CHRYSANTIO V. PR 


$%.26. Fabretti, welcher diefelbe aus einer 
Handſchrift bekannt machete , 1) erfläret fich in den No⸗ 
ten über diefelbe,2) daß er nicht verfliehe, was der 
Anfang derfelben fagen wolle. Mazzocchi Täffet 
fich ebenfalls nicht ein in den Anfang derſelben: >) 
und verfichet bier die Bäder in Nom, die Septi⸗ 
mus Severus bauete, und Antoninus Carra⸗ 
calla, defien Sohn und Nachfolger, endigte, die 
daher auch fchon vor Alters, wie noch izo, Anto⸗ 
niana biefen, und insgemein die Bäder des 
Barracalla genennet werden. Diefe Infchrift, 
von welcher man nicht eigentlich wußte, an welchem 
Drte fie abgefchrieben warden, fand Martorelli 
bei einem Steinmezen zu Neapel, da derfelbe bereits 
Die Säge angefeget hatte, diefen- Marmor zu zer⸗ 
fhneiden; folglich redet diefelbe von Dingen, bie 
zu Neapel, oder in der Gegend umher, gefcheben 
find. Es ift alſo dieſer Gelehrte der Meinung, 4) 
daß sıcna TnamsLara zx aupiris zocs auf Sta⸗ 
tunen, welche man aus. ben verfhäütteten 


ı) Inscr. p. ı80.n. 173, 

2) Ib. p. 334. 

3) De Theatr. Camp. p. 170. 

4) In Addittam. ad reg thec. calamap. p. 37. sog, 


134 Sendſchreiben v. d. 


Städten, und vornehmlich aus dem Hereulano 
ausgegraben, zu deuten ſei. Die ſeverianiſchen 
Baͤder veriichet er von Bädern, nicht des Septi—⸗ 
mius Severus, fondern des Kaiferrs Aleran- 
der Severus, und gleichwohl führet er den Spar 
tianus an, welcher von jenen und nicht von die 
fen redet, noch reden fan, weil feine Geſchichte 
nicht fo weit gebet: er hätte fi auf den Lam⸗ 
pridius berufen follen, melcher von den aleran:' 
drinifchen Bädern in Nom redet. Ferner faget 
Martorelli: „Wir willen die Zeit des Auden- 
„tius Saemtlanus Viri -Consularis, welcher zu 
„des Severus Zeiten (welches Severus aber, 
„ faget er nicht, ) gelebetz; “ moher er es. aber weiß, 
bat ihm nicht gefallen ‚anzugeben. Sn biefe Bäder 
zu Nom wurden die Statuen. von hierher hinges 
ſchaffet, und duch den Baumeiſter Chryfantiug 
aufgeſtellet. Die Infchrift, und die entdefeten vor 
Alters gemacheten unterivdifchen Gänge im Herculano, 
erflären fich alfo wechfelmeife. Bald hernach ver- 
lofch das Andenfen diefer verfchütteten Schäze gänz- 
lich aus dem Gedächtniffe der Menfchen ‚durch die 
einreiffende Barbarei und Unwiſſenheit. 1) 
$.27. Dieneuere Entdefung geſchahe bei Ge⸗ 
legenheit eines Brunnens, welchen der Prinz El⸗ 
beuf, ohnweit feinem Haufe, dafelbit graben lich. 
Diefes Haus wurde von gedachtem Herrn zu feinem 
Aufenthalte an diefem Orte, hinter dem Klofler 
der Francifcaner der firengeren Regel von St. Pie 
tro von Alcantara, auf dem Rande und den Kli- 
ven der Lava felbfi, am Meere aufgebauet, und 
es: fam nach deffen Tode an das Hans Fallerti 
in Neapel, von welchem es ber izige König in 
Spanien fäuflich erfand, um fich daſelbſt mit der 
1) [Man fehe Hierüber bie Note Feas im 4 5. der Briefe 
an Bianconi.) 


‚bereut. Entdek. i35 


Fiſcherei, und fonderlih mit Angeln der Fiſche, 
zu erlufligen. Gedachter Brunnen wurde nahe an 
dem Garten der Auguſtiner Barfüßer .einigefchlagen, 
“und durch bie Lava durchgebrochen; die Arbeit wurde 
fortgefeget, bis .man an felles Erdreich gelangete, 
welches die Afche des Veſuvius if, und bier fan⸗ 
den ſich drei weiblich befleidete Statuen, 
auf welche der damalige ötlerreichifche Vicefönig mit 
RNecht Anfpruch machete. Dieſer Tief diefelben nach 
Kom führen, wo fie ergänget wurden, und fchenkete 
fie dem Bringen Eugenius, welcher fie in feinem 
Garten zu Wien aufitellete. -Nach feinem Tode vers 
‚Inufete deffen Erbin .diefe drei Statuen 1) an Se. 
Maiefkät den .König von Bolen für 6000 Thaler, 
‚oder Gulden, (welches ich nicht eigentlich weiß, ) 
‚und .es flanden :diefelben vor fieben Jahren, vor 
‚meiner Abreife nach Stalien, in einem Pavillon 
des großen königlichen Gartens vor Dresden, un⸗ 
ter den Statuen und Bruflbildern des Palaſtes 
Chigi, welche der felig verſtorbene König von Po⸗ 
len mit 60,000 Seudi erkaufete, und mit welcher 
‚er eine andere Sam̃lung ‚alter Werke vereinigte, 
die ihm der Herr Cardinal Alexander Albani 
‚für 10,000 Seubdi überließ. | 
"6,28. Dem Bringen Elbeuf wurde nach biefer 
Entdetung unkerſaget, mit Nachgraben fortzufahren, 
and von .diefer Zeit an wurde im mehr als dreiflig 
Babren nicht weiter daran gedacht, bis da der izige 
König in Spanien zum tuhigen Belize dieſes erober⸗ 


4) Die:sche Abbilduug dieſer vortreflichen Gewandfignren 
-... befindet: ſiche im⸗ erſten Bande von Beckers Augn⸗ 
ſt eum auf: ben Tafein XX — XXVI; und bie ausfützr⸗ 
fie Geſchicht e und Veſchreibung dazu ebendaſ. 
..- 68.108 — 119. Se ‚now 

[Man vergleiche, se 'Bedanten über die nad: 
ahbmund ıc. 6. 6$°— 75.) 


136 Sendſchreiben v. d. 


ten Reichs gelangete, und Portiei zum Frühlings⸗ 
aufenthalte wählete. Der ehemals gegrabene Brun⸗ 
nen war noch da, und in demſelben ging man, 
auf königlichen Befehl, weiter hinunter, bis ſich 
Spuren von Gebäuden fanden, und diefe waren 
von dem Theater, welches die erſte Entdekung iſt; 
und der Brunnen iſt noch iso, fo weit derfelbe 
durch die Lava gebrochen worden, zu feben, und 
fühlt auf die Mitte des Theaters, welches durch Die 
Dfnung Licht befomt. Die Snfchrift, mit dem 
Namen der Stadt Herculanum, die man fand, 
zeigete den Ort an, wo man grub, und biefes 
machete Much, die Arbeit unter der. Erbe weiter 
fortzufegen. 

$. 29. Die Nufficht über dieſe unterirdifche Ar- 
beit wurde einem fyanifchen Feldmeſſer ‚oder In⸗ 
genieur, Rocco Giachino Alcubierre, welcher 
dem Könige aus feinem Lande gefolget war, auf: 
getragen; diefer dit izo DObrifier und das Haupt von 
dem Corpo der nenpelfchen Ingenieurs. Diefer 
Man, welcher mit den NAltertümern fo wenig zu 
thun gehabt hatte, als der Mond mit den Kreb⸗ 
fen, (nach dem wälfchen Sprichworte,) war durch 
feine Unerfahrenheit Schuld an vielem Schaden, 
und an dem Verluſte vieler fchönen Sachen. Ein 
Erempel fan flatt aller dienen. Da man eine 
große öffentliche Inſchrift, ich weiß nicht, au dem 
Theater, vder an einem andern Gebäude, entheleter 
welche aus Buchſtaben von Erzt befand, ‚bie an 
zween Balme lang find, wurden diefelben, ohne die 
Sufchrift vorher abzuzeichnen, von der Mauer .ab- 
geriffen, und alle untereinander in einen Korb ge» 
tworfen, und in diefer Verwirrung Seiner Ma- 
jeſtat gezeiget. “Der erfie Gedanke, welcher einem 
jeden Menichen entfieben mußte, war die, Frage : 
vons diefe Buchladen. bedeuten? und dieſes wußte 


hereul. Entdek. 135 


niemand zu ſagen. Diele Jahre ſtanden dieſelben 
in den Mufeo willkürlich aufgehänget, und ein jeder 
koñte das Vergnügen haben, ſich nach. feinem. Ge» 
fallen Worte aus denſelben zu bilden; endlich aber 
hat man ſo lange ſtudiret, bis man ſie in einige 
Worte gebracht hat, von welchen unter: andern IMP. 
AVG. iſt. Wie man durch deſſelben Veranſtaltung 
mit der: Quadriga von Erzt: verfahren if, 
werde ich. unten in dem vierten Stüfe anführen. 

6.30.. Da .mit der Zeit: diefer Don Rocco bir 
ber flieg, ‚wurbe die Unteraufficht und: das Befahren 
der unterirdifchen Orte und. Grüfte einem Ingenieur 
aus der Schweiz, Herrn: Karl. Weber, welcher 
izo Major iſt / übergeben ; und: diefem. verfländigen 
Manne hat man alle auten Anflalten , die nachher 
gemachet find;, zu danfen.. Das erfle, mag er mache 
ke, war ein richtiger: Grundriß der .unterirdifchen 
Bänge.und. ber entdefeten Gebäude, und. diefes nach 
allen Arten - von - Ausmeflungen. . Dieſen Grundriß 
machete er deutlich durch andere Zeichnungen ; .melche 
den Aufriß der: ganzen Entdefung zeigen, die man 
ſich vorſtellen muß zu: ſehen, wie wei das ganze 
Erdreich tiber: biefelbe weggenommen wäre, und das 
Sinnerfie. der: Gebäude, . deren.. Zimmer und ihrer 
Gärten, :nebfi- dem eigentlichen Orte, mo ein jedes 
gefunden. if, fih unfern Augen von oben ber auf⸗ 
gedefet zeigete. Diele Riſſe aber werden niemanden 
gezeiget. 

6.:34.. Nachdem man nun in ben hereulani⸗ 
ſchen Entdefungen glüklich gewefen war, fing man 
an, die andern: Orte aufzufuchen, und es fand fich 
"be wahre Lage von dem alten Stabia; und Pom⸗ 
Yyeii.entdefeten die graßen Vberbleibfel des Amphi⸗ 
Kheaters,. welche beſtaͤndig über der Erbe auf ei⸗ 
sent Hügel ſichtbar gewefen An:beiden Orten war 
mit wenigern  Koflen. „ı ala. im Herenlang , VOR 
6* 


138 Sendfchreiben v. d. 


graben, weil man dort keine Lava zu überwinden 
hatte. Nirgend gehet man mit größerer Zuverſicht, 
als in Pompeji, weil man gewiß weiß, man gehe 
Schritt vor Schritt in einer großen Stadt, und 
die Hauptſtraße iſt gefunden, welche in fchnurgera- 
der Linie fortgehbet. Bet aller diefer Gewißheit, 
Schäze, die unfern Voreltern nicht befant gewelen, 
zu finden, wird das Werk fehr fchläfrig getrieben , 
und es find an allen unterirdifchen Orten zufammen 
nicht mehr als 50 Arbeiter, die Sclaven von Algier 
und Tunis mitgerechnet, vertheilet ; und eine große 
Stadt, wie Bompeit iſt, auszugraben, fand ich auf 
meiner Testen Reiſe nur 8 Menfchen befchäftiget. 
6.32. Die Art und Weiſe, mit welcher man 
im Nachgraben verfährer, iſt fo befchaffen, daß nicht 
leicht. eine Sand breit übergangen werden fat. Man 
folget dem Hauptgange in gerader Linie, und aus 
demfelben gehet man auf beiden Seiten heraus, und 
wei ein Raum in’s Gevierte von 6 Palmen nad 
allen Seiten ausgegraben und durchfuchet iſt, wird 
gegenüber ein Naum von gleicher Größe ausgegra⸗ 
ben, und das Erdreich aus diefem wird in dem 
Kaum gegenüber geführet , theils um die Koſten zu 
erfvaren, theils um das Erdreich durch Anfüllung 
zu unterflügen, und fo verfähret man wechſelsweiſe. 
$.33. Ich weiß, daß Auswärtige ſowobl ale 
Neifende, die diefes alles wie im Vorbeigehen fe 
ben oder fehen können, wünfchen, daß nichts möchte 
mit Erdreich angefüllet werden, ſondern daB man, 
wie in gedachten Grundriffen, die ganze unterir⸗ 
Difche Stadt Herculanum aufgebefet' möchte liegen 
fehen. Man tadelt den fchlechten Geſchmak des 
Hofes und berienigen , die fiber diefe Arbeit geſezet 
find; aber biefes iR ein Urtheil nach ben erſten Ein- 
drüken, ohne gründliche Unterſuchung des. Orts und 
anderer Umſtaände. Bon dem Theater gebe ich ee 


bereut. Entdek. 139 


zu, wo diefes möglich, und die Entdelung der Ko⸗ 
ſten würdig gewefen wäre, und man bat übel ges 
than, fih zu begnügen, bie Size zu entdefen, 
welche man fih aus fo vielen alten Theatern vor« 
fielen Eonte; die Scena felbft aber, als das vors 
nehmſte Theil, wovon wir feine anfchauliche Keitt- 
ni haben, bedefet und verfhürtet zu laſſen. 
Unterbefien ift auch izo Hand angeleget, diefem Ver⸗ 
Jangen ein Genüge zu than, und es find die Stie 
gen, welche aus der Arena oder der Blaten zur 
Scena führen, entdefet. Es köñte alfo das here 
eulanifche Theater mwenigfiens ‚unter der Erbe mit 
der Zeit völlig geſehen werben. — 

6.34. Was aber die Aufdefung der ganzen 
Stadt betrift, gebe ich denen, die dieſes wünfchen, 
zu überlegen, daß, da die Wohnungen durch bie 
ungeheure Laſt der Lava erdrüfet worden, man 
nichts als die Mauern fehen würde. Da man fer 
ner-dieienigen Wände, melche bemalet waren, um: 
das Gemalete nicht ber Luft und dem Wetter preis 
zu geben , weggenommen, fo würden bie beiten Häus 
fer eingerifien zu fehen fein, und die Mauern von 
den ſchlechteſten Wohnungen wären fleben geblieben. 
Nächſtdem it leicht zu begreifen, was für ein un⸗ 
geheurer Aufwand es geweien fein würde, alle’ Lava 
megzufprengen, und alles theils verfleinerte, theils 
anderes. Erdreich auszugraben und wegzuführen; und 
zu was für Magen? — Berflörete alte Mam 
ern zu feben. Und endlich hätte man, um ei» 
niger unzeitig Neugierigen Luſt zu ſtillen, eine gang 
wohl gebauete und ſtark bewohnete Stadt 
Yerfiören müßen, um eine verfiörete Stadt 
und einen Saufen Steine am das Richt zu brin« 
gen. Die gänzliche Aufdefung des Theaters aber 
würde nichts koſten, als den Garten der Auguſtiner 
Barfüßer, unter welchen es ſtehet. 


4140 Sendfchreiben v. d. 


S.33. Diejenigen, welche völlig aufgedekete 
pier Mauern verfchüttet gewefener Wohnungen fe- 
ben wollen, fünnen nach PBompeit gehen; aber mar 
will fich nicht fo. viel. bemühen: diefes bleibet nur 
für die Engeländer.. An diefem Drte fan mar 
-alfo verfahren, den die ganze Stadt iſt mit einem 
wenig fruchtbaren Erdreiche bedefet, und da vor Al⸗ 
ters an diefem Drte der köſtlichſte Wein wuchs, 
fo tragen izo die dafelbit bepflangeten Weinberge we⸗ 
zig ein, und es iſt Fein großer Schade, diefelbigen 
zu verwüſten. Man fpürer auch bier mehr, als am. 
andern Orten in felbiger Gegend, eine fchädliche 
Ausdünftung, welche Muffeta heiſſet, und alles 
verdorret, fo wie ich es an einem Haufen. Ulmbäu- 
men fand, die ich vor fünf Zahren frifch: und grün 
gefeben hatte. Diefe Ausdünſtung ifl insgemein der 
Dorbote von einem: nahen Ausbruche des Berges, 
und Aufert fich zuerfi in. Kellern; vor dem lestem 
Ausbruche fielen einige Menfchen, beim Eintritte im 
Die Keller. ihrer Haͤuſer, auf der Stelle todt nieder. 
8.36... Man erfichet aus diefer Nachricht. von 
ben Anflalten su Entdekung dieſer Orte, daß. mit: 
ſolcher Schläfrigfeit annoch. für. die Nachfommen im 
vierten Gliede zu graben. und: zu. finden. übrig blei⸗ 
ben: werde: Mit noch: geringern Koſten künte mas: 
Hielleicht. eben: fo. große. Schaͤze finden ,. weit. man zu 
30330010, 50 Bajä, zu. Euma. und zu Mile 
sum graben wollte; den bier waren: die: präcdLie 
gem Billen der: großen Römer... Aber ber. Hof 
begnügete ſich mit. dem gegenwärtigen Entdekungen, 
und für. fich: darf niemand: eine: merkliche Gruft ma⸗ 
ſchen: Es find: ſogar noch, unbefante: Gebsiude: an 
Dielen: Deten ; wie: en ein englilcher Schifscapitän, 
Ba: er: in dieſer Gegend lag ,: unter Bnid einen gro⸗ 
fen prächtigen Saal unter: ber Erde entdefete „in 
welchen. man num zu Waller: gelangen: fan... Bu dem 


. bereut. Entdek. 141 


ſelben bat fich die ſchönſte Gypsarbeit "erhalten. 
Diele Entdefung gefchahe vor zwei Sahren, und ich 
ſelbſt babe davon allererii nach meiner Rükkunft von 
Neapel, durch Herrn Adam aus Edinburg in Schott- 
Sand, Nachricht erhalten, und die Zeichnungen ger 
feben. Diefer Liebhaber der Künſte, und befonders 
der Baukunſt, ſtehet im Begriffe, eine Neife nach 
©riechenkand und Kleinafien anzutreten. 
$. 37. Nach dem dritten Stüfe, von ber Entbe- 
fung , und von der Art derfelben , tft zulezt im nier- 
ten Gtüfe vornehmlih von den Entdefungen 
felbft Nachricht zu geben , und bier. wiederhole ich 
die Erklärung. welche ich zu Anfange dieſes Send 
ſchreibens gemachet habe, nicht alles zu berühren, - 
noch was ich anderwärts ausgeführet habe, bier zu 
wieberhofen. Sch fange billig bei den entdefeten un- 
gerirdifchen Orten felbit und. den Gebäuden. an., wel- 
he wir unter dem Namen der unbeweglichen Ent- 
dekungen begreifen Eönnen „wo. über. die Bauart, Ge 
bäude und Wohnungen Anmerfungen zu machen find, 
und zwar von jedem der verfchütteten Orte insbe⸗ 
ſondere, fo viel mir von denfelben die geheim ge- 
haltenen Nachrichten einzuziehen: möglich geweſen. 
Smweitens. äber, und vornehmlich, if von den 
tm Muſes aufgefkelleten Entdetungen theils 
über Gemälde, Statuen, Brufibilder und 
Meine Figuren zu. reden, wa th einige In⸗ 
fhriften mit anbänge, theils von den Geräthen, 
und zulest umfändlich von dem entdefeten Schrif⸗ 
sem zu handeln. Der Leſer merke bier das Ver⸗ 
haltniß des neapelſchen Balms, nach welchem 
die mehreften Maße angegeben finds es hält berfelbe 
14 römifche Bolle, und iſt alfo zween Bofle 
\weößer, ale der römiſche Balm. 
: 6.38, Unter den unbeweglihen Entdekun⸗ 
en ii, ber Zeit unh @räße nach, bas erfie und voruchwunte 


142 Sendfchreiben v. d. 


das Theater der Stadt Herculanum. Es hat daſ⸗ 
ſelbe 13 Reihen Size, einen jeden zu 4 vömi- 
fhen Balmen breit, und. einen in der Höhe, . und 
fie find aus einer Art von Tufo gehauen, nicht aus 
harten Steinen, wie Martorelli angibt. ber 
diefe Size erhob ſich ein Porticus, und unter 
demfelben waren 3 andere Reihen Size. 8wiſchen 
den untern Sizen find 7 befondere Aufgänge 
zur Bequemlichkeit, melche Vomitoria heiffen. Der 
Durchmeſſer des untern Sizes iſt 62 nenvelfche 
Balmen, und man bat gefunden, anderthalb Bal- 
me auf die Berfon gerechnet, das in dieſem Theater 
3500 Menfchen figen können, auffer denienigen , die 
in der Arena oder der Cavea Bla; hatten. Die- 
fer innere Plaz war mit flarken Platten von Gie 
allo antico gepflaitert, wie man noch an einigen 
Spuren fiebet, die zum Denkmale übrig gelafien find. 
Diegemwölbeten Gänge unterden Sizen waren mit 
weiffem Marmor beleget, wie die Spuren zeigen, 
und die Eornifche, welche in denfelben umber 
gehet, iſt noch von Marmor übrig. 


6. 39, Dhen auf dem Theater fland eine Dun 
driga, das if, ein Wagen mit vier Pferden 
befyannet, nebft der Figur der Perfon auf demfel- 
ben in Lebensgröße, alles von vergoldetem Erste, 
und man fichet noch i50 die Bafe von weiſſem Mat 
mor, auf welcher diefes Wert fand. Einige bes 
baupten, daß es drei Biga geweſen, oder Drei 
Wagen, icher mit.zwei®ferden,.und diefe Un⸗ 
gewißheit geuget von deu Dumbeit derienigen, die 
an diefer Entdefung Hand hatten. Diefe Werte 
End, mie leicht zu erachten if, von der Lava um⸗ 
geworfen, zerdrüket, und zerſtüket, aber es feblese 
bei: der Entdefung fein Stüt an denfelben. Wie 
verfuhr man aber mit diefen Toflbaren Trümmern ? 


bereut, Entdef, 143 


Es wurden alle Stüfe gefammelt, auf Wagen gela- 
den, nach Neapel geführet, und in dem Schloßhofe 
abgeladen, wo diefelben in einer Efe auf einander 
geworfen wurden. Hier lag diefes Erst, wie altes 
Eifen, geranme Zeit, und nachdem hier ein Stüf 
und dort ein anderes war weggetragen worden, fo 
entfchloß man fich, diefen berbleibfeln eine Ehre 
anzuthun; und worin befland diefelbe ? Es wurde 
ein großer Theil davon zerfchmolgen, zu zwei gros 
fen erboben genarbeiteten Bruflbildern des Königs 
und der Königin. Wie diefe beiden Stüfe gera- 
then fönnen, fiele ich mir vor, obnerachtet ich dies 
felben nicht gefehen habe: den fie find unfichtbar 
geworden, und bei Seite gethban, da man das un⸗ 
wiffende, unverantmwortliche Verfahren anfing zu mer- 
Ten. Die übrigen Stüfe von dem Wagen, von 
den Pferden und von der Figur wurden endlich 
wiederum nach Bortici geführet, und in den Ge 
wölbern unter dem föniglichen Schlofle der. Welt 
völlig aus den Augen gerüfet. Geraume Zeit nach⸗ 
ber brächte der Auffeher des Mufei in Vorfchlag, 
aus den nörigen Stüfen von den Pferden wenig. 
fiens ein einziges zufammenzufezen, und diefes wur⸗ 
de belichet, und durch die Arbeiter in Erzt, die 
von Rom zur Arbeit an andern Entdefungen waren 
verfchrieben worden, wurde Hand an diefes Wert 
geleget. Alle und jede Stüfe zu einem ganzen Pfer- 
de fanden ſich nicht mehr, und es mußten einige 
neue Güſſe gemachet werden, und auf diefe Art 
brachte man endlich ein Bferd, und ein ſchönes 
BPferd, zuſammen, welches in dem innern Hofe des 
Mufei aufgerichtet if. An dem Geſtelle von Mar 
mor flehet folgende Snfchrift, in vergoldeten Buche 
ſtaben von Erst, von: bem berühmten Mazzoechi 


gexuchet: 


142 Sendſchreiben v. d. 


EX. QVADRIGA. AENEA-. 
SPLENDIDISSIMA 
CVM. SVIS IVCALIBYS.. 
CONMINVTA. AC. DISSIPATA. 
SVPERSTES. ECCE: EGO. VNVS. 
RESTO. 

MONNISI. APTR. SEXCENTIS.. 
IN. QYAE. VESVYIVS. ME... 
. ABSYRTI.. INSTAR.. 
DISCERPSERAT, 
MEMBBIS.. 


6 40, In diefer Infchrift könte man einige Kri⸗ 
tie machen über. das. Wort sexcentis, welche Zahl 
gebräuchlich  ift., eine unbefkimte große Zahl 
anzugeben‘, die aber bier viel zu groß id: den 
es würden niht Hundert Stüfe hersus kommen. 
Man fan die Metapher instar absyrii, bier nicht 
allein. ſehr überflüffig, fondern. in dem Style 
der Inſchriften fremde finden; es if auch die 
Derfesung der Worte.von sexcentis big zu ꝓpembris 
zu weit und zu poetiſch. 

$. 41.. Diefes Pferd, gut oder übel: zuſammen⸗ 
gefezet, ſchien wie aus einem Stüke zu fein, bie 
nach und nach die übel vereinigeten verfchmiereten Fu- 
sen fich von der Size öfneten: den es ift fchwer, 
einen meuen Guß an den Bruch eines alten Stüfes von 
‚Erst zu verbinden; und da im März 1759, ‚bei meis 
nem: Dafein, ein großer: Negen. einfiel, - lief das 
Waſſer in die Fugen, : und das Pferd befam die 
Wafferfuht: Diefe Schande der Ergänzung. füchete 
man auf: das forgfältigite zu verbergen ; der Hof bes 
Müfet murbe an drei Tage verſchloſſen gehalten, His 
Das. Wafler aus. dem Bauche abgesapfet war. Bm 
dieſen beforglichen Umſtänden iR dag. Pferd bis ige 
ohne weitere Hülfe, welche ſchwer werden würde, 
ſtehen geblieben ; und diefes iR die. @efchichte der 


hereul. Ente, 445 


vergoldeten Quadriga von Erzt auf der 
Spize des hereulaniſchen Theaters. 

$. 42. Bon dem Theater war nicht weit entfernet 
ein runder Tempel, wie man glaubet, des Her⸗ 
Tules, von deffen inwendigen Mauern die größten 
Gemälde, welche in dem erften Bande ſtehen, 1) abge- 
nommen find. Diele Hnd der Theſeus, welchem die 
arbenienfifchen Knaben und Mädchen die Hände Füf- 
fen, da er von Kreta zurüffem , und den DMino- 
taur erleget hatte, und an diefem, als dem größten 
Stüfe, ſiehet man die Nunde der Mauern. Die 
übrigen find die Geburt des Telephus, bat 
Shiron und Achilles, und Ban und Olympus. 

6. 43, Diefe Gebäude flanden an dem öffentlichen 
Plage der Stadt, mo die marmornen Statuen zu 
Bferde, des ältern und des jüngern MoniusBal⸗ 
dus, gefunden wurden, von welchen diefe, weil fie 
am beften erhalten, zuerſt ergänzet und in dem Por⸗ 
tal des Föniglichen Schloffes unter einem Haufe von 
Glas gefezet worden. Bene Statue fiehet diefer ges 
genüber; der Plaz zu derfelben aber iſt nicht aus⸗ 
gebauet. Das Kupfer von der einen, welches aus 
dem Gedächtniſſe gezeichnet, und in Gori Symbolis li- 
terariis geflochen iſt, gibt einen ziemlichen Begrif 
von benfelben. 

Nahe an diefem öffentlihen Plage Ing eine Bis 
Ia oder ein Landhaus, nebſt zugehörigem Gare 
ten, welches ch bis -an das Meer erfirefete; und 
in derſelben And die alten Schriften, von wel⸗ 
chen in dem Testen Abfchnitte dieſes Stüks geredet 
wird, und die Bruftbilder von Marmor in den 
Vorzimmern der verfiörbenen Königin, nebſt rinigen 
fhönen weiblichen Statuen von Erzt, gefun⸗ 
den. Überhaupt if gu merken, daß das Gebinde 


4) [Der Pitture d’ Ercolano.] 
Winckelmañũ. 2. 


7 


116° Sendfchreiben v. d. 


diefer ſowohl als anderer Villen an diefem und an 
andern benachbarten Orten, »nebſt andern Wohnuns 
gen, nur von einem einzigen Geſtoke gewefen. 
Diefe Billa Schloß einen großen Teich ein, Welcher 
252 neapelſche Palmen Iang und 27 breit war, 
und an beiden Enden war derfelbe in einen halben 
Birfel gezogen. Nund umher waren mas wir Gar 
tenflüfe nennen, und dieſer ganze Pla; war mit 
Säulen von Ziegeln, mit Gyps übertragen, befezet, 
deren 22 an einer und am ber längſten Seite fian- 
den, und 10 in der Breite. Dben aus diefen Säu- 
len gingen Balfen bis in die. Mauer, die um den 
Garten gezogen war, und diefes machete eine Lau- 
be um den Teich. Unter derfelben Waren Abthei- 
Sungen zum Wafchen oder Baden, einige balb rund 
und andere efig, mechfelmeife. Zwiſchen den Säu- 
len flanden erwähnte Bruſtbilder, und wechfelweife 
mit denfelben die weiblichen Figuren von Erzt. Um 
die Mauer des Gartens umher von auſſen war ein 
fchmaler Wafferfanal geleitet. Aus dem Garten 
führete ein. langer Gang zu einer .offenen runden 
Loggia oder Sommerfize am Meere, welche 
25 nenpelfche Balmen vom Ufer erhöhet war, und 
von dem langen Gange ging man pier Stufen zu 
dem runden Blaze hinauf, wo oben gedachtes fchöne 
Paviment oder Efrih von Marmo Africano 
und von Giallo antico war. Es beſtehet dafiel- 
be aus 22 Umkreiſen, die fich gegen den Mittelpunkt 
veriüngen, von feilförmig gehauenen und abwechſeln⸗ 
den Steinen, in deren Mitte eine große Hofe iſt, 
und dienet izo zum Fußboden in dem zweiten Zim- 
mer des berculanifchen Muſei; es halt 24 römiſche 
Palmen im Durchmeffer. Um dieſen Fußboden ging 
eine Einfaffung von weiſſem Marmor, von anderthalb 
nenpelfchen Balmen breit , welche beinabe einen hal⸗ 
ben Palm höher Ing. Es war dieſes Werf, wie oben 


bereut. Entdet. 117 


geſaget iſt, 102 neapelſche Balmen unter der Erde, 
und mit der Lava des Veſuvius bedefet. Auſſer der 
Bibliothek war in diefer Billa, fo viel ich habe 
erfahren Finnen, ein Fleines völlig dunkeles 
Zimmer, etwa von 5 Balmen lang, nach allen 
Eeiten, und an 12 Palmen body, welches mit 
Schlangen bemalet war, woraus zu fchließen wäre, 
daß es dem eleufinifchen geheimen Aberglauben ges 
dienet hätte, welches ein fchöner Dreifuß von Erst, 
den man bier fand, wahrfcheinlicher machet. Bon 
großen hersulanifchen Gebäuden find bis izo noch nicht 
mehrere entdefet. 

$. 44, Unter den unbeweglichen Entdefun 
gen der Stadt Pompeji will ich mich auf einen 
kleinen vierefigen Tempel oder Kapelle ein 
fhränfen, welcher im Sahre 1761 ausgegraben 
wurde. Es gehörete derfelbe zu einem großen Haufe 
der Villa, und der Gipfel, welcher mit allerhand 
Zanbwerfe ausgemalet war, ruhete auf vier Säu⸗ 
Ien, welche gemauert und übergypſet waren, etwa 
anderthalb Balme im Durchmeiler, und 7 Balme 
7 Bolle hoch, mit gerizeten Einfchnitten,, die Rei⸗ 
fen an benfelben anzuzeigen. Eine von dieſen Säu⸗ 
Ien fiehet in dem Hofe des herculanifchen Muſei. 
Der Tempel war zwo Stufen erbaben, und gwifchen 
dem mittleren Intercolumnio , welches fehr viel wei- 
ter als die andern war, gingen innerhalb drei an⸗ 
dere ‚, aber rund binein gefchweifte Stufen, bis an 
den Fußboden diefes Tempels, welcher alſo um fo 
viel höher lag, als die Säulen fianden; diefe Stu⸗ 
fen waren nit Blatten von ſchlechtem Marmo Cipol⸗ 
lino beleget. Innerhalb diefes kleinen Tempels land 
eine Diana im hbetrurifchen Style auf einer. 
Bafe, welche ebenfalls mit Marmor beleget mar. 
Vor dem Tempel, auf der Seite gegen den rechten 
Ef deffelben , Hand ein runder Altar; auf der an 


148 Gendichreiben v. d. 


dern Seite war ein Brunnen; gegen den Dempel 
über war eine Ciſterne, und in den hinein geſchweif⸗ 
ten Efen derfelben waren vier Brunnen, oder Df- 
nungen aus der Eiflerne, um das Waffer mit mehr 
Bequemlichkeit zu ſchöpfen. Das einzige Gehäude 
bon zwei Geſtok in allen Entdefungen iſt bier .gr- 
funden , und man wird daffelbe beſtändig aufgedefet 
feben fünnen. Als ih mich im Fehrunrio diefes 
1762 Sahrs mit dem Auffeher des Mufet daſelbft 
befand, waren die Arbeiter befchäftiget, ein bemal- 
tes Zimmer auszuräumen, und eine Art von 
Credenztiſch an das Licht zu bringen, welcher mit 
Marmor beleget war, und am eben dem Drte fand 
man eine Sonnenuhr. 

$. 45. Bu Gragnano, oder in dem alten S:ta- 
bia, fand fich eine Villa oder Landhaus, welche in 
den mehreſten Stüfen der herculantfchen ähnlich war. 
Mitten im Garten war ein Teich von vier gleichen 
Abthetlungen, über welche eben fo viel Fleine Brü- 
fen von einem Bogen gingen. Hm den freien Plaz 
umher waren auf der einen Seite 10 Gartenſtüke; 
auf der andern Seite 10 Kammern zum Wafchen 
oder Baden, welche, wie im Herculano, balb rund 
und ekig wechſelweiſe folgeten: Diefe Kammern ſo⸗ 
wohl, als jene Felder, waren durch eine Laube be⸗ 
deket, welche ſo wie jene gemachet war, und vorwärts 
auf eben ſolchen Säulen ruhete. Um den ganzen 
Garten war ein Waſſerkanal au der innern und äuſſern 
Geite der Mauer geleitet, vermutblich das Regen⸗ 
waſſer zu Sammeln: ben von Wafferleitungen bat 
fich bier keine Spur gefunden, und man wird in 
biefer Gegend größtentbeils von Wafler vom Him⸗ 
mel gelebet haben; wie dei is dem Atrio dieſer 
Billa felbft eine große Kiflerne war. Eben fo war 
ber erflaunende Wafferbebälter für die römische 
Flotte bei Mifenum, Bifcina mirabilis genannt, 


bereut, Entdek. 149 


mit. Negenwaſſer angefüllet, und die Soldaten ber 
Flotte trugen daffelbe hinein, wie man noch izo aus 
einigen Röhren. in der Höhe. fchließen Fan, mo ver- 
muthlih das Wafler hineingegoffen wurde. Diefer 
unterirdifche Behälter ſtehet auf 5 langen Bogen, 
ein jeder von 13 römifchen Balmen breit, und eben 
fo. weit ſtehen die Pfeiler von einander. 

$..46.. Bon denin dem Mufeo enthaltenen Ent- 
defungen und Geltenbeiten find zwo Klaflen 
zu machen, unter denen bie erfie die Sachen der 
Kunf und die Geräthe enthält, die zwote aber 
die gefundenen Schriften. Von der erfien 
Art: ii zuvorderſt der Gemälde zu gedenken, von 
‚welchen izo über 1000 Stüke, große und Heine, 
daſelbſt ind: Es find diefelben alle in Holz gefaflet 
mit vorgefegetem Glafe, und einige. der größten, 
als dee Thefeus, der Telephus, der Chiron 
nn. f. f. haben’ ihre Olasthüren,- um diefelbe genauer 
betrachten zu können. Die mehreflen find auf ei⸗ 
nem trofenen Brunde oder a tempera, ge 
malet, wie auch in der Befchreibung diefer Gemäl- 
de angezeiger iſt, und einige wenige find auf naf- 
fen Gründen, ober a frefeo.. Da man aber 
anfänglich in der Meinung fand, daß alle Gemälde 
auf- der Mauer auf naffe Gründe. gefezet wären, 
und hierüber kein Bweifel entfiand , fo: wurde die 
Art der: Malerei an diefen Stüfen nicht unterfuchet. 
Zu gleicher Zeit fand fich ein Menſch, welcher mit 
einem Firniß, hervor. Fam, diefe Gemälde zu erhal- 
ten, und: mit" Diefem wurden fogleich alle dieieni- 
gen, welche entdefet. waren, überzogen, ind folg- 
lich iſt es nicht: mehr. möglich, die Art der Malerei 
an denfekben zu: unterfuchen. Die allerfhönften 
find die Figuren der Tängerinen und der Cen⸗ 
tauren, von etwa. einer. Spante lang, auf einem 
ſchwarzen Grunde, welche von einem- großen 





150 Sendſchreiben v, d. 


Meiſter Zeugniß geben: den fie find flüchtig m 
ein Gedanke, und fhön, wie -von der Han 
der Gratien ausgeführet. Die nachſten nach di 
fen find zwei Stüke, die zuſammengehöreten 
von etwas größeren Figuren!) wo auf dem eine 
ein junger Satyr ein Mädchen küſſen wil 
und auf dem andern iſt ein alter Satyr in e 
nen Hermaphroditen verliebet. Wohllüſtiger fa 
nichts gedacht, und ſchöner nichts gemalet fein.: 
Auſſerdem find einige Frucht, und Blumenſtül 
in diefer Art Malerei unverbefierlich. 

$.47. Wir können hieraus den Schluß machen 
Wen an einem Orte, wie Herculanum mar 
und auf Mauern in Häufern, foausnehmend 
Stüfe gewwefen: mie vollfonimen mäßen di 
Werke der großen und berühmten griechi 
Then Maler in den beſten Zeiten geweſe 
fein? Näher zu der Nichtigkeit dieſes Schluſſe 
werden wir auch bier durch augenfcheinlihe Bi 
weife an vier Gemälden geführet, welche zwar 5 
Stabia gefunden, aber nicht daſelbſt gemaler ſini 
Es wurden diefelben, zwei und zwei, mit der um 
gefehrten Seite der Mauer: anf einander geleget 
auf dem Boden des Zimmers gedachter Billa; a: 
der Mauer angelehnet gefunden, und maren alfo an 
bermärts ausgeſaget, und meggenommen, vielleich 
in Griechenland, und hieher gebracht, um in di 
Mauer bes Zimmers eingefezet zu werden, ba der ein 
brechende Auswurf diefes verhinderte. Diefes ti 
eine Entdefung, welche zu Ende des vorigen 176 
Vahrs gemachet worden. Die Figuren find etwa vo 
anderthalb Spannen mit dem größten Fleiſſe, meh 
als irgend eines von ben vorher entbefeten ausgeführet 


3) Pitture d’Ercol. t. 1. tar. :5— 16. ‘ 
2) [Siehe unten die Nachricht en ic. $.55.J 


bereut, Entdek. 151 


und alle viere haben ihre mit verfchiedenen Karben 
gezogene Einfaſſung. Schade iſt es, daß zwei da» 
von zerbrochen und dadurch befchädiget ind. Ach ha⸗ 
be diefelben in meiner Geſchichte der Kunſt des 
Altertums H umfändlich befchrieben. 

$. 48, Hier ift zu erinnern, daß alle dieienigen 
Semälde auf der Mauer, welche aus Stalien, jen⸗ 
feit der Alpen, es fei nach Engeland, Frankreich 
oder nach Deutfchland, gegangen find, für Betrü- 
gereien zu halten. Der Herr Grav Caylus ließ 
eines dergleichen, als ein altes Gemälde, in feinen 
Samlungen von Altertümern flechen, weilman 
es ihm als ein Stüf aus dem Hereulano verfaufet hatte, 
Dem Marfgraven von Baireutb murden bei feiner 
Anmwefenbeit. in Nom verfchiedene von diefen Ge- 
mälden aufgehänget, und ich höre, daß dergleichen 
Betrügereien auch an andere deutfche Höfe vertrieben 
worden. Es find diefelben alle von einem fehr mit- 
telmäßigen venetianifchen Maler, Joſeph Gu⸗ 
erra, in Rom, welcher im vorigen Sahre verflarb, 
gemachet ; und es ift Fein Wunder, daß Fremde fich 
mit diefer Arbeit haben anführen laſſen, da diefes 
einem in Altertümern fehr erfahrnen und weitläuftig 
gelehrten Manne widerfahren if. Diefes if der 
Sefuit Pater Contucei, Auffeher der Studien und 
des Muſei in dem Collegio Romano, welcher mehr 
als vierzig Stüfe erhbandelte, in der Verſicherung 
von Schäzen, welche aus Sicilien, ia gar aus 
Balmyra gebracht worden: dent man fäget, daß 
viele diefer Gemälde nach Neapel gefchifet worden, 
welche man von da zurüffommen Tief, um der 
Berrügerei einen Schein zu geben. Auf. einigen 
find ſelbſt erfundene Buchſtaben geſezet, die 
mit feiner befanten Sprache eine Verwandtſchaft 


1) [718. 3 8. 18 $.) 


452 Sendichreiben v. d. 


haben, zu deren Erklärung aber ſich vielleicht ein 
zweiter Kircher gefunden hätte, wei der Betrug 
noch einige Zeit verdefet geblieben wäre. Es müßen 
diefe Gemälde aber Perſonen, ich wi nicht fagen, 
die in der Kunſt oder in den Altertimern erfahren 
And, fondern Geſchmak befizen, in die Augen 
fallen: den gedachter Maler zeiget nicht die allerge- 
ringfie Kentniß in Gebräuchen und Gewohnheiten 
der Alten, oder in ihren Formen, fondern er ent- 
warf feine Sachen wie blindlings, und fehuf eine 
neue Welt, dergeſtalt, daß, wen ein einziges von 
feinen Stüfen hätte alt fein können, das ganze Sy- 
ſtem der Kentniffe des Altertums umgeworfen fein 
würde. Inter den Gemälden der Jeſuiten z. B. if 
Eyaminondas, wie er aus der Schlacht bei Man⸗ 
tinen getragen mird, und diefen Helb hat er mit 
einer völligen Rüſtung von Eifen, wie fie in den 
alten Turnieren üblich war, vorgeflellet. Auf einem 
andern iſt ein Thiergefechte in einem Amphi⸗ 
theater, und der vorfisende Prätor oder Kaifer 
bat den Arm auf den Grif eines bloßen Degens, 
wie die aus dem dreiffigiähbrigen Kriege find, 
geflüget. Die größte Fruchtbarkeit der Ideen dieſes 
Malers befiehet in ungeheuren Priapen, und feine 
Begriffe der Schönheit find fpillenmäßige, 
Ianggezogene Figuren. Da nun in Nom diefe 
Arbeit fait durchgebends für das, mas fie war, er 
fant wurde, lich fi dennoch vor zwei Zahren ein 
Engeländer verleiten, für 600 Scudi von foldhen 
Stüfen zu erhandeln. 

6.49. Nach den Gemälden And die ſchönſten 
Statuen, die merkwürdigſten Bruftbilder, 
und einige Fleine Figuren zu berühren. Don 
marmornen Statuen verdienen, aufler den bei⸗ 
den zu Pferde, zwo weibliche Figuren in Le 
bensgröße, wegen ihres [hin gearbeiteten Gewandes, 


“ hereul. Entdet. 453 


betrachtet zu werden, die ihren Plaz in dee Galerie 
- belommen. In dem Hofe des Mufei ſtehet die Muts 
ter bes Nonius Balbus, wie die erhaltene In⸗ 
fchrift an dem Geftelle derfelben zeiget, mit einem 
. Theile ihres Gemandes oder Mantels bis auf den 
Kopf geworfen, welches, um demſelben eine Gratie 
zu geben, oben über der Stirne ſpiz gefniffen if! 
eben fo gefniffen it das Gewand auf dem Kopfe 
der Tragödte auf der Vergötterung des 90 
merns, im Palaſte Colonna. Dieſes iſt eine Kleie 
nigfeit, die nicht verdiente angemerfet zu werden, 
die ich audy ſelbſt kaum bemerfet hätte, wen nicht 
Ewper?!) diefe gefniffene Falte fich als etwas Be⸗ 
fonderes vorgeftellet und geglaubet hätte, hier Dasies 
nige zu finden, was die Griechen oyxos nennen, 
welches ein Auffaz von Haaren iſt, der fich auf 
den teagifchen Larven, beiderlei Gefchlechts, über 
der Stirne erhebet. Die Zeichnung zu feinem Au» 
pfer bat ihm verführet: den auf dem Marmor ifl 
dieſe Spize nicht fo hoch, tft. auch nicht in eine Fal⸗ 
te übergefchlagen, wie er es vorfellen laſſen. Auf- 
fer diefen ift eine Ballas ın Lebensgröße vor allem 
andern Statuen in Marmor zu merken, und allem 
Anfeben nach if diefelbe nicht bier gearbeitet wor⸗ 
den, fondern muß weit älter fein, und aus dem äl⸗ 
teren griechifchen Style, oder nahe an bemfelben: 
den es bat dieſelbe tm Geſichte eine gewifie Härte, 
und in der Kleidung gepkättete parallele Falten, als 
Zeichen von dem, was ich fage. Merkwürdig if ibr 
Agis, welcher am Halfe gebunden, und bernach über 
ben Arm geworfen ift, um ihr anflatt eines Schildeg, 
etwa in dem Streite wider bie Titanen, gu die 
sen: den diefe Göttin iſt bier wie im Kaufe gebend, 
und hat den rechten Arm erhoben, wie einen Wurf: 


1) Apotheos. kom. p. Sı. seq. . 


4154 Sendfchreiben v. d. 


fpieß gu werfen. Es iſt auch zu Bompeit, in gedach« 
. tem kleinen Tempel, eine Diana gefunden, - welche 
ungezweifelt betrurifch if. Diele wird umiländ- 
lich in der Geſchichte der Kunſt befchrieben. 1) 
Bon ägyptiſchen Werfen bat fih eine Heine 
mänliche Figur von ſchwarzem _Fleinförnichtem Gra- 
nite, mit einem fogenanten Modio auf dem Kopfe, 
geflinden, welche famt der alten Bafe 3 Palme und 
3 Zolle, römifches Maß, hält; es trägt diefelbe 
eine runde Tafel von eben dem Steine, die im 
Durhneiee 2 Palme und 7 Zolle bat. 

‚50. Hier werden Sie fih erinnern, Hochge⸗ 
vorher Grav, daß in dem ergangenen FTöniglichen 
Befehle, über den mir befonders ertheileten Zutritt 
im Muſeo, diefe Freiheit auf das, was zu fehen 
erlaubet ift, eingefchränfet war. Sch beffand damals 
nicht auf der Erflärung diefer Clauſel; ich glaube 
aber, daß dDiefes theils von dem, mas von Altertüs 
mern in den. Gewölben unter dem Eöniglichen Schloffe 
lieget, zu verfichen fei, vornehmlich aber eine une 
züchtige Figur betreffe. Bu jenen bin ich gelanget, 
da ich mir die Vertraulichkeit des Auffehers erworben 
hatte; die Figur aber wird niemanden, als auf eis 
genhändigen Befehl des Königs, gezeiget, und diefen 
bat noch niemand gefuchet, folglich wollte ich nicht 
der erfie fein. Es flellet diefes Werk in Marmor ei⸗ 
nen Satyr mit einer Biege vor, welcher etwa über 
drei römifche Balmen groß iſt, und man faget, es fei 
fehr fchön. ) Es wurde unmittelbar nach der Ente 
A)UB. 28 146.681 817 — 18 $) 

2) Späterhin koftete es weniger Schwierigkeit, diefed Wert 
su fehen. Der herzoglich meklenburgiſche Hofbildhauer 
Bufch in Rom hat vor etwa 12 Jahren biefe merfwürs 
dige Grupe, nach einer an Ort und Stelle verftöhlen 
gemachten Zeichnung von Carſtens, in Holz gefchnitten. 
Der Styl ded Werks ift von keiner befondern Edönheit, 
aber ber Ausdruk ift von großer Wahrheit, Fernow. 


hereul. Entdek. 155 


defüng derfchloffen dem Könige nach Caſerta, wo da⸗ 
mals der Hof war, gefchifet und wiederum unverzüg- 
lich und verfchloffen dem föniglichen Bildhauer zu 
Bortiet, Seren Joſeph Canart, zur Verwahrung 
übergeben, mit gemeldetem fcharfem Befehle. Es 
iſt alfo falfch, wen fih einige Engeländer rühmen 
wollen, diefes Stüf gefehen zu haben. 
$. 51. Die größten Statuen in Erst fielen Ka i⸗ 
fer und Kaiſerinen vor, und werden an sehen fein, 
alle über Lebensgröße; aber diefe find mittelmäßig, 
und es ift nichts an denfelben zu merfen, als an eis 
nigen der Ring an dem Goldfinger der rechten Sand, 
befonders einer, auf welchem ein Lituus geflochen 
il. Die ſchönſten Statuen find ſechs weibliche 
Figuren, theils in Lebensgröße, theils Feiner, 
welche auf der Trepe zum Muſeo fliehen, und drei 
männliche Statuen in Lebensgröße, in dem Muſeo 
ſelbſt, nämlih ein alter Silenus, ein junger 
Satyr und ein Mercurius Die weiblichen Fir 
guren find diejenigen, welche in dem Garten der her- 
enlanifchen Billa, nebft den Brufibildern von Mar⸗ 
mor, wechfelmeife um den großen Teich fanden. Sie 
‘find befleidet, und ohne viel Action, auch ohne beis 
gelegete Beichen, welche eine gemiffe Benennung der 
ſelben veranlaffen fönten; fie And aber idealiſch, 
und haben alle ein Diadema. Die eine fcheinet 
im Begriffe, fi den kurzen Mantel auf der Schulter 
Inszufnüpfen, oder denfelben durch den Knopf bee 
fertiget zu haben; eine andere faflet fich an ihr Haupt⸗ 
haar; eine dritte hebet den Rok ein wenig in die 
Höhe, nah Art der Tanzgenden. Der Stlenus 
lieget auf einem Schlauche, über welchen eine Löwen⸗ 
haut geworfen iſt, und fchläget mit der rechten Sand 
ein Schnipchen, fo wie eine Statue des Sarda 
napalus vorgefiehet war. !) Der junge Satyr 
1) [Mar fehe unten bie Nachrichten ıc. S. 74.) > 


4154 Sendfchreiben v. d. 


fpieß zu werfen. Es iſt auch zu Bompeit, in gedachs 
tem fleinen Tempel, eine Diana gefunden, - welche 
ungezweifelt hetrurifch if. Diefe wird umſtänd⸗ 
lich in der Geſchichte der Kunſt befchrieben. 1) 
Bon Ägyptifhen Werfen hat fich eine Feine 
mänliche Figur von ſchwarzem kleinkörnichtem Gra- 
nite, mit einem fogenanten Modio auf dem Kopfe, 
gefunden, welche fanıt der alten Bafe 3 Palme und 
3 Zolle, vömifhes Maß, hält; es trägt diefelbe 
eine runde Tafel von eben dem Steine, die im.. 
Durchmefler 2 Palme und 7 Zolle bat. 

8. 50. Hier werden Sie fi erinnern, Hoch ge⸗ 
borner Grav, daß in dem ergangenen Eöniglichen 
Befehle, über den mir befonders ertheileten Zutritt 
im Muſeo, diefe Freiheit auf das, was zu fchen 
erlaubet ift, eingefchränfet war. Sch befland damals 
nicht auf der Erflärung diefer Slaufel; ich glaube 
aber, daß diefes theils von dem, mas von Altertü- 
mern in den Gewölben unter dem königlichen Schloſſe 
lieget, zu verſtehen fei, vornehmlich ‘aber eine uns 
züchtige Figur betreffe. Zu jenen bin ich gelanget, 
da ich mir die Vertraulichkeit des Auffehers erworben 
battez die Figur aber wird niemanden, als auf ei⸗ 
 genhändigen Befehl des Königs, gezeiget, und diefen 
hat noch niemand geſuchet, folglich wollte ich nicht 
der erſte fein. Es ftellet dDiefes Werk in Marmor ei» 
nen Satyr mit einer Biege vor, welcher etwa über 
drei römifche Balmen groß ift, und man faget, es ſei 
fehr fhön. ) Es wurde unmittelbar nach der Ent⸗ 
YUB.28146.6%1 817 — 1886) 

2) Späterhin koftete es weniger Schwierigkeit, diefed Wert 
zu fehen. Der herzoglich meklenburgiſche Hofbildhauer 
Busch im Rom bat vor etwa 12 Jahren biefe merkwür⸗ 
dige Grupe, nach einer an Ort und Stelle verftöhlen 
gemachten Zeichnung von Earftens, in Holz gefchnitten. 
Der Styl ded Werks int von feiner befondern Schonheit, 
aber der Ausdruk ift von großer Wahrheit, Fernow. 


berenf, Entdek. 155 


defüng Herfchloffen dem Könige nach Caſerta, wo da⸗ 
mals der Hof war, gefchifet und wiederum unverzüg⸗ 
lich und verfchloifen dem Föniglihen Bildhauer zu 
Bortici, Heren Joſeph Canart, zur Verwahrung 
übergeben, mit gemeldetem fcharfem Befehle. Es 
ift alfo falfch, wen fich einige Engeländer rühmen 
wollen, diefes Stüf gefehen zu haben. 

$. 51. Die größten Statuen in Erzt fiellen Kat» 
fer und Kaiferinen vor, und werden an sehen fein, 
alle tiber Lebensgröße; aber diefe find mittelmäßig, 
und es iſt nichts an denfelben zu merfen, als an eis 
nigen der King an dem Goldfinger der rechten Sand, 
befonders einer, auf welchem ein Lituus geflochen 
if. Die fchönften Statuen find ſechs weibliche 
Figuren, theils in LXebensgröße, theils Eleiner, 
welche auf der Trepe zum Mufeo fliehen, und drei 
mänliche Statuen in Lebensgröße, in dem Muſeo 
ſelbſt, nämlih ein alter Silenus, ein junger 
Satyr und ein Mercurius Die weiblichen Fir 
guren find dieienigen, welche in dem Garten ber her- 
enlanifchen Villa, nebſt den Brufibildern von Mare 
mor, wechfelmeife um den großen Teich fanden. Sie 
‘find befleider, und ohne viel Action, auch ohne bei» 
gelegete Zeichen, welche eine gemiffe Benennung’ der- 
felben veranlaffen köñnten; fie find aber idealiſch, 
und baben alle in Diadema. Die eine fcheinet 
im Begriffe, fih den kurzen Mantel auf der Schulter 


Ioszufnüpfen, oder denfelben durch den Knopf ber 


feſtiget zu haben; eine andere faſſet ſich an ihr Haupt⸗ 
haar; eine dritte hebet den Rok ein wenig in die 
Höhe, nach Art der Tanzenden. Der Silenus 
lieget auf einem Schlauche, über welchen eine Löwen⸗ 
haut geworfen ifl, und fchläget mit der rechten Sand 
ein Gchnipchen, fo mie eine Statue des Sarda 
napalus vorgefiellet war. 1) Der junge Satyr 

41) (Man fehe unten ie Nachrichten sc. 6. 74.). N 


⸗ 


. 156 GSendfchreiben v. d. 


ſizet und fchläfet, fo daß der eine Arm hänge. Der 
Mercurius aber, welcher unter allen Statuen zu⸗ 
lest gefunden worden, iſt die fchönfte unter. allen: 
er fizet: ebenfalls, und das. Befondere find. deffen Flü— 
gel, welche an die Füße gebunden find, fo- daß der- 
Heft von. den Riemen, in Geflalt einer platten 
Roſe, unter der. Fußfohle flehet, anzuzeigen, : daß 
diefer. Gott. nicht zum Gchen, fondern. zum Flies 
gen gemachet fei. 

6. 52... Die Bruſtbil der find: theils in Mars 
mor, theils.in Erst; jene find alle. in Lebensgröße, 
und ſtehen noch zur Zeit nicht. in dem Mufeo, fon- 
dern in. einem Vorzimmer der höchſtſelig nerfiorbe- 
nen Königin... mo diefelben gelafien find, um dem 
Gaftellane denienigen Verdienft, welchen ihm diefel- 
ben einbringen, nicht zu. entziehen. Die merfwür- 
digſten find ein Archimedes, mit. einem krauſen 
kurzen Barte, welcher den Namen fchon vor. Alters 
mit ſchwarzer Farbe oder Dinte angefchrieben: hatte: 
vor fünf Bahren Ins. man noch die erfien fünf Buche 
fiaben APXIM, izo aber. find diefelben, durch das 
öftere Begreifen, faft gänzlich verlofchen. Ein an⸗ 
deres mänliches- Bruftbild hatte auch den Namen an- 
gefchrieben ; es waren aber kaum noch drei Buchſta⸗ 
ben AOH fichtbar,. die. es izo auch nicht mehr find. 
An einem andern mäitlihen Kopfe iſt der Bart: unter: 
dem Kinne in einen Knoten gefchürzet, wie es ein 
Kopf im Samnidoglio za Nom bat; Inter den weib⸗ 
lichen Bruftbildern iR eine fchöne- ältere Agrip⸗ 
pina, welche einen Kranz. um bie Haare, von. ben 
länglichten Berlen, zuſammengeſezet bat.. 

6. 53, Die Brufbilder von Erst find theils: 
in und über Lebensgröße, theils balb.e Natur und 
unter dieſer Größe, und in beiden, fonderlich in 
ber erfien Art bat dieſes Muſeum vor allen in dee 
Belt den Vorzug. Don großen Köpfen find fechs 


bereut. Entdek. ' 157 


derfelben befonders zu merken, und zwar bie drei 
.erftien vornehmlich wegen der Arbeit an den Haa⸗ 
zen, deren Loken angelöthet find. Der eine und 
‚der älteſte (e8 zeiget derfelbe den älteſten Styl der 
‚Kunft,) bat funfzig Loken, wie von einem Drathe, 
in der Dife einer Schreibfeder, geringelt; der zweite 
‚bat acht und ſechzig Loken, welche aber platt find, 
and wie ein fchmaler Streifen Papier; mei es mit 
‚den Fingern zufammengerollet., und hernach ausein- 
ander ‚gezogen würde; die hintern am Halfe haben 
"zwölf Windungen; diefe beiden find von jungen Hel⸗ 
nen, und ohne Bart; der dritte aber, mit einem 
langen Barte, bat nur die Seitenlofen angelöthet, 
and ift insbefondere wegen der Ausarbeitung zu bes 
wundern, welche .offenbar alles Vermögen und Ges 
‚SchtElichkeit ‚unferer Künfller weit übertrift; dieſes 
if eines der vollkommenſten Werke auf der Welt, es 
gehöret unter die Schönsten Dinge aller Art, die man 
feben kañ. Man nennet diefen Kopf insgemein ei⸗ 
nen Blato; es if derfelbe ide aliſch. Der vierte 
Kopf ift ein Seneca, und der ſchönſte unter ner 
fchiedenen Bildern deffelben in Marmor, ‚von mel- 
chen der befle in der Billa Medicis .befindlich if: 
man Lönte .ehenfalls behaupten, daß die Kunſt in 
demfelben für unfere Zeiten unnachahmlich fei, ob⸗ 
gleih Blinius berichtet, daß die Kunfl, in Erzt gu 
arbeiten, unter dem Nero gänzlich gefallen ſei. 1) 
Die beiden andern find Bruſtbilder von der ganz 
alten Form, und haben auf den Seiten zween her- 
vorgehende bewegliche Balken oder Heben von Die 
sol zum Tragen; das eine flellet einen iungen 
Held vor, das andere. eine weibliche Berfon. 
Ste fcheinen beide von ebendemfelben Meifter zu 
fein, und jenes tft mit dem Namen des Künfllers: 


4) [Man fche unten bie Nachrichten ꝛc. 9. 79 


4158 Sendſchreiben v. d. 


ATIOAAQNIOZ APXIOY AOHNAIOZ ENIQOHZEI) 


(„Apollonius, des Arch ias Sohn, aus Athen, hat 
„es gemachet. “) Über die Form des Wort EIIQHZE 
habe ih an feinem Drte in ber Befchichte der 
Kunft geredet.  Diefes müfen Werke aus der 
beften Zeit der Kunft fein. Martorelli 9) glau- 
bet in dem Kopfe diefes Helden das Bild des Alei⸗ 
biades zu finden; und warum ? — weil der Künſtler 
ein Athenienfer if. Ganz und gar feinen Grund 
aber Hat der römifche Prälat und Erzbifchof in par- 
tibus, Bajardi, 4) in diefem Kopfe einen jungen 
Römer zu finden, fo wie in dem weiblichen Bruſt⸗ 
bilde eine römiſche Frau. | 
654 Unter den Fleinen Bruſtbildern machen 
fich einige mit dem Namen der Perfon merfwürdig. 
Eines it Epifurus, und dem im Gampidoglio 
vollfommen ähnlich; ein anderes ift von deffen näch⸗ 
ſtem und unmittelbarem Nachfolger Hermarchus 
(EPMAPXOC), aud ein Zeno ift bier mit deffen 
- Namen. Sonderlic find zwei Bruffbilder des De⸗ 
moſthenes, das Eleinere mit deffen Namen, zu 
merfen, welches zum Beſchluſſe diefes Sendfchrei- 
bens angebracht ifl.”) Es kan alfo der in Spanien 
gefundene erhoben genrbettete Kopf eines jungen Men⸗ 
fchen ohne Bart mit eben dem Samen nicht den bes 
rühmten athenienfifchen Redner voritellen, für wel⸗ 
chen ihn Fulvtus Nrfinus, und nah ihm an- 
dere, genommen, als welcher noch nicht berühmt ge> 
weſen fein kañ, che er ſich den Bart wachfen ließ. 


1) [Man fehe unten die Nachrichten ıc. $. 80.] 
2) 18 B. 3. 4 5. 10 B. 1 K. $. 11 — 12) 

3) De Reg. Theca Calamar. p. 46. . . 

4) Catal. de’ Monunı. d’Ercol. p. 169 — ı70. 

5) [Die Abbildung unter Numero 16.) 


⸗ 


hercul. Entdek. 159 


6. 55. Auſſer diefen Brufibildern finden ſich in 
den Vorrathsfammern des Mufei eine Menge Feiner 
hoch erhobener Bruftbilder von Erst, auf einem run« 

den Felde, wie auf einem Schilde, welche, vermit⸗ 
telfi einer angelötheten Klammer in der Dlauer, 
oder an einem andern Orte, koñten befeſtiget wer⸗ 
den, und folche Art von Bruftbildern hieß clupeum, !) 
von der Form eines Schildes: unter denfelben 
fielen einige Kaifer und Kaiferinen vor. Zwei 
von dergleichen Brufibildern, aber von Marmor, und 
in Lebensgröße, befinden fih in der Villa Altieri, 
and eines im Campidoglio. , 

8. 56. Unter den fFleinen Figuren find nicht 
weniger, als bei Statuen und Bruftbildern, ganz 
befondere Dinge anzumerken, viele aber vornehmlich 
in Abliht der Gebräuche, der Kleidung und 
bes Schmufs. Da diefe aber viele Muße erfordern, 
bie ſich wenige Fremde nehmen, fo verweife ich den 
Zefer Auf das vierte Kavitel des erſten Theils mei⸗ 
ner Geſchichte der Kunft des Altertums, 2) 
und begnüge mich hier, einige Figuren, die allge 
meiner in das Auge fallen, anzuführen. Die fchönfte 
und größte unter denfelben, und eine der Testen Ent» 
Defungen, iſt ein Aleranderzu Pferde, wo an der 
Figur ein Arm, und an dem Pferde ein Baar Beine 
feblen, die leicht zu ergänzen Ind. Das Pferd wird mit 
der Figur etwa dritthalb Palmen hoch fein, und gibt im 
Verſtändniſſe und in der Arbeit feiner von den übrigen . 
Statuen und Figuren nah. Die Augen des Pferdes 
ſowohl als der Figur find von Silber eingeleget, auch 
der Zügel iſt von Silber: es iſt auch bie Baſe 
ba, auf weicher das Pferd ſtand; ein anderes Bferb 


4) Conf. Winckelm. Deser. des Pier. gr. du Cab. de 
Stosch, p. 387. 


2) 168.1— 3 8] 


158 Sendſchreiben v. d. 


ATIIOAAQNNIOZ APXIOT AOHNAIOZ EIIQHSE!) 


(„Apollonius, des Arch ias Sohn, aus Athen, hat 
„ e8 gemachet. “) ber die Form des Wort EIQHSE 
habe ich an feinem Drte in der Gefchichte der 
Kunft geredet. 2) Diefes müßen Werke aus der 
beften Zeit der Kunft fein. Martorelli 9 glau- 
bet in dem Kopfe diefes Helden das Bild des Alcı- 
biades zu finden; und warum ? — weil der Künſtler 
ein Athentenfer if. Ganz und gar feinen Grund 
aber bat der römifche Brälat und Erzbifchof‘ in par- 
tibus, Baiardi, 4 in diefem Kopfe einen jungen 
Römer zu finden, fo wie in dem weiblichen Bruft- 
bilde eine römifche Frau. ' 
S. 54. Unter den Eleinen Bruſtbildern machen 
fih einige mit dem Namen der PBerfon merkwürdig. 
Eines if Eyifurus, und dem im &ampidoglio 
vollfommen ähnlich; ein anderes ift von defien näch⸗ 
ſtem und unmittelbarem Nachfolger Hermarchus 
(EPMAPXOC), aud ein Zeno tft hier mit deflen 
- Namen. Sonderlich find zwei Brufibilder des De- 
moſthenes, das Eleinere mit deflen Namen, zu 
merfen, welches zum Befchlufle dieſes Sendfchrei- 
bens angebracht ift.5) Es fan alfo der in Spanien 
gefundene erhoben genrbeitete Kopf eines jungen Men« 
fchen ohne Bart mit eben dem Namen nicht den be⸗ 
rühmten athenienfifchen Redner vorftellen, für wel- 
chen ihn Fulvtus Hrfinus, und nad ihm an- 
dere, genommen, als welcher noch nicht berühmt ge> 
weſen fein fat, che er fich den Bart wachfen ließ. 


1) [Man fehe unten bie Nachrichten ıc. $. 80.] 
2) 18 B. 3M.AE1LB.IR 6. 11— 12) 

3) De Reg. Theca Calamar. p. 426. . 

4) Catal. de’ Monum. d’Ercol. p. 169 — 170. 

5) [Die Abbildung untee Numero 16.) 


hercul. Entdek. 159 


5. 55. Auſſer dieſen Bruſtbildern finden fich in ® 
den Vorrathskammern des Mufei eine Menge Eleiner 
hoch erhobener Bruftbilder von Erst, auf einem run- 

sen Felde, mieaufeinem Schilde, welche, vermit⸗ 
telft einer angelötheten Klammer in der Mauer, 
oder an einem andern Orte, koñten befelliget wer⸗ 
den, und ſolche Art von Brufibildern hieß clupeum, ?) 
von der Form eines Schildes: unter denfelben 
fielen einige Kaifer und Kaiferinen vor. Zwei 
von dergleichen Bruftbildern, aber von Diarmor, und 
in Lebensgröße, befinden fich in der Billa Altiert, 
and eines im Sampidoglio. . 

8. 56, Unter den Fleinen Kiguren find nicht 
weniger, als bei Statuen und Bruftbildern, ganz 
befondere Dinge anzumerken, viele aber vornehmlich 
in Abficht der Gebräuche, der Kleidung und 

des Schmufs. Da diefe aber viele Muße erfordern, 
bie fich wenige Fremde nehmen, fo verweife ich dem 
Leſer Auf das vierte Kapitel des erſten Theils mei⸗ 
ner Gefchichte der Kunſt des Altertums, d 
und begnüge mich bier, eimige Figuren, die allge 
meiner in das Auge fallen, anzuführen. Die fchönfte 
and größte unter denfelben, und eine der Testen Ent» 
defungen, ift ein Alexander zu Pferde, wo an ber 
Figur ein Arm, und an dem Pferde ein Baar Beine 
feblen, die leicht zu ergänzen ind. Das Pferd wird mit 
der Figur etwa dritthalb Balmen hoch fein, und gibt im 
Verſtändniſſe und in der Arbeit feiner von den übrigen . 
Statuen und Figuren nach. Die Augen des Pferdes 
ſowohl als-der Figur ind von Silber eingeleget, auch 
der Zügel if von Silber: es if auch die Baſe 
da, auf welcher das Pferd fand; ein anderes Bferb 


-4) Conf. Winckelm. Deser. des Pier: gr du Cab. de 
Stosch, p. 387. 


2)[6B8.1—3 8] 


160 Sendichreiben v. d. 


von gleicher Größe, wovon aber die Figur verloren 
gegangen, gehöret zu jenem, und iſt nicht weniger 
ſchön. Beide haben abgeſtuzte Mähren, und ihr 
Gang ift in der Diagonallinie. Diefe Stüfe 
aber, weil fie noch nicht ergänzet find, werden insge⸗ 
mein nicht gezeiget. Unter den Figuren, welche man 
die Sremden bemerken laäſſet, find vornehmlich eine 
fleine Ballas und Venus, beide etwa einen Palm 
bach; jene hält eine Schale (patera) in der rechten 
Hand, und ihren Spieß in der linken; es find an 
derfelben die Nägel an Händen und an Füßen, 
. die Bufeln auf dem Helme, und ein Streifen 
an dem Saume ihres Gewandes mit Silber 
fünftlich eingeleget. Die Venus bat goldene Bän⸗ 
der an Armen und Beinen (Armille et Periscelides), 
welche aus Drath gewunden find, und fie hebet fle- 
hend das Finke Bein in die Höhe, als babe fe fich 
das Band angeleget, oder als wen fie es ablöfen 
wollte. Es if auch eine Barodie, oder in das Lä⸗ 
cherliche gefehrte Vorfichung des Aneas mit dem 
Anchifes auf feinen Schultern, und dem FJulus an 
der Hand, zu merfen: alle drei Figuren haben Eſels⸗ 
köpfe. Neben dieſem Eleinen Grupo ſtehet ein Efel 
auf den Hinterfüßen mit einem Mantel umge- 
worfen, von Silber, noch wicht einen Zoll hoch. 
Die Liebhaber der Kunft und Kemmer finden unter 
allen Fleinen Figuren einen Briapus ihrer vorzüg⸗ 
lichen Betrachtung würdig. Es hat derfelbe nur die 
Zänge eines Fingers, aber die Kunſt if groß in dem⸗ 
felben, und man köñte fagen, es ſei eine Schule 
"der gelehrteften Anatomie, die dermaßen ausſtudiret 
it, daß Michel Angelo nichts Beſſeres hätte ge⸗ 
ben können, und ich fehe in deſſen Zeichnungen, in. 
dem Kabinet des Heren Sardinals Alergander Al« 
bant, daß er fih benühet, Figuren von eben der 
Größe ſo gelehrt auszuführen. Dieſer Priapus 


hercul. Entdek. 161. 


machet eine Art von Gebärden, welche den Wälfchen: 
fehr: gemein, den Deutfchen aber gang und gar uns 
bekaũt ift: daher es mir ſchwer wird, mich zu ertlä- 
sen‘, und die- Bedeutung deflelben an der Figur zu. 
befchreiben. Die Figur ziehet, mit dem Zeigefinger 
der rechten Hand auf den Bakenknochen geleget, das 
untere Augenlied herunter, indem zugleich der Kopf 
nach eben der Seite geneiget. ift; welche Gebärde den 
Bantomimen der Alten eigen gemwefen fein muß, und 
von viehfacher und finlicher Bedeutung if. Diele 
Gebärde wird insgemein ſtillſchweigend gemachet, als 
weit man fagen wollte: Hüte. Dich, er iſt fein 
wie Galgenholz! oder: Er wollte mid an 
führen, und ih-babe ibn erwifcht! oder m 
fagen: Da kämſt du mir recht! Das wäre ein: 
gefunden Treffen für dich! Mit der linken 
Hand: machet diefe Figur das, mas die Wälfchen eine 
Beige (weiblichen Gefchlechts), fica, nennen, (die - 
Frucht aber. heiffet allezeit fico,) welches Wort die 
weibliche Natur bedeutet, und wird gezeiget Dusch 
den Daum, welcher zwifchen- den- Zeigefinger und den 
mittleen Finger.geleget wird, fo daß derfelbe zwi⸗ 
fchen beiden, als eine Zunge zwifchen den Lipen, zu 
ſehen it. Man nennet diefes auch far castagne, von der 
Epalte, womit man die Schale der. Baflanien auf⸗ 
ſchlizet, um diefelben gefchwinder. zu fieden. ben 
diefes machet ein Fleiner Arm von Erzt, welcher auf 
dem andern Ende fih in einen-Briapus (Glied) 
endiget, und es finden fich daſelbſt andere diefem 
äbnliche, aber platt gefchlagene Arme, Dieles wa⸗ 
zen, wie befant if, Amuleta bei den Alten, oder 
Gehenke, welche man wider dns Befchreien, wider 
ein böfes Auge, und wider die Zauberei trug, 
und es hat fich diefer lächerliche und fchändliche Aber- 
Hlaube noch izo unter dem gemeinen. Volke im Nea⸗ 
pelfchen erhalten; wie man mich verfchiedene derglei- 
7% 


462 Sendſchreiben v. d. 


chen Priapen an Perſonen, die dieſelben am Arme 
oder auf der Bruſt trugen, ſehen laſſen. Es wird 
fonderlich ein halber Mond, von Silber am Arme 
getragen, welchen der Pobel luna pizzuta heiffet, dag 
iſt: der ſpizige Mond, und diefer fol wider die 
fallende Sucht belfen; es muß derfelbe aber von 
ſelbſt gefammelten Almofen gemachet werden, 
und man träget ihn zum Briefter, welcher ihn ein« 
fegnet. Diefer Mißbrauch iſt befant und wird ge- 
duldet. Vielleicht dieneten die vielen halben Monde 
von Silber, in dem Muſeo, zu eben dieſem Abers 
Hlauben. Die Athenienfer trugen diefelben an dem 
Ferfenleder der Schuhe, unter dem Knöchel. 
Anter den Briapen (Gliedern) find andtre mit 
Flügeln und mit Glökchen, welche am gefloch- 
tenen. Ketten hingen; "hinten endiget ſich das Glied 
mit dem Hintertheile eines Löwen; mit der linfen 
Klaue Traget er fich unter dem Flügel, wie es die 
Tauben machen, wen fie verliebt find, um fich, wie 
man glaubet, zur Wohlluft zu erbisen. Die Glök⸗ 
chen find aus einem mit Silber verfegeten Metalle, 
‚und das Geräufch derfelben follte vieleicht eine ähn⸗ 
liche Wirkung haben mit den Glofen an den Schil- 
deren der Alten;1) hier follten fie Furcht erwefen, 
und dort etwa die böſen Genios zurüftreiben. 
Die Glofen waren im übrigen auch Kenzeichen der- 
ienigen, “) die zum geheimen Gottesdienſte 
des Bakchus waren eingeweihet worden. 

6.57. Ich erinnere bier mit ein paar Worten, 
daß die mehreften Werte von Erzt in biefem Mufeo, 
da diefelben in der Ergänzung und Ausbeflerung in’s 
Beuer gebracht werden müßen, ihren alten chr- 

wärbigen RHofl verloren haben, welches eine grün 


» Arschyl. Sept. contr. Theb. v. 391. 
2) Descr. des Picrr. gr. du Cab. de Stosch, p. 22 — 23. 


hercul. Entdetl. 163 


liche Oberhaut iſt, die im Wälfchen mit dem: 
Worte patina bedeutet. wird: Man hat ihnen von 
neuem eine ähnliche. Farbe gegeben , bie fid) aber. 
von der alten Batina fehr unterfcheidet, und an 
einigen Köpfen widermärtig ausfichet. Man faget, 
der Kopf des fchönen Mercurtius fetin Hundert 
Stüken zerdrüfet gefunden; welche Zahl nmn nicht. 
firenge zu nehmen bat; aber auch in der geringften- 
neuen Löthung fpringet die.alte Bekleidung ab, und: 
es würde . einen Übelftland verurfachen, die. Figuren: 
fchäbicht zu laſſen. Daber ift man genöthiget, die 
Wirfung des Altertums, fo gut man kañ, nachzu⸗ 
ahmen; man bat.auch der mit. Silber eingelegeten 
Arbeit nachhelfen müßen.: 

6.58. Bon Infchriften, welche ih an die 
fes Stüf anzubängen geinget babe, will ich beſon⸗ 
ders zwo anführen; die erſte ift noch nicht bekaüt 
gemachet; die- legte gibt. Martorelli in feinem 
mehrmal: angeführeten Buche, welches aber izo nicht. 
leicht jemanden, auch felbft in Neapel, zu Gefichte 
fommen wird. Sene ſtehet auf der Mauer eines 
Saufes, welche völlig herausgebracht iſt, und in die 
Zimmer. der alten Gemälde gefezet worden; es ent⸗ 
hält diefelbe eine Antündigung von Berpachtung. 
von Bädern und von Trink- und Speifeore 
ten, und tft die einzige in ihrer. Artz. - 

1m PRAEDIS IYLIAE SP. F. FELICIS' 
LOCANTYR 
” RALNEVM VENERIVM ET NONGENTVM TABERNAE. 

\ PERGVLAE 
CAENACVLA. EX IDIBVS. AVG. PRIMIS. IN. IDVS. AY6. SEXTAS:. 

ANNOS CONTINVOS QYIAQVE 

S.Q. D. L. E. N. C. 
A. SVETETIVM. VERTM. AED. 


164 Sendfchreiben v. d. 


8.59. Auf diefer Mauer war vorher eine andere 
Snfchrift in ſchwarzer Farbe, und vermuthlich eine . 
Bahtanfündigung geweien,1) über welche ge 
genmwärtige Infchrift mit rother Farbe gefeget 
tft, Sch habe nur in einigen Buchſtaben Die eigen.t- 
liche Form derfelben angegeben, weil ich die In⸗ 
fchrift ganz verfiohlen habe nehmen müßen, indem 
es nicht möglich war, diefelbe offenbar nachzuzeich⸗ 
nen. 2) Die einzelnen Buchſtaben der fiebenten Reihe 
werden eine damals befante Formel gemwefen fein, 
und wären etwa alfo zu erklären: 


6I QVIS DOMINAM LOCI EIUS MON COGNOVERIT 
ADEAT SUETTIUM VERUM .ADILEM 


das iſt: „ Sollte jemand die Beſtzerin dieſes Ortes 
„oder Gutes nicht kennen, bderfelbe fan fih mel⸗ 
„den bei dem Ailis Suettius Verus.“ Die - 
Befizerin hieß FJulia; ihr Vater Spurius Fr 
lie. Die Bachtungen wurden bei den alten Rö⸗ 
mern, wie bier, insgemein auf fünf Bahre gefchlofs 
fen, wie man fich in den Digeſtis belehren fan. 
Pergula war in der gewöhnlichſten Bedeutung dag, 
Was wir eine Laube nennen würden, und Diefe 
werden in den fchönften Ländern von Stalien ins⸗ 
gemein mit kreuzweis gebundenen Nohrfläben ſehr 
zterlih gemachet; diefes Rohr aber iſt ungemein 
Härfer und länger, als in Deutichland und anderen 
Ländern ienfeit der Alpen, theils weil es bier ſtär⸗ 
fer wächfet, vornehmlich aber, weil es. gepflanzet, 
und der Boden umher behauen und loker gemachet 
wird, und weil es überhaupt mehr Wartung hat: 
es wird daher ein Mohrfeld als ein nöthiges und 
nüzliches Grundſtük bei Kandgütern angefehen. Sn 


4) [Man fehe unten die Nachrichten ıc. $. 41.) 
2) [Deßhalb ſteht Hier dieſe Inſchriſjt mis den gewöhnlichen 
Buchſtaben apgedrußt.) 


hereul. Entdek. 4165 


und um Nom wird aller Wein an Nohrfläbe gebun⸗ 
den. Die übrigen Bedeutungen von dem Worte 
Pergula, welche hierher nicht gehören, kañ man an« 
derwärts finden.1) Canacula find bier Zimmer 
bei Trink- und Lufbäufern für dieienigen, 
welche fih ein Vergnügen zu machen gedachten. 
Man merke bier bei Gelegenheit eine Inſchrift, welche 
zwar in dem Negifter des gruterifchen Werks an⸗ 
geführet ift, aber ohne Anzeige des Orts, wo bie 
felbe ſtehet: 


HVIVS. MONVMENTI. SI. QVA. MACERIA. 
CLYSUM. EST. CVM. TABERNA. ET. CENACYLO. 
HEREDES. NON. SEQVETVR. 
HEQVE, INTRA. MACERIAM. HVMARI. 
QVEMQVAM. LICET. 

Es ift dieſelbe an der Überfahrt deu. Fluſſes Ga⸗ 
sigliano, vor Alters Ziris, an et Thurme 
‚eingemauert. 

- $. 60. Einige andere Infchriften haben zum 
Theil Feiner Erklärung nöthig; mo aber. etwas zu 
merken ift, überlaffe ich es andern. 

IVLIA. GERM . . .. » 
ACRIPPINAE. Ti. CiA . . . 2... 
POT. max.... 


L. MAM... 





DIVAE. Avcvsluar. 


L. MAMMIVS. MAXIMVS. P. 5. 


1) Selmas. Not. in Spartian. p. 155. F. p. 458. E. edie 
Paris. — Voss. Etym. v. Pergula. 


166 Sendfchreiden v. d. 


ANTONTAE. AVCVSTAE. MATRI. CLAvDl. 
CAESARIS. AYGVSTı. GERMANICI. PONTIF. Max. 


L. MAMMIVS. MAZIMVS. P. S. 


Auf einer Tafel von Erst ſtehet: 
MAMMIO. MAXIMO, 
AVGVSTALI- 
MVNICIPES. ET. INCoLAE. 


"AERE. CONLATO. 





BALBI. L. EVTYCTo. 
LOCVM. SEPVLTVR. 


D. D. 





Q. LOLLIVS. scruax. ET. 
carlvıa. AnTiochvs, MATER. 
=. CALIDIVS, nasTa. 10V1. 


v. Ss LM. 





THERMAE. 
M. CRASSI. FRVGCH. 


AQVA. MARINA. ET. BALN. 
AQVYA. DVLCI. JANVARIVS. L. 


Solgende Infhrift auf dem Bafemente zu 
einer Statue, vermuthlih der Benus, iſt nicht 
aus den bereulanifchen Grüften, ſondern bei Bai ä 
gefunden, und flebet in dem Hofe bes Muſei: 


bereut, Entdek. 167 
VENERI. PROBAR. SANCTISS. _SACH. 


TI. CLAVDIVS. MARCION. 
SALVE. MILLE. ANIMARVM. INLVSTRI. CENARE. OPVS. SALYE. 
PVLCHRI. ONERIS. PORTATRIX. IN. EXVPERABILE. DONVM: 
RERVM. HVMANARVM. DIVINARYMQVE. MACISTRA. 
MATRIX. SERVATRIX. AMATRIX. SACRIFICATRIX. 
SALVE. MILLE. ANIMARVM. INLVSTRI. CENARE. OPVS. SALVE. 


Diefe Infchrift iſt von der fpätern Beit, und das 
Sylbenmaß iſt ſehr unrichtig, mie es fich in andern 
Snfchriften gleiches Alters findet. Die dritte Zeile 
it fehr dunkel. Martorelli !) Tiefet diefelbe in 
folgender Ordnung: Salve Venus, opus est. nos 
coenare cum illustri mille animarum salve; und er⸗ 
Häret diefelbe alfo: Iuvat nos commisceri (uıyyuc9aı) 
cum innumera gente illustri elegantique forma præ- 
dita. Diefe feine Erflärung beflehet auf derienigen 
Bedeutung des Worts conare, welche er beim 
Suetonius in_der Sinfchrift auf, das Abendefien 
des Auguſtus, 2) Imdenudeos genat, wo die ein⸗ 
geladenen Berfonen, mie die zwölf Götter und 
Göttinen, und Auguſtus wie Apollo geflei- 
bet waren, zu finden vermeinet. In derfelben heiffet 
der vierte Vers: R 
. Dum nova Divorum cœnat ‚adulteria. 
Er berufet fich auf den Martialis, wo dieſes 
Wort an vielen Orten in dieſer unzüchtigen Be⸗ 
deutung ſtehe; die ich aber nirgend bei diefem 
Dichter ‚finde. | 

Auf einem gefhnitteneh Steine flehet mit 
erhobenen weiſſen Buchſtaben: 


1) P. 373 
2) Aug. c. 72. 


168 Sendfchreiben v. d. 


AETOYCIN 
A®OEFAOTCIN 
AETETuCAN 
TIMEAICOLI 1) 


„Sie reden, was fie wollen: Mögen fie 
„reden, was Fümmert’s dich.“ 


Unter vielen fogenanten Stgeln. oder Merfen 
in Erzt, will ich nur eines anführen, wegen der in 
einander gezogenen Buchſtaben. 2) 


8.61, In diefem erften Theile des vierten 
Stüks diefes Send fhreibeng folgen, nach den Sa- 
hen der Kunſt im engern Verflande, die Ge 
zäthe, welche ich unter zwo Arten falten will, fo, daß 
ih zuerf die nothbwendigen, und zum zwei— 
ten dte Geräthe, weldye der Überffuß und 
die Upigfeit eingeführet, berühre. u 


$.62. In der erſten Art fange ich.an bei dem. 
Brode, (welches mir erlaubet ſei, unter die ſem 
Titel zu begreifen), wovon fich zwei völlig erhals 
ten finden, und von gleicher Größe, einen. Balm 
und zwei Zolle im Durchfchnitte, und fünf Zoll in 
der Dike. Beide haben acht Einfchnitte, das iſt: 
fie find zuerſt in’s Kreuz getheilet, und dieſe vier 
Theile find von neuem durchſchnitten; fo wie zwei 
Brode auf einem. bereulanifhen Gemälde gefaltet 
find. 2) Dasienige, welches zuerſt gefunden ik, 
wurde in Kupfer gebracht, in. eines Ungenanten 
Nachrichten vom HSerculano,H) welche Gori 


4) [Hievon nahm Wieland den Anlaß zu feinen fchönen 
Gedanken Über eine alte Grabſchrift.) 


2) [Siehe die Abbildung unter Numero 14 am Ende dieſes 
Bandes.) 


3) Pitture d’ Ercol. t. 2. p. 141. 
4) Notizia sopra l’Ercol. io Symb. liter. Vol. 2. p. 138. 


bereut. Entdet. 169 


drufen ließ. Eben fo getheilet waren die Brode 
der älteſten Griechen, die daher oxraoßrwucı vom 
Heſiodus genennet werden, das ifl, wie es 
andere erklären, die acht Einfchnitte haben. 
Zumeilen aber waren die Brode nur in’s Kreuz 
gefchnitten, wie ich an einem andern Orte ange⸗ 
merket babe, 1) und ein folches Brod bieß daher 
Quadra. ?) 

Et mihi dividuo findetur munere quadra. 3) 
Bet den Griechen rerpargudos; wovon die Nedensart 
fam: aliena vivere quadra, von Anderer Tifche 
leben. - 
$. 63. Zu dem Brode ſeze ih die Weinges 
fäße, welche von zweifacher Art find; die größern 
hießen Dolia, und die Fleinern Amphorae, und beide 
find von gebranter Erde. Den Alten waren 
Zonnen, von Stäben oder Dauben gebunden, 
sicht unbefant. Es finder fich in dem Muſeo des 
Collegii Romani eine irdene Lampe, auf welcher zwo 
Berfonen eine Tonne mit Reifen gebunden an 
einer Stange tragen; man fiebet dergleichen auf 
gefchnittenen Steinen, wie ich anderwärts gemeldet 
babe, 4 und aud auf der traiamifchen und der 
antoninifhen Säule; aber der Gebrauch der- 
felben fcheinet nur vornehmlich im Felde geweſen 
zu fein. Anſtatt unferer Fäſſer batten die Alten 
Dolia, in Geſtalt eines runden Kürbis, und die 
felben bielten insgemein achtzehen Amphorac, wie 
dDiefes Maß auf einem folchen Gefäße in der Villa 
Albani eingefchnitten zu ſehen il. Don dieſer 


ı) Description des Pierres gravces, p. 72— 73. 

2) Scalig. Not. in Moret. in Catalect. Virg. p. 429. edit. 
Lugd. 1573. 8. 

3} [Horat. 1. ı. epist. ı7. v. 49.] f 

4) Description etc. p. 260. 

Winckelmaü. 2. 8 


172 - Sendfchreiben. v. d. 


lich waren, wen ich Geſtelle von drei Füßen 
verfiche,, wie der Tifch des Philemons und: der 
Baucis in der Fabel if, auf welchem Jupiter 
ſich gefallen ließ zu ſpeiſen. 


— — — mensam succincta ‚tremensque 
Ponit anus, mensæ sed erat pes tertius impar; 
Testa parem fecit. 1) 


Den Dreifüße hießen bei den Griechen nicht allein 
die über Feuer gefeget wurden, fondern auch Tifche, 
und fo hießen diefe noch in den üpigfien Zeiten, 
wie wir aus den prächtigen Aufzügen des Ptole⸗ 
mäus Philadelphus zu Alexandrien, und Königs 
Antiochus Epiphbanes, zu Antiochia, welche 
beim Athenäus befchrieben find, erſehen: diefe hie- 
Ben arupos, 2) die andern surupßaras UND Aoerpoxoos. 3) 


$. 66. Unter den Dreifüßen, und zwar 
denen, welche bei den Opfern dieneten, find bier 
zween unter den ſchönſten Entdefungen befonders 
zu merfen, :beide etma vier Palmen hoch. Der 
eine ift im Hereulano gefunden, und die drei Füße 
deffelben bilden drei Briapen., aber mit 3ie 
-genfüßen, .meldhe an jedem in ‚einen Fuß ver 
einiget find. Die Schwänze derfelben von hinten 
an dem heiligen Beine fliehen gerade und horizontal, 
und fchlingen fich um -einen Ring in ber Mitte des 
Dreifußes , wodurch derfelbe, wie durch das Kreuz 
an gemeinen Tifchen., zufammengebalten wird. 
Der .andere Dreifuß wurde fpäter als iener, zu 
Bomveii, wie ich gemeldet habe, gefunden, und if 
wunderbar fchön gearbeitet. Auf den Füßen , wo 
‚diefelben fich Frümmen und die Gratie machen, ſizet 


ı) Ovid. Metamorph. [1. 8. v. 660 — 663.) 
2) Casaub. in Athen. Deipn. 1. 10. t. 4. [$. 10.] p.447. L 5®. 
3) Hadr. Jun. Animadr. 1. 2..c. 3. p. 64. 


hercul. Entdek. | 173 


auf iedbem ein Syhint, deren Geitenhaare , wel- 
che über die Bafen herunter hängen würden, herauf 
genommen find , To daß fie unter das Diadema ge 
hen, und über daffelbe wiederum: herunterfallen. 
Es können diefelben, fonderlich an einem Dreifuße 
des Apollo, ihre allegorifche Deutung auf die 
dunkeln und räthfelbaften Ausfprüde des 
Orakels defielden haben. An dem breiten Rande 
um die Pfanne umher find abgezogene Köpfe von 
MWiddern, mit Blumenfrängen zufammengehänget, 
erhoben gearbeitet; und alle Stüke an demfelben 
find vol Bieraten gefchnizet. In diefen heiligen 
Dreifüßen war die Pfanne, in welche die Kohlen 
gefchüttet wurden, von gebrniter Erde, welche fich 
in dem einen, nämlich dem pompejanifchen , mit 
famt der Afche erhalten hat. In einem Tempel des 
Hereulanums, defien Entdefung, ich weiß nicht aus 
was Urſache, nicht vollendet wurde, fand fich im 
vorigen Jahre 1761 eine große vierefige Feuerpfanne 
oder. ein Herd von Erst, von der Art, welche in 
Stalien in große Zimmer ‚. diefelben zu heizen, ge 
feget werden ; es mar dDiefelbe in der Größe eines 
mäßigen TZifches, und fand auf Löwentazen. 
Der Rand deffelben ift mit Laubmerfe von verfchie- 
denem Metalle, Kupfer, Erst uud Silber , Fünttlich 
ausgeleget. Der Boden defielben war ein flarfer 
eiferner Roſt, welcher aber unterwärts ſowohl als 
inwendig mit Siegeln beleget und ausgemauert war, 
fo daß alfo die Kohlen den Roſt von oben nicht berühre- 
ten, und nicht durch denfelben.unterwärts fallen Fonten. 
Es iſt diefes Werf aber völlig zerſtüket herausgebracht. 

6.67. Bu notbwendigen Geräthen ge 
hören auch die Lampen, in welchen die Alten, da 
gezogene oder gegoflene Lichter wenig und nicht all- 
gemein üblich waren, . Bierlichfeit und auch 
Bracht anzubringen fuchten. Sn dem Mufeo find 


174 Sendſchreiben v. d. 


von allen Arten derſelben, ſowohl von gebranter 
Erde, als vornehmlich von Erst; und da der Alten 
ihre Bieraten felten ohne Bedeutung find, fo finden 
ſich auf denfelben befondere Anfpielungen. Unter 
denen von gebraiter Erde ſtellet die größte eine 
Barke vor, mit ſteben Schnäuzen „zu fo viel 
Dochten auf jeder Seite. Das Gefäß, DI in irde⸗ 
se Lampen zu gießen, iſt wie in Schifhen ge 
flaltet, oben zu und gewölbet, mit einer fpisigen 
Schnauze, und auf dem andern Ende mit einem 
Heinen etwas hohlen Teller, durch deſſen Mitte in 
dDiefes Gießgefäß DE hinein gethban wurde. Unter 
denen von Erst fiset auf dem bintern Ende der 
einen von den größten Lampen eine Fledermaus 
mit ausgebreiteten Flügeln , als ein Siñbild der 
Macht; die Flügel find, mit ihrem ganzen feinen 
Gewebe von Sehnen, Äderchen und von Häuten, 
auf das Fünftlichite ausgenrbeitet. Auf einer andern 
fget, gegen der Schnauze zu, eine Maus, welche 
u Iauern foheint, um DE zu leken und an eben 
dem Drte fiset auf einer andern Lampe ein Ka—⸗ 
ninchen, welches Kraut friffet. Die Pracht in ih» 
ren Lampen ſiehet man an einem Geflelle von Erzt; 
auf einer vierckigen ausgefalzeten Baſe ſtehet ein na⸗ 
kendes Kind, von zween Palmen hoch, welches eine 
Lampe hält, die an drei vierfach geflochtenen Ketten 
bänget; mit der andern Hand hebet es eine andere 
Kette , wie jene find , in die Höhe, an welcher ein 
Haken zum Dochte hänge. Neben demfelben ſtehet 
eine Säule mit Reifen, die fpiralmäßig gedreber 
find, und oben auf derfelben, anflatt des Kapitäls, 
lieget eine Larve, die gleichfalls zur Rampe dienet, 
fo, daß der Docht aus dem Munde ging, und dag 
DI wurde in den Wirbel des Kopfs hineingegoffen, 
welche Ofnung durch ein Kläpchen verfchloffen wird. 1) 
4) Man ſehe unten tie Nachrichten 10. 8. 91.) 


bereut, Entdek. 175 


6.68, Die Träger der Lampen find bie 
Leuchter der Alten (Candelabra), welche wie un⸗ 
fere Gueridons waren, und dDiefe find gleichfalls 
auf das zierlichfle ausgearbeitet: der Schaft iſt ge- 
reift; der untere Teller ruhet insgemein auf drei 
Zöwentazen , und diefer ſowohl als der obere Teller 
And auf der Drehbank ausgedrechlelt, und mit zier⸗ 
lichen Eiern am Nande, nebſt Blumenwerf auf der 
Fläche gefchnizet; der untere Zeller des größten 
Zeuchters bat einen Palm und einen Zoll, römifches 
Maß, im Durchmefier. Sch glaube, daß fih an 
hundert in dem Muſeo befinden, und der größte if 
achtbalb Palmen hoch. Ganz Nom bat feinen eins 
zigen Zeuchter von Erzt aufzuweiſen. Durch dies 
felben verfiehen wir iso, wen Vitruvius uns 
ter den Klagen über den verderbten Geſchmak 
feiner Zeit faget, „daB man Säulen mache mie. 
„Leuchter,“ das if: fo dünne, und aufler 
dem Berbältniffe, wie der Schaft der Leuchter. 

8.69. Ein nothmwendiges Geräthe find auch die 
Wangen, von welchen fich Feine mit zwo Wang- 
f halen wie man fie auf einigen Münzen fichet, 
weder in diefen Entdefungen, noch anderwärts 
gefunden haben; 1) fie find alle wie die, fo 
wie ünzelte, von Unze, nennen, das iſt: ein 
Waagebalken oder Stange, anf: welchem das 
Gewicht im Verbältniffe wächfet, je näher es gegen 
bas Ende des Balkens gerüfet wird. Dieſes Ge⸗ 
wicht - iſt insgemein ein Feines Bruſtbild einer 
Gottheit; an einer Wange iſt es ein Kopf einer 
Afrika, wie man auf Münzen fichet. Auf einer 


DIES finden fi wirtih Waagen mit zwei Sch“ 
len, und Windelmafi berichtiget feinen Irrtum in 
den Nachrichten von den neueften herculani⸗ 
{den Entdelungen, $, 93. 


476 Sendſchreiben v. d. 


Waageſtange lieſet man: 71. CLAVD. 1XACT. Evna. 
aenır. Dieſe Wangen haben alle eine Wange 
Thale, anilatt der Hafen an den unfrigen von 
diefer Art, und diefe Schale hänget an drei oder 
vier künſtlichen Ketten, welche durch eine runde 
- Blatte gezogen find, um die Ketten näher oder wei- 
ter von der Schale zufammenzubalten. Gewich—⸗ 
te finden fih in dem Muſeo in großer Menge und 
son. aller Art; ich will aber nur zwei platte läng⸗ 
Ticht efige Gewichte von Blei anführen, fo wie fie 
noch izo bei Fifchverfäufern in diefen Gegenden 
gebräuchlich find; auf einer Seite ſtehet mit erho⸗ 
benen Buchllaben: zur; und auf der andern : 
MABEBIS. 

8.70. Die Waagfchalen erinnern mich ber 
Stüfe eines Nades vom Wagen, welche in dem’ 
Sofe des Muſei liegen, nämlich einer Radfchiene 
aus einem Stüke gefchmiedet, welche ſechs römi⸗ 
fhe Balmen im Durchmefler bat, und nicht völlig 
zwei Zoll breit, aber ein Zoll dik ill: das . Holz, 
welches an dem Eiſen hängen geblieben iſt verflei- 
nert. Ferner bat fih von diefem ade ein Gtüf 
der Walze, welche um die Are läuft, erhalten, 
die umher mit Eiſen befchlagen, und über dem 
Eifen mit einer Platte von Erst beleget iſt, und 
dieſe iſt mis platten Nägeln von Erzt befefliget. In 
dem’ Muſeo ſelbſt finder fih ein Löwenkopf auf ei- 
nem Stüfe einer Platte von Erst, von welcher er 
hervorſpringet, defien Maul nicht durchbohret ift, 
und alfo nicht kañ gedienet haben, das Waller ei- 
nes Brunnens oder in Bädern aus demfelben lau⸗ 
fen zu Iaffen. Sch mutbmaße, daß diefes Stüf von 
einer Kapfel fei, welche auf der Are vor dem 
Rade aufgefchroben wurde, damit diefes nicht abs 
laufen fonte, an deflen Stellen an den gemeinen 
Wagen, wie bei ung, eiferne Keile vorgeſteket 


hercul. Entdek. 177 


wurden, die im Wälfchen aciarini heiſſen, und bei 
den Griechen racaduvia, eußoros UND evmmarx, und 
die vierefige gebogene Platte auf demfelben, den 
taub abzuhalten, war bereits zu des Homerus 
Seiten, und hieß vrerrena. I) Wir fehen das 
äuſſerſte Ende der Are mit folchen Kapfeln, die ei» 
nen erhobenen Löwenkopf haben, verwahret, auf 
einigen alten Werfen, und namentlich an dem 
Triumpbwagen des Marcus Aurelius im 
Sampidoglio : folglich find auch dergleichen vorge- 
fchrobene Kapfeln von Stahl, die zu unfern Zei⸗ 
ten fonderlih an Neifewagen in Gebrauch gekom⸗ 
men, nichts Neues, und der Alten ihre waren 
vorzüglich von Erste. Es waren auch die Deich—⸗ 
feln der Wagen an dem Ääufferfien Ende mit einem 
gefchnigeten öwenkopfe gesieret, und mich Däuchet, 
daß Herr Grav Saylus fi irre, wei er behaupe 
ten will, es hätten die Wagen in den Wettläufen 
der Alten Feine Deichfel gehabt, ?2) wovon ich 
das Gegentheil zu feiner Zeit aus Denkmalen 
erweifen will; hier führe ich unten angeführte Stelle 
des Bindarus zu deffen Belehrung an. ?) Mehr 
Beweife fan man in der Elektra des Sopho— 
les une dem Hippolytus des Euripides 
finden. 

6.71. Sch war nicht gefonnen , bier von dem 
Geräthe an den Thüren der Alten zu reden, wo⸗ 
von ich die ausführlichen Anmerfungen bis zur 
zweiten Auflage meiner Anmerfungen über die 
Baukunſt verfparen wollte; ) ich Fan mich aber 


ı) Odyss. z. [VI] v. 70. 
“ 2) Observ. sur le Costume, p. 79. 
3) Nem.7. v. 137.seq. [Dentmate, 1 Th. 2 Abſchn. 179. 48. 


4) Durch diefe Auſſerung Windelmafis veranlaft, bat 
ber fransöfifche überſezer dieſes Sendſchreibens, und nad 


178 Gendfchreiben v. d. 


dennoch nicht enthalten, etwas davon zu berühren.- 
Man muß erillich willen, daß die Thüren der Al- 
ten in feinen Haſpen hingen, fondern fich unten 
in der Schwelle und oben in dem Balfen 
bewegeten, und diefes vermittelfi deſſen, mas wir 
Thbürangeln (Cardines), aber ohne Begriffe, nennen, 
Es findet fih auch in Feiner neuen Sprache ein 
bequemes und bedeutendes Wort dazu. 1) Dericni- 
ge Balfen der beweglichen Thüre,. weldher an der 
Mauer fiehet, war unten und oben in eine Kapſel 
von Erzt gefezet, die inmwendig einen fpizigen 
Borfprung batte, um zu verhindern, daß fich 
dns Holz in derfelben nicht drehen: fonte. Diefe 
Kapfel ift gewöhnlich ein Cylinder; es finden fich 
aber auch vierefige, welche auf allen Seiten zween 
hervorfpringende Falze haben, um die. Bretter, aus 
welchen ſtarke Thüren zufammengefeget waren auf 
allen Seiten zu befefligen, welche Thüren inmwendig 
hohl waren. Das vierefige Stüf ift alfo geflaftet:2) 

6.72. Diefe Kapfel fand auf einer difen Plat⸗ 
te von Erst, welche keilförmig zuging, und 
oben und unten mit Blei eingegoffen war, und auf 


ihm der Abate Fea in feiner Ausgabe der ktaliäniſchen 
Überfesung der Geſchichte der Kunft diefen und den 
folgenden Paragrapb in die Anmerkungen über die 
Baukunſt der Alten eingefchaltet; wohin fie, ihrem 
Inhalte nach , eigentlich auch gchören. Da aber Wins 
delman bei feiner fpätern Umarbeitung der Anmer 
tungen über die Baukunſt nicht fo weit gekom⸗ 
men: fo haben wir und verbunden geachtet, beide Stellen 
unverändert hier ftehen su Taten. Fernow. 

1) In der franzdfiihen Sprache il bad Wort crapaudine 
vorhanden , weiches baffelbe fast, In Rom ſagt man 
dafür bilicco-e Weü'Winckelmau diefe Wörfer gekañt 
Dat, fo find fie ihm vieleicht nicht bedentend genug vor 
gelommen. Janſen. 

2) [Siehe die Abbudung Numero 11, am Endebiefes Bandes.) 


bereut. Entdek. 179 


dieſelbe Tief die apfel dergeſtalt, daß, wen diefelbe 
unten eine halbe Kugel (A) hatte, in der Blatte 
eine hohle Vertiefung war, in welcher das c ons. 
. vege Theil lief, wie an der Thüre bes Banthe 
end; und wen bie Kapfel unten offen war, fo 
hatte die Platte eine erhobene SHalbfugel,. die 
genan in die Dfnung der Kapfel paflete. Diele 
Kapfel nebft der Blatte hieß Cardo. Es finden fich 
in dem Muſeo einige von einem Palme im Durch- 
mefler, welche von der Größe der Thüren zeugen, 
und fie wiegen zwanzig, dreiffig bis vierzig Pfund. 
Durch diefen Begrif werden manche Stellen der 
alten Seribenten deutlicher werden, die es nicht 
fein fonten, in einer irrigen oder dunkeln Vorſtel⸗ 
Iung von dieſem Theile der Thüren. Wen die Thü—⸗ 
ren der Alten mit zween Schlägen (bivalve) waren, 
fo hing entweder jeder Schlag befonders, anf be 
fchriebene Weile, in Angeln, wie an dem Bat 
thbeon zu Rom, oder fie drebeten fih nur auf 
einer Seite, und die Thüre Fonte sufammenges 
Schlagen werden. Diefe gebrochenen Thüren legeten 
fich , vermittelft einer Art von Haſpen von Erst, 
deren Gewinde innerhalb des Holzes, aber fichtbar, 
lag; die beiden ſpiz zulaufenden Stäbe diefer Ans 
geln aber waren nicht zu fehen, und auf beiden 
©eiten von der gedopelten Thüre befleidet. Diefes 
fiehet man deutlich an einer diefer mittlern Angeln, . 
mo auf beiden Seiten der Stäbe verfieinertes Holz 
angehänget geblieben if. 

$. 73, ch fchließe diefe Geräthe mit einer 
Art von Sohlen, welche von Strifen zuſam⸗ 
men geleget waren, die fich in verfchiedener Größe 
für Kinder und für erwachlene PBerfonen gefunden 
haben, fo wie noch igo die Licaner !) dergleichen 
Art Sohlen unter den Fuß binden. 

1) Lin Kroatien.) 


180 Sendſchreiben v. d. 


6, 74, Unter den Geräthen von der zwoten 
Art, fange ich an von einigen befondern Gefäßen, 
und die vornehmften und fchöniten find dieienigen , 
welche zu heiligen Gebräuchen und Verrich- 
tungen dieneten oder beflimmet waren. Eines von 
- der zierlichften Arbeit fcheinet ein Waffereimer 
bei Opfern (praefericulum) gemefen zu fein, welches, 
zween Balmen und zwei Zolle hoch ift, mit einem 
beweglichen Bogenhenkel zum Tragen welche 
niedergelaffen, genau an den Nand deffelben paſſet, 
und wie das Gefäß felbfi, auf ber breiten Seite mit 
Zaubwerf, und auf dem äuſſern Rande mit andern 
Zieraten gefchnizet if. Auſſer diefem Henfel hat 
Dafielbe zwo große und zwo Fleine Sandhaben; 
jene bilden, wo fie unterwärts anliegen, ein weib- 
liches Bruftbild, welches auf einem Schwane 
mit ausgebreiteten Flügeln getragen wird , alles in 
‚erbobener Arbeit; die untern und Fleinern Hand⸗ 
haben endigen fich unterwärts in Schwanenhälfe. 
Diefes Gefäß wurde beinahe ganz mit gefchmolzsenem 
Eifen umgeben gefunden, wovon man ein Stüf, 
welches den Eindruf des Bauches zeiget, aufbchal« 
ten bat. An dem Orte der Entdefung fand fich ein 
Haufen eiferner Nägel, welche noch nicht gebrauchet 
waren, nebſt ein paar PDintenfäffern voll Dinte, 
ſo daß bier fchien ein Kramladen gewefen zu fein. 
Es wurde auch die große goldene Münze des Augu- 
fius bier gefunden, bie zu Ende bes Borberichts 
zu dem zweiten Bande der hereulaniſchen ©e- 
mälde in Aupfer geflochen if. Auf einem folchen 
Gefäße, welches wenig fleiner und von eben der 
Form ift, ſtehet an ber untern Befefligung einer 
Handhabe die Liebe mit einer Trinffchale, 
(cantharus) in einer Sand, und in der andern mit 
einem Horne zum Lrinfen, erhoben gearbeitet ; die 
Schale, das Horn und die Flügel find von Sil⸗ 


bereut, Entdek. 181 
der. Es find auch Formen von gebrafter Erde ge- 


funden, in welchen die Handhaben der Gefäße ge- 


gofien wurden. Hier fällt mir. ein länglicht rundes 
Befäß ein, wie ein Fleiner Eimer, von Silber, 
mit einem Henkel zum Tragen, auf welchem , wo 
ich nicht irre, von getrichener Arbeit Hylas vor« 
geilellet it, mie er von den Nymphen entführet 
wurde, da ihn Herkules ausgefchifet hatte, Waſ—⸗ 
fer zu holen. 


$. 75. Eine andere Art von heiligen Gefäßen 
waren die Opferſchalen (paterz) zur Libation, 
und diefe find bier unzäblig, und die mehreften von 
weiffem Metalle, und auf das zierlichfie auf der 
Drechfelbanf von auffen ſowohl als von innen aus—⸗ 
gedrehet. Sn einigen ift in der Mitte eine Art Münze 
mit erhobener Arbeit gefchnizet; und ich grinnere 
mich einer Victorie auf einer Duadriga. Der 
Stiel derfelben if rund, und insgemein der Länge 
nach mit hohlen Neifen umher, und endiget fich in 
nen Widderkopf; einige haben an deflen ſtatt 
einen Schwanenkopf und Hals. Au einer der 
größten und fchönften, welche neben dem fchönen 
pompeinnifchen Dreifuße Tieget, iſt der Stiel ein 
fiebender Schwan , durch deflen ausgebreitete Füße 
derfelbe an der Schale befefliget if. Bisher find 
die Schalen von diefer Art alle für Dpferfchalen 
‚gehalten worden; durch eine biefige Entdekung aber 
‚findet fich, das diefelden von eben der Form auch in 
- Bädern gebrauchet worden , und Diefes durch ein 
Gebund von -Schabezeugen (strigiles), die mit 
einer Batera, aber mit einem breiten Stiele, in 
einen platten Ning von Erst, wie wir es mit 
Schlüſſeln zu tbun pflegen, eingefvannet waren. 
Diefe werden alfo gedienet haben, das Waller über 


ben Leib zu giefien. Andere, aber tiefere Schalen 


‘ 


182 Sendſchreiben v. d. 


mit einem breiten Stiele, waren Küchengeräthe, und 
denen ähnlich, die wir über die Caſſerole ſezen. 


$. 76. Unter manchen hieſigen Entdekungen, 
welche ung überzeugen, daB wenig Neues gemachet 
wird, was nicht ehemals fchon geweſen, find auch 
filberne Taffen, nämlid untere und obere Schn- 
fen, von eben der Form und Größe, wie die unfri- 
gen zum Thee find, und iene find aufferorbentlich 
fchön getrieben und gefchnizet. Diefe Gefäße hatten 
eben den Gebrauch, wie die unfrigen izo; fie diene- 
ten zum warmen Waſſer trinfen, und es waren bei 
den Nömern einige Häuſer, wo man daflelbe nahm, 
wie unfere Kaffeehäuſer. Es find drei Baar derfel- 
ben in dem Mufeo. 


$. 77. Die filbernen Schalen geben Gelegenheit, 
‘von einem Gefäße von Silber zu reden, welches die 
Form eines Mörfels bat, und etwa anderthalb 
Bfund mwieget. Auf demfelben iſt in flach erhobener 
Arbeit Homerus, auf einem fliegenden Adler getra- 
gen, vorgeflellet, welcher fich mit der vechten Sand das 
Kin unterfiüget, und wie in hohen Betrachtungen mit 
erhabenem Haupte ; in der linken hält er eine ger olle- 
te Schrift, das if, fein Gedicht. ber deffen Haup⸗ 
te ſchweben Schwäne unter hängenden Blumenfrän- 
zen. Diefes Stäf hat Herr Grav Caylus, aber ohne 
das folgende, in dem dritten Bande feiner Sams 
Sung von Altertüämern vorgeflellet, fo wie es 
ibm aus dem Gedächtnifie gezeichnet mitgetheilet 
worden. Auf beiden Seiten fizen unterwärts zwo 
weibliche Figuren auf Laubwerke von Eichen: die zur 
Nechten ift bewaffnet mit Schild und Spieß, nebft 
"einem furgen Degen unter dem Arme, und bildet 
die Zlias ab; die zur Linken, mit einem fonifchen 
Sute ohne Krempen, wie Ulyſſes, fchlägt ein 
Bein über das andere, und berühret die Stirn mit 


herecul. Entdef. 183 


der rechten Sand, wie voller tiefen Gedanken, und 
fiellet die Ddyffen vor. Martorelli hatte diefe 
Figuren für Männer angefehen, 1) welches er in 
den Zufägen feines Buchs verbeflert. 2) Aber 
Herr Baiardi, welcher reichlich zu Beſchreibung 
Diefer Schläge besahlet war, und biefelben mit mehr 
Muße als andere fehen und betrachten koñte, ma- 

"het unverantwortlich aus dem Homerus einen Ius 
lius Caäſar, I) welder, wen ihm deflen Bild auch 
nicht befant gemwefen wäre, wenigfiens feinen Bart 
getragen bat. Seinem Cäſar fezet er zur Seite ei⸗ 
ne weinende Roma, welche er fih an der Kling 
vorfiellete, und aus der Od yſſea meiß er nichts 
zu machen, als einen Soldaten. 4) An einem andern 
Drte taufet er einen Herfules, welcher nach den 
ſtymphaliſchen Vögeln fchießet, einen Bäger 
der Woaffervögel. Weiber und Männer verwech⸗ 
felt ex mehr als einmal. Auf einer Meinen ovalen 
filbernen Blatte iſt von getricbener Arbeit ein Sa⸗ 
tyr, welcher eine Leier fpielet. Diefer erinnerte 
mich bei dem erſten Anblife desienigen Flötenſpie⸗ 
{ers von Aſpendus unter den Statuen des C. 
VBerres, „an dem man, wie Eicero faget, er- 
„fante, dag er nur für fich ſelbſt ſpiele, ohne ſich 
— zu befümmern, von iemand gehöret zu werden; “ 5) 
eben fo vertieft iſt diefe Figur in ihrer Harmonie. 
. 8 78, Gefäße, die der Überfluß erfunden, 
waren diejenigen, in welchen die Alten eine Art 


ı) De Reg. Theca Calam. p- 266. 

2) In Additam. p- 19: 

3) Catal. de’ Monum. d’ Ercol. Vasi, n. 540. 

4) [Man fehe den 2785. der Briefe an Bianconi, ımd. 
die Geſchichte der Kunſt, 9 8.28. 43 $. Note] 

5) [In Verrem actio 2. 1. ı. c. 20. Man fehe den 28 8. 
ded Briefe an Bianconi.) 


134 Sendſchreiben v. d. 


Feldmäuſe, die ſich in Caſtanienwäldern aufbalten 
und nähren, fütterten und fett macheten. Dieſe 
Gefäße find von gebranter Erde, etwa drei. Palme 
hoch und drittehalb im Durchmefler, mit einer 
mäßig großen Mündnng, in welchen inwendig um⸗ 
ber ſtufenweis halbrunde Zröge ebenfalls aus Tho⸗ 
ne find, für das Futter diefer Thiere. Diefes Ge- 
fäß oder Behältnif hieß glirarium, von glis, welches 
der Name des Thiers if, mit welchem Worte die 
Deutſchen und andere Völker auch die Razen be- 
zeichnen. Da nun jene Thiere jenſeit der Alpen, 
wie ich merke, nicht befant find, fo haben fich einige 
ausländifche Gelehrte vorgeſtellet, die Römer hät- 
ten Razen gefüttert, und als einen befondern Le⸗ 
ferbifien gegeflen. Diefe Einbildung machet ſich un⸗ 
ter andern Sloane in dem Vorberichte zu feiner 
Befhreibung der Infel Samaica in engli- 
fcher Sprache, und Lifler,- in feinen Anmerfun: 
gen über den Apicius von der Kochkunſt, 
iſt nicht beffer unterrichtet. Im Wälfchen beiffet die- 
fes Thier ghiro von glis, und wird noch izo gegeffen, 
aber nur auf großen Tafeln: den es ift nicht häus 
fig, und ich weiß, daß das Haus Colonna daffelbe 
zum Gefchenfe verfchifet. Es vergräber fh im Win- 
ter , und Tieget alsdan, wie man faget, in einem 
beſtändigen Schlummer, ohne Nahrung, und daher 
it es von den Neuern als ein Sinbild des Schlafs 
gebrauchet, wie man es alfo vom Algardi neben 
dem Schlafe von ſchwarzem Marmor in der Billa 
Borghefe vorgeftellet fiebet. 

$. 79. Was zum Spiele und zur Luflbarfeit 
gehöret, ift ebenfalls hierher zu sieben, und Die 
Flöten der Alten verdienen bier einige Anmerkung. 
Es waren diefelben von Knochen, von Elfenbein 
und auch von Erzt gemachet, und befanden, wie 
Die unfrigen, aus verfchiedenen Stüfen, aber mit 


hercul. Entdef, 185 


diefem Unterſchiede, daß die Stüfe oder Glieder 
nicht - durch Falze in einander paffeten, fondern fie 
murden auf ein Rohr, insgemein von fein ausge 
drechfeltem Holze, gezogen, wie man an zwei Flo» 
tenfüfen von Erst in dem Mufen fichet, an 
welchen inwendig das Holz verfleinert hängen ge 
blieben if. In dem Muſeo zu Cortona if eine 
Flöte von Elfenbein auf eine filberne 
Röhre gesogen. 

S. 80..Bon den dafigen Luſtbarkeiten nad 
griechifcher Art, und in diefer Sprache gibt ein klei⸗ 
nes Täfelchen von Elfenbein, mit dem Worte AICxTAoT, 
einen Beweis; es ift daflelbe, ich weiß nicht an 
welchem der verfchütteten Drte, gefunden. Diefes 
Tafelchen iſt eine tessera, die den Namen des bes 
rühmten Tragici Afchylus führet, und zeiget, 
daß am diefen Drten defien Trauerfpiele aufgeführet 
mwurden.1) Und diefe Tefferä wurden, wie bie 
heutigen Freizeddel zu Opern und Komödien von 
demjenigen ausgetheilet, welcher auf feine Koſten 
die Schnufpiele gab. Diefes iſt die einzige Teſſera 
mit dem Namen eines griechifchen Theaterdichters; 
andere finden fich auch von Elfenbein, aber nur mit 
Zahlen, in dem Muſeo des Eollegii Nomant. 


8. 81. Einzig iſt auch ein Diffus von Exit, 


welcher acht Zolle im Durchmefler hält, und in der 
Mitte ein Loch bat, deflen Runde fih auf einer 
Seite enger fchließet, um den Finger felter hinein» 
zulegen, wen diefe Platte geworfen wurde.2) Die 
fe Art, den Diffus zu werfen, tt vorher auch nicht 
bekaüt gewefen. Es waren aber auch Difei ohne 
Roc. in ber Mitte, wie derjenige iſt, den eine 
Statue an den Schenkel drüfet, die im Haufe Ver 


4) [Man fehe die Nachrichten ı. $. 98.] 
2) (Ebendaſ. $. 100.) 
8 * 


186 Seudfchreiben v. d. 


rofpi zu_ Nom war, und vor kurzer Zeit verfaufet 
if. Don diefer Art iſt der Diffus von einem Pal⸗ 
me und fiebenthatb Zoll im Durchmefler, auf einer 
erhobenen Arbeit in der Billa Albant, von wel 
chem ich andermärts geredet babe. I) Im übrigen 
war dieſes, wie wir reden würden, ein ritterfi« 
ches Spiel; unter den griechifchen Helden mar es 
insbefondere eine bung des Diomedes; 2) es iſt 
auch noch izo in Engeland im Gebrauche. 

Ä $. 82. Ich füge diefer Art Gerdtbe eine tragk 
ſche Larve mit einem haben Auffaze von Haa⸗ 
ren in Marmor bei, welche, wie die eingebohreten 
Löcher umher anzeigen, eine von denen mar, wel⸗ 
che tiber das Geficht eines Verſtorbenen gebunden 
‚wurde, um noch nach dem Tode wahr zu machen , 
was Petronius faget: Omnis mundus agit histri- 
oniam. Eine junge Larve von gebranter Erde zu 
diefem Gebrauche befindet fih in dem Muſeo des 
Collegii Nomani. In vorigen Zeiten war in Franke 
reich der Gebrauch, auch des Nachts im Schlafe 
Larven zu tragen, um die Haut vor der in ver 
fchloffenen Zimmern verdiften Luft zu bewahren; ich 
hoffe, diefe Mode foil bald wiederfommen. 

$. 83. Zum GStaate, und als ein Zeichen edler 
Geburt, waren goldene Bullen, melde insge- 
mein Kinder, bis zu einem geriffen Alter, trugen, 
und diefes Mufeum hat zwo derſelben aufzumeifen. 
Es war aber diefes Feine Tracht blos junger En 
ben, mie man insgemein glaubet, fondern es tru⸗ 
sen auch Trinmphirende eine Bulle am Hab 
fe,3) und ich werde in ber Erflärung ſchwe⸗ 
ser Punkte der Mythologie, der Gebräuche 


ı) Description des Pierres gravees p. 458. 
2) Eurip. Iphig. in Aal. v. ı99. 
3) Macrob. Satum. 1. ı. c. 6. p. 173. ed. Pontam. 


Kon 


bereut, Entdek. 187 


und der alten Gefhichte,) welche ich in waͤl— 
ſcher Sprache entworfen babe, aus einem feltenen 
Denkmale darthbun, daß fe auch von Weibern ge⸗ 
tragen wurden. 

$. 84. Zum Zeichen der Würde einiger obrig« 
feitlichen Berfonen bei den Römern waren Selle 
curules, von denen fich zwo in dem Muſeo finden. 
Sie find von Erst, (in Rom waren fie insgemein 
von Elfenbein,) einen Balm und fieben Zolle 
hoch, und zween Palme und fieben Zolle breit. Sie 
beſtehen aus kreuzweis gelegeten runden Beinen,bie . 
[ein oben und unten einwärts gebogenes X] vorſtellen⸗ 
und fih unten in einen idealifchen Thierkopf mit 
einem langen Schnabel endigen, worauf fie ſtehen. 

6, 85. Sch will der vielen Löwen und anderen 
Thiere Köpfe von Erzt bier. nicht gedenfen, aus 
welchen in den Bädern, auch ın den Häufern, Wafe 
fer Tief; es laſſen fih auch die hirurgifchen 
Snflrumente und viele andere, -theils befaitte , 
theilö dem Gebrauche nach unbekannte, Geräthe ſchwer⸗ 
lich ohne Abbildung befchreiben, und auch durch biefe 
bleibet der Begrif unvollfommen. 

$. 86. Zulezt will ich einiger weiblichen Ge 
räthe, als Spiegel, Haar-oder Neſtnadeln, 
Armbänder und Ohrgehenke gedenken. Es 
ſind hier zween Spiegel, ein runder und länge 
lich vierekiger; der. runde wird etwa acht Zolle 
halten: beide ſind von Metall, welches geſchliffen 
und geglättet iſt. Herr Baiardi 2) hat zween 
Spiegel mit langen Stielen daſelbſt :finden mollen, 
die ich aber nicht geſehen, noch finden können. Im 
gemein waren die Spiegel der Alten vond ; und auf 
einem gefchnittenen Steine indem Hefhifhen Mu⸗ 

1) [Worand die Dentmale 1 entßanden ‚find, 28% 


1 Abſchn. 12 8.78.) 
2) Catal. de’ Monum. d’Ercol. p. 271. n. 768. 


488 Sendfchreiben v. d. 


feo hält Venus einen folchen Spiegel an deffen 
Defel, wie einige unferer Reiſeſpiegel find. Se 
neca1) gedenket aufferordentlich "großer Spiegel, 
die ganze Perſon darin zu befehen. 

$. 87. Unter den flbernen Neftinadeln, die 
Zöpfe hinten um Ddiefelben zu winden, find vier ber 
fonders groß und ſchön gearbeitet: den diefes war 
ein befonderes Stüf des Puzes der Weiber; auch die 
verfchnittenen Brieiter der Cybele fezeten fich die 
Haare mit einer Nefinadel auf. Die größte, an acht 
Zolle lang, hat anflatt des Knopfs ein Forinthr- 
fhes KRapitäl, auf welhem Venus ſtehet, die 
mit beiden Händen ihre Haare gefaflet bat; neben 
ihr. -fehet die Liebe, und hält ihr einen runden 
Spiegel vor. Es pflegeten auch römifche Frauen den 
Statuen der Göttinen Spiegel an ihren Kelten 
vorzuhalten.?) Eben fo lang find noch izo die filbernen 
Neſtnadeln der Weiber auf dem Lande um Neavel. 
Auf einer andern folchen Nadel, welche fich gleiche 
falls in ein Forinthifches Kapitäl endiget, ſtehet die 
Kiebe und Pſyche umfaflet. Eine andere hat 
oben zwei Bruſtbilder, und auf der Fleinflen ſtehet 
Venus an den Cippus eines Priapus gelehnet, 
die das rechte Bein aufhebet, und mit der linken 
Hand den Fuß halten zu wollen fcheinet. 

$. 88. Armbänder find in dem Mufeo , von 
Erst und von Golde, und alle in Geflalt einer 
Schlange; von denen, weldhe um das Dbertheil 
bes Arms geleget wurden, erinnere ich mich bier 
feine geiehen zu haben; iene find von der kleinern 
Art; weiche über die Anöchel lagen. Die Ohrge⸗ 
henke von Golde gleichen dem Kopfe einer Eichel 
mit deſſen erhobenen kleinen Bukeln, und ſie ſtehen 


* ) Ni. Quest 1. 1.6. 1% | 
2) Lips. Elect. l. a. c. ı8.-p. 503. ed. Plant. in 4toi 


bereut, Entdek. 189 


mit der offenen Seite gegen das Ohr, in eben der 
Bon haben fie noch izo die Weiber in diefer Ge⸗ 
gend. 

"6, 89, Unter den Geräthen find fonderlich die 
Baterä, wie ich oben gedacht habe, von einem zu⸗ 
fammengefegeten weiſſen Metalle, welches dem erflen 
Anblike nach Eilber fcheinet; es ift auch der grüne 
Anfaz wie an diefem: mer weiß, ob es nicht eine 
von den zwo berühmten Arten Erzt, Forintbifches 
oder fyrafufifches, war. Ach weiß, daß einige 
ein goldfarbiges Erzt in einigen Münzen ber 
erftien Größe für Forinthifches Erzt halten; es 
if aber diefe Meinung fo ungewiß, als lächerlich das 
Borgeben von dem Urfprunge dieſes Erztes in der 
Eroberung dieſer Stadt iſt. 

S. 90, Die vornehmſte Betrachtung über alte Ge⸗ 
räthe, und fonderlich über die Gefäße, follte auf 
die Bterlichfeit vderfelben gerichtet fein, in wel 
cher alle unfere Künſtler den Alten nachfiehen mü⸗ 
fen. Ale ihre Formen find auf Grundfäze des 
. guten Geſchmaks gebauet, und gleichen einem 
Thönen iungen Menfchen, in deflen Gebärden, 
ohne fein Zuthbun oder Denfen, fih die Sratie 
bildet; diefe erfirefet fich bier bis auf die Handha⸗ 
ben der Gefäße. Die Nachahmung bderfelben 
fünte einen ganz andern Befchmaf einführen, und uns 
von dem Gefünftelten.ab auf die Natur leiten, wor⸗ 
in nachher die Kunſt fan gezeiget werden. Die 
Schönheit diefer Gefäße bildet fich durch die fanft 
gefchmweiften Linien der: Formen, als welche 
hier, wie an fchönen iugendlichen Körpern, mehr 
anmwachfend als vollendet find, damit unfer 
Auge in völlig halbrunde Umkreiſe feinen Blik nicht 
endige, oder in Eken eingefchränfer und auf 
Spizen angeheftet bleibe. Die füße Empfindung 
unferer Augen bei folchen Formen ill wie das Ge 


190 Sendfchreiben v. d. 


fühl einer zarten fanften Haut, und unfere Begriffe 
werden, als vom Vereinten, leicht und faßlich. Da 
nun das Xeichte durch deſſen Faßlichkeit ſelbſt gefal- 
Ien, und das Gezwungene, wie ein übertricheneg 
Lob Anderer, weil wir ſelbſt an daffelbe nicht rei⸗ 
chen zu können glauben, durch das Gegentheil mif- 
fallen muß; ia da die Natur, in Anfehung der Ko⸗ 
fien (da insgemein das Natürliche wohlfeiler ale 
defien Gegentheil iſt,) den Weg erleichtert: fo foll- 
te uns Empfindung und Überlegung zu der fchönen 
Einfalt der Alten führen. Aber diefe blieben bei 
dem, mas einmal fchön erfant worden, weil das 
Schöne nur Eines if, und änderten, wie in ihrer 
Kleidung, nicht; wir hingegen können oder. wollen 
uns in diefer, wie in andern Dingen, nicht fefl« 
-fegen, und wir irren in thörichter Nachahmung ber- 
nm, wodurch wir alle Augenblife,. was wir bauen, 
wie die Kinder, wiederum niedermwerfen. 


$. 91. Der zweite Theil des vierten Stüks 
diefes Sendfchreibens, weldher von den her—⸗ 
eulanifhen Schriften handelt, verdienet unfre 
ganz befondere Aufmerkfamfeit, um fo. viel mehr, 
da niemand vor mir Nachricht von denfelben gege⸗ 
ben bat. Bei dielen Schriften if zum erfien. 
die Entdekung bderfelben befonders anzuzeigen; 
zum zweiten iſt die Materie, woraus fie befleben- - 
nebft ihrer Form, Geſtalt und Befchaffenbeit, 
drittens die Art und Weife der Schrift auf 
denfelben, und viertens ihre Aufwikelung au 
erflären. 


8.92, Die Entdekung derfelben verfprach nichts 
wehiger , als mas fich nachher zeigete; die Arbeiter 
beklageten fih, wie die zween Kablköpfigen, 
die einen Kam auf dem Wege fanden: 


bereuf, Entveh 191 


— — — sed fato invido 
Carhonem, ‘ut ajunt, pro thesauro accepimus. 1) 
Den man ſahe die Schriften für verbrafiteg 
Holz und für Kohlen an, und es wurden daher 


viele zerfioßen und meggeworfen. Es gefchahe hier. 


wie in Brafilien mit den Diamanten, welde, 
ehe man diefelben erfante, als Kleine Kiefel nichts 
geachtet wurden. Die Drdnung der Schichten, in 
welcher diefelben nachher auf einander geleget ger 
funden wurden, war der einzige Umſtand, welchen 
einige Aufmerffamfeit erwekete, und zu bedenfen 
veranlaflete , daß es vielleicht nicht bloße Kohlen 
wären, bis man Buchſtaben barauf enthefete: 
6.93. Der Drt, mo diefelben zum Borfchein 
kamen, war ein Eleines Zimmer in der oben gemel⸗ 
deten berculanifchen Billa, welches zween Menfchen 
mit ausgefirefeten Armen überreichen fohten. Nund 
herum an der Mauer waren Schränfe, wie in den 
Archiven zu fein pflegen, in Manneshöhe, und im 
der Mitte im Zimmer ſtand ein anderes Tolches 
Geſtelle für Schriften auf beiden Seiten, fo daß 
man frei umbhergehen Eonte. Das Holz dieſer 
Geſtelle mar zu Kohlen gebrant, und fiel, wie 
man leicht errathen Fat, zufammen, da man diefel- 
ben anrührete. Kinige von diefen Rollenfchriften 
fanden ich mie gröberem Bapier, von chen ber 
Art, welches emporetica hei den Alten hieß, zuſam⸗ 
mengebunden, welche vermutblich als Theile und 
Bücher ein ganzes Werk ausmacheten. Die Schrifr 
ten wurden, da man fie dafür erfant batte, mit 
Sorgfalt zufammengelefen, und man fand über 
taufend Stüfe, von denen die mehreflen in dem 
Mufes zu PBortict in einem mit Glasfenſtern ver- 
Schloffenen Schranke aufbehalten werden; viele aber 


1) Phedr. 1. 5. fab. 6. 


⁊ 


192 Sendfchreiben v. d. 


ſollen noch in den Gewölbern unter dem Muſeo 
liegen, wo die Trümmern von Statuen und von 
andern Werken beigeleget ſind. 

§S.94. Die Materie dieſer Schriften if Bas 
pyrus, oder ägyptiſches Schilf, welche Pflanze 
auch Deltos (Acaros) von der Gegend daſelbſt, mo 
fie am häufigſten wuchs, benennet murde. Es fcheinet 
von diefem lezten Worte die Benennung von Schrife 
ten auch in der heiligen Schrift angenommen zu 
fein: den derros heiffet ein Bud, beim Jeremia, 
fo viel ich mich ohngefähr erinnere: 150 wird diefe 
Pflanze von den Eingebornen dieſes Landes Berd 
genennet.1) Es war dieſelbe ſonderlich dieſem Lande 
eigentümlich, wurde aber, nach dem Strabo, auch 
in Stalien zu bauen angefangen, mo fie ſich gänzlich 
verloren bat; und Targioni, ein noc, lebender 
Arzt zu Florenz, ift ſehr irrig, wen er glaubet, 2) 
dag etwa dasienige Schilf, welches zu Matten 
und su Befleidung der gläfernen Flafchen dienet, 
das ehemalige Bapier fein Fönne. 

8.95. Bon denen, die in Agnpten gereifet 
find , it Alpinus der einzige, welcher diefes Ges 
wiächs befchreibet; Pococke und andere übergeben 
es mit Stillfchmeigen. Es wächſet an den Ufern 
des Nils und an fumpfichten Orten, und treibet 
einen. Stengel, welcher über dem Waffer zwo 
Ellen (Cubiti), wie Bliniuss) aus dem Then 
phraſtus faget; 4) nach dem Alpinus ſechs bis 
fieben Ellen: der Stengel if dreiekig, und 
hat oben eine Krone wie von Haaren, weldhe von 
den Alten mit einem Thyrſus verglichen wird. 


ı) Wesseling. De Plant. Egypt c. 36. 


2) Viaggi, t. 5. p. 379. 
3) L. ı3. c. 22. 


4) L.4. c. 9. 


hereul. Entdef, | 193 


Diefes fogenante ägyptiſche Schilf: mar den 
Eingebornen von großem Nuzen; der Marf des 
Stengels dienete ihnen zur Nahrung, und aus dem , 
Stengel ſelbſt macheten fie Schiffe, deren Geflalt 
wir auf gefchnittenen Steinen und auf andern 
dgpptifchen Denfmälern ſehen. Es wurden nämlich 
Bündel wie Binfen zufammengebunden, und bdiefe 
wurden wiederum an einander vereiniget, bis man 
ihnen die Gehalt von Kähnen vder Schiffen 
gab. Der vornehmfe Nuzen aus diefer Pflanze 
aber war die dünne Haut, auf weiche man ſchrieb; 
und eben diefes ift der: Punkt, worin die Nachricht 
der alten Scribenten nicht deutlich genug if, und 
ung fein völliges Genüge thut. Es haben fich daher 
einige, wie Boffius, 1) vorgeſtellet, daß das Pas 
pier zum Schreiben von den Blättern diefer 
Bflanze genommen morden. Andere, als Weſſe⸗ 
fing,?) haben fih noch einen irrigern Begrif 
gemachet, wen fie glauben, daß daſſelbe aus der 
Wurzel zubereitet worden. Die Wurzeln aller 
Pflanzen beilchen aus Fäſerchen, und haben eine 
Holznatur, welche daher nicht in dünne Blätter 
fonnen aufgewifelt werden. Es bat fick aber lezt⸗ 
gedachter Seribent vorgeftellet, daß die Wurzel wie 
in einen Brei zerfochet und zubereitet worden, um 
Das Papier etwa auf eben die Art, wie es izo ges 
machet wird , zu gießen. Andere, wie Salm a⸗ 
fins3) und Guillandini, Fommen der Wahr⸗ 
heit mäher , wen fie glauben, daB die Blätter Bar 
Pier von dem Stengel genommen werden, wel⸗ 


1) In Etyrhol. v. Papyrus. j 
2) De Plant. Egypt. Obs. ad Prösp. Alpin. Patar. 1638. 
4 


3) Plin. exercit. p. 1003. ed. Paris. 
Winckelmañ. 2. 9 


194 Gendfchreiben v. d. 


cher Ach in bünne Häute aufblättern laſſen, fü 
daß dieientgen Häute, welche sunähl an: dem 
Marke des Stengels find, dns beſte Bapter gegeben, 
und die auſſern Häute das fchlechtere. Dieſes 
beflätiget der Augenfchein an den berculanifchen 
Schriften, die aus vier Finger breiten Blättern 
zufammen gefezet find, (wie ich in Folgendem deut⸗ 
licher befchreiben merde,) und, wie ich glaube, dem 
uUmfreis des Stengeld zeigen. Sch follte alfo 
fat auf die Gedanken gerathben, daB der Tert des 
Blinius verfälfchet fei, wo er faget, daß der Un⸗ 
terfchied in dem Werthe des Bapiers an deflen 
Breite Tiege „Das beite, faget ee, bat die 
» Breite von dreizehen Zoll;“ dasienige, wel⸗ 
ches Sieraticna hieß, war von eilf Zoll; Fan- 
niana von sehen Zoll; von Sats hatte weniger, 
und das fhlechtere war von ſechs Zoll. Hier 
müßte, nah meiner Muthmaßung, anflatt das 
Wort Breite, das Wort Länge gefezet werden; 
den der Stengel der Pflanze muß mehrentheils 
von gleicher Dike geweſen fein; und .ich kañ 
mir nicht vorflellen , wie derfelbe an einigen drei⸗ 
sehen Zolle, an andern aber fechs im Umkreiſe ges 
habt babe, da die Breite des Papiers der Um⸗ 
freis des Stengels, und demfelben gleich geweſen 
fein muß; die Ränge des Papiers aber wird nach 
der Länge des Stengels zu rechnen fein. 

$. 96. Sch will mich unterdeffen im Feine Unter⸗ 
fuchung aller einzelnen Stüfe der Nachricht des 
Blinius einfafien, um niht Muthmaßungen 
anflatt Nachrichten zu geben. Bch glaube z. E. 
was er von Schriften aus zwei⸗ja aus dreifach 
zufammengeleimeten Blättern redet, fonberlich da 
Builladini dergleichen Schriften von Agyptifchem 
Bapiere gefehen zu haben verfichert. Die hereulani⸗ 
fchen Schriften beileben nur aus einem einzigen 


bereut, Entdek. 195° 


Blatte. Ich überlaſſe cs andern, fich aus ber rich- 
tigen Anzeige, die ich von diefen Schriften geben 
will, die Nachrichten der Alten deutlicher zu machen , 
wen fie mehr zu wiffen verlangen, als was der 
Augenfchein gibt. 

$. 97. Don Schriften auf Aguptifchem Papiere 
babe ich, aufier den berculanifchen, gefehben: ver- 
fchiedene Diplomata in der vaticanifchen Bibliothek; 
ein Blatt mit griechifcher Schrift von einem Kir⸗ 
chenvater, in der Bibliothef der Thentiner zu &. Apo⸗ 
fkoli in Neapel. Mabillon 1) gedenket gefchrie 
bener Reden des 5. Auguſtinus auf Pergament 
mit bier und ba bdurchichoffenen Blättern von 
aͤgyptiſchem Bapiere, welche in der Bibliothek des 
Bräfidenten Betav waren; und es befinden fih - 
diefelben vielleicht unter den Manuferipten der Köni⸗ 
sin Chriſtina in der Vaticana: ich kañ aber izo 
davon, da ich mich auſſer Rom befinde, Feine Nache 
richt einziehen. | 
89. Bon der Form, Geftalt und Be 
ſchaffenheit diefer Schriften tif zu merken, daß 
fe faſt alle won gleicher Länge, das ift, von ci» 
ner Spanne find, und einige von zwei, andere 
von drei bis vier Finger breit im Durchmefler; 
es Äinden ſich aber auch einige von einer halben 
Spanne Tang. Die mebreflen find zufammenge- 
Thrumpft und rungelicht wie ein Bofshorn; 
welches die Hige verurfachet bat, wodurch diefelben 
gleichfam in eine Kohle verwandelt worden; deñ fie 
find entweder ſchwarz oder ganz dunkelgrau. 
Sn der Überſchüttung aus dem Berge find diefelben 
nicht völlig walzen för mig geblieben, - fondern ha⸗ 
ben eine ungleiche und böferihte Runde erhal- 
gen. An beiden Enden gleichen fie verſteiner⸗ 


ı) Diplom. 1. ı. c.8, S. 11 p. 35. 


126 Sendſchreiben v. d. 


tem Holze, deſſen Ringe ſich deutlich anterſchei⸗ 
den, welche an den Schriften aber in größerer An⸗ 
zahl und weit zarter ſind. Von vierekichten 
Büchern hat ſich kein einziges gefunden. 


8.99. Das Papier iſt dünne, ja noch dünner als 
ein Mohnblatt, nicht völlig wie es ehemals ge⸗ 
weſen, ſondern wie es im Feuer, welches den Kör- 
ver herausgezogen, geworden; ein bloßer Hauch, fat 
bei der Arbeit an demfelben Schaden verurfachen. 
Es muß aber diefes Papier beiländig fehr dünne ge- 
wefen fein, wie fih an vielen Schriften zeiget, 
welche wenig gerungelt find, und alfo eben fo dicht, 
wie fie izo erfcheinen, gewikelt waren: den da diefe 
Durch die Hize nicht enger , ale fie waren, zuſam⸗ 
mengedrüfet werden fonten, und weder nad) der 
Breite noch in der Länge nachgaben , fo blieben fie 
ohne Nunzeln und ohne geplätfcheten Druk. 


8.100. Eine folche Nolle Schrift beilehet aus 
vielen fchmalen Streifen von einer Hand breit, wel- 
che auf einander geleimet find, fo das eins über 
das andere in der Breite eines Fingers lieget, und 
diefe Fugung bat fich nicht aufgelöfet. Diefe Blät⸗ 
ter auf einander zu leimen gab es befondere Xeute, 
welche glutinatores hießen, t) deren Kunſt nicht unter 
die ganz gemeinen Handwerker gezählet worden fein 
muß, da die Athenienfer einem Philtatius eine 
Statue aufrichteten, 2) weil er ihnen die Schrift 
gu leimen gejeiget, oder welches glaublicher if, 
weil er eine befondere Art Bücherleim erfunden.) 

ı) Cie. ad Act. 1.4. epist. 4. 
2) Phot. Bibl, ex Olyn,iodoro. 


3) [Warum deñ nicht, die Schrift su Teimen? d. h. 
Gold⸗ und Silberflieder mittelſt eines feinen 
Kleiſters au befeftigen ?] 


hereul. Entdek. 197 


6.101. Dieſer aus vielen Stüken zuſammen⸗ 
gefugte Streifen Papier wurde zuweilen blos um 
ſich ſelbſt gerollet, in andern aber um eine Röhre, 
welche Holz oder Knochen war, nach dem Beng- 
niffe des Scholiaften des Horntius,!) und diefe 
Röhre zeiget fih dünner und ſtärker in dem Mittel⸗ 
punkte verfchiedener Schriften. Vermuthlich war 
diefelbe das, was die Alten den Nabel, umbili- 
cum, der Bücher nennen: den es ift derfelbe im 
der Mitte, wie der Nabel am menfchlichen Kör⸗ 
per, und deſſen Dfnung iſt diefem ähnlich. Diefes 
läffet fich unter andern aus einer Stelle des Mar⸗ 
tialis erweifen, wo er von einer Heinen Schrift 
faget, daB ſie nicht größer fei als der Nabel: 

Quid prodest mihi tam macer libellus, 
Nullo crassior ut sit umbilico, 
Si totus tibi triduo legatur ? 2) 


Diefe Stelle if, mie ich dieſelbe einfehe, nicht 
recht verffanden; den es würde ein Vergleich ohne 
Verhaͤltniß fein, bier den Nabel am Menfchen 
zu verfichen; eben fo wenig fan es bie Zierat 
auf dem Dekel der Bücher bedeuten, fondern es 
muß für die kleine Rokle in dem Mittel 
punkte der Schrift verflanden werden. Der Dich: 
ter wird alfo Tagen wollen, „diefe Holle Schrift 
n fei nicht ſtaͤrker, als bieienige Kleine Rolle oder 
„Stab, um welche die Schriften gewikelt werden. “ 
Es mwürbe alfo ad umbilicam adducere 3) und ad 
“ambilicum pervenire heiffen, 4 eine Schrift en 


ı) Porphyr. ia Hor. Epod. 14. v. 8. p.286. ed. Plant. 
161 1. 4 


2) L 2. epigr. 6. v. 10. 
3) Horat. I. c. 
4) Marüal, L4. epigr.g v2. 


196 Sendſchreiben v. d. 


tem Holze, deſſen Ninge ſich deutlich anterfchel- 
den, welche an den Schriften aber in größerer An⸗ 
zahl und weit zarter ſind. Von vierekichten 
Büchern hat ſich kein einziges gefunden. 


899 Das Papier iſt dünne, ja noch dünner als 
ein Mohnblatt, nicht völlig wie es ehemals ge⸗ 
weſen, ſondern wie es im Feuer, welches den Koͤr⸗ 
ver herausgezogen, geworden; ein bloßer Hauch fait 
bei der Arbeit an demfelben Schaden verurfachen. 
Es muß aber diefes Papier beiländig fehr dünne ge⸗ 
weſen fein, wie fih an vielen Schriften zeiget, 
welche wenig gerungelt find, und alfo eben fo dicht, 
wie fie izo erfcheinen, gewifelt waren: den da diefe 
durch die Hize nicht enger , als fie waren, zuſam⸗ 
mengedrüfet werden Fonten, und Meder nad) der 
Breite noch in der Länge nachgaben , fo blieben fie 
ohne Runzeln und ohne geplätfcheten Druk. 


8.100. Eine folhe Rolle Schrift beilehet aus 
vielen fchmalen Streifen von einer Hand breit, wel- 
che auf einander geleimet find, fo das eins über 
das andere in der Breite eines Fingers lieget, und 
diefe Fugung bat fich nicht anfgelöfet. Diefe Blät⸗ 
ter auf einander zu leimen gab es befondere Leute, 
welche glutinatores hießen, 1) deren Kun nicht unter 
die ganz gemeinen Handwerker gesählet worden fein 
muß, da die Athenienfer einem Philtatiug eine 
Statue aufrichteten, 2) weil er ihnen die Schrift 
zu leimen geseiget, oder welches glaublicher if, 
“weil er eine befondere Art Bücherleim erfunden.) 
ı) Cic. ad Att. 1.4. epist. 4. 

2) Phot. Bibl. ex Olynı;iodoro. 


3) [Warum deñ nicht, die Schrift su Teimen? d.h. 
Gold⸗ und Silberflieder mittelſt eines feinen 
Kleifters sm befeftigen 7] 


bereut. Entdef, 197 


6.101. Diefer aus vielen Stüfen zuſammen⸗ 
gefugte Streifen Papier wurde zuweilen blos um 
fich ſelbſt gerollet, in andern aber um eine Röhre, 
welche Holz oder Knochen war, nach dem Beug- 
niffe des Scholinften des Horatius,!) und diefe 
Köhre zeiget fich dünner und Härfer in dem Mittel⸗ 
punkte verfchiedener Schriften. Vermuthlich war 
dDiefelbe das, was die Alten den Nabel, umbili- 
cum, der Bücher nennen: den es ift derſelbe in 
der Mitte, wie der Nabel am menfchlichen Kör⸗ 
per, und deſſen Dfnung ift diefem ähnlich. Diefes 
läffet fi) unter andern aus einer Stelle des Mar- 
tialis erweifen , mo er von einer Heinen Schrift 
faget , daß fie nicht größer ſei als der Nabel: 

Quid prodest mihi tam macer libellus, 
Nullo crassior ut sit umbilico, 
Si totus tibi triduo legatur ? 2 


Diefe Stelle if, mie ich dieſelbe einfehe, nicht 
recht verſtanden; den es würde ein Vergleich ohne 
Verhaͤltniß fein, bier den Nabel am Menfhen 
in verfichen; eben fo wenig kan es bie Zierat 
auf dem Dekel der Bücher bedeuten, fondern cs 
muß für die Fleine Holle in dem Mittel 
punfte der Schrift verflanden werden. Ber Dich 
ter wird alfo fagen wollen, „diefe Rolle Schrift 
„fei nicht Härter, als dieienige kleine Nolle oder 
„ Stab, um welche die Schriften gewikelt werden.“ 
Es würde alfo ad’ umbilicam adducere 3) und ad 
"ambilicum pervenire beiffen, 4 eine Schrift em 


ı) Porphyr. in Hor. Epod. 14. v. 8. p. 286. ed. Plant. 


1611. 4 
2) L 2. epigr. 6. v. 10. 
3) Horat. I. c. 
4) Narüal, L4. epigr.g v. 2. 


198 Gendfchreiben v. d. 


digen, ſo daß ſie kañ ihre Rolle bekommen, und 
dieſelbe zu Ende leſen, bis an dieſelbe. 

5. 102. Dieſem zufolge muß man ſich vorſtellen, 
daß, da der innere Stab zum Aufrollen dienete, 
ein zweiter Stab oder Röhrchen nöthig geme- 
fen, die aufgerollete Schrift wiederum aufzuwi⸗ 
feln, von welchen iener am Ende, diefer aber am 
Anfange befefliget geweſen, fo daß alsdan das 
Röhrchen, welches vorher inwendig war, aus⸗ 
wärts zu liegen gefommen, und fo wechfelsweife. 
An den herceulanifchen Schriften findet fi das 
zweite Nöhrchen nicht; den da das Auflere Blatt 
sder Rage an den meiften, welche man unterfuchet 
bat, fehlet, fo muß auch dieſes Röhrchen zugleich 
mit verloren gegangen fein. Man ſiehet auch daſſelbe 
an den gemaleten Rollen Schriften auf einigen ber- 
eulanifchen Gemälden nicht, wohl aber das innere 
Nöhrchen. Aber die Alten reden bei Schriften von 
folhen Röhrchen in der mehrern Zahl,i) und 
diefes fönte meine Muthmaßung befkätigen. Ferner 
bemerfet man an einigen Schriften in der Hohlung 
der Nöhrchen etwas, was diefelbe ausfüllet, welches 
ein Stäbchen zu fein fcheinet, um welches entweder 
das Röhrchen im Aufwifeln gelaufen, oder weñ dag 
Nöhrchen nur die Länge der Schrift gebabt hätte, fo 
bienete das Stäbchen, welches hervorging, vermit- 
telſt defielben das Nöhrchen zu drehen. Diefes Stab⸗ 
chen Fan feinen gedrechfelten Knopf gehabt ha⸗ 
ben, welcher etwa gemaler gewefen, fo daB daber ber - 
Dichter faget: Pictis luxurieris umbilicis. 2) An dieſes 
Otäbchen, weñ es da war, feheinet auch der Bebdel 
befefliget geweſen zu fein, welcher an Rollen Schrif- 


ı) Id. 1.3. epigr. 2: v. 9. 1.4. epigr. 91. v, 2. 13. epigr, 
6ı. v. 4. Stat. 1.4 Sylv. 9. 


3) (Martiel. 1. 3. epigr. 2. v. 9.] 


bereut. Entdek. ‚199 


ten auf Gemälden hänget 1) und den Titel bes 
Buchs zeiget. Diele vom Nabel genommene Bes 
nennung gebachter Röhrchen kañ nachher auch dem 
Bierate mitten auf dem Bande oder dem Dekel 
vierefiger Bücher gegeben fein, wie Martorelli 
aus einer Stelle des Lucians contra indoctum 2) 
fchließet: biefer Bierat war entweder ein Befchlag, 
wie an unfern älteflen Bänden, oder ein Stempel, 
wie ihn die ſogenaüten Sornbände haben. 

8.103. Mit einigen von diefen Schriften ver 
fuhr man, wie einer von den Alien mit dem Ly⸗ 
kophron, deſſen dunkeles Gedicht er mitten ent- 
zwei fchnitt, um zu fehben, ob inmendig mehr ale 
von auſſen zu erſehen fei, und wie der b. Stern 
nymus es in chen der Abficht mit dem Berfins 
fol gemachet haben : 3) es wurden einige große Nol⸗ 
Ien mitten durchgefchnitten, um das innere Ge 
wölbe derfeclben zu fchen und den Fremden zu 
zeigen. In einigen derfelben iſt die Schrift To 
ſchön und groß, wie in dem großen orfordifchen 
Bindarus. 

"8.104. Se mehr diefe Schriften Kohlen ähnlich 
fcheinen, und je mehr die Schwärze derfelben durch⸗ 
gehende an thiten gleich iſt: defto erhaltener find fie 
zu achten, und deſto Leichter wird die Aufwifelung« 
und diefes läſſet fich aus der Befchaffenheit der Koh» 
Ien ſelbſt begreifen. Den fo wie Holz, welches zu 
Kohle geworden, vermöge der Abfonderung und Bes 
raubung der Feuchtigkeit, und nah Ausdünflung 
der fremden Theile, der Veränderung nicht ferner 
unterworfen iſt, in eine ewige Dauer erlanget, fo 
Daß mit Kohlen Gränz- und Markileine zum immer- 


ı) Pitture d’ Ercol. t. 2. p. 7. 
2) AspYspac wepıßarrsıc, za omparsc errıdan. le. 16.) 
3 Bayles Wörterbuch, unter Perſius.) 


198 Sendfchreiben v. d. 


digen, ſo daß ſie kañ ihre Rolle bekommen, und 
dieſelbe zu Ende leſen, bis an dieſelbe. 
6. 102. Dieſem zufolge muß man ſich vorſtellen, 


daß, da der innere Stab zum Aufrollen dienete, 


ein zweiter Stab oder Röhrchen nöthig geme- 
fen, die aufgerollete Schrift wiederum aufzuwi⸗ 
feln, von welchen iener am Ende, diefer aber am 
Anfange befehiget geweſen, fo daß alsdan das 
Nöhrchen, welches vorher inwendig war, aus 
waärts zu liegen gefommen, und fo mwechfelsweife. 
An den: bereulanifchen Schriften findet fich das 
zweite Röhrchen nicht; den da das Auffere Blatt 
sder Rage an den meiflen, welche man unterfuchet 
bat, fehlet, fo muß auch dieſes Röhrchen zugleich 
mit verloren gegangen fein. Dan fichet auch daſſelbe 
an den gemaleten Nollen Schriften auf einigen her⸗ 
eulanifchen Gemälden nicht, wohl aber das innere 
NRöhrchen. Aber die Alten reden bei Schriften von 
folchen Röhrchen in ber mehrern Bahl,1) und 
diefes köñͤre meine Muthmaßung beflätigen. Ferner 
bemerfet man an einigen Schriften in der Hohlung 
der Röhrchen etwas, mas dieſelbe ausfüllet, melches 
ein Stäbchen zu fein fcheinet, um welches entmweber 
das Röhrchen im Aufwikeln gelaufen, oder weit das 
Nöhrchen nur die Länge der Schrift gehabt hätte, fo 
bienete das Stäbchen, welches hervorging, vermit⸗ 
telft defielben das Röhrchen zu drehen. Dieſes Stäb⸗ 
chen fan feinen gedrechfelten Knopf gehabt ha⸗ 
ben, welcher etwa gemaler geweien, fo daß daber der 
Dichter ſaget: Pictis luxurieris umbilicis. 2) An biefes 
Stäbchen, wei es da war, fcheinet auch der Beddel 
befefliget gewefen zu fein, melcher an Rollen Schrif« 


1) Id. L 3. epigr. 2; v.9. 1. 4. epigr. 91. 2. 1.3. epigr, 
61. v. 4. Stat. 1.4 Sylv. 9. 


2) (Martial. 1. 3. epigr. 2. v. 9.] 


hereul. Entdek. 199 


ten auf Gemälden hänget 1) und den Titel des 
Buchs zeiget. Diele vom Nabel genommene Bes 
nennung gebachter Röhrchen Fan nachher auch dem 
Bierate mitten auf dem Bande oder dem Dekel 
vierefiger Bücher gegeben fein, wie Martorelki 
ans einer Stelle des Lucians contra indoctum 2) 
fchließet: biefer Zierat war entweder ein Befchlag, 
wie an unfern älteſten Bänden, oder ein Stempel, 
wie ihn die fogenaniten Hornbände haben. 

8. 103. Mit einigen von diefen Schriften ver 
fuhr man, wie einer von den Alien mit bem Ly⸗ 
kophron, deffen dunfeles Gedicht er mitten ent- 
zwei fchnitt, um zu ſehen, ob inwendig mehr als 
von auſſen zu erſehen fei, und wie der 5. Hier 
nymus es in chen der Abficht mit dem Perſius 
fol gemachet haben : 3) es wurden einige große Rol⸗ 
len mitten durchgefchnitten, um das innere Ge 
wölbe derfelben zu fehen und den Fremden zu 
zeigen. In einigen derfelben iſt die Schrift fo 
ſchön und groß, wie in dem großen orfordifchen 
Bindarus. 

6.104. ge mehr diefe Schriften Kohlen ähnlich 
feinen, und je mehr die Schwärze berfelben burch« 
gehende an ihren gleich if: defto erhaltener find fie 
zu achten, unb beflo Leichter mird die Aufwikelung— 
und diefes läſſet fich aus der Befchaffenheit der Koh⸗ 
Ien felb begreifen. Den fo wie Holz, welches zu 
Kohle geworden, vermöge der Abfonderung und Be⸗ 
raubung der Feuchtigkeit, und nah Ausdünflung 
der: fremden: Theile, der Veränderung nicht ferner 
unterworfen ift, ja eine ewige Dauer erlanget, fo 
daß mit Kohlen Gränz- und Markileine zum immer- 


ı) Pitture d’ Ercol. t. 2. p. 7. 
2) AspYspas mapıbarrıs, aus ouparse rd. [c. 16.) 
3) Bayles Wörterbuch, unter Perſius.] 


200 Sendfchreiben v. d. 


waͤhrendem Gebächtniffe können geleget werden; eben 
fo verhält es ſich mit dieſen Schriften. Se ſchneller 
und je gleicher diefelben von der feurigen Materie 
des Defunius durchdrungen worden, wodurd alle 
Feuchtigkeit aus denfelben gefondert if, deſto mehr 
it die Materie des Papiers zu einer ‚gleihförmigen 
Einheit gebracht, und alſo gleichfam wie die einfa- 
chen und feſten Samen der Dinge unveränberlich 
und unvermeslich geworden. Dieienigen Schriften 
aber , auf welche die feurige Materie nicht gleich- 
förmig gewirfet, find auch nicht gleih an Farbe; 
und da die Feuchtigkeit aus bdenfelben nicht augen- 
blitlich wie aus jenen herausgetrieben ward, wa⸗ 
ren fie alfo der Veränderung unterworfen, und 
die äuffere Feuchtigkeit fuchete Ach mit der in den⸗ 
felben zurüfgebliebenen zu vereinigen , ja, fchlenete 
Afche und Erde mit hinein, wodurch die Theile, 
welche davon angegriffen werden fonten, litten und 
zerfreſſen wurden. Sene alfo find viel leichter, als 
diefe, aufzumifeln. _ 


6. 105. Die Geſtalt diefer Schriften Hat 
mehrmal gedachten Herrn Martorelli auf eine 
überans feltfame und paradore Meinung gebracht, 
welche ein offenbares Zeugniß von der Selbſtver⸗ 
blendung und Hartnätigfeit der Menfchen gibt. 
Es behauptet diefer gelehrte Man wider den bands» 
greiflichen Augenfchein, baß die herculanifchen Schrife 
ten, bie er. geſehen, To oft er gewollt, Feine'ge- 
Ichrten Abhandlungen, und überhaupt Feine 
Bücher, fondern nur Urfunden, Stiftungen, 
Verträge, Abfchiede und dergleichen feien, und 
daß alfo der Ort, mo diefelben gefunden worden, 
das Archiv der Stadt Herculanum geweſen. Erſt⸗ 
lich laäugnet er, daß bei den alten Griechen ge 
sollete Schriften im Gebrauche.geweien, und er 


bereut. Entdek. 201 


gibt ihnen Feine andere als vierekige Bücher. 1) 
» Dei, faget er, es iſt thöricht zu gedenken, daß 
„ die Klugheit der Alten eine febr unbequeme 
„Form von Büchern (welches ihm die zuſammen⸗ 
„ gerollete fcheinet,) gewähler, “ da ein viereki— 
ges Buch fehr viel bequemer fel.2) Sein vornehme« 
fier Grund ift, weil die Griechen in den beſten Zei» 
ten das Wort, welches eine gerollete Schrift (vo- 
Iumen) bedeutet, nicht hatten: den irn fei, Dies 
fen Mangel zu erfegen, von fpätern Griechen in 
Gebrauch gebracht. Es müßten fich auch, fähret ex 
fort, bei den griechiſchen Seribenten, wen fie ihre 
Schriften gerollet hätten, die befondern Stüfe dere 
felben angegeben finden, welches aber nicht fei: dag 
Wort, welches das Röhrchen bedeutet, um welches 
bie Schriften gerollet worden, (asparssxos) verwirft 
er, als ein Wort ausden barbarifchen Zeiten. Er 
machet alfo den Schluß: weil den Griechen der beffen 
Zeiten, in dem größten Neichtume ihrer Sprache, das 
Wort mangelte, welches volamen bedeutet, fo kön⸗ 
nen fie auch Feine gerollete Schriften gehabt haben. 2) 
Diefes fezet er als unilreitig bewiefen voraus, und 
wild, daß die alten Scribenten feinem Traume 
gemäß reden follen; er verbeffert Fühnlich Diejenigen 
Stellen, welche feine Meinung umwerfen, und erfläret 
diefelben für verfälfht. Wen Afchines im vier 
ten Briefe von der Statue des Pindarus redet, 
welche die Athenienfer demfelben errichtet, mit einer 
gerolleten Schrift in der Hand, fo fezet er, an die 
Stelle des Worts gerollet, geöfnet; anflatt 
BVEIÄSYREVOV, OVE@YMEVOV: „Ich achte nichts, fpricht 
„er, auf den Diogenes Laerting, welcher bie 


ı) De Reg. Theca Calam. p. 233. 
a) Ibid. p. 234. 
3) Ibid. 


202 Gendfchreiben v. d. 


„ Schriften des Epikurs offenbar Cylinder (zur- 
„ Seas) nennet. "1) Er hält diefes Wort für einen 
„ Bufaz eines Römers, weil er daſſelbe bei feinem 
andern Scribenten in die ſem Verſtande/, auch felbft 
bei dem Diogenes nicht, öfter gefunden, und: er 
verwahret fich bier mit einigen Ausfprüchen des Me⸗ 
nage, welcher in feinen Anmerkungen über die 
fen Scribenten lehret, 2) daß derfelbe vol von Zu. 
fäzen und von pöbelhaften Ausdrüken fe, 
welches auch bereits Salmafius angemerfet habe.3) 
„ Gefezt aber, fähret er fort, Daß das Wort Cylin⸗ 
„der fein Zuſaz fei, fo beweiſet diefes nichts wider 
„mich und für die ältern Zeiten ber Griechen, weil 
» Diogenes unter dem Conſtantin gelebet, wo 
„ vieleicht gerollete Schriften unter den Griechen 
„in Gebrauch gefommen. “ Er berufet fich ferner 
auf mehr als ein vierefiges Buch auf hereula⸗ 
nifchen Gemälden, und wo dafelbit gerollete Schrif- 
ten vorgeftellet find, hält er diefelben für das, was 
er glaubet. 4) Er firafet den Spon Lügen, 5) wel 
cher in feinen -Neifend) vom einer gerolleten 
‚Rltrgie des h. Chryſoſtomus redet, die er zu 
Korinth gefchen. ’ 

$. 106. Sch Habe zu Erflärung, und zugleich 
anflatt der Widerleygung diefer wider den Strom 
fräubenden Meinung, auf. Tafel [184] eine alte 
fchöne erhobene Arbeit beigebracht, 7) welche ich nach 


2) Ibid. p. 235. 
. 2) In Annotat. p. 253. 
3) De ling. Hellenist. p. 107. 
4) De Reg. Theca Cal. p. 264. 
5) Ibid, p. 242. 
0) T. 2. p. 230. 
2) [Dentmale ıc. Numero 134. ad 


bereut, Entdek. 208 


einer meiſterhaften Zeichnung aus der Schule 
von Raphael, die ſich unter den Zeichnungen des 
Herrn Cardinals Alexander Albani befindet, 
copiren laſſen: deñ das Wert ſelbſt befindet ſich nicht 
mehr in Rom. Es gibt daſſelbe ein Bild der Erzie⸗ 
bung und des Unterrichtg der Sugend. Der Al 
teſte Sohn der Mutter, welche figet, hält ein vierefiges 
Buch, an welches fein Lehrer mit anfafiet, (diefes it für 
Herrn Nartorelli); das jüngſte Kind iſt noch im 
den Händen einer alten Wärterin, die es in die 
Höhe heben will, gegen eine Erd⸗ oder Simmel 
fugel, auf welche zwo Mufen mit Fingern zeigenz 
die eine iſt Urania, und die andere vermuthlich 
Klio, die Mufe der Gefhichte, mit einer ge 
rolleten Schrift, (diefes if wider unfern Gelehr⸗ 
ten;). die dritte iſt die tragifche Mufe, Melpo⸗ 
mene. Diefes erinnerte mich an die drei Mufen, 
welche jener Weltweife in feinem Hörfanle ſtehen 
hatte. 1) Hier Fan auch der Stein dienen, wo bie 
findirende Liebe vorgeſtellet if, gleichfalls mit 
einer gerolleten Schrift, welches kein Contract 
oder Abfchied fein fan, und eine Mufe, die bier 
den Lehrer machet, mit einem vierefigen Buche; 
oben if eine Sphärn. Der Käfer kañ entweder 
anf diehenigen gefehnittenen Steine der Alten deuten; 
die auf der einen Seite einen erhoben gearbeiteten Kä⸗ 
fer haben, und daher iso Scarabäigenennet werden; 
oder es war das Wapen des Eigentümers dieſes 
Steins.2) In dem Mufen des Collegii Romani 
befindet fih in Erst, \in der Größe eines balken 


4) [(Vermuthlich iſt Plato unter dem Weltweifen gemeint, 
weicher vielleicht die von Pauſanias erwähnten brei 
Mufen: Melete, Mneme und Aoide in ſeinem 
Hörſaale ſtehen hatte.) 


2) [Dentmale ꝛc. Numero 184. b.] 


204 Sendfchreiben v. d. 


Palms, eine kleine Figur eines Philoſophen, 
mit einem Barte, auf ſeinem magiſtraliſchen 
Stuble; zu deſſen Füßen ſtehet eine runde Kap⸗ 
ſel mit gerolleten Schriften, und in der Hand 
halt er eine halb aufgewikelte Nolle Schrift. Die⸗ 
ſes fan feine römiſche obrigfeitliche Berfon fein, 
wie der Bart anzeiget, welcher nicht mehr Mode 
war, da diefes gemachet iſt: folglich können. guch die 
Schriften feine richterlichen Abfchiede und der- 
gleichen bedeuten. Es hat auch der Stuhl eine ver⸗ 
fhiedene Form von den Stühlen obrigfeitlicher Per⸗ 
fosten in Rom. 

6. 107. Es miderfpricht ferner unfer Gelehrter 
allen andern, melche in dem Geſeze des Ulpia⸗ 
nus) teretes libros von gerslleten Schriften, 
und codiees von vierefigen Büchern verfichen. 2) 
Dife find Salmaſius,3) Schulting,) 
Trotz,5) Heineceius,) und Mazzocchti;7) 
Schulting und Heineccius Freicht er tn den 
Zuſaͤzen wiederum aus.5) Was würden die Schrif 
ten des Cicero, bes Livius, des Seneca und 
des Blinius für ungeheure Werke gewefen fein, 
wen man fich dieſelben gerollet, und nur auf 
eines Seite des Blattes befchricben vorſtellen 
wollte? ?)_ Er fuchet darzuthun, daß das Wort 


1) 52. D. de leg. 3. 
a) De Reg. Theca Cal. p. 254. 
3) De mod. usur. p. 40s. 
4) In Paul. p. 337. 
5) In Lugon. p. 604. 
6) In Antig. Rom. proam. n. ı6. 
7) Ia Diptych. Quirin. p. 5. 
8) P. 14. 
9) P. 357. 


hercul. Entdet. 205 


codex allein von öffentlichen Inſtrumenten ge 
brauchet worden, !) und wei anf Münzen oder in 
Statuen die Figuren der Kaifer eine Rolle Schrift 
in der Hand halten, fo müße diefelbe fo etwas, 
und Feine gelehrte Schrift oder Geſchichte, 
vorfiehen. 2) „ Zolglich, faget er, iſt es eine große 
„ Unwiffenbeit auch der alten Künſtler und Bild- 
» bauer, wen fie den Figuren der Dichter und Phi⸗ 
„ lofopben eine gerollete Schrift in die Hand 
„gegeben.“ Auch Apollonius von Brieng 
der Künſtler der Vergötterung des Homerus 
im Palaſte Colonna, tft nah deſſen Meinung, 
mit der Rolle, welde er dem Vater der Dich 
ter in die Hand gegeben, fehr übel unterrichtet 
gewefen. 4) 

8. 108. Hm aber die Befländigkeit diefer von 
ihm reiflich erwogenen Meinung zu zeigen, wieder 
holet er in den Zufäzen,?) daß er die Unterfchrift 
der erſten entwikelten berculanifchen Schrift fehr 
wohl geſehen und gelefen: SIAOAHMOTY TIEPI 
MOTZIKHZE. „Des PBhilodemus von der 
»Muſik.“ Dem ohngeachtet behauptet er, (wird 
es ‚nicht meinen Leſern unglaublich fcheinen?) daß 
gedachte Schrift ein öffentliches Inftrument 
in einer Streitfadhe fei. Er bat vielleicht im 
Ginne behalten, daß diefer Streit die Kirchen: 
mufif und auf Hochzeiten betroffen, oder zwi⸗ 
fchen der Gemeinde und den Stadtmufifan- 
ten entfchieden fei. Und wodurch fuchet er dieſes 


ı) P. 259. . 
2) P. 261. 
3) P. 265. 
4) P. 266. 
5) P. 30. 


206 Sendſchreiben v.d. 


von neuem zu beweiſen? „Weil ich, ſaget er, in 
„dieſer geſchriebenen Rolle nur die Unterſchrift, 
„nicht aber die Aufſchrift geſehen babe: den 
„ein ieder weiß, führet er fort, daß Proceßacten 
„unterfchrieben werden, Abhandlungen aber 
„ baben den Titel und die Anfchrift vornean 
nfehen. “ Es follte gleichwohl Herr Marto- 
velli, da er mit derienigen Perſon, welche dieſe 
Schriften entwilelt , genau befant if, gewußt ha⸗ 
ben, daß der Anfang oder die äuffere Lage 
an den Schriften, welche man bisher entwifelt 
bat, fehlet, wie ich bereits oben angezeiget habe. 

$. 109, Bei diefer Gelegenbeit fuchet er an 
einem andern Drte zu. flreiten,!) daß die älteſten 
Griechen nicht auf hölzerne Täfelchen Schrift 
gefchrieben; und bier unterfuchet er: zween Verſe 
des Homerus, wo der Dichter faget, daß Belle- 
rophon mit folhen cingefhnittenen Täfel⸗ 
chen, anflatt des Briefes, von deſſen Vater an 
den König in Lycien abgefchift worden, deren In⸗ 
balt war, daß diefer den Wberbringer ermorden 
follte. 


Ileume de mv Avxinvde, wopev Ö OyE OnMaTo Auybos 
Toolas ev mıvanı aruntw IJumsdIopx wor. 2) 

Sed misit ipsum in Lyciam, deditque is litteras 

perniciosas, - 

Scriptis in tabella complicata anime exitialibus multis. 
. 8110. Hier nim̃t er fih die Freibeit, dem 
zweiten Vers für untergefhoben zu erflären, 
da zumal, weñ derfelbe weggelafien wird, der Giit 
des Dichters nichts leidet. Dei Auypa und Svuod- 
Sopx vor, faget er, bedeuten chendaflelbe, und find 


ı) P. 50. 
3 u. Z. [VI] v. 168 — 169. 


bereut. Entdet. 207 


eine Tautologie, und mwa& wruxroc gibt einen fal- 
fchen Begrif, weil eine hölzerne Tafel nicht Fan 
gefaltet werden. Er vertheidiget fih mit dem 
Burman, welcher durch Sandfchriften verfchiedene 
Derfe des Virgilius für unächt erfläret hat. Er 
felbft thut eben diefes mit verfchiedenen andern Stel- 
len des Homerus. Eine von denfelben ift, wo 
vom Paris gefaget wird, daß er verdiene, gefleini- 
get zu werden: 1) und fein Grund if, weil Dio 
Chryſoſtomus2) wo er diefe ganze Rede des Hek⸗ 
tors wider den Baris anbringet, gedachte zween 
Verſe ausläffer. In der Ddyffen CA) will er gehen 
ganze Verfe, von 310 bis 320, ohne Gnade aus: 
geflrichen wiſſen, weil diefelben ihm des Dichters 
nicht würdig fcheinen. Sin dem folgenden Buche (M) 
fcheinen ihm die Verfe nach dem 68, welche eine 
Erzählung von dem Schiffe Argo enthalten , ver- 
dächtig, weil Heſiodus von diefem Schiffe Feine 
Meldung thut; und daraus fchließet er, daß diefe 
Fabel neuer als beide Dichter fe. Er Fan auch 
zween Verſe, im legten Buche der Slias, 29 und 
30, wo das Urtheil des Paris angezeiget wird, 
nicht leiden. “ 

$. 111. Er fehret hierauf in den Zu ſaͤzen 9) 
zu der erfiern Stelle des So merus zurük, und be 
weiſet aus vielen Stellen des Dichters, daß Yeupen 
und saıypaden von bemfelben niemals vom Schrei⸗ 
ben, fondern vom Einfchneiden, Stehen umd 
Verwunden, gebraucher werden. Diefem zufolge 
war, wie er behauptet, das Täfelchen, welches 
Bellerophon zu überbringen Hatte, nicht be 
ſchrieben/ ſondern es hatte 8eichen einge 

1) n. T, [III] v. 57 _ 58, 
2) Orat. XI. mıyı su Dis pw drmvas. 

4) P. 55. 


508 Sendfchreiben v. d. 


fhnitten, bie dem Überbringer unbelaht waren, 
von beiden Königen aber, als Freunden, verflanden 
wurden. 

$. 112. Auf Täfelchen zu fchreiben war alfo 
bei den. alten Griechen, wie er fich. zu behaupten 
erfühnet, nicht gebräuchlich, wohl aber unter ben Ber- 
fern; und bier verbeffert er, 1) und ich muß geſte⸗ 
ben, nicht unglüflich, eine Stelle des Alianus, 2) 
wo derſelbe von der Befchäfttgung der Könige in 
Berfien auf ihren Neifen redet. Es if Diefelbe, 
fe wie fie bisher gelefen und verfianden worden, 
Diefen Röntgen fchimpflich gewefen. Den dieſer Scris 
bent faget,' „ daß diefe Herren auf der Neife feine an⸗ 
„dere Befchäftigung gehabt, als mit einem Meſſerchen 
„in Zäfelchen von Lindenholz zu fchneiben, Damit 
„ fie fich der Tangen Weile erwehren möchten, und 
„daß fie überhaupt nichts Ernfipaftes leſen und 
„etwas Würdiges denken fonten.“ Sch muß gefte- 
ben, da man in Leſung der Alten nicht Zeit genug 
bat, bie uns anflößigen Dinge, fonderlich weñ fie 
nicht zu unferem Vorhaben gehören, gründlich zu 
unterfuchen, daß mir diefe Stelle, mo ich mir kei⸗ 
nen Fehler im Texte einfallen ließ, viel Bedenken 
gemachet hat, da man notbwendig ganz anders von 
vielen Königen in Berfien, deren Gefchichte ung bee 
kañt iſt, denken muß. Herr Martorelli gibt, 
Durch eine geringe Anderung in ben Testen Worten 
Diefer Stelle, und durch den Bufaz eines einzigen 
Morts, derfelben einen ganz andern und würdigen 
Verſtand. Er liefet n cs yayzıov vu aus Aoya aıcn 
Bureunron, yeada — es führeten nämlich die Kö⸗ 
nige von Berfien fein Buch bei: ich, Tondern He 
macheten fich felbft im Wagen ihre Täfelchenz 


ı) P. 63. 
3) Var, Hist. L 14. c. ı2. 


hereul. Entdek. 209 


damit fie etwas Ernſthaftes (ich verſtehe Andern) 
von ihren eigenen Gedanken vorleſen, oder et⸗ 
was Auserleſenes und Merkwürdiges Nenken möchten. 

8, 113. Er gibt auch in den Zu ſäzen zu, daß 
Wachs tafeln zum Schreiben unter den Römern 
und Griechen in fpätern Zeiten der Kaifer 
üblich gewefen; meil er eine Stelle in den Acten 
des zweiten nicänifchen Soncilii 1) gefunden, welche 
man ibm hätte einwenden fünnen. In dem Wette 
felbit aber bemerfet er dieſe Art zw ſchreiben 
von den älteſten Zeiten der Römer, ?) und 
führet aus dem Livius das Bündniß zwifchen den 
Römern und Albanern an, zur Seit der Horatier 
und Suriatier, welches auf Wachstafeln ver 
zeichnet worden. 

8: 114, Die mehreiten Vergebungen dieſes Ger 
lehrten, und vornehmlich feine Mifhbandlung des 
Vaters der Dichter, hat die Begierde, etwas 
Neues undUnerwartetes zn fagen, zum Grunde; 
andere verleitet zugleich auf eben diefe Abmege der 
Mangelan Materie zum Schreiben, welcher im. 
einigen Rändern, wie in einigen Klaſſen des Willens, 
groß if; und da gefchrieben fein muß, (welches in 
Deutfchland und ienfeit der Alpen zur Achtung 
nötbiger als in Stalien geworden iſt,) To wirft. 
man fih aus Verzweiflung oft auf leere fpeculative 
Grillen, oder man fuchet fih, wie Heroſtratus, 
an den Denfmalen ber Alten zu verewigen. Don 
diefer Art iſt der gelehrte Ruhnken mit feinen Ver⸗ 
befierungen Les Kallimachus und anderer alten 
Dichter. Sch ſelbſt aber köñte mich bier einer un- 
zeitigen Ausfchweifung fchuldig machen, die einiger 
maßen in einem Sendfchreiben zu rechtfertigen 
if; ich Ienfe deswegen wiederum zum Ufer. 

1) Act. 4. Conc. Nic. 2. t 8. p. 854. lif. C. edit. Venet. 
23) P. 124. 


97 


216° Sendſchreiben v. d. | 


$.115. Eine der nüzlichflen Betrachtungen über 
die berculanifchen, Schriften iſt zum dritten die 
Art und Weife der Schrift in denfelben, und 
dieſe ift vorher förmlich, und hernach mit weni- 
gem materialifch, zu unterfuchen. — 

$. 116. Hier finde ich im voraus zu erinnern, 
daß Herr Martorelli, welcher an dem Orte ſelbſt 
it, und die beften Nachrichten hätte haben können, 
wider die Wahrheit redet, wen er vorgibt, 1) daß 
ſich, auffer den griechifchen und Inteinifchen Schrife 
ten, auch andere in einer Uunbekañten Schrift, 
und wie er in dem Negifler redet, 2) vielleicht gar 
in fabinifcher Sprache finden. Diefes ift falfch. 
Dieienigen, welche aufgewifelt find, und andere, 
welche ich gefehen und betrachtet habe, find alle 
griechiſch. Der gelehrte Mazzocchi ſelbſt glau- 
bete in einer Rolle Schrift, mit welcher man einen lä⸗ 
cherlichen Verſuch machete, wie ich im legten Stüfe fage, 
oſeiſche Schrift zu finden. Den fo wie man leicht, 
glaubet, was man wünfchet,, und diefer Man ein Ge⸗ 
webe von pelasgifchen und fremden Herleitungen 
der Worte im Gchirne gefponnen bat: fo wollte er zu 
Hfeifcher Sprache machen, was unfentlich gema- 
het war. Die Offer waren bie Älteilen Völker in Cam⸗ 
panien. Ferner ift der Leſer vorher zu belehren, daß alle 
bereutanifche Schriften nur auf einer Seite gefchrie- 
ben find; Fein einziges iſt omscIoypxdos, auf bie 
andere Seite gefchrieben, welches vermuthlich 
nicht gefchahe auf einfachem Papiere, wie diefes iſt. 
Es iſt auch das Beſchriebene auf der innern Seite 
-der Schriften; und eben diefes machet es fchmer, die 
Art Schrift zu erfennen, ehe man anfangt, dieſel⸗ 
ben aufzumifeln. Dieienige Schrift, welche auf be i⸗ 


ı) L. c. p. 3%. 
2) P. 40: 


- herenl. Entdek. 211 


den Seiten war, muß alſo auf dopeltem oder ge⸗ 
füttertem Papiere geweſen ſein. 

8. 117. Me dieſe Schriften ſind in Colonnen 
geſchrieben; eine jede derſelben iſt etwa vier gute 
Finger breit, ſo viel nämlich ein ſechsfüßiger 
griechiſcher Vers Raum erfordert, und eine Colonne 
enthält in einigen Schriften 40, in andern 44 gei⸗ 
len. Zwiſchen den Colonnen ift ein Finger breit 
Kaum, und es fcheinet, daß diefelben mit rothen 
Linien, wie in vielen Büchern des eriien Drufs ge. 
ſchehen, eingefaffet gewefen: den es find die Linien 
umber weißlicht, welches eine Wirkung des Feuers 
in dem Menige oder im Binober fein wird. Ein 
gedrufte Linien aber, wie auf Pergament, um 
gerade zu fchreiben , fpüret man bier nicht; und viel⸗ 
leicht, da das einfache Bapier fcheinet burchlichtig. 
gewefen zu fein, bat man fich eines untergelegeten 
Zinienblattes bedienet. 

$. 118, Bis izo find allererfi vier Rollen Schrif- 
ten völlig anfgemwifelt, und es hat ſich befonders ge- 
troffen, daß diefelben alle viere von deinem und eben 
dem Verfafler find. Er beiffet Bhilodemus, und 
war von Gadara in Syrien, von. der Serte 
des Epifurus. Eicero, 1) zu deſſen Zeit er lebete/ 
and Horatius 2) gedenken deſſelben. Es iſt be 
kañt, daß die erſte Schrift eine Abhandlung wider 
die. Muſik ik, worin der Verfaſſer zeigen will, dafi 
Diefelbe den Sitten und dem Stante fchädlich ſei. 
Das zweite, melches aufgewifelt murde, mar das 
zweite Buch von einer Rhetorik defielben, umd 
wie mir verfichert worden, von jemanden, welcher 
diefe Schrift nach und nach beim Aufwikeln unter 
fuchen fönnen, fo war des Philodemus vornchmite 


ı) De Fin. 1,'2. c. ult. 
2) L. ı. Sat. 2. v. 121. 


212 Sendfchreiben v. d. 


Abſicht, den Einfluß zu zeigen, welchen die Be⸗ 
redfamfeit in Verwaltung des Staats habe: er folk. 
in derfelben die Politika des Epikurus und des 
Hermarchus anführen. Diedrjtte Schrift, welche 
zum Aufwifeln ergriffen wurde, ift das erfle Buch 
gedachter Redekunſt, und die vierte Echrift 
handelt von Tugenden und Laſtern. 

8. 119. Die erfte Schrift bat 40 Kolonnen, 
und ift 13 Palme lang; die zwote hat 70 Colon⸗ 
nen; die dritte wird etwa 12 Palme Iang fein, 
und die vierte 30 Balme: ich gebe diefes nur aus 
dem gröbften an, weil es nicht Feicht tik, diefe auf- 
gewifelten Schriften mit Muße zu ſehen. Nur die 
erſte it in einem Schranfe des Muſei aufgehänger, 
wo fie in fünf Stüfe gefchnitten, ein jedes von acht 
Eolonnen, auf Bapier geleimet, und in Rahmen ges 
faſſet if. | 

6. 120. Sch Habe oben gefaget, daß das Auf 
fere Blatt, und vieleicht noch mehrere, und mit 
demfelben folglich auch die Anfchrift, verloren ge= 
gangen ift; weñ diefelbe am Ende der Schriften 
nicht wiederholet wäre, würde uns der eigentliche 
Inhalt und der Verfaffer unbekannt geblieben fein. 
Es bat aber eine jede Schrift ihren Titel und 
Verfaſſer zum Befchluffe der Schrift gefezet, und 
die von Tugenden und Laftern handelt, bat es 
zweimal unter einander in Fleinerer und gröfßes 
ser Schrift. Inter der erfien Schrift ſtehet: 


»IAOAHMOT 
TEPIMOTCIKHC 


Unter der zweiten von ber Nedetunfß: 


PS IAOAHMOT 
“NBPIPHTOPIKHC 
B. 


bereut, Entdek. 213 


Das B bedeutet das zweite Su Unter dem 
vierten fichet: 


$IAOAHMOT 
TEPIKAKIANKAITaN 
ANAKEIMENaNAPET@NI) 


$. 121. In der dritten Echrift fand ich vor 
fünf Fahren, da an diefelbe bereits Hand angeleget 
war, eine Schrift des Metrodorus von Buch fin. 
ben angeführet in folgender Zeile: 


METPOAsPOTENTaINEPITPAMMATUaND) 


6.122. Die Buchflaben find alle Verfal- oder 
Quadratlettern, und bie Worte find weder durch 
Punkte oder Kommata von einander abgefondert; 
es iſt auch der Bruch der Worte am Ende einer 
Zeile nicht angezeiget, und überhaupt ift fein Pras 
gezeichen, noch andere, dem Ausdrufe zu helfen, 
oder wo die Stimme zu erheben iſt. Die gewöhn⸗ 
lichen Interfcheidungszeichen wurden häufiger ange 
bracht, da die Keñtniß der griechifchen Sprache fiel; 
Es finden fi aber über einigen Worten andere ung 
bisher unbekañte Zeichen, von welchen ich nachher 
reden werde. An der Größe fan ich die Buchſtaben 
Angezeigter Schriften mit denen in den feltenen Aus⸗ 
gaben etlicher griechifcher Erribenten des Laffaris 
vergleichen; und dielenigen, welche die berühmte 
ältefle Sandfchrift der ſiebenzig Dollmetſcher 
. In der vaticaniſchen Bibliothek zu ſehen Gelegenheit 
haben, können ſich noch einen deutlichern Begrif von 


4) [Über Laſter und daran graänzende Tus en⸗ 
den.) 


2) [Die Schrift ift hier kein Sacfimile, weit daſſelbe nicht 
sichtig genug koñte geliefert werben.) 


214 Sendſchreiben v. d. 


der Form und Größe jener Buchſtaben machen; die 
in der Schrift von Tugenden und Lafern find 
größer. Es war aber damals fchon die Eurfiv- 
fhrift im Gebrauche, wie der unten angeführete 
Bers des Euripides zeiget. 

8.123. Die Form der Buchflaben ift verfchieden 
von dem Begriffe in diefen Zeiten: den die Buch- 
fiaben mit bervorfpringenden Stäbchen, als am 4, 
find von denen, welche die Schreiberei der alten 
Griechen unterfuchet haben, in fpätere Zeiten gefe- 
zet, und Baudelot faget kek,1) und ohne Aus—⸗ 
nahme, daß fo geformte griechifche Buchflaben von 
fpätern Zeiten feien. Diele Art ſich auszudrüfen if 
befant, und er will damit die legten Zeiten der 
römiſchen Kaifer anzeigen. Es ſind alle alte 
Tabellen von dem verfchiedenen Alter griechifcher 
Buchflaben , die bisher an das Licht getreten find, 
fehlerhaft, und dieſes kañ fonderlich aus Münzen 
dargethban werden. Das Omega 3. E. gefchrieben w 
in Qundratlettern, feget Montfaucon in die Bei- 
ten des Domitianus, und es befindet fich bereits 
ein paar hundert Babre zuvor auf Münzen ſyri⸗ 
fher Könige, und in eben der Eurfivform 
fichet es in der Infchrift auf dem Nande der 
großen Vaſe von Erst im Sampidoglio, welche 
Mithridates Eupator, der Teste berühmte Kö⸗ 
nig von feinem Stamme im Bontus, in cin von 
ihm gefliftetes Gymnaſium gefchentet hatte. 2) Es kañ 
aber die Unrichtigkeit in dieſer Zeitrechnung zu ſehr 
ierigen Begriffen verleiten, wie an dem wunderbar 
fchönen Sturze eines Herkules im Belvedere, 
oder dem fogenanten Torſo des Michel Angelo, 
gefchehen fein würde, wen man fi) Mühe geben 


1) Utilit des Voyag. t. 2. p. 127. 
2) [Briefe an Blanconi 6. 4.) 


hereul. Entdek. 215 


wollen, über das. Alter deffelben zu denken, und daf- 
felbe aus der Inſchrift des Namens des Künſtlers 
an demfelben zu beflimmen gefuchet hätte. Es fchrei- 
bet fich derfelbe AIICAAMNIoXV. Wen nun die Form 
des Dmega (wo) fo fpät, als man geglaubet bat, in 
Gebrauch gefommen, fo würde diefe Statue gema⸗ 
chet fein zu den Beiten, da man fehwerlich ein fol- 
ches Werf Hätte bervorbringen Finnen, und unfere 
Begriffe von der Kunſt dieſer Zeiten würden fehr 
unrichtig fein. Die befondere Form zeiget fich in 
einigen Buchtlaben , als 1) — Das Sigma ift alle 
zeit rund. Diefe angezeigeten Buchſtaben find häu⸗ 
figer auf griechifchen Snfchriften- des zweiten und 
folgenden Jahrhunderts der Kaifer , als vor diefer 
Zeit, und zuweilen fpringet ein Stab nad) der ent« 
gegengeferten Nichtung hervor, wie auf einer irde⸗ 
nen Zampe. ?) 

6. 124. Abbreviaturen oder abgefürgte 
Worte finden fih bier, wie in allen andern gries 
chiſchen HSandfchriften mit großer Schrift, gar nicht, 
fo wie die ält eſten Sandichriften in Eurfivfchrift 
auf Pergament wenige oder gar feine haben, und die 
häufigen Abkürzungen find mit ein Keñzeichen fpäte- 
rer Zeiten, und haben ſonderlich in griechifchen Hand⸗ 
. fhriften vom dreischnten Jahrhunderte vermünfchete 
Züge. Einige Abfürzungen aber tragen zur fchönen 
Form der griechifchen Eurfi vſchrift bei, und geben der- 
felben eine Runde eine Freihbeitund Verbin⸗ 
dung. 

Über einigen Buchftaben ſtehen Punkte und 
Querfiriche, welche wir Accente nennens im⸗ 
gleichen fiehet man im zweiten Buche der Nedetunft 
über einige Worte andere und in Fleinerer Schrift 

D ſAbbildung am Ende diefed Bandes unter Numero 12. 
2) Passeri Lucern. t. ı. tab. 24 
[Man fehe am Ende diefes Bandes Numero 13,} 


210 Sendfehreiben v. d. 


geſezet; in folgenden zwo Zeilen aus dieſer Schrift 
und auf deren zehnten Seite ſiehet man eins und das 
andere. 1) — Bon ben drei Punkten über KAI 
finde.ich nichts auch nur entfernt zu muthmaßen; 
OFKOTYN aber hat offenbar feinen Accent. Die 
alteſte griechifche Inſchrift, welche die Accente hat, 2) 
ift vieleicht von fpäterer Zeit. Wir willen aber, daß 
diefelben in frühern Zeiten im Gebrauch geweſen, ba 
fogar die Samniter?) gewiffe Sylben mit den- 
felden bezeichneten. Unter den Griechen fchrieb man 
einem Ariftophanes von Byzantium, welcher an 
zweihundert Sabre vor Chriflt Geburt lebete, die Er- 
findung derfelden zu. Es hat auch der Vers 4) des 
Euripides; 
de iv woDov Bovrsuma Tas moMas xeipas una?) 

welcher an der Mauer eines Efhaufes einer Straße 
im Hereulano fland, die zum Theater führete, feine 
Accente, wie fie gewöhnlich und bier gefezet find. 
Bei den Römern war eine Art von Accenten in 
ihren befien Zeiten gebraͤuchlich, und die Anfchriften 
vom Augufus bis auf den Nero 6) unterfcheiden 
fi) durch diefelbe; und blos aus diefem Grunde halte 
ich folgende Fürzlich zu Nom gefundene Inſchrift; 
weint feine Anzeige von Fahren bat, aus diefer 
Seit : 


4) Abbildung unter Numero 14 am Ende biefed Bandes.] 
2) Fabretti, Inser. p. 288. n. 2ı5. 


3) Olivieri Diss. sopra alc. Medagl. Sannit. p. 139. nel. 
Tomo IV. delle Dissert. dell’ Accad. di Cort. 


4) Pitt. Ercol. t. 2. p. 34. - 


5) Diefer Verb if aud ter Antiope: wird aber etwas 
anders gefchrieben. Fragnı. Eurip. edit. Lips. Siebelis. 


6) Fabsetti, Inser. p. 168. 170. 235. 


hercul. Entdek. 217 


CELER. PRIMI. AYC. LIB. LIBERTVS, 

ET. CEMINIAE. SYNTICHE. COoN 

IVGI. ET. FLAVIO. CELERIONI. ET HE 

LENE. CELERIWAE. FILIIS POSTERIS. 
QVE. SVIS. FECIT. 


Es bat alfo ein Gelehrter, D) welcher behauptet, daB 
die alten Snfchriften ale ohne Accente find, nicht 
viele gefeben. Das übergefchriebene Wort in diefen 
zwo Zeilen nebſt gewiffen Buchſtaben, die über ande⸗ 
ren fliehen, find merkwürdig. In Erflärung derfel- 
ben will ich mich nicht einlaſſen; fo viel ſiehet man, 
daß es Änderungen und Verbefferungen find, 
wie unter andern das m über dem r, welches in rrorısmı 
ausgelaffen worden. Man will aus diefen Anderun⸗ 
gen fchließen, daß diefes zweite Buch der Nede 
kunſt der eigenbändige Entwurf des Philo⸗ 
demus fei, welches nicht fehr unmahrfcheinlich iſt, 
und diefes würde zu muthmaßen veranlafen, daß - 
das Landhaus, in welchem diefe Schriften gefunden 
find, vielleicht gar diefem Philofophen eigen gemes 
fen. Diefes aber ließe befürchten , nichts als phis- 
Iodemifhe Schriften zu entdefen, da ein bloßer 
Zufall ohne Wahl die vier eriien Stüfe von feiner 
Feder ergreifen laſſen. 

$. 125. So viel von dem Förmlichen der 
Ehrift: das Marterialifche derfelben find Dinte 
und Feder. Die Dinte der Alten war nicht fo 
füffig, wie die unfrige, und war nicht mit Vitriol 
gemachet. Diefes Fan erillich aus der Farbe der 
Buchſtaben geurtheilet werden, welche ſchwaͤrzer noch 
als die gleihfam in Kohlen verwandelten Schriften 
find, wodurch das Lefen derfelben fehr erleichtert 
wird. Den wen es vitriofifche Dinte wäre, würde 
diefelbe die Farbe, zumal im Feuer, geändert haben, 


1) Basnage, Pref. a V’Ilist. des Juifs, p. 38. 
Winckelmañ. 2. 10 


= 


218 Sendfchreiben v. d. 


und gelb geworden fein, wie es die Dinte in allen 
-alten Handfchriften auf Pergament ill. Ferner würde 
eine folehe Dinte die zarten Häute des Papiers zer- 
frefien haben, wie fie es in Handfchriften auf Häu« 
ten gemachet bat; den in dem älteſten Birgilto 
und Terentio der vaticanifchen Bibliothek find die 
Buchſtaben vertieft in dem Pergamente, und einige 
find durchlochert durch die frefiende Schärfe des Vi⸗ 
triols. ' " 

$. 126. Daß die Dinte der herenlanifchen Schrif⸗ 
ten nicht flüſſig geweſen, zeiget Die Erhobenheit der 
Buchſtaben, welche ſich entdefet, wen man ein Blatt 
horizontal gehalten am Lichte beſiehet; es find diefel- 
ben alt von dem Papiere erhoben: folglich war die- 
felbe mehr der finefifchen Dinte als der unfrigen 
ähnlich, und eine Art von Farbe. Diefes erbellet 
auch aus einer Stelle des Demoftihenes,t) wo ders 
felbe dem Afchines vorwirft, daß er aus Armuth 
in feiner Jugend fich gebrauchen laſſen, die Schule aus» 
zufehren, die Bänfe in derfelben mit einem Schmamme 
abzumafchen, und Dinte gu reiben (ro mirav rpßuy) ; 
es wurde alfo die Dinte wie Farbe zubereitet, und 
Fan alfo nicht fläfftg 'gewefen fein. Eben diefes zeiget 
auch die Dinte, welche fich in einem im Herculano ent» 
defeten Dintenfaffe befindet, die wie ein difes DL ifl, 
und noch izo zum Schreiben dienen Fönte. 

S. 127. Es wollte ein Gelehrter zu Neapel muth- 
maßen, daß die Dinte der Alten vielleicht der 
ſchwarze Saft des bekañten Fifches Sepia ge 
weſen fei, welcher Fiſch daher izo auch Calamaro 
heiſſet. Dieſer Saft hieß bei den Griechen orcs, 
and Heſychius erkläret es were runs anmızz, das 
Schwarze der Sepia, und dienet dem Fiſche zu 


1) Orat. wear cerir. fl. 4°. a. In. 4. edit. Ald. 1554. 
[Man fiche ben 48. der Briefe au Bianconi.] 


hereul. Entdek. 219 


Mertheibigung wider andere größere Fifche, welche 
ihn verfolgen. Es läſſet derfelbe alsdan den Saft 
aus der Blaſe von fich, wodurch das Waſſer trübe 
und fchwarz wird, und verhindert, daB die andern 
Fiſche nicht Teben fünnen. Eben fo wie der Fuchs, 
wen ihm die Hunde nachfesen, fein Waſſer Täffet, wel- 
che3 durch den flarfen Geruch den Hunden die Färthe 
verwirret und dem Fuchſe Gelegenheit gibt, zu ent» 
fommen. Wir finden aber vom Gebrauche bieten 
Safts zum Schreiben feine Meldung. 


$. 128, Das Werfzeng sum Schreiben war eine 
fogenante Feder von Holz oder Rohr, wie um 
fere Schreibfedern gefchnitten, und zwar mit einem et- 
wad langen und nicht ausgehohleten Schnabel: 
Eine folche Feder ans Burbaum, wie es fcheinet, 
bat fich erhalten, aber if verfeinert, und eine an _ 
dere ſiehet man auf einem Gemälde 1) an cin Dinten- 
faß gelehnet: diefe fcheinet aus den BSliedern, an 
derfelben gezeichnet, von Rohr zu fein. Eine. an- 
dere Feder hält eine weibliche Figur von gebranter 
Erde In der Hand,?) und hier und auf einem ge 
ſchnittenen Steine des Rofhifhen Muſei fichet 
man, daß die Alten die Federn eben ſo wie wir ge 
faffet haben. Der Schnabel muß fehr fpigig gewe⸗ 
fen fein: den die Buchſtaben find fein gezogen; da 
aber bie Feder ohne Spalte war, °) Tote mat 
den Buchſtaben nicht fo viel Licht und Schatten ge- 
ben, als mit unfern Federn gefchehen fan; es un⸗ 
wecheden fi ſich die Züge ſehr wenig in der Stärke 
er Dife, 


3») Pitt. d’Ereol. t. 2. p. 35. [Man vergleihe unter den 
Hobildungen die Numer 17.) 


2) Ficoroui, Masch. p. 143, 
3) [Man vergleiche die Nachrichten ıc. $. 102. 


220 Sendſchreiben v. d. 


5. 129. Die Zugabe dieſes dritten Stüks mögen 
die Palimpſe ſte fein, oder die Tafelamit Wachs 
überzogen, worauf man die eriien Entwürfe 
der Gedanken fchrieb , um diefelben in dem Wachfe 
gefchwind auszulöſchen und zu Ändern: und diefes 
gefchahe durch ein Inſtrument, welches keilförmig 
it, und eine fcharfe Breite bat: man fiebet es 
in Diefem Muſeo wirflich und auch gemalet. Es be- 
finden fich unter den Föniglichen Altertümern zu Dres- 
den folche vorgegebene Wachstafeln von ziemli- 
cher Größe, und mit Riemen sufammengehänget, 
nuf welchen man einige alte Züge zeiget; woher, und 
wie diefelben dahin gefommen fein, weiß ich nicht, 
ich babe fie aber fchon vor meiner Reife nach Stalien 
“ für das gehalten, was fie find, nämlih für eine 
grobe Betrügerci, wie diejenigen fein müßen, 
welche fich in der Bibligthef des Gymnaſti zu Thorn 
in polnifch Preußen befinden follen, welches ich che- 
mals unter andern, däuchet mich, in Heumañs 
Conspectu reipublica literarie gelefen habe. In den 
herceulanifchen Entdefungen haben fich wahrbafte folche 
Zafeln gefunden, welche umber einen Nand von flar- 
Sem filbernem Bleche baben, das Holz aber iſt zu 
Kohlen gebrant: es Tagen diefelben im vergangenen 
Winter nach in der Borrathsfammer des Muſei. Diefe 
Stüfe wurden gefunden, nachdem Herr Martorellt 
fein Werk bereits geendiget batte; deñ diefe hätten 
ihn überführen follen, daß die Wachstafeln viel 
eher, als in den fpätern Zeiten der Grichen und 
Nömer, wie er in den Zufäzen feines Werfs ge- 
dachtermaßen vorgibt, im Gebrauche gewefen. Aber 
da er wider ben Augenſchein einen Skeptikus ma- 
chen will, welches Feiner von der alten Secte gethan 
bat, fo haften an ihm feine Gründe. 

$. 130. Mas endlich zum vierten die Mufwife 
lung diefer alten Schriften betrift, fo wurden, um 


hercul. Entdek. 221 


zu derſelben zu gelangen, anfänglich verſchiedene 
Verſuche gemachet; ia noch nachher, da eine ges 
raume Zeit auf dem izigen Wege, welchen ich bes 
fchreiben werde, gearbeitet war, glaubete man ein 
gefchwinderes Mirtel zu finden, und der Einfall war 
folgender. Herr Ma zzocchi ließ eine große Rolle 
Schrift unter eine gläferne Gloke legen, in der Mei⸗ 
nung, durch die Hize die Feuchtigfeit, welche fih 
etwa im derfelben verhalten Fünte, auszuziehen, wo⸗ 
durch die Blätter fich von felbit aus einander Töfen 
folten. Diefer Berfuch aber mißlang: deñ die Hize 
der Sonne zog die Feuchtigkeit heraus, aber zu⸗ 
gleich die Dinte mit, und die Schrift wurde theils 
verworren, theils gänzlich unfcheinbar, und diefe 
Buchſtaben ſahe man für oſciſche Schrift an. 

$. 131. Endlich wurde ein Vorſchlag, welcher 
dem Hofe vorgeleget wurde, gut und ficher gefun- 
den, und man Heß den Erfinder unter einem mo 
natlihen Gehalte von dreiffig Ducati Napoletani, 
nebft freier Wohnung und Beforgung des nöthigen 
SHausgeräths, aus Nom nach Bortict kommen. Die 
fer ift Bater Antonio Biaggi, ein Genuefer, 
son dem Orden Piarum Scholarum, ein Man von 
großem Talente, welcher die Stelle eines Scrittore 
Yatino und Auffehers der Miniaturgemälde in der 
Daticanifchen Bibliothef, unter dem gewöhnlichen 
Gehalte der Gerittori, von funfjehen Seudi mo» 
natlich, verſabe. Über die Gemälde wurde er ne 
gen feiner Sefchiflichkeit im Zeichnen, und auch in 
- Diefer Malerei gefezet, und es bat es nicht keicht 
jemand höher, als derfelbe, in Nachahmung aller 
Art Schriften gebracht. Man zeiget in der DBatie 
sauna ein Blatt verfchiedener Schriften in allerlei 
Syrachen von deflen Hand, unter welchen die erfte 
Seite eines Eleinen türfifchen Gebetbuchs iſt, die von 
dem unendlich klein und zierlich gefchriebenen Ori⸗ 


222 Sendfichreiben v. d. 


ginale dafelbſt nicht kañ unterſchieden werden: von 
dieſer Art Schrift deſſelben ſiehet man auch ein Blatt 
in der Königin Zimmer auf dem Schloſſe zu Portici. 
Dieſer Mañ übernahm alſo die beſorgliche, peinliche 
und langwierige Arbeit, an welcher er noch fort⸗ 
fähret, nebit einem Gehülfen, welcher ſechs Ducati 
“monatlich bat, und ein jeder von ihnen arbeitet an 
einer befondern Nolle Schrift. 

$. 132. Das Geflell von Holz zu dieſer Arbeit 
gleichet in einiger Entfernung und bei dem erflen 
Anblike einer Buchbinderlade, in welcher ein 
Buch zum Heften mis deſſen Niemen aufgefpannes 
if. Es rubet auf einem Fuße mit einer ausgebre- 
beten gewundenen Schraube, um jenes auf die 
fem nach Belieben zur Bequemlichkeit drehen zu kön⸗ 
nen. Auf diefem Schraubengeftelfe beweget fich 
ein längliches Brett, auf welchem von icder 
ſchmalen Seite deffelben fich sween runde Stäbe 
mit gewundenen Schrauben erheben, um ein oberes 
Brett vermittelt derfelben hinauf und berunter zu 
drehen. In der Mitten des untern Brettes find in 
der Länge der Schriften, das iſt beinahe einen Palm 
von einander entfernet, und von eben der Höhe, zwo 
fleine fählerne Stangen mit Schraubenwerfe fent- 
recht befefliget, melche oben ein flählernes Blech, in 
Geflalt eines balben Mondes, beweglich haben, 
in deren Hohlung die Rolle Schrift geleget wird; 
und diefe Bleche find zu mehrerer Borficht mit Baum⸗ 
wolle bewunden; dieſe Stäbe können unter dem 
Brette Höher und niedriger gefchroben werden. 
Auffer dem ſchwebet die Schrift in zwei Bändern 
eines Fleinen Fingers breit, bie an dem obern Brette, 
welches verfchiedene lange offene Einfchnitte bat, 
ein iedes an zween Wirbeln, wie die an den Bio» 
Iinen find, hindurch, durch diefe Einfchnitte oben 
befefliget And, und vermittelt der Wirbel angezogen 


hereul. Entdef, 223 


und nachgelaffen werden können, damit die Echrift, 
die in denfelben hänget, nach allen Seiten, obne 
diefelbe zu berühren, fanft gemälget und gedrehet 
werde. Auf die Zwiſchenſtäbe der Einfchnitte diefes 
obern Brettes find noch andere Eleinere Wirbel, fei- 
dene Faden zu drehen, deren Gebrauch ich fogleich 
anzeigen werde. 
$.133. Weñ nun eine Holle Schrift zum Auf⸗ 
wifeln aufgehänget if, und das äuſſerſte Ende ge 
funden worden, fängt man an, einen Fleinen Flek, 
einer Erbfe groß, mit einem gewiſſen Leime durch 
einen fanften Pinſel zu beftreichen, welcher die Ei- 
genfchaft hat, Inszumeichen und abzufondern, und 
zugleich Fleben machet. Zu gleicher Zeit wird an 
das. beftrichene Flekchen der unbefchriebenen Auffern 
Seite des Papiers (den diefe Seite til, wie oben ge 
faget worden, leer, und die Schrift einwärts) 
ein Stüfchen von einer dünnen Blafe in der. Größe 
der beflrichenen Stelle, oder auch mehrere Eleinere, 
geflebet, welches hilft, das befirichene Flefchen Ba- 
pier von dem nächtten Blatte, fo weit es beffrichen 
if, loszuziehen. Diefe Blafen find von Schweinen 
oder auch Schafen, welche insgemein die Goldfchläs 
ger brauchen, und werden bier, fo dünne fie immer 
fein mögen, zu Fütterung diefes: Papiers, von neuem 
in ihrer Dike getheilet und von einander geriffen, 
und alsdañ zum Gebrauche in ganz kleine Stüfchen 
zerfchnitten. Auf diefe Art fähret man fort, zu be- 
fireihen und zu füttern, und wen diefes der Länge 
der Schrift nach, etwa einen kleinen Finger breit, 
gefchehen if, fo werden an verfchiedenen Orten mit 
eben dem Leime feidene Faden an der gefütterten 
Seite angeklebet, und diefe vermittelf der Wirbel, 
einer nach dem andern, ganz gemach und fanft an⸗ 
gezogen, wodurch ſich der gefütterte Etreifen Bapice 
von ber Rolle vollends. ablöfet, und durch diefe Faden 


224 Sendfchreiben v. d. 


l . 

in die Höhe.gehnlten wird. Diefe Faden halten das 
abgelöfete Papier beiländig fenfrecht, und weit end⸗ 
Lich fo viel von der Holle Schrift abgelöfet worden, 
daß es nöthig if, demfelben mehrere Hältniß, als 
duch Faden gefchehen fan, zu geben, fo wird das 
-Hbgelöfete durch einen der langen Einfchnitte des 
obern Brettes gezogen,/ und nach und nach, wie Die 
Arbeit zunimt, um einen runden beweglichen Stab 
der Walze, die zu oberſt des Geſtelles lieget, 
herum geleget, auf Lagen von Baumwolle, fo daß, 
"wen die Schrift völlig aufgewifelt worden, diefelbe 
fh um diefe Walze berumgeleget befindet. Es 
bleiven indeffen die feidenen Faden allegeit nöthig; 
den fie dienen allegeit, den Fürzlich gefütterten Their 
von dem nächſten Blatte abfondern zu helfen. Don 
der Walze wird nachher die Schrift behutfam abge⸗ 
wifelt, ausgebreitet und abgefchrieben. In vier bis 
fünf Stunden Arbeit Fan nicht mehr als ein Fin 
ger breit, längſt der Nolle Bapier, gefüttert und 
abgelöfet werden, und zu einer Spanne ‚breit wird 
ein ganzer Monat erfordert. Diefes ift Fürglich, und 
fo viel ohne Abbildung des Werkzeugs gefchehen fait, 
ber ganze Proceß des Verfahrens. 

$. 134, Es find nächſtdem auch die Schwierig. 
Seiten bei dieſer Arbeit zum deutlichen Begriffe von 
derſelben anzuzeigen; und dieſe liegen nicht in der 
Natur des Papiers, ſondern an deſſen iziger Be— 
ſchaffenheit. An ſehr vielen Orten ſiehet daſſelbe, 
gegen das Licht beſehen, wie ein zerriſſener Lumpen 
aus, und dieſes rühret von der Feuchtigkeit her, 
vornehmlich von denjenigen Waſſergüſſen, welche 
in Überſchüttung dieſer Stadt durch die Aſche die⸗ 
ſelbe zu gleicher Zeit überſchwemmeten. Dieſes 
Maffer iſt in die Schriften hineingedrungen, und 
bat fih in vielen verhalten, und mit ber Zeit die 
Blätter mürbe gemachet und serfreffen. Diefer Sch 


bereut. Entdel, 925 


de Äuffert fich nicht vor der Aufwifelung, deñ man 
fönte font Schriften ſuchen, die weniger gelitten. 
Die Blätter find dermaßen dünne, daß, wo in ei⸗ 
nem eine Lüke ift, das folgende, welches unter dem⸗ 
felben Tieget, mit jenem nur ein einziges Blatt aus⸗ 
zumachen fcheinet, und die Lüfe gleichfam vol füller. 
Daher gefchiebet es, daß, wen der Leim angeflri- 
chen wird, wo die Lüfte if, Cda diefelbe felten 
fichtbar wird,) von dem unterliegenden Blatte fo 
viel als befirichen ift, Losgeriffen wird, und in die 
Züfe des obern hineintritt. Hierdurch wird alfo 
nothwendig eine Verwirrung, und das untere Blatt 
befömt, da wo es vielleicht ganz gemefen, eine Lüke 
oder Zoch. Eben fo gefährlich iſt die Arbeit an den 
Fugen der auf einander geleimeten Stüfe Papier; 
dein wen diefe Fuge durch das Anſtreichen des Leims 
anfgelöfet wird, fo Fan es Teichtlich gefcheben, daß 
der Leim durch die Fuge hindurch dringet, bis am - 
das folgende Blatt, und ein Stüf von demfelben 
an das obere, woran gearbeitet wird, anflebet, und 
dafielbe aus defien Blatte losreiſſet. Man fichet 
aus dieſem Berichte, daß es nicht allein ſchwer ifl, 
gefchwinde zu gehen, fondern daß auch nicht vpe 
zu hoffen ſei; wenigſtens kañ der Nuzen aus SH 
ten, wie die angeseigeten find, weñ fie auch nicht 
zerffümmelt und zerfrefien wären, nicht groß fein; 
den wir haben mehr als eine Nedekunft von den 
Alten, und die vom Artitoteles köñte ung flatt 
aller dienen; an Büchern der Moral, und von 
Tugenden und Laftern fehler es auch nicht; und 
auch bier haben die Schriften des Stagiriten 
den Vorzug vor allen. 

$. 135. Man wiünfchte Befhihtfhreiber 
zu finden, wie die verlornen Bücher des Din 
dorus, die Geſchichte des Theopompus und 
des Ephorus und andere Schriften, als: des Art 


226 — °  Gendfchreiden v. d. 


foteles Beurtheilung der. dramatifchen 
Dichter, die verlornen Tragödien des Sa 
phofles und des Euripides, die Komödien- 
des Menanders und des Alexis, die Sym- 
metrie des Pamphilus für die Maler, und ei» 
nige Werfe von der Baufunft; am einer hypo⸗ 
hondrifchen und zerfiümmelten Klage wider die 
Muſik iſt uns nicht viel gelegen. Man hätte da⸗ 
ber gewollt, dad, anflatt die entwikelten zu endi- 
gen, da man ben gemeinen Vnhalt derfelten gefe- 
ben, .nur der Anfang allein von vielen Schriften 
aufgelöfet und, unterfuchet worden wäre, bi3 man 
einige von nüzlihem Snhalte gefunden hätte, und 
an diefen die Arbeit fortzufegen, andere aber, bis 
man jene entwifelt, kiegen zu laflen. 

$. 136. Die große und fange Erwartung der 
gelehrten Welt auf diefe Schriften einigermaßen zu 
erfüllen, batte der Pater Antonio Piaggi dem 
Borfchlag gethban, das Entwifelte nach und nach 
mit Scheidewaſſer in Kupfer zu. äzen und befant zu 
machen, damit fich die Sprachfundigen an Erfld- 
rung diefer Schriften machen köñten. Er hatte auch 
‚eine Colonne der erfien Schrift ſelbſt zur Probe 
gedzet,, und feinen Obern vorgeleget; es wurde aber 
diefer Wegenicht beliebet, damit den Gliedern der 
königlichen Akademie, die fich hierzu tüchtig finden, 
diefes vorbehalten bleibe. So viel ich indeffen babe 
erforschen können, ift weiter an Bekañtmachung 
derfelben nicht gedacht. Gedachter Geiſtliche fähret 
fort, ohnerachtet er fein Griechiſch verfiebet, mas 
er aufgerwifelt bat, nachzsumalen, und von deſſen 
Abſchrift wird es nachher in's Neine gefchrichen. 

8. 137. Ich befchließe diefes Sendfchreiben 
mit einer kurzen Anzeige von der Einrichtung 
des berculanifhen Mufet zu Bortic. Es if 
baflelbe aus Mangel des Naums, und wegen ber 


bereut, Entdef, 427 


großen Menge von allerhand Art Entdelungen ge 
theilet, fo daß die Gemälde in befonderen Zimmern 
fieben, die mit dem eigentlichen Muſeo feine Ge⸗ 
meinfchaft haben; diefes aber iſt angeleget is dem 
erfien Geſtoke eines Anhanges am königlichen Schloſ⸗ 
fe, welcher einen vierefigen Hof einfchließet. Diefe 
Zimmer find alle gewölbet, und anfänglich waren 
nur viere derfelben befezet, nebſt zwo Vorrathskam⸗ 
mern; izo aber ſind alle Zimmer des erſten Geſtoks 
dieſes Gebäudes auf drei Seiten um ben Hof her⸗ 
um, welches fiebenzehen find, dazu eingeräumet. 

$. 138. Der Eingang iſt gegen Morgen und 
mit einer Wache befeget; beim Eintritte zur Linfen 
in ein Bimmer des Föniglichen Thürhüters, welcher 
ein großes eifernes Gitter mit vieler Arbeit von - 
Erst eröfnet, um in den Innern Sof zu kommen. 
Hier fallt das Bferd von Metalle zuerfi in die 
Augen, welches gegen Abend gewandt if, und an 
dieſer Seite ſowohl als zur rechten Hand fliehen 
Statuen von Marmor, und zwifchen benfelben 
und an ber linken Seite fleben alte Einfaffun- 
gen von Brunnen, Altäre, Säulen, und 
verfchiedene Werke von gebranter Erde, als Gliraria, 
Eornifchen von gemeinen Häufen u. f. f. An 
eben diefer Tinfen Seite und auch über dem Ein» 
gange find alte Anfchriften eingemauert. In 
dDiefem Hofe Tiegen auch die beiden Säulen von 
Marmor, von dem Grabmale des.Herodes At⸗ 
tieus und der Negilla, mit der befanten Ins 
fchrift, weiche aus dem Balafle Farnefe zu Rom 
find hierher gebracht worden; aber man findet bier 
feinen Plaz, diefe großen Säulen aufzurichten. 

8.159. ber dem Eingange zu dem Mufeo 
ſelbſt flehen folgende zween Verſe in vergoldeten 
Buchſtaben von Erzt, von dem gelchtten May 
goccht gefejet : 


258 Sendſchreiben v. d. 


HERCVLEAE EXVVIAS VRBIS TRAXISSE VESEVI EX 
FAVCIBVS VNA VIDEN REGIA VIS POTVIT. 


Ein wiziger Neapolitaner fagete: „man merke, daß 
„der Verfaſſer diefes Dikichon auf dem Nacht⸗ 
„fuble gemachet habe, und man ſtelle fich ihn in 
„ demfelben mit Gebärden einer ſchweren Geburt 
„por, nie fie fich die Nömer, nach dem Gucto⸗ 
„nius, in dem Sefichte des Veſpaſianus (ni- 
„ tentis) bildeten. *“ Es verurfachen diefe Verſe da⸗ 
ber auch Andern ein Grimmen, und das zx und 
die Verfchmelzung des vorhergehenden Worts in 
daſſelbe, bfeiben zwifchen deu: Zähnen hängen; 
Das geflifte vınem ſchmeket nach der Schulruthe, 
Unterdeffen Fan der Dichter Wegen des Ex ein paar 
Derfe des Homerus anführen, welche mit zE. en. 
digen. Es geſiel diefe Snfchrift. einer. Berfon, mel- 
cher: man auch in Dingen, die fie nicht verfland - 
durchaus nicht widerfprechen durfte, und da diefelbe 
- mit diefem entfchiedenen Urtheile dem Staatsſecre⸗ 
tür Heren Marcheſe Tamucei gezeiget wurde, zog 
er die Achfeln, entwarf aber mit eben der Fertig- 
feit, mit welcher er einen Brief dictiret, folgende 
Inſchrift: 


AICVIEAE MONVMENTA VRBIS QVO REDDITA FATIE 
ESSE TITO CREDAS, REDDITA SYNT CAROLO- 


Der Eingang zum Muſev ſelbſt führer zu einer Win⸗ 
deltrepe, die dDiefem Orte nicht fehr gemäß iſt, und 
über derfelben ſtehet eine andere etwas Feidlichere 
Snfchrift von dem Dichter der vorigen : 


CAROLYS AEX VTIRIVSOVE SIEILIAB PIVS FELIX AVYGVSTVS 

STVDIO ANTIQVITATVM INGENSVS avıpqavın VBTERIS SAZAR 

EX EFFOSSIONIBVS HERCVLANBNSIBVS POMPEIANIS STABLENSIBYS 
CONTRAHERE TOT ANNIS IMPERBIO MAXIMO POTVIT 


bereut, Entdek. 229 


IN HANC WVSARVM SEDEM TILLATVM SVISQYR Arte 
PINACOTHECIS DISPOSITVM 
VETVSTATIS AMATORIBYS EXPOSYIT ANNO cId Id cCcuvmi. 


Auf der Trepe fliehen die Techs angezeigeten weiblis .. 
hen Statuen von Erst. 


6.140. Das erſte Zimmer enthält vornehmlich 
Dpfergefäße, und in der Mitte fichen zwo runde 
marmorne Tiſche, und auf denfelben die zween 
Ichönen Dreifüße, nebſt einem runden Focolare von 
Erst, ein Bimmer mit Kohlen zum Heizen oder 
zu anderm Gebrauche; es hängen auch dafelbf die 
gemaleten Mufen nebſt dem Apollo, welche in 
dem zweiten Bande der berculanifchen Ge 
maälde geſtochen find. Sn dem zweiten Zimmer 
find vermifchte Gefäße zu verfhiedenem Ge 
brauche, und der Fußboden zu demfelben if das 
Thöne Baviment aus der bereulanifchen Billa. 
In dem britten und vierten Bimmer iſt das übrige 
von Fleinem Geräthe aufgeitellet, und das lezte 
Zimmer if} zugleich der Ort, wo an Aufwifelung 
der alten Schriften gearbeitet wird. Das fünfte 
Zimmer enthält die Bruitbilder von Erst, welde 
auf niedrigen Schränken in den Zimmern umher Ile 
den, nebſt den Schränfen der alten Schriften, und 
der Fußboden in demfelben it ein altes Muſaico 
von 30 römifchen Balmen in der Länge und von 
16 in der Breite, und dieſes ift zugleich das Maß 
des Zimmers. In dem fechften Zimmer flehen die, 
alten Leuchter, und in einem zu demfelben gehö⸗ 
tigen Gewölbe, nach Art einer Küche gebauet, fie 
ben und hängen die alten Rüchengerätbe. Sn 
dem fiebenten Zimmer ſtehen Werte von Mar 
mor, und unter andern dreivierefige Gefäße, 
die rund ausgehöblet find, mit einem zierlich aus 
geärbeitetet Rande, welche zum Weihwaſſer in 


930 Gendfchreiben ©; d. 


Zempeln dieneten: es fichet auch bier die hetru— 
rifhe Diana. In dem achten Zimmer fichen die 
drei fhönten Statuen von Erst, der Sile⸗ 
sus, der junge Tchlafende Satyr und dr Mer- 
curius, nebii den fhönen vier Gemälden, 
welche zu Stabia an der Mauer angelebnet gefun- 
den wurden. Das neunte Zimmer. wird mir großen 
erhobenen Arbeiten von Gyps und mit ſigurir⸗ 
ten Stüfen Muſaico, die fich erhalten haben, aus⸗ 
gefeget: unter den erflern ift eine heroiſche Fie 
gur, die fih auf ein ovales Schild ſtüzet, an 
defien Aufferm Rande ein Haken bänget, das Schild 
aufzuhängen, welches ich nirgendwo gefunden habe, 
Sn demfelben Zimmer iſt auch eine alte Nifche 
von grobem Mufnico, die man völlig bervorgeso> 
gen, angebracht; fie hält G Palmen und 5 Zolle 
in der Breite. ' 

$. 141, Die übrigen Zimmer find noch nicht zu 
befondern Dingen beſtimt. In dem zehnten flchen 
einige erhobene Arbeiten in Marmor von ſchö⸗ 
ner Arbeit: das eine ftellet einen Satyr vor, wel- 
cher auf einem Efel mit einer Glofe am Halfe 
reitet; auf einem Felfen flebet ein Herme eines 
Briapus, miteinem Horne des Überfluſſes, 
gegen welchen der Eſel fchreiet und fein Glied er» 
hebet. Ein anderes, im Herculans gefunden, mit 
deſſen alter Cornifche umber, zeiget eine halb nakte 
weibliche Figur anf einem Seſſel ohne Sehne, 
welche auf der Tinfen Hand eine Taube hält, und 
mit der rechten mit derfelben fpielet: vor ihr ſte⸗ 
bet eine befleidete weibliche Figur, welche die linke 
Hand auf einen Herme bes Priapus aeleget Bat, 
und mit der andern ihr Kin geſtüzet hält. Hinter 
jener Figur ſtehet ein bärtiger indiſcher Bak⸗ 
chus auf einer runden Bafe, und hält eine Echale 
in Geſtalt einer Mufchel, wie eine weibliche Fi⸗ 


hercul. Entdek. 231 


sur auf der fogenanten aldovrandiniſchen 
Hochzeit: Salbe in eine folhe Schale gießet. 
Befonders merfwürdig id Sofrates, welcher auf 
<inem Kubo fiet, über welchen eine Löwenbaut 
geworfen ift, er bält mit der rechten Hand bie 
Schale mit der Cicuta oder Gifte, melden er 
zu trinfen verdammet wurde; Über den Arm hält er 
in die Quere einen Inotigen Stab geleget. Diefes 
Stüf if einen Palm und neun Zolle hoch oder breit, 

und menig länger. 


8.142, Neben dem erſten Zimmer find zwo 
Vorrathskammern, ein Münzkabinet, und eine Sams 
lung benöthigter Bücher für den Auffeher. Die 
vier erfien Zimmer haben die Ausfiht in den Gars 
ten binter dem Schloffe, und auf das ganz nabe 
Meer, wo ih die Spize Baufilipo, die Inſel Ca⸗ 
pri, Sorrento, und der ganze Meerbufen von Nea⸗ 
pel zeiget: die lezten Zimmer über dem Bortale 
gehen auf die Straße. | 


8.143. Don den beflen Statuen und Bruſt⸗ 
bildern hat man angefangen Gypsabgüſſe zu machen, 
welche nad) Spanien gefchifet werden, oder befier za 
reden, die Formen zu denfelden. Die großen 
Statuen von Erst und andere in Marmor find für 
wre Galerie beſtimmet, die in demienigen Theile des 
vierfeitigen Schloſſes angeleget wird, welches der 
vornehmen Seite deffelben gegenüber it. Zu derſel⸗ 
ben find umber prächtige Säulen von Giallo anti- 
co, auch zwanzig von dem feltenen und Foflbaren 
Merde antieo-gder Laconico, alle aus einem 
einzigen Schafte, beſtimmet, unter welchen fich viere 
befinden, die im Valaſte Farnefezu Nom waren; 
ern find anderwärts in Nom zufammenge- 
bracht. ' 


$.144, Bu Erklärung. und Beſchreibung aller 


232 Gendſchreiben v. d. 


dieſer Entdekungen iſt von dem izigen Könige von 
Spanien eine Akademie geſtiftet, welche vor fünf 
Jahren aus funfzehen Perſonen beſtand, unter wel— 
chen der Canonicus Mazzoechi einer der vornehm⸗ 
fen, und ohne Widerfprudy der gelehrteite iſt. 

Diefe Mitglieder verfammeln fich wöchentlich einmal 
bei dem izigen Staatsfefretär Seren Marchefe B er- 

nard Tanucei aus Florenz, welcher felbft an 

Ausarbeitungen diefer Akademie viel Antheil bat 

und nimt, wie mir diefer gelehrte Miniſter ſelbſt 

gefaget hat. Den da die Erflärungen zu dem erflen 

Bande ihm vorgeleget wurden, fand er diefelben fo 

ausgedehnet und mit überflüffiger, zuſammengeſtopel⸗ 

ter Belefenheit überladen, daß er fich - geswungen 

ſahe, felbft Sand anzulegen, und mit dem Meſſer 

zu arbeiten, um das Unnöthige wegzuſchneiden, und 

das Wefentliche enger zufammenzuhringen, und es 
ift dennoch wegzunehmen übrig geblieben. _ 

8.145. Hochgeborner Gray! Aus diefem 
Sendſchreiben, welches ich auf dem Lande und 
auf einem der prächtigften Luſthäuſer meines Herrn, 
und ich Fan fangen Freundes, des Herrn Car⸗ 
dinals Alerander Albani, zu Caſtel Gan⸗ 
Dolfo, und folglich entfernt von Büchern, entwor⸗ 
fen babe, fan mit der Zeit eine ausführlidhere 
Abhandlung werden: dei ich werde fuchen, diefe 
Schäze von Zeit zu Zeit wiederum zu feben, wel⸗ 
ches auch diefen Herbſt vielleicht gefchehen wird. 

8. 146. Diefer Auffaz, follte derfelbe in einer 
fremden und.den Herren von Trevour verfländ- 
lichen Tracht erfcheinen, wird feine Gelegenheit ges 
ben fünnen zu dem Bormwurfe,!) weldhen mir die⸗ 
felben über die Befchreibung der ſtoſchiſchen 
gefhnittenen Steine gemachet haben. Dieler 


ı) Menı. de Trevoux, l’an. 1760. mois de Sept. p. 2119 


hercul. Entdek. 233 


betrift die ihnen unbekañten Bücher, welche 
ich angeführet babe; es wäre vielleicht auch hier ge⸗ 
fcheben, wen ich mich. in Rom und in meiner Bib⸗ 
liothek befunden hätte. Gedachte Herren, melche fich 
zu Nichtern über alle Art Schriften aufwerfen, kön⸗ 
nen da, wo fie find, nicht fähig fein, über die von 
Altertümern, fonderlich die in dem Size derfelben 
ausgearbeitet find, zu urtheilen. Sn Schriften von 
derjenigen Modeart, wie Mes Pensces find, haben 
feine angeführete Bücher Plaz; aber wo man ander- 
wärts befaft gemachete, gut oder übel erflärete 
und erläuterte Denfmale, und feine Meinung über 
diefelben anzuführen hat, iſt diefes unvermeidlich. 
Man hätte vielmehr bemerken follen, daß dieſes 
nebſt der übrigen Belefenheir nicht mit dem Safe, 
fondern mit der Hand fparfam ausgeftreuet ifl, und. 
daB Materie vorhanden mar, ein großes Werf- in 
Folio zu fchreiben, wen man fi ch nicht das Geſez 
gemachet hätte, nichts mit zwei Worten zu fagen, 
was mit einem einzigen gefchehen koñte. Hernach 
iſt es ja nicht meine Schuld, daß die Herren Gen» 
fores die Bücher, welche ein Antiquarius fen 
nen muß, nicht haben noch fennen, eben fo wenig als 
ich nicht Schuld habe, daß fie ihre geringe Belefenheit 
zu erfennen geben. Dan wirft mir auch die nad 
dem Deutfchen fchmefende franzöfifche Schreibart 
vor, weldhem Tadel id) gleichwohl in der Vorrede 
| buch) [das] offene Bekeñtniß meiner wenigen Übung 
in derfelben zuvorgekommen war. Die Arbeit mußte 
in einer fremden Sprache entworfen werden, umd 
hierzu wurde die franzöſiſche ans vielen Urſa⸗ 
chen für die bequemfie gehalten. Sch entwarf aus 
dem Gröbften, und lich durch einen Sprachfundi- 
gen amöbeffern, und in diefer Ausbefferung machete 
ich von neuem Anderungen. Sch fchäme mich nicht 
zu befennen, daß ich meiner eigenen Mutterfprache 
40 * 


234 Gendfchreiben v. d. beruf. Endef, 


nicht im ihrem völligen Umfange mächtig bin; und 
es hat mir hier an vielen Kunſt⸗ und Handwerks⸗ 
wörtern gefehlet, die ich Teichter im Wälfchen hätte 
geben fönnen. - 

6, 147. Sollte Shnen, Hochgeborner Gran, 
diefes Sendfchreiben noch auf Shren Reifen 
eingehändiget werden, fo begleite ich es mit berzli- 
chen Wünfchen, daß die ewige Borficht Ihren Schritk 
auf allen Wegen richten möge, und Cie gefund und 
reich an Erfahrungen, nach, wiederhergeilelletem Frie⸗ 
den, in unfer gelichses Vaterland, (welches auch 
das meinige durch den Aufenthalt und durch . 
Wohlthaten gemorden iſt,) mit Ihrem patrioti⸗ 
fhen Begleiter zurüfbeingen möge, wo auch mein 
Fuß zu ruhen wünfchet, und ich hoffe Antbeil an 
a eigung, deren Sie mich gemwürdiget, in bes 

alten. 





Nachrichten. 
herculaniſchen Entdekungen, 
Herrn Heinrich Füeßly 
in garich. 


—— — 


Te nikil impediat dignam Dis degere vitam, 
Zucret. 


Rachrichten 
von den neueſten 
berenulanifhen Entdekungen, 
an | | 
Herrn Heintih Füchle 
in Zürich. 





Mir Nachrichten von den hereu⸗— 
Lanifen Entdefungen, und von denen, bie 
in anderen benachbarten verfchütteten Orten gemachet 
find, verhält es fich wie mit Karten von Ländern, 
die durch Kriege und Eroberungen mancherlei Schik⸗ 
fale erfahren, und daher öfters erweitert und ge⸗ 
Ändert werden müßen. Den vor zwei Jahren Fonte 
ich vieles nicht willen, weil es nicht entdefet war, 
und in dem bereits Entdefeten koñte ich einiges 
überſehen, weil ich ehedem, da ich mich noch nicht 
entfchloffen hatte, hierüber zu fchreiben, von mei⸗ 
nen Anmerkungen nur kurze Anzeigen machete, und 
diefelben nicht an dem Orte felbft, wie fie erſchei⸗ 
nen koñten, ausführeie; für diefes Gefländniß habe, 
ich mid, in gegenmwärtigem Entwurfe zu verwahren 
gefuchet. Deñ da ich in verwichener Faſtenzeit eine 
dritte Neife nach Neapel that, in Gefellfchaft zweier 
geliebten und gelehrten Freunde, Herren Doctor Pers 
ter Dietrih Volckmañs, aus Hamburg, und 
Herrn Seinrich Füeßlys, aus Zürich, babe ich 
meine Bemerkungen unverzüglich alſo aufgefezet, 
wie ich gedachte, dieſelben öffentlich mitzutheilen. 


Rachrichten 
von den neueſten 
berenulanifhen Entdekungen, 
an | | 
“Herrn Heinrich Füeßly 
in Zürich, 





8.1. Mir Nachrihten von den here 
laniſchen Entdefungen, und von denen, bie 
in anderen benachbarten verfchlitteten Orten gemachet 
find, verhält es fich wie mit Karten von Ländern, 
die durch Kriege und Eroberungen mancherlei Schif- 
fale erfahren, und daher öfters erweitert und ge— 
ändert werden müßen. Den vor zwei Jahren koñte 
ich vieles nicht wiffen, weil es nicht entdefet war, 
und in dem bereits Entdefeten koñte ich einiges 
überfehen, weil ich ehedem, da ich mich noch nicht 
entfchloffen hatte, hierüber zu fchreiben, von mei⸗ 
nen Anmerkungen nur Furge Anzeigen machete, und 
Diefelben nicht an dem Orte felbft, wie fie erfchei- 
nen koñten, ausführeie; für diefes Geſtaͤndniß babe 
ih mich im gegenmwärtigem Entwurfe zu vermahren 
sefuchet. Dei da ich im verwichener Faſtenzeit eine 
dritte Neife nach Neapel that, in Gefellfchaft zweier 
geliebten und gelehrten Freunde, Heren Doctor Ber 
ter Dietrich Boldmans, aus Hamburg, und 
Herrn Seinrih Füeßkys, aus Zürich, habe ich 
meine Bemerkungen unverzüglich alſo aufgeſezet, 
wie ich gedachte, diefelben öffentlich mitzutbeilen. 


238 Nachrichten v. d. 


Da ich num zzo noch gar nicht bekañte Entdekungen 
beibringe, fo kañ ich mir zu dem gütigen Beifall, 
welchen das Sendfchreiben fcheinet erhalten zu 
haben, um fo viel mehr in dieſer Fortfesung def 
fetben Hofnung machen. 
8.2, Für die mir rühmliche Beurtheilung de3 
GSendfchreibens in der Bibliothef der ſchö— 
nen Wiffenfchaften!) erfenne ich mich höchſt 
verbindlich gegen den Heren Verfafter des Auszugs 
aus meiner Schrift. Sch wünfchete nur, daß derfelbe, 
wie es nicht fcheinet, Gelegenheit gehabt hätte, das 
Merk von den berculanifhen Gemälden zu 
fehen, weil er von dem Sendfchreiben glaubet, 
man finde in demfelben anfehnliche Suplemente zu 
jenem Werfe, und mandje Anmerfung, melche der 
Zefer hier vergebens ſuchet. Es handeln aber die 
Berfaffer des Werfs von den berculanifchen 
Gemälden von nichts anderem,. und ich babe in 
dem Sendfchreiben kaum mit ein paar Worten 
ihre Gemälde berühret. Aus demienigen, mas der- 
felbe hinzufüget, köñte es fcheinen, man halte das 
Sendfhreiben einigermaßen für einen Auszug 
Ans jenem Werke; eg würde mir aber in dem übber⸗ 
fluſſe von Sachen, über welche ich Schreiben fün- 
te, nicht anfiehen, Arbeiten von Andern in’ 
Kleine zu bringen. " 
6.3, Dieſe Nachricht iſt von neuen Ent- 
defungen der Städte Herculanuım und 
Pompeji; dei das Nachgraben von Etabia bat 
'man iso Tiegen laſſen, und ich merfe hier nur bei 


4) Die ausführliche Anzeise des Sendfhreibend von 
ven bercufanifhen Entdekungen befindet ſich im 
4 Stük bed 9 Bandes der Bibliothek der ſchönen 
Wiſſenſchaften und der freien Künſte, S. 90— 
106.— Eine andere im 16 Theile der Briefe die 
neueſte Literatur betreffend, &. 159. Ferne 


nenueſt. hereul. Entdek. 939 


Gelegenheit an, daB die Anzeige des Galenus 
von der Milchene, melde die alten Römer zu 
Stabia gebraucheten, 1) fih noch izo beftätiget fin- 
det. Dei es wird die Milch der Kühe daſelbſt durch 
die Waide auf den nahe gelegenen Bergen beſonders 
wohlſchmekend, und was aus derfefben gemachet wird, 
wird zu Neapel den Milchiveifen von anderen Orten 
vorgezogen. Aus folgender daſelbſt entdefeten ver 
fümmelten Anfchrift erfehen wir, daß zu Eta- 
bia ein befonderer Tempel des Genius diefes 
Orts gewefen : | 

D. D 
zsıvs. DAPUINIS 
-  TA/L. DVCERIAR. 52 
AEDEM. GENI. STABIAN. 
S. MARMOR. . EIA’TA 
DE RESTITVIT 


6.4. Don Bompeii iſt die eigentlihe Enge 
durch folgende Snfchrift, welche im Augufimo- 
nate 1763 entdefet worden, auffer allen Zweifel ges 
feet. Den da von dem Amphitheater diefer 
Etadt feine andere Spur, als eine ovale Vertie⸗ 
fung, übrig iR, fo foiite vor dem Nachgraben da⸗ 
felbft die wahre Lage zweifelänft fein, und mas 
man anfänglich entdeket hat, gab hiervon feinen 
binlänglichen Beweis, welcher durch diefe Snichrift, 
und durch bie neueren Entdefungen, welche ich mit« 
theile, unmwiderfprechlich wird: 


EX. AVCTORISATR 
IMP. CAZSARIS 
VESPASIANI, AYO. 
"Loch. PVBLICA. A. FRIVATIS 


a» a2 1 12 DD 
ı 3 12 8.» 


1) Ongemeur. neyıd. 1. 5. p 48. a. hin. 43. edit. Ald. 


| 240 Nachrichten v. d. 


FOSSESSA. T. SVEDIVS. CLEMENS 
TRIBVNVS. CAVSIS. COGNITIS ET 
MENSVRIS. FACTIS. REI 
PVBLICAE. POMPEIANORVYM 
RESTITVIT 


6, 5. Sch bin den Hügel, welchen die Stadt 
ganz einnahm, und von dem Meere eine Miglie 
entfernet iſt, völlig umgangen, fo daß ich von dem 
Etndtthore angefangen, und an daffelbe zurüffchres 
te, und diefer Umkreis beträgt 3860 Harfe Schritte. 


6.6. Was ich vom dem ehemaligen Enpito- 
lio zu Bompeii gedacht babe, hat der Herr Beur- 
tbeiler des Sendfchreibens mit dem Ampbhi- 
theater daſelbſt verwechfelt; den von dem Capi⸗ 
tolio ift noch Iso gar Feine Spur vorhanden. 


8.7. Aus den neueflen Entdefungen, welche 
feit zwei Jahren daſelbſt gemachet find, iſt fehr 
mwahrfcheinlich darzuthun, daß diefe Stadt vorber, 
ebe fie unter dem Titus in dem Ausbruche des 
Veſuvius überfchüttet worden, unter dem Nero 
durch ein Erdbeben, wovon die Scribenten melden, 
fehr übel zugerichtet fei. Diefe Anzeigen geben die 
theils ausgefchnittenen Gemälde aus den Wänden 
einiger Zimmer, theils andere Gemälde, die noch 
izo dafelbft umher gehakt gefehen werden, welches 
von denienigen gefchehen iſt, die diefe Stüfe baben 
aushanen und wegnehmen wollen. Eben foldhe Spu⸗ 
ren fab man an einer Diana mit ein Paar ande 
ren Figuren, welche 150 abgenommen ill; es fehlete 
diefer Figur auch bereits der Kopf, welcher vor Al- 
ters aus der Mauer. gefchnitten war. Dieſes 
iſt nicht zu vermuthen, nachdem die Gtadt ver 
fchüttet gewefen, fondern muß vorher gefchehen fein, 


neueſt. hereul. Entdet. 34 


nämlich da diefelbe im Exdbeben gelitten hatte. Diefe 
Erfahrung veranlafet, zu muthmaßen, daß es mit 
vier zu Stabin entdefeten Gemälden, die bereits aus 
der Mauer gefchnitten gefunden worden, und in der 
Geſchichte der Kunſt!) umfändlich befchrieben 
find, eben dieſe Bewandtniß Habe; das ift, daß 
diefelben nicht anderwärts hergeholet find, ſondern 
an dem Drte felbfi, wo fie waren abgenommen wor⸗ 
den. Folglich wird auch Stabia sugleich mit Pom⸗ 
peji im Erdbeben gelitten haben, und diejenigen , 
welche gedachte Gemälde aus den Trümmern reiten 
wollen, werden durch den Ausbruch des Veſuvius, 
welcher einige Sabre nachher erfolgete, überrafchet, - 
und im ihrer Abſicht gehindert worden fein. Ein 
anderes Gemälde, welches in dem zweiten Bande 
bereulanifher Gemälde ſtehet,2) wurde zu 
Pompeji in einer Kammer an der Mauer mit einer 
Klammer befelliget gefunden, welches vielleicht an 
eben dem Orte aus einem duch das Erdbeben zer- 
trümmerten Gebäude abgensemmen und in ein an—⸗ 
deres verfezet worden. 

$.8 Bin noch flärferer Beweis für dieſe Mei⸗ 
nung ſind die in den pompejaniſchen Gebäuden man» 
gelnden Thürcardini, nebſt den Platten von Erzt, 
worin dieſelben ſich drehen, von welchen man in 
den Thürfhwellen von Marmor nur die Löcher fand, 
ws diefelben eingefezet und gelöthet geweſen waren. 
Andere Cardini aber waren geblieben, und es fand 
ſich auch Has verbrante Holz von Thüren, woran 
ſich nach die erhobenen vierefigen Felder von Holz, 
womit dieſelben beſchlagen waren, unterfcheiden Ite- 
Gen. Sa in einem unten befchriebenen Gebäude da- 
gelb, waren in dem inneren Hofe deſſelben ſogar 


2) [17 B. 38 15 —13$ Man vergleiche oben S. 53.] 
2) N. 28. 


Windelmait. 2. 14 


242 Nachrichten v. d. 


marmorne Platten ausgehoben und fortgeſchaffet. 
Die Verſchüttung dieſer Stadt muß bei Nacht ge⸗ 
ſchehen ſein, wie man aus einem todten Körper 
ſchließen fan, welcher oberhalb der Gebäude, nebſt 
einer befondern Lampe von Erst, zu Anfang dieſes 
1764 Kahres gefunden worden. ch bedauerte in 
dem Sendfchreiben, nur 8 Arbeiter getroffen zu 
haben, diefe Stadt auszugraben; es And dieſelben 
aber igo über 30 verſtärket. 

8.9. Vorläufig merfe der Lefer das Verhält⸗ 
nif des neapelſchen Palms zu dem römt- 
fhen: jener hält 14 römifche Zolle, und tfi 
alfo zween Zolle größer als der römiſche Palm. 
Diefer aber hat 8 und einen Viertel Zoll des pa⸗ 
rifer Fußes, und 8 und drei Viertel Zolle des 
engliſchen. 

Die Abſicht dieſer Nachrichten gehet auf drei 
Punkte: auf neu ent dekete Gebäude, auf Bild— 
niſſe und auf Geräthe. Die Gebäude ſind 
theils öffentliche, theils Wohnungen, deren 
genaue Bezeichnung, welche ich zu geben ſuche, 
nicht wenig Licht ertheilen kañ zum Verſtändniß alte 
Scribenten. 

$. 10. Sch fange an bei zwei öffentlichen 
Gebäuden, und diefe find das Stadtthor von Bom- 
peji, nebft dem Zugange zu demfelben, und das 
Theater der Stadt Hereulanım. Dieſes leztere 
Gebäude ift in dem Sendfchreiben nur mie im 
DBorbeigehen berühret; meine Bemerkungen aber ge⸗ 
ben vornehmlich auf dasjenige, wovon vor diefer 
Entdefung Fein deutlicher Begrif zu geben War; 
und diefes if die Scena des Theaters, an deren 
Entdefung allererfi vor zwei Sahren Hand geleget 
wurde. Wir haben diefes dem unermüdeten Pleiffe 
des zu Anfang diefes Fahrs verflorbenen Ingenieur⸗ 
mniors Herrn Karl Weber zu danfen, welcher 


neueſt. bereut. Entdek. 243 


auf eigenen Antrieb, und mehrentheils in Feier⸗ 
abendflunden, die Scena ausgraben Tief, und wir 
würden viel eher durch ihm Licht befommen haben, 
wen diefe Arbeit, durch deſſen vorgefegeten Obriften, 
welcher auf die Ehre diefer Entdefung neidifch war, 
nicht mehrmal wäre unterfaget worden. Es hatte 
Herr Weber den Anfchlag zu völliger Aufde- 
fung des ganzen Theaters gemachet, fo daf 
man es ganz auffer der Erde gefehen, und er hatte 
nach Kubifpalmen ausgerechnet, daß [fich] ſowohl die 
Arbeit, die Lava zu fprengen, als die Koſten des 
Anfaufs der Häufer und Gärten, welche über dem 
Theater. liegen, nicht über 25,000 Scudi belaufen 
würden. 

Diefes Theater bat Lucius Mammius auf 
eigene Koſten erbauet, wie aus ein paar Snfchriften 
zu fchließen iſt; die eine tft in dem Hofe des Mu- 
Sei nebſt andern Inſchriften eingeſezet: 


L. ANXIVS. L. F. MANMIVS. RVFVS 
‚ HAVIR. QVINQ. THEATR. OACH. 


Cs - führen zu denfelben 54 hohe Stufen, welche 
neuerlich von den Arbeitern in die Lava und in die 
gleichfam verfleinerte Erde gehauen find, und durch 
dieſe Stiege gelanget man oben auf die ‚Höhe des 
Theaters, welches fo tief unter der Erde lieget. 


811. . Der Durchmeffer diefes Theaters-von. eis 
nem. Ende: des Halbzirfels bis gu dem andern Ende 
halt ohngefähr 208 nenpelfhe Palmen, und bie 
Form defielben iſt römifch, die fich von dem gries 
chiſchen Theater durch die Orcheſtra unterfchel- 
det. Die Orcheſtra iſt der concentrifche Naum, 
welcher. von dem Halbzirkel der Size umgeben iſt, 
and war in römifhen Theatern in der gera 
den Linie, welche von einem Ende oder Horne des 


244 | Nachrichten v. d. 


Saldzirkels bis zum anderen gezogen wird, einge 
fchloffen ; in griechifchen Theatern aber Tief dies 
fer Raum über den Halbzirfel hinaus, und es mar 
folglich die griechifche Orcheſtra größer als die rö- 
mifche, weil jene beflimt mar, Tänze daſelbſt aufzu⸗ 
. führen. Die römifche Orcheſtra aber war der Ort, 
wo in Nom die Rathsherrenund vie Veſtalen 
ihre Size hatten, wie Vitruvins dieſes deutlich 
anzeiget.1) „Die Stufen in der römifchen Or⸗ 
„cheſtra, ſaget diefer Baumeifter, follen nicht we⸗ 
„ Niger, als einen Palm, und nicht mehr, als eis 
„nen Fuß und fechs Zolle hoch fein.“ Die drei 
Stufen der hereulanifchen Drchefira find wenig mehr 
als einen halben römifhen Palm hoch. Folglich 
waren diefe Stufen nicht die Gefäße ſelbſt, Tondern 
im Halbzirfel gezogene Erhöhungen für Seſſel 
angefehener Perſonen, welche bier gefezget wurden. 
Des Vitruvius Maß deutet eben diefe Ahficht 
an, welches nicht die Höhe bequemer Size bat, 
und die Stufen wurden niedrig gehalten, damit 
die Zufchaner der unterfien Size in dem Halbzirfel 
Des Theaters über die Zuſchauer in der Drcheilm 
hinweg fehen koñten. In diefer Gegend ift die eine 
sella curulis van Erste, in dem Muſeo, gefunden 
worden, welches der Siz des Prätors oder des 
Duumpirs mar, und fichen geblieben if, da fi 
das Volk aus diefem Thenter rettete, bei wahrge⸗ 
nommenem Ausbruche des Veſuvius. 

$. 12, Die römifche Orcheftra erforderte einen 
niedrigen Balco, wo die Schaufpiele vorgefiellet 
wurden, damit dieienigen, welche dort faßen, in 
den Tanzen, die eben daſelbſt aufgeführet wurden, 
auch das Spielen der Füße der tanzenden Perſo⸗ 
nen bemerken konten, und weil in der gricchtichen 


ı) L. 5. c. 6 et 8. 


neneft. bereut. Entdek. 243 


Orcheſtra Feine Zufchauer faßen, koñte der Balco 
höher fein. Nah dem Vitruvius ſoll derfelbe 
nicht weniger als 10 Fuß, und nicht mehr als 
12 Fuß in ber Höhe haben. Die Höhe, oder 
die vordere Seite des Balco, hieß UmorKnviov, UNd 
war, wie Pollur lehret, mit Fleinen Statuen 
befeget, das ift, die Statuen fanden unter dem Palco 
in Nifhen. In dem berculanifchen Theater aber 
fcheinen bier Feine befondere Zieraten geweſen zu 
fein, wenigſtens entdefet man iso nichts an diefem 
Theile, wo man nicht annehmen wollte, daß, was 
von Figuren im Theater gemwefen, bereits vor Als 
ters berausgezogen worden, wie uns die in dem 
Sendfchreiben beigebrachte Inſchrift lehret. Der 
Kaum zwifchen der Orcheſtra und dem Palco war 
mit gelbem Marmor beleget. 

$. 13. Der Halbzirfel diefes Theaters hat eben 
fo viele Stiegen zu den Sizen, als Vitruvius 
angibt, nämlich fieben; eine aus dem Mittelpunfte 
gezogen, und drei auf jeder Seite, in gleicher 
Weite eine von der andern, welhes Bianchini 
in feinem Grundriffe des Theaters gu An 
tium nicht beobachtet bat. Die Stufen dieſer 
Stiegen find halb fo hoch, als die Stufen ber Size, 
zu welchen iene führen, fo daß allegeit zwo Stufen 
auf einen Siz gerechnet find. Die Size find an⸗ 
derthalb neapelſche Balmen hoch, und drei derfelben 
breit, welches bas allgemein angenommene DBerhbält- 
niß der Maße derfelben if. Da nun fieben Stie⸗ 
gen zu den Sizen gehen, fo find folglich fechs Ab⸗ 
fohnitte von Sizen, welche fich über der Orcheſtra 
an bis oben hinauf erheben, und weil diefe aus 
dem Mittelpunfte des Halbzirkels gezogen, folglich 
unten viel enger als oben find, das if, keil för⸗ 
mis sehen, fo hießen diefe Abfchnitte daher cunei, 

eile . 


246 Nachrichten v. d. 


8.14. Die Verſchiedenheit zwiſchen dieſem Thea⸗ 
ter, und zwiſchen denen in Nom, auf welche des 
Bitrupius Anweifung gerichtet iſt, beſtehet in der 
Zahl und in den Neihen der Size. Den in diefen 
waren drei Abſäze oder Ordnungen, eine jede von 
fieben Reihen Size, von welchen die zwo unteren 
Drdnungen, oder die erften vierzehen Reihen Stu- 
fen, den Nittern eingeräumet waren, auf dem 
oberfien Reihen Sitzen nber ſaß das Volt, und 
die bier nicht Raum hatten, flanden auf dem obern 
Gange des Halbzirkels. 

$.15. Im bereulanifchen Theater erheben fich 
16 Neihen Size ununterbrochen über einander, ohne 
Abſaz oder Ruheplaz, dod) fo, daß über denfelben 
noch drei andere Reiben Size find, zu welchen man 
aber nicht von jenen Sizen, fondern durch zwo große 
Stiegen gelangete, welche innerhalb des Gebäudes 
von beiden Enden des Halbzirkels in den obern ge⸗ 
mwölbeten Gang führeten, und aus demfelben Gange 
gebet man von oben her durch fieben Thüren zu den 
fieben Stiegen zwifchen den Sizen, melches der ein- 
sige Weg war, zu den Sizen zu Fommen. Aus 
biefem Gange gehet man bernach durch zwo engere 
Stiegen innerhalb des Gebäudes zu gedachten drei 
obern Sizen, melche an den gewölbeten Gang hin- 
aufgeführet find, und durd vier Stiegen durch» 
fchnitten werden, die, wie jene unteren fieben Stie- 
gen, in die Stufen oder Size felbft gearbeitet wor⸗ 
den. Oben Fonte nicht [eine] gleiche Anzahl von 
Stiegen fein, wegen fechs Baſamenten zu chen fo 
viel metallenen Bferden, zwiſchen welchen die drei 
NReihen Size binaufgehen. Bon diefen Bafamenten 
werde ich nachher Meldung thun. u 

$.16. An den griechifchen Thentern und zu 
Nom war über jeder ſiebenten Reihe der Size eine 
höhere und breitere Stufe, welche zum Nuheplage 


= 


neueſt. hereul. Entdek 247 


und nicht zum Sizen dienete, und ſolche Abſäze 
hießen durkumorı , precinctiones, Welche fich aber 
in unferem Theater nicht finden, wo man nicht 
einen Raum von fünf Balmen breit, vor den drei 
oberen Stufen, alſo nennen wollte. In dem Then 
ter zu Bola in Dalmatien waren zwo Ordnungen, 
jede wie gewöhnlich von Heben Neiben Size, und 
eine precinctio zwifchen beiden. 

8.17, Der gewölbete Gang, zu welchem bie 
zwo gedachten Stiegen innerhalb des Halbzirfels der 
Size führen, mar auf beiden Seiten fomohl, ale 
auf dem Fußboden, mit weiſſem Marmor beleget, 
und befam das Licht von aufien her durch vier große 


- Hffene Bogen, zwifchen welchen fünf Fleinere Of⸗ 


nungen oder Fenſter, von zween nenpelichen Palmen 
breit, in der Höhe fliehen. tiber und dben auf dies» 
fem Gange iſt der offene Gang zu oberſt des Halb» 
zirfels. 

6.18. Unten auf dem Boden des Halbzirkels iſt 
ein dopelter gewölbeter Bang mit Pfeilern, wie in 
anderen Theatern, über welche die Size binaufge- 
führet Ind, und der äuſſere nnd breitere Gang hat 
offene Bogen, bis auf einen an beiden Enden des 
Halbzirkels, welcher in Geflalt einer Nifche zuge⸗ 
manert iſt. 

6.19. Was ich izo von den Sizen des Then« 
ters, von den Stiegen, welche zu denfelben führen, 
von beren Höhe und Abtheilung,, ingleichen von ber 
Orcheſtra gefaget habe, mar allgemein bekañt, und 
Die Entbefung des hereulanifchen Theaters bat uns 
nur den Unterfchied der Size in Fleinen Theatern 
auffer Rom,/ von denen in der Stadt ſelbſt, ge⸗ 
Iehret, und die hereulanifche Orcheſtra gibt uns ei⸗ 
nen deutlichen Begrif von der Beſchreibung diefes 
Theils des römifchen Theaters im Vitruvius. 
Aber weder diefer Baumeiſter, noch andere Seri⸗ 


248 Nachrichten v. d. 


benten, die von Theatern reden, fonderlich Pol⸗ 
lur, foüten verſtanden werden, ohne Unterſuchung 
desjenigen, was von der Seena des hereulaniſchen 
Theaters entdeket worden. Diejenigen, welche einen 
Plan von der Scena einiger in Trümmern übrig 
gebliebenen Theater geben, haben aus einigen An—⸗ 
zeigen mit Hülfe der Einbildung gearbeitet. Dieſes 
weiß ich gewiß von der Zeichnung der Scena des 
Theaters von Antium, welche der berühmte Bian⸗ 
chini feiner Erflärung der Infchriften in bem Grabe 
male der Freigelaffenen der Livia beigefüget bat, 
die uns Feinen Begrif gibt. Der Herr Cardinal 
Alerander Albani kieß im Sabre 1718 in den 
Trümmern diefes Theaters graben, und fand da⸗ 
felbft vier Statuen von ſchwarzem Marmor, einen 
Supiter Ind einen Aſkulapius, die io im 
Campidoglio fliehen, einen jungen Faun und ei» 
nen zerilümmelten Ringer mit dem Dlgefäße im 
der Hand, welche ergänzet gedachten Herrn Cardi⸗ 
nals Vila zieren. Bon den Trümmern der Scena 
iſt izo weiter nichts zu ſehen. 

$. 20. Die Arbeit an der Scena des herculani⸗ 
fhen Theaters wurde vor zwei Jahren unternom- 
men, und es waren damals die Stiegen fichrbar, 
die zur Scena führeten; von der Scena ſelbſt aber 
war noch nichts ausgegraben. 

6. 21. Hier befenne ich mich Öffentlich meinem 
Freunde, dem Herrn Marchefe Galiani, dem Ber 
faffer der unvergleichlichen italiänifchen überſezung 
des Vitruvius, verbunden, welcher mich nebfl 
meinen Herren Neifegefährten in bie unterirdifchen 
Grüfte diefes Theaters führete, und ung, nach dem 
"von Seren Karl Weber binterlaffenen Blan diefes 
Gebäudes, die Anlage deſſelben, ſonderlich der 
Seena, mit derienigen Deutlichkeit, die ihm eis 
gen if, zeigete. Deñ ohne dergleichen Führen IE 


neueft. hereul. Entdek. 345 


es unmöglich, da man aus einem engen Bande in 
den andern Triechen muß, fich einen Begrif nur von 
der Gegend, wo man if, geſchweige von dee An⸗ 
lage eines unbekanten Gebäudes , zu machen. 

6.22. Diefer Theil des Theaters bat zwei 
Stüfe, die Scena ſelbſt, oder das Gebäude, wel⸗ 
ches die Scena zierete, und das Brofcenium, 
oder Bulpitum, iso Balco genañt, wo die han⸗ 
deinden Berfonen das Schaufpiel vorſtelleten; die 
Länge defielben im bereulanifchen Theater iſt 130 
Balmen. 

. 6.23. Die Scena, oder bie Facciate der 
Scena, mie wir izo reden würden, blieb befländig 
unverändert , und mar der prächtigiie Theil im Then 
ter, fo daß derfelbe in großen Theatern insgemein 
aus drei Drönungen Säulen, eine über bie andere, 
befland, und bier maren in dem berühmten Thea» 
ter des Marcus Scaurus 360 Säulen angebracht, 
weraus man fich von der Größe derfelden Gcena 
einen Begrif machen fat, welche größer geweſen 
fein muß, als die vordere Seite unferer größten 
Palaͤſte. Man verſtehet alfo zugleich deutlicher, mas 
Blinins von der übrigen Bracht der Scena dieſes 
Theaters berichtet. Der untere Theil, oder bie 
untere Ordnung, war von Marmor, der mitt 
lere von Glas, und der oberſte war vergoldet. 
Diefes war an der inneren Facciata der Scena 
und im Angefichte dee Zuſchauer. Maffei!) bes 
greifet nicht, auf mas Art in der Scena gedachten 
Theaters fo viel Säulen fliehen fönnen. An dem 
vorderen Theater der Billa Hadriani zu Tivoli 
fcheinet die Scena nur eine einzige Ordnung Säu- 
ien gehabt zu haben, und diefe waren dartfch von 
etwa vier Balmen im Durchmefler, wie verfchiedene 


ı) Antiq. Gall. p. 161. 


⸗ 


250 ‚Nachrichten v. d. 


bdaſelbſt ausgegrabene Stüke anzeigen. Sonifche oder 
korinthiſche Säulen ſchienen bier anſtändiger gewe⸗ 
ſen zu ſein. 

8.24. An der herculaniſchen Seena if keine 
Säulenordnung, fondern Pilaiter, und zwifchen 
denfelben Felder, und die ganze Facciata, welche 
in der Mitten eine Ausfchweifung nach Art einer 
Hifche machet, war mit Marmor befleidet. Sn dere 
felben gingen, wie in allen Theatern, drei Thüren 
auf das Brofcenium oder Palco; die größere und 
mittlere in gedachter Ausfchweifung bieß die Fönig- 
fihe Thüre,!) und zwo Thüren auf den Seiten. 
Durch die größere Thüre traten die Berfonen der 
vornehmfien Handlung auf den Schauplaz; durch 
die Thüre zur rechten Hand die Perſonen der zwei⸗ 
ten Handlung, und durch die Thüre zur Linken die 


Perſonen der niedrigften Handlung. 


$. 25. Bwifchen der großen Thüre und denen 
zur Seiten find Nifchen, in welchen vielleicht Sta- 
tuen flanden , von denen ſich aber noch zur Zeit feine 
Spur gefunden bat. Die zween Altäre, welche au 
der Scena fianden, der zur Rechten dem Bafchus ' 
gewidmet, und der zur Linken derienigen Gottheit, 
welcher zu Ehren, oder an deren Felle das Schaus 
fpiel aufgeführet wurde, 2) dieſe Altäre, ſage ich, 
landen vermuthlich zwiſchen den Geitenthüren und 
zwifchen der Thüre in der Mitten der Scene. 

8.26. Das Brofcenium, dee Balco, Bat 
auf jeder Seite eine Kammer, wo fich die bandeln- 


- den Berfonen aufbielten, welches. diejenigen Orte 


zu fein fcheinen, die Vitruvius hospitalia nen» 
net, Berrault aber nicht: verfanden bat, und 
der Raum zwifchen ber Facciata, der Scena und 


ı) Vitruv. 1. 5. c. 6. Pollux, 1. 4. segm. 124. 
a) Pollux, I. c. segm. ı23. Acron. in Horat. I. 4. od. 6. 


neneft. bereut, Entdek. | 251 


zwifchen der dÄufferen Mauer der Scena mar der 
Gang aus gedachten Kammern durd) die drei Thüren 
auf den Paleo zu gelangen. 

5.27. Zwiſchen dieſen Kammern und der Scena 
iſt auf beiden Seiten des Balco ein länglicher Raum 
von etwa schen Palmen breit. Diefe PBläze nennet 
Vitruvius in versüris, 1) and durch diefen Weg 
und durch die Thüre in diefelben Pläze wurden die 
Maſchinen auf den Palco geführet. Diefe Thüren 
dieneten zugleich für dieienigen Berfonen, welche 
die Nebenvorfälle des Schaufpiels vorſtelleten, fo 
Daß durch die versura zur Iinfen Hand dieienigen 
auf den Balco traten, die aus der Stadt Famen, 
durch die Thüre zur rechten Hand aber, die aus 
dem Hafen angelanget zu fein vorgaben. Hier find 
berfchiedene neuere Scribenten, unter anderen der 
ältere Scaliger, ?) in große Verwirrung gera⸗ 
then, welches der Leſer ſelbſt in deren Schriften 
prüfen mag. 

*8. 28. In eben dieſen Plaͤzen (versuris) ſtan⸗ 
den mit den Eken derſelben in gerader Linie die 
Maſchinen zur Veränderung der Scena, melde 
weionTo und exxucinnare hießen. Diele waren 
dreiefig, und fanden, mie einige wollen, auf Rä⸗ 
dern. 3) Die in dem herculanifchen Theater aber 
dreheten fich, vermittelft eines runden cardine, oder 
bilico von Erste, welcher auf einer eingelötheten 
Blatte von Erste lief, wie an den Thürch der Al- 
ten; und dieſes ift der Grund von dem Worte ver- 
sura, von versare, drehen, umdrehen. Diefes 
ift augenfcheiniich aus einem cardine von vier Bol- 


ı) L.5. c.7. 
2) Pot. l.ı. 21. p. 35. 
3) Schol. Aristoph. Acharnę v. 407. Eustath. ad. 11. £. 
p. 976. 1. ı5. 


252 u Nachrichten v. d. 


len eines römiſchen Palms im Durchmeſſer, welcher 
an eben. dem Orte, wovon die Rede iß, gefunden 
worden; in demfelben flefet nad) das verbrante Holz 
von der. mittlern Stange diefer Maſchine. Es wa—⸗ 
ren diefelben vermuthlich mit Leinewand überzogen, 
auf welcher die Veränderung der Seena gemalet 
war, fo daß in weniger Seit eine Leinewand abge- 
nommen, und eine andere an deren Stelle koũte be- 
feifiget werden. 

$. 28. In dem berceulanifchen Theater fand 
in jeder von deu versursis nur ein einziges folches 
Geſtell, wie man theils aus dem einzigen gefunde- 
nen cardine, theils aber aus dem vorher angegebe⸗ 
nen Naume fchließen fan. Der diefem gegenüber- 
flehende Raum (versura) ift noch nicht ausgegraben, 
und es it alfo zu vermuthen, daB man auch bier 
einen cardinem finden werde. 

8.30. Hier aber zeiget fih eine -nicht geringe 
Schwierigfeit megen des engen Raums befageter 
Pläze, wer zu den Thüren derfelben die andern 
Mafchinen hineingebracht worden , wie ich zuvor aus 
angeführeten Scribenten angezeiget habe. Den die 
Geſtelle zu den Veränderungen der Scena flanden 
in den versuris den Thüren gegenüber und vor den- 
felben, und es bleibet Fein Raum, die Mafchinen 
vor jenen Geſtellen vorbei zu bringen. Noch eine 
andere Schwierigkeit finder ſich in Abſicht der Loge, 
die Pollur “ro nennet, 1) und welche, fo viel 
man aus deſſen fehr dunteler Stelle einſehen fan, 
über den Thüren geweſen, durch welche bie Mafchi- 
nen auf das Theater kamen. Die Benennung diefer 
Loge iſt von einem Gezelte oder Hütte herge- 
nommen, wie eben biefer Scribent zu verfieben gibt, 
und auf einer erhobenen Arbeit in der Vila Pan 


ı) L. c. segm. 124. conf. segm. 127. 


neueſt. bereut, Entbet, 353 


FfFili mit einem Chore tragtfdyer Berfonen, iſt auf 
der Seite über einer großen: Thüre eine Loge mit 
zinem fpisigen Dache, nach Art der Schäferhütten 
vorgeſtellet, und aus derſelben fehen drei Feine Figu⸗ 
ren mit Larven vor den Gefichtern hervor. We 
dieſe Loge aber Uber befageten Thüren geweſen, 
hätten die Hreiefigen Mafchinen, die den Thüren 
‚gegenüber fanden, verhindert, auf die Scena zu fe 
hen, und man würde den Endzwek diefer Loge nicht 
einfehen koͤnnen. 

$. 31. Auf beiden Seiten gedachter Thüren 
Handen einwärts zwo Säulen auf ihren Bafen, 
deren Gebrauch und Abficht undefant if. Es müßen 
aber diefe vier Säulen an diefen Thüren gewöhnlich 
gewefen fein, weil PBlinius von chen fo viel Säu- 
Jen aus Dnye in dem Theater des Balbus redet ‚1) 
und auch in dem Theater zu Bola fanden fich 
vier Säulen, welche iss an dem Altare einer Kir. 
he dafelbft angebracht find. Für diefe Säulen fin- 
det Maffei, welcher diefe Nachricht gibt, keinen 
Plaz in gedachten Theater, 2) und koñte biefes 
auch ohne die herenlanifche Entdekunz nicht wifien. 
Es muß im übrigen der Gtundriß , welchen derfelbe 
von der Scena des Theaters zu Drange ‚gibt, 
nicht richtig fein, weil auf der Scena kein Pla 
ift, die Mafchinen zu fielen, das iſt, es find eine 
versure daſelbſt. Ehen dieſe Bläze find auch in 
mehrmal erwähntem Grundriffe Des Theaters vom 
Alten Antium nicht angegeben. 

$. 82. Während der Veränderung der Scena 
wurde, wie auch izo gefchienet, der Vorhang (au- 
Izum) heruntergelaflienz diefer Vorhang aber koñte 
nicht vor der ganzen Scena gezogen fein, weil es 


ı) L. 36. c. 12. 
2) Degli Anfit.l 2. p. 333. 


252 MNachrichten v. d. 


len eines römifchen Palms im Durchmeſſer, welchen 
an eben. dem Drte, wovon die Nede iſt, gefunden 
worden; in demfelben ſteket noch das verbrante Holz 
von der. mittlern Stange diefer Mafchine.. Es was 
ren diefelben vermuthlich mit Leinewand überzogen, 
auf welcher die Veränderung der Scena gemalet 
war, fo daß in weniger Zeit eine Leinewand abge- 
nommen. und eine andere an deren Stelle Eoüte bes 
feftiget werden. 

$. 28. In dem bereulanifchen Theater fand 
in jeder von den versursis nur ein einziges folches 
Geſtell, wie man theils aus dem einzigen gefunde- 
nen cardine, theils aber aus dem vorber angegehe- 
nen Naume fchließen fat. Der diefem gegenüber: 
fiebende Naum (versura) iſt noch nicht ausgegraben, 
und es ift alfo zu vermuthen, daB man auch bier 
einen cardinem finden werde, 

8.30, Hier aber zeiget fich eine -nicht geringe 
Schwierigkeit wegen des engen Naums befageter 
Plaͤze, men zu den Thüren devfelben die andern 
Mafchinen bineingebracht worden, wie ich super aus 
angeführeten Scribenten angezeiget babe. Den die 
Geſtelle zu den Veränderungen der Scena fanden 
in den versuris den Thüren gegenüber und vor den⸗ 
felben, und es bleibet fein Raum, die Mafchinen 
vor jenen Geſtellen vorbei zu bringen. Noch eine 
andere Schwierigkeit findet ſich in Abiicht der Zoge, 
die Pollur wrucıov nennet, 1) und welche, fo viel 
man aus defien fehr dunkeler Stelle einichen Tan, 
über den Thüren geweſen, durch welche die Mafchi« 
nen auf das Theater kamen. Die Benennung diefer 
Loge iſt von einem Gezelte oder Hütte berge- 
nommen, wie eben diefer Seribent zu verfichen gibt, 
und auf einer erhobenen Arbeit in der Vila Pan» 


1) L. c. segm. 124. conf. segm. 127. 


neueft, hercul. Entdek. 353 


Fali mit einem Chore tragiſcher Perſonen, iſt auf 
der Seite über einer großen Thüre eine Loge mit 
seinem fſpizigen Dache, nach Art der Schäferhütten 
vorgeſtellet, und aus derſelben ſehen drei Fleine Figu⸗ 
ren ntit Larven vor den Gefichtern hervor. Wen 
Diefe Loge aber Über befageten Thüren geweſen, 
‚hätten die dreiefigen Mafchinen, Be den Thüren 
‚gegenüber fanden, verhindert, auf die Scena zu fe 
hen, und man würde den Endzwek diefer Loge nicht 
einfehen fönnen. 

$. 31, Auf beiden Seiten gedachter Thüren 
fanden einwärts zwo Säulen auf ihren Baſen, 
deren Gebrauch und Abficht unbekannt if. Es müßen 
aber diefe vier Säulen an diefen Thüren gewöhnlich 
gewefen fein, weil Blinius von eben fo viel Säu- 
den aus Onyr in dem Theater des Bal bus redet 1) 
und auch in dem Theater zu Bola fanden fich 
vier Säulen, welche iss an dem Altare einer Kir⸗ 
che daſelbſt angebracht find. Für diefe Säulen fin 
det Maffei, welcher diefe Nachricht gibt, feinen 
Plaz in gedachtem Theater, und koñte diefes 
auch ohne die herenlanifche -Entdefung nicht wiſſen. 
Es muß im übrigen der Grundriß , welchen derfelbe 
von der Seena des Theaters zu -Drange ‚gibt, 
nicht richtig fein, weil auf der Scena tin Blaz 
it, die Maſchinen zu fielen, das ift, es find Feine 
versure daſelbſt. Eben diefe Bläze find auch im 
mehrmal erwähntem Brundriffe Des Theaters vom 
Alten Antium nicht angegeben. 

$. 32, Während der Veränderung der Scena 
wurde, wie auch izo gefchienet, der Vorhang (au- 
Izum) heruntergefafien; diefer Vorhang aber Tote 
nicht vor der ganzen Seena gezogen fein, weil es 


ı) L. 36. c. 12. 
2) Degli Anfit.l 2. p. 333. 


254 . Nachrichten v. d. 


nicht Yeicht möglich if, ein Tuch von 120 Palmen 
lang oder breit, welches die Länge der Scena ill, 
aufzuzieben, wozu fich Feine Walze von folcher Länge 
halten fan. Es würde auch überflüffig gemefen 
fein, die Seena felbft zu verdefen: den die Faccia⸗ 
ta derfelben, als ein fefles Gebäude, änderte fich 
niemals, mie bereits gefaget ift; die Veränderungen 
gefchahen nur auf der Seite der Scena, in versu- 
ris, und vor biefen Pläzen, und zugleich vor den 
dreifeitigen Geftellen zur Veränderung, muß ber 
Vorhang beruntergelaffen fein. Diefes iſt auch zu 
fchließen aus einer alten Malerei des berculanifchen 
Muſei, welche in dem vierten Bande diefer Gemälde 
an das Licht treten wird. Es iſt dafelbft ein then- 
tralifches Baugerüſte vorgeflelet, dergleichen ver- 
fhiedene in den drei erften Bänden vorkommen, 
die von der Art find, daß fie nicht im Werfe hätten 
fönnen ausgeführet werden, und alfo phantaftifche 
Shenterbauftüfe fein müßen; oben über daffelbe iſt 
ein Vorhang in die Höhe gezogen. 

$. 33. Einige Mafchinen , ald Kraniche, Figu- 
ren. in die Luft zu heben, wie wen-Bellerophon 
und Perſeus aufgeführet wurden, und bieienigen, 
welche donnerten oder Feuer macheten, und derglei- 
chen, fcheinen hinter der Scena zwifchen der inne⸗ 
ren und äuſſeren Facciata ihren Plaz gehabt zu haben, 
und an diefem Drte war, wie Pollur faget,!) 
die Mafchine zum Donner Andere Mafchinen 
aber zur Grfcheinung der Götter waren über der 
Seena angebracht, und diefer Ort hieß daher Aoysıov. 

$. 34. Noch ein paar Worte find von dem, mas 
auswärts an dem Theater bemerfet wird, zu ſa⸗ 
gen. An allen Theatern war hinter der Scena ein 
Borticus oder verdefter Gang angeleget, da- 


ı) L. c. segm. 130. 


neueft. bereut. Entdek. 255 


mit dns Volk, wen ein Negen einfiel, fich unter 
demfelben aufhalten fonte. Diefer Borticus war an 
dem hereulantfchen Theater gegen das Forum der 
Stadt angebauet, und rubete auf dorifhen Säu- 
Ien, die gemauert und mit Mörtel und Gypfe über- 
tragen waren; es halten diefelben zween nenpelfche 
Palmen im Durchmefler, und die Höhe berfelben ift 
acht Durchmeffer , welches über die gewöhnliche und 
vom Vaitruvius vorgefchriebene Proportion diefer 
Säulen gehet. Bis auf das Drittel derfelben find 
platte Stäbe durch Einfchnitte angedeutet, welche 
zoth angeflrichen find: das Dbere der Säulen iſt 
gereift nach dorifcher Art, aber weiß gelaſſen und 
nicht angeflrichen. Diele Säulen find gertrümmert 
and in Stüfen in den Grüften des Theaters zu fe 
ben. Die Defe diefes Borticus war von Holz, und 
man fiebet noch iso Stüfe von den verbranten Bal- 
fen; unter dem Portico war, wie unter ber See⸗ 
na, ein Gewölbe. 

$. 35. Von auſſen waren an den Pfeilern, zwi⸗ 
ſchen den Bogen der offenen Gänge unter dem Halb⸗ 
zirkel, wenig erhobene Pilaſter, nur von Mörtel 
und Gypſe gemachet, welche, wie das ganze Theater 
von auſſen, roth angeflrichen waren, und eben die- 
fen Unftrich haben inwendig die offenen Gänge un- 
fer den Sizen. Don den Bilnftern zeiget fich bier 
und da ein Stük in den Grüften. 

$. 36. Oben auf dem Theater fanden zwiſchen 
den oberen drei Reihen Sitzen, an beiden Enden 
des Halbzirkels, zwei laͤngliche Baſamente, und zwei 
andere in der Mitten, folglich ſechs derſelben, alle 
von gleicher Größe, zu eben fo viel metallenen Pfer⸗ 
Den, aus welchen vor einigen Sahren ein ganzes zu⸗ 
dammengefeget iſt/ das in bem Hofe des Mufei ftchet. 1) 


EB) [Man ſehe oben S. 142 — 145.)] 


2566 Nachrichten v. d, 


8.37, Von Löchern zu Stangen, elite 
Deke über das Theater zu fpannen, wie oben am _ 
dem flavifchen Amphitheater in Nom End, bat 
fih bier Feine Spur gefunden. 

$. 38. Auf diefem Theater find nicht allein * 
Stüke in römiſcher Sprache, ſondern auch im 
griechiſcher aufgeführet worden, mie eine tessera, 
oder kleines Täfelchen von Elfenbein mit dem 
Namen AICXTAOTY vermuthen läſſet. 

8.39. Der Brunnen, welcher Gelegenheit zu 
Entdefung des Theaters. gab, fällt gwifchen zwo 
Stiegen auf die Spize des Halbzirfels. 

8. 40. Das zweite öffentliche Gebäude, wo⸗ 
von ich Nachricht ertheile, nämlich das Stadtthor 
von Bompeit, if für eine fehr erhebliche und merk 
mwürdige Entdefung zu halten, ſowohl an fich ſelbſt, 
als auch wesen des Zugangs zu demfelben. Die. 
fe3 Thor bat drei Durchgänge, den größeren 
Bogen in der Mitten, welcher 20 römifche Balmen 
weit iſt, und zween zur Seite, von 9 Balmen weit, 
die enge und bach find, nach Art der Bogen der 
alten Waflerleitungen, Die Tiefe des Thors hält 
2A Balmen, und die Dike der Pfeiler 7 und einen 
halben Palm. Mitten in den Pfeilern iſt ein Ein⸗ 
Schnitt oder Falz, wie an den Thoren, in wel- 
hen ein Fallgatter berumtergelaffen wird, und 
dieſe Thore wurden xarapperraı, 1) saugpaxroı, ports 
pendule, recidentes genennet, wie aud die Thore 
zu Serufalem gewefen zu fein fcheinen. 2) An einem 
alten Shore zu Tivoli ſiehet man diefes augenfchein- 
lich. Ganz befonders if die Bekleidung biefer Ein⸗ 
ſchnitte mit Gppſe, weiches ſich mit Fallgattern 


1) Auch noch izo heißt ein Fau ith vr oder Saltsitter 


im Staltänifchen cateratta. Fernow. 
a) Ps. 24. v. 8. vid. Grotium ad h. L 


- 


neueſt. hereul. Entdek. 257 


nicht wohl reimet, weil man glauben follte, der 
Gyps würde durch das Aufziehen und Herunterlaß 
fen derfelben fich in weniger Zeit abgeſtoßen haben. 
Diefes Auffere Thor hat ein anderes Thor von innen 
und von Ähnlichem Gebäude; die Weite von einem 
zum anderen find 31 Balmen; es war diefes untere 
Thor aber noch unentdefet. 

6.41. Von auffen iſt das Thor überweiſſet, und man 
fiebet aufder übertüncheten Bekleidung der großen Ona⸗ 
derſtüke, auf beiden Seiten, Infchriften mit rother Far⸗ 
be gezeichnet, von welchen aber, aufler Zahlen, nicht 
viel keñtlich if; und da der Kalk an vielen Drten 
abgefallen, fo ift nichts Verfländliches herauszubrin⸗ 
sen. Ach Habe indefien bemerfet, daß diefe In⸗ 
fhriften über andere, welche vorher dafelbit fan 
den, gemalet worden, indem diefe durch eine Teichte 
Überweiffung ausgelöfchet waren. Man erinnere fih 
der Bnfchrift einer Bachtung, die ich in dem 
Sendſchreiben angeführet habe,!) unter welcher 
. tine andere Infchrift, die vorher auf diefer Mauer 
ftand, bervorfcheinet. Es ift diefelbe nicht gänzlich 
mit rother Farbe gefchrieben, wie ich dort fage, 
fondern mit ſchwarzen Buchſtaben, und es iſt nur 
die legte Beile derfelben roth. 

$. 42. Durch diefe Inſchrift ſowohl, als durch 
jene an dem Thore, wird erläutert, was bisher 
nicht Deutlich hat können angegeben werden , nämlich 
der Gebrauch bei den alten Römern, die. Veror d⸗ 
nungen des Prätors in albo befafit zu machen 
und anzukündigen, ehe der richterliche Aus 
ſpruch geſchah.“) Wen Accurfins Bier eine 
weiffe Wand verfianden, fo wird deſſen Meinung 
von den Mehrefien verworfen. Andere aber muthr 


1) [Oben S. 164. $. 59. 
3) Heinece. Anüq. Rom. Jurispr. illustr. p- 49. 
Ä 11” 


258 Nachrichten v. d. 


maßen, dieſe Gewohnheit auch im Plautus ange⸗ 

zeiget zu finden, jedoch mit einigem Zweifel über 

bie Kichtigfeit des Tertes, in diefen Worten deffel- 
en: j 
— — Ne isti faxim nusquam appareant, 

Qui hic albo pariete aliena oppugnant bona.!) 


wo die Mehrefien rere, anflatt pariete, leſen, und 
gleichwohl faget Suidas ausdrüflich, 2) daß eine 
weiffe Wand zu Ankündigung bürgerlicher 
Bechäfte gedienet habe. Angezeigete Infchriften he⸗ 
ben den Zweifel über die Nichtigkeit deg angeführeten 
Orts, und beweifen Flärlich die Art, in welcher 
öffentlihe Sachen überhaupt, als insbefondere 
die Verordnungen des Prätors, auf einer 
weiffen Wand geichrieben und angefündiget wor⸗ 
den, To daß eben diefelbe wetffe Wand der beflän- 
dige Drt zu diefem Gebrauche fein koñte: dei man 
überweiſſete diefelbe jedesmal, wen eine neue An⸗ 
fündigung zu machen mar. 

: 8.43. Bu diefem Thore führete die gepflaiterte 
Straße, von welcher ein beträchtliches Stüf entde- 
fet. und geräumet worden. Es iſt dDiefelbe 25 rö⸗ 
mifche Balmen breit, mit Erhöhungen von Werk⸗ 
flüfen auf beiden Seiten für die Fußgänger, jede 
10 und einen halben Palm breit, welche zu den 
‚beiden Eingängen zur Seiten des großen Bogens 
führen. : Das Pflaſter iſt fehr ausgefahren, das iſt, 
man fiehet in den dicht aneinander gefugeten großen 
Steinen ſehr tief eingefchnittene Gleiſe. Die 
Steine And wahrbaftige Sana des Veſuvius, und 
yon ben Alten; gebrochen, ohne die Art Steine zu 
kennen. Diefe, als die .gemeinfie Art derſelben, 


2) Perse, Act. ı. $c. 2. v.2t. 
2) V. ASuxoMu. 


neueft, herenl. Entdek. 259 


fiehet, weit fe geſchliffen und geglättet iſt, dem ſäch⸗ 
fifchen grauen Serpentine am ähnlichiien. Es finden 
ſich aber mehrere: Arten in Fleinen Stüfen, und 
man zäblet an 300 verfchiedene Vermifchungen, 
von welchen befondere Sammlungen gemachet und 
verfaufet werden. | 

$. 44. Auf der linken Seite diefer Straße, 
und unmittelbar an dem Thore und an der Straße, 
fiebet ein großes Bafament aus Werfflüfen von 
25 und einem halben römifchen Balm in der Länge, 
und von 13 und einem halben Balm in_der Breite, 
welches geräumlich genug iſt für eine QDundriga, 
die hier kañ geflanden haben, wovon fich aber Feine 
, Spur gefunden bat. Den da diefes Bafament 
nicht über einen Palm unter der Erde fichet, und 
folglich was auf demfelben geflanden, aus der Ver⸗ 
fehüttung hervorgeraget, fo wird daſſelbe weggeführet 
worden fein. 

$.45. Auf der rechten Eeite der Straße fliehen ' 
drei Grabmale Das mittlere, welches völlig 
entbefet worden, hatte eine befondere Bauart: den 
es war von zwei gemanerten Vierefen, eingefchloffen, 
von welchen das Äuffeye viel längliche Dfnungen nach 
Art der Schießfcharten hatte, und die ganze Mauer 
war mit Gppfe überzogen. In der Mitte ſtand ein 
rundes Werk, welches das Grabmal felbft war: 
dieles Grabmal aber if, ich weiß nicht warum, 
niedergerifien worden. Es mar ber Mammia, 
einer Brieflerin der Stadt Pompeii, errichtet, wie 
eine Inſchrift in großen Buchflaben, von audert- 
balb römifchen Palmen lang, zeiget, welche an der 
Lehne eines Sizes in einem halben Birfel von 
Werkſtüken eingehauen ift, und vor dem Grabmale 
ſtand. Die Aufferen Enden diefes Sizes find nad} 
Art der Löwentazen genrbeitet, und der Durch 
meſſer dieſes Werts iſt an 20 zömifche Balme, und. 


maßen, diefe Gewohnheit auch im Plautus ange 

zeiget zu finden, jedoch mit einigem Zweifel über 

die Kichtigfeit des Textes, in diefen Worten deffel« 
en: 
— — Ne isti faxim nusquam appareant, 

Qui hic albo pariete aliena oppugnant bona. 1) 


wo die Mehreften rete, anflatt pariete, leſen, und 
gleichwohl faget Suidas ausdrüflich, 2) daß eine 
weiffe Wand zu Ankündigung bürgerlicher 
Beichäfte gedienet habe. Angezgeigete Infchriften bes 
ben den Zweifel über die Hichtigfeit des angeführeten 
Orts, und beweifen Flärlich die Art, in welcher 
öffentlihe Sachen überhaupt, als inshefondere 
die Versrönungen des Prätors, auf einer 
wetffen Wand gefchrieben und angefündiget wors 
den, fo daß eben diefelbe weiffe Wand der beflän- 
dige Drt zu diefem Gebrauche fein koñte: deñ man 
überweiffete diefelbe jedesmal, wen eine neue An⸗ 
fündigung zu machen war. ' 
: 8.43, Bu diefem Thore führete die gepflaflerte 
Straße, von welcher ein beträchtliches Stüf entde> 
fet. und geräumet worden. Es iſt biefelbe 25 rö⸗ 
mifche Palmen breit, mit Erhöhungen von Werk: 
flüfen auf beiden Seiten für die Fußgänger, jede 
10 und einen halben Palm breit, welche zu den 
‚beiden Eingängen sur Seiten des großen Bogens 
führen. : Das Pflaſter iſt fehr ausgefahren, das til, 
man fiehet in den dicht aneinander gefugeten großen 
Steinen ſehr tief eingeſchnittene Gleiſe. Die 
Steine And wahrhaftige Lava des Veſuvius, und 
von ben Alten; gebrochen, ohne die Art Steine zu 
kennen. Diefe, -als die .gemeinfie Art derſelben, 


3) Persæ, Act. ı. $c. 2. v. 2t. 
2) V. Asyxama, “ 


neueſt. bereut. Entdek. 259 


fiehet, weñ fie gefchliffen und geglättet iſt, dem fäch- 
fifchen grauen Serpentine am ähnlichſten. Es finden 
ſich aber. mehrere: Arten in Fleinen GStüfen, und 
man zählet an 300 verfchiedene Vermiſchungen, 
von welchen befondere Samlungen gemachet und 
verfaufet werden. | 

$. 44. Auf der Tinfen Seite diefer Straße, 
und unmittelbar an dem Thore und an der Straße, 
fiebet ein großes Bafament aus Werfflüfen von 
25 und einem halben römifchen Palm in der Länge, 
und von 13 und einem halben Balm in_der Breite, 
welches geräumlich genug if für eine Quadriga, 
die hier Fan geflanden haben, wovon ſich aber feine 
Spur gefunden bat. Dei da diefes Bafament 
nicht über einen Palm unter der Erde flehet, und 
folglich was auf demfelben geilanden, aus der Ver⸗ 
fehüttung hervorgeraget, fo wird daſſelbe meggeführet 
worden fein. | 

$.45. Auf der rechten Eeite der Etrafe fliehen ' 
drei Grabmale. Das mittlere, welches völlig 
entbefet worden, hatte eine befondere Bauart: den 
es war von zwei gemauerten Vierefen  eingefchlofien, 
von welchen das äuffere viel längliche Ofnungen nad) 
Art der Schießfcharten hatte, und die ganze Mauer 
war mit Gypfe überzogen. In der Mitte fand ein 
rundes Werk, welches das Grabmal felbft war: 
dieſes Grabmal aber if, ich weiß nicht warum, 
niedergerifien worden. Es war der Mammiar 
einer Prieſterin der Stadt Pompeii, errichtet, wie 
eine Snfchrift in großen Buchfiaben, von audert- 
balb römifchen Palmen Tang, zeiget, welche an der 
Rehne eines Sizes in einem halben Zirkel von 
Werkſtüken eingehauen ift, und vor dem Grabmale 
ſtand. Die äufferen Enden diefes Sizes find nach 
Art der Löwentazen gearbeitet, und der Durch— 
meſſer dieſes Werts tft an 20 zömifche Palme, und 


260 \ Nachrichten v. d 


es ſcheinet gemachet zu fein, vor dem Grabmale an 
der Straße ſelbſt zu figen, und freie Luft zu fchöpfen. 
Die Infchrift, welche unabgefezet umbergebet, if 
folgende : 


MAMMIAE P. F. SACERDOTI. PVBLICKE. LOCVS. 
SEPVLTVRAE. DATVS. DECVRIONVM. DECRETO. 


In anderen Infchriften findet ſich zwar sacznınos 
evarıca, aber mit Beiſaz einer beftimten Gottheit, 
als der Ceres, 9) und nicht allgemein, wie 
bier, geſezet. Vermuthlich iſt es gleichbedeutend mit 
Erzpriefterin in anderen Infchriften, DD und war 
etwa einerlei mit sacennos pnıma. 32 Diefer ganze 
Salbzirfel ift von Pompeit weggeführet, und in 
den Hof des Muſei zu Bortici geſezet. Heben diefem 
Size iſt ein anderes jenem ähnliches Werft, aber 
ohne Inſchrift, auszugraben angefangen. 

8. 46. Näher und unmittelbar am Thore ſtehet 
ein Fleines Grabmal, welches aus einem nicberen 
offenen Bogen beftehet, mo gegen dem Eingange über 
ein cippus fand von 7 und einem halben römiſchen 
Palm in der Höhe, mit folgender Anfchrift: 

u. CERINIVS 
RESTITVTVS 
AVYGYSTAL. LOC. DDD. 


Mitten in diefem Grabmale fland ein nicbriger 
Altar ‚mit vier fogennüten Hörnern, und mit bie 
fer Infchrift: | 
M. CERINIVS- 
. RBESTILVTVS 


ı) Spon. Misc. antig. p. 338. 349% 
2) Grut. Inser. p. 308. n. 4. 


3) Spanhens. Oks. in Callim. hyma. Cer. v. 43. p. —E 


neueſt. hereul. Entdef. 261 


AVGVSTALIS 
LOCO. DATO. 
D e D. 


sehe Stüfe ſtehen in dem Hofe des bereulanifchen 
Mu e e . 

$. 47. Bet Gelegenheit diefer Gräber wird nicht 
überflüffig fcheinen Finnen, eines rund ummauerten 
Blazes zu gedenken, welcher zu Ende. des 1763 
Sahres, in der alten verfchütteten Stadt Vellein, 
im Herzogtum Piacenza, ausgegraben worden. Der 
Durchmeſſer diefes eingefchloffenen Plazes hält ohn⸗ 
gefähr 100 pyarifer Fuß, und die Mauer, welche 
aus großen Quaderſtüken beſtehet, if etwa 4 Fuß 
hoch. Zween Eingänge finden fich, einer gegen dem. 
andern über, doch ohne Spuren von Thüren; ein 
dritter Eingang nber, welcher, wie durch eine enge 
Gaſſe, zwifchen zwo Mauern in diefen Plaz führet, 
bat eine Schwelle zu einer Thüre. Nahe an einem 
der anderen Eingänge iſt eine in Vierek gemanerte 
Art von Brunnen. Diefer Plaz dienete wahrfchein« 
lich zu Verbrennung der Todten, und wird vermit- 
telft gedachten Zugangs zwiſchen zwo Mauern mit 
einem Grabmale verbunden geweſen fein, es bie 
ein folcher Ort ustrina oder ustrinum, xuvsex. 1) 
Derienige, mo ber Körper des Augustus verbrennet 
war, lag in dem Umfange feines prächtigen Grab- 
mals mit eingefchloffen, und war, wie iener Play, 
rund ; 2) zumeilen aber waren dieſe Plaͤze von den 
Grabmalen abgefondert. Ein folcher, aber vierefi- 
ser Plaz, mit niedrigen Mauern von Quaderſtüken 
umgeben, welche auch ehedem nicht höher geweſen, 
wie man an der Kape diefer Mauern fichet, welche 


1) Ein folder Plaz ward auch bei Pompeis entdett. 
Siebelis. 


2) Stab. 1. 5. & 3. p. 236. C.’edit, Par 


262 Nachrichten v. d. 
% 

fh an einigen Drten erhalten bat; ein folcher 
Plaz, fage ich, lieget nahe an der appifchen Straße, 
fünf Miglien auffer Nom, an einem Orte, welcher 
in der mittlern Zeit ad statuarias hieß, und glaub- 
lich vor Alters gedienet hat, Todte daſelbſt zu ver- 
brennen, 1) weil um denfelben herum Trümmer von 
alten Gräbern liegen. 

8.48. Wei die Nachricht von den üfentlichen 
Gebäuden dem Lefer nicht unangenehm und unter- 
richtend it," fo wird auch dasjenige, mas ich von 
den pompejaniſchen Wohnungen anzeige, ſich 
einigen Beifall verfprechen Tonnen.  Dieienigen, 
welche auffer der Stadt entdefet worden, find Vil⸗ 
len oder Zuftbäufer, und veranlafien allgemeine 
Anmerkungen von den alten Villen überhaupt, und 
von denen an andern verfchütteten benachbarten Or⸗ 
ten, fowohl in Abficht der Lage, als der Bauart. 

8.49. Die Luſthäuſer der verfchütteten 
Städte, die nicht auf einer Höhe, wie die zu Pom⸗ 
yeii, Tagen, waren am leere gebauet, und im 
daffelbe Hineingeführet, nicht blos zur Luft, und 
um bie fühle Zuft der See befler zu genießen, fons 
dern, mie es fcheinet, auch zur Gefundheit. 
Diefes zu glauben veranlaflen mich die Trümmer von 
6 oder 7 Luſthäuſern zwifchen dem Hafen vom alten 
Antium, und der Stadt Nettuno, in einer Weite 

von anderthalb Miglien, gelegen. Bon. diefen Ge- 
bäuden liegen die Mauern zur Zeit der Fluth, welche 
in dieſem Meere alle zwölf Stunden fomt, nicht 
über ein paar Balmen vom Waller bedefet, und in 
der Ebbe, Nachmittag und gegen Abend, auch im 
langen Tagen, bei der. Sonmen Mufgang, kaü 
man diefelben trofen umgehen. Es waͤre nad, izo 
ein Blan von denfelben aufzunehmen, fo. deutlich 


1) Fabretti, Inser. 1. 3. p. 176. n. 351. 


neueſt. hereul. Entdek. 263 


zeiget fich die Anlage derfelben, fonderlich von einem 
ZLuſthauſe unmittelbar an dem alten Hafen von 
Aſtura, acht Miglien jenſeit Nettuno, welches 
eine Villa geweſen, die für eine große Hofſtatt ge⸗ 
räumlich genug war. 

$. 50, Daß aber diefe Gebäude auch vor Alters 
eben fo weit im Meere gelegen gewelen, wird deut- 
fich durch zwo dife Manern, welche als ein Dam 
von dem flachen und fandigen Ufer bis an die Ge⸗ 
bäude felbft in das Meer hineingeführet find. Die 
Abficht der Anlage diefer Lufthäufer ift ohne Zweifel 
die gefunde Luft, die durch das beftändige Schlagen 
der Wellen beweget und dadurch gereiniget wird , und 
die Wirkungen des Pittagswindes weniger empfind- 
Sich machet; wie den dieienigen, welche auf dem 
Damme des Hafens zu Porto d'Anzo wohnen, Feine 
Ungemächlichfeit in der großen Hize empfinden , da 
hingegen die auf dem fer felbit leben, Tfelten im 
Sommer von Ficbern frei bleiben. Die Billa des 
Cicero bei Aftura lag im Meere, wie er felbfk 
faget, 1) und Lucullus bauete bei Boin Wohnungen 
von feiner Billa bis in das Meer hinein, D wie noch 
izo die Trümmer im Waffer bezeugen. 

8.51. Das Luſthaus, welches im SHereulans - 
entdefet worden, lag an der See, und. aus dem 
Garten führete ein langer Gang zu einer runden 
Eredra, oder offenen Sommerfize, welcher im 
Meere ſelbſt wird angeleget gewefen fein, wie man 
ans dem langen Gange fchließen kalt. Diefe Exedra 
ag auf einem Werke von 25 neapelſchen Balmen hoch, 
und 4 Stufen höher, als der Gang zu derfelben. 
Der Boden diefes runden Plazes war mit einer fech- 
zehnfachen geometrifchen Hofe von Feilfürmig ge- 


») Ad Attic. 1. 12. epist. 19- 
3) Plutarch. Lucull. p. 947. 1. 3. ed. H. Steph. [c. 39.] 


364 Nachrichten v. d. 


hauenem Marmo Africano und Giallo antico, wech⸗ 
ſelweiſe an einander geſezet, beleget, in 22 Um⸗ 
kreiſen, ſo daß deſſen äuſſerer Zirkel aus 96 gleich⸗ 
ſeitigen Dreieken, wie alle anderen Steine deſſelben 
find, beſtehet, und das ganze Werk hält 24 römiſche 
Balmen im Durchmefler. Da aber die Steine, bis 
unmittelbar. zum Plittelpunfte diefer Roſe geführet, 
unendlich klein geworden wären, fo iſt in der Mitten 
eine andere Art von Roſe angebracht, in deren Um⸗ 
Ereife fich die Steine der größeren Nofe endigen. 
Diefes Werk dienet 150 sum Fußboden in dem zweiten 
Zimmer des bereulanifchen Muſei. 

$. 52. Die Bauart der Villen war von großen 
Wohnungen in den Städten felbfl nicht verfchieden ; 
Daher die Nachricht der Anlage von diefer auf jene 
zugleich Fan gedeutet werden. Sch bemerfe bier nur 
insbefondere die Teiche und die ofenen Waffer- 
kanäle in diefen Luſthäuſern, wovon ich in dem 
Sendſchreiben !) in den Anzeigen der herculani- 
fchen Billa geredet babe. Um die Mauer des Gars 
tens war ein fchmaler Waſſerkanal umbergeleitet 
fo wie in dem Hofe des Palafles des Aleinous an 
den Mauern umber Wafler lief. ) Das Waffer in 
den Villen der durch den Veſuvius verfchütteten 
Städte war vermuthlich Negenwaſſer und in Ciſternen 
gefammelt, wei an diefen Drten, fo wie izo, weder 
Duellen noch Flüſſe geweſen find, den Fluß Sarno 
bei Bompeii ausgenommen, welcher den Billen auf 
der Höhe kein Waſſer geben koñte. Bon Teichen 
aus Negenmafler redet bereits der Pfal mifl; 3) 
oder in den Zuflbäufern am Meere fan das Waſſer 
aus der See geleitet fein, und Columella lehret, 


41) [$. 43. ©. 145. $. 45. ©. 148.) 
a) Homer. Oduss. H. [VII] v. 329. 
3) Pr. 84. v. 7. 


neueſt. hercul. Entdek. 265 


wie tief die Kanäle zu graben find, um Waffer zu 
haben, daher 1) auch die Teiche vollig ausgemauert 
zu fein pflegeten. 2) 

$. 53. Was insbefondere die Lufthäufer bet 
Bompeit betrift, fo find bisher zwei entdeket. Das 
erſte, welches man ausgrub, iſt entfernter von der 
Stadt, als das andere, und war dermaßen übel zu- 
gerichtet, daß man unterlafien hat, die Arbeit fort- 
zufegen, und izo find die Trümmer davon durch den 
gefunfenen und nachgefallenen Schutt mehrentheils 
wiederum bedefet. Merkwürdig aber .mar eine Kam⸗ 
mer in diefem Bebäude, von welcher die gemalete 
Bekleidung der Mauern in Heine Stüfen zgerbrochen 
abgefallen war. Die gemaleten Grotteffen, 
die man auf diefen Stüfen fiehet, find das Voll⸗ 
fommenftle, was ich geſehen habe, nicht allein 
von alter, fondern auch von neuer Arbeit, auch 
der fchönften in der Loggie des Raphaels, 
fowohl von Erfindung und von Zierlichfett, 
als von Ausführung Es find wahre Minia—⸗ 
turgemälde; bie Blätter am dem Laub- 
werte find mit dem feinſten Geäder angege- 
ben, und die Farbe ift wie auf frifch geendigten 
Bemälden. Es find einige hundert Fleine Stüfe 
zufammengelefen, welche, um fie gu erhalten, ein 
jedes insbefondere mit Gypſe auf Schiefer geleget 
worden, und 150 fo aut als möglich zufammen- 
gefeget werden. UÜberhaupt Fan man fagen, daß die 
beſten Gemaͤlde des hereulanifchen Muſei zu Pompeii 
gefunden worden; und dieſes find die Tänzeri⸗ 
nen, nebſt den mänlichen und weiblichen Cen⸗ 
tauren, auf einem ſchwarzen Grunde. ?) 


ı) De re rast. 1.8. c. ı7. 
.. 2) 'Pallad. de re rust. 1. ı. c. 17. 
3) [Man fehe oben ©. 149 — 150. J 


Winckelmañ. 2. ö 12 


266 Nachrichten v. d. 


8. 54. Die zweite Billa, welche näher au 
der Stadt gelegen ift, war bei meinem Dafein noch 
nicht völlig entdefet. Der innere Hof derfelben if 
31 nenpelfche Palmen lang, und in zwei gegenüber 
fiehbenden Zimmern an den Eken dieſes Hofes find 


| 
| 


| 


zwei berliche mufaifche Werfe gefunden, welche _ 


diefe Entdefung fehr merfwürdig machen. Das 
erſte Werft, welches daſelbſt, den 28 April 1763 
entdefet worden, tft in der Geſchichte der Kunft 
umfländlich befchrieben, 1) und ich merke bier nur 
an, daß die Arbeit defielben nicht fo unendlich klein 
ift, dag man ein Vergrößerungsglas u Be 
trahtung derfelben nöthig hätte, wie fchriftliche und 
mündliche Nachrichten verficherten; «8 reichet hinge⸗ 


gen nicht vollig an die Feinheit der befaften Tau⸗ 


ben des verflorbenen Cardinals Surietti, welches 
Stüf nebft den Sentauren deflen Enfel befizet. 
Das zweite Mufaico Jag, wie das vprige, in der 
Mitte des Kilriche von gröberem Muſgico, und wurde 
in meiner Gegenwart den 8 Februar 1764 pöllig 
entdefet, fo daß ich und meine beiden Herren Ge⸗ 
fährten die erfien waren, die es, auſſer ben Arbei⸗ 
tern, gefehen. Es hält in der Höhe einen rzömifchen 
Balm und 10 und einen halben Zoll, und im der 
Breite anderthalb Balmen, eine fchmale Einfaffung 
ron weiſſem Alabaſter, in der Breite eines Daumes, 
mitgerechnet, welche daffelbe umgibt, und mit die 
fer Einfaffung ti das Mufaico in dem Boden Des 
Zimmers eingefeget worden, Es ift von eben dem 
Meiſter des vorigen gearbeitet, wie ber Name 
deſſelben. 
AIOZKOTPIAHZ ZAMIOZ ETOIHZE 


beweifet, welcher zu oberft deſſelben ſtehet, und ſtellet 
ebenfalls drei weiblihe Figuren mit Fomi« 


1) I7 B. 48 185. und 1238.18 10 9) 


neueſt. bereut. Entdef, 267 


Then Larsen vor dem Gefichte, nebfl einem 
Knaben, vor. - 

6. 55. Die erfle Figur zur rechten Hand fizet 
auf einem Stuhle shne Lehne, welcher mit einem 
Tepiche von dreifarbigen vierefigen MWürfeln im 
Geld, Rotb und Fleifchfarbe beleget iſt, wovon 
Iange Duäfte an Schnüren berunterhängen. Über 
dem Tepiche Tieget ein geflreiftes Polſter in eben 
den Farben. Es höret diefe Figur der neben ihr 
Ssenden aufmerffam zu, und Scheinet beide Hände 
in einander zu ringen, wie in DBerwunderung oder 
Beftürzung zu gefchehen pfleget. Die zweite Figur 
ſizet Bor einem zierlichen Tifche auf drei Füßen, 
auf welchem ein weites Käfichen, und neben dem⸗ 
felden eine Schale oder Krater ſtehet mit einem 
Fuße, welcher unten drei Löwentazen batz zur 
Seite Tieget ‚ein Lorbeerzweig. Es hat diefe Figur 
ihr geldes Gewand um fich geworfen, und Taget 
etwas her, wie die Handlung der Hand ausdrüfek, 
Die dritte Figur mit der Larve einer alten Fran 
Hält einen Becher in der Hand, und bat ihr gleich- 
falls gelbes Gewand Bis auf den Kopf gezogen. 
Heben verfelben ſtehet ein Fleiner Anabe in einen 
Mantel gewifelt. Unter den Figuren find drei ſtu⸗ 
fenweis gefegte Streifen, der obere mit abgessgenen 
Ochſenköpfen, die mit Nereiden mit zween Fifch 
ſchwaͤnzen abwechſeln; auf dem mittleen Streifen 
And Breife, die einen runden Schild halten; der 
untere Streifen if mit Eierchen und mit fenfrech- 
sen Stäbchen wechſelweis gezieret. Diele Streifen 
And nur von einer einzigen Farbe, und von der 
Art, die wir Grau in Grau nennen. . 

$. 56. Bei Gelegenheit des Namens des Künſt⸗ 
Lers dieſes Werks Fan ich nicht unterlaffen, anzumer- 
Ten, daß der Name eines andern Disskorides, 
welcher unter dem Auguſtus cin berühmter Künſt⸗ 


268 Nachrichten v. d. 


ler in geſchnittenen Steinen war, zu man—⸗ 
chen Betrügereien Anlaß gegeben. Dieſes iſt noch 
neulich auf einem kürzlich entdeketen Cameo oder 
erhoben geſchnittenen ſchönen Kopfe des Caligula 
geſchehen, welcher in den Händen Herrn Thomas 
Jenkins, eines britiſchen Malers in Nom iſt, 
mo jemand ben Namen des Dioskorides einfchnet- 
den laſſen, um den Preis deffelben zu erhöhen. Es 
if auch für Anfänger gut zu wiffen, daß die Namen 
auf erhoben gefchnittenen Steinen gleichfalls er. 
boben und niemals tief oder eingefhnitten 
gefunden werden. | Ä 

$. 57. Das erflere Mufaico, weil es an einigen 
Drten ausgebeffert worden, ift bisher feinem Fremden 
gezeiget; es finder fih auch am dem Jesteren etwas 
nachzubelfen. 

$.58. Wir wiſſen, das Kaiſer Claudius bei 
Bompeit eine Villa hatte, wo ihm ein Sohn, mit 
Namen Drufus, farb, weichen eine Birne erflifete, 
die diefes Kind in die Höhe warf, um diefelbe mit 
dem Munde zu fangen. 1) Vermuthlich ift eines von 
beiden gedachten Luſthäuſern für diefe Villa zu 
halten. 

$.59. Nicht weniger Aufmerkſamkeit verdienen 
zweitens die zu Pompeji ausgegrabenen Woh⸗ 
nungen in der Stadt ſelbſt, von welchen, da fie 
völlig vor Augen, eine genaue Anzeige kañ gegeben 
werden, aus welcher die Form alter Wohnungen beut- 
lich begriffen wird. Allgemein if zu merfen, daß die 
Wohnungen zu Pompeſi ſowohl, als an anderen 
verfchütteten Orten, in’s Gevierte gebauet find, 
fo daß fie einen inneren Hof (area, cortile) ein 
Schließen, um welchen herum die Zimmer geben, 
In diefem Hofe gemeiner Wohnungen war oben und 


ı) Lipsii antig. lect. La. c. 6, 


neueſt. bereut. Entdek. 269 


unter dem Dache ein breiter Vorſprung von Brettern 
geleget, um unter demſelben vor der Traufe bedeket 
zu gehen. in ſolcher innerer Hof hieß daher im- 
plurium, auch atrium, von seo, vraıdpv, UNs 
ter freiem Himmel. 

. 8; 60. Bis izo find allererfi zwo Wohnungen 
innerhalb des Thors, und zur rechten Geite deſſel⸗ 
ben und der gepflafierten Straße entdefet, und beide 
nahe an dem Abhange des Hügels, auf welchem die 
Stadt lag, und der Eingang in beiden ift von der 
Straße her. Das erfle Gebäude hat ein großes 
Thor von 10 römifchen Palmen weit, welches uns 
mittelbar in den innern Hof deflelben führet. Auf 
beiden Seiten diefes Thors if eine Thüre von 5 
Balmen breit; die zur Linken aber iſt zugemauert, 
und gleichet einwärts einer Niſche. Die andere 
Thüre war der Aufgang in die oberen Zimmer, wie 
aus einigen Stufen von der Stiege deutlich erfcheinet. 
Diefe Art Stiegen, welche durch eine Nebenthüre 
unmittelbar von der Gaffe zu den obern Zimmern 
führen, And noch izo fehr gemein in Stalien. Vor 
dem Thore fiehet man eine große Kornifche mit 
Sdhnen von Gypſe, in dem Schutte herabgeſtürzet 
iegen. 

$. 61. Der innere Hof, deſſen Länge über einige 
70 vömifche Balmen betragen wird, iſt ganz und 
gar mit einem zierlichen Eftriche von einer Art Kitt 
mit gefloßenem Marmor verbunden, und mit will 
Türlich eingefegetem vielfärbigen Marmor beleget, 
nach der Art, wie in Venedig die Fußboden der 
Zimmer in Baläften zu fein pflegen, und wie der» 
gleichen in der Vila Albani find. Mitten in dem 
Hofe ift ein vierefiger Plaz aufgeriffen, welcher von 
einem verfchränfeten Bierate von Muſaico eingefaffet, 
it, und man kañ muthmaßen, daß dafelbii Marmor: 
platten gelegen, auf welchen eine Cifterne wird ge 


270 Nachrichten v. d. 


fanden haben, wie ein Eleiner runder Brunnen von 
zween Balmen im Durchfchnitte, in einem Eke die- 
fes Viereks wahrſcheinlich machet; es iſt derfelbe 
mit Fleinen Siegeln ausgemauert. In dem inneren 
Hofe einer entdefeten Villa von Gtabia war eine 
vierefigte Eiflerne, deren Dach auf gemauerten und 
übertragenen Säulen ruhete. 

6. 62. Aus dem Hofe gehet unmittelbar der 
Eingang in fünf Kammern, auf der einen ſowohl 
als auf der anderen Seite, und dem Thore des 
Hofes gegenüber find drei andere Kammern, welche 
alle einen Fußboden von verfchiedener Art Muſaico 
und bemalte Wände haben. Die zweite Sammer 
zur Linfen fcheinet ein Schlafgemach gewefen zu fein, 
welches man -theils aus einer Hohlung unten in der 
Mauer, der Länge des Bettes dadurch Plaz zu ma- 
chen, vornehmlich aber aus zwei Eifen , welches die 
Füße des Bettgeflelles waren, fchließen fünnen. Ger 
dachte Hohlung ift roch angeflrichen, wie die ganze 
Kammer unten umber. Die Länge derfelben if 12 
ae Balme, und die Vreite 9 und einen halben 

m. - 

$. 63. Diefe Sammern find alle ausgemalet, 
und obgleich die beſten Stüfe für das Mufeum be⸗ 
reits ansgefchnitten waren, find dennoch fehr ange- 
nehme und fchöne Bilder übrig geblieben, unter wel» 
chen ich befonders zwo Fleine jugendliche Larven in 
den Geotteflen bemerfete. Die Thürfchwellen eini⸗ 
ger Kammern find fogar von weiſſem Alabailer. 

5. 64. Die zweite Wohnung, welche unmit- 
telbar an jener Tieget, und mehrentheils ausgegra- 
ben if, bat in einer Kammer fchönere Malereien 
übrig, als in jenen Kammern find. Es iſt diefelbe 
mehrentheils gleichfeitig von 15 römiſchen Balmen 
lang und breit; die Länge hat nur 4 Bolle mehr, 
als die Breite: die Hauptthüre diefer Kammer iſt 6 


nenueſt. hercul. Entdek. 273 


Ralmen weit. Hier war die Diana, von welcher 
ich oben geredet habe, die man bereits vor Alters 
umber bebauen batte, um biefes Gemälde wegzu⸗ 
nehmen; man fiebet auch ebendafelbft noch eine an- 
hun Figur in einem Felde der Wand mit Sieben 
umber. 


8.65. Über diefe Wohnungen inde ich folgen⸗ 
de Anmerkungen zu machen. Erſtlich, daß alle 
Kammern gewölbet waren; die Gewölber "aber 
find, auſſer in Kellern, alle eingeflürzet gefund, 
und von den Thüren der Kammern entdefete man 
nur verbraütes Hol. Die Pfoſten der Thüren 
aber (gli stipiti) waren niemals von Holz, wie 
fh Montfaucon einbildet; 1) wie würden ſich 
diefelben in gemnuerten Häufern reimen? In dem 
Gemäuer finden fich häufig Schlafen vom Veſuvius, 
und vielleicht würden auch in den Gewölbern Spu⸗ 
zen davon fein, wen fich diefelben erhalten hätten. 
Unterdefien meldet Bitruvius fein Wort von Er⸗ 
keichterung der Gewölber vermittelfli der Schlafen, 
und Balladius ifl der einzige, welcher von dieſer 
Art zu bauen Meldung thut: 2) den diefer lebete 
über 100 FJahre nach jenem, da nach dem großen Aus⸗ 
bruche des Veſuvius unter dem Titus die Schlafen 
werden befanter geworden fein. PA 


8.66. Zweitens ſiehet man bier augenſchein⸗ 
lich, daß die fchönften und ganz bemaleten immer, 
ſowohl der LZufihäufer aufler der Stadt, als ber 
Wohnungen innerhalb. derfelben, Fein anderes 
Licht befommen, als allein durch die Thlire, wel- 
che daher ungewöhnlich breit und hoch zu fein pfle- 
get. Solchen Gebaäuden fonte alfo der Nachbar das 


ı) Antiquites expliq. t. 3. p. 125. 
2) De re rust. 1. ı. c. ı3. 


272 - Nachrichten v. d. 


Licht nicht verbauen, welches in Nom die alte Ber- 
ordnung: ne luminibus ofliciatur, unterfagete. _ 
8.67. Sch rede bier ausſchließungsweiſe allein 
von den pompeianifhen Gebäuden; dei von 
Fenſtern in anderen HSäufern der Alten haben wir 
deutliche Anzeigen. Wir fehben aus einem Briefe 
des Cicero,1) daß berfelbe mit dem Atticus 
nicht einig war fiber die Weite der Fenſter, welche 
ein Baumeifler, mit Namen Cyrus, in einem 
Zandhaufe, vermuthlich des Cicero, gemachet batte. 
2Zaden aber (sportelli) vor die Fenfler von innen, 
um das Zimmer dunfel zu machen, welche in allen 
Zimmern in Stalien gewöhnlich find, fcheinen die 
Alten nicht gehabt zu haben; den Suetonius fa 
get,2) Augufius habe, weñ er Mittagsruhe ge- 
halten, die Sand vor die Augen geleget, welches 
nicht nöthig gewefen wäre, wen die Fenſter ein- 
wärts Laden gehabt hätten. Eine ſtärkere Muth- 
mafung von dem, was ich glaube, find die Flie 
genwedel, wodurch fich dieienigen, die es haben 
fonten, bei der Mittagsruhe die Fliegen abwehren 
ließen; den im Finfteren find die Fliegen rubig. 
Diefer Muthmaßung fcheinet die Beſchreibung, wel⸗ 
he Ovidius machet, von dem Kichte in feiner 
Kammer, da Corinna zu ibm Fam, entgegen zu 
fein, den er faget: 


Pars adaperta fuit, pars altera clausa fenestr&; 3} 
und es müßte auf einen Vorhang gedeutet wer⸗ 


den, welcher halb vorgezogen geweſen. Diefe Stelle 
Ian die obigen Nachrichten nicht ungültig machen. 


ı) Ad Attic. 1. 2. epist. 3, 
2) Aug. c. 78. 
3) Amor. 1. 1. eleg. 5. 


neueſt. hercul. Entdek. 273 


Bon Vorhängen der Fenſter redet Juvenalis 
alfo ausdrüflich : 


— — —  claude fenestras, 
Vela tegant rimas, junge ostia, tollite lumen. 1) 


Alles diefes kan zu Verfländniß einer Stelle des 
Apollonius von Rhodus dienen, über welche 
ſich niemand einen Zweifel hat einfallen laffen. Wei 
diefer Dichter die Unruhe befchreibet, welche die in 
ZJa ſon verliebete Meden empfand, faget er: „daß 
„fie die Nacht vor der angefegeten erſten Tinterre- 
„bung öfters von ihrem Bette aufgefianden y um gu 
„ſehen, ob der Tag anbreche, und 


Ilvxva 8 va xinidas Emy Avsans $vpawy;?) 

„Gröfnete oft die Schlöffer ihrer Thüren ; “ 
das ift, fie hatte nöthig, die Thüre ihres Zimmers 
zu eröfnen‘, um den Morgen zu erblifen, weil daf- 
felbe one Fenfler war, wie die in den pompejani⸗ 
fchen Gebäuden. &s kañ alfo das Zimmer, wo ihre 
Mägde fchliefen, fein Vorzimmer geweſen fein, wie 
es köñte verfianden werden, fondern muß neben 
jenem gefeget werden. ?) 

8.68, Drittens finde ich anzumerfen, daß 
die Schäude ſelbſt ſowohl als die Kammern nicht alle 
fommetrifch find, wovon ih den Grund nicht 
einfehen fon. Man fan nicht fagen, daß derglet- 
chen Anlage blindlings gemachet worden, da die Li- 
nien des Fußbodens von Muſaico in den Kammern 
in rechten Winfeln gezogen worden, wodurch die 
Ungleichheit der Kammern noch deutlicher wird. 
Den Dangel der Symmetrie babe ich auch an an⸗ 
deren alten Gebäuden bemerfet, und unter anderen 


ı) Sat. 9. v. 105. 

2) Argonaut. 1. 3. v. 821. 

3) [Man vergleiche die Anmerkungen über HHeBam: 
Funft ic. 6. 60 — 62.] 


—* 


\ 


27h Nachrichten v. d. 


an den Trümmern des Theaters zu Albano, deſſen 
Bogen und die Pfeiler zwiſchen denfelben nicht von 
gleicher Weite und Dike find. Es find fogar die 
Pilaſter im Pantheon nicht von gleicher Breite, 
und einige Kapitäler reichen nicht völlig. an dag Ges 
bälfe, welches die Säulen tragen folen. Man be- 
merfet auch an dem fogenanten Foro des Tempels 
des Serapis zu Pozzuolo, daß deſſen Plaz nicht 
völig ein gleiches Maß hat, und Biefes ohne alle 
Urſache, weil nichts im Wege fand, die völlige 
Symmetrie zu erhalten. 


$. 69, Zum vierten babe ich bemerfet, daß 
ber Fußboden von Mufnico in den Kammern einen 
ſehr merflihen Abhang gegen die Schwelle der 
Thüre hat. 
870. Die fünfte Anmerfäng betrift die Ge⸗ 
mälde auf der Dauer, welche in den pompejani⸗ 
fchen Gebäuden nicht auf naffe, fondern auf tra. 
fene Gründe gefezet find, wie man augenfcheinlich 
fiebet an der Farbe, welche abgehet, wen fie mit ci» 
nem genezeten Finger gerieben wird. Es ift zu be 
Hagen, daß dieienigen Gemälde, welche nicht be- 
trächtlich geachtet werden, und nicht für das könig⸗ 
liche Mufeum beflimmet find, auf ausdrüflichen 
Befehl der Föniglichen Regirung zerfeget und ver⸗ 
derbet werden, damit diefelben nicht in fremde Hände 
gerathen. 


8.71. Der zweite Punkt biefer Nachrichten 
find die Bildniffe, unter welchen ih Statuen, 
Figuren und Bruftbilder begreife. Cs find 
zwar feit zwei Sahren keine beträchtliche Stüke vor 
Bildhauerei entdefet worden; aber es verdienen ei» 
nige, welche ich in dem Sendfchreiben übergan- 
gen habe, angezeiget zu werben, und bei anderen, 
welche ich bereits bemerket habe, wird entmweber eine 


neueſt. beren!, Entdek. 275 


senauere Befchreibung, oder eine Erläuterung nicht 
überflüſſig fcheinen können. 

$. 72. Bon großen Statuen in Erzt, welches 
mehrentheils Eniferliche Bildniffe, aber von mittels 
mäßiger Arbeit find, and von anderen in Marmor, 
die für bie Galerie im Schloffe zu. Portict beſtim⸗ 
met waren, find izo 18 ergänzet. Die Säulen vor 
gelbem Marmor zur Auszierung diefer Galerie find 
nicht von @iallo antico, fondern es ift dieſer gelbe 
Marmor bei Gefunldo in dem bergigen Apulien ge 
brachen, und von diefer Art find 32 Säulen dafelbft 
aus einem einzigen Stüke. Da aber diefer Theil 
des neuerbaueten Schloffes einzufallen drohete, und 
deßwegen auf Stüzen gefeset werden müßen, ifl man 
genöthiget worden, Diele lange Galerie in fünf Zim⸗ 
mer zu. tbeifen, folglich wegen bes Verhältniffes dag 
Gewölbe zu erniedrigen, und gedachte Säulen nebſt 
denen von Verde antico find hier weiter nicht anzu⸗ 
bringen. 

6.73. Dieienigen weiblichen Statuen von 
Erst, welche um einen Teich in einer hereulaniſchen 
Villa fanden, und igo auf der Trepe zu dem Diufeo 
aufgeftelet worden, find der Beichreibung des Lon⸗ 
aus!) von Statuen der Aymphben fehr Abnlich, 
und werden dafür zu Kalten fein, da diefe mie jene 
um einen Teich flanden. 

$. 74. Der Unterleib des fchönen betrunkenen 
Silenns von Erst ift mie ein Schlauch gefentet, 
in den Schenfeln aber ift die Sigenfchaft der Sa⸗ 
tyre oder Faune ausgedrüfet in der Schnelligkeit 
des Gewächſes. Es fiel mir damals nicht bei, wo 
von der Statue des Sardanapalus geredet 
wird, 2) die fo wie der Silenus, über ben Kopf 


ı) Pastoral. l. 1. p- 6. edit. Hanor. 1608. 8. 
2) (Man fehe oben S. 155— 156.) 


. 276 Nachrichten v. d. 


en Schnipchen fchlägt: Plutarchus zeiget die- 
fes an in angeführeter Stelle. 1) Man fan fagen, 
der Silenus fet gelehrt, fo wie der Mercu- 
rius ſchön heiſſen kañ; doch iſt er nicht fo ſchön, 
daß er eine Begeiſterung und eine Beſchreibung im 
erhabenen Style hätte erweken können, wie jemand 
von demſelben zu leſen gewünſchet hätte. 

SG. 75. Seit zwei Sahren find zu Pompeji zwo 
weibliche bekleidete Figuren von gebrafiter Erde, 
fünf und einen römifchen Balm hoch, entdeket, wel- 
che tragifche Larven vor dem Gefichte ben. 
8,76. Unter den Eleinen Figuren gab ich eini⸗ 
sen Begrif von einem vermeineten Alegander zu 
Bferde in Erst, nebſt einem anderen- Abnlichen 
Pferde, aber ohne Figur; jenes verdienet: eine ge- 
nauere Befchreibung. Das ganze Werk hat einen 
römifchen Palm und zmölfthalb Zolle in der: Höhe; 
das Pferd iſt einen Balm und 9 Zolle lang. Der 
linke Arm der Figur, welcher mangelt, 309, wie 
man fiehet, die Bügel an fih, um den Xauf des 
Bferdes einzuhalten; der rechte Arm iſt erhoben, wie 
im Werfen eines Wurffpiehes. An dem Bferde feh- 
Ien die zwei hinteren Beine, das übrige iſt vollig 
erhalten. Die Bügel, die Zieraten auf der Etirne 
des Pferdes, an ben Kiñbaken, welche wueniov beim 
Homerus heiffen, das Gebiß und der Bruffriem , 
(reradvor) alles iſt mit Silber ungemein zierlich aus- 
geleget, es find auch die Augen des Pferdes, mit 
Andeutung des Sterns in denfelben, von Silber 
eingefeget. Mitten auf dem Bruflriemen, wo an 
Bferden auf erhobenen Werfen und gefchhittenen 
Steinen ein halber Mond zu hängen pfleget, iſt ein 
fchöner Kopf einer Bakchante mit Epheu befrän- 
zet, erhoben in Silber gearbeitet, und an beiden 


ı) De Fortt. Alex. 2. c. 3. p. 599.1. 19. edit. H. Steph. 


neueſt. bereut. Entdek. 277 


Seiten dieſes Riems ſind Windungen oder Gelenke 
(gangheri) angedeutet, welches zeiget, daß ein fol- 
her Bruflriem von Erzte gewefen. Der vermeinte 
Alexander hat feinen kurzen Mantel (chlamys) 
auf der linken Schulter mit einem filbernen platten 
Knopfe zufammengehänget, und unter dem Mantel 
iſt Dee Panzer. Inter der Bruſt gehet ein Band, 
am, wie es feheinet, den kurzen Degen zu tragen, 
welcher unter der linfen Bruſt herabhänget. Die 
Beine find befleider - mit geichnüreten Halbſtiefeln 
(cothurni militares), wie man bdiefelben an einigen 
Statuen bewafneter Saifer ſiehet. Das Pferd, 
welches im Springen iſt, ruhet auf einem Nuder, 
deſſen Stange unter dem Bauche flehet, und das 
breite Ende auf der mit Silber eingelegeien Baſe. 
Diefes Nuder wird feine Bedeutung haben. 


8.77. Eine Figur von Erzt, die dem fchönen 
und kunſtvollen Briapus in dem herculanifchen 
Mufeo vollig Ähnlich ift, auch in der Größe, befin- 
det fih in dem Fircherifchen Muſeo des Eollegii Ro⸗ 
mant zu Nom. Sie ſtellet einen Sänger vor, wel- 
cher mit eigenem Vergnügen auf der Leier fpielet, 
and einen Ring durch die Vorhaut feines Gliedes 
gezogen bat.1) Es waren viel Sänger, wenigiteng 
zur Beit der römifchen Kaifer, wie izo, verfchnit- 
ten,d) und Plautianus Tief diefes auf einmal 
mit hundert jungen Knaben, und mit verheirathe- 
ten römifchen Bürgern machen, um der Blautil- 
Ta, feiner Tochter und des Caracalla Gemahlin, 
als Sänger zu dienen. Insgemein aber wurde den 
Sängern, wie es gedachte Figur hat, ein Ring an⸗ 


4) [Dentmale, Numero 188.) 


#2) Heins. Introd. in Hesiod. c. 6. p. 14. seq. ed. Plan- 
tin. 1603. 4. 


280 Nachrichten v. d. 


ältere Setpio Africanus auf feinem Landhauſe 
ſtarb, gefunden worden, und aus dieſem Grunde ſoll 
dieſer Kopf den beſageten Seipio vorſtellen. Ein 
Bildniß eines großen Mannes muß es ſein, weil es 
ſo oft wiederholet iſt. Faber, welcher die Bild⸗ 
niſſe berühmter Männer, die Fulvio Orſini ge 
ſammelt, mit deſſen Erklärungen, aber unter fei- 
nem eigenen Samen, berausgegeben, beutet auf 
den Kopf von Bafalt die Nachricht des Pli⸗ 
nins, wo er faget, daß der jüngere Seipio 
Amilianus Africanus (Africanus sequens) fid) 
alle Tage den Bart fcheren lafien; 1) damit aber diefe 
Stelle zu feinem vermeineten Kopfe des Älteren 
Seipio paflen möchte, läffet er das Wort sequens 
aus. Es fan alfo, der Nachricht des Blinius zu- 
folge, befageter Kopf und viele, die ihm Abnlich 
find, vielmehr den jüngeren Scipio vorfellen, 
welcher vermuthlich das Landhaus des Älteren 
Seipio befeffen, und diefes fein Bildniß daſelbſt 
hinterlaſſen bat. 

$. 80. Die Kufchrift des Namens des Künfllers 
Apollonius an einem andern diefer Bruflbilder 
ftebet in einer Reihe, wie ich diefelbe überfchifete, 
und nicht in drei Reihen abgeſezet, wie es im 
Druke erſchienen if.) 

S§. 81. Es iſt auch eine ſchöne wohl erhaltene 
Bafe von Marmor anzuführen, welche über 3 Pal⸗ 
men hoch ift, mit einem Batchanale in flach er- 
hobener Arbeit umber. Das Befondere auf derfel- 
ben ift eine Bakchante, die mit einem Knie auf 
einem Schlanche figet; Diefes war eine Art von Tanz, 
welcher xuxorsacer hieß, nämlih auf aufgebla- 
fene Schläuche fpringen. 

ı) [Plin. 1. 7. c. 5n.] 
2) [Man fehe oben S. 158, wo biefer biäher fortbeitandene 

Sehler berichtiget worben.) 


neueſt. hercul. Entdek. 281 


6. 82. Bu beträchtlichen Entdekungen von Sta- 
tuen und Bildniffen iſt zu Bompeit, den oben an- 
gegebenen Nachrichten zufolge, wenig Sofnung 
übrig, und eben fo wird es fich mit andern ver- 
fchütteten Orten verhalten, wo nicht Landhäuſer 
entdefet werden, wo man in Abwefenheit der Beſi⸗ 
zer nicht Anflalt machen können, dergleichen zu ret- 
ten, da der Unfall diefe Drte betraf. 

S. 83. Hieraus wird begreiflich, mas ich ander- 
wärts gefnget babe, daß in und um Kom öfters 
mehr in einem Monate, als dort in einem ganzen 
Sabre gefunden wird. Geit meiner Nüffunft von 
Neapel, das if, feit drei Monaten, da ich diefes 
ſchreibe, ift eines der größeſten und Alteflen erhobe⸗ 
nen Werfe, die in der Welt find, in Nom ausge 
graben, welches izo in der Billa des Herrn Cardi⸗ 
nals Alerander Albani ſtehet. Es ſtellet daf- 
felbe in Figuren von Zebensgröße einen iungen Held 
vor, welcher nur wie mit einem leichten Hemde ohne 
Armel befleidet ift, und ein Pferd im Laufen einhal⸗ 
ten will, Dieſe Figur fchläget auf einen andern 
jungen Held zu, welcher von dem Pferde gefallen 
fcheinet, und mit der einen in feinem Gewande, ges 
wifelten Hand den Schlag abzuwehren fuchet. Über 
die eigentliche Bedeutung deffelben Habe ich noch 
nicht mit mir eins werden können, weil diefe Vor⸗ 
fiellung auf mehr als eine ‚Begebenheit der alten 
Heldengefchichte Fan gedeutet werden. Sch fage der 
Heldengefchichte, welches widerfprechend fcheinen 
fönte, da ım Homerus vom Reiten zu Pferbe 
-feine Meldung gefchichet, und daher insgemein ge- 
glaubet wird, das Gefecht auf Wagen fri Alter, 
als zu Pferde. Lucretius aber behauptet das 
&egentheil,i) wie es nuch aller Wahrſcheinlichkeit 


) L. 5. p. 206. lin. 4. edit. Paris. 1944. 12- 
12* 


282 Nachrichten v. d. 


gemäß if. Ferner iſt eine weibliche Figur in lan—⸗ 
gem Kleide mit geraden Falten, balb fo groß, ale 
die Natur, tim alten Style gearbeitet, aber ohne 
Kopf, ebendafelbfi gefunden worden. Buona⸗ 
roti hält eine Ähnliche Figur auf einer Münze!) 
für eine Diana: es köñte diefelbe die Yuge, des 
Telephus Mutter, vorfielen. Auch diefe Figur 
bat gedachter Herr Kardinal an fich gebracht. Das 
Merkwürdigſte aber ift eine Fürzlich zum Vorſchein 
gefommene Venus, welche bereits ermähnter Herr 
Zenkins erhandelt bat, fo vollfiändig erhalten, 
daß ihr kaum ein Finger fehler, und von fo hoher 
Schönheit, daß fie alle Statuen diefer Göttin, ſo⸗ 
gar die mediceifche, verdunfelt. Sie iſt in voll⸗ 
fommenem Gewächſe von iungfräulicher Bildung, 


und der Kopf hat den Reiz der Venus obne Li 


fie, fo daß diefelbe mehr Ehrfurcht als Begier- 
De erweket. Kan eine Venus ber genriefenen Kunſt 
des Brariteles würdig geachtet werden, fo iſt es 
diefe; den höher Fan die dee, welche mit Bildern 
alter möglichen Schönheit angefüllet tif, nicht ge 
ben.) Infchriften und gefchnittene Steine will 
ich nicht erwähnen, weil diefe nicht alle befant wer⸗ 
den. Der fchönfte aber, welcher im Yunius gefun⸗ 
den worden, iſt ein Cameo in einen Ning zu faſſen, 
mit einem Bakchanale, und wird auf 100 Zecchini 
gefchäzet. Sch hoffe, man wird mir dieſe Ausſchwei⸗ 
fung bier verzeihen. 

6. 84. Der vierte Bunkt diefer Nahrichten, 
von den Geräthen, iſt von meiten Hm- 
fange, und ich will diefelben eintheilen in Geräthe, 
die zum heiligen Gebrauche beflimmet waren, 


1) Osserv. sopra alc. Medagl. d’Anton. Pio. 


2) [Man vergleihe deu Br. an Wiedewelt v. 24 Mb 
u. an Riedeſel v. 23 Juni 1764.] 








neneft. hercul. Entdek. 283 


und in diejenigen, die zum gemeinen Gebrau—⸗ 
che dieneten. 

6.85. Bon Geräthben der erfleren Art 
finde ich nur zwei lectisternia und Weihwaſſer⸗ 
gefäße-angumerken. Die Bedeutung und ber Ge⸗ 
brauch des lectisternii fege ich bei dem Leſer voraus. 
Das größere hereulanifche ift von Erste, von 5 rö⸗ 
miſchen Palmen hoch, von A Palmen lang, und 
drittehalb breit; die oberen Stäbe an der vorderen 
Seite deſſelben ruhen auf zween fchönen Pferdekö⸗ 
pfen, die an ber hinteren Seite aber auf Schmanens 
füpfen. Das kleinere, ebenfalls von Erzt, bat die 
Geftalt eines Bettgeſtelles nach alter Art mit vier 
Säulen, und würde ohne deflen muthmaßlicdhen Ge⸗ 
brauch, als ein Spielzeug für Kinder angefchen 
werden Finnen. Wir wiſſen, daß in iedem Haufe 
die Penates befonders verehret wurden, und daß für 
diefelben befondere zdicule oder Capellen gebauet 
waren. 

6.86. Die Gefäße zum Weihwaſſer (aquamina- 
ria, zepipparsngia) find ebenfalls in bürgerlichen Woh⸗ 
nungen gefunden; den die römischen Familien hat⸗ 
ten eine jede ihre eigenen sacra privata, einen hei- 
ligen Herd, wo Feuer unterhalten wurde, ihre 
Altäre, ia fogar befondere Fefltage, und einige biel- 
ten eigene SHauspiefter. 1) Es find diefe Gefäße 
theils von Erst, theild von Marmor; das: größte 
son Erzt iſt eine zierlich gearbeitete runde Schale, 
von vier Balmen im Durchmefler , inwendig in der 
Mitten mit filbernem Laubwerke ausgeleget, und fie 
het in dem erfien Zimmer des Mufei. Voñ diefer 
Schale hat fi das Fußgeſtell nicht gefunden; an⸗ 
dere kleinere von Erst aber haben dafielbe, und die 
größte von diefen iſt mit zwo Handhaben. Die von 


1) Reines. Inser. Class. 5. n. 53. 





282 Nachrichten v. d. 


gemäß if. Ferner ift eine weibliche Figur in lan⸗ 
gem Kleide mit geraden Falten, balb fo groß, als 
die Natur, tim alten Style gearbeitet, aber ohne 
Kopf, ebendafelbft gefunden worden. Buona⸗ 
roti bält eine ähnliche Figur auf einer Münze!) 
für eine Diana: es köñte diefelbe die Auge, des 
TDelephus Mutter, vorſtellen. Auch diefe Figur 
bat gedachter Herr Kardinal an fich gebracht. Das 
Merfwürdigfie aber if eine Fürzlich zum Vorſchein 
gefommene Benus, welche bereits ermwähnter Herr 
Zenkins erhandelt bat, fo vollfländig erhalten, 
daß ihr Faum ein Finger fehlet, und von fo hoher 
Schönheit, daß fie alle Statuen diefer Göttin, ſo⸗ 
gar die mebiceifche, verdunfelt. Sie if in voll- 
fommenem Gewächſe von iungfräulicher Bildung, 


und der Kopf hat den Reiz der Venus ohne Lü⸗ 


fte, fo daß diefelbe mehr Ehrfurcht als Begier- 
de erwefet. Kan eine Venus der gevriefenen Kunſt 
des Brariteles würdig geachtet werden, fo iſt es 
diefe; den höher Fan die Idee, welche mit Bildern 
aller möglichen Schönheit angefüllet iſt, nicht ge 
ben.) Sufchriften und gefchnittene Steine will 
ich nicht erwähnen, weil dieſe nicht alle bekañt wer⸗ 
den. Der fchönftle aber, welcher im Zunius gefun- 
den worden, iſt ein Cameo in einen Ning zu fallen, 
mit einem Batchanale, und wird auf 100 Zecchini 
gefchäzet. Sch hoffe, man wird mir dieſe Ausſchwei⸗ 
fung bier verzeiben. 

6. 84. Der vierte Punkt diefer Nachrichten, 
von den Beräthen, tif von weitem Um⸗ 
fange, und ich will diefelben eintheilen in Geräthe, 
die zum heiligen Gebrauche beflimmet waren, 


1) Osserr. sopra alc. Nedagl. d’Anton. Pio.. 


2) [Man vergleihe deu Br. an Wiedewelt v. 25 Mal, 
u. an Riedeſel v. 23 Juni 1764.) 


neueft. bereut, Entdek. 253 


und in diejenigen, die zum gemeinen Gebrau⸗ 
che dieneten. 

5.858. Bon Geräthen der erſteren Art 
finde ih nur zwei lectisternia und Weihwaſſer⸗ 
gefäße-angumerfen. Die Bedeutung und der Ge 
branch des lectisternii feze ich bei dem Lefer voraus. 
Das größere herculanifche it von Erste, von 5 rö⸗ 
mifhen Palmen-hoch, von 4 Balmen Iang, und 
drittehalb breit; die oberen Stäbe an der vorderen 
Seite deflelben ruhen auf zween fchönen Pferdekö⸗ 
pfen, die an der hinteren Seite aber auf Schwanen⸗ 
föpfen. Das kleinere, ebenfalls von Erst, bat die 
Geflalt eines Bettgeſtelles nach alter Art mit vier 
Säulen, und würde ohne deſſen muthmaßlichen Ge⸗ 
brauch, als ein Spielzeug für Kinder angefchen 
werden können. Wir willen, daß in jedem Haufe 
die Penates befonders verehret wurden, und daß für 
diefelben befondere ædienlæ oder Capellen gebauet 
waren. 

6.86. Die Gefäße zum Weihwaſſer (aquamina- 
ria, epibhayrnpsa) find ebenfalls in bürgerlichen Woh⸗ 
nungen gefunden; den bie römifchen Familien hat⸗ 
ten eine jede ihre eigenen sacra privata, einen hei⸗ 
ligen Herd, mo Feuer unterhalten wurde, ihre 
Altäre, ia fogar befondere Fefttage, und einige biel- 
ten eigene Hauspieller. ) Es find diefe Gefäße 
theils von Erst, theils von Marmor; das. größte 
won Erzt ifi eine zierlich genrbeitete runde Schale, 
von vier Balmen im Durchmeffer, inwendig in der 
Mitten mit filbernem Laubwerke ausgeleget, und fie 


bet in dem erflen Zimmer des Mufei. Voñ diefer 


Schale bat ſich dns Fußgeflel nicht gefunden; an⸗ 
dere Eleinere von Erst aber haben daffelbe, und die 
größte von diefen iR mit zwo Handhaben. Die von 


1) Reines. Inser. Class, 5. n. 53. 


234 Nachrichten v. d. 


Marmor find inmendig wie gereifte Mufcheln etwa 
von zween Palmen in ein VBieref gearbeitet, und 
fanden auf fäulenmäßig gereiften Geſtellen ebenfalls 
von Marmor, wie eines derfelben, welches fich er- 
halten bat, auf die übrigen muthmaßen läffet; den 
die Alten waren fehr einförmig in ihren Arbeiten. 
Es bat fih auch ein Heft oder Grif von Erst von 
einem Sprengmwedel gefunden, wie derfelbe auf 
einigen erhobenen Werfen, und namentlich. unter 
dem Bortico des Pantheons, und an der Architrave 
der drei Säulen von dem Tempel des Jupiter To⸗ 
nans, vorgeftellet if. 

8.87. Die Geräthe zum gemeinen Ge 
bramche bringe ich unter drei Klaffen, von wel⸗ 
hen in der erflen dieienigen angezeiget werden, die 
zum Leben nöthig find, und zur Bequemlich⸗ 
keit erdacht worden; die zweite Klafle begreifet 
diejenigen, die zum Spiele und zum Schmufe 
gehören, und die dritte die Geräthe der Schrei 
beret und die alten Schriften. on 

8.88. In der erften Klaſſe fange ich an bet 
dem Klichengeräthe, mund merke an, daß vice 
von Erzt inwendig verfilbert find, fonderlich von 
berienigen Art mit einem breiten Griffe oder Stiele, 
welche wir Eaffersle nennen, auch andere Ge 
fäße von Kupfer, in welchen gefochet wurde. Die 
Derfilberung if eine weiſe Vorſicht wider den 
Grünſpan, welcher fih an Erst und Kupfer anfe 
get, und Tehädlich, ia tödtlich fein fat. Diefer Gr 
brauch, die Küchengerätbe von Kupfer zu verfifbern, 
iſt zu unferen Beiten, fonderlich in Engeland, wie— 
der aufgefommen. Es finden fih auch in dem Mu- 
"fco eine Menge derienigen Formen, melche zum 
Tortenbafen dieneten, und theils die Geſtalt einer 
gereiften Mufchel, theils eines Herzens haben. 
Das befonderfie von diefer Art Geräthe iſt ein fehr 


neueſt. hercul. Entdek. 285 


zierliches metallenes Gefäß, Waſſer zu fieden, wel⸗ 
‚ des mit unferen Theemafchinen eine große Ver⸗ 
mandtfchaft bat. Innerhalb des Gefäßes ſtehet ein 
Cylinder von etwa vier Bollen im Durdhfchnitte, 
oben mit einem beweglichen Dekel, in welchen Koh⸗ 
len gefchüttet wurden, fo dag die Afche durch einige 
Löcher fallen fonte; in dem Raume um den Cylin⸗ 
der wurde das Waffer durch eine Art von einem klei⸗ 
nen angelötbeten Trichter gegoffen. Es haben fich 
auch andere dergleichen Gefäße, aber zerflüfet, ge⸗ 
fundet, deren Eylinder unten einen Roft hatte sum 
Abfalle der Afche, dergeſtalt daß die Stäbe des Ro⸗ 
fies hohle Röhren find, um das Wafler im Cylinder 
vermittelſt derfelben cireuliren zu laffen. An diefen 
Gefäßen ſtehet der Hahn etwas erhoben von dem 
Boden, um das Wafler, mein es einen Saz gema- 
et, zurüfzuhalten , und der angefezete weiſſe Let» 
ten in dDiefen Gefäßen iſt zugleich ein Beweis von 
dem Gebrauche derfelben. An dem Hofe des Au- 
guſtus wareine befondere Berfon über das Getränf 
‚aus warmem Wafler beftellet. ?) 

6.89. Inter den vielen dafigen Gefäßen von 
Glas Finnen vieleicht auch Nachtgefchirre fein, wie 
es einige ſcheinen, welche bei den Alten, fo wie 
noch izo mehrentheils in diefen Ländern, von Glas 
waren, wie wir auch fchließen können aus dem, was 
Theodorus Metochites von der Ungleichheit 
der beiden Söhne und Nachfolger des Veſpaſia⸗ 
ans fagete; er verglich diefelben mit einem Becher 
und mit einem Nachtgefchirre, die aus einerlet 
Glaſe gemachet waren. 

S§S. 90. Die Form der Löffel in dieſem Muſeo 
zeiget ein anderes ebenfalls alter Löffel beim La 
Ehanffe. 

ı) Spon. Misc. antiq. p. 206. 
2) Mus. Rom. sect. 3. tub. 7- 


286° Rachrichten v. d. 


$. 91. Eine Lampe, welche ein nakendes Kind 
halt, 1) erläutert eine Stelle des Lucretius und 
des Virgil ius, mo von iugendfichen mäülichen Fi- 
guren geredet wird, welche Lampen halten, dag 
Haus zus beleuchten, 2) und zugleich eine alte Infchrift, 
wo zween Cupidines cum suis lychnuchis erwähnet 
werden. 3) Oben auf einer ähnlichen gedreheten 
Säule, wie diejenige ift, die neben dem Kinde ſte⸗ 
bet, bat Bartoli 4) brennendes Feuer vorgefiellet, 
wo eine Lampe hinzufegen war. Das fchifförmige 
Gefäß, DI in die Lampen zu gießen, hieß infun- 
dibulum; und ein dem herculanifchen ähnliches in 
dem Mufen des Collegii Romani iſt in der Bc- 
fchreibung defielben in Kupfer geſtochen. >) 

8.92. Bon hoben Leuchtern von Erst, aber Trä- 
gern der Rampen, befinden fih in dem hereu⸗ 
laniſchen Mufeo 76, und der größte iſt achtehalb 
römifche Balmen hoch, wie ich angezeiget babe. An 
einem einzigen diefer Leuchter iſt der Stab vierekig, 
und oben unter dem Teller, wo die Lampe fland, find 
zween Köpfe des Mercuriusund des Berfeus gegen 
einander (capita jugata ), welche beide ihren geflügel- 
ten Hut haben, und Berfeus hält das ihm gewöhn⸗ 
liche Schwert mit einem Frummen Hafen, wie die 
Haken an einigen alten Lampen, den Docht aus⸗ 
zuftörlen, find, 6) und vielleicht iſt diefes Werfzeug 
ber Grund von dem allegorifchen Bilde des Perſeus 
an diefem Keuchter. Harduin würde den Plinius 
beffer erkläret haben, wen er einen Leuchter, auch 


4) [Man fehe oben ©. 174. $. 67.) 
2) Luer. 1. 2. v. 24. Virg. En. 1. ı. v. 726. 
3) Grut. Inser. p. 77. n. 3. 
4) Lucernz. part. ı. tab. 19. 
5) Bonan. Mus. Kircher. ‚Class. ı, tab. 4. r. 10. 
6) Bartol, Lucern. p 2. tab. 31. p._3. tab. 20. 
/ 


neueſt. hereul. Entdef, Ä 287 


nur im Rupfer geflochen, in dem Muſeo bes La 
Ebauffe oder ſonſt wo angebracht, anfehen wollen. 
Den, wen deſſen Scribent faget: „daß die Künfiler 
„der Anfel Agina superficiem candelabrorum, ” dag 
it, dieplatten Teller der Leuchter, welche voll 
von zierlichem Schnizwerfe zu fein pflegen, „ befonders 
„ſchön gearbeitet, fo wie die zu Tarent die Schäfte 
„oder Stäbe berfelben (scapos):“ 1) fo bat fich der 
Erflärer bier Wandleuchter vorgeflellet mit Ars 
men wie Zweige geflaltet, nach der izigen Diode, 

$. 93. Bei den Wangfchalen Habe ich mich in 
dem Sendfchreiben geirret:2) den es finden fich 
einige mit zwo Schalen, wie man dergleichen auf 
Münzen und auf anderen Dentmalen vorgeflellet fie- 
het.3) Einige derfelben find fo Flein, daB fie für 
Goldwangen fünnen gehalten werden. Auf dem an⸗ 
geführeren Gewichte von Blei ift der erfte Buchſtab 
des Worts HABEBIS halb getheilet 4, nach Art des 
getheileten griechifchen Ha, aus deffen vechter Hälfte 
+ der spiritus asper gemachet worden, fo wie aus 
der linken -ı ber spiritus lenis. 

8.94. Ein Degen mit einer eiſernen Klinge if 
etwas tiber drei römifche Balme lang, und bie 
Scheide iſt mis platten großen Nägeln befchlagen, 
wie der Degen des Agamemnos war, und deric- 
nige, welchen Hektor dem Ajaxr fchenkete. 4) Die 
Nägel erinnern mich an andere große Nägel in dem 
Mufeo, womit die Thüren von Erst befchlagen 
waren, von welchen einige an drei Seiten bes Ba⸗ 
faments, worauf das Pferd von Erzt ſtehet, und 
zwar in den Efen zur Bierat eingelöthet worden. 


ı) Plin. 1. 34. c. 6. 

2) [Man fehe oben ©. 175. $. 69. 

3) Gori. Mus. Etrusc. t. 2. tab. 165. 
4) I. A. [XL] v. 29. H. [VIL] v. 303. 


288 Nachrichten v. d. 


Die Köpfe der Nägel an der Thüre des Pantheons 
balten an fünf römiſche Zolle im Durchmeſſer. Dieſe 
Nägel wurden von ihren künſtlich ausgebreiteten Kö— 
pfen clavi capitati genennet, 1) und Bentley will, 2) 

daß diefe Köpfe auch vertices geheiffen. Bhilan- 

der glaubet,3) daß clavi muscarii beim Vitruvius 

dergleichen Nägel fein, welcher Meinung auch an⸗ 
dere beipflichten. Muscarium heiffet beim Blinius) 
der nusgebreitete Kopf einiger Blumen und Kräu- 
ter, welcher den Samen enthält; diefes Wort heiffet 
beim Diosforides>) awuıado, ein Schirm, und 
weil einige Fliegenmwedel etwa dergleichen Form 
Tönnen gehabt haben, To machet man eine Muthmn- 
ßung auf gedachte Bedeutung. Die Geflalt eines 
wirflihen Schirms, nach Art eines Pilzes, bat der 
Kopf eines Nagels von Erst in dem Mufeo des 
Enllegii Romani, welcher von befonderer Deutung 
mar; den es find längſt dem vierefigen Stiele def- 
felben verichiedene Buchſtaben eingegraben, und auf 
der einen Geite liefet man IAw CABAu®. Tch habe 
indefien einen Kopf von einem großen Nagel von 
Erzt gefehen, worauf eine Fliege erhoben gearbeitet 
war; diefer wurde von dem Pater Paciaudi für 
den Herrn Graven Eaylus gefaufet. 

.& 95, Merfwärdig find verfchiedbene Werfzeuge 
der Wundarznei, melche den unfrigen völlig Abn- 
lich, und von ungemein fauberer Arbeit find. Ei⸗ 
nige derfelben flefeten in einer runden Nöhre von 
Kupfer mit ihrem Defel, in der Dike eines Fin⸗ 
gers, unter welchen bie Sonde fpiralmäßig mit 


ı) Varro de re rast. 1. 2. c. 9. 

2) Not. ad Horat. 1. 3. carnı. 2, v. ©. 
3) I» z. ec. 3. p. 273. 

4) L. ı2. c. 57. 

SL. 3.c. 55. 


neueſt. hercul. Entdek. 289 


Silber eingeleget iſt. Das Beſonderſte iſt eine dünne 
Nöhre, in Verhaltung des Urins zu gebrauchen, 
welche son eben der Form iſt, wie die unfrigen 


find. 

6.96. Es fehlet auch nicht an geometrifchen 
Werkzeugen, als Fußmaßen, „welche . zufammenge- 
Schlagen werden, und ZSirkeln von verichiedener 
Größe, unter weldhen eine Art von Verticalzirkel zu 
merken if. Diefer Zirkel bat, wie gewöhnlich, vier 
Spizen, welche zwo serticalifche Dfnungen ‚machen, 
eine ‚größere und -eine Eleinere, To daß diefe halb fo 
sroß als iene iſt, und die Hälfte derienigen Linie 
anzeiget, melche .mit der größeren Ofnung gemeflen 
wird. 

$..97. In der zweiten Klaſſe von Geräthen zum 
Spiele und zum Schmuke find.nur wenige und ein» 
zelne Anmerkungen zu machen Wen Flötenflüfe 
son Horn oder Elfenbein auf eine Röhre von Erst 
geflefet wurden, fcheinet es fich auf diefen Vers 
Des Horatius in der Didytkunft zu bezichen: 


Tibia non, ut nunc, orichalco vincta. 1) — 


8.98. Bel der tessera mit dem Namen Äſchy—⸗ 
1n8?) babe ich zu erinnern, daß über dem Namen 
des Dichters die ‚röniifche Zahl xıı. und unter dem- 
felben ebendieſelbe Zahl im Griechtfchen ı2. flehet. 
Auf einem andern Täfelchen von gleicher Größe ſte⸗ 
bet das Wort HMEP - - - und oben die Zahl xı. 
und unten cben diefe Zahl im Gricchifchen 1. 

$. 99. Bon Würfeln, aus Knochen gemachet, fin- 
Det ſich eine ziemiliche Anzahl, welche die Augen ge 
feget haben wie unfere Würfel. Mie gemein das 
Spiel gemefen mit dem Ferſenknochen von Zikeln, 


1) Ad .Pis. v. 202. 
2) [Man fehe oben ©, 135 $. .80, 
Winckelmañ. 2. 413 


| 
290 Nachrichten v. d. 


oder mit demienigen, welcher das Gelenke zwiſchen 
der Klaue und dem Beine machet, (talus, aspaya- 
Ag) zeiget die große Menge, welche in Serculang- 
gefunden iſt. Hardion hat in feiner Abhandlung 
über die Gemwinfpiele der Alten!) weder die Lage 
diefes Knochens, noch die Thiere, von welchen er 
genommen wurde, angegeben. Es baben ihn alle 
Thiere mit gefpaltenen Klauen. Der große Ca⸗ 
faubonus Bat diefe Spielknochen mit Würfeln 
vermifchet,2) und glaubet, man babe, wie diefe, 
alfo auch iene aus Bechern geworfen. Die Art, 
mit denfelben zu fpielen, war zweifach; die gemein- 
fie Art fcheinet dem Spiele der Kinder in Deutfch- 
land ähnlich geweſen zu fein, welche Fleine glatte 
- Steine oben von der flachen Hand in die Höhe wer- 
fen, um im währenden Wurfe und Falle derfelben 
einen oder mehrere Fleine Steine zu faflen, und iene 
unmittelbar nachher in der Luft wieder zu fangen. Eben 
fo ſpielen zwo Mädchen mit gedachten Knochen auf 
dem auf Marmor gezeichneten Gemälde mit dem 
Namen des Künftlers Alerander von Athen. Die 
zweite Art war, diefe Knochen, wie Würfel, aus der 
Hand zu werfen, wo eine jede Seite des Knochens 
eine gewiſſe Zahl bedeutete. So fpielen zwei Kin» 
der in Marmor, welche Lord Hope vor zwei Jah⸗ 
ren in Rom eriland, von welchen dasienige, welches 
den Gewiñſt bat, auf dem Sofel fizet voller Fröh⸗ 
lichfelt; das verfpielende aber ſtehet betrübt. Es 
köñten diefe zwei Kinder die Liebe und den Ga- 
nymedes vorftellen, welche Apollontus mit Kno⸗ 
chen fptelen Iäffer, 3) und deſſen Befchreibung iſt 
jener Vorſtellung in Marmor völlig aͤhnlich. Der. 


s) Mem. de VAcad. des Inser. t. ı. _ 
2) Ad Thcophr. Charact. c. 5. p. 53. edit. Needh. 
3) Argonaut. |. 3. v. 117. 


neueſt. hereul. Entdek. 291 


Verfaſſer befizet einen Aſtragalus von Carniol ge 
arbeitet. 1) 


8.100. Das Maß des Diſkus?) habe ich iso 
genauer genommen; der Durchmefler deſſelben bält 
eben Zulle eines römischen Balms, und drei Minus 
ten in der Dife; das länglich runde Loch in der 
Mitten iſt drittehalb Zul lang, und man kañ zum 
Merfen zween Finger bineinlegen. Ein folcher Dif- 
fus mit einem Roche ift auf einer gemaleten Bafe 
zu Neapel vorgeſtellet. 3) 


6. 1041. Was die Spiegelvon Erzt betrift, fs 
waren dieſelben fchon in den Alteilen Zeiten aus die- 
fer Materie gemachet, welches dieienigen Spiegel 
beweifen, die von den jüdifchen Weibern zuſammen⸗ 
gebracht wurden, woraus Moſes das Gefäß zum Ab- 
waschen gießen Tief. Hd Einen runden Spiegel mit 
einem Dekel fiehet man auf einer hetrurifchen Be 
gräbnißurne von Volterra, weiche nebfl anderen von 
dem Herrn Cardinal Alerander Albant der va⸗ 
sicanifchen Bibliothek gefchenfet worden. 


Die dritte Klaſſe der Geräthe begreift ſowohl 
Feder und Dinte, als vornehmlich die alten 
Schriften. 


6.102. Sch Habe in dem Sendfhreiben) 
gefaget, daß die Feder in dem Mufen ohne 
Spalte if. Es kañ aber die Spalte durch die 
Verſteinerung unfichtbar geworben fein; dei daß 
der Schnabel an ben Kedern der Alten eitie 
Spalte gehabt, bemweifen einige alte Stäfchriften. 


1) [Man fehe den S. 36 der Briefe an Biancani.) 
a [Man fehe oben S. 135. 8. 81.] 

3) Gori, Mus. Etrusc. t. 2. tab, 159. 

4) Exod. c. 38. v. 8. 


5) [$. 128.) 


292 MNachrichten v. v. 


mit ausdrüklichen Worten.1) Die Geflalt "yes 
Schnitts der Feder zeigete ſich auch ſchon vor diefer 
Entörfung an derjenigen Feder, weiche eine von 
den dreien Parcen hält auf einer Begräbnißurne 
in dem Palaſte der Billa Borgheſe, die den Tod 
des Meleagers vorfielet. In einer fehr unrichti- 
gen Zeichnung Vieles Werks bat man jener Barce, 
fo wie ihren beiden Schweſtern, kurze ‚Stäbe in die 
Hand gegeben. 2) 

$. 103. Insgemein waren die Schreibfebern ‚ber 
Alten nicht aus Burbaum, wie es die berculanifche 
ſcheinen köñte; es würde auch der Schnabel aus 
diefem Holze nicht nachgeben; Tondern ibre Federn 
maren aus Rohr ‚geichnitten, ‚welches mit bem Ba- 
piere ſelbſt aus Agypten Fam. Das beſte Rohr zu 
dieſem Gebrauche war in der Infel Gnidus, welche 
daher bei den Dichtern die rohrreich.e Inſel genen⸗ 
set. wurde. Man findet:noch iso eine Art von dün⸗ 
nem und feinem Rohre Tomohl Hier, als bei Nen- 
nel, woraus fih ‚Federn Schneiden laſſen, und ich 
felöft, weñ ich mich zumellen auf ‚dem Lande ohne 
Schreibezeug gefunden, habe mich dergleichen Rohrs 
zum fchreiben bedienet. Es Bätte alfo der gelehrte 
:&uper aus dem, was man vor ben berculanifchen 
Entbelungen wiſſen koñte, Tich einen richtigern Be⸗ 
grif von :den Febdern der Alten machen follen. Er 
glaubet, .es ſeien diefelben ‚nicht aus Rohr geſchnit⸗ 
ten, fondern eine Art Binfen geweien, ?) womit 
. man nach Art 'der Sinefen, wie mit einem Pinſel, 
gefchrieben „habe. 4) 


‘ı).Anthol. L ..c. 18. p. 23. 1. 5. p. 445. 1.29 et do. 
p- 446. 1. 29. edit. H. Steph. — Ausou..epigr. 7. v. 49. 

-2) Gronov. Thes. Antiq. Grac. Vol. ı. tab. Minin. 

3) [Man fehe die Note Gen’ im 4 $. der Briefe 
au Biancont.) 

4) Letir..de BI. Cuper. ı2. 


neneft, hereul. Endek. 293 


6. 204. Bon der Dinre der Alten glauben ei⸗ 
nige, daß es dieienige ſei, von welcher Berfins 
redet, naͤmlich der ſchwarze Saft des bekañten Fi⸗ 
fihes Sepia, welcher auf der Nükfeite verfchiedener 
forafuftfchen Munzen abgebildet: iſt. Eine ähnliche 
Art von Fifchen, loligo genañt, heiſſet izo pesoe 
salamaro, von dem ſchwarzen Safte, den er hält. 

— Hic nigre succus loliginis, hæc est: 

Æærugo mera.!) 

Iinterdefien mar: der Gallapfel den Miten bekat, 
und hieß mus, galla atramentaria:2). Die izige 
neapolitaniſche Dinte tft: aus Kienruß, Honig und _ 
- Gummi zubereiter, wird in Fleinen Schachteln: ver⸗ 
kaufet, und. wird zum Gebrauche. mit: Waffer: flüſſig 
gemachet.. 

Zulezt finden fih Erinnerungen und Anmerkun⸗ 
gen zu: machen über. die. alten. bereulanifchen 
Schriften. 

S. 105. Ben dem Namen bes ägyptiſchen Schilfg, 
-Bußrog,- worauf gefchrieben mwurde,. ti, durch Ände⸗ 
rung eines Buchfiabens,. ein Buch: BuBros genennet 
worden. Zuweilen aber findet: fich diefes Wort in 
feiner urfprünglihen Schreibart, wie es folgende 
Snfchrift: hat, die im Sahre 1758 an einem Drte, 
Za Colonna genaät,: etwa zwölf Miglien von Nom 
gelegen, nebfider ſchönen und einzigen Statue Kaiſers 
Domitiannsin der Villa Albani, entdeket wurde. 
AACOG: MEN MOTEAIC IEPON- 
AETE TOYTT ANAKEICOAT 
TAC BYBAOYG ABIZAC. TAC. IIAPA 
TAIC: HAATANOIC: 
HMAC AE #$POYPEIN KAN TNHGI 
OC EN®AA: EPACTHC 


ıy° Horat. T. 3. sat. 4. T. 106 — 101. 
2) Scalig. not:-in Copam, p.- 260° 


994 Nachrichten v. d. 


EAOH Tu KICC« TOTTON ANA 
CTE®OMEN. 

„Sage, daß diefer Wald den Mufen ge 
„widmet ift, und zeige die Bücher bei den 
„Blatanen, und dag wir diefelben ver- 
„wahren, und wen ein wahrer Liebhaber 
„derſelben hieher kömt, benfelben mit 
„Epheu krönen.“ 

S§. 100. Daß auch die dünne Haut, welche un⸗ 
ter der Rinde den Stam der Bäume bekleidet, zum 
Schreiben dienen können, it auffer dem lateinifchen 
Worte liber, welches diefe Haut bedeutet, wahre 
fheinlihh aus Kleidern von folder Baumhaut 
(imare omo Erw), melche die Sndianer in dem 
Heere des Kergestrugen; ben fo veriiche ich den He⸗ 
rodotus.1) Eben diefer Seribent merfet an, 2) 
daß BıBro, von den älteften Soniern —RW d. i. 
Haut, genennet worden, weil ſie, wie er ſaget, 
aus Mangel des ägyptiſchen Papiers, ſich der Häute 
von Schafen und Biegen bedienet, „und viele Böl- 

„ter (fähret er fort,) fchreiben noch tizo auf Häute.“ 

6.107. Plinius redet nur von Schriften auf 
Bapier, welches gefüttert war, das iſt, deſſen rüf- 
märts angefügetes Blatt der Länge nach an ein an« 
deres, welches in der Breite Sag, oder umgekehret, 
angeleimet war, fo daß die Fäferchen des oberen und 
des unteren Blattes freuzweis gingen. Don diefer 
gefütterten Art find einige Diplomata in der vati- 
canifchen Bibliuthef, wo auch andere, von den Exar⸗ 
chen zu Navenna ausgeflellet, aufbehalten werden, 
welhe Maffei befeffen, und biefelben in ber di⸗ 
plomatifchen Gefchichte erläutert bat. Eines derfel- 
ben, welches acht Balme lang if, bat fein befonde- 
res verfchloffenes Behältniß. Das Bapier defjelben 

ı) Herodot. 1. 7. [c. 65.) p. 258. 1. 6. 
2) Ibid, 1. 5. p. 194. edit H. Stepk. 


neueft. bereut, Entdek. 295 


ift von groben Fäferchen, welche die Dife eines ziem- 
lihen Zwirnfadens haben. Bon eben diefer Gat- 
tung, und wie diefe gefüttert, find noch einige Ur⸗ 
funden in dem Archive zu Ravenna aufbehalten. Es 
finden fich aber nicht in gedachter Bibliothek die anf 
Bergament gefchriebenen Neden des heiligen Augu— 
tinus, welche hier und da mit Blättern von Agyp- 
tifchem Bapiere durchichoffen waren, wie Mabil- 
Yon berichtet, der diefes Werk in ber Bibliothek 
des PBräfidenten Petav gefehen, die von der Köni- 
sin Chriſtina gefaufet wurde, und nachher der Va⸗ 
ticana if einverleibet worden. Es wird diefe Hand- 
ſchrift nebft vielen andern entwendet fein, che bie 
fer Schaz aus Schweden nah Nom gebracht worden. 

6. 108. Die hereulanifhen Schriften, deren 
Bapier einfach und nicht gefüttert if, beweifen, daß 
man aus des Plinius Vefchreibung der Zuberei⸗ 
tung des Papiers zu Schriften, mo nur allein des ges 
dopelten Bapiers gedacht wird, einen irrigen Schluß 
gemachet haben würde, men man geglauber hätte, 
dag die Alten auf Fein einfaches Bapier gefchrieben. 
Das einfache Papier aber mar zu dünne, um auf 
beiden Seiten zu fchreiben, und wen diefes gefche- 
ben follte, wird das Bapier haben müßen gefüttert 
werden, wie man ſich das Bapier der hundert und 
ſechzig Bücher commeutariorum electorum vor- 
zuſtellen bat, welche der ältere Plinius hin⸗ 
terließ, die auf beiden Seiten geſchrieben wa⸗ 
ren.1) War nur eine Seite beſchrieben, und die 
Schrift hatte ferner feinen Gebrauch, fo dienete die 
ledige Nüffeite zu erfien Entmürfen der Gedanfen 
oder zu Anmerkungen, welche daher adversaria ge» 
nennet wurden, weil fie in adversa parte, auf der 
umgefehrten Seite des Bapiers, verzeichnet 
Maren. Man gab auch dergleichen auf einer Seite 

ı) Plin. jun. 1. 3. epist. 5. 


296: Nachrichten v. d. 


‚Befchriebenes Papier den Kindern, um ſich im 
Schreiben zu üben. 1) Das Papier war, wie Bli« 
nius nebſt dem Auſonius und Cafſiodorus 
meldet, ſchneew eiß. Unter denen, welche irrig glar⸗ 
den, daß das Papier von dem Stamme eines 
Baums genommen worden, iſt auch Nitters⸗ 
haufen. D. 

8. 109. Ben dem Keime, mit welchem die 
Stüke Papier auf einander geleget wurden, bat das 
vorderfie der an einander geleimeten Blätter dem 
Namen vpwroxomov befommen, wo-die Aufichrift eis 
nes Buchs gefeget. war, ſo wie das Teste Blatt eben 
daher soxuroxonov hieß. 3). Wen eine Rolle Schrift 
auf folhe Art geleimet war, würde dieſelbe bes 
fohnitten,. 4) welches fih an den hereulaniſchen 
Schriften nicht undentlich entdefet. Das Werkzeug 
zum Befchneiden. hieß. sicila, und im Griechiſchen 
TRIREXKAPTOTOMOG.. “ 

6. 110. So wie bie Röhre, oder das Stäbchen, 
um welches eine Schrift gemifelt wurde, weil es im 
der Mitten Ing und bervarragete,. der. Nabel ges 
nennet wurde: eben fo hatte Diefe Benennung die 
Erhobenheit auf dem Mittel der Schilder. 5) 

$. 111. "Am ufwileln der Wollen Schrifter 
pflegete man das eine Ende mit. dem Kinne zu fafe 
fen und zu halten, 6) aber man koñte nicht zu glei» 
her Beit leſen, wie ber angeführte Dichter bier 


1) Horat. I. 1. epist. 20. v. 17 

2) Obserr. ad Phædri fab. p. 50. 

3) Salmas. de usur. p. 415. 

4) Lucian. adv. indoot. c. 3. 

5) Nonn. Dionys. 1. 404 p. 5321. 1. 9: 
6) Martial. I. 1. epigr. 67. 


- 


neueſt. hereul. Entdek. 297 


verſtanden wird. 1) Den auf dieſe Art aufgewikelt, 
Hand die Schrift allegeit in der Quere; fondern man 
hielt das eine Ende unter dem Kinne, um gerade 
aufzumifeln , und das Aufgewilkelte hernach in. ſeiner 
gehörigen Nichtung zu Iefen. Mit dem Baptere un- 
ter dem Kinne fonte man meder die berculanifchen 
Shriften kefen, welche colonnenweis in der Breite 
des Basiers gefchricben find, noch angezeigete Ur⸗ 
Funden, deren Schrift in der Länge heruntergehet. 

8.112. Die Binden Linien, welche gezogen 
murden, um gerade zu fchreiben,, hießen aroxes, Wie 
uns Heſychius Ichret. In den. Anmerkungen zu 
diefem Geribenten wird dieſes Wort erfläret: lacu- 
ax inter scribendum in cera seu cortice currente 
stylo exaratz, welches nicht die richtige Bedeutung 
des Worts oxoxes, Im der Schreiberei gebrauchet, 
fein kañ, und auch dem urfpränglichen Sinne def 
felben, wo es Furchen heiffet, zuwider iſt. 

$. 113. Vom Philodemus, defien. Schriften 
die erfien find, welche aufgemwifelt worden, führet 
Zaertius das zehente Buch von der Vereinigung 
der Weltweifen an. Es fchrieb- derfelbe, wie fein 
Meiſter Epikurus, von der Redekunſt und von 
der Muſik, als welcher ſich wider diefe erflärcte. Es 
unterfagete berfelbe «alle Unterredung von der Mu⸗ 
fit über Tifhe, und räth den Königen, an ihren 
Zafeln lieber alle mögliche Pollen zu dulden, als 
muſikaliſche Unterfuchungen. 2% 

8. 114. Weit wir von dem Werthe der phil 
demiſchen Schriften in Abficht der Schreibart, aus 
berientgen, bie dem Epikurus und dem Metro⸗ 
dorus eigen war, fchließen können: fo würde in 


r) Schwarz. Diss. de ornam. lihror. $. rg. 


2) Plutarch. os ud Zr on Adıms zara Erixsgiv. p- 
2009. I. 25. edit. M. Steph. [c. ı3. 


298 Nachrichten v. d. 


jenen nicht viel Sierlichkeit zu fuchen fen. Den 
wir wiſſen, daß Erifurus auf die Wahl, Drb 
nung und DBerbindung der Worte und der Yusdrüfe 
gar nicht bedacht: war, und daß er gelebret habe: 
„die Natur mache im Reden alles, und die Runfl 
„nichts; “ daher derfelbe die Bierlichkeit im Neden 
feinen Schülern unterfagete, fo wie er mit Ver 
achtung von den Willenfchaften allgemein fol geur- 
theilet haben. Die Rede vom Epifurus erinnert 
mich an folgende nicht befant gemachete Anfchrift in 
der Billa Albani, welche wahrfcheinlich von Berfo- 
ten , diefer Secte sugethan, boefaßet und geſchet 
worden: 


FRIMAT 
JONPEIAE 
OSSVA. HEIC, 
JOBTVNA. SPONDET. MVLTA 
MVLTIS. PRAESTAT. NEMINI VIVE. IR DIES 
ET. HURAS. NAM. PROPRIVM. EST. KIBIL. 
SALVIVS. ET. EROS. DANT. \ 


68115, Nach Aufwikelung der vier erſten 
Schriften, nämlich des Philodemus, wurde Hand 
an die fünfte geleget, am welcher ſich der Anfangs 
der an jenen mangelte, erhalten bat, und es entde- 
Set fich der Name des ‚Scribenten DANHAC, wel 
ches entweder der Randsman des Theophraftus 
Erefius und Mitfchüler defielben fein fan, der 
wie diefer, über Pflanzen und Gewächſe fchrieh, 1) 
oder der ſtoi ſche Philoſoph und Schüler des Poſi⸗ 
donius, welcher, wie Laertius angibt, ep Ilo- 
eusdaysiay 0xXoruv gefchrieben bat. Der Name von 
beiden aber findet fich anderwärts mit einem Sota, 
und nicht, wie bier, mit einem H gefchrieben. Nach 


1) Casaub. in Athen L 2 c ı2 


neneft. bereut. Entdek. 299 


der Anfichrift oder dem Zitel diefer Rolle ift das. 
Bapier in der Länge eines Palms unbefchrieben. 
Die Schrift aber hat viel gelitten, und gibt einen 
muffigen Geruch von der Feuchtigkeit, welche ein 
Blatt an das andere angeflebet bat; aus diefer Ur⸗ 
ſache wurde bie. Fortfesung der Entwifelung: diefer 
Schrift unterfaget, und man hat fi an eine an- 
dere gemachet, an welcher der Anfang mangelt; von 
derfelben aber, da fie noch nicht aufgewiktelt ift, 
Tan weder der Verfaſſer noch der Inhalt angege- 
ben werden, bis man an das Ende gelanget, mo 
die Auffchrift pfleget wiederbolet zu fein. 


6. 116. Die Eönigliche Afademie der Gelehrten, 
die zu Erklärung diefer Schriften und anderer Ent- 
defungen gefliftet wurde, ifl 150 ein Name ohne Be⸗ 
deutung; es haben auch“ die Verfamlungen feit ge- 
raumer Zeit aufgehöret, nachdem einige Mitglieder 
geflorben, und andere abmefend find. Die Erklaͤ⸗ 
rungen der Gemälde find tiberdem niemals unter 
die Afademiften ausgetheilet gewefen, ſondern es 
Dat nur ein einziger Gelehrter, Paſquale Car 
camt, töniglicher Gecretär, daran gearbeitet, wel⸗ 
cher dafür eine Penſton von zweihundert Scudi ge- 
nießet. Seit der Abreife des Königs von Spanien 
aus Neapel bat derfelbe ale Poſttage etmas von 
feinen Erklärungen der Gemälde einzufchifen, wel- 
ches auch der Auffcher des Mufei thut, wen etwas, 
es mag noch fo Elein fein, entdefet wird, nebſt ei⸗ 
ner beigefügeten Zeichnung. 


8. 117. 940 werden die Statuen und Bruftbil- 
der gezeichnet, und man glaubet, es werden die 
noch übrigen Gemälde zurüfbleiben, um in dem 
° fünften Bande bei den Statuen anzufangen. Die 
größte Erwartung aber gehet auf die Gefäße und 
Geräthe. 


300. Nachrichten v. d. 
5118. Der Reiſende, welcher dieſe Schaͤze 
zum erſtenmal ſtehet, damit. er betrachte, und fo 
oft: er fanv. den Beſuch des Muſei wiederhofe,. fol 
bier, wie nach jedesmaliger Betrachtung von Alter« 
tümern und Kunſtwerken, folgenden Bers der Py⸗ 
tbagorder, welchen fie fich alle Abend vorbielten , 
such fich vorhalten: 


an. mal; ı Piegefa; Ts mu- day un erdtedn 5 


Anmerktungen 


Über dir 
Baukunſt Der alten Tempel 


au Oirgenti zn Sixilien. 


Magnificas edes, operosague visere templa 

Divitiis hominum, aut sacra marmora, resve vetustas, 
Traduce materia, aut tetris per proxima fatis 
Currimus: atque avidi veteris mendacia fama "' 
Kruimus, cunctasque libet percurrere gentes. 


CornneLius Sevanus, Xtna, v. 565. seq. 


Unmerfungen 


über die 


Baukunſt der alten Tempel 


zu Öirgenti.in Sicilien, 





$. 1. Dieſe Anmerkungen werden denienigen, die 
das große Werk des Paters Pancrazi von den 
erklärten ſicilianiſchen Altertümern 9) 
kennen, nicht überflüſſig ſcheinen: weil er von der 
Baukunſt der Tempel und Gebäude, die er in Ku⸗ 
pfer gegeben bat, wenig oder gar nichts meldet. Die 
weifen Gelehrten treten nicht gern aus ihrem Bleife; 
daher der Herr Canonicus Mazzocchi, einer der er⸗ 
jien Gelehrten unferer Zeit, die Tempel zu Peſto, 
welche nebſt andern feiner Erläuterung der he 
trafleifhen Tafeln?) beigefüget if, ganz und 
gar mit Stillſchweigen übergehet, als wen fie nicht 
in der Welt wären. 
$. 2. Der Bater Panerazi, Theatiner Ordens, 
lebet noch zu Kortona in Toſcana, 3) feinem Va⸗ 


1) Dieſes Wert heißt: Antichitk Siciliane spiegate dal 
Padre Ciuseppe Pancrazi. Napoli 1751. 2. t. fol. 
<on. 14. tav. Der erftie Theil enthält die‘ allge 
meine Geſchichte GSiciliend, der andere die von 
der alten Stadt Agrigent. Sea 

2) Des Canonicud Mazzocchi Esposizione delle Tarole 
: Eracleensi ift 1754. heraudgefomnten. Sea. 

3 Im Sahre 1759. Der Pater Pancrasi Larb zu 
Florenz den 15 Zul. 1760. Sea, 


304 Alte Tempel 


terlande, auffer feinem Orden, und von der Welt 
entfernet, wegen Blödigfeit des Verfiandes, von wel⸗ 
her man bie Urſache der mißlungenen Wechnung zu⸗ 
fhreibet, die er, zu Beſtreitung der Koſten zu fei- 
nem Werke, auf die Zreigebigkeit fonderlich derie- 
nigen Engeländer gemachet hatte, welchen er die Ku⸗ 
pferplatten zugefchrieben hat; weil er den Begrif von 
diefer Nation und die Großmuth, aus Mangel des 
ne für gleichhedeutende Worte genommen 
atte. 
S. 3. Seine Abſicht war, ein großes weitläuf⸗ 
tiges Werk zu machen, und zu dieſem Ende ließ er 
die vermeinten Briefe des Phalaris vollſtändig 
abdruken, und legete ſie zum Grunde der Geſchichte 
von der Stadt Akragas, von ben Nömern ge⸗ 
nant Agrigentum, und izo Girgenti; er grün. 
dete fich auf Dod wells Zeugniß, melcher wider 
die größte Wahrfcheinlichfeit diefe Briefe Für Acht 
annimt. Sch glaube nicht, daß der Verfafler bes 
Bentleys lezte Abhandlung über diefe Brie _ 
fe, im Englischen gefchrieben, leſen können; zumal 
da diefes Buch in Stalin fehr felten it: dei ich 
weiß nicht, ob man wider eine fo gelehrte Unterfu- 
hung ferner etwas einzuwenden finden Fönne. 1) 
5.4. Ich bin nicht gefonnen eine Kritif der 
Altertümer von Sicilien zu Tchreiben, ſon⸗ 
dern nur einige Nachrichten über die dori«- 
fhe Baukunſt in den älteſten Seiten zu 
geben, fonderlih da Vitruvtus, und bie nach 
ibm gefommen find, von der älteſten Art berfelben 


», Der Pater Yanrrasi erklärt, (Antichitä Siciliane, t. 2. 
p- 1.€.1. p:3.) daß er die Briefe dei Phalaris 
nicht fie ächt ‚halte, und erwähnt des Streites über dies 
felben zwiihen Dodwell und Bentley, Geite 34 
greift er fie fogar au. Sea. 


su Birgenti, 303 


nichts lehren. Wer bisher eine in der Kunſt ge 
gründete Gefhichteder griechiſchen Baufunfl 
hätte. fchreiben wollen, würde mit dem Bitruvius 
von ber „ Nothmwendigfeit, welche gelehret Hütten 
„und Häuſer zu bauen,“ mit einmal einen Sprung 
bis. auf die Zeiten der zierlichiien Baufunft haben 
thun müßen: zu Füllung diefer Lüke werde ich für 
chen, einige Materialien beizubringen; ich muß mich 
aber. auf folche einſchränken, die ohne Kupfer anzu⸗ 
deuten und zu verſtehen find.. Es haben: meine Um⸗ 
ſtände noch nicht erlaubet, die Altertümer zu Gir⸗ 
genti ſelbſt zu ſehen, und ich gründe meine Anmer- 
fungen. auf einige mir. mitgetheilete Nachrichten eines 
fchottländifchen. Liebhabers der Baukunſt, Herrn 
Koberts Diykee, welcher. die Niberbleibfel der 
alten‘ Gebäude in Sicilien mit Fleiß unterfucher 
hat, und vor. kurzer. Zeit in fein: Vaterland: zurüf« 
gekehret iſt. | 

6. 5. Einige: Maße, welche ich angeben werde, 
ſind nah dem englifchen Fuß genommen ‚welchen 
man leicht: mit andern Maßen tiberfchlagen Tan. 
Der engliſche Fuß ift kleiner als der alte griechifches 
aber ber Unterſchied iſt ſehr geringe: der englifche 
Zuß, welcher zwöhf Zolle bat, iſt um ne oder 
um das. zehntauſendfie achthundertſte und fünf und fie- 
benzigfle Theil: eines Zolles Eleiner als der griechifche 
Fuß. Der. parifer: Fuß iſt größer als der englifche, 
und jener enthält mehr: als. diefer um ren oder. 
um den achttanfendfien hundert und fechzigften, zehn⸗ 
tauſendſten Theil: eines. feiner. Zolle. Wen: man 
den parifer Fuß. in. zehntauſend Theile eintheilet, 
fo hat der gricchifche Fuß 9431 feiner Theile; Die- 
fe. genaue Beflimmung: hat mir Herr Henry, Es 
quite, ein durch große. Reifen befafiter Srländer, 

13.* 





306 Alte Tempel 


aus dem von ihm verbeflerten Verhältniß der Maße 
in den Tafeln des Arbuthnots mitgetheilet. 
Diefer Herr lebet feit einigen Jahren zu Florenz. 

$.6. Der fogenante Tempel der Concordia 
zu Girgenti iſt ohne Zweifel eines der älteren 
griechifchen Gebäude in der Welt, und bat fih von 
auffen unbefchädiget erhalten. Der Erflärer der fici- 
lianiſchen Altertümer gibt von demfelben den 
Grundriß und die Aufriffe; 1) in die Belchreibung 
derfelben aber läſſet er tich nicht ein; deit diefe bat 
ſich derienige, deffen er fich zum Zeichnen bedienet, 
vorbehalten. Diefer aber, welcher niemals die Baus 
funft getrieben, wird Mühe haben, etwas am bag 
Richt zu geben. 

$. 7..Diefer Tempel ift von doriſcher Bauart, 
und Hexraſtylos Peripteros, .d. i. der um 
und um aufeiner Reibe freifichender Säu- 
len ruhet, und deren fechs vorn und eben fo vide 
hinten bat, welche den Pronaos und Opiſthodo— 
mos, 2) oder zwo freie Hallen, beim Eingange 
und hinten, machen. Auf beiden Seiten find eilf 
Säulen, oder dreizehn, wen die Effäulen zwei⸗ 
mal gezählet werden. Es iſt diefer Tempel zween 
von den Tempeln zu Bello am falernitanifchen Meer» 
bufen vollfommen von auflen ähnlich, und dieſe 
und jener fcheinen von gleichem Altertume. Von 
dem Tempel zu Girgenti war Nachricht, aber von 
denen zu Bello bat man allererfi angefangen vor 
zehen Jahren zu reden, ohngeachtet Diefelben nie- 
mals verſchüttet, fondern beſtändig in einer großen 
und ganz. unbewohneten Fläche am Geſtade des Mee⸗ 


qy Anch Piraneſi in feinem Werte: Defla Magnif. de’ 
Rom. (tab. 22. fig. 8.) gibt eine Abbildung davon. Gen. 

3) Pollux. 1. ı. c.ı. segm. 6. Schöpflin (Alsatia illusır. 
1. 6. sec. 6. c. 10. $. 125.) erflärt es fehr übel durch adi- 
tus, F tea. ” 


”. zu Birgenti, 307° 


res fichtbar geweſen find. Der Mangel ber Nach 
richt von biefen Gebäuden hat daher verurfachet 
daß man auffer Griechenland Feine andere Dorifche 
Werke gefant bat, als bie unterſten Säulen 
am Theater des Marcellus, am Ampbithen- 
ter des Vespafianus zu Nom, und an einem 
Bogen zu Verona. 1) 

$. 8. Die Säulen an dem Tempel zu Girgenti 
baben mit dem Kapitäl in der Höhe nicht völlig 
fünf Durchmeffer des unterfien Endes der Säule, 
fo wie die zu Peſto. Vitruvius ſezet die Höhe 
derdorifhen Säulen auf fieben Durchmeffer, 
oderaufvierzehn Moduli, welches gleichgültig til ; 
den ein Modulus tft ein halber Durchmefler der Säule. 
Da aber diefer Scribent ID die Verhältniffe in 
der Baufunft, fo wie am Menfhen, auf Ge 
hbeimniffe in gewiflen Sahlen, ımd zum Theil 
auf die Harmonie bauen will: fo koñte er von 
fieben Duschmeflern feinen andern Grund als feine 
heilige Sieben geben, welches geträumet heiffet; 
fo wie diejenigen unter den Steuern thun, die mit 
der Septima in der Muſik erfcheinen. Non fechs 
Durchmeſſern einer Säule wäre ein fcheinbarer Grund 
anzugeben aus dem Berhältniffe des Fußes, welcher 
bei den allerälteften Bildhauern als der fechfte Theil 
der Höhe einer Figur angenommen murde. 3) Bon 
der Höhe der Säulen, von welchen wir bier reden, 
iſt die Urfache in dem Blan des Tempels, nicht 
in den Säulen felbſt, zu fuchen; da ihr Verhält⸗ 
niß nicht durch ganze Durchmeffer kañ beflim- 


1) Chambrav, in feiner Vergleichung der alten 
und neuen Baukunſt, rechnet aus Unwiſſenheit das 
cheater des Palladio su Vicenza unter die at 
‚ten Werke. Winckelmañ. 

DL. 3. c. 1. . 

3) [8 d. K. 5B. 48.58.) 


308 Alte Tempel 


met werden; deñ was über vier Durchmeffer tif, 
fällt in Fuße und Zolle. Ach finde, daß die Höhe 
der Säulen der Breite des Temvels gleich 
ift, welche allezeit die Hälfte der Länge, entweder 
bes ganzen Tempels oder auch der Celle allein, an 
dorifchen. Tempeln war. Alſo war hier fein gelehr⸗ 
tes VBerhältniß von etwas anffer dem Gebäude 
genommen anzubringen, fondern es lag in dem 
Gebäude: felbit. | 

%. 9. Wen eine Stelle des. Plinius N zu ver⸗ 
heben iſt, wie fie gelefen wird, wo er füget „ daß 
„in den älteflen Zeiten bie Höhe.der Säulen das 
„ Drittheil von der Breite des Tempels: geweſen:“ 
fo würden die Säulen noch kürzer als jene geweſen 
fein. Den wen mir die Länge. eines Tempels zu 
50 Fuß fegen, und alfo die Breite 25, fo würden 
ungefähr 8 Zuß auf dia Säulen kommen. Nehmen 
wir 2 Fuß zum Durchmefler. der. Säulen, fa. wär. 
den fie nur 4 Durchmeſſer baben.. 

6. 10. Diefe Säulen haben eine kegelförmige 
Verjüngung, welche. ihren Grund weniger: in: dem 
Maße derfelben: als in ihrem: Endzweke bat. Den 
eine cylinderirte Form mit gleichen. Durchmeflern un« 
ten und oben. hätte die Steine, aus welchen eine 
Eäule beſtehet, in Gefahr geſezet, Riffe zu bekom⸗ 
men und zu zerfpringen, da die Lat des Gebalks 
vornehmlich auf die Are des Cylinders würde gefal- 
Ien fein; bie kegelförmige Veriüungung aber verci- 
nigte bie laſtiragenden Bunfte mehr in Eint. Die 
Säulen find- nach. doriſcher Art gereift, d. i. 
zwo Aushohlungen fchließen durch. einen fchar- 
fen Et, daan jonifchen und korinthiſchen ge 
reiften Säulen die Efen platt find. 

ı) L. 36 c. 23. sect. 56. Antiqua ratio erat colum- 
narum altitudinis tertia pars latitudinum delußri. [Ws 

merk, üb. die Baufnnk. sc. 1.8. 9. 29.1 


zu Girgenti, 309 


6. 11. Das Gebalk diefes Tempels beftehet, wie 
an andern, aus drei Gliedern; der Architraͤve 
unmittelbar über den Säulen, der Frtefe und der 
Corniſche. Vitruvius will, daß die Höhe der 
Glieder des Bchbälfs nah der Länge oder 
Kürze der Säulen eingerichtet fein fol; 1) umd 


“ der Architrave geben einige neuere Baumeiſter 


nicht viel über die Hälfte der Friefe: das 
hohe Altertum aber wußte weder von der erfien 
noch: von der zwoten Kegel. Den an dem Tem- 
pel zu Girgenti fowohl als an denen zu Bello if 
Das Gebälk groß und prächtig, und flärker, als es 
die Höhe: der Säulen erforderte, und dem Auge 
nach. fcheinet die Architrave und Friefe gleiche Höhe 


- zu haben, und daB es vermuthlich fei, wie es fchei- 


tet, wird man unten aus dem Maß des Gebälkes 
von dem Tempel des olympifchen Supiters 
fchließen können; die Eornifche hat etwn drei Thei⸗ 
Ve von der Höhe der Friefe. 

6. 12. Das Berhäftniß der Triglyphen und der 
Metonen, oder des vierefigen Naumes zwi» 
ſchen denfelben, finder fich wie an andern hefanten 
dorifchen Ordnungen; weil fich aber in Nom fein gan- 
zes doriſches Gebäude erhalten hat, fo: fiehet man nur 
an jenen Tempeln die Ausnahme der Alten von der 
Symmetrie in Abficht der Triglyphen über den Säu- 
len an ben Efen, melche nicht auf das Mittel dies 
fer Säulen fallen, fondern gegen den Ek der Friefe 
gerüfet find, um ben Ek nicht bIoß zu laſſen. 2) 
Die Triglyphen an dieſen Tempeln find nicht auf 


L3RV. c. 3. 


2) Es ſcheint, daß Winckelmai, als er dieſes ſtbrieb, 
die Tempel zu Covi noch nicht genugſam gekalit habe, 
teren er fpäterhin in feinen Anmerkungen über 
die Baukunſt der Alten gebentt, wo die Triglyphen 


310 - Alte Tempel 


der Friefe felbft gearbeitet, fondern. in diefelbe ein- 
gefuget, und an dem einen Tempel zu Bello fehlen 
fie alle bis auf einen, welche vermuthlich in barbar- 
rifchen Zeiten weggenommen find. 

$. 13. Da die Triglyphen über den vier Effäu- 
len gegen die. Schärfe der Friefe gerüfet find, fo 
würde die Metope von ihnen etwas größer fein, als 
die andern; fie iſt es aber dem Auge nad) nicht, 
weil die nächſten Säulen an dem Ek enger fichen, 
als die in der Mitten, fo daß die Intercolumnia 
der drei Säulen von iedem Ef an Fleiner find, als 
die folgenden, jedoch mit diefem Unterfchiede, daß 
der. erfie Raum Fleiner iff, als der zweite, und die» 
fer fleiner als der dritte; welche Berfchiedenheit 
aber nicht durch das Auge, fondern durch Meilen 
gefunden wird. Die näber an einander ſtehenden 
Effäulen hatten, wie fich fchließen läſſet, die Fe⸗ 
fligfeit des Gebäudes zum Grunde. 1) 
„814 Die fünf großen und oben rundlichen 
Dfnungen flatt der Fenſter an der Seite des Tem⸗ 
pels zu Girgenti find, wie man offenbar fichet, im 
fpäteren Beiten durchgebrochen, und vermuthlich von 
den Sarasenen, welche diefen Zempel gebrauchet 
baben, mie ſich Nachricht findet: deñ die vierefigen 


auf diefelde Weiſe angeordnet find; fo auch an Dem 
Sarkophags dei Scipio Barbatus, einem Tenb 
male aus dem. fünften Jahrhunderte Roms, welches 
ert im Jahre 1780 in ter damald entdelten Gruft 
der Sciptonen gefunten wurde. Sea. [Die Ahr 
Bildung davon unter Numero 12 und 13.] - 


ı) Vitruvius (1.3. c.2.) will, daß die Efräulen um ten 
funfzisften Theil diker fein follen, als die übrigen Säu⸗ 
Ien, damit fie nicht in dem freien Luftraume, dem fie 
ausgefest find, dünner erfcheinen. Le Ron bebauptet, 
dag man an den Efen ber Feſtigkeit wegen Säulen von 
o valer Kundung gefeit babe- Sea, 


zu Birgenti, 311 


Lempel der Alten hatten insgemein kein anderes 
Licht, ale welches durch die Thüre fam. 1) 

$.15. Die Einfaſſung der Thüren an dem Tem⸗ 
pel zu Girgenti iſt, wie an denen zu Peſto,wegge⸗ 
nommen; aber fie wird vermutblich oben enger als 
unten geweſen fein, wie Bitruvius die dorifchen 
Thüren vorfchreibet: an einem andern Fleinen Tem- 
pel zu Girgenti, von den Einwohnern die Capelle 
des Phalaris genant, iſt die Thüre alfo gemachet. 
Der Zeichner des Baters Bancrazi hat diefelbe, ich 
weiß nicht aus was für einem Grunde, mit einem 
Baume bedefet, fo daß man auf dem Kupfer (t. a. 
tab. ı4.) die Form derfelben nicht fiehet. 2) Diefe 
Thüre iſt von den Mönchen zugemauert, und an 
der Seite gegenüber, wo feine Thüre wär, tft eine 
durchgebrochen. Warum? Weil der Altar nach ei⸗ 
ter gewiſſen Gegend der Welt fichen muß. 

8. 16. Diefe Art von Thüren war nicht, wie 
es aus dem Vitruvius ſcheinen köñte, der dor i⸗ 
ſchen Bauart allein eigen,?) ſondern das ganze 
hohe Altertum fcheinet fie vielmals alfo gemachet 
zu haben: von den Ägyptern iſt es gewiß; wie an 
den Thüren auf der ififchen Tafel und auf einigen 
ägyptiſchen gefchnittenen Steinen zu fehen tif. 9 
Der Grund davon war die Feſtigkeit: den die Laſt 


1) [Anmerk, üb. die Baukunſt ı. 18.59 6.) 


2) Auch Galtani in feiner Ausgabe ded Vitruvius(t. 2. 
p- 2. tab. 14.) gibt eine Zeichnung davon, jedoch ohne 
den Baum. Defien ungeachtet ift die eigentliche Geſtalt 
der Thüre nicht recht au erfennen. Fea. 


3) Vitruv iuS(I.4. c. 6.) ſagt es ausdrüklich von allen drei 
Arten von Thüren, deren Verhältniſſe er angibt, näm⸗ 
lich der doriſchen, joniſchen und attifchen. Sen. 


4) [Anmerk, üb, die Baukunſtre. 18, 6. 56.1] 


312 Alte Tempel | 


und der Druf des Gebäudes fälle nicht allein oben 
auf die Thüre, fondern druket auch von beiden Sei⸗ 
ten auf die fchräg Liegenden Pfoſten. 

$. 17. Die Verzierungen an dem Tempel zu 
Girgentt und an denen zu Bello find, mie über- 
haupt: in den älteſten Zeiten, groß und einfältig. 
Die Alten fucheten das Große, worin bie wahre 
Pracht befiehbet; daher fpringen die Glieder an 
dieſen Tempeln mächtig bervor,. und viel flärker, 
als zu Vitruvius Zeiten, oder wie er. felbfi Ich- 
ret. Die den Alten ganz entgegengefegete Art fichet 
man an denicnigen Gebäuden zu Florenz und Nea⸗ 
pel, welche nicht lange vor Wiederherſtellung der 
Kunſt gebnuet find. Deñ da man im ZJtalien noch 
allezeit mehr Begrif als anderwärts von der Bau⸗ 
art gehabt hat, ſo entſtand aus dieſer und dem 
Geſchmake damaliger Zeit eine Vermiſchung: die 
Geſimſe und Corniſchen ließ man unmerklich her⸗ 
vortreten, weil man im Kleinlichen die Schönheit 
fuchete: Die Einfalt beflehet unter andern in der 
wenigen Ausfchweifungs daher ſiehet man an uns 
fern Tempeln weder Hohlkehlen noch halbrunde 
Reiften, fondern alles gehet nach fat geraden. Li⸗ 
nien; das einzige Glied an dem Kapitäl ausgenom- 
men , welches insgemein mit den fogennfiten.Eiern 
gesieret if. Es fchweifet an den Tempeln zu Peſto 
in faft unmerflicher Nunde aus, und hat die Eier 
nicht. Sn eben diefem Styl find die Afteflen AI- 
täre und Grabfleine gearbeitet, 1) und dieſe Beobach⸗ 
tung zeiget das hohe Altertum derfelben. 


v * 
” 


6. 18. Unter den Trümmern der ehemaligen 


4) Man veraleiche hiermit Sabretti (Inser. c. 3. num. 
637 p. 239. c. ı0. num. ı72. p. 696.) Winckelmaũ. 


u Girgenti. 313 


Stadt Agrigentum ging des Baters Pancrazi vor 
nehmfles Suchen auf die Entdefung des Tempels 
des olympifchen Bupiters, welchen ihm der größte 
Haufen von Steinen und die Vberlieferung des Na⸗ 
mens, welcher fih unter den Einwohnern erhalten 
bat, anzeigete. 1) Man fah nichts weiter, wie er 
berichtet, und es war nicht der geringfle Begrif 
von einem Blan oder der eigentlichen Größe deflel- 
ben zu machen. Alles, was man fand, War ein 
Triglyphe, als ein Beichen von dorifcher Bauart, 
und Hohlungen an einigen Steinen in Form eines 
Hufeifens, welche nach defien Meinung, zu beques 
mer Hebung derfelben köñten gedienet haben. Er 
gibt uns die Nachricht des Di odorus von diefem 
Tempel, und gehet weiter. Mehr faget Fazellus 
auch nicht. 

68.419. Nach dem Bericht des Diodorus 2) 
war diefer Tempel der größte in Sicilien, und koñte 
mit allen. andern auſſerhalb diefer Inſel an Größe 
verglichen werden: er gibt das Maß von der Länge, 
Breite und Höhe deflelben, und von dem Durch» 
meffer der Säulen. 

$.20. Bon diefem Tempel fichet man noch izo 
den ganzen Blan des Grundes vor Aller Augen ent⸗ 
defet, aber gang mit aufgethlirmeten Trümmern def 
felben umgeben, über welche der Erflärer der ſicilia⸗ 
nifchen Altertümer und deffen Befährte nicht werden 
Hingefchauet haben. Diefe Trümmer fchließen einen 
freien mit Gras bewachfenen Blaz ein, und diefer 
gibt den Blan des Tempels fo deutlich zu erfennen, 
daß man an einigen Drten fogar noch die Stufen 


1) Dan fehe das oben erwähnte Werk des Paterd Pan⸗ 
crasi, (t. 2. part. 2. tav. 7. P.77 —79.) Fea. 

2) L. ı3. c. 82. p. 607. — Auch die Ausgabe von Eich: 
Rädt Hat: mod maarıs dEnzurra. Siebelis. 


Winckelmañ 2. 14 


314 Alte Tempel 


febet, die und um den Tempel gingen: man fichet 
auch in einer Ele die Grundlage ausgegraben. 

$. 21. Die Länge diefes Plazes Ffomt mit dem 
Maße des Diodorus überein, welcher die Länge 
des Tempels auf 340 Fuß feget; nach dem engli« 
ſchen Mas find es 345 Fuß; weil diefer etwas 
Heiner iſt als der griechifche, wie ich angezeiget 
babe. Die Breite diefes Plazes hält 165 Fuß, 
welches fih mit dem Maße des Diobdorus von 
60 Fuß nicht reimet. 9) 

$. 22. Wen aber die Breite eines Tempels die 
Hälfte von deffen Länge war, und 170 die Hälfte 
von 340, fo kom̃t das izige Maß der Breite, 
welche unter Trümmern fo genau wicht fein kañ, 
diefem Verhältniß fehr nahe. Folglich kañ das 
Maß der Breite beim Diodorus von 60 nicht 
richtig ſein, und es fehlet nothwendig hundert 
vor der Zahl ſechzig. Die geringſte Erwägung des 
bei den Alten beſtimten Verhältniſſes ihrer Tempel 
hätte bier Zweifel über. die Nichtigkeit des griechi⸗ 
fchen Textes erweken follen, 2) und dennoch iſt es 
niemanden eingefallen. Die alten HSandfchriften, 
welche ich in Nom und in Florenz, bis auf die 
ältefle vom Diodorus in der Biblinthef des Haus 
fes Chigi zu Rom, nachgefehen habe, Himmen mit 
dem gedruften überein. Dan muß fich nicht vor⸗ 
fiellen , daß die Griechen, nach Art einer gewiſſen 
neuerbaueten reformirten Hauptkirche in Deutfchland, 
einen Tempel, würden aufgeführet haben, deſſen 
Breite das fehfte Theil feiner Länge geweſen. 


4) IAnmerk. üb. d. Bauk. 18. 29$.) 


2) Vielleicht war diefed Verhältniß Hier nicht anwendbar, 
da nach dem Dioborus dee Tempel ded Jupiters 1 
manchen Stüfen von den gewöhnlichen Verhältniſſen ab⸗ 
wid. Fea. 





7 


zu Girgenti. 315 


8.23. Die Höhe diefes Tempels, ohne die Höbe 
der Stufen umber zu rechnen (xupıs ru xenmilumn- 
705) war 120 Fuß. Konziöwna iſt von den Über⸗ 
fegern wicht verfianden worden; dei .man hat es 
für. die Grundlage genommen. Der neuliche fran- 
zöfifche überſezer bat hier Hügeln wollen, und hat 
feine Unwiſſenheit verrnthen. Er glaubet, es fei bier 
die Eornifche gemeint, Warum? Weil dumna bet 
ibm auch das Oberſte eines Hauſes bedeuten fol; 
welches er aber hätte beweifen follen. !) Hernach defet 
Die Corniſche nicht das Gewölbe, wie wir alle wiſſen, 


9) Die: Note bed Abbe Terafion, von der Winckel⸗ 
man hier redet, lautet, wie folst: „Im Griehifchen 
„beißt ed: xapıc Tu xenzidwuarıs, welches Rho⸗ 
„domaf durch fundamento tamen excepto überſezt. 

„Aber nie Hat man in der VBefchreibung eines Gebäudes 
„ von der Grundlage deſſelben, die man nicht fieht, ge: 
„ Handelt. Auuz bedeutet übrigens den obern Theil 
„eined Gebäubed, und dad Wort Dom Hat davon ſei⸗ 
„nen Urfprung. Daher muß man unter zpumidaua hier 
„den Kranz, den Kämpfer ded Gewölbes oder 
„Gaͤebels verfiehen, deren Höhe man nicht angeben 
„koñte, weil er nicht aufgeführt war.“ Janſen. 

Es iſt nicht zu zweifeln, daß done auch den obern 
Theil eined. Haufed bedeute. Wir haben davon mehrere 
Beispiele, vornehmlich in der 6. Schrift, welche Con ſt an⸗ 
tini in feinem griechiſchen Wörterbuche unter diefem 
Worte gefammelt Hat: umd au der 5. Hierouymus 
braucht es Epist. 106. ad Suniam æt Fretelam, oper.t. 1. 
<ol. 661. wo er fast: Aue in orientalibus provinciis 
Jpsum dicitur, quod apud Latinos tectum, in Palzstina 
enim et Kgypto non habent in tectis culmina sed do- 
mata, qua Romæ vel soltaria, vel maniana vocant, 
id est, plana tecta. Aber der Abbe Terraffon Tofite 
bedenken, daß due in ber Bedeutung eines flachen Das 

- ed auf deu Häufern nicht auf ben oberen Theil des 
Tempels anwendbar war, welcher nicht wie eine Ter⸗ 
zaffe, fondern wie ein Dach, gebildet war. Ich bin 


316 Alte Tempel 


und griechtfche Tempel die nicht rund wären, hatten, 
fo viel befant if, fein Gewölbe. 

6. 24. Die Säulen waren rund von auffen und 
viereficht von innen, nach den Worten des Diodo⸗ 
rus, an welche fich die Inteinifche Überfegung mit 


mit unferm Merfaffer der Meinung, daß zyumsduue bie 
Auffere ſtufenförmige Grundfläche bed Tempels 
bedeute, auf welder bie Säulen fanden; del indem 
Diodorus fast, daB Gebäude ſei bis dahin errichtet 
geweſen, wo nichts mehr als daB Dach semangelt , fo 
fest er damit zugleich voraud, daB der Kranz des 
Gebälkes fertig war, und dieſer iſt nach dem Zeugniß 
des Barond Riedefel wirklich an dem Tempel vorbans 
den geweſen; deñ er behauptet ein Stük davon. gefchen 
su haben. Und weil diefer Theil des Gebäudes fertis war, 
weßhalb Hätte der Gefchichtfchreiber ihn bei bee Angabe 
der Höhe ded Tempels ausſchließen follen, von welchem 
er einen fo wefentlichen Theil ausmacht, daß er bei 
der Angabe der Maße und Verhältniſſe eined Baues 
nicht su übergehen if. Aber ed entſteht ein "anderer 
gegründeter Zweifel gegen ben Diodorus, nämlich: wa⸗ 
vum er blos bei der Angabe der Höhe bed Tempeld die 
Unterlage abrechnet, und nicht auch bei der Angabe der 
Länge und Breite. Fanum id pedum CCCLX lon- 
gitudine porrectum est, ad LX vero pedes latitudine 
patet, et ad CXX pedes altitudo, crepidine tamen ex- 
cepta, attollitur. Der Regel nach wird Die Unter 
lage nicht mitgerechnet , ober wenigſtens muß ed gleich, 
mäßig bei allen Meflungen gefchehen; und ich weiß nicht, 
werum Diodorud anders veriabren ifl. Kynmidane 
it bie Unterlage bes Gebäudess aber ber Ges 
ſchichtſchreiber Hätte ſich Hier bios bes Wortes zone, 
unterliage, bedienen follen, das in diefem Sinne häus 
figee bei andern griechiſchen Schriftſtellern vorkommt, 
unter andern beim Mriftoteled, (Eıhic. ad Nicom. 
l. 10.0.3.) beim Strabo (l. ı7. p. 1139. B.), beim 
Joſephust Flavius, (Antiq. Jud. 1.3. c.6. n. 2. 
l, ı2. c. 2. n.8.) beim Pollur, (1. 9. c. 5. princ. 
segm. 28.) und unter ben Lateinern beim Vitruvius— 
(3.0214 06. 1.5. c.ult.) Gen. 


zu Birgenti. . 817 


eben ber Kürze hält. Ekicht inwendig Töfte heiffen, 
daß diefe Säulen innerhalb der Mauer eficht geweſen: 
«in Stüf von einer hafbrunden Säule von Porphyr 
mit der andern ckichten Hälfte derfelben findet fich zu 
Bolſena. Sch bin aber vielmehr der Meinung, daß 
Diodorus Habe fagen wollen: Ddiefer Tempel 
babe auswärts halbrunde Säulen und von innen 
Pilaſter gehabt. 1) 


6.25, Der Umkreis dieſer halbrunden Säulen 
war zwanzig griechiſche Fuß: das Innere der⸗ 
felben, welches ebenfalls die Überſezer nicht ver⸗ 
ſtanden haben, d. i. der Durchmeſſer der Säulen, 
war zwölf Fuß. Weñ der Durchmeſſer einer Säule, 
dreimal genommen, den ganzen Umkreis derſelben 
gibt,, hier 36 Fuß, fo wäre der halbe Umkreis der⸗ 
felben 18 Fuß: geweſen: da es aber 20 Fuß waren, 
fo haben die Säulen mehr als einen halben Birfel 
gemachet. Ans einigen Stüfen der Säulen iſt auch 
dieſes Maß richtig befunden: dei der Durchmeſſer 
derfelben gab etwas über 11 englifche Fuß, fo aus 
vielen zerbrochenen Stüfen zu befiimmen war. Der 
Durchmeſſer ver acht balbrunden Säulen an der 
Faeciata der St. Betersfirche in Nom, welches die 
größten Säulen in der neueren Welt find, wird 
ohngefähr neun englifche Fuß fein, woraus man fi 
alfo die Größe der Säulen an dem Tempel des 
Jupiters vorſtellen kañ. 


8.26, Vitruvius gedenket unter fo vielen 
Arten von Tempeln keines einzigen mit halbrunden 


1) Man leſe in der corrupten Stelle des Diodorus, 
ſtatt des von Weſſeling aufgenommenen: » xundmass 
ass nu, mit Heinrich Stephanus: m os rss 
ruxss, oder mi Eihftädt: m asos Tas omas, 
Sicebelis. 


318 Alte Tempel 


Säulen; T) es findet fich auch bei andern Seriben⸗ 
ten feine Meldung von einem folchen alten griecht- 
Then Gebäude. Bon Tempeln ift der von der For 
zuna Virilis oder St. Maria Egizziaea zu 
Rom das fchlechtefte unter allen alten Werken mit 
dergleichen Säulen, und das Theater des Mar 
cellus und das Ampbithbeater des Befpaflanus 
haben balbrunde Säulen. 

8.27. Diodorus gibt uns ein finliches Bild 
von der Größe der Säulen an dem Tempel bes 
Supiters, men er berichtet, daß in einem einzi- 
gen hohlen Reife (dxEvrun) derfekben, deren 20 
an einer dorifchen Säule fliehen mäßen, 2) ein 
Menſch fliehen könne. Die Weite der Reifen an den 
übrigen Stüfen beträgt zween römifche Balmen oder 
Spannen und viertehalb Bol; ein bequemes Maß 
für die Breite eines Menfchen. Panerazi beflaget 
fich, daß er Feine Spur von den Säulen diefeg Tem⸗ 
yels finden Fünnen. Die größten gereiften Säulen 
ans dem Atertume in Rom find drei freiftehende 


1) Er gedenket deſſen allerdings (1.4. c. 7. sub fin.), we 
er fagt, daß ed eine Art au bauen gab, wo auch bie 
Mauern ber Eella bis an die Zwifchenweiten des Säm 
Iensanged umher herausgerükt wurden, To daß von 

auſſen nur die halben Säulen ſichtbar waren, und diefe 
Art nennet er pseudoperipteros, oder falfch geflügett, 
eben weil ein ſolcher Tempel ringsumher Slügel ober 
Säulengänge zu haben fcheinet, und doch nicht bat, 
Sen. | 

2) So lehrt Vitruvius, (1.4. c.3. sub fin.) Derielbe nen 
net an biefer Stelle die Reifen strie, und (1.3. c. 3.) 
striges, wobei Galiani bemerkt, daß einentlich striges 
bie hohlen Reifen, und strie bie flahen Stäbe 
swifchen beufelben find. Weſſeling, bei der erwähn⸗ 
ten Stelle bed Diodorus (1. 13. c. 82.) behauptet, 
ni in den Manuſcripten strigiles ſtatt striges ſtehe. 

ea, 


zu Girgenti. 319 


zäulen mit ihrem Gebälke, auf dem Camps Vaccino 
‚n 41 römiſchen Fuß und 5 Bol in der Höhe, und 
Fuß 4304 im Durchmeffer: aber die Weite einer 
:chfe iſt noch nicht die Hälfte von jenen; dei fie 
FE eine ſtarke Spanne. Die größten Säulen an 
echifchen Gebäuden nebit den agrigentinifchen 
aren an einem Tempel zu Cyzicum, welche vier 
you oder Klafter (eine ooyu« auf fechs grie- 
tfche Fuß gerechnet) im Umfreife hielten; und 
ieſe Faulen ſollen aus einem Stüke geweſen 
in. 

6,28. Die Säulen des Tempels zu Agrigentum 
ber waren nicht aus ganzen Blöfen gemachet, fon« 
een aus ungleichen und, nach dem DVerhältniß des 


ı) Strabo 1. 14. p. 941. — Strabo fast von diefem 
Tempel nicht. Dagegen reden von ihm Xiphilinus 
im Leben des Antoninus Pius (p. 269.), welches 
auch in dem Werke de Dio Caſſius (1. 70. c. 4.) 
angeführt wird, und Zonaras, (Annal. I. 12. princ.) 
Die Säulen des Tempeld waren vier Ellen dit, ihre 
Höhe betrug funfsis Ellen, alſo zwölf und einen 
halben Durchmeſſer, aus weichem Verhältniſſe man. fchlies 
Gen kañ, daß fie Forinthischer Ordnung gewefen find. 
Die Schriftſteller finb über bie Zeit, wo biefer Tempel 
erbauet worden, nicht einig. Aber fie. laſſen fich in 
itbereinfimmung bringen, wei man annim̃t, daß ber 
Bau unter dem Hadrianus angefangen worden, beit 
Johannes Antiochenud, genaft Malalas, fast 
(Hist. chron. 1. 11. sub fin.) daß er von dieſem Kai⸗ 
fer errichtet worden. Daſſelbe fagen die Chronika⸗ 
fchreiber Alerandrinus und Paſchalis; auch Wins 
"delmafi in der Geſchichte der Kunf, (12 ©. 
438. 2$.)] und daß er nachher vom Marcus Aus 
relius und Lucius Verus vollendet worden, fast 
Ariſtides (Panegyr. Cyzic. oper. t. ı. p. 241.), welcher 
fih bei Einweihung defielben gegenwärtig befand, und 
dabei feinen Panegyrikus ablad, ausdrüklich. Gen 
u. Gernow, i 


820 Alte Tempel 


Ganzen, Fleinen Stüfen zuſammengeſezet; umb 
Diefes iſt die Urſache, daß die Überbleibfel davon 
nicht bei dem erſten Blike in die Yugen fallen. 1) 
6.29. Das Gebälfe auf den Säulen beſtand 
aus drei ungeheuren Blöken Stein, einer über den 
andern geleget, welche ein Ganzes macheten. Die 
Architrave und die Friefe waren, wie an dem vorber 
befchriebenen Tempel von gleiher Höhe, und ein 
jedes von diefen zwei Gliedern 10 euglifche Fuß hoch: 
die Sornifche, von welcher fich nichts erbalten-hat, 2) 
mürde etwa 8 Fuß in der Höhe gehabt haben. Die . 
Triglyphen waren, wie ich vorher angemerfet babe, 
auch Bier in die Friefe eingefuget, und aus einem 
Stüfe 10 Fuß hoch: es haben ich ein paar derfelben 
unter den Trümmern erhalten. in einziges Kapitäl 
it ganz geblieben und aus einem Stüke, welches zu 
meffen man eine Zeiter anfezen mußte. 
6.30. Diefe angegebene Maße Eönnen mit der 
Höhe des Tempels beim Diodorus übereinfim- 
mend fein, und der Durchmefler der Säulen, nebft 
dem angezeigeten Maß des Gebälfs verglichen mit der 
Höhe von 120 Fuß, der Höhe des Tempels, führet 
uns zur Beflimmung der Höhe der Säulen. Diefe 
fönnen weder fo niedrig, als an dem Tempel der 
Concordia und denen zu Bello gemeien fein, noch 
auch die Höhe der dorifchen Säulen beim Vitru- 
vius, d. i. fieben Durchmeffer, gehabt haben. 3) 
Den um angezeigete Maße mit der Höhe des Tem⸗ 
pels zu vergleichen, Fan man den Säulen nicht mehr 
und nicht weniger als fechs Durchmefier geben. 4) 


4) [Man fehe die Anmerk. üb. die Baufunft ıc IR. 
31 6.) 


2) [Man fehe oben die Rote auf &. 115— 116.] 
3) [Anmert. üb. die Bauktunft ıc. 1 8. 36 $. Note.) 
4) Dieſes IR nach dem Vitruvius (1.4. c. a.) die Höhe 


zu Girgenti. 324 


Der Durchmefler der Säulen war, nach dem Dio- 
dDorus, zwölf Fuß, und fechsmal zwölf machen zwei 
und fiebenzig. Die Architrave und die Friefe hatten 
zwanzig englifhe Fuß und die Cornifche etwa acht, 
Die Höhe der Säulen und das Gebälk zufammen 
würden alfo an hundert Fuß machen. Die übrigen 
zwanzig Fuß an der ganzen Höhe, bis zur Spize des 
Frontiſpiz gerechnet, bleiben alfo für daffelde. Den 
die Frontifpize oder Gipfel des Bortals waren in den 
ältefien Beiten niedrig, wie der andere Tempel zu 
Girgenti und der eine zu Peſto, an welchen er 
ſich erhalten hat, zeigen. 1) 

6.31. Hieraus würde folgen, daß man finfen- 
weis von der Beſtimmung der Söhe der Säulen nach 
der Breite der Tempel, wie oben angegeiget worden, 
auf fechs Durchmeffer und endlich auf fieben gegangen 
ſei. Sechs Durchmeffer für dorifche Säulen fcheinet 
alſo in den blühendeſten Zeiten der Griechen das 
Verhaͤltniß derfelben gewefen zu fein. Den in der 
93 Olympias famen die Karthaginenfer zum zweiten⸗ 
mal nach Sicilien, und Agrigentum ward von ihnen 
zerſtöret; durch diefen Krieg, faget Diodorus, fei 
die Yusführung des Tempels unterblieben. 2) 


welche die doriſchen Säulen ber erftien Zeit müßen ‚ges 
habt Haben. Sen, 

1) [Man fehe den Borberichtiu den Anmerk. üb. die 
Baukunſt ꝛc. $. 5.] 

2) Nach dieſer von Diodorus für den Bau bed Jupiter⸗ 
tempeld angegebenen Olympiade, und aus dem Zu 
fanımenhange feiner Erzählung läßt fich nicht allein für 
biefed Gebäude, fondern auch für den Tempel der Con⸗ 
cordia, und für die übrigen Tempel derfelben Bauart 
in andern Gegenden eim beſtimter Zeitpunft reftfesen. 
Diod or us erzählt, daß die andern Tempel zu Girgenti 
bereit? fertig fanden , und daß blos ber Bau ded Ju⸗ 
pitertempels unterbrochen, auch nachher nie mehr 


322 | Alte Tempel 


8.32. Da ich alfo glaube, wahrfcheinlich darge 
than zu haben, daß die Säulen diefes Tempels 
weder unter noch Über ſechs Durchmeſſer können 
gehabt Haben: fo Fan alfo auch ber Tempel des 


vollendet worden. Anter jenen mußte fidy alfo auch der 
Eoncordiatempel befinden, welcher auf biefelbe Ars 
gebauet it, und nach feinen niedrigeren. Verhältnifien 
muß man ihn für etwas Älter ald den Jupitertempel 
Halten, wie Windelmaf fehr richtig bemerft. Aus 
der Erzählung Diobors erhefllet ferner, daß die Gries 
den, welche damald Girgenti und andere ihnen uns 
terworfene Theile Siciliend inne Hatten, bie Erbauer 
Biefee Tempel waren. In Italien finden fich gleichfalls 
Tempel, welde diefen in allem Theilen der Baukunſt 
vollfommen gleich find; und Diodorus fagt kurz vor 
und nachher, daß die Griechen auch im Belize verfchichener 
Küften Staliend geweien. Weil man nun bie Zeit, welche 
sum Bau biefee Tempel erfordert ward, mit der Zeit 
zuſammenhält, in welder die Griechen fih in jenen 
Gegenden niederliehen:: fo wird fich ergeben, daß biefe 
Tempel ungefähr um biefe Zeit erbauet worden, wo Pe 
ritles feine herlichen Gebäude in Athen errichtete, 
unter welchen einige von dorifher Ordnung und von bevs 
felben Art waren, wie die in Girgenti und an andern 
Drten. Um diefe Zeit genoß Sicilien des Sriedens und 
befand fih in feinem blühendften Zuſtande, fo daß die 
griehifhen Städte jener Inſel und Großgriechenlands 
mit den Prachtgebäuden jened großen Atheners wetteifern 
fofiten. Auch darf man fih nicht verwundern, daß dort 
in fo kurzer Zeit, die etwa hundert Sabre umfaſſen mag, 
fo viele und große Tempel erbauet werben Foflten, wähs 
rend Perikles allein in funfsehn Jahren mehrere er 
richten ließ; und wir wien, daß die Städte Siciliens 
durch die ausnehmende Fruchtbarkeit jened Bodens in 
kurzer Zeit zu ſo viel Reichtum und Macht gelangten, 
daß fie den alten und mächtigen Städten anderer Gegen: 
den furchtbar wurden, wie Diodorus ſelbſt (1. 4. 
ec. 23.) von ber Stadt Heraklea erzählt, welche auf jener 
Snfel vom Spartaner Dorient gegründet worden. 


Sen, 


zu Girgenti, 893 


SDheſeus zu Athen, welcher älter iſt, und kurz nach 
der Schlacht bei Marathon gebauet worden, 1) feine 
Säulen, nur den Schaft derfelben allein gerechnet, 
von fieben Durchmeſſern baben, welche Pocoſcke 
diefen und allen anderen dorifchen Gebäuden zu 
Athen gibt. I 

6.33. Der Tempel, von welchem wir reden, 
muß. Seraftylos gemefen fein, das ift, ſechs Saͤu⸗ 
Sen vorn gehabt haben. Dei fechs Säulen von zwölf 
Fuß im Durchmeſſer machen ſchon 72 Fuß, unb 
fünf Intereolumnia, iedes zu drei Moduli oder zu 
anderthalb Durchmefler der Säule gerechnet, machen 
90 Fuß, und zuſammen 162, welches mit ber 
Breite von 160 Fuß bis auf zween Fuß überein. 
6.34, Bon der NMechanik bei Erbauung dieſes 
Tempels finden fih noch die Spuren an einigen 
großen Steinen des Gchälfs. Diefe Spuren find 
gewiſſe Aushohlungen in Form eines Sufeifens, wie 
ich erwähnet habe, an den beiden fchmalen Enden 
der Steine. In diefe Aushohlung wurde ein GStrif 
oder Kette geſpannet, und beim Aufsiehen diefer, 
großen Raflen von beiden Seiten oben zufammen 
genommen. 2) Durch folches Mittel rükete man diefe 
Steine dicht an einander ohne alle Hebezeuge, und 
wen die Steine neben einander lagen, zog man dem 
GStrif heraus, und der Anfang des Einfchnitteg, 
welcher oben offen war, wurde alsden mit Holz ver⸗ 
fchlagen, damit Feine Feuchtigkeit hineindringen 
fonte. Es bat fich noch etwas Holz in einem biefer 


ı) Pausan. 1. ı. c. ı7. [$. 6.] Plutarch. in Theseo sub fin. 
[c. 36.] Die Schlaht bei Marathon wurde gellefert 
in dee 72 Olympiade. (Corsini Fasti Attici, t. 3. p. 148.) 
[9.5.8.9%8 18. 219] Gen. 

2) [Man fehe die Abbildung Numero 15 am Ende biefeb 
Bandes.] " 


334 Alte Tempel 


Einfchnitte der Aushohlungen über zweitauſend Kahre 
bis ige frifch und feſt erhalten. 1) Unter den Zeich⸗ 
mungen von alten Gebäuden bes berühmten Bau⸗ 
meiſters San Gallo in der barberifchen Bib⸗ 
liothek fehe ich unter den Nuinen des Tempels 
der Benus zu Epidaurus in Griechenland, an den 
Enden der Steine einen ähnlichen Einfchnitt, aber 
eficht.2) Diefer Weg, große Laften Steine zu heben, 
und unmittelber im Aufzieben auch an ihren Drt 
zu fezen, ift ſehr vorzüglich vor der Anweiſung des 
Vitruvius; N und die Sake mit Sand beim Pli⸗ 
nius, 3) nah Boleni Auslegung, 5) fcheinen da- 
gegen Tächerlich. e 2 


8.35. Man fichet bier, wie ungelünflelt der 
Alten ihr Weg zu wirken war, und die neuere Welt 
fcheiner in der Mechanif mit aller Künftelei und Aus⸗ 
rechnung der bewegenden Kräfte die Alten nicht er- 
reichet zu haben. ‚Man ermäge die ungebenren 
Obeliſken: die ganze Welt iſt vol von den Anſtal⸗ 
ten, die Fontana unter dem Pabſt Sirtus V. 
machete, einen Dbeliffus aufzurichten, und bei den 
Alten findet fih Fein Wort von ihrer Aufrichtung. 
Mie vorzüglich der natürliche und leichteſte Weg 


4) kanmerk. üb. die Baukunſt ıc. 18. 18 $J 
2) [Ebendaſ. 18. 19 $.) 
3) L. 10. ce. 5. 
4) L. 36. c. 14. sect. 21. 
: 5) Dissertas. sopra al Tempio di Diana d’Efeso $. 19. 
Saggi di dissert. dell’ Acad. di Cortona. t. ı. part 2. 

.35. 

Plinius fchreibt, daß Cherſiphron fich derſelben 
bei dem Bau des Tempels der epheſiſchen Diana 
bedient, um die Werkftlile des Architravs von ungeheus 
zer Größe hinaufsubringen. Es war alfo ein bei den 
Griechen bekañter Mechaniſmus. Gen. 


zu Girgenti. 325 


n der Mechanif vor allem gelehrten Trieb - und 
Hadewerfe if, mo es die Natur der Sachen nicht 
fordert, bat Zabaglia in Nom zu unferen Zei⸗ 
en" gegeiget, ein Menſch ohne allen Unterricht, 
velcher weder leſen nach fchreiben Fonte. Aus fich 
euR, und aus einem Geile urfprünglicher Erfin- 
ng hut er Werkzeuge an das Zicht gebracht, die 
chtebebeütend fiheinen, und durch ihre Wirkung 
rſtaunen machen, und Dinge ausgeführet, die vor 
mberer Baumeifler Augen verborgen waren. 1) 


8.36. Da nun der Tempel des Jupiters, 
on weichem wir reden, nicht geendiget wurde; fo 
zeſchahe es mit der Beit, daB man ganz.nabe an 
von Tempel hinan Häufer bauete, und endlich wurde 
er Tempel ganz von andern Gebäuden umgeben: 


riefes ift der Verfiand der Worte des Diodorus, 


Ye, wie es mir fcheinet, von niemanden veriianden 
ind. Tuv aa n MIX TUXWy Tas VEng O5KOO/RyY- 
9 KUXUTE Tus ons wepramdaroyrraov Die 
ateinifche Überfegung des erfien Komma iſt: Cum 
lii ad parietes usque tempia educant. Man leſe/ 
mflatt rus veng, Ta ven, und überfege es: Cum 
lii ad parietes usque templi ædißeiis fabricandis 
ccederent. Im zweiten Komma lefen Henrieus Ste⸗ 


4) Die Maſchinen des Zabaglia find in Aupfer geſto⸗ 
hen und mit denen bed Ritter8 Domenico Fontana 
zufammen in einem Soltobande herausgegeben worben. 
Die Errihtung des Obeliſten iſt befcheieben von Earto 
Fontana in deſſen Werke: il Tempio Vaticano (1. 3. 
<. 4.) und in Kürze in des Milista Memor. degli Ar- 
chitetti in dbem Leben bed Fontana. Goguet Tı.3. 
part. 3. 1. 2. c. 2. p. 49.) führt dad von Herodot 
(1.2. c. 125. p. 64.) befchriebene Verfahren an, wie 
die Agypter die großen Steinblöke sum Bau ber Pyrami⸗ 
un hinaufbracdhten ‚ und gibt davon eine Abbildung. 

ea. 


In 


326 Alte Tempel 


phanus und NRhodomañ, anſtatt zuäwnegs; ka 
eircuitu, 00, columnis. Weffeling fucher beide 
Wörter zu behalten, und meinet, man müße KU ie 
wos, Oder xuchwees sovu leſen. Sch bleibe. bier 
bei dem gedruften Text, und der fprachkundige Leſer 
wird ohne afademifche MWeitläuftigfeit bier einfehen, 
ob diefe Gelehrten den Tert verſtanden baben, ‚und 
welche Erflärung vorzuziehen- if. 1) Der franzöfifche 
Überfeger fpringet wie ein Teichter Zangen Aber dieſe 
Stelle hin. 


* * 
%* 


6. 37. Diefe kurze Abhandlung kañ auf die nach⸗ 
läßige Unterſuchung der übrig gebliebenen Gebäude 
in Sriechenland ſelbſt zu fchließen Anlaß geben. Ein 
Tempel 3. E. wie der u Suntum, dem attifchen 


I) Meines Bedünkens it Windelmafs Erklärung 
durchaus unrichtis, und ich begreire nicht, wie fie ihm 
bat in. den Si kommen Fönnen. Ich sweifle, ob er über 
haupt ben Text bed Diodorus Hier verſtanden babe. 
Was.hatten die Häuſer, welche mit der Zeit ohne Regel 
und Drbnung neben den Tempel hingebauet wurden, mit 

“der prachtvollen Größe deſſelben und mit ber Idee bed 
Geſchichtfchreibers zu thun, welcher dieſelbe in's Licht gu 
ſezen ſucht, indem er ſagt, daß jener Tempel von einer 

- neuen und vorhin nicht gewöhnlichen Bauart war? Die: 
fed Befondere und Neue beſteht nach dem Diodor u 8 darin, 
daß die andern Tempel entweber rings von einer freiftes 
Henden Säulenhalle umgeben waren, wie ber Tempel der 

Concordia in derſelben Stadt, die Tempel au Pär 
um, die Tempel der Minerva und bes Thefeus 
su Athen, und mehrere andere; oder daß fie keinen Säus 
Iensang umher, fondern die bloße Eella hatten, welche 
von einer einfachen Mauer eingefchleffen war. , Diefer 
»Jupiterſstempel (tagt Diodorus) ift von einer 
„ neuen. Bauart, dei er Hat jene beiben Formen ge 
„meinfhaftlih:“ die Mauer ber Cella war nämlich bil 


su Girgenti. 327 


Vorgebirge, auf 17 ganzen Säulen, verbienet mehr 
Aufmerkfamfeit, als man in des Fourmont Be 
riht von Teiner Keife in Griechenland findet. 1) 
Es fomt alles. darauf an, mit was für einem Auge 
man die Sachen anfiehet. Spon und die gelehrte- 
fen Neifenden haben vornehmlich Infchriften und 
alte Bücher. gefuchet;z Cluver und Holſtein ge 
dachten auf die alte Gesgraphie, und andere haben 
andere Endzweke gehabt: um die Kunfl bat man 
fich unbefümmert gelafien. Don den alten Werfen 
der Baukunſt in und um Nom if ebenfalls noch 
ziel übrig zu jagen: Desgodeb bat gemeffen; 
ein anderer muß durch allgemeine Aunmerfuns 
sen. und duch Regeln lehren. 2) 


"ARE TI TOD Eminem, WO MEY Komm TE RO. 
Empedocl. Agrigent. ex Laörtio. 


sur Säulenhalle hinausgerükt, und fühlte die Zwiſchen⸗ 
weiten der Säulen auf die halbe Dike derielben, fo daß er 
die vom Bitruvin 8 befchriebene und oben ©. 317 ange 
gebene Form erhielt, und daraus ließe ſich fchliehen, daß 
biefee Tenipel ber erite von folder Bauart geweſen fet. 
Sen. 

[Man vergleiche die Stelle Diodors, wie fie oben 
in der Note auf S. 117 ‚angegeben if. 


a) Mem. del’ Acad. des Inscer. t.7. p. 344. edit. Par. 4. 


2) Wir fügen hier die Bemerkungen bei, welche der Baron 
von Riedeſel auf feiner Reife durch Sicilien und 
Großgrieheniand , im Sabre 1767, über biefen Tempel 
an Drt und Stelle gemacht hat. Derſelbe fast auf Seite 
46 feiner Reife: „Daß die von dem Diodorus 
„ angegebene Länge und Breite nicht übereinſtimmen, 

- 9» muß dvermuthlich ein Schreibfehler fein, weil die übri⸗ 
„ gen Verhältniffe genau zutreffen. Die Säulen haben 

9 42 neapolitanifche Palm im Amfange, und ohngefähr 
„» 14 im Durchmeſſer; und jede Neife bat zwei Palm im 
» Durchichuitte, Sch, und verſchiedene andere Perſonen, 


328 


\ 


Alte Tempel 


„ welche. diker ats ich waren, Foliten bequem darin fichen, 
» und die Befchreibung des Diodorus ift richtig, ohn⸗ 
„ geachtet fie durchgängig für fabelhaft gehalten worden. 
» Ih fuchte unter den Trümmern fo viel Theile der Archi⸗ 
„ teftur auf, als mir möglich wars; und Solgendes habe 
» ich gemeſſen: Ein Trisiyph ift 12 Palm hoch, 8 
„Palm breit; die Cella, fo viel obngefähr aus ben 
„» Trümmern au fchließen ift, hatte 125 Schritte in der 
» Länge. Ich fuchte den ganzen Tag ein Stük von ber 
»Corniſche, allein vergebens; bis ich endlich den 
„ folgenden Tag glüflider war, und ein ſehr bes 


'„ Thädigted Stük antraf, dad 4 Palm in der Höhe 


„hatte, welche Proportion ziemlich mit den übrigen 
» Theilen, der dorifchen Drbnung gemäß, übereinſtim̃t. 
» Aus der Stüfen der Säulen fiehet man, daß, dem 
»Diodorus gemäß, ſolche Halbſaäulen, Halbpi⸗ 
»laſter waren. Ein Kapitäl derſelben, welches ich 
„meſſen koöñte, Hat mit dem Theile bed Pilaſters 16 
„» Yalm in der Länge oder der ‚Breite, und 8 Palm 
„in bee Höhe. Die Pilafter befiehen aus Eteinen, 
„welche 9 Palm im Viereke, aufammen 36 Yalm, 
» groß find; und ih fand zu meiner NWerwunberung , 
„ daß dieſelben di forma oder maniera rustica Waren; 
» das Heißt, daß M Steine durch eine Vertiefung oder 
„ Einfchnitt von einander verfchleden finds: diefer Ein⸗ 
„ſchnitt iſt einen halben Palm breit und tief. — Die 
„fed it, was ih mit Gewißheit von den überbleibſeln 
» diefed Tempels habe meſſen können. Mir Hat ed genug 
„ gethan, weil ih mir daraus einen Begrif von der 
„Gröoße deſſelben machen koñte. Ich wiünfchte bie Grös 
» fe von St. Peter in Rom und die Verhältnifte mit 
„ biefem Tempel vergleichen su können. Daß ber Teste 
„ preäctiger und fchöner in dad Auge gefallen, glaube 
„ich ganz gewiß, und nichts kañ majeftätifcher als die: 
ſes Gebäude erdacht werben. Stellen Sie fih, mein 
„Freund, die Größe ber Säulen, die sierliche Form 
„ bed Tempels, weiche weit fchöner als ein Kreus, dem 
„ St. Peter gleicher, iſt; die Anficht des ganıen Ger. 
„ bäudes , die Seftigkeit in den Pilaſtern, die fchöne 
„ Bildhauerarbeit, wovon Diodorus rebet, und wel 
m (he izo völlig zerſtört it, kurz alles zuſammengenom⸗ 
„ men, vor: fo glaube Ich, daß ein viel edleres Ger 


zu Girgenti. | 329 


n baude, ald St. Perer in Rom, in Ihrer Einbildung 
n entfliehen wird. Nach der Proportion ded Triginphes 
„ müßte der Tempel, von dem Fuße der Säulen bis an 
„ bie Sphe ber Eornifhe, 150 Palm hoc gewefen 
„ten.“ Sen. 
en vergleiche Wincdfelmans Brief an Riedefel, 
2 un. 11767.) 

"um vor Wilkins Ruins of Magna Gracia zu warnen 
bemerkt der fehr Eundige 2. von Klenze in ginem Briefe 
aus San Nicola bei Agrigenti, v. 16 1824, Zolgendes : 

„ Schon in Segefte und Selinunt waren mir bes 
„ beutende Verfchiebenheiten mit dem, was ich fand und 
» fah, und dem aufgerallen, was mir von diefen Denks 
„ malen aus den Werken bed Houel, St. Non und be 
„ tonderd dem Haupt :s und Prachtwerf ded Engländers 
„»Wilkins: Ruins of Magna Gracia bekañt war. Hier 
„in Aarigenti aber fleigerte fih meine Berwunberung 
„ über die gewiſſenloſe Nachläßigkeit, Salfchheit und Mans 
» aelhaftigfeit der Darftellungen und Meſſungen Wils 
„kins; und ich entfchloß mich um fo mehr, den ganzen 
» Umfang der agrigentiniichen Denkmale ſelbſt zu meſſen, 
„» um fowohl mir als Andern genaue Kechenfchaft darüber 
» geben zu können. Durch wocenlange Anftrengungen 
„ und mit der nöthigen Hülfe audgerüftet, gelangte ich zu 
„ diefem Ziele, und mit ihm zu der Überzeugung, baß 
Wilkins Werk in allen Theilen falfch, unbrauchbar 
„ und gewiſſenlos nachläßig iſt, fo dag ich es fiir Pflicht 
», achte, hiemit das Publicum förmlich davor zu warnen. 

„Die Form des Ganzen, die Verhältniffe, Maße, 
„Profile, maleriſche Anſichten und Benennungen, als 
»les iſt fo falſch, daß es faſt nicht au glauben iſt, Wil⸗ 
„ Fins habe jemals dieſe Denkmale gemeſſen; im Ge: 
„ gentheite fcheint ed, ald Habe er feine Maße und Sor; 
„ men etwa nur nad fchlechten perfpectiviichen Zeichnun: 
„ gen mit dem Zirkel rebucirt. 

»Die Herrn Hangel, Serradifalco und 
„» Hittorff, welche die ſicilianiſchen Dentmale kurz 
„» vor mir maßen, werben gewiß eben wie ich fprechen. “ 

Hierauf führt er tüchtige Beweiſe für feine Be 
hauptung an, welcde er aus feinen Meſſungen des ſo—⸗ 
senaften Grabmals des Theron nit.) 


Ahr 


Anmerkungen 


über die 


Baukunſt der Alten. 


- 
= 


° Vorbericht. | 





$.1. Ich bin dem Publico eine Erklaͤrung ſchul⸗ 
dig über die Geſchichte der Kunſt, und ſonder⸗ 
lich dev Bildhaueret der alten Völker, vor 
stehmlich der Ertechen, deren Ankündigung ich vor 
ein paar Fahren veranlafiet habe. Sch hätte damals 
mit derfelben hervortreten können; es wird aber mie 
und dem Lefer nüzlicher fein, daß es nicht gefchehen 
if. Den da ich die Befchreibung der tief ge 
fihnittenen Steine des ſtoſchiſchen Mufet 
su Florenz übernahm, 1) ‚mußte ich mich von 
neuem in viele Unterſuchungen einlafien , die ich vor 
ber nicht mit gleicher Aufmerffamfeit gemachet hatte, 
Diefes in franzöffcher Sprache verfafiete Wert if zu 
SFSlorenz gebruft, die Vorrede aber und das Res 
gifter u Rom, und es ift ohne diefe beiden Stüke 
an fechspundert Seiten in Duarto ſtark. Da ich nun 
nad Vollendung diefer Arbeit meine Gefchichte 
von neuem überfahbe, fand ich Diefelbe mangelhaft, 
theils an nothwendigen ESchen, theils an gewiffen 
Beweiſen, und in dieſer Überlegung entſchloß ich 
mich, die Schrift in ein anderes Syſtema zu bringen. 
Sch habe mehr Zeichnungen zu nöthigen Kupfern mas 
chen laſſen, welche nach und nach geflochen werden; 
und diefes find die Urfachen ihrer Verzögerung. 
8.2, Gegenwärtige Anmerfungen über die 
Baukunſt der Alten find unter ben Unterfuchuns 
gen erwmachfen, welche ich in mehr als fünf Jahren, 
Die ich in Rom und in andern Städten von Atn- 
lien lebe, über alles, was die Künfie betrift, ge 


4) [Diefe Beſchreibung machte Winckelm añ in dem 
Jahren 4758 und 4759.) | 


334 Borbericht, 


machet babe, und ich habe dazu alle efkderlichen 
Hülfsmittel gehabt, Tonderlih in dem vertrauten 
Umgange, deflen mid Seine Eminenz, der Herr 
Sardinal Alerander Albant, der größte Ken- 
ser ber Altertümer, würdiget. u 

8. 3. Uber das, was ich von der Baukunſt ge- 
fchrieben babe, fan ein Gelehrter, welcher die Als 
tertümer aufmerffam unterfuchet, und die erforder: 
lichen Keñtniſſe dazu hat, eben fo gründlich, als 
ein Baumeifter, reden; und bier Fan gelten, was 
Ariſtoteles von den Spartanern faget: „Ste haben 
„die Muſik nicht gelernet, aber fie willen richtig 
„von derfelben zu urtheilen; “ 1) ich verfiebe hier 
ein sunftmäßiges Lernen. Es erfordert auch dag 
Studium der NAltertümer eihe binlängliche Keütniß 
und Unterfuchung in ber Baukunſt, fo, wie es die 
übrigen beide Künfte, die Malerei und Bildhauerei, 
verlangen ; und die Betrachtung der alten Gebäude 
erweket ein Verlangen, diefelbe genauer zu kennen. 

8.4. Man muß fich wundern, daß viele Denk 
male der Baukunſt denienigen/ welche diefelben 
hätten berühren und befchreiben follen, gar Feine 
Aufmerffamfeit erweket bien, wie es mit den übrig 
gebliebenen Gebäuden der Stadt Poſidonia oder BA- 
ſtum, 130 Pieſti oder auch Peſto, am falernitanifchen 
Meerbufen, die ich in den Anmerkungen verſchiede⸗ 
mal angeführet habe, ergangen if. Cluverius ift 
die Gegend von Bello, fo wie ganz. Btalien , durch⸗ 
reifet; und er bat alles umfändlich beichrieben, 
aber er gedentet nur mit einem einzigen Worte der 
Trümmer diefer Stadt. 2) Eben fo wenig Nachricht 
findet ſich bei andern Scribenten bes Königreichs 
Neapel von. den Überbleibfeln diefer Stadt. Einige 
Engeländer gingen vor etwa schen Jahren zuerfi bar 

ı) [Politie. 1. 8. c. 5.] 

2) [ltalia antiqua, L 4. c. 14] 


Vorbericht. 335 


bin, und von ber Zeit hat man angefangen, davon 
zu reden. Bor etwa vier Bahren bat der Herr 
Grau Gazzoles aus Barma, 1) Commandant der 
Artillerie des Königs von GSietlien, die pärlifchen 
Gebäude genau aufnehmen und zeichnen laſſen, und 
fie werden izo in Kupfer geſtochen.2) Bor ein paar 
Sahren trat der Baron Antonini,3) (ein Mat von 
achtzig Sahren, und Bruder des Verfaſſers von dem 
beliebten italtäntfhen und franzöſiſchen 
Wörterbuche, zu Baris in zween Bänden im 
Quarto gedeuft) mit einer Befchreibung von 
Zucanien, zu Neapel gedrukt, an das Kicht, und 
er nahm fich vor, die Überbleibfel der Stadt Peſto, 
welche zu gedachter Landſchaft geböret, zu befchreiben. 
Er war mehr als einmal an dem Orte felbft geweſen, 
wie er mic) mündlich verficherte, da er nicht weit Davon . 
Zändereien befiget: aber deſſen Nachricht war fo ſehr 
unrichtig, daß die Blätter, welche diefelben enthiel⸗ 
ten, umgedrufet werden ‚mußten, und der Herr Mar⸗ 
chefe Galiani zu Neapel entwarf dem Verfaſſer, 

1) Er war, wie Sea berichtet, aud Piacenza. Fernow. 

2) Diefer Grav Gazzola hat den Ruhm, ber Erfte gewe⸗ 
fen zu fein, welcher die Altertümer Päſtums durch Abs 
bildungen befafit gemacht hat. Uber die Zeichnungen 
wurden um verfchiedene Sahre früher verfertist, als 
Winckel mañ Her ansibt; deñ der Canonicud Mazzo c⸗ 
Bi, welcher im Jahre 1754 feine Bemerkungen über 
Päſt um im Anhange feier Erklärungder herak⸗ 
leiſchen Tafeln herausgab, verfprach bereits damals 
(S. 499) die Zeichnungen, welche ber Grav Gazzola 
machen Taten, aber erft fpäterhin gab fie der Pater 
Paoli mit ſeinen Abhandlungen dazu heraus. Gen, 

lüber den Graven Gazzola und feine Bemühungen der 
Altertuͤmer Großgriechenlands leſe man den ſehr intereſſan⸗ 
ten Brief Barthelemys au den Grayen Cavlus, in 
des erſtern Reife in Italien.) 

3) Das Wert des Antonini wurde bereitd im Jahre 
41754 bei Geſſari gedrukt. JZwar vermehrte ex. es im 
Sapre 1756 an vielen Stellen, aber ohne die Jahrsrahl 
au verändern, Sea, 


336 " Vorbericht. 


mas diefer von Bello zu fagen hatte. Gleichwohl 
aber iſt ein großer Irrtum fliehen blieben: den man 
gibt vor, die Stadt fei in die Runde gebauet 
geweſen, und es iſt das Gegentheil; die Aingmauer 
it ein völliges Viereck. 1) Man halte dasic- 
nige, was in diefer Schrift, und nur bier allein, 
von den Gebaͤuden zu Bello gefaget wird, mit ber 
Nachricht zufammen, die ich dem Xefer mittbeilen 
will, fo wird fich zeigen, wie mangelbaft und un- 
volliiändig iene fei. 

$.5. Von der Stadt Bello, welche etwa an- 
derthalb ttaliänifche Meilen von dem Geflade. des 
Meers entfernet if, bat fich Die ganze Ningmauer 
mit ihren vier Thoren, in's Gevierte gezogen, er⸗ 
balten,2) und biefe if aus ungemein großen Etei- 
nen, 3) welche viereft oder IAnglich gehamen find, 
ohne Mörtel zufammengefeset, fo daß die änflere 
&eite derfelben in fehs Flächen, nach Art der 
Diamanten, gehauen if: auf ber Mauer fieben in 
gewiſſer Weite von einander runde Thürme. In 
nerhalb der Mauern und in der Mitte der ebemali- 
gen Stadt fiehen zween Tempel und ein drittes öf- 
fentliches Gebäude, welches entweder eine Baſilika, 


41) Die Ringmauern bed alten- Päaſtums find freilich nicht 
in Die Runde gebauet, aber fie. bilden auch kein Wier⸗ 
et, fondern eine unregelmäßise Sorm. Bea. 

[Man fehe Numerb 4 unser den Abbildungen.)] 

2) Ein großer Theil der Ringmauer von Yäftum 'iR zer; 
Aört, fo daß an einigen Orten kaum die Eyuren davon 
zu erbliten find; aber der erhaltene Theil derſelben iſt 
beträchtlich und zeigt einen mächtigen Bau. Von den 
Gtadtthoren hat ſich nur eineb erhalten. Gen. 

(Man tal ed unter Numero 2 bee Abbil dungen 
fehen.) 

3) Die Steine haben 8 bis 10 Yalm Länge, 4 biss 
Palm Breite, und 3 bis 4 Palm Hohe. Gem. 


— ⏑ 


Vorbericht. 337 


oder eine Baldfira oder Gymnafiunmi) geweſen 
iſt. Diefes ind ohne Zweifel die älteſten griechifchen: 
Gebäude, 2) und nebſt dem Tempel zu Girgenti in 
Steifien, und dem Pantheon in Kom, tft fein ans 
deres Wert der Baufunft, welches fich fo völlig er⸗ 
halten bat; 3) den ber eine Tempel bat vorn und 
hinten fein 'völliges Frontiſpieium, und auf dem 
andern iſt das Mehreſte von demfelben geblieben. 
6.6 Die zwern Tempel find, fo. wie das dritte 
Gebäude, Amphiproſtyli, das if, fiehaben einen 
freien Säuwlengang ringsumber ; und vorn und 
hinten eine freie ‚Halle. 4) Der größte Tempel, und 


4) Pater Paoli glaubt, (dissert 5.) daß es en Port 
tu8 oder tofcanifdes Gebäude geweren, in in dem 
man öffentliche. Geſchäfte oder Handel getrieben. Sen. 


2) Pater Paoli, welcher die Abbildungen diefer Tem: 
pel mit gelcehrten Abhandlungen begleitet Hat, 
ftand in dem irrigen Wahne, daß dieſe Gebäude von 
hetruriſcher Bauart ſeien, und fein ganzes Beſtre⸗ 
ben in ſeinem Werke gehet dahin, dieſer Meinung Wahr⸗ 
ſcheinlichkeit und Glauben zu verſchaffen. Winckel⸗ 
mar hat gleich anfangs ihren wahren Charakter richtig 
erfait, und da auch bie irrige Unficht des Pater Pablli 
jezo allgemein anerkafñt ift, fo lohnt ed der Mühe nicht, 
fih bei derfelben weiter aufsubalten. Das Wert bed 
Paters Baoti Het: Rovine dell’ antica citta di Pesto, 
detta ancora Posidonia. Roma, 1784 fol. Fernow. 


2) Die S oPhienkarche. in KConſtantinopel nicht su vers 
geſſen, die zwar jünger if. Sean. 


4) Dieſer Zuſaz: und vorn und hinten eine freie 
Halle, ift überflüſſig, da .edfich bei dem Freien Shw 
Tensange ringsumher von felbft verſteht. Wuch 
gebürt ihnen die Benennung amphiprostyli, welche 
Maivr in feinem 1768 su London erfchienenen Werke 
über dieſe Tempel S. 27, 30, 31,) ihnen beilest, nach 
der Bedeutung diefed Wortd bei Vitruvpius (L 3. 
c. 2.) keineswegs; deñ er nett jene Tempel amphi- 
prostyli, weldhe blos an beiden Giebelſeiten, vorn 


Winckelmañ. 2. 415 


338. Vorbericht. 


welcher weniger gelitten, bat 6 Säulen vorn und 
hinten, und 14 auf der Seite, die Effäulen z wei⸗ 
mal mitgezählet. 1) Der Fleinere Tempel Bat 
vorn und hinten, Wie jener, 6 Säulen, und 13 
auf der Seite. Die Eellen diefer Tempel, oder 
das Innere derfelden, war mit einer Dlauer, wie 
gewöhnlich, eingefchlofien, und die in dem größern 
Tempel bat vorn und hinten: wiederum ihre beſon⸗ 
dere Halle von zwo Säulen am Eingange, und: die 
Efpilafter, und zwo Reihen Säulen waren auch in- 
nerbalb der Gele, eine jede von::7 Säulen, von 
welchen noch viele ſtehen. Die Gelle des andern 
Tempels hat vorn ihre befondere Halle, von eben 
fo viel Säulen, I und innerhalb der Eelle gegen 
das Ende ift eine große vierefte laͤngliche Erbo- 
hung, welches etwa ein Altar gemwefen iſt. ) Der 


‚und Hinten, Säulenhallen haben. Richtiger würden fie 
peripteri zu nennen fein; dei fo hießen nah Bitruvius 
die Tempel, weldhe auf jeder Sronte ſechs Säulen, und 
an jeder der beiden langen Geiten elf Säulen, bie Ek⸗ 
fäuten wieder mitgesählet, hatten. Sea. 


13 [Mas fehe unter den Abbildungen Num. 3.] 
2) [Man fehe unter den Abbildungen Num. 6.) 


3) Die Zahl der Säulen ift verfchieden. In jeder Vors 
Halte des großen Tempeld find nur zwei, und in der 
einzigen Vorhalle des Fleinen Tempels find swei ganze 
und zwei Halbe au den beiden Yilaftern ober CE. 
pfeileen der Cella. Sea. 

[Man fehe die Abbildungen Num. 3 u. 6.) 

4) Ihrer Geftalt und der ‚Art nad, wie fie mit einer 
Mauer umgehen it, [man ſehe ımter den Abbil dun⸗ 
sen Num. 6.) zu urtheilen,/ ſcheint ed mir vielmehr 
eine »dicula ober Capelle geweſen zu fein, in welcher 
Dad Bild einer Gottheit aufgeftett war, wie im Tempel 

„de Inupiter Capitolinus unb andern Tempeln. 

Man ſieht dergleichen im fo vielen Grundriffen von Tem: 

:: pealn bed altern Roms, in der .von Bellori erläutern 


Borbericht, 339 


größere Tempel hat über den untern Säulen inner 
halb der Eelle noch eine obere Drönung Kleine 
rer Säulen, welche fich auch großentheils erhalten 
bat. 1) Alle Säulen find dorifich und gereift, und. 
haben nicht 5 Durchmefler, wie ich in den An⸗ 
merfungen ſelbſt angeseiget habe. 2) Gie.find anf 
ferdem ohne Bafe, und die um den .größern Tem- 
pel haben gegen das Kapitäl zu zween Ringe umber 
(collarini), dergeflalt, daß ein Theil der Neifen ei» 
nige Finger breit über diefelbe bis-an das Kapitäl 
hinausgehet. 

6.7.: Die Cellen fi nd drei Stufen hoch erha- 
ben, und fo viel höher, als der äuſſere Säulengang. 
der Tempel; und diefe Stufen find wie diejenigen , 
welche um den Tempel herumgeben, von einer un⸗ 
gewöhnlichen Höhel, wie ich umfändlicher in den An- 
merfungenangeige.’) Auf diefen Stufen gehet man 
in die Cellen, und. die Hallen derfelben, welche in 
die Länge zwo Säulen und die Pilaſter baben, wie 
gefaget if, „And jedesmal von drei Säulen in der 
Tiefe. 4). Die Hallen vor der Celle des größeren 
Tempels haben 42 und einen halben Balm in der 
Länge)" und in der Breite 24: ale, 5) An dem 


ton Abbilduns der Fragmente. vestigii veteris Romz ex 
lapidibus Farnesianis:. etc.. und :bei wir ne t, (An- 
üch. Rom. t ı. tav. 2) Sen, 
1) [Dan fehe unter den Abitdunsen Num. 4 1. 
7) ti 8. 33 6.) 
DLR. 66 $.] u 
4) Es iſt nicht wohl zu verſtehen, was Wincke lmañ hier 
meinet. Entweder hat er die Vorhallen der beiden Tem⸗ 
pel mit einander verwechſelt, oder er hat ſich Säulen 
eingebildet, wo keine ſtanden. Fea. 
[Man fehe unter den Abbildungen Num. 3 u. 6.) 
5 Die vordere oder Haupthalle it tiefer ald die an 
dere; fie ift nämlih 42 Palm breit und 28 Palm lang; 


340 Borbericht, 


Tleineren Tempel iſt als etwas Beſonderes sn men 
fen, daß in ber Halle vor defien Selle dis: dritte 
Säule, in ber Tiefe oder Breite, wie man es 
nennen will, anf beiden Seiten auf der dritten 
Stufe, welche zur Selle führet, ſtehet; und diefe 
zwo Säulen haben unten ihren runden Bund und 
auch ihre Baſe (plinto), welche aber rund if. 1) 
Folglich finden fich fchon in den alteſten Zeiten 
doriſche Säulen mit der Bafe, welches vorher 
niemand befaiit geweſen iſt.) 

$.8. Die Sntercolummia der Tempel haben 
nicht pölfig anderthalb Durchmeffer‘ der Säulen, wie 
Bitruvius Ichret: Hd den der: Durchmeſſer der 
Säulen an dem größeren Tempel hat 7 und-Fünf 
Achtel’ Balme, und die Intercolumnia haben 8 
volle Balme, Hd und es ift etwas Beſonderes, daß 


die andere hat gleiche Breite, aber im Annern Raume 
semeften nur 17 Palm Tiefe. Zea 
1) Der Säufen diefer Vorhalle find, wie ſchon vorhin, ©. 338, 
bemerkt worden, wel auf Jebed Seite, und zwei 
Balbe-an den Mlaſtern oder "Elpfeilert der Cella. Alle 

- hatten dieſelbe runde Baſe mit dem Bundy, und Feine 
ftand unmittelbar auf den Stufen; nur ftanden die beis 
den erfieren anf 'emem niedrigern Plaue als der ; Plan 
der Cella, auf welchem die anbern fichen. Sea. ' 

[Man fehe unter den Abbildungen Num. 6.] 

2) Bon dieſer runden Vaſis nimmt der Pater Paolt 
gleichfalls einen ſeiner vielen Scheingründe, um su Des 
weiſen, daß dieſe Tempel nicht griechiſcher, ſondern 
althetrurirfcher Bauart ſeien. Er beruft ſich dabei 
auf den Vitruvius (I. 7. c. 7.), welcher dem toſca⸗ 
niſchen Säulen eine ähnliche Baſis gibt. Sea u.Gernow, 

3) Für die Säulenſtellung nämlich, welche er pycnosty- 
los, ensfäultig, neüt, welche die kleinſten Zwis 
ſchenweiten bat. (L. 3. c. 2.) Fea. 

* Dieſes iſt in der ſchon erwähnten Veſchreibung md 
Zeichnung Maiors fehr verändert. Ten. 


Borbericht, 341 


die Antercolummm des Aufferen- Säulenganges um den 
Tempel. herum, eine vierefte Vertiefung, ober ein 
vertiefetes Feld, einen Finger breit tief ausgehauen 
haben, welches Feld des ganzen Zwifchenraum:. des 
Zußes der Säulen füller, 1 g8 Die Säulen innerhalb 
der Selle: diefes ‚Tempels find von 5 und einem 
Drittheil Yalm im Ducchmefler.. 

8.9. Die-Länge des größeren. Tempels’ iſt 386 
Balme;- die Breite 96. Die Breite der Belle if 
42 und einen halben Palm. Die Länge des Feine 
ven Tempels if. von 76 Palmen, und die Breite 
55,. Die Breite der. elle deffelben ift 28. Balme. 2) 

6..10.: Das dritte Gebäude hat 9 Säulen.vorn 
und hinten, und 18 auf der Seite; die Effäulen 
zweimal gesählet, H und: alle diefe Säublen haben 
unter dem Kapital einen überaus künſtlich gearbei- 
teten, fchnialen, in einander gefchränteten Sterat, 
mwelcher..an einigen einander ähnlich if, an den 
mehreſten aber nicht. ) Die Länge des Gebäudes ift 
203 Valme/ und die Breite 92. Dieſes Gebäude 


Diele Merticräng iſt beträchtlicher als Windeimaf 
fit angibt; deñ fie beträgt vier Singer breit; aber 
Re nit: wicht‘ den ganzen Kaum der Zwiſchenſäulen ein. 

Der Pater Palit; (dissert. 4. n. 12 — 13. p.- 118. 
seq:) vermuthet, daß in dieſen Bertiefungen eine Platte 
von Marmor oder Bronze gelegen habe, um bamit ben 
Fußboden zu verzieren, und sugleich den: Säulen. einen 
breſſern Abſtich zu geben, indem fie fich auf diefe Weife 
auf dem: viereften Raume, der fie rings umgab, durch 
die eingelegten Tafeln abfonderten, und wie anf einer 
Bafid zu erheben: ichienen. Sen. 

2)- Nach genaueren Mefungen: beträgt die Länge des gro⸗ 
Ken Tempels 230 Palm’. und: die Länge des Heinen 127. 
In der Breite kommen fie ziemlich mit Windetmans 
Angabe überein: Fea. 


F) [Man fehe unter ben Abbildungen Num. 8.] 
4 [Eine Probe davon auf der Abbildung Num. 8.]- 


342 DBorbericht, 


hatte ebenfalls, mie die Tempel, einen inneren 
eingefchloffenen Plaz, von 43 und einem halben 
Balm breit, und drei Reihen Säulen inwendig, von 
welchen die drei Säulen und bie Efpilafter am Ein- 
gange diefes innerſten Gchäudes fichen ;1) von der 
mittlern inwendigen Reihe find noch drei Schulen auf- 
recht ſtehend übrig. 2) Der Durchmeſſer der Säu⸗ 
Ien iſt 5 und drei Viertheil Balme, und die In⸗ 
tercolummia 11 und zwei Drittheil Balme; 3) wel- 


4) Winckelmañ muthmaßte hier etwas, wovon nicht su 
glauben ift, daß ed je geweſen fel. Der Pater Paoli 
(Dissert. 5. n. 13.p. 114.) fast? „Un ber.Sronte, die 
„wir die vordere nennen, entdekt man bie Vorhalle, wel: 

„he im Innern vermittelt zweier Pfeiler "gebildet iR, 
„in deren Mitte drei Säulen ſtehen. Ob dieſes auch eben 
„io an ber hinten Sronte fatt gefunden, davon if eine 
„Spur zu merken, auch Täßt es fih aus nichts abnehmen. 
„Die Pfeiler lehnen ſich an die MWiauern , weiche nicht 
.. „weiter gehen; oder weil fie auch weiter gingen, fo er: 
"— firekten fie fich. doch gewiß nicht über die,erfte der brei 
„Säulen hinaus, welche in gerader Reihe die Mitte dei 
"0 „ganzen Gebäudes einnehmen. Und weil mau gleich wei: 

 „terhin einige lberbleibfel von Mauern: gevuahe. wird, 

„wie wir beim Nachgraben gefunden haben , fo :seiget doch 

„ihre Dünne und Schwäche, daß fie von Feiner Inneren 

„Cella fein können, fonbern vieleicht beſtimt waren, ben 

„Grund zu flüsen, welcher ſich gegen die Mitte des im 

„neren Plazes etwas erhöhet.“ Zen. 

[Man fehe unter den Abbildungen Kum. 8.1 


2) [Man fehe unter den Abbildungen Num. Su. 9.) 


3) An den beiten Nebenfeiten beträgt ber Zwiſchenraum 
der Säulen von dem Mittelpunkt dee einen zur anderen 
41 2/3 Palm, und an den Giebelfeiten beträgt derfelbe 
10 5/6 Palm. Der Durchmeſſer ieder Säule betragt 
5 1/3 Yalm. Dergeſtalt ‚iind alio an ben Nebenieiten 
die Swiichenweiten bee Säulen etwas breiter als ihr 


Durchmeſſer, und die an den Giebeiſeiten find Faum 1 
breit, Sen. 


Vorbericht. :343 


ches alfo von der Regel des Vitruvius abgehet. 
Der ganze Boden diefes Gebäudes hat einen fanften 
— auf beiden Seiten, zum Ablaufe dee Re 
gens 

6. 11. Überhaupt merfe man, daß alle drei &- 
bäude von dem Gchbälfe-auf den Säulen, oder 
von der Architrave die beiden unteren Glichen 
haben, aber das dritte und obere Glied des Ger 
bälkes, nämlih die Corniſche, fehlet an allen 
dreien.D) Von den Eigenfchaften ber doriſchen 
Ordnung derfelben habe ich in den Anmerfungen 
geredet. Die Länge und Breite diefer Gebäude find 
von der dritten und oberen Stufe, auf welche man 
zu denfelben hinauffleiget, gemellen, und der Palm 
it der neapelſche/ welcher größer if als der rö⸗ 
miſche. ) 

8. 12. Auſſer den beſchriebenen Gebäuden, iſt 
erſtlich faſt mitten auf dem Plage der Stadt ein 
Amphitheater, von welchem noch die untern 
Gewölber, und sehen Reihen Stufen oder Size 
über denfelben, übrig find. Nach Antoninis An 
geben ift die Länge deſſelben 165 Balme, und die 
Breite 120.9 AYufferdem finden fih Spuren von 

4) Diefer Abhang ift wohl nur von den Trümmern und 
dem Schutte entfianden, die fich in ber Mitte ded Ge 
bäudes aufgehäuft haben. Nach Hinwegräumung deſſel⸗ 
ben, verfichert der Pater Paoıt, den Boden deffelben eben 
und mit den Bruchküfen eines Muſaiks belegt serunden 
in haben. Sen. 

2) Winckelmañ Hat fih deſſen nicht erinnert, was er 
vorhin in dieſem Vorberichte ©. 337 gefagt bat. Was 
von den fämtlichen Gebäuden noch vorhanden ift, zeigen 
die hieher gehörigen Abbildungen. Sen, 

3 Der moderne römifhe Palm hält 8 Bol 3 1f2 
Fa der neapolitauifche hält 3 Zoll 7 Linien. 

eR 

4) Nach den genauern Meſſungen, welche Paoli (Taf. 44. 


344 Vorbericht, 


- einem Theater, 1) und auffer den. Mauern drui 
©rabmäler von Biegeln. 
$. 13. Dieſes iſt die erſte ausführlichere Nach⸗ 
richt von den Altertümern der Stadt Bello, fo viel 
shne Kupfer. deutlih anzugeben if. Man bat mich 
verfichert, daß zu Velin, ehemals auch Elea ge⸗ 
nañt ,2) (von welcher Stadt die eleatifche Schule 
den Namen bat) 15 italiänifche Meilen ienfeit 
Peſto, beträchtliche Stüfe von alten Gebäuden und 
halb erhaltene Tempel zu feben fein; niemand aber 
Kan Schriften, fo viel ich weil, davon Meldung 
‚gethan. 
$. 14. Zu Kroton in Großgriechenland flehen 
‚noch  weitläuftige Nuinen, welche man izo die 
Schule des Pythagoras nenne; 3) auferdem 


feines Werks) angegeben hat, beträgt die Länge 218 
neapolitanifche Palm, und bie. Breite 132. Sea. 


1) Was Windelmafl hier für ein Theater hält, it afı 
fenbar nichts andered, als ein runder Stufengang, 
auf dem man zu einem Brunnen binabftieg, welchen 
man fo niedrig angelest Hatte, weil die Röhren deſſel⸗ 
ben mit dem Boden ber Stadt in gleicher Höhe Tiefen. 
Sen. 


2) Cluver. Ital. antiq. 1. 4. c. 3: Sea. 


3) Nach den Beobachtungen des Barond Riedeſel (Reife 
ic. ©. 194.) , weldher im alten Krotona bie Schule 
des Pythagoras auffuchte, deren Trümmer nahe 
bei einem Tempel der Juno Lacinia, a capo co- 
lonne genaft, ſtehen follten. Gr koſite aber nichts das 
von entdefen, und ald er in Krotona darnach frags 
te, fo fand er, welcher Irrtum wahrfcheinlich biefe 
Sage veranlaßt habe. Er fand nämlich, dab man 
fi) den Tempel viel Heiner vorftellte, als er wirklich 
geweien, und daß man die Mauer von deſſen Celia 
für ein befondered Gebäude genommen, weldes man 
die scuola di Pitagora genaftt, weil man wußte, daß 
dieſer Philoſoph Hier gelehrt hat. Zernow. 


Borbericht. 345 


aber bat fich wenig in diefen Gegenden, wo fo große 
und berühmte Städte waren, erhalten, wie ich un- 
ter andern vom Mylord Brudnell weiß, welder 
vor etwa drei Kahren die ganze Küſte von Gala 
brien bis nach Taranto durchreifet ill. " 

6. 15. Bon den Denfmalen der alten Baufunf 
in Sieilien bat allererfi vor wenig Jahren der Ba- 
ter Bancrazi, in feinem erläuterten Sicili⸗ 
en, bie erften Zeichnungen gegeben, und deſſen Nach⸗ 
richt von den Trümmern des Tempels des olympi⸗ 
fhen Jupiters zu Agrigentum (Birgenti) babe 
sch in einer befondern Heinen Schrift aus richtigern 
Entdefungen verbeflert. 1) Auſſer den Überbleibſeln 
an diefem Drte hat eine allgemeine. VBerfiörung alle 
Merfe der alten Baukunſt in diefer Infel gernichtet. 2) 

8. 16. Die mehreſten Tempel und Gebäude in 
Griechenland bat Herr Le Roy im Bahre 1759 theils 
befant gemachet , theild genauer gezeichnet und be 
fchrichen.3) Im Bahre 1750 im Monate Mai un 


4) Anmerkungen über die Baukunſt ber alten 
Tempel su Girgenuti in GStceilien.) 


2) Als Winckelmañ dieſes fchrieb, Hatte er von den in 
Sicilien noch vorhandenen Dentmalen ber alten Baus 
funft noch zu wenig Kunde. Späterhin Haben meh—⸗ 
rere Reiſende, ald der Baron Riedeſel, Brydo— 
ne, vornehmlich aber der franzöfiihe Maler Houel, 
ausführlichere Nachrichten und Abbildungen von denſel⸗ 
ben geliefert. In dem Werke bed lezten finden fich die 
mehr oder weniger erhaltenen Refte von 26 Tempeln, 
deren zwei noch aufrecht ſtehen und ziemlich erhalten 
find, von 6 Theatern, 2 Amphitheatern, 3 Stegesbend 
malen und andern Denkmalen alter Baukunſt. Gen u. 
Fernow. 

I) In dem befafiten Werke: Les Ruines des plus beaux 
monumcents de la Crèce, ouvrage divisö en deux par- 
tes. A Paris chez H. L. Guerin, 1758. Seconde edit. 
à Paris chez Musiers fils. 1770, fol.. Gerne Ww. 


346 | Borbericht, 


ternahmen zween Maler aus Engeland, SerYafoh 
Stuart, und Nikolaus Revett, nachdem fe 
einige Jahre in Rom ihre Kunſt getrieben, die Reiſe 
nach Griechenland. Ihre Freunde in Engeland brady 
ten einen binkänglichen Beitrag zufammen, zur Be 
förderung diefes Vorhabens, umd diefes mar ein 
Vorſchuß oder eine Pränumeration auf die Beſchrei⸗ 
bung, melche fie machen würden. Einige gableten 
auf viele Exemplare diefes Werks voraus, und der 
Anfchlag war etwa auf zwo Guineas, das Stüf, 
gemachet. Gedachte Künſtler brachten das erfie Jahr 
‚ihrer Reife mebrentheils zu Pola und in Dalmatien 
zu, wo fie alle Nberbleibfel des Altertums genau 
abzeichneten. Das folgende ZJahr gingen fie nad 
Griechenland, und verblichen daſelbſt faſt an vier 
Sabre: fie kamen im Monate December 1754 nady 
Marfeille zurüf. Herr Dawkins und Bovery, 
"welche auf eigene Koſten ein Schif mit allen benö⸗ 
"thigten Sachen zu tbrer Foflbaren Reiſe durch die 
Levante ausrüfleten, und denen wir die Befchrei- 
“bung der "Gebäude zu Palmyra zu danken haben, 
trafen ihre beiden Zandsleute zu Athen an, und 
munterten biefe zu ihrer Ainternehmung auf. Bo⸗ 
‚very, ber Gefährte Seren Dawkins, ſtarb auf der 
Snfel Negroponte an einem hizigen Fieber; iener 
aber fegete die Neife fort mit Herrn Wood, wel⸗ 
cher das Wert von Balmyra herausgab.!) Da ws 
kins war, nach feiner Nüffunft in Engeland, cin 
"großmüthiger Beförderer der Befchreibung der 
AYlterkümer von Griechenland, und Herr 
Stuart genoß in beffen Haufe zu London alle Be 
quemlichfeit, feine Zeichnungen in Kupfer ſtechen 
zu laſſen, wozu er fich zween gefchifter Künfiler, 


ı) The Ruins of Palnıyra, London, ı753. The Ruins 
. of Balbec, London 1757 fol. Fernow. 


Borbericht, 847 


Seren Strange und Heren Bezaire, bedienet. 
Dawk ins farb vor ein paar Sahren in ber Blüthe 
feines Alters; und fein Tod iſt ein Verluft für die 
Künſte und Wiſſenſchaften. Die Arbeit am. bem 
Werke von Griechenland wurde fortgefeget; ed cr 
fchten der Blan von demfelben, und es waren Tchen 
dor zwei Hahren die Kupfer zu dem eriten ande 
geendiget. -Diefes Werk erwartet man izo mit gro⸗ 
dem Verlangen: 1) del es wird meitläuftiger und 
"Ausführlicher werden, als die Arbeit bes’ Seren Be 
Roy iſt, weil iene fo viele Fahre, als biefer Me 
nat e, in Griechenland geweſen find: 
8. 17.. 830 fehlet uns noch eine ähnliche a. 
heit über die Gchäube zu Theben und an andern Or⸗ 
ren. in Agypten. 2) Diefes hätte Norden unterneb- 
‚men Tolleny wen er Zeit und Koſten dazu gehabt 
hatte fo wiirde er der Nachwelt: ein nüzlicher Werk 
gelaſſen haben, anſtatt daß er entweber längſt be⸗ 
kante oder weniger bedentende Dinge vortragt. 
648, Der Leſer erlaube mir bier noch mit ei- 
‚nem: Worte die höchſte Pflicht und Verbindlichkeit, 
die ich uef der Welt babe Zi "befennen. Diefe bin 


» Den eehen Theil dieſes Werk, unter dem Zitet: The 
—— of Athens, measured and delineated by Ja- 
-Stumt, and. Nicolaus Revett. London , 1762, 
Pr befam Windelman in der Solge su Geficht, aber 
ex entfpeach ‚feiner Erwartung nicht, weil man auf ein 
fo unbebentendes Denkmal, ald die Ranterne bed Du 
moßhbenes, oder der Thurm der Winde ift,.fo viele 
Kupfer' verfchwendet hatte, um daß Werk fiber die Se 

bür weitläufig zu machen. Sea. 
[Man vergleiche hiemit den Br. an Heinr. Süch 

Iy, v. 22 Sept. 1764.) 


2) [Diefem Bedürfniſſe iſt nun durch Denond Werk, 
durch die prachtvolle Description de lV’Egypte, fo wie 
durch die nachherige Ausbeute von Belzoni, Min 
toli und Sau abgeholfen.) 


348: Vorbericht. 


ih Seiner Hochwürden dem Serrir Pater 
Leo Rauch, Seiner königlächen Maiekät 
in Polen Beichtvater, ſchuldig, einem. der 
würdigſten Menfchen, der mir Vater, Freund 
und das. LZiebſte auf der Welt if: Er allein 
if der Grund von der Zufriedenbeit, bie ich genie⸗ 
Be, weiche. ih niemals fühle oder fchmefe, obne 
Erinnerung tmmerwährender, Dankbarkeit: mein höch⸗ 
fies menfchliches- Verlangen gehet u ihm, und. alle 
‚meine Wünfche find: auf ihn gerichtet,. die Gott 
wolle. in: Erfüllung gehen laſſen. Ein, anderes Be⸗ 
fentniß der Dankbarkeit, welches ich am einem wür⸗ 
Bigern Orte abzulegen. gedachte, bin: ich zween meis 
ner Freunde fehuldig, Herrn Witle „: königlichen 
Kupferſtecher zu: Baris, und Seren Fücbily,- Maler 
und Stadtfchreiber zu Zürich. Die Art. mit wel⸗ 
cher fie mir, ohre mich perſönlich zu kennen, bir 
geſtanden haben, machet; der Menfchlichfeik. Ehre. 
Aber die. Beſcheidenheit ibrer großmüthigetz Seelen 
halt mich, zurük, wider ihre Abſicht zu handeln wel⸗ 
che war, in s gechei m. Gutes zu thun. 1). Ich empfehle 
mich alten Liebhabern der Künſte, und. meinen Gön⸗ 
nern und Freunden in Deutſchland und in anderen 
Sändern. Rom, dem Deec. 1760. A): 


1) [Man ſehe bierüber die BrvgraphierBinchelmaͤns 
vor dem’ 1 Bande dieſer Ausgabe. 


2) [Diefe im Jahre 1760 vollendete Schrift blieb noch bis 
tief in dad Jahr 1751 in Windelmans Händen, ehe 
fit gedruft wurde, und daher gab er ihr noch Zufäsez- 
wie. man and. dem 2.8, 16-5. abnehmen Fai.l. 


aba lt. 





1. Das Weſentliche der Bauteil. 
Die Materie: . 


Ziegel; 3— ya 
Steine; 
Mörtel und befonders Puzzolam. 


Die Art bameneh lo nn 


Gin ber Ebene. 7 
Die GeundInge (auf Anhöhen, oder im Neem. 


Coon Strinen; 
Mauern Auf der Grundlage (von ‚Biegeln. 


een. (überbaupf. 
— — — HNie Beni der> 
u eöfelben.. © 


4: ern * 9 ’ 


Sie Form der „Gebäude: on 


* Die Form, ſonderlich der Tempel. Aberkaupt; 
Gebäude auf Säulen. 


Don ‚Säulen überhaupt. | 


— (die: toſeaniſche; 
(die doriſche; 
Von den Ordnungen‘ der- „u Die jonifche; 


(die Eorinthifche; 
felben, insbefondere gie yönnifche oder zu⸗ 


(  fammengefesete; 
(ovale Säulen. 


. 


350 Inhalt. 


Allgemeine Erinnerungen über die Form der Ge 
bäude. 


Die Theile ber Gebäude: 


Auswärts : 
das Dach; 
der Giebel, oder das Frontiſpicium; 
(doriſche Thüren; 
die Thüre; (auswärts aufgehende; 
(Vorhang vor den Thüren. 
die Fenſter. 


Inwendig: 


die Deke oder das Gewölbe; 
die Treven und Stufen an denſelben; 
die Zimmer. 


2. die Zierlichteit, und allgemein. vn 
derſelben. 


Don. auffen. an Gebäuden: 
an dem Gip fa; 
an Säulen, und befonders von Karyatiden; 


an dem Gebälfe der Saulen, (an. ber —* 


an Fenſtern und Niſchen. 
gnnerhalb ber Gebäude: 


im Vorſaale; 
an Deken und Gewölbern ; 
in Zimmern insbefondere. \ 


Anmerkungen 
über die 


Saufunf: der Alten 


Krre Rapiter Br 
Ber. dem Weſentlichen der Baufanfl.; EN 


. . 





g 1 "0 theile über bie Banfunf- ker ar 
ten einige Anmerkungen und Nachrichten 
mehrentheils aus eigener Erfahrung und Unter⸗ 
ſuchung mit, und dieſelben betreffen zwei Theile, 
nämlich das Weſentliche der Baukunſt, und die 
Sierlichkeit derſelben. 

.2. Das Wefentliche begreifet in ſich vor- 
nehm! ich theils die Materialien, und bie Art zu 
bauen, theils die Form ber Gebäude und bie 

nöthigen Theile derfelben. 
$.3. Die Materialien find giegeh, Steine 
und Mörtel; bei von Holz, weiches unter den Grie⸗ 
chen auch zu Gebäuden Dienete, und zu Tempeln, wie 
derienige war, welchen Agamedes und Tropho⸗ 
nius.dem Neptunus baueten, 1) wird hier nicht 
geredet, -Die Stegel- waren anftinglich ungebrant, 
und nur ander Luft, aber einige Fhre, getrofnet, 
— d wirden bef’bin Griechen ſowobl als Römer 
häufig oebranel., Bon ſoichen Biegeln waren bie 


5 Pausan. 1 c. 10. gr 27 


352 Baukunſt der Alten. 


Mauern zu Mantinen, und zu Eion am Fluſſt 
Strymon in Thracien, 1) ein Tempel zu Banopen, 2) 
und ein anderer der Ceres, beide in der Landfchaft 
Bhocis; I) eine Halle zu Epidaurus, 4) und ein 
Grabmal der verfiöreten Stadt Lepreus in der Land 
fchaftelis.5) Ausdem Vitruvins fcheinetes, daß 
zu Rom und in der Gegend umber die mehreſten 
Häuſer von folchen Biegeln aufgeführet gewefen, und 
diefer Seribent handelt umfländlih von deren Zu⸗ 
richtung. ) Pauſanias aber berichtet, daß fie von 
der Sonne und vom Wafler aufgelöfet worden. 7) 
Die Erde zn gebraiten Ziegeln wurde mit gefiößenem 
Zufo, welchen man io Sperone nennet, vermi- 
ſchet und zugerichtet, welcher gelblih if, und im 
euer röthlich geworden fein wird, als welches die 
Barbe der Körner innerhalb der Biegel if.) Sie 
wurden nicht die, aber um Gemãuer groß ge⸗ 


+ 


ı) Ibid. c. 8. [5.5.1 
2) Id. 1. 10. c. 4. [$. 3.) 
3) Ibid. © 35. 18.5.) 


4) Id. La c. 27. Pr 
5) Id. I. 5. æ. 5. —* 


6) L. 2. c. 3. 


7) L. 8.0.8. 8. 5:3 Vitrur. Le: 
Yaufanies fast nicht, daß fie von der Sonne, 
fondern welmehrr. daß fie vom Waffer, wie Wachs 
von der Sonne, aufgelöft würden. Siebelis. 


8) Nach dem Vitrunius ˖wurde zum Taig, Moraud man 


Ziegel. reichen wollte/ Stroh gemiſcht, um den Thon ˖ 
beſſer zu verdlnden. . Lucilius (aat. 1.9. princ.) und 
Nonius (v. aceratum.) fagen baflelbe.. Daß bie Iuden 
in Yaldftiina Stroh hiezu anwandten, fiegt man bei 
esehiel, (13ER. 103.) und die Yerfer bedienen Ach 
deſſelben heut zu Tage noch. (Chardin, Voyage en Pere. 
®2 p. 176.) Ze 


Erſtes Kapitel. 353 


machet: 1): ihre Dife iſt niemalg über. einen ſtarken 
Zoll, fie find aber drei bis Mer Palme groß, 
von. welchen auch Vitruvius redet, und dieneten 
ſonderlich zu Bogenwerken. 2) 


64. Die erſten Steine zu öffentlichen Gebaͤuden 
maren unter den Griechen ſowohl als Römern eink 
Art Tufſteine: Der Tempel des Jupiters zu 
Elis war davon gebauet; 3) ein Tempel zu Girgenti 
in Steilien, die Tempel und Gebäude zu Peſto am 
falernitanifchen Meerbufen, nebſt der alten in’s Ge 
vierte gebaueten Mauer diefer Stadt, 4) find eben⸗ 
falle von folhen Steinen aufgeführer. Diefer Stein 
it von: zweierlei Gattung: der eine wird erzeuget 
Surch eine fich verfleinernde Feuchtigkeit; er iſt weiß⸗ 
lich und gründlich, durchlöchert, und daher leichter 
als andere Steine: und als Marmor. Ein -folcher 
Stein ift der Travertino, welcher bei Tivoli ge 
brochen wird: Die andere Gattung tfl eine verflei- 
nerte Erde, und iſt theils ſchwarzgraulich, theils 


14 Sehr vorzüglich iſt die Sorm der Ziegel, welche man 

m dem’ alten Ruinen von Pozzuoli und Balä fieht, fm 
wohl sur Verbindung der Mauern als sur Woölbung der 
Bogen. Abbildungen derfelben findet. man. in dei. Pa; 
ter3 Pao.li. Antichitä di Pozzuoli. tav. 67. Gen. 

2 Der Berrimtheit wegen ift über diefe Stelle de Vi⸗ 
truviuns zu bemerken, daß der Palm, von welchem ders 
felbe vedet, vier Singer, deren fechsehn einen Fuß 
ausmachten, breit war: In den: alten: Gebäuden findet 
man weit größere Ziegel. Die, welche su Bogengewöl⸗ 
ben dienten, wurden meiftend keilförmig gebildet, Sea. 

3) Pausan, 1.5. c. 10. [$. 2.] 

Der von: Ppuſanias erwähnte Stein IE Poros, 
ein Marmor. Siebelis. 

4 [Die Mauer it nicht in's Gevierte gebaut, wie 


in einer Note zum 6.4 ded WBorberichtd angemerkt 
voprden. 


157 


% 


352 Baukunſt der Alten. 


Mauern zu Mantinen, und zu Eon am Fluſſe 
Strymon in Thracien, 1) ein Tempel zu Banopen, 2) 
und ein anderer der Cæres, beide in der Landfchaft 
Bhocis; D eine Halle zu Epidaurus, 4) und ein 
Grabmal der verfiöreten Stadt Kepreus in der Lande 
fchaftelis.5) Ausdem Vitrudius fcheinetes, daß 
zu Nom und in der Gegend umber die mehreſten 
Häufer von folchen Ziegeln aufgeführet geweſen, und 
dieſer Scribent handelt umfändlih von deren Zu⸗ 
richtung. ) Pauſanias aber berichtet, daß fie von 
der Sonne und vom Waſſer aufgelöfet worden, 7) 
Die Erde zn gebraten Biegelm wurde mit geflößienem 
Zufo, welchen man izo Sperone nennet, vermie 
fchet und zugerichtet, welcher gelblich if, und im 
“ Feuer vröthlich geworden fein wird, als welches die 
Zarbe der : Körner innerhalb der Biegel IH.) Sie 
wurden nicht die, aber zum Gemäuer groß ge 


+, 


1) Ibid. c. 8. [$. I .. 
2) Id. 1. 10. c. 4. 18.3.) 
3) Ibid. c. 35. [$.5.) 


. 4) Id. L 2. c. 27. 8.23, 
5) Id. I. 5. c. 5. [8.4 4lıen ” 


6) L. 2. c.3. 


7) L. 8. — ————— 
Yaufankes fast nicht, daß fie von dr Sonne, 
fondern welmehrr; daß fie vom Waſſer, wie Wachs 
- von der ‚Sonne, anfgelöft würden. Siebelis. 


8) Nach dem Vitruvius ˖wurde zum Taig, woraus man 


Ziegel. ſtreichen wollte, Stroh gemiſcht, um den Thon 

. beffee zu verdinden. Lucilius (eat. L. 9. princ.) und 
Nonius (v. aceratum.) ſagen daſſelbe. Daß bie Juden 
in Paläſtina Stroh hiezu anmwandten , fießt man be 
Szechiel, (3ER. 103.) und die Perſer bedienen Ach 
derielben Heut zu Tage noch. ( Chardin, Voyage en Pers. 
22 p. 178.) Sea 


Erſtes Kapitel, 353 


machet: 1). ihre Dike iſt niemalg über einen ſtarken 
Zoll, fie find aber drei bis Per Palme groß, 
von. welchen auch Vitruvius redet,. und dieneten 
ſonderlich zu Bogenwerken. 2) 


64. Die erſten Steine zu öffentlichen Gebäuden 
waren unter den Griechen fowohl als Römern eink 
Art Tuffleine Der Tempel des Aupiters zu 
Elis war davon gebauet; 3) ein Tempel zu Girgenti 
in Sieilien, die Tempel und Gebäude zu Peſto am 
falernitanifchen Meerbufen, nebft der alten in’s Ges 
vierte: gebaueten Mauer diefer Stadt, 4) find eben. 
falls von folchen Steinen aufgeführet. Diefer Stein 
it von: zweierlei Gattung: der eine wird erjeuget 
durch eine fich verfleinernde Feuchtigfett; er if weiß- 
lich und gründlich, durchlöchert, und daher leichter 
als andere Steine: und als Marmor. Ein -folcher 
Stein ift der Traverting, welcher bei Tivoli ger 
brochen wird: Die andere Gattung if eine verſtei⸗ 
nerte Erde, und iſt theils ſchwarzgraulich, theils 


4) Sehr vorzüglich iſt die Form der Ziegel, welche man 

in der alten Ruinen von Pozzuoli und Bald fieht, ſo⸗ 
wohl zur Verbindung der Mauern ald sur Wöolbung ber 
Bogen. Abbildungen. derfelben findet. man. in bed- Pas 
terd Pao.li. Antichitä. di. Pozzuoli. tav. 67. Gen. 

2) Der Beftimtneit wegen ift über diefe Stelle dei Vi⸗ 
truvius au benterfen, daß der Palm, von welchen der 
felbe redet, vier Singer, deren ſechzehn einen Fuß 
ausmachten, breit war. In den: alten- Gebäuden findet 
man weit größere Ziegel. Die, welche su Bogengewöl⸗ 
ben dienten, wurden meiſtens keilförmig gebildet, Sea 

3) Pausan. 1.5. c. 10: [$. 2.] 

Der von: Prvufantiad erwähnte Stein IE Poros, 
ein Marmor Siebelis. 

4 [Die Mauer it nicht in's Gevierte gebaut, wie 


in einer Note zum' S. 4 des Vorberichts angemertt 
worden. ] 


4157 


| 354 Baukunſt der Alten. 


söthlich: dieſes ißt der Stein, welcher in Ztalien 
Zufo heiffet, und beim Bitrnviugder rothe Stein 
ift, welcher um Nom gegraben wird. 1) Perrault 
wußte dieſes nicht. 2) 

$. 5. Jener wird über der Erde gebrochen, 
und diefer wird unter der Erde gegraben. Die 
eritere Gattung findet ſich insgemein an. Orten, 109 
Schmwefelguellen find, wie bei Tivoli und bei Bells; 
an diefem Orte fällt der ſchwefelichte Bach in’s Meer, 
von welchen auch Strabo redet. 3) Der Tra- 
vertino insbefondrre wird von dem Waſſer des Anio, 
130 Teverone genait, welchem man die Eigenfchaft 
zu verfieinern beileget, und yon den Schwefelquellen 
bei Tivoli, erzeuget. Es wachſen diefe Brüde in 
weniger Zeit wiederum zu, und man bat mitten in 
den Steinen zumeilen &teinbrechereifen gefunden, 
‚welches dieſes beweiſet. Auch der Marmor wächfet 
wiederum zu: dei man fand eine eiferne Brechflange 
in einem großen Blofe von fogenanten afrifani 
fhen Marmor, da berfelbe für die Kirche 
Della Morte, hinter dem farnefifchen Palaſte, 
verfäget wurde. Noch aufferordentlicher aber iſt der 
Borphyr, in welchen man vor dreiffig Sahren eine 
güldene Münze des Auguſtus fand. 


1) L. 2. c. . 

2) Ad Vitruv. L.c. p. 40. n. 1. edit. 1684. 

3) Es if de Fluß Silarus, von welchem Strabo 
(1. 5.) Plinius (I. 2. c. 103. sect. 106.) und 
Silius Italicus (de Bello Pun. 1. 8. v. 582.) 
melden, baß er’ die Kraft babe, alles zu verfteinern, was 
man hineinwirft. Man fehe auch de3 Pater! Paoli 
Rovine della città di Pesto (dissert, ı.n. 11. pag. 10.), 
wo derfelbe bemerkt, daß nahe an den Mauern der Etadt 
vorteil, auf der Mitternachtfeite, eine Quelle von weiſſer 
Sarbe und fiinfend von dem mit fich führenden Schwefel 
nach dem Meere zufließe. Er gipt eine Abbildung der 
friben (tar. 64.) Sen 


Erſtes Kapitel. 355 


6.6. Die zweite Art, nämlich der Tufo, ift, 
als erdartig, viel weicher als jener, und bei Neapel 
gibt es eine Art, welche mit ber Act bearbeitet 
wird. Eine andere Art von Tufo iſt derienige, wel⸗ 
cher auch bei Neapel gegraben wird, und Rapillo 
heiffet; vermuthlich folte man Lapillo fagen. 1) 
Diefes iſt ein Hleinichter fchwarger Gries, und es 
werden mit demfelben die Eftriche in vielen Haͤuſern 
und auf allen platten Dächern dafelbit geleget. Die- 
fer Gries findet fich auch oberhalb Frafeati, bei dem 
alten Zufeulo, wo er Rapillo genennet wird. 
es ift vermuthlich eine Wirkung von einer ehemaligen 
Entzündung der Gebirge dafelbfi, wo man auch 
Stufenwerke in FTleinen Tänglichen Würfeln häufig 
findet. 2) Wen die alte römifche Gefchichte meldet, 
daß es zumeilen bei Albano Steine geregnet habe, 8) 
fo ift diefes wahrfcheinlich von einem Ausmurfe der 
Gebirge zu veritehen. 

8.7. Der Tufo wurde bor Alters in Quadrat⸗ 
füfen gebrochen, und nicht allein zu Grundlagen 
gebrauchet ,. fonbern es wurden auch ganze Gebäude 
davon aufgeführet, und die Waflerleitungen auffer 
om, welche nicht von Ziegeln find, find von Tufo 


1) So nennet man ihn zu Neapel, Sen. 


2) Er findet fih auch in der Gegend um Velletri, und 
Doctor Lapi, welcher ihn auf Verlangen des Cardinals 
Borgia chemifh unterfuchen mußte, fand, wie der 
Dater Becchetti berichtet, daß diefer Rapillo aus 
Eifen, bad vom Magnet leicht angezogen wurde, :aud 
Alcali, daB mit Säuren braufte, und aus ver: 
slafter Erde, alſo aus den nämlichen Beſtandtheilen, 
wie Puzzolana, beſtehe. Man fehe des Doctors Lapi 
Abhandlung im Giornale de’ Letierati, an. 1758. art. 
8. p. 1203. amd deſſen Lezione accadem. de’ due laghi 
Albauese e Nemorcse. Sea. j d 


3) Lir. 1.1. e. 12. n. 31. 1.25. 0.6. n. 7. 


356 Baukunſt der Alten. 


gebauet, 1) und auch das Innere der Mauern im Co 
liſes. Bo wird diefer Stein in kleineren Stüfen, 
fo mie fie die Hate bricht, gegraben, und dienet zu 
Grundlagen, zu Gewölbern, und zum Ausfüllen, wie 
ich unten anzeigen werde. 

8.8. In und um Nom wurde auch ber Pepe⸗ 
rino zu ben erften Gebäuden gebrauchet. Diefes 
if ein duntelgraulicher Stein, baͤrter als der Tufo, 
und weicher als der Travertino, Tan alfo auch 
leichter als diefer bearbeitet werben. Bei den Alten 
hieß er der albanifche Stein, ?) weil er häufig 
bei Albano gebrochen wird ; welches Die Erklärer 
und iberfeger angeführter Geribenten nicht ange 
merfet haben: izo heiffet er zu Rom Beperino, umd 
zu Neapel Biperno oder Bipierno; vermuthlid 
son Biperno (Privernum), mp eben ber Stein häufig 
gebrochen wird. Aus bemfelben beftehet die Grundlage 
des Sampidoglio, im 367 Zahre der Stadt Nom ge 
machet, von welcher noch 130 fünf Lagen großer Steine 
über der Erde zu fehen find, welche Ficoroni in 
Kupfer fkechen laften: 3) die mehreſten Steine haben 
fechftehalb Balmen in der Länge. HM Die Clo aea 


4) Einige waren auch von Peperino erbauet, 38%. 
daB ilberbleipfel der Wafferleitung des Anieno vecchio, 
weicher in der Stadtmauer nahe an der Porta ©. 
Lorenzo au fehen ift, und bie Wafrerleitung der acqua 
Marcia. Die Leitung der acqua vergine iſt an einigen 
Stellen, 3 B. hinter dem Palaſte Bufali, von 
Treavertine Gen. 

3) Vitruv. 1.2. ec. 7. Plim. 1. 36. c. 22. sect. 48. 

3) Le vestig. di Roma ant. 1. ı. c 9. p- 60. 


AM Sicoroni (l. c. p. 42.) gibt in. Kupfer die überbleib⸗ 
fet eineß fehr alten Gebäudes von Peperino, unweit des 
tarpeiiichen Felſens, hinter dem Schuren und dem Stalle 

des Palaſtes Saffarelti, 114 Palm fang und 13 
hoch. Von Peperino find gleichfalls die Reſte von dem 
Unterbau des Capitols, welche man jezo im Hofe dab 


Erſtes Kapitel, 857 


maffima, das allerälteſte römtfhe Grab 
mal bei Albano, und ein anderes von den Alte 
fien Werfen der Römer, 1) vom 358 Nahre der 
Stadt Kom, der Ablaß des albanifhen Sees 
(i50 Lago di Castello ) find aus diefem Steine gebauet. 

6.9. An den Älteilen Zeiten von Kom muß der 
Travertino noch. nicht bekañt geweien fein: den eg 
wurden damals fogar die Snfchriften in Peperino ge 
bauen, wie dieienige if, welchedem Lucius@orneli 
us Seipio Barbatus, dem würdigfien Manne fel- 
ner Beit, welches Lob ihm in der Snfchrift gegeben 
wird, geſezet wurde. 2) Es if diefelbe im zweiten 
punifchen Kriege gemachet, und ſtehet in dex barbe- 
‚rinifchen Biblisthef. Sie ift faſt von gleichem Alter 
mit der duiltifchen, welche vermuthlich auch nur 
in foldhe “Steine gehauen gewefen fein wird, und 
in Marmor, wie aus einer Stelle des Silius vor. 


Hoſpitals della Eonfolationefieht, und bie pPiraneſi 
(della magnif. de’ Rom. ant. t. ı.) abgebildet hat; deß; 
gleichen die Überbleibfel bed tullianifhen Gefäng 
niffes, dad von Ancus Marciuß erbauet, und von 
Serviud Tullius, oder nah Andern von Tullus 
Hoſtilius, verarößert und nachher unter den Kaiſern 
von Travertino wieder hergeftellt worden. Der Peperino, 
ben man jeso in Nom gebraucht, wird bei Marino ger 
broden. Sen. 


ı) Liv. .5. c.2.n.19. 


2) Jac. Sirmondi vetustissima Inscriptio: qua L. Corn. 
Scipionis elogium continetur. Roms, 1617. 4. Wim 
ckel mañ fpriht von diefer Infchrift auch im feiner 
Geſchichte der Kun 8B. 48. 16 $, — Alle: diefe 
hier und an andern Orten angeführten Denkmale beweis 
Ten nad meinem Dafürhalten nichts andered, als daß 
man zu Infchriften und Bildwerfen den Vevertne früher 
als den Travertino angewendet habe; keineswegs aber, daß 
dieſer Testere in den älteren Zeiten Roms noch nicht 
betanit geweſen ſei; (weicher Minung auch Lapi if, 


358 Baukunſt der Alten, 


gegeben wird: 1) den die Überbleibfel von 
Marmor find nicht von derfelben Seit, D) und Gel. 
denus >) und andere Gelehrte wären über das Als 
tertum derfelben nicht zweifelhaft gewefen, wen fie 
die Inſchrift felbft fehen Fönnen. Der Marmor wurde 
fpät in Nom befant, #) aber cher, als im 676 
Zahre der Stadt, wie jemand vorgibt; 5) dei Bli- 
nius, welchen man anführet, redet von numidi⸗ 
fhem Marmor und von den erfien Thürfchwellen 
aus bemfelben, aber er behanptet an eben dem Orte, 
dag man vor des Auguſtus Zeiten in Stalien noch 
nicht verflanden babe, den Marmor zu fägen, wel 
ches Faum glaublich fcheinet. 6) Unterdefien bat ber 
Marmor an zwei Werfen aus der Zeit der Republik 
ohne Säge können gearbeitet werden: es find die- 
felben das prächtige Grabmal der Cäcilia Me 


Ragionam. mineral. del selce rom. p. 23.); da er ur 
fprünglich zum Bau der Elovaca maffima angewendet 
worden, eines Werks, welches viel älter it, als das 
Grab der Scipyionen, wie Piranefi (della 
Magnif. de’ Rom. tar. 3. e. p. 63. n. 30.) bemerft. 
Sen, 

1) Rycquius deCapit. c. 33. p- 124. edit. Gandarv. 1617. 4. 

2) Im Gapitolto, im Palafte der Eonfervatoren, unten am 
Aufgang der Trepe. Gen. 

3) Marm. Arundel. p 103. edit. Maitt. 

—4) 1[G. d. K. 3B. 4K. 47 8. Note. — 8 B. 4K. 

2656. Note.] 

5) De Cozze, Inscr. della base della Colon. rostr. di 
Duilio. p. 10. 

6) L. 36. c. 6. sect. 8. 

Bielleicht wollte Plinius durch die Worte: non dem 
enim secli miarmoris vestigia invenerat Italia, nur bie 
Seltenheit ber Kunft, den Marmor zu fügen, am 
deuten. Gen. 


Erſtes Kapitel. 359 


tella, 130 Capo di Bone genant, 1) und bie 
Pyramide des Ceſtius. Der Peperino, oder 
der albaniſche Stein, murde auch zu ber Beit, 
da der Marmor in Nom verfchwenderiich verbauet 
wurde, zu den vornehmften öffentlichen Gebäuden ger 
brauchet: dieienigen, welche fih aus der Kaifer Zeit 
erhalten haben, find das Forum tranfitorium 
bes Nerva, der Tempel der Ballas auf dem 
Foro dieſes Kaifers, und der Tempel des An- 
toninus und der Fauſtina; 2) ein Fleiner Tem 
pel auffer Rom an dem Lago Plantano, 60 Palmen 
lang und 30 breit, von welchem noch die vier Mau⸗ 
ern flehen, kañ vielleicht Alter fein. Sene Tempel 
aber waren mit marmornen Tafeln beleget, wie 
die überbleibſel zeigen. 3) 

$. 10. Die dritte Art Materialien, ver Mörtel, 
wurde von ben alten Römern, wie noch 150 allgemein 
gefchlehet, mit Puzzolana zugerichtet: diefe Erde 
hatte eben denfelben Namen vor Alters, nämlich 
pulvis Puteolanus, weil diefelbe vermuthlich zu Bus 
teoli, io Pozzuoli, bei Neapel, zuerſt entdefet 
wurde. Die Puzzolana iſt theils ſchwärzlich, 
theils röthlich; die fchmwärzliche iſt mehr eifenar- 
tig, -fchwerer und trofener, als die andere, umd 
bienet fonderlich zum Waſſerbau; den weil fie fpröde 
if, befomt fie Niſſe über der Erde: bie andere iſt 


1) Das Gebäude it mit Werfftüfen von Travertino bes 
kleidet; Die Inſchrift und der Fries, welcher rings uns 
herläuft, und mit Stierföpfen und Feſtons geziert if, 
ind von Marmor. Gen. 


2) (8. 98. 11%. 3 8. 208. und ebendaf. 22 S. und 
folg. — 12% 28 7$. Note) 


3) Das größte noch ‚vorhandene Gebäude von Peperino 
aus den Zeiten der Kaifer, in dem noch jeso davon ficdht; 
baren Theile, if dad Grabmal Hadrians. Fea. 

[G. d. 8. 12818 69J 


360 Sanfımf der Akten, 


mehr erdhaftig, und wird zu Arbeitemüber der Erde 
gebrauchet. Bene Art wird bei Neapel. gegraben, doc) 
diefe nicht; beide. Arten aber werden in und um 
Kom, und fonft in Feinem andern Theile von Hta- 
lien: gefunden. Es iſt aber zu merken, daß die Al⸗ 
ten die röthliche Puz zolana wenig gebrauchet ba- 
ben, welche izo hingegen in Nom mebr als die 
ſich war ze geſuchet wird. In den Gegenden am Mee⸗ 
se in. der römiſchen Landſchaft iſt fie ebenfalls nicht, 
und.die Alten ,. welche zu Antium baueten, werden die 
Puzzolana von Neapel geholet.baben, wie noch i50 da⸗ 
ſelbſt gefcheben muß; den cs. kom̃t diefe Erde mit 
mwenigern Koften zu Waſſer von: doriber, als von 
Kom auf der. Are dahin. 1) Nach Tofcana gebet 
fie zu Schiffe bis Livorna, und. wird auch in an⸗ 
dere Länder verführet. Baptif. Alberti redet in 
feinem Werfe von der. Baufunft, 2) als wei er 
nur von Meitem von der. Puzzolana reden bören, 
weil fie ihm, als einem Florentiner , nicht fehr ber 
kant fein koüte, 2) und an einem andern Orte ver⸗ 
‚wechfelt er diefelbe mit. Rapillo. 4) Im Griechen 
Iand bat. fich. diefe Erde, fo. viel. man weiß, auch 


1) Kofite man’ fie’ aber nicht auf der Tiber und ſodaũ zu 
Meere dapin bringen? Gen. 
2) L 2. c. ı2. edit. Fierent. 1550. fel. 


3) Doch war Alberti auch in Rom, und Baumeifter Pabſts 
Nicolaus V. wie Bafari-im Leben ded Alberti 
anführt. Auch fagt Alb.erti ſelbſt (1. c.) ev habe in 
Kom bemerkt,. daß die Einwohner in.ihren öffentii 
chen Gebäuden, nicht aber. in den Eleinceren, die ro— 
the Puzzolana gebrauchten. Balladius sicht dieſen 
Etein allen andern vor, (de re rust. I. 1. c. 10.) und 
war für alle Gebäude, ſelbſt für die auf dem Lande. 
Man kañ hieraus deiien allgemeinen Gebrauch abıeh 
nehmen. Sea. 


O L 3. e 16. p.59 


Erſtes Kapitel, . 361 


nicht gefunden, welches auch Vitruvinus anzei⸗ 
get, 1) und der Mangel derfelben iſt mit Urſache, daß 
die Griechen nicht, wie die Nömer, mit Leichtige 
feit Gemwölber machen fünnen. Es müßen aber die 
Griechen einen fehr feflen Mörtel zu machen ver⸗ 
ſtanden haben, wie der große Wafferbebälter zu 
Sparta noch i59 geiget, melcher aus Kielellieinen 
beſtehet, die mit einem Mörtel verbunden find, wel» 
cher fo hart iſt, als die Steine felbft. 2) 

8.11. Beide Arten Puzzolana werden gleich- 
fam zu Stein; ja der Mörtel wird härter als die 
Steine felbfi, welche er verbindet. 3) Diefes fichet 
man an den Trümmern der Gebäude am Geilade des 
Meers, welche bis in das Waffer hineingebauet find, 
gu Pozzuolo, Bain und in diefer ganzen Gegend , im- 
gleichen zu Porto d' Anzio, dem alten Antium, 
wo die alten Pfeiler, welche den Hafen macheten 
und einfchloßen, fo wie jene Gebäude, von Ziegel 
gebauet find. Dit Puzzolana miacheten die Alten in 
und um Nom ihre Straßen und Wege, welches 
noch izo gefchichet. 

$. 12, Die Lagen der Puzzolana gehen tief in 
die Erde, und zuweilen an 80 Balmen: ganz Nom 
iſt untergraben, dieſe Erde herauszuholen, und 
Diefe Gänge gehen viele Meilen weit, und folche 
find die Katakomben. 9 Da der Grund 


ı) L. 2. c. 6. 

2) Fontenu, Descript. de l’aqueduc ; dans 1’Hist. de PAcad. 
des Inscript, t. 16. p. 111. edit. de Paris. 

3) Puteolanus pulvis, si aquam attigit, saxum est. Senec. 
nat. quest. 1. 3..c. 20. 

4) Die Gänge ber Katafomben find entſtanden durch daß 
Sraben der Puzzolana und anderer Erbarten, auch sum 
Theil durch das Brechen des Tufſteins. (.Boldetti, Osserr. 
sopra i cimit. 1. ı. c. ı. Bottari, Scult. e pitt. sagr. 
2. 1.0.1.) Gen. 


Winckelmaũ. 2. 16 


362 Baukunſt der Alten. 


zu dem Palafte in der Billa des Herrn Cardinals 
Alerander Albani gegraben wurde, fanden fich 
drei folche Gänge über einander, daher man ge 
nöthiget war, mit dem Fundamente noch tiefer hin« 
unter zu geben,.und es iſt daffelbe über SO Palmen 
tief geleget. | 
8.13. Beider Art zu bauen, als dem zwei— 
ten Stüfe des wefentlichen Theils der Baufunft, 
fangen wir billig bei. der Grundlage an, welche 
entweder von großen vierefichten Stüfen Tufo 
mar, wie tch vorher angemerfet babe, oder von 
einen Stüfen Tufo, welches die gewöhnlichfte 
war, und es noch igo iſt. 1) Der Grund diefer lez⸗ 
teren Art wurde folgendermaßen angeleget, wie man 
an den Nuinen fiehet. Man warf den Mörtel, 
das iſt, Kalk mit Puzzolana durch einander ge- 
fchlagen, mit Mulden hinein, und Stüke Tufo dar- 
auf, und. diefes Hineinfchütten des Mörtels und 
der Steine wiederholete man bis die Grube voll 
war. Kine folche Grundlage fezet fich in ein paar 
Tagen, und wird durch die Puzzolana fo hart und 
feit, daß man unmittelbar nachher darauf bauen 
fan. UÜberhaupt iſt hier auch bei den Mauern über 
der Erde zu merken, daß in Abficht der Eigenfchaft 
der Puzzolana allezeit von den Alten mehr Mörtel 
als Steine gebrauchet find: auf eben dieſe Art find 
1) Diefe Steine hießen bei den Alten lapides quadrati; 
(Vitruv. 1. 1. c. 5. Liv. 1.6. c. 3. Senec. epist. 86.) 
man muß fich aber darunter weder vollfommen Fubifche 
noch vierefichte Stüfe vorftelien, fondern, wie Gali 
ant zur angeführten Steffe bed Vitruvius bemerkz, 
nur Steine mit einer platten Aufienjeite, die ort 
von ungleicher Größe waren, und die wir jeso unter dem 
allgemeinen Ausdruk behauene Steine oder Quader 
begreifen. Ten. 
[Auf Numero 174 der Denkmale find deren zu 
fehen , fo wie auf Numero 10 der Abbildungen ei 
gentliche Quadratſteine.] 


Erſtes Kapitel, - 963 


alle alte Gewölber gemachet. Wen das Gerüfle oder 
die Wölbung vorher mit Schalen oder Brettern 
war geleget worden, fchüttete man, wie bei Grund- 
Jagen, Mörtel und Eleine Steine Tufo oder gefchla- 
gene: Ziegel, fo mie fie im Auffchütten fielen, auf 
die Bogen des Gerüſtes von Brettern, bis zu einer 
beftimten Dife, welche in den diocletianifhen 
Bädern an 9 Palmen ift, und alsden trug man 
‚eine Lage von ebendemfelben Mörtel darauf, um 
das Gewölbe oben glatt zu machen. Ein großes 
Gewölbe fonte auf diefe Art durch eine Dienge Men⸗ 
fchen in einem Tage geendiget werden. Dieſe Art 
zu verfahren fichet man, mo die Bekleidung abge- 
fallen, oder die Gewölber geſtürzet find, am Coſli⸗ 
feo., inden Bädern des Titus, des Saracalla, 
des Dioeletianus, und fonderlich in den weit⸗ 
Läuftigen Trümmern der Billa Sadriani, wo 
fih noch die Lagen der Bretter von den Gerüften 
‘der Gewölber zeigen: 

$. 14. Diefer gefchwinde Weg zu mwölben iſt izo 
nicht mehr gebräuchlich, fondern Gemwölber werden 
mit der Hand .gemachet, aber noch allegeit mit Tufo 
und Puzzolana. Die obere Ausfüllung aber, bis 
alles mit dem Nüfen des Gewölbes gerade wird, 
gefchtehet muldenmweis (a sacco), wie überhaupt 
bei den Alten. Vermittelſt des Mörtels Fan man 
den Gewölben eine Form geben, welche man will, 
und es werden noch izo in Nom einige ganz platt 
gemachet, To daß es kaum gewölbet fcheinet. Das 
Gewölbe Läffet man einige Zeit auf deſſen Gerüſte 
fieben , daß es fich fezen Fan. 

Die Alten Tucheten ihre Gemölber, weil fie 
diefelben ſtark macheten, fo Yeicht als möglich zu 
halten, ‚und diefes thaten fie auf zween verfchiede- 
nen Wegen. Der gewöhnlichtie war, mit Schlafen 
zu wölben, welche von dem Berge Veſuvio kamen; 


364 Baukunſt der Akten. 


es find diefelben theils röthlich, theils graulich. 
Eine Art von ſchwarzdunkeler Farbe wird bei Vi⸗ 
terbo gegraben, in einer Gegend, wo fiedend heiffe 
Duellen find, die auch ein Ei hart fieden, wen eg 
nur einen Augenblif hineingelafen wird; diefe Ge 
gend wird Bollicame genennet, von bollire, fieden, 
und das umterirdifche Feuer bafelbii, nebſt den 
Schlafen unter der Erde find Zeichen, daß chemals 
daſelbſt ein Volcan ‚gewefen fein müße. Die SchIa- 
fen von DViterbo aber find nicht ſebr tauglich zu 
Gemwölbern, weil fie ſehr weich find. Jene Art 
Schlafen finden fih offenbar in alten Gewölbern, 
und find auch im Pantheon bei der neulichen inneren 
Ausbeflerung dieles Tempels bemerfet worden. Vi⸗ 
truvius aber übergehet, wie ale deſſen Ausleger, 
diefe Art zu wölben mit GStillfchweigen, und er 
gedenfet nur im VBorbeigehen.der Schlafen vom Veſuvio. 
Da die Natur Diefes Berges den Alten wenig befant 
war, fo waren auch die Wirkungen deffelben nicht 
unterfuchet. Ä 
$. 15. Gewölber mit diefen Schlafen geleget 
And in Menpel gewöhnlih; in Nom aber iſt der 
Herr Sardinal Alerander Albani der erfie, und 
bis izo der einzige, melcher in feiner Billa zu Nom 
alfo gebauet hat. Man verfähret auf folgende Weife, 
Nachdem das Gerüſt sum Gewölbe angeleget iſt, 
wird der Bogen auf beiden Seiten (le cossie della 
volta), wie vorher gefaget, gemanert bis auf das 
Mittel des Gemwölbes, oder deſſen Rüken. Diefer 
wird mit Schlafen und Mörtel geleget, und dieſer 
verbindet fich mit jenen, und dringet fie gleichfam 
durch, To Daß ein dergleichen Gewölbe Faum zu zer- 
Kören ift. 
. 8.16. Der andere Weg, die Gewölber zu erleich- 
teen, gefchahe mit leeren Urnen oder Töpfen von 
gebroütem Thone, welche mit der Dfnung heraus⸗ 


Erſtes Kapitel, 365 


wärts gefeget wurden, und auf und um biefelbe 
berum wurden Pleine Steine und Mörtel mit Mul⸗ 
den geworfen. Diele Töpfe ſiehet man bäufig an 
den Sewölbern im Eirce des Caracalla, oder 
wie andere wollen, des Galkienus, auffer Rom.) 
Arifioteles faget auch, dag man leere Töpfe 
eingemauert babe, un in Gebäuden den Schall 
der Stimme zu verſtärken. 2) 


») Fabretti, de aquis et aquæduct. Dissert. 3. p. v66. De 
Columna Trajan. c. 6. p. 147. 


Mehvere nach der Zeit des Sabretti gemachte Ent 
defungen in diefem Circus, 3. B. Medaillen des Cara 
salla, die man dafelbit gefunden, und die auf ihrer 
Rükſeite diefen Circus zeigen; die Etatue dieſes Kaiſers 
felsft und der Julia feiner Mutter, welche ımter Ele 
mens XI. aus der Ruinen deflelben bervorgessgen , und 
yom Herzog von Abranted, damaligen portugiefifchen 
Minifter in Rom, gekauft worden , nebft anderen Denk⸗ 
malen mehr, beweifen sur Genüge, daß e8 der Circus 
des Enarasalla fei. ( Ficoroni, Le Vestigia di Roma 
antica 1. ı. c. 24. p. 163. Drlandis Noten zu Nar⸗ 
dinis Rama antica; 1. 3. c. 3. p. 68.n.a.) Gem. 


23) Problem. I. 2. sect. 2. 


Derfelden Wirkung und der Harmonie wegen wurden 
fie auch in dew Theatern angebradt. (Vitrur. |. 1. c. 
1.1.5. c. 5.) Beſonders merkwürdig ift, ihrer ähn⸗ 
lihen Bauart wegen, die Eupola der Kirhe ©. Gt 
Tale in Ravenna, ein Wert des fechften Jahrhunderts 
aus den Zeiten Kuffiniand. Sie iſt ganz aus leeren 
Röhren gebauet, die im horisontaler Luge eine in bie 
andere. gefteft, und fo genau und wohl verbunden find, 
das die Cupola dadurch nicht nur fehr leicht, ſondern 
auch zugleich von großer Seftigfeit iſt. Auch in einigen 
Wölbungen der Säulengänge, welche die vunde Kirche 
© Stefano auf dem Eölio umgeben, die von 
gleichem Alter ift, finden fich dergleichen Röhren au den 
Seiten, aber in faſt ſenkrechter Richtung. Sea, 


366 | Baufunft der Alten. 


8.17. Men die Grundlage des Gebaͤudes fich 
gefeget hatte, welches in ein paar Tagen gefchiehet, 
fo wurde die Mauer nufgeführet, und von derfel« 
ben ift erſtlich an fich felber, und nachher von 
ihrer Bekleidung zu reden. Die Mauern von 
vierefichten Steinen, es ſei Tufo, Beperino, Traver⸗ 
tino oder Marmor, wurden ohne Mörtel auf einan⸗ 
der geleget, und halten -fich durch ihre eigene Laſt. 
In ganz alten Zeiten wurden die größten Steine zu 
Gebäuden gefuchet, und daher Fam die Sage, daß 
es Werke der Cyklopen wären: 1) eben fo 
werden noch izo die Trümmer von dem Tempel des 
Supiters zu Girgenti in Sicilien, von den Ein- 
wohnern der Palaft der Ntefen genennet. 2) 
Die Steine find insgemein fo winkelrecht und Tcharf 
behauen, daß die Fugen derfelben wie ein dünner 
Faden fcheinen, und dieſes iſt, was bei einigen 
Seribenten apmovsa beiffet, D welche fonderlich an 


ı) Pausan, 1.2. c. 20. [$. 5.] c. 25. [$. 7.] 


2) Fazell. de reb. Sicul. t. ı. ‚Dec. ı. 1.6. p. 248. 

Sazello fast nicht, daB diefe Trümmer der ans 
geflihrten Urfache wegen fo genaitt wurden, fondern weil 
die Berfhwörung der Giganten gegen den Jupiter 
in der Säulenhalle gegen Morgen in fo vielen Statuen 
abgebildet geweien. Eben fo nennet man ein alte Ge 
bäude aus Ziegeln zu Kumä den Niefentempyel, wegen 
einer Eolofialen Statue Jupiter, die daſelbſt ge: 
funden, und im Jahre 1670 zu Neapel dem Fönislichen 
Palaſte gegenüber aufgeftellt worden, wo fie unter dem 
Namen il Cigante noch jezo fieht. (Paoli, Antichitä 
di Pozzuolo; tav. 47. fol. 29.) Sea. 


3) Die überſezer haben diefed Wort durch Symmetrie gege⸗ 
ben; wir finden es aber an den mehreſten Orten, we 
e8 beim Pauſanias vorfoft, von der genauen 
Sügsung der Steine gebraudet; 3. ©. 1. 2. c. 25. 
(8. 7.) 1. 9. c.33. [$. 4.) ce. 39..[8. 5.) Winckelman. 


Erfied Kapitel. ' 367 


dem Tempel zu Legen, vom Skopas gebauet, 1) 
gerühmet. wird. An einem Tempel zu Cyzikum wa⸗ 
ren die Fugen mit goldenen Leiftchen beleget, 2) 


6. 18. Es ift befaft, daß an andern Gebäu⸗ 
den die großen Steine auch mit eingelötheten 
Klammern innerhalb auf einander befeflfiget find, 
welche fonderlich zum Marmor von Metall genom- 
men wurden; den das Eifen verurfachet an dem⸗ 
ſelben Nofiflefen. Alberti hat auch fogenante Klam⸗ 
mern oder Keile von Holz in alten Gebäuden: ges 
gefunden, 3) und eben diefes bat Herr Le Roy 4) 
in den Trümmern eines Tempels im attifchen Ge⸗ 
biete, und einer meiner Freunde, Herr Robert 
Mylne, aus Schottland, (welchem die englifche 
Nation den Bau einer prächtigen Brüfe über die 
Thames Üübergeben,) an einem großen Steine vom 
gebachten Tempel des Jupiters zu Girgenti be 
merfet. 5) 


ı) Pausan. 1.8. c. 4ı. I8. 5.] 

Yaufaniad redet daſelbſt von dem Tempel, welchen 
Iktinus in Phigalien bauete. Fea. 

2) Plin. 1. 36. c. 15. sect. 22. 

3) Dell’ architettura,1. 3. c. 11. 

4) Ruines des plus beaux monumens de la Grece, t. ı. 

part. 1. p- 4 , 

5) Flaminius Vacca (Memorie, n. 39.) erzählt, 
Daß, um dad Nonnenflofter, welches im Forum deB 
Nerva liest, auszubauen, einige Werkſtüke von Pepe 
rino herabgeworfen worden, welche mit folchen Klam⸗ 
nern von Hol; verbunden waren, die auf beiden Seiten die 
Sorm von Schwalbenſchwänzen hatten, und fo wohl 
erhalten gewefen, daß man fie auf's neue brauchen koñte; 
und Fein Tifchler Habe dad Holz gefafit, and welchem fie 
verfertist waren. Auch Piraneft Hat an einem Grab; 
male vor der Porta S. Sebaſtiano hinter Capo di Bove 
auf der alten appiihen Straße Werkſtüke von Tufo auf 


368 | Baukunſt der Alten. 


$. 19. Die Stadtmauern aus großen Steiner 
- wurden ebenfalls ohne Mörtel aufgeführet. in 
befonderes Werk iſt ein Theil der Manern um Fondt 
im Königreiche Neapel: es beflchet dasfelbe aus großen 
weiſſen Steinen, deren Flächen glatt behauen find, 
aber fie find alle. von ungleicher Form, von füny, 
fechs und von fieben Efen, und alle find fie in ein- 
ander gepaflet. Man kañ fich davon aus der dritten 
Kupferplatte zu dem Vitruvio des Herrn Marchefe 
Galiani einen Begrif machen, und aus einem 
Stüfe der alten Mauer um. Albany, welche Fa- 
bretti bat in Holz fchneiden Iaffen. 1) Auf eben 
diefe Art waren die Mauern um Korinth und. um 
. Eretria in Euböa gebauet, auch zu Oſtia, 
einem Drte in Epirus, fanden fich dergleichen Mau⸗ 
ern, von welchen der Ältere San Gallo, Bau⸗ 
meifter, wie von denfelben zu. feiner Zeit noch die 
Spuren waren, in deflen Beichnung auf Bergamen 
in der barberinifhen Bibliothef die Form und 
eine gefchriebene Anzeige gibt, und ich babe von 
diefen Mauern bei Gelegenheit eines gefchnittenen 
Steins in dem ſtoſchiſchen Mufeo geredet, 2) 


diefe Weite mit ffgenallten Schwalbenſchwänzen von 
Eichenholz verbunden gefehen. Er gibt eine Zeichnung 
davon. (Antich. ron. t. 3. tav. 9.) Gen. 
ı) Fabretti de Columna Traj. c. 7. p. 229. 

Diefe ift die Art zu Bauen, welde Vitruvius (I. a. 
c. 8.) antica und inserta neit. Sie gleicht dem alten 
Straßenpflafter, wie man es in und auffer Rom ſieht. 
(Mögebildet unter Yumero 10. N.) Man findet davon 
fehr alte Überbleibfel an vielen Orten, und unter an: 
dern an einigen Stellen der von Aurelianus erbaueten 
Stadtmauer Roms, in den alten Mauern von Alatri,. 
da wo jezo Eivita liegt, in den alten Mauern von Pal 
Reina, Cori und andern Orten mehr. Gen. 


2) [2 Kt. 13 Abth. 979 9.) 


Erftes Kapitel, 369 


Eine Stadtmauer von folden Steinen iſt auch auf 
der Säule des Traianus vorgeficlet. 

8.20. Sn Bogenwerfen, an Wafferlei- 
tungen, Brüfen und Triumpbbogen wurden 
die Steine keilförmig gehauen, welches Ber 
rault, ohne Rom gefeben zu haben, hätte willen 
fönnen, damit er nicht behaupten wollen, die Alten 
hätten diefe Art die Steine zu bauen, welche feine 
Nation la coupe des pierres nennet, nicht verfian« 
den, und daf fie daher feinen Bogen von Steinen, 
"fondern nur von Ziegeln machen können. 1) Es 
bat fich derfelbe nicht erinnert, daß Vitruvius 
ſelbſt von Bogen aus keilförmigen Steinen 
handelt. 2) Ferner leget er feinem Abaten in den 
Mund, daß diefe Ungeſchiklichkeit der Alten Urſache 
fei, daB man Ardhitraven aus Steinen maden 
müßen , welde von einer Säule bis zur andern 
gereichet, und weil man die Steine nicht allezeit 
von einer erforderlichen Länge gehabt, daß man 
daher die Säulen enger zu fezen genöthiget gewe- 
fen. Diefes if eben fo falfh als das vorige: 
den an einem Reſte eines der älteſten Gchäude in 
Nom, auf dem Gampidoglio, an der Wohnung des 
Senators, fiebet man von einer dorifchen Ar 
Hitrave den untern Balfen übrig. an wel 
chem die fogenanten Tropfen hängen, nebit acht 

ı) Parall. des anc. et des mod. t. ı. p. 115. 
3) L.6. c. rı. 
Er fpricht dafelsft von Bogen aus Feilfürmigen Stüfen, 

Doch fast er nicht ausdrüklich, ob die Keile von Ziegel 

oder von Stein find. Aber Strabo (1.3. p. 360.) 

fast deutlich, einige alte Cloaken in Rom feien von einer 

folhen Breite und Höhe, daß ein mit Heu belade 
ner Wagen hindurch fahren köñte. Sie waren aus 

Stein gewölbt, wie noch jeso die Cloaca maTfima 

Fi auch dad Thor zu Paſtum ik and Stein gewölbt, 

ea. 


370 Baukunſt der Alten. 


dorifchen Kapitälern. Der Raum zwiſchen zwelen 
dDerfelben zeiget an, Daß ein Kapitäl fehlet, und dag 
derfelben, fo weis die Architrave fichtbar- iſt, Tech“ 
zeben fein müßten. Dieſer Balken iſt aus Fleinen 
Steinen, etwa von zween Palmen ein jeder, zu⸗ 
fammengefezet, welche gehauen find, wie es izo ge⸗ 
fchehen würde in gleichem Falle, j 

$. 21. Die Mauern von Fleinen Steinen mur- 
den insgemein mit keilförmig gebausmen Gtüfen 
Zufo, deren Fläche viereft it, oder mit eben fol- 
chen SKiefelfteinen beleget und gefüttert, und dieſe 
Art beiffet bei den Alten opus reticulatum, weil die 
Zagen diefer Steine nach Art des Geſtriks eines 
Nezes geben. Dieienigen, welche diefe Ausfüt⸗ 
terung als lange Würfel vorſtellen, irren fih. 1 
Vitruvius behauptet, 2) daß dergleichen Mauer 
werk nicht dauerhaftig fei; es haben fich aber gleich- 


1) Alberti, dell’ Archit. 1.3. c.9: Bon ihm Hat Pen 
rault genommen, was er über diefen Gegenftand fagt. 
Winckelmañ. 

Alberti irret ſich nicht, deñ was derſelbe fast, iR 
von dem, wie Winckelmañ es verſteht, ſehr verſchie⸗ 
den. Er behauptet im Weſentlichen blos, daß das nez⸗ 
förmige Mauerwerk der Alten oft mit Stellen von läng⸗ 
lich vierefigen Ziegelfteinen in Form eined Paralle lograms 
unterbrochen ſei. Seine eigenen Worte lauten, wie 
folgt: Io ho avverüto, che gli antichi usarono nclle 
opere reticolate tirarvi il recinto, che fosse di cinque 
ordini di mattoncini, o non meao di tre; e che tutti, 
o almeno un ordine fosse di pietre non piü grosse che 
le altre, ma ben piü lunghe, e piü largbe. Diefed wird 
durch die Abbildung beftätiat, die er davon beifügt. In 
vielen anderen Arbeiten dieier Art machen die Reihen von 
großen Steinen oder langen Ziegeln su 6 bid 7 über ein 
ander, wie im Amphitheater au Lucca und zu Arezzo, 
diefelbe Wirkung, wie Guazzeſi bezeugt. (Dissert. in- 
torno agli anfit. della Tosc. oper. t. 1. p. 22.) Gen, - 


2) L. 2. c.8. Plin. 1. 36. c. 22. scct. 5ı. 


Erfied Kapitel, 371 


wohl ganze Gebäude, "welche völlig fo gemauert 
find, erhalten, wie unter andern die fogenalite 
Billa des Mäcenas zu Tivoli it, der Kell von 
dem Tempel des Herfules dafelbfi, die überbleib⸗ 
fel von der Billa des Lucullus zu Frafcati, 
und große Stüfe Mauern von der Villa des Don 
mitianus zu Gaftel Sandolfo, in der Billa 
Barberini, zeigen; 1) und in andern Ländern auſſer 
Stalten befinden fich mehr Überbleibfel von diefer Art 
Mauerwerke.?) 

6.22. Was die Mauern von Ziegeln betrift, 
ſo ſind ſie erſtlich an ſach ſelbſt, und hernach 
das Übertünchen oder Übertragen derſelben zu 
betrachten, . wohin auch die Fußboden gehöre; 
Die Mauern von den großen Gebäuden der Nömer 
find nicht durchaus von Ziegeln, fondern nur 
mit denfelben gefüttert, und muri a cortina, 
wie man izo redet: das Inwendige derfelben ift mit 
fleinen Steinen, Scherben und dergleichen, und 
mit Mörtel ausgefüllet, fo daß vom Mörtel allezeit 
das Drittheil mehr ill. Vitruvius nennet diefe 
Art Emplefton; 3) er redet aber nur von Diauern 

1) Der Marcheſe Galiani bemerkt Hei ter ‚angeführten 

Etelle des Vitruvius ſehr richtig, daß von biefem 

nesförmigen Gemäuer mehr Monumente übrig geblieben 

find, als von andern Arten, obgleih Perranit.eh 
ohne Grund Täugnet. Er glaubt, daß daß leichte Reifen, 
welches Vitruvius und Plinius daran bemerfen, von 
den nicht Horizontalen Lagen der Steine herrühren _ 
könne, aber daß deffen ungeachtet diefe Arbeit wegen dev 

Kleinheit der- Steine und der Menge von Kalt, die dazu 

erfordert wird, fehr dauerhaft fei. Unter den in biefer 

Hinficht merfwürdigen Gebäuden zeichnen fich vorsägfich 

zwei su Bajä aus, wie Pater Paoli in feinem Briefe 

an mich.($. 45.) bemerft. Sen. 
[Man febe die Abbildung Num. 2.) 
2) Darmann. Syll. Epist. t. 2. 191. 
3) L. 2. c. 8. 


372 Baukunſt der Alten. 


vor Steinen, nicht von Ziegeln, weldhes offen 
bar ift, da er nach geendigter Befchreibung derfelben 
von Mauern aus Ziegeln insbefondere zu 
reden anfängt» mo er diefer Art nicht gebenfet, 
noch defien Ausleger. Auf diefem Wege zu bauen 
waren die Römer im Stande fo ungeheure Mauern 
aufzuführen, melde an 9 big. 13 Balmen dif find. 
Man bat unterdeffen auch in neueren Seiten der- 
gleichen Mauern, und zwar von ganzen Ziegeln 
aufgeführet, mie diejenige iſt, auf welcher die Eu- 
Bo znot Beter zu Rom rubet, und 1A Balme 
dik iſt. 

$. 23. Von ſolcher Arbeit ſcheinen die Mauern 
zu Babylon geweſen zu fein: den das Wort aizu- 
sa beim Heradotus, 1) welches andere apzedor 
erklären, 2)- deutet auf Diefelben. Es koñten feine 
Mauern fein, wie ſich Herr Weffeling biefel- 
ben vorftellet, 3) von über einander geworfenen 
Steinen, fondern fie werden, wie bei den Nö—⸗ 
mern, mit ordentlich gelegeten Biegeln ge 
füttert gewefen fein. Ob gefchliffene Ziege 
im Gebrauche gewefen, iſt nicht zu fagen: 4) izo 
aber findet man die ganze Auffere Mauer an einigen 
Gebäuden von benfelben geleget, wie unter andere 


, 


r) L. ı. c. r8o. 
2) Eustath. ad Odvuoe. zZ. XVID. p. 185 r.. 
3) Dissert. Herodot. p. 43. N 


-4) Man Bait mit Gewißheit verfichern - daß bad halbrunde 
Gebäude nahe beim Forum des Trazanus, von welchem 
Bindetmal im 2 Kapitel diefer Aumerfunger 
redet, und weiches gewöhnlich die Bäder des Paulus 
Amilius genaftt wird, von gefhlitfenen Zie— 
geln erbaut if. Zen. 

Winckelm añ hat biefedauch Inden su einer neuen Aus 
sabe dieſes Werks beſtimten Zufäsen 19. 32 — 33.1 aus 
geführt. Fernow. 


Erſtes Kapitel. 373 


an ber Kirche la Madonna de’ Monti zu Nom; 
auch die äuſſern Mauern des Balafles der Herzoge 
zu Urbino find aus gefchliffenen Steinen. !) Diefe 
Ziegel, weldhe zu Mauern und nicht zu Fuß. 
boden dienen follen, werden an beiden Enden breie 
ter als in der Mitten gemachet, damit man fie fall 
ohne Mörtel auf einander legen könne: den der 
Mörtel wird innerhalb, wo die Ziegel nicht ſchlie— 
Ben, geleget. Daher gefchiebet es, daß an Maue 
ern von gefchliffenen Biegen die Fugen zwifchen ih⸗ 
nen faft unmerflich find. 

8.24. Weñ ein Gchäude gegen die Anhöhe eis 
nes Berges, oder font an ein erhabenes Erdreich 
aufgeführet wurde, zog man, die Feuchtigfeit abe 
zuhalten, doppelte Mauern, fo dag zmifchen beie 
den ein flarfer Span Raum blieb. Diefes fiehet man 
am deutlichen an den hundert erhaltenen Gewöl⸗ 
bern in der Vila Kaiſers Hadriani bei Tivoli; 
Daher diefe Gemwölber noch izo fo trofen find, daß 
das Heu viele Sahre in denfelben liegen fan. Diefe 
Mauern find innerhalb mit folcher Sauberfeit gele- 
get, und ihre Fläche iſt fo glatt, daß man fiehet, 
Die Abſicht ſei geweſen, das Anhängen der Feuch- 
tigfeit zu verhindern. Dieſes dienet zur Erläutes 
rung defien, was Vitruvius davon lehret.?) Per⸗ 
rault Hat fich unter Ddiefer dopelten Mauer, 
mer weiß was vor ein Werk mit vielen Canälen 
oder Ninnen vorgeſtellet. 3) 

$. 25. Eine andere Urſache dopelter Mauern 
war, "fi wider den Wind zu verwahren, welcher 
bei den Griechen and, bei den Römern Africus, 


ı) Memorie d’ Urbino. Rom. 1724. fol. c. 3. p. 46. 
2) L. 7. c. 4. 
3) Ad Vitrur. l. c. 


4 Baukunſt der Alten. 


und i50 scirocco heiffet.1) Diefer Wind ksm̃t ans 
Afrika, wie befant tft, und herfchet ſowohl über 
die Küſten von Italien, als von Griechenland: er 


1) Wincdelmait beseht Hier in Benennung der Winde 
dafielbe Verfehen, welches er in der Geſchichte der 
Kunft (1 BB. 38. 13 $.) begangen hat. Der Wind, 

. welchen die Griechen A, die Lateiner Africus, und die 
Staliiner libeccio nennen, ift vom scirocco verſchieden. 
Diefer hieß bei den Griechen oosmunsas, supevurec, bei dew 
Lateinern euronotus und euroauster. Der erfte wehet 
zwifchen Süd und Welt, der zweite swifchen Sid und 
Oft. Alle alten Gcribenten, welche von der Zahl und den 
Namen der Winde gehandelt haben, flimmen darin über: 
ein. (Vitruv. 1. 1. c. 6. Plin. 1. 2. c. 47: sect. 46. Senec. 
natur. quast. 1. 5. c. 16. Aul. Cell. I. 2. c. zz. 
Veget. de re milit. 1. 4. c. 38.) Und weit wir die 
Denkmale der alten Kunft betrachten, fo finden str fie 
auf den Windzeigern oder Winduhren eben fo 
vertheilt; 3. B. an dem berühmten Thurm der Winde in 
Athen; ferner auf dem zu Gaeta; auf dem, welder in 
der Campagna di Roma vor der Porta Eapena gefunden 
und vom Pater Paciaudi erklärt worden, und auf 
dem, welcher in den Bädern des Titus gefunden und 
vom Abate Bifconti für das Muſeum Pio⸗Clemen⸗ 
tinum angekauft worden, auf weichem die Namen ber 
zwölf Winde in griechifcher und Tateinifcher Sprache ges 
fchrieben ſtehen. Der libeccio iſt vielmehr kalt und 
befonders Kürmifch, wie ihn auch Horaz (l.ı. carm. 
1. v.ı5. carm. 3. v. 12.) und Birgil (An. I. ı. 
v. 90.) nennen. Aber der scirocco bringt bie hier und am 
angeführten Orte dee Geſchichte der Kunft befchriebes 
nen Wirkungen hervor; in noch ftärferem Grade jedoch 
thut dieß der auster oder der von Süden wehende Wind, 
der in Kom gewöhnlich nicht vom scirocco unterfchieden 
wird; und daher nennet ihn auch Horaz (I. 2. sat. 6. 

m. 18.) mit dem ausdruksvollen Beiwort plumbeus auster, 
und Statiuß (Sylr. 1.5. c. ı. v. 146.) neit ihn 
malignus. 

— — — Sic plena maligne 
Afflantur vineta noto. 


Erſes Kapitel. 75 


if Thieren, Gewächſen und Gebäuden ſchädlich, den 
er führet fchwere, dife und feurige Dünite mitfi ch/ 
verſinſtert den Himmel, und verurſachet daher eine 
Entkräftung in der ganzen Natur. Zu Vethana 
in Griechenland riß man einen Hahn lebendig von 
einander, und es Tiefen zwo Berfonen mit dieſen 
Hälften um ihre Weinberge herum, in dem Aberglau- 
ben, daß diefes ein Mittel fei wider diefen Wind, wel- 
her ihren Wein verwelfen machete. 1) &s zermal- 
met derfelbe Eifen und andere Metalle, und eiferne 
Begatter an Gebäuden am Meere müßen von Zeit 
zu Beit erneuert werden , wozu die falzige Meerluft 
auch nicht wenig beiträgt. Das Blei auf der Eu- 
pola der St. Betersfirche in Rom muß alle sehen 
Sabre theils umgeleget, theils ausgebeflert werden , 
weil es von diefem Winde zerfreffen wird.) Wi 
der den Einfluß diefes Windes baueten. die Alten 
gegen die Mittagfeite vielmals mit dopelten Mau- 
een, doc fo, daß mehr Naum blieb, als mo die 
Mauern blos wegen der Feuchtigkeit dopelt waren: 


Ausführlicher befchreibt feine fchädlichen Wirkungen Hip 
potrated (de Aëre, Aquis. sect 2. $. 5) Austri 
auditum gravantes, caliginosi, caput gravantes, torpidi, 
dissolventes. Auch der libeccio erzeugt zuweilen Krank⸗ 
heiten, aber anderer Art. (Lancisi, de nativa Ronaani 
cali qualit. c. 3 — 4.) Sem 


) Pausan. 1. 2. c. 34.. [$. 3.) 

Pauſanias fpricht wirklich von dem as der Griechen 
öder dem Africus der Lateiner und libeccio der Staliäner, 
nicht vom scirocco, den Binder man im Einne 
: bat. Sem, 

2 Es iſt nicht der Wind allein, der das air 
fondern auch die große Sonnenhie, bie es ſchmelzt, dev; 
maßen, daß es zuweilen an Stelien geſchmolzen fließt; 

auch die Winterfröſte tragen viel zu beiten Verderbniß 
bei. Sen. 


+ 


376 Baukunſt der Alten. 


man ließ einen Raum von etlihen Fuß breit. 
Diefes bat der Herr Kardinal Alerander Albant 
in einem feiner prächtigen Luſthäuſer, zu Caſtel 
Gandolfo, nachgemachet. 

$. 26. Zu Aufhebung großer Laften beim 
Bauen bedienet man fich unter andern eines Nadeg, 
innerhalb welchem Leute liefen, wie dergleichen auf 
einer erhobenen Arbeit vorgeftellet if, welche auf dem 
Markte zu Capua eingemauert flehet. 1) 

$. 27. Bon der Bekleidung der Mauern ifl zu 
merfen, daß diefelben an öffentlichen prächtigen Ge⸗ 
bäuden mit gleicher Sauberkeit geleget wurden, fie 
möchten betragen werden oder nicht; und wen die 
Bekleidung abgefallen if, fichet die Mauer aus, als 
wen fie gemachet worden, bloß zu erfcheinen. Das 
Betragen der Drauern gefchabe mit mehr Sorgfalt 
als iso: deñ es wurde bis an fiebenmal wiederholet, 
wie Vitruvius anzeiget,2) jeder Aufteng dicht ge 
Schlagen, und zulezt mit geiloßenem und fein ge 
fiebetem Marmor überzogen; eine folche Beklei⸗ 
dung iſt dennoch nicht über einen Finger dik. I) 


1) Maßzocchi Kat davon (Amphith. Campan.) eine Abs 
bildung gegeben, [welche hier unter Num. 11 wie 
derholt if.) Gen. 

2) L. 7. c. 4. 

3) Das Verfahren, welches Vitruvius (I. 7. c. 3.) lehret, iſt 
weit mühſamer als Wincfelman es hier ahnen läßt, und 
in der That mußte die Bekleidung diker und höher fein. Sea, 

Nah Rodes überſezung lautet die Stelle ded Vitru⸗ 
vius, wie folgt: „Iſt dad Gefimie vollendet, fo berape 
„ man die Wände fehr grob, puse fie aber nachher, weit 
„ die Berapung faſt trafen iſt, dergeftalt mit feinem 
» Kalkmörtel ab, daß die Breite nah Schnur und 
„ Richticheit, die Höhe nach dem Bleilothe, die Winkel 
„ aber nah dem Winkelmaße, eingerichtet werden; deñ 
„ nur alfo wird fich die Bekleidung gut zu den Gemäß 


Erſtes Kapitef, 377 


Es war daher eine übertünchete Mauer fo glatt als 
ein Spiegel, und man machete Tifchblätter-aus folchen 
Stüfen Mauerwerf. Sn den fogenaiten Sette 
Sale von den Bädern des Titus zu Rom, unk 
in der Piſeina mirabile bei Bain, it man nicht 
im Stande, von den Wänden und Pfeilern die Be- 
kleidung abzufchlagen, den fie iſt fo hart als Eifen, 
und glatt wie ein geglätteter Spiegel. 1) Im ges 


„ den fchifenz und fängt dieſer Abpuz su trofnen an, ſo 
„ wird noch ein aweiter umd dritter gemacht. Je mehr 
„ diefer Abpuz von feinem Kalfmörtel Grund Hat, um 
„ defto fefter und dauerhafter wird auch die Bekleidung 
„» werben. Nachdem, auſſer der Berapung, nicht weni 
„ger als drei Aufträge von feinem Kalkmörtel gemacht 
» worden, fo übersicehe man die Wände mit einem 
„Taige aus grob geſtoßenem Marnior, der alfo anzus 
„machen ift, daß er beim Lintereinanderfnetten nicht an 
» der Kelle Hängen bleibe, fondern daß man diefe allemal 
„» ganz rein wieder aus ber Wanne heraussiche. Iſt dies 
„ fer Überzug fertig, fo mache man, bevor er völlig trofen 
„» geworden ift, einen zweiten etwas feineren; und nach⸗ 
„tem man bdiefen dicht sefchlagen und wohl gerieben, 
„ einen dritten noch feineren. Sind auf folche Weife die . 
„ Wände mit drei Yurtwägen von feinem Kalkmörtel und 
„ mit eben fo vielen von Marmorftucco verfehen, fo find fie 
„» nicht allein vor Riffen und andern Gebrechen gefichert, 
„ fondern fie werfen auch, weil fie mit Stöfen dit ges 
„ſchlagen, und mit hartem Moarmorftaube geichliffen, zu⸗ 
» gleich aber beim Poliren mit Sarben übersogen werden, 
„ einen ſchimmernden Glanz von fih.“ Gernomw. 
Jeder ſieht, daß Vitruvius hier von einem üben 
zuge fpricht, auf welchen gemalt werden foll, wie er im 
erfolge noch deutlicher fagt; er räth ferner, fie nicht 
did, fonbern fo dik ald möglich zu machen. Gen. 


3 Mit Recht bemerkt der Pater Paoli C Antichitä 
di Pozzuolo, tav. 6ı. fol. 34.), daß diefe Härte nicht ſo⸗ 
wohl der Bekleidung, ald vielmehr dem vom Waſſer ent: 

ſtandenen Abfaz zuzuſchreiben fei, welcher von der äuſſer⸗ 
Ken Härte if, und den man jchlerfen muß, um feinge 
‚ Oberfläche Stätte und Glanz zu geben. - * za. 

1 


378 Baukunſt der Alten, 


ringern Gebäuden oder in Grabmälern, mo die innere 
Seite der Mauer nicht mit gleicher Sauberfeit ge 
zogen ift, findet fich die Bekleidung an zween 
Finger dif. Aufferordentlih if. die Machricht, 
welhe Santes Bartoli!) von Zimmern gibt,. 
deren Wände ganz mit. Dünnen Eupfernen 
Platten beleget waren. Diefe Zimmer wurden 
zu deſſen Beit, das til, zu Ende des vorigen Jahr⸗ 
bunderts, ohnweit Marino bei Nom, entdefet, an 
einem Drte, welcher Alle Fratoecchie beiffet, 2) 
wo ehemals die berühmte Vergötterung des Ho⸗ 


4) In deſſen Nachrichten von entdeketen Alter 
tümern, welche unter andern zu Ende der Roma ant. 
e mod. angehänget ſind. Winckelmañ. 


V Wahrſchei nlich hat Wincke 1m añ dieſe Notiz, fo wie die 
obige Anmerkung aus dem Gedächtniß hingeſchrieben, und 
Sante Bartoli mit Flaminio Vacca verwechſelt. 
Der erſte war berañtlich ein geſchikter Zeichner und bes 
fühmter Kupferſtecher, aber meined Wiſſens fein Schrift: 
Beller. Der andere hat im Jahre 1594 die Memorie di 
varie antichitä trovate in diversi luoghi della cittä dı 
Roma gefchrieben, welche Andreoli der Roma antica deB ” 
Nardini (Rom. 1704) angehängt Hat; und in biefen 
Menıorie (n. 101.) gibt Va ec a Nachricht von einem Fleinen 
Zimmer, welches auf dem Aventino, der Kirche von ©. 
Saba gegenüber, gefunden worden. Es heißt dafelbſt: 
Flaminio Galgano padrone di una vigna incontro Santo 
Savo, dove si cavano li tufi per far le mura della citta, 
essendo tutto quel monte nelle ‚radici dell’ Aventino, 
miraccontö, che cavandosi nel tufo si trovö uno stan- 
zino molto adorno, col pavimento fatto di agata e cor- 
niola, e li mıuri foderati di rame dorato con alcune 
medaglie conmımesse , con piatti e boccali di rame, in- 
sirwucnti, che servivano nei sacrifizj; ma ogni Cosa 
aveva patito fuoco. Il detto stanzinv non aveya n& porte, 
ne finestre; onde era necessario, che gli antichi sces- 
dessero di sopra. Gen. 


Erſtes Kapitel, 879 


merus, im Palaſte Colonna, 1) gefunden 
wurde, und man glaubet, daß ebendafelbfi eine 
Billa Kaifers Claudius gemefen fet. 


8.28. Der Fußboden In Bädern und andern 
Gebäuden wurde zuweilen von Fleinen Biegeln geles 
get, welche ſenkrecht auf ihre fchmale Seite 
gefeget find, und zwar fo, daß fie Winkel mit 
einander machen, fo wie noch izo gebräuchlich ift, 
und alle Strafen zu Siena und in allen Städten 
des Staats von Urbino find auf folche Art mit Zie- 
geln gepflaſtert. Man nennet dergleichen Arbeit 
spina pesce, von.der Ähnlichfeit mit der Richtung 
der Fiſchgräten, D und die Alten opus spicatum, 
weil die Ziegel Tiegen wie Körner an einer 
Kornähre, welches Perrault nicht verflanden 
hat, 3) wie bereits anderwärts bemerket iſt. Über 
dieſen Grund wurde ein Mörtel mit geſtoßenen Zie⸗ 
geln geleget, und über dieſe Lage vielmals ein Mur 
faico gefeget. Sp ſiehet man es noch izo in der 
Billa Hadriani bei Tivoli. Die Alten hatten un- 
ter ihren Zeiheigenen auch Leute, die befonders aller- 
Hand Arten voy Eftrichen. zu arbeiten verflanden, 
welche pavimentarii hießen. 4) 

6. 29.. Das dritte Stüf diefes erſten Kapitels, 
welches van. der Form der Gebäude und von dem 
Theilen derfelben handelt, bat natürlich zween 
Saze. Der. erfie von der Form. gehet vornehmlich 
auf die Tempel, und diefe waren bei den Grie⸗ 
chen, fehr wenige ausgenommen, in's Gevierte 


4) [Nunmehr im britifchen Mufeo zu London.) 
2) [Eine Probe davon unter den Abbil dungen Num. 10.] 


3) De la Bastie, Remarg. sur quelg. inscript. ant. Acad... 
des Inscr. t. 15. Menı. p. 442. 


4) Vulpii Tabula Antiat. p. 16. ae " U 


380 . Baukunſt der Alten. 


gebauet, und zwar fo, daß ihre Breite insge 
mein die Hälfte der Länge war. Daher lehret 
Vitruvius, I) daß ein Tempel, wei er vorne 
fünf Intercolummia und fechs Säulen babe, nuf 
den Seiten noch einmal fo viel Sntercolumnin 
baben müße. Eben dieſes Verhältniß Hatte der 
Tempel des Jupiters zu Agrigentum in Sicilien, 
wie ich in einer befonderen Nachricht von diefem 
Tempel angezeiget babe: 2) den in einer genauen 
Ausmeflung des Plazes und der Trümmer defielben 
bat fich gefunden, daß die Breite 165 Fuß if; 
folglich muß anilatt der Zahl 60 beim Diodorus, 
160 ſtehen. Wo Hömer vierelichte Tempel gebauet 
haben, findet fich eben dieſes Maß: ein Eleiner 
Tempel von Peperino, am Lago Blantano, auf dem 
Wege von Tivoli nach Fraſcati, vom welchem oben 
Meldung gefchehen, 3) hat 60 Balmen in der Länge, 
und 30 in der Breite. Diefes Verhältniß aber 
feheinet noch nicht in dem älteflen Beiten befimt 
gewefen zu fein: dent der alte Tempel des Ju—⸗ 
yiters zu Elis war 95 Fuß breit und 230 fang; 9) 
der Tempel des Jupiters, weldhen Tarquinius 
auf dem Capitolio banete, 5) war beinahe eben fa 
breit als lang; es waren nur 15 Fuß Unterfchied. 

6, 30. Don runden Gebäuden, mit einem 
Gewölbe sder Cupola, in. Griechenland, finden 
fh vom Pauſanias in allem nur 6 angegeben. 
Eines war zu Athen neben dem Brytaneo:) ein 


ı) L.3. c.3. 

2) [Oben ©. 301 — 329.] 

3) [S. 359. 6. 9.1 

4) Pausan. 1. 5. c. 20. [5. 2.] | 
5) Dionys. Halic. Antig. Rom. 1. 4 c. 6». 
6 Pausan. l. 2. c. 5. [$. 13.1] 


Erſtes Kapitel. 361 


anderes zu Epidaurns, 1) neben dem Tempel des 
Affulapius, von dem berühmten Bildhauer Bor 
Infletus gebauet, und vom Baufias ausgemns 
let; es murde von defien Gewölbe Tholus genen 
net: 2) das dritte war zu Sparta, I) und in dem⸗ 
felben waren Statuen des Supiters und der Ve 
nus: das vierte war zu Elis, 4 das fünfte zu 
Mantinen, 5) und bieß der gemeinfhaftliche 
Herd; (an "Esıe) auch an andern Drten waren 
ebenfo genañte Gebäude, wie zu Rhodus, 6) und zu 
Kaunus in Karien: 7) das fechfte war der Schaz 
des Minyas zu Orchomenia. 8) Wei aber auf ge 
fchnittenen Steinen, wo der Körper des Heftors . 
um die Mauern von Troia gefchleifet wird, runde 
Tempel vorgeftellet worden, fo iſt diefes allein fein 
Beweis, daß fie alfo gewefen fein. Auf dem un- 
gewöhnlichen großen Schiffe, welches Btolemäus 
Bhilopator, König in Ägypten, bauete, war 
unter andern ein runder Tempel der Venus; ?) 


1) Id. 1. 3. e. 27. 8. 3.7 


2) Pauſanias ſchreibt, daß auch das vorher genafite 
Gebäude in Athen Tholus, Oorcs, genafit wurde. Wis 
truvius Cl 7. praf.) erwähnt eined Gebäudes au 
Delphi, welches gleichfalld Tholusd genaitt worden, und 
(1.4. e.7.) gibt die Regeln fir den Bau runder Tem 
ve. Sen, 


3) Pausan, 1.3. c. 1%. 
4) Id. L5. e. ze. [$. 5] 
5) Id. L 8. c.g.[$. 2.) 
6) Constant. Porphyr. Excerpt Polyb. I. 28. p. 138. 
z) Appsan. de bello Mithrid. p. ı85. D. 
8) Pausan. 1. 9. c. 38. 
9) Athen. 1.5. c. 9. 


932 . Baufunft der Alten. 


fo wie auf den Schiffen der Alten runde und 
gwar gemauerte Thürme mit einem gemwölbeten 
Dache oder Cupola, aber auch vierefichte 
gemauerte Thürme, waren. 1) San Gallo der 
Ältere, in einem Bande feiner Zeichnungen auf 
Bergament, in der barberinifchen Bibliothek, 
meldet von einem runden Tempel des Apollo zu 
Delphos. Ob der Tempel, welchen Berifles zu 
Eleufis bauete, rund geweſen, if nicht mit 
Gewißheit zu fagen:2) war er aber in's Bevierte 
gebauet , f9 hatte er dennoch eine Cupola und 
eine Art von Laterne auf derfelben; 3) und es 
findet fich dieſe und eine Cupola auf dem Tamburo 
auf einem vierefichten Tempel, weldyer auf dem gröf- 
ten Sarfophago aus dem Altertume, in der Bigna 
Moirant vor dem Thore ©. Sebaſtiano,4) vor- 
geſtellet iſt. Es iſt alfo der Tamburo feine neue 
Erfindung. Bei den Römern waren die runden 
Tempel gewöhnlicher als bei den Griechen: einige 
waren es aus einem allegorifhen Grunde, wie 


1) 1Beſchreib. d. gefhnitt, Steinem. 6 Kl. N. 
65. ıc. ] 

Man fehe Auch die Samlung der Altertümer des Bo 
ri oni, von Venuti erläutert, wo fih auf Taf. 73 
eine Gemme mit ähnlichen Thürmen auf einem Schiffe 
findet. Sea. ' 

‚2) Plutarch. Pericl. [c. 13.] ' 

‘3) Wahrſcheinlich hat Wincdelman diefed Gebäude, von 
welchem Plutarchus nichts ſagt, mit einem andern 
verwechſelt. Bald nach obiger Stelle ſagt er vom 
Odeon, welches gleichfalls von Perttles erbanet worden, 
daß es rund und von der Form eines königlichen 
Zeltes geweſen. Sea. 

lLNichts verwechſelt: Winckelmafl meint das 
Telefterion zu Eleufiß, von dem Plutarchus (l.c.) 
ald von einem Gebäude mir Liht von oben 
wirklich redet.) 

4) Seo im Mufeo Pio-Clementino aufgeftellt. Sea. 


J 


Erfies Kapitel, | 383 


der Tempel Veſta, 1) welchen Numa Pompilius 
bauete, fo wie es die Feuerherde, aus der Be 
nennung des runden Gebäudes zu Mantinen, fcheinen 
gewefen zu fein; ein runder Tempel in Thra— 
cien, welcher der Sonne gemweihet war, 2) deutet 
auf die Runde derfelben. 

8. 31. Zu der Form öffentlicher Gebäude 
und Tempel gehören die Säulen, welche in den 
älteflen Zeiten von Holze waren, fo wie noch zu 
Baufanins Zeiten in Elis ein Tempel fland, deflen 


. Dad ohne Mauern auf Säulen von Eichen ru- 


bete, 3) und an eben dem Drte war in der hinteren 
Halle des Tempels der Kuno noch damals eine 
eihene Säule. 4) Das älterte Verhältnif oder das 
Maß der Höhe der Säulen war das Drittheil 
der Breite eines Tempels, wie Vitruvius 
von der tofcanifchen Ordnung lehret,”) und Pli⸗ 
ntus überhaupt angibt: ©) diefes aber trift bei 
zween uralten Tempeln zu Bello nicht vollig zu, und 
die Säulen haben etwas mehr in der Länge, 7) 


Die Säulen der Alten veriüngeten ſich nach Art eines 


Baums, und die Ausſchweifung, welche Vitru⸗ 
vius Entaſis nennet, und ber der er fich wei 


ı) Festus, v. Rotunda «des. 
2) Macrob. Saturn. l. 22 c. 18. 
“ 3) Pausan. L 6. c. 24. [$. 7.) ° 

4) Id. 1.5. c 16. [$. ı.) 

5) L. 4. c. 7. 

6) L. 36. c. 23. sect. 56. 

7) Über den unterſchied zwifchen den Temveln zu Paſtum 
und den alten hetruriſchen Tempeln, welche Vit ruvius 
beſchreibt, ſehe man in dem Werke des Paters Paoli 


Über die Ruinen der Tempel von Päſtum. (Dis 
sert. 3. n. 22.) Sen. 


384 Baukunſt der Alten, 


läuftig aufhält, 1) findet fich an Feiner einzigen 
Säule von großen Gebäuden, (einige kleinere 
etwa von fpäteren Zeiten ausgenommen) und 
die Wahrheit zu fagen, dieſer Bauch gibt den 
Säulen Feine Bierlichfeit. ) Neifen haben fchon 
die älteſten Säulen und bei den Griechen hieß es 
faßdweıs aiovos, ?) Oder dakvona. 4) Die Siänlen 
wurden, wen ihre Größe ungewöhnlich war, von. 
den Griechen auch aus ungleichen Fleinen Stüken 
zufammengefeget oder gemauert, wie ich an einem 
andern Drte von den Säulen an dem Tempel des 
slympifchen Supiters zu Girgenti angezeiget 
babe. 5). An der vermeineteg Billa des Mäcenas 
zu Tivoli find die halb hervorſpringenden Säulen, 
fo wie das ganze Gebäude, mit Feilmäßig gebau- 
enen Steinen ausgefeget. Größer als alle übrig 
gebliebene Säulen von Granit und Marmor waren: 
die von pentelifchem Marmor an dem Tempel des 
olympiſchen Jupiters, welhe Kaifer Domi- 
tianus in Athen arbeiten, und zu Nom nadı« 


1) Kaum berührt er dieſelbe CI. 3. c. 2.1.4. c.3.). 
Dod gab er am Ende feined Werkes eine Abbildung das 
von, welche verloren iſt. Sea. 

2) Piranefi fand die Entaſis an der hetrurifchen 
Säufe unter den Ruinen eines alten Tempels zu Alba, 
im Gebiete der Haquier am See Fucino, wovon er 
eine Abbildung gibt, (della Magnif. de’ Rom. tav. 31. 
fig. 6.) und an den vier Pilaftern des aften Grabmales 
des C. Publicius Bibulus am Suse bed Capitols, 
wovon ebendafelbit (Sig. 7.) eine Abbildung; auch an 
den Säulen des dritten Gebäudes zu Päſtum, [movon 
die Abbildung unter Numero 7 au ſehen ift,) finder 
fie ſich. Sea. 

3) Aristot. Ethic. ad Nicom. 1. 10. c. 2. p- 17% 

4) Diod. Sic. 1. 13. c. 82. 


[ 5) ſOben S. 309. $. 28.). ' 


Erſtes Kapitel, 386 


arbeiten Tieß: 1) den Ligortus, welcher Stüke 
von denfelben gefehen, berichtet in feinen ungedruf- 
ten Altertümern in der vaticanifchen Bibliothek, 
daß dieſe Säulen im Durchmeſſer 10 Fuß gehalten; 
folglich mußten fie wenigfiens 80 Fuß hoch geweſen 
fein, wie auch diefer Sceribent angibt. 2) 


1) Plutarch. Poplie. c. ı5. 


-2) Ligorio im 18 Buche feiner Anttichitä, welche fich in der 
genaũten Bibliothek unter den ottoboniſchen Handfchrifs 
ten befindet (N. 3376.) bei dem Worte Tempio (Rük ſeite 
des Bl. 51.) fast blos, daß die Säulen jened Tempels 
von pentelifchem Marmor ımten am Anfange des Schaft 
9 Palme gehalten haben ; aber er gibt Feinen Beweis du⸗ 
"son. Mir fcheint ed unglaublich, daß biefer Tempel Säus 
"fen von ſolcher Dike gehabt Habe. Es ift zu bemerken, 
Haß derfelbe, ald er zu Veſpaſians Zeiten wieder aufs 
gebaut wurde, nach dem Ausſpruche ber Wahrfager 
nihtardßer im umfange, fondern blod Höher ers 
"baut werden durfte, wie Tacitus (Hist. 1.4. c. 53.) 
‚erzählt. Eben fo wird man ed auch nachher gehalten has 
‚ben, ald er aufd neue von Domitianu 8 wieder herges 
-ftellt wurde; und wahricheinlih Hat’ man, um dent 
-alten Plane treu zu bleiben, die aus Athen herüber 
gebrachten Säulen von pentelifhem Marmor überarbeiten 
und dünner machen müßen. Die Meinung ded Nar⸗ 
dini (Rom. Ant. 1.5. c. 15. reg. 8. p. 267.) und ans 
derer, welche glauben, dag biefe Säulen dieſelben ſeien, 
die man gesenwärtig-noh in der Kirche Araceli auf 
den Capitolio ſieht, ift völlig ungegründet, wie der Pas 
ter Caftmir in feiner Gefchichte derfelben (c. 6. p. 238.) 
zeigt. Diefe Säulen find fäntlih an Höhe und Dike 
ungleich; überdied find einige von weiſſem Granit, ans 
dere von rothem, andere von Cipollino, andere von Pas 
vonazetto und anderem Marmor. Größere Säulen, al3 
die von Ligorio angeführten, würden aud) die gewe⸗ 
fen fein, von welchen der Pater Minutolo (Dissert. 
7. de zdif. judic. 1. c. col. 159.) fast, daß fie au feiner 
Zeit, d. i. in der Mitte ded 17 Jahrhunderts, im Non 
nenkloſter S. Eufemin. (aus Irrtum faster S. Su ſan⸗ 


Winckelmaũ. 2. 47 


386 Baukunſt der Alten. 


$. 32. Ih will mich bier nicht in Unterſuchung 
des Urfprungs und der Gründe von den verfchiedenen 
.Gliedern der Säulen einlaflen, fondern wie über⸗ 
haupt, alfo auch bier, einige Anmerkungen über die 
verfchiedenen Drönungen derſelben mittheilen. Cs 
find fünf Säulenordnungen in der griechifchen und 
römifhen Baukunſt, wie befant if: die tofca- 
nifche, die doriſche, die joniſche, die korin⸗ 
thiſche und die römifche. Don alten toſcan i⸗ 
fhen Säulen ift, auſſer einer einzigen an dem 
&Emiffario des Lago Fueino, Feine übrig, und 
wir wiſſen von derfelben nichts) als was Vitru⸗ 
vius faget. I) Toſcaniſche Säulen mit Bafen 
fiehet man auf einer alten betrurifchen Patera, ?) 
von eingegrabener Arbeit, auf welcher Meleager 


na)nahe ander trafan iſchen Säule ausgegraben werben, 
und von ſolcher Größe geweſen, daß fie faſt der Co⸗ 
lonna Traiana gleich gekommen. Aber diefe Schä⸗ 
sung .ift übertrieben, wei jene Säulen zum Sorum des 
Trajanus gehörten und jener von Granit gleich waren, 
die im Jahre 1765 auf der entgegengeiesten Seite jenes 
Klofterd ausgegraben worden ,„ neunthalb Palm im Durch⸗ 
meſſer, und den andern fünf dafeldft bereits gefundenen 
Sänlen ähnlich war, wie Windelman in der Kunſtge⸗ 
ſchichte (11%. 3. 8. 27 $.) meldet. Derfelbe erzähle 
auc in einem Briefe an den Baron Niedefel vom 
9 Nov. 1763, dag man Fur; zuvor auf der Straße nach 
Albano eine Säule vou Granit und folder Dike gefuns 
den, daß kaum vier Menfchen fie umſpannen Fünnen,' 
und eine andere Ähnliche habe man in den Sundamenten 
des Palaſtes Eanta Eroce in Nom entdeft, aber fie 
“shree enormen Größe wegen dort liegen laſſen. Wir 
übergehen der Kürze wegen mehrere andere Nachrichten 
von Säulen ähnlicher Größe, bie fih ‚bei Autoren finden, 
Fæa. 


4) L. 4.0 7. 
#) Dempst. de Etrur. reg. t. 1. tab. y. 


Erſtes Kapitel, “887 


zwiſchen dem Kaſtor und Pollur nebſt dem 
Paris ſizet. 


8.33. Die dor iſchen Säulen aber ſehen wir, 
faft von ihrem erflen Urſprunge, an gedachten drei 
alten Gebäuden zu Bello, an einem Tempel zu Gir- 
genti, 1) und an einem andern zu Korinth; 2) fie 
find gleihfam nur der bloße Schaft von an⸗ 
dern Säulen. Ihre Form If kegelmäßig oder 
koniſch verjünget, das iſt, fie Iaufen beinahe wie 
ein oben geſtuzeter Kegel zu. Die zu Bello befichen 
aus vier Stüfen, und fie find, wie die andern, ge» 
reift. Das Kapitäl derfelben ıft blos eine flach 
rundliche Ausfchmweifung, da mo fpätere dori⸗ 
fhe Säulen die fogenanten Eier haben, und auf 
derfelben Tieget unmittelbar die Tafel, Abacus 
oder Trayezium genäht, welche weiter über jenes 
Theil hervorfpringet, als an den älteflen Temyeln in 
Griechenland. Diefer ſtarke Vorſprung gibt dem 
Knpitäl eine mächtig große Geflalt. Die Höhe 
der Säulen, welche 6 Durchmeffer des Fußes. 
der Säule haben follte, bat nicht 5, und at 
gedachten Tempel zu Korinth haben fie nur 4 Durch» 
meſſer. 3) 


$. 34, Die Eigenfchaften der dorifchen Ordnung 
find die Triglyphen oder Dreifchlige, an dem 
mittelffen oder breiteiten Gliede des Ge 
balks oder der Friefe, die Tropfen an dem 
unteren Gliede des Gebälks, und die foges 
nanten Zähne, welche unter dem Gebälfe hän- 


1) Pancrazi, Antich. Sicil. t. a. part.2. tar. 11. 12.13. — 
Piranesi, della Magnif. de’ Rom. tav. 22. fig. 3. Gen. 

2) Le Roy, Ruines des plus beaux monunı. de la Gröce. t. 2. 
p- 2. pl. 17. p- 44. 

3) Le Roy t. ı. part. 2. p. 18. 


388 Baukunſt der Alten. 


gen.) An einem der Tempel zu Bello waren bie 
Triglyphen nicht in der Friefe felbfl genrbeiter, 
fondern beſonders eingefeget, welche bis auf ein 
einziges heruntergefallen find: 2) diefe find alle an 
ihren Enden rundlich gehalten, welches man an 
anderen Triglyphen nicht fiehet. Anſtatt der Sähne 
unter dem Gebälfe find an dieſen Tempeln runde 
Löcher, und jedesmal drei Reihen von ſechs run⸗ 
den Dertiefungen in einer jeden. 3) An dem Tem- 
pel des Theſeus zu Athen find fie hohl, aber 
viereficht, und: jedesmal zwo Keihen. 4 


4) Vitruvius (l. 4. c. 2.) will, daß der dorifchen Ord⸗ 
nung die Trialyphen, und der jonifchen die Käl⸗ 
berzähne eigentimlich feien. Aber, daß auch der 
doriihen Ordnung Kälberzähne gegeben worden, b& 
weifet die Graburne ded Scipi.o Barbatus aus dem 
5 Sahrehunderte Roms, bie man ald ein Gebälk betrach⸗ 
ten fait, deñ fie bat zu. oberft den Kranz mit den Kälber: 
zähnen, unter diefem den Sried mit Triglyyhen und Mes 
topen , deren jede eine Nofette enthält; und der untere 
glatte Theil, wo die JInſchrift fich befindet, kañ ald der 
Architrav betrachtet werden. [Man fehe die Abbildung 
unter Numero 12 u. .13.] :An dem Tempel zu Cora, 
welcher gleichfalls dorifcher Hrdnung dit, ſieht man Käls 
berzähne am Kranz über der Thüre der Cella. Sea. 

3) Die Triglyphen fanden ſich blos am Eleinen Tempel 
zu Päſtum, nicht an den andern Gebäuden. wie Pater 
Paoli (Diss. 4. n. 24.) berichtet, obgleich fie in feinen 
Abbildungen auch dem großen Tempel gegeben find, mit 
den Tropfen darunter, . von welchen fidh aber auch an ben: 
Triglyphen, der an dem Fleiuen Tempel übrig geblieben 
ift, feine Spur gefunden hat. Gen. 

3) So find fie an dem größten Tempel, an dem Elei; 
neren find fie verfchieden. [Man fehe die Abbildung 
unter Numero 5 u. 7.) Gen. 

4) Le.Roy, t. ı. pl. ı8. 

Bitruvins (l.4. ec. 3.) ſchreibt vor, dag man bie 
Tropfen in drei Reihen, und fechd in jeher Reihe, mache. 
Sen. 


Erftes Kapitel. | 389 


8.35,. Die Triglyphen ſtehen an dem Drte, mo 
in ganz alten Zeiten die Balfen der inneren 
Deken der Tempel auswärts hervorrageten, welche 
ebenfalld auf einem Balken von Holze, der unmits 
telbar auf der Säule Tag, ruheten. And allem An⸗ 
fehen nach wurde das Gebälke auf die Säulen noch 
zu Pindarus Zeiten von. Holze geleget, wie die 
fer: Dichter in feinem Nätbfel,. wie er es nem 
net, deutlich anzgeiget. 2) Und Vitruvius ſaget, 
daß man die Triglyphen, als einen Bierat auf die 
hervorſtehenden Enden der: Balken genagelt habe. 5) 
Diefes iſt eine Mutbmaßung:: den dergleichen 
alte Tempel waren damals nicht mehr, und er gibt 
auch von diefem Bierate feinen Grund; es fcheinet, 
daß man an die Enden. der Balken Einfchnitte gema- 


chet,. dem Niffe derfelben zuvorzufommen. ) Der .. 


Kaum zwiſchen zween Balten, und alfo zwi⸗ 
fehen zween Triglyphen, Metope genait, wurde 
ausgemanert,. wie der. römifche: Baumeifter 
will; in den. allerältelien. Zeiten fcheinen diefe Plaze 
ofen: geblieben zu ſein, welches dem: Gebälfe Luft 
gab. Eine Stelle des. Euripides- bringet mich 
auf dieſe Muthmaßung. Den da Dreftes und Py- 
lades fich berathfchlageten,, wie man in den Tem⸗ 
pel der Diana Taurica gelangen fünne, um das 


1) Pindar: Pyth. IV. v. 475 — 477: 
Er: ſpricht dafelbft von dem Palafte eine? Für— 
fen, nicht: von einem. Tempel. Sea: 


2) L. 4.c: 2. 


3) Dder: vielmehr, um die Rinnen des Waſſers nachzuahmen, 
weiches vom Kranze hevabfallend daran niederlief; defl 
degwegen feste man unter die Triglyphen, wo jene Nins 
nen fich endigten, die Tropfen. Mir -tcheinen jene Ein 
ſchnitte nicht verhiiten. au Fonnen’, - daß die Balken Riſſe 
befommen., da: fie nicht ſehr tief fein durften. Sen. 


390 Baufunft der Alten. 


Bildniß der Gottheit zu entführen, fo fchläget Py« 
Iades feinem Freunde vor, innerhalb der Trigig 
pben, mo es hohl iſt, das iſt, wie ich es verflche, 

zwifchen denfelben, bineinzufteigen. | 


“Opa de y’ ui0w Tyan, dos KEV0V> 
Azuaxs na$evoı. 1) 


Wilhelm Ganter in feiner Überfesung biefes 
Trauerfviels gibt dieſe Stelle ohne alle gefunde 
Pernunft: Specta vero iutra columnarum cælaturas, 
quo inane ac expeditum corpus oportet demittere. 
Iſt es möglich, daß ein fo gelehrter Mat, welcher 
zumal Stalien gefehen hatte, fich vorfiellen Fönnen, 
daß man zwiſchen den Reifen?) an den Säulen 
Binduch und in den Tempel bineinfriechen wollen 
oder fönnen? Hernach beziehet fich das Wort leer 
(xevov) nicht auf das Wort Leib (demac), wie es 
jener verflanden, daß man fih enge und Jeichte 
zu machen gedacht habe. Det inane tind vacuum 
find von verfchiedener Bedeutung; das erfte heiſſet 
leer, wen etwas voll fein follte, und diefes feget 
nicht allezeit eine YAusfüllung voraus. Id Das 
Wort xevov fiehet bier absolute, und muf mit ora 
gegeben werden; wo es leer if. Barnes 
bat diefe Stelle nicht beffer verflanden: er meinet, 
Pylades Habe vorgefchlagen, zwiſchen den 


ı) Iphig. in Taur. v. 113. 
(Winckelma it wiederholt diefe Bemerkungen in feinen 
Dentmalen, 4 Thl. 14 8. 206 N. ] 
3) Calature bedeuten niht Reifen, fondern Bildwerp, 
erhobene Arbeit; wei nicht Ganter vieleicht 
columnas czlatas gemeint hat. Sea. 


3) To zur var eriduuu minpaoıog. Clem. Alex. Predag, 
t. 1.1, 2. c. 10. p. 223. 50% 


Erſtes Kapitel, 391. 


Sänlen (inter columnia) hineinzufleigenz; als weit 
der Raum zwifchen den Säulen verfchlagen ge 
wefen, oder als wen man in den Tempel, dag 
ift, in die Celle deſſelben Hineingelangen fünnen, 
wen man innerhalb der Säufen war, welche auflen 
um die Tempel hberumsingen. Die Metopen Mas 
ren nach dem eigentlichen Sinne diefer Stelle, an 
den älteften Tempeln, von welchen uns Euripides 
bier ein Bild gibt, vermuthlich offen, und dies 
fes war der einzige Weg, in diefen verfchloffenen 
Tempel hineinzuſteigen. Es zeiget auch das Wort 
xo$evas, demittere, aft, daß mar fi) berunfer 
Iaffen müßen, welches bernah in dem Tempel 
von oben herunter würde gefichehen fein. Brumoy 
bat hier Feine Schwierigkeit gefunden; er faget uns 
aber bei diefer Gelegenheit in einer Anmerfung, 
was ein Driglyphe fei. 

8.36. . Herr Le Roy feget in feiner Befchrei- 
bung der alten Gebäude in Griechenland drei ver- 
fhiedene Seiten der dorifhen Ordnung: bie 
ältefle, deren Säulen, wie die an vorbergedachtem 
Tempel zu Korinth nicht über 4 Durchmeſſer haben: 
Die andere Zeit, in welcher ber Tempel des The 
ſeus und der Pallas zu Athen gebauet find; 
und die Dritte Beit, aus welcher der Reſt des 
Tempels des Auguſtus in eben der Stadt if, 
defien Säulen 6 Durchmefler haben. Es führet der- 
felbe an und vergleichet mit jenen Werfen, was ihm 
von doriſchen Drönungen und Säulen in 
Stalien befant gewefen ti. Man fan aber eine 
vierte Beit der borifhen Baukunſt hinzuſezen, 
and dieſe zeiget fich an dem übrig gebliebenen Bor- 
tale von vier Säulen von Travertino 1) eines Tem- 


1) Der Säulen find acht; vier am ber Vorberfelte, an 
jeder Seite wei, und fie haben einen überzug. Sea. 


392 Baubunſt der Alten, 


pels zu ori in der Campagna von Kom, acht ita 
liäniſche Meilen ienfeit Velletri. Es iſt dieſes Werk 
nach einer fehlerhaften Zeichnung in Finis Be 
. fdreibung der Stadt Cori geflochen, und aus 
diefem Buche iſt das Kupfer genommen, welches 
Bulpi in feinem Latio, beibringet. 1) Sch babe 
aher Zeichnungen des. großen Napbnels von: 
diefem Gebäude vor Augen, welches "gezeichnet und 
genau ausgemeflen worden, da. daffelbe weniger als 
i59 gelitten Bbatte. 2) Die. dorifhen Säulen deſſel⸗ 


x) Volpi Latium, t..4. tab. 13. p. 140.. 


Gerade umgekehrt! Der Pater Bolpi hat zu erſt (im 
Jahre 1727) ſein Werk geſchrieben, und die Abbildung 
am angeführten Orte mitgetheilt. Aus demſelben hat 
hernach Fini die Nachrichten, welche ſeine Vaterſtabt 
Cora betreffen, gezogen, und in italiäniſcher Sprache 
bekañt gemacht, im Jahre 1732, 4. aber, fo viel ich weiß, 
ohne Siguven. Gen. 


2) Diefe Zeichnungen befanden fich., nebſt anderen von al: 
ten Gebäuden genommenen , in dem Muſes bed berühm⸗ 
ten Herren von Stoſch, und macheten einen Band von 
etlichen und zwanzig Stüfen aus. Ein anderer Band 
von. ähnlichen. Zeichnungen des Raphaels befindet fi 
in der Bibliothek des vor kurzem verfiorbenen Thomas 
Coke, Lords Leiceſter, welcher fich durch Heraus: 
sebung der Etruria Regalis Dempsteri bei der gelehrten 
Welt verdient gemachet hat. Raphael verfertiste dies 
fe Zeichnungen, nachdem er zum Baumeifter von St. 
Peter in Rom ernennet- worden; es ſollten biefelben 
dienen zu dem sroßen Vornehmen, dad alte Rom sleich: 
fam wieder zu erneuern, welches Papſt Leo X. gefaflet 
Hatte. Man findet hiervon Nachricht in einem "Briefe des 
Celio Ealeasni an Jakob Zieglern, sween Zeit 
genoſſen dieſes Künftlerd. Es iſt dieſer Brief, nebſt am 
dern, zweien Sendſchreiben des h. Clemens beigefüget, 
weiche betitelt find : 8. Clementis Epistole duæ ad Co- 
rinthios. His subnex® sunt aliquot singulares vel nunc 
primum editæ, vel non ita facile obvie. Londini, 1687. 
12. Gebachter Brief Befindet ih S. 231. Winckelmañ. 


Erſtes Kapitel... 393 


ben, deren unterer Durchmeſſer 3 und einen Viertel 
Palm, und der obere 2 Palme. und 8 Zolle hält, 
haben 7 Durchmeffer in die Höhe, ohne die Baſe 
und das Kapitäl, und die ganze Höhe derfelben iſt 
27 Balme und gehen Zolle. !) Gie find mit hoh— 
len Reifen, von ihrem Drittheil an; das une 
terſte Dritiheil ik glatt und ohne Reifen. 2) 
Sie habe ihre Bafe, welche auffer zwo Säulen 
zu Peſto 3) Feine andern alte dorifche Säulen haben, 
und das Kapitäl iſt verfchieden von den Kapitälern 
anderer bdorifchen Gebäude; es ift vielmehr tofca- 
nifch. Diefe ungewöhnlichen Kapitäler verurfacheten, 
Daß Raphael diefen Tempel, ohngeachtet der übri⸗ 
gen Eigenfchaften der dorifhen Ordnung, für 
ein tofeanifhes Gebäude genommen, wie er in 
der Unterfchrift feiner Zeichnungen angemerfet hat. 
Don dem Mittelpunfte einer Säule bis zu der ande 
ren find 10 Balmen, woraus fich die Weite der In⸗ 
tercolumnien von felbft gibt. 

$. 37.. Unter dem Bortale über der Thüre der 
Celle diefes Tempels, welche izo zugemauert iſt, ſtehet 
noch izo diejenige Inſchrift in zwo Zeilen, welche 


1) Winckelmaũ Hat wahrfdheintich ded Le Roy Wert 
nur flüchtig angefehen, fonft würde er gefunden haben, 
dag derfelbe das Verhältnig der dorifchen Hrdrnung von 
ſieben Durchmeſſern mit den andern beftimt angegeben 
hat. Le Roy fast nämlich, die doriſche Ordnung fei 
Anfangs. fehr niedrig gewefen, von 4 Durchmeſſern oder 
wenis mehr, und führt ald Beiſpiel den alter Tempel 
zu Korinth und den des Theſeus zu Athen an; deu FE 
fodan zu 6 Durchmeffern erhoben worden, wie Vitrw 
viud meldet, und daß. man ihr endlich sur Zeit ded Au⸗ 
guſtus 7 Durchmeſſer gegeben habe, (t. ı. part. 2. p. 35. 
t: 2. part. 2. p. 43.)- Gen. 

2) Diefed Drittel iſt facettirt. Die Reifen haben Übrigens , 
wenig Vertiefung und find ohne Stäbchen. Tea. 


3) Nicht zwei, fondern ſ echs. Man ſehe oben S. 342. Fea. 


394 Baukunſt der Alten. 


von andern, die fie copirt haben, 1) in mehrere ab 
gefeget, und theils unwichtig abgefchrieben if; 2). Re 
if folgende: 


M. MANLIVS. M. F. L. TVRPILIVS. DVOMVIRES. DE. SENATVS. 
SENTENTIA. AEDEM. FACIENDAM. COERAVERYNT. EISDEMQVE. 
PROBAVERE, 


Es find hier zum Erſten zwo ganz ungewöhnliche 
Abweichungen von der Sprache zu merken; prou- 
vıres, anflatt pvomvir, und zıspemqvs, anſtatt er- 
DEMQYE, Der nnemave Ferner ift etwas über die 
Duumpiri zu fagen. Mareus Manlius if 
nicht befant, und ich merke bier nar an, daß der 
Borname Marcus indem manltifchen Gefchlechte 
wiederum in Gebrauch gefommen, nachdem berfelbe 
durch das Verbrechen des Marcens Manliug, 
mit dem Zunamen Sapitolinus, als ein Name 
von übler Deutung vermieden wurde. 3) Diefes 
beftätiget die angenommene Lefart des Taeitus, 9 
wo derienige Manlius, welcher von den Deut- 
fchen gefchlagen worden, den Vornamen Marcus 
bat. Einige wollen an deſſen Richtigkeit aus ange 
führetem Grunde zweifeln, >) zumal da diefr Man 
Linus anderwärts 9) Eneins heiſſet. Lucins 


ı) Volpi, 1. c. 1.7. c. 2. p. 138. Muratori, Nov. thes. 
Inser. t. 1.p. 147.0. 4 
2) Apian. Inser. p. ı84. n. ı. Gruter. Fnser. t. 3. p. »28_ 
. BR. 7. 
3) Ur.1.6.c.ı2. n 20 
4) De mor. Germ. c. 37. 
5) Freinshem. ad. h. 1. Taeciti. 
6) Epitome Livii, l. 67. 
Für die Meinung ded Freinsſsheim gegen die ange 
nommene Lefart des Tacitus gibt es einen andern Grund, 
den, fo viel ih weiß, weder die Commentatoren no 


Erfies Kapitel. 395 


Turpilius aber iſt vermuthlich chen derjenige, 
welcher dem’ Germanicus eine Statue fegen laſ—⸗ 
fen; I) den beide Vornamen des Sohns und bes 
Vaters find ebendiefelben. Es wäre folglich diefer 
Tempel zur Beit des Tiberius gebauet, und ge 
Dachte zween Berfonen wurden als Duumpirt 
. ernennet zu Errihtung, Befichtigung, und 
vermuthlich auch zur Einweihung diefes Tempels: 
den zu vielen heiligen Verrihtungen wurden 
vom GSenate zu Nom Duumpiri abgeordnek. 
Bulpiunterflehet fich nicht, die Zeit der Erbauung 
Diefes Tempels anzugeben: fo viel aber ift aus der 
Bauart gewiß zu beffimmen, daß es Fein Werk aus 
den Zeiten der Nepublif fei. 

6. 38. Sch merke hier an, daß das ſchöne Stüf 
eines dorifchen Gebälks, welches ehemals zu Albano 
war, und von Ehambray beigebracht worden, 2) ni 


die Ausleger vorgebracht haben, nämlih, daß Feſtus, 
der hach dem Tacitus fchriehb, bei dem Worte Mans 
lius jened Decret der Samilie Mantia, welches Li 
viusanführt, ald noch zu feiner Zeit gültig, oder wer 
nigftend als vorher noch nicht tbertreten, wiederholt. 
Manliz gentis patricie decreto nemo ex ea Mareus ap- 
pellatur, quod Marcus Manlius, qui Capitolium a Gal- 
lis defenderat , cum regnum aflectasset, damnatus neca- 
tusque est. Diefe Autorität, vereint mit dem Au Bst: 
ge des Livius, follte wohl entfcheidend Tein, aber 
bie Infchrift des Tempeld verdient allerdings, ald ein öf⸗ 
fentliches Monument, Glauben, und sch bin nice dem. 
Meinung, daß fie älter fei, ald jener Marcus Man 
lius Sapitolinud, fondern aus viel ſpätern Zeiten. 
Sen. 


ı) Gruter. Inscr. t. ı. p. 236. n. 3. Liv. L6. c.3. n. 
5. 1. 7. c. 2ı. n. 28. Conf. Pigh. Annal. Roman. t. 3. 
l. 18. ann. 764. p. 540. Sea. 


2) Parall. de l’archit anc. et med. p. 19. 


396° Baukunſt der Alten. 


gend mehr zu finden iſt; ich kañ mich auch nicht 
entſinnen, das doriſche Grabmal bei Terracina, 
Beet eben. der. Seribent vorſtellet, 1). gefeben zu 
aben.. 

$. 39. Die zweite Säulenordnung, nämlich 
die jon iſche, fol zuerfi an dem Tempel der Dia- 
na zu Ephefus angebracht fein. 2) Nach vielen Sab- 
ren, da dieſes Gebäude im euer gelitten, wurde 
Daffelbe durch den Baumeifler Ehberfipbron von 
neuem und fehr prächtig anfgebauet.3)  Anter den 
vielen Säulen defielben waren 36: aus einem 
Stüfe der. Schafte. 4): So und. nicht. anders, 
glaube ich, mühe diefe Stelle des Plinius ver 
fanden werden, und ich leſe, anſtatt der in allen 
"Ausgaben angenommenen Lefart.: exiisXXXVIcalate- 
uno (andere una) a Scopa,-. durch Verſezung von 
ein paar: Buchſtaben: uno e scapo, aus einem ein⸗ 
zisen Schafte. Ohne diefe DVerbefferung ift die 
Stelle ungereimt, und. fait: aus vielen Urſachen 
nicht. beſtehen. Skopas war. einer der. größten: 
Bildhauer feiner und des Phidias Zeit; mas hatte 
derfelbe mit der: Arbeit an Saͤulen zu ſchaffen? 
Diefes gehöret für Steinmeze. Sfopas, we. 
cher zugleich ein großer Baumeiſter mar, bauete 
einen Tempel der Ballas zu Tegen, an welchem" 
zuerſt vonforinthifchen Säulen Meldung gefchiehet;: 


ı) Ibid. p. 33. 

2) Vitrur. L4. c. 1. 

37 Nah Strabo. (l. 14. p: 949.) war ECherfiphrom: 

lau Chrerfiphron und Ktefipgon genañt] der er— 
fie Baumeifter: dieſes Tempels, den hernach ein. Ande 
rer vergröfierte; und endlich, als ihn Heroftratus in- 
Afche gelest, wurde er von. dem Baumeifter Dinofra 
tes, der auch Alerandria gebauet und den Berg Athos in: 
eine Statue verwanbein wollen, wieder hergeftelit. Sea. 

4) Plin. 1. 36. c. 14. sect. 21. 

[Man vergleiche hierüber G. d. 9%. 28. 258.) 


Erſtes Kapitel. 897 


und biefes gefchahe in der 96 Dlympins. 1) Der 
Tempel der Diana aber. wurde in der 106 Olym⸗ 
ping gebauet: es find alfo über 40 Jahre zwiſchen 
einem und dem anderen Gebäude. 2) Diefe Zweifel hat 
Salmaftius wider die Stelle des Plinius ges. 
machet, 3) und Poleni bat zulezt alle Schwierig- 
feiten wiederholet,4) ohne fo wenig, wie jener, den 
Knoten aufzulöfen. Andere, welche diefen Punkt 
berühret haben, reden allegeit von 36 Säulen, wel- 
che vom Skopas geſchnizet, vorgegeben werden. 5) 
Es iſt befonders zu merken, daß Appianus von 
jonifhen Säulen am Arfenal im Hafen gu 
Karthago Meldung thut. 5) 

6. 40. Hier fällt mir ein, was ich an einem 
der ſchönſten Kapitäler aus dem ganzen Altertu- 
me, in der Kirche zu ©. Lorenzo auſſer Nom, 
welche ich fo, mie die Säulen alle verfchieden find, 
bemerfet habe. Innerhalb der einen Volute fiehet 
man in dem fogenanten Auge derfelben, und an⸗ 
Hatt der Hofe, welche in der Mitte zu ſtehen pfleget, 
einen Froſch auf dem Rüken liegend ausgeitrefet, 
und in der anderen Volute ebendeflelben Ka⸗ 


1) Im erften Sahre der 97 Olympiade. (Pausan. 1. 8. c.45. 
5.3 — 4 Gem 

2) [Der Tempel ver Diana zu Epheſus wurde zuerſt zwi⸗ 
fen der 90 und 100 Olympiade gebaut, und nach feiner 
Einäfcherung, in der Geburtönacht Alexanderd des Gros 
Ben, von der 106 Olympiade an wieder hergeftellt. ] 

3) Exereit,. in Solin. c. 40. p. 571. 

4) Dissert. sopra il tempio di Diana d’Efeso. Saggi di 
Dissert. dell’ Acad. di Cortona. t. ı. part. 2. .$. 9. p- 14. 

5) ‚Montfauc. Antiq. explig. t. 2. liv.2. ch. 11. p. 84. 

Er fast blos, daß von 36 mit Schniswerf gesierten 
Eäulen eine von der Hand des Skopas gewefn, fo 
wie ed auch im Plinius Heißt. Sean 

6) De bello punico, p. 57. A. 


898 Baukunſt der Alten 


pitälg Fricchet eine Eidere um die Nofe herun. 
Da die dortigen Kapitäler von verfchiedenen Orten 
in Nom zufammengebracht find: fo bin ich be 
Meinung, daß diefes Kapitäl von den Tempeln des 
Supiters und der Juno fei, welhe Metellus 
innerhalb feines Borticus durh den Saurus und 
Batrachus, aus Syarta, bauen lieh. 1) Es iff 
befant, was Plinius erjäblet, daß diefe Bau⸗ 
meifter ihre Namen, welde fie nicht an dieſe Ge⸗ 
bäude fegen durften, durch Fröfhe und Eideren, 
welches die Bedeutung -derfelben im Gricchifchen if, 
angezeiset haben, und wie er faget, in columnarum 
spiris. 2) Harduin glaubet, daß diefe Thiere auf 
der Bafe der Eulen, und auf die rundlichen 
Glieder derfelben, gefchniget gewefen, ?) weil Pli⸗ 
nius an einem andern Orte diefe Glieder spiras 
nennet. 3 Es iſt demfelben nicht eingefallen, daß 
Bitruvius diefelben mit eben dem Worte benen- 


1) Winckelmañ gibt dieled Kavitäl auch in den Denk 
malen, %. 206, und erflärt ed daſelbſt. Aber in Anſe⸗ 
bung der beiden Tempel hat er reiflichere Betrachtungen 
angefichtt, die man im 4 Th. 148. 3 $. der Denk 
male nadlefen Eat. Die daſelbſt vorfommenden Be 
trachtungen widerlegen den Irrtum des Paterd Harı 
duin in deffen Note zu der folgenden Stelle des Pl 
nius, wo er ‚behauptet, daß die beiden nach dem 
Plinius von Saurud und Batrahud erbaueten 
Tempel der Zuno und dem Apollo geweihel gewes 
fen. Er wird aber ſchon durch die Stelle dei Plinius 
ſelbſt widerlegt, welcher von den Temyeln des Jupi⸗ 
ters und der Juno zu ſprechen fortrährt. Sen. 

[Die Abbildung diefed Kapitäld unter Kumero 206. 
der Denkmale.)] 


2) L. 36. c. 5. sect.4. n. 14. 
3) Hard. ad Plin. 1. 36. c. 24. sect, 56. not. 7. 
9L. c. 


Erſtes Kapitel. 399 


net: 1) ih bin aber der Meinung, daß Plinius 
an diefem Drte das Wort spira in feiner eigent- 
lihen natürlichen Bedeutung gebrauche, wo es 
Kreife bedeutet , wie dieienigen find, in welche fich 
die Schlangen zuſammenwikeln; fonderlich da 
auf einem Begräbnißaltare in dem fogenaiten Pa⸗ 
Jafte Kleinfarneſe, über defien Sufchrift 2) ein 
iontfches Kapitäl von der allerfeinfien Arbeit ans» 
gebracht if, deſſen Boluten aus wirklichen 
Schlangen in einander gewunden find. Es redet 
alfo Blinins bier von den Kreifen jonifcher 
Voluten, und folglich haben die allegorifch vor 
geſtelleten Namen gedachter Künſtler innerhalb 
der Boluten geflanden, fo wie es fih an jenem 
Kapitäle zeiget.?!) Es würde eine Kekheit fein zu 


ı)L. 3. :c. 3. 

Vitruvius verſteht unter spira den Wunſt der Bar 
ſis, und bie Bafid der Säule felbit, in eben dem 
Sinne wie Plinius. Muh Winckelmañ hat es 
nachher in feinen Dentmalen (l. c.) reiflicher erwo⸗ 
sm. Gen. 

2) Gruter t. 2. p. 593. n. 2. 

.3) Es if keineswegs anzunehmen, daß Plinius von 
ben ionifhen Voluten und ihren Schnefenwim 
ungen rede. Sch bin fogar geneigt, das Gegentheil 
su glauben; deñ ed icheinet mir zu Elar, daß er vom 
torus der Bafid, nit vom Kavitäl rede. Erf 
lich gibt er in demfelben Buche (c. 24. sect. 56.) auch 
Dem torus oder der Bafid die Benennung spira, uud ums 
terfcheidet fie vom Kapitäl; primum columuis spirs 
subdiie et capitula addita; zweitens nennen auch 
Vitruvius (l. c.), Pollur (l.7.c. 27. segu. ı21.), 
Flavius Joſephus (Antig. 1. 15. .c.ı1.n.5.) 
und Feſtus (v. szira,) denfelben Theil gleichfalls; im 
Gegentheil Heißt die Schnefe beim Vitruvius vo- 
luta. Mit weichen Grunde will man .alfo ‚behaupten, 
daß spira eigentlich und urfprünglih Volute bedeute, 
Segen bie übereinſtimmung aller Yutaren, welche von 


898 Baukunſt der Alten 


pitälg triechet eine Eideze um die Noſe herum. 
Da die dortigen Kapitäler von verfchiedenen Drten 
in Nom zufammengebracht find: fo bin ich der 
Meinung, daß diefes Kapitäl von den Tempeln des 
Supiters und der Juno fei, weldhe Metellus 
innerhalb feines Borticus durch den Saurus und 
Batrachus, aus Sparta, bauen ließ. D Es if 
befant, was Plinius erzgäblet, daß diefe Baus 
meifter ihre Namen, welche fie nicht an dieſe Ge⸗ 
bäude fegen durften, durch Fröfche und Eideren, 
welches die Bedeutung ‚derfelben im Griechiſchen if, 
angezeiset haben, und wie er faget, in columnarum 
spiris. 2) Harduin glaubet, daB diefe Thiere auf 
der Bafe der Eulen, und auf die rundlichen 
Glieder derfelben, gefchniget gewefen, ?) weil Bli- 
nius an einem andern Drte diefe Glieder spiras 
nennet. 4 Es iſt demfelben nicht eingefallen, daß 
Bitruvins dieſelben mit eben dem Worte benen⸗ 


4) Windelman gibt diefed Kapitäl auh in den Den 
malen, N. 206, und erflärt ed daſelbſt. Aber in Anſe⸗ 
hung der beiden Tempel hat er reirlichere Betrachtungen 
angeftellt, die man im 4 Th. 148. 3 $. der Denk 
male naclefen Fall. Die daſelbſt vorfommenden Bes 
trachtungen widerlegen den Irrtum des Paterd Harı 
duin in deffen Note zu der folgenden Stelle des Pi: 
nius, wo er ‚behauptet, daß die beiden nach dem 
Ylinius von Saurud und Batrachus erbaueten. 
Tempel der Juno und dem Apollo geweihet gewes 
fen. Er wirb aber ſchon burch die Stelle des Plinius 
felbft widerlegt, weldher von den Temyeln bed Jupi⸗ 
terd und der Zuno zu ſprechen fortiährt. Sen. 

[Die Abbildung diefed Kapitäld unter Numero 206. 
der Denfmale] . 


a) L. 36. c. 5. sect. 4. n. 14. 
3) Hard. ad Plin. 1. 36. c. 24. sect. 56. not. 7. 
L c. 


„. 


" Erſtes Kapitel, 399 


net: I) ich bin aber der Meinung, daß Plinius 
an biefem Drte das Wort spira in feiner eigent- 
lichen natürlichen Bedeutung gebrauche, wo es 
Kreiſe bedeutet, wie Dieienigen find, in welche fich 
die Schlangen zufammenwiteln; ſonderlich da 
auf einem Begräbnißaltare in dem fogenanten Ba- 
Jafte Kleinfarnefe, über defien Infchrift 2) ein 
zjoniſches Kapitäl von der allerfeiniien Arbeit an» 
gebracht if, deſſen Voluten aus wirflidhen 
Schlangen in einander gewunden find. Es redet 
alfo Blinins bier von den Kreifen jonifcher 
Voluten, und folglich haben die allegorifch vor» 
geſtelleten Namen gedachter Künftler innerhalb 
der Boluten geflanden, fo wie es fih an jenem 
Kapitäle zeiget.3) Es würde eine Kekheit fein zu 


ı)L. 3. c. 3. 

Vitruvius verfieht unter spira den Wunſt der Ba⸗ 
ſis, und die Baſis der Säule felbft, in eben dem 
Sinne wie Plinius. Auch Winckelmañ hat «es 
nachher in feinen Dentmalen (l. c.) reifliher erwo⸗ 
sen. Gen. 

2) Gruter t. 2. p. 593. n. 2. 

3) Es if keineswegs anzunehmen, dab Plinius von 
ben jonifhen Boluten umd ihren Schnefenwim 
dungen rede. Ich bin fogar geneist, dad Gegentheil 
su slauben; deñ es icheinet mir zu Mar, daß er von 
torus der Bafid, nicht vom Kapitäl rede. Erfb 
lich gibt er in demſelben Buche (lc. 24. sect. 56.) auch 
Dem torus oder der Bafid die Benennung spira, und ums 
terfcheidet fie vom Kapitäl; primum columuis spiræ 
subdite et capitula addita; zweitens menten auch 
Vitruvius (cl. c), Pollur (l.7.c. 27. segm. ı21.), 
Flavius Spfephnd (Antig. 1. 15. .c. ı1.n. 5.) 
und Feſtus (v. spira,) denfelben Theil gleichfalls; im 
Gegentheil Heißt die Schnefe beim Vitruvius vo- 
luta. Mit weichen Grunde will man .alfo ‚behanvten, 
Daß sfira eigentlich und urfprünglih Volute bedeute, 
gegen bie Übereinfiimmung aller Autoren, welche von 


400 Baukunſt der Alten. 


fügen, daß es beffer wäre, anflatt columnarum, -ca- 
“ pitulorum, zu leſen. Es wären alfo die Tempel 


biefer Materie geſprochen haben? Warum will man nicht 
lieber fagen, daß spira ber torus genait worden, weil 
er wie ein Ring um den Schaft der Säule ober der 
Bafıd geleget worden, welches Feſtus su fagen fcheis 
net, wei er fchreißt: spira dicitur et basis columnæ 
unius tori, aut duorum, et genus operis pistorii, et 
funis nauticus in orbemi convolutus; ah eadem onınes 
similitudine. Oder weil irgend eine gewundene Ars 
beit darauf war, wie fih fo viele Bafen mit Schniss 
werk aller Art finden, deren einige man bei Piraneft 
(della magnif. de’ Rom. tav. 9.) abgebildet findet. 
Serner, wer weiß, ob auf biefen Werken Sams 
rus und Batrachus 8 nicht Ihre Zeichen auf eine Weiſe 
fesen wollen, daß fie nicht fo Teicht von der Zeit zerſtö⸗ 
ret würden, alfo der Meinung Winckelmañs entges 
gen, vorautgefest, daß der Wulf glatt war. Man 
köñte auch aus der Erzählung des Plinius felb vers 
muthen, daf ed blos eine Volksſage geweſen; ober 
wenigftens füllte man annehmen, daß jene beiden Künfts 
fer die Eidere and den Srofh wie ein Symbsl 
ihres Namend, aus bloßem Vergnügen und ofme 
unterfchied auf ihre Werke geſezet haben, nicht weit es 
ihnen verboten gewefen, ihre Namen mit Buchftaben anf 
jene Tempel zu fesen; den auffer dem torus, von weh 
dem Plinius redet, und dem Kavitäl in S. Lorenzo—, 
finden fich dieſelben Siguren auch auf einer Nofette, bie 
man in fpäteren Sahren in der Villa des Caſſins m 
Tivoli ausgegraben, und die jego im Mufeo Pio⸗Cle—⸗ 
mentino aufbewahrt wird, wo tie von Viſconti im 
erſten Bande feiner Befchreibung defelben (tav.A.n. 10.) 
abgebildet worden. Es ift jedoch zu bemerken, daB auf 
diefer Roſette fich aud) eine Biene oder anderes Inſect 
befindet, welches fich nicht recht erkennen läßt, da es 
Befchädiat und zum Theil zerbrochen if. Daraus köüte 
man entweder fchließen, daß Saurud und Batrachus 
bet dieſem Gebäude, wer wir ed ihnen zuſchreiben wol 
fen , noch einen andern Gehülfen gehabt haben, der als 
Zeichen ſeines Namens eine Biene darauf gefatı 
oder dag alle diefe Siguren eine andere und unbefalite 


Erfied Kapitels. 404 


in dem Portico des Metellus jonifch gewefen.1) 
Daß auch in andern Voluten allegorifche Vorftellun- 


Bedeutung hatten, wie wahrfcheinfih fo viele andere 
Siguren, die an Kapitäle gefese worden; oder endlich, 
daß fie, wie fo manche andere Zieraten ein bioßer Eins 
fall der Künftler gewefen, von dem fich alfo Feinfcien 
sififher Grund angeben läßt. 

Alte diefe Muthmaßungen aber find nichtig , fobalb 
wir bemerken, dag Wincfelman vor allen Dingen zuerſt 
Hätte unterfuchen follen, ob dad Kavitäl in der Kirche 
S. Lorenzo, feiner Sorm und dem Styl der Arbeit nad, 
wirfiih in die Zeit des Auguſtus zu ſezen ſei. Ich 
halte es mit mehreren Kunfiverftändisen, die es genauer 
betrachtet haben , um einige Jahrhunderte fpäter, wie 
auch der Abate Raffei (Saggio di osservaz. sopra un 
bassorilievo della villa Albanı, n. 6. p. 29.) bemerft, obs 
gleich er, durch die Stelle des Plinius verleiten, ſich au 
Winckelmañs Meinung neigt. Weñ man es alſo 
für eine Arbeit ſpäterer Zeit hält, fo kañ man glauben, 
daß die gedachten Thiere die Namen der Künftler, die 
fie verfertigt, oder befien, dem bad Gebäude gehörte, 
ſymboliſch bezeichneten , - von welchem Gebrauche. ficb 
mehrere Beiipiele auf alten Dentnalen finden. 

Amangeführten Orte in den Denkmalen äuſſert Win 
delmafidiefelbe Meinung, capitulorum, ftatt colunınarum, 
zu lefen, und zeigt fich faſt geneist, eine ſolche Anderung 
zu billigen, die aber nach der vorhergehenden Anmerkung , 
und befonderd nach dem Unterfeblede, den Plinius zwi⸗ 
ſchen spira und capitellum macht, völlig unftatthaft fein 
würde. Sea. 

41 Es folgt auch , nach dem was oben geſagt worden, aus 
der Stelle ded Plinius Feinedwegd, dab die Tempel 
im Porticn des Metellus joniſch geweien, fo. wie man 
ebenfalls nicht fagen Fall, daß dad Kapitäl in S. Lo⸗ 
renzo zu einem der genaliten Tempel aehoret habe, da 
Plinius nicht bemerkt, wie es wahrfcheinlich gefchehen 
fein würde, daß dieſe Siguren auh an den Kapitälen ans 
gebracht geweren. Diefe Solge ließe fich viel eher aud dem 
Pollux schen, welcher (1.7. c. 27. segin. rv2ı.) die 
Baſis der jon iſchen Säulen srupa, spira, neñt, zum 
Unterſchiede der Baſch der doriſchen Säulen, bie er 


17 * 


400 Baukunſt der Alten. 


fagen , daß es beſſer wäre, anflatt colamnarum, -ca- 
‘ pitulorum, zu leſen. Es wären alfo die Tempel 


diefer Materie gefprochen haben? Warunr will man nicht 
lieber fagen, daß spira ber torus genafit worden, weil 
er wie ein Ring um den Schaft der Säule oder der 
Baſis geleget worden, welches Feſtus su fagen fcheis 
net, wei er fchreißt: spira dicitur et basis column» 
unius tori, aut duorum, et genus operis pistorii, et 
funis nauticus in orbemi convolutus; ab eadem onınes 
similitudine. Oder weil irgend eine gewundene Ars 
beit darauf war, wie fih fo viele Bafen mit Schniss 
werk aller Art finden, deren einige man bei Piraneft 
(della magnif. de’ Rom. tav. 9.) abgebildet findet. 
Serner, wer weiß, ob auf biefen Werfen Sau—⸗ 
rus und Batrahus nicht Ihre Zeichen auf eine Weiſe 
fezen wollen, daß fie nicht fo leicht von der Zeit zerſtö⸗ 
vet würden, alfo der Meinung Winckelmañs entges 
gen, vorautgefest, daß der Wulf glatt wor. Man 
köſite auch aus der Erzählung des Plinius feld vers 
muthen , dafi ed bloß eine Volksſage geweſen; oder 
wenisftens köñte man annehmen, daß jene beiden Künft 
ler die Eidere und den Srofh wie ein Symbsl 
ihres Namens, and bloßem Vergnügen und obme 
unterfchied auf ihre Werfe gefeset haben, nicht weit «8 
ihnen verboten gewefen, ihre Namen mit Buchftaben anf 
jene Tempel zu ſezen; bei auffer dem torus, von weh 
chem Plinius redet, und dem Rapitäl in S. Lorenzo, 
finden fih dieſelben Figuren aud auf einer Nofette, die 
man in fpäteren Jahren in der Billa des Caffins zu 
zivoli ausgegraben, und die jezo im Mufeo Pio⸗Cle—⸗ 
mentino aufbewahrt wird, wo fie von Bifconti im 
erſten Bande feiner Beſchreibung deſſelben (tav.A.n. 10.) 
abgebildet worden. Es ift jedoch zu bemerken, daß auf 
diefer Roſette fich auch eine Biene oder anderes Inſeet 
befindet, welches fih nicht vecht erkennen läßt, da es 
Befchädigt und zum Theil zerbrochen if. Daraus köñte 
man entweder fchließen, daß Sauruß und Batrachus 
bet diefen Gebäude, wer wir e8 ihnen aufchreiben wol 
len , noch einen andern Gehülfen gehabt haben, der als 
Zeichen feined Namens eine Biene darauf gefait, 
oder dag alle diefe Siguren eine andere und unbefafite 


Erſtes Kapitel. 404 


: dem Bertico des Metellus iomifch gewefen.1) 
aß auch in andern Voluten allegorifche Vorſtellun⸗ 


Bedeutung hatten, wie wahrſcheinlich fo "viele andere 
Siguren, die an Kapitäle gefese worden; oder endlich, 
daß fie, wie fo manche andere Zieraten ein bloßer Eins 
fall der Künſtler gewefen, von dem fich alfo Fein fciem 
tififher Grund angeben läßt. 

Alle dieſe Muthmaßungen aber find nichtig , fobalbd 
wir bemerken, dab Winckelmañ vor allen Dingen zuerſt 
Hätte unterfucden follen, ob dad Kapitäl in der Kirche 
S. Lorenzo, feiner Sorm und dem Styl der Arbeit nach, 
wirttich in die Zeit des Auguſtus zu ſezen fei. Sch 
halte es mit mehreren Kunfiverftändisen, die es genauer 
betrachtet haben, um einige Sahrhunderte fpäter, wie 
auch ber Abate Raffei (Saggio di osservaz. sopra un 
bassoriliero della villa Albani, n. 6. p: 29.) bemerft, obs 
gleich er, durch die Stelle ded Plinius verleitet, ih zu 
Bindelmand Dieinung neigt... Wei man es alio 
fir eine Arbeit fpäterer Zeit hält, fo faii man glauben, 
daß die gedachten Thiere die Namen der Künftler, die 
fie verfertigt, oder deſſen, dem das Gebäude gehörte, 
fombolifch bezeichneten , - von weichem Gebraude. ficb 
mehrere Beiipiele auf alten. Denkmalen finden. 

Amangeführten Orte n den Denkmalen äuſſert Wins 

Icelma ſi dieſelbe Meinung, capitulorum, ftatt colunınarum, 
zu leſen, und zeigt fich faſt geneigt, eine folche Snderung 
zu billigen, die aber nach der vorhergehenden Anmerfung , 
und befonderd nach dem Anterfehiede, den Plinius zwi⸗ 
(dem spira und capıtellum macht, völlig unftatthaft fein 
würde. Sea. 

41 Es folgt auch, nach dem was oben geſagt worden, aus 
der Stelle des Plinius Feinedwegd, daß die Tempel 
im Porticu des Metellus joniſch geweien, fo. wie man 
ebenfalls nicht fagen Fall, daß dad Kapitäl in S. Los. 
renzo zu einem der genaiiten Tempel aehöret habe, da 
Plinius nicht bemerkt, wie es wahrfcheintich gefchehen 
fein würde, dag dieſe Siguren auch an ben Kapitälen ans 
gebracht gewefen. Diefe Solge ließe fich viel eher aud dem 
Pollux sichen, weldher (1.7. c. 27. segin.  r2ı.) die 
Bars der jonifchen Säulen srupa, spira, nefit, zum 
Unterſchiede dee Baſch der dorifhen Säulen, bie er 


17 * 


4082 Baukunſt der Alten. 


gen angebracht worden, beweifen 6 joniſche Aw 
pitäler in der Kicche zu ©. Maria in Traftene 
re, in der Mitte von deren Voluten, wo ſonft die 
Roſe if, ein Bruflbild des Harpofrates, mit 
dem Fingerauf dem Munde, gearbeitet ſtehet. 
Su der Kirche zu Santa Galla, fon aub ©. 
Maria in Portieo genant, von dem Portica 
des Dretelli oder Detavia, waren noch zu Bel- 
Iori Zeiten !) Säulen mit joniſchen Kapitälern,, 
und vielleicht waren unter denfelben einige den be⸗ 
fchriebenen ähnlich: 150 aber find Pfeiler anflatt der 
Säulen, und diefe fin\ barbarifcher Weile in der 
Mitte von jenen vermauert, wie zu unfern Seiten 
1 der Kirche zu ©. Er.oce in Gerufalemme gefcheben 

$. 41. An den alten ionifchen Kapitälern ſtehen 
die Voluten in gerader Horizontallinie, und 
wurden zumeilen nur berausgedrehet an ben Ek⸗ 
fäulen, wie an dem Tempel des Erchtbeus 
. gefchehen: 2) in ber lezteren Zeit des Atertums aber 
fing man an, alle Voluten herauszudrehen, welches 
ich unter andern an dem Tempel der Concardia 
geiget, fo wie insgemein in neueren Zeiten gefchiebet 
und es if derig, wen man glaubet, Michael An⸗ 
gelo habe diefes zuerſt gezeiget 3) Es iſt auch die 
‚fer nicht ber erfle, welcher das. ionifche Kapitäl e r⸗ 
höhet bat, fondern fie waren chen fo bach fchon 


urBarn, stylobata, neflt. Aber Vitruvius (1.3, 
e. 3.) unterfcheidet Eeine Ordnung, welder bie spira be 
fonderd zukomme, und wir fehen aut in der korin⸗ 
tsifhen und szufamengefesten Drbnung die Baſen 
von zwei Wülken mis Biſdwerk verziert. Sea. 

») Notiz ad fragm. vestig. vet. Roma. tab. 2. p. 10. 

2) Le Roy, :Ruines des plus beaux menum. t. ı. part. 2- 
p- 5r. 

3) Domenichi , Vite de’ pitt. Napol. t. ı. p. 46. 


Erſtes Kapitel“ | 403 


an den dibeletianiſchen Bädern, und höher ' 
als es Vitruvius Ichret, 3) nämlidh das Drit- 
theil der Dife der Säulen hoch. 


8. 42. Aufferordentlich find. diejenigen joniſchen 
Kapitäke, welche Raphael auf den Säulen von 
einem Bortale eines Tempels bei S. Nicola tn 
Garcere, in Rom gefunden, deren Seiten (fu- 
stellini), nicht das Vordere der Voluten (i cartocci ), 
vorwärts gefeget waren, wie derfelbe befonders ſchrift⸗ 
lich unter einer von deſſen gedachten Zeichnungen 
‚angemerfet bat. 

843 Nah der ijonifhen Ordnung Fam bie 
forinthbifche, und Kallimachus, der Bil d⸗ 
bauer, fol das Kapitäl auf eine befandere Art er⸗ 
funden haben, wie bekañt iſt. ) Der Erone ei⸗ 
ner herlich ſchönen Karyatide in. dent innern Ho— 
fe des farneſiſchen Palaſtes trägt auf dem Ko- 
pfe einen geflachtenen Korb, an welchem ſich 
die Spuren von den Blättern finden, welche den 
Korb gleichfam befchatteten, wie Vitruvius 
den mit Akanthusblättern bewachſenen Korb 
befchreibet, welcher dem Bildhauer zu dem korin⸗ 
shifchen Kapitäle das Wild gegeben. I). Zu welcher 
Seit biefer Kallimachus gelebet hat, 4) iſt nicht 
. R 

4) Vitruvius (I. 3. e. 3.) will, daß der Aba cuis 
dieſes Kapitäls die Länge und Breite des Durchmeſ—⸗ 
ſers der Säule unten an ihrem Schafte, und noch ein 

Achtzehntel dariiber Habe; die Dife aber, die Vol 

ten mit einpegriffen die Hälfte derfelben. fei. Se.a. 

2) Vitrw. L. 4. c. r. 
3) TSendſchreiben über bie Gedanfen x. $. 205. 5) 

Erläuterung derſelben S. 138.1 _ 

HM Winckelmañ mahtin feiner Kuuſtgeſchüchte (38. 

18. 14 $.) viele Bemerfungen über die Epoche defs 

felben bei Gelegenheit eines Basreliefs im Muſeo 


404 | Baukunſt der Alten. 


eigentlich zu beflimmen; er müßte aber älter, wenig 
fiens an Jahren, als Sfopas fein. Den diefer 
bauete in der 95 Olympias zu Tegen einen Tempel 
der Ballas, 1) in welchem innerhalb über dori» 
fhe Säulen eine zweite Ordnung forintbi- 
fher Säulen flanden, und an der Niobe, wel- 
che nach aller Wahrfcheinlichfeit von der Hand eben 
diefes Künſtlers iſt,) fichet man, fo wie am La 0er 
foon, mit dem Bohrer gearbeitet, wovon eben 
diefer Kallimachus der Erfinder fein fol. >) 

6. 44, Die korinthiſchen Säulen follen, wie ' 
befant ift, 9 Durchmeffer in dee Höhe haben; die 
Säulen an dem Tempel der Veſta aber haben mit 
dem Kapitäl 11 Durchmefier , welches ein Beweis 
tft, daß diefer Tempel gebauet worden, da man fich 
ſchon große Freiheiten in der Baukunſt nahm, und 
in der Beit, wo lange, fpillenmäßige Säulen 
Mode wurden. 

$. 45. In diefer Forinthifchen Ordnung wurde 
vermuthlich allererfi unter den römifchen Kaifern 
eine befondere Art, die Säulen anzubringen, erdacht. 
Das Gebälk ſelbſt wurde nicht auf Säulen ge 
feget, fondern man fieß von denfelben Balfen 
hervorgehen, (es verſtehet fich, von Stein oder Mar⸗ 
mor,) und diefe unterilüsete man mit Säulen, 
auf die Art, wie diefekben an dem Tempel der Pal⸗ 
Ias auf dem Foro Nervä, und an dem Bogen 
des Eonflantinus fliehen. Eben fo war. das Bor- 
tal an dem Tempel des Kafor und Bollng zu 


Eapitolimo, das einige für das Werk de Kallimachut 
halten, den Plinius neũt, welches aber in Bronze, 
nicht in Marmor, war. Sean. 


1) Pausan. 1. 8. e. 45. 158. 3— 4.] 
2) [G. d. K.9 B. 28. 26 $.] 
32) [„gZCbendaſ. 8% 18, 14 $] 


Erſtes Kapitel. 403 


Neapel, izo zu S. Paolo, Theatiner Ordens; und 
an dem Tempel des olympiſchen Kupiters zu 
Athen, !) welchen Kaiſer Hadrianus vollendete, 
tragen die Säulen auch auf der Seite, wie dort 
an dem Bortale, ein hervorgehendes Gchälk. 

$. 46.. Die legte Ordnung, welche die Alten 
erfunden haben, iſt die zufammengefegete oder 
die römifche, das ift, eine Säufe mit einem Fo 
rintbifchen Kapitäl, woran ionifhe Vol 
ten gefeset find. Der Bogen des Titus til das 
alteſte übrig geblichene Werk, wo diefe Ordnung 

angebracht ift. 

6. 47. Bon den Säulen überhaupt iſt noch an⸗ 
zumerfen, daB das einzige Gebäude der Alten in 
- Stalien, deſſen Säulen iede ihr befonderes Piedeſtal 
haben, ein alter Tempel zu Affift in Umbrien 
ift: 2) eben diefes fiehet manan zwei Gebaͤuden zu Pal⸗ 
myra, 3) und an einem Tempel auf dem alten 
Muſaieo zu Baleftrina. 4 

$. 48. Es iſt befonders, daß bei den Alten 
auch ovale Säulen im Gebrauche gemefen: es fin- 
den fich dergleichen auf der Anfel Delos. Herr 
Ze Roy, >) welcher: diefes berichtet, gedenfet eines 
Sapitäls zu einer ovalen Säule, welches alla 
Zrinita.de’ Monti zu Nom flehet; es if ihm 


1) Pococke, t.2.. part. 2. pl. 78. 
2) Pallad. Archit. 1. 4. c. 26. 
Diefer. Banmeifter har ihn höher gemacht, ald er wirk 
lich if. Sen. 
3) Wood, Ruins of Palnıyr. pl. 4 
4) Detgleichen ſieht man. e8 an einem Tempel auf einem 
Basrelief, daB fonft in der Villa Medict war, und 
jezo in der Galerie zu Florenz aufbewahrt wird. Man 
findet es abgebildet bei Piraneſi, (della magnif. de 
Rom, tar. 38. fig. 1.) Sen 
[Numero 14 der Kobildungen diefer Ausgabe. ] 
5) Ruines, t. 2. part. 2. p 51. pl. 26. 


406 Baukunſt der Alten. 


entfallen, daß gegen. demfelben über ein anderes 
demfelben völlig ähnliches und gleiches ſtehet. Es 
finden ſich auch in Rom zwo ovale Säulen, und 
zwar von Granit, in dem Hofe des Palaſtes Maf- 
fimi alle Eolonne, und dem Anfehen nad ge 
bören gemeldete Kapitäler von Marmor zu diefen 
oder ihnen Abnlichen Säulen. 1) 


6. 49 Ach füge den Anmerkungen tiber die 
Form der Gebäude der Alten noch ein paar Ex 
innerungen bei; die eine iſt über eine Meinung 
des Herren Marchefe Galiani zu Neapel, in 
defien überfegtem Vitruvio,?) welcher glaubet, 


1) Le Roy gibt am angeführten Hrfe die Abbildung des 
vorgeblich einzigen Kapitäls diefer Art, welches auf Tri⸗ 
nita de? Monti ſteht, aber ſehr fehlerhaft, wie Pira⸗ 
nefi (della magnif de” Rom. n. 67. p. 109.) bemerkt, 
welcher (tav. 6. f. ı2. ) eine genauere Abbildung davon 
gibt. Derfelde fchreipt, daß diefed Kapität mit den ev 
wähnten Säufen auf der Inſel Delod sufammenftimme. 
Es ift auch nicht unmöglich, daß es von dort hergekom⸗ 
men feis deñ alle beide wurden vom Eavaliere Gualdt 
von Rimint aus Griechenland gebracht, und im Jabs 
re 1652 dem Klofter auf Teinita de’ Monti geichenft. 
Diefe Schenkung und dad Jahr derſelben find in einer 
Anfchrift auf ihrer Pleinen Baſis bemerft. Le Roy 
glaubt, daß diefe Art ovaler Säulen ber größeren Ser 
ftigkeit wegen an der Elfen gebraucht worden. Die ovalen 
Säulen im Palaſte Maffimi fan man als swei Halbe 
Säufen betrachten , deren jede am einen binnen Pilafter 
von demfelben Granit geheftet if, welcher fih in ihrer 
Mitte befindet; und nach ihrer unebenheit und Rohheit 
feinen fie mir vielmehr eine Arbeit der lezten Jahr⸗ 
hunderte und viefieicht aus derfelben Zeit, wo der Pas 
haft gebauet wurde, und für den Drt, wo fie fliehen, 
verſertigt; doch will ich denen, welche fie für antif hab- 
ten., nicht geradesu widerſprechen. Sea. 


2) L. 2. c. 8. p. 76. n. ı.. 


Erſtes Kapiter, 407 


WB Wohnungen für Berfonen von Mitteln und 
iermögen, alfo auch Paläſte Cauf dem Lande, 
ie er vermuthlich bat fagen wollen; 1) den in 


9) Galiani ſpricht ausdrüklich von Stadt » und Land⸗ 


häuſern, wie er (l.7.c. 4. p. 276. n. 2.) deutlich 
erflärt. Indeſſen hätte er für feine breite Behauptung 
doch einigen Grund angeben follen. Im Gegentfeit kañ 
man mit größter Gewißheit fagen, daß, ſowohl auf dem 
Lande als in der Stadt, Edle, Bürger und Arme in 
Häufern von mehreren Stofwerfen wohnten. Der ſicher⸗ 
fie Beweis defien find fo viele römifche. Gefese, welche 
verboten, Häufer über eine gewiſſe Höhe zu erbauen um 
den Einfturs und anderen Schaden zu verhiten, wie ber 
Redner Seneca (1.2. controvers. 2 et 9.) bemerft, 
nebſt vielen andern, welche von den Baupflichten 
gehandelt haben; und diefe Geſeze galten nicht bios 
in der Stadt, fondern auch auf dem Lande. Varro 
(de ling. lat. 1. 4. c.33.) fchreibt, daß die Zimmer im 


oberen Stok canacula gennfit wurden, weil man in 


denielben su Abend fpeifte, Inden. man den unteren Stof 
bewohnte: ubi canabant canaculum vocitabant. Postea 
quam in superiore parte cenitare caperunt , superioris 
domus universa canacula dicta. Daflelbe fagt Seneca 
Philoſophus (epist. 9.). Nachher wurden fie an Ars 
me vermiethet, oder die Haudherren gaben fie ihren 
Sreigelaffenen, wie Plutarchus erwähnt, (Sylla, c.ı.) 
und viele andere Schriftkelter mehr. Die beiden il, 
len bed Plinius hatten zwei Stofwerfe, weldhes Sa 
liani nicht hat bemerfen wollen, und Winckelmañ 
wahrſcheinlich überfehen hat. Die Taurentinifhe Vil⸗ 
Ta hatte, wiee Plinius (I. 2. epist. 37.) berichtet, dad Lands 
haus von einem Gefhoß, aber auf einer Seite Hatte 
ed einen Thurm von vier Stockwerken. Die andere 
Billa des Plinius, in Tofcana, hatte dad Landhaus 
von zwei und drei Stokwerken, ohne Thürme, vote 
Berfelbe (1. 5. cpist. 6.) meldet. Juvenal Csat. 14. v. 
88.) foricht von den Landhäufern des Centronius 
iu Tibur, Präne® und Gaeta, die fehr Hoch waren. 
Daſſelbe fchreist Sidonius (carm. 22. v. 209.) von 
der Burg oder Villa dei Pontius Lrontiud, Gen, 


408 Baukunſt der. Alten, 


Städten wiſſen wir das Gegentheil) indgemein nur 
ein einziges Geſtok gehabt, und feine obere 
immer. Es bat derfelbe Necht, nach den Be 
fchreibungen der Landhäufer des Plinius: mei 
aber die. Billa Hadriani hier anguführen if, fo 
ſiehet man augenfcheinlich Zimmer über einander, fo 
wie in den antoninifhen Bädern, auch in den 
diocletianifchen, wie diefelben vor gweibundert 
Jahren fanden: in einigen heilen diefes erſtaunli⸗ 
chen Gebäudes waren drei Bänge und Zimmer 
über einander. 1) In den Trümmern einer weit- 
läuftigen Villa unter dem alten Tuſeulo, wo izo 
die Sefuiten ihre Villa, alla Nuffinella ge 
nant, gebanet haben, fanden Ih Kammern über. 
den Wohnzimmern; jene aber waren niedrig 
und ſchlecht, und fchienen nur Wohnungen der 
Bedienten geweſen zu fein.. 

$. 50. Die andere Erinnerung gebe id: 
den Liebhabern der Altertümer, welche theils aus 
Kupfern urtheilen wollen, oder wen fie jene fell 
betrachten fünnen, nicht Zeit und Kentniß genug 
haben, die Zufäze an alten Werfen von diefen ſelbſt 
zu unterfcheiden. Dan merke, daß die Tempel und 
Gebäude auf zwo erhobenen Arheiten ın der Ville. 
Medicis, melde in den Admiranda des Bar 
tolt fichen, ) größtentheils neu, und zwar nur 


4) Der berühmte Cardinal Antonperrenot Granvel— 
la ließ auf feine Koſten die diochetianiſchen Bäder 
son Sebaſtian de Dva, königlich ſpaniſchem Vau⸗ 
meiner in den Niederlanden, zeichnen, und alles genau 
ausmeſſen, und tiere Zeichnungen find von Hieronyme 
Cock, aus Antwerpen, in 26 Blättern in Folio mit eis 
ner meißerhaften Art und grotgen Sauberkeit in Kupfer 
geſtochen. Dieied Werk trat nebſt einem kurzen Bcrichte 
auf zwei Blattern im Jahre 553 an daß Sit, und 
Hat fich überaus felten gemachet. Winckelmañ. 

2) Tab. 33 — 44. Se. 


Erites Kapitel, 409 


von Gyps, zugefezet find. Den es Fönte einige 
unrichtige Begriffe von der Form alter Gebäude ge 
ben, und ich febe, daß ein erleuchteter GSeribent 
unferer Zeit durch diefe Kupfer verführet worden. - 
Wo ein Stier zum Opfer von zwo Figuren gefüh- 
ret wird, ift nichts ale diefes bis auf die Beine 
der Figuren, und ein Theil des Daches über 
ihnen alt. Wo ein Stier foll gefchlachtet werden, 
it auffer einem Stüfe von der Enieenden Figur, 
welche ihn hält, nur eine andere Figur, welche im 
Grunde fiehet, alt; dag Übrige alles iſt Zuſaz. 1) 
Eben fo verhält es fich mit dem Portal eines Tem⸗ 
pels auf einer erhobenen Arbeit von vielen Figuren 
in dem innern Hofe des Palaſtes Mattei; 2) auf 
der Frieſe diefes Portals ſtehet: 10v1. Carıtorıno. 
Der Tempel iſt ein gang neuer Zuſaz, um dem 
alten Werfe diejenige Maß zu geben, welche man 
nöthig hatte. an dem Orte, wo es fichet. 

$. 51. Der zweite Saz des dritten Stüfs 
diefes Kapitels von den nötbigen Theilen der 
Gebaäude, gebet zum erflen auf die inneren, und 
zum anderen auf die äuſſern Theile. 


6, 52. Die vornehmften äuſſern Theile find das 
Dach, der Gipfel, die Thüren und die Ken 
fer. Das Dach wurde bei den Alten, welche auch 
Das Verbältniß der Gebäude vom Menfchen follen 


9) Das erſte dieſer Basreliefd befindet fih jezo in ter 
Galerie su Florenz, und es ift des Alten mehr daran, 
as Windelmai fagt, wei er nicht vielleicht aus 
Verſehen ein anderes meint, weiches mät dem zweiten von 
ihm angeführten an der Vorderſeite des Palafted ange⸗ 
bradıt it, und vom Bartoli nicht abgebildet worden 
Auch diefe beiden enthalten ded Alten mehr. Sen. 


2) Montfauc. Antiq. expl. Suppl. t. 4. apres la pl. 13. — 
Amaduzzi Monum. Matth. t. 3. tab. 39. Sea. 


Winckelmaũ. 2. 15 


408 Baukunſt der. Alten, 


Städten wiffen wir das Gegentheil) insgemein nur 
ein einziges Geſtok gehabt, und feine obere 
immer. Es. bat derfelbe Necht; nach den Ye 
fchreibungen der Landhauſer des Blinius: wen 
aber die. Billa Hadriant bier anzuführen if, fo 
fiehet.man augenfcheinlich Zimmer über einander, fo 
wie in den antoninifhen Bädern, -auc in den 
dioeletianiſchen, wie diefelben vor zweibundert 
Sahren finnden: in einigen heilen diefes erſtaunli⸗ 
chen Gebäudes waren drei Gdnge und Zimmer 
über einander. 1) In den Trümmern einer weit- 
läuftigen Villa unter dem alten Tuſculo, wo izo 
die SBefuiten ihre Villa, alla Nuffinella ge 
nant, gebauet haben, fanden Ah Kammern über: 
den Wohnzimmern; jene aber waren niedrig 
und ſchlecht, und fchienen nur Wohnungen der 
Bedienten gemefen zu fein.. 

$. 50. Die andere Erinnerung gebe id): 
den Liebhabern der. Altertümer, welche theilg aus 
Kupfern urtheilen wollen, ober wen fie iene felbfl 
betrachten können, micht Zeit und Kentniß genug 
haben, die Zufäze an alten Werfen von diefen felbfl 
zu unterfcheiden.. Man merke, daß die Tempel und 
Gebäude auf zwo erhobenen Arbeiten ın der Ville. 
Medicis, weldhe.in den Admiranda des Bar 
toli fichen, 2) größtentheils neu, und zwar nur 


1) Der berühmte Cardinal YntonYerrenotBranvek 
la tieß auf feine Koften die dBiocletianifhen Bäder 
on Sebaftian de Oya, Eöniglih ſpaniſchem Bau—⸗ 
meifter in den Niederlanden, zeichnen, und alled genau 
ausmeſſen, und dieſe Zeichnungen find von Hieronyme 
Eod, aus Antiwerven, in 26 Blättern in Folio mit eis 
ner meißerhaften Art und großen Sauberkeit in Kupfer 
geftochen. Diefed Werk trat nebft einem Furzen Berichte 
auf zwei Blättern im Jahre 558 an dad Licht, um 
hat fih überaus felten gemachet. Winckelmañ. 

2) Tab. 43 — 44. Gen 


Erftes Kapitel, 409 


von Gyps, zugeſezet find. Den es Fönte einige 
unrichtige Begriffe von der Form alter Gebäude ge 
ben, und id, fehbe, daß eim erleuchteter Scribent 


unferer Zeit durch diefe Kupfer verführet worden. 


Wo ein Stier zum Opfer von zwo Figuren gefüh- 
ret wird, ift nichts als dieſes bis auf die Beine 
der Figuren, und ein Theil des Daches über 
ihnen alt. Wo ein Stier foll gefchlachtet werden, 


ih aufer einem Stüfe von der Enieenden Figur, 


welche ihn hält, nur eine andere Figur, welche im 
Grunde fichet, alt; das Übrige alles it Zuſaz. H 
Eben fo verhält es fich mit dem Portal eines Tem⸗ 
pels auf einer erhobenen Arbeit von vielen Figuren 
in dem inneren Hofe des Palaſtes Mattei; 2) auf 
der Frieſe diefes Portals ſtehet: ıovı.. CarıToLıno, 
Der Tempel iſt ein gang neuer Zuſaz, um dem 
alten Werfe diejenige Maß zu geben, welche man 
nöthig hatte an dem Orte, wo es fichet. 

$. 51. Der zweite Sag des dritten Stüfs 
diefes Kapitels von den nöthigen Theilen der 
Gebäude, gehet zum erflen auf die inneren, und 
zum anderen auf die Auffern Theile. 


6. 52. Die vornehmtten üuffern Theile find das 
Dach, der Gipfel, die Thüren und die Fen⸗ 
fer. Das Dach wurde bei den Alten, welche auch 
Das Verbältniß der Gebäude vom Menfchen follen 


1) Das erſte diefer Badreliefd befindet fh jezo in ker 
Galerie zu Florenz, und es ift ded Altes mehe daran, 
als Winckelmañ fast, wei er nicht vickeicht aus 
VBerichen ein anderes nteint, weiches mit dem zweiten von 
ihm angeführten an der Vorderfeite des Palaſtes anger 
bracht ift, und vom Bartoli nicht abgebildet worden 
Auch diefe beiden enthalten des Alten mehr. Sen. 


2) Montfauc. Antiq. espl. Suppl. t. 4. aprös la pl! 13. — 
Amaduzzi Monum. Mlatth. t. 3. tab. 39. Sea. 


Wiunckelmaũ. 2. 18 


410 Baukunſt der Alten, 


genommen haben, als das Haupt des Gebäudes 
angefehen, und verhielt fich zu diefem, wie fich das 
Haupt zum Körper verhält. Es war nicht, wie 
man jenfeit der Alpen auch an fürfilihen Häu— 
fern fiehet, oft das Drittheil von der ganzen 
Höhe der Gebäude, fondern es war entweder sang 
flach, oder mehrentheils flach gegipfelt, wie 
noch izo die Häufer in Italien. Die Einwendung, 
daß Meile Dächer in Ländern, wo viel Schnee 
fällt, nöthig find, ift ohne Grund: den in Tirol, 
wo es nicht an Schnee fehlet, find alle Dächer eben. 
falls ſehr flach. An bürgerlichen Häuſern war zu- 
weilen die ganze Cornifche, auf welcher das Dach 
mit ruhete, von gebrafiter Erde, und dergeflalt 
eingerichtet, daß durch diefelbe die Traufe ablaufen 
koñte. Zu diefem Ende waren an berfelben in be- 
ſtimter Weite Löwenföpfe mit offenem Maule 
gebildet, durch welche der Regen berunterfiel, fo 
wie es Bitruvius an Temveln Ichret. !) Gtüfe 
folcher Gornifchen haben fich verfchiedene im Herecu⸗ 
Iano gefunden, und find in dem Hofe des Föniglis 
chen Mufei zu Bortici zu fehen. Sn Nom war der 
Ablauf der Traufe an gemeinen Häufern insgemein 
von Brettern gemachet. 


6. 53. Der Gipfel hieß bei den Griechen werce, 
Dder axeruna, und muß nothwendig an den alten 
Gebäuden und Tempeln fein, deren Dach mit der 
Deke ein Dreieck mache: det die Häufer waren 
nicht alle plart und ohne Gipfel, wie Salma- 
ſins behauptet, ?) welches fih auf alten Gemäl- 
den zeiget. ) Wen aber der Gipfel auf dem 


ı) L. 3. c. 3 
2) Plin. Exercit. in Solin. c. 55. t. ı. p. 853. 
3) Und auf fehr vielen erhobenen Bildwerken. Sea. 


Erſtes Kapitel. 411 


Balafte bes Cäſars, als eine Vorbedeutung fei- 
ner Fünftigen Bergötterung angefeben wurde ‚1) fo 
ift diefes nicht von einem bloßen Gipfel, ſondern 
von erbobener Bildhauerarbeit, oder gar 
von ganzen Figuren an demfelben, wie an den 
Tempeln waren, zu verfiehen. Pompejus hatte 
den Gipfel feines Haufes mit Schtffhnäbeln 
ausgezieret, welches, wie Caſaubonus meinet, 
durch rostrata domus angezeiget wird. 2) 

5. 54. Die Höhe eines Tempels wurde bis an 
die Spize des Gipfels gerechnet; folglich war die 
Höhe des Tempels des BZupiters gu Agrigentum 
von 120 Fuß. 

8.55. Die griechifche Benennung des Gi⸗ 
pfels wird insgemein, weit bergeholet, und man 
will in derfelben die Ähnlichkeit eines Adlers mit 
ausgebreiteten Flügeln finden.) Sch bin 
der Meinung, dag man anfänglich einen Adler 
an die Gipfel der Tempel gefeget habe, weil bie, 
ältefien dem Jupiter gewidmet waren, und daß 
Daher die Benennung fomme. 4) 

6. 56. Die Dhüren der alten dorifchen Tem» 


ı) Plutarch. in Cs. p. 738. [c. 63. p. 283. edit. Reick, 
Caſars Gemaplin "rad dieſes auxgorngsov im Traume her⸗ 
abfatten. ] 

2) Capitolini Gordiani tres, p. ı8g. edit, Script. Hist, 
Aug. Par. 1620. 

3) Salmıas. Notz in Spartian. p. 155. Cedoyn, Eclaire. 
sur quelq. diflic. gener. qui se trouvent dans les aut. 
Grecs. Acad. des Inscript. t. 7. Hist. p. 110. 

4) Über die Ableitung diefed Wortes verbreitet ſich Beger 
weitläufiger. (Spicil.antig.n. 3. p. 6.7.), welcher glaubt, 
ed habe feinen Urſprung vom Adler, den man auf ben 
Giebel oder in das Giebelfeld fteiite, wovon fi im 
beideriei Art Beiſpiele, befonderd auf Minen, finden. 
gen. . 

[Man vergleiche 2 8. 11 5.1 


412 Baukunſt der Alte. 


pel waren oben enger als unten, 1) wie viele This 
ren ägyptifcher Gebäude, welche Bocode da 
ber Byramidaltbürennennet.?!) In neueren Sei- 
ten. find dergleichen Thüren an Feflungswerfen und 
Caſtellen angebracht, deren Mauern, tote die agyp⸗ 
tifhen, ſchräg geben (a scrapa), wie der Eingang. 
zum Gaflel ©. Angelo il. Bernini bat in dem 
päbftlichen Garten zu Caſtel Gandolfo, mo eine 
Mauer, nach Art eines Auſſenwerks, fhräg 
gezogen ift, die Thüre ebenfalls enge zulaufen Iaf- 
fen. Aber es int falfch, was Einige vorgeben, daß 
an demfarnefifchen Palaſte zwo dergleichen Thüren, 
und einige in der Sancellaria von Bignola gebauet 
ſind:) Vig nola hat niemals Sand andiefes Gebäude 
geleget. ) Diefe Art Thüren fcheinen den do ri ſchen 
Tempeln eigen geweſen zu fein ; den fie iſt alfo gebauet 
an dem Tempel zu ori, >) welcher gleichwohl nicht 


ı) Dempster. Etrur. reg. t. ı. tab. 3ı. p. 266. Hier if ei⸗ 
ne der fogenafiten hetruriichen Bafen abgebildet ift, auf 
welcher fich eine nach ohen verengte Thüre befindet. Gea. 


2) Descript. of the East. t. ı. p. 107. 

[Befhreib. d. gefhnitt. Steine. 181.2 Abth. 
39%.) 

8) Daviler, Cours d’Architecture. 

4) Es wäre ein Beweis tiefer Behauptung zu wünſchen, 
da die allgemeine auch von fo vielen Autoren unge 
führte Sage meldet, dab Vignola die Thüre forinthis 
{her Ordnung an der Kirche von S. Lorenzo und 
Damaſo, neben der Gancelleria, gebauet, und auch 
für die Cancelleria felbft eine Thüre dorifcher Ordnung 
geseichnet habe, bie aber nachher nicht ausgeführet wor 
den; dak er ferner den Theil des Palaftes Sarnefe ges 
bauet habe, in weichem fich die Galerie der Carracci 
befindet , nebft vielen Verzierungen an Thüren , Senftern 
und Kaminen. (Milizia, Vite de’ piü celebri architett:. 
t. 2.p 24.) Sea. 

5) Piranesi, Antich. di Cora. tar. 9. 


| Erfied Kapitel. 413 


hr ale if. Endlich hat man diefe Thüren auch an 
orintbifchen Tempeln, wie am denen zu Tivoli, 
ngebracht. 

6. 57. Die Thüren der Griechen gingen nicht, 
ie bie unfrigen, einwärts, fondern auswärts 
uf; daher geben diejenigen, welche beim Blaus 
us 1) und Terentius 2) aus dem Haufe geben, 
on innen ein Zeichenan der Thüre, wie ein gro⸗ 
er Kritieus uns bemerken läſſet. ) Den die Komö—⸗ 
ien diefer beiden Römer find mehrentheils aus gries 


») Amphitr. act. ı. sc. 2. v. ı5. Curcul. act. 4. sc. ı. Y. 
25. Bacch. act. 2. sc. 2. v. 57. 


2) Andr. act. 4. sc. ı. v.59. — Terenz bat fie aus dem 
gricchifchen Original des Menander überfest, und die 
Scene ift in Athen. Gen. 

3) Muret. Var. lect. l.ı. c. ı7. — Turneb. Advers. 1. 
4. c. 15. Sagittarius (de jan. veter. c. 22.) und 
Pancirolio (Rer. memorab. |. ı. tit. 23 p.70.) be 
baupten, daß einige su diefem Zwei ein Glöklein am Thor 
gehabt; aber fie bringen Eeinen Beweis dafür bei. Sas 
gittariud glaubt, Seneca (deira.l. 3. c. 35.) fei der 
einzige alte Schrirtfteller, der diefed bemerfe, wo er fast: 
quid miser expavescis ad clamorem servi, ad linnitum 
zris, ad januz impulsum ? ch glaube aber, daß diefe 
Etelle nichts beweiſe; deũñ erftlich fcheint ed, daß dieſes 
zu verftehen fel von dem äuſſern Klopfen oder Klingeln 
deffen, der in's Haus Hinein wollte, wie noch jezo üblich 
iſt, nicht aber deſſen, ber aus dem Haufe binaudgehen 
oder die Thüre öfnen wollte; in welchem Testen Salle 
der Hausherr, der fih darin befand, davon nicht 
erfchrefen Eonlte, und ed würde nicht nöthig geweſen fein, 
zu Elopfen oder zu Elingeln, um den, welcher hinein 
wollte, anzudeuten, daß er fich entferne. Zweitens: 
nach der allgemeinen Art, in welcher Seneca fpridt, 
wei man ihn indem Sinne verficht, wie Sagittarins 
wii, müßte man annehmen, daß ed die übliche Sitte in 
Kom gewefen et, die Thüren nach aufien zu öfnen, au einer 
zeit, wo dieſer Gebrauch auch in Griechenland ſchon abgekom⸗ 
men war, und nur höchſt wenige ihn noch beibehielten. Se a. 


414 Baukunſt der Alten. 


Hifchen überfezet, oder doch Nachahmungen grie 
ch iſcher Stute Die Urſache diefes Zeichens von 
innen war, daß diejenigen, welche nahe am Hauſe 
vorbeigingen, fich vor einent Stoße der aufgebenden 
Thüre häten fonten. Bu Rom wurde in den eriien 
Beiten der Kepublif dem Marcus Baleriug, ci 
nem Bruder des Poblicola, als ein vorzägliches 
Anterfcheidungszeichen gegeben, daß defen Thüre 
answärts aufging, wie die griedifhen, und 
man faget, es fei die einzige Thüre in Nom geweſen, 
die alfo befchaffen war. 1) Unterdeſſen fiebet man an 
einigen Begräbnifurnen von Marmor, ?) in der 
Billa Mattei *) und Ludovifi, an welchen der 
Eingang zu den elyfätfhen Feldern durch ei» 
Thüre vorgefiellet iſt, diefelbe auswärts aufge- 
ben; auch in dem vaticanifchen Virgilio iſt die 
Thüre alfo an einem Tempel, wie noch izo die 


ı) Dionys. Hal. Antiqg. Rom. 1. 5. c. 39. Plutarch. Po- 
plic. c. 20. 

Nachher wird es auch in Rom üblich geweren fein, 
die Thüre nach auffen zu öfnen , ohne daß ed ein beſon⸗ 
deres Vorrecht geweſen; wie man aus dem Rechtsgelehr⸗ 
ten Scävola fchließen Fall, deren nocd weiter unten 
wird erwähnt werden, und der zu den Zeiten ded Eis 
cero lebte. Gen. 

2) Montfauc. Antiq. expl. t. 5. pl. ı22. 

3) Amaduzzi Monunı. Mattheior. t. 3. tab. 63. fig. 2. Dafı 
ſelbe fiegt man auch an einem Tempel in einem Basre⸗ 
lief an der äuſſeren Mauer der Hauptkirche in Florenz, 
abgebildet Hei ori (Inscr ant. in Etr. urb. part 2 tab, 
21.) und am dem Tempel auf dem friiher in der as 
lerie zu Florenz befindlichen Basrelief, welches N 
raneſi (delia Magnif. de’ Rom. tab. 38. f. 1.) abgebik 
det Hat. Vitruvius (l. 4. c. 6.) fest ald allgemeine 
Regel, daß die Tempeltbüren in allen Ordnungen ber 
Baukunſt ſich nach auffen öfnen. Sen. 

[Man fehe unter den Abbildungen Numera 44] 





Erſtes Kapitel. 415 


Thüren ber Scheunen, und der Läden der Kauf 
leute und Handwerker. Eines Theils können ders 
gleichen Thüren nicht fo leicht, als diejenigen, wel⸗ 
che einwärts geben, aufgefprenget werben, und ans 
dern Theils hindern fie nicht im Haufe, und nch- 
men feinen Plaz ein. Es findet fich aber auch das 
Gegentheil; den an einem runden Tempel auf eis 
ner der fchönften erhobenen Arbeiten aus dem Al- 
tertume, in der Villa Negroni, gehet die Thüre 
einwärts auf. 1) 


4) Man fehe die Abbil dung Numero 15, und eine bei 

Gruter (£. ı. p. 198. Boissard. part. 3. tab. 126.) Nach 
Plutarchus [Public.c. 20.) fcheint ed, daß au feiner 
Seit der Gebrauch, die Thüren einwärtd zu öfnen, allge⸗ 
mein auch in Griechenland abgefommen fei. Ebenſo ſagt 
Helladiud Beſantinous, oder der aus der 
Stadt Antinoia in Ägypten gebürtig war, in feiner 
Ehreftomathie, von welcher Photius ıCod. 279. 
col. 1595.) einen Auszug gibt, den Meurſius (Op; 
t. 6. col.331.) erläutert Bat, daſſelbe von Feiner Zeit, 
d. 1. vom Anfange des vierten Sahrhundertd der chrift« 
lichen Zeitrechnung unter Licinind und Martmilias 
nus, indem er die oben aus dem Plutarchus ev 
mwähnte Stelle faft wörtlich wiederholt: Ideo apud co- 
micos exeuntes pulsant fores,. quia non, ut apud nos 
nunc, ostia olim aperiebantur interius, sed adverso 
modo. Foras enim trudentes exibant, manu pulsantes 
prius, ut audirent, si qui ad fores essent, et caverent, 
ne inscii lederentur,, foribus regente in viam protrusis.— 
Defien ungeachtet köñte man jagen, daß in jenen Zeiten 
blos der größere Theil die Thüre nicht mehr nac auf 
fen öfnete; deñ ed fcheint mir ungesweifelt, daß einige 
fie auch noch zur Zeit ded Juſtinianus, d. i. gegen 
tie Mitte ded 6 Jahrhunderts fo öfneten, wie fih aus 
dem Sragmente ded Kechtögelehrten Scävola ergibt, 
welches tiefer Katier unter die Geſeze mit aufnahm, 
die zu feiner Zeit gelten follten, (Pandect. 1. 8. tit. 2. 
de servit. pred. urb. linea ult.) Die Thlren an den 
Buben der Krämer find wahrfcheinlih immer, fo wie 
auch noch jezo, nach auffen gebfnet worden. Fea. 


aArs Baukunſt der Alten. 


$. 58. Diejenigen, welche klügeln wollen, mei⸗ 
nen und behaupten, daß die Thüren von Erzt an 
der Rotonda nicht für dieſen Tempel gemachet, 
fondern anderwärts meggenommen fein, und dieſes 
bat fih auch Keyßler erzählen laſſen, ohne die 
Urſache anzuführen, welche jenen das Gitter über 
der Thüre fcheinet; diefe follte nach ihrer Meinung 
bis an ihren oberen Balfen reichen. !) Wer aber 
Die bereulanifchen Gemälde bat, wird auf der ver- 
‚ meineten Dido eine folche Thüre finden, an wel- 
cher das Bitter oben befeftiget ift:2) es dienet daffelbe 
zu Erleuchtung des inneren Gebäudes. An bür- 
gerlichen Häufern war über der Thüre ein freier 
Stand berausgebauet, welchen man in SBtalien 
Kinghiera, im Franzöſiſchen Balcon nenne: 
im Gricchifchen hieß es snYao. I) In einigen 


4) Sicorort (le vestig. di Rom. ant. 1. ı. c. 20. p. 132.) 
gibt als bekañt an, daß die antifen Thüren aus Bronie 
von Genſerich, König der Gothen, weggeführt wors 
den, aber er neñt EFeinen alten Autor, der es em 
zählte. Ihm folgte auch Venuti, (Accurat. e succ. 
descr. topogr. di Rom. part. 2. c. 3. p. 73.) Proc 
pius, der die Plünderungen Genſerichs erzählt, er⸗ 
wähnt diefer Thüren gleichfalls nicht. Vorfichtiger zwei⸗ 
felt daher Nardint (Rom. ant.1. 6. c. 4. p. 295.) blos, 
daß es nicht mehr die alten Thüren fein; Venuti 
fest noch Hinzu, dag diefe beiden Thüren neuerer Zeit 
feien auf Zapfen geftellt worden, und daß die alten 
mit Haſpen auf Angeln gegangen. Ges. 

2) Pitt. d’Ercol. t. ı. tav. 13. p. 73. 

3) Moschoph. h. v. 

Bei den Lateinern menianum oder menianum, fie 
beim Vitruvius (1.5. c.ı.) u. a. daher daB italiäs 
nifche Wort mignano entftanden if. Wan faste auch 
solarium, italtäniich solajo. Solarium und mœnianum aber 
naũñte man auch die Terraffe oder dad flache Dach 
der Häuſer, wie man fie noch jezo in Neavel fieht. 
(Isidor. Origin. 1. 15. c. 5. Hieron. epist. 106.) Sea. 


’ 


Erſtes Kapitel; _ 417 


Tempeln wurde vor die Thüre ein flarfer gewürfeter 
Vorhang gebänget, welcher in dem Tempel der 
Diana zu. Epbefus von unten hinauf gezogen 
wurde; 1) in dem Tempel des Supiters zu Elig 
aber Fieß man den Vorhang von oben herunter. 3 
Sn den Häufern waren die Thüren im Sommer mit 
Flor beipannet. >) 


1) Buonarroti (Osserv. istor. sopr. alc. medagl ant, 
tav. 1. n. 6. p. 20.) hat geglaubt, auf einer Münze 
ded Hadrianus eine Spur eined ſolchen Vorhanges 
zu finden, wo diefer Tempel der Diana, oder viel; 
mehr die Capelle oder das Tabernafel derfelben, vorgeftellt 
if. Aber er hätte bemerfen können, daß jener Von 
bang nicht in die Höhe gesogen erfcheint, wie Paufas 
nias fagt, Tondern gleihfam von einer Sette flat 
tert. Ein Beiſpiel eines Vorhanges, der fo mit drei 
Schnüren in die Höhe gesogen wird, findet ſich in den 
Pitture d’Ercolano (t ı. tav. ı1.). Sea. 

[Nah den Unteriuchungen ded Heren Hofraths Al. Hirt 
von Berlin, welche er über den Tempel der Dia: 
na su Epheſus angeftellt har (Berl. 1809. 4), ift 
biee weder ein Vorhang vor dem Bilde der 
Göttin, noeh vor der. Thüre der Celia anzuneh— 
men: fondern ein prächtiger, großer Tepich, ber 
bei Seften ald Überhang die Sonnenftrafen und Hize 
abzuhalten beſtimt war, die durch die obere Hfnung ded 
Tempels hineindringen Foilten , indem fowohl der Tem» 
pel der Diana su Epheſus, ald jener bed Supiterd 
u Eli ein Hypaerhrod geweſen. Daß man. in je 
nem den überhang aufwärts zog, Fam baher, weil 
man ihn pahrſcheinlich oben in einer Lufe unter dem 
Dache verwahrte, da die Behältniffe für den Schaz im 
Gebäude felbft angehraht waren. Den Ütberhang 
zu Elis aber ließ man herunter, weit man ihn weg 
nehmen wollte, weil fih die Behältnife Für den Tem: 
yelichas in befondern Gebäuden auswärts befanden. ] 

2) Pausan. 1.5. c. ı2. 

3) Casaub. in Vopisc. p. 225. Salmas. ibid. p. 483. 

Beide fprechen von Vorhängen, die beftändig vor bei 


an88 WBauknunſt der Alten. 


6.59. Fenſter hatten die in’s Gevierte gebaute 
ten Tempel insgemein nicht, und Fein ander Licht, 
als welches durch die Thüre bineinfam; und dieſes 
zu Vermehrung der Ehrfurcht des Orts, welcher 
durch Rampen erleuchtet war. 1) - Zucianus 
faget mit ausdrüflichen Worten , daß die Tempel 
nur durch die Thüre erleuchtet würden. ?) Die dl- 
teiten chriftlichen Kirchen haben ebenfalls wenig Licht, 
und zu ©. Miniato in Florenz find, anflatt des 
Glaſes, Tafeln von Nefihtem Marmor eingefeget , 
durch welche ein wenig Licht falt.3) Einige runde 


Shüren hingen. Cie wurden bei den Alten vela genafit, 
und von ihnen nafite man die Zimmer erfier, zwei 
ser Borhang, primum, secundum velum. Gen. 

[über die Befeſtigung und Zapfen ber Thlüren fehe 
man dad Sendfhreiben an den Graven von 
Brühl. $. 71 — 72.] 

4) Baron Kiederet (Reife ꝛc. 1 Br. 206.) bemerkt, daß 
an dem Tempel der Concordia in Sicilien fib keine 
Spur von Senftern finde, und vermutbet daher, daß 
er kein anderes Licht ald durch die Thür’ empfangen 
babe. Aber Seite 51 fast er, daß im Klofter St. Kür 
Folauß in berfelben Stadt ein Pleiner wohl erhaltener 
Tempel fei, der ein kleines alted Sentter babe. Sen. 

2) De Domo. $. 6. p. 193. 

Winckel mañ hat hier den Lucianwohl nur flüchtig 
angefehen. Es heiftt daſelbſt [nach der überſezung Wies 
lands): „dei daß er, 3. B. gegen den fhönften Theis 
„ des Tages, gegen die aufgehende Eonne liest, und alfo, 
» fobald feine Stügelthüren aufgethan werden, bis zum 
„überfluſſe mit Licht "erfüllet wird, — eine Richtung, 
„» welche unfere Alten auch den Tempeln su geben pfleg⸗ 
„ten, um. f. w.“ VDieſes hat aber gar Beinen Besug 
auf die Fenſter, dei er fast weiterhin, daß das Haus 
deren auf allen Geiten hatte. Gea. 

[Reife Anacharſis des Süngern, 8 Anmerf, z. 
12 K.] 


3) Es iſt irrig, daß die älteſten chriſtlichen Kirchen wenig 


\ 


Erſtes Kapitel, 419 


Tempel befamen, wie das Pantheon su Rom, das 
Licht von oben. durch eine runde Ofnung, 1) 
welche nicht in chrifllichen Zeiten durchgebrochen 
ift, wie einige unmiffende Seribenten vorgeben ; dent 
Das Gegentheil beweifet der Rand, oder die zier⸗ 
liche Einfaffung derfelben von Metall, welche noch 
izo zu ſehen und Feine Arbeit barbarifcher Zeiten if. 
Da unter Pabſt Ur ban VIII. ein Tanger unterirdifcher 
Ablauf der Unſauberkeiten bis an die Tiber gezogen 
wurde, fand fih 15 Palmen unter dem inneren 
Hflafter der Rotonda eine große runde Dfnung 
zum Ablaufe des Waflers, welches ſich durch die obere 
Dfnung in dem Tempel fammeln fonte. Es waren 
unterdefien einige runde Tempel ohne diefe Ofnung. 2) 

6. 60. Wen man aus den übrig gebliebenen al⸗ 
ten Gebäuden ‚. und fonderlich aus der Villa Hadria⸗ 


Licht gehabt, wie (hon Etantpini(Vet. monum. t. ı.c.7.) 
durch die alten Gebäude ſelbſt und durch die Zeugniſſe 
alter Autoren weitläufig gezeigt bat. Gr bemerkt, 
dag in vielen Kirchen zu Rom 3. 8. die Senfter ſpäter⸗ 
bin verenget worden felen, entweder ‚um fie auszubeſſern, 
oder um fich gegen die Kälte zu ſchüzen; oder von den 
Mönchen, um vom Lichte nicht in ihren Meditationen ges 
fiört zu werden. Sea. 

4) Der Tempel ded Gottes Terminus, der in dem Ten 
yel des Supiter Capitolinus eingeichlofren war, 
Hatte viehleicht eine äbnliche Hrnung im Dache, burd) 
welche man den Himmel ſehen Folite, indem ed Gitte 
war, diefen Bott an einem offenen Orte zu Verehren. 
(Lactant. divin. instit. 1. ı c. 25. Ovid. Fast. 1. 2. v. 
671.) " 

Nunc quoque, se supra ne quid nisi sidera cernat, 


Exiguum templi tecta foramen habent. 
Sea. 


2) Viele Gebäude, die man für Tempel hielt, waren 
Bäder, (Paoli, Antich. di Pozzuolo, tar. 54.) Gen. 


420 Baukunſt der Alten. 


ni zu Tivoli, urtheilen fan, fo liebeten die Alten 
mehr die Finſterniß als das Licht: den es finder fich 
dafelbfi Fein einziges Gewölbe ‚oder Zimmer, mel 
ches Ofnungen zu Fenſtern batte, und man muf 
slauben, daß das Licht ebenfalls durch eine Dfnung 
des Gewölbes hineingelafien worden; die Gemolber 
aber find um ihren Mittelpunft berum eingefallen, 
and man fan fich nicht deutlich davon überzeugen. 1) 
So viel ift gewiß, daß fehr Iange Gänge oder Ga⸗ 
ferien, welche halb unter der Erde waren, und 


41) Mir fcheint, daß die Ruinen dee Villa Hadriant 
feinen VBeweißgrund fir diefe Muthmaßung abgeben 
fünnen, da man nicht weiß, au welchem Zweke diefes 

> Gebäude beſtimt war. Bei den Autoren finden wır im 
Allgemeinen das Gegentheil. Paltadiudcdere rust. l. 1. 
c. 12.) ſchreibt vor, daß die Landhäuſer vier Licht ha— 
den müßen, und Vitruvius jagt daſſelbe ſowohl 
von den Stadt; ald Landhäuſern (1.6. c. 9). Äuſſerſt 
hefle waren die Landhäufer des Plinius, deren oben 
(S. 407.) erwähnt worden, und dad von Lucian be 
fchriebene Haus (oben S. 418.); fo wie dad Bad des 
Elaudiud Etrufcuß, welches Statius (Sylv. 1. ı. 
c. 5.) befchreibt: und flatt aller anderen Beifpiele können 
fo viele römifche Geſeze dienen, welche zeigen, wie ans 
gelegentlich man bei Stadt⸗- und Landhäufern darauf 
fah, daß die Nachbarn nicht das Licht derielben vers 
- baueten; wie in den Pandeften, dem Eoder und 
den Snftitutionen su leſen ik. Lukas Holftein, 
Marftliud Cagnatus ac. welche über die engen 
und fyarfam angebrachten Senftier der Alten dieſelbe 
Meinung wie Winckelmañ Hesten, find von Donius 
(de restit. salubr. agri Rom. in suppl. Antiq. Rom.), Sal; 
lengre(t. 1.col. g9ı9.), vom Pater Minutolo (Dis- 
sert. 4. de Dom. sect. 2. loc. cit.col. 92.) u. a. dort 
angeführten Autoren widerlegt worden. Doch will 
ich darum nicht durchaus läugnen, daf einige ihre Gens 
Ger enge gebaut haben, dei aus den Briefen des 
Cicero an den Atticus (U. 2. epist 3.) weiß man, daß 
der Baumeifter Cyrus fie fo machte. Gen. 


Erſtes Kapitel, | 491 


oeryptoporticus genennet wurden, von mehr als hun⸗ 
dert Schritten in der Länge, nur Licht haben an 
beiden Enden berfelben,, welches durch eine Art von 
Schießloch oberwärts bineinfält: von auſſen iſt vor 
diefer Ofnung ein Marmor mit einigen Einſchnitten 
geſezet, durch welche das Licht nur ſcheinet. In ei⸗ 
nem ſolchen Gange, welcher wenig Licht hatte, 
ſaß M. Livius Druſus in ſeinem Haufe, und als 
Tribunus des Volks hörete er und entfchied die Vor⸗ 
träge und die Klagen des Volks zu Rom.1) Derglei⸗ 
chen Gänge indem Laurentino des Plinius bat» 
ten auf beiden Seiten Feniter. 2) Die Weichlichkeit war 
unter den römifchen Kaifern fo hoch geiliegen , daß man 
auch in Feldlägern folche unterirdifche Gänge an⸗ 
legete, welches Hadrianus unterfagete, ?) 

: 6, 61. In Bädern ſowohl ale in Wohnzimmern 
fanden die Fenfter alle in der Höhe, H wie in den 


ı) Appian. de bello civil. l. ı. p. 372. Supplem. Lävii, 
l. 71. c. 33. 


2) Plin. 1. 2. epist. ı7. 
3) Spart. in Adriano, p. 5. Casaub. ad h. 1. p. 20. 


4) Zur genauern Beſtimmung wollen wir hinsuflgen, daß 
einige Theile der. Bäder, ald das labrum, nad Bis 
truvius (1.5 c. 10.), und einige andere Gemächer die 
Fenſter auf diefe Neife hatten. In andern Gemächern 
werden fie verfchieden gewefen fein. Seneca, (epist. 
86.) wo er von dem Bade ded Scipio Africanuß dei 
Altern zu Liternum fpridt, erwähnt, daß ed nach 
Art der alten Bäder fehr dunkel war, und das Licht 
durch einige Öfnungen empfing, die eher Rizen als 
Senfter zu nennen wären; im Gegenfase mit dem Ges 
brauhe feiner Zeit, wo fie durch fehr große Senfter, 
in welche die Sonne den ganzen Tag hineinfiel, und durch 
die man, im Bude fisend, Meer und Gefllde überfehen 
fofite, erhellet waren ; in hoc balnco Scipionis minims 
sunt rinıe magis quam fenesire, muro lapideo exsect 
12, ut sine iujuria mununenti lumen admitterent. A- 


d 


493 Banfunft der Alten. 


Werkſtellen der Maler und Bildhauer, welches man 
fonderlih an den Gebäuden der durch den Veſuvius 
verfchütteten Etädte gefehen bat. Eben diefes zeiget 
fih auf einigen erbobenen Arbeiten, und auf alten 
bereulanifchen Gemälden: 1) Die Häufer daſelbſt hat⸗ 
ten gegen die Etraße zu gar keine ZFeniler. 2) Diele 
Art zu bauen war nicht zur Neugierde und zum 
Müßiggange eingerichter; fie verfchaffete aber ein 
viel nüzlicher Zicht in den Simmern, welches das 
Zicht ii, das von oben Fit. Wie vortheilhaft der- 
gleichen Licht auch der Gehalt fei, fan man daraus 
fließen , daB die Mädchen in Rom, welche veripro- 
hen find, fich dem Bräutigam, wie man fagel, 


nunc blatiaria vocant balnea, si qua non ita aptata sunt, 
ut totius diei solem fenestris amplissimis recipiant; nisi 
et lavantur simul et colorantur; nisi ex solio agros 
et marıa prospiciunt. Diefe Stelle des Seneca zeigt, 
dag man auch bed BütruvinsVorſchrift nicht befolger. 
So war viefleiht auch das vorhin erwähnte Bad des 
Claudius Etrufeus eingerichtet, und daB Bad der 
Sauftina, welches die Genfer von folcher Größe Hatte, 
daß fie von der Erde faft bis an die Deke reichten. In 
den Bädern des Diocletianus und andern findet man 
die Regel des Vitruvius beobahtet. Man fehe die 
Abbildungen davon bei Eameron (Descript. des bains 
des Romains.) Aus dem angeführten Briefe des Seneca 
bemerkte ich auch den in jener Zeit gewöhnlichen Luxus 
in den Bädern, die Hähne der Röhren, aus benen das 
Waffer floß, von Silber zu machen, argentea episto- 
mia, um zu zeigen, daß die Nachricht, welche Win: 
deimaf in der Geſchichte der Kunſt (12%. 2 8. 
25.) von einigen gibt, nicht fo ganz neu war. Sen. 


ı) Pitt. d’Ercol. t.ı.p. 171 — 229. Virgil. Vatic. n. 29. 


D Man fehe die Briefe an Bianconi (S. 31 — 
37), wo fih Windelman über diefen Punkt, fo wie 
auch über die Höhe der Fenſter deutlicher erklärt. Sea. 


Erſtes Kapitel. 433 


m erſtenmal öffentlich in der Rotonda fehen laſſen. 
tan war auch in Simmern mit hoch angebrachten 
enflern unter dem Winde und der Luft, daber fin 
t fich, daß die Alten vor die Dfnungen zu Fenſtern 
ur eine Deke gezogen. 1) Auswärts waren diefe ih⸗ 
: Senfter nicht, wie izo, mit eifernen Gattern ver- 
abret, fondern anflatt deffelben war ein von Mes 
MH mit Kreuzſtäben gegoffenes Bitter, welches im 
ngeln hing, und auf und zu gemachet werden koñ⸗ 
»z es hieß clathrum. Man fiehet daffelbe auf vers 


ı) Digest. 1. 33. it. 6. 1. Quasitum est, ı2. $. Si do- 
mus ı6. 
ulpian fagt davon nichts in diefem auch von den 
Yuslegern fo viel und oft befirittenen Gefeze. Es fcheint, 
daß er, weil er von Vorhängen der Senfter fpricht, mei. 
ne, daß die Vorhänge in den Zimmern dienten, dem 
Tageslichte und ber Sonne den Eingang zu verwehren, 
wei man fie dunkel machen wollte, wie auch noch heus 
x tige Tags gerchieht, während man, ihmizufolge , um 
die Kälte von den Senftern abzuwehren, Srauenglas in 
diefelben feste, wie auch Seneca fast (de provid. c. 
4: natur. quest. 1. 4. c.ult.) und Plinius der Süns 
gere, (1. 2. cepist. 17.) Neque specularia, fdhreibt 
Ulpian, neque vela, qua frigoris causa vel umbræ in 
donmo sunt. Niemand wird fagen, daß jener Gtein 
gedient habe, Dunfelheit zu bewirken, ober das Licht 
zu hindern, da feine Berchaffenbeit und der Zwek feines 
Gebrauches war, ein heile und reichlicheß Licht durchs 
feinen zu laſſen, wie derſelbe Seneca (epist. 90.) 
fügt: speculariorum clarum 1ransmittentum lumen; 
fo auh Meartiai(l. 8. epigr. ı4.v. 3 — 4. edit. Ba- 
deri. 1627.) 
Hybernis objecta natis specularia puros 
Admiittunt soles, et sine fece diem. 
(Conf. Basıl. M. in Hexamer. homil. 3.n. 4.) Bon biefen 
Vorhängen fpricht au Juvenallsat.g. v. 105.) und an⸗ 
dere Autoren. Aber öfter erwähnt derer, welche vor 
den Senftern der Kirchen dienten, der Bibliothelar Annas 
ſtaſius in den Leben der Päbſte. Gen. 


“ 


424 Baukunſt der Alten. 


fhiedenen alten Werken,!) und im Hereculano Kat 
fih ein folches Gitter gang umnverfehrt gefunden. 
An einem runden Tempel auf der angeführeten er- 
hobenen Arbeit in der BilaNegroni gehen Gatter, 
anfatt der Fenfler, auf beiden Seiten der Thüre, 
von der Eornifche bis auf den Boden,2) nah Art 
wie fie fich oberwärts an einem andern erboben ge 
arbeiteten Tempel befinden. ) Es gab auch Säle 
bei den Alten, deren große und bobe Fenſter bis 
auf den Boden heruntergingen. +) 

$. 62. Daß die Römer fchon unter den erfien 
Kaiſern Glasfenfier gehabt, geben die platten Stüfe 
Glas, welche im Herculano gefunden worden, nicht 
undeutlich zu erfennen. Es redet auch Philo in 
der Befandtfhaft an den Kaiſer Cajus von 
Glasfenftern.5) Die ältefie Meldung derſelben 
findet fich alfo nicht beim Lactantius,) wie Her 
iron, in einem gedruften Schreiben aus London 
1759 an Herrn VBenuti gerichtet, vorgibt. 7) Sch 


ı) Pitt. d’Ercol. t. ı. p. 229 — 261. 

2) [Man feheunter den Abbildungen Numero 14 — 15.] 

3) Montfauc. Antiq. expl. t. 5. pl. 131. 

4) Vitruv. 1. 6. c. 6 . 

Diefe Senfter hießen bei den Lateinern valve oder 

fenestr& valvatzs. Plinius der Jüngere (I. 2. 
epist. 17. ) ſchreibt von feiner Villa Laurentina: un- 
dique. valvas, aut fenestras non minores valvis habert. 
Vitruvius am angeführten Orte nefit fie lumina fenc- 
strarum valvata, welches Galiani paffend durd finestre 
a guisa di porte, Genfter wie Thüren, uberfest hat. 
gen. 

5) Oper. t. 2. p. 599. edit. Mangey. [Man vergleiche oben 
&. 35 — 37. ] 

6) De opif. Dei, c. 8. 

7) [Man vergleihe oben ©. 31— 37. 


Erſtes Kapitel. 425 


merke bier eine Nachricht an, welche Ottavio Fal⸗ 
sonierii) aus Rom dem Nikolaus Heinſius ir 
einem Briefe gegeben von einem Gemälde, welches ge⸗ 
wife alte Gebäude und einen Hafen vorfiellete- mit 
ihren darunter gefegeten Benennungen, als: Prorrex 
NEPTVNI. FO. BOAR. BAL. FAYSTINES. Er fchäzet dieſes Ge⸗ 
mälde von Conſtantins Zeiten. Die mit Farben 
- ausgeführeten Zeichnungen derfelben befinden fich in 
dem Mufeo des Herrn Cardinals Alerander Albani. 
Den es Feine Betrügerei iſt, fo wären die Glasfenfter 
- ‚ans denfelben deutlich zu erweifen: den es find an 
den Gebäuden große Flügelfenfler bis auf den Bo» 
den herunter in großer Anzahl, eines nabe an dem 
andern. ?) Diefes Gemälde fland an der Wand in 
einem Gartenhaufe der Billa Ceſi eingeleget, aber 
der jezige Beſizer gedbachter Billa, der Prinz Ban 
fili, bat alles daſelbſt überweiflen laſſen, und alfo 
in nichts mehr von dem Gemälde zu fehen. Bellort 
bat es, in’s Kleine gebracht, in Kupfer vorgeſtel⸗ 
et. ° 


+) Burrmann. Syll. epist. t. 5. p. %27. epist. 458. 


2) Dieſes beweiret nicht ; deñ die Senfter Fofiten auch vom 
Srauenglad oder andern Materien fein, vom 
denen in den Anmerkungen zu ben Briefen an. Bis 
anconi die Rede ik. Sea, 


3) Frag. vet. Rom. p. 1. 


Wincdelmaf Hat nachher in feiner Dentmalen 
(N. 204.) das Stük diefer Malerei, unter welcher. gefchries 
ben ift: Bar. ravstınzs. abgebildet und erläutert mitges 
theilt. Man kañ ed: für ein: Bad der Kaiſerin Kauftina 
halten. Ebendaſelbſt bemerkt er, die gedachten Senfter feien 
fo groß geweſen, daß ſie bib an den Fußboden reichten , wie 
man fie in der Malerei fiehet, und denen ähnlich, von. 
welchen. ich. vorher geſprochen habe. Gr. wirft dort 


18 * 


426 


Baukunſt der Alten. 
6. 63. Diefes ift von den Äufferen Theilen der 


alten Gebäude geredet. Die inneren find überhaupt 


ze aufs neue die Srage auf, welde ev fon in feinen 
Nachrichten vonden neuefen berculanifchen 
Entdekungen (ober ©. 272.) getan hat. Wir wollen 
hier der Bolltändigkeit wegen etwas füber die erwähnte Stel⸗ 
le beibringen. Die Grage ift: ob die Alten Läden an 
den Senftern gehabt, um bie Zimmer dunkel 
zu maden, wie fie nod heutiges Tag üb; 
ich find. Aus der fihern Art, fih auszudrüken, follte 
man slauben, dad Windelmai alled, was biefen 
Punkt betrift, nachgeleſen babe, oder daß wenigſtens 
die von ihm angerührten Autoren fo zu Vewitchen 
feien, wie er fie erklärt. Uber jene Zweifel verichwins 
den leicht , weil man auch nur die von ihm angeführs 
ten aber wicht genug erwogenen Stellen genauer bes 
tradhtet. Und, um bei Ovidius anzufangen, ſcheint 
es mir ſehr klar, daß derielde gerade von folchen mit 
Läden geſchloſſenen Senftern ſpreche. Er fagt, daß er 
iur Sommerdzeit um Mittag ruhte, und einen Theil 
des Senfters ganz, den andern aber nur fo geſchloſſen 
hielte, daß blos ein fchwaches Licht, wie man etwa in 
einem dichten Walde, oder bei der Dämmerung fiehtz 
bineinfiel. Die Stelle heißt: (Amor. 1. ı. eleg. 5.) 


Estas erat, mediamque dies exegerat horam: 
Apposui medio membra levanda toro. 
Pars adaperta fuit, pars altera clausa fenestre: 
Quale fere sylva lumen habere solent; 
Qualia sublucent fugiente crepuseula Phebo, 
- Aut ubi nox abiit, nec tamen orta dies. 
Illa verecundis lux est prebenda puellis ı 
Qua timidus latebras speret habere pudor. 


Wincdelmafi, weicher in Rom fchried, wo die Ges 
wohnbeit if, in den Nachmittagfiunden zu ruhen, und 
hie Senfterläden, wenigſtens ber Hize wegen, au verſchlie⸗ 


Erſtes Kapitel, 427 


ie Deken, oder die Gemwölber, die Treven und ing» 
sfondere die Zimmer. z 


gen, Eofite fich Teiche vorftellen, daß Ovidius von et 
was Ahnlichem ſpreche, und einfehen,. daß eine ſolche 
Dunkelheit durch Vorhänge, deren einer zugezogen, 
der andere offen war, nicht zu bewirken fei. Auch 
Vitruvius (1.6.c.7.) fchreibt vor, dag man die Gens 
free gefchloffen Halte, um die Zimmer vor der Sonnen⸗ 
hize zu verwahren; und dies mußte vermittelt eines uns 
durchfichtigen Körpers gefchehen , der fähig war, den Son; 
nenftralen und der Wärme den Eingang zu verwehren, und 
dazu war Hols in jeder Hinficht das bequemſte und wohlfeil⸗ 
ſte Material. Juvenal beftätiss dieſe Erflärung. Zwar 
fpricht ex von Borhängen, aber er ſezt voraud, daß die Sen. 
fter ſchon mitLäden geſchloſſen ſeien, Indem er fast, daß 
man mit den Vorhängen die Fenſterrizen verfchließe, fo 
daß auch Fein Lüften durchbringe; von Licht ift gar die 
Rede niht, da er voraudfest, ed ſei Nacht, indem er 
fo auf den auch noch heutiges Tagd Hblichen Gebrauch 
anſpielt, die Senfter wohl zu verfchliehen, und deßhalb 
auh die Vorhänge niederzulafen; er wollte damit 
blos fagen, daß, wei man auch alle möglichen Vorſichts⸗ 
maßregeln anwende, um etwas zu ‚verbergen, was man. 
in feinem eigenen Haufe, felbfe su Nachtzeit, zu thun 
vorhabe, doch die Nachbarn ed Schon vor Tage wiſſen 
wirden, 


‘© Corydon, Corydon, secretum divitis ullum 

Esse putas? Servi ut taceant, jumenta loquuntur, 
"Et canis, et postes, et marmora. Claude fenestras, 
_Vela tegant rimas, junge ostia, tollito lumen 

E media; clamant amnes. Prope nemo zecumbat: 
Quod tamen ad cantum galli facit ille secundi, 
Proximus ante diem caupo sciet; audiet et qua 

| Finzerunt pariter Ubrarius, archimagiri, 
Carptores. 


Noch andere Autoren ſprechen vom dunkeln Kam 
mern, bie wahrfiheintich mit Läden verfinfiert morben, 


428 Baukunſt der Alten. 


6. 64. Die Deke war in vierefihten DTempeln 
insgemein von Holze, fo wohl in ganz alten Zeiten, 


1. B. Seneca (Consol. ad Marc. e. 22.), wo er er 
zählt, daß Cordus, der Zeitgenoffe des Sefſanus unds 
Tiberius, ſich geſtellet, als ob er aus Verzweiflung 
Hungers ſterben wollen, ſich deßhalb in ein Zimmer ge⸗ 
ſperrt, und alle Fenſter verſchließen laſſen, um im Dun⸗ 
kel zu bleiben: lumen omne pracludi jussit et se in 
tenebris condidt. Auch Apulejus (Metam. 1]. 2. 
p- 57.) foricht von einer Kammer , die durch Ders 
fdließung der Senfter verdunfelt war: conclave ob- 
seratis luminibus umbrosum. Plinius der Jüngere 
(}. 9. epist. 36.), indem er bie Lebendweife bis 
fchreibt , die er auf feiner tufculanifchen Billa führte, 
ersählt, daß er Morsend beim Erwaden die Senfter 
noch etwas verfchloffen bielt, weit ed gleich (den Tag 
war, um beffer im Dunkel nachzudenken, und fie dar 
öfnen ließ, um das Üiberdachte zu dictiren: evigilo cir. 
ca horam primam, s@pe ante, tardius raro: clauss fe: 
nestre manent Mire enim silentio et tenebris animus 
alitur. . . . Notarium voco, et die admisso, qua for- 
maveram, dieto. So redet aub Barro (de re rust. 
l. ı. e. 59) von Senfterläden, foriculi an den Feuſtern 
oder Luftlöchern : operothecas qui faciunt: ad aquilonem 
ut fencstras habeant, atquc ut aëre perflentur, curant 
neque tamen sine foriculis: ne quunı humoremı amıise- 
Yint, pertinaci vento vieta fiant, 


Aus diefen Schriftſtellern Täßt ſich alfo mit Gewißheit 
abnehmen, daß man die Zimmer entweder mit Läden 
oder mit Vorhängen verdunfelte. Koñte daflelbe nicht 
auch Auduftus thun, der ein Zeitgenofe Vitruvs 
und Dvadd, und älter ald Cordus war? Wer wollte 
glauben, daß ſeinem Palaſte eine Zierde oder Bequem⸗ 
lichkert, welche au feiner Zeit allgemein im Gebrauche 
war , gemangelt babe? Weil er fich derſelben nicht bes 
diente, da er bei Tage ſchlief, Tondern Mich begnäate, 
die Augen mit den Händen gegen daB Licht zu verſchlie⸗ 
gen, fa muß man danon einen andern Grund aufjucken. 


Erfted Kapitel. 429 
wie die Defe von Cypreſſen in dem Temvel des 


‚den ih aber nicht mit Tiffot (über die Geſund⸗ 
heit der Gelehrten $. 75.) darin fegen möchte, dag 
Auguſtus nur wenig fchlafen wollen: fondern vielmehr 
darin, daß er einen Widerwillen gegen die Dun—⸗ 
Felheit und den einfamen Aufenthalt in ders 
felben gehabt ; dei Sueroniu 8 ragt, dag ſich AuUguſtus 
weit er im Bette nicht schlafen Tonnen , vorlefen laffen, 
und dag er nie ohne Gefellfhaft im Dunkeln wachen mö⸗ 
gen: nec in tenebris vigilavit upquam nisi assidente ali- 
quo. Weit er alfo am Tage auf diefe Weife fchlief, und 
die Hand von den Augen nahm, fo befand er fich nicht 
allein im Dunkel , das er verabfcheute. Daffelbe ift auch 
noch jezo manchen Menfchen eigen, welche weder bei Tas 
ge noch bei Nacht im Dunkel und bei gefchloffenen Lä⸗ 
den fchlafen Fönnen. Man darf fich nicht einbilden, daß 
Ausuft us fo fchlief, um die Bequemlichkeiten zu vers 
ſchmähen, und ein mühfeliged Leben su führen; im Ges 
sentheile Hat er nah Suetonius gefucht, bequem zu 
ſchlafen, indem er fich auch die Süße zudeken laſſen. 


Mit gleihem Grunde kañ man über die von Wim 
cke Umañ angeführte Stelle des Terentiud antworten; 
deñ daß man die Leute fächelte, geſchah nicht, weil man 
nicht gewußt hätte, die Zimmer zu verbunfeln, wäre ed auch 
‚nur durch Vorhänge oder andere Vorrichtungen vorden Sens 
fern geweſen, fondern aus andeen Urſachen. Jene Konts 
Bdie des Terentiuß iſt, fo wie die übrigen, eine 
jtberfesung oder Nachahmung aus dem Griechiſchen, und 
griechiſch iſt auch ohne Zweifel ihr Inhalt. Daß die 
Griechen fich der Läden bedient haben, erhellet aus der 
angeführten Stelle des Apollonius Rhodius, wo 
ich Feine Schwierigkeit darin finde, daß bdiefer Dichter 
die Fenſter THürem neft; deñ auch bes den Lateinern 
bieffen fie fores und bifores, wegen dee Shnlichkeit, wel 
che fie mit ihnen, fowohl durch den Gebrauch Hatten, 
als auch weit fie vieleicht öfter nah auſſen, gleich 
die Thüren, gedfnet wurden, wie man auf dem Basre⸗ 
Hef der lorentinifchen Galerie fieht, das Gori (In- 
scr. ant. in Etrur. urb ext. part. 3. t. 20.) mittheilt. 
Die Selle des Terentius wird alfo eine andere Be 


430 Baufunft der Alten. 


Hpollo gu Delphi war, N als auch in nachfolgenden 
Zeiten; auch die Tempel der h. Sophia und der 
Apostel zu Conſtantinopel hatten folche Defen. 2) 
Der frangöfifche UÜberſezer des Baufanius hat ſich 
geirret, wei er unter andern dem Tempel des 
Ypollo zu Phigalia eine gewölbete Deke gibt: er 
bat das Wort opoDos, welches Hier, 3) wie indge- 

mein, D das Dach bedeutet, für die Defe genom- 

men: das Dach diefes Tempels war mit Blatten 

von Stein geleget. Beſagetes Wort heiſſet an eini⸗ 
gen Orten des Baufaniaszwarauch die Deke, aber 
nur indem Falle, wo es zugleich Deke und Dadı 


deutung haben. Er fast, daß der Werfchnittene mit ei; 
nem Fächer einem Mädchen fächelter welches nad ten 
Bade auf dem Bette lag; womit er vielmehr zu verſte⸗ 
hen gibt, daß der Verfchnittene ihr Kühlung fäheln. 
ald dag er ihr die Fläegen wesicheuchen wollen. 
und gefest auch, dies leste wäre feine Abficht gemefen, 
fo würde es doch nichts beweiſen; deñ einem Schlafenden 
die Stiegen zu verfheuchen, war auch ein vielleicht aus 

Verweichlichung entftandener Gebrauch zur Zeit ded Kats 
ferd Bertinar, wie Dio im Leben des Severuß 
(1. 74. c. 4.) meldet, in welden Zeiten man in Rom 
auch bei Tage die Fenſter zu verbunteln wußte, wie 
Ovidius und Vitruvius bezeugen. In dem von 
Ezechiel befchriebenen Tempel zu Jeruſalem, vom h. 
Hieronymus commentirt (Comment. in Ezech. |. ı2. 
©. 4. col. 501. E.), waren in den Senftern weber Glas 
noch Srauenglad, sondern bloße Fenſterläden von köſt⸗ 
fihem eingelegtem Holse, und ſolche Läden fcheinen auch 
die auf dem erwähnten Badrelivf der florentinifchen Ga, 
lerie su ſein. Gen. 


ı) Pind. Pyth. V. v. 52. 

2) Codin. de Orig. Constantinop. p. 64 et 73. 
3) Pausan. 1. 8. e. 41.,$. 6. 

4) 1Ia.1l.E.c. 20.93 


Erſtes Kapitel. 0434 


bedeutet, wie in Höhlen. 1) Unterdeffen ift auch 
diefes Wort bei fpäteren griechifchen Seribenten 
zweideutig worden, fo wie die leztern römiſchen 
Scribenten die Wörter , welche eine platte Defe von 
Holz und ein Gewölbe bedeuten, mit einander ver⸗ 
wechſelt haben. 2) 

$. 65. Dieſe Deken der Tempel wurden zuwei⸗ 
len von Eebern gemachet. Die Deken der Kirchen zu 
S. Johañ Lateran, und zu ©. Marin Maggie 
ore köñten uns von den Defen in alten Tempeln einen 
Begrif geben. Sch läugne indeffen nicht, daß es 
nicht vierefichte Tenipel mit Gewölbern gegeben ba 
be, fo wie es der Tempel der Ballas zu Athen 
war. 3) Solche Tempel aber hatten drei Navaten, 
wie 150 gedachter Tempel, wie der Tempel des Frie⸗ 
dens zu Rom, und der zu Balbef; und in diefen 
Teınpeln befam das Innere derfelben von den Ges 
wolbern, welche mit Schifböden von den Alten ver« 
glichen werden, den Namen eines Schifs,D und 
man faget, die mittlere und die Seitennavaten. 


2) Id. I. 9. c.33.$ 2. 


Ich glaube, daß Pauſanias hier auch blos von 
dem Dache ſpricht, fo wie anderswo (l. 1. c. 40. $. 5.), 
da er eines Tempels des ſtaubigen Jupiters xuus; 
erwähnt; und für die Benennung eines bloßen Dachs 
oder der Bedekung einer Hütte bedient ſich Strabo def 
felben Worted (I. 4. p. 302. 1. 15.). übrigens läugne ich 
nicht, daß opepes zuweilen auch lacunar, flache Deke, 
bedeute, wie Syiburs sum Paufanta 8 (l.ı.c.ıg. 
$. 1.) anmerkt, und Winckelmañ [PG. d. 8. 11%. 
3. K. 23$.I den Heſychius bei dem Worte opogunes 
verſteht. Gen. 


2) Salmas. in Vopisc. p. 393. A. 
3) Spon, Relat, d’Athenes, p. 27. 
4) Salmas. Plja, exercit. in Solja. € 55. 18855. 


432°. Banfunft der Alten, 


Der Tempel des capitolinifchen Supiters gu Nom 
aber hatte auch drei Selen oder Navaten, 1) umd 
dennoch eine Defe von Holze, welche nach der Zer⸗ 
flörung von Karthago vergoldet wurde. 2) 

$. 66. In Häufern hatten die Zimmer theils 
platte Defen von Holze, wie igo überhaupt in Sta⸗ 
lien, wen fie nicht gewölbet find, und diefe Defen, 
wen fie blos aus Brettern befanden, mit welchen 
die Balfen beleget wurden, biegen bei den Griechen - 
Barvamara; 3) hatten fie aber Bieraten, welche, 
wie noch izo in Stalin, vertiefte vierefichte Felder 
waren, fo hießen fie laquearia: den dergleichen Fel- 
der wurden lacus genennet. 4) Oder es hatten die 


ı) Rycg. de Capit. c. 13. 
2) Plin. 1.33. c.3. sect. ı8. 
3) Salmas. ]. c. 


Polluc. Onom. 1. 7. c. 27. segm. 122. Gen. 


4) Diefe Stelle in in dee Bibliothek der ſchönen 
Birienfhaften «. (103 1 St. 1606.) von 
einem Ungenafiten Eritifirt worden. Es heißt daſelbſt: 
» Man findet, daß die Deken der Tempel und Häufer 
„ aus Bögen von Steinen oder von Holze find gewölbt 
„ worden, welche man cameras (oder wie Gekner lie 
„ ber leſen will, camaras) nalte. Unten an diefe Defe 
» wurde noch eine hölzerne angemacht , welche lacunar oder 
» auch laquear genaũt wurde, und sur Zierde diente. So 
„ fagt Sfidor: layuearia sunt, que canıaramı subtegunt 
„et ornant,. qua et lacunaria dicuntur Lacunar heißt 
„ diefe Defe von den muſchelicht en Vertiefungen (a la- 
„ cubus, griehifh garvauara) und laquear (a laqueis) 
„ weil fie mit Strifen befeftist wurde. Doch nañte 
„» man fie auch mit dem allgemeinen Namen canıara, 
„ wie dieſes deutlich aus dem Plinius erhellet, der 
„vom Pauſias (einem Schuler des Pamphilus, 
„ dem Meiter des Apelles,) ſagt: (1. 34. c. 11. 
» Sect. 40.) lacunaria primus pingere instituit, nec 
„ Camaras ante cum taliter adomars mos fuit. Hier wo 


Erſtes Kapitel. . 433 


Zimmer Gewölber mit Rohr gemachet (volte a canna) 
und die Berfertigung derfelben lehret Balladius 1) 
und Bitruvins.?) Es murde die Form des Ge 
wölbes von Holz und Brettern aufgefeget, und breit 
getretenes Rohr, welches durchgehends in Stalien 
viel fHärfer und länger als in Deutfchland ift, auf 
diefelben gebunden; auf das Rohr wurden Schlafen 
vom Veſuvio geleget und befeliget, und über die 
felben wurde Mörtel (von Buszolana) getragen, und 
die lezte Lage gefchähe mit Flein gefloßenem Mar⸗ 
mor und Gypſe. Sn einigen Häufern der durch den 


„ den offenbarlacunaria und camaræ verwechſelt. Diefela- 
„ cunaria, nicht die camarz im eigentlihen Berftande, wurs 
„ den mit Cälaturen, d. i.miterhobenen Siguren 
„ aufgelegt, oder gemalt, oder mit Koftbarfeiten ausgesiert, 
„ daher kommen ded Virgils lequcaria aurea. Die ver⸗ 
» tieften, tunden und rautenefigen lacus hießen 
„ bei den Griechen garınuara, nicht, wie Windelmaf 
„ fast, die Deken. Diefed beweift die Stelle des Joſſe⸗ 
„ phusinden Altertümern(l.8.), wo er von den Brets 
„tern der Deke fast, fie wären sferumus (a Em, ex- 
» Cavo) uc garımmara (h. e. lacus) xas m posxcMuous x pvos 

“  „(h. e. aurea celalura). Aus diefem werden Ste leicht 
„ fehen, was ich wider .diefe Stelle de Herrn Windels 
„» mai habe. Noch weiß ich nicht, was ich mit dem 
» Worten machen foll: hatten fie Zieraten, fo 
» hießen fie Zaquearia, dei dergleihen Selder 
„ wurden lacus genaüt. Es ift wahr, diefe Deken 
„ hießen laquearia, aber nicht, weil fie Zacus hatten, 
„Res müßte bei Wünckelmſañ noch die wunderlicdhe Aus 
„ merfungdeö Servius (ad Virg. En. 1.v.627.) nachfagen 
„» wollen , welcher ſchreibt: Zacunarium, quod per antis- 
„ tichon Jaquearium facit. Wer kaũ aber glauben, daß aus 
„ lacus und Zacunarium durch ein lächerliches Antiſti⸗ 
„ bon Zlayuearium follte gemacht fein?“ Fernow. 


a) De re rust. 1. ı.c. ı3. 
2)L. 7. c. 8. 
Winckelmaũ. 2. 19 


434 Baufunft der Alten. 


Veſuvius verfchütteten Städte baben ſich dergleichen 
Deken gefunden, welche aber zufammengedrüfet waren. 


$. 67. Die Treven in den Tempeln, welche 
auf das Dach innerhalb der Mauer führeten, waren 
Windeltreven, wie in dem Tempel des olympifchen 
Zupiters gu Elis,1) in der Notonda, ) in dem Tem⸗ 
pel des Frie dens zu Rom, 3) und in den diocletia« 
nifchen Bädern.+) Sn andern dffentlihen Gebäu⸗ 
den, die Stufen in den Theatern ausgenommen, bat 
Sch feine Trepe erhalten; ben man wird die Stufen 
fon vor Alters meggenommen haben, wie man noch 
zu unferen Zeiten mit denen, welche in der Billa 
Hadriani, und mit einer anderen, welche obnmeit 
dem Balafte von Santa Eroce zu Nom entdefet wor- 
den, gethan bat. Jene führete zu einem offenen 
Bange auf prächtigen Säulen, ging gerade mit ih⸗ 
ren Abſäzen oder Ruhepläzen, war aber nur adıt 
Balmen breit, welche Breite einem Eaiferlichen Luf- 
baufe nicht fehr gemäß il. Eben fo breit maren 
die Trepen in dem vermeineten Luſthauſe des M. 
Scaurus auf dem palatinifchen Berge, mie Li- 
gorius in dem Grundriffe deffelben, welcher ſich 
in deffen Schriften am gedachten Orte befindet, 
anzeiget. 


3) Pausan. 1. 5. e. ı0. [$. 3.) 
2) Diele Haben einen dretekigen Plan. Gern. 
2) [G. d. 8. 113838. 15 $.] 

” 4) Eine ähnliche Trepe fieht man in dem Überbleibiel eg, 
ned Tempel nahe bei Girgenti, welde ein Meifter 
Müt in diefer Art if, wie Baron Niedefel in feiner 
Reife (1 Br. 41 ©.) bemerkt. So war au iene, 
die Luctan erwähnt, (in Philopatr. $. 23.) und eti& 
ce Jahrhunderte vorher hatte man ähnliche Stiegen im 
Tempel Salomonis angebracht. (3 Kön. 6 8.88%. 
Flar. Jos. antiquit. 1. 8. c. 3. n. 2.) Sea. 


Erſtes Kapitel, 435 


8,68. Die Stufen waren allgemein bei den Al⸗ 
ten höher, als man izo diefelben in Baläften und 
bequemen Wohnungen zu halten pfleget, und diejes 
nigen, welche um den einen Tempel zu Bello herum⸗ 
sehen, (an den andern Tempeln find fie nicht ficht- 
bar) find ungewöhnlich hoch : fie haben drei rö—⸗ 
mifche Balmen in der Höhe, 1) und zwei und drei 
Viertheil Balme in der Breite, fo daß man mit 
Mühe das eine Bein über das andere fo hoch heben fait, 
Eben fo hoch find die Stufen um den erhaltenen 
Tempel zu Girgenti, und dieienigen, welche um dem 
Tempel des Thefeus zu Athen gehen, fcheinen 
nicht niedriger zu fein. 2) Eben auf diefe Art ift die 
Trepe an einem Tempel in dem vaticanifchen Vir⸗ 
gilio angegeben. An der größten Pyramide in Agyp⸗ 
ten find einige Stufen drittehafb Fuß und andere 
vier Fuß Hoch.3) Diefe Stufen um die Tempel wa⸗ 
ren allerdings befchwerlich zu fleigen; es dieneten die⸗ 
felben aber zu gleicher Zeit auch dem Volke zum 
Sizen, weil in den mehreſten alten Tempeln nicht 
viel Raum für eine große Menge Menfchen war. Daß 
Das Volk aufden Stufen um die Tempelherum gefeflen, 
zeigen einige Stellen alter Scribenten an. Baur 
ſanias faget,H) daB an einem Gebäude ohnweit 
Delphos, wo die Abgenrdneten der Städte aus der 


1) Es fehlt ein Drittet, daß die Stiegen von Girgenti 
und Paltum fo Hoch feien, als Winckelmañ hier ans 
gibt, wie audden Abbildungen zu erfehen ift; aber auch 
(don bei 2 Palm Höhe für eine Staffel icheint es um 
begreiflich, wie fie zum Aufſteigen Fonnen gedient haben, 
Sen. 


2) Le Roy, Ruines des plus beaux Monum. de la Gräce, 
t. 1. pl. 8, gen. 
. 3) Pococke, Descript. of the Eesst, t. 1. p. 43. 
4) L. 10. c. 5. [$. ı.) 


436 Baufunf der Alten. 


Zandfchaft Bhocis ihre Derfamlungen hielten, Stu⸗ 
fen geweien, welche zum Eisen gedienet. Auch Ci⸗ 
er ro redet ron einem Tempel ohnweit der Porta Ca⸗ 
pena, auf deren Stufen das Volk gefefien.1) Eben 
ſo ſiebet man auf der Tabula Sliaca im Campi- 
doglio auf zwo Etufen um das Grab des Hektors 
berum die Mutter, Schwefſtern und Verwandten 
deſſelben fijen und weinen. 2) Wei aber die Tem- 


ı) Ad. Attic. 1. 4. epist. 1. 


2) Fabretti explic. INliac. tab. num. 110. Gor; Mus. Guar- 
nacc. c. 3. p. 17. — Foggini Mas. Capit. t. 4. t. 68. 


gs Nach den Borichrirten, welche Vitruvius (I. 3. c. 3. 
l. 9. c. 2.) gibt, follten die Trepen nicht fehr hoch fein, 
obwohl die Ausleger in der Grflärung von einander ab⸗ 
weihen. Den am erftien Hrte jagt er ausdrüklich, man 
ſolle daraur fehen , die Stufen sum Auffteigen bequem zu 
machen. Muh Die (l. 43. c. 21.) Fall zum Beweiſe 
defien dienen, wo er fagt, daß Julius Cäſar bei ſei⸗ 
nem erfien Triumph auf den Knien die Trepen dei 
Supitertempeld auf dem Kapitolio hinaufgeſtiegen, 
und (1. 60. c. 23.) dak Elaudius daſſelbe gethan. Es 
wäre nicht leicht geweien, dies auf einer beträchtlichen 
Zahl von Stufen zu bewerffielligen, wen fie ſehr hoch 
geweien wären. An den Tempeln, wo die Stufen 
rinaſsumher lauten, würde ich diejenigen, weldhe eis 
gentlich zum Hinauffteigen beſtimt waren , von den 
andern „ welche zur Unterlage des Zempeld dienten, 
unterfcheiden, fo daß jene zur Bequemlichkeit ber Hinauf⸗ 
fleigenden niedriger waren, und die andern böher, wie 
ed der übereinſtimmung und Größe bed Gebäudes ange: 
meſſen war, ungefähr wie die Eturen in den Theatern, 
melde da, wo man ſaß, höher waren, ald da, wo man 
hinaufſtieg. In der That finde ich, daß an dem Tempe 
der Eoncordia zu Girgenti auf der Moraenfeite, wo 
man sur Vorhalle Hinanfteigt, Me Stufen ſehr niedrig 
waren; und von fechd derfelben, jede einen halben Palm hoch, 
find noch Reſte vorhanden, wie Baron Riedeſel (1 Br. 


Erſtes Kapitel, 437 


pel feine Stufen umher hatten, wie an runden Tem⸗ 
peln, fo waren die Stufen nur am Eingange: def 
die Tempel hatten allezeit eine erhobene Bafe, ſon⸗ 
derlich wo Bilnfier angebracht waren. Und da in 
- fpäteren Zeiten des Altertums die Bafen der Säu⸗ 
u bach gehalten wurden, ſo wurde auch dadurch 
er Eingang erböhet; Daher finden fih an dem er- 
mwähneten runden Tempel in der BilaNegronizehen 
Stufen, welche zu deffen Thüre führen. 1) 
6.69. Wir ſehen ferner an den Trepen und 
Stufen der Akten, daß diefe feinen rundlichen Bund 
gehabt, wie 130 die Stufen gearbeitet werden , fo 
daß fie einen rechten Winkel macheten , und eine 
Schärfe hatten. Die Efufen in der Billa Hadriani 
maren aus zwo gleichen Tafeln von Marmor in ei⸗ 
nen rechten Winkel zufammengefezet. Es Finnen 
alſo die Stufen, welche um den Pronaos des Pan⸗ 
theons geben, und rundlich find, nicht ans dem Alter» 
tume fe. 


5.70. Don den Simmern der Alten will.ich nicht 
anführen und unterfuchen, was von den alten Seri⸗ 


4 ©.) berichtet. An dem großen Tempel zu Paäſtum 
liefen hohe Stufen riugsumher; aber zur Bequemlichkeit 
der Hinauffteisenden war zwifchen jedem Paar hoher 
Stufen no eine falfche Mittelftufe angebracht. Diefe 
find nicht mehr vorhanden, deñ vielleicht waren fie von 
"Metall oder anderem koſtbaren Material, oder vielleicht 
find fie im Laufe der Saprhunderte zu Grunde gesangenz 
aber man bemerft ihre Spur durch eine gewiſſe Vertie⸗ 
fung zwifchen einer und der - andern Stufe, welde ge 
zade tauglich fcheint, eine dritte zu halten, fo daß aus 
drei Stufen finf wurden, welches eine bequeme Stiege 
sah, und zugleich dem Tempel zur Zierde gereichte. (Paoli, 
Rovine della cittä di Pesto, dissert. 3. n. 49. p. 104.) 
Sea. 

1) [Man fehe unter den Abbildungen Numero 15.) 


438 Baukunſt der Alten. 


benten angezeiget worden, weil diefes theils fchon 
gefaget iſt, theils ohne Kupfer nicht deutlich genug 
vorgeſtellet werden kañ: ich begnüge mich, dasienige 
anzumerken, was ich ſelbſt geſehen. Der Alten ihre 
Bimmer, fonderlih mo fie fchliefen, waren vielmals 
oben rund gewölbet, wie auch Barro anzeiget: 1) 
alfo war dasjenige, welches Blinius in feinem Lau—⸗ 
rentino befchreibet; 2) und man fchließet aus fol- 
chen Bimmern des zweiten Geſtoks in der Billa S a- 
driani, daß fie zum Schlafen gedienet haben , aus 
einer großen Nifche in denfelben, welche anſtatt bes 
Alkovs geweſen, wo das Bette geflanden. Des Pli⸗ 
nius Zimmer hatte Fenſter umber, in jenen aber 
Somt das Licht durch eine Ofnung von oben, welche 
vermuthlich die Nacht verfchloffen wurde. 


6, 71. Aus den Trümmern der angeführeten Billa 
auf dem alten Tufenlo, imgleichen ans den Zim⸗ 
mern einer prächtigen Billa bei der Stadt Hercula- 
num, wo die mehreften Bruftbilder von Marmor und 
von Erst in dem königlichen Mufeo zu Portici ge 
fanden find, köñte man fchliefen, daß der Alten 
ihre Zimmer nicht fehr geräumlich gemefen. 3) Dass 
jenige, wo im SHerculano die Bibliothek fand, und 
wo eine Menge von mehr als taufend Nolen Bü⸗ 
cher gefunden find, mar fo befchaffen, daB man 
faſt von einer Wand zur andern mit ausgefirefeten 
Armen reichen Tonte. In der tufceulanifchen Villa 
fand fish unter andern ein Fleines Bimmer mit einer 


1) Scalig. Conject. in Varron. de ling. lat. I. 7. [t. 2. 
p- 254. edit. Bipont.] 
a) L. 2. epist. ı7. 


3) [Man vergleihe die Briefe an Bianconi, oben 
©. 29. u. f.) 


Erftes Kapitel. 439 


befonderen Abtheilung in beigefezeter Form, N —— 


welche veranlaſſet zu glauben, daß in der äuſſeren Abthei⸗ 
Yung ſich die Bedienten aufgehalten: a war die Thüre 
in das Zimmer, und b die Thüre in den innern 
Berfchlag, welcher mit einer dünnen Dauer gezogen war. 

6..72. Bon Kaminen in den Zimmern findet 
fich Feine Spur, wie bekañt if: in einigen Zimmern 
der Stadt Serculanum fanden ſich Kohlen, woraus 
man fchliefen Fan, daß daſelbſt Fein anderes als 
Koblfeuer, fih zu wärmen, gebräuchlich gemefen. 
Man trift noch 150 in den gewöhnlichen Bürgerhäu—⸗ 
fern in Neapel feinen Kamin an, und dielenigen, 
die fomohl bier als in Nom, auch unter Berfonen 
von Stande, eine genaue Kegel der Gefundheit ber 
obadhten, wohnen in Zimmern ohne Kanıin, und 
ohne fie durch Kohlen zu erheizen. In den Villen 
aber , welche aufler Nom auf erhabenen Orten, . wo 
die Zuft reiner und Fälter if, angeleget waren, 
hatten die Alten die hypocausta ober stufe ver⸗ 
muthlich gewöhnlicher als in der Stadt. Es fans 
den fi Stufen in dem verfchätteten Zimmern ges 
bachter tufeulanifchen Villa, die beim Graben des 
Grundes zu dem isigen Gebäude entdefet wurden. 
Unter diefen Zimmern waren unter der. Erde unter 
irdifche niedrige Kammern in der Höhe eines Tiſches, 
allezeit zwei und zwei unter jedem Bimmer, und ohne 
Eingang. Die obere platte Deke diefer Kammern 
war von fehr großen Biegeln geleget, und mit zwei 
Bfeilern unterflüget, welche ebenfalls von Biegeln, 
shne Kalk, und nur mit Leim gemauert waren, um 
fih in der Hize nicht von einander zu fondern. An 
der oberen Deke diefer Kammern waren vierefichte 
NRöhren von Thon eingemauert, melche bis auf die 
Hälfte der Kammern berunterhingen, und in das 
Bimmer über diefelben ihre Ofnungen hatten. : Solche 


440 Baukunſt der Alten, 


RNöhren waren innerhalb der Mauern diefes Zimmers 
fortgeführet, und hatten ın einem anderen Bimmer 
über jenem, das if im zweiten Gchofe, ihre Df- 
sung vermittcht eines Löwenkopfes von gebraüter 
Erde. Zu den unterirdifchen Kammern ging man 
durch einen ſehr engen Bang von etwa zwei Fuß 
breit, und in die Kammern wurden durch ein vier- 
efihtes Loch Kohlen gefchüttet, deren Hize durch be⸗ 
fagete Röhren hinaufzog is das Zimmer unmittelbar 
über dieſelben, deſſen Boden von grobem Muſaico 
war, und die Wände waren mit Marmor beleget: 
dieſes war die Schwizkammer (sudatoriem ;) die Hize 
dieſes Zimmers wurde demienigen, welches über je⸗ 
nem war, mitgetheilet vermittelft der Röhren, welche 
innerhalb der Mauer binauffleigen, und in jenem 
fowohl als diefem Zimmer ihre Dfnungen hatten, 
die Hise zu fammeln und auszulaſſen, welche in dem 
oberen Zimmer gemäßiget war, und nad) Erforder- 
niß verflärfet und vermindert werben koñte. 1) Ben 
dergleichen Stufen, Zimmern und Röhren fan man 
fi) aus einigen Entdefungen im Elfaß, welche Hert 
Schöpflin forgfältig aufnehmen Iaffen, 2) einen deut- 
lichen Begrif machen, welche in dem, mas die Haupt⸗ 
anlage derfelben betrift, von den tiffeulanifchen Zim⸗ 
mern nicht verfchieden find. 


4) [Man vergleihe die Briefe an Bianconi, oben 
S. 37 — 42.] 
2) Schöpflini Alsatia illustrata, t. 3. tab. ı5. 


Zweites Kapiteh 


Bon der Zierkichfeit in der Baukunſt. 


Auf das Wefentlichein der Baukunſt iſt 
die Siee ichfeit derfelben gefolget, von welcher die- 
fes zweite Kapitel handelt, und von derfelben if 
zum eriten allgemein und hernach insbeſon⸗ 
dere zu reden. 

6.2. Ein Gebäude ohne Bierde, iſt wie bie 
Gefundheit in Dürftigfeit, die niemand allein für 
glüklich hält, wie Ariſtoteles faget; 1) und das 
Einerlei oder die Monotonie Fan in der Baukunſt, 
fo wie in der Schreibart und in anderen Werfen 
der Kunſt, tadelbaft werden. Die Bierde bat ihr 
ren Grund in der Mannigfaltigfeit; in Schriften 
und an Gebäuden dienet fie dem Geiſte und dem 
Auge zur Abmechfelung, und wei die Bierde in der 
Baukunſt fich mie Einfalt gefellet, entſtehet Schön 
beit: den eine Sache ift aut und fchön, wen fie 
ift, was fie fein fol. Es follen daher Bieraten eir 
nes Gebäudes ihrem allgemeinen fowohl, als befon- 
deren Endzwefe gemäß bleiben: nach jenem betrach- 
tet, follen fie ols ein Zuſaz erfcheinen, und nach 
diefem die Natur des Drts und ihre Anwendung 
nicht verändern. Sie find als die Kleidung anzu- 
ſehen, welche "We Blöße zu defen dienet, und ie 
größer ein Gebäude von Anlage iſt, deflo weniger 
erfordert es Bieraten; fo wie ein Eoflbarer Stein 
nur wie in einen goldenen Baden einzufaffen wäre, 


ı) Rhetor. 1. ı. c. 5 


442 Baukunſt der Alten. 


damit er fih ſelbſt in feinem völligen Glanze 
zeige. 1) 

$.3. Die Bierlichkeit war an den ältefien Ge 
bäuden fo felten, als an den älteflen Statuen , and 
man fichet an jenen weder Hohlkehlen noch rundliche 
Bünde, fo wenig als an den ältefien Altären, fon- 
dern die Glieder, an welche diefe Sierlichfeit nach- 
ber angebracht wurde, geben entweder gerade aus, 
oder fie find wenig gefenfet und erhoben. Nicht 
lange vor Auguſtus Seiten wurde unter dem Con⸗ 
fulate des Dolabella, auf dem Berge Cölio in 
Kom, an der claudifchen Waflerleitung ein Bogen 
gebauet, über welchen der hervorſpringende Balken 
oder Eornifche von Travertino, über der Snfchrift?) 
fchräg aber in gerader Linie gehet, melches in fol 
genden Zeiten nicht fo einfältig gemachet wäre. 

6. A. Nachdem aber die Mannigfaltigkfeit in 
der Baufunft gefuchet wurde, welche durch Senkungen 
und Erhobenheiten, oder durch Hohl- und Bogen 
Iinten entſtehet, unterbrach man die geraden Glie⸗ 
der und Theile, und dadurch vervielfältigten ſich 
diefelben. Die Mannigfaltigfeit aber, welche fich eis 
ser jeden Ordnung in der Baukunſt verfchiedentlich 
eigen machete, wurde eigentlich als keine Zterlichfeit 
angefehen, welche in der That fo wenig von den 


1) Lucian, weicher bis in fein dreiſſigſtes (71 Jahr ein 
Bildhauer gewefen, vergleicht (de Domo $.7.)ein Ger 
bäude, das mit ſchiklichen, mäßig angebrachten Ziera⸗ 
ten verfehen iſt, einer befcheiden und mäßig geſchmüt— 
zen Jungfrau, welche ihrer natürlihee Schönheit Raum 
säft, fih zu zeigen; hingegen ein mit Verzierungen 
überladened Gebäude vergleicht er einer Buälerin, wel 
che ihre Mängel und Häfllichkeiten unter dent Schmufe 
zu verbergen ſucht. Sen. 

3) Gruter. Inser. t. ı. p. 176. n. 2. Montfauc. Diar. Ital. 
c. 10. p. 148. 


Zweites Kapitel, 443 


Alten geſuchet wurde, daß das Wort, welches dieſe 
Bedeutung bei den alten Nömern hatte, nur vom 
Buze in der Kleidung gebrauchet mwurde;1) in fpä« 
teren Seiten deutete man allererſt das römiſche 
Wort Bierlihfeit auch auf Werke des Bew - 
flandes.2) Dei da der wahre gute Geſchmak fiel, 
und der Schein mehr als das Wefen gefuchet mum 
de, ſahe man die Bieraten nicht mehr als einen 
Zuſaz an, fondern es wurden die Bläze, welche bis⸗ 
ber ledig geblieben waren, mit denfelben angefüllet. 
Hierdurch entſtand die Kleinlichkeit in der Baukunſt: 
dein weñ ein jedes Theil klein iſt, fo iſt auch das 
Ganze Klein, wie Arifoteles faget. Der Bau- 
funft erging es, wie den alten Sprachen: diefe 
wurden reicher, da fie von ihrer Schönheit abfie- 
Ien, welches ſowohl von der griechtfchen als römi⸗ 
fchen zu beweifen iſt; und da die Baumeiſter ihre 
Borgänger in der Schönheit entweder nicht erreis 
chen, oder nicht übertreffen Fonten, fucheten fie fich 
reicher als jene zu zeigen. 

6.5, Die Üüberhäufeten Bieraten haben vermuth- 
tich unter dem Nero angefangen: den gu Titus Zei⸗ 
len berfchete bereits diefer Geſchmak, wie man an 
deſſen Bogen fiehet, und es nahm derfelbe immer 
mehr überhand unter den folgenden Kaiſern. as 
die Baufunft unter dem Aurelianus für eine Ge 
fialt gehabt habe, zeigen die Paläſte und Tempel 
zu Balmyra: den mas dafelbft übrig iſt, wurde ver⸗ 
muthlich kurz vor oder zu deſſen Zeiten gebauet, in- 
dem an allen dortigen Gebäuden ein und ebender- 
ſelbe Styl H.3) Ob das ungeheure Stüf einer 
Architrave von Marmor in dem Garten des Balafles 


ı) A. Gell. 1. 11. c. 2. 

2) [Elegantia ] 

3) Wood (Ruins of [Palm. p. 15.) ſucht diefed weitläufig 
au erweifen. Ger. 


114 Baufunf der Alten. 


Eolonna von einem Tempel der Sonnen,T) um 
ter befagetem Kaifer gebauet, fei, kañ man nicht ent- 
fheiden. 2) 


1) Die Säulen dieſes Temyeld, oder wenigſtens acht der: 
felben, Waren von Porphyr, aber (chen zur Zeit des Ju⸗ 
Bintanud, d. i. um den Anfang bed 6 Jahrhunderts. 
wesgenommen. Da diefe Säulen fid noch iso in dem 
zempel der 5. Sophia zu Conſtautinopel, welchen je⸗ 
ner Kaifer wieder aufbauete, befinden, fo köñte man fie 
meſſen, und daraus die Berhältniffe und tie Ordnung 
des Sonnentempels, zu dem fie urfprünglich gehörr 
haben, berechnen, und fie mit dem Stük Geſims, von 
dem Winckelmañ fpräßt, vergleichen. Sea. 


2) Dasienige Etüf, welches Palladio (Archit. I. c. 12) 
vorgeftellet hat, iſt entweder mehr aus der Einbildung 
ald nach der Wahrheit gezeichnet; dei er hat entwerer 
einen Eupido nit Köcher und Bogen aus dem Laub 
werte hervorgehen laſſen, oder er hat daszenige Stük von 
dieſem Architrav gewählet, welches serfäget worden, 
und aus welchem die Baluftrade der Sapelle ded Haufe 
Colonna in der Kirche S. Apoftoli, und das Pflaſter 
in der Galerie des Palafted Colonna gemachet worven. 
Chambray (Paral. de PArchit. anc. et mod. c. 28.), 
welcher diefed Stük aus jenem genommen, hat ed von 
neuem nach feinem Sinne geändert, und anftatt ber 
Liebe ein Kind vorgeftellet, welche? vor einem Löwen 
erihrift, der aus dem Laubwerfe hervorzuipringen 
{heinet. Der Sried von dem einen Stüfe, welches iso 
nebft der Corniſche vorhanden iſt, Hat feine anderer 
Sieraten , ald drei große Zige von Laubwerk. Die bei: 
den unteren Glieder diefed Architravs, nämlich der Bals 
gen, welcher über der Säule Tient und der Fried über 
demfelben aus einem Etüfe, find dreisehn Palmen oder 
Spannen, und vier Zolle Hoch, und dieſes Stüf ift zwei 
und zwanzig Palmen und vier Zolle lang. Daß andere 
Stirk, nämlich ein Theil der Eornifche diefed Architravs, 
auf weichem der Anfang von dem Srontifpis aus einem 
Stüke mit demfelben gearbeitet ift, hält ungefähr eben 
fo viel in der Höge und in der Binge Winckelmañ. 


Zweites Kapitel. 445 


8.6. Die Einfaffungen der Thore und Thüren 
wurden wie aus lauter Krängen von Blumen und 
Blättern gebildet, wie es an dem Tempel zu Bal» 
bef if, !) und dergleichen Thüren find verfchiedene 
in Kom übrig.2) Die Säulen blieben nicht ver 
fchonet: die ganze Baſe mit ihren Gliedern wurde 
mit’ Krängen umgeben, wie die unter den Säulen 
von Borphyr an dem ſogenañten Battiflerio Con- 
ſtantini zu Rom find, 3) und eine andere Baſe von 
ungemeiner Größe in-der Kirche von St. Paolo vor 
Rom, welche neun Balmen im Durchfchnitte Hat. 4) 
Eben fo gefihnizet waren dieienigen, welche auf dem 
Yalatinifchen Berge zu unferer Zeit entdefet find. 5) 
An den Säulen felbii fing man an mit Stäben in 
den Neifen bis an das Drittheil derfelben; man un⸗ 
terbrach die platten Stäbe zwifchen den Neifen in 
drei bis fünf andere Fleinere Stäbchen, und endlich 
drehete man die Neifen fpiralmäßig, melde Ernux- 


ı) Pococke’s Descript. of the East. t.2. part. 1. pP. 109. 
“Wood, the Ruins of Balbec. pl. 32. ea. 


2) Wahrfheintih hat man mit diefer Bildhauerei bie 
Thüren verziert, weil man fie in alten. Zeiten bet feftlis 
tihen Gelegenheiten auf diefe Weife mit Lorbeer und 
anderem Laube zu ſchmüken pfleste, wie au Statiuß 
(Sylv. 1. 4. c. 8. v. 38.) und vielen andern Gcribenten 
erhellet, welhe Sagittarius (de jan. veter. c. 30.) 
und Donati (de’Dittici degli antichi, 1.3. c. ı. p. 173.) 
anführen. Nach dem GScoliaften des Ariſtopha—⸗ 
nes (Equit. v. 725.) hing man an die Zweige deö DI. 
baumes und anderer Bäume, welche man bei gewiſſen 
feftlihen Gelegenheiten an: die Thüren heftete, wollene 
Binden auf. (Conf. Nota Casaubeni ad eund. loc.) Sen. 


3) Pallad. Archit. 1. 4. c. ı6. Piranesi della Magnif. de 
Rom. tav. 9. en. 


4) Piranesi. 1. c. 
5) Bianchini, Paloszo de’ Cesari, tar. 3, 


444 Baukunſt der Alten. 


Colonna von einem Tempel der Sonnen,!) um 
ter beſagetem Kaifer gebauet, fei, kañ man nicht ent» 
fiheiden. 2) 


41) Die Säulen dieied Tempels, oder wenisftend acht ders 
felben, waren von Porphyr, aber fhon zur Zeit des J u⸗ 
fHintanud, d. i. um den Anfang ded 6 Sahrhunderts 
weggenommen. Da diefe Säulen fid) noch iso in dem 
Tempel der 5. Sophia su Conſtantinopel, welchen je⸗ 
ner Kaifer wieder aufbauete, befinden, fo füllte man fie 
meſſen, und daraus die Verhältniffe und die Ordnung 
des Sonnentenmpels-, zu dem fie urfprünglich gehört 
haben, berechnen, und ie mit dem Stük Gefimd, ven. 
den Winckelmañ fpräßt, versleihen. Sea. 


2) Dasienige Stüf, welche Palladio (Archit.l.2c.ı2) 
vorgeftellet Hat, Ift entweder mehr aus der Einbildung 
als nach der Wahrheit gezeichnet; dei er hat entweder 
einen Eupibo mit Köcher und Bogen aus bem Laub 
werte hervorgehen laſſen, oder er hat dasıenige Stük von 
dDiefem Architrav gewählet, welches zerfäget worden, 
und aus weichem die Baluſtrade der Eapelle bed Hauſes 
Colonnua Inder Kirhe S. Apoſtoli, und das Pflaſter 
in der Galerie des Palaſtes Colonna gemachet worden. 
Chambray (Paral. de PArchit. anc. et mod. c. 28.), 
weicher diefe8 Stük aus jenem genommen, hat ed von 
neuem nah feinem Sinne geändert, und anftatt der 
Liebe ein Kind vorgeftellet, welches vor einem Löwen 
erichrift, der aus dem Laubwerfe hervorzuipringen 
ſcheinet. Der Sried von dem einen Stüfe, welches izo 

nebſt der Corniſche vorhanden fit, Hat feine andereır 
Sieraten , ald drei große Züge von Laubwerf. Die beis 
den unteren: Glieder biefed Architravs, nämlich der Bals 
ten, welcher über der Säule Heat und der Sried über 
demfelden aus einem Stüke, find dreisehn Palmen oder 
Spannen, und vier Zolle Hoch, und diefed Stüf Hit zwei 
und zwanzig Palmen und vier Zolle lang. Daß andere 
etirt, nämlich ein Theil der Eornifche diefed Architravs, 
auf welchen: der Anfang von dem Srontifpis aus einen 
Stüke mit demfelben gearbeitet ift, Hält ungefähr eben 
fo viel in der Höhe und in der Länge Winckelmau. 


weites Kapitel. 445 


SG.6. Die Einfaſſungen der Thore und Thüren 
wurden wie aus lauter Kränzen von Blumen und 
Blättern gebildet, wie es an dem Tempel zu Bal⸗ 
bef iſt, 1) und dergleichen Thüren find verfchiedene 
in Rom übrig.) Die Säulen blieben nicht ver⸗ 
fchonet: die ganze Bafe mit ihren Gliedern murde 
mit Krängen umgeben, wie die unter den Säulen 
von Porphyr an dem ſogenañten Battifterio Cons- 
ſtantini zu Rom find, 3) und eine andere Bafe von 
ungemeiner Größe in-der Kirche von St. Paolo vor 
Rom, welche neun Palmen im Durchſchnitte hat. 4) 
Eben fo geſchnizet waren diejenigen, welche auf dem 
Yalatinifchen Berge zu unſerer Zeit entdefet find. 5) 
An den Säulen felbit fing man an mit Stäben in 
den Neifen bis an das Drittheil derfelben; man un- 
terbrach die platten Stäbe zwiſchen den Neifen in 
drei bis fünf andere Eleinere Stäbchen, und endlich 
drehete man die Neifen fpiralmäßig, welche Enux- 


1) Pococke’s Descript. of ihe East. t. 2. part. 1. p. 109. 
Wood, the Ruins of Balbec. pl. 32. Sea. 


2) Wahrfheintih hat man mit diefer Bildhauerei die 
Thüren verziert, weil man fie in alten Zeiten bei fefili: 
lichen Gelegenheiten auf diefe Weife mit Lorbeer und 
anderem Laube zu ſchmüken pfleste, wie aus Statiuß 
(Sylv. 1. 4. c. 8. v. 38.) ind vielen andern GScribenten 
erhellet, welde Sasittariuß (de jan. veter. c. 30.) 
and Donati (de’Dittici degli antichi, 1.3. c. ı. p. 373.) 
anführen. Nach dem Scholiaſten des Ariftopha 
nes (Equit. v. 725.) hing man an die Zweige des Sl. 
baumed und anderer Bäume, welche man bei gewiſſen 
fetlihen Gelegenheiten an: die Thüren heftete, wollene 
Binden auf. (Conf. Nota Casauboni ad eund. loc.) Sea. 


3) Pallad. Archit. 1. 4. c. ı6. Piranesi della Magnif. de 
Rom. tav. 9. en. 


4) Pirancsı. 1, c. 
5) Bianchini, Palazzo Je’ Cesari, tar. 3, 


446 Baubkunſt der Alten. 


Tıros xsoveg, volutiles columus genennet wurden. 1) 
Die größten von folchen alten Säulen find an einem 
Altare in der St. Peterskirche su Nom ange 
bracht,2) und auch die Säule von orientalifchem 
Alabafler in der vaticanifhen Bibliothek iſt von 
Diefer Art.3) Endlich wurden Menfeln an die Säulen 
gefeget , welche ‚Heine Figuren trugen, wie an den 


ı) Salmas. Not. in Vopisc. p. 393. Anaftafiud, im Les 
ben Pabſts Gregoriuf III. (sect. 194. t. 1. p. 176.) 
seit fie volubiles columne , nach ber Lefart der römi⸗ 

- fen, von Bianchini beforgten Ausgabe, welcher eben 
fo. wenig wie fo viele andere Notenmacher bemerkt hat, 
dab Salmaſius (l. c.) vorfchlägt volutiles, wie man 
in der That in verfchiedenen Handfchriften lieſet, weiche 
von Bianchini dort angeführt find. Fea. 


23) Er meint die beiden Säulen, welche in der Eapelle dei 

Sacraments ſtehen. Diefen ähnlich find die acht, welde 
die vier Loggie unter der großen Cupola zieren, und 
eine in der Eapelle ded Crucifixes, welche Piraneſit 
(della Magnif. de’ Rom. tab. 6. fig. 5.) abgebildet Hat. 
Vor alten Zeiten ziereten fie, zwölf an der Zahl, bie 
Confeſſion des h. Petrus; eine derfeiben zerbrach beim 
Hinwegnehmen. Die gewöhnliche Meinung der Auto⸗ 
ren, welche von der Peterskirche geſchrieben haben, 
if, daR Eonftantinus fie zu jenem Zweke aus Grie 
henland kommen laſſen; aber ich glaube, daß es dieſel⸗ 
ben Säulen, gerade zwölf an Zahl, find, von deren 
ſechſen Anaftafius (1. c.) fast, daß Pabl Greg" 
rius III. weicher im Jahre 731 den päbſtlichen Stuhl 
beftieg, und fie von dem Erarden Eutychius erhielt, 
an jenen Drt gefielet Habe, und fechd waren fchon da⸗ 
ſelbſt. Sie find fpiralförmig gewunden, wie jene von 
Metall, welche Bernint an ihre Gtelle geſezt Hat, 
der alſo dadurch Feine fo ausſchweifende und felt 
fame Neuerung eingeführt bat, wie viele, der Gefchichte 
untundig , behaupten. Gen. 


3) Diefe ift von oben bis unten mit einfachen ſpiralformig 
sewundenen Reifen verichn. Bea. 


\ Zweites Kapitel, 447 


Säulen zu Balmyra, 1) und an zwo Säulen von 
Borphyr an dem Altare in der Capella Baolina im 
Vaticano; 2) es fliehen an denfelben, fo daß fie bis 
nabe am den oberfien Bund der Säulen reichen, 
zwo Feine Figuren römifcher Kaifer in ihrer Rü⸗ 
fung von den Nachfolgern des Gallienus, wel- 
che die gewöhnliche Kugel in der Hand tragen, und 
fi einander umfaflet haben. Die Höhe diefer Figu⸗ 
ven ift zween und ein halber Balm, und der Kopf 
derfelben allein bat fieben Bolle, daß alſo derfelbe 
das Viertheil der Figur wäre, woraus man von dem 
Style derfelbden fchließen fan. Dan arbeitete fer- 
ner gang hervorfichende Bruftbilder aus einem Stüfe 
mit dem Schafte der Säulen, wie an zwo Säulen 
aus eben dem Steine in dem Palaſte Altemps 8) in 
Kom zu fehen if, und die Arbeit derfelben ift jenen 
Figuren ähnlih. Es finden fich auch dreiefichte freie 
fiebende Pilaſter, melche gereift find, in dem 
Garten des Marchefe Beloni za Kom. Und da 
alles mögliche ausgefünflelt war, geriethb man auch 
auf Säulen aus einem Stüfe mit dem Kapitäle: 
ſzwo von folchen Säulen aus dem bärteflen orienta- 
liſchen Serpentin fieben in dem Balafie Giuſſti⸗ 
siani.® 


3) Wood, Ruins. pl. ı4. 28. - 


2) Sind fpäterhin in's Mufeum YiosClementinum 
gekommen. Zen. 


3) Sind izo nicht mehr daſelbſt. Sea. 

4) Die Abbildung derfelben bei Pirane ſi. (Magnif. de 
Rom. tav. 18. fig. A.) Gen. 

6) In dem von Windelman eigenhändig mit Ande⸗ 
rungen und Zufäzen zum Behuf einer neuen 
Ausgabe verfehenen Eremplarediefer Anmerfun 
sen, welches wir vor und Haben, find die Hier zwi⸗ 

Shen den Klammern befindlihen Worts 
durchgeſtrichen. Fernow. 


Ads Baukunſt der Alten. 


5.7. Die dioeletianiſchen Bäder, welche 
vor zweihundert Jahren, da die Baukunſt eine andere 
Geftalt befam, noch größtentheils fanden, waren 
Damals die vornehmſte Schule der Baumeiſter in der 
Bierlichfeit : Manfichet zwei Stüfe aus denfelben von 
Chambray vorgeflellet.1) Nach den Nifchen mis” 
ihren Säulen auf beiden Seiten, und der Corniſche 
oben darauf, machte San Gallo der Altere zu- 
erft ähnliche Verzierungen der Fenfler an dem Pa⸗ 
laſte Farnefe. Die unterbrochene Corniſche über 
hohe Bogen an den Bädern veranlaflete, daß Mi⸗ 
chael Angelo ebenfalls von ber Hegel abging, 
und auf eben die Art an dem großem Fenſter über 
dem Eingange des Campidoglis die Bornifche unter: 
beach, und über diefe hinaus das Fenſter durch ei- 
nen Bogen führete.?) Säulen, welche tein Gebälk, 
fondern einen Bogen tragen, durch welche ſie ver- 
bunden find, wurden von den neueren Baumeiſtern 
auch von jenem Gebäude, wo fih allein nur ber 
gleichen Säulengänge fanden, genommen. Das halb 
runde Bortal an der Kirche alla Bace, an der Kirche 
des Novitiats der Sefuiten zu Nom, und an ber 
Kirche zu Ariceta, fand Bernini in den Kupfern 
befageter Bäder: und man köñte viel mehr Nachab⸗ 
mungen, die dorther genommen find, anführen. 

8.5. Die Bieraten insbefondere betrachtet, 
find theils aufferhalb , theils innerhalb der Gebäude. 
Aufferbalb find dieienigen zu bemerfen, die ih an 
Tempein und öffentlichen Gebäuden fanden, und 
noch finden; und bier fangen wir an von dem 
Dache. 

$.9. Es wurden ſchon in den alteſten Zeiten, 


1) L. c. chap. 16 et 29. 


2).&0 ſieht man fie auch in den Tempeln su Balbek. 
(Wood, Ruins of Balbec, pl. 6.) Sen. 


Zweites Kapitel, 449 


auch im Nom, oben auf dem Gipfel der Tempel, 
Statuen gefeget, und Tarquinius Prifeus 
ließ einen Wagen mit vier Bferden, von gebranter 
Erde gemachet, auf die Höhe des Tempels des olym⸗ 
pifchen Supiters zu Nom fegen,!) an deren Stelle 
wurden nachher goldene, oder vielleicht nur ver« 
goldete gefezet. > Auf der Spize des Gipfels an dem 
Tempel des olympifhen Jupiters gm Elis fand 
eine vergoldete Bictoria,?) und an beiden Seiten, 
das iſt auf den Akroteriis auf jeder Seite, eine 


" z) Plin.1.35. c. r2. sect. 45. 


2) Liv. 1. 29. c. 23. n. 38. . 

Li vius fpricht von goldenen Quadrigen, und fagt 
nicht , daß fie ar die Stelle derer vongebraitem Thon 
gefezt worden , fondern blos, daß man fie auf dem Capitolivx 
aufgeftellt Habe. Es fcheint, daß im Jahre Roms 457, 
demſelben, wo die Wölfin von ‘Bronze verfertigt wurde, 
an die Stelle derer von gebrafitem Thom andere, viel 
leicht gleichfattd von Bronze, verfertist worden. Die 
worte des Livius (Il. 120. ec. 16. n. 23.) lauten: 
Eodem anno Cn. et Q. Ogulnii wdiles curules. aliquot 
foeneratoribus dien!dixerunt; quorum bonis mulctatis, 
ex eo, quod in publicum redactum est, aenea in Capi- 
tolio limina, et trium mensarum argentea vasa in cella 
Jovis, Jovemque in culmine cum quadrigis, et ad ficum 
Ruminalenr simulacra infantiunı conditorum urbis sub 
uberibus lune, posuerunt. cd glaube nicht, ver 
then au können, dag Livius hier den. Giebel ber 
innern Capelle oder edicula. und nicht den des 
Tempels felbft, meine; deñ anderäwo (1.15. c. 3a. 
n. 41.) ſchreibt er in: deutlichen, von diefen verfchiede: 
nen Ausdrüken, daß auf den Gipfel der adicula ver 
goöldete Auadrigen gefest worden. : de mulcta dam- 
natorum quadrig® inauratæ ia Capitolio positz, in cella 
Joyis supra fastiguum adicule, et. duodecim clipea inau- 
rata. Gen 


3) Pausan. 1.5. c. 10. [S. 2.]° 


49, * 


an} Zusleni Ver Alten. 


weßBez Eıie Makrerhbins net von einen 
Zempel des Ezıurzus: ui aien Gürtel Mecr 
qistze "Trirencz Üsuten- mehhe ın Muicheln blie⸗ 
u’ Zw In Ierterues des Burfchs an dem Tem⸗ 
gel des Zurırers auf dem Caritolis Handen Fic- 
gute Eısıarica.-) 

$ 235 Die fripg zulauiende Corniſche des Gi⸗ 
yicds murhe oben mit Heinen Sieraten beſezet, wel⸗ 


i mit einer Art von Blumen und Blättern, 
wis e⸗ Gh anf einigen erhobenen Arbeiten findet, 
“jung War vielmals von gebrater Er- 


—* war der sid vergoldet. *) 

6.11. Un dem Gipfel ſelbſt waren auch ſchon 
in den ericn Seiten von Rom erhobene Arbeiten, 
chenfalls von gebrañter Erde.>) An griechifchen 
Tempeln und öffentlichen Gchäuden waren Werke 
reich von Figuren: am dem angeführten Tempel 
des Zupiters zu Elis war der Wettlauf der Bferde 
des Belons und des Dnomaus.6) An dem Tem 
vel der Ballas zu Athen war an dem vorderen 
Gipfel die Geburt der Göttinen, und an dem hin⸗ 
teren Gipfel der Streit derfelben mit dem Neptu- 
Rus, vorgefiehet. 7) An dem Gipfel des Schazes ber 
Stadt Megara, gu Elis, war ber Streit der Goͤt⸗ 


ı) Satumal. 1.1. c. 8. 

a) Rycy. de Capitol. c. 15. p- 191- 

8) Num. 44. 

# Smetiun Inser. fol. & n. 7. 

6) Plin. I, 38. o. ı2. sect, 43 et 46. 1. 36. c. 2. sect. 2. 
6) Pawan 1.85. c. 10. 

Vıalaı.c ax IS 5.) 


Zweites Kapitel. 454 


ter wider die Giganten zu fehen, und auf der 
Spize deflelben fand ein Schild.1) Die größten 
Künftler zeigeten fich in diefer Art Arbeit, und Bra- 
titeles arbeitete an den Gipfeln eines Tempels 
des Herkules zu Theben deffen zwölf Thaten. 2) 
Diefes bat weder der Iateinifche noch der franzöſi⸗ 
fche Überfeger des Pauſanias verfianden: den fie 
haben fich vorgeſtellet, es fet diefe erhobene Arbeit 
an einer Cupola geweſen, welche fie fih auf dieſem 
Tempel einbilden. Pauſanias faget gleichwohl 
mit deutlichen Worten ev ros xeros, an den Gi⸗ 
pfeln. 2) Auf einem Tempel zu Athen, vieleicht 


ı) Id. 1. 6. c. 19. [$. 9.) 
2) Id. 1.9. c. 11. [$. 4.) 


3) Diefelbe Kritik wiederholt Winckelmau in der Kunſſt⸗ 
geſchichte (IB. 2 8. 15 $.), indem er fast, daß 
jene Überſezer asrıs für Gewölbe verftanden, wo⸗ 
gegen ich bemerkt habe, daß fie unter laqueare eine flas 
he Deke verftehen, wie meiftend die vierefigen Tempel 
Hatten. Gewiß if ed, daß jene llberfeser die wahre 
architektonische Bedeutung jenes Wortes nicht verſtanden 
haben, da fie ed bald auf die eine, bald auf die am 
dere Weife mit unangemeflenen Umfchreibungen übertrus 
gen, aber eben fo wahr iſt ed audı, dab Winckelmañ, 
indem er fie Eritifiven wollen, gleichfalls in zwei. offen 
bare Irrtümer verfallen ifl. Der erfte ift, das Wort 
asrıc durch Gipfel fchlechtweg zu überſezen. Gipfel, 
fastigium, frontispizio , if} die oberfie Zierde der Vor⸗ 
derfeite ded Tempeld von den Säulen aufwärtd, ‚welche 
einen Triangel bildet; asrıs aber ift dad Giebelfeld⸗ 
oder der dreiwintelihte Raum innerhalh des 
®iebeld, iympanum quod est in fastigio, ſchreibt U is 
truvius (I. 3. c. 3.), fo genafit vondem Ad ler, griechifch 
astıs, welcher darin gebildet wurde, wie ſchon oben 
©, 411. gefagt worden. Was Pauſaniasunter Tym⸗ 
panum verfteht, iſt hucch fich ſelbſt deutlich, indem em 
von Basreliefs, und war in Grupen, handelt, welche 
in Seinem anderen Theile der Meorberfeite z weder oben 


453 Baukunſt der Alten. 


dem Katier und Bollur gewidmel, waren Ge⸗ 
fäße gefeget, welche auf die Ringerſpiele dente 
ten : 1) den die aͤlteſten Breife derfelben waren in 


noch umten, ſtehen fonten; auch ſehen wir es beftätigt 
durch fe viele überbleibſel alter Tempel in Griechenland 
bei Le Ron, Etuart u. a. in deren Giebelfelde ſich 
erhobene Arbeiten befinden. 

Bad den andern Irrtum betrift, au behaupten, daß 
die Worte er Tus asrııs von einem Gipfel, oder nach 
unferer Erklärung von einem Giebelfelde, verftans 
den werben, obwohl fie eine Mehrzahl austrüfen, fo 
hat Windelmani nicht daranf geachtet, dab Pauſa⸗ 
nias in jenen beiden Stellen, (l.ı. c. 24. [$. 5.] 
1. 5. c. 10. [$.2.] von zweien Tempeln redet, 
deren jeder zwei Siebert und swei Giebelfelder 
Hatte, einen auf der Vorberfeite, den andern auf der 
Hinterfeite, wie man an den Tempyeln von Päfum ge 
fehen. Nachdem er alfo gefast, daß erhobene Bildwerke ſich 
in beiden Giebelfeldern, er Tess asrııc, befanden, fährt 
er fort, die su beſchreiben, welche fich in dem Giebelfelde 
der Worderfeite, surgeoder, und dañ die, welche fi 
in dem hinteren Giebelfelde, crır$eır , befanden. Derfel 
ben Ausdrüke bedienet ſich auch der Scholiaft des Pin 
darus (Olymp. XIII.), um die nämtichen Theile anzudeu⸗ 
ten, indem er fie von einander unterfcheidet. Chen fo mü⸗ 
Gen wir auch daB ev wos arrın, (l. 10. c. 19. $.3.) 
verſtehen, wo Pau ſanias von bem Tempel bed Apol⸗ 
to zu Delphi redet. Sen. 

Valkenaer rührt Schriftiielfer an, welche die Un 
face angeben, warum bie Giebel fo genañt Worben. 
(Diatribe Eurip. c. 20. Böttigers Amalthea I. 
68 ic.) Siebelis. 


2) Callim. fragm. ı22. t. 2. p. 366. 


Ich habe das angeführte Fragment des Kallima⸗ 
chus in der Geſchichte der Kunſt (3B. 4K. 
31 — 32. 6.) mitgetheilt, und wahrſcheinlich gemacht, 

daß jene Gefäße aus gebrnfiter Erde gebildet geweſen, 
weil ſolche Vaſen den Athleten als Kampfpreiſe gegeben 
wurden. Sie konnen aber auch von Bronze geweſen 


Zweites Kapitel, er 
Athen Gefäße mit Ol, ) welches von den heiligen 
Dlbäumen auf der Afropolis gemachet war, wie man 
diefe Gefäße als ein Bild der Spiele auf Münzen 
und gefchnittenen Steinen fiehbet, mo Ninger vorge 
fielet find. 2) 

$. 12. Die Kapitäler dee Säulen wurden auf 
mancherlei Weife gezieret, aber die Neuerungen in 
diefer Art find niemals allgemein angenommen und 
zur Negel geworden. Ptolemäus Bhilopyator 
ließ in dem prächtigen Aufzuge, welchen Athe 
näus befchreibet ,) einen Eßſaal aufführen, auf 
deffien Säulen die Kapitäler aus ofen, aus Lotus 
und aus anderen Blumen sufammengefezet waren. 
An dem Tempel auf dem Foro des Nerva fprang 
an allen vier Efen des Kapitäls ein Pegaſus 
heraus. 4) Der Graf Fede hat bei feinem Land» 
baufe in der Villa Hadrianibei Tivoli zwei Kapttä⸗ 
fer mit Delphinen, welche vermutblich in dem 


fein, wie man aus denen von vergoldeter Bronze fchlies 
Gen dürfte, deren beins Tempel ded olympiſchen Ju⸗ 
piters erwähnt wivd, welche nach meiner Meinung 
daſelbſt als fumbolifhe Andeutung der Spiele flanden, 
die dort gefeiert wurden. Sea. 


[Man vergleiche die Note zur angesogenen Stelle. ] 
1) (Beſchreib. dv. gefhnitt. Steine 1.5 8. 23 9.) 


2) Spanhem. de prest. et usu numism. t. ı. diss. 3. 8. 
1. p. 134. 
Ajax erhielt, in den sur Leichenfeier ded Patroflus 
vom Achilles angeftellten Spielen, ein goldened Ge 
füß sum Kampfpreis. (Hygin. fab. 273.) Sea. 
[8.0.8 3 B. 4 K. 31 $.) 
3) L.5. c. 9. 
Er fagt aber, daf die Kapitäle im ägyptifdem Se 
ſchmak gebildet waren. Sen, 


. 4) Labac. Archit. fig. 15. 


z 


Baukunſt der Alten, 


Tempel des Reptunns befageter Billa geſtanden, 
und chen ſolche Kapitäler find in dem Tempel zu 
Aocera de Pagani, ohnweit Neapel. Bon folchen 
Kapitälern wird Kgürlich gefaget, daß fie Delphinen 
auswerfen (delphinos vomere.1) Sn der Kirche zu 
S. Lorenzo auffer Rom fichen auf Säulen zwei Ka⸗ 
pitäler, an beren vier Gen chen fo viele Bicto- 
rien fichen, und zwifchen ibnen Trophäen : zwei ähn⸗ 
liche, aber größere Kapitäler fichen in dem Hofe des 
Balahes Maſſimi alle Colonne.?) 

5.13. Karyatiden, auch Atlantes 3) und Te 
lamones gennüt,*) welche anflatt der Säulen diene 
ten, ſiehet man au einem Tempel auf einer Münze, °) 
und in Athen tragen weibliche Figuren die Defe ei» 
nes offenen Banges, an dem fogenanten Tempel des 
Erechtheus.6) Es hat diefelben von allen Reifen- 


ı) Salmas. Plin. exercit. in Solin. c. 45. p. 640. 
2) Piraneſi (della Magnif. de’ Rom. tav. 7. etc 


Hat viele Kapitäle von verſchiedener Form und nit mans 
cherlei Siguren von Menfchen, Thiern, Blumen und 


"den ſelt ſamſten Verzierungen gefammelt, Gen. 
.3) Athen. 1.5. c. ı1. n. 42 j 
4) Vitrur. 1.6. c. 10. 


5) Havercamp. Nunuism. Reg. Christ. tab. 19.— Efchen 
j burg, in feinem Zuſaze zu Lefiings Bemerkungen 


„ Über bie Karyatiden, (Leffingd ſämtl. Schrif 


ten, 10 Te. 370 u. f. S.) zweifelt, daß die vier hermeti⸗ 
(hen Säulen eined? Mercuriustempeld auf einer 
Münze des Kaiferd Marcus Aurelius in der Sams 
Jung der Köntsin Chrifina, welde Winckelmañ 
in obiger Stelle nachweifet, Karyatiden feien, we 
nisftend erhelle e8 nicht aus ber ziemlich unbeſtimten Ab⸗ 
bildung. Havercamp niit fie in feiner Erklärung 
für die vier Atlanten. Fernow. 


6) Pococke’s Descript. of the East. t. 2. part. 2. pl. 68. 
p. 163.— Loc Roy, Ruines des plus beauz nıonum. de la 


Zweites Kapitel: 453 


den niemand mit demienigen Verfländniffe betrach- 
tet, daß wir hätten belehret werden fünnen, von 
was für Seit diefelben find; Pauſanias meldet 
nichts von denfelben. Die angeführete mänliche Ka⸗ 
ryatide!) indem farnefifchen Palaſte iſt, wieman 
vorgibt, beim Bantheon gefunden worden, und es 
ift glaublich, daß es eine von denienigen fei, wel 
che vom Diogenes aus Athen gearbeitet waren, 
und über dem unteren Säulengange in dem Tem- 
pel fanden, das ift, welche anflatt der zweiten 
Drdnung Säulen mwaren.2) Die tjige Cornifche 
auf ben unteren Säulen bat zwar nicht denienigen 
Vorſprung, welcher zur Baſe folcher Figuren, wie 
die gegenwärtige iſt, hätte dienen Tünnen: man 
muß aber bedenfen, daß diefer Tempel zweimal im 
Feuer gelitten, und wiederum von Marco Aure⸗ 


Crice, t. ı. pl. 5 et 32. Stuart, Antiq. of Athens. 
vol. 2. chap. 2. pl. 16— 20. Eigentlich befinden fich 
diefe ſechs Rarnatiden an dem Pandrofeum, eis 
ner offenen Halle am Erehtheustempel in Athen, 
deren Gebälk von ihnen geragen wird; vier derfelben fies 
ben in der Sronte und eine auf ieder Seite. Sernow, 


4) Leffins (fämtl. Schriften, 10 Th. 3676.) wuns 
dert fih , daß Windfelman von mäßlichen Karya⸗ 
giden fpricht. Aber wir haben fchon gefehen; dak er die 
figurirten Säulen, ohne Unterfchieb des Geſchlechts, 
Karyatiden, Atlanted und Telamones neilt, obs 
wohl nach der Erflärung, welche Vitruvius gleich im 
Anfange feined Werks von der Entfiehung des Karyati⸗ 
den gibt, fie mag nun wahr oder fabelhart fein, der Name 
Karvyatiden eigentlih nur weiblihen ſtüzenden 
Figuren ertheilt werden ſollte Sernow. 

[Man vergleihe ©. d. 8. 11%. 2 8. 10 $.) 


2) Dieſer Trone einer Karyatide, oder eined Telamo⸗ 
nen, wurde wenige SIahre, nachdem Windelmaf 
Obiges geſchrieben, nach Neapel gebracht. Gen. 


„” 456 Baukunſt der Aiten. 


w lio und Septimio Severo ausgebauet worden; 
es muß alfo inwendig eine große Veränderung vors 
gegangen fein. Es werden unter anderen die füge» 
nanten fyracufifchen SKapitäler von Grjte, oder 
vielmehr von ſyracuſiſchem Erzte,1) welches eine 
befondere Art von zufammengefegetem Metalle muß ge⸗ 
weien fein, im Feuer vernichtet fein. Der Tempel 

der Veſta war mit foracufifhem Erste gebefet. ?) 
Die attifche Ordnung über den unteren Säulen, 
welche ein Werk von wenig vorfpringenden Pilaſtern 
war,3) und vor zwei Sahren barbarifcher Weife weg» 
genommen ifl, war augenfcheinlich der Größe diefes 
Tempels nicht gemäß:. an der Stelle deflelben müs 
Ben die Karyatiden chemals geilanden haben. Es 
trift wenigfiens die Maß derfarnefifchen Figurmit 
der Höhe der attifhen Ordnung überein, welde an 
neungehn Balmen bat. Diefe halbe Figur hat etwa 
acht Palmen, und der Korb auf dem Kopfe dritte 
halb.“) Was einige Scribenten>) bisher für dew 


ı) Plin. 1. 34. c. 3. sect. 7. 
2) Id. 1. e. 


3) Conf. Stuekely’s Account of a Roman Temple ; the 
philosoph. Transact. an 1720. Decenb. ea. 


4) Da das Pantheon von den genaitem Kalfern wieder 
hergeſtellt und folsiih nah Wincelmafid Angabe 
die Karyatiden Hinwesgenommen worten, um die 
attiſche Ordnung an ihre Stelle zu ſezen: wie können 
wir uns einbilden, daß bie Karyatide, von der die 
Mede iſt, anf dieſe Weife zerbrochen daſelbſt geblieben 
ſei? Zen. 
5) Demontosii Gallus Roms» hospes, p.'ı2. Nardin. 
Rom. ant. 1.6. c. 4.-p. 296. 
Demontiofins, oder Mont-Jo ſien, denkt fich die 
Karytiden an dem Sußaefinfe (stylobates) der Säulen 
2. bed chedem feiner Meinung nach tieferen und sum Theil vers 
ſchütteten Tempelgebäudes. Nardini füͤhrt die Meinung 


Zweites Kapitel, — 


gleichen Faryatiden angeſehen haben, zeuget von 
ihrer großen Unwiſſenheit. Eine beſondere Art von 
Karyatiden war in dem Grabmale der Freigelaſſe⸗ 
nen des Sertus Pompejus, mo ſtehende mäñ—⸗ 
liche nakte Figuren auf dem Kopfe ein Kapitäl tru⸗ 
gen, und mit beiden Händen eine ſtehende Säule 
hielten, welche aber nichts zu tragen Hatte. 1) 

614 An dem Gebälfe auf den Säulen waren 
die Zieraten nach Erforderniß der Ordnungen ver- 
fchieden. Sch habe oben aus einer Stelle des Eu- 
ripides eine Muthmaßung angebracht von dem of- 
fenen Raume ziwifchen den Triglyphen, an den do⸗ 
rifchen Tempeln der erften Zeit. Da diefe Bläze, 
die Metopen, nachher zugedefet wurden, gedachte 
man auf ihre Auszierung. Hierzu gaben die Schil- 
der Gelegenheit, twelche an der Friefe des Gebälkes 
und, wie wahrfcheinlich iſt, an die Metopen aufge 
bänget murden.2) An dem Tempel des Apollo zu 


des Mont:Xoftien nur an, ohne ihr im Ganzen beizu⸗ 
flimmen. Er glaubt, der mittlere Theildes Panthe— 

.on8 habe vieleicht eine den Göttern der Unterwelt gewids 
mete Vertiefung gehabt, und hier Hätten fich vieleicht, 
an der fie umgebenden Mauer oder Säulenreihe, die 
Karyatiden befinden Finnen. Aloys Hirt (Osser- 
vazioni istorico - architettoniche soprä il Panteon. Roma, 
1791.4.) [überfest im 1 Bad de Mufeums der Al, 
tertumsmwiffenfhaftvon Wolfund Buttma) 
zeigt mit ‚vieler Wahrſcheinlichkeit, daß die Karyatiden 
anf den Säulen geftanden haben, wie ihm der Aus⸗ 
druk in columnis anzudeuten fcheint. Fernow. 

3) Montfaue. Antig. expl. t. 5. pl. 16. p. 54. Der ge 
naueren Unterfcheidung gemäß würden bieie Kar yati⸗ 
den gleichfalls su den Atlanten oder perfifhen 
Bildfäulen au rechnen. fein, Fernow. 

2) Ich glaube, daB der. Urfprung diefer Verzierung einfas 
her und. älter ſei. Ohne Zweifel entitand er aus dem 
Gebrauche, an der Thüre ded Haufes oder an einem am 


Winckelmañ. 2. 20 


458 Baukuni der Alten. 


Delvbos Bingen daielbit goldene Edhilder, aus ber 
vergihen Beute bei Maratton verrertiget, 1) und 


kern erentlih Hchrbaren Drte beirelben, irgend ein Zei; 
den der tarreen Griesächaten des Eigentümers als 
Troobaen und Ebrendenkmal aufsujäangen. Anfangs bes. 
Kanten dieſelben wahricheinlih in Aöpren, Hauten, Hör⸗ 
nern oder andern Theilen wilder Thiere, die auf der 
Jagd erlege warn. Gin Gebrauch, den alle alten 
Aussren beilätigen, teren Epanheim mehrere im 
den Noten zum Sallimadusd (Hymn. in Dian. vr. 
10; Pp- 205.), Cafaubonus in den Noten zum 
Etrabe (1.6. p. 302.), Weifelins um Diodor 
von Eicitien (L 4. e. 22.) und Sagittarius 
(de jan. veter. c. 29.) angeführt haben. In der 
Folge Hing man auch wohl bie erbeutete Rüſtung des 
Geindes dajelbft auf, deren wichtigste Etuf der Schild 

wur, den ber Eoldat Höher als feine übrige Wehr ach⸗ 

ten mußte , wie Maſſien (dissert. sur les boucl. vo- 

üfs. Acad. des Inscript. t. ı. mem. p. 177.) und 

ausrührlicher der florentiniiche iiberiezer der Charaktere 

des Theoobraſtus (t. 4. c. 25. n.6. p. 228.) 
bemerkt Hat. Diodor und Etrabo in den angerühr; 
ten Etellen berichten „ dag die alten Gallier oder Kelten 
an tie Thüre ihres Hauſes die Köpfe ihrer erlegren 
Seinde zu Herten vflesten. Auch die, welche gern mit 
Kleinigkeiten pransten, pflesten, wie Theophraſtus 
(c. 21.) ersäblt, wei fie einen Ochſen geopfert hatten, 
in ihrem Haufe, dem Gingange gegenüber , die Haut 
des Kopfes, mit großen Kränzen umhängt, ansuheften. 
Kacher wird man, flatt der Privathäufer, die Tempel 
als ofrentlihe Örter gewählt haben, um jene Trophäen 
zur Schau zu fielfen, und dadurch zugleich su bezeugen, 
das man den Göttern den Sieg zuſchreibe; und als Zei, 
chen der Opfer, die daſelbſt gebracht wurden, wird man 
die Häupter oder bie Häute ber geopferten Rinder daſelbſt 
angeheftet haben. Waũñ dergleichen Dinge in den Metos 
ven angeherftet worden, ift nicht wohl ansudeben. Ich 
finde feine andere Autorität, die darüber Licht Heben 
köñte, ald den Euripides, weicher in ben Batchanı 


1) Pausan. l. ı0. c. ıg [$.3J 


Zweites Kapitel. 489 


diesenigen, welche der römifche Conſul 2. Mum⸗ 
minus an der Friefe des dorifchen Tempels des Ju⸗ 


ten (v. 1210.) ſchreibt, daß Agave, die Königin 
von Theben, ihren Sohn Pentheus rief, um ihm zu 
fagen, daß er an den Triglyphen ihre Hauſes, 
oder vielmehr ded Pa laſtes ihres Gemahls Kadmus, 
den Kopf eines Löwen hefte, den fie mit eigenen Händen 
auf der Jagd erlegt hatte; aber es war ihr eigener 
Sohn Penthens feldit, den fte in ihrem Zuftande der 
Wuth getödet Hatte: 


Tler$eus =’ aus van mu sw; alpeodo Aufor 
Tlrtxroy mpıs om zAsmaray wpocaußzesıs 
"Ns mascsarsvon apata TpIyAUgos Tode 
Auıyros, cv magumı Inpasac' ey. 


Et ubi est meus filius Pentheus’? surgat corripiens 
Ex zdibus compactarum scalarum gradus, 

Ut clavis affigat triglyphis caput hoc 

Leonis, quem in venatione captum huc ego fero. 


MWahrfcheinlich verfieht Euripides Hier unter Triglv⸗ 
phen die Balkenköpfe, welhe mit dem Gries 
correipondiren, und von dem Tateinifchen üÜberſezer abge⸗ 
ſchmakter Weife durch sculpta laquearia gegeben worden. 
Da das Hauß oder der Palaf der Agave vermuthlich, 
dem Gebrauche der ältern Griechen gemäß, von Hol ge 
wefen, fo werden diefe dad Dach tragenden Balken, 
deren Enden hervorfianden, und su denen man auf ei: 
ner Leiter hinanfteigen koñte, gerchikt gewefen fein, etwas 
daran zu heften , wo es ihrer Höhe wegen vor Räubern 
und Beſchädigungen gefichert war. Als fpäterhin die 
formliche und regelmäßige Architektur eingeführt wurde, 
ws man auch mit Steinen bauete, fo ſchloß man die 
Zwifchenräume des Sriefed, welche früher wenigſtens 
in den Tempeln ofen flanden, wie aus Euripides 
(Iphig in Taur. v. 113.), den Bindelman ſchon 'vor⸗ 
Hin angeführt Hat, und bier auf's neue anführt, erhellet, 
zwifchen dei Balken, sder den Steinen, welche die Bal⸗ 
en vorfiellten; und an den Metopen, welche jene Hf: 


460 Baufunft der Alten. 


piters zu Elis aufhängen ließ, waren vergoldet. 1) 
Die Waffen des Boeten Alcäus, welche er in der 
Flucht zurüflich, und die von den Atbenienfern 
an dem Tempel der Ballas auf dem Sigäo aufge 
bänget wurden, ?) fanden vermuthlich an eben dem 
Orte des Gebälfes. An dem eriien von beiden Dr- 
ten des Pauſanias haben der Inteinifche und ande- 
refliberfeger das Kapitäl anſtatt dee Gebalkes oder 
der Friefe defielben genommen, wider die Bedeutung 
des Worts : deñ erısuror heiffet eigentlich ein Stüf 
des Gebälfes, welches von einer Säule bis auf die 
andere reichet, 3) wird aber bier, wie anderwärg, 
entweder für das ganze Gebälke, oder insbefondere 
für die Frieſe genommen. 4) An: dem Tempel 
zu Slis wird die Friefe durch Umfchreibung genennet 
A vr ray wiovwr werıdenen Furn, das iſt: der Gür- 


nungen fchloßen, wird man, um mit einigem SZierat 
ihr leeres Feld, das breiter ald Hoch war, zu unterbres 
hen, diefelden Trophäen oder Zeichen anacheftet haben, 
weiche man früher an de Balfenköpfe hertete, an denen 
man nachher, wo fie faft bis zu gleicher Höhe mit den 
andern Theilen abgefägt worden, zur Zierde die Rinnen 
mit den Tropfen darunter anbracdhte, um den Ablauf 
des Regenwafterd, welche® von dem SKransleiften daran 
berablief, nachzuahmen. Sen. 

ı) Pausan. l. 5. c. 10. [$. 2.] 

2) Herodot. 1.5, c. 95. 


3) Vitruv. 1. 4. c. 3. 
4) Id. I. ı. «2.1.3. c.ı. l.ıo. c.6. 

Witruvins, wie auh Galiani (p. 18. n.2. p. 
100. n. 1. p- 398. n. ı.) bemerkt Hat, verficht unter 
wisursr bad ganze Geſims; aber anderswo (1. 6. 
ec. 5.) nit er eb für Architra v, welde Bedeutung 
ed gewöhnlich Hat. Ich weiß nicht, wer ed in der Bes 
deutung don Gries gebraucht haben mag; in den von 
Winckelmaũ angeführten Stellen des Paufanias 
Pan man es wicht davon verfiehen. Gen. 


Zweites Kapitel, 461 
tel oder die Binde, melche über die Säulen um 


Das Gebäude herumläuft.1) An einem anden Drs 


te, mo eben der Scribent von der Arbeit an der 


Frieſe des Tempels der Kuno bei Mycenä redet, 2) 


faget er: „dasjenige, was über die Säulen erhaben 
„gearbeitet iſt,“ omona vum Tas iovas cry Euyac- 
mevo. Bei Anderen heiflet die Frieſe ——— 9 der 
italiäniſche überſezer des Plutarchus, Dominichi, 
hat an dem Orte, wo jener von dem Tempel redet, 
welchen Perikles zu Eleuſis bauen laſſen, das 
Wort erisunov ebenfalls vom Kapitäle verfianden.?) 


ı) Pausan. 1. c. 
2) Id. I. 2. c. ı7. [$.3.] 
3) Athen. 1.5. c. 9. n. 38. 


4) Dominichi, le Vite di Plutarco, in Pericle, part. ı. 


p- 238. G. Plutarch [c. ı2.] verfieht ohne Zweifel 
unter srisvrsı den Architrav, indem er hinzufügt, 
daß Metagenes über denfelben dad duulwua, oder wie 
Eonftantini in feinem Lerifon lieſt, Nalaona, d, 
i. den Sries, feste, deñ fo wurde vieleicht ausfchlies 
Bend der Sried der jonifhen und Forinthifhen 
Ordnung genafit, welcher, da-er keine Triglyphen und 
Metopen hatte, einer Binde glih, die bei den Gries 
chen Lam und Ialaoua hieß, und daher wird pahrſchein⸗ 
lich das vom Plutarchus erwähnte Gebäude von einer 
diefer beiden Ordniungen gewefen fein. Der Srieß der 
dorifchen Ordnung hieß bei den Griechen mprpAupos, 
Dreiſchliz. Wenigſtens net Euripides ihn To 
(Orest. v. 1372.) und gibt bem Sried diefer Ordnung 
den Beinamen doriſch; und Ariftoteles, (Ethic. ad 


Nicom. 1. 10. c.3.) wo er. dad Bafament und den- 


Triglyph als zwei verfchiedene Theile des Tempels net: 
Ü de ans anpnmidıs nas TE TeNyrUpS ourdeohs arırm. CB 
wird auch nachher noch, als fhon die Metopen hinzu 
gefommen waren, Triglyph genait worden fein, wei 
man glauben will, daß jene Schriftſteller fih des übli⸗ 
chen Kunſtausdruks betient haben; befl diefen Namen bat 


4 


462 Baukunſt der Alten. 


Unterdeſſen waren Schilder auch an den Säulen des 
Tempels des Supiters zu Nom aufgehänger. 1) 

6. 15. Diefe wirklichen Schilder gaben Gele 
genheit, daß nachher Schilder von erbobener Arbeit 
in die Metopen gefezget wurden, und Ddiefe Auszie- 
rung iff auch von den neueren Baumeiſtern in der 
dorifhen Ordnung beliebet worden, wie man dies 
felben nebfl anderen Krieges⸗ und Gtegeszeichen an 
verfchiedenen Paläflen in Rom angebracht fichet. 
Es wurden aber auch Schilder an dem Gipfel der 
Tempel aufgehänget, wie an bem Zempel des capi⸗ 
tofinifchen Zupiters.2) 

8.16, An der Friefe des dorifchen Tempels ber 
Ballas zu Athen find auf den Metopen Gefechte mit 

Thieren vorgeftelet, I) und an dem Tempel dee 
Theſeus daſelbſt die Thaten diefes Helden?) Dis 
truvius fchlägt Donnerkeile vor. 5) Die korin 
thifchen Friefe wurden mit. Köpfen von Gtieren 
oder Widdern ausgegieret, wie der Tempel zu Me 
laſſo in Karien;6) oder es wurden Opfergeräthe 
angebracht, wie an der Frieſe auf den drei Säulen 
unten am Sampidogliv. D An der Friefe des Tem- 


er wohl von Anfang an, wo er noch aus den bloßen 
Balkenkoͤpfen beſtand, geführt. Fea. 

1) Liv. 1.40. c. 28. n.5ı. 

2) Id. 1.35. c. ı0. n. 10. ‚ 

3) Pococke, t. 2. part. 2. pl. 67. p- 162. 

- 4) Id. ibid. pl. 69. p. 169. 

5) Bitruvius (1.4. c.3.) fast, man folle fie auf der 
untern Stähe des Kranzleiſten in den Zwi—⸗ 
fehenräumen anbringen, welche fi swifchen den Gaffen, 
vie, und den Tropfen befinden. Gen. 

6) Pococke 1. c.pl. 55. p. 61. 
7) Diefe Dpfergerätge find daſelbſt und auch ein ochſen⸗ 
ſchädel. Fea. 


Zweites Kapitel, 463 


pels Kaiſers Antoninus und der Fauſtina find 
Greife, welche Leuchter halten.!) Eben diefe Zieraten 
hat die Briefe. eines Fleinen zierlichen Tempels oder 
Gapelle, 2) eine Stunde von Siena, gegen. Florenz 
zu, und zwar von gebrahter Erde, fo wie die ko— 
rinthifchen Kapitäler der Pilaſter; auf eben die Art, 
wie einige alte Grabmäler um Rom. Ron derglei- 
chen riefen wurden um Oſtern diefes 1761 Yahres 
fehs Stüfe zu Nom entdefet, von zween Palmen 
hoch, welche mit bleiernen Nägeln auf die Mauer 
befefliget waren; einer von diefen Nägeln hat mehr 
als einen halben Palm in der Länge. Die erhobe- 
ne Arbeit auf diefen Stüfen ift fchön gezeichnet und 
ausgeführet. Auf einem derfelben ſtehet Bakchus 
und eine tanzende Bakchante, welche die Cymbeln 
ſchläget, und zwiſchen ihnen ein junger Satyr, wel⸗ 
cher eine laͤngliche und ſpizig zulaufende Aſchenurne 
mit zwo Handhaben auf der Schulter träget; mit 
der andern Hand hält er eine umgefehrte brennende 
Fakel. Es iſt diefes Bild eine AYufmunterung zum- 
Genufle des Lebens, und eine Erinnerung zur Fröh⸗ 
lichkeit, ehe die Fakel des Lebens auslöfcher, und 


i) Desgodetz, p. 48, 49, 60. 

2) Ich will über dad Altertum dieſes Gehäubes nicht ent 
fheiden ; ein fo völlig erhaltenes Werk von der Rs 
mer Zeit an diefem Orte fcheint mir bedenklich, da fich 
in Tofcana von alten Gebäuden nichts Ganzes erhalten 
hat. Dei dad Battifterio in Florenz, welches bie 
Siorentiner fir einen Tenipel des Mars halten, ſcheint 
nur denjenigen aus dem Altertume, die dafielbe im... 
Vorübergehen kennen lernen. Alle andere Battifteria 
find , wie dieſes, achtekicht, wie das zu Kom und au 
Nocera de’ Pagani, zwiſchen Neapel und Salerno. Bon 
dem Gebäude bei Eiena habe ich, aller angewandten 

- Mühe ohnerachtet, Feine weitere Nachricht einziehen 
Tonnen, als daß ed im Sahre 1520 in einer angeftelleten 
Kirchenvifitation bereits ba gewefen il. Windelman, 


462 Baukunſt der Alten. 


Unterdeſſen waren Schilder auch an den Säulen des 
Tempels des Zupiters zu Rom aufgehänger. 1) 

$. 15. Diefe wirklichen Schilder gaben Gele- 
genheit, daB nachher Schilder von erbobener Arbeit 
in die Metopen gefeget wurden, und diefe Auszie- 
rung iſt auch von den neueren Baumeiltern in der 
dorifhen Ordnung beliebet worden, wie man die⸗ 
felben nebſt anderen Krieges- und Siegeszeichen an 
verſchiedenen Baläften in Nom angebracht fichet. 
Es wurden aber auch Schilder an dem Gipfel der 
Tempel aufgehänget, wie an dem Zempel des capis 
tolinifchen Supiters.d 

8.16. An der Friefe des dorifchen Tempels der 
Ballas zu Athen find auf den Metopen Gefechte mit 
Thieren vorgeſtellet, 3) und an dem Tempel des 
Thefeus daſelbſt die Thaten diefes Helden.d) Vi⸗ 
truvins fchlägt Donnerfeile vor.5) Die korin⸗ 
thifchen Friefe wurden mit. Köpfen von Gtieren 
oder Widdern ausgezieret , wie der Tempel zu Me 
laſſo in Karien 6) oder es wurden Opfergeräthe 
angebracht, wie an der Frieſe auf den drei Säulen 
unten am Sampidoglio.) An der Frieſe des Tem⸗ 


er wohl von Anfang an, wo er noch aus ben bloßen 
Balkenköpfen beitand , geführt. Gen. 

ı) Liv. 1.40. c. 28. n.5ı. 

a) Id. 1.35. c. 10. n. ı0. . 

3) Pococke, t. 2. part. 2. pl. 67. p. 162, 

- 4) Id. ibid. pl. 69. p. 169. 

5) Vitruvius (1.4. c.3.) ſagt, man folle fie auf der 
untern Fläche des Kranzsleiften in den Zwi—⸗ 
fchenräumen anbringen, welche fich swifchen den Saffen, 
vie, und den Tropfen befinden. Gen. 

. 6) Pococke I. c. pl. 55. p. 6ı. 

7) Diefe Dpfergerätge find daſelbſt und auch ein Ochſen⸗ 
hädel, Sen 


Zweites Kapitel, 463 


pels Kaiſers Antoninus und der Fauſtina find 
Greife, welche Leuchter balten.!) Eben diefe Zieraten 
hat die Friefe eines Heinen zierlichen Tempels oder 
Gapelle,?) eine Stunde von Siena, gegen Florenz 
zu, und zwar von gebranter Erde, fo wie die fo- 
rinthifchen Kapitäler der Bilafier; auf eben die Art, 
wie einige alte Grabmäler um Rom. Bon dergleis 
chen Zriefen wurden um Oſtern diefes 1761 Yahres 
fehs Stüke zu Nom entdefet, von zween Palmen 
hoch, welche mit bleiernen Nägeln auf die Mauer 
befefliget waren; einer von diefen Nägeln bat mehr 
als einen halben Balm in der Länge. Die erbobe- 
ne Arbeit auf diefen Stüken ift fchön gezeichnet und 
ausgeführet. Auf einem derfelben ſtehet Bakchus 
und eine tanzende Bakchante, welche die Enmbeln 
fchläget, und swifchen ihnen ein junger Satyr, wel 
cher eine Fängliche und fpizig zulaufende Afchenurne 
mit zwo Sandhaben auf der Schulter träget; mit 
der andern Hand hält er eine umgefehrte brennende 
Fakel. Es ift diefes Bild eine Aufmunterung zum 
Genufle des Xebens, und eine Erinnerung zur Fröh⸗ 
lichkeit, ebe die Tafel des Lebens auslöfchet, und 


1) Desgodeta- p· 48, 49; 60. 

2) Ich will über das Altertum diefed Gebäubel nicht ent 
ſcheiden; ein fo vollig erhaltened Werk von der Rs 
mer Zeit an diefem Orte fcheint mir bedenklich, da fich 
in Toftana von alten Gebäuden nichts Ganzes erhalten 
hat. Deñ dad Battifterio in Florenz, welches bie 
Storentiner für einen Tenipel des Mars halten, fcheint 
nur denjienisen and dem Altertume, die datielbe im... 
Borübergehen fennen Ternen. Alle andere Battifteria 
find , wie dieſes, achtekicht, wie dad zu Rom und zu 
Nocera de’ Pagani, zwiſchen Neapel und Salerno. Von 
dem Gebäude bei Siena habe ich, aller angewandten 

.- Mühe ohnerachtet, keine weitere Nachricht einziehen 
Tonnen, als daß ed im Sabre 1520 in einer angeftelleten 
Kirchenvifitatien bereitd da gewefen il. Winckelmañ. 


P4 


AG4 | Baukunſt der Alten. 


man unfere Afche famlet und beifeget. Auf zwei 
andern Stüfen umarmet Silenns einen jungen ge 
flügelten Genius des Bakchus, und nähert fich 
demfelben, um ihn zu füffen. 1) Von diefem Genius 
babe ich in der Befchreibung der ſtoſchiſchen 
gefchnittenen Steine gehandelt. D Diele erw 
hobenen Werke waren übermalet, wie ſich an eini⸗ 
gen deutlich zeiget. 

8. 17. An der Eornifche des Gebaͤlkes fanden 

insgemein Löwenköpfe in einer beflimten Weite, ent- 
weder zum Ablaufe des Waflers, oder zur Anden 
tung defielben: an dem Gebälfe auf drei Säulen 
im Campo Baccino zu Rom bat fich die Eornifche 
mit den Köpfen erhalten. I) 
„183 Wo an Tempeln oder Gebäuden runde 
Dfnungen anflatt der Fenſter maren, wurden Krän- 
ze von Bändern oder Blumen umher gefchnizet. 3) 
An dem Gipfel des dDonnernden Jupiters auf 
dem Capitolio hingen kleine Gloken. 5) 

8.19. Der Bogen der Nifchen wurde in Ge⸗ 
Halt einer Mufchel gezieret, und das Altefle Werk, 


1) Cavaceppi (Raccolta di statue, t. 3. tav. 46.) gibt 
die Abbildung davon; e3 fiheint vielmehr, daB der Ges 
nius den Silenus ſtüze. Fea. 

2) [2K1. 15 Abth. 1437 — 1438 7.) 

3) Auch an den Ruinen von Palmyra, (Wood, Ruins of 
Palm. p.5 — 18.) hat fiefih erhalten, und sum Theil 
an dem Tempel ded mäflihen Glüks, jezo © Mas 
via Agyptiaca, nahe an der Tiber, (deſſen Abbildung 
bei Desgodetz (l.c. p- 42.) und am Giebel ded Ten 
pels su Cora, wo fie mehr sur Zierde ald zum Nuzen 
dient. Ganz fiehbt man eine Eorniiche mit Löwentöpfen 
am Porticud der Kirche S. Lorenzo vor Rom. Sea. 

4) Scaliger. Conject. in Varron. de ling. lat. 1.6. p. 
109 — 110. 


5) Suet. in Aug. c. gt. 


% 


Zweites Kapitel, 465 


woran fich diefes erhalten bat, iſt ein rundes Ge⸗ 
bäude in Gehalt eines Theaters, ‚welches vermuth- 
Fich zum Foro Trajani gehöret hat.!) Dieler Zies 
rat finder fich ebenfalls in den Nifchen der Gebände 
zu Palmyra,2) und an dem fälfchlich fogenafiten 
Tempel des Janus zu Nom. 

$. 20, Sn dem Pronaos oder der Halle der 
Tempel war die Mauer am Eingange vielmals be- 
malet, wie an dem Tempel dee Ballas zu Blatäd, 
wo Ulyſſes vorgeſtellet war, wie er die Freier der 
Penelope .erlegete. ID Etliche Gebäude wurden 
röthlich andere grünlich angeflrichen. 4) . 

$. 21. Die Bteraten innerhalb der Gebäude, 
als das zweite Stüf biefes Kapitels, würden an 
den Tempeln und Baläften vornehmlich zu unter 
fuchen fein, wei bie Zeit nicht alles verfiöret hätte: 
von dem einzigen Bantheon will ich nicht reden, 
meil das Innere deffelben aus vielen Kupfern bes 
Font iſt. Der Vorſaal im Haufe, oder dasijenige 
Theil, welches beim Eintritt in daſſelbe zuerſt in 


41) Gemeinislih die Bäder des Paulus Amilius 
genañt. Piramefi gibt davon die Abbildung. (Antich. 
Rom. t. ı. tav. 29. fig. ı.) Sen. 

2) Wood, Ruins of Palm. pl. 4.6.9. Sen 

3) Pausan. 1. 9 c. 4. 15. 1] 

Pauſanias heisst von den Gemälden bed Pol 
gnotus und dei Onagatas, und fast weder von dem 
einen noch von dem afbern, wie Eorrevon (Lettr. 
sur la decouv. de Vanc. ville d’Hercul. t. ı. letir. 
13. p. 334.) behauptet, daß fie auf bie Mauer gemas 
let feten, fo wie e8 auch die des Polygnotus und an 
derer Maler nicht waren. Die berühmten Maler der 
alten Griechen pflegten auf Holstafeln au malen, und 
erft ſehr fpät ward ed Gebrauch, auf deu Wänden der 
Hänfer und Tempel zu malen. (Plin. 1. 35. c. 10. scct. 
37.) en. 
4) Pausan, L ı. c. 28. [$. 8.] 


466 Baukunſt der Alten. 


die Augen Fällt, und bei den Griechen vamı« Hieß,!) 
wurde befonders ausgezieret, und Homerus nenner 
e3 daher zvamıxz ombavayras „dns allenthalben 
„» glänzende und fchimmernde Theil. “ 2) 

$. 22. Die Gemwölber, welche Feine verticfete 
Felder hatten, von welchen oben geredet If, 2) wur- 
den insgemein mit Gypsarbeit gezieret, wie man 
ſonderlich an dem Gewölbe eines Bades zu Baja bei 
Neapel fiehet, wo die Venus Anadyomene, Tri. 
tonen, Nereiden und dergleichen auf das fchönfie 
ausgenrbeiter find, und fich bis izo unverfehrt er⸗ 
‚halten haben. . Diefe Arbeit iſt nicht fehr erhoben, 
und dadurch bat fich diefelbe mit erhalten: wo man 
dergleichen Werke in neueren Zeiten ſehr erhoben 
gemachet hat, haben fie insgemein gelitten, und an 
dem Gewölbe der St. Peterskirche, deren Noten 
von Gyps drei Balmen dik find, ift diefes faſt un⸗ 
vermeidlich. 
8,23. Es wurden fo, wie 130, ſowohl Felder 
als Figuren an den Defen und Gewölbern vergol- 
det, und das Gold an einem verfchütteten Gemölbe 
von dem Balaftle der Kaiſer bat Ach, ohngeachtet 
der Feuchtigkeit, fo frifch erhalten, als wen es 
neulich aufgetragen wäre. Die Urſache davon Tieget 
in der Dife des gefchlagenen Goldes bei den Alten: 
den bei Vergoldungen im Feuer mar ihr Gold, wel- 
ches fie auflegeten, gegen die heutigen Blätter in 
der Stärke wie fechs gegen eins, und in anderen 
Vergoldungen wie zwei und zwanzig gegen eins; 
wie Buonarroti ausführlicher angezeiget Bat. #) 


ı) Casaub. Comment. in Theoph. Charact. c. 21. p.330. 
2) IA. ©. VIII. v. 435. x 
3) Eine kleineProbe davon findet man, wie ed mir fcheint, in den 
Gemälden vonHerculand, (t.4. av. 57.58.61.) ea. 
4) Osservaz. istor. sopr. alcun. medagl. tar. 30. p. 370 — 


371. [®. d. K. 7B. 2 K. 11 4.] 


‚Zweites Kapitel. 467 
6.24 Bon den Verzierungen ber Zimmer bat 


man fich bisher einen Begrif machen können aus 


dem Innern der Grabmäler , 1) und die im Hereu⸗ 
Jano ſowohl, als in den benachbarten verfchütteten 
Etädten Reſina, Stabia, und Pompeji entdefete 
Häufer-Himmen mit jenen überein.) Die gewöhn- 
liche Auszierung -der Zimmer daſelbſt beſtehet nur 
im Anfriche der Mauern, und in Fleinen Gemäl- 
den auf denfelben, weiche Landfchaften, Figuren, 
Thiere, Früchte und Grotteffen vorfichen: den ehe⸗ 
mals waren Malereien anflatt der Tapeten. 3) 
Die Maler in diefer Art hießen bei den Alten 
faroyeapdo,t) das iſt, Maler von Fleinem 
Krame. 


1) In dem Grabmale des L. Aruntius und feiner Greis 
gelaſſenen, vornehmlich an der gewölbten Deke, ſind Ver⸗ 
zierungen in Stucco mit Figuren in den Abtheilungen, 
Arabeſken, Grotteffen und anderen Sachen mit aller 
Sauberkeit und Zierlichkeit auf einem in verfchiedenen 
Farben freinartisg bemalten Grunde. Die Abbildung das 
vonbei Piranerfi (Antich. roman. t. 2. tav. ı2.). Fe a. 

2) Ein berrächtliches Theil Diefer Malereien, welche Wins 
Felmaf fo oft anführt, und mehrere derfelben beichreibt 
und erflärt, ift in den vier erften prachtvollen Bänden 
der Pitture d’Ercolano befaitt gemacht worden. Sea. 

3) Plutarch. in Alcib. [c. ı7.] p. 199. 

Plutarchus fpricht nicht von diefen Malereien, fondern 
ſchreibt bloß, daß, als Alcibiades damit umging, einen 
zus gegen Sicilien und Afrifa zu unternehnen, viele 
Athentenfer, welche in den Paläftern und Hemicyklen 
faßen und fich unterredeten, die Figur von Sicilien umd 
die Lage von Afrita und Karthago zeichneten, ohne zu 
fügen, auf welche Weife, ob auf die Erde oder an bie 
Wand, oder auf eine Tafel, wie auch bei und bei ders 
gleichen Unternehmungen wohl zu geichehen pflest. Aber 
diefed hat nichts mit dem zu thun, weßhalb Wincdelmafl 
die obige Stelle des Plutarchus anführt. Gen. 

. 4) Salmas. Nota in Spartian. p. 23. 


468 Baukunſt der Alten. 


5. 28. Unter dem Gewölbe der Zimmer (am 
dere hatten Deken von Holze) ging insgemein eine 
Heine ECornifche von Gyps umher, welche zwei oder 
drei Finger breit bervorfprang, und nach Beſchaf⸗ 
fenheit der Gebäude glatt oder mit Blättermerfe 
gegieret war. Es burchfchnitt diefe Corniſche das 
obere Theil der Thüre, welche nach den Regeln 
der Baukunſt drei Zünftbeile der Höhe des Zim- 
mers haben fol, und dadurch wurde das Zimmer 
umher in zwei Theile getbeilet; das Obere, wel- 
ches wie die Friefe gu dem Unteren war, verhielt fich 
zu diefem, mie zwei zu drei. Der Raum ſowohl 
über als unter der Eornifche wurde in Felder ges 
theilet, welche böher als breit waren, und insge 
mein die Breite der Thüre hatten, welche gleich- 
fam eins von den Feldern mar. Diefe waren mit 
Zeiften von verfchiedener Farbe eingefaffer, und 
zwifchen denfelben waren Fleine vierefichte oder runde 
Felderchen, in welchen eine Figur oder eine Aus⸗ 
ficht gemalet war. Über der Corniſche mar eben 
die Eintheilung, doch fo, daß die Felder breiter 
als lang waren, welche ebenfalls mit Landfchaften, 
Ausfichten auf das Meer, und dergleichen ausge 
zieret waren. 1) 


1) Auf diefe Weife war vielleicht der Theil bed Hanfes ge⸗ 
malt, dad Lucian (de Domo $. 9.) beichreibt, wo er 
fast, daß die Gemälde auf den Wänden in Schönheit 
ber Sarben und Natürlichkeit der dargeftelleten Sachen 
einer blühenden Wiefe und dem lachenden Anblike des 
Srühlingd fich vergleichen Fofiten. Auch waren dacelbſt 
Malereien mythelogifcher Gegenftände, unter andern eis 
nes, welches Lu cian ($. 23.) außdem Euripides oder 
Sophokles entiehnt glaubte, und ein anderes ($. 3ı.), 
auf welhem Medea vorgeftellt war, welche mit ent« 
blößtem Schwerte und wilden fchretlihen Blike ihre Kin, 
der anſah, die zu ihr hinauf Tächelten. Non dieſer Mac 
lerei wahrſcheinlich redet Winckelmañ in feiner Se 


— m o wı ru em - 


j Zweites Kapitel, 469 


$. 26. Eine auf diefe Art eingetbeilete und ver- 
zierete Wand eines Zimmers fiebet man in der kö⸗ 
niglichen Galerie alter Gemälde zu Portiei: es if 
diefes Stüf über zwanzig Palmen lang und vier 
zehen breit. Diefe Wand. bat, mie angezeiget if, 
Belder unter und über der Cornifche, welche aus 
Blätterwerke befiebet. Von den drei unteren Feldern 
ift das mittelfte breiter, als die auf den Seiten; 
jenes ift gelb eingefaflet, diefe rothb. Zwiſchen den⸗ 
felben gehen ſchwarze Streifen herunter mit zierli⸗ 
chem Schnörkelmerte bemalet. Mitten in den Fel- 
dern find Landſchaften auf vothem oder gelben 
Grunde. Über der Sornifche find vier Fleinere Kel- 
der, von welchen zwei auf das mittlere untere Feld 
fallen: in einem derfelben fieget ein Haufen Münze 
auf einem Tiſche, nebit Papier, Täfelchen, Dinten- 
faß und Feder; in dem andern find Fiſche nebſt 
andern Efwaren vorgeftellet. 1) 

$. 27. Auf dem palatinifchen Berge wurde im 
Sahre 1724 ein großer Saal entdefet, von vierzig 
Fuß lang, melcher ganz und gar ausgemalet war. 
Die gemaleten Säulen waren eben fo fpillenmäßig 
und aufferordentlich lang. wie die Säulen auf den 
Gemälden zu Bortic. Was fich von Figuren und 
anderen fleinen Gemälden auf den Wänden diefes 
Saals fand, wurde abgenommen, und nach Parma 
gefchifet, und diefe alten Gemälde gingen mit den üb- 
rigen Schägen des farnefifhen Muſei nach Neapel. 
Da aber alles. vier und zwanzig Jahre verfchloffen 
blieb, hat der Moder alle diefe Gemälde zernichtet, 
und man fiebet zu Capo di Monte in Neapel, 10 bes 


ſchichte der Kunſt (5%. 38. 16 6.); aber Suctan 
fagt nicht , daß es ein Werk ded Timomachus Tel. 


Sea. 
1) [Briefe an Bianconi, oben S. 45 u. f.J 


Bea an. — — 
—— a re — 


Fragment 
einer. 
neuen Bearbeitung 
der 


Anmerkungen über die Baukunſt 
der Alten. 





uus Winckelmans Handſchrift zuerſt in der 
neuen dresdner Ausgabe abgedruft.) 


- 


1762 —1768 


20° 


u IMan vergleiche an den betreffende Eteflen die Ku 
Nertungen zur vorigen Sarift, welche man hier 
nicht wiederholen wollte.) 


Fragment 
‚einer neuen Bearbeitung der 


Anmerkungen über die Baukunſt 
der Alten. 


Erſtes Kapitel, 
Bon dem Wefentlihen der Baukunſt. 


8.1. Ich theile über die Baukunſt der Alten 
einige Anmerkungen und Nachrichten mehrentheils 
aus eigener Erfahrung und Unterſuchung mit, und 
dieſelben betreffen zwei Theile, nämlich das We 
fentliche der Baukunſt, und die Zierlichkeit 
derfelben. 

$.2. Das MWefentliche begreifet in fich vor⸗ 
nehmlich theils die Materialien, und die Art zu 
bauen, theils die Form der Gebäude und Die n v⸗ 
thigen Theile derſelben. 

$.3. Die Materialien find Ziegel, Steine und 
Mörtel; dein von Holz, woraus unter den Bricchen 
in’ den diteften Zeiten ganze. Gebäude und Tempel 
aufgeführet wurden, wie Derienige war, welchen Aga⸗ 
medes und Trophonins dem Neptunus baue 
ten, !) mird hier nicht geredet; - Die Siegel waren an» 
fängkih ungebrañt, und nur an der Luft, aber einige 
Sabre, getrofnet, und murden bei den Griechen 
fowohl als Römern häufig gebrauchet. Von folchen 
Biegen waren die Mauern zu Mantinen, 2) und 


1) Pausan. 1.8. fe. 10. $. 2] 
a) 1d. [c.8.:8. 5.1 


176° Raukunf der Alten, 


zu Eion am Fluffe Steymon in Thracien, 1) ein 
Tempel zu PBanopea, und ein anderer der Ceres,?) 
beide in der Landfchaft Phocis, I) eine Halle zu 
Epyidaurus, und ein Grabmal der verflöreten Stadt Les 
preus in der Landſchaft Elts. 4) Bon folchen Bie- 
geln find auch die Häufer zu Lima und Peru aufe 
geführet. 5) Aus dem Vitruvius fcheinet es, daß 
zu Rom und in der Gegend umber die mehreflen Häu⸗ 
fer von folchen Ziegeln aufgeführet gewefen,, und 
diefer Scribent handelt umitändlich von deren Zu⸗ 
richtung, 6) Baufanias aber berichtet, daß fie von 
. der Sonne und vom Wafler aufgelöfet worden. 7) 

84 Die Härte und die fchöne rothe Farbe 
der alten Ziegel komt von der Art des Brennens, 
und es iſt zu glauben, daß die Ziegelhütten chemals 
- mit bartem Holze geglühet worden, anflatt daß 
Diefes izo in und um Nom mit Strauchwerf ge 
ſchiehet, welches viel Nauch, und alfo auch viel 
Feuchtigkeit verurfachet, und der Härte und ber 
Farbe der Ziegel nicht zuträglich if. Es iſt fogar 
den biefigen Biegelbrennern bei hoher Strafe unter 
faget, kein Holz als Strauchwerf zu gebrauchen. 
Dem ohngeachtet find die romtfchen Stegel vorzügli« 
her vor denen an den mehreflen Osten in Deutfch- 
land; die beflen aber fommen ans Tofcana, wo 
man in der Maremma fein Holz zu erfparen nöthig 
bat. Die alten Ziegel wurden. nicht dife, aber zum 


ı) Id. 1. 10. [c.4. 8.3.) 
») Id. [c. 35. $.5.) 

3) Id. 1. 2. [c. 27. $. 7.] 

4) Id. L. 5. Ic. 5. 84) 

5) Carlet, Viagg. p. 65. 

6) L. 2. c. 3. 

D L.8. [c. 8. 8. 5.1 


Fragment. 477 


Gemäner groß gemachet; ihre Dike tft niemals über 
einen flarfen Zoll, fie find aber drei bis vier Pal⸗ 
men groß, von welchen auch Vitruvius redet, und 
dieneten fonderlich zu Bogenwerfen. 

8.5. Die erfien Steine zu Gebäuden der Rö⸗ 
mer waren diejenigen, weldye am leichtefien gebro⸗ 
chen werben, nämlich der Tufo, und derienige, wel- 
cher der albanifhe Stein hieß. Der Tufo if 
nichts anders, als eine Teicht verfleinerte Erde, und 
it theils fchwarggraulich, theils röthlich; es iſt der 
Stein, welcher beim Vitruvius der rothe Stein 
heiffet, 1) dem Perrault aber unbefant war. ?) Die⸗ 
fer Stein wird unter der Erde gegraben und gehauen, ' 
izo nur in Eleinen Stüfen, wie fie die Hake bricht, 
vor Alters auch in Quaderſtüken, mit welchen die 
Grundlagen der Gebäude ‚gemachet wurden; iso die 
net diefer Stein zum Ausfüllen in Grundlagen- und 
an Sewölbern ; den in. der freien Luft tauget ders 
felbe nicht. Bei Neapel wird ein weißlidier Stein 
gebrochen, welcher ebenfalls eine Art Tufo und fo 
weich if, daß er mit der Art fan bearbeitet mer 
den. Der ganze Berg, an welchem Nenvel lieget, 
ift ein folcher Stein, und er wird daſelbſt zum Un⸗ 
terfchlede von härteren Steinen pietra dolce ge 
nennet. Es iſt derfelbe in giegelmäßiger Form und 
Größe gehauen, mie noch iso gebräuchlich if, am 
vielen Trümmern der verfchütteten Stadt Pompeſi 
zu fehen, fonderlih an den Grabmälcen Biefer 
Stadt, an den Hügeln längs der Straße ‚, welche 
nach Salerno gehet. Die mehrefien Gebäude zu 
Neapel find aus diefem Steine gebauet, auch die 
Gebäude zu Baia und zu Mifenum, die Tempel das 
felbft ausgenommen. Don Gebäuden ans folchen 


1) L.2. c. 7. 
2) Vitruve, p. 40. n. ı. edit. 1684 


478 Baukunſt der Alten. 


Steinen Tinte in der eigentlichtien Bedeutung die 
fo verfchiedentlich erflärete Formel auf einigen 
nlten Grabſteinen, gefaget werden: Sub Ascia posuit. 
Der rothbe Stein beim Vitruvius könte auch den, 
jenigen bedeuten, welchen Fabretti den collatinis- 
fchen Stein nennet,!) weil derfelbe ohnweit des 
Einfluffes des Anio in die Tiber, d. i. wo ehemals 
Collatia geflanden, gebrochen wird. Die drei Lagen 
großer Steine über die Bogen der marcifchen 
Wafferleitung, welche den Gang machen, in wel- 
ehem das Wafler lief, find von diefer Art. 

68.6. Unter der Benennung des albanifchen 
Gteins ind izo zwo Arten begriffen: der eine heiffet 
Sperone, der andere Peperinso / von der Stadt 
Piperno benennet,. wo er auch gebrochen wird, und 
diefen Namen bat diefe Art Stein auch. zu Neapel. 
Beide Arten find ſowohl an Farbe unterfchieden, 
welche an jenem graugelblich, und an diefem fhwarp 
graulich iſt, als auch in der Süte und Daner. Der 
Sperone, welcher auf dem alten Tuſculo gebrochen 
wird, ift dichter und härter, als der Peperino, und 
Diefer, welcher noch mehr erdartig als jener iſt, zie⸗ 
het folalich mehr Keuchtigfeit in ſich, welches in 
großer Külte, wen diefe Feuchtigkeit gefrieret, ver⸗ 
urſachen fan, daß diefer Stein Riſſe befomt und 
plazet. Es wird aber bei Soriano, nicht weit von 
Biterbo, ein Peverino gebrochen, welcher dichter if, 
und gedachten Fehler nicht hat. Der mehrefle wird 
bei Marino, und auch bei Albano gebrochen, und 
es find. von demfelben die älteiten großen Werke ges 
bauet, als die Cloaca maſſima unterden Tarqui⸗ 
niern,der Ablauf des albaniſchen Sees aus den 
eriten Zeiten der Nepublik, und die mehreften Tem⸗ 
pel, als der Tempel des Antoninusund der Tau 


2) De Aquzduct. p. 27. 


—— 


Fragment. 479 


ſtina, der Pallas auf dem Foro des Nervo u.ſ. f. 
Die Tempel aber waren überall mit diken Platten 
von Darmor befleidet, fo daß fie völlig aus Mar⸗ 
mor gebauet fchienen. 

687 Mit Qunderflüfen von Beperino find 
ferner die Erhöhungen auf beiden Seiten der alten 
römifchen Straßen zur Bequemlichkeit der Fußgän⸗ 
er gemachet, und diefes gefchabe auf der appiſchen 
Strafe, wie aus dem Livius zu fchließen if, I) 
hundert und vierzig FJahre nach geendigtem Pflaſter 
diefer Straße. Diefe Steine waren an einigen 
Drten mit eifernen Klammern zufammengebuns 
den, 2) welches aber nicht von den aufrecht fichen« 
den niedrigen Kieſelſteinen, mit welchen die Stra⸗ 
Ben allenthalben, wie mit einem Rande, eingefaflet 
find, nad) der Auslegung eines neueren Scribenten 
fan verflanden werden. ?) Die Erhöhung der Etra- 
Se für die Fußgänger war nur nahe an den Städten, 
und ift bei Albano und Terracina an drei Palmen 
boch, und es war diefelbe nicht weiter im freien 
Felde fortgeführet, ausgenommen mo tiefe Gründe 
find, und das Pflaſter vom Waſſer fonte überflofien 
werden, wie man auf der Etrafe nach Oſtia fichet. 
Folglich war es eine Bequemlichkeit, um zu Bferde 
zu felgen, nur nabe an den Städten und in den 
Gründen. 

6.5. In folgenden Beiten, und nachdem bie 
Nömer Herren von Tibur waren, fingen fie an, mit 
dem tiburtinifhen Steine, welcher izo Traver- 
tino beiftet, zu bauen. Diefer Stein, welcher här⸗ 
ter als Sperone und Peperino, und weicher ale 
Marmor ifi, und deffen Ähnliche Arten finden fich 


2) L. 41. c. 32. 
a) Stat. Silv. .4. 3. v. 48. 
3) Prattili, Via App. L 1. 6 7 p. 37. 


480 Baukunſt der Alten, 


insgemein an Drten, wo Schwefelquellen find, wie 
beit Tivoli: den ber Sag, welchen der Schwefel 
machet , wird in die Länge zu Sten,!) und der 
Mangel an Feuchtigfeit machet den Stein Löchericht. 
Es wirket aber der Schwefel auch in Bildung der 
bärteften Steine und Marmore, und unter diefen 
gibt derienige, welchen man marmo greco Nennet, 
im Bearbeiten einen fehr ſtarken Schwefelgeruch. 
Ein dem Travertino Ähnlicher Stein mächfet auf dies 
fe Art um Montepulciano , welche Gegend reich an 
Schwefelquellen ift, fo daß die ganze Oberfläche des 
Berges unten ansgeböhler fcheinet; und im Gchen 
bebet. Es verfeinert auch bie Albula unter Tivoli, 
welche in den Fluß Anio, izo Teverone, fällt, und 
gedachte Quellen voller Schwefel helfen zur Zeu⸗ 
gung des Travertino. Auch zu Bello wird ein dhn« 
licher harter, aber Töcherichter Stein ans dem 
Schmefelbache gezeuget, deſſen auh Strabo geden⸗ 
Tet, +) welcher nicht weit von ben Überbleibſeln diefer 
Stadt in’s Meer fällt. Diefe Eigenfchaft des Schwe⸗ 
fels, zu verſteinern, iſt von wenigen Scribenten, 
die es hätten thun follen, berühret worden. 

8.9. Die Brüche bei Tivoli wachlen in weni⸗ 
ger Zeit wiederum zu, und man hat mitten In den 
Steinen zuweilen Eteinbrechereifen gefunden , wel⸗ 
ches dieſes bemeifet. Auch der Marmor wächfet 
wiederum zu; dein man fand eine eiferne Brechilange 
in einem großen Bloke von fogenantem afrifanie« 
fhen Marmor, da derfelbe für die Kirche della 
Morte hinter dem farnefifchen Balafle, zerfäget 
wurde. Noch aufferordentlicher aber iſt ein Stük 
einer Säule von Branit, in welchem man zu Nom 
vor dreiffig Sahren eine güldene Münze des Aug 
us fand, da man es zerfägete. Diefe Münze war 

1) Becheri Phil. subterr. 1. ı. sect. 4. c. 7. p. 293. 
2) [L. 5. p. 175, edit. Casaub. de anno +587.] 


a Fragment. | 481 


tn den Händen des befanten Antiquarius Ficorvo⸗ 
ni; folglich muß fich diefer Granit innerhalb drei- 
hundert Jahren ergeuget haben; den nach dieſer 
Zeit wird man fchwerlich Säulen in Agypten haben 
ausbauen und nach Rom fommen Infien. Die Kais 
fer des’ vierten Sahrhunderts zerflöreten ältere Wer⸗ 
fe, um die ihrigen davon aufzuführen. 

8. 10. DaB der Travertino in den älteſten Zei⸗ 
ten der Republik noch nicht fehr gewöhnlich gewe⸗ 
"fen, kañ man aus merfwürdigen Infchriften ſchlie⸗ 
Sen, welche noch damals in Peperino gehauen wur⸗ 


den, wie diejenige iſt, welche dem 2. Cornelius 


Seipio Barbatus oder Naſica gefeset murde,!) 
dem mwürdigfien Danne feiner Beit, wofür er bereits 
in feiner Jugend von ganz Nom erfant wurde, wie 
dieſe Sufchrift und Livtus bezeugen. 2) Es iſt die⸗ 
felbe im zweiten punifchen Kriege gemachet, und 
fiehet in dem Zimmer der Handfchriften der barbe 
rinifchen Bibliothef. Sie it fait von gleichem Alter 
mit der duilifchen, welche vermuthlich auch nur 
in ſolche Steine gehauen geweſen ſein wird, und 
nicht in Marmor, wie aus einer Stelle des Silius 
vorgegeben wird. 3) Dei die Üiberbleibfel von 


Marmor find. nicht von derfelben Zeit md Selde. 
nuss) und andere Selehrte wären über das Altertum. 


derfelben nicht zweifelhaft gewefen, wen fie die In⸗ 
fchrift ſelbſt ſehen köͤnnen. Der Marmor murde 
frät in Nom befant, aber cher, als im 676 


Lahre der Stadt, wie jemand vorgibt : 5) deñ # i⸗ 


1) (Jac. Sirmondi) Vetustissima Inser. qua 1. Corn. Scipi⸗ 
onis elogium continetur. Rome 1617. 4. 
2) L. 29. c. 1% 


3) Rycq. de Capitol. c. 23. p. 124. edit. Gandar. 1617. 


: 4) Marm. Arundel. p. ı 
5) Cozze, Inser. della Colon. Fostr. a Duil. (Rom. 16354 
4) p. 8. 
Winckelmañ. 2. 21 


482 Baukunſt der Alten, 


nius, welchen man anführef, redet vor numtdi«- 
fhem Marmor und von den erfien Thürfchwellen 
aus demfelben, aber er behauptet an eben dem Drte, 
daß man vor des Augufius Zeiten in Btalien noch 
nicht verfianden habe, den Marmor zu fügen, wel 
ches kaum glaublich fcheinet. 1) Unterdeſſen hat der 
Marmor in einem Werfe aus der Zeit der Republik 
ohne Säge können gearbeitet werden; und diefes iſt 
die Pyramide des Cajus Ceſtius. Don den Alteften 
griechifchen Snfchriften willen wir, daß fie in grob 
abgehnuenem Marmor waren, Wen die Säulen von 
Travertino find, fo haben fle eine dünne Bekleidung 
von Gyps, um die Löcherichten Stellen zu bebefen, 
und diefes fiehet man an den Säulen der Kirche 
von S. Maria Egizziaca zu Rom, an dem ſogenañ⸗ 
-ten Tempel der Sibylle zu Tivoli, und au dem 
Tempel zu Eori, 


. 811. Zu den Materialien von Stein gehören 
auch die Schlafen (Bomice) des Vefunius, und ein 
ſchwarzer ffeinichter Gries, welcher Rapillo heiffet. 
Diefe Schlafen find dunfelroth oder braunroth, und 
manche And den Eifenfchlafen ähnlich in der Karbe, 
fie find durcdhlöchert und leicht wie ein Schwan, 
dem fie auch Ähnlich feben. Diele Schlafen, welche 
der Schaum von der feurigen Materie des Veſuvius 
find, unterfcheiden fih vondem Bimsſteine, welcher 
auch Pomice heiſſet, eben fo leicht, aber von kleine⸗ 
ren Löchern und weiß ifl. Diefer finder fih nicht 
auf dem Veſuvius, fondern an den Ufern des mit- 
selländifhen Meeres, und häuſig bei Neapel und 
Pozzuolo; daher fehr wahrfcheinltch iſt, daB derfelbe 
von dem Atna in GSicilien fomme, und durch das 
Det, weil er wegen feiner Keichtigfeit ſchwimmet, 


) L. 36. c. 6. sect.8. 


1 


- 


. ‚Fragment, 483 


fortgeführet wird. Es wird auch eine Art ben ve⸗ 
ſuviſchen ähnliche Schlafen bei Viterbo gegraben, 
in einer Gegend, wo fiedend heiffe Quellen find. 
Diefe Gegend wird Bollicame genañt, von bollire, 
fieden, und das unterirdifche Feuer dafelbfi , nebſt 
den Schlafen find Zeichen, daß chemals daſelbſt ein 
Bulcan .gewefen fein Eönne: diefe Schlafen aber 
find weich und nicht tauglich zu der Arbeit, wovon 
ich unten rede. 

. 612. Der Rapillo, welcher Lapillo heiſſen 
follte, findet fich fonderlich zu Neapel, und es wer 
den die Eflrihe in vielen Häufern und auf allen 
platten Dächern mit diefem Griefe gefchlagen und 
geleget. Man trift.denfelben auch oberhalb Fraſcati 
auf dem alten Tuſculo an, wo’ er, fo wie dort, ver⸗ 
muthlich eine. Wirfung von einer. ehemaligen Ent» 
zündung der Gebirge iſt, welches aus den. bleifarbis 
gen Etufen von wielfeitigen länglichten Würfeln 
dafelbit zu fehliehen ill. Weñ die alte römifche Geo 
fhichte meldet, daß es zumeilen bei Alba und im 
derfelben Gegend Steine geregnet babe, !) To fait 
zu diefer Sage eine noch Ältere verdunfelte Tradition : 
von einem Auswurf dortiger Berge Anlaß gegeben 
haben. 

8. 13. Die dritte Art Materialien, der Mörtel, 
wurde von den alten Römern, wie noch izo allge 
mein gefchiehet, mit Kalk und Puzzolana zuge. 
richtet. Diefe Erde Hatte eben denfelben Namen 
vor Alters, nämlich pulvis Puteolanus, weil diefelbe 
vermuthlich zu Puteoli, izo Puzzuolo, bei Neapel 
zuerſt entdefet wurde. Bhilander glaubet, 2) die 
neueren Römer haben diefe Erde von dem Worte 
Too, Brunnen, alfo benennet/ weil dieſelbe tief 


Urn . 31. Las . 36. Lad. c. 31. 36. 6.9 
» Annot. in Vitrur. 1.2. c.6. p. S2. 


484 Baukunſt der Alten. 


gegraben wird. Die Puzzolana iſt theils ſchwaärz 
lich, theils roöthlich; die ſchwärzliche iſt mehr ei⸗ 
fenartig, ſchwerer und trokener, als die andere, und 
dienet fonderlich zum Waſſerbau; den weil fie ſprö⸗ 
de ift, befomt fie leicht Riſſe über der Erde; die 
andere ift mehr erdhaft, und wird vornehmlich zu 
Arbeiten in und über der Erde gebrauchet. Bene 
Art wird bei Neapel gefunden; beide Arten aber 
finden fih in und um Nom, und fonft in feinem 
andern Theile von Stalien. Kin glaubwürdiger 
Augenzeuge verfichert mich, daß eine ſolche Erde 
auch bei Meb in Lothringen gegraben wird, welche 
dafelbft diene, mit wenigen Kofien und ‚gefchwinde 
ein Gebäude aufzuführen, wie ich unten anmerken 
werde. Es .ift aber zu merken, daB die Alten die 
rötchliche Puzzolanag wenig gebrauchet haben, welche: 
130 hingegen in Rom mehr als die ſchwarze gefüchet 
wird. In den Gegenden am Meere in der römi⸗ 
ſchen Landſchaft iſt We. chenfalls nicht, und die Al⸗ 
ten, welche zu Antium baueten, werden die Bup 
— von Neapel geholet haben, wie noch izo 
aſelbſt sehen muß; den es Ffomt diefe Erde mit 
menigeren Koſten zu Waſſer von dortber, als von 
Nom auf der Are dahin. Es finder fich derfelbe 
fogar nur auf einer Seite der Tiber, das tik: auf der 
Seite gegen Morgen oder Mittag, woraus ein 
wahrfcheinlicher Schluß zu ziehen it, daß es eine 
Erde fei, welche durch Entzündung entfianden, die 
durch den Fluß eingefchränfet worden, und ſich jen⸗ 
feit der Tiber nicht erſtreken können. Die wirkende 
Urſache der PBussolana geiget auch bie Benennung 
berfelben im Nenpelfchen an, fe wird insgemein 
dafelbfi terra di fuoco, Feuererde, genaft, und 
wird izo nicht mehr bei Pozzuolo, fordern um den 
Veſuvius herum, und daſelbſt allein, gefunden und 
'sgraben. Es gibt Lagen derfelben mit Lava, oder 


Fragmenkt. 485 


mit gefchmolgener Materie aus dem Veſuvius wech⸗ 
felmeife , fehr tief unter der Erde, mie fich unter 
andern in einem Brunnen zeiget, welchen der fü- 
nigliche Bildhauer FJoſeph Canart in fanem Wein⸗ 
berge zu Portici 270. neapelſche Balmen tief graben 
laſſen. Es if diefer Brunnen durch acht verfchie- 
dene Lagen bon Lava mit Lagen von verfleinerter 
Afche und Puzzolana abgewechielt, hindurch gear⸗ 
beitet. 

$.14. Die römifche Puzzolana wird zu Civita⸗ 
vecchhia von fremden ‚Schiffen anflatt bes Ballaftes 
geladen, nachdem fie vorher in Rom gefiebet wor⸗ 
den; dei Mauerwerk in Hafen kan ohne diefe Erde . 
nicht gemachet werden. Bu dem izigen Bau und 
Der Vergrößerung des Hafens zu Ancona Werden 
alle Sahre fiebenzehntaufend Karren, von einem 
Bferde gezogen, eingefchiffet, und die Barfen müßen 
Das ganze Untertheil von Stalien umfahren. 

6.15. Baptiſt Alberti redet in feinem Werke 
von der Baukunſt, als wen er nur von weitem bon 
der Puzzolana reden hören, weil fie ibm, als 
einem Florentiner, nicht fehr bekañt fein koñte, 
und an einem andern Drte verwechfelt er biefelbe 
mit Rapillo.1) In Griechenland har fich diefe Er- 
de, fo viel man weiß, auch nicht gefunden, welches 
auch Bitruvius anzeiget,2) und der Mangel derfel- 
ben ift mit Urfache, daß die Griechen nicht, wie 
die Römer, mit Keichtigfeit Gewölber machen kön⸗ 
nen. Es müßen aber die Griechen einen fehr feſten 
Mörtel zu machen verflanden haben, wie der große 
Wafterbehälter zu Sparta noch izo geiget, 3) wel⸗ 


ı)L.2. c.9. p.5ı. 1.3. c. 16. p. 95. edit. Fiorent, 
1550. fol. 

a) L.2. c 6.. 

3) Hist. de l’Acad. des Inscr. t. 16. .p. 111. edit. Paris 


486 Baufunft der Alten. 


cher aus Kieſelſteinen beftehet, die mit einem Mörtel 
verbunden find, welcher fo ‚hart ill, als die Steine 
felbii, weiches Belon auch von den Ciſternen u 
Bucephala faget. 1) 

8. 16. Beide Arten Suszolana werden aleich⸗ 
ſam zu Stein, und ſonderlich im Waſſer, wie auch 
die alten Seribenten anzeigen.) Plinius meldet 
yon der Puzzolana in dem Baue des Hafens zu 
Dftin. 3) Ha, dere Mörtel wird härter, als. Die 
Steine ſelbſt, welche er ‚verbindet. Diefes fichet 
man an den Zrümmern der Gebäude am Geflabe 
des Meers, welche bie. in das Wafler hinein ge- 
bauet Ind, zu PozzuolLo, Baia und in diefer 
ganzen Gegend, . imgkeichen zu Borto PAngie, 
dem alten Antium, mo die alten Pfeiler, welche 
den Hafen macheten und einfchloßen, fo mie jene 
Gebäude, : von Ziegeln gebanet find. Mit. Bu 
zolana macheten die Alten in und um Nom ihre 
-Straßen und Wege, welches noch izo gefchichet. 

6.17. Die Lagen der Buszolana . geben tief 
in die Erde, und zuweilen an achtzig Balmen; gang 
Kom iſt untergraben, diefe Erde herauszuholen, 
und dieſe Gänge geben viele Meilen weit, und 
ſolche Gänge find die Katakomben. Da der Grund 
zu dem Palaſte in der Villa des Herrn Cardinals 
AYlerander Albani gegraben wurde, fanden fid) 
drei: folche Gänge über einander, daher man genö⸗ 
thiget war, mit dem Fundamente.nec tiefer hinun⸗ 
ter, zu gehen, und es iſt daffelbe über achtzig Pal⸗ 
men tief geleget. 

$. 18. Den Kalk mußten einige Brovinzgen unter 
den römifchen Kaifern als einen Theil ihrer Ab⸗ 


1) Obserr. 1. 1. ch. 57. 
2) Senec. nat. quest. 1.3. c. 20. Plin. 1.35. c. ı3. [sech 


47.) 
3) L. 16. [c. 40 sect.76. n. 2.] 


m 


Sragnient, . 487 


anben nach Nom Hiefern: !) Umbrien, ferner die 
Provinz, welche izo die Marea heiſſet, und auch die 
Terra di Lavoro in Sampanien, gaben dreitanufend 
Karren Kalt, und Toſcana achthundert. 

8.19. Bei der Art zu bauen, ald dem weiten 
Etüfe des wefentlihen Theils der Baukunſt, fan⸗ 
gen wir billig bei der Grundlage an, welche entwe⸗ 
der von großen vierefichten Stüfen Tufo war, 
wie ich vorher angemerfet babe , oder won fleinen 
Stüfen Tufo, welches die gewöhnliche war, und es 
noch izo iſt. Der Grund diefer lezteren Art wurde - 
folgendermaßen geleget, wie man an den Ruinen fie 
bet. Man warf den Mörtel, das if: Kalk mit 
Puzzolana durch einander gefchlagen, mit Mulden 
hinein, und Stüfe Tufo darauf, und diefes Hin- 
einfchütten des Mörtels und der Steine MWiederho- 
Iete man, bis die Grube voll mar. Eine folche 
Grundlage fezet fich in ein paar Tagen, und wird 
durch die Puzzolana fo hart und fefl, daß man un⸗ 
mittelbar nachher darauf bauen Fat. Überhaupt iſt 
bier auch bei den ausgefülleten Mauern über der 
Erde zu merken, daf in Abficht der Eigenfchaft der 
Puzzolana allezeit von den Alten mehr Mörtel als 
Steine gebrauchet find: auf eben diefe Art find ale 
alte Gemwölber gemachet. An Mauern von Biegeln 
aber, oder die auch nur mit denfelben gefüttert 
find, ift das Kenizeichen der guten Zeiten der Bau⸗ 
funft, wen diefelben mit wenig Mörtel geleget oder 
verbunden find, welcher vielmals faum einen Feder- 
fiel dik Tieget zwifchen den Biegeln, die nicht zween 
Finger in der Dike haben. 

6.20. Wen das Gerüfle zu den Gewolbern vor- 
ber mit Schalen oder Brettern war geleget worden, 
fchüittete man, wie bei Grundlagen, Mörtel umd 


2). Cod. Theod. t.5. 1.14. üt.6. p. 184- 


Ass Baukunſt der Alten. 


kleine Steine Tufo, oder geſchlagene Ziegel, Te 
wie fie im Aufſchütten fielen, auf die Bogen bes 
Gerüſtes von Brettern, bis zu einer beſtimten Dike, 
welche in den diocletianiſchen Bädern an neun 
Palmen ift, und alsden trug man eine Lage von eben 
demfelben Mörtel darauf, um das Gewölbe oben 
glatt zu machen. Ein großes Gewölbe Fonte anf 
diefe Art durch eine Menge Menfchen in einem Ta _ 
ge geendiget werden. Diefe Art zu verfahren fichet 
man, wo die Befleidung abgefallen, oder die Ge 
wölber geftürzet find, am Coliſeo, in den Bädern 
des Titus, des Saracalla, des Dioeletianus, 
und fonderlich in den mweitläuftigen Trümmern ber 
Billa Hadriamt, mo fih noch die Lagen ber Bret- 
ter von den Gerüflen der Gemwölber zeigen. 


6.21. Diefer gefchwinde Weg zu mölben if iss 
sicht mehr gebräuchlich, fTondern Gewölber werben 
mit der Hand gemachet, aber noch allegeit mit Tu⸗ 
fo und Puzzolana. Die obere Ausfüllung aber, 
bis alles mit dem Nüfen des Gemwölbes gerade wird) 
gefchiehet muldenweis (a sacco), wie überhaupt bei 
den Alten. Vermittelſt des Mörtels fan man den _ 
Gemwölbern eine Form geben, welche man will, und 
es werden noch izo in Nom einige ganz platt ges 
machet, fo daß es faum gemwölbet fcheinet. Das Ge⸗ 
woͤlbe läffet man einige Zeit auf deffen Gerüfte leben, 
daß es fich fezen Fan. 

6, 22. Die Alten fucheten ihre Gemwölber, weil 
Se diefelben finrf macheten,, fo leicht als möglich zu 
halten, und diefes thaten fie auf zween verfchiede- 
nen Wegen. Der einewar mit Schlafen zu wöl- 
ben, welche von dem Berge Veſuvio famen, und 
man bat diefelben bei der vor ein paar Jahren vor 
genommen inneren Ausbeflerung des Pantheons, in 
den vertiefeten Seldern des Gewölbes bemerket. In 


or 


Fragment. 489 
ben Gewölbern der Bäder des Caracalla ſiehet 
man diefen Bomice fehr deutitäh. 

6.23. Vitruvius Meldet nichts von dieſer 
Art zu wölben; es gedenfet berfelbe mir im Vor⸗ 
beigehben der Schlafen bei der Stadt Pompeji am 
Fuße des Befunins, 1) welche in dem erfien bekañ⸗ 
ten Ausbruche diefes Berges unter dem Nero ver⸗ 
fchüttet wurde. Blinius meldet, daß diefe Schla- 
ten rötblich feten. 2) Bm den Mauern von ge- 
gedachter Stade fiehet man diefelben häufig, und es 
würden ſich auch in den Gewölbern Spuren davon 
finden, weñ diefelben durch. die Laſt der Afche ans 
dem Veſuvius nicht wären erdrüket worden. W alla⸗ 
dius iſt der einzige unter den Alten, welcher von De⸗ 
fen in Zimmern mit dieſen Schlafen geleget rebet. 3) 
Sn der Art, die Defen zu machen, Eomt diefer Seri⸗ 
bent mit dem Vitruvius völlig überein, 4) und 
jener ift von dieſem nur allein in dem Zuſaze ber 
Schlafen verfchieden; woraus zu fchließen if, daß 
folhe Defen zu des Vitruvius Zeiten noch 
nicht bekañt geweſen: den Palladius hat über 
hundert Jahre nach jenem gelebet, und es werben 
damals nad) dem großen Ausbruche des Veſuvius un« 
ter dem Titus, die Schlafen befanter, häufiger und 
gebräuchlicher geworden fein. Die Schlafen in dem 
Gewölbe des Bantheons zeigen alfo, daB daffelbe ent⸗ 
weder unter dem Kaifer Hadrian, oder unter dem 
Septimius Severus ausgebeſſert worden, weh 
che Kaiſer dieſen Tempel, da derſelbe im Feuer ger 
litten, wieder herſtellen laffen. _ 


ı) L. 2. c. 6. 
2) L. 36. c.23. [sect. 49.) 
3) De rerust. l. ı. © ı3. 
4) L. 7. 0.3. 


490° Bauxunſt der Alter. 


8.24. Gewölber mit diefen Schlafen geleget, 
find in Neapel gewöhnlich; in Rom aber iſt der Herr 
Sardinal Alerander Albant der eriie, und bis 
izo der einzige, welcher in feiner Vila zu Rom alfo 
gebauet bat. Man verfähret auf folgende Weife: 
Nachdem das Gerüſt zum Gewölbe angeleget if, 
wird der Bogen auf beiden Seiten (le cossie della 
volta), wie vorher gefaget, gemanert bis anf dag 
Mittel des Gemwölbes, oder deſſen Rüken; diefer 
wird mit Schlafen und Mörtel geleget, und diefer 
verbindet fih mit jenen, und dringet fie gleichfam 
durch A fo daß dergleichen Gewölbe kaum zu zerſtö⸗ 
ten iſt. 

$. 25. Der andere Weg, die Gewölber u er— 
leichteren, geſchahe mit leeren Töpfen von gebraitem 
Thone, welche mit der Ofnung hineinwärts, d. i. 
gegen das Innere der Gebäude zu, gefezet wurden, 
und auf und um Diefelbe herum wurden Fleine 
Steine und Mörtel mit Mulden geworfen. Diefe 
Töpfe ſiehet man häufig an den Gemwölbern eines be 
deleten Ganges im Cireo des Caracalla, oder 
wie andere wollen, 1) des Gallienus, auſſer 
Kom, imgleichen in den Vberbleibfeln eines alten 
Bades zu Piſa. Ariſtoteles faget auch, dag man 
leere Töpfe eingemauert babe, um in Gebäuden 
den Schall der Stimme zu verflärfen.D Inge 
‚bachtem Cireo iſt ein Echo, welches einen Vers drei- 
mal wiederholet. Dieienigen, welche van den Schale 
gefäßen in den Schnunläzen der Alten befonders ge» 
handelt haben, gedenfen der isdenen Töpfe in 
diefem Eirco nicht. ?) 

8.26. Mei die Grundfage des Gebäudes fick 


1) Fabretti, de Aquzduct. p. 166. 
2) Problem. I. 2. [scct. 2.] p. 93. edit. Sylburg. 
3) Cavaller. de Echeis. in Poleni Exercit. Vitruv. p. 283. 


Fragment. 491 


geſezet hatte, welches in ein paar Tagen geſchiehet, 
ſo wurde die Mauer aufgeführet, und von denſelben 
iſt erſtlich an ſich ſelber, und nachher von ihrer 
Brekleidung zu reden. Die Mauern von vierekichten 
Steinen, es ſet Tufo, Peperino, Travertino 
oder Marmor, wurden ohne Mörtel auf einander 
geleget, und halten fich durch ihre eigene Lafl. In 
ganz alten Zeiten wurden die größten Steine zu - 
Gebäuden gefuchet, und daher fam die Sage, daß es 
Werke der Cyklopen wären,i) und von den Städten: 
Argos und Mycend wurde es insbefondere gefaget:?) 
eben fo werden noch izo die Trümmer von dem 
Tempel des Zupiters zu Girgentt in GSicilien von 
‚den Einwohnern der Balaft der Rieſen genait. 3) 
Die Steine ind insgemein fo winfelrecht und fcharf 
-behauen , daß die Fugen derfelben wie ein dünner 
“Baden fcheinen, und diefes if, was bei eitigen 
Seribenten agmovwe beiffet, welche fonderlich an dem 
Dempel zu Tegen, vom Skopas gebauet, gerähmet 
wird; 4) an einem Tempel zu Cyzicum waren bie 


ı) Pausan. 1. 2. [c. 16. S. 4.] 


2) Eurip. Iphig. Aul.v. 152 et ı501. Jphig. Taur. v. 844. 
Troad. v. 1088. Herc. Fur. v. ı5 et 944. 


3) Fazell. Rer. Sic.Dec. ı. 1.6. p. 127. edi . Panorm. 1568. 
4) Pausan. 1.8. [c.46. 8.3 — 4] 


Die Überieser haben dieſes Wort am angeführeten Orte 
dureh Symmetrie gegeben; wir finden ed aber an deu 
mehreften Orten, wo ed beim Pauſanias vorkömt, 
von der genauen Fügung der Steine gebraudhet. 
Siege 1. 2. [c. 25. $. 7.) l. 9. [c. 33. & 4. 1. 32. c. 
39. $. 57.) Es war dieſes Wort in gegenwärtigen 
Verſtande gleichbedeutend mit dpzeyu und biefe beiden 
Worte werden mit einander verwechfelt, fo daß appıyn 


u von ber Harmonie gebrauchet wird. Binden 
ma 


492 Baukunſt der Alten. 


Eugen mit goldenen Leiſtchen beleget.) Sc 
mozzi gibt vor, und will bemerfet haben, daß die Stei- 
ne bes Eolifeo zu Nom an ihren äufferen Seiten nicht 
eher bearbeitet worden, bis fie ſelbſt auf beiden Sei⸗ 
ten genau eingefuget, im Werke geleget waren, umd | 
daß die auſſere Polirung alsdeñ allererſt gefchehen ! 
fei; daber, faget er, komme cs, daß die Bfeiler wie | 
aus einem einzigen Stüfe gemachet fcheinen. Sch 
- will ibm weder beipflichten, noch ihn miderlegen. 

6.27. Es ift befat, daß an andern Gebäuden 
die großen Steine auch mit eingelötheten Klammern 
innerhalb auf einander befefliget find, melche fon- 
derlich hun Marmor von Metall genommen wurden; 
den das Eifen verurfachet an demfelben Roſtfſeken. 
Diefes fiehet man am deutlichflen an der unteren 
Blatte eines Bilafters des Portieus von dem vermei⸗ 
neten Tempel des Serapis zu Pozzuolo, wo zween 
metallene Etäbchen (perni) hervorſtehen, anf welche 
die andere Blatte eingefeget war. Alberti bat 
auch fogenante Klammern oder Keile von Holz in 
alten Gebäuden gefunden, 2) und eben biefes hat 
Herr Le Roy in den Trümmern eines Tempels im 
attifchen Gebiete, 3) und einer meiner Freunde, Herr 
Nobert Mylne aus Schottland, an einem großen 
Steine vom gedachten Tempel des Jupiters zu 
Girgenti bemerfet. 

8.28. Die Stadtmauern aus großen Steinen 
wurden ebenfals ohne Mörtel nufgeführe. Ein 
befonderes Werk it ein Theil der Mauern um Fon⸗ 
bi im Rönigreiche Neapel: es beſtehet dieſelbe aus 
großen weiffen Steinen, deren Auffere ſowohl als die 
inneren Flächen glatt behauen find; aber fie ind 


ı) Plin. 1. 36. [c. 15. sect. 22.) 
2) Archit. 1.3. c. 11. p. 80. 
3) Monumens de la Gr&ce, P. ı. p. 4. 


Fragment. 493 


ale von ungleicher Korm, von fünf, fehs und von 
fieben Efen, und alſo find ſie in einander gepaifet. 
Man kañ fich davon aus der dritten Kupferplatte 
su dem Vitruvio des Herrn Marchefe Galiani 
einen Begrif machen, und aus einem Stüke der 
Mauer von der alten Stadt Alba, welde Fabretti 
bat in Holz ſchneiden laſſen. 1) 

"8.29, Eben diefe Arbeit fiehet man an Stüfen der 
Stadtmanerk zu Sori, zu Paleſtrina und zu Ter 
racina Gedachte Mauern der Stadt Alba geben 
zum Theil ſchräg (a scarpa) als Mauern von Baitio- 
nen in die Höhe, und dieſes find die einzigen 
Mauern diefer Art aus dem Altertume, von mel- 
chen ich Keñtniß babe. Diele Art, mit vielfeitigen 
Steinen zu bauen, batte die genaue Fügung derſel⸗ 
ben und die Fetligkeit der Mauern zum Grunde , 
fo wie die alten Römer in eben biefer Abficht ihre 
Straßen mit vielfeitigen Kiefeln pflaſterten; es iſt 
keiner von denſelben vierſeitig. 

8.30. Auf eben dieſe Art waren die Mauern um 
Korinth und um Eretria in Euböa gebauet, von 
welchen der berühmte Baumeifter Siuliano Sans* 
sallo, wie von denfelben zu feiner Zeit noch die 
Spuren waren, tn defien Zeichnung auf Bergamen 
in der barberinifchen Bibliothek die Form und. eine 
gefchriebene Anzeige gibt; er bringet auch jenen 
ähnliche Mauern einer von ihm genaiten Stadt 
Dfia, in Epirus, bei.2) Sch Habe von diefen 


ı) De columna Traj. c. 7. 

2) Es find diefe Zeichnungen in groß Zoliv, und im Jahr. 
ve 12465. yemachet, und haben folgenden Titel: Questo 
Jibro & di Giuliano Francesco Giamberti, Architetto, 
nuovamente da Saugallo chiamato, con molti disegni 
misurati e tratii dalio antico cominciato A. D. N. S. 
MCCCCLXVinRoma. In der corfinifhen Bibliothek 
su Rom befindet fich die erſte und feltene Ausgabe des 


194 Baukunſt der Alten. 


Mauern bei Gelegenheit eines geſchnittenen Steins 
in dem ſtoſchiſchen Muſeo geredet.!) Eine Stadt⸗ 
mauer von folhen Steinen iſt auch auf der Säule 
des Traianus vorgeſtellet. Esift auch hier ein Thor 
der uralten Stadt Tarquinia anzuführen, - welches, 
nebft einem Stüfe der Stadtmauern, ans: großen 
aber viereficht gehauenen Steinen aufgeführet if. 
Das Merkwürdigſte an demfelben find bie.und da 
kleine Züfen, welche mit Stüfen von Biegeln gefüllet 
find, wo nämlich. der Stein brüchig geweien. Cben 
diefes babe ich fogar an dem alten Platter der au 
reliſchen Straße in Tofcana bemerfet, wo zwifchen 
einigen Fugen der großen Kiefellleine Stüfe von Zie⸗ 
geln hineingeleget find. Sonſt if von der Stadt 
nichts übrig als der Name; den die Gegend .beiffet 
noch izo Tarquene,und iſt zwo Miglien von Corneto. 

6.31. In Bogenwerken, an Waſſerleitun⸗ 
gen, Brüken und Triumpbbogen wurden die 
Steine keilförmig gehauen, welches Perrault, ohne 
Nom geſehen zu haben, hätte wiſſen können, damit er 
nicht behaupten wollen, die Alten hätten dieſe Art, 
Die Steine zu bauen, welche feine Nation la coupe 
des pierres nennet, nicht verflanden, und daß fie 
Daher feinen Bogen von Steinen, fondern nur von 
Ziegeln machen können. I Es hat fich, derfelbe 
nicht erinnert, daß Vitruvius ſelbſt von Bogen 
aus Feilförmigen Steinen bandelt. ?) Berner leget 
er feinem Abaten in den Diund, daß diefe Unge⸗ 


Bitruvins in Auarto von Sul picius herausgegeben, 
wo auf dem Rande die Zeichnungen von eben dieſem 
Baumeifter zu Erklärung dieied Ecribenten, nebft deſſen 
Gloſſen, gefeset find. Win ckelmaũ. 

1) [2 81. 13 Abth. 979 N. 

e) Parall. des anc. et modern. t. ı. p. 171. 

3 1.6. c. 11. 


. 


Fragment. . 495 


fchiflichkeit der Alten Urſache fei, daß man Archi- 
traven aus Steinen machen müßen, welche von e i⸗ 
ner Säule bis zur andern gereichet, und weil man 
die Steine nicht allezgeit von einer erforderlichen 
Länge gehabt, daß man daher die Säulen enger zu 
fezen genöthiget geweſen. Dieſes iſt eben fo falfch, 
als das vorige: den an einem Reſte eines der Alte 
fien Gebäude in Rom auf dem Campidoglio, an 
der Wohnung des Senators, welches für das chema- 
Jige Tabularium oder Archiv gehalten wird, fie 
het man von einer Dorifhen Archit rave den unte⸗ 
ren Balken übrig, an welchem die ſogenañten Tro⸗ 
vfen hängen, neb acht dorifchen Kapitälern. Der 
Raumzwiſchen zweien berfelben zeiget an, daß ein Kapi⸗ 
täl feblet, nnd daß derfelben, fo meit die Architrane 
fchtbar if, fechzeben fein müßten. Diefer Bal- 
ten tft aus Heinen Steinen, etwa von zween Pal- 
men ein jeder, zufammengefeget, welche gehauen 
ind, wie es 150 gefchehen würde in gleichem Falle. 

8.32. Die Mauern von Fleinen Steinen wur- 
den insgemein mit keilförmig gehauenen Stüfen 
Zufo, deren Fläche vierefiht ift, und zumeilen mit 
eben ſolchen Kiefelfteinen beleget und gefüttert, und 
diefe Art heiſſet bei ben Alten opus reticulatum, 
meil die Lagen diefer Steine nach Art des Geſtriks 
eines Nezes geben. Dieienigen, welche dieſe Ause 
fütterung als lange Würfel vorſtellen, irren fih.1) 
Vitruvius behauptet, 2) daß dergleichen Mauer 
werk nicht dauerbaftig fei; es haben fich aber gleich- 
wohl ganze Gebäude, welche völlig fo gemauert find, 
erhalten, wie unter andern die fogenaite Billa des 
Mäscenas zu Divoli iſt, der Reſt von dem vermeine⸗ 


1) Alberti dell’ Archit. 1.3. c. 9. p. 77. Perrault 
hat ed aus jenem genommen. Winckelmañ. 


a) L. 2. c. 8. 


496 Baufunft der Alten. 


ten Tempel des Herkules dafelbik, die uͤberbleibſel 
von ber Billa des Lucullus zu Frafcati, und gro» 
fe Stüfe Mauern von der Billa des Domitianus 
zu Caſtel Gandolfo, in der Vila Barberini, zeigen 
können. Inder Billa Hadriani find noch ganze 
Gebäude fo gemanert übrig, und die Waflerleitung der 
verfisreten Stadt Minturnum am Fluffe Liris, izo 
Garigliano, welche fich über eine Migkie erfirefet,. 
ift ganz und gar mit fo gehnuenen Steinen ausge⸗ 
leget. Auf eben diefe Art find auch die uralten 
betrurifchen Grotten bei Corneto ausgemauert. In 
andern Ländern aufier Stalien befinden fi mehr 
Überbleibfel . von diefer Art Mauermerfe. 1) Diefe 
Mauern aber waren, auffer an Waflerleitungen, alle 
befleidet, fo künſtlich diefelben auch immer geleget 
fein [mochten], und viele mit dreifachen Lagen von 
Kalt und Gyyſe, wie fih an den Gebäuden zeiget. 
8.33. Was die Mauern von Biegeln betrift, 
fo find fie erfilih an ſich ſelbſt, und hernach das 
Ubertünchenoder Übertragen derfelben zu betrach- 
‚ten, wohin auchdie Fußboden gehören. Es find eini⸗ 
ge der ungegründeten Meinung, daß die Mauern aus 
Biegeln von fpäteren Zeiten der Nömer find, und 
in diefe Meinung gehet Nardini binein,2) wei. 
er von der vermeineten claudifchen Waflerleitung 
innerhalb Nom, wo diefelbe von Biegeln, wie auffer- 
balb Nom von Peperino iſt, glanbet, daß jene an» 
fänglich ebenfalls von diefer Art Stein aufgeführet 
worden, und nur hernach in dem Verfalle der rö⸗ 
mifchen Macht mit Ziegeln überzogen worden; wel⸗ 
ches gleichwohl der klare Augenfchein widerleget. 
Es fezet derſelbe eine größere Pracht in denen vom. 
Stein aufgeführten Bogen, als in denen von Zie⸗ 


ı) Burmann. Syllog. Epist. t. 2. p. 191. - 
2) Rom. ant. 1.8. e. 4. p.5ı7. edit. 1704. 


Fragment. 497 


geln, worin er ebenfalls irrig iſt: den bie Arbeit 
von Biegeln iſt koſtbarer, ſchöner und dauerhafter, 
und die praͤchtigſten Gchäude in Nom Maren von 
Kiegeln. Gewiß iſt, daß die Wafterleitungen aufler Nom: 
fowohl aus der Zeit der Nepublif als der Kaifer, von 
großen Steinen find; wen aber unter den Kaifern 
ein neuer Waflergang über eine alte Wafferleitung 
angeleget worden, ift derfelbe von Ziegen, wie fich 
an dem zweiten und obern Gange der marcifhen 
Wafferleitung zeiget. Überdem unterfcheidet fich ein 
Gemäner von Biegeln aus der Zeit der Nepublif 
und der eriten Kaiſer von jedem in fpäteren Zeiten 
gemacheten Gemäner. 
$. 34. Die Mauern von den großen Gebäuden der 
NRömer find nicht durchaus von Biegeln, fondern 
nur mit denfelben gefüttert, und muri a cortina, Wie 
man 150 redet. Das Sinwendige derfelben ift mit 
Heinen Steinen, Scherben und dergleichen und mit 
Mörtel ausgefüllet, fo daß. vom Mörtel allegeit das 
Drittheil mehr if. Diefe Art zu mauern iſt in 
Rom und überhaupt in Stalien nicht mehr üblich; 
vernuthlich aber fchüttete man zwiſchen zwo Lagen 
von Brettern Steine und Mörtel hinein; die Bret- 
ter wurden nachher meggenommen, und man fütterte 
die Mauern auf beiden Seiten mit Biegeln. ben 
fo wird noch izo zu Meb in Lothringen gemauert, 
welches vermöge ber puzzolanhaften Erbe gefchehen 
fan; nur mit diefem Unterfchiede, daß dafelbit die 
geſchwinde aufgeführeten Mauern nicht, wie bei dem 
Alten, mit Biegeln pflegen gefüttert und beleget zu 
werden. Vitruvius nennet diefe Art Emplek⸗ 
ton;1!) er redet aber nur von Dlauern von Steinen, 
nicht von Ziegeln, welches offenbar iſt, daer, nach 
geendigter Befchreibung derfelben, von Mauern ans 


1) L.2. e. B. 
91° 


t 


198 :  Vaufanft der Alten. 


Ziegeln insbeſondere zureden anfängt, mo er die 
fer Art nicht gedenfet. noch deffen Ausleger. Es tft zu 
merfen:, daß die Buzzolana zu diefem Mauerwerke 
nicht gefiebet wurde. - Auf diefem Wege zu bauen, 
waren die NRömer im Stande fo ungeheure Mauern 
aufzuführen, welche an 9 bis 13 Palmen dik find. 
Man hat unterdeffen auch in neueren Zeiten derglei- 
hen Mauern, und zwar von ganzen Biegeln aufges 
führet, mie diejenige if, auf welcher die Eupola von 
St. Beter zu Nom ruhet, und 14 Balmen dik ift. 

6..35. Don folcher Arbeit fcheinen die Mauern 
zu Babalon geweſen zu fein: den das Wort auuacın 
beim Herodotus, ) welches andere agzedır erflä- 
ren,?) deutet auf diefelben. Es fonten Feine Mauern 
- fein, wie fih Herr Weffeling diefelben vorfiellet, 3) 
von über einander geworfenen Steinen, for 
dern fie werden, wie bei den Römern, mit ordentlich 
gelegeten Ziegeln gefüttert gewefen fein. Mitge 
fhliffenen Ziegeln waren in Nom, unter andern 
Gebäuden, die Mauern des halben Zirfels von den ſoge⸗ 
nanten Bädern des P. Amilius, und die Mauern 
des Thenters der Stadt Minturnum, an dem 
Fluffe Liris, izo Sarigliamo, beleget und gefüttert. 
Diefe Mauern find nochizo fo fchön und fcheinen als 
wen fie Fürzlich gemacher wären. Aus gefchliffenen 
Biegeln find auch in neueren Zeiten Kirchen und 
Palaͤſte in Rom aufgeführet; es find auch die äuſſe⸗ 
ren Mauern des Palafies der Herzoge gu Hrbimo 
aus foichen Ziegeln. +) Diele Ziegel, welche zu 
Mauern und nicht zu Fußboden dienenfollen, wer⸗ 


1) L. 1. c. 180. 

3) Eustath, ad Odugr. Z. XVII. p. 1852. 

3) Dissert. Herodot. p. 43. 

4) Meworie d’ Urbino , Roma, 724. fol. €. 3. 2. 46. 


Fragment. 499 


den an beiden Enden breiter als in der Mitten ge⸗ 
machet, damit man fie faſt ohne Mörtel auf einan⸗ 
der legen könne: ben der Mörtel wird innerhalb, 
wo die Siegel nicht fchließen, geleget. Daher ger 
fchiehet es, dad an Mauern von gefchliffenen Ziegeln 
die Fugen zwifchen ihnen faſt unmerflich find. 

6.36. Es iſt befant, daß die Biegelbrenner 
ibren Namen auf großen Ziegeln mit einer Form 
eingedrufet , und es findet fi von denen, . welche 
drei bis vier Palmen lang und eben fo breit find, 
felten einer ohne eingedruften Namen des Meiſters. 
Zumeilen iſt auch zu dem Namen deffelden der Na- 
me des Herrn gelezet, dem fie dieneten. Philan⸗ 
der redet von folchen Ziegeln, mo zu dem Namen 
des Ziegelmeiſters gefeget war, daß er dem berühm⸗ 
ten Afinius Pollio gedienet,!) und dergleichen fi 
den fich mehrere angemerfet. 2) BZumeilen ift auch 
das Confulat, unter welchem die Ziegel gemachet 
worden, eingedrufet, wie ich verfchiedene derfelben 
gefehen, welche in der Billa des Seren Cardinals 
Alexander Albani vermauert worden. 

6.37. Weñ ein Gebäude gegen die Anhöhe 
eines Berges, oder font an ein erhabenes. Erdreich 
aufgeführet wurde, 309 man, die Feuchtigkeit ab- 
zubalten, dopelte Mauern, fo daß zuweilen zwifchen 
beiden ein flarfer Span Raum blich. Diefes ſiehet 
man am beutlichiten an den hundert erhaltenen Ge⸗ 
wölbern in der Dilla Kaiſers Hadriani bei Ti⸗ 
voli; Daher diefe Gewölber noch izo fa trofen find, 
daß das Heu viele Jahre in denſelben Tiegen Fat, 
Einige diefer Mauern find innerhalb mit folder 
Sauberkeit geleget, und ihre Fläche ift fa glatt, dag man. 


1) Annotat. in Vitruv. 1.2. c. r. p. 47. 
2) Falconieri, Leit. sopra I’ 


Iseriz. d’un mattone, giunta 
alla Roma del Nardini. — A ee 


300 Bankunſt der Alten. 


Behet, die Abficht fei gewelen, das Anhängen der Feucdh⸗ 
tigfeit zu verhindern. Diefes dienet zur Erläuterung 
defien, was Bitruvins davon Ichret.!) Perrault 
bat fich unter diefer dopelten Mauer mer weiß was für 
ein Werft mit vielen Sanälen ober Ninnen vorge 
fiellet. 2) An anderen Gebäuden aber, die frei ſte⸗ 
ben fonderlich in gebachter Villa, finden fich den- 
noch dopelte Mauern , aber der Smwifchenraum if 
etwa nur zwei Finger breit. Sn den Bädern des 
Ditus find folche Mauern etwa drei Zolle von ein. 
ander. Die St. Betersfirche hat ebenfalls dopelte 
Mauern, aber fo, daß zween Berfonen bequem zwi⸗ 
fhen beiden, um die ganze Kirche, unten ſowohl 
als zu oberſt, geben können. 


6.38, Weñ aber an dem Abhang des Erdreiche 
aufgeführete Gewölber ohne dopelte Mauern find, 
fo baben dieſelben Feine andere Abficht, als eine 
gleihe Höhe mit dem erhabenen Erdreiche zu ge- 
winnen, unb auf folche Gewölber wurde das Gchäude 
aufgeführet, welches an den Gewölbern unter dein 
fogenanten Tempel der Sibylla zu Tivoli augen: 
fheinlih if. Es hießen diefelben substructiones, 
und wen Kicero, in der Rede für den Milo, im- 
manes substructiones der Billa Claudii anführet, fa 
meinet er folche Gewölber. 


. 6,39, Eine andere Hrfache dopelter Mauern 
mar, fich wider den Wind zu verwahren, tmelcher 
bei den Griechen Ay, bei den Römern Africus, und 
{50 seirrocco heiſſet. Diefer Wind köm̃t aus Afrika, 
wie bekañt if, und herfchet ſowohl über die Küften 
von Stalien als von Griechenland: er iſt Thieren, 
Gewächhfen und Gebäuden ſchädlich; den er führet 


ı) L.9. c. 4. 
») Ad Vitruv. L e. 


Fragment. 501 


ſchwere, dike und feurige Dünſte mit ſich, ſonderlich 
wo derſelbe über ſtehende Sümpfe hinfährt; er ver⸗ 
finſtert den Himmel, und verurſachet daher eine 
Entfräftung in. der ganzen Natur. Zu Methana in 
Griechenland riß man einen Hahn lebendig von 
einander, und es liefen zwo Berfonen mit diefen 
Sälften um ihre Weinberge herum, in dem Aber⸗ 
glauben, daß diefes.ein Mittel fei wider dieſen 
Wind, welcher ihren Wein verwelfen machete. 1) Es 
zermalmet derfelbe Eifen und andere Metalle, und 
eiferne Gegatter an Gebäuden. am Meere müßen von 
Beit zu Zeit erneuert werden, wozu die falzige 
Meerluft auch nicht wenig beiträgt. Das Blei auf. 
der Supola der St. Peterskirche in Rom muß alle 
schen Sabre theils umgeleget, theils ausgebeflert wer⸗ 
den, weil es von diefem Winde zerfrefien wird. 
Wider den Einfluß diefes Windes baueten die Alten 
gegen die Mittagfeite ‚vielmals mit dopelten Mate 
ern, doch fo, daß mehr Raum blieb, als mo Bie 
Mauern blos wegen der Feuchtigkeit bopelt waren; 
man ließ einen Raum von etlichen Fuß breit. Dies 
fes hat der Herr Gardinal Alexander Albani in 
einem feiner prächtigen Zuftbäufer zu Caſtel Gandol⸗ 
fo nachgemachet. 

8.40. Bu Aufhebung großer Laſten beim 
Bauen bedienete man fich unter andern eines Rades, 


innerhalb welchem Leute liefen, wie dergleichen aaf 


einer erhobenen Arbeit vorgefiellet iſt, welche auf 
dem Marfte zu Capua eingemanuert fiehet. 2) - 

8.41. Bon ber Bekleidung ber Mauern if zu 
merfen, daß diefelben an Öffentlichen prächtigen 
Gebäuden mit gleicher Sauberkeit geleget wurden, .. 
be mochten betragen werden oder nicht, und wei 

ı) Pausan. 1.2. [c. 34. 8. 3.] 


2) In Mazzocchi Amphit. Campanim. [pt unter Numero 
11 ber Abbildungen.) 


502 Baukunſt der Alten. 


die Bekleidung abgefallen ift, fiehet die Mauer ang, 
als men fie gemachet worden, bEof zu erfcheinen. 
Dieſes gilt auch von Mauern von Biegeln , die mit 
marmornen Blatten beleget waren, wie an dem 
Borfprunge des PBorticus am Pantheon Das 
Beträgen der Mauern gefchahe mit mehr Sorgfalt 
als izo; den es wurdebisan ſiebenmal wicderholet, 
wie Vitruvius angeiget, 1) jeder Auftrag dicht 
gefchlagen , und zulezt mit gelloßenem und fein ge- 
fiebetem Marmor überzogen; eine folche Bekleidung 
iſt dennoch nicht über einen Finger dif. Es war 
Daher eine übertünchete Dauer fo glatt als ein 
Spiegel, und mian machete Tifchblätter aus folchen 
Stüfen Mauerwerk. Sn den fogenaiten Sette 
Sale, oder in dem Waflerbebälter der Bäder des 
Titus zu Rom, und im der Piſcina mirabile 
bei Baia, welches ebenfalls ein Waſſerbehälter war, 
it man nicht im Stande, von den Wänden und 
Bfeilern die Bekleidung abzufchlagen, fondern fie if 
fo ‘hart als Eifen, und glatt mie ein geglätteter 
Spiegel. In geringeren Gebäuden oder in Grab«- 
mälern, wo die innere Seite der Mauer nicht mit 
gleicher Sauberfeit gezogen iſt, finder fich die Be⸗ 
Heidung an zween Finger dik. Auſſerordentlich iſt 
die Nachricht, welche Santes Bartoli von Zim⸗ 
mern gibt, deren Wände gang mit dünnen Eupfer- 
sen Platten beleget waren,2) fo wie es der Tempel 
des Jupiters zu Antiochia mit vergoldeten Ble⸗ 
chen war. 3) _ Diefe Simmer wurden zu beflen Zeit, 
das ifl, zu Ende des vorigen dahrhunderte, ohnweit 


»)] L. 7. e. 3. 

2) In deſſen Nachrichten von entdeketen Alterii« 
mern, welde unter andern zu Ende der Roma antica 
e moderna augehänget find. Windelman. 

3) Liv. 1, 41..c. 25. 


Fragment. 503 


Marino bei Kom, entdeket, an einem Orte, mel 
cher ehemals ad Bovillas, und izo alle Fratocchie 
heiſſet, wo die berühmte Bergötterung des Some 
rus, im Balafle Co lonna, gefunden wurde, und man 
glaubet, daß ebendafelbit eine Vila Kaifers Claw 
dius gewefen fei. 

$. 42. Eben fo befonders war die Bekleidung 
der Mauern mit difen. Tafeln von Glas, in einigen 
Zimmern der Villa Kaifers Antoninus Pius bei 
Lanuvium, izo Citta Lavinia, welche der Herr Cam 
dinal Alerander Albani im Nachfuchen. unter 
dieſen Trümmern entdefete, und diefes waren viel 
leicht Spiegel. Von einem folchen immer meldet 
auch Vopifeus.1) Georg Fabricius behaup⸗ 
tet, daß inden Bädern des Agrippa Bogen nebfl 
Fußboden von Glafe gemefen, 2) welches man an ſei⸗ 
nen Drt geitellet fein läſſet; was er felbft gefehen, 
waren kleine Stüken Blag, welche daſelbſt ausge⸗ 
graben worden. 

5.4. Der Fußboden in Bädern und anderen 
Gebäuden wurde zumweilenvon Kleinen Ziegeln geleget, 
welche fenfreht anf ihre Schmale Seite gefeget 
find, und ‚war ſo, daß fie Winkel mit einander 
machen , fo wie noch izo gebräuchlich iſt, und alle 
Straßen zu Siena und in allen Städten des Stant# 
von Urbino find auf folche Art mit Ziegeln gepfla⸗ 
tert. Sa dergleichen Blatter war ehemals ın dem 
neuen Rom, und auch zu Florenz bis in's dreis 
jehente Jahrhundert, 3) da man anfing, die Straßen 
in diefer Testen Stadt mit großen breiten Kicfel- 
fleinen zu belegen. Man nennet dergleichen Arbeit 
a coltello, oder auch spina pesce, von der ähnlich. 


1) Salmas. in Vopisc. p. 4. 43. b. 
x) Rom. p. 210. 
3) Baldinucci, Notizie.. de’-Profess. del disegno. t. 1. p. 3a. 


304 Banfunft der Alten. 


keit mit der Richtung der Fifhgräten, und die Af- 
ten opus spioatum, weil die Biegel liegen wie Körner 
an einer Kornäbre, welches Perrault nicht 
verfianden hat, wie bereits anderwärts bemertet ifl.1) 
fiber diefen Grund wurde ein Mörtel mit geſtoße⸗ 
nen Ziegeln geleget, und über dieſe Lage vielmals ein 
Mufaico von kleinen weiſſen würfelichten Steinen geſe⸗ 
zet. Hier iſt zu merken, daß die muſaiſchen Arbeiten 
ber Alten nicht aus lauter harten Steinen beſtan⸗ 
den, wie man insgemein glaubet und fchreibet, fon- 
bern fie nahmen dazu auch Glas von allerhand Far- 
ben, wie man izo arbeitet. So fiebet man es noch 
izo in der Billa Hadriani bei Tivoli. Die Alten 
hatten unter ihren Leibeigenen auch Leute, bie be 
fonders allerhand Arten von Eflrichen zu arbeiten 
verilanden, welche pavimentarii hießen. 2) Der ganze 
Boden des berculanifchen Theaters (oder die Cavea, 
Barterre, wie wir es izo nennen) War aus großen 
Tafeln von Giallo gepflaftert, in in der Billa Had⸗ 
riani war ein Teich von... . Balmen in der Länge, 
und von... .in der Breite, mit eben diefem Mar⸗ 
mor ausgeleget, An demfelben fanden fich viele 
Köpfe der Sammlung des Cardinals Bolignar. 


8. 44. Das dritte Stüf diefes. erfien Kapitels, 
welches von der Form der Gebäude und von den 
Thbeilen derſelben handelt, bat natürlich zween Theile. 
Das erfie Theil begreifet die bürgerlichen Wohnun- 
gen und die öffentlichen Gebäude in fih, und weil 
on Wohnungen nur in der Zeit, wo bie Pracht 
überband nahm, Säulen angedracht wurden, fo gc- 
böret dasjenige, was von bdiefen insbefondere zu 


ı) M. de la Bastie, Remarg.sur puelq. Inscr. antiq. dans 
les Mem. de l’ Acad. des Inscr. t. 14. p.420. edit. Par. 


2) Vulpii Tabula Antlana, p. ıB. 


Fragment. 505 


merken If, zu den öffentlichen Gebäuden, und vor 
nehmlich zu-den Tempeln. 


8.45. Von der Form und Anlage bürgerlicher 
Häuſer fan ich aus den Entdefungen der durch den 
Veſuvius verfchütteten Städte einige Nachrichten 
mittheilen. Es waren die Wohnungen dafelbft 
mehrentheils in’s Gevierte gebauet, fo daß fie einen 
inneren Hof (cortile) einfchloßen, um welchen herum 
die Zimmer gingen... Sn diefem Hofe der gemeinen 
Kohnungen war oben ein breiter Vorfprung von 
Brettern gemachet, um unter demfelben vor der 
Traufe bedefet zu gehen, fo wie auch im alten Rom 
die Traufen an den mehreflen Häufern, nach dem 
Bitruvius, von Brettern geweſen fein müßen. 
Ein folcher Hof hieß daher impluvium, von vu $esov 
irasIgov, unter freiem Simmel. 


6.46. Der Haupteingang eines Palaftes von der 
alten Stadt Stabin führete in einen Flur (vestibulum), 
welcher insgemein rund war, wie derfelbe in dem 
Balalte des Diocletianus zu GSpalatro iſt, wo 
das Licht von oben in denfelben fiel. Sn jenem 
war eine vierfeitige Eifterne, deren Dach auf vier 
Säulen ruhete. Von bier ging man in die Stu—⸗ 
fen, die aber nicht in gerader Linie auf den Ein- 
gang fließen, fondern feitwärts maren. Um die 
Stufen war ein Waffercanal geleitet. Aus dem 
Veſtibulo ging man in das Atrium, welches der ge- 
räumigſte Saal in dem Palaſte der Alten war; und 
fo wie jenes, das Veſtibulum, den Göttern gewid⸗ 
.met wurde, fo war diefes mit den Bildniffen der 
Voreltern ausgezieret. An dem diocletianifchen 
Atrio ging man in den Kryptoporticus, welcher 517 
englifche Fuß lang war, nach den neueflen Ent- 
defungen des Herrn Adams. Längs dem Atrio 
waren bier auf beiden Seiten fchmale Gänge, wel⸗ 

Winckelmaũ. 2, 22 





506 —Baukunſt der Alten, 


che andrones und fonderlih mesaule hießen, und 
Diefe waren ebenfalls von der Defe ber erleuchtet. 
6,47. Dasienige Luſthaus oder Billa im alten 
Herculano, mo die alten Schriften gefunden find, 
ſchloß einen großen Teich ein, welcher 252 neapel- 
fche Palmen lang und 27 breit war, und an beiden 
Enden war berfelbe in einem halben Zirkel gezogen. 
Aund umher waren Gartenflüfe, und diefer ganze 
Plaz war mit Säulen, von Biegeln mit Gyps über- 
tragen, befeget, deren 22 an der längſten Seite und 
10 in der Breite flanden. Oben aus diefen Säulen 
singen Balfen bis in die Mauer, die um den Gar- 
ten gezogen war, und diefes machete eine Laube, 
fo wie es noch iso um Neapel in der Campania Fe 
liee gewöhnlich ift. Unter der Laube auf einer Seite 
waren Abtheilungen zum Wafchen oder Baden, eine 
halbrund, die andere winkelicht, wechfelmeife. 


Anhalt Des zweiten Bandes 


Schriften überdie herculaniſchen Ent 
dekungen. 


Seite. 

Briefe an Bianconi .. .. 52114 
Nachrichten von den alten Haͤndfchriften, die 
ſich in dem föniglichen Mufeum zu Bortich 


befinden . . 7 


Nachricht von den Säufern der Alten, und ber 
fonders denen zu Serculanum . . 29 

Nachricht von den berculanifchen Gemälden . . 45 

Nachricht von den Bildſaulen von Bronze zu 


Hereulanum . . 59 
Nachrichten von den marmornen Bildfäulen | 

zu Herculanum . « 64 
Nachrichten von andern beträchtlichen hercula⸗ 

niſchen Altertümern . . 69 


Nachrichten von einigen Altertümern von Bom- 
peji, Stabia, Päſtum und Caſerta ..79 
Nachrichten vom königlichen Muſeum auf Capo 
di Monte in Neapel, und der Bibliothek 
von ©. Giovanni Carbonara . . 86 
Nachrichten von einigen in Yom und den ums 
liegenden Gegenden nusgegrabenen Altertü- 
men . 90 
Sendfchreiben von den herenlanifchen 
Entdefungen, an den Neichsgra— 
ven von Brühl . . >... 115 — 234 
Nachrichten von den neueſten hereu⸗ 
laniſchen Entdekungen, an Herrn 
Heinrich Füeßly in Bürih . 135 — 300 


— —— —— — — * 


| 308 Inhalt. 


Scite. 
Anmerkungen über die Baukunſt der 
alten Tempel gu Girgenti in Eict 
lien .. . . 301 — 339 
Anmerkungen über bie Baufuni der 
Alten. 2 2 2 2 een.» 331 — 471 
Vorberichttt333 
Snhalt .. ee. een. 349 
Erftes Kapitel. "Bon dem Wefentlidhen , 
der Baufun > 2 2 2 31 
Zweites Kapitel. Bon der Zierlichfeit in 
der Baufun . - - » 441 
Fragment einer neuen Bearbeitung 
der Anmerfungen über die Bau 
kunſt der Alten. - - 0.2. 43 — 506 


| PBelage 
ans Erd As zwedtere PBarsdas von 
Iohar Wircketmans sämtlichen 


Nisnerot. 
A,A,N,M, 
Momero2. 
KAVAO, 
Neesmero 3. 
KAVAO, 


ı VUrMErOA. | AukTrToic | 
HREIAC TOANHO OYKOYNAHNO 
- TETHPTOPIKHL KÄLATNA.UE 
| Nirmero 5. 








JIINY. AVNNIT. 


Numerog. 
SER] DIE]S 


IIIIIVIIMI 


®, D, e, &, N, I, p, —XX 


Numero 13. 


SIOKXHT. 





NE ÜUINEIO IA. 


ATo 
HREIAC TOAAHC OYKOYNAHNO 


TE THPTOPIKHL KÄLATNAUULEI 


MNmrero 16. 
- DIVD/’NMTCOLVIMATIERM:DEDIT: 


Auf derandern Seite der Name das Kiinstlers: 


NOMOSPLMVOS MED.ROMMI-FECID 





EL 


105 005 L£09 6 





DATE DUE 





STANFORD UNIVERSITY LIBRARIES 
STANFTEN. CALIFORNIA 94305 


I